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Full text of "Deutsche Bauzeitung"

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DEUTSCHE 
BAUZEITUNG 

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JJrittrrtüti ünibcrsitii. 




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DEUTSCHE 

BAUZEIT UN 6. 



ORGAN DES VERBANDES 

DEUTSCHER 
ARCHITEKTEN- UND INGENIEUR- VEREINE. 

REDAKTEUR K. E. 0. FRITSCH. 



SECHSTER JAHRGANG 

1872. 



BERLIN 

KOMM ISSIONS -VERLAG von CARL BEELITZ 

0RAN1EN -STRASSE N« 101. 

T 

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INHALTS-VERZEICIINISS. 



I. Allgnela« ln;fle?fnhfittn des latTathti. 



Bauverwaltung und Unterricht, persönliche VerhiltniJie dar 
Baute ehniker. 

Das Preussischo Staatsbauwesen . . 282. 222. 301 222. 822. 382 

aas. ML 112 

Agitation für Trennung dos Baufaches in Prcusscn L42 

Schreiben des Ausschusses der Studircndcn der Bauakademie 163 
Zur Frage der Gchaltsverbcsscrung der Preussischen Bau- 

bearaten ZI 

Die ßerathuug über den Etat des Handelsministeriums im 

preussischen Abgeordnetenhaus? 23. 3Ü 

Organisation des Laudstrassenbaucs in der Provinz Hannover LLLL 
Vorschriften für die Verdingung von Lieferungen und Ar- 
beiten für Preussische Staatsbauten 225 

Prfimienertheilung an Preussische Bauführer H>6 

Die Konigl. Polytechnische Schule in Hannover 21Ü 

Frequenz der Konigl. bayr. polytechnischen Schule in Mün- 
chen im Winter- Semester 1871/72 2 

Frequenz des Polytechnikums in »ieu 382 

Die neue Organisation des Staatsbauwesens in Bayern ■ ■ ■ 30 

Die Stellung der Badischen Staats-Baubeamten IS 

Die Organisation des Bauwesens in dem Beichslande Elsass- 

Lothringen 63 

Eine neue Bauordnung für Berlin. (Nachtrae) 25* 31 

Wiederum eine gerichtliche Entscheidung über Honorar für 

architektonische Arbeiten 31L 220 

Ueber Fensterrecht Zit 9B 

Für Erlass eines deutschen l'atcntgcseUes 205. 223. 

Ausstellungen. 

Aufruf au die Architekten Norddeutschlands in Bezug auf 
die Wiener Weltausstellung 132 

Die Wiener Weltausstellung des Jahres 167:: 2. 142. 142 

Die Ausstellung kunstgewerbl. Gegenstände im Küuigl. Zeug- 
hause zu Berlin 226. 322. 330 

Eine permanente Ausstellung moderner kuustgewerbl. Arbei- 
ten_ des In- und Auslandes ZI 

Aus Kopenbagcu und der nordischen Industrie- und Kunst- 
ausstellung , . . 221 282 

Bau-OeweTt». 

Zum Schutze gegen die Arbeitseinstellungen der Bauband- 
werker 123 

Zur Frage der Scbutzmuassrcgelu gegen diu Arbeitseinstel- 
lungen der Baubandwerkcr GS, üL 102. 126 

Arbeitseinstellungen der Berliner Baugewerkc HL 132. 140. 143 ! 

Arbeitseinstellungen der Handwerker in Hamburg und Kö- 
nigsberg 112 

Der Regiebau, als Mittel zur Hobuug des Haugewerkea . . . 352 i 

Der Prozess wegen des Uausciusturzes in der öranieustnissu 

zu Berlin 51 l 

Haan und Gewicht 

Die internationale Maa»s- und Gewichts-Kommission 3M 

Die Einführung des metrischen Maass- und Gewichts -Sys- 
tems in Oesterreich 22 

Das Kubikmeter als Kinheitsuiaass, insbesondere für llolz- 
bereebuungen 12 

Neue Vereinbarungen über die Einführung des Meteruiaasses 
im Handel mit Bauhölzern *2Z 

Vorschlage zu Bezeichnungen für das .Hundertstel- des 
Kubikmeters S 

Zur abgekürzten Bezeichnung der metrischen Maasse uud 
Gewichte 282. 206 



Baumaterialien, 



Brennofen für Thonwaaren mit Gasfeuerung und kontinuir- 

licheni Betriebe lü. 15L Iii 

Der Hoffmann'sche Ringofen und die prcuBsische Patent- 
Kommission 82. 22. Uli 

Das angebliche Vorbild des Hoffmanu'schen Ringofens, der 

sog. Arnoldsche Ofen in Fürstcnwaldc 230 

Ueber Gewölbe aus Gussmöttel, deren Festigkeit, Kosten n. 

ihr Verhalten verglichen mit Gewölben von Ziegelsteinen 381 
Zement-Dachplatten von Peter Jantzen in Elbing ....... 51 

Das Wasserglas und seine Verwendung in der Bautechuik . 251 
Ueber das Thonmatcrial zu den Verblendsteincn und Terra- 
kotten der Bauakademie zu Berlin 63 

Der Aschenstampf (Zendrin) - Bau uud die Wohnungsnotb . 351 

Normal-Zicgelfürmat 211 

Dekorationsmalerei und Vergoldung mit Staniolgrund .... 256 

BanwisMnschaitttche Theorie. 

Zur Stabilit&ts-Untcrsuchung der Gewölbe ........ 365. 313 

Beitrüge zur Theorie der Fachwerkstrfigcr . . 252. 261» 262. 282 
Ueber FachwerkstrSger doppelten symmetrischen Systems mit 

Vertikalen 203 

Zur Eintheiluug der Balken mit freiliegenden Stützpunkten 144 
Ein Beitrag zur Konstruktion der Futtermancrn mit loth- 

rechter VorderflSche 246 

Ueber Geschwindigkeitsmessnngeu am Rhein bei Germers- 
heim 232 

Hekrologe und persönlich« Hotisen. 

Gustav Martens f 23. 212 

Wedding t &A 

Peblemdnu f 51 

Die Wahl eines Stadtbauraths für Berlin 82. 12ü 

Auszeichnung des Architekten Friedrich Schmidt in Wien . 140 

Messen und Zeichnen. 

Das HJihcnmessen mittels des Holosterique - Barometers • ■ 100 

Ein Instrument zu Eisenbahn -Vorarheitcn • • • 400 

Das Tachcometer 388. 385 

Die Bestimmung der Damm- uud Einschnitts-Massen mittels 
des Planimeters direkt aus den Langen -Nivellements - 

Plänen 23L 

Reduktion von Situationspl&nen auf photographischcui Wege 21Ü 

Ueber Unterricht im Freihandzeichnen 62 

Ueber das Pausverfahren mit lichtempfindlichem Papier tu. 122 

Das Aufziehen von Pausen Li- 54. 215 

Feuilleton and vermischt* Mittheüungen . 

Reiseskizzen aus dem Orient 2fk 12. 58. 60. 23. 82. 20, 102. 110 

IIS. L2Ü 

Die Illumination in Rom am 22. November 1871 3. lü 

Hie .Saalburg" bei Bad Homburg 2äU 

Das •J.ijithrige Stiftungsfest des Motiv 101 

Das Weihnachts f est des .Motiv" 31 

Rechnungs-Ahschluss der Hagen -Stiftung pro 187t) u. 1871 82 

Das deutsche Reichswappeu & 

üuss einer Glocke für den Kölner Dom 122 

Ueber die Einwirkung des Leuchtgases auf die Buuiuvege- 

tation 20. Sil 362 

Der Brand vou Chicago . . iSUl 

Ueber eine neue Idee zu Löschvorrichtungen für Theater . 

Verbesserter Extinkteur • - • • , ■ ■ 

Ueber die Behandlung neuer Wohnräume Ü6U. 3Ujl 

Zellulose- Papier *"Hi 

Mangel an Küdersdorfer Kalksteineu 0ü 



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II. Hochbau 



Holte 

ImMiKII 

Die Renaissance in Wien 10 

Xunitgesehicht« «ad Arehäolog-io 

Das Münster zu Strasaburg 2ü 

Die Aufgrabungen in der Krvpta der Schlosakirche zu Qued- 
linburg 2Q1 

Die Restaurirung des Thurmes der katholischen Hof kirche 
ru Dresden 222. 23fi 

Die Kestannition des Kaiserhauses zu Goslar 22 

Die Krypta des Mainzer Domes und die Frage ihrer Wieder- 
herstellung Sä 

Die Restauration des Munsters zu Hameln 22£ 

Banamführangen and Projekt«. 

Die St. Johannes-Kirche iu Altona 04 

Pfarrhaus der Norder Gemeinde zu Altona 112 

Von» Dome zu Köln 2G2. 

Das neue Gerichts-Aints-Gcbäude in Johann-Ueorgenstadt . L25. 

Dor Neubau des Polytechnikums in Dresden QH 

Das Universitäts-Gobäude in Rostock <U 

Die Pavilloubautcu im Stadtkrankenhause zu Dresden . . . 2ti3 
Die Villa March zu Charlottenburg 382 



Mm 

Wohnbaus des Herrn C Melchers in Bremen 42 

Die Arbeiterwohnungen auf dem Grossh. Gestütshofe Raben- 

steinfeld bei Schwerin 32 

Neubauten in Hannover 2BQ 

Der Bahnhof zu Hannover ... 404 

Ueber amerikanisches Bauwesen. VII. Das Rosevelthospital in 

New York 2fi 

Die amerikanischen Kapitolc 12 

Amerikanische Vorstadtbäuser 32 

Denkmäler für Gefallene des deutschen Heeres Ifiö 

Ein Programm für den Bau neuer Schulhäuser in Wien . . 121 

Die gegenwärtige Bautätigkeit Berlins 143 

Die Kosten des provisorischen Gebäudes für den deutschen 

Reichstag in Berlin DJS 

Die Aufstellung eines Ucbcrsichtsplanus der für die inouu- 
menfllen StaaUbauteu Berlins disponiblen, im Staatsbe- 
sitze befindlichen Baustellen 140 

Heizung and VsntüaUoa. 

Luftheizungen in Berliner Gemeindeschulen .... äO'J. 215. 22i 

Konitraktion. 

Die Montirungsarbeiten des grossen eiserneu Mittelbaues des 
Wcltausstcllungs-Palastcs in Wien 220 



III. Insrnlcurwcsrii. 



Die Schiffbarmachung der Oder 124. 120» 221L 222» 255 

Die Oder als Wasserstrasse 411 

Ueber die Erhaltung normaler Flussquerprotile 320 

Eiue Muster-Stromstrecke für hydrotechnische Studien . . . 2211 

Ueber den Elbing-Oberländischen Kanal 312 

Der König Wilhelm-Kanal bei Mctucl fiZ 

Der Triester Hafenbau 232 

Wasserstandsbeobachtungen in Travemünde 4Q2 

Die Sturmtluth am 13- November 1872 388 

Schleuse mit Jalousie-Klappe für geringe Gefälle .... 232 

Verwendung alter Eisenbahnschienen beim Wehrbau 315 

Verwendung von Dynamit zu Einsprengungen 32Q 

Kommunikation zwischen England und dem Kontinent . . . 215 

Est- und BewüMrangen 

Ueber Kanalisirung von Städten BMi 35U 

Die Reinigung und Entwässerung Berlins 20. 130 

Untersuchungen der städtischen Brunnen in Dresden .... 
Veränderungen des Brunnenwassers in der Nähe der Kirch- 
höfe 226 

Brücken. 

Massive Brücke von 8,1 fi» Weite bei Lübars 2fiQ 

Die Mississippi-Bogenbrücke zu St. Louis 84 

Die Albcrt-Brücke bei Chelsea 343 

Amerikanische Brücken ZI 

lugenieurbauteu iu Amerika Säfifi 

Verbessertes Scharnier für eiserne Brücken ÜB. 

Straiaen. 

Neue Handkarre für Erdtransporte 225 

Nordamerikanische Holzpflasterung 324 



Ueber die Leistungen der Pariser-Dampf- Strassen- Walzen . . 224 

Dampf-Strassen-Walze 123. 

Blake's Patcut -Steinbrech -Maschine 221 

Eisenbahnen. 

Sekundäre Eisenbahnen 332 

Schwebende Eisenbahnen & 

Holzbahnen 282 

Uel>er Kopfstationeu 2. 2 

Ueber die Anordnung von Wcichenstrossen, insbesondere für 

Kangir- und Kohlengruben - Bahnhöfe 322 

Drathiugbarriere ohne Kontregewicbt mit schrägstehender 

Welle 243 

Abstürzvorrichtungen für Eisenbahnwagen 22Q 

Eine neue hydraulische Bremsvorrichtung 42 

Die Westiughouse'sche Luft-Bremse 262 

Ueber die Sicherheit des Eisenbahnbetriebes, insbesondere 

das Haltesignal 3fi2 

Aus der Thätigkeit der deutschen Fcldeisenbabn - Abthei- 
lungen 5LZ3.mLUZ.lia.123 

Eiscnbahn-EroBuungcu in Deutschland und Oesterreich-Un- 
garn im 2. Semester 1871 41 

Die im L Semester 1872 eröffneten Bahnstrecken im Gebiet 

des Vereins deutscher Eisenbahn •Verwaltungen 248 

Die badische Schwarzwaldbahn 41 

Die Berliner Nordbahn 42 

Die Eilteubahn -Verbindungen zwischen Baden und Elsass . . 113 

Die St Gotthard-Bahn 2k 123 

Die Zerstörungen der Sturmfluth vom 13. November an der 

Bahnstrecke Miltzow-Greifswald 422 

Neue Eisenbahuprojekte in England Iii 

Die Rumänischen Eiseubabneu 142» HIL 121 

Zur Berliner Verkehrsfrage 182 

Ein Wort über Eisenbahn-Personen-Yerkehr 128 



IV. litlheilMgei Mt »reine«. 



Verband deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine 12. 28. 

101. iU- 313. 321 
Der Verband deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine 

und der Verein deutscher Ingenieure Ii2 

Iii Versammlung deutscher Architekteu uud Ingenieure zu 
Karlsruhe 133. 233. ALL 255» 2SJ- 28SL 312. 322. 322. 3311. 241 

Itudischcr Techniker Verein IM 

Architekten-Verein zu Herlin LL.0.2iL4»i.54.ü2 l ti2.2li.8fL 
■t7 lüL 123. 130. 138. LUL 134. 102. LLL 184. Ultt- 214. 22L 
232. üs. 26S. SM. uLL 332, ü_L 958. SfiL 3tUL 22ti» 3öä. 30L 

402, 408. 421 

Die Exkursion des Berliner Architekten-Vereins nach Sten- 
dal und Tungi rmünde 202 

Das Schiukelfest des Architekten- Vereins zu Berlin SO 

Ein Fest des Architekten-Vereins zu Berlin 50 

Verein für Eisenbahnkuude zu Kerlin 2. 'Ja. LLx UtL AJt». 328. 

366. 402 

Architekteu- und Ingenieur-Verein zu Breslau 114 

Architekten - und Ingenieur -Verein zu Cassel . , . . 22. 4Ü. Hat 
Der Ausflug des Hamburger architektonischen Vereins nach 
Berlin '. 135 



Architekten - und Ingenieur-Verein zu Hannover 22. 52» 83. 138 

itti 311) 344. 3IL 402 

Oberbayrischer Architekten- und Ingenieur -Verein zu 
Müuchen . 18* 

Ostpreussischer Ingenieur- und Architekteu -Verein in Kö- 
nigsberg . . ±L G2. UZ. 130. 154. 1112. 2SÜ- 311L 33L 22lL 408 

Oesterreicnischer Ingenieur- und Architekten -Verein in Wien 

2. 3fL 152. 120. UiL im. 222. 254» 222. 28ü 

Die Kritik des Hoffniann'schen Ringofens im Oesterreichi- 
sebeu lugeuieur- und Architekteu -Verein 122 

Sächsischer Ingenieur- und Architekten-Verein 15t. HU 

Zweigverein des sächsischen Ingenieur- nnd Architekten- 
Vereins zu Zwickau 22 

Die Gründung eines Vereins deutscher Architekten und In- 
genieure zu Strassburg 52 

American Institute of Architects 12S 

Raugewerkeutag iu Berlin 60 

Die (ieneral -Nersammluug des Brandenburgischen Bauge- 
werken -Vereins 36 

Generalversammlung des deutschen Vereins für Fabrikation 
von Ziegeln, Tliouw.iaren, Kulk etc. 22» 3S 44 



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V. km der rarblittrratur. 



Mir 

/••itsehrift des Architektenvereius zu Hannover 3L SSL 02» IL 

7£L 3.%8. M!> 

• Allgemeine Bauzeitung 42. JtL 122» 142. 1G3. 121 

Zeitschrift für Bauwesen UJL Iii» 222» 22L 210. 423 

< >rgau für diu Fortsehritte des Eisenbahnwesens . ... .IX 201 

Die Gewerbchalle >BO 

Hauernfeind. Vorlegebl&ttor zur Brückcnbaukuudc mit er- 
läuterndem Text 21i 

K. Hildebrandt's Aquarelle der Reise um die Erde iüi 



Höltschl, die AueroTdo von Naudet und Goldsebmid 211 

Katalog der ersten Wanderausstellung des Bayrischen Ge- 

werbeniuseunis zu Nürnberg 22li 

Petzholdt, Fabrikation, Prüfung und Uebernahme von Eisen- 
bahn-Material I5i; 

Schübler, über Eisenbahnen von lokalem Interesse 21k 

v. Weber, die Praxis des Baues und Betriebes der Sekunder- 

bahnen 346 

Bauwissenschaftlicbc Litteratur WO» 21£» 221» 288. 424 



.1, htmkurre nien. 



Die Konkurrenz für Entwürfe zum Hause des Deutschen Reichs- 
tages UL 14Q. LLL IM» liZ- Uli» Uli. LSi. 123« 2tHL 201» 201 
20X 21iL 211» 224» 22i. 234. 242. 24it» 2M. 21Lü 

Siegesdenknial in Altona .... 32. 83 

Hospital in Antwerpen 228 

Denkmal für die Gefalleneu des Preussischen Ingenieur- Corps 

(im Architekten- Verein zu Berlin) 211t 

Mouatsaufgobcn für den Architekten-Verein in Berlin . . 8, 40 
m. Uli. US. Uli. 224. 2äü» 288» 228. 2H2. 324 

Kuranstalt zum Hinterhof in Baden (Schweiz) 243 

Denkmal auf dem Marienberge bei Brandenburg a. d. IL 224 

240. 2U4 

N.ivigatinnsschulgcbäude in Bremen j-lfl. XU. 

Kcalschulgebäudo in Bremen '224. 248. 3ü4 

Kriegerdenkmal in Bremen 402 

Innere Ausstattung des ('ober Doms 24 

Börse in Dresden Li£» 2S2Ü 

Denkmal für Peter von Cornelius in Düsseldorf 402 

Ausbau des „Brcidenbacber Hof" in Düsseldorf 31)4 

Brückenbau zu Bad Ems 22 

Kirche zu Esch a. d- A 148 

Gesellschaftsbaus in Essen 122. 328 

Bankgebaude in Frankfurt a,M 232 

Börse in Frankfurt a M 33a 

Stadttheater in Frankfurt a. M lfi 

Dcukinal für die im letzten Kriege Gebliebenen in Gleiwitz 323 
Si-hul^ebäude iu Oürlitj | 



Bürgerschule in Gotha 283 

ScbulgebSude in Greiz 112» Ü2fi 

Schlachthaus iu Ueilbroun 40. 

Gesellschaftsbaus der Gesellschaft freiwilliger Armenfrcuude 

iu Kiel 241» 362 

Heukmal für die im Kriege von 1X70,71 gefallenen deutschen 

Krieger zu Liegnitz . . 32 

Denkmal der Prinzessin Heinrich der Niederlande in Luxem- 
burg 3ÜJ 

Anlage eines neuen Stadttheils in Mannheim La» 

Stadttheater in Mannheim 24 

Denkmal für die gefallenen Krieger in Meldorf (Holstein) . 31h 
National-Denkmal auf dem Niederwald 8. 12. XtL 212. XML 

314. 338 

Kuustgewcrbe-Schulgcbaudc in Pforzheim AK) 

Aktien-Hotel in Prag 2Ü8. 221 

Arndt-Denkmal auf dem Kugard 5i» fi2 

Kurbaus in Langen-Schwalbach 80. UJu 

Portal der Marienkirche in Stralsund 228 

Protestantische Kirche iu Strassburg 80. 82 

Villen- und Garten-Anlagen auf dem Kahlen- und Loopolds- 

berge bei Wien 222 

Realschul- und GymnasialgcbSude in Wiener Neustadt . . . 252 

Schulhaus in Zotingon 32. 2ÜU 

KonkuiTenz für Entwürfe zu Zimincr-Oefen 4Q 

Konkurrenz für Maschinen-Techniker 40 

Konkurrenz für Schriften über die Pateutfrugc 148 



Personal Oarhrichtf ii. — Brief- und fräse kästen. 



Als besondere 1 1 1 ustrations -Beilagen gehören zum Jahrgang 1872: 

^*\. Jiihuuues-Kirche zu Altona. Perspektivische Ansicht einzufügen nach Seite 111 

Vfurrhuus im Nurder - Kirchspiel zu Altona „ _ „ 112 

CtäuKeuprolil eines Theils der Feldeisenbahn von Kemilly noch Pont ä Moussoo . . , 121) 

^Henkmal auf dem Schlachtfeldc von Vionville . . . 1£D 

' J( Entwurf von Bohnstedt , , .200 

Parlaments -Gebäude für den deutschen Reichstag-*— „ „ Kayser und v. Grossheiro , . . 2011 

J- . - Stier . . »0 

— Ikivatbautcn in Carlsruhe „ » . 332 

„Milla March in Charlottenburg ....... ^. .... , . , 282 

Universität in Rostock { tiß^Jg^ .Ml. -MvfclV 4.4 



ßiKli<Jnirh«T?t 



Gfbrn<1«r Firkm I» IWIIii. 



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DEUTSCHE 

BAU ZEITUNG 

WOCIlKNlil.ATT 

II K R A IlSff K< • K B K N VON HtTGllKDEBN 

& ROH I T E K T E N - V K RE INS ZI» BERLIN, 

JAHRGANG 187/ 




BERLIN, 



KOMM ISSIONS - VERLAG vos CARL UE ELITZ. 



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Jahrg. IL M l 

DEUTSCHE BAUZEITUNG 

m££LS£KT Organ des Verbandes mmH2*?l*m» 

deutscher Architekten - und Ingenieur-Vereine. 



Bedakteur K. E. 0. FriUcta. ' US** ** 



Preis 1 Thaler er« taartal. Berlin, den 4. Januar 1872. 


Er»fhf Int Jeden lannmtat;. 


Inhalt: Zu» *«■*» 4«hrt. An uowr«! K.chu»uauwii, — ll.b*r Koprat.tioiton- 
— Di« Ill.minalian Im Hiim am ?7- N^vfiibtr 1.71. — Srltwoboiidu Eisenbahnen, 
M Inhell w »|r. au. Vorolli. »: OraUrroiHiitrher Inicenlear- und Arrhitek- 
imi Vc-reii» tu Wii.». — Verein fdr Ki«enbalinkuiu)o m llerlln. - V « r m 1 1< hl..: 
Ff.,,wii. der kr.ni K l. b. y ,riarh.ii ualylwaniwh.tl Schill, in München in Wint.r. 


»mnl« 1*71 7J. - Zur Wicnrr W.Ii • A iwtwllun«. - Dm rt.iiUelie IUI CO.- 
«■ffM. - W.ttcr. VanaUlfll iu BMrt<hliuii«ton für da. ll«iwl«rl*t»l do» K.blk- 
tneter». — Konkurrenten: Selnil«eliiiMl» in <l5rlli«. — National - Denkmal tur 
V.rhcrrllrhnnij dor Er.l(ini««- ile-r Jahre 1670 nnd 1871. - Ho«at» ■ Aufnähen im 
Arrhll«klon-V«r»il» .« U»rll» «. 3. F«b,. 1K7J. - Per. ona I N ae h r 1 eht.n etc. 



Zum neuen Jahre. 

An unsere Fa o h g e n o s s e n. 

Der Abschluss einer fünfjährigen Periode, welche unsere Zeitung als „Wochenblatt herausgegeben von Mitgliedern 
des Architektenvereins zu Berlin" vollendet hat, und der Beginn eines neuen Jahrganges, in welchen dieselbe als das „Organ 
des Verbände!« deutscher Architekten- nnd Ingenieur -Vereine eintritt, legt es uns nahe alter Sitte zu folgen und Umschau 
zu halten ül>er das, was die Vergangenheit uns gebracht hat und was die Zukunft uns zu bringen verheisst — 

Es ist nicht unsere Absicht auf das zurückzublicken, was wir »elltst in den vergangenen fünf Jahren geschaffen, 
erstrebt und erreicht haben; denn nnr allzusehr hegen wir die Uel>erzeugung, das« wir mit redlichen, aber schwachen 
Kräften wirken nnd leider noch weit davon entfernt siud unserer Aufgabe in einer Weise? zu genügen, wie sie das Ziel 
unseres Strebens bildet. Wenn unsere Erfolge trotzalledem das Maass unserer anfänglichen Hoffnuugen übertroffen haben, 
so verdanken wir dies nicht allein dem Wohlwollen und der Nachsicht der Fachgenossen, sondern vor allen Dingen dem 
Aufschwünge, zu welchem unser Fach innerhalb des gesammten Vaterlandes und mit vereinter Kraft all' seiner Söhne 
iu diesem Zeiträume sich aufgerafft hat 

Es ist ein stolzes, hoffnungsfreudiges Gefühl, mit dem wir eines solchen Aufschwunges uns bewusrt werden dürfen. — 
Soweit ünsserliche, materielle Bedingungen auf ihn einwirken konnten, mussten diesclbcu eher hemmend als 
förderlich sein. Die Neuheit der seit 18G6 geschaffenen politischen Zustände, die Unsicherheit der nächsten Zukunft, in 
welcher eine weitere Entwicklung derselben erfolgen musste, lähmten allerorten den Unternehmungsgeist und Hessen eine 
rege Thätigkeit weder im öffentlichen Bauwesen noch im Privatbau aufkommen. Und als demnächst die erwartete Krisis 
wirklich eintrat, als die deutschen Stämme sich geeinigt zu dem grössten Kampfe erhoben, den Deutschland jemals be- 
standen hat, da konnte von einer Pflege friedlicher Künste nnd Gewerbe noch weniger die Rede sein. 

Doch starker als die Ungunst dieser materiellen Verhältnisse war der geistige Gewinn, den wir in diesen Jah- 
ren der Gährung und Vorbereitung erworben haben. — Die Ueberzeugung, dass wir am Eingange einer neuen grössereu 
Zeit stehen, in welcher mit so mancher alten Form auch so manche alten Misstände verschwinden werden, in welcher 
alle schlummernden Kräfte der Nation sich zu vollem Leben entfalten können, in welcher wir die Früchte dessen erndten 
unsere Vorfahren und wir selbst in stiller ernster Arbeit geschafft und gepflegt haben. — Das Bowusstsein, dass 
nicht allein an jedem Einzelnen sei, seine Kräfte und Fähigkeiten anzuspannen, um für sich das Beste zu lei- 
sten, sondern dass es der Vereinigung und Organisirung aller Kräfte Ircdürfe, wenn in der That das Höchste und Grösste 
erreicht werden soll. Und dämm ist trotz jenes äusserlicheu, erzwungenen Stillstandes die Arbeit der deutschen Archi- 
tekten und Ingenieure kaum jemals energischer und der Erfolg derselben kaum jemals vielversprechender gewesen, als in 
diesen jüngstvergangenen Jahren. 

Voran nach dem ganzen Zuge des Zeitalters, das mit realen Grössen zu rechnen liebt, die Arbeit der Ingonieure, 
auf deren für den heutigen Weltverkehr unentbehrliche Thätigkeit jene Hemmnisse auch von geringerem Einflüsse waren. 
Ist die Blüthe dieses Zweiges der Technik, dem täglich neue Aufgaben und neue Lösungen derselben sich darbieten, in 
der ganzen Welt eine beispiellose, so ist der Antheil, den seine deutschen Vertreter hieran beanspruchen dürfen, schon 
längst als einer der l>edentenclsten anerkannt. 

Aber auch die deutschen Architekten haben alle Veranlassung des Fortschrittes, den ihre Kunst zeigt, froh zu sein. • 
Kann die allgemeine Entwicklung derselben in einem so kurzen Zeitraum auch nicht gemessen werden und kann sich das 
Urtheil über die baukünstlerischen Leistungen der Gegenwart auch weniger auf Werke als auf Entwürfe stützen, so haben 
doch gerade diu letzten Jahre in mehren grossen Konkurrenzen nnd in einer Reihe von Ausstellungen Gelegenheit gegeben 
zu erkennen, in wie ausserordentlichem Maasse einerseits die Anzahl ausgezeichneter architektonischer Talente angewachsen 
ist, die nur der Aufgalien bedürfen, nm es den Meistern der Vergangenheit gleich zu thun, und mit welchem Ernste diese 
Talente andererseits ihren künstlerischen Beruf auffassen. Sichtbar geht ein neuer Geist, namentlich durch die jüngeren 
Künstlerkreise und im Verschwinden begriffen ist die unglückselige Zersplitterung und Rivalität einseitig abgeschlossener 
und sich befeindender Schulen, die über der Schaale zu dem Kern, über der Form zu dem Wesen künstlerischer Erfindung 
nicht gelangen konnten. Man hat endlich erkannt, wie wenig man einander bisher verstanden, aber wie viel man von ein- 
ander zu lernen hat, und da mau auf beiden Seiten redlich bemüht ist, das Versäumte nachzuholen, so darf ein Erfolg, 
der für die zukünftige Entwicklung der Baukunst entscheidend sein wird, als keine leere Hoffnung mehr gelten. 

Der Fortschritt in jeder der beiden Riehtuugen des Faches würde freilich noch aussichtsvoller nnd schneller sein, 
wenn der grössere Theil der deutschen Bautechniker uuter dem Zwange eines für beide Richtungen berechneten Auabil- 
dungsganges nicht noch immer mehre unersetzliche Jahre der Iwsteu Kraft vergeudet» tuüsste; indessen hat die Ueberzeu- 
gung von der Schädlichkeit dieses veralteten Systems seither bereits iu so weiten Kreisen Wurzel geschlagen, dass der 
gänzliche Fall desselben nicht lange mehr ausstehen kann. — 

\ 658209 r . 

l< (KJ&CAj?) 



— 2 — 

Der Aufschwung unseres Faches im Vaterlande zeigt sich jedoch nicht allein in den auf dem idealen Gebiete von 
Wissenschaft und Kunst errungenen Erfolgen, sondern noch entschiedener und energischer spricht er sich aus in den An- 
strengungen, welche die deutschen Architekten und Ingenieure gerade im Verlaufe der letzten Jahre der Pflege eines kräf- 
tigen Standesbewusstscins und der Vertretung unserer gemeinsamen Standesinteressen gewidmet haben. Und wer 
mochte leugnen, dass die Interessen der Personen mit den Interessen des Faches so eng zusammenhängen, das» von einem 
nachhaltigen Aufschwünge des letzteren und einer angemessenen Bedeutung desselben im Kulturleben der Nation nicht 
wohl die Rede sein kann, so lange seine Vertreter sich nicht eine angemessene Stellung und den gebührenden Einfluss 
auf die Gestaltung der für das Fach wichtigsten Fragen gesichert haben. 

Leider stehen in dieser Beziehung wir ,und mit uns alle Techniker noch sehr weit hinter den berechtigten An- 
sprüchen zurück. Wahrend die Technik in ihrer wunderbaren Entwickelung der entscheidende Faktor für die moderne 
Kultur geworden ist, hält man ihren Vertretern noch immer den Rang vor, den sie kraft dieses Verhältnisses einzunehmen 
berechtigt sind, will man sie noch immer nicht der Vormundschaft entlassen, welche die juristische Bureaukratie auf fast 
allen Gebieten des öffentlichen Lebens sich angemaasst hat. Aber freilich trifft die Techuiker, welche sich diese Zustände 
widerstandslos gefallen Hessen und jede Berührung mit dem Öffentlichen Leben vermieden, hierbei ebenso der Haupttheil 
der Schuld, wie dies in Betreff des vielbeklagten Mangels an Interesse und Verständniss, den das Publikum einzelnen 
Zweigen der Kunst und Technik zollt-, der Fall ist. 

Um so erfreulicher ist es, dass ihre Vertreter in neuerer Zeit mit einer eingehenderen Erkenntniss dieser bcklagens- 
werthen Misstände anch den richtigen Weg zu ihrer Beseitigung gefunden haben, dass sie den der deutschen Litteratnr ge- 
zollten Ruhm „sich selbst ihren Werth erschaffen zu haben* auch in ihrem Kreise zur Wahrheit machen wollen. 
Und nicht leicht dürfte eine günstigere Zeit für derartige Bestrebungen gefunden werden können als die unsere, in welcher 
auf fast allen Gebieten des öffenllichen Leltcns mit den Schlacken einer beschränkteren Vergangenheit aufgeräumt wird, 
um Baum für den Ausdruck der neuen Bedürfnisse zu schaffen. Sind doch schon jetzt in nicht wenigen, unser Fach be- 
treffenden Fragen, in welchen die deutschen Architekten und Ingenieure zur Vertretung ihrer Ansprüche die Initiative er- 
griffen haben, Erfolge erzielt worden, an welche eine frühere Generalien zu denken wohl kaum den Muth gehabt hätte! 

Niemals wären freilich diese Erfolge möglich gewesen und um Vieles geringer die Fortschritte, deren unser Fach 
sich rühmen darf, wenn nicht dasjenige Moment, dessen wesentliche Bedeutung wir schon vorher hervorgehoben haben, die 
Vereinigung und Orgauisirung der bisher zersplitterten technischen Kräfte, in so entschiedener Weise in den Vordergrund 
getreten wäre. Was im Laufe der jüngst vergangenen Jahre von uns erreicht worden ist, wir danken es in erster Reihe dem 
mächtigen Aufschwünge, den innerhall) unserer Kreise das Vereinswesen genommen hat. 

Wohl haben einzelne dieser Vereine schon seit längerer Zeit bestanden und gehlübt, und der Einfluss, den sie von 
jeher anszuübeu gewusst haben, ist gewiss ebensowenig zu unterschätzen, wie die Anregung und Förderung, die uusere 
Fachinteressen durch die grossen allgemeinen Wanderversammlungen deutscher Architekten und Ingenieure empfangen 
haben. Aber der Gang der Entwickelung, den seit fünf Jahren die meisten der älteren und die neun nenen während dieses 
Zeitraums entstandenen Vereine genommen haben, ist doch ein wesentlich anderer und kräftigerer geworden und 
lässt mehr als alles Uebrige den Pulsschlag der neuen Zeit verspüren. Und wenn bereits die letzte jener Wanderversamm- 
lungen auf Grund der Vorarbeit einzelner Vereine mehre thatsäehliche Resultate aufweisen konnte, deren keine frühere 
sich rühmen darf, so ist für die gemeinsame Arbeit der Fachgenossen in dem Verbände deutscher Architekten- und Inge- 
nieur-Vereine nunmehr eine Grundlage gewonnen, auf welcher dieselbe in stetig wirkender Kraft und mit der Hoffnung 
dauernder Erfolge sich stützen kann. 

Die Grüudung des Verbandes ist noch in zu frischem Gedächtnisse, die Erwartungen, die wir von seiner Wirk- 
samkeit hegen, leben noch zu sehr in aller Herzen, als dass wir die Bedeutung dieses Ereignisses, das wir als den Aus- 
gangspunkt einer künftigen Blütheperiode unseres Faches betrachten, hier noch einmal eingeheud erörtern müsaten. 

Wir erwarten eine solche Blütheperiode um so zuversichtlicher, als gleichzeitig mit dem Entstehen dieses gewalti- 
gen Hebels innerer Kräftigung und Entwickelung auch die äusseren materiellen Verhältnisse in einer Weise sich umgestaltet 
haben, wie sie günstiger nicht sein kann. Im Bewusstsein seiner Macht und im Vertrauen auf eine durch diese gesicherte 
friedliche Zukunft wendet sich das Vaterland nach Kampf und Sieg gegen den äusseren und inneren Feind, gegen den 
Neid des Nachltars und den Zwist im Hause, nunmehr mit ganzer Seele und in voller Hingebung den Werken des Frie- 
dens zu und rüstet sich nachzuholcu, was so lange versäumt uud verschoben ward. Schon jetzt lässt sich für die Bau- 
kunst und Technik eine Fülle der grossartigsten und lohnendsten Aufgaben überscheu, zu deren Bewältigung die Zahl der 
vorhandenen Kräfte kaum ausreichen dürfte. Sic wird sich nicht vermindern, sondern steigern im Laufe der gedeihlichen 
Entwickelung, die uns die Zukunft verspricht 

Sollen wir dieser Zukunft froh werden und würdig sein, sollen wir hinter den Aufgaben, die sich uns bieten, 
nicht zurückbleiben, so gilt es freilich nicht nachzulassen in der Anspannnug der Kräfte, die uns zu dem bisher errunge- 
neu Ziele getragen hat. Dessen möge der Einzelne wie die Allgemeinheit sich bewusst bleiben. 

Für unser bescheidenes Theil und auf dem uns zugewiesenen Gebiete versprechen wir dies aus vollem Herzen. 

- F. - 



Vortrag gehalten im Architekten Verein zu Berlin am 18. November 1871 von W. Housselle. 



der Eisenbahn- 
in ihrer 
ihrer Kou- 



Die grossen Hallen der Em] 
Kopfstationen sind, da wesentliche Ahweichungen 
Grundform nicht vorkommen, sowohl hinsichtlich il 
struktion als ihrer architektonischen Erscheinuug ziemlich 
unabhängig von der Anordnung und Vertbeilung der sie um- 
gebenden Räumlichkeiten. Sie können daher auch für sich 
allein zum Gegenstande des Studiums gemacht 

Em 
der Ver- 
■ Allem 

den praktischen Bedürfnissen des Publikums und des Be- 
triebes zu genügen. Er mnss jedoch andererseits eine schöne 



Dagegen beruht die äussere Erscheinung dieser 
pfangsgebäude wesentlich auf dem Gruudriss und der 
theilung der Räume im Innern. Der Gruudriss hat vor . 



Architektur ermöglichen. Wie beiden Anforderungen am 
besten entsprochen wird, dürfte — wie die Ausbildung der 
Hallen — noch als offene Frage zu betrachten sein. Es 
war mir daher eine erwünschte Ergänzung früherer Studien, 
auf einer in diesem Frühjahr unternommeneu Reise die 
Grundrisse einiger neuen Kopfstatious - EmpfangBgebäude 



Derartige Studien, so lehrreich sie im Einzelnen sind, 
können allerdings bestimmte Normen für besondere Fälle 
nicht an die Hand geben, da solche Grundrisse — altgeschen 
vou der Grösse der betreffenden Stationen — nicht nur nach 
den örtlichen Verhältnissen, sondern auch nach den Sittcu 



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Ken mar zu legen, so seneinen sie mir un 
rauf hinzuweisen, dass bei Kopfstationen in 
wegen de» vorbandeneu oder zu erwartendei 
auf die Anlage von Zwischenperrons nicht 



des Landes verschieden zu gestalten sind. Doch dienen sie 
immerhin dazu, einzelne Punkt, von prinzipieller Wichtig- 
keit klar zu legen. So scheinen sie mir unter Anderm da- 

grosseu Städten 
erwartenden Lokalverkehrs 
Zwischenperrons nicht nur für ankom- 
für abgehende Züge Bedacht zu neh- 
men ist. Dies ist aber von wesentlichem Einfluss auf die 
Kntwickelung der Kopffacadc, dieser wichtigsten, meist am 
weitesten sichtbaren uud dem nach dem Bahnhof eilenden 
Reisenden zuerst in die Augen fallenden Parade, welche 
deshalb einerseits zur Charakterisirnng des Bahnhofe -Ge- 
bäudes die geeignetste, andererseits aber auch hinsichtlich 
ihrer Gestaltung die schwierigste und der verschiedenartig- 
sten Ausbildung unterworfene ist 

Denn während jene Kopfstatiimeu, welche keine Zwi- 
schenperrons oder doch nur solche für ankommende Züge 
haben, ihre Räumlichkeiten ausschliesslich zu den Seiten der 
Halle gruppiren, die Kopfseite aber ganz offen lassen oder 
durch eine Glaswand schliessen können, sind bei Anordnung 
von Zwiscbenperrons für abgehende Züge Expeditionslokalc 
am Kopfende der Halle anzulegen. Den hierdurch bedingten 
Kopfban dann weiter ausnutzend, legt man oft die Bureaus 
der Bahn Verwaltung und Wohnungen der Direktoren in ihn 
hinein oder siedelt in ihm — in England — ein Hotel an. 
So gerechtfertigt eine derartige Anordnung in einzelnen 
Fällen sein mag, wenn es au geeignetem anderweitigen Platz 
zur Unterbringung der letzterwähnten Erfordernisse fehlt, so 
ist doch nicht zu verkennen, dass durch dieselbe in das 
ausschliesslich dem Verkehr zwischen dem Publikum und 
den Eisenbahnzügen zn widmende Empfangs-Gebäude Räume 
'«•bracht werden, die nicht uothwendig hinein gehören. 
Mes rächt sich aber — abgesehen von manchen praktischen 
II Dznträglichkeitcu — dadurch, dass es eine äusserlich klare 
architektonische Charakterisirung des Bahnhofes als solchen 
sehr erschwert, wenn nicht unmöglich macht. Die Vorzüge, 
welche Kopffacaden wio die des Strassburger Bahnhofes in 
Paris in dieser Beziehung haben, sind ja schon früher von 
dieser Stelle aus hervorgehoben worden. 

Von den örtlichen Verhältnissen, welche ich vorhin als 
von Einfluss auf die Gestaltung der Kopfstations -Gebäude 
bezeichnete, will ich nur die Lage der Station zur Stadt, 
insbesondere ihre Entfernung vom Mittelpunkt der letzteren 
hervorheben. Diese ist für den Bahnhof sowohl als auch 
für die Stadt so wichtig, dass eine Vergleichung der grössten 
Städte Europas in dieser Beziehung nicht ohne Interesse 
sein dürfte. Ziehen wir nur Paris, Wien und Berlin in Be- 
tracht, da London welches ganz von Eisenbahnen durch- 
zogen und mit Bahnhöfen übersät ist, sich zu einem Ver- 
gleich mit diesen wenig eignet, so ergiebt Bich, dass die 
mittlere Entfernung der Personenbahnhöfe dieser drei Städte 
von ihren Mittelpunkten ziemlich gleich ist. Wir erhalten 
nämlich in Paris (von den Halles centrales) im Mittel 2520™ 
in Wien (vom Stcphansplate) 2170"", in Berlin (vom Schloss- 
plate) 2320"». Man kann also sagen, dass wir Berliner in 
diesem Punkt nicht schlechter und nicht besser daran sind 



als die Wiener oder Pariser: „nicht schlechter" weil die 
Nähe am Mittelpunkt der Stadt den Erweiterungen oder Um- 
bauten der Bahuhöfe grosse Hiudernisse bereitet — „nicht 
besser", weil die bezeichnete Lage für die Entwicklung des 
Verkehrs einer Bahn, namentlich des Lokal verkehre, von 
grösster Wichtigkeit ist. Ich erinnere hier nur an das Bei- 
spiel von London. In Berlin ist freilich der Lokalverkehr 
noch sehr gering. Doch sind auch hier die Anfänge und 
Vorbedingungen dazu vorhanden. Und wie derselbe mit den 
durch ihn hervorgerufenen Anlagen ein Motiv zur architek- 
tonischen Ausbildung des Stationsgebäudes werden kaun, 
zeigt uns hier der neue Potsdamer Bahnhof, dessen Koiif- 
facade einen Schmuck in der grossen Vorhalle nebst Vestibül 
für die Extrazüge findet. 

Weuiger Verschiedenheit der Anordnung, als bei den 
Räumen am Kopf der Stationen, zeigt sich bei denen an der 
Ankunfts- und Abfahrtsseite. Ks haben sich vielmehr hier 
— namentlich für die Abfahrtsscite — einige Typeu heraus- 
gebildet, von denen der bei unserm Görliteer, Niedersehle- 
sischen und Osthahnhof angewandte einer der beliebtesten 
ist. Das Vestibül mit den Billetbüreuns liegt in der Milte 
und im dasselbe schliessen sich rechts die Gepäckannahme, 
links an einem langen Korridor die Wartesäle, mit dem der 
IV. Klasse anfangend und endigeud mit dem der I. Diese 
Reihenfolge, welche da, wo der Zutritt zu den Wartesälen 
Jedermann freisteht, beibehalten werden mnss, hat den Nach- 
theil, dass die Passagiere II. und 1. Klasse oft einen ziem- 
lich weiten Weg nach ihren Wartesälen zurückzulegen haben. 
Wir werden sehen, dass bei den Bahnhöfen in Wien, bei 
welchen nur Reisende mit Billets in die Wartesäle zugelassen 
werden, die umgekehrte Reihenfolge beobachtet ist 

Der erste Bahnhof, welchen ich auf meiner Reise be- 
suchte, der Freiburg-Sch weid nitzer Bahnhof in Bres- 
lau, schliesst sich aber noch ganz dem vorhin beschriebenen 
Schema an. Nur ist der Korridor hier verhältnissmassig 
kurz, da ein besonderer Wartesaal IV. Klasse nicht ange- 
legt ist. Dieser Bahnhof ist einem dem Neubau fast gleich- 
kommenden Erweiterungsbau unterworfen und in seiner nenen 
Gestaltung erst im Oktober d. J. dem Verkehr übergeben 
worden. Das alte Empfangsgebäude lag (von der Stadt aus 
gesehen) an der linken Seite der Bahn. Es enthält jetzt die 
Gepäckausgabe, das Ausgangsvestibul, einen Wartesaal und 
die Bureaus der Telegraphen - lnspektion. Ein dreistöckiger 
Pavillon für die Eilgutausgabe und Büreuus ist ihm am Kopf- 
ende vorgeliaut. Der Abfahrtsflügel wurde ganz neu errichtet 
Dein oben bereits darüber Gesagten ist hinzuzufügen, dass 
hinter dem Wartesaal II. Klasse (vom Vestibül aus gerechnet) 
der der 1. Klasse liegt, nur durch eine offene Säulenstellung 
davon getrennt. Auf letzteren folgt ein s. g. Speisesaal oder 
reservirtes Zimmer von massigen Dimensionen. Er ist mit 
dem Saal I. Klasse durch 3 Bogenöffnuugen verbunden, deren 
mittlere einen reichen, als Ausströmungsöffnung für wanne 
Luft dienenden Kamin und darüber eine grosse Spiegelscheibe 
aufnimmt, während die beiden äusseren durch Glasthüren ge- 
schlossen werden. Die Säle 1. und 11. Klasse bilden mit 
diesem Speisesaal (ähnlich wie in dem nenen Empfangsge- 



•t« Illumination In Rom am 17. Nmater IS7I. 

Von Paul Laspcyrcs. 

Am Montage, dem 27. November feierte Italien in der Er- 
öffnung des ersteu in Korn tagenden Parlaments das Fest der 
definitiven Uebertraguug des Regierungssitzes nach der neuen 
Hauptstadt, das Fest der Krönung des seit Jahrzehnten geplanten, 
ira Verlaufe zweier Lustren unter der Gunst ciues wunderbaren 
(ilückes verfolgten und Jetzt an's Ziel geführten Werkes der 
vollständigen nationalen Einigung. 

Rom selbst, die glückliche Nachfolgerin des neidlos auf 
seinen Vorrang verzichtenden Florenz, hatte sich in ein fest- 
liches Gewand gehüllt, würdig der eminenten Wichtigkeit des 
Tages. Der Corso, wie sonst alltäglich in den Nachmittags- 
stuuden der Tummelplatz der müssigen und eleganten Welt, so 
auch heute die eigentliche Schaubühne, zu der sich Alles drängte, 
war in seiner ganzen Länge von der Piazza di Veneria bis zur 
Piazza del Popolo am nördlichsten Rande der Stadt durch eine 
unabsehbare Zahl prächtiger goldgezierter ruther Velaricn, durch 
Flaggenstangen uud den bunten Schmuck ausgehängter Teppiche 
und grün- weiss -rother Fahnen zu einer herrlichen Feststrassc 
umgewandelt worden. Durch sie hatte der König in pomphaftem 
Aufzuge vom quirinalischen Palaste zum Parlamentsgebäude auf 
Monte Citorio seinen Weg zu nehmen. 

Die während der letzten vierzehn Tage mit Eifer betriebenen 
Vorbereitungen hatten durch ihre Grtwsartigkeit die Erwartun- 
gen Aller aufs Aeusserste gespannt Neugierige Gruppen beob- 
achteten, lebhaft plaudernd, von früh bis spät deu Fortachritt 
der Arbeiten, welchen leider die Ungunst regnerischer Witterung 
sehr behinderte. Ein Jeder fragte, besorgt gen Himmel blickend ! 



Wird auch diesmal unser gewohutes Glück den Wolkenachleier 
zerreissen; wird die Stella d'Italia ungetrübten Glanzes leuchten? 
Die schwarze Schaar der Priester, die ängstlich jede Berührung 
mit dem Feste mied, betete, so erzählte man sich, um Regen 
und alle Welt sorgte, es möchte ihr Wunsch in Erfüllung gehen. 
Denn noch am 2fi. November tobte Wind und Regen in den 
Strassen der Stadt Man liegreift daher den Jubel, der das 
Volk ergriff und aus den gläuzendcn Augen Aller hcvorlcuchtutc, 
als am 27. die Sonne am wolkenlosen Himmel emporstieg und 
die laue Wärme eines wonnigen Maicutages über das beglückte 
Land ergoss. Ja es geschehen uoch Wunder! Wie manchen 
national gesinnten Italiener, der sonst für kirchliche Wunder 
nur bittereu Spott hat, hört muu jetzt voll Gläubigkeit das zwie- 
fache Mirakel preisen, das dem geeiuteu Vaterlaudo zwischen 
Regen und Sturm wie das Geschenk eines höheren Willens diesen 
Tag der Wonne gab und das dem ezaltirtcn Volke zur hellen 
Mittagszeit iu der allerdings klar sichtbaren Venus die Stella 
d'Italia leibhaftig vor Augen führt«, gerade dem Eingänge zum 
Parlament gegenüber. Miracolo! 

Ein Jeder, der zwei Jahro zuvor der Eröffnung des grossen 
vatikanischen Konzils beigewnhut, der es erlebt hatte, wie zu 
dem Tage, welcher das Papstthum uud die Kirche im vollsten 
Glänze zur Erscheinung bringen sollte, der Himmel mit düsterer 
Mieuc seine Rugenflnthen über Rom und den Menschenstrom 
ergoss, der noch zur Nachtzeit oder im grauen Zwielicht eines 
unheimlichen W internier -renn zum St. Peter wogte, musste un- 
willkürlich jeneu tristen Morgen mit der heiteren Festlichkeit 
in Parallele stellen, die heute die Strassen und Plätze der ewi- 

rn Stadt schmückt, den bleiernen wolkeuschwcrcn Himmel des 
Dezember mit dem Glauze der Mittagssonne dos 27. November. 
Weit mehr als der Nordländer geht der Italiener im Genuas 
glänzender öffentlicher Feste und Schaugepränge auf, welche 



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häude in Görlitz) eine innig zusammenhängende Gruppe von 
Baumen mit durchgehender Axe, in welche man auch aus 
dein Saale III. und IV. Klause durch die grosse Oeflhung 
des Büffets einen Kinlilick hat. Särnmtliche Räume des 
Kmpfangsgebäudcs sind gut beleuchtet und in hellen freund- 
lichen Farben dekorirt. 

Die Gebäude auf der Abfalirts- und Ankunftsscitc sind 
nicht durch eine grosse, särnmtliche Geleise überdeckende 
Halle verbunden. Die Seitenperrous sind nur durch uieilrige 
Perronballen in Form von Pultdächern, welche auf je einer 
Säulenreihe ruhen, überdeckt. Der projektirte 10,2'" breite 
Mittclperron erhält ebenfalls eine niedrige Bedachung. Die 
Kopfseite der Station wird von einer halbrunden, aussen 
durch eine Säulenhalle geschmückten Abschlnssmauer be- 
grenzt. Diese erhält in der Mitte ein grosses Portal, welches 
den auf dem Mittelnerron ankommenden Reisenden zum 
Ausgang dienen wird. Es ist deshalb neben dem Portal, 
innerhalb der Altschlussmauer ein bedeckter Kaum für Ge- 
päckausgabe vorgesehen. Hie gewählte Form der Verbin- 
dung der beiden üebäudetheile am Kopf durfte, wenn ein- 
mal von der monumentaleren Anlage einer grossen Perron- 
halle abgesehen wird, nicht ungeeignet sein, die ganze Gruppe 
als Empfangsgebäude zu charakterisiren. 

Das Empfangsgebäude ist unter Leitung des Herrn Rc- 
gierungsrath Vogt im Grundriss von dem auch mit der Aus- 
führung betrauten Baumeister Hasenjäger entworfen, während 
die Architektur im Wesentlichen das Verdienst der Archi- 
tekten Kyllmann & Heyden ist. 

Zwischen Breslau und Wien ist eine neue Eisenbahn- 
verbindung im Entstehen, welche, im Verein mit der Bres- 
lau-GIatz-Mittelwalder Linie der Oberschlesischen Bahn, von 
der Oesterreichischen Nord westbahn gebildet wird. 
Diese letztere erhält in Wien unmittelbar vor der Tabor- 
Liuie ihren Bahuhof. Auch hier sehen wir Ihm dem Em- 
pfangsgebäude in der Anordnung der Räumlichkeiten auf 
der Abfahrtsseite den olren beschriebenen Typus. Nur tritt, 
abgesehen von der durch das in Oesterreich übliche Links- 
Fähren bedingten umgekehrten Lage der Räume eine Aen- 
dening deshalb ein, weil der Perron nur den mit Billets 
versehenen Reisenden offen steht. Direkte Ausgange für das 
Publikum aus dem Vestibül auf den Perron waren demnach 
nicht anzuordnen, vielmehr konnten zwischen beide ausser 
den Billetkassen noch verschiedene Büreaus und Nebenräume 
eingeschoben werden. Eine Trennung der Restauration von 
den Wartesälen, welche bei den grossen Wiener Bahnhöfen 
jetzt meist beliebt wird, ist hier nur theilweise durchgeführt. 
Per Wartesaal Hl. Klasse dient nämlich auch als Restaura- 
tiouslokal und nur für die II. Klasse ist ein besonderer Re- 
staurationssaal vorhanden, an welchen sich ein kleinerer 
^Wartesaal* anschliesst. Vor den Wartesälen, von diesen 
durch den Korridor getrennt, zwischen zwei Risaliten des 
Hauses wird eine Restaurationsterrasse angelegt, welche ge- 
eignet ist, nicht mitreisende Besucher aus dem gegenüber- 
liegenden Augarten anzulocken. Auch fehlt diesem Bahn- 
hof nicht die in Wien übliche Restauration für Kutscher auf 
der Ankunftsseite. 



Für den kaiserlichen Hof ist auf der Ahfahrtsseite neben 
dem Wartesaal I. Klasse ein reservirter Salon angeordnet. 
Die eigentlichen Kaiserzimmer liegen auf der Ankunftsseite 
am Ende der Halle, da einerseits ein Verweilen der fürst- 
lichen Herrschaften im BahnhöTsgcbäude (festlicher Empfang 
durch Deputationen etc.) mehr bei der Ankunft als bei der 
Abreise stattfindet, andererseits aber auch die Abreise ineist 
in Extrazügen erfolgt, welche danu von der Ankunftsseite 
iles Bahnhofes abgelassen werden sollen. Unter den Räum- 
lichkeiten dieser letzteren Seite ist ein Zimmer für einen 
Arzt hervorzuheben. Ein Ausgnngsvestibul ist nicht, vor- 
handen, vielmehr gelangen die Reisenden durch einen War- 
tesaal resp. die Gepäck ausgäbe zu den an einer Veranda 
haltenden Wagen. Doch ist für die mit Lokalzügen (an 
einem Zwischenperron ) Ankommenden am Kopfende der 
Halle noch ein besonderer seitlicher Ausgang angeordnet. 
Derselbe führt einerseits zu der Veranda und den Wagen, 
andererseits in geradliniger Verlängerung der Veranda durch 
das Kopfgebäude auf die Strasse. Die Fussgänger sind hier- 
durch bei ihrem Austritt aus dem Gebäude in sehr geeig- 
neter Weise vor der Gefahr des üeberfahrenwerdens geschützt 
Vor den Kopf der Station ist ein Verwaltungsgebäude 
Dies enthält zwar in der Mitte ein grosses Portal, 
11 dasselbe dem auf den Zwischennerrons verkehren- 
den Publikum für gewöhnlich geschlossen bleiben und nur etwa 
bei Ankunft von Festzügen ausnahmsweise als Ausgang dienen. 

Ueber dem Portal ist die Mitte der Kopffacade durch 
ein grosses halbkreisförmiges Fenster ausgezeichnet, welches 
in wohl nicht ganz glücklicher, weil unorganischer Weise 
anf die dahinter liegende Halle hinzudeuten bestimmt ist. 
Diese Halle, welche bei 39°" Spannweite 5 Geleise, 2 Seiten- 
und i Zwischenperrons überdeckt, konnte, da nicht allein 
die Post- und Ellgutexpeditionen, sondern auch die Gepäck- 
annahme ausserhalb des eigentlichen Empfangsgebäudes in 
Anbauten untergebracht und die Perrons weiterhin noch durch 
niedrige Hallen bedeckt sind, sehr kurz gemacht werden. 

In wieweit dies geschehen ist, zeigt folgende Zusammen- 
stellung der Längen einiger grossen Bahnhofshallen: 

Oesterr. Nordwestltahn 126"», 

Franz- Josephs Bahuhof in Wien . . 139», 

Südbahnhof in Wien 142 m , 

Potsdamer Bahnhof in Berlin .... 172", 

Lehrter Bahnhof daselbst 181", 

Ostbahnhof daselbst I88 a . 

Niederschl.-Märk. Bahnhof daselbst 20H». 
Die Halle hat eine Art von Sichelträgcrn in 10,5 bis 
14" Entfernung von einander. Die Dachfläche ist in der 
Mitte auf •/» der ganzen Breite verglast. 

Architekt des Nordwestbahnhofes ist Herr Prof. Bäu- 
me r aus Stuttgart.*) «Sfiuiu. m% < > 



•) tum. WH iWrrrrof. Bi«ra.r 
«inil im Verlauf* der A 




klirrn »In. Wcgno J«ii«t Aimler»««»« 
(iriindrtMkiit* unterbleiben mÜMen 



dl« bcaUlrhtljL' ttrtluguiix einer 



bisher fast allein die Kirche mit Aufbietung höchster fiusser- 
licher Pracht au dun grossen Kircheufesten Im it. Kr bedarf der- 
selben von Zeit zu Zeit, um dann mit neuer Heiterkeit seiner 
Alltagsbeschäftigung wieder nachgehen zu können. Durch den 
häufigen Sinnenreiz der geschmackvoll in Szene gesetzten Um- 
züge und Prozessionen mit daran sich anschliessender Illumi- 
nation, Feuerwerk und Musik ist in Italien dus Volk auch iu 
geringeren Ortschaften mehr als anderswo verwöhnt, und stellt 
somit bei ausserordentlichen Gelegenheiten auch ausserordent- 
liche Anforderungen. Besonders aber muss den Körnern . von 
Jugend auf an den Prunk des päpstlichen Zeremoniells und der 
gewaltigen kirchlichen Feierlichkeiten gewöhnt und gesättigt 
von der Pracht der weltberühmten Beleuchtung der Peterskup- 
pel und der Girandola am Piucio zu Ostern und am Peterstage, 
des Neuen und Effektvolleu viel geboten werden , um sie zu be- 
friedigen. 

Durum war es keine kleine Aufgabe au einem Tage von so 
hoher Wichtigkeit, der Tausende von Gästen aus allen Theilen 
der Halbinsel herbeilockte, Grosses und den Ansprüchen Aller 
Genügendes zu leisten, und es wird lohnen, Umschau zu halten, 
in welchem Maasse und mit welchen Mitteln die gesteigerten 
Anforderungen befriedigt wurden. 

Die riesenhaften Erfolge, welchn im verflossenen Juhre unser 
Deutschland durch die geeinten Kräfte der gesummten Nutiou 
zu erringen vermochte und die ja auch uusere Vorgängerin iu 
der Arbeit der nationalen Einigung, Italien, ihrem letzten Ziele 
zuführten, haben auch unsereu Städten gross und klein bei der 
Feier der Singe, des gewonnenen Friedens und der ruhmreichen 
Heimkehr unseres Kaisers und der lorbeergeschmückten Truppen 
Gelegenheit in seltener Fülle geboten, dem Jubel, der die Her- 
zen aller füllte, festlichen Ausdruck zu verleihen, und fürwahr 
grössere Pracht, verbunden mit echt künstlerischer Weihe hat 



sicher weder die Epoche der pruuksüchtigen römischen Impe- 
ratoren gesehen, noch die Blüthezeit der edlen Renaissance in 
Italien, von deren Festen uns Burkhardt so leuchtende Schil- 
derungen vorführt. 

Es ist gewiss von Interesse, besonders für den Architekten, 
dem ja in Erfindung und Herstellung der äusseren Erscheinung 
ephemerer Feste eine der anziehendsten Aufgalicn zugewiesen 
wird, den eigenthümlichen t'nterschied kennen zn lernen, welcher 
in der deutschen und italienischen Auffassung der Illumination 
scharf hervortritt, jenes wesentlichsten Theileg der dem gan- 
zen Volke gemeinsamen Festlichkeiteu, der dazu bestimmt ist. 
den Jubel des Tages bei magischem Licht bis tief iu die Nacht 
hinein auf Strassen und Plätzen zu gemeinsamer Freude zu 

In Deutschland macht das Volk selbst die Illumi- 
nation. Jeder gross und klein, wirkt nach Kräften mit, ein 
Meer von Licht über alle Strassen zu giessen. da Jetler, der ge- 
niesst, auch beigetragen haben will. Die Behörden und Genos- 
senschaften treten mehr wie Privatleute mit ein in die unbe- 
schränkte Reihe der Festtheilnehmer und Festsehöpfer, und nur, 
wie sie im öffentlichen Indien deu Bürger weit an Macht und 
Ansehen überragen, bringen sie diese höhere Bedeutung auch 
an den öffentlichen Gebäuden durch reicheren Schmuck und 
Glunz zum Ausdruck, so das* Alles, was bei unseren Beleuch- 
tungen au grosseu prachtvollen Effekten durch Behörden oder 
Genossenschaften geschaffen wird, lediglich als eine die Blicke 
zumeist auf sich ziehende Steigerung der Lichtwirkung aus dem 
üefunkel von Tausenden und Abertausenden von Lichtern, wel- 
ches der gemeinsame Wille Aller erzeugte, hervorragt. 

In Italien: wie so ganz anders! 

Da wird dem Volke, das sich durchaus passiv verhält, 
die Illumination gemacht. Sic ist ein Schauspiel, welches 



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- 5 



ßRESLAU- fREI BURG -^SCHWEI DNITZER jl ISENBAHN 
Bmpfaatafibäad* in Brede,«. 

ANKUNFT3 - AtlTE 




ABFftHRTS - SCITE 




Buthllobea-Erkla.ru H|(. 

AbUhrleaeite: A. Veallbul. - B, MUMMT. - f. WwleMUÜ III. «Dil IV. Klane. - 0. Wartetui II. Klane. - S. Warlowal I. KU««. - r.»[.i«.ui. - 

f. Herrentoilette. — II. Pam*llte.|leUe. — 3. Gepäck - Annaha». - *. Steuer. — t. Ktlgut • KincdiUos. — II. IVklmm r. — ff. Brbairn«) ui.it Zugführer. — 
0. fMatiotiab«reau. — f. TeleKrapheabäreau. — ff. Pom. 

Ankunft. .eito: A. Amu|i VndUI. — «.Wartesaal. - c. Gepick- Auagab«. - ».Portier. - B. Sinter. — f. Eilgut- Aua«aln. - f. InUm. - 
J». PolUel. - J. Telegraphen- laapekilon. - g. U.ba.g.ilnmtr. - LBkt 



(Vtrg). die Auftaue über die ScIJ-TraBaporthahlt In No. 31 ti. 53 und über die Pfosten - Eleenbahn in No. 42 JxUta. 1H7I der DeikUcben Beaaeltung.) 



In Folge unserer Mittheilungen Ober die Seil- und Pfosten- 
Eisenbahnen sind wir von verschiedenen Seiten darauf aufmerk- 
sam gemacht worden, dass Einrichtungen. ähnlich der Hodgson- 
v. Dücker'schnn Seil -Eisenbahn und der Fell'scheu 



Pfosten -Eisoubahn schon mehrfach versucht, ausgeführt und mit 
Erfolg benutzt worden sind. Wir nehmen von dienen Mitthei- 
lungen um so lieber Notiz, als die tätlich steigenden Eisenpreise 
Ersparungen auf dem Gebiete des Eisenbahnbaues immer wich- 
tiger erscheinen lassen und alle früher gemachten Erfahrungen 
wohl einige Winke enthalten , nach welcher Richtung hin eine 
weitere Ausbildung der neu aufgetauchten Systeme schwebender 
Eisenbahnen anzustreben sein wird. 

Das erste Beispiel einer Beil -Bahn datirt bereits aus sehr 
früher Zeit Eine Danziger Chronik von R. Curickc (aus 
der Mitte des 17. Jahrhunderts) enthalt Bild und Beschreibung 
einer Vorrichtung zum llinüberschaffen der Erde vom 
Bischofsberge nach dem damaligen Bastion Berg, 



welche der holländische Ingenieur Adam Wyb« von Harlin- 
gen im Jahre 1C44 anordnete. Die Zeichnung ist in sehr klei- 
nem Maosstabc ausgeführt und entbehrt der Details; doch ist 
soviel ersichtlich, dass auf dem Bastion Berg, sp.lter und noch 
heute Bastion Wieben genannt, ein Pferd mittels eines Göpels 
ein Tau ohne Ende bewegt, an welches eine grinse Anzahl von 
Eimern oder Körben in gleichen Abständen angehängt ist. Die- 
ses Tau läuft über Köllen, die von starken Pfosten getragen, 
auf der Seite, wo die beladenen Gcfltsso hängen, zahlreicher als 
auf der andern angebracht sind. Wie die Befestigung der Rol- 
len, der GefSsse am Tau, das Ein- und Ausladen erfolgt, ist 
nicht ersichtlich; das aber ist unzweifelhaft, dass man 08 mit dem 
System llodgsou und nicht mit dem System Dückcr zu thun hat. 

Ein schönes Gedicht: Kurze poetische denoch unbe- 
schmeichlctc Beschreibung des blühenden Danzigs 
1646. Von George Groblingcr aus Regensburg" 
auch dieses Werkes und zwar in folgenden Versen: 



eine mächtige und reiche Hand dem Volke vorführt mit der 
Einladung: Schliosst eure Läden, eure Thören; kommt her, be- 
wundert! Bei Kirchenfesten ist's die geistliche Genossenschaft, 
bei weltlichen Festen der Staat oder die Kommune, welche — 
freilich mit aus den Beuteln des Volkes geschöpften Mitteln — den 
ganzen Apparat beschaffen und allein die Illumination der Masse 
auftischen, ähnlich wie ein Gastgeber Erfrischungen geschmack- 
voll arrangirt auf einem Büffet zusammenstellt und nun die 
dankbaren Gäste einladet, es sich wohl sein zu lassen. Wir 
Deutschen vielmehr linden uns wie zu einem Piknik zusammen, 
und Jeder bringt mit, was seinem Geschmack und Vermögen an- 
gemessen ist, der Eine simple Hausmannskost, der Andere lek- 
kere Delikatessen, Alle aber jene Heiterkeit und Herzensfreude, 
die uns die innere Mitbetheiligung erzeugt 

Es kann nicht zweifelhaft sein, dass manche Vorzüge der 
geschilderten italienischen Art eigen sind, die bei der deutschen 
nicht erreicht werden köuueu; nämlich eine schöne planmässige 
Harmonie, eine wirklich vollkommen zusammenstimmende Ar- 
chitektonik des Arrangements. So kann jede Lücke leicht ver- 
mieden werden, und doch wird die wie immer beschaffene Ocrt- 
lii'hkcit mit ihren Strassen und Plätzen es von selbst an die 
Hand geben, die rythmische Wiederkehr gewisser Motive durch 
fesselnde Prunkstücke in überraschender Weise zu unterbrechen. 
Nur vermeide es der Beschauer aus dem Lichtslrome heraus- 
zutreten, der sich bei einseitiger Herstellung der Beleuchtung 
doch immer nur auf einen gewissen, vielleicht in sich geschlos- 
senen Strasscnzug beschränken muss; er biege nicht in die Seiten- 
gassen ab, wo alsbald tiefe Nacht ihn uinschliessen wird, in deren 
Stille der Lärm der Freude aus der Ferne fast unheimlich her- 
übertönt. Nur wer an der Feststraase selber wohnt, wird sich 
dem erkältenden Eindruck entziehen können, den beim Heimweg 
schroffe Wechsel von Lieht zur Nacht machen muss. 



In unserer deutschen Heimat werden dem Heimkehrenden noch 
freundlich die Lichtlein in dem geringsten Hause leuchten, und 
mit der vollen Wärme, die das Gefühl erzeugt, mit seinem gan- 
zen Volke eines Geisten zu sein, kehrt er in sein Haus zurück, 
dessen Zimmer selbst vom ungewohnten Glanz der Lichter wi- 
derstrahlen. Gewiss, wir Deutschen werden nicht zögern, unserer 
Art für immer den Vorzug zu geben; denn stets wird der Sinn 
des Festes, als des Ausdrucks dankbar froher Stimmung uns 
zu sehr am Herzen liegen, als dass der Einzelne auf seine eigene 
Mitwirkung verzichten könnte. 

Das oben Gesagte will ich nun versuchen dem Leser durch 
die Beschreibung der römischeu Illumination vom 27. November 
zu illustrircn. Für einen aufmerksamen Beschauer bot sich 
ausser der Augenweide auch viel Gelegenheit dar zu lernen, 
denn die Italiener wissen wohl ihre Mittel zu wählen und die 
stete Ucbung hat ihnen eine bemerkenswerthe Routine verschafft, 
das Effektvolle vom Unbedeutenden zu scheiden und die Gunst 
der Ocrtlichkeit vollständig auszunutzen. 

In Korn war es diesmal das Munizipium, welches die Dcko- 
rirung der Feststrasse und die Beleuchtung am Abend auf seine 
Kosten herrichten liess. Die ganze Anordnung wurde einem 
Unternehmer, dem Cav. Ottino für die beträchtliche Summe von 
180,000 Frcs. übertrugen. So wurde, da eine kundige Hand 
die oberste Leitung hatte, etwas Einheitliches und architekto- 
nisch wohl Durchdachtes hergestellt, das jedenfalls ungeachtet 
einiger Missgriffe über alles Erwarten glänzend und wirkungs- 
voll hätte ausfallen müssen, hätte nicht die theilweisc Verwen- 
dung alter Apparate und schliesslich ein ausser der Berechnung 
liegender hindernder Umstand nachtheilig eingewirkt: nicht etwa 
Ungunst der Witterung, denn diese konnte in jetziger Jahreszeit 
nicht schöner gedacht werden an dem stillen Vollmondabend, 
dessen Lüfte kaum ein schwacher Zugwind bewegte, sondern 



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- 6 



— — — Schau au wass Wih erfunden, 

Der wunderbare Mann, der fast zu allen Stunden 
Ein neue* Thun erdenkst, mein vielgeliebter Freund 
Und kunstberuffner Geint Auf das. des Walle* Fciud 
Umb etwas» niedriger von seiner Hoffart werde 
So nimbt er seinem Haupt in leichter Müh' die 
Und führt sie in der Lufft zwei Wasser Überhin 
Auf unsern Wall hinauff. Fahr fort u. s. w. 
Eine ganz andere Art schwebender Eisenbahn richtete im 
Jahre 1834 der damalige Festung«- Baudirektor von Posen, 
jetzige General a. D. von Prittwitz zum Transport von Zie- 
gelsteinen von der Ziegelei Zabikowo nach der 1800 Schritt ent- 
fernten Wasserstraße ein. Die Beschreibung d«rnclben erschien 
als Brochürc'), welcher wir folgende Angaben entnehmen: 

Hölzerne Ständer, welche in bestimmten Entfernungen in 
die Erde eingesetzt sind, tragen eiue liochkantigc Bohle, auf 
welche Eisenschienen mit Holzschrauben flach aufgeschraubt 
sind. Die Wagen, welche auf diesen Schienen laufen, Iiabeu nur 
ein Rad mit fester Achse und sind so koustruirt, das« die Last 
auf beiden Seiten gleichmäßig vertheilt herabhängt Das Schwan- 




portkosten und 35% der Anlage- und Betriebskosten. Pro Zent- 
ner und Meile berechnet sich der Transport mittels der Bahn 
auf 1,4 Pfennig. 

Als die Hauptvorthoilu der v. PritiwiU'Hchen schwebenden 
Eisenbahn werden folgende hervorgehoben : 
\) Einfache Konstruktion und darum billige Herstellung. 

2) Vermeidung von Erdanschüttungeu und Planirungsarbeitcn 
und der Störungen durch Schmatz und Schnee; 

3) leichte Herstellung von Kurven, Weichen, Durchfahrten; 

4) sicherer Betrieb, bequemes Auf- und Abladen u. 8. w. 
Gewiss wird man dies anerkennen und dem vurdiunten Er- 
finder die Priorität eines Gedankens, den 36 Jahre später Hr. 
Fell als neu und ihm angehorig zu verwertheu suchte, einräumen 
müssen! Vergleicht mau inaessen damit das v. Dücker'scbe 
System der Seil -Eisenbahn, so ergieht sich unzweifelhaft, da.-» 
die Konstruktion der letzteren einfacher und höchstens halb so 



ist. Kurven, Weichen Durchfahrten, die bei allen Eiscn- 
thunlichst zu vermeiden sind, weil sie stets den Betrieb 
oder erschweren, lassen sich an den Seilbahnen allerdings 
r leicht ausführen, dagegen gestattet die grosse Entfer- 




der 



ken der Wagen wird begrenzt durch seitlieh an die Pfosten 
nagelte Bretter, an Jenen entlang die Friktionsräder der 
Wagen laufen. Die Tragfähigkeit eines Wagens betrug 10 Ztr. 
Die Kosten ciues solchen werden zu etwa 45 Thlr. berechnet 
und die Gesammtkoston einer Baiin auf -.25,000 Thlr. pro Meile 
veranschlagt — Uebrigena sind zweirädrige Wagen eben so gut 
oder wohl noch besser verwendbar. — Die Bahn bei Posen blieb 
-.'•2 Jahre in Betrieb und erzielte in dieser Zeit unter Anrech- 
nung des Materialienwertbes beim Abbruch dur Bahn rund 
4H00 Thlr. Reingewinn gegen die früheren Transportkosten, bei 
rund 14,000 Thlr. Anlage- und Unterhaltungskosten. Die Er- 
sparnisse stellen sich daher auf gegen 26% der früheren Traus- 

•) Die «kwctieaclc Kl»» titln tri Pom«. ». ämimgr. Brill», IM?, M F>r- 



nutig der Stützen das Ueberschreiten von Wegen , Flüssen und 
ähnlichen Tcrraiiihinderiiisscn fast ohne alle Schwierigkeit, wo- 
durch die Anwendbarkeit dieses Systems ganz ausserordentlich 
erhöht wird. 

Leider sind so wenig Erfahrungen zur Hand, dass man die 
Grenze für die Leistungsfähigkeit beider Systeme auch nicht 
entfernt bestimmen kann; doch ist wohl zu übersehen, dass bei 
kurzen Linien mit einem Geleise das Bohlensystem mehr leistet. 



weil es die. Bildung eingeschlossener Züge beladoner Wagen 
zulässt 

Will mau endlich aus dem Gesagten einen Schluss auf die 
weitere Ausbildung dieser Art von Transportmittel ziehen, so 
wird es der sein, dass man die freie gerade Strecke aus Draht- 
seil oder hängendem Rundeisen herstellt, die Kurven, Weichen, 
Auf- und Abladestellen aber als festes System horizontal auf- 



vielmehr die Lässigkeit des mit dem Anzünden der Lichter be- 
auftragten, allerdings durch die angestrengte Arbeit der letzten 
Tage stark ermüdeten Personals, welches da wo eine Kontinui- 
tät der Flammenreihen für die beabsichtigte Wirkung durchaus 
unthwendig war, bedauerliche Lücken entstehen liess und so 
den Eindruck vielfach schwächt«. 

Wie schon am Tago der Corso die Oertlichkeit war, auf 
welcher das festlich frone Volk mit Vorliebe hin und her wogte, 
so blieb er es auch für die abendliche Beleuchtung, indem er 
auf dem nächsten und bequemsten Wege die beiden Glanzpunkte 
der Illumination, das Capitol und die Piazza del Popolo, mit ein- 
ander verband. Naturgemäss bildete, da die Munizipalität gleich- 
sam den Gastgeber spielte, auch der Sitz derselben, das Capitol, 
den Ausgangspunkt des üanzeu. Von dort folgte die Feststrasse 
der Via d'Araceli, der Via del Gcsü und dann dein geraden Lauf 
des Corso in seiner ganzen Länge bis zur Piazza del Popolo. 
Dort bog sie links rückwärts ein in die Via di Ripetto, weiter- 
hin Via della Scrofa genannt, von deren Ende beim Sitzungs- 
ei-bäude des Senates, der ehemaligen Post, sie durch schmale 
krumme Gassen die Piazza della Rntonda (Pantheon) t>eruhrend, 
den Anschluss an ihren Anfang bei der Kirche del Gesü auf- 
suchte. Wir werden nichts Wesentliches uubesprucheu lassen, 
wenn wir nur die Ausschmückung des Corso und der Ripetta 
schildern, so wie die Anordnungen auf den drei Plätzen del 
( ampidogtio, del Popolo und della Rotonda. 

Es war gewiss ein ungemein glücklicher Gedanke, bei der 
I »ckoration des Capitola die grossartige Architektur der Gebäude- 
Kruppe, welche wir Michel Angclo's genialer Erfindung verdan- 
ken, in Flammenlinicn zu roproduziren. An allen Hauptlinien 
der Säuleu und Pilaster, der Gesimse und Fenstereinfassungen, 
endlich der Steigungen der grogsartigen Freitreppen-Anlage vor 



dem Senatoren-Palast waren schmale Latten angeheftet, auf welchen 
in dichten Reihen kleine offene Blechhecken mit Talgfüllung ge- 
nagelt waren. So sollten die herrlichen Verhältnisse der Pa- 
läste, welche das eherne Bild des Marc-Aurel umgeben, wie mit 
goldig feurigem Griffel in die Nacht geschrieben werden, eine 
lesbare Schrift dem fern aus duukler Nacht hurüborschauondeu 
Vatican, dass ein neues Reich auf diesem klassischen Bodcu seine 
Weihe empfangen habe. 

Überhalb der Schmalseiten des Museumsgebäudes erhoben 
sich in leuchtenden Farben zwei mächtige Wappen des Savoyischen 
Hauses, das weisse Kreuz im rothen Felde, von einem ähnlichen 



Wappen über der Front des Seiiatorenpalastes, dem dio Wappen 
der Stadt Rom zur Seite standen, strahlte eiue grosse Sonne 
ihren Schein hernieder und über ihr schwangen sich prächtige 



bunte Blumenguirlandeu, mosaikartig 

Migesetzt, durch die Luft; Alle« aber 



einer Fülle von far- 
bigen Lämpchen zusammengesetzt, 

ward überstrahlt von einem riesenhaften, in blauem Licht fun- 
kelnden fünfzackigen Sterne, der Stella d'Italia, der sein Licht 
von der Hohe des Capitols-Tlturmes ergoss. 

Es ist sehr zu bedauern, dass gerade hier den Erfinder -des 
Arrangements sein Dienst-Personal in hohem Maasse im Stich 
liess; denn weit mehr trug die Nachlässigkeit und ungerechtfer- 
tigte Hast beim Anzünden als der leise Wind, der den capitoli- 
nischen Hügel umweht«, die Schuld, dass der beabsichtigte Ef 
fekt nur unvollkommen erreicht wurde. Gleichwohl wurde ein 
Jeder, der aus den niedrigen Strassen zur Höhe des erhabenen 
Platzes hinaufstieg, von dem Gcfunkel der unzählbaren Flämm- 
chen wie von einem Zauber umfangen, der es schwer macht uin- 
terdrein noch nüchterne Kritik zu üben. 

«Schill« fcl.-t.) 



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— 7 — 



liegender und gut unterstützter Schienen ausbilden wird. Selbst- 
redend müssen dabei die einseitig aufgehängten Tran»portge- 
(nach Frlu'. v, l'ücker) zur Anwendung kommen du- ja 
auch noch den Y ortheil Italien, als Sturz- oder KippgeluiW jg 



Es aiud übrigens wieder mehre Seil - TraoaixirtUahiicn im 
Bau und Oer Vorbereitung, ul>er deren Krtolg wir — nach Ablauf 
des Winter» — au bciiihtvii uu.i vuiüiihaltenl 

Lämmer liirt 



Mittheilungen aus Vereinen. 



Ocaterreiohisohcr Ingenieur- und Arohltekten Verein 
7,n Wian. 

Wochen- Versammlung im 88. Oktober 1871; Vomit- 
reuder Hr. Uberbaurath Kr. Schmie! t, anwesend VM Mitglieder, 

Der Vereins-Vorsteher erftftnet die Sitzung, mit welcher der 
Verein nach fast 6 monatlichen Ferien wieder in seine gewohnte 
ThStigkeit eintritt, mit einer begrüsseuden Ansprache und Äus- 
sert die Hoffnung, das» die Erfolge des beginnenden Jahres, 
des letzten im alten Lokale, hinter den früheren nicht zurück- 
stehen mögen. 

Als ersten Tbcil eines Reiseberichtes über die neueren, iu 
Norddeutschland zur Anwendung Bekommenen Systeme eiserner 
Brücken giebt Hr. Professor Dr. E. Win kl er unter Vorlage von 
Zeichnungen und Photographien eine Beschreibung der von 
Lobs« erbauten neuen Elbbrückcn bei Hamburg und Harburg, 
deren System er als eine Kombination des Hingewerks mit dem 
Bogcnsprengwerke bezeichnet Hr. Ingenieur Hanacek spricht 
sodann über eine Verbesserung der Mayer'schen Steuerung. 

Monats- Versammlung am 4. November 1871; Vorsitzen- 
der Hr. Oberbaurath Fr. Schmidt, anwesend '204 Mitglieder. 

Dcr Geschäftsbericht für die Zeit vom 7. Mai bis 4. Novcm- 
bgt erineM, iiw Wbbm Mitglieder in den Verein aufgenommen, 
7 wirtliche und I fcorresponflirendes Mitglied ausgetreten, resp. 
verstorben sind. Von Seite der K a imig wie von rnväfiSa 

und zahlreiche /.usemlumieu und nielirluclie Aalloph rut.gei; zu 

guttenmeben Aeusaerungen etngciauten; letztere sind tnciiweisc 
bereits erga iii.- ii Iw' y.m Vorstände aufgestellte und vom 
Ycrwultuiit^ratlie genehmigte Kiitwurf einc-t Antv,».i Nein eit-i'iis 
an tYof. Baumeister in Carlsrahc, hetrettend die Stellung des 
Vereins zum Verbände deutscher Ai.'lii'.rktcii- und Ingcnieur- 
V ereine (al>gedruckt in Nn. Jahrg. 71 d. deutschen Bauztg.) 
wird vorlesen und mit allen gegen 8 Stimmen gebilligt. 

Nach Erledigung der Vcrwaltungsangelegcnheiten hält Herr 
Ober-Inspektor Aug. Prokop einen längeren, eingehenden Vor- 
trag über Ziegelfabrikation mit besonderer Berücksichtigung der 
Ringöfen in Bezug auf Konstruktion und Betrieb. Die Publi- 
kation desselben wird durch die Vereinszeitschrift erfolgen. 

Wochen Versammlung am 11. November 1871; Vor- 
sitzender Hr. Oberbaurath Fr. Schmidt, anwesend '247 Mit- 
glieder. 

Hr. Zivil -Ingenieur Gärtner spricht unter Vorlage von 
Zeichnungen und Photographien über die Pfcilcrhautcn der Do- 
uaubrücke bei Mauthhauson. Auch dieser Vortrag wird in der 
Verciuszeitschrift ausführlich mitgctbeilt werden; wir erwähnen 
daher an dieser Stelle nur, dass die Fundirung der Strom- und 
de« einen Landpfeilers auf Caissons erfolgte, die mittels Anwen- 
dung komprimirter Luft versenkt wurden. Es war diese Fun- 
dirung von ausserordentlichen Schwierigkeiten begleitet, da man 
beinahe bei allen Pfeilern auf Granitfelsen von sehr un regel- 
massiger Gestalt sticss, deren Beseitigung zum Theil nur durch 
Sprengungen im Caisson zu ermöglichen war. Um einen 
ununterbrochenen Betrieb des Materialbaggers zu erzielen, wurde 
die Anordnung so getroffen, dass der gcsaiumte Apparat in kom- 
primirter Luft arbeitete. 

Verein für Elaonbahnko.ndo zu Berlin. Versammlung 
am 12. Dezember 1871. Vorsitzender Hr. Streckert, Schrift- 
führer Hr. Quensell. 

Herr Schwabe hielt im Anschluss an die von ihm veröf- 
fentlichte Schrift: .Ueber das englische Eisenbahnwesen* einen 
Vortrag über die Eisenbahnen Londons, in welchem noch einem 
allgemeinen Oebcrblick die Anlage der verschiedenen Personen-, 
Güter- und Kohlonbahnhöfe dieser Metropole besprochen und da- 
bei diejenigen Gesichtspunkte hervorgehoben wurden, die für 
Berlin mit Rücksicht auf die am 1. Januar 1872 (bevorstehende 



Eröffnung der neuen Vorbindungsbahn für den Personen- und 
Lokal-Güter- Verkehr besonderes Interesse bieten. In Betreff der 
Einrichtungen für den Personen -Verkehr würde London von 
keiner anderen Stadt der Welt übertroffen. Ausser einem wahren 
Labyrinth von über- und unterirdischen, mannigfach mit einander 
verbundenen Bahnen seien noch zahlreiche Dampfboot-, Omni- 
bus- und Pferdcbahnlinien vorhanden. Auf den innerhalb Lon- 
dons und seiner Vorstädte gelegenen, zusammen ca. 6 preuss 
Meilen langen Metropolitan- und North -London -Eisenbahnen 
wurden im Jahre I8<0 etwa 60 Millionen Passagiere befördert, 
während im Jahre 18«>9 die Gesammtfrequenz auf allen preus- 
sischen Eisenbahnen in einer Gesammt länge von ca. 1370 preuss. 
Meilen ca. G'2 Millionen Personen betragen habe. Wenn auch 
ein derartiger Verkehr, der bei der etwa 4'/* mal grösseren Be- 
völkerung Londons gegenüber Berlins einer Frequenz von ca. 
18 Millionen für letztere _ Stadt entsprochen würde, als achwer 
erreichbar anzusehen sei, so würden doch die sehr niedrigen 
Tarifsätze der Berliner Verbindungsbahn zur raschen Hebung 
des Personenverkehrs auf derselben wesentlich beitragen. Dieser 
Tarif ist für die 3. WagonklasBc wie folgt gebildet: bis zu *.■'• 
Meilen = •/• Sgr-. von % bis zu 2 Meilen = 1 Sgr., von 2 bis 
3'/. Meilen = IV» Sgr. und für jede Anschlusstrocke von einem 
Stadthahnhcfc bis zur nächsten Station der Verbindungsbahn = 
'/, Sgr. pro Person. In der 2. Wagcoklasse wird das dreifache 
vorstehender Tarifsätze erhoben. Die Fahrpreise in der 3. Klasse 
sind niedriger als bei den Arbeitszügen in England. Die Lage 
des Güterverkehrs in Berlin sei ungleich günstiger ala in London. 
Die neue Verbindungsbahn gewähre hierfür so ausgedehnte Vor- 
theile, wie sich solche in einer anderen Metropole kaum wieder- 
fanden. Nicht nur, dass schon jetzt, soweit es die Rauruvcr- 
h&ltnisso der vorhandenen Stadtbannhöfe gestatten, alle in Berlin 
ankommenden Güter iu gaiucu Wagenladungen durch Vermitfe- 
luug der Verbindungsbahn auf jedem der vorhandenen Stadt- 
babnhöfe, mit Anfang des Jahres 1872 auch auf jedem der G 
Bahnhöfe der Verbindungsbahn zur Entladung kommen können, 
finde auch von joder dieser Verbindungsbahn-Stationen eine Ex- 
pedition von Gütern in ganzen Wagenladungen nach jeder an- 
deren Eisenbahn-Station in- und ausserhalb Borlins statt, eino 
Einrichtung, die unzweifelhaft für die Hebung von Handel und 
Industrie von grossem Einflüsse sein und in \ erbindung mit der 
Eröffnung des Personenverkehrs eine neue Epoche in dem Vcr- 
kehrslcttcn Berlins eröffnen werde. 

Herr Wedding legte das von C. Schmcidlcr, Kgl. Eisen- 
bahusekretair in Breslau verfaasto Werk: .Geschichte des deut- 
schen Eisenbahnwesens* vor und besprach dessen Inhalt. Der 
Verfasser unterscheide 5 Perioden : dio erste bis zum Jahre 1840, 
die zweite bis 18-18, die dritte bis 1860, die vierte bis 1870 rei- 
chend, durch den Abschluss des Uauptnetzcs cbarakterisirt. 
Dio fünfte Periode besinne mit den grossen Ereignissen der 
Jahre 1870 und 1871. Durch einen einleitenden Abschnitt über 
die Beförderungsmittel vor Entstehung der Eisenbahnen und 
einen weiteren Abschnitt über den Einfluss des Eisenbahnwesen« 
auf dio Lebens- und Staatsverhiltnisso Deutschlands habe das 
Werk die wünschenswerthe Vollständigkeit erhalten und empfehle 
sich als ein ebenso interessantes als nützliches Buch für Fach- 
leute wie für Laien. 

Durch übliche Abstimmung wurden demnächst als Mitglie- 
der in den Verein aufgenommen: Herr Geh. Reg.-Rath Davis, 
Herr A. Hagen, Direktor der Deutscheu Unionsbauk, Herr U. 
Kremser, Direktions-Mitglied der Aktien-Gesellschaft: „Nord- 
deutsche Fabrik für Eisenbahn - Betriebsmaterial*, Herr Reg. 
Assessor Dr. Hodemann und Herr Ingen. F. C. Glaser. 

Beim Schlüsse der Sitzung wurden für das nächste Jahr dio 
Herren Weishaupt, Ilartwich, Vogel, Streckert, Ebe- 
ling und Ernst zu Vorstandsmitgliedern wieder erwählt. 



Yflimischtfi». 

Frequenz der köntgl. bayer. polytechnischen Söhnte In 
München Im Winter •Semester 1871/72. Gcsammtzahl der 
Hörer: 907 (gegen 564 im Winter-Semester 1870/71 ), darunter 
233 Nichtbayern mit folgender Vcrtheilung auf einzelne L&ndcr: 
i ii'.sterreii h Ii', ) Süddeutsi In ■ llciehs-Slaateu I I 



Pfgi 
l.i'lim 



■ - 81 | ^ 
Tvrol . . . . 29) 
N ' [ ,;■■ ii'. - r I n Ui'ii'h<-S:i fc i!i-. t,s 



Rumänien, Serbien etc. 
K;j-,-J;ui.I „ml l'uli :Z 



Ii» 

35 



Italien 



England. 
Grii-i:hi'iilmi'l. 



Auf die einzelnen Abtheilungen vertheilen sich s&mtutlichc 
Hörer (Studircude und Zuhörer oder Hospitanten, welch' letztere 
meist nur einige Lehrgcgcnstaiide belegen. während die Studiren- 
den in der Kegel den vollständigen Lehrplan adoptiren) wie 
folgt : 




Schweden, Norwegen und 
Aegypten je 1 ■ -~~ '■<• 
Summa . SX", 



Allgemeine Abtheilung • . 


(•180 


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Inn •uieur- Aluheilung . . . 


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Hochbau Aütheilung . . . 


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Mechanisch -techu. Ahthl. 


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«'Ii- mlM-.h-fc.iKi. Abtheil. 


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Summ i . . . V.t'.i 


Lizi m. 


Iii J&L 





' Darunter 2s Kandidaten Kr du t.cr.ni.ch« Uhramt mmi Iii Verkehr« 
und Zolltllent- Aaplrantra. 

Zur Wiener Weltausstellung. Die durch Nummer 49 die- 
i serr Zeitschrift gebrachte Mittheilung über den für den Bau der 
' Wcltousstcllungs-Hauptgeb&ude nunmehr gefaasten Beschluss der 



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durchgehenden Anwendung von Eisen zu den Dächern und 
Wandgerippen anstatt des ursprünglich „im Hinblick auf den 
grossen Holzreichthum Oesterreichs und auf die bedeutenden in 



Hnlzverarbeitungs-Anstalten" beabsichtigten 
Fachwerkbaues buh Holz, hat nur andeutungsweise von den 
grossen Forderungen für die Ausführung dieser Holzbauten und 
von dem Unterschied gesprochen, um den sie die nachträglich 
gemachte Kostenberechnung für Eiscnkonstruktioucn überstie- 
gen. Jetzt ist, was damals als eine so irrthümliche Meldung er- 
scheinen konnte, dass man nicht wagte, sie in einem Fachblatt 
auszudrücken, durch eine von maassgeltender Stelle ausgegan- 
gene Kundgebung Itestfitigt: die Herstellungskosten eiserner 
Galerien beziffern sich „um die Hälfte billiger, als weuu un- 
ter Annahme der niedrigsten Anbote zur Uolzkoustruktiou ge- 
griffen worden wäre." 

Von 64 aus Oesterreich, Deutschland und der Schweiz, aus 
Belgien, England und Frankreich zur Bewerbung Eingeladenen 
haben fünfzehn ihr Angebot eingesendet: als das billigste hat 
sich die Forderung von „J. K. Harkurt auf Hark orten" ergeben: 
9 Uuldeu 51 Kreuzer in Silber für den Zollzentuer fertigen 
Eisenwerks sammt Transport und Aufstellung, und für einen 
bis zur Hohe von (MOOO Ztm. angenommenen Bedarf. Demzufolge 
i.st der violbowährten Firma Harkort der Gerippbau aller Gale- 
rien übertrageu worden, und sie ist also jetzt, da sie seit 
auch die grosse ltotuude in Arbeit hat, mit der 

' betraut. 
Fs. 

Das deutsche Reichswappen. Auf Wunsch mehrer Fach- 
genossen geben wir nachstehend eine Abhildnng des für das 
deutsche Keichswappcn gewählten Kaiser- Adlers. Der Wortlaut 




des Erlasses, durch welchen das Wappen angeordnet wurde, ist 
folgender: 

„Als kaiserliches Wappen ist der schwarze, eiuköpfige, rechts- 
seheude Adler mit rothem Schnabel, Zunge und Klauen, ohne 
Szepter und Reichsapfel, auf dem Brustschild der mit dem Ho- 
henzollernschiid l>clcgte preussischc Adler, über demselben die 
Krone in der Form der Krone Karls des Grossen, jedoch mit 
zwei sich kreuzenden Bügeln, in Anwendung zu bringen. — Die 
kaiserliche Standarte enthält im Purimrgrunde das Eiserne Kreuz, 
belegt mit dem kaiserlichen, von der Kette des schwarzen Ad- 
lerordens umgebenen Wappen in weissem Felde, nud in den vier 
Eckfeldern des Fahnentuchs abwechselnd den preussischeu Adler 
und die kaiserliche Krone.*' 

Nach den von uns durch freundliche Vcrmittelung an maass- 
gebender Stelle eingezogenen Erkundigungen sind für das Wap- 
pen nur die vorstehend ausdrücklich angeführten Bedingungen 
obligatorisch. Die Form des Adlers im Einzelnen, so z. B. An- 
zahl und Stellung der Flügelfedern etc., ist völlig freigegeben 
und kann jeder Künstler, der in den Fall kommt, das Wappen 



Weitere Vorsohläge zu 
dertstel" des Kubikmeters, die uns in Folge der Notiz iu 
Nr. 51 d. v. Jhrgs. zugegangen sind, wollen für dasselbe die 
Namen „Scheit" resp. „Pfosten" eingeführt wissen. Anderer- 
seits haben wir aber auch von sehr beachten» wert her Seite einen 
Aufsatz erhalten, der sich auf das Entschiedenste für die aus- 
schliessliche Anwendung des Kubikmeters bei llolzberechnungen 
ausspricht. Wir werden denselben iu eiuer der nächsten Num- 
mern veröffentlichen. 



Konkurrenzen. 

Die Entscheidung der Konkarrenz für ein 
bände in Qörtit* (vid. No. 10, .lahrg. 71 u. Hl.), die 



15. Juli abgelaufen war, ist nunmehr am 18. Dezember v. J 
erfolgt und finden unsere Leser einen ausführlichen Bericht über 
dieselbe iu der heutigen Nummer uns. Bauanz. veröffentlicht. 
Der erste Preis von 150 Friedrichsd'or ist dem Bntwurfe de« 
Architekten W. Crem er in Berlin zu Thcil geworden, der mit 
einigen von den Preisrichtern vorgeschlagenen Modifikationen 
der Ausführung zu Grunde gelegt werdun soll, wobei dem Ver- 
fasser die Ausarbeitung der Detail uUoe übertragen werden wird. 
Don zweiten Preis von SO Frd'or haben die Architekten Barth in 
Görlitz und Kathey iu Pest errungen; ausserdem sind die Ent- 
würfe der Architekten Ebe & Ben da in Berlin und Guido 
Eh rieh in Chemnitz durch eine ehrenvolle Anerkennung aus- 
gezeichnet und zum Ankaufe für einen Preis von je 40 Frd'or. 
emofohlen worden. — Die gauze Konkurrenz giebt das erfreuliche 
Beispieleines mit gewissenhafter Korrektheit nach den Grund- 
sätzen der deutschen Architektcnschaft durchgeführten Ver- 
fahrens. 

Ein National -Denkmal zur Vorherrli nun« der Ereig- 
nisse der Jahre 1870 a. 71 auf der Höhe des Niederwaldes, 
gegenüber Bingen, ist von einem aus Männern aller deutschen 
Gauen gebildeten Könnte in Anregung gebracht worden. An- 
dern in No. 'Mi d. v. Jhrg. d. K. Ztg. mittet heilten und befür- 
worteten Aufrufe entuehmen wir, dass die Art und Weise der 
Verwirklichung dieser Idee Gegenstand eiuer Konkurrenz sein 
soll. „In welcher Form, ob als plastisches Kuustgebild, ob als 
edles Bauwerk, wird dem Rathc und dem freien Wettkampfe der 
deutschen Küustlerwclt auheimgestellt sein." Die aus freiwilligen 
Beiträgen zu beschaffenden Kosten sind auf 300000 Thlr. ange- 
nommen. 

Monats -Aufgaben für den Architekten -Verein zu Berlin 
zum 3. Februar 1872. 

I. Farbiger Schnitt durch eiuen Tanzsaal von 12 Meter 
Breite. 18 Meter Länge und 10 Meter Höhe. Die Decke ist 
ebeufalls darzustellen. Maasstab der natürlichen Grösse. 

II. Zum Legen und Stechen vou Masten von 25 Meter iJtuge 
ist au einem Flussufer ein Krahu zu errichten. Zur Bedienung 
des Kralins siud 2 Wärter anzustellen, und können vou jedem 
Kahn 2 Manu zur Aushülfe reuuirirt werden. Der Krahu ist zu 
eutwerfeu, und zu erläutern, wieviel Schiffe innerhalb 24 Stunden 
vuu demselben abgefertigt werden können. 

Alle wichtigen Maasse, Aunabtucu und Rechnungsresultatu 
sind in den Zeichnuugen an 



Preuasen. 

Ernannt: Der Wasserbau -Inspektor Hagen zu Genthin 
zum Ober-ßauinsncktor beim Kollegium der Kgl. Regierung zu 
Cöslin: der Eisenbahn-Baumeister lasch zu Bromberg zum Be- 
triebs-Inspektor der Kgl. Ostbahu in Schneidemühl; der Eisen- 
bahn- Bauinspektor Ulrich zu Metz zum Wasserban- Inspektor 
in Genthin; der Landbau-Condukteur Carl Fischer zu Hanno- 
ver zum Landbaumeister und technischen Hilfsarbeiter bei der 
Kgl. Finanz-Direktion daselbst; der Baurath Buhse zu Hanno- 
ver zum Regieruugs- und Baurath bei der Kgl. Finanz-Direktion 
daselbst ; der Landbaumeister Cornelius, Hilfsarbeiter im Fi- 
uanz-Ministerium zu Berlin, zum Bauinspektor. 

Versetzt: Der Landbaumeister Berghauer zu Lieguitx 
als Kreisbnumcister nach üoldberg; der Bau-Iuspcktor Kräh zu 
Königshütte als Wasserbau-Inspektor nach Tilsit. 

Dem Baumeister L'hermet zu Magdeburg ist der Charak- 
ter als Baurath verliehen worden. 

Brief- and Fragekai ten. 

Hrn. R. a. S. Welche Systeme haben sich für hölzerne 
auf steinernen Pfeilern ruhende Strasscubrücken am besten be- 
währt, wenn es sich um Oe ffnungen von 40 bis «0 Fuss und 
eine ziemlich beschränkte Höhe zwischcu Hochwasser und Fahr- 
bahn handelt, und wo findet man diesbezügliche praktische und 
theoretische Abhandlungen?" — Bis 15» Weite empfehlen sich 
doppelte UaiiKewerkskon-struküoneu; bei grösserer Spannweite 
das Howe'sche System. Es würde sich aber auch das Bogeu- 
bangewerkssystem bis zu der von Ihnen angegebenen Spann- 
weite anweudeu lassen. Praktisch und ohne zu grossen theore- 
tischen Apparat behandelt finden Sic den Gegenstand in „Ahl - 
bürg, der Strassenbau mit Eiuschluss der Konstruktion der 
Strassenbrücken." - 

Hrn. V. in W. Als Grossuhrmachcr für Anfertigung von 
Thurm-Uhren sind in Berlin die Hrn. Möllinger, Zimmerstr. 88 
und Rössner, Kommondantenstr. 45 rcnommirt. 

Beiträge mit Dank erhalten vou Hrn. W. in Clausthal. 

An unsere Mitarbeiter. 
Von der Voraussetzung ausgehend, dass die Einbürgerung 
des seit dem 1. Jauuar d. J. obligatorisch gewordenen Meter- 
maasses sich ytu so schneller vollziehen wird, je konsequenter 
die technischen Kreise sich ausschliesslich desselben bedienen, 
werden wir alle MaassangaU-u fortau lediglich in Mctermaass 
bringen. Wir bitteu unsere Mitarbeiter hierauf schon in deu 
Manuskripten Rücksicht zu nehmen. 



Koranii'ojoiixrrla* < 



Carl Bf»lil» 1» 



,o„ i;ri,ru<Ur Kicken iu B.rlln. 



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Jahrg. Tl. M 2. 

DEUTSCHE BAUZEITUNG 



lliUli» .. Iip*diti.a; 

■m m. 

BatUUaafaa 

> alle P.iUaii»II<. 

r.r tm\» dl. f. m .^ui,„ 



Ia.arat. 



Organ des Verbandes 

deutscher Architekten - und Ingenieur-Vereine. "*2ES 

Redakteur K. E. 0. Pritieh. 



PrtlH Thaler »r. laartal. Berlin, den 11. Januar 1872. Erschein Jedei 



tvi.., Kapfcutlo««*. (Schl.M.) - Dt. RtMlMMc. in Wim - DI« 
•iB*rik»i<«»» Kapllot.. — Di« Sullunf Art U«Juek»t> SiuuliubwiM. - Mit- 
tliallaaf.a tu. V.r. In.«: Archll.kl.a-V.r.la ■■ herün- — Vermischt.«: 
Dar Brand »«i Chle.go. — Du Aafxl»»«» tob P.u»a. ~ Anaaalak »is Meter. 



- Di. Ial< 

Kli»nb«hn|m.)ekt* la Enalind. — Konkurr.Ri.n: 

MB H*«M llM il« Htvrh r-n V.r ,■ hiU(t! — K«kUT«M I 

larf ». M. — P.r.eaa I N »t h rieht.» »tc. 



Der andere nene Bahnhof in Wien, welcher auch das 
bewusste Schema iu der Disposition der Räume an der Ab- 
fahrtsseite zeigt, ist der zwar nicht neu begründete, doch 
einem vollständigen Umbau unterworfene Zentralbahnhof 
der Staatsbahngesellschaft, der früher s. g. Raabc-r 
Bahnhof. Da derselbe in Heft 13 und 14 des Jahrgangs 
1871 der Zeitschrift des österreichischen Ingenieur- und 
Arcbitektenvereins veröffentlicht ist, will ich mich hier auf 
einige kurze Notizen beschranken. 

Das KmpfanRSgebäude hat keinen quervorgelegten Kopf- 
bau. Der Kopf der 6 Geleise, 2 Seitenperrons und einen 
Zwischenperron überdeckenden, zweischimgen mit Oberlicht 
versehenen Halle ist durch eine Glaswand geschlossen. Die 
Seitenfacadcu sind symmetrisch. Die Abfahrtsseite zeigt zwei 
Eudpavilions und einen Miltelpavillon, die sich an Höhe 

Bautheile 



Wagen zu ermöglichen, werden hier (und^ wie ich glaube 
auch auf anderen österreichischen Bahnen) Zutrittskarten zu 
den Perrons verkauft 

Die sehr geräumige Gepäckannahme, welche links von 
dem grossen Vestibül liegt, ist nach französischem Muster 
mit drei eingebauten Expediüonslokalen für die verschiede- 
denen Linien und schräg darauf zulaufenden Gepäcktischen, 
auf welchen das Gepäck entlang geschoben wird, versehen. 
Diese Einrichtung hat den Vortheil, dass die Reisenden, 
welche mit ihrem Gepäck an den Tisch allmählig vorrücken, 
in der Reihenfolge, wie sie kommen, abgefertigt werden und 
ein Vordrangen Unverschämter nicht leicht möglich ist. 

Der kleinste der nenen Wiener Bahnhöfe ist der im 
Neubau begriffene Bahnhof der Franz-Josephs-Bahn in 
der Alservorstadt. Sein Empfangsgebäude zeigt abweichend 



Die An- | von den 
I Im lattmMlMfeM staaM.i.«ahaaa-e..aiit.aafi i» ww*. 

AfiffcHRTa-SEITt 




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Abfakrit M.lt.: J. Vaatlaul.. - II. Kam. — C. Portkrr. — B. Kl.ia*r Halaataa. — M. ' 

•aal S. KlaaM. — J. Wartaual 1. Klaau. - JT. KnUa rillen 1. aad I. KI.M*. — L. < 
Aakuan.-S.lt.: ». AMHfaag».V.»tlbul. - *. WarUaaaL - fr. T»U.tt«a. - B. 

S. Por«r*r. - H, H. Bar».«.. - JJ. Baba-Ant. - *. Kalamaal. - II. 

r. u.d.okt.r Hof. 



- F. SlalloiMch.f. - Ii. Wart.ia.I I. Klam. — H. Warta- 
- Jt O.rd.rok.. - .1, It. Paar. - *. Kllirut-Aafi 
- KB. Zall-Barwa. - r,J.S»U 



kunftsseite hat nur die Endpavillons. Auf der Abfahrtsseite 
enthält der Mittelpavillon das grosse Vestibül, der am Ende 
der Halle belegene Verwaltnngsräume, der am Kopf die 
Restauration. Diese ist hier von den Wartesälen vollständig 
getrennt nnd erfallt den besagten Pavillon in allen Stock- 
werken: im Keller ist die Restauration III. Klasse, im Erd- 
geschoss die II. Klasse und eine Treppe hoch liegt ein gros- 
nebst einigen Nebenzimmern. 



legen. Um Leuten 
das Begleiten der 1h 



am Eingang der Warte- 
den Wartesaal I. Klasse 



bis an die 



bahnhof und 



Lehrter Bahnhof neben dem in der 



unserm 

Mitte der Abfahrtsseite angeordneten grossen Vestibül links 
den Wartesaal III. und IV. Klasse, rechts die Säle 1. und 
II. Klasse nebst Daraenzimmer und Toilette. Hill et- und Ge- 
p&ckexpeditinn liegen zwischen Vestibül und Perron. Diese 
Anordnung gewährt zwar den Vortheil, dass das Vestibül 
leichter in die Mitte der Abfahrtsseite gelegt und diese sym- 
metrisch gestaltet werden kann, sowie dass die Reisenden 
der niederen Klassen gleich im Vestibül von denen der hö- 
heren getrennt werden und dass nicht einzelne Wartesäle 
sehr weit vom Vestibül entfernt sind; sie bedingt jedoch 

Dies ist in Wien um so 



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mehr als l'nhcuuemlichkeit fühlbar, weil dort weil mehr als , 
hier in eleu Babuhufs- Restaurationen warm gegessen wird. | 
Sind doch im Franz- Josephs - Bahnhof, wo der Keller der 
niedrigen Lage wegen nicht wohl zu Körnen zu verwertheu 
war. zwei vollständige getrennte Küchen hinter den l>etref- 
fetideu Wartesälen im Krdgesehoss angelegt worden. Auch 
ist nicht zu x erkennen, duss der Gcpäckctpcditinn hei der 
|j»ge zwischen Vestibül und PeJTOfl schwer die für aie wün- 
scbenswerllie Ausdehuuug zu geben ist. Die Abfabrtsseite ; 
des Frauz-Josephs-Babuhof-t flankirt links ein die Post und 1 
sonstige Verwaltungsräuiu- enthalteader mehrstöckiger Eck- i 
uavillon. rechts das dein Ko|if dieser Station «juervorgelegte | 
Knpfgehüudc. Dieses enthält ueben einem grussartig dispo- 
nirten mittleren Vestibül links die Kaiser/immer, rechts Bu- 
reaus uud in den oberen beschossen Direklionsräume. 




9. Otpirk-\il>t>lw tu. — II. Veiac.il». 

Anf der Aokuuftsseite sehen wir drei isolirte, nur durch 
die Seitenwaud der Halle verhnndene Pavillons. Den vorde- 
ren stellt der Kopfbau dar, der mittlere enthalt die Gepäck- 
ausgabe, das Ausgangs- Vestibül, einen kleinen Wartesaal u. 
a. w.. der am Ende der Halle belegene ist der Bahnverwal- 
tuug gewidmet. 



Die Halle ist bei einer Länge von 139 m nur 88,45" weit, 
und wird vier au ihren Eudeu nicht mit einander verbundene 
Geleise, zwei Seitenperrons und Raum für einen .Mittelperron 
aufnehmen. Das Hallendach hat 6,88* Binderweite. Die 
Binder siud Polonceauträger mit vergitterten Sparren. Das 
Dach ist fest (ohue Anwendung von Glas) eingedeckt. Es 
lies» sich seitliches Oberlicht in genügender Menge anbringen. 
Am Ende, nach der bahn zu ist die Mulle durch einen mas- 
siven Giebel, der auf 2 Bögen und einem zwischen deu Ge- 
leisen steheadeu Pfeiler ruht, geschlossen. 

Eine von den bisher beschriebenen Bahnhöfen ganz ab- 
weichende (iestaltung hat das EmpfangsgebSude des letzten 
zu < n\ ahnenden Wiener Bahnhofes, nämlich dasjenige der 
Südbahn, weil hier das Bahnplauuiu bedeutend hoher als 
das Terraiu uud so zu sagen in der Bel-Etuge des Gebäudes 
liegt. Dazu kommt noch, dass die linke (Abfahrt*-) Seite 
desselben dem Publikum nicht zugänglich ist, so dass alle 
Eingänge sich am Kopf befinden. Dies Empfaugsgebäudc 
ist augenblicklich in einem Erweiterungsbau begriffen, desseu 
Ausführung ein liesouderes Interesse dadurch erhält, dass 
sie erfolgen muss, ohne den Betrieb in dem alteu, zu erwei- 
ternden Gebäude zu stören oder daraus zu verlegen. 

Was uun die neue Grundriss- Disposition betrifft, s» 
gruppiren sich die in zwei Stockwerken untergebrachten 
Räumlichkeiten um ein kolossales, die Mitte des Kopfbaues 
einnehmendes, durch beide Stockwerke hindurchgehendes 
Vestibül, welches dem Eingang gegenüber eine grosse dop- 
pelannige Freitreppe enthält. 
Dieses Vestibül hat incl. der Treppe einen Flächeninhalt 

von 798 □- 

Das des Bahnhofes in Mailand 796 „ 

Das des Bahnhofes in Stuttgart 896 r 

Das des Lehrter Bahnhofes in Berlin , 

Das des Potsdamer Bahnhofes in Berlin 326 . 

Der Eintretende findet in dem Vestibül zu ebener Erde 
links nud rechts die Billetexpeditionen. Weiterhin an der 
linken Seite führt ihn ein Durchgang nach dem Gepäckau- 
nahmelokal, aus welchem er anf demselben Wege nach dem 
Vestibül zurückkehrt, um auf der erwähnten Freitreppe die 
Hobe des Bahn planum« zu ersteigen. Von dem linken Trep- 



Dir leaaltuaee In Hirn.', 

(•Aus der Neuen freien Presse.) 

»Im eigenen Hause auf eigenen Füssen!" Von die- 
sen Worten nahm Direktor v. Kitelbcrgcr in einem bei Kr;. ff 
nuug der Vorlesungen im neuen Muscurosgebäuile Kehaltenen 
Vortrage den Ausgangspunkt zunächst zu einer eingehenden Be- 
sprechung des heutigen Zustande» der Kunstgewerbe in Oester- 
reich, die sich sowohl' bei der dekorativen Ausschmückung die- 
Ml ihrer Förderung gewidmeten Gebäudes, als in der gleich- 
zeitig eröffneten Ausstellung in glänzender Weise entfaltet und 
als fast vollständig auf eigenen Füssen stehend erwiesen haben. 

Auf eigenen Füssen, uud zwar als eine Frucht selbstständi- 
gen künstlerischen Schaffens, steht jedoch, wie weiter entwickelt 
wurde, nicht nur das Kunstgewerbe in Oesterreich , sondern 
auch d-r wichtigste Zweig der bildenden Künste, die Architek- 
tur, welche berufen ist, die Schwesterküustc Malerei und Skulp- 
tur und das Kunstgewerbe zur Mitwirkung au ihren Werken 
heranzuziehen und vereiut mit ihneu den Eindruck vollendeter 
Kunstwerke hervorzurufen. 

Die Stadtanlagen des modernen Wien sind die glänzendste 
Frucht einer selbständigen geistigen Arbeit der Kaiserstadt; 
sie haben keinen fremdländischen Charakter, sie sind spezifisch 
wienerisch; sie haben etwas von dem heiteren, leichtlebigen und 
genussüchtig™ Wieuertbum an sich. An manchen dieser Bau- | 
ton haben viele Nichtwiener, auch Ausländer gearbeitet; fremd- 
artige Gedanken, Berlinisches. Müncbnerisches, selbst Frauzösl- 
K bei klingt hie und da durch; aber im Ganzen und Grossen 
dominirt der lokale Typus, und die Architekten, die von aus- 
wärts gekommen siud, waren bald genOthigt, sich dem eigenar- I 
tigeu Kuustgeniu« zu fügen, der unsere Donaustadt baulich do- 
nuuirt. 

Damit soll nicht gesagt seiu, dass Alles gut ist, was hier 
geschaffen wurde, auch nicht verschwiegen werden, dass von aus- 
wärts glänzende Ideen hereingebracht worden sind; es soll da- 
mit nur angedeutet sein, dass die Kraft, die eigenen Impulsen 
folgt, hier keine geringe ist, und dass ein grosser Theil derjeni- 
gen, welche als Künstler baulich schaffen, sich seiner Zielpunkte 
klar bewusst ist. 

Die Renaissance hat hier entschieden gesiegt, aber in ganz 
anderer Richtung, als es in Berlin und Paris der Fall ist. 

Die französische Renaissance-Bewegung ist spezifisch natio- 
nal; sie ist geistreich durch und durch; in Paris selbst ist sie 



•) Wir e..trj..lunerj den all <ilaut«n»l>ekeDairilil elnei du (nltl Wortttlir« 
dar Wkotr Itmaluanra Unat aaaam*B Artikel dar Neuen fielen hn», eellwtter 
•Undllrk ohu ■ damit dla Auaiubranic*« duaalkeii talUianill* i» aar Helen. Wir 

«..ll-ii «ielin-hi d.ircli d-r. Ali.lraek iiiuäcb.t 0. Ie.imh.ii a e«i u. Inj »mar De- 

«prathumr dee.alc.en Tl.»,«., aeeaareelli au ,),-... Srb-Ift«irk aiik'.iriieii t« 
•««■'■ Ii |; i 



begünstigt durch das eigentümlich reiche, prachtvolle Bauma- 
terial, das sich in der nächsten Nähe von Paria iu grosser uud 
vorzüglicher Masse befindet; alier sie hat keine Elemente in sich, 
um das Volk für ideale Aufgaben der Kuust zu erziehen; sie 
fördert wenig die Malerei und die Skulptur uud ist selbst in 
ihren reinsten Formen nicht frei von einem barocken Beige- 
schmacke. Sie nimmt daher iu der Geschichte der europäischeu 
Zivilisation, insbesondere der italienischen Renaissauce gegen- 
über, eine untergeordnete Stellung ein. Daher haben sich auch 
alle hcrvorragcudcB Architekten der Gegenwart, deren Organ 
feinfühlig genug war. um das geistige Gewicht der verschiede- 
nen Renaissance -Richtungen zu messen, von der Nachahmung 
der französischen Renaissance ferngehalten; die besseren deut- 
schen Architekten fast insgesammt, welche dem Zuge der hu- 
manistischen Bildung des deutschen Volkes folgend, entweder 
nach Griechenland oder nach Florenz ihre Augen richten. 

Iu Berlin ist die Renaissance moderirt durch die Nach- 
klänge der Schiukel 'sehen Schule- Berlin ist beherrscht durch 
die Traditionen des modernen Klassizismus, wie ihn Schiukel 
künstlerisch ausgebildet, B'Micher theoretisch formulirt bat- 
Dieser tritt im griechischen Gewände auf und will die Formen 
der griechischen Architektur nicht nachgeahmt, wohl aber dem 
moderneu Leben angepasst haben. 

Diese Vertiefung iu den Geist des llellenenthums gebt Hand 
in Band mit den Bestrebungen der gelehrten Bumanisteu Deutsch- 
lands. 

So lange Schinkel lebte, war diese griechische Renaissance 
auf deutschem Boden von einem poetischen Hauche durchdrun- 
gen. Denn Sckinkcl wollte nicht, dass die griechischen Formen 
nachgeahmt, »oudern dass dieselben künstlerisch nachempfunden 
werden; er wollte kein Geschlecht von Kopisten erzeugen, son- 
dern zu eigeuer poetischer Schöpfung anregen, und damit dies 
möglich werde, bat er und seine Schule sich gewissermaassen 
von der antik-römischen Architektur emauzipirt. die doch selbst 
nur auf Nachahmung und Verarbeitung griechischer F'ormeu 
beruhte, und bat die Geister auf die reine Schönheit der griechi- 
schen Formen, als den t'ruuell der Kunst hingewiesen. Aus 
der Vertiefung in den Geist der griechischen Baukunst sollte 
die Regeueration der modernen Architektur emporwachsen. 

Seine Nachfolger gehen zwar noch auf den ^egen Schinkel'«, 
aber ihnen fehlt der Genius, die grosse künstlerische, treibende 
Kraft des Meisters. 

Der Purismus der heutigen Berliner Architektur ist schul- 
mässig trocken. Man siebt es den Bauwerken deutlich uu. dass 
sie nach Regeln gemacht sind Die Nüchternheit, die sich über 
die Architektur der Kaiserstadt an der Spree ausbreitet, drückt 
wie ein Alp auf die gesammte Kunst und Kunst -Industrie und 
kontrastirt stark mit den lebeudig bewegten Formeu der Re- 
naissance-Rauten in Wien. Ist hier zu wenig Schule, so ist dort 
zu viel. Wird dort zu wenig versucht, so gehen hier die archi- 

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11 - 



pt-narme oben geradeaus weitergehend, gelangt er in die aus 
einem grossen Vestibül und einein Saal bestehenden, reich- 
lich bemessenen Restnurationsränme, welche von einem gros- 
sen Theile des Publikums als Wartezimmer benutzt werden 
dürften- Die eigentlichen Wartesäle folgen an der Abfahrts- 
seite hinter einem weiteren Vestibül , mit einem Hofsalon 
begiuuend und mit dem Wartesaal 111. Klasse scbliessend. 
Sie sind mit Ausnahme des letzten Saales durch einen Kor- 
ridor vorn Perron getrennt, also möglichst in den Hinter- 
grund gedrängt. L'm das Gepäck der Reisenden, sowie die 
Postsachen und das Kilgnt. wofür die Expeditionen ebenfalls 
im Erdgeschoss sind, in den Zug zu bringen, ist an der Ab- 
fabrtscite des Empfnngsgcbäudes entlang ein Geleise mit 
starkem Gefalle vom Bahnhof hinunter gelegt. Von dort 
holt die Maschine unmittelbar vor Abgang der Züge die Ge- 
päck- und Postwagen herauf uud setzt sich damit vor die 
Personenwagen. 

LHe auf der Bahn angekommenen Reisenden gehen, um 
den Bahnhof zu \ erlassen, durch ein neben dem Aukuufts- 
perron belegenes Vestibül, an welc hes ein kleiner Wartesaal 
für Begrüsscnde anstösst, über eine Freitreppe in ein unteres 
Vestibül. Hierneben ist die Gepäckausgabe, in welche die 
Gepackstücke mittels zweier vertikaler Fürdertische (mit 
hydraulischer Bremsvorrichtung) hinabgelassen werden. Aus 
dieser tritt man in die übliche offene Veranda, an welcher 
die Droschken stehen. Reisende ohne Gepäck, sowie die auf 
den Zwischenperrons ankommenden können auch am Kopf 
durch das grosse Eingangsvestibul hinausgehen. Die Perrons 
werden deshalb am Kopfende abgeschlossen und Beamte 
zum Abnehmen der Billets dort aufgestellt. 

In der Bel-Etage des Ankunftstrakts befinden sich nach 
dem Kopf zu recht ausgedehnte, für offizielle Empfänge be- 
rechnete Kaiserzimmer. 

Bureaus und kleine Wohnungen sind in den 4 Eckpa- 
vilions des Gebäudes vertheilt 

Im Erdgcschoss sind noch zu erwähnen: die Stadtpost- 
expedition und Eilgutannahme, welche sich auf der Ankunfts- 
seite, als der von der Stadt aus allein zugänglichen Lang- 
seite des Empfangsgebäudes befinden. Da die Lokale, ans 
welchen die Postsachen und Eilgüter in die Eisenbahnwagen 



übergehen, an der Abfabrt.sseite liegen, müssen diese Gegen- 
stände im Innern des Gebäudes durch dem Tageslicht kanm 
' zugängliche Passagen ziemlich weit transportirt werden. Es 
war dies eine unangenehme aber leider nicht zu vermei- 
dende Konsequenz aus der eigentümlichen Lage des Bahn- 
hofes. Die Gewollte unter der grossen Halle sollen grössten- 
teils als Magaainränme dienen, doch findet sich hier auch 
noch ein kleiner geheizter Wartesaal (für Leute, die auf ihr 
(iepäck warten), ein Raum für deponirtes Reisegepäck und 
ein Militairwartesaal. 

Die grosse Halle soll bei einer lichten Weite von nur 
.15,7 2" 5 Geleise, i Seiten- und i Zwischenperrons enthal- 
ten. Die eisernen Dachbinder sind im Polonceausvstem. Das 
Dach wird zum Theil verglast. Ausserdem erhält die Halle 
seitliches Oberlicht und zum Theil volles Seitenlicht. Beim 
Aufbau ist die linke Seitenmauer der alten Halle mitbenutzt 
und uur erhöht worden, während die rechte Mauer von 
Grund aus neu aufzuführen war. Die rechte Seiten wand der 
alten Ualle diente zur Aufnahme der einen Laufschiene des 
Montirungsgerüstes für das Dach. Die zweite Laufschiene 
wurde auf Stützen, die zwischen 2 Hallengeleisen standen 
und durch das alte Hallendach hindurch gingen, angeordnet. 
Dies musste nämlich stehen bleiben, bis das neue Hallen- 
dach ganz vollendet war. ... 

Der alte Kopfbau wird durch das nene Vestibül 
überbaut und dann erst herausgebrochen. 

Im Innern des Empfangsgebäudes werden schöu 
sorten. namentlich der in der Nähe von Triest brechende 
feine Kalkstein reichlich verwendet Die äusseren Wand- 
flächen werden, wie an allen neuen Wiener Eiupfangsgebäu- 
den, grossentheils geputzt. 

Architekt des Empfangsgebäudes der Südbahn ist Herr 
Direktor Flattich. 

Wie in Wien die alten Empfangsgebäude für den jetzi- 
gen Verkehr theilweise zu klein geworden sind und Erwei- 
terungsbauten nöthig gemacht haben, so ist dies auch in 
Manchen mit dem Zentralbahnhof der bayerischen Staats- 
bahn der Fall. Nur ist man hier noch nicht am Bauen. 
Auch ist das Projekt noch nicht genehmigt. Doch verlautet 
im Allgemeinen darüber, dass man parallel neben die alte 



tektonischen Versucher sehr häufig über die Grenze des Er- 
laubten. 

Das poetische Element, die Berechtigung des einzelnen Sub- 
jektes wird durch die Regel der Schule in Berlin in den Hin- 
tergrund gedrängt, während <>ie in Wien ihr volles Recht in An- 
spruch uiuiuit. 

NN ir können es daher jeden Tag von ausländischen Archi- 
tekten, welche uasere Kaiserstadt besuchen und den Bestrebun- 
gen unserer Baukünstler in viel höherem Grade gerecht werden 
als diese seihst, hören, wie poetisch angeregt sie sich durch die 
bewegten Formen der Wiener Architektur fühlen, wie wohl es 
ihnen thut, künstlerischen Individualitäten zu begeguen, und 
wie vorteilhaft Wien sich in dieser Beziehung von Paris und 
Berlin unterscheide; denn iu Berlin und Paris arbeiten die Ar- 
chitekten schablonenhaft, dort nach den Rezepten des modernen 
Klassizismus, in Paris nach den Schablonen der französischen 
Renaissance früherer Jahrhunderte. 

Iu Wien allerdings droht gegenwärtig auch das Schabloncu- 
weseu durch die Baugesellschaften hereinzubrechen ; denn mö- 
gen diese es auch für »ich als einen Vorzug beanspruchen, dass 
sie schuell Häuser bauen, grosse Stadtviertel mit monströsen 
Zinshäusern bedecken, so lässt sich nicht läugnen, dass die Ar- 
chitektur als Kunst durch sie auf höchst gefahrvolle Bahnen 
gelenkt wird. Indem sie fabrikmSssig produziren, machen sie 
die ganze jüngere künstlerische Generation gewissermaasson zu 
geistigen Dienstroanncru, die mit Hochdruck arbeiten für Aktio- 
näre, welche so wenig als möglich künstlerische und so viel als 
möglich pekuniäre Erfolge erzielen wollen. 

Wo diese baugesellschaftliche Architektur in Wien waltet, 
sind die Bauten um kein Haar besser als die liaussmann'schen 
Boulevards in Paris, ja im Gegentheilo noch schlechter. Denn 
ist die Architektur in Paris in diesen neuen Stadttheilen mono- 
ton, so ist doch wenigstens vom Standpunkte der Baupolizei 
viel besser gesorgt, als es bei uns vielleicht der Fall ist. 

Die Wiener Renaissance im Allgemeinen hat, wie gesagt, 
wenig Schule, aber viel Talcut, und dort, wo sie nicht durch die 
eben charaktcrisirte Einfiuasnahme der Baugesellschaften ge- 
hemmt ist, giebt sie Gelegenheit zur Entwickelung von Indivi- 
dualitäten. 



Die Wiener Renaissance lehnt 



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isstentheils an die ita- 



lienische Reuaissance an, hie und da, allerdings sehr vereinzelt 
und nie ohne fremdartigen Beigeschmack, an altgricchische Kunst. 
In diesem Anlehnen an Italien und Griechenland folgen unsere 
Künstler einem gesunden Instinkt, und wir können nur wün- 
schen, dass sie sich in dieser Richtung nicht irre machen lassen. 

Denn all unser künstlerischer Fortschritt beruht darauf, 
dass die geistig reinigende Atmosphäre, die aus Toskana und 
Bellas zu uns herüberstreift, immer mehr sich verbreitet Viele 
Erscheinungen in der Wiener Renaissance klingen noch an mit- 
telalterliche Formen an, und dieses Anklingen an mittelalter- 



liche Formen verleiht einigen Erscheinungen einen ganz eigenen 
romantischen Reiz, während die selhststäudige Gotnik in Wien 
mit dazu beiträgt, den Reicht hu m der Bauformen zu erhöhen 
und die Eintönigkeit der Strassen und Plätze zu unterbrechen. 
Atier der Entwickelung und Fortbildung der Wiener Architektur 
stehen zwei grosse Hemmnisse entgegen. Eines derselben kommt 
aus den Kuustkreisen selbst, das andere aus der Gesellschaft. 
Von Seite der Gesellschaft droht der Kunst Gefahr durch den 
übertriebenen, oft unverständigen Luxus, der sich mit äusserem 
Glanz und Schimmer an Stelle reeller, durch Echtheit des Ma- 
teriale* und Schönheit der Formen werthvoller Leistungen be- 

' dieser Kunst des leeren Seheines wird viel zu viel Geld ge- 
opfert; Werke, die nur glänzen aber nicht befriedigen, sind am 
allerwenigsten geeignet, eine Generation von Handwerkern uud 
Künstlern zur wirklichen Kunst heranzuziehen. Die Schäden, 
welche der Kunst durch die sozialen Strömungen der Zeit ge- 
schlagen werden, muss sich dieselbe übrigens gefallen lassen. 
Sie sind die Gewitter der geistigen Atmosphäre. 

Anders ist es mit jenen Schäden, welche unserer Kunstont- 
wickelunc durch die Kuust selbst geschlagen werden- Da treten 
wir aus dem Kreise der sozialen Notwendigkeit heraus, da giebt 
es allerdings ein Gebiet, das man beherrschen, das man regeln 
und leiten aaun. 

Wenn wir in unserem Bau- nnd Kunstlcbcn die Renaissance 
wollen, so müssen wir auch die Bedingungen lierWizuführcn be- 
müht sein, unter denen die Reuaissance - Bewegung allein eiuen 
gedeihlichen Einfluss auf das gcsaniuite Kunstleben ausüben kann. 

Eine Renaissauce aber ist ohne bedeutende Skulptur und 
Malerei, ohne eine künstlerisch und technisch vollendete Orna- 
mentik ganz haltlos. Bei Renaissance -Bauten kommt es nicht 
blos darauf an, dass in den Formen der Renaissance gebaut 
wird, sondern es müssen auch der Bildhauer und der Maler 
von den Prinzipien und dem Geiste der Renaissance lebendig 
durchdrungen sein. Sic müssen, das zeigt uns der neue Museums- 
bau, sich ihres Künstlerthums bewusst sein und geistig schaffend 
an dem Werke mitarbeiten. 

Unsere Maler und Bildhauer aber sind mit geringen Aus- 
nahmen, weit weg von dem, was in einer Zeit, welche die Re- 
naissance will, Maler und Bildhauer leisten sollen. 

Die hervorragendsten Leistungen der modernen Kunst sind, 
wie die alljährlichen und die grossen Weltausstellungen zeigen, 
auf dem Gebiete der Landschaft und des Genres zu suchen : die 
Renaissance aber braucht Maler, welche die volle menschliche 
Gestalt beherrschen, die es sich zur Lebensaufgabe machen, in 
die Geheimnisse ihrer Schönheit einzudringen und die Gestalt, 
die Schönheit der Linien und der Form zu studiren. 

Diese Künstler sind aus unseren Kunstschulen, aus den 
Lehrsälen der Akademien, aus den Ateliers der grossen Maler, 
aus den Salons der Ausstellungen fast völlig verschwunden. Die 



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— 12 — 



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Kacke. — V, Ku«wlkk<. Baloaa. - II. Wamaaal t. Kl 
-- O. Buuu Uu Bakucraaltaug — /\ Bartaa fär Vcr- 



gross« Halle zu beiden Seiten je eine kleinere Halle legen 
will. Dazwischen wfirden in zungenartigen Gebäuden die 
Wartesäle, um lange Mittelkorridore gruppirt, untergebracht 
werden. Die gante Anlage würde Aehnlichkeit mit der 
Stuttgarter und gewissermaasaen eine Verdoppelung dieser 
zeigen. 

Im Bau, und sogar schon fast vollendet fand sich auf 



dem Mfinchener Zentralbahnhof eine neue Iteparatarwerk- 
stätte, welche an Ausdehnung meines Wissens alle Ähnlichen 
Anlagen in Deutschland übertrifft. (Sie brdeckt unge- 
fähr 17 Hektare. Wegen ihrer klaren Anordnung und 
mancher zur Anwendung gekommenen neuen Einrichtungen 
im Innern dürfte sie sich zum eingehenderen Studium md- 

W. Honsselle. 



menschliche Gestalt als solche ist im Sinne der alten Renainsunre 
kaum mehr ein Gegenstand des Studiums der Maler von heute. 
Selbst die Historienmaler studiren kaum mehr die menschliche 
Gestalt, wie die Maler des sechszehnten Jahrhunderts. Ihre Ge- 
srhichtemalerei ist zumeist Kostüm-Malerei. 

Sie huldigen gleichfalls einer gewissen Art vou Naturalis- 
mus, sie gleichen jenen Politikern, die in einem Athem mit 
allen Parteien einen Ausgleich anzustreben gewillt sind, mit 
den Naturalisten und den Koloriaten, den Romantikern und den 
Anhängern des Klassizismus. 

Aber mit diesen Ausglciehsmalern ist der Renaissancekunst 
nicht gedient, sie vor Allem braucht Maler einer entschiedenen 
Schule, und eben diese Schule fehlt fast in ganz Europa. 

Die beutige Schule erzieht die Künstler zu allem Anderen 
eher, als zur Kunst des historischen Stiles, zum Kultus der 
Schönheit, der Verklarung der menschlichen Gestalt. 

Die kleinen Liebhaber, der Markt, üben dominirenden Ein- 
flu«s auf unsere grossen Schulen: die Sprache der Monumente 
geht verloren. 

Noch trauriger steht es in der Skulptur. In dieser selbst 
ist in Wien dasjenige beinahe verschwunden, was man überhaupt 
Schule nennt. Iiier schwanken wir zwischen Stilisten der ro- 
mantischen Schule und zwischen einem namenlosen Naturalismus, 
der hier und da Routine, aber fast nirgendwo poetische Begabung 
und entschiedenes Wollen zeigt. Nur einige jüngere Bildhauer 
machen davon eine Ausnahme und sind bemüht, der Bildhauerei 
Freundo, dor Plastik eine Stelle im Wiener Kunstloben zu 
erwerben. 

Und so steht die heutige Renaissance-Architektur ziemlich 
vereinsamt da. Malerei und Skulptur gehen ihre eigenen Wege 
und nicht immer die besten. Die Schule selbst lisst sie im 
ßtiche. Nur einige wenige jüngere Maler lehnen sich mit kla- 
rem Bcwusstsein an die moderne Renaissance-Strömung an. 

Aber heute empfinden es alle besseren Geister lebhaft, dass 
die Kunst der Zukunft förmlich gedemüthigt und degradirt wird, 
wenn sie nicht wieder den grossen Stil zum Ausgangspunkte 
der Kunststudien macht; dass es ganz unmöglich wird, eine 
Renaissance durchzuführen, so lange wir eine Maler-Generation 
haben, die in den geistigen Bestrebungen nicht weiter geht, als 
es ieuc sind, die seit Jahren schon auf den internationalen Aus- 
stellungen zum Ausdrucke kommen. 

Bei allem Aufwände von Geist werden die modernen Renais- 
•- ihm - Hauten nicht jenes freudige Echo in unserer Brust her- 
vorrufen, als es bei den Bauten des 15. und 16. Jahrhunderts 
der Fall ist, so lange nicht die Schwusterkünste Malerei und 
Skulptur in gleicher Höhe mit auf dem Schauplatze eintreten. 
Darum raus» unser Augenmerk unverwandt aufienc grosse Kunst 
blicken, welche die menschliche Gestalt, den Kultus der Schön- 
"t in Form und Linien zu ihrem Prinzipe erhebt. 
In dieser Beziehung ist die Herstellung grosser monumen- 
■ Rauten von eminenter Bedeutung, und da die Stadterwei- 
terung Wiens jetzt bis zu dem Punkte gediehen ist, wo grosse 



monumentale Hof- und Staatebauten in Angriff genommen wer- 
den können, so blicken wir mit Spannung in die Zukunft. So 
lange die österreichische Monarchie ezistirt, ist das Kuustlcben 
Wiens nie vor einer hnffnungsreichcren Aera gestandrii. An den 
Neubau der Akademie der bildenden Künste wird bereits Hand 
angelegt, die llofmuseen und das Iloftheater werden neu gebaut, 
der Stadthausbau ist gesichert, für den UuivcrsitStsbau werden 
demnächst die Detailplane gearbeitet — sSmmtlicb Bauten, an 
welche die höchsten Anforderungen gestellt werden müssen. 

Die hervorragendsten Künstler deutsch - oesterreichiseher 
Nation sind bei diesen Bauten betheiligt; keines von diesen 
Gebäuden ist ein Bedürfnissbau im gewöhnlichen Sinne de« 
Wortes ; nirgendwo ist eine Ueberstürzung nöthig, überall eine 
stilgerechte Durchführung Grundbedingung des Gelingens des 
Baues. 

Darum dürfen wir hoffen und erwarten, dass Malerei und 
Bildhauerei bei diesen Bauten nicht als Nothbehelfe hinzuge- 
zogen werden , sondern dass man den besten Bildhauern und den 
besten Malern Gelegenheit geben wird, zum Schmucke dieser 
Werke im grossen Stile zu i ' 



•le aaerlkaalscken Kapitale. 

Nicht weniger als drei unter den Staaten der nordamerika- 
nischen Union errichten augenblicklich neue Kapitole, d- h. 
Gebäude, in denen die gesetzgebenden Körperschaften des Staa- 
tes tagen und die Amtszimmer der einzelnen Staateregierungen 
sich befinden sollen. 

Der Staat New- York versucht es bekanntlich mit dem 
Staatskapitolc zu Washington zu rivalisiren. indem er zu A I b a n y 
einen Bau begonnen hat, der im Voranschlage auf 5 Millionen 
geschätzt, wahrscheinlich das Doppelte dieser Summe kosten 
wird. — In No. 3. Jahrg. V. der Deutschen Bauzeitung ist eine 
Beschreibung und Skizze dieses in französischer Renaissance 
entworfenen Gebäudes gegeben. — Der Staat Illinois will eine 
Summe von vier Millionen zur Errichtung eines Kapitols zu 
Springfield spenden und der Staat Jowa hat für ein gleiches 
Gebäude zu Des Moines 1 '/» Millionen Dollars ausgesetzt Das 
erste soll .in klassischem Stile" errichtet werden, von dem letz- 
teren erfährt man, dass es nach korintischer Ordnung proiek- 
tirt ist und späterhin eine schmiedeeiserne Kuppel erhalten 
soll, die auf eine halbe Million Dollars veranschlagt ist. 

Nur einige wenige Staaten, wie z. B. West-Virginien, 
haben keine Kapitole; andere, wie z. B. Connecticut, halten 
deren zwei, die jedoch hier auf jenes zu Hartford reduzirt wer- 
den sollen. Nur zwei der Staaten aber besitzen noch Rogierungs- 
eebäude, welche aus der Revolutionszeit herstammen, nämlich 
Rhode Island und Maryland. Als das vornehmste Staats- 
liaus gilt jenes des Staates Tennossee zu Nashville, und als 
das kostspieligste das des Staates Ohio zu Columbus. 

Ueber die Mehrzahl der übrigen Regierungsgebfiude der ciu- 
ind folgende Notizen nicht ohne Interesse. 



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13 — 



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>- Vcatibäl. — 8. Ell«nl • Aalgabe. — T. KmIsoIkt ■ UeiUuratlo«. — C 



- F. Eilual.AaiMhme. - «. Wohaoa«. - H. Ucklkof. - 1. 
ti-piek- Depot. - «. Uepirk Aa^cabe. -- P Oebei.tfr W.i 
He.uiir.ll.». - V. Maguii». - f. Poliiei. 



Die Stellung 4er ladlsrhei Staats -BaaWaatu. 



Bekanntlich bildet die Erhöhung der Gehalte der Staats- 
Angestellten, und hierunter auch der technischen Beamten, ge- 
genwärtig einen Gegenstand der Erörterune in fast allen deut- 
schen Ländern. Aach in Baden hat die Regierung bei Eröff- 
nung der Ständeversammlung eine Vorlage darüber in Aussicht 
gestellt. Da aber bei den technischen Bcrufszweigcn ausser den 
gesteigerten Preisen der Lebensbedürfnisse auch noch andern 
t'mstSnde auf eine erhebliche, sowohl pekuniäre als dienstliche 



Ilessrrstelluns hindrängen, ho hat sich der Vorstand des tutdi- 
schen Techniker -Vereins veranlasst gesehen, eine umfassende 
Darstellung über die Verhältnisse uiicl Beschwerden des Standes 
der Regierung und den Kammern bekauut zu geben. Es dürfte 
den Fachgenossen in anderen Reichslfindern wohl nicht uner- 
wünscht «ein, von diesem Vorgang Kenntnis« zu erhalten, um 
geeigneten Falles das Beispiel nachzuahmen. 

Vor Allem schien es nothwendig, sich nicht blos in allgt- 



Daa Staats- Kapitol von Maryland zuAnnapolis gilt als 
ein Huster eines schonen Bauwerkes im Backsteinbau und 
stammt noch aus dem vorigen Jahrhundert. Ks ragt mit seiner 
Kuppel, die in eine hölzernen Spitze auslauft, bis zu 61™ em- 
por und die Aussiebt, welche man aus dieser Höhn über die 
Chesapeake Bay geniest, ist einzig. Der Saal des Governors 
und die Kammern der Legislatur messen je 10,4 bei 12, '2'" und 
sind, wie da« ganze Gebäude, hell, schmuck und solid. Zum 
Bau des Gebäudes wurden im Jahre 1769 700U Pfd. Stei l, ange- 
wiesen und 1772 der Grundstein gelegt. 

Das Kapitol von Maine zu Augusta kustete 170,000 Doli, 
and ist aus Granit errichtet, hat in der Mitte eine Säuleuhalle, 
an den Seiten aber einfache Flügel. Es steht auf einem grüuen 
Hügel. 

Das Pennsylvania Staatshaus hat 54,1* ■ Front und "24.4 m 
Tiefe, ist aus Ziegelsteinen errichtet und mit einem jonischen 
Portikus, sowie mit einer mächtigen Kuppel versehen. In ge- 
sonderten Gebäuden zu seiner Seite befinden sich die Amtszim- 
mer des Governors und der übrigen Staatsbeamten. Die Aus- 
sicht von der Kuppel dieses Baues ist besonders durch Gebirgs- 
und Flusszeneric ausgezeichnet. In der Nachbarschaft befindet 
sieh die Stelle, welche ursprünglich zur Errichtung des Natioual- 
Kapitols bestimmt gewesen war. 

Das Kapitol von Massachusetts wurde hu Jahre 17'.1S 
vollendet und ist das ansehnlichste Gebäude in Boston. Seine 
Kuppel erhebt sich 36,6" filier das Terrain und 70,1" filtcr 
das Niveau der benachbarten See. Dieser Bau ist trotz seines 
Alters doch ganz und gar der Stadt würdig, welch« die historisch 
wichtigste in Amerika ist, und wird stets in einer so militairi- 
schen Ordnung und Sauberkeit gehalten, als ob er noch immer 
gleichsam das Hauptquartier der Republik wäre. In der Flucht 
der Terrassen, welche zu ihm hinaufführen, sind bronzene Sta- 
tuen aufgestellt und in der Rotunda befinden sich Büsten aus- 
gezeichneter Männer Bostons Massachusetts ist übrigens der 
einzige Staat, welcher seinen Regierungssitz in einer Stadt ersten 
Ranges aufgeschlagen hat. 

Das vorläufig noch bestehende Kapitol des Staates Ncw- 
York zu Albany, in dessen unmittelbarer Nähe der schon 
erwähnte grossartige Neubau aufgeführt wird, liegt 39.6« über 
dem Hudsonflusse and. bat 120,000 Doli, gekostet. Es ist aus 
Werksteinen errichtet und in der Seitenfront mit einem jonischen 
Portikus geschmückt, über weichem Urnen angebracht sind. 
Eine Bailustrade umzieht das ganze Dach und die Kuppel 
wird von der Statue der Göttin der Gerechtigkeit gekrönt. 

Das Vermont- Staatshaus zu Montpelier inisst 45,7 zu 
30,5'" bei 30.5* Höhe. Es ist von dunklem Barre-Granit in 
dorischem Stile errichtet und hat ein kupfernes Dach. Es kostete 
132,000 Doli. Eine Statue Ethan Allers von Farkin Meade, 
welche in dem Gebäude aufgestellt ist, darf die Aufmerksamkeit 
von Kunstliebhabern beanspruchen. 

Dm V irginia- Staatshaus, nächst dem in Washington das 
am reichsten geschmückte und das am Merkwürdigsten gewordono 



Regieruugagebäutle im Lande, ist eine unglückliche Nachbildung 
des Maison Carrce zu Nismes in Frankreich, — eine der Lieb- 
habereien Jeffersons. Es ist ül>cr dem Untergeachoss mit 
jonischen Pilastern und Säulen besetzt und von rohen Ziegeln 
erbaut, macht jedoch eben keinen angenehmen Eindruck auf 
den Beschauer. 

Noch weniger ist dies der Fall bei dem Kapitol von Ohio 
zu Coluiubus. Dasselbe ist H2.7« lang, 55,2» breit; die Spitze 
seines Domes ragt bis in eine Hohe von 47,8™. Ihis Baumate- 
rial ist ein harter Kalkstein, der dem weissen Marmor ähuelt; 
den Stil ist mau den klassischen provinziellen zu neuneu ver- 
sucht. Auch hier umgiebt das Ganze eine Säuleu- und Pfciler- 
stelluug: ein falscher Giebel erhebt sich in der Mitte über das 
flache, mit Rauchfangen versehene Dach, die Kuppel ist ge- 
drückt und ähnelt sehr einer Mütze. Der Bau hat gegen 4,000.000 
Doli, gekostet. In anschaulicher Weise verglich der berühmte 
William Carry dieses architektonische I nding, einen der kolos- 
salsten und kostspieligsten Steinhaufen, die existiren, äußerlich 
mit einer Theet.isse, welche auf einem Ziegelsteine steht. Ein 
Park umgiebt dieses Kapitol. 

Das Kentucky -Staatshaus ist ein Hau, aus weissem Mar- 
mor aufgerührt und hat einen Portikus und eine Kuppel vou unge- 
fähr derselben Art, wie jene des Virginia Staatculiause*. 

M ad i son, die Reaierungsstadt des Staates Wisconsin, liegt 
pra rhtv o|| auf einem erhöhten Isthmus, umgeben von zwei grossen 
Binnenseen. Dahin war 1837 der Regierungssitz verlegt, weil 
die Stadt sich ganz besonders dafür eignete. Das Kapitol ist 
aus Kalkstein errichtet und steht inmitten eines sehr grossen 
Parkes durch den dio Strassen vou der lliihe aus sich radial 
heruiederzieheu. Noch werden Witze darüber laut, daas es 
nicht gar lange Zeit her sei, dass die Schweine sich unter die 
Sitzungssäle der ~ 



Grunzen auch ihrerseits" etwas zu der l-ebhaftigkeit beizutragen 
wussten, mit welcher solche Körperschaften hier zu Lande zu 
tagen pflegen. 

Das Kapitol von Missouri zu Jeffer son City steht un- 
mittelbar u!mt dem Flusse auf einer ca. 25* hohen Anhöhe. 
Dasselbo hat 250,000 Doli, gekostet, ist in edlem Stile »tu 
Werkstein erbaut, und nimmt sich insbesondere unten vom 
Flusse aus gesehen, stattlich aus 

1ms Jr nnessee - Staatshaus kam Mut SiM afUUoi Dollars M 
stehen und ist 54* über dem Flusse, an der höchsten Stelle 
von Nashville errichtet. Es ist ein jonischer Bau mit einer 
Kuppel, die noch eine schönere Aussicht bietet, als jene des 
Kapitals zu Annapolis. Dieses Regierungsbäude wird wie er- 
wähnt für das beste in Amerika gehalten. 

Das Kapitol des Staates Texas zu Aastin misst 44,2* bei 
29,8« und hat eine Kuppel, die eine Höhe von c 31* erreicht. 
Der Bau ist aus Oolith von weisslicher Farbe in 
Stile errichtet und hat 150,000 Doli, gekostet. 

A. D. 



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— 14 — 



meinen Sätzen zu ergehen, sondern eine statistische Grandlage zu 
schaffen, au» welcher man den gegenwärtigen Pcrsonalstand der 
Beamten mit den Durchschnitten von Besoldung. Dienstalter und 
Lebensalter, sowie das Schicksal aller seit den 30er .Uhren exa- 
minirten Kandidaten der Technik, namentlich der im Staats- 
dienst Verbliebenen ersehen konnte. Die betreffenden Tabellen 
gliedern sich nach den drei in Baden vollständig getrennten 
Zweigen des Wasser-, Strassen- und Eisenbahn-Baues, des Eisen- 
bahn-Betriebs und des Hochbaues. Nur die bemcrketiswerthesten 
Folgerungen mögen hier kurz angeführt werden. 

Der Ingenieur oder Techniker gelangt gegenwärtig durch- 
schnittlich im 37. Lebensjahre zum Eintritt in den eigentlichen 
Staatsdienst (mit bleibender Anstellung und Pensionsberechti- 
gung) bei 1000 Fl- Besoldung. Letztere erhöht sieh bis zum 
h0. Lebensjahre auf KiOO Fl. Auf Nebenverdienst durch Privat- 
arbeiten ist wegen überhäuftcr Dionstgeschafte, durch Reisediäten 
wegen der hohen Wirthshausprcise kaum zu rechnen. Es bleibt 
daher dem Beamten geradezu versagt, mit dem Lohne der eige- 
nen Arbeit eiue Familie standesgcniäss durch die Welt zu 
bringen. Ebenso ungünstig stellt sich der Vergleich zwischen 
den technischen Staatsdienern and denjenigen gleichen Alters 
(»der gleichen Dienstranges in der Verwaltung und Justiz, nnd 
es kann dieser Maugel au Gleichstellung wohl noch mit als 
Nachwirkung des alten Vorurtheils angesehen werden, dass die 
wissenschaftliche Bildung und gesellschaftliche Stellung bei Tech- 
nikern geringer sei, als bei den Absolventen von Universitäten. 

Der Umfang der Bautätigkeit und sonstigen Geschäfte, 
die Verantwortlichkeit der Techniker für die ihnen anvertrauten 
grossen Geldmittel, der Anspruch auf ihre geistigen und kör- 
perlichen Kräfte haben seit 30 Jahren gewaltig zugenommen, 
wie dies mit Zahlen leicht nachzuweisen war, uud doch ist we- 
der die Anzahl der Staatsdiener noch ihr Lohn entsprechend 
gewachsen. Es wurde ferner Klage darüber geführt, dass eine 
nicht unerhebliche Anzahl von Stellen stets nur provisorisch 
besetzt wird, dass die Einnahmen nicht regelmässig sondern 
nach Willkübr der vorgesetzten Behörde steigen, dass die Dienst- 
zeit nicht für die ganze Dauer der thatsäch liehen Wirksam- 
keit für den Staat, sondern erst von der definitiven Anstellung 



an gerechnet wird, dass bis zu der letzteren keine Jahresgehalte 
sondern Tagel ftbne bezahlt werden. Bei solchen Verhältnissen 
kann es nicht Wunder nehmen, dass viele, und zwar grade die 
falligsten und strebsamsten Praktikanton nach Ueberstehung der 
ersten Lehrjahre im Staatsdienst sich ins Ausland oder zur 

] Privat präzis wenden, dass viele badische Polytechuiker sich 
überhaupt nicht mehr der Staatsprüfung unterziehen. Der Staat 

! ist daher seit mehren Jahren geuöthigt gewesen, seinen Be- 

j darf an Technikern durch Ausländer zu decken, welche höher 
als Badener bezahlt weiden mussten, oder Arbeiten höheren 
Ranges dem niederen Baupersonal anzuvertrauen Es Hess sich 
auf Grund dieser Thatsachen unschwer nachweisen, dass es im 

I wohlverstandenen Iutercsse .des Staates selbst liegt, mittels 
durchgreifender Verbesserungen in der Lage seiner technischen 
Angestellten dem vielfach beklagten Mangel an gutem Personal 
abzuhelfen- 

Das Verhältnis* zwischen Technikern und Nichttechuikcrn 
ist noch ganz auffallend erniedrigend für die ersteren gestaltet 
bei der Badischen Eisenbahn -Betriebsverwaltung. Man findet 
anderwärts beide Klassen koordinirt, öfter den Techniker an die 
Spitze der Verwaltungszweige gestellt, wie es seiner Verantwort- 
lichkeit gewiss mit Recht zukommt. Hier aber liegt der dienst- 
liche Vorrang und die höhere Einnahme durchgehend» auf Sei- 
ten derjenigen Beamten, welche meist durch Routine und eine 
kurze Studienzeit ihre Befähigung erlangt haben. Das Vorur- 
tbeil, dass Techniker Leute von geringerem wirtbschaftlichen 
Verständnis» seien, ist noch die mildeste Auslegung für diese 
Uebclständc, zu deren Verbesserung bei der durch Uebergang 
der badischen Post an das Reich nothwendig fallenden Neuor- 
ganisation der Verkehrsanstalten eine passende Gelegenheit ge- 
boten ist. 

Auch bei diesen Bestrebungen hat sich der Nutzen des Ver- 
einslebens gezeigt- Mau kann unter der Firma eines Vereins 
Manches freimüthigcr nnd nicht minder sachgem&ss sagen, als 
wenn alle lletroffcnen mit ihren persönlichen Unterschriften ein- 
stehen müssten. Uebcr den Erfolg de» geschilderten Schrittes 
will s. Z. berichtet werden. 

Karlsruhe, Auf. Januar 1872. B. 



Mittheilungen aas Vereinen. 



Architekten- Verein zu Berlin- Hauptversammlung 
am 6. Jan. 1*72. Vorsitzender Hr. Böckmann; anwesend 131 
Mitglieder. 

Au» verschiedenen geschäftlichen Mittheilungen, mit welchen 
der Vorsitzende die Hauptversammlung eröffnet, ist der Antrag 
des Vorsitzenden des Vereins , Motiv" hervorzuheben, die Sitzung 
des 20. Januar wegen des an diesem Tage stattfindenden Weih- 
nachtsfestes des genannten Vereins ausfallen zu lassen- Mit 
der Aunahme dieses Antrages seitens der Versammlung verbin- 
det der Vorsitzende die Aufforderung zur lebhaften Betneiligung 
an diesem eigentlich architektonischen Winterfeste. 

Als Kommissionen zur Beurtheilung der eingegangenen 
Schinkelfest-Konkurrenzen, welche nach kurzer Debatte auf die 
Zahl von ie S mit 2 Ersatzmännern festgestellt werden, gehen 
aus dem Wahlakt hervor die Herren: Strack, Ende. Lucae, 
Adler, Orth, mit den Ersatzmännern Stier und Hitzig für 
den Hochbau — die Herren Schwedler, Franzius, Grund, 
Quassowski, Streckert, Ersatzmänner Haarbock und 
Hartwich, für die Arbeiten aus dem Gebiete des lngeuieur- 
wesens. 

Herr Adler, zum erstcnmale nach seiner Rückkehr aus 
dem Orient wieder im Kreise des Vereines, bespricht hierauf in 
eingehender Weise die Monatskonkurrenz für Dezember, deren 
fünf, fast durchweg gute Lösungen den Beweis liefern, dass es 
nur eineB interessanten Themas wie hier (Siegesthor am Bclle- 



VormiBchtes. 



Wenn wir auch unsere I^eser 
der bis jetzt in den Vereinigten 



Der Brand von Chioago 

über den grössten Häuserbraud, 

Staaten stattgefunden hat, einen ausführlichen Bericht mit Be- 
rücksichtigung aller für den echniker interessanten Momente 
noch nicht vorlegen können, so ist es uns doch durch Zusen- 
dung einiger New- Yorker Zeitungen von Seiten eines Hambur- 
ger Fachgeuossen möglich gemacht, unsere kurze Notiz in No. 44 
dieser Zeitung zu vervollständigen. Wir hatten gehofft weitere» 
brauchbares Material dafür zu erhalten, sind jedoch in dieser 
Beziehung enttäuscht worden. 

Chicago liegt bekanntlich dicht am westlichen Ufer des 
Michigansees und wird vom Chicagoflusse, der sich im Innern 
der Stadt in zwei Arme theilt, durchströmt; dieser Theil des 
Flusses nun, der von der Vereinigung seiner Arme ab in einer 
Länge von mehren englischen Meilen in rein östlicher Richtung 
nach dem See fliegst, ist als die eigentliche Mittellinie der durch 
das Feuer verwüsteten Fläche anzusehen, nördlich und südlich 
von dieser Linie ist die Stadt aus lauter parallelen und sich 
rcehtwinklich schneidenden Strassen erbaut und von den durch 
diese gebildeten mehr oder weniger grossen rechteckigen lläuser- 
vierteln sind zu jeder Seite des Flusses ca. 300 abgebrannt. 

Es wird zwar berichtet, dass die hauptsächliche Ursache 
der schnellen Verbreitung des Feuers in dem mächtigen Sturme 
zu suchen sei, der, mehre Male seine Richtung wechselnd, die 
Flammen mit der Geschwindigkeit eines Prainebrandes weitor- 



Allianee-Platz) bedarf um die Thätigkeit der Vereinsmitglieder 
anzuspornen. Den Preis hatte die Kommission der Arbeit mit 
dem Motto »Walküre* zuerkannt, als dereu Verfasser sich Herr 
Wolffen stein ergab, während auch der Arbeit des Herrn 
Fritz Wnlff, als zweitbester, ein Andenken zugesprochen wurde. 

Das projektive Winterfest beschäftigt hierauf den Verein, 
der sich nach längerer Debatte für die bereits in früheren 
Jahren beliebte und bewährte F'orm des sog. F'amilienfestes mit 
möglichster Beschränkung auf die Mitglieder des Vereins und 
deren Angehörige entscheidet. Die Sorge für dieses Fest wird 
einer aus den Herren I". Wolff, Sch we n ke. Cre mer, Lu th- 
mer. Stier, Knoblauch, Hanke und Schaeffer bestehen- 
den Kommission übertragen. 

Von sonstigen Erscheinungen des Abends ist noch zu er- 
wähnen, dass Hr. Jahn eiue Sammlung von Photographien 
italienischer Details vorzeigt, die er meist nach seinen Angaben 
in Toscana hat aufnehmen lassen, und welche der Photograph 
zu 6 Sgr. pro Blatt hier verkaufen will. Dieselben werden in 
der Bibliothek aufgelegt. Hr. Finde empfiehlt das Werk von 
FYicdr. Elschbach über Stickmuster mit kurzem Hinweis auf 
die Irrwege, welche die modernen Frauenarbeiten in stilistischer 
Hinsicht meist noch zu geheu pflegen. Einige F'ragebeantwor- 
tungen seitens der Herren Böc k man n, Röder und Gersten- 
berg beenden die Hauptversammlung, der sich noch eine lebhaft 
besuchte gesellige Sitzung im Arion-Garten anschliesst 
L. 



getrieben hat, e» kann indes» mit Hinsicht auf die vorhanden 
gewesenen guten Löscheinrichtungen al» zweifellos angesehen 
werden, dass das Feuer trotz des Sturmes bald nach seinem 
Ausbruche gelöscht worden wäre, wenn nicTit die leichte Bauart 
der Häuser das schnelle Umsichgreifen desselben zu stark be- 
günstigt hätte. 

Ueber diesen Umstund, nämlieh die primitive Bauweise, die 
bis vor wenigen Jahren, zum Theil sogar noch bis auf den heu- 
tigen Tag in der „Riesenstadt des Westens* üblich gewesen ist, 
scheinen noch vielfach falsche Ansichten im Uralauf zu sein. 
Die Berichte, über das märchenhafte schnelle Aufblühen der 
jungen Stadt mögen bei Vielen die Vorstellung erweckt haben, 
dass die, gleichsam wie mit einem Zauberstabe aus der Erde 
gelockten Häusermassen in stolzem Steinbau prangten. — Dem 
war keineswegs so. Es gab in dem abgebrannten Stadttbeile, 
der ca. ein Fünftel der ganzen Stadt ausmacht und in dem sich 
der ccsammto geistige und materielle Verkehr konzentrirte, 
allerdings eine nicht geringe Anzahl solid konstruirter massiver 
Bauten, die grosse nach Tausende zählende Menge der sie 
umgebenden Privathäuser bestand aber aus F'ochwcrks- und 
Blockhausbauten. — Es dürfte die Bemerkung hier einzuschalten 
sein, dass durch diesen Umstand auch die Leichtigkeit erklärt 
wird, mit dem ein Theil der Stadt um fi™ über das ursprüng- 
liche Niveau gehoben worden ist — 

Dicso leicht gebauten, zum grossen Theil auch mit leicht 
brennbaren Stoffen und Woarcnlagern gefüllten Häuser gaben 
dem in einem Stalle ausgebrochenen Feuer eine so schnelle und 



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15 — 



reichliche Nahrung, dass sich sehr bald alle Löscbungsvcrsuche 
als vergeblich erwiesen und das* auch die in diesem Meere von 
Zündstoff isolirt stehenden Massivbauten, von denen einige, wie 
z. B. da« Bureau der „Tribüne" für absolut feuersicher gehalten 
worden waren, bald mürbe gebrannt waren und zusammenstürzten. 
Es soll dies wesentlich darin seinen Grand haben, dass das übliche 
Haumaterial in einem Petroleum - Distrikte gebrochen, nach 
Jahren noch so viel entzündliche Substanzen enthält, dass ein 
Ausbrennen derselben erleichtert ist. 

Dass nicht die ganze Stadt der Feuersbrunst zum Opfer 
gefallen ist, wie noch am Mittag des S*. Oktober befürchtet 
wurde (der Brand brach am 8. Oktober aus), ist zum Theil der 
Energie des Gencrallieuteuant Sheridan zu danken, der den süd- 
lichen Theil durch Niederzissen grosser IHuserviertel rettete, 
zum Theil aber dem Umspringen des Windes, der den Feuerlauf 
dem See zuführte. 

Die Verluste, von denen Hunderttaussende von Einwohnern, 
sowie viele Korporationen betroffen worden sind, erreichen eine 
erstaunliche Höne, uud wenn es eiues Beweises für die Bedeu- 
tung Chicagos unter den Städten der l'nion bedurft hätte, so 
wäre er durch die tiefgreifenden Störungen geliefert, welche der 
Brand Chicagos im gesamtsten Handels- und Verkehrsleben der 
Vereinigten Staaten zur Folge gehabt hat. 

Unter den beim Brande in Chicago zerstörten öffentlichen 
Gebäuden sind als besonders hervorragend zn nennen: 

Das Gerichtshaus. Es war 1&55 ganz von Kalkstein er- 
baut und hatte einen hohen Thurm, der eine vollständige Ueber- 
sicht über die Stadt und einen Theil des Sees gewährte. 

Die Handelskammer, 
aufwände von 533000 ThaJern 
Marinur erbaut. 

Das Stationsgebäude der südlichen Michigan-EUenbabu. 
Gleichfalls von Marmor und (mit Ausnahme der vandcr'jild-Sta- 
tion) das schönste Eisenbahngebäude in ganz Nordamerika. 

Das Zoll- und Postgebäude. 

Die erste und zweite Presbyterianische Kirche. 
Die Eintrachtskirche. 
Das Dearborn-Theater. 

Die Farwcll - Halle. Eine der grössten Hallen für Ver- 
sammlungen in der Union. 
Aikens Museum. 

Mr. Vickers Theater. Galt für das erste Theater der Stadt 

Das Sberman - Haus. Eines der grössten Hotels im 
Westen, war Eckhaus mit 2 Fronten von ie 340' engl. Läuge. 

Das Crosby - Opernhaus, war 18oj vollendet und halte 
gegen GOOOÖO Thaler gekostet. „ , 

Die Erinnerung an diese grossartigen Verluste und das na- 
uienlose Elend, in welches sc viele Tausende versetzt sind, wer- 
den das ihrige dazu beitragen, dass trotz aller Eile, mit der die 
Errichtung neuer Wohnungen in Angriff genommen werden muss, 
beim Wiederaufbau der Stadt gesunde Grundsätze in Anweu- 
dung kommen. Und nicht nur Chicago, sondern sämmtliche 
Städte der Union werden aus diesem Unglücksfalle eine Lehre 
ziehen und der eigenen Stimme wie auch den eindringlichen 
Mahnungen der gesammten amerikanischen Presse Gehör schen- 
ken und in Zukunft solide und wirklich feuersichere Bauten 



Sie war 1865 mit einem Kosten- 
in italienischer Renaissance von 



Das Aufziehen von Pansen ist eins jener technischen 
Nebenarbeiten beim Zeichnen, die viele Techniker nicht sowohl 
aus Sparsamkeitsrücksichten, als vielmehr aus Besorgnis für 
die möglichste Schonung der Zeichnungen dem Buchbinder zu 
überlassensich scheuen. In derThat ist diese Arbeit unter allen 
ähnlichen weitaus die schwierigste, und selbst nur wenige Buch- 
binder sind im Stande, sie allen Anforderungen an Korrektheit 
und Sauberkeit entsprechend derartig zu bewirken, dass nirgends 
eine Faltung oder Verzerrung des Fauspapieres stattgefunden 
hat, und dass dieses auf dem weissen Unterlagepapier wie ein 
aufgedruckter Ton erscheint, ohne dass an irgend einer Stelle 
das angewendete Klebematerial sichtbar wird. Es ist daher, 
wenn die Masse derartiger Arbeiten nicht etwa so gross ist, dass 
ihre Besorgung nicht mehr in einer Erholungspause nach geistig 
anstrengender Arbeit erfolgen kann, den jüngeren Technikern 
allerdings anzuempfehlen, sich in dieser Beziehung von fremder 
Hülfe möglichst zu emanzipireu; auch wird die Annehmlichkeit, 
dass man auf der aufgezogenen, noch auf dem Reissbrett sitzen- 
den Pause nunmehr mit grosser Bequemlichkeit alle wünschens- 
werthen Tuscharbeiten, resp. bei Bleistiftpausen eine Fixirung 
vornehmen kann, immerhin in's Gewicht fallen. 

Veranlassung, diesen Gegenstand zu ei-örtorn, giebt uns eine 
in der Dtsch. lndustr. Ztzg. enthaltene Notiz, die ein Verfahren 
zum Aufziehen sehr grosser Pausen mittheilt, bei welchen die 
Schwierigkeiten der Arbeit selbstverständlich in nicht geringem 
Grade wachsen. Wenn wir aus jener Notiz die unwesentlichen 
Nebendinge weglassen, so ist jenes Verfahren im Allgemeinen 
als eine einfache Theilung der Arbeit zu charakterisireu. 
Man legt die aufzuziehende Pause in der richtigen Lage auf das 
aufgespannte Unterpapier und verdeckt je nach der Grösse der- 
selben die Hälfte oder noch einen grösseren Theil davon durch 
einen Bogen Makulaturpapier, der auf dem Brette unverrückbar 
festgeheftet wird. Der freigebliebeno Theil wird darauf umge- 
klappt, auf der Rückseite mit dem nöthigen Klebematerial Be- 
strichen und nach sorgfältigem Zurücklegen und Auzieben in 
bekannter Weise unter einem weichen Ueberlegebogen mit der 
Hand, einem Tuchballen oder einer Bürste glatt gestrichen. 
Dieselbe Manipulation wird demnächst mit einem oder noch zu 



mehren Malen mit der übrigen Fläche des Pauspapiers 
holt, wobei zur Erzieluog eines innigen Anschlusses j< 
eiu Streifen des schon festsitzenden Papiers abgezogen und neu 
mit dem Klebematerial bestrichen werden soll. 

Wir bezweifeln unsererseits nicht, dass mau durch diese 
Methode seineu Zweck erreichen kann, wenn es auch schwer 
sein möchte, die betreffende Pause so sauber aufzuziehen, 
dass mau die doppelt bestrichenen Streifen nicht sofort erkennen 
sollte. Man wird daher, wenn die Grösse der Pause nicht eine 
ganz ausserordentliche ist, in vielen Fällen doch noch besser 
fortkommen, wenn man sich zu derselben eines möglichst festen 
Papiers bedient, sie jedoch in üblicher Weise auf einmal auf- 
zieht. Hierbei wird es jedoch mit Ausnahme von ganz kleineu 
Blättern, die keine Schwierigkeiten machen, gut sein, wenn man 
sich des (vielen Fachgenossen unbekannten) Tapezierkunstgriffes 
bedient, beim Aufbringen der Pause auf das Unterlagepapier 
das Brett mit letzterem nicht horizontal auf deu Tisch zu legen 
sondern zunächst schräg nach Oben geneigt aufzustellen. Es 
erfordert alsdann kein sonderliches Geschick, das aufzuziehende 
senkrecht gehaltene Blatt zunächst mit 2 Ecken resp. einer Seite 
I auf die Unterlage zu bringen und von dort aus vorsichtig glatt 
zu ziehen, während es in jenem Falle kaum zu vermeiden ist, 
dass dasselbe zunächst iu der Mitte aufliegt, dass die freischwe- 
benden Ecken umklappen und was dergl. Unfälle mehr sind. 

Vielleicht ist es nicht überflüssig noch einige Erfahrungs- 
regeln mitzutheileu, unter denen diejenigen vorangestellt werden 
mag, dass man Pausen auf Oelpapier möglichst frisch aufziehen 
muss, weil Oelpapier um so brüchiger und zerreissbarer wird, 
je älter es ist. Je nach der Qualität des Papiers richte sich 
der Klebestoff. Dickes Papier so wie alle grösseren Bogen Wer- 
dern am Besten mit Kleister aufgezogen, der jedoch sehr dünu 
und gleichmässig aufgetragen werden muss; bei kleineren Bogen 
und leichtem Papier wird man sich mit Vortheil eines sehr 
stajk verdünnten Gummi arabicum bedienen, doch beachte man 
in jedem Kalle die bei allen Aufzicharbeiten erforderliche Haupt- 
regel, dass das aufzuziehende Blatt erst dann aufgebracht wer- 
den darf, wenn es keine oder doch nur geringe Wellen wirft, 
also möglichst gleichmässig angefeuchtet ist Ein Papier, das 
wenig geleimt ist und daher unter der Aufeuchtung reisst, 
lässt sich nur dann aufziehen, wenn es vörher mit einer Gelatine- 
Lösung getränkt und alsdann getrocknet worden ist — Zum 
Glattstreichen der Pause bediene man sich keiner zu harten 
Bürste, weil sonst die Striche derselben siebtbar bleiben; dass 
das vorhergehende Anziehen nur in der vorsichtigsten und 
massigsten Weise geschehen darf, weil sonst sofort eine Verzer- 
rurg 3er Zeichnung erfolgt, bedarf kaum einer Erwähnung. Die 
grösste Schwierigkeit bildet es für Ungeübte die erforderliche 
Stärke des Klebematerials so zu treffen, dass dasselbe einerseits 
vollkommen haftet, andererseits nirgend über die Ränder her- 
ausquillt; es lässt sich diese Kunstfertigkeit jedoch nur durch 
Erfahrung erreichen. O 

Ammoniak als Motor. Die Gewinnung einer neuen Be- 
wegungskraft, die für viele Zwecke, u. A. für Strassen-Eiscu- 
bahnen, dem Dampf vorzuziehen wäre, beschäftigt in den Verei- 
nigten Staaten Theoretiker und Praktiker in hohem Grade. 
Neuerdings finden sich in technischen Zeitschriften Erörterungen 
für und gegen die Verwendung von Ammoniak als Bewegungs- 
kraft Der „American Artizan" bespricht die wie gewöhnlich 
mit grosser Emphase angekündigte Erfindung in sehr kühler und 
ungläubiger Weise, das „Iron Age* bringt dagegen Urtheile von 
Gelehrten, die für die Verwendbarkeit von Ammoniak als Be- 
weguugskraft sprechen. Professor C. A. Joy vom Colombia-Col- 
lege beschreibt, nach der Zeitschrift für Eisen -Industrie, einen 
Apparat zur Kondeusirang von Ammoniak, der in Frankreich 
ausgestellt wurde, und giebt seine Meinung in dem Sinne, dass 
Ammoniak sich mit Erfolg als Bewegungskraft verwenden lasse. 

Der Apparat ist sehr einfach, er besteht nur aus einem Auf- 
nahmebehälter zur Kondeosirung des Gases und einem Konden- 
sator für dessen Erkaltung und Wiedererzeugung, nachdem es 
seinem Zwecke gedient hat. Das Gas wird aus dem gowöhn- 
licfceu Ammouiakwasser geVQBBM und wird vermittels seines 
eigenen Druckes in einem Kondensator, der in eine kühlende 
Mischung gestellt wird, flüssig gemacht Der Aufnahmebehälter, 
gefüllt mit flüssigem Ammoniak, gleicht den gegenwärtig zur 
Aufbewahrung der Kohlensäure für die Sodawasser - Anstalten 
benutzten Apparaten. Es ist mit Doppelschrauben und Erahnen 
wersehen, so dass er an dem Kolben, wo er arbeiten soll, be- 
festigt werden kann. Das flüssige Gas kann In starken Behäl- 
tern, die je nach der angewendeten Hitze einen Druck von 7— 
10 Atmosphären aushalten, auf Wagen transportirt und dem Be- 
stimmungsort zugeführt werden, gerade wie Sodawasser jetzt 
durch die Strassen gefahren wird. An jeder feststehenden Ma- 
schine ist ein mit kaltem Wasser gefülltes Gefäss angebracht, 
in welches das Gas nach dem Austritt aus dem Kolben geleitet 
wird, gerade wie Dampf aus der Niederdruck - Dampfmaschine 
kondensirt wird, uud der Kondensator enthält alsdann alles Gas 
in einer wieder iu Flüssigkeit zu verwandelnden Form. Wenn 
ein neuer Vorrath von flüssigem Ammoniak vom Wagen abge- 

t liefert ist, werden die Kondensatoren wieder mitgenommen und 
in der Uauptfabrik daraus vou Neuem Gas gewonnen. Man nimmt 

I an, dass mit 20 Pfund flüssigem Ammoniak der Druck von einer 
Pferdekraft eine Stunde laug unterhalten werden kann. Ein 
Omnibus mit einer Ammoniak -Maschine von I Pferdekraft kann 

, mit 50 Pfund flüssigem Ammouiak und 120 Pfund kaltem «asser 
8 Meilen weit gefahren werden. Am Ende der Route wird ein 

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— 16 — 



neues Quantum flüssigen Ammoniaks und kalten Wassers auf- 
genommen and das Ammoniak kann nachher wieder aus den 
I'JO Pfd. Wasser herausgezogen »erden. Kine solche Maschine 
würde weder Ranch noch Dampf verursachen, sie würde jederzeit 
fertig sein und mit Vortheil auf steigcuden Bahucu, iu Privat- 
häuscru. Gruben, Tunnels, Stadt-Eisenbahnen, bei Feuerspritzen, 
bei Luftballons und überhaupt da, wo die Verbrennung von Luft 
vermieden werden muss, augewendet werden kennen. 

Industr.-Bl. 

Die telegmphisoten Verbindungen zwisoben Europa 
und Amerika sollen um eine ueuc vermehrt werden. Ks hat 
sich eine Gesellschaft mit 1,250,000 Pfund Sterling Grundkapital 
gebildet, um ein Kabel von Portugal über Madeira, St. Vincent, 
Cap Verde nach Cap S. Koque in Brasilien zu legen. 

Neue Eisenbahnprojekte in England. Wenn man ]dic 
Kisenbahukarte Englands ansieht, kann man zu der Vermuthung 
kommen, dass dort nicht mehr viel Platz für neue Eisenbahnen 
sei. Dasa dem jedoch nicht so ist, geht aus folgender Notiz über 
die Anzahl der Bills hervor, welche der nächsten Parlaments- 
Session vorliegen werden. Es handelt sich um nicht weniger als 
144 Projekte für Eisenbahnen und 28 für Pferdebahnen. In der 
vorigen Session logen nur So Eisenbahn- und 18 Pferdebabu- 
prujekte vor. Die Baulust auf diesem Felde scheint in Euglaud 
also wieder im Wachsen begriffen zu sein. (Engineering.) 



Konkurrenzen. 

Die Konkurrenz für Entwürfe zum Hause des Deut- 
Relohstages. Bei dem Interesse, welches mit uns uu- 
> Leser allen bisherigen Phasen dieser Konkurrenz geschenkt 
haben dürften, erscheint es gerechtfertigt, wenn wir von einigen 
Urtheilen Notiz nehmen, welche in der politischen Presse über 
das Programm derselben laut wurden. Wir haben dabei_mit 
Genugthuung zu konstatiren, dass von fast allen Seiten die von 
uns hervorgehobenen Bedenken gegen das Ueberwiegen des 
Laien-Elementes in der Jury und gegen die Interuatioualität der 
Jury getheilt werden. Das Organ der Rheinischen Ultrauion- 
tamm, die Kolnische Volkszeitung, findet zwar, dass dieser letzte 
Tadel verletzend für die deutschen Baukünstlcr sei. Ihre Auf- 
fassung, — „wenn dieselben wirklich den Wettkampf mit auslan- 
dischen Künstlern zu scheuen hatten, obgleich sämmtliche 
Schiedsrichter Deutsche sind, so schlösse solche Besorgniss ein 
Todesurtheil über unsere Bau - Akademien , (an deren Hervor- 
bringungen freilich gar wenig Deutsches wahrzunehmen ist) in 
sich. Vielleicht ist indess endlich auch seihst die Berliner Bau- 
zeitung zu der Erkenntnis* fortgeschritten, dass diese Akade- 
mien wieder den alten Meisterschulen weichen müssen, und 
dass die aus enteren entsprossene Bau- Bureaukr.it ie der Ruin 
aller echten Kunst ist" — beweist indessen , wie das unmittelbar 
Nachstehende, dass sie gegen unsere Auslassungen schlagt, ohne 
dieselben gelesen zu haben, was uns um so weniger wundert, 
als der Zweck ihres ganzen Artikels ja doch in nichts weiter 
als in einer Reklame des Hrn. A. Reichen sperger gijtfelt, 
die wir dem alten Herrn nicht inissgöuueu wollen. Beiläufig sei 
übrigens bemerkt, dass aus einer Anzeige des englischen Mi- 
nisteriums für öffentliche Bauten über die Bezugsquellen des 
Programms etc. geschlossen werden kann, dass das Rcichskanz- 
leramt des deutschen Reiches sich nicht damit begnügt hat, Ar- 
chitekten fremder Nationen nicht nur nicht auszuschhesseu, son- 
dern dasa es dieselben durch Vermittelung ihrer Regierungen 
indirekt sogar zur Betheiligung an der Konkurrenz aufgefor- 
dert hat 

Einen Tadel der Wiener N. fr. Pr., dass man es leider ver- 
säumt habe, die hervorragendsten deutschen Architekten einzeln 
und persönlich einzuladen und ihnen die lluuorirung ihrer Pro- 
jekte zuzusichern — welche Versäumniss Angesichts der über- 
reichlichen Inanspruchnahme derselben ihr Fortbleiben zur vor- 
aussichtlichen Folge haben werde. — wollen wir hier nur flüchtig 
erwähnen, unsere von diesem Standpunkte sehr abweichenden 
Gedanken jedoch zurückhalten, bis es sich herausgestellt hat, 
inwieweit diese Voraussicht begründet war. — Fast allgemein 
hingegen wird der Termin für die Anfertigung der Skizzen zu 
kurz befunden und darüber geklagt, dass hierdurch den mit der 
Aufgabe noch am meisten vertrauten Berliner Architekten ein 
zu grosser Vorschub gegeben würde. Inwieweit das Letztere 
der Fall ist, wollen wir allerdings dahinstellen, iudessen lässt 
sich , selbst wenn man den grösseren Tbeil der Misstimniuog 
auf jene Halbtalcnte zurückführt, die durch jene Bestimmung 
allerdings möglichst ausgeschlossen werden sollen — wohl nicht 
ganz verkennen, dass dieselbe Angesichts des grossen Mangels 
an llülfsmatcrial für die Lösung der Aufgabe nicht ganz unge- 
rechtfertigt ist. Wir haben dieses Umstandes in unscrni letzten 
grösseren Artikel zu weni* Erwähnung gethan, hingegen früher 
(in No. 34. Jhrg. 71) die Wahl eines kurzen Termins ausdrück- 
lich mit dem Wunsche auf Bearbeitung einer Denkschrift über 
die bezüglichen Fragen iu Zusammenhang gesetzt. Vielleicht 
dass dieser Wunsch auf Grund der jetzt sieh ergebenden Er- 
fahrungen zum Mindesten für spätere Fälle ein geneigtes Gehör 



Zur Konkurrenz für das Stadttheater In Frankfurt a. M. 

gehen uns nachträglich einige Mittheilungen zu, von dewn wir 
um so mehr Notiz nehmen müssen, als dieselbeu wiederum ge- 
eignet sind die vermeintlichen Vorzüge des beschränkten " 



kurrenz-Verfahrens in des rechte Licht zu setzen. Sollten die- 
selben nicht völlig genau sein, so werden wir eine Berichtigung 
dankbar annehmen; es ist leider das ganze Verfahren mit einem 
fast absichtlichen Ausschluss der Öffentlichkeit pehandhabt 
worden und hat unseres Wissens nicht einmal eine öffentliche 
Ausstellung der Entwürfe stattgefunden. 

Bekanntlich waren zur Thcilnahme an der Konkurrenz die 
Hrn. Strack und Lurae (Berlin), Bordiau (Brüssel), Burnitz 
(Frankfurt a. M.) und Brückwald (Altcnburg) aufgefordert 
worden und lag denselben ein von einer Kommission ausgearbei- 
tetes Programm nnd ein bestimmter Bauplatz vor, dessen Di- 
mensionen für deu Zweck des Gebäudes allerdings zu knapp 
bemessen waren. Vier der Konkurrenten hatten daher den ge- 

frebenen Bauplatz mehr oder minder ignorirt und in willkür- 
icher Weise überschritten, während Hr. Oberhofbaurath Strack 
allein sich streng an die Form desselben gehalten und mit 
grosser Kunst den Versuch gemacht hatte seine Nachtheile soviel 
als möglich auszugleichen. 

Bei Entscheidung der Konkurrenz spielte demnächst die be- 
kannte Alternative, zwischen zwei Projekten zu entscheiden, von 
denen das eine sich nicht an das Programm gehalten, aber 
dasselbe verbessert hatte und sich daher zur wirklichen Ausfüh- 
rung am Meisten empfahl, während das audere dem Programme 
treu geblieben war, in Folge dessen aber trotz aller künstleri- 
schen Vorzüge einige unvermeidliche praktische Nachtheile zeigt. 

Bei einer öffentlichen Konkun-enz, die eine Klausel über 
die Ausführung der preisgekrönten Entwürfe nicht enthält, bietet 
sich in diesem Falle der Ausweg, das programmgemässc Pro- 
jekt zu pämiiren, das programmwidrige, aber bessere hingegen 
zur Ausführung zu wählen. Der Bauherr hat alsdann zur Strafe 
seiner geriugen Vorüberlegung doppelte Preise zu zahlen; der 
priimiirte Konkurrent empfängt jedoch in dem Preise eine Ent- 
schädigung für seine vergebliche Arbeit und den Interessen der 
Sache wird Rechnung getragen. Mag immerhin die Geldent- 
schädigung für einen Künstler, der bei gleicher Freiheit der In- 
terpretation das Gleiche oder noch Besseres geleistet hätte, wie 
sein bevorzugter Konkurrent, dem nun die Ausführung zu Tbeil 
wird, kein vollständiger Ersatz sein, so ist das Verfahren doch 
immerhin korrekt abgeschlossen und kann als ungerecht nicht 
bezeichnet, werden. 

Bei einer beschränkten Konkurrenz, in welcher die Theil- 
nebmer für ihren Arbeitsaufwand entschädigt werden, der Preis 
hingegen in der Wahl eines Projektes für die Ausführung und 
der Uebcrtraguug derselben an den Sieger besteht, kann die 
Entscheidung kaum anders ausfallen, wie es hier durch die Be- 
vorzugung des Lucae'schen Projektes geschehen ist; man setzt 
sich über die Programmwidrigkeit, falls diese eine Verbesserung 
ist, hinweg und wählt zur Ausführung das für dieselbe am 
Meisten geeignete Projekt. Es lässt steh gegen die Richtig- 
keit einer solchen Entscheidung unter den gegebenen Verhält- 
nissen nicht das Entfernteste einwenden, mag man die Bitter- 
keit der Kränkung, die in diesem Falle einem Meister wie 
Strack widerfuhr, auch in vollem Umfange würdigen, und wir 
können es nicht anders als selbstverständlich finden, dass die 
Bauherren, welche sich bei einer beschränkten Konkurrenz die 
ganze Freiheit des Priratbauherrn 
welchen Hr. Oberhofbrth. Strack gegen 
legt hat, zurückgewiesen haben. 

Der Misstand liegt eben weniger in dem konkreten Falle 
wie in dem Prinzine des Verfahrens, dessen weitere Nachtheile 
wir schon früher (Jhrg. GS bei Gelegenheit der Wiener Museen- 
Konkurrenz) eingehend erörtert haben. Mögen Künstler, die 
eine solche Kränkung vermeiden wollen, sich besinnen, ehe sie 
auf eine beschränkte Konkurrenz eingehen, oder mögen sie zum 
Mindesten darauf halten, dass der Spielraum für eine Interpre- 
tation des ihnen gegebenen Programms mit genügender Deut- 
lichkeit festgestellt werde. 

Personal- Nachrichten. 

Preussen. 

Ernannt: Der bisherige technische Asaisteut Velde zu 
Wiesbaden zum Königl. Eisenbahn-Baumeister bei der Nsssaui 
sehen Staats-Eiseubahu daselbst. 

Der Regierung«- und Baurath Crotiau sowie die Bau-Iuapek- 
toren Funke und Bolte zu Eisenbahn-Direktoren und Mitglie- 
dern der General- Direktion der Eisenbahnen in Elsass-Lothringen. 

Der Bau-Iuspektor Schwatlo zu Berlin zum Regierungs- 
uud Baurath. 

Brief* nnd Fragekasten. 

Hrn. W. D. in Gera Die betreffenden uns bekannt ge- 
wordenen Fälle sind von uns sämmtlich mitgetheilt worden. 

Hrn. P. in Berlin. Es ist ganz selbstverständlich, dass 
nach Einführung der Gewerbefreiheit die Annahme des Meister- 
titels au keiuerlei gesetzliche Vorschriften mehr gebunden ist. 

Hrn. P. iu St. Johanu. Die Prüfun« im Eisenbahnbau, 
welche ein Preussischer Bauführer zu Itestehen hat, erstreckt 
sich nicht über die allgemeinen Elemente des Gebietes hinaus. 

Hrn. F. in N au gar dt. Unseres Wissens ist die Firma 
Ahl 4 Pousgcu in Düsseldorf in Anfertigung derartiger Eisen- 
besonders renomiuirt. 



Beiträge mit Dank erhalten von den Hrn. D. in Stuttgart, 
H. und A. in Berlin. B. in fsrlsruhe. 



.l..lo 



»■ Carl Hohn in U.HI. 



lourt v» <i.br»S«r Kiek.»! In UtrK» 



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Jahrg. H. MX 

DEUTSCHE BAUZEITUNG 

Organ des Verbandes 

deutscher Architekten - und Ingenieur-Vereine. 




Redakteur K, £. 0. Fritich. 



lat.r.t* 

rar dir Im 4n I 
H4iilHt.ni Da4.il A« fn.hr». 
I» 4.r Gruli • MUce I 
.rUn-AMOlr»" 

11 >V. SP. Pf. 



freis 1 Thaler prt taartal. 


Berlin, den 18. Januar 1872. 


Erscheint Jed« D*n»«rstii|;. 


Inhalt: Vi'tl.Btttl di-uucb*** Areliiulu ii und liMD'fttnur V«r*iu+. — l>u 

Kttl'iknx'lrr *\n KifthelUflnaa**, .n»u*w.tlflVr» fiir Hft|xl*rtM-,itiutiw#M. - DU Illu 
aalnati»n in itom an 27. N«Vüinli»r IH7I. fSr-hliMn.) — * IVhar da» Fa»»verfahrnu 
m*i lichifmplSii<llirlavn Papier. — M i 1 1 bei 1 u u n;e n au» VaraJna»: Onaterrnl- 
rhltcber Inirenivar* n»nl Arr-ailektnn -Verein. — Zweit; Wr*i ; t <)•*« taVImfrAheu 1 o- 
(Cenleur- und Architekten - Verein« ta Zwickau. — Architekten- «od Iititva.+ur- 
Vereui fu Hannover. Architekten- und Ingenieur- Verein tu Ka**«l — I>euta*<her 


Verein für Fabrikat!«« v«n Kitgelt., Thonwaar*«, Kalk und Zement. — Arrhitekt»«- 
Verein au Herlin. — V ar m l*e h t et : AoarlbaMinetie Vor«tadthauiwr. — IM* R<- 
rathung über d*n Ktat üm lUttuelnnahilirtaftuma tan preutaiarlaan Ab«eurdji*t«*n- 
hau». — (luatav Wart.,, f. — Atta dar Fach 1 1 Karat u r: Organ für die Fort- 
-. |it< i . KUanbaJm»«*«» IS70 -71. — K enk« rre n i r » ! N#«ai Hiadttheater 
in MartDMtn. - KiaknrraiiB für den KMner D*m. — Pa rn nua 1 - N ae n 
r 1 r h t * » elr. 



Verband deutscher Arckitekten- und Ingrnienr-l 

Die Beschlüsse der Abgeordneten -Versammlung, betreffend die Einführung der metrischen Maasse und Gewichte 
im Bauwesen, sind von dem unterzeichneten Vorstände dern ihm ertheilten Auftrage entsprechend, übersichtlieh zusammen- 
gestellt, in 12ÜOO Exemplaren gedruckt und an die Behörden der Deutschen Staaten, die technischen Lehranstalten, die Eisen- 
bahn-Direktionen, sowie an die dem Verbände angehörigen und an verwandte Vereine versandt worden, wobei die von den 
Vercinsvorständen geäusserten Wünsche soweit als irgend möglich berücksichtigt worden sind. Den Verbandsmitgliedern 
wird es zur Befriedigung gereichen, dass die Arbeit der Abgeordneten -Versammlung, soweit es dem Vorstande bisher 
bekannt geworden ist und wie dies aus zahlreichen Zuschriften hervorgeht, allgemein Anklang gefunden hat und zur An- 
wendung empfohlen worden ist. 

Da von verschiedenen .Seiten die Uebersendung von grösseren Mengen der Blätter gewünscht ist, und um die- 
selben auch allen denjenigen zugänglich zu machen, welche bei der Vertheilung der 1201X1 Exemplare keine Berücksich- 
tigung finden konnten, ist der Vertrieb dieser Blätter auf eigene Rechnung der Buchhandlung Von Carl Beelitz, Orauieu- 
Str. 101 übergeben worden, von welcher diesellren in beliebiger Anzahl bezogeu werden könneu. 

Berlin, 10. Januar 1SV2. 

Der Vorstand des Verbandes deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine. 
Böckmann, Vorsitzender. Blankenstein, Schriftführer. 



Das Kubikmeter ab 

Von Wich manu, Land- 
Seit einigen Jahren bin ich in meinem hiesigen Wir- 
kungskreise am Harze ausschliesslich mit Werth- und lu- 
haltsberechnungeu von zu Baulichkeiten erforderlichen 
Holzuiatcrialien, sowohl in Stämmen als Dieleu beschäftigt. 
Ich habe diese Rechnungen früher in Kuhikfussen, seit einem 
Jahre jedoch schon in Kubikmetern aufgestellt und bin so- 
mit in der Lage schon einige Erfahrungen Alter die Be- 
quemlichkeit resp. Unbequemlichkeit des neuen Holzmaasses 
gesammelt zu haben, die ich bei einer Erörterung dieses 
Themas unter den Eachgeuossen zur Miltheilung durch die 
deutsche Bauzeitung für nicht ungeeignet halle. Bei der 
Verbreitung, welche diese Zeitung in allen technischen Krei- 
sen des deutscheu Reiches besitzt, bedaure ich, dass gegen- 
über den Bestrebungen für Einführung des Dekaliters als 
Maasseiuheit im Holzhandel, möge dieses nun r Hundertstel 1 ', 
„Block", „ Riegel- oder wie noch auders titulirt werden, in 
derselben bisher ein, wenn auch nicht ermunterndes doch 
wenigstens passives Verhalten beobachtet wurde. Ich sehe 
in der Einführung des Kubikmeters als Maasseinheit für 
Holzbereehnungen — ganz abgesehen von seinen Eigenschaften 
als dezimales Maass und vou dem Zusammenhange mit dem 
Metermuass überhaupt — einen grossen r ort schritt gegen den 
früheren Kubikfuss und würde deshalb umgekehrt die Ein- 
führung des „ Hundertstel- als einen Rückschritt hinter den 
Kubikfuss zurück betrachten. 

Alle Vorzüge, welche der Aufsntz in Na 4!) Jhrg. 71 
der Bauzeitung der grösseren Muusseiiihcit von 10 
Kubikmetern bei Erdberechnungen, gegenüber dem einlachen 
Kubikmeter, mit vollem Rechte zuspricht, finden ebenso bei 
Holzbereehnungen für das Kubikmeter dem Kubikfuss 
gegenüber statt. — Je grösser die MaasseinheiL, desto leichter 
rundet sich der Handelspreis in einfacher, für die Ret Innin- 
gen vortheilhaficr Weise ab. Je kleiner die Maasseinbeit, 
desto peniblere Materialberechnnngen werden not Iuvenil ig. 
ohne das l'reisresultat der Arbeit Cur die Praxis werthvoller 
zu machen, als das Resultat der einfacheren Rechnung mit 
grösseren Einheiten. Die Holzpreise pro Kubikmeter werden 
sich binnen Kurzem mindestens nach vollen Mark abrunden, 
die Rechnerei dadurch vereinfachen und sich so dein Ge- 
däcbtniss weit leichter einprägen, als die Pfennige für den 
Kubikfuss oder das Hundertstel. Berechnungen von Kubik- 
metern Holz mit mehr als drei Dezimalstellen für gewöhn- 



insbesüiiderp für Helibemhnangea. 

Bauinspektor zu Clausthal. 

• liehe praktische Zwecke sind unnütze Zeitvergeudung. Bei 
rundeu Stammen spottet die natürliche unregelmässige, vou 
der Kegel- und Zylinder - Gestalt stark abweichende Form 
derselben jeder Berechnung mit mehr als .'i Dezimalstelleu; 
bei Dielenmaterial macht die rechnerisch niemals genau zu 
ermittelnde Grösse des bei praktischer Verwendung erforder- 
lichen Verschnitt« jede genauere Rechnung ohneliin völlig 



Aber auch abgesehen von den Vorzügen, die das Kubik- 
meter als grössere Maasseinheit dem Kuhikfussc uud gar dem 
Hundertstel gegenüber hat, scheint mir dasselbe insbesondere 
noch weit geeigneter, um als Bauholzmaass in die 
Begriffe des Volkes überzugehen. Beim Kubikfuss 
ist dies leider niemals der Fall gewesen und beim Hundert- 
stel würde es erst recht nicht der Fall sein. 

Denn die Form, in welcher uns die Natur das Bauholz 
liefert, ist die des Stammes. Als .Stamm erzieht es der 
Förster, als Stamm kauft es der Holzhändler und der Bau- 
herr, als Stamm transportirt es der Fuhrherr und der 
Flösser. Für alle nicht technisch geschulten Berufsklassen 
ist deshalb auch das natürliche Holzina ans der Stamm. 
Wenn der Mann aus dem Volke die Absicht hat ein Haus 
von bestimmter Grösse zu bauen, uud sich erkundigt, wie 
viel Holz er dazu nöthig habe, so ist er nicht viel klüger 
man ihm antwortet „so und so viel tauseud 
viel hundert Kubikfuss.- Antwortet man 
ihm aber „Hundert und so und so viel Stamm-, so hat 
er g'.ekh eine ganz bestimmte Vorstellung von Preis und 
Arbeit, da er den Preis der Stämme auf den Auktionen 
keunt und weiss, wie viel Stamm er auf sein Fuhrwerk 
laden kann. 

Nun fällt aber die Grösse des durchschnittlichen 
gewöhulicheu Bauholzstammes (wenigstens bei Nadel- 
hölzern: so nahe mit dem Kubikmeter zusammen, 
das yuautitfit und Preis für beide in vielen Fällen völlig 
gleich sind, in allen Fällen aber in sehr einfachem Verhält- 
nisse zu einander stehen. Hier z. B. haben die gebräuch- 
lichen schwächeren Bauholzstämme bis S, die stärksten 
IV», die mittleren gerade 1 Kubikmeter Inhalt, und zwei- 
stöckige Nadelholz-Fachwerk-Gebäude in der hier üblichen 
Konstruktion erfordern pro ( } m Grundfläche (excl. Dielen) 
einen Bauholzstamm, dessen Länge zwischen 13 und 10 



als vorher, 
und so und so 



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Meter mit 0,8 bis 0,£> kb" Inhalt varürt. Es wird hier 
also die zum Gebäude erforderliche Anzahl von Stämmen 
mit derjenigen der dazu erforderlichen Kubikmeter sehr nahe 
übereinstimmen, und ebenso werdeil die drei Preise pro 
Kubikmeter Holz, pro Stamm und pro (Juadrat- Meter Ge- 
bäude-Grundfläche in Bezug auf Bauholz fast durch die- 
selbe Zahl ausgedrückt, so dass das Verhältnis« zwischen 
diesen dreien auch dem Ungebildeten leicht klar wird. Bei 
Berechnung nach Kubikfusscn oder gar nach Hnndertsteln 
sind alle diese Zahlen im höchsten (irade verschiedenartig 
und für den Nicht - Techniker ist dann ihr Zusammenhang 
nur schwer begreiflich. 

Da somit die M aasseinheit des Volkes beim Holz- 
handel mit den Kubikmeter fast zusammenfällt, so sollte 
man glauben, es würde gerade den Holzhändlern der na- 
türliche Werth des letzteren als Holzmauss am aller- 
ersten einleuchtend geworden sein. Dass nun alier eben aus 
diesen Kreisen der Vorschlag zur Einführung des .Hundert- 
stel" 4 hervorgegangen ist. scheint mir nur durch jene Ge- 
daukenträgheit erklärlich, welche durch die Macht der Ge- 
wohnheit gefesselt, sich scheut, mit dem alten Schlendrian 
der Kubikfussrecbniing zu brechen, und gezwungen, eine 
Metergrössc zu wühlen, nach einer solchen greift, die dem 
Kubikl uss möglichst ähnlich, wenn auch noch unprakti- 
scher als dieser ist. 

Wäre der Vorschlag von den Steinhändlern ausgegan- 
gen, ro würde er mich weniger ülverrascht haben; denn als 
Baustein kommt die Kubikmctergrösse natürlich oder künst- 
lich nur sehr selten vor, während wir dieselbe als Holz- 
stück tagtäglich in natürlicher und künstlicher Gestalt vor 
Augen sehen. In jedem Nadelholzwalde tritt sie uns in un- 
zähligen Exemplaren in natürlicher Schönheit in den ver- 
schiedensten Grössen vor Augen, da der Nadelholzstamm in 
den Höhen von HO bis 1<N) Fuss, l«-i einein Durchmesser von 
15 bis 12 Zoll in Brusthöhe, diesen Inhalt bat. l ud auch 
künstlich sehen wir sie fast auf jedem Bauplatz vor Augen, 
da der abgelängte Stamm für den Balken des gewöhnlichen 
Hauses von etwa M Fuss Tiefe, bei Vi Zoll mittlerem Durch- 
messer, ihr entsprechend ist. Es liegt nicht der geringste Zwang 
vor. rieh die Ranmmaass-Einheit als Würfel zu denken, wenn 
sie auch lierechnet ist durch Bildung der dritten Potenz. Und 
so gut wie das Tausendstel derselben dem Volke nicht ah» 
Würfel, sondern im Eiter als Zylinder zum leichtfasslichen 
Begriff wird, eben so gut kann sich dasselbe auch da* Ganze 
der Maasseinheit in der dem Zylinder ähnlichen Gestalt des 
Stammes deukeu, wenigstens da, wo es sich um Holzgrössen 
handelt. 

Wenn es somit schwer werden tlürfte für Bauholz- 
stämroe ein natürlicheres und zweckmäßigeres Einheits- 



maas« zu finden, als die Kubikmetergrösse ist, so Reheint 
mir dieselbe auch für Dielen nichts weniger als unbequem, 
jedenfalls weit bequemer als der Kubikfuss. Für den Nicht- 
Techniker bildet der F'ussboden eines gewöhnlichen Wohnzim- 
mers von etwa 16' im Q aus IS" Dielen als Repräsentant 
der Kubikmetergrösse gewiss ein leichter begreifliches Maass. 
als V.[_j ra solcher Dielen, welches das .Hundertstel* dar- 
stellen würde. Selbst bei Berechnungen von Dielen, die 
nach F'ussmaass geschnitten Bind, stellt sich schon eine be- 
deutende Vereinfachung heraus, wenn man nach Kubikmetern 
statt nach Kubikfusscn rechnet. Denn da nur wenige 
Dielen-Sortimente pro Stück eine gerade Anzahl von Kubik- 
fnssen enthalten, so musste man bei solchen mit einem ge- 
meinen Bruche oder mit 2 Dezimalstellen rechnen. Da für 
Kubikmeter '.i Dezimaleu genügen, bei diesen aber die erste 
regelmässig eine Null ist , so bleiben in der Tbat nur 2 
Ziffern zu multipliziren. Ich berechne in F'olge dessen das zu 
einem Gebäude erforderliche Dielenouantum jetzt nach Ku- 
bikmetern rascher und sicherer, als früher nach Kubikfusscn, 
trotzdem dass mx-h alle Dielen, mit denen ich zu thun halte, 
nach Fussen und Zollen geschnitten sind. Bei Bechnnngen 
mit dem Hundertstel würden diese Vortheile natürlich weg- 
fallen, da der kleinere Einheitspreis auch eine skrupulösere 
Materialberechnung, mithin eine grössere Zahl von Dezimal- 
stellen erforderlich machen würde, ohne dem Keebnungs- 
resnllat einen grösseren praktischen Werth zu geben, als 
das Resultat der einfacheren Rechnung hat. 

Das natürlichste Haudelsmaass für Dielen-Materialien 
ist aber die Wagenladung oder das .Fuder". Dieses wird 
je nach Beschaffenheit der Fahrwege ein bis drei Kubik- 
meter enthalten. Also auch hier wird der Preis des Kubik- 
meters zum Volkspreise des Fuders in sehr einfachem Ver- 
hältnis stehen und weit leichter begreiflich werden als der 
Kubik fusspreis. 

Möchten die hier entwickelten Gedanken die Zustimmung 
der Fachgenossen finden und diese veranlassen, der Ein- 
führung des Hundertstels nach Möglichkeit entgegen zu 
treten.' Ich glaube allerdings nicht, dass dieses sich den 
bald allen Augen klar werdenden Vorzügen des Kubikmeters 
gegenüber lange würde halten können: sein Gebrauch würde 
aber immerhin den Uebergang etwas erschweren, die Ab- 
rundung der Preise pro Kubikmeter verzögern und dadurch 
eine Menge unnützer Arbeiten hervorrufen. 

Zum Sch bisse sei mir gestattet einige Bemerkungen über 
die Einführung neuer Namen für die neue Maassgrösse hin- 
zuzufügen, da hierauf von verschiedenen Seiten und nicht 
mit Unrecht Werth gelegt zu werden scheint. 

Wenn auch alle Versuche, die bisher gemacht sind, um 
dem Metermaass selbst gangbate deutsche 



> in Kern um Z7. ><» , Biber 1871. 

die Illustrationen auf Seite 21. 
fltuMm) 

Wir steigen die breite Kampe hinab uud folgen dem Zuge 
der Menge: funfspitzige Sterne rechts und liuks weisen uns den 
Weg zum Corso. 

Im Corso war es intendirt, die lange schmale Strasse zur 
Nachtzeit scheinbar in einen von F'euer erfüllten Tunnel zu 
verwandeln. In fast gleichmässigcn [Abstanden von etwa 40 
Metern überspannten wohl an SO aus bleiernen Köhren herge- 
stellte Bogen die Strasse und Hessen von einem doppelten 
Keifen kleiner Flammeu das weisse helle Gaslicht horniedcr- 
leucbteii. Diu beigefügte Skizze F'ig. 1 wird eine klare An- 
schauung des sinuvolleu Apparates geben. Der Erfinder fühlte 
wohl, dass diese Bogen, wenn lediglich an den quer über die 
Strasse gespannten Drahtseilen aufgehlugt, willkürlich in der 
Luft schweben würden, und daher liess er sie ans dreifach über 
einander geordneten, kegelförmig nach oben sich verkleinernden 
Körben emporwachsen, welche Laubwerk und Blumen füllten 
und deren Bänder weisse Ballous aus mattein Glase zierten. 
Die eisernen, das Ganze stützenden Wandkonsolen waren durch 
Kaukenwcrk aus Epheu verdeckt 

Die regelmässige Wiederkehr der Bogen erzeugte für das 
Auge den Schein eines feurigen Gewölbes, uuter welchem die 
heitere Menge dahinwandclte zur Piazza Oolonna und Piazza del 
l'opulo. wo schmetternde Musik erschallte, und über dem wun- 
derbaren Gewölbe blähte der zarte Nachthauch die purpurnen 
Velarien. uud die goldenen Säume gaben den Feuerschein in 
mattem Glitzern wieder. 

Schon an deu vorhergehenden Tagen konnte mau sich im 
Torso an dem äusseren Gerüst ein Bild von der beabsichtigten 
Wirkung machen, uud musste deu glücklichen Griff des Fest- 
ordners bewundern. Dennoch muss es gesagt sein, dass die 
thatsüchliche Wirkung vielleicht gerade hier, wo man den gröss- 
ten Totul-Kffekt zu rinden glaubte, am meisten hinter deu Er- 
wartungen zurückblieb. Wir kritisiren eben um zu lerneu und 
zu belehren, nicht weil wir das Vermögen in uns fühlen, selber 
gegebenen Falles etwas gleich Gute» geleistet, oder die Fehler, 



die wir rügen, vermieden zu haben. Daher möge es mir ge- 
stattet sein, die Mängel, die hier nur in der Ausführung lagen, 
namhaft zu machen. Es ist klar, dass der täuschende Schein 
eines Gewölb«» mit dem oben dargestellten Schema nur dann 
vollkommen erreicht werden kann, wenn alle Bogen von gleicher 
Form uud so aufgestellt sind, dass ihre Mittelpunkte m einer 
graden Linie liegeu. Selbstverständlich muss auch ein voll- 
ständig gleichniässiges Brennen der einzelnen Flammen voraus- 
gesetzt werdeu. Aus mehren Ursachen aber fehlte es hier an 
allen diesen Vorbedingungen. Manches mag zu eilig hergerich- 
tet worden sein, so dass die luuchaltung einer scharfen Mittel- 
linie unbeachtet blieb, doch wollen wir, da der Corso keine 
absolut grade Strasse ist, die leiteuden Persönlichkeiten nicht 
zu sehr dafür verantwortlich machen, dass sie ihren Zweck 
nicht ganz erreichten. Der Mangel lag vielmehr in allerlei anderen 
ungünstigen Umständen. Denn erstlich war das Motiv der De- 
koration nicht für den heutigen Tag erfunden, sondern bei 
dieser Gelegenheit nur noch einmal reproduzirt. Mau hatte 
auH einer anderen Stadt, wenn ich nicht irre aus Florenz, die 
kostbaren Bogen, welche ersichtlich schon einmal ihren Zweck 
erfüllt hatten, nach Rom geschafft, (sie bestaudeu aus zwei 
Theilen, welche im Scheitel mit Draht zusammengebunden 
wurden) und musste sie an einem auderen Orte, als für den sie 
gearbeitet waren, so gut es eben ging verwenden. Da aber 
fand es sieh, dass sie für den römischen Corso eine zu grosse 
Spannweite hatten, und mau griff zu dem Auskunftsmittel, sie 
schräg über die Strasse zu spannen, und zwar nicht überall in 
glcichmässigen, sondern je nach der zwischen i» und l. r > Meter 
wechselnden Breite der Strasse verschiedenen Winkeln gegen 
die Straasenajce, so dass eiue beim Betrachten sehr störende 
Verkürzung der Bogen eintrat. Zudem waren manche^ Köhren 
beim Trausport und Aufstelleu verbogen worden und in Folge 
davon brannten die Flammen ungleichmässig, theilweise auch 
gar nicht; bei einzelnen Bögen loderte aus dem nicht sorgfältig 
verschlossenen Scheitelende ein mächtiger Flammenstrom hervor. 
Kin gewisser Tln-il der Schuld mag auch der Unzulänglichkeit 
der römischen Gasanstalten zur Last zu legen sein. So trat 
bedauerlicher Weise der gehoffte Eindruck nicht in Wirksamkeit. 
Wie mir mag manchem Anderen das lebendige Treiben des 



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zu geben, als misslungen angesehen werden müssen, so ist 
damit noch keineswegs ausgeschlossen , bei verschiedenen 
Materialien für die Matisseinheit verschiedene deutsche Namen 
zu gebrauchen. Da die Nalurbcschaffenheit und Gestalt der 
Materialien verschieden ist, so ist auch die Form des einem 
jeden am meisten angemessenen Rautnmaasscs verschieden 
und damit uueh eine verschiedenartige Benennung molivirt. 

Die Knie ist von der Natur in gelagerten Schichten 
gebildet und die Technik bearbeitet sie bei Abtragungen 
und Aufschüttungen in solchen; die in Nr. 49 vorgeschlagene 
Form und Benennung der Erdmaasseinheit mit „Schicht* 
ist deshalb sehr glücklich gewählt und hat gewiss die beste 
Aussicht angenommen zu werden. Für das Holz liefert die 
Natur, wie im Obigen entwickelt wurde, eine engbegrenzte 
Maiissform im Stamme, und die Bezeichnung der Maassein- 
heit für dieses mit dem Worte „Stamm* liegt deshalb 
sehr nahe. 

Sollten diese Bezeichnungen in der technischen Sprache 
Anklang finden, so bliebe noch eine solche für das dritte Haupt- 
baumaterial, den Stein, zu wühlen. — Hier ist die Würtel- 
gestalt des Kubikmeters am Welligsten unpassend (wenn 
gleich ein kleineres parallelepipedisches Xlaass, etwa in 
Hektolitergrösse, hier vielleicht am naturgemässesten sein 
würde), und es handelt sich hier also nur um einen anderen 
Namen. Man konnte hierzu vielleicht das Wort „Block* 
wählen. Iu Form des Blockes liefert uns die Natur den 
Baustein. l)ic erratischen Blöcke waren die ersten und lauge 
Jahrhunderte hindurch die einzigen Bausteine in den Ebenen 
Norddeutschlands, in Blöcken bricht sie uns noch täglich 
Bausteine von den verwitternden Felsen los und als Blöcke 
brechen wir sie uns selbst in den Tiefen der Erde. — Tech- 
nisch hat das Wort „Block* bisher keine andere Bedeutung 
als die Bezeichnung von Stämmen, welche zum Dielenschnitt 
lK-stimm«, bei 20 bis 25 Fuss Länge und 18 bis 16 Zoll 



Durchmesser lkb™ enthalten, also auch einen etwa gleich 
grossen Körper bezeichnen. Diese doppelte Bedeutung würde 
alter wohl nie ein Missverstäudniss veranlassen können. — 

Fänden diese Benennungen Anklang, so köunte man 
aurh die Bezeichnung der Kubikmetergrösse mit den drei 
Buchstaben kb" 0 durch einen einzigen ersetzen und etwa 
ltei Holzniaterialicn «Stamm* durch s, bei Steiuwerken 
„Block* durch b, bei Erdarbeiten „Schicht" (eventuell = 
10 kb" 1 ) durch S bezeichnen*). 

Auf diese Weise würden heiin Kaummaass für den Tech- 
niker kürzere Bezeichnungen, für das Volk leichter fassliche 
Begriffe und Benennungen gewonnen uud die Metennaasse 
so binnen Kurzem weit volkstümlicher werdeu als die Fuss- 
maasse je gewesen sind. — 

Bei dem Längenmaass zeigt sich letzteres schon jetzt. 
Der gewöhnlichste Waldarbeiter ist jetzt, wie ich aus eigener 
Erfahrung weiss, im Stande ein Gebäude mit dem Meter- 
stock aufzumessen, während ihm dies früher mit dem Vier-, 
Fünf- oder Zehn-Fusstock nicht immer möglich war, da er 
nicht die genügende Fertigkeit und Sicherheit im Multipli- 
zireu, die dazu erforderlich ist, besitzt. — Erst wenn man 
einige Zeit mit. den Metermaassen gearbeitet hat, fängt man 
an zu empfinden, wie ausserordentlich unpraktisch die Grösse 
des Fusses, sowohl beim Längen-, als beim Flächen- und 
Raum-Maass gewesen ist. Kann man daher die grossen 
Vorzüge der Meterinaasse noch mit bequemeren Benennun- 
gen verbinden, als sie bisher geführt haben, um so 

Clausthal, den 29. Dezember 1*71. 

Wichmann. 

•) Dein leutercn Vortu-blige möchte« wir an •lltrillng» »Iii il» Gnu 
■Ulm« iMmlMi »II hierdurch die Einheit iei «UfMfcM Sy»lr-u« und »eine 
IntertiAlionele Heilung lierlutfafhOitl würde. Ks Brhli***t J.;doeli ein r'eet- 
hülle» der Kubikmeter - Kei-hr-ung den Ücbrmucn Jener porwl&reu Keiner* ehe um* 
wenitt «ue, wie die» «(»her bei der Kuuik(u»rcclina->r; in U:trefl IM .Klefter*, 
.Kinn' etc. gnthah, (t>. P 



leber das Paunerfahren ■ 

Die immer bedeutsamere Stellung, welcho die Photograpliiu 
in ihrer Auweuduug als ein llülfsinittcl der verschiedenartigsten 
Zweige der Technik sich erringt, hat schon längst zu Versuchen 
geführt, dieselbe auch zum Kopiren von Zeichnungen zu ver- 
werthen. Einfache und brauchbare Methoden einer solchen Kopir- 
Weisc, die nur dann von wirklichem Werthe ist, wunn die An- 
wendung derselben mit möglichst geringen Kosten durch 
Jedermann erfolgen kaun, sind jedoch erst seit verhältuiss- 
tnässig kurzer Zeit bekannt geworden und haben unseres Wis- 
sens bisher noch nicht vermocht, in weitereu Kreisen sich Ein- 
gang zu verschaffen, Es wird dies trotz der grossen und unver- 
kennbaren Vorzüge des Verfahrens auch nicht früher erfolgen, 
bis nicht von einer grösseren Zahl von Fachgenossen, nament- 



it lichtempfindlichem Papier. 

lieh aber auf grossen architektonischen und technischen Bureaus, 
wo der Bedarf von Kopieu ein massenhafter ist. Versuche dar- 
über augestellt worden sind, wie Erfolg, Zeitaufwand und Kosten 
des Kopirens mit lichtempfindlichem Panier sich zu dem bisher 
] üblichen Durchpausen, resp. der Vervielfältigung von Zeichnungen 
durch Umdruck stclleu. 

und gleichzeitig die Bitte 



Zu solchen Versuchen anzuregen und gleichzeitig die Bitte 
Mittheilung der erzielten Resultate auszusprechen ist der 
Zweck dieser Zeilen, nachdem wir früher (in No. •> > u. 4:5 Jhrg. 71 
uns, Ztg.) bereits auf die zu unserer Kenntnis« gelangten Metho- 
den der neuen Kopirmethode hingewiesen hatten. Wir erhielten da- 
mals eine dankeuswerthe Zuschrift uud mehre Probeu(daruutcr 
die Kopie einer getuschten Zeichnung) Seitens eines Facbgenos- 



italienischen Publikums eine grössere Augenweide gewesen sein, l 
als die Kette feuriger Bogen über unsern Häuptern. 

Gemächlich Hess ich mich vom Strome der Menschen, den 
kein Wagen durchschneiden durfte, weiter tragen bis zur Piazza 
del Popolo, von wo mir eine mächtige Sonne entgegenleuchtete. 

Wohl wünschte ich im Stande zu sein meine Leser an der 
freudigen Uebcrraschung mit Thcii nehmen zu lassen, die der 
Anblick dieses Platzes hervorrief. Vielen derselben wird diu 
für Schaustellungen und Volksfeste aller Art so besonders ge- 
eignete Oertlichkcit wohl bekannt sein, und sie werden es nicht 
anders erwarten, als dass hier ein Ungewöhnliches zu schaffen 
versucht wurde, wie es in der That mit vollständigem Erfolg 
geschehen. Für sie würde es daher auch überflüssig sein, der 
Schilderung des phantastischen Gebildes, welches am Festabend 
der im milden Licht des Mondes sich ausbreitende Platz trug, 
durch Zeichnungen eiuo anschaulichere Illustration beizufügen. 
Es sollen daher die nachfolgenden beiden Skizzen — des Situa- 
tionsplans Fig. 2, uud eines partiellen Durchschnittes des Fest- 
baues Fig. 3 — vielmehr den mit der Lokalität nicht vertrauten 
Leser das Verstäudniss der folgenden Zeilen erleichtern. 

Wir treten in die Mitte des Platzes und befinden uns in 
einem idealen zeltartigen Baumu von kolossalen Dimensionen. 
Ringsum im Kreise streben hohe Masten empor, Wappenschilder 
tragend, den Fuss in Epheu und Blumen gehüllt. Ihre roth 
umwundenen schlanken Stämme tragen schwere goldene Spitzen; 
2*i an der Zahl umhegen sie einen weiten Kreis von nielir als 
100 Meter Durchmesser. Zwischen ihuen spaunt sich der fest- 
liche Schmuck weisser mit Roth und Gold verbrämter Velarien 
aus, deren hell beleuchtete Flächen einen gewaltigen Kreis am 
tiefblauen Nachthimmel über unsern Häuptern abzirkeln. Stolz 
erhebt sich in der Mitte der ehrwürdige. Obelisk, nach dem 
vatikanischen der grösste und schönste, den Rom besitzt. Dem 
altersgrauen Stein hat man ein lustig buntes Gewand umgelegt 
und die schwere Last aufgebürdet, wie das Zentrum so auch 
die Stütze seiner ganzen Umgebung zu sein. Mit drolliger 
Miene fügt er sich in sein Geschick. An seiner Vorderseite 
trägt er die gewaltige Sonne, deren tausend Gasflämmchcn weit 
hineinleuchten in die drei Strasseu Ripetta, Corso und Babuino. 
Sein Postament ist umgezaubert in einen dreifachen prächtigen 



Terrassenbau, dessen llauptlinien durch perlenartigc Reihen von 
weissen Ballon - Lampen klar hervortreten; dazwischen bunter 
Blumenflor und üppiges Grün grosser Blattpflanzen, aus welchem 
heraus die den Rachen der vier granitnen Löwen an den Ecken 
entsprudelnden Wasserstrahlen eine leichte Melodie murmeln, 
sobald die auf dem uutersten Terrasseuab^-atz aufgestellte Musik 
ihre schmetternden Weisen verhallen lässt. Das trunkene Auge 
des Beschauers aber kann nicht lange weilen bei der realistisch 
farbigen Pracht, es wird unwiderstehlich eronorgezogen zu jenem 
feenhaften Gewirr der Tauseude blauer Licntlein über ihm, zu 
dem Meere von künstlichen Sternen, welches obeu den weiten 
Umkreis füllt und die Lichter des Himmels durch seinen Schein 
beschämt. 

Es erfordert eine geraume Zeit, bis man sich entschließen 
kann, von dem fesselnden Augenreiz sich loszureissen um zu 
forschen, mit welchen Mitteln man dies Zauberwerk vollendete. 
Die Säule des Ganzen ist der hohe Obelisk in der Mitte. Um 
seine Spitze hat man einen Gurt von leichtem Zimmerwerk ge- 
legt, von welchem über ebenso viele Rollen 28 Seile ihren 
Ausgang nehmen und sich gleich den Railieu eines Spinnenge- 
webes üIht den Platz zu deu Spitzen tler durch Rückhaltseile 
in ihrem Stand gesicherten Mastbäume schwingen, von wo sie, 
abermals über Rollen geführt, zum Erdboden hiliabreieben. So 
ward es ermöglicht, durch ein bei|uemes Herablassen der an .V> 
Meter weit gespannten Seile das Anzünden der Lampen von der 
Erde aus in einfachster Weise vorzunehmen. Nach ungefährer 
Zählung trug jedes Seil 180 —200 Flammen in kleinen hluu ge- 
färbten Bechergläsern, welche iu Ürahtschlingeu hängend, auf 
je Ii zierliche Ampeln, iu Form von Körben, Glocken oder Ballons 
aus Draht und leichtem Gaze -Gewebe zusammengesetzt, sich 
vertheilteu. Hier wo bei gruppenweiscr Verthoilung der_ Lichter 
eine rythmische Ordnung derselben gar nicht beabsichtigt war, 
that es dein Gesammteffekt keinen grossen Eiutrag, dass viele 
der Lutnpcu ihren Dienst versagten. Es blieben ihrer immer 
noch genug das reizvollste sanfte Lichtgeflinimer hoch iu den 
Lüften zu verbreiten, während vom Fuss des Obelisken blendend 
weisses Licht ausging. 

Ungern wendet man dem fesselnden Schauspiel deu Rücken, 
um durch die Via di Ripetta deu Rückweg anzutreten. Es will 



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»en, der ein solche« Verfahren schon für sieh benutzt. Wir 
glaubten im Interesse der Allgemeinheit fürs Erste keinen för- 
derlicheren Schritt thun zu können, als diese Proben und die 
Zuschrift einem namhaften photographischen Sachverständig en 
mit der Kitt« zuzustellen, über Theorie und PraxiH des Verfah- 
rens in eingehenderer Weise gutachtlich sich äussern zu woren, 
und sind nunmehr in der Lage, unsern Fachgenossen nachste- 
hend dieses Gutachten vorlegen zu können. 

.Hinsichtlich des in No. 43 der deutschen Bauzeituug er- 
wähnten »neuen* Verfahrens zum Kopiren von Zeichnungen auf 
photographischem Wege von S. Block hierselbst bemerke ich, 
dass solches nach den Resultaten, die mir Mitglieder der poly- 
technischen Gesellschaft zur Begutachtung vorlegten, im Prin- 
zip ganz dasselbe ist, wie das bereits in No. 22 d. Z. p. 176 
mitgetheilte Verfahren von Talbot Dieses (das Talbotsche) Ver- 
fahren besteht also im Wesentlichen darin, dass man lichtem- 
pfindliches Papier unter der zu kopirenden Zeichnung oder Pause 
oder dem Holz- oder Metall- resp. Steindruck dem Licht aussetzt 
und nachher fixirt. 

Photographen pflegen sich dieses lichtempfindliche Papier 
selbst zu präpariren, diese Präparatiou ist jedoch für Architek- 
ten und Ingenieur« zu umständlich, unsauber und kostspielig 
und daher mag es kommen, dass der schon lange bekannte 
Lichtpausprozess keineu Eingang in die Praxis fand. Insofern 
war die Einführung eines käuflichen, haltbaren, lichtem- 
pfind liehen Papieres, welches durch Mr. K. Talbot in Ber- 
lin, Wilhelmstr. 101 fertig für den Handel geliefert wird, ein be- 
deutender Fortschritt und hat solcher der Sache einen neuen 
Impuls gegeben. 

Die chemische Erklärung des Prozesses ist einfach: das 
Licht wird von den schwarzen Strichen der Zeichnung zurück- 
gehalten, an diesen Stellen bleibt demnach das darunter He- 
uende Lichtpauspapier weiss, au ollen übrigen Stelleu färbt es 
sich schwarz. Resultat also eine weisse Zeichnung auf schwar- 
zem Grunde; diese genügt für viele Zwecke. Wünscht man 
aber eine schwurze Zeichnung auf weissem Grunde so fertigt 
mau von der ersten Kopie eine zweite nach demselben Verfahren. 
Photographen nennen die erste Kopie (weiss auf schwarz) eine 
negative, die andere eine positive. 

Das Verfahren wird unter meiner Leitung bereits seit Herbat 
1870 auf der Kgl. Gewerbeakademio mit bestem Erfolge ausge- 
übt und steht es jedem Techniker frei, sich dort durch eiueue 
Anschauung davou zu überzeugen. Es findet ferner Anwerbung 
in sehr umfangreichem Maassc bei dem Ingeuieurkurps des Kgl. 
Generalstabes, wo es zum Pausen von Karten und Plänen be- 
nutzt wird, in der SchwartzkopfTschcn Maschinenfabrik, auf der 
Kgl. Werft zu Danzig etc. etc. 

Der Prozcsg ist an sich höchst einfach und nach der kur- 
zen Gebrauchsanweisung, die Hr. Talbot gratis ausgiebt, von 
jedem Unkundigen leicht auszuüben. Zeichnungen auf Paus- 
papier bedürfen zur Vollendung nur weniger Minuten, dickere im 
Verhältnis« natürlich mehr. Von Apparaten ist nichts weiter 
nötbig als ein grosser Kopirrahmen zum Einspannen der Zeich- 
- und eiu paar Holzschaalen zum Wässern der ' 



Kopien. Ich beziehe diese Sachen ebenfalls von Hrn. Talbot. 
Wie einfach und leicht der Prozess ist, mag am besten daraus 
hervorgehen, dass ich die Herstellung der Lichtpausen für mei- 
nen Bedarf einem Hausdiener der Akademie überlasse. 

Für Bautechniker hat aber die Sache noch eine weiter 
gehende Bedeutung. Der Prozess gestattet nämlich, von Zeich- 
nungen auf Pausleinen nder Pauspapier Kopien zu nehmen, die 
sich verhurten wie ilild und Spiegelbild, d. h. symmetrisch sind, 
je nachdem mau nämlich das Original mit der Vorder- oder 
mit der Rückseite auf das lichtempfindliche Papier legt. Für 
die Darstellung der Pucade eines symmetrischen Gebäudes ge- 
nügt demnach die Zeichnung der einen Hälfte, die andre kann 
mittelst I.ichtpausprozesses hergestellt und gegengeklebt werden. 

Ebenso kann man sich die Zeichnung vieler Konstruktions- 
theile, die sich oft in völliger Kongruenz wiederholen (Fenster, 
Fialen etc.) ersparen, es genügt einen einzigen solchen zu ent- 
werfen und die andern durch Lichtpausen herzustellen und das 
Ganze durch Zusammenkleben zu vereinigen- 

In dieser Weise wird der Prozess bereits von Herrn Bau- 
meister Huucke in Stassfurt nach einem der Redaktion der 
deutscheu Bauzeituug zugegangenen Schreiben mit sehr gutem 
Erfolge benutzt. Herr Huucke bedient sich jedoch eines photo- 
graphischen Negativs auf Glas; eiu solches ist at>er nicht 
nötbig, die Papiernegative, welche man mit Hülfe des Liehtpaus- 
prozesses erhält, leisten dasselbe. Herr Hauckc macht ferner 
darauf aufmerksam, dass mau au der ersten negativen Kopie 
durch Decken mit Tusche Aeuderungeu machen könne, die natür- 
lich für gewisse Zwecke sehr brauchbar sind Diese Retouchc 
lässt sich, wenn man will, auch wieder entfernen. 

Farben stören wenig, selbst von dem photdgraphiscb ver- 
rufenen Blau wirkt eigentlich nur die dünn« Aniliulosurfarbc 
abnorm. Das Kolorirtu der fertigen Lichtpausen machte mir 
früher Schwierigkeiten, da die Albuminoberfläche des Liebtpaus- 
pupiers die Farbe schlecht annimmt. Neuerdings empfing ich 
von Herrn Talbot jedoch Farben für diesen Zweck, französischen 
Ursprungs, die in el<ensn leichter Weise sich auf Lichtpaus- 
papier auftragen lassen, als Tusche auf gewöhnliches Papier. 
Herr Dr. Jacobson, Invalidenstras.se (it>g hierselbst, hat bereits 
mehre dieser Farben mit bestem Erfulg nachgeahmt. 

Das Satiuircn der fertigen aufgeklebten Kopien zwischen 
Rollen ist besser zu vermeiden, indem es, wie Herr Baumeister 
Haucke : n seinem Brief ganz richtig hervorbebt, die Dimen- 
sionen alterirt Hesser ist einfaches Pressen zwischen 2 Reiss- 
brei tern mit Auflage schwerer Gewichte, oder Aufziehen der 
Pausen. 

Duss mau auch gewöhnliche einseitig beschriebene Schrift- 
stücke damit kopiren kann, ist selbstverständlich- Ich habe 
gar nicht selten Quittungen, Wechsel und ähnliche Dokumente 
für gerichtlichen Gebrauch auf diese Weise kopirt, und 
dürfte sich mit der allgemeineren Einführung des Prozesses, die 
sicher nach und nach eintreten wird, noch eine Fülle von iuteres- 

ergeben. 
Dr. W. Vogel. 
Dozent dor Photochemie und Photographie an der 
Kgl. Gewerbeakademie in Berlin. 



nach dem schönen Eindruck des zuletzt Gebotenen nicht mehr 
munden, was hier aufgetischt wird. Die in etwa 25 Meter Ab- 
stand von einander über die Strasse gespannten Gehänge bunter 
Lampen und die in den Intervallen bald einzeln, bald paarweise 
aufgehängten Licbterkronen wollen jetzt gar zu spiessbürgerlich 
erscheinen. Auch hier sind grosse Geldmittel aufgewandt worden; 
die Zahl derLampen lässt nicht« zu wünschen übrig. Die gewählten 
Apparate aber, von denen die Skizze Fig. 4 eine Anschauung 
geben wird, passen mehr für eine in kleinen Dimensionen aus- 
geführte Bclcuchtuug, z. B- eines Gartens oder auch selbst noch 
der Strassen einer kleinen Stadt So habe ich im vergangenen 
Sommer mit gleichem Rüstwerk, nämlich bunten Lämpchen. 
die von reihenweise geordneten umgekehrten Blüthenkelchen 
herniederhingen, bei Kirchenfesten, welche das kleine Sorrent 
feierte, sehr anziehende Wirkungen hervorbringen sehen. In 
der Via di Ripetta sah nun freilich jede einzelne Lampen- 
Guirlande ungemein zierlich aus, besonders tbaten sich auch 
die elegant gezeichneten, aus drei flachen, nach unten sich Öff- 
nenden weissen Glocken zusammengesetzten Kroncnleuchter her- 
vor; im Ganzen aber nahm das Auge nur ein Chaos von feurig 
farbigen Punkten wahr und sali seinem Verlangen nach ruhigen, 
den Blick weiter leitenden Linien nicht entsprochen. Die Auf- 
hängepunkte hätten genau abvisirt, diu Kurven der Bogenliuien 
gieichmässig geregelt sein müssen, dann wäre, hätte man die 
störenden korbartigen Ampeln zu beiden Seiten fortgelassen, 
auch hier mit den angewandten Mitteln gewiss eiu bedeutender 
Effekt erzielt worden. Es entschuldigt viel, dass alle schon beim 
Corso namhaft gemachten Ucbelstähde , nämlich kleine Ab- 
weichungen in der Richtungslinie uud in der Breite der Strasse, 
bei der Via die Ripetta im erhöhten Maasse sich vorfinden. 

Ermüdet biegt mau endlich zur Seite ab und gönnt dem 
Auge einige Erhohlung. Bald aber brirht nochmals ein greller 
Lichtstrom sich Bahn, der von der Mitte der Piazza della Ro- 
tonda ausgeht. Fächerartig breiten grosse I'almenblättcr, an 
ihren Enden mit züngelnden Gasflammen besetzt, die Anne aus. 
Ihr Stumm ist der kleine Obelisk auf der Foutainc vor der ehr- 
würdigen Säulenhalle des alter.-schwarzen Pantheon. So ist der 
kleine Platz von blendend weissem Licht erfüllt Das düstere 
Gestein des Römerbaues, dem nur die südliche Sonne Licht und 



Schatten zu verleihen weiss, wird nicht dadurch erwärmt Doch 
plötzlich lösen die schlanken Säulenschafte und das Eisenwerk 
der Gitter gespenstergleich vom Hintergrunde sich ab, den 
blutrothes bengalisches Licht in glühendes Eisen umzuwandeln 
scheint. 

Diese Ruhe und Einfachheit der Linien- und Farben-Wirkung 
bildet gewiss den befriedigendsten Abschluss nach der Fülle 
sinnverwirrender Lichtgebilde. 

Ueberblicken wir nochmals die Leistungen des Munizipiums 
und des Cuv. Ottino, so ist nicht zu verkennen, wie viel Gross- 
artiges uud der Bedeutung des Tages Würdiges iu's Werk ge- 
setzt worden, und mit ganzer Befriedigung dürfen diese sich 
sagen, dass sie das Mögliche geleistet haben. Hingegen sehen 
wir uns nach dem um, was ausser der guten Feiertags - Laune 
die Einwohnerschaft selbst zum gläuzcndou Verlauf des Festes 
beigesteuert hatte, so begegnen wir fast einem leeren Nichts. 
Am Tage zwar hatte jede Strasse sich in den grün-weiss-r 
patriotischen Fahnenschmuck gehüllt, am Corso waren 
der Strecke, welche der König zu passiren hatte, als er zur 
ParlamentserJiffnung fuhr, Tcppiche ausgehängt und einige 
Balkone waren mit bunten Stoffen ausgeschlagen wie zum Car- 
ueval. Doch am Abend wie kümmerlich! Freilich hatten in 
dem Strassenzuge, der für die Illumination bestimmt war. viele 
Hauseigenthümer eine Betheiligung an der Beleuchtung ver- 
sucht, allein mit jämmerlichen Mitteln! Zumeist waren nur 
einzelne, trüb scheinende Papierlaternon, an ihrer Vorderseite 
mit dem Bildnisse des Königs, horribile dictu in Druckerschwärze 
bedruckt, au die Fenster gestellt, die wie uus schmutzigem 
Löschpanier zusammengeklebt schienen : Andere glaubten durch 
das Aushängen einiger bunten Ballons ein Uebriges gethan zu 
haben. Aber wie missmuthig und träge schaute das Alles drein. 
Es wäre besser gänzlich unterblieben. 

Der Italiener freilich empfindet diese Kontraste nicht, 
denn seine Sinne nimmt der Glanz der offiziellen Lichter ganz 
gefangen. 

Nun wohl! ein jedes Volk hat seine Art im Grossen wie im 
Kleinen, und hält sie hoch. Lassen wir den Italienern die ihre 
und halten wir die unsere in Ehren. 

Rom, 5. Dezember 1871. P. Laspeyres. 



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Mittheilungen aus Vereinen. 



Ostpreusslsoher Lngonlour and Architekten -Verein 

Mouatsversamniluug, Donnerstag den 4. Januar 1N72. 

Der Vorsitzende Hr. Herzbrucb machte Mittheilungen über 
den in Hamburg für die Uuterelbc gebauten Eisbrecher No. 1- 
Derselbe Mi ein eiserne« Schrauhenschiff von 41"" Kiellängc, 
10™ breit im Mittelspant, Tiefgang hinten leer 3.8™, bei voller 
Ladung 4.4 m , während vorne sehr geringer Tiefgang sei, damit 
das Schiff leicht auf das Eis hinauflaufe und dasselbe durch 
sein Gewicht (380T) zerbreche. Selbstverständlich sei das.-clbe 
stark konstruirt und namentlich die Sehifl'shaut im Buir ent- 
sprechend stark. Die Stärke der Maschine wird zu 24U Flerde- 
kraft angegeben. Der Eisbrecher soll 0,3'» starkes Eis mit Ge- 
müthlichkeit durchschneiden. Im hinteren Theile des Schiffes 
sollen Wasserkasten zum Füllen und raschen Entleeren vor- 
hauden sein, um dadurch den Tiefgang des Schiffes reguliren 
zu können. Zu vollständigen Versuchen hat es au Eis gefehlt 
— man hofft die Fahrt auf der Viitcrelbe bis Hamburg dadurch 
offen halten zu können. 

Zur Begutachtung der Gruudzüge zur Berechnung des Ho- 
norars für Arbeiten der Bau-Ingenieure wurde eine Kommission, 
bestehend aus den Herren Hesse. Heumanu, Ostendorff. 
Lademanu, Wulff und Tackmann gewühlt. 

Ferner wurde beschlossen, diu M onat sversamtn luugen 
von jetzt an auf dem üstbahuliof am ersten Donnerstag , 
im Monat zu halten und den Mitgliedern jede» Mal Karten zu- I 
zustellen, damit der Tag nicht in "Vergessenheit geruthe. 



Zweigveroin dea saoha. Ingenieur- und Architekten- 
Vereins zu Zwickau. Versammlung 1. -lanuar. Der Vorsitzende 
bringt die Frage über Einführung bautechnischer Schieds- 
gerichte zur Besprechung. Nach eingehender und lebhafter 
Diskussion wird der einhellige Beschluss gefasst. deu Vcrwal- 
tungsrath des sächs, Ingen.- u. Arch.-Ver. zu ersuchen, das völ- 
lige Einverständnis« mit den Anschauungen des Berliner Ver- 
eins in der Voraussetzung auszusprechen, dass die Einführung | 
von Schiedsgerichten für alle technischen Fächer erstrebt und 
deingeniäss das Wort „bauteehnisch" in „technisch" um- 
gewandelt werde. Dieser Beschluss, welcher der Zusammen- 
setzung des sächs. Ingen.- u. Arch.-Vcr. entspricht, soll dem 
Verwaltungsrath des letzteren mit dem Ersuchen zugefertigt 
werden, all seinen Einftuss auf dessen Durchführung zu ver- 
wenden, da ganz dieselben Motive, welche für die Einführung 
bau technischer Schiedsgerichte angeführt sind, auch für die 
Einführung solcher Gerichte für alle übrigen tcchuiscbcu Fächer 
sprechen, voraussichtlich häufig viele derselben kollidireu wür- 
den und jedenfalls eine derartige Erweiterung der gesammten 
Technik zu Gute komme. 

Von einer speziellen Berathung der unter No. üu 12 ff. des 
Protokolle« über die Abgeordnetun-Versammlung des Verbandes 
deutscher Architekten und Ingenieure aufgeführten Punkte, die 
Norm für das Honorar der Bauingenieure und die Grundsätze 
für Konkurrenzen im Bau - Ingenieurwesen betr., wird vorläufig 
abgesehen , und zunächst diese Angelegenheiten einer Kommis- 
sion zur Berathung und Berichterstattung übertragen. Auf 
Vorschlag werden hierzu Hr. Direktor Becker, Hr. Bctriubs- 
Lngenieur Bleyl und Hr. Chaussee-Inspektor Döhucrt gewühlt 
und dieselben ermächtigt, sich durch Zuwahl zu verstärken. 

Mit Rücksicht auf die noch immer vergebens erwartete 
Ministerial -Verordnung, die Einführung des neuen Ziegelfor- 
mates betr., wird beschlossen, den Verwaltungsrath des Haupt- 
vereina um nochmaliges Vorgehen in dieser Angelegenheit, und 
zwar in Gemeinschaft mit dem Vorstand des sächs. Baugewer- 
kenvereins zu ersuchen. 

Schliesslich findet ein bereits früher vom Vorsitzenden ge- 
machter Vorschlag allgemeine Annahme, nach welchem die Ver- 
sammlungen nicht wie zeither einmal, sondern zweimal im 
Monat, und zwar an jedem zweiten und vierten Donnerstag 
Abends */> 8 Ihr stattfinden sollen, um Zeit zu grosseren Vor 
tragen aus den verschiedensten Fächern der Technik zu gewin- 
nen und das Djteresse au den Vereiusversammluugeu zu erwei- 
tern. Der von Hrn. Hütten-Ingenieur Ehrhardt zugesagtu Vor- 
trag über verzinnte Stahlbleche musste wegeu vorgerückter Zeit 
ausgesetzt bleiben. — ck. - 



Arobitekton und Ingenieur-Verein zu Hannover. Ver- 
sammlung, am 10. Januar 1872 , Vorsitzender Baurath Hagen. 

Es erfolgt die Aufnahme von 7 neuen Mitgliedern, und dar- 
auf die Wahl des Vereins- Vorstandes. 

Es wurdeu gewählt: als Vorsitzender Baurath Hase, als 
Stellvertreter Baurath Hagen, als Sekretair Prof. Lauuhardt, 
als Stellvertreter Wasser-Bau-Inspektor Hess, als Bibliothekar 
Bau-InBpektor Auhagen, als Redakteure Prof. Treuding und 
Laudbau-lnspektor Pape, als Kassenführcr Ober-Bau-lnspektor 
Voigts. 

Baurath Hagen trägt darauf über die Wasserversorgung 
der Stadt Hannover vor, indem er zunächst die bestehenden, 
für die im raschen Wacbsthum begriffene Stadt durchaus un- 
genügenden Verhältnisse der Wasserversorgung durch das alte 
städtische Wasserwerk vor Augen führt, sodann aber die not- 
wendigen Bedingungen für eine neue Anlage präzisirt. 

Das neue W asserwerk muss zu allen Jahreszeiten für sämmt- 
liche WasBurbedürfnissc, ausserhalb wie innerhalb der Stadt 
hinreichen. 

Das Wasser muss frei sein von allen schädlichen Beimen- 



gungen, sowie von Verunreinigungen: es muss an jeder Stelle 
der Stadt, sowohl in den Leitungen, wie im springenden Strahl 
in die höchsten Stockwerke der Häuser reichen. 

Ks miins billig geliefert werden und das Unternehmen der 
Wasserversorgung noch rentabel bleiben. Als Minimum der 
Wassermeng« nimmt er l. r >4iiü kb m pro Tag oder 0,01 kbm pro 
Kopf au. Zur Beschaffung dieses Wasscrquautuius sind die 
Quellen in der Nähe Hannovers nicht ausreichend. Es sind 
Leitungen von Quellen aus dem Deister Gebirge (4 — 5 Meilen 
weit) in Vorschlag gebracht , doch auch das Tagewasser des 
Deister ist unzureichend, die unterirdischen Abflüsse sind theils 
durch Bergbau verunreinigt, theils auch Zweifel über die Reich- 
haltigkeit derselben begründet. Die Anlage artesischer Brunnen 
hat sich auch als ein unzuverlässiges Unternehmen erwiesen. 
Es bleibt also nur die Entnahme aus dem Leinefluss direkt oder 
indirekt als sicher ausreichend übrig, und wird daher die Ge- 
winnung des Wassers und künstliche Filtration mittels Brunnen, 
die im groben Kiese des Leinethaies gesenkt werden, empfohlen. 
Als Reserve möchte die Entnahme direkt aus dem Fluss uud 
Klärung des Wassers durch Filterbassius dienen. Als Empfeh- 
lung für die Art der Anlage dieueu in anderen Städten ge- 
lungene ähnliche Unternehmungen. 

Für die Gewinnung des Wassers empfiehlt sich das Terrain 
südlich der Stadt, am linken Ufer der Leine, vor deren Spal- 
tung in Arme; für Anlage des llorbreservoirs das Plateau des 
Limiener Berges, 4n,2«> über dem Oberwasser der Leine. 

Es entspinnt sich eine längere Debatte, indem der Giesserci- 
Direktor Westendarn der Wasser - Entnahme aus ouell- 
reichen Gegenden des Deister das Wort redet , doch wird die 
Ausgiebigkeit der genannten Quellen, sowie die Zweckmässig- 
keit einer derartigen Anlage für die lokalen Verhältnisse über- 
haupt mehrfach bestritten uud der Wasserreichthum des Deister 
namentlich durch Regierung«- uud Bauruth Keil, auf Grund 
vielfach gesammelter Beobachtungen und Thatsachen bezweifelt 
und zu Gunsten des Hagen' sehen Projektes durch Direktor 
Kirchweger die Wasserversorgung Leipzigs augeführt und 
mit vielfachen Angaben erläutert. 

Die Feier des Stiftungsfestes des Vereins, die gewöhnlich 
in der Januar-Versammlung stattfindet, ist auf deu «. Februar 
vertagt worden. — r. — 

Architekten- und Ingenionr- Vorein zu Cassel. Am 5. 

d. M. feierte unser Verein sein XL Stiftuugafest im festlich ge- 
schmückten grossen Saal des neuen Kunsthauses dahier, in 
welchem für dieses Fest von den Gewerkschaften hiesiger Um- 
gebung eine Anzahl schöuer Arbeiten aus gebranntem Thon, 
sowie Architekturstücke aus Serpcntiu ausgestellt waren. 

Nachdem sich Abends K Uhr etwa 70 Personen (Mitglieder 
und Gäste) eingefunden hatten und dieselben durch den Vor- 
sitzenden, Herrn Rudolph, begrüsst waren, sprach Herr Küm- 
mel in interessanter Weise über die Lage der Stadt Mexico 
uud gab kurze Notizen über einige Hauptbauten derselben, ins- 
besondere die Kathedrale, das Colegio de la Mineria u. a., ferner 
über bauliche Einrichtungen der Mexicaner im Allgemeinen uud 
über die Eisenbahn nach Guadalupe. 

Nach Beendigung dieses Vortrages begann das Festmahl, 
bei welchem muntere Reden und Scherze abwechselten, so dass 
die Versammlung in heiterster Stimmung bis zu später Stunde 
zusammen blieb. 

Die General- Versammlung des Deutschen VereinB 
für Fabrikation von Ziegeln, Thonwaaren, Kalk und Zement 

findet in diesem Jahre am SSw, '2b'- und 27. Januar in den Räu- 
men der polytechnischen Gesellschaft, Berlin, Neue 
Friedrichstrasse 35 statt Wie in den frühereu jährlich wieder- 
kehrenden Versammlungen des Vereins soll der erste der Sitzuugs- 
tage ausschliesslich dem Interesse der Ziegel- und Thonwaaren- 
Industrie gewidmet sein; am zweiten Tage werden vornehmlich 
solche Fragen auf die Tagesordnung gesetzt werden, welche von 
allgemeinem Interesse für alle in dem Verein vertretenen In- 
dustriezweige erscheinen; der dritte wird speziell der Kalk- und 
Zementfabrikation gewidmet bleiben. 

In- IVoL'ranviii, -"weit i - bis jetzt festgestellt ist, wird 
namentlich folgende Gegenstände enthalten: 

Torfstechmaschine zur Aushebung von Wieseukalk und Thon 
unter W : asser. — Entwässerung von Thougrubcu. — Thonför- 
derung bei Frostwetter. — Künstliche Erwärmung von Trocken- 
räumeu in Ziegeleien. — Winterproduktion auf Ziegeleien. — 
Leber Schwarzwerden heller Steine. — Schutz der Schieber im 
Ringofen. — Brennen glasirter Röhren im Ringofen. — Ziegel- 
pressen und Forniinasehinen. — Härten und Glasireu von Steinen. 

— Feuerfeste Ziegel. — Dinusstciuc. — Gasfeuerung. — Ver- 
grösserung von Oefeu. — Ark'itcrstrickcs. — Arbeiterwohuungeu. 

— Seiltrausportbahneii. — Hebevorrichtungen. — Senkrechte und 
schräge Kalkfördeniug. — Zement für Ofeubauten und zur Orna- 
meutiruug von Stubenöfen. — Konkretbauteu und Zemeutsteine. — 

Von Vorträgen werden folgende vorkommen: Ueber die 
Bewegung der 1' euergaso in stehenden und liegenden Oefen. — 
Ueber Drahtseilbahnen. 

Wie bisher werden währeud der Vcrsuiumlungstagc Produkte 
verschiedener Etablissements, Modelle etc. zur Ausstellung ge- 




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- 23 — 



Arohitekten-Verein zu Berlin. Versammlung am 13. Jan. 
1872; Vorsitzender Hr. Bockmann, anwesend 15« Mitglieder 
vind 2 Gäste. 

Mehre geschäftliche Mittheilungen eröffnen die Sitzung. l>er 
Böhmische Architekten -Verein ludet den hiesigen zur Beschik- 
kuug der am 18-20. März d. J. von ihm zu veranstaltenden 
architektonischen Ausstellung ein; der Verein beschliesst. wie 
in früheren %Tahren der Einladung zu folgen und beauftragt die 
Monats-Konkurrenz-Komtnissioii mit der Auswahl und Ueher- 
sendung geeigneter Arbeiten. Eine von dem Verein .Baubude* 
eingesandte Bearbeitung des Entwurfes zur neuen Bau-Polizei- 
Ordnung wird der im Vereine zu gleichem Zwecke bestehenden 
Kommission überwiesen. 

Seinem gegebenen Versprechen nachkommend, fordert der 
Vereiuswirth, Hr. Plcssner zu einer Konkurrenz für einen Ver- 
eins-Speisesaal auf. Er hat die Lücke, welche zwischen dem 
gegenwärtigen Sitzungssaal und dein II int erlüg«! seines Wohn- 
hauses liegt und zur Zeit von Stallgchäudcu eingenommen 
wird, uls Bauplatz für diesen Saal bestimmt, der hiernach 7,6"' 
Breite bei 15"> Tiefe o<ler ziemlieh genau '» von der Grund- 
fläche des gegenwärtigen Saales erhalten würde. (Die beabsich- 
tigte Hohe von 5™ würde annähernd bis zum Kämpfer der 
jetzigen Saalfenster reichen, dem Sitzungssaal also von dieser 
Seite ziemlich alles Licht entzogen werden.) Die Konkurrenz- 
bediugungen nebst der Lithographie des Bauplatzes werden vou 
Vercinssekretär zu entnehmen 



Facade 



Es folgt hierauf der Vortrag des Hm. A. Jahn über die 
»de des Domes zu Florenz, anknüpfend an die Photographie 



Vermischtes. 



wie in den 



Amerikanische VorBtadthäuser. 

ren Stählten Europas die Wohnungnoth, d. h. der Mangel an 
billigen und bescheidenen, dabei alter doch auch bequemen Wohn- 
häusern immer grossere Dimensionen annimmt, so ist auch in 
den grosseren Städten Amerikas ein eigenes Heim ein Luxus, 
deu sich nur Wenige erschwingen können, welche in mittleren 
Verhältnissen leben. Und, wem die Misere der Mietwohnun- 
gen unerträglich ist, muss eben aufs Land ziehen und demnächst 
tagtäglich bei Wind und Wetter wie bei Sonnenschein den Weg 
nach und vom (iesehäftlokal mit Eisenbahn, Dampfschiff. Fähr- 
boot, Stadteisenbahn oder Omnibus zurücklegen, ja sieh oft der 
Marter säuimtlicher dieser Fortbewegungs- und 'Beförderungs- 
mittel geduldig unterziehen. 




Bnl-e<«ho«>, 



Erat-r 



T—T 



T 



I I I I 



in & 10 n 

, iJ. Beiu<-ti*simin*r, C. SrhlK/iimnirr, D. Kiirhr, 
F. Kobinrt, f.", Wuitu'lirank. 



Sf.ol.cki 



Diu Lots oder Bauplätze in den Vorstädten oder der näch- 
sten Umgehung grosserer Städte sind aber noch immer gar hoch 
iiu I reise, uud dem, der das Ziel errungen, entsteht danu erst 
die keineswegs leichte Aufgabe, sich darauf ein Haus mit mfis- 
siKei» Kosten herzustellen, das bei der Beschränktheit des Grund- 
stückes doch möglichst allen Ansprüchen an zierliches Aussehen, 
bequeme und gesund« Einrichtung, vielleicht auch an einige 
Eleganz im Aeusscrn und Innern genügt. 

Wie amerikanische Architekten diese Aufgabe lösen, davon 
sei hier ein einfacheres Beispiel niitgetheilt 

Das Häuschen, von dem wir zwei Grundriss-Skizzen und 
zwei Ansichten geben, Ist im Holzbau auf massiven Fundamenten 
errichtet und misst in seinem zwoist. Ick igen Hauptkörper «,10™ 
Breite bei 8,.>|m Länge, demselben ist ein einstöckiger Anbau von 
4,8« und 3,«fi« angefügt. Es empfängt Licht von allen Seiten 
und ist mit seiner Gichclfacade der Strasse zugekehrt. 

Der Haupteingaug führt auf dieser Seite in einen nur ljr2 m 
breiten Flur, in dem die schmale Treppe zum Obergeschoss auf- 
steigt Rechts liegt das 4,12X4,4«" grosse Besuchszimmer, das 
mit einem um 0,5« nach der Strasse vorkragenden Balkon ver- 
sehen ist, dahinter 3,8» tief in ganzer Breite de^ Hauses das 



nach dem der Ausführung zu Grunde gelegten Entwürfe des 
Architekten de Fabri«. welche dieser dem Verein zum Geschenke 
macht Eine Bearbeitung dieses Stoffes hat der Vortragende 
mit Abbildung einiger der interessantesten , aus jener Kon- 
kurrenz hervorgegangenen Entwürfe der deutschen Bauzeitung 
zugesaut. 

Mit einigen von den Herren Schwedlor, Streckert uud 
Qhiassowski beantworteten Fragcu schtoss die Sitzung aus- 
nahmsweise früh. Denn schon den Eintretenden hatten im 
Vorsaal die „pfälzischen Liebesgaben" begrüsst, wie mysteriöser 
Weise in der Anzeige die 4 wohlbeleibten F5.ss.cheu Sneyerischen 
Sonnen-Bieres benannt waren, welche der ufalz-baynsche Archi- 
tekten- und lugeuieur- Verein als ersten kollegialischen Verbands- 
Gruss uns übersandt hatte. 

Der köstliche Trank, der leider nur zu schnell vor dieser 
„Arheitsthcilung" verschwand, belebte sehr rasch die Stimmung. 
Ks überschreitet die Uefugnisse des Berichterstatters, über diese 
ausserordentliche Sitzung zu referiren. Erwähnt sei nur noch, 
duss der Dank der (»'messenden in einem trefflich exekutirten 
Salamander Ausdruck fand, der in schöne Verse übersetzt den 
freundlichen Gebern tel-grupbisch übermittelt wurde. — Sicher 
erweckte dieses fröhliche suugreiehe Beisammensein auch in den 
hartnäckigsten Zweiflern die Ueherzeugung, das« die in uusenn 
Verein so sehr darniederliegende Geselligkeit nur eines glück- 
lichen Ausbisse*, eines günstigen Bodens bedarf, um blühend 
aufzuspriessen. Möge der nächste Winter den Beweis liefern, 
das* der von Herrn Plessner beabsichtigte Saalbau die 
günstigen Boden schafft! L. 



Wohnzimmer. Der Anbau enthält die unterkellerte Küche, aus 
der ein Ausgang nach dem Hofe führt , mit Speisekammer und 
Wandschrank. 

Im oberen (Jeschoss belinden sich über dem Wohnzimmer 
zwei Schlafzimmer. Der Kaum über dem Besuchziiumer uud 
einem Theil des Flurs wird vou uiuer Stube mit Kubinct uud 
Wandsehrank eingenommen, die als besondere kleine Wohnung 
vermiethet werdeu. Der Dachraum dient zum Aufbewahren des 
Brennholzes. 

Die Geschosshöhen betragen unten 3,05", oben 2,74", unter 
Dach 2,13">. Die architektonische Ausbildung, die sich im 
Aeusseren auf einige Holzzierrathen beschränkt und ihren Cha- 
rakter durch das weit ausladende Dach und die Verdacbun^eu 
der Thür- uud Fensteröffnungen empfängt, ist selbstverständlich 
eine höchst einfache. Die Baukosten betragen indessen auch 
nicht mehr als 3000 Dollars. A. D. 

Die Beratbus k- über den Etat des Handelsministeriums 
im preusalschon Abgeordnetenhauso hat am 1H. Januar zu 
einer für unser Fach höchst interessanten uud wichtigen Diskus- 
sion geführt, in welcher die Verhältnisse des deutschen Gewerbe- 
Museums, der Bau-Akademie, des Ausbildungsgaugcs der Preus- 
sischen Staats -Baubeamten u. A. besprochen wurden. Wir 
müsscu unsere Leser vorläufig auf die Berichte 
Blätter verweisen, werden nach dem Erschein 
graphischeu Berichtes jeduch nicht verfehlen, näher auf 
Angelegenheit zurückzukommen. 

Gustav Martens f. Aus Kiel ist die seit längerer Zeit 
befürchtete Trauerkunde von dem Tode des Architekten Gustav 
Martens, der bekanntlich seit einer Reihe von Jahren als 
Stadtbaumeister daselbst wirkte, eingetroffen. Was der Ver- 
storbene, als einer der phantasievollsten und originellsten Ver- 
treter der modernen Gothik durch seine zahlreichen Bauten zur 
Entwicklung der neuereu deutschen Baukunst beigetragen hat, 
wird sobald nicht 



Aus der Fachliteratur. 



Organ für die Fortschritte des Eisenbahnwesens. 
1870 — 71. l>cr durch den Krieg hervorgemfenen Störungen 
und anderer Verhältnisse wegen waren wir in den letzten Jahren 
nicht in der Lage, Heferate aus dem Organ zu bringen- Um 
damit in regelmässiger Reihenfolge wieder zu beginnen, wollen 
wir zunächst einige der wichtigsten Mittheil uugen jener Zeit- 
schrift über Eisenbahn-Oberbau aus deu letzteu beiden Jahr- 
gängen ganz kurz zusammenfassen. 

I. Eiserner Oberbau. Derselbe ist aus dem Versuchs- 
stadiura noch nicht herausgetreten. Nach den „Referaten über 
die Beantwortungen der für di ; V. Versammlung der Techniker 
deutscher Eisenbahn - Verwaltungen aufgestellten Fragen" (Org. 
Ih71 n. 41) ist das allgemeine Resultat, welche* aus den uiit- 
get heilten neueren Erfahrungen in Anwendung des ganz eisernen 
Oberbaues hervorgeht, noch immer ein ziemlich unbestimmtes. 

Das dreitheilige System sowohl mit hoher als mit niedriger 
Unterschieue wird der zu geringen inneren Beweglichkeit und zu 
kostspieligen Unterhaltung wegen von der Hannoverschen und 
Württembergisehen Bahn getadelt. Jedoch ist das dreitheilige 
System mit hoher Unterschiene von der Braunschweigiseheu 
Bahn mit gutem Krfolg zu ausgedehnterer Anwendung gebracht. 

Das System Hart wich ist in der Beschaffung billig, während 
des Betriebes sicher und fest und bei Wiederherstellungen 
wegen seiner Einfachheit vortbeilhsft, erfordert jedoch hohe 
Unterhaltung*- und Krneuerungskosten und fährt sich hart- 

Systeiu Hilf wird von der Nassauisehen Buhu, auf der e* 
allein lur Ausführung gekommen ist, durchaus günstig beurtheilt. 



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24 — 



Ebenso wird das Querscbwcllensystem Vautherin bis auf die 
en Unterhaltungskosten im Allgemeinen günstig beurtheilt. 
Die Beschaffungskosten ur. lfd. Meter excl. Bettuugsinaterial 
sind: Dreiteiliges System (Scheffler) 11.41 Thlr., System Hart- 
wich 7 bis 8 Thlr., iweitheiliges System (Hilf) ll.fi Thlr., System 
Vautherin nur wenig theurer als rlolzschwellennberbau. 

Auf Grund dieser Referate hat die im Juui 1871 zu Ham- 
burg abgehaltene Technikerversammluug (Org. 1871 p. 193) an- 
erkannt, ,daäs der eiserne Uberbau unter Umstünden entschie- 
dene Vortheile bietet, aber keinem der bisherigen Systeme her- 
vorragende Vorsüge einzuräumen sind. Ks wird empfohlen, mit 
i verschiedenen Systemen noch weitere vergleichende Versuche 



eben haben unterschlagende, für den krummen Strang gekrümmte 
Zungen (so dass Links- und Rechtswegen verschieden sind'; 
die Neigung der Weicheuherzstücke betrügt durchweg 1:10. Es 



Eine sehr übersichtliche tabellarische Zusammenstellung 
der bisherigen Ausführungen von eisernem Oberbau enthält das 
Organ v. 1870 p. 156. Es geht daraus hervor, dass sich bis 
dahin 19 Bahnen des Vereins deutscher Eisenbahnverwaltungen 
an den Versuchen betheiligt haben, und dass 296 463"> »der 39,5 
Meilen von ganz eisernem Oberbau ausgeführt resp. in der Aus- 
führung begriffen sind. Davon kommen 152066™, also über die 
Hälfte, auf das System Hart wich. 

Von Projekten für neue eiserne Oberbausysteme ist hervor- 
zuheben dasjenige von Hermann Baer in Mannheim und Adolph 
Roth in Baden für dreitheiligen Oberbau mit stählerner Fabr- 
schienc (Org. 1870 p. 192). 

Uebcr die in Frankreich und Belgien zur Ausführung ge- 
kommenen eisernen Ouersehwclleusysteuie uud die dabei auge- 
wandten Schienenbcfestiguugen giebt ein Reisebericht des Inge- 
nieurs der Rheinischen Bahn Vojacek (Org. 1871 p. 13) sehr aus- 
führliche Mittheiluugen. 

Hieran schlicsst sich nach Henry Bellet's Befestiguugssystem 
für Vignole-Schicnen auf Vautherin-SchweHen (Org. 1870 u. 145). 

2. Stahlschienen. Auch über Stahl- und Stahlkopf- 
schienen sind laut den Hamburger Beschlüssen (Org. 1871 p. 193) 
die Beobachtungen noch nicht umfassend uud eingehend genug, 
um ein endgültiges Urtheil füllen zu können. Doch lassen die 
bisher gewonnenen Erfahrungen auf ein günstiges und Ökono- 
misch vortheilhaftea Verhalten hinreichend schliesson. Die Ein- 
kliukungcn bei Stalilschienen aufzugeben kann vor der Hand 
nicht empfohlen werden. Die Eiuklinkungen siud aber an den 
Ecken sorgfältig abzurunden, auch die Schienen thunlichst nur 
an den Enden einzuklinken. 

Die diesem Beschluss zu Grunde Hegenden Beobachtungen 
(Org. 1871 p. 28) sind über Puddelstahlschienen von 8 Verwal- 
tungen angestellt und bei 3 sehr günstig, bei .'1 zufriedenstellend, 
bei 2 ungünstig ausgefallen. Zcmcntirte Schienen hielten sich 
von 3 Verwaltungen bei einer im Allgemeinen gut, bei der an- 
dern nicht gut, bei der dritten hielten sich solche Schienen mit 
gehärtetem Kopf ganz schlecht, mit nicht gehärtetem Kopf bis- 
ner sehr gut. lieber Gusstahlschienen haben sich 10 \erwal- 
tungen geäussert, und zwar 7 derselben günstig, 1 ungünstig, 
während 3 nur ihre Resultate in Zahlen ohne bestimmtes Ur- 
theil mittheilten. 

Auch in Amerika beschäftigt mau sich mit Versuchen über 
Stahlachicncn (Org. 1871 p. 33). Die Berichte der 26 Bahnver- 
waltungeu, von denen dies in eingehender Weise geschehen ist, 
sollen im Allgemeinen sehr zu Gunsten der Stahlschiencn lauten. 
In Belgien wirft man den Stahlschiencn vor, dass sie einen zu 
hohen Grad von Politur annehmen. 

3. Steinwürfel-Oberbau. Auf der Taunusbahn, wo 
schon seit 1839 Steinwürfel-Oberbau liegt, stellen sich die Unter- 
haltungskosten desselben bedeutend billiger als bei Holzschwellen- 
oberbau (ungefähr wie 1:3) (Org. 1870 p. 205 und 1871 p. 236). 
In Württemberg sind seit 1867 ca. 21300- Geleise mit Stcin- 
würfcl- (stellenweise auch Zemcntwürfol-) Oberbau ausgeführt. 
Die Anlagekosten sind nicht sehr bedeutend theurer als bei 
Holzschwelleuoberbau (sie verhalten sich dazu etwa wie 5 zu 4); 
doch ist, nach dem offiziellen Bericht über diesen Oberbau, für 
ein endgültiges Urtheil auch jetzt noch die Zeit seines Beste- 
hens zu kurz. (Org. 1870 p. 194, vergl. auch ebenda p. 139). 

4. Konstruktion der Weichen. Hier ist aus dem Jahr- 
gang 1870 (p. 226) dio von Clement A Paraviciui patentirte 
Sicherheitsvorrichtung hervorzuheben, vermöge welcher unvoll- 
ständig geschlossene Weichen durch die gegen ihre Spitze fah- 
renden Fahrzeuge selbst geschlossen werden. 

Ein neben der Anschlagschiene unmittelbar vor der Zun- 
genspitze befindliches Pedal, welches bei geschlossener Weiche 
mit Schienenoberkante bündig liegt, hebt sich vermöge eines 
mit der Weiche durch eine Zugstange verbundenen Hebelwerks, 
sobald das Oeffnen der Weiche beginnt. Wenn die Weiche halb 
offen ist, steht es am höchsten. Es sinkt wieder auf Schienen- 
oberkanteubohe herab, sobald die Weiche in dem einen oder an- 
deren Sinne geschlossen wird. Ist die Weiche theilweise ueoffuet 
und ein Fahrzeug nähert sich ihrer Spitze, so drückt das erste 
Rad auf das gehobene Pedal und schhesst, indem dies auf die 
Zugstange wirkt, die Weiche. Die Vorrichtung ist so einfach und 
scheiut (soweit sich dies ohne cigeue praktische Versuche beur- 
theilcn läaat) so zuverlässig, dass sie sich wohl zur ausgedehnten 
Anwendung empfehlen dürfte. 

Jahrgang 1871 enthält (p. 173) einen sehr ausführlichen, 
mit vielen Abbildungen ausgestatteten Aufsatz des Baumeister 
Abresch über die neuen Weichen und Geleisekreuzungen der 
Goln-Mindener Bahn. Es wird hier die Neigung der Schienen 
auch in den Weichen und Kreuzungen durchgerührt. Die Wei- 



werden "auch englische Weichen, Kurvenweichen uud dreithciligo 
(dreiwegige) Weichen mitgetheilt Diese letzturcn sind nicht so 
konstruirt, wie es in ausserdeutschon Ländern üblich ist, dass 
die beiden Weichen vollständig ineinander fallen: es ist nur 
die zweite Weiche zwischen die erste Weiche und deren Herz- 
stück, und zwar so dicht als möglich an die Weiche sulbst heran 
gewhoben. — W. H. - 

Konkurrenzen. 

Konkurrenz fUr Entwürfe zur Anlage eines neuen 
Stadttheaters In Mannheim. Unter Hinweis auf die Bekannt- 
machung in der heutigen Nummer unsere?) Hauanzeigers ver- 
fehlen wir nicht die Facbgcuosscu auf diese interessante Aufgatte 
ganz besonders hinzuweisen. Der Termin zur Einreichung der 
Skizzen ist bis Mitte März zwar ziemlich knapp bemessen, dürfte 
jedoch für einen Architekten, der solcheu Arbeiten uicht ganz 
fremd ist, ausreichen. Auch gegen die Hohe des Preises (400 
Thlr. für eine Skizze mit Erläuterungen), sowie die Zusammen- 
setzung des Preisgerichts ist Nichts einzuwenden. 

Konkurrenz für den Kölner Dom. Wir entnehmen der 
Beilage z. Anzeigur f. d. Kunde d. deutschen Vorzeit, Nr- 12. 
S. 392 folgendes: 

Das Metropolitan -Domkapitel von Köln hat durch Aus- 
schreiben vom 10. Dezember sieben bewährte Meister der kirch- 
lichen Baukunst zu einer Kouk urrenz behufs Beschaffung 
eines Gesamml planes für die innere Ausstattung des 
Köln er Doms eingeladen. • Laut des beigeschlossenen ausführ- 
lichen Programms haben die koukurrirendeu Kunstler vorzu- 
legen: einen Plan zu einem neuen Hochaltar. Pläne zu einem 
erzhisch6Hichen Throne von Holz, zu einem Chorabschlusse in 
Form eines Lettners, zu Beichtstühlen und pinen Plan zu einer 
Kanzel. Ausserdem werden gutachtliche Acusseruiigen gewünscht 
über Beflurung, Beleuchtung und die innere Behandlung der 
Wände u. s. w. Der äußerste Einsemlungsterunn ist der 8. De- 
I zember 1872. 

Hierzu gestatten wir uns ein Paar Fragen, um deren Be- 
antwortung diejenigen Fachgenossen, welche der Sache näher 
stehen oder speziellere Kenntniss erhalten haben, gebeten wer- 
den. Ist die Staatsbehörde bei dem Konkurrenz- Ausschreiben 
direkt oder indirekt betheiligt? Wie heissen die sieben bewähr- 
ten Meister? Wie lauten die Prngrammsbcdiugungen wegen der 
Jury, des Honorars etc-? X. 

Personal - Nachrichten. 

Preussen. 

Ernannt: Die Baumeister Grüttefieu, Kottenhoff, 
Pauly, Emil Reuter und Naumann zu Kgl. Eisenbahn-Hau- 
meistern bei der Bergisch -Märkischen Eisenbahn. Der Eisen- 
bahn-Baumeister Melchior« zu Unna zum Eisenbahn-Bau - 
Inspektor bei der Brcslau-Mitlclwalder Eisenbahn in Breslau. 
Der Baumeister Edg. Schmiedt zu Halle a. d. Saale zum Eisen- 
bahn-Baumeister bei der Bergisch - Märkischen Eisenbahn in 
Unna. Der Wasserbaumeister Opperman zu Meppen zum 
Wasserbau -Inspektor daselbst. Der Haumeister Bruns zu 
Düsseldorf zum Landbaumeister uud lechnischeu Hülfsarbeiter 
bei der Kgl. Regierung daselbst 

Versetzt: Der Landbaumeister uud technische Hülfsarbeiter 
bei der Kgl. Regierung zu Cöslin, Killburgor an die Kgl. 
Regierung zu Erfurt. . 

Der Kreishaumeister Massing zu Trier ist als kreis-hom- 
muual-Baumeister daselbst angestellt worden. 

Dem ordentlichen Lehrer der lugeuieurwissenschaften au 
der polytechnischen Schule zu Hannover, Launhardt, Ist das 
Prädikat „Professor" beigelegt wurden. 

Am 6. Januar c. haben das Baumeister-Examen be- 
standen: Heinr. Willi. Rieh. Kuttig aus Wöllstein, Julius 
Franck aus Kirchwahlingcu. Felix Schmidt aus Brünn. 

Das Bauführer-Examen haben bestanden: Theodor Böhm 
aus Cleve, Immanuel Frommann aus St. Petersburg, Georg 
Hubert Breiderboff aus Coln, Richard Alexander Mertins 
ans Berlin. 

Sachsen. 

Gestorben: Der BozirkshaumeisW Haasc in Bautzen. 

Brief- und Fragekasten. 

Hrn. E. St. in Hamburg. Die Erkundigung und wohl das 
ausschliessliche Interesse bezog sich allerdings nur^ auf das 
Reicbswaptten; die nachträgliche Aeuderuug an der Standarte, 
die möglicherweise noch nicht die letzte ist, dürfte daher weniger 
iu's Gewicht falleu. „ 

Berichtigung. In dem Artikel über nie Stellung der 
badischeu BaubVamton in Nr 2 u. BI. Seite 14 Sp. 2 Z. l.iv. Ü. 
hat sieh ein sinnentstellender Druckfehler eingeschlichen. Es 
ist daselbst von einem Mangel an .gutem" Personal die. Rede, 
während lediglich der Mangel an Personal überhaupt erwähnt 
werden sollte. 

Beiträge mit Dank erhalteu von den Hrn. S iu Merseburg, 
J. iu Berlin. 



: w C.rl B*.liu I. 



, Set 



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Jahrs. TL ^24. 

DEUTSCHE BAUZEITUNG 



E*d*ktU» u Ktpedit.oo: 
Bnllo. Oritttravtriw* 191. 
BttUllaftfO 



Organ des Verbände. 



lato r*te 

für dt< l>«r der dtc 
ntoirllnitf Änd« -< 



deutscher Architekten - und Ingenieur-Vereine. *»-■■-» 



Redakteur K. E. 0. Fritsch. 



IM «p t» 



Preis I Thuh'r pr» fiartal. 



Ii 



enin, aen 



Januar 1872. 



Rrtrhelit jeden P«antr»tar. 



InhR'.t, Km- 

Ort.at. V. - K*u«' 

l»ar die Eiaiuhron.( daa »umiyw im Handel mit Baahül.ern. — Mitthel- 
*■• Vereinen Verband deulKaer Arauiteklaa- und lnirrnlenr- Vereine. 
— OeeterTeicliuKtier Ufrniear- »d Architekten- Verein Wl«n. — Verml.tih- 



te. Au 4« 

l'auaee. — Du 



. - In 1 



da. Varein* jMoti«." - Au. dar PacBlIttera- 
tur: Zellechrlft daa Architekten-Vereine tu HannoTer. — Koakur ren.en: Eine 
Konkurrent für Entwürfe au einten Slegea-Dankmal In Altona. — Kankurrau« Per 
Mitglieder daa Arehitokiea- Vereine ta Berlin. — per .anal - Haan r lelitan etc. 



rigsten und gt 
scli lügen de* 
Konzession u 
tekteu- Vereins 
Praxis in der 



Bauordnung für Berlin. 

Nachtrag. 

Zu den nicht gerade sehr häufigen Siegen, welche die 
öffentliche Meinung über beabsichtigte Maassnahmen der Be- 
hörden davongetragen hat, kann unzweifelhaft die Thatsache 
gerechnet werden, dass wir mit dem Jahre 1872 noch keine 
neue Bauordnung für Berlin bekommen haben. Welchen 
Antheil an diesem, unseres Erachtens sehr günstigen Erfolge 
unsere Artikel beanspruchen dürfen, wollen wir dahingestellt 
sein lassen. Je unabhängiger unser Urtheil von demjenigen 
der zunächst und am Meisten betheiligten technischen 
Kreise aufgetreten und begründet worden ist, mit um so 
grösserer Befriedigung können wir nachträglich konstatiren, 
dass die eingehenden Berathungen, welche iu denselben ge- 
pflogen worden sind, wenigstens im Prinzipe, und Üieilweisc 
auch in der Aufstellung positiver Gegenvorschläge, zu ähn- 
lichen Resultaten geführt haben. 

Es liegen uns drei Gutachten technischer Korporationen 
über den Entwurf zu einer neuen Bauordnung für Berlin 
vor, welche an dieser Stelle einer kurzen Besprechung und 
Würdigung unterworfen werden sollen. Zunächst das Referat 
der vom Berliner Architektenverein niedergesetzten 
Kommission. Die nach den Beschlüssen derselben beantragten 
Amendements sind nicht durch Vervielfältigung einem grösse- 
ren Kreise zugänglich gemacht, sondern dem ergangenen 

h dem Magistrat zur Berück- 
r Prüfung des Entwurfs übe r - 
Der aus hiesigen Gewerksmeistern be- 
Verein .Berliner Baubude" hat dagegen ein 
...«^^oria" über den Entwurf durch den Druck veröffent- 
licht, dem eine vergleichende Gegenüberstellung des ursprüng- 
lichen Texte» und des Wortlauts nach der Umarbeitung bei- 
gefügt ist In formeller Beziehung sei daran gleich die 
Bemerkung geknüpft, dass der gewählte Modus, den beider- 
seitigen Wortlaut ohne typische Auszeichnung der neuen 
Fassungen, ja sogar mit willkürlichen Aenderungen in der 
äusseren Gruppirung des Stoffs nebeneinander zu stellen, 
die Uebarsieht über die beantragten Aenderungen sehr er- 
schwert. El lag jedenfalls durchaus kein Grund vor, das 
•ehr geeignete Vorbild, welches der Druck amendirter parla- 
mentarischer Schriftstücke hierfür bietet, nicht zu befolgen. 
Das dritte Schriftstück sind „ Drucksachen des „ Berliner 
Schornsteinfeger-Gcw erks", unter welchem General- 
titel zwei Schreiben der „ vereinigten Schornsteinfeger- 
meister Berlins" an das Kgl. Polizei-Präsidium vom 1. und 
89. November 1871 (das letztere als „Protest" bezeichnet) 
zu saui menge fasst sind. 

Von den städtischen Behörden liegt noch keine definitive 
Aeusserung über den Entwurf vor. Bekanntlich hatte der 
Magistrat dem Antrage der Stadtverordneten -Versammlung, 
die Bauordnung vor Abgabe seiner Erklärung dieser zur 
Meiuungs-Aeusserung zugehen zu lassen, nicht entsprochen, 
vielmehr den einzelnen Mitgliedern der Versammlung an- 
heimgegeben, ihre Ansichten eventuell an den Magistrat ge- 
langen zu lassen. Trotzdem wurde offiziell eine Deputation 
zur Berathung des Entwurfs von der Stadtverordneten-Ver- 
sammlung niedergesetzt Dieselbe beschränkte sich indessen 
in ihrer Sitzung vom 22. November darauf, ihre Ueberein- 
stimmung mit den in dem Bericht des Magistrats an die 
Ministerien für Handel und Inneres vom 20. Dezember 18(143 
enthaltenen Ausführungen in Betreff der Aufhebung der 
Baukonsense auszusprechen, ohne zu bedenken, dass 
mit dieser Maassrege leine anderweitige gesetzliche Regelung 
der Haftpflicht nothwendig verbunden ist, welche sien von 
joder Entschliessung des Kgl. Polizei-Präsidiums ganz unab- 



hängig darstellt Die Stadtverordneten-Versammlung beschloss 
darauf „die Sache an die Deputation zurückzugeben, um den 
Entwurf in eingehende Erwägung zu nehmen und darüber 
weiteren Bericht zu erstatten." Dieser weitere Bericht liegt 
noch nicht vor. 

Um nunmehr unsere Bemerkungen über die vorne er- 
wähnten Gutachten der drei technischen Korporationen an das 
System anzuschließen, welches für unsere an dieser Stelle 
veröffentlichte Besprechung des Entwurfs maassgebend war, 
so heben wir 

1. in Betreff der Bauerlaubniss hervor, dass die 
Gewerksmeister sich mit grosser Entschiedenheit auf den 
erwähnten Standpunkt der städtischen Behörden gestellt haben, 
die Bauerlaubnisscheine durch einfache Anzeigen zu ersetzen, 
und zwar ganz allgemein und radikal auch bei den schwie- 



Bauten, welche nach den Vor- 
ler besonderen Behandlung und 
Die Kommission des Archi- 
sich dahin, „wenn auch eine milde 
des Konzessionswesens dringend 
Aenderung im Wortlaut der bezüg- 
nicht anzustreben." Wir müssen 
gegenüber unsern Vermittlungs Vorschlag 
aufrecht erhalten. Freilich insofern kann man der Kom- 
mission des Architekten -Vereins nur beistimmen, dass die 
hochwichtigen Angelegenheit nicht 

erreicht 




cht ist, wenn man. wie die Gewerksmeister, einfach das 
Wort mit dem andern vertauscht oder hier und da 
i Passus auslässt Die Bauordnung, wie sie von den 
Gewerksmeistern aufgestellt worden ist, würd 
heutigen Verhältnissen ganz ungesetzlich und d 
lieh sein. Wen von denselben als Beginn ihrer Wir 
der 1. Januar 1873 verlangt worden ist, so stimmt das zwar 
insoweit vollkommen mit unsern Wünschen überein, als es 
solche Aenderungen angeht, die allein von der Entschliessung 
des Kgl. Polizei-Präsidiums und seiner vorgesetzten Behörden 
abhängen. Ob aber auch die drei Faktoren der Gesetzgebung 
in dieser Zeit Rieh zu den nothwendigen gesetzlichen 
Maassregeln werden verständigen können, ist bei dem Mangel 
jeder legislatorischen Vorarbeiten sehr fraglich. Jedenfalls 
wäre es Sache derjenigen Korporation gewesen, welche ein 
Rechtsprinzip in dieser kategorischen Form aufgestellt hat 
demselben auch möglichst bald Geltung zu verschaffen zu 
suchen. In dieser Beziehung könneu wir nur eine Petition 
an den Landtag empfehlen. 

„Der Verein (Baubude) maasst sich nicht an — nach 
dem Wortlaut des Promemoria — hierdurch eineu abgerun- 
deten, in sich vollendeten Gegenentwurf zu liefern; er ist 
sich vielmehr bewusst, dass für dieses Ziel die Thätigkeit 
einer Versammlung mit oft widersprechenden Ansichten 
wenig geeignet ist, auch fehlte es ihm an Zeit, um etwas 
Vollständiges zu liefern, und endlich bekennt- er, dass für 
solche Aufgabe seine Kräfte nach mancher Richtung hin 
ungenügend sind. Dagegen legt der Verein Werth auf seine 
dem vorliegenden Entwurf ziemlich scharf gegenüberstehen- 
den allgemeinen Prinzipien und schmeichelt sich nach dieser 
Richtung hin einige Berücksichtigung zu verdienen, weil 
seine Mitglieder in der praktischen Anwendung der Bau- 
ordnung täglich Erfahrungen gesammelt haben." Wenn man 
sich erinnert, dass noch vor wenigen Jahren die Gewerks- 
meister die lebhafteste Agitation gegen die durch die neue 
Gewerbeordnung herbeigeführte Abschaffung der Meister- 
und Gesellen-Prüfungen ins Werk gesetzt haben, muss man 



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— 26 - 



sich um so mehr Ober den Radikalismus wundern, mit dem 
nunmehr — nach dem Wegfall der Prüfungen — der „Schutz 
de* Publikums" lediglich und allein in der Verantwortlich- 
keit der Bauherren gesucht wird. Weitere gesetzliche 
Anforderungen an die Solidität der Bauten, als in der auf 
dem Prüventions - Prinzip bosirenden Bauordnung enthalten 
sind, werden nicht erhoben, auch für neue Konstruktionen 
und Materialien, für die schwierigsten und komplizirtesten 
Bauten werden gar keine besonderen Ansprüche gestellt; so 
auch der § 7 des Entwurfs, wonach unter Umständen die 
verantwortliche t'ebernahme eines Baues durch einen „ge- 
prüften Baumeister" gefordert werden kann, ist einfach ge- 
strichen. Das scheint uns nicht nur über das gesetzliche, 
sondern auch über das praktisch zulässige Maass weit hin- 
aus zu gehen. Wir küuncu uns auch keineswegs mit der 
von der Architekten-Vereins-Kommission beantragten Fassung 
des § 7 befreunden, wonach die verantwortliche l'ebernahme 
durch einen „geprüften oder einen solchen Architekten, der 
sich bereits durch Ihn Ausführungen bewährt hat", verlangt 
werden konnte. Dieser reinen, unter rnistiinden äusserst ver- 
letzenden Willkür würden wir unsererseits noch das wenig- 
stens äusserlicli immer sicher erkennbare Merkmal des poli- 
zeilichen Entwurfs vorziehen. Wir können auch in dieser 
Beziehung nur an unseren Vorschlägen festhalten, welche dieses 
Recht der Baubehörde auf neue und ungewöhnliche Kon- 
struktionen und Materialien lieschriinken wollen. 

2. Die allgemeinen Vorzüge der neuen Bauord- 
nung, welche wir, abgesehen von der berührten falschen 
Grundlage, hauptsächlich in der gesetzgeberischen Mache 
gefunden haben, sind \on den technischen Korporationen 
insofern anerkannt, als sie sich an das gegebene .Muster un- 
bedingt angeschlossen haben. Wir unterschreiben auch gern 
den Ausspruch am Eingang des Referats der Arcbitekten- 
Vereins-Kommission, dass „die grosse Mehrzahl der neuen 
Bestimmungen als ein Fortschritt gegen die bisher gültige 
Bauordnung zu hegrüssen sind.' 

3. Was die Strassen, Plätze und den öftentlichen 
Verkehr angeht, so können wir uns anch nur mit der Archi- 
tekten -Vereins -Kommission einverstanden erklären, welche, 
um dem Grundbesitzer die möglichst freie Benutzung seines 
Terrains zu sichern, den § 11 so amendirt, dass derselbe 



lautet: „Die Bebauung eines Grundstücks und die Disposition 
der Gebäude auf demselben ist dem Ermessen des Bauherrn 
anheimcestcllt, soweit nicht die vorliegende Bauordnung oder 
andere öffentliche Interessen verletzt werdeu." Unbegreif- 
licher Weise verschärfen die Gewerksmeister, deren „frei- 
heitliche" Tendenzen in der Konzessionsfrage so weit gehen, 
die polizeiliche Bestimmung, dass die Bebauung in der 
Regel längs der Bauflucht zu erfolgen habe, dahin, dass sie 
auch die Möglichkeit vou Ausnahmen streichen. Ihr § 12 
stellt zuerst den Satz auf: „Die Bebauung erführt längs der 
Bauflucht." Leber das dieser Bestimmung bisher zum Grunde 
liegende Prinzip, welches in dem Bebauungsplan und seiner 
Handhabung wurzelt, haben sich leider die erwähnten tech- 
nischen Korporationen gar nicht geäussert. Unserer An- 
schauung nach gehören solche Bestimmungen überhaupt nicht 
in eine Bauordnung, sondern bedürfen einer besouderen 
Regelung durch Ortsstatut. Unser materieller Standpunkt 
zur Sache echt aus unsern früheren Ausführungen über den 
Bebauungsplan hervor, welche neuerdings sowohl durch die 
Beschlüsse der städtischen Behörden Berlins, als auch durch 
Aeusseningen der Wissenschaft (Resolution der Berliner 
volkswirtschaftlichen Gesellschaft. Prof. Wagners Rede über 
die soziale Frage, Dr. Rotkowsky's Schrift: Die zur Reform 
der Wohnuugszustänile in grossen Städten nothwendigen 
Mnassregeln der Gesetzgebung und Verw altung, mit besonderer 
Rücksicht auf die Verhältnisse Wien's) allseitige Bestätigung 
und Anerkennung gefunden haben. 

Ebensowenig gehören die im § 25 des Entwurfs ent- 
haltenen Bestimmungen über Herstellung und Unterhaltung 
der Bürgersteige in eine Bauordnung hinein. Dieser Gegen- 
stand würde auch einen Theil der zu erlassenden Strassen- 
und Wegeordnung bilden. Mit dem von den Gewerksmeistern 
aufgestellten Prinzip, die Uuterhaltungspflicht der Bürger- 
steige von den Eigcnthümcrn auf die Kommune zu über- 
tragen, kann man sich im Allgemeinen nur einverstanden 
erklären. Wenn aber einmal diese Einrichtung getroffen 
wird, müsste gleichzeitig eine Vereinbarung zwischen Fiskus 
und Kommune dabin getroffen werden, die gesammte Strassen- 
pflasterung allein der letzteren zu überwe 



lieber amerikanisches Bannen«!. 

(Hierzu die Abbildungen auf Seite 29.) 

VII. Das Roosevelthospital in Ncw-York. Pfeiffer in New- York, dessen freundlicher Mittheilung wir 

Der Freigebigkeit eines seiner früheren Mitbürger, des eine Beschreibung und die von nns gegebene Skizze der An- 

1863 verstorbenen Mr. J. H. Roosevelt, verdankt New-York läge verdankeu. hat die Entwürfe gefertigt und leitet die 

das schönste und besteingerichtete Hospital, welches bis jetzt Ausführung. 

in den Vereinigten Staaten erbaut ist. Der Architekt Hr. Carl Das Hospital ist nach dem jetzt wohl überall als das 



Reiseskbiea aas dem irient.*) 

V. 



•) V,r,l. 4M F.UUK1«. in Kr. 45, 41 und 4». Jhrg. II, d. de.ucbeo Biuil* 



Einen Hauptpunkt unseres Exkursions -Programme» bildete 
ein mehrtägiger Ausflug nach Sart, d. i. Sardes, der alten lydi- 
scheu Köuigsstadt in der Herraus Ebene. Diese Stadt, oder viel- 
mehr ihre Ruinenfelder von Smyrnn aus zu erreichen ist durch 
die Eröffnung der Eisenbahn nach Kassabah wesentlich erleich- 
tert worden. Man kann jetzt in letzterer Stadt übernachten 
und Tags darauf mit guten Pferden Sart in sechs bis sieben 
Stunden erreichen. Freilich ist ein Nachtlager in dem llün von 
Kassabah nicht sehr verlockend und gradezu schwierig eine 
mehrtägige Unterkunft in Sart, wo auf uuadrattueilengrossotu 
Terrain nur noch eine Wassermühle uud eiue kleine Kaffee- 
schenke bei dem sogenannten Pakal existireu. Von Fremden- 
zimmern ist selbstverständlich bei beiden keine Rede, sondern 
der gute Wille ihrer Besitzer gestattet im günstigsten Falle 
innerhalb der nackten, von Schmutz und Ungeziefer starrenden 
Wände und auf dem blossen Erdbodeu nur ein Nachtlager auf 
eigenen Decken und Teppichen. Am besten bleibt's daher, 
Zelte und Mitrabteu von bniyraa aus mitzunehmen, um jeder 
Sorgu wegen des Nachtquartiers überholten zu sein. 

Da indessen unsere Freunde versichert hatten, dass wir ent- j 
weder in einem in der Nähe von Sart neu aufgebauten Tschiflik 
d. i. Guts -Vorwerk oder in dem hinter Sart belegenen quellen- 
reichen und dcsshalh sehr ungesunden Dorfe Sakikli Unterkommen 
finden würden, so verzichteten wir der besseren Beweglichkeit 
ballier auf Zelte, mietheten nur einen Dragoman, der gleich- 
zeitig als Koch fungireu sollte, uud bestellten uns telegraphisch 
in kassabah Pferde. Diener und einen Lastwagen für unser Ge- 
päck. Nachdem noch die gütige Empfehlung des Konsuls Spiegel- 
thal, der Mitglied des Direktoriums der kassabali-Bahu ist, für 
Nachtlager im Stationsgebäude zu Kassabah gesorgt, brachen 



wir dem 10. September wohlgemuth nach unserm Zielpunkte 
auf. Der Kanzler des deutsehen Konsulats, Dr. St. hatte sich 
uns angeschlossen und so bildeten wir ein volles Siebengestirn 
bei unserer Abfahrt von Smyrna. 

Obsehon der Himmel mit Wolken bedeckt war 



Anzeichen auf Hegen deuteteu, war die Hitze sehr gross und 
während der Fahrt im engen Coupe so drückend, dass an 
Schlaf nicht zu denken war. — 

Die Bahnlinie umkreist zunächst den weitgebuchteten 
sniyruaiscben Golf, streift am Fusse der Fclseiuodeu des alten 
Sm'yrnu vorbei und biegt erst unweit der Hermus-Mündung land- 
einwärts ein, um in unmittelbarer Flussnähe mit massigen 
Steigungen das Plateau der ly di schon Ebene zu erreichen. Das 
Gebirge, von Ausläufern des Sipylus gebildet, gliedert sich an- 
fangs in sanften Berglehnen, steigt dann immer kühner und 
schroffer empor uud bildet an dem Statinnspuukte Monissa, (dem 
alten Magnesia ad Sipylum) einen wunderbar grossartigen Hiuter- 
grund tür diese bäum- und garteureiche. theaterformig aufgebaute 
Stadt. Wäre ein Seespiegel vorhanden, so würde man sich 
plötzlich in die Schweiz an den WallenstSdter See versetzt 



glauben, .leuer Mangel und die Fülle hochragender Zvpresscn, 
schöner Oliven- uud Granatenhaine, sowie der Typus der ganzen 
echt orientalisch erbauten Stadt halten aber den Beschauer in 



Asien fest. Hellenische uud romische Denkmäler fehlen fast 
gänzlich, die häufigen und heftigen Erdbeben, von denen schon 
in den mythischen Zeiten der Tarftaliden berichtet wird, scheineu 
alles verwischt zu haben. Aus türkischer Zeit verdienen einige 
mit schlanken Minarets geschmückte Moscheen, darunter die 
prächtige Djami Sultan Murud's des II. von 1343 eine Erwähnung. 

Erst bei weiterer Fahrt, weun die liahuliuie sich den last 
senkrechten Felswänden des Sipylus nähert, erscheinen sicht- 
bare Erinnerungsspuren der uralten Tautalusstadt iu der Form 
von Felshr.hleu, welche durch schmale Fusspfade erreichbar 
sind. Mitten unter ihnen das aus dem Kelsen gehauene, ur- 
thüuilich rohe Nischenbild der Niobc, schon von Homer gekannt, 
in seinen Dimensionen kolossal, aber bei dem gewaltigen Maass- 
stabe der umgebenden Felswände klein erscheinend. Nur im 



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vorzüglichste anerkannten Pavillonsystem auf einem 61 nnd 
244 m grossen Grundstück erbaut; in der Milte liegen die 
Verwaltungsgebäude , von denen das vordere die Kiireaus 
und Beamtenwohnungen, einen Hörsaal, mehre Privat-Kran- 
kenzimmer und zwei kleinere Slile für weibliche Patienten, 
der dahinter gelegene die Bäckerei, die Speise- und Wasch- 
küche nebst Plätt- und Trockenränmen euthSlt. 

Zu beiden Seiten der Verwaltungsgebäude liegen ju 
2 Pavillons mit 27,4 18 breiten , als Hof resp. Garten be- 
nutzten Zwischenräumen. Jeder dieser Pavillons hat ausser 
dem Keller- und Erdgeschoss noch 3 Stockwerke. 

Die Kellerräume sind fast ausschliesslich von den 
Heiz- nnd Ventilationsapparaten eingenommen. Die Luft zur 
Heizung wird mittels eines 20 m hohen und 3,64 ■ im Lichten 
weiten Thunlies aus dm reineren Schichten der Atmosphäre 
entnommen, über mit heissetn Dampf gefüllte Schlangenrohre 
geleitet nnd von diesen direkt in die einzelnen Kranken 
zimmer geführt. — Für die Ventilation ist ein zweiter circa 
4t)™ hoher und 4,87 ■ im Lichten weiter Thurm erbaut, in 
dessen Innern der eiserne Schornstein für die Feuerungen 
sämmtlicher Pavillons steht; mittels der Rauchwärme im 
innem Schornstein wird die Luft im äusseren Thurm, in den 
die Ventilationskanäle aus allen Gebäuden eingeführt sind, 
in Bewegung gesetzt. Diese Aspirations -Ventilation ist eine 
so umfassende, dass sogar die Glocken sämmtlicher Gas- 
flammen mit Ventilationsröhrcu in Verbindung stehen, welche 
die Verbrennunvrsgase abführen. 

In den Erdgeschossen der Pavillons befinden sich 
Bureaus und Zimmer für Augen- und Privatkranke mit allen 
dazu gehörigen Hülfsräumen. Jedes der übrigen Stock- 
werke, welche gleiche innere Einrichtung haben, enthält 
einen 9,14» breiten. 32,3 m langen und 4,57" hohen Kran- 
kensaal, der für 28 Kranke eingerichtet ist, so dass auf jeden 
Kranken 48,5 kb" Luft kommen. Ausserdem befinden sich 
in jedem Geschosse ein Wärterraum und Theeküehc, S|>eise- 
zirnmer für Rekonvaleszenten, Wasch- und Badezimmer, 
Waterklosets, Dampfbad, Troekenraura für Matnizen etc. 
Die Toilettetischchen in den Sälen sind nicht, wie sonst 



l üblich, an den Wänden aufgestellt, sondern um eiserne 
I Säulen gruppirt, welche in der Mitte der Säle stehen nnd 
zugleich zu Heiz- und Ventilationszwecken dienen. — Eine 
durch sämmtliche Geschosse gehende hohle Säule wird dazu 
benutzt, die Wasche nach dem Keller zu befördern, von 
wo sie durch die Waschfrauen abgeholt wird. Die reine 
Wäsche wird von den Leinenstuben aus mittels Aufzügen 
nach den verschiedenen Geschossen gebracht. Zur weiteren 
Ersparniss von Arbeit sind Kehrichtsammler angelegt, d. h. 
glusirte Thonrühren, welche in die Wände eingemauert sind 
und auf die Fussböden aller Korridore und Stuben ausmün- 
den, so dass der Kehricht direkt hineingefegt und in den 
Kellern in eisernen Kasten gesammelt werden kann, von 
wo aus er in die Feuerungen der Kessel geworfen wird. — 
Die Wände der Zimmer und Korridore sind mit vierfachem 
Oelfarbcuanstrich versehen, damit sie durch gründliche 
Waschungen desinfizirt werden können. Für die Beförde- 
rung sehr schwacher Kranker nach den höher gelegenen 
Stockwerken ist in jedem Pavillon ein besonderer Aufzug 
vorhanden. 

Einer der noch im Bau begriffenen Pavillons soll nur 
zur Aufnahme chirurgischer Kranker eingerichtet werden. 
Diese Absicht scheint indes« erst nach bereits erfolgter Fest- 
stellung des Projekts, so wie es unsere Skizze zeigt, gefasst 
wurden zu sein; in der Beschreibung ist nämlich gesagt, dass 
der Saal dieses Pavillons 9,14 breit, aber nicht, wie die 
übrigen Säle 32,3 sondern 39,0 ■ lang wird, während sich 
doch in der Grundrisskizze ein solcher längerer Saal nicht 
angegeben findet. Der chirurgische Saal soll 6,09-- hoch 
und der ganze Pavillon nur einstöckig werden. 

Die einzelnen Gebäude stehen miteinander durch Kor- 
ridore in Verbindung, die eine Breite von nur ca. 2 ro zu 
haben scheinen, welches geringe Maas», namentlich im Hin- 
blick auf die übrigen so reichlich bemessenen Räume einiger- 
maassen auffällig ist. 

Gänzlich vollendet sind bis jetzt erst 2 Pavillons; die 
Verwaltungsgebäude siud im Mauerwerk fertig. 



New »rrinbiringen aber die Einftkrnii; in Itterausm im Handel nit Bauhölzer». 

Am 9. Januar fand im Uelbigschen Lokale zu Dresden eine gerathen sei, von deu bisher üblichen Maassen der Baumateria* 

Versammlung von Hol »Produzenten und Konsumenten statt um iipn gänzlich abzusehen und dafür neue, den Bedürfnissen der 

sich über die durch Einführung des Mcteniiaasses bedingte Neu- Konstruktion ebenso wie dem metrischen Systeme besser ent- 

reguliruug der Dimensionen der im Baufach« verwendeten und sprechende Maasse für Baumaterialien einzuführen, mit an Ein- 

auf Lager zu haltenden Höher, Bretter, Latten u. a. w. zu helligkeit grenzender Majorität bejaht. 

einigeu. Zur Berathung lagen die von einigen Interessenten gemach- 

Die Versammlung war von ca. 100 Produzenten, Forst- ten Vorschläge .Zur Umrechnung der Norraalmaasse des Lang* 

wirthen. Händlern, Baumeistern und sonstigen Fachleuten aus bolzes und der Bretter von Ellen- in Metermaass" in autogra- 

fast allen Theilen Sachsen, sowie eiuigen Theileu Böhmens uud pbirtcu Exemplaren vor, und wurden bei Beginn der Verband* 

der preussischen Provinz Sachsen besucht. hingen noch eine Anzahl Exemplare der schon vor Jahresfrist 

Aach ziemlich lebhafter Debatte wurde die Vorfrage, ob es von dem sächsischen Ingenieur- uud Architekteuvcrein aufgc- 



Frühjahre, wenn der schmelzende Schnee rinnende Bcrgwässer- 
chen bildet, weint das Bild der versteinerten Tautalustochtcr, 
jetzt »aas es im Trocknen. 

Am Spätnachmittage erreichten wir Kassabnh und fanden 
im Hause deH Stationschefs, bei Herrn Tiorowitsrii aus Zara in 
Dalmatien deu liebenswürdigsten Empfang. Seine Umsicht hatte 
für Alles, Zimmer, Betten, Essen, Bedeckung und Pferde gesorgt. 
Die unter seiner Leitung erfolgende Durchwandcrung der Stadt 
Hess uns das gauze schmutzige Elend einer pfützeureichen 
Türkenstadt erkennen und erweckte unser lebhaftes Mitgefühl 
für die einsame Existenz eines gebildeten Mannes an den Gren- 
zen der Zivilisation. Der einzige uns anmnthende Punkt im 
Orte war eiu neu errichtetes griechisches Kaffeehaus in einem 
Vorstadtgarten . weil hier dfe pflegende und verschönernde 
Menschenhand in Wegen, Rasenplätzen, Gebüschen uud Bassins 
sichtbar wurde. 

Der nächste Morgen fand uns vor Sonnenaufgang munter 
und bald zu Pferde. Leider musston wir den Kanzler unsere« 
deutschen Konsulats hier zurücklassen; ein heftiges klimatisches 
Fieber hatte ihn Nachts überfallen uud es war dringend ge- 
boten , dass er mit dem nächsten Bahnzuge nach Suiyrna 'zu- 
rückkehrte, um Hülfe und Pflege in europäischen Kreisen zu 
finden- Wir bildeten einen stattlichen Reiterzug; vorauf zwei 
vom Kaimakam (Vizegouverneur) gestellte, schwer bewaffnete 
Reiter, wir sechs paarweis dahinter reitend, dann Prof. St. in 
dem urwüchsig schwer gebauten Watten mitten unter dem Ge- 
päck auf Decken liegend und deshalb stets als Grossköuig be- 
handelt, zuletzt der Dragoman und der Aiwanschi (Pferdeknecht) 
den Zug schliessend. 

Bald umfing uns die grosse Ivdische Ebene, in beträcht- 
licher Entfcrnuug von parallelen Bergketten eingefasst, rück- 
wärts durch den stolzen Gcbirgsstock des Sipylus geschlossen 
und nach vorn in fast unabsehbarer Weite sich verlicreud. 
Selten blitzt der Hermus zur Linken aus den flachen Muldeu 
der schwach gewellten Ebene herauf, noch seltener entdeckt der 
Blick eiu an den Ausläufern der Tmolus-Kctte hängendes Ge- 
birgsdorf. Die Strasse selbst war gut, auch voller Karawanen- 



verkehr, denn die Fruchterndte war im vollen Gange. Die Er- 
innerung an die alte Zeit, in der einst hier unzählige Reiter- 
geschwader sich getummelt, sowie der Wunsch, rasch vorwärts 
zu kommen, führte zu mannigfachen Versuchen, in möglichst 
raschem Tempo zu reiten, doch bcharrten unsere mehr aus- 
dauernden als feurigen Pferde in der üblichen Gangart de» 
Landes, dem Rachwan, d. i. einem Schnellschritte, welcher nur 
massig vorwärts bringt, aber Ross und Reiter auch weuig er- 
müdet. Eiu werthvoller Vorzug bei einer Mittagshitzo von über 
30* R. Nach dreistündigem Ritte wurde in Achmct Kfti, einer 
bescheidenen, aus wenigen Hütten bestehenden aber von alten 
Pappeln und Ahornbäumen wohlumschatteten Niederlassung, ein 
kurzer Halt gemacht, um sich durch Kaffee und Mastika zu 
stärken. Bald darauf traten die Abhänge des Tmolus näher 
heran, der breite Weg wurde schlechter, doch verkündeten gross« 
i und hohe kegelförmige Grabhügel, dass wir in die alte lydische 
Königsstrasse eingetreten waren. In der Entfernung von etwa 
einer Meile tauchte zur Linken der weite Scespiegel des gygäi- 
scheu Sees auf und hinter ihm die Erdterrasse, welche höchst- 
wahrscheinlich die eigentlichen Königsgräber, darunter den sofort 
erkennbaren Kolossalbügcl des Alyattes Grabes trägt. 

Einige Stunden später waren wir nach Ueberschreitung de» 
Paktolus in Sardea. Zu beiden Seiten der Strasse, auf sanftan- 
steigendem Terrain dehnten sich die Ruinenfelder. Sichtbare 
Quaderberge liegen neben grasbedeckteu Schutterrassen, niedrige 
Thor- und Brückenreste werden verdunkelt durch hochragende, 
aber aus älteren Bruchstücken zusammengesetzte Pfeiler und 
Mauern. Zur Rcchteu thront auf schroff abgewitterten Fels- 
wäudeu die fast unersteiglich scheinende Akropolis; an ihrem 
Nordfusse erheben sich aus einem kleinen Platancnhaino, welchen 
der Paktolus nährt, ein Paar Säulen, — die einzigen Kuustbau- 
reste der einst so blühenden Stadt. 

Wir umritten einen schilfbewachsenen Teich und hielten 
vor der Hütte des Pakal, um wegen des Nachtquartiers zu unter- 
handeln. Der biedere Grieche verweigerte die Aufnahme, weil 
der einzige zur Verfügung stehende Raum mit seiner Baum- 
wolleuerute gefüllt war. Kaum bedurfte es seiner Weigerung, 



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— 28 — 



stellten Tabelle für die Normirung der Maasse der Baumatcria- 
lieQ nach dem metrischen Systeme vertheilt. 

Ea begann hierauf die oft ziemlich lebhaft geführte Dehatte 
über die metrischen Maasse, welche den einzelnen beim Hauen 
in Betracht kommenden verschiedenen Holzwaaren zu geben 
seien, und wurden in den meisten Fällen mit Stimmeneinhellig- 
keit folgende Beschlüsse gefasst: 

1) Das Stammholz ist in Laiigen von 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 
14 und 15 m auf Lager zu halten. (Diese Maasse sind natürlich 
innerhalb der Küsten zu verstehen.) 

2) Das Stammholz wird zur Bestimmung des Preises am 
Zopfende nach ganzen Zentimetern der Stärke, von Zentimeter 
zu Zentimeter ansteigend, gemessen. Hierbei gilt das in ganzen 
Zentimetern ausgedruckte Nurinalwaass als mittlere Stärke und 
würde ein halbes Zentimeter darüber zur folgenden höhereu, ein 
halbes Zentimeter darunter zur folgenden niederen Gattung zu 
nehmen sein. 

3) Klötzer, welche zu Pfosten, Brettern, Latten u. s. w. ver- 
arbeitet werden, sind in den Längen von 3,5; 4; 4,5; 5 und 
5,5 " zu achneiden. 

4) Für Hölzer, welche nach kubischem Inhalt berechnet 
werden, ist die Mittenstärke derselben, in ganzen Zentimetern 
ausgedrückt, maassgebend, und zu empfehlen, als geeignete Ein- 
heit zur Berechnung «das Schcit"=0,ül kb» anzunehmen. 



5) Stollen sind mit einem quadratischen Querschnitt von 
7, 10, 12 und 15 "» und mit einem oblongen Querschnitte von 
7 und 10 "> zu schneiden. 

6) Bretter und Pfosten sind in den Starken von, 1,5-4 «■» 
um ein halhes Zentimeter, von 4— 5"» um ein ganzes Zentimeter, 
von 5—9"» um 2"» zunehmend, also in folgenden Starken her- 
zustellen: 1,5«» = Trennling, 2"» = Schlagbrett, 2,5"-=Scliaal- 
brett, 3«» = Spundbrett, 3,5«» = Mittelbrett, 4, 5, 7 und 9""= 
Pfosten. 

7) Die Breite der gesäumten Bretter beziehentlich Pfosten 
ist von 15"» an, immer um 2,5 *■ zunehmend, anzunehmen. 
Sic würden demnach folgende Maasse zu erhalten haben: 

15; 17,5; 20; 22,5; 25; 27,5; 30 u. s. w. Zentimeter. 

8) Doppellatteu sind 7««» breit, 3.5 1 « stark zu macheu, 
9 Dachlatten 6"» breit, 3'» stark, 

10) Spalierlatten 3'» breit, 3«"» stark, 

11) . 2'" breit, 2"» stark. 

12) Als Nonnalmaass für die Berechnung des Werthes der 
Schnitt waaren an Pfosten, Brettern, Stollen and Latten ist im 
Handelsverkehr eine Lange von 5" anzunehmen, und werden 
diese Waaren künftighin nicht mehr nach Mandeln und Schock, 
gondern nach dem Hundert verkauft 

Dresden, 9. Januar 1872. 

Kr. Ott. Glöckner. 



Mittheilungen aus Vereinen. 



Verband deutsoher Architekten- und 

Unter allen bisherigen Maassuahmen des Verbandes ist keine 
so geeignet gewesen, das Bestehen desselben sowie die Art und 
den Nutzen seiner Thfttigkeit so schnell und in so weiten Kreisen 
bekannt zu machen, wie die von ihm ins Werk gesetzte Agitation 
für Verbreitung seiner Beschlüsse über die Einführung gleich- 
mfissiger Schriftzeichen zur abgekürzten Bezeichnung der me- 
trischen Maasse uud Gewichte. Was der allgemeinen An- 
nahme dieser Zeichen, die sich an den verschiedensten Stellen 
schon Eingang verschafft halten, hinderlich zu sein schien, war 
der Umstand, dass das Reichskanzleramt (angeblich auf Anre- 

fung eines durch den Hamburger Senat vermittelten Wunsches 
ea dortigen Ingenieur-Vereins) bereits vorher Einleitungen ge- 
troffen hatte, um seinerseits ein derartiges System aufstellen 
zu lassen und demnächst zur Annahme anzuempfehlen. Mit 
der Aufstellung des Systems war, wie gerüchtweise auch ver- 
lautet hatte, die Zcntral-Eichungs-Behörde beauftragt worden, 
die sich ihrerseits mit den Eichungs-Aemtern und den ihr be- 
kannt gewordenen Ingenieur- Vereinen (andere der Suche viel 
näher stehende Vereine, z. B. der Berliner Architekten-Verein, 
waren übergangen) in Verbindung gesetzt hatte. Die Resultate 
ihrer Arbeit, zur Zeit der Abgeordneten-Versammlung des Ver- 
bandes allerdings noch nicht ganz definitiv abgeschlossen, wi- 
chen von den Beschlüssen der letzteren nicht unwesentlich ab 
und ergab eine Besprechung, die mehre Beamte des Verbandes 
mit dem Vorsteher jener Behörde hatten, dass trotz des aner- 
kenneaswerthen Entgegenkommens von dieser Seite eine Einigung 
doch kaum herbeizuführen sei. 

Der Vorstand des Verbandes hat sich demzufolge entschlossen, 



i dem Rcichskanzleranitc eine direkte Mittheilung von dem Stande 
1 der Sache zu macheu. um Prüfung deB diesseits aufgestellten 
l Systems zu bitten und anheiiuzuü teilen, ob im Interesse einer 
; schnellen Einführung einheitlicher Grundsätze nicht auf die 
von Seiten der Reichsregierung beabsichtigten Maassregeln Ver- 
zicht geleistet werden könne. Die darauf erfolgte Antwort 
I tlieilen wir nachstehend ihrem Wortlaute nach mit, weil wir 
glauben, dass sie nicht allein ihrem konkreten Inhalte nach be- 
friedigen wird, sondern auch als ein wahrhaft erfreuliches Bei- 
spiel dafür gelten kann, in welchem erleuchteten und auf der 
Höhe der Zeit stebeDden Geiste die oberste Reichsbehörde ihre 
Aufgabe auffasst. 

.Dem Vorstand des Verbandes deutscher Architekten- und 
Ingenieurvereine wird auf das gefällige Schreiben vom 11. v. M. 
und JahreB, betreffend die einheitliche Bezeichnung der metri- 
schen Maasse und Gewichte, Folgendes ergebenst erwidert: 

Die Herbeiführung einer Uebereinstimmung in der Anwen- 
dung abgekürzter Bezeichnungen der metrischen Maasse und 
Gewichte gehört nicht zu den dem Reichskanzler-Amte durch 
das Gesetz gestellten Aufgaben. Nur weil die Vortheile einer 
solchen Uebereinstimmung augenfällig sind und aus der Mitte 
der betheiligten Kreise auf die Herbeiführung solcher Ueber- 
einstimmung gerichtete Bestrebungen nicht hervortraten, hat das 
Reichskanzler-Amt es für zweckmässig erachtet, die Frage zu 
erörtern, ob nicht seinerseits Schritte zu thun seien, um die 
Herbeiführung einer solchen Uebereinstimmung zu fördern. 
Nachdem der verband der deutschen Architekten- und Ingenieur- 
Vereine Bein Bestreben auf die Lösung dieser Aufgabe gerichtet 



denn was er uns als Wohnstube zeigte, war ein feuster- und 
diclenloscr Raum mit rabenschwarzer Decke und durchlöcherten 
Lehmwänden. Für das Studium des Naturlebens der Thiere 
schien allein gesorgt zu sein, denn in einer Ecke lag eine hüb- 
sche Landschildkröte, ein gelbschinitnerndes Chamäleon kletterte 
langsam und bedächtig, mit seinen weitstcllbaren Augen unheim- 
lich mich anglotzend, au der Wand in die Höhe und verschiedene 
grosse schwarze Eidechsen sassen wie aus Basalt geschnitten 
auf den weissen Baumwollfasern. Das Beste an dieser Urhütte 
war das auf Rundhölzern ruhende, weit vorspringende Dach, 
sowie ein anstossendps terrassirtes Plätzchen unter einem herr- 
lichen Ahornbaume. Dieses wurde sofort zur Speise- und Siesta- 
Station für die nächstfolgenden Tage erwählt, dann aber trotz 
der brütenden Mittagshitzc nach kurzem Rekognoszirungsritte 
über das Ruinenterrain wieder aufgebrochen, um wegen des 
Nachtlagers ins Reine zu kommen. 

Die vielen Wasserläufe, welche vom Tmolus herabquellen 
und sieh in den Hermus ergiessen, selten als Bäche rinnend, 
viel häufiger stagnirend oder zu ganzen Sümpfen sich erweiternd, 
Schill- und binseubewachscu, gaben den nöthigen Aufschlug*, 
falls es dessen noch bedurfte, dass Sart eine Fieberbrutstätte 
geworden und deshalb so gänzlich verlassen worden ist, wie es 
heut erscheint. Bald hörte fast jeder Begriff einer Strasse auf, 
nur gewaltige Steindummreste Hesse» ab und zu erkennen, dass 
früher hier eine Menschenhand thätii? gewesen war, um noth- 
weudige Pfade zu bahnen. Unsere Pferde gingen willig durch 
Dick und Dünn, durch schwarzen Sumpfboden und auf glattem 
Steinpflaster, aber unser armer Grosskönig hatte auf seinem 
Wagen, der bald rechts, bald links, bald vorn, bald hinten in 
tiefe WaHserlöcher und Schlcnken fiel, entsetzlich zu leiden. In 
einer Stunde erreichten wir eine massige Bodenerhebung, auf 
welcher ein Yururkenluger (d. i. ein Lager von nomadisireuden 
Turkomannen) aufgeschlagen war. Ein unheimlicher Anblick, 
diese schwarzen Filzzelte, an Berliner Leichenwagen erinnernd 
und durch das Aussehen ihrer zwar tief gebräunten aber fahlen 
und aufgedunsenen Bewohner sofort wieder die Geissei des 
Landes, das tückische Fieber vor Augen stellend. So weit das 



Auge reichte ein dichtes Schilfmeer, an den Rändern von Keu- 
gchlainniheckcn eingefasst, jenseits weite abgeerntete F'eldcr 
dieses überfruchtbaren, aber miasmenreichen Bodens. Nach 
Ueberschreitun« eines schwärzlich dunklen Baches, dessen «teile 
Ränder nicht ohne Gefahr zu nehmen waren, betraten wir den 
Ilofplatz des Tschiflik, welches unser Uauptquarticr für einige 
Tage bilden sollte. 

Es war dies eine neue Ansiedelung, der reichbegüterten 
Phanarioten Familie der Baltadzi in Stambul gehörig und vor 
einem Jahre erst vollendet Die Gruppirung der Gebäude bildete 
die Schenkel eines rechten Winkels. Gerade vor uns das zwei- 
stöckige Wohnhaus, dem in der Hälfte der Beletage die Fenster 
fehlen, daneben flucbtinässig aber getrennt die Stallungen und 
Scheuern, zur Linken ein niedriges Gebäude mit Wirthschaft«- 
räumen. der Küche etc. liier wurde uns von dem Vertreter 
der Familie ein Zimmer angewiesen, welches wenigstens die un- 
schätzbaren Vorzüge der Dielung, einer verscbliessbaren 
Thür und zweier vorglasten Fenster besass. Auch einige 
Teppiche wurden uns bereitwillig geliefert, alles Uebrige blieb 
uns oder vielmehr unserm Dragoman überlassen. Dass t>ei der 
tiefliegenden Lage des Gehöfts mitten in Sümpfen die grösste 
Vorsicht geboten war, leuchtete Jedem sofort ein. Wir mussten 
daher konsequent darauf verzichten, vor Sonnenaufgang und nach 
Sonnenuntergang draussen zu sein, und jeden Diätfehler wie 
jede Erkältung zu meiden suchen. Dank dieser Vorsicht und 
dem entsprechenden prophylaktischen Gebrauch kleiner Chinin- 
dosen ist Niemand unserer Reisegesellschaft trotz mehrtägigen 
Aufenthaltes an dieser bedenklichen Stelle am Fieber erkrankt. 
Woran wir aber Alle gelitten und unaussprechlich gelitten, be- 
sonders, des Nachts, das waren die Bisse und Stiche ganzer 
Heerschaarren von Moskitos, Flöhen uud Wanzen. Hätte uns 
der gute sorgenbrechende Wein, den wir nicht vergessen hatten, 
nicht in den Schlaf gebracht, kein Auge hätte des Schlnramer- 
gottes erquickende Nähe gespürt. Des Morgens aber sah und 
fühlte jeder schmerzlich, wie sehr er das Opfer teuflischer Un- 

(Formttuf Mfl.) 



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— 29 — 



JlOOSEVELT- JJOSPITAL IN ^EW-JORK. 




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a.talla;«ha.ada. 
B. Stall and Waicnichuppoo. H WwkslatL 



- 30 



hat, ist für da* Reichskanzler-Amt die Voraussetzung wegge- 
fallen, unter welcher es «eine Initiative für geboten erachten 
konnte, vielmehr glaubt es die Erreichimg des Hauptziels, wel- 
ches in der möglichst allgemeinen Uebereinstimmung in der 
Anwendung abgekürzter Maas»- und Gewiehtse.czeichnuugcn be- 
steht, gegenwärtig am besten dadurch zu fördern, da»« es sich 
jeder Kritik der von dem Verbände der deutschen Arcbitekten- 
nnd Ingenieurvereine empfohlenen Bezeichnungen enthüllt und 
die Prüfung der Vorzüge dieses oder eines anderen Svstems 
lediglich der Praxis überlässt. 

Das Keichskanzler-Anit wird daher zunächst abwarten, ob 
es den bcthcüigtcn Kreisen, insbesondere den Bestrebungen des 
Vorstande* des Verbandes deutscher Architekten- und Ingeuicur- 
vereinc gelingen wird, die wüuschenswertbe Uebercinstimmung 
in der abgekürzten Bezeichnung der metrischen Maasse und Ge- 
wichte herbeizuführen. 

Berlin, 18. Januar 1872. 

Das Reichskanzler-Amt. 
Delbrück.' 



Oasterreiohisoher Ingenieur- and Arohitektenverein zu 

Wien. Wochenvcrsaniiuluiig am IS. NWmber «Sil: Vor- 
sitzender Hr. Oberhaurath Kr. Schmidt: anwesend 347 Mitglieder. 

Die ungewöhnliche Bethciligung an der Versammlung ist ver- 
anlasst durch den Vortrag, welchen Freiherr von Schwarz- 
Senborn unter Ausstellung der bezüglichen Pläne über die 
Vorbereitungen zur Wiener Weltau^stelluug von 1873 und über 
deren Verhältnis« zu den Dispositionen der vorangegangenen 
Londoner und Pariser Ausstellungen hält. Wir haben Hinz« Ittel 
aus diesem Vortrage bereits direkt mitgetheilt und hoffen wei- 



tere Mittheilungen über die Wiener Pl&ue in nächster Zeit geben 
zu können. 

Wochenversammlung am 25. November 1871 ; Vorsitzen- 
der Hr. Olierbauruth Fr. Schmidt; anwesend 224 Mitglieder. 

Nach einigen geschäftlichen Notizen über das Programm der 
nächstjährigen internationalen Ausstellung in London und der 
internationalen polytechnischen Ausstellung in Moskau folgt ein 
Vortrag des Hrn. Zivil-Geometers von Altvater über »ein Pro 
jekt einer Bewässerung des Marchfeldes. 

Zweck dieser Anlace, deren Ermöglichung erst durch das 
vor Kurzem erlassene Wassergesetz gegeben ist, soll eine Hebung 
der landwirtschaftlichen Produktion Nicderosterrcichs und da- 
durch die Herbeiführung einer leichteren Verpflegung Wiens 
sein. Gegenwärtig ist das umfangreiche Gebiet, von Flugsand- 
schollen durchsetzt, ohne ausreichende Niederschläge und unge- 
deckt, den Gefahren einer Missernte so leicht unterworfen wie 
kaum ein anderes. Das zur Bewässerung erforderliche Wasser 
soll aus der Donau bei Koruueuburg entnommen werden. Sein 
Quantum ist nach den meteorologischen Beobachtungen üb«r 
die Niederschlagsmengen der fruchtbarsten und unfruchtbarsten 
Jahre und unter Annahme einer einmaligen Bewässerung in je 
8 Tagen berechnet worden und soll dasselbe der Strom mit 
Leichtigkeit abgeben können. Der Zuführungshauptkanal soll 
sich in 3 grosse und 2 kleinere Ausästungen spalten, die ganze 
zu bewässernde Flüche in 7 Theilc zerlegt und jeder Kanal mit 
7 Schleusen abgeschlossen werden, so dass es möglich wäre, das 
ganze Marchfeld innerhalb 7 Tagen mit Wasser zu speisen. Die 
auf 18 Millionen Gulden berechneten Kosten hofft der Vor- 
tragende von den bcthciligten Laudwirtheu aufgebracht zu sehen, 
zumal er den in einem einzigen Jahre aus dem Unternehmen 
zu erzielenden Reingewinn auf 20 Millionen Gulden berechnet. 



Vermischtes, 

Aua dem preußischen Abgeordnotonhanse. Wir haben 
unsere Lesern verheisscu, ihnen nachträglich noch einen Bericht 
über die vorzugsweise Angelegenheiten "unseres Faches betref- 
fende Sitzung des Abgeordnetenhauses am 13. Januar d. J. zu 
geben und wollen diesem Versprechen nunmehr in Kürze nach- 
kommen. Selbstverständlich erlaubt der uns zugemessene Raum 
nur ein allgemeines Referat und verbietet jedes nähere Eingehen 
auf die angeregten Frageu. 

Zunächst kamen zur Sprache die Verhältnisse des deutschen 
Gewerbe-Museums zu Berlin, für da« der Abgeordnete von Behr 
eine kräftige, Staatsunterstützung, zunächst die Herstellung eines 
eigenen Gebäudes aus Staatsmitteln, verlangte. Der Handels- 
minister Graf von Itzeu plitz deutete an. dass nicht allein 
dies in Aussicht genommen sei, soudern dass man sogar die 
Absicht hege, das Institut ganz zur Staatsanstalt zu machen,' 
wobei einzig und allein im Wege steht, dass die von der Stadt 
Berlin bewilligte Dotation von 100000 Thlr. ulsdaun an die 
Stifter zurückfallen soll. Gegen eine solche Absicht protestirten 
die Abgeordneten von Henning und Lasker, die ein Gedeihen 
des Instituts nur für möglich halten, wenn es im Wesentlichen 
seinen Privatcharakter behält. Der Abgeordnete A. Reichen- 
sperger wünschte, dass die den kunstgewerblichen Bestrebungen 
zu Theil werdende Staatshülfe sich nicht alleiu auf Schöpfungen 
in Berlin beschränke, was eine unfruchtbare Zentralisation zur 
Folge haben müsse, sondern dass man die Gründung ähnlicher 
Institute, jedoch von möglichst individuellem Charakter und 
einer bestimmten Richtung, nicht einem „Univer&algeschmaek" 
huldigend, auch in den grösseren Proviuzialstädten Köln, Bres- 
lau, Königsberg ins Auge fassen solle. Lasker hält „einen ge- 
sammten Kunstgeschmack" für nothwendig, gesteht jedoch ein, 
dass das Berliner Gewerbe -Museum, dessen bisherige geringe 
Erfolge er den unruhigen politischen Zustünden der letzten Jahre 
zuschreibt, auf den Rang eines Deutscht Gewerbe -Museums 
verzichten müsse, nachdem Berlin in dieser Beziehung von 
Boyern überflügelt worden ist. 

In direkterer Beziehung zum Bauwesen steht eine andere An- 
gelegenheit, die demnächst verhandelt wurde. Schon der Re- 
ferent der Kommission Abg. Jacobi hatte als ein von dieser 
speziell hervorgehobenes Bedürfuiss den Erlass einer neuen 
Wege-Ordnung bezeichnet, die der Minister jedoch vou dem 
Zustandekommen der Kreisordnung abhängig machte. — Der 
Abg. v. Bennigsen befürwortete eine Veränderung der Orga- 
nisation der Wogebau-Verwaltung in der Provinz Hannover, die 
gegenwärtig ausschliesslich durch Staatsbaubeamte erfolgt. Die 
Provinz resp. die Wege-Verbände sind Willens, die Besoldung der 
erforderlichen Baubeamteu zu übernehmen, falls ihnen die An- 
stellung derselben überlassen bleibt. Der Minister versprach 
einen solchen Antrag in wohlwollende Erwägung zu nehmen, und 
wurde von anderer Seite hinzugefügt, dass eine ähnliche Reform 
auch für Nassau, wo allerdings die Verhältnisse etwas anders 
liegen, wünschenswert!! sei. Hier haben die Staatsbaubeamten 
ex officio das gcsauimte Bauwesen der Gemeinden zu verwalten, 
und es wird Klage geführt, dass dies in Folge der durch die 
neue Organisation naeh ultpreussischem Musler eingetretenen und 
noch weiter beabsichtigten Verringerung des Buubeamtcnpersoiials 
nicht mehr in so vollständiger Weise geschehen könne wie früher. 
Der Reg.-Konim., Ministerial - Direktor Mac-Leau. deutete dem 
gegenüber auf die Kleinheit der Nassnuischen Baukreise hin, 
versprach jedoch, dass den Kreishaumeistern, so lange jenes 
Verhältnis* dauere, auch fernerhin eine ständige Hülfe zu Theil 
werden solle; allerdings solle dies nicht wie bisher durch ange- 



stellte Hilfsbeamte (Akzessisten) von (auf Wasser-, Wege- oder 
Hochbau) beschränkter Qualifikation, sondern durch diätarisch 
beschäftigte aber .vollständig ausgebildete* Baumeister oder 
Bauführer geschehen. 

Eine längere Diskussion entspann sich sodann über die von 
der Regierung beantragte Summe zu Reisestipendien für Bau- 
meister, die nach Italien und Griechenland geschickt werden 
sollen. Der Abg. A Rcichenspergcr benutzte diese Gelegen- 
heit, um einerseits den Werth einer Reise nach Griechenland, 
das nur noch wenige, durch Abbildungen ausreichend bekannte 
Trümmer enthalte, ganz zu bestreiten, den Werth einer Reise 
nach Italien jedoch nur für bereits ausgebildete Künstler 
gelten zu lassen, während er in erster Linie die historischen 
Monumente des Vaterlandes in gründlicherer Weise als bisher 

: geschehen, studirt wissen will. Er beschuldigte die für das 

I Staatsbauweseu maassgebenden Kreise einer Geringschätzung 
oder sogar Antipathie gegen die ältere deutsche Kunst, während 
er die eigenen Leistungen dieser Bau-Bure aukratie. namentlich 
die Eisenbahu-Bauten, als trostlos monoton und langweilig kritl- 

j sirt Es wurzele dies jedoch wesentlich darin, dass die Preussi- 
schen Baubeamteu nach allen Richtungen hin sich ausbilden 
wollen oder müssen und iu Folge dieser Nötbiguug, zu viel zu 
wissen, unmöglich viel zu können im Stande sind. Um Abhülfe 
iu diesen ungesunden und unmöglichen Zustäudeu zu schaffen, 
sei es zum Mindesten erforderlich, das Iugeuieurweseu von der 
Architektur im engeren Sinuc zu treuueu: ja um eine Blüthe 
der Architektur herbeizuführen, wie solche in klassischen Pe- 

' rioden der Kunst bestanden habe, werde noch nicht einmal da« 
genügen, sondern die Architektur iri noch Wsetiräiiktcro Ge- 
biete, z. B. Profan- und Kirchen-Architektur, sich (heilen müssen. 
Mehrfache Zustimmung und zum Schlüsse lebhafter Beifall be- 
gleitete diese letzteren Ausführungen des Redners. 

Der Minister begnügte sich, der Forderung, dass die Studien- 
reisen sich auf das Inland beschränken sollen, entgegenzusetzen, 
dass — wenn hiermit Deutschland gemeint sei — ja auch Reisen 
in diejenigen Länder, wo die mittelalterliche Kunst vorzugs- 
weise geblüht habe — Oesterreich, die Schweiz, Frankreich 
Belgien u. s. w. — ausgeschlossen seien. Im Orient gebe es nicht 
blos Trümmer, souderu auch Bauwerke wie die Hagia Sophia. 
Gerade die tüchtigsten Baumeister seines Ministeriums (!) hätten 
eine bestimmte Vorliebe für die gothische Kunst und das bei 
den Verhandlungen über den Berliner Dom bewiesen. Was end- 
lich die Klagen über die von den Baubeamten geforderte Viel- 
wisserei betreffe, so sei diese sicher alsein Ucbel zu betrachten; 
es sei eiue Abhülfe aber bereits durch seine letzte Prüfuugs- 
Itistruktiou erfolgt, wonach jeder Examinand sich für eine ne; 
stimmte Richtung erklären kann und nur iu dieser ein stren- 
geres Examen zu bestehen bat, während im Uebrigen nur a 11- 
gemeine Kenntnisse von ihm verlangt werden. — Nach eini- 
gen weiteren Bemerkungen der Abgeordneten Karsten und 
Reichensperger, wonach der letztere sich dagegen verwahrt, 
als wolle er Reisen ins Ausland überhaupt perhorresziren, wäh- 
rend Iteide die Hoffnung aussprechen, dass der Fonds künftig 
soweit vergrössert werden soll, dass er sowohl für Studienreisen 
im Inlande und Auslande hinreiche, wird die geforderte Summe 
schliesslich ohne Widerspruch genehmigt. 

Unter Uebergehung unwesentlicher Punkte — Wünsche und 
offizielle Aeusseiungen über Herstellung eines neuen Ostsee- 
hafens bei Leha, energischeren Beirieb der Stromreizulirungcn an 
Elbe, Oder, Drewonz, Warthe, Ems etc., Aulage neuer Schiffahrts- 
kanäle, insbesondere des Elb -Spree-, Rhein -Weser- und Nord- 
Ostscekanals, Verbesserung der in lebensgefährdendem Zustande 
befindlichen Chausseen der Grafschaft GlaU u. a. m, — un- 

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— 31 - 



wesentlich insofern, als definitive und spezielle Erklärungen 
über keinen derselben erfolgten, erwähnen wir als des wichtig- 
sten und interessantesten Gegenstandes der Diskussion schliess- 
lich der Besprechung über die Zustände der Berliner Bauakademie. 

Der Abg. Dr. Karsteu konstatirto, dass der Etat dieses 
Instituts unverändert auf i>.>10 Thlr. sich erhalte, trotzdem die 
Frequenz der Anstalt von I85S bis jetzt von 275 auf 783 Stu- 
dirende gestiegen sei, und schilderte die Zustände, die sich bei 
der jetzigen Frequenz innerhalb der alten total unzureichenden 
Räumlichkeiten ergeben haben. Er rügte ferner die unzureichende 
Zahl und die ungeeignete Beschaffung der Lehrkräfte, von denen 
nur 10 definitiv, die andern auf Kündigung oder gar nur als 
Hülfslebrer angestellt sind. Endlich cbarakterisirte erden inneren 
Zustand der Anstalt, der sich aus der obligatorischen Vereinigung 
der als gleichberechtigt für Alle angesehenen technischen und 
künstlerischen Studien erzieht und bei dem namentlich die letz- 
teren schweren Schaden leiden. Er beantragte, eine Resolution 
dahin zu fassen, dass die Staats -Regierung aufgefordert werde, 
mit dem nächsten Etat einen Plan zur Reorganisation der Bau- 
akademie vorzulegen, und schlug vor, zur Aufstellung dieses 
Plaues, der als Hauptprinzip die Trennung der Fächer, 
ausserdem aber die Verbesserung der äusseren llülfsmittel , die 
Beschaffung geeigneter Räumlichkeiten, die Erweiterung und 
feste Austeilung des Lohreiperseinals in s Auge fassen müsse, 
eine freie Kommission von Sachverständigen zu bilden. — 
Der Abgeordnete Schmidt ergänzte diese Wünsche noch 
dahiu, dass auch auf Beseitigung der Zwangskollegieu und 
obligatorischen Zeichnungen gesehen werden müsse, sowie dass 
finanziell vor Allem und baldigst zum Mindesten eine Gleich- 
stellung mit der Gewerbe-Akademie, sowohl in Betreff der Lehrer- 
besotdungen wie des Bibliothekfonds etc. erfolgen müsse. Der 
Abgeordnete Reichensperger endlich wünscht die betreffende 
Reorganisation noch radikaler, so dass uielit nur die Trennung 
der Fächer, sondern auch ein Zurücktreteu des theoretischen 
vor dem praktischen Unterricht im Sinne der alten Meister- 
schul eu anzustreben sei. 

Demgegenüber erkannte der Minister die materiellen Män- 
gel, vor Allem den Raummangel als vorhanden an und ver- 
sprach durrh Verlegung der Direktorwohuuug und des Schinkel- 
museums schleunigste Abhülfe zu schaffen. Der beantragten 
Resolution erwies er sich jedoch eben so wenig geneigt, wie 
dem in Konsequenz derselben vorgeschlagenen \Nege eiuer Be- 
rathung des Rcorgauisatiousplaucs durch eine Sachverständigen- 
Kommission, weil dieser Weg kein erspriessliches Resultat ver- 
spreche. Der Antragsteller zog darauf die Resolution vorbehalt- 
lich eiuer anderweiten Fassung derselben bei der Schlussberathung 
zurück. 

Den Schluss der Diskussion, welcher sich im Wesentlichen 
auf die neue Organisation der Gewerbeschulen erstreckte, über- 
gehen wir, müssen jedoch noch anführen, dass der Herr Minister, 
dessen An galten übrigens in mehren anderen von ihm erwähnten 
Punkten (beispielsweise in Hctreff der durch das letzte Prüfuugs- 
reglemcut geschaffenen Zustände) keine ganz genaue Bekannt- 
schaft mit den entsprechenden Verhältnissen verriethen, vorher 
die überraschende, weil in technischen Kreisen ganz unbekannte 
Thatsacbe verkündete, dass in Persou des Baurath Uobrecht 
ein llüllslchrcr für Vorlesungen über Gesundheitspflege au der 
Bauakademie angenommen sei. Ks kann sich dieses Engagement 
jedenfalls nur auf die Zukunft bezichen. 

Wenn wir im Ucbrigcu uicht allein eine unerbittliche Kürze 
innehalten, sondern auch jede eigene Acussernng zur Sache 
unterdrücken mussten, so ist das Letztere allerdings nur ge- 
schehen, weil wir bald Gelegenheit haben werden, dies theil- 
weise nachzuholen. Wir glauben Angesichts der erfreulichen 
Tbat&achc, dass uicht nur die Vertreter des Volkes, sondern 
ebenso der Miuister ein warmes Interesse für eine Verbesserung 
der gegenwärtigen Misstäude unseres Faches, allerdings nur 
auf einem Gebiete desselben, geäussert haben, nunmehr die 



Zeit 



~w. pnuwi»., .., um die schon oft beabsichtigte aber 
nicht ohne Grund verschollene eingebende Besprechung der- 
selben vorzunehmen und weiden in den nächsten Nummern mit 
einer grosseren Arbeit über die Zustände des Preussischen 
Stuats-Bauwcsens beginnen. Wollen uns die Fachgenossen, denen 
wir im Laufe der Jahre schon manches sorgsam aufgesparte 
Mat crial zu derselben verdauken, mit weiteren dabin gehörigen 
Beiträgen unterstützen, so bitten wir um deren baldige Ein- 



cudui. 



Das Weihnaohtafest des Vereins „Motiv", die bekannte 

S rosse architektonische Winterfestlichkeit Herlins, die im vorigen 
ahre wegen des Krieges ausgefallen war, hat am 20. Januar 
mit erneutem Glänze und unter einer Betheiligung, die auf 80t) 
Persoueu geschätzt wird, stattgefunden. Das Programm und 
der Inhalt der einzelnen Produktionen sind im Allgemeinen so 
typisch, dass wir nach den ausführlichen Schilderungen früherer 
Jahre diesmal auf eine eingebende Beschreibung verzichten 
können. In dem Festspiele war allerdings die Modifikation ein- 
getreten, dass der Bauführer nicht die Tochter, sondern die 
Nichte seines Bauinspektors liebt. Als die hervorragendsten 
Leistungen müssen die musikalischen bezeichnet werden, deren 
komischer Theil in eiuem .1 Ikmann-Konzerte- gipfelte. 

Aus der Fachlitteratur. 

Zeitschrift des Architekten v ereias zu Hannover. Jahr- 



A. Aus dem Gebiete des Hochbaues. 

1} Das Gymnasium Andreanum zu Hildesheim, mit- 
getheilt durch deu Laudbaukouduktcur F'ischer zu Hannover. 

Die in einer Vorstadt llildesheim's belegene Anstalt mu- 
tet zwei getrennte, jedoch uuter gemeinsamem Direktorate 
stehende Schulen, ein Human- und ein Real-Gymnasium, und ist 
im Gauzeu auf 822 Schüler berechnet. Die Grundrisse des Pro- 
jektes, bei welchem die von Zwei in Weimar entwickelten Prin- 
zipien maassgebeud waren, sind von Oberlaudbaumeister Mittel- 
bach in Hildesheim, die Facaden von Baurath Hase in Hannover 
entworfen. 

Das aus Kellergeschoss und drei oberen Geschossen von je 
4,. r > 1 » 1. Hübe bestehende Hauptgebäude hat eine hufeisenförmige 
Grundform, die jedoch in der längeren (südlichen) Seite durch 
einen Mittelbau von grösserer Tiefe, an den sich seitlich die 
thurmartig vortretenden Treppenhäuser schliessen, unterbrochen 
wird. Dieser Mittelbau enthält den grösseren Theil der beideu 
Schulen gemeinsamen Räume: im Erdgeschosse eine dreiaxige 
offene Vorhalle, ein entsprechendes Vestibül und die Wohnung 
des Schulwärters, durüber die Bibliothek, das Konferenz- und 
Direktorial - Zimmer, oben endlich in ganzer Ausdehuung die 
ll,7<" breite, 1»™ tiefe Aula. Die Flügel, dereu Tiefe von lü'" sich aus 
einem Korridor von 2,(ji" und einer Klasseubreite von .V-H) m zu- 
sammensetzt, enthalten links die » Klassen des Real-Gymuasiums, 
den Zcichensaal, das Karzer und 2 Lehrerzimmer, rechts die 10 
Klassen des ilumau-Gvmnasiums, das Pbvsik- und Sauiroluugs- 
zimmer: als eine uachabmeuswerthe Disposition ist hervorzuheben, 
dass die Korridore in deu hinteren Flügeltheilen nicht sym- 

so UM 



cht haben 



metrisch , soudern beiderseits nach Westeu 
sämmtliche Srhulzimmer ausschliesslich Süd- oder < 
und von einander thunlicbst isolirt sind. 

Die Klassen sind durchweg als Langklassen angelegt und 
bei Aufstellung durchgehender Ränke mit je einem Seiteugange 
so bemessen, dass auf einen Schüler durchschnittlich 0,U6 bis 
l,H0O m Grundfläche und 4,1X1 bis .'»,1't kb" Luftraum kommen. 
Die Bänke sind fest und in nur vier verschiedenen Grössen an- 
genommen, was als ausreichend erachtet wird. Die F'euster haben 
eine Grosse von 1,17 und 2,S4- erhalten. Die Garderobe wird 
auf den Korridoren abgelegt. 

Eine besondere Berücksichtigung ist in der Publikation den 
Heizungs- und Ventilation*- Anlagen zu Theil geworden. Die 
letzteren sind höchst einfach, da lediglich verschliessbare Ka- 
näle zur Zuführung frischer Luft aus deu Korridoren uud zur 
Ablührung der verdorbenen Luft über Dach augelegt sind. 
Die Heizung ist eine Heisswasserheizung von Ahl & Pöusgcn in 
Düsseldorf: die spezielle Darstellung und Beschreibung derselben 
wird vieleu Fachgenossen willkommen und werthvoll sein. We- 
niger gilt dies von den mitgetheilten Resultaten der allerdings 
sehr exakt uud gründlich, "aber doch nur au einem einzigen 
Tage angestellten Prüfung der Heizung und Ventilation; 
weun solche lleobachtungeu TOD Werth sein sollen, so müssen 
sie sieb zum Mindesten auf eine ganze Heizperiode erstrecken. 

Die Facaden -Architektur des Gebäudes, ist aus rothen Back- 
steinen und Terrakotten mit dunklen (ilasuren in gotliischen 
Formen ausgebildet. Das Hauptmotiv der langen Fronten bildet 
eine Zusammenfassung der beideu obereu F'enstcrrcihen in Bleud- 
uütchen; der vordere Giebel des Mittelbaues, deu die beiden 
Treppeuthürme flankiren, sowie die als Risalite vorspringenden 
Seiteugiebel des vorderen Gebäudetraktes sind in reicher" Weise 
durch Fialen und Ziergiebelchcn mit Rosettenfüllung gegliedert. 
Dem Referenten ist diese Facade nicht nur in der Zeichnung, 
sondern auch iu Wirklichkeit als eines der anziehendsten und 
gelungensten Beispiele des von der Hannoverschen Schule ge- 
pflegten Backsteiubaues erschienen; der Charakter und Maass- 
stab des Materials machen sich iu° g 
und die stattlichen Gesammtverhältuii 
Harmonie zu dem feinen Detail. 

Die Kosten des Hauptgebäudes excl. Einrichtung und Bau- 
leitung haben sich auf naooS Thlr. (.Vs.H Thlr. p. (J'" Gruud- 
fläche , 77,44 Thlr. pro Schüler) belaufen. Die Gesammtkosten der 
Anlage, zu welcher noch ein Abtrittsgebäude gehört, während 
der Raum für eine Turnhalle vorläufig noch reservirt ist, betra- 
gen 7^.'Ril Thlr. 

2. Das Pfarrh aus zur Kreuzkirche in Hannover, 
von Architekt Tochtermunn in Hildesheim. 

Das Rau-Programm schrieb für das In;» errichtete Gebäude 
vor, dass dasselbe die Wohnungen der beiden Geistlichen und 
des Küsters, jede mit getrenntem Eingänge und getrenntem 
Hofe, sowie eiueu für beide Geistlichen zugänglichen Kontir- 
maudensaal enthalteu solle. Es ist dieser Aufgabe in der Weise 
genügt, dass das im Hauptkörper Iti,7« lange, 7.3» breite Haus, 
au dessen Hinterfront sich 2 kurze Flügel von 5.2» Breite und 
2,7'» Vorsprung unschliessen, im Erdgeschoss die Wohnung des 
Küsters und den Konfirmaudeusaal, beide von der Hauptfront 
zugänglich, sowie neben einem auf jeder Seitenfront belegenen 
Eingänge Küche, Speisekammer und Gesindestube der beiden 
Pfarrwolinuugen enthält, während die beiden oberen Geschosse 
zur Hälfte zwischeu den letzteren getheilt sind. Es werden 
übrigens sowohl die ursprüngliche Grundriss- Anordnuug des 
Autors, wie die demselben auferlegte, zur Ausführung gebrachte 



liebster Weise geltend 
leben in wohlthucuder 



Modifikation gegeben, von der wir, — gegen seine Ansicht — der 
letzteren den sehr entschiedenen Vorzug zuerkennen müssen. 

Die Facaden, belebt durch Ziergiebel und F>ker, sind iu 
gothischem Backsteiubau aus hellgelben Steinen mit rothen Ver- 
zahnungen ausgeführt. Sie zeigen angenehmo Verhältnisse und 
eine dem Maasstab angemessene Detail -Ausbildung, auch brin- 



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32 - 



gen sie die Bestimmung des Gebäudes zu charakteristischem 
Aasdrucke. Das Innere zeigt in den Vorplätzen und Sälen echte 
Holzdecken. Die Baukosten nabeu 18000 Thlr. (p.O c. 46,5 Thlr.) 



betrag 



. Umbau der evangelischen Kirche zu Langen- 
hagen bei Hannover, mitgetheilt von Baurath Hase. 

Die Aufgabe eine» Neubaus für die auf 540 Sitzplatze nor- 
mirte Kirche, bei welchem ein alter Thurm zu benutzen war 
und bei dem auf eine verbältnissmä&sig grosse Zahl von Kom- 
munikanten, sowie auf diu Möglichkeit späterer Emporen-Anlage 
gerücksichtigt werden niusste, ist in ziemlich origineller Weise 
gelöst worden. 

Der innere Kirchenraum besteht aus einem Langschiff von 
8,35» lichter Weite und 22,6« lichter Länge, mit 3 breiten und 
einem schmalen Kreuzgewölbe überspannt, an das sich in der 
Breit« einer vollen Travce je ein 4,2" tiefer Querschiffflügel 
und im Osten der aus 7 Seiten eines Zehnecks gebildete Chor 
von 10<» grösstem Durchmesser anschließet: die Höhe dieses 
Theils betragt bei 12,6 ■ Kümpferhöbc bis zum Scheitel der 
ausserordentlich überhöhten Gewölbe 25,5". Um ihn zieht sich, 
nur durch das Querschiff unterbrochen, eiu Umgang von 1.5 n> 
lichter Breite und 8 m Höhe als schmales Seitenschiff. Die Sa- 
kristei schliesst sich als fünfeckige Kapelle einer Seite des Chor- 
umganges an. 2 kleine Vorhallen sind als Windfange den Ein- 
gangen vorgelegt, die in der westlichsten Halb-Travee der Nord- 
und Südseite, welche durch eine eingebaute zweigeschossige 
Holzemporc bezeichnet wird, in die Kirche führen. Die West- 
tu welcher der alte, spater auch zum Abbruch bestimmte 
liegt, ist im Erdgeschosse ohne Oeffnungen- 
Die Benutzung erfolgt iu der Weise, dass das vom Umgang 
zugangliche Langschiff in ganzer Breite zu Sitzplätzen verwen- 
det ist; werden noch Emporen verlangt, so lassen sich diese in 
den Querschiffsflügeln anlegen. Die Kanzel ist an dem letzten 
südlichen Schiffspfeiler angebracht. 

Die architektonische Ausbildung im reinen Backsteinbau 
zeigt den gothischen Stil. Das Innere des in den Querechiffs- 
giebeln durch 2 grosse fünftheilige Fenster, im Chor und dem mit 
sechskappigeu Kreuzgewölben geschlossenen Langschiff durch eine 
fortlaufende Reihe dreitheiliger Ilochfenster von relativ sehr be- 
deutenden Abmessungen (2,23b Breite bei 3,60" Höhe), endlich 
im Umgänge durch eine Anzuhl kleiner Fenster erleuchtet wird, 
muss eine Fülle von Licht erhalten, wie sie bei Backsteinkirchen 
in diesem Maasse selten ist. Die Formen sind einfach und derb, 
der wesentlichste Schmuck neben glasurten Streifen in den Fen- 
stereinfassungen ist ein zierliches Triforium. Die Gewölbekappen 
Bind mit gelblicher Kalkmilch gestrichen, aBe anderen Theile 
im natürlichen Tone des Materials belassen. Leber die Grenzen 
ästhetischen Maasses geht es wohl hinaus und dürfte es der 
künstlerischen Empfindung jedes ausserhalb der hannoverschen 
Schule stehenden Architekten widerstreben, das» auch Kanzel 
und Altar aus glasurten Backsteinen gemauert sind, obwohl dies 
bei einfacheren Formen, wie sie hier angewendet wurden, noch 
am Ehesten zulässig erscheint — Auch das Aeussere, dessen 
Verhältnisse sich breit und gedrungen ergeben haben, ist derb 
und schlicht; nach der Ansicht des Referenten würde es noch 
gewonnen haben, wenn die Form der Strebepfeiler weniger ge- 
künstelt wäre. Eine strenge Durchführung im Backateinbau 
mit horizontaler Mauerung aller Schrägen und Anwendung von 
Glasuren zu allen exponirten Theilen ist selbstverständlich auch 
hier erfolgt Die Dachflächeu sind mit glasurten Pfannen in 
Zementmörtel gedeckt 

Die Kosten des im Herbst 186$ vollendeten Baus, zu dessen 
Gelingen der bauführende Architekt A. Schröder und der 
Maurermeister Leyn wesentlich beigetragen haben, betrugen 
17000 Thalcr, was fast unglaublich niedrig erscheint 

4) Akustik und Bauwerke. Nach 2 Vorträgen von Mr. 
Fleteher Barret aus dem Englischen des „Builder." 

Ein etwas unklar geschriebener Artikel, der scheinbar eine 
Reibe interessanter Beobachtungen bringt, die — soweit sie 
nicht schon allgemein Bekanntes enthalten — praktisch jedoch 
kaum zu verwertben sind. Speziell wird über die Verbesserung 
mangelhafter Akustik durch Aufstellung parabolischer und hy- 
perbolischer Reflektoren, über das Fortrollen von Schallwellen, 
die eine Wand unter zu spitzem Winkel treffen, über die Ver- 
stärkung des Schalls durch entsprechend koustruirte Hohlräume 
resp. eine Theilung der Luft eines Raumes in Unterabtheilungen 
u. s. w. gehandelt 

Aus den Protokollen der Vereinssitzungen ist das Referat 
über den vom Landbau-Kondukteur Schuster am 7. September 
1870 gehaltenen Vortrag über die Einrichtung von Lazareth- 
Baracken hervorzuheben, das eine durch zahlreiche Skizzen 
erläuterte übersichtliche und vollständige Zusammenstellung der 
bemerkenswerthesten Baracken ■ Lazarethe giebt, die bis zum 
Kriege von 1870 nnd während desselben in Amerika und Deutsch- 
land ausgeführt worden sind. — F. — 

fair) 



Konkurrenzen. 

Eine Konkurrenz für Entwürfe zu einem Slegree-Denk- 
mal In Altona ist in unserem heutigen Bauanzeiger angekün- 
digt. Gegenüber den ähnlichen Aufgaben dieser Art, die in 
letzter Zeit zur Lösung standen, wird die vorlii 



halb die dankbarste sein, weil die Kostensumme hier erheblich 
höher bemessen ist Leider enthält das Ausschreiben eine Be- 
dingung, deren Aenderung absolut uothwendig ist, wenn eine 
Betheiliguug an der Konkurrenz räthlich erscheinen soll. 
ist nämlich weder ein Preisgericht noch überhaupt ein Preis 
im Sinne unserer üblichen Konkurrenzen ausgesetzt, sondern 
das Komite hat sich vorbehalten, den zur Ausführung gewählten 
Entwurf angemessen tu honoriren. Wählt es demnach aus 
irgend welchcu, in seinem Belieben stehenden Gründen keinen 
der in der Konkurrenz eingehenden Entwürfe, so haben alle 
Theilnehmer vergeblich gearbeitet. Wir haben keinen Grund 
anzunehmen, dass dieser Verstoss gegen die .Grundsätze" ab- 
sichtlich erfolgt ist hoffen daher, dass derselbe i 
aufs Schleunigste beseitigt werden wird. 



KoamitMlo»T«rt>c roa Carl Btslilt La Btrlln. 



für die im Kriege von 1870/71 
gefallenen deutschen Krieger zu Liegnitz. 

v^^^witrij^c^^^s». - — — 1 — *■* 

DU 

nr n -i i ■< i i ■ i i 
» « M m* 

Das Programm der Konkurrenz ist in No, 8 unseres Bau- 
Anzeigers veröffentlicht Auf Wunsch theilen wir an dieser 
Stelle noch eine Situatioos - Skizze und die für den Kosten- 
anschlag in Betracht kommenden Einheitspreise mit 
Die Arbeitspreise betragen 

für 1 kb» Erdarbeit 0,17 Tblr. 

für 1 kb™ Pundanientinauerwork von Granit 0,60 „ 

für 1 kb™ Ziegelmauerwerk 0,68 „ 

Tagelohn für einen Maurer bei 12stndg. Arb. 0,88 „ 

desgl. für einen Zimmermann 0,83 „ 

desgl. für einen Arbeiter 0,50 „ 

Die Materialienprcise betragen 
für 1 kb» lagerhafte Granitbruchsteine . . 2,08 „ 

für 1000 Stück gute Mauersteine 11,00 „ 

für 100 Liter gelöschten Kalk 0,84 „ 

für 1 kb» gesiebten Mauersand 0,56 „ 

für 1 lfnd. Meter Granitstufe incl. Verlegen . 2,99 ,, 
für 1 [□■ glatt und sauber gearbeitete c. 22 »■ 
starke Granitplatten incl. Aufstellen und 
Verdübeln 10,15 „ 

Berichtigung. Die in voriger Nummer erwähnte 
kurrenz in Mannheim bezieht sieh auf Entwürfe 
Stadttheil, nicht wiei 
zu einem Stadttheater. 

Personal - Nachrichten. 

Preussen. 

Ernannt: Der Baumeister Bohl zu Kyritz zum Kreis- 
baumeister daselbst Der Landbaumeister Beyer, mit der 
Leitung der Bauten der militair-technischen Institute in Spandau 
betraut, zum Bau-Inspektor. Die technischen Mitglieder der 
Eisenbahn-Direktion zu Elberfeld, Bauräthe Dircksen und 
Pichier zu Regierungs- und Bauräthon. Der Ober-Betriebs- 
Inspektor Schwabe zu E 
Direktor Red er zu Cassel 
technischen Mitgliedern der Direktion der 1 
Eisenbahn in Berlin. 

Versetzt: Der Ober-B ti I Schmeitzer zu 

Hannover an die Nicderachlosich- Märkische Eisenbahn nach 
Berlin. Der Eisenbahn Bau- und Betriebs- Inspektor Heyl tu 
Elberfeld zur Main-Weser Bahn nach Frankfurt a. M 

Gestorben: Der Eisenbahn Bau-Inspektor Rosenkranz 
in Königsberg i. Pr. 

Am 20. Januar c haben das Baumeister-Examen bestan- 
den: Ludwig Köhler aus Uelzen, Aug. Leis aus Eckenhagen, 
Kreis Waldbroel, Rudolph Richard aus liurg bei Osnabrück, 
Ilermanu Uuntemüller aus Uslar, Prov. Hannover, Paul 
Kunze aus Pless, Adolph Francke aus Güttingen. 

Das Bauführer-Examen haben bestanden: Georg Grell 
aus Hoyerswerda, Eduard Saal aus Köln. Heinr. Klutraann 
aus Witten a. Ruhr, Richard Eger aus Havnau, Reinh. Beer 
aus Breslau, Carl Heusei aus Potsdam, Eerd. Decker aus 
Weiberg, Kreis Büren. 

mit Dank erhalten von Hrn. V. in Saarbrüc 

»w> (jtbrud.r ricZtrl la »erllu. 



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Jahrg. YI. J£ 5. 

DEUTSCHE BAUZEITUNG 



T: .■■! . k • i m n >. Etpaaitia: 
■rrlln, OrtnEf Mlrww tat. 
B.itel!aaf«n 

nn.t Hurhktndlantrn, 
tn UttUn du F.iKri.ik.». 



Organ des Verbandes 

deutscher Architekten - und Ingenieur-Vereine. 

Redakteur X. E. 0. Fritsch. 



Und» A.faaha» 
I* tu OraUi-kXlai« 
„Bau- ADMlgn"* 

l.'.ii-tLLtuptrll: S% Str. ata 
IUI«. 



Preis I Thaler pro Qaartal. 



Berlin, den 1. Februar 1872. Erscheint Jeden ■•■■«»tag. 



Iuhalt: IM. ArbroLnaorinungen auf d.m f irinriFrrocr. (;<-.tii:.hnl. ICabrn- 
»l.infeld I. I Sih«.-.ia — Kl», iku." K«»..r0.iun.- («r Berlin. (S.hlnn,.) — Üna 
I'r»j.rkt <l.r »l (Inlll.rirrtt-Ilnlin. Wl-dmim >mr u'rlfhtllch* F.nt«f n.idiint; UMr 
lloiiimr fnr arrliit.kloniM-li. Arb.lt.». - M Itt h .■ 1 1 u n s Mi ana V.r.lnon: (in- 
nirrnl- Wr.amrahnit cl.a tjraml.»! ortl-ili-ii llauixa.rkin - V.r.lna. — (l.nnral. V.r- 
»inmlDnu .1., «l^mwl.cn Wrclna fnr Faurikatlan von Zlfn.tr. »tu. — ArchiMkl*». 



V.r.lu tu Berlin. — Ana dar f a .• fi 1 1 1 - r a tu r : Z.ii.rhrifi 4M Arcaltaktea- und 
lnx.lilmr Ver.lna in Hanantar. Jahrs («TV. — Konknrr.at.r-- «.hall»» in 
Zolin*«». - Knnknrr*ni für B anrhln.n ■ Teehnlk.r. - Hönau Auf,»fc.n für da* 
Arrl,li.k(.n-V.roln tu Iterlln tun ». Hin IST». - Knnknrr.ni für BalvOrfa ■■ 



Zlmm.rör.M. - K.ola.htli.u» |. H.llarnnn. - P.r.oaal • Nach rlnll U I atr. 



Die Arbeiter-Wohnu-igen auf den Cre^herzoglieliei Gestütslwfe Rabeasteiatfeld bei Schwerin. 



Von Hofbaurath H. Wi 

(lllertu «IIa Abbild 

Das Grossherzoglich Mecklenburgische Landgut Haben- 
steinfeld, ca. eine Meile von der Residenzstadt Schwerin am 
grossen Schweriner See belegen, enthiilt ausser einem Privat- 
gestüt des hoben Besitzers auch einen Wohnsitz mit Parkan- 
lagen zum Sommeraufenthalt der ({rossfürstlichen Familie. 

Auf diesem Gute sind für den Betrieb der Landwirt- 
schaft seit dem Jahre 1863 für 12 Arbeiterfamilien »'. neue 
Wohnhäuser, jedes für 2 Familien eingerichtet, erbaut. 

Die Hinrichtung derselben ist nach den auf Seite 37 
dargestellten beiden Grundrissen für je 8 und 3 Gebäude 
immer gleich ausgeführt. Jede Wohnung für eine. Familie 
enthält: 

a. einen besonderen Hausflur, von dem eine Leitertreppe 
zum Dachbodenraum führt, 

b. 2 Stuben. — (in 9 Wohnungen beladet sich neben 
den Wohnstuben noch ein kleiner Alkoven für ein 
Bett). 

e. eine Kammer, besonders zum Schlafen für den weib- 
lichen Hofgänger bestimmt, 

d. eine Speisekammer; darunter, und auch unter dem Al- 
koven einen kleinen Keller zur Aufbewahrung der 
Wintervorruthe, von der Speisekammer aus zugänglich. 

e. eine Küche mit einein offenen Feuerheerd, ül>er welchem 
sich eine gewölbte Rauchkapqc mit einem weitem, vom 
Schornsteinfeger zu besteigenden Schornsteinrohr be- 
findet; in dem Fenerheerdo selbst ist ein Backofen 
angelegt. 

Diese Wohn- und W'irthsehaftsräome enthalten zusam- 
men eine Gruiidfläshe von ca. 82 C" 1 und sind 2.72 m im 
Lichten hoch. Die Stuben werden durch Kachelöfen von 
Innen aus geheizt. Leber den Heizöffnungen der Oefen ist 
eine Kocheinrichtung angebracht, in der während des Win- 
ters gleichzeitig die Speisen gekocht werden können. 

Aus dieser Kocheinrichtung führt von der Decke der- 
selben ein Rohr direkt in den Schornstein zur Ableitung 
der von den kochenden Speisen entwickelten Wasserdärapfe 
und (iase. 

Für die Ventilation der Stuben ist nicht allein durch 
die Oeteu selbst, sondern auch noch durch besondere, neben 
den russischen Schornsteinrßhren aufgeführte Zugkanäle ge- 
sorgt. Ebenso werden die Keller durch Röhren in den Mauern 
venlilirt, die von der Decke der Keller ausgehen und auf 
dem Dachboden möglichst hoch unter den Dächern neben 
den Schornsteinröhren ausmünden. 

Die Lage der Gebäude ist so gewählt, dass die Stuben 
theils nach Süden, theils nach Westen liegen und der kleine 
\\ irthschaftshof sich entweder an der Seite oder an der 
Hinterfront« des Gebäudes befindet. Vor den Häusern sind 
kleine Blumengärten, von lebenden Hecken eingefasst- Mit 
jetler Wohnung einer Familie in unmittelbarer Verbindung 
und von der Küche aus zugänglich , steht das Stallgebäude. 
Diese Hinrichtung hat vorzugsweise den Nutzen, dass die 
Hausfrau nicht allein bequem, sondern auch selbst noch in 
Krankheitsfällen, wo sie sich noch nicht der äusseren Luft 
aussetzen darf, ihre kleine Wirtschaft, namentlich die Fütte- 
rung des Viehs besorgen kann. Das Bedenkliche und Xach- 
theflige, welches von einer solchen Verbindung allenfalls für 
die Gesundheit der Bewohner durch das Eindringen der 
Dünste aus den Ställen in die Wohnung gesagt werden könnte, 
ist nun möglichst dadurch beseitigt, dass die Thür zum Stall 
von der Küche ausgeht, in der durch den weiten und offenen 
Schornstein über dem Feuerherd stets eine natürliche Ven- 



llebrand in Schwerin 

untren auf ft.lt* 37.) 

tilation stattfindet, und dass zwischen der KQche nnd den 
Wohnräumen sich immer noch erst der Flur befindet. Ferner 
liegt der Fussboden in den Ställen um 0,29 resp. 0,43™ nie- 
driger als im Wohnhanse, auch sind die Wände zwischen 
Stall nnd Wohnbaus nicht allein nach unten gegen das Ein- 
dringen der Feuchtigkeit geschützt, sondern auch oben auf 
dem Dachltoden bei Vermeidung jeder Oeffnung durch massive 
Wände vollständig von einander geschieden. Die Ventilation 
des Stalles selbst geschieht theils durch in den Ringwänden 
angebrachte sogenannte Kreuzlöcher, theils durch Drains 
unter der Decke. 

Jeder Stall enthält: 

a. einen Futtergang mit Ausgang nach dem Hofplatz, 

b. einen Kuh-, eventuell Holzstall, 

c. einen Schweinestall, 

d. einen Hühnerstall, daneben einen Abort, 
und umfasst eine bebaute Grundfläche von ca. 28,71 Q" 
bei einer lichten Stallhöhe von 1,86". 

Die Ableitung des Spülwassers ans den Küchen nnd der 
Jauche aus den Ställen geschieht mittels offener Rinnsteine 
nach den Dungplätzen. 

Unmittelbar über den Wohn- und Wirthschaftsräumen 
befindet sich unter den Dächern der Bodenraum zur Auf- 
bewahrung trockener Vorrath«, wie Flachs, Bohnen etc., und 
im Giebel über der Kehlbalkenlage ist noch ein kleiner 
Räucherboden angebracht. 

Die Bauart. Der Grund und Boden, auf dem die Ge- 
bäude aufgeführt sind, ist ein sehr trockener, grösstentheils 
kiesiger. Der Fussboden in den Wohnhäusern liegt 0,43 bis 
0,57™ über dem äusseren Terrain und ist in den W ohnstuben 
aus hellen gebrannten Hohlziegeln, auf den Fluren, in den 
Küchen etc. und in den Ställen aus rothen gebrannten vollen 
Ziegeln, theils flachkantig, theils hochkantig gelegt, hergestellt 
Die Fundamente und Kellermanern sind sfimmtlich aus 
gesprengten Granitsteinen in hvdrauliBchem Kalkmörtel ge- 
fertigt und ca. 14«» unter dem Fussboden zur Abbaltnng 
der aufsteigenden Feuchtigkeit mit einer Isolirschicht von 
künstlichem Asphalt — einer Mischung aus Steinkoh lentheer, 
Sand und hydraulischen Kalk — abgedeckt. Die äusseren und 
inneren WÄndc sind durch wpit 
Ziegeln in hydraulischem Kalkmörtel gern 
über den Wohn- und Wirthschaftsräumen 
pelt T förmig gewalzten 
Gewölben aus 
selben ist ein 

blaugrau glasurten Dachpfannen, die massiven Giebelmauern 
dagegen mit gebrannten Zungenstetinen eingedeckt 

Die Ringwände sind nur 1 Stein stark, ebenso die inneren 
1 resp. •/, Stein; nur di« äusseren Wände haben an den 

Wohnräumen, theils der grösse- 
ren Wärme wegen, theils um das 
Durchschlagen der Feuchtigkeit 
möglichst zu verhindern, noch im 
Innern eine vertikale Luftschicht 
erhalten, während die freistehen- 
den Dachgiebel einen Stein stark 
aus gebrannten Hohlziegeln her- 
gestellt sind. Die Art des Mauer- 
verbandes für diese äusseren 
Mauern mit den Luftschichten 
ist, wie hierbei bemerkt ausge- 
führt, und sind die durchgehen- 




gewalzten eisernen Balken, mit '/. Stein starken 
gebrannten Hohlstein dazwischen; über den- 
Lehmestricb. Die Dächer sind mit rothen und 



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den Bindersteine a, a, a entweder 
um V« der gewöhnlichen Mauer- 
steinlänge länger und besonders 
dazu gefertigt , oder wie b, b, b 
abwechselnd aus V» und ganzen 
Steinlängcn hergestellt. Die letzte 
Art hat »ich gegen das Durch- 
schlagen der Feuchtigkeit besser 
bewährt. 

Zur grösseren Feuersicherheit der Wohnungen sind, wie 
bemerkt, nicht alleiu sämmtliche Wände, Decken, 
Giebel, Gesimse etc. massiv, sondern es sind auch noch die 
Scheidewände unter dem Dach zwischen den beiden Familien- 
Wohnungen jedesmal bis zur t'nterkante der Dachpfannen 
massiv ausgeführt. Dachsparren und Latten sind nun frei- 
lich von Holz, jedoch ist möglichst darauf Bedacht genom- 
men, dass die Sparren in kurzen Entfernungen durch hori- 
zontal liegende doppel-T förmig gewalzte eiserne Haiken, und 
diese wieder durch massive Pfeiler unterstützt und hin- 



Die Form der Gebäude ist aus den mfy 
beiden Grundrissen und der perspektivischen Ansicht der 
ganzen Gruppe ersichtlich. 

Die äusseren Mauerflächen sind einfach mit gefärbtem 
Kalkmörtel in den Farbentönen der verschiedenen Ziegel j 



reichend miteinander verbunden sind, so 
Latten, wenn sie einmal brennen sollten, erst fast vollstän- 
dig verkohlen müssen, bevor sie herunterstürzen und den 
Gewölben nachtheili« 



gefngt, möglichst glatt gelassen und durch Anwendung 
gebrannten hellgelben und rothen Ziegeln, anch sein 
glasurten, mit Benutzung des richtigen Steinverbandes ge- 
mustert.*) 

Die Kosten betreffend hat jedes Gebäude für zwei 
Familien mit den beiden Ställen ca. 3375 Thlr. gekostet, mit 
Einschlnss aller Materialien, jedoch mit Ausschluss der 
Sand- und Granitstein-Fuhren, die durch die Ackerbaupferde 
von der Feldmark des Guts unentgeltlich beschafft worden 
sind. Mithin betragen die Baukosten pro ynadratmeter der 
Grundfläche ca. 15,2 Thlr. Willebrand. 



i<) Leider ist durch elaen, ohn« Vtnwfon« Ar* £Ansrn Stock» nicht mehr tu 
I ■ tt-iiU'-T:<!f-n Irrlli um ü>.» HoJ***hn*ldcr* Iii der IVrfjwktW« d*r hellliHfiichtrt* 
(•ieliel um Rekhfttu*« In «ln»r VT*Im* dar£*»1»ilt word<<», dt« der Wirklichkeit 
nicht K»ni »titeftrtcht und dl« m*l*rt«ch« Wirkun« der <lru»n« et**. b**ioirirhtiiet, 
U«r b*tren*#tid« <iieb«l i-L in ihnlirfaer WMM w»« di# in flrhmun li*«tad« R«lu> 
de« Mail*** »tu rothen dunklen Mo» •«f«?ftfcrl und mit hellt« 
g*mu«tert. to dut I 



(D. Hed.) 



für Berlin. 



(8«hl 

4. Der zulässige Grad der Bebauung, wie ihn I 
die Polizei aufgestellt hatte, hat — wie wir mit besonderer 
Befriedigung hervorheben können — am wenigsten Gnade 
vor den Augen der technischen Korporationen gefunden. Die 
Gewerksmeister wünschen nun aus den Gründen, aus wel- 
chen wir gegen eine übermässig- Hofgrösse protestirt hatten, 
überhaupt keine Aenderung an dem bisherigen Znstande, ob- 
wohl sie es anch für wünsehens Werth erklären, den Woh- 
nungen möglichst viel Luft und Licht zuznführen. Sie ver- 
kennen dabei vollständig, dass sich zwischen den jetzigen 
8,8* und den geforderten 10" im Geviert doch noch allerhand 
Mittelwege denken lassen, die den gewünschten Vortheil 
verschaffen können, ohne die befürchteten Nachtheile mit in 
den Kauf zu nehmen. Wir freueu uns dem gegenüber, dass 
sich die Architekten-Vereins-Kommission im Prinzip voll- 
ständig und in der Ausführung znm Theil auf unseren Stand- 
punkt gestellt hat. Die Kommission stellt nämlich das auch 
von uns vertheidigte Prinzip, dass ein bestimmter Theil des 
Grundstücks (Vi wie auch in Köln, wogegen wir •/, verlangt 
hatten) unbebaut bleiben müsse, voran und verlangt, das» 
ein Hofraum von 8™ im Geviert (welches Maas* wir all- 
gemein gefordert hatten) mir liei Grundstücken von mehr 
als 25*j[_J" (d. h. grösser als 4 X im Geviert) verblei- 
ben solle. Theilweise schon bebaute Grundstücke sollen nur 
bis anf 6yS" Hofweite ausgenutzt werden können. Diese 
Bestimmungen sollen erst vom 1. Januar 1875 ab eintreten, 
bis wohin die jetzigen Verhältnisse bestehen bleiben. Da 
Anordnungen über die Hofweite kleinerer Grundstücke als 
25«r]™ fehlen, so sollen hierfür also nur die Bestimmungen 
über die Entfernung der Umfassungswände von einander 
maassgebend sein, womit wir uns auch mit Rücksicht auf 
das feste Prinzip der baulichen Ausnutzung bis zu «/« der 
Grundstücksgrösse nur einverstanden erklären können. 

Heber die Entfernung der Um fassungs w än de von 
einander sind nun folgende Grundsätze akzeptirt. Bis zum 
1. Januar 1 87. r > soll im Allgemeinen die bisherige Weite von 
5,3 m maassgebend sein. Wände unter 8" Länge können bis 
auf 2.5" an einander rücken, und wenn ohne Oeffnnngen 
noch näher. Vom 1. Januar 1875*) ab ist der folgende 
Wortlaut vorgeschlagen: Auf demselben Grundstück müssen 
2 einander gegenüberliegende l'rnfassungswände mit Öffnun- 
gen mindestens 8™ von einander entfernt bleiben. Eine 
Entfernung bis auf 5,3» ist vorbehaltlich der für den Hof- 
raum festgesetzten Grösse statthaft, wenn eine dieser Ott* 
fassnmiswäude unter 1«™ lang ist. Die Entfernung bis anf 
2,5" ist statthaft, wenn eine dieser Umfassungswände unter 
lang ist. Unter 2,5"» dürfen l'rnfassungswände auf dem- 
selben Grundstück nur dann von einander entfernt sein, 
wenn diesellten beiderseitig ohne Öeffmmgen sind. Es soll 
ferner gestattet sein, zwei einander gegenüberliegende l'rn- 
fassungswände gleich ihrer halben Fronthöhe von einander 
entfernt zu stellen. Bei verschiedenen Fronthöhen derselben 
ist die Entfernung gleich der halben mittleren Fronthöhe zu 
D. Auf bereit* vor dem Jahre 1875 bebaute Grund- 



•) In <Um ll-tfl. n»chr»Hwn h»t »Ich dl» 1 

ll<*a B*d»k*a «i.r », lit.mrlll.-tuftllrhr In 

IM.i-r.lmiiininun* mit »»• g*<>i «il«n»rl 
lorlKhm BMtlitiiBDnc*» »□■«««r™«'«««. 



stücke, welche Umfassungswände mit Öffnungen in geringerer 
Entfernung als 8™ enthalten, dürfen bei Wiederbebauung die 
Umfassungswände in der bisherigen Entfernung, aber nicht 
unter 5,3™ errichtet werden. 

Auf den ersten Anblick scheinen diese Festsetzungen 
zu komplizirt und etwas unklar gefasst zu sein. Die be- 
gleitenden Motive lassen indessen erkennen, dass prinzipiell 
die Entfernung unabhäng von der Höhe der Gebäude Ite- 
messen und nur in besonderen Fällen, namentlich bei Villen- 
bauten, mehr ausnahmsweise ein näheres Aneinanderrücken 
bis zur halben Fronthöhe gestattet sein soll. Gegen die Be- 
stimmungen des Entwurfs ist hierin ein Fortschritt 
lieh zu verkennen. 

Auch liei der Entfernung von der nachbarlichen 
Grenze ist unsere Erwägung, dass es hierbei mehr auf 
rechtliche, als auf polizeiliche Gesichtspunkte ankommt, 
nicht genügend gewahrt. Wir halten schon zn beweisen 
gesucht, dass die NachbargTenze ganz anders behandelt wer- 
den muss, als ein Gebäude auf demselben Grundstück, und 
können uns mit der prinzipiellen Gleichstellung derselben 
nicht einverstanden erklären. Zwar sind die Festsetzungen 
der Kommission gegenüber den Vorschlägen des Entwurfs 
als ein Fortschritt zu betrachten, wir müssen aber doch 
daran festhalten, dass zu einer solchen Aenderung des jetzi- 
gen Zustande* eine gesetzliche Regelung nöthig ist. Im 
Uebrigen macht noch die Kommission darin dieselben Fehler, 
wie der polizeiliche Entwurf, dass sie auch die jetzt zu- 
gelassene anderweitige Normirung der Entfernung von 
S'aebbargehäuden durch hypothekarische Eintragung, bis zum 
I. Januar 1875 verbietet, um sie dann wieder zu gestatten. 

Die allgemeine Zulassung von Ausnahmen in Betreff der 
Hofgrösse. die Entfernung der Umfassungswände auf dem- 
selben und auf Nach bargnindstücken, wie sie die Kommission 
dem Ermessen des Polizei -Präsidiums anheimstellt für alle 
Fälle, wo das Grundstück „nicht vorzugsweise zu Wohn- 
zwecken behaut* wird, halten wir für sehr gefährlich, 
weil damit eine zu grosse diskretionäre Gewalt verbunden 
ist und gewisse Grundregeln, namentlich auch mit Rücksicht 
auf die Baupolizei, ein für allemal feststehen müssen. 

In der Bemessung der Höhe der Gebäude hat die 
Kommission sich anch zum Theil unsern Vorschlägen ange- 
schlossen; sie hat das Höhenmaximum für gewöhnliche 
Wohngebäude gestrichen nnd nur für Speicher und gewerb- 
lichen Anlagen dienende Gehfin<fe festgehalten, sie hat femer 
ganz ans denselben Gründen, wie wir. die Zahl der Ge- 
schosse fest bestimmt, und zwar auf 4 über dem Erdgeschoss. 
Mit Rücksicht darauf, dass dagegen an der Gleichstellung 
von Häuserhöhe und Strassenbreite festgehalten und anf eine 
Beseitigung, Einschränkung oder Verbesserung der Keller- 
wohnungen vollständig verzichtet worden ist. können wir in 
diesen Vorschlägen keinen besonderen Fortschritt erkennen. 

Wir müssen es daeegen anerkennend hervorheben, dass 
die Gewerksmeister für die Kellerwohnungen wenigstens die- 
selbe Höhe gefordert haben, wie für die übrigen Wohnräume, 
nämlich 2,5™. 

5. Unter den einzelnen technischen Vorschriften 
bat die Architekten - 
Stimmungen über die 



ssion die bisherigen Be- 
wie anch wir, beibehal- 



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- 35 — 



ten, während die Gewerksmeister in dieser, wie auch in 
allen vorerwähnten Beziehungen lediglich auf dem Stand- 
punkt der alten Baupolizeiordnung stehen geblieben sind. 
Kein bygiäniscbe Forderungen haben bei den Gewerks 
meistern sehr wenig Gnade gefunden. So z. B. war für die 
.Senk- und Sammelgruben eine Entfernung vou 1,4- von 
der nachbarliehen Grenze vorgeschrieben. Wahrend nun 
die Architekten -Verein« - Kommission noch ausserdem die 
absolute Undurchlässigkeil derselben verlangt, ist den 
Gewerkmeistern auch noch die vorgeschriebene geringe Ent- 
fernung zu viel nnd daher gestrichen. In dem § 66, dessen 
Ueliersehrift .hrandsichere Feuerungen — helle Küchen" ge- 
lassen ist, streichen die Gewerksmeister die Bestimmung, 
dass Küchen entweder nach freien oder nach Lichlhöfcn 
hinaus liegen müssen, setzen dafür aber keine andere Be- 
stimmung an deren Stelle und gestatten also Küchen in ganz 
dunkelen, unventilirteu Baumen. Die speziellen Bestimmungen 
über die Einrichtung der Schornsteine und Zugrobren. welche 
die Architekten -Vereins -Kommission sammtlich beibehalten 
hat. werden ohne Weiteres gestrichen und ersetzt durch die 
sehr kategorische Bestimmung, dass für die Reinigung der- 
selben der Eigentümer verantwortlich ist. Wenn damit nur 
die Verpflichtung, reinigen zu lassen, gemeint ist, kann man 
Nichts dagegen einwenden. Wollen die Gewerksmeister die 
Verantwortlichkeit des Eigentümers aber auch auf die wirk- 
lich geleistete Schornsteinfeger-Arbeit ausgedehnt wissen, so 
ist damit doch etwas zu viel verlangt. Andererseits ist die 
Verantwortlichkeit der Bauherren zu gering behaudelt, wenn 
die Aufstellung der Baugerüste davon eximirt wird. Hierfür 
sollen nämlich nach der Forderung der Gewerksmeister nur 
die betreffenden Aulsteller verantwortlich sein, denen durch 
Streichung sämmtlkher spezialisirter Hegeln, die von der 
Architekten-Vereius-Kommission durchweg unerkannt worden 
sind, vollständig freie Hand gelassen ist. In dem Bestreben, 
der freien Erschliessung des Polizei - Präsidiums möglichst 
wenig Spielraum zugestehen, sind unseres Erachtens die 
(Gewerksmeister auch zu weit gegaugen. Abgesehen davon, 
dass fast sänimtlichc auch in liberalem Sinne zugestandenen 
Ausnahmen von gegebenen Hegeln (wie z. B. im § CU bei 
Brandmauern) gestrichen sind, haben die Gewerksmeister in 
andern Fällen in derselbsn Absicht ungerechtfertigte Ein- 
schränkungen aufgestellt, z. B. im § 1)7 die Anwendung von 
Luflsteinen nnd Lehmmörtel nur bei Gebäuden bis zu . r > m 
Fronthöhe, hier aber allgemein zugestanden. Gerechtfertigt 
das Verlangen der Architekten-Vereins 



Kommission, partielle Rohbauabnahmen anf Antrag des Bau- 
herrn zuzulassen. 

Schliesslich müssen wir den in vielen Beziehungen sehr 
beherzigenswerthen Ausführungen der Schornsteinfeger 
noch eine Aufmerksamkeit schenken. Sie verlangen, dass 
„jeder Steige-, resp. Leinschornstein da, wo er angelegt ist. 
eine separate luftdichte Reinigungsthür habe; dieselbe dürfe 
sich aber nicht in Miethsräumen oder Wirthschaftskelleru, 
sondern ausschliesslich nur auf Fluren !>efiuden. Danach 
könnte vou dem Kellergeschoss nur die Strassenfront zu 
Wohnungen, die andern Kellerrfinme müssten, wie auch ganz 
riehtig, nur zu Wirthschaftskellern benutzt werden.* Die 
Reinigung sämmtlicher Leinschomsteine soll nur vom Dach 
aus geschehen mittels Anlage von Laufbrettern, die ander- 
wärts bereits ganz allgemein im Gebrauch seien; Kappen 
sowie Rauchaufsätze ieder Art bähen uur für den Verfertiger 
Nutzen, für «las Publikum lediglich Schaden und Unannehm- 
lichkeiten. Bei Neubauten sollen möglichst gleich Reserve- 
schornsleine angelegt werden, da bei späteren Umbauten die 
vorhandene Zahl oft nicht ausreicht. 

Wenn hiergegen wenig einzuwenden ist, so geben doch 
die Schornsteinfeger noch ein erkleckliches Stück weiter und 
versteigen sich zu einer zwangsweise vorgeschriebenen sozia- 
listischen Glückseligkeits-Theorie, die mit dein ultraverkehrs- 
frcihcitlichcn Standpunkt der Maurer- und Zimmermeister 
in einem höchst bemerkenswerten Gegensatz« steht. So 
.sollen die Hinge der Kochiuaschiueu in ganz Berlin vou 
gleichem Muasse sein," die .Heizkraft der Kachelöfen soll 
Seitens der Töpfer schriftlich garanlirt* werden, .die neu« 
Bauordnung inüsstc diese vorteilhaften Feuerungsaulageu 
(d. h. sog. Sparöfen in den Zimmern, die von der Koch- 
maschine mit geheizt werden) zur unbedingten Vorschrift (!) 
machen.- Demi .zwischen dem, der einen Wald vorsätzlich 
anzündet und denjenigen, welche es verschulden, dass all- 
jährlich die Hälfte von den zu verbrauchenden Brennstoffen 
zwecklos vergeudet wird, ist wenig Unterschied.* „Wer 
daher allen dem, was in Betreff der Brennstoff-Ersparnis» 
hier empfohlen ist, anstatt es zu befördern entgegenwirkt, 
der mag sein was er will — ein Menschenfreund ist er aber 
sicher nicht." — Wir können auch den Architekten und 
Bauhandwerkern nur empfehlen, das Prädikat .Menschen- 
freund" und damit das Wohlwollen der Schornsteinfeger 
Berlins uuter allen Umständen zn verdienen. 

Dr. Ernst Bruch. 



Das Projekt der St UUnard-Baha. 



Wohl kein anderes Eisenbahn-Unternehmen zieht iu gleicher 
Weise die Aufmerksamkeit des Bau-Ingenieurs auf sich, als das 
Gotthard-Projekt, es wird daher auch für die Leser diese» Blat- 
tes nicht unerwünscht sein, darüber einige näher« Angaben in 
dem Folgenden zu finden. Dieselben beruhen tbuils auf den 
Mittheilungen der Denkschrift des Bundeskanzler-Amte» an den 
Norddeutschen Reichstags d. d. 16. Mai 1870, tbeils sind dieselben 
einem längeren Aufsätze in dem „Bulletino del Club Alpiuu di 
Torino 18b2" entnommen, einige Angaben endlich beruhen auf 
privaten Mitteilungen. 

Nachdem lange Zeit Uncntschlosscuheit in allen botheiligteu 
Kreisen geherrscht hatte, welcher Punkt zur Durchbrechung der 
Alpcnkette gewählt werden sollte, und die Meinungen zwischen 
allen bekannten Alpennässen geschwankt hatten, bot die be- 
stimmt« Erklärung Italiens und Norddeutschlauds, nur dem 
St- Gottard-Proiekt die erforderliche Subvention zu gewähren, 
dem Schweitzer Bundesrath die Gelegenheit, nun cbcufalls seinen 
Einfluss für Rcaluirung dieses Planes in die Wagschaalc zu 
werfen. Im Auftrage des Gotthard-Komites waren schon seiner 
Zeit durch die badischen Ingenieure Beck und Gerwig detail- 
lirte Untersuchungen angestellt und dann verschiedene Rich- 
tungslinien für den Tunnel ermittelt worden. Diu erste Trace, 
welche dem Projekt nunmehr zur Grundlage dient, tritt mit 
1110« Seehöhe Vi dem Orte Gttscbonen in den Tunnel ein. 
Dieser selbst wird 14800" laug, steigt in seinem höhsteu Punkte 
auf 1162,5— SU. und endigt bei Airolu mit einer Seehöhe von 
i IVi ". Die gegenwärtig« Strasse zwischen Gö»chenen und 
Airolo über den Gotthard pas* hat ein« Länge von 34 K -. Bei 
diesem Projekt ist es möglich, einen Schacht auf 3500- Ent- 
fernung vom Nordende bei Andermatt abzuteufen, doch würde 
derselbe allerdings ca. 300- tief werden müssen. 

Gleich« Richtung, nur abweichende Höhenlage, hat ein neuer- 
dings In Anregung gebrachtes Projekt Die nördliche Mündung 
bei Göchencn bleibt in derselben Höhe von 1110" über dem 
Meere, dann steigt aber der Tunnel mit 1 : 150 bis auf 1137« Sil., 
um dann mit Gefälle vou 1 : 1000 den südlichen Ausgangspunkt 
bei Airolo mit 1130« SU. zu erreichen. Die Gesaramtlängu 
dieses Projektes ist 14900- , mithin 100- grösser als das zuerst 
erwähnte. 

Diu Gesteine, welche in dieser Richtung zu durchfahren 
wärcu, sind auf etwa 2000- vom Nordend« ein iu Gneis über- 



gehender Granit von bedeutender Härte. Namentlich der Granit 
ist von sehr feinem Koru und gross« Feldspatbkrvstalle ein- 
scbliesseud. er scheint dem im Riesengebirge bei Schreinerhau ein- 
zeln anstehenden sehr ähnlich zu sein. Im südlichen Theile 
schliesst sich au diese Formation ein sehr harter quarzreicher 
Glimmerschiefer iu für den Bau günstigen, steil aufgerichteten 
Schiebten, auf eine Läng« von ca. 12Ü0O- an. Dca ltust der 
zu durchbrechenden Gesteine bilden einzelne Kalk- und Seruiu- 
schichten, sowie eine alte Schieferformation. Diese säuiuitlichen 
Schichten treten nur im nördlichen Theile auf und dürften na- 
mentlich die steil aufgerichteten Kalkachichten in e«u?r Länge von 
ca. 2000- dem Wasser den Zutritt gestatten und sowohl eine starke 
Auszimmerung als auch spätcro Wölbung nothwendig machen. 
Im Allgemeinen sind- die Gesteine härter als am Mont-Cenis, 
natürlich mit Ausnahm« der bekannten (Juarzscbicht bei diesem. 

Die zweite Konkurrenz-Linie liegt etwa» mehr westlich und 
bildet eine nach Westen konvexe Kurve. Sie liegt gerade unter 
dem St. Gotthard und ist 570- länger. Alles 
um sie dem ersten Projekt weit nachzustellen. 

Die dritte Linie eudlich ist zwar nur 10680- lang, jedoch 
durch ihre grössere Seehöhe von 1350'* und 1470"', namentlich 
an ihrem nördlichen Eude schwer zugänglich. 

Der Kostenanschlag des ersten Projektes für 14,8 K - soll nebst 
Ausmauerung 14% Milliouen Thlr. betragen, derjenige des er- 
wähnten neuesten Projekts für 14,'J Km lC'/i Mill. Thlr., wobei 
die Kosten für zweigeleisigeu Oberbau niiteiugcrechuet sind. 
Der laufend« Meter würde also ad l rot. !»63 Thlr., ad 2 rut. 
1008 Thlr. kosten. Grattoui, bekanntlich Ingenieur beim Bau 
des Mont-Cenis -Tunnels, hat di« Uebemahme der Ausbruchs- 
und Wölbungsarbeiten für 4500 Fr. (1200 Thlr.) pro Meter uffc- 
rirt, während die Kosten des Mout-Ccuis- Tunnels anfänglich 
5500 Fr. (1167 Thlr.) pro Meter betrugen, nach und nach aber 
durch Verbesserung der Maschinen etc. auf 4650 Fr. (1240 Thlr.) 
herabsanken. Das Komite glaubt mit 4000 F'r. (1067 Thlr.) 
das laufend« Meter herstellen zu können, ja diese Summe noch 
nicht zu bedürfen, wobei allerdings darauf gerechnet ist, dass 
nur etwa ein Drittel des ganzen Tunnels ausgemauert wer- 
den darf. 

Für die anschliessenden Strecken ist eine Maximal-Steigung 
xon 1 : 40 und ein Minimal-Radius der Kurven von 300- ange- 
nommen worden, nur auf der Strecke zwischen Biasca nnd La- 



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— 36 — 



vorgo «oll eine Steigung von 1 : 86 zulässig sein. Die angenom- 
mene Raazeit der einzelnen, da« ganze Unternehmen zusammen- 
setzenden Linien ist folgende: Bianca Belliuzona20K»\ Bellinzona- 
Piuo 25 K n», Zweigbahn nach Locarno 8 K », Lugano-Cbiazzo 25Km 
in 3 Jahren, Luzern-Küssnacht-Goldau und Zug-Adrian-Goldau 
23 K " in 2*i Jahren, Goldau-Brunnen-Flüelen-G<kschenen 49 K «>, 
Airolo-Biasca 39 K » und Bellinzona-Lugano 29 K » in , Jahrru. 
Der Tunnel selbst eoII bekanntlich in 9 Jahren fertig gestellt 
sein- Sänimtlichc Linien mit Ausnahme der Hauptstrecke 
Flüelen-Goschenen-Airolo-Biasca, welche zweigeleisig hergestellt 
werden soll, sind eingeleisig auszuführen beabsichtigt. 

Die Tarife für den Personen-Verkehr sind annähernd die- 
selben, wie die der deutschen Schnell- und Kurierzüge, jedoch 
mit einer Ermässigung von 33'/, pCt. für die Strecken mit Stei- 
gungen von weniger als 1:66. Im Speziellen sollen die Preise 
die nachstehenden sein. 

Für die Schweizermeile ä 4800»: I. Klasse in schwacher Stei- 
gung 50 Cts., in starker Steigung 75 Cta.; II. Klasse 35 resp. 
53 Cts.; DL Klasse 25 resp. 38 CU. 



Für die Moilu a 7,5*'»: I. Kl. 78 resp. 117 Ct«. (0,24 resp. 9.36 
Groschen): II. Kl. 55 resp. Kl Cts. (4,4 resp. 6,6 Groschen); 
Iii. Klasse 30 resp. 5'.» Cts. (3,12 resp. 4,6* Groschen). 
Für das Kilometer: I Klasse 10,4 rwp. 16,6 Cts.; II. Klasse 3,3 
resp. 11,0 Cts.; III. Klasse 5,2 resp. 7,8 Cts. 
Da in jüngster Zeit auch das Projekt der Splügeubahn auf 
die Tagesordnung gesetzt worden ist, so mögen auch hierüber 
einige Worte folgen. 

Die italienischen Iugcuirurc Vannotti, Finardi und Antouiui 
haben für dieses Projekt zwei Linien ermittelt, welche zwar den- 
selben Ausgang im Hinter- Kheiuthal haben, von denen jedoch 
diu eine unter dem Surettahorn nach lsola in einer Lange von 
14150"» und einer Seehöhe von 1250«» führt und fast Kauz im 
Gneis und Granit liegt, wahrend die andere unter dem Passe 
seihst nach dem Lirothal geht, nur yitOO"» lang ist, dafür aber 
eine Seehöhe von 14'JO"» bis 1607™ erreicht. Das von dieser 
Linie zu durchbrechende Gestein ist fast ausschliesslich ein 
stark zerklüfteter Kalk. 

E. F. 



Wiederum eine gerichtliche Entscheidung über Bonnrar für architekfoaKrhe Arbeiten. 



Unser« Leser werden sich des interessanten, für die. Stellung 
des Faches jedoch beschätnouden Falles einer gerichtlichen 
Entscheidung über architektonisches Honorar erinnern, den wir 
in No. 18, Jahrg. 1871 d. Bl. mittheilten. Wir sind leider noch 
nicht in der Lage, über den Ausgang der Appellation berichten 
zu können, haben hingegen in diesen Tagen von einer anderen, 
wohl auch für jenen Fall Hoffnung erweckenden Entscheidung 
Kenntniss erhalten, welche die Appcllations-Iustauz, das Köuig- 
licbe Kammergericht zu Berlin, in einem ähnlichen Prozesse 
gefallt hat 

Der Thatbestand ist in Kürze folgender: Der Baumeister 
Seh. zu Berlin hat für den Bäckermeister B. im Jahre ISC9 ein 
vollständiges Projekt zu eiuem städtischen Wohnhaus« nebst 
Spezialknstenanscblag angefertigt und dafür, da ihm der Bau 
selbst nicht übertragen wurde, ein Honorar von 1000 Thlr- be- 
ansprucht. Der Bauherr hat die Angemessenheit dieser For- 
derung bestritten uud es zur Klage kommen lassen. Der Prwzess 
ist in erster Instanz, beim Kgl. Stadtgerichte zu Berlin, für den 
Klager ungünstig verlaufen. Seine Behauptung, dass der Ver- 
klagte jene, von ihm unter Mittheilung der , Nonnen des Archi- 
tekten Vereins" im Voraus als Minimalpreis bezeichnete Summe 
genehmigt habe, ist von diesem eidlich in Abrede gestellt wor- 
den. Der gerichtliche Sachverständige Herr Baurath Sch. hat 
die ihm vorgelegte Arbeit, bei welcher indess dio gleichfalls 
gelieferten Zeichnungen und Berechnungen der Eisenkonstruk- 
tionen fehlten, nach Arbeitstagen abgeschätzt und für diese einen 
Satz von 2 Thlr. angenommen; unter Hinzufügung eines Auf- 
schlages von 20*/a für architektonische Erfindung (wohl aus- 
schliesslich für Anfertigung der Zeichnungen) hat er hiernach 
ein Honorar von 424 Thlr. 9 Sgr. als augemessen bezeichnet. 
Der Gerichtshof bat hiervon jedoch noch jenen Zuschlag im Be- 
trage von 32 Thlr. 24 Sgr. gestrichen, weil der Kläger nur für 
das entworfene Projekt und den angefertigten Spozial-Anscblag 
eine Vergütigung beanspruchen darf, nicht aber für .die archi- 
tektonischen Arbeiten," deren Bestellung der Verklagte 
eidlich bestritten hat. 

In Folge der Appellation des Klägers hat das Kgl. Kamroer- 
goricht eine neue Beweisaufnahme ungeordnet und als Sachver- 
ständige den Professor Herrn G. und den Baumeister Herrn 
Z. vernommen. Wie das Erkenntnis* resutnirt, fussen dio 
Gutachten beider „auf derselben thatsächlicheu Grundlage, näm- 
lich auf der Annahme eines usancemässigen Prozentsatzes 

J_ I V. I ~ .1- ■ .vi; 1 ;_ L i _ 



der AnschlaBssumme für die Arbeiten einschliesslich der Erfin- 
dung resp. Oer Vorarbeiten." Das erste erklärt, unter Annahme 
einer Anschlagssumme von 36100 Thlrn. und eines Prozent- 
satzes von 2,6 % als des allgemein üblichen, ein Honorar von 
936 Thlr. für angemessen; das zweite ermittelt die eigentliche 
Anscblagssumme zu pp. 40000 Thlr., nimmt jedoch nur einen 
SaU von 1,99 reep. 1,55 + 0,6 Prozent an und ist so auf eine 



Summe von 835 Thlr. gelangt. Der Gerichtshof hat das letztere 
Gutachten des Baumeisters Z., welches in Betreff de r Höhe des 
Prozentsatzes ausdrücklich auf dio „Nonn des Architekten-Ver- 
eins" Belüg nimmt, „wegen seiner speziellen Begründung und 
der Klelitlgkcit der Oi'lindlngcir bevorzugt und ilauadi er- 
kannt, indem er sowohl das Sachverständigen-Gutachten erster 
inbtanz. wie das Bedenken wegen der nicht bestellten arekitek- 
touischeu Arbeitet! als beseitigt erklärte. 

Mau mag in den Kreisen der Preußischen Architekten über 
dieses Resultat und die in dem Erkenntnisse enthaltene aus- 
drückliche Anerkennung der Hamburger Norm) die nach erfolgter 
Annahme durch den Verband fortan wohl am passendsten als 
.Norm des Verbandes etc.* bezeichnet werdm möchte) immer- 
hin erfreut sein uud wird sich für die nächste Zukunft gewiss 
nicht ohne Erfolg auf diesen wichtigen Präzedenzfall stützen 
können. Aber eben so unerfreulich ist der Einblick, den dieser 
l'rozess wieder einmal in das gerichtliche Verfahren bei solchen 
Angelegenheiten gewährt hat, und ein zutreffenderes Beweisstück 
für die Notwendigkeit technischer Spezialgerichte mit sachver- 
ständigen Mitgliedern dürfte so leicht nicht gefunden werden. 

Welches Verständuiss für nicht einmal spezitisch technische, 
sondern nur für ausserhalb des eugsteu Kreises juristischen 
Denkens liegende Fragen hat der in erster Instanz fungireude 
Gerichtshof gezeigt, als er die klassische Unterscheidung zwischen 
der Anfertigung eines vollständigen Projekts mit Suezial-Kosteu- 
ansehlag und der Anfertigung der -architektonischen Arbeiten" 
zu oiuum Neubau ermittelte und feststellte, doss zu den letz- 
teren ein ausdrücklicher Auftrag erfolgen müsse. Und liegt 
nicht in der Möglichkeit so weitgehender Irrthümer, in der 
Thatsache, das» iicchtssprüchc bei solcher Unklarheit über die 
zu entscheidende Sache erfolgen können, in dem Zufalle, der 
über derartigen Erkenntnissen, je nach Zusammensetzung des 
Gerichtshofes und je nach dem individuellen Ermessen der von 
ihm gehörten Sachverständigen waltet, ein Zustand der Rechts- 
pflego vor, den man in unserer Zeit wahrlich nicht für möglich 
halten sollte! 

Wie sehr übrigens dieses individuelle Ermessen noch hei 
einer und derselben sachverständigen Persönlichkeit .Schwan- 
kungen uuterworfeii ist, sind wir gerade iu dem besprochenen 
Falle im Stande zu beweisen Es liegt uns nämlich Abschrift 
eines Gutachtens vor, welches der Sachverständige erster lustauz. 



Herr Baurath Sch., der die Ante 



Anfertigung des Projektes und 
Kostenanschlages diesmal als eiue Tagearbeit abschätzte, iu einem 
älteren Prozesse über architektonisches Honorar, am 16. März 
1868, abgegeben hat. Es ist vou ihm damals, also ein Jahr bevor 
die in Hamburg beschlossene „Norm* publizirt wurde, eiue 
Berechnung uueb Prozenten der Bausumuie zur Bestimmung des 
architektonischen Uouorars für angemessen befunden uud au^e- 



Mittheilungen aus Vereinen. 



P. 



Die Generalversammlung des Brandenburglaohen Bau- 
ge werken -Vereins und des Vereins Baubude, sowie die Dele- 
nrten- Versammlung sämmtlicher Baugewcrkcn-Vcrcinn Deutsch- 
end* wird, nach einer Bekanntmachung des Vorstandes iu der 
Baugewerks-Zcitung, am 18- 19. uud 20. Februar d. J. zu Ber- 
lin stattfinden. Wir erfahreu aus einem Artikel derselben Zei- 
tung mit Bedauern, dass die am II. Dez. 1870 beschlossene 
Gründung eines Verbandes dieser Vereine, die auch wir mit 
bester Hoffnung begrüssten, bis jetzt noch nicht ins fak- 
tische Leben getreten ist. Man schreibt dies der mangel- 
haften Organisation des Verbandes und dem Fehlen eines 
Statuts zu und hofft dies gegenwärtig durch Schaffung eines 
solchen verbessern zu können; gleichzeitig will man ein ein- 
heitliches Reglement -für die Prüfungen aufstellen, denen der- 
jenige sich unterziehen soll, welcher in einen Baugewerkenvcr- 
eiu aufgenommen werden will, ohne die früher vorgeschriebene 
Meisterprüfung bestanden zu haben. Von welchem Erfulge 
- lein wird, muss abgewartet werden; es will uns fast bc- 
dass diejenigen Elemente desBaugewcrkauieisterstandes, 
>en und im Interesse der Sache ihre 
und den stetigen Fortschritt des 



gesetzt halfen, bei der grossen Masse ihrer Berufsgenosscu so 
wenig thätige Theilnalime rinden, dass ihnen dieses uneigen- 
nützige Streben bald verleidet sein wird und ihre Kräfte erlah- 
nieu müssen. Es könnte, dies nicht lebhaft genug bedauert werden. 



Die General -Versammlung des deutschen Vereins für 
Fabrikation von Ziegeln, Thonwaaren, Kalk und Zement 

fand am 25.. 26. und 27. Januar d. J. in den Bäumen der poly- 
technischen Gesellschaft zu Berlin unter sehr reger Betheiligung 
statt. Von den 300 Mitgliedern des Vereins war etwa die 
kleinem Hälfte anwesend, ausserdem 50 bis 60 Gäste erschienen. 
Erster Tag. 

Der Vorsitzende gedachte zunächst des grossen Verlustes, 
den der Verein durch den Tod seines früheren Sekretärs uud 
Redakteurs des Notizblattes, Hrn. Tü rrscb miedt, erlitten, und 
forderte zu Beiträgen für den Türrsihmiedt-Fouds auf. welcher 
einem Schüler des hiesigen Gewerbemuseums ein Stipendium 
für das Studium der Kuusttöpferci gewähren soll. Eiu Theil 



der zusanmiengestcuerteu Summe soll zur Errichtung eines 
Denksteins auf dem Grabe des Verewigten verwendet werden. 



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- 37 - 



^RBEITEI^-'y^OHNUNQEM 
auf dem Groülieriogl. OeAfithofe RubeutteUfJeldJti ei Schwerin. 




An Stelle des Hrn. Türrschmiedt wurde Hr. Hr. Seger, 
<lcr z. Z das Amt des Sekretärs und Redakteur* interimistisch 
verwaltet, einstimmig gewählt nnd darauf die Herren Dr. Bi- 
schof In Wiesbaden, Hr. Dürr« in Aneben und Dr. Richters 
in Waldenburg in Sehl, zu Klircumitglicderu ernannt. 

Aua der nun folgenden Diskussion tat Nachstehendes vor- 
zugsweise zu registriren: 

Die Brosowskv'selie Tnrf-deehmaschine ist für die Thou- 
fürderung unter Wasser gänzlich unbrauchbar, «eil sie nicht in 
den Thon eindringt, nach der Ansicht der Fabrikanten selbst 
auch dann, weuu nie. bedeutend starker konstruirt würde. 

Für die Thonfürderung bei Front wetter wurde empfohlen, 
die zunächst abzustechende Thon flache um Abend vor der Wer- 
bung mit frischem Pfeidedünger i Fuss hoch zu bedecken. Im 
Herbst bandhoch aufgebrachte Fichtennadela schützen den Thon- 
boden vor dem Eindringen des Frostes, können aber kein Auf- 
thaueu bewirken, wie dies beim l'fenledünger der Fall ist. 

Für die künstliche Trocknung von Ziegelwaarc ist uls Ilaunt- 
sache zu bezeichnen, da.« aussei- der nftthigen Würm» für Zu- 
führung trockener und die Abführung der feuchten Luft, also 



für gute Ventilation gesorgt wird. Zu diesem Gegenstand wur- 
den eine Menge von 'iWkcneiuriehtungcn beschrieben und durch 
Skizzen criHutert. 

_ Für die Herstellung von dauerhafter Glasur auf Ziegel- 
steinen wurden verschiedene Verfahren mitgetbeilt: den Schieber 
im Kingofeti schützt man am Itestcn durch Anstrich mit Stein 
kohlcutheer liegen Host, auch hat es sich bewahrt, denselben zu 
versinken. TbonrOhren sind nur gut zu brennen, wenn sie 
zwischen gewöhnlichen Steinen eingesetzt werden. 

Hr. Dr. Lessing führte in einem allgemein fesselnden Vor- 
trage die Ansieht aus. dass die Thnnwaarcu - lndrust ie, welche 
das vorzüglichste Feld für ihre Eutwiekclung in der M T ark Bran- 
denburg. In specin in Berlin habe, von der bisher beliebten 
I Farbloalgkeit wieder zur Anwendung bunter Ornamente Aber» 
geben müsse. Der Redner legte eine reiche Auswahl von Pro- 
ben ans Frankreich, England u. e. w. sowohl neueren als älteren 
; Ursprungs vor und wies dabei nach, dasa* unsere vorzüglichsten 
j Fabriken zwar sehr glatte und sauber hergestellte Stücke lie- 
[ fem, aber nicht entfernt die Wirkung älterer Proben in Besag 
I auf vollgcsfittigte Farben erreichen. ^Er glaubt die Zeit gekouf 



Anstrengungen in dieser Richtung . 
mal die namhaftesten Architekten der Neuzeit dies« Bestre- 
bungen unterstützten. 

Zweiter Tag. 
Die Frage, welche Ziegelpresse und Forniniaschine eich als 
die beste bewahrt habe, blieb ungelöst, da eine l'nivcrsalZieeel- 
maschiue wegen der verachiedeuartigeu Beschaffenheit der Zie- 
gelerdo nicht möglich ist, von den besseren Ziegelpressen aber 
jede ihre Vorzüge für gewisse Verhältnisse hat. 

Die bis jetzt «■■machten wenigen Erfahrungen über Transport 
uuf Scil-Eiseubahuen sind durchaus befriedigend, wenn auch an 
allen Orten, wo dieselben bis jetzt exiatirtcu, viel Zeit und Geld 
auf Versuche hat verwendet werden müssen. Herr Baumeister 
Lämmerhirt referirte über das Historische der schwebenden 
Kiscubuhucu, in specie der Seileisenbahnen und legte der Ver- 
sammlung u. A. ein System einer Doppelbahn mit Zugseilbe- 
wegung und eine Kombination des v. Dücker'schen Systems mit 
dem v. Prittwitz'schen vor, welches die Anbringung von Drch- 
m und Weichen ermöglicht. Das Ganze wurde, durch ein 
«ehr v 



Ein Anstrich von Wasserglas auf Ziegelsteiucn vor dem 
unen giebt im Allgemeinen der OberHäche eine dunklere 
Färbung; ausserdem wird Wasserglas als Bindemittel für Far- 
beuzusatz verweudet, doch ohne guten Erfolg. 

Die grünen oder schwarzen Anflüge auf hellfarbigen Steinen 
wcrd?n als Vegetationen, Flechten, Algen charakterisirt. Für 
Entfernung derselben von Fanden wird ein jährlieh zu wieder- 
holender Anstrich derselbeu mit einer Aulbisuug vou Schwefel- 
calcium empfohlen. 

Hebevorrichtungen zur Förderung von Thonen, Kalkstein etc. 
müssen sich durchaus nach den örtlichen Verhältnissen richten. 

Das Ofensvstem von Benno Schneider soll sich uicht be- 
sonders vortheilhaft gezeigt haben; über Ausführungen von Paul 
Loeff wussle Niemand etwas anzugeben. 

Die Benutzung von Wicseiikalk zum 'Brennen von Kalk 
wird nur bei grosser Reinheit desselben und an solchen Orten, 
wo Kalkstein schwer zu Iteziehen ist, empfohlen. 

Nach Schluss der Verhandlungen vereinigte ein Festmahl 
in denselben Räumen einen grossen Theil der Anwesenden bis 
zum Abend. 

(StlilUM fuIdU.) 

Architekten-Verein zu Berlin. Versammlung am 27. Ja- 
nuar 1872; Vorsitzender Hr. Höckmann. Anwesend 20. r > Mit- 
glieder und 13 Gaste. 

Nach Vorstellung der zahlreichen, zur Aufnahme sich mel- 
denden Fachgeuosseu und nach einem Bericht des Vorsitzenden 
über die seit letzter Sitzung eingegangenen Zusendungen sprach 
Hr. Lucac über sein von ihm ausgestelltes Projekt zum Neu- 
bau des Stadttheaters in Frankfurt a. M. 

Bekanntlich entstammt dieses Projekt einer beschrankten 
Konkurrenz, deren Verlauf wir erBt vor Kurzem (in No. 2 u. Bl) 
nachträglich zu besprechen Veranlassung nahmen. Da der Ver- 
fasser jedoch erst nach Entscheidung der Konkurrenz Gelegen- 
heit hatte, mit den speziellen Wünschen und Gewohnheiten des 
ziemlich ständigen frankfurter Thcaterpuhlikunis vertraut zu 
werden, so hat die innere Disposition seitdem eine wesentliche 
Umarbeitung erfahren. Mittlerweile hat auch die Platzfragc eine 
neue Entwickelung genommen und wird beabsichtigt, die anfäng- 
lich bestimmte Baustelle hinter dem alten Theater aufzugeben 
und eventuell für eine neue Börse zu verweudeu, das neue 
Theater hingegen am Westend der Stadt, auf einem am Anfange 
der Bockcuheimer Allee belegenen freien Platze zu errichten. 
Neben dem Gewinne, der aus dieser Lage für die äussere Er- 
scheinung des Gebäudes sich ergebeu würde, spricht für die 
Wahl auch die Nachbarschaft der beliebtesten, aristokratischen 
Wohnquartiere; ebenso fällt der Gewinn einer Börsen-Baustelle, 
wiu siu passender nicht leicht gefunden werden kann, und die 
Möglichkeit, das alte, von von der Launitz sehr zierlich restau- 
rirte Theater zu erhalten, immerhin ins Gewicht. 

Diu Grundform des Gebäudes zeigt ein Oblong von etwa 
50"" Breite und SO" Länge, wobei in der Breite die beiden auf 
jeder Seitenfrout vorspringenden Bautheile mitgerechnet sind, 
während in der Länge das kräftige Risalit, welches die Haupt- 
front gliedert, und die davoriiegeude Vorfuhr tshallc noch hinzu- 
treten. Aus den Dachflächen dieses zweistöckigen, in gleicher 
Gesimshöhe abschliessenden Unterbaus ragen bis zu ziemlich 
bedeutender Höhe der Zuschauerraum und die Bühne, welche 
zu einer zweiten langgestreckten Baugruppe vereinigt sind, 
empor — der Zuschauerraum nach der Vorderfront gekehrt und 
den uuverhüllten Halbkreis zeigend, die Bühne nach der Hinter- 
front mit einem mächtigen Giebeldreieck gekrönt. 

Der Vortragende hat bei dieser Grundform für das Aeusscro 
die für das Theater so charakteristische Erscheinung des Rund- 
baues, für das Innere hingegen eine rechtwinklige Gestaltung der 
Foyers und Vorplätze zu erlangen gesucht; die Vermitteluug der 
Gundform des Zuschauerraumes mit deu ihn rechtwinklig um- 
gebenden Mauern ist im Innern dadurch erreicht, dass die 
beiden durch diu äussere Korridorlinie abgeschnittenen Zwickel 
des Quadrats zum Korridore hinzugezogen sind und nur durch 
eine leichte Säulenstellung von ihm getrennt erscheinen. 

Eine genaue und vollständige Schilderung vou der E 
lung des Gebäudes zu liefern, würde ohne Mittheilung 
Skizze ebenso undankbar sein, wie über das Maa^s dessen, was 
der Vortragende selbst gegeben, hinausgehen; wir beschränken 
uns dahur auf eine kurze Charakterisirung der wesentlichsten 



und für den Entwurf charakteristischen Momente, dio in Betreff 
der Anordnuug des Zuschauerraumes, sowie der Treppen und 
Netienräume zu demselben hervorzuheben sind. Wie schou er- 
wähut, inusätc hierbei iu ganz besonderer Art auf die lokalen 
Traditionen und Verhältnisse Rücksicht genommen werden. 

Der Zuschauerraum wird etwa 1«0Ö Personen fassen und 
besteht ausser dem Parquet und deu Parquetlogen, welche jedoch 
so bedeutend erhöht sind, dass die dort Sitzeudeu auf allen 
Plätzen über die Köpfe der stehenden Parquelbesucher hinweg- 
sehen können, aus 3 oberen Rängen von je 3,5"> Höhe. Ein 
vierter Rang ist (wie im Berliner Wallnertheater) als eine omphl- 
theatralisch ansteigende Fortsetzung des dritten Ranges angeord- 
net Die beiden untersten Ränge (Parquetlogen und erster Rang) 
werden iu 50 Logen abgetheilt, über welche bereits vor Einleitung 
der Konkurrenz disponirt war, da für die Anwartschaft auf diese 
(später jedoch noch zu bezahlenden Logen) .'»0 Bürger Frank- 
furts je 10,000 fl. zum Baukapitale beigesteuert haben: ebenso 
ist vorausgesehen, das späterhin auch fast alle Plätze des gleich- 
falls in Logen eingetheilten zweiten Ranges bald in feste Hände 
gelangen werden. Gewünscht wurden ausserdem uoch besonders 
breite" und tiefe Proszeniumslogeu. unter denen die eine für den 
Herzog von Nassau, eine andere als Loge für distinguirte tremde 
reservirt werden soll. Die Dimensionen des Raumes haben sich 
bei einer Bübueni.ffnung von 14,5» demnach ziemlich bedeutend, 
auf 21™ lichten Durchmesser im Parquet ergeben, wobei die 
Bilkone der Logen auf 2 Sitzreihen um l.ti» vorgekragt sind. 
In der Architektur des Inneuraumes hat der \ erfasser des 1 rojcktii 
versucht, die bei den meisten Theatern so störende Ncbeneman- 
dei»tellung verschiedener Maasstäbe zu vermeiden, indem er 
gro«>e und streng architektonische Motive nur bei der Ein- 
rahmung der Proszeuiumsöffnung (ein Korbbogen auf korin- 
tischen Säulen; und iu der Deckcnthciluug angewendet bat 
wahrend die I>ogeutheilung der Ränge als eiue Reihe von freier 
gebildeten Rahmen gedacht ist. j_ m 

Für die Anordnung der zum Zuschauerraum führenden fciu- 
L-äuge und Treppen machten die vorerwähnten Verhältnisse 
gleichfalls ihren Rinfluss geltend. Es wurde nicht allein auf die 
Anlage eiuer monumentalen Prachttreppo grosses Gewicht gelegt, 
sondern es war direkt nöthig, dieselbe bis zur Höhe des zweiten 
Ranges emporzuführen; auch war ausserdem auf möglichste Be- 
quemlichkeit der Zugäuge Rücksicht zu nehmen. Selbstverständ- 
lich war ferner im Interesse der Sicherheit für eine möglichst 
grosse Zahl verschiedener Ausgänge zu sorgen. , 

Mit Ausnahme je zweier kleinerer Treppen, die auf jeder 
Seite einerseits eineu direkten Zugang für die cximirten Be- 
sucher der Proszeniumslogeu gewähren, andererseits die Besitzer 
der der Bühne zunächst liegendeu Logen auf kürzestem Wege 
in dieselben führen, sind die Zugänge und Treppen zum Zu- 
schauerraum in dem die Hauptfront bildenden, zu den Seiten 
vorspriugenden selbstständigen Bautheile vereinigt- In den 
Seitcu liegen zwischen 2 Zu- resp. Ausgängen iu quadratischen 
Treppenhäusern dio Treppen zum dritten Rauge resp. zur Ual- 
lerie, im luucrn hinter einem langgestrekten Vestibül die 
grosse Prachttreppe, aus zwei geraden Armen mit je zwei Läu- 
fen von 3 5»» Breite bestehend- Die Anordnung derselben ist 
in höchst ' einfacher, aber geschickter Weise so getroffen, dass 
der Zugang vou ihr zu den einzelnen Rängen abwechselnd von dem 
grossen Mittel podest oder von den beiden Seitenpodesten ertolgt, 
wodurch sehr stattliche Höheuvcrhältuisse gewonnen worden 
sind. Ins Parquet mündet das Mittclpodest. zu den Parnuet- 
lo-eu führen die Seitenpodeäte; zum ersten Rang und auf der 
anderen Seite nach dem au der Vorderfront über dem > estibul lie- 
genden ca. 34 ra und 7.25«' grossen Foyer gelaugt man wieder 
aus der Mitte, zum zweiten Range von der Seite von dem 
einen dieser letzten Podeste führt eine Thür auf die für den 
dritten Rang bestimmte Treppe. Die Decke des grossen Irep- 
peuhauses liegt gleich hoch mit der des i dritten Ranges und 
wird es sowohl für den Anblick aus dem Treppeuhause wie von 
den Korridoren der 3 obersten Räuge einen grossen Reu ge- 
währen dass die Wand zwischen ihnen fast vollständig durch- 
brochen ist. Als Eingänge für die kommeuden Theaterbesucher 
sollen übrigens ausser den für die zunächst erwähnten '1 reppen 
nur zwei — der eine für Gäste mit, der andere für solche ohne 
Billets — benutzt werdeu. und zwar die in der ersten Axn der 
Seitenfronten gelegenen. Der Ausginge können 15 geöffnet 
werden, von denen 3 für Wagenbesitzer, 12 für russgänger be- 
stimmt sind. . , 

Die übrigen Räume des Theaters erheischen keine besondere 
Erwähnung: dieselben sind jedoch so angeordnet, dass die be- 
deutenderen (Probesäle etc.) in den Hauptaxen der Konten 
liegen und dadurch grosse monumentale. Motive für die racadeu- 
bildung gewonnen werdeu konnten. Die letztere ist in den 
hellenischen Formen der Berliner Schule, jedoch iu einer freieren 
der Renaissance genäherten Auffassung erfolgt und hat das 
günstige Urtheil der Preisrichter wie des entscheidenden frank- 
furter Baukoinitcs in erster Linie beeinflusst, da, wie erwähnt, 
die innere Disposition des Entwurfes Iwdeutciulen Abänderun- 
gen unterzogen werdt •u musste. Die Ausführung wird voraus- 
sichtlich in dem zu Frankfurt üblichen, für die architektonische 
Wirkung allerdings uicht sehr vortheilhaften, weil zu dunklen 
Sandsteinmatcrial, geschehen. 

Mit einem Dank an den Vortragenden verband der Vor- 
sitzende die Bitte an deu Verein, dass dieses Beispiel einer 
Vorlage bedeutender, in Ausführung begriffener Projekte zu 
einer allgemeineren Sitze werden möge. Ueber die günstigste 
Stellung des Theators in der neuen Situation, uebeu welchem 



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— 39 — 



noch ein Dekorationsmagazin und ein Kaffeehaus errichtet werden 
»ollen, entspann «ich auf Wunsch des Vortragenden noch eine 
kleine Diskussion, au welcher die Hrn. Ende und Orth »ich 
bctheiligten. 

Die vorgerückte Zeit gestattete von den auf der Tagesord- 
nung stehenden Angelegenheiten nur noch diu Wahl der Schin- 
kelfestaufgaben für 1872. Für den Hochbau wurde unter zahl- 
Vorschlägen der Entwurf eines Gewerbe - Museums, 



für das Ingenieurfach der Entwurf eines monumentalen Neubau.« 
der Januowitz-Brückn in Berlin gewählt 

Nachdem Hr- Ende ein Album der bekannten Nfihring'- 
schen Photographien vorgelegt und zur Subskription aufgefor- 
dert hatte, mahnte der Vorsitzende schliesslich noch an die 
Wichtigkeit der in nächster Versammlung bevorstehenden Vor- 
standswahl und empfahl eventuell vorherige Verstäudiguug. 

— F. — 



Aus der Fachliteratur. 

Zeitschrift des Arohitekten- und Ingenieur-Vereins zu 
Hannover. Jahrgang 1870. 

B. Aus dem Gebiete des Ingeniourwesens. 

I. Beitrag zur Theorie der Holz- und Eisenknn- 
struktiunen, von Ingenieur Mohr, Professor am Polytechuikum 
in Stuttgart. Eh werdeu diejenigen elementaren Aufgaben der 
Festigkeitslehre, welche die Spannung pro Flächeninhalt eines 
Querschnitts für irgend einen Punkt desselben bei gegebener 
Grflsse der normal gegen den Querschnitt gerichteten Aussen- 
kraft und deren Angriffspunkt zu bestimmen trachten, — die 
Ermittelung und Darstellung des Trägheitsmoments, die Be- 
stimmung des Mittelpunkts der Spannung oder der neutralen 
Axe u. s. w. in eiugcnender Weise graphisch behandelt. 

Ii Aus dem Erdbau, von Sekt.-lng. Hennings zu Weil 
die Stadt Eine durch generelle Zeichnungen und konstruktive 
Details erläuterte Beschreibung eines beim Bau der Württctn- 
bergischen Schwarzwaldbahn zwischen Stuttgart uud Calw a. d. N. 
ausgeführten einspurigen 27"" tiefen Einschnitts mit '/, fachen 
Böschungen. Der Baubetrieb ist auf der einen Seite mittels 
Drahtseils derartig erfolgt, dass die beladenen abwärts gehenden 
Kippwageu die leeren zur Fördcrungsstellc hinaufzogen (auf der 
obersten 18»/. Rampe 10 gegen 10 Wagen). Das Drathsei), 315« 
lang, bestand aus 3ß Drähten a 3,5""» Durchmesser, die horizon- 
tal liegende Radtrommel mit 2 Rinnen, der noch ein zweites 
Rad mit einer Rinne vorgelegt war, maass 3«, die Leitrollen 
0,86"* im Durchmesser; die Kosten des nach lOtnonatlichem 
Gebrauch noch in vMlig gutem Zustande befindlichen Apparats 
excl. Seil betrugen 1200 Thlr. Auf der anderen Seite erfolgte 
der Betrieb durch Stollen und Schächte mittels 4 Zügen vou je 
50 bis 27 Wagen und einer kleinen 150* schweren Lokomotive. 
Die Kosten der Arbeit blieben auf beiden Seiten ziemlich gleich 
und haben bei einem Muschelkalk - Material« insgoaammt pro 
kb- ca. 0.567 Thlr. betrafen. 

3. Ueber Rentabilität, und Richtungsfeststelluug 
der Strassen, von Baumeister Launhardt in Hannover. 
Wiederabdruck eines bereits früher in selbstständiger Form er- 
schienenen (S. »39, Jahrg. CU u. BL besproche uen) Aufsatzes. 

4. Ueber die Ermittelung der Spannungen in 
Fachwerksträgern, von Ingenieur Keck zu Hannover. Es 
wird entwickelt, dass bei unregelmässigen Trägerformen die 
Methode der graphischen Statik in den meisten Fällen zweck- 
mässiger ist, als die der Rechnung. Nach Culmann's „Graphischer 
Statik* werden alsdann diejenigen Sätze dieser Methode, deren 
Kennt niss für den vorliegenden Zweck nothwendig ist, her- 
geleitet und auf ein bestimmtes Beispiel angewendet. An der 
Nebeneinanderstellung der für einen Schwedler'schen Träger 
durch die Rechnung und durch die graphische Methode ermit- 
telten Resultate wird gezeigt, wie die letztere einen für die 
Praxis vollkommen genügenden Grad der Sicherheit gewährt 

5. Die Parabel-Theorie in ihrer Anwendung auf 

Saale undUnstrut, 
Merseburg. 

^erjenigen deutschen Hydrotekten 
bekannt, welchu die durch die Amerikaner Humphrevs uud 
Abbot in neuen Aufschwung gebrachten theoretischen Untersu- 
rhungen über die Bewegung des Wassers — gegenwärtig wohl 
dasjenige Feld der technischen Theorie, auf welchem am eifrig- 
sten geforscht und gearbeitet wird — mit besonderer Hingabe 
erfasst und durch eine fortgesetzte Reihe selbstständiger Beob- 
achtungen und Uerleitungen gefordert hat. Die vorliegende Ab- 
handlung enthält das Resultat seiner Forschungen, aufgebaut 
zumeist auf einer Crossen Zahl sehr sorgfältiger und genauer 
Messungen, die in den Jahren 18CS und 18fi9 an den genannten 
Flüssen durch den Baumeister Heibig und den Bauinspektor 
Opel ausgeführt worden sind. Dieses bereits in einer früheren Ab- 
handlung des Verfassers (im „Civil-Ingenieur" von 18fl7) für mehre 
andere Strome entwickelte Resultat weist einen Zusammenhang 
zwischen dem Gesetze der Parabel und jenem des Verhaltens 
der Stromläufo auf, der sich nicht blos auf die Vertikal- 
und Uorizontalkurven der Wassergeschwindigkeiten erstreckt, 

^.i.il,!.., l :„ i i r, - i • « i \ . 



u. un: j inuoi- i iieuno i n i u r « 

die Bewegung des Wassers in der S 
von Regierungs- und Baurath Sasse in J 
Der Verfasser ist als einer derjenigen d 



auch in mehreu anderen Beziehungen wiederkehrt. 
Eine eingehende Darstellung dieser vorläufig noch nicht abge- 
schlossenen „Paraheltheorie* würde an dieser Stelle nicht am 
Piatie sein ; wir begnügen uns daher, die einzelnen Uuternbthei- 
luDgen des Aufsatzes — die Wassermengenparabel — die Profil- 
parabel — das Gcschwindigkcitflgesetz — die Vertikalgeschwin- 
digkeitsparabel — die Horizontalgcschwindigkeitsnarabel — Ver- 
gleich der mittleren Geschwindigkeit aus dur Profil -Vcrtikal- 
gegchwindigkeitsparabel mit den Messunpresultatcn — zu nennen 
und im Uebrigen anf den Aufsatz seihst zu verweisen. Der 
kleineu Gemeinde, welches dieses Feld der l'nterBuchung be- 
stellt, dürfte derselbe ohnebin schon längst bekannt gewor- 
den sein. 

6. Beobachtungen über das Grundwasser in der 



Norddeutschen Ebene, von Waaserbauinspektor Hess in 
Lüneburg. Die Beobachtungen sind im Flussgebiet der Aller 
angestellt und beziehen sich in erster Linie auf den Ahzug des 
Grundwassers in den Kezipienten. Als vorläufige Resultat« 
(selbstverständlich nur für Sandboden) Iwzeichnet der Verfasser 
folgendes: a) Für Flächen, welchu einen tieferen Gruudwasser- 
stand haben, auf welchen Gräben u. s. w. überall keinen Einflu*> 
. ausüben und deren Breite normal zum Rezipieuten etwa ' . Meile 
beträgt, ist das durchschnittliche Gefälle auf 1:845 zu schätzen, 
b) Für Flächen von geringerer Breite bis zu etwa 1000 ln ist 
das Gefälle auf 1 : 1C00 bis 1 : 1200 anzunehmen, c) Der Abfall 
von dem Grundwasser im Terrain bis auf den Wasserspiegel des 
Rezipienten beträgt 1H bis 29'«, bei künstlichen Kanälen, welche 
wechselnde Wasserspiegel haben, 58"" und darüber. — Seinen 
Beobachtungen über das Aufstauen des Grundwassers uud da» 
Eindringen desselben in das Terrain will der Verfasser erst 
Werth beilegen, wenn sie durch weitere und ausführliche Ver- 
suche vervollständigt werden. Für das Aufsteigeudes Grundwassers 
durch Kapillar -Attraktion werden die von Hübbe für ß ver- 
schiedene Sandsorten ermittelten Resultate angeführt. 

7) Berechnung der Inanspruchnahme der Haupt- 
theile der Krähno auf den Stationen der Staat sei sen- 
bahnen und der Provinz Hannover. Es werden 8 trans- 
portable Krähnc von 54 Zentner und ein transportabler Krahu 
von 100 Zentner Tragkraft in Betracht gezogen. Das Resultat 
der Berechnung ist in einer Tabelle übersichtlich zusammen- 
gestellt. 

8) Polygonaler Lokomotivschuppen für lßStände 
auf Bahnhof Hannover, von Georg Mehrtens und Gustav- 
Roth , Ingenieuren zu Hannover. 

Das Gebäude bildet ein Sechszehnseit von fast HO« äusserem 
Durchmesser und enthält eine Drehscheibe von 12» Durch- 
messer. Das aus Schmiedeeisen koustruirtc Dach besteht aus 
einer inneren Kuppel von 31,38» Durchmesser, die auf guss- 
eisernen Säulen ruht, und einem äusseren Ringe, der durch 
32 Sprengwerksträger gebildet wird; die Dachflächen sind mit 
I Pappe auf Holzschaalung gedeckt. Der F'uss der Kuppel ist 
durch Zwischenstützen um ca. 2™ über den Anfall der unteren 
Dachflächen erhoben und der dadurch gewonnene Tambour ganz 
durch Fenster durchbrochen; ausserdem enthält jede Polygon- 
seite der äusseren in Backsteinen knnstruirten 0,.Vn» starken 
Umfassungswand 2 grossere Fenster. Eine hölzerne mit Jalousien 
versehene Laterne von 5,84« Durchmesser auf dem obersten 
Ringe der Kuppel ruhend, vermittelt die Ventilation, lß guss- 
eiserne Rauchanzüge entfernen den Rauch. Für Entwässerung 
und Wasserzuführung ist bestens gesorgt. 

Die Kosten des Baus, der in eingehendster Weise und mit 
sichtlicher Liebe beschrieben und dargestellt ist, und von dem 
sfimmtliche Berechnungen mitgetheilt werden, haben 39,800 Thlr. 
betragen, was für die Lokomotivu 2487,5 Thlr. für den Quadrat- 
meter der bebauten Grundfläche 18.75 Thlr. ergiebt. 

9) Beitrag zur Theorie der elastischen Bogcn- 
träger, von Iugeuieur Mohr, Professor am Polytechnikum zu 
Stuttgart Es wird die Theorie eines steifen Bogens mit gelenk- 
ffirmigen Kämpfern eingehend behandelt 

10) Anwendung einiger elementarcr~8ätze der 
Geometrie der Lage auf die Feldmesskunst, vun In- 
genieur Francke. Die betreffenden Sätze worden entwickelt 
und In Bezug auf spezielle Aufgaben der Feldmesskunst, deren 
Vereinfachung durch die hier angewendete Methode allerdings 
nicht zu bestreiten ist, erläutert. 

Aus fremden Quellen werdeu ferner noch Zeichnungen und 
Beschreibung eines iuteressanten norwegischen Holzbaus, des 
Aquädukts über Bongen bei Hafslaud, sowie eine ame- 
rikanische Abhandlung über die Tragkraft hölzerner und 
eiserner Pfähle und die Anwendung der letzteren entweder 
als Tragsäulen oder als Tragpfähle zu Fundirungen, vou 
W. J. Mc. Alpine, ehemaligem Ingenieur der Stadt New-York, 
mitgetheilt G 



Konkurrenz für Entwürfe zum Bau eines SohulhauseB 
in Zofingen (Schweiz). Das uns vorliegende bei der Bauver- 
waltung zu Z. zu beziehende Programm, das sich über die Grund- 
lugen des Entwurfs mit genügender Deutlichkeit verbreitet und 
höchstens darin lückenhaft ist, dass es für_ die verlangte 
approximative Kostenberechnung des innerhalb einer Summe vou 
400000 Frcs. zu haltenden Baues und die lokale Bauweise keinen 
weiteren Anhalt giebt, setzt als Termin für die Einsendung der 
Pläue au den Genieindeamman Mattern in Z. deu 15. Maid. .1. 
fest. Es sollen 5 Preise von 2000, 1000, 500, 300 und 200 Frcs. 
zur Ve 
ist 
derl 



ig kommen. Deu Bedingungen der .Grundsätze" 
ietS^ 



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— 40 — 



Konkurrenz für Maschinen -Techniker. Die Zeitschrift I 
„Praktischer Maschinen - Konstrukteur" etlässt «'in Preisaus- 
schreiben für Abhandlungen über „Einrichtung und Betrieb mittel- 
grosser Maschinenfabriken* und über „Konstruktion und Aus- 
luhrungen der Girard-Turbinen oder eines denselben ähnlichen 
Systems", von denen die erste einen Preis von 900 Thlr., die 
zweite einen solchen von 100 Thlr, beide ausserdem beim Ab- 
druck da« übliche Houarar erhalten sollen. Das Preisrichtcramt 
haben 6 Fachmänner übernommen; Termin der Einsendung ist 
der 1. April d. J. 

Monats-Aufgabcn für den Architekten-Verein zu Berlin 
zum 2 Marz 1872. 

I. Innere und Süssere l>ckonitiuu eines Eisenbahn-Salou- 
wagens. Auf die Verwendung von polirtcu Hölzern ist besonders 
Bedacht zu nehmen. Maasstab der natürlichen Grosse. 

II. In einer Gebirgsgegend ist ein Bach im Gefälle von 
1 : 9 und an dersellK-n Stelle ein Fahrweg vnn 1,7 Meter Breite 
horizontal unter einer Eisenbahn hindurebzuführen. Der Bach, 
welcher nur zu Zeiten Wasser führt, schneidet die Bahnaxe j 
unter einem Winkel von 40 Grad und gestattet keinr Korrektion 
in Richtung und Gefälle. Der Fahrweg schneidet die Buhn 
rechtwinklirh und verbindet die beiderseitigen Porallelwege, die 
mit einem Gefälle von 1:80 ansteigen. Die Höhe der Unter- 
führung darf nicht unter 4,.') Meter betragen. Der Durchlas* 
erhält 4,8 Quadrat- Meter Querschnitt, eine 1:9 geneigte Sohle 
ohne Kaskaden, die in der Bahuaxe \7;> Meter unter Sehieueu- 
unterkante gelegen ist Die Parallelwege sind in den Durch- 
lass zu untwässern. Der Entwurf zu diesem kombinirteu Bau- 
werke ist zu fertigen und stutisch zu erläutern. 

Alle wichtigen Maasse, Annahmen uud Kechnungsresultate 
sind in den Zeichnungen an geeigneter Stelle einzutragen. 

Die Konkurrenz für Entwürfe zu Zimmeröfen, die in 

Xu. 49 Jahrg. lh"l des Bau-Anzeigers resp. der Deutschen Bau- 
zeituug angezeigt war, hat eine Betheiligung von 14 Künstlern, 
anscheinend vorzugsweise aus Hamburg gefunden. Die leiden 
Pieise sind Entwürfen der Architekten Wm. Hauers und Paul 
Koch zugesprochen worden. Eine Anzahl anderer Entwürfe — 
unter ihnen solche von Th. Necker, Wm. Hauers, II. Bruns- 
wig haben eine nur ehrenvolle Erwähnung gefunden. — Möge 
der nachahmenswert he Zweck dieser Konkurrenz, der Fabrikation 
neue und gute Vorbilder zu liefern, nunmehr in der That auch 
entsprechend genutzt werden. 



Konkurrenz fttr Entwürfe zu einem Sohlachthause in 
Heilbronn. Aus einem uns zugehenden Schreiben eines bei 
dieser am 15. Oktober v. J. abgeschlosseneu Konkurrenz bethei- 
ligten Fachgenossen ersehen wir, dass dieselbe resultatlos ge- 
blieben ist, weil das Preisgericht entschieden hat, dass keine 
der eingegangenen Arbeiten den Anforderungen des Programms 
entspreche. Wir hatten seinerzeit (in N». i'7 Jahrg. 71 u. Bl.) 
gerügt, dass das Preisgericht nicht vorher bestimmt sei; an- 
scheinend soll dasselbe auch nachträglich nicht genannt werden 
und sein Gutachsen nicht zur Kenntniss der Ocffeutlichkcit ge- 
langen. Dass unter diesen Umständen das stattgehabte Ver- 
fahren das grösstc Misstrauon erwecken muss, ist begreiflich. 
Der oben erwähnte Fachgenosse ersucht uns, alle Theilnehmer 
der Konkurrenz, welche sich etwaigen Schritten gegen die Heil- 
bronner Gemeindebehörden ansehhessen wolleu, aufzufordern, 
ihre Adressen bei uns niederzulegen. 



Personal - Nachrichten. 

Preussen. 

Ernannt: Der Baumeister Lange zu Magdeburg zum 
Eisenbahn-Baumeister bei der Hannoverschen Stauts-Eiseubaliu 
in Osnabrück. Der Eisenbahn-Bau-luspektur Früh zu Saar- 
brücken zum Ober-Betriebs-Inspektor daselbst. 



Brief- und Fragekasten. 

Hrn. M. in Leipzig. Soviel uns bekannt, sind die Steine 
zum Berliner Kathhaus tlieils von Augustin in I.auban, theils 
von March unter Mitverwendung von Laubauer Thon. Die Bau- 
Akademie hat Steiue aus Zernsdorf unter Mitverwendung von 
Itirkouwcrder Thon, von Joachimsthal, uud die feineren Sachen 
von Feilner. Die Verbleuder zur flank sind von Friedenthal. • 
Adressen für jetzt sind noch Stange (Aktiengesellschaft) Greppin 
bei Bitterfeld, Lessing (Aktiengesellschaft; Herinsdorf liei Berlin, 
Oppenheim Rüdersdorf^ v. Kcthmauu llollweg in Hohculinow bei 
Neustadt E./W.. Kuuheiru Alaunwerk bei Freieuwalde, Klau in 
Zernsdorf bei K. Wusterhausen u. A. 

Hrn. K. in Schonungen bei Schweinfurt. Eine 
Zementprobe (roh oder gebrannt) hinsichtlich der Bcstandtheile 
zu untersuchen, ist sehr kostspielig und umständlich, könnte 
nur durch Fachmänner wie Prof. Dr. Ziurek, Dr. W. Michaelis 
(Berliu). Dr. Frühling (Zossen) oder Andere besorgt werden. 
Das Beste ist einer Bauvcrwultung oder einem Bau-Unternehmer 
eine grössere Probe gebräunten Zementes zur Verwendung uud 
Bcurtheilung zuzusenden. 

Maschinen zum Schneiden von Fassdauben, sowie Füg- 
maschinell sind zu sehen, vielleicht auch zu bezieheu durch die 
Kouiralulonivtrla« von C»rl Bcallti tu Brrlln. 



Daubeufabrik von Franke & Pauli in Münden (Ilunnover) oder 
den Holzhchneide-Mühlenbesitzcr Berger in Holzkircheu im Bay- 
rischen Tyrol. 

Hrn. W. O. in B. Werke üImt Baumaterialien-Lehre sind 
in reicher Auswahl vorhanden, das neueste von Prof. Gottgetreu 
in München. — Empfehlenswert!«! Werk« über Anlage von Gips-, 
Kalk- und Ziegelöfen sind: Bruno Kerl, Thonwaaren- Industrie. 
Heusinger von Waldegg, Ziegel- und Köhren- Fabrikation. 
Brogniart, Traite des Arts cerami<|ues. Ziegler. Etudes cera- 
mbpies. Knapp, ehem. Technologie. — Ueber einzelne Fragen 
in diesem Fache giebt am besten Auskunft das Notizblatt de« 
deutschen Vereins für Fabrikation von Ziegeln etc. (Jahrgänge 
18(15 bis 1871 erschienen). — V — 

Hrn. Stadtbmstr. M. in Baden. Eine Fahrbahn von 
kompriiuirtem Asphalt existirt in Berliu seit 1" , Jahren in dem 
letzten Theile der Oberwallstrasse am Krön prinzlichen l'alais 
und hat sich dieselbe ebenso wie die Asphaltstraßen in London 
und Paris sehr gut bewährt. Warum die Anwendung der As- 
phalt-Fahrbahnen in Berlin vorläufig nicht weitere Ausdehnung 
linden kann, haben wir bereits angedeutet, als wir (S. 4Sö 
Jahrg. lfiC'J d. Bl.) über die Anlage dieser Strasse berichteten; 
Nachtheile der Konstruktion sind uns nicht bekannt geworden, 
ausser dass der komprimirte Asphalt von Manchen für zu glatt 
gehalten wird, Wie uns Hr. Fabrikant Schiesing (33 Geor- 
genstr- in Berlin), au den wir uns in dieser Angelegenheit ge- 
wendet haben, mittheilt, sind die Asphaltmiuen von Val de Tra- 
vers in den ausschliesslichen Besitz einer englischen Gesellschaft 
übergegangen, mit deren Bevollmächtigten für Deutschland Hrn. 
J. W. Leuth (Hotel du Nord in Berlin) Sie in Verbindung treten 
müssen, falls Sie die Anfertigung solcher Fahrbahnen, zu der 
besonders geübte Arbeiter und eigene Maschinen gehören, beab- 
sichtigen. 5— H«» stark incl. Beton-Unterlage von 18 bis 
•»Htm wird sich in Baden auf ca. 6 Vi Thlr. stellen. Die Frage 
der Asphaltstrasseu ist übrigens in jüngster Zeit, namentlich 
in Hamburg vielfach erörtert worden. 

Hrn. 1 iu Jena. Wir besitzen keine nähere Kenntniss 
von den in jüngster Zeit ausgeführten Petroleum-Lagerhäuseru 
und haben daher auch kein Urthcil, welche dieser Aulageu als 
musterhaft bezeichnet werden könnte. Wir bitten jedoch unsere 
Leser, denen ein solches Urthcil zusteht, um freundliche Ver- 
mitteluug desselben. 

Hrn. Ii. in Ottweiler. Quadrirtcs Zeichenpapier finden 
Sie iu jeder grösseren Zeichenmaterialieuhandlung Berlins; ob 
dasselbe als Rollenpapier fabrizirt und verkauft wird, ist uns 
nicht bekannt, doch möchten wir dies auch in Zweifel ziehen. 

Hrn. J. L. iu Deutz. Eine Anzeige über den Ausfall 
der Konkurrenz in Langenschwalbach ist uns bisher von keiner 
Seite zu T heil geworden. 

Hrn. W. in Münster. Wir bedauern Ihren Bestrebungen, 
für sämnitliche Grössen des metrischen Maass-Systems deutsche 
Namen aufzustellen, keinen Werth beimessen zu können. Die- 
selben sind um so aussichtsloser, als wohl bereit« jetzt als sicher 
angenommen werden kann, dass die wenigen Bezeichnungen 
dieser Art. welche das norddeutsche Gesetz über die Einführung 
des metrischen Systems angenommen hat, zu einer ernstlichen 
praktischen Verwendung niemals gelangen und binnen Kurzem 
vergessen sein werden. Es kann dies nicht nur im Interesse 
der vollen internationalen Geltung des Meter-Systems, sondern 
auch im luterresse voller Erkenntnis* seines ihm gerade als 
System eigenthütuliehen Werthes, nur als erfreulich bezeichnet 
werden. Die von Ihnen missverstandenen, in unserer Zeitung 
aufgetretenen Bestrebungen zur Aufstellung neuer deutscher 
Namen für metrische Grössen bezogen sich nur auf solche 
Maasse, die innerhalb des Systems nicht besonders benannt 
sind, aber für die praktische Verwerthumj als Verkaufsmuass 
für geeignet gehalten wurden. 

Hrn. T. in Berlin. Ueber die Kündigungsfrist, die bei 
Lösung des Engagements von diätarisch beschäftigten Technikern 
festzuhalten ist, kann, falls Besonderes nicht verabredet worden 
ist, nur der Usus entscheiden. Bpi monatlicher Diätcnzahluug 
pflegt mau eine halbmonatliche Kündigung als Minimum anzusehen. 

Hrn. E. in Vlotho. Ein ernstliches Studium neben eiuer 
praktischen Beschäftigung zu betreiben ist sehr schwer und er- 
fordert eine eiserne Eueraie. Au Gelegenheit zu einer Beschäf- 
tigung in einem Berliner Bureau dürfte es bei dem augenblick- 
lichen Mangel au guten Hülfsarbeitcrn schwerlich fehlen, doch 
müssen wir" Ihnen die Einsendung einer bezüglichen Offerte für 
unsereu Bauanzeiger selbst überlassen. 

Hrn. F. K. in Essen. Die Gruudriss- Skizzen des engli- 
schen, sowie der meisten auderen Parlamente sind in dem von 
einer englischen Parlaments- Konimission vor 2 Jahren veröffent- 
lichten iilaubuche publizirt und durch Vermittelung einer geeig- 
neten Buchhandlung (Astier & Comp, in Berlin) zu beziehen. 
Ihre Ansichten über die Notwendigkeit der Anonymität bei 
Konkurrenzen theilen wir nicht und haben den Fortfall der- 
selben bei der Konkurrenz für den Berliner Dom und nunmehr 
für das Reichstagshaus als grossen Fortschritt begrüsst. Zur 
Begründung unseres Staudpunktes verweisen wir Sie auf No. 24. 
Jhrg. «7 u. Bl. 

Abonnent iu Eschweiler. Eine der Ihrigen ent- 
sprechende Aufrage über die Gotthardbahn haben wir mindes- 
tens schon dreimal beantwortet. 

Beiträge mit Dank erhalten von den Hrn. Sch. iu Posen, 
St. Zölp. 

Oruck i.n üeUrnd.r FicktM la B«rl!n. 



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Jahrg. Tl. M 0. 

DEUTSCHE BAUZEITUNG 

Organ des Verbandes 

deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine. "*E5 

Redakteur K. E. 0. Fritich. 



I ü. Eip.dltisn: 
Brrlin. Omalenuraue IM. 
BaataUunfaa 
Shrrn.niD.-n tll« P..unitalt»a 



Im. rat. 

tat dl. Imct in dVaUcn.n 
Hjairitunf finden Aufnahm- 



IV. »er. »« 



Preis 1 Thaler pr* Quartal. 


Berlin, den 8. Februar 1872. 


Ersr heiat jeden Donnerstag. 


tnbftlt: Di« Bndl.en« Krhwari.*aldtMjin. - U.la«klii.n an» drn Orient. 
(FortMUnnt.) — klltthellungen au. V.r. Inen: D«aUcbrr Verein inr Fa- 
brikation »on Ztaceln, Thonw»ar«n. Kalk and Zrmrot. - Ar.iiit.ktMi- und In»*- 
nl.ur-V»r.ln in KaweL - Ar<*lt.kt.n -Verein aa Barlin. - V.tn i.eht.« : Ei- 


lenbahn-Erfffnunnen in D-utK-Wnnd and 0..t»rreU>b-Ur>tar» In 3. 8«n««.t Uli. 
- DI. Berlin« Nordbahn. - Klae B.ne hydr.nli«li» Hr«ma»orri<-li«mil. -Au« 
dar Fa.blltl.r.tur: Allg.rn.ln. Banarilun«. Jahrg. 1*70, Heft 7 - lt. - 
l'.niMi.l Nachrichten ««. 



Die Badisrke Sehwarzwaidbaha. 

(Hierzu die Abbildungen auf Seite 45.) 



Das Rhebathal und die in demselben hinziehende badi- 
sche Eisenbahn bilden bekanntlich bei Basel einen rechten 
Winkel, dessen Schenkel nach Osten und Norden gerichtet 
und auf pow Längen im Ganzen geradlinig sind. Schon 
seit vielen Jahren war man bestrebt, zu diesen Katheten die 
Hvpothenuse eines rechts* itikligen Dreiecks zu schaffen, eine 
direkte Eisenbahn zwischen den Endpunkten Offenhnrg und 
Konstanz, welche die Hochebene des Schwarzwaldes über- 
schienen sollte. Die Aufschliessnng des badischen Schwarz- 
waldes für den Eisenbahnverkehr, also eine lokale wirth- 
schaftliehe Maassregel, muss als di r Hauptzweck des Unter- 
nehmens angesehen werden, da der durchgehende Güterver- 
kehr auch in der Folge stets den Umweg durch das Rhein- 
thal einem Uebersteigen der beträchtlichen Höhe des Sehwarz- 
waldes vorziehen dürfte. Jenem Hauptzweck entsprechend 
wurde auch die Zugsrichtung im Einzelnen gewählt, wobei 
ausserdem auf die partikularen Grenzen zwischen Baden und 
Württemberg Rücksicht zu nehmen war. Die vielfachen An- 
fechtungen, welchen das Projekt in wirtlischaftlicher Bezie- 
hung ausgesetzt wurde und trotz seiner nahe bevorstehenden 
Vollendung immer noch ist, lassen sich zumeist auf die eben 
erwähnten Umstünde zurückführen; unbestritten ist es aber 
in technischer Beziehung eine der interessantesten Unterneh- 
mungen der Gegenwart. 

Die Ausführung der Bahn ist seit etwa 12 Jahren von 
den beiden Endpunkten stückweise gegen die mittlere, 
schwierigste Partie, zwischen Hausach und Villingen vor- 
gerückt und bewegt sich gegenwärtig noch auf dieser letz- 
teren, in welche namentlich die Ersteigung der Wasserscheide 
zwischen Rhein- und Donau-Gebiet fällt. Abgesehen von 
der kurzen Thalstrecke OfToulmrg-Huusach hat der Bau fort- 
während unter der Oberleitung des Bandirektors Ger w ig 
gestanden, welcher ausser den technischen Studien und An- 
ordnungen sein beharrliches Wirken auch dem Durchsetzen 
des ganzen Projektes bei Behörden und Kammern gewidmet 
hat, so dass er als der eigentliche Schöpfer der badischen 
Schwarzwaldbahn angesehen werden muss. Insbesondere 
bat derselbe auch die Grundsätze für die Tracirung und 
Ausführung der eigentlichen Gebirgssteige bestimmt, welche 
im Folgenden Iteschrielren werden soll. 

Von der Wasserscheide der sogen. Sommerau bei dem 
Orte St. Georgen fällt das Terrain nach Südosten flach ab 
in das Gebiet der Donaugewässer, nach Nordosten aber sehr 
steil in das tief eingeschnittene Gutachthal, welches bei 
Hansach in das Kinzigthal mündet Die Eisenbahnlinie 
durchschneidet die Wasserscheide mittels eines Tunnels von 
1680* Länge und besitzt ihren höchsten Pnnkt an dessen 
östlicher Mündung in Ü'.ii" Meereshöhe. Von dem Bahnhofe 
Hausach aus mit 243 1D Meereshölie, mnsste daher eine Höhe 
von 591"° erstiegen werden, zu welcher die einfache Länge 
des Gutachthals bei Weitem nicht ausreichte. Zwar konnte 
man mit einer Steigerung von 1 : 50 noch den Ort Homberg 
gewinnen, dessen Bahnhof etwas über der Thalsohle ange- 
legt wird und 38tJ'" Meereshöhe lvositzt. Von hier an ist 
aber die Steigung des Gutachthaies selbst zu bedeutend, und 
Huden sich auch keine grösseren Seitenthäler, durch deren 
Ausfahren die Linie hätte verlängert werden könuen. Es 
wurde daher die erforderliche künstliche Verlängerung durch 
zwei Schleifen gewonnen. Eine solche Schleife beginnt 
mit einem Thalübergang und einem sogenannten Kehrtunnel, 
zieht sodann in entgegengesetzter Richtung an der gegen- 
überliegenden Thalwand eine Strecke weit empor, wendet 
sich in eine Seitenschlucht und gewinnt endlich durch das 



olrere Terrain hindurch wieder den Anfangspunkt, jedoch in 
weit grösserer Höhe. Ein Querschnitt durch die Schleife 
trifft also dreimal die Zugslinie, und es macht schon jetzt 
einen eigentümlichen Eindruck, an gewissen Stellen des 
Thaies drei Eisenbahnen in bedeutenden Höhenunterschieden 
übereinander zu erblicken, deren Zusammenhang in Tunnels 
nnd Seitenschluchten versteckt liegt. Beim späteren Befahren 
der Balm wird sich dieser Eindruck gewiss bei manchen Rei- 
senden bis zur Verwirrung erheben. Die Steigerungen bewegen 
sich je nach den örtlichen Verhältnissen zwischen 1:50 und 
1:58; der kleinste Krümmungshalbmesser ist 300». 

Begreiflich erforderte die Tracirung einer s.» verwickelten 
Hahnlinie in einem stark koupirten und steilen Gebäude lange 
und mühsame Studien. Die ersten Aufzeichnungen erfolgten 
in den Sektionsblättern der militärisch-topographischen Karte, 
welche mit Horizontalkurven versehen sind, resp. ergänzt 
wurden. Diese Karten liositzen jedoch nur annähernde Ge- 
nauigkeit. Es wurde daher nach diesem Vorprojekt alsbald 
ein Polvgonzug in natura verlegt und aufgenomn 
Eckpunkte in das voraussichtliche Bahuterrain, 
nicht genan in die Mittellinie, fielen. Zugleich 
Höhenunterschiede dieser Eckpunkte, oder nahe dabei ge- 
wählter Eispunkte genau nivellirt. Die weitere Detail-Auf- 
nahme des zum Theil bereits abgeholzten Terrains erfolgte 
mittels Horizontalkurven in 3* Höhenabstand, und zwar 
auf eine I reträch tliche Erstreckung nach der Breite hinaus. 
In den hiernach angefertigten Zeichnungen wurde nun die 
Trace genauer entworfen, indem sowohl Längen- als Quer- 
nrofile unmittelbar ans dem Situationsplan mit seinen Kurven 
herausgezogen werden konnten. Die Stationspunkte der Trace 
folgen hier nicht, wie sonst, in gleichen Längenabstän- 
den, sondern in gleichen Bahnh öhenabstän den von 
l,5 ra auf einander, wie sich dies aus dem angeführten geo- 
metrischen Material am beouemsten ermitteln und in naturam 
übertragen liess. Iii Strecken von gleichförmiger BahnsU'i- 
gerung ergeben sich natürlich von seihst auch gleiche Längen- 
abstände. Während der Ausführung des Baues kommen 
endlich noch kleine Verschiebungen der Zuglinie vor, schon 
wegen der unvermeidlichen Abweichungen und Knickungen 
der Horizontalkurven gegenülrer deren Aufzeichnung aus 
einzelnen Punkten. Während der Ausführung erst wurden 
auch die definitiven Querprofile des Bahnkörpers aufgenom- 
men, behufs der Flächenberecbnung des Grunderwerb«, der 
.Massenbestimmung und Bezahlung der Akkordanten. Der 
Maasstab der Situationsplane iu dem ersten Stadium des 
Projekte* lietrug 1 : 5000, im zweiten 1 : 1000; derjenige der 
Höhen in den Längenprofilen und der Querprofile resp. 
1 : 500 und 1 : 100. 

In geologischer Beziehung finden sich in der ganzen 
Gegend Granit und Gneiss, sowie Porphyrgänge. Das Ge- 
stein kommt in den mannichfaltigsten Zustanden vor, fein- 
körnig uud grobkörnig, trocken und wasserhaltig, kompakt, 
zerklüftet und geschichtet. Es tritt an vielen Stellen nackt 
zu Tage und ist übrigens mit einer nur dünnen Humus- 
schicht bedeckt. Die TJergabhänge sind steil, die Thäler 
und Schluchten tief eingeschnitten. Unter diesen Umständen 
erschien es entschieden vortheilhafter. das Bahnplanum mehr 
in die Berge hineinzulegen, als erhebliche Thalübergänge zu 
veranlassen, mehr mit Erd- und Feldmassen zu arheiten,_als 
Kunstbauten zu errichten. Deshalb kommen auf der 28,7 Km 
langen Strecke zwischen Hornberg und St. Georgen nicht 
weniger als 34 TuuneU mit einer Gesammtlänge von 8,3"" 
vor. Die Thalübergänge am Anfang der beiden Schleifen 



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— 42 — 



nnd niedrige Brücken über die Gutach, von hohen Bauten 
findet sirli nur ein Viadukt vou 24'" Höhe mit Pfeilern aus 
Sandsteinqnadcrn und eisernem Oberbau. Auch die klei- 
neren Durchlasse und Durchfahrten sind wegen des theuren 
Baumaterials thunlichst reduzirt. Namentlich tritt dies Be- 
streben hervor bei den sehr zahlreichen Ueberdammungen 
von Querthälern und Schluchten. In solchen Schluchten 
findet sich gewöhnlich ein steil abfallendes Büchlein und da- 
neben ein Weg zur Abfuhr vou Langholz und Brennholz 
mittels Schleifen oder Schlitten. Statt nun unter dem das 
Thalchen von c nach d quer übersetzenden Bahndamm (s. 
Fig. |, Seite 45) eine lange gewölbte Durchfahrt nebst Dohlen 



in" der Richtung des bestehenden Weges und Baches 

wird seitwärts, wo der Damm niedriger, eine Durch 



fahrt von 3 bis 4- Weite und Höhe mit abgerundeten Flü- 
gelmauern und Blechträgem erbaut An dieselbe sehliesst 
sich nach oben eiucAnschüttung mit horizontaler Oberfläche 
v n d nach unten ein neuer Weg mit passendem Gefälle (1 : 10 
bis 1:5), welcher den alten Weg bei e wieder erreicht. Das 
Bächlein aber wird mittels einer Sickerrinne a b durchgeführt, 
welches mit 1 bis 1,50- Tiefe und 1,50'" Breite in den ge- 
wachsenen Boden eingeschnitten und mit Felsblöcken aus- 
gefüllt ist. Durch diese Maassregeln erreicht man mit be- 
deutend geringeren Kosten die Kommunikation durch den 
Buhndamm und überdies einen Lagerplatz für Holz, welches 
heruntergeschleift und aufgestapelt werden kann, ohne die 
Bahnböschungen zu beschädigen. Sollte die Sickerrinne beim 
Schneeal>gang oder dergl. nicht Fassungskraft genug dar- 
bieten, so dient die Durchfahrt zugleich als Fluthdurchlass. 

Das zweigeleisige Planum ist 7,50- breit in der Höhe 
der Schwellenoberfiäche. In den Einschnitten kommen 
hierzu in der Kegel keine Seilengräben, vielmehr findet, 
um an der zu lösenden Felscnmasse zu sparen, die Ent- 
wässerung mittels eines Dohlens in der Bahuaxe statt. Der- 
selbe besitzt das Gefälle der Bahn selbst, bedarf also keinen 
grösseren Querschnitt als 0,30™ im ! ', ist entweder im Felsen 
ausgesprengt, oder mit Scitcnmänerebcn angesetzt und mit 
rauhen Steinen gedeckt Die Bettung wird, incl. der Schwellen, 
iu der Bnhnaxe 0,4H m , an den Bannkanten 0,36- stark. Die 
Böschungen der Felseneinschnitte sind meistens im Anzng 
1 : 3 gehalten. In Strecken, welche Schneeverwehungen aus- 
gesetzt sind, wurden neben den Böschungskanten Schnee- 
dämme nnd Schneegräben hergestellt. 

Die Bahndämme bestehen fast durchgehends ans Ge- 
rölle und gesprengtem Felsenmaterial. Auf einem solchen 
Kern konnten die Böschungen steil gehalten nnd gepflastert 



werden, wie es auf den steilen Berghängen zur Erspa 
an Füllmasse wüuschenswcrth war. Der grösste Theil der 
Böscbnngen ist demnach einfnssig, nichtsdestoweniger kom- 
men dergleichen bis za 45- senkrechter Höhe vor. Der 
Fuss des Pflasters ist sorgfältig in den gewachsenen Fels 
eingesprengt, mit Stufen unter rechtem SVinkel gegen die 
Bosch nngsebene. Als mittlere Dicke des Pflasters wurde«/,« 
der Böschungshöhe (uach der Neigung gemessen) angenom- 
men, Jedoch im Allgemeinen nicht unter l m und nicht über 
3 m . in diesem Pflasterkörper, welcher gleichzeitig mit der 
Anschüttung emporsteigt, sind un regelmässige Blöcke mög- 
lichst dicht zusammengeschlossen, so dass die grössten Di- 
mensionen oder Lager ungefähr rechtswinklig zur Böschungs- 
ebene stehen. Die Haupter bleiben durchaus unbearbeitet 
und ragen deshalb znm Theil weit — bis zu 1- — über die 
Flucht der Vonlerfläche hervor. 

In ähnlichem Charakter wie das Pflaster ist auch sämmt- 
liches Mauerwerk an Kunstbauten, ausser den Gewölben, 
gehalten. Geeignete Findlinge oder ans den Tunnels und 
Einschnitten gewonnene Granitblöcke wurden durch die ge- 
übten, meist italienischen Arbeiter auf einander gethünut; 
dabei war von schichtweisem Verband keine Kede und nur 
durch passendes Auswähle! und genaues Ineinanderfügen 
der Steine, sowie durch gutbindenden Mörtel suchte man 
Stabilität zu erreichen. Die sichtbaren Oberflächen aller 
Steine blieben rauh, auch die Kanten. Flügelabdeckunaen 
und dergl. bilden keine stetigen Linien und Flächen. Der 
auf diese Weise entstandene, wahrhaft kyklopische Charak- 
ter entspricht unstreitig der Natur des Baumaterials und 
der wilden Gegend; indessen scheint uns an kleineren Bau- 
werken der klare Ausdruck der Grundformen doch so stark 
verwischt zu sein, dass man Mühe hat, die Hauptlinien und 
namentlich bestimmt gekrümmte Flächen zu erkennen. Auch 
möchte wohl die Zusammensetzung von Konsolen-Gesimsen 
und Brüstungen aus unregel in 5 ssig begrenzten Blöcken, 
deren Dimensionen gleichwohl sorgfältig gewählt und deren 
gegenseitige Berührungsflächen geuau bearbeitet worden sind, 
etwas gesucht erscheinen und jedenfalls nicht wesentlich 
billiger sein, als wenn man die Blöcke vollends in geome- 
trisch bestimmten Formen bearbeitet haben würde. Die An- 
wendung des Kvklopen-Verbandes sollte sich nach unserem 
Dafürhalten auf einfache und grosse Grundformen be- 
schränken und das ästhetische Gleichgewicht an etwaigen 
einfassenden und krönenden Bautheilen durch entsprechend 
kräftige, aber architektonisch geregelte Kunstformen zu 
Stande gebracht werden. 



ans 

VT. 

Die Tage unseres Aufenthaltes vergingen im Fluge, aber 
auch in heisser Arbeit. So wie die Sonne über den mimischen 
Bergketten aufgegangen war und die Sumpfnebel niedergekämpft 
hatte, erhub sich jeuer vom harten Lugcr und eilte ins Freie 
um sich anzukleiden. Ein I'uar gy mnastische Freiübungen waren 
ein Hochgcnuss nach übel vollbrachter Nacht. Des Dichters Worte : 

„Kr freue sich, wer da utbnict im rosigen Licht" 
wurden dabei mehr als ein Mal rezitirt, bis Geist und Körper 
wieder im vollen Gleichgewicht waren. Dann wurden eilig die 
letzten Vorbereitungen getroffen, um Kopf und Hals das I^mcn- 
tuch geschlungen, Skizieubuch und Revolver in den Gurt gehängt, 
eilig servirte der Dragoman den guten arabischen Kaffee — wio 
es kam, in Gläsern, Bechern, Feldflascheu — dann schwang sich 
jeder rauch in den Sattel und trabte über den Hof ins Freie. 
Galt es doch täglich vor dem Eintritt der vollen Mittagsglut 
ein möglichst grosses Pensum zu absolviren- Und dennoch griff 
nach einer Stunde jeder unwillkürlich in den Zügel, sobald mau 
durch die Agnus castus Hecken und Binsenwfilder auf die Höhe 
der Ruinenfelder gekommen war. Welch' tiefe Grabesstille im 
hellsten Sonnenglauze! Vor uns lag der weitgedehnte sanft an- 
steigende Friedhof, unter welchem die vielgepriesene reiche 
Königsstadt seit Jahrhunderten schlummert 

Zur Linken und im Hintergrunde die hochgipflige schluchten- 
reiche Tmoluskctte, mit alten Fichtenwäldern bewachsen, rechts 
die schwach gewellte Hermus-Ebene, von einzelnen Büffelheerdeu 
tielebt, in der Mitte auf einem schroff gesonderten Vorberge des 
Tmolus die schwarzgrauc Akropolis. wie oft ist sie belagert 
und erstiegen worden; wie oft mag der Blitz sie getroffen, das 
Erdbeben sie ershhüttert haben. Schlimmer als alles beben die 
strömenden Wiuterregen und die sengenden Strahlen der asiati- 
schen Sonne an ihrem niürbcu, bröckligen Muteriole (Kagclfluhc) 
genagt. Die Schutthalden ringsum au ihrem Fusse, langst zu 
Hügeln erwuchsen, verkünden den Zerstörungsprozess, tief ge- 
furcht und unterwaschen erscheint der Leib, der breite Oipfel 
ist zum schmalen Katnniu zusammen 
noch Htehenden Mauerreste können 
stürzen. 

Am Nordfusse des Burgfelsens, aber doch so hoch belegen, 



dass ein weiter Ausblick auf das Herumsthal vou dort aus ge- 
stattet ist, zeigen sich Theater und Stadion als eine kombinirte 
Hauuulagc thcils in das Terrain eingeschnitten, tlieils durch 
künstliche Suhstruktioneu gesichert. Auf tieferen Terrainstufen, 



aber weit zerstreut, erheben sich die gewaltigen Pfeiler- und 
Mauerreste grosser Gymnasien und Thermen, wie kleinerer alt- 
christlicher Kirchen. Mancher Baurest wird zu unserer Linkeu 
durch die Laubkronen der urulteu Platanen, welche die Mühle 
beschatten, verdeckt; zur Rechten entzieht eine weit vurtretende 
Hügellvhnc, welche vom Westfusse der Akropolis ausläuft, die 
hohen Säuleu des Kybele - Tempels vollständig uusern Blicken. 
Diesseits wie jenseits der Pakalliütte deuten mächtige, mit ver- 
brannten Gräsern und Asphodillen bewachsene Schutthügel auf 
begrabene Baukunst. Antike Bausteine liegen mit Mamortrüm- 
mern gemischt zu den Füssen unserer Pferde. Selbst der Zug 
der Stadtmauer wird bei sorgfältigem Studium der Ternünlinien, 
wenigstens uach der Westseite hin erkannt Doch das Augo er- 
müdet, die zerstreuten Kuincngruppcu und Schutthügel zu ver- 
folgen und einheitlich zusammenzufassen. Denn nichts ist er- 
halten von der goldreicheu Stadt der rossebändigenden Lydier, 
wenig vou der übervölkerten griechisch-rnmischeli Stadt welche 
Florus noch das zweite Rom nennen konnte. Weitaus das Meiste 
ruht unerforscht im Boden. • 

Der werthvollste Baurest ist die auf mächtiger Substruktions- 
terrasse im Paktolus-Thale stehende ionische Säuleugrunpe des 
der l'rzeit entstammenden aber mehrfach erneuerten Kybele- 
Tempels. Es ist das grosse Heiligthum der mfiouischen Lande«- 
göttiu, welche der Chor des Sophokles im Philoktet mit den 
Worten ausruft: 

„Bergmuttcr, Krd\ Alluährerin, welcher Zeus selbst entspross, 
„Die waltet bei Paktolus grossem, goldnem S.roui. — 



«schmolzen, die wenigen 
jeden Tag iu die Tiefe 



.0 Du Sel'ge, die auf Berglöwen hnch, 
„Den Stiurwürgeru, thront!" 

Drei bis fünf Meter tief liegen die Trümmer verschüttet 
zwei Säulen mit kräftigen Voluten-Kapitellen ragen noch auf- 
wärts; andere liegen daneben, in Trommeln wieder zerspellt, 
wie das Erdheben sie niederwarf. Die Zerstörung ist seit 170 
.lahreu weit vorgeschritten. Bei Chnndler's Besuch (1761) stan- 
den noch fünf Säulen aufrecht, selbst ein Arcliitravstein ruhte 
deckend nnd festigend darüber. 

In ChiahuU'a Zeiten (1GW) war sogar noch die Hauptthür« 



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Die auf der Schwarzwaldbahn vorkommenden Tunnels 
sind bei massiger Lange sofort in vollem I'rofll durchge- 
brochen, bei grösserer Länge mit Hülfe eines Suhlenstollens 
begonnen. An dem längsten Tunnel, unter der Sommerau, 
führte man zunächst vier Schächte aus, von denen der längste 
75>» Tiefe besage, der kürzeste an der Grenze des Tunnels 
und des oberen langen Voreinschnittes sich befand. Das 
Planum aller Tunnels hat 7,20"' Breite und ist auf gleiche 
Art wie bei den Felseinschnitten entwässert. Die Decke ist 
je nach der Beschaffenheit des Gesteins nach dreierlei Nor- 
malien gestaltet. In ziemlich kompaktem Fels ist ein Halli- 
kreis von 4,08 m Halbmesser ausgesprengt, dessen Scheitel 
sich in ö,OG™ Höhe über den Bahn -Schwellen befindet In 
zerklüftetem, und namentlich in steil geschichtetem Gestein 
ist durch Anschluss zweier Tangeuten au den Halbkreis das 

Tunntil-FrottW 

im IltllArci« in «tpi»'...;*« io Zlntneni- s »Ii K»p|>0»i;<i*5lli«. 




sog. Spitzbogenprofil durchge führt uml dadurch mehr Sirher- 
heit gegen das Ablösen von Massen im Scheitel erreicht. 
In noch weicherem oder wasserhaltigem Gebirge wurde ein 
Kappengewolbe zwischen Absätze auf den natürlichen Fels- 
widerlagern eiugespannt, welches bei 0,3b" bis 0,48°" Stärke 
aus regelmässig bearbeiteten Granit -Schichtensteinen aufge- 
mauert und mit kleinen Steinen ausgepackt wurde. Die 
für diesen Fall vielfach erforderliche Zimmerung bestand aus 
1 bis 10 Kronbalken, mit einer Zonenlänge von ca. 8 — 10*. 
Die Kronbalken waren an beiden Enden durch ein gewöhn- 
liches Joch mit HaupUmerschwellen (in der Figur punktirt) 
unterstütst, ausserdem durch 2 bis 3 Zwischenjoche, deren 
Pfosten von der Sohle bis zur Decke reichten. Man erhielt 
somit eiu inodihzirtes englisches BauBystem. Das auszu- 
sprengende Profil misst in den drei genannten Normalien 
der Reihe nach 42, 44, 49,50G". Verkleidung der Wider- 



lager mit Mauerwerk war nur au weuigeu Tunnelstrecken 
erforderlich. 

Die Bauausführung der Eisenbahnstrecke zwischen Hom- 
berg und St. Georgen begann 1»«S, und zwar mit den Rieht- 
Stollen der längeren Tunnels und den grösseren Felsein- 
schnitten. Nachdem die Beschaffenheit des Gesteins genü- 
gend erkannt war, wurden die Arbeiten in der Regel durch 
Submission vergeben. Man theilte sie zu dem Ende in LooM, 
welche für sich abgeschlossene Bauplätze bildeten und füg- 
lich noch durch kleinere Unternehmer oder Arbeiterpartien 
zn bewältigen waren. Nach diesem System des sog. Klein- 
akkords konnten namentlich die zahlreich herbeiziehenden 
Arbeiter aus Tyrol, Tessin, Piemont, welche bekanntlich in 
Felsarbeiten besonders gewandt sind, vortheühaft beschäftigt 
werden, ohne die kostspielige Vermittelung eines grossen 
Bau-Unternehmers und trotz der geringen Sicherheitsleistung 
jener Fremden. Die Sprengmaterialien wurden stets von der 
Hau Verwaltung im Grossen angeschafft und dem Akkordan- 
ten zum Selbstkostenpreise überlassen. Bei der kolossalen 
Masse von Fclssprengungen kam es zur Ersparniss sowohl 
an Kosten als an Bauzeit sehr darauf an, sich der förder- 
lichsten Sprengmittel zu bedienen, und wurden deshalb Ver- 
suche mit mehren Surrogaten des gewöhnlichen Sprengpulvcrs 
angestellt. Von allen diesen hat das Dynamit die besten 
Erfolge gewährt und ist deshalb seit 186Ö in grossem Um- 
fange angewendet worden. Da der Transport des Dynamits 
auf den Eisenbahnen nicht erlaubt ist so wird dasselbe aus 
der Nobul'scheu Fabrik in Hamburg in Ladungen von 40 — 
50 7 ' auf der Axe versandt und kommt jetzt auf 80 fl. |m t 
Zentner zn stehen. Leider war im Sommer 1871 der Bezug 
durch eine Esplosion der Fabrik unterbrochen. Die Erspar- 
nisse an Zeit und Geld bei der Beseitigung von Feldmassen 
in Folge der Anwendung von Dynamit gegenüber dem Spreng- 
nnlver können nach den Erfahrungen bei der Schwarzwald- 
bahn durchschnittlich zu 20 — 25% geschätzt werden. Be- 
sonders erheblich sind sie natürlich in wasserhaltigem Ge- 
stein, sowie in unterirdischen Räumen, wogegen zum Ge- 
winnen von Bausteinen und Nachputzen von reiswänden die 
intensiv zertrümmernde Wirkung des Dynamits sich nicht 
gut eignet. Unglücksfälle kommen bei verständigem Ge- 
brauch nicht öfter vor, als sie sich leider auch beim Pulver 
zu ereignen pflegen. 

.Möglichst früh wurden auch die Bahn wartshüuser 
hergestellt, um in der einsamen Gegend als Wohnungen nnd 
Geschäftsräume des Banpersonals verwendet werden zu köu- 
nen. Es ist dabei die landesübliche Bauweise des Schwarz- 



zum Naos vorhanden: ihr kolossaler Dcekstcin erregte sein Er- 
staunen. Und noch jetzt inipouiren die Trümmer trotz aller 
Verschleppung und Verschüttung durch den selten grossen 
Maasatab, in dem sie gearbeitet sind- Der nach NNO. onentirte 
Bau war ein achtsäuliger Dipteros. Der untere Säulen-Durch- 
messer beträgt mehr als 2" die Axenontfcrnung 5,20 m . Die 
Kanneluren. 24 an der Zahl, siud nur lehrenartig am Au- 
und Ablaufe vorgearbeitet aber nie vollendet wordeu. Voll- 
ständig fertig gearbeitet erscheinen die weit ausladenden und 
bliebst wirkungsvollen Voluten-Kapitelle. Ihr Schema entspricht 
dem der Kapitelle von Prien», doch siud die mit vier Kehlen 
(darunter zwei schuppenbclcgtu Balteusgurtv) versehenen Seiten- 
ansichten reicher geschmückt, als die entsprechenden jener Ka- 
pitelle. Das Schneckenauge bildet einen stark erhobenen Knopf 
eine flache Hose steht in der Frontmittc. der volutirten Fascia 
und wird in seltsamer Weise von zwei füllhornartigen Kelchen 
umrahmt Die gedoppelten Perlenschnur« der Balteusgurte sind 
iu Voluten beendigt und tragen zierlich gemciscltc Palmetten, 
lu allen diesen Details, sowie an anderen, welche von den 
Epistylien und den Kranzgesimsen herrühren, wird der Charak- 
ter einer spät hellenistischen Epoche erkennbar. Es ist zu be- 
dauern, dass Tcxier von den interessanten Details keine Abbil- 
dung gegeben; die bei Cbeancy mitgetheiltcu sind nicht ganz 
zuverlässig. Doch genügen sie für jeden Kenner hellenischer 
Baukunst, um Julius Braun's Annahme, dass der Tempel der 
Glanzzeit von Sardes (dem Schlüsse des VII. Jahrh.) angehöre, 
sofort zu beseitigen. Das Material ist eiu grobblättriger weisser, 
hier und da blaugrau gefärbter Marmor, dessen Fundstätte uns 
unbekannt geblieben, aber wahrscheinlich in dem Bergsattel des 
Tniolus, welcher zur Cayster Ebene und nach Ephesus hinüber- 
führt zu suchen ist. 

Die Reste des Theaters und Stadions siud weniger bedeu- 
tend. Das Theater ist nach römischer Art erbaut, der Durch- 
messer beträgt 12C'». Oben war eine Säulenhalle, in halber 
Höhe ein Mittclgang angelest: die Platzeinrichtung ist der Ver- 
schattung halber unkenntlich geworden. Die beiden Stirumauern 
zeigen Gussmauerwerk mit Marniorquaderu bekleidet Die 
Scbichteotechnik der unteren Quaderreihen spricht für einen 
Neubau des III. Jahrhunderts aus der Epoche der Attaliden. 
Die oberen, minder sorgfältig bearbeiteten Quaderschichten lassen 
mehrfache und nachlässige Ausbesserungen erkennen. Zu den 
Füssen des Theaters und der Hinterfront seines Skenengebäudcs 
unmittelbar angeschlossen liegt das Stadion mit der mächtigen 



Länge von rot 190". Seine Längsaxe ist von Südost nach 
Nordwest gerichtet; die linke Sitzreihe ist in das abgeschrägt» 
Terrain eingeschnitten, die rechte ruht auf winkelrecht gestell- 
ten rundbogigeu Tonnengewölben römischer Technik. Die 
Uauptwiederherstcllung ist nach dem grossen Erdbeben in 
Tiberius Zeit erfolgt wie vortreffliche ältere Baustücke er- 
kennen lassen, die zu dem Gussmörtelbau verwendet wor- 
den sind. 

Nördlich vom Stadion, etwa :i;> m von den obersten Sitzen 
eutfernt, steht eine merkwürdige Thuranlago, nächst den Sub- 
struktioneu der Burgmauern des Kybele-Tempcla das älteste iu 
Sardes. Zwei aus grossen Quadern hergestellte Rundbogcnthore, 
von SO. nach NW. orientirt, nach einer schrägen Axe geordnet, 
folgen einander. Das untere Thor ist bis zu den wuchtigen, 
nur aus einer unterwärts abgeschrägten Platte bestehenden 
Kämpfern verschüttet, der obere Thorbogeu ist bis zu 1» unter 
dem Scheitel in der Erde begraben. Die Bogenspannungen sind 
klein, 2, V> m weit aber die Grösse der Quadern, die Strenge der 
Kämpfer, diu treffliche Tecknik bezeugen ein** frühe Bauzeit 
welche schon dem Aufauge des füuften Jahrhunderts, der 
Epoche des Wiederaufbaues nach dem ionischen Ueberfallo 
angehören kann. Von der starken Mauer, zu welcher das 
Doppeltbor den Zugang eröffnete, sind noch Quader-Doppel- 
reinen vorhanden und auf beträchtliche Längen verfolgbar. Das 
Ganze seheint ein zur Burg gehöriges, weit vorgeschobenes Be- 
I festigungswerk gewesen zu sein, dessen höhere Flankirang 
Stadion und Theater, wegen ihres schroffen Nordabsturzes ge- 
bildet haben. 

Mehr in der Thalfläche, dicht an der alten llauptstrasse 
und hinterwärts vom Hühlbache (jetzt I.ntro patamos genannt) 
begrenzt, erheben sich die stattlichen Trümmer eines antiken 
Gebäudes, welches später zur christlichen Kirche eingerichtet 
worden ist. Deutlich erkennbar ist ein oblonger gewölbter Saal, 
an seinen kurzen Seiten mit Halbkreistribünen begrenzt 
Die MaasHe sind beträchtlich, 17» Breite und 61" Länge, mit 
Ausschluss der Trihüucnnischen. dercu Spannung fast 13 m be- 
trägt Die Langseiten sind völlig durchbrochen, so dass der 
grosse Raum ähnlich wie die Mazentius-Basilica auf acht 
Pfeilern ruht Die 7,50* starken Pfeiler sind aus grossen Mar- 
morquadern erbaut; über ihren ionischen Antenkämpfern folgen 
Backatelnschichtcn. Erhaltene Ansatzapuren verrathen die 
frühere Existenz von Tonnengewölben mit grossen Scitcnstich- 
1 kappen; Seitenschiffe waren nicht vorhanden, doch befanden 



welches zu Grunde gelegt, jedoch in etwas soliderer und feu- 
ersicherer Weise. In der Regel ist ein Platz an einer Berg- 
wand ausgesucht, an welchen sich der aus rauhem Granit- 
maucrwork bestehende Unterbau anlehnt und hineinschiebt. 
Dieser Unterbau enthält Stall, Geräthschaftcnrauro, Keller. 
Das Hauptgeschoss ist theils direkt von der Bergseite her, 
theils durch eine Treppe aus dem Unterbau zugänglich und 
enthält Küche und 2 bis 3 Zimmer. Die Umfassungswände 
besteben meistens aus verschaaltem und ausgemauertem Fach- 
werk. Das Dachgebälk und der aufgesetzte Kniestock sprin- 
gen darüber vor, noch weiter überragt der Vorsprung des 
Daches, welches halb abgewalmt und mit Schiefer gedeckt 
ist. Im Dachraura finden sich noch 1 bis 2 Giebelzimmer. 
Dazu kommen öfter noch Galerien oder Freitreppen. Das 
(tanze stimmt mit Formen und Farben ausserordentlich an- 
sprechend zu der malerischen Umgebung. 

Wir führen nun noch eiuige Akkordpreise an, aus wel- 
chen auch die Behandlung des Baubetriebes noch uülier er- 
sichtlich sein dürfte: (1 fl. — IK) Kr. = « , Thlr. 

Lösung von Boden Di Kr., von Felsen 40 bis CO Kr. 
per kb n , inkl. Stellung und Unterhaltung des Geschirres und 
Ankauf der Sprengmaterialien. 

Auslesen unf Aufsetzen brauchbarer Steine zu Mauer- 
werk oder Schotter aus den Sprengniassen 13 Kr. per kl)" 1 . 

Transporte von Abtrag zu Auftrag nach besonderer 
Tabelle. 

Herstellen von Böschungspflaster bei l m Dicke 27 Kr. 
per Q™, wobei das Beschaffen der Steine durch die vorher- 
gehenden Preise bereits vergütet worden. 

Kyklopcnmauerwerk incl. Gerüste und Mörtellicfcrung, 
aus den im Loose selbst gesprengten und bez. Lösung be- 
reits bezahlten Steinen, in hydraulischem Mörtel 8% fl., 
trocken 3*/» fl. per kb"'. 

Liefern und Bearbeiten von Gewölb • Schichtensteinen 
aus Findlingen oder im Loose gesprengten Blöcken 25 bis 
31 fl. per kb" 1 . Arbeitslohn zum Mauern, lud. Gerüste und 
Mörtel, weiter 6 fl. 



Ricbtstollcn von 2,40™ Höhe und 2,70" Breite, für Aus- 
sprengen, Transport und Anschütten der Massen 70—150 fl. 
per laufendes Meter. 

Tunnels von massiger Länge, für Aussprengen im vollen 
Profil (Halbkreis oder Spitzbogen-Decke), Transport und An- 
schüttung der Massen 250 bis 300 fl. per laufenden Meter. 
Auch hier ist Stellung und Unterhaltung der Geräthsehaften, 
Dienstbahnen und Sprengmittel Sache der Akkordanteu und 
in den Preisen mit einbegriffen, 

Somraerau-Tnouel. Nach Herstellung des Sohlenstollens 
wurden für die Sprengarbeit behufs Erweiterung zum Spitz- 
bogenprofil 250 bis 320 fl., zum Kappenprofll 320 bis 350 fl. 
per laufd. Meter bezahlt, .incl. Transport zur Anschüttung 
vor das Portal. Ferner für Auszimmerung nach dem oben 
lieschriebenen System mit 6 bis 10 Kronbalken incl. Holz- 
lieferung 5 fl. per Kronbalken und per laufd. Meter Tunnel. 
Die Eisenbestaudtheile zur Zimmerung sind besonders be- 
zahlt. Versetzen des Kappengewölbes aus den an das Portal 
augelieferten Schichtensteinen, incl. Lehrgerüste und Mörtel- 
lieferung SO bis ;>0 fl. per laufendes Meter. 

Die Differenzen in diesen Preisangaben beziehen sich 
vorzugsweise auf die geringere oder grössere Entfernung des 
Arbeitsortes vom Portal. 

Die Gesammtk osten der Eisenbahnsfrecke von Hornberg 
nach St. Georgen, mit Ausbau eiues Geleise», sind veran- 
schlagt zu H 380 000 fl., d. h. zu 202 000 fl. per Kilometer. 

Da seit Kurzem auch die Arbeiten auf den an die eigent- 
| liehe Gebirgssteige anschliessenden Strecken in Angriff ge- 
nommen worden sind, so wird die ganze Schwarzwaldbahn 
voraussichtlich im Laufe des Jahres 1803 dem Verkehr über- 
geben werden. Im Herbst des laufenden Jahres werden da- 
her die an der Wandcrversammlung deutscher Architekten 
und Ingenicure zu Karlsruhe Theil nehmenden Facbgenossen 
noch Gelegenheit haben. Manches vom Baubetrieb zu sehen, 
und es sollte mit der Zweck dieser Zeilen sein, dieselben 
im Voraus etwas zu orientireu und zum Besuche des inter- 
essanten Baues anzuregen. B. 



Mittheilungen aus Vereinen. 



General -Versammlung des deutschen Vereins für Fa- 
brikation von Ziegeln, Thonwaoren, Kalk und Zement 

(Schluss). 

Dritter Tag. 

Von Seiten des Hrn. Scheukelbergerin Saarbrücken waren 
Proben von feuerfesten Steinen eingesandt worden, welche in 
einer hiesigen Fabrik neben aus Euglaud bezogenen Dimas- 



Steiucn der höchsten Temperatur und der Stichflamme eines 
Schweissofeus ausgesetzt waren. Die Schenkelberper'schen Stein« 
hatten sich dabei den Dinassteiuen an Feuerfestigkeit bedeutend 
überlegeu gezeigt, denn die Letzteren wareu vollständig zerstört 
Der Preis der Schenkelberger'schen Steine ist pro Zentner 15 Sgr. 



ab Fabrik in Oltweiler (Rhein-NabcBabn). 
Der Vortrug des Herrn Dr. Seger über 



die Bewegurg der 



sich 8™ breite Portiken vor der Front- und Hinterseite. Hinter 
der letzteren zeigt sich das Terrain 3" 1 tief künstlich vertieft 
und breit umwallt, so dass wahrscheinlich in dem Saale der 
Uauptsaal eiues Gymnasiums und in dem grossen vertieften 
Platze die Pul äst ra desselben zu erkenuen ist. Bei dem fast 
undurchdringlichen Dornengestrüpn, welches die ganze Ruine 
durchwachsen hat, waren sichere llauptmaasse nur mit grosser 
Schwierigkeit zu gewinnen. 

Hinter der durch riesige Platanen überaus malerisch ge- 
stalteten Mühleuhütte steheu fünf andere starke Pfeilerreste, 
welche schlecht uud nachlässig ans alten Trümmern erbaut 
sind. Grosse Marmorquadern, ionische Geisonblöeke. kaunelirte 
SSulentrommeln, korinthische Kapitelle, alles ist bunt durch- 
einander gepackt. Die Orientiruug ist nach NO. gestellt, in 
welcher Richtung auch eine Apsis gestauden zu haben scheint 
Die Länge beträgt 33™, die Breite 15 m . Auch hier sind die 
Pfeiler unten aus Marmorrtückcn , die Gewölbeausätze aus 
konstruirt. Die Faradenreste 



römische Technik, vier Ziegelschichten wechselnd mit e 
Bruchsteinsicht, ganz ähnlich wie zu Paris und Trier die so- 
genannten Thermeupaläste. Das Gauze ist der Rest einer aus 
antiken Trümmern liederlich zusammengebauten einschiffigen 
gewölbten altchristlichcn Kirche. Unter den verwendeten Bau- 
stücken sind werthvolle, wenn auch spätrömische Strukurtheile 
vorhanden. 

Zuletzt befinden sich ansehnliche Reste dreier grosser Ge- 
bäude südlich von der alten Hauptstrasse in der Nähe des 
Paktolus, darunter eiue aus kolussaleu Mannoruuaderu erbaute 
Tempelkrepis uud ein mit flachen marmorneu Strebefeilem be- 
setzter aber in der erwähnten Bruchstein-Ziegeltechnik herge- 
stellter Baurest, welcher häufig, aber ohne Begründung, als die 
Gerusia bezeichnet wird. 

Schwierig ist der Aufgang zur Burg. Nur von der Südwestseite 
windet sich zwischen Zwcrgeichen, Arbutus und auderen Strauch- 
gewächsen ein schmaler Bergpfad in die Höbe. Bis zur Hälfte 
kann man — Dank sei es der Kraft und Ausdauer der einhei- 
mischen Pferde - hinaufreiten. Dann beginnt ein mühevolles 
Klettern auf den glatten versengten Grashängon oder den 
schroff abgewitterten undurchdringlichen Dornen, mit dicken 

Sluarzknollen bestreuten Thnnschlammwäuden, wobei Hecken oft 
en Weg sperren und nicht blos Kleider, sondern aucli Blut 
kosten. Die noch stehenden Mauerreste entstammen verachie- 
Bauepochcn, doch ist der Quaderbau entschieden überwie- 



Send. Griechische Säulen, römische Inschriften, altbyzautinisehe 
'apitelle treten an verschiedenen Punkten zu Tage. Die tiefer 
liegende Vorburg ist besser erbalteu als die kaum noch zugäng- 
liche Hochburg. Die Riugmaueru der letzteren, auf ganz 
schroffem Hange überstehend, sind selbst formlos geworden 
uud gleichen fast dem Grundfelsen, darauf sie stehen. Herrlich 
aber ist die Aussicht, welche von oben sich eröffnet Hiutcr uns 
der noch immer bewaldete, durch gewaltige Schluchten reich geglie- 
dertcTmolus, dessen deutlich erkennbarer Bergsattel den altenWeg 
nach Ephcsus verkündet. Das siud die kühlen Schluchten und 
rauschenden Bergwälder, iu welchen einst (F.e Göttermutter mit 
ihren Löwen umherschweifte und die lydischen Könige auf 
Hochwild jagten. Dort strömt aus platanen- und pappelbesctztem 
Thale der Paktolus hervor, von Granatenbäumen und Oleander- 
becken ciugufasst, wie ehemals, aber des Goldes, welches seinen 
Namen schon iu alter Zeit zu den Helleneu trug, längst beraubt 
Vor uus ruhten tief unten die Ruinenfelder, von Bächen be- 
grenzt und von der Landstrasse durchschnitten. Darüber 
hinaus breitet sich fast unabsehbar in einaiigor Richtung zu 
beiden Seiton des Herrn us die grosse lydische Ebene, östlich und 
westlich von dämmernden Bergketten 'begrenzt Ihre Mitte ist 
durch den gygäischeu See uud seine Fürstengräber in [unzer- 
störbarer Weise als heiliges Landeszentrum bezeichnet. Und 
neben der wundervollen Aussicht und der herrlichen Berg- 
luft, welche Fülle von Erinnerungen umweht uns hier 
oben. Die sagenhaften Gestalten des Kandaules und Gyges 
tauchen auf. Krösus kommt mit seiner schon von Pindar geprie- 
senen freuudlicheu Tugeud, Kyros und Xerxes mit ihren Völker- 
heeren ziehen vorüber, keltische Reiterschaaren wechseln mit 
ionischen Heerhaufen: dem Autiochus mit seinen Syrern folgen 
die geschlossenen römischen Legionen; au die weltlichen Kämpfe 
schliesseu sich kirchliche Kämpfe, bis der wilde Tamerian die 
letzten Reste nationalen Lebens und kulturlicher Entwickelung 
in Blut und Asche erstickt. Seitdem ist Sardes nicht nur eine 
todte, sondern auch eine begrabene Stadt Wird sie mit dem 
sicheren Heranrückeu der bereits prujektirten uud veranschlagten 
Eisenbahn eine Auferstehung erleben? Die Bejahung ist bei 
der seltcuen Fruchtbarkeit des Bodens und dem immer stärkeren 
und Vordriugeu der griechischen Volksmenge in 
nicht mehr zu bezweifeln. 

(ForM.lion« folgt.) 



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45 



piE ^ADISCHE ^CHWARZWALDBAHN. 




(Dta .»^U«» Z»hL« beieioho.il dl« Mrtrnbube in UrtOT.) 



Feuergase iu stehenden und liegenden Brennöfen suchte die Ge- 
setze, von welchen eine gleichmässig« Vertheiluug der Hitze 
und ein möglichst geringer Brennstoffverbrauch abhängig ist, 
durch Skizzen verschiedener Ofenkonstruktionen zu erklären. 

Die Frage über Benutzung der Oasfeuerung gab Hrn. Reg.- 
und Bau-Rath Möl ler Veranlassung zu Mittheilungen über den 
in der Kgl. Porzellan-Mauufaktur ausgeführten kuntinuirlichen 
Brennofen. (Eine Exkursion, welche nach der Sitzung nach 
Charlottenburg unternommen wurdo, bestätigte die vorzüglichen 
Resultate der von Hrn. Mcndheim ausgeführten Anlage). Für 
die Ziegelfabrikation muss sich ein solcher Gasofen als zu 
theuer in der Herstellung und irn Betriebe erweisen, dagegen 
würdo derselbe mit bedeutenden Vereinfachungen für die E ubri- 
kation feinerer Thonwaareu wohl cmpfehlenswerth sein. Resul- 
tate über anderweitige Ausführung von Brennofen mit Gas- 
feuerung waren nicht bekannt 

Ob es vorteilhafter ist, bei Vergrößerung des Betriebes 
einen alten Ringofen abzubrechen und einen neuen hinzustellen, 



oder einen zweiten daneben zu setzen, hängt durchaus von 
lokalen Verhältnissen und namentlich auch von der Grosse der 
ursprünglichen Anlage ab. In eiuzelueu seltenen Fällen ist 
auch ein Umbau des alten Ringofens möglich. 

Die Diskussion über Vermeidung von Arbeiterstriken und 
den Bau von Arbeiterwohnungen brachte die verschiedenartig- 
sten Auskitten zu Tage; im Allgemeinen einigte man sich dahin, 
dass es gut sei, eine Erwerbung von Grundeigenthum durch die 
Arbeiter zu begünstigen und dieselben dadurch „an die Scholle" 
zu binden 

Einige aus einem weissen Zement hergestellte Ornamente 
erregten in der Versammlung lebhaftes Interesse und wurden 
zur Verwendung, auch bei Stubenöfen, empfohlen, doch konnte 
Niemand über die Erfolge bei derartiger Verwendung Auskunft 
geben. 

Bei Ofenkonstruktionen lässt sich Zement nur da verwen- 
den, wo höhere Uitzegradc nicht einwirken, derselbe kann also 
nicht als feuerfestes Bindemittel gelten. 



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Eine eingreifende Konkurrent durch Zementsteine, resp. 
Konkretbauten hat die Ziegelfabrikation vorläufig nicht zu be- 
fürchten. 

Die Versammlung sprach sieh noch über die Grundsätze 
aus, die sieb für den Ausehlum von Zweigvereinen an den 
Hauptvereiu empfehlen mochten, und nahm Kcnntniss von dir 
Bildung eines Ziegelfabrik anten-Vero ins in Dresden. — 
Die nächste General -Versammlung wird wieder in Berlin statt- 
finden. - T - 



Architekten und Ingenieur -Verein zu Cassel. Haupt- 
versammlung am 30. Januar 1872. 

Eis wurden zunächst vier Mitglieder aufgenommen, nämlich 
die llcrreu Ober- Maschinenmeister Bütc, Bauführer Eubell. 
Baurath Küll und Techniker Kautz. Sodann machte der Vor- 
sitzende. Ur. Rudolph, Mittheilung über den Rccliiiungsab- 
«chluss vom vergangenen Jahr, und wurden die Hrn. Kümmel 
und Krausse gewählt, um die bezügliche Abrechnung III prüfen. 

Hierauf erfolgte die «tatutenmässige Neuwahl des Vorstandes 
welche zum Vorsitzenden Hrn. Rudolph, zu Bibliothekaren die 
Herren Sallmann, Schmidt und Kümmel, zum Schrift- 
führer Hrn. Schuchard, zum Kassirer Hrn. Kegel, zum Di- 
rigenten des Lesezirkels Ilm Hiudorff uud zu Mitgliederndes 
Vorstandes ohne spezielles Vereinsamt die Hm. Blanckenhorn, 
von Dehn-Rotfclser uud Fink berief. 

Nach Beendigung dieser geschäftlichen Angelegenheiten 
machte Herr Rcdur interessante Mittheiluugen über die von 
Froronisdorf beschriebenen Untersuchungsmethoden für eine 
Statistik des Wassers von Boudron und Bmidct. Die von dem 
Vortragenden vorgeführten Experimente zeigten , das» nach 
diesen Methoden jedes Wasser ausserordentlich leicht und in 
wenigen Minuteu auf seineu Härtegrad untersucht wurden kanu, 
weshalb dieses wirklich praktische Verfahren allgemeinen Bei- 
fall fand. 



Arohitekten -Verein zu Berlin. Haupt -Versammlung am 
3. Februar 1872.. Vorsitzeuder Hr. Böckmann, anwesend 115 
Mitglieder. 

Der Säckelmeister des Vereins, Herr Röder verlies»! den 
Finanzbericht über das abgelaufene Verwaltungsjahr. Die Fre- 
quenz des Verein«, in welchen im Jahre 1871 CO neue Mitglieder 
aufgenommen wurden (in den beiden Vorjahren 57 resp. 59), ist 
auf 289 in Berlin wohnende und 545 auswärtige, im Ganzen also 
auf 934 Mitglieder gestiegen (gegen 731 pro 1869 und 688 pro 
1870). Trotz dieses günstigen Mitgliederstandes haben die Ein- 
nahmen, welche im Etat zu . r >800 Thlr. veranschlagt waren, nur 
die Höbe von 4889 Thlr. um deshalb erreicht, weil nicht allein die 
Nachwehen des Krieges die Beiträge der einheimischen Mitglie- 
der vermindert haben, sondern namentlich, weil durch die Ver- 
zögerung in der Publikation der Monatskonkurrenzen, bei deren 
Versendung die Beiträge der Auswärtigen eingezogen wurden, 
ein sehr erheblicher Ausfall in Betreff der letzteren entstanden 
ist. Es ist andererseits gelungen, auch die im Etat auf 5700 
Thaler veranschlagten Ausgaben auf 51 95 Thlr. zu ermässigeu, 
so dam das gegenwärtig vorhandene Defizit nur 306 Thlr. beträgt; 
das Kapitalvermögen des Verein« anzugreifeu, war nicht erfor- 
derlich, da nach dem Eingehen der ausstehenden Beiträge Btatt 
des Defizits eiu Ueberschuss aus der Verwaltung des Jahres 1871 
rieh ergeben wird Auf die ilaupttitel des Etats vertheilen «ich 





Wirklich 




IM 
pro IHN 


Krgrb- 

lilu 
|irt> IST» 


A. Einnahmen. 


TWr 




et 


Thlr. 


TWr. 




96. 


10 


3 


96 




Beiträge der Mitglieder in Berlin . 


4211. 


25 




4600 


4145 


Beiträge der auswärtigen Mitglieder 


289. 






819 


806 


Au« der Zeitschrift f. Bauwesen . . 


180. 






180 




Zinsen des Kapital-Vermögens . . . 


1 1 1. 






105 




Summe . . . 


4888. 


27. 


'• 


."■800 


5353 


B. Ausgaben. 












Für da« Vereinslokal 


1834. 


21. 


1 


1850 


1931 




728. 


11. 


i 


815 


648 




657. 


23. 




525 


681 


Für die Bibliothek 


787. 


10. 




850 


577 


Für das Mobiliar 


129. 


16. 




175 


952 




408. 


3. 




550 


623 




83. 


13. 




200 


90 


Für Feste und Exkursionen 


449. 


26. 


t 


400 


423 




86. 






30 


.'1 












876 


Summe . . . 


5165. 


5. 




5700 


6772 



Der Finanzbericht und der von dem Hrn. Säckelmeister 
vorgelegte Etats - Entwurf werden darauf zur Prüfung einer 
Decharge-KommiHsinn übergeben, zu deren Mitgliedern der Verein 
die Herren Cornelius, Haarbeck und Sondier ernennt. 

Vor Beginu der Neuwahl des Vorstandes theilt der Herr 
Vorsitzende die Nachricht mit, dasa Herr Grund eine Wieder- 
wahl abgelehnt habe; es wird jedoch der Versuch beschlossen, 
ihn zum Verzicht auf diese Absicht zu bewegen. Herr Böthke 
referüt sodann über das Ergebuiss einer kleinen, am vorher- 



gehenden Tage zusammengetretenen Vorversamrnlung, welche 
vom Vorstände noch einige bisher anderweit versehene Funk- 
tionen iLcitung der Bibliothek, Redaktion der Protokolle etc.) 
übernommen wünscht, ausserdem aber eine in anderen Vereinen 
sogar vorgeschriebene zeitweise Ergänzung de« Vorstandes durch 
Ausscheiden bisheriger und Eintritt neuer Mitglieder für zweck- 
i massig erachtet. 

Die Wahl des ersten Vorsitzenden wird dadurch zu einer 
schwierigen und langwierigen, das« mehre der in Aussicht ge- 
nommenen Kandidaten, zunächst Hr. Adler, nach der ersten 
Abstimmung auch Hr. Streckert, sie mit Entschiedenheit ab- 
lehnen, erst im dritten Wablgange vereinigen sich 107 von 114 
Stimmen auf Hrn. Quassowski. Zum Stellvertreter des Vor- 
sitzenden wird Hr. Streckert mit 85 von 113 Stimmen, zum 
Säckelmeister Hr. Röder mit 93 von 103 Stimmen gewählt In 
Betreff der 9 übrigen Vorstandsmitglieder ergiebt der erste 
Wahlgang nur für 7 der vorgeschlagenen Kandidaten, die Herren 
Schwedler, Franzius, Endo, Grund, Adler, Höck- 
mann und I.ucae die erforderliche Majorität von % der abge- 
gebenen Stimmen. Da« Resultat der zweiten Abstimmung, bei 
welcher die Hrn. Möller, Stier und Orth zur engeren Wahl 
gelangen, bleibt ebenso wie das Ergebniss der Wahl de» Schinkel- 
fest-Komites am Schluss der Versammlung noch nicht ermittelt. 
In den Verein neu aufgenommen werden die Hrn. W. Becker, 
G. Böttger, Clausen, Hamel, Januskowski, F. Röder, 
Ziem als einheimische, Hr. Vogdt (Elberfeld) als auswärtiges 
Mitglied. 

Während dieser Wahlen referirt Hr. Ende zunächst über 
die 4 Entwürfe, welche bei der Konkurrenz für ein Krieger- 
denkmal in Neissc eingegangen sind. Der erste derselben, eiue 
kuppelgckröute offene Halle auf hohem Unterbau, ist nach der 
Ansicht der Beurteilungskommission zu sehr von antiken An- 
schauungen ausgegangen, um dem Empfinden des Volkes ver- 
ständlich zu sein, und würde die Ausführung die disponible 
Bausumme um ein Mehrfache« überschreiten; auch steht das 
dabei gezeigte Können hinter dem künstlerischen Wollen erheblich 
zurück. Der zweite, ein gedrungener im Hauptkörper obeliskeu- 
artig gestalteter Bau, an den Kanten mit Kanonenrohren gesäumt 
entbehrt des nöthigen Ernstes der Durchführung und trägt 
mehr den Charakter einer aus Surrogaten hergestellten flüch- 
tigen Moment -Dekoration. Befriedigend, weil in sich abge- 
schlossen und zur Ausführung geeignet, erscheint ein dritter 
Entwurf, der auf einem reich cutwickelten und bedeutenden 
Postamente einen schlank verjüngten achteckigen, mit dem 
eisernen Kreuze gekrönten Aufbau aus Backsteinen zeigt, doch 
ist die Behandlung namentlich der oberen Theile etwas zu 
schlicht und nüchtern. Der beste künstlerische Gedanke ist 
endlich in dem letzten Entwürfe enthalten. In Formen , die 
eine Vermischung antiker und mittelalterlicher Motive anstreben, 
erhebt sich auf einem verhältnissmässig niedrigen Unterbau ein 
glatter runder Schaft, der die verlangten Inschriften trägt, wäh- 
rend ein reich skulpirter Fries als Hals des säulenartigen Mo- 

I numents die Embleme der verschiedenen Waffengattungen ent- 
hält. Ein kapitelartig gedachter Aufsatz bildet den oberen 

. Abschluss. Die Kommission hat diesem Entwürfe, als dessen 

! Autor sich Herr Hubert Stier ergiebt, einstimmig den Preis zu- 
erkannt, bringt jedoch pine etwas veränderte Detaillirung des 

I untersten und obersten Theils in Vorschlag. Gleichzeitig wurde 
auch die vor diesem erwähnte Arbeit, die von Hrn. Kühn ge- 
zeichnet ist, der Division, die das Denkmal setzen will, zur Be- 
achtung empfohlen. 

Herr Sil lieh berichtet über den Inhalt des dem Verein 
zugegangenen Promemeria's, welches der Verein .Berliner Bau- 
bude* dem polizeilichen Entwürfe zu der neuon Bauordnung für 
Berlin gewidmet hat Die Kritik, welche er dieser (von uns be- 
reit« besprochenen) Arbeit zu Theil werden Ifisst, ist im Allge- 
meinen keine günstige; namentlich glaubt er, das» die von der 
Einsetzung eines Bauamtes und der Aufhebung der Bau-Erlaub- 
nisscheine erwarteten Vurtheilo in Wirklichkeit nicht dürften 
erzielt werden. Demgegenüber nimmt Herr Boockm ann Ver- 
anlassung sich seinerseits mit grosser Schärfe gegen das Prin- 
zip der Bauerlaubniss und dessen gegenwärtige Handhabung 
auszusprechen. Er räumt allerdings ein, dans in dem vorläu- 
figen Uebergangsstadium, wo eine verhältnissmässig nur geringe 
Zahl von Privat -Architekten existirt, deueu ein Bauherr mit 
vollem Vertrauen die ihm auferlegte Verantwortlichkeit auf 
eigene Gefahr hin übertragen könne', ein polizeiliches Ein- 
schreiten und eine Ueberwachung der vielen unzuverlässigen 
Kräfte, auf welche die Bauherren noch augewiesen sind, nicht 
zu entbehren seien. Hingegen schildert er die Nachtheile, 
welche aus einer schabloueumässig durchgeführten Präventiv- 
kontrolle, welche die Verantwortlichkeit hauptsächlich dem kon 
trolliretiden Beamten aufbürdet, in denjenigen Fällen erwachsen, 
wo dieselbe sachlich nicht nothwoudig wäre, als so bedeutend, 
das« der Vortheil dort und der Schaden hier sich mindestens 
ausgleichen. Diesen Schallen weist er nach in dem enormen 
Zeitverluste, der durch die Revision der Pläne sich ergiebt 
und mit den Zwecken des Baues oft absolut nicht zu ver- 
einigen ist, iu der Hemmung der schöpferischen Kraft des 
Architekten, der in diesem fortwährenden Kampfe mit der 
obrigkeitlichen Bevormundung «ich abnutzt uud erlahmt, end- 
lich in den Verhältnissen, die dadurch entstehen, dam in der 
Uncrträglichkcit des auferlegten Zwanges nicht selten alle 
Mittel ergriffen werden, um die Vorschriften der Behörde mit 
Absicht und wissentlich zu umgehen oder selbst direkt zu vor- 

I letzen. — F. — 



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- 47 — 



15. 



27. 

1. 
10. 



Oktober 1. 



L 



Dezember 31 



Vermischtee. 

Eisenbahn -Eröffnungen In Deutschland und Oesterreich- 
Ungarn im 2. Semeacer 1871. Die Zeitung dea Vereins deut- 
scher Eisenbahn-Verwaltungen, die sonst die Eisenbahn-Eröffnun- 
gen im Gebietu des Vereins nach der Zeitfolge uud uro Semester 
tuittheilte, giebt diesmal eine geographisch geordnete Jahres- 
t'ebersicht derselben, jedoch mit Ausschluss der niederländischen 
Bahnen. Im Anschluss an unsere letzte, derselben Quelle ent- 
nommene Mittheilung (Nr. 33 Jbrg. 71), in der wir bereits die im 
ersten Semester eröffneten Bahnstrecken augei 
wir zunächst noch der alten Methode folgen. 

I. In D«nt*ctü«nd. 

1. In Preussen. 
Flatow Conitz (Preussische Ostbahn) . 
Moekcr - Jablonowo (Preussische Ost- 

bahn) . . . . 

Gerdauen -Rothfliess (Preus.sische Ost- 
bahn) 

Lyck-Prostken (Ostpreuss. Südbahn) . 
Oels-Poln. Warteuberg (Breslau -War- 
schauer Eisenbahn) 

Breslau -Strehlen (Oberschlesische Ei- 

alin) . 

Glogau - Kothenburg (Brcslau-Schweid- 
iiitz-Ereiburger Eisonbalin) .... 
Sagau - Sorau (Nicderschles. Zwcigb.) 
Cottbus - Guben (Hallc-Sorau-Gubcucr 

Eisenbahu) 5,03 

Cottbus - Falkenb. i g (Halle-Sorau-Gu- 

beuer Eisenbahn) 

Berlin - Spandau ( Magdeburg - Halber- 

stttdt. Eisenbahn) . 

Aschersleben - Cöunern ( Magdcburg- 

llalberstädtor Eisenbahn) 

Gardulccen-Lchrte (Magdeburg-Ilalber- 

Btädter Eisenbahn) 

Osterode- Grenze bei Babenhausen [iu 
der Richtung auf Seesen] (Hannover- 
sche Eisenbahn) 0,43 

Münster - Osnabrück (Köln - .Mindener 

Eisenbahn) 6,66 

Gerolstein - Trier (Khcfoischt Eiscnb.) 
für den Güterverkehr Uagen-Oberhagcn 
(Bergisch-Markische Eisenbahn) . . ■ 
Ruhrthalbahnstrecke Arnsberg - Me- 
schede (Bergisch-Märkische Eisenbahn) 
Salzschlirf - Fulda (Oborhcss. Eisenb. ) 

2. 1 n Sachsen. 
Grossehönau - Warnsdorf ( Sächsische 

StaaUbahn ) 

Radeberg-K anic uz (Säehs. Staatsb.) . 

3. In Thüringen- 
Dezember 20. Gera- Eichicht (Zweigbahn der Thüring. 

Eisenbahn) 

4. In Oldenburg. 
Sande -Jever (Oldeuburgische Staatsb.) 

5. Iu Hessen. 
Mainz-Armsheim (Hessische Ludwigs- 

bahu) 

Odenwaldbahnstrecke Wiebelsbach- 
Hcubach-Erbach (Hessische Ludwigsh.) 
C. In Baden. 
September 15. Freiburg-Alt-Breisach (Privatbahn im 
Betrieb der Badischeu Staatsbahn Ver- 
waltung 3,00 

7. In Bayern 
Schweinfurt - Kissingen (Bayerische 

Staatoeisenbehn) 3,41 

Nürnberg-Neumarkt (Bayer. Ostbahn) »,85 



Juli- 
Oktober 
November 
September 



1. 

1. 
15, 
15. 

1. 

I. 



Juli 

Oktober 



Juli 



15. 
IG. 

18. 

31. 

15. 



Oktober 



Oktober 15. 



18. 
24. 



6,76 

7,35 

8.31 
!f,l0 

3,33 

4,90 

8,5» 
1,70 , 



10,51 
1,73 
3,78 

13,57 



9,31 
0,32 
2,ti4 

2,6a 



0,30 
3,70 



10,28 
1,73 

4,76 
3,10 



Oktober 



9. 
1. 



IL In Oeiterrcieh - Ungarn. 

I. I n Oesterreich (Cis-Leithanicn). 
Oktober 1. Pelsdorf-Uohcnelbe (Oesterreichischc 

Nordwestbahn) 0,58 

1. Zuaim - Stockerau (Oesterrcichische 

Nordwestbahn) 3,82 

17. Wostromiersch ( Ostromer ) - Jitschin 
[2,28 M ] und Trautenau - Freiheit 

[1,211 M.j lOesterreichische Nordwestb.) 3,57 
3. Gemünd -Cercan-Pisely (Kaiser Franz 

Josef-Bahn) 18,!» 

14. Gercan-Pisely-Prag (Kaiser Franz Jo- 

sefs-Bahn) . 5,40 

9. Fricsen-Carlsbad [7,7 M.l und Tirsch- 
nitz- Fronzeusbad [0,5 M ] (Buscbthc- 

■ ■*>,■■* 8,20 
6,70 , 



Oktol>cr 
Juli 



2. 
15. 



September 1. 
November 20. 



Dux-Bodenbacher Eisenbahn .... 
Salzburg-Halluin (im Betrieb der Kai- 

serin-Elisabeth-Babu) . 

Wr. Neustadt- Gr- Neusiedler Eisen- 
bahn (im Betriebe der Südb.-Gcsellsch.) 
Villach - Franzcnsfcste (Oesterreich. 



2,40 
4,49 

27,78 



222,99 M. 
2,90, 

6.98 , 
5,80 . 

18,32, 
3,49. 
8.50. 
4,75 . 

5.99 , 

14,76 . 

11,67 . 
15,43 . 

321,58 M. 
17'-M9 . 

Gesammtsummc pro 1871 500,77 M. 
Die Gesammtsumme der im Jahre 1870 neu er- 
öffneten Bahnen (Nr. 5 Jhrg. 71 u. Bl., wo jedoch die 
niederländischen etc. Bahnstrecken io Abzug zu brin- 
gen sind), betrug: ■ 413,54 . 

Mithin ist gegen das Vorjahr (tingetreten 

eine Steigerung von 87,23 M. 

Die Berliner Nordbahn (Berlin-Stralsund) ist am 30. Dzbr. 
v. J. in Neu-Strelitz und Oranienburg begonnen worden, nach- 
dem der Direktion die Preussische und Strelitzsche Konzession 
ertheilt ist uud die staatlichen Kautionen von ihr hinterlegt 
sind. (Der hiesige Bahnhof dieser Bahn dürfte anderweitigen 
Zeitungsnachrichten zufolge nördlich der Zionskirche zwischen 
Brunnen- und Schwcdterstrasse, oder zwischen Schwedterstrasse 



Transport 

Hohenstadt • Zöptauer Eisenbahn ( im 
Betriebe der Oesterr. Staatsbahnverw. 
Taruopol - Podwoloczyska - Russische 
Grenze (Galizische Carl- Ludwigsbahn) 
Verestie - Botusani (Lemberg Czcrno- 

witx-Jaasy-EisenbattD) 

2. In Ungarn. 
Dezember 8. Silleiu - Poprad (Kaschau - Odcrberger 

Eisenbahn) 

Poprad - Iglo (Kaschau -Oderberger Ei- 
senbahn) 

Legenye-Mihalyi-Honionna (Erste Uu- 
gariscb.Galizischo Eisenbahi 
Nagy Karoly - Szathmar ( 

Nordost bah u) 

Szerencs - Satoralja -Ujhely (Ungarische 

Nordostbahn) 

Karlsburg - Maros Yasarhcly (Ungar. 

Ostbahn) 

Grosswardcin-Czaba (Alfiild-Fiumancr 

Eisen bahn) 

Raab-Steinamauger (Ungar. Wcstbalin)^ 

Summa 

Im ersten Semester betrug die Summe der neu 
eröffneten Bahnen desselben Gebiets 



Oktober 1. 



November 1. 



12. 

25. 

September 25. 
Oktober 26. 
November 20. 

14. 
1. 



Oktober 



Eine neue hydraulische Bremsvorrichtung (Rarkers 
Patent) ist bei einem Zuge der Great-Eastern-Bahn seit sieben 
Wochen in fortgesetzter Anwendung, ohne dass sich Uebelttande 
herausgestellt hätten. An der Lokomotive ist ein Akkumulator 
angebracht, welcher gleich nach Abfahrt des Zuges voll Wasser 
gepumpt wird- Von diesem aus können jeden Augenblick die 
hydraulischen Presseu in Thätigkeit gesetzt werden, welche die 
Bremsen des Zuges anziehen. Da hierzu nur die Bewegung 
eines Handels erforderlich ist, soll die Handhabung des Appa- 
rates eine sehr leichte und die Wirkung eine sehr schnelle sein. 
Die Pressung auf alle Bremsklötze soll gleich sein und Stössc 
dabei nicht vorkommen. t Auch sollen die Räder bei jedem 
Wetter zui 



Transport 222,9» M. 



Aus der Fachliteratur. 

Allgemeine ßauzeitnng, redig. von A. Köstlin, Verlag 
von R. von Waldheini in Wien. Jahrgang 1870. Heft 7— 12. 
(Vid. No. 4 u. flg. Jhrg. 71 u. Ztg.) 

A. Aus dem Gebiete des Hochhaus. 

1) Das alte herzogliche Lusthaus iu Stuttgart, 
mitgetbeilt von A. Köstlin. 

Eine sehr umfassende Wiedergabe eines der schönsten 
Beispiele deutscher Renaissance, daas leider noch im Jahre 1845 
zerstört wurde, um dem Bau dos Theators Platz zu raachen. 
Das sogenannte Lusthaus, über welches in neuerer Zeit auch Prof. 
W. Bäumer im Jahresbericht der Polvt Schule zu Stuttgart 
1869 berichtete, wurde 1580 durch den Herzog Ludwig von Wür- 
tomberg erbaut, um den zahlreichen Feston, Musik- und Theater- 
Auffuhrunguu dieses lebenslustigen Hofes als geeignetes Lokal 
zu dienen. Es war ein echter Luxusbau im Sinne der Renaissance, 
für dessen Herstellung die für jene Zeit enorme Summe von 
300000 fl. angewendet wurde. Baumeister war Georg Beer, 
auch die Namen des Bildhauers und Malers, Schioer und Dit- 
terlin, sind erhalten. Im Jahre 1758 wurde das .Lusthaus" zum 
Operuhause, 1811 zum Sehauspielhuusc umgebaut und endlich 
1845 gänzlich zerstört. Vor diesem traurigen Ende des schönen 
Baues scheint ein Architekt Beisbarth sehr genaue Aufnahmen 
gemacht zu haben, welche in Verbindung mit Aufnahmen des 
Ober-Baurath von Fischer einer Anzahl von früheren Schülern 
des Stuttgarter Polvtechuikunis das Material zu der vorliegen- 
den Publikation geliefert haben. Wir finden die Namen Hof- 
mann, F. Wilhelm, Arledter, Moor; eine innere Perspektive ist 
Facsimile einer alten Originalzeichnung des K. Kupferstich- 
kabinets zu Stuttgart 

Der Bau bestand aus dem Hauptsaal iu der ersten Etage, 
einem kolossalen Hohlraum von 20" Breite bei 56» Länge und 
13,5" Höhe bis zum Scheitel des flaeneu llolzgewölbes, uud der 
grossen .Türuita - , dem Raum für das Gefolge, der in sehr reiz- 
voller Weise drei grosse Wasserbassins von 12" Weite enthält. 
Aus der Mitte derselben und um sie herum sind die kanuelirten 
Säulen gruppirt, welche dlo reichen Storugewülbe tragen. Den 



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— 48 — 



ganzen Bau umgiebt eine graziöse Arkatur auf jonischen Sfiulen 
mit reichverzierten Basen, welche an den rier Ecken in isolirt 
stehende runde Fiankirungstbünne ausläuft. Die Treppe zum 
oberen Saal führt mit einer sehr zierlichen Eingangs-Loge am 
Aeusseren herauf. 

Die Publikaüon ist sehr vollständig und erstreckt sich auch 
auf Details, von welchem namentlich die auf den Kämpferkonsolen 
der Susseren Arkadengewölbe sitzenden Halbfiguren, PortrSts 
des Erbauers und seiner fürstlichen Verwandschaft, als anziehende 
Kostümstudien hervorgehoben zu werden verdienen. 

9) lieber Gesammtanordnung der Bahnhofe und 
Stationen, insbesondere der Hochbauten, von Wilhelm 
Flattich, Chef-Architekt der k. k. privilegirten Süd- 
bahngesellschaft. 

Auf 9 Blatt Zeichnungen giebt der Verfasser ein reiches 
Material für Bahnhofshocnbauten aus den Ausführungen der 
osterr. Südbahngesellschaft. Der Text enthalt auf 16 Seiten 
eine sehr systematische Abhandlung über die verschiedenen 
Formen der auf Bahnhöfen vorkommenden Hochbauten und 
klassifizirt die dem Architekten hierbei entgegentretenden Pro- 
gramme. Die Anlagen werden in 3 Hauptgruppen zerlegt: 
f) solche für den Verkehrs-Dienst, S) für den Zugförderungs- 
Dienst, 3) für den Bahnerhaltungs-Dienst Eine Scheidung der 
Stationsanlagen in Klassen nach ihrer Geleiselänge oder nach 
der Grösse ihrer Hochbauten wird prinzipiell verworfen, kehrt 
jedoch im Text wiederholt wieder. 

Unter Gruppe 1, Verkehrsdienst, begreift der Verf. Bahn- 
hofe ohne Personenverkehr, nur mit Kontrol- und Telegraphcn- 
dienst (1 Beispiel), ferner die kleineren Personenbahnhöfe mit 
ihren unterschiedlichen Bedürfnissen, welche aufgezählt werden. 
Sie werden nach ihrer Grösse klassifizirt und. von jeder Klass« 
Beispiele aus Ungarn und Tyrol, im Ganzen G verschiedene 
Pläne gegeben. Zwei Tafeln sind der Wiodergabe grösserer 
Personenbahnhöfe gewidmet, welche eigene Ausgangslokale, 
getrennte grössere Restaurationen, zum Theil auch gedeckte 
Perrons enthalten. Auf diu einzelnen Bedürfnisse, namentlich 
die Restaurationen, geht der Verf. näher ein und giebt interes- 
sante Winke über die Nachtseiten derselben, die allerdings 
wesentlich für den Süden Werth haben mögen. Zweiseitip uiid 
Insel-Anlagen werden auffallender Weise sehr kurz abgefertigt. 

Von dem reichen Material der Stationsanlagen für den Güter- 
dienst werden gedeckte und geschlossene Gütermagazine in zwei 
Beispielen — Holz- und Massivbau — gegeben; über gedeckt« 
und offene Magazine, Kohlen- und Vieh-Vcriadungsanlagcn, end- 
lich über Bureaus und Waage-Einrichtungen enthält der Text zahl- 
reiche Fingerzeige mit bildlicher Erläuterung. Wo Kaserne- 
ments für das Güterverkehrs -Personal nöthig sind, sollen die- 
selben möglichst gesondert von den übrigen Bahnhofsanlagen er- 
baut werden. Zum Schlüsse werden die beiden Güterbahnhöfe 
von Wien und Ofen im Grundrisse mitgetbeilt 

Die zweite Hauptgruppe, Anlagen für den Zugförderungs- 
dienst, zerlegt der Verf. in solche zur Speisung und Entleerung 
der Maschinen, Wasseratationen, ßrennmaterialstationcn, Wasser- 
leitungen und Pumpen, Druckwerke, Reservoirs und Wasser- 
hähnen, sowie deren allgemeine Disposition, und in Stationen 
mit Lokomotiv- Depots, welche meist die vorgenannten Bedürf- 
nisse mit umfassen. Unter den Lokomotiv-Depots werden dann 
die verschiedenen Formen, gerade, kreisförmige und halbkreis- 
förmige Remisen, in Beispielen der Südbahn aufgeführt. Als 
dritte Unterabtheilung treten hierzu noch die Werkstätten für 
grössere •Reparaturen, welche der Verf. für •.JDpCt. der Loko- 
motiven, lOnCt. der Personen-, 6pCt. der Lastwagen, welche im 
Betrieb sind, berechnet wissen will. Ein ausführliches Beispiel 
erhalten dieselben in der mitgetheilten grossen Zentral-Werkstätte 
in Marburg, welche 134 Mellen Bahn zu bedienen hat. 

Die dritte Hauptgruppe endlich, Anlagen für deu Bahu- 
Erhaltungsdienst, umfasst in kurzer Erwähnung Wärterhäuser 
und Wohn-Etablissemcnts, von welchen die mitgetheilten Beispiele 
allerdings nach dem Rathe des Verf. auf das möglichste Maas» 
von Einfachheit reduzirt sind, und die Station (Bureaus, Depots 
und Werkstätten) des Sektions-Ingenieurs, sowie die Station des 
mit der Verwaltung einer geuzeu Linie betrauten Obcr-lugeuicurs. 

Ueber die Bauweise der mitgetheilten Hochbauten ist noch 
zu sagen, das« dieselben zwar anscheinend durchweg in solidem 
Material, aber auch in jener lanirweili«en, h:uh -akademischen 

fcun r assung erbaut sind, welche kürzlich in der preussischen 
indesvertretung eine so harte Beurtheilung erfahren hat. Nur 
in Tvrol scheint ein Versuch gemacht, an die landesüblichen 
Holzbauten anzuklingen. 

3) Ueber Beton Verwendung zu Hochbauzwecken, 
hauptsächlich zu ganzen Gebäuden, von J. Schlier- 
holz. Mit einem Blatt Abbildungen: Bahnwärterhaus von 
Beton. Es sind in extenso wesentlich dieselben Versuche und 
ihre Resultate dargestellt, über die auch d. Blatt im Jhrg. 1870, 



Druckproben von ßetnnwürfeln aus verschiedenem Fabrikate 
beigefügt. — 

4) Die Kirche Madonna de Sau Biagia in Monte- 
pulciano, mitgetheilt von Emil Ritter von Förster. 
Wir irren wohl nicht, wenn wir die sehr vollständige, auf 
Blatt dargestellte Aufnahme mit dem von demselben Verf. her- 



S. 44 u. 45 eine Mittheilung des Bauinspektors Dollinger brachte. 
Hauptresultatc dieser Versuche über eine Bauweise, welche man 
als Zement-Pise bezeichnen kann, sind: Vorzüglichkeit des Port- 
land-Zemeutcs vor dem Roman-Zement, wenigstens Notwendig- 
keit eines Aussenputzcs von Portlaud; bei Wärterhäuseru diu Un- 
möglichkeit, dieselben früher als 4 — G Wochen nach ihrer Er- I 
bauung der Erschütterung «durch den Bahnbetrieb auszusetzen. 
Dem Aufsätze ist eine Zusammenstellung der Kosten bei ver- 
schiedenen Mischungsverhältnissen, sowie eine Tabelle über 



ausgegebenen Werke „Die Renaissance in Toskana' in Verbindung 
bringen. Der Text giebt einen kurzen biographischen Abriss 
der Familie de« Meisters, Giamberti mit dem Beinamen San 
Gallo , dem wir die weniger bekannte Notiz entnehmen , das* 
dieser Beiname nicht von dem Orte der Herkunft stammt, 
sondern dem Giuliano Giamberti, dem Bruder Antonio^', des 
Erbauers der Kirche von Montepulciano, in Anerkennung eines 
vor der Porta San Gallo in Florenz ausgeführten Klostcrbaues 
von Lorenz! de' Medici verliehen wurde. Die Autorschaft des 
filteren Antonio, durch Vasari überliefert, wird von dem Verf. 
einfach als richtig angenommen, mit der Notiz, der wir uns 
allerdings durchaus nicht anschliessen können, dass ihm dabei 
die reizende Zeutralkirche Madonna dclle Carccri, die rein Bruder 
Giuliano kurz zuvor in Prato erbaut, als Muster vorgeschwebt 
habe. (S. Zeitachr. f. Bauw. Jahrg. 18«8. Bl. 62 u. 63, 18C9 
Bl. 42.) Aber auch für die Kirche in Montepulciano möchten 
wir, Vasari zum Trotz, die Akten über seine Autorschaft noch 
nicht für geschlossen halten und dieselben den Kunsthistorikern 
noch einmal zur Revision überwiesen seilen. Vorläufig müssen 
wir uns allerdings auf unsere persönliche Empfindung bei eigener 
Anschauung dos fraglichen Bauwerks stützen, wenn wir c* für 
bedenklich halten, diese höchst nüchterne, nchablonenmässig 
richtige Architektur der Kirche zu Montepulciano einem Meister 
der Frührenaissance, einem Mitstrcbendeu und Zeitgenossen 
des Giuliano da Sangallo, des Giuliauo da Majauo und anderer 
Schöpfer der in ihrer akademischen Fehlerhaftigkeit so unendlich 
liebenswürdigen Bauten des quattro Cento in Toskana zuzuschrei- 
ben. Es ist hier nicht die Stelle zu kunsthistorischen Kontro- 
versen dieser Art, denen wir uns auch nicht hinreichend ge- 
wachsen fühlen, allein wir würden eine besondere Befriedigung 
empfinden, wenn eine eingehendere Forschung diesen Bau dem 
älteren Antonio, dem Meister der Frührenaissauce, nähme, um 
ihn dem gleichnamigen Neffen, dem routinirten Architekten 
und F'ustuugsingenieur der Hochrenaissance zuzuweisen. — Die 
Publikation ist eine äusserst genaue, augenscheinlich auf den 
vollständigsteil Messungen beruheude, uud giubt ausser Grund- 
rissen, Ansicht und iHirchschnittcD in sehr grossem Maasstabe 
noch ein grösseres Detail vom Untergeseboss des Thurmes. Es 
verdient überhaupt anerkenuend hervorgehoben zu werden, dass 
die Allgem. Bauzeituug unter ihrer gegenwärtigen Redaktion 
an keiner ähnlichen deutschen Fachzeitschrift zu rühmende 



Personal ■ Nachrichten. 

Preussen. 

Ernannt: Der Baumeister Schütte zu Schleiden zum 
Kreisbaumeister daselbst. Die Eiscubahu - Baumeister Forsch 
in Rybnik und Albert Schul tze zu Saarbrücken zu Füsenbahnbau- 
Inspektoren bei der König). Ostbahn in Bromberg und resp. 
Berlin. Der Eisenbahn -Baumeister Dulk zu Elberfeld zum 
Eisenbahn-Bauiuspektor daselbst Die Baumeister Tb. Schultz 
und Ehlert zu biseubahu- Baumeistern bei der Bcrgisch - Mär- 
kischen Eisenbahn. 

Im Januar c. haben das Baumeister-Examen bestanden: 
Willielm Herborn aus Dillenhurg, Reg.-Bez. Wiesbaden. 

Das Bauführer-Examen haben bestanden: Karl Adolph 
Hinkeide yu aus Lübeck; Rud. Ed. Zorn aus Stieglitz bei 
Schönlauke; Karl Otto Müller aus Wittstock ; Otto Rcbcr aus 
Kemel im Unter-Taunuskreis. 



Brief- und Fragekalten. 

Hrn. Baumstr. G. in G. Genaueres über die Festigkeit 
der bei Neuwied fabrizirten künstlichen Tuffsteine (Schwcmm- 
steine) haben wir nicht erfahren können; auch dürfte bei der 
Herstellungsweise derselben — sie bestehen aus vulkanischem 
Sande und Kalkmilch und werden nach dem F'ormen einfach 
getrocknet — die Beschaffenheit der einzelnen Steine ganz 
ausserordentlich verschieden sein. Es steht fest, dass aus solchen 
Steinen gothische Kreuzgewölbe bis zu 10 ,u Spannweite, in deu 
Kappen 0,15» stark, mit gutem Erfolge ausgeführt sind. Nach 
der Schätzung eines erfahrenen Kachmannes dürfte ihre 
Druckfestigkeit nicht höher als 3 k u. □ «■ anzunehmen sein. 

Hrn. S. in Cöslin. Ihre Anfrage ist von uns vermittelt, 
aber bisher ohne Antwort geblieben. Zur Beschaffung der von 
Ihnen gewünschten Arbcitsnülfe sind wir leider ausser Stande. 

Hrn.B. in Berlin. Die Schinkelfest-Konkurrcnz ist eine 
interne Angelegenheit des Berliner Architekten-Vereins und nur 
für Mitglieder desselben zugänglich. Um Mitglied zu werden, 
ist zunächst die Einführung in den Verein durch ein anderes 
Mitglied erforderlich; Bedingung der Aufnahme, deren Formali- 
täten Sic demnächst leicht erfahren, ist, dass der Betreffende 
ein mindestens einjähriges Studium an einer anerkannten bau- 
technischen Hochschule nachweist, oder vom Vorstaude ein- 
stimmig empfohlen wird. 

Beiträge mit Dank erhalten von deu Hrn. D. F. in Karls- 
ruhe uud M. in Lengerich. 



; «oa C.rl B.fllt. In 



One* .o« lirkr.d.r PIck.MIl Btrl?» 



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Jahrg. Tl. 



Ml. 



DEUTSCHE BAUZEITUNG 



lUiUktica .. EtpWititn: 
»«II», Ofanirfe.lr...» 191 
BeateUaagvn 

uWrarlim.'» «Ilr NHüMBtl 
anri ftornhaadlnnari., 
tut Urrlln die Ktprdlllon 



Organ des Verbandes 

deutscher Architekten - und Ingenieur-Vereine. 



Redakteur K. E. 0. Fritsch. 



laiarata 

Mr dl. u«. tn AnUthm 
B.otrtl.n« Haara Aafnahm« 
la a>t üiall» - Hrlla«r : 
n Bau - A o MftHB ™ 
Imerttani prplt : SV« Str. pra 



Preis I Tlialer pr» Quartal. 



Berlin, den 15. Felu-uar 1872. 



Inhalt: W«li..l,..i. .1^. Il.m. C Mrlrh.,r, in Bremm. - l>lr n.a» ftrtani- 

»atlan iL . N>aal,Uan«r in Itavrrn. - Zamrul . I>aru|.taltan ...„ .la.iurn 

la i:n.i.u. - KU K-.t dr. Arrkllaklaa- VtrahM au n«clia. - tti 1 1 h - j I u n n 
au» »«rrli,»., Arrhitrllni- und ll.iiul.ui . V,.,l„ ... Han..»vrr. - Vrrrh. für 
Kitanbahnkandt. all ll-.ll... Iii ....dun* .in.» V. r. in» .lfut.rlifr Ardiitrklrn und 
l.ij-iii.ii,.. m Mrat.Ur.5. Ar. bi.rkl. u • \Vr.U a» Brrlin. — V .• im 1 »r Urea: | 

— -*■ v *— — ..- -J- . u - V _r — : . . _ — — — 

Wahnliaus des Hern ( 

Erfunden und ausgeführt 

Die Wohnungsverhältnisse Bremens sind bekannt und 
berühmt als ein an den meisten anderen Orten Deuts« bhinds 
leider unerreichbares Beispiel gesunder und natnrgcmässer 
Kulturcntwickelung. Nirgends wird die englische Anschau- 
ung, welche es für eines der ersten und notwendigsten Le- 
bensbedürfnisse des .Menschen hält, in eigenen Hause und 
auf eigenem Grunde y.n wohnen, so allgemein und konsequent 
in die Wirklichkeit übertragen und so hartnackig festgehalten 
wie hier. Miethhäuser und Mietwohnungen in der üblichen, 
eigens für diesen Zweck bestimmten Form anderer Gross- 
städte sind — zur nicht geringen I nbe^uemlichkeit der 
nach Bremen versetzten Beichsbcamten — so gut wie gar 
nicht vorhanden; neben den öffentlichen Gebäuden bestehen 
in der inneren Stadl vorwiegend Geschäftshäuser und Spei- 
cher, während die Vorstädte sich aus kleineren, von je einer 
ramilie bewohnten Wohngehauden zusammensetzen, die sich 
theils in einer Flucht aneinanderreihen und geschlossene 
Strasseufronten bilden, theils zu freier gruppirten Villen- 
QaWtMNI vereint sind. 

So gesnnd und erfreulich diese ZnstSnde sind und so 
originell die Gesammt-Physiognomie der Stadttheile ist, die 
sich ans ihnen heraus in völliger, durch keinen polizeilichen 
Bebauungsplan lievormundcten Freiheit entwickelt hat »en, so 
erhellt doch andrerseits, dass die Aufgaben, welche sich in 
Bremen der Privatarchitektur darbieten, verhaltnissmiissig 
nur bescheiden sein können. Ks kommt hinzn, dass die den 
kleinen Freistaat beherrschende Sitte in der Thal etwas von 
republikanischer Einfachheit gewahrt hat und es bedingt, in 
allen Beziehungen des Leliens ein gewisses Maass einzuhalten. 
Trotz des grossartigen Beichthumes, der in der Bremer 
Kaufmannschaft vertreten ist, begegnet man doch nirgends 
einem prahlerischen Zurschaustelleu desscllaen und einein iilaer- 
triebenen Luxus, sondern nur schlichter, aber solider Vor- 
nehmheit. Diesem Sinne würde es widersprechen, grosse 
und pmukeude Häuser zu errichten; ja, wie uns versichert 
worden ist, würde ein derartiges Abweichen von der Sitte 
dem kaufmännischen Credit des Bauherrn, der seinem Ge- 
schäfte für solchen Zweck ein bedeutendes Kapital entzöge, 
direkten und empfindlichen Schaden bringen. Daher erreicht 
keines der zahlreichen PatrizierhSuser Bremens, die der neue- 
ren Eutwickeluug der Stadt angehören, in Bezug auf Um- 
fang und Bcichthum der Ausführung einen Bang, der dem 
eines Palastes sich näherte, und ebenso sind die Villen vor 
oder in nächster Umgebung der Stadt - mit einer einzigen 
Ausnahme, die wir später gleichfalls unseru I-esi rn vorführen 
zu können hoffen — weit davon entfernt mit Schlössern ri- 
valisiren zu wollen. — 

W ir glaubten diese Vorbemerkungen vorausschicken zu 
müssen, iiiii den Fachgenossen den richtigen Maa.sstab für 
die Beiartheilung eines Bauwerkes zu geben, das wir auf 
Seite 53 in Grundrissen und Facaden-Skizzen darstellen und 
das noch eines der am reichsten ausgestatteten Beispiele 
ueuerer Wohnhäuser in Bremen sein dürfte. Allerdings kann 
das von dem Architekten Heinrich Müller erltaute, Herrn 
C. Melehers gehörige Gebäude nur in dieser allgemeinen 
Beziehung als Typus für die Anlagen ähnlicher Ar« gelten, 
während die für die Gestaltung des Entwurfes im Einzelnen 
maassgebenden Verhältnisse so eigenartig waren, dass das- 
selbe völlig originell dasteht. 

Die Baustelle des vorzugsweise für den winterlichen 
Gebrauch des Besitzers bestimmten Hauses, ein uuregel- 
mässiges Grundstück von ppr. US^O" grösster Breite und 
80,10* grösster Tiefe wird an den Langseiten von 2 Nach- 



«■•ni-iop Kanari 

isri Ibmi. - K ..kuti „,.■„ a ii Ii Da ikatl lad 



Narhrtchcrn ttt. 



III Ii,,:... — 
— An« <l.r Pacl.lHtaralur: AH 
.011 Ko.di... Jahn!. INT», ll.fi 

' — Peraeaal 



Jlelchers in Bremci 

von Heinrich Müller, 
bargrundstücken. an den Soli 



von 2 öffentlichen 



Wegen begrenzt, von denen der eine, die Georgstrasse. 
Fahrstrasse ist, der andere, die Contrescarpe zu jenen 
liehen Promenaden gehört, welche an Stelle der alten 



eine 
jenen herr- 



tungswerke die Altstadt umgürten. Die Grösse der Bau- 
stelle würde unter anderen Verhältnissen für ein ähnliehe« 
Haus absolut ungenügend erscheinen müssen; nur die vor- 
gesehene Art der Benutzung als Wohnsitz eines einzelnen 
Ehepaars und als Lokal für die winterliche Geselligkeit des- 
selben, sowie die Sicherheit, dass die Bebaunug der Nach- 
bargrundstilekc niemals in einer Weise erfolgen kann, die 
es nicht erlaubte von ihnen Luft und Licht zu beziehen, 
konnten eine Anordnung rechtfertigen, wonach fast der ge- 
sainmte Flächeninhalt des Grundstücks in Bebauung genom- 
men wurde. 

Das Haus, in zwei Geschossen ül>er einem hohen Sou- 
terrain erbaut, ist im Grundriss so disponirt, dass an beiden 
Frontseiten fast gleichmässig angelegte Eingänge in dasselbe 
führen. In stattlich ausgebildeten 3,48"' breiten Fluren er- 
steigt man auf einarmigen Treppen die Höhe des Erdge- 
schosses und gelangt daselbst in einen Korridor von 2,65" 
Breite und 1 0,5"" Länge, an den sich zur Seite halbkreisför- 
mig mit 7,25'° äusserem und 4,35™ innerem lichten Durch- 
messer das grosse, in ganzer Ausdebnuug durch Oberlicht 
beleuchtete Treppenhaus anschües&t, in welchem die Treppe 
zum oberen Stockwerke liegt. Korridor und Treppenhaus 
sind heizbar angelegt und nehmen hei ihrer streng symme- 
trischen Anordnung und architektonischen Durchführung in 
dem Organismus des Hauses einen höheren Bang ein , als 
den blosser Passagen; sie sind vielmehr in erster Linie als 
der Zentralraum gedacht, in dem sich bei Gesellschaften, 
denen das gesammte Erdgeseboss als Festlokalität dient, die 
Gaste iu nngezwungener Weise ergehen und aus dem sie 
nach Belieben in jeden der anderen Bäume gelangen können. 
Der grösste unter diesen ist das an der Georgstrasse liegende 
Empfang/immer, etwa G.ilH"' im Q messend, mit reicher 
tief kassettirter Decke. An ihn schliesst sich ein in Eichen- 
holz getäfeltes kleineres Zimmer, das die Silberschränke 
enthält, an dieses das kreisförmige Speisezimmer von 7,25 ra 
Durchmesser, mit einem Kamin geschmückt, — letztere bei- 
den Bäume über den winzigen W irthschafUhof hinweg nach 
dem grossen Garten des Nachbargrundstückes sehend. An 
der breiteren Front nach der Contrescarpe liegen das Bou- 
doir der Dame des Hauses, auf einen breiten Balkon mün- 
dend, und das 6,37 und 7,53" grosse Wohnzimmer derselben. 
Zwischen diesen und dem Speisezimmer die durch alle Ge- 
schosse gehende Wirthschaftstreppe, sowie eine kleine Passage 
und Toilette, die durch einen Lichtschacht beleuchtet werden. 

Das ober ■ Stockwerk enthält über den zuletzt genannten 
Räumen das Schlafzimmer, die Garderoben und das Bade- 
zimmer der Herrschaft, l'eber dem Speise- und Silber- 
zimmer liegen 2 Räume, die als ein Refagium der Herreu 
noch zu den Gesellschaftslokalitäten des unteren Geschosses 
hinzuzurechnen sind — ein Bauchzimmer und die Bibliothek. 
Der Best des Geschosses, etwas niedriger als die vorher- 
gc nannten Bäume, da die lichte Höhe der Stockwerke im 
l'ebrigen J,'.^ 1 ", die des darunter liegeuden Empfangszimmers 
jedoch 5,71t' n betrögt, wird von Fremdenzimmern eingenom- 
men. Eine kleine Trepp« führt zu einem Zwischengeschosse, 
das über dem Hauptflur dieser Seite eingeschaltet werden 
konnte. Im Souterrain sind die Wirscbaftsr&ume vertheilt, 
wie dies im Grundrisse, der in dieser Beziehung wohl keiner 
weiteren Erläuterung bedarf, angegeben ist. 



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50 — 



Von der architektonischen Gestaltung der Facaden geben 
die Skizzen eine Darstellung. Sie ist in den Formen der 
Renaissance, wie sie von der Berliner Schule aufgefasst wird, 
erfolgt — eine Stilrichtung, welcher der Künstler bei seinen 
meisten Privatbauten treu geblieben ist. l'as Material der 
Ausführung war Sandstein für das architektonische Detail, 
Zementputz auf Backsteinmauerwerk für die Flächen. Die 
Wirkung ist mehr in den stattlichen Verhältnissen des Ganzen 



— bei den bedeutenden Stockwerkshöhen ergab sich eine 
FacadenhChe von 17,65" — als in effektvoller Gruppirung 
und reichem Detail gesucht Die architektonische Ausbildung 
des Innern, in denselben Stilformen, vermeidet nicht minder 
einen auf blendende Pracht berechneten Effekt; sie ist ein- 
fach nnd vornehm, wie die Anordnung des Grundrisses es 
in ihrer Art ist. 

• - F. - 



Bie nene Irgaaisation des 

Bereite in No. 50 des vorigen Jahrgangs der deutschen 
Bauzeitung ist gemeldet worden, dass eine vollständige Reorga- 
nisation des bayerischen Bauwesens im Werke sei und welche 
Erwartungen Seitens der belbciligten Beamten an dieselbe gc- 
kuüpft wurden. Unterm 23. Januar dieses Jahres ist nunmehr 
die königliche Verordnung erschienen, durch welche die neuen 
Verhältnisse fest geregelt werden. Dieselbe zerfällt in drei Ab- 
schnitte, wovon der erste von der obersten Leitung des Staats- 
bauwesens, der zweite von der Leitung desselben in den Kreisen, 
der dritte vou der in den Bezirken handelt 

Die oberste Leitung des Staatsbauwesens ist dem 
Ministerium des Innern übertragen, welchem zur Erfüllung der 
hierdurch Bestellten Aufgabe die oberste Baubehörde als eine be- 
sondere Abtheilung einverleibt ist. Die für das Personal der Staate- 
ministerien gültigen allgemeinen Vorschriften finden daher auch 
auf dus Personal der obersten Baubehörde gleichmSssige An- 
wendung. Die oberste Baubehörde besteht aus: a) einem Ober- 
baudircktor als Vorstand mit dem Bange des Direktors einer 
Zentralstelle, h) der nöthigon Anzahl von Oberhuuräthen und 
Baurathen, erstere (dem Vernehmen nach 4) in dem Bange der 
bisherigen Oberbaurithe , letztere (dem Vernehmen nach 3) im 
Bange der Krcisbauräthe, c) einem Assessor in dem Bange der 
Kreisbauassessoren, d) einem Sekretär und Buchhalter, e) einem 
Begistrator, f) einem Kanzlisten. Ausserdem wird der obersten 
Baubehörde die erforderliche Anzahl von Praktikanten und 
Zeichnern beigegeben. 

Die Leitung und Beaufsichtigung des Staatsbau wese na in 
den Kreisen wird den kgl. Kegierungeo, Kammern des Innern 
übertragen. Zur Erfüllung dieser Aufgabe wird jeder Kreis- 
regierung die entsprechende Zahl von Krcisbauräthen und 
Assessoren für den Landbau, sowie für das Ingenieurfach bei- 
gegeben. Dieselben sind die technischen Organe für beide 
Kammern, und der Kreisregierung, Kammer des Innern einver- 
leibt Die Leitung und Vertheilung der Geschäfte, sowie die 
Ueberwachung der Komptabilitfit steht dem Baurathe, in dessen 
Abwesenheit dem Assessor und bei Vorhandensein mehrerer 
Assessoren dem Dienstältesten derselben zu. Im Falle der 
Verhinderung des einen Kreisbauraths und der betreffenden 
Assessoren findet die Vertretung durch den anderen Kreisbau- 
rath oder durch die für dessen Fach berufenen Assessoren statt. 

Die Krcisbauräthe haben den Bang der Kegierungsräthe, die 
Kreisbauassessoren denjenigen der Regieruugsassessoren und 
gelten für sie die für die Mitglieder der Begierung bestehenden 
allgemeinen Vorschriften und Anordnungen. 

Die Leitung und Beaufsichtigung des Staatsbauwesens in 
den Bezirksämtern wird Bauämtern übertragen. Die Bau- 
ämter sind der Begierung unmittelbar untergeordnet und erstrekt 
sieb deren amtlicher Wirkungskreis auf den Umfang der zu 
einem Bauamte vereinigten Verwaltungsdistrikte. Die Bauämter 
sind den Bezirksämtern koordinirt und die Beamten derselben 
haben den gleichen Bang mit den Beamten der kgl. Distrikte- 
verwaltungsbehörden. Die allgemeinen Dienstvorschriften für 
die letzteren finden ihre gleichmässige Anwendung auf die 
Bauämter und deren Beamten. Jedes Bauamt ist mit einem 
Bauamtmann als Vorstand und einem oder mehren Bauamts- 



Staatsbaawesens in Bayern. 

assessoren als Nebenbeamten zu besetzen, welch letzteren im 
Bcdürfnissfallc ein vom Bauamt entfernt liegender Wohnsitz 
angewiesen werden kann. Der Bauamtmann als Vorstand des 
Bauamts übt alle Befugnisse eines solchen aus. Inliesonderc 
steht ihm die Vertheilung der Arbeiten unter die Nebeubeamten 
und deren Beaufsichtigung zu. Der dienstälteste Nebenbeamte 
am Sitze des Bauamts vertritt den Amtsvorstaud im Verhin- 
derungsfalle. Sowohl für den Strassen-. Brücken- und Wasser- 
bau, als auch für deu Laudbau werden besondere Bauämter ge- 
bildet Letzteren können, wo es die Lokalverhältnisse erfordern, 
auch einzelne Strassen sammt zugehörigen Brücken übertragen 
werden. 

Die Anzahl und Formation der Bauämter weist eine der 
Verordnung anliegende Tabelle nach. Gemäss derselben werden 
48 Bauämter errichtet, nämlich 24 für den Landbau mit 31 
Nebcnbeamteu, und 24 für das Iugenicurfach (Strassen-, Krücken- 
und Wasserbau) mit 30 Nebeubeamten. Auf die einzelnen 
Begierungsbezirke vertheileu sich diese Aemter folgendermaßen : 
1) Oberbayern: a) Landbau: 4 Bauämter: Freising mit 1 Nebeu- 
beamten, Münrhen mit 2 N.-B, Traunstein mit 2 N.-B. und 
Weilhelm mit 2 N.-B. b) Ingenieurfacb: 6 Bauämter München 
mit 2 N.-B., Friedberg mit 1 N.-B., Ingolstadt mit 1 N.-B., in 
Oberbayern und im Kehlheimer Bezirk. Koseuheim mit 2 N.-B 
Traunstein mit 2 N.-B. und Weilheim mit 1 N.-B. 2) Nieder- 
bayern: a) I^andbau: 2 Bauämter: Landshut mit 1 N.-B., Pussau 
mit 2 N.-B. b) Ingenieurfach: 3 Bauämter: Landshut mit 1 N.-B., 
Deggendorf mit 2 N.-B., Bimbach mit 1 N.-B. 3) Pfalz: a) Land- 
bau: 2 Bauämter: Speyer mit 1 N.-B. und Kaiserslautern mit 
1 N.-B. b) Ingenieurfach: 2 Bauämter: Speyer mit 2 N.-B. und 
Kaiserslautern mit 1 N.-B- 4) Oberpfalz mit Regensburg: 
a) Landbau: 2 Bauämter: Regensburg mit 2 N.-B. und Amberg 
mit 1 B.-B., b) Ingenieurfach: 3 Bauämter: Begcusburg mit 1 
N.-B., Amberg mit 1 N.-B. und Weiden mit 1 N.-B. 5) Ober- 
franken: a) Landbau: 3 Bauämter: Bamberg mit 1 N.-B-, Bay- 
reuth mit 1 N.-B. und Hof mit 1 N.-B.. b) Ingenieurfach: 2 
Bauämter: Bamberg mit 1 N.-B. und Bayreuth mit 2 N.-B. 

0 Mittelfranken: a) Landbau: 4 Bauämter: Anabach mit I N.-B . 
Eichstädt mit 2 N.-B., Nürnberg mit 1 N.-B. und Windsheim mit 

1 N.-B., b) Ingenieurfach: 2 Bauämter: Ansbach mit 1 N.-B. 
und Nürnberg mit 1 N.-B. 7) Luterfrauken und Aschaffenburg: 
a) Landbau: 3 ßauämter: Aschaffenburg mit 1 N. B-, Kissingen 
mit 2 N.-B. und Würzburg mit l N.-B. b) Ingenieurfach: 3 Bau- 
ämter: Aschaffenburg mit 1 N.-B., Scbweinfurt mit 1 N.-B. 
und Würzburg mit 1 N.-B. 8) Schwaben und Neuburg: a) Land- 
bau: 4 Bauäniter: Augsburg mit 1 N.-B., Donauwörth mit 1 N.-B. 
Kempten mit 1 N.-B. und Memmingen mit 1 N.-B. b) Ingenieur- 
facb: 3 Bauämter: Augsburg mit 1 N.-B., Dillingen mit 3 N.-B. 
und Kempten mit 1 Nebenbeamten. 

Die Besoldung der verschiedenen Baubeamten-Klassen soll 
wie folgt normirt werden: Die Oberbnuräthe.- 1)3700,2) 2900. 
3) 3000, 4) 3100 Fl.') (resp. 1543 - 1657 - 1714 u. 1771 Thlr.); 



•» Di* Bit 1) tM-idrhii«* Hamm* bt <Ur künftig« G*h»It in don OTMi 
5 J»hr».ii t) »on 6. l.i. Inel. 10 Jthn; 11 »Ol» II. eU l»cl. 11. J»hr» ; 4) «*m 
IS. bin tnrl. SU. J»hr* Fär Jede, weiter* «/iiiaiiutalua »oll eine Mehr»« tu« 

100 Fl. (II Thlr.) •Intrrb-a. 



»■ Fest des Arttltekten- Vereins in Berlin. 

In einer Periode, wo die hastige Arbeit des Tages unter 
den Architekten und Ingenieuren der deutlichen Hauptstadt sich 
noch verdoppelt hat — mögen dieselben nun die Anforderungen 
der .Gründer" oder die einer drängenden Behörde zu erfüllen 
trachten, mögen sie nach dem ersehnten Ziele des Studiums 
oder gar nach der Palme des Siegers in der Konkurrenz zum 
Heichstagshause ringen — ist ein erquickendes Aufathmen von 
des Schaffens Lust uud Last in behaglich festlicher Geselligkeit 
doppelt willkommen. Für den grösseren Kreis der Fachgenossen 
war im Weihnachtsfeste des „Motiv" bereits eine Gelegenheit 
hierzu geboten worden, für die Mitglieder des Architekten- 
Vereins und ihre Damen bot sie sich iu dem „Familienfeste", 
das am Abende dt* 12. Februar gefeiert wurde. 

Nach der bekannten Begel, dass Ernst und Fröhlichkeit zu- 
sammen erst die wahre Harmonie des Lebens bilden, ist es eine 
alte Tradition, dass solches Fest als eine wichtige Vcreins- 
augclegenbeit betrachtet wird, und müssen wir in einem vor- 
zugsweise dem inneren Leben unserer Vereine gewidmeten 
Blatte daher nothwendig Notiz vou ihm nehmen, wenu es gleich 
freilich nicht unter der gewohnten Bubrlk geschieht. Wir thuu 
es um so freudiger, als wir damit wiederholt aussprechen kön- 
nen, wie glücklich der Uebergaug von dem früheren, in seiner 



Art allerdings berühmten Ballgepränge der Architekten- Vereins- 
feste zu ihrer jetzigen Form gewesen ist Weniger glänzend 
und mehr auf die engeren Kreise des Vereins beschränkt haben 
sie nicht nur an Gehalt, sondern auch an Theilnahme unter 

i dessen Mitgliedern gewonnen und war namentlich das diesmalige, 
von 400 Personen besuchte Fest mit seinem Damenflor ein treff- 
licher Beweis für die Vorzüge der vor vier Jahren zum ersten 
Male versuchten Neuerung. 

Das Programm des Abends zeigte eine dankenswerthe und 
mit Dauk aufgenommene Einfachheit Eine theatralische und 
eine theatralisch-musikalische Aufführung, zu denen sich Damen 
und Herren — und zwar diesmal fast ausschliesslich aus den 
Veroinskreisen — vereinigt hatten, ein zwangloses Mahl iu klei- 
neren Gruppen und dann bis zum Morgen hindurch die heitere Ge- 

S Helligkeit bei der Flasche und für die Jugend und die jugend- 
lich Fühlenden die Lnst des fröhlichen, herzbewegenden Tanzes. 

Eine höhere Bedeutung, als dies bei manchen ähiiliehen 
Fällen geschehen kann, ist wohl dem diesmaligen Festspiele zu- 
zumessen , einer anmuthig abgerundeten Episode aus der bau- 
lichen Vergangenheit Reriks unter dem Titel; „Heirathen oder 
Bauen". Zu Grunde gelegt war di<- , noch vor Jahresfrist in 
einem Vortrage innerhalb einer Vereinssitzung geschilderte 
Entstehungsgeschichte des jetzt vom Prinzen Albrecht von 
Prcussen bewohnten Palais in der Wilhelmstrasse. Bekanntlich 

I musste dasselbe ein reicher französischer Emigrant, der Marquis 



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— 51 — 



die Kreigbauräthe: 1) 2200, 2) 2400, 3) 2€00, 4) 2700 Fl. 
(resp. 1257 — 1372 - i486 u. 1543 Thlr.); die Kreisbau- 
beamten: 1) 1800, 2) 2000, 3) 2100, 4) 2200 FL (resp. 1028- 
1143 — 1200 u. 1257 Thlr.); die Rogicrungs-AssosBorcn, 
auch die technischen: 1) 1700, 2) 1800, 3) 1900, 4) 2000 Fl. 
(resp. 971 — 1028 — 1085 u. 1143 Thlr.); die Baubcamten 
(Bauaintmftnner) gleichen Gehalt mit den Stadt- und Landrich- 
tern, nämlich : 1) 1600, 2) 1800, 3) 2000, 4) UM Fl. (resp. 914 
— 971 — 1143 u. 1200 Thlr.); dhj B auamts-ABBosso ren (die 
bisherigen Assistenten) gleichen Gehalt mit den Bezirksamts- 



und Landgerichts-Assessoren, nämlich: 1) 1000, 2) 1200, 3) 1300, 
4) 1400, 5) 1500 Fl. (resp. 571 - 685 - 742 - 800 u. 857 Thlr.) 

Dass bei einer so durchgreifenden Reorganisation die Pcr- 
sonalvcihältnissc aller Baubcamten mehr oder weniger berührt 
werden und eine Versetzung derselben von ihren bisherigen 
Wohnsitzen in grossem Umfauge stattfinden muss, ist selbstver- 
ständlich. Die Zahl der Beamten, die bei dieser Gelegenheit in 
den Ruhestand treten, wird vorläufig zu 40, die Zablder 
herigen Assistouten, die nunmehr eine Anstellung als 
Assessoren erhalten, auf 61 angegeben. 



Zrtaent - Dachplatte* tob Peter Jantiru In Elbiug. 



In Nr. 12, Jahr. 1870 der deutschen Bauzeitung fand unter 
dieser UeberBchrift eiue Mittheilung von mir Aufnahme. Jetzt, 
nachdem das Dach meines Hauses und Thurmes mit diesen Ze- 
uientplatten gedeckt t zwei harte Winter ganz vortrefflich Ober- 
stauden und auch nicht die geringste Spur einer Schwäche zu 
erkennen gewesen, möchte ich doch diu Ansicht aussprechen, 
dass die Konstruktion eine vorzügliche und die Anwendung des 
Portlaud -Zements zu diesem Zwecke eine unübertreffliche ist. 

Wenigstens giebt es bei uns kein anderes Material, das 
in gleicher Weise verwendbar wäre und gleichen Erfolg ver- 
bürgen konnte. 

Die Alten arbeiteten ihre Dachsteine von Marmor oder har- 
tem Gestein. — Wer wollto es wagen, diese Formstcinc aus 
Thon zu brennen? Es giobt zwar nach meiner Kenntuiss ein 



Thonlogcr, vou dem der rühmlichst bekannte 
Wesselly (Königsberg) die Behauptung aufstellte, er wolle 
diesem Thon eine Platte vou 144 r J einen Zoll stark fertigen 
und sie solle beim Brennen sich nicht verziehen. Aus solchem 
Material wäre es vielleicht möglich, die in Rede stehende Form 
der Platten zu streichen, halbtrocken mit starkem Druck zu 
pressen und dann zu brennen. Schwerlich giebt es aber viele 
dergleichen Thoulager und kaum dürfte eine Stärke von nur 
II «um in Thon für die Dauer genügen, jedenfalls wird für ein 
solches Dach Garantie nicht geleistet werden können. Ebenso 
werden sich die vorzüglich scharfen und geraden Kanten, welche 
eine llaupttugeud dieser Dachsteino Bind, in Thon kaum er- 
zielen lassen. Ohne diese Eigenschaften fallen aber alle Vor- 
züge dieser Dachdeckung. 

Dem verdienstvollen Fabrikanten A. Krohcr zu Staudach 
am Chiemsee verdanke ich viele wichtige Fingerzeige und hat 
derselbe eine 24 jährige Erfahrung für die Dauerhaftigkeit der 
von ihm fabrizirten Zcmentdachplattcn für sich. Diese Wahr- 
heit erwogen, tnusste ich wahrlich einen nicht geringen Schrecken 
bekommen, als ich den Aufsatz in Nu. 37 (S. 295) Jahrg. 1871 
der deutseben Bauzeitung las. 

Alle Achtung vor der Erfahrung des Herrn Kroher, aber 
jeuer Aufsatz: „zur Dachdeckung mit Staudacher Ze- 
meutplatten" kann die Techniker für Zementplatten nicht 
einnehmen. Ich erlaube mir einige Punkte zu beleuchten. 

Der Verfasser tadelt vorzugsweise die trapezförmigen Tafeln, 
wie sie der Fabrikant Jantzeu in Eltone fertigt Herr Kroher 
hat in den sehr ausführlichen Briefen, die er so freundlich war 
mir zu schreiben (vom 26. Dez. 1868, 69 u. 70) merkwürdiger 
Weise mit keiner Sylbe seiner seit dem Jahre 1856 nnternom- 




brachen- Geht ab«. 



Elbiugcr trapezförmigen Platten ähnlich 
sieht. Selbst wenn jedoch nur eine kleine 
Abweichung vorliegen sollte, so kann die- 
selbe doch von wichtigen Folgen und 
Nachtheilen begleitet sein. So z. B. waren 
die ersten Zeichnungen von Hrn. Kind 
für die Deckleisten oben ohne Falz, wie 
bei A der Skizze. Dadurch mag es gesche- 
hen sein, dass die Deckleisten nicht fest 
hängen blieben, sondern hinab zu gleiten 
strebten und die Falze a A und « <' ab- 
dor Falz wie bei B herum, so hingt der 
Deckleisten auf den beiden anstossenden Platteu und kann nicht 
rutschen und folglich auch nicht brechen. 

Hr. Kroher sagt ferner, nachdem er die Schablonen- 
Schiefer form als die beste erkannt: „während letztere Platten 
selten zerspringen, trifft sich dieses bei den trapezförmigen, 
wenn sie mehre Jahre auf einem grösseren Dache liegen, häu- 
figer, denn mit der Zeit bringen oft wiederkehrende Belastungen, 
sowie das Austrocknen des Holzes Veränderungen an den Holz- 
lagen des Daches hervor, worauf die aufs genaueste in einander 
greifenden Platten oder die überspringenden Theile derselben 
hart gegen einander gestemmt und abgedrückt werden, wie es 
übrigens mit allen Falzziegeln geht, wenn sie einmal längere 
Zeit Dienste thuu, und worüber zum Oefteren von anderer Scito 
berichtet wurde.* 

Mir ist dieser Tadel durchaus nicht einleuchtend. Wie es 
möglich" sein soll, dass durch wiederkehrende verschiedene Be- 
lastungen des Daches (vielleicht durch Schnee?) und nun gar 
durch dag' Augtrocknen des Holzes solche Veränderungen an 
den Holzlagen des Daches — (wie ist diese Veränderung zu 
denken?) — vorkommen können, dass diese so geformten Zement- 
platten in ihren Falzen brechen können, ist mir ganz undenkbar, 
denn: 

1. kenne ich keine solche Belastung eines Daches, dass da- 
Be Weitungen entstehen, welche die Dachsteine be- 



ineuen aber fehlgeschlagenen Versuche mit trapezförmigen Platten 
gedacht. Von anderer Seite ist durch den Baumeister Lang- 
bein angeführt, dass diese Form vor 15 Jahren schon ange- 
rendet, daher keine neue Erliudung sei, die Dächer sich aber 



w br bewährt haben (Bauzeitung 1870, Nr. 13, Seite 107). 

Ob Hr. Kroher seinen {Zementplatten ganz dieselbe Form 
gegeben, wie ich sie in Nr. 12 d. Bl. für 1870 nachgewiesen, 
möchte ich daher doch zu bezweifeln mir erlauben. Unter den 
vielen Formen, die Hr. Kroher mir in Zeichnung oder in Ze- 
uieutausfuhrung mitgethcilt hat, befindet sich keine, die den 



2. kann unmöglich das Austrocknen des Holzes Verände- 
rungen an den Holzlagen erzeugen, welche die Platten 
etc. zerbrochen. 

Ich habe diese Steine so genau als möglich an einander ge- 
fugt aber trocken eingedeckt, so dass Bewegungen, — wenn 
sie aus dem Temperaturwechsel entspringen, gehr bequem er- 
folgen können. Die Festigkeit der Elbinger Zenientplatten ist 
so gross, dass keine Beschädigungen der von Hrn. Kroher er- 
wähnten Art hier vorkommen. 

Wenn Hr. Kroher bedauert, dass seine Warnungen an die 
Elbinger Fabrik nicht beachtet worden seien und dass mau 
auch dort die von ihm erprobten Erfahrungen mit Entschieden- 
heit durchmachen wolle, so erscheint diese Rüge oder Warnung 
gegen die Elbinger Plattenform um so härter, als er anführt, 
dass der Fehler sich erst nach einigen Jahren herausgestellt 
habe. Es ist der mir von Hrn. Kroher warm empfohlene Satz, 
doch nur keinen schnollbindendcn Zement zu verwenden, im 



de Vernezobrc, im Jahre 1736 erbauen, um den König Friedrich 
Wilhelm L, der ebenso gern Bauherren für seine Friedrichstadt 
preiste, wie Ehen seiner Unterthanen stiftete, davon abzubringen, 
seine Tochter gewaltsam mit einem Kapitain der Königlichen 
Garden zu verheirathen. 

Der Stoff ist. bereits von Charlotte Birchpfciffer, übrigens in 
einem der schwächsten ihrer schwachen Stücke, verwerthei Für 
diesen Zweck und Tür ein architektonisches Publikum hatte der 
Dichter, Hr. Stier, es wohl verstanden, ihm eine vorzugsweise 
architektonische Seite abzugewinnen. Wenn auch wiacr die 
historische Treue machte er zum glücklichen Nebenbuhler des 
vom Könige erwählten Bräutigam seine bekannte Persönlichkeit 
des Faches, den Freund und späteren Architekten Friedrich IL, 
Kapitain von Knobelsdorf, der das Fräulein gewinnt und den 
König durch die Vorlage des von ihm gefertigten Entwurfes zu 
jenem Pulais besänftigt. Durch die drastische Vorführung des 
Lebens und Treibens in dem damaligen Uauptbaurevicr, der 
Kochstrasse, schuf er daneben eine Grundlage, auf welcher der 
Charakter jener guten alten Zeit, wie die seltsame Wendung der 
Ereignisse verständlich sich aufbauen konnten. So führt er 
neben dem Könige, dem Marquis, seiner Tochter und deren Die- 
nerschaft, sowie den beiden Konkurrenten Forcade und Knobeig- 
dorff, welche die Träger der Handlung sind, noch eine Anzahl 
lebensvoller Persönlichkeiten — die Mitglieder der gefürchteten 
Baukommission, Major vou Dcrschan und Bürgermeister Kochiua 



— den Bauherrn und Schuster Kulicke und seinen Sohn — end- 
lich den Schwärm durstiger Handwerker, Kelle den Maurer, 
Spundholm den Zimmermann, Biberschwanz den Dachdecker, 
Hammerechlag den Schmied, sowie Knobbe den weiasbiergpen- 
denden Budiker vor. 

Auf den Gang des Stückes im Einzelnen können wir leider 
nicht eingehen. Mit Anmuth und Liebe vorgetragen wurde es 
mit wohlverdientem rauschenden Beifalle aufgenommen. Der- 
selbe Beifall wiederholte resp. steigerte sich noch bei der näch- 
sten Produktion, dem schon auf dem Motiv- Weihnachtsfest vor- 
geführten Ulkmann -Konzerte. Der Effekt desselben war hier 
wohl noch grösser, da es wirkliche Damen waren, die diesmal 
als Virtuosinnen in Gesang, Spiel und i 
Komik wirkten. 

Dem folgenden Theile des Festes einen 1 
zum Mindesten ihn niederzuschreiben, ist wohl nicht erforderlich. 
Ungemessenn Fröhlichkeit war hier die Losung, und wenn es 
schon überhaupt nicht schwer ist fröhlich zu sein, wenn man 
den guten Willen dazu besitzt, so besitzen unsere Fachge 
den berechtigten Ruf der Kunst nicht nur zu bauen, s< 
auch sich zu erbauen. 

Winter! 

- F. - 



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Grossen befolgt und wenn ich auf meinem Hause einige Platten 
von englischem Portland -Zement gefertigt verwendet habe, so 
ist das eben als Probe, die man doch wiederholen darf, ge- 

Ich kann mir meinerseits für dio Zementdächer keine zweck- 
entsprechendere Form, als die trapezförmigen Steine sie haben, 
denken, und alle Gründe welche zur Entschuldigung der vorge 
falleneu Beschädigungen vorgebracht werden, schiebe ich auf 
Material und Arbeit. Bis jetzt bewähren sich die Fabri- 
kate des Herrn Jantzen vorzüglich und werden auch — 
nach meiner Ansicht — diese Vortrufnichkcit ferner bewahren. 

Die Haupt-Vorzüge dieser Zement-Dächer sind folgende: 

1. Grosse Dichtheit bei freiem Luftwechsel. Ein Ver- 
strich der Fugen ist nicht allein unnothig sondern ge- 
radezu schädlich. Demnach sind dieselben besonders für 
landwirtschaftliche Gebäude empfehlenswert!]. 

2. Grosse Feuersicherheit. 

3. Geringe Belastung des Dachstuhls, welcher daher keines 
starken Verbandes bedarf. Das Gewicht ist fast nur dio 
Hälfte eines Biberschwanz-Kronendaches, 

4. Wettcrbeständigkuit. 

& Anwendbarkeit für Dachneiguugcn in nicht gcriugen 
Grenzen. Mein Thurmdach hat »/» der Tiefe zur Höhe 
und bewährt sich. 



6. Leichte und schnelle Eindeckung. 

7. Grosse Wohlfeilheit. Dio Kosten stellen sich nicht höher 
als die eines Pappdaches. 

8. Sehr gutes Aussehen. 

9. Leichte Darstellung von Oberlichten. (Wie in meiner 
oben erwuhuteu ersten Mhtheilung beschrieben.) 

Wenn ich auch auf jene erste Mittheilum; in Nr. 12, Jahrg. 
187U Bezug nehme, so führe ich doch noch Folgendes au. 

Dimensionen: Die Platten sind .Vi"" lang, unten 2!)" 1 ', 
oben 34 ,n > breit und ll">«> stark. Das vorhandene Leistehen 
oder der Falz ist durchweg 13"»"» breit und 13"" 0 hoch. Die 
Lattung ist IS»" weit. 

Kosten: Das [ J w Platten und Deckleisten kostet 2*2 Vi Iiis 
24 Sgr. — Das Meter First- und Gratsteiu 13 Sgr. — Das 
Meter Kehlrinne 13 Sgr. — jeder Giebelschlussteiu 4 Sgr. Der 
Preis pro Mille betrügt 125 Thlr. — Die Firideckungsarbciteu 
werden pro O" Dachfläche mit 2 Sgr., pro Meter Firststeiu mit 
3 Sgr., pro Meter Grat- und Kehlrinne mit 5 Sgr. berechnet 

Gewicht: Ks wiegen 1[_ ■» Platten und Deckleisten 72 Pfd. 
- 1 lfd. Meter First-, Grat oder Kehlsteine 40 Pfd. - 1 Giebel- 
schlussteiu 8 Pfd. 

Es sind gegenwärtig schon mehr als 7000Qj m Zement-Dach- 
platten aus geflachter Fabrik verwendet 

Zoelp, Oktober 1871. Stcenkc. 



Mittheilungen aus Vereinen. 



ersammlung am 
Schrift füll rcr 



Verein für Eieenbahnkunde zu Berlin. V 

9. Januar 1872. Vorsitzender Herr Weisshaupt, 
Herr Vogel. 

Der Vorsitzende gedachte mit warmen Worten des 
durch den Tod aus dem Vereine geschiedenen, demselben seit 
dem Jahre 1855 angehörenden Mitgliedes, Stadtältesteu und Di- 
rektors des städtischen Ertenchtuugswesens, Hrru Bärwald, 
und ehrte die Versammlung das Audeukeu des Verstorbeneu, in- 
dem sie sich von den Sitzen erhob. 

Hr. Börner sprach über die Ueberführung der Strasse 
No. 1 1 des Berliner Bebauungsplanes über die Geleise des Nie- 
derschlesiseh - Märkischen und des Ost -Bahnhofes. Dieselbe 
soll ca. llKi 1 " lang werden und durch zwei massive Mittelpfeiler, 
sowie U Säulenunterstützungen in 14 Oeffnuugeu zerlegt werden, 
die sänimtlich eisernen Uebcrbuu erhalten. 

Hr. Jacobi berichtete über die Thätigkeit der 2. Feld-Eisen- 
bahn-Abtheilung während des Krieges 1870,71. Die eigentliche 
Wirksamkeit derselben begann mit dem Tage des Gefecht« M 
Weissonburg am 4. August 1870 und endete Anfangs Marz 1S71. 
Während dieser Zeit wurden von der Abtheilung folgende Eisen- 
bahnlinien betriebsfähig hergestellt: 

11 die Linie Weissenburg-Hugeuau-Wendeuheiui-Naucv-Frouard- 

Chulous-Meaux-Chclles = 70 Meilen. 

Gorbeil -Moutarges = 12Vi do. 

Jagny-Brienon = do. 

Orleans-Bcaugeney = 3' t dn. 

Chartres-Le Mans-Lager von Oonlio = 19'/« do. 

zusammen = 106 Meilen. 
Rekoguoszirt wurden die Strecken St. Dizier-Vassy und Bn - 
tigny-Veudoinc. Ferner führte dieselbe die Vorarbeiten für eine 
l'ingehungsbahn von Toul, ca. 1». Meilen lang, in der Zeit vom 
22. bis 25. August aus. I'elicr dir Marschleistung ist beispiels- 
weise zu erwähnen, duss ein Theil der Abtheilung vom 25. De- 
zember 1870 bis 20. Januar 1871, in einem Zeitraum von 27 Ta- 
gen (worunter 15 Arbeitstage) ca. 42 Meilen Landwege und 



31 

8 



do. 
do. 
do. 
do. 



Architekten- nnd Ingenieur -Verein zu Hannover. Ver- 
sammlung um 7. Februar 1S72; Vorsitzender Baurath Hase. Es 
erfolgt die Aufnahme vou 7 Mitgliedern. 

Prof. Launhard, als Sekreiair des Vereins, trägt den Jah- 
resbericht pro 1871 vor, nach dem der Verein mit tilO Mitglie- 
dern in das Juhr eingetreten ist. Der Verein verlor durch den 
Tod 12 Mitglieder, durch Austritt 15. Es traten neu ein 4<> 
Mitglieder, so dass deren Zahl um Schluss des Jahres 1871 029 
betrug. Von ihnen wohnen 278 in der Provinz Hannover, 44 in 
Berlin. 

Die Zeitschrift des Vereins ist regelmässig und in 4 Heften 
erschienen. Im neuen Jahr soll die, bislang jährlich in einem 
Hefte der Zeitschrift beigegebene Beilage „nie Kunst in den I 
Gcwerkeu* vierteljährlich den Mitgliedern zugestellt werden und 
soll unter Kedaktiou des Baurath Oppler für regelmässiges 
Erscheinen, ruicheu Inhalt und gediegene Ausstattung gesorgt 
werden. Ebenso soll die Veröffentlichung der Kuustdeukuiale 
Niedersachsens mit regerem Eifer fortgesetzt werden. 

Die Bibliothek des Vereins zählt 3870 Bünde, 51 Zeitschrif- 
ten kommen auf den Lesetisch. Für die gütig gewährte Bei- 
hülfc von bOO resp. 200 Tbulern Seitens des Hrn. Handels- | 
miuistcrs wie des Landesdirektoriums wird der Dank des Ver- 
eins ausgesprochen. Es folgt dann an Stelle eines Vortrages 
die objektive Darstellung der Spektralerscheinungen durch Hrn. 
Mechaniker Landsberg, mit einleitenden Bemerkungen vom 
Prof. Dr. von Quintua Icilius. 

Nach Schiusa der Versammlung fand zur Feier des 21 jäh- 
rigen Stiftungsfestes des Vereins unter ungemein zahlreicher 
Betheiligung ein Abeudessen statt, das vou musikalischen und 
mimischen Darstellungen unterbrochen, die Theiluehmer bis zur 
«päten Morgenstunde fröhlich vereinigte. 



33 Meilen Eisenbahn zurückgelegt hat. Im Allgemeinen waren 
die Linien mehr oder weniger durch Aufnehmen von Schienen, 
Beseitigen des Oberbaues kleiner Brücken, durch Zerstörüng 
der Wasserstationen, der Telegraphenleitungen etc. beschädigt. 
Grössere zerstörte Bauwerke, deren Wiederherstellung durch 
die Abtheilung bewirkt ist, sind: 

1) die auf 4l t "> Länge zerstörte Brücke bei Vitry le Fran- 
cais, welche mittels Boekkoustruktion wahrend 10 Tagen für 
beide. Geleiso fahrbar hergerichtet worden ist, 

2) die auf 102"* Länge bei mehr als lt>»' Hohe fast total 
gesprengte Maruebrücke bei Trilport unweit Mcaux, deren 3 grosse 
Oeftuungeu, jede mit einer freitrageudeu (Gitter-) Konstruktion 
von 25,'.MJ*n Länge und 4™ Höhe, nebst einer kleineu Oeffuuug \ou 
7,85" Lange, bei vollständiger liochmauerung zweier Pfeiler und 
theilweiser Aufmauerung ih r anderen Pfeiler in ca. 6" t Wochen 
überdeckt wurden. 

3) die unweit von der Kisenbahubrücke bei Trilport gele- 
gene auf etwa Hl»' Länge gesprengte t'hausseebrüeke über die 
Marue, deren Neubau 4 Tage gedauert hat. 

4) die in 2 Oeffuungeu von je 1 1,30'° Länge zerstörte Brücke 
über den Arrueuion bei Brienon, deren für 2 Geleise betriebt- 
fähige Herstellung in 7 Wiutertageu bewirkt wurde, und 

7>) die Febcrspatmung einer bei t'ourville in der Linie Char- 
tres-Lo Maus gelegenen schiefe Brücke von 11,30« normaler 
Oeffuuug, welche iu 7 Wiutertageu ausgeführt worden ist. 

Alsdann sind an grösseren Bauten zur Ausführung ge- 
kommen : - • 

t>) die eine Meile lange Umgehungsbahn bei Nuntcuil, deren 
Ausführung einen Monat gewährt hat; ferner 

7) der grösste Theil der für die Armee- Bedürfnisse ange- 
legten Erweiterungsbauten auf den Bahnhöfen Nuntcuil ■ l.aguy 
(miui Bahnhofe Lagny aus wurden eine Zeit lang 9 Armee-Korps 
versorgt), Cuelles und Esbly. Ausserdem wurde noch eine Aus- 
ladestelle für Munition und Geschütz bei Vaires, zwischen Lagny 
und ('helles, ueu hergerichtet. 

Nach Berichterstattung über die allgemeine Thätigkeit der 



Feld-Eiseubahn-Abtheilung ging der Vortragende zu den Details 
der MDielmM Bauten über. Er erläuterte dieselben durch Skiz- 
zen und Photographien, sprach über die Art der Zerstörung, 
der Beschaffung der Materialien, über die Konstruktion und Mon 
tiruug namentlich der Brücken von Vitry le Francais und Tril- 
port, und gab eine spezielle Uobersicht über die neu bergerich- 
teteu Buhnhufs-Aulugcu von Lagny und Vaires. 

Zum Schluss wurden durch übliche Abstimmung die Herten 
Obertriebs-lnspektor bei der Niedcrschlesiseh- Märkischen Bahn 
Sehmeitzer und Abtheiluugsbaumeistcr bei der Berliu-Anhal- 
tisebeu Eiseubahn Roth als einheimische ordentliche Mitglieder 
in den Verein 



Dio Gründung eines Vereins deutscher Architekten und 
Ingenieure 2U Strasaburg hat am 27. Januar d. J. unter er- 
freulicher Beteiligung der dortigen Faehgenosseu stattgefunden. 
Einer derselben schreibt uu* darüber Folgeudes: 

„Bereits seit Oktober vorigen Jahres regt" sich unter den 
hier anwesenden Kollegen der Wunsch und das Verlangen enge- 
rer Vereinigung. Häutige Zusammenkünfte in froher, gemüth- 
licher Architektenweise führten dir. Aufstellung vorläufiger Sta- 
tuten herbei, nach denen die Faehvenossen sieh einmal wöchent- 
lich zu gegenseitiger Anregung und Erholung versammelten. Am 
oben genannten Tage, bis zu welchem jedem Fachgeuossen der 
Beitritt ohne Weiteres offen gehalten war, konnten wir endlich 
mit unserem Stiftungsfeste in die Oeffentliehkeit treten. Das 
Vereinslokal hatte unter künstlerischer Hand sieh festlich ge- 
schmückt. Zahlreiche tiäste waren auf die gesandte Aufforde- 
rung hin aus Baden und den sämmtliehen grösseren Orten des 
Elsasslandes er^chieneii, um das auf neuem deutschen Boden 
geborene Kind der deutschen Kuust und Wissenschaft zu sehen 



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^OHN HAUS DES j^ERRN p. JA ELCHERS IN ßREMEN. 

Erfunden von Ucinr. Müller. 





F»f»de an dar Con tre«carpo. 



r« ..i.i » an dar Oaarf-Straate. 



prmj" i 1 t , 1 ; 1 1 , p 



1 






K ..-II«- 



ISrtttt Stockwerk. 



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A Kuihc. 
H K..el..«-K.ll,r 
f Weil.krll.-r. 
I> »'»»rhklirlir. 

f. I'liiutube. 
FF Dienerinnen, r. 



f rhir.iwlk.Her. 
// VornttorMai. 
/ Knhlcnrmm. 
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B IUu|illr')i|w (call 

Oberlirlil). 
€' X*bentrej.|>e. 
D Wobinimtner. 
F. Rnijifantr)xiram«r. 
F BlblioUiek resp. 

Nllt-MJJmm«. 



II K.bi.,,1. 

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A Flur. 
L l'»u«c. 
«f Hot. 



-1 
SO Met«. 

A Reuehltmiu-r. 6' Ii Fremden .- inn< r 

JI BiblMhek. ff Haupttreppe. 

(' Nrlil.f«iiiii.r r . / Nobeuuerpe. 

/> Gvilrrob« der Dune. 1 Flur, 
K Garderobe de* Herrn. L Llcliueuactii. 
FT 



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— 54 — 



und freudig zu begrüssen. In demselben Lokale, wo dereinst 
Jacobinerrrden gehalten worden waren, ertönte heute deutsche 
Bede und deutsches Lied. Das Fest war als sehr gelungen zu 
bezeichnen und bis zu früher Stunde waren alle Anwesende in 
ungebundener Fröhlichkeit vereint. Viele traten dem Vereine I 
bei, und bei der augenblicklichen Anzahl von etwa '<0 theilweise 
auswärtigen Mitgliedern ist demselben ein kräftiges Empor- 
blühen gesichert Leider ist nicht zu verhehlen, dass die vor- 
mals französischen Architekten sich bis jetzt noch sehr zurück- 
haltend gegen den jungen Verein verhielten und die gebotene I 
Bruderhand vorerst noch zurückwiesen." 

Die Thcilnalimn der Architekten und Ingenieure in den 
alten deutschen Landeu und ihren herzlichen Glückwunsch zu 
dem erhofften Aufblühen dieses jüngsten unserer Fachvereine 
dürfen wir hiermit wohl ohne Weiteres versichern. Ist es uns 
jedoch gestattet, mit Bezug auf den Schlussatz obigen Schrei- 
tions einen aufrichtig gemeinten Kath zu Süssem, so mftchtcu 
wir ihn dahin aussprechen, dass ein Erstarken des Vereins zu 
Muhender Lebenskraft von seiuen (iründern mehr in der engen 
Vereinigung der aus dem alten Deutschland nach dem Elsass 
übergesiedelten Elemente und in der energischen Arbeit der- 
selben gesucht werden möge, als in dem Bestreben möglichst 
schnell einen Anschluss zahlreicher ehemals französischer Tech- 
niker herbeizuführen. Gauz abgesehen davon, dass die Empfin- 
dung derselben, welche sie zunächst von einem solchen An- 
schlüsse zurückhält, zum grosseren Theile wohl ehrender Scho- 
nung Werth ist, wird es sicherlich mehr dazu beitragen, ihnen 
vor deutscher Kunst und Technik und deren Vertretern die 
wünschenswerthe Hochachtung einzuflossen .' wenn sie das auf 
eigene Kraft und eigenen Trieb gestützte Walten derselben be- 
obachten können, als wenn sie sieb von dieser Seite allzu er- I 
sichtlich gesucht fühleu. Dass ciue baldige uud innige Ver- 
söhnung der Gemüther, das nächste zu erstrebende Ziel, auf kei- 
nem Felde bessere Aussichten hat, als auf dem der an und für I 



Vermischtes. 

Der Pruzess wegen des Hauseinsturzes in der Oranien- 
etrasse zu Berlin, über welchen wir in No. .">!' S. 304 Jhrg. 71 
berichtet haben, ist in der letzten Woche vor der G. Kriminal- 
Deputation des Stadtgerichts zur Verhandlung und Entscheidung 
gelangt. Der Sachverhalt ist durch die Aussagen der Zeugen 
und Sachverständigen im Wesentlichen so festgestellt worden, 
wie wir ihu in jener Notiz angegeben haben, und ist als Ursache 
des Einsturzes daher unzweifelhaft anzusehen, dass die Bögen, 
welche die Last der Mauern und Balkenlagen der oberen Stock- 
werke an Stelle der ausgebroebenen Mauern zu trageu hatten, 
gegen einen Schornsteinkasten gespannt worden sind, welcher 
einem solchen Drucke nicht zu widerstehen vermochte, sondern 
in sich zusammenbrach. Auf die Details der Verhandlungen 
einzugehen, dürfte nicht von allgemeinerem Interesse sein; er- 
wähnen müssen wir jedoch als eines nur von juristischer resp. 
advokatischer Seite ernsthaft zu würdigenden Kuriosums, des 
Haupteinwaudes, den der Vcrtbeidigcr , Rechtsauwalt H. (uach 
dein Referate der Voss. Ztg.) für »eine Klienten geltend machte. 
Er ging nämlich davon aus, dass die neue Gewerbeordnung nur 
.Bauunternehmer* und nicht mehr Baueewerksmeister kenne. 
Ein Zuwiderhandeln gegen allgemein anerkannte Regeln der Bau- 
kunst Seiteus eines „Bauunternehmers" sei jedoch undenkbar, 
weil es kein solches Gewerbe gebe; ein Gewerbe müsse erlernt 
werden und da man wohl Maurer oder Zimmermann, nicht aber 
Bauunternehmer lernen könne, so sei es ganz ungerechtfertigt, 
wenn der Staatsanwalt von der besonderen Aufmerksamkeit 
spreche, dio der Bauunternehmer bei Ausübung seines Gewerbes 
aufzuwenden habe. Der Gerichtshof hat diese Beweisführung 
zu würdigen uicht vermocht, sondern die beiden Uauntangeklag- 
ten, den Maurermeister A. und den Zimmermeister M. Werner, 
•ter fahrlässigen Tödtuug und der fahrlässigen Körperverletzung 
mehrer Menschen für schuldig erklärt; der erste ist als der 
eigentliche Unternehmer des Baus mit 2 Jahren, der zweite mit 
l'i Jahren Gefängnis» bestraft worden. Der mitangeklagte 
Polizeiwachtmeister, dem zur Last gelegt war, den ohne Bau- 
crlaubniss begonnenen Bau nicht rechtzeitig inhibirt zu haben, 
wurde wegen Mangel an Beweisen für eine derartige Verletzung 
der Amtspflicht freigesprochen. 



Dlo Todesfälle der Geh. Ober-Reg.-Rätho Woddin» und 
Fehlomann, welche in voriger Woche zu Berlin erfolgten, haben 
der höheren preussischen Beamtenwelt 2 Männer genommen, 
die in den Kreisen der Fachgennssen, welche längere Jahren in 
Berlin gelebt haben, wohl allgemein bekannt waren. Weddiug 
wirkte als Chef der technischen Deputation für Gewerbe und 
der Königl. Staatsdruckercl, sowie als Mitglied der technischen 
Baudeputation; Pehlemann als Verwaltungschef der Ministerial- 
Baukommiseion, welebe bekanntlich die ausführende Instanz für 
die fiskalischen Bauten Berlins bildet. 



In Betreff des Aufziehens von Pausen, des in No. 2 

d. Bl. besprochen ist, wird die Angabe folgender Metbode noch 
am Platze sein: Man rollt die Pause auf uinen recht genau ge- 
arbeiteten llolzzylindcr von ca. 5 Durchmesser oder mehr, 
stellt die aufgespannte Unterluge oder hängt das betreffende 
Papier senkrecht auf, bestreicht zunächst einen Streifen von 
der Rolle und wickelt diese nach und nach ab, indem man vor- 
her jedesmal eine entsprechende Breite auf der Rolle oder der ' 



sich kosmopolitischen Technik, glauben wir annehmen zn kön- 
nen. Wir noffen aber auch, dass die Zeit nicht allzufern ist, 
wo aus dieser Versöhnung auf neutralem Gebiete ein Einklang 
der Gemüther in deutscher Gesinnung erblühen wird! 
Möge ein deutscher Architekten- und Ingenieur- Verein in Stras- 
burg dus Seiuige dazu beitragen! 



Architekten Verein zu Berlin. Ausserordentliche Haupt- 
Versammlung am 10. Februar 1872; Vorsitzender Hr. Strockert, 
anwesend 183 Mitglieder und 5 Gäste. 

Der Herr Vorsitzende verkündet, das 5 sämmtliche in der 
letzten Hauptversammlung gewählte Vorstandsmitglieder die 
Wahl angenommen haben. Eine Zählung der zuletzt abgegebe- 
nen Stimmzettel ergiebt demnächst, dass zum 11. Vorstands- 
mitglied Hr. Möller gewählt ist; als 12. Vorstandsmitglied 
geht aus einer zweimaligen Abstimmung über den Hrn. Stier 
und Orth der letztere hervor. Ober - Bibliothekare bleiben wie 
bisher Hr. Stier nnd Hr. Frauzius. Die Kommission für die 
Vorbereitung des diesjährigen Schiukelfestcs bilden endlich die 
Ilm. Luthmer, Stier, Knoblauch, Orth, Cornelius, 
Eggert uud Frauzius. 

Während und nach diesen Wahlen spricht Hr. Adler über 
seine vorjährige Reise nach Jerusalem und den Aufenthalt da- 
selbst. Wir dürfen hoffen, dass die Skizzen aus dem Orient, 
welche unsere Zeitung dieser Reise verdankt, in ihrer Fort- 
setzung auch die heilige Stadt in den Kreis ihrer Schilderung 
ziehen werden, uud verzichten daher auf eine Wiedergabe des 
fesselnden Vortrages, der durch die Ausstellung zahlreicher 
Photographien, eines grossen Stadtplanes uud mehrer eigener 
Skizzen unterstützt wurde uud * vorläufig auf eine Darstel- 
lung des Weges von Jaffa nach Jerusalem, der Geschichte, der 
Lage und Gesammt- Erscheinung der Stadt erstreckte. In den 
folgenden Sitzungen soll derselbe beendet werden. 



Unterlage mit dem Klcbcmaterial versieht. Es ist dies Ver- 
fahren jedenfalls ein höchst zweckmässiges, dos ohne Weiteres 
einleuchtet, indes» wie jede derartige Arbeit ein wenig l'ebung 
voraussetzt. Bei genauer Arbeit und gutem Material wird keine 
Nachhülfe mit Bürste etc. nöthig sein. Die Methode stammt 
meines Wissens aus den Büreaus der engl. Schiffsingenicure, 
wo meistens sehr lange Pausen zum Aufkleben kommen. 



Aus der Fachliteratur. 

Allgemeine Bauzeitung redig. von A. Köstlin. Verlag 
TOB K. vou Woldhuim in Wen. Jahrgang 1870. Heft 7 — 12. 

{Schluss.) 

A. Aus dem Gebiete des Hochhaus. 

5) Wohnhäuser der Herren F. Pranter und G. von 
Angeli in Wien, von Architekt Friedrich Schachner. 
Es werden von beiden Häusern je eine Facade uud die Grund- 
risse (letztere ohne Bezeichnung der einzelnen Räume) gegeben. 
Ein erläuternder Text fehlt ganz , doch ist es allerdings nicht 
schwer auch ohne diesen in den Zeichnungen sich zu onentiren. 
Beide Gebäude sind Zinshäuser der üblichen Art, das erste in 
einer Strasse der Wiedeu belegen, nur Sgeschossig, das zweite 
dem Bereiche der Stadterweitcruug (Giselagasse) angehörig, ans 
einem hohen Souterrain und 5 oberen Geschossen bestehend. 
Gemeinsam ist beiden die Art der Gruppirung auf einer Bau- 
stelle von verhältnissraässig bedeutender Sirassenfront und gerin- 
ger Tiefe — ein Vorderhaus und 2 symmetrisch angeordnete Flügel, 
/.wischen denen ein regelmässig "gestalteter Hof verblieben ist, 
doch liegt das Augeli'sche Haus an einer 8traasenkreuzung und 
konnte daher auch von der einen Seite her Licht erhalten. 

Die Grundrissgestaltung einer Miethkascrne ist so sehr von 
der lokalen Sitte abhängig, dass der Erfindung des Architekten 
ein verhältnismässig geringer Spielraum verbleibt Wir finden 
in den vorliegenden Fällen, wo es sich um Wohnungen mittlerer 
Grösse haudelt, die traditionelle Misere des Wiener Zinshauses 
wieder — ausserordentlich kleine Nebenräume, dio fast aus- 
schliesslich an schlecht erleuchteten und ventilirten Lichtschach- 
ten liegen, und die Beschränkung auf einen einzigen Treppen- 
aufgang — wollen indessen immerhin anerkennen, dass der 
Architekt bestrebt gewesen ist diese Nachtheile wenigstens zu 
mildem. Die Facaden, anscheinend in Sandsteinarchitektur und 
Ziegelvorbleudung ausgeführt, mit einzelnen von der Gesammt- 
haltuug etwas abstechenden zopfigen Details, die zweite ausser- 
dem an einer Ueberfülle schwerer horizontaler Gliederungen lei- 
dend, bieten nichts Bemerkenswerthcs. 

B. Aus dem Gebiete des Ingenieurwesens. 

1) Die neuen Formeln für die Bewegung des Was- 
sers in Kanälen und regelmässigen Flusstrecken, von 
W. R. Kutter. Die durch sämmtliche Hefte des Jahrgangs 
reichende, von zahlreichen graphischen Daxstellungen begleitete 
Abhandlung hat einen Umfang, der ein näheres Eingehen auf 
dieselbe an diesem Orte ebenso wenig zweckmässig erscheinen 
lässt wie die Natur des Stoffes selbst Der Verfasser beleuchtet 
die bisher üblichen Formeln, namentlich die von Evtelwcin, 
Humphrcys & Abbot, Bazin, Gauckler . Ganguillet und* Kutter, 
nach ihren Vorzügen und Mängeln und versucht schliesslich zur 
Aufstellung eiuer allgemein anwendbaren Formel zu gelangen, 
bei welcher alle hierfür in Betracht zu ziehenden Momente Be- 
rücksichtigung finden. Seine Arbeit hat u. W. unter den Spc- 



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zialisten des betreffenden Gebietes gebührende Anerkennung ge- 
funden, wenn andererseits freilicli auch (wie in No. 31 Jhrg. 71 
u. Ztg.) der hohe Werth, dm man der Aufstellung einer Wasser- 
geschwindigkeitsformcl licilogt, in Abrede gestellt wird. 

2) Dio Schwarzcubcrgbrücke in Wien, von 0. Horn- 
bostel. Die Ausführung dieser Brücke, welche vom Schwarzen- 
bergplatze, resn. der Lothringer Strasse in der Richtung des 
Schwarzenberg-Palais Ober den Wienfluss führt und die direkteste 
Verbindung von der Ringstrasse nach der Heugasse und dem 
Rennwege gewährt, ist im Frühjahr 1864 begonnen und im Herbst 
1866 vollendet worden. Der Entwurf, von den Ingenieuren 
Kuhn und Hornbostel vertagst, entstammt einer im Jahre 
1862 ausgeschriebenen Konkurrenz. Die massiv aus Schnitt- 
steinen (Verkleidung mit Granit, Parapet und Geländer aus Salz- 
burger Marmor) erbaute Brücke, in den Bögen 10,50 m breit, 
zwischen den Kämpfern der Landpfeiler 19,80" lang, vom Rogen- 
scheitel bis zum mittleren Wasserstande 6,50° hoch, zeigt die 
Eigentümlichkeit zweier Oeffnungen mit einem Mittelpfeiler. 
Es erschien dies ästhetisch so bedenklich, dass der Gemeinde- 
Rath bereits die Ausschreibung einer neuen Konkurrenz be- 
schlossen hatte, indessen siegte doch der Unterschied der Kosten 
gegen eine einbogige Brücke (im Verhältniss von 3 : 5), wie die 
Notwendigkeit einer UeberbOhung der Fahrbahn bei letzterer 
über jenes Bedenken. Nach der Lage der Brücke in einem der 
elegantesten Stadttheile überwog die Rücksicht auf eine monu- 
mentale architektonische Ausbildung des Bauwerks den tech- 
nischen Tbeil der Aufgabe und ist diesem Verhältnisse auch in 
der Publikation, welche sich auf eine Perspektive, einen Längen- 
und Querschnitt beschränkt, Rechnung getragen. Durch die 
bekannte Abkantung der Gewölbestirnen sind die gedrückten 
Korbbogen in der Ansiebt zu flachen Segmentbügen geworden: 
als Hauptdekorationsmotiv figuriren stehende Konsole auf den 
Pfeilern und verzierte Schlussteine. welche die breiteren Posta- 
mente tragen, durch welche das Ballastradengeländer gegliedert 
ist. Die Kosten des Baues haben 300,000 Fl. betragen. 

3) Die Donau brücke der k.k. pri v. Ocst er reir.hi sehen 
Staatseisenbahn - Gesellschaft bei Stadlau, von Aug. 
Küstliu. Mit 14 BL Zeichnungen. 

Die Donaubrückc bei Stadlau unterhalb Wien bat nicht nur 
als erste Btabile Ucberbrückung des Stromes in neuerer Zeit 
die Art ihrer Fundirung und der Auf- 
Oberbau«« in der technischen Welt Interesse 
erregt und ist daher auch in diesem Blatte schon früher mehr- 
fach erwähnt worden. Der Platz für dieselbe war durch das 
Donauregulirungsproiekt genau bezeichnet und bedingte es das 
letztere, dass der reclitaeitige Landpfeiler der Brücke sich genau 
an den künftigen Ilochufcrbord anschliessen musste, während 
für das Hochwasser auf dem linken Ufer das nöthige Vorland 
frei zu lassen war. Nach einigen Abänderungen, die während 
der Ausführung eintraten, hat sich die Disposition des Bauwerks 
so ergeben, dass die Hauptbrücke aus 5 Oeffnungen von 75.86 m 
lichter Weite mit 3,79» starken Zwischenpfeitern. die VorSutH- 
brücke aus 10 Oeffnungen von 33,76» lichter Weite mit 2,53'» 
starken Zwischenpfcilern besteht, woraus sich die Gesammtlänge 
zwischen den Landpfeilern auf 758,70"» ergiebt Die Höhe der 
Konstruktions-Unterkante wurde auf 9,48" über Nullwasser an- 
genommen- Der Oberbau der Kauptbrücke besteht aus einer 
zusammenhängend konstruirten 7,59™ hohen Gitterkonstruktion, 
deren beide 1,59" auseinander liecendc Tragewände durch uu- 
tcre Querträger verbunden sind, welche die Schienen des Doppel- 
geleises tragen; der Oberbau der Vor Hut brücke besteht aus 4 
durch Kreuzverbindungen gekuppelten Gitterträgern von 3,16" 
Höhe, auf welchen die Schienen direkt auflagern. 

Die Fundirung der Pfeiler , welche bis zur Tiefe des die 
Grundlage des Wiener Beckeus bildenden Inzcrsdorfer Tegels 
— bei dorn Landpfeiler auf 8™, bei den Stronipfeilcru auf 15», 
bei den Pfeilern der Vorflutsbrücke auf II» unter Null herab- 
geführt werden musste, war wegen der wechselnden und hohen 
Wasserstände und der grossen Geschwindigkeit des Stroms eine 
schwierige. Sie erfolgte durch Versenknng eiserner Kaissons 
mittels komprimirter Luft, unter Emporftthrung der Kaissonwau- 
dung abi Umhüllung des Pfeilermauerwerks, und bot insofern 
ein hervorragendes Interesse, als die Unternehmer (Castor und 
Comp.) unter den gegoltenen Verhältnissen auf die Anbringung 
fester Gerüste ganz verzichteten und sich statt derselben 
schwimmender, durch ein ausgedehntes System von Dratb- 
seil-Veraukerungen gesicherter Gerüste bedienten, was nach 
einiger Erfahrung volkommen gelang. Die im Verlauf der Ar- 
beit erzielte Förderung der Senkung betrug im Durchschnitt 
täglich etwa 0,80™. 

Die Konstruktion dos Gitteroberbaues, an Schneider u. Comp, 
in Crcuzot vergeben, bei welcher vorzüglich ökonomische Rück- 
sichten beobachtet wurden und die daher auch fast jeder 
schmückenden Zuthat entbehrt, bietet vom technischen Stand- 
punkte aus nichts wesentlich Neues. Bemerkenswerth ist nur 
die Art der Aufbringung auf die Pfeiler durch Vorschieben vom 
Ufer aus, welches eingehend beschrieben und dargestellt ist. Die 
Bewegung erfolgte auf einer für diesen Zweck erbauten Bahn 
mittels eines durch Menschenkräfte (16 M.) in Gang gesetzten 
Getriebes mit 512 facher Uebersetzung. Gegen die enorme In- 
anspruchnahme der Träger in ihrer vorgeschobenen Lage waren 
dieselben durch provisorische Aussteifungen gesichert; ausserdem 
wurden beide Enden mit einem SO" vorspnngenden, nach vorn 
zugespitzten Schnabel versehen, der die Länge der sich frei tra- 
genden Hauptkonstruktion wesentlich verkürzte. 

Der Beginn der Arbeiten, die unter der obersten Leitung 



des Baudirektors von Ruppert standen, während als baulei- 
tender Chef-Ingenieurs, Inspektor Heinrich Schmidt und unter 
diesem die Ingenieure Karl Ruppert jun. und Weikuni fun- 
girten, erfolgte im Herbst 1868, nie Eröffnung der Brücke am 
24. November 1870. Die Kosten des Baues belaufen sich auf 
2100000 Fl. öster. W., wovon die Fundirungs- und Pfeilerbauten 
und der eiserne Oberbau annähernd je die Hälfte beansprucht 
haben. 

4) Ueber hvdraulische Kalke und Zemente und 
speziell deren Natur und Vorkommen in Galizien, von Thomas 
Kutscbora, K. K. Ober- Ingenieur. Wir können unsere Ver- 
wunderung nicht unterdrücken, dass in einem Blatt, wie die All- 
gemeine Bauzeitung, eine an sich zwar wohlgemeinte Arbeit 
Aufnahme finden konnte, von der man — wenn nicht auf einige 
1863 und 64 in der Zeitschrift des Oesterreichischen Ingenieur- 
und Architekten -Vereins erschienene Mittbeilungen Bezug ge- 
nommen würde — anzunehmen versucht ist, dass sie ein Viertel- 
jahrhundert lang im Pulte der Redaktion geschlummert habe. 
Alla neueren, ausserhalb Oesterreichs gewonnenen wissenschaft- 
lichen und praktischen Resultate des betreffenden Feldes schei- 
nen dem Herrn Verfasser völlig fremd geblieben zu sein, wie er 
denn diesseits des Rheines nur den rreiburger Zement in der 
Schweiz, den in München aus Mergel fabrizirten hydraulischen 
Kalk, in Preussen den Tarnowitzer und Grodziecer Zement, in 
Oesterreich den Pcrlmoser Zement endlich den Stoiberger und 
slavonischen hydraulischen Kalk als zu den „bekanntesten" Fa- 
brikaten gehörig anführt In wie weit die Arbeit durch Nach- 
weis der Materialien, welche sich innerhalb Galiziens zur Zement- 
fabrikation eignen, ihre Verdienste hat, sind wir ausser Stande 
zu beurtheilen- 

Unter den kleineren Mittheilungen des Jahrgangs sind die 
Korrespondenzartikcl aus der Türkei von dem beim Bau der 
dortigen Bahnen beschäftigten Ingenieur Buche leu, sowie der 
Abdruck des neuen österreichischen Brückengesetzes zu cr- 

O 



Konkarrenz für Entwürfe zu einem Arndt-Denkmal auf 
dem Rugard. Seitens der Jury geht uns das nachstehende 
Gutachten mit der Bitte um Veröffentlichung zu. Wir entsprechen 
derselben trotz der für diese Stelle ungewöhnlichen Länge 
des Schriftstückes mit Rücksicht auf die Konkurrenten, welche 
ihre Kräfte der Aufgabe in so uneigennütziger Weise gewidmet 
haben. 

„In Nr. 21 der Deutschen Bauzeitung vom 25. Mai v. J. er- 
ging von dem Koinite für die Errichtung eines Arndt Monumen- 
tes auf dem Kugard ein Aufruf an die Architekten Deutsch- 
lands, Entwürfe zur Errichtung eines Denkmals in Gestalt eines 
Wartthurms auf dem Ruirard einzureichen- Einfachheit und Gedie- 
genheit, gleich dem edlen Sinne des Vater Arndt, schlichte Formen 
bei den geringeu. 3000 Thlr. nicht übersteigenden Mitteln, for- 
derte das Programm. 

Die Unterzeichneten, welchen die ehrenvolle Aufgabe zu 
Theil geworden, die 19 eingegangenen Arbeiten von UTachgc- 
nossen und einem Laien zu prüfen, sind in ihrem Urtheil von 
folgenden, aus dem Programm und dem Wesen der Aufgabe sich 
selbst ergebenden Gesichtspunkten ausgegangen. 

Für die äussere Gestaltung des Denkmals ist die Form 
eines Wartthurms in dem richtigen Gefühl gefordert, dass auf 
diesem höchstun Punkte des nördlichsten deutschen Eilandes 
ein Denkmal vor Allem weithin sichtbar sein müsse, hinaus- 
leuchtend auf das Meer, ein Merkzeichen deutschen Landes. 
Hieraus ergiebt sich von selbst die Forderung einfachster Form 
uud damit im Zusammenhange Ausschluss jedes kleinlichen 
Details. Für letzteren spricht ebensosehr das heimische Bau- 
material Rügen, welches trotz der Nähe des vortrefflichen 
Ziegel matcrials des norddeutschen Tieflandes hauptsächlich ein 
schöner Granitfindling ist Zudem ist die geschickte Vorarbeitung 
dieses Materials eine uralte Technik auf Rügen. Nicht zu ver- 
kennen ist, dass die Forderung der Gestalt eines Wartthurms 
für die Zwecke eines Monumentes eine schwere ist. Die Gefahr 
liegt nahe, entweder zu sehr in den Charakter eines ürabmo- 
numents zu zerfallen, oder aber die Aufgabe iu dem Sinne eines 
Burgthurms oder sonstigen profanen Bauworks zu lösen. — Die 
äussere Gestaltung muss neben dem praktischen Zwecke eines 
j Aussichtsturms in erster Linie den Eindruck eines Ehreudcuk- 
I muls erwecken, da durch dieses Bauwerk das deutsche Vater- 
land die Stätte ehren will, wo Arndt geboren und wo er oft 
genug, ein Flüchtling von deutscher Erde, hiuttbergeseheu hat 
in das deutsche Vaterland. Nebenbei ist auf die Gewinnung 
von Sitzplätzen, schützend gegen die auf der Höhe stets herr- 
schenden Seewinde, Rücksicht zu nehmen. Für die innere 
Raumanordnuiig musste einige Schwierigkeit die Anbringung 
der Treppe für die drei Geschosse bieten, da die Anlage einer 
Wendeltreppe in der Mitte die Räume in ihrer Abgeschlossen- 
heit beeinträchtigt, andererseits die Anläse eines besonderen 
Treppcnthurmes gar leicht die Kontur des Aeussern stört. 
Schliesslich inusstu die Herstellungssumme ein gewichtiges Mo- 
ment für die Beurtheilung abgeben. Wenn auch anzunehmen 
ist, dass durch weitere Sammlungen die Mittel sich noch etwas 
höher gestalten werden, so siud doch viele der 
Arbeiten weit über ds 



gegangen. 

Von dieser Erwägung geleitet ist das Urtheil der Unter- 
zeichneten Folgendes: 



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- 5G — 



1) Derjenige Entwarf, welcher dem Charakter einer anziehen- 
den weihevollen Stätte am meisten entspricht, ist der mit dem 
Mottn: .Vater Arndt." Eine mfissig hone, je nach den Mitteln 
zu mauernde oder aufzuschüttende Terrasse bereitet die land- 
schaftliche Umgebung für das Bauwerk architektonisch vor. 
Iu untereinander wohl abgewogenen Höhcnvcrbültnissen erhebt 
sich ein Rundtthurm in drei Geschossen ; das letzte in Form einer 
Kuppel. In dem unteren sind gegen aussen sich öffnende tiefe 
Nischen zum Schutz gegen Wind und Wetter, im mittleren 
massige Fenster angeordnet, welche den Raum für das kleine 
Museum rugiauiseber Alterthümer beleuchten. Zum Vortheil 
des Entwurfs wird es sein, wenn die oberste Kuppeletagn ganz 
fortfällt und statt dessen ein flacherer Abschluss gewühlt wird. 
Ebenso erscheint es nöthig, die allzu zarten, wenn auch fein ge- 
wählten Details in Gesimsen, Flächenvcrzieningen etc. aufzugeben 
und Formen einer derben Ziegel- oder Brucbstcintcehnik einzu- 
führen. Die Anwendung einer anderen TreppcQanlage als die 
einer Wendeltreppe in der Mitte des Bauwerks niuss als wün- 
schenswerth bezeichnet werden. Ilm die Bedingung eines ge- 
schützten, mit Fenstern versehenen Belvederes zu erfüllen, 
würde es sieh empfehlen, das obere Geschoss angemessen zu er- 
hohen und mit einer Gallerie von Rundbogenfenstern unter der 
Zinnenbekrünung zu versehen. 

2 u. 3) Zwei andere Arbeiten desselben Verfassers mit den 
Mottos: »Vater Arndt 2", .Vater Arndt 3", zeigen weniger edle 
Verhältnisse und auch einzelne fremdartige Elemente, nament- 
lich in den oberen Abschlüssen und in einzelnen Dekorations- 
motiveu. 

4) Noch bescheidener in der Verwerthung der gebotenen 
Mittel und mit richtigem Gefühl das heimische Bruchstein- 
material zur Geltung bringend, ist der meisterhaft und geist- 
reich dargestellte Entwurf mit dem Motto: .Und hat er mich 
keinen Ehrenstein — Sein Name wird nimmer vergessen sein*. 
Weniger glücklich in den Verhältnissen des äusseren Aufbaues 
erweckt dieser Fintwurf durch die allzu kleinen Fenster des 
Mittelgeschosses — als Museum dienend — und durch den 
Mangel ausgebildeter Sitzplätze im Erdgeschoss zu sehr den 
Eindruck eines Grabdenkmals. Wenn auch hier die Treppe in 
der Mitte des Bauwerks als Wendeltreppe angeordnet ist, ist 
dies aber in einer Weise geschehen, das« dieselbe ein be- 
deutungsvolles Moment für die Durchbildung des Innenraums 
geworden ist. 

5) Der Auffassung dieses Entwurfs nahe verwandt ist der 
mit dem Motto: .Ein Volk, ein Heer — ein Herz und Hand." — 
Augenscheinlich hat der Verfasser darnach getrachtet mit ver- 
hältuissniässig geringem Materialaufwand eine Wirkung grosser 
Mächtigkeit zu gewinnen, indem er dem oktogonen Kern seines 
Baues Wer Kreuzflügel anfügte, welche einen breit gelagerten 
Unterbau für die Feruwirkung gewähren sollten. Auf ihn setzt 
sich als zweites Geschoss das innere Oktogon mit einer reichen 
Fensteranordnung auf. Ein mächtiges Kteinkreuz in der Form 
des Landwehrkreuzes schliesst in Verbindung mit einem flach- 
kuppelartigen Steindach das Bauwerk sinnig und wirkungsvoll 
ab. Dabei hält der allgemeine Charakter glücklich die Mitte 
zwischen den F'ormen einer profanen Warte uud denen eines 
Mausoleums. Als Baumaterial ist mit massiger Anwendung von 
Ziegeln und Ziegelformsteinen für die Bögen und Gesimse der 
Granitbruchstein gedacht. Es ist nicht zu verkenuen, dass 
auch diese Arbeit, wie die vorigen beiden, bedeutungsvolle Mo- 
mente für die Gestaltung des Denkmals bietet. Dagegen können 
die Unterzeichneten ihre Bedenken nicht zurückhalten, dass für 
die Ausführung das allzustarke Vortreten des Kreuzflügels 
störend wirken möchte. Ueberaus schlank ist die Eingangsöff- 
nung, trotz des Geschicks, mit welchem hier die Büste Artidts, 
den Eintretenden begrüssend, angebracht ist. Die gewählte 
Grundrissform gewährt auch bei diesem Entwurf geschützte, 
wenu auch nicht sehr einladende Plätze für den Genuas der 
Fernsicht. Von der Anordnung einer Wendeltreppe in der Mitte 
des Bauwerks gilt das schon früher Bemerkte, obgleich durch 
die tiefen Kreuzflügolnischen das Störende einer solchen Anlage 
für einen lunenraum hier gemildert wird. (srhiau f.ii«t.) 



Personal • Nachrichten. 

Preussen. 

Ernanut: Der Eisenbahn - Baumeister Wende roth zu 
Stargard i. Pom. zum Eisenbahn - Bau- und Betriebs- Inspektor 
bei der Kgl. Ostbahn in Königsberg. Der Baumeister Linken 
zu Marienwerder zum Landbaumeister uud technischen Hülfs- 
arbciler bei der Königl. Regierung daselbst. 

Dem Wasserbau -Inspektor F ran /ins in Berlin ist der 
Charakter als Baurath verliehen worden. 

Am 3. Februar haben das Baumeister -Examen bestanden: 
Carl. Heinr. Alfred Urban aus Pr. Holland. Aug. Nie. Jos. 
Ritter aus Vulkmarscn. 

Das Bauführer - E x a in e n haben bestanden: Carl 
Baehckcr aus Wischwill, Kreis Raguit. Anton Fliegenkam p 
aus Düsseldorf Carl Huppert! aus Lieveuich, Kreis Erkelenz. 
Joseph Müller aus Pfaffendorf, Kreis Bergheim. 

Brief- und Fragekasten. 

Hrn T. in Jona. Auskunft über Petroleumlager-Sehuppen 
für kleinere Städte haben wir nicht erhalten; hingegen sind wir 



darauf aufmerksam gemacht worden, dass die grössten und ver- 
mutlich auch vollkommensten Anlagen dieser Art, deren Ein- 
richtung sich unschwer vereinfachen lassen dürfte, in Bremer- 
haven und Geestemünde ausgeführt sind. Sic würden daher 
wohl am Besten von den dortigen Bremischen resp. preussischeu 
Wasserbaubcamtcu (B.-lnsp. Dankes in B. oder ßrth. Dink- 
lage in G."i Auskunft sich erbitten. 

Hrn. Ch. L, Halberger Hütte bei Saarbrücken. Ein 
Aufsatz über die Verschiebung des Pelham-Hotel in Boston ist 
in Heft III Jhrg. 70 d. Zeitschritt d. Oesterr.- Ingenieur- u. Ar- 
chitektenvereins mitget.heilt. Wir haben nur kurze Notiz davon 
genommen. 

Hrn. v. Th. iu Skrad. In Nr. III S. 321 Jhrg. GS. d. IRsrh. 
ßauztg. finden Sie einige in Mecklenburg zum Schutze des Ufers 
gegen den Abbruch der See ausgeführte Anlagen beschneiten. Die 
Frage ist unsers Wissens übrigens durchaus noch nicht so weit 
gelöst, dass man eine solche Schutzvorrichtung ohne Weiteres 
als »die beste, sicherste, praktischste uud gleichzeitig möglichst 
billigste» bezeichnen könnte: aurli wird die Wahl der Konstruktion 
immerhin von lokalen Verhältnissen abhängig sein. Wir können 
Ihnen daher nur rathen die Hülfe eines in der Nähe wohnenden 
erfahrenen Wasserbau-Technikers iu Anspruch zu nehmen. 

Hrn. A. B in T. Ein Brief unter der Adresse der Illu- 
strirteu Ztg. in Leipzig wird auch ohne weitere Angahe an seine 
Bestimmung gelaufen. Wollen Sie ein Cebcrtiiissiges thun, so 
setzen Sie noch die Verlugstirma »J. J. Weber" hinzu. 

Hrn A. in Hamburg. Das Anschleifen ton Keissfedern 
übernehmen in Berlin wohl alle Mechaniker. Wer es unter ihnen 
am Besten versteht ist eine Frage, deren Beantwortung wohl 
um so schwieriger ist, als die Auspriiche der einzelnen Zeichner 
an die Beschaffenheit einer gut angeschliffenen Ziehfeder ver- 
schieden sind. 

Hrn. M. in M. 1) Eine unterirdische Röhrenleitung von 
glasirten Thouröhreu für eine grössere Abtrittsanlage wird wohl 
am Snlidesten ausgeführt, wenn mau die Röhren auf einer durch 
aus festen Unterlage verlegen kann uud wenn man alsdann den 



Muffenz wischen räum zunächst unterhalb mit 



Tbonnnii 



dichtet, darüber aber mit einem fest uud hart werdenden Binde- 
mittel: Zeuieut oder geschmolzenem Schwefel, vergiesst. Um 
jede weitere Bewegung der Röhren zu verhüten, werden sie als- 
dann noch mit Steiubrocked uud Zemeutmörtel auf ihrer unwan- 
delbaren Unterlage vermauert. 

Kann eine solche Unterlage nicht hergestellt werden und 
hat man von einem etwaigen späteren Lecken nicht üble Folgen, 
etwa Infizirung naheliegender Brunnen zu fürchten, so ist es 
besser zur Dichtung der Muffen weichen Thon zu verwenden, 
der, wenn er die Muffe vollständig ausfüllt und nach dem Zu- 
sammonschielH>n der Rohrstücke innen jedesmal glatt abgestri- 
chen wird, sehr gute Dienste leistet. Eine solch« nachgiebige 
Dichtung gestattet den Köhren beim Nachsackeu der Füllerde 
im ausgehobeneu Graben kleine Bewegungen, ohne dass sie dabei 
zerbrechen. 

2) Dass ein anderer Grundanstrich als der von Mcnnigeöl 
färbe zum Schntz eiserner Brücken sich besonders bewährt habe, 
ist uns nicht bekannt 

Hrn. St. in Z. IVr Zentner Bessemor- Stahl- Schienen 
kostete bei Submissionen für grösseren Bedarf im v. J. hier in 
Berlin ca. 5 Thlr. Dieselben werden von Krupp in Essen, der 
Hütte iu Hörde und andern Brossen Werken fahrizirt. 

Abonnent J. »Beim Scliwedler'schen Träger ist die Form 
der Gurtungeu so gewählt, dass die Diagonalen nur gezogen 
werden, und nur weuu die mobile I„ast gegen das Eigengewicht 
erheblich wird, werden in der Mitte Gegendiagonalen erforder- 
lich. Bei einem Träger dagegen, wo die Diagonalen unigekehrt 
wie beim Schwcdler'schen Träger geneigt sind, werden (cfr. 
Ritter, dement Theorie der Dach- und Brückenkonstruktioueu 
2. Aufl.) die Diagonalen immer gezogen, selbst dauu. wenn das 
Eigengewicht gegen die mobile Belastung sehr (unendlich) klein 
ist, worauf dann der Träger die Form eines Dreiecks mit 2 gera- 
den Hälften der oberen Gurtung annehmen würde. Die V ertikalen 
werden gedrückt wie Mm SehwedlerVchen Träger uud der .Ma- 
terial-Verbrauch wird sehr nahe derselbe sein. Warum werde 
ich nicht angewendet? (Der Antischwedlersehe Träger.)- 

Theoretisch steht der Anwendung des bei Ritter el. Thcor. 
d. Dach- und Brüekenkonstr.. Aufl. 2, Fig. IUI dargestellten 
Trägers nichts im Wege. Doch kann die Beseitigung der (ingen- 
diagonalen in deu Mittelfeldern uur dann als ein Vortheil be- 
zeichnet werden, wenn dadurch eine Matcrialersparniss erreicht 
wird. Dies scheint alter nach Vergleicliung der Fig. 344 und 
332 nicht der Fall zu sein. Andrerseits niuss die sehr -spitz- 
winklige Zusammeuführung der (iurtungen am Auflager, wo 
noch dazu fast dreimal so grosse Spannungen zu übertragen 
sind als Ihm dem SchwedlerVhen Träger, zu praktischen Unzu- 
träglichkeiten führen, die der letztere vermeidet Im gegebenen 
Falle würde ein Versuch beide Träger zu konstruireu , jeden- 
falls am besten zeigen, auf welcher Seite der Vortheil liegt. 

Berichtigung. In dem Aufsatze über die Arbeiterhäuser 
zu Rabensteinfeld bei Schwerin haben sich einige siuneutstelleude. 
für deu aufmerksamen I^-ser allerdings leicht als solche erkenn- 
bare Druckfehler eingeschlichen. Auf Seite 33 Zeile 14 v. U. soll 
esheissen .1 resp. '.Stein- und nicht »I resp. 1', Stein": der 
am Schlus.s angegebene Preis pro [_> beträgt endlich nicht 41,1, 
sondern nur 10,2 Thlr. D. Red. 



: «on C«rl nttliti In ■Mttei 



ÜTac« »oa <laaraa'*r Klcktrlia B.rMa 



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Jahrg. Tl. M 8. 

DEUTSCHE BAUZEITUNG 



Berlin. OraitirnitruK Kl. 
B.atelluagcn 



Organ des Verbandes 

deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine. 

Redakteur X. E. 0. Fritsch. 



Inaerata 

tu iit Laer der aealKhe» 
8amrt1.ni Brut*. Aa!aalu»e 



Preis 1 Thaler pro Quartal. 



Berlin, den 22. Februar 1872. 



Erscheint Jeden Itnne rstag. 



Inhalt: Au» 4»r 1 hängten il.t deuten»» K, ld»i»*iili.hii - Ali!ti'ilui,gi'u V. 
— Verberuwrlfr. Scharnier fwr eiterne Brucken- — K«i**aklucri dein Orirnt 
VII.-- Mlllh.iluBf.il an. Ve rel n eu- Der Verband dir dauuehen Architekten- 
w»d Ingenieur-Vereine und der Verein detilncher Ingenieur*. — <ret| rewMlachar 
Ingenieur- und Architekten-Verein. — Architekten -Verein tu Berlin. — V*r- 
nleebtea: Ober Unterricht im Freihanilreitiinen. — Ueker de» Tlimirnalertat 



ly ilru Vt-ibleiidilettHii und rerraAnllen der Bauakademie iu Berlin. — LH. 
narh.te n.uialKui in Kerlin< — Der Neubau d-. Polytechnikum, in Dresden. — 
Die < iifi.iii».ii<.ii de* Bim»«« in dem Reichil.nde Kl.*» . Lothringen. — Au* 
der Xienlltt.ra.tur: Zeitschrift de. Ilannorenchrn Architekten- ■■ ' 
Verein«. Jahr*. |«|. _ Kon k nrren .en : Arndt- Denkmal auf 
(Sehlue..) l>*r»'.nal-?iac hrirhten etc. 



Aus der Thuiigkeit der deitsehea Feld* iMubalin- Al.t.ieiliingeii.*) 



V. Die Eisenbahn-Zerstörungen auf der französi- | 
sehen Nordbahn, Strecke Soissons-Paris, und deren | 
Wiederherstellung. 

(Hit Abbildungen auf Seil« 61). 

In Flg. 1 ist ein bei der Station Nanteuil le Haudouin 
gelegener Viadukt dargestellt, dessen etwa 80" weites Ge- j 
wölbe durch Pulvermiuen unter dem südwestlichen Wider- j 
lager gesprengt werden sollte. Jedoch hatten, wie es schien, 
letztere an der südostlichen Seite des Pfeilers versagt nnd 
war das Gewölbe zwar beschädigt, aber stehen geblieben, j 
während aus dem Entlastungsmauerwerk eine Läuge von 
10" in voller Breite weggerissen und der Hauptpfeiler am 
nordwestlichen Kopfe bis in grössere Tiefe zerbröckelt wor- 
den war. Die fernere Tragfähigkeit des Pfeilers für das 
Hauptgewölbe, sowie diejenige des letzteren selber erschienen 
unbedenklich, dagegen musste die Oberfluche des ersteren 
für eine aufzustellende Hilfskonstruktion in der Lücke erst 
abgeräumt und tragfähig gemacht werden. Es wurden des- 
halb über die erwähnte tiefer gehende trichterförmige Be- 
schädigung mehre Balken a a bis auf die mehr unversehr- 
ten Theile des Mauerwerks hinweggestreckt und unter den- 
selben die Form des Stirnmauerwerks durch Aufpacken der 
Trümmer möglichst wiederhergestellt, wie es der Querschnitt 
A, durch den Widcrlagspfeiler und die anschliessenden Bö- 
schungskegel gehend, darstellt Auf diesem Schwellrost 
resp. auf dem Mauerwerk der anderen Seite ruhend, wurde 
ein Mitteljoch aufgestellt und das Endauflager für die Trag- 
balken einerseits auf dem Entlastungspfeiler c hergerichtet, 
da der Pfeiler 6 mit dem Entlastungsgewölbe nach c hin 
zu sehr zerstört war. Das andere Auflager bildete ein auf 



den regulirten Mauertrümmern aufgestelltes zweites niedri- 
s Pfahljoch, welches durch eine neue Erdschüttimg weiter 



Auf der nordöstlichen Seite des Viadukts fanden sich 
en vor, jedoch wurde in der Nähe ein zweites 
ches Bauwerk unbeschädigt, aber zur Sprengung 
vorbereitet aufgefunden und in Bezug auf die Lage des Mi- 
nenganges näher untersucht Es fand sich die Entlastungs- 
öffnung ff ( in ihrem unteren Theile durch Stirnmauern h i 
nach Aussen geschlossen, die Oberkante h durch eine Bö- 
schungstreppe, die Sohle / durch eine iiiwendige Leiter von 
A aus zugänglich. 

In letzterer Sohle zeigte sich der abfallende Minen- 
schacht i tf, der aber bis oben hin mit Steinen versetzt war, 

Semnach der die Ladung enthaltende Querkanal d nur nach 
nthmaassung skizzirt worden ist), und war von der Zünd- 
leituug ebenfalls nichts zu finden. Der Raum i h bildete 
ein vor Regen und Wind geschütztes Versteck, und Hessen 
verschiedene Ueberreste, wie Stroh, leere Flaschen etc., schlie- 
ssen, dass die Arlreiter oder auch die den Befehl zum An- 
zünden erwartende Wachen sich dort wohnlich eingerichtet 
haben mochten. 

Weit gründlicher als bei den vorbeschriebenen Bau- 
werken fand sich die Zerstörung der in Fig. 2 dargestellten 
Chaussee-Unterführung in der Nähe des Bahnhofes 
Mitry-Clay, da von derselben nichts als das nordöstliche 
Widerlager stehen geblieben war. Das Widerlager der an- 
deren Seite war mit dem Ift* weiten Hauptgewölbe so gänz- 
lich verschwunden, dass die Hinterfüllnng bei a 6 eine 
glatte unversehrte Erdwand bildete, während dagegen das 

•) Di* Idltthell.B,... «.Ich* wir auf Seit* 90, US. »3 und Ul de* eorig*». 
Jahrgang* «nur onlgem Titel bracht«!, konnten bleber leider nicht fortgeaetal 
werden, da ta.hr. V.r»|ir.eh.n, di. una In dl.**r Beiiehung gemacht wurden, 
lar Diei»K»chlft. halber un.rfUlh bleiben nuMu. Wir holten, daa. daa 
aa die*** Bericht» auch j.iat nach uneauniadert nein wir*. (D. B*dJ 



eine Geleise in einer Länge von 4 Schienen völlig frei- 
schwebend im Bogen über der Zerstörungsstelle hinweg- 
hing. Die Wegebrücke war also, in Wahrheit zu sagen, 
.reinlich • herausgeschossen worden. Das hängende Geleise 
wurde, ein wenig unterstützt ein willkommenes Mittel zum 
Hinüberziehen der kleinen Arbeits-Lowrys (sogenannter Bahn- 
meister -Wagen}, welche, da die abgeschnittene Gesammt- 
strecke der Lokomotive entbehrte und sie selbst nur in sehr 
geringer Anzahl gefunden wurden, auf beiden Seiten der 
Lücke abwechselnd dem Verkehr dienen mussten.*) 

Es warf sich nun bezüglich der Art und Weise der 
Wiederherstellung des Bauwerks, welches einer Neben-Koni- 
munikation diente, die Frage auf, ob nicht ein vollständiges 
Zuschütten der Lücke nm schnellsten zum Ziele führen 
würde, du es an Bauholz in der Nähe maugelte und die aus 
grossen Blöcken bestehenden Trümmermasseu doch nicht 
anders als mittels Erdausfüllung zu einem neuen Funda- 
ment geebnet werden konnten. Es wnrde demgemäss die 
Aufschüttung mittels Seitenentnahme begonnen und, da die 
Pioniere einer Sektion hierzu zu schwach, Seitens eines be- 
nachbarten Kommandos ein Detacbement von KK) Mann auf 
Ersuchen gegen Zahlung von Zulage gestellt, durch welche 
Kräfte die Auffüllung bis auf 3 m über Chaussee bewirkt 
wurde. 

Allein das eintretende Regenwetter, die ungewohnte Ar- 
beit auf den schlüpferigen Karrdielen, die Uebermüdung der 
Leute, mangelnde Oerath« etc. Hessen die Arbeit doch nicht 
befriedigend vorschreiten, und entschloss mau sich schnell 
den Rest der Lücke mit Holzbau auszufüllen, wozu die be- 
nachbarten Bäume allerdings das Material erst liefern muss- 
ten. Die Aufschüttung, welche wegen des sie durchsetzenden 
Trümmermaterials eine nicht so grosse Einsenkung, als es 
scheinen könnte, befürchten Hess, wurde zur Vertheilung 
des Druckes mit einer Bettung von dicht gelegten Bahn- 
schwellen bedeckt, und wurden auf dieselbe Pfaliljocho mit 
einfachen Tragbalken gestellt, welche Konstruktion, da das 
Holz unbeschlagen verwendet wurde, in kürzester Zeit voll- 
endet war. Der bei dem Befahren durch die Lokomotive 
eintretenden Einsenkung war durch eiue ansehnliche Ueber- 
höhnng im Voraus begegnet worden. 

Durch die Wiederherstellung der vorbeschriebenen Bau- 
werke sowie der Telegniphenleituttg und der ebenfalls un- 
gangbar vorgefundenen WVsserstationen, welche insgesammt 
in der ersten Hälfte des Oktobers 1*70 bewirkt wurde, war 
die Strecke von Villers -Cotterets bis zur Zernirungslinie 
von Paris in einer Länge von 60 Kilometern fahrbar ge- 
macht Dieselbe wurde vom Eisenbahn-Knotenpunkte Creil 
aus, mit welchem sie durch die Zweiglinie Crepv-Senlis in 
Verbindung stand, mit Lokomotiven versorgt und in Betrieb 
gesetzt. Dagegen war auf der nordöstUchen Fortsetzung der 
Linie bis Soissons, ausser der Wiederherstellung des Tunnels 
von Vierzy, welche im vorigen Jahrgang dies. Blattes be- 
schrieben worden ist, (conf. No. 12) noch ein grösserer ge- 
sprengter Felseinschnitt jenseits der genannten Station 
Villers-Cotterets aufzuräumen, mit welcher Arbeit demnächst 
um die Mitte Oktober begonnen wurde. Der Einschnitt, 




den 

etc. mit 



einer aeachwlndlgkelt eon 13 Kilometern nro 
und Irota der prliaktleilen Vorrichtungen, (ein 
• nahuilnoer dlenmd) kein l'nfall oder B 
anderen fieleh« In eeharle« Tiabe gehenden Vierde 
für die mangelnde Lokotnolle», ortmaU ala tur di« 
Wichtlgk.it eich «rweiiewl, war epaierhia aar Strecl 
UWIIang UKbifligt war. w.,. de* d«rt »eiw.nd.leu 



„ der Atbtit.n tu« 
d.r U.lbabn, wo die Ab- 



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— 58 - 



wlecher nach dem Qnerprofil Fig. 3 die Form a b c und 
k b l ff gehabt hatte, fand sich durch die W irkung beidersei- 
tiger starker Pulverminen in der Form <•'<•<// fg zerstört, 
und zwar oben in beiden Böschungen trichterförmig ausge- 
höhlt resp. abgerutscht, unten mit meist gewaltigen Fels- 
blücken (von einer zur Kreideformation gehörigen kalkigen 
und mergeligen Beschaffenheit) vollständig verschüttet, nnd 
zwar, wie das Längenprofil zeigt, auf die 13 m betragende 
untere Breite der Hoblkegel in ziemlich sleichmüssiger Höhe, 
durchschnittlich 5">, von da ab die Znschüttung nach beideu 
Seiten altfallend und eine Gesnrnintlängc von 32"* erreichend. 
Die Lage der Mincnkiuumern ist nach Muthmaassung und 
Beschreibung angedeutet und soll die Pulverladung auf bei- 
den Seiten je 400* betragen haben. Die Wirkung ergiebt sich 
aus der Grösse der gelösten Massen, welche etwa 3000 Ith 1 " be- 
tragen haben mag, sowie aus der Gewalt, mit welcher einzelne 
Blöcke aus dem Einschnitte heraus in den zur Seite gele- 
genen Wald geschleudert worden waren. Beispielsweise 
war ein Steinblork von mehren Zentnern Gewicht über 
200 Schritte weit geworfen worden und hatte seine Flug- 
bahn durch Zerstörung der Baume bezeichnet. 

Von den gelösten Massen musste ein (Quantum von etwa 
1500 kb™ zum Einschnitte herausgefördert werden, wodurch 
das Profil h a k i freigemacht wurde. Zunächst wurden mit- 
tels Schiebekarren die niedrigen Auslaufe der Zuschüttnng 
entfernt und wurde beiderseitig eine steile Ladewand gebil- 
det, um das L'eberladen in grosse offene Güterwagen bewir- 
ken zu können, welche letztere aus Sevran resp. fe Bourget- 
Drancy beschafft und theilwtise auf Landwegen nach der an- i 



deren Einschnittsseitc transportirt wurden. Ein grosser T/heil 
der Blöcke musste erst durch Schiessen zerkleinert werden. 

Während die Arbeit auf der einen Seite durch die Vor- 
arbeiter und Pioniere der Sektion ausgeführt wurde, welche 
für die ganze I/Mstung wiederum zu schwach gewesen wäre, 
wurden für den andern Angriffspunkt (iO französische Zivil- 
arbeiter requirirt, jedoch so, dass die Stadt Villers-CottereU 
die letzteren mit allem Arbeitsgerät!) zu stellen hatte und 
dafür einen billigen Tagelohn pro Mann baar empfing und 
selbst auszahlte. In Folge dieses Verfahrens zeigte sich von 
französischer Seite eine Bereitwilligkeit und ein Fleiss zur 
Arbeit, welche bei dem einfachen Kontributions-Verfahren 
nicht zu erwarten gewesen wären und die bei der kurzen 
Zeitdauer nicht bedeutenden Kosten durch Beschleunigung 
der Vollendung aufwogen. 

Gegen Ende Oktober waren beide Geleise fuhrbar her- 
gestellt, und konnte die im Betrieb befindliche Zwischen- 
strecke nunmehr bis an den erwähnten Arbeitspunkt der 
z\ Sektion, Vierzv, ausgedehnt werden. Nach einiger Zeit 
war auch diese Tunnelarbeit Wendet und die Verbindung 
von der Zernimng Paris bis S<>issous zum Anschlüsse an 
die Linie nach Reims und Frouard bis zur deutschen Grenze 
hergestellt. Die vorbeschriebenen Arbeiten an den beiden 
Viadukten und dem Einschnitte wurden durch die Sektion 1 
der Feld-Eisenbahn-Abtheilung IV ausgeführt, unter spezieller 
Bauleitung der Herrn Baumeister vou Niederstetter und 
Ingenieur Pfeiff. während Herr Bauführer Roeholl ala 
Ober-Materialien- Verwalter fungirte. 

Saarbrücken. Vieregge. 



Vrrbmerte» Scharnier für eiserne Brücken, 



D.is bisher bei eisernen Brücken zur Anwendung gekom- 
mene Bohouscharnier hat hauptsächlich den Narhtheil, das* der 
Druck auf die Quadrateinheit des Bolzens ein sehr beträcht- 
licher ist. In Folge da\on nutzen sich die Scharniertheile hei 
den durch die Ik-iastuug de,' Brücke oder durch Tcrupcratur- 
wrchsel erzeugten Bewegungen stark ab und es tritt mit der 
Zeit ciu Kiufresscn des Scharnicrlwdzeus ein. Dieser Uebelstand 
zeigte sich vor einigen Jahren Leim Crunilin-Yiadukt so merk- 
lich, dass man sich veranlasst sah das ganze Bauwerk in Re- 
paratur zu nehmen und die Bleche um das Bolzeuloch herum 
durch aufgeßb-telc Platten zu verstärken. 

Wirksanier ah das eben angeführte Mittel, um den Druck 
auf die Quadrateinheit im Scharnier herabzuziehen, ist es, an- 



statt eines Scharuierbolzens dereu mehre anzuwenden. Die 
Mittelpunkte der einzelnen Bolzen mfl sen dann auf konzentri- 
schen Kreisen liegen, damit eiuo Kreisbeweguug im Scharnier 
möglich wird, und müssen die Bolzcnlöcber auf beiden Seiten 
den erforderlichen Spielraum gewähren. Zur sicheren Führung 
ist noch im Mittelpuukte der konzentrischen Kreise ein kräfti- 
ger Zeutrirungsbolzeu anzubringen. 

Die spezielle Einrichtung eines solchen Scharniere» für den 
Scheitel einer Bogenbrücke zeigt Fig. 1 in der Ansicht, Fig. 9 
im llnrizoutalschnitt, und ist hierbei angenommen, dass der 
Querschnitt des Hauptfragen* in der Nähe des Scheitels aus 
eiuer mit 4 Wiukeleiseu annirtcu Blech wand besteht. Wie aus 
Fig. 1 zu erflehen, ist die Blechwaud R der Bogeuhälfte rechts 



Rrbeskiiica ans dem Orient. 

VII. 

Ein weiterer Zielpunkt unserer Reise war Bcreama, das 
alte Pergnmuro, nördlich von Smyrna in der roysischen Landschaft 
Tcuthranieu. Schon si-it Jahren hatte mich dieser Ort weniger 
durch die zahlreichen Keste klassischer Baukunst als durch die 
Grossartigkcit und Eigentbümüchkcit einer altehristlichen Ruine 
angezogen und beschäftigt. Ungeachtet die ältere Publikation 
von Choiseul-Gouffier durch Testier** und Arundell's Mitthei- 
lungen vervollständigt worden war, blieben wesentliche Punkte 
mir stets fraglich und konnten nur durch Autopsie endgültig 
erledigt werden. Dazu kam nun während meines ersten Aufent- 
haltes in Smyrna (Frühjahr K^TÜ) die ebenso unerwartete als 
hocherfreuliche Entdeckung, dass ein Landsmann und Faeh- 

Seuossc, ciu früherer Studirender der kgl. Bau-Akademie. Herr 
ucjami aus Essen, seit mehren Jahren seinen dauernden Wohn- 
sitz in Perganium genommen hat. Seine Bekanntschaft hatte 
ich in Müller's Hotel zu Smyrna, woselbst er abzusteigen pflegt, 
wenn Geschäfte ihu nach der Hauptstadt rufen . gemacht oder 
vielmehr erneuert und war von ihm in liebenswürdigster Weise 
zu einem mehrtägigen Besuche nach Keinem Wohnsitze einge- 
laden worden- Meine für Konstantüiopol in Aussicht genom- 
menen Arbeiten — Untersuchung der Hauptmoscheen auf 
Struktur, Beleuchtung und Akustik — hatten mich damals ver- 
hindert, diese willkommene Einladung anzunehmen. Diesmal 
durfte die günstige Gelegenheit um so weniger unbenutzt bleiben, 
als auch Freund G. mit seinen Begleitern in gleich entgegen- 
kommender Weise von Humann nach Pergamum eingeladen 
worden war und gern und freudig zugesagt hatte. 

Bei der Kürze der uns zugemessenen Zeit waren nur zwei 
Punkte schwierig zu erledigen; einerseits die Zerlegung unserer 
Reisegesellschaft in zwei Abthciluujcn, um parallel und daher 
doppelt arbeiten zu können, und andererseits die Ermittelung 
einer möglichst raschen Hin- und Rückreise. Ueber den ersten 
Punkt einigten wir uns bald- Die Herren Major R. und Dr. II. 
brachten uns oder vielmehr den wissenschaftlichen Zwecken 
unserer Studienreise das nicht geringe Opfer, in Smyrna zurück- 
zubleiben, um in mehrtägiger heisser Arbeit die begonuene 
Aufnahme von Alt-Smyrua " zu vollenden. Da auch Prof. St. 
bereits nach AUicti abgereist wa<-, so blieben nur Freund C, 
Dr. G. und ich für den Ausflug nach Pergamum verwendbar. 
Ungleich grössere Schwierigkeit bereitete die Frage der Hinreise, 



denn für die Rückreise zu sorgen hatte Freund Humann ver- 
sprochen. Man kann entweder mit der Kassabah-Eisenbabn bis 
Mcnitncn fahren, dort Pferde nehmen und iu eiuem scharfen 
zweistündigen Kitte Pergamum erreichen, oder ein Datupftioot 
wählen, welches Aiwalü, den festländischen Hafenort gegenüber 
von Lesbos berührt, um von dort aus zu Pferde in acht bis 
neun Stunden nach Pergamum zu gelangen. Da aber diu Schiffe, 
welche Aiwalü anlaufeu, nur alle vierzehn Tage füllig sind, 
bleibt es rathsamer, mit einem der grossen Stautbul -Dampfer 
bis Mytilene zu fahren, dort eine Kuderbarke, bei günstigem 
Winde ein Segelboot zu miethen und quer über den Golf nach 
Dikcli zu fahren. Von diesem kleinen, aber lebhaft aufblühen- 
den Handelsplätze aus bedarf es dann nur eines fünf- bis sechs- 
stündigen Kittes his Pergamum. So praktisch, weil fast jeden 
Tag realisirbar. die letztgenannte Knute ist, so bedenklich ist der 
Umstand der Ueberfahrt im Golfe, weil bei stürmischem Wetter, 
selbst bei nur konträrem Winde diese Fahrt sechs, ja zehn und 
zwölf Stunden dauern und deshalb bei jähem Tetuperuturwechyel 
ein starkes klimatisches Fieber hervorrufen kann. F'reund H. 
hatte sehr bittere Erfahrungen in dieser Beziehung gemacht uud 
uns deshalb vor jener Route gewarnt 

Da für uns alles darauf ankam, Zeit zu sparen, so hatte 
zuletzt die genaue Lokalkenntniss uu«eies stets treu lür unsere 
Wunsche sorgenden Konsuls Dr. Lürssen noch eine vierte Art 
der Beförderung entdeckt, welche alle Schwierigkeiten zu heben 
versprach. Seit einem Jahre war ein aus England verschriebener 
und trotz seiner Kleinheit glücklich angekommener Küsten- 
dampfer .Sokrates" für Syrische Handelshäuser in Snivrna thätig, 
um die kleineren aber für die Ausfuhr von Südfrüchten beson- 
ders wichtigen Küstenpunkte, wie Vurla, Aiwalü, Üikeli etc. 
anzulaufen und die dort genommenen Ladungen nach Smyrna 
oder Mytilene zu trausportiren. Diese Nusschaale von einem 
Dampfer war eben wieder in vollster Thätigkeit, weil die Frucht- 
Ernte, und diesmal eine in Feigen und Rosinen überaus gesegnete, 
bereits begonnen hatte. Den Sokrates für uusere Zwecke zu 
beuutzen, schlug Dr. L. vor und wir zögerten nicht bereitwilligst 
darauf einzugehen. Mit den Besitzern kam bald ein Vertrag zu 
Staude, in welchem sie sich, — allerdings gegen eiuen enormen 
Preis, der wahrscheinlich die Gesammtuukosten der ganzen F'uhrt 
deckte — verpflichteten, uns drei in einer Nacht nach Dikeli 
zu schaffen. F'reund H. wurde noch schleunigst telegraphisch 
von unserer Reiseroute benachrichtigt und um pünktliches 
Erscheinen mit Pferden und Dienern am nächsten Morgen 
gebeten. — 



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— 59 — 



vom Scheitel mit 2 Laschen .4 B C D verschraubt, welche die 
Träger für die Führungsbolzen b, b etc. und den Zentrirungs- 
bolzeu a bilden. Die genannten Bolzen lieeen in diesen Laschen 
fest an und sind als Schraubcnbolzeu konstruirt, um dieselben 

Fl«, i. 




Punkte des Hauptträgers, in welchen das Biegungsmoment bei 
voller Belastung der Brücke den Werth Null hat, so verhalt 
sich derselbe für diesen Bclastungszustaud ebenso wie ein kon- 
tinuirlicher Träger ohne Gelenke. Betrachten wir im Kolgen- 
dun einen derartigen Träger, welcher über drei " 

Fig. i. 

4 I -l,--»t, f I- 

fl B E FC 



Fig. J. Iloiftoncalfrclitntt nich x—f. 



KMMQI 

gehOri« gegen einander anziehen zu konneu. Der mittlere 
Tbeil der Kölzen ist prismatisch, ähnlich dem Stein einer Ku- 
lisse gebildet , um die Pressung pro Quadrateinheit berabzu- 
ziehou. Zwischen die Laschen legt sich das Blech AI l) G F A 
L, welches mit innglichen Löchern nebenstehender 
Vjk) Form für die Fühmngsbolzeu versehen und mit der 
ft9 Blcchwaud Q des Hauptträgers verlascht ist Es 
versteht sich, das« diesem Bleclio eine möglichst 
grosse Starke zu geben ist, um diu Anzahl der Füh- 
rungsbolzen zu beschränken. In Betreff der Anordnung letz- 
terer ist zu bemerken, dass dieselben bei einseitiger und 
totaler Belastung der Brücke die Scheiteldrücke A' resp. // 
zu übertragen haben und daher ausser den Bolzen b, b 
etc. noch die mit b t bezeichneten nöthig sind. Findet in der 
Richtung des Druckes keine Veränderung statt, so 'sind die 
Bolzen in einem Kreisausschnitt anzuordnen, dessen Mittellinie 
mit der Druckrichtung zusammenfällt uud dessen Zcntriwiukel 
60 Grad nicht überschreitet. Einen noch grosseren Zentri- 
winkel zu nehmen ist unzweckmässig, indem dann die Druck- 
vertlu-ilung auf die einzelnen Bolzen eine zu ungleichmässige 
wird. 

Der eben erwähnte Fall der unveränderlichen Druckrieh- 
tung tritt bei Scharnieren ein, welche in koutinuirlichen Fach- 
werk- oder Blechträgern angeordnet werden, um die Spannungen ' 
der Konstruktionstheile unabhängig von der Höhenlage der Auf- 1 
lagerpunktc zu machen. Legt mau diese Charuiere in die 



Stützweite / geht und welcher in der Mittolöffnung mit 2 ! 
uieren in den oben genannten Punkten versehen ist. 
Ist /, der Abstand der Nullpunkte des Bicgungsmomentea von 

den Mittelstützcn (bei totaler Belastung aller drei Ocff- 

nungen), 

/, die Länge des in die Mittolöffnung einzuschaltenden Trä- 
gers, 

p t das auf denselben kommende Eigengewicht der Brücke 
pro Längeneinheit, 

p das entsprechende Eigengewicht für den Träger der Stütz- 
weite / pro Längeneinheit, 

g die auf jeden Träger reduzirtc mobile Last pro Längen- 
einheit, 

so ergiebt sich für den Maximaldruck auf jedes Scharnier 
P=(Pt+9)~2 oder, da /, = / - 2/. = / - 2 . 0,276 / 
/. ss 0,448 / 

P = 0,224 (p, + 9)1 (1) 
Hat nun das Mittelblech die Stärke <f, ist ferner n die er- 
forderliche 'Anzahl der Führungsbnlzen, d der Durchmesser der 
letzteren, 9 der Durchmesser des Zentrirungsbolzena und s die 
im Scharnier zulässige Druckspannung pro Quadrateinheit, so 
folgt für h (annähernd) 

n.3.d.i-\-i9.t = P, also 
P ■ 

* = 77d—*- d < 2 > 
Hinsichtlich der im Scharnier bei Belastung der Brücke 
eintretenden Bewegungen ist zu] beichten , dass sich dasselbe 
am weitesten öffnet, wenn nur die 
mit mobiler Last bedeckt ist. 

Nennt man ? t den Winkel, um welchen sich das Balkcn- 
. I* 4.) i 
AB mit mobiler Last dreht und je, 



in Folge der Belastung der Oeffuung 
eht und je, den entsprechenden Dreh- 
ungswinkel des Trägers £ F um F, so öffnet sich das Schar- 
nier um den Winkel: 

• = fi + fi mithin (3) 
f>, -Man y, 



" ~ 1 - tan * • tan f 
tan oi = tan p, + tan j?, 



, oder weil und p, sehr klein: 

(4) 



Am 26. September fuhren wir Nachmittags, in üblicher 
Weise von Freunden und Laudsleutcn bis zum Schiffe begleitet, 
an Bord. Die überaus biedere Erscheinung des Kapitains. eines i 
Engländers aus Cambridge, Hörste uns sogleich Vertrauen ein, 
denn über die Solidität des .Sokrates selbst waren dunkle 
Gerüchte in Smyrna verbreitet. Noch mehr beruhigte uns die 
Anwesenheit der beiden Uhedcr und zweier von ihnen eingela- 
denen griechischen Freuudo. Alle vier wollten diese selten 
günstige Gelegenheit benutzen, um nach einer zu verplaudern- 
den Nachtfahrt Tags darauf in der Umgehend von Dikeli zu 
jagen, bis der nach AiwalU weitergehende Sokrates wieder zu- 
rücksekommen sein würde. An Nachtruhe war also bei der 
wohlbekannten Schwatzhaftigkeit Jung-Griechenland» nicht mehr 
lu denken. Dafür benahm uns das herrliche Wetter uud der 
sanfte Gang des kleinen SchraubenRchiffchens die stille Sorge, 
zehn bis zwölf Stunden lau» auf deu Wogen des üolischen 
Meeres gerollt, ja unter Umständen gerettet zu werden. Nach 
einem gemeinschaftlichen, sehr fröhlichen Picknick, in welchem 
auf Kaiser Wilhelm, Bismarck. Moltke. auf die deutsche Wissen- 
schaft, auf hellenische Sprache und klassische Kunst in drei 
Sprachen getoastet worden war und einer der Griechen, ein 
Kohlenhändler, im Feuer der Begeisterung mich himmelhoch 
ersucht hatte, bei dem bevorstehenden Eintreffen des Kanonen- 
bootes Delphiu ihm die Kohlculicfcruug verschaffen zu wollen, 
legten wir von dem dreisprachigen Wortregen in der engen 
Kabine halb bewusstlos gewordeu, uns aif die Polster, während 
die Griechen ihre lebhafte Unterhaltung über die im Gange 
befindliche Rosinensaison mit ungeschwächten Mitteln auf dem 
Decke fortsetzten. 

Nach kurzem Halbschlummcr weckte uns die Nachricht 
unserer Ankunft in Dikeli. Es war 2 I hr Morgens. Das Meer 
lag unheimlich wie ein schwarzer Spiegel ringsum uns , das 
Wetter war schwer und dunstig, der Mond stand halbver- 
gchleiert, hie und da blitzte eiu Stern, — der Strand war nicht 
TO erkennen. Ein elendes Boot setzte uns bald darauf an's Land, 
unbekannte Gestalten bemächtigten sich unseres Gepäcks und 
führten uns, alle Fragen nach Humann-Effendim unbeachtet 
lassend, in einen aus Holz- und I.ehmwänden erbauten H&n. 
Zwischen brüllenden im Morgenschluimncr gestörten Katneelcn 
und Mauleseln hindurch, eine zerbrechliche Leitertreppc hinauf 



ppten v 
lutumer 



r ein offenes Gemach und dirin uusern nachträglichen 
Schlummerplatz verkündigte. Unser biederer Kapitän , der 
Gentiemann von Cambridge, hatte seinem Sokrates das Avusscrste 



zugcinuthet uud uns in der unerhörten Zeit von kaum 10 Stun- 
den nach Dikeli geschafft. Hier wus^to niemand von unserem 
Kommen, auch llumann halte uichts von sich hören lassen, daher 
der unerwartet stille und dunkle Empfang. Sehr ermüdet streck- 
ten wir auf die Polster desDivans und schliefen, trotz der ent- 
setzlichen Angriffe der zahlreichen, durch Fasten und Einsam- 
keit doppelt blutgierigen Insekten, den Schlaf des Gerechten. 

Eiu den Kaffee servirender Hausdiener weckte uns, da dio 
Somfe längst aufgegangen war. Zu unseru Füssen lag — nebel- 
frei wie immer — der leshischc Golf; das herrliche blaue Meer 
blickte holdselig wie ein liebes Miidcher.auge zu uns empor, die 
stolzgipflige Insel winkte dämmernd von ferne herülier, wir 
eilten rasch ins Freie. Das bunte Leben am Strande, — kom- 
mende und gehende Kanioelhcerden, ausladende Küstenschiffc, 
hinausgehende Fischerbarkou, badende Kinder, — alles dies — 
so oft gesehen, fesselte doch auf* Neue uud bot reichen Stoff 
zur Unterhaltung. Vor sechs Jahren standen in Dikeli drei 
Hütten, jetzt sind über 100 Häuser erltaut, Mühlen errichtet, 
Gärten angelegt, — kurz, das Aufstci-cn einer rührigen Bc- 
völkcrung ist unverkennbar. In althellenischcr Zeit wird es 
kaum anders auslöschen haben; das rasche Aufblühen der 
ionischen Handels Einporien muss in ganz ähnlicher Weise er- 
folgt seiu. 

Und dennoch verging uns der Vormittag trotz eines See- 
bades, trotz mehrfachen Besuches einer bescheidenen Kaffee- 
hütte am Strande sehr langsam. Der Wunsch, vorwärts zu 
kommen, war zu mächtig und doch die Notwendigkeit, unsern 
Gastfrcund zu erwarten, zu gebieterisch, um dem Genüsse der 
Szenerie, der sonntäglichen Stille, der milden Wärme, die hier 
Uber den Wassern schwebt, mit voller Gcniüthäruho sich hin- 
zugeben. 

Als der Tag weiter vorschritt, erkannten wir dio »Not- 
wendigkeit, uns Pferde zu verschaffen. Da eine Poststation am 
Orte noch nicht existirt, war dies nicht leicht, doch es glückte. 
Freilich waren die uns vorgeführten Gäule wahre Jammerge- 
stalten, schmutzig und halbverhungert, eleud gezäumt und mit 
harten Holzsättelu versehen, indessen musslen wir sie nehmen. 
Zuletzt bestellten wir in einem Xenodochlion, — einer neugrie- 
chischen Garküche, — ein bescheidenes, aus Brot, Eiern und 
Kaviar, Weintrauben und Melonen bestehende» Mittagsmahl und 
fingen au, dasselbe unter dem trüben Drucke der Verhältnisse 
langsam zu verzehren, da dröhnte eiliger Hufschttu;, er kam 
näher, durch die Staubwolken brachen zwei Reiter, sie sprangen 
ob uud traten ein, — es waren der langersehnte Gastfreund aus 



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\ V 

V" 

In letzter Gleichung lässt sich für tan p, mit 
Genauigkeit setzen: 

tan y, = -f- tan = g-^ tan ?>, = 0,616 tan Fl , 

für ui 

tau 1» = 1,616 tan j». (5) 

j. 

Die GrOssc von 
f, wird bestimmt, 
indem man dcnWin- 
kp| berechnet, wel- 
chen die neutrale 
Faser des Balkons 
A B E in B mit der 
Horizontalen bilden 
würde, wenn der- 
selbe gewichtslos 
wäre und pro Län- 
geneinheit die Be- 
lastung q hätte. 

Bezeichnet nun 
(Fig. 5) 

M das im Scharnier wirkende Reibungsnioracnt, 
R den bei .4 wirkenden Auflagerdruck, 
I das mittlere Trägheitsmoment des Tragcrquerschnittes, 
£ den Elasüzitätsinodulus, 
bat man für einen Querschnitt in der Entfernung x von; .4 

»**• 




EX 



. . — MX 
dz' 



dahe 



fix« 



ffx« 



•24 



(6) 

(7) 



Für x = 0 ist V = 0, mithin *, — 0; 
V = 0. Es erscheint demnach für k, 



für x = / 



B /• ff /' 



6 



24 



= 0 



. _ ff /• Ä /• 
*'~ 24 C 
Diesen Werth von Ai In Gleichung 6 gesetzt, liefert 
F ~dp_Bz> ffx» ff/« B /» 

EX di-~% r + 24 

Nimmt man bierin * = /, so ist J| = tan y, . folglich 

£Ttan,. = ^- ^+^-^ 
£ S tan 5T, = 



Ä /' 

3 

ir 



ff/« 



(10) 



Da nun V? = — y , so hat tan den Werth: 

Für den Winkel •» ergiebt sich demnach die Bestimmung«- 

— ='S- C tt- I) <"> 

Von vorstehenden Gleichungen soll eine Anwendung ge- 
:ht werden auf die Trager einer eingeleisigen Bcbmicdeeiser- 
Eisenbahn-Brückc, welche drei Oeffnungen ä 40°» überspannt 
Hier ist: 

/, = 0,276 . 40 - 11,04« , wofür U = 11» gesetzt wird, 
mithin /, =40-2.11= 18» . 



ßergama and sein Hausgenosse, Herr Huck aus Berlin, der seit 
einigen Jahren als Bauteehniker bei den Strassen- und Brückon- 
bauten Humann zur Seite steht. Nun erfuhren wir, dass uuser 
Telegramm nicht sofort am Abend, sondern offenbar erst am 
nächsten Tage befordert worden war und wegen des mangelnden 
Datums und der statt dessen gewählten unsicheren Formel 
„morgen* Freund II. veranlasst hatte, mit grosser Seelenruhe 
erst seine Strecke zu besichtigen und danu laugsam nach Dikeli 
zu reiten, da unsere Ankunft erst 24 Stunden später erwartet 
werden konnte. Zum guten Glücke für uns seien ihm aber Vor- 
mittags ein Paar Einwohner von Dikeli begegnet, welche ihm 
auf Anfrage l>erichtet, dass der unvermuthet in der Nacht an- 
gekommene Sokratea drei Franken an's Land gesetzt habe, 
welche nach liergama wollten. Darauf Sei er mit seinem Be- 
gleiter mit verhängten Zügeln hereiiigcsurengt , die ebenfalls 
allarmirteu Diener mit den Pferden und einem Gepäckwagen 
würden in wenigen Stunden eintreffen. Wie dieses unerwartete 
Zusammentreffen unsere gedrückte Stimmung mit einem Schlage ' 
verbesserte, wie gern wir dem Pferdeverleiher ein Reugeld zahl- 
ten, wie unser frugales Mittagsmahl iu zweiter unverbesserter 
Auflage erschien, dann in eine Kaffeesitzung mit Tschibuck- und i 
Nargileh-Pfeifeu sich verwandelte, bis die angekommenen Pferde, 
ohne ausruhen zu dürfen, wieder marschfertig gemacht wordeu 
waren, — alles dies bedarf keiner Skizzirung , es versteht sich 
von selbst. 

Trotz der gewaltigen Hittagshitze brachen wir um 2 L'hr I 
auf und ritten wieder in einer Kalvakadn von sieben Heitern, 1 
den zweirädrigen Karren mit dem Gepäck weit hinter uns las- j 
send, den flach geneigten l'ferahhang hinauf. Bald traten wir j 
zwischen unbewaldeten Hügeln in die Cai'cus- Ebene pin und 
hatten in kurzer Zeit Gelegenheit, die von II. erbaute und ihrer 
letzten Vollendung entgegengehende Kunst«trasse zu bewundern. 
Es ist eine breite, stattliche, von Kirkagatsch oberhalb Bergama 
bis nach Aiwalü reichende und mit einem Zweige nach Dikeli 
mündende, normaltnässig erbaute Anlage von etwa 12 Meilen 
Länge. Auf der von uns berittenen Strecke im Thale des Ca'i- 
cus sind keine besonderen Torrainsrhwierigkciten vorhanden, 
doch sollen dieselben nach Kirkagatsch zu sich vorfinden und j 
steigern. Der Verkehr war sparsam, einige Karawanen begeg- | 
neten uns freilich und zwangen häufig zum Ausweichen in die 
auch hier vorhandenen Keuschlammbecken, selbst ein von Büf- 
feln gezogener Karren lenkte durch das für Kleinasien seltene 
Rädorkaarren unsere Aufmerksamkeit auf sich. In einem trans- 



portablen Bretterhause, welches der Kawass bewohnt, wurde 
ein kurzer Halt gemacht, um die Inschrift eines in der Nähe 
gefundenen romischen Meilensteines zu kopiren. Die Hügelreihen 
rückten allniählig immer näher heran, auf einem derselben 
rechts von der Strasse wurden Kuinenreste sichtbar, aber die 
untergehende Sonne mahnte iura forcirten Marsche und so blieb 
dieser wie manch anderer Punkt unbesehen. Nun ging der 
Mond in seltenster Schönheit auf, gross und kupferrot!) durch 
die steigenden Abendnebel hindurchscheinend, er gestattete uns, 
um rascher vorwärts zu kommen, Streckwege durch Binsen zu 
reiten. Doch der Abend rückte schnell vor, der Weg zog sich 
endlos und gewunden durch die sumpfiger werdende Ebene, endlich 
blitzten hinter dunklen Bäumen Lichter auf, ein gewaltiger 
Grabhügel trat fast bis an die Strasse heran, andere weiter 
zurückliegende verbargen sich im milden Schimmer des Mondes, 
die niedrigen Mauern und hohen Cypressen eines türkischen 
Todtenplatzes begleiteten uns, bis der klirrende Hufschlag die 
gepflasterte Strasse und die mit fensterlosen Lehmhäusern ein- 
gefasstc Vorstadt verkündete. Es folgten mattbeleuchtetc , mit 
offenen Läden besetzte Strassen, ein kleiner, von Kaffeehäusern 
uud Garküchen umringter Marktplatz zeigte auch Menschen, 
doch betrachteten die noch zahlreich versammelten Rauch- und 
Kaffeegäste unseren langen Zug mit würdigem orientalischen 
Pflegrua. Dann wurde es plötzlich wieder dunkel. Als die 
Strasse bergaufwärts stieg und die Pferde auf dem schlechten 
Pflaster unaufhörlich stolperten und glitten, wurde Absitzen 
kommandirt, — ich höre noch das weitschallendc deutsche 
Kommandowort, — die Pferde wurden kurz am Zügel genom- 
men und in die schrittweise wachsende Dunkelheit der durch 
vortretende Dächer und llolzerker fast ganz überbauten Strasse 
hineinmarschirt. Ein leise rieseludes Wässerchen zu unseren 
Füssen mitten in der Strasse, über uns ein schmaler aberstern- 
funkelnder llimmelsstreif, rechts und links schwarzgraue schief- 
stehende Holzhäuser, und plötzlich beim Einbiegen in eine enge 
Sackgasse ein offener Thorweg, dahinter der Hof mit dem zwei- 
geschossigen altanbedeckten Hause, dessen weit geöffnete Thür 
unter dem hellen Scheine einer Petrolcumhängclampc eine wohl- 
besetzte Tafel erkennen lässt. F'rau Huck empfängt uns mit 
einem herzlichen Willkommen. Wir sind mitten in Kleiu-Asien 
bei lieben Landsleuten iu eiuem deutschen Daheim! 

(Fort.ctimiK Mft.) 



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— 61 



£isenbahn-£erstörungen auf der FRANZÖSISCHEN J^Iordbahn, 

Fl f . 1. YUiakt b.l ■»■(»•II 1» H»*«»aia. 




Flf . 1. Ch»vnti-Voierfiikr«i>( b«i Bahnhof M itry-CI»? 




Fig. 1. F.U«i»»»kaUt ia 




Flg. «. 




Setzt I 
so ergiebt 



i für p = 1000« pro 
Px = 790» » 
q = 2400» , 

i für den M 



■ » 

P auf das 



Pz= l A (700 + 2400) = 28710» 



Nimmt man nun den Durchmesser der FührungBbolzen d = 3"», 
denjenigen des Zentrirungsbolzcos «9 = 7*«, und nietet das Mit- 
telblech aus zwei Blechen von 2,5«- zusammen, a< 
für die Anzahl n der Bolzen, wenn G0» Druck auf < 
Zentimeter kommen sollen, (nach Gleichung 2): 

» = S- l =29.«- wofür wir 
n = 39 nehmen. 

Diese 29 Fübningsbolzen werden in 7 konzentrischen Krei- 
sen angeordnet, welche 10«» Abstand von einander haben. Diu 
Entfernung der einzelnen Bolzen auf jedem Kreise wird eben- 
falls zu 10* m angenommen und der Spielraum zu jeder Seite 
eines Führungsbolzen zu 0,5»». Der Anschluss des Mittelbleches, 
sowie der beiden Scharnierlaschen an die Endvertikalen der 
anstossenden Träger erfolgt durch Schrauben und Winkeleiscu. 

Für den Winkel » folgt nach Gleichung 12: 



Ifiie . 40 ( 2400 ■ 40» 
E.X \ ST~ 



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62 



Ist der Reibungskoeffizient der Bolzen = 0,4, so beträgt die 
• nlreibung 0,4.9.790* _ 2844" (annähernd), und das Rei- 
uungsmoment M= % . 0,7 . 2844 = 1327»", mithin 

Nehmen wir an, dass das mittlem Trägheitsmoment des 
Trägers •/, von dem ist, welches dem Querschnitte des Maximal- 




die Tragerhöhe = h und die 



T 's 



ergiebt sich aus der Gleichung 



V* 



net; daher 



, worin V den Auflagerdruck in .4 



4 °\ 3400 - 7110. 11 - 1000 



2.3400' ~~ 40 

V = 64533k; .V„„ =612427-* 

10313829 1 . . % 
= M (*bger.) 



daher 



Für -» folgte also, 
angenommen wird 



1 = 



TT* T 



tan ■ — 3307103800 

Die Bolzen des konzeotrischen 
verschieben sieb hiernach um 
70* 



für A 6"> und für der Werth 



J = 



27110 



321 



0.218 1 », rund _ = 2<°n>. Diese Bewegung er- 



10313829 
2 h „ 

TT 



s 
s 



10313829 
5400 . J/__ 



scheint bei dem geringen Druck von ca. G0 k pro Q ,,B als zu- 
lässig. Bei den übrigen Bolzen verringert sich 
tional dem Drehungsball 



erBterc propor- 
E. Hacseler, Baumeister. 



Mittheilungen aus Vereinen. 



Der Verband deutscher Architekten und Ingenieur- 
Vereine und der Verein deutscher Ii-g-enienre. Von mehren 
Seiten ist an uns die Aufforderung ergangen, nachträglich eiue 
Notiz über die Beschlüsse zu bringen, welche der Verein deut- 
scher Ingenieure auf seiner am 13. bis IC. September vorigen 
Jahres zu Kassel abgehaltenen Hauptversammlung, in Betreff 
seines Verhältnisses zu dem damals noch in Aussicht stehenden 
Verbände deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine gefasst 
hat. Es hat sich nämlich mehrfach die \ersion verbreitet, dass 
der Verzicht auf die Gründung eines, alle Zweige der Technik 
umfassenden Verbandes und das isolirte Vorgehen der vorzugs- 
weise das Bauwesen pflegenden Architekten- und Ingenieur- 
Vereine von jener Seite mit einer gewissen Empfindlichkeit 
betrachtet werde und das Verhältniss des Ingenieur-Vereins zu 
unserem Verbände daher ein nicht allzufreuudliches zu werden 
verspreche. 

\Vir sind dem gegenüber in der Lage, auf Grund des im 
letzterschieneneu Hefte der Zeitschrift des Vereins d. Ing. er- 
statteten Berichtes über jene übrigens ausserordentlich schwach 
besuchte Hauptversammlung, die Grundlosigkeit dieser Annahme 
zu versiehern. Allerdings wurde über die Fragen, ob der Verein 
deutscher Ingenieure entweder bei der nach Berlin berufenen I>e- 
leeirten- Versammlung der Architekten u. Ingenieur-Vereine oder 
selbstständig bei deu einzelnen technischen Vereinen die Grün- 
dun« eines I'uiversal-Techniker-Vereins nochmals anregen solle, 
weitläufig debattirt, doch sind dieselhen fast einstimmig abge- 
lehnt worden und ist den Gründen, welche zur Errichtung 
unseres engeren Verbandes geführt haben, volle Gerechtigkeit 
wiederfahren. Der Anbahnung eines kollegialischen Einverneh- 
mens zwischen beiden Körperschaften, auf welches das Statut 
ausdrücklich hin 



Ingenieure seinerseits dadurch ei 



hat der Verein deutscher 
Rechnung getragen, 

dass er den Beschluss, seine nächste Hauptversammlung gleich- 
zeitig mit der der deutschen Architekten und Ingenieure in 
Karlsruhe tagen zu lassen, erneuerte. 

Sollte ob des Scheiterns jener weitergehenden Einheits- 
Bestrebungen in manchen Gemütern noch ein Missklang zu- 
rückgeblieben sein, bo hoffen wir aufrichtig, dass derselbe nicht 
lange vorhalten wird. Nicht Abneigung gegen eine engere 
Vereinigung der deutschen Bautechniker mit den deutschen 
Maschineutechnikern, sondern lediglich die Ueberzeugung, dass 
zunächst das dringendere, durch jenes weitere Ziel gefährdete 
Bedürfnis, vorliege, jeden der beiden Zweige in sich erstarken 
zu lassen, hat auf unserer Seite zur Ablehnung der betreffenden 
Projekte geführt, und nicht wenige, die seinerzeit am eifrigsten 
für sie gekämpft, haben sich nunmehr dieser Ueberzeugung an- 
geschlossen. Dass wir in vielen , ja in den meisten Beziehungen 
zusammengehören, ist uubestritteu ; wir werden unsere gemein- 
samen Ziele, aber auch jene Form einer äusserlicheu Einheit 
erreichen können, wenn nur die Seele solcher Einheit, die 
Eintracht vorhanden ist. 



Oatprouastflcher Inganlenr - nnd Architekten - Verein. 
Monatsversammlung am 1. Februar er. Anwesend 19 Mitglieder 
und 4 Gäste. 

Der Vorsitzende Hr. Herzbruch gedenkt in kurzer Rede 
mit ehrenden Worten des durch den Tod so plötzlich dahin ge- 
schiedenen Kollegen, Eisenbahn-Betriebsinspektor Rosenkranz 
(Königsberg), welcher das Schatzmeister- Amt des Vereins ver 



hatte, und theilt mit, 



Ladc- 



manu einstweilen dieses Amt als Stellvertreter übernommen 
habe. Für die Jahrcsrechnuug werden als Revisoren gewählt 
die Herren Kuckuk und Wienert. 

Hr. Kloth (Königsberg) legt hierauf eine patentirte sogen, 
amerikanische Luth- und Neigvings- Waage vor, welche derselbe 
aus Köln für 4 Thlr. bezogen hat. Die Konstruktion findet Bei- 
fall und wird das Instrument für generelle Projektimngsarbeiten 
etc- für zweckmässig erachtet. Ebenso bringt darauf der Vor- 
sitzende eine Zeichnung des in voriger Versammlung beschrie- 
benen Hamburger Dampfboots Eisbrecher No. 1 zur Ansicht 

Hr. Tackmann (Königsberg) referirt über die Berathuugen 
der Kommission, betreffend Feststellung der Grundzuge zur Be- 
rechnung des Honorars für Arbeiten aus dem Bau - Ingenieur- 
Wesen, und bringt verschiedene Veränderungen in Betreff der " 
Klassifikation der Arbeiten in Vorschlag. Es wurde beschlossen, 
die Kommission zur schriftlichen Berichterstattung binnen drei 
Wochen aufzufordern, dann diesen Bericht durch Abklatsch ver- 
vielfältigt, jedem Mitgliede mitzutheilen und in nächster Ver- 
samuilunn darüber zu diskutiren und zu beschliessen. 

Hr. Tackmann referirt sodann über eine, durch einen nicht 
sachverständiircn Architekten ausgeführte und eiserne Träger 
enthaltende Deckeukonstruktion in dem für das Kloster zu 
Breunsberg im vorigen Jahre erbauten Seminar-Gebäude, welche 
in Fü!«e der Verwendung zu schwacher Eisendimensionen be- 
reits Gefahr des Einsturzes ankündigende Formveränderungen 
angenommen hat, und bespricht die Fehler dieses Baues. 

Zum SchluKS entspinnt sich eine sehr lebhafte Diskussion 
über die Frage, ob durch spezielle nnd eingehende Versuche 
festgestellt sei, dass Raddampfer beim Befahren von Flüssen 
und Kanälen durch den von ihnen erzeugten Wellenschlag den 
Ufern mehr schaden als Schraubendampfer. Es wird diese Er- 
fahrung allgemein bestätigt. 

Hiermit ward die Sitzung um 10 Uhr geschlossen. Ein ge- 
meinschaftliches Nachtessen vereinte einen grossen Theil der 
Kolloucn iu heiterster Stimmung noch bis zum Abgang des Ei- 
senbalmzuges und der Gäste aus Bromberg. 

Nächste Monats- Versammlung am Donnerstag, 
den 7. März er. _______ 

Arohltekten-Vereln zu Berlin. Versammlung am 17. Fe- 
bruar 1872: Vorsitzender Hr. Quassowski; anwesend 130 Mit- 
glieder und 5 Gäste. 

Der Versammlung, welche nach langem Interregnum zum 
ersten Male wieder von dem ersten Vorsitzenden eröffnet wurde, 
lagen zunächst einige geschäftliche Mitteilungen vor, aus wel- 
chen hervorzuheben, dass neuerdings auch die Stadt Cottbus 
sich an den Verein um die Beschaffung des Entwurfes zu einem 
Siegesdeukmal gewandt hat. Die statutengemäße öffentliche 
Ausstellung der Schinkelkonkurrenzarbeiteu wird vom 23. bis 
29. Februar im Vereinslokalc stattfinden. 

Von dem Inhalte des von Hrn. Adler gehaltenen Vortrages 
über die mittelalterlichen Bauten von Jerusalem, über die von 
Deutschland veranlassten Ausgrabungen auf dem, früher dem 
Johanniterorden gehörigen Terrain in der Nähe der h. GrabeB- 
kirche, sowie über den dort beabsichtigten Neubau werden unsere 
Leser, wie schon in vor. Nr. gesagt, iu anderer Weise Kenntniss 
I erhalten. Den Schiusa der Sitzung bildete die Beantwortung 
einiger Fragen durch die Hirn. Franzius, Hurt wich, Röder 
und Schwcdlcr. 



Vermischtes. 

Ueber Unterricht im Freihandzeichnen. Ein Besuch des 
Gewerbe-Museums zu Berlin und die Besichtigung der daselbst 
befindlichen Zeichen-Vorlagen und ausgestellten Schüler-Arbeiten 
gab den Anlass im Laufe des verflossenen Jahres dem Unter- 
richt im Freihandzeichnen an der Gewerbeschule zu Donzig 
Theil einzufügen: 



Aus 



der Gesammtzahl werden Gruppen von 8 bis 10 Schülern 
zusammengenommen und mit einer und derselben Wandtafel 
beschäftigt, während die Uebrigen in der bisherigen Weise bei 
ihren Einzclvorlasen bleiben, bis sie selbst an die Reihe kommen. 
Die Wandtafeln sind wie im Gewerbe-Museum auf * 
in grossem Maasstab, als aussefuhrte Umris» 

tile geschieht 



zeichnet. Die Fixirung der K 
von Gelatine -Lösung mit dem 



ur. Die 



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63 - 



auf den Wandtafeln wird in den Unterrichtsstunden selbst von 
den bessern Schülern meist nach Bötticber'schen Vorlagen aus- 
geführt und erhält vom Lehrer nur die letzte Vollendung. 

Es stellte sich nuu die Handhabung der so erzielten Vor- 
bilder iu folgender Weise heraus. Der Leber giebt die von der 
Schülergruppe festzuhaltende Hauptdiuiension der darzustellen- 
den Figur an. lässt darauf von einem der Srhüler an der 
schwarzen Tafel mit Kreide die Art und Weise des Entwurfs 
andeuten und nimmt schliesslich das Wort zu etwaigen Berich- 
tigungen uder Ergänzungen. In der besprochenen Weise zeichnen 
jetzt die Schüb-r von ihren Plätzen aus uud gebeu sodann ihre 
mit Namen und Zeitangabe versehenen Arbeiten ab, welche zu- 
letzt gemeinschaftlicher Beurtheilung unterworfen werden) In 
diese gewissermaasseu öffentliche Zensur kann denn auch ein 
wesentliches Moment des Unterrichts hinein gelegt werden. Der 
gleiche Maasstab und die beschrankte Zahl innerhalb der Gruppe 
ergaben sieb als äusserliche Bedingungen der gemeinschaftlichen 
Besprechung. 

Bei Einführung dieses Verfahrens war es das nächste Ziel 
gewesen, die Auffassung der Formen und Uebung im Entwerfen 
wo möglich mehr als bisher zu befördern. Sodann galt es 
Wetteiter zu erwecken durch Einführung eiuer Konkurrenz. 
Endlich sollte der mündliche Vortrag in diesen l'uterrichtszweig 
eingeführt werden, der, bei dem gegebenen Ausschluss einer 
•peziellcn Formenlehre, dieses belebenden Mittels bisher ent- 
behren musste. 

Wird nun auf diesem Wege der gewüuschte grössere Erfolg 
erzielt, so bleibt er dem Gewerbemuseum*) zu verdauketi. 

Danzig, im Februar IH72. E. Bobrik. 



Ueber das Thonmaterial zu den Verhlendsteinen und 
Terrakotten der Bauakademie zn Berlin haben wir im 
Fragekasten von No. 5 u. Hl. eine irrige Miitheilung gegeben. 
Der in den Jahren 1832 bis 36 unter Schinkel und Schmidt 
mit der unmittelbaren Ausführung des Baues beauftragte Tech- 
niker, unter den dabei thätigeu Beamten der einzige Uebcr- 
lebcnde. sendet uns folgende Berichtigung, die von denen, «eiche 
sich für die vaterländische Thonwaaren-ludustrie spezieller iuter- 
essiren, wohl um so dankbarer aufgenommen werden wird, als 
der Kaiig. welchen jene Fabrikate nicht allein absolut, sondern 
namentlich in ihrer Zeit einnehmen, ein so hoher ist, dass ein« 
völlige Klärung des Sachverhältuisses in der That wünschens- 
wert!* war. 

.Das Material, aus dem die gerammte äussere Verblendung 
des Bauakademie-Gebäudes gebildet ist, besteht zur Hälfte aus 
Kathenower Thon (aus Schlagenthin bei Rathenow), zur Hälfte 
aus Thonerde, die den bei Stolpe an der Havel befindlichen 
Ablagerungen entnommen ist. In Stolpe befand sich die Zie- 
gelei des Lieferanten Wenzel, aus der alle Verbleud- und Ge- 
sims-Steine der äusseren Fronten, nebst allen Oruameuten der- 
selben hervorgegangen sind. Der während der Bau-Ausführuug 
erfolgte Umzug des Wenzel nach Königs- Wusterhausen, wo er 
eine neue Ziegelei gründete, hat in dieser Beziehung nichts ge- 
ändert, da Wenzel die unfertigen Stücke nach der neuen Be- 
triebsstätte mitnahm, den ferneren Betrieb aber mit den näm- 
lichen Rohstoffen fortsetzte. Dagegen sind alle mit figürlichen 
Darstellungen versehenen Reliefs aus der Töpferei von Cornelius 
Gormaun, damals iu der Laufgasse hierselbst, hervorgegangen. 
Sie waren zwar ursprünglich vun der Feilner' sehen Fabrik ülwr- 
nommen, die jedoch ihr Engagement im Laufe der dazu getrof- 
fenen Einleitungen zurückzog,- 



Für die nächste Bansaison in Berlin dürfte, wie uns 
mitgetheilt wird, neben den eventuellen Arbeitseinstellungen und 
dem voraussichtlichen Mangel an Mauersteinen uoch ein anderer 
Umstand verh&nguissvoll werden — der Mangel an dem üblichen 
Fandamentirungs-Material, den Rüdersdorfer Kalksteinen. Ganz 
abgesehen davon, dass die Produktion der Brüche mit den zu 
erbebenden Ansprüchen schwerlich im Verhältnis» stehen wird, 
steht für den gesammten Privatbau die Unmöglichkeit, das 
Material rechtzeitig herbeizuschaffen, in Aussicht, da ab- 
weichend von dem bisherigen Usus neuerdings verfügt worden 
ist, dass diejenigen Schiffe, welche für den Fiskus und die 
Kommune Berlin einladen, in deu Brüchen vor allen anderen 
ausser der Reihe bevorzugt werden sollen. Vielleicht, dass gegen 
eine solche die Privaten wohl nicht unwesentlich beeinträchtigende 
Maassregel, die dem Prinzipc der Stoatsindustrie nicht eben neue 
treuude erwerben dürfte, noch rechtzeitig Einsprache erhoben 
werden kann. 

Der Neubau des Polytechnikums in Dresden wird, nach- 
dem die zweite Kummer des sächsischen Landtages am 2S*. Ja- 
nuar, die erste am 17. Februar die erforderlichen Geldmittel 
einstimmig ohne Debatte bewilligt hat. in diesem Frühjahr be- 
ginnen. Wir hoffen über den umfangreichen, auf 400000 Thlr. 
veranschlagten Bau, dessen Pläne von dem Lehrer der Archi- 
tektur am Polytechnikum, Professor Rudolph Hevn herrühren, 
später Ausführlicheres mittheilcn zu können. Die Hauplfront 
von 96« Länge kommt an den Bismarckplatz und ist der Stadt 
zugekehrt, die eine der beiden, je 61» langen Seitenfronten au 
die 



taal. 



um Elnfuhran- diner I^htnilhod« milinf ■ 
ttu.i, Kfl.rh.j ■■><! MiMm KMkfolger 




Die Organisation des Bauwesens In dem Reichs- 

Slsass-Loturingen hat in Betreff der Wasserbauver- 
waltung nunmehr die erwartete Aeuderung erfahren. Zur Leitung 
uud Ausführung der Strom- und Kaualbauten, deren unmittel- 
bare Leitung dem Oberpräsidenten übertragen ist, wird dem- 
selben eiu Bauverständiger beigegeben, welcher deu Amts- 
charakter - Wasserbaudirektor* führt und welchem die erforder- 
liche Anzahl von Hülfsarbeitern zur Seite steht (Ob die Wahl 
einer bestimmten Persönlichkeit schon erfolgte, ist uns nicht 
bekannt) Für die örtliche Kontrolle und Ausführung werden 
Bezirke gebildet, deren Abgrenzung dem Oberpräsideuten zusteht 
und dereu je einer einem Bczirksiugcnieuer übertragen wird. 
Die Regulirung des Hochbau- uud Wegewesens sowie des Ge- 
meinde-Bauwesens bleibt vorbehalten. 



Aus der Fachliteratur. 



und 



Zeitschrift des Hannoverschen Axohitekten- 
genieur- Vereins. Jahrgang 1871. 

A. Aus dem Gebiete des Ingenieurwesens. 

1) Die Gotthardbahn, vom Eisenbahn- Bau- Inspektor 
Klose zu Münster. Ein Resunie aus dem im Jahre 186i> erschie- 
nenen Werke des Komites für den Bau der Gotthardbahu, wel- 
ches bereits in Nr. 20 Jhrg. lsua d. Deutsch. Bauztg. besprochen 
worden ist. 

2) Konstruktion der Weichen und Geleise-Kreu- 
zungen auf der Köln-Mindener Eisenbahn, von Ludwig 
Abreseh, Baumeister zu Köln. Der Bau der Strecke Veulo- 
Hamburg hat im Jahre 1868 Veranlassung gegeben ein neues, 
mit allen durch die Erfahrung als wünscheuswerth erkaunteu 
Verbesserungen ausgerüstetes Weichen - System aufzustellen, 
welches zunächst auf dieser Strecke, durch Auswechseln der 
alten Weichen allmälig aber auf allen Strecken der K.-M.Bahn ein- 
geführt werden sollte. Der Verfasser entwickelt zunächst das 
Programm der neuen Konstruktion. 1) Möglichst schlanke Kur- 
ven bei möglichst geringer Länge der Weichen. 2) Gleiche 
Länge der Zungen. 3) Durchführung der Schienen-Neigung in 
der ganzen Weiche, also auch im Herzstücke. 4) Solide und 
zweckmässige Unterstützung uud Lagerung der Zungenwurzel. 
5) Ermöglichung eines leichten Auswechseins aller Konstruktions- 
iheile der Weichen und Gclcisekrcuzungcn. 6) Verwendbarkeit 
der Konstruktionstheile der einfachen Weiche uud der cuglischen, 
dreitheiligcn und Kurven-Weiche. 7) Herbeiführung eiues sauf- 
ten Gauges der Wagen beim Durchfahren der Weichen und 
namentlich der Zungen-Vorrichtungen und Herzstücke — und 
beschreibt demnächst eingehend, unter kritischer Vergleichuug 
mit anderweit üblichen Konstruktionen, sein auf 4 Blatt Zeichnun- 
gen dargestelltes System resp. dessen einzelne Thcile. Nach 
Durchführung desselben werden auf den Strecken der KM. 
Bahn nur 6 Normal-Weichen resp. Normal-Kreuzungen: 1) Die 
einfache Weiche rechts und links; 2) Diu Geicisokreuzung mit 
doppelter englischer Weiche; 3) die ücleiackrcuzung mit ein- 
facher englischer Weiche; 4> die gewöhnliche Geleisekrcuzuug ; 5) 
die dreitheilige Weiche rechts uud links; 6) die Kurven-Weiche 
rechts und links — zur Anwendung kommen und für diese 
insgesammt nur zweierlei Arten Zungenvorrichtungeu und dreier- 
lei Arten Herzstücke erforderlich sein. 

3) Die küu st liehe Ent Wässerung be deich ter Küste n- 
marscheu mittels der Fl uth, von Wasserbauinspektor Hess 
zu Lüneburg. Ausserbalb des Hauptdeiches sollen zwei getrennte 
Bassins angelegt werden, von denen das eine — das Bassin des 
Oberwassers — das Fluthwasser aufnimmt und zurückhält, 
um dasselbe zum Betriebe eiuer Turbine zu benutzen, welche 
wiederum als Motor für eine zum Heben des Biuncuwaascra be- 
stimmte Kreiselpumpe dieut. Das zweite Bassin — das des 
Unterwassers — nimmt während der Fluth das abmessende 
Betriebswasser der Turbine, sowie das durch die Kreiselpumpe 
geförderte Binncuwasser auf und lässt dasselbe während der 
Ebbe abfliesseu. Das erste Bassin ist demzufolge mit einer Ein- 
lass-Schleuse, die wäbreud der Ebbe, das zweite mit eiuer Aus- 
flussschh'usc, die während der Fluth geschlossen wird, versehen; 
die Maschinen sind im Mitteldeiche unmittelbar beim Anschlüsse 
desselben an den Hauptdeich aufgestellt. Der Effekt der Vor- 
richtung, sowie die Anlage- und Betriebskosten werden für ein 
bestimmtes Beispiel berechnet; doch ist nicht mitgetheilt, ob und 
wo eine solche Anlage schon wirklieb ausgeführt, oder ob sie 
nur Projekt des Verfassers ist. 

4. Bemerkungen über Zemente, von Prof. Dr. Heeren. 
Die Kenutniss der Zemente ist unter dem Aufschwünge, den die 
Anwendung und Fabrikation des Materials gerade iu den letzten 
Jahren genommen hat, derartig vorgeschritten, dass eine Ab- 
handlung über dieses Thema, welche auf die Untersuchungen 
der neueren Zeit nicht Bezug nimmt und der anscheinend sogar 
das bereits im Jahre 1&68 erschienene, auf seinem Gebiete 
epochemachende Werk von Dr. Michaelis fremd geblieben ist 
einigcrntaassen veraltet sein dürfte. Es gilt in dieser Bezie- 
hung dasselbe, was wir in letzter No. einem Aufsatze der Wie- 
Bauzeitung vorzuwerfen hatten. 

(t'slMtUlllic Mgl.) 



Konkurrenz für Entwürfe zn einem Arndt-Denkmal aul 
dem Rugard. (Schluss). 

6 u. 7) Der Entwurf mit dem Motto: „War je ein Kitter 
edel, du warst es tausend Mal, vom Fusse bis zum Schädel* 



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64 - 



reiht «ich in dem allgemeinen Empfinden des der äusseren Er- 
scheinung zu gebenden Charakter« den vorigen an, zeigt aber 
vom Kusse bis zum Scheitel eine wenig edle, an da« Unschöne 
streifende Auffassung eine« solchen Denkmals. Hierzu gesellt 
sich für den oberen Abschluss ein unmotivirtes Uubergehen aus 
dem Achteck zum Viereck und von diesem wieder ins Achteck 
zurück, sowie ein Mangel au Licht für den Inneuraum. Hin 
zweiter Entwurf desselben Verfassers und mit demselben Motto 
vermeidet zwar diu gerügten Mängel, ergeht sich dagegen in zu 
kleinlichen Formen-Kombinationen, so das« derselbe In keiner 
Weise den Eindruck eines Ehrendenkmals erwecken kenn. 

An diese Gruppe von Entwürfen, welche vor Allem eine 
monumentale Wirkung angestrebt haben, reiht sich eine andere, 
welche die Lasung der Aufgabe in der Erfindung eines dem 
mittelalterlichen Burgenbau entlehnten Wartthurms gesucht 
haben. Sie bewegen sich dabei meist in den reichereu Formen 
des gothischen Stils Abgesehen von der nach Ansicht der 
Beurtheilungs-Kommission nicht richtigen Gesammtau ffassung 
beanspruchen diese Entwürfe für ihre Ausführung einen Kosten- 
aufwand, der wenigstens weit über die disponiblen Mittel hinüber- 
greift. In erster Linie gilt dies von dem Entwürfe: 

8) mit einem Monogramm und dem Widmungsspruch: 
„dem alten Rugianer Arndt". In den reichsten Hausteiu-Fornicn 
gothischer Burg-Architektur baut sich ein stattlicher Bergfried 
reich und schön in 4 Geschossen auf einer hohen gemauerten 
Terrasse auf. Ein besonderes Treppeiitbürmchcn vermittelt den 
Zugang auf die Plattform über dem dritten Geschoss und zu 
dem oberen sehlanken achteckigen Aussichtsturm. Unwillkür- 
lich greift hier der Gedanke Platz, dass dies eine schone Wohn- 
Btättc für den alten Arndt bei seineu Lebzeiten gewesen wäre. 
Für das Andenken an den Dahingeschiedenen ist sie zu wohn- 
lich und behaglich gedacht. 

9) An sich ausserordentlich anziehend ist der Entwurf mit 
dem Motto .Auf den Bergen ist die Freiheit*. In seiuen Haupt- 
Hieben wieder in poligonem Bruchsteinmauerwerk gedacht, sind 
die Gesimsabschlüsse, Fenster- und Thüreinfassungen, die Ab- 
deckungen der Strebepfeiler, sowie der Helm in jenen gothischen 

durchgebildet, wie sie sich vielfach in den mittel- 



alterlichen Thorthürmen norddeutscher Städte finden. Auch 
hier vermittelt ein besonderes Treppenthürnicben die Zuzüge 
zu den drei für ihre Benutzung disponiblen Geschossen. Der 
ganze Entwurf bekundet Sinn für schone Verhältnisse, Kennt- 
nis« der Formen, sowie eine kunatgeübto Hand. 

10) Der dritte Entwurf aus St Johann bei Saarbrücken 
hat mit sichtlicher Vorliebe eine reichere Durchbildung der 
Innenräume angestrebt Alle drei Geschosse sind mit zum Theil 
reichen Gewölben überdeckt Tiefe Fensternischen mit vorge- 
legten Säulen für die Aufnahme der Gewölberippen und Gurte 
gestalten namentlich das für die Sammlung bestimmte Mittel- 
geschos» zu einem reichen Innenraum. In geschickter Weise 
ist ausserdem die Treppenunlage gemacht, welche im letzten Ge- 
schoss als selbstständiges Erkerthurmehon. jedoch ohne störendes 
Element für die Aussen-Architektur auftritt Weniger glücklich 
ist der Verfasser in dem äusseren Aufbau gewesen. Die beiden 
untersten Etagen stehen in ihrer allzu grossen Einfachheit in 
xu scharfem Kontrast mit dem 
Obergeschoss. 



reich gegliederten mächtigen 



11) Der Entwurf mit dem Motto .Fahrt wohl, ihr Fran- 
zosen, _zur Ostsee hinab! und nehmt, Ohnehosen, den Wallfisch 
zum Grab* zeigt eine grosse Gewandbeit in der Behandlung 
einer solchen Aufgabe, nach Art der in der hannoverschen 
Schule durchgebildeten Formensprache. Die Flächen sind in 
ihren Hauptmassen in Granitbruchstein, Gesimse, Gurtungen und 
alle sonstigen feineren Architektur-Theile in zweifarbigem Ziegel- 
stein, jedoch ohne Anwendung von Formsteinen ausgeführt 
Wenn trotzdem dieser Entwurf nicht glücklich genannt werden 
kann , so liegt dies in der Gesammtform und besonders in dem 
allzu breit gelagerten niedrigen Unterbau, aus dem der Thurm 
sich plötzlich in grosser Schlankheit, fast unvermittelt erhebt. 
Dadurch gewinnt das Bauwerk das Ansehen einer mehr zu ge- 
werblichen Zwecken bestimmten Anlage. 

12) Aehnliches lisst noch mehr der einfache oktogone 
Tburmbau des Projekts mit dem Motto: .Das ganze Deutsch- 
land soll es sein" vermuthen. Die gewählten Formen deuten 
wenig daraufhin, dass der sonst stattliche Bau ein Denkmal 
sein soll. Noch vermindert wird dieser Eindruck durch den in 
Holz konstruirten Dachreiter, als Abschluss der inneren Wendel- 
treppe. Oerade für einen solchen Zweck sollten dergleichen 
leicht vergängliche Materialien für das Aeusserc vermieden 
werden. 

13) Ein Gemisch von Florentiner Wohnhaus- Architektur 
mit Formen, welche dem einfachen mittelalterlichen Thorthurm 
entlehnt sind, bietet ein Entwurf aus Zwickau. Zeigten die 
vorher angegebenen Entwürfe die Architektur gewerblicher Ge- 
bäude, so hat dieser den Fehler, zu sehr den Eindruck eines 
in Thurmform gebrachten Wohnhauses zu machen. 

14) Ein sehr zwiespältiges Empfinden erweckt ein Entwarf 
aus Baden mit dem Motto: .Wird auch der Beutel leer, so 
sammele man noch mehr." In seinem unteren Theil durch schwe- 
ren Rustikaquaderbau den Eindruck eines Monuments anstrebend, 
kontrastirt hiermit in auffälliger Weise ein in den leichtesten 
Formen eines Gartenpavillons zum oberen Abschluss 



Aussichtsthurm. Weit weniger trifft dieses Projekt der Vorwurf, 
auf welchen das Motto hinzudeuten scheint 
Vier Entwürfe endlich mit den Motto'«: 

15) Schwarz, Roth, Gold. 

16) ein kleiner Beitrag aus Leipzig. 

17) Leipzig, sowie 

18) einer ohne jede Bezeichnung 
sind als wenig gelungene, wenngleich gutgemeint 
bezeichnen. 

19) Ein letzter mit dem Motto: 
.Denk ich mir Grosses, so denk ich mir's rund" 

erklärt sich von selbst als der unvollkommene Versuch eines 
berührt aber wohlthuend durch den Geist, der 
Erläuterungsbericht uns entgegentritt 
Die Beurtheilungs-Kommission. 
Strack. Uerrmann. H. Ende. 



Wie wir mittheilen dürfen, waren die von den Preisrichtern 
an erster Stelle erwähnten drei Arbeiten von Hrn. Architekten 
Hennann Eggert, der unter No. 4 erwähnte Entwurf von Hrn. 
Baumeister Eduard Jacobsthal in Berlin eingesandt. Das 
Denkmal -Komite soll sich Anfangs dem letztgenannten Entwurf« 
zugeneigt haben, hat sich aber neuerdings dafür entschieden, 
den ersten Eggert'schen Plan, jedoch unter bedeutenden Modifi- 
kationen und unter theilweiser Umbildung desselben in einen 
Ziegelbau, zur Ausführung zu bringen. Sobald der neue Ent- 
wurf definitiv festatebt, hoffen wir unsern Lesern eine Skizze 
a können. 



Prcussen. 

Ernannt: Der Baumeister de Nerie zu Guben zum 
Eisenbahn- Baumeister in Saarbrücken. Der Baumeister Köhler 
zu Schleswig zum Landbaumeister und technischen HQlfsarbeitcr 
bei der Königl. Regierung daselbst, der Baumeister Matthies 
zu Gerdauen zum Eisenbahn-Baumeister bei der Königl. Ostbahn. 

Bei der Verwaltung der Reichs - Eisenbahnen in Elsass- 
Lothringen sind ernannt worden: 

zu Eisenbahn-Bctriebs-Inspektoron: der Eisenbahn- 
Betriebs-Inspektor Ferdinand Gustav Kecker, der Abtheilungs- 
Baumeister Friedrich Wilhelm Büttner, der Eisenbahnbau- 
Inspektor Julius Oster meyer, der Eisenbahn - Baumeister 
Julius Victor, der Eisenbahn-Baumeister Victor Coermann; 

zuEisenbahn-Baumeisteru: der Abtheilungs-Baumeister 
Friedrich Wilhelm Beemclmans, der Ingenieur Hugo von 
Kictzell, der Baumeister August Friedrich Schroeder, der 
Abtheilungs-Baumeister Karl Georg Friedrich Hering, der 
Ingenieur tiarl Julius Pah st, der Baumeister Hermann Karl 
August Liudcmann, der Baumeister Otto Koeltze; 

Gestorben: Der Regierungs- und Baurath Grimsehl zu 
Hildesheim und der Bauiuspektor Christensen zu Flensburg. 



Brief- and Frage karten. 

Hrn. L. H- in Lindenau bei Leipzig. Die Erlangung 
einer Staatsbaubeamten-Stelle ist selbstverständlich von der Ab- 
legung eines Staats-Examens abhängig : auch für Privatstellungen 
bei Kommunen oder Eisenbahnen bildet die Anstellung von 
Technikern, die keine Staatsprüfung bestanden haben, nur die 
Ausnahme. 

Hrn. B. in Ratibor. Wenden Sie sich an einen Kammer- 
jäger Bei Regierungs - Kollegien gilt allerdings die Vertilgung 
des Ungeziefers in fiskalischen Gebäuden als eine technische 
Frage, die in Ermangelung einer anderen Persönlichkeit der 
Kompetenz des Regierungs- und Bauraths unterstellt wird — 
unsererseits ziehen wir den Kreis des unser Ressort bildenden 
technischen Gebiets etwas enger. 

Abonnent in Kiel. Die Prcussischen Bestimmungen für 
das Raumbedürfoiss bei Schulen, auf Mctermaass abgerundet, 
sind im vorigen Jahrgange der Ztschrft f. Bauw. publixirt 

Hrn. A Z. in K. Von einem Rangiren der in Elsass-Lotn- 
ringen angestellten Eisenbahn-Beamten mit denen des Preua- 
sischen Staates kann selbstverständlich keine Rede sein, da ja 
bei Weitem nicht alie dem Preußischen Beamtentum« entnom- 
men sind. 

Hrn. 11. in Criminitzschau. Wir könneu Sic nur auf den 
Weg der Insertion in unserem Bau-Anzeiger verweisen. 

Verschiedenen Fragestellern, die «ich in jüngster 
Zeit wegen Auskunft über dio Techniker der Gotthardbahn an 
uns gewendet, theilen wir nachstehend eine Aeusserung des 
ersten Sekretärs der Direktion mit, der auf eine direkte Anfrage 
dieser Art unterm 13. Februar erwiderte, das» der Ober-Inge- 
nieur der Gntthardbahu noch nicht ernannt ist, dass indessen 
die Direktion die Wahl desselben demnächst beim Verwaltongs- 
rathe beantragen zu können hofft und dass selbstverständlich 
deutsche, namentlich norddeutsche Techniker von der Bewer- 
bung um ein Engagement bei der Gotlharduuteniehmung nicht 
ausgeschlossen sind. 

Beiträge mit Dank erhalten von den Herren: H. und G. in 
Hamburg, V. in Saarbrücken, F. in Hameln. 



h »imi- ; -i"-l.f wn C»rl n»«llti I* IUHI*. 



roa ü.brudtr KKkfrl l» Bull«. 

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Jahrg. TL 



M 9. 



DEUTSCHE BAUZEITUNG 



Redaktion n. Expedition: 

Berlin, OranieastraM« 101. 
Baatellunfen 
«toraetimei« alle r»«un<UKen 



Organ des Verbandes 

deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine. 

Redakteur X. £. 0. Fritich. 



In.erat. 

far «I. ! 
Buir» 

In der Cratlt - Beilate : 
„Bau- AniotgLT- 

»prell: 1% S|T, PI 



Preis 1 Thaler pro Quartal. 


Berlin, den 29. Februar 1872. 


Eraeheiat Jedea Baanerttag. 


Inhalt. Zur 1 rase der rVhuUiaaaaaraeeln ( i;r» die ArUelueln.lellunaen 
der Hauhandwerker. — Der KünlE-WlUinlm-Kaual fiel Meroel. — Helieeklnen 
au. dem Orient VIII. . M lllliel 1 u n t eu au. Vereinen: B.»K»»erk«nta|! In 
Berlin. - Architekten -Verein tu Herlln. - Verml.cate.: Die Fr. K . der K.. 
ualMtran. Berlin.. — r-ernaaeate Au..lell.n« moderner kun.tgeaerbll.-ber Arbel- 


ten in Wien. — Amerflaatu-ne Bracken. — Zar Fr. te der GehalMverbeaaerung 
prcaaeUcber Rennen. — Au. der Fachllt 1 era 1 u r : Zeiteehrlrt de. Architek- 
ten, und Ingenieur-Verein» 111 Hannoecr. Jährt. 1*71. (ForteeUung). — Kon- 
kurrenten: National Penkmal aaf den Niederwald. — Brückenbau in Bad Bai ■ 
— fere-nal-Nachrichten etc. 



Zar Frage der Schutxmaassrcgeln gegen die Ar liritseir.stellui.gen der Bauhandwerker. 



Während Baumeister nnd Bauunternehmer sich auf die 
bevorstehende hoffnungsreiche Baukanipagne rüsten, blickt 
wohl so mancher mit Besorgnis« in die Zukunft, weil er 
vorauszusehen glaubt, das» die rege Banthätigkeit, welche 
die Gunst der Verhältnisse hervorrufen will, auf schwere 
äussere Hemmnisse stossen wird. Es dürfte feststehen, dass 
als ein solches Hemmniss an vielen Orten der Mangel an 
Baumaterial sich geltend machen wird, aber mit noch grösse- 
rer Sicherheit darf man erwarten, dass die Bauarbeiter diese 
Gelegenheit nicht vorübergehen lassen werden, ohne den 
Arbeitgebern gegenüber neue Forderungen zu stellen oder 
die alten zu erneuern. Erklärlich ist es daher, wenn die 
letzteren bereits mit Eifer bestrebt sind. Maassregeln zum 
Schutze gegen die drohenden Ereignisse vorzubereiten. 

Die Bedeutung dieser Frage berührt nicht blos diejeni- 
gen unserer Fachgenossen, welche als Unternehmer oder 
Meister in nächster Beziehung zu den Bauarbeitern stehen; 
für die Mehrzahl derselben, soweit sie nicht auf den Verdienst 
des Augenblicks unmittelbar sich angewiesen sieht, ist eine 
Arbeitseinstellung gegenwärtig sogar minder bedeutungs- 
voll als früher, da die Erfahrung der letzten Jahre sie zn 
genügender Vorsicht bei Kontraktabschlüssen veranlasst 
nahen dürfte. Es ist vielmehr zunächst das gemeinschaft- 
liche und gleichraässige Interesse aller dem Bauwesen an- 
gehörigen Bernfsgenossen, dass der erfreuliche, eine blühende 
Entwickelung verheisseude Aufschwung der Banthätigkeit 
nicht durch fortwährendes, unberechenbares Versagen der aus- 
führenden, werkthätigen Kräfte gelähmt werde, dass nicht 
Zustände chronisch werden, unter deren uiigesuudem Einflüsse 
schliesslich das Ganze Schaden leiden muss. An den Maass- 
regeln zur Uelierwindnng dieser Zustände kann aber nicht 
allein die Gesamrutheit der Fachgenossen Theil nehmen, in- 
dem sie ihr Gewicht auf die schliesslich doch stets den Aus- 
schlag gebende öffentliche Meinung geltend macht: eine grosse 
Zahl derselben — und zwar neben den Unternehmern die 
als Rathgeber und Vertreter von Bauherren fungirenden 
Baubeaniten und Privat -Architekten — werden sogar in 
der Lage seiu, hierfür mit direktem Erfolge wirken zu 



Wir glauben daher eine Pflicht zu erfüllen, 
die Diskussion dieser Frage, die bisher wohl zu vorwiegend 
zwischen den beiden sich gegenüberstehenden Parteien ge- 
führt worden ist. auch unter den weiteren Kreisen der deut- 
schen Architekten und Ingenieure in Anregung bringen und 
zunächst durch die Darlegung unserer Ansichten über die 
Ursachen der Bauarbeiter-Strikes und die Mittel zu ihrer Be- 
seitigung den Versuch machen, einen bescheidenen Beitrag 
zur Klärung des schwierigen Themas zn liefern. Sehr be- 
scheiden kann dieser Beitrag um deshalb nur sein.^weil wir 
uns bei unseren Betrachtungen selbstverständlich vorzugs- 
weise auf die Verhältnisse der Bangewerbe beschränken 
müssen, während doch die Bewegungen auf diesem Gebiete 
im engsten Zusammenhange stehen mit den auf Verbesserung 
seiner Lage gerichteten Bestrebungen des gesammten Arbeiter- 
standes, und ein radikales Mittel zur Abhülfe finden nichts 
weniger als die soziale Frage lösen biesse. Da indessen für 
dieses wichtigste Problem unserer Zeit doch schwerlich eine 
einzige, für alle Fälle unfehlbare Formel genügen wird, so 
verlohnt, es sich immerhin darüber nachzudenken, ob nicht 
einstweilen innerhalb der einzelnen, sehr verschiedenartig 
gestalteten Berufskreise etwas zur Anbahnung gesunderer Ver- 
hältnisse geschehen kann. Und unseres Erachtens ist dies 
für die Baugewerbe sehr wohl möglich. 

Wir haben damit wohl schon angedeutet, dass wir in 



Betreff der Schutzmanssregeln gegen die Strikes der Bau- 
arbeiter nicht etwa blos die nächste Gegenwart im Auge 
haben. Was von Seiten der Bauunternehmer geschehen 
kann und geschehen wird um den in der bevorstehen- 
den ßaiisaison drohenden Arbeitseinstellungen vorzubeugen 
oder dieselben bei ihrem Ausbruche sofort und energisch 
zu unterdrücken, kann nur als eine Maassregel des Augen- 
blicks betrachtet werden, deren Erfolg ein vorübergehender 
sein wird nnd möglicherweise nur dazu beiträgt, die vor- 
handenen Gegensätze zu schärfen nnd die Erbitterung der 
Gemüter zu steigern. Wo nach den grossen Strikes der 
letzten Jahre eine Vereinbarung der Meister und Gesellen zur 
Wicdcraufuahinc der Arbeiten geführt hat, vor Allem in 
Berlin, das in Bezug auf diese Verhältnisse am Meisten in 
Betracht kommen muss, weil es das maassgebende Versuchs- 
feld für ganz Deutschland bildet, ist nichts weniger als Friede 
eingetreten, sondern höchstens eine vorläufige Waffenruhe 
geschlossen worden, in welcher die beiderseits erschöpften 
Streiter sich von den Nachwehen des Kampfes erholt und 
zur abermaligen Eröffnung desselben vorbereitet haben. Ein 
neuer Kampf — so lange die Ursachen des alten fortdauern 

— wird nur zu neuer Erschöpfung und neuer vorläufiger 
Waffenruhe, niemals aber zum dauernden Siege der einen 
nnd zur dauernden Unterwerfung der anderen Partei führen. 
Es bietet sich also die Aussicht auf eineu permanenten Krieg, 
in welchem jeder Kämpfende verwundet wird, nicht aber 
auf einen Frieden, dessen Dauer nur durch eine aufrichtige 
Versöhnung gurantirt werden kann. 

Trotzalledem sind wir weit davon entfernt zu leugnen, 
dass ein solcher Kampf der Gewalt gegen die Gewalt seine Be- 
rechtigung hat Er ist wie jeder Krieg, ein bei dem gegenwär- 
tigen Kulturstande der Menschheit noch unvermeidliches 
Uebel, das letzte Mittel um sich vor einem Gegner Hecht zn 
verschaffen, der sich Vernunftgründen unzugänglich erweist. 
Ist er aber einmal ans solcher innerer Notwendigkeit her- 
aus entstanden, so ist es sicher zweckmässig ihn mit Energie 
auszukämpfen, da eine geeignete Basis zn Unterhandlungen 
alsdann meist nur gefunden werden kann, wenn der Unter- 
liegende vor der Kraft des Siegers Respekt gewonnen hat. 
Wir wollen daher Maassregelu. wie jene, welche augenblick- 
lich die Zimmermeister Berlins unter sich vereinbart haben 

— Strike der Arbeitgeber und Entlassung der Gesellen auf 
sämmtlicheu Arbeitsplätzen bei jedem partiellen Versuche 
zn einem Strike der Arbeitnehmer — durchaus nicht ent- 
gegentreten, sondern nur befürworten, dass man sich auf 
solche Akte des kriegerischen Zwanges nicht beschränken, 
sondern gleichzeitig keinen Versuch zur allmäligeu Herbei- 
führung friedlicher Zustände unterlassen soll. 

Um zu heurtbcilen, welche Maassregeln hierzu dienen kön- 
nen, muss man den Verhältnissen, aus welcher die neu 
auftretenden Forderungen der Bauarbeiter und die 
Zwecke ihrer Durchführung in Szene gesetzten Arbeits- 
einstellungen hervorgegangen sind, etwas näher auf den 
Grund gehen. Wir wollen versuchen, dies in möglichster 
Parteilosigkeit zu thuu. 

Soweit die Auslassungen der zunächst betheiligten Par- 
teien und ihr Verhalten in dem Kampfe für ein solches 
Urtheil Anhaltspunkte gewähren können, dürfte die im 
vorigen Jahre eingetretene grosse Arbeitseinstellung der 
Berliner Maurer das reichste und werthvollste Material ge- 
liefert haben, da seit Erlass des neuen Gewerbegesetzes 
innerhalb des Deutschen Baugewerks wohl noch nirgends 
ein Kampf mit gleicher Hartnäckigkeit und 
geführt worden ist. Wir haben dem fiuss 



Verlaufe des- 



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66 — 



selben bereit« in Nr. 37, Jahrg. "1 u. Bl. eine karze Dar- 
stellnng gewidmet, wahrend die Resultate aus demselben, 
die wir damals zu ziehen unterdessen, an dieser Stelle wohl 
eine geeignetere Verwerthung finden. 

Bekanntlich war die ausserlichc Veranlassung des letz- 
ten Strikes der Berliner Maurer die Weigerung der Meister, 
auf die von den Gesellen gestellte Forderung eines zehn- 
stündigen Normalarbeitstages, für welchen das bisher für 
elfstündige Arbeit bezahlte Lohn in Geltuug bleiben sollte, 
inmitten der Bausaison einzugeben. Die Meister wollten diese 



Lohnerhöhung erst vom 1. Januar 1872, jedoch 
der Bedingung bewilligen, dass fortan das in 
Fabriken bereits eingebürgerte Prinzip der Stundenlöhn u ng 
werde. Motivirt wurde die Annahme dieses 
lern Organe 



Zeitung, als 



ionsequeuz der 



Stellung 



zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, bei welcher von 
■ patriarchalischen Dienst- und Lohnverhältnisse 
nicht mehr die Rede sein könne, sondern es wesentlich auf 



dem alten 



den Kauf resp. Verkauf der faktischen Arbeits- 
leistung ankomme. Diese lasse sich jedenfalls nach Stun- 
denlohn richtiger bemessen als nach Tagelohn, wahrend das 
einzig richtige Prinzip die Arbeit im Akkord sei — bei 
der Schwierigkeit einer Akkordirung vieler Leistungen aller- 
dings eine noch offene Frage, deren Lösuug der Friede in 
dem vielgeschürten Kampfe zwischen Arbeit und Kapital 
sein würde. 

Die Einstellung der Arbeit trotz jenes Entgegenkom- 
mens der Meister wurde von diesen als ein frivoles Unter- 
nehmen bezeichnet, dessen Zweck weniger die Einführung 
des nur als Vorwand der Agitation vorgeschobenen Normal- 
Arbeitstages als vielmehr die Sicherung eines dauernden 
L'ebergewichts der Gesellen über die Arbeitgeber und das 
Recht willkürlicher Lohnsteigerung gewesen sei. Die ganze 
Bewegung der Arbeiter sei von Seiten ihrer sozialistischen 
Führer, die selbstsüchtige Interessen verfolgten oder destruk- 
tiven politischen Zielen dienten, künstlich hervorgerufen und 
überliesse sich die Masse willenlos deren Leitung, während 
der besonnene fleissige Theil der Gesellenschaft durch den 
Terrorismus der Uebrigen lahm gelegt werde. Eine Berech- 
tigung wurde dem Streben der Arbeiter nach Erhöhung ihres 
Lohnes in einem Artikel der Baugcwerkszeitung nur insoweit 
zuerkannt, als der Lohnsatz die Grenze noch untersteigt, 
welche die Nothdurft des Lebens zieht Und als 



nicht unter dieser Grenze wurde während des Strikes der 
Lohnsatz von 1 Thlr. für lOstündige Arbeitszeit angenommen, 
während späterhin allerdings einer der angesehensten Zim- 
mermeister Berlins, der sich der Mühe einer näheren Be- 
rechnung unterzogen hatte, nachwies, dass dieser Lohnsatz 
den heutigen Verhältnissen entsprechend mindestens 1 Thlr. 
lü Sgr. betragen müsse, und die Behauptung aufstellte, dass 
nur durch nie der Forderung zuvorkommende Bewilligung 
eines solchen Satzes der Friede zwischen Meister und Ge- 
sellen herzustellen sei. 

Was die Taktik des Verhaltens gegen den Strike be- 
trifft, so ist von Seiten der Arbeitgeber als wirksamstes 
Mittel, um dem Zwange der vereinigten Arbeiter begegnen 
zu köunen, eine Einigung der Meister erkannt und erprobt 
worden, wenn es auch ausserordentliche Schwierigkeiten ge- 
macht hat, eine namhafte Zahl derselben zum völligen Ver- 
zicht auf die Verfolgung ihrer persönlichen Interessen zu 
bringen und sie zu veranlassen. Alle für Einen und Einer 
für Alle zu Btehen. Mit Festigkeit gegen die in der Form 
willkürlichen Zwanges auftretenden Forderungen der Arbeiter 
suchten sie — zum Mindesten in ihren als Aensserungen der 
Gesammtheit erlassenen Beschlüssen und Proklamationen 
— einen maassvollen, zur Milde und Versöhnung geneigten 
Standpunkt zn verbinden. Vor Allem waren sie bedacht, 
durch Aufklärung über den vorliegenden Thatbestand und 
durch die völlige Oeffentlichkeit ihres Vorgehens die Sym- 
pathien des Publikums und der Presse zu gewinnen. Gegen- 
über den unvermeidlichen Exzessen, die bei der Arbeitsein- 
stellung vorfielen und der von muasslosen Kraftansdrücken 
strotzenden Art und Weise, in welcher die sozial - demokra- 
tischen Blätter den Strike vertheidigten, ist ihnen dies auch 
in vollem Maasse gelungen und hatten die Meister es diesem 
Umstände neben ihrer Einigkeit wohl am Meisten zu ver- 
danken, wenn ihnen schliesslich , nachdem die Mittel der 
Strikenden erschöpft waren, der formelle Sieg dadurch zu 
Theil wurde, dass die Gesellen stillschweigend in die Wieder- 
aufnahme der Arbeit zu den alten Bedingungen willigteu. 
Eine mehr als formelle Bedeutung hatte dieser Sieg freilich 
nicht, indem die Festhaltnng der alten Bedingungen nur als 
eine bei der Wiedcranstellung der Gesellen obligato- 
rische Form angesehen wurde, während unmittelbar darauf 
zum grösseren Theile namhaft höhere Lohnsätze bewilligt 
wurden, als sie vor dem Strike gefordert waren. 

Als Sehutzmaassregeln gegen fernere Arbeitseinstellungen 



vm. 

Als wir nach erquickendem und völlig ungestörtem Schlafe 
am nächsten Morgen auf den vor unseren Zimmern befindlichen 
hölzernen Söller hinaustraten, athmeteu wir mit Entzücken die 
reine balsamische Luft, welche die Nähe waldreicher Gebirge 
verkündete. Es war, als ob der stolze Gipfel der zu unserer 
Linken belegenen Akropolis einen frischen Morgengruss herab- 
sendet^ um zur Besteigung einzuladen. Zur Rechten und dicht 
in unserer Nähe stieg die mit Rundbogen - Fenstern besetzte 
Ruine eines kolossalen Backsteinbaues empor, unter den win- 
zigen türkischen Holzhäusern der stumm-beredte Ausdruck einer 
grossen Vergangenheit. Gradeaus schweifte der Wiek über die 
fruchtbare Calcus-Ebcne bis zu den vom Morgcuncbcl noch sanft 
verschlcierteu Bergketten und haftete schliesslich mit Behagen 
auf dem von einer munteren Tbierwelt belebten llofe zu uusern 
Füssen. Bald waren wir, von Dienern und Arbeitern schon er- 
wartet, marschfertig, um unter unseres Freundes Führung zur 
Burg der Attalidcn hinaufzusteigen. 

Es i-t unfraglich eine der gewaltigsten Akropolis -Aulagen, 
welche man sehen kann, von der Natur gleichsam zur Verthei- 
digung geschaffen. Von Süden nach Norden gestreckt, an drei 
Seiten schroff abfallend und nur von der Südseite auf gewun- 
denen Pfaden ersteigbar, erhebt sie sich zu der imposanten Höhe 
von über 300». Leberall siud die natürlichen Terrosscustufen 
durch Abbruch künstlich schroffer gemacht oder durch Futter- 
mauern erweitert; mehre Vertheidigungslinien liegen, von Thoren 
und Thürmcn geschirmt, übereinander. Auf dem höchsten Gip- 
fel thront im Norden diu mächtige Terrasse, von welcher einst 
das prachtvolle Hauptheiligthum der Stadt mit seinen weiss- 
leuchtcnden Marmorsäuleu weit in das Land hinausschaute. 
Unwillkürlich wird man, wenn man die trotz aller Zerstörung 
und Verschüttung noch so stattlichen, tbeilwcis mit Strebepfei- 
lern besetzten und stufenförmig übereinander geordneten Fut- 
termauern bei dem langsamen Aufstiege von unten her betrach- 
tet, an die vielgepriesene Lage des Bergpalastcs von Ekbatana 
erinnert. 

Ucber der untersten sehr zerstörten Mauer auf der Süd- 
oetseite erhebt sich eine zweite Quadermauer niittclinässigur 
Arbeit, in die stark vortretende halbrunde, aber nur aus Bruch- 
steinen erbaute Thürme eingeschnitten sind. Sie ist offenbar 
jüngeren Ursprunges. Noch höher folgt eine über 250» lange, aus 
herrlichen Quadern erbaute und mit starken geböschten Strebe- 



I pfeilern besetzte Futtermauer, deren Technik mit der des statt- 
lichen Perilwlus-Unterbaues des Qlympieinns zu Athen überein- 
stimmt und zweifellos auf gleiche Itauze it (11. Jahrhundert) deutet. 

I Die treffliche Erhaltung der Oberfläche spricht rühmlich für die 
Güte des verwendeten Materials, eines feldspatharmen und des- 
halb nur massig verwitternden Trachyts. Die Südecke schliesst 
ein Dreiviertelrundthurm späterer Zeit , er bildet aber nur die 
herausgenommene Ecke eines starken Oblougthurmes, durch wel- 
chen die alte Strasse, mittels zweier hintereinander folgender 
Thore leiebt sperrbar, emporstieg. Eine in der Strebepfeilcr- 
mauer vorhandene Lücke lässt querschnittartig die interessante 
und nachträglich in solidester Technik erfolgte Hinzufiigung und 
Einbindung der ersteron in eine ältere, viel einfacher behan- 
delte Futtermauer erkennen. Noch höher treten dann krepis- 
artig ummantelte Klippen auf, welche die Unterbauten grosser 
zerstörter Gebäude bildeten, während nach Osten hin und von 
der Strcbcpfeilcrmauer gestützt, wahrscheinlich weitgedehnte 
Gärten sich erstreckten. Westlich von dem Untorthorc mit dem 
vorspringenden Rundthurmo zeigen sich in gleicher Höhe Man- 

I ern aus mächtigen aber stark verwitterten Quadern, deren tech- 

' nische Fügung ein höheres Alter bekundet. Durchschreitet mau 
die Gartenterrasse, so wird die alte, mit röthlichen Granitplatten 
belegte schmale F'ahrstrasse sichtbar, welche in geschickter Füh- 
rung, aber mit sehr steiler Steigung durch Ruinenhügel bis zu 
einer oberen, von zwei vortretenden Thürmen flankirten Mauer 
emporführt. Auf dem Wege dahin liegen alte thönerne Wasser- 
lcituugsröbren, antike Ziegel und marmorne Säulenbaacn. Die 
Thoranlage neust den Anschlug» - Mauern ist schon späten Ur- 
sprungs- l' eberwiegend aus weissen Marmorbruchstücken erbaut, 
umschlugst sie nicht nur architektonische Fragmente aller Art, 
sondern auch zertrümmertes Bildwerk, darunter horizontal gelegte 
Friesplattcn mit fast lebenHgrossen Hochreliefs. Mindestens zwei 
Prachtbauten sind hier begraben worden. Spätdorische und jo- 
nische Bauweise findet sich überwiegend vertreten; die zahlreichen 
Detail* der letzteren sind dabei von eiuer Eleganz und Fein- 
heit, welche an die hochvollcndete Durchbildung der Erechtheion- 
Details erinnern und die Verwendung attischer Architekten am 
Hofe der Attaliden unzweifelhaft bekunden. Aber auch ältere 
Bruchstücke fehlen nicht. An der Südostseite liegen in horizon- 
taler Bettung die Schafttheile von 34 Säulen, theils dorischer, 
theils jouischer Bauweise angehörig. Das Material ist ein grauer 
Granit, der Maasstab nur klein. Und wieder einige 100» nach 
Norden hinauf folgt dann eino zweite, aber offenbar erst in by- 
zantinischer Zeit hergestellte, von 2 Thürmen flankirte Thor- 
anlage, welche herrliche Baustücke verschlungen hat Erst hier 



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— 67 



resp. gegen ungerechtfertigte Mittel zur Durchsetzung der- 
selben ist unter den Meistern eine Petition an die gesetz- 
gebenden Faktoren des Reiches um Erlass von Bestimmungen 
gegen einen Misshrauch der Koalitionsfreiheit in Anregung 
gebracht und zu diesem Zwecke statistisches Material ge- 
sammelt worden; soweit nns bekannt, ist jedoch ein Schritt 
in dieser Hinsicht nicht erfolgt. Nach Beendigung des Stri- 
kes hat man sich sowohl von Seiten der Meister wie von 
Seiten der Arbeiter mit dem Projekte beschäftigt, die bereits 
in England erprobte Institution .der Einigungsämter — 
aus Delegirten der Arbeitgeber und Arbeitnehmer zusammen- 
gesetzte Schiedsgerichte — einzuführen, doch ist es auch in 
dieser Beziehung bei einem Versuche geblieben, da die Stim- 
"er Majorität, zum Mindesten anf Seiten der Gesellen, 



derartigen Schritten noch nicht günstig war. Von dem aus 
der Meisterschaft hervorgegangeneu Vorschlage, die Gesellen 
dadurch zu entwaffnen und den sozialistischen Agitatoren 
den Boden ihres Einflusses dadurch zu entziehen, dass man 
ihnen freiwillig ein noch über ihre Lohnforderungen hinaus- 
gehendes Mehr biete, sowie von der Verabredung der Ber- 
liner Zimmermeister einer neuen, aus frivoler Veranlassung 
hervorgegangenen Arbeitseinstellung bei einem einzelnen Mei- 
ster sofort mit einem allgemeinen Gegenstrike s&mtul lieber 
Arbeitgeber zu begegnen, haben wir schon oben Erwähnung 
gethan. 

Wir haben nunmehr das Verhalten der Gesellen zu be- 
leuchten und eine unbefangene Würdigung der von ihnen 



»er EÖDlg Wilhelm . Kanal bei leael. 

Vortrag des Ucrra Baumeister Mohr 'ini Ostpreussischen 
Der König Wilhe 1 m -Kanal ist eine Wasserstraße, die 
parallel dem kurischen Half läuft und den Mcniclstrom in di- 
rekte Verbindung mit der Stadt Memel resp. deren Holzplätzc 
bringt. Der Uaupthandel der Stadt Memel nämlich besteht in 
Holz' das aus Kussland längs des Menielstromes herankommt, 
in Memel verarbeitet und dann nach England und anderen 
Handelsplätzen exportirt wird. Bei dem Bezug dieser Rohwaa- 
ren, wie er bisher effektuirt wird, müssen diese Hölzer als 
Flüsse verbunden über das kurischo Haff gehen , und hat die 
Memcler Kaufmanuschaft in fast jedem Jahre nicht unbedeu- 
tende Verluste durch Zerschlag dieser Uölzur während deB 
Transports. Um diesem Uebelstande eben abzuhelfen, ist durch 
den König Wilhelm-Kanal eine geschützt liegende Wasserstrasse 
geschaffen, auf der nunmehr der Transport der Waaren ohne 
Gefahr bewirkt »'erden wird. 



Der ganze Trakt des Kanals ist 50,8-1 Km lang und kreuzt 
drei Flussgebiete, nämlich das der Miuge, der Drawöhne und 
der Kitsche, während er an seinem Eudc noch den Schmeltelle- 
Kluss berührt Von diesen Flüssen hat jedoch einzig diu Minge 
einige Bedeutung, während die übrigen nur als kleine Wicscn- 
abwässerungen resp. Abflüsse für übergetretenes Haffstauwasser 
angesehen werden können. Der Kanal beginnt etwa gegenüber 
dem Gute Kuwcrtshof am Momelstroin und zwar durch den so- 
genannten kaiialisirten Taggrabeu, der auf 753,25 1,1 Länge die 
Verbindungslinie zwischen! dem Memel- und dem Miugestrom 
bildet, alsdann wird der Mingestrom auf circa 26,33 Klu Länge 
als Was-erstrasse bis Lankuppen hinauf benutzt. Hier verlässt 
der Kanal das Bett der Minge und geht in westnordwestlicher 
Richtung nach dem Haff zu, bis er^uach ungefähr 6,60 K,u das 



und Architekten- Verein. 

rrcicht Dann folgt er dem Flussbett 
der Drawöhne auf ungefähr 1,88 Km Länge und geht dann in 
fast nördlicher Richtung auf 15 Km Länge nach der Vorstadt 
Schmelz bei Memel, wo er an der Schule No. IV. iu's Haff ein- 
mündet Auf diesem Wege überschreitet er den Klischc-Fluss, 
der durchdämmt und mittels eines neu angelegten Bettes pa- 
rallel dem Kanal in die Drawöhne geführt ist Vor der Mun- 
dung des Kanals wird, geschützt durch einen Molo von nahezu 
1.88 Km Länge, ein Tbeil des kuriachen Haffes von ca. 45,96 I|A 
abgeschnitten, der als Uolzhafeu benutzt werden soll. 

Das Profil des Kanals ist etwa folgendes: Die Sohlo des- 
selben liegt auf 1,57 m unter dem bekannten niedrigsten Wasser- 
stande des kurischen Haffs und hat eine Breite von 18,83 ™. 
Der Leinpfad ist überall linksseitig angelegt, bat eine Breite 
von 2,51"« und liegt 2,83" über der Sohle; rechtsseitig liegt in 
derselben Höhe ein kleines Bankett von 0,63 « Breite. Die 
Böschungen von der Sohle bis zur I-einpfadsböhe sind in der 
Kanalstrecke von Lankuppen bis zum Drawfihnefluss 2fach, von 
da ab bis zum Hafen 3facli angelegt, weil auf der ersten Strecke 
der Boden grösstenteils aus Lehm und wenig Torf, auf der 
zweiten dagegen fast aus lauter feinem Sande besteht Von dem 
Leinpfad ab aufwärts ist in den Abträgen IV, fache Böschung, 
in den Aufträgen dagegen 2 fache Böschung augelegt. Da, wo 
der Kanal niedriges, dem Haffstau ausgesetztes Terrain über- 
schreitet, sind zu beiden Seiten desselben Dämme geschüttet, 
deren Krone 0,63 01 über dem bekannten höchsten Wasserstande 
liegt Die Breite dieser Dämme beträgt 7,53 m und werden die- 
selben gleichzeitig als Parallelwege längs des Kanaltrakts be- 
nutzt Hinter dem Damm auf der Bankettseite ist, da daa 



erreicht man nach Durchschreitung gewaltiger Trümmermassen 
die oberste in sanfter Wiilbung ansteigende Kuppe des Burg- 
berge« von etwa 100™ Breite und fast 400™ Länge. 

Es ist ein weites, unter verdorrten RascuhÜgeln begrabe- 
nes Trümmerfeld edler Hauaulagen. seit Jahrhunderten von 
den pergamenischen Steinhauern und Kalkbreunern nach Mar- 
morquadern durchsucht und dennoch noch immer werthvolle 
Reste klassischer Herrlichkeit bergend. Der schmale Kamm des 
Gipfels ist in der Mitte durch eine 27 m hohe, von unten aus 
der Tiefe herauf geholte prachtvolle Quadermauer nach Nord- 
osten zu verbreitert worden. Dies ist wieder eine Anlage echt 
alexandrinischer Epoche — einer Epoche, welche über unbe- 
schränkte Mittel gebietend, auch Bedürfnissbauten stets in 
grossem monumentalen Sinne behandelte. In gleicher Weise, 
wie hier. batLvsimachus auch das neubegrüudetc Smrrna und 
das nach den Abhängen des Prion und Koressus zurück verlegte 
Ephesus ummauert und bewehrt. Nur Herodes der Grosse hat 
drei Jahrhunderte später den stolzeu Diadochen durch verwandte 
Bauanlagen zu Jerusalem und Masada übertroffen, An der 
Südwestseite und ziemlich parallel Bteigt ciuo ähnliche Futter- 
mauer aus gewaltigen Quadern auf, welche in halber Höhe von 
einem starken halbrunden Gurtgesimsc wirkungsvoll getheilt 
wird. Hinter und über dieser Mauer erhob sich auf einer aus 
schön behandeltem Buckelquaderwerk hergestellten Krepis ein 
Hauptheiligthum der Burg, der sogenannte Ätheua Polias-Tempel. 
Er ist nach Nordnordosten orientirt; sein an der Südwcstseite 
hinzugefügter Peribolus erforderte die Anlage mächtiger ans 
Ualbtonnen- und Ganztonnen-Gew-ölbeu gebildeter Substruktioncn. 
Die Kleinheit der Blöcke, die Mörtelverwendung dazwischen 
und die geringere Technik der in Gussmörtelwcrk hergestellten 
Gewölbe selbst bezeugen aber die beträchtlich spätere Bauzeit 
dieser Zusatz-Anlage. Hinter der Krepisbuckelmauer und unter 
der Cella befinden sich dagegen drei uebeneinanderliegeudo 
Tonnengewölbe, deren Schniusteiuquaderu an allen Fugen eine 
hochvollendete und völlig mörtellose Fügung zeigen. Die aus 
feinkörnigem weissen Marmor hergestellten ßautheile des 
Tempels sind schon sparsam geworden, doch konnten Säulen- 
und Pfeiler-Kapitelle, Architrav-, Balken- und Stroterenbruch- 
stücke, sowie eine Thür-Konsolo noch gemessen werden. Gewiss 
würde eine sorgfältige Ausgrabung noch hinreichend viele Bau- 
glieder ans Tageslicht fördern, um eine angenähert sichere 
Restauration zu wagen. Dallaway, der im Anfange unseres 
Jahrhunderts den Tempel noch bequem messbar fand, scheint 
zu haben. Texier geht an den merkwürdigen 
Akropolis mit gewohnter Flüchtigkeit 



vorüber. Der Tempel war ein sechssäuliger korinthischer Perip- 
teros. Seine zweireihigen Akanthuskapitcllc mit Eckstengclu 
zeigen eine entschieden römische Behandlung, die attischen 
bereits auf Plinthen ruhenden Basen besitzen eine gemeissclto 
Torenspira unten und eine aufwärts gerichtete Blätterspira 
oben. Veberall, bis in die zarten Blattsäume der Decktafeln 
hinein, ist eine feine und sorgfaltige Mcissclarbeit vorhanden. Der 
Maasstab ist mittel gross, der Durchmesser der Säulen beträgt 
1,20 ihre Höhe etwa 10,45 Obschou dieses an hervorragen- 
der Stelle stehende Bauwerk fast immer als Athena-Tcmpel 
bezeichnet wird, so glaube ich doch wegen der echt römischen 
Fassung und der engen Verwandtschaft mit den bekannten 
Augustus-Tempclu zu Ancyra und Mylaasa (letzterer schon 
gegangen) auch hier einen Augustus- und 
kennen zu dürfen, dessen Existenz auf de 
Burg gesichert ist. 

Nachdem schliesslich der hochalte aber noch immer köst- 
liches Wasser spendende Brunnen — der erste Schatz, welchen 
diu Natur hier gestiftet, und der letzte, welcher nach dem Unter- 
gange aller anderen Schätze übrig geblieben ist — besichtigt 
worden war, wurde das Hinabklettern in der glühenden Nach- 
mittagssonne und an der schroffen Westseite nicht ohne allerlei 
Fährlichkeitcn bewirkt Kurz vor dem Wiedereintritte in die 
Stadt stiessen wir auf merkwürdige, ganz aus dem Felsen ge- 
hauene Wohnhausaulageu, deren Aehnlichkeit mit den uralten 
Resten der sogenannten Kranaerstadt an der Westseite der 
Akropolis zu Athen überraschend war. 

In der Stadt sind die Reste antiker Baukunst ebensosehr 
durch Zerstörung zusammengeschmolzen wie durch Ueberbauung 
schwer erreichbar geworden. Der interessanteste Bau ist die 
I auf eine Strecke von 1% m bewirkte durchgängige Ucberbrückung 
des die Stadt von Norden nach Süden durchmessenden Selinus. 
Ea sind zwei parallel gelegte und aus grossen Buckelquadern 
I in guter Schnittsteintecbnik hergestellte Tonnongewölbe, welche 
I auf einer starken mittleren Zungenmauer ruhen. Wie der 
Augenschein lehrt, sind dieselben nur in der Absicht hergestellt 
worden, um einen am Flusse in schräger Richtung belegenen 
grossen Platz in voller Breite bis weit über das ändere jen- 
| seitige Ufer hinaus erweitern zu können. Die selten wohl- 
erhaltenc Bauanlage lässt in Grösse und Technik einen echt 
> monumentalen Herrschersinn erkennen und wird deshalb, sowie 
wegen des Maugels der hier nothwendig gewesenen schiefen 
Tonnen-Gewölbe, die den römischen Architekten schon bekannt 
a, der Attalidcn-Epochc angehören. Weit- 
erreste sowie zwei doppeljochige Rogeubrücken 



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ganze durchschnittene Terrain sein Gefälle nach dem Haffe zu 
hat, ein Parallelgraben zur 'Entwässerung der angrenzenden 
Ländereien angelegt mit 0,68 » Sohlcnbreite und 1 '/» fachen 
Böschungen. Als Minüiialgefallü für diesen Farallelgrabcu sind 
0,087 •»» pro Meter angenommen ; eg ist dieses Gefälle über nur 
auf wenigen Stellen so gering, meistens ist es möglich gewesen, 
0,35 mm pro Meter Gefälle zu gehen. 

Die Bespeisung des Kanals geschieht direkt durch das ku- 
rische Haff und zwar an seiner Austuüudung bei Schmelz, und 
durch den Drawöhuefluss, der sich beim Dorf Drawöhne in'« 
Haff ergiesst. Bei mittlerem Wasserstand beträgt die Wasser- 
tiefe des Kanals 2, "20 » , bei gewöhnlichem Hochwasser 2,67 » , 
bei sehr starkem Südsüdweststurm int es jedoch vorgekommen, 
dass das Wasser bis uuf 3,14 » über der Kanalsohle gestiegen 
ist, jedoch gehören diese Falle zu deu Seltenheiten. In dun 5 
letzten Baujahren ist dieser Fall nur einmal im Jahre 1807 da- 
gewesen. 

Im Speziellen ist über die einzelnen Bauwerke des Kanals 
Folgendes zu bemerken: 

Der Mingefluss hat von dem Dorfe Miuge ab bis zum Dorfe 
Sakuten auf nahezu 22,50 K » Lange durchweg eine Tiefe von 
mehr als 2,83 ■> hei niedrigem Wasser, es war hier also keiner- 
lei künstliche Aulagu weiter erforderlich. Von Sakuten ab auf- 
wart« bis Lankuppen hiu jedoch uchtueu die Tiefen an 3 Stellen 
bis auf 0,70 » bei niedrigem Wasser ab, so dass hier eine Kor- 
rektion des Stromes erfolgen niusste; es ist dies geschehen durch 
Anlage von 4 Buhnensystemen, mittels derer der Fluss bis auf 
seine Nortualbreite von 37.66 » eingeschränkt ist. Drei dieser 
Buhneusysteme sind im Jahre 1870 vollendet und haben bereits 
durch die letzte Herbst- und Frühjuhrsabwässerung dergestalt 
gewirkt, dass selbst bei niedrigem Wasser eine Tiefe von l,'JQ 
bis 2,20 m zwischen den Buhnenköpfen erzielt ist. Das letzte System 
ist jetzt vollendet und wird hoffentlich dieselben Wirkungen äus- 
sern. Die Buhnen sind aus Faschinen mit einfacher Böschung 
an den Seiten und zweifacher am Kopf bei 2.51 m Kroueubreite 
konstruirt. die unterste Faschinenlage am Kopf ist um 0.04 » 
in einer Stärke von 0,01 » hervortretend angelegt, um so ein 
möglichst sicheres Fundament für die Steinvorschürtungon, mit 
denen die Köpfe der Buhneu gesichert sind, zu erhalten. Die 
Kosten dieser Regulirung betragen ca. 12 000 Thlr, 

Der wechselnde Wasserstand der Miuge. der zwischen Hoch- 
und Niedrig -Wasser um ca. 3,11 » bei Lankuppen differirt, 
machte es erforderlich, dass bei Laiikuppen, WO der gegrabene 
Kanal von der Minge sich abzweigt, eine Schleuse augelegt wurde. 
Dieselbe ist von dem früheren Leiter des Baues, dem jetzigen 
Wasserbauinspektor Degner in Stralsund, erbaut, mit massiven 
Häuptern konstruirt, während die eigentliche Schleusenkammer 
in ihren Wänden bis zum Wasserspiegel in Faschinenpackungen 
hergestellt ist. Die Länge der Schleusenkammer beträgt 157 », 
die Breite derselben 23,54 », so dass immer 2 Holztlösse mit 



einem Mal durchgeschleust werden können. Das Oberhaupt ist 
12,55 m lang una ua t einfache Thore, die eine Ueffuung von 
10,83 °* Breite schliessen. Das l'uterhaupt dagegen ist 10,77 » 
laug und hat ausser dem Schleusenthor noch ein Fluththor gegen 
deu Kanal zu. Die Ausgleichung des Wassers geschieht durch 
Schützen in den Thoren. 

Leber den Kanal werden die durchschnittenen Wege mittels 
: hölzerner Brücken übergeführt, die im Ministerium projektirt 
| sind. Sie haben zwei Landjoche, zwei einfache und zwei dop- 
I (Milte Wasserjoche. Der Leinpfad ist unter der Brücke mittels 
I eiues Bollwerks durchgeführt. Zum Durchlassen der Schiffs- 
I mästen sind einfache Mastenk läppen angebracht. Die Länge 
! der Brücke zwischen den I.andjochen beträgt 38.76 », die Breite 
der Durchlassöffuuuu 13,65 », so dass nach Altzug des 2,51 ■ 
breiteu Leinpfades 11,14 » Wasserfläche zur Benutzung für die 
durchgehenden Fahrzeuge übrig bleibcu. Die Breite der Brücke 
zwischen deu Geländern ist auf 5.02 " uonuirt. Es sind in dieser 
Weise Imreits 0 Brücken ausgeführt und hat sich die Konstruk- 
tion derselbe« sehr gut bewährt. 

Zu sänuutlichen Durchlässen siud Zeuieutrflhreu von 0,63 ■» 
| Durchmesser zur Anwendung gekommen, mit Ausnahme eiues 
| kleiuen Kaskadendurchlasses , der von Feldsteinen erbaut ist, 
■ und eines eisernen 1,26 ■ im Durchmesser haltenden Durch- 
lasses mit selbstthätiger Klappe, der das Wasser aus dem 
Luhtze Gebiet durch den Kanataamm hindurch nach dem Kanal 
Rihrt. 

Der Abschlussdamm des Holzhafens gegen das kurische 
Haff hin ist in der Art konstruirt, dass an den beiden Seiten 
[ desselben in eiuer Entfernung von 1S.H3 >" zwei Fasehinenkörper 
bis zum niedrigsten Wasserstand gepackt siud und der Zwischen- 
raum zwischen denselben mit Erde ausgefüllt ist. Nach dem 
Haff zu sind in Entfernungen von 0,63™ durch diesen Fasehinen- 
körper hindurch eichene Pfähle vou 4,0S » Länge und 0,21 ■ 
Durchmesser eingerammt und hiergegen ein Steiureveteineut bis 
zur Höhe von 0.04 « über dem höchsten Wasserstand nach Eniy- 
scher Kurve konstruirt aufgeführt. Gegen das Hafeubassiu zu 
ist ein eiufaches Steinrevctement als Deckung der eineinhalb- 
fachen Böschung angelegt. Der Molo ist deshalb [so breit kon- 
struirt, weil er gleichzeitig als Platz zum Stapeln für Stäbe be- 
nutzt werden soll, und bleiben zu diesem Zweck 6,28 » Breite 
für die ganze Länge des Molos disponibel. 

Die Ausführung des ganzen Bauwerks ist auf der Abthei- 
lung Lankuppen -Drawöhne in Regie geschehen, während die 
Abtheilung Drawöhne-Schiueltellc liurchwcg durch Unternehmer 
in Akkorden von 30—70000 Thlr. ausgeführt ist, uud zwar der- 
art, dass die Aushebung durch Ausschachtung bis auf ca. 1 » vou 
der Sohle erfolgte, der übrige Boden aber alsdann ausgebaggert 
ist. Zur Bewältigung des Grundwassers sind einfache Pater- 
tiootci werke angewandt. Bei eiuer jedesmaligen Inangriffnahme 
von 188 m Kanalstrecke sind je nach der Durchlässigkeit des 



bezeugen die ehemalige solide Ausstattung des Selinus mit 
Verkenrsstrassen und Üferschutzwehren. 

Auf dem linken Flussufer, stromaufwärts von der Ueber- 
brückung steht eine jetzt verlassene, alter im Ganzen woliler- 
haltene Djanii, deren Erbauung dem Bujazct Gülderim (Blitz) 
zugeschrieben wird. Es ist ein oblonger dreischiffiger uud 
dreiwöchiger Bau mit kreuzförmigen Pfeilern, welche spitz- 
bogige Arkaden tragen. In den Seitenschiffen sind oblonge 
Kreuzgewölbe, im Mittelschiffe Zwickelkuppeln vorhanden. Die 
Verhältnisse sind niedrig uud gedrückt; das Material besteht 
unteu aus sorgtältig geschliffenen Truchytquadern. oben in deu 
Gewölben aus Ziegeln. Das an der Westseite belegene Haupt- 
portal ist mit einem derben Kielbogen umrahmt; die Fenster 
sind gepaart; von dem neben dem Portal projektirt gewesenen 
Minarct ist nur der in fünf Seiten des Achtecks hergestellte 
Lnterbau zu Stande gekommen. Die von anderen Reisenden 
ausgesprochene Vermutbung, dass diese Moschee eine altbvzau- 
tinische Kirche sei, welche den Titel Agia Sofia geführt nahe, 
ist mit Entschiedenheit zurückzuweisen. Nichts byzantinisches 
ist sichtbar, alles ist osmanisch und gehört dem Schlüsse des 
XIV. Jahrhunderts an. 

Jenseits des Selinus, auf dem Wege zum Amphitheater 
liegen die in grossen Quadern erbauten Reste des Stadious, 
leider dermaassen verschüttet, dass die l'mrisslinien in den hier 
befindlichen Gärten nur mit Mühe verfolgt werden können. 
Gleich daneben, mit der Front nach Osten schauend uud dem 
Flusse zugekehrt steht eine mächtige spitze Felsklippe von fast 
20» Höhe, an vielen Stellen bearbeitet uud au allen Seiten mit 
Absätzen und oblongen Nischen versehen, um Weihegescheuke 
aufzustellen. In der Mitte öffnet sich eine breite uud rauchge- 
schwärzte Höhle mit einem Steinbett im Hintergründe. Das 
Ganze ist ein urultes Felsen - Uciligthum, dessen Stellung zum 
Flusse wohl nicht ohne Bedeutung ist Auch hier befinden sich 
zahlreiche Spuren alter aber stark zerstörter Felsenhäuser wie 
am Bnrgabhange. 

Ein an dieser Stelle mündender Bach leitet uns mittels 
schmaler auf seinen schroffen Thalrändern befindlicher Pfade 
zu der merkwürdigen Ruine des Amphitheaters. Dasselbe ist 
in origineller Weise unter Benutzung der steilen Thalhäuge so 
über den kleinen Bach gebaut worden, dass die nicht grosse 
Arena von drei parallel nebeneinander gelegten Tonnengewölben, 
welche den Bach in der Längsaxe des Baues überbrückten, ge- 
tragen wurde. Was im Terrain fehlte, namentlich auf der Süd- 
seite, ist durch künstliches Mauerwerk hergestellt worden. Am 
schönsten und wahrhaft grossartig ist der nördliche Abschlus* 



des Thaies durch vier bis 26» Höhe aufsteigende Pfeilermassen 
aus geschliffenen Quadern, welche den charakteristischen Schich- 
tenwechsel von Hoch- uud Flachquadern besitzen und durch 
schräge Strebepfeiler gesichert werden. Nur reduzirte Kunst- 
formen siud vorhanden. Zu den höhereu Theilcn sind die grossen 
Quadern nur an deu Aussenecken verwendet wordeu, während 
der Massenbau den aus kleinen Granitquadern hergestellten 
kubischen Steinverband zeigt. In ähnlicher Weise ist der obore 
Thalhang geschlossen uud mit horizontalen wie schräg geneigten 
Keilschnittgewölben in trefflichster Fügung überdeckt worden. 
Leider sind Taxier'« Aufnahmen auch für dieseu fast einzig zu 
nenneudeu Haurcst des Alterthums weder vollständig uoch geuau. 

Das unweit belegene Theater ist ursprünglich in den nach 
Südosten gerichteteu Hügelabhaug eingeschnitten und erst in 
römischer Zeit durch zentral gestellte tounengewölbte Unter- 
bauten, welche Sitzreihen trugen, am obersten L mgange ver- 

frössert worden. Die Lage ist schön, wie bei allen antiken 
heatern; links die gewaltige Akropolis, zu Füssen die Stadt 
und das CaTcus Thal mit seinen drei grossen Grabhügeln, rechts 
sauft geschwungene, jetzt allerdings von Wald- und Baumwuchs 
eutblösste Hügelketten. Die Anlage ist entschieden griechisch: 
Skene und Theatron sind getrennt; die Abschlussmauern des 
I letzteren sind mit schrägeu Strebepfeilern besetzt; der Aussen- 
durchmesser beträgt etwa 150'». Das Skenengebäude war aus 
Marmor erbaut, seine Uinterwäude stehen noch in Gartenmauern 
verbaut, aber die Orchestra liegt tief verschüttet uud wird seit 
Jahreu als Steinbruch benutzt, um aus den edlen Baubruch- 
stückeu türkische Grabsteine zu meisscln. Die Scheukelmauern 
sind aus Granitquadcrn errichtet; die nordöstlich stehende ist 
älter als die entsprechende der andern Seite. An ihr erscheint 
I wieder der vortrefflichste Bogen- und Buckclquadcrbau iu ab- 
wechselnden Scbichtenhöhen, ganz ähnlich deu besten Futter- 
mauern der Burg und daher auf lysimachische Epoche deutend. 
Die südwestliche Schenkelmauer ist dagegen jüngeren Ursprungs, 
aber aus der besten römischen Epoche, wie das hier befindliche, 
einer schräg geführten Feststrassc als Durchgang dienende 
Bogcnthor beweist, welches mit einem ach ie feelegt e n und 
[ steigend (reführten Tonnengewölbe in Schuittstcinf)ua- 
dern überwölbt ist. Diese Anlage ist in technischer Beziehung 
eine der schönsten, welche ich je gesehen habe. Sie bezeugt, 
bis zu welcher Höhe die Keuutiuss des Steinschnitts im Alter- 
thum entwickelt gewesen sein muss, wenn so schwierige Probleme 
I in einer entlegenen Distriktshauptstadt mit solcher Sicherheit 
gelöst werden Tionnten- (rniMuwi MpJ 



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— 69 



Bodens 2 — 4 solcher Pateniosterwurke iti Thätigkeit gewesen. | 
Es wurden pro Siliachtruthe wechselnd zwischen '21"« und 25'/, 
Sgr. an Preisen gezahlt. Der Unternehmer hatte hierbei säinmt- 
liche Gerätschaften herzugehen und stellte die Verwaltung nur 
0 Handbagger und die dazu nöthigen Prähme, deren Unterhai- ! 
tung jedoch auch Sache des Unternehmers war. Ausserdem hat 
die Verwaltung zwei Dauipfbagger, die theils zur Ausbagiferung 



de« Hafenbasains henutit wurden, theila an den Unternehmer 
gegeu Zahlung einer Pacht pro Arbeitstag hcrgeliehcn worden 
sind. 

Das Bauwerk ist im Jahre 1863 begonnen und wird hoffent- 
lich im Laufe de» Jahres 1872 der Benutzung übergeben werden 
könuen. Die Kostendesselben dürften sich nicht unter 950000 Tblr. 
stellen. 



Mittheilungen 

Baugewerkontag in Berlin. Die Generalversammlung des 
Braudeflburgischeu Baugewerkcn-Vereins, des Vereins .Berliner 
Baubude" und der Delegirteu deutscher Baugewerkeu -Vereine, 
deren Einberufung wir in No. 5 mittheilten, hat nunmehr am 
IS., 13. und 20. Februar in Berlin stattgefunden, und berichten 
wir Uber dieselbe nach deu Referaten in der Vossischen Zeitung 
und der Baugewerks-Zeituug. leider hat der Mangel an luteressu, 
den die Mehrzahl der deutscheu Baugewerksmeister derartigen, 
auf Vereinigung zur Fortbildung und Vertretung des Standes 
gerichteten Bestrebungen zollt und dessen wir in jener Notiz 
gedachten, sich in bedauerungswürdiger Weise bestätigt; die 
Generalversammlung, an welcher im Dezember 1S70 über 250 Per- 
sonen Theil nahmen, beschränkte sich diesmal auf etwa HO Per- 
sonen, unter denen 33 auswärtige Delegirte sich befanden. 

Die Verhandlungen des ersten Tages, Sonntag den IS. Fe- 
bruar, die durch den Vorsitzenden der .Berliner Baubude", 
Hrn. Baltz, eröffnet wurden, umfassten lediglich die Wahl des 
Kureaus und die Einsetzung der Kommissinnen zur Vorberathung 
der verschiedenen vorliegenden Anträge. 

Montag den IH. Februar begann die Sitzung mit einem Vor- 
trage des Vereins-Schriftführers, Hrn. Fetisch, über die Ent- 
wicklung und Tbfitigkcit der deutscheu Baugewerken -Vereine, 
dessen Inhalt ergab, dass die Zahl derselben fortwährend im 
Wachsen begriffen ist und dass es somit an der formellen Vor- 
bedingung einer gedeihlichen Wirksamkeit keineswegs fehlt 
Nach kurzer Debatte wurde demnächst die bisherige Vereinigung 
des Brandenburgischcu Provinzial-Vereins mit der Berliner Bau- 
bude, die sich in der Praxis nicht Itewährt hat, aufgehoben und 
»oll der erste sich neu und selbständig koustituiren. Endlich 
erfolgte die Berathung eines Statuts für einen .Allgemeinen 
Verband der deutschen Baugewerken-Vereine". das nach längerer, 
erst in der Sitzung des nächsten Tages zu Ende geführten Dis- 
kussion festgestellt wurde. Die Grundprinzipien dieses Ver- 
bandes sind bereits im Jahre IS7U beschlossen und nicht ge- 
ändert worden; sie bestehen darin, dass als zur Aufnahme be- 
rechtigte Vereine nur solche ungesehen werden sollen, deren 
Mitglieder einen angemessenen Nachweis ihrer Befähigung zur 
selbst ständigen Ausübung der Baugewerbe geführt haben, sowie 
dass jedes Mitglied eines der verbundenen Vereine beim Wechsel 
seines Wohnortes ohne Weiteres auch in jeden anderen eintreten 
kann. Die Verwaltung wird einem Vorstände übertragen, dessen 
gesebäftsführender Ausschuss der Vorstand der .Berliner Bau- 
bude" ist und dem ausserdem die Vorsitzenden sämmtlicher 
Zweig -Vereine angehören: entscheidende Abstimmungen «(dien 
in einer alljährlich im Februar einzuberufenden Dclegirteu- 
Vcrsammlung, und zwar nach der Kopfzahl der in den Vereinen 
vertretenen Mitglieder stattfinden. Der jährliche Beitrag der 
Vereine ist pro Kopf auf 15 Sgr. angenommen, insofern die Mit- 
gliederzahl nicht 100 übersteigt. 

Ein von Hrn. Dr. Fancher in Aussicht gestellter Vortrag 
musstc wegen Verhinderung desselben ausfallen; nach Schluss 
der Sitzung besichtigte die Versammlung unter Führung des 
Professor Gropius das für diesen Zweck bereitwilligst geöff- 
nete und erleuchtete provisorische Haus des deutschen Reichs- 
tage«. 

Dinstag, den 20. Februar wurde nach Beendigung der am 
Montag abgebrochenen Verhandlungen in die für diesen Tag 
festgesetzt»! Tagesordnung übergegangen, betreffend die Fest- 
stellung eines Normalstatuts zu den Aufnahmebedingungen 
in die Baugewerken-Vereine, uuter Hinzuziehung der Direktoren 
der Baugewerkscholen, von denen allein die Herren Wilda — 
Eckernförde, — und Mollinger — Höxter — erschienen 
waren. Trotz lauger Vorbcrathungen im Schoosse der Kommis- 
sion, welche wegen des umfangreichen Materials allerdings nicht 
zu einem genügenden Abschluss gelangt waren, trat die Ver- 
sammlung in die Berathung des vorliegenden W i I da'scheu Prü- 
ningsentwurfs nicht ein, sondern nahm nach ungefähr einstüudiger 
Berathung folgende Resolution an: 

„Die Kommission beschliesst in Anbetracht, das« die Durch- 
berathuug des vorliegenden Prüfungs-Regletneuts der verfüg- 
baren zu kurzen Zeit halber gründlich nicht möglich war, und 
in Betracht, dass die Ansichten der Kotumissiousmitglieder weit 
auseinandergehen, der Versammlung vorzuschlagen: 

vorläufig von der Berathung des vorliegenden Entwurfs 
abzustehen, dagegen zu beschliessen, dass sich die Prnvinzial- 
Vereinc über den Entwurf schriftlich gutachtlich äussern 
mochten, um dann aus diesem so gesammelten Material von dem 
Zentral-Ausschuss ein Prüfungs-Kegleinent entwerfen zu lassen, 
welches demnächst in einer zu berufenden Delcgirten-Versauiin- 
lung berathen werden soll : 

bis zur Feststellung dieses Reglement« «oll es jedem Pro- 
vinzial-Verein freistehen, die Prüfung seiner aufzunehmenden 
Mitglieder nach einem von ihm selbst aufzustellenden oder 
bereit« aufgestellten provisorischen Reglement vorzunehmen. 
Ebenso können inzwischen die Abgangszeugnisse der Baugewerk- 



aus Vereinen. 

schulen in theoretischer Beziehung als für die Prüfung voll- 
gültig angesehen werden.* 

Der letzte Punkt der Tagesordnung waren die vom Vor- 
stände des Vereins .Berliner Baubude" eingebrachten gedruck- 
ten Anträge. Zunächst wurde die Debatte eröffnet über die Frage: 
.wie haben sich die Baugcwcrks-Meister einem Strikc gegen- 
über zu verhalten", und .welches ist da« beste Büttel, Arbeiter- 
strikes zu verhüten?" Mehre Redner gingen in längerem Vor- 
trage auf diesen wichtigen, noch nicht gelösten Gegenstand ein. 
Zu einem eigentlichen Resultat führten die Verhandlungen in 
so fern nicht, als Niemand ein wirksames Mittel vorzuschlagen 
vermochte, welches geeignet gewesen wäre, diese soziale Frage 
zu lösen. Dagegen nahm man allgemein eine gemeinschaftliche 
Petition an das Staatsininisterium au: etwa eintretende Strikes 
einer vis major gleichachteu zu wollen und auf die strenge Fest- 
baltuug au kontraktlich übernommenen Verpflichtungen in diesen 
Fällen nicht zu bestehen. 

Endlich beschäftigte man sich mit der Frage über die 
zweck massigsten Hülfsmasehinen zum Heben der Materialien 
auf Bauten, — eine Frage deren Bedeutung namentlich darin 
beruht, dass man sich durch die Einführung derartiger Maschinen 
möglichst unabhängig von den für diesen Zweck bisher aus- 
schliesslich verwendeten Arlieitskräften macheu will. — Den 
festlichen Abschluss der Verhandlungen bildete, wie üblich, ein 
gemeinsames Festmahl. 

Arohitekten-Vereln zu Berlin. Versammlung am 24. Fe- 
bruar 1872. Vorsitzeuder Hr. Quassowski; anwesend 165 Mit- 
glieder und 7 Gäste. 

Unter den an den Verein ergangenen Schreiben befindet sich 
eine Aufrage des Sächsischen Ingeniour- und Architektenverein» 
in Betreff der für das nächste Frühjahr beabsichtigten Vereins- 
Exkursion nach Dresden; da über diese Exkursion ein formeller 
Beschluss des Vereins noch nicht gefasst ist, so kann die An- 
frage vorläufig noch nicht bestimmt beantwortet werden. Das 
Weitere soll der später zu wählenden Exkursions - Kommission 
überlassen werden. 

Hr. Blankenstein berichtet über die 4 Entwürfe zu einem 
Denkmale für die Stadt Lieguitz, welche in der unter den Vcr- 
einsmitgliedern zu diesem Zwecke veranstalteten Konkurrenz 
eingegangen sind. Die Lösung war durch die Bedingungen der 
Aufgabe ziemlich eng begrenzt. AU weniger gelungen werden 
zwei Entwürfe bezeichnet, von denen der eine die Figur des 
schlafenden I.öwen, welche deu Haupttheil des Denkmals bilden 
soll, in eine Halle eingebaut hat, während der andere sie auf 
ein auffallend schmales Postament von zu wenig ausgeprägtem 
Sockel, mit einem bedeutungslosen Triglyphenfries gesetzt bat, 
das auf den längeren Seiten in unschön angeordneten Halbkreis- 
nischeu die Inschrifttafeln zeigt — Angenehm wirkte in der 
Darstellung der dritte Entwurf .Königsgreuadiere", als dessen 
Hauptvorzug die sehr gelungene Ausbildung der Situation gelten 
muss. Das Denkmal seihst zeigt einen effektvollen Kontur: auf 
einem als Bank ausgebildeten Sockel einen Stufeuunterbau, 
darauf das fein detaillirto Postament; doch ist das letztere für 
die Figur des Löwen entschieden zu gross und würde diese für 
nahe Standpunkte fast verdecken, ebenso sind einzelne Details 
dem Granitmateriale durchaus nicht angemessen und die Ver- 
wendung farbiger Terrakotten zur Herstellung eines Triglyphen- 
frieses würde in Wirklichkeit zn unruhig wirken. Die Bcurthci- 
lungs-Kummis.siou hat daher diese Arbeit, als deren Verfasser 
Hr. Beruhard Kühn sich ergiebt, dem Liegnitzer Komite nur 
zur Berücksichtigung resp. Ertheilung des zweiten Preises 
empfehlen können. Den ersten Preis und das Vereinsandenken 
bat sie einstimmig der vierten Arbeit mit dem Motto .2000 Thlr." 
zugesprochen, welche da« schlichte, in edlen hellenischen Formen 
gezeichnete Postament, das zunächst von einem Broncegitter 
umgeben wird, auf einem Erdbügel erhöht hat. Der Löwe ist 
hier mit Entschiedenheit als Hauptmotiv zur Geltung gebracht 
und steht die Einfachheit des Ganzen sowohl zu dem Material 
wie zu der Kostensumme in angemessenem Verhältnisse; nur 
werden einige Modifikationen in der Höhe der einzelnen Theilc 
des Unterbaues gewünscht. Verfasser der Arbeit ist Hr. Fer- 
dinand Luthmer. 

Hr. Streckert verliest das Programm für die nächstjährige 
Schinkelfcstaufgabe aus dem Gebiete des Ingenieurwesens — 
Entwurf zu einer massiven Erneuerung der Janowitzbrücke in 
Berlin, — das ohne Bemerkung genehmigt wird. Das Programm 
für die Hochbau-Aufgabe kann erst in der nächsten Sitzung 
vorgelegt werden, da der Referent Hr. Lucae an der Fertig- 
stellung desselben und an der Anwesenheit am heutigen Abend 
verhindert ist. 

Es folgt ein Vortrag von Herrn Römer I. über die Heiz- 
und Ventilations-Eiurichtungen, welche derselbe in seinem Kon- 
kurrenz-Projekte für die städtische Irren -Anstalt zu Dalldorf 
entworfen hat Für die Kirche war Luftheizung, für die Bade- 



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70 



linuner Dampfheizung angenommen ; die Heizung der Pavillons, 
»eiche unter den vorliegenden Verhältnissen am Schwierigsten 
anzuordnen war. ixt als eine Mitteldruck - Wasserheizung (mit 
Erhitzung des Wassers bis zu 100« R.) projektirt worden, jedoch 
so, dass die einzelnen Räume nicht direkt durch die Heizkörper 
erwärmt werden sollten, sondern das« diese ausnahmslos im 
untersten Geschoss sich befinden und die erwärmte Luft durch 
Kanäle den Räumen zugeführt wird. Die Ventilation, welche in 
einem Irrenhause nicht eiue so grosse Rolle spielt, wie in eiuein 
Krankenhause, ist mit der Heizung direkt verbunden; die durch 
einen zentralen Schlot angesaugte frische Luft wird durch ein 
horizontales Kanalnystem zu den Karamern der Heizkörper ge- 
leitet — ein zweites Kaualsystcin führt die verdorbene Luft 
nach einem Aspirationsschornstein. Zu Grunde gelegt ist hier- 
bei die Annahme, dass in jeder Stunde einmal eine vollständige 
Lufterneuerung erfolgen soll. — Der Vortragende äussert übri- 
gens am Schlüsse seinerMittheilungen motivirte Bedenken gegen 
die von den städtischen Behörden getroffene Wahl des Platzes 



Vermischtes. 

Die Frage, der KanaUslrung Berlins — nachdem der 
erste heftige Widerstand der Dilettanten sich gelegt hat, seit 
mehren Jan ren lediglich eine Frage der Zeit — ist abermals 
um einen Schritt vorwärts gerückt. Leider erfolgt dieses Vor- 
rücken in so langsamem Tempo, dass er immer noch zweifelhaft 
bleibt, ob die gegenwärtige Generation sich der Segnungen der 
grossen unentbehrlichen Verbesserung noch wird erfreuen Können, 
zumal nach der Prinzipienfrage zunächst noch die Geldfrage und 
die möglicherweise nicht minder schwierige Frage einer Aus- 
einandersetzung mit dem sogenannten .Strassenfiskus" zu lösen 
sein wird, der augenblicklich wieder einmal mit den städtischen 
Behörden im Konflikt steht Uns dünkt übrigens - beiläufig 
bemerkt — gerade unter den gegenwärtigen Verhältnissen eine 
gemeinschaftliche Lösung der letzten beiden Kragen sich von 
selbst darzubieten; der fcjtrassenfiskus braucht nur sein Besitz- 
recht au den bis 183!) gepflasterten Strassen Berlins, das de facto 
die höchst lästige Pflicht der Unterhaltung dieser Strassen be- 
deutet, unter Leberwoisuug eines der Ablösung dieser Pflicht 
angemessenen Kapitals an" die Kommune der Hauptstadt zu 
übertragen, um alle zukünftigen Konflikte dieser Art aus der 
Welt zu schaffen und der Stadt, wenn auch nicht die ganzeu, so 
doch einen gewissen Theil der zur Ausführung der Kaualisirung 
erforderlichen Mittel zu gewähren. 

Den Stadtverordneten Berlins lagen iu ihrer letzten Sitzung 
zwei neue, auf die Kanalisirungsfragc bezügliche Aktenstücke 
vor — das durch den Baurath Hobrecht aufgestellte spezielle 
Projekt nebst Kostenanschlag zur Entwässerung des Gebiets 
der Dorotheen- und Friedrichstadt, sowie Alt-Kölns — sowie 
ein Bericht der gemischten Deputation für die Reinigung Berlins 
von Auswurfstoffen. 

Das erstgenannte Projekt ist auf Grund eines Beschlusses 
der Stadtverordneten vom 14. Juli 1871 aufgestellt worden und 
ist in dem Erläuterungsberichte gleichzeitig eine Darstellung 
dea bereits seit Sommer 1870 vorliegenden generellen Entwässe- 
rungsprojektes Tür Berlin, von dem diese Arbeit nur ein weiter 
ausgeführtes Detail ist, enthalten- Das Magistrats-Schrei! < be- 
merkt zu der Vorlage, welche Herr Bauruth Ho brecht nach 
dem Beschlüsse der Stadtverordneten demnächst in einer privaten 
Sitzung des Magistrats und der Stadtverordneten uoch mündlich 
erläutern soll — folgendes. .Das Projekt ist einer eingebenden 
Durchberathung der gemischten Deputation für die Reinigung 
Berlins von Auswurfstoffen in einer Reihe von Sitzungen unter- 
worfen worden. Wenn die Anwesenheit hervorragender ärzt- 
licher Autoritäten aus dem Kreise der Stadtverordneten-Ver- 
sammlung in der Deputation zu der Annahme lierechtigt, dass 
Forderungen sanitärer Beschaffenheit bei den Berathungen nicht 
ausser Acht gelassen sind, so hat der Magistrat auch anderer- 
seits geglaubt, bei der grossen Wichtigkeit des Gegenstandes 
auch dafür sorgen zu müssen, dass bei Prüfung der bau- und 
maschinell -technischen Seite des Projekts die Deputation ausser 
durch das berufene städtische Organ auch durch Fachautoritäten 
unterstützt würde, welche dem hierauf bezüglichen Urtheil der 
Deputation allgemeinste Giltigkeit und Zutrauen beilegen. Er 
hat zu dem Ende die Herreu :"l) Geheimen Ober-Baurath Koch, 
2) Geheimen Regieruugsrath und Direktor der Gewerbe- Akademie 
Reuleaux den Deputationsberathungcu beizuwohnen ersucht 
und ist diesem Ersuchen in entgegenkommendster Weise ent- 
sprochen worden. Das Ergebniss der Deputationsberathungcu 
war die Billigung des Projekts für den Fall der Ausführung in 
seinen wesentlichen Theilcn resp. die Amendirung desselben 
nach einzelnen, mehr dem Detail angehörenden Richtungen. Es 
liegt somit jetzt ein sorgfältig ausgearbeitetes und durch hervor- 
ragende Fachautoritäten gebilligtes Entwässerungs-Projekt für 
Berlin vor, welches, indem es früher gehegte Vorstellungen be- 
züglich des erforderlichen Kostenaufwandes auf ihr richtiges 
Maas» reduzirt und Besorgnisse wegen der in den lokalen Eigen- 
thümlichkeiten Berlins liegenden technischen Schwierigkeiten 
beseitigt, in bestimmter Weise zur AnBehauung bringt, welche 
Zwecke unter dem allgemeinen Namen der Entwässerung 
Rcrlins erreicht werden sollen und wio sie erreicht werden 
können." 

Die zweite Vorlage, hervorgerufen durch einen Besch luss 
der Stadtverordneten vom 30. November v. J., hat zum Zwecke 
den gegenwärtigen Stand der Versuche über die Möglichkeit 



für die in Rede stehende Anstalt, den er für die Zwecke eines 
Irrenhauses wenig geeignet finde. 

Den Schluss nilden Frage -Beantwortungen, an denen sich 
der Hr. Vorsitzende, Hr. Streckert und Hr. Häsecke bethei- 
ligen Die von Letzterem aus der Praxis der Berliner Kom- 
munal - Baubehörde entnommene Angabe, dass für Schulzimmer 
die Lage nach Norden jeder anderen vorgezogen werde, während 
die Westseite womöglich vermieden wird, giebt Aulass zu einer 
ziemlich lebhaften Diskussion, in welcher Hr. Blankenstein 
behauptet, dass dies allerdings die Ansicht der Schulmänner, 
nicht aber die der Aerzte sei, welche ein Scbulzimmer, dessen 
Luft niemals der reinigenden Wirkung des Sonnenscheins theil- 
haftig werden kann, durchaus nicht für günstig halten; nach 
ihm verdient im Allgemeinen die Ostlage den entschiedenen 
Vorzug, während mau selbstverständlich mit jeder Lage auskom- 
men kann. Die Ausführungen des Hrn. Häsecke finden da- 
gegen Bestätigung und Unterstützung durch Hrn. Boeckmann. 



einer geregelten Abfuhr der Auswurfstoffe darzulegen. Die 
gemischte Deputation äussert sich darüber wie folgt; 

I. Eine geregelte Abfuhr setzt folgende Vorbedingungen 
voraus: 1) besondere Klosetcinrichtungeu im Hause, 2) Desinfek- 
tion oder wenigstens Deodorisirung der Fäkalstoffe, 3) Organi- 
sirung eines zuverlässigen Fuhrgeschäfts , 4) Absatz der Fäkal- 
stoffe an Landwirthe oder Fabrikanten. Gegenstand eines Ver- 
suchs können nur die Punkte ad 1. und 2. sein, denn bei 3. und 
4. handelt es sich nicht mehr um Versuche, sondern um wirk- 
liche Unternehmungen. Die gemischte Deputation hat sich daher 
von Anfang an die Aufgabe gestellt, die Punkte ad 1. und 2. 
in den Kreis ihrer Versuche und Untersuchungen aufzunehmen. 
Die von ihr aufgeführten Versuche beziehen sich auf folgende 
Methoden: a. die Süvcm'scbe Desinfektion, b. die Lenk'sche 
Desinfektion, c. das Erdklosct, d. das Müller-Schür'sche 
Kloset, e. das verbesserte Müller-Schür'sche Kloset, f. das vou 
Professor Müller angegebene Verfahren der Trennung der Fäkal- 
stoffe und des Urins (Versuche in einem besonders gebauten 
Priv<[- auf dem Arbeitshaus-Grundstück), g. das Liernur'sche 
Verfahren, h. dos Berieselungs-Verfahreu. Diese sämmtlichen 
Methoden hat die Deputation geprüft. 5 dieser 8 Methoden ge- 
hören ausschliesslich der Abfuhr an; ein Versuch bezieht sich 
ausschliesslich auf die Kanalisation. Die Berichte über das 
SüveruVche und Lenk'sche Verfahren sind schon gedruckt und 
den städtischen Behörden übergeben. II. Eine anderweitige 
Abfuhr-Methode, welche hier einen Vertreter fände, ist der 
Deputation, ausser den geprüften, nicht bekannt III. Es ist 
endlich angegeben, welche Bedeutung einem Abfuhr- Versuche 
unsererseits Beigelegt wird, wenn ein solcher gelungen wäre. 
Wir sind zu der Ueberzeuguug gelangt, dass in der mit Wasser- 
leitung versehenen Stadt Berlin 1) eine Kanalisation neben einer 
jeden Abfuhr zu erbauen ist, 2) dass diese Kanalisation in bei- 
den Fällen, d. h. also, wenn daneben eine Abfnhr besteht, oder 
wenn die menschlichen Dejektionen durch die Kanäle abgeführt 
werden, nach denselben Dimensionen, in derselben Grösse 
und mit denselben Kosten hergestellt werden muss. 3) Dass 
also die Kosten einer Abfuhr, wenn eine solche neben der 
Kanalisation besteht, in ihrem ganzen Umfange den Kosten einer 
Kanalisation hinzutreten. 4) Dass die durch den Verkauf der 
Fäkalien za erzielenden Erträge nicht eine solche finanzielle 
Höhe erreichen würden, um die Kosten des Abfuhrwesens zu 
decken. 

Es ist in der Deputation von keiner Seite bezweifelt, 
dass in denjenigen vorstädtischen Bezirken Berlins, welche die 
Wasserleitung noch nicht haben, eiue Kanalisation bis dahin, 
wo dies eingetreten ist, unmöglich ist, und dass die Abfuhr 
dort fürerst die einzige Möglichkeit bleibt, die Reinigung dieser 
Gegenden Berlins von Auswurfstoffen einigermaassen zu er- 
reichen. Die Deputation ist in sich auch ferner darüber einig, 
dass zur Verbesserung der jetzt dort bestehenden Abfuhr nicht 
Versuche zur Lösung eines nicht vorhandenen Problems, sondern 
verschärfte polizeil ichc Maa ssregeln erforderlich sind; 
auch kann man über die polizeilichen Maassregeln selbst kaum 
im Zweifel sein. Es würde zu fordern sein, 1) dass die Mist- 
gruben zur Aufbewahrung der Fäkalstoffe und des Urins auf 
den bewohnten Grundstücken beseitigt werden. 2) dass jede 
Haushaltung einen Kübel oder Fass dessen Grösse höchstens 
die Dejektionen einer Woche aufzunehmen im Stande ist nebst 
einem Reserve-Kübel oder Fass sich beschaffe. 3) dass wenigstens 
wöchentlich einmal die Abfuhr (in verschlossenen Wagen) bei 
Nacht stattfinden müsse, 4) dass Fass oder Kübel nur in voll- 
ständig gereinigtem Zustande nach der Entleerung wieder in 
Gebrauch genommen werden dürfe etc. 

Hiernach glaubt die Deputation sowohl die nöthige Parität 
bei den bisher angestellten Versuchen beobachtet zu haben, 
(obwohl sie den Abfuhrversuchen nur eine untergeordnete Be- 
deutung bei der Reinigung Berlins von Auswurfstoffen zuer- 
kennen kann), als auch eine Vorlage behufs Anstellung eines 
anderweitigen Abfuhrversuchs nicht machen zn können. Da- 
gegen wird sie einen zusammenfassenden Bericht über die Er- 
gebnisse ihrer Thätigkeit erstatten, sobald ihre Untersuchungen 
über die bis jetzt uoch nicht ganz zu Ende geführten Arbeiten, 
namentlich in Beziehung auf die Berieselung, sowie auf die 
geologischen, chemischen und statistischen Aufgaben, welche der 
Deputation gestellt sind, zum Abschlüsse gerührt sind. 



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71 



Eine permanent« Ausstellung moderner konstgewerb- 
ler Arbelten des In- und Auslandes wird in einem eigen» 
dam bestimmten Saale des Oesterreichischen Museums für Kunst 
und Industrie veranstaltet werden. Wie uns die Direktion des- 
selben mittheilt, werden für diese Ausstellung, zu deren Be- 
schickung eingeladen wird, folgende Gesichtspunkte 
beod sein: 

1. Es kennen nur Gegenstande zugelassen werde 
in Form und Ornamentation ausgezeichnet sind, oder doch einen 
hohen Grad der kunstgewerblichen Technik, oder die Anwendung 
eines neuen technischen Verfahrens auf Kunstgewerbe zeigen. 
In zweifelhaften Fallen entscheidet eine J u ry über Annahme oder 
Ablehnung. Bei Werken des Auslandes, welche nicht durch die 
betr. Künstler, Fabrikanten etc. selbst zur Ausstellung gelangen, 
ist doch immer der Ursprung genau anzugeben. Arbeiten von 
Dilettanten oder Arbeitarn müssen ausdrücklich als solche 



t. Die Gegenstände müssen zuerst angemeldet und nach 
erfolgter Verständigung über den Zeitpunkt der Einlieferung 
kostenfrei in das Museum geschallt werden. 

3. In der Regel soll ein Gegenstand durch sechs Wochen 
ausgestellt bleiben; falls eine kürzere oder längere Zeit ge- 
wünscht wird, ist darüber mit dem Museum Vereinbarung zu 
treffen. Für Gegenstände, welche ohne solche Vereinbarung 
über den festgesetzten Termin im Museum belassen werden, 
kann keinerlei Haftung übernommen werden. 

4. Bei besonders kostbaren oder zerbrechlichen Gegenstän- 
den ist für deren Sicherheit vom Aussteller Vorsorge zu treffen. 

5. Platzgebühr ist nicht zu entrichten. 

6. Bei verkäuflichen Gegenständen des Inlandes kann der 
Preis angegeben werden. 

7. Auswärtige Aussteller müssen dem Museum einen Ver- 
treter in Wien namhaft machen. 

Für die ebenfalls permanente Ausstellung der zeichnen- 
den reproduzirenden Künste (Kupferstich, Holzschnitt, 
Chromo- Lithographie, Photographie u. s. f.), für dio ein beson- 
Saal resemrt ist, wird ein besonderes Reglement erlassen 



Brücken. Der Umstand, dass die Aus- 
führung der grossen internationalen Brücke zu Buffalo (welche 
die Vereinigten Staaten mit Canada verbinden soll), sowie einer 
anderen grossen Eisenbrücke in Canada amerikanischen Brückcu- 
bau-Untcruehmen) nach siegreicher Konkurrenz mit englischen 
Mitbewerbern übertragen ist, scheint in Amerika einiges Auf- 
seben zu erregen. Er veranlasst unsern dortigen Korrespon- 
denten, in Folgendem auf die Vorzüge hinzuweisen, welchen das 
amerikanische Brückenbausystem diesen Sieg über das englische 
zu verdanken hat. 

Ihr Hauptaugenmerk richten die Amerikaner darauf, die 
Brücken so viel als möglich in den Werkstätten fertig zu 
machen, und die Arbeiten auf der Baustelle auf ein iiusserstes 
Minimum einzuschränken. Sie scheinen es in diesem (übrigens 
auch hier zu Lande gethcilten) Bestreben allerdings weit gebracht 
zu haben, da sie im Stande sind, eine Brücke von 60™ Spann- 
weite, wenn es nßthig, binnen 2 Tagen nach Vollendung der 
Gerüste soweit fertig zu stellen, dass Bie sien frei trägt. 

Auch wird auf möglichste Gleichartigkeit der Konstruktions- 
theile hingewirkt und dadurch eine sehr ausgedehnte Anwen- 
dung der Maschinenkraft ermöglicht, sowie die Genauigkeit der 
Arbeit befördert. Die Einschränkung der zum Bruckenbau 
nöthigen Handarbeit gestattet natürlich auch die Preise billig 
zu stellen. Dazu kommt, dass man in Amerika im Allgemeinen 
leichter konstruirt als in England. Und dennoch sind die ame- 
rikanischen Brücken sowohl im vertikalen als im horizontalen 
Sinne steifer als die englischen, da sie gemeinhin höhere Träger 
erhalten und in Folge dessen sowohl oberhalb als unterhalb der 
r ahrbahn mit Horizontalverband 



Zur Frage der Qehaltsverbesaerang der Prensalaohen 
Baubeamten ist die erfreuliche Mittheilung zu melden, da&s 
unter den Anträgen der Budget-Kommission, welchen der Finanz- 
minister in der Sitzung vom 2ß. Februar seitens der Regierung 
zugestimmt hat, auch Folgeudes gehört: „Die Regierung aufzu- 
fordern, darauf Bedacht zu nehmen, dass die fixirten Vergütun- 
gen für Bureaukosten, Schreibhülfe, Fuhrkosten u. dergl. nament- 
lich für Landräthe, Baubearoten und Distriktskommissarien, 
auf einen dem wirklichen Bedarfc entsprechenden Be- 
trag festgesetzt werden." 

Ans der Fachliteratur. 

Zeitschrift des Architekten- und Ingenieur -Vereins zu 
nnorer. Jahrgang 1871. 

A. Aus dem Gebiete des Ingenieurwesens. 
(Fortsetzung). 

5. Michaelis und Hess, das Projekt des Woser- 
Elbe-Kanals. — Bei dem ausserordentlichen Aufschwünge, 
welchen der Verkehr Deutschlands in der letzten Zeit genom- 
men hat, und welcher es dringend wünschenswert!} macht, dass 
ihm neue recht leistungsfähige Wege er lossen werden, muss 
die Mittheilung dea vorliegenden Projekte als sehr zcitgeinäss ! 
bezeichnet werden. 

6. Scbmiedeeiserne'Brücken der Südharzbahn, 
von Ingenieur Rooth in Hannover. — Mitgetheilt werden 
die Sieberbrücke (rechtwinklig mit zwei Oeffnungcn von 14,60» | 



lichter Weite, Fachwerk ) und zwei Wegeunterführungen. Die 
charakteristische Konstruktion der Fahrbahn, wiewohl etwas viel 
Holz erfordernd, empfiehlt sich wegen der Verminderung der 
Gefahr bei Entgleisungen auf der Brücke, die sie herbeiführt, 
sowie wegen der Möglichkeit, die Schieuenstösse an jeder belie- 
bigen Stelle der Brücke, auf die sie beim Legen des Oberbaues 
treffen, solide und einfach zu unterstützen. Zweckmässig ist 
auch die Befestigung der Schwellen an den Schwellenträgern. 
Der Berechnung der Schwellen und Querträger ist das bedeu- 
tende Gewicht einer Lokomotive von 1020 z , welches sich 
gleichmässig auf « Räder mit 1,75" Randstand vertheilt, zum 
Grunde pelegt 

7. Die Georgs-Marienhütte bei Osnabrück, von 
Oberbaurath Funk. — Der Georgs-Marien-Bergwerka- und 
Hüttenverein ist im Jahre 1850 als Aktiengesellschaft entstan- 
den. Von da an haben sich seiue Aulagen sukzessive vergrößert, 
werden sich aber erst jetzt, wo sie durch AnschlusB an die 
Venlo-Hamburgor Bahn direkte Eisenbahnverbindung erhalten, 
zu ihrer vollen Bedeutung entwickeln können. Letztere lä&st 
sich darnach beurtheilen, dass mau den jährlichen Transport auf 
der Anschlussbahn nach Bahnhof Uassbergen (Venlo-Iiamburg) 
zu 8 100000 z annimmt. Ausserdem werden von den Gruben 
am llüggel und Kothen Berg, wohin von der Hütte ebenfalls eine 
Bahn (die sogen. Hüggelbahn) geht, jährlich 55000U0 2 Erze 
heranzufahren sein. Es war an der Hütte also auch eine ziemlich 
ausgedehnte Bahnhofsanlagc erforderlich, welche den Antheil 
der Bautechniker an der ganzen Mittheilung vor Allem in An- 
spruch nehmen dürfte. Die Geleiseanlage kann als ein Muster 
der deutschen Lösungsart solcher Aufgaben betrachtet werdeu, 
da die Zugänglichkeit aller Theilc des gegebenen Bahnhofster- 
rains im Wesentlichen durch Weichcnverbindungen erzielt und 
das so geschaffene Netz durch Drehscbeibengeleise nur vervoll- 
ständigt ist. 

Die Hochöfen, deren Konstruktion als die neueste, auf die 
bisherigen ausgedehnten Erfahrungen gestützte bezeichnet wird, 
sind ausführlich dargestellt 

Auch die Windwärmapparate sind neu, und sollen gegen 
die bisherigen Konstruktionen erhebliche Vortheilo bieten. 

Die Steinbrechmnscbine der Georgsiuarienhütte (welche 
skizzirt ist) stellt eine Verbesserung der Blake" scheu Maschine, 
dar und hat als solche bedeutende Erfolge errungen und viel 
Nachahmung gefunden. In Belgien ist sie der Hütte pateutirt- 

Als Nebenprodukt der Hütte werden die Schlacken zur Fa- 
brikation von Trassniörtel und künstlichen Steinen in so aus- 
gedehntem Maasse verwendet, dass sich in Osnabrück eine eigene 
Fabrik (H. W. Meyer 4 Co.) zur Ausbeutung derselben hat bil- 
den können. 

Zum Betriebe des Werkes einschliesslich des Bergbaues 
sind G9 Dampfkessel der verschiedensten Art thätig. 

An Kokesöfen sind 200 Stück thätig, 100 im Bau. Diesel- 
ben sind nach dem sogen. Francois'schen System mit Thüreu 
an beiden Enden, hohlen Seitenwänden und Sohlen, in welchen 
die Züge für die Gase liegen, mit Maschinen zum Auspressen 
der Kokcs aus den Oefen, welche durch lokomobile Dampfma- 
schinen betrieben werden, hergerichtet. 

Der Georgs -Marienhütte -Bergwerks- und Hüttenverein be- 
schäftigt gegenwärtig 1M0 Arbeiter. Schon im Jahre 1860 wurde 
dort eine selbstatändige politische Gemeinde geschaffen, welche 
seitdem eine erhebliche Entwicklung erfahren hat und hoffent- 
lich einer noch weit blühenderen Zukunft entgegengeht 

8. Projekt nebst Kostenanschlag eines Wasser- 
werkes für die Städte Dortmund und Hörde nebst 
Umgebung, von Ingenieur Clauss in Braunschweig. — 
Da zur Ausführung dieser Anlage eine Art Submission unter 
Technikern ausgeschrieben war, ist das Projekt des Hrn. Clauss, 
der nicht der Mindestfordernde war, nicht zur Ausführung ge- 
kommen. Dass dasselbe nun doch veröffentlicht wird, ist gewiss 
dankbar anzuerkennen, da solche nicht ausgeführten Entwürfe 
ja oft prinzipiell ebenso richtige und bisweilen grossartigere Lö- 
sungen enthalten als die wirklichen Ausführungen. 

». Zur Theorie des Erddruckes liege 
als drei Arbeiten vor, und zwar 

a) Beitrag zur Theorie des Erddruckes von Baurath Mohr 
in Stuttgart; 

b) Berechnung der Futter- und Flügolmauern in Damm- 
schüttungen von Ingenieur G. Menge!; 

c) Bemerkungen des Professor Wink ler zu dem unter a) 
angeführten Aufsatz, mit desseu Auffassungen sich Hr. Winkler 
nicht einverstanden erklären kann. 

Die theoretische Behandlung dieses schwierigen Theiles der 
Statik wird bei so reger Bctheüigung wissenschaftlicher Kapa- 
zitäten hoffentlieh der Klarheit entgegengeführt werden. Zu be- 
dauern ist nur, dass durch die vielen Zufälligkeiten, welche, bei 
Erddruck immerhin vorkommen können, und die Schwierigkeit, 
vor Aufstellung der Projekte mit der zu verarbeitenden Erdart 
Versuche anzustellen, der Werth jener Theorie für die Praxis in 
so vielen Fällen mehr oder weniger illusorisch wird. 

10. Die Aufnahme des Terrains mit dem Distanz - 
messer bei Eisenbahnvorarbeiten, insbesondere die 
Methode von Moinot, von Ingenieur C. Heuser in 
Berlin. 

Diese Aufnahmen beruhen darauf, dass die Entfernung eines 
Punktes vom Beobachter tfus der Länge geschlossen wird, welche 
zwei horizontale Fäden im Fernrohr auf einer vertikal auf den 
Punkt gehaltenen Latte abschneiden, wobei dann zugleich durch 
den Elevatiouswinkel des Fernrohre* der Höhenunterschied der 



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— 72 — 



Punkte gemessen wird. Dio Vortheile der Methode, welche aller- 
dings uicht unbekannt war, springen in die Augen. Wenn da- 
her hier unternommen wird, durch eingehende Beschreibung 
derselben ihre allgemeine praktische Anwendung in Deutsch- 
land anzubahnen, so kann die« nur als sehr verdienstlich be- 
zeichnet werden. Gleichzeitig wird der zur schnellen und vor- 
theilhaften Ausübung der beschriebeneu SIe8Kuug»tnethüde er- 
forderliche logarithmiscbc Rechenschieber waren empfohlen. 

Konkurrenzen. 

Die Konkurrenz für Entwürfe zu einem NaUonal- 
Denkmal auf dem Niederwald, deren bevorstehenden Erlass 
wir in No. 1 d. laufend. Jahrg. erwähnten, ist nunmehr durch 
folgende Bekanntmachung eröffnet Die ebenso seltene, wie in- 
teressante Aufgabe, ein« der poetischsten, die jemals deutschen 
Künstlern gestellt worden ist, wird gewiss nicht verfehlen, zu 
zahlreicher Betheiligung auch unter den Fachgcnosseii anzu- 
regen. Das Komite würde sich übrigens den Dank aller Künst- 
ler erwerben, wenn es von dem zur Aufstellung des Denkmals 
zunächst in Aussicht genommenen Punkte einen genauen Situa- 
tionsplan und eine oder mehre Photographien aufnehmen Hesse 
und diese so schnell als möglich zur Disposition der Konkur- 
renten stellte. 

1) Zum Andenken an die jüngste sieg- und erfolgreiche, 
einmüthige Erhebung des deutschen Volkes und an die Wieder- 
aufrichtuug des deutschen Reiches soll ein National -Denkmal 
auf dem Niederwald, gegenüber dem Eiuflussu der Nahe in dpn 
Rhein, errichtet werden. 

21 Die Konkurrenz zur Einsendung von Eutwürfeu zu die- 
sem Denkmal ist für alle deutschen Künstler eröffnet. — Ihrer 
Wahl ist dio Bestimmung des künstlerischen Charakters des 
Entwurfs — Plastik oder Architektur oder eine Verbindung 
beider — überlassen. Für den erstereu Fall ist die Ausführung 
in Erzguss in Aussicht zu nehmen. 

3) Als Standort des Denkmals ist vorerst der Leinginfcl ge- 
dacht, ein Hügel, etwa auf zwei Drittel der Höhe des Nieder- 
waldes, 500 Fuss über dem Rhein, gerade gegenüber dem Ein- 
flüsse der Nahe, ohne jedoch damit andere geeisnete Punkte am 
Abhänge des Niederwaldes auszuschliesseu. Die Kosteu des 
Denkmals einschliesslich der Aufstellung sollen den Betrag von 
250 000 Thlr. nicht überschreiten. 

4) Die koukurrireuden Modelle sind in Gypsabgüssen ein- 
zusenden, welche die Höhe von 1 % Meter ebensowenig ülier- 
Bchreiten, als unter einer solchen von 75 Zentimetern bleiben 
dürfen. Für rein oder vorwiegend architektonische Entwürfe 
ist statt dessen die Einsendung vollständiger Zeichnungen in 
ähnlichen Dimensionen gestattet. 

2) Die Modelle bezw. Zeichnungen müssen bis längstens 
3. September 1872 in Berlin unter einer demnächst bekannt zu 
machenden Adresse eingetroffen »ein, um zur Koukurreuz zu- 
gelassen werden zu können. In diesem Falle übernimmt der 
Ausscbuss die Kosten der Hin- und Rückfracht Sie müssen 
mit einem Motto für die öffentliche Ausstellung versehen und 
von einer überschläglichen Berechnung der Kosten der Aus- 
führung und Aufstellung, sowie von einer genauen Bezeichnung 
des Standortes, falls als solcher eine andere Stelle des Nieder- 
waldes, als der Leingipfel, vorgeschlagen wird, («»gleitet sein; 
ausserdem ist für das Preisgericht ein versiegelter Zettel bei- 
zufügen, welcher Namen und Adresse des Künstlers enthalt und 
aussen dasselbe Motto tragt, wie der Entwurf. Die öffentliche 
Ausstellung der Modelle und Zeichnungen findet mindestens 14 
Tage vor dem Urtheilsspruch des Preisgerichts in Berlin statt 
und bleibt eine solche auch an anderen Orten vorbehalten. 

G) Das Preisgericht hesteht aus folgenden Künstlern und 
Kunstkennern: Professor Drakc in Berlin, Professor Eggers 
in Berlin, Professor Dr. Hähne! in Dresden, Professor Lübke 
in Stuttgart, Oberbaurath Professor Schmidt in Wien, Oberhof- 
baurath Professor Strack in Berlin, Professor Zumbusch in 
München. Dasselbe hat bei seinem Spruch ebensowohl auf 
den absoluten Kunstwerth der Arbeiten , als auf die Angemes- 
senheit und Ausführbarkeit derselben nach Maassgabe des vor- 
stehenden Programms zu sehen. 

7) Dem Autor des hiernach von dem Preisgerichte als der 
beste erkanuten Entwurfs wird entweder die Ausführung des- 
selben innerhalb der durch die verfügbaren Mittel gezogenen 
Grenzen übertragen, oder ein Preis von ItOOO Thlr. zuerkannt 

8) Pur den zweitbesten Entwurf wird ein Preis von 1000 
Thlr., für den drittbesten ein solcher von 500 Thlr. ausgesetzt. 

9) Der zur Ausführung bestimmte, sowie die mit Preisen 
gekrönten Entwürfe werden Eigenthum des. Ausschusses mit dem 
ausschliesslichen Rechte der Vervielfältigung. 

Frankfurt a. M., im Februar 1872. 

Der geschaftsführunde Ausschuss 
des Komite« zur Errichtung eines National - Denkmals auf dem 
Niederwald. 



Brückenbau zn Bad Ems. Unter diesem Titel lesen wir 
unter deu Inserateu der Kölnischen Zeitung folgendes eigentüm- 
liche Konkurrenz -Ausschreiben: 

„Die hiesige Stadtgemeinde beabsichtigt, ein 



Fussbrücke über die Lahn daliier zu erbauen, und ladet 
sachkundige Techniker zur Aufstellung und Einreichung 
geeigneter Baupläne mit dem Anfügen ein, dass für deu zur 
Ausführung geeignet befunden werdenden Plan ein Prei* 
von 100 Thalern bezahlt wird. 
Bad Ems, 17. Februar 1872. Der Bürgermeister Stauch. - 
Wir brauchen wohl nicht näher auszuführen, doss eine der- 
artige Konkurrenz gegen jeden Brauch verstösst und für den 
Techniker, der sich darauf einlassen würde, nicht die geringste 
Garantie bietet. Nichtsdestoweniger wollen wir nicht verfehlen, 
alle diejenigen, »eiche mit deu Verhältnissen nicht etwa naher 
vertraut sind, ausdrücklich vor eiuer Betheiliguug zu warneu. 

Personal - Nachrichten. 

Deutsches Reich. 
Zum vortragenden Ruthe im Bundeskanzler-Amte an Stelle 
des ausgeschiedenen Geh. Ober-Bauraths Hart wich ist (wie 
wir in Folge eines Versehens nachträglich berichten müssen) 
der Geh. Baurath Kind, bisher Rath im Prcuss. Miuist für 
Handel etc.. ernannt worden. 

Preussen. 

Ernannt: Der Baumeister Kubale zu Krotoschin zum 
Eisenbahn-Haumeister bei der Stargard-Poscuer Bahn in Star- 
gard i. P. Der Bau-Kommissar Stern zu Leugerich i. Westpb. 
zum Kreisbaumeister zu Prüm, Reg.-Be*. Trier. 

Versetzt: Der Regierung»- und liaurath Franz zu Kob- 
lenz als Hülfen Leiter in die Eisenbahuabtheiluug des Ministeriums 
für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten nach Berlin. Der 
Regierung*- und Bauruth Vogel in Berlin nach Kobleuz. 

Die Bau meist er- Prüfung halten bestanden: Bauführer 
Heinrich Böhme aus Göttingeu: Architekt Theodor Becker 
aus Wablstorff in Holstein; Karl Heinrich aus Jastrow; Max 
Spitta aus Lissa; Karl Herman Wex aus Schwerin i. M.: Paul 
Georg Eduard Jacob aus Löwen. 

Das Bauführer-Examen haben bestanden: Feldmesser 
Aug. Ferd. Ludw. Bauer aus Dirschau; Wilh. Heinr. Hermann 
Rasch aus Magdeburg ; Traugott U uger uu_s Luckenwalde: Otto 
Peters aus Magdeburg: Franz Coulmann aus Darmstadt: 
Alpbons de Ball aus Lobberig bei Crefeld; Ernst Ross- 
kotheu aus Rosskotheu bei Kettwig; Wilhelm Effmann aus 
Werden a. d. Ruhr: Friedrich Eduard Otto aus Neudorf bei 
Reichenhach: Karl Ludolf Müller aus Steinhöfel i. P.; Ulrich 
Alter aus Prauss bei Nimptsch; Feldmesser Wilhelm Nitka 
aus Königsberg i. Pr. 

Brief- und Fragekasten. 

Herrn Landwirth F. N. in L. Ob die von dem Un- 
ternehmer beiin Bau Ihres Rindriehstalles gewählte Konstruktion 
von Gewölbekappen zwischen eisernen Trägem, welche auf Säu- 
len ruhen, auch bei Annahme eiuer Gewölbe&tärke von V« Stein 
und porösen Steinen ohne Gefahr auszuführen sein wird, kaun 
erst mit völliger Sicherheit beurtheilt werden, wenn man die 
Bau- und Detail-Zeichnungen einsehen kann und die über dem 
Gewölbe möglicher Weise eintretenden Belastungen kennt Für 
die vorhandene Spannweite ist die Gewölbostärke etwas gering, 
genügt aber vielleicht in Anbetracht aller Verhältnisse. Die 
Reduktion fühlt sich nicht berufen, technische Gutachten auf 
Grund kurzer brieflicher Angaben über Bauausrührungen abzu- 
geben; sie wird aber, wenn Sie es wünschen, Ihnen eiuen Tech- 
niker nachweisen, der das fragliehe Projekt prüft und ein Gut- 
achten darüber aufstellt. 

Hrn. K. in Breslau. Für die auf Seite 413, Jhrg. 1871, 
mitgetheilten Ziffern ültcr die Gesammtzahl der den einzelneu 
Rang- und Gehaltklassen augehörigen Baubcamten sind wir nicht 
verantwortlich; wir habeu dieselben ohne Kontroln dem Etats- 
Entwurf entnommen. Eine ausführlichere Mittheilung dieses 
Entwurfs, resp. dos demnächst festzustellenden Etats — falls 
die Gehaltszulagen sich nicht wesentlich ändern, wird wohl 
kaum erforderlich sein, da mittlerweile jeder Beamte auf amt- 
lichem Wege von der auf ihn fallenden Zulage Kenntniss erhal- 
ten dürfte. Wir berichtigen übrigens einen in jeuer Notiz ent- 
halteueu Irrthum. Der bautechnische Hülfsarbeitcr im Finanz- 
Ministerium ist. von der Gehaltsverbesserung nich t ausgeschlos- 
sen, sondern »oll von 1000 auf 1200 Thlr. erhöht werden. 

Hrn. II. in Lemberg. Den Entwurf zur neuen Bauord- 
nung für Berlin und das Promeraoria der Baubude wollen wir 
Ihnen gern verschaffen: das Referat der Architekten-Vereins- 
kommissiou, das nicht gedruckt worden ist, können Sie sich 
in keiner anderen Weise versebaffeu, als indem Sie den Vorstand 
direkt ersuchen, Ihnen eine Abschrift desselben zukommen zu 
lassen. Der Erlass einer neuen definitiv festgestellten Bauord- 
nung für Berlin wird sich jedenfalls noch geraume Zeit verzögern. 

Berichtigung. In dem Aufsatze über Zementdachplatten 
in Nr. 7 ist auf Seite 52 in Folge eines Druckfehlers die Weite 
der Lattuug uuf 18« m angegeben, während es 48"" heissen soll. 
In Nr. 8 ist am Schlüsse der unter den Mittheilungen aus Ver- 
einen enthaltenen ersten Notiz über das Verhältnis« des Verban- 
des zum Verein deutscher lngeuieure das leicht einzuschaltende 
Wort „ohne- fortgeblieben. 



lllustrationsbeilage: Facade der St Johanneskirche im Norder -Kirchspiel 
Der Text und die übrigen Zeichnungen folgen in einer späteren Nuninrer. 



toi. C.Ii B..III1 ta 



Um** vw. O «br.d.r Kicker . In lk.li,i. 



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£st. Johannes - Kirche im [Vorder- Kirchspiel zu Altona. 




Jahrg. Tl. M 10. 

DEUTSCHE BAUZEITUNG 




Organ des Verbandes 

deutscher Architekten - und Ingenieur-Vereine. 

Redakteur Z. £. 0. Fritioh. 



Inaerate 

ftr 41. L«er «fr l 
Sutrllen« Kirim Aefnalun- 
la «er wialte-aWlate: 



PrcU 1 Tbaler pre Quartal. 


Berlin, den 7. März 1872. Kmheint je-ei Ninerstag. 


Inhalt: An der TMtickelt der riratMhea Peld-Blientiahai Abtbelltiairen VI. 
- K.la*aklea.a dm Orient IX. - Hin Brkenntniaa Uber Feneterrarht. - Mit- 
thallaaten in V.r.ln.af ArcMUwIaa.Veratn iu Berlin. - Varml.ohtet: 


getalion. — Aa. dir Faohlitlerllar: Zell.chrlft da. Archit-kirn nnd Inga 
nleur-Verelne in ll:. .... . Jahr*. 1871, Urft 1 - 4. ( Fortaetrang). — Konkor- 

reaaen: Monat. Aufgaben Im Architekten -Verein H tlrtla tum «. April 1*77. 
— Prole.Untieche Kirch* ia StrawlMirg. - Pera«, nil - K ae bricht. a .10. 



Aus der Thätigbeit der 

VI. Die Wiederherstellung der zerstörten Marne- 
Brücken auf der Strecke Blesme-Chaumont der 
französischen Osthahn. 

(Mit AMMdungrn aal Seite 77.) 

Als nach dem Falle von Metz in den ersten Tagen des 
November 1870 der Vormarsch der zweiten Armee in der 
Richtung Toul - Joinville - Bar sur Aube - Troye* erfolgte, erhielt 
die Sektion L der 4. Feld-Eisenbahn-Abth'eilung den Befehl 
zur Herstellung der hier zunächst in Betracht kommenden 
zerstörten Bahnstrecke Blesme - Chaumont. Dadurch, das» 
die leichten Hindernisse bis Joinville bereits seitens des Ei- 
bahn-Direktors der genannten Armee beseitigt worden waren 
und die Abtheilung über das tägliche Vorrücken der Trup- 
pen genau unterrichtet wnrde, konnte bereits am S. Novem- 
ber, nach Beendigung eine* Vorpostengefechts, die erste zer- 
störte Brücke über die Marne, jenseits der Station Donjeux 
bei dem Dorfe Villiers gelegen, rckognoszirt werden, während 
über die weiteren Aufgaben noch nichts Genaueres erkundet 
war. Jedoch konnte bald nachher auf Umwegen bis zur 
Haltestelle Froncles vorgedrungen werden, und fanden sich 
noch xwei weitere ebenfalls völlig zerstörte Marne-Brücken, 
während ein zwischen No. II und III gelegener Tunnel glück- 
licherweise erhalten war und zuverlässige Nachrichten die 
weitere Strecke über Bologne bis Chaumont als unbeschä- 
digt bezeichneten. 

Die Aufgabe der Sektion bestand demnach aus der gleich- 
zeitigen, aufs Aeusserste zu beschleunigenden Herstellung 
dreier Brücken, welche eine Gesamratlänge von 14t) Meter 
hatten und von denen nur die erste Baustelle mit Zügen 
erreichbar war, während die beiden andern durch Baustege, 
aus Telegrapbenstangen gebildet und schleunigst über das 
Waaser resp. die Trümmer gestreckt, erst zugänglich ge- 
macht werden mussten. Die beiden ernten Brücken hatten, 
wie es die Skizzen punktirt darstellen, aus je 2 massiven 
Gewölben von 20 resp. 18 Metern Spannweite bestanden, 
deren Trümmer je eine OeflFnung völlig für den Wasserdurch- 
fluss versperrt, die zweite Oeffnung eingeschränkt hatten. 

Bei der gebotenen Forcirung der Arbeiten, indem an- 
fänglich nur eine Gesainratbauzeit von 3 Wochen gewährt 
werden sollte, konnte an zeitraubende Aufräumungsarbeilen 
und Herstellung des Hochwasserprofils nicht gedacht werden, 
vielmehr war es das Nächstliegende, nur für eine OeiTnung 
freitragende Konstruktionen zu verwenden, die Trümmer der 
anderen Oeffuung dagegen zu einzelnen Tragpfeilern herzu- 
richten und mehre Pfaliljocbe darauf zu stellen. Die Be- 
triebseröffnung konnte dadurch wesentlich beschleunigt und 
im Uebrigen der Fall im Auge behalten werden, dass die 
Brücken bis zum Frühjahrshochwasser Dienst leisten müssten 
und dann ohne Betriebsunterbrechung theilweise umgeändert 
werden könnten. Zur Herstellung der freien Oeffnungen 
wurdeu 4 Stück hölzerne Gitterträger aus Metz beschafft, 
welche dort seitens der französischen Ingenieure schon vor 
dem Kriege in Vorrath gehalten worden waren , jedenfalls 
zum Zwecke, auf dem in Aussicht genommenen Marsche nach 
Berlin deutsche Flüsse damit zu überbrücken. Diese Sorte 
von Trägern, welche in grosser Anzahl und bedeutenden 
Längen, bis zu 25 Metern, in Metz vorhanden waren,*) er- 
wiesen sich jedoch als ziemlich mangelhaft konstruirt, da 
sie, wie Figur I und II und besonders der Querschnitt bei 
C zeigt, der Vertikalen entbehrten und die aus 2 getrennten 
Halbhölzern bestehenden Gurtungen zu schwach waren. Die 
durch Aufmauerung der Trümmer resp. des völlig zerschos- 

•I Dieaelben .lud aiapulthlloh IM dar F*)d-Kl«abahn-Abthtllaii( Mo. 1 
; dar Streek. Kplaal-Veaowl verwendet word.a. 



-Ahtheilungen. 

Landpfeilers bei No. I 



senen Lnndpteilers bei £<o. 1 gewonnenen Stutzpunkte er- 
gaben für die Aufstellung der Pfabljoche, welche die freien 
Fintöffnungen begrenzten, Weiten von 15», welche aber 
durch schräge Unterstützungen auf 10» eingeschränkt wer- 
Femer wurden in den mittleren Theilen der 



Träger vertikale Absteifungen, aus Bohlenstücken 
zugefügt und die Gurtungen durch l'ebernageln von 
gegeneinander gegossenen starken Eichenbohlen, a a im 
Querschnitt C verstärkt, wodurch die Durchbiegungen auf 
das Maass de« Zulässigen, zurüc kgeführt werden konnten. 

Da es zur l'eberbriickung von Spannweiten, wie die 
genannten, keiner Fachwerkträger bedarf und letztere schwer 
zu transportiren und aufzustellen sind, so erscheint die An- 
fertigung solcher Konstruktionen, so lange sie nicht für 
Spannweiten von l. r > — 20 Meter stark genug und womöglich 
zerlegbar gefertigt werden, nicht recht motivirt, in vorlie- 
gendem Falle waren dieselben einmal da und trotz der be- 
schriebenen nothwendigen Abänderungen geeignet, den Brnk- 
kenbau abzukürzen, gegenüber der Anfertigung von lauter 
neuen Konstruktionen. Die bis in grössere Tiefe zertrüm- 
merten Mittelpfeiler wurden aufgemauert und mit doppelten 
Pfnhljochen besetzt, von hier ans die zweiten Oeffnungen durch 
einfache Tragbalken, auf 5.60 bis CSO" Entfernung durch 
die vorerwähnten einfachen Joche gestützt, Überbant. Diese 
Tragbalken sowie die zum Aufbringen der Fachwerkträger 
dienenden Rüsthölzer, runde Stämme von im Mittel 0.40 1 " 
Durchmesser und 15 — 20™ Länge, waren grösseren Theils 
ebenfalls aus Metz geholt und erwiesen sich im Verhältniss 
nützlicher als die Gitterträger. Bei den ansehnlichen freien 
Weiten von 6,30"' zeigten sich 3 dergleichen nebeneinander 
liegende Balken zum Tragen der Fahrbahn vollkommen 
sicher, ohne irgend weiche künstliche Verstärkung (einzelne 
Kopfbänder ausgenommen*). Behufs Aufstellung der Fach- 
werkträger wurden die längsten Hölzer über die Joche ge- 
streckt nnd in der Mitte durch in das Flussbett gestossene 
Telegraphenstangen unterstützt, darauf die beiden Träger 
als fest verbundenes Sytein herüber gerollt, welche Arbeit 
sich als höchst zeitraubend, mühsam und bei den mangel- 
haften Rüstungsvorrichtungen nicht ungefährlich erwies. Bei 
dem Rollen wurde die Lokomotive zum Ziehen benutzt, wo- 
bei ein öfteres Zerreissen der Taue nicht ausbleiben konnte- 
So entstanden die Brücken No. I und II zunächst mit den 
in den Zeichnungen punktirt gezeichneten, direkt unterstützten 
Pfahljochen g resp. c und /*, und waren die einzelnen Joche 
sämmtlich durch Verkreuzungen, aus Telegrapbenstangen 
gebildet, parallel der Brückenaxe gegen einander abgesteift. 

Anderen Verhältnissen als den beschriebenen unterlag 
die Herstellung der dritten Brücke bei Froncles, indem beide 
ehemalige Oeffnungen noch dem Wasserdurchfluss dienteu 
und geringere Dimensionen, von je 15" Spannweite hatten,**) 
während die beiden Landpfeiler besser erhalten und noch 
geeignet waren, seitliche Stützpunkte für eine freitragende 
Konstruktion abzugeben. Ein Zubauen der einen Oeffnung 
durch Aufstellung mehrer Pfahljoche erschien daher nicht 
thunlich, und wurde in Rücksicht auf die in der Umgegend 
zu erlangenden Hölzer — kurze Kichenstämme von starken Di- 

•) In den gezeichnete» Prahlen zeigen .Ich ».Ist 4 Stuck, da dl« kürzeren 
Balken nicht geetoeaea, eondern um «Ine gencln»cblltlletio Spannweite »oben ein 
it »u ' 



-) Dl. »ir.llead. Verkleinerana d.r Llcht.'.naungen von Bracken, welche 
•o mh. ia einander liegen, eon J>'w »tforaaurwlrt« lul IS«, erklirt .ich weniger 
Ul. ilevn Abnehmen der Zudaieraenve |l. nie den u n«u u»Ug»n llorlillnHerheJl- 
• iM , »elch«i die in Plueaengen oder Winkeln Heilenden Biuckea So. I und II an 
lerli.g.o. DieSornf.lt. welche die fliniüiiKhen Ingenieure, a»fdlo Durchfobniag dor 
Wege darrh die Kiaeabahaen verwenden, .ehomt .ich auf dl. Korrektion der iu 
kreuzenden G.wiuer weniger ia .ratreck.a. 



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mensionen — zn einer Sprengewerks-Konstruktion gegriffen, 
wie sie die Figur III darstellt, l'm der diesem System an- 
haftenden Verschieblichkeit zu begegnen, wurden für das 
aufzustellende Mitteljoch sowie die verschiedenen Zaugeuver- 
bindungen lauter Dreiecksformen eingeführt, die Knotenpunkte 
durch Laschen- und Bolzcnverbindungen sorgfältig unter- 
stützt und besonders auch die durchgehenden Tragbalken 
mit den Querfetten so verkämmt und verbolzt, dass diesel- 
ben ebenfalls als Zangen für die Angriffspunkte der Haupt- 
streben wirken mussten. Die übrigen Zangen bestanden aus 
Kreuzhölzern oder starken Eichenbohlen , welche ebenfalls 
durch Bolzen nnd durch Verkuimnung (soweit es die Dimen- 
sionen zugaben) die Haupttheile der Sprengwerke nnd Stütz- 
joche unter einander verbanden, während die Querkreuze an 
den Hauptstreben, Spannriegeln und Pfahlwanden aus Tcle- 
graphensUngen bestanden und in derselben Weise befestigt 



Die Pfahljoche an den Widerlagspfeilern standen auf 
den vorspringenden Banketten der letzteren, während zum 
Tragen des Doppeljoches der bis unter Wasser zerspreugte 
Mittelpfeiler neu aufgemauert werden inusste, was bei dem 
Froste durch Zubereituug des Zementmörtels mit gewärmtem 
Sande und kochendem Wasser so gut geschah, als es unter 
so aussergewöhnlirhen Verhältnissen thuulich war. Das 
Aufstellen der Sprengwerke geschah mit Hülfe von je ti 
Stück Flaschenzügen, welche an einein über die Oeffnung 
gestreckten und auf den Mittel- und Seiten jochen niheuden 
Tragbalken befestigt waren. Die beiden Hauptstreben und 
der Spannriegel je eines Svstems wurden gleichzeitig aufge- 
wunden und schwebend in einander gefügt, welche Operation 
durch das Geräusch der über die Trümmertuassen hinfliesscn- 
den Marne sehr erschwert wurde. Das Getöse machte oft 
jeden Zuruf unvernehmlich, und inusste das Kommando durch 
Zeichen oder Boten von Gerüst zu Gerüst gegeben werden. 

Das Auflegen der Geleiseschwellen auf den eine unre- 
gelmässige Überfläche bildenden ruudeu Tragbäuinen geschah 
hier, wie bei den übrigen Brücken, durch Aufnageln von 
Bohlen und Unterlegen von Doppelkeilen unter den einzelnen 
Schwellenköpfen, wobei es jedoch rathsam sich erwies, die 
feste Ausgleichung möglichst vollkommen zu macheu, da die 
Doppelkeile fortwährend losgerüttelt werden. Um letzteres 
zu verhindern, wurden nach Eröffnung des Betriebe» und 
nachdem die Bauwerke sich gesetzt hatten, die Keile mög- 
lichst durch Brettstücke ausgewechselt oder, wo dies nicht 
angänglich, festgenagelt. Hat man einzelne Stellen der Trag- 
balken besonders hoch liegen , so steht nichts im Wege, 
hier statt der Bahnschwellen schwächere Querbohlen zum 
Tragen der Schienen zu verwenden. Es erschien ferner 
zweckmässig, die Geleiseschwellen enger als gewöhnlich zu 
legen, da es nicht ausbleiben konnte, dass einzelne Schwellen- 



köpfe doch nicht hinreichend zum Tragen kamen; auch 
wurden sämmtliche Schwellen auf den Tragbalken festge- 
nagelt. 

Was die Bewährung der dritten Brücke betrifft, so erwies 
sich letztere beim ersten Befahren vollkommen unbeweglich, 
jedoch trat späterhin in diesem Verhalten nach und nach 
eine Aendemng ein, indem die Verkämmungen der nicht 
rollkantigen Hölzer und die in der Eile durchgetriebeneu 
Bolzen nicht diejenige Festigkeit der Dreiecksverbindungeu 
hervorriefen, wie man sie bei der Arbeit in Friedenszeit 
voraussetzen kann. Trotzdem hätten die Senkungen und 
Verschiebungen nicht in der Weise eintreten können, wenu 
nicht das ganze Mitteljoi h sich auf seiner Steinunterlage an 
Punkt b der Figur III sehr merklich beim Fahren verscho- 
ben hätte. Letzteres geschah beim Befahren der einen Oeff- 
nung in der Richtung nach der 2. Oeffnung hin, und erfolgte 
der Rückgang in derselben Weise, wenn die Kcbnellfahrende 
Maschine auf der Mitte der letzteren angekommen war. 

Die Beobachtung dieser Gelenkbewegung einer geaamm- 
ten grösseren Brückenkonstruktion war, besonders aus dem 
Innern des Mitteljoches her, nicht ohne Interesse und, so 
lange die Brückenbahn ihre frühere Höhenlage stets wieder 
einnahm und unter sorgfältiger Beobachtung stand, vorläufig 
der Vorgang nicht als unmittelbar gefahrbringend zu er- 
achten. Das Mittel zur Abstellung der Bewegung aber war 
angezeigt durch das erwähnte Gleiten auf dem Mittelpfeiler, 
und genügte iu der That eine Schicht Steine zur Ausmaue- 
rung der Lang- und Querschwellen bei Punkt A. um die 
frühere Unbeweglichkeit der Brücke wieder herzustellen; vor- 
sichtshalber wurde jedoch diese Ausmauerung des Mitteljoches 
noch um etwa 1,50» höher hinaufgeführt. 

Wie bereits erwähnt, war mit Hülfe der beschriebenen 
Konstruktion die Herstellung aller 3 Brücken beschleunigt 
und inzwischen am 7. Dezember der Betrieb bis Chaumont 
eröffnet worden, worauf die Sektion von dort über Chatillon 
sur Seine bis Trovcs vorrückte. Von hier aus wurden Re- 
kognosziruugen auf der Strecke Troyes-Montereau und spe- 
ziell nach einer grösseren zerstörten 'Seine-Brücke bei Xogent 
vorgenommen, zur Begutachtung der Frage, ob diese Strecke 
zur Verbindung nach Orleans bin herzustellen sein werde. 
Währendem verwandelte sich die strenge Kälte plötzlich in 
Thauwetter, welches eine enorme Anschwellung der Marne 
und dadurch eine Beschädigung der Brücke No. U hervor- 
rief. Das Hochwasser hatte sich in den Trümmermassen 
der 2. früheren Gewölbeöffnung das mit d e bezeichnete 
Bett gerissen, und hing das Joch r, gehalten durch die Län- 
genverkrenzungen etc., frei an der Fahrbahn, welche sich 
gesenkt hatte und momentan nicht fahrbar war. Die Sek- 
tion begab sich schleunigst nach Villiers zurück, da die Her- 
stellung der genannten Strecke nach Montereau aufgegeben 



Reisetkluea au itm trieat 

IX. 

Von dem Theater führt eine heilige Feststrasie mittels 
einer dorischen Halle von Ualbsäuleupfeilern in südwestlicher 
Richtung zu einem Thale, in welchem eine lauwarme Quelle 
entsprieß- Die hier vorhandenen Reste sind auch in dorischen 
Kunstforuicu gestaltet. Vielleicht hat an dieser, erst in jüngster 
Zeit von H. erforschten Stelle das berühmte Asklepicion gestan- 
den, aus dessen Arcbi\eu der Altmeister der Heilkunde, Galenus 
von Pergamum, so werthvollc medizinische Erfahrungen schöpfen 
konnte. Von dem ebenfalls oft erwähnten, jedenfalls ausserhalb 
der Mauern belegenen Nikephorion ist bis jetzt keine Spur ge- 
funden wordeu. 

In geringer Entfernung von der Stadt, südlich und südöst- 
lich belegen , erheben sich aus der Ebene drei in ansehnlichen 
Dimensionen aufgeschüttete Hügelgräber. Ihre äussere Erschei- 
nung stimmt mit der der lydischeu Gräber am gygfiischen Sea 
überein, doch sind die Neigungswinkel dem Anscheine nach 
etwas steiler. Der grüßte derselben ist ein Doppeltuiuulus, 
durch die Einsattelung zwischen den nahe zusammentretenden 
Gipfeln ebenso deutlicli erkennbar, als aus der von zwei ver- 
längerten Uulbkreisen gebildeten Grundfläche. Sein Längcndurch- 
meaaer betraft 200"' ; er wird in seltener und bemerkeuswerther 
Weise von einem Graben und niedrigen Aussenwallc umgürtet 
Wegen der imposanten Grösse und Doppelgestalt gilt er für das 
schon von Puusanias erwähnte Herocugrubuial des eingewander- 
ten Stadtgründers Pergnnius und seiner Mutter Audromache. 
Eine genauere Untersuchung hat bisher weder an diesem noch 
an dem kleinereu, zwischen dem Selious und dem Cetius bele- 
genen Tumulus stattgefunden. 

Näher bekauut ist nur der der dritte Grabhügel, welcher 
allgemein, aber ohne sichere Begründung der Tumulus der Auge 
genau n t wird. Nach Pausanias war der Grabbügel dieser Athena- 
Priesteriu, deren Sohn Telephus der Kührer einer arkadischen 
Einwanderung in Pergamum gewesen ist, am Cai'cus belegen. 
Ihn umgab eine steinerne Einfassung und seine Krönung uil- 
dete das Erzbild einer nuckten Frau. Von diesen Angaben trifft 



nichts zu, als der steinerne, fast 6 : hohe, aus grossen Quadern 
erbaute Unterbau, auf welchem der inipo&aute Erdkegel von lbO™ 
Durchmesser und über 32 ■ Höhe ruht. An der riordostseite 
ist eine merkwürdige, aber längst geplünderte, dann Jahrhun- 
derte hindurch verschüttet gewesene und kürzlich wieder zu- 
gänglich gemachte Grubanlage vorbanden. Sie besteht aus einem 
420 » laugen tonnengewölbten Gange, dessen Breite 3,20 ■ und 
i Rö^e 5,50" beträgt. Er führt zu einem quergelegten ebenfalls 
| tonnenüberwölbten Gemache von 16,'.>U» Länge, dessen Breite und 

Höh« mit denen des Ganges übereinstimmt An diesen 
, stossen drei mit l&iigsgclcgtcn Tonnengewölben bedeckte 
kammern, welche durch drei Bogenöffuungen mit dem 
Vorgemachc, sowie durch zwei sturzbedeckte Seitenöffnungen 
mit einander iu Verbindung stehen. Die mittelste Kammer ist 
die grösste, sie hat eine Breite von 5,50 ™, jede der Seiteukam- 
mern hat 4,30 "> Breite. Die Tiefe ist der Breite gleich, die Höhe 
bis zum Tonnenscheitel betragt 7,40™. Die Wände dieser gross- 
artigen Grabanlage sind aus sorgfältig geschliffenen Quadern, 
welche bis zu den Kämpfern den charakteristischen Schichten- 
wechsel der hellenistischen Epoche zeigen, erbaut worden. Die 
Grösse der Quadern (3,20» Länge) ist ebenso bemerkenswerth 
als die hochvollcudete Steinmetzenarbeit, welche nirgends, weder 
in Stoss- noch Lagerfugen den Mörtel erkennen lässt. Kunst- 
fornieu fehlen gänzlich, auch Wertzeichen habe ich nicht finde u 
können. Hinter und über den Quaderschiebten, deren Stärke 
0,. r >0 — 0,75 ■» betragt, befindet sich eine fast.ebenso dicke Schicht 
von zementartigem Gussmörtelwerk, welche die ganze, ursprüng- 
lich als Freibau hergestellte Anlage mantelartig uinschliesst und 
offenbar den technischen Zweck hatte, das Eindringen von Tage- 
wasser oder Erdfeuchtigkeit möglichst zu verhindern. Diese 
Absiebt ist denn auch, wie die Trockenheit der Quadern und 
die Reinheit der Luft beweisen, in vollem Maasse erreicht wor- 
den. Die ausserordentliche Vollenduug und Sicherheit in der 
Bugen- uud Gewölhetechnik, besonders bei dem Einschneideil des 
Haibzyliudcrs über dem Eiutrittsgange in den entsprechenden 
Halbzyiinder des Vorgemaches (wodurch bereits zwei scharfe 
Grate des Kreuzgewölbes erzeugt werden), und die inuoterbaite 
Herstellung der geachselt gehauenen Gratsteine beseitigen sofort 
die Vennuthung, als ob hier eine Grubaulage aus heroischer 



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war, und wurde die Fahrbarkeit der Brücke II in kürzester Frist 
wieder hergestellt, wozu einige über die neu entstandene Oeff- 
mmg, Behufs Unterfangen des genannten Pfahljoches gestreckte 
Balken hinreichten, während das unterspülte Fundament des 
.Joches /"ebenfalls provisorisch wieder gestützt werden musste. 

Dieses Vorkommniss sowie die damalige Lage des Krie- 
ges, welche einen baldigen Frieden noch nicht in Aussicht 
stellte, Messen nunmehr die Auswechselung einiger Pfahl- 
joche der beiden ersten Brücken durch freitragende Kon- 
struktionen als nothwendig erscheinen, wobei gleichzeitig 
die Ausbesserung und Deckung mehrer Pfeiler und Ufer- 
böschungen gegen weiter zu erwartende Hochwasser vorge- 
nommen werden konnte. Demgemäss wurde bei Brücke I 
ein Joch, bei Brücke 11 zwei durch Einfügen von Spreng- 
werken ausgewechselt, wie solches in Figur 1 und H und 
besonders durch den Querschnitt A. II erläutert wird, und 
zeigte sich nach der Wegnahme der Joche insliesondere die 
lfi,SO- weite, freitragende Konstruktion bei Brücke II, deren 
Widerlager fest eingemauert waren, durchaus unbeweglich 
beim Befahren, wie es kaum erwartet war. Den Vorzug der 
einfacheren Beschaffung und Aufstellung geniesst das bei 
Brücke No. I. eingefügte einfache Sprengwerk B von 12» 
Weite, welches nur aus drei Systemen, die beiden äusseren 
etwas schräg liegend, besteht, und allerdings die Tragbal- 
ken in einer Stärke veraussetzt, dass dieselben bis auf 6» 
freigelegt werden können. Sind letztere vorhanden und ist 
die Höhenlage der Fahrbahn derart, dass die Horizontalzan- 
gen einigermassen aus dem Hochwasser gebracht werden 
können, so dürfte es wohl keine einfachere und zugleich 
sichere Konstruktion geben, da die Entfernung der gemau- 
erten Stützpunkte schon gross genug wird, um sich mit dem 
Hochwasser abzufinden, letztere ausserdem nicht durchaus 
unverschieblich zu sein brauchen. Bei grosseren Spann- 
weiten, etwa über 18", würden die Tragbalken schon ver- 
stärkt werden müssen, wodurch das System den Charakter 
der Einfachheit völlig verliert. Die Figuren zeigen ferner, 
wie die gemauerten Pfeiler und Uferböschungen weiter gegen 
das Hochwasser gesichert worden sind, und geschah dieses 
besonders bei dem gefährdeten Fusspunkt m des betreffenden 
Pfahljoches der Brücke I, der durch Unterspülung freigelegt 
worden war. Die daselhst sich vorfindenden Fangedamms- 
pfähle wurden mit Faschinen ausgefüllt, und wurde eine 
sorgfältige Vermauerung über dem Bankett des alten Pfeilers 
ausgeführt und durch Steinwurf gesichert. Eine ähnliche 
doch einfachere Sicherung des tragenden Banketts war von 
vornherein am Punkte « der Brücke III vorgenommen wor- 
den. Zur Sicherung der Joche gegen den Eisgang wurden 
die Pfeiler zwischen den Hölzern in grösserer Höhe anfge- 
manert und bei Brücke III die untern Theile der Haupt- 
streben mit starken Bohlen verschaalt. 



Was die bei den BrDckenbanten vorkommenden Neben- 
arbeiten betrifft, so geht aus dem Angeführten hervor, wie 
das beschwerliche Baumen des Flussbettes von den Trüm- 
mermassen grösstenteils dem Strome seihst war ül>erlasseii 
worden; dagegen erwuchs eiue zweite ansehnliche Arbeit 
aus der Notwendigkeit der Verlegung der anschliessenden 
6 Geleisestrecken auf der mit zweigeleisigem Planum aber 
nur einem Schienenstrange ausgeführten Bahn, da die neuen 
Brücken, Behufs Gewinnung besserer Stützpunkte auf den 
zerschossenen Pfeilern, in die Mittellinie der Bahn gelegt 
werden mussten*). Es entstand hierdurch die nothwendige 
Verschiebung einer ansehnlichen Gesammt-Geleisestrecke im 
gefrorenen Boden und groben Steinschlag, zu welcher Arbeit 
französische Zivilarbeiter verwendet wurden. 

Da zu den Hauptarbeiten die Pioniere der Sektion eben- 
falls zu schwach an Anzahl waren, so wurde ein Manrer- 
und Zimmermeister mit SO Mann aus dem Bezirk der Khein- 
Nahe berufen, während für die zeitweise sich häufenden Mau- 
rerarbeiten ebenfalls französische Zivilarbeiter mit ihren Ge- 
rätschaften zugezogen werden mussten. Um die Mitte der 
Zeit der erst beschriebenen Herstellungsarbeiten erschien fer- 
ner die Festungs- Pionier- Kompagnie No. V znr Verstärkung 
der Arbeitskräfte, nnd musste dieselbe während des zweiten 
Baustadiuras den Ersatz für die Pioniere der Sektion selbst 
bilden, da letztere mit Ausnahme eines kleinen Detache- 
ments gelegentlich der Rückkehr von Troyes nach dem Ei- 
senbahn-Knotenpunkte Nuits »ous RaviereB zur Verstärkung 
der daselbst ebenfalls mit einem grösseren Brückenbau be- 
schäftigten 2. Sektion gesandt worden waren. 

Der ungünstigen äusseren Verhältnisse während der Ar- 
beitszeit, hervorgerufen durch die ineist herrschende Kälte mit 
Schneefall, ist bereits Erwähnung gethan, und ist es begreiflich, 
dass die in einem freien Flnssthale oberhalb des Wasseretroms 
gelegenen Baustellen den Unbilden der Witterung noch beson- 
ders ausgesetzt waren und dass die Arbeit auf den mit Eis über- 
zogeneu mangelhaften Gerüsten manche Uebcrwindung kostete, 
manche Hanntirung verdoppelte und verdreifachte. Dazu kam 
die in Folge schwacher Besetzung der Umgegend zeitweise 
auftretende Unsicherheit, (das gesammte Okkupationsterrain 
wurde später im Schach gehalten von wenigen Prozenten 
der in Vormarsch befindlichen Truppen) welche manche In- 
konvenienzen Iwzüglich der für die Arbeiten förderlichen 
Quartiernng der Arbeitskräfte hervorrief, während der Ver- 
such, der abgekürzten Tagesarbeit durch Benutzung der Nacht- 
zeit aufzuhelfen, nur in einzelnen Fällen wirklichen Erfolg hatte. 

Die spezielle Bauleitung bei den drei Brücken hatten die 
Hrn. Baumeister v. Niederstetter und Bauführer Rocholl. 

St. Johann a. d. Saar. Vicregge. 

• Ein Cmiitand. der den viederherfttellrndeu 
lordlng» Ihm Arbeit nicht »ehr erleichtert haben wird. 



Zeit erhalten sei. Alle Kriterien und namentlich die nur aus 
wiederholter Anschauung der antiken Denkmäler zu gewinnen- 
den Beobachtungsmomente der Technik sprechen dafür, dass der 
Bau der Spätzeit der hellenischen Kunst entstammt, da ähnliche 
Aulagen aus römischer Epoche bisher nicht bekannt geworden 
sind. Dann wird aber, und zwar unter Betonung der technischen 
Verwandtschaft mit Bauaulagen auf der.Akropolis, sich die Vermu- 
tung rechtfertigen lassen, dass es ein Bauwerk der attalidisclien 
Zeit ist und vielleicht dem Neubegründer der Stadt und Stifter 
des pergamenischen Reiches, Philetärus, welcher 263 starb, an- 
gehört. Grade einem Fürsten dieses Schlages, einem Empor- 
kömmling, konnte es reitgemäss erscheinen, sich in der Weise 
älterer Dynasten bestatten zu lassen und deshalb unter Be- 
nutzung der Errungenschaften des Bogen- und Gewölbebaues 
für die Grabkammorn die altciubeiniischc Form des Heroenhügels 
für die äussere Erscheinung zu wählen. Aber wäre das Grab- 
mal auch jüngeren Ursprunges, etwa Attalas I. angehörig ge- 
wesen, immer würde das für die Baugeschichte, speziell für die 
Geschichte der Konstruktion bemerkenswerthe Faktum 
gewonnen, dass der Tonnengewölbebau und seine Hinüberfuhrung 
zumKrcuzgo wölbebau iu Schnittsteiuquadern bereits im 
dritten, sicher im zweiton Jahrhundert vor Chr. in diesen asia- 
tischen Distrikten eine hohe Vollendung erreicht hat. 

Zuletzt muss ich noch der grossen Backsteinbau -Ruine im 
Innern der Stadt gedenken, welche jedem Reisenden, auch dem 
flüchtigen Touristen, am meisten in die Augen fällt. Sie ist seit 
dem XVII. Jahrhundert bekannt und häufig beschrieben worden. 
Doch wird erst Texier's Bemühungen eine Aufnahme verdankt, 
welche, abgesehen von der unvollständigen und unrichtigen 
Wiedergabe der Ostthcilo und der Nebenbauten, das merk- 
würdige Baudenkmal in den HauptzUgcn veranschaulicht. Am 
linken Sclinusufer auf mächtigen Substruktionen errichtet, ist 
dasselbe mit seiner Apsis nach Ostsüdosten orientirt und dabei 



so gestellt, dass die Hauptaxe die früher erwähnte 196 ■» lange 
DoppelüberbrückunK des Flusse» zwar in schräger Richtung 
aber grade in der Sitte schneidet. Da nun vor der Westseite 
in einer Entfernung von 200» eine parallele Perlbolus-Msuer 
czistirt, deren mittlerer Eingang in jene Hauptaie fällt, so er- 
kennt man deutlich, dass an dieser Stelle mittels künstlicher 



und kostbarer Ueberbrückung ein geräumiger Platz geschaffen 
worden ist, der über beide Flussufer sich ausdehnte und seinen 
stattlichen Abschluas in der Ruine fand. Die letztere ist eine 
aus drei Elementen zusammengesetzte Baugruppe; sie besteht 
aus einem hochragenden oblungen Ziegelbau in der i3.it • und 
zwei daneben stehenden Rundgebäuden, welche aus Quadern 
errichtet und mit Flachkuppcln gedeckt sind. Der Mittelbau ist 
ein Rechteck von 21™ Breite (im Lichten) und 30« Länge, ein- 
schliesslich der Apsis von '',50 ™ Spannung. Zwei Spindeltreppen 
liegen rechts und links neben der Apsis, welche aussen in Form 
eines halben Sechsecks, also polygonal Beschlossen ist- Die 
Maucrecken, in denen die Treppen liefen, treten dubei 
soweit nach Osten vor, dass sie mit den Polygoueckeu flucht- 
reebt liegen und mittels einer oberen Ueberbrückung der ein- 
springenden Ecken die Aufführung eines antik gegliederten 
Ostgiebels gestatten. Die Beleuchtung fand nur durch hoch- 
gestellte Scitenfenster, 5 auf Jeder Seite, statt und zwar sind 
diese Fenster nur in der Westhälfte des Baues angeordnet. 
Unter ihnen liegen axenmässig fünf rundbogig überwölbte Wand- 
nischen. Balkenlöcher, Fundamentstücke und noch vorhandene 
Granitsäuleufragmente von entsprechendem Maasstabe beweisen, 
dass in dem ganzen Schiff des grossen Saalbaues an drei Seiten 
Emporen vorhanden waren. In dem rechteckigen Vorraum dicht 
vor der Apsis sind antike Marmorfriese mit Akanthusranken 
und lesbischen Kymatien eingelassen, deren Krönung ein simir- 
tes Geison bildet, welches in seinen Kunstformen alle Kenn- 
zeichen des V. Jahrhunderts besitzt. In derselben Auffassung 
einer tief gesunkenen Kunstepoche sind die äusseren Ober- 
mauern mit derb vortretenden Murmorquadcro bandartig durch- 
zogen und die Rundbogen der Oberfenster aus abwechselnden 
Marmorquadern und Ziegclscbichten eineewölbt. Auch hier (im 
Acussern) treten nach Osten rundbogige Wandblenden statt der 
Oberfenster auf, aber in derselben rohen Materialverbindung 
wie im Westen. Die Westfront hat sehr gelitten, doch erkennt 
man, dass ein grosses flachbogig überwölbtes Fenster i 
abgestuften Strebepfeilern mit dem vorauszusetzenden 
antiken Giebel das Hauptmotiv der Facade bildete. 

Neben diesem über 20 ■ hohen Mittelbau erstreckten sich, 
wie die Balken- und Sparrenlöcher der verschwundenen Säulen- 



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- 76 - 



Von einem Baubeamten der Provinz Podien gebt uns Ab- 
schrift eines Erkenntnisses zu, welches das dortige Anpellations- 
izericht in einem Prozesse über Fensterrecht gefällt hat Durch 
den Neubau eine« 3 Geschosse hohen massiven Wohnhauses in 
einer Kreisstadt Posens war nämlich im Dachgiebel de» alten 
Nachbarhauses ein Fenster verbaut worden und hatte der Besitzer 
desselben in erster Instanz ein Erkenntnis« erstritten, wonach 
der Erbauer des neuen Hauses verurtheilt wurde, mit diesem, 
dem betreffendem Fenstergegenüber soweit zurückzutreten, 
dass man aus dem ungeöffneten Fenster den freien Himmel er- 
blicken könne. (Nach einem Plenar-Beschl. d. Ober-Tribunals 
v. 9. Dez. 1839. Entscheid. Band 5. S. 1«;, durch welchen der 
$ 143, Tbl. I Titel 8 d. Allgem. Landrechts ergänzt wird, soll 
der Abstand soweit genommen werden, das* der Nachbar, dessen 
Hecht auf Liebt und Aussicht gewahrt werden soll, aus seinem 
ungeöffneten Fenster vor dem Neubau, in vertikaler Richtung 
den Himmel sehen kann). Der Verurthciltc hat dieser Bestim- 
mung dadurch zu genügen gesucht, dass er im Dache seines 
Hauses vor dem betreffenden Fenster eine grössere Oeffnung 
zur Lichtbeschaffung angelegt hat; trotzdem ist Exekution gegen 
ihn verfügt worden, gegen welch«! er nun seinerseits vor dem 
Appellationsgerichte klagend Einsprache erhob. Das Appella- 
tionsgericht hat diese Einsprache verworfen, indem es nach 
Feststellung des Thatbestandes und Bezugnahme auf das erste 
Urtheil sowie die oben erwähnte Entscheidung des Ober-Tribu- 
nals, sich folgcnderinaasscn äussert: 

„Wenn Kläger, wie es scheint, den in diesem Präjudiz aus- 
gesprochenen Grundsatz, es genüge, wenn es dem Nachbar auf 
irgend eine Weise möglich sei, aus dem ungeöffneten Fenster 
den Himmel zu sehen, so uuffasst, als ob nun jede zu diesem 
Behufe in dem Neubau angebrachte Oeffnung für ausreichend 
erachtet werden müsse, so übersieht er, dass dabei ausdrück- 
lich ausgesprochen ist, dass der Bau von dem Gebäude, in wel- 
chem das Fenster sich befindet, zurücktreten und der Zwischen- 
raum mindestens drei Werkschuh (§ 139, Tbl. I, Titel 8 des 
Allgem. Landrechts) betragen muss. Kläger hat durch seine 
Vorrichtung weder dem Wortlaute des Urtels noch dem Zwecke 
desselben entsprochen. Durch die Oeffnung im Dache seines 
Hauses wird dem Verklagten Licht und Aussicht nicht in dem 
Maasse gewährt, wie dies" bei lunehaltung des gesetzlich vorge- 
schriebenen \! -Lindes der Fall ist. Er rauss seinen Bau von 
dem Gebäude des Verklagten zurückziehen. Da er dies bisher 
nicht gethan hat, so kann auch die Exekution nicht eingestellt, 
vielmehr muss das erste Urtel bestätigt werden. - 



Der Einsender kritisirt diese Entscheidung in folgender Weise : 
.Der zitirte § 139 des Allgem. Landrechts lautet : „Neu er- 
richtete Gebäude müssen von schon vorhandenen Gebäuden des 
angrenzenden Nachbars, wenn nicht besondere Polizeige- 
setze ein Anderes vorschreiben, drei Werkschuhe zurück- 
treteu. 1- Wie für die Stadt Berlin und wie für die Stadt Posen 
durch die betreffenden Bau-Polizei-Ordnungen ausdrücklich „ein 
Anderes vorgeschrieben ist", so gilt dies auch für s&mmtliche 
Städte des Regicrungs-Bezirks Posen, indem in der Zusammen- 
stellung der baupolizeilichen Vorschriften für den Regierungs- 
Hezirk Posen vom 12. Februar 1847, Q. Abschnitt, § 19 wört- 
lich bestimmt ist: 

„In den Städten muss ao viel als möglich dabiu gestrebt 
werden, geschlossene Strassculiuien zu erhalten.' 
Soll nun dem Erkenntnis« zufolge, das neu erbaute Haus auf 
mindestens 3 Fuss Länge abgebrochen und hier durch einen 
neuen Giebel geschlossen werden, so wird, da das zu erhellende 
Fenster im Dachgiebel des Nachbarhauses liegt, dadurch nicht 
nur Nichts für die Licht Zuführung gewonnen, sondern auch der 
von der Königlichen Regierung erlassenen Polizei -Verordnung 
und somit dem § 139 im Landrechte selbst direkt entgegen ge- 
handelt, ganz abgesehen von den grossen Kosten und Verlusten, 
welche dem Besitzer des neuen liauses dadurch erwachsen. — 
Meinerseits wäre ich der Ansieht, dass der Bemerkung iu Grein's 
Baurecht de 1803, Seite 121 entsprechend, es genügt, wenn bis 
zum Fensterschlage jenes Bodenfensters hinab ein Lichthof an- 
gelegt wird, welcher das Licht dem Fenster des Nachbars in 
dem Umfange zuführt, in welchem dasselbe nach den §§ 142 n- 
143. Tit. 8. Theil I des Allgem Landrechts vorgeschrieben ist." 

Wenn der Verfasser unter Hinweis auf die Wichtigkeit des 
Erkenntnisses für alle Bauherren und Baumeister der Preussi- 
scheu Provinzen uns auffordert, den Gegenstand zur Diskussion 
in der Deutschen Bauzeitung zu stellen, so haben wir diesem 
Wunsche vorstehend zwar senr gcru entsprochen, glauben aber 
nicht, dass eine Diskussion in den Kreisen der Techniker in 
eiuur so spezifisch juristischen Frage etwas Wesentliches fbrderu 
kann. Möge jeder Fall dieser Art vor Allem mitwirken darauf 
hinzuweisen, wie uothweudig es ist, dass die so wenig geklärten 
Fragen des Baurechtes möglichst bald im Wege der Gesetz- 
gebung eine neue und einheitliche Lösung erfahren. Ob- 
wohl wir über die Verhältnisse in den anderen deutschen I 
ten nicht genügend infonuirt sind, so glauben wir doch, 
es keinerlei Schwierigkeiten unterliegen dürfte, ein - 
Buurecht für das ganze Reich aufzustellen und ein 



Mittheilungen aus Vereinen. 



Architekten- Verein zu Berlin. Haupt -Versammlung am 
2. März 1872. Vorsitzender Hr. Quassowski; anwesend 177 
Mitglieder und 16 Gäste. 

Nachdem der Herr Vorsitzende über die zahlreich einge- 
gangenen Zuschriften und Einsetidungen berichtet hatte, legie 
zunächst Hr. Fritsch eine Auzahl von Photographien und 



Umdruck -Zeichnungeu — Darstellungen der Arbeiterbäuser zu 
Rabensteinfeld bei Schwerin, mehrcr von dem Architekten 
Wilhelm Hauers in Hamburg erbauten Wohnhäuserund Villen, 
des von der Stadt Hamburg dem Fürsten Bismarck dedizirten 
von Hrn. Martin Gensler entworfen™ Ehrenbürger -Diploms, 
endlich einer grösseren Zahl der kirchlichen Bauwerke Köln« 



reihen beweisen, zwei rings mit Portiken umgebene Höfe von 
25 m Tiefe und 42" Breite. In der Axc jedes Hofes erhebt sich 
ein thurmartiger, aus kubischen Granitquadern und mit einem 
Ziegelkuppelgewöibc bedeckter Zentralbau von 11,75" Durch- 
messer. «Jeder derselbeu bat au der Westseite einen mittleren 
graden und zwei schräg gestellte Eingänge. Gegenüber befindet 
sich eine rechteckig hinausgebaute Exedra mit einer kleinen 
kouchenartigen Nische. Die Beleuchtung bewirkte ein hoch- 
gestelltes Oberfenster über dem Haupteingange. An dem 
Aeusseru ist das ursprüngliche Geisou verschwunden, doch sind 
noch einige mit Akanthusblättern belegte Marmorkonsolen Vor- 
banden. Etwas tiefer befindet sich unter dem aus Ziegelschich- 
ten hergestellten Friese gurt artig ein Marmortorus. welcher wie 
die Marmor-Konsolen, mühselig nachgeahmte antike Formen* 
Schemata in spätester Fassung wiederholt Der südliche Zentral- 
bau bflwahrt noch einen ärmlichen, (geduldeten) byzantinischen 
Altar mit dem Bilde der Panagia, davor ein ewiges Lämpcben. 
Er ist dem H. Antiiias geweiht, an dem grossen Mittelbau 
haftete noch im XVII. Jahrhundert der Name Hagios Johannes 
Evangelist». Höchstwahrscheinlich besuss der nördliche Zentral- 
bau den H. Johannes Theologos als Schutzpatron. Und suinit 
ergiebt sich die ganze Bauanlage, was schon aus Texier's Zeich- 
nungen zu vermuthea war, als eine altch ristlicbe Kirche 
mit zwei Memoricnkapellcn zuerkennen. Durch die Anord- 
nung zweier inneren und eines äusseren grossen gemeinschaft- 
lichen Vorhofes wurde ein Gruppenbau gebildet, wie ich unter den 
erhaltenen Denkmälern an Grossartigkeit keinen zweiten kenne. 
Alle sonstigen Besonderheiten, wie kryptenartige Unterwöl- 
bungen etc. , an dieser Stelle übergehend , bemerke ich noch, 
das« <iin entfernt stehende westliche Pcribolusmauer in gleicher 
itauzeit ebenfalls aus kubischen Granitquaderu hergestellt ist 
und aussen Flachbogenblenden zeigt, während im Innern iu den 
entsprechenden Blenden treffliche antike marmorne Thürkrö- 
uungen mit Zahnschnitteu verwendet sind. Unzweifelhaft steht 
der wahrhaft imposante Bau auf der Stelle eines untergegangenen 
und berühmten antiken Heil" 
wie Texier 



ihn mit 



ten antiken Heiligthunis, gehört aber nicht mehr, 
mit wenig gründlicher Motiviruug annimmt, dar 
sondern der altcliriatlichcn Epoche an. Man darf 
. Wahrscheinlichkeit in 



an Gewissheit 



die Epoche Thoodosius des II. und der Pulcheria setzen, von 
deren lebhafter Bauthätigkeit merkwürdige aber bisher unbe- 
achtet gebliebene Denkmäler noch heut in Konstantinopel vor- 
handen sind. Auffallend bleibt es, dass dieser für den Beginn 
des V. Jahrhunderts so eminent wichtige Bau, — hierauf bezüg- 
liche Konsequenzen halte ich vorläufig zurück — bisher so wenig 
Beachtung gefunden hat. Fast immer wird er nach Texicrs 
Urtheil als spätrömische Basilika bezeichnet, während ältere 
englische Reisende ihn mit Recht schon längst als altchristliche 
Kirche aufgefasnt und benannt haben. 

Nachdem wir durch die Güte unseres Gast freundes alles 
Wichtige in der Stadt gesehen (einschliesslich der zahlreichen 
in Kirchen und Privathäusern zerstreuten antiken Reste), nach- 
dem wir sodann mit den Honoratioren der Stadt, den Kaimakam 
an der Spitze, Höflichkeitsbesuche ausgetauscht und — was nicht 
minder wertvoll war, — alle unsere Wunden geheilt und neue 
Kräfte gesammelt hatten, war es Pflicht, an die Rückreise nach 
Smyrna zu denken. Es war nicht leicht, die Erlaubniss zur 

I Rückkehr zu erlangen, da unser Wirth, den angeborenen deut- 
schen Sinn für Gastfreundschaft mit orientalischer Höflichkeit 

< verbindend, alles aufbot, uns so lange als möglich festzuhalten. 

1 Endlich willigte er ein, indem er versprach, uns nicht nur bis 
Smyrna, sondern auch von dort aus noch weiter bis nach 
Ephesus zu begleiten, um die dort seit unserem ersten Aufent- 
halte begonnenen Arbeiten vollenden zu helfen. Seine Beglei- 
tung war uns hochwillkommen, da wir noch vorhatten, einen 
kleinen Abstecher nach einem abseits belegenen und von Euro- 
päern wenig besuchten Gebirgsdorfc Kiliasi-Köi (Kirchdorf) zu 

| machen, bei dessen Besuche die geläufige Kcnntniss der türki- 
schen Sprache von hohem Werte war. Vor anderthalb Jahren 
hatte nämlich der Dragoman des deutschen Konsulats in Kon- 
stantinopel, Herr Dr. Schröder, bei einer archäologischen Exkur- 
sion zwischen Smyrna und Pergamum von einem in Kilissi-Köi 
befindlichen nlt-griechiscbcn Iuschriftstcine, welcher bisher un- 
bekannt geblieben war, Kenntnis« erhalten. Es war ihm auch 
trotz mancher Schwierigkeit gelungen, das türkische Haus be- 
treten »u dürfen, worin der liisehriftstein. als Fuasbodenplatte 
eingelegt vielleicht seit Jahrhunderten bewahrt wirdj doch 
hatte die Kürze der Zeit und die Gröaao der Inschrift ihn be- 



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— 77 — 

^ARNE-DRÜCKEN. 
W.. I, ktf VilH.n. 




III, b.l Iroml.i. 




! ' ' ' ■ I " r ~ r -t 1 

10 9 0 » 6 S 4 3 J I 0 ID H*H*. 



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— 78 — 



und seiner Umgegend — vor. Die letzteren in Umdruck hergestell- 
ten, skizzeuartig behandelten Zeichnungen sind zum grosseren 
Theile das Werk eines Kölner Kunstfreundes, des Kaufmanns 
Hrn. F. Frantzen, der Reine Mussestunden zur Untersuchung 
und Aufnahme der historischen üaudcnkinulc der Stadt ver- 
wendet und die Abbildungen derselben au Freunde der Sache 
verschenkt- In grosser Anspruchslosigkeit der Darstellung, die 
in manchen technischen Punkten die Hand des Dilettanten nicht 
verkennen lässt, andererseits aber ein höchst bedeutendes 
architektonisches Talent und eiue grosse Schürfe der Auffassung 
und Beobachtung bekundet, enthalten diese Blätter ein ausser- 
ordentlich werthvolles Material, das die vorhandenen Publika- 
tionen über die Kölner Bauten in willkommenster Weise ergänzt 
und über viele derselben neue Aufschlüsse gieht. Die kompen- 
diöse Art der Behandlung, die namentlich auf den in den letz- 
ten Jahren gezeichneten Blättern durchgeführt ist, welche Grund- 
risse, Durchschnitte, Ansichten und Details, theils in geome- 
trischer, thcila in perspektivischer Darstellung in bunter Zu- 
sammenstellung und untermischt mit deu an betreffender Stelle 
eingeschriebenen erläuternden Notizen enthalten, entspricht 
allerdings nicht der üblichen Opulenz und Schwerfälligkeit lin- 
derer Publikationen, die aus dein Material«' einiger solcher 
Blätter ein ganzes Werk mit mehren Bogen Text und zahlreichen 
Tafeln gemacht haben würden, ist aber ausserordentlich über- 
sichtlich und billig und mochte daher den Fachgenossen, die 
sieb für die Aufnahme unserer deutschen Baudenkmäler interes- 
siren und gelegentlich einen bescheidenen Beitrag hierzu liefern 
wollen, als Muster »arm zu empfehlen sein. In seiner Heimat 
ist es Hrn. Frantzen auch bereits gelungen, mehre junge 
Architekten für seine Methode zu gewinnen, und darf namentlich 
eine Publikation der Gereous-Kirrhe, die ein gegenwärtig in 
Berlin studirender Architekt, Hr. Custodi», im vorigen Jahre 
herausgegeben hat — ein einziger auf allen 4 Seiten bedruckter 
Bogen — als ein ausgezeichnetes Beispiel für diese Bestrebungen 

Hrn. Lucae verliest sodann das von der Kommission auf- 
gestellte Programm für die architektonische Aufgabe zur näch- 
sten Scliinkelfcstkonkurrenz — Entwurf eines Gebäudes für das 
Berliner Gewerbemuseum auf einem Grundstücke der verlän- 
gerten Zimmerstrasse. Ueber eiueu Punkt — die Bestimmung 
des Baumaterials, für welches die Paraden zu entwerfen sind 
— hat die Kommission sich nicht einigen können und die Ent- 
scheidung dieser Frage daher auf den Verein übertragen. In 
einer längeren und lebhaft geführten Diskussion werden. 4 ver- 
schiedene Vorschläge gemacht- 1) Die Wahl des Baumaterials 
ganz freizustellen: es wird dagegen eingewendet, dass die Ent- 
würfe dann so ungleich ausfallen dürften, dass eine Vergteichuug 
und gerechte Beurtheilung stark erschwert würde. 2J Ein Ge- 
misch von Schnittstein- uud Backsteinbau vorzuschreiben, was 
wenig Anklang findet. 3u. \) Entweder ausschliessliche Anwendung 
von Schnittstein oder Backstein festzustellen. Für die Wühl des 
erstereu wird geltend gemacht, dass die Aufgabe hierdurch 
wesentlich erleichtert werde, indem die jungen Architekten, die 
sich bei dieser Konkurrenz zu betheiligen pflegen, doch vorzugs- 
weise auf die Formen des Schnittsteinbaus geschult seien. Da- 
gegen wird für den Backsteinbau gerade deshalb plaidirt, weil 



er die Konkurrenten dazu nöthigt. über die gewöhnliche akade- 
mische Koutine hinauszugehen und sich in selbstatändiger Er- 
findung zu versuchen; auch die Bedeutung desselben gerade für 
den vorliegenden Fall, wo es sich um ein zur Hebung vater- 
ländischer Technik uud Kunstitidustrie bestimmtes Institut 
handelt uud das Gedächtnis* Schinkels, der diesen Zweig der- 
selben neu belebt hat, gefeiert werden soll, wurde gebührend 
hervorgehoben. Die Abstimmung ergab demnächst, dass eine 
sehr bedeutende Majorität mit der zuletzt entwickelten Ansicht 
einverstanden war, so dass also die Wahl des Backsteinbaus für 
den Entwurf vorgeschrieben werden soll. 

Die Referate über die Beurtheilung der zum diesjährigen 
Schiukclfeste eingegangenen Arbeiten verlasen Hr. Orth im 
Nauicu der Architekten-, Hr. Iloussejlc im Namen der Inge- 
nieur-Kommission. Die Beurtheilung der 4 Bearbeitungen der 
architektonischen Aufgabe, für welche bekanntlich der Entwurf 
einer Villa auf dem Sandwerder in der Havel gestellt war, hat 
ein keineswegs erfreuliches Resultat ergeben. Sämmtlichen Ar- 
beiten wird neben Schwächen im Einzelnen zum Vorwurf ge- 
macht, dass sie ein für die Aufgabe nicht ausreichendes Geschick 
der allgemeinen architektonischen Komposition zeigen; die mit 
dem Preise bedachte Arbeit, als deren Verfasser sich Hr. Her- 
mauu Zill er ergiebt, hat diesen Erfolg der gefälligen und ge- 
schickten Behandlung der Architektur im engeren Sinne zu 
danken; dagegen ist die Losung des konstruktiven Theils so 
nebensächlich behandelt, dass die Kommission diesen Entwurf 
der technischen Buudeputation zur unbedingten Annahme als 
Probeorbeit zur Baumeisterprüfung nicht empfehlen konnte. Die 
Schinkelmedaille und eine unbedingte Empfehlung für den ge- 
nannten Zweck hat der Entwurf mit dem Motto „ Niuhtworks" 
erhalten, der an künstlerischem Geschick jeuer nicht ganz gleich- 
kommt, aber gewissenhafter durchgearbeitet ist; der Verfasser 
desselben ist leider bis jetzt nicht ermittelt worden. — Um sehr 
Vieles günstiger fiel die Beurtheiluug der beiden Arbeiten aus 
dem Gebiete des Ingeuieurwesens aus, für welche ein Eutwurf 
eines eisernen Viaduktes auf eisernen Stützen als Aufgabe vor- 
gelegen hatte. Trotz mehrfacher Ausstellungen im Einzelnen 
hat die Kommission dem Fleisse und Geschick beider Konkur- 
renten im Allgemeinen doch ihre Anerkennung gezollt und da- 
her beide Arbeiten der technischen Baudeputation empfohlen. 
l>er erste Preis — das Reisestipendium von 100 Friedricbs'dor 
und die Schinkel - Medaille — ist dem Verfasser der Arbeit 
.Nietkopf*, Hrn. G. Heuser, zugesprochen worden. 

Hr. Send ler berichtete sodann im Namen der Dccbarge- 
Kommission über die Prüfung der vom Säckelmeister vorgeleg- 
ten Kassen -Abrechnung für das Jahr 1871 und den Etats-Ent- 
wurf für 1872, die beide einstimmig akzeptirt wurden. Eine von 
der Kommission gegebene Anregung, ob in Betreff der ziemlich 
bedeutende Uukosten erfordernden Publikation der Protokolle 
nicht eine Aenderung eintreten könne, gab zu einer Diskussion 
Veranlassung, an der die Hrn. Assmann und Fritsch sich 
betheiligten und deren Resultat war. dass dem Vorstände die 
vorläufige Berathung der Angelegenheit aufgegeben wurde. 

Zum Schiusa erfolgte die Beantwortung der eingegangenen 
Fragen durch die Hrn. Röder, Fritze und Schwedler. Der 
I-etztcrc gab sein Urtheil über die von Hrn. Häscler in No. 8 



hindert, eine vollständige Abschrift oder einen Abklatsch herzu- 
stellen. Diesmal sollte der neue Fund der Wissenschaft erobert 
werden, alle Ilülfsmittel waren mitgebracht worden, und es kam 
nur darauf an, das Haus wieder zu finden und die Erlaubnis» 
zum Abklatsch zu erhalten. Das Letztere war nicht ganz leicht, 
da das Haus von einer Wittwe bewohnt wurde und die altmuha- 
medanischen Gesetze über die absolute Absperrung des weib- 
lichen (icschlcchtü im Innern des Landes ebenso wie in der 
Hauptstadt noch in voller Kraft bestehen. Nur ein mit der 
Sprache und den Verkehrsarmen der Eingeborenen völlig Ver- 
trauter konnte hier für die wissenschaftlichen Zwecke unserer 
Reise vermittelnd eintreten. Alle Möglichkeiten des weiteu 
Rittes und eines etwa nothwendigen Aufenthaltes am Zwischen- 
punkte erwägend, schlug II. vor, eine Nacht in Kilissi-Köi zu 
verbringen, um sowohl Abends wie Morgens Abschrift»- und 
Abklatsch-Versuche vorzunehmen, und dann am nächsten Tage 
in einem scharfen Ritte nach Menimen hinahzureiten, um vöu 
dort aus mit dem Nachmittagszuge Sinvrua erreichen zu können. 
Auch wegen der schwierigen Unterkunft schaffte er Rath, indem 
er eine in Pergamum ansässige begüterte Griechin , welche ein 
Landgut in K.-K. besass, bewog, uns eine Empfehlung an ihren 
Verwalter, wegen Gewährung von Nachtquartier mitzugeben. 

So brachen wir denn nach mehrtägigem Aufenthalte in P. 
Mittags auf, und schlugen den alten direkten Weg zur Küste 
ein. Allen fiel die Trennung schwer; mehr als einmal hielt 
der lange Zug an, um die schöne Lage der Stadt in der frucht- 
barsten Umgebung uud zu Füssen der herrlich gegliederten 
Akropolis dem Auge dauernd einzuprägen. Wir passirten bald 
den Catcus auf einer ziemlich bedenklich aussehenden Brücke, 
su dass Absitzen gerathen war. Jenseits des Flusses begann 
eine fruchtbare und bei weitem besser angebaute Ebene, als wir 
bisher gesehen hatten. Abgeerntete Mais- uud Baumwollenfel- 
der wechselten mit gut bestandenen Oelbaumnflanzungen ; selbst 
Rinder- und Schaafheerdeu trafen wir mehrfach. Links von 
unserem, theilweis dicht beschattetem Wege sahen wir hoch an 
den klassisch geformten Berghalden drei ganz im Holzstil ge- 
haute Dörfer hängen. Gar gern hätte ich sie auf ihre nationale 
Bauweise näher besichtigt, wenn nicht die bereits weit vorge- 
schrittene Abendzeit es verboten hätte. Wir durchritten mehre 



alte, mit Marmorgrabsteinen tiesäet e aber längst rerlassene Tür- 
kenkirchhöfe und sahen mit Bedauern herrliche antike Archi- 
tekturfragmente zu Brunnen- und Mauereinfassungen verwendet 
Immer mehr näherten wir uns der Küste. Hinter uns blieb die 
schöne Bai von Tschaudarlvk; bald ging die Sonne hinter einem 
hoch- und dunkelblau dastehenden Gebirge zu unserer Rechten 
unter. Die rasch einbrechende Dunkelheit machte den Ritt auf 
holprigen Pfaden beschwerlich und es verstummte das laute 
Gespräch. Endlich gelangten wir zu einem am Meeresstrande 
belegenen türkischen Kaffeehause, welches als Poststation dient. 
Hier erfuhren wir mit Schrecken, dass wir den rechten Weg 
verfehlt hätten, und deshalb, um Kilissi Köi zu erreichen, 
schräg rückwärts in das Gebirge hinein reiten müssten. Glück- 
licherweise gelang es bald einen mit der Gegend wohlvci trau- 
ten Führer zu finden; er wurde beritten gemacht und au die 
Spitze des Zuges gestellt. Bei der tiefen Dunkelheit und der 
Enge der steilen Velscnpfade musstc anfangs mit Vorsicht ge- 
ritten werden. Bald aber ging der Mond in der lauwannen 
Nacht auf uud übergoss die dunklen Bäume, die weissen Kalk- 
felsen und gelben Grashänge mit seinem milden Lichte. Die 
tiefe Stille erweckte den Gesang und bald erschollen die alten 
deutschen Weisen von Strassburg und vom Odenwald, vom 
treuen Kameraden und von der Wacht am Rhein durch die 
kleinasiatiscben Berge. 

Es war schon spät, als wir das hochbelegene, aus elenden 
Lehmfachwerkhütten erbaute Dorf erreichten; lange suchten 
wir, von grossen Hunden umheult, nach dem Gehöft der Griechin, 
welches uns zum Nachtquartier bestimmt war. Als wir es 
endlich gefunden und die Pferde in den Hof geführt hatten, er- 
schrak ich vor dem Wohnhause, in dessen Bel-Etagp wir logiren 
sollten. Ein ähnliches bedenkliches Ueberhängen von Ober- 
mauern (über 0,80") hatte ich noch nicht gescheu, eine solche 
aus dünnen Latten gebaute und unter jedem Bestcigcr sich 
tief durchbiegende Haupttreppe nie geahnt. Oben war die Sache 
mit Ausnahme des, die stärkste zulässige Chausseesteigung weit 
überschreitenden Fussbodens, besser als es unten schien. Rings- 



um Divans. ein kleiner Lchmkamin, dicke Tcppiche auf der 
Erde, ein Muttergottesbild mit Lätnpchcn in der Ecke, 
wir alles Nöthige von Bürsten, " 



Fliesspapier 



Rasch 



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— 79 - 



d. Deutsch. Bauztg. vorgeschlagene Scharnier • Konstruktion 
dahin ab, dass es in der Ausführung schwer «ei, eine so grosse 
Anzahl von Scbraubeubolzen, wie hierbei erforderlich, derartig 
anzuordnen, das« dieselben gleichzeitig und gleichmäßig in An- 
spruch genommen werden. 



Zur Aufnahme üi den Verein gelangten die Hrn. Bcrtho Ul, 
Bohn, Carl Junker, von Rosainsky und Wilke 



Vermischtes. 

Normal- Ziegelformat Nach Mittheilung des deutschen 
Vereins für Fabri kation von Ziegeln etc. ist das von 
demselben vorgeschlagene und vom Verbände deutscher Archi- 
tekten- und Ingenieur-Vereiue akzeptirte Normalziegelformat 



für die Veranschlagung und Ausführung v 
geschrieben worden: Preussen, M 



Staatsbauten vor- 
burg-Schwerin, M.-Stre- 
litz, Sachsen-Gotha, S.-Wcimar-Eisenacb, S.- Altenburg, Braun- 
schweig, Schwarzburg-Rudolstadt, Schw.-Sondershausen, Schauiu- 
burg-Lippe und Lübeck. 

Von Sachsen (Königr.), Bavern, Würtemberg, Baden, Olden- 
burg etc. fehlen die Nachrichten darüber. _ _ 

Uebor die Einwirkung des Leuchtgase« auf die Batim- 
vegetatlon sind seitens des städtischen (iartendirektors Meyer 
zu Berlin auf Anordnung der Komtuunalhehörden in neuerer 
Zeit abermals Versuche angestellt worden, deren Resultat ge- 
eignet ist, den |vou vielen Seiteu vertretenten Glauben an die 
verhältnismässige Unschädlichkeit des Gases stark zu erschüt- 
tern. Der Bericht über die zur Zeit noch fortgesetzten Versuch:, 
die später auf ein Terrain von mindestens 2o Ar Grösse über- 
tragen werden sollen, schliesst mit fulgendvu Ausführungen: 
»Aus den bisherigen Versuchen ergiebt sieh jedoch bereits als 
unzweifelhaft, dass selbst die geringe Menge Leuchtgas von 25 
Kubikfuss täglich auf eine Quadratruthe und bei 4 Fuss Tiefe 
auf 576 Kubikfuss Bodeu verthcilt, die mit dem Gas in 
Berührung kommenden Wurzelspitzeu der Bäume jeder Art 
in kurzer Zeit tödtet. und dass dieses um so früher geschieht, 
je fester die Bodenoberfläche ist. Einzelne Itaurasrten, wie 
Götterbaum, Gladitschic und Kugelakazie, geben eino solche 
Vergiftung früher, andere, wie Ahorn und Linde, später 
äusserlicb zu erkennen. Ob aber, und unter welchen Umstän- 
den, ein Baum im Stande sein durfte, sich wieder von solcher 
Vergiftung gänzlich zu erholen, wird sich im weiteren Verlauf 
der Vorsuche zeigen, durch welche schliesslich auch die Frage 
Erledigung finden soll, welches dasjenige niedrige Quantum 
Leuchtgas sei, welchem die Wurzeln der Bäume längere Zeit 
können, ohne wesentlich zu leiden.* 



Aus der Fachliteratur, 

Zeitschrift des Architekten- und Ingenieur-Vereins zu 
inover. Jahrgang 1871. Heft 1 bis 4. (Scbluss.) 

B. Aus dem Gebiete des Hochbaues. 
1. Wohnhäuser der Herren Dr. Bodeumeycr und 
Dr. Brandes am Schiffsgraben zu Hannover, entworfen 
und ausgeführt von Baurath Köhler. Mit 3 Bl. Zeichnungen. 
Die beiden Wohnhäuser, in einem mit Vorgärten geschmück- 



ten und freier bebauten Stadtthe ile belegen , siud in gemein- 
schaftlicher Facadeu-Architektur uud äusserlich ein Ganzes dar- 
stellend, derartig disponirt, dass die Brandgiebel sich decken, 
während alle übrigen Seiten Licht erhalten. Jedes derselben 
besteht aus einem Souterrain, in welchem die Wirthschaftsräume, 
uud zwei oberen Geschossen, iu denen die Gesellschaft«-. Wohn- 
und Schlafzimmer liegen. Anzahl und Anordnung der Zimmer 
ist in beideu Häusern, von denen das kleinere nur eine, das 
grossere oine Pracht- uud eine Ncl>entreppc enthält, verschieden: 
gemeinsam ist bei beideu die Anlage eines Salons im Krdge- 
geschoss, der mit einem Portikus und einer breiten Freitreppe 
nach dem Vorgarten mündet, 

l'cber die Grundrissdispositiou derartiger Häuser, die iu 
den meisten Fällen weniger auf den Architekten, als auf die 
Bauherren zurückzuführen ist, kann eine Kritik kaum statt- 
finden; ausftchlies.sliches Eigenthum des Ersteren ist im Wesent- 
lichen nur die künstlerische Gestaltung, die hier unter Verwen- 
dung antiker Formen erfolgte. Die mannigfach gegliederten 
Facaden, bei denen die Archilekturtheile von Sandstein, die 
glatten Flächen von geputztem Backsteinmauerwerk hergestellt 
sind, zeigen geradlinig überdeckte, zu grösseren Gruppen ver- 
einigte Oeffmingen; das Innere hat einen reichen farbigen 
Schmuck erhalten. 

Wenn der wenig befriedigende Eiudruck der Architektur 
zum Thcil wohl auf die sehr mangelhafte Darstellung gesebubeu 
werden muss, so ist der Schöpfung, die bei einer ziemlich will- 
kürlichen Zusammenstellung von Formen an entschiedener Nüch- 
ternheit leidet, ein höherer künstlerischer Werth doch nicht bei- 
zumessen. Sie kann sich in dieser Beziehung neben den besse- 
ren Leistungen der einheimischen mittelalterlichen Schule nicht 
behaupten, was um so mehr zu bedauern ist, als gerade au 
eiuem Orte, wo der nach neuen Gestaltungen ringenden Indivi- 
dualität des Schaffens so viel Rechnung getragen wird, Werke, 
die auf den Traditionen klassischer KuDstübung fussen, eines 
Hauches klassischer Anmuth und Vollendung am Wenigsten 
entbehren dürfen. 

2. Grabmal des Organisten Anger zu Lüneburg, 
von Baurath Hase iu Hannover. 

Die ausserordentlich schwierige Aufgabe eines \on den ge- 
wöhnlichen Typen abweichenden selbstständigen kleinen F'rei- 
mouuments, an welcher so viele Architekten schon gescheitert 
sind, hat hier eine neue Lösung gefunden, die der Zeichnung 
zufolge nicht unglücklich wirkt. Auf kurzen Säulenfüsseu erhebt 
sich über der mit Platten abgedeckten, stufenförmig erhöhten 
Gruft ein mittelalterlicher Sarkophag, der mit geraden Giebeln 
geschlossen ist. Der eine dieser Giebel trägt einen durch- 
brochenen Aufbau — ein Kreuz, eingerahmt von einem gotbischen 
Bogen, dessen Abdachung von einer Statuette der heil. Cacilia 
gekrönt wird. Die Widmungsiuschrift ist auf den beiden Sar- 



Schwämmen aus und eilten, von einem neugeworbenen Fuhrer 
begleitet, znm Hause des Türken, der als Bruder der alten 
Wittwe, welche den genannten Inschriftstein liewahrte, dringend 
nöthig war, um den Eintritt in das Wittwenhaus zu erlangen. 
Wie viel Zeit verlorcu wurde, bevor dieser Edle unser Vorhalten 
begriff, sich dann fertig machte, nach langem Klopfen bei seiner 
Schwester Einlass fand, endlich nieder herauskam und uns, von 
einem stattlichen Schwarme türkischer Biedermänner, der Aet- 
testen des Dorfes, begleitet, feierlich hineinführte, mag nur 
flüchtig angedeutet werden. Endlich standen wir in einer holz- 
überbuuten Vorhalle vor unserm langerstrebten Schatze. Es 
war ein ansehnlicher Stein von etwa 0,70™ und 1,50» ; er enthielt 



r als 100 Zeilen zu je (10 Buchstaben; die obere 
bei der elenden Lateruenbeleuchtung nur erkennbar aber nicht 
lesbar, die untere Hälfte schien durch Betreten gänzlich ver- 
wischt Mit Abschreiben war nichts zu machen; es musste ein 
Abklatsch versucht werden. Noch heut sehe ich das eigenartige 
Bild. C. u. H. u. G. knieend und bald nach Wasser, bald nach 
Fliesspapier rufend, bald hoffnungsvoll sich aufreibend, bald mit 
Resignation auf den Erwerb verzichtend. Ringsuni die hocken- 
den und in Rauchwolken begrabenen Türken, welche leidenschafts- 
los wie immer mit gewohntem Phlegma das Ende der Dinge er- 
warteten. Auf dem Hofe zornige und uicht zur Ruhe zu brin- 
gende Hunde, während das holde Mondlicht die Hofmauern, die 
tiefer belegenen Lehmhütten, die Ebene, die Küstengcbirge, ja 
selbst das ferne Meer mit seinem mildesten Glänze übergoss. 

Nachdem ein erster Abklatsch misslnngen, wurde ein zweiter 
mit höchster Sorgfalt gefertigter auf dem Steine liegen ge- 
lassen und gegen hohen Backscbisch dem Schutze Ali's — so 
hiess der fromme Wittwenhüter — anvertraut. Nach frugalem 
Irnbiss begabeu wir uns zur Ruhe in der sicheren Erwartung, 
dass, falls auch nur eine leise Erderscbütteruiig in der Nacht 
käme, vir uns auf dem Düngerhaufen dieses Hofes wiederfinden 
würden. Indessen lief alles glücklich ab, — die üblichen In- 
sektenangriffe ausgenommen. Lange vor Sonnenaufgang waren 
wir fertig und warteten auf Ali. Der Treffliche kam und führte 
uns zu unserm Steine. Aber auch dieser Abklatsch war miss- 
lungen, «bschon wir ihn unberührt fanden. Nun half kein Be- 
die Inschrift 



keit abgeschrieben werden. Zu diesem Behufe entschlossen sich 
die Sachkenner C. u. G., den ganzen Tag über von Ali uud 
sonstigen Freunden der Wittwe wohl bewacht im Hause sitzeu 
zu bleiben, während wir nuch Smyrna vorausreiten und da- 
bei das ganze auf zwei Pferde ge'ladene Gepäck eskortireu 
sollten. Rasch wurden die Vorräthe getheilt. die Kawussen bei 
den Freunden gelassen — Humann und ich brachen mit einem 
Diener und den Packpferdeu auf. Es war ein herrlicher aber 
heisser Ritt, bergauf, bergab, bald an der wundervoll gezeich- 
neten Küste entlang, bald über schroffe Abhänge uud Klippen 
fort, stundenlang im Schritt, zeitweis in frischem Ualopp. Da 
wir die Ankunft des Zuges in Menimen nicht sicher wussten, 
war die höchste Eile geboten. Die Pferde wurden daher nur 
ein einziges Mal im Laufe de« Tages an einer Quelle getränkt, 
aber der hier vorkommenden Blutegel halber mit höchster Vor- 
sicht. In einem brütend heissen Sumpfgelände überfielen uns 
noch schwärmende Stechfliegen und brachten die Pferde fast zur 
Raserei: indessen kamen wir glücklich durch. Nach einem kur- 
zen Aufenthalte in einer Kaffeehütte, eine Stunde vor Menimen, 
stiessen wir auf den Heraus, fanden mit Hülfe von Hirten die 
F'urt und setzten mit einiger Schwierigkeit hindurch. Zuletzt 
ging es im schärfsten Tempo zum Städtchen, dessen weisstei- 
nerne Windmühlen uns schon von Weitem eutgegenleuchteten. 
In dem bescheidenen Wartezimmer wurde rasch umgekleidet 
und Kuffee genommen, dann kam der Eisenbahnzug und führte 
uns in einigen Stunden nach Smyrna. 

Als wir am andern Morgen wieder am Arbeitstische süssen, 
traten unerwartet C. u. G. bei uns ein. Sie hatten trotz aus- 
dauernder zwtilfstündiger, auf den Knieeu verbrachter Arbeits- 
zeit nur die obere grössere Hälfte der Inschrift abschreiben 
können und waren dann ohne Aufenthalt die ganze Nacht hin- 
durch bei herrlichem Mondenscheine auf denselben Pfaden wie 
wir nach Menimen hinabgeritten. Mit dem Frühzuge hatten sie 
Smyrna glücklich erreicht; wir waren alle wieder zusammen. 
Nuu galt es zum zweiten Male nach Ephesus zu gehen, um diu 
daselbst früher begonnenen Arbeiten zum Abschlüsse zu bringen. 



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kopb Bedecken angebracht, wahrend der unter« gehrige Kaud 

dciselE« 



heu Sprüche enthalt 
den at 
Gruft 



Die Kosten des aus Sandstein hergestellten Denkmals incl. 
gemauerten Gruft habeu bei einer Sarkophaglänge v 
einer üeaanimtböhe von 4,67- 685 Thlr. betragen. 



i von 2,48- 



3. Ueber dir K hallten- oder Marne 1 uckengräber bei 
Kairo, vom Bau-Inspektor Pape in Hannover. Mit 2 Bl. Zeich- 
nungen. 

Die genannten Bauwerke, einige 30 an der Zahl, stellen in 
zwei Gruppen vertheilt in der Nähe der Zitadelle von Kairo. 
Verschieden au Grösse und Ausbildung — die kleineren ein 
einziger Raum von ca. 4 — 6", die grössten komplizirte Anlagen 
mit Moscheen und anderen Baulichkeiten verbunden — zeigen 
sie doch im Wesentlichen einen einheitlichen architektonischen 
Typus, der sich namentlich in der Gestaltung des eigentlichen 
Grabesraumes, eiuer thurniartigcn Halle mit massiver Kuppel, 
geltend macht. Der Verfasser l>eschreibt eingehend die allge- 
meine Anordnung und Ausbildung der Monumente, die er zu 
den bemerkenswertheren Leistungen des arabischen Stils zählt, 
und theilt eines derselben, das Mausoleum des Sultans Tarabeh, 
in Ansicht, Grundriß und Details (leider ohne Durchschnitt) mit. 
Die Erbauungszeit der Gräber ist nach seiner Ansicht frühe- 
stens auf dus Ende des 14. Jahrhunderts zurückzuführen; ar- 
chitektonische Einflüsse des Abendlandes durch beim Bau be- 
schäftigte christliche Sklaven scheinen ihm nicht unwahr- 
scheinlich. 

4. Wohnhaus zu Hudemüblen an der Aller, entworfen 
und ausgeführt von Baurath Uase zu Hannover. Mit 2 Blatt 
Zeichnungen. 

Das für den Gebrauch eines Wittwers mit nur einem Kinde 
bestimmte, unschwer jedoch auch von einer grösseren Familie 
zu benutzende Haus gewährt ein reizvolles Beispiel eines nach 
Grundris* und Aufbau originellen, aus den Bedingungen de* 
Beuprogramras abgeleiteten Hauses, wie sie die hannoversche 
Schule mit voller künstlerischer Hingebung an di 
schaffen weiss. 

Im Grundrisse bildet eine durch zwei Stockwerke 
Halle von 10,5» Lange und 7« Breite und Höbe das Haupt- 
motiv; sie empfängt ihr Licht von der einen Schmalseite und 
wird auf den drei übrigen Seiten von kleineren NebenräutueD 
umgeben. Im Erdgeschoss ein Esszimmer und Servirzimtuer. 
sowie zusammenhängend Wohn- und Studirziinnier, Bibliothek, 
Kabinet und Rlumenhaus des Herrn — im ersten Stock Schlaf- 
zimmer und Garderobe des Herrn, Schlafzimmer der Gouver- 
nante und ihres Zögliugs pp.; — im Souterrain liegen die Wirth- 
schaftsräume, im Dacngeschoss eine Anzahl von Giebelstuben. 
Die Treppe, von dereu Podest die Retiraden zugänglich sind, 
ist in eiuer Ecke des Hauses augeordnet. 

Das Aeussere ist in Backsteinbmu unter theilweiser Anwen- 
dung glaairter Steiue und in gothischen Formen ausgebildet 
und gewährt bei angenehmen Verhältnissen und einer wohltbu- 
enden Einheit des Maasstabcs (aus welchem höchstens der Aufbau 
der Uausthür herausfällt) in seiner bewegten Gliederung mit 
Giebeln, Erkern und dem thurmartig gedeckten Treppeubause 
einen brichst malerischen und stilvollen Eindruck. Das Innere, 
mit Ausnahme der reicher ausgestatteten Halle, ist einfach, je- 
doch gleichfalls in einheitlichem Stile mit echten Holzdceken 
durchgebildet. 

Die Kosten des Baues haben 13O0O Thlr. oder pro H™ ca. 
47 Thlr. betragen, was als ausserordentlich massig zu be- 
trachten ist. - F. — 



Monats - Aufgaben Im Arohitekten 

n & April 1872. 
1. Entwurf zu einer Grabkapelle. 

Die untere Gruft soll in schöner Anordnung 12 Särge von 
1 Meter Breite und 2,20 Meter Länge fassen können und durch 
stattliche Treppen mit dem oberen Räume verbunden «ein, wel- 
cher mit circa 80 Sitzplätzen, einem Altar und einer kleinen 
Orgel verschen sein «oll. Ein Glockenthnrm oder Glockengiebel 
wird verlangt. Das Game farbiger Backsteinbau im Rund- 



An Zeichnungen werden verlangt: 2 Grundrisse im Maass- 
stabe von , 2 Facadcn und ein Durchschnitt im Maasstabe 
von Vi,,. 

II. Für einen Flusshafen ist ein 100 Meter langes. 15 Meter 
über Niedrigwasser liegendes Bohlwerk, an welchem 2 Meter 
tief gehende Schiffe anlegen, zu entwerfen. In der Höhe dieses 
Bohlwerks soll auf einem besonderen Geleise ein beweglicher 
Dampfkrahn von 80 Zentner Tragfähigkeit aufgestellt werden, 
welcher zum Ueberladen schwerer Lasten vom Schiff zum Wag- 
gon dient und der bei Hochwasser rückwärts in Sicherheit ge- 
bracht werden kann. Ausser dem Bohlwerk ist der Geleiseplan 
zu entwerfen uud die Stabilität des ersteren ni ' 



Alle wichtigen Maasse, Annahmen und Rechnungsresultate 
m den Zeichnungen an geeigneter Stelle einzutragen. 



Die Entscheidung der Konkurrenz für Entwürfe zum 
u der Protestantischen Kirche zu Straaaburg (vid. Nr. 98 

Jhrg. (I. d. DUch. Bztg.) hat am 24. Febr. d. J. stattgefunden. 



Einen uns kurz vor Srhlusa der Nummer zugehenden Bericht 
über die Konkurrenz können wir leider nicht mehr bringen, 
sondern begnügen uns vorläufig mit folgender Notiz aus der 
Strassb. Ztg.: .Die zur Prüfung der Projekte behufs Aufhaltung 
der neuen Kirche bestimmte Kommission, bestehend aus den 
Herren Dr. Semper, Architekt und Professor in Wien, Questel, 
Architekt des Palastes zu Versailles, Böswillwald, Architekt 
und Generalinspektor der historischen Monumente von Strass- 
bürg, Leblois, Präsident des Konsistoriums der neuen Kirche, 
J. Sengenwald, Flach und Intim, als Mitglieder desselben 
Konsistoriums, vereinigten sieh am 24. Februar Mittags, um 
über die zu erthcilendeu Preise zu bestimmen- Keinem der 
eingeschickten Projekte konnte der erste Preis gewährt werden, 
welcher bekanntlich noch dem Programm des Konkurses 5000 
Francs war. Für die besten unter den vielen ausgestellten 
Plänen wurden folgende fünf Arbeiten, nach ihren Motto's er- 
kennbar, gewählt und ihnen folgende Preise zuerkannt: HH. Jean 
Bernhard, Henri Motte und Albert Tournade in Paris, Preis 
3000 Fr. (einstimmig zuerkannt); 2) Hr. Stanislaus Bau in Paris, 
Preis 2000 Fr.; 3) HH. Laurent Farge und Eugen Salutier iu 
Paris, Preis 1000 Fr.; 4) Hr. Salomon, Architekt in Strassburg, 
Preis 1000 Fr.; 5) Hr. Röderer aus Strassburg, wohnhaft in 
Paris, Preis lOOO Fr. 

Die Entscheidung der Konkurrenz für Entwürfe zum 
Bau eint« Kurhauses in Langen - Schwalbaeh (vid- No. 43. 
Jahrg. 71. d. Dtsch. Bztg.) hat als Sieger zwei Münchener Archi- 
tekten, die Hrn. Hugo Kafka und Otto Schulze hervorgehen 
lassen. Wir entnehmen diese Notiz der Frankfurter „Didoskalia*. 
ohne zu wissen, ob die Genannten gemeinschaftlich gearbeitet 
und zusammen den ersten Preis errungen haben, oder ob von 
den ausgesetzten Preisen nur 2 verliehen worden sind. 

Personal • Nachrichten. 

Prcussen. 

Ernannt: Der Zivil-Ingeuicur, Dr. phil. Meck le nburg zu 
Trier zum Eisenbahn- Baumeister in Kreuznach. 

Versetzt: Der Eisenbahn-Baumeister Scheuch zu Kreuz- 
nach nach Trier. 

Dem Kreisbaumeister Friedr. Wilh. Uoffmaun zu Pr. Hol- 
land ist der Charakter als Baurath verlieben worden. 

Das Baumeister-Examen haben bestanden: Andreas 
Kühnert aus Eisfeld; Julius Fischer aus Pillau; Julius Hehl 
aus Kassel. 

Das Bauführer-Examen haben bestanden: Emil Hoff- 
mann aus Gollancz, Kreis Wougrowitz; Rudolph Kiel aus 
Eidinghausen bei Oeynhausen; Rudolph Albert Schmidt aus 
Stabitz, Kreis Dt Krone. 

Sachsen. 

Ernannt: Strassenbaukondukteur Peters zum Chaussee- 
inspektor in Lflbau; Betriebsingeuieur Engelhardt in Chemnitz 
zum Bctriebs-Obcringenieur bei der Kgl. Generaldirektion der 
sächsiscbeu Staatsbannen zu Dresden; präd. Betriabsiugcnicur 
Becker zum Betriebsingeuieur in Cbemuitz; Scktiuusiugenieur 
Larraas in Penig zum Betriebsingenieur in F'löha; Sektions- 
Uartenstein beim Bau der Plauen-" 
ir. 



Brief- and Fragekuten. 

Hrn. R. T. in N. Die Gritschen Vorleget! Itter zum male- 
rischen Architekturzeichnen sind im Verlage von Ernst u. Korn 
hicnwlbst erschienen. Die aus dem Jacobsthal'schen Unter- 
richte am Gewerbemuseum cnstandonon Vorlegeblätter werden 
von dem Autor in einem besonderen Werke unter dem Titel 
.Grammatik der Ornamente" veröffentlicht. 

Hrn. 0. St. Soviel uns bekannt ist, sollte die Bahn 
Harburg-Stade als Staatsbahn gebaut werden uud würde die- 
selbe von der KgL Eisenbahu-Dircktiuu in Hannover ressortiren. 
Der Bahnbau bis nach Cuxbafeu und die Hofen-Anlage daselbst 
stehen wohl noch iu sehr weitem Felde. 

Ilm. v. H. Der Fall, dass von einer Kommune den zur 
Enßcheidung einer Konkurrenz erwählten Preisrichtern eine un- 
eutcelt -he Thätigkeit augesouneu worden ist, dürfte wobl noch 
nicht dagewesen sein; zur Veranschlagung der hierfür aufzu- 
wendenden Kosten werden die Bestimmungen über Diätensätze 
in der Honorar - Norm des Verbandes einen passenden Anhalt 
gewähren. — Die Entscheidung der Frage, ob ein Konkurrenz- 
Projekt für die in dem Programme als obligatorisch festgesetzte 
Kostensumme ausführbar ist, bildet allerdings einen dunklen 
Punkt so mancher preisrichterlichen Gutachten, die über diese 
für den Bauherrn meist wichtigste Angelegenheit nicht selten 
gar zu leicht hinweggehen; doch dürfte es unter Technikern 
wobl nicht zweifelhaft «ein, dass diese Frage sich bei einiger 
Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit mit genügender Sicherheit ent- 
scheiden lassen wird, auch ohue dass ein spezihrter Kostenan- 
schlag aufgestellt und iu amtlicher Weise revidirt wird. Es 
wird Sache der in einem Preisgerichte vertretenen Mitglieder 
der zunächst betheiligten Körperschaft sein, die technischen 
Richter zu einer möglichst präzisen Beurtheilung der Frage zu 
drängen. 

Beiträge mit Dank erhalten von den Hrn. H. in Ber- 
lin. M. in Strassburg, v. W. in Bautzen, N. in Zerbst. 



Kommlui.n.MrlMI C.rl It. .1,1. I. B«rll». 



Pf«* O. 



,rt i 



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Jahrg. VI. M II. 

DEUTSCHE BAUZEITUNG 



Redaktion m. Expedition: 

BtrNs. Orintfmtw** III. 
BttUlluarca 



Organ des Verbandes 

deutscher Architekten - und Ingenieur-Vereine. "3S 

Bedakteur X. E. 0. FriUcli. 



fir 41« Um 4<r Inttthn 
kui-ltinf »aitn AofiuK»f 
(ir.llf - lillil! 

b) »K «P. pr. 



Prcb 1 Th«]«r P r« turttl. Berlin, den 14. März 1872. 


Erscheint jeden teanersta;. 


d« I).«b«»d».rk-r. < FartMtron«. > - D«r lloffnuan'KB« Kin-of.-. and 41. r.r««i»- 
•»►rb« l'M.nlk«mm(.«oi.. — fUimkiiien in. dem Oli.nl X. — in* MUalulfipU 
Bof.ab.grkt »» 81. U>ui«. - Hillli.llanc.B >at V.r.la.a: Archil.kl.n- 


a..d lofwWar-V.r«- .„ HWotw. _ Ar-hli.H.n.V.r.la .« Itorli». 
altehl.-: Hacn-SUflaa«. - Zur Wl.d.rb.*rtiuo-; d.r SUdtb.ur.tl 
tu tUrlln. - Konk urr.a-.n 1'rote.tanlLch. Kirch. In yin-iin; 
D.nkm.l für Alton.. — H«r.*»al-?ia-liri.ht«a «1«. 


- V.r. 



Zw Präge der ScfcaÜHUssregelii gege« die Arbeitseiastelluigeii drr Bauhandwerker. 

(Fortuuurvg tutt 8<alaai.) 



Es ist nicht zu leugnen, dass die Aensserungen , mit 
welchen während des vorjährigen Berliner Strikes der Stand- 
punkt der Gesellen verfochten wurde, sehr wenig geeignet 
waren, die Öffentliche Meinung zu ihren Gunsten zu stimme». 
Zwischen hohlen Phrasen und den bekannten sozialistischen 
Schlagwortern ziemlich unverhüllt die Anerkennung, dass 
das mit allen Mitteln zu erstrebende Ziel eine möglichst 
geringe Arbeitszeit und ein möglichst hoher Lohnsatz sei, 
und die entschiedenste Abneigung in ernstlich gemeinte Ver- 
handlungen mit der Meisterschaft einzutreten, falls diese 
nicht einfach die Forderungen der Gesellen bewilligte. 
Die Löhnum: nach Stunden wird als eine Quelle unaufhör- 
licher Zwistigkeiten und als ein Mittel, um dem Arbeiter 
von seinem bisherigen Lohne etwas abzuzwacken, eine Ab- 
stufung des Lohnsatzes nach dem Fleissc und der Tüchtig- 
keit der Gesellen als eine der meisterlichen Willkür Thür und 
Thor öffnende Falle verworfen nnd zurückgewiesen. Daneben 
fehlte es nicht an drastischen Mitteln, um das Lebens -Ele- 
ment der Strikes, die Einigkeit der Arbeiter gegen diejenigen 
unter ihnen, welche zum Nachgeben geneigt waren, durch- 
zusetzen. Und als schliesslich die Arbeit wieder aufgenom- 
men wurde, eine prahlerische Proklamation, durch welche 
der Ausgang des Strikes als ein Sieg der Gesellen verkündet 
wurde, weil das Prinzip der Stundenlöhnung beseitigt und 
der zehnstündige Normal -Arbeitstag bewilligt sei! 

Aber wer die Stellung der Arbeiter in gerechter Weise 
würdigen will, darf sich von dieser Aussenseitc der Be- 
wegung nicht ohne Weiteres abstossen ' 



nächst Btets den Bildungsgrad der Arbeiter berücksichtigen, 
der es durchaus nicht zulässt. den von ihnen gethanen oder 



beizulegen, 
der Meisterschaft bean- 
nur wenige 
denen ihr 



zulässt, 

gebilligten Aeussernni 
wie sie ihrerseits die 
sprachen dürfen. Man wird für 
Persönlichkeiten verantwortlich 

AgiUtionstalent die Führerrollen verschafft hat; und auch 
diesen, von dem Sauerteige halbverstandener sozialistischer 
rien oberflächlich angegährten Helden der Volksver- 
iungen wird man ihre Phrasen und Uebertreibungen 
allzuhoch anrechnen dürfen. Ein Gleiches gilt von 
der „Frivolität* der Motive, welche für die Arbeitsein- 
stellungen geltend gemacht werden; es darf darüber nicht 
strenger geurtheilt werden, als über die formellen Veran- 
lassungen, aus denen die Kriege der Staaten und Völker 
hervorgehen, denn in den seltensten Fällen ist ja die an- 
gebliche Ursache der Kriegserklärung mehr als der äuaser- 
fiche Anstoss, der eine aus tieferer innerer Notwendigkeit 
entsprungene Krüns zum Ausbruch bringt. Wer könnte von 
dem leicht aufgeregten, heissblütigen Arbeiter, — wenn das 
Gefühl der Unzufriedenheit mit seiner Lage einmal die Ober- 
hand gewonnen hat — erwarten, dass er seine Worte und 
Handinngen ängstlich auf die Goldwaage legt? Ja selbst die 
Exzesse nnd Zwangsmaassregeln gegen die am Strike nicht 
Theil nehmenden Gesellen wird man in einem milderen Lichte 
sehen müssen, wenn man bedenkt, wie viele geradezu rohe 
Elemente unter dem Arbeiterstande einer grossen Stadt ent- 
halten sind. Aus der verh&ltnissmässig äusserst geringen 
Anzahl solcher Exzesse während des letzten Strikes der 
Berliner Maurer wird sich sogar eher ein günstiges Urtheil 
für das Verhalten der grossen Mehrheit derselben ziehen 
bissen. Soviel steht jedenfalls fest, dass die Organisation der 
ganzen Bewegung auf Seite der Arbeiter eine bewunderungs- 
würdige war, dass ihre Einigkeit, Opferwilligkeit und die Cha- 
rakterstärke, mit <!er sie den beschlossenen Feldzugsplan 



durchführten, sehr günstig abstach gegen die Zerfahrenheit 
und den Mangel an Gemeinsinn, den ein Theil der Meister- 
schaft zeigte. 

Und ist denn das Ziel der Arbeiter, selbst wenn es in 
so nackter und selbstsüchtiger Form ausgesprochen wird, 
wie oben geschehen, ein so absolut verwerfliches? Zum 
Mindesten haben diejenigen wohl kaum das Hecht solches 
zu behaupten, die von der volkswirtschaftlichen Lehrkanzel 
herab dem Arbeiter auseinandersetzen, dass es sich für ihn 
nunmehr einfach um den durch Nachfrage und Angebot re- 
gulirten Verkauf seiner Leistungen handele. Kaufgeschäfte 
und Spekulationsgeschäfte sind heut leider so identische Be- 
griffe geworden, dass man es dem Arbeiter wahrlich nicht 
verübeln kann, wenn er auf Grund jener Theorie mit seiner 
Waare zu spekuliren und den geringen Kapitalwerth der 
einzelnen Arbeitskraft durch eine Koalition \ieler zur Gel- 
tung zu bringen sucht. Während es beispielsweise nicht nur 
für eine erlaubte, sondern sogar für eine geschickte und au- 
erkennenswerthe Operation gilt, wenn es einem Bauunter- 
nehmer durch massenhafte Material-Aufkäufe gelingt, die 
Konjunktur zu beherrschen und dadurch ein entschiedenes 
Uebergewicht über seine weniger weitblickenden oder über 
geringere Kapitalien gebietenden Konkurrenten zu erlangen, 
wird es schwer sein den Arbeiter davon zu überzeugen, dass 
er nicht berechtigt sei, durch ähnliche Spekulationen einen 
grösseren Gewinn von seiner körperlichen Leistung zu er- 
streben, als ihn allenfalls die „Nothdurft des Lebens^ fordert. 
Um so schwerer, wenn diese Nothdurft des Lebens in so 
willkürlicher und oberflächlicher Weise geschätzt wird, wie 
dies oft geschehen ist. Man wird nichts anderes thun kön- 
nen, als dem Arbeiter auseinander zu setzen, wie gefährl ich 
jenes iStreben nach einer unbegrenzten Lohnsteigerung für 
ihn selbst werden kann, sobald er hierbei einseitig und rück- 
sichtslos gegen die Interessen Anderer verfährt, also einen 
Rückschlag herausfordert Aber diese Auseinandersetzung 
wird augenblicklich kaum eineu sehr empfänglichen Boden 
finden, denn einerseits dürfte er auf das ihm bestrittene 
Recht jenes Strebens zu eifersüchtig sein, um es bei seinem 
Bildungsgrade nicht mit einem gewissen Eigensinn geltend 
zu machen, andererseits wird er jene persönliche Gefahr 
nicht allzuhoch anschlagen, so lange er wirklich noch um die 
blosse Nothdurft des Lebens arbeitet uud keinen Besitz 
aufs Spiel zu setzen hat 

Haben wir damit bereits eine Hauptursache der gegen- 
wärtigen Arbeiterbewegung, die durch die vom Staate ge- 
währte Koalitionsfreiheit plötzlich in vollen Fluss gebracht 
worden ist, berührt und gleichzeitig schon eines der Mittel 
zu ihrer Beseitigung angedeutet, so sind diese Momente doch 
mehr allgemeiner Natur und gelten nicht etwa blos für die 
Banhandwerkc. Dass die Verhältnisse gerade bei diesen 
einen so schroffen Charakter angenommen haben, ist ent- 
schieden noch durch andere Gründe veranlasst worden. 
Nimmer würden die sozialistischen Agitatoren, deren Ver- 
führung man eine so grosse Schuld an der Bewegung bei- 
misst, einen solchen Einfluss haben erlangen können, wenn 
sie nicht in eiuer allgemeinen Misstimmung der Bauarbeiter 
gegen ihre Arbeitgeber ein so günstiges Feld Tür ihre Agita- 
tion gefunden hätten, und nimmer würde eine derartige Miss* 
Stimmung sich haben entwickeln können, wenn die Zustände 
des deutschen Baugewerks noch normale und gesunde wären. 

Es ist bei den Arbeitseinstellungen der letzten Jahre 
deutlich zn Tage getreten, eine wie tiefe Kluft Meister nnd 
Gesellen des Bauhandwerks von einander trennt, wie das 

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— 82 - 



Verständnis* und das Vertrauen zwischen beiden und mit 
ihnen das Bewusstsein von der Solidarität ilm-r Interessen 
in einer Iteklngenswertheti Weise geschwunden sind. Wäre 
dies nicht der Fall, wie sollte es erklärlich sein, das» 
grösstentheils auch der intelligente, fleissige und tüchtige 
Kern der Gesellenschaft — und wer unsere deutschen Bau- 
haudwerker kennt, weiss, dass dieser Theil nicht gering ist 
und sich von der unterstell Klasse des Standes sehr wesent- 
lich und vorl liedhaft unterscheidet — si.-h mit der Akkord- 
arbeit, die ihm die offenbarsten Vortheile bietet, uuter den 
gegenwärtigen Verhältnissen nicht zufrieden giebt; dass er 
ebenso den Verlockungen, welche ihm das Anerbieten der 
Meisterschaft auf höheren Lohnsatz für tüchtige« Leistungen 
gewählt, staudhaft widersteht, dass er sich lieber mit der 
grossen, ihm keiucsu. l- ■ . I ml n.i Masse verbündet und 
mit deren Aussichten sich ge nügen lasst, als dass er sein 
Schicksal, wie bisher, in die tl&ude der .Meister legen will, 
lud doch ist keine andere Hoffnung auf Besserung der 
gegenwärtigen Misstande möglich, als wenn gerade dieser 
Theil der GeseUenschaft einem Einvernehmen mit der Meister- 
schaft zurückgewonnen wird, wenn es gelingt, seine Interessen 
von denen der roheren und weniger tüchtigen Kiemente zu 
trennen und durch Niederhaltung und möglichste Eutbehr- 
liehmachun« der letzteren den Stand albnälig von ihnen zu 
befreien und in sich zu lieben. 

Unseres Erachtens ist diese Kluft zwischen Arbeitgebern 
und Arbeitnehmern des Hängewerks, welche wir als Haupt- 
ursnehe der Unzufriedenheit der letzteren betrachten müssen, 
nicht etwa eine Folge der Gewerbefreiheit, die das alte 
patriarchalische Verhältnis zwischen beiden gelöst hat — 
von keiner Seite ist dies auch behauptet worden — sie ist 
auch nicht ausschliesslich eine Folge des unklugen Verhal- 
tens der Meisterschaft, welche die eisten, seit Jahren drin- 
gend uothwendig gewordenen Lohnerhöhungen mir mit 
Widerstreben sieh abringen Hess und dadurch Krbitternng 
auf Seiten der Arbeiter hervorrief: sie ist vielmehr eine ganz 



natürliche Konsequenz davon, dass im Wesentlichen noch 
immer die alten Formen für das Verhältnis* zwischen Meister 
und Gesellen festgehalten werden, während die Bedingungen 
des Haugeschäfts selbst sich stark verändert haben. Eine 
Anomalie, die schon vor Einführung der Gewerbefreiheit 
bestand und deren gegenwärtige Folgen durch letztere höch- 
stens gezeitigt worden sind. 

Seit lange ähnelt, wie wir das bereite im Jahre DM>8 
zu entwickeln Gelegenheit genoinmeu haben, der Geschäfts- 
gang der Baugewerke, zumal der in den grösseren Städten, 
weit weniger dem Handwerke, als dem Fabrikbetriebe, ob- 
gleich keine Arbeit sich weniger für einen solchen eignet, 
als namentlich die stets an wechselnder Stelle, stets unter 
verschiedenen Bedingungen schaffende Thätigkeit des Maurers. 
Die BauRewerksmeistcr, in ihrer Mehrzahl ans einer sich ver- 
erbenden Meister- Aristokratie hervorgegangen, dem Werk- 
nlatze zuweilen völlig fremd, gehörten nach Erziehung und 
Lebensstellung schon längst nicht mehr den Handwerker- 
kreisen an . wie sie auch nicht als Handwerker sondern als 
Kaufleute, Architekten und Techniker wirkten. So geriethen 
sie zu ihren Gesellen, mit denen sie in alter Zeit das Band 
wirklicher Berufsgenossenschaft verbunden hatte, um so mehr 
in das Verhältnis« des Fabrikherrn zu seinen Arbeitern, je 
mehr der steigende Verkehr und die materielle Entwicklung 
sie dazu nöthigle, vorzugsweise mit kaufmännischen Konjunk- 
turen zu arbeiten, ihr Geschäft ins Grosse zu treiben und 
eine möglichst grosse Zahl von Arbeitern zu halten, die 
selbstverständlich je nach der Jahreszeit und dem Geschäfts- 
umfange einem fortdauernden Wechsel unterworfen ist. Dass 
sich hierbei Meister und Gesellen allmälig mehr und mehr 
entfremdet worden sind, dass sie das Verständniss und die 
Theilnahme für ihre beiderseitigen Interessen verlieren niuss- 
teu. je mehr die ersten zu Gross-Kaufleuten, die letzteren zu 
Proletariern wurden, ist wohl ebenso einleuchtend, wie, dass 
dieses Verhältnis* gerade von dem besseren Theile der 
GeseUenschaft schwer empfunden werden musste. 



Der Hnflniann'sche Ringofen und die preußische Patent -Kommission. 

Vou Baumeister Lämmerhirt in Berlin. 



Im Jahre 1*58 wurde dem Baumeister Friedr. Iloff- 
mann zu Berlin in Gemeinschaft mit dem Stadt-Baunith 
Licht zu Danzig von dem preußischen Handels -Ministerium 
ein Patent ertheilt 

„auf einen ringförmigen (Ifen zum unausgesetzten 
Betriebe beim Brennen von Ziegeln und anderen 
Gegenständen* 

und diesem Privilegium durch zweimalige Verlängerung Seitens 
derselben Behörde die gesetzliehe Gültigkeit von 15 Jahren, 
also bis zum Jahre 1*7:» verliehen. 

In gleicher Weise erlangte der Erfinder in andern Staaten 
Europa'» und in Amerika Pateute; alle irgendwie bedeutenden 
Ausstellungen enthielten Zeichnungen, Beschreibungen und 
Modelle der für die Keramik, die Kalk- und Zementfubrika- 



tion äusserst werthvollen Erfindung und zahlreiche Anerken- 
nungen , wie goldene und silberne Medaillen und der grand 
Prix der internationalen Ausstellung zu Paris 1867 wurden 
derselben zu Theil, selbst die Societe d'Kncouragement pour 
l'Industrie nationale zu Paris gewährte dein Ausländer ihre 
höchste Anerkennung. 

Zwölf Jahre hindurch hatte das Patent unangetastet 
Gültigkeit gehabt, ca. 7<X) Ausführungen von Ringöfen ver- 
breiteten in allen Welttheilon den Ruhm der deutschen 
Technik uud mehrfache Pateritverletzungen waren von dem 
Pateut- Inhaber gerügt, von Gerichts- und VerwnllutigsbehCr- 
den aller Länder, ganz besonders auch des preussischen 
Staates, als begründet anerkannt und alle irgend bekannten 
Ofenkonstmktionen bei solcher Gelegenheit mit dem Ring- 



zurückgezogen. Mit Rücksicht auf den wachsenden Fremden- 
verkehr bat die Bahndirektion einen kleinen Umweg der Bahn- 



Die berühmteste Stadt des alten Klein- Asiens, als Mittel- 
punkt urulter Gottcsverehrung heilig und volkreich wie keine 
Uukre — Ephcsua — ist jetzt %on Sinyrua aus leicht zu er- 
reichen. Noch vor wenigen Jahren waren anderthalb Tage- 
iiiärsclie zu Pferde nMhig, jetzt nach Ei Öffnung der Eisenbahn 
nach Aidiri bedarf es nur etwas über drei Siunden. Die Bahn 
ist uut gebaut, der Betrieh regelmässig, überwiegend uuf Güter- 
verkehr begründet, freilich geht in den Wochentagen der Mor- 
genzug so spät ab, dass eine Rückkehr an demselben Tage un- 
möglich ist. Nur Sonntags kann man den Ausflug in einem 
Tage ubsohiren, ohne aber bei der Kürze der Zeit und der 
weiten Ausdehnung der Ruinenfelder wenig mehr ids eine 
oberflächliche Kcnntnis-nahme einzelner Kuutrümnier zu gewin- 
nen- Bei einem Aufenthalte \on zwei Tagen wird kaum das 
Wichtigste und auch dieses mir flüchtig betrachtet werden 
können. Am gerathcustcii ist es, dieser in kunstwissenschaft- 
licher Beziehung so überaus wichtigen Stätte des Alterthums 
eine ganze Woche zu widmen. Lud auch dann wird der Be- 
sucher erst in den letzten Tagen nach drei- und viermaligem 
Besuche der Hauptstütten eine genauere Uebersicht von dem 
Umfange, der eigcuthümlichcn Luge, dem Denkmälcrreichthum 
und — falls die nSthigcu Vorstudien vorangegangen sind — 
von der ganz eigenartigen geschichtlichen Elitwickelung dieser 
verkehrsvollen Wallfahrt»- und Handelsstadt gewinnen. 

Noch im vorigen Jahrhundert war Ephcsus von einigen 
griechischen Familien, welche in den Ruinen hausten, bewohnt; 
jetzt ist seine Bevölkerung ausgestorben oder hat sich vielmehr 
uueh dem kleinen, im tiefsten Verfall befindlichen Orte Ajasalouk 



nicht gescheut, Ajasalouk zu eiuem Stationspunkte für 

- von Touristen ein De- 



hme 

alle Züge erhoben uud zur Unterkunft 

scheidenes Häuschen neben der hölzernen Perronhalle erbaut 
Dieses Häuschen bewohnt Mr. Sivey, ein weit in der Welt herum 
gekommener Engländer, welcher mit praktischer Umsicht für 
das Unterkommen, die Ernährung und riihruug aller derer sorgt, 
die sich ihm anvertrauen wollen. Seine — Rrfreshment room — 
getaufte Behausung, aus eiuem Schenkstühchen und einer Kam- 
mer bestehend, in welcher letztereu sechs Personeu dicht neben- 
einander gepackt an der Erde schlafen können, während der 
Wirth mit seinem Diener in gleicher Lage im Schenk stübeben 
schläft verdient trotz solcher Enge den erwähnten Titel im 
vollen Maasse. Mr. Sivey besitzt Weltkenntniss genug, um zu 
wissen, wie dem an Komfort gewöhnten und trotz des heissen 
Klimas energisch arbeitenden Europäer eine HcrzsUlrkuug — zu- 
mal bei den Mahlzeiten — uutwendig ist. Die von ihm geführ- 
ten Mixed - Pickles, Sardinen. AlcVund Medoc's lassen nichts 
zu wünschen übrig , das von ihm selbst destillirte Kirschwasser 
hat Anspruch auf eine Ausstellungs-l'rämie ; doch zeigt erst die 
Erscheinung eines echten Plumpuddine, zu dessen eigenhändiger 
Herstellung sein natürliches Wohlwollen sich dann und wann 
gedrungen fühlt, die seltene kulinarische Begabung des treff- 
lichen Mannes auf ihrer vollen Höhe. Aber auch in vielen 
anderen Punkten, in der Besorgung von Pferden uud Dienern, 
in der Nachweisung von versteckt liegenden Deukmälerresten 
oder neu zu Tage gekommenen Inschriften, in der Mittheilung 
praktischer Winke für Gesundheitspflege ist Mr. Sivey ein 
Musterwirth von altenglischem Schlage. Seine Rechnung ist 
stets bescheiden und nie versäumt er es, den Gästen, die er 
liebgewonnen, beim Abschiede ein Andenken zu verehren. Immer 



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ofen in Vergleich gezogen ; und doch war es keinem der zum 
Spruch berufenen Sachverständigen in den Sinn Bekommen, 
der Hoffmann'schen Erfindung die Neuheit und Eigcnthüm- 
lichkeit abzusprechen oder sie auch nur anzuzweifeln. Daun 
erst, im Jahre 1870, traten einige Gegner Hoffinann's und 
des Patentes mit der Behauptung auf, der Kingofen sei nie- 
mals eine neue Erfindung gewesen, sondern dem Werke eines 
Maurermeister» Arnold in Fürstenwalde — wenige Meilen 
von Berlin an der Nicderschlesisch- Märkischen Eisenbahn — 
entlehnt. Anf Grund dieser Behauptung verlangten der 
Ziegeleibesitzer Moritz Victor und Genossen die Aufhebung 
des Hoffmann & Licht scheu Patentes und das königlich 
prenssische Handelsministerium gab dem Antrage derselben 
durch das Reskript vom 9. August 1370 Folge. 

Das grosse Aufsehen, welches diese weittragende Ent- 
scheidung in den betbeiligten Kreisen hervorrief, wurde durch 
die maasslosen Angriffe und Schmähungen von Seiten ein- 
zelner gegen Hof f mann auftretender Persönlichkeiten wieder 
wachgerufen. 

Wider alles Erwarten säumte Hoff mann den Weg der 
Öffentlichkeit zu betreten und das hohe Ansehen, welches 
er in den Kreisen der Techniker geniesst, durch Aufklärungen 
zu stärken; er beschränkte sich darauf, den hohen Behörden 
Vorstellungen zu machen und Anträge auf nochmalige gründ- 
lichere Untersuchung zu stellen. Inzwischen sind aber die 
gegen ihn verfassten Schmähschriften weiter verbreitet und 
von seinen Feinden in fremde Sprachen übertragen, in Folge 
dessen nicht allein Angriffe auf die im Auslände ertheilten 
Patente, sondern auch Sentenzen für und wider die Neuheit 
des Ringofens zu Tage gefordert sind. Die Sache ist dadurch 
eine internationale geworden und droht einerseits das Au- 
sehen der deutschen Ingenieure im Auslande zu untergraben, 
andrerseits allen denen die Früchte ihres Streben* zu rauben, 
welche den Werth der Erfindung des Ringofens erkannten 
und sich nm deren Einführung im Auslande verdient gemacht 



Dazu können die Freunde der guten Sache nicht v 
schweigen; die öffentliche Meinung niuss aufgeklärt und an- 
damit nicht ausländische Ingenieure ein Ur- 



Hlen, das uns, den deutschen, wenig zur Ehre gereichen 
würde und uns selbst unzweifelhaft zunächst zusteht. Die 
nachfolgende möglichst authentische Beschreibung des Hoff- 
mann'schen und des Arnold'schen Ofens soll dazu dienen, 
einen Vergleich zwischen beiden Konstruktionen zu ziehen 
und ein Crtheil darüber hervorzurufen, ob und iu wie weit 
die Aufhebung des Hoffmann-Licht' sehen Patentes gerecht- 
fertigt erscheint. 

Der Werth des Hoffmann'schen Ringofens besteht 
hauptsächlich in der enormen Brennmaterial -Ersparniss. die 
durch Benutzung desselben beim Brennen von Ziegeln. Thon- 
waaren, Kalk, Zement etc. erzielt wird und welche sich, 
gegenüber den Oefen anderer Konstruktion auf liO — ÖO*/» 
des früheren Verbrauches beziffert; ausserdem ist er ein 
Apparat, welcher wie kein anderer — den auf gleichen Prin- 
zipien beruhenden Gasofen ausgenommen — eine 
exakte Regelung des Brennprozesses gestattet. 



Die filteren, allgemein gebräuchlichen Ofenkonstruktionen 
leiden an folgenden drei 1 nvollkommenheitcn: 

das dem Feuer xngefnhrtc Brennmaterial wird nicht 
vollständig verzehrt, geht vielmehr zum Theil als schwarzer 
Rauch zum Schornstein oder auf anderem Wege in die Luft 
und bleibt mit einem andern Theil in der Asche zurück; 

die durch den Brennprozess entwickelte Hitze entweicht 
bei der Abkühlung der Brenuobjekte ungenutzt; und 

viele Sorten von Breunston, namentlich staubförmige, 
sind in den gewöhnlichen Brennöfen nicht verwendbar. 

Diese Cebelstände wurden langst erkannt und namhafte 
Techniker versuchten denselben durch neue Einrichtungen 
abzuhelfen. Der Engländer Gibbs z. B. gruppirte mehre 
Oefen um einen Schornstein und benutzte die abgehende 
Wärrae des ciuen Ofens zur Vorwärmung des nächstliegen- 
den; er erhielt dadurch ein Bauwerk, mit welchem der 
Ho ff mann' sehe Hingofen äusserlieh eine gewisse Aehtt- 
lichkeit hat; der französische Ingenieur Mai He ging einen 
Schritt, weiter, indem er in seinem Ofen zu Villeneuve le 
Hoi mit di-r in der abkühlenden Ofenabtheilung erwärmten 
Luft das Feuer der nächsten Abtheilung speiste, aber sein 
Ofensvstem hatte nicht den gewünschten Erfolg und wurde, 
obwohl dasselbe in Frankreich patentirt war, wieder ver- 
lassen. 

Diese Konstruktion. »welche mit fast wörtlicher Ceber- 
setzung der Maille's.hen Patentbeschreilmng im .lahrgang 
1857 der Försters.hen Bauzeitung ausführlich dargestellt 
wird, ist bis dahin die vollkommenste und — wie der Er- 
finder Hoffmann in seiner Patentbesebreibung selbst an- 
deutet - - als der Vorläufer des Ringofens zu betrachten. 

Wie der Grundriss und Durchschnitt auf Seite H. r ) er- 
läutert, besteht der Hing ofen uns einem ununterbrochenen 
.ringförmigen- Ofenkanal, welcher die zu brennenden Steine 
aufnimmt und an verschiedenen Punkten durch Schieber, 
welche das ganze Proiii decken und von oben oder von der 
Seite einzuführen sind, abgeschlossen werden kann. Jeder 
von zwei Schieberschlitzcn (oder zwei Gurtbögen) begrenzte 
Theil des ( »fenkanals — Kammer oder Abtheilung genannt — 
besitzt eine Einkarrthür und einen zum Rauchsammler resp. 
Schornstein führenden Fuchs oder Hauchkanal. 

Henkt man sich nun den 
Schieber an irgend einer Stelle 
eingesetzt, die zunächst davor 
liegende Thür und deu zu- 
nächst dahinter liegenden 
Rauchkanal (Fuchs) geöffnet 
fdie Pfeile in der Figur zeigen 
beide an), alle übrigen Ein- 
gänge und Rauchkanäle aber 
geschlossen und im Schorn- 
steine eiue aufsteigende Luft- 
säule, so wird ein Luftzug 
entstehen, der aus der Atmos- 
phäre durch die geöffnete. Thür 
in den Ofen gehl , diesen seiner ganzen Länge nach bis 
auf die andere Seite des Schiebers durchstreicht, hier durch 




hat er dergleichen zur Hand; Inschriftstückc oder Kelieffragmente 
oder Münzen. Da er mein Interesse für die Thicrwclt wahrge- 
nommen, so beschenkte er mich mit einem Chamäleon, welches 
er selbst gefangen und lauge bei sich bewahrt hatte. Leider 
musste ich das harmlose aber höchst interessante Thierchen in 
Smyrna zurücklassen, da mir noch zu weite See- und Land- 
fahrten bevorstanden, um au eine glückliche Heiuibringnng für 
unser Aquarium denken zu köuueu. Wir alle sind Mr. bivey 
zu dauerndem Danke verpflichtet und können nur wünschen, 
das« es ihm noch lange vergönnt sein möge, an jener denk- 
würdigen, aber so völlig verödeten Stätte, seine wirklichen 
Talente zu Nutz und Frommen aller Kuustforscher und Touristeu 
zu bethätigeu. 

Hinter Mr. Sivcys Hefreshment Room, aber iu einiger Ent- 
fernung steht ein anderes europäisch gebautes Häuschen in zwei 
Stockwerken, welches von Mr. Wood, dem kühnen und Willens- 
stärken Engländer, der die WiederauflRudung und Bloslcgung 
des verschwundenen Artemis-Tempels, von Ephesus sich zur 
Lebensaufgabe gemacht hat, bewohnt wird. Seit mehr als zehn 
Jahren hat dieser Mann, ein echt englisches Original auf seinem 
Gebiete, die ionische Küste durchstreift, an verschiedenen Punk- 
ten theil» für sich, theils im Auftrage des britischen Museums 
gegraben, zuletzt aber seit sieben Jahren »eine Thätigkeit auf 
die Ruinenfelder von Ephesus beschränkt, um das Hauptziel, 
die Wiederentdeckung des Artemisions, erreichen zu können. 
Die Aufgabe, die er sich gestellt, war eine Ripsenaufgabe, denn 
keine sichere Spur des berühmten Heiligtums war bis jetzt zu 
Tage gekommen, ungeachtet der durch Rlinius bekannte kolos- 
sale Maasstab auch in dem kleinsten Marmorfragmente sofort 
einen Wink hätte geben müssen. Aber so wenig die Reisenden 
des vorigen Jahrhunderts die Stätte des Artemisious hatten 
nachweisen können, so wenig war es den zahlreichen Reisenden 



unser* Jahrhunderts, selbst wenn sie, wie Falkeuer. hier einen 
längeren Aufenthalt genommen hatten, gelungen. Das räthel- 
bafte Dunkel, welches auf dieser archäologischen Kruge ruhte, 
wur im Gegcutheile und grade durch l-'alkeuer's Werk über 
Ephesus nicht gelichtet, sondern verdichtet worden. Aus den 
wenigen und unvollständigen Nachrichten der Alte», welche nach 
dem Vorgänge Anderer auch Hirt iu seiner bekannten Abhand- 
lung über den Dianentempel zusammengestellt hat. waren keiue 
sicheren Fingerzeige über die Lage des hoebberühmten Heilig- 
tums zu entnehmen. Im Wesentlichen wuRste man nichts wei- 
ter, als duss dasselbe iu sumpfigem Terrain, 8000 Fuss von den 
Steinbrüchen entfernt und ausserhalb des mugnesiseben Thore« 
gelcgcu habe. Wo aber nullte man dasselbe suchen, auf einem 
Bodeu, der durchschnittlich 6—7 ■» Alluvium besitzt und dabei 
in einer abgewickelten Länge von etwa b Kilonieter und einer 
Breite von 1—3 Kilometer so gleichmässig mit seinen Keuschlamm- 
hecken sich ausbreitet, dass selbst die alten Wasserlüufe uud 
Dümmst rasscu völlig verschwunden sind? Von dem magnesi- 
schen Thore war ebensowenig eine Spur vorhanden, als die zahl- 
reichen Steinbrüche, sowohl diesseits wie jenseits Ajasalouk be- 
legen, irgend einen Anhalt verstatteten, da niemand im Stande 
war, den berühmten von Pixodurus entdeckten Mannuibrueh 
nachzuweisen, der eiust das herrliche Material iu so reichlicher 
Fülle und unter den bequemsten Abfubrverhältnisseu zum Tempel- 
bau gespendet hatte. 

Es gehörte eine an Einsamkeit gewöhnte, mit oisenfester 
Gesundheit begabte und vor ulleu Dingen so zähe Natur, wie 
Mr. Wood sie besitzt, dazu um die gewaltige Aufgabe zu lösen. 
Die Geschichte seiuer Entdeckung wird, falls er sie nach seineu 
Tagebüchern veröffentlicht, dereinst ein interessantes Kapitel in 
der Geschichte der Archäologie bilden. Denn sieben Jahre lang 
i bat er schrittweise vorrückend uud ciuen Ruiueuhügcl nach dem 

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den geöffneten Rauch kanal in den Rauchsammeikanal ; Rauch - 
sammler) und aus diesem in den Schornstein tritt. 

Denkt man sich ferner den Ofenkanal mit den zn bren- 
nenden Gegenständen, z. B. Ziegelsteinen, gefüllt, und zwar 
der Art, dass der Luftzug in der ersten Hälfte des Kanals 
bereits fertig gebrannte, in der Abkühlung begriffene Steine 
durchstreicht, demnächst das Feuer speist (welches durch 
Einstreuen des Brennmaterials in die glühenden Steinmassen 
von oben unterhalten wird) nnd auf der letzten Hälfte des 
Ofenkanals durch noch nicht gebrannte Steine zieht, nm 
dann durch den offenen Rauchkanal in den Schornstein zu 
entweichen, so ist klar: 

1) dass die in die offene Thür eindringende atmos- 
phärische Luft auf ihrem Laufe durch den ersten Theil des 
Ofens, indem sie die fertig gebrannten Steine abkühlt, sich 
in hohem Grade erhitzt; folglich 

2) im Stande ist, in dem nnn folgenden Theile des 
Ofens, welcher mit Heizmaterial beschickt wird, die Ver- 
brennung zu fördern und den Effekt des Feuers zn erhöhen ; 
endlich 

3) dass die gasförmigen Verbrennungsprodukte aof 
dem Wege durch den letzten Theil des Ofens bis zum 
Schornsteine (resp. Rauchsammler) eine Menge Wärme an 
die noch ungebrannten Steine absetzen nnd dieselben bis 
zn einer solchen Temperatur vorwärmen nnd erhitzen, dass 
nur eine knrze Brennzeit und eine verhältnissmässig geringe 
Menge Brennmaterial erforderlich ist, um sie vollständig 
gar zu brennen. 

Wenn nun die der offenen Thür zunächst stehenden 
Steine am meisten abgekühlt, also zum Herausziehen taug- 
lich sind, so kann man sie durch frische, ungebrannte Steine 
ersetzen; der Abschluss des Ofens mittels des Schiebers 
kann vor der nächsten Thür hinter den frisch eingesetzten 
Steinen erfolgen, diese Thür kann geöffnet, die vorhergehende 
geschlossen werden, und eben so der nächste Rauchkanal 
geöffnet und der geöffnet gewesene geschlossen werden. 

Das Feuer brennt an der dem Schieber entgegen- 
gesetzten Seite des Ofens; die Speisung desselben ge- 
schieht, wie oben bereits angedeutet, ausschliesslich 
von oben mittels Einstreuens des Brennmaterials zwischen 
die glühenden Steine, wozu senkrechte Kanäle, die Heizlöcher, 
Entfernungen von einander im Gewölbe des Ofens 



Die Steine unter, diesen Löchern werden so 
aufgesetzt, dass in verschiedenen Höhen des Ofen- 
kanals ein Theil des Brennmaterials liegen bleibt 
nnd zur Verbrennung gelangt, oder dasselbe bis zur Ofensohle 
frei herabfällt. Fein zertheilte, also stanb- oder 
grusförmige Brennstoffe sind die vortheilh aftesten, 
nicht allein wegen der durch die Konstruktion des Ofens 
gebotenen Art und Weise der Verwendung des Brennstoffs, 
sondern auch weil ihre Zersetzung in gasförmige Produkte 
am schnellsten erfolgt. 

Die Befeuerung des Ofens ist, wie aus dem 
Vorstehenden ersichtlich, die denkbar einfachste 
Gasfeuerung. Der glühende Theil des Ofens ist die 
Retorte, in welcher sich der Brennstoff sofort in gas- 
förmige Produkte zersetzt, die aber auch sogleich verbrannt 
werden, weil Sauerstoff genug verhanden ist, der auch den 
Koaksrückstand glühend erhält. Das Feuer brennt in dem 
Ofen mit der grössten Rnhe nnd Gleichmässigkeit; die Gluth 
zieht dem Feuer voran und erhitzt die unmittelbar vor dem 
Feuer stehenden Brennohjekto derart, dass das in die nächste 
Heizlochreihe rechtzeitig eingeschüttete Brennmaterial sich 
an den glühenden Steinen von selbst, entzündet 
und eine Kontinuität des Feners entsteht, die bei 
keiner anderen Ofenkonstruktion jemals erreicht 
worden ist. Auf diesem Umstände beruht haupt- 
sächlich die Ueberlegenb eit des Ringofens. 

Wie gross die Bedeutung des Ringofens für die Industrie 
ist. erhellt aus folgenden Zahlen: 

Nimmt man die Produktion an Ziegeln in Preussen 
anf 2000 Millionen Stück und diejenige von gebranntem 
Kalk auf 9—10 Millionen Kubikmeter an, so würden, wenn 

würden, in 
Brennstoff er- 
etwa 400 

Ringöfen, die etwa 3 Millionen 

Dagegen sind die Erfolge des Arnold' sehen Ofens 
verschwindend, denn er hat nur in 1 Exemplar existirt und 
ist nur 4 Jahre von 1838—1842 in Betrieb gewesen. Warum 
dies nicht anders war und sein konnte, wird aus der Be- 
schreibung, die ich im Folgenden so genau, als 
lieh ist, wiedergebe, ohne Schwierigkeit zu 

iForlMUoni folgt.) 




Ueber diese grosse Brücke, von welcher wir bereits wieder- 
holt (Jahrg. 1869 pag. 468 u. Jahre. 1871 pag. 273) mit Abbil- 
dungen versehene Mittheilungen gaben, liegt ein neuer Bericht 
des Ober- Ingenieurs Captain James B. Eads (vom 1. Oktober 
1871) vor, welchem wir (nach dem Engineering) folgende Notizen 
entnehmen. 

Das Mauerwerk an sämmtlichen Zwischen- und Widerlags- 
pfcilcrn war bo weit gefördert, das« dem Verlegen der eisernen, 
zur Aufnahme der Bogenrippen bestimmten Platten, welches 
sofort beginnen sollte, nichts im Wege 



H St. Ulis. 

Hinsichtlich des l'eberbaues, dessen wichtigste Theile, ins- 
besondere die Bogenrippen, aus Gusstahl gemacht werden, lag 
die Hauptschwierigkeit in der Herstellung geeigneter und genü- 
gend widerstandsfähiger Stahlsorten. Dies zeigte sich schon 
bei den ersten Stücken, die abzuliefern waren, nämlich Anker- 
bolzen von 7— ll m Länge bei 0,1 Iii Stärke. Diese zerbrachen 
zunächst zweimal die Früfungsniaschinen und nachdem diese in 
genügender Stärke hergestellt waren, zeigten sich viele der 
Bolzen zu schwach und mussten durch bessere ersetzt werden. 
Von einem Bolzen wurde ein über 6- langes un 
Stück gleich einem Pfeil 16-20- weit aus der 



erforschend, mit unbeugsamer Energie Gräben und Grä- 
ben und Locher und Löcher aushüben lassen, bis er im 
Frühjahre 1870 durch die glückliche Auffindung eines Inschrift- 
steins, welcher der Peribolusmauer des Artemisions angehörte, 
»eine langjährigen Bemühungen mit Erfolg gekrönt sah. Sofort 
kaufte er, um vor jedem Einsprüche der türkischen Regierung 
gesichert zu sein , Tür sich als Eigenthum das ganze Terrain, 
unter welchem er nun mit Sicherheit die Reste des Heiligtu- 
mes vermuthon durfte, und begann im Spätherbste 1870 die 
Grabungen. Bald stiess er mittels eines Erdschachtes anf vor- 
treffliches Marmorpflaster, welches wie »ich später ergab, den 
Fussboden einer weitgedehnteu Krypta unter der Tempelcella 
gebildet hatte, und war damit endlich zu der Lagerstätte der 
Tempel - Ruinen selbst vorgedrungen. Sie lagen mehr als 6» 
tief vorschüttet, 'an einer Stelle begraben, wo Niemand sie bis- 
her gesucht hatte, nämlich bei dem Kastellhügel von Ajasalouk 
und völlig abgetrennt von den grossen Ruinenfeldern rings um 
den Prion. Nicht die geringste Bodenerhebung hatte ihre 
Existenz bekundet und selbst noch jetzt kann ein Reisender 
lange danach suchen, so versteckt liegen sie unter Dornenhecken 
und Agnus Castus-Staudcn. 

Schon während unseres ersten Aufenthaltes, als Mr. Wood 
_h auf einer Reise sich befand, hatte Mr. Sivey uns bei einem 
langen mehrstündigen Ritte zu allen wichtigen Grabungsstellen 
geführt und dadurch in einer Weine orienürt, dass wir mehre 
Tage eigenen Suchens ersparten. Damals (September 1871) waren 
noch alle in den letzten Jahren aufgedeckten Stadt- und Denk- 
malstelleu ganz offen und sichtbar — nur einzelne Skulpturen, 
Architekturfragmente und Inschriften waren schon nach London 
transportirt worden, so dass die wichtigsten Notizen über Plan- 
bildung und Formengeataltung zu gewinnen waren. Ich fürchte, 
* i jetzt noch so bequem zugänglichen Schutt- und Trüm- 



merhalden, die tiefen Gräben, in denen ganze Reihen von Sar- 
kophagen stehen, in wenigen Jahrzehnten mit Erd- nnd Gras- 
narbe so bedeckt sein werden, daaa ihre Stelle nur mit Mühe wie- 
derzufinden sein wird, und bezeichne ea deshalb als eine hohe 
Ehrenpflicht für die Society of DUtttanti, die hier gewonne- 
nen umfassenden und werthvollen Resultate der Wissenschaft 
durch eine ähnliche Publikation dauernd zu erhalten, wie dies 
noch in jüngster Zeit mit Aegina und Phigalia in so gediegener 
und mustergUtigor Weise geschehen ist 

Uusere zweimalige Fahrt zwischen 'Smyrna und Ajasalouk 
bot kein besonderes Interesse, da nach Ersteigung des hinter 
dem Scblossberge belegenen Plateaus, wo eine kleine Zweigbahn 
nach Budia abgeht, eine weitgedehnte Ebene, massig bebaut, 
achwach bevölkert und von den «engenden Strahlen asiatischer 
Sommersonne verdorrt und ausgebraunt, sich erstreckte. Erst 
hinter der ersten Station Sediköi öffnete sich ein schöner Blick 
durch das Gebirge über Lebedoa nach dem blaudämmernden 
Samos. Bei Turbalü zeigte sich mehr Kultur, Büffel- und Scbaaf- 
heerden weideten, selbst kleine im Betriebe befindliche Feld- 
ziegeleien wurden sichtbar, an den Höhenzügen hingen dichte 
Rauchwolken, Waldbrände verkündend, welche die Hirten stet* 
im Herbste zu entzünden pflegen, um den Boden für den Graa- 
wuchs im künftigen Frühjahre zu düngen. Dann trat die Bahn 
dem Küstengebirge, dem alten Galessoa näher und näher; schön 
gezeichnete aber schwach bewaldete Kalksteinfelsen ragten empor 
an einer besonders schroffen Stelle,. einem uralten Defile, von 
einem Schlosse, Kosi Kalessl bekrönt Gleich darauf streiften 
wir kolossale Steinbrüche mit 40—50™ hohen glatten Marmor- 
wänden, überschritten den träg gewundenen Kayster und ' 
den uns wenige Minuten später in 'Ajasalouk, auf dem 



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— 85 — 



schleudert, während die letzter* durch dea Rückschlag des 
übrig bleibenden Bolzcnstückes erheblieh beschädigt wurde. Es 
ist indess gelungen, diesen Fabrikutionszweig so zu vervollkomm- 
nen, dass die Lieferung der Bolzen jetzt in genügender Qualität 
und, wie es scheint, ununterbrochen vor sich geht. 

Aehuliche Schwierigkeiten waren bei der etwa 4 Fünftel der i 
ganzen Stahlarbeit ausmachenden Lieferung der ca. 8.95™ langen 
und 0,457«> starken Köhren zu den ßogcnrippeu zu bekämpfen. 
Diese bestehen aus je G Stäben (Dauben) von der Lange der : 
Röhren und 0,029-0,054'» n.ff„... •.«•.., ii.,.f.. 

Starke bei 0*41 - Breite. H.ft?«... ..h.r s, 

welche zunächst schon sehr 
schwer zu walzen waren. 
Sodann teigte eich die 
Qualität des Stahles der 
einzelnen Stücke bei der 
grnssten Sorgfalt der Be- 
reitung zu verschieden. 
Wahrscheinlich war durch 
Abweichungen in der an- 
gewandten Hitze dos Ver- 
hältnis« zwischen Kuhle 
und Eisen stellenweise ein 
anderes geworden als man 
beabsichtigte. 

Dies führte zu Versu- 
chen mit Chromstahl. 

Chrom bildet mit d?m 
Eisen eine in ihren Eigen- 
schaften dem Stahl ähn- 
liche Verbindung. Chrom 
hat wenig oder keine Ver- 
wandtschaft mit Sauerstoff 
und wird durch übergrosse 
-Hitze nicht augegriffen, 
während Kohle jeuo Ver- 
wandtschaft in [hohem 
Maasse besitzt und durch 
Hitze aus dem Stahl her- 
ausgebrannt werden kann. 
100 Probestäbe von Chrom- 
stahl wurden im letzten 
Monat hergestellt. Sie 
zeigten keinen Fehler und 
hielten säromtlich die ver- 
langten Proben aus. Die- 
ser Stahl ist leichter zu 
bearbeiten als der Kohlen- 
stahl, da er eine grössere 
Hitze vertragen kann und 
in Folge dessen die Form 
der Walzen leichter an- 
nimmt Gegen Druck kann 
man fast jeden Grad 
der Widerstandsfähigkeit 
durch Hinzufüguug von 
Chrom erreichen. 

Herr Eads bat zwar 
von Krupp und Petin 
Godet die Zusicherung er- 
halten, dass sie einen sei- 
nen Anforderungen ent- 
sprechenden Kohlenstalil 
liefern könnton; jedoch 
kann er nicht umhin, 
seine Meinung dahin aus- 
zusprechen, dass Kohlen- 
stahl nicht mit dersel- 
ben Rcgclmässigkeit und 
Gleichförmigkeit gemacht 
werden könne, als Chrom- 
stahl. Auch hat die Ge- 
sellschaft, welche diesen 
Stahl für die St Louis- 
Brücke liefert, Anstalten 
getroffen, um fortan nur 
aen Chromstahl zu ver- 
wenden. 

Auch die Beschaffung 
von bedingungsgemässem 
Schmiedeeisen hat viel 



DnrrlMchuilt und GrandrUi. 




Schwierigkeiten gemacht, so dass hieraus ebenfalls eine Verzöge- 
rung in der Fertigstellung der Brücke erwachsen ist. 

Interessant ist die Höhe, auf welche die voraussichtliche 
Ucberselireitung des Anschlages der Brücke geschätzt wird. Sie 
betragt 1 479583 Dollars, also nahezu lVi Millionen, während 
der Anschlag sich nach unserm ersten Berichte auf rund 4','« 
Millionen belief. Motivirt werden die Mehrkosten ausser durch 
eine nachträglich beliebte Verbreiterung der Brücke von lö^" 
auf 1G,52« unter Anderm durch die kräftigere Versteifung gegen 

Wind, welche während der 
Ausführung für nöthig er- 
achtet worden ist. DicF ahr- 
bahu der oberen (Strossen-) 
Brücke war ganz aus Holz 
entworfen und sollte in 
ihrem Zusammenhange die 
Windverstfifung bildcu- 
Miiu hat sich entschlossen, 
unter die Fahrbahn eine 
ununterbrochene Lage von 
Eisenblech zu legen, so 
dass dem ;Windc ein hori- 
zontaler 16,47» (!) hoher 

Blechträger entgegen- 
wirkt, (der zugleich das 
Holz der Fahrbahn gegen 
die Funken der darunter 
fahrenden Lokomotiven 
schützen wird). Berechtigt 
ist diese Vorsicht gewiss, 
wenn das richtig ist. was 
über einen grossen Orkan 
(Tornado) im letzten März 
berichtet wird. Derselbe 
soll allerdings alles bia- 
herDagewesene übertreffen 
und unter Anderem eine 
über 500 Ztr. schwere Lo- 
komotive von den Schienen 
und 7 oder 9" davon auf 
nur l,b" tiefer liegendeu 
Boden auf die Seite gewor- 
Teu haben. Dabei hatte 
sich keine Spur gezeigt, 
dass die Maschine die 
Schienen beschädigt oder 
früher als 4 bis 5=> vom 
Geleise die Erde berührt 
hätte. 

Den Iiauptuntheil an 
den Mehrkosten trägt na- 
türlich die bedeutend tie- 
fere Fundirung deB öst- 
lichen Widerlagspfcilers, 
die sich gegeu den ersten 

Entwurf nothwendig 
zeigte und über welche 
wir bereits früher berichtet 
haben. 

Schliesslich sucht Herr 
Eads geine Gesellschaft 
über die vielen zu bringen- 
den Gcldopfer durch die 
zu erwartenden, bisher 
bedeutend unterschätzten 
Einnahmen und durch den 
Ruhm, den die Brücke 
ihnen bringen wird, zu 
trösten. 

Und das ist wohl frei- 
lich ausser Frage, dass, 
wenn das Werk sich in 
dauernder Stabilität den 
gehegten Erwartungen 
entsprechend bewährt , 
die Erbauer allen Grund 
haben werden , darauf 
stolz zu sein. 

W. II. 



Mittheilungen aus Vereinen. 



Architekten- und Ingenieur -Verein zn Hannover. Ver- 
sammlung am 6. März 187*2. Vorsitzender B. - R- Hase. 

Nachdem die Aufnahme fünf neuer Mitglieder stattgefunden 
hatte, forderte der Vorsitzende die Versammlung auf, eine Kom- 
ston zur Begutachtung der von Professor Baumeister in Karlsruhe 

f «machten Vorschläge für Norroirung des Honorars der Bau- 
ngenieure zu wählen, welcher Aufforderung durch Wahl der 
Herren Hagen, Lannhard, ilcrhold, Borchers, Keil, 
Hess. Heusinger, Fischer, Keck entsprochen wurde. Das 
Gutachten der Kommission wird dem Vereine schon in der 
nächsten Hauptversammlung (3. April) zur Genehmigung vor- 
gelegt werden, da der 1. Mai als Termin der Einreichung beim 
Vororte Berlin bezeichnet ist — 



Baurath Hase macht 1 die Versammlung auf die von der 
SchulzVhen Buchhandlung im Vereinslokale ausgestellten Pho- 
tographien indischer Bauwerke aufmerksam und hebt hervor, 
dass wir erst durch diese im Auftrage der englischen Regierung 
mit einem bedeutenden Kostenaufwand angefertigten Photo- 
graphien eine richtige Anschauung von dem erstauulichen Reich- 
thum und der Mannigfaltigkeit indischer Bauweise erhalten 
und dass deshalb diese Sammlung von ca. 60 Blättern, die sieb 
auch durch Vollkommenheit der technischen Ausführung aus- 
zeichnen, eine besondere Beachtung verdiene und sich eine Sub- 
skription auf einzelne derselben wohl empfehle. 

Hierauf folgt ein durch eine Fülle von interessanten Mit- 
theilungen fesselnder Vortrag des Professor Rühlmann über 



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86 



Geschichte und Technik der Dampfschiffe und deren Verkehrs- 
wege. Aus einer in der Königl. Bibliothek zu Hannover be- 
findlichen Korrespondenz zwischen Leibnitz und Papin ergiebt 
»ich die Oberraschende Thatsache, dass Papin am 27. September 
1707 mit einem von ihm erbauten Ruderradschiffe, zq dessen 
Fortbewegung die Dampfkraft benutzt wurde, auf der Fulda von 
Kassel nach Münden gefahren, hier aber an der Fortsetzung 
der Fahrt nach Bremen durch MQndcncr Schiffer, welche das 
Schiff zerstört, ihn selbst aber misshandelt haben, gehindert 
worden ist. Welche Art von Dampfmaschinen zur Bewegung 
der Räder gebraucht wurden ist, geht leider aus den Papin'schen 
Briefen nicht hervor. — 

Weitere Versuche zur Anwendung des Dampfes für die Fort- 
bewegung von Schiffen wurden von Savery. Hull, Bramah, Miller 
gemacht, indes* erst dem Engländer Symington gelang es, die 
Konstruktionen soweit zu vervollkommnen, dass sie eine brauch- 
bare Grundlage für die Herstellung der Dampfschiffe in ihrer 
gegenwärtigen Gestalt abgaben. — Dem Amerikaner Fulton ge- 
bührt das Verdienst durch Kombination eigener Ideen mit den 
Resultaten der Versuche anderer Techniker zur Konstruktion 
von Dampfschiffen gelangt zu seiu, mit denen der Ozean befahren 
werden konnte. — Anfanglich wurden nur Rudcrrider benutzt, 
•von denen sich diejenigen nach dem System Morgan mit be- 
weglichen Schaufeln bis auf den heutigen Tag am besten be- 
währt haben. Mannichfacho Versuche, die Schraube on Stelle 
der Räder einzuführen, wurdet, gemacht, doch genügte erst die 
von Ericson 1836 konstruirte Schraube allen Anforderungen. — 
Epochemachend ist der Bau des Grcat Eastern (zuerst Leviathan 
genannt) der von Brunei, welcher 1835 den Great Western, 1842 
den Great Britain gebaut hatte, 1851 entworfen wurde. Mit 
diesem Unternehmen war in der Schiffsbaukunst die Energie in 
gleichem Maasse geneckt, wie in der Brückenbaukurist durch 
den Bau der Brücke über den Mcnay. Die eigentliche Veran- 
lassung zum Bau dieses Kolosses war das Bestreben gewesen, 
die Bewegung des Schiffes auf der See soweit zu verringern, 
dass die Passagiere nicht seekrank würden: man glaubte dies 
zu erreichen, indem man das Schiff so lang machte, dass es nur 
auf Wellenscheiteln ging, und da die Länge der grössten Wellen 
auf ca. 180 Meter festgestellt war, gab] man dem Great Eastern 
204 Meter Länge, ohne iudesa damit den beabsichtigten Zweck 
vollständig zu erreichen. Dagegen wurde mit diesem Bau die 
Entscheidung darüber getioffen, dass das Eisen vor dem Holz 
als Schiffsbautnatcrial den unbedingten Vorzug verdien«; »eine 
Widerstandsfähigkeit beim Zusammenstoss mit Eisbergen und 
Klippen wurde erprobt, uud seine Dauer ist ganz unberechen- 
bar. Zwei anfangs schwer empfundenen Nachtheilen, der Ab- 
lenkung der Magnetnadel und dem Ansetzen von Moos, Muscheln 
etc. bei den Aequatorschiffen ist durch Entdeckungen aus der 
neuesten Zeit abgeholfen, zu denen in Bezug auf den letzter- 
wähnten Uehelstand der Ueberzug der Schiflü mit einem gut- 
haftenden Zement gehört. Durch den Zufall hat der Great 
Eastern eine ganz unschätzbare! Bedeutung für den Weltverkehr 
dadurch erlangt, dass zweifellos nur durch seine Mitwirkung 
die Legung des transatlantischen Kabels ermöglicht ist, indem 
die frühere Vertheilung des Kabel« auf mehre Transport- 
Schiffe die Hauptursache des mehrmaligen Misslingens war. 

Sowie der Kampf zwischen Holz und Eisen wurde auch 
bald der Kampf zwischen Rad und Schraube und zwar zu Gun- 
steu der letzteren entschieden. Scott Russell versuchte eine 
Kombination von Rad und Schraube, doch erwies sich dieselbe 
als unpraktisch. — Eine neue Epoche in der Entwickelung der 
Dampfschiffe eröffnete die Erfindung der Panzerschiffe. Napo- 
leou III. machte 1855 im Krimkriege den ersten Versuch .mit 
gepanzerten schwimmenden Batterien; da dieser Versuch gelang, 
befahl er den Bau von 3 mit 4'/i zolligen Panzern k bekleideten 
Dampfschiffen, von denen das erste „La Gloire" 1858 vom Stapel 
lief. England trat mit dem Bau des Warrior und Black Prince 
in den Wettkampf ein, der unter Betheiligung von Deutschland 
und Nordamerika bis auf den heutigen Tag dauert. — Von 
nicht geringerer Wichtigkeit war der Bau von Thurm- uud 
Widdersrhiffen. deren erste Repräs« mtanten der Merrimac und I 
der Mouitor sieh mit dem denkwürdigen Zweikampf vor Rich- 
mond in die Geschichte einführten. Von dieser Zeit ab hat 
sich die Kriegsmarine unablässig bemüht, die Frage zur Ent- 
scheidung zu bringen, ob dem System der Breitseitenschiffe oder 
dem der hurmschiffe der Vorzug gebühre. In der Handels- 
marine dagegen harrt die andere Frage der Entscheidung, ob 
es vorteilhafter ist, für den transatlantischen Verkehr Segel- 
schiffe mit Dampfhülfe oder Dampfschiffe mit Segeln zu bauen. 

In technischer Hinsicht ist für die Dampfschiffe zunächst 
deren Form von Bedeutung; man hat vielfach versucht, dieselbe 
durch Rechnung zu finden, ebenso hat man als direktes Modell 
die Form der Fischkftrpcr benutzt, in den meisten Fällen aber 
wird sie von den Schiffbauern nach Grundsätzen, welche aus 
der Erfahrung gewonnen sind, festgestellt — Anders verhält es 
sieh mit den Dampfmaschinen, für welche die genaueste Berech- 
nung erforderlich ist. In neuerer Zeit wendet man vorzüglich 
hochgespannte Dämpfe und Maschinen nach Art der Woolfschen 
an. Der .König AVilhelm" (dessen Modell der Vortragende vor- 
zeigt) hat 3 Zylinder, von denen der mittlere die frischen Dämpfe i 
empfängt, welche er an die Nebenzylinder abgiebt. Ausserdem \ 
Hochdruckdampfe hat die neuere Zeit auch die Anwendung so- 
genannter überhitzter Dämpfe und vor allem eine energische 
Kondensation eingeführt und damit hinsichtlich der Kohlencr- 
sparniss auffallende Resultate erzielt — Ein grosses Gewicht 
ist auf eine zweckmässige Konstruktion des Propellers zu legen; 



wie schon erwähnt, giebt man gegenwärtig der Schraube den 
Vorzug, man ist aber noch nicht über die beste Konstruktion 
derselben einig. Die Franzosen geben ihr meist 2 Flügel, wäh- 
rend die Schiffe der Nordsechäfen meist 4 flügelige Schrauben 
haben; bei erateren ist das Ausheben leichter, letztere geben 
mehr Fläche als Triebmittel. Eine neue Art Propeller ist in 
den sogen. Reaktionsschiffen versucht, welche mittels Turbinen 
bewegt werden: durch Umdrehen der Ausflussröhren kann ein 
schneller Wechsel von Vor- und Rückwärtsgehen und Stehen- 
bleiben erzielt werden. Bei Breitseite - Kriegsschiffen ist auch 
eine schnelle Umdrehung um die vertikale Mittelaxe von Wichtig- 
keit, bei Versuchen mit einem Reaktionsschiffe und einem gleich 
langen Schraubendampfer (allerdings mit Doppclschraube) hat 
letzterer diu Umdrehung in der halben Zeit erreicht, welche dag 
erstere brauchte. Die Doppelschraube hat für Handelsschiffe 
nicht minderen Werth als für Kriegsschiffe, indem sie die Her- 
stellung der als Triebmittel nöthigeu Fläche ermöglicht, ohne 
einen zu grossen Tiefgang zu bewirken, also namentlich für die 
Flußschiffahrt Vortheife bringt. — 

Von den ozeanischen Verkehrswegen und den auf denselben 
gebräuchlichen mit Dampf bewegten Verkehrsmitteln sind voran 
die Datnpffähren und Trajektanstalten zu nennen, (Portsuiouth, 
Plymouth). Das Abtreiben vom Ufer ist Hauptsache, bei Rhein- 
hausen geschieht es rechtwinklig, bei Bonn schiefwinklig zum 
Ufer; ersteres ist vorzuziehen. Für die grösste in Europa vor- 
handene Binnensee - Entfernung Friedrichshafen - Romansborn, 
2'/> Meile, wird jetzt von Scott Russell eine Trajektfähre gebaut, 
welche nach dessen eigenem Geständnis* als Experiment für die 
Trajekteinricbtung über den Kanal la Manche anzusehen ist, da 
die Absicht, einen unterseeischen Tunnel zu bauen, definitiv auf- 
gegeben ist. Die Kettenfährc führte zur Erfindung der Ketten- 
flusschiffahrt (Magdeburg, Dresden) der noch eine grosse Zukunft 
bevorsteht, weil sie eine ausserordentliche Ermässigung der 
Frachtsätze möglich macht. 

Eine noch höhere Bedeutung als für die Flu -Schiffahrt haben 
die Dampfschiffe für den ozeanischen Verkehr. Es existiren 
gegenwärtig 42 transatlantische Dauipferlinien ; England besitzt 
Hw. Deutschland 153 Scedampfer, davon der Norddeutsche 
Lloyd 30, die Hamburg-Amerikanische Packet-Dampfachiffahrta- 
Gesellschaft Mi. In ganz Europa giebt es 4289 und, nach einer 
ungefähren Schätzung, auf der ganzen Erde 8000 Seedampfer. 
An Flussdamnfern erreicht der Mississippi nebst seinen Neben- 
flüssen mit 900 die höchste Zahl. Von allen zwischen Europa 
und Amerika bestehenden Dampferlinien sind nur 4 in den 
Händen von Amerikanern. 

Nach Beendigung des Vortrags legte Prof. Launhard eiue 
Papiermatrize und einen darin gegossenen Bleisatz des , Hanno- 
verschen Kouriers' vor und erklärte das für Herstellung der 
Stereotypen gebräuchliche Verfahren. Die Matrizen werden mit- 
tels Scidonpapier und Kleister, der einen geringen Kalkzusatz 
hat, geformt und in Ocfen getrocknet Die Satzplatten sind 
eben, während das Druckpapier auf Walten liegt. In einer 
Stunde können 2000 Exemplare einer grossen Zeitung hergestellt 
werden. Professor Rühlmann fügt hinzu, dass mittels des 
bei englischen Zeitungen mit starker Auflage üblichen Verfah- 
rens, auch deu Satz zylinderförmig zu gestalten, 3000 Exem- 
plare in der Stunde gedruckt werden können. — oe — 



Architekten-Verein zu Berlin. Versammlung am 9. März 
1872. Vorsitzender Hr. Quassowski, anwesend 151 Mitglieder 
uud II Gäste. 

Nach einigen Mittheilungen des Hrn. Vorsitzenden über die 
eingegangenen Zuschriften, unter denen sich die traurige Nach- 
richt von dem Ableben des Vereins-Mitgliodcs Baumeister F. 
Deppc zu Cassel befindet, verliest Ur J. A. Becker ein 
Schreiben, durch welches ihm vier Entwürfe, die an der jüngst 
zu Hamburg entschiedenen Konkurrenz für Zimmeröfen theilge- 
nommen haben — die beiden preisgekrönten und zwei andere 
— zur Vorlage an den Verein zugegangen sind. Die Verfasser 
der beiden letzteren , deren Arbeiten zwar nicht den Beifall der 
Preisrichter, wohl aber deu der preisausschreibenden Fabrikan- 
ten gefunden haben, so dass. sie in erster Linie zur Ausführung 
bestimmt sind, wollen hierdurch bei dem Vereine als dem Vor- 
orte des Verbandes ein Urtheil darüber provozireu, ob die Ent 
Scheidung der Jury in der That eine sachgemässe war und nicht 
vielmehr eine Korrektur verdiene. In einer kurzen Diskussion, 
an der die Hrn. Ende, Fritsch und der Hr. Vorsitzende sich 
betheiligen, wird ausgeführt, dass eine Interpellation in Kon- 
kurrenz-Angelegenheiten, selbst wenn sie begründet wäre, nicht 
vor den Verein als Vorort, sondern vor den von ihm einge- 
setzten Vorstand des Verbandes gehöre. Begründet könnte eine 
solche Interpellation, die eine im Namen der Fachgenossenschaft 
zu erhebende Einsprache gegen die Entscheidung der Konkur- 
renz bezweckt, jedoch nur in dem hior keineswegs zutreffenden 
Falle sein, dass das bei der Konkurrenz beobachtete Verfahren 
grobe formelle Verstösse gegen das Programm und die vom Ver- 
bände angenommenen »Grundsätze" aufweise. Die Prüfung der 
von einem Preisgerichte gefällten ästhetischen oder technischen 
L'rtheile zu unternehmen, würde Seitens des Vereins oder des 
Verbands - Vorstandes ein höchst bedenklicher und anstössiger 
Vorgang sein; es könne die Anfechtung jenes Urtheils vielmehr 
lediglich aus der individuellen Ueberzeugung und Initiative Ein- 
zelner, sei es in der Presse oder in mündlicher Auslassung, er- 
folgen. Die Versammlung scldiesst^ sich dieser Ansicht m in- 

Hr. Blankenstein referirte im Namen der betreffenden 

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— 87 — 



Beurtbeilungs-Komuw.-ii >n über die architektonischen Monats- 
Konkurrenzeu des März. Aufgabe war die farbige Darstellung 
eines Schnittes durch einen Tanzsaal. Von den beiden Arbeiten 
hat die eine, obwohl in virtuoser Technik dargestellt, in ihrer 
schweren düiteren Färbung den Charakter eiue» Tanzsaalea ganz 
und gar verfehlt; die Architektur ist barock und in vielen 
Theilen ungelöst, die Decke im Maasstabe viel zu gross. Die 
andere, in der Färbung günstiger, zeigt umgekehrt in der 
Architektur der Wände einen Missgriff im Maasstab and mehre 
unglückliche Motive; dagegen ist die Decke trotz einiger Aus- 
stellungen reizvoll und angemessen. Als Verfasser dieser zwei- 
ten Arbeit, der ein Andenken zugesprochen worden ist, ergiebt 
«ich Hr. Nerenz. 

Ein Schreiben dos Verfassers dar bei der Schinkelfestkonkurrenz 
mit der Schinkel-Medaille ausgezeichneten Arbeit „Nightworks" 
hat ergeben, das» derselbe nicht Mitglied des Vercius ist; es 
wird beschlossen, d&ss die Arbeit demzufolge beim Schinkclfest 
nicht ausgestellt werden soll. 

Den Haupt Vortrag des Abends hatte Hr. Ende übernommen, 
der über Bremen spricht. Die eigentümliche Gestaltung des 
dortigen Lebens, das iu Deutschland ebenso exzeptionell wie an- 
ziehend und ehrenvoll dasteht, verdankt die Stadt wohl nicht 
allein ihrer republikanischen Verfassung, sondern namentlich 
ihrer Stellung zum Welthandel, welcher der Bürgerschaft grosso 
Rcichtbünier zuführte, ohne sie bei ihrer für grössere Seeschiffe 
nicht zugänglichen Lüne mit den rohen Elementen des Schiffs- 
volkes in direkte Berührung zu bringen. In seiner architekto- 
nischen Physiognomie, bei der die Werke der alten Zeit sich 
mit denen der Gegenwart zu einem harmonischen Bilde verbin- 
den, hält Bremen die Mitte zwischen Hamburg, wo die ersteren 
in den grossen Branden und in der intensiveren Entwicklung 
der Stadt fast ganz verschwunden sind, und Lübeck, wo sie in 
r Weise dominiren. Der hervorstechende Charakter 



?diugung^ei 



eines wirklichen Familien, 
ihr 



Vermischtes. 

j. Nachricht pro 1870 und 1871. 
Stiftungs-Kapital. 
Beitrag des Architekten -Vereins in einer Aktie a 25 Thlr. und 

in Staats-Anleihen 4025 Thlr. 

Beitrag des Eisenbahn -Vereins in Staats -Anleihen . 4500 „ 
Beitrag^ des Schleswig - Holsteinischen Ingenieur- 
Nachträgliche Zuwendungen und Konvertirungs- 

— % » 

zusammen 8932 Thlr. 
8525 Thlr. in Effekten. 
Im Jahre 1870 hat sich das Stift ungs-Kapital durch Zinsen er- 
höht bis auf 9050 Thlr. in Staatsanleihen und Prioritäts- 
Obligationen. 

Im Jahre 1871 ist dem Stiftungs-Fonds zugewendet: 

Erlös der Reiseskizzen, gesammelt auf der im Jahre 
1869 unternommenen Studienreibe der Bau-Akademiker 
baar , ... 10 Thlr. 

Verwendung der Zinsen: Im Jahre 1870 und 1871 haben 
4 Studirende der Bau -Akademie an Stipendien 500 Thlr. 
erhalten, der eine 200 Thlr., die drei übrigen je 100 Thlr. 
und der Bestand der Kasse ist am Rechnung» -Jahres- 
schlüsse 1871 rund 226 Thlr., einschliesslich obiger 
10 Thlr. 

Zur Wiederbesetzuag der Stadt Bauraths - Stellen zu 
Berlin. Aus zuverlässiger Quelle verlautet, das» das Resultat 
der Aufforderung zur Bewerbung um die beiden Stadt-Bau- 
rathsstellen in Berlin die zur Vorberathung dieser Angelegen- 
heit eingesetzte Kommission der Stadtverordneten-Versammlung 
nicht vollständig befriedigt hat. Es soll in dieser Kommis- 
sion die Ansicht zur Geltung gekommen »ein, mit Rücksicht 
auf die hohe Bedeutung der Stellungen der Stadt -Bauräthe in 
Berlin gegenüber den technischen Rathen des Polizei-Präsidiums, 
der Ministerial-ßaukomniission und der Ministerien und Ange- 
sichts der bevorstehenden grossen Bau •Ausführungen, nament- 
lich der Kanalisirung und der Wasserversorgung Berlins, nur 
ganz gediegene Bautechniker von Ruf zu wählen, welche gleich- 
zeitig tüchtige Verwaltungsbcamte sind. Selbstverständlich hat 
man hierbei die Bemessung des Gehaltes in zweite Linie ge- 
stellt, da solchen Ansprüchen gegenüber das jetzt offerirtc Ge- 
balt nicht aufrecht erhalten werden kann und dasselbe bei einem 
Bau-Etat von I Millionen auch nicht entscheidend sein dürfte. 
Eine Reorganisation der städtischen Bauverwaltung würde eine 
solche Wahl zur nächsten Folge haben. 

Die Kommission hofft bei diesen ganz veränderten Verhält- 
nissen und Bedingungen geeignete Persönlichkeiten ohne ein 
neues Ausschreiben gewinnen zu können und hat deshalb die 
auf 14 Tage vertagt. 

.» 



In Betreff der Konk urrenz für die Entwürfe zum Bau 
der protestantischen Kiroho in Straaaburg tragen wir nun- 
mehr den bereits in voriger Nummer erwähnten Original- Bericht 
aus Strassburg nach. Ein dortiger Fachgenosse schreibt uns: 
„Die Deutsche Bauzeitung hatte im vorigen Jahre das Aus- 

u dem bei der Be- 



Nach einem kurzen l'ebcrblick üt 
der Stadt, die am Kiugauge de» Mittelal 



fusst auf der als Grundbedi 
lebens festge 
bewohnt 

die alte Geschichte 
Jters der geistige Mittel- 
punkt des deutschen Nordens, später eines der horvorragend&ten 
Glieder des Hansabundes war, ging der Vortragende auf die 
alten Bremer Bauten, und zwar mit Ücbergchung der kirchlichen 
Gebäude, auf die der alten Profanbauten ein. Das Motiv für 
das alte Bremer Kaufmannshaus, das bis zum 14. Jahrhundert 
noch grossentheil» aus Holz und Lehm mit Strohdachuug, seit 
dem 12. theilweise aus Stein und erst seit dem 14. aus Ziegeln 
und mit Ziegeldach errichtet wurde, ist in dem nicdcrsächsischen 
Bauernhause zu suchen, wie dies der Redner durch den Ver- 
gleich zwischen dem Grundrisse beider Häuser nachzuweisen 
versucht. Die architektonische Ausbildung der schmalen hoch- 
giebligen Gebäude erfolgte bis ins 16. Jahrhundert im Anschluss 
an die kirchlichen Bauformen iu gothisebem Backsteinbau, später 
in den Formen der Renaissauce, in welchen namentlich im 
17. Jahrhuudert höchst reiche und malerische Werke entstanden 
sind. Einer Beschreibung der Privathäuser folgt die der her- 
vorragendsten öffentlichen Monumente, von denen jedoch das 
Rathhaus Gegenstand eines späteren Vortrages seiu soll. 

Der neueren Entwicklung Bremens erwähnte der Reduer 
vorläufig nur durch eiue allgemeine Charakteristik der zuletzt 
in freier, ohne polizeiliche Bevormundung gebliebenen Bebauung 
entstandenen SUdttheile mit ihren kleinen, billigen Häusern von 
nur 6,37 bis 7,53°» Breite. Der typische Grundns« eines solchen 
Hauses, das iucl. Grundstück nur 5500 Thlr. gekostet hat, wird 
mitgetheilt 

Zum Schluas erfahrt die Beantwortung der im Fragekasten 
befindlichen Fragen durch die Hrn. Schwedler, Röder, 
Grund und Streckcrt. — F. — 



lagerung eingeäscherten sogenannten .Neuen Tempel' erwähnt 
und sowohl wegen der Programmbedingungen als auch der Zu- 
sammensetzung des Preisgerichts vor einer Betheiligung an der 
Konkurrenz gewarnt. — Wie sehr gerechtfertigt diese Warnung 
war, zeigt der Ausgang. 

Im Ganzen waren etwa 35 Arbeiten eingegangen, von denen 
nur 8 bis 9 ihren deutschen Ursprung sowohl durch die deut- 
schen Bezeichnungen, als auch durch ihre Auffassung verriethen. 
Man muss gestehen, das» die meisten dieser Arbeiten (bei den 
speziell aus Berlin herrührenden erkennt man leicht Anklänge 
an die Zionskirche, die Petrikirche, die Potsdamer Nikolaikirche 
etc.) auf dem Niveau des Gewöhnlichen standen, wovon wohl im 
Ganzen nur zwei auszunehmen sein dürften, welche durch ihre 
Lösung Interesse erweckten. Man kann demnach ohne Weiteres 
behaupten, das» diese Konkurrenz von der deutschen Architek- 
tenwelt so gut wie gar nicht beachtet worden ist. 

Sehen wir uns nun an, was die französischen Architekten 

telcistet haben, so konnte schon ein flüchtiger Gang durch die 
älc die Ueberzeugung verschaffen, dass eine wahrhaft tüchtige 
künstlerische Leistung überhaupt nicht vorhanden war, was 
auch die Jury bestätigte, indem sie in Benutzung des ihr durch 
das Programm verlielieneu Rechtes keine Arbeit des ersten 
Preises von 5000 Frcs. für würdig erklärte. Man muss es in- 
dessen anerkennen, dass dieselbe wenigstens die Gesanimtsumme 
der ausgesetzten Preise (8000 Frcs.) in 5 Abstufungen zur Ver- 
keilung brachte. Aber wie geschah dies? 

Die Jury bestand bekanntlich ans 4 Konsistorialräthen, 2 
Pariser Architekten, (den Hrn. Questel und Boeswillwald) 
und Hrn. Professor Semper aus Wien. 

Den ersten Preis erhielt das Projekt mit dem Motto: 
„Cherchcz et vous trouverez," vou 3 Pariser Architekten 

in .Gemeinschaft verfasgt. Es 
, sind drei Schüler des Herrn 
Questel, die das Projekt in 
seinem Atelier gezeichnet haben 
', sollen, so dass ihm dasselbe 
; wohl kaum unbekannt war. Es 
hat den nebenstehend skizzirten 
! Grundriss und nimmt eine l'eber- 
deckung mittels Kassettendecke 
*• in Holz an; im Mittelschiff dop- 
9 peltes Hängewerk, seitlich ein- 
faches. Die Seitenfenster drei- 
fach gekuppelt und lang ge- 
streckt, wie an einer Svuagnge, 
so das» eiue genügende Beleuch- 
tung des Mittelraums und der 
Decke unmöglich ist Die Em- 
poren massiv halbkreisfönnig.zwi- 
schen den Pfoileru überwölbt, die 
Orgel über dem Oratorium, wäh- 
rend Vestibül und Sakristei in halber Kirchenhöhe liegen bleiben; 
die Vorderfacade mit ganz plumpem Mittelthurm, der treppenför- 
mig unter weniger als 45* Neigung endigt Das Ganze macht den 
Eindruck eines noch unerfundenen Uberseeischen Baustils. Aus- 
geführt sind übrigens die etwa 8 Blatt Zeichnungen ganz meis- 
terhaft und bestechend, »o dass sie als Bilder die Laien ausser- 
ordentlich anziehen mussten. Die drei Verfertiger erhielten 



SACRI 

STll 



ORATORIUM 

... m. . 



VEST1 
801. 



3Ö00 Free. 

Den zweiten Preis erhielt das Projekt 



Religio-. Ks hat 
ist die eine Treppe 



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88 — 



Tin der Sakristei fortgelassen worden. Die l'ebcrdeckung int 
hier im Mittelraum durch ein langes Tonnengewölbe, für die 
Seiten durch Kreuz-Gewölbe bewirkt, also für (las Verständnis» 
des Predigers noch übler. Die Fenster genau dieselben, die 
Facade nur in sehr unwesentlichen Punkten anders, der Thurm 
treppenförmig nach der Parabellinie endigend. Die Süssere Dar- 
stellung verrieth dieselbe Schule und in der That ergaben sich 
bei Eröffnung des Couverts als Verfasser wiederum einige Jün- 
ger der Pariser Schule, die in Gemeinschaft gearbeitet hatten; 
diesmal nur zwei, aber wiederum aus dem Atelier des Herrn 
Questcl. Dieselben erhielten 2000 Frcs. 

Merkwürdigerweise hat auch der mit dem dritten Preis von 
1000 Frcs. gekrönte Entwurf: „Dicu et Patric* wiederum 
denselben Grundriss, sogar wieder mit der zweiten Treppe an 
der Sakristei. AU Ueberdcckung sind hier überall Kreuzge- 
wölbe gewählt, die Fenster sind einfach und grösser, die Tra- 
veen in der Seitenansicht mit Giebeln ausgebildet, in der Vor- 
derfa^ade ausser dem starken Mitteltharm mit kuppeiförmiger 
Abtreppung noch zwei Shnlichc kleinere, aber auch noch mäch- 
tige Seitcnthürme vorhanden, die ebenso endigen. Das Projekt 
verrieth in der Behandlung etwas weniger Routine als die vorigen 
und rührte von einem sechsten, wahrscheinlich jüngeren Schüler 
des Herrn Questel her. 

Aus glaubwürdiger Quelle wurde mir mitgctheilt, dass alle 
diese drei Projekte nebeneinander im Atelier des genannten 
Herrn entstanden seien. 

Den vierten Preis, ebenfalls 1000 Frcs.. erhielt 'ein Projekt 
mit dem Motto: „ Laboremus *, welches weder Scbönheitsgefühl 
noch kunstgeschichtliche Bildung des Verfassers vermutben Hess. 
Der Grundriss unterscheidet sich von den drei vorigen dadurch, 
dass durch Fortnahme der Treppe am Oratorium, und Ersetzung 
derselben durch eine in der früheren Sakristei die Kirche ganz 
rechteckig geschlossen, vollständig ohne Absis ist Die Sakristei 
befand sich neben dem Thurm. Die Anwendung von 5 Traveen 
(an Stelle der früheren 3) ergab quadratische Deckenfelder der 
Seitenschiffe und längliche im Mittelschiff. Trotzdem versuchte 
der Verfasser hieraus eine romanische Hallenkirche herzustellen. 
Bei einer Anwendung von Rundbilgen wäre er [mit den Anfän- 
gern der Gurtbögen im Mittelschiff um ca. 3— 4"> tiefer gerathen 
als mit den Anfängern der Seitenschiffbögen; da dies entschie- 
den zu misslich gewesen wäre, so half sich der Verfasser, indem 
er im Mittelschiff Ellipsenbögen anwendete und so wenigstens 
jenen Unterschied auf 2" reduzirtc. Der Thurm hebt sich un- 
vermittelt aus der Baumasse heraus und die 30™ breite Vorder- 
faeude gleicht einer Mauer, in welche Löcher hineingeschossen 
worden sind; ebenso war die Seitenansicht höchst mangelhaft 
gelöst Der Verfasser war der hiesige Architekt des Konsisto- 
riums Herr Salomon, welchen man, wie es scheint nk'ht gern 
wollte. 




Der fünfte Preis eudlich, ebenfalls von 1000 Frcs., wurde 
dem jetzigen Stadtbaumeister in Lille Herrn Röderer, einem 

geborenen Strassburgcr, für ein 
Projekt zuerkannt dessen Lö- 
sung im Allgemeinen für die ver- 
hültiii&smässig best«* unter den 
preisgekrönten gelten könnte, 
wenn nicht die etwas rohen und 
weit über den Maasstab hinaus- 
gehenden Details, sowie die grosse 
Kürze der Seitenansicht nach- 
theilig wären. Vorzüge desselben 
sind: Die geringe Zahl der Pfei- 
ler, die Gestaltung der Seiten- 
schiffe lediglich als Gänge, die 
hellen grossen Fenster, die bis 
oben hinauf reichende, auch 
äusserlich zum Ausdruck gelan- 
gende Absis, die Verringerung'der 
Breite in der Vorderansicht und 
denigemäss bessere Verhältnisse, 
die Stellung der grossen Orgel 
im Thurm und den beiden Nebenbauten, also dem Altar gegen- 
über. Die architektonische Ausbildung ist in romanischem Stile, 
aber in jener der französischen Schule cigenthümliclipn, unserem 
Schönheitsgeftthle völlig widerstrebenden Auffassung der Details 
durchgeführt 

So die Entscheidung der Jury, wahrlich lehrreich genug in 
der Geschichte der Konkurrenzen.' Wir unsererseits können da- 
raus schließend nur noch allen den Fachgenossen unsern Dank 
sagen, welche sich an dieser Konkurrenz nicht bctbeiligt haben. 
Wie mitgetheilt wird, ist den Bearbeitern des an erster Stelle 
prämiirten Entwurfes eine Umarbeitung desselben übertragen, 
jedoch in der Weise, dass, wie es gewöhnlich gebt der Archi- 
tekt der betreffenden Behörde (Herr Salomon) wohl die letzte 
Feile anlegen wird. 

Strasburg, den 3. Mäii 1872. 

Metzenthin." 

Die Konkurrenz für Entwürfe zu einem Siegesdenkmale 

In Altona., deren wir in No. 7 d. Dtsch. Bztg. Erwähnung thaten, 
ist nunmehr vor Kurzem zur Entscheidung gelangt. Wer als 
Preisrichter fungirt hat, ist uns leider nicht bekanntgeworden; 
als der beste unter den eingegangenen Entwürfen, deren Ver- 
"■ zum grösseren The.il dem Nachbargebiete angehörten, ist 



der Plan des Architekten Ferdinand Luthmcr zu Berlin an- 
erkannt und zur Ausführung gewählt worden. Derselbe ver- 
werthet die zur Disposition stehenden Kanonenrohre nicht 
allein in der üblichen senkrechten Stellung, sondern hat die- 
selben in origineller Weise auch iu ihrer natürlichen horizon- 
talen Lage zur Bildung einer Art von Columni 
wendet 

Personal - Nachrichten. 

Prcussen. 

Ernannt: Der Kreis -Baumeister de Rege zu We 

zum Bau-Inspektor in Wittenberg. Der Kreis-Baumeister Kop- 
pen zu Hanau zum Bau-Inspektor zu Berlin. 

Die Baumeister-Prüfung haben bestanden: Otto Frie- 
drich Wille aus Meseberg bei Osterburg; Friedrich Wilhelm 
Schwedler aus Rostock: Hubert Krebs aus Köln. 

Die Bauführer- Prüfung haben bestanden: Rudolph 
Heinrich Schierhorn aus Gardelegcu; Albert Sylvius Oswin 
Kayser aus Berlin; Rudolph Philippi aus Solingen; Hermann 
Georg Voerkel aus Delitzsch; Friedrich August Erwin Neu- 



Bnef- und Fragekasten. 

Hrn. S. in Berlin. Die Kayser'schen Kochmasehincn ... 
sich allerdings bewährt, abgesehen von den Nachtheilen, welche 
eiserne Kochmaschinen im Allgemeinen haben, namentlich der 
starken Verbreitung von Hitze. Im Allgemeinen lieben die 
Hausfrauen die Maschinen mit Kachclbekleidung mehr. 

Hrn. B. L. in St Der Fehler, welcher begangen ist, liegt 
darin, dass die sonst sachgemäss ausgeführte Glas-Isoltnschicht 
unter dem Niveau des Strässenterrains liegt, so dass die Feuch- 
tigkeit von der Seite (nicht von unten) in das Mauerwerk ein- 
dringt; dieselbe hätte einige Zoll oberhalb des Strassennivaus 
gelegt werden müssen. 

Sie können dem Uebelstand abhelfen 1) durch Anbringung 
von Mauerkrfiuzen, wodurch sie das Erdreich von den Umfassungs- 
mauern anhalten. Diese Kränze müssen einige Zoll bis unter Ihre 
Isolirscbicht heruntergeführt werden; 2) durch streckenweises 
Unterfahren und nachträgliches Einbringen einer Isolirschicht 
über dem Strassenniveau. Erster« Methode dürfte etwas beque- 
mer und billiger sein, doch kann hierüber nur die Ocrtlichkeit 
entscheiden. 

Hrn. F. J. in Berlin. Die Frage, welche Belastung einem 
bestimmten Baugründe zugemuthet werden kann, ist keineswegs 
eine positiv entschiedene uud um so schwieriger nach allgemeinen 
Grundsätzen zu beantworten, je wechselnder die Beschaffenheit 
des Baugrundes zu sein pflegt. Unseres Wissens ist dieselbe 
bisher noch in keinem wissenschaftlichen Werke einer gründ- 
lichen, auf Experimente und Beobachtungen gestützten Unter- 
suchung unterworfen worden. Bei Kastengründungeu in Berlin, 
die auf scharfem Sand erfulgen, ist eine Belastung des Grunde« 
bis auf 5,12k pro (70 Pfd. pro m üblich, doch ist man 
in schwierigen Fällen und da wo der Baugrund sehr tief lag, 
auch schon über dieses Maass hinausgegangen, ohne nachthcilige 
folgen verspürt zu haben. 

Hrn. F. in Elberfeld. Banquette haben lediglich den 
Zweck, die Last des Baues auf eine grössere Fläche zu verthei- 
len, und wird sich ihre Breite nach der Tragfähigkeit des Bau- 
grundes richten müssen. Selbstverständlich sind sie auf Fels- 
boden überflüssig. 

11 rl i" P- T -. ßerlio - D'e P™ge ist zu unpräzise gestellt 
um sie definitiv beantworten zu können. Nach hiesigen Preisen 
kostet unter angegebenen Verhältnissen 1 laufd. Meter einge- 
leisigc gerade Bahn i 7«/,-9 Thlr., wenn die Streckschichtcn von 
rindlmgen hergestellt sind und zwischen den Schienen chaussirt 
wird. 

Hrn. M. in G. Die Form der Sfigedächer oder der sog. 
1 i ii 1 *» ich schr °*währt. Keines nicht blendendes Licht 
und billige Konstruktion sind ihre Vorzüge. Unseres Wissens 
ist indes» über solche Anlagen eine allgemeinere Veröffentlichung 
nicht erschienen. Die augewandten Konstruktionen sind aehr 
mannigfach, und würde Bich Jemand, der dieselben zusammen- 
stellen uud uäher erörtern würde, ein Verdienst erwerben. 

Hrn. R. in B. Nach der nächsten Abgeordneten-V< 
lnng des \erbandes, in welcher eine Norm für " 
Ingenieur -Arbeiten hoffentlich aufgestellt 
wir Hire Fragen beantworten zu " 
uns Erfahrungen, aus denen sich 
stellen Hessen, nicht zu Gebote. 

Hrn. V. \V. 77. Ein Werk, das speziell 
Passagen handelt, ist uns nicht bekannt 

Hrn. A. in Pm. In sehr geringem Maa^se lassen doppelt 
eingedeckte Schieferdächer bei einem mit heftigem Wind ver- 
bundenen Schneetreiben den Schnee durch die Fugen, doch nur 
beim Beginn dieses Wetters, während später die Fugen durch 
den Schnee selbst gedichtet werden. Wenn an Maueranschlüssen, 
Schornsteinen etc. sich der Schnee durch vorhandene Fugen 
tingang verschaffen sollte, so muss hier ein künstliche« Dich- 
tungsmittel, etwa Zement, angewendet werden. Von einem Ein- 
treiben von Schnee in grösseren Mengen darf bei einem gut 
eingodeckten duppelten Srhiefcrdache nicht die Rede sein. 

Beiträge mit Dank erhalten von Hrn. E. iu Homberg, S. 
in Merseburg, K. in Lübeck. 




••••• l«« >-» Curl litMiii fa (Ulli*. 



Pru<« >« (i.brudtr rielarl im IHtlin. 

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Jahrg. TL M 12. 

DEUTSCHE BAUZEITUNG 




Organ des Verbandes 

deutscher Architekten - und Ingenieur-Vereine. 

Bedaktenr K, £. 0. Fritieh. 



Iai.rat. 

flr Ut Uter «er i 
Hau ": ' ■ • i tngVn ' 
In d.f nl '- 



I« »«r- C« 



Prell 1 Thaler pro Quartal. 




». - D.r Hol 

MitthollniiKtn au. V.relaea: ' 
V.r.ln. - A.rdüU>ktan .V«.ln >u ltartln. - Vei 
• - VaraiUc ht.il PI. Blnfäh rnaK <!.. i 



Berlin, den 21. März 1872. 



in Ur.trllrlcli. — U,« krtUliratlnn In I 



Erscheint Jedf n Dement**. 



»}»l.ma in ... 

F.a«t.rr«rbr. - Ana d.r Fleh litt. ralar: IM. Krypta 
dem Ori.nl XI. nnd di. Fra«. Ihr.r WM.rhmt.llaH. Ton F. Sehn.tdcr. - 
uarf Arthiwk. Llttnatar Januar, F.r.rn.r, Mari IM*. - Kon k ar r. ai.n: 
— r*r..,nal.Nachrl.ht.n *u. 



Da» Schinkels st des Architekt™ -Im ins » BeHill 

am 13. März 1872. 



Vollzähligkeit waren zu unserer diesjäh- 
r an 270 Fachgenossen, .länger, Freunde 
Gönn, r der Baukunst erschienen. Wenn wir unter 
den letzteren neben dem Preussischen Staatsmmister, dessen 
Ressort die Pflege der aus dem Bedürfnisse hervorge- 
gangenen Baukunst repräsentirt, auch den Minister bemerk- 
ten, dem die Förderung der idealen Kunstinteressen des 
Staates anvertraut ist — wenn neben dem Minister der 
öffentlichen Arbeiten, Grafen vou Itzenplitz auch der Kul- 
tusminister Dr. Falk ein Theiluehmer unseres Festes war, 
so wollen wir dieses kleine, alier für den Beginn einer neuen, 
von den Künstlern langersehnten Zeil hoffentlich nicht ganz 
bedeutungslose Zeichen nicht unbemerkt lassen. 

Eine Aeuderung in den typischen Formen des Festes 
hatte nicht stattgefunden, so dass wir nur einiger Einzel- 
heiten zu erwähnen haben. Das Bild des gefeierten Meisters 
war diesmal nicht wie sonst der Mittelpunkt der zum 
Schmucke des Saales errichteten Dekoration, sondern als 
bescheidenes Relief an der Vorderseite eines Postamentes an- 
gebracht, anf dem sich die von dem Bildhauer Hundt- 
rieser schön erfundene und effektvoll modellirte Germania- 
Figur erhob. Das siegreich geführte Schwert ruht in der 
Scheide geborgen, wahrend die Rechte den Preis ruhrnwür- 
digen Sieges und die Hoffnung segenspendenden Friedens, 
den goldenen Lorbeerkranz hoch emporhält. Zur Seite des 
Postaments zeigten zwei niedrigere Brüstungen die Namen der 
Männer, die dereinst neben Schinkel an der Erhebung un- 
seres Volkes in Kunst und Wissenschaft gewirkt, eines Cars- 
tens nnd Cornelius, Schadow und Rauch, Humboldt 
und Beuth. Ueber der von grünem Pflnnzensehmuck um- 
rahmten Gruppe prangten im Seheitel der dunkelrothen, den 
Hintergrund bildenden Draperie das blitzende Reichsschild 
mit der Kaiserkrone und die lorbeerurnwundenen Zeichen 
de» eisernen Kreuzes. — An Originalzeichnnngen Schinkels 
war eine im Besitz des Herrn von Quast befindliche, ziem- 
lich zahlreiche Sammlung seiner Jugendarbeiten aus den 
Gymnasialjahren und der Lehrzeit bei Friedrich Gilly aus- 
gestellt. Theils figürlichen, theils landschaftlichen und ar- 
chitektonischen Inhalts — zum Theil Kopien, zum Thcil von 
Schinkels eigener Erfindung — mit der Feder, in Tusche, in 
reduzirtem und vollständigem Aquarell ausgeführt, zeigen 
diese Zeichnungen fast ausnahmslos noch eine grosse Aengst- 
lichkeit und Befangenheit; nur wenige landschaftliche Skiz- 
zen lassen etwas von dem späteren Fluge des Genius ahnen. 
— Als Festandenken wurde diesmal das Portrait Schinkels 
in Miniatur-Relief, eine aus der Eichler'scben Kunstanstalt 
hervorgegangene Nachbildung des für die Dekoration be- 
nutzten (Tiei'schen) Reliefs zur Vertheilnng gebracht. * 

In seinem Jahresberichte über die Thätigkeit des Ar- 
chitekten-Vereins knüpfte der Vorsitzende desselben, Herr 
Baurath Quassowski, an die Grundidee jener Dekoration 
an. Vor einem Jahre noch schrieb das geeinigte Deutsch- 
land mit gezücktem Schwerte dem Feinde die Bedingungen 
des Friedens vor; heut winkt es seinen Söhnen im frohen 
Genüsse desselben zum Wettkampfe in den Werken des 
Friedens, mahnend an das Beispiel der Männer, die zu An- 
fang des Jahrhunderts nach einer ähnlichen Epoche unser 
Volk in solchem Wettkampfe geführt. Wenn schon beim 
letzten Schinkelfeste diese Mahnung in der Ansprache eines 
hohen Ehrengastes ihren warmen Ausdruck land, so hat 
unser Fach und unser Verein seitdem gezeigt, mit welchem 
freudigen Eifer er ihr zu folgen bereit ist; äusserlich viel- 



unserer Stadt für den Triumphzng des siegreich einziehenden 
Heeres, innerlich durch die erhöhte Theilnahme an allen 
dem Fortschritte des Faches gewidmeten Arbeiten und Be- 
strebungen. 

Als des für das Yereinsleben wichtigsten Ereignisses ge- 
dachte der Redner der in Berlin erfolgten Gründung des 
Verbandes deutscher Architekten- und Ingenieur- Vereine, als 
des sichtbaren Abschlusses derjenigen Annäherungs- und 
Einigwigs-Bestrebnngen, mit welcheu die deutschen Genossen 
unseres Faches seit 30 Jahren für ihren Theil ein Scherflein 
zur endlichen Einigung der deutschen Stämme beigetragen 
haben, wfihrend sie gleichzeitig durch den Bau der neuen 
Verkehrswege dasjenige materielle. Moment schufen, das 
mehr als jedes andere eine l'rsache und Grundlage der An- 
näherung unter den bisher getrennten Gliedern des Vater- 
landes geworden ist- Mit Genugthuung wies er auf die Re- 
sultate der ersten Abgeordneten -Versammlung und auf die 
Stellung hin, welche der Berliner Verein als nächster Vor- 
ort des neuen Verbandes erlangt hat. 

Die Statistik des Vereins ergiebt für das allgelaufene 
Jahr eine durchschnittliche Zahl von 365 in Berlin wohnen- 
den und 531 auswärtigen, zusammen von 896 Mitgliedern. 
Hiervon wurden fi9 der ersten und 5 der letzteren neu auf- 
genommen, während der Verein 8 seiner Mitglieder durch 
den TihI verlor. Die Einnahmen haben bekanntlich 
Tblr. betragen. 

Dass von den Konkurrenzen des Vereines die Monats- 
aufgaben und die zur Errichtung vou mehren Denkmälern 

ausserordentlichen 



^er ausgeschriebenen 



für gefallene Kriei 

Preisbewerbungen, liei denen 43 verschiedene Arbeiten ein- 
gegangen sind, eine lebhaftere Betheiligung fanden als die 
grösseren, für das diesmalige Schinkelfest zur Entscheidung 
gestellten Konkurrenzen, suchte der Redner in den Verhält- 
nissen des vergangeneu Jahres zu begründen, welches mit 
seinen aufregenden Ereignissen und bei der späten Rück- 
kehr so vieler jüngerer i achgenossen aus dem helde für eine 
derartige Arbeit nicht günstig war. Bei der Proklatnirung 
des Resultates dieser Konkurrenzen wurde mitgetheilt, dass 
den Siegern derselben, den Hm. Ziller und Heuser, der 
Staatspreis von je 100 Friedrichsd'or verliehen worden ist. 
Die technische Baudeputation hingegen hat zwar die beiden 
Arbeiten im Ingenieurfache als Probearbeiten für die Bau- 
meister-Prüfung genehmigt, die mit dem Staatspreise be- 
lohnte ihr zur bedingten Annahme empfohlene architek- 
tonische Arbeit jedoch wegen ihrer konstruktiven Män- 
gel zurückgewiesen und dabei erklärt, dass künftig über- 
haupt nur solche Arbeiten auf jene Vergünstigung zu rechnen 
haben würden, welche die beabsichtigten Konstruktionen 
deutlich dargestellt zeigten. Die für das nächste Schinkel- 
Fest bestimmten Konkurrenz -Aufgaben (Entwurf eines Ge- 
werbe-Museums nnd eines massiven Neubaus der Jannowitz- 
BrückeJ haben die Genehmigung des Ministeriums erlangt 
und liegen bereits im Drucke vor. 

An die vorn Vorsitzenden erbetene Yertheilung der 
Schinkel -Medaillen nnd seinen Glückwunsch an die dies- 
maligen Sieger knüpfte der Minister für öffentliche Arbeiten, 
Herr (traf von Itzenplitz, auch diesmal eine an die ganze 
Versammlung gerichtete Ansprache, in welcher er der jün- 
geren Architekten- und Ingenieur-Welt in wiederholten ein- 
dringlichen Worten ans Herz legte, durch Gewissenhaftigkeit, 
Kntst und vor allem durch Tiefe des Strebens sich auf die 
Höhe ihres Faches zu schwingen. Es sei dies heute um 
so mehr erforderlich, als eine gewisse Mittekuässigkeit des 



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Wissens und Könnens in sehr viel, grösserem Maasse Gemein- 
gut geworden sei als früher, während an Köpfen, welche 
über diese beqnem zu erreichende Mittclmässigkeit hinaus 
zu einer höheren Bedeutung sich eraporgerungen haben und 
deren unser Vaterland vor Allem bedarf, durchaus kein 
Ueberflnss sei. 

Die darauf folgende Festrede des Abends hatte der Ge- 
heime Regiernngs-Rath und Konservator der Kunstdenk müler 
in Preussen, Herr von Quast übernommen und hierfür das 
Thema: „Schinkel und die Gegenwart" 1 gewählt 

Wer die Erhebung der neuen auf antike Tradition ge- 
stützten Kunst vollbracht hat, das zeigt ein bekauntes Kaul- 
bach'scbea Bild an der Münchener neuen Pinakothek, in dem 
unter der Führung Winkelmanns, Carsteus, Thorwaldsen und 
Schinkel zur Befreiung der vom Zopf in Haft gehaltenen 
Grazien ansebreiten. 100 Jahre sind nunmehr schon seit dem 
Tode Winkelmanns, 70 nach Carstens, 30 nach Thorwaldsens 
und Schinkels Dahinscheiden verflossen, aber noch unver- 
gessen und unvergänglich steht die That jener Männer vor 
unserem Geiste und das Andenken dos ältesten und jüngsten 
uuter ihnen ist für die Nachstrebenden ein festlicher Ver- 
einiguugspuukt geworden. 

In allgemeinen Zügen führte der Redner ein Bild der 
Kunstzustände vor, wie Bie seit dem Verfall der im Deko- 
rativen entarteten mittelalterlichen Kunst bis zum Ende des 
vorigen Jahrhunderts sich entwickelt hatten. Das frische 
Leben der italienischen Frührenaissance , das nach franzö- 
sischem Boden verpflanzt, auch dort eine nene Kunstepoche 
hervorgerufen hatte, konnte in Deutschland eine gleiche 
Wirkung nicht zu Wege bringen, weil die neue Richtung 
dem Volke zu fremd und dieses zu ausschliesslich mit der 
Reformation auf religiösem Gebiete beschäftigt war. So war 
es nicht die Renaissance der Frühzeit, sondern erst die von 
Michel Angelo nach Raphael s Tode eingeleitete, der Willkür 
und Laune verfallene Baukunst, welche in Deutschland 
Boden gewann und hier, wie überall, in schneller Entartung 
und Verwilderung, von üppiger Formenfülle und dekorativer 
Ueberwucherung bis zu jener Nüchternheit und Abgcblasstheit 
herabsank, die in der Mitte des vorigen Jahrhunderts auf 
allen Kunstgebieten herrschten. 

Dieser Zeit, deren künstlerisches Schaffen der Redner 
in drastischen Worten zu schildern versuchte, hielt Winkel- 
mann den Spiegel antiker Einfachheit und Schönheit vor 
und das erwachende selbstetändige deutsche Bcwussteein, das 
zunächst in der Neugestaltung unserer Litteratur zum Aus- 
druck kam, bereitete seiner Lehre schnell eine Stätte im 
Herzen der Zeitgenossen, wenn dieselbe vorerst auch nur 
in der Kritik sich geltend machen konnte. Die Reste der 
alten bisher geübten Kunst weise, deren Unhaltbarkeit bald 
überall erkannt wurde, räumte die französische Revolution 
hinweg, ohne jedoch an deren Stelle etwas Anderes setzen 
zu können, als ein manirirtes Theaterthum, von dem im 
Gebiete der Malerei erst Carstens den Rückweg zur Natur fand. 



Schwieriger war die Anbahnung eines neuen Kunst- 
prinzips in der Architektur, weil es für diese an guten Vor- 
bildern fehlte. Selbst wo man auf römische und die so 
eben bekannt gewordenen griechischen Beispiele sich stützte, 

I gelangte man doch wenig über eine mechanische missver- 
ständliche Nachahmung derselben hinaus, wie denn auch 
das, was Schinkels Lehrer, Friedrich Gilly uud er selbst 
unter dessen Einfluss geschaffen, noch keine fruchtbare 
Eigenthümlichkeit zeigt, sondern an absoluter Nüchternheit 
leidet. Erst als Schinkel nach seiner Rückkehr aus Italien, 
wo er die Schöpfungen einer wirklichen Kunsthlüthe gesehen, 
in einer durch die traurigen Schicksale des Vaterlandes her- 

I beigeführten Periode ruhiger Sammlung dem tiefen Studium 
hellenischer Kunst sich ergab, ging ihm das Verständnis« des 
organischen Leltens ihrer Schöpfungen auf und wurde er 
fähig dieses Leben nen zu erwecken. 

In poetisch begeisterter Weise erging der Redner sich 
nunmehr in einer Würdigung hellenischer kunstweise, um so- 
dann zu schildern, wie nach der Wiederaufrichtung Preussen» 
im siegreich erkämpften Frieden die Werke Schinkels in 
ihrer von den Zeitgenossen bisher ungeahnten Reinheit nnd 
Schönheit erstanden — nicht allein in gebundener Nach- 
ahmung der von den Hellenen geschaffenen Kunstformen, 
sondern durch neue Verbindung und Fortbildung derselben, 

j als neue und selbstständige, im hellenischen Geiste erfundene 
Schöpfungen. Leider ist es ihm gelten vergönnt gewesen, 

[ anders als mit Surrogaten bauen zu können, aber niemals 
hat er sich mit Scheinkonstruktionen begnügt, sondern seiu 
ausgesprochenes Bestreben war es, auch für die den Griechen 
nicht geläutigen Konstruktionen unserer Zeit in ihrem Sinne 
die entsprechende Form zn finden. So hat er den Typus 
der Holzhäuser in den Alpen, so den Facadenhau mit ge- 
brannten Ziegeln für die neuere Kunst wiener gewonnen. 

Durch seine That war die Bahn einer Neubildung un- 
serer Baukunst eröffnet, auf der ihm eine Schaar strebender 
Schüler nachschritt, nachdem dnreh die Einsicht und den 
Einfluss bedeutender, ihm treulich zur Seite stehender Män- 
ner, vor Allen des Kronprinzen und Beuths, sein künstlerisches 
Schaffen nicht allein einen festen Boden im Vatcrlande ge- 
wonnen hatte, sondern sogar der Stolz desselben geworden 
war. Durch den ganzen Preussischen Staat bis zu den ent- 
ferntesten Grenzen desselben herrschte bald nur die Tradition 
seiner Schule; überall entstanden in seinem Geiste empfun- 
dene Werke, die Anspruch auf künstlerische Bedeutsamkeit 
erheben konnten. — Wie Grosses damit in Preusaen ge- 
schehen sei, das glaubte der Redner am Besten durch einen 
Vergleich darthun zu können mit dem, was gleichzeitig andere 
Länder in der Baukunst leisteteu. Hoch stellte er es über 
das dilettantistische Experimentiren mit einer Musterkarte 
aller Stile und über die ohne jegliches Schönheitegefühl 
unternommenen Versuche neuer Stilbildungen, die in andereu 
deutschen Staaten an'ä Tageslicht treten, — hoch über die 
Schöpfungen englischer Architekten, die zwischen den i 



Hebet kluea au itm Orient. 

XI. 

Der erste Eindruck von Ephesus hat etwas Befremdendes. Man 
fühlt sich enttäuscht, denn die Aussicht ist beschränkt und das We- 
nige, was, mau Übersicht, zeigt späte, elend zusammengeflickte 
Rette des klassischen Alterthums. Ucber den Bahnhot weg 
zieht sich ein langer hochragender, aber nur aus älteren Archi- 
tekturbruchstücken uud Inschriftetcinen sehr unsolid zuaamnieu- 
Befiigter Aquädukt Er führt in grader Linie zu dem Ka.stell- 
hügcl zur Hechten, der in sanften Abhängcu links in die Ebene 
verläuft und auf seinem Rücken die wenigen noch bewohuten 
Häuser und Hütten des Dorfes Aiasalouk trägt Sechs kleine 
aus Backsteinen erbaute und mit Kuppeln überwölbte Moschecu, 
davon einige mit Minarcte verschen, sowie mehre Bäder bewei- 
sen, dass der Ort in früheren Zeiten bewohnter und volkreicher 
war, als jetzt. In der Mitte des Dorfes, wo zwei Kaffrehütten 
existiren, ist eine der Moscheen mit einer dreijochlgen auf an- 
tiken Granitsäulcn ruhenden Vorhalle ausgestattet. Gegenüber 
sprudelt in halbzerstörter Fassung die letzte Quelle, welche der 
Ort beeitzt, bildet aber, da niemand für den Ablluss des Was- 
sere sorgt, stagnireude Lachen und damit die Hauptbrutstätte 
für das Weber, woran im Sommer monatelang die ganze Bevöl- 
kerung dahinsiecht. 

Hinter deu letzten Hütten beginnt ein dschungclartiges, 
von schmalen Reitpfaden durchzogenes Dickicht aus Dornen- 
hecken, Kobrstengeln und baumartigen Agnus castus Gesträu- 
chen bestehend, in welchem mau sich leicht verirren kann, 
da die Dichtigkeit und Höhe des Pflanzenwuchses nirgends 
einen Ausblick verstattet Ist dieses Labyrinth passirt, so tritt 
ins Freie und hat plötzlich den wie eine Insel aus der 
ufragenden Prion mit seinen beiden durch eine Einsut- 
erbundenen Kuppen vor sich. Links von demselben er- 
heben sich die schluchtenreichen und steilen Hänge des Ko- 




rcssus, der 
dem Meere 
von Ajasolouk; 

gebliebene weisslcuchtende und offenbar aus Marmorquadern er- 
baute Moschee. In der mit niedrigen Baumgruppen besetzten 
Ebene zwischen dem Kastellhügcl und dem Prion verkünden 
alleeartige Schilfwfildcr die Existenz zahlreicher unsichtbarer 
Wasserlftufe des Kayster; hinter ihnen begrenzt das stolze Ge- 
birge des Galetsus den Horizont Vergeblich späht der Blick 
nach Trüminerniassen und Ruinen; nur ein geübtes Auge un- 
terscheidet nach eiuigcr Zeit auf dem höchsten Kamme dos Ko- 
ressus die Konturen thurmbesetzter Ringmauern und am Fus.se 
der starken Einsattelung zwischen Korcssus und Prion einige 
hochragende Pfeiler- und Mauerreste. Kein menschliches Wesen 
ist zu sehen, ringsum herrscht in brütender Mittagshitze diu 
tiefste Stille. Unwillkürlich erinnert man sich in solchem Au- 
genblicke der alten Prophezcihung der Sibylle, dass einst die 
Erde beben und sich öffnen, und der Abgrund den Dianen- 
tempel wie ciu Schiff im Sturme verschlingen würde. Ephesus 
selbst, nicht mehr bewohnt, würde dann klagend und weinend 
an den Flussufern nach der Stelle fragen, wo das Heiligtum 
gestauden. 

In ernste Betrachtung über die Vergänglichkeit alles Irdi- 
schen versunken, wenden wir das Pferd rechte und reiten grad- 
aus auf eine Gruppe von Oelbäumen los. Ks sind die einzigen 
in diesem Theil der Ebene nnd deshalb leicht zu findeu. Unter 
ihren Wurzoln stehen noch die Theile der Peribolus -Mauer, 
deren Entdeckung Mr. Wood Gewissheit gab aufrichtiger Fährte 
zu sein. 

Der hier gefundene, die Entdeckung vorbereitende Iuscbrift- 
stein, ein Dekret Angust's über das Asylrecht enthaltend, be- 
findet sich bereite in London. Wir steigen ab, durchschreiten 
verdorrte Ackerstücke, überklettern niedrige Feldmauern, win- 
den uns durch Gebüsche und stehen endlich an dem senkrecht 

Erdgrube, in 



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— 91 



»ungebildet«!) Stilen einer vergangenen Zeit, der Kanstweise 
eine» Palladio und der des Mittelalters schwanken, — hoch 
endlich über die Leistungen französischer Kunst, die nach 
der nüchternen römischen Antike der napoleonischen Zeit 
und nach schüchternen Versuchen mit der Gothik und dem 
nationalen Stile des gechszehnten Jahrhunderts schliesslich 
mit vollen Segeln in die prunkende Kunstweise der Epoche 
l/iuis XIV. eingelaufen ist und unter der entsittlichenden 
Herrschaft des zweiten Kaiserreiches sich in Bildungen ge- 
fallen hat, die der treffende Ausdruck einer mit raffinirtem 
äusseren Luxus verbundenen inneren Fänlniss sind. 

Während anderwärts solches geübt wurde, hat die Ber- 
liner Architekturschule eine lange Zeit hindurch die Schinkel- 
sehe Tradition in voller Reinheit und mit ihr eine gross- 
artige Stellung sich bewahrt. Freilich standen nicht alle 
Schüler auf der Höhe des Meisters nnd keiner hat die Uni- 
versalität seines Genius geerbt, so dass der Eine und der 
Andere die eine oder andere der von jenem gegebenen An- 
regungen vorzugsweise auszubilden beflissen war. Mit der 
steigenden Potenz der materiellen Mittel hat der Wuusch 
nach reicherer Formgestaltung sich entwickelt, mit ihm ein 
Hervortreten des dekorativen vor dem struktiven Elemente. 
Nicht ganz ohne Einfluss blieb die Wiederaufnahme der 
mittelalterlichen, gothisehen Baukunst, die leider nicht im 
Schinkel schen Sinne einer Verschmelzung des autiken und 
mittelalterlichen Kunst nrinzips, sondern in einfacher, freilich 
viel bequemerer Wiederholung und Nachahmung der alten 
gothisehen Formen erfolgte — einerseits wohl im Zusammen- 
hange mit gleichzeitigen Bestrebungen auf kirchlichem Ge- 
biete, andererseits als Modesache, namentlich gepflegt von 
Grundbesitzern, die im Besitze eines englisch -gothisehen 
Schlösschens englische Lords zu sein vermeinten. 

Dass die Schinkersehe Schule diesen Einflüssen und Strö- 
mungen im Allgemeinen siegreich widerstanden hat, ist ein 
Beweis für ihre innere Gesundheit Ihr gefährlichster Feind 
ist ihr freilich erst in neuerer Zeit mit dem Auftreten der 
aus Frankreich importirten, neu aufgelebten Zopfarchitektur 

Unter dem hartnlusen Namen des Rukkoko nnd der 
Renaissance allmälig in ganz Europa vordringend, hat diese 
Richtung zuerst wieder in Möbeln, dann in der Dekoration 
einzelner Innenräumc, schliesslich verstohlen auch in der 



-Architektur sich wieder an's Licht gewagt Leider 
_ sich auch in Berlin Architekten, die einem Kunst - 
Mäcen, der mit einer solchen Facade vielleicht seinen Besuch 
der Pariser Weltausstellung und sein VersUindniss für aller- 
neueste Mode dokumentiren wollte, zu Willen waren. Kaum 
stand die erste Mansarde, so schienen die Schleusen durch- 
brochen, durch welche das drohende Unheil so lange abge- 
wehrt worden war, und begierig stürzten sich Bauherren und 
Baumeister auf die neue Kunstweise! Jetzt bedurfte es ja 
keines Studiums mehr, das Gesetz der Statik hatte seine 
Gültigkeit verloren, keine Fesseln hemmten das Genie mit 



allen nur möglichen Mitteln nach allen nur möglichen Effek- 
ten zu haschen; denn geduldig waren da» Papier und 
geduldig und unerschöpflich waren der Putz und der 

Stuck- 

Wohin sind wir gekommen , so schloss der Redner eine 
in den intensivsten Farben gehaltene, im Detail ausgeführte 
Schilderung dieses Treibens, wenn wir erstarrt nnd erstaunt 
sehen müssen, dass solche Gebilde sich 30 Jahre nach dem 
Tode Schinkels an dem Orte seines Wirken» breit machen 
dürfen? Es sind Geister aufgekommen, die von Schinkel 
nicht» wissen; die schrankenlose Gewerbefreiheit hat der 
Architektenschaft Elemente zugeführt, die jedes Zusammen- 
hangs mit seiner Schule entbehren. Noch wuchert dieses 
Unwesen lediglich im Privatbau und wo Architekten mit 
Verläugnung einer besseren Tradition Bich ihm ergeben, ist 
man anzunehmen versucht dass sie e» gethan haben um in 
einer Thätigkeit, die nicht mehr der Kunst sondern ledig- 
lich der Spekulation dient, ihr Gewissen zu betäuben. 

Aber es wird und muss anders werden. Wenn uns be- 
reit» elliptische Bögen entgegen grinsen, so fragen wir uns 
mit Recht ob denn die Sieger von Metz und Sedan darnm 
gesiegt haben, um aus der Hauptstadt des Feinde» da» Pa- 
riser Rokkoko nach Hause zu bringen. Noch schlagen viele 
Herzen im heiligen Feuer für das Künstlerische Ideal Schin- 
kels, noch ist es möglich durch die Ausführung der öffent- 
lichen Monumental- und Prachtbauten ein Beispiel zu geben, 
an dem der irregeleitete Geschmack sich läutern und wieder 
aufrichten kann. Und schon jetzt ist eine Anzahl von Wer- 
ken — die National-Gallerie, das Bankgebäude, das Sieges- 
Denkmal — im Entstehen liegriffen, von denen ein solcher 
heilsamer Einfluss zu erwarten ist. So wollen wir hoffen, 
dass es der sich selbst getreuen Schule Schinkels gelingt, 
Preussens Machtstellung auch in der Kunst aufrecht zu er- 
halten, dass es dem machtig anbrechenden Tage gelingt die 
Nachtthiere, die sich in 



Lebhafter Beifall bekundete die Zustimmung eine» ge- 
_ Theils der Versammlung. Dass diese Zustimmung 
nicht eine allseitige war, dürfen wir um so weniger verschwei- 
gende grösser das Aufsehen ist, welches die Rede von Quast's 
bereits in weiteren Kreisen gemacht hat und demnächst noch 
machen dürft«. Wir dürfen das ernste Bedenken nicht ver- 
hehlen, welches sich uns gegenüber einer an solchem Orte 
und in solcher Weise geführten Polemik aufdrängt. 

Gegen die Auffassung, in welcher der Redner die ar- 
chitektonische Entwickelung der Gegenwart sieht eingehend 
zu streiten wäre hier nicht angethan. Gern erkennen wir 
manche »einer Ausführungen al» wahr, wenn auch zuweilen 
etwa» übertrieben an, erheben jedoch nm so entschie- 
deneren Protest gegen die Einseitigkeit einer Darstellung, 
die innerhalb der Schinkel'schen Schule nur Licht, ausser- 
halb derselben nur Finsternis» erblicken lässt, und werden 
diesen Widerspruch beirründen, sobald die Rede — hoffent- 



rege» Leben herrseht Zu u eisern Füssen liegen 



Reste des 



Artemision. Hier wird geschaufelt und gegraben, dort geladen 
und gekarrt: an einer Stelle baut man Karrbabnan, an einer 
andern wuchtet man riesige Marmorblöcko in die Höbe, um ihre 
Linterflache zu betrachten; zwischendurch schreiten die mit 
Flinten und Pistolen bewaffneten griechischen Wächter, um die 
Arbeiter wie die Touristen-Besucher griesgrämig zu überwachen. 
Die Ausgrabung ist eine mühevolle, kostbare und gesundheita- 
gefährliche Unternehmung, denn die schlammartig zusammen- 
gekitteten Brdmassen stehen fest wie Mauern, die gelöste Erde 
muss weit transportirt werden und aus der Tiefe blitzt selbst 
im Spätsommer das stagnirende Grundwasser herauf. Das alte 
Terrain liegt durchschnittlich 6 — 6Vi m unter dem jetzigen. Für 
einen Nichttechniker ist eine Orientirung auf dem Trümmerfclde 
unmöglich, selbst ein Architekt bedarf der Magnetnadel und 
sorgfältiger Betrachtung der Einzelheiten, um eine Uebersicht 
zu gewinnen. Bis jetzt ist etwa ein Drittel der Tempelarea blas 
gelegt worden, und zwar an der Südwestecke. Die Zerstörung 
ist eine exzeptionell durchgreifende gewesen, weil die Trümmer 
Jahrhunderte hindurch für die marmornen Prachtbauten Konstan- 
tiuopel» als Steinbruch gedient haben. Viel fehlte nicht daran, 
so wäre sie total gewesen, — so verschwindend klein sind die 
Ucberreate xu der ganz ungeheuren Baumasse, welche kunstvoll 
verbunden da» weltberühmte Heiligthum bildete. Und doch 
setzen die hie und da stehen gebliebenen oder zerstreut umher- 
liegenden Fragmente durch ihr Volumen noch in Erstaunen. 
Wahrhaft imposant ist ein noch vorhandener, wenn auch stark 
beschädigter Kapitellhlock , welcher beweist, dass das riesige 
Kapitell mit seinen 2.7.V 0 weit ausladenden Schnecken aus einem 
Stucke gcmcisselt war. Eines der wcrthvotlstcu Fragmente ist 
eine an Ort und Stelle befindliche Basis iu der inneru Südreibe 
des Dipteros, etwa 35,50 m von der Westecke entfernt Sie ruht 
auf fünf sehr grossen Quaderschichten, welche die Höbe de» 



ätercobata mit ca. 3,40- ergeben, und besteht in üblicher 
au» Plinthua, doppeltem Trochilus und einer mit 9 Reifen 



versehenen oberen Spiro. Der Säulen-Durchmesser beträgt etwa 
2,15», die nur mit grosser Schnelligkeit measbare Axencntfur- 
nung etwa 7,28 » und es sind 24 Kanneluren von 0,23 ■ Breite 
vorhanden. Ich gebe diese Zahlenwerthe mit Reserve , da nur 
während unseres ernten Aufenthaltes eine flüchtige Messung ge- 
stattet wurde. Die Schaftblöcke der Säulen waren am Rande 
auf V« des Durchmessers, ähnlich wie am Parthenon, aufeinander 
geschliffen worden. Die Epistvlien sind nur in geringen Spuren 
erhalten; sie waren aussen dreit heilig und mit Perlenschnuren 
gesäumt innen zweitheilig und ohne Astragale. Zwei Kapitell- 
blocke zeigen die gröastc Verwandschaft mit denen der Propyläen 
zu Athen und eine echt attische Behandlung der ranftheiligen, 
mit gedoppelten Astragalen gesäumten Seitenansichten ; das obere 
Kyma fehlt und scheint aus einer Zwischenplatte bestanden zu 
haben. Die merkwürdigsten Bruchstücke sind aber die mit le- 
bensgrossen Figuren in Flachrelief geschmückten unteren Säulcn- 
und Pfeiler-Schaftatücke, weil dieselben zum ersten Male die am 
Tempel befindlich gewesenen eolumnae eaelatae, deren Zahl Pli- 
nius auf 36 angiebt, veranschaulichen. Die Komposition der 
Reliefs ist frisch und lebendig, die Arbeit dagegen schon 
flüchtig und mit attischer Bildhauerarbeit nicht zu vergleichen. 
Die Stilfassung läast einen iunigen Zusammenhang mit den Re- 
liefs vom grösseren Friese des Mausaolcuras erkennen. Da» 
schönste dieser Bruchstücke scheint nach der spitzwinkligen 
Ecke, welche erhalten ist, so dass auf jeder Seite eine Figur 
sichtbar wird, zu einem Altare gehört zu haben. Von den inneren 
Stützonstellungen sind ebenfalls bis jetzt nur wenigo Reste 
gefunden worden. Eine untere korinthische Säulenordnung, 
deren Kapitelle zwei Akantliusreihen und Eckstengel bcsassciL 
ist gesichert, die obere fehlt bis jetzt. Aus der Krypta sind 
stämmige dorische Rundpfeiler mit 36 Kanneluren hervorgegan- 
gen, welche an die ähnlichen Kryptastützen von Eleusis erinnern. 
Nach sorgfältiger vergleichender Betrachtung aller bisher ge- 
- BaudcUfls scheint mir mit Sicherheit nur eine Bauzeit 



IV. Jahrh. (etwa von 360—320) vertreten zn »ein, wenigsten» 



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— 92 — 



lieh ohne irgend eine Absehwächung — im Drucke vorliegen 
wird. Aber wir sind weit davon entfernt in den Ton hüh- 
nischen Spottes einstimmen zu kennen, mit dein über sie 
im Feuilleton der politischen Presse berichtet worden ist. 
Dazu steht uns die Ueberzeugung des Mannes, der als einer 
der ältesten unter Schinkels Schülern in heiligem Ernst und 
aus vollem Herzen seinem Unmuthe Kaum gegeben hat, zu 
hoch; dazu sind uns vor Allem die Konsequenzen, die wir 
aus einem solchen Vorgänge, der nur in dem Schinkclfest- 
Toaste des Jahres 185(3 ein Vorbild hat, für die Zukunft 
unserer Schinkelfeste befürchten müssen, zu schwer und be- 
deutungsvoll. — In diesem Sinne sei uns ein Wort erlaubt 

Möge es nicht ausser Augen gelassen werden, dass es 
ein Fest ist. das die am 13. März im Geiste des grossen 
Todten Versammelten begehen wollen, und das«, was an 
solchem Feste gesprochen wird, des weihevollen Maasses, 
des milden Tons der Liebe nicht entbehren darf. Wer er- 
innerte sich nicht gern der wohlthuenden Milde und Fein- 
heit, mit der einst ein Stüler bei ähnlicher Veranlassung 
jener Bestrebungen gedachte, die gegenwärtig ein so hartes 
l'rtheil über sich ergehen lassen mnssten. Hat doch der 
Architektenverein, als jener noch lebte, tiieht nur ein Pro- 
jekt der kölner gotbischen Schule, sondern sogar ein solches 
im entschiedensten Kokkoko- Stile trotzalledem des ersten 
Preises am Schinkelfeste für würdig erachtet ! — Mag man 
jedoch immerhin der Ansicht sein, dass jede künstlerische 
Richtung, die nicht auf Schinkel zurückgeführt werden kann, 
verderblich und verwerflieh ist, so giebt es zur Bekämpfung 
der Gegner andere Mittel und andere Gelegenheiten, bei 
denen (Uesen die Möglichkeit einer Antwort an derselben 
Stelle nicht abgeschnitten ist. Sollte man gerade diese Ge- 
legenheit für günstig halten, um einen Vernichtnngsversuch 
auf die Gegner zu machen, will man die Schinkelfeste zu 
Glanbensgerichten gestalten, bei denen die Anhänger des 
Meisters ihr feierliches „Anathema sit!- über jeden schleu- 
dern, der nicht so denkt und fühlt wie sie, so dürfte dio 
vielgepriesene, bislang einzig dastehende Harmonie der Ber- 
liner Architektenwel», so dürften unsere Scbinkelfeste gar 
bald am Längsten bestanden haben! — 

Ueber den auf die Festrede folgenden Theil der Feier 
ist wenig mehr zu Iterichten. Geredet wurde nur noch ein 
einziges Mal, und zwar in Form des offiziellen Triukspruches, 
den diesmal Herr Baumeister Hubert Stier ausbrachte. 
Auch er verwies auf die Festes- Dekoration und den Ver- 
gleich, der sich von selbst aufdrängt, wenn wir die Gegen- 



[ wart mit jener Zeit, in welcher für Schinkel das Feld des 
Schaffens sich eröffnete, in Beziehung setzen. Wahrheit ist 
nnnmehr geworden, was den Vätern als stolzes Ideal vor 
Augen stand, wofür sie den gleichen Kampf gekämpft und 
gerungen, der jetzt hinter uns liegt. Ihre hingebende Auf- 
opferung, die Tiefe und das Feuer einer Begeisterung, an 
| deren Gewalt wir nicht hinanreichen konnten, ist ihnen 
nicht gelohnt worden; uns ist das wofür sie vergebens ge- 
blutet, das einige selbstbewusste Vaterland, über Macht als 
eine Gabe gekommen, deren ganzen Segen wir erst allmälig 
I begreifen lernen. So hatten die Männer jener Zeit, und unter 
] ihnen unser Schinkel, mit ihren grossen Gedanken, mit ihren 
Hoffnungen und Träumen sich in einer Gegenwart zurechtzu- 
I finden, die karg und knapp sich nach jeder Seit« beschränken 
> musste und beschränkte. Wehmütig berührt es, wenn wir 
1 sehen, wie ein Schinkel den Verhältnissen, die ihn umgaben, 
! seine Schöpfungen gewissermaasseu abringt, wie er die offen- 
! barsten Schädigungen seiner Werke oft nur mit genauer 
Noth verhütet w~ie endlich Vieles des Besten uud Schönsten, 
was er erfunden, überhaupt nicht verkörpert wird. Aber es 
ist unser Stolz, dass er uuter jenen Verhältnissen nicht er- 
i lahmte, dass er nicht abliess auch in die knappste Form 
: noch künstlerischen Gehalt zu legen, dass er und andere 
mit und nach ihm das heilige Feuer echter Begeisterung in 
treuem Herzen bewahrt haben. Es ist unser Stolz und unser 
Segen, denn wir empfangen heut das Vermächtniss jener 
Zeit, ihren Schatz an grossen und grossartigen Gedanken, 
um ihn zu verwenden uuter äusseren Verhältnissen, in denen 
schon jetzt Alles hiudrängt zu freiem mächtigem Aufschwuuge, 
I zu eiuer Fülle der bedeutendsten Aufgaben, für welche Mittel 
bereit stehen, wie sie vordem in unseren Landen selten oder 
nie gegeben waren. Dass uns in dieser anbrechenden grossen 
Zeit der Ernst und die am Wahren und Idealen festhaltende 
Kraft der Väter, dass uns der Geist eines Schinkel nicht 
fehlen möge, es war der Schluss, in welchem der Spruch 
gipfelte. 

Gesang, Iwi dem leider eine neue dem Tage angemessene 
Gabe der Musen verraisst wurdp, und fröhliches Gespräch 
der Tischgesellschaft füllten im Uebrigen den Abend. Von 
den üblichen Begrüssungs- Telegrammen der anderwärts zu 
gleicher Feier vereinten Fachgenossen traf leider nur das 
von COln gesandte rechtzeitig ein; später kamen deren noch 
von Bromberg und Strassburg an. An letzterem Orte hatten 
sich 60 Theilnehmer zum Feste versammelt. 

-F. - 



(FortMUiiDK.) 

Der Ofen des Maurermeisters Arnold zu Fürstenwalde Gestalt ziehen kann. Diejenige Zeichnung aber, wie sie in 
ist heute nicht mehr in der ursprünglichen Form vorbanden, Dingler's polytechnischem Journal n. a. veröffentlicht ist, 
sondern durch Einbau von TGpferöfen derart verändert, dass entspricht wohl den Ansichten der Gegner des Hoftmann- 
man mir mit Mühe einige sichere Schlüsse auf die frühere sehen Patentes, ist aber nicht als authentisch anzusehen. 



ist es mir nicht möglich gewesen, irgend ein Bruchstück zu finden, 
welches unzweifelhaft dem grossen Neubau des VI. Jahrh. an- 
gehört haben könne. Da« Material ist ein feinkörniger Marmor, 
dem pentelischen an Güte sehr nahe kommend, mir bläulicher 
schimmernd und deshalb der warmen Tönung entbohrend. So 
weit die Technik erkennbar ist war sie der iu deu perikleischcn 
Bauten erscheinenden hochvolleudctcu Technik nicht ganz eben- 
bürtig, wenn auch mit gediegener Soigfalt behandelt. Aus den 
bisher ermittelten Maasen und gefundeneu Bruchstücken lässt 
»ich eine auch nur angenähert sichere Restauration nicht be- 
wirken, besonders da der Cclluhau so gründlich zerstört ist; 
aber wir dürfen hoffen, dass weitere Funde uns in den Stand 
setzen werden, ähnlich wie es heim Maussoleum von llalikarnass 
geschehen ist, wenigstens dio llauptfront auch dieses Weltwunders 
m der Baukunst dereinst durch Zeichnung zu veranschaulichen. 

Der Abschied von dieser denkwürdigen Stätte der Ge- 
schichte der Baukunst fällt sehwer, — doch wir müssen weiter. 
Zwischen langen Feld - und Gartenmauern steigen wir zum Ka- 
stell hinauf. Ueberall begegnet uns die ärmlichste Flickarbeit, 
aus trefflichen antiken Bausteinen hergestellt. Auf dem Sattel 
steht ein vou älteren Mannorthümien flankirter Thorbogon; 
wir begrüssen ihn als einen alten Bekannten aus Choiseul- 
Gouffier's Werk. Aber auch er zeigt sich trotz seiner Grösse 
und mit Reliefs geschmückten Ausstattung als rohe konglome- 
ratartige Zusammensetzung besserer Architekturfragmeutc. in 
denen die hadrianische E|M>che vorwiegend vertreten ist. Eine 
dahinter belegene griechische Kapelle wird wogen ihrer gesunden 
Lage noch gottesdienstlich benutzt, bietet aber kein architek- 
tonisches Interesse. Mitten durch das triimmerbedeckte Plateau 
ersteigen wir zuletzt den höchsten, von einer Polvgonmauer um- 
schlossenen Gipfel uud betreten die Hochburg. Es ist eine auf 
älteren Fundamenten ruhende türkische Anlage mit einem schutt- 
bedeckten Zentralthurme, Wallgüugcri, Mauerthürmen und ge- 
wölbten Kellern, von Feigenbäumen. Dornen, Ginstergesträuchen 
durchwachsen, — ein Bild der völligen Zerstörung. 



Aber die Aussicht ist herrlich und weitumfassend. Zum 
ersten Male erblicken wir einen schmalen Saum des Meeres, 
welches iu der allerältesteu Zeit wahrscheinlich den Pcribolus 
des Artemisiou bespülte, indem es den sogenannten Pilger- 
hafen bildete. Längst haben die schlammartigen Aufhäufungen 
des Kayster dasselbe weit hinausgedrängt : wo einst die blaue 
Woge sanft sich hob, erstrecken sich die von Hecken durch- 
schnittenen und theil weis mit Melonen, Mais und Gurken be- 
standenen Felder des über eine Stunde entfernten Dorfes Chir- 
kimi. Da wir höher stehen als der Prion, so verfolgen wir 
hinter und über demselben die mächtige Bergkette des Koresaus, 
der mit einem thurmgekrönten, gewöhnlich als St Paul's Ge- 
fängnis* bezeichneten Vorgebirge schroff zur Sumpfebene abfällt 
Dicht zu uusern Füssen erhebt sich das grosse, aus Marmor- 
quadern hergestellte Gebäude, welches uns schon bei dem ersten 
Hinaustreten in die Ebene durch seine r>scheinung überrascht 
hat. Wir schulden ihm einen Besuch und steigen auf schmalen 
Felspfaden hinab. Es ist ein stolzer rechteckiger Bau, von 53 m 
Breite uud W" 1 Tiefe, dur in einen vou drei Seiten mit Ballen 
umgebenen Vorhof und ein dahinter belegenes überwölbtes 
Ilauntgebäude zerfällt Wo die Hofmauern das Hauptgebäude 
berünren, stehen zwei fein gezeichnete aber oben zerstörte Minu- 
rets aus Backsteinen. Die mit Flachkuppeln bedeckt gewesenen 
Portiken des Vorhofes sind zusammengestürzt, dio prachtvolle 
Marmorfontaiue iu der Mitte ist auseiuandergerissen, durch alle 
Fugen des Marmorpflasters drängt sich wieder die üppigste Ve- 
getation. Da» 5schiftigc aber nur zwei Joche tiefe Hauptgebäude 
bietet ein ähnliches ergreifendes Bild der Zerstörung. Nur die 
beiden Zwickel kuppeln des Mittelschiffs schweben noch auf ihren 
spitzbogigen Tragebögen, die übrigen sind gesunken, doch bähen 
die Arkaden, Dank sei es der Festigkeit ihrer 1,18» starken 
antiken Granitsäuleu, deu Sturz überdauert Noch steht in der 
Hanptaxe, in üblicher Weise in dio Wand eingebettet und mit 
edel profilirter Architektur umrahmt, dio nach Mekka woiseudo 
Gebotsnische. Unzweifelhaft befinden wir uns iu einem Heilig- 



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-93 



Nach dem Wortlaut de» Untersnchnngsprotokolles») be- 
steht das Bauwerk au* einer Äusseren, siebenseitigen Ring- 
mauer von rnnd fi,:W" ("20 Fuss) Seite und einem Kern, in 
dessen Mitte der Schornslein steht. Zwischen der äusseren 
Mauer und dem Kern befindet sieh eine Reihe überwölbter 
Räume, von denen fünf als Töpferöfen und einer als Schmelz- 
ofen benutzt werden Die Üeekenriinme dieser Oefen 

liegen unter demjenigen Gewölbe, mittels dessen der ur- 
sprüngliche Raum zwischen Umfassnngswand und Kern oben 
abgeschlossen ist- Die ursprünglichen, über den Ofendecken 
befindlichen Gewölbe sind als Kappen mit beinahe halb- 
kreisförmiger Wölblinie zwischen der Umfassungswand und 
dem Kern derartig eingespannt, dass die Scheitel parallel 
zur äusseren Begrenzung des Gebäudes liegen. Hr. Reg- 
und Baurath Wiehe aus Frankfurt a. 0. hat nirgend eine 
Spur davon entdecken können, dass der um den Kern 
liegende 2.HD™ (9' 2") hohe, f,91» (6' 1") breite Raum 
durch feste Zwischenwände in Abtheilungen getheilt gewesen 
sei, hat vielmehr die Ueberzeugung gewonnen, dass dieser 
Raum ein zusammenhängender Ring gewesen sei. 
Derselbe ist durch sieben, in der Mitte der äusseren Seiten 
zwischen je 2 Strebepfeilern liegende Thüröffnungen zui 
lieh gewesen und rechts neben jeder dieser Thürcn hat si 
eine Feuer- oder Schüröffnnng befunden. 

In Folge 
der statt ge- 
habten Umän- 
derungen ist 
weder eine un- 
tere Oi'ffuting, 
welche als 
Rauchabzng 
angeschun 
werden könn- 
te, noch eine 
ursprüngliche 
Verbindung mit dem Schornstein 
über den Oefen zu konstatiren. 
Dagegen haben sich unverkenn- 
bare Spuren von Falzen und da- 
mit korrespondirend Schlitze von 
39— (IV»") Weite im oberen Ge- 
wölbe vorgefunden, welche nach 
Behauptung des Hrn. Arnold 
zur Aufnahme eiserner Schieber 
her gedicut haben 



■ 




'TT 1 ' 



CE 




i itt »Wr« Werkstatt. 




Hr. Arnold behauptet ferner, 
im Seheitel eines jeden Gewölbefeldes (von ca. 3,61°» 
lVt'] Länge und 1,88» f6'] Breite drei Oeffnungen vor- 
, welche zur Anfnahme von Feuenings- 



It Juni 1879. 



material von oben her gedient 
haben sollen. Hr. Reg. - Rath 
Wiehe hat zwei solcher Oeffnun- 
gen gefunden und wie folgt skiz- 
zirt; daliei spricht er die Ansicht 
aus, dass diese Oeffnungen schon 
von Hause aus die lichte Weite 
von 78 nnd 105"™ (3 und 4"i gehabt haben. 

Ausser diesem durch den technischen Koramissar der 
Regierung zu Frankfurt a.O. festgestellten örtlichen Befund 
enthält das Protokoll noch eine Reihe von Zeugenaussagen, 
aus denen zahlreiche Widersprüche später nachgewiesen 
werden sollen; zunächst ist c* von Wichtigkeit, das Wenige, 
was über den Betrieb des Ofens ge«agt und sicher zu 
schliessen ist, zusammenzufassen. 

Danach ist unzweifelhaft, dass die Hanp tfeuerung von 
unten durch die erwähnten Schüröffnungen bewirkt worden 
ist und dass dieselbe nicht hat entbehrt werden können. 
Eine Feuerung von oben durch 3 kleine Löcher — sollten 
dieselben auch 260 uud 130""» (10 und 5") gross gewesen 
sein — konnte unmöglich ausreichen, um eine mit Steinen 
besetzte Kammer von 2,S3» Höhe, 1, SS™ Breite, 3,«1 ■» Länge 
(rosp. 9', « und 1 1 '/•') in Gluth zu bringen und noch daliei 
gleichzeitig die folgenden Kammern vorzuwärmen und aus- 
zuschmauchen. Mag man die Sache betrachten wie. man 



•) o. «. 



will, mag man Hrn. Arnold vollen Glauben schenken, dass 
er „einen ununterbrochenen Betrieb durch die 
Kammern mit veränderlichem Abschluss dnreh 
den transportablen Schieber gehabt habe, so kann 
mau die behauptete Heizung von oben, zumal die Rauch- 
abzüge am Heerde gelegen haben sollen, doch immer nur 
ab einen Nothbehelf, um die nöthige Hitze nach oben 
zu ziehen, betrachten, ganz genau ebenso, wie der Ziegler 
beim Abbrennen eines Kasseler Flammofens die oberen, vom 
Rost entfernt liegenden Rauch- und Schmanchabzüge gelegent- 
lich dazu benutzt, einige Stücke Holz einzuführen und die 
Hitze in diesem Theil des Ofens zu steigern. 

Damit erhält man aber noch keiuen Ringofenbetrieb, 
selbst wenn man dabei den ununterbrochenen ringförmigen 
Ofunkanal und den transportablen, das ganze Ofenprofil 
schlieaaenden Schieber hinzunimmt Wenn ich vorhin die 
Riugöfen charnkterisirte, als 1) durchaus mit heisser Luft 
gespeist, 2) ausschliesslich von oben her mit Brenn- 
material versehen, welches zwischen die zu brennenden 
Objekte resp. in ausgesparte Schachte geworfen wird, und 
3) diu vor dem Feuer hegenden Kammern vorwärmend 
und ausschmanchend, wenn ich 4) als Hauptursache des 
enormen Erfolges das kontinuirlich fortschreitende, 
sieh gleichsam immer wieder selbst entzündende Feuer im 
Ringofen bezeichnete, so raus» ich jetzt behaupten, dass von 
diesen Momenten höchstens ein eiuziges, das Vorwärmen 
und Ausschinauchen der vorwärtsliegenden Kammern, am 
Arnold'schen Ofenbetriebe nachzuweisen oder anzunehmen ist. 



tun des l.slam, niclches mau niemals als eine byzantiuischn 
Kirche hätte ansprechen sollen. Der ganze Bau ist aus einem 
Gusse und gehört zu den keuschen Schöpfungen des ersten Auf- 
schwunges der osnianischeu Baukunst. Mit Recht haftet der 
Name des Erbauers, Selim I., auf dem mit musterhafter Klarheit 
kouzipirten uud mit maassvoller Pracht durchgeführten Bau- 
werke, das in die ersten Jahnehute des XVI. Jahrhunderts mit 
Sicherheit zu stellen ist Das Innere muss einst einen herr- 
licheu Anblick dargeboten haben, wenn man sich die Wirkung 
der mit glasirteu Ziegeln in feinster Färbung bekleideten Kup- 
peln zu den stolzen polirtcn Granitsäulen und den geschliffenen 
weissen Marmorwänden denkt und dabei die maaaavollu Grösse 
und die trefflichen llauptvcrhältnisse erwägt Auch das Aeus- 
■ero weckt mit seinen hochragenden reichen Portalen, Fenster- 
reihen und Waschplätzen den Eindruck ähnlicher Befriedigung, 
wiewohl das kundige Auge bald mit stillem Schmerze aus aller- 
lei geretteten Fragmenten die Thatsache erkennt, dass die ganze 
Moschee aus den Marmorquadern des Artemisions erbaut worden 
ist und daher erat vor drei Jahrhunderten jener Trümmeratitte 
— so zu sagen — den letzten Ouadenstosa versetzt hat 

Eine unweit belegene, aber durch Zerstörung völlig unkennt- 
lich gewordene Kirchenruine gilt für die grosse St. Johannes- 
Kirche, welche Justinian in höhcrem Alter neuerbaut hat. Da keine 
Entscheidung zu gewinnen ist, so kehren wir zu den Pferden 
zurück und galoppiren quer über die Ebene bis zum Ostfusso des 
Prion. Grosse Steinbrüche, in üppige Vegetation gehüllt und 
deshalb kühl und schattig, nehmen uns auf; mau glaubt in 
Syrakus zu sein. Vorn sind an den geglätteten Felswänden 
oblonge und halbrunde Nischongräbcr oingemeisselt; sie bezeugen 
eine altgriechische Nekropoüs. Die hier als Grotte der Sieben- 
schläfer gezeigte Höhle ist ein einschiffiger, mit einem Ziegel- 
tonnengewfilbe überwölbter Kaum, nach W. orientirt und mit 
halbrunden Blendnischen an den Langscitcu besetzt Dio Ein- 
fachheit und Strenge der ganzen Anlüge, sowie die klassische 
Eintbcilung der geputzten und stuckirten Decke lassen einen 



■ehr frühen Bau, der dem IV. Jahrhundert angehören kann, er- 
kennen, /wischet, kolossalen, malerisch durchwachsenen Stein- 
brüchen steigen wir auf felsigen Rcitpfaden zum Sattel des Prion 
empor. Eine gewaltige pseudisodome Quadermauer, 15—20 
Schichten aus dem Boden ragend und 3,25 m stark, begegnet uns; 
sie umzog einst beide Kuppen in thurrabesetzter Linie und war im 
Sattel mit eiuem thurmflankirten Thorc geschützt Auf dieser 
von der Natur selbst formirten direkten Strasse muss der Haupt- 
verkehr von der am Wcstfusso des Prion belegen gewesenen 
Neustadt nach dem Artemision hinübergegangen sein. Mit Aus- 
nahme einer spätrömischen Ruine in der Nähe einer Höhle, 
welche warme Dämpfe aushaucht, giebt es keine erkennbaren 
Baureste mehr auf dem Prion. 

Wir steigen deshalb wieder östlich hinab und setzen von 
der Siebenschläfergrotte aus nnsern Marsch in nordwestlicher 
Richtung am Fusse des gewaltigen Marmorberges fort, indem 
wir einer thcils in den Felsen gehaueueu, tbcila durch Sub- 
struktionen gestützten Strasse folgen. Es ist das Musterbild einer 
antiken, mit Ruheplätzen versehenen Stadtpromenade. An einer 
Stelle zeigt die künstlich geglättete senkrechte Felswand einige 
40 oblonge Nischen, in denen einst Weihegeschenke standen; 
an einer andern treffen wir auf ein grosses Felsengrab, welches 
ein mächtiger sattcldachförmiger Deckstein schliesst Weiterhin 
stoesen wir auf bemerkenswerthe Reste einer sehr viel älteren 
Ringmauer, als die obengefundene, die der lysimachischen Epoche 
angehört, sein kann. Noch tiefer hinabsteigend betreten wir 
eine breite, antike Fahrstrasse, welche mit Säulenhallen ciuge- 
fasst war und zwischen den links belegenen, mit grossen, aber 
schwarz gewordenen Marmor-Quadern bekleideten " 
des Stadions und den Terrassenuutcrbauten cinea 
hindurchführte. 



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Denn ad 1) haben die in der Aussenwand liegenden 
Rostfcuerungeu nur kalte Luft zur Verbrennung gehabt and 
selbst die olteren Oeffnungon, welche zum Heizen gedient 
haben sollen, blieben nach direkter Aussage der Zeugen 
offen, um der Luft den Eintritt zn gestatten; ad 2) hat nur 
sehr wenig Brennmaterial durch die oberen Oeffnungcn im 
Gewölbe eingebracht werden können und von Heizsehächten 
oder dergleichen ist nirgend die Rede; und ad 4) hat das 
Feuer — was bei der Untersuchung leider nicht zur Sprache 
gekommen ist — offenbar von Kammer zu Kammer, von 
Rostfeuerung zu Rostfeuerung neu entzündet werden 
müssen. 

Herr Arnold hat den Ringofenbetrieb bis heute noch 
nicht verstanden, von denjenigen Zeugen, welche Kenntniss 
des Arnohrschcn Betriebes hallen, war ein solches Verständ- 
niss nicht zu erwarten und die Patentkommission — ■? 

l>i<t Patent-Kommission hat. geleitet von dem Berichte 
des Hrn. Professor lt. Weber, nur nach äußerlichen Dingen 
geurtheilt, sie hat Ol'cukanal, Schieber und Feuerung von 
ölten in beiden Ol'eukonslruktioucn zu finden geglaubt und 
daraus die Identität derselben gefolgert, ohne auf die Ver- 
schiedenheit der Kombination der llülfsniittel. die Art des 
Betriebes und auf ilie grossen Erfolge im einen Falle, auf 
die Unmöglichkeit eines nutzbringenden Erfolges überhaupt 
im anderen Falle zu achten. 

Entgegen der leichtfertigen Behauptung Arnold*!, wo- 
nach der Baumeister Büssehcr eine Zeichnung des in Bede 
stehenden Ofens erhalten und an Hoffmann luitgcthcilt haben 
sollte, hat lloffmanu so k'ar, als sich ein negativer Beweis 
überhaupt führen lässt, nachgewiesen, dass er von dem 
Vorhandensein des Arnold'schen Ofens und dessen 



Konstruktion nichts gewusM hat, und dennoch berück- 
sichtigt die Patentkommission die Widersprüche nicht, welche 
Arnold s weitere Angaben an sich und im Vergleich zu den 
übrigen Zeugenaussagen bieten. 

Wäre alier auch der Arnold'sche Ofen . so wie er sich 
aus deu Angaben Arnold s und seiner Freunde darstellt, dem 
Erfinder Hoffmaun bis in alle Detail* hinein bekannt ge- 
wesen, so würde er mit den Veränderungen, die nöthig sind, 
um aus dem Arnold'schen Ofen einen wahrhaften Ringofen zu 
machen, sich ein noch grösseres Verdienst um die Industrie 
erworben haben, als man ihm zugestanden hat, da er seinen 
Ringofen nach dem Bekanntwerden des Maille'schen Ofens 
erfand. Denn es steht der AmoldVhe < Ifen weit hinter 
dem Maille'schen zurück; der Ofen zu Villeneuve le Roi 
hatte durch feste Wände geschiedene Kammern, also keinen 
ununterbrochenen Ofeiikaual und keinen transportablen 
Schieber, aber er hatte Feuerung von oben in besonderen 
festen Fcucrräutnen, denen vorgewärmte Luft zugeführt 
wurde, und ausserdem alle diejenigen Vorzüge, welche dein 
Arnold'seheii Ofen beigewohnt kaben könnten. Wenn aber 
der .Maille'sehe Ofen den Arnold'schen übertrifft, so hat die 
internationale Jurj zu Paris, ohne es zu wollen, auch über 
den Werth des Arnold'schen Ofen« ihr Urtheil gesprochen; 
denn sie hat den Hoffmann'scben Ringofen mit der Patent- 
beschreibung Maille s in Vergleich gezogen und darauf hin 
den Erfinder lloffinanu und seinem Ringofen den grami 
Prix zuerkannt, trotzdem dass später nach dem Maille'schen 
< Ifen noch zwei Verbesserer desselben. Jolibois und Barbier, 
in Frankreich aufgetreten waren und Patente erhalten hatten. 



Die St. Johannes- Kirche in Altona. 



I>ie Stadt Altona bildete bei ca. 7n,(KK> Einwohnern bis 
zum Jahre ISÖli eine einzige Kircliengemeinde. Dieser ab- 
norme Zustand, schon lange als grosser IcMstand empfun- 
den, wurde durch Abtrennung und Konstituimu« der soge- 
nannten Nordergeineiude, welche nach der Zählung von l.M',7 
etwa lü.OOl) Seelen nmfasst. gehoben. 

Nachdem von der neugebildeten Gemeinde der Beschloss 
zur Erbauung einer neuen Kirche gefasst war und eine engere 
Konkurrenz kein günstiges Resultat ergehen hatte, wurde 
unter dem 30. September I*o7 eine allgemeine Konkurrenz er- 
öffnet. Die in derselben fungireuden Preisrichter, die Herren 
Ober-Hofbaamtfa Strack. Professor Adler aus Berlin und 
Baurath Hase aus Hannover entschieden sich unter .l.t ein- 
gegangenen Arbeiten für die Projekte des Stadt-Baumeisters 
Martens in Kiel und des Unterzeichneten als die relativ 
besten nnd wurde Seitens der Bau- Kommission das letztere 
nach Vornahme einiger Reduktion definitiv für die Ausfüh- 
rung bestimmt. 

In der No. !> der Deutsehen Bauleitung ist bereits eine 
äussere Perspektive des piämiirteu Planes veröffentlicht, dein i 
in heutiger Kummer Grnndriss und IJjierprofil folgen. 

Der lebende Grundgedanke bei Aufstellung dt« Pro- 
jektes war: unter Beibehaltung der Langschiff- Kirchenform 

eine möglichste Konzentration der Gemeinde um Altar und 

Kanzel herbeizuführen und all.' Gesicht und Gehör störenden 
Pfeilerstellungeu zu vermeiden. . 

In Folge dessen ist die Kirche groiwrilamig und ein- 
schiffig mit kurzen Kreuzesanneu gebildet und dienen die 
angelegten Seitenschiffe zwischen den durchbrochenen Strclte- 
pfeih rn des Hauptschiffes lediglich der Kommunikation. 

An den Seiten des grossen steinernen ThurmeS befinden 
«ich südlich das Treppenhaus, zum Thurm und zur Orgel- 
empore fahrend, nördlich der Eingang zu den Ib izkelleru. 

Den Giebeln des Quersebiffes legen sich Vorhallen an. 

die als Windfänge dienend, zugleich den Verkehr mit den 
die Ecken flankirendeu und zu den Emporen des t^uer- 
schiffes führenden Treppenthürnu hen vermitteln. 

Au den Achteckseiten des Chores sehliessen sieh orga- 
nisch .'{ gcKihlossene und I nach der Kirche zu offene Ka- 
pollen an, ersten- prograrnmmässig als Betstühle und Sakristei 
bestimmt, lehrten zur Aufnahme bevorzugter Sitze. 

Die .1 Emporen des Qnersehiffes und der Orgel sind 
steinern und gewölbt und möglichst organisch aus den Pfeiler- 
formen entwickelt. 

Das Baumaterial ist Backstein, mit alleiniger Ausnahme 
der kurzen Sandstein -Pfeiler im Innern, sowie der Stufen i 
nnd Schwellen. 

Mit Ausschluss der geschlossenen Kapellen und der Tri- 
f< rien des Schiffs, in welchen die Wandttcbcn geputzt sind, 
ist sowohl aussen wie innen letliglich ein Backsteinrohbau 
zur Anwendung gekommen. 



Während im .\ens«.ron ein voilrothcr Stein mit reicher 
Vei Wendung von Glasuren benutzt wurde, ist im Innern eine 
Ausfühning aus gelben, grauen, rothen und Glasursteinen 
gewählt. 

Alle Bäume sind massiv mit Kreuzgewölben ölterspannt ; 
während die Seitenschiff- und Ka|tellengowölhc sich zwischen 
die durchbrochenen Strebepfeiler des Hauptschiffs spannen, 
überträgt sich der Schuh der Gewölbe de-.«elUn durch An- 
wendung parabolischer Stützbögen lediglieh auf die Strebe- 
pfeiler des Seitenschiffs, welche so angeordnet sind, dass die 
Mittellinie aus Dun k und Schob durch sie umhüllt wird. 
Der Schub der Einporengewölbe endlich wird durch die ge- 
knickte Stützform der Grundrisslinie der abgrenzenden 
Gurte aufgeholten. 

Die Behandlung des Backsteinbanes in konstruktiver 
Rücksicht anlangend, so sind die zu öfteren schon besproche- 
nen Prinzipien der hannoverschen Schule zur Anwendung ge- 
kommen, also wie bekannt, durchweg gleichartige Grösse des 
Materials und horizontale l.agertugen. 

Alle Spitzen und Thiirmclien, gleichfalls aus Backsteinen 
und zwar Glasursteinen Unstruirt. erhalten ihre Sicherung 
durch eingemauerte Stangen, deren am oberen Theile be- 
findliche Schranbenmnttcr den Schlnsstein fest anzieht. 

Da wo Erschütterungen zu befürchten, also an der 
grossen aus Klinkern und Glasurstcinen koiistiuirten Helm- 
spitze, isl <ler Sehlusstein aus Granit hergestellt, durch 
welchen, wie durch das darunter befindliche .Mauerwerk eine 
freiseh wehende im Innern stark belastete und oberhalb 
durch eine Mutler befestigte Eisellstange hängt, die wiederum 

oben das Tbnrmkretu trägt, so dass alle Bewegungen den 

letzteren durch das au die Stange gehängte ( iewicht para- 
Usirt werden, ohne die Steifikonstruktion zu berühren. 

Säiiimtliche Aussenwände <|er Kirche haben zur Abhal- 
tung der b uchten Luft Isolirschichten. Die inneren Maucr- 
theile, nur 'i Stein stark, sind durch getheerte Binder mit 
der äusseren Hauptmauer in Verband gebracht. 

In der Fortuenbehandlnng ist im Anschlus« an die vor- 
erwähnten Backstiinkonstntktionspriuzipien mit >o giosser 
Strenge wie möglich Alles vermieden, was der Natur des 
Materials widerstrebt. 

Die (ilasurstoine sind im Aensseren sehr reichlich zur 
Auwendung gekommen; alle Wasserschläge, Abdeckungen, 
sowie sämmtliche Ecken und die Fenslerpfosteu sind daraus 
gebildet. 

Ausser dieser vorzugsweise konstruktiven Anwendung 
ist jedoch die (ilasiir in Fenster- und I Wlaleinnhmnngen, 
Musterungen der Steindächer, Friesen etc. Wich dekorativ 
benutzt, so dass. da Glasuren in allen Nüunveii zur Anwen- 
dung gekommen sind, ein farbenreiche« (icsamiutbild ent- 
staudeii i-t. 

l»er allgemeine Vorwurf, den man der hannoverschen 



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- 95 — 

|5t. Johannes-Kirche im ^Order-Kirchspiel zu ^Altona. 




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— 97 — 



Schule in der Verwendung der Backsteine oft gemacht hat, 
— der, dass sie ihr Prinzip zu Tode reit« — ist auch hier 
anzubringen, indem ausser den Maasswerken der Fenster auch 
selbst die Zifferblätter der Uhr, letztere aus weissen und 
schwarzen Steinen mit sogenannter Emailleglasur, ge- 
mauert sind. 

Bei Erwähnung dieser Töpferbezeichnung will ich in 
versuchter weiterer Beleuchtung der Glasurfrage im Allge- 
meinen, nnd im Besonderen der durch Herrn Professor 
Adler gütigst gewährten Auskunft, dass die Griinde der 
Nichtanwendung der Glasur in Berlin in den kalten Lich- 
tern zu suchen seien, welche sie reflektirt, meine Erfahrun- 
gen dahin mittheilen, dass diese Erscheinung allerdings auf- 
tritt da, wo wie in Berlin durchweg die sogenannte Emaille- 
oder Deckfarbenglasur zur Anwendung gebracht ist. niemals 
aber dann, wenn die Glasur nur Lasurfarben enthält, welche 
den Ton des Materials wohl umfärben, aber stets warm er- 
halten. Die Anwendung der letzteren führt allerdings den 
Uebelstand mit sich, dass je nach der Beleuchtung und dem 
Standpunkte des Beschauers die Nuance wechselt, während 
die Deckfarbenglasur von jedem Standpunkte aus dieselbe 
Farbe zeigt. Scheint es hiernach richtig bei dekorativer 
Anwendung der Glasur nu r Deckfarben anzuwenden, so giebt 
es doch ein einfaches Mittel, in dieser Verwendung Würmle 
des Tones mit Gleichartigkeit in der Farbenwirkung 
zu verbinden, und dies ist die Musterung des Steines. 

Prägt man nämlich den zur Erscheinung kommenden 
Steinseiten ein möglichst energisches plastisches Muster auf, 
so reflektirt nach jedem Standpunkt des Beschauers eine 
gewisse Zahl der Flächen gleichartig und das Auge findet 
alsdann fast immer dieselbe Farbe wieder. 

Absolut nothwendig werden die Deekfarbenglasiiren da, 
wo man auf weitere Entfernungen wirken will, oder da, wo 
man in ganzen Glasurflüchen Musterungen mauert, Demge- 
mäss sind in der vorstehend beschriebenen Bauausführung 
die Friese an Thurm und Hauptschiff, die Musterungen der 
gemauerten Dächer und Helme etc. aus solchem Matcriale 
gebildet, während die Grundflächen mit Lasurfarben gla- 
surt sind. 

I>er bei einer früheren Gelegenheit vom Unterzeichneten 
aufgestellte Grundsatz, dass der Backsteinbau vor allen 
Dingen eine klare Aufhebung aller Kräfte verlange, ist be- 
sonders bei der Behandlung der Fenstermaasswerke leitend 
gewesen; es sind alle Künsteleien vermieden, alle Formen 
sind geschlossen und die Bogenzwickel gefüllt. Während 
diese Ausbildung im Aeusseren einen würdigen nnd mit der 
ganzen einfachen Formenbildnng zusammen gehenden Ein- 
druck macht, ist die Wirkung im Innern dagegen unverständ- 
lich und verfehlt, und der Verfasser gesteht gerne ein, dass 
die mitteralterlichen echten Backsteinmaasswerke trotz der 



bei denselben vorkommenden Künsteleien und konstruktiven 
Fehler, denen ja denn auch die meisten zum Opfer gefallen 
sind, in aesthetischer Beziehung bei weitem den Vorzug ver- 
dienen. Es ist ihm damit ein neuer Beweis geliefert, dass 
nur dann bei den alten Backstein-Denkmälern anscheinend 
eine konstruktive Willkür vorliegt, wenn den gewichtigsten 
aestehtischeu Gründen nachgegeben ist. 

Das Innere der Kirche ist in rothen, gelben, gTanen 
Formsteinen, so wie dekorativer Anwendung von Glasuren 
reich polvchmmisch gestaltet. Die bei den wenigen Natur- 
farben des Backsteins unvermeidlichen Härten werden durch 
eine vermittelnde malerische Dekoration und Vergoldung 
vermindert, welche indessen stets den Grundton des Mate- 
rials offen lässt, und das Uebrige an fehlender Stimmung 
endlich wird von den Glasmalereien erwartet, welche in be- 
scheidener Weise von vorno herein durchgeführt werden. 

Altar, Kanzel und < »rgelgehüusc werden in Eichenholz, 
das übrige Inventar in Kiehnholz ausgerührt. 

Die Kirche erhält keinen Mittelgang, dagegen breite. 
Seitengänge; Kanzel und Altar sind von jedem Sitzplatze 
aus sichtbar. 

Zur Vermeidung der bei der Luftheizung so oft be- 
klagten starken, zugwindartigen Luftströmungen ist eine 
Warmwasserheizung gewählt, welche ihre Feuerstelle in dem 
Gewölbe unter der Thurmhalb- hat und gleichmassig durch 

i die ganze Kirche ihr Rohrnetz ausdehnt. Nach Absicht 
des Fabrikanten soll damit keineswegs eine völlige 

■ Durcbheizung des ganzen Raumes, als vielmehr nur 
eine Heizung der unteren 3 bis 3,50 Meter hohen Luft- 
schicht erzielt werden. Die im Laufe dieses Winters ange- 

I stellten Versuche sind sehr befriedigend ausgefallen. 

Der Bau, im September 1868 begonnen uud während 

j des Jahres 18t>D, veranlasst dnreh grosse Schwierigkeiten 
in Beschaffung eines guten Materiales sehr gering gefördert, 

i ist nunmehr bis auf die Helmspitze und innere Deko- 

I ration vollendet; die Bauzeit wird also pprt. 4 Jahre be- 

I tragen. 

Die Gcsammtkosten incl. der ganzen Ausstattung, des 
Geläutes, der Orgel, der Heiz- nnd Gasanlage, der Dekora- 
i tion, so wie der Planirungs-Arbeiten in der Umgebung, end- 
lich der Bauleitung, des Konkurrenz- Verfahrens und sämmt- 
licher Nebenkosten, betragen rund 120,000 Thaler. — 

Die Glasursteino kosteten im Durchschnitt 35 bis 40 
Thaler pro Mille, die Formsteine 24 Thlr. 

Der grössto Theil der Bauarlwiten ist in Generalentre- 
| prise von den Herren Liedtke & Sohn in Altona ausge- 
führt; mit der speziellen Leitung des grössten Theiles 
der Ausführung ist Herr Architekt Sixt betraut gewesen. 

Lichterfelde, den 15. März 1872. 

J. Otzcn. 



eussisoner Ingenieur- und Architekten-Verein zu 

Tg i. Pr. Ausserordentliche Versammlung am 7. März 
1872,~Abenda 7 Uhr. Vorsitzender Hr. Horzbruch; anweseud 
23 Mitglieder. 

Nach Bericht des Vorsitzenden über die Eingänge wurde 
die per Zirkular den Mitgliedern mitgetheilte Statuten-Abände- 
rung in den §§. 4 und 5 genehmigt und dann durch Hallotage 
aufgenommen als neue Vcrcinsniitgliedcr: Bauinspektor Dallmcr 
in Gumbinucn, Fabrikant Sandmann hier, Baumeister Schot- 
tauer hier. Eiscub. - Betriebs - lnsp. Wendroth hier, Eisenb- 
Baumeister Bach mann hier, Techn. Direktor der Annahütte 
Sänger hier, Baumeister Dan in Neukirch, Kreischaussee- 
Bauführer Ruhnau in Pr. Evlau. Die dann vorgelegte uud 
revidirto Johrcsrechnuug wurde genehmigt und Dechurge cr- 
t heilt. Wegen Erkrankung des Bauniths Steenke fiel der 
Vortrag über den Oberländischen Kanal aus, und die im Frage- 
kasten gefundene Frage: Wie wird ein Damm durch die Pregel- 
wiesen vun 23" Breite incl. Gräben am zuvorlässigsten herge- 
stellt? erschien, nachdem alle möglichen Methoden angeführt 
waren, zur Beantwortung nicht geeignet, weil die Frage zu allge- 
mein, ohne Angabe über die Moortiefen, zulässige Entwässerung 
etc. gestellt war. 

Hr. Lademann (Königsberg) hatte 2 Proben von Kunststeinen 
aus Kopenhagen zur Ansicht ausgestellt und wurde beschlossen, 
über die Festigkeit des Materials Versuche anzustellen. 

Schluss der Versammlung Uhr und einfaches gemein- 
schaftliches Abendessen. 

Architekten-Verein zu Berlin. Versammlung am IC. März 
1872. Vorsitzender Hr. Quassowski, anwesend 134 Mitglieder 
und 3 Gäste. 

Der Hr. Vorsitzende macht nach kurzer Erwähnung der ein- 
gegangenen Schriftstücke dem Verein die traurige Mittbeiluug, 
dass eines seiner hiesigen Mitglieder, in weiten Kreisen bekannt 
und beliebt, der Baumeister Fritz Hollin in der vorhergehen- 
den Nacht nach längeren Leiden verschieden ist Der Kom- 



mission für das Schinkelfest wird für ihre trefflichen Veran- 
staltungen der Dank des Vereins ausgesprochen. 

Den Haupt-Vortrag des Abends hielt Hr. Häscekc, der 
vor Erörterung seines eigentlichen Themas über die Heizung 
von Schulgebäuden Gelegenheit nimmt, noch einmal auf die vor 
einigen Wochen diskutirtc Frage der günstigsten Stellung von 
Schulgebäuden zur Himmelsrichtung zurückzukommen, um die 
seinerzeit hervorgetretenen Differenzen zwischen der von ihm 
und der von Hrn. Blankenstein entwickelten Ansicht auszu- 
gleichen. Er betont, dass er die Lage auf der Nordseite für 
Schulzimmer um deshalb als die beste empfuhlou habo, weil 
das in erster Linie maassgebende pädagogische Interesse es 
wünschenswertb mache, alle für deu Unterricht störenden äusseren 
Einwirkungen nach Möglichkeit abhalten zu können. Der gün- 
stige Einfluss der Sonne auf die sanitäre Beschaffenheit eines 
/immers verdiene allerdings auch Berücksichtigung uud sei des- 
halb wohl eine solche Lage erwünscht , in welcher die Schul- 
zimmer entweder nur in deu Morgenstunden oder des Abeuds 
nach Beendigung des Unterrichts dem direkten Sonnenlichte zu- 
gänglich werden. Da man selten eine völlig freie Wahl in dieser 
Hinsicht haben werde, so werde hauptsächlich die eine negative 
Regel festzuhalten sein, dass man Schulzimmer auf keinen Fall 
nach der Südwestscite legen solle. 

In Betreff der Heizung von Schulgcbäuden ist die prinzipielle 
Grundfrage, ob eine Zentralheizung gewählt werden soll oder 
nicht, in unbedingt bejahendem Sinne wohl nur für solch» 
Städte zu entscheiden, wo sich technische Kräfte zur sofortigen 
Ausführung etwaiger Reparaturen vorfinden. Wo dies nicht der 
Fall ist, empfehlen sich verbesserte Ocfen, unter denen nament- 
lich die von Duvigucau in Magdeburg sich sehr bewährt haben. 
Die Wahl des Heizsystems ist nicht a priori zu entscheiden, 
sondern hängt von der Beschaffenheit und Disposition der Räume 
ab. Man wird Räume, die ganz verschiedenen Zwecken dienen, 
nicht zu einem Heizsystem kumbiniren, sondern für die kleine- 
ren, permanent benutzten Lokale eine Heizung mit möglichst 
grossem Reservationsvermögen wählen, die grossen, selten zu 



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98 - 



beheizenden Räum« dagegen ausscheiden nnd mit besonderen 
Apparaten, eisernen Oefen, Gasfeuerung oder Luftheizung, allen- 
falls auch mit Hcisswusserboizung verschon, obwohl die letztere 
wegen der leichten Möglichkeit des Einfrierens nicht räthlich 
erscheint. 

Als die für Schulhäuser vorzugsweise geeigneten Systeme 
der Zentralheizung kennen zunächst nur die Warmwusscr- und 
die Luftheizung in Betracht kommen, und unternahm es der Vor- 
tragende auf Grund der in den Berliner Komiuunal-Schuleu ge- 
sammelten Erfahrungen einen objektiven Vergleich zwischen 
beiden Systemen zu ziehen. 

Mit Warmwasserheizung, die eine Zeit lang mit beson- 
derer Vorliebe und Ausschliesslichkeit angewendet wurde, sind 
in Berlin 2.5 Lehranstalten versehen. Es sind iu ihnen beide 
Systeme, sowohl das der Vertheiluug vou einem oberen Haupt- 
rohr wie das der direkten Vertheiluiig vom Kessel aus vertreten 
und haben sich im Alicemeinen beide gleich gut bewährt. Mit 
der Heizung ist überall die Ventilation in der Weis« in Verbin- 
dung gesetzt, dass die von Aussen direkt oder durch ciu be- 
sonderes Kanal -Svstera entnommene frische Luft zwischen die 
Köhren der Heizkörper eingeführt und dort erwärmt wird. 
Uegulirscheihen gestatten den Luftzutritt beliebig zu gestalten, 
eventuell auch ganz abzusperren , wobei alsdann lediglich die 
Zimmerluft in Zirkulation gesetzt wird. 

Die Vortheile der Warmwasserheizung sind bekannt und 
auch hier bestätigt worden. Es sind die grosse Wärmekapazität, 
die Möglichkeit einer leichten und weiten Führung der Leitung, 
sowie der leichten Anlage in alten wie in neuen Gebäuden, 
endlich die Erzeugung strahlender Warme, auf welche von ärzt- 
licher Seite besonders Werth gelegt wird. Dem gegenüber steht 
als der grosste Nachtheil', dass die Ventilation in der angedeu- 
teten Weise sich nicht bewährt hat, indem das Zuströmen der 
kalten Luft so heftig erfolgt, dass dieselbe sich an den Röhren 
nicht genügend erwärmen Kann, daher noch kalt in die Zimmer 
tritt und Zug erzeugt; vielfach ist die Ventilation deshalb ein- 
fach ausser Wirksamkeit gesetzt worden. Ein Vorzug in Betreff 
des Feuchtigkeitsgehaltes der Luft findet nicht statt, sondern 
ist dieselbe bei Warmwasserheizung mindestens ebenso trocken, 
wie bei Luftheizung. Der Betrieb hat gewisse Ueltclstände. Eine 
Regulimng der Heizung für die verschiedenen Räume ist sehr 
schwierig, da die Hähne unter dem starken Drucke des Wassers 
sich nur schiecht bewegen lassen und meist bald ganz versagen. 
Ein Einfrieren ausgeschalteter Oefen niuss verhindert werden, 
indem dieselben einzeln abgelassen werden; lästig ist auch daB 
fnrtwährende Nachfüllen von Wasser in die Rohrleitung. Bei 
der immerhin komplizirten Anlage, namentlich in Betreff der 
Löthstellen der Oefen, sind verschiedene Wechselfälle und Repa- 
raturen, besonders bei älteren Heizungen zu erwarten, die unter 
Umständen sehr störend sein können; auch die Ablagerung von 
Schlamm in der Leitung ist zu fürchten. Endlich kommt in 
Betracht, dass die Heizkörper in den Zimmern immerhin noch 
einen ziemlich bedeutenden Raum beanspruchen. 

Dass die Aulagekosten einer Warmwasserheizung relativ die 
höchsten iind, ist bekannt, hingegen sind die Behauptungen in 
Betreff ihres angeblich so bedeutenden Brennmaterial-Verbrauches 
nicht bestätigt worden. 

Luftheizung ist bisher in 8 Berliner Schulgebäuden an- 
gelegt worden und in 4 derselben bereits mit grossem Erfolg 
einen Winter hindurch in Benutzung gewesen. Der Vorschlag 
eines Versuches mit diesem Heizsysteme wurde zuerst vom Vor- 
tragenden im Jahre 1868 gemacht, nachdem die Klagen über 
die Mängel der älteren Heizungen die Kommunalbehörden zur 
Einleitung sehr spezieller Untersuchungen über die Leistung 
der verschiedenen Systeme veranlasst hatten, die in den Jahren 
18ti9 u. 70 durch den Ingenieur He nueberg auch zur Ausführung 
gekommen sind. Namentlich gewährten die Reobachtuugcn bei 
dem in Ausführung tiegriffencn neuen Krankcuhause, wo zwei 
ganz gleiche Pavillons "der eine mit Mitteldruckheizung, der 
andere mit Luftheizung versehen worden sind, und nie für 
beide Heizarten ein sehr günstiges Resultat ergeben haben, 
ein grosses Interesse. 

Vortheile der Luftheizung sind die mit ihr verbundene un- 
mittelbare Erzieluug einer sehr vollkommenen Ventilation, die 
Killigkeit der Anlage und der Heizkosten, die leichte Bedienung 
und Regulirung. die geringe Reperaturbedürftigkcit, endlich der 
Fortfall jedes Heizapparates in den Zimmern. Als Xachtheile 
kouiincu ihr geringeres Reservation 9 vermögen, die Schwierigkeit 
einer Fortführung der Luft kanäle auf längere horizontale Strecken, 
endlich die Unzuträglichkeiten iu Betreff der Erwärmung über 
einander lieg-nder Räume in Betracht. 

Der Hr. Vortragende legt hierauf im Ansrhluss an diese 
allgemeinen Erörterungen das Projekt für die Lufthcizungsein- 
riclitung iu einer der vou ihm erbauten Gcnioindcschuleu vor 
und beschreibt dasselbe im Einzelnen, auch giebt er eine Zu- 
sammenstellung über die Resultate der im letzten Winter ver- 
unstalteten sehr vollständigen Beobachtungen über die Leistung 
der im Betriebe befindlichen Luftheizungen, sowie über die 
Anlagckosten derselben. Wir verzichten auf einen Bericht darüber, 
weil uns von ihm eine spezielle, von Zeichnungen begleitete 
Mitthciluug für unser Blatt zugesagt worden ist. Zum Schiusa 
legte derselbe ein von Neumann in Paris bezogenes Anemometer 
vor. das bei den von Hrn. Henneberg verunstalteten Unter- 
suchungen benutzt worden ist, und erläutert Konstruktion und 
Gebrauch des Instrumentes. 

Hr. Böckmann macht Mittheilung davon, dass das Inge- 
nieur-Korps der Preussischen Armee sich gleichfalls an den 



Verein um Vermittelung des Entwurfs zu einem Denkmale für 
die im letzten Kriege Gefallenen des Korps gewandt habe. Es 
wird beschlossen, dem Wunsche ebenso, wie in allen bisherigen 
Fällcu zu entsprechen. 

Hr. Adler legt das dritte Heft de« vou Studirenden der 
Bauakademie unternommenen Werkes, Denkmale der Bau- 
kunst, vor. 

Die zahlreich im Fragokasten enthaltenen Fragen werden 
durch die Hrn. Böckmann, Schönfelder, Schwedler, 
Streckert und Orth beantwortet 

Ein besonderes Interesse gewährte die Vorlegung des von 
dem Vereine zur Beförderung des Gewerbefleisses in Preussen 
für seinen Vorsitzenden, Staatsminister Delbrück, gestifteten 
Khreudiploma, das während der Sitzung zur Ansicht umherging. 
Das von Hrn. Schäffor auf Pergament gemalte Kunstwerk 
dürfte sowohl au Reichthum der Erfinduug und Adel der 
Formen, wie an Anmuth und Pracht der Darstellung von keiner 
der in neuerer Zeit geschaffenen ähnlichen Arbeiten erreicht 
werden. — F. — 



Verein für Elaenbahnkunde in Berlin. Versammlung am 
13. Februar 187* Vorsitzeuder Herr Hart wich, Schriftführer 
Herr Vogel. 

Herr G. Hagen machte die Mittheilung, dass in dem 
Bulletin der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. 
Petersburg vom 3. Januar d .1. sich eine von Herrn L. Lipkin 
angegebene Lösung der Aufgabe befinde . die geradlinige Bewe- 
gung durch alleinige Anwendung von Gelenkverbindungen in 
voller Schärfe in eine kreisförmige zu verwandeln. Durch das 
Watt'scho Parallelogramm und andere Anordnungen sei dieses 
bisher nur annähernd geglückt, und er vermuthe, dass diese 
Lösung auch im Muschiuenbau Anwendung finden könne. 

In der einfachsten Zusammenstellung werden zwei längere 
und vier kürzere Glieder, wie Fig. 1 zeigt, durch Gelenke mit 
einander verbunden. Die Länge der ersteren von Achse zu 




Achse gemessen sei gleich «. die der letzteren gleich b. Bei 
einer gewissen Form dieses verschiebbaren Systems, wobei die 
Mittellinie ABC horizontal gedacht werden mag, bilden diese 
mit den Gliedern o die Winkel a und mit den Gliedern * die 
Winkel ß. Alsdann ist 

a sin. a — b sin. ß 

= * V i - «*. ß* 

und AB = a cos. o — I cos. ß 

AC = a cos. o -f b cos. ß 
also AB. AC = a' cos. «• - *' co«. /*• 

aber cos. ß* — b* - «> sin. o* 

daher AB . AC = «' — *» 

Dieses Produkt ist sonach unabhängig von den Winkeln 
a und ß und behält seinen konstanten Werth, wenn sich auch 
A von C entfernt, wobei AB sich verkürzt 

Die Mittellinie habe sich nach Fig. 2 um den Punkt t ge- 
dreht, so dass sie in AB'C liege, und zugleich sei der Punkt 
B' soweit zurückgezogen, dass er mit der Kreislinie zusammen- 
falle, deren Durchmesser AB ist. Der Winkel AB'B ist aldaun 
I ein rechter, und die beiden Dreiecke ABB 1 und ACC 1 , die bei 
A gleiche Winkel haben, sind einander ähnlich, weil 

Aß . AC — AB'.AC* 
oder AB : AB' ~ AC'-.AC 

Der Winkel ACC ist sonach auch ein rechter, oder so lange 
der Punkt B in der erwähnten Kreislinie liegt und A seine 
Stelle nicht verändert, bleibt C in der senkrecht durch C ge- 
zogenen geraden Linie. Wenn also der Balancier mit B ver- 
bunden wird und um die Achse K schwingt, während A sicher 
befestigt ist. so hebt und senkt sich C, ohne aus der geraden 
Linie zu treten. 

Diese Zusammenstellung wurde durch ein vorgelegtes Modell 
erläutert und dabei noch bemerkt, dass man die beiden Punkte 
B und C auch verwechseln köune. Wird nämlich C mit dem 
Balancier verbunden, dessen Achse nunmehr in der Mitte der 
Linie AC liegen muss, so bewegt sich B wieder in einer geraden 
und gegen ABC normalen Linie. 

Herr IL Wiche war der Ansicht, dass das System von 
Evans sich für die Ausführung mehr eigne, wobei die gradlinige 
Bewegung sich gleichfalls iu voller Schärfe darstellt wenn das 
Lager, welches die Achse des Balanciers trägt den Schwingun- 
gen desselben entsprechend auf einer horizontalen Bahn sich 
hin- und herschiebt Dio Zahl der Glieder sei dabei viel ge- 
ringer und sonach ihre Verbindung sicherer. 

Herr G- Hagen äusserte darauf, dass in dem Lipkin'schen 

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System die Uebertragung der Krfifte nicht unpassend 
wenn in der horizontalen Lage des Apparates die Glieder * 
lieh fiteil gestellt würden. 

Herr Skatweit bespricht sodann das Projekt der Saal- 
hahn , von Sulza, Kösen über Rudolstadt nach Saalfeld. Die 
Linie folgt dem Laufe der Saale, die Ufer derselben selten ver- 
lassend, fast ohne verlorene« Gefalle, jedoch mit Kurven von 
zum Theil geringem Radius, bis zu 450™ herab. Das zu lösende 
Erdreich ist von guter Beschaffenheit, thcils Luhm, theila Fels, 
welcher bei Jena aus Kalk- und Sanastein besteht; die Erdar- 
beiten betragen rot 134 bis 178,000 Kubikmeter pro Meile, die 
Zahl der kleineren Bauwerke betragt rot. 100, während nur eine 
grossere Brücke von 3 Oeffnuugeu u 31 Meter lichter Weite, 
in ii Eisen überdeckt bei Schwarza vorkommt Die Befestigung 
der Böschungen des Bahnkörpers nach der Flusseite ist wegen 
mangelnden Raumes schwierig und sind deshalb Fnttermauern 
in grossen Longen erforderlich, für welche zum grossen Theil 
jedoch Steinschlittungeu und Abpflosterungen genügen werden. 
Die Anlage des Bahnhofs Jena ist besouders schwierig; die 
Lage desselben jedoch noch nicht endgültig festgestellt, weil die 
Weimar'sehe Rogierung noch nicht bestimmte Entscheidung über 
den Anschluss einer anderen von Weimar nach Gera über Jena 
zu führenden Bahn getroffen hat. Das Anlagekapital der Bahu- 



Vermischtes, 

Die Einführung des metrischen Maasa und Ge- 
wichte-Systems in Oesterreich, auf Grund eines vom 23. 
Juli 1871 datirten Gesetzes, wird nunmehr in Nr. 6 des Reicbs- 
gesetzblattes vom 2. März 1872 bekannt gemacht. Die neuen 
Maas«« und Gewichte treten erst am 1. Januar 1876 in obligato- 
rische Kraft, können jedoch schon vom 1. Januar 1873 an bei 
gegenseitigem Einverständnisse gebraucht werden, wobei in 
öffentlichen Geschäftslnkaleu eine bezügliche Bekanntmachung 
nebst Vcrhältniss-Tabellc ausgehängt werden muss. Von der 
für den norddeutschen Bund eingeführten, jetzt für das deut- 
sche Reich gültigen Moass uud Gewichtsordnung unterscheidet 
sich das Österreichische Gesetz namentlich dadurch, dass es 
keinerlei Einführung deutscher Benennungen für die Einheits- 
ruaas&o versucht hat, sowie dass auch aas Dezimeter, sowie 
Deii- uud Zentiliter als selbst« tänd ige Maasse eingeführt sind. 
Merkwürdiger Weise ist eutgegon dem gerade in Oesterreich 
herrschenden Gebrauche und nach unseren Anschauungen nicht 
zum Vortheile der Sache die Schreibweise Deoi uud Oenti cin- 

Seführt Da beide Maassordnungen auf verschiedenen Kopien 
er französischen Prototypen als Unnaassen basireu. so ist die 
Differenz derselben leider verhältnissm&ssig nicht unbedeutend. 
Sic betragt beim Meter 0,03246""», um welche das deutsche 
Maass langer ist als das Osterreichische, beim Kilogramm 
0,0020421 in demselben Sinne. 

Die Restauration dos Kaiserhauses zn Goslar, dem 

wir in den No. 31 bis 34 des vorigen Jahrgangs eine aus- 
führliehe Darstellung widmeten, ist am 13. März Gegenstand 
einer Interpellation des Grafen Münster im Preussischen 
Herrenhause geworden. Der Kultus-Minister Hr. Dr. Falk er- 
kannte in seiner Erwiderung die Verpflichtung der preussischen 
Regierung, für die Erhaltung des ehrwürdigen Denkmals deut- 
scher Kunst und deutscher Geschichte zu sorgen, vollständig an 
und äusserte sich demnächst wie folgt Ueber das »Wie" der 
Ausführung können aber verschiedene Ansichten bestehen. Ati- 
gesehen davon, dass ein vollständiger ganzer Palast hergestellt 
werden konnte, der, wie es mir scheint, doch im Wesentlichen 
nicht« anderes sein würde, als ein modernes Gebäude im alten 
Stil, kann man so verfahren, dass die vorhandenen Reste des 
Palastes freigelegt werden von den sie entstellenden späteren 
Gebäuden, die sie zum Theil verkleiden, und das» die dann klar 
gestellte Ruine, so wie sie klar gestellt ist, erhalten wird, Es 
giebt aber auch noch einen anderen Weg, nämlich den, die wirk- 
lich in der Anlage klar hervortretenden Theilc — ich meine 
den Kaisersaal und die Palastkapelle — derart auszubauen, dass 
diese Theile sich zu einem architektonischen Ganzen vollenden, 
dieser Wege einzuschlagen und wie weit event. in letz- 
Fallo zu gehen sein wird, darüber lässt sich auch noch 
■n, und es schweben im Augenblicke Verhandlungen zwi- 
deu betreffenden Ministerien. Sie werden zunächst dazu 
führen, Anschläge aufzustellen, die insbesondere auch den zu- 
letzt von mi 



Ueber Fonsterrecbt enthält die Bauordnung der freien 
Stadt Lübeck cinu Bestimmung, welche wohl kaum ähnliche 
Zweifel zulassen dürfte, wie solche in einem in Nr. 10 dies. BL 
aus dej- Provinz Posen initgothcilten Falle obgewaltet und zu 
einer Berufung auf richterlichu Entscheidung Veranlassung ge- 
geben haben. 

§. 73 der Lübeckischen Bauordnung lautet: „Fenster, 
Licht- und LuftOffnungen in den Wänden nachbarlicher Gebäude 
können fortan durch keine Verjährung den Eigenthümcr in 
seiner Befugnis», hart an der Gränze Gebäude aufzuführen, be- 
schränken. Dergleichen Beschränkungen können vom Nachbar 
nur durch einen Vertrag als Grundgerechtigkeit erworben wer- 
den, insofern dies nach der Bestimmung des § 74 zulässig ist" 
§ 74. .Fenster, Licht- und LuftOffnungen, welche in Gränz- 
vor dem 1. April 1864 (Zeitpunkt des Erlasses der Bau- 



linie ist zu 4«/i Millionen Thaler veranlagt; die Bahn selbst wird 
von einer Aktiengesellschaft gebaut 

Herr Weidtmann spricht hierauf über den Mangel an 
Lokomotiven auf den Eisenbahnen. Derselbe sei zunächst eine 
Folge des Krieges; die grosse Kalamität der Verkehrsstockun- 
gen dagpgen habe vorwiegend ihren Grund in der ungenüg 
Grosse der Bahnhofe. Der Vorsitzende ist der Ansicht, 
durch Einführung des Nachtdienstes — Beladen und 
portiren der Züge — viel mehr geleistet werden könne, als bei 
dem seitherigen Dienst In England seien diese Einrichtungen 
besser, es würde dort auf einem viel kleineren Raum in kürzerer 
Zeit mehr geleistet wie bei den hiesigen Bahnen, das Beladen 
auf offene Wagen geschehe dort zweckmässiger. Herr Mulberg 
glaubt, dass durch die Anwendung von Drehscheiben auf den 
Bahnhöfen für Güterverkehr die fehlende Länge durch eine 
grossere Breite zweckmässig ersetzt werden konnte. 

Herr Bahlko giebt hiernach eine kurze Beschreibung der 
Fundiruug der Weichselbriike bei Thoru; die Pfeiler sind je auf 
3 Brunnen fundirt, deren Senkung mittels indischer Schaufeln 
bewirkt wurde. 

Am Schlüsse der Sitzung wurden in üblicher Abstimmung 
die Herren Hauptmann Tetzlaff, Lindow, Knappe und Witte, 
Ratbsiuaurcrmstr. G. Borstell und Ingenieur G. Lentze als ein- 



ordnung) rechtlich bestanden haben, dürfen von dem Nachbar 
nicht verbaut werden, und darf dieser hart an der Gränze nur 
bis unter den Rand der Oeffnungeu baueu und muss von da ab 
einen im § 75 näher beschriebenen Lichthof frei lassen. Fen- 
ster, Licht- und LuftOffnungen, welche nach obigem Termin in 
Gränzraauern angelegt worden sind, müssen einen Stein stark 
vermauert werden, sobald der Nachbar dieselben durch ein Ge- 
bäude auf der Gränze verbauet* 

§ 75. „Ein Lichthof muss so angelegt werden, dass an 
jeder Seite des Fuusters ein Wandraum von wenigstens 1 '\ Fuss 
(0 43'») frei bleibt Dem Fenster gegenüber muss der Bauende 
bei 12 Fuss (3,45") Hohe des neuen Gebäudes 4 Fuss (1,15»), 
und für je 6 Fuss (1,72») mehr Höhe 1 Fuss (0,29-») mehr 
zurücktreten." K. 

Aus der Fachliteratur. 

Die Krypta des Mainzer Domes und die Frage ihrer 
Wiederherstellung, von Friedrich Schneider, Dompraebcndar, 
Mainz. Victor vTZabern. — ist die letzte in der Reihe der bau- 
geschichtlich so interessanten und dankeuswertheu Veröffent- 
Uchungen*) desselben Herrn Verfassers. 

Sei lion seit vielen Jahren wird bekanntlich am Mainzer Dom 
restaurirt; der schadhafte Zustand des Ostchores veranlasste, 
dass man die in dem Gutachten der Dombaumeister F. J. Den- 
zinger von Regensbure und Friedrich Schmidt von Wien zur 
Wiederherstellung des Domes empfohlenen Maassregeln befolgte. 
Seit 1868 leitet Dombaumeister J. Wessi cken die weitgehenden 
Restaurationsarbeiten des Domes, die in den letzten Jahren so 
weit vorgeschritten sind, dass man an den Neubau des indessen 
abgetragenen Ostthurmes denken kann, der im Charakter des 
Ostchores wieder errichtet werden soll. Eng damit zusammen- 
hängend ist die Frage der Wiederherstellung dor Krypta, die in 
der vorliegenden Schrift eingehend und, gestützt auf die wäh- 
rend dor Restauration des Domes gewonnenen baugeschichtlich 
werthvollen Aufschlüsse (im lctzteu Jahr wurden bei Gelegen- 
heit der Untersuchung der Fundameute die Umfassungswändo 
der Krypta mit den Waudpfeilern zum Theil blosgclegt) mit 
grosser Sachkenntnis« besprochen wird. 

Nach allgemeinen Andeutungen über Zweck und Anordnung 
der Krypten werden zunächst historische Notizen über die ur- 
sprüngliche, sodann über die jetzt aufgefundene Krypta des 
Domes gegeben, welche letztere nicht mit der enteren, gegen 
1036 von Erzbischof Bardo erbauten identisch, sondern mit dem 
ganzen Ostchor, wie wir ihn jetzt sehen, gleichzeitig ist , also 
der zweite^ Hälfte des 12. Jahrhunderts angehört Nach der 
Beschreibung dieser Krypta folgen Nachrichten über ihre Zer- 
störung, die wahrscheinlich durch den, etwa zwischen 1437 und 
1446 erbauten Pfeiler uuter dem Triumphbogen veranlasst wurde. 
Dieser hatte vermuthlich den Zweck, die über dem arcus tri- 
umuhalis aufgethürmte Last des Pfarrthurms zu stützen, da die 
Widerlager des Bogens als ungenügend erkannt worden waren. 

MitRecht wird hervorgehoben, dass durch diese Entfernung 
der Krvpta die für diu Festigkeit des Oberbaues notwendige 
Verbindung der unteren Mauerkörper wegfiel, und wie unvoll- 
kommen der Pfeiler seinem Zweck genügte, davon geben die 
furchtbaren Zerstörungen des ganzen Ostchores, die noch durch 
mehre Dombrände befordert wurden, Zeugnis». Risse von 15«» 
Breite zogen durch die 1,5" dicken Tuffsteinmauern des roma- 
nischeu Theile« des Thurniaufbauca , die sich durch den ganzen 
Bau bis in die Fundamente verzweigten und schlecht durch die 
Tünche moderner Zeiten verdeckt waren. — Mit überzeugender 
Gewissheit wird vom Verfasser nachgewiesen, dass die Wieder- 
herstellung der Krypta in der alten Form aus technischen Grün- 
den behufs der Verstärkung des Unterbaues des Ostthurms, aus 
ästhetischen Gründen zur Vorminderung der Ueberhöhung des 

»» Dl» übrig?» Stbrlftcn lind: I) D«r Otttimnn dra Malntar D MO t«. 1870. 
J) D*r FMI« loa Maina» Dom, 1BT0. S) DI« Baujaaeliiclite d«. Miltner Dorn-. 
Tora Jahr UM- IJWO. CSIn IST0. 4} Der hellitr» Bardo, KnbiKjiof »ort Maiiu. 
I Malm. Fr. Kirchturm. 1*71. 



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Ostchores im Innern, aus liturgischen und endlich aas Gründen 
der Pietät, die vor Allem bei jedem Restaurationswerk raaass- 
gebend »ein müssen, zur Notwendigkeit wird, und das» kaum 
ein stichhaltiger Grund gegen die Wiederherstellung der Krypta 
angeführt werden könne. 

Wer in den letzten Jahren die bedeutenden Schaden des 
Ostchores des Mainzer Domes zu besehen Gelegenheit hatte, wer 
sich für die Restauration der Bauwerke früherer Zeiten intercs- 
sirt und schon Zeuge der Verstümmelungen und aus Mangel an 
Verständnis» mittelalterlicher Bauweise erfolgten üblen Zurich- 
tung vieler unserer Baudenkmäler war — die in dem Schrift- 
chen angeführten Beispiele lassen sich leider in's Unbegrenzte 
vermehren und um nur Einiges anzuführen, weisen wir auf die 
absonderliche Komposition, mit der neuerdings die Nordfacade 
des Domstiftes in Aschaffenhurg beschenkt wurde, beispielsweise 
auch auf die als kunstgeschichtliches Kuriosum der Veröffent- 
lichung werthen Strebepfeileraufsätze am Chor des Freiburger 
Munsters mit den Jahreszahlen 1780—1857 — der wird gewiss 
die am Schluss des Wcrkchens ausgesprochenen Wünsche und 
Forderungen für die Wiederherstellung des Domes zu Mainz 
unterschreiben und denselben entscheidenden Ortes Anerken- 
und den Erfolg wünschen, das* die Krypta wiederherge- 
werdc und der herrliche Dom in Zukunft wieder unver- 



nun« 
stellt 



kürzt und mit aller Pracht alter Zeit das 



Mainz ziere.') 
D. T. 



•) Die Fr.«. h»t tiafh «lr.tr MIUb.Ui»« d.r „Auf.bg. AUru. Zt«." In J60«. 
•L.r Zelt .1» b..ri.di|»i.,t« (.fand». Bl.rhof und l*-.m..plul »tbtn 

•Ith »toll«» für WMrrlmMlui d«r Krjpu, und «w.r .u( Grund d*r Back 
«ar&ndllf hea bfdrutertile« Rt.lt il«* tlltn Hau»*, .nltcMtd.il, to dut nuninebr 
turk dl« B«ib.h»llnnii der urtpränllirhtii Alil.lt und lli»btt<iud«r« d«r«n H4b«o. 




[ d.r urtprünflifhni Auing« uod lii»btt<iud«r« 



Eauwiescn schaftliche Litteratur. 

Januar, Februar, März 1872- 

Albreeht, K u. 7. Biefhabcr, Skizzenhefte. Samml. v. Original- 
Entwürfen zum prakt. Gebrauche f. Bau- u Möbeltischler etc. 
1. Jahrg. 1. Heft. Fol. Leipzig. Jedes lieft 12 Sgr. 

Altenaorf, H , über die kirchliche Baukunst d. 19. Jahrhunderts. 
Vortrag. 8*. Leipzig. 10 Sgr. 

Arthiv f. ornamentale Kunst. Red. v. Gropius, Text von Lohde. 
5. Heft. Fol. Berlin. 1 Thlr. 6 Sgr. 

Dflü, C-, das öffentliche Bauweisen des preuss, Staates. Ein 
Handbuch für Verwaltung«- und Baubeamte etc. 8». Cassel. 

2 Thlr. 

DöUiMer, 0., Archit. Reiseskizzen aus Deutschland, Frankreich 
und Italien. 3. u. 4. Heft. Folio. Stuttgart. Jedes Heft 

24 Sgr. 

Grueber, B. , Die Kunst des Mittelalters in Böhmen. 1. 1hl. 

3. Lief. 4«. Wien. 90 Sgr. 
Hag«n, 0., über das Gesetz, wonach die Geschwindigkeit des 

strömenden Wassers m. d. Entfernung vom Boden sich ver- 
grössert 4». Berlin. 14 Sgr. 

Hitt*nkoftT, das Entwerfen von Facadcn. 4«. Leipzig. 3 Thlr. 
- Holz -Architektur -Ornamente. 3. Lief. Fol. Leipzig. 

1»/, Thlr. 

HoUaey, X., Vortrage über Baumechanik. 1. Lief. 8«. Wien 

1 Thlr. 20 Sgr. 

Krag, A. u. A. Pertwl, Ornamentik f. Schlosser und Architekten. 

4. (Schluss} Heft. 4«. Gera. 2 Thlr. 
Lanreys, F., Kursus der klassischen Baukunst. Eine vollständige 

Zerl egung der 5 Ordnungen auf Grundlage des Dezimal- 
systems. 8« m. Atlas v. 70Tafcln in Folio. Lüttich. 8% Thlr. 

Loeüoi. f., Die Licbfrauenkirche zu Ualberstadt, deren Ge- 
schichte, Architektur, Kunstwerke u. Denkmale. Fol. Ualber- 
stadt. 15 Sgr. 

M::t. <•:. '.würfe, herausgegeben vom Gewerbeverein in Hamburg 
unter Mitwirkung namhafter hamburgischer Architekten und 
Bildhauer. Heft 1. Fol. Hamburg. 25 Sgr. 

If orthoff, Vorbilder f. d. Kunstgewerbe. 2. Lief. Folio. Le'PfV 

Ott, K. E. v., Vortrage über Baumechanik. 2. TM. 1. Lief. 8«. Prag. 

1 Thlr. 10 Sgr. 

Paolo», a., der Eiscnbahnoborbau lin seiner Durchführung auf 
den Linien der k. k. priv. Südbahn- Gesellschaft. 8«. Wien. 

3 Thlr. 

Henri, Album der Archäologie. Abth. A— D: Indien — Me- 
dien — Persien — Assyrien. 4*. Lüttich. Jede Abth. •/« Thlr. 
— dasselbe Abth. G: Italien. 4«. Ebend. 2',', Thlr. 

Schüller, y., Der praktische Hochbau. Eine Sammlung von pro- 
jektirten und ausgefuhrteu Wohn- u. anderen Gebäuden etc. 
1. Jahrg. (in 12 Heften). 8«. St. Gallen. Jedes Heft 9 Sgr. 
ck, H., DekoraÜonsmotive. 1. Heft Fol. Leipzig. % Thlr. 
IU, 7., Der Dom zu Köln. 13. u. 14. Lief. Fol. Jede Lief. 

2 Thlr. 

Vereiaharatnea, technische, d. Vereins deutscher Eisenbahn-Ver- 
waltungen über den Bau und die Betriebs-Einrichtungen der 
Eisenbahnen. 8*. Wiesbaden. 12. Sgr. 

Vortrag« über Eisenbahnbau, begonnen von F. Winkler. 3. Hefte 
Schiebebühnen und Drehscheiben, bearb. v. W. Fränkel. 8». 



Prag. 
fäUerstorf, B. v., 

bahn von Triest 



2 Thlr. 4 Sgr. 
speziell über eine Eisen- 
Pola. 8«. Wien. 16 Sgr. 16 Sgr. 



Ueber die Konkurrenz für Entwürfe zu einem Kur- 
hause in Langen -Sohwolbach theilt uns ein Wiesbadener 
Fachgennsse in RrgSnzung der von uns in No. 10 gebrachten 
Notiz mit, das« die mit dem orsten Preise bedachten Münchener 
Architekten, Herren Kafka und Schulze, gemeinsam ge- 
arbeitet und ein wahrhaft grossartiges und schönes Projekt ge- 
liefert haben. Der zweite Preis ist dem Entwürfe des Architekten 
Hrn. Seitz aus Heidelberg, z. Z. in Wiesbaden, der dritte Preis 
dem Entwürfe des Architekten Hrn. W. Bog ler zu Wiesbaden 
zu Theil geworden. Dass über den Ausfall so vieler Konkurren- 
zen erst so spät etwas Authentisches bekannt wird } ist leider 
noch ein grosser Uebelstand, der nur dadurch gründlich gehoben 
werden kann, dass auf jene Bestimmung unserer „Grundsätze*, 
wonach ein motivirtea Gutachten der Preisrichter veröffentlicht 
werden soll, ein stärkeres Gewicht gelegt wird. Immerhin wird 
noch eine geraume Zeit vergehen, ehe dieser Grundsatz so all- 
gemeine Regel geworden ist, wie jetzt bereits die öffentliche 
Ausstellung der zu einer Konkurrenz eingegangenen Entwürfe, 
und sind wir daher nach wie vor auf die freundliche Unter- 
stützung der Fachgenossen angewiesen, denen wir wiederholt die 
Bitte ans Herz legen, uns, soviel in ihren Kräften steht, be- 
treffende Nachrichten möglichst schnell 



Personal - Nachrichten. 

Preusscn. 

Ernanut: Der Baumeister Sendlcr zu Berlin zum Eisen- 
bahn-Baumeister. Der Bau-Inspektor Kranz zu Lüneburg zum 
Ober-Bau-Inspektor bei der Landdrostei in Uildesheim. Die 
Eisenbahn -Baumeister Siecke zu Thorn und Baumert zu 
Schueideinühl zu Eisenbahn-Bau-Inspcktoren bei der Königlichen 
Ostbahn. Der Laudbauuicister Wagner zu Köln zum Bau-In- 
spektor in Hanau. Der Baumeister Ui rubel zu Berlin zum 
Eisenhahnbaumeister im technischen Eisenbahn-Bureau des Mi- 
nisteriums für öffentl. Arbeiten in Berlin. Der Eisenbahn- Bau- 
inspektor Wilde zu Harburg zum 1 Hier Betriebs- Inspektor bei 
der Hannoverschen Staats-Kiscnbahu in Hannover. 

Versetzt: Der Eiseubahn- Bau -Inspektor Oberbeck zu 
Breslau in das technische Eisenbahn -Büreau des Ministeriums 
für öffentliche Arbeiten zu Berlin. Der Eisenbahn-Bau-Inspektor 
Lademann zu Königsberg i. Pr. nach Bromberg. Der Eisenbahu- 
Bauinspektor Tasch in Schueideinühl an die Kgl. Ostbahn nach 
Königsberg i. Pr. Der Eisenbahn-Baumeister Bachmann zu 
Königsberg nach Schneidemühl. Der Eisenbahn- Bauinspektor 
Hinüber zu Hannover nach Harburg. 

Das Baumeister -Examen nahen bestanden; Georg 
Bockelberg aus Hannover; August Hesse aus Verden. 

Der Professor Dr. Heye am Polytechnikum zu Aachec 
hat einen Ruf an die Universität Strassburg erhalten und an- 
genommen. 

Der KreiBbaumeister Kromrey zu Templin tritt am 1. Apri. 
in den Ruhestand. 

Brief- und Fragekasten. 

Hrn. 0. in Wartenberg. Die Gebühren der Sachver- 
ständigen und Zeugen vor Gericht bemessen sich nach der 
Verordnung vom 29. März 1844 und zahlreichen zu ihrer Aus- 
legung erlassenen Verfügungen der Oberrechnungskammer. 
Die Kenntniss der Letzteren ist um so schwieriger, als sie nicht 
immer von gleichen Anschauungen ausgehen, und daher ist die 
Auslegung jener Verordnung oft bei ein und demselben Gerichte 
eine sehr verschiedene. Die Gebühren für Sachverständige 
sind in § 1 und speziell für Beamte in § 2 No. 6 festgesetzt 
Zeugen erhalten nach § 7 im Allgemeinen keine Entschädigung. 
Eine frühere Verfügung (ob der Oberrechnungskammer oder des 
Justiz-Ministeriums kann nicht angegeben werden) bestimmte, 
wahrscheinlich in Verwechselung der Begriffe Zeugen und Sach- 
verständige, dass Beamte eine Entschädigung für Wahrnehmung 
gerichtlicher Termine als Sachverständige überhaupt nicht zu 
fordern haben, wenn ihnen daraus kein Zeitverlust erwachsen 
ist, wie dies vorkommen kann bei solchen Beamten, welche ihren 
Dienst nur in bestimmten Stunden zu verrichten haben und 
während derselben durch andere Beamte vertreten werden kön- 
nen. Wie weit diese Bestimmung noch Gültigkeit hat. wisseu 
wir nicht; thatsächlich wird inaessen ganz allgemein bei Bau- 
beamten ein solcher Zeitverlust ohne Weiteres als erwiesen an- 
gesehen, und wir halten Sie daher zur Forderung der Gebühren 
für unbedingt berechtigt, gleichviel ob Sie Ihrer augenblicklichen 
Stellung nach als Beamter anzusehen sind, oder nicht. — Uebri- 
gens dürfte die Frage einer zeitgemässeren Festsetzung der ge- 
richtlichen Gebühren in nächster Zeit von dem Verband deut- 
scher Architekten- und Ingenieur-Vereine in die Hand genom- 
men werden. 

Hrn. Ü. T. in Karlsruhe. Nichts für ungut, dass die 
Veröffentlichung aus Mangel an Raum erst so spät erfolgen 
konnte. Die Disposition Hess sich leider nicht anders treffen. 

Beiträge mit Dank erhalten von Hrn. F. in Hameln, R. 
in Cassel, M. in Berlin. 



KounMtionattrlt« »oo Carl Bcclil. in Bttlin. 



Druck »« litbrad.r FUktri In B*rlln. 

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Jahrg. TL M 13. 

DEUTSCHE BAUZEITUNG 



l.i.ktl«. .. 1 1 y.i .1,0.: 

Icrtla. Oraalraitn*. 101. 
>bern«k»a. Ulf P«unit>l 



Organ des Verbandes 

- deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine. "5 



Redakteur K. £. 0. Fritich. 



Ii. .rat. 

für aW Ltier «<r d.gtHkca 
S..I»U.n< Saften A.fB.hmr 

SraH.-t.ilue: 

»', »P. Pt. 



Pr«ii I Thaler pr» Qaartal. 



Berlin, den 28. März 1872. 



Erscheint jeden ■•■■erstag. 




. VL - R.I« 

I III, - MUth.llona.a . u. v „,,„,,:■ Aiahlt.kl.n- 



V« 

lUUratari 

1 — J. — F.r.oaal.Naehrl.hl.a «u. 



.- Au. «tr F.ek- 



Terband deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine. 

I. Innere Angelegenheiten. 
Nach dem Beschlasse des Architekten -Vereins zu Berlin vom 4. November 1871 soll der jedesmalige Vorsitzende 
des Vereins zugleich den Vorsitz im Vorstande des Verbandes deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine fuhren. Nach- 
dem daher bei der im Februar d. J. erfolgten Neuwahl des Vorstandes zum Vorsitzenden des Architekten-Vereins der 
Eisenbahn -Direktor, Baurath Quassowski gewählt worden ist, hat derselbe zugleich den Vorsitz im Verbands- 
Voratande statt des bisherigen stellvertretenden Vorsitzenden übernommen. — In der Besetzung der übrigen Aemter ist 



Vor- 



II. Angelegenheit der Wiener Welt-Ausstellung. 
Von der königl. preussischen Landes- Kommission für die Wiener Welt- Ausstell u 
stände nachstehendes Schreiben zugegangen: 

„Auf der Wiener Weltausstellung des nächsten Jahres wird nach Inhalt des Programms (Gruppe 18 und 25) das Bau- 
und Ingeuieurwesen einen hervorragenden Platz einnehmen. Die ergebenst unterzeichnete Kommission hegt daher den dringenden 
Wunsch, dasa auch die Architekten und Ingenieure unseres Vaterlande» der Ausstellung ihr Interesse zuwenden und auf eine 
ehrenvolle Vertretung der deutschen Kunst und Technik — vornehmlich durch die Einsendung von Planen und Modellen hervor- 
ragender Bauwerke aus der neuesten Zeit — Bedacht nehmen uiögeu. Dem Vorstund ist mehr wie irgend einem anderen Organe 
die Gelegenheit geboten, in dieser Richtung mit Erfolg zu wirken, namentlich auch die hervorragenderen Architekten und 
Ingenieure zu einer Einsendung von Modellen und Planen ihrer neueren Schöpfungen anzuregen. In der Voraussicht, dass der 
' gern bereit sein wird, der für das Ansehen unserer vaterländischen Kunst und Technik bedeutungsvollen Angelegenheit 
mühungen zu widmen, gestattet sich die Kommission, eine Anzahl von Exemplaren der von ihr veröffentlichten, auf die 




Ausstellung bezüglichen Bestimmungen zur gefälligen Benutzung und Verbreitung anbei ergebenst zu übersenden. Die Kommission 
wird gern bereit sein, auf etwaige die 



wird gern bereit sein, au 
zu ertheilen, sowie auf etwaigen Wunsch 
Berlin, den 14. Marz 1872. 



betreffende mündliche oder schriftliche Anfragen die ihr mögliche Auskunft 



wir zugleich die 
Architekten und ln- 
ein möglich», 
Reiche geben 



für die 
(gez.) Moser.* 



Indem wir 

Hoffnung aus, dass die erst kürzlich durch ein 



werden. Auch der leider 




kurz bemessene "Termin für die Anmeldung (15. April d. J.) darf von der Beteiligung 
nicht abschrecken, da es zunächst nur darauf ankommt, das Raumbedürfniss im Ganzen anzugeben. Derselbe macht es 



aber unthunlich, dass der Verbands-Vorstand die Anmeldungen sammelt nnd der etwa für die 
deutschen Reichs-Kommission übermittelt, vielmehr wird es am zweckmässigsten Bein, wenn di 
zum Verbände gehörigen Vereine die Anmeldungen direkt ihrer bezüglichen Landes-Kommission zugehen lassen. Die Sorge, 
dass die ans dem deutschen Reiche eingehenden gleichartigen Gegenstande vereinigt und übersichtlich ausgestellt werden, 
wird Sache der Reichs -Kommission sein. 

Von den in dem vorstehendem Schreiben der preussischen Landes-Kommission erwähnten Bestimmungen, nämlich 

1. Programm für die Wiener Welt- Ausstellung, 

2. Bestimmungen wr Gruppe 25 des Programms (bildende Kunst), 

3. Aufforderung der preussischen Landes-Kommission, die Welt-Ausstellung 

4. Allgemeiner Anmeldungsbogen, 



5. Anmeldungsbogen für Gruppe 25 des Programms, 

enigen Vereine, welchen dieselben nicht bereits direkt zugegangen sind, Exemplare durch den Verbands-Vorstand 
zugesandt erhalten. Anmeldungsbogen zur Gruppe 18 (Bau- und Zivil- Ingenieur -Wesen), 19 (das bürgerliche Wohnhaus) 



hoffen wir von der Landes-Kommission noch zu erhalten 
Berlin, den 25. Marz 1872. 

Der Vorstand des Verbände« deutscher Architekten* und Ingenieur -Vereine. 

Quassowski Roeder Blankenstein 

Vorsitzender Sackelmeister Schriftführer 

Franzius Gercke Roemer Streckert. 



(Schln.i). 



Die im Vorstehenden mitgetheilte Beschreibung des Ar- 
nold 'sehen Ofens setzt voraus, dass die Angaben der Herren 
Arnold nnd Konsorten durchaus korrekt nnd die Auffassung 
des Untersuchung»- Protokolls, sowie diejenige der Patent- 
kommission bezüglich der vorliegenden Thatsachen unanfecht- 
bar sei; es sind aber leider die Zeugenaussagen so unvoll- 
ständig nnd im Widerspruch mit einander, dass die zur 



Aufhebung des Ringofenpatentes nöthige Beweisführung als 
verfehlt angesehen werden kann. 

Nach der Kabinets-Ordre vom Jahre 1815 und den Ver- 
einbarungen zwischen den ehemaligen Zollvereinsstaaten vom 
Jahre 1842, welche das Patentwesen regeln und auch für 
Prcussen heute noch güllig sind, soll ein Patent zurück- 
genommen werden, wenn 



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- 102 — 



der patentirte Gegenstand schon vor der Patent- 

ertheütrag bereits ausgeführt, gangbar oder auf 

irgend ein« Weise I» ek sinnt gewesen. 

Der Erteilung des Ringofenpatentes iui .lahre 1858 
liegt eine vom Antragsteller verfaßte Beschreibung uiitl 
Zeichnung, sowie ein Berieht der Pateutkommission an das 
Königliche Handelsministerium zu Grunde. In diesem Be- 
richte sind ausdrücklich vier Hinrichtungen, welche zum Be- 
stände des Ringofens gehören, sds neu und eigentümlich 
bezeichnet, nämlich: 

1) der ununterbrochene ringförmige Ofenkanal, 

->) der das ganze Profil scb liessend« Schieber, 

.'S) die Anordnung von Feuerlöchern in der Decke des 
Ofens und in kurzen Entfernungen von einander, zum Ein- 
streuen <les Brennmaterials zwischen die ulüheuden Steine 
ohne feststehenden Heerd, 

4) der Verschluss dieser Löcher und der RauchkaiisHe 
durch in Sand tauchende Glocken. 

{Es ist von vorn herein ein sehr grosser Mangel dieses 
Patentberichtes, dass der wesentliche, durch den Ringofen 
erreichte Fortschritt, nämlich das kont inuirlich fort- 
schreitende Feuer, nicht klar hervorgehoben worden ist.) 

Zur Patentaufliebung ist nun nach den oben bezeich- 
neten Vorschriften der Beweis erforderlich, dass jene vier 
Eigentümlichkeiten der patenlirtcn Erfindung schon vorher 
zur Anwendung gebracht worden, und ferner, dass deren 
Anwendung auch bekannt gewesen sei. 

Der Hauptzeuge für diese Beweisführung ist Herr Ar- 
nold, der Besitzer des in Rede stehenden Ofens bei Fürsten- 
walde. Einerseits ist derselbe Partei und deshalb auch nicht 
vereidigt, andrerseits sind seine Aussagen so schwankend 
und ungenau, dass man zu denjenigen seiner Behauptungen, 
die man nicht bestreiten kann, um Ii nicht viel Vertrauen 
gewinnt. Wie schon erwähnt, behauptet Arnold in einem 
zur Veröffentlichung bestimmten und benutzten Briefe, dass 
Hoffmann von seiner (Arnold**) Erfindung Keuntuiss ge- 
habt und diese missbraucht habe, zieht aber, als er anderen 
Zeugen gegenüber gestellt wird, seine Beschuldigung mit dem 
Bemerken zurück, .er wisse das nicht mehr genau*. 

In jenem Briefe (d. d. 12. Januar 1870 an Dr. Matern 
in Rothenslein bei Königsberg) ist gesagt, der Betrieb des 
Ofens s< i nach zwei Jahren wegen Mangel an Thon einge- 
stellt; im Protokoll giebt Arnold an, er habe bis 1S42 
(von lS.'l'J an, also ,'{ Jahre) Ziegel in demselbeu gebrannt, 
während der Umstand, dass die Gewölbe, namentlich die 
angeblichen Schieberschlitze durchaus unverletzt vorgefunden 
sind, zu der Annahme berechtigt, der Ofen sei nur zu Ver- 
suchshranden gelangt und dann 1842 umgebaut. Auch der 
Grund, dass Maugel an Thon zum Verlassen des neu erfun- 
denen Prinzip« geführt habe, ist mindestens unwahr- 
scheinlich. 



Nach Wortlaut jenes Briefes hatte der Ofen in jeder 
Abtheilung zwei Gewölbe-Oeffniingen, nach Befragen giebt 
Arnold zu Protokoll, er wisse nicht mehr, ob zwei oder 
drei Löcher vorhanden gewesen seien. Jedermann, der eine 
Idee vom Ringofenbetriebe hat, weiss aber, dass gerade von 
der Verteilung und Anzahl dieser Fenerungslöcher die Mög- 
lichkeit abhängt, den Ofen in der charakteristischen Weise 
des Ringofeiilwtriebes zu liefeuern. 

Arnold hat ferner genau ausgesprochen, dass „kurz 
vor dem Schieberstand in jeder Abteilung ein Rauch- 
kanal von unten angelegt gewesen sei; der Kommissar der 
Rogieniug in Frankfurt hat zwar die Spuren des Schiehcr- 
falzes. aber keinen Rauchabzug au dieser Stelle gefunden. 
Lud dennoch stimmt die Patent -Kommission indirekt der 
allgemein ausgedrückten Behauptung Arnold'», dass der 
Betrieb seines ( Ifens mit dem des Ringofens übereinstimme, bei 

her zweite Hauntzeuge ist ein Kommissions-Rath Kessel, 
welcher — im direkten Widerspruch mit dem Thatbestand 
und allen anderen Zeugen — ganz genau weiss, dass die 
feststehende Feuerung neben der Einkarrthür völlig aufge- 
geben uud ausschliesslich von oben gefeuert worden sei! 

Von den 4 charakteristischen Bestandteilen des Ring- 
ofens hat der ununterbrochene Ofenkanal die meiste Wahr- 
scheinlichkeit für sich; den eisernen Schieber, der das ganze 
üfenprofil schloss, hat aber Niemand von den Zeugen ge- 
sehen, nur Einer erinnert sich, gehört zu haben, dass 
Blechstücke von 47 z< °. (18 Zoll) Höhe und Breite, welche 
ls44 oder 1H4Ö auf dem Hofe gelegen haben, von Schiebern 
herrühren sollten. Regierungsrath Wiehe hat Seliiolier- 
schlitze konstatirt und Stellen, wo Falze gewesen und ab- 
gehauen sein können, gefunden; es ist aber ebenso gut die 
Annahme zulässig, dass hier gemauerte Wände, etwa ans 
ungebrannten Steinen, aufgeführt wurden. (?) 

Der Verschluss der Kanäle durch Glocken in Sand ist 
nicht behauptet worden. 

Wie schon angedeutet, ist der Beweis, dass eine Feue- 
rung von oben in der Weise wie beim Ringofen- 
betriebe stattgefunden habe, für durchaus verfehlt zu er- 
achten, zumal nirgend von der Aussparung von Heizschslch- 
ten die Rede ist und in Löcher von 4* und lÖ.'j mm oder 
selbst 60 und 120°"" Weite keine „Holzscheite" eingeführt 
werden können. 

Es kam nun noch darauf an, nachzuweisen, dass die 
..Erfindung" des Herrn *Vrnold schon vor Erteilung des 
Ringofenpatentes bekannt gewesen sei. Nachdem die Be- 
hauptung, II offmann selbst, sowie der Mühlenbaumeister 
Büsscher in Neustadt-Eberswalde habe Kenntniss von dem 
Arnold'schen Ofen gehabt, widerlegt worden, bleibt (ausser 
Arnolds Bruder uud seineu eigenen Leuten) nur ein ein- 
ziger Zeuge, der KoUiuiissiotis-Rath Kessel übrig, derselbe, 
welcher sich mit seiner sonstigen Aussage, wie oben erwähnt. 



IftMHnru aiii »lein Orient. 

m 

Gerade vor uns und westlich vom Stadion erhebt sich auf 
einer hi ben, an den Ecken abgerundeten und durch gewaltige 
Blöcke gestützten Terrasse eine aus dem Kelsen gehauene Platt- 
form von jo™ Durchmesser. Durch sechszehu in diese zentrale 
Kelskuppc derb uud roh hiiieingeschuittene Nischen siud. deu 
Zahnen eines Zahnrades vergleichbar, sechszehn strehepfeilerar 
tige Vorspränge gebildet worden, von denen die vier nach den 
Haupt riclitunpen der Windrose gestellten beträchtlich breiter 
als die übrigen sind. Dass die Oricutirung des Fclseuplatzcs 
WtstStitlicfa war. beweiscu die in «lein Westpfeiler eingeschnit- 
tenen l'elsst ufeii, welche die Verbindung zwischen dein weitge- 
dehuteu Terrassenplatze und der zentralen Plattform vermittel- 
ten. Durchschreitet mau iu westlicher Richtung die Terrasse, 
so stösst man au ihrem Wcstabhange auf eine lange, über dem 
schroffen Abstürze eines Steinbruches schwebende und mit Po- 
desten und Sitzplätzen ausgestattet« Felsentreppe, welche von 
unten, d. i. vom alten Mecresstrandc zur Terrasse und zur Platt- 
form eiiiporfulirtc- Ks kann keinem Zweifel unterliegen, dass 
in dieser altertümlich ungefügen aber echt monumentalen 
und kostbaren Anlage ein hoclialtes Heiligtum er! alte-. ist, 
welches an den merkwürdigen von W eicker und Curtius als eiu 
ZeuS- Heiligtum erkannten FcIseupiaU (der fälschlich soge- 
nannten Pnyx) zu Athen iu überraschender Weise erinnert. Nicht 
zu übersehen ist die sorgfältig gewählte Lage dieses Platzes, 
genau halbweges auf einer geraden Linie zwischen dem Kara- 
sus-Sattel um St. Paul's ticlängniss, wo unzweifelhaft die Au- 
sheilung der unter Audroclus eingewanderten Athener zu suchen 
ist, und dem Arteniisioti; deuu sie begiuudet die naheliegende 
Vermutung, dass Iiier schon in vorgeschichtlicher Zeit ein reli- 
giöser Mittelpunkt für (iciiieinde-Kiiltus geschaffen «erden ist, 
der eine vermittelnde Krücke zwischen dem attischen Bürger- 
staate und dem asiatischen Priesterstaate bilden sollte. Auf- 
fallender Weise ist diese höchst eigentümliche Bauanlage zwar 



von älteren Reisenden erwähnt aber uie nach ihrer lokalen wie 
struktiven Bedeutung gewürdigt worden. Kalkeuer's Bezeich- 
nung dieses Felsenheiligthums als Serapeion schwebt völlig in 
der Luft uud bedarf keiner Widerlegung. 

l>as Stadion ist trotz aller Zerstörung und Ausplünderung 
noch wohl erkeuubar. Eiuu auf Stylobaten ruhende Säulenar- 
kade von i > N «; Säulen zwischen Auteu uud Pfeilern bildete den 
Eingang. Die aus der Verschattung hervorgezogenen Reste 
(asseii durch ihre Kunstformen sowie durch die flüchtige Tech- 
nik eine späte Bauzeit, etwa vom Ende des I. Jahrb." u. Chr. 
Gebort erkennen. Die Säulenschäfte fehlen, die Basen waren 
attisch-ionisch gestaltet, auf deu korinthischen Kapitellen ruhten 
arehitravirtc Hugen. ähnlich denen der Wasserleitung vom 1L>- 
rulogiou des Aiidronicus zu Athen, uud ein mit Ueiaonfnssen 
versehenes (ieison bildete die Krönung. Die Läng« der Reuu- 
bahu betrug •£2:\'i[) m , die Breite rund M ». Am oberen Ende ist 
wie am panatheuäischeu Stadion zu Athen durch eine niedrige, 
nach innen wie nach aussen gekrümmte Mauer mit kleinen Eck- 
räuiuen ein besonderer 4II« 1 langer Raum abgetrennt worden, 
der allerdings als eine spätere Herstellung erkennbar ist. alter 
doch die Erneuerung einer älteren und nur zeitweis beseitigten Ein- 
richtung gewesen sein kanu. Es liegt nahe, diese Kautnabthei- 
lung als die Stelle des Kiug- und Faustkainpfplatzes im Pent- 
athlon aufzufassen. Nach Ab/.ug dieses Baumes mit 40 • von 
der Tutallinge von •2t.* J M m ergiebt sich das genaue Stadion- 
maass mit BW». Von den Sitzplätzen sind noch einige wenige 
vom oberen Ende am Platze; ulle übrigen fehlen. Die rechte 
Hälfte der Sitzreihen ruht auf dem geschickt benutzten Priou- 
abliatige, die linke wird durch grosse, aus quergelegten Tonnen- 
gewölben in üusswerk hergestellte Substruktionen getragen. 
An der rechten Schenkeluiuuer steht als Abschluß der Stufen- 
reihen ein grosser Marmorbogeu auf simirteti und zabuachnittbe- 
setzten Kämpfern, der wegen seiner Zusammeufügung aus älte- 
ren, iuscliriltieiehen Prachtquadern, sowie wegen seiner charak- 
teristischen Käinpicrformen der altchri-dlicheu Epoche eutstau.- 
men muss uud den Zugaug zu einer alten mit rclsgräbern be- 
setzten Strasse auf den Prion eröffnete. 

Parallel mit dem Stadion sind noch auf künstlich geschaffe- 



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— 103 - 



mit dem Tbatbestand in völligem Widersprach befinde». 
Eine Erfindung von Bedeutung wäre doch wühl in einer 
kleinen Stadt wie Fürstenwalde bald bekannt gewordeu ; aber 
die Nachbarn. Freunde uud Bekannten Arnold» wissen nur. 
dass er selbst oft von seinen Ideen gesprochen, halten aber 
von seinen werthvollen AusfühiUQgen keine Ahnung gehabt. 

Ob nun eine derartige Sachlage der Anforderung der 
Patent-Vereinbarungen, dass die Erfindung ..bekannt" ge- 
wesen «ein müsse, entspricht oder nicht, will ich dem Ur- 
theil des Lesers hiermit unterbreiten, auch noch hinzufügen, 
dass in jenen Bestimmungen der Passus steht: 

„in solchen Fullen, wo der patentirte Gegenstand zwar 
Einzelnen schon früher bekannt gewesen, von diesen jedoch 
geheim gehalten worden ist. bleibt das Patent, soweit dessen 
Aufhebung nicht etwa durch andere Umstände bedingt wird, 
zwar bei Kräften, jedoch gegen die gedachten Personen ohne 
Wirkung."' 

Die Patent - Konimission, welche die l'ebereiiistimmung 
des Hoffmann'schen und Arnold'schen Ofens angenom- 
men, hat von diesem Auswege keinen Gebranch gemacht, 
obwohl er nahe genug lag. 

Eine solche Entscheidung hätte zwar den Antragstellern 
iiis Iii genügt, aber den Erfiuder Hoffmann, der nach lang- 
jähriger unermüdlicher Arbeit einen Apparat von ausseror- 
dentlichem Werth geschaffen hat. während der Arnold'- 
sche Ofen ein unbrauchbares Werk geblieben ist, vor den 
maasslosen Beschimpfungen und Ansprüchen im In- und 
Auslande bewahrt, von denen ich hier noch kurz das Wich- 
tigste berichten will. 

Vorher ist aber noch eines Umstandcs zu erwähnen, für 
welchen jegliche Erklärung fehlt. Maurermeister Arnold be- 
hauptet nämlich, dass er beabsichtigt habe, seine Erfindung 
patentiren zu lassen, er habe diese Sache mündlich dem 
Herrn Geheimen Oberbaurath Wedding (schon damals 
Mitglied der Patent-Kommission) vorgetrauen, aber den Be- 
scheid erhalten, sein Ofen sei uieht patentfähig. I m so 
mehr habe er sich gewundert, dass wenige Jahre später die 
Herren H of f mann uud Licht auf diescl bc Einrich- 
tung ein Patent erhalten hätten. 

Arnold hat 12 Jahre laug diese ihm wiederfahrene Un- 
gerechtigkeit verschwiegen: jetzt erst tritt er damit vor die 
Patent-Kommission zn einer Zeit, da Herr Geh. Rath Wed- 
diug noch lebte, und dieser schweren Beschuldigung wird 
weder von Seiten des Herrn llandelsministers noch der Pa- 
tent-Kommission mit einer Sillie gedacht. 

Ibhü war der Hoffmann'sche Kingofen patentfähig, 
der Arnold'sche aber nicht, und 1N70. d. i. 2« Jahre, nach- 
dem der unbrauchbare Arnold'sche Ofen umgebaut worden, 
wird Arnold als der wahre Erfinder proklamirt und Hoff- 
mann, dessen Konstruktion in 7ltO Ausführungen brillante 
Erfolge zeigt, als Plagiator an den Pranger Bestellt. 



Wie .schon in der Einleitung erwähnt, sind die gegen 
Hoff manu verfassten Schmähschriften in fremde Sprachen 
übersetzt und haben den Nachahmern den Stoff zu gleichen 
Augriffen Regen die ausländischen Ringofctipateiite geliefert. 

In Oesterreich kamen nun diese Streitigkeiten damit 
zum Austraue, dass eine von dem K. K. Handelsministerium 
zu Wien niedergesetzte Kommission von Sachverständigen 
die Neuheit der Ringofen- Konstruktion aufrecht erhielt. In 
Italien dagegen, wo die Parteien mit grösseren Hülfsmittelu 
auftraten und die Patentgesetze derartige Angelegenheiten 
vor die Schrankeu der Gerichte verweisen, nahm der Kampf 
ganz enorme Dimensionen an; in gleicher Weise bedeutungs- 
voll ist aber auch die daraus hervorgegangene Expertise, 
aus welcher einige Stellen, welche sich speziell anf den Ar- 
nold' scheu Ofen beziehen, in wortgetreuer Uebersetzung 
folgen: 

„Die Experten sind über tlie.se Angelegenheit unterrichtet 
durch eine legalisirtc Kopie des oben genannten Annullirungs- 
Dekretes, durch die Verhandlungen, die dem ministeriellen 
Entscheide vom !t. August 1*70 vorausgingen und durch 
einen Artikel aus Dingler's polytechnischem Journal 
(Band CXCVII. Heft 2, No. 85, von Seite 157—145, Jahr- 
gang 1*7(>), in welchem ein Herr Paid Loeff aus Berlin 
einige Notizeu über die Geschichte der koutiuuirlieh bren- 
nenden Offen zu bringen vorgiebt und dabei gleichzeitig als 
Gegner des Herrn lloffmann auftritt. 

Es wird durchaus keine regelrechte und klare Be- 
schreibung des sogenannten Arnold'schen Ofens gegeben, 
man erfährt in keiner Weise etwas über die Hauptsache, 
d. h. über die Zusammenstellung der einzelnen Ofenorgaue 
selbst, worauf Alles ankommt; kein Wort wird gesagt über 
die Art und Weise, wie denn eigentlich dieser soge- 
nannte Arnold'sche Ofen fnnktionirt haben soll? 

Die von Herrn Paul Loeff publizirte lithographirte 
Zeichnung dieses sogenannten Arnold'schen 'Mens steht 
im Widerspruche mit verschiedenen Einzelheiten der Ver- 
handlungen; ausserdem zeigt es sich, dass dieser sogenannte 
Arnold sehe Ofen sehr grosse Verschiedenheiten in seiner 
Konstruktion im Vergleich mit dem Hoffman'sehen auf- 
zuweisen gehabt, und was die Hauptsache ist, es stellt »ich 
heraus, das» der frühere, im Jahre ISü'J erbaute Arnold- 
sehe Ofen feste, gewöhnliche Rost feue ru n gen in der 
äusseren Ofeuwand licsass, dass er im Siebeneck gebaut war 
und für jede Seile des siebeneckigen Bauwerkes mit solchem 
feststehenden gewöhnlichen Feuerheerde ausgestattet war. 

In Folge der gewissenhaften Untersuchungen, welche die 
Experten über diesen Gegenstand anzustellen veranlasst 
wurden, erklären dieselben einstimmig, dass die Umstände: 

„dass nichts sich herausgestellt hat ül>er die Art und 
Weise, wie dieser sogenannte Arnold'sche Ofen funktiouirt 
haben soll; dass in der Publikation des Herrn Paul Loeff 



nem Terrasseuuuterhau diu stark reduzirten Reste eine» statt- 
lichen Gebäudes erhalten, welches, aus grossen gewölbteu Sälen, 
kleineren Ncbengemäehern uud sehr breiten Korridoren beste- 
hend, bald für einen Palast, bald für eiu Gymnasium gehalten 
worden ist. Die bevorzugte Lage längs der Nordseite der Stadt- 
mauer uud direkt auf derselben aufgesattelt, mit den schönsten 
Aussichten auf das Meer, die Häfen, den l-'luss uud das Arte- 
mision, sowie die gesicherte Existenz einer \ou Portiken um- 
gebenen Gartenterras.se au der lliuterseite sprechen für die Ver- 
mutbuug, dass hier der Amtssitz eines höheren römischen 
Verwaltungsbeaintcu zu suchen ist. 

Wenden wir uu» zum Stadion zurück, so führt uns die gut 
gepflasterte antike Strasse an dem westlichen Abhänge des Prion 
entlang und gestattet zur Rechten den deutlichen Ueberblick 
über diu am Stadthafeu belegenen Ruiueugruppen, einer sehr 
grossen Agora mit zwei Gymnasien, einer Doppelkirche, meh- 
ren Stoeu und Tcmpcltcrrassen, während zur Linken das in die 
südliche Prioukuppc eingeschnittene Theater von der Höhe uns 
entgegenwinkt. Es ist eine der mächtigsten Anlagen dieser 
Denkmälerklasse, aber stark verschüttet. Der Durchmesser des 
Theatrou beträgt über 200 01 ; zwei Umgänge und eine Oherhallo 
sind erkennbar, aber die Treppenzahl ist ohne Aufgrabung nicht 
zu ermitteln. Woblcrluiltcn stehen die Schcnkelmaueru aus 
grossen, schwarz gewordenen Marmorquadcru über ;ö '» hoch 
aufrecht; dagegeu ruht eiu Sehuttberg über dem aus edelstem 
Materiale erbaut gewesenen Skeueugebäude. Seit Mr. Woods ge- 
machten über keineswegs erschöpfenden Ausgrabungen, welche 
Reliefs uud Statuen geliefert haben, ist hier ein unbeschreibliches 
Chaos von Baustücken entstanden, zu dessen kunstwissenschaft- 
licher Bewältigung behufs einer zuverlässigen Aufnahme mehr 
Zeit und Hülfsmittel gehörten, als wir besaaseu. Die umher lie- 
genden Trümmer lassen zwei Bauepochcu. eiue hellenistische uud 
eine römische (hadriauische) erkennen. Schöne Säuienschäfte 
von polirtem Grauit, von afrikanischem und synnadiscliem Mar- 



mor, zum TheU noch auf ihren Stylobaten stehend, ionische 
Kranz- und Kassetteublöcke, sowie I'riesstiicke mit Reliefs uud 
mehre Statucutorseu lassen die ehemalige glänze ude, ja überreiche 
Hier wäre eine sorgfältige Ausgrabung 



sehr am Platze, da die tief verschüttete Orehestra höchstwahr- 
scheinlich noch unangetastet liegt uud langerwüuschte Auf- 
schlüsse über die Thymele des griechischen Theaters gewähren 
würde. Die Lage ist wieder über alle Maassen herrlieb, nach 
Westnordwest und auf das Meer gerichtet, rechts die Kavster- 
EL'cuc, links die Koressuskctte, zu den Füssen der grosse Markt 
uud der Hafen. Die zur alten Hafeneinfahrt genau axiale Stel- 
lung des Theatrous scheint nicht ohne Bedeutung und dürfte 
hieraus die gleichzeitige Anlage beider bei dem grossartigen 
Stadtprojekt« des Lystuiachus sich erweisen lassen. Denn un- 
verkennbar hat dieser von dem Pilgerhafen am Arteiuisiori 
wohl zu unterscheidende Stadthafeu in alexandriuischer Zeit bis 
an den Prionabbaug gereicht und ist erst bei seiner rasch vor- 
schreitendeu Verschlammung künstlich durch einen breiten 
Damm zurückgedrängt wurden, um die Anlag« einer kolossalen 
von Süden nach Norden gerichteten forumurtigeii Agora zu er- 
möglichen. Dabei hat mau ein grosses oblonges Bassin, in des- 
sen Zentrum eiue kleine Bauaulage stand, in der Mitte der Agora 
konservirt uud mit Portiken und öffentlichen Gebäuden um- 
ringt. 

Zwei Gymnasien begrenzten an der Ost- wie Westseite die- 
sen Liebliugümittelpuukt aller ionischen Städte; ein kleineres 
in der Nähe' des Theaters, ein zweites, das grösste aller in Ephc- 
sus befindlichen Gymnasien dicht am Hafen. Erhebliche Ruinen 
sind von beiden erhalten, aber die werthvollsten Baureste, wie 
Krauzgesimse und Granitsäulen, liegen noch verschüttet uud 
harren der sachgemäßen Erforschung. In technischer Be- 
ziehung stimmen beide dariu überein, dass der überwiegende 
Theil der aus Sälen uud Hallen zusammengesetzten Anlage mit 
Kreuz- und Tonnengewölben vou Backsteinen l>edeckt war, wäh- 
rend die Mauern und Pfeiler aus M.irniorquader/f bestanden. 
Am grossen Gymnasium iniponiren die Abmessungen. Der 
Mittelkorridor, der das oblonge Gebäude in südnördlieher Rich- 
tung der Länge nach durchschneidet, ist 155 Meier lang und 
17 Meier breit. Links vou demselben liegt in der Mitte di r in 
üblicher Weise mit drei Kreuzgewölben auf K Grauitsäulen über- 
wölbte Hauptsaal von 37 Meter und 20 Meter. Die acht Wider- 
lagspfeiler sind in so kolossalen Maassen (i) Meter tief) uud ohne 



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— 104 



fehlerhafte, willkürliche nnd den Verhandlungen wider- 
sprechende Angaben enthalten sind; dass der Betrieb mit- 
tels fester Feuerheerde an dem früheren Arnold'schen Ofen 
als unwiderruflich konstatirt angenommen werden rousa 
und dass bei festen Fenerheerden eine Feuerung nach Hoff- 
mann'schem Prinzip in vielen gleichmässig vertheil- 
ten vertikalen Heizschächten als möglich nicht an- 
genommen werden kann (wozu auch die obenerwähnten we- 
nigen Öffnungen, welche sich in dem Gewölbe des früheren 
Arnold'schen Ofens befunden haben sollen, durchaus kein 
Motiv abzugeben geeignet sind)" — den Experten selbst 
keine andere Veranlassung geben können, als diejenige: 

den früheren, sogenannten Arnold'schen Ofen 
hiermit zu bezeichnen als einen der vielen vor 
dem Hoffmann'schen System aufgetauchten Appa- 
rate ohne Erfolg und ohne irgend welche Beteili- 
gung zu nützlicher industrieller Verwendung, wel- 
ches sich auch ganz von selbst schon dadurch konstatirt, 
dass dieser sogenannte Arnold .« che Ofen aufgegeben nnd ver- 
lassen worden ist, lange bevor die Hoffmann'schen Oefen 
sich ihre segensreiche Einführung in die Gewerbe errangen. 
Turin, 25. November 1871. 

Im Original unterschrieben: 

Commendatore Ingegnere Candido Borella. 

Cavaliere Ingegnere Michele Elia. 

Cavaliere Ingegnere Giovanni Curioni." 
Ein ausführlicherer Auszug aus dieser an Gründlichkeit 
und Sachverständniss hervorragenden Expertise wird mitge- 
teilt in eine 



Ingenieur Hrn. Carl Reuleaux zu Turin verfassten Brochflre*), 
| worin derselbe seinen deutschen Fachgenossen resp. einer 
{ nochmals zu veranstaltenden offiziellen deutschen Expertise 

folgende Fragen zur Erwägung empfiehlt: 

1) Wie ist der Hoffmann'sche Ringofen beschaffen nnd 
: wie funktionirt derselbe? 

2) Wie war der frühere sogenannte Arnold'sche Ofen 
beschaffen und wie fnnktionirte derselbe? 

3) War in dem früheren sogenannten Arnold'schen Ofen 
der Luftzutritt ein freier und ungehinderter in der ganzen 
Querschnittfläche des Beschickungsraumes? 

4) Fand in dem früheren sogenannten Arnold'schen 
Ofen die Verbrennung direkt ohne alle Zwischenmittel, zwi- 
schen den glühenden Hassen selbst statt? 

5) War in dem früheren sogenannten Arnold'schen 
Ofen alle, die Verbrennung unterhaltende Luft in dem Mo- 
mente des Kontaktes mit dem zu oxydirenden Feuernngs- 
material bis zur höchsten Temperatur, das heiast, bis zu 
derjenigen der glühenden Massen selbst erhitzt? 

Es ist im Interesse der Sache nur zn wünschen, dass 
diese Fragen von Seiten unserer Fachgenossen einer gründ- 
lichen Erwägung unterzogen werden und die vielseitigste 
unparteiische öffentliche Beantwortung finden. Möge darum 
auch die erwähnte Broschüre, welche mit grosser Wärme 
geschrieben, durchaus den Standpunkt des deutschen In- 
genieurs vertritt, der Beachtung der gesamraten bautechni- 
schen Welt bestens empfohlen seinl 

Berlin, im Marz 1872. A. Ummerhirt. 

•) Auch «ist Ai.b.un-Fr.g. tu. VirUg tob i 



Au der Thfttigkeit der den t sc hrn Fe Idriseu bahn- Abteilungen. 



VI. Brückenbanten. Mittheilnng der 2. Sektion 
der Feldeisenbahn- Abtbcilung No. IV. 

Unter den Arbeiten, welche den Fefdeisenbahnen bei 
Wiederinbetriebsetzung der französischen Bahnlinien begeg- 
neten, waren die zur Wiederherstellung zerstörter Brücken- 
bauwerke die allerhäufigsten. Abgesehen von dem, wohl 
nur bei der Feldeisenbahn- Abtheilung No. IV. vorgekomme- 
nen Falle eines wirklichen Neubaues (der Moselbrücke bei 
Pont-ä-Monsson in der Feldeisenbahnlinie Remilly-Pont-a- 
Mousson), hat es sich im Allgemeinen um Restaurirung 
gesprengter Brücken gehandelt; der gewöhnlichere Fall war 
ausserdem der, dass bei Bauwerken mit mehren Oeffnungen 
die eine oder die andere derselben zerstört, seltener dass 
sfiranitliche Oeffnungen gesprengt vorgefunden wurden. 

Indem angenommen wird, dass es sich hier 'stets nur 
um Wiederherstellungsarbeiten in Holz handelt, so lassen 
sich die verschiedenen Methoden, nach denen das System 



des Wiedcrherstellungsbaues im Allgemeinen gewählt wird, 
wie folgt unterscheiden: 

a) die vorhandenen Oeffnungen werden durch Ein- 
fügung von Holzjochen in solche von kleineren V 
zerlegt; 

b) die Oeffnungen werden in ihrer vollen Weite 
Holzträgerkonstruktionen überdeckt; 

c) die Oeffnungen werden sprengwerkartig Überbant 
Ad a) Die Methode zeichnet sich durch besondere 

Einfachheit aus, wird aber in weit wenigeren Fällen zu- 
lässig resp. angänglich sein, als e« den Anschein haben 
möchte. Wenn die Ausführung von Rammarbeiten der 
Wasserverhältnisse und des Untergrundes wegen leicht mög- 
lich, so schreitet die Ausführung allerdings schnell vorwärts, 
nnd ist dabei noch möglich, die Joche in Entfernungen von 
nicht über 4 bis 5" von einander aufzustellen, so genügen 
gewachsene kräftige Stämme zur Ueberdeckung der Oeff- 



seitliche Durchbrechung aufgeführt worden, dass die sonst üb- 
lichen Seitenschiffe hier nur als 7' , Meter tiefe Nischen er- 
scheinen und die ganze Anlage sich als eine bemerkens- 
wertbe Vorstufe für die cutsprechenden Riesenanlagen 
der Caracalla- und Dioclottans - Thermen zn Rom zu 
erkennen riebt An den Ilauptsaal schliessen sich an jeder 
Seite drei Parallelräume, alle mit der Aussicht auf den Hafe 



Jen, 

während zwei andere Hauptsäle rechts vom Korridor mit einer 
Palästra von IM"' und 64", die mit der Agoi 
in Verbindung stehen. 

Merkwürdig, aber ganz rätselhaft ist die durch zwei vier- 
eckige mit Podesten versehene Treppen zugängliche Kcllcr- 
anlage, welche, grossentheils verschüttet und deshalb unerforscht 
einem ausgedehnten und sehr regelmässig gebauten Labyrinthe 
gleicht Dieser kostbaren und besonderen Substruktion wegen 
hat man in der Ruine häufig Reste des Artemisions zu finden 
geglaubt. Doch ist der Oberbau nie etwas anderes als ein 
Gymnasium gewesen, und zwar eines im Sinne der älteren 
Auffassung des Programms, wonach die Räume zum Baden gegen 
die Räume für Leibesübungen noch völlig zurücktreten. Grade 
in diesem Punkte zeigt das zweite, am Theater belegene Gym- 
nasium durch seine reiche und symmetrische Grundrissbildung 
und die entschiedene Betonung der BaderSume, die bereits 
auf griechischem Boden sich vollziehende Fortentwickelung von 
den ursprünglich nur zur harmonischeu Eutwickelung aller 
I-eibes- und Seelcnkräfte der Jugend bestimmten Staatsbauten zu 
den spateren, ausschliesslich dem verschwenderischen Müsaiggange 
einer genussüchtigen Volksmenge gewidmeten KaiserbSdern zu 
Rom, 

An de* Nordseite der Agora befindet sich die bereits er- 
wähnte und mehrfach (unter Andern bei Hübsch) publizirte 
Doppelkirche St. Marcus, ähnlich wie St. Lorenzo ausserhalb 
der Mauern zu Rom aus zwei hintereinander gestellten Kirchen 
bestehend. Die Vorderkircho war gewölbt, wahrscheinlich mit 
einer Kuppel über der Vierung; die llinterkirche war hoch- 
schiftig nut Emporen gestaltet und besass auf Arkaden ruhende 
Holzdecken. Da eine Aufgrabung bisher noch nicht erfolgt ist, 
bleibt die Frage wegen der Krypta unentschieden. Die Hat 



sind klein, die Technik ist schlecht — beispielsweise ist die Apsis 
der Hinterkirche ganz aus Gussmörtelwera hergestellt und mit 
kubischen Quadern bekleidet — die ganze Ausstattung macht 
einen dürftigen Eindruck. Da auch diese Kirche unzweifelhaft 
der altchristlichen Epoche entstammt, wie ähnliche Schwester- 
kirchen zu Sardes und Thyatira, so helfen alle drei die auf- 
fallende und bisher viel zu wenig gewürdigte Thatsachc stützen, 
dass das Christenthum in dem ersten Jahrhundert seiner staat- 
lichen Anerkennung nur sehr bescheidene Schöpfungen, selbst 
an so hervorragenden Punkten der ältesten Kirche, wie zu Epheaus, 
Sardes und Thyatira, zu Stande gebracht hat 

In der Nähe der Doppelkirche, aber mehr östlich am Prion 
gelegen, verrathen ganze Reihen von Granitsäulen stumpfen die 
Existenz lauger Stoenanlagen, die diesen Stadtteil als einen be- 
sonders verkehrsreichen bezeichnen. Vier quadratisch gestellte 
Granitsäulen stehen isolirt, als hätten sie ein bevorzugtes Ehren- 
dcnkmal getragen. Oestlich von diesem Tctrakionion erbebt sich 
das von älteren Reisenden oft erwähnte und unter dem Namen der 
St Johannes • Baptista - Schaalc bekannte grosse Springbrunnen- 
becken aus rothlich weissem Marmor, 5 m im Durchmesser haltend 
und fast l m hoch. Lange Jahre hindurch war dasselbe verschüttet 
letzt ist es wieder aufgedeckt. Es ist ein spätes, in redozirten 
Kunstformen hergestelltes Werk, nicht vergleichbar mit den 
Prachtstücken der vatikanischen Sammlung, — aber lehrreich 
durch seine Existenz auf antiker Stelle. 

Doch die Zeit ist edel, wir müssen weiter. Unser Zielpunkt 
ist das stattliche, weithin sichtbare, aber nicht genau erVenn- 
bare Gebäude auf dem letzten Koressus-Vorsprunge, an welchem 
seit Jahrhunderten der Name St Paul's Gefängniss haftet Wir 
streifen daher nur flüchtig eine grossartige quadratisch«, rings 
von Portiken nnd Buden umgebene zweite Harktanlage, südlich 
von der Hauptagora und bemerkenswert durch ein im Zentrum 
aufgestelltes BrunnengebSude, eilen an dem oft erwähnten korin- 
thischen Prostylos-Tempel des Claudius, dessen Front auffallen- 
derweise Nordnordost gerichtet ist nnd vier Säulen zwischen 
den Anten besass, vorüber und steigen an den schroffen Hangen 
des Koressus langsam in die Höhe. Es ist ein beschwerlicher 
Ritt auf antiker aber teilweise zerstörter Strasse. Auch hier 



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— 105 - 



innigen und direkten Aufnahme der Schienen and Schwellen. ! die «eh in den verhältnismässig nicht schweren Moselkies 

Aber die ganze, sonst höchst einfache Konstruktion verbietet mit einer Zugramme mittlerer Grösse und ohne Anwendung 

sich meist aus dem Umstände, dass sie einem kräftigen eiserner Pfahlschuhe 2,2" tief eintreiben Hessen. Einige 

Wasserdrucke nicht widersteht; ein plötzlich eintretendes | Joche am rechten Ufer wurden, weil hier die Steinaberreste 



n«. 1. 



Flg. 1 - L M.i.l.ri.kf ktt ?•■(■!■■•■••«■. 

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Flg. 4 — & Brückl fktr den Armenjon hei Haiti • •a« Iltllfll. 

Fl«. 4. 



Flg. ». 





Fl». «. 




Hochwasser, namentlich bei Gcbirgsflfissen, wird den Joch- 
bau mit grösster Wahrscheinlichkeit vernichten. 

Als Beispiel für diesen Fall sei die Eingangs erwähnte 
Moselbrücke bei Pont-a-Mousson angeführt. Dieselbe war 
eine einfach konstruirte Jochpfahlbrücke, nach Fig. 1 resn. 3. 

waren ans eingerammten Pfählen gebildet, 



Die Joche 



einer früheren Buhne die Rammarbeiten unmöglich machten, 
nach Fig. 2 als Böcke auf feste Steinunterlagen aufgesetzt 
und mittels eiserner, in den Steinboden eingetriebener Anker 
befestigt Die ganze ca. 85™ lange und auf 22 Jochen 
rnhende Brücke wurde in 14 Tagen ausgeführt, nämlich am 
2. September 1870 Nachmittags begonnen und am 16. Sep- 



treffen wir in missiger Höhe ein altes, künstlich aus dem 
Felsen gehauenes Hciligtbum mit Yotivnische und Steinbänken. 
Andere, aus dem Felsen gehauene grosse Exedren erheben sich 
hoch über uns ? längs einer zweiten parallelen FeUcnatrasse, 
welche in klassischer Zeit wegen ihrer schattenreichen und den 
Seewinden ausgesetzten, hohen und stillen Lage einen liaupt- 
spazierweg der Ephcsier, zumal des Abends, gebildet haben muss. 

Endlich erreichen wir den breiten Sattel, mittels deinen 
der Koressus mit dem weit vorgeschobenen Hügel, der St. Paul's 
Gefängnis» trägt, zusammenhängt Zu unserer Linken kommt 
die kolossale Ringmauer, welche mit Thürmen und Thoren den 
ganzen Kamm des Koressus krönt, herabgestiegen und senkt sich 
noch einige Hügelstufen weiter links abwärts, um alsdann stets 
in geschicktem Terrainanschlusse zu unser Rechten zurückzu- 
kehren und sich mit der stolzen, thurmartigen Befestigungs- 
anlage — als solche erkennen wir jetzt St Tauls Gcfängniss 
deutlich, obsebon es noch über 40» über unserem Standpunkte 
thront — zu verbinden. 

Wir klimmen zu dem nur in den Obergeschossen zerstörten 
Bauwerke hinauf und treffen einen 15™ Quadratscite messenden 
marmornen Wartthurm, den zwei sich kreuzende Innenmauern 
in allen Etagen in vier Räume theilten- Noch stehen andert- 
halb Geschosse von diesem ohne Mörtel erbauten Befestigungs- 
prachtbau; die Stärke der Mauern beträgt 1,46"»; die technische 
Herstellung ist als Kmplecton mit durchgehenden Quaderbindern 
erfolgt. Die Aussenquadern zeigen sich als schlichte Buckel- 
quaderu ohne Randbeschlag und wuchtiger als die der servischen 
Mauer oder des Augustus - Forums zu Rom. Die vier Erdge- 
schossräume waren durch schmale spitzbogig überkragte Thören 
mit einander verbunden. Der Zugang fand auf der Ostseite 
statt mittels einer ebenfalls spitzbogig gezeichneten, aber nicht 
überwölbten, sondern durch Ceberkragung formirten Pforte von 
1,52* Breite. Die Fussbflden wurden, wie die messbaren Mauer- 
löcher beweisen, von Holzbalken getragen. Von Wftlbungs- oder 
struktur ist nichts zu sehen. Die Quadcrbfthe beträgt 
" ' zu 0,70 -0,90-1,20- Länge. Nach Norden 
mit 



niedrigeren Klippe stehenden Vorthurme nieder, welcher gleich- 
zeitig hergestellt worden ist, um in demselben mittels einer ver- 
steckten Treppe den gesicherten Zugang zu einer am Fusse des 
ganzen Vorgebirges sprudelnden Quelle zu gewinnen. Die ganze 
hochinteressante Anlage erinnert so lebhaft an verwandte Forti- 
fikationen ähnlichen Zweckes in den Ordensschlössern zu Marien- 
burg, Marienwerder und Thorn, dass man unwillkürlich das ge- 
flügelte Wort: „Es ist schon alles dagewesen" rezitirt. Leider 
ist es mir nicht gelungen, die Fortsetzung dieser interessanten 
Befestigungsanlage, welche mit der ganzen Korcssus-Befestigung 
aus einer Bauepoche, der des Lysiniachus, stammt, bis nach dem 
Hafen hinunter zu verfolgen. Höchstwahrscheinlich ist sie unten 
wegen der leichten Zugänglichknit früh zerstört worden. Der 
ganze St. Pauls-Thurm mit seinem zugehörigen Treppen -Vor- 
Selbst ein so umsichtiger Reisender wie Chandler ist nicht oben 
gewesen. Falkener beschreibt denselben so wenig als Hamilton, 
welcher sich doch die Mühe gegeben hat die ganze über 2,60 
Kilometer lange Koressus-Mauer mit ihren Thürmen und Thoren 
zu besuchen. Da Julius Braun von Gewölben und zwar soge- 
nannten Schiebegewölben (?) im Gefängnis* des h. Paulus spricht 
so muss ich bemerken, dass er sicherlich ebenfalls nicht an Ort 
und Stelle gewesen ist und nur die ziemlich flüchtigen Bemer- 
kungen Texiera. der in dem Thurme ein persisches Werk (!) 
erkannte, in nicht minder flüchtiger Weise verwerthet. Von 
Gewölben ist keine Spur vorbanden. Um sich die zerstörte 
obere Hälfte des Thurms zu rekonstruiren , muss man sich des 
von Laurent edirten, so wobl erhaltenen antiken Thurm > h auf 
der Insel Andres erinnern, obschön derselbe mir etwas jünger 
zu sein scheint als der Paulsthurm zu Ephesus. In jedem Falle 
verdient diese ganze, aus einem sicher datirbaren Zeiträume 
stammende Befestigung* -Anlage von Ephesus, nach ihrer Grösse 
und Erhaltung in der Statistik der hei! 
fortan eine hervorragende Stelle. 



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106 — 



tomber Abends mit der ersten Lokomotive befahren; von 
diesen 14 Tagen (ringen noeh 3 wegen heftigen Regenwetters 
für die Arbeit fast voollständig verloren. Die Brücke diente 
jedoch ihrem Zwecke nur kurze Zeit; das Oktober- Hoch- 
wasser der Mosel brachte die Joche zn Falle und trieb die 
Brückenbalken ab. Dieses Ereignis« war vorauszusehen; 
dennoch enlschloss man sich für die beschriebene Konstruk- 
tion wegen der kurzen Bauzeit und der geringen baulichen 
Hülfsmittel; vor Allem entschied aber die bei Beginn des 
Baues herrschende Ansicht auf eine sehr schnelle Beendigung 
des Feldzuges für die Wahl des Joch-Pfahlbaues; dass der- 
selbe zur Zeit des Hochwassers noch in Benutzung sein 
würde, wurde kaum als möglich angesehen. Der hölzerne 
Jochbau dürfte hiernach anwendbar sein bei massig tiefem 
Wasser, leichtem Sandboden nnd bei einein Bau, der nur 
für die Dauer der vom Hochwasser freien Jahreszeit bestimmt 
ist; er empfiehlt sich in diesen Fällen der Schnelligkeit 
wegen ganz besonders. 

Selbstredend sind hier eingeschlossen die Fälle, in denen 
wasserfreie Öffnungen zu überspannen sind; hier wird die 
Methode der Theilung in kleinere Öffnungen fast immer 
von Vortheil sein, wenn die Höhe d>>r Joche nicht die der 
vorräthigen Pfahllängen übersteigt. 

Ad b) Die Ueberdeekung der Öffnungen durch Träger- 
konstruktionen ;zu denen hier gewöhnliche Balken, verzahnte 
oder armirte Balken, zusammengesetzte Balkensysteme und 
auch Hängewerkskonstruktionen zu rechnen sind) ist im 
vorigen Feldzuge vielfach zur Ausführung gekommen; ob 
jedoch überall mit Berechtigung, dürfte fraglich sein. Es 
ist hier von so geringen Spannweiten abzusehen, bei denen 
einfache oder mit geringen Miltein verstärkte Balken noch 
ausreichend sind, also von den Weiten unter 6». 

Zu l'eberdecknngen grösserer Spannweiten ist besonders 
das Howe'sche System empfohlen und angewandt worden. 
Dasselbe erfordert jedoch eiue gute lneinanderarbcitung der 
einzelnen Theile. Ein in der Eile des Krieges flüchtig zu- 
sammengefügter Träger dieses Systems wird sich bei der 
ersteu Belastung sogleich in Bedenken erregender Weise 
durchschlagen und zu Repaniturarbeiten Veranlassung geben. 
Vortheile bietet dies System, wie überhaupt die zusammen- 
gesetzten Balkensvsteme naiunntlich deswegen, weil sie vor- 
rüthig gearbeitet ' und für beliebig kleinere, als die her- 
gestellten Spanuweiten verwandt werden können; immer 
aber wird eine gewisse Zeit behufs sorgfältiger Bearbeitung 
erforderlich sein. 

Sind so kräftige und lange Hölzer vorhanden, dass die 
Gurtungen ohne Stossverbindungen direkt aus den Hölzern 
zugelegt werden können, so empfiehlt es sich ganz k-sonders, 
die beiden Gurtungsbalken mit gewöhnlichen kreuzweis über- 
einander gelegten Brettern gegen einander auszusteifen und die- 
selben auf die Gurtungshölzer mit langen Drahtstiften so viel- 
fach zn vernageln, als die Kohäsion der Holzfasern zulüsst. 

Folgende Reispiele mögen noch zur weiteren Erläute- 
rung über die Anwendbarkeit der zusammengesetzten Balken- 
Systeme hier Platz finden. 

In der letzten Hälfte des Monats November 1870 erhielt 
die Sektion den Auftrag, nach dem Eisenbahnknotenpunkte 
Nnits-sous-Ravieres vorzurücken und eine dort zerstörte 
Öffnung derBrücke überdenFlussArmcncon herzustellen. Am 
2G. November traf die Sektion zu dem Zwecke von Blemes 
aus in Chanmont ein: der Weitermarsch verbot sich jedoch 
einstweilen, da die weiter südlich gelegenen Gegenden in- 
zwischen von Truppeu wieder entblöst waren. Es entstand 
deshalb ein voraussichtlich mehrtägiger Aufenthalt für die 
Sektion. Von der gesprengten Brückenöffnung war ein un- 
gefähres Maass nach einer früheren Rckognoszirutig bekannt. 
Da Chaumont gleichzeitig ziemlich gute Vorräthe au Bauholz 
uud Rundeisen aufwies, so wurde zur Bearbeitung eines zu- 
sammengesetzten Trägers geschritten, der. als am 3. Dezeml>er 
der Abmarsch möglich war, fertig mitgenommen und mit 
Pferden auf der Bahn forttransportirt werden konnte. Die 
Wahl des Systemes war also in diesem Falle zweifellos vor- 
geschrieben. Zur Vervollständigung des Berichtes ist noch 
zu erwähnen, dass die Sektion, als sie in Nuits-sous-Ravicres 
eintraf, fand, dass inzwischen auch noch die beiden übrigen 
(Jeffnungen der aus drei Bögen gewölbten Brücke zerstört 



waren, und der GleichmSssigkeit halber nunmehr sfimmtliehe 
3 Oeffnnngen mit Trägern in Art des Howe'schen Systemes 
ülwrdevkt wurden. 

Als weiteres hierher gehöriges Beispiel möge die in den 
Figuren 4 bis G dargestellte Rekonstruktion einer Brücke 
über denselben Fluss Armencon in der Nähe der Stadt 
Montbard, an der Paris- Lyoner Eisenbahn, dienen. Von 
den 6 Offnungen waren 2, wie in Fig. G dargestellt, zer- 
stört. Zur UelK-rdeckung der ersten Oeffnung wurde der 
Träger Fig. 4 und 5, für die zweite Oeffnung, in welche 
durch die Sprengung nur ein Loch geschlagen war, gewöhn- 
liche kräftige Holzbalken benutzt. Der bezeichnete Träger 
Fig. 4 und 5 war Seitens der Sektion bereits seit einigen 
Wochen als Reservetrüger mitgeführt worden und wurde 
hier der Kürze halber sofort benutzt. Er war angefertigt 
worden, nachdem sämmtliches Bauholz aufgebraucht und 
nur noch kieferne und eichene, 4 bis 8"" starke Bohlen, 
sowie Schraubenbolzen und Nägel vorräthig waren. Zu den 
Gurtungen wurden die kiefernen, zu den Streben die eichenen 
Bohlen benutzt; die in der Fig. 4 angegebenen Punkte be- 
zeichnen die Verbindung der im Grundriss angedeuteten 
Bohlenlagen, sowie der Streben mittels Schrauben bolzen; 
die Streben wurden jedoch wegen des geringen Ahseheerungs- 
widerstandes des Holzes parallel zu der Faserrichtutig noch 
ausserdem vielfach mit den Gurtungen vernagelt. Die in 
Fig. G angedeutete Unterstützung des Trägers durch eine 
bockförmige Mittelstütze hat folgenden Ursprung. Der Auf- 
trag zur Wiederherstellung der genannten Brücke war am 
19. Januar 1872 eingegangen; die Arbeiten wurden am 21. 
aufgenommen und am 2G. Wendet; am Aln-nd dieses Tages 
passirte die Lokomotive die Brücke. Ein Garibaldi'sches 
Streifkorps überfiel jedoch noch in derselben Nacht die 
Brückenwache. vertrieb dieselbe und setzte zur Wiederzer- 
störung der eben fertig gestellten Brücke eine Sprengpatrone 
unter das Trägerende bei n; durch die Gewalt der Explosion 
ward der Träger an jenem Ende in die Höhe geworfen, 
schlug heftig nieder und brach in der Mitte der Gurtung 
ein. An weiteren Zerstörungen der Brücke wurde das Streif- 
korps durch die Besatzung von Montbard verhindert; es 
hatte jedoch der Träger derart gelitten, dass er, wie in der 
Figur "angedeutet, unterstützt werden musste. 

Ad c) Der Sjirengwerksbau ist im Allgemeinen als das 
best.- System für Wiederherstcllungsarbeiten in Holz zu be- 
zeichnen. Wenn nicht die Zwischenpfeiler so tief unter 
Wasser weggesprengt sind, dass ein gegen Seitenschub 
sicherer hölzerner Pfeileranfbau unmöglich herzustellen, soU- 
ten die Sprengwerkskonstruktionen jeder anderen unbedingt 
vorgezogen werden. Die vorhandenen Reste des Pfeiler- 
mauerwerks, also diejenigen festen Theile, auf die sich der 
Wiederherstellnngsbau stützt, werden bei der Sprengwerks- 
köustruktion vollständiger verwerthet, als beim zusammen- 
gesetzten Balken. Letzterer überträgt nur die vertikalen 
Kräfte auf den Pfeilerbau, das Sprengwerk nutzt jedoch 
den vorhandenen Mauerkörper auch durch Ueliertragung der 
horizontalen Kräfte des Systemes aus. Das Sprengwerk 
erfordert deshalb weniger Material, die Zulage und Bearbei- 
tung ist weit einfacher, als bei den zusammengesetzten 
Träger - Systemen ; endlich lässt sich die Konstruktion 
leichter aufstellen Tind wenn sie bei der Belastungsprobe 
Mängel zeigt, durch einige Aussteifungen oder Klammern 
schnell verbessern. Eine mangelhafte und eilige Arbeit an 
einem zusammengesetzten Balken führt jedoch zn Unzutrüg- 
lichkeiten, die durch einzelne Nacharbeiten selten gehoben 
werden. 

Diese Verhältnisse sind anscheinend im vorigen Feld- 
zuge nicht hinreichend erwogen worden und auch die dies- 
seitige Sektion hat nur in einem Fall Sprengwerkskonstruk- 
tionen angewendet. Die Vorliebe für die Herstellung ele- 
ganter Träger ist eine leicht begreifliche, aber nicht gerecht- 
fertigte. Es dürfte sich für die Technik des Feldeisenbahn- 
wesens die Aufstellung des Satzes empfehlen: 

„So lange Sprengwerkskonstruktionen ausführbar, sind 
zusammengesetzte Balkensysteme unzulässig, vorausgesetzt, 
dass nicht gut gearbeitete Ueserveträger vorräthig gehalten 
werden, die nur überzuschieben sind> 

Grüttefien. 



Mittheilungen aus Vereinen. 



Architekten- nnd Ingenieur- Verein zu Kassel. Mouats- 
vcrsamtulung am '27. Februar 167'J. Vorsitzender Hr. Rudolph. 

Nach LrleiliKuu« mehrer geseliäftlieheu Angelegenheiten 
»Urach Hr. Uindorf über deu vou ihm geleiteten Neubau der 
hiesigen Gewerbeschule und der damit verbundenen (Sewerbe- 



ldera der Vortragende darauf hingewiesen, das» die 
des ehemaligen Polytechnikums, au dessen Stelle die 



(■ewerbeschule gutreten ist, der letzteren nicht allein bei den 
Laien, sondern selbst unter den luesigen Facligeuossen eine 
wenig günstige Aufnahme bereitet hat, hebt derselbe hervor, 
dass die Vereinsmitglieder gauz besonders berufen seien, in vor- 
urteilsfreier Auffassung die Gründung und Kntwickeluug der 
neuen Anstalt zu verfolgen und irrigen Urtheilen ausserhalb 
des Vereins entgegenzutreten. Von einer KriÜk der früheren 



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— 107 



Verhältnisse and einem Vergleiche derselben mit dein jetzt an- 
strebten Ziele sei dabei vorläufig abzusehen, da über die Leis- 
tungen der seit Kurzem neu organisirten höheren Gewerbe- 
schulen erst Erfahrungen gesammelt werdet! müssen ; der Vor- 
tragende beabsichtige daher nur aus den Bauplänen ein Bild 
der inneren Einrichtung und der Zwecke der hiesigen Schule 
zu geben, »eiche, reicher ausgestattet als andere Gewerbe- 
schulen und durch die zweckmässige Vereinigung mit der 
Gewerbehallo begünstigt, den wohltätigsten Einfluss auf die in 
gänzlicher Umbildung begriffenen gewerblichen Zustände üben 
könne. 

Unter Vorzeigung der Plaue uud Detailzeicbnuugen wird 
die Disposition der Räume besprochen, welche in den Werk- 
stätten, Auditorien, Zeichen- uud Modellirsälen, der Bibliothek, 
dem Laboratorium und Sälen für physikulischu etc. Sammlungen 
den 3 Hauptrichtungen des Unterrichts (für Bautcchuiker, Me- 
chaniker uud Chemiker) dienen und welche nicht allein für einen 
zahlreicheren Besuch als den gegenwärtigen, sondern auch für 
eine über das vorläufige Ziel der Gewerbeschule hiuausgcbcude 
Erweiterung der Kachklassen ausreichen würden. Auf demselben 
Grundstück, aber als besonderes Gebäude, schliesst sich die 
Gewerbehallc au, welche in 2 Geschossen grosse Räume für an- 
gekaufte oder vorübergehend ausgestellte Erzeugnisse der Kunst 
und Industrie darbietet und im dritten Gcsehoss die Räume für 
die gewerbliche Zeichenschuln enthält, in welchen deu Gewerbe- 
treibenden Gelegenheit geboten wird, ihre Zeicheufertigkcit und 
ihren Geschmack an guten Mustern zu bilden. 

Nachdem über die Ausrührung des Ziegelrohbaues (Proben 
des ca. 2» hohen, reich ornamentirten Hauptgesimses waren in 
einer früheren Versammlung vorgelegt), über die dekorative 
Ausstattung des Treppenhauses, die Einrichtung des Labora- 
toriums, der Bibliothek etc. im Allgemeinen berichtet, speziellere 
Mitteilungen aber für die im llerbst seitens des Vereins vor- 
zunehmende Besichtigung des fertigen Gebäudes in Aussicht 
gestellt waren, wurden die Heiz- und Ventilatioos-Anlagen aus- 
führlicher besprochen. 

Kür den Theil des Gebäudes, welcher das Laboratorium 
cutliält, ist Luftheizung gewählt worden, um erwärmte, reine 
Luft in grosser Menge zuzuleiten und den Aufenthalt dadurch 
erträglicher zu machen, als er in Laboratorien, welche nicht 
durch Mascbiuenkraft ventilirt werden , zu seiu pflegt. Im 
Sommer soll die verdorbene Luft ausser durch eine grosse Zahl 
direkt über Dach geführter Veutilationsröhren noch durch einen 
im Keller zu heizenden Aspirationsschorustein abgeleitet wer- 
den. In dem übrigen grösseren Theile des Gebäudes ist Heiss- 
wasserhrizung projektirt. Die in einem grossen Kauale bereits 
temperirte frische Luft wird den in den einzelnen Bäumen 
aufgestellten Heizkörpern zugeführt und durch dieselben genügend 
erwärmt. Die Ableitung der schlechten Luft erfolgt am Kuss- 
boden der Zimmer durch den Heizkörpern diagonal gegenülter- 
liegendc Oeffnungen, welche durch horizontale Kanäle in den 
Korridorgewölben mit den Schornsteinen der Zentralheizung in 



I Verbindung stehen. Je nach der Grösse der Bäume sollen 
stündlich bis 250 kb™ frische Luft durch die Heizkörper einge- 
führt werden, was s. B. in einem Zeichensaale bei der Auf- 
stellung von 2 Orten einer stündlichen Erneuerung der Luft 
gleichkommt. Im Sommer wird die verdorbene Luft unter 
der Decke der Zimmer durch direkt über Dach geführte und 
mit Wolpert'scheu Aufsätzen versehene Ventilationsschornsteine 
abgeleitet. Die Kosten für den Bau der Gewerbeschule sind 
mit 83 2011 Rthlr. veranschlagt und werden einschliesslich des 
Grundstücks uud der inneren Einrichtung ca. U40U0 Rthlr. 
betragen. Kür die Gewerbehalle sind 34000 Rthlr. bewilligt. 

Architekten Verein zu Berlin. Versammlung am 23. März 
1872. Vorsitzender Hr. yuassowski, später Hr. Streckort 
anwesend Hä Mitglieder und <i Gäste. 

Dur Hr. Vorsitzende macht die Mittheilung, du« leider wie- 
derum ein Mitglied des Vereins, der Bauführer Wiechmann 
zu Potsdam verschieden ist; der Verstorbene ist kurz vor Ab- 
schluss seiner Studienzeit einem schnell verlaufenden Leiden 
erlegen, das er sich durch die Anstrengungen des Dienstes als 
Ingenieur der Keld-Eisenbahu- Abthciluug No. V. während des 
vergangenen Krieges zugezogen hatte. 

Die Landeskommission für die Betbeiligung Preussens an 
der Wiener-Weltausstellung hat an den Vorstand des Verbandes 
deutscher Architekten- und lugenieur-Vereiue die Aufforderung 
gerichtet, eine möglichst zahlreiche Betbeiligung der betreffen- 
den Kreise zu vermitteln, wovon der Hr. Vorsitzende mit dem 
Bemerken Kenntnis« giebt, dass die bezüglichen weiteren Maass- 
nahmen des Vorstandes durch das Verbands-Organ publizirt wer- 
den sollen. Ein Vorschlag des Hrn. Kritsch, dass der Ver- 
band eventuell in Wien direkte Schritte thun möge, um ein 
Hinausschieben des Tür den 15. April d. J. offenbar zu kurz 
gesetzten Auuicldungs-Terniines zu bewirken, wird von mehren 
Seiteu als zwecklos und inkorrekt bekämpft. Eine später durch 
Hrn. Streckert gestellte Anfrage, ob der Architcktcnverein 
als solcher sich mit einer Auswahl aus deu iu seinem Besitz 
befindlichen Konkurrenz - Arbeiten an der Ausstellung betheili- 
geu solle, wird von der Mehrheit verneint. 

Da der angemeldete Vortrag über Judenpch wegeu Nicht- 
anwesenheit des Hrn. Neumann leider ausfallen musi, so bc- 
eudet Hr. Hac seckc seinen in vuriger Sitzuug begonnenen 
Vortrag über die Heizung von Schulgebäuden, indem er eine 
grusse Zahl interessanter Details von Luftheizungs -Einrichtun- 
I gen, sowie werthvoller Beobachtungen über die Wirksamkeit 
\ derselben mittheilt. Er schliesst seinen Vortrag, der uuseren 
I Lesern demnächst in extenso vorgelegt werden wird, mit eini- 
gen allgemeinen Betrachtungen über dio Ziele, auf welche die 
Bestrebungen zu fernerer Verbesserung der Luftheizung sich 
zu richten haben werden. 

Durch Abstimmung wird der Beschluss der Versammlung 
festgestellt, am nächsten (Oster-) Sonnabende keine Sitzung des 
Vereins abzuhalten. — F. — 



Aus der Fachliteratur. 

Zeitschrift für Bauwesen, red. v. G. Erb kam, Jahrg. 
1872, Heft 1 — III. 

A. Aus dem Gebiete des Ingenieurwesens. 

1. Dachkonstruktion zu einem Retortnnhausn der 
Imperial-Coutinontal-Gas-Association zu Berlin, von 
J. W. Schwcdlor. 

Da« betreffende Retortenhaus hat eine lichte Weite von 33 ,n 




direkt von deu Hauptbindern aufgenommen. Von letztereu sind 
12 vorhanden, die iu einem Abstände von 4,7» von einander 
angeordnet sind. Sie sind als Bogeuträgcr koustruirt und be- 
stehen aus 2 gleichen Bogeutheilen, die unten ein scharuierar- 
tiges Lager haben und, einen Spitzbogen bildend, im- Scheitel 
sich gegen einander stemmen. Die beiden Gurtungen sind als 
Kreisbogen aus demselben Mittelpunkte konstruirt und haben 
einen Schwerpuuktsabstand von 0,y42«". In O.tHj™ Abstand von 
einander siud die radial stehenden Vertikalen eiugelegt uud 
jedes somit gebildete, nahezu quadratische Feld mit doppelten 
Diagonalen ausgefüllt. Die Gurtuugen bestehen aus doppelten 
I— Eisen, ebenso die Vertikalen; die Diagonalen sind dagegen 
aus Klachstäbeu gebildet. — Die Pfetten sind aus ~1_ Eisen kon- 
struirt; sie gehen in einem Stück über je 2 Binder durch uud 
sind «o lang, dass sie au beiden Kudcu um a,.'\ m überstehen. 
An diesen überstehenden Enden sind mittels 23A"" lauger, 
iimm starker Stoseplatten in ovalen Löchern die 2,82"> langen 
Pfettenstücke eingehängt Ein Kreuzverband aus l*»"» starkem 
Ruudeiscu ist zwischen die Hauptbiuder und zwar iu denjenigen 
Kelderu eingelegt, über welche die Pfetten ohne Stoss weggehen. 
Die Aufstellung der Träger geschah ohue stehendes Gerüst, 
mit Hülfe zweier fester tföcke und ciuiger Stützen. Je zwei 
zusammengehörige Bogcnträger wurden in Stücken von etwa 
Ulm Länge verbunden, zur Baustelle geschafft, hier fertig ver- 
nietet und nun unter Hebung des Scheitels zum Steigen gebracht. 
Selten« des Verfassers wird übrigens angeführt, dass einer ste- 
henden Rüstung der Vorzug zu geben sei; dass sich dieselbe 
jedoch im vorliegenden Kalle deswegen vertrat, weil der innere 
Kaum bereits durch die Retortenofen behindert war — Bei der 



statischen Berechnung der Konstruktion ist die Schneebulutung 
nur als unwesentlich angeschlagen, dagegen besonderes Gewicht 
auf den Winddruck gelegt worden; derselbe ist zu rot. 125* pro 
Ii m normal zur Dachfläche gerechnet worden , währeud das 
Eigengewicht des Daches zu 7j k pro M" 1 angenommen ist Die 
Maiinial-lnanspruchuahme der Konstruktion tritt nur ein, wenn 
der Wind auf eine Seite des Daches drückt. Dio hieraus sich 
ergebenden Spannungen sind injbesonderer Anlage graphisch 
dargestellt. — Das Gewicht der Konstruktion an Schmiede- und 
Gusseisen zusammen beträgt 45,9 k per Gruudfläche. 

2. Neuere Strotnbauten iu denNiedcrl auden. Mit- 
theiluug des Herrn Begieruug»- und Baurath A. Wiehe. 

Ks wird in diesem Berichte namentlich über die in der Aus- 
führung begriffenen »Neuen Merwede" referirt, einer neueu 
grossen Ilochfluths- und Schiffalirtsrinuc, welche von Werkeudam 
bis zum llollandschu Diep bei Deeueplaat, in einer Gcsammt- 
längc. von 17 Kl " angelegt wird, au Stelle der jetzt bestehenden 
zahllosen versumpften Wasscrlaufe. Die Ausbildung dieses 
(seit l&öU begonnenen) Flusslaufes ist sehr allmälig erfolgt, uud 
unter Benutzung der Arbeitskraft des Klusscs selbst, nach Ab- 
grabuug einiger Inseln und Vorsprüuge und Ausführung eines 
BÖ* langen Durchstiches, ist die wuiterc Verbreiterung und Ver- 
tiefuug des Bettes durch die Strouigeschwiudigkeit selbst be- 
wirkt worden, wobei mau uur bei Klai- und Torfboden durch 
Baggerung nachhalf. Das Profil der neuen Merwede hat sieh 
auf diese \Veise bereits soweit ausgebildet, dass sie von Schiffen 
bis 3* Tiefgang bei halber Fluth passirt werden kann. — Ein 
ähnliches Interesse wie diese Anlage, nimmt gegenwärtig der 
Bau der grossen Eiseubahubrücke zwischen Moordijck und Wil- 
lemsdorp iu Anspruch, welche der Vollendung nahe ist Die- 
selbe hat 14 Oeffnungen ä 100«" lichter Weite, welche mittels 
parabolischer eiserner Träger, jedoch nur für ein Geleis, über- 
spannt werden, Die Träger werden auf dem Ufer vollständig 
fertig zusammengestellt uud alsdann unter Benutzung von Kluth 
uud Ebbe auf Schiffen in die betreffenden Oeffnungen transpor- 
tirt und sofort in die richtige Lage niedergelassen. Bei den 
letzten Oeffnungen hat dieser Transport, einschliesslich des Nie- 
derlassens der Träger auf die Pfeiler, uur einen Zeitraum von 
1 » , Stunden erfordert. Gr. 



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B- Aus dem Gebiete des Hochbaues. 

1) Die neue Straf- Anstalt in Aachen mit Zeichnungen 
auf BL 1—6. Mitgetheilt von Herrn Regierung»- und Baurath 
Crem er in Aachen. 

Für den Entwurf der nahezu vollendeten Anlage, die nach 
dem Auburn'schen Systeme (Einzelhaft bei Nacht, Aufenthalt in 

Gemeinschaftlichen Arbeitsräumen bei Tage) angeordnet ist, hat 
er verstorbene Geh. Ober-Baurath Busse den grösseren Theil 
der Gründl iss - Skizzen geliefert, die Ausarbeitung und Ergän- 
zung derselben hat dem Verfasser obgelegen. 

Die allgemeine Disposition der auf einem unregelmäßigen 
Grundstücke ausserhalb der Stadt erbauten Anstalt ist auf bei- 



hohen Haupt- 



dargestellt. Ausserhalb der 5,70 ■ 
•t sich an der Vorderfront die Bau 




7— i — r— i — i 



10 o 



Mra 



gruppe (A}, bestehend aus dem von 2 Thürmon flankirten Thor- 
gebäude mit der Pfortner- UDd Hausvater-Wohnung, sowie einer 
Station für 7 Selbstverpfleglinge und den Amtawohnhäusern für 
den Direktor, Inspektor und Geistlichen — an der Hinterfront 
2 Atntswohnbäuser (G) mit je 6 Wohnungen für Aufseher. 

Den Mittelpunktdes Ganzen bildet eine Gruppe von 3 Ge- 
bäuden (B, C, D). Von diesen enthält das Vorderhaus (B) im 
Kellergeschoss einige Speisesäle, im Erdgeachoss die Bureaus, 
im ersten Stocke die Krankenstation, im zweiten Stocke den 
Betsaal. Das mittlere Doppelgebfiude (C), mit dem Vorder- und 
Hinterhause durch einen bedeckten Gang verbunden, dient zum 
Aufentbalte der in gemeinsamer Haft befindlichen männlichen 
Gefangenen. Die Schlafzellen, 134 an der Zahl, je 1,57» breit, 
2,51 a lang, 3,14 ™ hoch, liegen an der Mittelmauer aneinander- 
gereiht, die Korridore, von denen dieselben durch Ocffnungen 
in den Thüren Luft und Licht erhalten, an den Fronten- Zu 
beiden Seiten des mittleren Verbiodungsgangea liegen die Trep- 
pen, an den Giebeln zwischen zwei Werkstätten die Latrinen; 
im obersten Stockwerke sind 4 Aufseher-Zimmer und 4 grossere 
Arbeits**]« angebracht. Das Hintergebäude (D), welches zur 
Isolirhaft dient, enthält in jedem der 3 Stockwerke 14 Zellen 
von 2,10X3,77« die zu beiden Seiten eines Mittelkorridors 



Getrennt von dem Männergefängniss liegt das Weibergefäng- 
niss (E) in unmittelbarer Verbindung mit dem Küchen- und 
Wirtschaftsgebäude (F). Das erstere zerfallt in zwei, den ent- 
sprechenden Einrichtungen der Männerstation analoge Thcile 
und enthält 12 Zellen für Isolirhaft, »owio Arbeitsräume und 
Schlafzellon für SO Weiber in gemeinsamer Haft; im Wirth- 
schaftsgebäude liegen die Räume für den mittels Dampf be- 
wirkten Koch- und Waschbetrieb etc. — Zwischenmauern bou- 
dern innerhalb des Grundstücks die für jede Station erforder- 
lichen Hofe resp. Gärten von einander ab. 

Näher beschrieben und erläutert sind die Ventilation«-, 
Leu- und Abtrittseinrichtungen, sowie die Apparate für den 
Wirthschaftsbetrieb. Die Ventilation, welche besonders für die 
Schlafzellen eine sehr kräftige sein musste, im Uebrigca aber 
sich vorzugsweise auf die Abtrittsräumo erstreckt, erfolgt aus- 
schliesslich durch Ansaugung der verdorbenen Luft mittels 



Aspiratlonsse.hornsteinen, die durch besondere kleine Luft- 
heizung*- resp. gewöhnliche eiserne Oefon geheizt werden.*) 
Die Abtritte sind mit Rücksicht auf diese Ventilation ohne 
Spülung angelegt und entleeren sich durch Rohren von 15,7*0 
Durchmesser nach transportablen Kothgefässen. Die Heizung 
erfolgt in sämmtiiehen Räumen mit Ausnahme der ohne Hei- 
zung gelassenen Sehlafzellen mittels der landesüblichen eiser- 
nen Oefen. 

Slmmtliche Gebäude sind im Backsteinrohbau mit Sohl- 
bänken und Gesimsen von Sandstein ausgeführt und mit Schiefer 
gedeckt Sie zeigen einfache mittelalterliche Formen und ist ihre 
architektonische Ausbildung mit Zinnen, Eckthürmchen, Giebeln 
etc. mit besonderer Rücksicht auf eine malerische Silhouette 
des hochbelegenen Etablissements erfolgt. Im Innern sind 
särnmtliche Korridore und Gofäugnisszcllen, sowie die Wirth- 
schaftsräume überwölbt Die Baukosten waren auf 280 000 Thlr. 
veranschlagt 

3) Der neue Berliner Viohmarkt nebst Schlacht- 
haus-Anlage, mit Zeichnungen auf Bl. 9— 18. Von Hrn. Bmstr. 
Orth in Berlin. Wir werden über die Anlage, deren Publi- 
kation erst im folgenden Hefte der Zeitschrift 
wird, demnächst in selbstständigei 

(Schill« folgt.) 



Deutsches Reich. 
Ernannt: Der kOnigl. preussische Bauinspektor Kirchhof 
zum kais. Regierungs- und Baurath in Strassburg; der kOnigl. 
bayerische Baur^amje^r eben iru zum kais.^^Re^ierongs-^und 

Preussen. 

Ernannt: Der Baumeister Freudenberg zu Sterkrada 
Ibaumeistcr bei der königl. Regierung zu Köln; der 
Distrikts -Aufscher Jacob zu Jensen zum Kreisbau- 



in Sonderburg; der Baumeister Ossent zu Bütow zum 
Kreisbaumeister daselbst; der Chaussee - Distrikts - Aufseber 
Gravenhorst zu Nienburg zum Kreisbaumeisterin Otterndorf; 
der Eisenbahnbaumeister Wulff zu Bremen zum Eisenbahubau- 
Inspektor bei der kOnigl. Ostbahn in Dirschau. 

Versetzt: Der Eisenbahn-Bauinspektor Bock zu Dirschau 
zur oberen Leitung des Baues der Linie Arnsdorf- Gassen an 
die Niederscblesisch - Märkische Eisenbahn nach Sorau; der 
Kreisbaumeister Thordsen zu Sonderburg nach Flensburg: der 
Regierungs- und Baurath Grapow zu Hannover an die Ober 
schlesiscne Eisenbahn nach Breslau. 

Das Baumeister - Examen hat bestanden: Der Bau- 
führer Kerp aus Mühlheim a. Rh. 



Brief- und Fragekasten. 

Hrn. P. in Hamburg. Ob die bei der Konkurrenz 
Rcichtagshause eingegangenen Entwürfe unmittelbar nach dem 
auf den 16. April festgesetzten Schluss-Termine zur Öffentlichen 
Ausstellung kommen werden, oder wie gross die Frist sein 
dürfte, die bis dahin vergehen wird, sind wir nicht in der Lage 
Ihnen mittheilen zu kOnnen. Bei der Konkurrenz für den Dom - 
bau, die von Seiten der preussi sehen Ministerien für Kultus und 
öffentliche Arbeiten ausgeschrieben war, lag nahezu ein halbes 
Jahr zwischen Einlieferung und Ausstellung der Entwürfe. Daas 
die Ent Wickelung der Sache diesmal schneller gefördert werden 
wird, dafür bürgt nicht allein die Behörde, welcher die Leitung 
derselben obliegt, sondern auch die Sachlage an sich. Es wird 
begreiflicherweise danach gestrebt werden, die Entscheidung der 
Konkurrenz, bei welcher programnigemäss eine so grosse Zahl 
der Bundesraths- u. Reichstagsmitglieder mitzuwirken hat, noch 
vor Ablauf der nächsten Reichstags-Session herbeizufuhren, um 
in derselben womöglich noch Beschlüsse über die weiteren 
Maassnahroen fassen zu lassen. Da nun die Öffentliche Ausstel- 
lung der Konkurrenz - Entwürfe vor Zusammentritt der Jury 
stattfindet , die nächste Reichstags - Session aber schwerlich 
über die Mitte des Sommers hinausgeführt werden dürfte, so 
lasst sich die Eröffnung der Ausstellung wohl spätestens zu 
Anfang des Monats Mai erwarten. — Dass wir das Interesse, 
mit welchem wir allen auf das Haus des deutschen Reichtstages 
bezüglichen Fragen bisher gefolgt sind, auch in der Art und 
Weise unserer Besprechung der Konkurrenz - Entwürfe betä- 
tigen werden, dürfen sie wohl als selbstverständlich voraus- 
setzen. 

Beiträge mit Dank erhalten von den Hrn. V. in Saar- 
brücken, C in Dresden, A. in Oppeln. 



•) Leider und Miel» für QrOngnim, limn etc. Mhr beliebt» nn J then- 
retlnrh bewlbrt» Elnrlrhlnagen ia Wirkliche Ii dock Uai| afcae J»d»n Erfolg, 
da d»r Betrieb dereeltien — wie wir In mehren Killen ia konjuüraa Gelegenheit 
hatten — Ten einer Verweilaag, der die Breanmatrial- und ArbeiM-Brtvarulaa 
wkhügor tat all die Ventilation, hie 6g »Ifhl Mo« »«mir l.liulgt, eeadara »ogar 
gas» »Ingeetellt wird. Wir kalten daher dafür, daai fär aalcbe 
eine Zoatralaatiang, mit der die Ventilation In unmittelbarer and 
•teht, dm ZweekenuDrecaeadala lu. 



kUnmUelonsTtrle* vom Carl Beeilt» Ia 



Drsek eaa Oehridar FIckeM Ia Berlia. 



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Jahrg. VI. M 14. 

DEUTSCHE BAUZEITUNG 

Organ des Verbandes 

5%g— deutscher Architekten - und Ingenieur-Vereine. 

Redakteur K. E. 0. Fritach. 



P>»t<llunf«n 

kbcnutuus alle 



I»*ratt 
tut dU Lttrr 4« dnUchta 
iMMttnng fiadm A.ftvt&iae 

In der VnlU-lrilftt.: 
,B»n- AnMlger" 

1% «fr. t>« 



Preis I Thaler ara Qaartal. Berlin, den 4. April 1872. 


Entkellt jeden Itinentag. 


Iahalt: Zur Fraga der MlMMMaTI B*«» gege« die A r bei tieinrte Hungen 
d«r Baaliandarcrko-r (Krhluta). — Vfirrhau* dar Norder-Geraeii.de au Altona, — 
KelaetAtrten aus dem Orient Xltl. — Die Eiaenbalin ■ Verbindung it rwi*el»an 
Badan und EJtaaa. - Hiiltia.laagaa aal Vereisen: Architekten- nnd 


In it*nJ<or - Verein in Br^i'au. — Verein für Elacnbahskunde tu Barls rt< — Ans 
der Fathiiilara t ur: Zeitschrift für Baoveaea, 1672, lieft 1—3 (ftrhlma). 
— K ah k urre a t e n: Monate- Aufgaben fnr den Arrhllekteo -Verei» tu Berlin 
mm i. Mal mt. - F#rsot»»l-fraehrirhlei. ate. 



Zar Frage der Sehatxaiaassregeln gegen die Arbeitseinstellungen der Banhandwerker. 

Arbeifers genau bekannt mach», sondern auch, dass Meister 
Gesellen einander vertrauen. Bei der Stellung, die schon 



Es dünkt nns ein schwerer und verhängnissvoller Irr- 
n, wenn man nnsere deutsehen Maurer und Zimmerer, 
weil unter ihnen auch manche rohe und arbeitsscheu« Ele- 
mente sich befinden, ohne Weiteres mit der grossen Masse 
des Arbeiter- Proletariats auf eine Stufe stellen will, wenn 
man vermeint, ihr Streben sei einzig und allein auf eine 
Steigerung der Tagelohnsätze gerichtet und die Bemessung 
dersellwn die einzige Frage, um die der gegenwärtige Streit 
sich dreht. 

An wenige unserer Handwerker werden gleiche Anfor- 
derungen der Intelligenz und Selbstständigkeit gestellt, wie 
an den Bauarbeiter, dem darum von seinen Genossen auch 
stets ein hoher Rang eingeräumt worden ist; bei keinem 
wird Angesichts der Umwälzungen in politischer uud sozialer 
Beziehung, welche unsere Zeit unter dem Einflüsse des 
liberalen Prinzips vollbringt, das Streben erklärlicher sein, 
neben einer besseren Lebenslage eine freiere und unabhän- 
gigere Stellung sich zu erringen. Er will erwerben, vorwärts 
kommen, und zwar schneller, als ihm dies bei seiner Tage- 
löhnersteiluug diuvli «ub gttiscV-n- und krenterwekes Ab- 
darben möglich ist, und ist wohl nur deshalb so häutig ge- 
neigt, seine auf die bisherige Grundlage gestützten Forderungen 
ins Maasslose zu steigern, weil ihm ein leicht erreichbares, 
mässiges Ziel nicht vor Augen liegt. Wohin der geheime 
Zug seiner Wünsche geht, das konnte man vor Einführung 
der Gewerbefreiheit bereits an der Thatsache sehen, dass 
einzelne Gesellen, nnd gerade die relativ tüchtigsten Persön- 
lichkeiten , trotz aller ihnen entgegenstehenden Schwierig- 
keiten sich von den Meistern unabhängig zu machen suchten 
und als Schaarwerker arbeiteten, das konnte man während 
des letzten Strikes an den Bemühungen erkennen, welche 
die leitenden Komites entwickelten, um das Publikum zur 
direkten Uchcrtrugung von Bauarbeiten an die von der 
Meisterschaft emauzipirten Gesellen zu vermögen. 

Freilich sieht ein grosser Theil der Meisterschaft gerade 
diese Bestrebungen im gehässigsten uud feindseligsten Lichte, 
weil er dadurch das rumlament seiner bisherigen Stellung 
untergraben fühlt Es ist ja doch unseres Erachtens ein be- 
reitwilliges Entgegenkommen auf diese Wünsche und Ziele 
der Bau werkleute das einzig mögliche Mittel, um sie 
zur Zufriedenheit zurückzuführen und wieder gesunde Zu- 
stände im Handwerk zu schaffen. Die bisherigen Streitig- 
keiten zwischen Meistern und Gesellen werden in demselben 
Grade verschwinden, wie die letzteren aufhören, die Tage- 
löhner der ersten zu sein, und ihnen als selbstständige 
Unternehmer oder gleichberechtigt zur Seite treten. 

Dass dies bereits allgemein als richtig anerkannt wird, 
geht ja daraus hervor, dass Juan als ideale Lösung der Lohn- 
frage die Einführung der Akkordarbeit bezeichnet, bei wel- 
cher im Wesentlichen ein solches Verhältniss stattfinden 
würde. Unter den gegenwärtigen Zuständen hat, wie er- 
wähnt, sellrst der leistungsfähigere Theil der Gesellenschaft, 
der bei einer Bezahlung der faktischen Leistung seinen Vor- 
theil finden würde, wenig Lust, auf Akkordarbeit einzugehen. 
Aber auch die Meisterschaft kann die Schwierigkeiten, die 
einer durchgängigen Annahme derselben im Wege stehen.« 
gewiss nicht verkennen. Die einzelnen Arbeiten sind je 
nach den zufälligen Umständen viel zn verschiedenartig, als 
dass für sie allgemein gültige Sätze in grösserem Umfange 
sich feststellen Hessen: es bleibt daher nur übrig, den Akkord 
für jeden speziellen Fall zu schliessen. Es setzt dies aber 
nicht allein voraus, dass der Meister sich mit den Speziali- 
taten jeder einzelnen Arbeit, wie mit den Leistungen des 



jetzt ein Theil der grossen Bauunternehmer zum Handwerke 
einnimmt, geschweige denn später, — bei dem Umfange 
ihres Geschäftes ist dies unmöglich und die Vermittelung 
von Vertranenspersonen eine Nothweudigkeit; diese aber ist 
gewiss nicht ohne Bedenken, da die Poliere, denen sie ob- 
liegen müsste. in ihrer Abhängigkeit vom Meister ebenso 
selten das volle Vertrauen der Gesellen gemessen würden, 
wie es ihnen gelingen möchte, das der Meister beanspruchen 
zu können. Dass übrigens der Akkord an sich nicht ein 
unfehlbares Mittel gegen Arbeitseinstellungen ist, haben zahl- 
reiche Strikes von im Akkord beschäftigten Fabrikarbeitern 
genugsam gezeigt. 

Soll daher die Einführung der Akkordarbeit in den 
Baugewerken ihren segensreichen und heilsamen Einfluss 
ausüben, so ist dies einzig möglich, wenn gleichzeitig im 
Bctrielie derselben Reformen erfolgen, die dem. seit Tange 
sich vollziehende!! und durch die Freigebung der Gewerbe 
besrhlenn igten Umschwünge der Verhältnisse entsprechend 
Rechnung tragen. Die Kluft, die gegenwärtig zwischen den 
Meistern uud ihren Tagelöhnern besteht, ist nur auszufüllen 
durch ein selbstständiges Verbindungsglied, das bei- 
den Parteien gleich nahe steht und sich mit beiden in 
gleichem Masse verständigen kann. Die natürliche Ent- 
wicklung der Dinge treibt zu einer solchen Lösung, die 
wir bereits bei Einführung der Gewerbefreiheit als not- 
wendige Folge der neuen Lage ins Auge fassten. una es 
kann sich daher nur darum handeln, durch ein bereitwilliges 
Einlenken in diese Bahn die unangenehme Uebergangszeit 
nach Möglichkeit abzukürzen. 

Es brauchen unseres Erachtens zu diesem Zwecke nur 
die bemerkenswerthen Keime, die einerseits in dem alten 
Schaarwerkerthume, andererseits in der Vereinigung der ge- 
schicktesten Arbeiter zu geschlossenen, gemeinsam auf gemein- 
schaftliche Rechnung arbeitenden Kolonnen vorhanden sind, 
in angemessener Weise entwickelt zu werden. Zwischen 
den grossen Bauunternehmern, die ausschliesslich Kaufleute 
und Architekten sind, und den aus der Hand in den Mund 
lebenden Bauarbeitern muss ein neuer Stand freier, selbst- 
ständiger Werkleute sich einschieben, die durch die Ueber- 
nahme grösserer Banarbeiten und durch Ausnutzung der 
dabei sich ergebenden Vortheile im Stande sind, einen grös- 
seren Gewinn zu erzielen, als dies im Tagelohn möglich ist, 
die aber doch andererseits den soliden Boden des eigent- 
lichen Handwerks, die persönliche Mitwirkung bei der Arbeit 
oder die unmittelbare und direkte Beaufsichtigung derselben, 
nicht verlassen. Die Elemente dazu sind vorhanden einmal 
in den bisherigen Polieren, wenn dieselben die Ausführung 
der Bauten, welche sie früher im Auftrage des Meisters und 
im Tagelohn geleitet, nunmehr unter gleicher Thätigkeit, aber 
auf eigene Rechnung und Verantwortung übernehmen, also 
uns Polieren zu kleinen Werkmeistern werden. Die Ab- 
schliessung eines Unterakkords mit ihren Arbeitern dürfte 
ihnen in Keinem Falle schwierig werden, Differenzen mit 
denselben aber um so weniger zu fürchten sein, als beide 
sich stets als Glieder eines durch gemeinsame Arbeit und 
gemeinsame Interessen verbundenen Standes fühlen werden 
und es selbstverständlich das Bestreben dieser Art von Unter- 
nehmern sein wird, einen Stamm der zuverlässigsten und 
leistungsfähigsten Arlieiter heranzubilden nnd an ihre Person 
zu fesseln. In grossen Städten kann zweitens an Stelle 
dieses Modus und neben demselben das Prinzip der freien 



— 110 - 



von Arbeitern, das in Russland eine so ausser- 
ordentliche Entwickelnng erlangt hat, in den Vordergrund 
treten, und ist in der That kein Grund vorhanden, warum 
an derartige geschlossene Arbeiter-Körperschaften, wie ihnen 
schon jetzt einzelne Arbeiten im Gesammt-Akkord übergeben 
werdeu, nicht auch die Austührung von Bauten im Ganzen 
verdungen werden könnte. 

Dass eine solche veränderte Gestallung des Baubetriebes 
auf die Möglichkeit von Differenzen zwischen Arbeitnehmern 
und Arbeitgebern des Baugewerks und die daraus hervor- 
gehenden Arbeitseinstellungen von heilsamstem Einflüsse sein 
mässtc, das brauchen wir nach dem Vorhergegangenen wolü 
nur kurz zu entwickeln. Bezahlung der Arbeiten im Tage- 
lohn, die Hauptquelle der bisherigen Streitigkeiten, könnte 
allmälig ganz vermieden oder doch auf vereinzelte Falle ein- 
geschränkt werden, bei denen es alsdann nicht darauf an- 
kommen kann, höhere Lohnsätze zu bewilligen, als sie bis 
jetzt üblich waren. Ein höherer Verdienst der Arbeiter, als 
er ihnen bisher zu erringen möglich war, wird ohne dass 
dadurch die Preise der Bauarbeiten in naturwidrigem Grade 
sich steigern dürften, einerseits dadurch eintreten, dass Ver- 
luste an Zeit und Kraft bei Arbeiten auf eigene Rechnung viel 
sorgfältiger vermieden worden, als bei solchen auf Gefahr und 
Kosten eines Meisters, andererseits aber dadurch, dass bei 
allen Ausführungen einfacher Art. die eine höhen? technische 
Kenntniss nicht bedingen, das bauende Publikum mit den 
wirklichen Bauhandwerkern in direkten Geschäftsverkehr 
treten kann. Durch diesen höheren, über die blosse Noth- 
durft des Lebens hinausgehenden Verdienst aber wird der 
Bauherr seiner bisherigen Proletarier-Stellung enthoben und 
ihm die Möglichkeit eines Erwerb«« und Besitzes eröffnet, 
den er durch so verzweifelte und gefährliche Mittel einer 
Erwerbssteigerung, wie ein Strike es ist, so leicht nicht 
mehr aufs Spiel setzen wird. Ebenso wird erreicht, was 
wir früher als notwendige Bedingung für die Herstellung 
eines dauernden Friedens im Baugewerbe bezeichnet haben, 
eine Absonderung der fleissigen und tüchtigen Arbeitskräfte 
von den Interessen der rohen Masse und eine allmälige 
Hebung der letzteren unter dem Einflüsse ihrer Kameraden, 
die in einem auf gemeinsamen Verdienst angewiesenen Ver- 
bände keine arbeitsscheuen, unebenbürtigen Elemente dulden 
und in dieser Beziehung eine wirksamere Kontrolle aus- 



UlM*n werden, als sie die Meisterschaft jemals durchführen 
kann. 

Die Schwierigkeiten, welche der Einführung einer sol- 
chen Reform im Wege stehen, wenn sie sich nicht unmerk- 
lich in unbewusstem Entwickelunpsprozesse vollziehen kann, 
sondern mit Bewusstsein gefördert werden soll, verkennen 
wir gewiss nicht. Es ist ziemlich wahrscheinlich, dass ein 
Theil der Gesellenschaft, und vielleicht in erster Linie die- 
jenigen, die bei den letzten Arbeitseinstellungen die wort- 
führenden waren, ihr nichts weniger als geneigt sein wird, 
weil die sozialistischen Theorien, die augenblicklich an der 
Tagesordnung sind, damit durchaus nicht übereinstimmen; 
der Eiufluss dieser Partei w ürde indessen bei so veränderter 
Sachlage wohl nicht allzulange anhalten. Auch das Publikum 
dürfte vorläufig die bisherigen Zustände vorziehen, da es 
einerseits der Solidität des Meisterthums zu vertrauen ge- 
gewohnt ist, andererseits aber in den meisten Fallen gerade 
in dem kaufmännischen Betriebe der Baugewerke, wonach 
derselbe Unternehmer den Entwurf, die Arbeit und das 
Material liefert, schliesslich aber Hypotheken in Zahlung 
nimmt, wenn nicht seinen Vortheil, so doch seine Bequem- 
lichkeit findet. Veränderte Anschauungen können hier nur all- 
mälig, und zwar in dem Grade, als die theilweise zum 
Schwindelgeschäfte entartete Bauspekulation wiederum soli- 
der wird, Platz greifen, werden indessen unter den Ein- 
wirkungen des leider wohl noch lange nicht abgeschlor 



Kampfes zwischen den gegenwärtigen Parteien des Bau- 
gewerkes nicht ausbleiben. Den heftigsten Widerstand wird 
der von uns besprochenen Keform selbstverständlich ein 
Theil der gegenwärtigen Meisterschaft entgegensetzen, und 
dürfen wir uns von dieser Seite wohl auf erbitterte . 
gefasst machen. 

Es ist auch durchaus nicht zu läugnen, dass die betref- 
fende Aenderung der Verhältnisse einein grossen Theile un- 
serer Baugewerksmeister den Boden ihrer bisherigen Stellung 
unter den Füssen entziehen würde. Aber 



Wendung der Dinge ist nach Einführung der Gewerbefreiheit 
schlechterdings unausbleiblich und ;es kann nichts schaden, 
wenn sie zu gehöriger Zeit fest in's Auge gefasst wird. 

Nachdem der Stand der Baugewerksmeister als ein vom 
Staate privilegirtes Institut nicht mehr existirt, sollte man 
sich doch endlich einmal der Thatsache bewusst werden, 



XIII. 

Bei dem langsamen und vorsichtigen Hinabreiten von dem 
steilen Vorberge, der St. Pauls Gefängniss trägt, haben wir 
Zeit, den zur Linken tief unter uns ruhenden Stadthafen zu 
überblicken. Es ist eine grossartige, echt römische Aulaga in 
der Form eines oblongen Bassins mit abgestumpften Ecken, 
massiv revetirt und an drei Seiten von Waarenhäusern umgeben, 
mit einer schmalen Einfahrt an der kurzen Seeseite und mit 
breiten Freitreppen und molcneingcfasMen Ländeplätzen an der 
entgegengesetzten Landseite. Dichte Kohrwüldcr erfüllen das 
gunze Hafenbecken und begleiten die gewundene Wasserstrasse, 
deren Zusammenhang mit dem Meere das Auge kaum erkennt. 
Hinter dem stattlichen korinthischen Tempel des Claudius er- 
reichen wir endlich die letzte Terrasseustufc des Koressus und 
reiten nun in östlicher Richtung gerade auf den niedrigen Sattel 
los, welcher Prion und Koressus verbindet. Auch hier 
sich rechts wie links hohe, mit verdorrten Gräsern 
Schutthügel oder noch stehende Denkmalreste. 

Ein besonderes Interesse erweckt eine rechts am Wege lie- 
gende Quellaulagc, welche den Hintergrund einer kleinen Thal- 
schlucht bildet. Sie ist exederartig auf drei Seiten mit Futtcr- 
raaunrn aus grossen Quadern eingefasst; die Quellöffnung selbst 
von 0,ü0» Breite zu 0,71"» Höhe war schmucklos gestaltet Die 
Grösse derQuaderu, ihre sorctältine, aber ohne die Eleganz der 
aiexandrinischeu Epoche bewirkte Herstellung, sowie die Struktur 
mit theilweis schrägen Stossfugen gestatten die Annahme, dass 
die ganze Anlage nicht erst der lysimachisehen Stadtschöpfuug, 
sondern schon älteren Zeiten entstammt Von einer unter rö- 
mischer Herrschaft bewirkten schmuckreichen Umgestaltung 
mittels eine» vorderen abschliessenden Portikus geben spätiom- 
schc Kapitelle mit rankenbclegten und kelchfönnig entwickelten 
Polsterseiten und zahnschnittheaetzte Geisonblöcke genügende 
Kenntniss, doch passen die mit kleinlicher Zierlichkeit herge- 
stellten Details sehr weuig zu der schlichten Bedürfnissaolage 
der alten Zeit. 

Andere hier vorhandene Ruinengruppen sind ohne eine um- 
fassende Ausgrabung schwer bestimmbar. Am Fussc des Berg- 
sattels steht ein Mauerrest von sehr grossen Quadern , der an- 
fangs imponirt, bald aber als Theil eines eilig und nachlässig 
errichteten Befestigungswerkes erkannt wird, weil lange Archi- 
trave rücksichtslos darin verbaut sind und der ganze Bau quer 
durch eine kleine Conchenkirche läuft. Von der letzteren ist 
nicht viel zu sagen, da sie sehr zerstört ist und das wenige 
1 Erhaltene verschüttet liegt. In der Nähe steigen an ver- 
i Punkten nischenbesetzte Futtcrmaucru aus der Erde; 



sie scheinen Privathäuser der höheren Stände getragen zu haben, 
da dieses gnn2e Stadtviertel nach seiner hohen, gesunden und 
kühlen Lage sicherlich in der römischen Epoche der vornehmste 
und Besuchteste Stadttheil war. 

Zur Hechten tritt uns beim Weitennarsche ein aus 9 hoheu 
Quaderschichteu hergestellter Tenipelunterbau entgegen. Leider 
ist der nacli Südost oriciitirtc Tempel selbst fast ganz rasirt 
doch gestatten die wenigen Reste nneh einigen Aufschluss über 
rorui, Grosse und Material. Es war ein im römischen Schema 
gebauter achtsäuliger Prostylos, etwa 23» breit und 52» tief, 
einschliesslich der dreischiffigen 30» tiefen prostyleu 
Vorhalle. Die spätionischen schlichten Basen besteheu aus 
Plinthus, Spira, Skotia und Astragal (so dass die obere Spira 
fehlt); die nur an der Südseite messbare Axenentfcrnung der 
0,54 ■ starken Säulen beträgt 2,40". Auf den mit 24 Kannelnreu 
versehenen Schäften ruhten sorgfältig in Mcisselarbcit durch- 
geführte Kapitelle theils konipositer, theils ionischer Version; 
die letzteren mit einfachen Voluten in der Front, aber mit 
weit heraustretenden Kuhköpfen an beiden Seiten. Diese 
seltsame und meines Wissens hier zum ersten Male erschei- 
nende Komposition ist sehr geschickt durchgeführt, indem 
die Thierköpfu mit ihren fleischigen Hälsen zwar sattelholzartig 
weit hervorragen, — die Totallänge beträgt 1,46™ bei einer Tiefe 
von Ofib" — aber sich an die doppel-kelcnförniig gestalteten Vo- 
lutenseiten trefflich auschliessen und nur dieselbe Höhe bean- 
spruchen, als das halsloee echt ionische Kapitell. Ks ist Schade, 
dass Julius Braun diese interessanten Kapitelle nicht mehr gesehen 
hat. Wie glücklich würde er gewesen sein und was hätten wir 
für Deklamationen zu hören bekommen!? Weit über Pcrscpolis 
hinaus, an assyrischen Palästen vorbei, wäre sein umschauender 
Blick zum sagenumscbleierten Vun See hoch in Armeniens 
Schneegebirgen vorgedrungen, um uns hier am Sommersitze der 
Seinirainis und an einem Urheiligthum der Moudgöttin den Ur- 
sprung der kuhköpfigen Doppclkapitellc, den Vorbildern für 
die ionischen Volutenkapitelle — zu demonstriren. Da ganz in 
der Nähe des Van Sees, am Arara», Noah mit seiner Arche ge- 
landet ist, so hätte sich sogar der Fingerzeig geboten, dass viel- 
leicht schon die Arche im ionischen Stile hergestellt gewesen 
ist und Noah nur als der Träger und Verbreiter eines ursemi- 
tisch -ionischen Holzstilcs fortan zu fassen seiu möchte. Da sich 
aber vielleicht auch andere noch lebende Forscher des inter- 
essanten Fundes gern bemächtigen, um über den Ursprung der 
ionischen Bauweise eine neue Hypothese aufzustellen, so be- 
schliesse ich meine vorläufige^ Mittheilung mit der Bemerkung, 
dass ausser den ionischen Kuhkapitellen hier noch römisch- 
kouipusite Kapitelle mit zwei Akanthusblaürciben gefunden 
worden sind, die wegen des identischen Maasstabes und der 



Tempel angehört haben müssen. 

byT7()OgU 



dasg das Band, welches ihn zu einer solidarisch verbundenen 
Körperschaft machte, vorzugsweise jenes Privilegium war, 
dass jedoch im Uebrigen gewaltige Unterschiede zwischen 
den einzelnen Elementen des Standes bestehen, die ganz von 
selbst zu einem Zerfalle desselben in mehre Abstufungen 
führen müssen. 

Eine erfreulicherweise nicht geringe Zahl der Meister, 
von einem energischen Streben nach Fortschritt beseelt, eint 
mit dem Schatze praktischer, auf dein Werkplatze gewonne- 
ner Erfahrung das theoretische Verständnis» des Technikers 
und nicht selten auch eine beraerkenswerthe Fertigkeit künst- 
lerischer Erfindung. Dieselben sind, nachdem die formalen 
Schranken der Gewerbe gefallen, persönlich nicht als Hand- 
werker, sondern als Architekten zu betrachten; denn es be- 
steht zwischen ihnen und denjenigen Architekten, welche 
ihre Bildung mit der Theorie begonnen haben, in der That 
kein anderer prinzipieller Unterschied, als der eines beider- 
seits ungerechtfertigten Vorurthcils. Es werden diese Män- 
ner, die sich fortwahrend ans den intelligentesten, tüchtigsten 
und strebsamsten Elementen des Handwerks ergänzen, des 
fruchtlosen Strebens die grosse Masse ihrer Berufsgcnnssen 
zu sich empor und mit sich fort zu ziehen , gar bald müde 
werden und dann rückhaltlos zn dem Stande der Architek- 
ten, der an ihnen eine von nns schon oft erwünschte Be- 
reicherung erfahren wird, übergehen. Sie werden unter den 
zur Leitung von Bauten berufenen oder als Unternehmer 
schaffenden Baumeistern vorzugsweise jenen Kreis von Auf- 
gaben sich wählen, bei denen es weniger auf künstlerisches 
Können als auf technische Sorgfalt und Erfahrung ankommt.. 
An reicher und lohnender Thätigkeit wird es ihnen nicht 
fehlen, auch wenn sie nicht mehr in bisheriger Art Gesellen 
halten, sondern die Ausführungen an jene kleineren Hand- 
werksmeister oder ArlHMter-Kolonnen verdingen; denn der 
Umfang der alltäglich vorkommenden Arbeiten, die diesen 
selbstständig ohne die Leitung und Aufsicht eines theoretisch 
gebildeten Technikers wird übertragen werden, dürfte immer- 
hin nur ein begrenzter sein können. Bei einer Reform des 
Baubetriebes, wie wir sie im Sinne haben, würde dieser 
Theil der bisherigen Baugewerksmeister somit keine wirkliche 
Einbusse zu befürchten haben. 

Anders freilich jener zahlreichere Theil der Baugewerks- 
meister, der den ersteren in jeder Weise unebenbürtig, künst- 



lerischen und wissenschaftlichen Strebens bar und in den 
gröbsten materiellen Interessen befangen, nur die nothdflrf- 
tijfen theoretischen Kenntnisse besitzt, welche ehedem zur 
Ablegung der Meisterprüfung erforderlich waren. Ihm ist 
durch die Aufhebung des Privilegiums die Hauptbedingung 
seiner bisherigen Existenz genommen und wird er dieselbe 
gegenülher den berechtigten Ansprüchen der Gesellen in alter 
Weise nicht behaupten können. Aber es liegt auch durch- 
aus nicht im öffentlichen Interesse, ihm dies zu ermöglichen. 
Mag er sich aufraffen zu einer Erweiterung seiner Kenntnisse, 
die ihn befähigt, in die Konkurrenz der auf höherer Stufe 
stehenden Baumeister resp. in die der vorzugsweise kauf- 
männisch operirenden Unternehmer einzutreten, oder mag er 
wiederum eine Stufe herabsteigen und unter persönlicher Be- 
theiligung an der Arbeit dem Kreise der handwerksmässig 
thätigen Bau - Unternehmer sich beigesellen! Unhaltbar ist 
seine bisherige Stellung in jedem Falle geworden. — 

Es bleibt uns schliesslich nur ciue Erörterung darüber 
übrig, in welcher Weise die von uns als nothwendig und 
unausbleiblich erachtete Reform der Baugewerbe in ange- 
messener Weise gefördert werden könnte. Selbstverständlich 
kann dies nur ganz allmälig geschehen, da es sich nicht um 
einen durch oktroyirte Maassregeln in bestimmter Zeit er- 
reichbaren Erfolg, sondern um Aenderungen handelt, die 
der Zustimmung und Eingewöhnung aller Betheiligten be- 
dürfen. 

Praktisch wird sie Niemand besser zu fördern im Stande 
sein, als die grossen Bauunternehmer selbst, wenn sie ein- 
sichtig genug sind, das Unhaltbare der gegenwärtigen Zu- 
stände anzuerkennen und der Entwicklung der Zukunft 
entgegenzukommen. Es wird dabei in ihrer Hand liegen, 
die Treue und Zuverlässigkeit ihrer bisherigen Poliere da- 
durch zu belohnen, dass sie ihnen den Uebergang zur Selbst- 
ständigkeit nach Möglichkeit erleichtern: sie sind in der Lage, 
zunächst versuchsweise vorzugehen und den Erfolg derartiger 
Maassregeln zu beobachten. IVass derselbe bei der gegen- 
wärtigen Erhitzung und Erbitterung der Gemüther ein augen- 
blicklicher und radikaler sein könnte, darf natürlich Niemand 



erwarten; ebenso selbstverständlich ist es, dass gewisse 
Theile der Bauarbeit, so z. B. eine grosse Zahl der auf dem 



Zimmerplatze geübten Leistungen, sich mehr zu einem Be- 
triebe im Grossen eignen, daher auch entschiedener als bis- 



Es ISsst sich sonach vemiuthen, dass die letzteren, die kom- 
positen Kapitelle — an den drei äussern Säulenreihen de» Pro- 
stylns, die kuhköpfigeu Kapitelle dagegen an den beiden iuneren 
Säulenreihen des dreischittigen Prostylos angeordnet gewesen 
"sind, ähnlich wie es mit den iem'scben Säulenreihen der 
Propyläen zu Athen und Kleusis im Gegensatze zur dorischen 
Front geschehen ist Der Ranz« Tempel war im Maasstabe 
kleiner als der oben genannte des Cluudius, dessen monolithe 
Säulen über 14« Höhe belassen, aber in demselben Matcriale, 
in weissem Marmor, erbaut. An der Nordseitc int die antike, 
steil ansteigende und mit eingeschnittenen Wagengeleisun und 
Qucrrillon hergestellte Falirstrasse mit Fussgäugerwegen uud 
Prellsteinen trefflich erhalten vorgefunden worden. 

Schräg über von dem Tempel liegen, in den Südabhang des 
Prion eingeschnitten, die stattlichen Reste eines bedeckt ge- 
wesenen Theaters, welches allgemein als Odeiou bezeichnet wird. 
Es ist etwas kleiner als das bekannte, am Südwestfusse der 
Akropoü* zu Athen belegene Theater des llerodes Attikos, aber 
ähnlich gegliedert und mit gleicher Pracht in weissem Marmor 
erbaut. Der Durchmesser betrug sicher über 60", fünf Treppen 
theilten die Sitzplätze, alle Stufeubalinen wureu rechts und links 
von Löwentatzen cingefasst; oben bildeten korinthische, mit 
rothen polirten Granifschäften versehene Säulen eine bedeckte 
Stoa. Ein Theil des Skonengebäudes ist aufgegraben ; die da- 



durch siel 



auffallend hohen Untf 



und 



die Einrahmungen der Nauptthür lassen attischen Einfluss er- 



luptttiur 

kennen, so dass die erste Anlage noch mit Sicherheit der lysi- 
machischen Epoche angehört, während ein, vielleicht gur zwei 
spätrömische Um- und Erweiterungsbauten dem ersten Baue 
gefolgt sind. Grosse Bogennischen an den Proskenien mit 
architravirten Bögen und kleinlich profilirten dorisirenden 
Pfeilerkapitcllen sind hierfür beweisend, ebenso Inschriften aus 
der Zeit des Antoninus Pius. Einzelue aus dem Schutte hervor- 
gezogene korinthische Akanthus- Kapitelle mit drei Blattreihen 
lassen sogar bemerkenswerthe Rohheiten, wie das III. Jahrhun- 
dert sie brachte, erkennen. 

Dem Odeion gegenüber, auf hoher und jedenfalls künstlich 
geschaffener Terrasse steht, wiewohl verschüttet und nur 
iheilweis aufgedeckt, ein stattliches autikes Grabmal, ähnlich 
dem bekannten Prachtbaue der Via Appia, dem Grabthunue der 
('aeeilia Metella. Das hiesige ist grösser — fast •i.'j" im Durch- 
messer — aber weniger reich und schön gestaltet. Zwei aus 
kleinen Quadern erbaute niedrige Zylinder mit zierlichen Kranz- 
gesimsen bekrönt, bilden übereinauderstchend - der obere et- 
was schmaler, als der untere — deu Unterbau und ein flacher 
Kegelhügel, der wahrscheinlich mit Cypressen bepflanzt war, 
bildete den oberen Abschlus*. Zierliche Blattkamteile korin- 
thischer Version, die zu dem kleinen einschliessenacn Peribolus 



gehört haben, bezeugen die römische Spätzeit Li der Nähe 
sind Piedestalc für drei Beiterbilder ausgegraben worden, deren 
Front nach der llauptstrasse, auf der wir langsam hinabreiten, 
gerichtet war. Gleich hinter dem römischen Maussoleum folgt 
ein sehr stark verschüttetes Backsteiugcbäudc, welches mit drei 
Tonnengewölben, die auf Marmorpfeilern ruhen, sieb nach einem 
Hofe Öffnet, in welchem inschriffsreiche Piedestale aufgerichtet 
sind. Eins derselben ist für Vcdiua Antoninus von der Zunft 
der lanarii gesetzt worden. 

Weiterhin tritt ein dritter Grabesbau, an derselben Seite 
des Wege« und immer auf gleicher Terrassenhöhe liegend, uns 
entgegen. Er führt den auffallenden Namen Grab des hei- 
ligen Lukas und verdient, zumal er hinreichend aufgedeckt 
ist, eine nähere Erwähnung. Wir sehen einen mit weissen 
Marmorplutten bekleideten zylindrischen Unterbau von 20 " 
Durchmesser vor uns, dessen luncuraum mittels eines ringför- 
migen Tonnengewölbes, welches einerseits auf einem starken 
zylindrischen Mittelpfeiler, andrerseits auf der dicken von II 
Fenstern durchbrochenen Aussenraauer aufsattelt überdeckt ist 
Diese Struktur stimmt ganz mit der entsprechenden am Gor- 
dianer Grabmale (dem sogenannten Torre di Schiavi) und dem 
Herouru des Komulus an der Via Appia zu Rom überein, trägt 
aber in der künstlerisch feinen Ausstattung der Details, beson- 
ders der Rünthe und der Kensterumrahmungen, das Gepräge 
einer älteren Epoche, wahrscheinlich der Augusteischen. Die 
Vermuthung liegt null«, dass der Oberbau als ein peripteraler 
Kreisbau gestaltet war, wie das Gellius Grabmal zu Tivoli 
(fälschlich immer Vesta Tempel genannt) und der sogenannte 
Vesta Tempel zu Rom. Doch scheint derselbe frühzeitig unter- 
gegangen zu sein, denn schon in altchristlicber Zeit ist der 
Unterbau von der Südseite her erbrochen worden, um den In- 
uenraum aufs Neue zu benutzen. Dabei hat man in schlechter 
Technik eine kleine Kapelle eingerichtet und den Eingang mit 
zwei marmornen, weit vortretenden Antenpfeiiern geschrauekt 
von denen der links stehende, völlig glatte zwar zertrümmert, 
aber in seinen Bruchstücken noch erhalten ist und der rechts 
stehende noch heut in der Stirnfläche innerhalb seines Rahmen- 
werkes eiu schlüukcs altchristliches Kreuz und darunter einen 
schreiteudeu Stier, beides noch in echt antiker Behandlung, 
zeigt, so dass hierdurch die christliche Herkunft und die tradi- 
tionelle Bezeichnung ausser Frage stehen. In derselben Zeit, 
d. h. wie ich aus verschiedenen lokulen und geschichtlichen 
Gründen vermuthe, am Schlüsse des IV. Jahrhunderts, hat man 
eine nordöstlich gegenüber belegene , aber fast zur Formlosig- 
keit herabgesunkene römische Basilika zur St I.ukaskirche ein- 
gerichtet; denn auch dieser Name bat sich — obschon der Kul- 
tus längst erloschen ist — innerhalb der griechischen Bevöl- 
kerung erhalten. 



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her und mit Aufwendung aller mechanischen Hülfmittel 
fabrikmassig zu gestalten sein möchte. 

Nächst den einzelnen Bauunternehmern sind es nament- 
lich die augenblicklich in so lebhafter Entwickelung begriffe- 
nen Baugesellschaften, deren Initiative »ich zu einer wirksamen 
Einwirkung auf die vorgeschlagene Umgestaltung des Bau- 
betriebes eignet. Ganz abgesehen von ideellen Motiven mnss 
ihr materielles Interesse sie ganz von selbst zu der Erwägung 
führen, ob direkte Beziehungen zu den Bauarbeitern ohne 
Vermittelung der bisherigen Meister für ihre Zwecke nicht 
vorteilhafter und aussichtsvoller sei; — eine Erwägung, die un- 
seres Erachtens ganz unbedingt bejaht werden muss, da es 
solchen Gesellschaften an der technischen Kontrolle, die als- 
dann allerdings in verschärftem Maassce'mtretenmüsste, niemals 
fehlen wird. Endlich würden auch grössere Korporationen 
und der Staat, die über das nötbige Kapital zur Ausführung 
ihrer Bauten verfügen, in der günstigen Lage sein, zu sol- 
chen Versuchen die Hand zu bieten und den Regiebau, wie 
den Kleinakkord mit Handwerks - Unternehmern neben der 
jetzt üblichen Ausführungsweisc nicht blos bei Eisenbahnen, 
sondern auch bei Hochbauten anzuwenden. Höchst betner- 
kenswerthe und erfolgreiche Unternehmungen dieser Art sind 
schon vor geraumer Zeit , u. A. beim Bau des Schweriner 
Schlosses unter D emmier und 
Müller gemacht worden. 



der Bremer Börse unter 



Vor allem aber appelliren wir in 
dio öffentliche Meinung, zunächst unserer Fachgenossen," so- 
dann des gesammten Publikums überhaupt, das ja, wie wir 
im Eingänge hervorgehoben haben, Irh einer Lösung der 
gegenwärtigen Konflikte nicht zum Geringsten mit iuter- 
essirt ist. 

Dass die über kurz oder lang wiederum flagrante Frage 
der Bauarbeiter- Strikes uubeschadet ihres Zusammenhanges 
mit der allgemeinen sozialen Bewegung einer gesonderten 
Behandlung wohl fähig und würdig ist, das glauben wir aus 
der spezifischen Natur der Baugewerbe nachgewiesen zu haben. 
Wir bitten daher, unsere freiinüthig geäusserte Ansicht, die 
wir keineswegs als fertiges System proklamiren, sondern mit 
der wir lediglich eine bescheidene, weilerer Ueberlegung und 
Ausbildung bedürftige Auregung geben wollten, auch von 
anderer Seite in Erwägung zu ziehen. Wird ihr eine Be- 
rechtigung zuerkannt, so wird ihr schliesslich die Unter- 
stützung der öffentlichen Meinung und damit das 
wirksamste Mittel, jener Reform schnelleren Eiugang zu ver- 
schaffen, gewiss nicht fehlen. — 

Unsererseits hegen wir die Ueb Erzeugung, dass, sobald 
sie zur Wirklichkeit geworden ist, von einer Gefahr der Ar- 
beitseinstellungen im Bauwesen nicht mehr die Rede sein 
kann, wohl aber, dass die Blüthe desselben erst dann eine 
normale und gesunde sein wird. — F. — 



Dem beigefügten Situationsplane entsprechend liegt das- 
selbe der Südseite der St. Johanneskirche gegenüber, an dem 
Anfang einer neuen Strasse, welche seiner Zeit über den 
jetzigen Kirchhof, auf das Südportal der Kirche gerichtet, 
fortgeführt werden soll. 

Die Grundrissdisposition beabsichtigt die Trennung der 
drei Verkehrsarten, die in dem Pfarrhaus© Statt haben, und 
zwar: 

den Verkehr des Predigers mit der Gemeinde, 
den Verkehr mit den Konfirmanden, 
3) den Verkehr der Familie und des Hauswesens. 
Demgemäss scheidet das gewölbte Vestibül das Vorzim- 



mer und Arbeitszimmer des Predigers (links) von den drei 
Wohnzimmern (rechts), welche letztere erst hinter der Wind- 
fangthüre zugänglich werden, während für die Konfirmanden 
ein besonderer Eingang mit einer besonderen Treppe ange- 
legt ist. Das Aeussore ist entsprechend der nahe gelegenen 
Kirche in rotheu Backsteinen zur Ausführung gelangt, mit 
mässiger und vorwiegend dekorativer Anwendung von Gla- 
suren. 

Der tieferen geistigen und religiösen Bedeutung des im 
1. Stock belegeneu Konfirmanden-Saales im Verhältnis* zur 
bürgerlichen Wohnung ist durch eine Erhöhung desselben 
in das Dach hinein und würdigere strengere Ausbildung der 



Neben der römischen Itasilika und links von unserm Wege 
hat Mr. Wood die beträchtlichen Reste eines römischen ganz 
zusammen gestürzten Tempels aus weissem Marmor aufgedeckt, 
dessen glatte Säulenscbäftc von polirteni violett gestreiftem 
Marmor hergestellt waren. Die Basen waren attisch, die ko- 
rinthischen S>äulen- Kapitelle donnelblattreihig; die Anten-Kapi- 
telle in kompositer Version. Diese charakteristischen Eigen- 
thümlichkeiten, sowie die zweitbciligen Architruvc mit füllungs- 
artiger Unterfläche und die gebauchten Friese entscheiden für 
die Herkunft aus der Mitte des II. Jahrb. n. Chr. Koch liegen 
hier drei tiewaniltorsen unter den Trümmern, andere und bes- 
sere sollen schon fortgeschafft sein. Mr. Sivcy bezeichnete uns 
— doch ohne Grundaugabu — die Ruine als einen Apollon- 
Tempel. 

Iu geringer Entfernung und als Abschluß der in die Ebene 
hinabsteigenden Strasse liegt ein ausgegrabene* dreipfortiges, 
von zwei starkeu vorspringenden Thürmen flank irtes Thor, wel- 
ches rechts nach Magnesia, links und immer längs der Stadt- 
mauern einen llauptwcg zum Artemision eröffnete. Zwei Sar- 
kophage stehen aussen in der Ecke am rechtsseitig vortretenden 
Tburme noch an ihrer alten Stelle. Mit Interesse betrachtet 
man ihre schlichten Reliefs und Laubgewinde, denn der eine 
derselben, der vorderste, gilt als Sarg des heiligen Polvkarpos. 
An den i unereti Seiten der gut gestalteten Antepagmente des 
Thors sind in Augenhöhe altchristliche Kreuze verschiedener 
Grösse und Form theils eingehauen, theils eingeritzt, als hätten 
sie einst den Zweck gehabt, dem hereinkommenden Wanderer 
die Existenz einer christlichen Gemeinde zu verkünden. Das 
Thor selbst hat zwar in römischer Zeit einen Umbau erlitten, 
wodurch es dreinfortig geworden, entstammt aber, wie dio 
schönen grossen Huckelquadern des SUdthurmes beweisen, der 
lysiinachiscbcn Epoche. Die gut messbare Stärke der als 
Emplektou behandelten Ringmauer beträgt 5.Ü0». 

Nördlich von der Strasse und innerhalb des Thors und der 
Stadtmauer treten uns zuletzt dio imposanten Reste eines Gym- 
nasiums entgegen, welches schon lunge mit Sicherheit nach 
seiner Lage hinter dem Prion Stadtthcilc, welcher den Namen 
Lepre Akte führte, als das Opistholepreische Gymnasium bekannt 
ist. Alle älteren Reisenden haben dasselbe beschrieben , da es 
immer die besterhaltcnc Ruine von Ephesus gewesen ist; die 
Herausgeber der jouischen Alterthümer, sowie Cboiscui Goufficr 
und Falkener haben Aufnahmen und Abbildungen geliefert Und 
in der That verdient die trotz aller Zerstörung noch heut gross- 
artige Ruineugruppc dieses andauernde Interesse im vollen 
Maasse. Es ist ein oblonger, durchweg gewölbter Bau von 107» 
Frontlänge zu SS » Tiefe. Vor der llauptfront und zwischen 
dieser und unserem Wege lag ganz von Hallen umringt dor 
buschreiche Xvstus; hinter demselben das Hauptgebäude, an 
den beiden Tiefseiten und der Hiuterscitc mit einem 11« brei- 



ten gewölbten Korridore, dem sog. Diaulos umgeben. In der 
Frontmitte befand sich der mit drei Kreuzgewölben überdeckte 
Hauptsaal, das Ephebeion, der Uebungssaal für die Jüng- 
linge, etwa 15» breit und 'J8» lang, rechts und links daneben 
die tounengewölbten Nebenräume des Konisterion {Staubkammer), 
Korykciou" (Speisevorrathskjfuiuicr), Elaeothesiou (Ocls(veicher) 
und'Tepidariutn (Erholuugs- und Salbungsraum). Hinter dieser, 
die Palästra bildenden Vorderhälfte folgten dann die Baderäume, 
nämlich nach hinten zu und in der Mitte ein langes tonoen- 
bedvektes Apodytcrium mit Caldarium und Laconicum auf der 
eiueu und dem Frigidarium und einigen Nebenräumen auf der 
andern Seite. Obscbon die Baderäume eine ziemlich stattliche 
Entwickelung zeigen, so sind sie doch noch nicht das L'eberwie- 
gende. Auch fehlt es noch an jeder künstlerischen Verknüpfung 
zwischen den beiden Momenten des Bauprogramms, den Turu- 
sälcn und den Badesälen. Die geschützte Lage und solide Bau- 
art des Ganzen, die Anordnung der einzelnen Turnplätze und 
Uebungssälc durchweg au der Mittagascite, sowie die in mehren 
Räumen noch erkennbaren Luftheizungsrühren begründen die 
Vermuthung, dass dieses Gymnasium überwiegend in der win- 
terlicheu Jahreszeit benutzt wurde. In technischer Beziehung 
lassen sich zwei Bauzeiten unterscheiden, die der hellenistischen 
Gründung und die einer in Folge von Erdbeben hervorgerufenen 
sehr umfassenden römischen Reparatur. Der hellenistische Bau, 
der bereits ein Wölbungsbau gewesen sein muss, wenn auch 
jetzt nur Bogen und nicht Gewölbe erhalten sind, war ganz aus 
grossen weissen — jetzt schwarzgrau gewordenen — Marmor- 
quadern erbaut. Er stand auf hoher Kalksteinbasis, zu der drei 
Marmorstufen von 0,29™ Steigung und Auftritt emporführten; 
jonische Kunstformen von dreithciligcu Epistylien und Zahn- 
schnittgebälken schmückten ihn und nrchitravirte Bögen fehlten 
nicht. Mit grosser Wahrscheinlichkeit darf man die erste An- 
lage in das III. Jahrb. v. Chr. setzen. Die in römischer Zeit 
erfolgte Wiederherstellung hat zwar die Hölienmaasso etwas 
gesteigert, aber die Wölbungen in üblicher Weise aus Backstei- 
nen und Gussmörtelwerk einfach erneuert. 

Unter allen bisher bekannt gewordenen Gymnasiums-Ruinen 
ist dies die besterhaltcne und vollständigste. Leider lässt Bich 
ohne sorgfältige Ausgrabung der verschütteten Räume auch hier 
kein abschliessendes Urtheil gewinnen. Und doch verdient ge- 
rade diese Denkmälerklasse das eingehendste Studium von Ar- 
chitekten und Archäologen. Denn in der Kingschule empfiug der 
hellenische Knabe die eine Hälfte seiner Ausbildung; in ihr ver- 
brachte der Jüngling alle Mussestuuden, um mit Freunden und 
Altersgenossen in Kraft und Gewandheit zu wetteifern. Zu der 
Ringschule wandelte der Manu, um den Vorträgen der Wissen- 
schaftslehrer zu lauschen oder durch Spaziergang und Bad für die 
Gesuudheit zu sorgen; in dor Ringschule erlabte sich noch der 
Greis an der rüstigen Lcibcspfiego oder den heiteren Jugend- 



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- 113 — 



Architektur so weit 
Harmonie deB Ganzen dies zu 
Absicht hat der Verfasser auch 
kirchlicher Kunstformen. spe- 
ziell der der gegenühcrliegen- 
den Johanneskirche, den engen 
Zusammenhang anzudeuten 
sich bemüht, der in diesem 
Falle zwischen Haus und Kir- 
che Statt haben soll. Im In- 
nern ist eine Einlachheit aller 
Theilo bestimmendes Prinzip 
gewesen. Treppen, Thftren, so 
wie die Deckentüfelnngeu und 
alle sonstigen sichtbaren Holz- 
arbeiten sind in Naturfarbe 
belassen, gefirnisst und mit 
Braun dekorirt. Das Souter- 
rain ist gewölbt. Ausser drei 
Schlafzimmern im ersten Stock 
befinden sich zwei Treppen 
hoch noch ausgebaute Giebel- 
stuben. 

Die Baukosten 
pptr. 11000 Thalcr. 



Rechnung getragen, als die 
ertragen vermochte, und mit 
im Tebrigen durch Anklänge 




Sowohl an der Pfarre wie an der in No. 11 veröffent- 
lichten Kirche ist jedes spätere Verstreichen der Fugen ver- 
Um indessen bei dem kleinen Format der Steine 
den störenden Einfluss der 
weissen Fuge zu vermeiden, ist 
die Äussere Verblendschicht in 
einem Mörtel gemauert, der 
durch Caput mortuum roth ge- 
färbt war. Wie sich heraus- 
gestellt hat, ist das scheinbar 
umständliche Verfahren keines- 
wegs zeitraubend gewesen; der 
Mörtelkasten erhielt 2 Ab- 
theilungen, aus welchen die 
Maurer nach kurzer Uelmng 
mit Leichtigkeit beide Bedürf- 
nisse befriedigten. Die Peini- 
gung des Mauerwerks gelang 
weit leichter als bei Anwen- 



rr 



— r- 

5Ü 



dung von weissem Mörtel, und 
durch den Zusatz des Eisen- 
oxyds hat der Mörtel der Ver- 
bleudschiclit eine ganz ausser- 
ordentliche Härte angenommen. 

J. Otzen. 



Die Eisenbaha-Vfrblndiflsen zwischen Buden lad Elsa«. 



Wenngleich es eine wenig 
würde, in einer Bauzeitung alle 



ebnende Danaideu-Arbuit sein 
die Eisenbahn-Projekte zu er- 



wähnen, welche besonders gegenwärtig zahllos eniporsehiessen, 
um grossenthcils eliettso rasch wieder zu vergehen, so dürfte 
doch mit den in Aussicht stehenden neuen Verbindungen zwischen 
Baden und Elsas« wohl eine Ausnahme zu macheu sein, einmal 
weil dieselben das „Gründungs- Stadium" schon überschritten 
haben und auf den Hoden amtlicher Behandlung gelangt sind, 
sodann weil Aukuüpfuugcn mit dem neuen Rcichslande auch aus 
anderen als technischen oder finanziellen Gesichtspunkten In- 
teresse gewähren. Schon während der Friedensverhandlungen 
vor einem Jahr warf sich die Unternehmungslust auf vorliegen- 
des Gebiet, und es wurde von Seiten eines gut fundirten Kon- 
sortiums die Konzession erbeten für ein umfassendes Eisenbahn- 



netz am Oberrhein mit zwei festen Brücken bet Breisach und 
Rastatt. Hierauf erging indessen der prinzipiell nicht unwich- 
tige Bescheid des Reichskanzler-Amtes, dass man überhaupt 
nicht beabsichtige, Privatgesellschaften zum Bau und Betrieb 
neuer Buhnen in Elsass-Lotbriugen zuzulassen. Es wird dahrr 
- wie die Klicksiebten auf innere und äussere Sicherheit des 
neuen Gebietes allerdings nahe legen — die Keichsregieruug 
das bestehende Eisenbahnnetz mit alleu zu wünschenden Er- 
weiterungen in unmittelbarer Verwaltung behalten, womit jedoch 
wohl das Anknüpfen kurzer Fäden von Seiten der angrenzen- 
den Bahnen bis in das Rcichslond hinein nicht ausgeschlossen 
ist. Gegenwärtig liegen nun vier dergleichen Projekte vor, 
welche nach chronologischer Beihenfolge aufgezählt 
mögen. 



seiner Kinder und Enkel. Das Gymnasium war von 
der Sammelplatz aller bildenden Künstler, weil nirgends 
die herrliche Schönheit des menschlichen Leibes in Ruhe wie Be- 
wegung so leicht und mühelos («wundert werden konnte, als hier. 
Ohne diu griechische Palästra gäbe es keine griechische Plastik. 
Und wie dem Altcrthuinsfrcuudc bietet auch dem Architekten 
das griechische Gymnasium eine Fülle von Belehrung. Denn 
diese Gebäudegattung hat in Verbindung mit dem Tholenbau 
der Prytaneien den Gewölbebau schon in früher Zeit als Dek- 
keubilduugsprinzip ins Auge gefasst und in stets erneuerten 
Versuchen zu jener wunderbar grossartigen Raumgestaltung zu 
verwerthen verstanden, wie sie in der Maxentius -Basilika zu 
Rom oder zuletzt in der noch höhereu Kombinationsstufe der 
Hagia Sofia zu Konstantinopel uns entgegentritt. 

Unser Rundritt ist vollendet. Flüchtig besichtigen wir noch 
die beiden, von dem aufgeschwemmten Boden völlig begrabenen 
Gräberstrassen mit ihren langen Reihen weisiniarinoruer Sarko- 
phage, welche sich an der Ostscite des Prion und ausserhalb 
der alten Ringmauer entlang ziehen, und erklimmen noch einmal 
die höchste nördlich belegene Kuppe dieses schönei 
in der Ebene aufragenden Murmorberges. Es will 
den; schon neigt sich die Sonne hinter St. Pauls Gcfäuguiss 
zum Unterfange, aber noch fehlen die duftig blauen, langen Schlag- 
schatten, ein leuchtender Goldton liegt auf der ganzen, uns nun 
so vertraut gewordenen Landschaft: der Aether ist rein und durch- 
sichtig wie immer. Wir empfinden den ganzen Zauber louiens. 
Die feierliche Stille ladet zur Sammlung ein. Indem wir noch 
ein Mal die Blicke in die Runde schweifen lassen, vergegenwär- 
tigen wir uns beim Abschiede von dieser denkwürdigen Stätte 
die so eigenartige, man kann sagen, einzige Stadtgeschichte. 
Dort drüben in eiuer Eutfemung von kaum 2000 Sehritten er- 
hob sich einst der Riesenbau des Artemisions. Der Artemis- 
kult war von aussen her, von der See gekommen. Um ihn 
gruppirte sich ein karisch-phönikischer Dienst, von einem stol- 
zen Pricsterthumo geleitet Bereitwillig wurde die Verehrung 
der alteinheimischeu Göttermutter, der Kybcle, mit der der Ar- 
temis verschmolzen und ein früh hervortretender Fremden- und 
Pilgerzug durch Asylrecht und Marktverkehr gefördert Den- 
noch erfolgte keine städtische Entwicklung auf breiter Volks- 
grundiagc; dem priesterlicheu Interesse entsprach besser die 
patriarchalische Gaugenossenschaft halbfreier Bauern. Diesen 
Verhältnissen machte der Wandertrieb des hellenischen Volkes 
eiu Ende. Unter Androklus, einem Sohne des Kodrus. erschie- 
nen athenische lleerschaaren und besetzten nach hartem Kampfe 
den wartthurmartigen Koressus- Vorsprung bei St. Pauls Gefäng- 
nis«. Auf ihm erwuchs unter dem .Schutze der Atheua ein atti- 
scher ßürgerstaat. Daher ist die Gestaltung einer Art von Doppel- 
stadt das Charakteristische für Ephesus gewesen und geblieben. 
Fast immer haben sich die bürgerlichen und kirchlichen Inter- 



essen bekämpft, nur zeitweis hat eine noch stärkere Kraft die 
streitenden Elemente gebeugt und zusatnniengefasst. Während der 
Ivdisehen, noch mehr während der persischen Oberherrschaft fand 
das Priesterthum an der Allgewalt der Grosskönige einen Rück- 
halt und zwang zuletzt die Einwanderer, vom Koressus und Prion 
in die Ebene hinabzusteigen, um in den altgewohnten bäuerlichen 
Verhältnissen zu leben. In die lydische Epoche fällt der mit dem 
Aufgebote aller theokratischen und monarchischen Kräftu unter- 
nommene Kolossalbau des Artemisious. Xenes schonte den 
vielbewunderten Prachtbau, nicht Herostiatos. Auch der Neu- 
bau erfolgte ohne hellenische nationale Theilnahme. Die Prie- 
sterschaft baute aus eigenen Mitteln. Lysimachus war es vor- 
behalten, den Hellenismus wieder emporzubriugen. Er begrün- 
dete mit alexandrischer Thatkraft ein neues griechisches Ephe- 
sus, indem er Prion und Koressus ummauerte und ein Hau- 
dels-Emporium ersten Ranges schuf. Diese Erbschaft traten 
kleinasiatische Dynasten an, sie fiel dem römischen Volke und 
zuletzt den Cäsaren zu. KpliOBUS wurde der Mittelpunkt gross- 
artigen Fremdenverkehrs, aber auch die Stätte verschwenderi- 
schen Müßigganges. Viele Kulte wurden hier vereinigt, das 
hellenische Volksleben fand in Märkten, Theatern, Gymuasien, 
Stadion und Hippodrom seine bleibenden und herrlich geschmück- 
ten Stätten. Doch den stolzen Bau erschütterte in seinen Grund- 
festen das Christenthum. Noch ehe die neue Residenz am Bos- 
porus zum Aufsteigen kam, warfen räuberische Gothenschaareu 
den Wunderbau des Diauenteinnels in Trümmer. Der Verfall 
war nicht mehr aufzuhalten. Gleichwohl verging mehr als ein 
Jahrtausend, che die hvzantinisehe Herrschaft fiel und bevor der 
Islam die christliche Kirche verdrängte Noch einmal erfolgte 
eine kurze Blüthe unter den osmamscheu Sultanen, aber der 
leidenschaftliche Eroberungstrieb des türkischen Stammes, und 
später seine Indolenz vermochten keine dauernde Kultur mehr 
zu pflanzen. Ephesus wurde das ungeheure Ruinenfeld, wie 
wir es sehen, ein Stadtgrab, dem keine Auferstehung mehr be- 



lcn, 

schieden ist. 

Im Schatten solcher Gedanken gewahren wir, das die 
Sonne fort ist und tiefe Dämmerung uns bereits umgiebt. 
An den Bergen lohen wieder die von den Hirten entzündeten 
Waldbrände, den wundervollen Sternenhimmel durchleuchtet die 
schmale Sichel der Mondgöltin; mit beflügelter Eile streben wir 
zu unserer Herberge, um in gemeinschaftlichem Gedankenaus- 
tausche alle Tages-Beobachtuugeu noch einmal zu prüfen und zu 
angenähert sicherer Erkenntniss der reichen Stadtgeschichtc ab- 
zuschließen. Es ist die letzte Nacht, die uns hier zu weilen 
vergönnt ist, andern Tages müssen wir nach Smyrua zurück, 
um uns zu trennen. Die schönen Tage eines goldnen Herbstes 
in Klein -Asien sind vorüber. 

(Furt«ct«uiig folgt.) 



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— 114 - 



18G9 tasten die Vertreter der Städte Frei bürg und 
Colmar an der Landesgrcnze in Breisaeh und schlössen eine 
Konvention über den alsbaldigen' gleichzeitigen Bau einer Eiseu- 
bahn zwischen den genannten Punkten, und zwar auf Kosteu 
jeder der beiden Städte bis au den Ithein, und auf gemein- 
schaftliche Bei hnung für eine stehende Brücke über den Strom. 
Bei dem obligaten Zweckcsscn wurden schöne Reden gehalten 
über Frieden und Verbrüderung; Einander erinnert sich nament- 
lich eines in gebrochenen! elsässer Deutseh gehaltenen Toastes 
auf die 'erste den Rhein pussireudo Lokomotive: „Cowordia 
soll ihr Name sein." Weniger konnten sich die beiderseitigen 
Techniker über die Grundzuge für den Brückenbau einigen: 
wahrend von deutscher Seite auf ein wirklich stabiles und dauer- 
haftes Ucbergangswerk gedrungen wurde, schlugen die lngcuieure 
von Colmar eine hölzerne l'fahlbrücke vor, welche in dem 
reissenden Strom kaum weniger gekostet, alter vielleicht — ge- 
wisse militärische Interessen mehr befriedigt hätte. Dieser Punkt 
wurde vorlaufig bis nach dem Erfund sorgfaltiger Sondirungcn 
des Rheinbettes ausgesetzt. Da jedoch im Ucbrigen die Geneh- 
migung der beiden Regierungen erthcilt und die Ucbernahmc 
des Betriebs durch die anschliessenden Hauptbahnen zugesichert 
war, so wurde badischer Seits die Konvention alsbald in Vollzug 
gesetzt. Wir befanden uns bereits in voller Bauausführung, al» 
das Unecwitter des Krieges losbrach. Drüben mas dasselbe 
wohl nicht so ganz unerwartet gewesen sein, da die Vorarbeiten 
mit auffallender Lässigkeit betrieben wurden und der verab- 
redete erste Spatenstich gar nicht erfolgte. Trotz der Nähe des 
Kriegsschauplatzes wurde der ßahnbau zwischen Freiburg und 
Breisach niemals unterbrochen, nur während der Kanonade 
zwischen Alt- und Neu-Breisach wichen die Arbeiter den drohen- 
den Granaten aus, und um lj. Seid. 1871 ist die Strecke dem 
Betrieb übergeben worden. Zufolge den Bestimmungen des 
Friedensvertrages ist das deutsehe Reich Rechtsuachfoluer aller 
bei der französischen Ostbahn im Gebiet von Fllsass-Lothringen 
schwebende!! ICiscnbahnsacbcu, somit auch des zwischen dieser 
Gesellschaft und der Stadt Colmar nach Analogie der übrigeu 
elsässischeu Vizinalbahnen abgeschlossenen Hctriebs-Vcitrages. 
Allein Colmar hat seine Rechte und Verbindlichkeiten vollständig 
aufgegeben und kann auch wohl unter so gänzlich veränderten 
Umständen weder dazu angehalten, noch auch füglich mit dem 
Interesse der deutschen Regierung verschmolzen werden. Um 
nun die Sache wieder in Fluss zu bringen, hat vor Kurzem die 
Stadt Freiburg durch Verniittelung des badischen Handelsmini- 
steriums eine EingalH» an das Oberpräsidium in Strassbur« gc- 
langen lassen und darin das jetzt noch verstärkte Bedürfnis*, 
die beiden Rheiuufer hier in Verbiiidung zu bringen, hervorge- 
hoben. Vor allem wird deshalb der Bau der ca. 22 langen 
Strecke Coltnar-Bieisach auf Reichskosten beantragt, und event. 
erbietet sich Freiburg als Besitzerin der Anschlusslinie hierzu 
gegen Ziusengarantie. Es steht wohl zu erwarten, das« in Folge 
dieses Schrittes ein definitiver Entschluss der deutscheu Ver- 
waltung, welche sich von vorn herein für die Sache intercssirt 
hat, zu Tage gefördert werden wird und das« dann jener Trink- 
spruch, wenngleich in ganz anderer Wein«, wirklich zur Er- 
füllung gelangt. 

Unmittelbar vor dem Kriege wurde zwischen der badischen 
und franzosischen Regierung ein Staatsvertrag verabredet zur 
Herstellung einer Eisenbahn zwischen I.eopoldshöhe und St. 
Louis, den ersten Stationen der badischen, bez. der elsässischen 
Bahn nördlich von Basel. Eine feste Brücke sollte bei Hüningen 
deu Rhein kreuzen. Die nur 5 K™ lange Verbinduugsstrecke 
würde im beiderseitigen Interesse, besonders ge«enül>er der 
Konkurrenz der schweizerischen Eisenbahnen nach 
Richtungen, gelegen haben. Gegenwärtig ist der nhn< 
nicht perfekt vollzogene Vertrau hinfällig geworden, 
badische Regierung ist im Betriff, die Verhandlungen über diesen 
Gegenstand zu erneuern, und ausser der kommerziellen ist nun 
auch die militärische Rücksicht vou Bedeutung, wenn an der 
äussersten Südgrenze ausserhalb dos neutralen Schweizer- 
bodens eine durch die Hüningrr Festungswerke geschützte Ver- 
bindung über deu Rhein geschaffen würde. 

Eine dritte, ebenfalls schon vor dem Kriege geplante Eisen- 
hahnverkuüpfung betrifft die Städte Müll heim und Mühl- 
hausen. Die erstere hat ein Konzession erbeten und mittels 
Beschluss der badischen Kammern vom 15 20 d. 4L erlaugt für 
deu Bau der 4"»> langen Strecke von Mullheim nach Neuen- 
burg, einem Oertchen am Rhein. Auch ist zugesichert, dass der 



i'wnss 
ps nn 
her ( 



Betrieb durch die badische Staatsbahn gegen einfachen Ersatt 
der Kosten übernommen werden würde. Natürlich hat eine 
solche Zweigbahn nur Sinn, wenn die linksrheinische Strecke 
bis Mühlhausen. I» k,u lang, gleichzeitig zu Staude kommt, und 
es wird nun Aufgabe der Konzessionäre, bezw. der sie vertre- 
tenden badischen Regierung sein, diese bei der Verwaltung des 
Rciebslandes in irgend einer Weise zu erwirken. Zu dieser 
Absicht dürfte besonders das Interesse von Mühlhauscn, wo das 
Projekt lebhaften Anklang fiudet, in die Wagschale gelegt wer- 
den: denn nicht nur sind die reichen Fabrikanten gewohnt ge- 
wesen, ihre Sommerfrische vorzugsweise in Badenweiler bei 
Müilheim zu suchen, sondern die zu hoffenden Vcrkchrsbcziehun- 
gen zu Altdeutschland machen einen Uebergang direkt von 
Mühlhausen auf das rechte Rheiuufer ganz besonders wünschens- 
wert h. Die badisch«! Kammer hat indessen durch eine Klausel 
die Erlaubnis* zu einer Rheinbrücke bei Neuenburg an die 
Sicherung der beiden anderen zu Breisach uud Hüningen ge- 
knüpft, und so wird sehr wahrscheinlich das schone Ergebnis* 
herbeigeführt werden, dass gleichzeitig durch drei Uebcr- 
brückungen Elsas» mit dem badischen Oberland verbunden nnd 
damit das Rcwusstscin der geistigen uud wirtschaftlichen Zu- 
sammengehörigkeit unter deu allemauuiscbcn Bruderst&mmen 
kräftiit gestärkt wird. 

Der Rhein besitzt an den drei genannten Brückenstellen 
ein bereits ziemlich geordnetes Bett von 800™ Normalbreite. 
Dieses Maass wird bei den schon vorbereiteten Entwürfen in 
drei gleiche Spannweiten zerfallen. Die Fundirung kann an den 
beiden oberen Brücken mittels Pfahlrost in grobem Kies erfol- 
gen. In Breisach dagegen ist durch die oben erwähnten Son- 
dirungcn festgestellt, dass der Basattfels, an welchen die Stadt 
gelehnt ist, sich auch im Fluss bei ca. 15 m unter NW. vorfindet. 
Er wird mit Hülfu einer pueumati sehen Fundirung erreicht 
werden müssen, weil die Gerolle zwischen ihm und der Fluss- 
sohle eine leicht verschiebliche Ablagerung bilden. Beiläufig 
gesaut, würde eine Eisenbahnschiffbrücke oder eine Trajektan- 
stalt, \ou welchen auch am Oberrhein wohl die Rede gewesen 
ist. hier fast unausführbar »ein, weil das Flussbett sich noch in 
höchst veränderlichem Zustande befindet, — abgesehen davon, 
dass die hohen Betriebskosten eine solche Einrichtung auf die 
Dauer ökonomisch unvortheilhaft gestalten. 

Endlich ist noch ein vom frankfurter Bankverein unter- 
nommenes Projekt zu erwähnen. Dasselbe bestubt in einor di- 
rekten Eisenbahnlinie von Strassburg nach Ulm. 

Die badische Zweialinic vou Appenweier nach Strassburg, 
welche letztere Stadt auf einem bedeutenden Umweg erreicht 
und ohnedies mit starkein Verkehr belastet ist, soll umgangen, 
vielmehr eine neue feste Rheinbrücke nördlich von Strassburg 
hergestellt und die badische Hauptbahn bei Rencheu gekreuzt 
werden. 

Sodann würde der Schwarzwald durch daa Rem hthal und 
den Kniebis auf Freudenstadt zu überschritten, wohin demnächst 
das würtembergische F^isenbahnnetz vorgeschoben sein wird 
(nach den jüngsten Anträgen der Regierung, welche ohue Zweifel 
die Genehmigung der Stände linden wurden). Die würtember- 
gische Staatsbalm kann sodann in das Neckartbai und bis Reut- 
lingen \erfolgt werden. Von hier niuss man die rauhe Alb in 
der Richtung auf Blauheuren uberschieneu, um endlich auf der 
ttercits bestehenden Donaubahn Ulm zu erreichen. Die Gründer 
dieses Projektes, au welches eventuell noch einige Zweiglinien 
angeschlossen werden sollen, betreiben dasselbe gegenwärtig bei 
den betheiligten Regierungen und haben in Elsass uud Baden 
eine nicht ungünstige Aufnahme gefunden. Dagegen dürfte es 
schwer fallen, in Würtemberg eine grosse Privatgesellschaft ein- 
zuführen, welche den Stuatsbabnen Konkurrenz macht und noch 
dazu zwei Strecken der letzteren kaufen oder in gemeinsamen 
Betrieb nehmen mösste. Ob dieser Widerstand durch militä- 
rische Gründe, durch moralische Reichshülfe überwunden werden 
kann, wird die Zeit lehren. 

Wenn man zu den angeführten vier Rheinbrücken noch die 
beabsichtigten Verbindungen des Rciebslandes gegen Norden hin 
rechnet, so ergiebt sich, dass wir das neue tiebiet bald mit 
einer so erheblichen Zahl von friedlichen eisernen Fesseln um- 
schlossen halten werdeu, wie nicht leicht eine andere Provinz 
des deutschen Heiches an ihren Grenzen besitzt. Mögen die- 
selben mit der Pflege der materiellen Interessen auch die gei- 
stige Wiedorernberuug der Stammgenossen befördern! 

Karlsruhe, März 1872. B, 



Mittheilungen 

Architekten- nnd Ingenieur-Verein zu Breslau- (Auszug 
aus den Protokollen.) 

Hauptversammlung am 7. 0k tober 1871. Zur statuten- 
mSssiccn Wahl des Vorstandes für das neue Vereinsjahr waren 
die Mitglieder zahlreich erschienen. Der Vorsitzende, Herr 
Zimmermann, eröffnet die Sitzung mit einem Bericht über 
das vergangene Jahr, aus dem Folgendes hervorzuheben ist: 

Vou Anfang Oktober 1S70 bis Ende Mai 1871 fanden acht 
Hauptversammlungen und 23 Woeheuversammluugen statt, von 
denen die meisten durch Vorträge verschiedensten Inhalts aus- 
gefüllt wurden, einzelne Vereinsangelegenheiten oder der Gesellig- 
keit gewidmet waren. Die Zahl der Vereinsmitglieder belief 
sich auf ca. 7t), von denen allerdings nur ein Theil die Vereins- 
abende regelmässig besuchte. Im Sommcrsemester des Vor- 
jahres sorgte eine Kommission für Exkursionen auf Neubauten 



aus Vereinen. 

odpr in die Umgegend von Breslau. Die Bibliothek ist um 
einige namhafte Werke vermehrt worden, während der Kassei.- 
überschuss sich auf 50 Thlr. beläuft. 

Sodann wurde zur Wahl eines Vorstandes geschritten und 
für das neue Vereinsjahr wieder gewählt: zum Vorsitzenden 
Herr Zimmermann, zum Stellvertreter desselben Herr Prom- 
nitz, zum Schriftführer Herr Hasenjägcr, zum Bibliothekar 
Uerr Zabel, zum Säckelmeister Herr Studt. Ausserdem wur- 
den zu Stellvertretern für deu Schriftführer und Bibliothekar 
ernannt die Herren v. Schütz und Holzhausen. 

Nachdem ferner der Verein seinen Beitritt zum Verbände 
deutscher Architekten- und Ingenieur- Vereine beschlossen, wurde 
Herr Zimmermann einstimmig zum Vertreter desselben auf 
der für den 28. bis 30. Oktober anstehenden Delegirten - Ver- 
sammlung in Berlin erwählt. 



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- 115 - 



Versammlung am 14. Oktober 1870. Herr Kayser 
spricht über Ventilation und unterscheidet dynamische" und 
mechanische Ventilation. Er erwähnt hierbei der Verbesserung, 
die der Engländer Hui r zuerst einem einfachen Ventilations- 
irnstein dadurch gegeben, dass er eine Scheidewand in den- 
en eingeführt Während nun in der einen llfijfte des Schorn 



steine* die kalte Luft niedersinkt, steigt die warme in der 
schneller empor. Eine andere Verbesserung der 
icutilation bat der Franzose Pierron de Mon- 



andern um so schneller empor. Eine 
mechanischen Ventilation bat der Era 

desir insofern entdeckt, als er die verbrauchte Luft nicht wie 
bisher gewöhnlich, durch einen Veutilatinns-Apparat mit grosser 
Geschwindigkeit entweichen, sondern diuse durch ein verhält- 
nissmassig kleines Rohr in einen Kanal von grösserem Quer- 
schnitt hineinblascn lässt, so da** ein viel bedeutenderes Luft- 
quantum, wenn auch mit geringerer Geschwindigkeit, zum Aus- 
strömen in Bewegung gesetzt wird. 

Versammlung am 11. November 1871. Herr Schmidt 
hat sein Konkurrenz-Projekt zum Wiederaufbau des im ver- 
gangenen Winter abgebrannten Stadttheaters, das von der Stadt 
zur Ausfuhrung gewählt worden ist, im Vereiustokal ausgestellt 
und erläutert dasselbe in nachstehender Weise: 

Für den Wiederaufbau des Theaters haben sich als Haupt- 
aufgaben herausgestellt : 

^ V «' l i e8UUK vnn besonders feuergefährlichen Räumen, als 
Malcrsaal, Tischlerei etc. aus dem eigentlichen Bühnongcbäude. 

2) Anordnung von durchaus massiven Fussboden und Decken 
in allen, den Zuschauer- und Bühucnraum umgebenden Korri- 
doren und Nebenräumen. 

# ... :,) Anf>rdnilu S eines massiven Bühneubogcns (statt des 
früheren hölzernen) und Verschluss der Bühnenöffnung durch 
einen eisernen Vorhang, der bei ausgebrochenem Feuer ermög- 
licht, wenigstem* eine Hälfte des Gebäudes zu retten- 

4) Herstellung von neuen Seitcutrepjien zur schnelleren 



Entleerung des Zuschauerraumes. 
Der \ ortragend 



äsende geht nun auf die einzelnen Einrichtungen 
cm und bemerkt, dass der Kronleuchter im Züsch juer- 
fest aufgehängt und von der obersten Galleric mittels 
angezündet werden solle. Vnn anderer Seite wird ein 
n des Kronleuchters auf elektrischem Wege empfohlen, 
die Verwendung eines Maschenvorbauges gegenüber dem 
schwereren und kostspieligeren aus Eisenblech. Die Venti- 
lation des Hauses erfolgt durch die Krnnlcuchteröffnung und 
wird durch eine Luftheizung wirksam unterstützt. 

Das alte Theater war auf 1123 Sitzplätze und 380 Stch- 
pätze berechnet, während nach dem neuen Projekt 1380 Sitz- 
plätze und 350 Stehplätze geschaffen werden sollen. Was das 
Aeussere des wiederhergestellten Gebäudes anbelangt, so wird 
die front nach der Schweidnitzer Strasse durch eine in der 
Mitte vorgelegte Säulenhalle auf hohem U nterbau eine wesent- 
liche Aenderung erfahren. Desgleichen wird der Aufbau des 
Ibeaters, die sogeuannte Laterne, sich in Zukunft nur auf den 
Iheil über dem Bühnenraum beschränken. Die disponiblen 
Baugelder belaufen sich auf 150000 Thlr. 

Versammlung am 18. November 1871. Herr Zimmer- 
mann berichtet als Delegirter des Vereins über die Verhand- 
lungen der Abgeordneten des Verbandes deutscher Architekten- 
und Ingenieur-Vereine zu Berlin am 28. bis 30. Oktober d. J. 
und leitet die Wahl von Kommissionen ciu zur Berathung der 
daselbst aufgestellten Fragen. 

Versammlung am 25. November 1871. Herr Studt 
spricht ubor die verschiedenen, durch mehrmaliges Nieder- 
brennen des Stadttbeaters bereits veranlassten Konkurrenzen. 

»crsammlung am 9. Dezember 1K7I. Herr Zimmer- 
mann giebt eine Beschreibung von der Konstruktion und Ein- 
richtung der von ihm für hiesige Stadt projektiven Baracken 
zur Aufnahme von kontagiüsen Kranken. Er erwähnt der in 
Berlin und Leipzig zur Ausführung gelangten Baracken, sowie 
der in der deutschen Bauzeitung veröffentlichten Musterbaracko 
vom Geheimrath Esse. Von der Einrichtung dieser letzteren 
ausgehend, unterscheidet sich die vom Vortragenden gewählt»; 
Konstruktion im Wesentlichen dadurch, dass behufs der bessereu 
hrwärmung ein Stein starke l'nifassungswände mit Luftschicht an- 
j?eu<.üimcu sind, ausserdem oVr freie Raum unter dem Fuss- 
boden der Baracken weggefallen und Luftheizung statt der 
Ofenheizung eiugeführt worden ist. 

Versammlung am 1«. Dezember 1871. Der Abend ver- 



einigte 40 Mitglieder zu einem Abschiedsessen im Vereinslokal 
zu Ehren des schuldenden Vorsitzenden Herrn Stadt-Bauraths 
Zimmermann. 

- E. IL - 

Verein für Eisenbohnkunde zu Berlin. Versammlung am 
12. März 1872. Vorsitzender Herr W'cisbaupt, Schriftführer 
Uerr Streckert. 

Herr Schwabe lenkte die Aufmerksamkeit der Versamm- 
lung auf die eingehenden Debatten, welche in der diesjährigen 
Session der belgischen Kammer über den Betrieb der belgischen 
Eisenbahuen und über die auf denselben seit Jahrusfrist einge- 
tretenen Verkehrsstockungen stattgefunden haben. Diese Erör- 
terungen gewinnen dadurch ein allgemeines Interesse, dass sie 
sich auf Erscheinungen beziehen, welche in dein vom Kriege 
unberührt geblielwnen Belgien lediglieh durch die ausserordent- 
liche Steigerung des Verkehrs entstanden sind, während ähn- 
liche Zustände in Deutschland nicht allein aus diesem Grunde, 
sondern in noch höherem Grade aus der gleichzeitigen enormen 
Inanspruchnahme der Eisenbahnen in dem Kriege gegen Frank- 
reich hervorgerufen wurden. Während mau sich in lieuUchland 
auf den Vorwurf beschränkte, dass die Eisenbahnen ausser 
Staude seien, gleichzeitig den Anforderungen des Krieges und 
des öffentlichen Verkehrs zu entsprechen, ohne von Seiten der 
Iudustrie die Hand zur Abhülfe zu bieten, geht das auf ein- 
gehenden uud sachgemässeu Erörterungen gestutzte Lrthoil der 
Redner in der belgischeu Kammer dahin, dass eiue dem grossen 
Vcrkehrsaufschwuiige entsprechende Erhöhung in der Leistungs- 
fähigkeit der Eisenbahnen vorzugsweise durch Vermehrung des 
Wagenparks, und zwar unter Betheiliguug der Industrie an der 
Wageiistidlung. sowie durch schnellere Wiederbenutzung der 
Wageu durch" Einrichtungen zum rascheren Entleeren der mit 
Kohlen, Erzen etc. beladeuen Wagen zu erreichen sein wird. 
Die wichtigsten bei dieser Gelegenheit in der belgischen Kam- 
mer gehaltenen Reden sind unter dem Titel erschienen: La 
crise des transports des chemins de fer, discours prononce ä la 
chambre des Kcprcscutants a Bruxelles par S- D'Audrimont. 
Herr Schwabe erwähnt hierbei, das» die bezeichnete Broschüre 
sich im Wesentlichen an seine Schrift: „Leber die englischen 
Eisenbahnen* auscbliesst. 

Der Vorsitzende gab sodann ein kurzes Resume über den 
Inhalt der von dem technischen Eisenbahn-Büreau des Handels- 
Miiiistcriums herausgegebenen statistischen Nachrichten von deu 
preussischeu Eisenbahnen pro 1*70, welche diesmal einen beson- 
deren Werth durch die Aufnahme der für das deutsche Reich 
erlassenen neuen Bestimmungen für das Eisenbahnwesen haben. 
Sic enthalten die Abänderungen des Bahnpolizei-Reglements und 
des Betriebs-Reglementa für die Eisenbahncu etc. und mit der 
Ausdehnung der Gültigkeit auf Württemberg, Baden, Südhesseu 
und Elsass-Lothringen, ferner die technischen Vereinbarungen 
des Vereins deutscher Eisenbahn - Verwaltungen über den Bau 
uud die Betriebs - Einrichtungen der Eisenbahnen; sodann die 
Festsetzungen, betreffend gewisse Hauptabmessuugeu für die 
l'utergestcllc und Achsen bei den Wagen verschiedener Kate- 
gorien der unter Staatsverwaltung stehenden Eisenbahnen, zur 
Erziclung thunlichster Einheitlichkeit auf diesem Gebiete der 
Konstruktion. Bezüglich der finanziellen Ergebnisse der preus- 
aisehen Eisenbahnen erwähnt der Vorsitzeude. dass dieselben 
als günstig zu bezeichnen seien; während die Einnahmen im 
Jahre 185Ö pro Meile 58,000 Thlr. und die durchschnittliche 
Verzinsung des Gesammtkapitals 5.2 pCt betragen habe, sei 
dieselbe im Jahre 1864 auf 70,000 Thlr. und 0 pCt Verzinsung 
und im Jahre 1870 auf 80,000 Thlr. bei ebenfalls 6 p(,'t durch- 
schnittlicher Verzinsung des Anlagekapitals gestiegen — Dass 
die Reute nicht gleichmässig mit gewachsen, habe sein en Grund 
in der Ermässigung der Tarife uud in der Erweiterung der 
Bahnanlagen nebst besserer Ausrüstung mit Betriebsmaterial 
auf dur einen, und der Steigerung der Löhne und Besoldungen 
auf der anderen Seite, lu England betrug die durchschnittliche 
Verzinsung des Gesammt • Anlagekapitals der Eiseubahueu im 
Jahre 1870 etwas über 4 pCt 

Am Schlüsse der Sitzung wurden in üblicher Abstimmung 
die Regierungs-Assessnren Dr. Frölich, Kapmund und Bre- 
feld, Bauinspektor Steuer, Obermaschineiimeister Gust und 
Maschinenmeister F. W. Eichholtz als Mitglieder in deu Verein 



Aus der Fachliteratur. 

ivi* Z u t %W.. aT *P — — ■ rvd. v. G. Erbkam. Jahrg. 
187S, Heft I— III. (Scbluss.) 

B. Aus dem Gebiete des Hochbaues. 

3) Jagdhaus Promnitz des Fürsten zu Pless, mit 

Zeichnung auf Bl. 6-8. Von Hrn. Bau-Inspektor Pavelt zu Gold- 

berg. l)as inmitten eines oberschlesischen Waldkomplexes be- 

, ?L n Srll a * ,st im Ja,lrc ms mit ci " ora Kostenaufwand von 
•J.UOO Iblr. auf den Kellerräumen eines älteren, aus Blockhölzern 
errichteten Gebäudes erbaut worden und besteht im Erdgeschoss 
au» verputztem Ziegelmauermerk, im Ober- und Dachgesclioss aus 
verriegeltem Fachwerk, dessen sichtbare, reich ausgebildeten 
» erhaudstucke von Lerchenholz augefertigt und geölt sind; die 
sehr bedeutenden Dachflächen sind mit Schiefer gedeckt. Der 
OrundriM zeigt im Erdgeschoss hinter einer geräumigen, die 
Wendeltreppe enthaltenden Halle den ca. 8,5 und 12,25» grossen 
Jagdsaal, <fer durch beide Geschosse reicht, zu beiden Seiten 



dio Wohnräume des Fürsten und der Fürstin, im Obergeschoss 
eine grössere Zahl von Zimmern für die Jagdg&ste, im Dach- 
geschoss die Zimmer für Jäger und Bediente, itu Soutetraiu die 
W irthschaftsräume. 

Die architektonische Ausbildung ist in mittelalterlichen 
Können erfolgt und hat für das Aeussere mit seineu Giebeln, 
Erkern uud Balkons, das von einem stattlichen Thurau über- 
ragt wird, eine sehr malerische Baugruppe ergeben. Das Innere 
ist entsprechend durchgebildet und mit Mobiliar versehen. Der 
Saal, welchen ein mächtiger Kamin schmückt, ist am unteren 
Theil mit einem 2" hüben Panueel versehen, die Wandfläche 
darüber, durch ornameutirte Kacln Ifriese getheilt, enthält lustige 
Waidiuauiissnrücbe, ein oberer Erics unter der schrägausteigeii- 
den Heizdecke dio Wappenschilder der Jagdgäatc. Sämmtliche 
Kenster sind in Bleiverglasung ausgeführt, dio des Saales mit 
Glasgemälden. 

4) Ueber die Wagner'sche Kanalheizung in deu 
Kirchen Leipzig», von Herrn Baumspektor Blankenstein 



- 1 IG — 



in Berlin. Mit 2 Blatt Zeichnnngen im Text Es verdient als 
eine für die Stellung mancher Tecbiiikcr zur Oeffeutlichkeit 
bemerkenswerthe Thatsaehe hervorgehoben zu werden, das» es 
eines Auftruges des preussischen Kultusministers an einen 

treussischen Beamten bedurfte, damit durch diesen jene in 
einzig von sächsischen Technikern ausgeführten, höchst inter- 
essanten und werthvollen Heizanlagen in weiteren Kreisen bekannt 
und gewürdigt werden konnten! 

Das denselben zu Grunde liegende, für Treibhäuser und 
Trockenhäuser schon früher angewendete System ist in der ver- 
besserten Gestalt von dem Physiker Wagner in Frankfurt a. M. 
angegeben worden und wird von den Fabrikanten Kemy & 
Reiffenrath zu Herborn auf Grund der in Leipzig gemachten 
Erfahrungen selbstständig zur Anwendung gebracht. Ks besteht 
darin, dass die Verbreuuuugsproduktc von einer oder mehren 
Feuerstclleu durch lange unter dem Fußboden liegende, theils 
gemauerte, theils in Kisenguss hergestellte Kanäle nach einem 
Schornstein geleitet werden. Die kalte Luft wird um Fussboden 
nach den mit (i Itter platt en abgedeckten Kanülen angesogen und 
steigt von dort crwüruit in den Kaum empor. Seit lsti" haben 
in Leipzig die Nikolai-, Thomas-, Neue und Johunneskircbe eine 
derartige Einrichtung erhalten, von denen der Verfasser die in 
der Thomaskirchn zur Ausführung gebrachte detaillirt beschreibt. 
Diu Kanäle, zusammen 235«» lang, geben von zwei Hcizkamnicrn 
«US und liegen uuter den freien Hängen der Kirc he; 9"U,G"> sind 
gemauert. 144,4" von Eisen. Da letztere, die allein Wirme ab- 
geben, 1- Umfang haben, so beträgt die Heizfläche 144,4 L ». 
was bei einem Kubikinhalte der Kirche von 228UÜkh« pro t ]« 
157 ,Ü kb "> zu heizenden Kaum ergiebt. Die grosste Länge eines 
Kanals vom Ofen bis zu dem 0,566 " im □ weiten, 4.'1™ hohen 
Schornstein betrügt 78,lfi m , weshalb beim Anheizen zuweilen 
die Hülfe eines sogenannten Lockofeus erforderlich wird. Die 
Reinigung der nicht begehbaren Kauäle erfolgt von mit Klappen 
versehenen Ocffuuugeu aus mittels an Drähten befestigter 
Bürsten. 

Die Erwärmung erfolgt nur langsam, so dass einen Tag vor 
Beginn des Gottesdienstes geheizt wird, aber um so nachhaltiger, 
weil die Kanäle ein sehr bedeutende« Reservatiousvermögen be- 
sitzen. Die vorschriftsuiässige Miuiinal-Temperatur von 10' B. 
ist stets leicht zu erreichen gewesen und wirkt dieselbe um so 
behaglicher, weil die Schicht unmittelbar über dem Fussbodeu 
dabei die wärmst» (','• oder 1« mehr als in Kopfhöhe) ist. Um- 
gekehrt ist dies bei der Luftheizung der Fall, für die der Ver- 
fasser die uuter sehr analogen Verhältnissen ausgeführte Ein 
richtung der Berliner Gamisoukirche in Vergleich gezogen hat. 
Hier betrug bei einer Temperatur in Kopfhöhe vou ^ bis 'J' 
die am Fussboden nur 8« uud der Autenthalt war durchaus 
nicht so angenehm wie durt. Die Kosten der Einrichtung siud 
bei der Kanalheizung auf 30,7 Thlr., bei der Luftheizung auf 
20 bis 25 Thlr. pro IdOkb«» Heizraurn zu schätzen, die Heiz- 
kosten erreichen bei der Kanalheizung fast die doppelte Höhe 
von denen der Lufthcizaiig. Letzteres Verhältnis« würde sich 
allerdings ändern, wenn die Heizung öfter benutzt wird uud die 
in den Kanälen, dem Erdreich etc. reservil te Wärme zur Gel- 
tung kommen kann. 

5) Die Baudenkmale I mhriens, von Hrn. Architekt 
Paul Laspeyres in Korn. I. S. Giustino. II. Gitta di Castello. 
Mit Zeichnungen auf Tafel 21 u. 22 und zahlreichen Holzschnitten 
im Text. 

Der Beginn einer umfassendenlPublikation üher die verhält- 
nissmässig noch wenig bekannten Baudenkmale des umbrischeu 
Gebietes, an welche der in den Kreisen der Preussischeu Ar- 
chitekten wohlbekannte Verfasser mit einer Sorgfalt uud Treue, 
mit einer Tiefe der Forschung und mit einer Fertigkeit der Auf- 
fassung und Beobachtung herantritt, wie sie jedem, der ein ähn- 
liches Unternehmen wagt, wohl zu wünschen wären. L'm das 
Ergebnis* seiner Arbeiten nicht zu lange zurückzuhallcu , ver- 
zichtet es fürs Erste auf eiue Würdigung der gesammten Um- 
brischeu Baukunst nach allgemeinen zusammenfassenden Ge- 
sichtspunkten, sondern giebt das von ihm gesammelte Material 
in einzelnen. Ortlich gesonderten Monographien; die Denkmale 
der Renaissance siud dabei in den Vordergrund gestellt uud am 
Ausführlichsten behandelt, die der Antike uud des Mittelalters 
in kürzerer Darstellung erwähnt. 

Auf ein detaillirte.s Referat über die durch erschöpfende 
Vollständigkeit sich auszeichnende Beschreibung der Ortschaften 
S. Giustino und Gitta di Castello können wir hier nicht eingehen. 
Im ersten Orte ist es einzig die Villa di Bufaliui, in dem zwei- 
ten dagegen, dem ehemaligen Sitze der berühmten Vitolli , eiue 
bemerkenswerthe Fülle kirchlicher uud profaner Baudenkmate, 
die beschrieben, dargestellt und gewürdigt werden. Wir nennen 
unter ihnen den aus der Blüthezeit der Renaissance stammenden 
Dom St. Florido, die Kirchen Sa. Maria Mapgimc und S. Fran- 
cesco und die verschiedenen Paläste der Viteilt und Hufalini. 

6) Kirche zu Paarig, Kreis Kasteuburg, mitgeth. von 
Hrn. Kreisbaumstr. Kaske, mit Zeichnungen auf BL 2;(. Eine 
kleine in Ziegelrohbau ausgeführte Kirche aus der Zeit der Or- 
densherrschatt, mit gerader Balkendecke uud einem 22™ hohen, 
mit Satteldach versehenem Thurau:. Die Verhältnisse des mit 
geputzten Bleuduischen gegliederten Aeusseren sind nicht ohne 
Beiz, die Detail* höchst einfach. 

7) 61. Bericht aber den Ausbau des Domes zu 
Cöln. Wie immer um mehr als ein halbes Jahr verspätet. 



8) Untersuchung von Mörtelproben aus der Ber- 
liner Gerichtslaube und von der Marienburg, von Hrn. 
Dr. Ziurek in Berlin. Das Resultat der durch chemische Ana- 
lvse uud soweit dies zugänglich war, durch Festigkeitsprüfungen 
untersuchten Mörtelprobcn, mit denen der Verfasser zahlreiche 
andere von ihm früher untersuchte alte Mörtel vergleicht, ist 
folgendes. Der Mörtel aus dem Mittelnfeiler der Gcrichtslaube 
ist ein mittelguter Kalkmörtel von ziemlicher Festigkeit, die drei 
übrigen Prolien aus der Gerichtslaube und der Marieuburg sind 
höchst vorzüglicher Gipsmörtel. Aus der Beschaffenheit der 
letzteren wird hergeleitet, dass ihre ausgezeichnete Qualität 
nicht durch Materialien, welche die heute vorhandenen an Güte 
übertreffen, sondern durch die Zubereitung herbeigeführt wurde, 
indem einerseits, um ein Todbrennen des Gipses zu verhüten, 
ein Theil der Gipssteine ungebrannt blieb und andererseits diese 
ungebrannten Gipssteiue grob zennahleu dein Gipse beigemischt 
wurden, damit derselbe das Wasser laugsamer aufnehmen und 
glcichuiässiger binden konnte; demselben Zwecke dient ferner 
auch der Zusatz einer geringen Menge von Sand, Ziegelmehl 
und (vielleicht von der beim Brande zurückgebliebenen} Holzasche. 

In dem Hefte sind ferner die Bestimmungen für die Prü- 
fung der Kandidaten des Lehramts nu Gewerbeschulen mitge- 
theilt. Auffällig ist, dass in dem offiziellen Organe desjenigen 
Preussischeu Ministeriums, das bei Einführung des neuen Maas»- 
Systems in erster Linie interessirt ist, unter der Jahreszahl 1872 
noch eine Reihe von Abhandlungen und Zeichnungen veröffent- 
licht werden konnte, in denen auf das derzeit gültige Laudcs- 
inaass keine Rücksicht genommen ist. Wir wissen nicht ob 
wir dies ausschliesslich für ein redaktionelles Verseheu halten 
können; für einen möglichst schnellen und energischen Uelie.r- 
gang in das neue Maassystem dürfte ein solches Beispiel an 
solcher Stelle jedenfalls nicht förderlich sein. — F. — 

Konkurrenzen. 

Monats-Aufgaben für den Architekten-Verein zn Berlin 

zum 4- Mai 1872. 

I. Entwurf zu einem Pianino. 
Maasstab der natürlichen Grösse. 

II. Geber eine felsige Thalschlucht von HO Meter Tiefe und 
20 Meter oberer Breite soll für eine rechtwinklich kreuzende 
Eisenbahn von 2 Geleisen eine schmiedeeiserne Charnierbogen- 
hrücke konstruirt werden. Dieselbe soll auf der Thalsohle zu- 
sammengenietet und im Ganzen an ihren Ort gehoben werdeu. 
Die Rüstungen für die Zusammenstellung, sowie für das Empor- 
heben, und die erforderlichen Hebe - Vorrichtungen siud zu ent- 
werfen und durch Rechnung zu erläutern. 

Alle wichtigen Maassc, Annahmen und Rechnungsresultate 
siud in deu Zeichuuugeu au geeigneter Stelle einzutragen. 

Personal- Nachrichten. 

Preussen. 

Ernannt: der Baumeister Leuchtenberg in Elberfeld zum 
Eisenbahn-Baumeister bei der Hannoverschen Staats-Eisenbahn 
zu Bremen. Der Baumeister Dumreichcr in Saarbrücken 
zum Bau- uud Maschinen-Inspektor bei der Bergwerks-Direktion 
daselbst. Der Baumeister Daeinicke zu (.'öslin zum Landbau- 
meister und technischen Hilfsarbeiter l>ei der Köuigl. Regierung 
daselbst. Der Baumeister Friedrich zu Königsberg i. Pr. zum 
Kreisbuumeister in Pr. Holland. 

Dem Regicruugs und Baurath Redlich zu Saarbrücken 
ist an Stelle des aus dem Staatsdienste geschiedenen Regierungs- 
Raths Hartnack die Wahrnehmung der Geschäfte des Vor- 
sitzenden der Königlichen Eisenbahn -Direktion zu Kassel kom- 
missarisch übertragen. 

Die Baumeister-Prüfung haben bestanden am 27. und 
."'.Ii März er.: Der Bauführer Christian Hildebrandt aus Salz- 
kotten. Der Bauführer Alfred Mareks aus Neisse. Der Köuigl. 
sächsische Civil-Ingenieur August Kirsten aus Dresden. 



Brief- und Fragekasten. 

Hrn. F- in W. Nachdem wir auf Seite 223, Jahrgang 71 
unserer Zeitung bereits einen dasselbe Thema behandelnden 
Artikel aus Ihrer Feder zum Abdruck gebracht haben, liegt 
wohl keine Veranlassung vor, nochmals auf denselben Gegenstand 
zurückzukommen. 

Hru. M. in Baden. Dos Arbeitshaus in Kiel von G. Mar- 
tens, im Jahrg. 18ti7 der Allgemeinen Bauzeitung (v. Förster) 
puhlizirt, dürfte für Ihre Zwecke die passendste \ orlage bieten. 
Neuere Ausführungen dieser Art von bemerkenswerthem Interesse 
sind uns sonst nicht bekannt worden. 

Hrn. M. in Zwickau. Leider können wir Ihrem Wunsche 
nicht genügen, da uns die Techniker, welche durch die Vermitte- 
lung unserer Zeitung eine Stelle suchen, durchaus unbekanut 
sind. — Hoffentlich erhalten wir von Ihnen recht bald die verspro- 
chene Publikation. 

Hrn. Stadtbaumstr. M. in E. Dass Ihre Notiz für die 
Personalien unseres Architekten-Kalenders nicht benutzt worden 
ist, kann nur auf einem Versehen beruhen, desseu Grsachen 
wir jetzt nicht mehr ermitteln können. Für die Zukunft soll 
dasselbe verbessert werden. 



Hierzu eine Holzschnittheilage: Pfarrhaus der Norder- Gemeinde zu Altona, von J. Qtren. 



| «o. Carl n In 



Druck »Do GebridtT 



Jahrg. VI. M 15. 

DEUTSCHE BAUZEITUNG 

Organ des Verbandes 

deutscher Architekten - und Ingenieur-Vereine. TE 

Redakteur E. E. 0. Fritsch. 




Xaaerat« 

ftir dl. Lmct Orr de.tlfk»« 




S«t D» 



Preis I Tbaler pr» taartil. 


Berlin, den 1 


1. April 1872. Inebehrt jede« lran«riteg. 


Inhalt: Au. <l-r TKitlxk.it der il.uucl,.« F.ldetMnbahn - AutBcilun- 
(m VIII. — U.UaaklKen au. de* Orten! XIV. - N.«e F.rtaarunzen in 
tf.at Fau.Terlahrcn mit llrhteni|iniidllch«n] Papier. — U Iii k*l 1 ■■ IM au. Var- 
el n an: Architekten -Verein tu Berlin. — V ttm 1 .c ht e»i Knienuiing de« Cht/- 


Ingeniear» Mr den Bau der UotUiarduahn, - Di. Webl el.e. Stadthaaraih» für 
Berlin. — Zu» Schau gegna, dl. ArnelueiiMUlluagen dar Hauhaadwetk... — Aal 
dar Faehl iti.ratur: AUgaeaHne Hauicltung, rad. van A. Kieilln. Jahrg. ItTI, 
— Parannal-Naebrichtan atc. 



Ans der Thäügkeit der deutschen Feldeiseubahn-Abtheiliingen. 



vm. 



denfang 

Zeigten) 

n um hi 
uiimittel 
Vorzüge 



Eine Sektion der Feld-Eisenbahn von Re- 
milly nach Pont I Mousson. 

Hin. n 'dl. Atililldimgrn auf .«"it. 130 mf III. 

Zur Umgehung der den wichtigen Eisenhahn- Knoten- 
punkt beherrschenden Festung Metz wurde durch die Eison- 
bahn-Abtheilungen 1 und 4 nie 4'/i Meilen lange Feldbahn 
von Remilly nach Pont ä Mousson neu angelegt, von wel- 
cher im Nachfolgenden eine der Sektion 1 der Ahthcilung 
4 angehörige Strecke von 1 V« M ilen beschrieben werden 
soll. 

Bei der um die Mitte August 1870 beginnenden Auf- 
suchung der Linien lag ein bereits vorher generell bearbei- 
tetes Projekt vor, welche? behufs möglichster Benutzung von 
Chausseen und leichterer Ueberschreitung der rechtsseitigen 
Mosel -Bergkette die längere Richtung über die Ortschaften 
Luppy, Secourt nnd Nomenv verfolgte. Die genauere Ab- 
steckung dieser Linie ergab jedoch, besonders für die Was- 
s erscheide zwischen den Pnnkten Secourt und Maillv, Stei- 
gungen und Gefälle, welche ein fortwährendes Abschwen- 
ken von dem Strassenznge sowie in Folge der Lage des 
dazu geeigneten Terrains bald lwlwJbälti lecbta. ein wieder- 
holtes Durchschneiden des letzteren nöthig gemacht 
hätte. In Bezug auf die zum unmittelbaren Auflagern eines 
Schienengeleist* geeigneten Chausseestrecken dagegen trat 
ferner die Erwägung ein. ob es bei der während der Bela- 
gerung von Metz sich entwickelnden enormen Frequenz auf 
denselben (indem selbst Strassen 2. und 3. Ordnung durch 
doppelte und dreifache Truppen- und Fahr- Kolonnen stun- 
">llig in Anspruch genominen und gesperrt sich 
überhaupt thunlich sein würde, das Strassenpla- 
>lbstzu benutzen, während die Lage ausserhalb und 
bar längs dem letzteren keine so schwer wiegenden 
darzubieten schien, um die ganze Wahl der Linie 
zu bestimmen, aber auch hier durch einzelne Absehwenknn- 
gen wiederum Unterbrechungen hätte erleiden müssen. Es 
wurde daher nach einem mehr in der Nähe von Pont ä 
Mousson gelegenen Uehergangspunktc über die Bergkette 
geforscht und nach Auffinden der Möglichkeit, letztere zwi- 
schen den Dörfern Morville untl Atton zn überschreiten, 
vom Dorfe Luppy ab, nach Einholung höherer Genehmigung, 
die direktere Richtung des Strasscnzuges Vigny-Cheminat 
eingeschlagen, zn welchem Ende die Sektion I ihre Ab- 
steckungen nnd begonnenen Ausführungen auf der erstge- 
nannten Strecke nach Mally hin verliess nnd sich nach den 
Ortschaften Louvigny und Cheminat umquartirte. Vom letz- 
teren Orte ab war die Strasse, welche die Höhe von Pont 
ä Mousson in steiler Ansteigung zu erklettern beginnt, nicht 
mehr zu verfolgen, vielmehr, im Bogen längs dem Thalrande 
der Seille absteigend, die Flussüberschreitung zu erreichen, 
um dann mittels Gegenkrümmung in einem Seitenthale wie- 
der aufzusteigen und die Höhe der liewaldeten Kuppe süd- 
östlich der Burgruine Mousson zu gewinnen. Der l'ehcr- 
gang in das Moselthal ergab sich darauf beim genannten 
Dorfe Atton, welchem gegenüber der Fluss sowie ein im 
Bau begriffener Schiffahrtskanal zn überschreiten und mit- 
tel» Einlegen einer Weich«! in die im Betrieb befindliche 
Strecke Metz-Frouard die Verbindung nach Pont a Mousson 
herzustellen war. Hiernach begann die Thütigkeit der Sek- 
tion I. in Bezng auf die definitive Linie am 23. August, 
wobei sich als Grenze zwischen beiden Abtheilungen im 
Laufe der Ausführung der Chausseeübergang liei Pagny les 
Goin ergab. Die Beendigung der Arbeit fiel auf neu 23. 
September, an welchem Tago die erste Probefahrt auf der 



Feber die Hauptmornente ltei Anlngp einer solchen Feld- 
Eisenbahn und die Punkte, welche den hauptsächlichen Un- 
terschied gegen die Friedenshahn ausmachen, dürften noch 
vielfach unklare Anschauungen herrschen und deshalb die 
genauere Darstellung eines Stückes derselben durch Zeich- 
nung und Beschreibung nicht ungeeignet sein, manchen Irr- 
thum und manches Vornrtheil zu beseitigen. Man hat, aller- 
dings wohl mehr scherzweise, die Bahn eine Pacific -Bahn 
genannt,*) obwohl derselben ein solcher Charakter eigentlich 
durchaus fehlt. Zu einer Bahn, welche hauptsächlich tlas 
natürliche oder wenig bearbeitete Terrain zum Auflegen des 
Geleises benutzen soll, gehört nothwendig eine Art Prairie, 
welche aber in dem Landstriche zwischen Rhein und Mosel 
nirgend zu finden sein dürfte. Es wird ferner im Kriege 
wohl stets möglich sein, gegen Gewährung von gutem Lohn 
und freier Verpflegung Zivil-Arbeitskräfte genug zu lieschaf- 
fen. deren Gesammtkostcu bei der Wichtigkeit der Sache 
weiter nicht ins Gewicht fallen, und gestaltet sich dann die 
Bahnanlage derartig, dass der Schwerpunkt für eine mög- 
lichst beschleunigte Herstellung überhaupt nicht in der mög- 
lichsten Vermeidung der Erdarbeiten zu suchen ist. 
Nach'den Erfahrungen der vorliegenden Feldbahn beruhen 
die Hauptschwierigkeiten in der Beschaffung der Oberbau- 
Materialien und Herstellung der grösseren Brücken und Via- 
dukte, demnächst in dem Mangel an Spezial -Situations- 
und Höhenkarten (so dass den ersten Orientirungsarbeiten 
gewissermaassen die Abstecknng nnd Bauausführung anf 
dem Fusse folgen müssen untl nachträgliche Aeiidemngen 
vielfach nöthig machen), dem Mangel an Bettungsmaterial 
und dergleichen. Die Erdarbeiten aber, welche wegen Nicht- 
beachtung der Kosten, vorzüglich aber auch wegen des er- 
laubten rücksichtslosen Schaltens mit dem Grund 
und Boden, einen ganz anderen Charakter als im Frieden 
erhalten, nehmen in der vorgenannten Reihe der Schwierig- 
keiten keineswegs die erste Stelle ein. Da man, wenn irgend 
thunlich. das Schütten längerer Bahndämme vermeiden 
wird und das Material für die kleineren Dämme durch Sei- 
tenentnahme gewinnt, so fällt der Haupttheil der Erdarbei- 
ten, das Trausportiren der Einschnittsmassen, eigent- 
lich ganz fort und werden letztere durch Schaufelwurf nach 
dem Seitenterrain in der Hauptsache zu beseitigen sein. 
Dabei wird es erklärlich, wenn z. B. ein Einschnitt von 2"> 
Tiefe, selbst theilweise in losem Fels gelegen alter möglichst 
mit Arbeitskraft besetzt, in unglaublich kurzer Zeit vollenoet 
werden kann, wie anch in einzelnen Fällen, wo nachträg- 
lich die Möglichkeit einer besseren Lage der Linie sich her- 
ausstellt, der Ingenieur unbedenklich eine solche Arbeit durch 
seitliches Verschieben abändern oder ganz aufgeben wird, 
um eine zweite ähnliche in ebenso kurzer Zeit zu vollenden. 
Die Gradiente und Trace der vorliegenden Strecke, welche 
mit ihren Gefällen und Krümmungen genan und korrekt so 
ausgeführt worden ist, wie sie das Längenprofil und tlas 
unterhalb desselben gezeichnete Kurvcnbanu angeben, ist 
keineswegs von Anfang an so beabsichtigt worden, weil das 
Projekt nicht gleich mit seinen Grenzen des Erreichbaren 
hinlänglich klar dem Ausführenden vorschwebte. Die Strecke, 
welche nachträglich zwischen ihren festliegenden Haupt- 
punkten an keiner Stelle ein verlorenes Gefälle zeigt, hatte 
anfänglich eine Menge kleiner schädlicher Kontre-Gefälle, 
während die Kurven mehr aus freier Hand und ohne Fest- 



•t U.ner aaalreleh«. in dan damaligen Tageblättern and Journalen ergan- 
gene Krlag.ucileale, anaiifal di. .«rliegeail. alt ej.it.re Klaeiiualin-Heretellui'gen 
betreffend, ru »rltvelgvn, welche vlelf.cn durch Mangel an Haelikciiatnle» and Ueber- 



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stellang der Anfangs- nnd Endpunkte abgesteckt waren, 
kleinere Radien (th eilweise ohne Notb) hatten nnd vor allem 
stärkere Steigungen und Krümmnngen nicht genug gegen- 
seitig auseinander gehalten worden waren. Es ergab sich 
jedoch w&hrend der Herstellung der Bauwerke und dem 
Heranbringen des Oberbau -Materials, sowie «wischen dem 
Legen des letzteren selber noch Zeit genug, um mittels un- 
ausgesetzten Nivellirens, Messens und Frobirens die vorge- 
en Verbesserungen einzuführen, wobei dann als Grund- 
aufgestellt wurde, die Kurvenradien ohne Noth nicht 
282™ (75«) zu wählen*), kleinere aber höchstens bis 
zu 18h ! " (50*) zu gestatten und nicht mit Gefallen von über 
1 : 70 zu verbinden, wahrend das Gefalle in geraden Linien 
und flacheren Kurven überhaupt nicht über 1 : 50 gehen 



Was die spezielle Tracirung der vorliegenden Sektion 
betrifft, so begann letztere an der Uebersehneidung der Pa- 
rallel-Chaussee Remillv - Pont ä Mousson in Stat. 433 in der 
Nahe des Dorfes Pagny les Goin, von wo ab dieselbe im 
Allgemeinen die Richtung der letzteren bis Stat 556 ver- 
folgte, auf derselben Seite fsüdlich) verbleibend; (die Ch 
Durchschnciduug bei Stat. 452 betrifft eine in die 
einmündende Querstrassc). Auf dieser Partie 
die mit a b und c d im Ungeuprofil") bezeichneten Strecken 
diejenigen Stellen, auf welchen die Richtung parallel der 
Strasse sowie deren Höhe im Allgemeinen eingehalten wer- 
den konnte, während die Zwischeustrecken <• a und * c grös- 
sere seitliche Abschwenkungen bezeichnen, mittels wel- 
chen die bei den Stationen 438 resp. 513 eingeschnittenen 
Querthälcr überschritten werden mussten, ohne deswegen 
kurze Einschnitte nnd Dämme bis zu 3 B Tiefe ganz vermei- 
den zu können. Bei Stat. 556, diesseits des Dorfes Chejni- 
nat, verlisst, wie anfänglich bereits erwähnt, die Linie die 
Chausseerichtung gänzlich, um sich in (langsamer Senkung 
dem rechtsseitigen Abhänge des Seillc- Thaies zu nähern, 
darauf in grossem Bogen längs demselben fallend und eine 
südöstliche Richtnng einschlagend die Thalsohlc zu gewinnen. 
Diese zwischen den Stationen 590 bis G14 sich erstreckende, 
aus mehren Kurven und zwischen liegendeu Graden zusam- 
mengesetzte grosse Krümmung, auf einem Abhänge liegend, 
welchem es an Cebersichtlichkeit fehlte, gelang erst unter 
Schwierigkeiten und mehrfachem Probiren in der Weise, dass 



daran/, daaa dl* AuafUhrung dar BaJbn nut 
, macat »a uuUmnUcb, t«l dar Bai*nr«lr.un|s und Uaratallung 
auaacliUaailich iln K'lamuiM ti<li i« badiimaii. 

-) Di« K.nfarplatta, »«leb» lA»ig«ii.ro*l nnd Kuntoband .«Ul.lt, iat lei- 
der noch in Itliler Sund« leraniclückl, f du« wir tu anaarni Badaacrn »••»wiin- 
gen .lud, diaaalbe in niahaCar Namntr nacbiali.i.ru. (Ria Bad.) 



das ansehnliche Gefälle im Ganzen durch Verlängerung ver- 
theilt und demnächst in sich so eingetheilt werden konnte, 
dass das stärkere Gefälle mit den flacheren Kurven und 
Graden und umgekehrt zusammenfiel. Dabei mnsste hier 
sowie auf der nachfolgenden Partie bis Stat 618, wo die 
Thalsohle begann, doch etwas vorsichtiger mit der sich er- 
gebenden Höhe der Ein- resp. Anschnitte verfahren werden, 
da solche theilweUe aus ziemlich festem Kalkstein -Gerölle 
bestanden.*) 

Die an den Flussübergang führende grössere Kurve, 
welche anfänglich mit Radius 188° (50*) und Gefälle 1 : 50 
konstruirt war, wurde nachträglich zu 282"» (75«) nnd 1 : 65 
abgeändert, unter wesentlicher Vermehrung der Erdarbeiten 
und theilweiser Verlegung der bereits fertigen oberen Strecke. 
Die Höhenlage der nun folgenden Brücke Fig. II, war be- 
dingt durch das Bestreben, die beiderseitig anschliessenden 
Dammschüttungen möglichst niedrig zu halten, und senkt 
sich am jenseitigen Ufer das Bahnplanuni baldigst bis auf 
die Höhe des die Thalsohle bildenden flachen Wiesenterrains, 
welches der Länge nach zu durchschneiden war und sich 
zur Anlage einer Halte- resp. Aus weichestellc eignete. 
Jenseite derselben von Station 640 ab erwuchs die Aufgabe, 
in rechtwinkliger Richtung in ein stark ansteigendes enges 
Seitenthälchen (dessen obere Ränder nur etwa 150« Breite 
zwischen sich fassen mögen) überzugehen, ein Terrain, 
welches sich dem anfänglichen Beschauen so ungünstig dar- 
stellte, dass die Möglichkeit der Benutzung für die Bahn 
überhaupt in Zweifel gezogen wurde. (Man würde es im 
ungünstigen Falle mit einem zweiten nachfolgenden ähn- 
lichen Cmerthale haben versuchen müssen.) Jedoch gelang 
es durch wiederholtes Abstecken einer Kurve von 188- (50«) 
Radius, welche, zur Hälfte noch im Hauptthale liegend und 
den Bach in Stat. «46 mittels des Durchlasses Fig. III 
überschneidend, demnächst mittels stärkerer Steigung sich 
bis weit auf den jenseitigen Abhang erstreckte, die Schwie- 
rigkeiten zu überwinden. Die obere Partie des Seitenthaies 
ergab in Folge dessen sogar schwächere Steigungen al* die 
zulässige, jedoch ansehnliche Einschnittsarbeiten, die aber in 
der leichteren Bodenart nicht zu scheuen waren, und er- 
reichte die Linie nach Durchschneidung eines kurzen wali- 
förmigen Rückens bei Stat 663 ein sanft ansteigendes Pla- 
teau, welches sich nach dem mit Wald bedeckten Gipfel der 
Mosel-Bergkette fortsetzt und woselbst bei dem Wegeüber- 
in Stat. C85 die nachfolgende Strecke der Abtheil uug 

*Jo tthört dar 1,1a» »ormallon an, Ma »r Kroaaaa 
nnd Matal, «II Walch« daa Jura «ablal anhabt. 




XIV. 

Nach unserer Rückkehr von Ephesus gab es in Sniyrna viel zu 
schaffen, um uns znr nah bevorstehenden Abreise vorzubereiten. 
Glücklicherweise war ein Theil der Abschiedsbesuche schou 
vorher gemacht worden, ihr Schiusa erfolgte nun mit Hast und 
Eile. Am schwersten wurde C. und mir der Abschied von dem 
deutschen Diakonissenhausc, welches seit 17 Jahren unter der 
Leitung der trefflichen Schwester Miua Gr. stehend, nach L'eber- 
windung vieler Schwierigkeiten zu seltener Blüthe sich entfaltet 
hat Seine musterhafte Einrichtung in den Sälen, Hallen und 
Gärten, der ruhige und still geordnete Verkehr zwischen allen 
Bewohnern hatte uns vom ersten Augenblicke an wohlthucud 
berührt. Mehr als einmal hatten wir nach dem sonntäglichen 
Gottesdienste, der in dem alten holländischen Retsaale abgehal- 
ten wird, das Diakonissenhaus besucht und an den 32 Waisen- 
kindern, in welchen alle Stämme des Orients Griechen, Türken, 
Armenier, Araber und Juden vertreten siud, an ihrer Zucht 
und Haltung, an ihrem Eifer deutsch zu lernen und deutsche 
Kinderspiele zu spielen, unsere aufrichtige Freude gehabt. Mit 
Genugthuung hatten wir sodann von den verschiedensten Seiten 
gehört, in welch' hoher Achtung bei deu gebildeten Kreisen der 
Snivrnaer Gesellschaft unsere Kaiserswerther Schwestern stehen. 
Nichts bezeugt dies deutlicher, als die Thatsache, dass vornehme 
und reiche Armenier- und Griechen-Familien seit Jahren sich 
beeifern, ihre Töchter von jenen in deutscher Weise erziehen zu 
lassen. Augenblicklich zahlt die Pcnsiousonstalt ausser den 
Tagesschülcnnnen und Waisenkindern 130 Pensionäre, so dass 
200 Tischgäste täglich versammelt sind. Neben der Schwester 
M. wirken sechszchu andere Schwestern und verbreiten hier 
mit frommer Demuth, aber fern von jeder orthodoxen Frommelei 
oder Proselytenmacherei, häusliche Tugenden und gute Schul- 
kenntuiase unter den lerneifrigen Töchtern des Ostens. Ein 
sichtbarer Segen ruht auf diesem echt deutschen Liebeswerke, 
wie auf den beideu Schwesteranstaltcn zu Bairut und Jerusalem, 
welche letzteren nuten dem Erziehungswesen auch noch der 
Krankenpflege sich gewidmet haben. Mit rechter Freude erkennt 
man hier — fern von der Heimat — vorhandene gute, 
aber in der Vereinzelung immer so leicht brach liegende 
Kräfte des Vaterlandes durch eine weise Organisation vereinigt 



ohne Druck und Zwang allein dem Gebote der Liebe folgend, 
eine segensreiche und innerlich still beglückende Wirksam- 
keit ausüben können: eine Wirksamkeit welche den idealen 
Absichten unseres Religionsstifters sicherlich mehr entspricht 
als jede Dogmenvermehrung oder Fortpflanzung konfessionellen 
Haders. 

Am letzten Ab«nd vereinigte unser liebenswürdiger Konsul 
Dr. L. uns noch einmal bei sich zu „Rundgesang und Reben- 
saft", um mit sorgenbrechenden Tropfen und trübsinnscheu- 
chenden Strophen einem Jeden einen erfrischenden Hauch aus 
der Heimat mit auf den Weg zu geben. Wir hatten einen sol- 
wohlklingcnden Abschluss recht nöthig, denn neben dem 



dumpfen Missbehagen, sich trennen zu müssen, drückte auf uns 
die bttae Aussicht einer längeren Quarantäne in einem der grie- 
chischen oder türkischen Lazarcthc, Seit drei Wochen wütbete 
die Cholera in Koustantinopcl, grade während des fruchtroicheu 
Herbstes und diesmal in der Jahresepoche, wo der grosse Zug 
der Mekkapilger, welchen die Türkei, Persien, Armenien und 
Klcin-Asicn alljährlich zum Rciramsfestc zu senden pflegen, auf 
allen Dampferhnieu bereits im vollen Gange war. Schon hatten 
sich Griechenland und Italien gegen den Orient abgesperrt von 
Aegypten wurde es als bevorstehend gemeldet über Syrien, wel- 
ches mein Zielpunkt war, konnte ich trotz alles Telegraphireus au 
Gcsandschaft und Konsulate uichtB Sicheres erfahren. Freund 
Curtius, der mit Major R. und den Doktoren II. und ü. nach 
Athen wollte, hatte sich mit einer an die Stoa erinnernden Ge- 
müthsruhe bereits an den Gedauken gewöhnt, eine sechstägige 
Quarantäne in Syra zu machen. Mir wurde es schwerer, da ich 
allein weiter musste und mit Sicherheit vorausseheu konnte, 
dass das schmutzige Laiareth zu Syra noch ein idealer Pracht- 
bau sein würde gegen die Baracke, welche mir in Jaffa auf 
irgend einer Sauddüne wiuken würde. Duun Aehnliches hatten 
wir in Smyrna selbst erlebt. Die drei ersten Dampfer aus 
Starobul, welche unter Quarantäne gestellt wurden, hatten ihre 
Passagiere auf einer kleinen aber völlig wüsten Insel im Smvr- 
naer Golfe bei Vurla, gegenüber vom alten Klazomenae aus- 
schiffen müssen, ohne dass für die Unterkunft der unglücklichen, 
zum Theil sehr wohlhabenden Reisenden irgend welche Vorsorge 
getroffen gewesen wäre. An den beiden ersten Tagen hatte es 
sogar an Lebensmitteln und Wasser gefehlt; erst am dritten 
Tage waren auf energische Einsprache der europäischei " 



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Die Herstellung dieser Linie betreffend, so wurde das 
Bahnplanurn, welches wegen fehlender Bettung in Höhe der 
Schwellenunterkante zu liegen kam, in einer Breite von 3,45" 
(11') angelegt nnd durch Grüben auf einer oder beiden Sei- 
ten möglichst entwässert. 

Wie bereits erwähnt, bildete die Beschaffung der Ober- 
bau-Materialien eine Hauptschwierigkeit nnd demnächst, beim 
Zusammensetzen und Verlegen des Geleises, die nothwendige 
Rücksichtnahme auf den Umstand, dass Schienen, Schwellen 
und das Kleineisenzeug von verschiedenen Bahnverwaltungen 
resp. Fabriken bezogen werden mussten und in den Maassen 
niclit genau zu einander passten. Beispielsweise passten die 
meist von der französischen Ostbahn entnommenen IIS"™ 
(4 ■/•") hohen Schienen nicht ohne Weiteres in die Einkap- 
pung der auch bereits mit den Löchern für die Scbrauben- 
nägel f Airfonts) versehenen Schwellen, so dass die letzteren 
je naen der wechselnden Spurweite nachgearbeitet werden 
mussten, während ausserdem die Einklinkungen der Schie- 
nenfüsse, für jedes Schwellenauflagcr 2 Stück, auf die Schrau- 
benlöcher treffend von den Köpfen der zu weit altstehenden 
Schranbennägel nicht hätten gefasst werden können, es also 
nöthig war, sämmtliche Schienen symmetrisch zu sortiren 
nnd beim Verlegen gegen die normale Ijige umzudrehen. 
Weitere Beschwerlichkeit erwuchs durch die für die zahl- 
reichen scharfen Kurven erforderlichen kürzeren Schienen, 
welche in grösseren Vorräthen durch Abbauen beschafft, in 
Nothfällen aber durch Schieflegen der Stosschwellen ersetzt 
werden mussten. Die Seitenlaschen wurden zum grössten 
Theile aus dem Saarbrücken'schen, von der Burbacher Hütte 
bezogen und passten nicht immer genau auf die Schienen- 
löcher, während es an Laschcnbolzen oft recht sehr fehlte. 
Es wurde deshalb durchweg die nur einmalige Bolzenver- 
bindung für den Schienenkopf angeordnet (auch in einzelnen 
Fällen, wo vorläufig ein Bolzen überhaupt nicht sich durch- 
treiben lassen wollte, der betreffende von dem am andern 
Kopfe befestigten Laschenpaare urafasste Schienenkopf durch 
um so sorgfältige Nagelung gesichert). Unterlagsplatten wur- 
den nicht verwendet, selbstverständlich das Geleise nicht 
mit schwebendem Stoss verlegt Was die Schwellenlage im 
Allgemeinen betrifft, so dürfte bei der wenig sorgfältigen 
und höchstens durch Regenwetter etwas komprimirten Bahn- 
krone, sowie bei dem Mangel an Stopfmaterial die Verwen- 
dung von einigennassen gleich hohen, mit ebener Auf- 
lagerfläche versehenen Schwellen fast unumgänglich 
nothwendig, dagegen der Nothbchelf mit runden aus dem 
Wald gehanenen Hölzern so lange wie irgend möglich zu 
vermeiden sein, da ein sicher fahrbares Geleise auf letzteren 



kanm herstellbar erscheint Fast nicht weniger empfindlich 
wird der Mangel an Bettungsmaterial empfunden, und dürfte 
in Fällen, wo etwa ein zahlreiches Arbeiterkorps schon be- 
reit steht, dagegen die Vorarbeiten noch nicht weit genug 
gediehen sind, leUteres, anstatt dasselbe ins Ungewisse hin- 
ein mit der Erd-Arbeit beginnen zu lassen, lieber tagelang 
mit dem Aufsuchen und Zerkleinern von Steinschlag zu be- 
schäftigen sein. Die hierzu verwendete Zeit wird schon beim 
ersten Auslegen des Oberbaues, welches auf der unbeschüt- 
teten Bahnkrone äusserst langwierig ist, noch mehr aber 
nach der Betriebseröffnung reichlich wieder eingebracht. 
Beim Bau der hier besprochenen Sektion boten sich den 
neben den Chausseen liegenden Strecken die geringen zur 
Unterhaltung der letzteren bestimmten Vorräthe von Stein- 
schlag dar, während auf den benachbarten Feldern der übri- 
gen Strecken Steinmatcrial mittels Schürfgruben gewonnen 
und zerkleinert wurde. Dieser spärliche Vorrath wurde auf 
den Dammschüttungen nnd den im Ackerlande gelegenen 
flachen Strecken verwendet, während in den Einschnitten 
sowie auf dem sich als ziemlich fest erweisenden Wiesen- 
terrain das Material eher entbehrt werden konnte. Die Folge 
davon war erklärlicherweise ein starkes Setzen der erstge- 
nannten Strecken, welches bei der ersten Probefahrt sich in 
der Weise herausstellte, dass das Geleise um V« oder '/• der 
Schwellenhöhe einsank, jedoch mit einer solchen Regelmäs- 
sigkeit dass Stüsse oder irgend welche Unfälle nicht vor- 
kamen. Nach sorgfältig erneuerter Regulirung der Strecke, 
besonders an den Ueltergangsstellen vom festeren zum lose- 
ren Untergrund, und nach Wiederherstellung der Ueberhö- 
hung in den Kurven (die allerdings ganz besonders verloren 
gegangen war) zeigte sich bei der eigentlichen Eröffnungs- 
fahrt das Geleise hinlänglich konstant liegend, um durchaus 
den Eindruck der Sicherheit zu gewähren und eine ziem- 
lich grosse Fahrgeschwindigkeit zuzulassen. Es war jedoch 
deswegen nicht die Meinung der unmittelbar nachher zu 
einer anderen Thätigkeit abberufenen Abtheilung gewesen, 
dass nicht nach wie vor die dem Betrieb übergebene Strecke 
mit aussergewöhnlichen Arbeitskräften weiter unterhalten 
werden müsste, was aber bei der allgemein eintretenden 
sofortigen Auflösung der Haupt- Arbeiterkorps nicht überall 
geschehen zu sein scheint Wenn nun auf der bei der Ab- 
uahme für gut befundenen Strecke nachträglich der eine oder 
andere kleine Unfall dem Vernehmen nach vorgefallen ist, 
so muss es dahin gestellt bleiben, wie weit letzterer Um- 
stand oder etwa ein unvorsichtiges Fahren dazu mitgewirkt 
haben mag. 

Was die Anfuhr und spezielle Zuteilung der Oberbau- 



behüteter Verkehr mit dem Festlaude wegen der Lebensmittel 
und Effekten hergestellt worden. Da ich ausserdem die Aussicht 
hatte — ich mochte einen Dampfer wählen, welchen ich wollte 
— immer ciue sechstägige Reise mit den aus Stambul kommen- 
den und nach Mekka pilgernden Türken und Persern, welche 
in den schmutzigsten Häns zu logiron pflegen, zu machen, so 
war meine etwas gedrückte Stimmung wohl erklärlich. Indessen 
scheuchte die heitere Laune unserer aus Wien stammenden edlen 
Wirthin bald alle Wolken von der Stinte, die alten Lieder uud 
der treffliche Wein thaten ihre Schuldigkeit, wir schieden in 
dankbar froher Stimmung, .nur der Krinu'ruog Stachel tief im 
Herzen tragend," wie ein Sophokles-Kenner der holden Hausfrau 
zum Abschiede versicherte! 

Meine Abreise war auf Sonntag den 8. Oktober festgesetzt 
worden, da ich mich nach vielfachen Erkundigungen für einen 
Lloyd-Dampfer entschieden hatte. Die anderen Freunde und 
Gefährten wollten schon Sonnabend Nachmittag nach Syra ab- 
fahren, in der sicheren Hoffnung, dort durch den laugerwarteten 
„Delphin" erlöst zu werden. Fast wäre mir hiernach das Loos 
geworden, als der Letzte meines Stammes sang- und klanglos 
fortziehen zu müssen, — doch kam es anders. Eben hatte ich 
am Sonnabend Vormittag meine Korrespondenz erledigt und 
saus mit Freund Humann rauchend im Zimmer — die Andern 
waren säraratlich auf den Bazar gegangen um Geschenke einzu- 
kaufen, — da stürzte unser Wirth M. mit der Nachricht herein, 
dass das nach Syrien bestimmte Lloydschifl unerwarteter Weise 
vor einer Stunde draussen auf der Rhede Anker geworfen habe 
und schon Mittags 1 Uhr wieder abfahren wolle, da eine Löschung 
der Ladung vom Sanitätsamte nicht gestattet worden sei und 
alle für Smyrna bestimmten Passagiere auf der Insel bei Vurla 
bereits ausgeschifft wären. Nun galt es, nicht zu säumen. 
Rasch wurde bezahlt und gepackt, das Billet gelöst, Wein und 
Tuback, Zucker und Kaffee für die in Aussieht stehende Quaran- 
täne gekauft — Freund H. half treulich in dieser Sturm- und 
Drangperiode, dann wurde allen Freunden, die mich gewohnter 
Weise bis zur Hafentreppe begleiteten, ein kurzes Lebewohl ge- 
sagt und in die bereit liegende Barke gesprungen. Schmerzlich 
empfand ich besonders die jähe unsichtbare Trennung vom 
vaterlichen Freunde C. und durchfuhr deshalb in etwas weicher 
Waisenkindsstimmung den Hafen bis zur Rhede. 

Nach einer halben Stunde war ich am Bord der keuschen 
„Vesta" und erhielt trotz meines frühen Kommens den letzten 



Platz unter den Kabinen erster Klasse. Ich wurde zu einem 
jungen griechischen Arzte, der auf die Quarantäucstation nach 
Dsclteddah kommandirt war, einquartiert Dieser, sowie der 
Schiffsarzt ein etwas wilder Czecho, versicherten mich gleich 
bei dem ersten Begegnen, dass die Aussichten auf eine gesunde 
Fahrt nur schwach wären, da die an Bord genommenen per- 
sischen Pilger tagelang in den elendesten Hans von Stambul 
gehaust hatten und alles Mögliche importirt haben konnten. 
Ein kurzer Rundgang bestätigte wenigstens die ausserordent- 
liche Mongo von Reisenden. Das Schiff war sauber gehalten, 
wie alle Lloyd schiffe, aber es war bis an den Rand gelullt mit 
muhamedanischen Pilgern, die vom Bugspriet bis zum Hinterdeck 
alle Deckplätze belegt hatten, um in einer für unsere Begriffe 
ganz unfaßbaren Weis« so eng zusammengedrängt zu leben, wie 
es eben nur Orientalen vermögen. Wenn schon kein Mann ein 
Paar Tage durchs Land reisen kann, ohne Waffen, Teppiche, 
Futtertaschen und Kocbgeräthe, — selbstverständlich das halbe 
Vermögen in Gold im Gürtel — mit sich zu führen, so ver- 
mehrt sich dieser Apparat ins Kolossale, wenn er die höchste 
Mission seines Lebens, die Pilgerfahrt nach Mekka, antritt und 
ausser den nothwendigen Reiseeffekten noch Geschenke für Gast- 
freunde oder Waaren zum Verkaufe mitnimmt. En kommt dann 
ein Bazsr von Menschen und Dingen zu Stande, so bunt und 
leuchtend, so farbeuschimmernd und interessant dass das Auge 
sich nicht satt sehen kaun, aber auch ein Gewühl und ein 
Sprachengeschwirr, dass das Ohr betäubt wird. Und über dem 
Ganzen schwebt ein Duft, der nicht an die Rosengärten von 
Schiraa erinnert gegen den auch kein: „Nachbarin, euer Fläsch- 
cnen" hilft, sondern' den nur eine steife Nordwestbrise zu 
mildern, aber nicht zu scheuchen vermag. 

Da diesmal auch reiche Türken und Perser die Pilgerreise 
machten, fehlte es selbst nicht an Frauen, Kindern und Skla- 
vinnen, welche in einem Seitengange neben dem Salon, aber 
ebenfalls unter Gottes freiem Himmel mit Polstern und Decken, 
Speisevorräthen und Küchengeräthen sich häuslich eingerichtet 
hatten. Wenn man dieses Vmkcrgewoge von der langen Brücke, 
welche das Hinterdeck mit dem Offiziersdeck zu verbinden pflegt 
überblickte, und die Provenienz, die wegen des eingetretenen 
Fastenmonats höchst gesundheitswidrige Ernährung und das 
enge Zusammenliegen aller dieser dreihundert Deckpassagiere 
erwog und die Möglichkeit überdachte, was werden würde, wenn 
die von allen Orientalen ganz entsetzlich gefürchtete Epidemie 



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Materialien, deren Bezugsquellen bereits angegeben worden 
sind, betrifft, so galt es, von den beiden Kopfstationen Pont 
ä Mousson und Remilly, von ersterer mehr die Schienen 
und Schwellen, von letzterer hauptsächlich das Klcincisen- 
zeng mittels Strassenfuhrwertc auf die einzelnen Bau- 
stellen so zu vcrthcilen, dass keine Stockung des Geleise- 
legens entstände, und bildet dieser Theil der Arbeit ein be- 
sonders anstrengendes, jedem Betheiligten gewiss unvergess- 
liches Kapitel des ganzen Bahnbaues. Der jenseits der 
Seille gelegene Theil, von der anderen Seite überhaupt nicht 



Versorgung der vielen Arbeitsstellen mit den von 
Seiten kommenden Materialien der verschiedensten Art, un- 
aufhörlich erneut und ebenso beim Ausbleiben des einen 
oder andern Theiles wieder in sich zusammenfallend, hiessen 
mauchmal die Hoffnung auf Einhalten eines bestimmt ge- 
setzten Termins zur Beendignng der Arbeit gänzlich aufzu- 
geben. Nicbtsdesto weniger rückte der Geleisebau, welcher 
am 11. September an mehren Pnnktcn gleichzeitig begon 
wurde, taglich, einige arge Regentage abgerechnet. 



»eilte gelegene Itieil, von der anderen Seite überhaupt nient 70Ü, 1100, ausnahmsweise sogar 150O Meter Gesammtlänge 
eher erreichbar, als das fertige Geleise der Sektion II gegen vor, so dass am 23. desselben Mouata , kurz vor Ankunft 

Fi«. II. BriWkt S»«r dl« Still* b«l Ch.mln.l la «tat. 6tt. 




| — i — l — i — i — | — i — l — i — r- 

Ende des Baues ein Heranbringen des Materials vor Kopf 
erlaubte, war vor Fertigstellung der Brücke auch von der 
Nordseite nicht für Fuhrwerk zugänglich, so dass zunächst 
die Arbeit auf die diesseitigen Strecken beschränkt bleiben 
musste. Das Strassenfuhrwerk wurde zu jener Zeit durch 
die ungeheuren Transport -Kolonnen der Verwundeten und 
Gefangenen von Metz und Sedan, die grösstenteils die Ge- 
gend passirten, fast gänzlich absorbirt, so dass das Ke<)iii- 
riren von Wagen die grössten Sorgen und Enttäuschungen 
auferlegte, bis die Verwendung von Ponton -Fuhrwerk aus 
Pont a Mousson Abhülfe schaffte. 

Die verwickelten Kombinationen und Berechnungen zur 



10 IUI«. 

der ersten Lokomotive von Pont ä Mousson her, der letzte 
Nagel feierlichst eingeschlagen werden konnte. 

L'eber die Konstruktion der in Fig. II. dargestellten 
Brücke über die Seille, welche an der Einmündung des 
Mnince- Baches in der Gegend errichtet wurde, wo gegen- 
wärtig beide Gewässer die neue deutsch« Grenze bilden, ist 
bereits erwähnt, dass in Bücksiebt auf die anschliessenden 
längeren Dammschüttungen eine möglichst niedrige Lage der 
Fahrbahn durchaus geboten erschien. Die hieraus folgende 
einfache Konstruktion der Träger ohne unterhalb liegende 
freitragende Konstruktionen (während solche oberhalb sich 
wegen der entstehenden grossen Breite der Brücke nicht 



auf dem Schiffe wirklich ausbräche, so kouute mau sich einer 
leisen Bcsorgniss nicht erwehren- 

Indessen half weder fiesinnen noch Erwägen, noch Bangen. 
Das Schiff konnte ich nur wieder verlassen, wenn ich sechs Tage 
Quarantäne auf der Insel machen wollte: au der Sehiffstreppe 
hockten wie Orhcrussc die mit selben Binden gegürteten Ge- 
sundheitswächtcr, über meinem Haupte wehte die gelb« Pest- 
flairge; ich war befleckt uud uureiu geworden, trotz der vieleu 
Gläubigen und musste mit Leider verzögerte sich unsere Ab- 
fahrt, da sehr viel Wasser, Provisionen und Kohlen eingenommen 
werden mussten und der Verkehr zwischen den heranrudernden 
Boten aus alberner Aengstlichkcit aufs Aeusscrstu erschwert 
wurde. Alles, was vom Schiffe kam, Briefe, Packete, selbst die 
kleinste Münze wurde ins Meer getaucht uud dauu erst in das 
Boot geworfen, angeblich um den Ansteckungsstoff zu über- 
winden. Träge verging der Tag. Eine Stunde vor Sonnen- 
untergang fuhr in Kanoucnschussweitc das andere nach Syra 
bestimmte Lloydschiff, welches meine Freunde trug, an uns vor- 
über. Ungesehen prüsste ich sie und sandte jedem ein freund- 
liches Lebewohl nach. 

Bald hatte ich mich mit der Schiffsgesellschaft der ersten 
Kajüte bekannt gemacht. l»ie Kapitüue stammten, wie fast alle 
Lloyd-Kapitäne, aus I)almatien und waren zu\orkommeud und 
gefällig, wie immer. Signore Lcunbardis, der erste Kapitain, i 
hatte bereits den Passugicrcn des ersten Platzes das Ofhziers- 
deck eingeräumt, damit sie den fünfmal des Tages für jeden 
Pilger vorgeschriebenen Gebeten der Mullamedauer ausweichen 
könnten, wenn diese, wie kontraktlich ausbeduiuten, auf dem 
Hinterdecke sich in Zügen formirten, um unter der Leitung 
eines Vorbeters in den verschiedensten Stellungen, Verbeugungen 
uud Kuiefälleu die vorschriftsmässigen tiebete zu erfüllen. Der I 
Aufruf zum Gebete erfolgte, wie es in den Städten der Muezzin 
von dem Minarct der Moscheen zu thun pflegt, durch einen J 
jungen Mollah mit näselnder Stimme von der Strickleiter aus. 
Dann stieg ein Jeder zum Decke hinauf und legte, nachdem die 
Richtung nach Mekka mittels Konipass und Karte von zwei 
Schriftgelehrten hestimmt worden war, seinen Gebetsteppich 
ordnungsmäßig in Kcih und Glied, um für die nantoffelbefreiten 
Küsse des Gläubigen den nötbigeu heiligen Buden zu gewinnen. 
Dann erst konnten die Gebete beginnen. 

Zu meinem Erstaunen begrüsstc mich gleich am ersten 



Abend ein alter, schöner, reich gekleideter Türke mit wohl ge- 
pflegtem schnenweissem Barte, mit den Geberden des achtungs- 
vollsten Grusses, er musstu mich kenneu. Mein Kabinengenoss. 
Kyri OS Dallas, welcher türkisch sprach, wurde sofort geholt und 
bildete freundlichst deu Dolmetscher. Nun ergab es sich, dass 
ein ganz besonders hohes Kirchenlicht, der Obermollah der 
Moschee Sultan Mehmets aus Stumbul, mich wicdererkauDt und 
deshalb gegrüsst hatte. Ich kouute mich seiner nicht erinnern, 
obwohl ich im Frühjahre 1870 drei Tage lang unter seinem 
Schutze in der von ihm verwalteten kaiserlichen Moschee, der 
reichsten und vornehmsten nach der Hagia Sofia, geinosscu und 
gezeichnet hatte. Seiu Interesse war noch ganz mit dem deutsch- 
französischen Kriege beschäftigt; oft sagte er: .Lob sei deinem 
Herrn, dem Glorreichen; seine Macht sei ungetheilt! Lob »ei 
Bismarck, der sich auf den Nacken seiner Feiude gestellt hat! 
Amdumilluh!" (Gott sei Dank!) Da ich hieriu mit ihm völlig 
übereinstimmte, so floss unsere Unterhaltung ohne Streit und 
Gegenrede, wie ein friedlicher Paradiesesstrom dahin, bis ihn ein 
Dieuer zur Abendmahlzeit bei seiner Frau, — er hatto wie die 
meisten Türken von Stambul nur eine — abrief. 

Demnächst fesselte eiue englische Familie, die als Plancten- 
gruppc von drei Sternen von zwei Satelliten umkreist wurde, 
meine Aufmerksamkeit. Sin bestand aus zwei sehr grossen und 
schlanken, aber noch sehr hübsch aussehenden blonden Ladies 
und ihrem kummervull uud gedrückt erscheinenden Bruder, der 
absichtlich oder unabsichtlich an Byron erinnerte. Ein alter 
Herr mit seihst geknüpfter aber tadellos sitzender weisser Binde, 
der den Geschwistern verwaudschaftlich uaho stehen musste, 
war der eine Trabant. Der andere war ein jüngerer Mann, nett 
und angenehm im Verkehr, aber höchst komisch in Haltung und 
Erscheinung. Seine Toilette war der Gegensatz der Korrektheit, 
alles sehlotterte, rutschte und bummelte am Körper. Der Hut 
sass im Nacken, die Hosen bis unter die Hacken, selbst die 
Backenbarthälfteu schieueu herabgesunken zu sein. Die Gesichts- 
züge waren weder schön noch regelmässig und litten noch mehr 
unter zu vielem Lächeln nebst Gebissenthüllung. Immer musste 
man au eine komische Maske des Maskenballes denken, wenn 
man Mr. Archibald unter dun buut gekleideten Arabern, Grie- 
chen und Türken sich durch das Gedränge winden sah. Uud 
dieser hochkomische, aber sehr unterrichtete und gefällige Mann 
war verliebt in die jüngere Schweater von Lord Byron und hat 



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— 121 — 



Saaill; a»«a r«at-«-Houii«a. 




mehr sagen will uud für seine Thatkraft spricht, auch 
richtig bis zur Verlobung durchgearbeitet. Bei (Irr Enge üps 
uns angewiesenen Offizierdecks sind wir Alle unfreiwillig Zeugen 
gewesen, wie eine englische Verlobung uuter herrlichem Sterucu- 
liimmel und bei frischem Meeresranschen in 48 Stunden zu 
Stunde kam. Ich berühre die kleine Episode nur um deswillen 
näher, weil ihre Beobachtung mich von sonstigen schwarzsehen- 
den Zukuuftsträuniereien und Aerger über bevorstehenden Zeit- 
verlust glücklich und dauernd losgerissen hat. 

Eine fernere Freude war für mich die Entdeckung, dass 
noch vier Passagiere der ersten Kajüte nach Jerusalem pilger- 
ten. Es war ein Reiseuuternehuier, Herr Th. aus Boppard, 
welcher zwei Kaufherren aus Amsterdam und einen württem- 
bergischen Auditor, Hrn. v. E., durch den Orient führte. Dem 
Unternehmer Hrn. Th., der zwanzig Jahre lang in Palästina gelebt 
hatte uud deshalb messend arabisch sprach, "waren die verhäng- 
ten Quarantäne -Maassrcgeln, deren Ende noch gar nicht abzu- 
sehen war, besonders störend gekommen, da sein HeiseprogTatnm 
auf Tag und Stunde lautete uud jeder Tag Mehrzeit suinen 
kleineu Verdienst zu schmälern drohte. Da uns noch vor Ab- 
gang des Schiffes eine fünftägige Quarantäne für Bairut notifi- 
zirt wurde, entschloss sich Herr Th., seinen nach Caipha bestell- 
ten Dragoman mit allen Pferden schteuuigst nach Bairut kommen 
zu lassen, um von dort aus mit seiuer Gesellschaft in uordsüd- 
licher Richtung quer durch das heilige Land nach Jerusalem 
zu reiten. Eine freundlich gestellte Anfrage, ob ich mich für 
diese interessante Tour auschliessen wollte,} abzulehnen, fiel mir 
schwer. Ich konnte mich aber nicht eher entscheiden, als bis ich 
unseru Generalkonsul, Hrn. Dr. W. in Bairut, bei dem ich schon 
angemeldet war, gesprochen hatte. Jedenfalls hoffte ich aber die 
deutsch-holländische Reisegesellschaft, mit der sich rasch ein 
»ehr angenehmer Verkehr herstellte, in Jerusalem wieder zu 
»ehen. 

Endlich schlug am Sonntag Vormittag 9 Uhr die ersehnte 
Abschiedsstunde. Wir fuhren durch den schon beleuchteten 
Golf, setzten bei Klazomeuae die Gesundheitswfichter aus Land, 
betrachteten durch das Glas das auf der wüsten Insel inzwischen 
entstandene Zeltlager mit sein • Quarantäne machenden Rei- 
uden und steuerten, in südliciu Dichtung umbiegend, dicht 
der felsigen, herrlich gegliederten nüste hin, grade auf Chios 



blinden Sängers, hatte ich schon vor einem Jahre kennen ge- 
lernt; doch die sch'me Lage der gartenumringten Stadt zwischen 
sauftun Hügeln, während im Hintergründe schluchtenreiche 
schroffe Gebirgsketten aufsteigen, fesselten den Blick aufs Neue. 
Mehre Stunden ankerten wir auf der Rhede. In der Dunkelheit 
rückte, grade noch erkennbar, das stolzgipflige Samog heran; 
wir passirten den Kanal zwischen dieser Sagenreichen Insel und 
dem unberühmteu Nikuria; dann wurde es tiefe Nacht, die 
Lichter erloschen uud jeder ging zur Ruhe. 

Als ich am nächsten Morgen kurz vor Snnnenaufpng zu 
Deck kam, waren wir in der Inselwelt der Sporaden schon weit 
vorgerückt, rechts lag Kalymtin, links die Küste, grade vor uns 
die grossartig gezeichnete aber felsig nackte Insel Kos, deren 
einstmalige Huuptstadt im Asklepiaden- Heiligthume das ge- 
feiertste Bild des Alterthums: die schaumgeboreue ÜBttlu ihres 
Mitbürgers Apelles, bewahrt hat. Zur Linken öffnete sich gleich 
darauf der schon geschwungene Golf von Boudrone (das alte 
Halikarnass) mit seinen Erinnerungen an das Maussoleum; doch 
war eiu näherer Einblick trotz aller Sehnsucht nicht gestattet 
Nach Umschiffuug von Kap Krio trat das au der kariseheu Küste 
auf einer Landzunge und Felsterrasse so merkwürdig belegene 
Kridos, wo Newton noch vor Kurzem so schone Statuenfunde 
gemacht hatte, sehr deutlich hervor, da wir dicht au der Küste 
hinfuhren. 

Das Wetter blieb köstlich, die Luft war rein und klar, das 
Meer dunkelblau uud mit springenden Dclphiucuschaareu belebt, 
selbst die audauernde grosse Hitze (Mittags 2S* R.) milderte 
sich durch die frische Fahrt in erwünschtester Weise. Ein 
wonniges Gefühl des Ausruhens nach unseru, doch etwas stra- 
pazenreicheu Touren überkam mich und lockerte die Spaunkraft 
des Geistes. 

Nach einem kurzen, den kommenden Halbschlummer nicht 
störenden Gespräche mit dein Obermollah vou Sultan Mehmets 
Djaini fiel ich wirklich in eiueu tiefen Schlaf und erwachte erst 
Nachmittags 2 Uhr. als ich die Anker rasseln hörte. Wir lagaa 
bereits im Hafen von Rhodos. 

(Schl.M foltt.) 



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— 122 - 



empfehlen), verbunden mit der Rücksicht auf einen erst in 
grösserer Tiefe fest werdenden Baugrund, Hessen behufs 
möglichster Druckvertheilung die Herstellung mehrer tief 
eingerammter Pfahljoche nothwendig erscheinen, zu welchen 
das Material aus den benachbarten Wäldern gehauen wurde. 
Die grosse Länge der Pfähle im Verhältnis« zu der geringen 
Höhe der mit ins Feld geführten Kamine ergab allerlei On- 
heuuemlichkeiten, bevor es gelang, die Pfahlköpfe unter den 
Rammklotz zu bringen. Da die Brücke auch dem Verkehr 
mit Pferdefuhrwerk dienen sollte, so wurden die Tragbalken 
mit einer dichten Sehwellenlage bedeckt und die beiderseitige 
Verbreiterung der Fahrbahn durch Bohlstücke, auf hochkantig 

Sjstellten Halbhölzern aussen ruhend und mit einseitigem 
eländer versehen, bewirkt, ferner Anschlussrampen ge- 
schüttet und mit Steinschlag befestigt, welche sich in kurzer 
Krümmung von der Fahrbahn abzweigten. 

Der beim Uebergang in das erwähnt« Seitenthal bei 
Station 64t» sich als nothwendig ergebende schiefe Durchlass, 
welcher in Fig. III. dargestellt ist, war gebildet aus Stirn- 
urid Flügelwänden, welche ebenfalls aus eingerammten ver- 
schaaltcn Pfahljochen bestanden und mittels zweier Lang- 
schwellcn, die sich in der gezeichneten Weise an die Quer- 
schwellenlage anschlössen, behufs Tragens der Schienen 
überdeckt wurden. 

Ausserdem wurde eine Menge von kleineren Wasser- 
durchflüssen oder ynergräben offen gehalten durch Einlegen 
von Kastenrinnen oder trocken gemauerten Sickerkanälen, 
während für die zahlreich durchkreuzten Feld- resp. Dorf- 
wege die Passage ebenfalls beibehalten wurde, ohne überall 
Barrieren für uöthig zu erachten. Dahingegen fehlten nicht 
Gradientenzeiger und Kurventafeln, um dem Lokomotivführer | 
die nöthige Anleitung zur Regulirung seiner Fahrt zu geben, i 
sowie einzelne Wärterbuden, während optische Sigualvorrich- 
tungen nicht nothwendig erschienen. 

Die elektro- telegraphische Verbindung der Strecke an- 
langend, so war eine solche beim Beginn des Baues, und 
zwar die Richtung der Strasse bis Pont a Mousson beibehal- 
tend, bereits durch die Teleeraphen - Aufseher hergestellt . 
worden, so das« der Bahnkörper selbst eine Staugenleitung > 
nicht erhielt. Die erstere wurde gebildet dadurch, dass ein- 
zelne Chausseepappeln unmehauen und seitwärts wieder ein- | 
gepflanzt wurden, in der Entfernung vom alten Stande, dass j 
die Leitung ausserhalb der Zweige der verbleibenden Baum- ; 
reihe zu liegen kam. Eine Telegraphenstation war im Dorfe . 
Chcminot aufgeschlagen worden, welche beim Besinn des 
BahnlK-triebs in eine als Stationsgebäude der Haltestelle 
Seille- Brücke dienende Baracke verlegt und durch Zweig- 
leitung mit der Chausseeleitnng verbunden wurde. Letzt- 
genannte Hallestelle Instand, abgesehen von etwaigen viel- 



leicht später hinzugefügten Anlagen im Uebrigen nur aus 
einem nach , beiden Seiten direkt zugänglichen Ausweich- 
geleise, sowie einem auf erhöhtem Gerüst stehenden hölzer- 
nen Wasser-Reservoir, welches mittels Handpumpe aus dem 
unterhalb des Gerüstes gegrabenen Brunnen gespeist werden 
sollte. Für den Fall, dass letzterer versagen sollte, wurden 
ausserdem noch Feuerspritzen aus den Dörfern requirirt und 
an «lern nahe gelegenen Seille-Uebergange aufgestellt, um 
nöthigenfalls die Lokomotiven zu versorgen. 

Was die Bauleitung und Beaufsichtigung der speziell 
hier besprochenen Strecke betrifft, so war durch ein von 
Anfang an eingetretenes Konzentriren der gesammten Pionier- 
Abtheilung, ebenso der Oberbeamten am Endpunkt Pont a 
Mousson, die der Bildung der Feld-Eisenbahn-Abtheilungen 
zu Grunde liegende Eiutheilung in 2 Sektionen derartig mo- 
difizirt worden, dass dem Berichterstatter nur die Bahn- und 
Werkmeister, sowie die Vorarbeiter seiner Sektion verblieben, 
während ein besonders engagirtcr Feldmesser hinzukam. 
Die Abtheilungs- Pioniere aber wurden ersetzt durch eine 
hinzutretende Festung»- Pionier- Kompagnie, welcher beson- 
ders die Zimmerarbeiten zur Brückenanlage obliegen sollten, 
und wurde letztere nach ihrer baldigst ebenfalls nach Pont 
a Monsson erfolgenden Abkommandirung durch eine zweite 
Pionier-Kompagnie abgelöst, welche unter ZuhQlfenahmc be- 
sonderer Rammarbeiter den Brückenbau ausführt«, auch ein- 
zelne Unteroffiziere und Mannschaften zu den Erdarbeiten 
stellte. In der Hauptsache wurden letztere, sowie die Über- 
bau-Arbeiten bewirkt durch Berufung eines grössern Arbeiter- 
korps, meist Bergleute und Eisenbahn -Arbeiter aus dem 
Saarbrückenschen und Trierschen, von denen die Erdarbeiter 
einen Lohnsatz von 1 Thlr. und freie Verpflegung bezogen, 
während die Oberbau -Arbeiter im Dienste eines Unterneh- 
mers der Eifelbahn standen, der das Geleiselegen gegen Ak- 
kordzahlung bewirkte. Wie viel eigentlich im Durchschnitt 
von diesen Arbeitern auf die Sektion täglich verfielen, ist 
wegen des fortwährenden Wechsels durch Ab- und Zugehen, 
wegen UehergTcifens in die Nachbarstrecken etc. nicht genau 
anzugeben, doch mag die Durchschnittszahl 4 — 500 Mann 
betragen haben. Die Zahl der Bahnmeister betrug abwech- 
selnd 3 und 4, welche die Aufsicht über die Arbeiterschächte 
und das Oberbaulegen führten, während der 5. Bahnmeister 
einen Theil der geometrischen Arbeiten, der Maschinen- 
werkmeister aber die Anfertigung des Eisenzeugs zum 
Brückenbau, das Verhauen von Schienen, Beschaffung von 
Arbeits- Lowrys u. dgl. besorgten. Die Rechnungsführung 
und die Auszahlungen aber gingen von der ihren Sitz in 
Pont a Mousson habenden Oberleitung aus, von wo aus auch 
die Haupt-Verwaltung der Materialien stattfand. 

St. Johann a. Saar. Vieregge. 



fteie I rfuhrunjf n Ii den Paurerf 

Seit meiner ersten Publikation über den Lichtpausprozcss 
in No. i der Deutschen Bauzeitung ist ein nicht unwichtiger 
Fortschritt gemacht worden , der die praktisch? Anwendbarkeit 
des Verfahrens wesentlich erleichtert. Das ist die Herstellung 
einer neuen Art lichtempfindlichen I'apicres. Mas früher im 
Ibindel befindliche Lichtpauspapier bedurfte noch eiuer Ammo- 
uiakräucherung um lichtempfindlich zu werden, und zu diesem 
Zweck musste ein Sack mit Hirschhornsalz in den Kopirrahmen 
hinter das Papier gelegt werden. Wenn nun auch auf der Ge- 
werbe-Akademie hicrselbst, im lugeuieurkurps des kgl. Geucral- 
stabes etc. nach diesem Verfahren treffliche Kopien gemacht 
worden sind, so ist doch nicht zu leugnen, dass die gleichtnässigc 
Verkeilung des Hirschhornsalzes in dem Kopirrahmen einige 
Uebung erfordert und bei Maugel an Vorsieht Fehler veranlasst. 
Dieser t'ebelstand ist durch die Einführung des neuen Papieres 
Käuzlich beseitigt Dieses neue Papier ist ohne Ammoniak an- 
wendbar, es ist für sich allein schon lichtempfindlich und er- 
fordert daher keinerlei Vorbereitungen. 

Die ersten Bogen dieses neuen Fabrikates, welches ich von 
Hrn. Talbot, Wilhelinstrassc 101 hier, erhielt, befriedigten mich 
ausserordentlich. Einmal erhielt aber eiuer meiner Schüler 
Lichtpausbogen, welche sich fleckig und unempfindlich erwiesen ; 
bei genauer Untersuchung stellte sich heraus, dass diese Bogen 
in starker Winterkälte dargestellt waren uud dass bei dem lang- 
samen Trockuen die emptindlichmachende Lösung „in das Papier 
geschlagen" war, wie der Terminus technicus lautet Seitdem 
die Ursache des Fehlers erkauut war, ist auch die Qualität des 
neuen Tal bot 'sehen Papieres eine tadellose. Ein anderer, nicht 
unwesentlicher Fortschritt ist aber die Lieferung grosser 
Pausbogeu. Es Var allerdings auch mit den kleinen Bogen 
von 41 X M ,m möglich, gross« Zeichnungen zu kopiren, indem 
man einen Bogen neben den anderen legte und diu Ränder der 
Bogen über einander greifen Hess. Man erhielt so Kopien, die 
auf das schärfste an einander passten und die nachher leicht 
auf Ellenpapier zusammengeklebt werden konnten. Immerhin 
ist es aber bequemer, mit einem Bogen eine grosse Zeichnung 
kopiren zu können, und dazu bietet das neue Lichtpausformal 



I von 1 18 X M Grösse die Hand. Freilich gehört dazu auch 
ein riesiger Kopirrahmen und dito grosse Schauen zum Waschen. 
Ein nicht unwichtiger Punkt ist bei Herstellung der Licht- 

' kopien die kräftige Pressung im Kopirrahmen. Wenn sich 
die Zeichnung und das lichtempfindliche Papier nicht innig 
berühren, so kriecht das Licht gleichsam unter die Zeichnung 
und färbt den Bogen an den Stellen, wo er weiss bleiben soll; 
solche Stellen der Zeichnung kopiren dann unscharf und trübe. 
Beim Waschen der fertigen Kopien gsize man nicht mit dem 

! Wasser, je vollständiger das Fixirsalz ausgewaschen wird, desto 

; sicherer ist man der Unveränderlichkeit der Kopie. 

Nach Beobachtungen, die ich hier in Baubürcaus gemacht 
habe, muss ich auch noch warnen, die Pausen, wenn sie aus 
dem Kopirrahmen genommen sind, an das helle Licht zu bringen, 
denn der Pausbogen ist auch nach dem Kopiren noch licht- 
empfindlich und daher leidet die Zeichnung am Licht. Erst 
wenn der Bogen im Fixirbado gewesen ist, darf er 
ohne Schaden an das Licht gebracht werden. Zwielicht 
ist unschädlich. — 

Dass eine Zeichnung, die durch das Licht kopirt werden 
soll, auf durchscheinendem Papier gefertigt und in möglichst 
kräftiger Tusche ausgeführt sein muss, versteht sieh wohl von 
selbst. Gelbes oder gar braunes Papier ist ungeeignet. 

Ein Umstand, der dem Anfanger (ausser der Unscharfe in 
Folge mangelhafter Pressung im Kopirrahmen) noch A erger 
bereitet, ist das Reissen der Kopien im Waschwasser. Bei einiger 

! Uebung ist das sehr leicht zu venueidon. 

Wer jedoch ein Schutzmittel dagegen wünscht, dem empfehle 
ich, schmale Streifen Pausleinwand an den Rand des Lichtpaua- 
bogens mit Gelatine aufzuleimen; diese verhindern das ZerrciBsen. 
In dieser Weise schützt man auch die fertigen Kopien. Wenn 

I durch Ungeschicklichkeit meines Arbeiters irgend eine Kopie 
zerrcisst oder ein Loch bekommt, so vereinige ich die Trcnnunjrs- 
stelle nachdem der Bogen fertig ist, durch Paus lein wandstreifen, 
die ich anf die Rückseite der trockenen -Kopie klebe. Dieses 
geht so leicht, dass die Trennung in keiner Weise mehr stört. 

I Neuerdings sind von Hrn. Talbot ein mattes Llchtpaus- 



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— 123 



panier und sogar eine Lichtpauslcinewand offerirt worden. 
Ich werde darüber Bericht erstatten, so bald ich sie ver- 
sucht habe. 

Zum Sehluss darf ich nicht unerwähnt lassen, dass das 
Licht in der nun bevorstehenden Sommersaison photographisch 
bedeutend intensiver wirkt, als das Winterlicht Selbst ein 
Regentag im Sommer hat oft eine grossere Lichtstarke als 
ein heller Tag im Winter. Die Herstellung der Lichtpausen 



geht daher im Sommer bedeutend rascher, und Aufmerksamkeit 
ist nöthig, damit die Pausen nicht üborkopiren. lieber alle 
übrigen Details des Prozesses giebt diu Gebrauchsanweisung, 
welche man mit dem Bogen enthalt, mehr als genügende Auskunft- 

Dr. II Vogel, 
Berlin. Lehrer der Photographie 

an der königl. Gewerbe-Akademie. 



Mittheilungen aus Vereinen. 



Architekten -Verein zu Berlin. Haupt -Versammlung am 
6. April 1872; Vorsitzender Ur. Quassowski, anwesend 81 Mit- 
glieder und 1 Gast 

P"ji n " r *P? rlicn besuchte Sitzung wird fast ausschliesslich 
durch die Erledigung geschäftlicher Angelegenheiten in Anspruch 
genommen. Nach einem Berichte über die eingegangenen Zu- 
schriften bringt der Hr. Vorsitzende zunächst die Andenken für 
dio Sieger der letzten Monatskonkurrenzen, die Herren Daub, 
kühn, Luthmcr. Nchrenz, Martiny, Stein und F. Wolff 
zur Verthcilung. Es wird darauf die Aufnahme von 6 neuen 
Mitgliedern, der Hrn. Brüning, Engisch, Hinkoldeyn, 
Löhmann, Martens und Thomsen, sowie die Wahl mehrer 
Kommissionen vollzogen. 

In die Kommissionen zur Beurthcilung der Monatskonkur- 
renzen werden berufen: für den Hochbau die Hrn. Blanken- 
stein, Ende, Orth, Stier, Lurac; für das Ingenieurwesen 
S? ■»«»»»in«. Grund, Schwedler, Streckort, Franz. 
Die Wahl neuer Aufgaben für das nächste Jahr soll erst erfol- 
gen , nachdem die betreffenden Kommissionen über Vorschlage 



Vermischtes. 

Zum Chof Ingenieur des C^Uhard Bahn Unternehmens 

ist am 4. April der Badische Bau-Direktor Hr. Gcrwig ge- 
wählt worden. Die Beteiligung desselben an den Vorarbeiten 
und die Erfahrungen, zu welchen ihm der bisher von ihm ge- 
leitete Bau der (inNo. 6. u. Bl. geschilderten) badischen Schwarz- 
waidbahn Gelegenheit gaben, lassen die Wahl zweifellos als eine 
ebenso naheliegende wie glückliche erscheinen. Durch die poli- 
tischen Zeitungen war bekanntlich vor einigen Wochen das ir- 
rige Gerücht gegangen, dass ein an hoher Stelle des Preussi- 
BCüen hweu bahn -Bauwesens stehender, der eigentlichen Bau- 
P™ freilich schon lange entfremdeter Techniker für die 
betreffende Aufgabe die einem Ingenieur nicht allein die gün- 
Ksten bilanziellen Verhältnisse, sondern wohl ebenso die Aus- 
ht auf einen für allo -Zeiten bleibenden Nachruhm sichert 
gewonnen worden sei. 

Die Wahl eines Stadtbauratha ffir Berlin, die nach 
längerem Zögern endlich am 4. April d. J. vollzogen worden 
ist bat an diu Spitze des Kommunal-Bauwescns der deutscheu 
Hauptstadt den bisherigen Bauinspektor der Kgl. Miuistorial- 
Bau-Konimission, Uro. Blankenstein berufen, dem dabei das 
Vertrauen der städtischen Vertretung in einer ebenso ehren- 
vollen wie für Berlin unerhörten Weise entgegengekommen ist; 
Jr u> ,! V0 " m ab K c K L ' be i>eu Stimmen für sich gehabt, während 
die warn seines Vorgängers dereinst mit einer Majorität vou 
nur einer Stimme erfolgte. Wie verlautet, beabsichtigt mau 
von dem bisherigen Usus, die Vertretung des städtischen Bau- 
wesens zwei koordinirten Bauräthen anzuvertrauen, von denen der 
eine den Hochbau, der andere das Ingenieurwesen repräsontirte, 
abzusehen, gedenkt vielmehr unter Durchführung einer voll- 
ständigen Reorganisation der Bauverwaltung, dem Stadtbaurathc 
künftig zwei Obcr-Bau-Inspektorm als Spezial-Chefs der be- 
treffenden r achzweige unterzuordnen. Es würde demnach der 
vor einigen Monaten seitens des vorigen Oberbürgermeisters 
aufgestellte Plan, jedoch mit der Modifikation durchgeführt wer- 
den, dass der an der Spitze stehende Bautechniker als Stadt- 
Daurath .Mitglied dos Magistrate-Kollegiums verbleibt während 
nach jenem Man der StaJtbaudirektor dem Magistrat nicht 
angehören sollte. Wir werden nicht versäumen auf die Fragen 
nach einer zweckmassigsten Organisation des kommunalen Bau 
wesens demnächst etwas naher einzugehen, wollen jedoch schon 
jetzt bemerken, dass wir der Ansicht verschiedener Fachgeuossen. 
welche m dem Seydel'scben Orgauisationsplone eine Iferabwür- 
digung des raches erblickten, auf das Entschiedenste entgegen- 
treten müssen. Die Momente für und widur das Verbleiben des 
leitenden Technikers im Magistrate einer grossen Kommune 
stehen sich zum Mindesten gleichberechtigt gegenüber; faktisch 
zeigt die Wirksamkeit der rheinischen Komwuual-iiaubeium^n 
dass jene Bedingung nicht erforderlich ist um dem Stadtbau- 
meister die gebührende Stellung und den wünscheuswortheu 

™!;Jn S t *p tSfäSfrl fiUls -2 ie 5 er nur diu fQr «<> lcl >'-'" Ponten 
gee K nete Persönlichkeit ist. Es dürfte in dieser Beziehung nicht 

.Iii fm n n «'Elenderes Beispiel angeführt werden können, als 
die Stellung die unter den schwierigsten Verhältnissen Rasch - 
• a > *l c $ erriln R < " 1 und die er jetzt wohl nur des- 
halb niedergelegt hat, weil ein noch aussichtereicheres Feld des 
SPS™" , Vür ™ «ch Öffnet - Die Wirksamkeit des neuen 
htadtbauraths von Berlin kann übrigens eine der bedeutsamsten 
werden, die sieh denken lässt, da ausser den laufenden Aus- 
führungen an Lehranstalten etc. und ausser den grasen Unter- 
nehinungeu der Zukunft, welche die " 



Die Kommission zur Vorbereitung der Exkursionen des näch- 
sten Sommers soll bestehen aus den Hrn. zur Nicdcu, Wiehe, 
Lutbmer, Sendler, Stier, Fritsch, Knoblauch. 

Die Kommission zur Berathung der auf der Tagesordnung 
der nächsten Abgeordneten -Versammlung des Verbandes stehen- 
den Frage wegen Aufstellung einer Norm für die llonorirung 
der Arbeiten aus dem Gebiete des Ingeuieurwesons wird zusam- 
mengesetzt aus den Hrn. Plcssner, Streck ort, Orth, Gill, 
Haarbeck. 

Ueber die im vorigen Monat eingegangene Arbeit aus dem 
Gebiete des Ingenieurwesens (Ucberfünrung eines Bachs uud 
einer Strasse) referirt Hr. Schwedlcr. Die Arbeit hat nach 
dem Urtheil der Kommission das wesentliche Moment der Auf- 
gabe nicht richtig erfosst uud leidet au mehren irrthümlichcu 
Annahmen, ist inaessen mit so grosser Sorgfalt uud Gründlich- 
keit durchgeführt, dass dem Verfasser, Hrn. Gust. Menget ein 
Andenken zugesprochen worden ist Zum laufenden Monat sind 
für die Konkurrenz aus dem 



genieur -Wesen keiue Lösuug 



Hochbau drei, für die aus dem ln- 



versorgung der Stadt betreffen, eine radikale Umwälzung des Bis- 
herigen Verhältnisses zwischen der polizeilichen und städtischen 
Zentnilgowalt und damit der Ucbergang eines grossen Tbeils 
der bisher von jener geübten Funktionen, vor Allem die Aus- 
übung der gesainmtcu Baupolizei, an diu Stadt in sicherer Aus- 
sicht stehen soll. 

Zorn Schulau gegen die Arbeitseinstellungen der Bau 
handwerker ist uunmehr nach dem Vorbilde der Berliner Zitn- 
mermeister auch unter den Maurermeistern Berlius in Verbindung 
» Baumeistern ein Bund geschlossen worden, dessen 
sich auf Ehrenwort verpflichtet haben, in den zu cr- 
•udeu neuen Differenzen mit den Arbeitern zusammenzu- 
stehen und den vou der Majorität beschlossenen Maassnahnien 
sich zu fügen. Di» lOTi Mitglieder, welche an der Konstituirung 
des Bundes Thcil genommen haben, repräsentireu 2143 Gesellen 
(nach der Steucrliste sind in Berliu im Ganzen 'J'2S4 beschäftigt) 
und soll das Verhältnis« der von den einzelnen Meistern beschäf- 
tigten Arbeiter bei allen Abstimmungen den Ausschlag geben. 
Eine Ansprache au die Gesellen, worin die Grundsätze der Löh- 
nung für die nächste Bauperiode festgesetzt worden — (!•/, bis 
l'/i Thlr. für gute und fleissige Gesellen bei löstündiger wirk- 
licher Arbeitszeit, danach Berechnung der Ueber- und Minder- 
stunden mit Zuschlag vou 1 Sgr. für die Stunde Nachtarbeit; 
bei letzterer eine Erholungsstunde, au Sonnabenden und Festvor- 
abenden Feierabend um 5 Uhr, an Sonntagen i Stunden früher 
als au Wochentagen ohne Lohnabzug; Entlassung resp. Abgang 
ohne vorherige Kündigung am Abende jedes Tages) — sollte am 
6. April auf allen Kumtoirs vurtheilt werden. Bei partiellen 
Arbeitseinstellungen sollen sich die verbundenen Meister zunächst 
gegenseitig aushelfen, eventuell ihrerseits mit einer allgemei- 
nen Arbeitseinstellung antworten. Demnächst soll eiuu Preis- 
liste für Maurerarbeiten nach Analogie der bureits vou deu 
Zimmermeistern aufgestellten ausgearbeitet werden. 

Anscheinend ist der Wiederausbruch des Kampfes zwischen 
Meistern und Arbeitern hiernach wohl in Kürze zu erwarten. 
Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die erslereu in Folge ihres 
organisirten Zuaammeustehens darin deu Sieg behaupten. Der 
Ansicht dass die Gesellen sieb durch solchen Misserfolg vou fer- 
neren Strikes abhalten lassen werden und dass der Frieden zwi- 
sebeu Arbeitnehmern und Arbeitgebern ausschliesslich auf diese 
Weise herzustellen sei, können wir uns jedoch nicht nnschlies- 
sen und verweisen in dieser Beziehung auf unsere kiirzlichen 
Ausführungen. 

Aus der F achlitte ratur. 

AUgemeine Ban20itunÄ, redigirt von A. Köstlin, Verlag 
von R. v. Wald he im in Wien. Jahrg. 1871. 

A. Aus dem Gebiete des Hochbaues. 

1) Der Taufsteiu in der Kirche zu Berg bei Stutt- 
gart. Mitgetheilt vou Th. Hoffmaiiu. 

Eiu Bildhauerwerk der Spütgothik, die Scli3ale verziert mit 
mnsizirenden Engelu und dem dürren Ornament welches diesem 
Stile eigen ist. Die Mittheilung dieses wirklich nicht sehr be- 
deutenden Werkes auf drei lithograiihirten Tafeln dürfte wohl 
die noch zulässige Grenze in der Liberalität historischen Denk- 
mälern gegenüber bezeichnen, welche wir der Allg. Buuzeitung 
in einer früheren Besprechung nachrühmen mussteu. 

S) Das „Grand Hotel" in Wien sammt dem daneben 
befindlichen „Uötel garni." Vom Architekten K. Tietz. 

auf 11 Tllatt dargestellte Gasthof- Anlage ist, 



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wie der begleitende Text mittheilt, 1 irht narh einheitlichem 
Plane entstanden. Das gros»« bei der Wiener Stadterwcitorung 
am Kärnthnerrbg errichtete Hauptgebäude, das jetit als „(iraua 
Hfltcl" das ganze Quadrat bis zur Mnxiniiliaustrag.se umfangt, 
war während der ersten Jahre seines Bestehens dazu bestimmt 
als grosse« Miethhaus nebe Rente zu bringen. Heim Umbau 
zum Hotel galt es vor Allen, dem als Ladcngcschuss ganz auf 
Eisensäulen stehenden Erdgcschoss seinen monumentalen Cha- 
rakter wiederzugeben — dann durch den Froutbau in der Maxi- 
inilianstrasse das bisherige Hufeisen zu sehlicssen. Der neue 
FlQgel war bestimmt, im Erdgcschoss den Speisesaal mit Nebeu- 
rfiumen, im Souterrain Küche, Vorraths- und Eiskeller aufzuneh- 
men. Der entstehende grosse Mittelhof wurde mit Glas über- 
deckt und durch zwei seiner Umfassungswände, welche dicht 
unter dem Glas mit einer Fensterreihe versehen sind, die Ven- 
tilation ermöglicht — 

Ein schon früher erworbener, an der Maximilianstrasse un- 
mittelbar anstossender Hauplatz wurde mit einem, ebenso wie 
das Grand Ilötel fünfstöckigen Hause bebaut, welches zum Hötcl 
garni bestimmt war und also, bis auf die grossen Speise- und 
Restaurationsräume, eine gleiche Einrichtung erhielt, wie die 
erstgenannte Anlage. Beine Etablissements zustimmen enthal- 
ten über 300 Logirzimmer. Sie sind mit allem Komfort ausge- 
stattet, den man von einem Höfel ersten Randes zu verlangen 

Fliegt: je zwei grosse Treppenhäuser, hydraulische Aufzüge für 
ersonen und Gepäck, Telegraph, Stallungen, Sprachrohre, Bäder 
etc. Es wird besonders rühmend hervorgehoben, dass auch die 
ganze innere Einrichtung, Möbel, Tafelaufsätze etc. nach den 
Entwürfen des Architekten beschafft sind. 

Ein sehr anziehendes Bild gewährt die innere Perspektive 
des Speisesaales Der Raum, der für seine, durch die Etagen 
ziemlich vorgeschricliene Hohe viel zu lang geworden sein würde, 
vermeidet durch eine Abtrennung zweier EndrSume diesen 
Uebelstand in geschicktester Weise. Die farbige Ausstuttuug 
des Saales ist narh der Beschreibung in den satten, vollen 
Tönen durchgeführt, an welche das Wiener Auge gewohnt ist: 
.venetianische", mit Gemälden und Vergoldung geschmückte 
Holzdecke, Stuckmarmor in gelb, rot Ii und schwarzer Farbe, 
reichliche Vergoldung an Kapitelleu und Hasen und endlich tief- 
rothe Draperien bilden einen effektvollen Gegensatz gegen einen 
kleineren, im Halbrund geschlossenen Nebensaal, der in der 
vornehmen Pracht (imitirten) Carrara -Marmors prangt. Mit 
nachahmenswerter Rücksicht sind in der Beschreibung des 
Baues die Namen der dabei beschäftigten Künstler und Kunst- 
handwerker genannt. 

Was die Fassade des Grandhötel betrifft, so vermeidet Bie 
b glücklichster Weise die Gefahr des Kasernenstils, dem eine 
vielfenstrige Gasthof-Fassade so leicht verfällt, lieber einem 
geuuaderten , hohen Erdgeschoss mit Halbkreisabschliiss der 
Ocffnungen erheben sich 4 Geschosse mit graden Fenstersrhlüssen, 
von denen daa erste als Mezzanin mit sehr schwerer Rustika 
behandelt, das zweite durch stattliche gicbclgckröntc Fenster 
und Balkons als Hauptgeschoss charakterisirt und die beiden 
folgenden wieder ebfacber gehalten sind. Aus der Mitte der 
C . f >ti,3™ langen Fassade erhebt sich, eigentlich ohne innere 
Motivirung, ein Risalit ca. 3 ra über das Hauptgesims der Flügel- 
bauten; dasselbe erhält durch die üruppirung der P'enster zu 
mehrgeschossigen Erkern bedeutendere Motive und ruhige Wand- 
flächen. Fan mächtiges Hauptgesims mit Konsolen und impo- 
santer Balustrade, am Mittelrisalit getragen durch einen mit 
Laubgehängen verziorton Fries, krönt das Ganze b wirksam- 
ster Weise. 

Weniger glücklich konzipirt als die Fassade des Grand Hotel 
ist diejenige des Hotel garni in der Maximilianstrasse, die übri- 
gens in ihren Hauptabmessungen die Fussade des Grand Ilötel 
übertrifft Auch hier ist über dem gequaderten Erdgeschoss 
der erste Stock als Mezzanin zwischen zwei starke Gesimse ein- 
geschlossen. Die Fenster der beiden folgenden Geschosse, zu einer 
sehr schlank gestreckten Gruppe zusammengezogen, wirken nicht 
glücklich, — auch ermüdet nie in drei Fragen wiederkehrende 
Ausfüllung der F'ensterbrüstungen durch BaTluster. Das Haunt- 
gcsiius ist schwächlich, von den drei Risaliten, die noch eine 
fünfte Etago in Form mndbogiger Loggien tragen, wirken die 
auf den Ecken gar zu thurmartig. Auch hier ist übrigens die 
Haupteinfahrt im Mittclrisalit durch einen viersäuligen Portikus 
und in den Oberetagen durch eine geschickte Feustcrgruppirung 
wirkungsvoll ausgezeichnet 

(FortMtiimg hlgt.) 

Personal - Nachrichten. 

Preussen. 

Ernannt: Der Regierung*- und Baurath Bacnsch zu 
Berlin zum Geheimen Baurath und vortragenden Rath bei dem 
Ministerium für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten. 

Am 3. und G. April er. haben die Baumeister-Prüfung 
bestanden: Bauführer Hugo Koch aus Oppeln, Bauführer Lud- 
wig von NoeT aus Haldem bei Rees. 



Brief- und Fragekasten. 

Abonnent in Karlsruhe. Eine durch altmSliges Ein- 
dringen von Fakalstoffen mit diesen bfizirte Sandstoinmauer 



to» C.rl Bt.lit. I. Bull.. 



durch chemische Mittel zu desinfuiren, dürfte nicht angänglich 
sein. Es wird Ihnen kaum etwas übrig bleiben, als das Haus 
an der betreffenden Stelle mit neuem Mauerwerk zu unter- 
fahren. 

Abonnent in Hamburg. „Welches ist das beste und aus- 
führlichste Buch zur Vorbereitung für das Bauführer-Examen?" 
— Es ist leider ein mit jedem Examenwesen verbundener Uebel- 
stand, dass sich das Studium der Aspiranten eines P'achcs fast 
ausschliesslich auf die Vorbereitung zu den betreffenden Prü- 
fungen zuspitzt; soweit, dass das hierfür erforderliche Material 
in einem gedruckten Kompendium zusammengestellt käuflich zu 
haben wäre, sind wir indessen in unserem Fache glücklicher- 
weise noch nicht gekommen. Sie werden daher eines etwas 
weitläuligeren Studiums nuch verschiedenen Quellen wohl nicht 
entbehren können. 

Abonnent in Darmstadt Eine Anerkennung der vom 
Verbände deutscher Architekten- und Ingenieur -Vereine über 
die Einführung des Meter - Systems im Hauwesen gefassten Be- 
schlüsse von Seiten der Pr'eussischeu Zentral -Behörden ist 
nicht erfolgt und nach den Traditionen derselben wühl schwer- 
lich zu erwarten; die Annahme des Normal-Ziegelformates war 
übrigens schon früher ausgesprochen. Hingegen ist von Seiten 
vieler Regierungen, Eisenbahn -Direktionen etc. die Einführung 
jener Normen für ihren Bereich verfügt worden und der Gebrauch 
derselben entschieden der überwiegende. Wo Abweichungen 
vorkommen, beruhen dieselben wohl nur auf individuellem Be- 
lieben. Eiu in sich geschlossenes System ist unseres Wissens 
dem des Verbandes nicht gegenüber gestellt worden. 

Hrn. Baumeister X. in N. „Hat eine Königliche Regie- 
rung das Recht, einem diätarisch angestellten Baumeister, der 
ohue besoudere Kündigungsfrist, also nach früheren Auslassun- 
gen der Redaktion auf Htitgige Küudigung angestellt ist, für 
die letzten 14 Tage der Beschäftigung ein gewisses Arbeitsquaji- 
tum aufzugeben und für den F'afl, dass diese Arbeit nicht ge- 
leistet wird, mit Voreutbaltung der Diäten des letzten Monats 
zu drohen ?" — Bestimmungen über solcheu Fall bestehen nicht, 
so dass nicht von einem formalen, sondern höchstens von einem 
ideellen Unrecht dann die Rede sein könnte, wenn das betref- 
fende Arbcitsouantuui über Gebühr gross wäre. Es bliebe Ihnen 
dann eventuell nur der Weg der Beschwerde an die höheren 
Instanzen übrig. 

Die Frage über die Gebühren von Sachverständi- 
gen, welche die Notiz in Brief- und Fragekasten der No. 12 
behandelt, wird ihre Erledigung Duden durch eine Verfügung 
des .Justizministers vom 14. November 1870 (.1. M. Bl. No. 32«,) 
durch welche festgesetzt ist, dass remunerirte Staatsbeamte, 
wenn sie als gerichtliche Sachverständige in Angelegenheiten, 
welche mit ihrem Amte nicht in Verbindung stehen, vernommen 
werdeu, unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Vergü- 
tung aus der Staatskasse haben, wie alle übrigen Sachverstän- 
digen. Es sind hiernach lediglich die Vorschriften der Verordnung 
vom 29. März 1844 maassgebend : die nachträglich ergangenen 
Verfügungen, welche jene Verordnung auf die Beamten nurtheil- 
weise anwenden wollten, (namentlich vom 31. Juli 1855) sind 
aufgehoben. 8. 

Hrn. II. in Hagen und E. II. in Berlin. Wir bedauern, 
für Ihre Mittheilungen, die wohl etwas zu ausschliesslich einem 
persönlichen Interesse dienen, gegenwärtig keinen Raum zu 
haben. 

Hrn. M. in Berlin. Dass wir der augenblicklichen Grün- 
dungen und der mit ihnen verbundenen Bauprojekte in Berlin 
bisher nicht erwähnt haben, ist allerdings in newusster Absicht 
geschehen. Wir wollen eiu Referat über diese Bewegung im 
Zusammenhange bringen, glauben aber für die Zwecke unseres 
Leserkreises damit so lange warten zu können, bis sich die 
tatsächlich gewonnenen sicheren Resultate dieser Epoche mit 
etwas grösserer Klarheit übersehen lassen, als dies gegenwärtig 
noch der Fall ist. 

Abonnent C- B. in Sachsen. Mathematische Lehr- 
bücher zum Selbststudium zu empfehlen haben wir schon öfter 
ablehnen müssen, da dies ohne die Vorkenntnisse des Frage- 
stellers zu kennen, nicht möglich ist; im Allgemeinen können 
wir zu einem solchen Selbststudium nicht ratheu. — Dans der 
sogenannte Kaiserstiel in einer Thurmpyramide eutbehrlich 
ist, dürfte seit Moller's Auseinandersetzungen wohl von keinem 
Techniker bestritten werden. 



Berichtigung. Der in voriger Nummer abgeschlossene 
Aufsatz „Zur Frage der Schutzniaassregeln gegen die Arbeits- 
einstellungen der Bauhandwerker ist durch eine Anzahl Druck- 
fehler entstellt, die wir — um etwaigen Missverständnissen vor- 
zubeugen, berichtigen müssen. Es ist zu lesen: 

S. G5 Sp. 2 Z. 31 v. 0. „haben kann" statt „hat" 

,101 , 1 „ 36 . . „der" statt „des". 

„ 10*J „ 1 „ 38 „ „ Jedoch" statt Ja doch." 

„ 110 „ 1 „ 20 „ , „in Folge dessen" statt „dadurch." 

„ 110 „ 1 „ 23 1 „ „ „werden" statt „worden." 

„ 110 11 1 „ 30 „ , „Bauarbeiter" statt „Bauherr." 

j, 110 „ 2 „ 18 „ „ „Baugewerbe" statt „Baugcwerkc." 

„ 112 „ 1 „ 11 „ „ „seien" statt „sei." 

Ferner ist b No. 14 auf Seite 114 die Breite des Rheins 
bei Neuenbürg zu 800» angegeben. Dieselbe betragt dort nur 
200 m . 



Druck Utbr.d.r ric««ri 1» B.rlln. 



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Jahrg. IL M 16. 

DEUTSCHE BAUZEITUNG 



Berlin. OrinumtroM 1*1. 
■••UUuo-ia 



Organ des Verbandes 

deutscher Architekten - und Ingenieur-Vereine. 

Redakteur E. £. 0. Fritieh. 



Im» tritt 



luuincu-i Jnflrn A>rul.ma 
In tri Grillt -IMtl«: 

IM »er. im 



Frei» 1 Thaler ir« Uartal. 


Berlin, den 18. April 1872. 


Erseheint jeden ■•■■erst«-. 


Inhalt: Zur Prag* d*r fehuUmaat-re«»-.-. (W» die Arbcit»dB»Uülui)C«n 
der HaurünrtwfTkcr. Brennofen für Thon «aar«--, alt CiufenmiTiK und kontiim- 
trllchtfB Betrieb*. — fUieeaktf aa n tu dam Orient XV, — Bin Wort uImt Kla«n- 
baho-rrnwofB-ViTltfliT. — Ml tthettnnRen aal Vereinen: OatpreuatUacbcT 


Ingenieur- uud Areni-ekt*ii-V.-r«-.ii. - AreWtektig. Wreii. im Berlin. — V*r- 
ioUc.il*»: An die Architekt*« KorddonNchUnda. - Krueut* Ktreirlgknltmi 
xvlaeli«n Arl>< .i^bem und Arbeitnehmern de* Berliner Baogawerbe*. -- Peraa 
i j [ N achrlehten et«. 



Zar Frage der Sehutmaagsregeia gegen die ArbeitMeiHstrlluBgea der Bauhandwerker. 



Der in No. 14 d. Z. erschienene Schluss de« anter vor- 
stehendem Titel veröffentlichten Artikels veranlasst den Un- 
terzeichneten zu folgenden Bemerkungen, zu denen derselbe 
dnreh eigene Erfahrungen auf diesem Felde, namentlich auch 
durch den persönlichen Verkehr mit fast allen Baugewerks- 
nieistcrn Berlins und der Umgegend nicht allein berechtigt 
sondern verpflichtet sein dürfte. l>ie wichtige Frage er- 
schöpfend zu Irchandeln ist nicht ' der Zweck dieser Zeilen, 
auch soll nur speziell von den Verhältnissen Berlins die 
Hede sein. 

Die Frage, um die es sich in jenem Artikel handelt, 
und namentlich auch das Auskunftsmittel, welches derselbe 
vorschlägt, sind Gegenstand von Verhandlungen in «verschie- 
denen Zusammenkünften der Meister im Verein mit den be- 
treffenden Bau-Industriellen gewesen. 

Es hat sich nun zunächst prinzipiell keine Stimme da- 
gegen erhoben, dass die Lohnfrage sich bedeutend verein- 
fachen würde, wenn es möglich wäre durchgängig die Ak- 
kordarbeit einzuführen. Versuche sind von verschiedenen 
Seiten gemacht und ist darüber in den Versammlungen berichtet 
worden, auch lagen die Mittheilunsen von Meistern vor, die 
Ton jeher bestrebt waren den Modns zu finden, wie die 
Akkordarbeit, namentlich unter den Maurern, einzuführen 
sei. Das Beispiel der Akkordpntzer ist vielfach zitirt wor- 
den, — die Bedingungen beim eigentlichen Bau sind aber 
von diesem speziellen Zweige grundverschieden; während 
dort eine bestimmte Anzahl von Werkleuten ein ziemlich 
homogenes Pensum abzuarbeiten bat, wechselt hier das Be- 
dürfniss der Anstellung einer grösseren oder geringeren An- 
zahl von Arbeitern fortwährend. Soll nun gar ein Bau mög- 
lichst schnell vollendet werden, was in Berlin beim Privat- 
bau meist der Fall, oder handelt es sich um den Umlmu 
eines vorhandenen Gebäudes, bo tritt dieser Umstand noch 
stärker hervor; bei Monumentalbauten endlich — man denke 
sich die Siegessäule oder die National - Galerie — wird der 
Rath des Verfassers des beregten Artikels, dass es die Be- 
hörde mit einer Gesellen -Kolonne versuche, wohl kaum be- 
folgt werden können. 

Wer es auch sei, der an der Spitze einer Vereinigung 
von Gesellen steht, heisse er nun Meister, Polier oder Schar- 
werker, will er schnell und mit Vortheil arbeiten und die 
Konkurrenz bestehen, so darf sich sein Arbeitsfeld in der 
Regel nicht anf einen einzigen Bau beschränken, er muss 
eine ausgedehnte Praxis haben. Dazu gehören nun al>er 
stets Intelligenz und Mittel, und wer solche besitzt, wird 
wohl zu keiner Zeit ntit den Gesellen halb Part machen 
wollen und denselben besonders näher stehen als die jetzi- 
gen Arbeitge" 
Gesellen in 
gen diese heute. 

„Tagelohn- Arbeiten werden sich nie ganz vermeiden 
lassen* giebt der Verfasser des Artikels zu; mit Recht darf 
hinzugefügt werden „Akkordarbeiten werden sich immer 
nur für einzelne gewisse Bauabschnitte einführen lassen, und 
zwar auch nur durch Vermitteluug einer Instanz, welche die 
Verantwortlichkeit für das Ineinandergreifen und die Güte 
and Sicherheit der Ausführung übernimmt. 1 * Diese Instanz 
zu bilden dürfte aber weder der akademisch gebildete Ar- 
chitekt noch der Führer einer Gesellen-Kolonne berufen sein, 
sondern eine vorwiegend praktisch gebildete, mit materiellen 
Mitteln ausgestattete Persönlichkeit. 

Aus welchem Stande, ob ans dem der Gesellen direkt, 
ob aus dem der Poliere oder Meister, in Zukunft diese Per- 
sönlichkeiten hervorgehen werden, nachdem durch die Ge- 



ueiisuureu iKDiiuuus uuuei 014:111:11 uio uic jewr 

reber; gegen jenen werden sich die Strikes der 
Zukunft daher so gut in Szene setzen, wie ge- 



werbefreibeit die Examina und Privilegien aufgeholfen wur- 
den, muss die Zeit lehren, jedenfalls zeichnet aber jener Ar- 
tikel von der Haltung der gegenwärtigen Gewerksmeister 
dieser Frage gegenüber ein Bild, welches der Wirklichkeit 
durchaus nicht mehr entspricht. Es soll nicht bestritten 
werden, dass bei Einführung der Ge Werbefreiheit in vielen 
Fällen solche Gesinnungen, wie der Verfasser hier schildert, 
bestanden, alter mit diesen ist die Meisterschaft im Grossen 
und Ganzen längst und über Erwarten schnell und radikal 
fertig geworden. Dem Einsender ist auch nicht ein einziges 
Mitglied dieser Körperschaft in neuerer Zeit bekannt gewor- 
den, welches nicht bereit und gerüstet wäre, heute mit neuen 
Faktoren zu rechnen; namentlich kann die Behauptung jenes 
Artikels nicht zugegeben werden , „dass ein grosser J'heil 
der Meisterschaft die Bestrebungen des Scharwerkerthnms 
und der Gesellenkomites, das Publikum zur direkten Ueber- 
truguug von Bauart leiten zu veranlassen, im gehässigsten und 
feindseligsten Lichte ansieht, weil er dadurch das Funda- 
ment seiner bisherigen Stellung untergraben fühlt. 1 * 

Das „Scharwerkerthuro" anlangend, so ist die heutige 
Meisterschaft längst darüber hinweg, nach der Lccitimatifin. 
ob „examinirt 1 * oder .nicht examinirt* zu fragen. Als aie 
beiden grossen Verbände gestiftet wurden, welche die Inha- 
ber des ZiminergesctiäfLs einerseits und des Maurergeschäfts 
andererseits zu einem gemeinsamen Widerstande gegen unbe- 
rechtigte und volksunwirthsehaftliche Forderungen der sozial- 
demokratischen Gesellenkomites einigte und in welcher die 
Arbeitgelier von über »/» der in Berlin lieschäftigten Gesellen, 
die Steuerliste zu Grunde gelegt, vertreten sind, (die Stener- 
liste macht bekanntlich auch den obigen Unterschied nicht) 
ward von keinem der zahlreichen alten Meister auch nnr mit 
einer Silbe dieses Unterschiedes als einer trennenden Kluft 
gedacht. Gern hat man die Hand jedes Fachgenossen, der 
als Ehrenmann bekannt, ergriffen; das Urtheil über seine Leis- 
tungs- und Existenzfähigkeit hat man läugst dem Publikum 
überlassen. 

Etwas anders sind freilich die Bemühungen des Gesel- 
lenkomites angesehen worden, das Publikum zur direkten 
Uebertragung von Arbeiteu — inmitten der Arbeitsein- 
stellung — zu veranlassen, und das wird der Verfasser 
doch kaum tadeln können und wollen ! — Es ist dies der 
Prüfstein, ob das Publikum im gegebenen Falle für oder 
gegen die Meisterschaft bei Gelegenheit einer Arbeitsein- 
stellung ist! 

„Inmitten des Strikes" betone ich ausdrücklich. Mit 
Freuden würde es die Meisterschaft sehen, wenn auch in 
ruhigen Zeiten Gesellenvereinigungen Akkordarbeiten anböten, 
die Arbeitgeber würden sich in vielen Fällen zuerst dieses 
Unterakkordes bedienen. Aber jener Artikel führt ja selbst 
an, dass die Führer der Gesellen ausdrücklieh und aufs be- 
stimmteste die Akkordarbeit verpönen: Verringerung der Ar- 
beitsleistung des Einzelnen unu dadurch Vertheuerang der 
Arbeitskraft ist ja einer der Grundsätze, welche diese offen 
aussprechen. 

Die Reformen, welche dem Verfasser vorschweben und 
welche gewiss zum grossen Theil ihre Berechtigung und Zu- 
kunft haben, werden sich nicht aus dem Chaos und nach- 
dem die bisherige Meisterschaft verschwunden sein wird, 
entwickeln. Meines Erachtens ist es im Wesentlichen Auf- 
gabe der bisherigen Meisterschaft, verbunden mit ihren mo- 
dernen Kollegen die Ordnung aufrecht zu erhalten, dem 
Chaos entgegenzuarbeiten und zeitgemässe Reformen einzu- 
führen. Betrübend ist es anzusehen, wenn ältere Meister, 
müde geworden des fortwährenden Streitens mit den Ge- 



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— 126 — 



seilen, auf die Ausübung ihres Gewerbes verzichten. Die 
Meisterschaft ist es nicht allein ihrem Fache, sie ist es dem 
öffentlichen Wohle schuldig, ruhig die Dinge ins Auge zu 
fassen und die neuen Zustände mit bilden zu helfen. 

Die Behörden, Fachgenossen und das Publikum können 
uns bei dieser Neubildung allerdings wesentlich unterstützen, 
jedoch würde es nicht im allgemeinen Interesse liegen, zu 
Reform -Experimenten zu drängen. Im Kriegszustande, in 
dem wir uns leider jetzt gleichsam befinden, bei dem An- 

nblicklich 



bei der grossen Mehrheit der Gesellen haben, werden diese 
Experimente, wie bereits so viele, sicher verloren j^ün. Ks 
wird und muss eine ruhigere ernüchterte PeriodtBaitreten, 
welche sehr wahrscheinlich nnr durch eine neue Arbeitsein- 
stellung herbeigeführt werden wird. Inzwischen können wir 
nur dringend wünschen, dass die Schritte und Gegenscbritte, 
wie sie von beiden streitenden Parteien geschehen, verfolgt 
and unparteiisch gewürdigt werden. 

Montreux, 6. April 1872. W. Böckmann. 



Breaaofeft für Thoiwurei. mit Gasfeneraig und U.timirlieben Betriebe. * 

Von Georg Mendheim, Ingenieur in Charlottenburg. 



Selten hat ein Industriezweig im Verlauf weniger Jahre 
eine so grosse Umgestaltung, einen so mächtigen Aufschwung 
durch Verbesserung von Betriebs-Einrichtungen erfahren, wie 
die Ziegelfabrikation durch Einführung der Ringöfen. 

So unzweifelhaft jedoch die Verwendbarkeit und die 
Vorzüge dieses Ofensystems zum Brennen gewöhnlicher 
Hintermanerungsziegel feststehen, so wenig genügt dasselbe 
den Ansprüchen der Technik in denjenigen Fullen, wo die 
Erzeugung feinerer Thonwaaren beabsichtigt wird. Selbst 
bei Ziegelwaaren, bei welchen es auf das Aeussere ankommt, 
wie dies bei feinen Vcrblend-Ziegeln, ja selbst bei besseren 
Brettziegeln der Fall ist, oder wo noch besondere Bedingun- 
gen, wie bei Klinkern, durch den Brand zn erfüllen sind, da 
pflegen sich so grosse Schwierigkeiten bei Benutzung des 
Kingofens einzustellen, dass die meisten Fabrikanten es mit 
vollem Recht vorziehen, auf. die damit zu erzielende bedeu- 
tende Ersparnis» an Brennkosten zu verzichten und lieber 
das Dreifache an Brennmaterial aufzuwenden, als durch 
Verschlechterang ihres Fabrikats dieses ganz oder zum Theil 
in eine geringere Kategorie zu setzen und an Einnahme und 
Renommee mehr einzubüßen, als an der in diesem Falle 
übel angebrachten Ersparnis» von Brennmaterial gewonnen 
werden könnte. 

Mit der Einführung der Gasfeuerung in das Poteriefach 
erfolgreich beschäftigt, wurde ich unter Hinweis auf die 
obigen Verhältnisse von intelligenten Fabrikanten veranlasst, 
für diejenigen Zweige der Ziegelfabrikation, für welche der 
Ringofen nicht mit Vortheil verwendbar ist, einen Ersatz zu 
schatten, und ist es mir nach langjährigem Studium und Ver- 
sachsbetrieb gelungen, diesen Ersatz in einem System ring- 
förmig zusammenliegender, jedoch durch Zwischenwände von 
einander getrennter Ofenkammem zu finden, bei welchem die 
Befenerungsweise der gewöhnlichen Ringöfen durch Gas- 
feuerung (mittels abgesondert erzeugter Generatorgase) er- 
setzt wird. 

Umstehende Skizze veranschaulicht diese« Ofen-System im 



Fig. 1 stellt den Grundriss des ganzen Ofens dar, wel- 
cher aus 2 durch die Kanäle A, und A> verbundenen Reihen 
von je 9 Kammern — Nr. 1 bis 18 — besteht. Fig. 2 ist 
der (Querschnitt des Ofens und Fig. 3 eine Kammer im 
Längenschnitt 

Das zum Betriebe des Ofens erforderliche Gas wird in 
den Gas-Generatoren a, a erzeugt. Dasselbe ist in seinen 
Bestandteilen erheblich abweichend vom Leuchtgase, wel- 
ches im Allgemeinen nnr die getrockneten und gereinigten 
nicht kondensirenden Produkte der trockenen Destillation 
aus dem augewandten Brennmaterial enthält , während der 
bei Erzeugung des Leuchtgases in den Gas-Retorten zurück- 
bleibende Kohlenstoff als Koaks von den Gay-Anstalten be- 
kanntlich theils zur Erhitzung der Retorten verwendet, theils 
verkauft wird. Beim Betriebe der Generatoren dagegen wird 
Koaks nicht gewonnen, sondern in brennbares Koblenoxyd- 
gas verwandelt, welches den Hauptbestandteil der Generator- 
gase bildet; ebensowenig findet eine Gewinnung von Theer 
statt, dessen Dämpfe bei der hohen Temperatur der nicht 
gekühlten Generator-Gase diesen beigemengt bleiben und 
ebenso wie das im Generator sich gleichfalls bildende Leucht- 
gas dem Heerde der Verbrennung zugeführt und für letztere 
nutzbar werden. Dieses Gasgemenge, welches also die ganze 
Menge des verwendeten Brennstoffes in Gasform enthält, 
ist stets durch Beimengung von Stickstoff aus der atmosphä- 
rischen Luft verdünnt, deren Einführung in die Generator- 
Rosten zur Umwandlung der festen Brennmaterialien in 
brennbare Gase nothwendig ist. 

Aus den Generatoren tritt das Gas durch die eisernen 
Ventile b b in den gemauerten Kanal c und wird aus die- 
sem je nach Bedarf mittels der Ventile tf, resp. d, ent- 
weder in den Kanal e, oder in den Kanal <•« geleitet, aus 
diesen Hauptkanälen al>er durch Oeffnen des betreffenden 
Ventils f in diejenige Ofenkammer, welche befeuert wer- 
den soll. 

Angenommen, es sei dies Kammer Nr. 8 der Skizze. 
Das Gas tritt hinter einer Fenerbrücke in ' 



Reiseskizie« au itm Orient. 

XV. 

Schon hier (in Rhodos) begann die verhängte Quarantäne 
ihren Druck auszuüben. Gern wären wir All«: während des 
mehrstündigen Stilliegens an das Land gegangen, um den ruhm- 
vollen und denkmalreichen Sitz des Ordens von St. Johann zu 
durchstreifen. Da aber jedes Verlassen des Schiffs verboten 
war, blieb nichts als ein Betrachten aus der Ferne. Die flache 
Küste zeigte ein neues charakteristisches Kennzeichen des Oriente 
in den hochragenden Palmen, die ihre zarten Federkroneu in 
dem glänzenden Sonnenlichte badeten. Der grosse Hafen besteht 
aus zwei schön geformten Buchten. Die Festungswerke machen 
noch immer einen stattlichen Bindruck, obschon ihr Hauptschmuck, 
der so oft abgebildete stolze St. Nikolausthurm, seit dem Erd- 
beben von 1H*S3 fehlt. Die am Hafen stehenden Häuserreihen 
sind «rossen theils zweistöckig, die dahinter belegenen flach und 
niedrig. Einzelne Gebäude zeigen schon die echt orientalische 
L'eberwölbutur reihenweis geordneter Tonneu und Kuppeln. Trotz 
sorgfältigen Suchens war aber eine irgend hervorstechende Archi- 
tektur uicht zu entdeckeu; ebensowenig ein sicheres Bild von 
der schon im Alterthutuc viel gepriesenen tbeatcrftimiigen Ge- 
sammtanlagc zu gewinnen. 

Bei einem erfrischenden Nordwinde, der von den karama- 
nischen Bergen herabwehte, ging es gegen Abend in östlicher 
Richtung fort. Nur kurze Zeit erschienen die schroffen Gipfel 
des Atabyris auf der Insel — der höchste fast 2UOO m hoch, — 
dann folgte ein schöner Sonnenuntergang und bei funkelndem 
Sternenhimmel das immer aufs Neue bewunderte Schauspiel des 
Meerlcuclitcns im Schaume der Wogen am Steuerruder. 

Der nächste Tag verlief in gleichförmiger Ruhe, da das Land 
ausser Sicht blieb und die mächtig steinende Hitze selbst das 
Schreiben auf die kühleren Morgen- und Abendstunden be- 
schränkte. Erst am Spätnachmittage tauchte ^die Insel^ c )ßcni 



die Nacht brach herein, bevor ein genauerer Ueberblick über die 
Küste gewonnen werden konnte. In der folgenden Morgendäm- 
merung ankerten wir bareita im Hafen voaLaraaka ander Süd- 
osteeite der Insel. 

Als die Sonne aufgegangen war, erschien der uns gegen- 
überliegende Strand flach, kreideartig leuchtend, theil weise saud- 

telb, gegen die Formenfülle der griechischen Inselwelt eutsebie- 
en poesielos. Die Stadt selbst, — eine vorgeschobene Strand- 
besiedlung der hinter einer Hügclwellc verborgenen eigentlichen 
Hauptstadt, und deshalb Alikai oder Scala di Larnaka genannt, 
— ist ausgedehnt; zwischen vielen I-ehmmauern treten weisse 
und gelbe Häuser auf, neben einigen Minarcts sind kleine by- 
zantinische Kirchen mit Glockentürmen sichtbar. Selbst eine 
Kuppelkirche, von zwei quadratischen Thürmen flankirt, Hagios 
Lazarus geweiht, weil hier die Grabstätte dieses Ueibgeu 
angenommen wird, fehlt nicht. Am Hafen stehen in langer 
Reihe- viele zweistöckige Häuser, mehre durch ihre flatternden 
Nationalflaggen als Sitze von Konsuln bezeichnet. Das Grün 
der Gürten verschwindet fast gegen die leuchtenden wcissgelben 
Töne der Uferfelsen und der verbrannten Ebene; nur wenige 
Palmen überragen die Häuser. 

Die hinteren Hügel sind flachgestreckt mit steil aufgesetzten 
Flachkuppen und Plattformen, echte Kalksteinberge. Ziemlich 
in der Mitte des Hildes, aber weit hinter der Stadt erhebt sich 
ein höherer cdclgcschwungcncr Berg; der weisslcuchtende Punkt 
auf seinem höchsten Gipfel verräth ein griechisches Kloster. 
Von dem Olympos ist trotz der durchsichtigen Atmosphäre 
nichts zu erkennen. 

Da auch hier jede Ausschiffung behindert war, blieb uns 
nichts übrig, als die Insel in dem einen uns erreichbaren Punkte 
näher kennen zu lernen , iu ihrem altberühmten Weine. Der 
Versuch glückte. Schon zur Frühstückszeit überbrachte uns 
ein diensteifriges Proviantboot eine kolossale Flasche des edel- 
sten Vitm drt VommmdaUff, welche etwa acht bis zehn gewöhn- 
liche Weinflaschen fassend, von uns mit dem hier doppelt 
berechtigten Liede: „Votu hoh'n Olymp' herab ward uns die 
Freude" begrüsst wurde. Der tief dunkelrothe 



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— 127 — 



trifft dort auf einen Luftstrom, welcher die bereits fertig 
gebrannten kählenclen Kammern Nr. 17, 18, 1, 2 n. s. f. 
bis Nr- 7, sowie deren mittels kleiner Oeffhungcn //, y über 
der Ofensohle durchbrochene Zwischenwände, zwischen Kam- 
mer Nr. 18 und Nr. 1 aber den Kanal Ai paasirt und hier- 
bei eine sehr hohe Temperatur angenommen hat, welche so- 
fortige Entzündung des Gases und sehr bedeutende Ver- 
mehrung der Wärme-Entwickelung beim Verbrennungsprozess 
liewirkt Aus Kamminer Nr. 8 gelangt die abgehende 
Klamme durch die Oeffhnngen g g der Scheidewand nach 
Kammer Nr. 9, von da durch den Kanal /<, nach Kammer 
Nr. 10 der anderen Kammer-Reihe und so sukzessive bis 



und deren erhitzte Verbrennnngsprodukte zum Vorwarmen 
der demnächst zum Brande gelangenden Ofen-Kammer be- 
nutzt Ist Nr. 8 gar gebrannt, so wird das za derselben 
gehörende Gas-Ventil geschlossen und das der Kammer Nr. 
9 geöffnet u. s. f. — Ebenso schreitet auch das Ausnehmen 
und Besetzen der Ofenkammern sowie das sukzessive Ein- 
fügen derselben in den Betrieb ganz ähnlich wie beim Iting- 
ofenhetrielw vorwärts. 

Die Vortheile dieses Ofen-Systems dem Ringofen gegen- 
über kommen, wie bereits Eingangs bemerkt, desto mehr 
zur Geltung, je mehr eine Verunzierung der Oberflächen der 
zu brennenden Waaren vermieden werden muss, was selbst- 



Brtaaof«* für Tkoi*iuci mit Ob 

Pin. 1. GrnnitrlM. 



•j 


•ft'L 










































Flg. i. Vw.einiiit. 



Fig. 3. L.&agoadur«b»chiillt 'eine Kainm»r. 



1 II 











» 3 Q 



Kammer Nr. 14, welche durch kleine Blechschieber von Kam- 
mer Nr. 15 getrennt und durch Oeffhcn de» eisernen Rauch- 
ventils i mit dem Rauchkanal * und dem Schornstein / ver- 
bunden ist 

Es wird demnach ebenso wie beim Ringofen-Betriebe 
die in den fertig gebrannten Kammern zurückbleibende 
Wärmemenge zur Erhitzung der Verbrennungsluft und die 
aus der im Brande befindlichen Kammer abgehende Flamme 



verständlich im Ringofen, bei direkter Berührung zwischen 
Brennmaterial und Waare kaum möglich ist, zumal bei et- 
was höheren Feuergraden. Thcils aus diesem • Grunde, 
theils aber auch deshalb, weil bei meiner Ofenkonstruktion 
die Flamme ebenso wie in den Mensing'schen, Augustin'schcn 
und Boseh'schen Oefen eine mehr von oben nach unten ge- 
richtete Bewegung erhält, auch mit Leichtigkeit eine gewisse 
Spannnng der Feuergase im Ofen erzengt werden kann, ist 



hat — ich gestehe es aufrichtig — uns Allen frohe Stunden be- 
reitet Gleich nach seinem Erscheinen wurde in wohlge- 
setzter Rede auf das Wohl von Mr. Archibuld und Miss Mary, 
deren Verlobung grade hier in der Nahe des l r sitze s der Liebes - 
göttin, der kyprischen Göttin vou Paphos, zu Stande gekommen 
war, fröhlich getoastet. 

Gej?en Abend erfolgte wieder der Aufbruch nach der syri- 
schen Küste und schon zwölf Stunden später warfen wir nach 
rascher Fahrt im Hafen vou Uairut die Anker. Im hellsten 
Fruhsonnenglanze lag der prachtvolle Golf vor unsern Blicken. 
Das Meer war Doch dunkelblauer als je und brach sich in sehuee- 
weissen Schaumgarben an den zusammengestürzten gruast|uadri- 
iien Molenrcsten aus antiker Zeit Die Lage der Stadt ist von 
grosser Schönheit, lebhaft an Neapel erinnernd, aber nicht so 
weitgedchnt und höber belegen auf einem schroff in's Meer 
herabfallenden Felsplateau. Zur Rechten dichtgedrängte lläuser- 
inassen im europäischen Charakter, mit zum Tlieil sehr statt- 
lichen Häusern (von drei und vier Stockwerken), in der Hafen- 
mitte gewaltige Reste trotziger Tbürme und Mauern, zur Linken 
viele Landhäuser in üppig grünenden Gärten wie begraben; 
das Ganz« von den hochragenden blauschwarz gefärbten Ausläu- 
fern des Libanon seitwärts und im Kücken begrenzt Deutlich 
erkennt man in dem zwar entwaldeten aber an seinen Westab- 
bängen mit zahlreichen Dörfern besetzten Gebirge den Sattel, 
über welchen die Strasse nach Damascus führt Das ist die 
Pforte zu dem eigentlichen inneren Orient, leider uns verschlus- 
sen, wie die des Paradieses. 

Noch ganz im Anschauen des durch seine grüne Gartenwelt 
wahrhaft anheimelnden Bildes versunken, erreichte uns die frohe 
Botschaft, dass dl« Quarantänezeit auf -I Tage festgestellt und 
allen Passagieren diu Vergünstigung gewährt worden sei, die- 
selbe auf dem Schiffe abzumachen. 

Gross war die Freude und allgemein, aber sie äusserte sich 
verschieden. Die vornehmen Türken rauchten noch mehr Frie- 
denspfeifen als sonst, blieben aber würdig wie immer; von den 
ärmeren Muselmännern stürzte sich die eine Hälfte in leiden- 
schaftliche Wortgefechte mit den Provisionsbootführern, um 



1 unabsehbare Vorräthe von Trauben. Brot und Feigen einzukau- 
fen; die andere Hälfte sang hänaeklatschend, spielte Karten 
oder schlief. Die Griechen gingen im Rosenkranzbeten und 
Zwiebelessen fast unter. Lord Byron ergab sich dem Angeln, 

' sein Schwiegervater, der weiasbindige Gentleman, schrieb Briefe 
and dickleibige Tagebücher, und Mr. Archibald las seiner rosig 

| strahlenden Braut und ihrer schwennuthigen Schwester zahl- 

| reiche Kapitel aus englischen Romanen vor. Die Kapitäne schienen 
eine Art vou Winterschlaf durchzuiuacheu, nur zum Essen, wenn 
die Glocke ertönte, tauchten sie auf, um gleich nach dem Kaffee 
wieder zu verschwinden. In Folge dieser nationalen Absonde- 
rung fühlten wir Deutschen uns etwas verlassen und suchten 
und fanden endlich den richtigen Ausdruck für unsere dank- 
bare Freude in einer längeren Sitzung um die Kiesen flusche von 
Cypcrn, bei welcher uns die beiden Junger des Asklepios Dr. D. 
und Dr. W. bereitwilligst assistirten. 

Bei fortdauernd schönem Wetter vergingen die Tage schneller 
als ich gedacht Eine gleich uach der Ankunft eingeleitete 
Korrespondenz mit unscrni trefflieben Generai ■ Konsul Hrn. W. 
ergab als erste hochwillkommene Frucht ein stattliches facket 
von deutschen Zeitungen. Mit dieser Lektüre wechselte dann 
ununterbrochene schriftliche Arbeit thcils Briefbesorgung nach 
Hause, theils Durcharbeitung und Fixiruug aller Notizen und 
Zeichnungen, endlich die sich von selbst ergebende Unterhaltung 
mit der ganzen, immer mebr sich erscbliessenden Reisegesell- 

I Schaft. Und für den schlimmsten Fall boten unsere Mekka- 
pilger, deren Gesundheit glücklicherweise keinen Ans tos a erlitt 
ein stets anziehendes Bild der Betrachtung. Man hatte wegen 
der Enge des Schiffs und der bequemen Uebereichlichkeit viel 
besser Gelegenheit, die Lebensgewobnheiten der orientalischen 
Stämme mit Müsse zu beobachten, als auf den Bazaren oder in 
den Kaffeehäusern der Städte. Von einer absichtlich spröden 
Zurückhaltung oder gar dem sprüchwörtlich gewordenen abstos- 

| senden Uochmuthe gegen die fränkischen Passagiere war nichts 
zu merken; im Gegenthetle beeiferten sich alle, selbst die ein- 

geborenen Araber, darunter eine aus Mekka stammende Deputa- 
ten, welche dem Sultan die übliche Einladung zum Feste über- 



— 128 — 



diese Konstruktion ungleich geeigneter auch zur Klinker- 
Erzeugung, als jede .andere, zumal dem Ringofen gegenüber. 

Die Baukosten stellen sich gegen die des letzteren ver- 
hältnissinässig höher durch Hinzutreten der Gasfenerungs- 
Anlage und der die einzelnen Kammern von einander tren- 
nenden Zwischenwände; in den meisten Fällen, besonders 
da, wo für den Ringofen-Betrieb billiger Kohlenstaub zur 
Verfügung steht, siud auch die Brennkosten in meinem Ofen- 
System etwas grösser. Allen anderen Ofenkonstruktionen 
gegenüber werden jedoch in demselben mindestens 50% an 
Breunkosten gespart bei Einsatz von Ziegelwaareu, — beim 
Brennen von Thonröhren und ähnlichem Einsatz erfahrungs- 
massig sogar 75%; bezüglich des Gelingens der Brände steht 
dasselbe auch den bestkonstruirten Oefen nicht nach, hat 
vielmehr jedenfalls noch den ganz besonderen Vorzug, dass 
eine Verunreinigung der Waare durch Aschen-Anflug gar 
nicht möglich ist und dass eine Verwendung und Ausnutzung 
der in den kühlenden Kammern zurückbleibenden Wärme, 
ausser zur Erhitzung der Verbrennungsluft, mit grossem 
Vortheil auch für ein Sehmnmh-Verfahren in den Ofenkam- 
mern selbst und in den auf diesen anzulegenden Trocken- 
räumen ermöglicht wird. 

Der Betrieb des Ofens ist ein so einfacher und leicht 
zu regulirender, dass selbst ein mässig intelligenter Arbeiter 



zur Bedienung desselben genügt; — Nachlässigkeiten in 
letzterer strafen sich jedenfalls bei allen anderen Oefen, be- 
sonders beim Ringofen, bedeutend härter. 

Es ist wohl selbstverständlich, dass bei Aulage derarti- 
gen Oefen den besonderen Bedürfnissen der so mannigfalti- 
gen Zweige der Thonwaaren-lndustrie und lokalen Erforder- 
nissen Rechnung getragen werden ninss, dass demnach die 
Bauart und Grösse der Gas-Generatoren ebenso wie der 
Ofenkammern, selbst die Lage der Gaskanäle und die Kon- 
struktion der Gasventile stets den Zwecken, welchen der 
Ofen dienen soll, der Art des zn verwendenden Brennmate- 
rials, dem Baugründe und sonst gegebenen Bedingungen 
anzupassen ist. 

Als Beispiel hierfür möge der Gas-Ringofen der neuen 
Kötiigl. Porzellan-Mannfaktur hierselbst dienen, den ich in 
Gemeinschaft mit dem Direktor dieses Etablissements, Herrn 
Regierungs- und Baurath Möller konstruirtc und mit bestem 
Erfolge vor Kurzem in Betrieb setzte; den Bedürfnissen der 

! Ziegel-Fabrikation würde eine bedeutend einfachere und bil- 
ligere, als diese für Porzellan nothwendige Konstruktion 
derartiger Oefen genügen, trotzdem aber für erstere Industrie 
gewisse Einrichtungen am Ofen durchaus hinzutreten müssen, 
welche beim Brennen von Porzellan gar nicht in Betracht 

; kommen. 



Ein Wort Orr Ebfikaka-rrrstienTerkehr. 



In einer Zeit, wie die jetzige, wo das Eisenbahnwesen in 
Deutschland einen früher nicht dagewesenen Aufschwung nimmt 
und wo der Personenverkehr auf den Eisenbahnen sieh für die 
grossen Städte zu einer Lebensbedingung zu gestalten anfängt, 
indem er das wirksamste und auf die Dauer einzig wirksame 
Mittel an die Hand gieht, um der Wohnungsnoth zu begegnen, 
scheint es nicht unzweckmäßig, die Veränderungen öffentlich 
zu besprechen, weltheu der Personenverkehr in seiner ganzen 
Handhabung unterworfen werden nius», um den, wie augedeutet, 
an ihn zu stellendeu Erwartungen wirklich zu genügen. Dm 
solche Veränderungen oder Vervollkommnungen des bisher bei 
uns Lieblichen uoihweudig sind, leuchtet uns allerdings am 
meisten ein, wenn wir iu verschiedenen Nachbarländern reisen, 
«loch halten wir, auch ohne auf das Austand zu blicken, das 
Vorhandensein der Iledürfnissfrage durch die Unzufriedenheit 
mit den Eisenbahnen, die sich jetzt iu unserem Publikum mehr 
als sonst geltend macht, und durch die entschieden bei uns ob- 
waltende Abneigung gegen den Ucbrauch derselben als Mittel 
für den täglichen kleinen Verkehr, für vollständig erwiesen. 

Wir würden es nun deu Eiseubahuverwaltuugeu — zu deren 
Rathgeher wir uns nicht berufen fühlen — überlassen, Abhülfe 
zu schaffen, da wo Mängel vorhanden sind. Wir glauben jedoch, 
dass dies gründlich nicht geschehen kann ohne ganz wesent- 
liche Mitwirkung des Publikums. Es ist daher auch der 
Zweck dieser Zeilen, eine Anregung zum Nachdenken und zur 
Besprechung über den beregten Gegenstand iu weiteren Kreisen 
zu geben. Der Güterverkehr soll hier nicht mit in die Diskus- 



sion gezogen werden, weil das Publikum im Grossen und Gan- 
zen (die öffentliche Meinung) sich hierüber weniger leicht ein 
Urtheil bilden und noch weniger selbstthätig zur Besserung un- 
I haltbar gewordener Zustände mitwirken kanu, als beim Personen- 
I verkehr. 

Um nun gleich in media« res vorzudringen, bezeichnen wir 



eine gewisse Schwerfälligkeit als denjenigen Charakterzug unse- 
res Personenverkehrs, der vor Allem beseitigt werden muss, 
und machen für das Vorhandensein derselben nicht allein die 

als deutsches Publikum 



zwar 

doch 
ffent- 
für 



Bahnverwaltungcu soudern uns selbst, 
verantwortlich. 

So wird die Art der Benutzung der Empfangsgebäud 
durch die Verordnungen der Bahuverwaltungen geregelt 
stehen diese mehr oder weniger unter dem Einflüsse der 
liehen Meinung. Letztere aber ist bei uns gewohnt, au 
das nicht reisende Publikum die unbeschränkte Verfügung nicht 
allein über die Wartesäle, sondern auch über die Perrons in 
Anspruch zu nehmen. 

An kleineu Orten macht man den Bahnhof gern zum Ziel 
der Spaziergänge und würde sehr unzufrieden sein, wenn mau 
mcht auf dem Perron patrouilliren durfte, um bei dem etwaigen 
Eintreffen eines Zuges die ankommenden oder durchpassirenden 
Reisenden zu mustern. In grossen Städten fällt dies zwar fort, 
dagegen fühlt auch hier die Familie oder Freundschaft des ein- 
zelnen Abreisenden oder Ankommenden — uud wäre sie noch 
so zahlreich — sich berechtigt, den Abschied oder die Begrüs- 
sung unmittelbar an der Wagenthür stattfinden zu lassen , uud 



von 
fort- 



braebt hatte, uns aufs Höflichste zu begegnen. Wegen des ruhm- 
reichen Krieges unseres Volkes waren wir drei Deutsche häufig 
der Gegenstand ihres Gespräches, wie Hr. Th., der »irh viel mit 
ihnen unterhielt, uns berichtete. Kurz, — jeglicher Hauch 
Laugeweile blieb uns fern, weuu auch die Sehnsucht, bald I 
zukommen, nie erlosch. 

Als endlich die Erlösungsstunde schlug — es war au einem 
Sonntage Mittags, — bestieg ich das mir entgegengeschickte 
Konsular-Boot uud fuhr über die Rhede und durch den schma- 
len, wegen seiner Brandung arg berüchtigten Hufen. Mit eigener 
Empfindung betrat ich den syrischen Boden — es war ein Er- 
innerungstag und ich hatte viel nach Hause gedacht — und 
folgte dem vorauschreitenden Kawussen durch die stillen, weil 
sonntäglich ausgestorbenen Strassen. Unser General- Konsul 
Herr W. (ein Ostureusso) ist ein feiner und liebenswür- 
diger Manu, der sich um die Stellung der Europäer iu Syrien, 
speziell um das merkwürdig rasche Aufblühen von Bairut grosse 
\ erdieuste erworben bat. Er wohnt seit 2<> Jahren im Orient, 
ist unverheirathet und hat jetzt seine beiden Schwestern aus 
der Heimat M sich. Sein kühles uud luftiges Haus, von 
schattigen Gärten umringt, war für mich halb gebackeuen, halb 
im Schweis* gesottenen Menschen ein wahres Labsal. Die hohe 
Lage des Hauses gestattet einen weiten Kundblick über die 
anderen Häuser und Gärteu, über den ganzen Golf, die dörfer- 
reichc Küste bis zu den gewaltigen, über 2500 ■ Höhe sieh er- 
hebenden Vorbergeu des Libanon. Sehnsüchtig stieg der Blick 
an dieser Gebirgswelt empor, zumal die Damen, welche so eben 
erst von einer kleinen Herbsttour aus Heliopolis (Baalbeek) und 
den Zedern des Salmnn zurückgekommen waren, uns von 'der 
Grossartigkeit jener Buukunst und der Schönheit der Natur nicht 
genug zu erzählen wussten. 

Ganz iu der Nähe und in gleich günstiger Lage steht das 
Diakonissenhaus, in welchem vierzehn Schwestern unter der 
Vorsteherin Luise v. Tr. und der Schwester Amalie R. mit Er- 
ziehung und Unterricht beschäftigt sind. 132 Kinder. Araber, 
Beduinen, Türken und Maroniten, zählt das Waisenhaus, iO das 
Pensionat für die Töchtor aus deu bemittelteren Ständen. Wei- 



ter hinauf erhebt sich das nach einer Skizze meines verewigten 
Freuudes v. Arnim gebaute Johanniterspital, welches mit 30—40 
Kranken ebenfalls der Obhut Kaiserswerther Schweatern anver- 
traut ist. Alles dies sind Anstalt™ praktisch christlicher Liebe, 
welche besucht zu haben mir eine werthe Erinnerung bleiben 
wird. Schwester Luise v. Tr- war 1S70 auf Urlaub in Deutsch- 
land gewesen, als der Krieg ausbrach. Sic eilte mit Zustimmung 
ihrer Direktion sofort nach dem Kriegsschauplätze und blieb 
längen! Zeit in Yionville. Sie kannte deshalb sehr gut meinen 
wackereu Kollegen IL, der in der Schiacht schwer verwundet, 
von der Hand des treuen Freundes L. gepflegt und von meinem 
Schwager Tr. behandelt längere Zeit in V. gelegen hatte. Wie 
eigen, dass ich iu Bairut au Yionville erinnert werden musste 
und die opferreichen Tage der grossen Zeit noch einmal 
im Gespräche vorüberziehen sab. Deutschland dort uud hier! 

Nachmittags führte mich der General-Konsul in einer mit 
feurigen Pferden bespannten eleganten Chaise durch die Stadt 
nach dem sogenannten Piiiienwäldchen und auf die Strasse nach 
Damascus hinaus. Iu den Kaffeehäusern herrschte ein reges 
Leben, besonders am grossen Marktplatze. Die wohlhabende 
Stadt ist — als ein Unicum im Oriente — gut gepflastert, die 
Häuser sind alle von Stein mit Bogenhallen, platten Dächern, 
Altanen und offenen Oberstuben erbaut. Drausseu liegen trefflich 
bewässerte Gärteu, in denen Zuckerrohr, Bananen, Melonen, 
Wein uud Feigen gedeihen. Auf der ersten Höhe der von 
den Franzosen nach dem furchtbaren Christengemetzcl 
im Libanon von 1800 erbauten uud postinässig befahrenen 
Chaussee dehnt sich rechts ein grosser Reitplatz, auf dem euro- 
päische und arabische Reiter in Gewandtheit und Kühnheit zu 
wetteifern strebten. Vor uns lag das weitgedehnte, wie ein un- 
ermesslicher Frnchtgarten blühende Thal von Bairut, hinter ihm 
in terassenförmigen Hügellehnen emporsteigend das herrliche 
Gebirge, mit weissleuchtenden Dörfern wie besäet ; das Ganze ein 
bezauberndes Jlild des Orients in seiner strotzenden Fülle und 
Fruchtbarkeit. Schwerer als irgendwo anders wurde hier diu 
Umkehr, aber die Pflicht rief, ich musste weiter. Von Herrn W. 
porsöulich aufs Schiff begleitet fand ich unsere Keisegesell- 



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- 129 — 



weiss ihrem Unwillen über cino Eixenbahnvcrwaltung kaum W'Hrte 
zu geben, die es wagen sollte, durch Absperren des Perron» sie 
in ihrem vermeintlichem Rechte zu beeinträchtigen. 

Bisweilen hat eine solche Zurückhaltung nicht mitreisender 
Begleiter allerdings praktische Unannehmlichkeiten für Reisende, 
des vielen Handgepäcks wegen, welchen sie mitzunehmen für 
zweckmässig halten, aber allein vom Wartesaal bis zum Wagen 
zu tragen nicht im Stande sind. 

Unter der Uoberfüllung der Perrons haben zunächst die 
Bctriebsbeamtou zu leiden, Ihre Bewegung wird gehemmt, das 
Uebersehen des Zuges gehindert. Die Schaffner sind in Unge- 
wissbeit darüber, ob die Leute, die sie in den Koupes sitzen 
sehen, sänimtlich mitzufahren beabsichtigen, und haben daher 
doppelte Arbeit und manchen Aerger beim Placireu der Rei- 
senden. Das« sie unwillig werden, kann man ihnen bisweilen 
nicht verdenken und die freilich natürlichen Klagen des Pu- 
blikums hierüber sind nicht immer ganz berechtigt Schlimmer 
als dies sind aber die Verspätungen im Abgang» der Züge, 
welche oft durch dio UcberfüUung der Perrons mit Zuschauern 
veranlasst werden. 

Es wäre daher zu wünschen, dass dio öffentliche Meinung 
solchen Bahnverwaltungen, die hier durch Absperron der Perrons 
eine Besserung herbeizuführen streben, nicht nur keinen Wider- 
stand entgegenstellte, sondern ihnen ihre vollste Unterstützung 
angedeihen Hesse. 

Dass die erwähnte Maassregel, dio ausserhalb Deutschlands 
fast allgemein ist, auch hier über kurz oder lang mehr und 
mehr Eingang finden wird, ist uns nicht zweifelhaft. 

Dieselbe würde noch dadurch die Abfertigung der Züge sehr 
beschleunigen helfen, dass sio die Möglichkeit gewährt, die 
Billetkontfolle an den nach dem Perron führenden Thüren statt- 
finden zu lassen und diese Arbeit dem Zugpersonal abzunehmen, 
welches dann nur darüber zu wachen hätte, dass die Reisenden 
keine höhere Wagcuklasse benutzen als ihnen zukommt. 

Das Abnehmen der Billets, d. h. dio Kontrollo darüber, ob 
Jemand nicht zu weit mitgefahren ist, würde- am Ausgange aus 
den Stationen durch dort statiouirte Beamte stattfinden. 

Es bleibt nun noch eine Arbeit, welche das Zugpersonal 
vor Abgang des Zuges zu besorgen hat, nämlich das Placiren 
der Reisenden. In der Weise, wio dies ausgeführt wird, ist uu- 
serm Dafürhalten nach eine Aenderung sehr wümschouswerth 
und würde sich auch leicht erreichen lassen, wenn der Anstoss 
dazu von der öffentlichen Meinung gegeben würde. 

Das Bevormundungssystem, welches zum Schaden unserer 
ganzen Entwickelung noch in allen deutschon Verhältnissen 
herrscht, tritt auch hier recht deutlieh hervor. Und es will 
uns leider bedünken, dass ein grosser, wenn nicht der grooste 
Theil des Publikums sich dabei sehr wohl zu befinden scheint. 
Die meisten deutschen Reisenden wollen von dem Augenblick, 
wo sie den Bahnhof betreten, bis zu dem, wo sie ihn am Ziel 
ihrer Reise wieder verlassen, bevormundet sein: zunächst von 
dem Gepäckträger, von dem sie sich ihr Gepäck expediren las- 
sen — auf die Gefahr hin, es vertauscht zu sehen, — dann von 
dem Schaffner, der ihnen ein Coupe — natürlich ein möglichst 
' »etztea — anweisen soll endlich wieder vom Schaffner, 
die Wagenthür rechtzeitig zu öffnen und sie " 
hat, dass es Zeit für sie Bei auszusteigen. 



Dass die Schaffner ihr Recht, den Reisenden ihre Plätze an- 
I zuweisen, eifersüchtig behaupten, ist abgesehen von dem per- 
sönlichen Nutzen, den sie oft daraus zu ziehen, wissen, nicht zu 
verwundern, weil ihnen die ganze Billetkontrolle obliegt, welche 
ihnen bedeutend erschwert würde, wenn sich die Reisenden ihre 
Plätze nach Boliebeu wählten. 

Nun scheint es uns aber geradezu unwürdig, sich in nicht 
immer zarter Weise zurechtweisen zu lassen, wo man dies gar 
nicht ndthig hat, ja sich Verweise wie ein Schulkind zuzuziehen, 
wenn man sich untersteht, seinen Platz, den man recht gut zu 
finden weiss, einzunehmen, ohuo zuvor um die Erlaubuiss zu 
bitten. Wir meinen, das Publikum uiüsstc sich besser dabei 
befinden, wenn ihm durch deutliche Bezeichnung der Stationen, 
nach welchen die einzelnen Wagen gehen, an niesen selbst der 
Weg gewiesen würde und das Zugpersonal auf Anfragen zwar 
stets Auskunft zn ertheilen bereit wäre, im Uebrigen aber dem 
Reisenden die Wahl seines Platzes überliessc. Um an das rechte 
zeitige Aussteigen zu erinnern, dürfte (wenigstens bei Tage) ge- 
nügen, wenn auf den Perrons an den Zügen entlang die Namen 
der Stationen laut und verständlich gerufen würden. Das auch 
jetzt ziemlich allgemein eingeführte deutliche Anschreiben der 
Stationsnamen an verschiedenen Stelleu der Perrons wäre natür- 
lich beizubehalten. 

Schliesslich kommen wir zu einem Vorschlag, den wir kaum 
wagen würden, wenn wir nicht den Personenverkehr hauptsäch- 
lich in seiner Bedeutung für die grossen Städte, also den Lokal- 
verkehr hätten betrachten wollen: wir meinen die Einführung 
(vierrädriger) Wagen mit lang durchgehendem Mittelgang nach 
amerikanischem oder schweizerischem System. Durch diese 
Wagen sind die vorher angedeuteten Verkehrserleichterungen 
und Mittel zur schnelleren Abfertigung der Züge erst in ihrer 
ganzen Ausdchnuug zu erreichen und auszunutzen. Die Reisen- 
den können den Zug sehr schnell an jeder beliebigen Stelle be- 
steigen und sieh ihren Platz, wenn es sein muss, während der 
Fahrt suchen. Die Kontrolle der richtigen Wa 
durch die Schaffner unterwegs leicht und bequem 
werden. Das Oeffnen der Thüren zum Aussteigen 
Reisenden selbst überlassen bleiben, da eine Gefahr durch 
stehende Thüren nicht herbeigeführt wird. — 

Hier schliesscn wir und widerstehen der Versuchung, auf 
die weiteren Vorzüge des beregten Wagensvstems einzugehen. 
Unserer individuellen Ansicht folgend, würden wir dasselbe für 
den gesammten Verkehr empfehlen und kannten uns dabei un- 
ter Anderm auf die in dem Hcusinger'schen Handbuch für 
Eisenbahntechnik ausgesprochene Ansicht doB Herrn Baurath 
Sonne berufen. Wir gehen aber so weit hier nicht, weil wir 
dann auf sehr grossen Widerstand zu stossen fürchten müssten, 
und weil wir auch selbst der Ansicht sind, dasR jenes Wagen- 
system noch mancher Veränderungen bedarf, eho es für den 
grossen Verkehr in unsern nordischen Gegenden anwend- 
bar ist. 

Für den kleinen (Lokal-) Verkehr kann das System aber un- 
serer Ansicht nach ohne Weiteres angenummen werden. Und 
zwar glauben wir, dass die dadurch, sowie durch unsere vorher- 
gehenden Vorschläge zu erreichenden Vortheile sich in gleichem 
•ublikum wie den Bahnverwaltungen gegenüber 




geg£nul.e 



Schaft durch mehre Europäer, darunter den mit Familie nach 
Deutschland zurückkehrenden österreichischen General-Konsul 
vermehrt. Gleich nach einem kurzen dankbaren Abschiede von 
Herrn W. ertönte das Abfahrtssignal. Unsere „Vesta" lichtete 
die Anker und fuhr bei einem wunderbar grossartigen Sonnen- 
untergange an der öden Felsküste Phöuikiens hinab. Leider 
brach die Nacht herein, ehe Sidon und Tyrus, diese uralten 
Ausgangspunkte des Mittelmeerhandels, erreicht wurden. Da 
meine deutschen Reisegefährten und die englische Familie sich 
in Kaipha (südlich vom alten Akkon oder St, Jean d'Acre) aus- 
schiffen wollten, blieben wir noch lauge bei guten Gesprächen 
und noch besserem Weine zusammen sitzen. Um drei Uhr 
Nachts trennten wir uns auf baldiges Wiedersehen; ich blieb 
auf dem Schiffe, um so rasch als möglich nach Jerusalem zu 
kommen. 

Nach kurzem aber erquickendem Schlafe war ich wieder 
früh auf, um das horannahende Jaffa, meinen Ausschiffungsplatz 
kommen zu sehen. Wir fahren dicht an der flachen Küste da- 
bin, keine Spur von Lehen war zu sehen, das Land machte den 
Eindruck einer Wüste. Ich hatte noch Zeit, alles zum Aufbruch 
zu ordnen, mehre Briefe zu expediren, mich von den Kapitäueu, 
dem Arzte, meinem Kabinengenossen und dem würdigen Oher- 
mollah zu verabschieden. Um 10 Uhr kam das uralte Jaffa in 
Sicht, welches, wenn Plinius Recht hat, schon vor der Sündflut 
existirt hat Es ist eine echte Hügclstadt, tbeatvrförmig über- 
einander gethürmt, nur aus Steinhäusern bestcheud; öffentliche 
Gebäude fehlen gänzlich; vorn erheben sich kolossale zertrümmerte 
Molenmauern, über welche die Brandung tobt und die Ausschiff- 
ung erschwert. 

Der betäubende Lärm von heranschicssenden Böten nebst 
Barkenführern fehlte auch diesmal nicht. Da ich der einzige 
Europäer war, der zu landen beabsichtigte, so bildete ich eine 
Zeit lang den Zankapfel zwischen drei Parteien, die mit einem 
wahren Fanatismus sich meiner Sachen und meiner Person be- 
mächtigten. Glücklich ans Land gesetzt und den lauernden 
Douanenwftchtcrn durch Backschiseh entronnen, miethete ich 
sofort zwei stämmige Araber als Lastträger, belud sie mit dem 



Gepäck und marschirte bei einer tropischen Hitze durch dio 
schmutzigen Gassen zum Thorc hinaus, 'um nach der von Wür- 
tembergern gegründeten Kolonie und dem daselbst befindlichen 
deutschen Gasthofe zu gelangen. Schon auf diesem Wege trat 
mir der südliche Orient in Formen und Farben aufs deutlichste 
entgegeu. Dicht vor der Stadt lag ein drelröhrigcr Brunnen, 
der" von zahlreichem Volke belagert wurde. Dann folgten Kafee- 
häuser mit rauchenden Orientalen an einem schattenlosen Platze, 
der Begräbnissort und Marktplatz zu gleicher Zeit bildete, denn 
um dio Steingräber bockten hraunu Araberinnen in dunkelblaue 
Hemden gekleidet und zahlreiche Karawanen mit hellbraunen 
uud weissgelbeu Dromedaren zogen hin und her. Dazu tummel- 
ten lanzenoewehrte Beduinen ihre Rosse, die Räder der Wasscr- 
schöpfmaschinen, von starken Büffeln bewegt, knarrten ihr ein- 
töniges Lied, durch den Kalkstaub suchten zahlreiche Blinde 
tastend ihreu Weg, bettelnde Negerkinder verfolgten mich 
schreiend und eine ganze Reihe unglücklicher Aussätzigen mit 
verstümmelten Gliedern hockten am Wege, mit ihren Blech- 
büchsen klappernd, um das Erbarmen der rastlos sich drängen- 
den Menge anzurufen. Tief athmete ich auf, als wir in eine 
schattige Allee von riesigen Kaktusfeigen einbogen; schlanke 
Palmen winkten mir einen Gruss entgegen, in wenigen Minuten 
war ich in der deutschen Kolonie und dem bescheiden, aber 
trefflich eingerichteten Gasthofe des Hrn. Hardcgk. 

Ein schattiges Ruheplätzebon war dringend nöthig, denn 
die für dio späte Jahreszeit ganz abnorme Hitze und der nach 
der mehrtägigen Schiffsfahrt doppelt betäubende Lärm hatten 
mich matt gemacht Indessen durfte nicht lange geruht werden. 
Gleich nach Tische erschienen die bestellten Mukäri (Pferde- 
Verleiher) mit den Mauleseln und Pferden. Ich wählte, da ein 
andcrthalbtägigcr Ritt bevorstand, sehr lange unter den Thieren. 
Dann akkordirte ich, schickte den einen Eseltreiber mit dem Pack- 
pferde nach Ramleh voraus und stieg, von dem älteren beritteneu 
Mukäri begleitet, zu Pferde, um noch vor Einbruch der Nacht 
einen Abstecher nach Lud (dem alten Lydda) zu machen. Diese 
Tour war wünschenswertb, um die Ruine der alten dort befind- 
St. Georgs-Kirche zu besichtigen. Von ihr wusste ich, 

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Mittheilungen aus Vereinen. 



Oatprooassis her Ingenieur and Architekten -Verein. 

Monats - V er sani nt I u n g am 4. April 1872. Vorsitzender Herr 
Herzbruch; anwesend 21 Mitglieder und 10 Gäste. 

Nach Erledigung der geschäftlichen Mitteilungen wie« der 
Vorsitzende auf die Aufforderung des Vorstände» des Verban- 
des deutscher Architekten- uud lügeuieur-Vereiue vom 25. v. M., 
betr. die Wiener Welt- Ausstellung hin. — Dann wurde be- 
schlossen, die General-Versammlung mit Exkursion nach dem 
Oberländisehcn Kanal aus verschiedenen Gründen erst zu An- 
fang des Monats Juli zu berufen — und duren Ballotage der 
Ik-triebsinspektorTascb (Königsberg) als Mitglied aufgenommen. 

Der Vorsitzende theilte mit, dass wegen Versetzung de« 
Kollegen Lademann der Maschinenmeister Wickert hierselbst 
das Schatzmeisteram t einstweilen übernommen habe und 
übernahm llr. Wolff ;Köuigsb.) die Konvokation für die Kom- 
mission tietr. Feststellung der Honorare für Ingenieure. 

llr. Steenke (Zölp) hielt einen Vortrag über den Ober- 
hen Kanal, gab eine Uebewicht über die Anlage im All- 
en und beschrieb und erklärte vornehmlieh die Anlage 
und den Betrieb der geneigten Ebenen. Schluss der Vcrsamm- 
luug :i I hr Abends. 

Nach dem Altendessen referirte Hr. Hesse (Königsberg) 
noch über eine bei der neuen städtischeu Wasserleitung vorge- 
kommene Zerstörung der tböneruen Kohren. — Es sind näm- 
lich iu der ca. 81C0'" laugen Hauptleitung zwischen dein Orte 
der Quellen-Sammlung und dem Haupt-Reservoir au der Fuchs- 
benger Chaussee auf einer Strecke von ca. 15:18 » glasirter Thon- 
röhrcnlcitung von 0fiU"> lichter Weite mit 40— 15""» Wand- 
stärke, welche im Frühjahr uud Sommer 1870 gelegt ist, ca. 
150 Stück Köhren zersprungen. 

Diese Thonrühreulcituug. einstweilen ohne Verband mit der 

übrigen Leitung gelegt, 
war, um das Einschwiiu- 
meu von Uiireinigkciteu 
zu verhüten, vorläufig auf 
bei das Enden dicht ge- 
schlossen. Gedichtet war, 
wie die Skizze zeigt, in 
folgender Weise: man leg- 
te um das Kohrende ein 
geflochtenes Uaufseil und 
der übrige ca. 26°"" star- 
ke und ca. 78»™ tiefe 
Zwischenraum in den Muf- 
fen wurde mit Zementmörtel gefüllt (englischer Zement von 
Kulans * Oomp.}. 

Jedes Rohrstück soll auf 2 Ziegelsteine gelegt sein, uud 
ilie Oberkante dieser Strecke Kohrleitung liegt 1,8—2,5» tief 
im starreu Lehmboden. Die erste Strecke derselben liegt hori- 
zontal auf ca. 97:1» Länge, die zweite Strecke derselben auf 
ca. 565« Länge steigt ca." 0,1*4™ . 

Um statt dieser thönerueu Röhren eiscruc Röhren zu legen, 
füllte diese Strecke in diesem Frühjahr aufgenommen werden, 
wobei sich fand, dasB auf der ersten Strecke von ca. 1000 Stück 
Köhren (ca. H7;i ™ ) zwar auch verschiedene Rohre lädirt waren; 
auf der letzten Strecke war jedoch die Leitung auf eine Länge 
von ca. 140» von einem Ende bis zum andern gesprungeu, uud 





zwar 1 Längenriss oben, 1 da. unten und 1 do. an jeder Seite- 
Der Längenriss oben in den Muffen war dicht, meistens nur als 
feiner Riss bemerkbar, unmittelbar an den Muffen war der 
Riss am Rohr meistens 6 — 12»», am Rohreudo nur 
3_|jmm Hturk. 

An vielen Stellen war eine Verschiebung der nach dem 
Sprung entstandenen 4 Rohrstücke s^^^jrt^ 

darstellt Bei den Muffen war neben 
den feinen Rissen auch meistens die 
Glasur abgesprungen oder abge- 
blättert. Ist das Zerspringen der 
Rohrleitung schon bald nach dem 
Legen erfolgt, so könnte diese Ver- 
schiebung durch das Feststamp- 
fen des wieder eingefüllten Bodens 
herbeigeführt sein, wenn nicht der 
Erddruck an sich dieselbe herbeige- 
führt hat. 

Nach Ansicht des Referenten könne eine solche Zerstörung 
der Röhrenlcitung, wie hier gefunden, durch einen Erddruck von 
1,8—2,5» nicht herbeigeführt sein, auch zeige die ganze Er- 
scheinung, dass eine Kraft von Innen heraus diese ca. 140™ lange 
Röhrenleitung zersprengt haben müsse. Beim Oeffnen dieser 
an den Enden dient verschlossenen Rohrleitung sei dieselbe 
vollständig mit Wasser gefüllt vorgefunden worden — das 
Wasser müsse aus dem Erdreich durch Undichtigkeiten in den 
Muffendichtungen eingedrungen sein (an vielen Stelluu fan- 
det! sich Undichtigkeiten, und oft hatte der Zementmörtel mit 
den inneren Wänden der Muffen sich nicht verbunden und konnten 
gauze Zemeutringestücke herausgenommen werden). Ein Zer- 
frieren der Thonröhreu in solcher Tiefe sei unmöglich, Wasser- 
druck sei auch nicht vorhanden gewesen, auch auf ciue Gaa- 
eutwickelung etc. sei nicht zu schliesaen: es bleibe also nur 
übrig, unzuuehmeu, dass auf diese Strecke starker treibender 
Zement als auf anderen Strecken verwandt sei und dieser Ze- 
ment die Muffen und die Leitung zersprengt habe. 

Hierüber entspann sich eine längere, lebhafte Diskussion 
ohno zu einem Resultat zu führen. — Genauere Untersuchungen 
und späteres Referat wurden zugesagt — H. — 

Arhltekten -Verein zn Berlin- Versammlung am 13. April 
1872; Vorsitzender Hr. Streckert, anwesend 127 Mitglieder 
uud 7 Gäste. 

Herr R. Nenmann hält einen Vortrag über den natür- 
lichen Asphalt, in welchem ungefähr Folgendes gesagt wird: 

Durch trockene Destillation des Steiukohlentheers wird 
eiuo Reihe mehr oder weniger flüssiger Produkte gewonnen, 
welche in der Technik und im gewöhnlichen Leben mannigfache 
Verwendung finden. 

Die Natur vollzieht den Destillationsprozess der Steinkohlen 
langsamer, unter geringerer Hitze, aber in kolossalem Maasstabe 
mit ganzen Steiukohlcnflötzeu, unter Einwirkung der Erdwärme, 
wobei die flüchtigen Produkte sich in den darüber liegenden 
Gebirgschichtungen vertheilen. Dies mag besonders da statt- 
finden, wo Schichtungen der 
Erdinnern näher kommen. 



Lydda ist von dem 
etwas abgelegen und 



dass sie ein Kreuzfahrerbau gewesen und theilweis erhalten sei. 
Für meine mir aufgetragenen Zwecke in Jerusalem konnte ihre 
Kenntnis« aber von Werth sein und so scheute ich weder den 
Umweg noch die einsame Strasse, denn 
jetzigen Wege nach der heiligen Stadt etwas 
wird von Europäern nur noch selten besucht. 

Es war wieder ein schöner aber heisscr Ritt in glühender 
Nachmittagssonne: der Schweis* rann in Strönieu am Körper 
nieder, aber die Fülle von neuen Bildern uud die Gewissheit, 
«lern Zielpunkte der Keisc immer näher zu kommen, verscheuchten 
doch jede Mattigkeit. Anfangs hielten wir uns auf der breiten 
halbchaussirten Strasse, welche durch Karawanen und Reiter 
auffüllend belebt war. Das Land war abgeerntet (d. h. zum 
zweiten Male im Jahre), nur hohe verdorrte Stengel von Baum- 
wolle und Getreide stunden hier und da in dem braunen, durch 
die Hitze tief geborstenen Boden. Riesige Kaktushecken heg- 
ten die Gärten ein, in denen Palmen mit Zuckerrohrstauden 
und herrlich grüneu Orangeubfiumen wechselten. Am Wege 
lagen mehre Dörfer, wie Lehmfestungeu aussehend, mit schrägen 
Wauden und platten Decken, fensterlos nach aussen, mit hohen 
kegelförmig gekneteten Reisig- uud Misthaufen zur Seite, die 
als Brennmaterial dienen und der Stolz jedes Besitzers sind, 
weil au ihrer Grösse uud Höhe die Zahl des Viehstandes erkannt 
wird. Niemals fehlt am Eingänge des Dorfes der etwas tief be- 
legene Brunnen, von alten Feigenbäumen beschattet und auf 
das malerischste belebt durch die wasserholenden verschleierten 
Fellachiunen iu ihren dunkelblauen Heroden, Silbermünzen um 
Stirn und Hals, uud Glasringe an den Armen, ich konnte meine 
Beobachtungen um so ungestörter macheu, als ich meinem alten 
geschwätzigen Mukari nur ab und zu durch Bir (Jawohl) und 
Lah (Nein) in beliebiger Auswahl zu antworten brauchte, 
meistens es aber vorziehen durfte, ein würdevolles Schweigen 
zu behaupten. Von meinen Sprachen verstand er nichts und 
seine heilige, schöne uud klangvolle Sprache war mir ein Buch 
mit sieben Siegeln. Nichtsdestoweniger stockte die Unterhaltung 
nur selten, denn er hatte sehr viel zu 



Nach anderthalbstündigem scharfen Ritte bogen wir links 
vom Wege ab, grade auf dos rosig beleuchtete, lang gestreckte 
Gebirge los. Unser Marsch wurde durch Rinnsale und Erd- 
spalten oft behindert; endlich kamen wir in alte Olivenwälder 
uud erreichten zwischen kaktusumhegten Garten das festungs- 
artig gebaute enggassige Städtchen. Kurz . vor meinem Ziel- 
punkte überzeugten mich massenhaft zusammengeschleppte Kalk - 
Steinquadern, dass ein grosser Neubau im Gange sei. Meine 
Vermutbung war richtig. Dem griechischen Patriarchen war 
es nach langjährigen Verhandlungen gelungen, die alte Ruine 
zu erwerben uud der seit einem Jahre begonnene Neubau nähert 
sich der Vollendung. Glücklicherweise waren die alten Theile 
der II. Giorgios - Kirche — der Stamm- und Mutterkirche 
oller St. Georgs-Kirchen, weil der in Nicomedien als Märtyrer 
gestorbene Ritter Georg aus Lydda gebürtig war — theilweise 
konservirt worden, so dass ich meine noth wendigen Notizen 
machen und eine Skizze anfertigen konnte. Von schwatzhaften 
Griechen und neugierigen Arabern umringt, hatte ich den 
Sonnenuntergang nicht bemerkt Erst in tiefer Dunkelheit 
wurde ich fertig. Glücklicherweise stand der Mond schon am Him- 
mel, als wir zu Pferdo stiegen, und beleuchtete unseren holprigen 
Pfad, der sich theils durch stachlichte Kaktushecken, theils 
durch gespensterhaft [aussehende Olivenpflanzungen nach Ramleh 
hinüberzog. Vor dem kastellartig düstern Franziskaner-Kloster 
stiegen wir ab und zogen an der Glocke. Es dauerte eine 
geraume Zeit bis das eisenbeschlagene Thor sich öffnete und wir 
in den engen Hof einreiten konnten. Bald kam auch des Mukän 
Sohn mit dem Packpforde. Ein bleicher, fieberkranker Frate 
aus Bologna empfing mich freundlich, führte mich ins Gastzimmer 
und erquickte mich mit gewohnter Uospitolität durch Speise 
und Trank. Nach einem eingehenden Gespräch mit ihm und 
einem älteren Mönche über den Krieg und Kaiser Wilhelm be- 
gleiteten mich beide über den Hof in das enge hochgewölbte 
Schlafzimmer, in welchem vier saubere mit Moskitonetzen ver- 
hangene Betten standen. Vom Ritte und der Hitze todmüde 
schlief ich sofort ein. 



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— 131 — 



Als Produkte dieses Prozesses treten unter anderen auf das 
Erdnl, das Erdwachs und da« Erdpech oder Bitumen. Oestcins- 
mossen, in welche diese Produkte eingedrungen sind, und die 
deshalb zur Ausscheidung derselben benutzt werden, hcissen 
bituminös« Gesteine. 

Die öligen bituminösen Stoffe nennt man Naphta, Bcrgöl. Erdiii, 
Stciuöl, letzteres, welches an vielen Orten aus der Erde quillt oder 
durch artesische Brunnen oder Pumpen gefördert wird, in seiner 
hellsten Varietät Petroleum; die wachsartigen, welche bei gerin- 
geren Wärmegraden erhärten, heissen Erdwachs, Goudron ; die 
festeren, welche erst bei höheren Wärmegraden schmelzen, 
Asphalt 

Ueber die letzteren soll hier hauptsächlich gesprochen wer- 
den. Sie haben schon im Alterthom Anwendung in der Technik 
erfahren, wie ja auch die Schriften des Alten Testaments ihrer 
bei Beschreibung babylonischer Bauten Erwähnung thun. Da* 
älteste bekannte Vorkommen des Asphalt ist das im todten 
Meere, 377'" unter dem Spiegel des Mittelmeeres. Von Zeit zu 
Zeit erhebt sich vom Boden desselben eine Schicht Asphalt und 
schwimmt auf der Oberflache. Es wird Judenpech genannt und 
von Schmieden und Schlossern als Eisculack verwendet, wozu 
es sich besonders gut eignet 

Auch in Mexiko, Peru, Kanada, auf Kuba findet sich As- 
phalt. Das merkwürdigste Vorkommen ist jedoch das auf der 
Insel Trinidad ; hier befindet sich nicht nur ein See von Asphalt, 



25" über dem Meeresspiegel, sondern es bestehen an der Küste 
Riffe von Asphalt, von denen oinzelnc Blöcke losgelöst uniher- 
schwimmeu und von den Wellen getrieben werden. 

Dieser Asphalt enthält, in den Poren fest eingeschlossen, 
Wasser bis zu SOpCt Beim Schmelzen verflüchtigt sich dies 
Wasser und es bildet sich eine dichtere Masse, die aber nicht 
so rein ist, wie der Asphalt vom todten Meere, denn sie enthalt 
noch 30 pCt. erdige Stoffe, so dasg also 40pCt. der natürlichen 
Masse wirklicher Asphalt sind. 

Auch in Europa finden sich an vielen Stellen bituminöse 
Produkte, dio aber weniger rein, meist mit Gestein vennengt 
sind. So vor Allem ein vielverwcndetor Asphalt in den Gruben 
des Val de Travers bei Neufchatel, schon den Römern bekannt, 
in Seyssel, Departement Rhone, in der Auvcrgue, in Spanien, 
Italien, Dalmaticn, im Elsass, in Hannover und in Braun- 
schweig. — 

Der Asphalt hat mehre so vorzügliche Eigenschaften, dass 
er darin von keinem anderen Natur- oder Kuustprodukt über- 
troffen oder selbst erreicht wird. 

Er wird zunächst von Säuren ausserordentlich schwer an- 
gegriffen und ist daher wetterbeständig; er ist fast gar nicht 
porös; also gegen Flüssigkeiten undurchlässig, er besitzt grosse 
Zähigkeit, wird, wenn er gut präparirt ist, erst bei hoher Tem- 
peratur weich und widersteht der Zusammenziehung in der 
Kälte bis zu einem gewissen Grade. Letztere Eigenschaften em- 
pfehlen ihn zum Belag für Fussgängerwege, Trottoirs und für 
Fahrstrassen. 

Hierzu wird der Asphalt 



Die Zubereitung des Strasscnbelags durch Stampfen beruht 
auf einer neueren Behandlungsweisc des Asphalt, die vor Allem 
in Paris Anwendung gefunden hat, auch in London und in Berlin 
(in der Oberwallstrasse am Kronprinzlichen Palais). 

Man ist durch die Beobachtung, dass die Räder der aus 



Asphaltminen kommenden Wogen den herabgefallenen Asphalt 
auf den Fahrwegen breit gedrückt und diese mit einem festen 
elastischen Ueberzuge versehen hatten, zu der Anwendung auf 
Strasseubelag durch Stampfen gekommen. 

Ueber die Herstellung im Detail hat schon früher die 
Deutsche Bauzeitung eine Abhandlung gebracht. Siehe Jahr- 
gang 1868 pag. 5. 

Der Asphalt vom Val de Travers eignet sich fast allein zu 
gestampften Fahrbahnen. 

Zur Herstellung des gegossenen Asphalts wird bituminöses 
Gestein, asnhaltisches Gcbirgu verwendet, vorzüglich das von der 
Insel Trinidad. 

Es wird in Kesseln geschmolzen; das Wasser verdampft, 
wobei die Erdmassen sich absetzen, die Thonmassen al>cr in der 
Mischung bleiben. Der so gereinigte Asphalt wird mit Tbeer- 
olen vermengt, um Goudron zu geben. Hiermit wird Asphalt- 
Mastix hergestellt, indem man bituminöse Produkte mit Goudron 
vermengt 

Aus Asphalt -Mastix, Goudron und feinem gesiebten Kies 
wird nun diejenige Masse durch Schmelzen und Umrühren ge- 
bildet, mit welcher gemauerte oder gepflasterte Untcrlagsflächen 
belegt werden. 

Die geschmolzene Masse wird als Brei aufgetragen, ausge- 
breitet, nach der Dicke einer Eiseuschiene, welche als Lehr« 
dient, geebnet und mittels Sand mit Brettcheu abgerieben. 
Hierzu ist fast jeder Asphalt anwendbar, daher die Anwendung 
eine unbeschränktere, allgemeinere. 

Der Vortragende führt nun an, dass sich Aktiengesellschaf- 
ten gebildet haben, welche in den Städten Asphaltbahnen her- 
stellen wollen; eine derselben, die sieh .Anglo- Germanische 
Felsenhara-Pnasterungs-Gesullsckaft" getuuft und in deu Besitz 
der Minen des Val de Travers gesetzt hat, will gestampfte As- 
phalt-Strossen ausführen. 

Als Vortheile derselben wird vorzugsweise der Wegfall des 
Wageugerassels angeführt und dem Kinwande, dass diu Pferde 
leicht ausgleiten, durch angestellte Beobachtungen begegnet, 
wonach in London weit weniger Pferdo auf Asphalt, als auf Gra- 
nitpflaster zum Stürzen gekommen sein sollen. Es bildet sieh 
allerdings auf den Asphaltbahnen durch deu Schlick, welcher 
aus Nehenstrassen durch Pferde und Wagen mitgeschleppt wird, 
so wie durch deu Pferdedung ein glatter Ueberzug, der aber 
durch Wasserspülung leicht zu beseitigen ist. 

Auch im Winter soll der Erfahrung nach die Eiskruste sich 
von der Oberfläche des Asphalts leicht ablesen und das Eis iu 
denselben nicht eindringen. 

Die Ausbesserung schadhafter Stellen ist bei dem gestampf- 
ten Asphalt weit umständlicher als bei dem gegossenen; man 
muss mit Meisscln an einer scharfen Kante entlang deu Asphalt 
bis auf diu feste Unterlage entfernen und eine neue Einstumpfung 
vornehmen. 

Dem Asphalt ist die Ausströmung aus Gasröhren schädlich, 
da die im Leuchtgase enthaltenen leichten Theeri.le auf ihn 
erweichend einwirkeu, worauf bei Neuanlagen Rücksicht zu 
nehmen ist. 

Den Kostenpunkt betreffend, so verlangt die oben bezeich- 
nete Gesellschaft für Herstellung gestampfter Asphalt - Fuhr- 
bahnen pro L]Yard G Thlr. d. L pro fj» 7 Thlr. .'» t>gr.; für die 
Unterhaltung in gutem Zustande in den ersten zwei .lahren 



Um 5 Uhr weckte mich der Sil tierton des Klosterglöckchcns; 
eine Viertelstunde später sass ich im Sattel, ein herzlicher 
Dank und-Händedruck, welchen Bruder Giuliaoo demüthig entge- 
gennahm, und ich trabte mit meinem alten MukAri in die er- 
quickende Morgendämmerung hinein. Wohlbcwaffuet waren wir 
beide, weniger um mit Räubern zu fechten, als uns der etwaigen 
Zudringlichkeiten der türkischen Soldaten, welche in thurm- 
artigen Wächterhäusem dio Strasse bewachen, zu erwehren. 
Indessen passirte nichts. Der Weg war breit und gut, in zahl- 
reichen Krümmungen thalauf, thalabwärts führerd. Nach 3\'i- 
stüudigcm Reiten durch völlig menschenleere Distrikte trat ich 
bei Bab-el-Waly in das Gebirge Ephraim ein.- 

Nach einem kurzen Holte" an einer aus losen Blöcken zu- 
sammen gewälzten Kaffeeschenko in der Nähe einer trüben 
Zisterne ging es auf zahllosen Windungen zwischen den nack- 
ten, sonnendurcbglühten Felsen aufwärts. Rings nichts als 
Grabesstille, und Verödung. — Nur grosse schwane 
Eidechsen huschten _ über den Weg, hier und da streckte 
ein alter Oelbuum seine knorrigen Aeste über deu Abhang oder 
verrietben niedrige von Lesesteinen gebildete Terrassen die 
frühere bessere Bebauung des Gebirges. Rechts und links stiegen 
100 — 200» hohe, horizontal geschichtete Kalksteinfelsen in 
die Höhe, nur selten war rückwärts ein Ausblick in die 
Ebene gestattet Ein großartiges Felsenlabyrinth begleitete 
mich dauernd. In heisser Vonnittagsstunde erreichte ich das oasen- 
artige Abu-Goscb, ein liebliches Thal mit einem von Thürmen 
vertheidigten Gartendorfe. Hier fesselte und beschäftigte mich 
die wohlcrboltene, aus schönen Quadern erbaute altgothische 
Kirche mehre Stunden lang, obschon ich sie aus de Vogües 
Publikation näher kannte. Es ist eine druischiffigu gewölbte Pfeiler- 
basilika in streng reduzirter Behandlung, die an schwerfällige 
Baukunst des Ueoergangsatils, wie zu Memlebcn, Riddagshausen, 
St Sebaldua u. a. erinnert. Während ich zeichnete schlief mein 
Mukiri, quer über die Chaussee gelegt, den Schlaf des 
i und liess die Pferde weiden, wo es ihnen beliebte, 
r Abu -Gösch stieg die Strasse abermals iu zahllosen 



Serpentinen stark in die Höhe und zeigte stets dieselben Bilder. 
Immer dio gleiche gelbgraue F'ärbung der horizontalen Kalk- 
bänke, immer dio gleiche unheimliche Stille, immer dasselbe 
Bild einer todesartigen Erstarrung. Unwillkürlich bemächtigte 
sich der Seele eine stille Trauer, die zu den geschichtlichen 
Erinnerungen, die diese Bergpfade und Felseinöden umschweben, 
vollständig passt. Ich war dem Schicksal dankbar, diese denk- 
würdige Strasse allein und ungestört reiten zu kennen. 

In älterer Zeit muss der Marsch zwischen Jaffa und Jeru- 
salem noch viel beschwerlicher gewesen sein, wenn man die 
alten steilen Strassenzüge mit den gowuudeuen Linien des neuen 
Weges vergleicht. Nach einem abermaligen Halte von einer 
Stunde in Kulonieh während der grössten Mittagshitze brach ich 
frühzeitig auf, um die letzteu Bergketten des öden Gebirges zu 
überschreiten. Ich strebte bei guter Stunde anzukommen. Tags 
vorher hatte ich von Jaffa aus telegraphirt und dem Hausvater 
des Johanniter -Hospizes, Herrn G., meiue Ankunft, gemeldet. 
In Folge dieser Anmeldung wurde mir die Ehre zu _The.il, dass 
drei der Herren des Konsulats und des Hospizes mir über eine 
Stunde weit mit ihren Kawassen entgegengerittrn kamen und ich, 
da noch andere Herreu unterwegs sich anschlössen, von einer 
förmlichen Kavalkade begleitet, nach Jerusalem ziehen musste. 
Ich hätte diese Ehre gern entbehrt, denn sin hatte mich 
in dem Augenblicke da die Ringmauern d.-r heiligen Stodt auf- 
tauchen sollten und meine Gedanken ihre 



eigenen Wege ge- 
gangen waren, getroffen. Was halfs? Aus meiner Pilgerstim- 
mung war ich heraus und der Empfang war so liebenswürdig 
und entgegenkommend, dass es mir unmöglich gewesen wärp, 
auch nur die kleinste Verstimmung zu zeigen. So erreichte ich 
denn unter lebhaften Gesprächen Nachmittags 4 Uhr das thurm- 
bewehrtn Jaffa-Thor mit der dankbaren Empfindung, den lang 
erstrebten Zielpunkt meiner Reise glücklich und gesund erreicht 
zu haben. Alles weitere befahl ich, wie bisher, 
des Himmels. 



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keine Entschädigung, in den folgenden fünfzehn Jahren aber pro I 
□ Yard ca. 15 Sgr-, d. L pro Q- 18 Sgr. 

Wie hoch sich diesen bedeutenden Kosten gegenüber die 
Kosten gegossener Fahrbahnen in Strassen belaufen, kann der 
Vortragende zur Zeit nicht anaeben und bittet um betreffende 
Mittheüungen, welcher Bitte sich die Redaktion dieser Zeitung an- 
schlicsst, um sie als Ergfiiuung zu diesen Mittheilungen zu ver- 
öffentlichen. 

Gegenüber den vorzüglichen Erfolgen in der Anwendung 
des natürlichen Asphalts nahen bisher die Versuche mit ver- 
wandten Kunstprodukten . namentlich den aus Steinkohlentheer 
gewonnenen, zu keinem günstigen Resultat geführt, ha darf je- 



doch die Hoffnung nicht aufgegeben werden, data wie in vielen 
anderen Fullen, so auch hier die Naturwissenschaft Mittel und 
Wege an die Hand geben wird, des widerstrebenden Materials 
Herr zu werden. — 

Hierauf folgt noch eine kurze Besprechung über eine auf 
Einladung des Sächsischen Ingenieur- und Architekten -Vereins 
zu veranstaltende mehrtägige Exkursion nach Dresden. 

Es soll hierüber nach einer zu erwartenden Vorlage der 
Exkursions -Kommission in der nächsten Sitzung Beschluss ge- 
fasst werden. 

S. 



An die Architekten NorddeutsohJands erlaubt sich das 
unterzeichnete, auf Anregung der Königl. Landes -Kommission 
für die Wiener Welt-Ausstellung gebildete Spezial-Komite nach- 
folgendes ergebenste Ersuchen zu richten. 

Auf der Wiener Welt-Ausstellung soll dem Programm ge- 
mäss in Gruppe 21 „die nationale Haus-Industrie" ver- 
treten sein. 

Als zu derselben gehörig werden alle diejenigen gewerb- 
lichen Arbeiten angesehen welche unberührt von dem Strom 
der jeweilig herrschenden Mode althergebrachte Kunstformen 
für bestimmte, eugbegräuzte Kreise der Bevölkerung noch jetzt 
bewnhren und wiederholen. Vornehmlich werden es bäuerliche 
Töpferarbeiten, Stickereien, Webereien und Schnitzereien, sowie 
Schmuckgegenstände mancher Art sein, auf welche zu achten 
wäre. 

Die im Programm gewählte Bezeichnung „Haus-Industrie" 
ist v5llig zutreffend nur für halbzivilisirte Länder, in welchen 
derartige theils sclbstständig erfundene, thcils aus alten, häufig 
nicht mehr nachweisbaren Traditionen herrührende Muster in 
dem Hause und zugleich für das Uaus angefertigt werden. 
Innerhalb Deutschlands werden die gemeinten Arbeiten fast 
ausschliesslich gewerbsmässig von kleineu bäuerlichen oder 
städtischen Handwerkern hergestellt; gelegentlich haben sich 
sogar bereits Fabriken der betreffenden Muster bemächtigt, um 
dem traditionellen Geschmack eines bestimmten Kreises zu ent- 
sprechen. 

Diejenige naus-Industrie, welche, wie die sächsische Spitzen- 
klöpplerei oder die Berchtesgadener Holzschnitzerei, zwar im 
Hause, aber nach grossstädtischen Mustern und für den Weit- 
zel betrieben wird, bleibt ganz ausgeschlossen. 
Es handelt sich bei der angestrebten Sammlung auch nicht 
um das ethnographische Interesse, welches bestimmte Volks- 
trachten und Geräthc erwecken. Der einzig maassgebende 
Gesichtspunkt soll der sein, dass die betreffenden Gegenstände 
künstlerische Eigenschaften haben, die ihnen nicht 
durch die modernen Geschmacksströmungen oder durch einzelne 
gebildete Künstler gegeben, sondern traditionell aus früheren 
Zeiten erhalten sind. 

Der künstlerische Werth solcher bäuerlichen Produkte, 
wie z. B. der buntbemalten Töpfe, pflegt gewöhnlich nicht der 
Art zu sein, dass er dem au moderne Eleganz gewöhnten Auge 
sofort auffiele; gewöhnlich stehen auch diese Arbeiten in Erfin- 
dung uud Ausfuhrung auf einer sehr niedrigen Stufe. Aber das 
Weuigc, was in ihnen von künstlerischer Bildung in Form, 
Farbe und Zeichnung noch erhalten ist, pflegt der Rest einer 
alten, wohlbegründcten und in ihren Motiven gesunden Kunst 
zu ' sein, die sich an abgelegenen Orten trotz aller Maschinen 
noch nicht hat ausrotten lassen. 

So finden wir in dem bunten Bauerngeschirr den Rest 
jener Malerei mit Glasurfarben, die in Deutschland während 
des IG. Jahrhunderts in höchster Blüthe stand und nach fast 
völligem Erlöschen uns jetzt aus England und Frankreich wie- 
der zugeführt wird. 

Bei der besonderen Wichtigkeit, die gerade im Kunsthand- 
werk der Tradition beizulegen ist, muss uns das Auffinden 
solcher, noch versteckt bei uns fortlebenden Kunstübungen, 
selbst in halb verwahrloster Form, von zweifachem Wcrthe sein. 
Erstens sind immer uoch hier und da brauchbare alte Motive 
erhalten: manche bäuerliche Arbeiten haben anderweit längst 
vergessene gute Muster des Mittelalters bewahrt; zweitens aber 
lässt sich die vorhandene industrielle Geschicklichkeit und 
Technik durch Zuführung künstlerischen Materials weiter aus- 
bilden, wie dies z. H. durch Castellani mit der italienischen 
Goldschmiedekunst geschehen ist. 

Ein sorgfältiges Aufsuchen derartiger nationaler Kunst- 
übungen ist daher durchaus zu wünschen. 

Ausser der bereits mehrfach erwähnten Töpferei, welche am 
meisten Material liefern möchte, ist in Norddeutschland auch 
wohl noch auf gewisse Webemustcr (wie in Tabarz bei Gotha, 
in Schlesien u. s. w.) und auf etwas ländliche Stickerei , beson- 
ders in Mecklenburg sowie in den östlichen und nordwestlichen 
Provinzen, zu rechnen; ausserdem in letzteren wohl auch noch 
auf Holzschnitzerei. 

Ferner möchten eigentümlicher Silberschmuck, Kopfhauben 
u. s. w. noch Ausbeute geben; auch auf Zierrathen am Pferde- 
geschirr, uuf bemalte Laden und Aehnlichcs, sowie auf Zinn- 
uud Messinggeschirr wäre zu achten. 

Durch diese Aufzählung soll die Zahl der Gattungen keines- 



beschränkt werden; im Gegentheil wird der Nachweis noch 
anderer Gebiete besonders erwünscht sein. 

Es handelt sich jetzt für die Kommission in erster Reibe 
darum, sobald als möglich nähere Notizen über das Vor- 
kommen solcher Gegenstände aus allen T heilen Norddeutschlands 
zu erhalten, und es ergeht deshalb hierdurch an Sie die ergebene 
Bitte, das gemeinnützige Unternehmen durch Ihre Bekanntschaft 
mit derartigen Erzeugnissen aus Ihrer näheren oder ferneren 
Umgebung nach Kräften zu unterstützen, indem Sic die Güte 
haben, uns unter der Adresse: »C. Grunow, Direktor des 
Deutsehen Gewerbe-Museums, Stallstrasse 7, Berlin" direkte und 
möglichst genaue Notizen in nächster Zeit einzusenden, uud 
uns ferner Männer Ihrer Bekanntschaft bezeichnen, von denen 
weitere Notizen zu erwarten wären, damit das Koniite sich auch 
mit diesen, soweit es noch nicht geschehen sein sollte, in Ver- 
bindung setzen kann. 

Berlin, im April 1872. 

Das Spezial-Komite für die G ruppen 21 — 24 der 
Wiener Welt- Ausstellung 1873: Fr. Adler. Profei 



' II'. I " ' II - ilUBBICUUUi; 1U I U. AI. i\ U I <" I , & 1 »fH-I.^.i| 

und Baurath. M. Gropius, Professor, Direktor der kgl. Kunst- 
schule. G Grunow, Direktor des deutschen Gewerbe-Museums. 
Dr. Jul. Lessing, Dozent an der königl. Gewerbe-Akademie. 
Ravenc, Geh. Kommcrzien-Rath. Reuleaux, Geh. Reg -Rath, 
Direktor der kgl. Gewerbe-Akademie. 

Der Beginn der erneuten Streitigkeiten zwischen den 
Arbeitgebern und Arbeitnehmern den Berliner Baugewerbs 

ist bereits am 6. April auf der Baustelle des Siegcsdenkmals 
erfolgt, wo die mit einem Tagelohne von J»/n bis 1'/« Thlr be- 
schäftigten Zimmergesellen die Arbeit eingestellt haben, um 
sich das Recht Mtägiger Kündigung zu sichern. Der Versuch, 
den von diesem Strike betroffenen Zimmermeister seitens seiner 
Kollegen zu unterstützen, ist missglückt, da die von diesen ge- 
schickten Arbeiter die Baustelle ebenfalls sehr bald verlasseu 
haben. Der Bund der Zimmermeister hat in Folge dessen eine 
Bekanntmachung publizirt, in welcher er erklärt, dass Sonn- 
abend den 20. April sämmtlicbc Zimmergesellen entlassen wer- 
den sollen, falls bis zum 17. April die partiellen Strikes nicht 



Preussen. 

Ernannt: Der Baumeister Küntzel zn Inowraelaw zum 
Kreisbaumeister daselbst Der Bau -Inspektor und Hülfsarbeiter 
in der Miuisterial -Abtheilung für das Bauwesen Voiges zum 
Ober -Bau -Inspektor beim Regierung* -Kollegium zu Frankfurt. 

Dem Bau-Inspektor Uauptucr zu Münster ist der Charakter 
als Baurath verliehen worden. 

Sachsen. 

Ernannt: Der Sektinns - Ingenieur Lasch zum Betriebe- 
Ingenieur in Ronneburg. Der Sektious - Ingenieur v. Schoen- 
berg zum Betriebs -Ingenieur in Geithain. 

Versetzt: Der Betriebs -Ingenieur Claus in die Ingenieur - 
Abtheilung II. nach Chemnitz. 

Gestorben: Der Betriebs-Ingenieur Fritzschein Ronneburg. 

Brief- und Fragekasten. 

Hrn. C. in Bochheim. Die »Poren -Ventilation*, unter 
diesem Namen bekanntlich das Geheim niss ihres Erfinders, der 
noch jüngst beim Preussischen Abgcordnetenhauae gegen dio 
Schädigung seiner Interessen durch kritische Besprechung ver- 
geblich Klage geführt hat, bezweckt wie die meisten neueren 
Veutilations - Systeme in erster Linie die Zuführung frischer 
Luft. Es geht hieraus wohl hervor, dass sie für Ventilation 
grosser Schmiedewerkstätten, wo es umgekehrt vor allen Dingen 
auf die Abführung des Rauches und der verdorbenen Luft an- 
kommt, eine besondere Bedeutung nicht haben kann. Wo sie 
Details über ausgeführte Ventilations-Anlagen für solche Werk- 
stätten veröffentlicht fiuden, sind wir leider nicht in der Lage, 
Ihnen mittheilen zu können. 

Hrn. Th. Link i. Lyck. Ausser Stande, Ihre Anfragen 
beantworten zu können, veröffentlichen wir dieselben hiermit: 

1) Ist der augenblickliche Aufenthalt des Amerikaners 
Brainard (Erfinder eines Bierkellerei -Systems) bekannt und 
wo ist derselbe? Eventuell 

2) Ist sein Svstem einem deutschen Techniker aus eigener 
Erfahrung bekannt und wer liefert Bauzeichnungen für dasselbe. 

Beiträge mit Dank erhalten von Hrn. O. in Königsberg. 



; too Carl lu.hu In Btilln. 



t»»ek vo. (i.btud.r Kiek. it In 



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Jahrg. TL JK 17 

DEUTSCHE BAUZEITUNG 

Organ des Verbandes „, «. IZLTl.**.* 

Beitilli»!« Iii 1 1 *! 1 J IX • TT • tol«U»n« talM A.taaknir 

"".-Ti'^r:^ deutsclier Architekten - und Ingeiueur-Yereme. ^JS? 1 

r« toi. to t*««, Eedakteur K. E. 0. Fritteh. """"""HL!* * 



Preis 1 Tkaler pro Quartal. 


Berlin, den 25. April 1872. 


Ersc hebt jeden BtiuersU«. 


Inhalt XVI, Vrr.aiiiiiiittus .1. ..)„■ Iut Anliil.ll.» uml logtiiiiure in Karl>- 
ruke vom JJ. bi« JJ. September IM3. — Dampf- MrM»«»>li« loa Avollin und 
Porter in Korhealer. - IMln« iw V«rb«Mr»n« der OilerarhlllaJirl. — Da» neue 
(ierlrhla Aiul.f.l.iimlj an Johann -GeoTKeiialadt. — kl 1 llh.l 1 unican ana Ver- 
• inen: A rehiteklea - und Ingenieur -Venia iu Hanno>-r - AreJiltekun-Vtrelu 
•■ Berlin. - Vtrulirbtti: Die lUiniituiiit und EnlwÄwruii« rVrllii«. — Znr 


\Ytl;au»»l. Ilunj in Wien. Arlii 
Au.ieHliuun« KiMtirh Stlimidt». 
mtiuiirarntalru Sual«h«iiieu lietUn 
Heleb.Utie». - Gebinde da r'iai 
riebt.» (M, 


lUiiluieiluntt im Ik-il.u.i /.lu.uirrj. »,iku. 

- Anblellune. eine» U.bir.lehU|.Un«-l für .He 
• — Kiinkurriilnoli: Hau. d.« dMlUrlien 

kfuiter Baaik-V.reln.. — l'.r.o n*l - N 11 1 - 



XVI. YerMMMling deutscher Architekt» und Ingenieure ta Karlsruhe, 23. bi* 25. Septeaher 1872. 

Nachdem die Hindernisse fortgefallen bind, welche sich in den zwei vergangenen Jahren dem Abhalten der XVI. 
Versammlung deutscher Architekten und Ingenieure entgegen stellten, hat das Lokal-Komite zu derselben den 23., 24. und 
25. September d. J. gewählt. Wir luden somit die Facbgenossen freundlich und ergebenst ein, sich an der Versammlung 
zahlreich zu betheiligen , und hoffen, dass dieselbe im Segen des theucr erruttgeuen Friedens einen glücklichen Verlauf 
nehmen wird. 

Zwar bietet Karlsruhe keine hervorragenden Sehenswürdigkeiten; was aber die Gastfreundschaft vermag, um den 
geselligen und wissenschaftlichen Verkehr zu fördern, was die Umgegend an interessanten Naturschöubeitcu enthält, «las 
werdet, wir durch unsere Anordnungen zu erreichen sueheu. Es sollen wahrend der genannten Tage Ausflüge nach Baden 
und Maxau, nach Schluss der Versammlung solche nach Mannheim, Heidelberg und Strassburg unternommen werden, wozu 
die Verwaltung der badischen Staatababueu freie Extrazüge bewilligt hat. 

Während der Versammlung wird eine Ausstellung von Zeichnungen und Modellen aus dem Gebiet« der Archi- 
tektur und des Ingenieurwesens, sowie von Baumaterialien und dergl. Statt finden. Es ist wünschenswert!!, dass die hierfür 
bestimmten Gegenstände unter Angabe des benöthigten Raumes frühzeitig angemeldet werden und bis zum 8. Septbr. hier 
eintreffen. Daran knüpfen wir das Ersuchen au diejenigen Hemm, welche durch Vorträge oder aufzustellende Fragen mit- 
wirken wollen, solche bis zum 1. Juli anzumelden, damit gemäss einem auf der letzten Versammlung ausgedrückten 
Wunsche diese Themata zeitig bekannt gemacht werden können. 

Das Lokal-Komite darf hoffen, dass ausser den Gasthöfen auch eine grössere Zahl von Privat -Zimmern theils 
unentgeltlich, theils um einen bestimmten Preis angeboten werden kanu. Bestellungen anf Logis, welche bis zum 8. Sep- 
tember hier eintreffen und die Zahl der Personen, sowie etwaige besondere Wünsche angeben, sollen soweit möglich ver- 
mittelt und die Besteller davon benachrichtigt werden. Auf die Erfüllung später eingebrachter Begehren kann mit Sicher- 
heit nicht gerechnet werden. 

Der Beitrag für die Thcilnahme an der Versammlung ist, abgesehen von den Exkursionen, auf 4 Thlr. oder 
7 Gulden festgesetzt 

Alle Zusendungen geschehen unter der Adresse: Lokal-Komite der XVI. Versammlung deutscher Architekten und 
uieurc zu Karlsruhe, im Polytechnikum. 

Das spezielle Programm wird im Juli durch die deutsche Bauzeitung veröffentlicht werden. 
Karlsruhe, April 1872. 

Für das Lokal-Komite: 
Baumeister. Dürrn. 



Dunpf-Strissei -Walxe 

von Avcling & Portor in Rochester. 

Hierin Abbildungen «uf Seil« 137. 

Die vor mehren Jahren von Aveling & Porter erfun- berechnen diese durch die längere Dauer der Strassen er- 

denen Dampf-Strassen-Walzen haben sich sehr gut bewährt zielte Ersparniss auf 2<>— iO%. 

und sind in England, Amerika und Frankreich allgemein Eine 1,86" ((>' engl.) breite Dampfwalze, welche ca. 

in Aufnahme gekommen; besonders in ersteren beiden Län- 300 Zentner wiegt, bearbeitet innerhalb lo Arbeitsstunden 

dem haben fast alle grösseren Städte eine solche angeschafft fast 2lKK> l _f u und belaufen sich die Betriebskosten derselben 

und es liegt eine Menge von Zeugnissen vor, die sich summt- i während dieser Zeit an Arbeitslöhnen und Kohlen auf ca. 

lieh sehr befriedigend darüber aussprechen. I CV» Thaler, so dass 100O" etwa II) Sgr. zu walzen kosten. 

Die bisher in Gebrauch stehenden Pferde-Walzen haben I Wird eine solche Walze zeitweilig zum Walzen der Strassen 

einerseits den Nachtheil, dass schwerlich mehr als G Pferde | nicht gebraucht, sj lässt sie sich mit ebenso grossem Vor- 

im erforderlichen Takt daran ziehen können, wodurch natür- \ theil als stationaire Dampfmaschine verwenden und kann 

lieh die Schwere der Walze und ihr Wirkungsgrad l>eschränkt zum Betrieb von Steinbrech- oder anderen Hülfsmaschiueu 

wird, andererseits eignen sie sich nicht zum Bane makada- zum Strassenltau dienen. 

misirter Strassen, da die Pferde die zu walzende, vorher Die ganze Kollfläche einer Dampf - Strassen - Walze 

geebnete Fläche beschädigen, noch ehe die Walze zur Wir- vertheilt sich auf 4 gleich grosse Gusseisen- Walzen; 2 der- 

kung kommt; ferner ist ihr Umlenken oder Umspannen um- seilten (.4 A) liegen im vorderen Theil zu beiden Seiten, wäh- 

st&mllicli und zeitraubend und stört ausserdem den Strassen- rend die anderen beiden (VC) sich unmittelbar neben einan- 

verkehr. Diese Uebelstände werden durch die Dampf-Stras- der im hintereu Rahmen der Maschine befinden. Erstere 

sen-Walze vermieden, deren Betriebskosten bei ungleich Walzen sitzen lose auf der Welle B und werden durch die 

grösserer Leistung billiger zu stehen kommen, als bei einer lösbaren Keile JJ mit einer auf B festsitzenden Scheibe und 

entsprechend grosseu Pferdewalze. Die Praxis hat auch be- dem Kettenrad A" verbunden. Zwischen den VorderwaLteu 

reits erwiesen , dass die mit der Dampfwalze bearbeiteten befindet sich der Dampfkessel und auf demselben sitzt der 

Strassen bedeutend widerstandsfähiger sind nnd viel länger Dampf- Z> linder E, dessen Dampfmantcl als Eiutiittsrohr 

halten, und verschiedene Gutachten von kompetenter Seite I dient. Die Bewegung der Schwungrad -Welle wird durch 2 

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— 134 — 



Herr Kegierungs- unil Baurath a. D. Kessel hat in einer 
verdienstvollen Schrift ,die Sdiiffbnrmachung der Oder* (Oppeln 
Iteisewitz'sche Buchhandlung 1872) nach einer treffenden Schil- 
derung der mangelhaften Beschaffenheit dieser Wasserstrasse 
die Aussichtslosigkeit nachgewiesen, durch blosse Rcgulinmg 
und Einschränkung des Heltes solche Fahrtiefe zu erzeugen, 
dass sich ein mit dem Eisenbahnbetriebe koukurrenzffihiger 
Scliiffalirtsbetrieb ausbilden kann, und hat empfohlen, den 
Strom wie die Saar und Maas zu kanalisircn, das heisst in 
trockenen Jahreszeiten sein Wasser mittels beweglicher Wehre 
bis zu einer Fahrtiefe VM lfi m aufzustauen und zum Er- 
steigen der Wasserstufen Kammcrsehleuseu in durchschnittlich 
1320» langen, durch das Flussthul zu prallenden Kanälen an- 
zulegen. Zu dem Zweck sollen auf der Strecke Oderberg- 
Rrcslau 50, und auf der Strecke Brcslau-Küstrin III Nadclwchre 
nebst Schleusen mit einem Aufwände von 10',i Millionen Thlr. 
erbaut werden. Die jährliche!» Austaben für die Kaualisiruug 
einschließlich der Verzinsung des Anlagekapitals schlaft Herr 
Kessel auf 74 '2(K> Thlr. an und zeigt zugleich, dass bei dem an- 
zunehmenden Schiffahrtsverkehr von 25 Millionen Zentner pro 
Meile eine Schiffahrtsabgnbe von 0,15 Pfennige pro Zentuernieile 
genügen würde, um diese jährlichen Ausglitten zu decken. Auch 
berechnet Herr Kessel, dass nach Herstellung einer m-rmanenten 
Fahrtiefe von mindestens 1,6'" die gewöhnliche und diu Dampf- 
sehleppschiffahrt bei einem Frachtsatz von 0.5 Pfennige pro 
Zentnenneile nicht blos jene Alwabe tragen, sondern auch noch 
ihre Anlage- und Betriebskapitalien mit 2-1*.« bis 31 »/••/»• ver- 
Zinsen konnten, während auf eine erhebliche Ermässigung der 
jetzt durchschnittlich 1,8 Pfennige pro Zentuernieile betragenden 
Kiscnbuhufracht nicht mehr zu rechnen sei. 

Obgleich manche Voraussetzungen in dieser Schrift, und 
namentlich solche Annahmen, auf welche die finanziellen Be- 
rechnungen gegründet sind, bedenklich erscheinen, so ergiebt 
sich doch selbst bei den denkbar ungünstigsten Voraussetzungen, 
dass der Schiffahitsverkchr im kanalisirten Oderstrome bei "der 
Hälfte der jetzigen Kiscnbahnfrachtsätzc noch reiche Erträge ab- 
werfen uncl eine Abgabe zur Verzinsung der Baukosten und 
zur Unterhaltung der Werke tragen konnte. Noch viel günsli- 
ger würde sieh aber die Sache gestalten, wenn man statt der 
Kamnterscldeuse» in gegrabenen Kanälen unmittelbar neben den 
Wehren im Flussbette Stromschnellen oder sogenannte Schiffs- 
durchlässe uulegeu wollte. 

Giebt man solchen Durchlässen '/„„ Gefälle; 5.8 »Sohlen- 
breite und einfache Anlagen, dann wird nach den neuen Unter- 
suchungen des Herrn Obcrlandesbaudircktor Hagen (dritte Auf- 
lage seines Handbuches der Wasserbaukunst II. Seite 313) die 



mittlere Geschwindigkeit bei 1,7 -»Tiefe *' 



V V « ( 



Ii für 



FiiKsmaass = 5,14, also für Metcrmaass = 2,88; 



q .,.». 



1.7 



5,»-r-a.2,4; 

a = >;,„A = I» in der Sekunde oder 3,6 Kilometer in der 

Stunde lietrngen. Wird für die Thulfuhrt eine Tiefe von 1,7™ 

angei meu, dann geniigen für die Bergfahrt 0,'.»"' Fahrtiefe. 

Denn kaum der zehnte I heil der ganzen Giiterbewegung würde 
stromaufwärts gerichtet sein. Bei einer Tiefe von 0.9™ aber 
würde die mittlere Geschwindigkeit in den Durchlässen nur 
0,77'» pr. Sekunde oder 3,77 Ku ' in der Stunde betragen. Solche uud 
sogar noch stärkere Strömungen komme» in der Oder, nament- 
lich in der Umfahrt (Winske) bei tippeln, jetzt schon vor uud 
»erden in engen Krümmungen Helten sehr unvollkommenen Lein- 
pfaden von den Kähnen mit doppelter Bemannung ohne anderen 
Vorspann itassiit. indem sich die Mannschaften \oii 2 Kähnen 
zusammeutnun. Deshalb kann es keinem Zweifel unterliegen, 
dass wenig gekrümmte Schiffsdutchliisse der angedeuteten Art 
mit guten Leinpfaden zur Seite nicht einmal gewöhnlichen Fahr- 
zeugen, geschweige denn der Dauipfschleppschiffuhrt auf der 
Bergfahrt erhebliche Hindernisse bereiten würden. Und noch 
weniger würden Unfälle heikler Thalfahrt zu befürchten sein, 
wenn in den Durchlässen zu beiden Seilen I.eitbalken an ein- 
gerammten Pfählen so bcfos'igt würden, das» deren vorstehende 
Köpfe als Handhaben zur Zügelung der Geschwindigkeit benutzt 
werden könne». Es kommt also nur darauf an, zu untersuchen, 



Stirnräder anf die Arbcits-Welle G ültertragen, welche eben- 
falls ein Kettenrad trägt; letzteres treibt durch eine starke 
Kette auch das Kettenrad X der Vorderwelle B und erzeugt 
so die fortschreitende Bewegung der Maselline. Die Welle 
G ist vermöge einer einfachen Vorrichtung verstellbar, um 
so die Möglichkeit zu haben, die Ketteiispannung regulären 
zu können; die Kette selbst läuft in einer äusseren Umhül- 
lung (A"). 

Das Schwungrad F ist zugleich als Riemenscheibe aus- 
geführt und dient bei stutinnairorn Betrieb der Maschine 
zum Abtrieb. Das Bremsen erfolgt vom Handrad P aus 
durch die Breinsschoibe M, welche mit einer der Vorder- 
walzcn verbunden ist. Zur Steuerung der Maschine dient 
der bewegliche Kähmen I). der die beiden mittleren Walzen 
C V trägt, welche derartig auf Friktionswellen ansbalanzirt 
werden/ dass die Möglichkeit geboten ist, auch konvexe | 



Strass?noberfl5chen zn walzen; die Steuerung Belbst wird 
mittels des Handrades 0 durch Ketten und ein Schrauben- 
radvorgelege bewirkt. Mittels dieser Einrichtung ist mau 
im Stande die Maschine innerhalb eines Hauines zu drehen, 
der wenig grösser als ihre eigene Länge ist; ja, man kann 
sie nöthigeiifalls inmitten ihrer eigenen Länge drehen durch 
einfaches Herausnehmen eines der Keile '/'. 

Die Maschine kann ebenso gut rückwärts wie vorwärts 
walztn und braucht nicht umgedreht zu werden. 

Das ganze Gewicht ist so vertheilt, dass alle Walzen 
gleichmässig belastet sind; za ihrer Herstellung ist nur das 
beste Material verwendet. 

Weitere Auskunft ertheilen die deutschen Vertreter der 
Hrn. Aveling & Porter, Jacob k. Becker in Leipzig, Plauen- 
Platz 0. 



der Oder zur 



der Durchlasse 



ob die 
genügt. 

Einfache Durchlässe von den angedeuteten Abmessungen 
verbrachen in der Stunde bei L7 Meter Tiefe 45 900 Kubik- 
meter, bei 0,9 Meter Tiefe 1(1715 Kubikmeter Wasser. Werden 
solche Durchlässe 8 Stunden 1,7 Meter tief und die übrige 
Tageszeit nur O.ü Meter tief gefüllt, dann verbrauchen sie in 
24 Stunden 634 464 Kubikmeter Wasser. Hierzu genügt eine 
durchschnittliche Wassemienge von 7,34 Kubikmeter in der Se- 
kunde, während bei Kosel die geringste Wassemienge schon auf 
7 Kubikmeter geschätzt wird. Die Beschränkung der Fahrzeit 
fiir die befatdeaen Kähne auf 8 Stunden wird nicht unzulässig 
erscheinen, wenn die Durchlässe nicht gleichzeitig, sondern 
hintereinander in solchen Zwischenräumen tiefer gefüllt werden, 
welche durchschnittlich zum Pussiren der Zwischeustrcckcn 
erforderlich sind. Die r'ahrtiefee. der Durchlässe aber köuneu 
durch Einschränkung oder Erweiterung ihrer oberen trichterftir- 
gen Mündungen beliebig geregelt werden. 

Wo grössere Wassermengen zur Verfügung stehen, können 
nach folgendem Profil Durchlässe für die Berg- uud Thalfahrt 
neben einander angelegt werden, lu diesen Doppeldurchlässen 
erhöhen sich wegen des verhältnissmässig geringeren benetzten 




7.1. 



Umfanges die mittleren Geschwindigkeiten auf 1,048™ uud be- 
ziehungsweise 0,81s" 1 in der Sekunde. Zur Speisung derselben 
sind nro Sekunde I8,2kh» erforderlich , welche Wassermenge 
der Sin im von Breslau abwärts jederzeit enthält. Man kann 
diese Dop|teldurchlä»se alter auch schon weiter aufwärts bei 
einer Kernigeren Wassermenge, auweudeu, wenn man sie in den 
für jeden Schiffahrtsbetrieb nöthigen Ruhestunden schliesst und 
in den oberen Strecken das Wasser aufsammelt. In 15 Stunden 
verbraucht eiu Dopncldurrhlass 982800 kb">. Eine solche An- 
lage ist also schon dort möglich, wo der Strom 1 1,38 kb™ Wasser 
pro Sekunde liefert, also etwa von Oppelu abwärts. Der 1,0» 
aufgestaute Wasserspiegel oberhalb Oppeln würde durchschnitt- 
lich 110™ breit sein. Es würde also ein Aufstau von 0,3™ auf 
etwa 11 Kilometer Länge, oder nach den Fessel'schen Vorschlä- 
gen iu 3 Stromabtliciluügcu geuügeu, um die in 9 Nachtstunden 
zufliessenden 369 000 kb™ Wasser aufzunehmen. 

Folgt man den Vorschlägen des Herrn Fessel hinsichtlich 
der Zahl und Höhe der Stauwerke, dann ergiebt sich nach dem 
Vorhergehenden, dass 

1) zwischen Kosel und Oppeln 11 einfache Durchlässe mit 
Vorrichtungen zur Reguliruug des Wasserstandes - 
sein würden, von denen die drei letzten nächst 0| 
mit Abschlussthoren versehen sein müssten; ferne», »»■ 

2) zwischen Oppeln und Breslau 23 Doppeldurchläsao mit 
Thoren; uud dass 

3) zwischen Breslau und Küstrin C4 Doppcldurchlässe ohuc 
Thore erbaut werden müssten. 

Sänimtliche Durchlässe würden durchschnittlich 1,26™ Niveau- 
differenz zu vermitteln haben. Ohne Rücksicht auf die zu- 
lässigen Abkürzungen beider Enden wird hier angenommen, 
dass die Durchlässe je 1260™ lang werden müssen und dass 
dieselben zum Theil in ein Stromufer eingegraben und vom 
Flussbette durch Dämme geschieden werden. Die Dämme wür- 
den 1,5™ in der Krone breit, mit einfachen Aulagen, bis 0,3« 
Höhe über dem Wasserspiegel wie gewöhnliche Buhnen aus 
Steinschüttiingen oder Packwerk zu erbauen sein. Die Böschun- 
gen müssten mit Steinen gepflastert, die Sohlen müssten an den 
Oberhäuptern mit Heerdmauern versehen, auch hinter den Eiu- 
schräiiknngs- und Absehlussvorrichtuiigeu gepflastert, im Uebri- 
gen aber durch Schüttungen von grobem gereinigten Kies be- 
festigt werden. Zu periodischen Einschränkungen der oberen 
trichterförmigen Mündungen müssten Schützen in festen Gries- 
werken erbaut werden, uud zum vollständigen Abschlusa würdeu 
sich die in Hageu's Handbuch der W asserbaukuust 11. 2, Seite 
89 beschriebenen und Fig. 202 uud 203 dargestellten Thore eig- 
nen. Hiernach würden sich folgende Baukosten ergeben: 



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135 



A. für die einfachen Durchlässe ohne Thoro xwbchcn Kasel 
und Oppeln: 

1) 10"> Herdmaucr und 3»' Grieswerkc . . 6000 Thlr. 

4600 kb« Erdarbeit ;> 5 Sgr W , 

14175 kb» Steindamm » 1 Thlr 14175 , 

4194 □«» Pnusteruugeu a U Sgr 1258 „ 

CSfiorl" Bckiesung der Sohle « 6 Sgr. . I3H2 , 

fi) 12GO Pfähle nebst Bolzen » 4',, Thlr. . . r.<;70 „ 

7) 2520" Führungsbalkcn u 1'/» Thlr. . . . 3301) „ 

8) generelle Kosten abrundend .... . . 1878 , 

Summa A 34O0O Thlr. 

B. für die einfachen Durchlässe mit Thoren 
oberhalb Oppeln 400(10 Thlr. 

C. für die Doppeldurchlässc zwischen Breslau und Küstrin: 
11 21 kb"» Herdmauer » 19 Thlr 702 Thlr. 

9) 10558 kb" Erdarbeit ä 5 Sgr 1760 . 

3) 14175 kb™ Stein- oder Packwerksdamm 

k Vk TUf ikxh» . 

3780 n» Pnastcruugeu a 15 Sgr. . . . IV.iO , 

1(»38 T3 - Bckiesung » G Sgr 3388 , 

1260 PfShle nebst Bolzen k 5 Thlr. . . . 6300 „ 

2560» Führungsbalken a 1'/, Thlr. . . . 3840 , 

generelle Konten ■ . 1130 ._ 

Summa C 38OO0 Thlr. 
I). für die Üoppeldurchlässe mit Drehthoreu zwischen Op- 
peln und Breslau: 

1) Der Durchlas« nach 0 ohne, Herdmauer bei niedrigeren 

Material preisen 354MK) Thlr. 

2) ein einarmiges Drehthor . 15000 „ 

Snmma D 500O0 Thlr. 
Die ganzen KanalLsirungskosteu der Strecke ergeben sich 
wie folgt: 

I) 34 Nadelwehre zwischen Kosel und Breslau nach Fessel 



a 18000 Thlr 

2) 64 Nadelwehre unterhalb Breslau ebenso 

a 33600 Thlr 

3) 8 einfache Durchlässe laut Ueborschlag 

A zq 34000 Thlr 

einfache Durchlasse B zu 40000 Thlr. . 

Doppeldurchlässo I) , 50000 . . 
Doppoldurchlüssc 0 . 38000 „ 
34 Warteretablissenients oberhalb Breslau 
nach Hrn. Fessel * 2800 Thlr. . . . 
8) 64 desgl. unterhalb Breslau a :iO00 Thlr. 



A I 

4) 3 einf 

5) 23 Do 
C) G4 Do 
7) 34 WH 



618000 Thlr. 

2150400 

279000 
120000 

Ii- > 

2432000 

95300 



Dagegen 
iusen für 



7023600 Thlr. 

Schleusen 'für die Strecke Kosel- Küstrin nach Hrn. Fessel auf 
0420880 Thlr. Hierbei sind aber noch nicht die Kosten der 
von ihm in Aussicht genommenen und wohl dringend nöthigea 
Flossdurchlasse berücksichtigt 



Die jährlichen lteparatur- und Betriebskosten der Wehre 
und Durchlässe würden betragen: 

1) Beitaraturkosten nach Hrn. Fessel 1'**« von 7023000 

Tl.lr. Baukosten 87800 Thlr. 

2) Gehalt für !« Wärter ä 300 Thlr. . . . >.»'.! 100 , 
3} Gehalt für 20 stäudige llülfsarbeiter bei 

den mit Thoren versehenen Durchlässen 

ä 150 Thlr 31W0 , 

4) Für llülfsarbeiter zum Aufrichten und Nie- 
derlegen der übrigen 72 Wehre a 10 Thlr. 720 « 

SunrnTaTl 2 ISToTKIr 
Dagegen stellen sich für die genannte Strecke die jähr- 
lichen Reparatur- und Betriebskosten bei Anwendung von 
Schleusen nach Hrn. Fessel auf 157 050 Thlr. 

Ausser den Ersparnisse au Bau- und Unterhaltungskosten 
würden die Schiffsdurchlässc aber auch namhafte Vortheile für 
den SchifluhrtstH» trieb gewähren. Es darf angenommen werden, 
das« Dampfsehleoper am versenkten Tau mit ihren angehängten 
Lastkähnen auf dem aufgestaubin Stroms in jeder Stande 5 
Kilometer zurücklegen und bei der Bergfahrt die Durchlasse 
mindestens mit der Hälfte dieser Geschwindigkeit durchfahren 
weiden. Alsdann ergeben sieh für die 2 . 532.5 Kilometer 
weite Heise von Kosel bis Kiistrin und zurück 238,5 Stunden 
oder ungefähr 16 Tage Fahrzeit. Werden dagegei 
augelegt, dann brauchen die Schleppzügc: 

1) zur blossen Fahrt hin und zurück 213 

2) Mir und in den t>8 Schleusen auf der Hin- und 
Rückfahrt, selbst wenn die Züge immer in 2 
Abteilungen geschleust werden können, min- 
destens noch 1 17 Stunden 

zusammen 300 Stunde. i 
oder 24 Taue. Die Schleppzügc könnten also bei Anwendung 
von Durchlassen in derselben Zeit 3 Iteisen machen, welche bei 
Anwendung von Schleusen zwei Reisen erfordern. Der Aufent- 
halt gewöhnlicher Fahrzeuge vor und in den Schleusen pllegt 
durchschnittlich grosser zu sein, als soeben für Schleppzügc an- 
genommen war. Es mag dieser Aufenthalt aber nur elwu so 
gross gerechnet und dabei angenommen werden, dass die Kähne 
zum Passiren der Durchlässe auf der Bergfahrt Vorspann be- 
nutzen, so dass sie au ihrer sonstigen Fahrgeschwindigkeit nichts 
eiubü.ssen. Dann erspart jeder Kahn auf jeder Heise 147 Stun- 
den, oiler bei einer täglichen Fahrzeit von 12 Stunden 12 Tage, 
welche nach Herrn Fessel auf 2' , Thlr. für den Tag oder auf 
30 Thlr. Unkosten zu veranschlagen sind. Ein Vorspanngeschüft 
müsste schon bei einem Tarif von durchschnittlich 7'/, Thlr. 
für den Kahn und Durchlas» günstige Erträge liefen« Den- 
nach würden für gewöhnliche Kähne die Kosten des Vorspannen 
in den Durchlässen durch die Zeitersparnisse mindestens auf- 
gewogen werden. Es wird aber jeder Schiffahrtsbetrieb um so 
mehr Nutzen von der Anlage der Durchlässe statt der Schleusen 
ziehen können, je grösser .-eine Fahrgeschwindigkeit, das hebst 
j« vollkommener er ist. Albrccht. 



Von Laudbauiueister 

Einer der bescheideneren, in neuerer Zeit im Königreiche 
Sachsen ausgeführten Staütsbautcn ist das Gerichtsamts- 
Gehöfte zu Johanngeorgenstadt , welches an Stelle des hei 
dem grossen Brande am 20. August 1S«>7 eingeäscherten 
dergleichen Gebäudes in den Jahren 1868 und lsitü* erbaut 
wurde. Die durch Zukauf vergrößerte Baustelle hat eine 
Länge von ca. 30,40'" und eine Tiefe von 32.50™ und besitzt 
mit dem Nachbargehöfte eine gemeinschaftliche Einfuhrt, 
deren Ueberbauung vertragsmfissig dem Staate zustand. 

Die ungünstige Lage des Bauplatzes an der unteren 
Seite des sehr abhängigen Marktplatzes und das steil ab- 
fallende Terrain des erstcren, sowie die erforderte Anlage 
eines Nebengebäudes, eines Gefangenen hofes und eines Gürt- 
ehen* für den Beamten machten die Aufgabe insofern 
schwieriger, als bei den geringen Dimensionen der Baustelle 
Bäume der verschiedensten Art unter einem Dache ver- 
einigt werden mnssten und die hohen Preise aller Bau- 
materialien, sowie deren bedeutende Anfuhrkosten die grösste 
Sparsamkeit geboten. 

Das Hauptgebäude bestellt aus einem nach dem Hofe 
freiliegenden Kellergeschoss, einem erhöhten Erdgeschoss und 
erstem Stock. Es enthfdt im Kellergeschoss die Keller-, 
Wasch- und Baderänme, einen Kaum für abgepfündete 
Sachen und das Archiv mit eingebauter Heizkammer, im 
Erdgeschoss rechts des Einganges die Expeditionsräume 
des kleinen Gerichtsamtes, links des Einganges die Woh- 
nung des A ni -Wachtmeisters und ein paar Gefangenenzellen. 
Im oberen Stock befinden sich die Wohnungen des Ge- 
richtsbeamten und des Beidieners, sowie diu übrigen Arrest- 
lokalitaten. Die Zellen lur die Gefangenen, sowie die Woh- 
nungen des Amtswachtmeisters und des Beidieners sind um 
einen, durch beide Stockwerke gehenden Kaum grupnirt, 
ton welchem ans sowohl nach dem Kellergeschoss und Hof, 
iem im ersten Stock umlaufenden massiven 



Wanckel zu Zwickau. 

Gange eine Nebentreppe führt. Diese Anordnung ist getrof- 
fen worden, damit jedes Geräusch in den Zellen sofort von 
dem Aufsichtspersonal vernommen werde und dieses auf 
kürzestem Wege nach den betreffenden Lokalitäten gelangen 
kann, ohne die Haupttreppe betreten zu müssen. — Di« 
Verbindungsthüre nach dem Korridore im ersten Stock ist 
nur für etwaige Feuersgelahr bestimmt. 

Das Aeussere des Gebäudes ist mit Rücksicht auf die 
klimatischen Verhältnisse des ca. 755"' (2300 Pariser Fuss) 
über dem Meeresspiegel an steilem Berghange gelegenen 
Städtchens einfach gestaltet und mit steiler Dachuug ver- 
sehen. Die vier Eckvorlagen sind durch Giebel hervor- 
| gehoben, kleinere Mittelgiebel sind als Schutz der Hausein- 
' gauge vor Schneemtsch motivirt. Die Ausführung der Um- 
I fassungeu erfolgte von Granit- und bezüglich Schieferbrueh- 
steinen mit innerlichem Ziegelfutter, und /war im Keller- 
geschoss in Rohbau (au der Vorderfronte als (Juadermauer, 
an der Hinterfronte als Kvklopenmaucrwerk) , wogegen die 
oberen Stockwerke mit Spritzwurf von gleichgroßem Korn 
und Putzstreifen versehen wurden. 

Alle Simse und Fenstereinfassungen sind von rothem 
Rochlitzer Porphyr ausgeführt und dabei längere Stücken, 
des weiten Transportes und der dadurch vermehrten Zer- 
brechlichkeit wegen, thuulichst vermieden worden. Die 
Dachrinnen sind zur Sicherung gegen Beschädigung dnreh 
Sclmeerutsch in den Sims eingearbeitet und mit Blei ausge- 
schlagen. Die Stdksfugen der Simsplatten sowie die in die 
Stossflächen eingespitzten Nullit u sind mit Zement ausge- 
gossen und die Stösse selbst durch Tragsteine unterstützt 
In letzteren sind an der Oberseite Kinnen eingearbeitet, 
welche etwa durch die Fugen der Simsplatten dringendes 
Wasser aufnehmen und ausgiesseu. Vorspringende Sammel- 
becken leiten das Begenwasser ans den Rinnen nach den 
Abfallruhren, welche zur r ' 



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— 136 — 



zahlreich angebracht sind. Has Dach ixt mit englischem 
rechteckigen Sehabloneiischiefcr auf deutsche Art eingedeckt 
und der r'orstkamm von Zeinentguss hergestellt. Hie Fries- 
Tenderaagea, sowie die Inschrift nebst Wappen inussten 
aus Ersparnissrürksichten in Scraffito ausgeführt werden. 

Die vorerwähnte I^ago nnd «las rauhe Klima erheischten 
namentlich für Herstellung des Archivs die grßssto Vorsicht. 
Zn dem Ende wurde der südliche Flügel unter den Expo- 
ditionsrfiumcn, welcher die Anbringung von Fenstern au drei 



I lieh mit besonderen Schiebern versehen wurden, nm nament- 
lich an sehr kalten Tagen das unnöthige Entweichen der 
Wärme verhindern zu können. Diese Einrichtung, welche 
eine kräftige Somraerventilalien, auf die es hier auch nicht 
abgesehen war, allerdings nicht gestattet, hat vor dem von 
Kelling vervollkommneten Systeme, nach welchem die 
Heizkanäle im Dache münden, auch ihre Vorzüge, indem 
dabei das fortwährende Schmelzen des auf dem Dache liegen- 
den Schnees und das Ausfrieren der Dachrinnen vermieden 



pERICHTS-pEBÄUDE IN jlOHANN - pEORGENSTADT. 
Flg. 1. Xrdfii<k»s. Fl*, 1. Itaokwark. 




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.4. Vorhalte. 
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Ann' «l'»lni*H' T. 

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K. Ilranttcnilinmf-r. 
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G. L'trbtlllt nraum. 
tf. Vör|il«ls. 

J. J. 7M\tn für G«ranir*n#, 



*— r. W.ihnanit doi AnU-VuVtiili'tnl, 

K. Vor»»nl. 
L. W.>lni»lul>«. 
M. Vhlafclub*. 
V Kammer. 

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P, Sj.rl^lummer, 
f. Durriinfert. 



A, Cia«. 

B-K. WnHnimc iIm flcrlcSuVamtan. 
0. VunuK s 
C. Stlon. 

O. />, W'ihiulwra*r. 
K. Fi»m<l»nliiBmcr. 
r. flrhUfHiiba. 
«. Oirdcroli». 



Fix. 1*. Oefingnli».0f«n. Piln-tuftei tt- 



Fi(. *. Otting aiai-Naebtatokl. 



II. KSfk*. 

Je. MWr4i«-nknfnm»r, 
L, L, IHrinTilinwior. 
Jf. LVntlllenraani. 
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O.'Hlrilori'.ub». 



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Fl«. 4. FinU.mi, 




MuKltti in Fi«, i aml «. 



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Seiten gestattete, zn dessen Aufnahme verwendet, die Mauern 
uiil boltnchicfat und, soweit sie in dem Terrain stehen, mit 
einer grösseren Isolirmauer versehen, und überdem nicht nur 
hinter letzterer eine Drainage angelegt, sondern das Archiv 
auch heizbar gemacht. 

Die Bebeiz OltS des Gebäudes erfolgt theils mit erwärmter 
Luft, theils mittels Oefen. Mit Luft werden die Expeditions- 
lokalien, das Schlafzimmer des Beamten und das Archiv 
geheizt, in welches letztere zu mehrer Trockcnhaltnng, sowie 
zu thunlichstcr Verkürzung der Heizkanäle die Heizkammer 
eingebaut ward. Es ist hierbei das Helling' sehe System 
nach der früheren einfacheren Weise zur Auwendung ge- 
kommen. Hiernach sind ilie Heizkanäle nur bis an die 
/immerdecken geführt und daselbst abgedeckt, so dass nur 
die Ventilat ionskanülc im Hache münden, wo sie nachträg- 



— 



1 1 

100 Zmtinrttr. 



wird, welches in Folge der durch die Heizkanäle entweichen- 
den Wärme stattfindet und schliesslich das Herablaufen des 
Schneewassers an den Umfassungen des Gebäudes mit sich 
bringt. Her Kaltluftkanal konnte de« in dortiger Gegend 
vorkommenden starken Schneefalles wegen nicht direkt ins 
Freie geführt werden nnd mündet daher in Brüstungshöhe 
unmittelbar am mittleren Archivfenster, das von dem Heiz- 
raume aus beliebig geöffnet und geschlossen werden kann. 

Hie ganze Anlage, welche ausschliesslich der in den 
.Mauern liegenden Kanäle, jedoch einschliesslich des Kaltlnft- 
kanals etc. einen Aufwand von GH4 Thlr. erforderte, beheizt 
einen Gesammtraura von Mlkb" (2813 Kubikellen) Inhalt 
Es kommen daher auf je 100 kb m erwärmten Kaum circa 
133'/» Thlr. Anlagekosten. Her Heizanfwand ist trotz der 
Ventilation, unter Berücksichtigung der höheren Brenn- 



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138 — 



materialienpreisc, pro Raumeinheit nicht höher, als bei der 
Ofenheizung iu den früheren Lokalitaten, und würde sieh 
jedenfalls günstiger herausstellen, wenn die Bedienung nicht 
'durch den Beidiener, sondern durch einen besonders einge- 
übten Heizer erfolgte. 

Die Gefangenenzellen, welche gewölbt und mit Venti- 
lationskanülen versehen sind, werden zur Vermeidung von 
Kollisionen durch gnsseiserne runde Gefängnissöfen nach 
Figur 5 erwärmt, welche mit der Balkenlage versehraubt 
und deren Kästen mit dem gusseisernen Rühmen der mit 
Dornvcrschluss versehenen Vorgelegethür fest verbunden 
sind, so dass eine Abtragung des Ofens .Seitens der Ge- 
fangenen und deren Entweichen durch das Vorgelege ver- 
hindert wird. l>ie zur Aufnahme der Auswurfstoffe dienen- 
den Blechkübel stehen in einem hölzernen, in der Mauer 
nach Innen verschiebbaren Nachtstuhl, Figur (i. und können 
nach Aussen entfernt werden, ohne dass die Zelle betreten 
zu werden braucht, während der Gefangene den Kübel nicht 
von seinem Platze zu nehmen vermag. Der Verschluss er- 
folgt beiderseits mittels eiserner Thilren, von denen die 



äussere nur vom Wärter mittels Schraubenschlüssel geöffnet 
werden kann. Die sich entwickelnden Gase werden durch 
in der Mauer liegende Schamotterohre nach dem nahen 
Schornstein geleitet und so jeder Genach vermieden- 

Die Aborte werden durch trichterförmige, in den Decken 
angebrachte Abzüge und Holzschlotte, und die Grube durch 
einen 0,35™ und 0,-13CJ nl grossen gemauerten Dunstkanal 
ventitirt. 

In der Kaasenexpcdition, von welcher aus ein Hörrohr 
nach dem im ersten Stock gelegenen Schlafzimmer des 
Gerichts- Vorstandes geht, befindet sich ein Feuer- und Diebes- 
sicherer Kassen schrank mit eiserner Rückwand und Thören 
mit Aschefüllung. 

Der Bau des Hauptgebäudes hat einschliesslich des 
Durchfahrtsgebäudes, der vorbeschriebenen Einrichtungen 
und der Winterfenster einen Aufwand von ca. 22570 Tnlr. 
und der der ganzen Anlage sammt Schuppengebäude, Ein- 
friedigung und Schleusen etc., cinci 
24 500 Thlr. erfordert. 



Mittheilungen aus Vereinen. 



Architekten- und Ingenieur- Verein zu Hannover Haupt- 
versammlung am 10, März IS72. Vorsitzender Hr. Baurnth Hase. 

Nach erfüllter Abstimmung Ober die Aufnahme eines neuen 
Mitgliedes stattet Baurath Hagen als Vorsitzender der Kom- 
mission für Begutachtung der vom Verbände der deutschen Ar- 
chitekten- und Ingenieur-Vereine angeregten Feststellung einer 
llonorsrtaxc für Bau - Ingenieure Bericht über die Thütigkeit 
dieser Kommission ab. Die von Professor Baumeister aufge- 
stellten Grundsätze für die Houorartiixe der Bau -Ingenieure 
sind im Wesentlichen angenommen worden: eine von der Kom- 
mission verfasste Denkschrift giebt über die Motive der wenigen 
vorgenommenen Acmleruugeu vollkommenen Aufschlug«. Da 
die Verhandlungen über die. wie allseitig anerkannt wurde, 
überaus schwierige Materie viel mehr Zeit in Anspruch genom- 
men hatten, als vorauszusehen geweseu war, so hatte sich der 
Druck der Denkschrift verzögert und es war dieselbe nur einem 



Theilo der Mitglieder 
«teilt werden: die V. 



noch im Laufe des Sitzungstages zuge- 
Sammlung beschloss daher auf Antrag des 
Bauratlis Hägen, die Abstimmung über die Vorschläge der Kom- 
mission bis zur nächsten Hauptversammlung am 1. Mai zu ver- 
schielten. 

Hierauf hielt Herr Professor Launhardt einen Vortrag 
über die kommerzielle Traciruug der Verkehrswege. 

Bei Anfertigung der Vorarbeiten zum Bau eines Weges, 
gleichviel ob Kanal, Eisenbahn oder Chaussee, macht mau meist 
eine genaue Aufnahme der Tcrrainverbältnisse, begnügt sich 
aber mit einer oberflächlichen Schätzung der Verkehrsverhält- 
nisse. Bei der grossen Wichtigkeit, welche die letzteren für die 
einem Wege zu gebende Richtung haben, empfiehlt es sich, die- 
selben mit gleicher Genauigkeit wie die Terrainverhältnisse zu 
berücksichtigen. Werden also bei Tracimng eines Verkehrs- 
weges zunächst die Terrainverhältnisse ausser Acht gelassen 
und wird ein gleichartiges, horizontales Terrain vorausgesetzt, 
so kann auf Grund ihr Verkehrsverhältnisse die beste Tracu 
gesucht werden; mau erhält hierdurch die Verkehrs- oder 
kommerzielle Trace, deren weitere Ausbildung zur techni- 
schen Trace dann auf Grund der Terrainverhältnisse zu ent- 
wickeln ist. Bei der Traciruug muss als Ziel festgehalten wer- 
den, die Gesummt kosten des Verkehres auf dem ganzen Wege- 
zuge du einem Minimum zu machen. 

Die Feststellung der kommerziellen Trace stützt sich auf 
das Problem des Knotenpunktes, durch welches eine Entschei- 
dung darüber gewonnen wird, ob der Verkehr zwischen drei in 
den Ecken eines Dreiecks liegenden Punkten zweckmässiger 
durch Ausbau der Dreiecksseiten (Hier durch Anlage eines Kno- 
tenpunktes inmitten des Dreiecks bewirkt wird, von welchem 
aus Strahlen nach allen drei Orten gelegt werden. Die Lösung 
des Problem« des Knotenpunktes stellt die günstigste Lage des 
letzteren zunächst durch die Bedingung fest, das die Sinus der 
(Jabelungswinkel um Knotenpunkte sich verhalten müssen 
wie die kilometrischen Verkehrskosten der zu gabeln- 
den Strahlen. Um diese Bedingung erfüllen zu können bedient 
man sich einer vom Vortragenden mitgetheilten geometrischen 
Konstruktion, durch welche zunächst für zwei der gegebenen 
Orte ein Verkehrspol gefunden wird, von dem aus nach dem 
dritten Orte der Strahl geradlinig geführt werden muss. 

Die Feststellung der kommerziellen Trace in ibrer Gcsammt- 
heit beruht auf der wiederholten Anwendung des Problems vom 
Knotenpunkte: von der gegebenen Anzahl von Verkehrspunkten, 
welche der neuanzulegeude Verkehrsweg zu berücksichtigen hat, 
werden zunächst zwei derselben durch ihren Verkehrspol ersetzt, 
dann für den erhaltenen Verkehrs|H>l und den dritten Ort ein 
neuer Verkehrspol gesucht, und so fort bis nur ein Verkehrs- 
ort und an Stelle aller übrigen nur ein Verkehrspol vorhanden 
bleibt. — oe — | 

Architekten -Verein zu Berlin. Versammlung am 20. April 
IS"'.': Vorsitzender Ur. Quassowski, anwesend 151 Mitglieder 
und «.) (iäste. 

Nachdem Hr. Kendler im Namen der Exkursious-Kouuuis- 



siou für den lirojektirten Ausflug nach Dresden die letzte Hälfte 
des Juni in Vorschlag gebracht und dieser Vorschlag die Ge- 
nehmigung der Versammlung gefunden hat, richtet Ilr. Adler 
unter der Mittheilung, dass der angemeldete Vortrag wiederum 
ausfallen muss, au die Vereiusgeuossen die dringende Mahnung, 
sich eifriger au den Vorträgen betheiligen und darauf halten zu 
wollen, dass die einmal festgesetzte Reihenfolge derselben nicht 
gestört werde. 

In die diesmalige Lücke ist Hr. Franiius eingetreten, der 
über die Kettensehiffuhrt auf der sächsischen Ober-Elbe spricht 

Voraugcschickt werden einige Bemerkungen über die Be- 
schaffenheit der etwa 15 Meilen langen, innerhalb des König- 
reichs Snchsen liegenden Strömst recke und die Wirkung der 
seit 1W!I daselbst ausgeführten Korrektionen. Das Gefalle ist 
ein ziemlich gleiehmässigcs vou 1 : 3000, das Bett ein sehr grober, 
schotterartiger Kies mit Kieseln bis zu Eigrösso. Nachdem man 
bis zum Jahre ISG1 Versuche einer Korrektion mittels Buhnen, 
aber mit äusserst geringem Erfolge unternommen hatte, ist man 
seit jener Zeit zu dem Svstejne. kontinuirlicher Parallelwcrko 
übergegangen. Die Noruialbreite des Stroms ist zu U3"> ange- 
nommen. Die Ausführung der Parallelwerke geschieht in der 
Weise, dass bei Niedrigwasser zunächst zwei kleine Dämme von 
Steinbrocken geschüttet werden, welche dje Wurzel des Werks 
begrenzen; der Zwischenraum wird mit Kies ausgefüllt Nach 
Jahresfrist, wenn diese Anlage sich etwas gesetzt hat, wird dar- 
auf der eigentliche Damm von Kies mit l'/i resp. lfacher Bö- 
schung angeschüttet und mit einem regelrechten Pflaster von 
Sandsteinstücken befestigt Der Erfolg dieser mit grosser 
Energie ins Werk gesetzten Korrektion (von 1Ö61 bis 68 waren 
über 7 Meilen Parallelwerke mit einem Kostenaufwande von 
2,6 Millionen Thaler gebaut) ist ein sehr bedeutender; es ist 
ein« grosse Gleichmäßigkeit der Fahrrinne erzielt, deren Tiefe 
auf 3,3™ bei Mittelwasser und 1,3" bei Niedrigwasser angestrebt 
wird. Andererseits ist freilich der l'ebelstanä vorhanden, dass 
die Wasserflächen hinter den kontinuirlichen Werken zu langsam 
verlanden und daher stagniren. Obwohl das Hochwasser 9 bis 
1 1 »• über die Dammkroue steigt , so ist doch das Geschiebe des 
Flusses zu schwer, als dass ein bedeutender Niederschlag er- 
folgen könnte; es ist die Verlandung daher fast ausschliesslich 
auf das Kiesmaterial angewiesen, das die in fortwährender 
Thütigkeit begriffenen 4 grossen Dampfbagger fördern. Ferner 
genügt eine Korrektion für Mittelwasser noch nicht allen An- 
sprüchen, da sich bei kleinstem Wasser durch die von Grebenau 
nachgewieseneu Kiesverschiebuugen doch wieder eine serpentini- 
rende Fahrrinne bildet. 

Die Kettenschiffahrt auf der sächsischen Oberolbe, von einer 
in Dresden gegründeten Aktien-Gesellschaft 1869 zunächst auf 
einer kurzen Strecke eingerichtet erstreckt sich jetzt auf der 
ganzen, 4.ä Meilen laugen Strecke vou Schandau bis Magdeburg, 
uud ist es Absicht die Kette demnächst sowohl mit der ober- 
halb liegenden Kette im böhmischen Gebiete wie mit der unter- 
halb nach Hamburg führendeu zu verknüpfen. Die Stärke der 
sächsischen Kette beträgt 23 »">, auf einzelnen Strecken sogar 
2ü mm UII (i das Gewicht pro Meile etwa 1700 Zentner; sie verlegt 
sich iu Folge dieser Schwere seltener und verschiebt sich we- 
niger leicht durch Zufälligkeiten. Erprobt ist die Kette auf ca. 
500* Zug, wobei jedoch schon boi 380* eine Ausdehnung merk- 
bar war: die wirkliche Anstrengeng überschreitet gewöhnlich 
nicht 1U0 Z . Wenn trotzdem Brüche vorgekommen siud, so ist 
dies meist dadurch geschehen, das» beiin Emporbeben von 
Korpern aus dem Flussbette die Kette sich klemmte und einen 
plötzlichen Ruck auszuhalten huttc. Das Zusammenfügen der 
zerrissenen Kette mittels eines neuen Kettenschlosses ist übri- 
gens eine leicht und schnell auszuführende Operation, die zeit- 
weilig auch ohne solche zufällige Veranlassung erfolgt, wenn bei 
aussergewöhnlich hohem oder niedrigem Wasserstande eine Verlän- 
gerung resp. Verkürzung der Kette nothwendig wird. Die ße- 
türebtungen wegen einer Versandung der Kette haben sich nicht 
l«-stätigt: dieselbe wird während eines Winters ' 
etwa 1,5» eingebettet, der erste im Frühjahr 



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— 139 — 



Dampfer hebt sie jedoch ohne Anstrengung wieder empor. Als I 
Karioram int tu erwähnen, dass die Kette im Winter durch 
Ansatz von Grandel« zuweilen auf dem Wasser treibt; eine 
Verschiebung in der Lfiugeurichtung ist dabei jedoch n<>eh nicht 
vorgekommen. Die Entfernung der Kette vuu dem au ihr ge- 
henden Schiffe, in welcher eine Bewegung zunächst merkbar 
wird ist auf 300 bis 400" beobachtet worden. 

Das Prinzip der Kettenschiffahrt und die Einrichtung der 
Ketteudampfer dürfte den Leeern dieser Zeitung aus früheren 
Mittheilungen so weit bekannt nein, dass wir die Beschreibung 
derselben, welche der Vortragende gab, hier übergehen können. 
Der Dienst auf der betreffenden Strecke wird gegenwärtig von 
a Damufern versehen, deren jeder 50 lang, 7"' breit ist und 
0,5"> Tiefgang hat Die beiden Steuer werden von je einem 
Steuermann Dedient, die_ an schwierigen Stellen durch den 
Kapitain , unter dessen Kommando der Maschinist mit seineu 
Heizern steht, resp. durch den das Oberkommando über das 
ganze Konvoi führenden Zugführer unterstützt werden. Die 
Kettentrommeln haben 1,20 » Durchmesser und machen '27 Um- 
drehungen pro Minute, was eine Umfangs- rcsp.Scliiffggcschwiudig- 
koit von 1,(0" giebt, die gegen eine Strömung von L50» erzielt 
wird. Die Maschinen haben nominell i;o bis 80 Pferdekraft. 
Der Dampfer zieht hierbei entweder 20 leere Fahrzeuge, welche 
unter den lokalen Verhältnissen die Hauptfrucht bilden oder 
8 Stück bcladene Schiffe von der Durchschuittsgrüssc einer 
Tragfähigkeit von 3000« oder endlich 3 lieladene Schiffe von 
7 bis 8000* Tragfähigkeit; letztere 57— CO» lang, 7» breit, sind 
erst seit Einführung der Kettenschiffahrt in Anwendung. Die 
tagliche] Fahrt eines Dampfers zu Berg ist auf durchschnittlich 
11 Meilen zu veranschlagen, da leider durch die Flösserei zahl- 
reiche Unterbrechungen cutstcheu; die Vohernalime des Konvois 
durch einen Dampfer von dem anderen, die bei jeder Begegnung 
zwischen einem zu Thal und einem zu Berg fahrenden Dumpfer 
erfolgen niuss, da es nicht thunlich ist, die Schiffe von der Kette 
zu losen, nimmt hingegen nur etwa eine hallte Stunde in An- 
spruch. — Der Preis für das Schleppen eines leeren Fahrzeugs 
beträgt für Schiffe gewöhnlicher Dimension 1 Thlr. pro Meile, 
für die grössten 2.4C7 Thlr. pro Meile; für die Ladung werden 
pro 100 Zentner und Meile U,l Thlr. entrichtet- Die Fracht- 
kosten betragen daher für ein Schiff von 3000 2 Tragfähigkeit 
incl. Amortisation, Unterhaltung und Betrieb ü,Cl! Pfennige pro 
Zentncrmcile. Innerhalb der 3 Jahre seit Eröffnung der Kettcn- 
schiffahrt hat sich die Masse der transportirteu Güter bereits 
vordoppelt. 

Auf einige technisch besonders interessante Punkte naher 
eingehend, erörtert der Vortragende zunächst die Steuerfähig- 
keit der an der Kette geschleppten Züge. Dieselbe ist eine 
durchaus befriedigende, setzt aber allerdings voraus, das« die 
gehörige Sorgfalt und Vorsicht angewendet wird und dass nicht 
allein der Schlepper, sondern auch jedes einzelne geschleppte 
Schiff gesteuert wird. Der Zug wird derartig rangirt, dass zu- 
nächst dem Dampfer die grössten und schwersten Fahrzeuge 
folgen; besteht derselbe aus mehr als C Schiffeu, so werdeu 
dieselben paarweise gekuppelt Am Vordertheil des Dampfers 
sind 1 bis 2 Mann mit Bundstaakcu postirt, die demselben im 
Nothfall schnell eine seitliche Bewegung geben können; ebenso 
sind die Schiffer instruirt bei etwaigem Rehmen der Kette auf j 



ein Nothsigual des Zugführers ihre Fahrzeuge während der mo- 
mentanen Fortdauer der Bewegung so zu verdrücken, dass ein 
schädlicher Zusatntncnstoss nicht erfolgen kann Für die nötbige 
Sorgfalt dos Einzelnen sorgt ain Besten die Kontrolle der mit- 
intcicssiiton übrigen Schiffer. In der erteu Zeit bediente mau 
sich iu einer sehr schatten Kurve bei Meissen des Hülfsmittels 
eiues um Lande befindlichen Leitseils, au welchem das Schiff 
mittels entsprechender Querseile geführt wurde, doch ist diese 
Vorrichtung überflüssig geworden; der beste Beweis für die 
grosse Stcucrfühigkcit der Schleppzüge wird jedenfalls Iteim 
Pussircu der alten Dresdener Elbbrürke geliefert, deren Öffnun- 
gen nur la» betragen, während die Richtung der Fahrt auf die- 
selbe unter einem Winkel von 30 Grad trifft. 

Eine Stillung durch die mit der Strömung zu Thal fahren- 
den Schiffe findet nicht statt, da dieselben leicht ausweiche» 
können; sie sind hierbei seit Einführung der Kettenschiffahrt 
iii grossem Vortheil, da eiu Ausweichen seltener erforderlich 
ist als früher, wo jede» Schiff einzeln seine Fahrt machte. 
Ebenso bilden die Führen kein wesentliches Hindernis*, nachdem 
dieselben unter Beihülfe der Gesellschaft sämmtlich iu fliegende 
f ähren verwandelt worden sind; es ist hierbei gleichzeitig die 
Verbesserung angebracht worden, dass die Fährseile auf den 
zum Tragen des Seils dienenden Tonnen nicht mehr aufliegen, 
sondern unterhalb derselben befestigt, soweit ins Wasser herab- 
hängen, duss einzelne Schiffe über das Seil passiren können. 
Der schlimmste Feind der Kettenschiffahrt auf der Oberelbe 
sind hiugcgeu die. zahlreichen Flösse, die nicht anders passiren 
können, als, indem die Schleppzüge seitlich ausbiegen und stdl 
liegen. 

Der Redner schlicsst mit einem Vergleiche zwischen der 
Ketten- und Scilschiffuhrt Die letztere gewährt ausser dem 
Vorzüge grösserer Billigkeit auch den Vortueil, dass sich das 
Seil leicht von dem Scliiffe abwerfen liisst. sowie dass iu einem 
Wasserluufe 1 Seile gelegt werden können, was bei der Anweu» 
duug von Ketteu wegen der Möglichkeit einer Vcrsehliuguug 
nicht leicht zulässig ist Für Kanüle verdient daher die An- 
wendung des Seils deu entschiedenen Vorzug, während dir 
Flüsse mit stark wechselnden Wasserstauden die Wahl einer 
Kette deshalb sehr wesentlich in Betracht kommt, weil nur sie 
die Möglichkeit zeitweiliger Verlängerung resp. Verkürzung zu- 

In Beantwortung einer im Fragekasten enthaltenen Frage 
erörtert Hr. Schwedler die Bedeutung der Ellipse eines Träg- 
heitsmomentes. Hr. Plathner berichtigt eine Augabe, da-<s 
die von dem Mechanikus G reiner fabrizirten llcbcrburoincter sich 
bei deu Vorarbeiten zur schlesischen Gebirgsbahn als Messin- 
strumente sehr bewährt hätten; dieselben sind hauptsächlich zu 
meteorologischen Beobachtungen benutzt wurden, während einige 
durch Hr. Geh. Keg.-Rth. Malberg angestellten Messungsver- 
suche mit denselben nicht sehr günstig ausgefallen sind. Hin- 
gegen tlieilt Hr. Köder mit, dass er sich bei den generellen 
Vorarbeiten für die projektirte.Bcrliri-Drcsduer Bahn mit grossem 
Vortheile eines Annroidfl bedient und mit Hilfe dieses, im Wa- 
gen sitzend und theilweise sogar die Nacht zu Hülfe nehmend, 
innerhalb 3 Tagen 30 Meilen uivellirt habe. Die Fngenauig- 
keiten des Nivellement* hüben nicht mehr als 0,.'jO bis 1» be- 
| tragen. — F.— 



Die Reinigung und Entwässerung Berlins lautet der 
Titel eines Aufsatzes, den Hr. Geh. Reg.- und Brth. Opper- 
mann zu Königsberg unter dem Datum des ö- April d. J. ver- 
öffentlicht bat Ausgehend von dem Hobrecbt'schen Projekte 
der Entwässerung der Dorotheenstadt, der Friedriebstadt und 
Alt- Cöllns, das den städtischen Bcbördeu im Detail vorliegt 
und in einer Beilage der N. Pr. Ztg. ausführlich besprochen 
worden ist, äussert der Verfasser seine Bedenken gegen die da- 
rin vorgeschlagene Art der Reinigung und Entwässerung. Die- 
selben betreffen theils die Schwierigkeiten, sieh die für die Be- 
rieselung mit Kanalwasscr erforderlichen Ackerflächen zu \ er- 
schaffen, theils die Berieselung im Winter, theils die Verwendung 
glasirter Thonröhren, theils endlich die sanitäre Seite des Pro- 
jekte«, die dem Verfasser mindestens ebenso fraglich erscheint, 
wie die des älteren Wiebe'scheu Entwurfs, dessen Ausführung 
im Wesentlichen dieselben Anlagekosten von ca. 5,4 Millionen 
Thlr., hingegen um ■/. geringere Betriebskosten erfordert! würde. 

Will man auf das Wiebesche Projekt, dem Hr. Geh. Ruth 
Oppcrmann aus verschiedenen Gründen vor dem Hobrecht' 
sehen den Vorzug giebt .wegen sauilfitlicher Bedenken, aus öko- 
nomischeu Rücksichten und zur Förderung der Landeskultur" 
nicht eingeben, so muss die Abfuhr der Auswurfstoffe in's 
Auge gefasst werden, für welche in dem vorliegenden Aufsätze 
eine neue Idee angegeben wird. 

Es »oll die Reinigung der Stadt lediglich auf die Abführung 
des eigentlichen Klo.setwassers beschräukt werden, dessen Quan- 
tum für deu Bezirk innerhalb der früheren Ringmauer, der hier- 
bei dem Vorschlage zu Grunde gelegt wird, auf täglich 11p. 
1500 kb» (50 000 kV), d. h. auf ie «/,. kb' für jeden der 5OU0OO 
Einwohner veranschlagt wird. Zur Ansammlung dieser Waaser 
sollen unterirdische, vollständig geschlossene Zisternen die- 
nen, die in gehöriger Vertheiluug auf Strassen, Plätzen und 
Grundstücken angebracht werden und mit der äusseren Luft 
Mf durch kleine eiserne Schornsteine kommuuiziren sollen. 
Die Entleerung derselben soll mittels eines, durch eine statio- 



näre Dampfpumpe in einer eisernen unterirdischen Röhreutnur 
herzustellenden Vacuunis in Abl'ubrwägcn geschehen, die aus 
zvlindrischen eisernen Kesseln bestehen und mit der Röhreutour 
einerseits, dein Zistcrueuw-.isscr andererseits durch Schläuche 
efc. in entsprechende Verbindung gesetzt werdeu, Der Verfas- 
ser bezeichnet sein System, das jedoch die anderweitige Ablci- 
tuug sämmtlicher übrigen Hauswasscr voraussetzt als durch 
keinerlei lokale Verhältnisse oder technische Umstände erschwert 
und den Betrieb desselben als nicht belästigend. Die Anlage- 
kosten werden von ihm für deu obengenannten Bezirk auf 
WlOOUO Thlr., die Brutto -Betriebskosten auf 17t; WO Thlr. pro 
Jahr berechnet; bei Annahme einer pro Person zu erhebenden 
jährlichen Abgabe von 12 Sgr. und eines Erlöses von täglich 
100 Thli. aus dem Verkauf des abgeführten Klosetwassers er- 
geben sich jedoch pro Jahr 23b 500 Thlr. Einnahmen, also ein 
Ueberscbuss von 00500 Thlr-, der einer 10 pruzeutigen Verzin- 
sung des Anlage-Kapitals gleichkommt. 

Eine Kritik des Vorschlages glauben wir jedenfalls berufe- 
ncreu Kräften überlassen zu müssen. 



Zur Weltausstellung in Wien. Unsere Zeitung hat in No. 13 
vom 2S. März lö72 eine Aufforderung des Verbands -Vorstandes 
gebracht , durch welche die Mitglieder der deutschen Architek- 
ten- und Ingenieur-Vereine aufgefordert wurden, uu der bevor- 
stehenden Weltausstellung in Wien, bei welcher dem Bauwesen 
eine ganz besondere Berücksichtigung zu Theil werden soll, aufs 
Kräftigste sich zu betheiligeu. Diese Aufforderung geschah uuf 
Grund eines vom 14. März datirten Auftrages der Prcussiseheu 
I.andeskommission, deren erste allgemeine Bekanntmachung im 
Deutschen Reichs- Anzeiger vom 7. März erschienen ist, wäh- 
reud der Termin, bis zu welchem die Anmeldungen spätestens 
erfolgen sollten, auf den 15. April angesetzt war. 

Wir haben unseren Bedenken gegen die Kürze dieses Ter- 
mins, der uns von gewichtiger Seite als unabänderlich bezeichnet 
wurde, nicht Worte geliehen, um jedes störenden Einflusses auf 
die Entschlüsse unserer Fachgeuossen uns zu enthalten. Nach- 
dem der Termin nunmehr abgelaufen und für die deutsche 



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— 140 — 



Hauptstadt das Resultat feststeht, dass auf Grund joner Auf- 
forderung bot dem Architekten-Verein« zu Berlin eine ein zigo 
Meldung eingegangen ist, «rollen wir mit der Ansicht nicht 
zurück halten, dornt man seitens der leitenden Behörden nicht 
gut ander« hatte verfahren können, wenn man ohne direkte Ab- 
mahnung die Betheiligung der deutlichen Architekten und In- 
genieure auf das denkbar geringste Man»« herabdrücken wollte, 
nährend man zur Dis|>oniruug über die angemeldeten Einsen- 
dungen mehr als ein volles Jahr für nothwendig erachtet, wird 
den Interessenten — in diesem Falle den gerade in jetziger Zeit 
ruhelos beschäftigten deutschen Bautechnikerp — die Zumutbung 
gestellt, sich in einer Frist von 2 Vi Wochen über das Ob und 
Wie der Thciluahme klar zu werden; durch eine nicht ganz auf- 
geklärte Auslassung wird dabei sogar noch die Zweideutigkeit 
erregt, als ob für jenen Zweck nur Zeichnungen in einem ganz 
bestimmten Maasstabe zugelassen würden. 

Selbstverständlich sind wir weit davon entfernt in Jener 
Anordnung, deren Ursprung uns nicht einmal bekannt ist, irgend 
welche Absicht zu erblicken: sie dürfte lediglich einer am grü- 
nen Tische leider nicht gar so seltenen Hintansetzung der 
faktischen Verhältnisse zuzuschreiben sein; aber wir müssen das 
Resultat, das sich aus ihr zu ergeben scheint, um so mehr be- 
klagen, als es gewiss das lebhafteste Interesse aller Facbgeuossen 
ist, dass die Leistungen deutscher Architekten und Ingenieure 
bei dieser Gelegenheit den Wettkampf mit dem Auslände, vor 
Allem mit den hochentwickelten Leistungen am Ausstellungsort« 
selbst, mit Ehr:n bestehen. Barum richten wir an die öffeut- 
liche Meinung unserer Fachkreise, zunächst aber au alle die- 
jenigen Fachgeuossen, welchen eine Mitwirkung au den Vorbe- 
reitungen zur Wieuer Ausstellung obliegt, die dringendste Ritte, 
Alles was iu ihren Kräften steht aufzubieten, um eine nach- 
trägliche Aeuderung jener Bestimmung und uiue augemesseue 
Hinausschiebung des Anmelduugs-Tertuius 'zu erlangen. Die 
Möglichkeit die» durchzusetzen scheint uns ausser Zweifel, falls 
nur der Wille vorhandcu ist. Wir würden jedoch, falls betref- 
fende Versuche gemacht werden, empfehlen, sich uicht mit eiuer 
Frist bis zum SO. April, von der gerüchtweise iu politischen 
Blättern verlautet, zu begnügen, sondern deu neuen Termin zur 
Anmeldung der Ausstellungsgegenstände auf frühestens deu 
1. Juli d. J. 



Arbeitseinstellung im Berliner Zimmergewerke. Im 

Verfolge der in unserer letzten No. erwähnten Vorgänge sind 
Sonnabend^ den 20. April Seitens der dem Bunde der Bau- und 
Zimmermeister ungehörigen Arbeitgeber Berlins sämmtliche 
Zimmergesellen entlassen worden, nachdem die Versuche einer 
Einigung zwischen Meistern und Gesellen fruchtlos geblieben 



Lutzterc machten eine Zurückziehung der von deu Mei- 
stern einseitig festgesetzten Arbeits - Bestimmungen zur Vor- 
bedingung einer Unterhandlung resn. des Aufhorcus der par- 
tiellen StrikeB. Eine auf Montag den 22. April festgesetzte 
General - Versammlung der Meister soll eine Vereinigung des 
Baues der Zimmer- mit dem der Maurermeister zu einem Bunde 
der Gcwerbtreibendeu und in Konsequenz davun eine eventuelle 
Entlassung auch der Maurergesellen in Aussicht nehmen. Bio 
Wiederaufnahme der Arbeit soll jedenfalls erst dann erfolgen, 
sobald durch ein Eiuiguugsaiut die künftigen Arbeitsbedin- 
gungen mit deu Gesellen vereinbart 
in Berlin drohen übrigens auch iu dei 
ten Deutschlands, namentlich in Hamburg 
der Bauhandwerker. 



ier 
Sta- 
llungen 



Eine Auszeichnung Friedrich Schmidt's ist dem Wiener 
Meister kürzlich dadurch zu Theil geworden, dass das Royal 
Institute of British Architects die grosse goldene Medaille, welche 
es an hervorragende Architekten des In- und Auslandes zu ver- 
theilen das Recht besitzt, ihm verliehen hat. 

Die Aufstellung- eines Uebersiohtsplanea der für die 
monumentalen Staatsbauten Berlins disponiblen, im Staats- 
besitze befindlichen Baustellen ist, wie uns nütgethcilt wird 
bei Gelegenheit einer jüngst für die Auswahl niehrer solchur 
Bauplätze eingeleiteten Untersuchung in Anregung gekommen. 
Unstreitig hätte man Ursache eine so wesentliche Verbesserung 
der bisherigen Zustande zu begrüsseu, wenn auch freilich diese 
fast unbegreiflich erscheinen. Bis jetzt verfährt jede Behörde 
setbststäudig über die von ihr verwalteten Grundstücke und 
sind auf diese Weise Baustellen, die für daB Bedürfnis« anderer 
Verwaltungen von grosstem Werthe gewesen wären, rücksichts- 
los verkauft wordeu. Das Bedürfnis* die meisten der älteren 
Staatsbauten, die für die Gegenwart längst nicht mehr aus- 
reichen durch Neubauteu, zu ersetzen, sowie für eine gauze 
Anzahl neuerdings hervorgetretener Zwecke die entsprechen- 
den lokale zu schaffen, ist in Berlin ein so dringendes, 
dass es die höchste Zeit sein dürfte planmässig an die Auswahl 
und Reserviruug der betreffeudeu Bauplätze zu gehen, wie dies 
in anderen Städten, namentlich bei der Stadtcrweiteruug iu 
Wien mit so grossem Vortheil geschehen ist 



worden ist, hat ein quantitativ ausserordentlich reiches Resultat 
geliefert. Leider sind wir noch nicht in der Loge, unsern Lesern 
Genaueres über die Betheiligung liefern zu können, hoffen jedoch 
in der nächsten Nummer eine Liste der Konkurrenten zu brin- 
gen. Bis jetzt existirt eine solche nur über diejenigen , welche 
ihre Arbeiten mittels eines Ausclireibens an das Reicbskaiizler- 
Anit eingesandt haben, während eine grosse Anzahl von Kollis 
ohne ein solches noch nicht zur Auspackung gelangt ist. Jene 
Liste umfasst CA Namen aus fast allen Theilen Deutschlands, 
aus England, Frankreich, Belgien, Italien, Russland, Nord- 
Amerika u. s. w. ; im Ganzen dürfte die Zahl der Entwürfe um 
eiuige mehr als 100 betragen und über 1000 Blatt Zeichnuugeu 
umfassen, also einen Wertkampf darstellen, wie er auf diesem 
Gebiete wohl noch nicht stattgefunden hat Die Ausstellung 
erfolgt in den bekannten Räumen der Kunst -Akademie aus 
welcher die Wagner'sche Gemälde -Gallcrie bereits in gewohnter 
Weise ausgeräumt wird, lieber ihren Beginn verlaute) Zuver 
lässiges noch nicht ; wenn wir bei der energischen Hand, welche 
über dieser Angelegenheit waltet, auch einen möglichst kurzen 
Tennin annehmen, so halten wir es doch geradezu für nicht 
wahrscheinlich, dass die schwierigen Vorarbeiten, wie eine Notiz 
der Voss. Zeitung meldet, schon in dieser Woche beendet sein 
seilen. Wir venuutheu vielmehr, dass uusere Annahme iu 
No. 13, welche den Beginn der Ausstellung auf Anfang Mai 
veranschlagte, sich bestätigen wird. 



Dio Konkurrenz für Entwürfe zu einem Gebäude des 
Frankfurter Bankvereins, welche bereits iu letzter Nummer 
unseres Bau-Anzeigers angekündigt wurde, scheint uns die Auf- 
merksamkeit der Pacltgenossen so sehr zu verdienen, dass wir 
auch an dieser Stelle ausdrücklich derselben Erwähnung thun 
wollen. Wenn bereits dio Höhe der Preise — 6b'ii>'» resp. 
333 Vi Thlr. für blosse Planskizzen ohne Anschlug — eine aus- 
sergewohnliche ist, so können wir nach Einsicht des Programms 
und der Konkurrenz-Bedingungen versichern, dass augenschein- 
lich die Absicht vorliegt, aio Konkurrenz nach jeder Seite in 
würdigster und deu Interessen der Architekten entgegenkom- 
mendster Weise einzuleiten, wie dies durch Berufung auf die 
Grundsätze etc. des Verbandes auch ausgedrückt wird. Die 
kleinen Abweichungen gegen diese Grundsätze (nicht völlig 
genaue Festsetzung des Maasstabes uud uur 8tägige öffentliche 
Ausstellung) sind demgegenüber geringfügiger Natur. Der Grad 
der architektonischen Ausbildung soll der Klasse III in der 
Norm für architektonisches Honorar entsprechen; aus dem Pro- 

Sramni ist ersichtlich, dass der Schwerpunkt der Aufgabe iu 
er geschickten Disposition der Geschäfts-Räuinlichkeiteu liegt. 
Als Preisrichter fungiren die Hrn. Bankier F. Borgnis, Ar- 
chitekt IL Burnitz und Ober-Ing. P. Schmick. 



Personal- Nachrichten. 

Prcussen. 

Ernannt: Der Baumeister Lorenz zu Liegnitz zum Land- 
baumeister uud technischen Hülfscrbeitcr bei der Köuigl. Re- 
gierung daselbst . • 

Versetzt: Der Eisenbahn-Bauiuspektor Ben der in Han- 
nover au die Dircktiou der Oberscb lesischen Eisenbahn nach 
Breslau. 

Die Baumeister-Prüfung hat bestanden: Der Bauführer 
Heinrich Rudolph Rauch aus Lindau bei Culni. 

Bayern. 

Ernanut: Der Baubeamte bei der obersten Baubehörde, 
Fr. Seidel, z. Z. Kreisbau - Assessor bei der Regieruzg von 
Oberbayeru, zum Bezirksingeuieur bei der General - Direktion 
der Königl. Verkchrs-Anstalten. Der Oberiueenieur Gyssling 
bei der Bauabtheilung der Königl. General - Direktion der Ver- 
kehr» - Anstalten zum Oberingenieur bei der Betriebsabtheilung 



kehr» - Aus 
derselben. 



Brief- und Frage kästen. 



Konkurrenzen. 

Die Konkurrenz für Entwürfe zum Hause deB dout- 
aohen Ret .-hatag-ea , welche am l'>. April d. .1. geschlossen 



Hrn. M. in Cmz. Wir verweisen Sie auf unsere Erör- 
terung in dieser Nummer. Das» in irgend welcher Weise nach- 
träglich eine Verbesserung de» begangenen Fehlers erfolgt, hof- 
fen wir. Die Anmeldungen geschehen entweder direkt an die 
Ijimles-Kommission f. d. W. Welt-Ausstellung oder durch Ver- 
mittclung eines der deutschen Architekten- und Ingenieur- 
Vereine. 

Ilm- M. Kahn Söhne in Mannheim. Wir bedauern 
Ihrem in so allgemeiner Form ausgesprochenen Wunsche nicht 
entsprechen zu können. 

Ilm. L. iu Lyck. Wie uns mitgctheilt wird, führt das 
Ingenieur-Bureau von Nehtiich A Comp, iu Frankfurt a. M., das 
die Berechtigung zur Auwendung des Brainard- Patentes vom 
Erfinder selbst erworben hat, derartige Eiskeller-Anlagen aus. 

Hrn. W. Sch. in Altona, Wir legen Ihr« Frage: „Welche 
Fabrik liefert die leistungsfähigsten Maschinen zum Schneiden 
von Steinplatten?' unserem Leserkreise vor. 

Beiträge mit Dank erhalten von den Hrn. V. in Saarbrücken, 
P. in Magdeburg (iu No. 14 Quittung zufällig weggebliebeu), M- 
in Hamburg. _______ 



toh Carl U.elili i> 



Utk. »o«. Ctbfud.r Pick. Mi. 



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Jahrg. VI. M 18. 

DEUTSCHE BAUZEITUNG 



R*iUktion n. Expedition: 
U*rtin, Oriatraitra**« 10t. 




Organ des Verbandes 

deutscher Architekten - und Ingenieur-Vereine. 

Rodakteur K. E. 0. Fritich. 



Intar.tfl 

1 dir Lnct der tmatheu 



„B*a-Anwlgi-T" 

urrJawpreu: Jfi StfL 



Preis 1 Tkaler pr« Qiartal. 


Berlin, den 


2. Mai 1872. 


1 TM'fn int jrilcn PftHUtratag. 


Inb.lt: l>lc Konkarreai für Kniwürfe tum Hanar 'd». dralanh«. R*kh«- 
Ugta !, — Die KuniialMnrn KlaHili.nnru. - Zur Kliithrllunit der Balken mit 
IreUI.^-eiiden Stuui.uiiklfii. - MIlth.llunR.n au. Vrrri.i.: Artaitekten- 
V»r.ln ... f«'^- Vw J» M«..»»nkuiKi. ta "«"J^- ^V,™'"" h, " : 


«artigen BauthätlKkelt Horum. - Au. der Fuc Ii 1 1 1 teral n r; AUgtai.ine Baa- 
leitunir, Janr*. UM. — Konkurre.itn- Monata-Aufiralien für ilen Architekten- 
Verein in Berlin tun l. Jaul 1*1». - Konkurrei.» für Schrift über die Pateat- 
fraa*. - Entwürfe um B.a einer Kirche In Bach. — l'.r.on al- Nachriohlan etc. 



Die Konkurrenz für Entwürfe zun Baase des Deutschen Reichstages. 



I. 

Kaum ist mehr als ein Jahr vergangen, seit zuerst der 
von allen Seiten mit freudigem Einverständnisse aufgenom- 
mene Gedanke ausgesprochen wurde, in dem Hause für die 
Vertreter des geeinigten dentschen Volkes ein würdiges Denk- 
mal dieser Einigung auf/.urirhten durch die geraeinsame That 
und im Wettstreite der besten künstlerischen Kriifte dt>r Na- 
tion. Schneller, als wir dies unter früheren Verhältnissen 
hatten erwarten können, hat der als frommer Wunsch ge- 
äusserte Vorschlag durch die Zustimmung von Reichstag und 
Keichsregierung feste Form und Gestalt gewonnen und schon 
sehen wir in dem Abschlüsse der allgemeinen und öffent- 
lichen Konkurrenz, aus welcher der Entwurf des Werkes 
hervorgehen soll, den ersten bedeutsamen Schritt zu seiner 
Verwirklichung gethan. 

Nach alledem, was wir in den einzelnen Entwicklungs- 
stufen der Angelegenheit bereit« für und über diese Konkur- 
renz Beschrieben haben, halten wir es für überflüssig, gegen- 
wärtig noch einmal auf die allgemeine Bedeutung derselben 
Soweit dies nothwendig ist, werden wir es 
r und nutebringender thnn können, wenn wir 



Wie 



ihre 



nicht allein in den Kreisen der 
im Volke selbst gewürdigt wird: 
dafür ist wohl ein sprechendes Zeugniss idas außergewöhn- 
liche Interesse, das sich schon jetzt für sie kund giebt, be- 
vor noch die öffentliche Ausstellung der Entwürfe ihren 
Anfang nehmen konnte. Wenn die Vorbereitungen für diese 
Ausstellung auch beschleunigt worden sind, so bringen es 
die bekannten traurigen Zustünde der öffentlichen Kunst- 
titute Berlins, welche ein einziges Lokal für solche Zwecke 
Disposition haben, doch immerhin mit sich, dass einige 

Es ist schwer gewesen 
l zn zügeln, welche 



begierig waren, bereite einen verstohlenen Einblick in das 
vorliegende Material zu gewinnen, noch schwerer die sehr 
berechtigten Wünsche aller derer zu vertrösten, welche auf 
das Schleunigste nach Nachrichten über das Ergebniss der 
Konkurrenz verlangten. Haben doch diese Verhältnisse es 
veranlasst, dass die Berichterstatter der politischen Presse 
in der Unmöglichkeit, genauere und authentische Mitthei- 
lungen zn machen, sich mit Gerüchten und Phantasien — 
vor Allem über die Bedeutung der aus England eingelaufe- 
nen Arbeiten — haben genügen lassen, die einer starken 
Berichtigung bedürfen werden. 

Als Termin für die Eröffnung der Ausstellung, deren 
Dauer programmgemäss 4 Wochen betragen soll, ist nun- 
mehr Donnerstag der 2. Mai offiziell festgesetzt worden, und 
zwar mit der speziellen Bestimmung, dass die Vormittags- 
stunden den Reichstegs-Mitgliedern und der Jury, die Nach- 
mittagsstunden dem grossen Publikum gehören sollen. Der 
direkten Erlaubnis* des Reichskanzler-Amtes und dem frennd- 
lichen Entgegenkommen der bei den Vorbereitnngsarbeiten 
igten Fachgenossen verdanken wir es, dass uns schon 
le flüchtige Kenntnissnahme der Entwür 

mit der Eröffnung der 




Deutschland. D i«i 

1. Strack 4 nerrmann, Berlin «' 

2. Ende 4 Beckmann, Berlin 9 

3. Uropius & Schmieden, Berlin 16 

4. v. d. Hude 4 Uennicke, Berlin 9 

5. Kayser 4 von Grossheim, 

Berlin 8 
C. Ebe & Benda, Berlin 11 

7. Fr. Schwechten 4 M. Hellwig, 

Berlin 8 

8. Fricbus 4 Lange, Berlin 11 

9. Triescthau 4 Schäfer, Berlin 9 

10. Wuttke 4 Enders, Berlin 13 

11. Aug. Orth, Berlin 10 

12. Horm. Spielburg, Berlin 9 

13. T. Milczewskv Berlin 8 

14. August Tiede, Berlin 8 

15. E. Haeseke, Berlin 11 

16. Hubert Stier, Berlin 8 

17. Herrn. Eggert, Berlin 11 

18. .1. Merzenich, Berlin 10 

19. P. Fingerling, Berlin 10 

20. G. Uildobrandt, Berlin 9 

21. Gorgolewski, Berlin 9 

22. von Delden, Berlin 8 

23. Schumann, Berlin (z. Z. Galatz) 5 

24. R. Scholtze, Berlin (z. Z. Cairo) 9 

25. R Berlin 10 

26. Reichert 4 Kirchhoff, 



27. 
2«. 
29. 
30. 
31. 
32. 
83. 
34 
35. 
3«. 
37. 
38. 
39. 
40. 
41. 

42. 
48. 
44. 
45. 
46. 
•17. 
48. 
49- 
50. 
51. 
52. 

53. 
54. 
55. 



theiligten bringen 

Die gross« Zahl der Arbeiten, die 
Zeichnungen umfassen, hat es 
allein sammtlielie Ausstellungsräume der 
in Anspruch zn ne 
gebaute niedrige Zwischenwände noch zu vergrftssern. Die 
Anordnung der Entwürfe ist bei der Schwierigkeit und Ver- 
antwortlichkeit, die mit jedem anderen System verbunden 

nen derart erfolgt, dass die Ent- 
der demselben Lande oder derselben Provinz nngehö- 
Architekten nach Möglichkeit vereinigt wurden. Wir 
bei Aufstellung des nachstehenden Verzeichnisse* das 
zu Grunde gelegt. 

56. Lampe, Zwickau 0 

57. L. Bohnstedt, Gotha 15 

58. 11. Becker. Bernburg 8 

59. Lang« 4 Bühlmann, München Iii 

60. Lorenz Bauer, München 8 

61. Mezger, München 7 

62. G. Eber lein, Nürnberg 

63. 11. Nisle, Stuttgart 5 
64- Haas 4 Wo lfr, Württemberg 8 

65. Dürrn 4 Lang, Carlsruhe 9 

66. Rud. Recltenb ach er, Carlsruhe 7 
87. Weinbrenner, Mannheim 7 

68. W. II am au u, Ueilbronn 9 

69. Horst (fraglich) 6 

70. Prcusor (fraglich) 6 



Ruckert, Glogau 
Hntzeii, Goslar 
Pflaume, Cöln 
R Cremer, Aachen 
Tochtermann, Aachen 
Gebr. Frings, Crefeld 
Fuchs, Boppard 
A. Güldenpfennig, Paderborn 
Scharrath, Bielefeld 
Mylius, Frankfurt a. M. 



8 
9 
10 
1 

9 
9 
5 
6 
5 
10 



Oskar Sommer, Frankfurt a. M. 11 



H. Moritz, Frankfurt a. M. 6 

Jordan 4 Hoim, Hamburg 7 

Eggera, Bremen 11 

E. Klingenberg, Oldenburg u. 
Berlin 10 

G. A. Demmlcr, Schwerin 7 

C. Luckow, Schwerin 10 

Grell, Schwerin 5 

C. Dümmler, Schwerin 8 
Krüger, Dömitz 

F. A. Wanstrat, Braunsohweig 7 
Gösling, Pyrmont 8 
A. Pieper, Dresden 8 
W. Rettig, Dresden 6 
Alfred Hauschild, Dresden 8 
P. Weidner und O. Jummel, 

Dresden und Leipzig 7 

Const. Lipsius, Leipzig 10 

R Weber, Leipzig 8 

G. Ehrig, Chemnitz. 8 



71. Alois Wurm, Wien 

72. F. Iloal, Wien 

73. A. Lange, Wien 

74. Philipp teideufrost, Wien 

75. Otto Oirard, Wien 

76. Jos. Benischek, Wien 

77. E. Steindl, Post 

Niederlande und Belgien. 

78. Gugcl. Delfft nnd Emmerich 

79. II. J. Morro 

80. C Muyskon, Holland 

81. „Elk zyn gedacht., Gent 



C 
6 
9 
4 
7 
6 
15 



6 
8 
7 
8 



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Grossbrittannicu. 

82. W. J. Green, Loodoo 
Kl. Edward El Iis, London 
84. Philipp E. Masey, " 
85- Kerr, London 
8C. William Emerson, London 
87. J. H. Spanton, London 
S8. Friedrich Sang, London 
89. Geo. Gilbert Scott & John 



Scott, Lon( 
90. John Toner, 



8 
6 
8 
9 

12 
8 

II 

IS 

7 



91. Edward W. Godwin A Robert 

W. Edis, I-ondon 7 

92. Thomas Turner, Dublin und 

Belfast 7 

93. L. Dcville, London 8 

94. Walter W. Robertson. London 8 

95. R. Stark W ilkinson, London & 

Torquay 3 

9G. J. B. Waring, London 10 

Frankreich . 
97. Francoia Roux 4 Christ Blaue, 



Paris und Berlin. 9 

98. C. Junk, Paris 9 

99. Heiur. v. Geymüllcr, Paria 7 

Italien. 

1U0. Francesco VeBpignani, Pietro 
dclk Vallc* RodolfeA. Lau- 
ciani, Rom 9 

101. Pio Benignctti, Rom 2 

Amerika. 

102. S. West, Washington 4 



K 



on- 



Ueberblieken wir das äusserliche Ergebnis» der 
knrrenz, wie os zunächst in dieser Liste sich darstellt — 
und auf Weiteres kann die vorliegende Einleitung unseres 
Berichtes sich wohl kaum erstrecken — so darf leider nicht 
verschwiegen werden, dass die weitgehenden Erwartungen 
und W'ünsche in Betreff einer allgemeinen Betheiligung der 
deutschen Architektouschaft an dieser Aufgabe sich nicht 
erfüllt sehen. 

Es hat keinen sonderlichen Werth zu untersuchen, welche 
Ursachen hierfür verantwortlich zn machen sind. Vielleicht 
ist die in weiten Kreisen getheilte Verstimmung, dass man 
uns dieser Konkurrenz um eine nationale Aufgabe ohne Noth 
eine internationale gemacht hat, nicht ohne Einfluss geblie- 
ben; ebenso mögen die Unbekanntschaft mit den materiellen 
Erfordernissen des Programms, dem leider die von uns em- 
pfohlene Erläuterung nicht geworden ist, — die angewöhnte 
Karze der Zeit und die Anforderungen, welche der Zwang 
des für Skizzen entschieden zu gross gewählten Maasstaltes 
stellten, theilweise das Ihrige gethan haben. Noch grössere 
Bedeutung messen wir dem Umstände bei, dass augenblick- 
lich fast aller Orten eine Fülle direkter und drängender 
Bauaufträge so manche Kraft ausschliesslich in Anspruch 
nimmt, während wir nns nur schwer der Ansicht anschliesscn 
können, dass viele Architekten von Ruf nur dann auch auf 
eine Konkurrenz von dieser nationalen Bedeutung sich ein- 
lassen, wenn ihnen mit einer direkten Aufforderung die Be- 
zahlung ihrer Arbeiten zugesichert wird. — Thatsache ist es 
jedenfalls, dass wir mit Ausnahme Berlins unter den Kon- 
kurrenten eine namhafte Zahl von Männern vermissen, die 
wir als treffliche Vertreter deutscher Baukunst verehren und 
von denen wir zum Mindesten einigen zu begegnen hofften. 

Ohne Nflmen zu nennen, konstatiren wir doch, dass die 
grosse hannoversche Schule, das» die zahlreiche Architek- 
tenschaft Hamburgs und Württembergs fast unvertreten ge- 
blieben ist, dass Hessin ganz fehlt und auch die Betheiligung 
Bayerns weitaus unter der Bedeutung dieses Landes steht 
El>en so schwach ist der Antheil der preussischen Provinzen, 
während Sachsen und namentlich Mecklenburg ein regeres 
Interesse entfaltet haben. Dass von den Architekten Oester- 
reichs, wo die architektonische Thätigkeit gegenwärtig in 
grösserer Blüthe steht, als irgendwo im deutschen Reiche, 
nur so wenige mitkonknrrirt haben und dass unter diesen 
bekannte Namen fehlen, mag allerdings wohl noch anderen 
Gründen zuzuschreiben sein. 

Demgegenüber ist es eine erfreuliche Thatsache, dass 
die Berliner Architektenschaft in desto grösserer Vollzählig- 
keit auf dem Kampfplätze erschienen ist Kaum 4 bis G 



Namen ans der Reihe derjenigen, welche zu einer solchen 
Konkurrenz berufen erscheinen, werden vemiisst und auch 
diese hat zum Tbeil nur der Zwang äusserer Verhältnisse 
fern gehalten. Wohl ist die Stellung der Berliner Architek- 
ten zu dieser Aufgal>e, wie früher bereits zu der des Dome», eine 
andere als die ihrer deutschen Fachgenossen; denn neben dem 
kleinen Versprenge, den ihnen die Kentniss der lokalen Ver- 
hältnisse gewährt, ist es Ehrensache für sie, an dem 
Wettstreite, der einem Bauwerke ihrer Stadt gilt, sich zu 
hetheiligen. Aber immerhin scheint es uns der wärmsten 
Anerkennung würdig zn sein, dass sie dieser Verpflichtung 
sich hewusst geworden sind und die Opfer nicht gescheut 
habm. welche ihnen dieselbe auferlegte. l)enn mit wenigen 
Ausnahmen sind es auch diesmal nicht etwa die Beamten, 
welchen der Staat die Leitung seines Bauwesens anvertraut 
hat, sondern die augenblicklich mit einer fast erdrückenden 
Last der dankbarsten Aufträge beschäftigten Privat- 
Architekten, welche in erster Linie für die Ehre der heimi- 
schen Architekturschule eingetreten sind. 

Leidet unter diesen Verhältnissen die Konkurrenz an 
einer gewissen Einseitigkeit, welche es nicht gestattet, ihr 
Ergehniss als ein anch nur annähernd getreues Bild der 
architektonischen Leistungen und Bestrebungen in den ver- 
schiedenen Gauen Deutschlands zu betrachten, so ist es hin- 
gegen ein eigentümliches Interesse derselben, dass sie in 
höherem Grade als wohl je eine frühere deutsche Preisbe- 
werbung, eine internationale genannt werden kann. 

Vor Allem ergiebt sich Gelegenheit zu einem Wettkampfe 
zwischen deutscher und englischer Kunst. Nicht weniger als 
15 Entwürfe, darunter solche von bekannten und bedeuten- 
den Architekten, sind aus'England eingetroffen und wir er- 
wähnten oben bereits der ziemlich voreiligen Bewunderung, 
die denselben im Voraus entgegengetragen worden ist. — 
Wäre Frankreich es nicht gewesen, dessen Niederlage der 
Aasgangspunkt für die Errichtung des deutschen Reiches 
geworden ist, so möchten wir, nach dem Vorgange der Wiener 
Rathhaus- Konkurrenzen, anch wohl auf eine ebenso starke 
Betheiligung national-französischer Architekten rechnen kön- 
neu. Sie ist in taktvoller Weise unterblieben; denn unter 
den 3 Pariser Namen sind zwei bekannte Deutsche und auch 
der dritte ist mit einem Deutschen kombinirt. — Mehre Ent- 
würfe haben die Niederlande und Italien, einen Amerika ge- 
liefert, von wo dem Vernehmen nach noch mehr» andere 
angemeldet und unterwegs sind, aber wohl schwerlich noch 
an der Konkurrenz Theil nehmen dürften. Hingegen hat 
sich das, was über den Antheil russischer Architekten ver- 
lautete, als ein lrrthum erwiesen. (F«uwinng fei*.) 



Die Rumänischen Eisenbahnen. 

Mit Abbildungen tat 8*it< 145. 



Nachdem durch Gründung einer Aktien-Gesellschaft der 
Rumänischen Eisenbahnen die unerquickliche Angelegenheit 
einen, wenn auch nicht überall In-friedigenden, so- 
i allen Theilen angenommenen Ausgleich gefunden 
hat und somit auf schwebende Verhandlungen in keiner 
Weise mehr eingewirkt werden kann, dürfte es an der Zeit 
und immer noch von Interesse sein, wenn auch in diesem 
Blatte einige Mittheilungen über die genannten Bahnen ver- 
öffentlicht werden. 

Es kann in einem technischen Organ sich selbstver- 
ständlich nur um den technischen Theil der Angelegenheit 
handeln und soll daher die Frage nicht weiter ventilirt wer- 
den, wo und an wem die Schuld lag, dass das von vorn 
herein entschieden aussichtsreiche Unternehmen nicht reus- 
sirte nnd nicht reussiren konnte. Nur soviel sei hier be- 
merkt, dass es während des ganzen Baues an einer Persön- 
lichkeit fehlte, welche das Unternehmen sowohl dem Pub- 
likum wie den Behörden gegenüber in geeigneter W r eise re- 
prüsentiren konnte. Die Ansprüche, welche in dieser Be- 
ziehung der an den Schliff französischer Umgangsformen 
gewöhnte gebildete Rumäne stellt, sind nicht leicht zu be- 
friedigen und eine völlige Sicherheit des Auftretens ihm 



gegenüber notwendiges Erfordernisa. Für den rein tech- 
nischen Theil des Unternehmens hätte einem solchen Re- 
präsentanten ein gewiegter Bau- Ingenieur, mit den ausge- 
dehntesten Vollmachten ausgestattet, zur Seite gestellt wer- 
den müssen. — 

Der interessanteste Theil des ganzen Baues war un- 
streitig die Zweigbahn von Barbosc nach Galatz 20 K " lang. 
Während die Hauptlinic von Roman über Galbini 20"™, Ba- 
kau 24 Km , Phantom 14 Kn ", Racaciune 12 K «\ SaskutlS Km , Adjuil 
14 K », Pnfesti 8 K », Maracesti 18*» Teeueiu 20 K », Ivesti 20*-, 
Preval 20 Kra , Serbesti 17 K » Barbosc 13«", Braila 20 K '°, 
Muftia 21 Km , Janca 19«», Fureni 20 K », Cilibia 20"», Bu- 
ceo 20 K », Ulmeui IS*», Mezilu 16 K ", Albesti 17 K -, Plo- 
jesti 18"" Crivina 20«», Peris 1 1 K "', Ruft» 11""», Chitilla 
8"™, Bukarest 11 K - erreicht und somit 468 K «' lang ist, 
zweigen sich von dieser Hauptbahn folgende Zweigbahnen 
ab: in Teeueiu über Ghidigeni 25«"' nach Berlad 24 K -, so- 
mit in Summa 49 Km lang; von derselben Station Tecuciu 
nach dem stehenden Lager von Forczeni wenige Kilometer 
lang; in Barbosc die Zweigbahn nach dem Haupthafenplatz 
der unteren Donau, Galatz 20 K ™ lang; in Braila die nur kurze 
Hafenbahn; sowie endlich in Chitalla über Preseaca 19«», 



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- 143 



Tltu 22*- Gaesti 18*™, Moara 21 K ™, die Zweigbahn nach 
Pitesti 16 K ™ in einer Gesammtlänge von !>«"« ah. Diene 
letztere Zweighahn ist bestimmt bis zur österreichischen 
Grenze bei Turn Severin fortgesetzt zu werden. Von diesen 
Bahnen sind nur die beiden Strecken Barbosc- Galatz und 
Bukarest -Chitilla zweigeleisig, alle übrigen eingeleisig pro- 
jektirt und ausgeführt. 

Während das Terrain aui der Strecke Tecuciu-Bukarest 
im Allgemeinen günstig ist und keine stärkeren Steigungen 
als 1 : 200 vorkommen, hat der Theil Tecuciu-Roman schon 
mit grösseren Terrain - Schwierigkeiten zu kämpfen, da die 
Ueberschreitung einer Anzahl ansehnlicher Wasserlaufe be- 
deutende Brückenbantcn mit anschliessenden ansehnlichen 
Dämmen, und die zwischen den Flussthälera liegenden Was- 
serscheiden grosse Einschnitte nöthig inachen. Die bedeu- 
tendsten Schwierigkeiten waren aber auf dVr Strecke Galatz- 
Barbosc zu überwinden. Die direkte Entfernung der beiden 
Bahnhöfe beträgt etwa 7 bis8 Km , musste aber in Folge der 
zu überschreitenden Wasserscheide zwischen der Donau und 
ihrem bedeutendsten Nebenflüsse im unteren Theile ihres 
Laufes, dem Sereth, bis auf 20 K ™ entwickelt werden, wobei 
dennoch Gradienten von 1 : 100 bis 1 : 90 angewendet wur- 
den. Es ist dieses ein um so ungünstigeres Verhältnis*, als 
alle von und nach dem Haupthafen Rumäniens spedirten 
Frachten diese ungünstigen Steigungen und Kurven passiren 
müssen. Die unter Fig. 1 gegebene Situations-Skizze ver- 
anschaulicht dieses besser, als eine Beschreibung es vermag. 

Es ist eine eigentbüinliche Terrain -Formation, welche 
die Bahn gleich nachdem sie den Bahnhof Galatz verlassen, 
passirt; 20 bis 30™ hohe steile Wände, durch zahlreiche nicht 
minder tiefe und steile Schluchten unterbrochen, fallen fast 
senkrecht mit geringem Vorlande nach dem Bratis-Seo ab. 
Aus einiger Entfernung glaubt man kahle Felswände, ähn- 
lich denen der Sächsischen Schweiz vor sich zu haben, und 
doch bestehen diese Bildungen nur aus einem äusserst fei- 
nen, in den steilsten Böschungen stehenden sehr fruchtbaren 
Lehmboden. Die meisten Keller in Galatz sind nur in die- 
sen Boden gegrabene Gänge und Löcher, ohne die geringste 
Auszimmerung weder an den Wänden uoch der Decke. Es 
giebt in Galatz Weinkeller, die sich unter mehren Häusern 
und der Strasse in weitverzweigten Gängen ausdehnen, ohne 
dass dieselben irgendwie abgesteift oder ausgemauert wären. I 
Diese Terrainbildung kehrt übrigens in Rumänien vielfach I 
wieder. Die hohen Ufer des Sereth, des Prath, der Briada, 
die Rebenhügel des berühmten Weinortes Odobesti bei Fok- 
sani bestehen aus dem gleichen feinen Lehm; in einem am 
Sereth ausgeführten ca. 20"" tiefen Einschnitt ist auch nicht 
die geringste Veränderung des Materials wahrgenommen 
worden, kein Stein wurde in dem ganzen Einschnitt gefun- 
den und die Arbeiter gruben sich in den fast senkrechten 
Wänden Höhlen und Lagerstellen, ohne das Abbruche oder 
Kut*chungen eingetreten wären. Derselbe Stoff ist es auch, 
ans dem ein grosser Thcil der Strassen in Galatz besteht, 
der im Winter von der Nässe erweicht ohne Abzugsgräben 
derartig bodenlos wird, dass die Droschken (Birja) bis an 
ilie Axen der Räder im Kothe fahren und der Verkehr nur 
zu Wagen oder in langen Wasserstiefeln bewerkstelligt wer- 
den kann. Im Sommer durch die Hitze getrocknet erfüllt 
dasselbe Material, durch den geringsten Luftzug bewegt, als 
dichter Staub alle Strassen und dringt durch Thüren und 
Fenster in die Wohnungen, alle Gegenstände mit einer gelb- 
lichen Schmutzschicht überziehend. Die Fähigkeit dieses 
Bodens, in sehr steilen Böschungen zu stehen, Hess es an- 
gänglich erscheinen, das Normalprofil mit Abtragsböschun- 
gen von 1 : '/i zu wählen, und habe ich nicht gehört, dass 
dasselbe zu irgend welchen Klagen Veranlassung gegeben 
hätte. 

Die kleineren Bauwerke. Durchlässe und Brücken von 
geringeren Spannweiten, sind in ganz ähnlicher Weise, wie 
solche bei deutschen Bahnen üblich sind, aus Backsteinen 
ausgeführt. Das Ziegelmaterial liess natürlich manches zu 
wünschen übrig, da die Steine in der einfachsten Weise 
bearbeitet und eigentlich mehr gebacken als gebrannt werden. 
Das Feuerungsmaterial ist sehr thener und wird also nach 
Möglichkeit gespart, dabei erfolgt das Brennen lediglich 
in Feldöfen primitivster Konstruktion und kanu demnach 
die Qualität eben keine vorzügliche sein. Dieses ist auch 
der Grund, weshalb alle Hochbauten in Putzbau ausgeführt 
wurden. Die zahlreichen grösseren Brücken, fast ausschliess- 
lich mit eisernem Ueberbau verschiedener Systeme — eng- und 
weitmaschige Balkenträger, Schwedler'sc'he Parabel träger, 
lieide Formen mit Fahrbahn oben oder unten — bieten auch 
keine wesentlichen Unterschiede von ähnlichen Bauwerken 
in Deutschland. Die Pfeiler, meistens aus einem eigentüm- 
lichen, in den Irans) Ivanischen Alpen bei Piatra und Okua 



gebrochenen Sandstein ausgeführt, sehen recht ansprechend 
aus und passen mit ihrem ranhen Aensseren gut in die oft 
wilde Umgebung. Um wenigstens eine Probe davon zu ge- 
ben ist in Figur 5, 6 und 7 die Sabraus - Brücke in einem 
Grundriss und Querschnitt des Landpfeilers, sowie einer An- 
sicht skizzirt. Die Fundirung mit hölzernem Brunnenkranze 
wnrde nur bei Wasserzudrang angewendet, während sonst ge- 
wöhnliche durchgehende Fundamente, durch einige Bankets 
verbreitert, ausgeführt wurden. 

Die Bahn folgt von Bukarest bis Barbosc dem weiten 
Donauthale, während sie von Barbosc bis Roman sich in 
dem ziemlich engen Sereth-Thale hinzieht Es waren dem- 
nach alle Seitenzuflüsse dieser beiden Hauptströme zu über- 
schreiten, wie denn auch das Ufer des Sereth zweimal ge- 
wechselt wird, und erforderten diese zum Theil recht be- 
deutenden Wasserläufe die Anlage von mehr als 20 grösseren 
Brücken, deren Oeffnungen von einer bis zu neun, mit Spann- 
weiten von 7,5 bis 47™ wechseln. 

Dass so viele verschiedene Spannweiten oft ohne trifti- 
gen Grund, und so viele von einander abweichende Ueber- 
bau- Konstruktionen gewählt worden waren, erwies sich lei- 
der als ein sehr grosser Uebelstand. Als nämlich diese Ue- 
berbau- Konstruktionen aus Seraing in Belgien, wo dieselben 
gefertigt worden waren, nach und nach in Galatz eintrafen, 
stellte es sieh heraus, dass dieselben nicht, wie die einzelnen 
Theile zusammengehörten, in die Schiffe verladen worden wa- 
ren, sondern jedes Schiff brachte Theile von mehren Brük- 
ken bunt durcheinander, während fehlende Stücke violleicht 
erst nach Monaten eintrafen. Nicht allein, dass dieses Ver- 
fahren ein endloses, mühseliges Suchen verursachte, so kam 
es anch vor, dass Theile nach falschen Bauplätzen geschafft 
wurden. Fast kein Ueberbau konnte daher fertig gestellt und 
so die Brücke zum Transport anderer Materialien benutzt wer- 
den; die Monteure mnssten bald bei dieser, bald bei jener 
Brücke arbeiten, und es entstand so eine ganz unnütze Zeit- 
versäumniss. So rationell es natürlich in kultivirten Ländern 
ist, für jedes grössere Bauwerk ein sorgfältig durchgearbeite- 
tes Spezial- Projekt aufzustellen, so wenig empfiehlt sich die- 
ses in einem an Kommunikationen und Werkstätten armen 
Lande, wie Rumänien. Eine Ueberbau - Konstruktion für 
10"', eine solche für 20™ und endlich eine für 40™ Weite würde 
ausgereicht haben, um durch Wiederholung und Kombination 
der verschiedenen Konstraktionen allen \ erhaltnissen genü- 
gen zu können. 

Die englische Gesellschaft, welche die Ausführung vou 
10 grossen Chaussee -Brücken übernommen hatte, schlug hier- 
bei ein überaus praktisches Verfahren ein. Die entsprechen- 
den Theile dieser, mit Ausnahme der gemauerten Landpfei- 
ler ganz ans Eisen konstrairten Brücken stimmten bei allen 
Bauwerken genau überein und war es somit ganz gleich, ob 
dieser oder jener Träger, diese oder jene Strebe etc. nach 
dem Milkow- oder dem Rymnik- oder jedem anderen Bau- 
platze transportirt wurden, die einzelnen Theile mussten im- 
mer passen, und uur durch häufigere oder seltenere Wieder- 
holung der einzelnen Konstraktions -Theile wurden die Ver- 
schiedenheiten in Höhe und Länge der einzelnen Brücken 
bewirkt. Ich habe in dieser Weise ausgeführte Brücken von 
3™ und von 15" 1 Höhe gesehen. Die Pfeiler bestehen aus. 
eisernen Röhren in Längen von ca. 2™, von welchen die er- 
ste mit einem Schraubengewinde in den Boden geschraubt 
ist, während die anderen in erforderlicher Anzahl bis zur ge- 
wünschten Höhe durch Flansche mit Schraubenbolzen ver- 
bunden sind. Um bei grösseren Höhen die Schwankungen 
zu vermeiden, sind die zu einem Joch gehörigen Röhren durch 
Krenzverstrebungen in erforderlicher Anzahl verbunden. Je 
nach der erforderlichen Länge der Brücke wurde die An- 
zahl dieser Joche vermehrt. Die Joche tragen Längs- und 
Querträger, auf welchen die Fahrbahn durch Wellcnbleche 
und Kiesbettung hergestellt ist. 

Die meisten Abweichungen von deutschen Anlagen zei- 
gen die rumänischen Bahnhöfe; dieselben sind bis auf ei- 
nige Ausnahmen durchgängig 800™ lang und 100™ breit an- 
gelegt, haben an jeder Seite einen 15™ breiten Parallelweg 
und an jedem Ende einen 10™ breiten Niveau -Uehergaug. 
Die ganze Anlage eines solchen Normal - Bahnhofes zeigt Fig. 
g. Man darf nun nicht glauben, dass die gauze ausgedehnte 
Fläche eines solchen Bahnhofes nun auch wirklich als Bahn- 
hofs- Planum hergestellt wurde; im Gegentheil, es wurden 
nur die Geleise in der notwendigen Breite, sowie der Raum 
für die Gebäude auf Planums -Höhe hergestellt. Eine Was- 
serstation ist fast für jeden Bahnhof vorgesehen, was bei 
den dortigen klimatischen Verhältnissen, wo während der 
im Sommer herrschenden Trockenheit viele Brunnen ganz 
versiegen, auch dringend geboten ist. Ferner ist jeder Bahn- 
hof in der Nähe der Yichrampe und von dieser aus zugäng- 

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— 144 — 



lieh mit einem eingefriedigten Hofe verselten, uiu da« voraus- 
sichtlich viel zum Transport gelangende Vieh bis zur Verla- 
dung unterbringen zu können. Das» natürlich für die gros- 
sen Bahnhöfe Galatz, Bukarest. K oman, sowie für die Statio- 
nen Chitilla, Barbosc und Tecuciu Spezial-Prtdekte bearbei- 
tet wurden, ist selbstverständlich, und ist in Flg. 2 die be- 
deutenste und eigentümlichste dieser Anlagen, Bahnhof Ga- 
latz, dargestellt Eine Erleutcrung bedarf diese Skizze nicht, 
dieselbe lässt ihre Vorzüge und Mängel deutlich erkennen; 
nur eines, auf der Situation nicht darstellbaren Uebelstandes 
sei erwähnt: der Bahnhof ist nämlich nicht Hochwasser frei, 
wie denn derselbe im Frühjahr 1871 auch faktisch unter 
Wasser gestanden hat. 

Sind schon die Bahnhöfe der Linie Bukarest -Roman, 
abgesehen von der Grundfläche, nicht gerade splendid aus- 
gestattet, so sind diese Anlagen auf der von einer englischen 
Gesellschaft erbauten Linie Giurgewo- Bukarest doch noch 
um Vieles einfacher ausgeführt. 1 >ie Fig. 4 giebt eine Skizze 
dieser Bahnhofsanlagen; übrigens gleichen sich dieselben 
auf allen fünf Zwiscnenstationen, Fratesti, Baneasa, Comana, 
Vidra und Gilava, dieser G7 Km langen Balm so genau, das» 
man ohne die Namen -Tafeln nnd die wechselnde Umge- 
bung die Stationen füglich verwechseln könnte. Selbst die 
Station Comana, auf welcher die Kreuzung der Züge statt- 
findet, weicht in Nichts von dem Typus ab, und ist der zu- 
erst einfahrende Zug gezwungen vor den Güterschuppen zu 
fahren, um den anderen Zug passiren zu lassen. Zur Fig. 
4 bemerke ich noch, dass dieselbe nur nach den gelegentlich 
einer Reise auf dieser Bahn gemachten Bemerkungen skiz- 
zirt ist und daher keinen Anspruch auf absolute Richtigkeit 
machen kann, dieselbe soll auch nur eiue Vorstellung von 
der Einfachheit dieser Anlagen geben, und dazu reicht sie 
wohl aus. Die Endstationen dieser Bahn, beide* Kopfstatio- 
nen, sind geschmackvoll, ja selbst elegant ausgeführte An- 
i, nur reicht der Bahnhof Giurgewo schon jetzt nicht 
für den Verkehr aus. 



Der Oberbau der rumänischen Bahnen weicht von der 
gewöhnlichen Konstruktion nicht ab, nur ist derselbe in 
Schienen und Schwellen wesentlich leichter, als der jetzt bei 
Neubauten auf deutschen Bahnen übliche. Weichen und Herz- 
stücke kommen nur mit einer einheitlichen Neigung von 1 : 10 
zur Verwendung. 

Die meisten Bahnhöfe liegen in Horizontalen, doch muss- 
ten einige Ausnahmen, wie z. B. die Bahnhöfe Sascut und 
Bacan, die in Steigungen von 1 : 900 nnd 1 : 750 liegen, zu- 
gelassen werden. Der Bahnhof Pitesti ist Kopfstation. 

An besonderen eigenartigen Anlagen haben die rumä- 
nischen Bahnen nichts besonders Wesentliches aufzuweisen. 
Das Einzige wären die beiden Hafenhahnen in Galatz und 
Braila, die aber als Muster für derartige Anlagen nicht füg- 
lich gelten können, da beide im rechten Winkel auf den 
Strom treffen und somit alle Wagen, die längs des Kais 
verwendet werden sollen , erst eine Drehscheibe passiren müs- 
sen. Die ähnlichen Anlagen in Giurgewo und Rustscbuik 
sind ungleich zweckmässiger, da hier die Hafenbahnen pa- 
rallel dem Stromlauf liegen; bei Rustschuck vermöge der 
ganzen Bahnhofslage, bei Giurgewo durch weite Y-Kurven, 
von denen die eine den Verkehr mit der Kopfstation, die 
ander«! in der Richtung nach Bukarest direkt vermittelt. 
Wie die Hafenbahnanlage in Varna situirt ist, kann ich nicht 
mit Bestimmtheit angeben, da ich dieselbe nur aus der Ent- 
fernung in der Dämmerung gesehen habe. 

Die Ausführung der Arlwiten erfolgte, wenigstens die der 
Erdarbeiten, fast ausschliesslich durch einheimische Arbei- 
ter unter Leitung von deutschen Schachtmeistern und Vor- 
arbeitern. Es zeichneten sich hierbei die Rumänen durch 
Anstelligkeit und Gewandtheit, die Russen dagegen durch 
Fleiss und Unermüdlichkeit aus. Die Bewegung der Boden- 
massen geschah theils durch Handkarren, theils durch ge- 
wöhnliche mit Pferden oder Ochsen bes]Minnte Wagen, sowie 
endlich bei Galatz Maschinen - Betrieb eingerichtet war. 

E. F. 



Um für elnou Balken mit freillegcuden Stützpunkten, bei 
Anwendung gleichförmigen Gurtungsuuerscbuittes in allen Thei- 
len desnelben, das Minimum an Materialaufwand zu erhalten, 
ist der Balken so einzutheilen, dass sSrnrntlichc Maximal -Bie- 
gungsmomente gleich gross werden. Die Lösung dieser Auf- 
gabe, wiewohl einfach, ist vielleicht nicht ohne allgemeines 
Interesse. 

Betrachtet man einen Balken über 3 Oeffnungen mit zwei 
freiliegenden Stützpunkten in der Mittelöffnung, und 



Zar F.lntbtiliig der lalkei «it frelllegeDden Mütjpunkkn. 

Aus (1) ergiebt sich 

x= V V\ =y. 0,7071, 



9. 



I 



massige a 
einheit = 1 

Es ist aber 



7. so kann man diese für die Länccn- 
Man hat (Fig. 1.) die " 



V 0 = 



Jf. = Jf.=ifV 



1" 



Af, - 

wenn A der EudauflaRerdruck ist 
Setzt mau für letzteren 

A='~ 9 - 



oder da M, = X. 



seiueu Werth: 
M, 
1-9' 



x* 



so ist U: 



2 L 2 XI- y)J 



Indem man nun M, zuerst = Mi und dann = Jfi setzt, er- 
hält man die beiden Gleichungen 



W<,-*)-t-<!L-*>' 



■ni-v) 



(i) 

(2) 



dies in (2) einsetzt, folgt aus (2) 
= /. 0,3634. 



x_ 
V 



y - 1 i+v* 

Mau sieht, 
Einfluss auf Af, hat und dass 

von dem Verhältnis« -S- ist 

Zu den für j" uud jr berechneten Werthen gelangt man auch, 
wenn man drei gleiche, mit ihren Axeu in gleichen ' 




ciuführcn und fiudet 



p die bleibende, 



vertikal nebeneinander RCBtellte Parabeln, deren Scheitel in einer 
Horizontalen liegen (Fig. 2), durch eine andere Horizontale in 
halber Höhe schneidet — 

Ist bewegliche Belastung zu berücksichtigen, so muss mau 
den Fall mit in Rechnung ziehen, wo die Aunseuöffnuug allein 
belastet ist, da dann it, am grttesten wird, während II, und J/, 
bei voller Belastung der Mittelüffnung oder der ganzen Brücke 
ihr Maximum erreichen. 

Man kann hier für x sogleich den vorhin berechneten Werth 

l/r 

x — v v y 

g die bewegliche Belasten« für die Längeneinheit ist. mit Rück- 
sicht auf Fig. 1 für volle Belastung der Mittelüffnung oder 
der ganzen Brück« 

Af. = M^ £ (,+,> 

Es ist aber für allein 
_ A* 
2 + 

und A-(l~y) ( p ±tf pp, 



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145 — 





*•=[ 



(l-P)(p + 4) 



1 



PV* 1* 



2 {p + V) 

Setzt man diesen Werth gleich dem vorhin fiir M, und 

:, so kommt, wenn man beiderseits die Wurzel zieht. 



</-»> (J» + »> PP* _ f f _ . 

ä — 4cP«- y i ^ + 9) ' 

woraus dann folgt 



»=/- 



p 

Hp+«) 



Hier ist nan das Zahlenverhältnias zwischen p und q ein- 
ist zum Beispiel ij = 'ip, so wird 



+ JK2- Vi. 



t V. + K2 
» = 0,4. 

Um den Materialaufwand für die Balkcngurtungen wirklich 
zu einem Minimum zu machen, muss man freilich verschiedene 
Gurtuugsqucrschuitto in den einzelnen Theilcn des Balkens zu- 
lassen und die Laugen dieser Theile mit berücksichtigen. Man 
muas dann den von Ritter (elem. Theorie der eis. Dach- und 
Brückcn-Konstr., Aufl. II, pag. 230) eingeschlagenen Weg »er- 

folgen, auf welchem Bich dag Verhältnis — = 0,6076 ergiebt, 

statt 0,7071, wie hipr berechnet wurde. Unter Benutzung dieses 
Werthea und Berücksichtigung der beweglichen Lost würde 
man, wie vorhin, il», M, und M, auszudrücken, jedes derselben 
mit der Lange des zugehörigen Balkentheils zu multipliziren 
und die Summe der Produkte zu einem Minimum zu macheu 
haben. Hierdurch würde sich dann der Werth der Variabein 
y bestimmen. W. Houssello. 



Mittheilungen 

Arohltekten -Verein zu Berlin. Versammlung am 27. April 
187:!; Vorsitzeuder Ilr. Strcckert, anwesend lCt Mitglieder 
und 5 Gäste. 

Nach einigen Mittheilungen des Hrn. Vorsitzenden legte zu- 
^nächst Hr. Fritsch einige Publikationen verwandter ausländi- 
scher Vereine vor: den fünften Jahresbericht des Amerikanischen 
Architekten-Vereins (über den wir uns Bericht vorbehalten) uud 
die heidr'ii ersten Hefte eines von dem Architekten- Vereine in 
St. Petersburg herausge''cbrnen*J neuen Fach-Journals. Der letzt- 
nantitc Verein, der mit dem hiesigen demnächst noch in weiteren 
schriftlichen Verkehr uud in nähere Beziehung treten dürfte, ver- 
tritt bei der strengen Trennung, welche die einzelnen Zweige des 
Bauwesens in Russland sondert, ganz ausschliesslich die Archi- 
tektur, die daher in der betreffenden Zeitschrift allein berück- 
sichtigt ist. Die niitgetheilteu Bauwerke sind mit einer einzigen 
Ausnahme im Holzbau, und zwar vorwiegend in der charakteristi- 
schen national-rassischen Bauweise ausgeführt, deren Pflege dort 
neuerdings eine erneute Aufmerksamkeit gewidmet wird und die 
allerdings für die Verbältnisse des Landes wohl eine eben so gutu 
Berechtigung besitzt, wie die lange Zeit hindurch in Szene gesetzten 
Versuche, die antike Schablone auch dort zu importiren. Wäh- 
rend die erneute Ausbildung der russischen Bauweise und ihre 
Verwendung für moderne Zwecke namentlich in der früheren 
akademischen Lebrthätigkeit des jetzt in Berlin lebenden Prof. 
A. von Petzolt eine Basis besass, der sie eine Fülle brauch- 
barer Motive verdankt, ist mau gegenwärtig auch damit beschäf- 
tigt, die noch ziemlich dunkle Geschichte des sogenannten 
nissischen Stils nach Möglichkeit aufzuhellen; die in den Kunst- 
geschichtsbüchern übliche Auffassung desselben aU einer blossen 
barbarischen Verwilderung byzantinischer Traditionen wird als 
nicht baltbar angesehen, und ist mau nach dem Resultatu der 
bisherigen Forschungen viel mehr geneigt, die direkte Einwir- 
kung asiatischer, namentlich hindostanischer Einflüsse anzu- 
nehmen. In den vorliegenden Heften dient der Beginn einer 
Zusammenstellung von alten Uobzkirchon der verschiedensten 
Länder gleichfalls diesen Studicuzwcckcn ; die modernen Bauten 
sind durch einen Zirkus und ein Bade -Etablissement, eine 
Irrenhaus-Anlage, ein Gestüt und ein Wohnhaus vertreten. Die 
Zeichnungen sind in sauberer Lithographie hergestellt; der Text, 
der ursprünglich in drei Sprachen beabsichtigt war, ist aus 
Sparsuuikeitsrücksichten leider auf die russische Sprache be- 
schränkt geblieben, so duss er nur für einen kleinen Kreis aus- 
wärtiger Fachgenossen zugänglich sein dürfte. — (Weitere Mit- 
theilungen über die Zeitschrift werden wir später unter den Re- 
feraten aus der Fachliteratur bringen. D. Red.) 

Es folgt der Vortrag des Hrn. E. Wiehe II. über Reinigung 
und Entwässerung der Städte mit besonderer Berücksichtigung 
des gegenwärtigen Standpunkte« dieser Frage in England und 
der binnen Kurzem vollendeten Kanalisiruug Dauzigs. Der 
Vortrag, der unsereu Lesern später in einer für unser Blatt be- 
stimmten Bearbeitung bekannt werden wird, konnte für diesen 
Abend nicht ganz zum Abschluss gelangen uud soll demnächst 
fortgesetzt werden. 

Einige im Fragckastun enthaltene Fragen werden durch die 
Hrn. Schw edler und Aasmann beantwortet 

- F. - 

Verein für Elsonbahnkundo zu Berlin- Versammlung 
am 9. April 1872. Vorsitzender Herr 11 artwich, Schriftführer 
Herr Streckert. 

Herr Rock machte Mittheilung über die seit einer Reihe 
von Jahren betriebenen Restaurationsarbeiteu der Weichselbrücke, 
im Zuge der Königl. Ostbahn bei Hirschau. Vorwiegend waren 
die Beschädigungen im Iuucru der Landpfeiler, an den äussc- 
ruu Flächen der Schildmaueru uud an den Thurmbekrouungen 
bemerkbar. — Anfänglich machte sich die Meinung geltend, 
das« die Ursache der vielfachen Abblätterungeu der Ziegel 
dem Material, aus welchem dio Ziegel gefertigt, zuzuschreiben 
sei; im Laufe der Zeit stellte sich durch geuauere Beobachtun- 



•) Man «r»l. Jahrg.,,« 1871 S. *S I, Di. 



gen jedoch heraus, duss der zum Mauerwerk verwandte Mörtel 
als die hauptsächlichste Ursache der Zerstörung betrachtet wer- 
den musste. Das Abspringen der Ecken und Kanten, sowie die 
kartenblattartig hintereinander liegenden Abblätterungon der 
äusseren Stirnfläche einzelner Steine, welche, noch mit der Mör- 
telfuge zusammenhängend, aus der Front des Bauwerks um 
mehre Millimeter herausgedrückt waren, dann das vollstän- 
dige Herausdrücken der Steine aus dem Mörtcllager uud ferner 
das Verengen der Mauerschlitze in der Mitte der Höhe dersel- 
ben etc, deutete darauf hin, dass der Mörtel die treibende Ur- 
sache und dass das einzige Mittel, dem Uebelstandn möglichst 
abzuhelfen, darin zu finden sei, den Mörtel im Mauerwerk vor 
Zutritt der Luft und Feuchtigkeit zu schützeu. — Es wurden 
deshalb die Laudpfeilcr mit grossen Granitplatten abgedeckt 
und die Widerlagsmaucrn der Kappengewölbe 1 bezw. >,.', Stein 
stark mit bestem Ziegelmaterial verblendet und später, da die 
GranitplattenalNleckung, wegen der Ausdehnung uud fortwäh- 
renden Bewegung des darunter liegenden Mauerwerks :n den 
Fugen nicht dient verbleibeu konnte, letztere noch mit Blei- 
rippen, welche eine Ausdehnung der Fugen gestatteten, gedich- 
tet; hierdurch wurde der beabsichtigte Zweck fast vollständig 
erreicht, auch zeigen die neu verblendeten Mauern, welche zur 
besseren Beobachtung der Bewegungen der ganzen Länge nach 
mit Zementbäudern verschen sind, au keiner Stelle Trennungen 
oder Risse und sind vollständig trocken. — Die Schildmauern, 
welche auf der inneren Seite mit gutem Material verblendet 
sind, zeigen ebenfalls auf der äusseren Risse; die Befürchtung, 
dass dieselben durch ein Setzen der Fundamente veranlasst 
seiu könnton, widerlegte sich dadurch, dass die innere Verblen- 
dung keine Risse zeigte, während in der äusseren Fläche fort- 
während Bewegung herrscht, also die Ursache auch hier in der 
Ausdehnung des Mörtels zu suchen ist; ausserdem sind die 
Schildmauern durch eine Verlängerung der Widerlagsmaucrn im 
Inneren der Landpfeiler um rot lOO»" nach Aussen gedrängt 
und dadurch aus ihrer vertikalen Stellung gekommen. Dieselbe 
Erscheinung zeigte sich bei den Pfeilern der Brücke, welche in 
ihren oberen Theilen breiter geworden sind. Die Zinnen der 
Thurmbekrönungen, welche nur aus kleinen Mauerwerkskörperu 
bestehen, sind vollständig zerstört und werden unter Benutzung 
von Formsteinen aus der Fabrik von March in Charlottcnburg 
nunmehr erneuert; dieselbe Zerstörung durch den Frost zeigen 
die unter den Zinnen befindlichen, aus Thon hergestellten gla- 
sirten Thurmgesimse, da die im Innern der Ziegel befindliche 
Feuchtigkeit wegen der Glasur derselben nicht austreten konnte ; 
die Erneuerung dieses Thcilcs des Bauwerks wird durch Hau- 
steine bewirkt Die Kappengewölbe im Innern der beidcu Land- 
pfeiler, welche von Aussen sehr zertrümmert erschienen, zeigten 
bei näherer Untersuchung nur den untersten Ring schadhaft, 
weshalb die Erneuerung derselben einstweilen noch beanstandet 
wurde. Die Konsolen der Rundgänge aus Sandstein, welche 
durch die Profilirang sehr geschwächt waren, sind sämmtlich 
gerissen und werden durch Granit erneuert Die Ursachen der 
Mörtelausdebnuug dürften hauptsächlich im Vorhandensein nicht 
genügend gclösenter Kolktheuchcn und in der allzu vorzüg- 
licheu Zusammenarbeitung der Mörtelmasse zu suchen sein, so 
das» bei der stattgefundenen Anwendung dicker Mörtelfugen 
keine Zwischenräume in denselben verblieben, welche eine Aus- 
dehnung der sich durch den Zutritt der Feuchtigkeit der äusse- 
ren Luft nach und nach löschenden Kalktheilchen in den Fugen 
gestatteten, ohne einen grösseren Raum einzunehmen. An der 
Eisenkonstruktion der Brücke siud Restaurationaarbeiten nicht 
nothwendig geworden, dagegen musste eine Auswechselung der 
hölzernen Langschwellen vorgenommen werden, an deren Stelle 
gekuppelte eiserne Träger mit Querschwelion darauf eingelegt 
wurden. — 

An der hicrauschliessendeu weitereu Besprechung bethei- 
ligten sich der Vorsitzende und Herr Meilin, welcher letztere 
die ausserordentlich vorsichtige und allzuvorzügliche Mörtelbe- 
reitung bei der Ausführung dieses Bauwerks twstätigte und be- 
sonders hervorhub. dass wahrend die Herstellung des Mörtels 
i an der Nogatbrücke uuter Verwendung desselben Materials, je- 



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— 147 — 



doch in anderer Weise der Mischungsmaninulation ausgeführt 
sei, derartige Erscheinungen an diesem Bauwerk nicht lum 
Vorschein gekommen. 

Herr Maresch referirtc sodann im Auftrage des Reise- 
Koniites Ober die in Vorschlag gebrachten, im Laute dieses Som- 
mers auszuführenden Reiseprojekte. Nach sehr eingehender 
Diskussion über die unterbreiteten Vorschläge wurde das von 
Herrn Plcssner befürwortet« Projekt einer Bercisung der 



das Reisc-Komit« mit den weiteren Arrangements für die Aus- 
führung derselben im Monat Jnni zu beauftragen. 

In üblicher Abstimmung wurden hierauf der Geheime Re- 
gierungsRath a. D. Üülberg, der Obcrbetriebs-Iiisnektor Bo- 
fenius, der Eisenbahn-Bauinspektor Sehulzo, der Regierung*- 
Assessor Erler, der Banmeister Bahlckc und der Eiscnbahn- 
Bauiuspektor Fischer als eiuheimischc ordentliche Mitglieder 
in den Verein aufgenommen. 



Vermischtes. 

Agitation für Trennung- des Baufaches in Preussen. 

Uic Aufmerksamkeit, welche man neuerdings in weiteren Krei- 
sen, namentlich in denen des Abgeordnetenhauses, den Zustan- 
den unseres Faches zu schenken auffingt, verfehlt nicht inner- 
halb desselben seine Wirkung zu Süssem- Als der Kern- und 
Ausgangspunkt aller Uebelstfinde ist von jeher die Forderung 
betrachtet worden, dass die Ausbildung der liaulteamten auf alle 
Zweige des Bauwesens sich erstrecken soll. Die gegenwärtige Agi- 
tation, als dereu Symptome sich ein auf die Tagesordnung der 
nächsten Versammlung des Berliner Architektenvereius gesetzter 
Antrag einer Vorstellung an das Handelsministerium und der in den 
Kreisen der Studircmlen auf der Bau-Akademie zu Berlin und 
der Polytechnischen Schulen zu Hannover und Aachen ange- 
regte Vorschlag einer Petition an das Abgeordnetenhaus dar- 
stellen, hat sich daher auch vorwiegend arf diesen Punkt ge- 
richtet. — Unsrerseits haben wir schon so lange für das gleiche 
Prinzip gekämpft, dass wir uns dieser Unterstützung nur 



niehtHllc\n 8 auf 8 di« *iau^G<werbe i^freckin^'sondern erheblich 
grossere Dimensionen anzunehmen drohen, sind in der letzten 
Aprilwoche in Hamburg und Königsberg ausgehrochen. 

Die Arbeitseinstellung' der Maurermeister Berlins ist, 
wie beabsichtigt war, am Sonnabend, den 27. April, erfolgt, nach- 
dem der Bund der Bau- und Maurermeister seinerseits seine 
Vereinigung mit dem der Zinmiermeister zu einem .Bund 
der Baugewerbe" beschlossen hat. Nach den vorliegenden An- 
nähen sollen etwa % der in Berlin beschäftigten Maurergesellen 
iu Folge dieser Arbeitseinstellung entlassen worden sein. In 
einer Publikation: An jeden vernünftig denkenden Maurerge- 
sellen, und in einer Ansprache an das Publikum motivirt der 
Bund der Maurermeister seine Maassregel als einen unvermeid- 
lichen Schritt des Kampfes gegen die sozial-demokratische Dik- 
tatur und appellirt au die Unterstützung der Bauherren, welche 
gewarnt werden, die Arbeit unter den gegenwSrtigen Verhält- 
nissen nicht etwa direkt an die Gesellen zu Übertrag« 

Zu der gegenwärtigen Bautätigkeit Berlins. Der Auf- 
schwung, den Berlin in den letzten .lahrer. genommen hat, und 
der dadurch eingetretene Mangel an Wohnungen befordert selbst- 
verständlich die Hnulust im höchsten Grade. Nicht blos am 
Rande der Stadt entwickeln Aktiengesellschaften und einzelne 
Unternehmer eine rege Bauthätigkcit ; auch im Innern derselben 
werden ältere Gebäude niedergerissen, um grosseren Neubauten 
Platz zu machen , neue Strassen werden durchgelegt, um Hau- 
fronten zu gewinnen. — Das Resultat dieser Unternehmungen 
ist zunächst eine weitere Verdichtung der Bevölkerung und so- 
mit für die Gesundheit der Stadt nicht grade vorteilhaft Man 
könnte indessen damit zufrieden sein, wenn diese Veränderungen 
zugleich eine wirkliche Verschönerung der Stadt oder eine Ver- 
besserung der Verkehrswege zur Folge hätte. Leider ist dies 
nicht immer der Fall. 

Eine der unerfreulichsten Partien Berlins bilden bekannt- 
lich die dem Wasser zugekehrten Hintergebäude der Scblossfroi- 
heit und der älteren Werderscb.cn Mühlen. Letztere, dem Kö- 
niglichen Fiskus gehörig, sollen veräussert werden, um modernen 
Spekulationsbauten Platz zu machen. Wenngleich zu hoffen ist, 
dass dem Ban derselben in die Höhe gewisse Schranken werden 
auferlegt werden, und sie dem gegenüber liegenden sogenannten 
rothen Sehloss au Pracht gewiss nicht nachstehen werden, so 
verschwindet doch mit ihrem Bau jede Aussicht auf eine Um- 
gestaltung der Schlossfreiheit in einer der neuen Kaiserstadt 
würdigen Weise. 

Eine grössere Umwälzung vollzieht sich am Wilhelmsplatz. 
Hier hat eine Aktiengesellschaft für eine enorme Summe das 
Voss'sche Palais (Wilhelmstrasse No. 78) angekauft, um es ab- 
zubrechen und eine Strasse bis zur Königgrätzerstrasse durch- 
zulesen. Jeraehr der Abbruch des Hauses vorschreitet, desto 
deutlicher lässt sich erkennen, wie sehr der Platz — bisher 
einer der schönsten Berlins — verunstaltet wird. Die geschlos- 
sene Front an der Wilhelmstrasse wird gegenüber dem Zicthen- 
ulatz nnd der Mohrenstrasse durchbrochen, und der Platz ver- 
liert die behagliche Abgeschlossenheit, welche nebst dem gärt- 
nerischen Schmuck seinen Hauptreiz bildeten. Für den Verkehr 
wird hierdurch wenig gewonnen, weil die Mohrenstrasse nicht 
zu den Hauptverkehrsadern gehört und ihre Verlängerung sich 
an der Königgrätzerstrasse todt läuft, l'eberdies musa die 
Strasse deu Umweg um den Platt machen, denn man wird hof- 
fentlich nicht so weit gehen, die Garteuanlagen zu kassiren und 
die Statuen Ziethens und des alten Dessauers bei Seite zu 
schieben. Wohl aber wird hierdurch der Hoffnung auf Durehleguug 



der Jägcrstraase uach der Leuuestrasse, welche den Mittelpunkt 
der Stadt in die bequemste Verbindung mit dem Westcu bringen 
würde, in weite Fernen gerückt — Hiermit soll aber die Um- 
gestaltung des Wilhelmsplatzes noch nicht abgeschlossen sein, 
vielmehr steht ihm eine fernere Durchlöcherung bevor, und zwar 
au der Südostecke, wo eine Gesellschaft von Spekulanten eine 
Gruppe von Häusern angekauft hat, um einen Durchbruch nach 
der Mauerstras.se anzulegen, welcher in diese zwischen der Drei- 
faltigkeitskirche und der Kronenstrasse einmünden, von letzterer 
also eine sehr unvollkommene Fortsetzung bilden würde. Hier- 
durch würdeu allerdings wieder einige Strasseufronteti, für deu 
Verkehr aber so gut wie nichts gewonnen und der Wilhelmsplalz 
noch gründlicher verdorben werden- Ob die Unternehmer zu 
diesem Durchbruch bereits die Konzession erhalten haben, ist 
nicht bekaunt. Ohne sichere Aussicht auf dieselbe dürften sie 
aber die Ankäufe wohl nicht gewagt haben. — 

Es ist in hohem Grade zu bedauern, dass eine so rege Un- 
ternehmungslust ihre Kräfte in vereinzelten Projekten planlos 
verzettelt 

Aus der Fachliteratur. 

Allgemeine Bauzeitung, redigirt von A. Köstlin, Verlag 
von R. Waldheim in Wien. Jahrg. ,1871. 

A. Aus dem Gebiete des Hochbaus. 

1) Sa. Maria dei Miracoli zu Venedig. (Neu aufge- 
nommen vou deu Schülern der Wiener Akademie unter Leitung 
Th. Hanseu's.) 

Aus dem beschreibenden Texte von C. v. Lützow erfahren 
wir zunächst die Veranlassung, welcher diese Publikation von 
seltener Vollkommenheit ihre Entstehung verdankt. Sie ist das 
Resultat einer im Studienplauc der Wiener Akademie liegenden 
Exkursion, welche Professor Hansen mit seinen Schülern Beill, 
Machytka, Mojsisovics, Prostorfer, Schubert und 
Wagner si.oziell zur Aufnahme dieses „Schatzkästchens venetia- 
uiseher Früh-Reuaissaiice" machte, und bei welcher sie durch 
die behufs der Restauration errichteten Baugerüste wesentlich 
begünstigt wurden. Interessant ist es, zu erfahren, dass die 
Aufnahuiezuichnungcn in demselben sehr kleinen Maasstabe, wie 
die Stiche ausgeführt waren- Bescheidenes Bedenken sei jedoch 
erlaubt gegenüber der Erwähnung der Pietät, mit welcher diu 
Formen „vor jener kalligraphischen Verallgemeinerung bewahrt 
seien, unter der so unzählige Publikationen antiker und italie- 
nischer Kunst bis auf den heutigen Tag zu leiden hallen." 
Diesem lieblich-koketten Ornament gegenüber, will uns bedünken, 
ist der Grubstichel so machtlos, wenn er sich, wie hier nament- 
lich bei dem ornamentalen Detail, auf nüchternen Kontourstich be- 
schränkt sieht, dass man gerne etwas von dem geistreicheren 
Effekt der Radirnadel mit in den Kauf nehmen möchte. Auch 
wäre bei Tafeln, die, so wie hier, ins kleinste Detail ausgearbeitet 
sind, der sorgfältige Druck sehr zu wünschen, durch den die 
Franzosen ihre Publikationen so sehr zu heben \ erstehen. 

Die 12 Tafeln enthalten, wie erwähnt, in ungewöhnlicher 
Vollständigkeit die Darstellung des kleinen Bauwerks in Grund- 
rissen, Ansichten, Durchschnitten und Details. C. v. Lützow's 
Text führt uns mit eingehender Sachkenntuiss in demselben 
umher, hier und da diu wenigen feststehenden historischen 
Daten einstreuend- Mit Recht nennt er das kleine Kunstwerk, 
dessen einschiffiger Innenraum nicht mehr als 10,.')*° Breite und 
bis zum erhöhten Chor 20,8™ Länge besitzt, ein Schatzkästchen; 
bei keinem anderen Bau der Lagunenstadt findet sich das reiz- 
volle Ornament der Frührcuaissance , das sich für Venedig au 
dioNanieuder Lombardi knüpft auf so kleinem Räume mit so 
vollendetem Geschmack angewandt. Auch in dem figürlichen 
Schmuck, der ausser dem Pietro und Tullio Lombardo noch 
den Venetianer Pyrgotcles (um 1500) zum Autor hat, findet 
Lützow das höchste geleistet, was in der dekorativen Skulptur 
überhaupt erreichbar ist. Den Mangel einer farbigen Darstellung des 
Innern sucht eine eingehende Heschreibung der Farbenwirkung 
zu ersetzen, die, aus dem einfacheren Langschiffe zu dem mit 
verschwenderischem Reichthum ausgestatteten Chore fortschrei- 
tend, sich wesentlich aus Inkrustationen der Wände mit gelb- 
lichem Marmor (pavonazzetto) und schwärzlichem (bardiglio) zu- 
sammensetzt, während die reirh kassetirte Decke, durch die 
Hand des Giovanni dei Pennacchi aus Treviso mit den Brust- 
bildern der Propheten und Sibyllen geschmückt und in buntem 
und goldenem Ornament prangend dem Raum einen reichen 
Gcwölbeabschluss giebt. 

Drei Tafeln im Text geben einen Rcstaurationsvorschlag 
Hansen'* für cinu Treppe, welche das durch die Restauration 
unzugänglich gewordene Nonnenchor im Westen der Kirche 
wieder mit derselben in Verbindung setzen soll. Der Schluss 
des Aufsatzes ist der Betrachtung der Stellung gewidmet, welche 
die kleine Kirche iu der Arcbitekturgeschiclite Venedig'« ein- 
nimmt , wobei dieselbe namentlich mit dem, ebenfalls der 



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Schule der Loiubardi angehörigen Palast Vcndramin-Calergi iu 
Parallele gestellt wird. 

4) Da» Pädagogium zu Petrinja, vnn W. Dodcrcr, 
fcssor der Architektur am Wiener Polytechnikum. 

Der an sich ziemlich anspruchslose Kau erweckt besonderes 
presse als Vorposten der Kultur in einem Theite des Öster- 
reichischen Kaiserstaates, der unter einem ausschliesslichen, 
absoluten Militairregiment von den Segnungen der letzteren 
noch nicht allzuviel erfahren hat. In einem interessanten Ex- 
kurs führt der Verfasser in die Verhältnisse der Militairgrenze 
ein, die neuerdings von der rein soldatischen Verwaltung erlöst 
worden ist, nachdem diese als letztes Werk noch die Errichtung 
dieses Instituts veranlasst hat Die Anlage hat die grösstc 
Aehnlichkeit mit den bekannten preussischeu Seminaricu, auf- 
fallender Weise auch in der Entstehung des Entwurfs insofern, 
als die Anfertigung desselben nicht den zuständigen Kompeten- 
zen, in diesem Kalle Militair-Ingenieurs, sondern einem Wiener 
Architekten übertragen ist, mit dem Verlangen, dass die Fas- 
sude .ein nachahraungswürdigea Muster für die baulustige Grenz- 
weit bilden solle." Es sei gleich vorweg bemerkt, dass mit die- 
ser ruhigen, in griechischen Architekturformen gehaltenen Fas- 
sade mit Axcn von 3,4™ dem Verlangen entschieden entsprochen 
ist Die AufgalHj verlangte ausser Lehrer- und Trätcurwoh- 
uungeu, Lchrräume für 1GÜ Schüler und Wohnräume für 50 Alum- 
nen. Ebenso wie dies Programm unterscheiden sich auch die 
Grundrisse nicht wesentlich von der bei uns üblichen Verlegung 
der Wohnungen ins Krdgeschoss zur Ersparung mehrer Trep- 
pen; Trennung derselben unter sich und gegen die Alumnen 
durch besondere Eingänge; im ersten Stock Anlage der Lehr- 
säie, von denen einer als Aula zu dienen hat und daher die 
doppelte Grosse erhält; sämmtlicho Säle von einem breiten Kor- 
ridor aus zugänglich, der bei ungünstigem Wetter als Spazier- 
gang dieut Im zweiten Stock endlich die grossen Studir-, 
Schlaf- und Waschsäle der Alumnen, deren Speisesaal von die- 
ser Gruppe getrennt im Erdgeschosse nächst der Wohnung des 
Traitcurs liegt Die Einrichtung der Studirpulte, Waschtische 
ete. ist eingehend beschrieben. Bemerkenswert!! erscheint, dass 
die Fensterbrüstungshöbe in allen von den Alumnen bewohnten 
Räumen \JtO" (4'/»') beträgt, um den zerstreuenden Anblick 
der Strasse von Studirenden fernzuhalten und um in der Stel- 
lung der Betten, Waschtische etc. von den Fcusteraxen unab- 
hängig zu sein. Für Klosets ist reichlich in jedem Stockwerk 
gesorgt; Ventilation und Zcntral-Hcizung sind mit 
der Wohnräume im Erdgeschoss überall 
deu durch 4 im Souterraiu aufgestellte Boyei 
geleistet. 

5) Oesterreichisches Museum für Kunst und Indu- 
strie, von Architekt Heinrich R. v. Ferste). 

Wir verweisen auf die eingehende Besprechung, welche die- 
ses Bauwerk bereits im vor. Jahrgang d. Iii. gefunden hat 

6) Landwirtschaftliche Gebäudeanlagen, von Ar- 
chi tekt Moritz Ilinträger. 

Bericht über die Anlage von fünf Maiereien auf der Herr- 
schaft Colin in Böhmen, bei welchen, da es sich um eine schleu- 
nige Steigerung der Krtnu£sftlhigkeit der Herrschaft handelte, 
mit möglichster Sparsamkeit gebaut wurde. So schwankt der 
Preis bei Ausführung in Bruch- und Backsteinen zwischen 96 
und 72 B. per □ Klafter (2fi.G~20fl. per (J») und 38, 50 fl. pro 
Vr.-Klft. (Ii;, 9011. pro Ür.-Meter) bei Ausführung in Pisebau 
mit Strohdächern. Das auf den Colin'schen Gütern durchge- 
führte Prinzip der Stalldüngorbercitung, welches sich sehr be- 
währt hat machte eine Reihe besonderer Anlagen nöthig, welche 
eingehend beschrieben und durch Zeichnungen veranschaulicht 
werden; eine Vogelperspektive giebt ein Bila von der Gesammt- 
auordnung einer der 5 Maicreien. — Dia Ausfuhrung des Erd- 
stampfmauerwerks, welches in Böhmen bisher nicht eingeführt 
wurde, wird genau beschrieben. Das Verfahren unterscheidet 
sich nicht von dem gebräuchlichen; zur Befestiguug desMörter- 
bewurfes werden alle 5 — (!" halbzoliigc Schichten von Dachstein- 
brocken eingelegt. j>or Verfasser empfiehlt das Verfahren, das 
er mehrfach auch in Ungarn angewendet hat, als vorzüglich 
billig und expeditiv, doch hält er es für Vichställe, der scharfen 
Ausdünstungen wegen, nicht für geeignet. Der 
mit einer Reihe X 
schaftliche Anlagen. 

Konkurrenzen. 

Monatsaufgaben für den 

Zum 1. Juni 1872. 

I. Entwurf zu einer Musiktribünc für 100 Musiker, 
stab %• der natürlichen Grosse. 

II. Eine Baugrube, deren Sohle 2,6 »> unter dem Unterwasscr- 
spiegel eines benachbarten Baches liegt und iu welcher sich pro 
Sekunde O.OJI kb" Wasser ansammelt, soll mittels der Wasserkraft 
jenes Baches, der 1,(5 Meter Gefälle und hinreichendes Wasser 
liesitzt nach dem Priiizipc des Aussaugen* entwässert werden. 
Diu Zeichnung der gesammten Anordnung, des Gerinnes etc., 
sowie eine annähernde Effektberechnung sind zu liefern. 

Alle wichtigen Muasse, Annahmen und Rechnungsresultate 
sind in deu Zeichuungcu an geeigneter Stelle einzutragen. 

Eine Konkurrenz für Schriften über die Patentfiroge 

wird vom Kölner Bezirksverein deutscher Ingenieure ausge- 
schrieben. Die bis zum 8. Juli einzuliefernden Arlx'iten sollen 



womöglich einen Umfang nicht überschreiten, der sie zui 
drucke in einer grosseren Zeitung geeignet macht Für die 
Beurtheilung soll lediglich der objektiv-wissenschaftliche Gehalt 
nicht der Partoistatidpuukt für oder wider das Patentwesen 
maassgebend sein. Das Honorar für Arbeiten, die sich zur Ver- 
breitung durch die Presse eignen, ist auf 50 bis 250 Thlr. fest- 
gesetzt, wobei es jedoch den Verfassern vorbehalten bleibt, ob 
sio ihr Werk für den angebotenen Preis zur Disposition stellen 



Konkurrenz ffir Entwürfe zum Bau einer Kirche zu 
Esoh a. d. A (GroBsherzogthum Luxemburg.) Dos vom Bür- 
germeister der Gemeiudo Esch erlassene Preisausschreiben setzt 
fest dass das Kirchengebände 60 bis 63" lang sein, im drei- 
schiftigen Kirchenraum mindestens 900[ f, auf den Tribünen 
100 bis 150 ( ,"• Grundfläche enthalten, und dass der Kostenan- 
schlag 180000 bis 200000 Frcs. nicht übersteigen soll. Der 
Baustil ist .ganz dem guten Geschmacke des Architekten über- 
lassen", doch wird die Gothik bevorzugt werden. Eine Jury Ist. 
nicht namhaft gemacht. Au die Urheber der vier besten, als 
der Belohnung würdig bezeichneten Projekte sollen Preise im 
Betrage von 2000, 500, 200 und 200 Frcs. ertheilt werden; falls 
jedoch einer der Sieger mit der Ausführung betraut wird, soll 
ihm der erhaltene Preis von seinem Honorare in Abzug gebracht 
werden. Schlusstermin ist der 31. Juli d. J. 

Wir sind mit den Verhältnissen des Landes Luxemburg 
nicht genug bekannt, um beurtbeilen zu können, ob die Be- 
theiligung deutscher Architekten an einer dortigen Konkurrenz 
sich überhaupt empfiehlt ; nach den Bedingungen der Konkurrenz, 
die in mehrfacher Beziehung von unsern Grundsätzen abweichen 
uud der Willkür Spielraum gewähren, dürfte dies kaum der 
Fall sein. 

Personal- Nachlichten. 

Preu Bsen. 

Ernannt: Der Baumeister Bocthke zu Berlin zum Kreis- 
baumeister in Weissenfeis. Der Wasserbau -Inspektor Schoen- 
wald in (Vndin zum Meliorationshau-Inspektor der Provinz Pom- 
mern. Der Bau-Kommissar Mergard zu Marburg zum Kreis- 
baumeister in Jülich. Der Wasserbuumeister W i I berg in Lenzen 
zum Wasserbau-Inspektor daselbst 

Versetzt: Der Kreisbaumeister Friedr. Wilh. Joh. Schulze 
zu Jülich mich Templiii. 

Die Bauführer- Prüfung haben abgelegt am 22.. 23. uud 
27. April er.: Ernst Kathanael Kummer aus Breslau, Carl Otto 
Rhode aus Stolp i. Pom., August Morgenstern aus Frank- 
furt a. M., Wilhelm Schellenherg aus Herborn, Reg.-Bezirk 
Wiesbaden. 

Die Baumeister-Prüfung haben bestanden am 17., 20., 
25. uud 27. April er.: Herrmann Giese aus Wiesbaden. Wie- 
nand Eduard Maria Müller aus Uckenrath im Siegkreise, 
Friedrich Wilhelm Otto Freyer aus Berlin, Franz Lucas aus 
Münster. 

Brief- und Fragekaaten. 

Hrn. C. in Uochheim. Hr. Ingenieur Arnold in Berlin, 
Waldemarstrassc 59, der bereits mehre Ventilations- Anlagen 
für Schmiedewerk stätton mit bestem Erfolge ausgeführt hat, 
stellt Ihnen anheim, sich dicserhalb an ihn zu wenden. 

Hrn. W. Sch. in Altona. Wie uns mitgetheilt wird, 
bauen die Herren Nestler und Breitfeld, Maschinenfabrik Erla 
bei Schwarzenberg iu Sachsen, sehr empfehlenswarthö Maschinen 
zum Schneiden von Sandstein- und Marmorplatten. 

Hrn. A. N. in P. Wie wir erst nach weitläufigen Erkun- 
digungen von kompetenter Stelle erfahren konnten, ist i 
Usus, den gebrannten Kalk mit gehäuftem Maass zu verl 
so dass 1 UI Rüdersdorfer Kalk 1,80 bis 2 Zentner wiegt Ge- 
wöhnlich wird der Kolk jedoch in gelöschtem Zustande gekauft. 

Hrn. G. in Dresden. Eine Autwort auf die Frago, ob 
in neuerer Zeit (seit Duchemin) vielleicht Theorien des Wider- 
standes von konvexen Körpern, wenn sie dem Stesse bewegter 
Wassermassen ausgesetzt sind, veröffentlicht wurden, und ob 
etwas darüber bekannt ist: „diejenige Körperform zu finden, 
welche dem StoBse Iwwegter Wassermassen ausgesetzt unter 
allen Formen von derselben Länge und demselben grftssten 
Durchmesser die des kleinsten Widerstandes ist", bedauern wir, 
Ihnen unsererseits nicht geben zu können. 

Hrn. L. in Meeranc. Wir erfahren, dass die Ausstellung 
der Konkurrenz-Entwürfe zum deutschen Rcichstagshausc Don- 
nerstag den 2. Mai, also gleichzeitig mit dem Erscheinen dieser 
Nummer eröffnet werden soll. 

Beiträge mit Dank erhalten von Hrn. F. in Hameln. 

In dem Artikel: „Beitrag zur Verbesserung der Oderschif- 
fahrt" iu No. 17 d. Bl. H ind leider die folgenden Druckfehler 
stehen geblieben, welche wir zu verbessern bitten: 
Seite 134 des Aufsatzes lies: 

Zeile 19 742 000 Thlr. statt 74 200 Thlr. 

Zeile 55 2,77 K.n statt 3,77 

Zeile 78 Ü34,G40 kb» statt 634 4G0 kb» • 

Zeile 81 7.7 kb» statt 7 kb". 

Zeile 137 Seite 221) statt Seite 89. 
Seite 135 Zeile 233 7»/, Sgr. statt 7>/, Thlr. 



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Jahrg. VI. M 1». 

DEUTSCHE BAUZEITUNG 

Organ des Verbandes 

deutscher Architekten- und Ingenieur- Vereine. 

Redakteur K. E. 0. Fritich. 



K.d.kti.. Btaaditin: 
IcrlLo. OranleortraM« ML 

B.tUllUBf«! 

bbrrurh.ua .11* PmUuitallra 



lat.rat» 
fbr 41. Uirr Irr deutora» 
in« «adeo Aifru-hrae 



f.t fcwiim J:« ll^dllMB. 



Zell«. 



IM Sit im 



Pr«ll 1 Thaler pro Qaartal. 


Berlin, den 


9. Mai 1872. 


Erirhelat jedea laaaerttag. 


lOb^lt: 1>I» Wiener Well -A«MI>llnP|i u»« J.bri» 1SU. - Mieiin..!«« I» 

Thoawaaiim Bit (Juf.u.runic und koinin»lr1trh»m H. t.-I. bc. — M 1 II h . 1 1 a u 1 • n 
nu. V.r. In. Bi Oe»[prrelrbltcher Arefcltebteii- anil Ingenieur .Verein. — ludl- 
Kh« Teehnlk.r-V.ieln. — O.tpreataltthrr Iniealour- und Ar«k.ltek»ea-V»r»lii 
— AacBU-rh'r Ingenieur- und Arcbilekle« -Verein. — ArrMl.klwi Vcr.in m Ber- 
lln. — Der praj.ktlrt« Aarfu« dr. H.mbarxer irrhil.-kfcial.ohen Verein« n.rli 


IW-ttlil. — V «r in »*r ht e.; l'i.mien EnaellulliE an pren.,w lie Hmitu'irer. — All* 
der F.rklilt.r.lar: 1'euhold, Fabrikation I'ru/aajc and 1'cb-rn.hn.e ton Ei 
..■r.tJliii-M.le.1.1. — Konkurrenten: U.a. de. deatarhrn Relehnue.. — Bin* 
ia Pr.nl. -, - Anl««. eine, mm Muduk.il. in MaBnheln.. - P.r.on.l ■ Ka« h - 
rlclu.n etc. 



Die Wieaer YYelt-AnHstellBBff, de« Jahres 1873. 

(Iliertu die AbMIdaBgeu auf Seil« IM.) 



Während die 



iten der im nüchgten Jahre 



Angelegenheit 

iener Welt -Ausstellung in manchen ände- 
rte eine stehende Rubrik geworden sind, 
könute es auffallen, dass wir uns bisher verhältnissmussig 
nur selten mit ihr beschäftigt nnd keinen Werth darauf ge- 
Nachrichten über das Unternehmen 



legt haben, mit u 
dem Gange seiner 
Ks ist durch 



zu folgen, 
oder gar 
Bedeu- 
Denn 



Entwickelung auf 
durchaus nicht Mangel an 
UnterschüUiing der dieser Ausstellung 
tung gewesen, welche unser Verhalten 
wenn wir auch der in England durchgedrungenen Ansicht 
uns anscbliesseu müssen, dass die Htm. der bisherigen 
grossen Welt-Ausstellungeu die zweck massigste nicht ist und 
dass ihr Erfolg dem dafür erforderlichen Kraftaufwande nie- 
mals entsprechen kann, so haben wir doch nur mit gegeb- 
nen Faktoren zu rechnen, und sicherlich wird das in der 
österreichischen Hauptstadt vorbereitete Unternehmen eiue so 
ausserordentliche Fülle des Sehens- und Wissenswürdigen 
bieten und auch für unser Fach iu so hohem Grade den 
Rang eines hervorragenden Ereignisses behaupten, dass wir 
unsere Pflicht versäumen würden, wenn wir ihm nicht die 
eingehendste Aufmerksamkeit widmen. 

Gern hätten wir diese Aufmerksamkeit zunächst dadurch 
betbätigt dass wir für unseren Theil daran mitgewirkt hätten, 
in den Kreisen unserer Leser und Fachgcnosseu . der deut- 
schen Architekten nnd Ingenieure, zu einer möglichst zahl- 
reichen und eifrigen Betheiligung auf den unser Fach be- 
treffenden Gebieten der Ausstellung anzuregen. Es ist uns 
dies leider nicht vergöuut gewesen, da alle einleitenden 
Maassnahmen hierfür ausschliesslich den Händen offizieller 
Kommissionen anvertraut sind, welche eine selbetständige 
Mitwirkung und Unterstützung Seitens der Fachpresse an- 
scheinend für ebenso überflüssig angesehen haben, wie sie es 
für überflüssig hielten, den zur Betheiligung an der Ausstel- 
lung Berufenen eine etwas längere Frist für ihre Entschlüsse 
zur Verfügung zu stellen. Wir können das Bedauern, dass 
dieses Verfahren dem Vernehmen nach gerade auf dem Ge- 
biete unseres Faches zu so schlechten Resultaten geführt hat, 
nnd unsere Hoffnung, dass hier eine nachträgliche Abhülfe 
erfolgen möge, nur wiederholen; gleichzeitig wollen wir je- 
doch im Voraus dagegen nrotestiren, wenn aus der voraus- 
sichtlich ungenügenden Betheilignng der deutschen Archi- 
tekten und Ingenieure falsche Schlüsse, auf den Grad ihres 
Interesses an der Wiener Welt-Ausstellung oder gar auf den 
Grad ihrer Leistungen gezogen werden sollten. 

Was andererseits die Mittheilung von Nachrichten über 
die Ausstellung anbetrifft, so glauben wir im Sinn«' unserer 
Leser zu handeln, wenn wir dieselben nach Möglichkeit kon- 
zentriren nnd ausschliesslich auf das Tbatsächliche und Fer- 
tige beschränken. Von jeder einzelnen Phase des Werdens 
und Entstehens, von jedem heut auftauchenden und morgen 
schon modifizir.cn Projekte, von jeder Persoualfrage Notiz 
zu nehmen, mag am Orte der Ausstellung selbst die Ge- 
müther beschäftigen, dünkt uns aber nicht Sache unseres 
Blattes. Wir beabsichtigen daher fürs Erste vor Eröffnung 
der Ausstellung nur wenige Berichte zum Zwecke allgemeiner 
Orientirung zu bringen, das Hauptgewicht hingegen darauf 
zu legen, dass unsere Zeitung während ihrer Daner über 
sie nicht nur in eingehender Weise, sondern auch in einem 
Sinne berichtet, welcher mit den für uns leitenden Prinzipien 
in strengem Einklänge steht. 

Nachdem wir bereits im vorigen Jahre einige allgemeine 



Notizen über das Programm der Ausstellung und über die 
Haiiptmomente, welche hei Aufstellung des Planes für die 
Anlage derselben maassgebend waren, gebracht halten, wollen 
wir unsern Lesern nunmehr eine etwas detaillirte DarstellniiK 
dieses Plaues geben. Derselbe ist in theilweise von einander 
abweichenden Versionen bereits in mehren Blättern ver- 
öffentlicht worden; für unsere Mittheilung haben wir das 
Erscheinen der für diesen Zweck als offiziell zu erachtenden 
Publikation in der Zeilschrift des Oesterreichischen Ingenieur- 
und Architekten-Vereins abgewartet und diese zur Grundlage 
der Urningen gemacht. 

Die Wahl des AnsstellungsplaUes im Prater konnte für 
Wien kaum einem Zweifel unterliegen, da in der That ein 
anderes, so günstiges und so günstig gelegenes Terraiu in 
der Nähe der Stadt nicht vorhanden ist Man liebt es zu- 
weilen, ohne Kenntniss der Verhältnisse den Wiener Prater 
mit dem Berliner Thiergarten in Parallele zu stellen, und 
sind wir in Folge 
dass das Opfer 



dem Bedenken 
Parktheiles, wie er 



et, 
die 



Gebäude der Ausstellung erforderlich wird, doch wohl ein 
allzu Irirhtfertie <Wi,r a rhtes sei. Es ist < 



dies jedoch nicht 
da der Prater nicht wie der Thierirartcu ein 
mit Lichtungen durchsetzter Wald, sondern eine mit Baum- 
en, ppen bestandene Wiesenflüche ist, das Opfer an unersetz- 
lichen Baumen daher durchaus nicht in gleicher Weise in s 
Gewicht fällt. 

Von den beiden Hälften des Praters, der in seiner gan- 
zen Länge zwischen Donau und Donaukanal von der als 
Korso Wiens berühmten , Haupt -Allee 1 - (&') durchschnitten 
wird, ist für die Ausstellung die nördliche wohl um deshalb 
gewählt worden, weil hier am besten für die erforderlichen 
Kommunikationen gesorgt werden konnte. Der der Stadt 
zunächst belegene dreieckige Theil zwischen der Haupt- und 
Feuerwerks- Allee (0), der mit einer Unzahl kleiner Ver- 
gnügung» -Etablissements besetzte Volks-Tummelplatz „Wur- 
stel-Prater-, mnsste selbstverständlich unberührt bleiben, so 
dass erst im Anschlüsse an ihn der Ausstellungsplatz ge- 
wonnen werden konnte. Mit einer Fläche von nicht weniger 
als 2'S.i Hektaren übertrifft derselbe den der letzten Pariser 
Ausstellung von 1867, der nur 44.2 ,u umfasste, um mehr als 
das Fünffache, den der Londoner Ausstellung von lHtii' um 
mehr als das Dreizelmfache. Eine natürliche Theilung dieser 
Fläche ergab sich durch das Heustadel -Wasser, einen toilteu 
Seitenarm der Donau; westlich desselben werden die Haupt- 
gebäude der Ausstellung errichtet, während der östliche Theil 
bis zu den Geleisen der neuen, nach der Stadelauer Brücke 
führenden Staatsbahn als Park der landwirtschaftlichen und 
Pferde -Ausstellung dient. Für die letztere wird zum Theil 
auch die grosse sanft geböschte Fläche verwendet, welche 
zwischen dem Prater und dem neuen Bette der regnlirten 
Donau liegt; ausserdem sollen auf diesem sogenannten 
„Donaudamm' die hydraulischen Maschinen und Apparate 
aufgestellt werden nnd wird auf ihm der nördliche der beiden 
grossen, für je 1000 Fuhrwerke bestimmten Wagenhalteplätze 

hegt noch jenseits der Haupt - 



Der südliche Ii 



(W) etablirt. 
Allee. 

Für Zugänge zur Ausstellung ist in ausreichendster Weise 
gesorgt; der \erkelir der Wagen und Fussgänger, welcher 
aus der Stadt strömen wird, kann sich am Praterstem zu- 
nächst in die Haupt- nnd Feuerwerks-Allee vertheilen und 
von dort nach den zahlreich angelegten Eingäugen verzwei- 
gen. Neben der Feuerwerks-Allee soll eine Drahtseilbahn 
angelegt werden, welche Personen vom Praterstem nach 



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150 — 



einem besonderen, am Seiten-Eingänge für die Maschiuen- 
Ausstcllung belegenen Bahnhofe (V) befördert. Nördlich, 
zunächst dem Donaudamm ist hingegen der Personen Bahn- 
hoffür den Dienst der Lokomotiv-Bahn (.V) etablirt, die sich 
zunächst von den Geleisen der Nordhahn (5) einerseits, der 
Stnatshahn (7") andrerseits abzweigt, selbstverständlich je- 
doch vermittels der bis zum Beginn der Ausstellung fertig 
zu stellenden Ringbahn auch mit den anderen Bahnhöfen in 
Verbindung gesetzt werden wird. Zum Transport der Aus- 
stellungsgegenstände sind innerhalb des Parkes und längs 
der Hauptgebäude-Fronten Geleise mit Drehscheiben ange- 
bracht. Eine weitere, voraussichtlich jedoch wohl am We- 
nigsten nutzbare Verbindung soll der Darapfschiffsverkehr 
auf der Donau vermitteln, wahrend endlich die Pferdebahn 
ihr Netz dem Ausstellungsparkc von verschiedenen Seiten 
nähern wird. 

Gehen wir nunmehr auf den bedeutsamsten Haupttheil 
der Anlage, den unsere Sitnations- Skizze vollständig dar- 
stellt, etwas näher ein, so fallen demjenigen, der die Pläne 
der früheren Ausstellungen von London und Paris kennt, 
wohl ohne Weiteres die bemerkenswertheu Abweichungen 
gegen das dort ausgebildete System in die Augen. Während 
jene früheren Ausstellungen sich in einem einzigen kolossalen 
Gebäude konzentrirten und neben demselben nur untergeord- 
nete Pa\illons vorhanden waren, sind hier zunächst aus der 
grossen Ausstellung diejenigen beiden Gebiete, deren Aus- 
stellungsräume eine eigenartige Ansbildung erfordern, das der 
Maschinen und das der Kunstwerke, abgesondert und in 
selbstständige Etablissements verwiesen worden. Es ergeben 
sieh daher statt eines einzigen, drei Hauptgebäude, der In- 
dustrie - Pallast (AK die Maschinenhalle (Ü) und das Kunst- 
ausstellungs-Gebäude (6"). 

Noch stärker tritt der Gegensatz in den Grundideen her- 
vor, nach welchen die Form der früheren und die des Wiener 
Industrie -Pallastes bestimmt ist. In dem letzteren ist aller- 
dings auf dasjenige Moment, welches der Ausgangspunkt für 
das System der letzten Pariser Ausstellung war, auf die Ver- 
einigung der Ausstellungs-Gegenstände gleichzeitig nach 
Nationalitäten und nach Klassen, vollständig verzichtet 
und jeder Nation in der Reihenfolge, wie diese von Osten nach 
Westen ihren Wohnsitz haben, ein bestimmt abgegrenztes 
Raumgebiet zugewiesen worden, auf welchem sie sich selhst- 
stäudig einrichten kann. Inwieweit dies Abweichen von dem 
starren, bis zur äussersten Konsequenz gesteigerten Schema- 
tismus ein prinzipieller Mangel ist, wagen wir jetzt noch 
nicht zu beurtheileu; unverkennbar sind" jedoch die ausser- 
ordentlichen Vorzüge, welche sich hieraus für die Anlage 
des Gebäudes ergeben haben- 

Die Grundidee für dasselbe wird als das sogenannte 
Fischgräten-Svstem bezeichnet. In einfachster Form, wie es 
liereits im Jahre 1K44 von van der Nflll und Sic.cards- 
burg für eine in Wien projektirte Gewerbe- Ausstellung be- 
absichtigt war, besteht es aus einer Mittelgallerie, von der 
sich in regelmässigen Abständen kurze tyuergallerien abzwei- 
gen. Für grössere Dimensionen würde ans einer solchen ein- 
fachen Anordnung die Gefahr einer ähnlichen Monotonie 
entstehen, wie sie in anderem Sinne dem Pallaste der letzten 
Pariser Ausstellung anhaftete. Dieselbe ist hier beseitigt, 
indem inmitten des Komplexes eine grosse kuppelbedeckte 
Rotunde eingefügt wurde und indem die beiden t,hiergallerien 
seitlich derselben und an beiden Enden durch vorgesetzte 
Frontgallerien zu einem dominirenden Mittelbau nnd zwei 
Seitenbauten geschlossen wurden. Es ist auf diese Weise 
möglich geworden, auf Oberlichtheleuehtung, welche bei den 
früheren Ausstellungsgeb&uden das Eindringen des Regens 
und eine ungleichmässige Vertheilung des Lichtes zur rolge 
hatte, gänzlich zu verzichten und durchweg hohes Seilen- 
licht einzuführen. Die Möglichkeit einer guten Lüftung und 
die leichte Zugftnglichkeit des Gebäudes, das ausser den 
Hauptportalen in der Mitte der 4 Fronten noch 32 Neben- 
eingänge je in den Stirnen der 16 yucrgallerieu besitzt, sind 
zwei weitere Vortheile, von denen der letztere namentlich in 
der Zeit unmittelbar vor der Eröffnung sich fühlbar machen 
wird. Während in London und Paris die Heranschaffung 
und Aufstellung der Ausstellungs-Gegenst-ände, die durch das 
Gebiet anderer Nationalitäten hindurch transportirt werden 
mussteu, oft in lästigster Weise sich staute, ist dies hier, 
wo für jede Abtheilung besondere Eingänge vorhanden sind, 
nicht zn fürchten. Sollte eine derselben im der Eröffnung 
der Ausstellung noch nicht ganz fertig sein, so kann sie mit 
Leichtigkeit provisorisch ausgeschlossen werden, wie anderer- 
seits iu der Möglichkeit einer theilweisen Ueberdecknng der 
zwischen den Quergallerien belegenen Höfe ein leichtes 
Mittel vorhanden ist, um bei etwaigem Bedarfe die Ausstel- 
sehnell um ein Namhafte» zu vergrössern. — Die 




Anordnung erhöhter Emporen innerhalb des Gebäudes, welche 
bei den älteren Industrie -Pal (ästen stets zu allerhand Ein- 
träglichkeiten geführt haben und dabei verhältuissmSssig sehr 
wenig besucht wurden, ist durchweg vermieden. 

Die Dimensionen des Ausstellungsgebäudes, das in seineu 
wesentlichen Koustruktionstheilen von Eisen errichtet und 
mit Zinkblech eingedeckt wird, sind sehr bedeutende. Die 
Hauptgallerie misst bei 25 m Breite 905™ Länge, jede der 
16 0\iergallerien 15 m Breite und ca. 70'" Länge, jeder Zwi- 
schenhof 35 Breite und 70"* Länge. Die mittlere, nach 
einer Idee des bekannten englischen Ingenieurs Mr. Scott 
Rüssel konstruirte Kuppel, deren Durchschnitt nebenstehend 

skizzirt ist, hat die aus- 
T serordentliche, den Dom 
von St. Peter um das 
Doppelte übertreffende 
Spannweite von 108 ■ 
und steigt mit der Spitze 
ihrer ohersten Laterne 
bis zu 84,1 m Höhe. Ge- 
tragen wird dieselbe von 
82 aus Blech undWiukel- 
eisen zusammengesetzten 
Pfeilern von 3,uö' u X 1,22*" Querschnitt und 24,38™ Höh«, 
die auf Beton -Fundamenten ruhen. Eine schmale Gallen« 
umzieht die Kuppel unmittelbar unter dem Saum des ersten 
kegelförmigen Daches in 23 m Höhe; Treppen führen von 
dort nach einer zweiten und dritten Gallerte, welche im 
Aeusseren und Inneren den Fuss der beiden Laternen um- 
gürten. Gelingt es nach Beendigung der Ausstellung nicht 
mehr von den Anlagen derselben zu retten, so soll zum 
Mindesten dieser Kuppelbau als ein Wintergarten für Wien 
erhalten werden. 

Die übrigen Gebäude der Ausstellung können sich mit 
dem Haupt- l'allasto allerdings nicht messen und mögen 
daher vorläufig nur flüchtig erwähnt werden. Die Maschinen- 
halle (Ä), deren Absonderung wohl entschieden zu den 
glücklichsten Neuerungen der Wiener Ausstellung gehört, ist 
ein dreischiffiger luftiger Bau von ca. 54 r 5 » Tiefe und 785'° 
Länge. Der zwischen ihr und dem Hauptgebäude, sowie 
nordöstlich von ihr belegene Theil des Parks (Q) ist zur 
Errichtung industrieller Etablissements nnd zur Aufstellung 
aller baulichen Ausstellungs-Obickte bestimmt. Das Kunst- 
ansstellnngsuebäudo (C), im Aeusseren durch eine Mittel- 
kuppel und 2 Eckpavillons ausgezeichnet, enthält 4 Schiffe, 
von denen die beiden mittleren durch Oberlicht, die Süsse- 
ren - in Kabinete getheilt — durch Seitenlicht beleuchtet 
werden, und entspricht in Dimension und Ouerscbnitts-An- 
ordnung der durch Versuche für die neuen Wiener Museen 
festgestellten Anlage. Der Raum zwischen ihm und dem 
Hauptgebäude wird zu einem durch Aufstellung von Statuen 
etc. geschmückten Kunsthofe ausgebildet 

Auf der entgegengesetzten Seite liegen zwei kleinere 
Gebäude (ü), die für die „ Exposition des amatcurs" bestimmt 
sind, — etne Einrichtung, durch welche man auch die Schätze 
der Privat-Kunstsammluugen für die Ausstellung hofft heran- 
ziehen zu können. Nordöstlich liegt ein grösseres Gewächs- 
haus (A'J, mit dem südöstlich ein Aquarium korrespondirt. 
— Eine besondere Gruppe von Gebäuden ist in jenem Theile 
des Parkes vereinigt, der zwischeu der südwestlichen Haupt- 
front« des Industrie-PaUastes und der Haupt-Allee des Pra- 
ters liegt. Hier öffnet sich nach der letzteren eine grosse 
Portal-Anlage (//), welche den als solchen eharakterisirten 
Haupt-Eingang bildet; links von demselben liegt der Pavillon 
der Kommission (/), rechts das Gebäude für den Post- und 
Telegraphendienst (A"), weiterhin in schräger Stellung der 
mit besonderer Pracht ausgestattete Pavillon des Kaisers (L) 
und mit ihm korrespondirend der Pavillon der Jury (iQ> 
Bedeckte Gänge (A), die von den beiden zunächst des Haupt- 
portals liegenden Seiteneingängen ausgehen, ermöglichen es 
auch bei schlechtem Wetter trockenen Fusses zu dem grossen 
Indnstriepallaste zu gelangen, der in gleicher Weise mit den 
wichtigsten der übrigen Gebäude in Verbindung steht Der 
Restaurationen (/f) und der Wachthäuser (/•), die an den 
verschiedensten Stellen des Parkes zweckmässig vertheilt 
sind, ebenso der einzelnen Eingänge (F) braucht wohl nicht 
besonderer Erwähnung zu gesehenen, wie es ebensowenig 
Sache dieses ersten Berichtes sein kann, auf das Detail der 
architektonischen Ausbildung, welche den Gebäuden der 
Weltausstellung geworden ist resp. werden soll, näher ein- 
zugehen. 

Mögen znm Schlüsse noch die Namen der Männer ge- 
nannt werden, deren schwierige Aufgabe es ist, zur Seite 
des rastlos thätigen General-Direktors der Ausstellung, Frei- 
herrn Wilhelm von Schwarz - Senborn, den architekto- 



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— 151 — 



ni&chen und technischen Theil der Vorbereitnngsarbciton zn 
leiten. Der erstere ist dem Architekten Carl Hasenauer, 
nach dessen Plänen sämmtliche Gebäude errichtet werden, 
Unterstützung der Architekten Gugitz und Korom- 



pay anvertraut; Chef-Ingenieur ist Hofrath R. von Engerth, 
unter dem als Maschinen-Ingenieur Professor R. von Grim- 
burg, als Bau-Ingenieur Inspektor Heinrich Schmidt fun- 
giren. — F. — 



für Thomaartu 



mit Gasfeuerung 

Von Dr. II 



In Xo. lfi dieser Zeitung findet sich ein Aufsatz unter 
dem obigen Titel aus der Feder des Herrn Mendheim, 
des ausfahrenden Ingenieurs bei Errichtung des neuen Gas- 
ofens der königlirhen Porzellanmanufaktur zu Charlottejiburg, 
in welchem derselbe einige Vergleiche zwischen diesem und 
dem Ringofen zieht, mit denen ich mich nicht ganz befreun- 
de« kann und die ich deshalb, um eine Klärung hierüber im 
Interesse der Thonwaaren -Jndustrie herbeizuführen, einer 
weiteren Erörterung unterwerfen möchte. 

Es steht unbestritten da, dass der Hoffmann'sche Hing- 
ofen in einer kurzen Reihe von Jahren in der Thonwaaren- 
Industrie und namentlich in der Ziegelfabrikation einen 
epochemachenden Umschwung herbeigeführt hat und dass er 
deshalb zu den bedeutsamsten Erfindungen der Neuzeit in 
volkswirtschaftlicher Beziehung zu zählen ist und dein Er- 



geachteten Namen weit über die Grenzen des 
Hinaus verschafft hat. Nicht allein seine weite 
Verbreitung in HOO Exemplaren für alle Zweige der Thon- 
waaren - Industrie legt bierfür Zeugnis* ab. sondern auch 
das Faktum, dass alle diejenigen Ofenformeu für Poterie- 
zwecke, welche in neuerer Zeit auftauchten und auf eine 
Ersparniss von Brennmaterial hinarbeiten, sich der Grund- 
idee des Hoffmann'schen Ofens — dem kontinuirlich in einem 
geschlossenen Ringe fortschreitenden Feuer, mit höchster Ab- 
kühlung der abziehenden Feuergase und Benutzung der in den 
gebrannten Objekten aufgespeicherten Wärme zur Erhitzung 
der Feuerluft — mehr oder weniger anschliessen, wenn auch 
in der Art der Befeuerung und der Gestalt der Brennräume 
oft grosse Abweichungen sich finden, die durch die Natur 
der zu brennenden Objekte oder besonderer zu erreichender 
Ziele geboten erscheinen. Der neue Gasringofen ge- 
hört auf den ersten Blick in diese Kategorie von 
Brennapparaten. 

Der Ringofen theilte das Schicksal aller grossen Erfin- 
dungen — er wurde Anfangs von Laien und technischen 
Autoritäten für unpraktisch und unausführbar erklärt und 
als der Erfinder nach rastlosen Studien und unter grossen 
Opfern den Beweis geliefert hatte, dass er trotz der erhobe- 
nen technischen Bedenken dennoch zu den besten Resultaten 
führen mü.oe. wenn er richtig gehandhabt wird, fanden sich 
Itald — auf der einen Seite begeisterte Bewunderer, auf der 
anderen Ignoranten und Neider ein, welche ihn in der nie- 
drigsten Weise anfeindeten, und sich bemühten, mit Hülfe 
einer eigeuthümlichen Auffassung des Streites Seitens der 
preussischen Patentkommission den Erfinder nicht allein 
um die Ehre der Erfindung zu bringen, sondern ihn auch 
als eines der verabscheuungswürdigsten Beispiele eines Pla- 
giators der Welt zu zeigen. — Dafür, dass ich Herrn 
Mendheim nicht in diese Kategorie von Widersachern des 
Ringofens setze — denn für diese besitz« ich keine Diute — 
mag ihm zum Beweise dienen, dass ich es unternehme, einige 
in seinem Aufsatze ausgesprochene irrige Ansichten zu 
widerlegen. Herr Mendheim hat sich durch seine Studien 
bei Errichtung der neuen Anlagen der königlichen Porzellan- 
manufaktur ein unzweifelhaftes Verdieust um die Industrie 
der Thonwaaren erworben und können demnach seine An- 
sichten, weil sie für die iuteressirten Industriellen schwer- 
wiegend sind, nicht übergangen werden. 

Im Eingange seines Aufsatzes erkennt Herr Mendheim 
die grossen Vortheilt: an, welche der Hoffmann'sche Ring- 
ofen für die Erzeugung gewöhnlicher Ziegelwaaren bietet, 
spricht demselben jedoch jede Brauchbarkeit bei Benutzung 
für bessere Produkte, feinere Thonwaaren, Verblendziegel, 
ja selbst für bessere Brettziegel und Klinker ab und räth, 
denselben für solche Fabrikate durch einen Ringofen mit 
Gasfeuerung mutatis mutandis nach dem System des Char- 
lottenburger Porzellanofens zu ersetzen. Thatsachen sprechen 
am lautesten und ich hätte hier, um Herrn Mendheim's An- 
schauungen zu widerlegen, nur nöthig, ihm eine lange Reihe 
von Anlagen vorzuführen, in welchen gute Brettziegel und 
Verblend steine im Ringofen erzeugt werden; ich möchte hier 
aber noch weiter gehen und ihn darauf aufmerksam inachen, 
dass auch die weltberühmten Oldenburger Klinker*) in etwa 
einem halben Dutzend Oefen erzeugt werden, dass die Stein- 



Töpfer- mil Zitgltr 



1S7» Wo. J, 



Seger. 

zeugfabriken in Ziesar, Belgern, Görzke, Oberglauche und 
Krnminnussbauin sich desselben Systems für glasirte Pro- 
dukte bedienen, dass englische Fabriken darin Produkte mit 
Salzglasuren aus feuerfestem Thon erzielen und dass eine 
der bedeutendsten lothringischen Steinzeug- und Fayence- 
fabriken augenblicklich einen Kingofen erbaut, um darin ihre 
Produkte, in Kapseln eingeschlossen, zu brennen, nachdem 
in einem anderen Ofen angestellte Versuche ein günstiges 
Resultat geliefert haben, — zum Beweise dessen, dass es nicht 
immer nöthig erscheint, auf die erzielten grossen Brenn- 
material-Ersparnisse aus Rücksicht auf die Güte der Pro- 
dukte zu verzichten. 

Allerdings haben alle diese Fabrikeu, wie dies ja bei 
neuen Anlagen natürlich, Anfangs mit grossen Schwierig- 
keiten zu kämpfen gehabt, Schwierigkeiten, welche auch 
dem Gasringofen bei seiner Ueberführuug aus der Por- 
zellan- in die Ziegelfabrikation nicht erspart bleiben 
dürften uud an denen heute noch eine grosse Anzahl von 
Ziegeleien krankt, die nicht einmal im Stande sind, 
brauchbaren HintermaueruuRsstein zu liefern; aber 
den Fabrikanten besserer Produkte gelungen ist, 
überwinden und sie nach richtiger Erkenntnis« der Eii 
lichkeiten ihres Brennapnarates die Wege gefui 
um Ersparnisse und Herstellung guter Produkte 
vereinigen, so lässt sich auch erwarten, wenn erst ei 
eine bisher sehr zu vermissende Intelligenz unter den 
übenden der keramischen Industrie Platz gegriffen hat, 
auch Andere mit ihren geringeren Produkten zu demselben 
Resultat gelangen werden; jedenfalls erscheint es aber nicht 
gerechtfertigt, jetzt, wo unsere Industrie erst im Beginn des 
Aufschwunges begriffen ist, ein so scharf gefälltes Unheil, 
wie es Herr Mendheim hinstellt, auszusprechen. 

Der Vorwurf, welcher von vielen Seiten dem Ringofen 
gemacht wird und den auch Hr. Mendheim ganz besonders 
betont, ist der, dass es angeblich unmöglich sein soll, solche 
Produkte im Ringofen zu brennen, welche eine gleich - 
mässig gefärbte Oberfläche zeigen sollen, und dass man 
aus diesem Grunde vielfach auf die durch das System des 
kontinuirlichen Brandes und direkter Befeuerung gegebenen 
Vortheile verzichten müsse, um nicht seine Fabrikate in eine 
geringere Kategorie zu bringen. — Für glasirte Waaren bei 
Anwendung sehr asclienreichen Brennmaterials mag dies 
zutreffen, dieser Uebelstand greift aber nicht in dem Maasse 
Platz, wie sich Hr. Mendheim vielleicht vorstellt, denn ein 
intelligenter Fabrikant wird nicht zürn offenen Brennen von 
glasirten Waaren — gleichviel bei welcher Konstruktion der 
Oefen — Torf, sondern ein« reine Steinkohle oder Holz ver- 
wenden. Nur in dem Falle trifft jener Vorwurf zu, wenn, 
wie vielfach geschieht, an den Ringofen die unbillige Anfor- 
derung gestellt wird, er solle mit dem möglichst schlech- 
testen, nur aufzutreibenden Brennmaterial die besten Pro- 
dukte hervorbringen; ich glaube, Hr. Mendheim würde sol- 
chen Forderungen gegenüber auch mit dem Gasofen in Ver- 
legenheit, wenn auch nicht in eine so empfindliche als beim 
Ringofen, gerathen. 

Alle Verunreinigungen der Oberflächen bei Ziegelwaaren, 
die im Ringofen gebrannt sind, werden ganz ungerechtfer- 
tigter Weise der Asche zugeschrieben, und wenn dies auch 
der Fall ist bei den Objekten, welche unmittelbar als Auf- 
lager des Brennstoffes dienen, so ist dies noch nicht der 
Gmnd für alle Missfärbungen, sondern die Ursachen hierfür 
sind zum Theil ganz wo anders zu suchen. Es ist unschwer 
nachzuweisen, dass die überwiegende Zahl der Verfärbungen 
bei unglasirten Produkten bedingt ist durch die Natur der 
r'euergase und die Art und Weise, wie die erzeugte Wärme 
bis in s Extrem ausgenutzt wird, uud dass dieselben Erschei- 
nungen sich auch bei Benutzung des Gasringofens zeigen 
müssen, wenn nicht dieselben Vorsichtsroaassregeln getroffen 
werden, welche beim gewöhnlichen Ringofen zu ihrer Ver- 
hC uii nöthig sind und deren Ausserachtlassung sich in der 
von "Crn. Mendheim als dem System anhaftend angesehenen 
Weise rächt. Mit der Vergasung des Brennmaterials wird zwar 
die Asche aus dem Brennraume verbannt, nicht aber alle die 
übrigen viel schwerer wiegenden Einflüsse; es wird weder 
die chemische Wirkung der Flamme geändert, noch werden 
die bei allen Feuerungsanlagen auftretenden luftförmigen 
er Feuerungsgase entfernt, da aus 



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- 152 — 



liegenden praktischen Rücksichten eine Reinigung derselben 
nicht statthaben kann. 

Wer sich die Mühe geben will, mittels Loupe und Mi- 
kroskop die Flächen von Steinen zu untersuchen, wird ohne 
Schwierigkeiten erkennen können, welche Verunreinigungen 
durch Asche hervorgebracht sind und welche anderen 
Ursachen zugeschrieben werden müssen; er wird finden, 
dass alle Aschenanflüge, welche nicht gerade auf einem bis 
zur glasigen Schmelzung gebrachten Klinker sitzen,' also 
hier durch Einschmelzung ihr»? Form verloren haben, sich 
leicht durch ihre zellulare, oder wenn von Steinkohlen her- 
rührend, durch ihre schiefrige oder splittrige oder angeschmol- 
zene Beschaffenheit zu erkennen geben und sich mehr oder 
weniger leicht durch Reiben oder Waschen entfernen lassen. 
Dem Beobachter wird es ferner auffallen, dass nicht entfern- 
bare Anflüge mit besonderer Vorliebe sich an solchen 
Produkten zeigen, welche eine glatte und gedichtete 
Oberfläche halten, bei welchen die Oherflächenbeschaffenheit 
einem Anhaften der Asche ungünstig ist, also ganz beson- 
ders bei Maschinensteinen und mit Wasser gestrichenen ge- 
wöhnlicheu und Verblendsteinen, dass sie dagegen selten 
oder nie bei in Sand geformter rauhflüchiger Ziegelwaare 
anzutreffen sind; ich bitte Herrn Mendheim sein Augenmerk 
darauf zu richten, dass Maschinensteine häufig auf ihren 
glatten Flächen starke Anflüge zeigen, während sie auf den 
durch den Drahtschuitt gerauhten Tehlen oder schwächer 
sind. Es zwingen diese Erscheinungen zu einem weiteren 
Nachdenken, sie geben aber jedenfalls die Gewissheit, dass 
die Asche in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle an diesen 
Erscheinungen unschuldig ist. Selbst die in Form und Halt- 
barkeit so elenden Produkte der flämischen und niederrhei- 
nischen Ziegelfabrikation, die in Meilern unter unmittelbar- 
ster Berührung mit dem Brennmaterial erzielt werden, zeigen 
nicht die streifigen Missfärbungeu, selbst nicht l>ci zufällig 
erzeugten Klinkern, wie wir" sie häufig bei vollkommeneren 
Rrenueinrichtungcn finden, und liefern den Beweis, welche 
unbedeutende Rolle die Asche auf die Färbung der Über- 
fläche Ihm uuglasirten Produkten ausübt. Dagegen kann man 
sich in Oefeu jeder Konstruktion, in welchen missfarbig oder 
rein gebrannte Vcrhlendsteine stehen, davon überzeugen, dass 
die Steinflächen mit der feinsten Flugasche bestäubt sind, 
(dine in ihrer Färbung Kinbusse zu erleiden. 

Wenn es nun auch gewagt erscheint, einen Apparat, hei 
welchem die Möglichkeit zu guten Resultaten zu gelangeu, 
durch eine grosse Anzahl von Beispielen dargelegt ist, einem 
solchen gegenüberausteilen, der. soviel mir bekannt erst in 
einem Exemplar betriebsfähig ausgeführt ist, so ist man um 
so mehr gezwungen, für den letzteren weitere Beweise ab- 
zuwarten, als derselbe bisher nur für die Erzeugung der 
höchsten in der Technik überhaupt erreichbaren Tempe- 
raturen angewendet wurde. Dal>ci sind aber sehr begrün- 
dete Bedenken zulässig, ob mit derselben Sicherheit und 
Gleichförmigkeit die verhältnissmässig geringen Tempera- 
turen in andern Zweigen der Thouindustrie sich auf den 
ganzen Ofenraurn vertheilen lassen; es frfigt sich, ob denn 
nicht dieselben L'ebelstände der ungleichmäßigen Erhitzung, 
wie sie den älteren Üfenkonstruktionen eigen sind, sich hier 
nicht in noch potenzirterem Maasse zeigen werden. Doch 
abgesehen von diesen Bedenken, welche erst durch die 
Praxis widerlegt oder bestätigt werden müssen, ist es nicht 
schwer, den Nachweis zu führen, dass alle die Erscheinun- 
gen der Misüfärbungen bei der Benutzung des Gases mit 
derselben Notwendigkeit auftreten müssen, wie sie beim 
Hoffmann'scheu Ringofen gerügt werden, sofern das Prinzip 
der üussersten Ausnutzung der Wärme beibehalten wird und 
die Vorsichtsmaassregelu verabsäumt werden, welche auch 
der Betrieb des Ringofens erheischt. 



Jedenfalls muss zugegeben werden, dass der ungleich 
komplizirtere Gasofen in der Handhabung und Regulirung 
seiner Funktionen schwerer zu behandeln ist, als der ge- 
wöhnliche Ringofen, und dieser bietet wahrlich schon Schwie- 
rigkeiten genug und stellt die Intelligenz der Arbeiter den 
nicht kontinuirlich arbeitenden Ofeneinrichtungen gegenüber 
auf eine harte Probe. 

Wenn sich Herr Mendheim bei Fabrikanten gelber 
Ziegelsteine darnach erkundigt, ob jedes Brennmaterial für 
die Herstellung derselben benutzt werden kann, so wird 
er erfahren, dass die Wahl desselben bei allen Ofenkon- 
stmktionen von dem grössten Einfluss auf die Färbung ist, 
und dass es hier zufällig - -- wenn wir das Holz als Brenn- 
material überhanpt ausschlicssen — die aschenreichsten 
Brennstoffe, Torf und Braunkohle, sind, welche sich vorzugs- 
weise geiguet zeigen, während Steinkohle selten gleichartige 
Steine erzielen läast, sondern an den freien Flächen rothe 
Färbungen hervorruft, die häufig mehre Millimeter tief in 
die Thonmasse eindringen. Wenn es nicht schon die rothe 
Färbung allein tbäte, so schliefst sicher die Stärke der 
gefärbten Schicht den Einfluss der Asche a priori aus und 
es bleibt als einzige Erklärung der Erscheinung eine chemi- 
sche Einwirkung einzelner Bestandteile der Feuerluft auf 
den Thon. Die Chemie lehrt uns nun, dass alle stark eisen- 
haltigen Thone, welche in einem gewissen Stadium der Sin- 
terung durch das Brennen eine gelbe oder weisse Farbe an- 
«nehmen. stets einen in einem gewissen Verhältnis* zum Eisen 
stehenden Gehalt von kohlensaurem Kalk enthalten müssen 
und dass durch die Bildung eines hellfarbigen Eisen-Kalk- 
haltigen Silikats die sonst durch das Eisenoxyd verursachte 
rothe Steinfärbung verdeckt wird. Nehmen wir also in irgend 
einer Weise an der Steinoberfläche (den Kalk anderweit in 
Anspruch, so dass er in die erwähnte hellfarbige Verbindung 
nicht eintreten kann, so wird die tingirende Kraft des Eisen- 
gehaltes in ihrer ganzen Starke hervortreten müssen. Dieser 
Fall kann in der Praxis sehr häufig eintreten, und wird sich 
immer dann durch eine Rothfarbnng kennzeichnen, wenn 
dem Kalk eine stärkere Säure, als die Kieselsäure es ist, 
während des Brennprozesses zugeführt wird uud dies ge- 
schieht am leichtesten dann, wennn im Beginn des Erhitzens 
sich gleichzeitig Waascrdflmpfc auf den Steinflächen konden- 
siren können. Nun fehlt in den bei Anwendung von Stein- 
kohle gebildeten Feuergasen niemals schwefelige Säure, 
welche, unter Mitwirkung von Wasser und Sauerstoff, du- 
ebenfalls stets im Bereich der zu brennenden Objekte vor- 
handen sind, an der Oberfläche den kohlensauren in schwe- 
felsauren Kalk (Gips) verwandelt und dadurch dem Kalk die 
Möglichkeit raubt oder diese in eine höhere Temperatur 
verlegt, als aus andern Gründen für die Fabrikation statt- 
haft ist, in eine hellfarbige Kalk-Eisen-Kiesel-saure Verbin- 
dung einzutreten. 

Nun ist doch das Gas nicht als ein selbststandig da- 
stehendes Brennmaterial mit bestimmten chemischen Eigen- 
schaften zu betrachten, sondern seine Zusammensetzung ist 
in erster Reihe abhängig von der Natur des festen 
Brennmaterials, aus "welchem es erzeugt wurde, und es 
wird stets in chemischer Beziehung ein Unterschied zwischen 
Steinkohlen-, Braunkohlen-, Torfgas etc. nachweisbar blei- 
ben, da dasselbe nach Ausschluss aller festen Substanzen 
alle flüchtigen Stoffe des festen Brennmaterials enthält; zu 
diesen flüchtigen Stoffen gehört aber neben Kohlenstoff, 
Wasserstoff, Sauerstoff und Stickstoff auch Schwefel, und 
wird demnach bei allen den Prozessen, wo der letztere eine 
schädliche Wirkung ausüben kann, er es ebenso bei Ver- 
wendung von Gas thun müssen, als wenn das entsprechende 
Brennmaterial ohne den Umweg der Vergasung angewen- 
det wird. (Bct.iu» Mgt > 



Mittheilungen ans Vereinen. 



Oestorrelohlschor Ingenieur- und Architekten - Verein 
zu Wien. 

Munatsversanimlung am "J. Dezember 1871 ; Vorsitzender 
llr. Ober-Buurath Fr. Schmidt, anweseud HM Mitglieder. 

Der Geschäftsbericht für die Zeit vom 5. November bis L>. 
Dezember ergiebt, duss in den Verein 4 l .» neue Mitglieder ein- 
getreten, 3 Mitglieder aus demselben geschieden siud. Zahl- 
reiche Auffnrderuugeu zu (tutachten, sowohl vou Behörden wie 
vou Privaten liegen vor. 

Nach Schlusä der geschäftlichen Verhandlungen spricht zu- 
nächst Herr Ingenieur Rottmavcr über die Ausführung der 
schmalspurigen Eisenbahn Lamhach-Breitcnscbütziiig. Für die 
Lambach - Gmundner Bahn, eineu der ältesten schmalspurigen 
Schienenwegs! mit Lukomotiv- Betrieb, bildet die llauptfracht die 
für die Ebenseer Suliuen erforderliche Braunkohle, welche in 
der Station BreiteDschützing der breitspurigen Ilauntbahn 1 Meile 
vor Lambach zur Aufgabe gelangt und zum Zwecke des Ucbcr- 



gangs auf die Zweigbahn bisher in Lambach umgeladen werden 
musste. Um diesen Uebelstaud zu beseitigen, hat man die 
schraalspurigu Bahn bis nach Breitenschützing dadurch in ein- 
fachster Weise verlängert, dass man zwischen die beiden Ge- 
leise der Hauptbahn ein drittes einfügte und so auch hier eine 
Spurweite von 1,106" (3' 6") herstellte. Dasselbe ist durchweg 
aus alten Schienen koustruirt — die Stösae zum Theil freischwe- 
bend, zum Theil auf den Schwellen. Die Abzweigung in Lam- 
bach ist als gewöhnliche Kreuzung zu b*, ein halber Wechsel 
mit nur einer Zungenschiene ausgeführt; in Breiteuschützing 
war bei der geringen Differenz von 0,32t) Meter zwischen den 
Schienensträngen eine Kreuzung mit Herzstücken nicht mehr 
anzubringen uud ist eine solche mit 2 halben Wechseln , deren 
Zungenschienen gekuppelt sind, ausgeführt. Die Kosten der 
ganzen Anlage haben nur 35 000 fl. betragen. — Herr Professor 
Grueber aus Prag hält hierauf einen Vortrag über die künst- 
lerische Anschauung. 



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- 153 — 




— 154 — 



Wochenversatumlung am 9. Dezember 1871; 
der Herr Ober-Baurath F. Schmidt, anwesend 327 Mitglieder. 

Herr Ingenieur A- F ö I s c h spricht über den Bau und Be- 
trieb amerikanischer Eisenbahnen, die er auf einer größeren 
technischen Reine des vergangenen Sommers, welche sich auf 
nordatucrikanischem Gebiete über 34» liM) Kilometer erstreckte, 
eingehend studirt hat. Die Dichtigkeit de« Eisenbahnnetzes in 
den Vereinigten Staaten ist eine sehr verschiedene; die Gesammt- 
lönge desselben betrug Anfangs 1871 87 858 Kilometer, von de- 
nen in den beiden Vorjahren 8222 resp. 18 092 Kilometer (also 
etwa so viel, als die Gcsainmtläugc der österreichischen Bahnen 
betragt), ueu eröffnet wurden. Bau und Betrieb der Eisenbahnen 
sind ein ganz freies Geschäft; die Erlangung der Konzession 
zum Bau einer Bahn ist zwar an {einige leichte Formalitäten 
gebunden, eine Kontrolle der Regierung füllt jedoch in der Ke- 
gel gauz fort, so dass der Schutz des Publikums gegen Miss- 
bräuche allein in der persönlichen Haftung und in der strengen 
Strafe sowie dem hohen Schaden-Ersätze besteht, welche bei 
Unglücksfällen verhängt werden. 

Was den Bau betrifft, so wird auf die Traciniug der Bahnen 
durchgehend» eine ausserordentliche Sorgfalt verweudet: aller- 
dings wird hei Anlage von Kontre-Kurven und Gegensteiguugen 
etwas freier verfahren, als hier erlaubt ist. Bei Gebirgsbahnen 
finden sich Steigungen von 1:50. ja selbst einzelne von 1:40, 
sowie Kurven von 1!H) bis 200'" Radius, in offenem Terrain Stei- 
gungen bis 1:100 und Kurven von 405 bis 633 "R. In dicht 
bevölkerten Gegenden wird sofort definitiv, mit Dämmen und 
eisernen Brücken gebaut, wShrend in wenig oder ganz unbe- 
wohnten Territorien, wo ein Verkehr erst geschaffen werden 
soll, die Anlage so wohlfeil wie möglich gemacht wird, so dass 
nur ein Geleise hergestellt wird. Brücken und Viadukte aus 
Holz bestehen und statt der Dämme vorläufig nur Gerüste 
(Tratet vin-kj errichtet werden. Die bis zu einer I. Kuge von 
'.',') ■" gewalzten Schienen, welche pro lf. Meter 30" und darüber 
wiegen, werdeu in üblicher Weise mit Laschen, Platten und 
Hakennägeln befestigt, sind jedoch bei der Wohlfeilbeit des 
Holzes in durchschnittlich je O.tit»™ Entfernunc unterschwellt. 
Alle Gebäude, sowie auch die Nebenanlagen, Wasserreservoirs, 
Drehscheiben etc. werden zunächst gleichfalls in einfachster 
Weise aus Holz konstruirt; — VYjfchterhäuser, Barrieren, Ein- 
zäunungen existiren bekanntlich nicht. Ebenso ökonomisch wird 
hei der Unterhaltung der Bahn verfahren, die auf das unent- 
behrlich Notwendigste beschränkt wird. 

Was den amerikanischen Bahnen trotzalledem eine Sicherheit 
verleiht, die der der uusrigen wenig nachstellt, — Unglücksfälle 
geschehen äusserst selten durch eine Entgleisung, sondern fast 
ausschliesslich durch grobe Fuhrlässigkeiten im lietriclie — ist 
die vorzügliche Konstruktion der Fahrbetriebsmittel, welche mit 
Recht als der Hauptbestandteil der Bahn gelten und die 
unsrigen weit übertreffen. Die Lokomotiven haben meist 2 Paar 
nahe aneinander gerückto Triebräder und ausserdem vorn 2 
Paar kleinere Laufräder anf einem beweglichen und verschieb- 
baren Druckgestelle ; auf eben solchen mit je 3 Räderpaaren 
ruhen vorn und hinten die oft 15 bis IS™ langen Personenwagen. 
Hin Fahrgeschwindigkeit ist übrigens keineswegs so gross, als 
oft geglaubt wird; sie beträgt iucl. aller Aufenthalte hei Post- 
zflgeti 22.25 bis 27,SOKm , bei Expresszügcu 33,40 bis 35.25 K=> 
per Stunde und steigt nur in außergewöhnlichen Fällen, wo 
eine sehr scharfe Konkurrenz vorliegt, auf 40 ja selbst 50"». 

Um trotz des Mangels an genügendem Personal möglichste 
Sicherheit zu gewähren, sind die vuu der Hauptbahn abgehen- 
den Weichen mittels Vorleu-esehlCsscrn festgestellt. 

Die Statistik der Bahnen ist zum Theil noch ziemlich 
lückenhaft. Im Allgemeinen gehen die von Ost nach West ge- 
henden Bahnen bessere Erträgnisse als die von Nord nach Süd 
gehenden, mit welchen die See- und Fluss-Dampfschiffahrt kon- 
kurrirt. Die Betriebs • Einnahmen aller uordamerikauischen 



Buhnen betrugen 1S70 etwa 450 Millionen Dollars, d. i. pro 
Kopf der Bevölkerung etwa 2'/, Thlr., pro K«, etwa 7000 Thlr. 
Die Höhe der Tarife ist nur theilweise, und zwar in den dicht- 



bevölkertsten Staaten, durch regierungsseitig aufgestellte Maximai- 
Tarife beschrankt, sonst ein freies Ergebuiss der Sjiekulation 
und Konkurrenz. 

In Bezug auf den Personenverkehr sind die amerikanischen 
Einrichtungen ausserordentlich beipuem. Namentlich gilt dies 
für die Behandlung des Gepäcks, welches mittels sogenannter 
Cheks bezeichnet wird, für die Einführung von Stadt-Burcaux zur 
Lösung von Fahrbillets, für die massenhafte und unentgeltliche 
Verbreitung von Fahrplänen, endlich insbesondere für die Ein- 
richtung der Züge, bei welchen als grösstc Annehmlichkeit die 
Einführung der Pullmanu'schen Scblafwauguns zu betrachten ist. 
Der Redner schliefst mit einer eingebenden Beschreibung der 
letzteren. <K<.rt«*u«ns folgt.) 

Badiaohor Techniker- Verein. Am 28. April fand die dies- 
jährige General- Versammlung des badischeu Techniker-Vereins 
zu Lahr Statt. In Folge der ungünstigen Form des Landes 
pflegt eine solche Versammlung nicht gerade zahlreich besucht 
zu sein (diesmal von '.. der Mitttlieder) und das V< 
sich mehr in den 4 Bezirksverbänden zu entwickeln, 
diesmal durch die Anwesenheit einer Anzahl Gäste i 
bürg eine höchst willkommene Ergänzung und der Auhiss zu 
schöner kollegial i scher Geselligkeit geboten. 

Von den wichtigeren Verhandlungs - Gegenständen nennen 
wir die Stellung der badischeu Baubeamten. Von einem posi- 
tiven Erfolg der in No. 2 der Bauzeitung erwähnten Eingabe 



konnte zwar wenig bemerkt werden: ein direkter Bescheid anf 
dieselbe ist bis jetzt nicht erfolgt, doch sind wohl in der allge- 
meinen Gehaltserhöhung, in der festen Besetzung einiger pro- 
visorisch verwalteter Stellen, in der Anstellung einiger Prakti- 
kanten schwache Anfänge von einer Berücksichtigung der vor- 
getragenen Beschwerden zu erkennen. Vor Allem wird wohl 
auf den moralischen Eindruck des Mangels an Bautechnikern 
im Staatsdienst zu rechnen sein, welcher auch im Landtage be- 
sprochen ist und sich ohne Zweifel durch den Bau der Gott- 
hardhahn noch steigern wird. In der Organisation des 
badischen Bauwesens steht die längst als Bedürfnis« er- 
kannte Vereinigung des Eiseubahnbaues und Betriebs in einer 
Zentralbehörde vor der Thür, doch ist kaum zu erwarten, dasg 
in Folge dessen die Techniker besser bezahlt oder würdiger ge- 
stellt werden — enthält doch beispielsweise die oberste Instanz 
in technischen Angelegenheiten, das Handels-Ministeriuin, keineu 
einzigen Fachmann! 

Der badische Techniker-Verein hat bislang die Leistungen 
seiner Mitglieder noch nicht zu Publikationen benutzt, wie es 
doch zur Anregung und Belehrung wünschenswert!» und nach 
der Erfahrung anderer Vereine nützlich ist. Es wurde nun be- 
schlossen, hiermit einen Versuch zu unternehmen, und werden 
die vorbereitenden Schritte wahrscheinlich zur Hcrauagalm 
zwangloser, nach Bedürfnis« erscheinender Hefte führen. Bei 
der geographischen Maunichfaltigkeit des Landes und den be- 
deutenden Mitteln, welche auf öffentliche Bauten _ verwendet 
werden, bietet sich eine reiche Fundgrube zu technischen Mit- 
tbeilungen dar. Zuvörderst gab sich der Wunsch zu erkennen, 
eine statistische Uebersicbt der Gcsaiumtleistungen im 
Strosseubau, Strombau, Eiseubahubau, Hochbau u. s. w. seit 
mehren Jahrzehnten zu schaffen, besonders auch in der Ab- 
sicht, um die Bedeutung des Baufaches und die Verdienste 
seiner Vertreter im ganzen Staatshaushalt ziffermfissig zu be- 
legen. 

Ferner wurden einige der von der Abgeordneten-Versamm- 
lung im Oktober v. J. gestellten Fragen liesprochen und die 
engeren Geschäfte des 'Vereins erledigt. 

In den Vorstand wurden für das nächste Vereiusjahr ge- 
wählt, bez. wiedergewählt die Herren Baumeister, Delisle, 
Dürrn. Die Versammlung schloss mit dem oblipten Festmahl 
und einer Spazierfahrt auf die im herrlichsten Frühlingsscbmuck 
prangenden Anhöhen des Schwarzwaldes. 

Ostpreussisoher Ingenieur - und Architekten -Verein. 

Mouatsversammluug am 2. Mai zu Königsberg; Vorsitzender Hr. 
Uerzhruch, anwesend 14 Mitglieder. 

Nach Vorlesung des Protokolls und Mittheiluug eines Pro- 
gramm-Entwurfs für diu Exkursion noch dem Oberländischen 
Kanal thcilte Ur. Wolff mit, dass die Kommission, welche zur 
Berathung über Norniirung des Honorars für Ingenieure gewählt 
sei, bis jetzt noch keine \ orlage macheu könne. 

Hr. Wiehert referirte über die Zerdrückungs -Versuche 
mit den eingelieferten Kopenhageucr Kunststeinen wie folgt: 

1. Gelber Kunststein, anscheinend härter und spröder 

beim Zersägen. 
Gedrückte Fläche 15.7 X 15,7 »•» (6" X C") = 246,5a»«' 

(3ti'~i"). Höhe 17>'» («',"). 
Vollständig zerdrückt bei 33250 — 43225", also per 

126—168", resp. per |j" 1800 — 2400 Pfd. 
Die ersten Sprünge bei 500 — 75Q k . 

2. Weisser Kunststein, leicht zu zersägen, wie Kreide 

aussehend und ähnlich im Bruch. 
Gedrückte Fläche K>.« X 20,19 = 409,64G»">, resp. 7'/, 

X 8" = 6ürj". Höhe 26.1«™, resp. 10". 
Vollständig zerdrückt bei 33250 bis 36575*, also pcrQ«« 

77 — 85,4", resp. per p" 1109 — 1220 Pfd. 
Die ersten Sprünge bei 300 — 400". 

3. Maricnburger Ziegelsteine. 

Gedrückte Fläche 12.5 X 26,1 = 324.25a«' (4«4 X 
10" = 47,5 □"), Höhe 2 X «,5 = 13» (2 X 2'V 
= 5"). 

Vollständig zerdrückt bei 20000 — 27500", also per □«•- 

58,8 — 77,0", resp. per Q" 840 — 1100 Pfd. 
Die ersten Sprünge bei 350 — 400". 
Hiernach seien die Festigkeitsproben günstig ausgefallen, es 
•oge, wie dieso Kunststeine sich gegen die 



stehe nur noch in Fr 
Witterung halten würden. 

Es wird die Frage aufgeworfelt, woher der weisse Ausschlag 
bei Ziegelsteinen an verschiedenen hiesigen Gebäuden herrühre. 
Nach mehrfachen Aeusserungen hierüber übernahm Hr. Hü- 
ter die Beantwortung derselben in nächster Sitzung. 

Schliesslich wurde beschlossen, mit nächster Munatsvcrsatnni- 
luug eine Exkursion nach der Fabrik von Ostendorff etc. zu 
verbinden. 

Sächsischer Ingenieur- nnd Architekten-Verein- 76. or- 
dentliche Hauptversammlung, am 28. April abgehalten zu Dres- 
den im Lokalu der Harmonie-Gesellschaft. 

Der Hauptversammlung voraus gingen in gewohnter Weise 
die Sitzungeu der verschiedenen Sektionen des Vereins. 

In der Sektinn I machte der Sektionsvorstand, Hcn-Obcrin- 
geuieur Schmidt, Mittheilung über die Bauausführung des 
Tunnels in t'amenz für die Radcbcrg-Camenzcr Staatseisenbahn. 
Die Herstellung des Tunnels in saudigem und lehmigem Boden 
war von besonderer Schwierigkeit, da die fast dicht darüber bo- 
nicht gestatteten, dos» der Einschnitt als 



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— 155 — 



offener hergestellt und dann überwölbt wurde; während ciue 
Ausführung durch Stolleubetrieb wegen de» starken Wasserzu- 
dranges, in Folge dessen die angeschnittenen Thonschichteo 
schnell erweichten, sehr gefährlich gewesen wäre. Die ange- 
wendeten Schachtteufungen gestatteten nur langsamen Vorgang, 
da die Kommunikation auf den gerade über dem Tunnel 
sich kreuzenden städtischen Strossen nicht gestört werden 
durfte. 

Man senkte 15 Schächte über die Breite des Tunnels und 
an den Seiten bis zur Tiefe des Widerlagers, das auf Beton und 
Quaderschicht fundirt wurde, stellte von diesen Schächten aus 
Gewölberinge von 5— 8 m Breite ohne Verband unter sich her 
und wendete an den gefährlichsten Stellen Sohlenbögen an; der 
nach dem Bahnhof zu in Grünsteinfclsen gelegene Tunneltheil 
von 13"" I-änge wurde durch 3 Stollen, von denen einer im 
Bahnmittel, zwei an den Widerlagern vorgetrieben wurden, her- 
gestellt Die Bauzeit für die gesamnite Tunnellängc von ca. 
100™ betrug 14 Monate, da die örtlichen Verhältnisse die Arbeit 
ungemein erschwerten. — Ueber die Bauausführung waren ge- 
naue Detailzcicbnungen vorgelegt. 

IJr. Prof. Dr. Pränjkelgabhicraufeincn Ueberblick über den 
ueuesten Stand der Erbauung eiserner Brücken, insbesondere 
für Eisenbahnbetrieb; er beschrieb und charakterisirte einige 
von ihm besuchte Ausführungen, von denen er Zeichnungen 
und Photographien zur Ansicht vorlegte; so die Frauz-Joseiilis- 
Kettenbrücke zu Prag (Ondish Lefebrc), die Stadelaucrbrückc 
bei Wien, welche ohne Gerüst mit Schnabelvorrnllung aufgestellt 
wurde, uud mehre Brücken in Ungarn. Der Vortragende 
knüpfte hieran eine kurze Ucbcrsicbt der bisher in Gebrauch 
gekommenen Methoden für Aufstellung der Kiscukoustruktioueu 
von Brücken und bezeichnet als solche: 

Vollständiges Stundgerüst zum Aufzug oder Zutransport der 
einzelnen Theile (seit 1864 in Auwendung); Aufzug der ganzen 
Träger auf ein festes Gerüst (bei der Brittauia Rührenbrückc 
in Anwendung) ; l'eberschiebcn der einzelnen Tragwäudc auf ein 
festes Standgerüst (seit 1854 in Anwendung); Ueberschieben der 
gesammten Eiseiikoustruktion auf ein festes Standgenist. Seit 
1865 ist versucht, von der über einer tk'ffuung auf festem Ge- 
rüst montirten Konstruktion die Hauptträger der nächsten Oeff- 
nungen vorzutransportircu, seit 18545 ist versucht, ganz ohne 
Gerüst einzelne Träger, und seit 1857 ohne Gerüst die ganze 
Konstruktiou durch Vorschieben resp. Vorrollen aufzustellen. 

In der Sitzung der zweiten Sektion gab Hr. Prof. Falckc 
in Chemnitz Mittheilungen üher Indikatorversuohc an einer 
rorliss-Maschinc, sowie Hr. Prof. Dr. H artig über Geschwindig- 
keitsdiagTamme des Kurbelgetriebes. 

Die Diskussion der Frage : Welcher Bildungsgang ist juncen 
Leuten, die sich dem Maschinenbau widmen wollen, zu empfeh- 
len, wurde unter dem Referate des Herrn Regierungsrath Prof. 
Dr. Schneider fortgesetzt. 

In der III. Sektion sprach Hr. Ingenieur Kellin g in sehr 
eingehender Weise über die Verwendbarkeit der verschiedenen 
Heizsysteme, Hr. Stadtbaudirektor Friedrich in Dresden über 
die Ausführung einer besonderen Grundverstärkung. 

In der Sitzung der IV. Sektion macht Herr Kunstmeister 
Stollenfaktor Bo ruemann Mittheilung üher die von ihm ausge- 
führten Versuche, betreffend die Grösse der Kolbenreibung. Hr. 
Ingenieur Oberstlicutenaut Andree sprach über den neuesten 
Stand der Anwendungen von Nitroverbindungen in der Technik 
und gab Bericht über die neuerdings Mmihtn angestellten Ver- 
suche, welche Herr Artilleriehauntmann Kahle schon früher 
begonnen und dem Verein vorgeführt hatte. 

(Scilla»» folgt.) 

Architekten -Voretn zu Berlin. Haupt -Versammlung am 
4. Mai 1872; Vorsitzender Hr. Quassowski, anwesend lilf Mit- 
glieder und 9 Gäste. 

Von Seiten des Architektonischen Vereins in Hamburg ist 
die Nachricht eingegangen, dass derselbe die bereits im vorigen 
Jahre beabsichtigte Exkursion nach Berlin im Laufe dieses Mo- 
nats (voraussichtlich am 25. bis 27. Mai) zur Ausführung bringen 
will. Der hiesige Verein wird um seine Beihülfo bei diesem 
Vorhaben und namentlich darum ersucht, den Hamburger Gästen 
die gemeinschaftliche Besichtigung der Konkurrenz -Eutwürfe 
zum Reichstagshause während einer Zeit, in welcher die Aus- 
stellung dem Publikum verschlossen ist. zu erwirken. Der Hr. 
Vorsitzende begrüsst mit Freude die Aussicht dieses Besuchs 
und schlägt vor, die nöthigen Veranstaltungen und Vereinba- 
rungen einer besonderen Kommission anzuvertrauen. Zu Mit- 
gliedern derselben mit dem Rechte der Kooptation werden die 
Hrn. Fritsch, Housselle uud Mellin gewählt 

Es folgen einige Mitteilungen des Ober-Bibliothekars, Hrn. 
Franzius über anzuschaffende Werke und eine Aufforderung zur 
schleunigen Berichtigung des im Drucke befindlichen neueu Mit- 
gliedcnerzeichnisses. Die Beurtheilung der letzten Mnnatskon- 
kurrenzen hat wegen augenblicklicher Unvollständigkeit der 
Kommission unterbleiben müssen; für den diesmaligen Termin 
sind Arbeiten nicht eingelaufen. 

Hr. Assmann erläutert hierauf den von ihm gestellten 
Antrag, bei dem Hrn. Minister für Handel pp. wegen einer ver- 
änderten Organisation des Studiums und der Verwaltung im 
Staatsbauwesen vorstellig zu werden. Die Veranlassung hierzu 
hat ihm die Acusserung des Hrn. Ministers auf dem letzten 
Schinkelfest gegeben, die — wenn auch in wohlwollendster 
Weise — in unserem Fache den Mangel an über die Mlttclwäs- 
sigkeit hervorragenden Kräften bedauerte. Ist dieses Bedauern 



iu der That gerechtfertigt, wie wohl Jeder anerkennen muss 
so legt eine Acusserung von solcher Stelle dem Vereine die 
entschiedene Pflicht auf, mit seiner Meinung über die Ursachen 
dieser Erscheinnng und über die Mittel zu einer Besserung der 
bisherigen Zustände nicht zurückzuhalten. Der Redner verliest 
den Entwurf zu einer solchen Vorstellung, wie er nach einer 
von ihm verfassten Vorlage durch die Berathuug und Amendi- 
ruug des Vorstandes festgestellt worden ist In eingehendster 
Weise wird in derselben als Ursache jeuer Mittelmäßigkeit die 
noch immer festgehaltene Forderung eines gleichzeitig auf die 
Architektur uud dus Iugenieurweseu gerichteten, daher uoth- 
wendig ungenügenden und oberflächlichen Studiums, als Mittel 
zur Abhülfe die Trennung der Fächer, welche höchstens bis 
zum ersten Abschnitt der Ausbildung gemeinsam betrieben 
werden können, bezeichnet. Detaillirte Vorschläge, wie ciue 
solche Reorganisation zu bewirken sein möchte, mussten selbst- 
verständlich unterbleiben und konnten hierül>cr nur Andeutun- 
gen gemacht werden. Als Kernpunkte der von Seiten des Ar- 
chitekten-Vereins im Interesse einer wirksamen Hebung des 
Preussischcn Staatsliauwescns geltend zu machenden Wünsche 
werden schliesslich hevorgeboben : für das Studium — gemein- 
same Vorbildung bis zur Bauführer- Prüfung — getrennte theo- 
retische uud praktische Vorbildung bis zur Baumeister-Prüfung. 
Für die Verwaltung eine möglichst durchgeführte Trennung der 
beiden, sich gegenüberstehenden Fachgebiete. 

Dem mit lautem, sympathischen Beifall aufgenommenen Vor- 
trage fügt Hr. F'ranzius im Namen des Vorstandes einige Er- 
läuterungen über die Art uud Weise hinzu, in welcher der be- 
treffende Antrag in vier, zum Theil mehrstündigen Sitzungen des 
Vorstandes erörtert worden ist. Die Natur des Gegenstaude» 
empfehle es, auf eine abermalige Diskussion im Vereiue zu ver- 
zichten und eine Abstimmung ou bloc zu veranstalten, zumal 
der Antrag ja lediglich eine erneute Anregung einer schon 
oft ventilirten Sache sei. 

Der Verein schliefst sich dieser Auffassung an und nimmt 
hierauf mit Einstimmigkeit an, dass das verlesene Schrift- 
stück iu seinem Namen dem Herrn Minister überreicht werde. 

Die Kommission zur Berathuug einer Norm für das llonurur 
der Bau -Ingenieure hat ihre Arbeiten noch nicht ganz abge- 
schlossen, wird dieselben jedoch zur nächsten Hauptversamm- 
lung vorlegen. 

Zum Schluss berichtet Hr. zur Nieden im Namen der Ex- 
kursions-Kommission über den für die diesmalige Sommer-Saison 
aufgestellten Plan. Der augenblickliche Stand "der Berliner Bau- 
Ausführungen »teilt hier eine verhält nissnifissig geringere Zahl 
der Besichtigungs- Objekte, als iu früheren Jahren zur Verfü- 
gung, nöthigt daher einen Theil der Ausflüge nach ausserhalb 
zu richten. Für den Begiun derselben ist auf Sonnabend, deu 
18. Mai eine Tour nach Brandenburg, später eine (schon durch 
mehre Jahre beabsichtigte) nach Stendal und Tangcrmündn in 
Aussicht genommen. Für die mehrtägige Reise nach Dresden 
etc. ist Sonnabend der 29. Juui als erster Tag, für das unter 
Theilnalime der Damen zu begehende Sommerfest Sonnabend 
der 13. Juli festgesetzt worden. 

Von den im l'ragekasteu enthaltenen Fragen beantwortet 
Hr. Lucae die über die Zulässigkeit eines Prediger - Klosets in 
einer protestantischen Kirche dahin, dass darüber_ das von der 
Gemeinde aufzustellende Programm entscheiden müsse. In vie- 
len Fällen werde dieselbe eine solche Anordnung wohl für un- 
bedenklich halten und eventuell sogar fordern, während eine 
derartige Bereicherung des Programme«, die vom Architekten 
ohne direkte Veranlassung getroffen würde, allerdings anstössig 
erscheiuen möchte. Die Frage, ob eine Mauer durch Wasser- 
glas gegen Regen gedichtet werden könne, wird von Hrn. Ass- 
mann verneint, da angestellte Versuche ergeben haben, dass 
ein Wasserglasüberzug wasserdurchlässig ist 

In den Verein werden aufgenommen die Herren Blum, 
Georg, Hasse und Stölting. — F. — 

Der projektlrto Ansiflug des Hamburger architekto 
nlschen Vereins nach Berlin, dessen iu dem Berichte über 
die letzte Sitzung des Berliner Architektenvereins erwähnt wird, 
giebt den erfreulichen Beweis, dass die für eine Pflege enger 
lachgenossenschaftlicher Beziehungen unter den Architekten und 
Ingenieuren Deutschlands so bedeutsame Sitte derartiger Besuche 
von Verein zu Verein, die zunächst vou dem Sächsischen Inge- 
nieur-Vereine angeregt, von dem Berliner Architekten -Vereine 
aber adoptirt worden ist, in entschiedene Aufnahme kommt. Es 
ist der Zweck dieser Zeilen, nicht blos eine wiederholte allge- 
meine Propaganda für sin zu machen, sondern unseren übrigen 
Nachbar-Vereinen, die sich wohl gleichfalls längst mit dem Ge- 
danken eiuer gemeinschaftlichen F'ach- Exkursion nach Berlin 
getnuten Ubeti , Zill freundlichen Erwägung vorzulegen, ob sie 
ein solches Vorhaben nicht vielleicht in denselben Tagen, wie 
die Hamburger Fachgenossen zur Ausführung bringen wollen. 
Nicht allein die Gelegenheit zu einer Besichtigung der Konkur- 
renz-Entwürfe für das Reichstagshaus spricht dafür, soudern 
wohl noch mehr die Aussicht auf das anregende Zusammen- 
treffen von Fachgenossen aus den verschiedensten Gaueu Deutsch- 
lands; denn sicherlich würden, wenn unsere Anregung aufgenom- 
men wird, neben den geschlossenen Vereinen noch viele einzelne 
Mitglieder von solcheu uud namentlich viele auswärtige Mitglie- 
der des Berliner Vereins gern diescD Anlass zu einem Besuche 
der Hauptstadt benutzen und so ein zwang- und anspruchsloser, 
aber gewiss desto fröhlicherer Kongress deutscher Architekten 
und Ingenieure sich iniprovisircn. — Allerdings wäre bei der 



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- 156 



Kürze der Zeit, die noch zur Verfügung steht, ein schneller I liner Architektenverein bi 
Entschluss nothwendig, da es wünschcnswerth ist, dass der Ber- | in den Besitz vorläufiger 



jiner Architektenverein bis zu «einer nächsten Sitzung am 1 L Mai 



VenuischtcB. 

Prämien -Erthcilnng an Preusslsohe Bauführer. 

In Anerkennung der bei den Bauführer-Prüfungen im Jahre 
1871 dargelegten Keuntnis.se und Leistungen sind von dem Mi- 
nisterium für Handel zwei Prämien von je dreihundert Thalern 
zu dem Zwecke einer Studienreise, sowie drei silberne Preis- 
Medaillen tiewilligt worden und zwar: 

die Heise - Prämien den Bauführern Carl Theodor Richard 
Bohn aus Perlin und Carl Adolph Hinckeldeyn aus Lübeck; 

die Medaillen den Bauführern Theodor Bbhin aus Cleve, 
Max Reinhold Volkmann aus Sylbitz bei Halle ... S. ..ud Hela- 
rien Klutmann aus Witten. 



Aua der Fachliteratur, 

Fabrikation. Prüfung- und Uebernahme von Eisenbahn- 
Material. Ein Hand- und Hilfsbuch für Eisenbahn-Ingenieure, 
Maschinen- und Hütten - Techniker. Von Alpbous Petzholdt 
Mit Vorwort von E. Ueusingcr von Waldegg. Wiesbaden, 
f. W. Kreidels Verlag. 1872. 

Wenn schon jedes Werk, welches die dem Konstrukteur so 
nothwendige, aber ohne praktische Tbätigkcit in Hütten oder 
Maschinenfabriken nicht leicht erreichbare gründliche Kenntnis» 
der Natur und Eigenschaften des Eisens und Stahls zugänglicher 
macht, mit Freuden begrünst werden muss, so gilt dies wohl 
besonders von der vorliegenden Arbeit, welche für die Beurtbei- 
luug der besagten Materialien bestimmte Anhaltspunkte giebt 
una darauf hindeutet, worauf es bei ihrer Fabrikation und 
Bearbeitung hauptsächlich ankommt- Der Verfasser war eine 
Reihe von Jahren (wie es scheint, ausschliesslich im Auftrage 
russischer Eisenbahnverwaltuugcu) mit der Prüfung undL'cber- 
uahme von Eisenbahnmaterial auf belgischen, englischen und 
deutschen Hütten betraut und ülurgiebt seine Erfahrungen 
nunmehr dem Publikum. Dieselben bezieben sich auf Eisen- 
babuaebieneu, Profileiacu, Schieucuvcrbinduugs- und Befestigungs- 
mittel, Telegrapheudraht , Bleche und sonstiges Material zu 
Lokomotivkesseln, Rahmen, eiserne Brücken, Wasserstationen, 
Eisenbahnwagen, schmiedeeiserne Räder, Bandagen, Achsen, 
Tragfedern und sonstige Lokomotivtheile aus Bessemerstahl, 
Herzstücke, Ausweichungen u. s. w., umfassen also so ziemlich 
das ganze Gebiet der Eisenbabntechnik. wie es in dem Werke 
von Heusinger von Waldegg behandelt wird. Als eine Fort- 
setzung und Vervollständigung des letzteren, dessen Format und 
Ausstattung es auch Süsser lieh angenommen hat, kann das Buch 
des Herrn Petzholdt in der That angesehen werden. Es gilt 
dies namentlich mit Rücksicht auf den im ersten Bande des 
Heusinger'scheu Werkes enthaltenen Aufsatz von Paulus über 
Material und Fabrikation der Schienen, und wird sich voraus- 
lea dritten Bandes (des Lokomotiv- 

r, dass das vorliegende Werk iedem Tech- 
und Stahl zu thun hat, von Nutzen sein 

X. 

Konkurrenzen. 

Die Konkurrenz für Entwürfe zum Hanse des Deutschen 
Reichstages. Die Ueberzahl der eingegangenen Entwürfe und 
der Andrang der Besucher, welche die Ausstellungsräume vom 
ersten Tage der Eröffnung an erfüllten, machen die Arbeit der 
Berichterstattung über diese Konkurrenz zu einer so schwieri- 
gen, dass wir unsere Artikel für diesmal leider noch nicht fort- 
setzen knuneu, wenn wir unserer Aufgabe in gewissenhafter 
Weise gerecht werden wollen. Wir benutzen diese Unterbrechung 
um einige Irrtbüiucr in dem von una in voriger Nummer ge- 
brachten Verzeichnisse der Konkurrenten, das wir abschlicsson 
muasten, bevor eine Uebersicht der Arbeiten möglich war, zu 
berichtigeu. 

Es fehlten in dem Verzeichnisse die Arbeiten der Herren: 
R. D ah man ii. Berlin und Daniel. Parchim, letztere weil un- 
vollständig als „hors eoncours" bezeichnet, entere vermutlich 
identisch mit dem Entwürfe Nr. 2">. Hingegen sind die in der 
Liste verzeichneten Entwürfe der Hrn. Horst (8!*) und H. J. 
Morre (79) von uns in der Ausstellung nicht gesehen wnrden. 

Falsch oder irrig sind folgende Nameusangaben: 

27. Ruckert statt Rickert. 36. Mylius statt Myliuer & 
Bluutschli. Till. Lumpe statt Zumpe. 7U. Preuser statt 
Preusser. 78. Lunge statt Laug. bO. Muvsken statt Muvkcu. 

Unrichtig datirt sind die Arbeiten der Hrn. Rettig (SO), 
die aus Karlsruhe und Haas & Wahl, die aus Wien einge- 
liefert ist. Bei der unter 1 verzeichneten Arlnnt der Hrn. 
Strack und Herrmann ist die Blattzabl auf G statt auf IC 



Somit glauben wt 
uiker, der mit Eisen 
wird. 



14. Juli d. J. wird vom Vorstände derselben ausgeschrieben. 
Es sollen 2 Preise von 500 resn. 300 Thlr. zur Vertheilang kom- 
men und eine Jury, bestehend aus den Herren Prof. Nicolai, 
Baumeister Eberhard, Stadtbaudircktor Friedrich, Banquier 
Boudi und Konsul Knoop funkttouiren. Die Konkurrenz -Be- 
dingungen schliessen sich eng au die Grundsitze des Verbandes 
an, nur dass in Betreff einer eventuellen Veröffentlichung des 
Jury- Gutachtens eine Bestimmung getroffen igt, welche vennu- 
then lägst dass diese Grundsätze dem Verfasser zufälliger Weise 
nicht in der in Hamburg beschlossenen Fassung, sondern in der 
eines früheren Entwurfes vorgelegen haben. Die Baubedin- 
gungen sind in erwünschter Detaiflirung angegeben und ist es 
sicherlich nicht zum Schaden der Sache, dass die Bauherren 
ihr Verlangen, dass das Gebäude im Renaissancestil errichtet 
werde und der Börsensaal dasselbe nach Aussen charakterisiren 
solle, klar und offen ausgesprochen haben. Es gereicht uns 
auch in diesem Falle zur besonderen Befriedigung konstatiren 
zu können, wie bemerkenswertbc Vorzüge viele der neuerding;» 
erlassenen Preisausschreiben gegen solche aus früheren Jahren 
zeigen und wie deutlich sich hierin das Bestreben, aber auch 
die Macht der als Rathgeber der Bauherren befragten Archi- 
tekten zeigt, für die Interessen ihrer Facbgcnossen wirksam ein- 
zutreten. 

Die Entscheidung der Konkurrenz für Entwürfe zur 
Anlage eines neuen StadttheUs In Mannhelm (vid. No. 3 
des lld. Jhrg. u. BI.) hat uuter 24 eingegangenen Arbciteu der 
von Professor Baumeister in Carlsruhe verfassten den Sieg 
zugesprochen. 

Personal - Nachrichten. 

Preusscn. 

Die Bauführer- Prüfung haben bestanden: Carl Wilhel m 
Assmann aus Osnabrück; Joseph Anton Waldhausen aus 
Cöln; Otto Paul Küster aus Perlin. 

Die Baumeister-Prüfung haben bestanden: Bauführer 
Tacke aus Oelde i. Westfalen; Bauführer Treibich aus Ef- 
felder bei Sonneberg, Herzogtb. Sachsen -Meiningen. 

Ernannt: Der Eisenbahn - Baumeister Dieckmann in 
Breslau zum Eisenbahn -Bau-Inspektor bei der Oberschlesischen 
Bahn daselbst. Der Eisenbahn - Baumeister Grüttefien zu 
Kettwig u- Ruhr kommissarisch zum Vorsteher des technischem 
Büreaus der Königlichen Eisenbahn-Direktion in Hannover. Der 
Eisenbahn - Baumeister Schilling in Uelzen zum Eisenbahn- 
Bau - Inspektor bei der Bebra - Hanauer Bahn in Fulda. Der 
Eisenbahn -Bau- Inspektor Behreud zu Schlüchtern zum tech- 
nischen Uülfsarbeiter bei der Königlichen Eisenbahn- Direktion 
in Cassel. 

Gestorben: Der Kreis-Baumeister Laessig in Dramburg. 
Sachsen. 

Ernannt: Der Strassen bau - Kondukteur Peters zum 
Chanssee -Inspektor in Löbau. Der Betriebs -Ingenieur Engel- 
hardt in Chemnitz zum Betriebs - Oberingenieur bei der Kgl. 
General -Direktion der sächs. Staats -Eiseubahnen in Dresden. 
Der Sektionsingenieur Helmer zum Betriebs-Ingenieur bei der- 
selben Behörde. Der prädizirte Betriebs -Ingenieur Becker in 
Geithain zum Betriebs - Ingenieur in Chemnitz (Abth. I). Der 
Sektions-Ingenieur Sarras in Penig zum Betriebs-Ingenieur in 
Flnha. Der Sektions-Ingenieur Hartenstein zum Betriebs-tn- 
genieur an der Plauen -Oelsnitzer Staats - Eisenbahn. Der Sek- 
tions-Ingenieur Bartholomaeus in Chemnitz zum Betriebs- 
Ingenieur in Aunaberg. Die Ingenieur -Assistenten Flach, 
Reiche und Eisenstuck zu Sektions -Ingenieuren beim Bau 
der Südlausitzcr Staatsbahn. Die Ingenieur-Assistenten Poege 
und Pfeiffer zu Sektions -Ingenieuren beim Bau der Pirna- 
Radeberger Staatsbahu. 

Versetzt: Der Betriebs-Ingenieur Richard zu Anuaberg 
nach Dresden (Abth. II). 

Schweiz. 

Zum amtlichen Inspektor der Gotthardbahn -Bauten ist Sei- 
tens des Schweizerischen Bundesrat hs der Ingenieur Koller zu 



für die Börse in 



mit dem Schlusstermine des 



Abonnent in Zörbig. Von einer Veröffentlichung dei 
erwähnten Martens'schen Projekte ist uns nichts bekannt, hin- 
gegen ist es nicht unmöglich, dass Sie bei dem betreffenden 
Kieler Phntngraphcn noch Photographien derselben erhalten 
können. Die Adresse desselben ist uns leider unbekannt 

Hrn. R. in Ellerbeck und Hrn. Scb. Friedenfels. 
Wir haben Ihre Offerten dem Hrn. Fragesteller übersandt 

Beiträge uud Sendungen mit Dank erhalten von den 
Hrn. IL in Berlin, M. in Hannover, B. in Gotha, v. W. in Bautzen, 
A. in Oppeln. 



Kon 



; »•» C«rl BttliM in I 



Uli 1 



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Pfarrhaus im Vorder - |<irchspiel zu ^Altona. 



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Jahrg. n M 20. 

DEUTSCHE BAUZEITUNG 

Organ des Verbandes 

deutscher Architekten - und Ingenieur-Vereine. 

Redakteur X. E. 0. Fritwh. 



K.4»ktl.a . Bi P .dlU«u 
l. Orinifwlmw 
S«Ullunt»a 



In .« «r.lli- »«Im«: 
.Bau- Anaelger" 

v, SP pr. 



Preis 1 Tbaler pro Qaartal. 


Herl in, den 


15. Mai 1872. 


Erscheint je de n Douni-r -u;. 


lotllt: D.c Ki.ak.irr»-,« Im» Kntwiiri.- mm II«.« .1.« d.iuarli.a B.lrh.. 
t«t« II. ^ Br«.»n.-.f--n fu^T<*.»w».rr-li mil OMf.»»rnng ««,1 knBtin.IrlklwpJ.- 

■itthaSnt*" ShmSÄS nf aaSatataa* InVuirar" und Arrhitektan-Vania 


fscWu«.!. - Ar.hlu-kirn- and luinaHMir- V.rH« <a flannov.r. - Arrnli.kfa- 
V.r.ln .«(W.U.. - VtralKhni: Dl. batf« d~ an»ltori»rh.a U'biwl«. für 
.l-ti di.uu--r.-ti H.ichala« tu Barllu. — P.tUtoi. il«r Modiraolan Uularhmwhrr 
BoafcllhalM - Au. it.r F.rl,llit.,.i„, All«<-a»cii» B«..ritunic. Jahrmr.|r 
l»7l (Fn.M.tHunn). — ParK.ii.l-Na.Thrirril.il .lr. 



II. 

Wie schwierig es hei dem massenhaften Material? dieser 
Konkurrenz ist, einen objektiven Vergleich der einzelnen 
Entwürfe zu gewinnen, das wir<l Jeder empfunden haben, 
der die Ausstellung auch zn wiederholten Malen besucht und 
nirlit blos flüchtig gemustert, sondern eingehend studirt hat. 
Bei der Vielseitigkeit der Auffassung, welche die Aufgabe 
zuliess, dürfte ein solcher Vergleich sogar nahezu unmöglich 
sein, w»>nn nicht die Einhaltung bestimmter Maasstäbc, wie 
nie das Programm vorgeschrieben hatte, zum Mindesten eine 
gewisse äussere Gleichartigkeit hervorgebracht hätte, welche 
das Studium wesentlich erleichtert. Einzelne Konkurrenten, 
die ihre Grundrisse nicht mit den eingeschriebenen Namen 
der Räume, sondern mit Ziffern oder Buchstaben bezeichne- 
ten, wie es der Nothbebelf einer Publikation in kleinem 
Maasstabe ist, haben freilich das Ihrige dazu gethan, um 
ein müheloses Verständnis» ihrer Entwürfe zn verhüten; — 
wie wir fürchten, sehr zu eigenem Sehaden. 

Um zu einer Sichtung des Stoffes zn gelangen, ist es 
ein wichtiges Erfordernis«, die vorhandenen Entwürfe nach 
bestimmten Prinzipien zu gruppiren. Eine Nebeneinander- 
stollung nach den Wohnorten der Verfasser, wie sie in der 
Ausstellung versucht und iu dem von uns niitgctheilteu Ver- 
zeichnisse*) durchgeführt ist, kann für eine sachliche Be- 
sprechung selbstverständlich nicht beibehalten werden, aber 
wir sind in entschiedener Verlegenheit, durch welches andere 
System wir sie crs.«tzen sollen. Es ist nach unserer Ueber- 
zeugnng ganz unmöglich ein Svstem zu finden, . nach welchem 
die Entwürfe dieser Konkurrenz in zufriedenstellender und 
konsequenter Weise sich ordnen Hessen; denn zu verschie- 
denartige Gesichtspunkte stehen sich hier gleichberech- 
tigt gegenüber und Arbeiten, welche nach dem einen die 
engste Verwandschaft zeigen, erscheinen nach dem anderen 
als die äusserst en Gegensätze. Wir glauben unserer Auf- 
gabe daher am Besten gerecht werden zu können, wenn wir 
vor allen Dingen eine l .ebtnfch. der Entwürfe nach allge- 
meinen Beziehungen geben und dabei zur Feststellung eini- 
ger Prinzipienfragen zu gelangen versuchen, während wir 
die Wahl der Ordnung, in welcher die Besprechung der 
zelnen Arbeiten erfolgen soll, uns bis auf Weiteres 
vorbehalten. 

Die zunächst in die Augen fallende Cnterscheidnng der 
Entwürfe ist für den Fachmann jedenfalls die nach ihrem 
durchschnittlichen Wertbe. nnd verliältnissmässig schnell bildet 
wohl Jeder sich ein vorläufiges Urtheil hierüber. Eine Son- 
dernng nach diesem Gesichtspunkte und die Ausscheidung 
aller, ein gewisses Niveau nicht erreichenden Arbeiten ist 
ia die Operation, durch welche die Preisrichter ihre Thätig- 
lfeit zu 
ki der Regel 
einer so 

alle Werthabstufungen vertreten sind, welche nach 
und Geschick der Verfasser möglich waren. Neben 
einigen Arbeiten, die den unverkennbaren Stempel des Genies 
tragen, wenn sie auch nicht in allen Theilen gelungen sind, 
— neben einer nicht geringen Zahl sehr tüchtiger und be- 
achten* werther Ia-istungen vertritt die Mehrheit, wie" fast 
immer, jenes Mittelgut, das trotz allen Flcisses und trotz ein- 
zelner glücklicher Gedanken im Ganzen doch eines künst- 
lerischen Schwunges entbehrt, wie er für die Lr.suug einer 

■J In IMC llerklitlgruiig itriMll..a, w.lrn. alr In vuriftrr Natutn.r trati.a, »lud 
Irld.r Mcdcr .«r.l DiuokMiInr — Myli«*r »an W % lim und Muylirn .Uli 
Mav-k.u - «uiti.lL.il. Au.ur.rdnn l.l far dl* Arlrrit aal.r ;» d*r Namo llaat 
11 . ' ladara. 



noch 



vereinfachen pflegen und mit welcher sie dieselbe 
tegel beginnen. — Es ist selbstverständlich, dass bei 
i zahlreich beschickten Konkurrenz, wie die vorlie- 
gende, alle Wertlmbstufungen 
Talent und Geschick der Verl 



solchen Aufgabe erforderlich ist. Nicht klein ist ferner die 
Zahl derjenigen Entwürfe, welche sogar noch nnter diesen 
Rang herabgehen und deren Verfasser leider nicht Selbst- 
kritik genug übten, um einzusehen, dass ihre mit redlichem 
Eifer al>er schwachen Kräften unternommenen Projektir- 
Uebungen in die Heimlichkeit privater Mappen, aber nicht 
in die Oeffentlichkeit einer solchen Konkurrenz gehören. 
Es fehlt endlich auch hier nicht an mehren Entwürfen, die 
gradezu als Kuriosa bezeichnet werden müssen — seltsame 
Erzeugnisse eines ganz absonderlichen und einseitigen Geistes- 
lebens, wenn nicht in dem eklatantesten Fall« die Annahme 
Platz greifen darf, dass ein leichtfertiger oder übelwollender 
Humorist sich einen unwürdigen Scherz erlaubt bat. 

Sehr verschieden ist auch der Grad der Durcharbeitung, 
welche den einzelnen Entwürfen zu Theil geworden ist, je 
nachdem deu Konkurrenten der Born der Erfindung schneller 
»der langsamer flu**, beziehungsweise eine grössere oder ge- 
ringere Zahl von Hülfsarbeitern zur Verfügung stand. Die 
einen haben sich mit flüchtigen Bleistiftzeichnungen begnügt 
und zum Theil nicht einmal alle im Programm geforderten 
lVarslcllungen geliefert, während andere weit über dieses 
Maass hinausgegangen sind und ihre Entwürfe durch zahl- 
reiche innere und äussere Perspektiven, ja sogar durch minutiös 
gemalte önd detaillirte Dekorationsblätter erläutert hfefieu. 
Wesentlicher als diese, doch nur für den inkompetenten 
Theil des Publikums maassgebenden Aeusserlichkeiten ist es, . 
welchen Grad der Vollendung die eigentliche Lösung der 
Aufgabe erreicht hat Auch in dieser Beziehung stehen 
völlig geschlossene und abgerundete Entwürfe solchen gegen- 
über, die entschieden unfertig und lückenhaft sind; sei es, 
dass ihre Verfasser nur die eine Seite der Aufgabe mit Vor- 
liebe bearbeitet, die andere hingegen über das Knie gebrochen 
haben; sei es, dass sie einzelner Schwierigkeiten, die bei 
weiterer Durcharbeitung ihre liefricdigeude Lösung wohl ge- 
funden hätten, in der Kürze der Zeil nicht Herr zu werden 
vermochten. 

Das Programm verlangt bekanntlich nicht vollständig 
ausgearbeitete Entwürfe, sondern nur Skizzen nml wird es 
uiue der ersten Aufgaben der Jury sein müssen, bündig fest- 
zustellen, in welchem Sinne und bis zu welcher Ausdehnung 
aie diesen Begriff der „ Skizze* verstehen will. Es kann 
unseres Enichtens kaum zweifelhaft sein, dass derselbe nicht 
auf die Manier der Darstellung, sondern lediglich auf den 
Grad der Lösung zu bezieben ist, so dass z. B. auf Fehler 
und Mängel eines Entwurfes, die sich beseitigen lassen ohne 
den Grundgedanken und die Vorzüge desselben zu beein- 
trächtigen, ein entscheidendes Gewicht nicht gelegt werden 
kann. Ob freilich diese Auffassung noch zulässig ist, wenn 
ein Entwurf mit ausgezeichneter, zu monumentaler und 
schöner Ausbildung sehr wohl fähiger Grund riss- Disposition 
eine durchaus nüchterne und unbedeutende Facadengestal- 
tung zeigt, möchte schwierig zu entscheiden seiu und ledig- 
lich von dem individuellen Ermesseu der Preisrichter ab- 
hängen. Jedenfalls ist es bei etwaiger Erwägung solcher 
Fragen als ein Vorzug zu betrachten, dass das Unheil der 
Jury ein völlig freies und nicht durch die Rücksicht heein- 
flusst ist dass dem Verfasser des mit dem ersten Preise ge- 
krönten Entwurfes unter allen Umständen die Ausführung 
des Baues übertragen werden muss. 

Als der wichtigste Gesichtspunkt für eine Beurtlieilnng 
der Entwürfe und als dasjenige Moment, das in Wahrheit 
darüber entscheiden wird, welcher von ihnen mit dem 
ersten Preise ausgezeichnet und welcher sodann der Aus- 
führung zu Grunde gelegt werden soll, muss ohne Zweifel 



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158 



die grundsätzliche Auffassung: in Betracht kommen , ans der 
die Konkurrenten den Gesammtcharakter des Bauwerks 
abgeleitet haben. In Betreff des thatsAcblichen Raumbedürf- 
uisses enthielt das Programm sehr vollständige und klare 
Angaben. Heber die zweckmässigste Lage der einzelnen 
Uiiume zn einander gab dasselbe zwar nur einige Andeu- 
tungen: indessen hätten so grobe Verstösse, wie sie in dieser 
Beziehung vorliegen, trotz der unendlichen Variationen, die 
für jene Raumanordnung möglich sind, doch nicht vorkom- 
men kennen, wenn die Konkurrenten sich Qber die Art und 
Weise des parlamentarischen Verkehrs, wie er in Deutsch- 
land sich entwickelt hat, besser iostruirt hätten, wozu ihnen 
Mittel und Wege immerhin zn Gebote standen. Hingegen 
lies.« die Bestimmung des Programms, .dass die Konkurrenz- 
Projekte nicht nur die zweckmassigste Lösung der vor- 
liegenden Aufgabe versuchen, sondern zugleich die Idee eines 
Parlameut&gehäudes für Deutschland in monumentalem Sinne 
verkörpern sollten" der individuellen Auffassung jedes Ein- 
zelnen soviel Spielraum, dass die Auslegung derselben den 
wesentlichsten Gegenstand der Konkurrenz bildet. 

Wie es für jeden der Konkurrenten der Fall war, so ist es 
auch für jeden, der als Preisrichter oder Berichterstatter der 
Presse zn einem Urtheile über die Entwürfe gelangen will, 
uuerlässliches Bedürfniss, sich vor allen Dingen über diesen 
Kernpunkt völlig klar zn werden. 

Zweckmässigkeit — Schönheit — Monumentalität! Es 
siud die drei Grundbedingungen, deren harmonische Verei- 
nigung ein Bauwerk zum Range des Kunstwerkes erhebt 
und daher für je<le architektonische Schöpfung erstrebt 
werden soll, welche höheren Zwecken als denen der Speku- 
lation und denen des vorübergehenden Bedürfnisses zu die- 
nen berufen ist. Für jede einzelne Aufgabe aber bildet es 
ein besonderes, durch die näheren Umstände des Bauherrn, 
des Bauortes und der Erbauungszeit beeinflusstes Problem, 
das richtige Verhältnis« zu finden, in welchem jene drei 
Momente zu einander stehen müssen, um den Charakter des 
Baues zum wahren und treuen Ausdrucke zn bringen. 

Sicherlich dringt sich in dem gegebenen Falle zunächst 
die Erwägung auf, dass es geboten ist, die monumentale 
Bedeutung des Gebäudes in würdiger Weise zu betonen. Ist 
es doch eine der edelsten und erhabensten Aufgaben, die 
hier zur Lösung gestellt ist Das Hans, in welchem die Ver- 
treter des geeinigten deutschen Volkes ihren dauernden Sitz 
haben sollen, errichtet an dem grössten und schönsten Platze 
der Reichshauptstadt als das erste Werk von künstlerischer 
Bedeutsamkeit, das der Reichsgewalt seine Entstehung ver- 
dankt — es muss zugleich errichtet werden als ein nationa- 
les Denkmal, das allem Volke als solches verständlich, die 
Würde und Macht des deutschen Reiches repräsentirt und 
den fernsten Nachkommen noch die Bedeutung anschaulich 
machen kann, welche wir dem Gewinn unserer Einigung 
beilegen. 

Oeffnet sich so der künstlerischen Erfindung eine Bahn, 
auf welcher sie berechtigt ist, nach dem Grossartigsten zu 
streben, was innerhalb der durch anderweite Bedingungen 
gesogenen Grenzen sich erreichen lässt, und ist die drückende 
Fessel, welche den Schwung der Phantasie sonst in erster 
Linie zu hemmen pflegt — der Zwang lästiger Rücksicht auf 
eine zur Verfügung stehende bestimmte Geldsumme — hier 
nicht vorhanden, so sind jene Grenzen doch eben gegeben 
durch die einfache Rücksicht auf die nicht minder wünschens- 
werte Zweckmässigkeit. 

Zunächst Zweckmässigkeit im niederen, alltäglichen 
Sinne, wie sie die praktische Benutzung des Gebäudes er- 
heischt und wie sie namentlich die Gestaltung des Innern 
beeinflussen wird. Selbst bei der höchsten Auffassang von 
der Bedeutung des Reichtagshanses als eines nationalen 
Denkmale» wird man der Thatsache Rechnung tragen müssen, 
dass es nicht blos ein idealer Repräsentativ - Bau, dass es 
vielmehr in erster Linie ein Geschäftshaus ist, welches 
dem täglichen Verkehr der Abgeordneten zu dienen hat. 
Möglichste Bequemlichkeit und Uebersichtlichkeit sind hier- 
für ein unbedingtes Erfordernis» und jedenfalls wird nach 
dieser Hinsicht diejenige Anlage als die beste zn bezeichnen 
sein, in welcher die notwendigen Räume so nahe wie mög- 
lich zusammengedrängt sind und in bequemster Verbindung 



! stehen. Sind diese praktischen Rücksichten nm der Gross- 
artigkeit willen vernachlässigt, so ist dies fast ein schlim- 
merer Fehler, als wenn das Umgekehrte der Fall wäre. 
Weder die Mitglieder und Beamten des Reichstages, noch 
Reichskanzler und Bundesrath werden das Bewusstsein, in 
einem möglichst grossartigen Monumentalbau zu verkehren, 
I mit der Notwendigkeit erkanfen wollen, um deshalb in 
[ diesem Hause taglich einige Kilometer mehr anf Hallen nnd 
Korridoren zurücklegen zu müssen, Hunderte von Stufen 
treppauf und treppab zn steigen und in Räumen arbeiten zu 
solfen, die nach Dimension nnd Form von ihren gewohnten 
I Arbeitsräumen so weit abweichen, dass sie ihnen notwen- 
digerweise unbehaglich sein müssen. 

Demnächst aber auch noch die höhere Zweckmässigkeit 
des Vernünftigen an sich, die vor Allem das Maass der Be- 
schränkung bestimmen wird, das bei Ausbildung der äusse- 
ren Erscheinung des Gebäudes einzuhalten ist. Wenn das- 
selbe im Innern trotz aller monumentalen Grossartigkeit das 
Geschäftshaas nicht verleugnen darf, so kann es unmöglich 
richtig sein, dem Aeusseren einen Charakter aufzuprägen, 
der dieser Bestimmung ganz und gar widerspricht Wir 
können die positiven Momente, deren Ausbildung wir für die 
Facaden-Gestaltung am Geeignetsten halten, hier noch nicht 
entwickeln, da uns zunächst eine Erörterung der für den 
Grundriss maassgebenden Haupt- Motive obliegt Jedenfalls 
aber scheint es uns im Sinne der Aufgabe nicht za liegen, 
erscheint es ung als ein Verfehlen des künstlerischen Ziels, 
ja geradezu als eine dilettantist ische Uebertreibung, wenn das 
Gebäude, um es nach Form and Masse zu einem Monumente 
ersten Ranges zu erheben, in seinen Höhendimensionen 
zwecklos und gewaltsam gesteigert und mit einem hohlen 
Schaugepränge drastischer Zutaten — Säulen- und Arka- 
denreihen, Thürme und Knppeln — ausstaffirt wird, die trotz 
ihrer robusten Massenhaftiglceit doch nur die Bedeutung de- 
korativer Scheinarchitektur haben. 

Ein solches Bauwerk, das zu unserer ganzen, das Ein- 
fache, Natürliche und Wahre erstrebenden Zeitrichtung im 
geraden Gegensatze stehen würde, dünkt uns am Wenigsten 
möglich in einer Stadt wie Berlin, die als der Sitz des ge- 
sunden praktischen Verstandes bekannt ist. dem solche 
Theater-Effekte entschieden widerstreben. Mag man diesen 
Sinn immerhin nüchtern schelten, so hat er trotzalledem 
doch seine gute Berechtigung, gerade in dieser Frage gehört 
zu werden; denn nicht zum Letzten ist es wahrlich der 
preussische Geist weisen Maassbaltens gewesen, der dem an 
die Spitze des neuen Deutschlands berufenen Staate die in- 
nere Kraft gegeben hat, die ihn zn dieser Stellung befähigte. 

Das Grosse und Prunkende ist dämm noch nicht das 
Grossartige und gern wollen wir bei der Erscheinung des 
Hauses für den deutschen Reichstag mit bescheidenen Massen 
nnd einer schlichten Gesammtform nns begnügen, wenn eine 
Steigerang dieser Wirkung nur durch bedeutungslose Schein- 
architektur erreicht werden kann. Dafür erheben wir an 
diesen Bau die höchsten Ansprüche, die an ein architektoni- 
sches Kunstwerk dieses Ranges erhoben werden können — 
harmonische Durchbildung des Innern und Auessern, Wahr- 
heit nnd Gediegenheit in allen Theilen, gleiche Bedeutsamkeit 
in der Macht seiner Gesammterscheinung, wie im Adel seines 
Details — endlich eine Verbindung mit den für seinen 
Schmuck bestimmten Werken der Plastik nnd Malerei, 
welche dieselben als organische Theile des Ganzen, nicht 
als willkürlichen Zierrath erscheinen lässt. 

Es ist leider nicht zu leugnen, dass weitaus die meisten 
der Konkurrenten, vor Allem die englischen Architekten, 
diesen Standpunkt nicht zu dem ihrigen gemacht haben, 
sondern ihrer Phantasie in Erfindung einer möglichst gross- 
artigen und malerischen Facadenaufbaus rücksichtslos die 
Zügel schiessen Hessen, während nur wenige Entwerfe vor- 
liegen, deren Verfasser man den Vorwurf machen kann, dass 
ihre Komposition hinter den Ansprüchen anf Monumentalität 
zurückbleibt, welche die Aufgabe bedingte. Hingegen sind 
es unstreitig gerade die besten, nach jeder Hinsicht künst- 
lerisch bedeutendsten Entwürfe, die der von uns entwickelten 
Auffassung gehuldigt haben. 

(PtlltMtlBDg M|t) 




is--),:.,».;. 



Ein sehr wesentlicher Unterschied besteht zwischen den in ihrem letzten Stadium zum Austrocknen der frisch in 

Ofenkonstrnktionen mit kontinuirlichem Betrieb, die ja aoeh den Ofen eingeführten Brennobjekte dient, während bei den 

den Gasringofen in sich seh Hessen, und den Oefen älterer letzteren die Feuergase nach einem kurzen Wege mit sehr 

Konstruktion darin, dass in den enteren die einmal ent- , hoher Temperatur ins Freie gelangen und das Austrocknen 

wickelte Wärme bis aufs Aeusserste ausgenutzt wird nnd I oder Schmauchen als eine selbstständige Operation bei Be- 



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— 159 — 



de« Brennprozesses anzusehen ist. Diese ökonomische 



düng der verlorenen HiUe bringt aber — und dies 
lässt sich nicht durch eine veränderte Ofenforra oder durch 



Anwendung eines anderen Brennmaterials, auch nicht durch die 
des Gases, umgehen — für den Schroauchprozess Schwierig- 
keiten mit sieb, die besondere Voreichtsinaassregeln erhei- 
schen, deren Nichtbeachtung beim Gasofen dieselben Folgen 
haben muas, wie sie sich bei dem Hoffmann'schen Ringofen 
und allen den sich ihm anschliessenden Ofenformen zeigen, 



Bei den Oefen älterer Konstruktion 



Objekte im ersten 

-L l * 1 1 ' [ I , J I J 1 1 L I [ 1 I [ L ^ 



die 



also 



grossen Volumen massig er- 
troc kener Luft in Berührung, welche die hygroa- 
scr Leichtigkeit entfernt; bei 



ist die Luft- 



durch den Brennprozess ausgetrieben wird. 
Abkühlung der feuchten Feuerluft nur bis zu 
ten Grenze gehen können, ohne dem Ofenein- 



kopische Feuchtigkeit mit grosser U 
den konünuirlich arbeitenden Oefen 

menge beschränkt auf das Quantum, welches gerade zur 
Unterhaltung des Vollfeuers erforderlich ist, ist auch nicht 
trocken, sondern enthalt in Dampfform das ganze beträcht- 
liche, an die Thonsubstanz chemisch gebundene Wasserquan- 
tum, welches 
Nun wird die 
einer bestimmten 

satz Schaden zu thnn; Ist bei immer weiter gehender 
Abkühlung dnreh die Berührung mit den frisch eingesetzten 
Steinen und durch die Wärmebindung, welche durch die 
fortschreitende Verdampfung bedingt ist, der Sättigungs- 
punkt der Luft mit Wasserdämpfen erreicht oder über- 
schritten, so wird schliesslich eine zeitweise Wasserkonden- 
sation eintreten müssen, und diese tritt ja unter für diesen 
Fall günstigen Umständen bis zur theilweisen Erweichung 
des Einsatzes ein. 

Ist die möglichst grösste Ersparniss an Brennstoff das 
einzig Maassgebende für den Betneb, so wird eine solche 
zeitweise Kondensation im Gas- wie allen andern Ringöfen 
die Regel bilden, d. h. die frisch eingesetzten kalten Steine 
werden in der feuchten, mit Wasserdämpfen gesättigten Atmos- 
phäre der schmauchenden Abtheilung schwitzen, und welche 
Folgen die« hat, weiss jeder Ziegler: es entsteht auf der 
Oberfläche eine weisslichc, fest anhaftende Haut, und aus dem 
oben Gesagten geht zur Genüge hervor, warum dieselbe bei 
den älteren Oefen seltener erscheint, als bei Ringöfen. Geben 
wir auf die Natar dieser Leberzüge näher ein, so werden 
wir nicht allein die Gründe erkennen können, warum die- 
selben an der dichten Steinfläche der Verblendsteine, wie ich 
vorher anführte, leichter entstehen, als an den rauhen der 
gemeinsten in Sand geformten Steine, sondern wir werden 
auch leicht die Mittel finden können, um sie zu vermeiden, 
sofern sie nicht schon während des Trocknens auf den 
Steinflächen, wie dies sehr häufig der Fall ist, entstanden 
sind und in diesem Falle natürlich durch das Brennen allein 
in keinem Falle entfernt werden können- 

Betrachtet man die erwähnten Anflüge mit bewaffnetem 
Auge, so erkennt man dieselben als warzenförmige oder 
schuppige oder blasige Massen, im Aussehen ganz denen 
ähnlich, welche sich sowohl schon anf lufttrockenen als auf 
ganz schwach gebrannten wie auf ganz harten Steinen zei- 
gen und deren Charakter erst mehr und mehr verschwindet, 
wenn die Unterlage in den klinkerartigen, also in partielle 
Schmelzung übergegangenen Zustand getreten ist Welcher 
Natur dieselben sind hat wohl bei der Schwierigkeit, reines 
Material in genügender Menge zu erhalten, die Chemie bis- 
her noch nicht festgestellt; soviel erweist jedoch die mikros- 
kopische Untersuchung, dass es nicht Aschenanflüge sind, 
die wenn zugleich auch, vorhanden, mit Bestimmtheit zu er- 
kennen bleiben, sondern dass sie Uebcrreste. zum Tbeil kris- 
tallische sind, welche vorher in Wasser gelöst, sich bei der 
Verdunstung desselben auf der Steinoberfläche in fester Form 
niedergelegt haben, oder bei einer Kondensation von Wasser 
anf der Steinfläche während des Schmauchens aus dem Thon 
extrahirt sind und sich aussen wieder abgesetzt haben. Nach 
Salzen, welche eine derartige Wirkung ausüben können und 
während des Brennprozesses eine Zerstörung derart erleiden, 
dass die Rückstände nachher vom Wasser nicht mehr ab- 
gelöst werden, brauchen wir nicht lange zu suchen. Kohlen- 
saurer Kalk und Gyps sind in den meisten Thonen in so 
reichem Maasse vorhanden, dass man das Wasser, welches 
im geformten Stein sich befindet, sich als eine gesättigte 
Lösung dieser Salze vorstellen kann; Chlorverbindungen, 
namentlich Kochsalz, fehlen selten. Schwefelkies ist ein sehr 




häufiger Bestandteil des Thones, der während des Trock- 
verwittert und mit den übrigen unlöslichen Beimen- 
n dabei zur Bildung von schwefelsaurem Eisenoxydul, 
ifelsaurer Thon- und Bittererde Veranlassung giebt. 
Dazu kommt, dass bei einer Wasseraufnahme im ersten Sta- 
s aus der Feuerluft sich nebenbei Am- 
Alkalisalze, schweflige Säure nud Schwefelsäure 
und, wenn nicht Vorsichtsmaassregeln gegen 
londensation getroffen werden, noch im Ofen 
eine beträchtliche Zuführung löslicher Stoffe auf die Stei- 



des Wassers müssen natürlich alle 
darin gelösten Stoffe sich in fester Form absetzen, und wo 
dies geschieht, das wird einzig von der Beschaffenheit der 
verdunstenden Flächen und der Art, wie das Wasser ent- 




die 

stattfinden, die 
immer nach dem 
grösseren Salzgehalt von 
inneren Flüssigkeit i 
Austrocknen die Poren 



enthaltene Flüssigkeit wird aber 
, und ihren 
im geringeren der 
, bis bei weiterem 
d eine Verdunstung 




und schliessliche Ablagerung der Salze auch innerhalb der 
Thonmasse stattfindet; bei magerem Material oder bei poröser 
Oberfläche wird dieses Verdunsten im Thon schon früher 
eintreten müssen und darum zeigen rauhflächige 
weniger leicht Anfluge. Geschieht die Wasserverdi 
dagegen schnell, oder gar werden durch Kondensation 
der Oberfläche die Poren hier wieder mit Flüssigkeit gefüllt, 
so kann in der kurzen Zeit eine Diffusion bei dem Nach- 
drängen von Flüssigkeit und Dämpfen ans dem Innern nicht 
stattfinden und alle im Wasser gelösten Stoffe müssen sich 
auf der Oberfläche ablagern, um so mehr, je dichter diese ist. 

Man sieht also, dass die hierdurch hervorgerufenen Miss- 
färbungen — und diese bilden die überwiegend auftretende 
Zahl von Erscheinungen dieser Art — beim Trocknen und 
Schmauchen auftreten, aber mit dem eigentlichen Brenn- 
prozess gar nichts zu thun haben; und wenn hier nicht die- 
selben günstigeren Bedingungen geschaffen werden, wie sie 
bei den älteren Ofenkonstruktionen vorhanden sind, so bietet 
auch die Verwendung von Gas, und wäre es gereinigtes, 
kein Schutzmittel. 

Beim Ringofen sind diese Wege theilweise eingeschlagen 
worden und haben dann auch zu den besten Resultaten ge- 
führt und die Uebelstände beseitigt, über die man znerst zu 
klagen Grnnd hatte. Wenn Herr Mendheim Gelegenheit ge- 
habt hat, den englischen Robbau zu studiren nnd die Fabri- 
kation von Verblendsteinen in Mittelengland in York-, Chester- 
und Lciccstershire kennen lernte, mit ihren Ringofenanlagen 
ohne alle Trockeneinrichtungen, wo die Steine aus halb- 
feuebtem Thonpulver gepresst und sofort von der Maschiue 
in den Ringofen eingekarrt werden und dennoch reine Farben 
geben, ich glaube kaum, dass er sich dann hätte verleiten 
lassen, solche Behauptungen aufzustellen, wie er es in seinem 
Aufsatze gethan. 

Es liegt mir fern, hier eine Vergleichung zwischen dem 
Hoffmann'schen und dem Gasringofen nach allen Seiten 
aufzustellen; eine solche Diskussion gehört wohl eher an 
einen, anderen Ort, und die Erfahrungen, die mit Gasfeuerung 
gemacht sind, sind noch zu wenig durchsichtig, um ein Ur- 
theil fällen zu können; aber das kann ich nicht verhehlen, 
dass der Anwendbarkeit des Gases für verhältnissmassig ge- 
ringe Hitzegrade schwerwiegende theoretische Bedenken ent- 
gegen stehen, und die Praxis muss erst weiterhin zeigen, wie 
sich diese überwinden lassen. 

Jedem das Seine. Der Gasringofen hat sicher für die 
Porzellanfabrikation und die ihm nahe stehenden Zweige der 
Keramik eine grosse Zukunft und wir müssen es der könig- 
lichen Porzellanmanufaktur und speziell Herrn Mendheim als 
deren Organ Dank wissen, dass sie hierin für die Privat- 
industrie eine Gasse gemacht haben; aber der Abstand zwi- 
schen dem Porzellanbrennen mit seiner Alles nivellirenden 
Schmelzung und der Fabrikation solcher Produkte mit einem 
porösen Scherben ist doch ein so grosser, dass man nur mit 
der grössten Vorsicht die hier gewonnenen Erfahrungen auf 
andere Zweige der Thonwaaren -Industrie übertragen darf. 
Bis auch hier weitere Resultate gewonnen sind, wird aber 
der Hoffinann'sche Ringofen, namentlich in der Ziegelfabri- 
kation, den Platz, den er sich erworben hat, auch behalten. 



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1G0 — 

Denkmäler für Gefalleie des deutsciei Heeres. 



Au den verschiedensten Orten, sowohl auf den Schlacht- 
feldern des letzten wider Frankreich geführten Krieges, wie 
auf den Kirchhofen und Öffentlichen Plätzen Deutschlands 
ist die Errichtung von Deukmälern theils beabsichtigt, theils 
schon erfolgt, welche der Erinnerung an die für das Vater- 
land gefallenen Krieger dienen sollen. 

Die Erfindung derartiger Freimnnumente. welche unter 
den gewöhnlich obwaltenden Verhältnissen, meint nur einen 
bescheidenen Maasstab erhalten können, gehört bekanntlich 
zu den schwierigsten architektonischen Aufgaben, da die Zahl 
der Motive, welche hierfür verwendet werden können, eine 
sehr beschränkte ist. Es verspricht daher von nicht gewöhn- 
lichem Interesse zu werden, in welcher Art dieselbe unter 
wesentlich gleichartigen Bedingungen vom Standpunkte 
der verschiedenen Architektur-Schulen aus ihre Lösung finden 
wird. 

Wir glauben iin Sinne unserer Leser zu handeln, wenn 



Metz gewonnene feine Sandstein; die drei den Hauptkörper 
umgürtenden Streifen sind von dunklem Syenit aus dem 
Fiehtelgebirge hergestellt nnd enthalten in vertiefter Gold- 

I schrift die Namen der Gefallenen. 

Das zweite Denkmal, den am 18. August 1870 bei St. 
Privat gefallenen Soldaten des IV. Garde-Grenadier- Kogi- 

1 raents Königin Augusta gewidmet und gleichfalls auf dem 
Schlachtfelde selbst gesetzt, ist von dem Naurath Vinzenz 
Statz zu Cöln. nach einer von der Kaiserin Augusta selbst 
angegebenen Idee entworfen worden. Der Stufen -Cnlerbau 
liesteht aus Niedermendigcr Basalt- Lava, Sockel und (»ber- 
theil aus Udelfanger Sandstein. Die im Sockel eingelassene 
Widmungsplatte ist aus weissein Marmor, das oben einge- 
fügt« eiserne Kreuz aus weissem und schwarzen Marmor, 
während die 4 grossen Platten mit den Namen der Gefal- 
lenen aus bestem Granit hergestellt und mit weissen Mar- 
inoretreifen eiugefasst sind. 




TOB V. 8t. I.. 




tob C. Dolli nr.tr. 



| M I I 1 1 | I I | 



1 0 
D.akatl in 4»m Sckltcktf.U. 8t. Frlrtt 

für di« f»N.T..-u d>« IV, (Jtnia - Orfiuttinr - U*gi»«ilU K'iaifiB AugutU. 

wir versuchen ihnen eine Auzald von Monumenten, die zu 
solchen Vergleichen Gelegenheit giebt, im Hilde vorzuführen, 
und beginnen mit der Publikation dreier, in annähernd glei- 
chen Grössenverhältnissen ausgeführten Denkmäler. 

Das erste derselben, dessen Entwurf aus einer im Ber- 
liner Architiktenverein eröffneten Konkurrenz hervorgegangen 
ist. hat zum Verfasser den Baumeister Eduard Jacobsthal 
zu Berlin und wird auf dein Seblaehtfeldc von Vionville vom 
Offizierkorps des 20. Infauterie- Regiments dem Andenken 
der au dem blutigen Tage des Iii. August 1H70 gefallenen 
Regimeutsgenossen errichtet. Als Material dient der bei 



1 1 

» a 

Dt.kB.tl tu Blb.r.cb la Wurttemb.r» 

rur 4t« im lAitrvln durllMt T*frtoibem-n drul»rb«n Krircvr, 

Vertreten diese beiden Schöpfungen einerseits die hel- 
lenische Tradition der Berliner Schule und andererseits die 
Kölner Gothik, so ist das dritte Werk eine Probe der in 
Süddeutschland gepflegten Renaissance. Autor des Entwur- 
fes, der gleichfalls aus einer kleinen Konkurrenz hervor- 
gegangen, ist Professor Conrad Dollinger zu Stuttgart. 
Das auf dem Kirchhofe zu Biberach iu Oberschwaben dem 
Andenken der im dortigen Laznrcth verschiedenen deutschen 
Soldaten und der im Kriege gefalleneu Gemeinde - Angehö- 
rigen gewidmete Denkmal, das nahezu vollendet ist, besteht 
aus Stuttgarter Sandstein. 



9k» lihfiacssen «Ittels des ■•U»terlqne-Barosiet(n. 

In dem Bericht über die Sitzung des Architekten - Vereins trugen haben, scheint mir geeignet, zu grosse Erwartungen von 

vom 21. April (Deutsche Bauzeitung No. 17) finde ich eine Mit- ' den Angaben dieses Instruments zu erwecken, welche dasselbe 

theilung des Herrn Baurath Röder über die Resultate eines I nun und nimmer leisteu kann. Das Aueroid. oder wie die 

mittels Aueroid - Barometers ausgeführten Nivellements für die neueste vcrliesserto Konstruktion genannt ist , Holosteri.iuo-Ba- 

Berliu-Dresdener Bahn. Diu dortige Angabe, das« die Uifterenzeu rouieter, verdient ein« weit grossere Beachtung des tracirendeu 

mit dem späteren Nivellement nie uichr als O,!»™ bis 1,0™ be- lugcuicurs, uls dasselbe bisher, namentlich, iu Norddeutschland 



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Deutsche Bauzeitung;. 



Jahrgang VI. 





Krf 'Mi Ed. Jic obtt Ii n I N A von I'. Mimrtr. Itcrlln. 

Penkmal auf dem ^chlachtfelde von Yionville 

für die (Scfkllrnea Am III. Bnutltib. Intknterle-RfKimHitii Nr. 20. 



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161 



. jedoch ist dasselbe seiner ganzen Einrichtung 
nicht geeignet. Angaben zu liefern, welche dem Grade der 
angegebenen Genauigkeit entsprechen. Ist diese« schon nicht 
möglich, wenn mit zwei Instrumenten ein sogenanntes Staffel- 
Nivellement ausgeführt wird, so ist eine derartige Uehereiustim- 
mung uueh weniger zu erwurtcu, wenn, wie es der Kuli gewesen 
zu Hin scheint, nur mit einem Instrument munipnlirt wird, du 
dann den l'ngenauigkeiten des Holosderiquc auch mich diejenigen 
jeder barometrischen Höheiibcstimmung hinzutreten*}. Sind nichts- 
destoweniger dennoch die angegebenen Itesultate erzielt worden, 
so kann dieses nur einem günstigen Zufall zugeschrieben wer- 
ben. Der Limbus eines llolostcrique ist gewöhnlich derartig 
getheilt, dass jeder Tbcilstrich einer Schwankung von 0.5""der 
Quecksilber - Säule eines solchen Barometers entspricht. Die 
wirkliche Breite eines solchen Tbeiles ist c. 1 Du es nun 

uueh einiger Uebuug nicht schwer ist, den b. Theil dieser Ent- 
fernung noch sicher zu schützen, so kann also der Barometerstand 
bis auf 0,1'»"» noch fast genau abgelesen werden. Wenn behauptet 
wird, dass der Barometerstand noch bis auf 0,05 oder gar 0,025 
Millimeter sieher abgelesen werden karm, so erfordert dieses 
entweder ein sehr scharfes Auge und besondere l'ebung im 
Schätzen kleiner Differenzen, die bei dem Umstände, dass Zeiger 
und Limbus sich nicht wie bei dem Theodoliten berühren, son- 
dern der Zeiger über dem Limbus liegt, also eine<kleiue Parun- 
lage desselben schwer zu vermeiden ist, stets ihr Missliche« haben 
wird, oder beruht auf Einbildung. 

Nimmt niuu also die sichere Ablesung einer Differenz von 
0,1""» des Barometerstandes als erreichbare (ienauigkeitsgrenze 
an und berücksichtigt man. dass eine solche Differenz der Queck- 
silbersäule einem Höhenunterschiede von c. 1 ■ entspricht, so ist 
hiermit die Grenze der durch ein llolostcrique zu erreichenden 
Genauigkeit gegeben. Zu dieser Differenz treten nun aber noch 
folgende Fehlerquellen hinzu. Die Thcilung des Limbus wird 
für alle Instrumente einer Fabrik auf einer Theilmaschiue her- 
gestellt ; da nun aber der Druck, welchen die Süssere Luft auf 
den Buden der Dose des llolosteriquc ausübt, durch eine Feder 
übertragen wird, so müssen sich aus dem Umstände, dass diese 
Feder je nach dem stärkeren oder schwächereu Druck, dem sie 
ausgesetzt ist, sich nicht gleichmüssig ausdehnt, auch die Federn 
in den einzelnen Instrumenten verschiedene Kraft besitzen, l'n- 
geiiauigkeiteu ergeben. Die llau|itfeblerquelle aber bilden die 
täglichen Schwankungen des Luftdrucks: diese siml es auch, 
welche das Nivelliren mit tiur einem Barometer zu einem durch- 
aus unzuverlässigen machen und bei gelingen Höhendifferenzen 



sogar die Ursache zu der Wirklichkeit gerade entgegengesetzten 
Resultaten sein können. Die täglichen Schwankungen erreichen 
bis 10""». entsprechen also einer Höhendifferenz von mehr als 
100'«. Es ; criügt also diese einfache Zahl, um die vorige Be- 
hauptung zu beweisen. Ein Anderes ist es. wenn mit zwei In- 
strumenten maniputirt und nun die Differenz im Stande der 
beiden iu Rechnung gezogen wird. Doch auch hierbei ist die 
Vorsieht anzuwenden, dass die beiden Instrumente, das auf sei- 
nen Standort verbleibende und das auf dem zu ni\cllirenden 
Terrain wandernde, in nicht zu grosser horizontaler Entfernung 
sieb befinden. 4 Kilometer dürfen kaum ülH>ntehrittcu werden, 
da Höhenzüge, ja einzelne Bcrgkuopeii, schon eine wesentliche 
Verschiedenheit in dem Grade des Luftdrucks hervorbringen 
kö! neii. |;, j,t somit oothwendig, dass beide l'erhnikei »ich 
vorher verständigen, bis wann ein bestimmter Punkt erreicht 
sein wiid. Während nun der eine den Weg dahiu zurücklegt 
und an allen geeigneten Stellen Beobachtungen voriiimuit. notitt 
der Buden 1 alle 10 Minuten etwa den Stand seines Instruments. 
Nachdem die verabredete Zeit verflossen, bleibt A auf dem er- 
wähnten Punkte stehen und notirt jetzt alle 10 Minuten den 
Stand des lustrutucuts. während B. die Wanderung antritt und 
zur Kontrolle die wichtigsten von A. aufgenommenen Punkte 
nochmals beobachtet, endlieh A. erreicht, mit diesem zusammen 
den Stand beider Instrumente prüft und die fast stets vorhan- 
dene konstante Abweichung ermittelt, und nun weiter wundert, 
Beide Techuikcr wechseln somit die Köllen so oft. bis das Ziel 
erreicht ist. 

Es war mein Bestreben im Vorstehenden vor zu hohen Er- 
wartungen von den Leistungen eines llolostcrique zu warnen, 
die. wenn sie schliesslich den erzielten Erfolgen nicht entspre- 
chen, leicht detu.sotist sehr zweckmässigen lustrument zur Last 
gelegt werden konnten, während doch nur die Art und der Zweck 
seiner Verwendung die Schuld trauen würden. Das HolosleriquJ 
ist im hügeligen Terrain und im Gebirge zu generellen Ar- 
beiten ein vorzügliches Instrument Namentlich zu Aufnahmen 
von Horizontafldäiicn ist dasselbe ausgezeichnet geeignet, erspart 
Zeit und Geld und macht seineu Preis von -»7 ff. oder *27 bis 
•2» Thlr. bald bezahlt. Für die Kollegen, welche dieses lustru- 
ment benutzen um) den Gebrauch desselben kennen lernen 
wollen, empfehle ich das Werkelten „llöltschl. Ilöhenmesscn 
mit Metallbaromctern." (Preis IC> Sgr.) Diesem Werkchen sind 
verschiedene Angaben der vorstehenden Mittheilung entnommen. 
Dos mechanische Atelier von Feig I stock in Wien, verlängerte 
Kärtnerstnisse No. öl, Palais Todesco liefert die Instrumenta zu 
obigem Preise 

E. F. 



Die RuMÜnlnehrn EUriibahuri. 



Durch den Aufsatz über die Rumänischen Eisenbahnen in 
No. 18 der Deutschen Bauzeituug veranlasst, erlaubt »ich Ver- 
fasser dieser Zeilen die nachfolgenden Notizen über denselben 
Gegenstand nachzutragen. 

Die Böschungen der Einschnitte, welche allerdings mit Aus- 
nahme einiger weniger mit einhulhfacher Böschung ausgeführt 
wareu, haben nicht allein zu Klagen sehr ernste Veranlassung 
gegeben, sie sind sogar bereits nach dem nassen Winter 1*70— 
1S71 fast total ruinirt, derart dass überall die Aenderung 
in P/ifarhe Böschungen vorgenommen werden muss. Die Ein- 
schnitte der Rumänischen Eisenbahnen sind eben Einschnitte 
in iLehmbodcn, genau wie sie Deuz in seiner Anleitung zum 
Enlbai, beschreibt, und die Vernachlässigung der für solche Ein- 
schnitte bestehenden Regeln hat nicht verfehlt sich zu rächen. 
Ein Einschnitt in die hohen Argesufer bei Pitestc von 4'" Tiefe, 
der mit I» , fachen Böschungen und den erforderlichen Entwässe- 
rungsgräben angelegt wurde, hat sich dagegen vorzüglich gehal- 
ten. \Vo »', fache Böschungen ausgeführt sind, hat sieh auch 
nirgend eine schützende Vegetation verbreitet, die sonst iu liu- 
inänieu sich überall mit grosser Leichtigkeit in merkwürdiger 
l'eppigkeit bildet. 

Die Erdarbeiten w urden übrigens auf der ganzen Bahn durch 
Seitenentnahme resn Seitenaussatz hergestellt, und zwar wurde 
so konsequent dabei verfahren, dass sehr oft dem beim deutschen 
Bahnbau ausgebildeten Ingenieur diese so weit getriebene Kon- 
scpieuz von recht problematischem Nutzen erschien. Den Er- 
fahrungen des Herrn E. F. über die Tauglichkeit der ItumSui- 
schen Arbeiter stehen die meinen diametral gegeuülrer. Auf 
der Strecke Bukarest ■ Pitestc wurden fast nur Bulgaren und 
Serben verwandt, weil die rumänischen Leute theils. zu wenig 
kräftig und willig waren, theils auch zu wenig zuverlässig. Den j 
slavischen Arbeitern wurde pro Tag H bis '.' lei vereine fil. h. 
24 bis 27 Silbergroscheu) und 1 Bind gegeben. Bei Akkordarlieit 
bekamen sie tH) bis !H) Centimes pro kb«, je nach der Bodeu- 
beschaffeuheit und der Jahreszeit. 



Zu den Brücken, bei welchen Fuudirung auf Senkbrunnen 
in ausgedehnter Weise angewandt wurde, gehört unter anderen 
die grosse Argesbrücke bei Pitestc: hier kamen ausschliesslich 
Brunnen von rechteckigem Querschnitt zur Anwendung, diesel- 
ben wurden 4 bis .> unter die Flussohle gesenkt, wo sich eine 
sehr tragfähige. mächtige Thouschicht faml. Dag Senken ge- 
schah iu der Weise, dass man den Brunnen mirch fortwähren- 
des Piitnneii (mittels Dampfkraft) wasserfrei hielt und den Bo- 
den durch Arbeiter direkt ausgraben liess. 

Mehrfach kam es vor, dass sich Beste von Treibholz im Bo- 
den fanden, aufweiche der Bruuuciikraiiz sich aufsetzte; in sol- 
c eu Fallen -.- ■ ■ 1 1 1 r : • -M- -in schrägen Abstemmen des Holzes 
mit schwelen versti'ililten und meisselartig geschärften Eisen- 
stangen, um weiter n uten zu können. Die Pfeiler wurden mit 
Saudstciuquudcrblciiduug aufgemaueit, doch sind auch mehre 
Brücken in Ziegelrohbau ausgeführt, so z- B. die SeretbJbrfiek« 
bei Bjrbose, welche mit Marseiller Ziegeln verblendet wurde, 
und die gewölbte Brücke über die (iealuina micu bei Pitestc, 
welche mit einheimischen, aber von Italienern angefertigten Zie- 
geln ausgeführt den Beweis lieferte, dass es sein- wühl möglich 
sei, auch rumänische Ziegel befriedigend herzustellen. Die von 
Inländern, meistens Zigeunern, angefertigten Ziegel wurden 
nach Wissen des Verfassers überhaupt nur bei Buhiiwärterhäu- 
seru angewandt. L»ie bei Pitestc verwandten hatten ungefähr 
20X10>'4«« Seite und waren fast nie gar gebrannt. 

Die von Engländern erbauten moldauischen fhaussccbrüekcu, 
welche der Artikel iu No. IM erwähnt, sind übrigens im letzten 
und vorletzten Winter zum Theil fortgespült. Die einzelnen 
Schraubeilpfähle der Pfeiler begünstigen Wirbelbildungen, welche 
den Boden in wenigen Stunden um viele Meter auskolken köu 
neu, und sind lu'i dem beschriebenen rumänischen Lehmboden 
nur haltbar, wenn mau den Gruud durch Steiiipaekung etc. 
sichert, ein Mittel welches allerdings die Billigkeit der Schruu- 
henpfähle illusorisch macht Sonne. 



Architekten - Verein. 

(Sehl uss. ) 

In der Plenarvursainmlung, welche nach einer Erho- 
lungspause den Sektionssitzungeu folgte, theilte der Verciusvor- 
sitzendu, Hr. Uofrath Schlöinilch. zunächst den Verlust von 
2 Vcreiusmitgliedern, Herrn Bozirksbaumeister Haase und Hrn. 
Betriebsingenieur Knoss. mit und ehrte der Verein diu Ver- i 
■torbenen durch Erbeben von den Sitzen. i 



Mittheilungen aus Vereinen. 

Die Mittheilung des Berliner Architekten- Vereins, dass der- 
selbe den bei Gelegenheit der Exkursiou des sächsischen 
Ingenieur-Vereins iu Aussicht gestellten Gegenbesuch gegen 
Ende Juni in eiuer Anzahl von 30 bis 100 Mitgliedern ausführen 
werde, fand allseitig freudigste Zustimmung, und mir die wohl- 
gemeinte Erwägung, d.rss Fuhrungen in grosser Anzahl sehr 
schwierig und für deu Eiuzolueu ohne grossen Vortheil zu sein 
pflegen, liess den Autrag. mit diesem Besuche eine Versammlung 



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— 162 — 



des Vereins, die gewöhnliche Sommerveraammlung tu verbinden, 
nicht Annahme finden. Ks wurde die Tbeilnahme in jedes Ein- 
zelnen Ermessen gestellt, dem Gcsamrot vorstund dagegen aufge- 
geben, sich durch Zuziehung von ortskundigen Mitgliedern iu 
einem Vcrgnflgungskomite iu verstärken und das Programm 
der zu unternehmenden Führungen, Festfahrten etc. baldthun- 
lichst zu veröffentlichen. 

Nachdem der Chef des Eisenbahnwesens im Ministerium der 
Finanzen, Herr Abtheilungsdirektor Geb. Rath v. Thümmel als 
Ebrenmitgl ied einstimmige Aufnahme gefunden, fand statuten- 
gemäß die Befürwortung von 15 aufzunehmenden Mitgliedern 
statt, darunter von Männern, welchen nur wegen der beschräuk- 
ten Mitgliederzahl dem Verein bisher leider fern gestanden hat- 
ten. Die grosse Anzahl von Anmeldungen, welche nach der 
diesmaligen Aufnahme die Zahl der unerledigten Geaucho auf 
46 erhöhte, bewies, da« die Aufhebung jener Beschränkung dem 
Verein sowie den Technikern nnd Architekten Sachsens sehr 
erwünscht gekommen ist. 

Die Prüfungskommission hatte die Rechnung des Kaasirers 
pro 1870—71 genehmigt, jedoch in Betreff der Recbnungsauf- 
stellung einige Wünsche ausgesprochen, deren Erledigung dem 
Vcrwaltungsrathe zur Erwägung anheim gegeben wurde; die 
eingegangenen Bücher und Schriften waren ausgelegt und wur- 
den durch Zirkular den Mitgliedern mitgcthcilt. 

In GemSssheit des Beschlusses der letzten Hauptversamm- 
lung hatte der Verwaltungsrath am 22. November v. J. an da« 
Königl. Ministerium des Innern eine Vorstellung eingereicht, 
welche^ bezwecken sollte, die Verordnung vom 21. März 1870, 
sc der früheren Bauordnung auf Meter- 



naeh welcher die Mt 

maass einfach umgerechnet werden, aufzuheben und die in 
der Bauordnung vorgeschriebenen Dimensionen von Ge- 
bäuden etc. nach den vom Verband deutscher Architek- 
ten- nnd Ingenieurvereine angenommenen Normen für das Zie- 
gelformat und die metrischen Abmessungen festzustellen. Gleich- 
zeitig wurde auch das Ministerium der Finanzen ersucht, diesen 
Normen beizutreten, doch ist bis z. Z. eine Antwort hierauf 
nicht erfolgt. Durch Verordnung vom 22. Januar a. c. ist aller- 
dings die altere Verordnung vom 9. Jauuar 1833, durch welcho 
das bisherige Ziegelformat eingeführt 



, aufgehoben 

worden, ohne dass jedoch das Seitens des Verbandes unbenommene 
neue formal zur Anwendung vorgeschrieben worden ist. Ebenso 
z. Z. noch ohne Erfolg hat der Verwaltungsrath am 20. Februar 
a. c diejenigen Normirungon über die Abmessung der Bauma- 
terialien nach Metermaass, welche hauptsächlich auf Anregung 
der Herren Baumeister Glöckner undf Stadtbaudirektor Frie- 
drich am 9. Januar a. c. Hol zh Jodler und Baumeister für Holz- 
material, und am 8- Februar a. c Steinliefcranten und Bauge- 
werken für Sandsteinmaterial vereinbart, den Ministerien des 
Innern, der Finanzen und des Krieges mit dem Ersuchen um 
Einführung mitgetheilt. Es wurde erkannt, dass ein weiterer 
Schritt jetzt kaum gethan werden könne. Auf Vorschlag des 
Herrn Baumeister Glöckner wurde in derselben Angelegenheit 
beschlossen, die wenigen Maasse welche noch zu ergänzen sein 
dürften, durch die bereits gewählte Kommission feststellen zu 
lassen (t. B. für Essenziecel und einige Sorten Dachziegel etc) 
und zu erwarten, ob die Umarbeitung des Baugesetzes, welche 
gerüchtweise als nahe bevorstehend bezeichnet wurde, die ge- 
wünschte Berücksichtigung der vom Verein aufgestellten Nbr- 
' ingen bringen werde. 
Der Antrag de« Dresdener Lokalvereins, dabin gehend, dass 
zur grösseren Verbreitung wichtige bautechnische Verordnungen 
und Gesetze aus dem Gesetz- und Verordnungsblatt des König- 
reichs Sachsen, beziehentlich aus dem Reichsgesetzblatt, in den 
Protokollen des Vereins Aufnahme finden möchten, wurde vom 
Verwaltungsrath befürwortet und fand Annahme, nachdem der 
Wunsch ausgesprochen worden war, diese Abdrücke uls selbät- 
ständige Anliämrc der eiuzelnen Hefte zu gestalten. 

Betreffs der in der ersten Abgeordneten -Versammlung des 
Verbände« der deutschen Architekten- und Ingenieur - Vereine 
unerledigt gebliebenen und den Einzelvereincu zur Beratbung 
übergebenen Gegenstande referirte der Vorsitzeudo, Hr. Hofrath 
Schlömilch, welcher nebst dem früheren Vorsitzenden Herrn 
Oberbaurath Sorge von dem Verein zur Tbeilnahme an dieser 
Versammlung delegirt gewesen war, dass der Verwaltuugsrath 
am 12. Januar d. J. die drei Lokalvereine zu Zwickau, Lö- 
bau und Dresden veranlasst habe, über die 3 restirenden 
Fragen Gutachten abzustatten; der Lokalverein zu Zwickau ist 
am 25. Januar, der Lokalverein zu Löbau am 18. M5rz dieser 
Veranlassung nachgekommen, der Lokalvereiu zu Dresden end- 
lich hat am 22. April das Referat in Betreff der über diesen 
Gegenstand gepflogenen Verhandlungen übersendet. 

Betreffs des erstes Gegenstandes: Aufstellung einer Norm 
für das Honorar der Bau -Ingenieure, hatte der Lokalverein zu 
Zwickau eine vollständige Tabelle eingesandt, der Löbauer Ver- 
ein die Baumeister'schen Grundsätze anerkannt, doch empfohlen 
vor Aufstellung einer festen Norm erst weitere Erfahrungen 
abzuwarten. 

Der Verwaltungsrath hatte in diesem Sinne sich dem Vor- 
stand des Vefbandes gegenüber ausgesprochen und fand in der 
Hauptversammlung dies ebenso Billigung, als der Wunsch, wel- 
cher auf Anregung der Lokalvereine verlautbart worden war, 
dass unter Vernehmung mit dem Ve rein deutscher Ingenieure 
die Frage betreffs einer Reform des Prozessverfahrens bei bau- 
technischen Streitigkeiten durch Einführung bautechniacher 
Spezialgerichte erweitert werde zur Reform des Verfahrens bei 
allen technischen Streitigkeiten durch Einführung techni- 



scher Spezialgerichte. Betreffs der Konkurrenz bei Arbeiten im 
Gebiete des Ingenicurwesens wurden die Grundsätze adoptirt, 
welche in Hamburg für das Hochbauwesen aufgestellt worden 
sind. 

Der Verwaltungsrath tbeilte endlich noch mit, dass die in 
früheren Sitzungen zum Vortrag gelangten Referate der Kom- 
mission zur Begutachtung des Antrages auf Wiederbewaldung 
der Sammclgebietc von deutschen Flüssen den landwirtbschaft- 
licbenKreisvereineo und hervorragenden Forstmännern zur Kennt- 
nissnahme mitgetheilt worden sind. 

Der von Herrn Regierungsrath Gutwasser in Aussicht 
gestellte Vortrag: Ucber die Blitzschläge auf Gebäude im König- 
reich Sachsen (Fortsetzung und Schluss) musste der vorge- 
schrittenen Zeit wegen aasfallen. 

Am 29. April früh erfolgte unter Führung des Herrn Inge- 
nieur Oberstlieutenant Andre« die Besichtigung der auf 
prächtiger Höbe westlich von Dresden erbauten ueucn und 
grossen Kaserne für das Scbützenregimcnt No. 108. Die ganze 
Anlage, welche mit bedeutenden Planirungsarbeiten verbunden 
gewesen, ist, zeigt im Vestibül sowie in dem mittleren, für die Offi- 
ziere bestimmten Thcilc eine sehr opulente Anlage , in den Flü- 
geln für die Mannschaften der beiden Bataillone praktische und 
solide Ausführung. 

Nachmittags vereinigte sich eine grössere Anzahl von Mit- 
gliedern zu einer Exkursion nach Bodeubach, insbesondere zur 
1 Besichtigung der dortigen neuen Bahnhofsanlagen sowie der 
daselbst erbauten Eisenbahn - Elbbrücke nach Schiffkorn's 



SU 

Versammlung am 1. Mai 1872; Vorsitzender Herr Baurath Hase. 

Nach Verlesung des Protokolle« der letzten Hauptversamm- 
lung und Erledigung geschäftlicher Mittheilungen fand die Auf- 
nahme von 14 neuen Mitgliedern statt. 

Hierauf kam der von einer Kommission ausgearbeitete Ent- 
wurf einer Tabelle für die Berechnung des Honorars der Ar- 
beiten der Bau-Ingenieure zur ßeratliung; nach längerer Dis- 
kussion beschlosa man, den Entwurf in der vorliegenden Fass- 
ung dem Verbände der deutschen Architekten und Ingenieure 
zu unterbreiten, einige wünschenswerthe Verbesserungen und 
Zusätze aber in dem von dem Vereinsvorstande und der Kom- 
mission gemeinschaftlich auszuarbeitenden Begleitschreiben zur 
Kcnntniss des Verbandes zu bringen. 

Sodann hielt Herr Baumeister 11 Besnier aus Berlin einen 
eingehenden Vortrag über die Konstruktion und Berechnung 
von Stützmauern. Redner zeigte zunächst, dass im Allgemei- 
nen jede Stütz- oder Futterinauor, nachdem sie hinterfüllt ist, 
eine kleine Drehbewegung um eine A\e ausführt, welche in der 
Ebene der Fundamentbasis liegt und parallel zur Vorderkante 
derselben gerichtet ist, und das« demgemäss der Erddruck mit 
der Normalen zur Hinterfläcbe der Mauer den Reibuugswinkcl 
zwischen Erde und Mauerwerk einschliesst. Alsdann führte 
der Vortragende die wichtigsten Sätze aus der Theorie de« Erd- 
drucks an und benutzte dieselben, um den Erddruck graphisch 
darzustellen. Es folgte hierauf die graphische Darstellung der 
Drucklinie für eine Stützmauer von beliebigem Profil und der 
Nachweis über die Beanspruchung des Mauerwerkes sowie des 
tragenden Boden». Der Hedner bewies, das« nur dann im gan- 
zen Querschnitte einer Stützmauer Druckspannungen vorhan- 
den sind, wenn die Drucklinie innerhalb des inneren Drittels 
des Querschnittes liegt Um diese Grundbedingung einer guten 
Mauerwerks • Konstruktion mit möglichst wenig Material tu er- 
reichen, empfahl Redner, dem Profile einer Stützmauer unten 
in der Vonlerfläche eine stark geneigte Schräge zu geben und 
dasselbe hinten zu unterschneiden, jedoch so, das« der Schwer- 
punkt unterstützt bleibt. Es wurde sodann gezeigt, das« «ich 
derartige Profile für Brückenflügel «ehr gut eignen und das 
Abreis»en derselben von den Stirnmauern wirksam verhindern, 
wenn man den unteren Theil des Flügelprofiles so weit vor- 
schiebt, dass die Drucklinie in der Mitte der Basis austritt 

Schliesslich legte der Vortragende einige Zeichnungen vor 
von Bauwerken der jetzt im Bau begriffenen Zweigbahn Witten- 
berge-Geestemünde (Berlin-H ambarger Eisenbahn), welche nach 
den erörterten Prinzipien konstruirt waren. E. Seh. 

Arohltekten- Verein zu Berlin. Versammlung am 11. Mai 
1872; Vorsitzender Hr. Quassowski, anwesend 166 Mitglieder 
und 10 Gäste. 

Hr. Fritsch berichtet im Namen der in voriger Versamm- 
lung gewählten Kommission über das vorläufig aufgestellte und 
von dem architektonischen Vereine zu Hamburg genehmigte 
Programm für den Besuch desselben in Berlin, per erste 
Abend (25. Mai) soll einem Zusammensein auf Tivoli, der 
darauf folgende (Sonntag) Vormittag (26.) dem Besuche der 
Ausstellung und einiger Monumentalbauten, der Nachmittag 
einem Ausfluge nach Potsdam gewidmet sein; Montag (27.) 
sollen sich an die Besichtigung der Konkurrenz -Entwürfe klei- 
nere Fach -Exkursionen anschucssen, die «ich am Nachmittage 
im zoologischen Garten vereinigen. Der Referent bittet um 
eine möglichst zahlreiche Betheiligung der Vercinsmitgliedcr, 
denen das definitive Programm noch mitgetheilt werden wird, 
und um die Befugniss die für alle gemeinschaftlichen Fahrgele- 
genheiten etc. erforderlichen Kosten auf die Vereinskasse über- 
nehmen zn dürfen; letztere Befugniss wird der Kommission 
ertheilt 

Zur Vorbereitung auf den für nächsten Donnerstag den 



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— 163 — 



16. Mal projektiven Vereins-Ausflug Rieht Hr. Adler hierauf im 
Anschlüsse an sein bekanntes Werk .Backsteindenkmale der 
Mark Brandenburg* und unter Vorzeigung der bezüglichen Ta- 
feln desselben eine Uebersicht der topographischen Physiog- 
nomie und Geschichte der Stadt Brandenburg, sowie eine kurze 
Charakteristik ihrer bedeutendsten Baudcnkmalc. 

Hr. Knoblauch theilt zum Schluss die Resultate einer 
Festigkeitsprobe mit, der eine Anzahl von Ziegelsteinen au» der 
bekannten Kunheira'schen Fabrik in Freienwalde auf der Ver- 



Vermischtes. 



Diel 



i Gebäudes für den dent- 

rlia, das wir in No. 39 des vergangenen 
_ i unserer Zeitung eingehend beschrieben haben, Getragen 
uach 'einer amtliehen Vorlage 451 304 Tblr., während der erste 
Ueberschlog dieselben zu 170000 Thlr. geschätzt hatte, — jeden- 
falls wohl eine der stärksten Anschlags -Ueberschrcitungen, die 
so bald vorgekommen sind. Neben den ausserordentlichen Kosten, 
welche die Anstrengungen zur Ucberwindung des durch die Ar- 
beitseinstellungen der ßauhandwerker verursachten Zeitverlustes 
erforderten, sind es wobl die während des Baues gesteigerten 
Ansprüche an den Komfort des Hauses gewesen, welche iu erster 
Linie dieses Resultat herbeigeführt 



Vom Ausschüsse der 

geht uns das nachstehende Schreiben zu. 

.Die Mittheilung Ihres Blattes vom 2. d. M-, dass unter den 
Studirendcn der Bau-Akademie zu Berlin nnd der Polytechniken 
zu Hannover und Aachen eine Petition um Trennung der Fächer 
zirkulire, bat vielfach zu irrthümlichen Auffassungen Veranlas- 



so dasa der Unterzeichnete, leider zu spät darauf 
aufmerksam gemacht, Sie bittet, obige Nachricht dahin zu be- 
richtigen, daaa die augenblicklich von den Studirenden beschlos- 
sene Petition: 

1) Die Eintheilung der zum Bauführer-Examen erforderlichen 
Prüfungs -Gegenstände in 3 selbstständige Gruppen: eine 
bauwissenschaftliche , mathematische und naturwissen- 
schaftliche, von denen nur diejenigen zu wiederholen sind, 
in denen der Kandidat die Prüfung nicht bestanden hat; 

2) die Festsetzung einer Minimalfrist von 8 Wochen für die 
Wiederholung der Prüfung 

bezweckt Im Auftrage 

H. Tcchow.« 

Wir veröffentlichen diese Mittheilung sehr gern, obwohl wir 
dieselbe nicht als eine Berichtigung unserer durchaus korrekten 
Nachricht, dass in den Kreisen der Studirenden zu Berlin, 
Aachen und Hannover der Vorschlag einer Petition wegen 
Trennung der Fächer angeregt worden sei, anerkennen können. 

Ans der Fachliteratur. 

Allgemeine Bauzeituag, redigirt von A. Kostlin, Verlag 
von R. Waldheim in Wien. Jahrg. 1871. 

A. Aus dem Gebiete des Hochbaas. (Schluss). 

7. Ueber Bedeutung und Entwickelang des joni- 
schen Kapitals', von Dr. T. F. Krell. 

Ein ästhetisch-historisches Essai über das Voluten-Kapital 
der alten Kunst, welches der bei derartigen Studien anscheinend 
unerläßlichen Dunkelheit des Vortrags nicht ganz entbehrt. 
Der erste Theil enthalt nach kritischer Würdigung einiger früherer 
Erklärungsversuche eine Paraphrase der schönen Scmpcr'schen 
Beschreibung von der Funktion der jonischen Doppelspirale: 
.Sie erscheint als abstrakter Ausdruck schmiegsam elastischer 
Kraft, die ohne Gewalt Widerstand leistet, die nachgiobt iund 
wiederkehrt, aber stets emporhält, in mehrmaliger Wiederholung 
in und neben einander geordnet. Passender als das früher ge- 
bräuchliche Bild des aufgerollt hervorquellenden Polsters er- 
scheint dem Verfasser das Bild der Uhrfeder, man kann damit 
nur einverstanden sein, wird jedoch die Vorstellung des in 
weiterer Konsequenz eingeführten Z Trägers, der in der Ebene 
■eines senkrechten Steges aufgerollt ist, der Phantasie des Verf. 
überlassen müssen. Ein Mangel in der Komposition des joni- 
schen Kapitals gegenüber dem dorischen liegt im Ucbergreifcn 
der im Grundrus viereckigen Voluten über das runde Kymo, 
so dass der entstehende dunkle Winkel durch eine Pal- 
mette gefüllt werden muss- Das erklärt sich aus der histori- 
schen Herleitung aus dem Anten-Kapital, welcher der zweite 
grossere Theil des Aufsatzes gewidmet ist Die erste Spur des 
Voluten-Kapitäls findet der Verf. in Assyrischen Anten-Kapi- 
tiUcn, welche, der Pracht- und Phrasenliebe des Orients entspre- 
chend, zwei Voluten übereinander mit übergelegter Deckplatte 
zeigen. Dem Durchgang dieser Form durch die Persische Ar- 
chitektur, wo der Verf. sie in den bekannten Pferde-Kapitalen 
mit aufrecht stehenden, vierseitig entwickelten Spiralen wieder- 
findet, dürfte schwer zu folgen sein. Deutlich tritt jedoch die 
Form wieder in den lykischen Felsengräbern Kleinasiens hervor, 
wo nun auch schon die zweite Volute der Assyrer gespart wird, 
so dass die ums Jahr 1000 übersiedelnden Jonier die Form 
bereits ziemlich fertig vorfanden, welche die charakteristische 
Kapitälform des nach ihnen genannten Stils werden sollte. Es 
folgt eine längere Zurückweisung der Semper'schen Ansicht, als 
sei der jonisebe Stil ähnlich dem dorischen aus einer Mischung 
gleichwerthiger hellenischer und asiatischer Elemente hervor- 



den ist Das Durchschnitts -Resultat der an 25 verschiedenen 
Steinen unternommenen Proben ergiebt, dass die ersten Hisse 
bei einem Drucke von 103,78" per □«", die Zerstörung bei 
einem solchen von 103,84* per [J« M eintrat; die Festigkeit der 
wegen ihrer schönen Farbe und ihres sauberen Aussehens 
neuerdings immer mehr in Aufnahme kommenden Steine über- 
trifft also die der gewöhnlichen sogenannten Rathenower. Hr. 
Lämmerhirt fügt hinzu, dass die Festigkeit des Materials 

- dasselbe schärfer ge- 
— F. — 



Ver- eine noch grössere sein könnte, 
wor- brannt würde. 



gegangen. Der Verf. konstatirt bei den Joniern Vorderasiens 
nur ein ziemlich unsicheres 



Architekt Th. 



vorgefundenen lykischen Urformen, wobei die Verwendung der- 
selben auf Möbeln und Geräthcn, sowie auf freistehenden Stelen 
nicht ohne verwirrende Rückwirkung geblieben sein mag. In- 
dem der Verf. in historischer Folge zuerst durch die Beispiele 
usiutisch-jonischer Bauten, den Tempel der Artemis Limuatis, 
dos tieroou des Empcdoklcs, den Tempel des Apollo zu Bassae, 
den Heratenipel zu Sainos, den Athenetempcl zu Priene, den 
schönsten auf asiatischem Boden — das Mausoleum zu Hali- 
karuass und die späten, schon charakterlosen Beispiele zu Milet, 
Tcos, Aphrodisias und Aizani — dann durch die spärlichen 
Beispiele auf hellenischem Boden führt findet er die höchste 
Vollendung des Stils im Tempel der Athene polias. In diesem 
Kapital, welches genau zergliedert wird, lfisst sich eine bemerken*- 
werthe Rückkehr zu den altassyrischen Urmotiven wahrnehmen. 
Nicht allein weist der Anthemieuschmuck des Halses auf Assy- 
rien — auch die doppelte Spiralo tritt hier wieder auf, doch 
nunmehr die einzelnen Voluten nicht auf einander lastend, son- 
dern in einander geschlungen. Zum Schluss wird noch ein 
Blick auf die Wandlungen geworfen, welche das jonische Kapi- 
tal iu der Römischen Kunst bis zum Ueberwucbern des Pflanzen- 
Ornamentes und gttnzlicher Nüchternheit erlitt 
8) Palais Epstein in Wien, von A: 
Hansen. 

Die Bezeichnung Palais bezieht sich hier wohl mehr auf die 
Architektur und Ausstattung, als auf die Bestimmung des auf 
6 Blatt sehr eingehend initgetheilten Privatbaucs, da derselbe 
im Erdgeschosa Läden und Komptoire, im ersten Stock die Woh- 
nung des Besitzers, in den beiden folgenden Etagen aber Mieths- 
wohnungen enthält Die letzteren haben die Anlage zweier 
Haupttreppen nöthig gemacht. Im Uebrigen sehen wir in dem 
Haoptgesehoss des nach drei Seiten freiliegenden, um einen glas- 
bedeckten Zierbof gruppirten Gebäudes die vollen Anforderungen 
einer hoch-herrschaftlichen Wohnung erfüllt. Der Trakt an der 
Hauptfacadc enthält nur Uesellschaftsräumc, Wohn- und Schlaf- 
zimmer nehmen die kürzeren Flügel nach den Seitenstrassea 
ein, die sämmtlichen Nebenräume liegen an der vierten Seite 
vom Hofe aus beleuchtet. Der zweite Stock enthält dieselbe 
Einrichtung, ebenfalls nur für eine Familie berechnet. Die 
dritte Etage dagegen ist in drei Mieth Wohnungen zerlegt 

Das Aeussere imponirt durch stattliche Etagenhöhen und 
durch eine reiche Architektur im Sinne römischer Spät-Renai- 
sance. Ueber dem derb gequaderten, rundbogigen Erdgeschoss 
erbeben sieh zwei ziemlich gleichwertige rflasteratellungen. 
In etwas seltsamer Weise ist der dritte Stock zu dem Hauptgesims 
gezogen; seine Fenster sitzen zwischen sehr eng gestellten Stützen, 
die zwischen Hermen und langgestreckten Konsolen die Mitte 
haltend, mit dem verkröpften Architravc, den Konsolen und 
Löwenköpfen des Hauptgesimses ein sehr unruhiges Ensemble 
geben. Vielleicht wirkt aas Gesims in der Ausführung weniger 
ungünstig. Der Hof hat ebenfalls eine reiche Gliederung durch 
vierfache Pflasterstcllung. Dos Innere, wenigstens des ersten 
Stocks, ist von der Hand des Arcbitekteu bis ins kleinste Detail 
reich und künstlerisch durchgeführt, namhafte Maler haben zum 
Schmuck der Gesellschaftssäle beigesteuert L. 



B. Aus dem Gebiet des Ingenieurwesens. 

1) Ueber Eisenbahnen im Kriege 1 , von Moritz 
Morawitz. 

Der Verfasser hat seine im Jahre 1866 auf der Reicbenberg- 
Pardubitzer Bahn gesammelten Erfahrungen zu einer Abhand- 
lung benutzt, welche inzwischen durch die Ereignisse der Jahre 
1870/71 überholt ist und Bich demnach als antiquirt der Be- 
nrthcilung entzieht 

2) Der Rhein-Marne Kanal, vom Bauinspektor 
Hess. 

Der Kanal, welcher die Marne (bei Vitry le Francais) mit 
dem Rhein (bei Strassburg) verbindet hat eine Länge von 315*«, 
und überschreitet 2 bedeutende Wasserscheiden: zwischen Marne 
und Maas und zwischen Saar und Rhein (die Vogesen). Die 
entere ersteigt er durch 73 Schleusen mit einer Gesommt- 
steigung von 187 Dann folgen absteigend zur Mosel (bei 
Nancy) 30 Schleusen mit 84™ Gefälle. Weiter bis zum Kamme 
der Vogesen finden sich 26 Schleusen mit 63« Steigung. Den 
Schluss bildet die Rhein -Treppe mit 51 Schleusen und 131 « 
Gefälle. Die Lage des Kanals ist also eine höchst ungünstige, 
da für jede Stunde Fahrzeit etwa eine halbe Stunde mit Durch- 
schleusen verloren gebt. In gleichem Maasse ist die Speisung 
wegen des durch die kurzeu Haltungen veranlassten Wasser- 
verlustes ungünstig. Auch kostet der Kaual an Zinsen des An- 
lagekapitals und Unterhaltungskosten dem Staat jährlich 2". 
Millionen Franken, was bei den t. B. im Jahre 1864 stattge- 
habten Transporten 0,07 Franken auf die Kilometertonne be- 



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164 — 



trügt. Indessen dürfte nicht zu ltczwcifeln sein, dass die durch 
den Kanul und seine niedrigen Frachtsätze bewirkte enorme 
Vermehrung des Niitiotialwohlstuudcs, wiewohl sie sich in Zuh- 
len nicht leicht ausdrücken lürtst, einen Kreutz für die aufge- 
wendeten Kosten bietet. Was die technischen Einzclnhciten de« 
Kunals betrifft, so ist du* grösste Bauwerk, n.lmlich der unweit 
Zabern, dicht neben dem Tunnel der Strasshurg-Pariser Eisen- 
bahn Megeno Vogescn-Scheitel-Tunticl ITOD :?:i07"> Länge, wel- 
cher hier detaillirt dargestellt ist, bereits aus andern Beschrei- 
bungen ziemlich iH-kannt- Wir verzichten daher auf eine solche, 
wie denn überhaupt ein näheres Eingehen auf die niitgctheilten 
Spezialitäten (Kuualprofile, Brüekenkanäle, Schleusen, .Brücken 
u. s. w.) hier zu weit führen würde. Insbesondere Wullen wir 
jedoch auf ilie ausführlichen Angaben über die Dichtung 
den Kanals hinweisen, zu welcher hauptsächlich Beton, doch 
stellenweise auch Thon und sogar Sand verwendet wurde. Um- 
fangreiche Tabellen, welche die finanzielle und technische Lage 
des Kanals klar machen, bilden den Schiusa des Aufsatzes. 

ö ) Theorie des k out i nuir 1 ic he n Träger« konstan- 
ten Querschnittes. Elementare Darstellung der von 
Clapeyron und Mohr begründeten analytischen und 
graphischen Methoden und ihres Zusammenhanges, 
von Professor Ferdinand Lippich. 

Die elementare Behandlung des kontinuirlichen Trägers 
stützt sich auf das Prinzip, dass koniplizirtere hierbei vorkom- 
mende Aufgaben stets in einfachere zerlegt werden können, 
weil die Steigungen und Senkungen der elastischen l.iuie, wenn 
mehre Belastung«- und Befestigungsweisen gleichzeitig au 
einem Träger angebracht werden, gleich der .Summe der Sen- 
kungen und Steigungen sind, die durch die einzelnen Be- 
lastung«- und Befestigungsweisen hervorgebracht werden. Es 
werden dem entsprechend zunächst die Einflüsse der Belastun- 
gen einzelner Felder des Trägers auf die übrigen unbelasteten 
untersucht. Wenn von den am Träger vorhandenen Belastun- 
gen nach rechts oder links bis zum Ende de« Trügers mir un- 
belastete Oeffuungeu vorhanden sind, so hüben die Wendepunkte 
der elastischen Linie in diesen eine bestimmte Luge, welche nur 
von dem Verhältnis« der Öffnungen unter einander, nicht aber 
von den Belastungen ubhäugt Liese Punkte, welche mau ihrer 
Natur nach Fixpunkte oder Fundameutulpuiikte nennt, bilden 
den Schlüssel zur Entwickelung der Momente u. s. w. unterein- 
ander und fuhren zuletzt auch auf die Clupoyruuseheu (Weichlin- 
gen. Die gründliche Durchführung dieser Entwickelung, bei 
welcher alle sich ergebenden Aufgaben sowohl graphisch als 
rechnend gelöst sind, ist lür diu Benutzung in der Praxis des 
Ingenieurs fast zu umfangreich. Es ist daher dankbar anzuer- 
kennen, dass um Sehluss ein Beispiel (die Kiseubrücke über die 
Saar bei Freiburg) Dach beiden Methoden durchgearbeitet ist. 

•I) Ueber diu wechselseitige Beziehung zwischen 
der Konfiguration des Flusslaufes und der Wasser- 
tiefe in Flüssen mit beweglicher Sohle. Vuu Fargue, 
Ingenieur in Bordeaux. Deutsch bearbeitet vum In- 
genieur M. II on seil. 

Im Juhrgaug 1SHS der hannoverschen Ilauzoitiing fpag. 4!'."») 
findet sich ein ausführliches Beferat über die Abhandlung des 
Beim Fargue nach dem in den Auuales des pouts et chaussees 
von lsiiS enthaltenen Original. Wir können also darauf wegen 
der Kiuzeliiheiten verweisen und uns hier auf die Angabe des 
der Arbeit zum (»runde liegenden Prinzip«« beschränken. 

In jedem verschiedentlich gekrümmten l lusslaufe finden 
sich bekanntlich die tiefsten Stellen in den Krümmungen, und 
zwar nahe dem konkaven Ufer, währeud um Uebergumge zweier 
entgegengesetzten Krümmungen untiefe Stellen vorhanden sind. 
Das LängcnpruhT eines Flusses mit beweglicher Sohle ist also 
von seiner Grundrissforni abhängig. Das tiesetz, welches diese 
Beziehung legelt, sucht Herr Fargue, gestützt auf sorgfältige 
Beobachtungen au der Garonue, zu ermitteln. Er giebl sodann 
bei Flusskorrektionen deu Krümmungeu diejenige Form, welche 
deu gefundenen Gesetzen nach die geeignetste ist, um das für 
die Schiffahrt güustigMe I.ftnuenprotil des Flusses zu erzeugen. 

Der von Berrn Fargue eingeschlagene Weg der Behandlung 
der Flussläufe ist neu. "Er betrachtet daher selbst seine Theorie 
nicht als allgeschlossen und fordert zu ähnlichen Studien an 
andern schiffbaren Flüssen mit der Garonne analogen Verhält- 
nissen auf, um seiue Beobachtungen zu ergänzen und seine 
Folgerungen zu vervollständigen. 

In einem Vorwort riebt Herr Honscll einigu Notizen über 
die Art wie die Korrektionen der Garonne ausgeführt werden. 
Es werden neu« Uferliuien durch Parallelwerke hergestellt, die 
zur Unterstützung ihrer Wirkung und zur Beförderung der 
Verlanduug in Zwischenräumen von SU bis liHM" , bei starkem 
Gefälle auch wohl von 4U'» , mit dem natürlichen Ufer verbun- 
den werden. Die Parallelwerke bestehen aus einer Beihe von 
C— 7™ langen, i — Ü..V" in die Flussohle eingetriebenen, LS 1 » von 
einander entfernten und :!"> über Niedrigwusser hervorr geiideu 
Pfählen, welche durch ein bis mindestens 1» unter Niedrig- 
wasser herabgetriebencs Flechtwerk und ein bündig mit deu 
Pfahlköpfen angenageltes Längsholz verbunden weiden. Am Fuss 
der Pfahlreihe wird eine Schüttung von Bruchsteinen angebracht. 
Um die Geschwindigkeit des überströmenden Wassers zu min- 
dern wird in die Zwischenräume des Flechtwerks ein Zaun von 
Weidenzweigen von oben eingesteckt. Diese Bauart, welche sich 
überall empfehlen dürfte, wo die Geschwindigkeit der Sti'nuuui; 



nicht sehr gross igt, wo der Fluss reichlich Sand und Schlamm 
führt und Zorstörumicn durch Eisgang nicht zu befürchten sind, 
soll sich erheblic h billiger stellen als die am Rhein angewende- 
te:! Paachinenhouten. 

'•) Her Leska-Viadnkt bei Znaim, von Obcririge- 
nieur Ludwig. 

Die Flügelbahn (irussbach - Znaim der österreichischen 
Staut shahn überfetzt dicht bei Znaim das Thal des Lesku-Baches 
mittelst eines rot. "Jii™ hohen, !!()"• langen, halbkreisförmig ee- 
wölbten zweiycleisiaen Viaduktes mit I Oeffnungen von I I," 1 " 
Spannweite. Die Fundamente und Sockel bestehen aus Bruch- 
steinmauerwerk, die Bekleidung der Sockel, die Kämpfersteine, 
Deckplatten u. s w. aus Gneis oder Granit, das übrige 
Mauerwerk sowie die Gewölbe aus Backsteinen. Da das letztere, 
an Ort und Stelle verfertigte Material hinsichtlich seiner Trag- 
fähigkeit nicht genau bekunut war, hat man absichtlich und be- 
wu-st etwas stark konstruirt. Die Gewölbe wurden mit einem 
Beton guai aus Kufsteiner hydraulischem Kalk und Kiessteiuehcu 
nebst einem Lehmschlag überdeckt. Die Entwässerung findet 
durch die Gewölbeschenkel in der Nähe der Kämpfer statt. 
Sogar die auf den Eudwiderlugspfeilern sich sammelnde Nässe 
wird auf diese Weise durch die Gewölbe geführt. Die Ab- 
deekung und Entwässerung entspricht wenig den hei uus jetzt 
im Allgemeinen vorherrschenden Anschauungen, und wenn sie 
sich, wie der Verfasser angiebt, bei dem Leska-Viadukt bis nun 
aufs Beste' bewährt hat, so dürfte dies wohl mehr der vorzüg- 
Ihh sorgfältigen Ausführung, die dem ganzen Bau nachgerühmt 
wird, vielleicht auch dem verhultnissuiässig milden Klima 
Znaim«, als dem Prinzip, nach welchem die Entwässerung ange- 
legt ist, zuzuschreiben sein. Auch ist abzuwarten wie sie sich 



auf die Dauer hält. 



(Sehl«»» feint.) 



Personal - Nachrichten. 

Preusscn. 

Ernannt: Der Eisenbahn - Baumeister Schnlenburg in 
Hannover zum Eiseubidiu-Bau-Iusprklor bei der Hannoverechen 
Slaatshuhn duselbst. Der Landbaumeister und llüifsarbeiter in 
der Bau-Abtheilung des Königl. Ministeriums für Haudel und 
Gewerbe, En, nierich zum Bau-Inspektor bei der K<"<nigl. Miui- 
sterial-BaukouiiuUsjon zu Berlin. Der Baumeister Kischke zu 
Heydekni!; zum Kreisbaumeister daselbst. Der Eisenbahn-Bau- 
meister Di sse I hof in Breslau zum Eisenbalm-Hau-liispekt« r und 
Vorsteher des technischen Zeutralbureaus bei der Westphälischen 
Eisenbahn zu Münster. 

Versetzt: Bit Eisenbahn-Hauinspektor Suche zu Thum 
zur Leitung der I. Bauabthoilung der tilsit-Memeler Eisenbahn 
nach Tilsit. Der Eisenbahn Bau- und Betriebs Inspektor Dulk 
Hl Elberfeld nach Kassel und der Eisenbahu-Bau- und Betriebs- 
lns[M'ktor Kriehel dorff, dessen Versetzung von Aachen nach 
Kassel nicht zur Ausführung gelangt ist, nach Elberfeld. 

Dem Ei-enbahn-Bau-lnspektor Plathuer zu Berlin ist der 
Charakter als Baurath Verlieben worden. 

Gestorben: Der Kreisbaumeister Zick in Heydekrug, 
Beg.-Bez. Gumbinneti. 

" Die Baut' ührer-Prüfutig haben am <;.. 7. und S. Mai er- 
bestanden: Wilhelm Nott Hügel aus Helba im lbrzogth. Sachsen- 
Meiniimeu: Karl Frieilrieh Oskar Baske ausTupiau; Friedrich 
Leopold Richard Komeiss aus Magdeburg; Karl Kot h aus 
LauueriRchwalliach. 

Die Baumeister-Prüfung halwn abgelegt um 8. und 
11. Mai er.: Bauführer Friedr. Willi. Ferdinand Bei man Ii 
aus Breslau. Bauführer Moritz Lierseh aus Cottbus. 

Brief- und Fragekasten. 

Abonnent N. in C. Alle seit Erlas« des Gewerbegesetzes 
vom Jahre lSHS in Preusscn vollzogenen Privathaumeister-Prü- 
fuugr-n sind von Kandidaten abgelegt, welche sich vor Erlau«.« 
jenes Gesetzes zu derselben gemeldet und sie durch F^mpfaug- 
nahuie der 1'roln'arbeiten bereits angetreten hatten. Duss es 
für andere Techniker nicht mehr möglich ist jenen Titel, nach 
dem Sie Sehnsucht tragen, zu erlungen — es sei denn, dass sie 
ihn sich selbst beilegen, was einem gesetzlichen Hindernisse 
ebensowenig unterliegt, wie beispielsweise die Annahme des 
Titels Zivil -Ingenieur — haben wir des Oefteren auseinander- 
gesetzt. 

Hrn. F. München. Ihn« Anfraae. ob bei der Konkurrenz 
für Entwürfe zum Nut ionableukmal auf dem Niederwald die 
Beschränkung auf genaue Zeichnungen in dem .verlangten Maass- 
stabe erlaubt sei, ist nach alin. 4 des Preisausschreibens, das 
wir in No. '.! u. Bl. mittheilten, auf das Unzweifelhafteste zu 
bejahen, sobald der Entwurf rein oder doch vorwiegend archi 
tcktoiiisch ist. 

Ih n. J. H. Hamburg. Der Ausdruck .Plan - Skizze" in 
dem Preisausschreiben für Entwürfe zu einem Bankgebäude in 
Frankfurt a. M., den wir aus dem Original-Programm übernom- 
men haben, ist zweifellos auf vollständige Entwurf-Skizzen incl. 
Fueadeu und Durchschnitte, nicht auf blosse Grundrisse zu be- 
ziehen. Man ideutilizirt die Worte Entwurf und Plan jedenfalls 
viel häufiger, als die Worte Plan und Grundriss: wo das letz- 
tere geschieht, ist dies wohl nur auf die laxe Gewohnheit, das 
Wort Gnnid|ilan in Plan abzukürzen, zurückzuführen. 



Hierzu eine Holzschnitt - Beilage : Denkmal zu ViouviHo für die Gefallenen des Infanterie- Regim ent.«. 

Kommli.feuM.rl«« C.rl Uceliti In U<rllu. 1>im.-« roo Uebrudt! l'iclcrlia «tri!« 



Dl 



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Jahrg. Tl. M 21. 

DEUTSCHE BAUZEITUNG 



lUtUktUn u. Xip»ditiaa: 



IltwnubiMn Ulf )"»*t»D)U»JWo 



Organ des Verbandes 

deutscher Architekten - und Ingenieur-Vereine. "»■*• 

Redakteur K. E. 0. Fritich. 




„B»a- AnwL»cr- 

SV, Mt pr. 



Prell 1 Thaler pro Isartal. 


Berlin, den 23. Mai 1872. 


Erieheiat Jede ■ »»dient«*. 


Inhalt: DU Koakumoi Ar Batwirf« tum lUu** dut deutfchen Reicht- 
taftt II. (F«r1a*tti»»f ). — Au« d*r Tkltl(k*U Art d«ut#elwm F*l4e^«ab*ho -Ali- 
Uitlluugtii IX. — Zar V«rk«Mrai| der Od*r*cbiff*)ut. — Ml tth«l 1 u o f «n tut 
Vtrtlutn: OMtcrreiehlMawr Ingenieur- und ArchilcAtea-Verviii. - Arealukuo- 


Verein m Berlin. — V erin i te kt.a: Di« Arbelu.liutt'llauiieo in Berliner B>uc<-- 
werkt. — Au. der Faehlltt.r.lnr: AltgamUc. Bauleitung, redl». von A. ». 
K.V.ills Jatrrf.ac 1*71. - Kanknrroni.a: NnN S«»ul»eba«de In Oielt. — 
P.r.aB.I-Haehriekl.a ete. 



für Entwürfe zum 

(ForUetian«.) 

auf 8.IU 16» I 



Die Konkurrenz 



geringen Werth haben die Konkurrenten auf die 
Art und Weine gelegt, in der sie den gegebenen Bauplatz 
ausnutzten. Wir meinen hiermit zunächst die Benutzung der 
Flache an sich und die allgemeine Anordnung des Gebäudes 
auf derselben. Für die meisten ist es genügend gewesen, 
sich innerhalb der gegebenen Grenzen von 115 X 150" zu 
halten, obue dass sie darauf gesehen haben, ob das Gebäude 
in der gewählten Grundform und Stellung sich möglichst 
vortheilhaft an die Umgebungen anschlicsst und mit den- 
selben in einen gewissen organischen Zusammenhang gebracht 
werden kann; andererseits tritt die entschiedene Berücksich- 
tigung dieses Momentes bei einem, in dieser Beziehung wahr- 
haft genial konzipirten Entwürfe aufs Günstigste hervor. 
Einige der Konkurrenten haben sich die Freiheit genommen, 
den Bauplatz um ein Namhaftes zu ü bersch reiten , so dass 
ein Abbruch der Sommerstrasse bis zur Dorotheenstrasse 
noth wendig würde, nur einigen wenigen ist es dagegen — 
freilich nicht ohne wesentliche Nachtheile — gelungen, dem 
in der Bekanntmachung des Programms ausgesprochenen 
Wunsche zu entsprechen und die Front des Reichstagshauses 
von dem Siegesdenkmal in dem AI «.stände des Kroll'schen 
Etablissements zu halten. Dabei ist das an zweiter Stelle- 
vorgeschriebene Mittel, die Symmetrie des Königsplatzes 
durch Neubauten auf der Westseite desselben herzustellen, 
grossentheils unbeachtet geblieben, wie es wohl auch in der 
That mit dem vorliegenden Entwürfe nur lose zusammen- 
hängt. Als die glücklichste Idee für eine solche Losung, 
wenn dieselbe für unentbehrlich gehalten wird, ist zweifellos 
die von mehren Konkurrenten vorgeschlagene Erbauung einer 
mit der Front des Keichstagshauses korrespondirenden Kuh- 
meshalle zu bezeichnen, für welche der langgestreckte schmale 
Bauplatz noch am Meisten sich eignet, während das gleich- 
falls vorgeschlagene Auskunftsmittel einer entsprechenden 
Vergrtisserung des Kroll'schen Etablissements, wodurch wohl 
nun nnd nimmermehr ein des deutschen Keichstagshuur.es 
würdiges Pendant geschafTen werden könnte, ab völlig ver- 
fehlt erscheinen muss. 

In anderer, höchst wesentlicher Weise beeinflusst die 
Situation des Gebäudes die Disposition desselben sowohl in 
Betreff der Grundrissanordnung wie in Betreff des Faeadcn- 
aufbaues. Wir haben es vorläufig nur mit der enteren zu 
thun. 

Wenn als die Hauptfront eines freistehenden Gebäudes 
diejenige zu betrachten ist, in welcher der Haupteingang 
liegt, und wenn als Haupteingang des deutschen Reichstags- 
hauses jedenfalls derjenige ausgebildet werden muss, der 
in direkter Linie zu dem Hauptraume des Hauses, dem 
Sitzungssaale der Abgeordneten , und durch den zu 
gehörigen Vorsaal führt, so boten sich hier aus der S 
einige nicht unerhebliche Schwierigkeiten. Die Rücksicht 
anf die monumentale Bedeutung des Gebäudes fordert ge- 
bieterisch, dass die Hauptfront desselben nach dem Königs- 
platze gerichtet sei, während es aus praktischen Rücksichten 
sehr bedenklich erscheint, den Abgeordneten, welche grossen- 
theils zu Fuss nach dem Hause sich begeben, die Zurauthung 
zu stellen, dass sie auf ihrem Wege aus der Stadt jedesmal 
erst um das Gebäude herumgehen sollen, um in dasselbe zu 

f;elangen. Nicht wenige der Konkurrenten haben die«en 
etzten Gesichtspunkt für so wichtig gehalten ^ dass sie den 
Haupteingang rar die Abgeordneten in der That nach der 



ren Theile die Front nach dem Königsplatze um so vieles 
stattlicher auszubilden versuchten, dass dieselbe trutzulledem 
als Hauptfront erscheint; noch andere haben den kühnen 
Versuch gemacht, die Hauptaxe des Gebäudes den Längs- 
fronten parallel und den Hauptciugang auf die Südseite zu 
legen. Die Mehrzahl der Konkurrenten hat sich freilich für 
jene erste Anordnung entschieden , wobei sie zum Theil das 
Gewicht des Haupteinganges noch dadurch verstärkten, dass 
sie ihn nicht allein auf den Sitzungssaal, sondern gleichzeitig 
auch auf die Festlokalitäteu bezogen. Wir glauben diese Lö- 
sung iu dem eineu wie in dem audern Falle uubedingt als 
die beste bezeichnen zu können, falls den praktischen Rück- 
sichten gleichzeitig dadurch Rechnung getragen wird, dass 
die Abgeordneten nicht auf jenen einzigen Eingang be- 
schränkt sind, sondern Gelegenheit haben auch von den an- 
deren Fronten aus einen bequemen Zugang zu ihreu Garde- 
roben nnd Vorsälen zu gewinnen. Es ist dies bei allen 
besseren Grundrisslösungen entweder schon in trefflicher 
Weise vorgesehen oder doch leicht zu erzielen, uuji»juötbteu 
wir in dieser Beziehung namentlich jenen Entwürfen das 
Wort reden, die neben der kurzen Hauptaxe noch eine aus- 
geprägte Queraxe durchgeführt und hier ihre Haupt -Neben- 
Eingängc angenommen haben. 

Andere Rücksichten auf die Situation, welche sich zum 
Theil auf die .Yertheilung der übrigen Eingänge, zum Theil 
anf die Läge einzelner Räumlichkelten beziehen, sind unter- 
geordneterer Art. Obgleich es wünschenswert)! erscheint, dass 
dem Umstände, dass die Mitglieder des Bundesrathes, sowie 
alle Logenbesucher vorwiegend vom Brandenburger Thor 
herkommen werden, insoweit Rechnung getragen wird, als die 
Eingänge für dieselben nicht gerade auf der entlegensten 
Nordseite angebracht sind, als den Räumen, welche nicht 
zur Arbeit, sondern zur Erholung bestimmt sind, ebenso wie 
den Dienstwohnungen eine Lage angewiesen ist, in der sie 
der günstigsten Aussicht theilhaftig werden, u. a. m., so sind 
dies Punkte, welche wohl zu den Vorzügen eines Entwurfes 
beitragen, jedoch nicht den Ausschlag geben können. 

Es führt uns diese Beziehung der Gnindrisscintheiluug 
zur Situation jedoch bereits in ein Detail, das wir füglich 
nicht weiter verfolgen können, bevor wir nicht einige Fragen 
erörtert haben, die für die Auffassung der einzelnen Grund- 
risslösungen, wie für ihre Beurtheilung von allgemeiner Be- 
deutung sind. 

Fast wären wir versucht, hier zunächst eine akademische 
Studie einzufügen, in welcher die prinzipiellen Anforderun- 
gen entwickelt würden, denen ein guter Grundriss in Betreff 
praktischer Zweckmässigkeit, wie in Betreff monumentaler 
Schönheit zu genügen hat. Denn leider ergiebt das Resultat 
dieser Konkurrenz, dass die Ansprüche, welche die einzelnen 
Verfasser in dieser Beziehung an ihre Arbeiten gestellt haben, 
nicht nur ausserordentlich abweichende, sondern zum grösse- 
ren Theil sogar ungenügende waren, so dass nur wenige 
Entwürfe vorliegen, deren Grundriss-Disposition als eine be- 
friedigende Lösung der Aufgabe betrachtet werden kann. 
Während auf der einen Seite die Räume so an- und durch- 
einander geschachtelt sind, dass es eines eingeweihten Füh- 
rers in diesem Labyrinthe bedürfen würde, ist von Anderen 
ein akademisches Axensystem mit so ausschliesslicher Rück- 
sichtslosigkeit durchgeführt, dass der nothwendige Zusammen- 
hang der Räume und damit ihre praktische Nutzbarkeit 
gänzlich verloren gegangen ist. Die Frage der Beleuchtung 
ist zum Theil so oberflächlich behandelt, 



nicht allein 

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— 166 — 



mit Oberlichten ein entschiedener Missbrauch getrieben wor- 
den ist, sondern dass es auch an Räumen nicht fehlt, die 
nur sekundäre Beleuchtung erhalten, ja sogar des Tagi-s- 
lichtes ganz entbehren — und dies in ganz hervorragenden, 
künstlerisch bedeutenden Entwürfen. Eine einheitliche or- 
ganische Ent wickelung, welche Grösse und Form der ein- 
zelnen Räume nach Zweck und Bedeutung derselben sorg- 
sam erwogen und in ein harmonisches Verhältnis^ gebracht 
hat, ist höchst selten, entschiedenes Missvcrhältniss oder eine 
ermüdende Monotonie ziemlich häutig. — Doch so nützlich 
es vielleicht sein möchte, den prinzipiellen Standpunkt zn 
klfireu, auf den unsere Rcurtbeilnng sich stellen will, so 
drängt doch die Zeit, es zu unterlassen und das Xöthige 
bei Besprechung einzelner Entwürfe nachzuholen. 

In Betracht zu ziehen ist vorerst die Frage der allge- 
meinen Gruppirung des Grundrisses, die selbstverständ- 
lich im engsten Zusammenbange steht und nur gemeinschaft- 
lich zu lösen ist mit der Frage der Facaden-Disposition. 
Es stehen sich in dieser Hinsicht unter den Konkurrenz- 
Entwürfen zwei verschiedene Auffassungen gegenüber — 
beide in extremer Ausbildung vertreten, beide aber auch ein- 
ander angenähert und in einander übergeführt. Die eine 
derselben sucht die Bedeutsamkeit der äusseren Erscheinung 
des Gebäudes in seiner Einheit. Sie bat sich daher nur 
weniger architektonischer Motive bedient und vor Altem nach 
der Wirkung ruhiger geschlossener Massen gestrebt; die aus 
dem rechteckigen Bauplatz altgeleitetete Grundform zeigt auf 
allen Seiten grosse Fronten, die nur durch Eck- resp. Mittel- 
bauten mehr oder weniger gegliedert werden. Wir verhehlen 
nicht und werden dies später noch weiter begründen, dass I 
nns dieses Prinzip in seiner einseitigsten Ausbildung nicht 
völlig geeignet erscheint, die Uestiminuug des Gebäudes zum | 
charakteristischen Ausdruck zu bringeu. Es sind in dem- 
selben Bäume von so verschiedenartiger Form und Bedeutung 
enthalten, dass eine solche äusserliehe Einheit nothwendig 
als aufgezwungene Schablone erscheinen muss. Viel grössere 
Berechtigung hat jedenfalls das in mehren Entwürfen nicht 
ohne Glück durchgeführte entgegengesetzte Prinzip, die ihrer 
Bestimmung nach zusammengehörigen Räume des Gebäudes 
zu einzelnen Gruppen zusammenzufassen und diese selbst- 
ständig auszubilden, das Gebäude also zu indi vidual isiren. 
Die Wahrheit dürfte, wie immer, in der Mitte liegen und 
hat sich die Ansicht der Konkurrenten jedenfalls dafür ent- 
schieden; denn überwiegt auch beiden meisten Arlieiten die 
dem Bauplatz entsprechende Form des geschlossenen Recht- 
ecks, so sind doch die mannigfachsten Versuche gemacht, 
die daraus hervorgehende Gefahr starrer Monotonie nach 
Möglichkeit zu vermeiden. 

Das Vorstehende bezieht sich hauptsächlich auf die äus- 
sere Form des Grundrisses; auf seine innere Eintheilung 
ist ein anderes, gleichfalls mit der Facadengestaltung, aber 
auch mit der praktischen Zweckmässigkeit des Gebäudes 
eng zusammenhängendes Moment von uoch grösserem Ein- 
flüsse, die Zahl der gewählten Stockwerke. Obwohl 
es au Entwürfen mit :t und i Stockwerken unter den vor- 
liegenden Arbeiten keineswegs fehlt, so scheint uns als ein 
Resultat der Konkurrenz doch bereits festzustehen, dass die 
genannten Rücksichten die beste Lösung nur in einem Ge- 
bäude finden können, das in seinen Haupttheilen ülwr dem 
Kellergeschoss nicht mehr als zwei Stockwerke enthält Kur 
auf diese Weise lässt sich ein dieses Monumentalbaues ganz 
unwürdiger Wohuhauscharakter vermeiden, nur auf diese 
Weise ist es möglich, alle Räume, die während der Plenar- 
sitzungen des Reichstages gebraucht werden, in eine zugleich 
würdige und bequeme Verbindung zu bringen. In welches 
Geschoss dabei der Sitzungssaal u-rlegt werden loll, d. Ii. 
ob es angemessener ist, das Erd-Gescboss oder das erste 
Stockwerk als Hauptgeschoss auszubilden, ist eine Frage, 
deren Entscheidung ausserordentlich schwierig ist. So 
grosse praktische Vorzüge die erste Anordnung auch hat 
und so angemessen es immerhin erscheinen mag, das un- 
nöthige Ersteigen yon Treppen nach Möglichkeit iü ver- 
meiden, so lässt sich nach Maassgabe eiuzelner Lösungen 
allerdings nicht verkennen, dass die Unbequemlichkeit einer 
Ersteigung des ersten Stockwerks sich durch eine geschickte 
Anlage der Treppen wesentlich mildern lässt und dass so- 
wohl für den inneren Zusammenhang der Räume, wie na- 
mentlich für die äussere Krscheinung des Gebäudes wichtige 
Vortheile gewonnen werden können, wenn man das Haupt- 
geschoss nach Oben verlegt. 

Je nachdem die Konkurrenten sich für die eine oder 
die andere Lösung dieser Hauptfragen entschieden — je 
nachdem sie sodann die Räume disponirten, welche als 
Mittelpunkte des inneren Verkehrs nicht nur eine bevorzugte 
Lage und Ausbildung erhalten mussten, sondern sich auch 



I dazu eigneten, in der äusseren Erscheinung des Gebäudes zur 
entsprechenden Geltung gebracht zu werden — je nachdem 
sie endlich Gewicht auf die Art der Beleuchtung und die 
Form und Grösse der innerhalb des Gebäude -Komplexes 
nöthigen Höfe legten': hat sich eine grosse Zahl von Varia- 
tionen der Grundriss-Gesammtform ergeben, die wir im All- 
gemeinen nicht zu cliarakterisiren brauchen, da diese Formen 
an sich von keiner prinzipiellen Bedeutung sind und nicht 
wenige derselben gleiche Berechtigung haben. Eine Anzahl 
der hervorragendsten resp. für bestimmte Auffassungen der 
Aufgabe charakteristischen Grundrisse beabsichtigen wir im 
weitereu Verlaufe unserer Besprechung im Abbilde vorzu- 
führen.') 

Wünschenswert h ist es hingegen, dass die Motive, welche 
die Disposition und Ausbildung der Uaupträume des Hauses 
im Einzelnen bestimmen, etwas näher erörtert werden. Das 
Programm Hess hierin einen nicht unbedeutenden Spielraum 
und blieb es dem persönlichen Ermessen der Konkurrenten 
überlassen, was sie aus den einzelneu Lokalitäten machen 
wollten. Bei dem Mangel einer zuverlässigen litterarisehen 
(Quelle, ans der Rath zu erholen war — unsere Publikation 
einer Skizze des provisorischen Reichstagshauses scheint für 
nicht Wenige den Haupt-Anhaltspunkt gegeben zu haben — 
und der von uns schon beklagten Unkenntnis«, welche über 
die Formen des parlamentarischen Geschäftsverkehrs ver- 
breitet zu sein scheint, sind die abweichendsten Auffassungen 
hervorgetreten, wenn einzelne besonders auffällige Verstösse 
allerdings wohl als Nothbehelfe einer in der ganzen Anlage 
verfehlten Disposition zu betrachten sein mögen. 

Wir glauben hierbei ein Wort über die im Programm 
nicht anfzählbaren , zur Kommunikation erforderlichen 
Räume, Eingangs — Vestibüle. Durch- und Vorfahrten, Ver- 
bindungshallen und Foyers, Vorplätze und Treppenhäuser — 
vorausschicken zu müssen, da die Art und Weise ihrer An- 
ordnung, sowie das für sie in Anspruch genommene Raum- 
bedürfniss für den Werth der einzelnen Grundrisse in die- 
sem Falle eine mehr als gewöhnliche Bedeutung besitzt. Es 
ist selbstverständlich, dass eine monumentale und schöne 
Ausbildung dieser Räume, die ja in erster Linie den Cha- 
rakter eines öffentlichen Gebäudes irn Innern bestimmen, 
ebenso geboten ist, wie die Anordnung derselben in einer 
Zahl und Grösse, die über das für die blosse Kommunika- 
tion erforderliche Raumbedürfniss hinaus, vor allen Dingen 
nach möglichster Klarheit uud Uebersichtlichkeit, nach leich- 
tester Zugänglichkeit der Anlage strebt. Aber es scheint 
für die von uns entwickelte Auffassung des deutschen Reichs- 
tagshauses ein sehr entschiedener Fehler, wenn diese Räume 
in so prononcirter Weise zum dominirenden Hauptmotive 
der ganzen Aulage gemacht werden, wie das in nicht 
wenigen Entwürfen geschehen ist Wir lasseu gern die 
Rücksieht auf die nationale Bedeutung des Hauses und die 
gerechtfertigte Erwägung gelten, dass der bildnerische und 
malerische Schmuck, welcher diese Bedeutung in einer dem 
Volksgemüthe verständlichen Weise aussprechen soll, auf 
den zum Warten und Promeniren bestimmten Vorplätzen 
seine schicklichste Stelle findet. Aber wenn wir denselben 
aus diesen Gründen auch eine höhere Stellung einräumen 
wollen, als bei jedem anderen öffentlichen Gebäude, so sind 
und bleiben sie nach unsrer Ansicht trotz alledem immer- 
hin nur Nebenriiume, welche die Wirkung der Haupträume, 
in denen das geistige Leben des Hauses sich koiizentrirt, 
ästhetisch ebensowenig beeinträchtigen dürfen, wie die prak- 
tische Zweckmässigkeit seiner auf kürzeste und bequemste 
Verbindungen angewiesenen Benutzung. Bei der maasslosen 
Verschwendung, mit der einzelne Konkurrenten in dieser 
Beziehung verfahren sind, ist unverkennbar Beides der Fall, 
während uns die Möglichkeit einer gleichzeitig monumen- 
talen und praktischen Grundrisslösung in jenen Entwürfen 
am Besten gewonnen zu sein scheint deren Repräsentation»- 
Vestibüle und Treppenaufgänge so augelegt sind, dass sie 
gleichzeitig mehren mit einander wohl vereinbaren 
Zwecken dienen. Es fehlt freilich auch nicht an Ent- 
würfen, die in Bemessung der Kommunikationen unter das 
für diesen Fall Würdige hinabgegangen sind. — Einzelheiten 



*) Es ist wesentlich die Rücksicht auf diese Skizzen, 
durch deren Mittheilung unsere Besprechung für die Fach- 
genossen erst ihren eigentlichen Werth erhält , welche uns ver- 
anlasst, diesen Artikel langsamer als uns selbst erwünscht ist, 
zu fördern. Soweit wir Grundrisse publiziren wollen, können 
wir mit dem Bericht und der Kritik über die betreffenden Ent- 
würfe nicht wohl vorauseilen. Die Herstellung der betreffenden 
Holzschnitte ist jedoch eine so schwierige und zeitraubende, 
dass wir für diesmal erst 2 Grundrisse bringen können. Wir 
hoffen, den Zeitverlust demnächst durch mehre ausserordent- 
liche Beilagen wieder einzubringen. 

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müssen wir an dieser Stelle vermeiden, doch wollen wir 
nicht verfehlen, auf das seltsame Missverhältniss aufmerk- 
sam zu machen, in welchem bei vielen Entwürfeu die Aus- 
bildung des Zuganges für die Loge des kaiserlichen Hofes 
zu derjenigen steht, welche den Zugängen für das Publikum 
geworden ist. Als Zeugen eines im neuen deutschen Reiche 

wir dort 



Prachttreppen nnd Vestibül -Anlagen , die den Raum eines 
ganzen Gebäudeflügels beanspruchen, wahrend das Volk, das 
an der Arbeit seiner Vertreter Thcil nehmen will, sich auf 
Kellerkorridore uud Wendeltreppen angewiesen sieht, wie sie 
zum Olymp eines kleinen Theaters führen. 

(ForUcuung folgt.) 



Aas der Thätiglteit der 

EL 

Allgemeines über Znsammensetzung und Ausrüstung 
der Abtheilnngen und über Balm -Zerstörungen. 

Die Erfahrungen des letzten Krieges dürften gezeigt 
haben, dass bei einer möglichst kleinen Anzahl der Hand- 
werker- resp. Arbeiter-Kategorien, aus welchen eine selbst- 
ständig agirende Abtheiluug zusammengesetzt ist, die in den 
ineisten Fällen nothwendig werdende weitere l'ntertheilung 
in Sektionen oder Detachements für bestimmte Einzelarbeiten 
sich am Besten bewirken lässt, ohne die anfängliche gleich- 
massige Vertheilung der ersteren nach nnd nach aufzuheben. 
Es erscheint daher zweckdienlich, alle Handwerker- und 
Arbeiter-Klassen ganz auszulassen, für welche nicht dau- 
ernde Beschäftigung, sondern nur etwa die Möglichkeit 
einer ausnahmsweisen Verwendung in Aussicht steht, dagegen 
die unentbehrlichen Klassen so weit untereinander zu Kom- 
biniren, als es die Aehnlichkeit der Beschäftigung und die 
daraus folgende Befähigung für ein 2. oder 3. verwandtes 
Fach zu erlauben scheint. Es weiss dann jedes Mitglied 
beim Beginn der verschiedenen Arbeiten gleich, wohin es 
gehört, und sind die Offiziere mit den Ingenieuren nicht ge- 
nöthigt, bei jedem Abkommandiren langwierige Namens- 
listen durchzustudiren, um eine richtige Einteilung der 
Mannschaften zu treffen. Das Bestreben, alle denkbaren Ar- 
beitsfficher, die an die Hauptthätigkeit der Abteilungen 
grenzen, bei der Einstellung zu berücksichtigen, würde als 
eine zu weit gehende, die wahre Stärke der letzteren beein- 
trächtigende Vorsicht erscheinen. 

Hiernach dürften b Handwerker- resp. Arbeiterklassen 
sich als nothwendig und genügend ergeben und bei Zugrunde- 
legen der Erfahrungen des letzten Krieges etwa nach folgen- 
den Stärkeverhältnissen eingestellt werden. Zimmerleute 
'/»bis Vt. Maurer, Eisenarbeiter (Schlosser u. Schmiede), 
Tunnelarbeiter und Oberba u-Arheiter, jede Klasse zu 
etc. ■/. bis Vi der ganzen Truppe, (ilie Modinkation in der 
Anzahl je nach dieser oder jener speziellen Voraussichtnahme 
näher zu bestimmen). 

Von diesen Klassen nehmen vor allem die Zimmer- 
leutc in sofern eine geschlossene, nach Aussen mehr unab- 
hängige Stellung ein, als sie, wenn mit Hundwerkzeug nnd 
Holzmaterial hinreichend versehen, für sich allein im Stande 
sind, jede Art von Arbeit ihres Faches ohne Weiteres zu 
beginnen, und als sie der Augmentation, sei es durch Heran- 
ziehen fremder Kräfte oder der andern Klassen der Abthei- 
lung (wenn letztere in eigenen Sachen zur Zeit unbeschäftigt 
sind) nur behufs der Handlangerdienste bedürfen werden. 
Aehnlich verhält es sich mit dein Maurergdwerk, welches 
aber we^en der Nafur der Arbeiten in der Regel in wesent- 
lich geringerer Anzahl als erstgenanntes Fach aufzutreten 
haben wird. Anders dagegen steht es mit dem Schmiede- 
und Schlossergewerk, welchem die mitgeführten Geräthe 
(Feldschmieden) nur bei kleineren Arberwh genügen können, 
während es beim Herantreten jeder grösseren Leistung (wo- 
zu schon die Anfertigung der zahlreichen Schraubenbolzen 
etc. für eine Sprengwerks-Konstruktion, noch mehr des Eisen- 
zeugs für einen taehwerkträger, ferner die Herstellung der 
Weichen, Wasserstationen, Arbeits-Lowrys, Unterhaltung von 
Handwerksgeräthen und Werkzeugen etc. gehört) auf die In- 
beschlagnahme der Privatwerkstätten in den umliegen- 
den Ortschaften wird angewiesen sein. Die Folge davon ist 
das Hinzutreten von Zivil-Meistern und Gesellen zur Arbeit, 
(mit welchen ersteren über die Vergütung der Arbeitsleistung 
ein akkordliches Verhältnis* einzugehen rathsam erscheint), 
sowie die daraus folgende Möglichkeit, die Abtheilungs- 
Schlosser und Schmiede in geringerer Anzahl und mehr in 
einer leitenden und beaufsichtigenden Stellung zur erwähnten 
eigentlichen Bauarbeit zu verwenden, den anderen Theil da- 
gegen zu dem bei der Feld -Eisenbahn vorkommenden Ma- 
schinendienste zu designiren. Derselbe besteht in der 
Bedienung der Arbeits -Lokomotiven nnd der Wasserstations- 
Puropen, für welche die Abtheilung die Führer und Heizer 
zu stellen hat (für letztere jedoch nur in der Zwischenzeit 
vor Beginn des eigentlichen Betriebs), und erscheint es da- 
her entbehrlich, eine besondere Klasse von Mechanikern 
in den Abtheilungslisten zu führen. Unnöthig erscheint fer- 



I ner die Einstellung sonstiger Metallarbeiter, als Kupfer- 
schmiede, Klempner etc., da deren nur ausnahmsweise 
und sehr vereinzelt vorkommende Arbeiten doch in den 
Werkstätten der Ortschaften gefertigt werden müssten, 
(während für die Arbeit an der Tejegraphenleitung lieson- 
dere später zu besprechende Begleiter der betreffenden Be- 
amten vorhanden sind.) Was die dem Zimraergewerk ver- 
wandten sonstigen Fächer betrifft, so ist bekanntlich jeder 
Zimmermann professionsmässig zu den gröberen Schreiner- 
Arbeiten befähigt uud daher nicht einzusehen, was die Ein- 
stellung besonderer Tischler noch bezwecken sollte, wäh- 
rend in ähnlicher Weise durch hinzukommende Stellma- 
cher, Böttcher und dergleichen eine unnöthige weitere 
Zersplitterung des Hauptfaches eintreten würde. Die Mei- 
nung, dass dergleichen für gewöhnlich nicht beschäftigte 
Handwerker mit Erfolg in einem andern Fache, mit welchem 
sie gleiches Rohmaterial bearbeiten, eintreten könnten, dürfte 
nur in wenigen Fällen zutreffen. Zum Zimrnergewerk im 
Kriege gehören selbstverständlich die Schiffszimmerleute, 
nicht aber, wie es vielfach angenommen worden zu sein 
schien, deswegen auch die Schiffsleute, während bei dem 
Manrergewerk, welches im Feldzuge in Folge der vielen 
gesprengten Brückeupfeiler mehr als wohl anfänglich gedacht 
in Tkätigkcit gekommen ist, besondere Steinsetzer, Brun- 
nenarbeiter und dergl. ausser Betracht kommen können. 

Einer näheren Erwägung bedarf auch die zn wählende 
Stärke des Oberbau-Arbeiterkorps, indem letzteres 
ganz besonders verschiedene Verhältnisse in Felde antreffen 
und mehre Arlteit.sfächer in sich vereinigen kann. Zu- 
nächst ist diese Arbeiterklasse dazu bestimmt, das Kontin- 
gent für den interimistischen Fahr- und Bahnhofsbetrieb, 
bestehend in Weichenstellern, Bahnwärtern, Hülfs- 
bremsern etc. zu stellen, da die in der Friedenszeit mit 
der Bahnunterhaltung beschäftigten sogenannten Rottenar- 
beiter nebst ihren Füiirern in Folge Bedienens der Arbeits- 
züge, Vertretens des Wärterpersonais in Krankheitsfällen, so- 
wie in Folge ihrer Verwendung als Reserve-llülfsbremser bei 
den planmässigeu Zügen selbst etc., durchaus uualifizirt zu 
diesem Dienst erscheinen müssen. Demnach bedarf es nicht 
] der Einstellung zahlreicherer wirklicher Weichensteller, 
I Bahnwärter und Bremser, welche durch ihren Dienst bereits 
l längere Zeit von der Handhabung von Schaufel und Stopf- 
hacke entwöhnt, nicht immer zur Stärkung der Abtheiluug 
bezüglich der Hauptaufgabe, der Herstellung des Oberbaues, 
I beitragen würdeu. Noch weniger braucht Bedacht genom- 
men zu werden auf Kangirer oder dergleichen Bahnhofs- 
! Arbeiter, aus gleichen Gründen wie vorstehend. Wäh- 
rend also ein Theil dieser Klasse den vorgenannten Betriebs- 
dienst leistet, wird der übrige Theil zu den laufenden 
Oberbau-Arbeiten, bestehend in Herstellung aufgerisse- 
ner Geleise, Umlegen von Weichen aus den Nebensträngen 
in die Hauptgeleise, (wo solche fehlen), Anlage von Lade- 
geleisen u. dergl. zu verwenden sein. Hierbei bedarf es zu 
den einzelnen Facharbeiten, als das Auslegen der Schwellen 
und Schienen, das Anlaschen und Nageln, das Ausrichten des 
Stranges etc.. nicht so sehr der grossenAnzahl als vielmehr 
der Geschicklichkeit der betreffenden Arbeiter, während die 
grössere übrige Zahl der Mannschaften hierbei mehr Hand- 
langerdienst, als Aufreissen der Bettung, Heranbringen des 
Geleisematerials, Stopfen etc., verrichtet. 

Anders natürlich stellen sich die Verhältnisse, wenn die 
Aufgabe der Herstellung ganz neuer grösserer B ahn- 
strecken gestellt wird, wobei eventuell ein Kombiniren 
mehrer AMneilungen, jedenfalls ein Heranziehen grösserer 
Arbeitermassen stattfinden muss. Für diesen Fall wird die 
Feld-Eisenbahn-Truppe unter Voraussichtnahme einer derar- 
tigen grösseren Augmentation auch bezüglich der Ingenieure 
und Bahnmeister etc. ihre ständige Friedens- Organisation 
wohl nur so weit gehend bemessen können, dass sie im 
Stande sein wird, den zukünftigen Kern der erforderlichen 
Arl>eitskräfte zu bilden. 

Eine sehr schwierige Aufgabe liegt ferner dem zuletzt 
erwähnten Fache, den Tunnelarbeitern ob. Es werden 
beim Durchfahren eines auf eine längere Strecke verschütte- 
ten und von oben nachstürzenden Tunnels Fälle eintreten, 



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- 168 — 



wo die Berechnung des Ingenieurs, das Kommando des Offi- 
ziers am Ende ihrer Wirkung angelangt sind und wo es 
lediglich auf die Erfahrung und Kühnheit einiger weniger 
Facharbeiter ankommt, welche im Stande sind, den un- 
mittelbaren Erfolg jeder einzelnen versuchten Anordnung 
zum Unterstützen furchtbar drohender Felsmassen zu über- 
sehen. Hierbei kann es vorkommen, dass von einer mehr 
oder weniger geschickten Manipulation, von einem einzigen 
Handgriff das Gelingen des ganzen Werks, das Leben einer 
Anzahl von Arbeitern und Ingenieuren abhängt, welche sicli 



oder wie solche etwa künftig genannt werden sollten, in 
noch kleinere, den Kern weiterer Augmentationen bildende 
Gruppen stets nach Bedürfniss der einzelnen Baustellen zu 
bewirken, so ist doch durch die nothwendigen militärischen 
Rücksichten darin eine gewisse Grenze gesetzt, so dass es 
z. B. nicht angänglich erachtet wurde, 2 oder 3 Mann oder 
gar den einzelnen Soldaten ohne Führung durch einen Unter- 
offizier auf längere Zeit und weitere Entfernung zu detachiren. 
Nichtsdestoweniger aber« tritt das Erforderniss zu letzteren 
heran für die Arbeiter, einzelne Aufseher oder Werkmeister, 



j^ARLAMENTS -pEBÄUDE FÜR DEN pEUTSCHEN REICHSTAG. 

Entwurf von Strack und Herrmann in Berlin. 



Oraadrla« dea Brdg «aekoiaaa. 

S«mincr«lra>ee, 




Koaigrplata. 



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Vartkellaag der Emmi. 



1 Trnane. 
V Haupt VrMibül. 
l Kebna-Veatlbal*. 
4 Einfahrt». 
» Vorhall«. 

Ii -17. Itäume für die Mitglieder 
des Kolckatagea. 
Voraaal. 
7 Hlrmnga«aal. 
H I'r4.-iil- 1.1 dt« Kolehatagca. 

Vortimroer 
Hl Kpref-hnmmrr 
II «ehriftführer. 
Ii' Leartaal. 

U KifM.chungalokal» für dl* Abgaord- 

nelim. 



14 Sprechals 
lä Garderoben, 
lg Toiletten. 

17 KIomu. 

18 - 33 Banaa Lokale dea 
rletefeilagea. 

18 Voralamer. 

19 Bureaa - Direktor. 
SU Reglatiatur. 

»I Kxpadltloa. 
» Kanal«!. 
13 Karten -Auagabe. 
24 Stenographen - Zimmer. 
S» Korrcktarenelmmer, 
»6 - SS Kaum« für dl* Mitglieder 
riet Bandeiralkca. 
26 Vorzimmer. 



im Vertrauen auf die vorerwähnte Geschicklichkeit Einzelner 
in den gefahrlichen Schlund begeben haben. Ob es. stets 
gelingen wird, hierzu geeignete militairpflichtige Tunnel- 
arbeiter oder dem Bergfache angehörige Beamte aufzufinden 
und bei der Trappe einstellen zu können, ist zweifelhaft, und 
wird man andernfalls gut thun, solche besonders zu enga- 
giren und als Vorarbeiter resp. werkführendc Beamte anzu- 
stellen. 

Wenn auf vorbeschriebene Weise es nun auch möglich 
wird, die weitere Zertheilung der Abtheilungen, ' 



ST Hitaungaiaal diu Bundeerallii», 
ÄS Oeaeharurlueoa dMeelbea. 
Vi Prkaldaat d*f Kai 
30 Relchakaniler. 



31 Spreckain 
33 Toiletten. 



90 100 



33 KloMta. 

34 Zar Wokaaag dea Praaideaten, 

Ii Po«. 

36 Telegrapk. 

37 Portler. 



Uebar ». ». 10. 1«. 17. 30 -Vi: K«i»erlkli« 
11. U. 13. 1» - », J4 - »9: A 
, ». ». 3J — SB: FeatlokaJltätrn. 
. 3. 14 aad Mi Zi 




Im Oetdügel: Bibliothek. 
, Nudarejtnugel : Wohnung dea Flureau - Dirigent«». 
, fiordoatdugel : Zur Wohnung de« Präsidenten. 
. übrigen Thell: Kommiaaionaiimmer und Arrbie. 

welche in letzterwähnter Weise ausgesendet werden und etwa 
zweier ständiger Hülfsarbeitcr und Begleiter bedür- 
fen. Hierbei kommen vor allen in Betracht die Telegraphen- 
Aufseher, welche der Abtheilung oft weit vorauseilen müssen, 
um nach Herstellung der elektrischen Leitungen auf der 
Baustrecke selber, letztere über die (mit Ansnahmc des 
Telegraphen) nicht zerstörten Zw i sehen st recke n hinweg mit 
den in Betrieb befindlichen Bahnen in Verbindung zu setzen. 
Diesen Beamten ein vollständiges kleines militainsches Kom- 
würde nnnöthig die Abtheilung schwa- 



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— 169 — 



eben und die Beweglichkeit der enteren dnrek Erschwerung 
de« Fortkommens, des Quartiermachens und der Verpflegung 
etc. vermindern. Es war daher neben der ständigen mili- 
tairischen Arbeitskraft noch das Institut der Vorarbei- 
ter gebildet worden, welche die (mit Uniform als Zivilar- 
beiter versehenen) ständigen Gehälfen der Bahn- und Werk- 
meister sowie der Aufseher sein sollten und dementsprechend 
für die 6 Bahnmeister, 7 Maschinen - Werkmeister. 2 Tele- 
graphen- und 2 Bauaufseher der Abtheilung bestehen sollten 
aus: 12 Schachtmeistern, Rottenführern event Vorarbeitern 



gemacht werden können, welche auch einem besseren Bil- 
dungsgrade angehören können, (im l'ebrigen selbstverständ- 
lich sich als Soldaten betrachten müssen nnd auch dem ge- 
wöhnlichsten Handwerks- oder Arbeitsgcschfift sich nicht 
entziehen dürften.) 

Ul i Auswahl und Einstellung der zur Kompagnie selbst 
gehörigen Mannschaften dürften die nicht zu umgebenden 
militairischen Rücksichten möglichst in Vereinbarung gebracht 
werden mit der Haupt-Anforderung, welche an die Leute als 
Arbe iter gestellt wird, beispielsweise bezüglich der 8us- 



J'ARLAMENTS-pEBAUDE FÜR DEN JDETJTSCHEN REICHSTAG. 

Entwurf von L. Hohnstedt in Gotha. 



Oruninil ▼ • B erlten Stockwerk. 

Boenmerttrnsee. 




KrmlpfiUtl. 



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1-77 Kaum» Ml die Mitglieder 

dt« Reichstage«. 
1 Offene VofkllJ« and Haupttreppe. 
* Rreter '.'ort ... 

3 Gardaroben. 

4 Abgeeebloeeeaar Vcrual f. 4. Mit 

glleder du KelehlUgei, 

i MlM*|MUl. 

« VerbindnBgnhalle. 

7 Hillen mit Ruheplitirn 

5 Sprechiimmer f. it. Belnhiiminnt- 

glleder. 

9 KrfrlKhor>fMO»J. 

10 Büffet, 

11 Hallt. 

Ii EitKlBogirätict 

11 Balkon. 
U Leaeaaal 
IS FaMag*. 

I« Sil« f»r Friküonuiuang«n. 

17 Hallen. 



18 Alilh.lloegatAle. 

I* Kcnr«rpn»lnni>T de* PralldeBtaci. 

SO Sprecbllmiaer deeeelbea. 

91 Vonirnmer. 

K Sehrlfi/uhrrr. 

73 Voralmmer. 

74 KoramUalonulinaer. 
T3 Hall«. 

T6 Korridor. 
77 Kloeete. 
TS 79 B & raau- Lokale de« Rate h»- 
tage«. 

TS Stenographen. 
39 Korrektonlranier. • 
SO-II Raum« für die Mitglieder 
d«» bnndesralhe«. 

30 Siitungaual. 

31 Voralmmer. 

37 Sprerliiimmer dt« Keichtkaailen. 

33 Konferentaimaier da. 

34 Vorlimmer do. 

33 OeeehaSutimater für den Praejdenlon 
da« Kelchekaotlorarata. 



XG Vonirnmer de««elben. 

37. GeachLfttrlmmer für dl« Buode«- 

rath« - Mitglieder. 
3S Vorelramer dertelben. 

39 fl[iree*i«lmmer Ihr dloaelbon. 

40 Vonimaaer da. 

41 raaeace. 

47—34 Wohnung d«« Pratldeatan 
de« Ralcbatagca. 
4T Haapttreppe. 

43 Voraimeaer. 

44 Salon«. 

43 Orneaer Feataaal. 

46 Hallo tu demeelben, 

«7 Balkon. 

43 SpeUeeael. 

49 Anri"bletlmraer. 

3l> Bibliothek oder Blllardilmmer. 

31 Kabinet 

37 vVohniimmer d«« Praeldenun. 

33 Vanablectene rlrhlaf - und Woharturar.. 

34 Dlanertlmmer. 

93—39 Anderweitige Kaum«. 



33 Journali«teDzimiuer. 

3t! roetbiirean. 

37 Telegraphenbüreaa. 

3tt Heierre ■ Poetbureau. 

37 . Telcirraphenlmrea«. 

£0 Hauptkorrloure 

61 Treppe f. d balwrl. Hof. 

fj . f. d, BundetraUi. 

63 Burean- Treppen. 

64 llauprreppe an den Silerr 
63 Treppen in den Tribun« n. 
66 Heilbare Treppen. 

87 IJerithöle. ' 

vntergeacaoaa. 

Unter IS. IC. 37 — 3« nnd 36: Arebie und 
Büraaut. 

. M. !.V 76. 37-41: Wohnung dea 

Hareau - Dirigenten. 
. 43. 44 4« -34: Znr Wohnung die 

Praaldenteta 
7 — 17: Leaeteal nnd Ribllathak. 
, 1B: KommluiunMlmnirr. 



und Cnterbeamten des Bergbaues, 4 Vorarbeitern oder Gesellen 
des Schlosser- und Scbmiedegewerks resp. des Maschinen- 
baues, 4 Telegraphen- Vorarbeitern und 4 Polirern des Zimmer- 
und Maurerge werkes , an wische sich 1 Gehülfe für den 
Materialien-Verwalter anschloss.*) 

Sollte das Institut im Allgemeinen künftig in beschrie- 
bener Weise beibehalten werden, so würde solches durch 
eine sorgfältige Auswahl der in jedem Fache tüchtigen Kräfte 
weiter gehoben und für den Eintritt von Elementen geeignet 

", Kj wird* nicht« im Wege iteben, auch Handwcrkirneister hier elnia- 
Mallen, da uroudera. data dla aoaaare Ntellaag ulebt überall dem Blldnngiitaado 
da* Klnaelneo entspricht, dl« Krerhtiaurtg dt« lel«l«a Kriege« Im Allgemeinen 
«Inen Zadrang tack «• tvlrhrn Stallen ergehen hak 



seren körperlichen Erscheinung. Die Erfahrungen des Krie- 
ges haben ebenso wie tagtäglich, die Kiinplät7.e des Friedens 
gezeigt, dass /.. B. kleine rtfliinüclilige Zimmerleute sieh oft 
tlureh Gewandtheit, Ausdauer und Kühnheit auf den Bauge- 
rüsten auszeichnen und gerade durch die erwähnte Leibes- 
beschaffenheil im Stande sind, in entscheidenden Momenten 
wichtige Dienst« zu leisten. Auch für den Tunnelarbeiter 
erscheint mit Hinblick auf die im Kriechen oder Liegen aus- 
zuführende Kichtstollen-Arlroit die grosse Statur uiclil immer 
als ein Vorzug, daher in beiden Fällen von einem prinzip- 
tnässigen Zurückweisen derartiger Leute wohl Abstaud ge- 
nommen werden möchte. (schj««a folgt.) 



Der Artikel .Beitrag zur Verbesserung der Oderschiffuhrt" 
in No. 17 dieser Zeitung sollte zeigen, dass es zulässig und etn- 
pfehlenswerth «ein würde, bei einer etwa beabsichtigten Kana- 
lifirung der Oder statt der Schleusen zum Ersteigen der Wasser- 
stufen Stromschnellen anzuwenden. Um die Vorzüge der letz- 
teren vor den Schleusen möglichst deutlich zu zeigen, tind dort 
durch Vergleiche mit den Berechnungen des Herrn Fessel die 
muthmaasslichen Ersparnisse an Bau- und Unterhaltungskosten 
und dicZeitersparuisse beim Schiffahrtsbctriube für die Strecke 
Cosel - Küstrin ermittelt worden. Es würde aber keineswegs 
nöthig sein, dieses kostspielige und den Schiffahrtsbetrieb immer 
noch belästigende System auf jener ganzen Strecke zur Aus- 
führung zu bringen, sondern etwa von Steinau abwärt« konnte 
der Strom wohl auf weniger kostspieligo Weise für die Schiff- 
fahrt nutzbar gemacht werden. 

Bei Steinau liefert derselbe (Zeitschrift für Bauwesen 
1868 Seite 8fi) beim niedrigsten Wasserstand und bei einer mitt- 
leren Geschwindigkeit von U.-tT" 1 in der Sekunde "22,4 kb m Wasser. 
Das Gefälle betrügt dort ungefähr ',»•••• Vnter diesen Umstän- 
den wird die Minimal -Wassermenge bei Steinau schon genügen, 
folgendes Profil zu füllen: 



«2.13 m 11,4 RU7 HE.M 




Denn es führen ab: 

1. die Rinne .4 nach der Formel 

JP = 2,88 V J t \ lV a . yl = g !95Ub ,„ 

-'• der Abschnitt B nach der Formel 

If'i = 2,425 V 7H Va.jn - «4, , 

3. der Abschnitt C 

MM = 2,425 KJ™ V~«- = 5,23 . 

4. die Untiefe I) 



lf'v = 2,425 KT"- Va.JVi: 
Profil 



1,70 



der 

Die Rinne .4 genügt für die zu Thal fahrenden schwer bela- 
1 denen Kähne. Die Untiefe D kann für die Flosserei dienen. 
Auf .4 und B können sich die zu Berg fahrenden leicht belade- 
nen Kähne mit genügender Freiheit bewegen. Endlich hatten 
die leer ström aufwärts fahrenden Kähne auf ABC Raum genug 
weuu auch nicht zum Laviren, wohl aber mit halbem Winde zu 
segeln, auch mit Hülfe der Untiefe D umzudrehen. Obiges Profil 
genügt hiernach massigen Ansprüchen und kann natürlich bei 
jedem weiteren Wasserzufluss bequemer gemacht werden. Es 
kommt also nur darauf an, dem Bette diese Form zu geben. 
Zu diesem Zweck dürfen natürlich nicht Buhnen angewendet 
werden. Denn durch Buhnen würde bei so bedeutender Ein- 
schränkung nur eine Kette von kleineu, durch Wasserfälle ver- 
bundeneu Teichen geschaffen werden, welche eben so schwierig 
zu befahren als zu unterhalten sein würde. Der Fluss muss 
vielmehr durch ein starkes Parallelwerk in eine Fahrt und in 
eine Flut h rinne gestalten, in der ersten muss das oben an- 
gedeutete Profil künstlich geschaffen und erhalten, die Fluthrinne 
aber muss bei niedrigen Wasserständen In der Nähe grosserer 
Ortschaften und in Entfernungen von 20 bis 30 Kilometern durch 
Nadelwchre abgeschlossen werden. Vor den Webren muss in 
dem Parallelwerk jedesmal eine Lücke gelassen werden, um die 
inzwischen aufgesammelten Seitenzuflüsse aufzunehmen und um 
für die Schiffahrt erweiterte Hafenplätze zu beschaffen. Bei 
diesem gemischten Kanalisirungs- und Regulirunga-Svstcm wird 
unzweifelhaft die Unterhaltung der Fahrt mehr Schwierigkeiten 
verursachen, als der Bau derselben. 

Zar Erleichterung der Unterhaltung muss das Bette der 
Fuhrt theilweise befestigt werden durch Kies- oder Steinschüt- 
tuiieen, durch Steinptlasterungen oder durch Schwellen von 
Seukfaschincn. Hauptsächlich aber muss bei der Anlage dahin 
gewirkt werden, dass von den durch das Hochwasser in Bewe- 
gung geratheueii Siukstoffen möglichst wenig in der Fahrt ab- 
gelagert werden kann. Geschieht dies und wird bei dennoch 
eintretenden Versandungen der Fahrt rationell nach der Ursache 
geforsrht und dem entsprechend Abhülfe geschafft, dann wird 
es wohl gelingen, Baggerarbeiten, welche Anfangs unvermeidlich 
sein werden, nach und nach entbehrlich zu machen. Ueber die 
vorzüglichsten Maassregeln, welche die Unterhaltung der Fahrt 
zu erleichtern geeignet sein würden, und über die Kosten des 
hier empfohlenen Systems später vielleicht ein Mehreres. 



22,32 kb" 



Oppeln, Mai 1872. 



Albrecht 



Mitteilungen 

OeatcrrelohiBoher Ingenieur- und Architekten -Verein 
eu Wien. 

Wochen Versammlung am 9. Dezember 1871. (Schluss.) 

Herr Architekt und Diuzesan -Baurath A. Prokop spricht 
über den Rechtsbestand des Hof fmann'scheu Ringofen-Privile- 
gtums. Nach einer historischen Einleitung über die Ziegelfa- 
brikation im Allgemeinen und die Veränderungen, welche die- 
selbe durch den Maschinenbetrieb und die Erfindung von Oefen 
mit koutinuirlicher Feuerung und kcmtiiiuirlichom Betriebe er- 
fahren hat, erörtert derselbe eiugeheud die Bedeutung, welche 
die durchgängige Einführung der letzteren speziell für die Um- 
gegend Wiens haben würde. Die gegenwärtige Jahreg-Produktiou 
dieses Gebietes ist auf c. 400 Millionen Stück zu veranschlagen, 
wovon jedoch nur 130 Millionen in Ringöfen gebrannt werden; 
es werden daher allein hier alljährlich 1 •/« bis 2 Millioneu Ztr. 
Kohlen, im Werthe von mindestens l'i Millionen Gulden nutzlos 
vergeudet, — eine ungleich grössere Summe selbstverständlich 
im ganzen Umfange der Monarchie. 

Der Vortragende folgert daraus, dass es eine direkte Pflicht 
des Staates gewesen wäre, eine nationalökonomisch so wichtige 
Erfindung zum Gemeingute zu machen, anstatt sie zum Monopol 
werden zu lassen, dem man freiwillig eine Verlängerung ge- 
währte. 

Er giebt sodann eine Uebcrsicht der verschiedenen Ziegel- 
ofensysteme, die sich wie folgt gruppiren lassen. 

1) In Bezug auf die Brenndauer in intermittireude und 
koutiiiuirliche. 

2) In Bezug auf die Bewegung des Feuers in solche mit 
Fix- und in solche mit Wanderfeuer. 

3) In Bezug auf die bauliche Anlage resp. Grundform des 
Ofen kanals in einzelne Oefen, in Schlauch- oder Kanal- 
öfen und in eigentliche Ringöfen, welche letztere sich 
wiederum in solche mit Kammern und in solche mit un- 
geteiltem Ofeokanal unterscheiden. 

4) In Bezug auf die Art der Feuerung in solche mit 
Unter-, Seiten- oder Oberfeueruug. 

Der erste Rang unter allen wird unbedingt dem Hoffmanu- 
r-ehen Ringofen zugesprochen, Hoffmann selbst das Verdienst, 
il-n in den vierziger Jahren «leichzeitig in Deutschland, England 
und Frankreich erfundenen Ringöfen in den sechsziger .'ahren 
allgemeinen Eingang verschafft und sie zu besonderer Vollen- 
dung gebracht zu babeu. Denn dass Hoffmann in der That als 
der .erste, einzige und wirkliche Erfinder* der Ringöfen zu be- 
trachten sei, bestreitet der Vortragende im Anschlüsse an die 
Krörterungen von Gottgetreu und Matern nicht allein mit 
Rücksicht auf die Entscheidung der Preußischen Patent -Kom- 
mission, die dem Arnold'schcn Ofen die Priorität zuerkannt hat, 



aus Vereinen. 

sondern auch durch den Versuch des Nachweises, das» alle 
Wesenheiten des Ringofens schon vor der Patenterteilung durch 
öffentliche Druckwerke- bekannt gewesen seien. (Dass 
letzteres nicht der Fall sei und die Erfindung im Inlaudc 
nicht in Ausübung stehe, ist die prinzipielle Vorbedingung für 
Patent-Ertheilungen in Oesterreich) Dieser Versuch wird in 
eingehendster Weise unter wörtlicher Zitirung der betreffenden 
Zeitschriften oder Werke und unter spezieller Vorführung der- 
jenigen Oefen mit knntinuirlicbem Betnebe unternommen, welche 
schon vor Uoffmann's Patent bekannt waren; es sind die Oefen 
von Arnold (1S39), Weberling (1840), Gibbs (1840 resp. 56), 
Pt-clet (1843), Broguiart (1844) und der Maüle'&chc Ofen zu 
Villencuve le <Roi (1857), welche neben dem Uoffmann'schen 
Riugofen in seiner ältesten und neueren Fora hierbei erörtert 
und dargestellt werden.*) 

') Wir können auf diese Beweisführung, die den Spezialisten 
zum Theil schon aus den vom Vortragenden benutzten (Ji.elleu 
resp. aus dem Abdrucke des Vortrages in der Vereinszeitschrift 
bekannt sein dürfte, hier nicht näher tingehen, wollen jedoch — 
trotz strengster Unparteilichkeit in der Sache — nicht verhehlen, 
dass wir sie als überzeugend nicht anerkennen können, weil da- 
bei völlig ausser Acht gelassen ist, ob die betreffenden Ideen 
auch ausgeführt sind und wie sie sich bewährt haben. Wenn 
tH-ispielswvise schon die einfache Aeusserung jener älteren Druck- 
schriften, da*s der Ofen von Weberling .eine sehr vorteilhafte 
Ausnutzung des Brennmaterials gestattet." oder dass bei dem 
Ofen von Demiuuid .die Wärme bestmöglichst benutzt wird" 
aU einer der Beweise dafür gelten soll, dass die im Hoffmann'- 
schen Ofen erreichte Wärmeausnutzung nicht neu sei, so ist die« 
sicherlich ziemlich schwach. ^Dass die Erfindung des Uoffmann'- 
schen Ringofens nicht aus dem Nichts entstanden ist, sondern 
auf die parallelen Bestrebungen nach Möglichkeit »ich gestützt 
hat und durch dieselben angeregt wurde, kann wohl als selbst- 
verständlich angenommen werden, aber so lange Patente beste- 
hen, wild deren Nutzen unter vielen Glcichstrebenden doch 
immer nur dem Glücklichen zu Theil werden können, dem es 
gelingt, das Ziel ihres gemeinsamen Trachtens und Strebens als 
Erster zu erreichen und über Ideen und Vorschläge hinaus zu 
wirklichen Erfolgen zu gelangen. Eine sprechende Kritik der 
erwähnten Beweisführung ist übrigens darin enthalten, dass die 
Petition, in welcher der Oesterreichischo Ingenieur- und Archi- 
tekten-Verein demnächst die Aufhebung des UoffmaDn'schen 
Patents für Oesterreich beantragt hat, dieselbe gänzlich unbe- 
rücksichtigt lässt und sich ausschliesslich auf die formellen 
Gründe der Ungültigkeit jenes Patents stützt. Die Aufhebung 
des Patentes aus diesen Gründen ist, wie wir hier antizipireud 



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— 171 



Folgert der Vortragende hieraus, dass einerseits die llaupt- 
bestandtheile des Riugofens — der endlose in sich wiederkeh- 
rende Ofenkanal — die Absnerrbarkeit dessclbeu — der Rauch - 
alwugsapparat, — endlich die ganze Art und Weise des konti- 
nuiruchen Betriebs schon vor der Patent-Ertbeilung an llofTtnann 
bekannt gewesen seien und erklärt er demzufolge die letztere 
als ungerechtfertigt, so führt er neben diesen technischen Grün- 
den gegen die Gültigkeit des Privilegiums noch mehre formelle 
an. l>as Patent ist gegen die Bestimmung des Gesetzes, dass 
eine im Auslande gemachte Erfindung zunächst im Auslände 
patentirt sein müsse, («reits früher ort heilt worden, als das 
Gleiche in Preussen geschah: jedenfalls muss nach diesem Zu- 
sammenhange die Aufhebung des preussischen Patentes auch 
das österreichische alteriren. Der nothwendige Beweis, dass 
das Privilegium innerhalb des ersten Jahres nach seiner Er- 
theilung in Ausübung gebracht sei, stützt sich lediglich auf 
eine unbestimmte Zeugenaussage. Dasselbe wurde nach Ab* 
lauf einer Frist von 2 Jahren bereits für erloschen erklärt 
und igt erst nach einem fünfjährigen Zwischenraum erneuert 
worden. Die den beiden Privilegien zu Grunde liegende Be- 
schreibung ist mangelhaft, d. h. nicht so klar abgefasst, dass der 
eigentliche Gegenstand des Privilegiums deutlich erkennbar 
wird. Endlich ist die Voraussetzung erfüllt, dass ein Privile- 
gium aufgehoben werden soll, wenn dessen Ausübung mit öffent- 
lichen Rücksichten in Widerstreit tritt. Der Redner schlieft 
damit, dass es bei diesem Thatbestande Ehrensache sei, mit 
allen Kräften gegeu den Rechtsbestand des Hoffmann'schen Pri- 
vilegiums iu Oesterreich zu wirken. 

W ochenversammlung am in. Dezember 1872; Vorsitzen- 
der Hr. Oberbrtb. Fr. Schmidt, anwesend 226 Mitglieder. 

Hr. Ingenieur Fr. Bömches hält unter Vorlage zahlreicher 
Pläne einen Vortrag über die Steingewinnung für die unter 
seiner Leitung stehenden Hafcnbauten zu Triest (Wir werden 

bemerken, bereits entschieden. Desgleichen ist dieselbe durch 
das Urtheil letzter Instanz auch für Italien unumstößlich ge- 
worden, letzteres unter der charakteristischen, jedoch leider nahe- 
liegenden und unter den obwaltenden Verhältnissen nicht ganz 
ungerechtfertigten Motiviruug, dass lloffmann um deshalb als 
der Erfinder des Ringofens nicht zu betrachten «ei, weil er auf 
alle gegen ihn erhobenen Beschuldigungen still geschwiegen 
habe. 



Vermischtes, 

Die Arbeitseinstellungen im Berliner Ba.ugewe.rko sind 
im Wesentlichen als beendigt anzusehen, und zwar ist dies gün- 
stige Resultat schneller erreicht worden, als man zu hoffen 
wagte. Wenn das Vorgehen der Meister auch nicht von Seiten 
aller Bauherrn Billigung fand, so war die Stimmung des Publi- 
kums demselben doch im Allgemeinen günstig. Wichtiger noch 
war es. dass die Mitglieder der den Schnlze-Dolitz'sehcu Prinzi- 
pien anhängenden Ortovoroine der Maurer und Zimmerer es dies- 
mal wagten, sich von der Masse ihrer unter sozial-demokratischpr 
Führung stehenden Kameraden zu trennen. Verhandlungen, die 
zwischen ihnen und dem Bunde der Meister eingeleitet wurden, 
führten zur Bildung eines provisorischen Einigungsamtes, von 
dem demnächst neue Arbeitsbedingungen (im Wesentlichen iden- 
tisch mit den bereits von der Meisterschaft aufgestellten) fest- 
gesetzt wurden, und sodann zu dem Beschlüsse der Wiederauf- 
nahme der Arbeit mit soleheu Gesellen, welche diese Bedingun- 
gen anerkennen würden. Die Zahl der Gesellen, die demzufolge 
im Laufe der vorigen Woche wieder in Arbeit getreten sind, 
wird auf 2300 geschätzt. 

Berathungen, die in einer grösseren Versammlung des 
Bundes der Meister und mchrer Bauherrn und Bauiutcresscnteu 
gepflogen wurden, haben Priuzipien aufgestellt, nach denen nun- 
mehr ein definitives Einigungsamt gebildet werden soll. Das- 
selbe soll zerfallen in zwei Delegationen, von denen die eine 
aus 10 bis 18 zu gleichen Theilen von Arbeitgebern und Arbeit- 
nehmern gewählten Vertrauensmännern besteht und den eigent- 
lichen Parteienstand des Einigungsamts darstellt, während diu 
andero, aus zweiStadträthcn und drei Stadtverordneten besteheud, 
die von den städtischen Behörden ernannt werden, das Schied»- 
amt im Einigungsamte bildet. Die zu gleichen Theilen aus Ar- 
beitern und Arbeitgebern bestehenden Vertrauensmänner be- 
rathen die jedesmalige Streitfrage unter einfacher Assistenz der 
Mitglieder des Schiedsamtes und führen die angestrebte Eini- 
gung — wenn möglich — selbstständig herbei. Kur für den 
Fall, dass eine Einigung zwischen beideu Parteien uicht erzielt 
werden kann, tritt das Schiedsamt iu Berathung und entscheidet 
endgiltig als Obmann. Alle durch die Einigungsämter verein- 
barten Normativbestimmungen bezüglich der Lohntarife und der 
Arbeitsverhältnisse sind für beide Theile so lange maassgebend, 
bis sie vom Eiuiguugsamte aufgehoben, atigeändert oder ergänzt 
werden; sie bilden daher den zwischen Arbeitgebern und Arbeit- 
nehmern allein giltigen Arbeitsvertrag und werden zu diesem 
Zweck öffentlich zur allgemeinen Kenutniss gebracht 

Wir wollen aufrichtig wünschen und hoffen, dass der er- 
rungene Erfolg, den die Meisterschaft der glücklich erzielten 
Spaltung unter dun Gesellen verdankt, der Anfang einer Wieder- 
kehr friedlicher und geordneter Zustände im Berliner Bauge- 
werke sein möge und dass es duu Anstrengungen der bisher 
tonangebenden Partei, die sich selbstverständlich nunmehr noch 
steigern werden, nicht gelinge denselben nichtig zu machen. 



auf denselben in unseren Referaten aus der Fachliteratur zu- 
rückkommen.) 

Hr. Zivil -Ingenieur Tb. Obach spricht über den Rohren- 
Damplkessel von Faukach & Freund in Landaber« a. d. W. 

vi o c h e n v e r s a m ni I u n g am 23. Dezember 1 872. Vorsitzen- 
der Hr. Oberbrth. Schmidt, anwesend Uj'J Mitglieder. 

Die augesetztu Monatsversammlung muss ausfallen, da diu 
statutenmäßig erforderliche Mitgliederzahl fehlt. Hr. Direktor 
Stammer, K. von TraunfeU spricht über die von ihm ge- 
machte Erfindung des Hämmerns res«. Fressens von flüssigem 
Stahl. Es bilden sich bei der Fabrikation von Gusstahl stets 
innere Blasen, welche nnzusammenhängende Stellen erzeugen; 
das bishur übliche Verfahren, die Fabrikate, namentlich Bleche, 
nach dem Erkalten uuter abermaliger Erwärmung zu schmieden, 
hat sich nicht bewährt, da die im Innern der Blasen gebildete 
I Oxydschicht ein Zusammeuschweissen unmöglich macht; wohl 
aber ist dieses durch die betreffende Erfindung möglich geworden. 
Beim Pressen von Kanonenrohren ergiebt sich dos Resultat, dass 
sämmtlicho Gussblasen im Innern des Blocks sich zusammen- 
I drängen, was für die spätere Bohrung von grossem Vortheil ist. 

Hr. Architekt Prokop beginnt sodann einen Vortrag über 
die Baugesellschaftcu des Mittelalters nnd der Gegenwart, der 
in einer späteren Sitzung fortgesetzt werden soll. 

Ein von 17 Vercinsmitgliedern eingebrachter Antrag regt 
die Bildung eines Konnte« zur Bcrathuog der Frage an, ilurrh 
; welche Mittel uud Wege der Verein die Beseitigung des ge- 
meiuschädliehcu Hoffmann'schen Ringofen -Privilegiums austre- 
beu könne. 

Architekten verein zu Berlin. Die erste Sommer-Exkursion 
des Vereins, welche Donnerstag, den lü. Mai, uach Brandenburg 
a. d. Havel gerichtet wurde und vorzugsweise der Besichtigung 
der dortigeu Backstein-Baudcnkmale galt, wurde leider schon 
durch den Hindus* des nahen Pfingstfestes beeinträchtigt Nur 
33 Mitglieder nahmen an derselben Theil. Unter der trefflichen 
I Führung der Brandenburger Fachgenossen wurden am Vor- 
' mittags das Steinthor, die Katharinenkirche, das Rathhaus, das 
Mühlthur, der Dom mit der Peterskapelle und das Rathenower 
Thor besichtigt, am Nachmittage der altberühmte Marienberg 
erstiegen und die Nikolai-, Johannes- und Paulskirche besucht ; 
letztere allerdings nur von einem kleinen Theile der durch die 
] Anstrengungen des Tages ermüdeten Gusellschaft 

Es wird dies um so eher der Fall sein und das Vertrauen 
zwischen Arbeitgehern und dem soliden Theile der Bauarbeiter 
I wird um so schneller sich befestigen, wenn diu ersteren ihren 
I Sieg mit Mässiguug benutzen und bedacht sind, in welcher Weise 
sie die Interessen ihrer Arbeiter fernerhin noch enger au die 
ihrigen fesseln können. Vielleicht bleibt in dieser Beziehung 
die Anregung, zu welcher wir vor Kurzem uns verpflichtet 
fühlten, doch nicht ganz vergeblich. 

Aus der Fachliteratur. 

Allgemeine Banzettung, redigirt von A. Köstlin, Verlag 
von R. Waldheim iu Wien. Jahrg. 1871. 

B. Aus dem Gebiet des Ingeuieurwesens. 

6. Historische Uebersicht über die technische 
] Entwickelung der Brücken in Stein und Holz uud 

deren Ergebnisse für die Wahl ihres Konstruktion*- 
systems und Baumaterials, von Dr. F. Heinzerling. 

Dieser Aufsatz, welcher als Ergänzung der Abhandlung: 
.Historisohe Uebersicht über die Anwendung des Eisens zu 
Brückcnbauteu- (im Jahrg. 18W9 der allgemeinen Bauzeitung) 
dienen soll, könnte mit letzterer zusammen als eine Geschichte 
des Brückenbaues bezeichnet werden, und ist, da er eine bisher 
wenig jbearbeitete Aufgabe mit Gründlichkeit zu lösen bemüht 
ist, eine verdienstliche Arbeit. Zu bedauern ist nur, d*ss es 
nicht möglich war, die beschriebenen Konstruktionen durch — 
wenn aucn noch so einfach» — Skizzen anschaulich zu machen. 

7. Theoretische und praktische Anleitung zum 
Entwürfe und zur Ausführung schiefer Ziegel- und 
Quaderbrücken-Gewölbe, einschliesslich der für dieselben 
durchzuführenden Konstruktion ,der Anlaufsteine. Von Ober- 
inspektor Ferdinand lloffmann. 

Der Verfasser hatte mehrfach Gelegenheit, schiefe Brücken 
aus Ziegeln und Quadern auszuführen, und fand dabei, dass die 
' diesen Gegenstandtbehandelnden technischen Schrifteu nicht cr- 
i schöpfend seien. Seine eigenen weitergehenden Studien über 
] schiefe Ziegelgewölbe veröffentlichte er bereits im Jahre 1845. 
[ Die Studien über schiefe Quadergewölbe konnten aus verschie- 
denen äusseren Veranlassungen erst jetzt erscheinen. Dabei 
' sind mit Benutzung der inzwischen geniachteu Erfahrungen auch 
die Ziegclgcwölbc einer nochmaligen Bearbeitung unterworfen, 
und so eine vollständige sehr umfangreiche Arbeit über schiefe 
Gewölbe entstanden. 

8. TJeber den Bau der definitiven Waagbrücke 
nächst Tornocz in Ungarn. Von Ober - Ingenieur Heinrich 
Schmidt. 

Bei dem in den Jahren 1847 und 48 erfolgten Bau der 
Eisenbahn von Pressburg nach Pest wurde diu Waag mit einer 
' hölzernen Brücke versehen. Diese wurde jedoch noch vor Er- 
t Öffnung der Bahn, im ungarischen Kriege, am 21. Juni 184!) 
I niedergebrannt Nach Herstellung des Friedens baute man, in 
{ der Absicht, eine massive Konstruktion zu errichten, zunächst 
| von Neuem eine provisorische Uolzbrücke 12" stromabwärts vou 

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tivc 



3 mit der A 



erst im Oktober 
konnte. 

Bich über die Durchflussweite nicht hatte einigen 
können, wurde die Brücke nur in der von der Eisenbahngcsell- 
scbaft für nöthig erkannten Weite aus Stein und Eisen herge- 
stellt, und erhielt in dienern Thcil 8 Oeffnungen a 30,03 m Lirht- 
weite. Hieran schloss man, mit der Aussicht, nach erfolgter 
Regulirung der Waag einen Erddamm an die Stelle setzen zu 
können, einstweilen eine hölzerne Fluthbrücke von 18 Oeffnungen 
mit zusammen 177 ■ Lichtweite. 

Der Baugrund bestand aus «ehr feinem Sand, der weiter 
unten mit blauem Tegel gemischt war und in einer Tiefe von 
13 bis 15" auf reinem Thon lagerte. Zur Fundirung der mas- 
siven Pfeiler wurden innerhalb uniBChliessendor Spundwände 
Pfähle gerammt, auf dieselben (ohne Anwendung eines Rostes) 
eine Belonschüttung gebracht, darüber die Baugrube ausgepumpt 
und die Pfeiler autgemauert 

Der Beton wurde aus Granitschlägelschotter mit hydrauli- 
schem Kalk von Kuffstein in Tirol und Sand aus dem V lussbett 
hergestellt Das Mischungsverhältnis* war dem Volumen nach: 
1U 1 heile Sand, *J Thcilo hydraulischer Kalk und ,3t> Theilo 
Schlägelschotter. 

Der Fuss der Strompfcilcr wurde durch eine Steiusehüttung 
gesichert. Das Mauerwerk bestand aus lagerhaften Grauitbrucbstei- 
nen. Die Verklcidungsquadern sind thcils Sandsteine, theils ver- 
schiedene Sorten von Kalksteinen, welche sich auf der Strecke 
Marchegg-Pest bereits im Besitze der Bahn vorfanden. 

Der, nur eingelcisig ausgeführt« 1 L'eberbau wird durch zwei 
schmiedeeiserne Träger gebildet, auf deren oberen Gurtungon 
die hölzernen Querschwcllcn unmittelbar aufliegen- Auf die 
ganze Lange der Brücke kommen drei kontinuirliche Träger- 
paare, und zwar so, das» zweimal drei und einmal zwei Oeff- 
uungen zusamiueiigefasst werden. Die Gurtungen haben Tför- 
migen Querschnitt, die Gitterstäbe sind _f\_ Eisen. Bei der 
Anordnung der Querschnitte hat das lobenswerthe Streben nach 
Einfachheit vorgewaltet Doch ist man darin wohl ein wenig 
zu weit gegangen, da an einzelnen Stellen unbeschadet der 
Sicherheit hätte gespart werdeu können. Auch entspricht es 
dem hierzulande lieblichen nicht ganz, dass die Träger sowohl 
bei den losen als den festen Auflagern in der ganzen Breite der 
2,20" starken Pfeiler unmittelbar auf den Unterlansplatten liegen 
und bei Temperaturwechsel darauf gleiten. 

Die Kreuzungsstellen der Gitterstübe wurden kalt genietet. 
Der L'eberbau wurde an einem L'fer zusammengenietet und 
nicht nur über die Pfeiler, sondern auch über sämmtliche Joche 
der hölzernen Fluthbrücke hinweggezogen. Dabei kuppelte man, 
um bei den nur über zwei Oeffnungen reichenden Trägern kein 
Gegongewicht anbringen zu müssen, dieselben interimistisch mit 
der einen dreifeldrigeu Abtheilung des Uebcrbaues zusammen. 

Nach Vollendung de« Bauwerks wurden sorgfältige Belastungs- 
proben angestellt und die Resultate mit den theoretisch ermit- 
telten Durchbiegungen verglichen. Die hierauf bezüglichen No- 
tizen werden ausführlich mitgetheilt 

Ueberhaupt geht der Aufsatz, sowohl was Beschreibung der 
Brücke als was Baugcscbichte anbelangt, sehr ins Detail und 
bietet manche interessante und lehrreiche Einzelnheiten für das 
Spezialstudium. 

9. Regulirung der VTildbfiche und Wasserrissc 
auf der Wasserscheide der lglava. Von Ingenieur M. Pollitrc. 

Die Linie Brünn-Grussbach-Wicii der österreichischen Staats« 
cisenbahu- Gesellschaft durchschneidet, wo sio in das Thal der 
lglava hinabsteigt, ein lehmiges, von tief eingerissenen W'asser- 
läufen durchzogenes Gelände. Auf eine Strecke von fast 600" 
fiel die günstigste Bahntrace sogar mit einer der im Sommer 
allerdings trockenen Wasserrinnen zusammen- Es waren also 
zwei zur Bahn parallele Kanäle herzustellen, die seitlichen Zu- 
flüsse durch Sperrmauern gegen das Bahnplanum abzusc bliessen 
und die neuen Kanäle schliesslich mit sehr steilem Gefälle dem 
weiteren Verlauf der ursprünglichen Wasserrinno wieder zuzu- 
führen. Die zum Schutz gegen das Wasser auszuführenden Ar- 
beiten waren nach der Beschaffenheit des Bodens i-ehr verschie- 
den. Einfaches 0,15» starkes Trockenpflaster wechselt daher 
mit ca. 1 ■ starken Mauern in Zement Auch mussten an ein- 
zelnen Stellen noch eingerammte Pfahlrcihen und starke Herd- 
mauern zur lJülfo genommen werden. 

10. Die Korrektion der Mündung des Neckars in 
den Rhein. Vun Ingenieur M. Honsel!. 

Mannheim, einer der wichtigsten süddeutschen Handelsplätze, 
bietet für den Ingenieur ein hervorragendes Interesse durch eine 
Menge badeutender Bauanlagen, die theils vollendet sind, theils 
für die nächsten Jahre bevorstehen. Zu den ersteren gehören 
die im Jahre 18CU ausgeführte Korrektion der Neckar-Mündung 
und der dieser Arbeit vorhergegangene Durchstich für den 
Rhein unterhalb Mannheim (der sogenannte Friesenheimer 
Durchstich). Der Khein sorpentinirt auf der Strecke, wo er die 
Grenz« zwischen Baden und Baiern bildet, ganz ausserordentlich. 
Dies hatte nicht allein enorme Verheerungen durch Hochwasser, 
sondern auch eine progressiv zunehmende Erhöbung des Strom- 
bettes von Jahr zu Jahr zur Folge, welche die anliegenden Orte 
in Zukunft ernstlich zu gefährden drohte. Es wurde daher 1825 
eine Konvention zwischen Baden und Baiern geschlossen, um 
den Lauf des Rheines zu rektitiziren und so dem Hochwasser 
Gelegenheit zum schnelleren Abfliesscn zu geben. Eine Anzahl 
grosserer und kleinerer Stromkrümmen wurde mittels Durch- 



Die 

ausbiegung unmittelbar unterhalb Mannheim. Hier 
Lei tk anal von 18™ Breite ausgehoben, welchen der demnächst 
hlncingeleitete Strom erweitern sollte. Dies misslang indes«, 
und erst 1838 wurde ein zweiter Versuch gemacht, welchen man 
durch theilweise Einengung der Einmündung des alten Rhein- 
armes mittels einer Sackfaachincuschwelle unterstützte. Im Jahre 
1601 kam es endlich so weit, da->s der Durchstich den Thalweg 
des Rheines aufnahm. Den alten Rhein nun verlanden zu lassen, 
war nicht anfänglich, weil in ihn an seinem oberen Ende der 
Neckar mündete Auch konnte man ihn ans verschiedenen 
Gründen nicht als eine Fortsetzung des Neckarlaufe* beibehal- 
ten. Mau musste sich vielmehr entschliessen , den Neckar mit- 
tels zweier kleinerer Durchstiche, zweimaliger Durchdunuuuug 
des alten Rheins und einmaliger der alten Neckarmündnng auf 
möglichst kurzem Wege in den neuen Rhein hineinzuführen. 
Der alte Rhein soll fortan als Flosshafen dienen und an seinem 
oberen Ende vom Neckar aus durch eine Flosssrhleuse zugäng- 
lich sein, wahrend er am unteren Ende nach dem Rhein zu 
natürlich offen bleibt. 

Die Durchdämmungen wurden als Faschinenbaue ausgeführt 
Ihre Herstellung war der Heftigkeit der beiden in Frage kom- 
menden Ströme wegen eine schwierige und gefahrvolle. Die 

sehr 

Auf gaben 



eii ötröme wegen eine schwierige und geianrvone. ine 
gemachten Erfahrungen sind in der vorliegenden Arbeit 
sorgfältig aufgezeichnet, und werden bei Lösung ähnlicher 
iben mit grossem Nutzen zu venrertben sein. W. IL 



Eine Konkurrenz für Entwürfe zu einem Schulgebäude 
in Greiz wird vom dortigen Gemciudcvorstand, durch welchen 
auch das Spezialprogramm zu beziehen ist, bis zum 1. August 
<L J. eröffnet Ausgesetzt sind zwei Preise im Betrage vou 400 
resp. 200 Thlr.; als Preisrichter werden die Hrn. Professor 
Lurae (Berlin), Architekt L'ipsius (Leipz.) und Laudbaumeister 
Oberländer (Greiz) fungiren. Die Bedingungen entsprechen 



Nachrichten. 

Deutsches Reich. 

Ernanut: Zu Wasserbau -Bezirks -Ingenieuren in 
Lothringen: der Königl. picu&s. Marine -Ober -Ingenieur a. D. 
Deymann zu Mühlbausen für den Wasserbau - Bezirk Mühl 
hausen; der Königl. preuss. Baumeister Kessler zu Dieuze für 
den Wasserbau-Bezirk Saargemüud; der Kgl. preuss. Baumeister 
Schlichting in Metz für den Wasserbau -Bezirk Metz; der 
Grossherzoglicb badische Ingenieur Eberbach in Colmar für 
den Wasserbau -Bezirk Neu -Breisach: der Kgl. preuss. Bau- 
meister Thiem in Strasburg für den Wasserbau- bezirk Stras- 
burg (Rhein); der preuss. Kreis-Kommunal-Baumeister Doell 
in Saarburg für den Wasserbau- Bezirk in Saarburg. 

Der Ingenieur Köhren in Straesburg ist zum kommissari- 
schen Uülfsarbeiter des Wasserbaudirektors und zum Wasserbau- 
Bezirks -Ingenieur für den Wasserbau-Bezirk Strasburg (Ka- 
näle) bestellt. 

Preussen. 

Ernannt: Der Eisenbahn -Baumeister Lex zu Brilon zum 
Eisenbahn - Bau- uud Betriebs- Inspektor an der Ruhrthalbahu. 
Der Baumeister Güntzcr zu Hillesheim in der Eifel zum Ei- 
senbahn-Baumeister bei der Hannoverschen Staatsbahn in Uelzen. 

Verliehen: Dem Wasserbau - Inspektor Hermann zu 
Hanau der Charakter als Bauratb. 

Die Bauführer-Prüfung haben bestanden: Philipp Luy- 
ken aus Arnsberg; Theodor Oehmcke aus Liebmühl; Alexander 
Benedict Pelizaeus aus Rietberg; Rudolph Spindlcr aus 
Weimar. 

Die Baumeister-Prüfung hat bestanden: Paul Hofmann 
aus Peitz. 



Brief- und Fragekasten. 

Herrn R. F. in G. 1) Einen dauerhaften Oelfarben- An- 
strich auf Zink erlangt man, wenn man die anzustreichende 
Oberfläche mit verdünnter Salzsäure so weit ätzt, dass sie die 
ursprüngliche Glätte verliert ; dies gilt besonders bei dem unter 
der Walze sehr glatt hervorgegangenen Zinkblech, während der 
Zinkguss meist eine solche Oberfläche besitzt, auf welcher der 
Farbenanstrich ohne künstliche Mittel haftet Nach dem Aetzen 
muss die Säure mit vielem Wasser sorgfälti 
— 2) Dass die Moll'sche Metallpappe in 
gekommen sei, ist uns nicht bekannt. 

Berichtigung. In Xo. 15 u. Bl. ist in dem Artikel: 
.Neue Erfahrungen in dem Pausverfabren mit lichtempfindlichem 
Papier* die frühere Mittheilung des Hrn. Dr. Vogel, an welche 
dieser Nachtrag anknüpft, als in No. 2 anstatt in No. 3 befind- 
lich angegeben. Wir berichtigen diesen Druckfehler nachträg- 
lich, weil er zu einem höchst komischen Irrthum Veranlassung 
gegeben hat. Die „Dinskurcn" des Herrn Dr. Max Schasler 
drucken nämlich unter dem Titel „Ein neues Pauspapier" mit 
jenem Artikel in No. 15 und als zu demselben gehörig, die in 
No. 2 enthaltene, lediglich buchbinderische Manipulationen be- 
handelnde Notiz „Leber das Aufziehen von Pausen" ab, ohne 
seltsamer Weise zu merken, dass beide Schriftstücke auch nicht 
den entferntesten Zusammenhang haben. 



HC ton C.rl Hol.lt Ig ; 



tob Q.brüa.r Fl.k.rl la 



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Jahrg. Tl. M 22. 

DEUTSCHE BAUZEITUNG 



Ealaktiaa a. XsptdiU«: 
SarUn. OnafcMl/WM Kl. 
BaataUuagaa 
»bmich««» ilM r*iltn>U]Ua 



Organ des Verbandes 

deutscher Architekten - und Ingenieur-Vereine. T 

Eedakteur K. £. 0. Fritscb. 



In. «rata 
fkr 41« Inn dir dnUchaa 
laatrllaof. flaa«« Aafnakiaa 
ttj CraUi-StUata: 
!Uo- Anzeiger" 
nprrl«: S'/t 



Preis 1 Thaler pro Uuar t iL 


Berlin, den 30. Mai 1872. 


Erstheiat Jeden Baaaentag. 


Inhalt: Bakaaataoacliani: d«a VarnaiiU«. dtuUrh.r Architekten- bbi! In- 
t*altar-V«rHM. — Au» aar Thaluik.lt dar dauUchaa FaldcUaabaJin-Abthallun 
tan IX. (Wlua) - Dia K.oiafr.i.. lar KatwAtfa .um ILuaa da. dauuck«. 


Halehaugaa. (Fortaatiung.) — Zur Barllnar V«rk*hr»fr*gt>. — mithallaag.n 
■H Vnralnan: Oeatarrniehl»ch.> Inganiaar- und Arcbltakua-Varaia. - Areal 
t.kua-V.reln ib Barlin. — Paraonal-Kaehrtebtan atc. 



Verband dentseher Architekten- and Ingenienr-Yereine. 

Den Statuten des Verbandes entsprechend, wird unmittelbar vor der auf den 23. bis 25. September d. J. anbe- 
raumten Versammlung deutscher Architekten und Ingenieure zu Karlsruhe die Versammlung der Abgeordneten des Ver- 
bandes deutscher Architekten- und Ingenieur- Vereine Statt finden, für welche zunächst die Tagesordnung festzustellen und 
zwei Monate vorher bekannt zu machen ist. — Die dem Verbände angehangen Vereine werden daher hierdurch aufge- 
fordert, diejenigen Gegenstände, dereu Berathnng durch die Abgeordneten -Versammlung sie für nöthig halten, baldmöglichst 
beim unterzeichneten Vorstande anzumelden. 

Als Gegenstände der Berathung liegen bereits ausser geschäftlichen Angelegenheiten und der Aufnahme neuer 
Vereine vor: ein Antrag des Architekten- und Ingenieur -Vereins zn Hamburg auf Abänderung von §§. 23 und 24 des 
Statuts; Feststellung der Geschäfts-Ordnuug für die Abgeordneten -Versammlungen; Antrag an die Versammlung zn Karls- 
ruhe, in Zukunft die Wauder-Veraammlungen als General-Versammlungen des Verbandes abzuhalten; die Angelegenheit 
wegen Schutzes des geistigen Eigenthums und des Musterschutzes, wegen Einführung bautechnischer Spezial- Gerichte und 
die Aufstellung von Normen für die Honorirung der Arbeiten im Gebiete des Iugenieurfachs. Es wird endlich Beschluß 
zu fassen sein über die Grebenau - v. Wagnerschen Vorschläge zur einheitlichen Bezeichnung der in der Hydrometrie 
vorkommenden Grössen, (vergl. Deutsche Bauzeitung, Jahrg. 1871, No. IG), wozu ein Antrag des Bauraths Koeder einge- 
gangen ist, diese Berathung auf alle Gebiete des Bauwesens auszudehnen, um die Unsicherheit in der Anwendung zahl- 
reicher Ausdrücke zu beseitigen, wie z. B. „Schleuse, Siehl, Untiefe, Geschoss, Stockwerk etc. Die Vereine wollen daher 
auch diese Frage in Erwägung ziehen- 
den 28. Mai 1872. Der Vorstand des Verbandes- deutscher Architekten- und Ingenieur- Vereine. 

QuasBowski. Blankenstein. 



Ais der Thätigkeit der 

IX. 

Allgemeines über Zusammensetzung und Ausrüstung 
der Abtheilungen und über Bahn-Zerstörungen. 

Die Organisation der Abtheilungs - Beamten ltetreflVnd, 
so sind die Anfsichts - Beamten vorstehend ihrer Zahl nach 
bereite angeführt worden, und blieb etwa zu bemerken, das» 
für die Zeiten, wo die Oberbau- Arbeiten gegen die Brücken- 
und Tunnelbauten etc. zurückstehen, die Zahl der Bahn- 
meister etwas zu überwiegend gegen die der Bau-Auf- 
seher erscheint und zu Gunsten der letzteren eine Vermin- 
derung erleiden dürfte. 

Das Rechnungswesen, bestehend in der Verwaltung 
besonderer Baukassen, Bezahlung der Zulagen an die Pioniere, 
der Löhne an die Zivilarbeiter, der Gehälter an die Beam- 
ten, der Baar-Vergütungen für Arbeiten nnd kleine Liefe- 
rungen, Ausstellung von Requisitionsscheinen nnd Bons 
für grössere Rohmaterialien - Lieferungen, späterhin auch 
Einrichtung eines vollständigen eigenen Verpfle- 
gungs - Wesens etc. , erleidet in den Fällen der 
weiteren vollständigen Trennung einer Abtheilung die 
Modifikation, das« jeder Theil zeitweise eine besondere 
Kasse zu führen hat. Das Verpflegungswesen wurde bei 
längerem Aufenthalte in kleinen Ortschaften schliesslich da- 
hin eingerichtet, dass die nach bestimmtem Plane in der Um- 
gegend requirirten Vorrftthe in Pausch und Bogen den Maires 
der letzteren zur Vertheilung direkt an die mit Einquartie- 
rung belegten Einwohner übergeben wurden, wodurch 
eine Menge sonst zur Vertheilung oder gar Zubereitung der 
Speisen zu verwendenden militärischen nnd Arbeiterkrüfte 
der Bauarbeit erhalten blieb. 

Die baulcitenden Oberbeamten betreffend, so erschien 
ein Assistenzbaumeister für jeden der beiden die Sektion 

leister nicht ausreichend und 
auf 2, also für die Abtheilung 
als 5. zeitweise der Ober- 
sein wird (bei Hcrstellungs- 



wurde die Zahl 
im Ganzen auf 4 



arbeiten, wo derselbe durch sein Fach nicht völlig be- 
schäftigt wird). 

Eine gründliche Erwägnng, unter Berücksichtigung der 
voraussichtlich an zutreffenden Verhältnisse, wird beim Aus- 
bruche eines Krieges jedesmal die Ausrüstung der Feld- 
eisenbahn-Truppe mit Geräthen und Materialien 
erfordern, da der Erfolg oft wesentlich davon abhängt und 
das nachträgliche Ergänzen der Vorräthe nicht immer hin- 
reichend möglich ist. So dürfte sich zunächst die Versor- 
gung einer jeden getrennt und für sich agirenden Sektion 
mit einer ständigen Lokomotive als nothwendig her- 
ausgestellt haben, und zwar von einer Art, dass dieselbe 
sich womöglich zum Transportireu auf der Landstrasse eiguet 
und noch einige andere Vorrichtungen zum Feldgebrauch 
aufnehmen kann. Es wäre wünschetiswerth, wenn die jetzt 
viel verbreiteten kleinen Tender - Rangir - Maschinen zum 
Uel>ertransportiren auf eine abgeschnittene Bahnst recke 
Bedürfnis« eingerichtet werden könnten, da das eigens 
Transport von Maschinen über Land erfundene Fuhrwerk au 
und für sich zu beschwerlich sein wird, um noch besonders 
mitgeführt werden zu können. Für eine solche Lokomotive 
würde der Fall, das« zeitweise mit Holz gefeuert werden 
müsste, vorzusehen sein, da beim Vordringen der Abtei- 
lungen auf Vorfinden von Steinkohlenvorräthcn nicht immer 
gerechnet werden kann, während wohl auch die Vorrichtungen, 
das Einfrieren bei Winterkälte wenigstens so lange wie 
möglich zu verhindern, vervollkommnet werden möchten, 
da eine solche Maschine oft längere Zeit auf kleinereu Sta- 
tionen oder offener Strecke übernachten muss. Aber auch 
für den Fall, dass unter günstigen Verhältnissen und auf 
ununterbrochener Schieuciibahn vorgedrungen werden kann, 
erscheint die Mitnahme gut gebauter nicht benutzter Ma- 
schinen von vornherein dringend nothwendig, da durch das 
Entlehnen derselben von den Betriebs -Verwaltungen — wenn 
solches überhaupt von Erfolg — öfter nur alte unbrauchbare 
Exemplare erzielt werden, welche eine allen Zufallen 
gesetzte, der Mittel zu Reparaturen fast ganz entbehi 



ganz entbehrende 

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— 174 - 



Feld-Eisenbahn-Abtheiluug gewiss am allerwenigsten gebrau- 
chen kann. Einen Artikel oer häufigsten Nachfrage bildeten 
im letzten Kriege femer die elektrischen Apparate, da 
die Feld-Eisenbahnen genüthigt waren, die Hauptstationen 
ihrer Strecke bereits mit solchen zu versehen, und erscheint 
die Mitnahme einer grossen Zahl Exemplare von vornherein 
geboten und thunlich, da dieselben keinen grossen Kaum 
einnehmen, die ansehnlichen Kosten aber von den Betriebs- 
verwaltungen, welche die Apparate behalten, übernommen 
werden müssen. 

Dahingegen wird in dem Mitführen aller grösseren und 
schwereren Materialien, besonders was Oberbausachen 
Itetrifft, mit Vorsicht verfahren werden müssen, da der Train 
für eine halbe Abtheilung, besteilend aus den Hölingen 
Personen-, Pferde- und Equipage- Wagen, dem gewöhnlichen 
Depot und einigen Wagen für Holzmaterial, einer Kamme, 
Kprcngpulver u. dergl., Itcreits eine Lange erreicht, dass der- 
selbe auf Gebirgsstreckcn ohne Vorspann nicht mehr fort- 
gebracht werden kann, (ausserdem auf zwisehentlichen Land- 
marsch gerechnet werden muss). Man wird daher die Mit- 
nahme von Oberbau - Material auf einiges Kleineisenzeug 



So sehr nun auch den meisten dieser Anforderungen, 
beispielsweise durch einen eisernen, aus kleineren Längen 
zusammenzuschraubenden Träger würde genügt werden kön- 
nen, so wird letzterer doch schwerlich die Bedingung ad 2 
erfüllen, denselben oder seine Theile mit den einfachsten, 
dem Bahngebiete zu Gebott? stehenden Mitteln jederzeit in 
Feindesland herstellen zu können, wenn der Vorrath zu 
Ende geht. 

Als ein Versuch, welcher besonders jener letzteren An- 
forderung galt, möge der in der nachfolgenden Zeichnung 
dargestellte Träger hier aufgeführt werden, welcher in ähn- 
licher Weise (die Zeichnung enthält einige nachträglich für 
gut erachtete Abänderungen) als Vorrathsstück von der 
Sektion I der Abtheilung 4 in Chaumont angefertigt worden 
ist- Zu den Diagonalstreben nnd vertikalen Hängeeisen sind 
gewöhnliche Bahnschwellen und alte Schienen 
(lelzere symmetrischen Profils behufs Durchstecken» durch 
die 30 breiten Geleiseschwellen-Köpfe) benutzt, während 
die Gurtungen aus 31 X -'> "" starken Balken in Stücken 
nicht über L3J25" lang, die Querkreuze und unteren Zangen 
ebenfalls aus Bahnschwellen bestanden. Jedoch würde 



Gitterträger für Ftldoiienbahnbrüeken. 



-- ij,isi»(c»jstü:k) 



•--i-u» ry*(MimiSTücn) 




Tt w .rl.u' ne\ 




beschränken (z.B. die überall brauchbaren Hakennägel) und 
besonders auch auf Weichentheile , Zungen, Herzstücke um- 
soniehr verzichten, als dieselben in der Kegel doch an Ort 
und Stelle nicht einzupassen sein werden. Die Herstellung 
der herausgenommenen oder zerstörten Weichenstränge in 
den Bahnhofs-Hnuptgeleiseii kann durch Entnahme der Stücke 
aus den Kuhengelf isen geschehen, während gewöhnliche 
Schienen und Schwellen, auch das Kleineisenzeug überall 
vorlindlirh ein werden (letzteres nöthigenfalls durch Theile 
eines anderen Systems zu ersetzen). Eine fernere Frage ist, 
welche fertig vorgerichtete Brückenträger- Konstruktio- 
nen*) mitzunehmen sein würden, wobei folgende Anforde- 
rungen zu stellen wären: 1. Leichtigkeit, Zerlegbar- 
keit und einfache Verladuugsweise. 2- Möglichkeit, den 
Träger verlängern und verkürzen und auch mit einfach- 
sten Mitteln im Felde ganz neu uud schnell herstellen zu 
können. 3. Schnelle und möglichst gefahrlose Auf- 
stellung. 



•l E* t..-<Urf <ttr IJin»ci>une k»om, d«i »iit*r für »i>r»rhi«H»»(i VrrliiltniM« 
il*r Hv. n r.|i;-m»i* annipaucuilrn fri-llm»''»'!» VwrirhlMj nur durrh ring 
horijonUl» K». -rc, rl. K»ii»truktli>a wird gemuTt »rrdrn krumta. Ab«fwli»B vo«i 
diwra V„ t ,, ljC , ,„ii durcli Obru»t*lMlul« «In |>rlmi|iMk-r Vo.»i»(. Mw. iir«rniiber 
4« m.rroricfrki.Ki.u.iMiktU.M!!. dir cr»l«i«B lil.rd.rch Dicht iu ( nproebe» 



bei der Vorausanfertigung sowie im Falle, wo im Felde die 
Materialien nicht so äusserst beschränkt sind, die Diagonalen 
aus besonderem Halbholz und Bohlstücken, die Hängestaugen 
aus Kund- oder Bandeisen (welches Material in Ortschaften 
mittlerer Grösse überall leicht zu halten sein wird) fertigen, 
wodurch die ganze Konstruktion leichter zu machen ist. Die 
Versatzungen für die Druckstreben waren Itehufs der Zerle«- 
barkeit ohne Verzapfung und so angeordnet, das« letztere nach- 
träglich von den Stirnseiten aus zwischen die einzeln aufge- 
brachten Gurtbalken eingescholten werden konnten, während 
es zwar nicht unbedingt uöthig aber unbedenklich erschien, 
die Schwelleuköpfe behufs leichteren Einsetzens der äusseren 
Hängeschieuen aufzuschlitzen. Mit Rücksicht auf leichtere 
Aufstellung, etwa noch mit Hülfe einfacher längerer Rüst- 
bäume, wie solches in No. 10 dies. Blattes l>esehrieben wor- 
den ist, dürfte die bei Bemessung der Höhe zu Grunde 
gelegte freitragende Maximalweite für derartige Normalträger 
auf IS— DJ- beschränkt werden, da darüberhinaus kompli- 
ziere Rüstungen wohl nicht mehr zu entbehren sem 
werden. 

Hat man es mit grösseren Spannweiten von 22— 2j"' 
zu thun, so zeigteu viele Fülle zerstörter, nicht hergestellter 
Brücken, dass es auch hier nicht so schwer gewesen wäre. 



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diese Weiten durch neu zu schaffende Stützpunkte einzu- 
schränken, wie z. B. bei zerstörten Landöffnnngen mit 
Hülfe von Ufermanern der Leinpfade, innerhalb von Strom- 
Oeffnungen aber unter Benutzung von Mnuertrümmera oder 
besonders einzurammenden Pfahljoehen u. dergl. (wodurch 
jfdoch einzelnen besonders ungünstigen Baustellen der Vorzug 
der Anwendung grösserer Spannweiten nicht abgesprochen 
werden soll). Ein solcher Tragpfeiler 1 , wie er ebenfalls in 
der Zeichnung dargestellt ist, wird daranf einzurichten sein, 
durch nachträgliche Auskragung die freitragende Weite noch 
beschränken zu kennen, ja nach dem Maasse, als bei der 
Probebelastung die Durchbiegung sich herausstellt. Wegen 
des möglichen Eintrittes einer grösseren derartigen Senkung, 
welche selbst bei den einzelnen Oeffnnngen ein und derselben 
Brücke ganz verschieden ausfallen kann, wird stets die Vor- 
aussicht nachträglicher Verstärkungen stattfinden müssen. 

Nachdem im Vorstehenden sowie in den vorausgegangenen 
Artikeln verschiedener Arten jvon Bahnzerstörnngen speziell 
Erwähnung gethan worden, möge es noch vergönnt sein, 
einige allgemeine Erfahrungen über letztere hinzuzufügen, 
sowie ferner über das zweite, bisher noch nicht besprochene 
Kampfmittel des Feindos, die Bahnstrecken durch bauliche 
Zurüstungen in Verteidigungszustand zu setzen. Die 
Brückenzerstörungen dürften wohl überall, wo die nöthigen 
Minenkammern vorhanden waren, durch Sprengung der 
Tragpfeiler, nicht derGewölhe- oder Eisenkonstruktionen 
bewirkt worden sein, wodurch die'doppelte Wirkung erwuchs, 
das« auch die Widerlagspunkte für die künftige Frsatzkou- 
struktion vernichtet und die auf Vorhandensein der letzteren 
basirenden leichten und zweckmässigen Sprengwerks - Kon- 
struktionen (wie solche in den bei Beginn des Krieges den Ab- 
iheilungen mitgegebenen Normalien vorgesehen waren) leider 
nur seltener angewendet werden konnten.*) 

Bei grösseren Eisenbahn - Brücken mit kontinuirlichen 
Trägem genügt die Sprengung eines der Mittelpfeiler, um 
den ganzen Oberbau ins Wasser zu werfen, da letzterer sich 
nach beiden Ufern hin hebt und dabei, oder beim Herunter- 
fallen! durch Anstossen auch die nicht gesprengten übrigen 
Mittelpfeiler in weitere Stücke zerbricht. Noch einfacher 
ist begreiflich die Zerstörung von Hängebrücken, deren einige 
(Wegebrücken über einen Strom und Schiffabrtskanal) zu rekog- 
nosziren ebenfalls Gelegenheit gegeben war. Die aufgefun- 
denen Minenkammem der gewölbten und eisernen Brücken 
waren auf ihren Dockelsteinen mit dem Zeichen G. M. (genie 
militaire) und der Angabe der zu verwendenden Sprengla- 
dung bezeichnet, und wiederholte sich einige Male ein und 
dieselbe Grösse der letzteren, z. B. 150 obschon die Di- 
mensionen der Bauwerke sehr verschieden waren. Ueber die 
Zerstörungen in den Bahneinschnitten (gesprengte Damm- 
schüttungen, die hauptsächlich wohl nur in Moorgegenden 
zur Wirkung treten würden, sind wohl nicht vorgekommen), 
der freien und Bahnhofsgelcise, der Telegraphenleitungen ist 
betreffenden Orts bereits gesprochen worden ; mit den Wasser- 
Klations-Maschincn war man gelinde verfahren und hatte ge- 
wöhnlich nur einen kleineren Maschinentheil, etwa ein 
kupfernes Ventil oder dergl. herausgenommen.**) 

Dabei hatte man meistenteils in der Eile des Rück- 
zugs noch nicht einmal daran gedacht, die kolossalen, an 
beiden Bahnhofsenden befindlichen zylindrischen Wasser- 
reservoire oder diejenigen der Lokomotivschuppen leer laufen 
zu lassen, so dass bei dem zahlreichen Vorhandensein solcher 
Stationen und der sehr bald ermöglichsten Herstellung der 
Pumpen es den Lokomotiven wohl seltener an Wasser ge- 
fehlt haben wird. 

Als das wirkungsvollste Zerstörungsraittel hat sich, wie 
bereits mehrfach besprochen, das Sprengen einzelner 
1 tiunols gezeigt, und war allerdings das okknpirte Land mit 
seinen den Flötzformationen und jüngeren Gesteinsbildungen 
angehörigen Bergen das richtige Terrain, um solches in um- 
fassender Weise zur Anwendung zu bringen. Nicht überall 
würde das Mittel in gleicher Weise zuverlässigen Erfolg er- 
warten lassen, da es z. B. in festeren Eruptiv-Gestcinen und 
den älteren sedimentären Bildungen zwar ähnlich gelingen 
könnte, das Tunnelprofil mit gesprengten Felsmassen auszu- 
füllen, jedoch der Erfolg trotzdem nur ein geringer und nicht 



*) Del d«n fraatütipehen Cba uaeee b r ü c k * n ecbclncn im Allgemeinen 
ill« Minenkamrncrn «u fehlen: beobachtet wurde eine derartige brücke, bei weither 
die Gcwolbcacneitel dnreh Aufgraben Wo. gelegt (glclebiolll* Barrikade) und mit 
einer Reih« von Bohrlöcher« für die Ladung Teraebaa eich fanden. Warn» nicht 
Anwendung von Dynamit? 

-) Kln aolch*. Stück wnrde einmal von einer glücklichen B|>umaa* der 
Kompagnie tief Im Brunnen eeritMkt wieder aufgefeinden, eingewickelt in ein 
Paar mächtige, ebenfalla dorthin getuchtei* Wa..er,tlefel. 



: nachhaltiger sein würde, wenn nicht gleichzeitig das han- 
gende Gestein im Scheitel bis in grössere Bergestiefe hinein 
in seiner Schichtung gelockert und zum permanenten Nach- 
rutschen gebracht worden wäre. Es würden sich dem ent- 
sprechend für die verschiedenen Eisenbahnen oder, wo ein 
und dieselbe Bahn sehr verschiedene Gebirgsformationcn 
durchschneidet, für die einzelnen Tunnels derselben verschie- 
dene Klassen der nachhaltigen Zerstörbarkeit im Voraus auf- 
stellen lassen. 

Was die auf okkupirten Bahnen 'entgegenstehenden 
passiven Widerstände betrifft, (von welchen der nachhal- 
tigste eine verschiedene Spurweite der Geleise sein würde 
und bekanntlich nicht Statt hatte) so ist beispielsweise in 
einem früheren Artikel d. BL in No. 12 des vorigen Jahrg.. 
die Schwierigkeit beschrieben worden, welche das bedeutend 
niedrigere Tunnelprofil für die Aufstellung von (Hilfskon- 
struktionen in denselben hatte. Ein anderes Erschwernis» 
bildete das geringe Muass vieler französischen Wagen-Dreh- 
scheiben, welches die letzteren für eiueu grossen Theil der 
mit längerem Kadstande versehenen deutschen Güterwagen 
unbenutzbar machte und die Notwendigkeit hervorrief, neue 
Ladevorrichtungen anzulegen. 

Aber auch für das zweite Widerstandsmittel des Feindes, 
eine Eisenbahn nicht nur zu zerstören sondern auch dieselbe 
zu vertheidige n, war Gelegenheit geboten, die dazu ge- 
troffenen Zurüstungen genauer in Augenschein zu nehmen. 
Hierbei dürften die zahlreichen Fälle, wo Bahndämme als 
Vertheidungsliniengedient haben oder wo in umgekehrter Weise 
die einen Festungs-Rayon durchschneidende Dammschüttung 
sich vollständig kasemattirt fand nnd dem Belagerer zum 
Angriff gedient hatte u. dergl., nicht mehr in das Gebiet der 
vorliegenden Besprechung gehören, dahingegen zu erwähnen 
sein, wie Bahnhöfe mittlerer Grösse in kleine Forts ver- 
wandelt worden waren. Beispielsweise fand sich das Sta- 
tionshaus mit dem auf dersellien IVrronseite liegenden 
Güterschuppen durch vollständige Pallisaden-Reihen (aus 
Bahnschwellen bestehend) verbunden, welche mit gedeckten 
Eingängen versehen waren. Die Fenster de« ersteren waren 
zugemauert, die Thoröffuungen des Güterschuppens ebenfalls 
nochmals mit Bahnschwellen verrammelt, beides unter Be- 
lassung von Schiesscharten, während die Innenräume mit 
ringsherum laufenden erhöhten Pritschen, zum Fenern aus 
den Schiesscharten (auch zum Schlafen) dienend, versehen, 
im L'ebrigen alle Stockwerke, auch die Dienstwohnungen, 
ausgeräumt resp. ausgeraubt waren. Die Umgegend der Sta- 
tion zeigte ähnlich behandelte oder gänzlich demolirte Privat- 
gebäude nnd umgehauene Baumreihen, welche über die An- 
fahrtsstrassen hingestreckt, die Passage hemmen sollten, im 
Verein mit zwischendurch angebrachten, aus aufgeworfener 
Erde bestehenden und mit aufgerissenen Pflastersteinen be- 
kleideten Barrikaden. Der sich wiederholende Anblick sol- 
cher Bahnhöfe war somit ein kläglicher und mit der ge- 
wohnten Zierlichkeit und Sauberkeit, wie sie die französischen 
Stationen sonst zu zeigen pflegen , iu all zu argem Wider- 
spruche stehender, und musste derselbe um so mehr Bedauern 
erregen, als aus der näheren Betrachtung, sowie aus einge- 
zogenen Erkundigungen meist zu entnehmen war, dass die 
beschriebenen weitläufigen Zurüstungen beim Herrunnahen 
unserer Truppen gar nicht vertheidigt worden waren. — 

Hiermit möge eine Reihe von Darstellungen geschlossen 
werden, die von der Thätigkeit eines bestimmten Theiles der 
Feld-Eisenbaho-AbtheLungen, welchem der Berichterstatter 
durch ununterbrochene neunmonatliche spezielle Leitung an- 
gehört hat, ein Bild entwerfen und aus den gemachten 
Beobachtungen die Erfahrungen für die Zukunft schöpfen 
sollten. Es bedarf wohl kaum des Hinzufügens, dass letz- 
tere nicht den Anspruch der Allgemein - Gültigkeit überall 
erheben sollen, da die bis an die äusserste Grenze eines aus- 
gedehnten Okkupationsbezirks zerstreuten Abtheilungen viel- 
fältig sehr verschiedene Verhältnisse ihres Wirkens angetroffen 
haben müssen. Sollten daher einzelne Darstellungen dieses 
oder der vorausgegangenen Artikel nicht durchweg in glei- 
cher Weise zutreffend befunden werden, so würde es um so 
Wünschenswerther erscheinen, wenn die Reihe der sämmt- 
lichen seit Beendigung des Krieges ergangenen Veröffent- 
lichungen von betreffender Seite, wo solche noch fehlen, 
fortgesetzt und zu einem derartigen Abschluss gebracht 
würde, dass schliesslich ein allgemein gültiges Gesammt-Kc- 
sultat der für die Zukunft zu Grunde zu legenden Erfah- 
rungen gewonnen werden könnte. 

St. Johann a. d. Saar. 

Vieregge. 



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Die Konkurrenz für Entwürfe zum 



Reichstages. 



|F .M.f'n.i:.; } 



Von entscheidender Wichtigkeit für die ganze Grund- 
rissgestaltnng int jedenfalls die Ausbildung des grossen 
Sitzungssaales. Da die Mehrzahl der übrigen Räume mit 
ihm in organischer Beziehung stehen rouss, so ist für die 
Disposition derselben nicht allein die Lage, sondern auch die 
Form des Saales von Einfluss. Letztere aber darf, wie 
dies bei allen Räumen, die für bestimmte, durch die Tradi- 
tion geregelte Handlungen benutzt werden — bei Kirchen, 
wie bei Theatern — der Fall ist, keineswegs willkürlich ge- 
wählt werden, sondern soll das charakteristische F.rgebniss 
dieser Benutzungsart sein. Leider ist die parlamentarische 
Tradition noch eine so junge, die Anfgabe eines monumen- 
talen Parlamentshauses eine so selten gestellte und je nach 
Zusammensetzung der verschiedenen Repräsentativ -Körper- 
schaften eine so vage, dass eine typische Saalform als die 
anerkaunt zweckmässigstc sich noi-h nicht behauptet. Aus 
der Art und Weise der parlamentarischen Vorgänge eine 
solche zu entwickeln, ist wohl Sache des Architekten und 
darf von Seiten der Volksvertreter, denen die Beziehungen 
zwischen Idee und Form nicht eben geläufig zu sein pflegen, 
schwerlich ein Vorschlag hierfür erwartet werden. Es ist 
zu bedauern, dass die Konkurrenten fast ausnahmslos auf 
einen solchen Versuch verzichtet halten. Wohl finden sich 
die lnaunigfaltifisten Variationen der Grundform des Saales 
vor — neben dem Oblong und Quadrat verschiedene Poly- 
gone, der Halbkreis mit gerader Verlängerung, der Kreis und 
die Ellipse — aber diese Variationen sind zumeist ganz äus- 
serlicher Natur und hervorgegangen aus der Idee des archi- 
tektonischen Aufbaues, nicht ans der durch die Benutzung 
bedingten inneren Einrichtung des Saales. Für die letztere 
ist einfach die im provisorischen Reichtagsgebäude getroffene 
Anordnung, wonach der Bundesrath zu beiden Seiten des 
Präsidiums seiue Sitze erhält, adoptirt worden: denn die 
unseres Wissens ciuziee Ausnahme, wonach die Tribüne des- 
selben an der einen Seitenwand angebracht ist, und die ver- 
einzelten Fälle, in denen die Plätze des Bundesrates ganz 
und gar vergessen, in denen sie vor oder hinter die Sitze 
der Abgeordneten oder endlich gar in eine der Logen ver- 
legt siud, können der überwältigenden Majorität gegenüber 
kaum in Betracht kommen, l ud doch ist nach unserer 
Ueberzeugmig jene provisorische Anordnung durchaus nicht 
als die beste anzuerkennen, verbindet vielmehr mit ihren 
Vorzügen so viele Nachtheile und ist so wenie geeignet, 
einen charakteristischen Ausdruck für die Verhältnisse des 
deutschen Reichstages zu geben, das« wir sie ungern in mo- 
numentaler Weise verewigt sehen möchten. Dt eine einge- 
hende Erörterung der schwierigen Frage jedoch kaum in 
den Rabmeu dieser auf das vorliegende Material der Kon- 
kurrenz angewiesenen Besprechung gehört, so müssen wir 
uns vorbehalten, auf dieselbe späterhin selbststündig zurück- 
zukommen. 

Einen ziemlich verschiedenartigen Charakter haben die 
einzelnen Saal- Anordnungen trotz dieser L'ebereinstimmung 
im Grundprinzip einerseits durch die Disposition der Sitte, 
andererseits durch die Art der Logenbildnng erhalten. In 
räumlicher Bemessung der ersten sind eiuige Konkurrenten 
wohl zu weit gegangen, so dass ihre Säle Dimensionen er- 
hielten, die den im Programm verlaugten Flächeninhalt und 
die Grenzen praktischer Zweckmässigkeit entschieden über- 
schreiten. In mehren Entwürfen ist der Saalfussboden an- 
nähernd horizontal, was eine Uebersicht beschwerlich macht 
und den Eindruck erweckt, als solle zeitweise auch eine an- 
dere Beuutzung des Saales ermöglicht werden, in anderen 
steigt dersellte mit hohen Staffeln auf, wie in einem Zirkus. 
Die Logen sind zum Theil frei in den Saal hineingebaut, 
so dass die räumliche Wirkung des letzteren um ein Nam- 
haftes sich steigert, 2um Theil durch Stützenreihen von ihm 
geschieden , zum Theil eudlich treten sie als üeffnungen in 
geschlossenen Wandflächen zur Erscheinung. Der theater- 
artige Eindruck , den solche Anordnungen mehrfach zeigen, 
ist selbstverständlich ein um so stärkerer, wenn nicht nur 
eine, sondern zwei über einander liegende Logenreihen den 
Saal umziehen, was wir für eben so unstatthaft wie über- 
flüssig halten. In der Ausbildung der für den kaiserlichen 
Hof und die verbündeten Fürsten bestimmten Loge ist wohl 
ebenso häutig ein Zuviel wie ein Zuwenig- zu konstatiren. 
Abgesehen von der. deutscher Sitte ganz fremden, in den 
meisten englischen Entwürfen auftretenden Disposition dieser 
Loge im unteren Saalge.sc hosse hinter der Tribüne des Prä- 
sidenten finden wir das Erste in Entwürfen, die derselben 
einen Raum angewiesen haben, der die Entwicklung der 
übrigen, regelmässig benutzten Zuhörerräume benachteiligt, 
während das Letzte wohl dann der Eall sein möchte, wenn 



dieselbe sich zwischen den anderen Logen ganz und gar ver- 
steckt und nicht einmal durch die Lage in einer der 
Haupt axen ausgezeichnet ist. Wenn wir hierbei sofort 
der zu den Logen gehörigen Nebenräume gedenken, 
so besteht in dieser Beziehung zwischen der Berücksichti- 
gung, welche den Hofkreisen und Diplomaten etc. und in 
der, welche dem „Publikum* geworden ist, dasselbe Miss- 
verhältniss, welches wir schon bei Erwähnung der Zugänge 
rügten, doch haben andere Konkurrenten in würdigster und 
angemessenster Weise auch für die Bequemlichkeit der 
grossen Zuhörerschaft gesorgt, Dass die Zimmer der Jour- 
nalisten sehr häufig ganz ausser Verbindung mit deren 
Loge liegen, ist wohl durch das Programm verschuldet, das 
dieselben in einer Verbindung aufführt, welche die Notwen- 
digkeit dieses Zusammenhangs weniger klar erkennen lässt. 

In einer anderen Beziehung steht die Anlage der Logen 
zu der Ausbildung der Gänge, welche den Sitzungssaal zu 
umgeben halben, um die Kommunikation der in demselben 
beschäftigten Personen, Abgeordnete, Bundesrathsmitglieder, 
Stenographen, Huissiers etc., nach allen Seiten hin zu er- 
möglichen. Freilich ist die Nothwendigkeit eines solchen 
Umgangs nicht von allen Konkurrenten anerkannt worden 
und liegen hierin merkwürdige lrrthümer vor. — Die monu- 
mentale Stattlichkeit des Hanses bedingt es, den Korridor 
konform mit den anderen Räumen, also in voller Geschosshöhe 
auszubilden, während die praktische Brauchbarkeit der Tri- 
bünen eine sehr viel niedrigere Ij»gc derselben wünschens- 
wert macht. Die beste Lösung dieses Konfliktes haben 
jedenfalls diejenigen Konkurrenten erreicht, welche den Raum 
uuter den Tribünen anderweitig (zur Anlage der Garderoben 
etc. oder als zum Saal gehörigen inneren Umgang) benutzt 
und jenen Korridor um eine Zone hinausgerückt haben, 




Weitaus die Meisten haben ohne Bedenken entweder die 
Tribünen zu hoch oder jeden Korridor zu niedrig angelegt, 
während der letztere zugleich in sehr vielen Fällen dem 
Schicksale höchst mangelhafter Beleuchtung verfallen ist. 

Von den zum Saal gehörigen Nebenränmen erwähnen 
wir zunächst die Geschäftsräume für den Bundesrat und 
das Präsidium des Hauses. Für die Disposition derselben 
ist die Anordnung der Bundesraths- und Präsidenten-Tribüne 
anf einer und derselben Seite des Saales entschieden nicht 
sehr günstig nnd vermögen wir demzufolge nicht eine einzige 
der vorliegenden Lösungen als völlig gelungen anzuerkennen. 
Es liegt sehr nahe und ist mehrfach versacht worden, die 
Geschäftsräume des Bundesrates, welcher auch bei voll- 
kommener Harmonie der gesetzgebenden Faktoren eine vom 
Reichstage scharf gesonderte, ihm gegenüberstehende Körper- 
schaft bleibt, zu einer in sich geschlossenen und begrenzten 
Baugruppe zn vereinigen. Eben so nothwendig ist es jedoch, 
diese Räume in allemnmittelbarste Nähe des Sitzungssaales 
zu verlegen: ja wenn die Ausbildung der Kommunikationen 
in einem Monumentalbau und die der Tribünen es nicht ver- 
böte, so möchte den betheiligten Persönlichkeiten, nament- 
lich denjenigen ßnndesrathsmitgliedem, welche nicht eigene 
Geschäftszimmer haben, sondern auf die gemeinsamen Räume 
angewiesen sind, eine Verbindung Wand an Wand, wie im 
alten Ahgeordnetenhause zn Berlin, die erwünschteste sein. 
Beides zu vereinigen ist unmöglich, wenn das Präsidium des 
Hanses, das selbstverständlich ganz gleiche Berechtigung 
hat, die gleiche Berücksichtigung finden soll; es ist daher 
das Etablissement des Bnndesrathes nnd ebenso das des 
Präsidiums in viel zu weiter Entfernung vom Saale angelegt 
oder die erwünschte Geschlossenheit des ersteren ist aufge- 
geben worden und sind die einzelnen Zimmer — einige 
natürlich auch in viel zu grossen Entfernungen — im Grund- 
rissvsteme vertheilt worden, so gut es eben ging. In keiner 
Beziehung sind übrigens so unglaubliche Irrtümer vorge- 
kommen, wie in der Anordnung dieser Räume; es liegen 
Entwürfe vor, bei denen dieselben nicht allein vom Saale, 
sondern auch von einander weitab in die verschiedenen 
Stockwerke zerstreut worden sind. Nicht minder übel ist 
es dem Stenographensaale und den Sprechzimmern der Ab- 
geordneten gegangen , die zum Theil höchst unzweckmässig 
liegen, während die letzteren doch notwendigerweise Annexe 
des Vorsaales sein müssen. 

Was den letzteren anbetrifft, so gehört er sicherlich zn 
denjenigen Räumen des Hauses, die zu einer architektonisch 
bevorzugten Ausbildung und zur Anwendung reichen künst- 
lerischen Schmuckes besonders auffordern. Er soll nicht 
allein den Eindruck des Saales in angemessener Weise vor- 



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— 177 



bereiten und einen Ruhepunkt vor dem Betreten desselben 

gewähren, sondern ist auch derjenige Raum, der während der 
itzungen zunächst zur Erholung und geistigen Sammlung, 
zum zwanglosen Gespräch oder zu schleunigen Verabredungen 
benntzt wird. Wird später doch einmal der bisher noch 
nicht beliebte Gebrauch eingeführt, dass bei namentlichen Ab- 
stimmungen die eine der dissentirenden Parteien den Sitzungs- 
saal verlässt, so wird er die annähernde Hälfte der Abgeord- 
neten aufzunehmen haben. Dies Alles, wie nicht minder die 
Lage, welche der Vorsaal in seiner Beziehung zum Haupt- 
eingange nnd den Hauptaxen erhält, weisen ihm ganz natnr- 
gemäss die Stellung als Zentralraum des Hauses an. Es 
ist die Bedeutung, welche er hierdurch im Organismus des- I 
selben erhält, in mehren Entwürfen, die durch diese An- 
ordnung an Grossartigkeit wie an fibersichtlicher Kompen- 
diosität der Anlage allen andern überlegen sind, noch 
gesteigert worden, indem der Vorsaal nicht allein zu dem 
Sitzungssaale, sondern auch zu dem diesen an Bedeutung zu- 
nächst stehenden Räumen, dem Festsaale, der Restauration, 
dem Lesesaale, der Bibliothek etc., in ausgeprägte Beziehung 
gesetzt ist. Andererseits ist die Bedeutung des Vorsaales 
recht hänfig nicht zum genügenden Ausdruck gekommen. 
Es fehlt ihm die nothwendige Abgeschlossenheit, so dass er 
nur als ein erweiterter Rorndor oder als Yreppenvestibul er- 
scheint, nnd ist die geforderte Verbindung mit den Garde- 
roben und Klosets eine solche, die den architektonischen 
Rang des Raumes stark beeinträchtigt; auch ist die Höhen- 
entwickelung eine im Verhältnisse zur Grundfläche nicht 
immer genügende. 

Aehnliches gilt von der Restauration, dem Lesesaale 
(für Zeitungen) und der Bibliothek, welche Räume in den 
durch Plenar-, Abtheilungs-, Kommissions- und Fraktions- 
Sitzungen nicht beanspruchten Stunden und Tagen die Mittel- 
punkte des Verkehrs rar die grosse Mehrzahl der Reichstags- 
mitglieder bilden. Die Disposition der beiden erstgenannten 
wird durch die im Programm hervorgehobene Rücksicht auf 
möglichste Nähe des Sitzungssaales beeinflusst, was leider 
wiederum in nicht wenigen Entwürfen unbeachtet geblieben 
ist, doch erscheint es erwünscht, wenn auch die Bibliothek 
nicht allzu entlegen ist; möglichst leichte Zugänglichkeit von 
Aussen ist jedenfalls nicht minder willkommen. Die ver- 
hältnissmassig günstigste Anordnung für die Restauration 
würde eine solche sein, die sie allen Plätzen des Saales 
möglichst gleich nahe legte, also in der Hauptaxe desselben, 
doch ist nur in wenigen Entwürfen eine derartige Anordnung 
geglückt. Als die zunächst in Betracht kommende Lösung 
wird wohl die anzusehen sein, nach welcher Restauration 
und Lesesaal als Pendants symmetrisch zur Seite der Axe 
vertheilt sind und mit dem Vorsaale in schöner Verbindung 
stehen. Sie ist von mehren Konkurrenten in reizvoller Aus- 
bildung gegeben worden, üebersehen darf auch der bereite 
angedeutete Umstand nicht werden, dass von Seiten der Ab- 
geordneten des vorläufig zumeist im Sommer tagenden Reichs- 
tags ein nicht kleiner Werth darauf gelegt werden dürfte, 
ihre Erfrischungs- Lokalitäten mit dem Freien in angenehme 
Verbindung gesetzt zu sehen — sei es, dass dieselben nach 
einem im Innern des Gebäudes gewonnenen Garten, sei es, 
dass sie nach den Park- Anlagen der Umgebung sich öffnen. 

Unter den übrigen Geschäfte-Räumen des Hauses treten 
die Bureaulokalitäten nicht besonders hervor; in ihrer An- 
lage sind grosse Vorzüge ebensowenig zu entwickeln wie be- 
deutende Fehler. Dass die Zimmer für die Post- und Tele- 
graphen-Expedition nicht in allen Entwürfen an der von 
selbst gegebenen Stelle, d. h. neben dem Eingange sich be- 
finden, gehört zu den Unbegreiflichkeiten dieser Konkurrenz. 
Eigentümlich sind die in ihrer Gesammtzahl höchst impo- 
santen und einen verhältnissmässig nicht geringen Theil de« 
Raumbedürfnisses beanspruchenden, zu Abtheilungs-, Frak- 
tion«- und Kommissionssitzungen bestimmten Säle behandelt 
worden, die ihrer Natur nach zusammen gehören oder doch 
mindestens zu einigen grossen, mit einander korrespondirenden 
Gruppen, sei es in verschiedenen Gebäudeflügeln oder Stock- 
werken, vereinigt werden mussten. Sie sind das Aschenbrödel 
geworden, das mit jedem, auch dem schlechtesten Platze zu- 
frieden sein musste, und ist es ohne Rücksicht auf geschäft- 
liche Brauchbarkeit und architektonische Klarheit den meisten 
Konkurrenten, die ihren Grnndriss nach einem bestimmten 
äusserlichen System gebildet haben, ganz augenscheinlich 
sehr willkommen gewesen, in diesen Räumen ein Material 
zu finden, mit dem sie die einzelnen Lücken des Systems 
ausstopfen konnten. 

Nicht viel anders ist es mit der Anordnung der Dienst- 
wohnungen gegangen. Freilich ist es längst als eine ausser- 
ordentliche, fast unlösbare Schwierigkeit anerkannt worden, 
Wohnungen, die in sieh zu einer gewissen Selbstständigkeit I 



und wohnlichen Behaglichkeit entwickelt sind, mit den gauz 
anders gestalteten, ganz andere Höhenverhältnisse bedingen- 
den Räumen eines öffentlichen Gebäudes in eine organische 
Verbindung zu bringen. Nimmt das Gebäude einen Rang 
ein, wie im vorliegenden Falle, so ist eine annähernde Mög- 
lichkeit, das Missverhältniss zu mildem, jedenfalls nur dann 
vorhanden, wenn den einzelnen Theilen der Anlage ein ge- 
wisses selbstständiges Leben verliehen worden ist; in die 
Schablone künstlicher Einheit werden sich Wohnungen wohl 
schwerlich in befriedigender Weise einfügen lassen. Es mag 
als ein Fehler des Programms und nicht als ein Verschulden 
der Konkurrenten angesehen werden, wenn ihre Arbeiten in 
dieser Beziehung Mängel zeigen; allerdings war es immerhin 
möglich, unter verschiedenen Uebeln ein kleineres zu wäh- 
len, und ist beispielsweise eine Anordnung, welche die Woh- 
nung des Präsidenten in verschiedene Geschosse verlegt — 
was bei einer Villa oder einem kleinen städtischen Privat- 
hause sehr wohl angeht — in einem Gebäude, das Stock- 
werkshöhen bis zu 10 Meter enthält, wobl in keinem Falle 
zu rechtfertigen. 

Für den Schluss unserer der Grundrissausbildung der 
Konkurrenzentwürfe gewidmeten Erörterung haben wir ans 
diejenige Frage vorbehalten, welche nächst der des Sitzungs- 
saales die grösste Bedentang besitzt und für die charakte- 
ristische Gestaltung der einzelnen Entwürfe von grösstem 
Einflüsse gewesen ist — die Frage über Anordnung der 
Festlokalitäten. Das Programm Hess in dieser Beziehung 
einen weiten Spielraum; ein Anhalt an thatsächlicbe Vor- 

gnge war nicht möglich, da unseres Wissens analoge Fest- 
hkeiten von deutschen parlamentarischen Körperschaften 
noch nicht begangen worden sind: der Architekt war daher 
auch in dieser Beziehung genötbigt, mit seiner Phantasie der 
Wirklichkeit vorauszueilen und in der Disposition dieser 
Räume Vorschläge über Umfang und Charakter der künfti- 
gen Feste zu machen. Als nicht sehr glücklich kann wohl 
die Wahl bezeichnet werden, nach welcher der im Programm 
geforderte Festeaal als gleichsam zur Dienstwohnung des 
Präsidenten gehörig angeführt wurde. Die Verbindung mit 
den Salons derselben hat wohl wesentlich nur die Bedeu- 
tung, dem Festsaale einige kleinere Nebenräume beizugesellen; 
der Rang, welcher diesem Räume innerhalb des baulichen 
Organismus zukommt wird jedenfalls durch die weitere Be- 
merkung bestimmt dass derselbe gleichzeitig zu ausseror- 
dentlichen geschäftlichen oder festlichen Versammlungen der 
Reichstagsmitglieder benutzt werden soll. 

Was unter solchen geschäftlichen Versammlungen ver- 
standen werden solL ist nns unklar geblieben; wenn nicht 
etwa die Möglichkeit einer zeitweisen Vereinigung von meh- 
ren grossen Fraktionen zu gemeinschaftlichen Berathungen 
vorgesehen werden sollte, so bleibt nur die einzige Annahme 
übrig, dass man in diese Räume die Eröffnungsfeierlichkeiten 
des Reichstages, zu welchen die spätere Sitte statt des jet- 
zigen klanglosen vielleicht einen ebenso feierlichen Schluss 
gesellt, verlegen will and in der That scheint die Auffassung, 
welche die beiden bei Abfassung dee Programms betheiligtcn 
Konkurrenten gewählt haben, direkt dafür zn sprechen. 
Dies wären jedoch keine einfachen Versammlungen der 
Reichstagsmitglieder mehr, sondern Staateaktionen, die ein- 
zigen, bei welchen das Oberhaupt des Reiches zn den Ver- 
tretern des deutschen Volkes in unmittelbare persönliche 
Beziehung tritt. Ebenso können Feste, welche die Gesammt- 
heit der Reichstagsmitglieder feiert, wohl unmöglich in dem 
Charakter einfacher geselliger Vergnügungen aufgefasst wer- 
den, sondern würden nur dann eine innere Bedeutung und 
Berechtigung haben, wenn dabei sämmtlicbe Faktoren der 
Reichsgewalt — der Kaiser, die Fürsten nnd ihre Bevoll- 
mächtigten mit den Vertretern des deutschen Volkes — auf 
einem gemeinsamen Boden sich zusammenfänden, um der 
Eintracht ihres Wirkens für das gemeinsame Vaterland einen 
festlichen Ausdruck zu geben. 

Unter solcher Auffassung, der offenbar mehre der Kon- 
kurrenten gehuldigt haben, gewinnt das Festlokal des deut- 
schen Reiehstagshause.H einen Rang, nach dem es dem Sit- 
zungssaale nur wenig nachsteht und zu ganz hervorragender 
künstlerischer Ausbildung fähig erscheint. In jener schon 
mehrfach anerkennend hervorgehobenen, zugleich grossarti- 
gen und komnandiösen Anordnung, nach welcher die Haupt- 
räume des Hauses in unmittelbaren Zusammenhang und in 
ein Geschoss gebracht worden sind, hat vor allen anderen 
einer der hervorragendsten Entwürfe einen wahrhaft impo- 
santen, wohl für die grössten Festlichkeiten genügenden 
Komplex geschaffen, ohne dass hierdurch das im Programm 
vorgeschriebene Raumbedürfniss überschritten worden wäre; 
die Grossartigkeit der Zugänge, welche zu den Festlokali- 
Uten führen, ist in mehren Entwürfen wohl gleichfalls auf 

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- 17S — 



ähnliche Erwägungen zurückzuführen. Andererseits wird 
»ine wesentlich bescheidenere Auffassung, welche in den im 
Reichstagshanse zn feiernden Festen im Wesentlichen nnr 
gesellige Vereinigungen der Keichstagsitiitglieder sieht, durch 
welche nnter dem vermittelnden Einflasse des Präsidenten 
die Schärfe der in der Debatte auf einander platzenden Ge- 
gensätze gemildert werden soll, nicht minder berechtigt sein, 
zur Entfaltung so bedeutender architektonischer Mittel je- 



desto behaglichere und »nnnithige Ausbildung der hetreren- 
den Festlokalitäten am Platze sein. 

Wir haben nnnrnehr noch die allgemeinen Gesichts- 
punkte zu erörtern, welche sich uns ans einem vergleichen- 
den Studium der Konkurrenz-Entwürfe fQr die Beurtheilung 
des architektonischen Aufbaus, und zwar vornehmlich 
der Faeadengestaltung ergeben haben. Er ist um so 
notwendiger in dieser Beziehung zu einigen festen Prinzipien 



Parlaments- Pebäude für den Peitschen Reichstag. 
Entwurf von Hermann Eggert in Berlin. 

Omndrltl Tom aratea Stockwerk. 




purp 



Erste» Stockvark , 

I :M Tiäum* für di« M>i(liedcr 

dc> Itt tcb>ta(e>. 
t TrvnrieiibAaj. 

i V t»ataio>luuga»Aal der At-^curdnctca. 
i Garderoben. 

• > i - 

3 V»i biuduopn'alleric. 
Lrac»aa:. 

I BlblMbek. 

*■ Ziaoauer «Im ülbLiolliekara. 
■ FiHl.ujui.1. 
IU Ablhellaaiiaaaia- 

I I kusfcrenixiBiiaer. 
1- Votaimmr-r. 

. : Tre|>p« tu den AUIitlluug»»alcu Im 

j.. j^, -v 
14 Ktfrl*cbutut»r.al. 

IJj l.rJM..!.' .-:.ui.*. 

i<; buii«i. 



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IM 



I 



Yartkeilaat; d«r Riara«. 



l* \ ■■■ 

IH <.if.i Minwjtnmrr für den Praiideaten. 
1:» s. Iitirtfulirer. 
IW Vurilroraer. 

?1 Spre.r.. Immer rär di« ailljllrder Uei 
lUieb.t»;*. 

23 Toiletten. 
»3 KIomU. 

L'4 Zimmer der Stenoarrnrih« o. 
2j da. für Korrekturen. 
36 dt», für Journalist« n. 
17 — 31 Ii Ii ii mo für die II 1 1 gl (cd ai- 
de* KiifidMirath**. 
II Tr-vpe au" dtiu Krd*,e*choae- 
SS Sllinairtwal. 
Iti Vor- and Le-aeftranaer. 
MI l'ruidaut des Itelclnkaailrraanta. 
31 Rl-Ieh»kaniler. 
» Bunin du litiiidearalke». 
U Toilette. 
II Kluseta. 



doch .schwerlich heransfordern. Immerhin wird indessen 
verlangt werden können, dass der Festsaal als einer der 
Haupt räume des Hauses behandelt und zur Gelting gebracht 
werde, was jedenfalls nicht der Fall ist, wenn lediglich eine 
Anzahl von Zimmern an beliebiger Stelle zu einem Baume 
von dem erforderlichen Flächeninhalte zusammengezogen 
w. rden ist; auch wird nnter diesem Gesichtspunkte eine 



35 — 4C Wohninc de» P r äi I d en t« n 
de» Raicliatage*, 
35 HaariHrrppt. 
M (iellerle. 
37 Vurxlnraer. 
31 KniptÄugiimintr. 

SS l..'l.., 

411 Mulle. 

41 Ittuntenhall«. 

47 Wolnuauate. 

43 ScfalafilnotBer. 
41 Kablnit. 

44 Arjrlehterlmsif r. 
4b Korridor. 

47 — il Wehnuig i'.r* llureau- 
Pir-ktor». 
47 Trerilie. 
4s Salus. 

4'J Wi-hn- uad ScIiUfiiaurjer. 
so Küchr. 



"1 



31 Speisekammer. 
Vi aladcncnkainrn'-e. 

.'3 Telecrranble, 

51 Trupii« in» Mollole. 

r.5 <to. . i ■ in .,„-..,, , 

Sil dn. ih den Lnarn f. d. l'abllkcira. 

'." Baikon«. 

.'•ii Korridore. 

Erda; eichoia. 
Unter 7, 17. aoarle unter 9 (im S*i:ni£i|. 
Rel) aad »S: Vortlbute. 
, 4 and 3: l'nrebfahrleu mit tl-'ia 

Aufgang* tut Molloate. 
, II». 7i, SV l'uft und T»l»g».i|.1iie. 

31: Archiv. 
. S-H, M. 30: Ablliellons». ur.il 

KntnrniMalons - Zimmer. 
. 37, SS, 43 Wohnaug des K»teUa»a 

und Prcradentlinmer da« l'i:..iit, 
. 4» -4*: Uurrau- Lokalität. .. 



zn gelangen, je wichtiger die Bolle ist, welche dieses Moment 
der Lösung für die faktische Entscheidung der Konkurrenz 
spielen dürfte, Da« grosse Publikum bezieht seine Ansicht 
über den Werth architektonischer Entwürfe stets ganz aus- 
schliesslich anf die äussere Erscheinung des Gebäudes, auch 
wenn die Gmiidrissgesfaltung desselben bei Weitem nicht 
so komplizirt, so schwer verständlich ist, wie in dem vor- 



— 179 — 



liegenden Falle, und wir sind weit davon entfernt, dieser 
naiven .Volkes Stimme", worunter wir jedoch keineswegs 
die zum grossen Thcile gewagten Urtheilo seichter Feuil- 
letonisten mit einbegreifen, ihre Berechtigung abzuspre- 
chen. Wo es sich um die Wahl zwischen Werken handelt, 
deren Vorzüge und Mängel in den Augen der Fachmänner 
einander fast gleichstehen, da mag unliedenklich demjenigen 
der Treis Regelten werden, dem es gelungen ist das vorur- 



stücke soweit blanden lassen könnten, um darüber eine graile- 
zu stümperhafte, praktisch uumüglicbe Grund-Anlage zu über- 
sehen, können wir vorläufig uuu und nimmermehr glauben. 

Ueber einige der allgemeinen Momente, welche den ar- 
chitektonischen Aufbau des R?ichstagshau*es in den verschie- 
denen Entwürfen der Konkurrenz beeinflusst haben, mussten 
wir uns schon bei Besprechung der Grundrissentwickelnng 
äussern und wollen wir dieselben daher nur beiläufig wieder 



Parlaments- pEBÄUDE für den pE u tsc h e n Reichstag. 
Entwurf von (Jropius nnd Schmieden in Berlin. 

Orundrm 4*1 Erda; richotaea. 

SoanmerelTMee. 




K*nl««r.lat». 



50 



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HO Mrtrr. 



VerthaiUa 

t Getchlifi»- und Suraelialmmer ä" 

Priaidenlen. 
7 Schriftführer. 
H Millu ililUKAtile. 
9 Frakllofiataal. 

10 f- i.r.- In immer der fanhi:«! Xil- 
gliedar. 

11 Leeevaal. 

12 ReetaaratinaerftmD*. 

13 Zimmer für menuitiaiiNra um! Kor- 
rektoren. 

14 Kloaete. 
Ii tiartea. 



Ird|«toh«ll. 

1 — l!> Itänme für 41« XiiglUio 
daa Itei rk. I a( - • . 
1 II» >i i K»n-»n<. 

i N«l ril Km««o« , (tlelellKiUg KlIKariS 

in den Wohauapti Im «hUm Htnek< 
wrk and über doli Huf tu dru 
!.ocmi für Jo«rMli*(rn und l'u« 

.1 V.MUll. 

4 (lardetvben. 

Sil •■>■>(*••*■. 

t beilslose Volksgemüth am Meisten zu packen; ist es Joch 
Zweck des architektonischen Schaffens, für das Volk zu 
bauen, und das letzte und höchste Ziel aller auf Förderung 
unserer Kunst gerichteten Bestrebungen, dass die leider ver- 
loren gegangenen Zeiten wiederkehren möchten, in denen 
das Volk seine Bau kiin stier und diese ihr Volk verstanden. 
Allerdings aber darf ein solcher Erfolg der äusseren Er- 
scheinung nicht etwa allein bestimmen und Aufgabe der Sach- 
verständigen, deren Urthcil man anruft, ist es, in erster Linie 
dufür einzustehen, dass nur bauliche Organismen, nicht aber 
hohle Dekorationen in Frage kommen können. Eine Gefahr, 
die nach der Ansicht Vieler bei der Zusammensetzung der 
für die Entscheidung dieser Konkurrenz berufenen Jury, in 
der daa Laienelement so entschieden überwiegt, nicht ganz 
ausgeschlossen ist, uns jedoch kaum bedenklich erscheint. 
Denn in der That ragen die bis zu einem gewissen Grade 
harmonischer und grossartiger Fa<,-adengestaltung entwickel- 
ten Projekte auch in der praktischen Lösung der Aufgabe 
am Meisten hervor, und dass in den parlamentarischen Bc- 
dürfnissen erfahrene Männer sich durch äasserliche Effekt- 



f dir ftiiuma. 

H-Iu Blume für 41« Mitglieder 
dee Buadaarataea. 
IC Kuxen*, I»>irh!*lll3 F.iliftaiiit für den 
kaiaerllrhea Hof u. d. Diplomaten. 
17 GearbMU- und Sprecbiiramer da* 

Biindeekanalere. 
Ii* Präsident de* Kekh,km Irramten. 
19 Sittnncraaal des Bstidcirarn«*. 
SU Getchaitaummer d« Bunde^ratbet 

VI Poet, Telegraph!« «ad Bureau Lukeli- 
latoa dee Kelchiugee. 

U Pnjrer«. 
•Ii staillmf. 



Erat«! Iteakwerk. 

Ueber 1 und t: Ureeuer Fe. t. Lei neUt 
Vorawl. 

, C-IO, I? (Im Sritpnilüu«!). H, 17. 
I«, Iii Abtkrllungaatla und 
Kutnmleeionexlaeaeer. 

. 10 (am Küaii:.|i1au|: l.eenimme-. 

, II and 11 laSaeul,): Bibliothek. 

. ISi Nt-ui de» BundeereUl'e. 

, 10: Wtihanna; d Hm au IHrticetit- ii. 

a 1*1 1 WohnanK dea Prlrldeatea. 

. 1t (im mittleren Tliell); llofeaji.u.. 



hineinziehen. , Neben denselben ist vor allen anderen Punkten 
maassgebend, in welcher Weise die Konkurrenten den gros- 
sen Sitzungssaal entwickelt haben. Nach unserer Auffassung 
der Aufgabe dürfen wir nicht verhehlen, dass wir nur die- 
jenigen Entwürfe als künstlerische Lösunueu im höheren 
Sinne anzuerkennen vermöuen, in denen die Bedeutung des 
Sitzungssaales in der architektonischen Ausbildung zur an- 
gemessenen Geltung gelangt ist. Wenn die Wahrheit des 
Wesens es ist, die wir zunächst von einem monumentalen 
Kunstwerke dieses Hanges verlangen müssen, »o darf der 
Hauptraum des Hauses in seiner inneren Wirkung ebenso- 
wenig jemals von einem der ihm untergeordneten Neben- 
räum ■ beeinträchtigt werden, wie eine für das Parlaments- 
hans charakteristische äussere KrschriiHiug jemals zu errei- 
chen ist, wenn der Sitzungssaal in derselben fehlt. Wir 
bedauern es aufrichtig, uns hiermit priuzipiell gvgen eine 
ganze Reihe hervorragender und bedeutender Arbeiten aus- 
sprechen zu müssen, aber der Maasstab, den wir au das 
nana des rtoatschen Reichstages anlegen zu müssen glauben, 
schliesst ieden anderen Standpunkt aus. 



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— 181 — 



Was in weitaus^ den ^««.u ^»uw™^ ^ 

gewesen ist, war der Konflikt, in welchen für die 
desselben die Rücksichten der Monumentalität 
mit denen der Zweckmässigkeit treten; anf keiner anderen 
Seite der Aufgabe stehen sich dieselben so scharf und 
schneidig gegenüber. Sehen wir von denjenigen Lesungen 
ab, welche den Saal dadurch zur Geltung zu bringen ver- 
suchten, dass sie ihn an eine der Fronten verlegten — nirht 
eine einzige derselben ist geglückt nnd schwerlich dürfte 
dies überhaupt möglich sein — so war eine architektonisch 
bedeutende Wirkung des Saales im Aeusseren nicht anders 
zu erzielen, als durch eine bedeutende Höhenentwickelung 
desselben- Ihm eiae solche zu geben, zumal wenn sie die 
Ueberzeugung hatten, dass er unter allen Umständen im 
Erdgeschoss liegen müsse, hielten sehr viele der Konkurren- 
ten ans praktischen Rücksichten für unzulässig und jeden- 
falls stehen die Entwürfe derjenigen, die aus solcher Erwä- 
gung zu einem ehrlichen Verzicht anf dies Fncadenmoment 
sich entschlossen, ungleich höher an absolutem Werth als die 
Jener, die trotz derselben ein Heraustreten des Sitzungs- 
saales aus der Baumasse zu erreichen versuchten, indem sie 
auf ihn einen ganz bedeutungslosen, häufig sogar die Beleuch- 
tung erheblich beeinträchtigenden, aber desto anspruchsvol- 
leren Anfbau stülpten. 

Es sind vor allen Dingen Rücksichten anf eine mög- 
lichst vorteilhafte Akustik des Saales gewesen, die hier in 
Frage gekommeu sind. Mehre Konkurrenten sprechen es 
in ihren Erläuterungsberichten als eine völlig feststehende 
nnd erwiesene Thatsache aus, dass nur Räume, die ein ge- 
wisses HCbenmaass (von höchstens t .'>'") nicht überschreiten, 
womöglich auch nur solche mit flacher gerader Decke eine 
befriedigende Akustik erwarten lassen. Demgegenüber hat 
ein anderer Konkurrent, der durch langjährige Spezialstudien 
auf diesem, leider so wenig durchforschten Gebiete sich wohl 
das Recht eines selbstständigen Urtheils erworben hat, zur 
Motivirung des von ihm gewählten Aufbau* geltend gemacht, 
dass abgesehen von vortheilhaften Flächenhildungen ein mög- 
lichst hoher Raum die beste Garantie dafür gewährt, um 
Störungen durch reflektirte Schallwellen — die bis jetzt 
einzig erkannte Ursache mangelhafter Akustik — zu be- 
seitigen. Wir messen uns in einer Frage, die allein wissen- 
schaftliche Forschung, nicht aber subjektives Ermessen ent- 
scheiden kann, kein Urtheil zu, glauben aber allerdings, dass 
blosse Erfahrnngsresultate, die einer wissenschaftlichen Kritik 
nicht unterworfen worden sind, in dieser Beziehung niemals 
Autorität beanspruchen dürfen, da hier wohl nichts näher liegt 
als die Gefahr, sich über die Ursachen einer ziemlich rät- 
selhaften Erscheinung zu täuschen. Für die zweitgenannte 
Anschauung spricht jedenfalls die Thatsache, dass es bei 
vollkommener Windstille und bei Fernhaltung jedes Geräu- 
sches unter freiem Himmel durchaus nicht schwer ist. sich 
ohne Anstrengung auf weite Entfernungen bin vernehmlich 
zu machen. Wenn wir daher durchaus nicht als erwiesen 
anzuerkennen vermögen, dass Gründe der Akustik eine so 
mässige Höhe des Saales, wie einige Konkurrenten ange- 
nommen haben, zur conditio sine qua non machen, so möch- 
ten wir für eine gewisse Beschränkung der letzteren eine 
andere praktische Rücksicht, die der Heizbarkeit des 
Saales, allerdings für maassgebender halten; wir bezweifeln, 
dass es möglich Ist, in einem Räume, von dem die ganze 
obere Hälfte oder gar noch ein grösserer Theil der direkten 
Abkühlung durch die äussere Luft ausgesetzt ist, eine be- 
lagliche Temperatur herzustellen und. Zngstörungen zu ver- 
in der unteren Region durch eine 
i Fussbodens auch annähernd 
so grosse Tempe- 
unteren Luftschichten vor- 
., dass fortwährend intensive Luftströmungen 
stattfinden müssen. 

Das Maass für eine Höhenentwickelung des Sitzungs- 
lässt sich jedenfalls auch ans ästhetischen Erwägungen 
a. Bei einer Uebertreibung derselben wird der Charak- 
ter des Sitzungssaales als Geschäftsraum, wenn auch 
dieser Raum für die wichtigsten und entscheidensten Ge- 
schäfte der Nation den höchsten Rang behaupten mag, sich 
nimmermehr erhalten lassen. Es scheint uns die zulässige 
Grenze hier schon einfach in dem Worte „Saal" angedeu- 
tet zu sein und möchten wir diese Bezeichnung für ausge- 
schlossen halten, wenn die Höhe des Raums über die kleinste 
Brettenaxe desselben hinausgeht. Ebenso wird für das Aeus- 
sere ein charakteristischer Ausdruck wohl niemals gewonnen 
werden können, wenn hier der Aufbau des Saales in so aus- 
schliesslicher Weise dominirt, dass kein einziges anderes Mo- 
tiv, zu denen die Viclgestaltigkeit des Grundrisses doch ent- | 



deizung des ganzen i usst 
sein, so wird doch stets 
js der oberen und untei 



schieden herausfordert, neben seiner erdrückenden Wncht 
zu einer selbstständigen Geltung gelangen kann. 

Die einzelnen Lösungen für die äussere Erscheinung 
dieses Aufbaues — eine Aufgabe, die bei maassvoller Hal- 
tung natürlich um ein Wesentliches leichter war, sobald der 
Saal mit seinen Nebenränmen in das obere Stockwerk ver- 
legt wurde — differiren auf das Mannigfaltigste nicht nur 
nach der Höhenentwickelung, sondern auch je nach der Form 
des Saales und der gewählten Beleuchtung. Es finden sich 
flache Aufsätze in der Grundform des Quadrats oder Recht- 
ecks, theils niedrige Umwandungen des inneren Oberlichts, 
theils soweit emporgeführt, dass der Aufbau mit einem 
festen Dach versehen und das Licht durch Seitenfenster 
eingeführt werden konnte — theils abgewaltnt (häufig mit 
gebogenen Dächern, so dass die Bildung des Kloslergewölbes 
entsteht) theils mit Satteldach und 2 Tempelgiebeln. Am 
Häufigsten sind Kuppelbildnngen versucht, eye in der That 
hier, wo es sich wirklich darum baudelt das Zentrum eines 
komplizirten Bauorganismus in angemessener Weise zu be- 
leuchten und zu charakterisiren, eine unverkennbare Berech- 
tigung haben. Dekorative Nachahmungen bekannter Kuppel- 
formen, namentlich der Paulskirche in London, des Pariser 
Pantheons und der Berliner Gensdarmenmarktsthürme, stehen 
neben höchst originellen, zum Theil sehr gelungenen Neubil- 
dungen; in mehren Entwürfen wird die Kuppel von Thür- 
men, die auf den Hauptwiderlagspfeilern stehen, flankirt. 
Selbstverständlich ist es fast ausschliesslich nicht die 
Deckenform des Saales, sondern die selbstständige einer 
Schutzkuppel, die zur Erscheinung tritt. In dem gewissen- 
haften Strelien, die letztere der Form des Inneren anzupas- 
sen, haben einzelne der Konkurrenten, die für den Saal die 
Form des verlängerten Halbkreises wählten, den Versuch 
gemacht, dieselbe auch im Aeusseren zu zeigen ; leider lässt 
sich nicht behaupten, dass hierbei befriedigende Bildungen 
erzielt worden sind, wie wohl ebenso für die Wirkung des 
Inneren nicht leicht eine unvorteilhaftere Form sich den- 
ken lässt. — Es soll übrigens nicht verschwiegen werden, 
dass ein nicht geringer Theil der über dem Sitzungssaal 
projektirten Knppelaufbauten sich anf den ersten Bliclc als 
Konstruktiv unmöglich erweist, so dass in dieser Beziehung 
sogar das Blendwerk von Formen vorliegt, die mit denen 
des Grundrisses überhaupt nicht- in Uebereinstimmung zu 
bringen sind. 

Neben einer angemessenen Hervorhebung des Sitzungs- 
saales scheint uns eine richtige Wahl der Stockwerkszahl 
und eine richtige Abwägung der einzelnen Geschosse unter 
einander dasjenige Moment zu sein, durch welches mehre Kon- 
kurrenten ihren Entwürfen eine entschiedene Ueberlegenheit 
gesichert haben. Wir haben bereits angedeutet, dass uns bei 
Anordnung eines Gebäudes von mehr als zwei Stockwerken 
über dem Kellergesrhoss eine dieses Monumentalbaues würdige 
Haltung zu erzielen unmöglich scheint. Wenn wir den 
Wohnhanscharakter als die Klippe bezeichneten, welche 
hierbei Gefahr droht, so ist dieser Ausdruck selbstverständ- 
lich nicht im engsten Wortsinne aufzufassen. Es ist der 
Eindruck eines Gebäudes, das eine grosse Anzahl zu glei- 
cher Benutzung liestimmter Räume enthält und daher im 
Aeusseren wesentlich durch vielfache Wiederholung eines 
und desselben Motivs seinen Charakter empfängt, welchen 
wir meinten ; neben dem gewöhnlichen Wohnhause zeigt 
ihn nicht minder das Schloss, ja auch das moderne Amts- 
haus mit seiner Fülle paralleler Schreibstulven wird sich 
ihm nicht ganz entziehen können, wenn auch die Steigerung 
der Maasse das öffentliche Gebäude kennzeichnet. Keine 
noch so reiche Grupnining, keine noch so verschwenderische 
Detailhildnng wird daran ändern können, ja selbst eine de- 
korative Scheinarchitektur vermag doch nur eine flüchtige 
Täuschung hervorzubringen. Es sind leider auch einige, 
sonst sehr tüchtig angelegte Projekte diesem Irrthume ver- 
fallen, der einerseits wohl durch eine gewisse Verschwen- 
dung in der Grundrissbildung, beziehungsweise den Wunsch 
an der Tiefe des Hanses zu sparen, andererseits aber auch 
wohl dnreh die Absicht hervorgerufen sein mag, die abso- 
lute Höhe der Gchäudemasse zu einer mögliehst ansehnlichen 
zu machen, ohne die Stockwerkshöhen in gewaltsamer Weise 
zu steigern — ein Moment das wir sogleich noch erörtern. 
Aber selbst bei der Annahme zweigeschossiger Gebäude ist 
es allen denjenigen Konkurrenten nicht gelungen, die äussere 
Erscheinung des Gebäudes zu einem Range, der den des 
monumentalen Dikasterialgebäudes übertrifft, zu erheben, die 
ihre Stockwerke zu gleich» erthig ausgebildet haben. Die 
praktische Benutzung des Gebäudes bedingt es mit solcher 
Entschiedenheit, die Mehrzahl seiner Haupträume (vielleicht 
nnr mit Ausnahme des Festsaales) in ein einziges Geschoss 
zu legen, dass dieses hierdurch ganz von selbst zum Haupt- 



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Beschösse wird und als solches auch zur äusseren Geltring 
kommen niuss. Hierbei liat sich der grosse Vorzug ergehen, 
den die Anlag« des Sitzungssaales im oberen Stockwerke, 
das eine derartige Ausbildung selbstverständlich viel leichter 
zulässt, für die Facadcnhilduug gewährt; nur einem einzigen 
der Konkurrenten, der den Saal ins Erdgeschoss vi-rlegte, 
ist es gelungen trotzdem zu einer in jenem Siune befriedi- 
genden IXisung der Facade zu gelangen. Freilich lässt sich 
nicht verkennen, dass im entgegengesetzten "Falle das Unter- 
geschoss auch leicht zu euer Unbedeutendheit herahgedrückt 
wird, die dem Werthe der Ränme, die es enthält und von 
denen selbstverständlich nicht wenige mit solchen des ersten 
Stocks gleich stehen, nicht mehr entspricht. 

Uelier die beiden Gesichtspunkte, die Hauptwirkung des 
Gebäudes entweder in seiner Einheit oder in seiner Groppi- 
rung zu suchen, haben wir uns schon bei Erörterung der 
Grundrissbildung ausgesprochen. Eine Uebertrcibung nach 
der ersten Richtung musste die Gefahr, welche die zu 
gleichwertige Stockwerksausbildung erzeugte, bis zur Ge- 
fahr monotoner Charakterlosigkeit steigern und sind ihr 
mehre Konkurrenten erlegen. Eine Uebertreibung nach der 
/.weiten Richtung bin hat bei sehr vielen Entwürfen zu 
Baugruppen geführt, welche zn unruhig und phantastisch 
wirken, der monumentalen Würde zu sehr cuthehren. Es 
ist im ersten Falle eine Vernachlässigung, im zweiten eine 
zu einseitige Betonung des malerischen Elementes, wie es 
vor Allem in der Silhouette des Gebäudes, demnächst aber I 
auch in der anziehenden Vertheilung von Licht uud Schat- 
ten sich geltend macht. Ueber die Mittel, mit denen eine 
Gruppirung — abgesehen von der schon besprochenen und 
der mit mehr oder weniger Glück versuchten Zerlegung des 
Gebäudes in mehre Baumassen — versucht ist, können wir 
hier selbstverständlich nicht im Einzelnen uns auslassen. 
Neben der Gliederung durch Risalite und Pavillons, deren 
Fronten zuweilen mit Glück die Gestaltung der in ihnen 
liegenden Innenräume zu charaktcrisiren versuchen und deren 
l>ücher sich nicht selten zu kleinen Kuppel- oder Thurm- 
bildungen gestalten — neben der Theilung langer Fronten 
durch kräftig entwickelte Pfeiler-Systeme oder die theilweise 
Auflösung derselben in offene Hallen, ist es vor Allern die 
Hinzufiigung selbstständiger, nicht gerade unmittelbar aus 
dem Zwecke des Gebäudes abzuleitenderMotive, durchweiche 
viele der Konkurrenten die Wirkung ihrer Gebäude zu stei- 
gern versuchten. Wir rechnen hierzu nicht den unentbehr- 
lichen Schmuck an selbstständigen Kunstwerken, mit denen 
häufig wohl zu sehr gegeizt, häufig aber auch bedeutungs- 
lose Verschwendung getrieben wordeu ist, auch nicht die Um- 
gebung des Gebäudes mit Terrassen-Anlagen etc., Monumenten ' 
oder Brunnen, sondern nur die Hinzufiigung von bedeuten- 
deren Bautheilen, wie von grossen Kuppeln oder Thürmen, 
von freien Säulen- oder Bogenhallen. Es wäre zu hart und 
würde in seiner Konsequenz die Architektur bis zur rohesten 
Nüchternheit herabsetzen, wollte man derartige Zuthaten, die 
im Grunde doch auch nur jenem Ucberschuss an Kraft ent- 
springen, die jede künstlerische Bildung zeigen muss, prin- 
zipiell ansschliessen- Im Wesentlichen ist es eine nicht allge- 
mein zu beantwortende, sondern nur in jedem einzelnen 
Falle zu losende Frage des künstlerischen Taktes und nicht 
selten abhängig von traditionellen Anschauungen und Ge- 
wohnheiten, iu wie weit dieselben erlaubt sind. Selbstver- 
ständlich ist es allerdings, dass der bauliche Organismus von 
ihnen niemals überwuchert oder beeinträchtigt werden darf, 
dass es der Fehler eines noch nicht aus dem Dilettantismus 
losgelösten Architekten ist, wenn derartiges Beiwerk zum 
Hauptmotive der Facadengestaltung gemacht wird, wie es 
leider in so vielen, dämm völlig verfehlten Entwürfen die- 
ser Konkurrenz der Fall ist. 

Legen wir uns die Frage vor, welche Motive neben 
einer angemessenen Ausbildung des Sitzungssaals im Aeusse- 
ren und der Ausprägung eines Hauptgeschosses, die wir be- 
reits aus der Aufgabe entwickelt haben, am Meisten geeignet 
sind, den Charakter eines Parlamentshauses zum Ausdruck 
zn bringen, so würden wir dieselbe in der Abstraktion zu 
beantworten uns nicht getrauen. Es ist leichter zu sagen, 
was hierfür nicht passt, weil es für andere Gebäudegattun- 
gon charakteristisch geworden ist, als was in Wirklichkeit 
n:isst. Als dasjenige Motiv, welches in den vorliegenden 
Entwürfen als der weitaus glücklichste Wurf erscheint, darf 
sicherlich eine besonders ausgezeichnete Betonung des Haupt- 
einganges gelten; für kein anderes Gebäude ist ein solcher 
so angebracht, wie für das, in welches täglich die Mitglieder 
der Repräsentativ-Körperschaft einer Nation einziehen. Das | 
Haus dos deutschen Reichstages zum Ausdrucke zu briu- 
gen, wird neben den Beziehungen, die sich von selbst aus ; 
Ort und Zeit der Erbauung ergeben, vor Allem Sache des I 



Schmuckes sein, mit dem die Schwesterkünste, Bildnerei und 
Malerei den architektonischen Organismus zieren sollen. Es 
liegen in einzelnen Entwürfen hierfür reizvolle und bedeu- 
tende Gedanken vor, während andere über die konventionelle 
Schablono nicht hinaus gekommen sind. Wir können leider 
nicht näher anf diesen Theil der Aufgabe eingehen. Eines 
nnr möchten wir hervorheben — unsere Verwunderung, dass 
nur zwei der Konkurrenten es versucht haben, auch im 
Aeusseren des Gebäudes malerischen Schmuck anzubringen, 
und dass ihre Bestrebungen so wenig verstanden werden. 
Für uns steht es seit dem Berliner Siegcscinzugc des vorigen 
Jahn« als eine unumstößliche Wahrheit da, dass es eine 
der seltensten Ausnahmen ist, wenn es dem glücklichen 
Wurfe eines Genies gelingt, sich dem Volksgemüthc durch 
ein Werk der Plastik verständlich zu machen, während 
Malerei, wenn möglich unterstützt durch die Inschrift — 
beide freilich von akademisch-klassischer Steifheit losgerun- 
gen — in ihrer farbigen Fröhlichkeit die Herzen im Sturme 
erobert und fesselt Will man das Haus des deutschen 
Reichstages zu einem populären National-Denkmale machen, 
will man seinem Verständnisse eine Brücke eröffnen für das 
ganze Volk, so kann es unserer Ansicht nach jedenfalls nicht 
besser geschehen, als wenn man die Malerei, welche hier 
die beste Helferin ist, nicht auf die schwer zugänglichen, im 
grösseren Theile des Jahres geschlossenen Räume des 
Inneren beschränkt, sondern ihr auch am Aeusseren eine ge- 
eignete Stelle anweist, wo sie ihr Schaffen frei entfalten 
kann. Geschieht es in richtiger Weise, so wird die monu- 
mentale Haltung des Gebäudes dadurch wahrlich nicht beein- 
trächtigt werden. 

Wir hak»! ferner noch des Maasstabes zu erwähnen, 
in welchem die Konkurrenten ihr Gebäude sich gedacht 
haben; er ist in doppelter Weise — einmal in sich, anderer- 
seits im Verhältnisse zn der Umgebung des Bauplatzes — 
zu berücksichtigen. Kaum ist . in irgend einer anderen Be- 
ziehung der Abstand zwischen den einzelnen Entwürfen ein 
so ausserordentlicher als grade in dieser, es macht sich je- 
doch gerade hier der werthvolle Vorzog der im Programm 
vorgeschriebenen Darstellung in gleicher Grösse geltend, 
durch welche es verhältnissmässig leicht wird, sich hierüber 
zu orientiren. Gewiss steht es ausser Frage, dass die mo- 
numentale Würde für das Haus des deutschen Reichstages 
einen Maasstab erheischt, der es über das Gewöhnliche er- 
hebt, indessen sind viele der Konkurrenten doch wohl zu 
weit gegangen und haben geirrt, wenn sie — um dem Ge- 
bäude eine möglichst grosse Masse zu geben — entweder eine 
vielgeschossigc Anlage wählten oder die absoluten Dimen- 
sionen in einer Weise steigerten, die theilweise zu wahrhaft 
ägyptischen Proportionen! geführt hat. Es ist in letzter 
Linie ja doch niemals die absolute Grösse allein, sondern 
noch mehr die Grossartigkeit der Motive, durch welche ein 
wahrhaft mächtiger Eindruck erzielt wird, und die Besorg- 
niss, dass das Reichstagshaus als solches nicht zur Geltung 
kommen könne, wenn seine Höhe die des üblichen fünfgeschos- 
sigen Mietbhauses nicht um ein Namhaftes überschreitet, 
scheint uns ebenso grundlos wie die Behauptung, da» die 
Verhältnisse des Königsplatzes nothwendig ein Gebäude 
von ausgesprochenem Vertikalismus und bedeutender Höhe 
bedingen. Die Grenzen vernünftiger Zweckmässigkeit brau- 
chen aus solchen Rücksichten gewiss nicht überschritten zu 
werden. Ebenso wenig ist es, wenn nur das Kleinliche aus- 
geschlossen wird, nothwendig, den Maasstab des Details in 
so ausserordentlicher Weise zu steigern, wie dies mehre der 
Konkurrenten gethan haben — nach unserer Ueberzengnng 
sehr znra Schaden ihres Werkes — das bei einer Gliederung 
in mehre feiner detnillirte Baumassen an Macht der Er- 
scheinung wesentlich gewonnen hätte. — Neben derartigen 
Uebertreibuugen wirkt es seltsam, dass das Bestreben nach 
einer möglichst reichen und malerischen Gruppirnng in an- 
deren Entwürfen zur Wahl eines Maasstabes geführt bat, 
der noch unter den des gewöhnlichen Wohnhauses hinab- 
geht. Es ist ein Umstand, der unsern Respekt vor der künst- 
lerischen Kapazität englischer Architekten, denen wir sonst 
gern die Differenz der grundsätzlichen Anschauungen an- 
rechnen, wesentlich vermindert hat, dass eine namhafte 
Zahl der von ihnen gelieferten Entwürfe in dieser Beziehung 
so kolossale Missgriffe zeigt; die von ihnen gezeichneten 
Baugruppen, die uns in ihrem phantastischen Aufbau höchst 
fremdartig, aber doch in gewissem Sinne talentvoll anmuthen, 
würden in wirklicher Ausführung theilweise als ein klein- 
licher Puppenkram erscheinen. — Dass viele der Entwürfe 
in sich selbst grobe Maasstabsdifferenzen zeigen, ist ein 
Mangel architektonischer Durchbildung, der prinzipiell jedoch 
nicht in Betracht kommt. 

Zum Schlüsse hätten wir endlich noch die Stil frage 

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zn erörtern. Dass wir anf dieselben einen maassgehenden 
Werth nicht legen können, geht wohl schon von selbst dar- 
aus hervor, dass diejenigen Momente, welche wir als die 
wichtigsten vorangestellt haben, unabhängig von der Stilauf- 
fassung sind. In der That ist es unsere Ueberzcugung, dass 
die Aufgabe des deutschen Reichstagshauses ebensowohl in 
den Formen der Renaissance gelöst werden kann, wie in 
solchen, welche die mittelalterliche Bauweise znm Ausgangs- 
punkte nehmen. Ein hellenischer Epistylienbau und alle 
jene sogenannten Stile, die allein auf einer spielend dekora- 
tiven Laune beruheu, sind freilich ausgeschlossen, ebenso 
mnssten alle jene Architekten an der Aufgabe scheitern, 
welchen die rücksichtslose Durchführung einer bestimmten 
historischen Stilauffassung die Hauptsache, eine Vereinigung 
derselben mit den Zwecken der Aufgabe aber die Nebensache 
war. Es ist indessen für unsere Anschauung über die Stil- 
frage eiue nicht kleine Genugthuung, dass es Verhältnis»- 
massig doch nur wenige, uud darunter durchaus nicht bedeu- 
tende Entwürfe sind, denen man diesen Vorwurf machen 
kauu, während die Mehrzahl der Konkurrenten — mochten 
dieselben von noch so entgegengesetzten Auffassungen aus- 
gehen — sich doch des Zieles bewusst geblieben ist, das? 
wir nicht um eines Stiles willen bauen, sondern mittels eines 
Stiles moderne Gebäude zu schaffen haben. — Einen Ein- 
fluss des Baunlatzes auf die Wahl des Stiles können wir 
gleichfalls nicht anerkennen. Wenn schon innerhalb einer 
Stadt die .Harmonie architektonischer Erscheinung viel we- 
niger durch die stilistische Uchereinstimmung der einzelnen, 
zu einem Gesammtbildc sich vereinigenden Gebäude bedingt 
wird, als durch ein gewisses Vcrhältniss in Maasstab und 



Gruppirung^, so nimmt ein Gebäude auf diesem isolirteu, vou 
mehren Seiten durch Bäume abgegrenzten Bauplatze eine so 
selbstständige Stellung ein, dass jene Rücksicht gar nicht in 
Frage kommen kann. Das einzige Bedenken, welches man 
erheben könnte, dürfte sich auf das inmitten des Königs- 
platzes errichtete Siegesdenkmal beziehen, indessen ist dieses 
in seiner Form so originell, dass es zwar durch die Wucht 
der Baumasaen des Reichstagshauses, nimmermehr aber durch 
eine Differenz mit dem Stile desselben beeinträchtigt werden 
kann. 

Weiteres versparen wir uns auf die Besprechung der 
einzelnen Entwürfe. Wir führen hier nur an, dass weitaus 
die meisten der Konkurrenten Renaissanceformen, allerdings 
in sehr verschiedener Auffassung — in der Läuterung hel- 
lenischer Detailbildung, wie in der üppigen Fracht römisch- 
italienischer Entwicklung — in der 1 ersion nordischer Bau- 
weise wie im späteren französischen Rokokko — gewählt 
haben. Eine verhältiiissmässig geringe Anzahl von Ent- 
würfen, im Ganzen 15, fusst auf mittelalterlicher Tradition 
— gleichfalls in verschiedenster Durchbildung. Der Rest 
setzt sich ans gänzlich stillosen Produktionen zusammen. 
Als Baumaterial ist fast ausschliesslich der Haustein, zum 
Theil in den kostbarsten Arten, gedacht und kann diese Wahl 
wohl nur gebilligt werden. Ein Entwurf zeigt eine ausser- 
ordentlich reich entwickelte Terrakotten -Architektur, zwei 
einen einfachen Backsteinbau, ein anderer eine Mischung vou 
Haustein und Ziegeln. Bei mehren andern bleibt es zweifel- 
haft, ob die Verfasser sich Schnittstein- oder Terrakotten- 
Architektur gedacht haben, doch scheinen die Bauformen 
für letztere z 



Nach einer Mittheilung der Zeitung des Vereins deutscher 
Eisenbahnverwaltungen (Na 37 d. J.) hat die grosse Berliner 
Pferde-Eisenbahn-Aktien-Gcsellschaft die Konzession zu folgen- 
den Linien erhalten, mit deren Bnu demnächst begonnen werden 
soll: 1) vom Rnscnthaler Thor nach dem Gesundbrunnen, 2) vom 
.Schönhauser Thor nach Pankow, 3) vom Landsberger Thor nach 
Lichtenberg und Friedrichsfelde. 4) von der Marianncnstrasse 
nach Treptow, 5) von der Kottbuser Brücke nach Rudorf, C) 
vom Ilallesehen Thor nach Tempelhof, 7) vom Potsdamer Thor 
nach Schöneberg. 8) vom Oranienburger Thor nach Moabit und 
Charlottenburg, 9) vom Oranienburger Thor nach dem Tegeler 
Schiessplatz, 10) Gürtelbahn um die ganze innere Stadt mit 
Ausnahme deB Stückes zwischen Potsdamer und Brandenburger 
Thor. 

Der Gedanke, die innere Stadt mit einer Gürtelbahn zu 
umgeben und von dieser andere Bahnlinien strahlenförmig nach 
den Vorstädten oder Vororten zu führen, ist ein so natürlicher, 
dass wir kaum anzunehmen brauchen, das beschriebene Projekt 
für Berlin sei nach einem bestimmten Vorbilde aufgestellt. 
Dennoch drängt sich der Gedanke an eine andere, bereits aus- 
geführte Anlage auf, die sehr ähnlich ist In Wien nämlich 
beschreibt ebenfalls die Pferdebahn, der Riugstrasse und dem 
Kranz- Josephs -Quai folgend, einen Kreis um die innere Stadt 
uud verzweigt sich von da aus einerseits nach dem Prater, an- 
dererseits nach Dornbach, Mietling, Döbling. 

Betrachtet man die Verhältnisse aber näher, so ist die 
Aebnlichkeit mit dem hiesigen Projekt nur eine äusserliche: 
der wesentliche Unterschied liegt in der Grösse der Flächen, 
welche von den Ringbahnen umschlossen werden. Die innere 
Stadt Wien deckt ungefähr den Theil von Berlin, welcher sich 
von den Linden bis zur Puttkammer- und Besselstrasse einer- 
seits und von der Königgrätzer Strasse bis zur Oberwall- und 
Lindenstrasse andererseits erstrockt In Wien kann also Jeder, 
der in der inneren Stadt Geschäfte hat, in wenigen Minuten zu 
Fuss die Ringbahn erreichen und, da die Wagen für jede der 
strahlenförmig sich abzweigenden Linien in kurzen Intervallen 
hier vorbeipaasiren , bequem und mit geringem Zeitverlust der 
Enge der Stadt entfliehen und einem der schönen Punkte, an 
denen die Umgegend Wiens so reich ist, zueilen. 

In Berlin wird man vom Mittelpunkt der Stadt aus — man 
denke sich etwa den Molkeumarkt oder die Rosstrasse — min- 
destens 30 bis 30 Minuten zu gehen haben, um an den nächst- 
liegenden Punkt der Ringbahn zu gelangen. Befindet man sieh 
aber etwa beispielsweise m der Nähe des nördlichen Theilcs dieser 
letzteren und wiH nach Tempelhof oder Schöucbcrg fahren, so 
erreicht man zwar bald den Wagen, hat dann aber in demselben 
einen so unverhältnissmässigen Umweg zu machen , dass der 
Vortheil der Nähe der Bann ganz öder theilweise illusorisch 
wird. Solitc sich die — freilich kaum begreifliche — Angabe 
bewahrheiten, dass in der Ringbahn zwischen Potsdamer uud 
Brandenburger Thor eine Lücke bleiben wird, so würde das 
Pferdebahnnetz vollends untauglich, den Verkehr zwischen dem 
Nordwesten uud dem Süden Berlins zu vermitteln. Aber selbst 
uach Schluss dieser Lücke kann das in Aussicht gestellte Netz 
nur als ein sehr unvollkommenes Mittel zur Verbesserung un- 
serer Verkehrs- und der damit eng zusammenhängenden Woh- 
nungs -Verhältnisse gelten: denn gerade im Gegensatz zu Wien 
ässt es den wichtigsten und schwierigsten Theil der Aufgabe, 



Verkehrs frage. 

' nämlich die Beförderung des Publikums aus der Mitte 
bis an deren Grenze, ungelöst. 

Nun ist freilich Wien in dieser Beziehung, wie in 



anderen, glücklicher als Berlin. 

Eiue so schön und günstig gelegene Ringritrasse haben wir 
hier einmal nicht, uud werden sie voraussichtlich auch niemals 
bekommen. 

Dennoch kann unserer Ansicht nach die hiesige Verkehrs- 
frage einer vollkommeneren Lögung J '>aJs das Eingangs l>eschric- 
bene Projekt sie bietet, entgegengefübrt werden, uud zwar ein- 
fach dadurch, dass man die radialen Pferdebahnlinien von aussen 
her nicht an der Ringbahn aufhören lässt, sondern sie möglichst 
weit nach dem Mittelpunkt der Stadt hinein fortführt. 

Hier wird man uns einwerfen, dass dies in vielen Fällen 
wegen der geringen Breite der in Frage kommenden Strassen 
ganz unmöglich sei, und dass es auch im Allgemeinen eine un- 
zulässige Beeinträchtigung, ja Gefahr für den gewöhnlichen 
Fuhrwerks -Verkehr herbeiführen müsse. 

Wir bestreiten Beides und glauben — um mit dem letzteren 
Einwurf anzufangen — nur darauf hinweisen zu sollen, dass 
wohl eine Uindcrung der Pferdebahnwagen durch das gewöhn- 
liche Fuhrwerk eintreten mag, da ersterc nicht ausweichen und 
einem langsam vor ihnen herfahrenden Gefährte nicht vorbei- 
fahren können, dass aber umgekehrt letzteres sich durch die 
Pferdebahnwagen durchaus nicht hindern zu lassen braucht, da 
ganz genau feststeht, welchen Weg diese nehmen müssen. 

Vtas die Breite der Strassen betrifft, so halten wir diese 
schon jetzt für genügend, um eine Menge von Pferdebahnen 
durch die Stadt zu führen. In noch höherem Grade würde 
dies der Fall sein, wenn es durch eine rationelle Kanalisation 
gelingen sollte, die offenen Rinnsteine, diesen Krebsschaden 
unseres Strassenverkehrs zu beseitigen. Die meisten unserer 
Strassendämmo haben eine Breite von 1 1 ■ oder mehr. II» 
sind aber, unserer Ansicht nach, ausreichend, um unbeschadet 
des Strassenverkehrs eine eingeleisige Pferdebahn mit Auswei- 
chungen aufzunehmen. 

Nach Beseitigung der offenen Rinnsteine würde sogar eine 
zweigeleisigc Bahn an die Stolle tretcu können. Eine eingelei- 
sige Bahn ohne Ausweichungen würde schon auf 8" breitem 
Strassendamm herzustellen sein. Sie würde aber in vielen 
Fällen mit Vortheil Auwendung finden, wo die Umstände ge- 
statten, das zweite zu der Linie gehörige Geleise in der neben- 
liegenden Parallelstrasse zu führen. 

Eine Bestätigung finden die vorstehenden Behauptungen 
durch die Ausführungen in den Städten Nordamerikas, welche 
in dem Reisebericht von A. Bendel im Jahrgang 1SÖ0 der Zeit- 
schrift für Bauwesen ausführlich beschrieben sind. 

Ein Nachtheil für das Publikum kann also aus der Einfüh 
rung von Pferdebahnen in das Innere Berlins in keiner Welse 
entstehen. Dio Vortheile, die daraus erwachsen müssen, sind 
unberechenbar. Zu wünschen ist nur. dass man sich möglichst 
bald cntschlicssen möge, sie herbeizuführen. Denn ein andcrcH 
Mittel zur definitiven Beseitigung der mit dem rapiden Wacbs- 
" • Bewohner verbundenen Kalamitäten 



thum grosser Städte für die 
dürfte es nicht geben, als 
öffentlichen Verkehrsmittel 



Hebung und Verbesserung der 
chen (Ter Stadt und den Vor- 
X. 



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- 184 — 



Mittheilungen 

Oesterreiohiaohor Ingenieur- und Architekten -Verein 
zn Wien. 

Mouatsversaniinl ung am 13. Januar 1872; Vorsitzender 
lir. Oberbrth. Fr. Schmidt, anwesend 2ü4 Miiglieder. 

Die Verlesung: des Geschäftsberichts ergiebt. dass 35 Mit- 
glieder in den \erein neu aufgenommen, 4 Mitglieder ausge- 
treten sind. Mehre Aufforderungen zur Abgabe von Gutachten 
Bind au den Verein gelangt. Die zur Prüfung der Vereinsrech- 
uuug pro 1870, zur Aufstellung eines neuen Bibliothek -Kata- 
loges und zur Revision der Geschäftsordnung eingesetzten Ko- 
nnte» haben ihre Arbeit beendet; ein anderes ist zur Revision 
der Schiedsgerichts -Ordnung eingesetzt worden. In Folge des 
in letzter Versammlung eingebrachten Antrages wird zur Prü- 
fung des Ringofen - Privilegiums ein Komitü von 9 Vercina-Mit- 
gliedero durch Stimmzettel gewühlt. 

Wochen versamm lung am 20. Januar 1872; Vorsitzender 
Ur. Ingenieur A. Folsch, anwesend 257 Mitglieder. 

Nach dem Geschäftsbericht sind wiederum 12 Mitglieder 
neu aufgenommen, IG hingegen statutenmäßig als ausgetreten 
erklärt worden. Der vorgelegte Eutwurf einer neuen Geschäfts- 
ordnung wird en bloc einstimmig genehmigt. 

Ur. Ingenieure. Kohn spricht über das Problem der Lenk- 
barkeit von Luftschiffen, da« in neuester Zeit wieder an Inte- 
resse gewonnen hat, nachdem seit Einführung der bald nach 
Erfindung der Montgollieren benutzten Gasfülfuug ein wesent- 
licher Fortschritt der Luftschiffahrt, trotz der G4 Werke in 
240 Bänden, welche über dieselbe geschrieben sind, nicht ge- 
macht worden ist. Interessant sina die Resultate, die ein ge- 
nialer Wiener Uhrmacher Jacob Degen zu Anfang dieses Jahrhun- 
derts erreicht bat. Er fertigte zunächst einen zur Unterstützung 
eines ( barlier- Ballons bestimmten Flug-Apparat mit zwei Flü- 
geln von Schilfrohr und Seide, mittels dessen es ihm gelang, 
auch ohne Ballon bis zu einer gewissen Höhe aufzusteigen und 
rieh laugsam herabzulassen. Eine Probe mit Ballon gelang 
gleichfalls sehr gut, eine spätere in Paria wurde durch den 
Neid der Franzosen in schmählicher Weise vereitelt Eine im 
Jahre 1817 von Degen konstruirte neue Flugmaschine, bestehend 
aus einer leichten Gondel mit horizontaler zweiflügeliger Luft- 
schraube, hob sich, durch ein Uhrwerk in Bewegung Besetzt, ohne 
Ballon bis zu T.V" Höhe und gelangte mittels eines Fallschirmes 
unversehrt zur Erde; das interessante Modell ist später in der 
Sammlung des polytechnischen Institutes verloren gegangen. 
Von Seiten hervorragender Autoritäten ist die Möglichkeit einer 
Lenkbarkeit von Gasballons, möge die Form derselben sein wie 
sie wolle, prinzipiell bestritten worden, weil eine selbstständige 
Bewegung der Gondel, durch welche der Ballon ins Schlepptau 
genommen würde, denselben nothweudig zerreisseu niüsste; der 
Vortragende bezweifelt jedoch die apodiktische Richtigkeit dieser 
Behauptung und vindizirt der neuerding» wiederum versuchten 
Einführung der Luftschraube eine entschiedene Zukunft. Die 
Erfolge eines jüngst erprobten kleinen Luftschiffes mit Propeller, 
das au einem langgestrekten zylindrischen, vorn zugespitzten, 
hinten abgerundeten Ballon hängt und als Motor einer Lenoir > - 
sich bedient. 



zu Berlin. Aus Mangel an Raum, der 
durch den Artikel über die Kcichstagshaus - Konkurrenzen in 
ausserordentlicher Weise beansprucht wurde, sind wir geuöthigt, 
unseren Bericht über die am 25. Mai stattgefundene zweite dies- 
malige Sommer-Exkursion de.» Vereines bis zur nächsten Kum- 
mer zu vertagen uud wollen an dieser Stelle nur in aller Kürze 
des Besuches gedenken, mit welchem der Hamburger Architek- 
ten- und Ingenieur -Verein die Fachgenossen unserer Stadt er- 
freute. 

Unsere Hoffnung, dass es die Architekten und Ingenieure 
Hamburgs nicht allein sein mochten, welche sich durch die Aus- 
stellung der Reichstagshaus -Konkurrenzen zu einer Exkursion 
nach Berlin anregen liessen, hat sich in glänzender Weise er- 
füllt Neben DO Mitgliedern des Hamburger Vereins begrüssten 
wir 20 Facbgenosseu aus Hannover, 6 aus Schwerin, 7 aus 
Lübeck, etwa 10 aus Sachsen; auswärtige Mitglieder des Ber- 
liner Architekten -Vereins waren bis vom Rheine und aus Thü- 
ringen her herbeigeeilt. Die Zahl unserer Gäste, die allerdings 
während der Tage des Besuchs nicht ganz konstant blieb, belief 
«ich hiernach im Ganzen auf mehr als 100. Freilich musste 
der Umstand, dass dieser erfreuliche Zuwachs zu mehr als einem 
Drittheil erst am letzten Tage angemeldet worden war, ja zum 
Theil noch später sich einfand, während die Vorbereitungen nur 
auf die Zahl der früher Angemeldeten sich hatten erstrecken 
können, mehre Uuzuträglichkeitcu erzeugen, die unsere Gäste 
uns in wohlwollender Würdigung dieses Sachverhaltes hoffent- 
lich nicht als Mangel an Aufmerksamkeit anrechnen werden. 

Der erst« Abend, am Sonnabend, den 25. Mai war einem 
zwanglosen Zusammensein im Leipziger Garten, dem Lokale, in 
dem die vorhergehende Vereins -Exkursion ihren Abschluss ge- 
funden hatte, bestimmt; leider wurde dasselbe durch die Ungunst 
des Wetters, da» einen Aufenthalt im Freien nicht gestattete, 
sowie durch dun Umstand, das» der llauptthcil unserer Gäste 
allzuspfit aus Hamburg eintraf, etwas beeinträchtigt. 

Sonntag den 26. Mai begann die Exkursion, wie auch am 
nächsten Tage, mit der Besichtigung der Reichstagshaus-Ent- 
würfe, die sich von 8 bis 10 Uhr eistreckte. Ein Gang unter 
den Linden und durch d as Brandenburger Thür führte die Ge- 



auß Vereinen. 

Seilschaft alsdann nach dem Königsplatze, wo die künftige Bau- 
stelle des Parlaments und die Ausführung des Siegesdenkmals 
besichtigt wurden. Nach einem Besuche de» Lehrter Bahnhofs- 
Enipfaugsgebäudes , der neben einer Würdigung des Bauwerks 
auch der physischen Stärkung galt, ging es nach der jüngsten 
und opulentesten unserer grossen Bahnhofa-Anlagcn, dem der 
Potsdamer Bahn, von dort in direktem Anschlüsse um 2 Uhr 
Nachmittags nach Potsdam, der in Berlin einzig möglichen Zu- 
flucht einer grosseren Gesellschaft an dem Nachmittage eines 
Sommer - Sonntags. Von der Wildpark - Stution au» wurde ein 
Spaziergang durch den Sanssouci - Park und die Stadt ge- 
macht, von wo ein Daropfer die Exkursionsgenossen stromauf- 
wärts in die lieblichste Gegend der Havclsecu, die der Pfaucnin- 
sel führte. Bei Nikolskoe! wurde gelandet, um den Park von 



Glienecke mit seinen Anlagen zu besichtigen. Ein gemeinsames 
Abendessen in Klein-Glienecke beschlosa den Ausflug, von dem 
Dampfer und Eisenbahn noch zu guter Zeit nach Berlin zurück- 
führten. — 

War dieser Tag der allgemeinen Geselligkeit und den Ver- 
gnügungen gewidmet, so sollte Montag, der 27. Mai nach dem 
Besuche der Ausstellung dem Spezialstudium in getrennten 
Fach - Exkursionen bestimmt sein. Bei der Wahl, sich für eine 
derselben zu entscheiden, bekannte die ungeheure Mehrzahl sich 
zur architektonischen Fahne. Nur ein kleines Häuflein von In- 
genieuren, kaumein einziger Wagen, fand sich zusammen, um 
die grossartige Telegraphenbau- Anstalt von Siemens & Ualske, 
das neue Retortenhaus der euglischeu Gas -Anstalt in der Git- 
schiner Strasse, die Bahnhöfe der Berlin -Görlitzer, Niederscble- 
siscb-Märkisehen und Ostbabn, den Viehhof und die interessan- 
testen Strecken der Verbindungsbahn zu besichtigen; andere 
Theile des Programms blieben unerledigt In sechs grossen 
Kremsern vertheilt, besuchte dagegen die Architektenschaft da» 
provisorische Reichstagsgebäude, sowie zum Vergleiche einer 
älteren Auffassung parlamentarischer Anlagen daa Preussiscbe 
Abgeordnetenhaus, das Meudelsohn'sche Wohnhaus in der Jäger- 
strasse, die Gratwcil'schen Bierhallen, die Zentralstrasse, das 
Raveue'sche Wohnhaus in der Wallstrasse, die Thomaskirche, 
die Vorstadthäuser von Meyerbeer in der Bellevue-, L. Gerson 
in der Viktoria-Strasse, die'Villen-Anlage auf dem Kielgan'schen 
Terrain und die Villa Geber — eine Auswahl von Bauten, bei 
der mit Absicht hauptsächlich neuere Wobnungs- Einrichtungen 
berücksichtigt, öffentliche Bauwerke, die jedem Touristen zu- 
gänglich sind, hingegen fortgelassen waren. 

In den Abendstunden vereinigten die getrennten Fächer sich 
wieder zu fröhlicher Geselligkeit in der Restauration des Zoolo 
gischen Gartens, dessen neue Anlagen vorher besichtigt wurden. 
Eine namhafte Zahl von Mitgliedern des Berliner Vereins, von 
denen nur wenige als Führer an den Exkursionen sich betbei- 
ligt hatten, und unter ihnen in erfreulicher Weise die Spitzen 
des Faches, schlosa sich hier der gemeinsamen Festtafel an, 
in welcher die Exkursion zum Abschluss kam. Es fehlten nicht 
Rede und Gegenrede, in denen die erhöhte Stimmung ihren 
Ausdruck fand und das neue Band, welches in diesen Tagen 
wiederum zwischen so vielen Farhgenossen verschiedener deut- 
scher Gauen sich enger befestigt hatte, gerühmt wurde. 

Dass ein solches Band, dass eine Fachgenossenschaft deut- 
scher Architekten und Ingenieure besteht, die als eine einheit- 
liche Körnerschaft sich fühlt — das hat diese Vereinigung um 
so mehr bestätigt, je zwangloser sio sich zusammengefunden 
hatte. Möge diese Errungenschaft unserer Zeit, auf die wir 
stolz zu sein wahrhafte Ursache haben, durch sie noch mehr 
gefördert worden sein! — F. — 

Personal • Nachrichten. 

PreuBsen. 

Ernannt; Der Baumeister Friese zu Poln. Wartenberg 
zum Kreisbaumcister in Gr. Strehlitx (Reg -Bez. Oppeln.) 

Die Bauführer-Prüfung haben am 21., 22. und 23. Mai er. 
bestanden; August Heinrich Herrmann aus Altdorf, Kreis 
Plcss; Gustav Heuner aus Elberfeld, Arthur von Knobloch 
aus Drengfurth in Ostpr. 

Die Baumeist er- Prüfung haben abgelegt am 22. und 
25. Mai er.: Bauführer Egon Altstaedt aus Herdringen, Kreis 
U Carl Alken aus Bergheim, Reg.-Bez. Cöln. 



Brief- und Fragekasten. 

Hrn. N. in n. Die uns von mehren Seiten zugegangene 
Klage, dass die Gehalts-Verbesserung der Preussischen Bau- 
beamten noch nicht näher bestimmt sei, während alle anderen 
Klassen von Staatsbeamten sich bereits im Besitz der ihnen 
bewilligten Gehalts-Zulagen befinden, ist in den letzten Tageu 
gegenständes geworden; wir würden soust gern Ihren Artikel 
benutzt haben. 

Hrn. B. iu Cöln. Die Ausstellung der Konkurrenz-Ent- 



würfe zum Keichstagshause wird mit Mittwoch, den 29. Mai, de- 
finitiv geschlossen. Soviel uns bekannt geworden ist, tritt die 
Jury bereits Freitag 
Beiträge mit 
lierg, F. in Hameln. 



Jury bereits Freitag, den 31. Mai zusammen. 

Beiträge mit Dank erhalten von den Hrn. H. in 



Kernt 



| .«n C»rl Bf.lll. m 1 



'«« Utkr«dtr Fl.k.rt i. 



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Jahrg. VI. 



Xi 23. 



DEUTSCHE BAUZEITUNG 



Saaaktiaa «. Ex;...l U«! 

OttlltoMtTUM 101. 




Imnat. 

faj ci. Lewr «fr d.ol« 1 ea 



Organ des Verbandes 

deutscher Architekten - und Ingenieur- Vereine. 

Redakteur K. E. 0. FriUch. 



IN H'. P« 



Preis 1 Thaler pro tiartal. 




Berlin, den 


6. Juni 1872. Erscheint Jeaea Daaaerstag. 


Inhalt: DI. • "«a« Iii Ealnrfa 

of AicoiiMU. - 0™rr.lthi.rh.i ln«.n!«r- 
b.yci,cb«f ArthH.kt.a- und Ii,^nl«r-V.r.ln 


■n.l An 

n MIM 


u» dn iHJNhM B.lrk.- 

UwkM V.r.lB - Ob.r- 
i.H. - Ar.h WHfTnk 


■■ Barlia. - Vcrnf .ehlai: Dl. Rnrajataah.n ElMBbilui»», - Promtn» für 
d.B Bau uci»r Schulkaa.tr in Wl»n. - Gm. .Inn Oloea. für a.a Dam .u KJIn. 

Ar.BlwktMi.VM.lii iu B.tlln. - F.M« aai - Kaa krlcht.n ate. 



Die K«nk«rrrBi für Entwürfe nun Hanse des Dentaehen Reichstages. 



III. 

Während wir in unserer vorangegangenen Studie be- 
müht waren, der erdrückenden Fülle des von dieser Konkur- 
renz gelieferten Stoffes zunächst dadurch Herr zu werden, 
dass wir über die verwirrende Mannigfaltigkeit der einzelnen 
Formen hinaus Iiis zu einzelnen maassgebenden Ideen zu 
gelangen versuchten, ist diu äusserliche Entwickelnng der 
Angelegenheit mittlerweile nicht unerheblich vorgeschritten. 
Bereits ist die Öffentliche Ausstellung der Entwürfe geschlos- 
sen und die Arbeit der Jury, welche dieselben J»eurtbeilen 
und über die zuzuerkennenden Preise entscheiden* soll, hat 
begonnen; nicht unmöglich erscheint es, das» ihr Spruch 
schon gefallt ist, bevor wir unseren nächsten Artikel (»ringen 
kennen. Noch schneller ist die Feuilleton - Kritik der politi- 
schen Presse mit ihrer Aufgabe fertig geworden, die sie 
zum grossen Theil freilich leicht genug genommen hat. — 
Ein willkürliches Herausgreifen von Details, bei dem einige 
Entwürfe unter bengalisches Feuer gesetzt, andere mit der 
Theaterkeule zu Boden geschmettert und unter die Füsse 
treten, die übrigen verschwiegen werden: es Ist «He ah» 1 , 
qneme, so oft schon geübte Praxis! 

Wenn unsere Zeitung dem gegenüber mit einer Bespre- 
chung der einzelnen Entwürfe erst jetzt beginnt, so sind wir 
uns, ohne dass es direkter Aeusserungen des l'nmuths bedurft 
hätte, sehr wohl bewosat, das« dies dem Wunsche der meis- 
ten Konkurrenten durchaus nicht entsprochen hat. Aber 
ihr Interesse an der Angelegenheit ist eben ein vorwiegend 
persönliches, während es unser Bestreben war, einzig und 
allein der Sache zn dienen. So oberflächlich unsere Arbeit 
auch sein musste und so wenig sie nns selbst genügt, so 
hoffen wir doch immerhin in dieser Beziehung Einiges ge- 
nützt zu haben. Denn die Bedeutung dieser Konkurrenz 
gipfelt ihrer ganzen Anlage nach vor Allem darin, dasB 
durch diesellie fruchtbare Ideen für den Bau eines deutschen 
Reichstagshauses gewonnen werden sollten, während es nur 
in einem ausserordentlichen Glücksfalle wahrscheinlich war, 
dass aus ihr ein zur Ausführung fähiger Entwurf hervorgetien 
konnte. Ein solcher liegt in derThat unter dem ge- 
sammten eingelieferten Materialc nicht vor, so 
dass wir unsererseits als die sachgemässeste Lösung der 
Frage von Vorne herein nur auf das Dringendste empfehlen 
, von dem schon früher vorgeschlagenen Auskunfts- 
einer zweiten Konkurrenz auf Grund der nunmehr 
gewonnenen Resultate Gebrauch zu machen. Es wird frei- 
lich an erbitterten Stimmen nicht fehlen, die sich aus allen 
Kräften dagegen stemmen werden, dass „auch diese Kon- 
kurrenz* erfolglos im Sande verlaufe. Aber 



mo-miiii— haben, und hoffen wir, dass an .. 
Phrase wirkungslos abprallen wird. Denn es liegt nahe, dass 
man diesen Wettkarapf mit einer extemporirten General 



um guten Glück 
die darüber zu 
eine solche 



über einen plötzlich eingebrachten Antrag ver- 
gleicht, auf Grund deren ein Parlament trotz einzelner glück- 
licher Reden wohl leitende Gesichtspunkte, aber nun und 
nimmermehr einen fertigen, etwa nur der Redaktion bedürf- 
tigen Gesetzentwurf zn erlangen wird hoffen können. Möge 
man der nicht minder schwierigen Arbeit, die hier so plötz- 
lich den Architekten geworden ist, dieselbe Rücksicht be- 
willigen, aber auch versichert sein, dass nach der jetzt ge- 
wonnenen Klärung und Läuterung des Stoffes eine neue, in 
Ruhe vorbereitete Behandlung der Sache einen wesentlich 
anderen, wirklich zufriedenstellenden Erfolg liefern wird. 
Es wird das von uns befürwortete Verfahren sich übri- 



) 

gens um so mehr empfehlen, wenn sich bestätigt, was vor- 
läufig als Gerücht verlautet — dass nämlich die Jury mit 
eiserner Strenge alle jene Entwürfe von der Preisertheilung 
auszuschließen beabsichtigt, welche formell wider das Pro- 
gramm Verstössen. Eine nicht geringe Zahl soll den fest- 
gesetzten Ablieferungstermin nicht eingehalten haben ; rechnet 
man hierzu noch die Entwürfe, die zum Theil in falschem 
Maasstab gezeichnet sind, denen eine oder mehre der vor- 
geschriebenen Darstellungen oder gar der Erläuterungsbericbt 
fehlen, s»» dürfte mehr als die Hälfte der Arbeiten, und 
unter ihnen eine Anzahl der hervorragendsten, ausscheiden, 
das Ergebnis« der Preisertheilung mit dem thatsächlichen 
Ergebnis« der Konkurrenz aber in starkem Widerspruche 
stehen. 

Für unsere Besprechung, die wir nach den voraus- 
geschickten Auseinandersetzungen ziemlich kurz halten kön- 
nen, dürfen wir eine solche Unterscheidung selbstverständ- 
lich nicht treffen, sondern müssen im Prinzipe alle Arbeiten, 
welche an der Ausstellung Theil genommen haben, als 
gleich berechtigt i-u». I.ieu. Allerdings vermögen wir nicht 
allen die gleiche Würdigung zu widmen, und können näher 
nur auf die liedeutenderen Arbeiten eingehen, doch wollen wir 
zum Mindesten versuchen, jeder einzelnen gerecht zu werden. 
Für Irrthümer — denn wer könnte solche vermeiden — 
bitten wir die leider sehr reizbare Empfindlichkeit unserer 
Fachgenossen im Voraus um Verzeihung. Es wird uns 
hoffentlich Niemand vorwerfen, dass sie absichtlich begangen 
oder aus Mangel an Ernst verschuldet sind. 

Ein System für die Anordnung des Stoffes, soweit ein 
solches überhaupt möglich ist hat sich uns mittlerweile von 
selbst ergeben. Wir theilen die Gesammtzahl der Entwürfe 
in zwei grosse Hauptgruppen und zwar einerseits in solche, 
die in ihrer Grnndauffassung das nach unserer Ceberzeugung 
erforderliche künstlerische Maass einhalten, andererseits 
in solche, bei denen uns diese Grenze zu Gunsten des 
änsserlichen Effektes überschritten zu sein scheint. 
Für eine weitere Unterscheidung mögen in jeder der beiden 
Hauptgruppen die Arbeiten, in welch» n der grosse Sitzungs- 
saal zu einem Motiv des Facaden- Auf bans benutzt worden 
ist, von denjenigen gesondert werden, in welchen dies nicht 
der Fall ist. Mag es bei einigen wenigen Arbeiten auch 



zweifelhaft sein, welcher der beiden Hauptgruppen sie 
rechnet werden sollen, so hoffen wir doch, dass es uns auf 
diese Weise noch am Leichtesten gelingen wird, die chaoti- 
sche Masse zu gliedern. 



Wir beginnen mit denjenigen Entwürfen, in 
völligem Verzicht auf einen architektonisch 
entwickelten Anfbau des grossen Sitzungssaales die äussere 
Eiscbeinung des Gebändes am Einfachsten und Schlich- 
testen sich darstellt. Sie zeigen dasselbe als eine ein- 
heitliche oblonge Baumasse mit horizontalem Gesimsab- 
schluss, deren Facaden lediglich durch Eck- und Mittelpa- 
villons gegliedert werden. Je nachdem die letzteren mehr 
oder weniger kräftig vorspringen, je nachdem sie in ihrer 
Höhe gesteigert und zuweilen mit s« 

versehen sind, je nachdem die Fenster- Ausbildung für die 
dorthin verlegten Räume von grösserer 1 

[anatmen endlich — hat sich ein verschiedenartiger 
druck ergeben. Es ist indessen mit solchen Motiven über 
die Wirkung eines Palazzo oder eines Dikasterialgebäudes 
nicht hinauszukommen und nimmermehr kann es gelingen, 



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— 18G — 



das Haus des Deutschen Reichstages durch sie in in ange- 
messener Weise zu charakterisiren. So vollendet und in 
sich abgeschlossen ein solcher Entwurf auch sein mag, so 
ist er in diesem Sinne doch direkt unter der Aufgabe ge- 
blieben und kann als Losung Oberhaupt nicht in Betracht 
gezogen werden. 

Es verfällt diesem Schicksale zunächst ein Entwurf, der 
unter allen auf der Konkurrenz vertretenen am Wenigsten 
Skizze ist, sondern fast als völlig fertig, zur Ausführung reif 



Freilich darf auch nicht verhehlt werden, dass in der künst- 
lerischen Entwickelung des Grundrisses und der durch sie 
bedingten Gestaltung und Aufeinanderfolge der Räume ein 
Mangel an Phantasie und eine Nüchternheit sich geltend 
macht, die wohl gleichfalls unter der Aufgabe stehen. Die 
zweigeschossige Facade in hellenischen Formen, die sich 
nicht ohne Glück aus der tektonischen Zwangsjacke losge- 
rungen halben, zeigt in Relief. Maasstab und Verbältnissen 
eine im hohen Grade gelungene Haltung; wir wünschten 



PARLAMENTS-pEBÄUDE FÜR DEN JÜEUTSCHEN REICHSTAG. 

Entwurf von Kaysor und von Grossbeim in Berlin. 

Oruadriaa Tom (ilUn Jto[kwiik. 

K*mlg»pl»U. 




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Helcbtlagto 

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3 Trappenhau». 

3 Garderoben. 

4 V.T^mmhTi.'uiil. 
3 SitiangasaaJ. 

Ii I'UMlra. 
7 LoftnuX 
» Hlbllalhtk. 

9 Zimmer de« Bibliothekar*. 

10 Fraktion«*)«. 

11 KommiMlonsiintrner. 
13 AbthrilnngBKimraeT. 

13 Sprerbrimmpr. 

14 KrfriftrhanirwuJ- 
1*. Krholtuigaranme. 
lfi Büffet. 

1? Vontramer. 

18 Korridor*. 

19 Klowu. 



10 ArbeUssiraaier des Prkstdenttn. 
2t SprechtimoMr do. 
SS Koajftrt.niiktD.mer da. 
S3 Vorlimmer da. 

34 8ehrlflnjhr*r. 

35 Zirnrai'r der Stenegrtphen. 
V) Zimmer für Korrekturen. 
37 Flar. 

2*. Treppe für die Journalisten. 

3» — 3» Räume für dl« Ultglle- 
der dpi BfJ adeirathea. 
39 Treppe. 

30 Vonimmer. 

31 Kltisnmual. 

33 xprpchiiRim>>r da* RelrtiBk»ok[*r». 

33 KonferanriltoBtr lUi. 

34 Voeilmraer da. 

33 Sprecbiiraeaer dtt rHktidentepi de* 
Reich»k*nsler*mte*. 

Sri Yorslraaner deaeelben. 

3T SprecbiLmmeT far die Mitglieder da* 
Bundeeraihr.. 



3« Korridore. 

39 Kloact. 

40 - 47 Wohnung dea Priaiden- 
ten daa KeTcfaatage», 

40 Haunttrepp*. 
4t VoraiBaeaer. 
43 Salm». 

43 Gallert«, aueli S|i«L*«»ul. 

44 <J rosaer Fesuaal. 
43 Vorptati. 

4li K lotet 
47 Lkhthof. 



4« tM. 

49 Tolagraphle. 

50 Tr*pp*n tu dea Logen für den kalaer- 

llcbtn Hof. 
tl Veitibul d.sgl. 
33 Treppen su daa reaervirten Logen. 

33 Treppen aa den Logen f. d. Publikum. 

34 Portika». 



WO Meter. 



Brdg neb*«». 

Unter 30. II, 43. 43. 44: Wobnung de* 
Präsidenten de* Reichstage». 
. 33: Einfahrt iu derselben. 
. 31, 33: Zufahrten für den kaiaer- 
tleh*n Haf. 
14. Ii: HLaUaag. 

Link» eoan Klngartg: 
Ual-r 11. 13, 13, 17, 1«: Bureau« det 
lleichotage» In Verbindung aoll 
dem Vertllial (1). 
• 10: Darcbfalirt and Eingang tu 
denselben. 

Rechts vom Eingang: 
Unter II. 12. 13. 17. Irl: Wohnung dea 
Dirkgenua. 
a 10: IrurebEahK nnd Klngang tu 

derselben. 
, fl, II, 17: Ka««*llan«rnfcnung. 
, i. 4, S. 7: Disponibel für Helinngl- 
und VelitllaÜousTurriebtangea 



sich darstellt; die Arbeit von Gropius & Schmieden in 
Berlin. Wir haben den Grundriss derselben auf Seite 17!) 

Bnblizirt nnd können uns daher direkt auf ihn beziehen, 
•ass die Geschäftsräume des Präsidiums und BiindesratliB 
in zu weiter Entfernung vom Sitzungssaal liegen, ist ein 
iiriiizipieller Fehler, der fast allen Entwürfen gemeinsam ist 
Im Uebrigeii ist die Klarheit und Uebersichtlichkeit der 
Disposition, die angemessene Vertheilnng der Eingänge, vor 
Allem aber die bei aller Einfachheit und Gemessenheit doch 
wahrhaft monumentale Ausbildung des Sitzungssaales, dessen 
architektonische Erscheinung der des Saales im provisori- 
schen Reichstagshause sehr angenähert ist, anzuerkennen. 



I wohl, dass sie vorkommenden Falls für eines unserer neu 
zu erbauenden Ministerien verwendet werden könnte, wofür 
sie auch in ihrer anf einige Wappenmotive beschränkten 
Schmucklosigkeit sich eignen möchte. Dass sie für die vor- 
liegende Aufgabe nicht genügt, konnten die Verfasser selbst 
nicht schlagender beweisen, als indem sie neben diesem Ent- 
würfe noch eine Version derselben lieferten, in welchem sie 
an Stelle des Mittelpavillons der Hauptfaeadc eine mächtige 
kuppclgekröntc Vorhalle einfügten, die sich mit drei grossen 
Bogenöffnungen aufschlics.it und einen bedeutsamen Schmuck 
durch Aufstellung dreier Kolossal-Statuen erhalten hat So 
schön aber diese Halle an sich sein mag, so völlig fällt sie aus 



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— 187 — 



dem architektonischen Rythmus des Ucbrigen heraus; auch welchem der im ErdgcBchoss liegende Saal die Form eine» 

die Veränderungen, welche der Grundriss erleiden musste, verlängerten halben Achtecks erhalten hat. giebt einige gute 

indem der Festsaal im oberen Stockwerke nunmehr nach Motive, namentlich in der Disposition der Eingänge zum 

der Mitte der Hinterfront verlegt wurde, sind an sich keine Festsaal, zur kaiserlichen Loge und zu den Tribünen des 

Verbesseningen. Im Ganzen ist die Arbeit trotz jenes prin- Publikums; daneben bestehen leider auch mehre bedenkliche 

zipiellen Irrtbums eine sehr tüchtige und beaebtenswerthe, Schwächen — so die Spaltung des bundesrüthlichen Etah- 

steht jedoch — wenn von dem Grade der Durcharbeitung lissements in zwei Geschosse nnd vor Allem die durchaus 

und dem Reize der Darstellung abgesehen wird — auf einem ungenügende Beleuchtung der meisten Korridore. 

Range, den nicht wenige andere mit ihr theilen. Es musste Den geschlossensten Ban hat Hasecke in Berlin pro- 

PARLAMENTS-pEBAUDE FÜR DEN pEUTSCHEN REICHSTAG. 

Entwurf von Hubert Stier iu Berlin. 

Oruniri»» da* E r i f e ■ c hei ■ e i . 

fioTnnjorttr»kJio. 




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3 Voraaal. 

3 Garderoben. 

4 Mimiii .-,<«»! 
i Foftr. 

6 Lefeaiaaaaer. 

7 Keataurarlou. 
H n&ffetilmmer. 
9 lllbllothek. 

10 IjmhI mmer. 

11 NprMhalmBer for die RekhitMimk- 

Utilit. 

1» Prteklmi .!«» Reich»!««,*». 



Varthallaaf dar E.""'t 



13 Sprfdi«!mraer duirelbau. 

14 Voralmmer 
I» Seh rill fuhr«. 

1« Netfen-Kiniunr. f. d. Mit,;!, d. Releh«- 
tagea und au den nareau-LiikAliaten. 

II — SS Bureau-Lokale d. Reicha- 
lag«». 
17 Hureaa-Dlrigmt. 
10 Vorxlaaaw d«a»e)ben. 
1!* Botenmei»t«r. 
20 Kaiiilriilitmr. 
91 Eipedition, 
31 Kanzlei und R«f iitramr. 
2'J ArehiT 

24 /Immer drr Stenographen. 
2A Zimmer für Korrekturen. 



K-3t Räume für diu Mitglied] 
dea Bandeerataoa. 

IE Veallliala. 
37 Rrlehakanilcr. 
W Spttrlulmmor deaaeluea. 
V,,rr immer. 

30 Prialdeat d«a KeleliitanaJeramtei. 

31 Vorzimmer <l*««ellt«rt. 

33 Geachiftaaianmer f, il. Hitulicder. 

33 Sltrunipmaal. 

34 Vonlmmer. 

:r, i'mt. 

36 Telegraphla. 

37 Vonlmmer. 

36 Auffahrt f. d. hazmilehen Hof «IC, 
33 Vorhalle. 



100 



r 40 Trepp« zur kaieerlielira Loire. 
41 Treppe sur PiploroatenloRe. 
41 ITllllagl (ür d- Tublikam «o Soat.) 

43 Treppen au den I .-• - i deaaelben. 

44 ' ■ epen. 

41 Treppen 10 den Ablhellanpeaatai. 
44 Treppe au den PeatlokarllAun. 
43 Troppe aur Wohnung I. PraaidenKn 
46 iiraw offene Hall«. 

Britta Stockwerk, 

lieber 10,26— IS: Woh 11 11 n« d.iYäiidenteo. 
m 9 ; Gruner FeaUaal. 
. 35 — 37 : EmpfanaasilD und Vor- 

almoaor au dcaaaelben, 
. lt-3*: AtilheUungiaale, Frakduaa- 

»äl«, Kofneolaaloniilmmer etc. 



daher für diejenigen, welche Aehnliches nach den Vorgängen 
bei der Dom-Konkurrenz nicht schon mit Sicherheit voraus- 
setzten, ein gewisses peinliches Aufsehen erregen, dass einige 
Kritiker sich die vergebliche Mühe gegeben haben, den Ent- 
wurf trotzalledem zu einem der hervorragendsten und preis- 
würdigsten zu stempeln. 

Alfred Hauscliild in Dresden hat seinen gleichfalls 
zweigeschossigen Bau nur an -der Hauptfront durch einen 
energisch vorspringenden, mit einem Bogcndach gekrönten 
Vorbau — im Uebrigen mit flacheren Risaliten und einer 
durchgeführten Pilaster • x\rchitektur in etwas barocken Re- 
il aissanceformen gegliedert. Die Detailbehandlung der Ar- 
chitektur, namentlich aber die Ausbildung der Innenraume 
zeigt eine künstlerisch gewandte Hand. Der Grundriss, in 



ji'ktirt, dessen schwach reliefirte Risalite die Gesimshöhe der 
Facaden nicht Alierschreiten. Im Grundrisse, der vier regel- 
mäßige Höfe enthält, ist der Haupteingang von der Sommer- 
strasse angenommen, der Sitzungssaal liingegen soweit nach 
I Westen gerückt, dass zwischen ihm und der Facade nur die 
Eingänge zur Hoflogc und deren Ncbenraume liegen. Die 
Vestibül- und Foyer -Räume für den rechteckig geformten, 
im Erdgeschoss liegenden Sitzungssaal sind wohl zu reich 
entwickelt, während die Restauration in einem der Seiteu- 
| flügel zu sehr entlegen ist. Der inmitten der einen Seiten- 
I front angeordnete Festsaal, mit dem Haupt-Foyer durch eine 
Galleric verbunden, hat entschieden zu wenig Zugänge. Die 
architektonische Ausbildung ist im Ganzen eine einfache. 
Dem in Renaissance - Formen entwickelten Aeusseren, das 

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— 188 — 



durchweg Bogendäeher wigt, merkt man — obwohl ein Hau- 
steinbau beabsichtigt ist — dennoch ganz unverkennbar an, 
dass der Künstler vorwiegend im Backsteinbau geschult ist. 

Einen etwas trockenen, akademischen Eindruck macht 
der Entwurf von Haas und Wahl in Wien. Das Oberge- 
»choss des Baues ist mit einer Säulenstellung in typischen 
Renaissanceformen, die Miltolrisalitc sind mit Tcmpelgieheln 
dekorirt; noch weniger bemerkenswert!! ist die Ausbildung 
des Inneren. In praktischer Beziehung hat der Grundriss 
einige Vorzüge; die Vertheilung der Räume ist übersichtlich 
und klar und sind in der Anordnung derselben auffällige 
Fehler vermieden. 

Reichert und Kirchhof in Mnrienwerder haben eine 
etwas gesuchte, im Uebrigen mit gewissenhafter Sorgfalt 
durchgearbeitete Grundriss - Disposition gewählt Der im 
Schwerpunkte des Ganzen liegende Sitzungssaal hangt durch 
vier Verbindungsbauten, von denen drei glasgedeckte Winter- 
garten unischliessen, mit dem äusseren, an den Ecken durch 
bedeutende Rundbauten verstärkten Oblong zusammen; so an- 
genehm aber der Besitz eines Wintergartens in einem Privat- 
hanse sein mag, so passt eine solche Anordnung doch kaum 
in ein monumentales Gebäude. Der oblonge Sitzungssaal 
hat die abweichende, nicht gerade praktische Anordnung 
der Präsidenten - Tribüne auf der schmalen Seite. — Das 
Aeussere, in einem Gemisch von Backstei.-flächen mit Werk- 
stein - Details gedacht, zeigt eine dreigeschossige Anlage — 
das obere Geschoss allerdings in eine Arkadenstellung auf- 
gelöst — und eine Stilfassung, welche die Verfasser als ro- 
manisch bezeichnen, die jedoch ihren Zusammenhang mit 
den Berliner Traditionen aus vergangenen Jahrzehnten nicht 
verläugnet. 

Noch origineller in der Grundriss - Idee ist der Entwurf 
von Rickert in Gross - Glogau, der sich dafür entschieden 
hat, die schmale dem Brandenburger Thor zugekehrte Süd- 
seite zur Hanptfaeade zu machen und hier seinen Hauptein- 
gang anzuordnen. Aus dem grossen Vestibül führeu eine 
imposante Treppe zu dem darüber liegenden Festsaale, Kor- 
ridore zu dem Vor- und Sitzungssaale — deren Längsaxen 
in folgerechter Weise vertikal zu der grossen Hnupt-Ouer- 
axe stehen. Trotz einzelner Fehler — beispielsweise befin- 
den sich die Räume für den Bundesrath im oberen Stock- 
werke — war diese Anlage einer beaehtungswerthen Aus- 
bildung wohl fähig, wenn der künstlerische Schwung, den 
der Verfasser für die Aufgabe aufwenden konnte, ein grös- 
serer gewesen wäre. Auch an den F'acaden, die in drei 
ziemlich kleinlich behandelten Stockwerken eine trockene 
und magere Renaissance-Architektur und nicht eben schöne 
Verhältnisse zeigen, macht sich ein derartiger Mangel an 
Gestaltungskraft geltend. Die Eck- und Mittelbauten sind 
mit steilen Mansarde-Dächern bekrönt. 

Noch mehr überwiegt die Erscheinung solcher steilen 
Dachformen in der Fa^ade von R. Cremer in Aachen, wo 
die mit ihnen bekrönten Eckvorlagen der auffallend breiten 
Flügel- und Mittel-Pavillons fast zu Tliürraen werden. Der 
im Sinne nordischer Renaissance detaillirte Entwurf, der 
jedoch bestenfalls nur ein Schloss, niemals ein Parlaments- 
nans reprfisentiren könnte, ist im Uebrigen unvollendet. 

In der Gruppirung verwandt ist den vorerwähnten Ent- 
würfen endlich noch die Arbeit von Preusser — * in den 
Facaden ein dreistöckiges Dikasterialgebände von leidlich 
guten Verhältnissen. Der Grundriss, der namentlich an einer 
höchst unschönen und unmonumentalen Anordnung der 
Treppen leidet, zeigt den oblongen Sitzungssaal im oberen 
Stockwerke. Derselbe hat eine sehr bedeutende Grösse er- 
halten, weil ausser den für das Publikum bestimmten, um 
Geschosshöhe erhöhten Tribünen in ihm noch eine un- 
mittelbar hinter den Sitzreihen der Abgeordneten aufstei- 
gende Estrade sich befindet, auf welcher die eximirten Zu- 
hörer, mit denen seltsamer Weise auch der Bundesrath 
gleichgestellt ist, Platz finden sollen. — Die Pläne von 
Moritz in Frankfurt a. M-, Benignetti in Rom und die 
kaum über die erste Anlage hinausgeführte Skizze „Elk zyn 
gedacht" aus Holland, die gleichfalls hier zu erwähnen 
wären, sind mit so absolut ungenügenden Kräften unter- 
nommen, dass es sich nicht verlohnt, ihrer weiter zu ge- 
denken. 

Eine Anzahl von Konkurrenten, die in ihrer Grund- 
auffassuug derjenigen der bisher besprochenen Entwürfe sehr 
nahe steht, hat sich mit den dort aufgewendeten Mitteln 
nicht ganz genügen lassen, sondern ist bestrebt gewesen, 
für die Gestaltung ihrer Baukörper Motive heranzuziehen, 
welche denselben ein etwas originelleres Gepräge sicherten. 
Wir haben es als eine Frage des künstlerischen Taktes be- 
zeichnet, in wie weit eine solche Betonung nebensächlicher 
Momente noch ihre Berechtigung hat, und müssen freilich 



feststellen, dass nnr Wenige hierbei in den Grenzen geblie- 
ben sind, welche echtes künstlerisches Empfinden von di* 
lettantistischer Effekthascherei scheidet. 

Höhere Bedeutung können wir unter den hierhergehöri- 
gen Arbeiten, wie unter den in erster Reihe erwähnten, 
wiederum nur einem einzigen Entwürfe beimessen — dem 
von Strack und Herrtnann in Berlin. Mit einer ver- 
letzenden Absichtlichkeit hat man an anderer Stelle seinen 
Werth nicht nur herabgesetzt, sondern einen solchen über- 
haupt geleugnet, wobei dann Anspielungen auf die persön- 
liche Stellung der beiden Verfasser unter den Spitzen der 
Berliner Baubeamten die wohlfeile Würze der Kritik bildeten. 
Was das Letztere betrifft, so wollen wir nicht verfehlen, im 
Gegensätze hierzu unsere, und wohl aller Fachgenossen leb- 
hafte Freude darüber auszusprechen, dass jene beiden Meister 
frisch und unbefangen genug gedacht haben, um an diesem 
Wettkampfe sich zu betheiligen, ohne in der Möglichkeit, 
von der aufstrebenden jüngeren Generation überflügelt zu 
werden, eine ihrer Würde gefährliche Zumuthung zu erblicken. 
Leider bildet in dieser Beziehung eine vornehme Zurück- 
haltung so sehr die Regel, dass wir alle Ursache haben, den 
wahrhaft bescheidenen Sinn, der sich hier bekundet hat, 
und der wohl am Besten beweist, wie weit jene Männer 
davon entfernt sind, sich als Träger einer „Baubierarehie* 
zu fühlen, dankbar anzuerkennen. Viel eher haben die Ein- 
flüsse einer solchen Hierarchie seinerzeit vor und nach der 
letzten Dom-Konkurrenz sich geltend gemacht. 

Was den sachlichen Werth des Entwurfes von Strack 
und Herrinann betrifft, so sind wir weit davon entfernt, 
bestreiten zu wollen, dass derselbe in mehrfacher Beziehung 
angreifbar ist nnd in der That hinter einigen anderen Ar- 
heiten zurücksteht. Bei einem aufmerksamen Studium des 
auf Seite 1(58 publizirten Gruudrisscs w ird man nicht zweifel- 
haft darüber sein, dass die mit allzugrosser Vorliebe, ja mit 
einer gewissen Einseitigkeit bewirkte monumentale Ausbil- 
dung desselben die Ursache dieser Schwächen ist. Eine 
solche Übersichtlichkeit nnd Zngängliehkeit des baulichen 
Organismus — eine so stattliche Entwicklung und eine so 
gute Beleuchtung der Kommunikationen ist in keiner anderen 
Arbeit erreicht worden; namentlich ist die Anordnung der 
(^ueraxe mit ihren imposanten Treppen, von denen die eine 
dem Publikum den einzig würdigen Aufgang zu seinen Tri- 
bünen gewährt, als ein grosser Vorzug rühmend hervorzu- 
heben. Aber es fällt auch auf, dass der Flächeninhalt der 
thatsächlich benutzten Räume zu dem der bebauten Grund- 
fläche anderen Entwürfen gegenüber in einem so grossen 
Miss Verhältnisse steht, dass die Konkurrenten trotz Aus- 
nutzung des gesammten Bauplatzes einerseits manche 
ihrer Bestimmung nach zusammengehörige Lokale weiter 
von einander entfernen mussten, als wünschenswerth war, 
nnd dass sie andererseits zur Anlage von drei Geschossen 
genöthigt wurden, um die verlangten Räume unterzubringen. 

Da sich auch das Untergesehoss in ganzer Höhe aus 
der Erde hebt und die Pavillons um ein volles Stockwerk 
über das Hanptgesims der Langfronten emporgeführt sind, 
so ergiebt sich in einzelnen Partien namentlich an der Hin- 
terfront und den beiden Seiten sogar eine fünfgeschossige 
Anlage — für ein monumentales Bauwerk dieses Ranges 
jedenfalls ein künstlerischer Irrthum, der in keiner Weise 
vertheidigt werden kann, zumal wenn diese Anordnung mit 
der Ausbildung derein Geschoss weniger zählenden Haupt- 
facade in so unlösbaren Konflikt tritt, wie dies hier in den 
beiden Eckpavillons der Westfront der Fall ist 

In diesem Sinne und bei dem Mangel einer charakte- 
ristischen Hervorhebung des Sitzungssaales ist die Lösung 
der Aufgabe allerdings wohl als verfehlt zu erachten; auch 
den Vorwurf, dass der grosse Vorsaal der Abgeordneten in 
der gewählten Ausbildung an Grossartigkeit der Raumwir- 
kung zu sehr hinter dem Vestibül und namentlich hinter 
dem Treppenhause zurückbleiben würde, müssen wir als 
berechtigt anerkennen. Man darf indessen hier wie in an- 
deren Fällen durchaus nicht übersehen, dass keine einzige 
Arbeit von Mängeln frei ist und dass es bei der Kürze der 
Zeit, in welcher das Werk geschafft werden mnsste, so sehr 
Glückssache war, ob der erste Wurf gelang, dass ein theil- 
weiser Misserfolg durchaus noch nicht ein völlig absprechen- 
des Urtheil über die Leistungsfähigkeit der betreffenden Ar- 
chitekten gestattet, namentlich wenn ihren Irrthümern so 
grosse Schönheiten gegenüberstehen, wie bei dem in Rede 
stehenden Entwürfe. Neben den schon erwähnten Vorzü- 
gen der Grundriss-Disposition machen sich dieselben nament- 
lich in der Entwickelung der Festlokalitäten geltend, w<*l<-he 
einerseits durch die doppelte Haupt-Prachttreppe Zugang. . 
andererseits mit der Wohnung des Präsidenten und den 
Südflügel liegenden Geschäftsräumen verbunden, das ganze 



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— 189 - 



obere Stockwerk des westlichen Hanptflügels einnehmen und 
aus einem grossen, durch Säulenstellungon getheilten Saal 
nebst zwei kleineren Nebensälen, sowie einer entsprechend 
langen Flucht monumentaler Gallerien bestehen. Offenbar 
liegt hier die von uns motivirte höhere Auffassung der Fest- 
räume, als eines Lokales für die wichtigsten Reprüsentations- 
Feierlichkeiten des Reiches zu Grunde und rechtfertigt sich 
hieraus auch die Wichtigkeit, welche die Künstler bei ihrem 



Verzichte auf eine monumentale Ausbildung des Sitzungs- 
saales diesen Räumen dadurch zu Theil werden Hessen, dass 
sie aus ihnen das Hauptmotiv ihrer ganzen Facadengestal- 
tung ableiteten. Während die Nebenfronten eine eiufncbe 
Gliederung in den für die Berliner Schule typischen Formen 
hellenischer Renaissance zeigen und nur durch die mit grös- 
seren grnppirten Fensteröffnungen durchbrochenen Mittel- nnd 
Eckbauten belebt werden, entfaltet sich der mittlere Theil 
der Hauptfacade zu einem impouirenden Eindrucke festlicher 
Pracht. In ganzer Höbe der oberen Stockwerke öffnet sich 
zwischen 2 breiten Eckpfeilern eine dreibogige Portalhalle, 
welche die Hauptaxe des Gebäudes charakterisirt; von einer 
mit Statuen geschmückten Terrasse steigt man zu derselben 
empor. Seitlich ist die FronthChe über dem Erdgeschosse 
zu einem einzigen Stockwerke zusammengefaßt, das ganz 
in eine luftige Arkadenreihe von grossartigen Verhältnissen 
aufgelöst ist. Ein Fries von 3 Meter Höbe, zwischen die 
Arkaden und das Huuptgesims eingeschoben, steigert auch 
den künstlerischen Schmuck des Gebäudes an dieser Stelle 
zu seiner höchsten Wirkung. Ihren eigentlich repräsentativen 
Charakter aber erhält diese Front dadurch, dass über dem 
Mittelbau, das ist also auch über dem Zentrum der Festsäle, 
wo man sich den Thronscsscl des Kaisers bei einer feierlichen 
Eröffnung des Reichstages aufgestellt denken mag, und wo 
eine Steigerung der Raum- und Lichtwirknng durch Anord- 
nung einer Kuppelwölbung mit Oberlicht wünschenswert!» 
erschien, ein von einem Rogengange umgebener Aufbau sich 
erhebt, dessen vergoldete Schutzkuppel von einem Adler- 
kranze umgürtet und mit der Kaiserkrone gekrönt wird. 
Die Verhältnisse dieses Kuppelaufltaues zu den der Gesammt- 
faeaden, die dadurch erreichte Silhouette des ganzen Baues, 
die Ausbildung der Details — sind meisterlich geglückt und 
verleihen dem Entwürfe, trotz des grundsätzlichen Irrthumes, 
dem die Verfasser nach unserer Ansicht unterlegen sind, doch 



immerhin einen Knnstwerth, den abzuleugnen eine Unge- 
rechtigkeit wäre. 

Die wenigen Entwürfe, deren dekorative Zuthaten wir 
innerhall 



Mittheilungen 

und Architekten - Verein 
zu Wien 

Wocbenrersammlung am 27. Januar 1572; Vorsitzeuder 
Herr Obcrbaurath Kr. Schmidt. 

Im Anschlüsse an seine früheren allgemeinen Mitteilungen 
über die Eisenbahnen Nordamerikas spricht Hr. Ingenieur A. 
Kölsch über die l'ucific-Babu von Omuliu nach San Francisco. 
Unter Uebcrgehuug der Angaben über Richtung. Länge und 
Höhenlage der Hahn, die im Jahrgang 1845H, S. i03 d. Bl. notirt 
sind, heben wir aus dem interessanten Vortrage hervor, dass 
die IUupthindcrnih.se des Buhubaues durchaus nicht etwa darin 
beruhten, dass das Terrain für die Anlage ungünstig; war, son- 
dern dass es zum «rossen Theile noch eine Wüste ist und 
aller natürlichen ilülfsmittel entbehrt. Dm den kalifornischen 
Theil, die Central - Pacificbahn, dem anderen entgegen- 
treiben zu können , niusstcu dazu tust alle zum Hau 
erforderlichen Eisentheile und Maschinen vom Westen aus auf 
Schiffe verladen und um das Cap Horn herum nach dem ost- 
lichen Ausgangspunkte geschafft werden. Das Terrain ist trotz 
der zu passirenden Hochgebirge so günstig, dass auf dem gröss- 
ten Theile der Bahn die Kurven nicht unter ,".15"> Uadius. die 
Steigungen nicht über 1:60 hinausgehen ; nur ö-llieh der Sierra 
Nevada sind auf grossere Längen Steigunseu von 1:45 auge- 
wandt. Hier finden sich auch 15 kurze Tunnels und mehre 
imposante hölzerne Viadukt«' bis zu o<) n ' Hohe, im l'elirigen 
sind die Hauptbauwerke der Mahn die oft auf mcilenweile Ent- 
fernung geführten, aus starken Hölzern koustruirteu Sclmec- 
gallerien zum Schutze gegen Lawinensturz. In Sau Francisco 
soll die Hahn später auf einer mitten in der Blicht geschaffenen 
künstlichen Insel enden ; du die Schüttung derselben von Seifen 
<!>•- Kongresses mich beanstainicl wird, so sind dir Geleise vor- 
läufig auf Holz-gerfislcu bis zu dieser Stelle geführt. — Aua der 
Geschichte des Baues, dessen Vollendung iu der Konzession erst 
zum Jahre 1<S7C> vorgesehen war, der jedoch — um die hohen 
Staats - Subventionen zu erhalten — seh >n im Jahre 1H6'J be- 
triebsfähig war. sind v ö le Momente bemerkenswert!]. Ohne die 
Hülfe der zur Disposition stehenden chinesischen Arbeiter wäre 
ein solches Kcsultat. trotz aller sinnreichen llülfsmasehincn 
Exkavatoren etc. wohl niemals möglich gewesen: unter den ori- 
ginellen Mitteln der liaulteschleuuigung ist beispielsweise auch 
eine \ e. :.ii*." ,.iu <l,'-. M .rt. • inh <..!/. thi« tu ll.l des Kalkvu- 
hUHM) zu erwähnen, mittels welcher es möglich war, selbst 
: ' »trengsten Froste Mauerwerk auszuführen. Bei der Ver- 
.egtiiig des Oberbaus ist das Maximum der täglichen Leist u.g 
oiS zu der enormen Strecke von 16,7« Km gesteigert worden. 
Für den Betrieb, der gegenwärtig mit drei Zügen pro Tag nach 



.all» des künstlerischen Maasses liegend, an- 
nehmen können, erreichen einen solchen Rang bei Weitem 
nicht. Es ist einmal die Arbeit von Weidner und Jum- 
mel in Dresden und Leipzig, ein Entwurf in argem, un- 
erfreulichem Zopfstil, aber trotzalledem in seiner äusseren, 
durch sehr reiche monumentale Schmuckanlagen belebten 
Erscheinung nicht ohne flüssige Eleganz, von angenehmen 
Verhältnissen und guter Silhouette. Die Architektur des 
Inneren steht bei Weitem nicht so hoch. Im Grnndriss, 
der den halbkreisförmigen Sitzungssaal im hohen Erdgeschoss 
annimmt, sind sehr grosse praktische Unzuträglichkeiten da- 
durch entstanden, dass der Ranm hinter dem Präsidium 
resp. den Bundesraths-Sitzen — das kostbarte, auf das 
Sparsamste zu benutzende Terrain für eine gute Lösung — 
zu einer kolossalen, zum Festsaal gehörigen Vestibül-Anlage 
verschwendet worden ist. Das originellste Moment der Lö- 
sung bildet die Art und Weise, wie der inmitten der Haupt- 
facade angeordnete Kuppelaufbau zu dem Grundrisse in Be- 
ziehung gesetzt ist, indem derselbe im oberen Stockwerke 
den mittleren Verbindungsbau der Bibliothek überdeckt, 
ausserdem aber durch einen kleineren Mittelschacht noch 
Licht in das untere Vestibül führt. Das künstlerische Detail 
dieser Anordnung ist freilich nicht glücklich. 

Ebenso ist dem Entwürfe von Oscar Sommer in Frank- 
furt a. M., der für seine Fanden eine an die Auffassung des 
18. Jahrhunderts erinnernde, ernste Mansarden - Renaissance 
mit durchweg horizontalen Uebcrdcekungen gewählt hat, 
nachzurühmen, dass er die Wirkung einer einheitlichen ar- 
chitektonischen Komposition — freilich nimmermehr die 
eines Parlamentshauses — erreicht hat. Das schlanke Knppel- 
thürmchen seines Entwurfes erhebt sich über einem inneren 
Treppenvestibül - - für eine nähere Ansicht der Facade wohl 
etwas zu unmotivirt. Weniger gelungen ist der Grnndriss 
nnd das Innere. In dem oblongen Sitzungssaal, der hier im 
ersten Stockwerk liegt und nicht nur Oberlicht, sondern 
auch hohes Seitenlicht erhalt, sind die Tribünen der Zuhörer 
in einer ganz unzulässigen Höhe angeordnet, während die 
Foyer- Anlagen allzu bescheiden sind. 

(Fortwuun« folgt.) 



aus Vereinen. 

jeder Richtung regelmässig eingerichtet ist und naturgemäß 
vorläufig mehr auf Personen- als auf Güterbeförderung sich er- 
streckt, bildet die Hauptschwierigkeit die Wasserbeschafluug. 
Das Klima ist durchweg äusserst trocken, der Kegcnfall auf 
Monate unterbrochen uud sehr gering, un manchen Stellen das 
vorhandene Wasser durch Salze ganz unbrauchbar. Das letztere 
wird zum Theil iu besonderen Anstalten destillirt, anderwärts 
sind aus dem Gebirge auf weite Strecken Zuleitungen geführt 
und Wasserliebewerke eingerichtet, die durch Windmühlen be- 
trieben «erden; uueh artesische. Brunnen bis auf IM)«« Tiefe 
gebohrt, sind mehrfach mit Erfolg angewendet. Kohlen sind au 
mehren Stellen dicht liehen der Bahn iu grosser Menge uud 
bester Qualität vorhanden und tür die Zwecke derselben in Ab- 
bau genommen. 

Neben seinen Mittbeilungen über den eigentlichen Gegen- 
stand seines Vortrage!! giebt der mit reichem Beifall belohnte 
Kcilner noch eine Beihe anziehender Schilderungen ilber einzelne 
Verhältnisse der von der Pacificbahn durchschnittenen Ge- 
biete — über den Mornwncnstaat am Salzsee — das Verfahren 
der Goldgewinnung in Kalifornien (dus sog. Hydraulic Mining) 
— die bisherige Eutwiekeluug und Zukunft dieses Landes — 
endlich über den grossen llafcuplatz de Bleiben, die aufblüheudo 
Weltstadt San Francisco. 



Der oberbayerische Architekten- und Ingcnieur-Voroin 
zn Künoben hat iu seiner Generalversammlung vom •!. Mai be- 
züglich des Honorars für Bau- Ingenieure folgende Beschlüsse 
gefasst : 

1. Normen für die Turifirung von Bau - Ingenieurarbeiten 
erteil einen im Allgemeinen als wünschenswert!), jedoch nur als 
Anhaltspunkte zu der für jeden einzelnen Fall vor dem Beginn 
ih r Leistung festzustellenden Grundlage der Houorarlierechuuug. 

2. Eine förmliche allgemeine Tarifirung der Bau-Ingenieur- 
Arbeiten ist nicht praktisch durchführbar; nur für einzelne Fach- 
zweige und Spezialitäten erscheinen besondere Tarife als 
zweckmässig. 

3. Die llonnrirung nach Prozenten der Anschlugssumnie 
kann bei den geiiMrelien und speziellen Vorarbeiten nirgends 
als angemessen erachtet werden. 

4. Für diese Vorarbeiten eignet sich iu der Regel mir der 
Zeittarif, iu besonderen Fällen die Honorirung nach Maassgabe 
der räumliehen Ausdehnung der Arlieit. 

X Iii" Bauleitung (Bauführiing) kann iu der Hegel nach 
Prozenten der Baukosten, unter Umständen in Verbindung mit 
Krsparungsprätuicu, houorirt werden. 



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— 190 — 



Eine ausführliche Motivirung wird demnächst in der bayc- I 
rischen Verein.s2eitscbrift erscheinen. Iii der Hauptsache war 
die Anschauung maassgebend, dass einen richtigen Maasstab 
für die Ilonorirung namentlich geistiger Arbeiten neben An- 
eebut und Nachfrage mir die Qualität der Leistung und die 
darauf verwendete Zeit gewähren, dass aber die Grosse der ins 
Spiel kommenden Geldiutcressen nie aus inneren, sondern ledig- 
lich au« äusseren, rein praktischen Gründen in Betracht kom- 
men kann. Von diesem Standpunkt aus haben sieh die Normen 
für architektonische Arbeiten bewährt, der analogen Behand- 
lung der Ingenieurarbeitcn stehen aber wesentliehe Bedenken 
entgegen. Bei Hochhauprojcktcn ist Seitens des Bestellers in 
der Kegel die Bausumme tlxirt, mittels welcher derselbe einen 
bestimmten nütilichen Zweck in möglichst «irksamer Ausstat- 
tung erreichen will; der Ingenieur hat dagegen die Aufgabe, 
einen bestimmten, oder möglichst grossen Nutzeffekt mit mög- 
lichst geringem Geldaufwand zu erzielen, (ienaues Studium 
uud geuiale Ausnutzung der LokalvcrhSItnisse werden hier das 
Höchste leisten, aber, wenn die Prozent-Tarifirung angenommen 
wird, sehr zum Schaden gerade der besten und gewissenhafte- 
sten Arbeiter, namentlich wenn der Ingenieur auch die Kosten ' 
für Hülfspersonal u. dgl. selbst zu bestreiten hat. Der Gedanke, 
das Honorar für generelle Vorarbeiten nach der vom In- 
genieur selbst in hohem Grade abhängigen uud \ou ihm allein 
zu entwickelnden Anschlagssumme zu beuiessen, wird daher um 
so mehr als eiu verfehlter, ja geradezu korrumpirender zu be- 
zeichnen seiu, als der Besteller iu der Regel diese Arbeiten 
rücksichtlieh des von ihrer Ausführung zu erwartenden Nutz- 
effekts weit weniger zu beurtheilcn vermag, als die Bearbeitung 
architektonischer Aufgaben. 

Nicht viel anders verhält es sich mit den Detailprojekten. 
Soll etwa z. B. nach den Kosten der Schienenbeschaffung hono- 
rirt werden, wenn einfach ein bestellendes Oberbausystem auf 
eine neu proiektiite längere Bahnlinie ausgedehnt wird? Soll 
der Konstrukteur und Berechner einer eisernen Brücke mit 
4 gleichen Oeffnungen nahezu das Vierfache der Summe er- 
halten, welche ihm für eine Oeffnung zufallen wurde? Be- 
merkenswerther Weise erhob sich bei der Berathung auch nicht 
eine einzige Stimme für das leitende 1'riuzip der Baumeister- 
schen Vorschläge! 

Schliesslich wurden noch die 18<>8 in Hamburg angenommc- , 
neu „Grundsätze für das Verfahren bei öffentlichen Konkurren- 
zen" nach Modifikation des §. 5. auch als verwendbar für In- 
genieur-Konkurrenzen auerkannt 

Der bayerische Land es verein hat über die obigen Fragen 
noch keine Beschlüsse gefasst. 

Architekten-Verein zu Berlin. Zweite Sommer-Ex- 
kursion am 25. Mai 1872. 

In einer Zahl von III Personen versammelten sich Mitglie- 
der und Gäste des Vereins auf dem nach jahrelangem Provi- 
sorium endlich wieder zu einer angemessenen Anlage umgestal- 
teten Lustgarten, um zunächst den alten Dom zu besichtigen. 

Der Ausdruck „alt" bezieht sich freilich mehr auf die zu 
verschiedenen Malen in Anlauf genommene, aber noch stets 
vertagte Absicht an dieser Stelle einen „neuen Dom* zu gründen, 
als auf das tbatsächliche Alter des Gebäudes, das bekanntlich erst j 
122 Jahr« beträft. Friedrich der Grosse Hess es in den Jahren 
1747 bis 50 als Ersatz für die zum Abbruch bestimmte, auf dem 
Schlossplatz befindliche Dom- (früher Duminikaner-) Kirche er- 
richten. Als Architekt "fungirte der Holländer Bouniaun, der als 
Knobolsdorff, der geniale Freund des Königs, in Ungnade fiel, 
vom Schloss- Kastellan in Potsdam zum Ober- Baudirektor in 
Berlin befördert worden war und in diesem Amte sich ebenso- 
sehr durch eine eifrige, pflichttreue Thätigkcit, wie leider auch 
durch die Phanta&ielosigkeit seiner Bauten bemerklich gemacht 
hat. Ein sprechendes Zeugnis* für die letztere ist dieser Dom, 
ein einfaches Oblong von 72'" Länge und 42 01 Breite, inmitten 
der langen , nach dem Lustgarten gekehrten Vorderfront mit 
einem Kuppelthurme deWirt ; im Innern ein Saal, in welchem 
durch koriuthischo Säulen ein Mittelschiff von den mit Emporen 
versehenen Seitenschiffen sich sondert. Soweit der Bau in seiner 
gegenwärtigen Gestalt ein wenn auch schwaches architekto- 
nisches Interesse zu erwecken vermag, ist dies einzig und allein 
das Verdienst Schinkel'*, der ihn in den Jahren 1819 bis 21 
einer gründlichen Reuovation unterzog, bei der nicht nur das 
Aeussere etwas bessere Verhältnisse und Formen erhielt, sondern 
auch das Innere durch Freilegung resp. Vervollständigung der 
Säulenstellung, Ersatz der flachen Mittelschiffs- Decke durch ein 
kussetlrtcs Tonnengewölbe, künstlerische Ausbildung von Altar 
und Kanzel in dem erhöhten Südtheil des Mittelschiffs, endlich 
durch die F'reileguug der Vorhalle, im Thurm — einen Anhauch 
künstlerischer Gestaltung gewann. Die Orgel steht hinter dem 
Altar auf der Emnore: die Königliche Loge liegt seitlich des- 
selben gegenüber der Kanzel. Ein schöneB Bronce- Abschluss- 
gitter, ein Altarbild von Begas, ein Mannor-Taufstcin von Rauch, 
Tragen zur Erhöhung des Gcsammteindrucks bei, doch ist dieser ! 
trotxal ledern ein so ausserordentlich bescheidener, das» die 
Kirche nicht sowohl streng und einfach, was aui dem reformir- 
ten Kultus, für den sie errichtet wurde, abgeleitet werden 
könnte, als vielmehr geradezu nüchtern und dürftig erscheint. 
In noch höherem Grade ist dies iu Betreff des Aeusseren der 
Fall und kann das Bild, welches dasselbe im Verein mit der 
Campo-Santo-Ruine gewährt, nicht oft genug als einer der häss- : 
lichsten und unwürdigsten Flecken in dem Pracht -Gewände der 
Residenz bezeichnet werden. 



Neben ihrer Bestimmung für den Gottesdienst des Hofes 
hat die Berliner Domkireho seit Kurfürst Joachim IL.Jdcr sie 
1535 zu diesem Range erhob, auch uls Grabstätte für das Herr- 
scherhaus Hohenzolleru gedient. Von J«haun Cicero und 
Joachim I., deren irdische l'eberreste aus Kloster Lehnin, der 
Begräbnisskirrhe für die Markgrafen aus askanischem Stamme, 
nach Berlin zurückgeführt wurden, bis auf König Friedrich I., 
haben die Kurfürsten der Mark Brandenburg und ihr Gescbl echt 
in ununterbrochener Reihenfolge im Dome ihrer Hauptstadt die 
letzte Ruhe gefunden; ihre Denkmäler und Särge sind aus dem 
mittelalterlichen Bau in den des vorigen Jahrhunderts überge- 
gangen. Von den späteren Königen Preussens ist nur Friedrich 
Wilhelm II. hier bestattet, während Friedrich Wilhelm I. und 
Friedrich II. in der Garnison -Kirche vou Potsdam, Friedrich 
Wilhelm III. und die Königin Louise im Mausoleum des Char- 
lottenburger Scblossparks. Friedrich Wilhelm IV. in der F'riedeus- 
Kirehc von Sanssouci ruhen. 

Es war die Absicht des letzten Königs, in dem neben dem 
neuen Dom zu errichtenden Campo-Sauto eine würdige Grab- 
stätte für sein Geschlecht zu schaffen, denn leider ist die gegen- 
wärtige Gruft desselben unterhalb des Domes als solche wohl 
nicht zu K-trachten. Sio wird, soviel wir wissen, nur selten 
gezeigt uud war daher noch keinem der rjxkursious-Ge.sellschaft 
bekannt, alter etneu so niedrigeu, kellerartigen und finsteren 
Raum, eine so auf Ausnutzung des Flächeninhalts angewiesene 
Anordnung der Särge, eine so unberührte Anhäufung von St aub 
uud Moder hatte wohl Keiner erwartet. Zu eiuem genauen 
Studium der Säruc bot sich mit Rücksicht auf den Mangel an 
Zeit, die für solchen Zweck nicht ausreichende Beleuchtung und 
das in den schmalen Gängen wogende Menschengedränge keine 
günstige Gelegenheit. Wir glauben jedoch, dass dasselbe nicht 
ohne künstlerisches Interesse sein würde, da sich unter den 
Särgen so ziemlich alle Formen uud Typen der letzt vergan- 
genen drei Jahrhunderte vorhuden. Von "den ältesten, noch aus 
dem 15. Jahrhundert stammenden Särgen in einfacher Kasten- 
form mit dein Kruzifix geschmückt, von dem mit dem zierlichen 
Flachoruament der naiven Renaissance bedeckten Metullsarkopha- 
i;en des Ifi., und den mit Rokokko - Dekorationen aufgeputzten 
Prachtsärgen des 17. Jahrhunderts, bis zu den aus kostbaren 
Hölzern verfertigten, mit Metall -Ornamenten, Sammetstreifen, 
Goldborten und Troddeln verzierten Schreinen, iu denen das 
vorige Jahrhundert seine fürstlichen Tollten beisetzte; da- 
zwischen auch einzelne Särge aus edlem Steiumaterial. Als die 
schönsten unter ihnen sind uns jene Särge des Iii. Jahrhunderts 
er ihieuen, die es wohl werth wären, von Künstlerhand aufge- 
nommen zu werden; von den Rokokko- Sarkophagen, die zum 
grössten Theil der Meisterhand Schlüter'» ihre Entstehung ver- 
danken sollen, hat uns der in älteren Notizen gerühmte Sarko- 
phag des Prinzen Friedrich Ludwig (1708) nicht so angezogen, wie 
der mit dem Johauniter-Schwert geschmückte des Priuzcn Carl 
Philipp f?), der dem letzten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts auge- 
hört. Eben so wenig sind wir in der Lage, die vou Schlüter für 
Köniir Friedrich I. und die Königin Sophie Charlotte tnodcllir- 
ten Prachtsarkophage für mehr als blosse handwerksmäßige 
Dekorationsstücke ansehen zu können. Die letzteren stehen mit 
den Sargen des grossen Kurfürsten uud dessen Gemahlin Doro- 
thea — nicht in der unteren Gruft, sondern oben im Dome, 
wo sie am nördlichen Ende der Seitein-chiffe iu Verschlägen 
geborgen sind, die gleichzeitig zur Aufbewahrung überflüssig 
gewordenen Kisenzcugs zu dienen scheinen. Zwischen ihnen 
steht im Mittelschiff das Denkmal des Kurfürsten Johann Cicero, 
ein Erzguss in der bekannten Auorduung einer auf Pfeiler- 
füssen erhöhten Platte, auf welcher die Figur des Verstorbenen 
ruht, 1540 von dem Stückgiesser Mathias Dieterich aus Rnrgund 
verfertigt; übrigens eine künstlerisch nicht gerade besonders 
hervorragende Arbeit, an welcher die Zeitgenossen wohl am 
Meisten die auffallende Aehnlichkeit iuteressiren möchte, welche 
die Gesichtszüge des 1419 verstorbeneu Hohenzollern mit denen 
des gegenwärtigen deutschen Kaisers, noch mehr aber mit 
denen seines ihm an Alter zunächst stehenden Bruders zeigen. 
Künstlerisch werthvoller ist die unterhalb des Denkmals in den 
Boden eingelassene Metallplatte mit dem Flachrelief seines 
Nachfolgers Joachim I., die einige Jahre früher aus der Werk- 
statt der Vischer in Nürnberg hervorgegangen ist und noch 
gotliisches Architektur- Detail zeigt. 

Aus dem Dome begab die Exkursionsgenosscnscbaft sich 
zur Besichtigung der Konkurrenz - Entwürfe für das in Berlin 
zu errichtende Göthe - Denkmal nach der Rotunde des alten 
Museums. Ist die Ausstellung derselben auch eine öffentliche, 
so gewährte es doch einen allseitig anerkannten Vorzog, das 
Resultat dieses Wettkampfes im ausschliesslichen Kreise von 
F'achverwaudten mustern und mit diesen seine Ansichten austau- 
schen zu können. Ziemlich einstimmig lenkten diese sich dahin, 
dass von den eingelieferten 50 Skizzen, so Anerkennenswerthes 
im Einzelnen unter mehren derselben enthalten ist, doch nur 
zwei, die der Bildhauer Siem er ing undSchapor, zur engeren 
Wahl kommen können. Der Entwurf des Enteren zeigt eine 
imposante Gesammtanlage — «in um mehre Stufen erhöhtes 
halbkreisförmiges Plateau, mit einer an den Stirnen durch 
Kandelaller abgeschlossenen hohen Rückwand, die über einer 
monumentalen Bank Relief - Darstellungen aus Gothe's Dich- 
tungen enthält. Iu der Mitte des Halbkreises der deutsche 
Dichterfürst in der Haltung eines jugendlichen Olympiers auf 
einem Sessel thronend, der von einem eigonthümlicb gebildeten 
Postament getragen wird. Dasselbe »eigr nach hinten, soweit 
es die volle Breite des stattlichen Sessels erfordert, gleichfalls 

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— 191 - 



einen halbkreisförmigen Grundriss, während der vordere Theil, 
auf dem die Füsse der Figur ruhen, von einem erheblieh 
fehmaleren Oblong gebildet wird. In den auf diese Weise sieh 
ergebenden Ecken stehen die ldealgcstalteu der Naturforschung 
und der Poesie, in leichter Haltung auf die Platte des Sockels 
gestützt. Die Vorderseite des Postaments zeigt, im Flachrelief 
einen Eros, der seine Pfeile wählt. Vollendete Anmuth der 
Gesammtvcrhältnisse, wie der einzelnen Figuren zeichnen die 
Arbeit nicht minder aus, wie die wesentlich einfachere von 
Schaper. Hier steht die jugendlich schlanke Figur Göthe's 
auf einem sechsseitigen Postament. Drei Seiten desselben wer- 
den von Gruppen eingenommen, die je aus einer weiblichen 
Figur und einem Genius gebildet und auf halbrund vortreten- 
den Sockeln stehend — die lyrische und dramatische Poesie, 
sowie die Wissenschaft darstellen sollen; aus den drei anderen 
Sockel flachen ergiesst sich ein Wasserstrahl in entsprechende 
halbrunde Becken. — Die Wahl zwischen beiden Entwürfen 
wird keine leichte sein: die Ausführung des Sicracring'scheu 
Entwurfes, in dem die Bank - Idee anfechtbar und die in den 
Sessel ergossene Majestät des Dichters vielleicht doch etwas 
zu stark betont ist, dürfte die bis jetzt vorhandene Summe 
überschreiten. Bei Schaper ist die Wahl der Altersstufe für 
den Dichter wohl um ein Jahrzehnt vergriffen. — Es fehlt 
übrigens im Gegensatz zu diesen beiden hervorragenden Ar- 
beit, denen die Ankes' wohl am nächsten kommt, nicht an Lei- 
stungen, die an unfreiwilliger Komik du Möglichste vorführen. 
Im Grossen und Ganzen braucht das Resultat unserer Reichs- 
tagshaus-Konkurrenz vor dieser der Schwesterkunst ungehörigen 
durchaus nicht zurückzustehen. 

Letztes Ziel der Exkursion war die Bau -Ausführung der 
■ National-Gallerie. Wie schou in früheren Jahren versparen wir 
uns eine Besprechung des Gebäudes bis zu seiner Vollendung; 
wie wir glauben, wird die Grundidee desselben ebenso ange- 



fochten werden, wie die musterhafte Sorgfalt der Ausführung, 
namentlich die von Seiten des leitenden Künstlers erstrebte Aus- 
bildung der architektonischen Details bewundernde Anerkennung 
finden dürfte. Das Gebäude ist gegenwärtig fast vollständig un- 
ter Dach und dürfte — abgesehen von der Treppenanlagc an der 
Uuuptfront — seiner Vollendung im Aeussern nunmehr rasch ent- 
gcgcuschrciten; im Inneren wird mit Ausführung der Einwei- 
hungen begonnen. 

Haupt Versammlung am 1. Juni 1872: Vorsitzender Herr 
Quassowski. anwesend 60 Mitglieder und 3 Gäste. 

Im Vcreinslokale ist eine Sammlung von Photographien 
nach ausgeführten und in Ausführung begriffenen Bauten, Lei- 
stungen des Photographen Albert Schwarz, ausgestellt. Vor- 
behaltlich etwaigen Widerrufs wird demselben auf seinen Au- 
trag bewilligt, einen massigen Theil der in der Bibliothek vor- 
handenen Ausstellungsnächc ständig benutzen zu dürfen. 

Nach Erledigung mehrer kleiner Geschäfts- Angelegenheiten 
berichtet Hr. IMessner im Namen der betreffenden Kommission 
über die Vorberathungeu zum Zwecke der Aufstellung einer 
Norm für das Honorar der Ingenieure. Dieselben haben bereits 
zu einem erfreulichen Resultat geführt; die Kommission ersucht 
jedoch, ihre Arbeit noch zurückhalten zu dürfen, um sie weiter 
zu vollenden. Vor der nächsten Hauptversammlung, in der der 
Verein über die Vorlage schlüssig werden soll, wird das Wesent- 
lichste aus dem Entwürfe durch die deutsche Bauzeitung mit- 
getheilt werden. 

Eine Beurtheilung der Monats - Konkurrenzen ist leider 
wiederum nicht möglich, da die Kommission noch unvollständig 
ist; die diesmal fällige Konkurrenz bat kein Resultat ergeben. 

Nach Beantwortung einiger Fragen durch die Hrn. (Juas- 
sowski, Büsing (schriftlich), Seydcl uud Uäseckc wird 
die spärlich besuchte Versammlung früher als gewöhnlich ge- 
schlossen. — F. — 



Vermischtes. 

Ii den Rimänisrhen Klsenhahncn. 

Anlässlich des zweiten Artikels über die Rumänischen 
Eisenbahnen in der Deutscheu Bauzcitung Nr. 20 bemerke ich, 
dass meine Erfahrungen über die Haltbarkeit der steilen Eiu- 
schnitts-Böschungen allerdings nur bis zum Frühjahre 1870 
reichen, da ich in Folge des französischen Krieges nach Deutsch- 
land zurückkehrte. Bis zu dieser Zeit hatten sich diese 
Böschungen gut gehalten und auch den Winter 1S(!<»,1K70 über- 
dauert. Bei den steilen Wänden, in welchen dieser Boden au 
vielen Orten Rumäniens steht, glaube ich auch annehmen zu 
können, dass bei guter Entwässerung und sorgfältiger Pflege 
der Böschungen, wenn jeder Wasserriss im Entstehen beseitigt 
worden wäre, dieselben sich ganz wohl gehalten hätten. Womit 
ich allerdings nicht behaupten will, dass die so hergestellten 
Einschnitte dem Paragrapheu der Konzession entsprochen hätten, 
nach welchem die Bahnen nach deu besten pruussischen Mustern 
ausgeführt werden sollten. Was die übermässige Anwendung 
von Seitenentnahme und Aussatz anbelangt, so ist dieses eine 
Eigentümlichkeit fast aller Strousberg'schen 
und kommt daher, dass die Abrechnung mit den Sub- 
unternehmern immer, oft auch mit dem Generalunternehmer 
nach geförderten Schachtrutheu erfolgt, wobei ein Durchschnitts- 
preis zu Grunde gelegt, auf Transportweiten aber keine Rück- 
sicht genommen wird. Es ist mithin im Interesse der Sub- resp. 
des General - Unternehmers, möglichst viele Schachtruthen auf 
möglichst geringe Entfernungen zu bewegen. Gerade in Rumänien 
Hess sich diese Art und Weise durch den weniger werthvolleu 
Grund und Boden und die tbeuren Lohnsätze noch am meisten 
rechtfertigen. Betreffond die Tauglichkeit der verschiedenen iu 
Rumänien anzutreffenden Nationalitäten, so dürften die Ansich- 
ten nach den einzelnen Arbeitsstelleu sehr verschieden sein. 
Ich glaube aussprechen zu dürfen, dass dort, wo der rumänische 
Arbeiter vernünftig und ordentlich behandelt worden ist, der- 
selbe sich auch willig und brauchbar gezeigt hat. Meine 
speziellen Erfahrungen mit meinem Hausgesinde sprechen ent- 
schieden hierfür. Dasselbe zeigte mir und meiner Familie grosse 
Anhänglichkeit und schied unter Thrfineu von uns, als wir die 
Reise _ nach Deutschland antraten. Es schloss diesses jedoch 
allerdings nicht aus, dass in der Woche nach Ostern, der soge- 
nannten Bntterwoche (septamana de untu), wo Alles berauscht 
ist, meine Frau sich mit dem Revolver iu der Hand Autorität 
Terschaffen musste. 

Bezüglich der von mir gelobten eiserneu Chaussee-Brücken 
reichen meine Erfahrungen natürlich auch nur bis zum Früh- 
jahre 1870, jedoch glaube ich, dass nicht die Konstruktion mit 
Schraubenpfählen die Schuld des ungünstigen Erfolges trägt, 
sondern die zu wenig tiefe Einbohrung derselben und der lcicht- 
heweglicbe Boden der rumänischen Ströme; dass auch mit breiten 
Fundamenten, resp. auf Brunnen, gemauerte Pfeiler unterspült 
and zu Falle gebracht werden können, zeigt die Sereth-Eisenbahn- 
Brücke bei Barbosc, deren einer schon über Wasser gebrachter 
Pfeiler während des Frühjahrs- Hochwassers 1870 fortgerissen 
wurde. 

Das« es aus den in Rumänien reichlich vorhandenen Lehm- 
material nicht möglich sei gute Ziegel herzustellen, habe ich 
durchaus nicht behauptet, es geschieht nur eben ganlicht, oder 
doch nur ausnahmsweise. Während meines Aufenthaltes in 
Bukarest hatte einer der Herrn Bahntechniker die Absicht, in 
Verbindung mit zwei Kapitalisten ' 



.-in iv« iji». kimoovi uufiuuuKiu eun Ijoim^., Ulli ua; 

lieh festgesetzte Maximum der Scbülerzabl zweckentsprechend 
aufnehmen zu können. Die Zimmerßäche ist in eine solche geo- 



anzulegen, doch scheint sich dieses Projekt wieder 
zu haben. E, 

Ein Programm für den Ban neuer Sohulhänaer in 
Wien, das neuerdings vom Gemeiuderathc als Richtschnur für 
das Stadtbauamt beim Entwerfen von Plänen und für jene Kom- 
missionen, welche mit der Gewinnung von Grundstücken zum 
Baue neuer Schulhäuser beauftragt werden, aufgestellt worden 
und einen Vergleich mit deu im Jahrgang 1S"0 u. Z. No. 11 
u. l.'i besprochenen, in Kerlin und Köln angenommenen Grund- 
sätzen gewährt, hat folgenden Wortlaut: 

6 L In neu zu erbauenden Schulhäusern soll jede Volks- 
schule, sie sei eine Knaben- oder Mädchenschule, nie weniger 
als acht Lohrzimmer, jede Bürger- oder Töchterschule aber min- 
destens 10 Lehrzimmer erhalten. § 2. Wo zur Raumgewinnung 
ein drittes Stockwerk augelegt werden muss, ist es zur Unter- 
bringung der Obcrlehrerwofiuuug, des Zeichensaales, und der 
übrig bleibende Raum zu Lehrzimmeru zu verwenden. Anlage 
der Lebrzimwer gegen eine geräuschvolle Gasse ist thunlichst 
zu vermeideu. Auch Boll mit dem Schulhause iu der Regel 
kein Zinshaus in Verbindung gebracht werden. § 3. Die Lehr- 
zimmer sind nie grösser anzutragen als nöthig, um das geaetz- 

itsnr 
solcl 

metrische Form zu bringen, dass jeder Schüler den Unterricht 
bequem hören, den Lehrer uud die Schultafel deutlich sehen 
kann. § I. Zu ebener Erde ist stets für Anlage eines Turnsaales 
zu sorgen, der mindestens eiue Boduufläche von 21 Quadrat- 
klaftern (»fi.4C'[j"»( und eine Höhe von 14 Fuss (4,42'°) erhalten 
soll. § 6. Die Lehrzimmer sollen niemals unter 12 und nicht, 
über 13 Fuss (resp. 3,7LI— 4,1 1 ra ), gehörig lirht uud entsprechend 
ventilirt sein. § ti. Der nicht verbaute Theil der Bau-Area soll 
wo möglich die Anlage eines geräumigen Sommerturnplatzes 
gestatten und dieser darf nicht vor die Fenster ebenerdiger 
I. ein /immer zu liegen kommen. § 7 In jedem neu zu erbauen- 
den Schulhausc ist für Anlage eines Zeichensaales Sorge zu 
tragen, der die Grösse zweier Lehrzimmer erhalten soll. § 8. 
In jeder Schule ist für ein Lokal von der Grösse eines gerau- 
migen Wohnzimmers zu sorgen, welches als Kanzlei, Konferenz- 
zimmer uud zur Aufbewahrung der vorhandeueu Lehrmittel 
dienen soll. Dieses Zimmer ist in der Nähe der Stiege anzu- 
bringen, um Eltern und Angehörigen der Schüler leicht zugäng- 
lich zu sein. § !>. Die Wohnung für den Oberlehrer, aus zwei 
Zimmern, Kabinet, Vorzimmer nnd Küche bestehend, ist von 
den Lehrzimmern möglichst abgeschieden anzulegen. § 10. Die 
Stiegenhäuser und Verbindungsgänge sollen luftig und licht, die 
Stiegen und Gänge mindestens fünf Schuh (1,58 ■) breit sein, 
und erstere nie mit Spitzstufeu konstruirt werden. J 11. Diu 
Aborte sind jedesmal unter doppeltem Abschlüsse und so anzu- 
legen, dass die Stiegen, Gänge und Schullokalitäten von dort 
aus nicht belästigt werden. Sie sind daher abgesondert anzu- 
bringen, und sollen licht und luftig sein, f 12. Die Zahl der 
Aborte richtet sich in jedem Stockwerke nach der Anzahl der 
daselbst befindlichen Lehrzimmer, und soll nie weniger als diese 
betragen. 6 13. Für die Oberlehrerwohnung und für den Be- 
darf der Lehrer sind eigene Aborte, entfernt von denen für die 
Schüler, in der Nähe der OberlehrerwohnuDg anzulegen. § 14. 
Zur Unterbringung eines Hausmeisters, dem das Schulgebäude 
rein zu halten obliegt, soll in jedem Schulhause eine kleine 
Wohnung aus Zimmer, Kabinet uud Küche bestehend, angelegt 

ist mit dem uöthigen Trink- 



§ 15- Jedes 



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— 192 — 



UDd Nutzwasger und mit den nBthigcn Wasserleitungsrohren für 

erstens zu versehen. 

Gass einer Glocke für den Kölner Dom. Kino der in- 
teressantesten und jedenfalls die grösste Aufgabe, die in neuerer 
Zeit der Glockcngicsserei gestellt worden sind, bildet der Guss 
der grossen für den Kölner Dom bestimmten „Kaiserglncko", 
welche am 27. d. M. in Submission vergeben werden soll. Als 
Material für dieselbe sind von dem kaiserlichen Protektor des 
Baues 22 Stück eroberte französische Broncegeschützo zum Ge- 
schenk überwiesen worden und bereits in Köln eingetroffen. 
Die Glocke erhält enorme Dimensionen, nämlich am sogenann- 
ten Schlagringe — dem unteren Rande — einen Durchmesser 
von 7 ■ und dem vcrhältuissmässig entsprechend eine Hohe von 
5 ; 33 ■ (einschliesslich der Krone). In diesen Abmessungen wird 
sie von allen Glocken Europa*«, die gelautet werden, die grösste 
und schwerste sein; denn die berühmte Glocke in Moskau und 
jene in Peking sind zwar grosser, werden aber nicht geläutet, 
sondern es wird mit einem Klünfel geschlagen. Der Guss der 
.Kuiserglockc - ' muss, weil sowohl wegen der Dimensionen als 
wegen eines Gewichtes von 50 Zentner ein Transport von 
ausserhalb her überaus schwierig, wenn nicht ganz unthunlich 
sein würde, innerhalb der Stadt vorgenommen werden, wie denn 
auch die jetzigen Glocken des Dornen innerhalb Kölns gegossen 
worden sind, 'ihre Stelle wird die Kaiserglocke mit den Leiden 
anderen nüchstgrossen Domglocken in dem dritten Geschoss des 
südlichen Thurmes finden, während die fünf kleineren Domglocken 
«war in demselben Thurau-, 

— angebracht werden sollen. Interessant ist es. das Gewicht 
des Glocken -Kolosses mit dem anderer grossen Glocken zu ver- 
gleichen- Von den zwei bisherigen Hauptglocken des Domes, 
beide gegossen um die Mitte des l.'i. Jahrhunderts und sonach 
die ältesten von allen ihren berühmten Schwestern in Kuropa, 
wiegt die kleinere. 12,0 Zentner, die grössere 22,4 Zentner. Das 
Gewicht der Kaiserglocke wird demnach die grosse Domgluek« 
um mehr als das Doppelte übertreffen. Die grosse Glocke in 
Wien wird zu 35,95*, jene zu Olmütz zu 96,0*, die llauptgtocke 
in der Peterskirche zu Rom zu .'W,0 !! , die von Nntre - Dame in 
Paris zu .14,(1*, die Glocke des Westminster- Palastes zu 323,4" 
und die oft genannte grosse (Hocke üi Krfurt zu 279,36* ange- 
geben. Der Metallwerth der für den Dom gescheukteu Kanonen 
ist auf 25000 Thaler anzuschlagen. 

Konkurrenzen. 

Eine Konkurrenz für Entwürfe za einem Gesellschaft -j 
hause ta Essen wird von der dortigen Gesellschaft .Verein" 
ausgeschrieben. Unter Hinweis auf das Inserat in der heutigen 
Nummer u. B.-Auzeigcrs bemerken wir, «las* 2 Preise von 400 
resp. 200 Tlilr. ausgesetzt s-ind und dass der Termin zur Kinlie- 
feruug der Entwürfe zum H. September angenommen ist. Als 
Preisrichter fungiren die Herren Genzmer in Dortmund, 
Fischer in Barmen, Pflaume in Köln und Rasch in Essen. 
Weitere Mittheilungeu geben wir erforderlichen Falls nach Kiu- 
sieht des Programms. 

Monnta Aufgaben für den Architekten Verein zu Berlin 
zum 6 Juli 1872 

I. Für eine zweigleisige Eisenbahiigitterbrüike ist eiu mo- 
numentales Portal in llnusteiu auszuführen. Jede (fcffnuug ist 
zwischen den Gitterwänden 4.00-» breit und 5,40 rj im Lichten 
hoch. Die ganze Konstruktion ist O.tu™ breit, ohne die uach 
MUMM vorgelegten Fusswcüe \.« l,IO«i Breite. Das Portal ist 
in (iruüdriss und Ansicht, letztere im Misstube von 'i» *u 
zeichnen. 

II. Für einen Brückenpfeiler von 10-« Länge und 7"° Hielte 
soll Ihm starker Strömung, einer Was.sertiefe von '»>» und felsi- 
gem Unter-runde ein Betonfundament hergestellt werden. Die 
Anordnung de--etben utnl nameutüch die Konstruktion dcrUm- 
schliessung des Fundaments und des über Wasser reichenden 
Dammes i>t darzustellen. 

Alle wichtigen Maasse, Annahmen und Reehnungsresultate 
sind in den Zeichnungen an geeigneter Stelle einzutragen. 

Personal - Nachrichten. 

Prcussen. 

Ernannt: Der Regierung»« und Benrath Siiauuagc! zu 
Liegnitz zum Kaiserlichen Regierung*- und Baurath in der Ver- 
waltung von Klsass- Lotlirinsen ; der It.iuinspektor Lauge zu 
F'raukfurt a. M. zum Ober-lfauinspektor. 

Gestorben: Der Biaenhulin-Baumcistcr KD-ckner zu 
Elberfeld. 

Die Bauführer -Prüfung haben abgelegt: Hcrrmaan Baue- 
mann aus Horn in Lip|Kvl>ctmnh|; lluuo llerfeldt aus K • ti: - 
dm: Feldmesser Peter Schmitz aus Wulbrek, Kreis Geldern; 
Paul Becker an^ Landnbern; a. W.; Gerhard Frings aus Eus- 
kirchen. 

Die Baumcistcr-Prüfan,; haben abgelegt: der Bauführer 
Heinrich Tiemann aus Halle i. Westpfaleu. 

Brief- und Fragekasten. 

Abonnent in C. Wir können Ihre Vertheidigung der 



von uns heiläufig gerügten Anordnung, wonach die Grund- 
risse mehrer Konkurrenz - Eutwürfe zum Reichstagshause nur 
mit Buchstuben und Ziffern bezeichnet siud, nicht für glück- 
lich halten und bedauern hierin die Autorität des nach Ihrer 
Mittheilung bei der Wiener Rathhaus-Konkurrenz gefällten Ur- 
theils nicht anerkennen zu können. Der von Ihnen geltend ge- 
machte Vorzug, dass hei einer systematischen Bezeichnungs- 
weise, die sich streug an das Programm auschliesst, ein sicherer 
Leitfaden für das Verständnis« des Planes und zugleich eine 
leichte und bequeme Kontrole. ob das verlangte Käumbedürf- 
niss erfüllt ist, gewonnen werden, ist doch wohl nur ein theo- 
retischer. Uns dünkt es beispielsweise bequemer und leichter, 
die Kommissionszimmer unter dieser mit vollen Buchstaben 
ausgeschriebenen Bezeichnung aufzusuchen , als unter der 
Chiffre V 3, und möchten wir jeden unparteiischen Beschauer 
zum Zeugen darüber aufrufen, oh die Notwendigkeit, sich aus 
dem Gewirr der I I bis 5, II 1 bis 11, III 1 bis 15, IV 1 bis G, 
V 1 bis 8 herauszufinden, nicht ein höchst mühseliges Stück 
Arbeit ist, der sich das Publikum, auf welches für die öffent- 
liche Ausstellung der Entwürfe doch auch Rücksicht zu nehmen 
ist, niemals unterziehen wird und für das wohl auch nicht jede 
Jury dankbar empfänglich sein dürfte. Uebrigens ist es ein ein- 
ziger Entwurf, welcher jenes oben erwähnte System angenommen 
hat und damit ausschliesslich auf die Würdigung Saldier Werth 
lest, die ein Exemplar des gedruckten Programms bei sich 
führen: die anderen mit abgekürzten Bezeichnungen versehenen 
Entwürfe haben durch eine Erklärung neben dem Grundrisse 
zum Wenigsten die Möglichkeit gewährt, dass man mit Aufwen- 
dung einiger Geduld und vielfacher Kopfbewegungen auch ohne 
ienes Aktenstück zu einem Verständnisse der Zeichnungen ge- 
langen kann. Hoffentlich dient diese Erörterung, der wir nur 
aus diesem Grunde soviel Raum gewidmet haben, dazu, dass bei 
künftigen Konkurrenzen auf die licqucmlirhkcit derer, welche 
die Eutwürfe nicht blos iu Betreff der Facaden würdigen wollen, 
etwas mehr Rücksicht genommen wird. 

Hrn. W. iu Elberfeld. Die baupolizeilichen Bestimmun- 
gen über die für Wohuhausuiauern erforderliche Stärk« diffe- 
riren in einzelnen Orten so sehr, dass wir Ihre Frage ohne An- 
gabe der Stadt, auf welche sich dieselbe bezieht, unmöglich 
beantworten können. In Berlin, WO keine bestimmten Stein- 
stärken vorgeschrieben siud, sondern dio Bemessung derselben 
für jeden Fall vorbehalten ist, würden Mauerstärkcu von O.-'W 
für die balkentrageodoti Umfassungsmauern eines dreigeschossi- 
gen Hauses wohl nicht gestattet werden. 

Hrn. II. L. in W ien. Der Wohnort von Hrn. Schinx, 
Verfasser der Wäriucmesskunst, ist uns nicht bekannt. Falls 
diese Notiz uns nicht Auskunft verschafft, wenden Sic sich wohl 
am Betten an den Verleger. 



Hrn. M. in Berlin. Es überschreitet wohl die Grenzen 
der au uns zu richtenden Anforderungen, wenn Sie von uns an 
dieser Stelle ein Gutachten über den Werth eines bestimmten 
Berliner Grundstücks beanspruchen. Ebensowenig sind wir ohne 
weitläufige Ermittelungen, die wir demnächst erst im Laufe des 
Sommers anstellen werden, in der Lage angeben zu können, um 
welchen Prozentsatz die augenblicklich lür Herlin «ültigen Ar- 
beits- und Materialien-Preise die im Architekteukalei " 
gebenen übersteigen. 

Abonnent in Wien. Nachrichten über den Ausfall der 
Theater-Konkurrenz in Genf sind uns bis jetzt nicht zugegangen. 
Dass Sie nach Verlauf von 5 Monaten nach Eitiliefornug Ihrer 
Arbeit weder im Besitze einer Anzeige über das Kraebniss der 
Konkurrenz, noch in dem <|es FCntwurfcs sind, ist leider nichts 
Atissergewölinliehes, kann indessen auch dadurch verschuldet 
sein, dass das Preisgericht noch gar nicht zusammengetreten 
ist- Wir würden Ihnen ratl-.en, sieh an das ronseil administratif 
der Stadt Genf, von dem die Konkurrenz- Aufforderung ausge- 
gangen ist, mit der Bitte um Benachrichtigung zu wenden und 
dien» Behörde, falls Sie Ihren Namen noch nicht nennen oder 
gleichzeitig dem Interesse der übrigen Konkurrenten dienen 
»olb n, dazu aufzufordern, eine Bekanntmachung über den Stand 
der Angelegenheit in al'en den Blättern zu veröffentlichen, in 
welchen seinerzeit das Preisausschreiben mitgetheilt wurde. 

Hrn. R. <1. in L. Lesen Sie gefälligst in einem Werke 
über Seeuferbau nach. Wir empfehlen Ihnen Ilagen: der Seebau. 

Hrn. II. K. in B. Dadurch, da-ss Sie iu dem Wassert*' 
hälter für e inen GaFOtnetcr einen zylindrin-hen ruassi\en Mauer- 
körper aufführen, können Sie den Wasserdruck auf die Wan- 
dungen des Behälters nicht vermindern: derselbe ist abhängig 
von der Höhe des Widerstandes über der gedrückten Fläche. 
Die Herstellung eines Mauerkörp- ts im Innern würde Ver- 
schwendung sein und noch zur Folge haben, das* da die G.iso- 
nieterglneke in eine geringere Wassel meine eintaucht, die Ver- 
änderung der Wasserstaudshöhe bei geringen Bewegungen dgr 
Glocke auf- oder abwärts noch erheblicher ausfallen würde. 
Dem inneren Wasserdruck begegnet mau hier am sichersten 
und billigsten durch äusseren Erddruck. 

Ilm. A. in Berlin. Wir veröffentlichen Ihre Frage, da 
wir selbst keine Au-kunft darüber geben können: — . Ist ein 
Piae-Bau bekannt, liei welchem die Mischung des Pise aus 
gepulverter Schlacke, Sand und Zement besteht? — 
Wir.l. wenn nicht diese Mischungsart, eine ähnliche angewandt 
und wie ist dereu Verhältnis» iu der Zusammensetzung? 



ImMwn ■ »« <«« i"»>l Ii. 'Uli Iu n.ii.n. 



lnurk von <i «üi Uder Kit k tri In »trllo. 



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Jahrg. Tl. M 24. 

DEUTSCHE BAUZEITUNG 

Organ des Verbandes 

deutscher Architekten - und Ingenieur- Vereine. "355 

Redakteur K. E. 0. F ritsch. 



H.d.kti.» >. IiaaalUaa: 

■«IIa. OruIrntlrUM l«L 

itn ille PirfUaitaltra 



Xaiarat« 
ftr d!t Lact da <««Uch»n 
lliutui £n.fti A.Rwkaw 
»•IUI' 



■«Hapi 



Prell 1 Thaler pro Quartal. 


Berlin, den 


13. Juni 1872. 


Erscheint Jeden Donnerst»-;, 


Inhalt: Di. Knakerrras für Km.urf« »an fluu da» d.oUck.n K*ich»- 
tat;rt. (yortatuaag.) — Da. rcibiaiHUwaruigjiüirig. aufhing.!*«.! dm MeiiT. — 
llillh.lluug.il am V.r.ia.B: Aca.rlcaa-In.titut* ol° ArrkilreU. — (.hnpmiMi 


of«Bl Im ,,-lf-tri'if hi.rh.n lugeal« 
aehuuiaiukau la Zvabgaa. — 
riflil.a .Ic 


UtaiwhM lt.le(uug>kauiu f.r.oaat - Nar k - 



Die Konturrf nz für Kattwürfe zum Haue des Deutschen Reichstages. 



(Vorueuim 

wir nunmehr zu jenen Arbeiten übergehen, iu 
mit der Einhaltung künstlerischen Maasses zugleich 
der von uns motivirten Hauptforderung Genüge geschehen 
ist, dass der wichtigste Raum der ganzen Anlüge auch zu 
einer seiner Bedeutung angemessenen architektonischen F.nt- 
wickelung gelange, so versteht es sich von selbst, dass wir 
es nnter ihnen mit den bedeutendsten, vorab in Frage kom- 
menden Entwürfen der Konkurrenz zu tbnn haben. Der 
mittlerweile erfolgte Urtheilssprnch der Jury hat in der That 
vier der ausgesetzten Preise an Arbeiten vertheilt, welche 
dieser Klasse angehören, wahrend die Entscheidung über 
den fünften Preis eia Ereigniss ist, das wohl schwerlich 
durch sachliche Motive erklärt 



Das Interesse des grosseren Publikums sowohl, wie die 
Gunst aller Kritiker hat swh vom ersten Tage der Aus- 
stellung an ganz überwiegend dem Entwürfe Ludwig Bohn- 
stedt's in Gotha zugewendet, und der Beschluss der Richter, 
«eiche ihm den ersten Lorbeer zuerkannten , hat dieses 



Urtheil bestätigt Es verlautet freilich, dass 
gegen die in dieser Frage geschlossen« architektonische 
Minorität der Jury gefasst sein soll, und können auch wir 
bei Abwägung aller Vorzüge und Mangel des Entwurfes, 
dessen Besprechung wir unter den vorliegenden Verhültnissen 
einen etwas grösseren Raum widmen müssen, eine unbe- 
dingte Ueberlegenheit desselben über die zunächst Btehenden 
Arbeiten nicht anerkennen. 

Nur in einem, allerdings in einem der wichtigsten Punkte 
ist eine solche Ueberlegenheit wirklich vorhanden — in dem 
genialen Wurfe, mittels dessen es dem Künstler gelungen 
ist, das Aenssere seines Baues in der Hauptfacade zu einer 
architektonischen Konzeption zn gestalten, in welcher sich 
der Charakter eines Parlamentshauses glücklicher nnd ent- 
schiedener ausprägt, als es in irgend einem der anderen 
Entwürfe der Fall ist. Alle Momente, welche wir in un- 
serer allgemeinen Erörterung als hierfür unerlässlich oder 
besonders geeignet bezeichnen mussten, wir finden sie bei 
dieser in einer freien Auffassung römischer Renaissance- 
Formen behandelten Facade auf das Ansprechendste ver- 
einigt. Mit Entschiedenheit macht über dem niedrigen, als 
gequaderten Cntcrban behandelten Erdgeschoss der erste 
Stock als Hauptgeschäfts sieh geltend. Obwohl die Höhen- 
dimension des Gebäude«, wie das Maass der Axentheilung 
ziemlich bescheiden sind — erstere beträgt etwa 20"*, letz- 
tere gar nur 4™ — so ist der Eindruck imponirender Pracht 
und Würde doch erreicht, indem die Gliederung der Facade 
auf wenige einfache, aber desto grossartigere Motive beschränkt 
ist Kräftig vorspringende, mit Flachkuppeln gedeckte Pa- 
villons, die sich jedoch nicht über die durchgehende Gesims- 
höhe erheben, bezeichnen die abschliessenden Ecken, in de- 
nen durch Zusammenziehung der Fenster in eine Gruppe 
möglichst grosse ruhige Massen gewonnen sind. Zwischen 
ihnen und dem Mittelbau ist die ganze Front des Oberge- 
schosses in zwei offene Säulenhallen von je 11 Axen aufge- 
löst; der Künstler hat es jedorh verstanden dieseB an Wir- 
kung niemals zu übertreffende Grundmotiv antiker Baukunst, 
das leider so oft zu bedeutungsloser Dekoration missbraucht 
wird, hier aus der Aufgabe selbst organisch zn entwickeln, 
indem er diese in ihrem mittleren Theile bis zu doppelter 
Axentiefe erweiterten Säulenhallen als Vorräume der Rcstau- 
rations- und Festlokalitäten anordnete nnd so diesen beiden, 
dem Sitzungssaale an architektonischem Range zunächst 
stehenden nnd vorzugsweise zu behaglichem Aufenthalte be- 
lli eine Bereicherung gewann, die 



Mitgliedern des zumeist im Sommer tagenden Reichstages 
sehr dankbar gewürdigt werden dürfte. Zu ihrer höchsten 
Bedeutung steigert sich endlich die Front in dem mittleren 
Portall.au. Um den Aufgang zu dem wichtigsten Räume des 
Hauses, dem grossem Sitzungssaale, schon von aussen als 
einen mtcgrircndeu Theil des Hatiptgeschosses kenntlich zu 
machen, ist das erste Vestibül als eine hohe offene Halle 
ausgebildet worden, in der die H 1 " breite Haupttreppe in 
einem geraden Laufe zu jenem emporfülirt. Als eine ge- 
waltige Baurnasse überragt diese mit. einem einzigen Bogen 
geöffnete, mit einer Quadriga gekrönte Halle, die dadurch 
einem Trinraphthore .sehr ähnlich geworden ist und 



Aeusseren nnd Inneren deu reichsten plastische n und male- 
rischen Schmuck enthält, die Facade und ist doch auf die 
einfachste Weise organisch mit ihr verbunden, indem das 
Hauptgesims der Scitentheile hier zum Kämpfergesimse wird. 
Die Höhe der Halle aber hat wiederum das Maass gegelMn 
für den Interliau, aus welchem inmitten des ganzen Ban- 
körpers. ohne Tambour und nur durch vorspringende Atti- 
ken mit jenem vermittelt die Flachkuppel sich erhebt, welche 
den Sitzungssaal als den ilusserliehen und innerlichen Mittel- 
punkt des Hauses zur donaiiiironden Wirkung bringt. — So 
glücklich wie diese Facadcnidee. so glücklich und mit 
höchster künstlerischer Feinhe it al-gestimmt sind auch die 
Verhältnisse derselben; in Einzelheiten, namentlich in der 
dekorativen Anordnung des Figurenschmucks vor den Säu- 
len der beiden Hallen und in der scheniatiseh-zopfigen Aus- 
bildung der Strebepfeiler an der Vorhalle, die als Doppel- 
säulen mit verkröpftem Gebälke erscheinen, sind Aendertmgeu 



diese Facadencntwiekelung, die wir um ihrer für 
das Resultat der Konkurrenz entscheidenden Bedeutung so 
ausführlich beschrieben haben, nnd die wir demnächst un- 
sere Lesern auch noch im Bilde hoffen vorführen zu können, 
den hervorragendsten Glanzpunkt des Bohnstedt'schen 
Entwurfs, so enthält doch ebenso die innere Gestaltung des 
Gebäudes, dessen Grundriss auf Seite Hill publizirt ist aus- 
serordentliche Schönheiten, Der glücklichen Anordnung der 
Restaurations- und Festlokalitäten, als symmetrischer ^Kom- 
plexe zu beiden Seiten der Hauptaxe, und ihrer Beziehung 
zu der die freieste und schönste Aussicht geniessenden West- 
front haben wir bereits gedacht; es mag hervorgehoben wer- 
den, dass sie auch auf der entgegengesetzten Seite nach 
Hallen sich öffnen, die sie in unmittelbarste Verbindung mit 
dem Vorsaale bringen und nach den in monumentaler Schön- 
heit durchgebildeten Höfen sehen. Das Festlokal als solches 
ist dabei nur in der bescheideneren Auffassung entwickelt 
doch würde es erforderlichen F'alles leicht sein, anch den 
Vorsaal und die Restanration für festliche Zwecke mitzube- 
nutzen und damit Räume von gewalligster Ausdehnung zu 
gewinnen. Der Zusammenbang des Festsaales einerseits mit 
den Geschäftsräumen des Reichstages, andererseits mit der 
Wohnung des Präsidenten kann besser wohl nicht gedacht 
werden. — Vor Allem aber ist es die Abwechselung und 
Steigerung in der Reihenfolge der Räume, die von dem Por- 
tal bis in den grossen Sitzungssaal führen, welche als das Werk 
einer künstlerischen Gestaltungskraft allerersten Ranges sich 
darstellen. Vorab die offene, von der Treppe durchschnittene 
und mit drei Gewölbefeldern überdeckte Vorhalle, die in 
ihrer vom hellsten Lichte bis zu den tiefsten Schatten wech- 
selnden , durch den Portalbogen eingeführten Beleuchtung 
und ihrer höchst malerischen perspektivischen Wirkung — 
in ihren imposanten Verhältnissen nnd mit - 



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— 194 — 



Schmuck eine höchst glückliche Yerniitlelung zwischen 
dem Aeusseren and Inneren des Baues ist und den Hang 
des letzteren anfs Würdigste repräsentirt. Es folgt ein ge- 
gcsehlosscnes Vestibül, in das seitlich die neben dem Haupt- 
eingange emporgeführten Nebentreppen, sowie die Eingänge 
tiach den Garderoheu münden; der in massigen Dimensionen 
gehaltene quadratische Raum empfängt sein Licht durch hohe 
Seitenfenster aus zwei über die niedrig gehaltenen Garderoben 
und Klosets vergrößerten Lichthöfen. Diesem endlich 
folgt der halbrund abgeschlossene, langgestreckte nnd zum 
Ergehen auffordernde Vorsaal mit seiner Fülle ruhigen 
Uberlichtes. — So mächtig die Wirkung desselben bei einer 
Längendimension von mehr als 50 01 sein muss, so ist sie 
doch lediglich eine Vorbereitung auf den noch mächtigeren 
Eindruck des Sitzungssaales selbst, den der Künstler in sei- 
nem inneren Räume als ein (Quadrat von 24,5 m Seite ange- 
nommen hat, das sich jedoch oberhalb der nach allen vier 
Seiten frei geöffneten Tribünen zu einem Krenz mit kurzen 
Flügeln von 35 ra änsserster Dimension erweitert. Schlicht 
und einfach ist die innere Vorderwand der Tribünen gestal- 
tet ; über einem Sockel, in dem die Thüren liegen, ein breiter 
Fries mit den gitterartig ausgebildeten OcfFnungcn, welche 
dem Saal - U ingange ein sekundäres Licht zuführen sollen, 
und eine mit Kandelabern bekrönte Brüstung. Reicher er- 
scheint der Theil oberhalb der Tribünen - Nischen, deren 
Hinterwände durch sehr stark vorspringende Strebepfeiler 
gegliedert werden, aus denen Bügen entspringen, die sich als 
(inrte einer grossen mit Stichkappen durchbrochenen Voute 
an die 4 grossen Balkentriiger anlehnen, die in der Decke 
das innere Quadrat wieder herstellen. Ein reicher Orna- 
mentenfries, der im Kämpfergesims der Voute den ganzen 
Saal umsäumt, zeigt in der Stirn jedes der :!5 Pfeiler das 
Wappen eines deutschen Ganes oder einer Hauptstadt, wäh- 
rend Marmorstatuen, die auf einem unteren Vorsprunge des 
l'feilers stehen, eine künstlerische Personifikation derselben 
darstellen sollen. Bunte Marmortäfelung der Wandflächen, 
farbiges auf Goldgrund gemaltes Ornament in der Voute, 
endlich farbige Verglasung des Oberlichtes, das fast die ganze 
Fläche der ausserordentlich reich nnd schön gegliederten 
Decke einnimmt, sind bestimmt, den wahrhaft prachtvollen 
Eindruck des Saales, der vielleicht etwas über den für diesen 
Zweck üblichen Ernst hinausgeht, jedoch durchaus inner- 
halb monumentaler Würde sich hält, zu vervollständigen. 
Eine ihm völlig ebenbürtige Schöpfung ist unter deu Ent- 
würfen der übrigen Konkurrenten, von denen die meisten 
auf eine anspruchsvollere Ausbildung des Saales absichtlich 
verzichtet, andere hingegen, wie früher schon erwähnt, über 
den Charakter eines Saales hinausgegangen sind, wohl 
gleichfalls nicht vorhanden, mag die Ausbildung der kaiser- 
lichen I,oge, die sich in der unteren Tribünenwand einerseits 



etwas zurückzieht, andererseits iedocl 
etwas vorspringt, auch noch nicht völlig geglückt sein, son- 
dern mit den allgemeinen Kaumverhältnissen in einen gewissen 
Konflikt gerathen. 

Es ist eine im hohen Grade undankbare Aufgabe, einer 
so glänzenden Leistung gegenüber auch die Schatten und 
I Mängel aufsuchen zu müssen, und doch können wir uns 
dieser Pflicht nicht entziehen. Wir dürfen schon aus Ge- 
I rechtigkeit gegen die übrigen Konkurrenten , unter denen 
i nicht wenige ihre Phantasie gewiss nur mit Widerstreben 
in engere Schranken gebannt haben, nicht verschweigen, 
dass jene Vorzüge zum Theil nur erlangt werden konnten, 
indem andere wichtige Rücksichten geringere Beachtung 
fanden- Selbstverständlich kann es uns nicht einfallen an 
Kleinigkeiten mäkeln zu wollen, die unter den von uns ent- 
wickelten Begriff der „ Skizze ■ fallen und die eine Gestal- 
tungskraft wie die des Verfassers bei weiterer Bearbeitung 
mit Leichtigkeit überwinden könnte. Wir rechnen hierzu u. 
A. die gegen die Hauptfa^ade erheblich zurückstehende, 
ziemlich konventionelle Behandlung der Seiten- und Hinter- 
fronten , mit ihrem im Maasstahe verfehlten Fignrenfriese, 
den Mangel eines Aufgangs für die Abgeordneten an der 
Südseite, sowie die sehr unschöne, viermal die Kichtnng 
wechselnde Anlage der Nebentreppen in der Hauptfront, 
die Vernachlässigung der neben den beiden Hauptaxen des 
Saales und des Vorsaales noch wünschenswerten Qucraxcn, 
die starke Spaltung der Abtheilungs- nnd Komrnissions- 
Zimmer, sowie die nicht sehr günstige Anordnung der Bi- 
bliothek. Es sind dies Kleinigkeiten, die kaum der Rede 
werth sind, während hingegen einige andere Mängel als 
organische desto schwerer ins Gewicht fallen. 

In erster Linie machen sich die gewichtigsten Bedenken 
in Betreff der Beleuchtung der Räume geltend; die Kom- 
pendiosität des Grundrisses, welche die Mehrzahl der Räume 
im Ilauptgeschoss vereinigt, ist leider nicht erreicht worden, 
ohne dass einerseits eine sehr bedeutende Anwendung von 
Oberlicht gemacht, andererseits aber vielen Zimmern ein 
unseres Erachtens ungenügendes Licht-Quantum zugemessen 
ist. Dass Oberlichte für unser Klima nnd für ein monumen- 
tales Gebäude nach Möglichkeit zn vermeiden sind, ist wohl 
allseitig anerkannt So wenig dieselben bei der vorliegenden 
Aufgabe für den grossen Sitzungssaal und den Vorsaal zu 
entbehren sein möchten, so wenig wünschenswert!! erscheint 
es, dass hier auch die Restauration und der Festsaal eines 
solchen bedürfen, dass fast sämmtliche Treppen nnd Vor- 
zimmer darauf angewiesen sind- Der mangelhaften Beleuch- 
tung des Umgangs um den Sitzungssaal, der sein sekundäres 
Licht aus dem letzteren erhalten soll, ist bereits gedacht; 
wir glauben aber auch, dass die Tiefe der Fraktions- und 
Abtheilungssäle zu gross ist, als dass ihre Fenster sie in 



Das funruadiwanilgjalirl^c Stlftangsfr&t des lethr. 

In den Tageu vom 4. bis 6. Juni feierte der unter den Stu- 
direnden der Mauakademie zu Berlin hestehendo Verein .Motiv* 
sein fiinfundzwanzigjährigrs Stiftungsfest. 

Wenn wir nun auch für die Begebnisse mehr lokaler und 
nicht technischer Natur, wie Feste es sind, kein allgemeineres 
Interesse beanspruchen können, da unser Leserkreis alltnählig 
ein wesentlich anderer nie im Anfange unseres Bestehens ge- 
worden ist, wir daher unsere Mittheilungen über Derartiges 
neuerdings stets nur kürzer gefasst haben, so mag hiervon doch 
in diesem Falle abgesehen werden. Ein fünfuudzwanzigjähriges 
Stiftungsfest eiues Vereins, dem die Mehrzahl der auf der Bau- 
Akademie Immatrikulirten während ihrer Studienzeit angehört 
hat. dessen weiteres Bestehen die ehemaligen Mitglieder stets, 
wenn auch nicht mehr in aktiver Theilnahme, doch in werthem 
Gedächtnis* und in froher Erinnerung verfolgt haben, bedarf 
schon einer etwas ausführlicheren Erwähnung, namentlich auch 
für Diejenigen, welche verhindert waren, der Feier in Person 
beizuwohnen. Nicht auf die Zahl der gegenwärtig aktiven Mit- 
glieder nämlich sollte das Fest sich Iteschränken, es war darauf 
berechnet, die Dinglichst grosste Zahl Derjenigen wieder einmal 
zu vereinigen, welche einstmals dem Verein angehört, die als 
Studiengenossen daselbst gemeinsam Stunden jugendlicher Lust 
und Freude zugebracht hatten. Als solch ein Fest des Wieder- 
sehens war es bereits seit .lahren in Aussicht geuomruen und 
fast «'in Jeder hatte beim Abschiede aus dem Verein, beim ent- 
scheidenden Uebergange aus dem frohen Studium zur ernsten 
Lebenspraxis den bleibenden Freunden zugerufen: Auf Wieder- 
sehn beim fünfundzwanzigjährigen Stiftungsfest ! 

Und doch waren — wir Wullen es nicht verhehlen — ver- 
hältnissmüssig nur Wenige auf die wiederholteu Einladungen 
erschienen. Der Kreis ist sehr gross, über welchen die alten 
Mitglieder zerstreut sind, und in der Praxis des Lebens ver- 
wischen sich die Jugi ndcriunprungen. Trotzdem 
gehoben werden, dass gerade aus den ersten 
verliültuissiiiässi; die meisten Theilnchmer «ekommen waren, 
vier der acht muh lebenden Stifter und eine grosse Zahl von 



Namen berühmten Klanges in der Geschichte des Motiv. Der 
Verein war damals noch weuig hervorragend, seine Mitglieder- 
zahl klein; wie lebendig aber das Vcrcinsgefübl dazumal ge- 
wesen sein muss, sprach sich am deutlichsten in dieser regen 
Theilnahme aus. Am schwächsten waren die mittleren Jahr- 
gänge vertreten. An Zahl überwog doch schliesslich die jüngere 
Generatiou, der naturgemäss die Aufgabe des Festarrangements 
zugefallen war; sie bestimmte in Folge dessen auch im Allge- 
meinen den Charakter der Feier. 

Am Nachmittage des ersten Tages, dem 4. Juni, war in 
dem Lokale der Norddeutscheu Brauerei ein Gartenfest veran- 
staltet, vorzugsweise berechnet auf die Theilnahme auch aller 
derjenigen Freunde, die sich der Verein ausserhalb der Zahl 
seiner Mitglieder erworben, und vor Allem die der Damen. 
Der im Laufe der Jahre stets gestiegene und wohlerworbene 
Ruf der Vereinsfeste bestätigte sich auch hier; gegen 800 Theil- 
nchmer waren erschienen, fast der gesammte auserlesene Damen- 
flor der hiesigen Architekteukreisc. 

Ein Festzug. der sich durch die Baumre'ihcu des Gartens 
zu einer im Freien errichteteten Bühne bewerte, eröffnete die 
Feier. Iii komischen Masken, mit den betreffenden Attributen 
versehen, von einem Gefolge begleitet, schritten die Amtsper- 
sonen im Vereine: Liedervater, Schriftführer, Säckler, Musik- 
meister und als fünfte neugeschaffene der Thcspiskärrner mit 
der Üorge um die dramatischen Vorträge einher, sonstige Typen 
des motivischen Lehens, Mitglieder des Ordenskapitels, Freunde 
der nicht mehr gezügeltcn lleitcrkeit (des sogenannten dritten 
Basses), Zweckesser," (Juartettsänger und andere folgten. Sie 
sammelten sich auf der Bühne zu einem kurzen Festspiele, iu 
welchem zunächst die Einzelnen in einem Wettstreite über ihre 
Thätigkeitru und drren Wichtigkeit für den Verein entbrannten, 
bis die Erscheinung der Göttin Motivia selbst den Streit schlich- 
tete, indem sie alle je nach ihren Kräften zu ijcmeiusamer Wirk- 
samkeit für den Verein aufforderte und auf sein ferneres Blühen 
und Gedeihen aus dem ihr dargereichten Ehrenpokale kräftig 
trank. 

Der weitere Verlauf der Feier wurde in etwas durch Regen 
beeinträchtigt. Der Tanz, bei Anwesenheit der Damen nicht 
statt im Freien im Saale stattfinden; an 



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— 195 — 



dem für die praktische Benutzung notwendigen Grade er- 
hellen können. — Wie alter, wenn man neben dem Grund- 
risse des ersten Stockwerks noch den des Erdgeschossen in 
Betracht zieht, wo die Möglichkeit einer Oberlicht-Anordnung 
ganz ausgeschlossen ist, die Seiten fenster hingegen, welche 
die hinter ihnen liegenden Räume bis auf Tiefen von 20 und 
■2S m zu erleuchten haben, auf die Abmessungen gewöhn- 
licher WohnbauBfenstcr herabgesetzt sind! Es bildet die 
Ausbildung dieses Untergeschosses, in welchem immerhin 
noch wichtige und bedeutende Räume liegen, einen so grellen 
Gegensatz zn der monumentalen Pracht der Facade und des 
Obergeschosses, dass wohl schon aus diesem Grunde allein 
niemals daran gedacht werden kaun, den Entwurf Bohn- 
stedt's der Ausführung zu Grunde zu legen. 

Inwieweit auch bei dem Glanzpunkte der Faeaden-Idee, 
dem offenen Treppen-Portale, den sehr naheliegenden prak- 
tischen Bedenken entscheidendes Gewicht beigelegt werden 
kann, wolleu wir dahin gestellt sein lassen. Stände es fest, 
dass anch für alle künftigen Zeiten die Mitzungen des Reichs- 
tage« vorzugsweise in die Sommermonate fallen werden, so 
möchten wir um der Schönheit uud Grossartigkeit des ar- 
chitektonischen Gedankens willen gern vergessen, dass diese 
auf der Westseite geöffnete Treppenballe den Unbilden fast 
aller in unserem Klima tobenden Sturm-, Regen- und Schnee- 
wetter in unmittelbarster Weise ausgesetzt ist; die als Re- 
serve dienenden geschützten Nebentreppen , deren architek- 
tonische Ausbildung nur zu verbessern wäre, würden alsdann 
doch nicht in der Regel, sondern nur als Ausnahme benutzt. 
Mass, wie wahrscheinlich, auf künftige Winter-Sessionen ge- 
rechnet werden, wodurch sich das Verhflltniss umkehren 
würde, so ist es allerdings mehr als zweifelhaft, ob mau die 
Zahl der in Berlin schon so reichlich vertretenen Monumeutal- 



ihhiwii] deren Freitreppen-Anlage nur dekorativer Repräsen- 
tation dient, noch um einen neuen vermehren soll. — 

Indem wir in unserer Besprechung zunächst einige andere 
Arbeiten folgen lassen, in welchen der Sitzungssaal im 
äusseren Aufbau als Kuppel erscheint, müssen wir unter 
diesen wohl denjenigen Entwurf voranstellen, welcher mit 
dem Bohnstedf sehen um die Palme gerungen uud ihm bei 
sämmtlichen Architekten der Jury sogar den Vorzug streitig 

r. -macht hat — den Entwurf von Kayser») & von Gross- 
ei in in Berlin. Ein Vergleich seines auf Seite 18G niitge- 
theilten Grundrisses mit dem Bohnstedt'schen stellt die 
Ueberlegenheit des ersteren allerdings wohl ausser Frage und 
auch die dem Facadenaufbau zu Grunde liegende Idee, welche 



danach gestrebt hat, den ganzen ßaukörper zu einem mög- 
lichst einheitlichen Organismus zu gestalten, ist unerreicht. 
Leider ist die Entwicklung derselben trotz eines höchst 
beachteuswerthen Anlaufes uoch nicht bis zu dem erforder- 
lichen, aber auch sicherlich erreichbaren Grade der Keife ge- 
dieheu. 

Nur mit der einfachen Grossartigkeit römischer Thermen- 
Anlagen, welche den Künstlern auch wohl ganz direkt vor- 
geschwebt haben, ist das geniale Hauptmotiv zu vergleichen. 

I welches den Ausgangspunkt der ganzen Konzeption gebildet 
hat: die hervorragendsten Räume des Hauses in den beiden 
Hauptaxen desselben uud in einem einzigen Geschosse so an- 
einander zu reihen; dass sich im Innern ohne uuuützen 
Raumaufwand der möglichst imposanteste Komplex zusammen- 
hängender Pracht-Lokale, im Aeusseren eine den Gcsamint- 

I körper dominirende rythmisch gegliederte Gruppe bedeutender 
Bautheile ergiebt welche dem Hause von allen Seiten 
den Eindruck würdigster Monumentalität sichert, ohne dass 
einem einzigen dieser Bautheile eine über seine innere Be- 

1 deutung" hinausgehende Ausbildung aufgezwungen werden 
darf. Wie kläglich erscheinen gegenüber einem so einfachen, 
aber aus dem Streben nach dem höchsten Ziele aller echten 
Kunst, nach organischer Wahrheit, geborenen Gedanken die 
Kunststücke des aus dem Handgelenke schaffenden Virtuosen- 
tbiniis mit ihrem Aufwände hohlen Phrasenwerks! 

Auf eine Beschreibung des Grundrisses, der in Konse- 
quenz jener Idee das Erdgeschoss gleichfalls als untergeord- 
neten Unterbau des oberen Hauptgeschosses behandelt hat. 
müssen wir unter Hiuweis auf unsere Skizze verzichten. 
Die Bebauung der disponiblen Grundfläche und die Kompcu- 
diositut der Anlage ist wohl bis zu der überhaupt uoch mög- 
lichen Grenze gesteigert. Dabei entbehrt dieselbe jedoch 
weder der Klarheit, noch ist die architektonische Durchbildung 
auf jene Reihe von Prachtlokalen beschränkt worden, son- 
dern sie erstreckt sich gleichmSssig auf alle Theile des 
Baues und ist fast durchweg befriedigend gelöst Die schwie- 
rige Frage, welche Ausdehnung und Anordnung den Fest- 
raumen zn geben sei, ist aufs Glücklichste umgangen; der 



*J Ol, »»M wir ?■ Im Allgemeinen vermelden, »i>ii J< 
«l reden, m können wir die für un««t« klieren l<«««r Intrreeaaiite Soili nlrhi 
■■lerdrürke«, du der «ine der beiden VrtlroUr di«»er liier » elirrnroll debätl- 
r-nden Arcliiicklen-Fü-M. Hr. Kny.tr. e. in, dem Im J»Ur» 18C7 die im. i 
Autaeh n erregende Zuf uck«eiiun« Ton der Konkurrent bei der Köni| 
1 Akademie mit widerfuhr. 




liebigen Theil der Geschäftsräume des Reichstages für die- 
sen Zweck zu verwenden. Die Anlage der letzteren in zwei 
symmetrischen Gruppen neben dem, iu diesem Entwürfe nach 
der östlichen (Sommerstrassen-) Seite verlegten Hanptein- 
gange, in unmittelbarster Verbindung mit den für die Plenar- 
sitzungen benutzten Nebenräumen des Sitzungssaales ist eine 
ausserordentlich geschickte, und glauben wir, dass bei der- 
selben die meisten der angebrachten Vorzimmer noch erspart 



kleineren Vorstellungen sei insbesondere uoch eines Turniers [ 
erwähnt, welches Repräsentanten der verschiedenen Richtungen 
des Faches, Uochbauer und Ingenieur, Tektone und Gothiker, 
mit irdenen Tellern gepanzert und mit Lauipcnglocken behelmt, 
gegen einander ritten und in welchem diese Schutzwaffen mit 
sehr natürlicher Nachahmung wirklicher Rittcrkämpfe zer- 
paukt wurden. 

Wesentlich anderer Natur war der zweite Tag. der 5. Juni, 
der eigentliche Stiftuugstag des Vereins. Nur gefeiert vou den 
Mitgliedern oder besonders geladenen Ehrengästen, gipfelte in 
ihm die eigentliche ernste Bedeutung des Tages. Er ward am 
frühen Morgen eröffnet durch eine Feier am Grabe Wilh. Stior's 
auf dem Schönberger Kirchhofe. Da* Motiv betrachtet Wilh. 
Stier mit Recht als seiueu geistigeu Begründer; es hat die 
Feier seines Geburtstages in die Reihe seiner stehenden F'este 
aufgenommen. Es konnte seinen Stiftungstag nicht schöner ' 
beginnen, als mit dem Gedächtnisse an den Messtor, traten doch j 
heute Viele zu dem Grabhügel, denen dies Gedächtnis« nicht 
blos wie den Jüngeren als Tradition überkommen war, die viel- 
mehr den Verstorbenen noch in lebeudiger Wirksamkeit gesehen, 
die Erinnerung an seine Person in treuem Herzen bewahrt 



hatten. 

Es folgte um zwölf Uhr der feierliche Akt in dem grossen 
Saale der Bauakademie, wie er statutenmäßig vorgesehen war. 
In bereitwilligster Weise hatte das Direktorium den Saal zu 
diesem Zwecke zur Verfügung gestellt ; freilich war es erforder- 
lich gewesen ihn erst herzurichten und zu dekoriren, denn ein 
zu solchen Zwecken bereits bestimmtes Lokal, wie jedes Gymna- 
sium es in seiner Aula besitzt, hat die Bauukademie leider so 
wenig aufzuweisen, wie ein selbstständiges Lehrerkollegium, 
und diese Feier dürfte denn auch seit dem Bestehen des Ge- 
bäudes die erste derartige in ihren Mauern abgehaltene sein. 

Ein Hymnus für Chor uud Orchester kompouirt und aus- 
geführt von Mitgliedein des Vereins eröffnete den Akt. dann 
sprach der Stifter und zugleich erste Liedervater des Vereins, 
Natu», die Festrede, der wir das Nachfolgende entnehmen; die 
Anlässe uud die Bedeutung des Festes finden sich in ihr am 
Klarsten ausgesprochen. Nach einem einleitenden Gruss an die 
Lehrer der Akademie, vou denen allerdings nur sehr wenige 



erschienen waren, an die filteren und jüngeren Motiver, fuhr der 
Redner fort wie folgt 

.Das Motiv feiert heute, abweichend von seiner bisherigen 
Gewohnheit, das Stiftungsfest durch einen Fest-Akt iu diesen 

— soust ernstem Studium geweihten — Räumen; es hat dies 

zunächst eine äussere Veranlassung. Als wir alte Motiver 

am 5. Juni 18-18, in dieser wild bewegten Zeit das erste Stif- 
tungsfest feierten, als wir uns zu diesem Zwecke aus den hoch- 
schäumenden Wogen des jüngst erwachten öffentlichen Lehens, 
das auch uns in mancherlei Gestalt ergriffen, nach dem lieb- 
lichen Spreedorfe Treptow zurückzogen, um für kurze Stunden 
den Pflichten als Bürgerwehrmauu, den drückenden Sorgen um 
das leidige Examen zu entsagen, als wir uns recht froh uud 
glücklich fühlten; — da gaben wir uns — mit festem Vertrauen 
in die Zukunft — das Wort nach Jahren uns in Berlin wie- 
der zu vereinigen; hier in dicscu Räumen zusammen zutreten, 
um zunächst der alma mater — der Bau-Akademie — und un- 
sern Lehrern den Zoll der Dankbarkeit darzubringen und dann 
in Frohsinn und Heiterkeit das Jubelfest zu feiern: gemeinsam 
an unserer Seele noch ein Mal die Bilder vorüber ziehen zu 
lassen, weK-he Erinuerung an die frohe Studienzeit mit leuch- 
teudeu Farben malt — Dies Versprechen wurde Veranlassung, 
die 'iigährige F*estfeier in der heute zur Ausführung gelangen- 
den Weise auch für dio später eingetretenen Motiver dadurch 
verbindlich zu macheu, dass in die Gesellschaftsgesetze des Ver- 
eins eine entsprechende Bestimmung aufgenommen w;urde. 

Leider können nicht alle einstigen und jetzigen Motiver dieser 
Verpflichtung nachkommen; Viele sind durch dringende Berufs- 
geschäfte, Andere durch herbe Schicksale am heutigen Erschei- 
nen gehindert; gar Manchen ereilte auf seiner hoffnungsreichen 
Bahn ein frühzeitiger Tod; es wurden ja auch aus diesen Rei- 
hen vom Vaterlaude bei seinem Ringen nach laugersehnter 
Selbstständigkeit theure Opfer abgefordert! Wir vermissen 
schmerzbewegt maucheu lieben Freund, manchen theuren Ge- 
nossen. — Bewahren wir ihnen ein treues Gedeiikcu. — 

Es hat aber die Bestimmung, welche die heutige Festesfeier 
in diesen Räumen anorduet, auch noch eiue andere Bedeutung. 

— Wir wollen dadurch ausdrücken, dass das Motiv, welches ja 
seine Mitglieder fast alle aus den Jüngern der Baukunst wählte, 



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- 196 - 



werden könnten; die allerdings ganz wünschen* werthe Ver- 
bindung der beiden Ahthoilungcn über da« im Erdgeschosse 
liegende kleine Vestibül hinweg beeinträchtigt die Wirkung 
des Eingangs jedenfalls zu sehr, als das* sie aufrecht zu 
erhalten wäre. Ungelöst ist im Grundrisse der am Königs- 
platz liegende Theil hinter dem grossen Sitzungssaale, wo 
man den Saal des Bundesrates und die Geschäftszimmer 
desselben erwartet, während der dort angebrachte Portikus 
mit seiner wohl nur durch die Grenze des Bauplatzes nach 
der Seite gedrängten Freitreppen-Anlage als ein äusserlicher 
Nothbehelf erscheint, um für die Faeade ein bedeutenderes 
Motiv zu gewinnen. Weitere Schwächen des Grundrisses 
sind es, dass eine äussere Kommunikation um den Sitzungs- 
saal nicht völlig durchgeführt ist und dass einzelnen Neben- 
räumen, vor allen den Klosets und Garderoben, eine ziemlich 
ungeeignete Lage und eine nicht ganz genügende Anordnung 
geworden ist. Mit dem Grundrisse Bohnstedt's theilt endlich 
auch dieser den Nachtheil, dass eine verbältnissmässig grosse 
Anzahl von Bäumen auf Oberlichtbelenchtung angewiesen ist, 
andere nur spärliches oder gar sekundäres Licht erhalten; 
doch ist das letztere hier reichlicher bemessen als dort und 
hat das Erdgeschoss in Folge der hier getroffenen Verkei- 
lung der Lichthöfe eine entschieden günstigere Beleuchtung 
gewonnen. Kleinlich ist hingegen die Anordnung der Durch- 
fahrten zu nennnen. 

Was die architektonische Gestaltung des inneren und 
äusseren Aufbaus betrifft, so lehnt diese in Details und Ver- 
hältnissen an die edelsten Beispiele italienischer Hoch-Renais- 
sance sich an ; das überall durchgehende Hauptmotiv ist das 
einer Fl&chengliederung durch frei vorgesetzte, mit Bundbö- 
gen verbundene Säulenstellungen. — Im Grade der Lösung 
steht unzweifelhaft das Innere voran, von dessen grossartiger 
Hanmwirkung zwei Durchschnitte ein wahrhaft prächtiges 
Bild geben, das wir in einem seiner Theile unseren Lesern 
gleichfalls vorzuführen gedenken. Allerdings ist die Frage, 
ob eine Ausbildung der Vorräume, wie sie hier dem Treppen - 
hause und dem Versammlungssaal geworden, für ein Geschäfts- 
haus nicht doch zu grossartig sei nnd den Eindruck des 
Sitzungssaales beein "ächtige, nicht wohl zu verneinen; eiqe 
etwas bescheidenere Gestaltung derselben ist jedoch, wenn 
gleichzeitig der Sitzungssaal geändert wird, unschwer zu er- 
reichen. Ebenso ist Kaum in Abrede zu stellen, dass die 
durchgängige Anordnung von Oberlicht in Treppenhaus, Vor- 
saal, Sitzungssaal, Kestauration und Lesesaal den Eindruck 
der Monotonie befürchten lässt und für die letztgenannten 
Bäume schwerlich erwünscht ist — Das Aeussere, obwohl 
um Vieles unfertiger und skizzenhafter, übertrifft das Innere 
an Originalität der Erfindung noch bei Weitem. Leber dem 
tief geräderten Unterbau erhebt sich das Obcrgesehoss als 
eine Baumasse, deren Wirkung um so mächtiger ist, als auf 



jede vertikale Gliederung der eigentlichen Wandfllchen Ver- 
zicht geleistet ist nnd die architektonische Umrahranng der 
Oeffnungen denselben durchweg vorgesetzt erscheint; nur in 
dem Portikus am Königsplatz, den wir auch im Grundrisse 
als wundesten Punkt bezeichnen mussten, ist dieses Prinzip 
sehr zum Schaden der Sache verletzt worden. Ein ausser- 
ordentlich schön und kräftig gezeichnetes Hanptgesims mit 
einer Attika krönt die breiten Flächen oberhalb der in zu- 
sammenhängenden Gruppen verbundenen Oeffnungen; durch 
Erhöhnng der Attika und die Einfügung grösserer, mit den 
Mittelbauten identischer Fenrtermotive sind die Ecknavillous 
ausgezeichnet. Schwer nnd ernst überragen die in derselben 
Architektur gehaltenen, völlig undurchbrochenen Massen der 
mittleren Kreuzflügel die niedrigeren Seitenfronten und 
I schliessen in diesen mit je einem uominirenden Flachkuppel- 
I ban. Leider ist hierbei eine sehr bedauerliche Lücke in dem 
Entwürfe geblieben, welche die Verfasser mit einem Blend- 
werk verhüllt haben, dessen Heranziehung unter den obwal- 
■ tenden Verhältnissen zwar entschuldbar, aber immerhin ihrer 
Künstlerschaft nicht ganz würdig ist. Die über dem Sitzungs- 
saal gezeichnete, übrigens in ausserordentlich schönen For- 
men und einer vortrefflichen Silhouette erfundene Flachkuppel 
ist mit der Form des Saales nicht in Zusammenhang zu 
I bringen; selbst ob eine Konstruktion in Metall, die jedoch 
j bestenfalls dem Kuppelaufsatze den Charakter eines ge- 
I künstelten Dekorationsstückes gäbe, möglich ist, möchten 
wir bezweifeln. 

Eine wirkliche Lösung, die übrigens auch an der Ost- 
front noch nicht ersichtlich ist, kann nur durch eine Aende- 
derung der Saalform erreicht werden, müsste aber daun eine 
so totale Umgestaltung des Projekt* zur Folge haben, dass 
von einer Ausführbarkeit desselben vorläufig gleichfalls nicht 
die Bede sein kann. — 

Als ein drittes, an künstlerischem Range den beiden 
vorher besprochenen ebenbürtiges Projekt haben wir das von 
Hubert Stier zn erwähnen. Während jenen jedoch von 
fast allen Seiten offenes Verständni&s und bereitwillige, zum 
I Theil sogar eine enthusiastische Huldigung geworden ist, hat 
kaum eine andere Arbeit dieser Konkurrenz das Schicksal 
gehabt, so wenig verstanden und nach ihrer wahren Bedeu- 
tung gewürdigt zu werden, als gerade diese. Nicht dass es 
an Bewunderern der künstlerischen Gestaltungskraft, die selbst 
den Gegnern eine respektvolle Anerkennung abnöthigte, gefehlt 
hätte; aber was an ihr gefiel, waren fast gerade die unwesent- 
lichen Aeusserlichkeiten, während die einfachen Grundgedan- 
ken des Entwurfs selbst unter den Fachgenossen nur wenigen 
klar geworden sind und vielen als „spielende Laune der Phan- 
tasie" 1 erschien, was in der That das Ergebniss eines mit 
Ernst erfassten künstlerischen Prinzips ist. 

Wir haben den Grundriss des Stier*schen Entwurfs, 



und du* sich beständig aus den Studirenden der Bau-Akademie 
rekrutirte, stets eng verbuudeu gewescu sei mit den Bestrebun- 
gen dieser Anstalt; dass der Motiver in den Stunden gemein- 
samer KrholuDg, bei seinen Festen, bei hochgehouden Wellen 
der Lust sich doch immer bewusst bleiben müsse, dass er in 
den heiligen Bullen der Kunst geweiht sei, dass er an der Band 
der Muscu wandle. — — — 

Bevor wir dem Motiv zu seinem Geburtsfeste unsere Glück- 
wünsche darbringen, lassen Sie uus noch ein Mal auf seinen 
Ursprung zurückschallen, nach seinem Zwecke fragen, nach 
seinen Beziehungen zu Wilhelm Stier, mit dein das Motiv ja zu 
allen Zeiten iu inniger Verbindung gelebt bat: — ich will Ihnen 
Autwort geben auf die oft von Gästen, von "den jungen Motiveru 
so häutig gestellte Krage nach der Veranlassung zur Stiftung 
dic-cs \ ei eines. 

Wer den leider zu früh heimgegangeneu" Professor Wilhelm 
Stier gekannt, wer in sein liebevolles Auge gebückt, wer die be- 
redte Sprache diese* für die Kunst so hochbegeisterten Meisters 
gehört, wer ihm, dem ächten deutschen Manne, die biedere Kecbte 
gedrückt, der wird es begreiflich linden, dass seine Schüler gern 
zu Füssen ihres Vater Stier sasseu und ihm in inniger Lielw 
zugethun waren; dass die hergebrachte Sitte, den 8. Mai, Wil- 
helm Stiers Geburtstag, mit ihm gemeinsam zu feiern, gern von 
ihnen geübt wurde. — Dieser schonen Sitte huldigten auch wir, 
nachdem wir im Frühjahr 1M7 diese I.ehrstätte U-zogen hatten; 
es wurde dem Meister Stier von Sängern uns unserer Mitte ein 
Morgeuständchen als Festgruss gebracht, eine gemeinschaftlich 
nach dem ländlichen Tegel — dem einstigen Landsitze Wil- 
helm v. Humboldts — unternommene Fahrt gab mannigfache 
Veranlassung, dem geliebten Lehrer unsere Anhänglichkeit aus- 
zudrücken. — Dem Feste fehlte aber die höhere Weihe das 
Können war weit hinter dem Wollen zurückgeblieben, und wir 
empfanden, dass wo Gemeinsames wirkungsvoll geschafft werden 
solle, dies nicht regellos geschehen dürfe, unu dass nur eine 
Vereinigung, in der man nach bestimmten Gesetzen lebe, stark 
und geschickt zur Erreichung des angestrebten Zieles mache. 
Es wurde uns klar, dass dieser allgemeine Grundsatz auch auf 
unser Studium anzuwenden sei, und dass die erstrebte Meister- 
schaft leichter erreicht werden müsse, wenn wir uns enger an 



einauder schlössen, und dass der Segen, den gemeinsames Stu- 
dium bringt, reicher auf uns herabniessen müsse, wenn auch 
unsere Erholungen gemeinsam genossen würden. — 

Ein geselliger Verein — so meinten wir — der ausschliess- 
lich der Erholung diene, in welchem die Mitglieder nach den 
Anstrengungen des Studiums Buhe und Sammlung finden könn- 
ten iu welchem von ihnen Musik geübt, die Dichtkunst gepflegt, 
und auch den Musen eine Stätte gegönnt werde müsse bei sei- 
nen Mitgliedern nicht nur Frohsinn und Benagen erzeugen, 
sondern er müsse auch auf Läuterung und Befestigung ihres 
Charakters, auf Veredelung ihrer Sitten hinwirken, er müsse 
s-ic kräftigen zur Tragung der durch das Studium aufgelegten 
schweren Last. — 

Und so vereinigten wir uns denn U Gleichgesinnte, und 
gaben dem Vereine am 5. Juni 1847 die Üescllschaftsgesctze, 
welche dem Motive im Wesentlichen noch heute zur Bichtschnur 
dienen. — 

Unser Verein wurde uns bald werth, trotz Sturm und 
Wogendruug der hocherregten Zeit, trotz mancher l'ugunst der 
äusseren Verhältnisse wuchs das Motiv an Mitgliederzabi und 
befestigte sich nach Innen: bald wurden die Musen im bunten 
Fcsteszug, froh begrüsst vom Motiv, in den Verein eingeführt. 

- Der Bekauutschuft der Genossen gesellte sich Zuneigung Ihm, 
und es wurden der Freundschaft Altäre errichtet, deueu noch 
heute erwärmende und wohlthuende Opferfeuer cutsteigen. 

Wie Vater Stier Veranlassung zur Hildung des Motivs ge- 
geben, wie er ihm seinen Numeu verliehen, so förderte er auch 
gern seine Bestrebungen, er weilte gern im Kreise der Motiver, 
er blieb dem Motiv treu zugethan und waltete als sein Schulz- 
geist über ihm. — 

Darum erinnert sich das Motiv dankbar des heitngegangenen 
Meisters, deshalb legt es an jedem 8. Mai auf dem Bügel, der 
seine irdische Hülle birgt, Kränze lieber Erinnerung nieder. — 
Es hat auch heute Seiner nicht vergessen. — 

W ie nun das- Motiv in den abgelaufenen 'ih Jahren gewach- 
sen, duvon legt die Stammrolle des Vereins Zeugniss ab, die 
mehr denu 1200 Motiver verzeichnet hat; von seinem Thun und 
Treiben meldet die Chronik des Vereine», es zeugen von ihm 

(Forueinof ««r S*U« m ) 

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— 198 — 




zu den letzterwähnten dem Sitzungssaale 



der im 
die 

Aufbau schwerer zu lösende Stellung im Erdgeschosse des 
Gebäudes anweist, auf Seite 187 u. Bl. mitgetheilt. Kaum 
sind die akademischen Bedingungen eines guten Grundrisses 
hei einer anderen Arbeit in gleichem Grade erfüllt. Eine 
musterhafte Klarheit nnd t'ebereichtlichkeit der Disposition, 
eine bequeme Lage der Eingänge, leichteste Zugänglichkeit 



nach allen Richtungen, eine Falle von Licht mit fast völliger 
Ausschliessung von Oberlichtbeleucbtung und ein Grad ar- 
chitektonischer Durchbildung, der nirgends einen Zwang oder 
eine Lücke erkennen lässt Wenn wir von dem allgemeinen 
Irrthum absehen, dass die Geschäftszimmer des Bundesraths 
und des Reichstags-Präsidiums vom Sitzungssaale zu weit ent- 
fernt sind, ist die Anordnung der einzelnen Räume im Uebri- 
pen eine für ihre Benutzung ausserordentlich praktische. 
Nirgends sind Lokale, diu ihrer Bestimmung nach zusammen 
gehören, getrennt; ja eine Anordnung der Abtheilungs- und 
Kommissionssäle in einem so zusammenhängenden Komplex, 
eine so günstige Anlage der beiden grösseren Dienstwohnun- 
gen in einem einzigen Geschosse, eine so zweckmässige Ver- 
bindung des Yorsaals mit der Restauration, dem Lesesaale 
und den Garderoben sind unseres Kruchtens von keinem 
anderen Konkurrenten erreicht. In der Gestaltung und Auf- 
einanderfolge der Bäume, die zu einer Itedeutenderen archi- 
tektonischen Ausbildung herausforderten, namentlich in der 
von dem llaupteingange nach dem grossen Sitzungssaal 
führenden Axe, ist eine höchst bemerkenswerthe Abwechse- 
lung und Steigerung, sowie ein Itcichthum reizvollster Per- 
spektiven entwickelt, während andererseits diese Pracht räume 
doch wiederum nicht eine so exklusive Ausbildung erhalten 
haben, dass zwischen ihnen und den übrigen Theilen des 
Hause« nicht noch ein wohlthuend harmonisches Verhältnis 
bestände. Als besonders gelungen kann endlich noch die 
Anordnung der Höfe gerühmt werden, die von allen Seilen 
einen freien Einblick gestatten und von denen zwei in einer 
Grösse von etwa -ib m im Quadrat in willkommener Verbin- 
dung mit den Erholungsräutnen stehen, während als ein 
sehwacher Punkt die Anordnung der Zugänge zu den für 
das Publikum bestimmten Tribünen gerügt werdeu muss. 

Eines Momentes und zwar gerade desjenigen, das von an- 
derer Seite einem völlig absprechenden Tadel unterworfen 
worden ist — der Anlage einer grossen, offenen, mit Gemäl- 
den und Skulpturen geschmückten Halle an der dem Köuigs- 
platze zugekehrten Hauptfront — haben wir dabei noch nicht 
gedacht. Zweifellos ist dieselbe eine ans dem praktischen 
Bedürfnisse der Benutzung des Hauses nicht abzuleitende 
Zuthat, aber wir haben in unserer allgemeinen Erörterung 
schon angedeutet, was den Künstler veranlasst hat, das Pro- 
gramm durch sie zu bereichern. L'm dem Volke die ideale 



Bedeutung des Gebäudes verständlich zu machen, nicht aber 
um gelegentliche Lücken der architektonischen Dekoration 
auszufüllen, soll doch wohl die Mitwirkung der beiden 
Schwesterknnste Malerei und Plastik angerufen werden. 
Will man aber dies Ziel erreichen, will man von den Malern 
und Bildnern verlangen, dass sie ihre beste Kraft einer solchen 
Aufgabe widmen sollen, so ist es vor Allem 
innerhalb des architektonischen Organismns 
zuweisen, wo sie ihr Schaffen frei entfalten 
die Früchte desselben auch »irklich gewürdigt werden. Nichts 
ist uns stets als eine abscheulichere Kunst-Barbarei erschie- 
nen, als einem Maler oder Bildhauer zuzumuthen, seine 
Künstlerkraft an einem Werke zu vergeuden, das in der 
Idee bereits todtgeboreu, weil nach seinem Aufstellungsorte 
nngeniessbar ist. Nicht in hohe dunkle Bogenfelder, nicht 
an die Wände des für ein ruhiges und beschauliches Stehen- 
bleiben höchst unbehaglichen Treppenhauses gehören die 
Werke monumentaler Malerei, nicht auf Attiken und in 
Friese, die nur mit dem Fernrohr zu Rehen sind, die Lei- 
stungen monumentaler Plastik, wenn man an beide höhere, 
als blos handwerksmässige Ansprüche stellen, will. Dicldee 
des Stier'schen Entwurfes, dem Schaffen deutscher Kunst 
im deutschen Reichstagshause eine selbstständige Stelle ein- 
zuräumen, wo ihre Werke im hellen Lichte des Tages, jeder- 
zeit uud Jedermann zugänglich, an das Verständniss des 
Volkes sich wenden können, erscheint uns daher nichts we- 
niger als verfehlt, sondern sogar besonders glücklich. Dass 
uns bierl>ei in erster Linie Rücksicht auf die populärste aller 
Künste, die Malerei, geboten erscheint, haben wir bereits 
früher auseinandergesetzt: dass diese Rücksicht in unserem 
Klima nicht wohl anders als durch Anlage einer Halle zu 
erfüllen ist, dürfte wohl kaum bestritten sein. Ist es doch der- 
selbe Gedankengang, welcher zur Anlage de« Portikus an 
Schinkels Museum geführt hat, nur dass die Eingeschossig- 
keit der Halle hier mit der Architektur des übrigeu Baues 
in einen weniger herben Konflikt tritt und dass die Anord- 
nung so getroffen ist. dass man ihres malerischen Schmuckes 
auch innerhalb derselben froh werden kann. 

Noch weniger freilich, wie in Betreff dieser Plan -Dis- 
position ist Stier in Bezug auf die von ihm versuchte sti- 
listische Ausbildung seines Entwurfes verstanden worden. Es 
ist die einzige Arbeit di ser Konkurrenz, bei welcher die 
vielberufeue „Stilfrage* wieder einmal in den Vordergrund 
tritt und daran mahnt, dass ihre Lösung auf architektoni- 
schem Gebiete noch immer ebenso sehr das drängendste 
Problem der Zukunft ist, wie die Lösung der sozialen Frage 
auf dem des politischen Lehens. 

Raum und Zeit verbieten uns an dieser Stelle ein Glau- 
bensbekenntniss zu entwickeln, das architektonischen Freun- 
den unter unseren Lesern nicht unbekannt ist, und mit dem 



die Mappen, das Album, dessen 3. Theil soeben die Presse ver- 
lassen, es tiezeuget vor Allem die immer rege Theilnahnie, deren 
sich die Vereinsfeste zu erfreuen halten. Die Versuche, dem 
Motiv eine andere Richtung zu geheu, es auf wissenschaftlicher 
Basis zu gründen, die wiederholt gewacht, sind stets gescheitert ; 
sie müssen scheitern, denn das Studium gehört der Akademie, 
dem Architekten -Verein, dem Motiv gehört die Zeit der Erho- 
lung. Und so hat das Motiv während seines '-''»jährigen Beste- 
hens auf Einzelne, auf die Gcsammtheit segensreich eiugewirkt. 
so dass wir Stifter mit Befriedigung auf unsere Stiftung blicken 
können. — Möge das Motiv sich auch ferner treu bleiben! — 
Die Zeit ist ernster geworden, das Leben buntbewegter, die Be- 
strebungen materieller, da gilt es, sich enger an einander zu 
schliessen, damit die Ideale in unserer genusasüchtigen Zeit 
nicht verloren gehen. — Möge das Motiv auch ferner der Ver- 
ciuigungspunkt der Studireudeu der Bau - Akademie bleiben, 
möge iu seinen Versammlungen echter Frohsinn, echte Freude 
die Herrschaft führen, möge der Verein noch lange, lauge Jahre 
bestehen und auf Veredlung von Herz und Charakter seiner 
Mitglieder einwirken , dann wird er Bich dauernd die achtungs- 
volle Stellung erhalten, die er unter den Berufsgenossen einzu- 
nehmen bestimmt ist." — 

Kin Hoch auf deu Vorein uud sciue Fortdauer schloss die Rede. 

Der Nachmittag vereinigte die Festtheilnehmer zur Fahrt 
nach Treptow, wo am Ffer der Spree seit dem liesteheu des 
Vereines die Stiftungsfeste in einer im Laufe der Jahr« fest- 
gewordenen typischen Weise gefeiert worden sind. Auch heute 
wurde hiervon im Wesentlichen nicht ubgewichen. 

An Stelle der feierlichen Begrüssuug war diesmal ein kleines 
Drama getreten, als dessen Hauptperson der Wussergott Trep- 
touius und sein Töchterlein Hilantas, die bisherige Beschützern! 
des Vereins, erschienen. Letztere sollte von der Oberwelt, wo 
sie bisher unter den Motivern geweilt, scheiden; alle dagegen 
angewendeten Beschwörungen und Hülfsniittel. selbst Lebens 



vergeblich uud erst diu Intervention der Gott- 
heiten, die bisher im Vereine gepflegt. Dichtkunst, Malerei uud 
Musik, rettete Ililaritas für den Verein, worüber danu das gc- 
sammte Gefolge des Wassergottes, Seegeister und Nixen, in ein 
Freudenballet ausbrachen. Es folgten dann die Wettrudcr- 



kämpfe, die kindlichen Spiele, Wurstspringen und Sacklaufen, 
sowie das Ordenskapitel iu hergebrachter Weise, und nur bei 
letzterem entwickelte »ich ein bedeutsamer Moment, als die an- 
wesenden vier Stifter, Natus, Treuhaupt, Walther und Spiel - 
hagen vorgerufen wurden und unter dem Tusch der Musik und 
dem jubelnden Zuruf der Versammelten den Ritterschlag und 
den Stiftungsnrden erhielten. 

Den Schluss des inhaltreichen Tages bildete ein Kommers 
im Kuuzcrthause, bei welchem das Bedürfnis», mit den alten 
Freunden in hergebrachter Weise sich an der Kueiptafel zu 
vereinen, seine volle Befriedigung fand. Angeregt durch die 
Krinnening betrat mancher der alten Herreu die Bühne, um 
die Versammlung durch Vorstellungen aus früheren Tagen zu 
erheitern, und Morgen war es, ehe die letzten den Saal mit 
einem .Wiedersehen am fünfzigsten Stiftungslage- vertiessen. 

Der 6. Juni vereinigte noch einmal eine Anzahl der Fest- 
theilnehmer mit ihren Damen im Zoologischen Garten. 

Ks seien zum Schlüsse noch die Festgaben erwähnt: eine 
Chronik des Vereins, die leider nur die erste bekanntere Hälfte 
der Geschichte dcssclbcu ausführlicher behandelt; der dritte 
Theil des Motiv- Albums, iu welchem sich die dichterischen Pro- 
duktionen seit 1802 linden, ein stattlicher Band mit manchem 
sehr aehtungswerthen und allgemein verständlichen Produkte 
der eigenthümlich deutschen Bummelpoesie; eine Festkarte für 
den ersten Tag, ein Bilderbuch aus mehre u Blättern, die Vor- 
bereitungen des Süftungstagcs darstellend, für den zweiten ; 
Lieder uud Motivzeitung nicht zu vergessen. 

Wir sch Hessen unseren Bericht mit dem während des Festes 
so oft ausgesprochenen Wunsche eines ferneren glücklichen Ge- 
deihens des \ civilis. Auch für ihn halten sich neue Zustände 
ergeben, durch die stets wachsende Zahl seiner Mitglieder hat 
sich sein innerer Charakter als der ciues gemeinsam zusammen- 
halten I :: Freundeskreises zum Theil geändert. Mit der Grösse 
der Feste und der FVsttheiluehmer habeu Arbeit und Ansprüche 
nach dieser Kichtung sich vermehrt. Möge es dem Vereine auch 
iu diesem neuen Stadium gelingen, sein Wesen als ein Hort für 
alle diejenigen, die " 
und Jugendfreude 



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— 199 



wir unter der gegenwärtigen Generation zum Glück nickt 
mehr allein stehen. Es ist Verblendung, wenn eine einzelne 
Kraft Fragen jenes Ranges, die überhaupt niemals endgültig 
gelfist, sondern nur weitergeführt werden kennen, zu bewäl- 
tigen sich verminst — eine um so grössere Verblendung, 
wenn die Kraft so schwach ist, wie dies vor .'{() Jahren bei 
nicht wenigen Architekten, welche sich eines Eingehens auf 
die „Stilfrage-' erkühnten, der Fall war. Aber es ist ein 
noch stärkeres Ignoriren des lebendigen Entwickelungstriebes 
der Menschheit, wenn man eine solche Lösung überhaupt 
für unmöglich erklärt und jeden ehrlichen Versuch an ihr 
mitzuarbeiten, als phantastischen Unsinn verketzert. Einen 
solchen Versuch, solche ..Stilexperimente", wie sie logischer 
Weise doch jeder St ilent wickelung vorausgegangen sein müssen, 
macht aber jeder Architekt, der sich müht, über die zum 
grossen Theil sehematisch gewordenen Formen der Ver- 
gangenheit hinaus im lösten Sinne modern, d. h. aus den 
Bedingungen der Aufgabe, der Konstruktion, des Baumntc- 
terials, ans dem seiner Zeit geläufigen Anschanungskreise 
heraus zu bauen. 

Einem solchen ernsten und ehrlichen Versuche 
wir auch in diesem Entwürfe. Wie ein Blick 
Grundriss lehrt, ist es das Streben des Verfassers BV w«w, 
einen Gewölbebau zu schaffen, weil er in einem solchen 
die Forderung einer möglichst feuersicheren und monumen- 
talen, d. h. nicht nur möglichst unvergänglichen, sondern 
auch einer echten ästhetischen Ausbitdung fähigen Kon- 
struktion am Besten erfüllen zu können glaubte. Das Be- 
dürfnis*, auch reichere und komplizirtere Gewölbe-Anlagen, 
wie sie namentlich in der Decke de» Sitzungssaales sich 
finden, in organischer Weise lösen zu können, ergab natur- 
gemäßer Weise die Wahl des Spitzbogens, dem sich im 
Inneren zuweilen der flache Segmentbogen zugesellt, — der 
durchgebildete Gewölbebau an sich die Wahl des Strebe- 
pfeilers. Daraus mnssten Formen entstehen, die man nach 
der gebräuchlichen Bezeichnungsweise „gothische- nennen 
mag, wenn auch der Künstler bemüht war. jede für eine 
bestimmte mittelalterliche Epoche charakteristischen Eigen- 
tümlichkeiten zu vermeiden und die Erscheinung des Baues 
dem durch die 400 jährige Einwirkung der Renaissance ent- 
wickelten Forrngefühl anznschliessen. Der letzteren gehört 
durchweg die Detail-Anffassnng an, wie auch die Fortlassnng 
der steilen Dächer und der Abschluss des Baues mit einer 
Attika, in welcher sich die Strebepfeiler auflösen, an die- 
selbe mahnt; in den SnitzlKigenformen ist die steile Linie 
vermieden und ein Verhältnis» beobachtet, wie es in ähn- 
licher Empfindung bereite die italienische Gothik angenom- 
men hat. 

Die allgemeine Facaden -'Disposition konnte nach der 
gewählten Grundriss -Anlage allerdings nicht die grossartige 
Einheit des Kavser- von Grossheim'schen Entwurfes errei- 
chen; sie hat jedoch vor d r Bohnstedt'schen, mit der sie 
in mancher Beziehung verwandt ist, den Vortheil, dass die 



Vorderfront nicht so einseitig entwickelt ist, sondern die 
Kuppel über dem Sitzungssaale als ein bedeutsames Motiv 
für die Hinterfront zur Geltung gelangt. Die Seitenfronten 
sind allerdings wohl noch nicht ganz gelöst. In der Haupt- 
facade dominirt ein im mittleren Theile angeordneter drei- 
teiliger Portalbau, über den mächtigen Ueffnungen mit 
Loggien gekrönt; vor den Pfeilern desselben sind die Reiter- 
standbilder von 4 Kaisern gedacht. Neben dem Portal öffnet 
sich mit je fünf 8™ weiten Bogen die Halle,- seitlich bilden 
die höher emporgeführten Bauten des Festsaales und der 
Frnktionssäle, mit grossen reich getheilten Fenstern und Bal- 
kons ausgezeichnet, den Abschluss. Das System der langen 
Seiten und Hinterfronten, — Theilung durch im Gesims auf- 
gelöste Strebepfeiler, Anordnung von je 2 kleinen Fenstern 
im Obergeschoss und einem grösseren im" Untergeschoss — 
mag nur um deshalb erwähnt werden, weil es hier, wo das 
Hauptgesims auf die ganze Front bezogen werden konnte, 
gelungen ist, das l'ntergeschoss als Hauptgeseboss zu cha- 
rakterisiren. Die Kuppel , welche sich über 4 kreuzförmig 
angeordneten Baumassen erhebt, ist im Tambour durch 2t» 
schräg ansteigende, mit Figuren gekrönte Strebepfeiler geglie- 
dert; eine untere Fensterreihe dient zur Erleuchtung des 
Saales, darüber ist ein Triforiennmgang angelegt. Der flach- 
geschwungene Helm endigt in einer metallenen, als Kaiser- 
krone ausgebildeten Laterne. Von der Ausbildung des In- 
neren sei nur die des Sitzungssaales erwähnt, in welchem 
die 4 grossen Nischen durch Flachbogen geschlossen sind, 
die Decke aber durch ein auf Konsolen vorgekragtes reiches 
Rippengewölbe gebildet wird. 

Ein l'rtheil, in wie weit der von Stier 
Versuch der stilistischen Durchbildung seines 
ist, wollen wir nicht unternehmen; der wahre Werth 

in der Gegenwart niemals gewür- 
rsönlichen Verhältnisse 
Unbefangenheit. Dass 
sein Werk ein in sich einheitliches und organisches ist, dass 
die Gesammtverhältnisse durchweg schöne, die Detail-Gestal- 
tungen reizvolle, die Herrschaft, sowohl über Gothik wie 
Renaissance bekundende sind, ist auch von Gegnern aner- 
kannt worden, die sich achselzuckend über die seltsame Ver- 
irrnn« wunderten, dass Jemand nach einem Phantome gegen 
den Strom der öffentlichen Meinung schwimmen könne. Uns 
kam es wesentlich darauf an, dieses Streben zu erklären — 
wenn man will, in gewissem Sinne dafür Partei zu neh- 
men. Ein eigenes l'rtheil wollen wir den Fachgenossen 
später noch dadurch ermöglichen, dass wir ihnen auch die 
racade StieFs im Bilde vorführen. Dass jene Bestrebungen 
in einer Zeit , die noch immer am Liebsten durch den mit 
einem Vorrath allzeit fertiger Floskeln arbeitenden Prediger 
sich rühren lässt, nur wenig Anklang gefunden halten, ist 
uns ebensowenig befremdend, wie dass sie von einer Jury 
nicht gewürdigt worden sind, die einen Scott prämiircü 



Hl. 11.11,-11 1.7,11, P|'IUII£ IWHIU III »l'J \J\ 

digt werden und fehlt uns bei dem 
zu dem Verfasser hierfür ohnehin ( 



American Institute of Arohitects. — Der Bericht über 
die fünfte jährliche Zusammenkunft des Verbandes Amerikani- 
scher Architekten, welche zu Hoston am 14. und 15. November 
1871 stattfand, enthält einige nicht uninteressante Notixen über 
da* junge Vereinslcben unseres Faches in Amerika. 

Der erste Versuch, ein solches zu gründen, wurde 1836 in 
New- York gemacht Dieser misslang jedoch. Von Neuem trat 
man der Sache näher im Jahre 18T>7. Der Architekten-Verein, 
welcher damals in New- York gegründet wurde, scheint ununter- 
brochen fortbestünde!! zu haben, blieb aber ausschliesslich auf 
jene Stadt beschränkt Erst 18KG ging man daran, aus demsel- 
ben einen über die ganzen Vereinigten Staaten sich erstrecken- 
den Verband zu machen und in den einzelnen Städten Zweig- 
vereine (ckapters) zu errichten. Dergleichen bestehen jetzt 6, 
und zwar in Ncw-York, Philadelphia, Chicago, Cineinnati, Bal- 
timore und Boston. In Baltimore enthält der Architektenverein 
auch Zivil-Ingenieure (als höh professional memhrrs), da dort 
kein besonderer Ingenieur verein existirt 

Der Verband hat jährlich im November eine Zusammenkunft. 
Während der übrigen Zeit des Jahres werden die laufenden Ge- 
schäfte durch den Vorstand (boartl of trustes) erledigt. Der 
Sekretair für auswärtige Korrespondenz bemüht sich, mit den 
bedeutendsten Fachvereinen Europas Beziehungen zu unter- 
halten. Er hat solche bekanntlich auch mit dem Berliner Ar- 
chitekten-Verein angeknüpft. Auch ist letzterer durch die Er- 
nennung seines früheren Vorsitzenden, Herrn Böckmann, zum 
Ebrenmitgliede des American Institute of Arrhitects ausgezeich- 
net worden. 

Der Amerikanische Verband hat ein weites Feld derThätig- 
keit, da er es sich ausser der Pflege allgemeiner Yereinsinter- 
esaen unter Andern zur Aufgabe stellt, für die Organisation 
von Architekturschulen, Anlage von Bibliotheken und Pboto- 
grapbicnsammlungen, mit einem Wort für die sachliche Erzie- 



Mittheilungen aus Vereinen. 



hung junger Architekten, und nicht allein für diese, s< 
auch für die Verbreitung des Sinnes für architektonische Schön- 
heit im Volke, Sorge zu tragen. 

Wenu auch eiuzelne der Hoffnungen, welche der Bericht in 
letzterer Beziehung ausspricht, mit Rücksicht uuf amerikanische 
Verhältnisse etwas sanguinisch klingen, scheinen sich doch an- 
dererseits die Herren der Schwierigkeit ihrer Aufgabe wohl be- 
wusst zu sein. Jedenfalls müssen wir ehrend anerkennen, dass 
dort eiu Anfang zur Besserung bisher wenig erfreulicher Zu- 
stände gemacht ist, und können den Fachgenossen jenseits des 
Ozeans nur von Herzen den besten Erfolg in ihren Bestrebungen 
wünschen. X. 

Oatprenssisoher Ingenieur- und Architekten - Verein. 

Monatsversammluug am Ii. Juni c. Anwesend 12 Mitglieder. 

Nachdem bei der heutigen Exkursion die Maschinenfabriken: 
Union -Gicsserei von Ostendorf, die Steinforthsche Fabrik und 
die Aktienfabrik „Vulcan" besichtigt waren, wurde beschlossen, 
die Exkursion nach dem Oberländiscbcn Kaual am 20. und 
21. Juli zu machen, und der Entwurf des Programms für diese 
Exkursion im Allgemeinen genehmigt 

Ein Antrag auf Aussetzung der Monatsversammlungen wäh- 
rend der Sommermonate wurde abgelehnt. 



Die Kritik des Hoffmann'schen Ringofens Im 
reiohischen Ingenieur- und Architekten -Verein. Wir 

öffentlichen gern das folgende uns zugegangene Schreiben. 

.Mit Bezug auf die in No. 21 der Deutschen Bauzeitung 
S. 170 unter den Mittheilungen aus Vereinen üImt meinen Vor- 
trag gebrachte Notiz ersuche ich E. W. folgende Entgegnung 
resp. tatsächliche Berichtigung im selben Blatte gef. aufzu- 
nehmen. 

Nie ist es mir bcigefallen, den Erfolg Hoffmann's auch nur 



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im Geringsten zu schmälern , oder einen früheren oder späteren 
Ofen über den Hoffmann'schen Ofen zu setzen: ich habe, wie 
es aus der von dem Hrn. Kritiker ungezogenen Beweisführung 
klar hervorgeht, nur gegen den "Rechtsbestand de» lloffniann' 
sehen Ringofen» vom Standpunkte de» österreichischen 
PrivilegieDgesetzes gesprochen; von der Erfindung und dem 
Werthe derselben dagegen erwähnt: .Den ersten Hang unter 
allen Oefen nimmt unbedingt der Huffinann'sche Kingofen ein, 
und zwur bezüglich seiner konstruktiven Einrichtung, sowie auch 
Betreffs des durch ihn zu erzielenden Effekte»*; weiter: 
„Der Hoffmann'sche Ofen zeigt eine seltene Vollendung in An- 
lage und Ausführung"; weiter: Hoffmann gebührt, mag ihm 
sonst auch alles streitig gemacht werden, das Verdienst, den 
Ringöfen allgemeinen Kingaug verschafft und sie zu be- 
sonderer Vollendung gebracht zu haben" etc. 

Betreffs des angezogenen Beispiels meiner Beweisführung: 
.einer sehr vortheilhaften Ausnutzung des Brennmaterials* im 
Öfen von Weberling und „ der bestmöglichsten Benutzung der 
Warme" im Ofen von Denünuid — glaube ich nichts weiter 
erwähnen zu dürfen , als auf meine Beweisführung überhaupt 
hinzuweisen, woraus erhellt: dass ich nur auf konforme Be tre- 
bungen vor Hoffmann gewiesen, keinesfalls aber behauptet habe, 
dass diese von gleichem Erfolge, nie die Bestrebungen Hoff- 
mann's begleitet waren. 

Man darf eben Sätze nicht aus dem Zusammenhange reissen. 

Was aber eine weitere absprechende Kritik betrifft, als 
wäre der österreichische Ingenieur- und Architekten-Verein 
über meine Beweisführung hinweggegangen, gereicht es mir 
zum besonderen Vergnügen, Folgendes koustutireu zu können 
(Zcitschr. des österr. Ingen.- und Archit.-Ver., II. Heft, 1. und 
2. Spalte): L'eber meinen Vortrag wurde ein besonderes Komitc 
gewählt, dem ich ebenfalls angehörte. — In Berücksichtigung 
des Umstände», das die Wiener Ballgesellschaft bereits früher 
ein Gesuch um Aufhebung des Privilegiums beim hohen Han- 
delsministerium (mit meiner Motivirung) überreicht — und in 
der getroffenen ministeriellen Vorentscheidung das Gesuch 
günstig erledigt erhalten hatte — und die kaiserl. österr. 
Allg. Baugesellschaft ein ähnliches Gesuch beim hohen Ministe- 
rium in Vorlage hatte, bcschloss dieses Komite mit Hinweis auf 
diese beiden und andere Gesuche in seiner Eingabe vor Allem 
den Punkt des ungesetzlichen Bestandes zu betonen — uud auf 
Grundlage dieses einen Punktes allein schon die Aufhebung zu 



cm Handels- 
gleicbfalls in diese 



Dieses Gesuch wurde durch 
Minister überreicht, und hatte ich die 
Deputation gewählt zu werden. 

Im Weiteren wurde ich, nach geschehener Aufhebung des 
ersten Privilegiums, im Verein aufgefordert, meine Ansicht über 
den Weiterbestand des zweiten Privilegrums zu äussern und 
erlaube ich mir E. W. nur auf die Seite IC dieses Gutachtens 
wo es lautet: „Der Hoffmann'sche King- 



er Konkurrenz für den Sohulh&ns- 
in Zofingen bat, "wie eine Bekanntmachung in der heuti- 
gen No. unseres Bananzeigers meldet, das Resultat ergeben, 
«lass unter 54 eingegangenen Planen kein einziger dem Pro- 
gramme soweit entsprochen hat, dass ihm der erste Preis hätte 
ertheilt werden können. Man hat unter diesen Umständen den 
üblichen Ausweg ergriffen, die für Preise ausgesetzte Summe 
von 4000 Eres, unter eine grössere Anzahl von Entwürfen zu 
vertheilcn. Es sind Entschädigungen von 1000 bis 200 Frcs. 
an Ü Konkurrenten, die Herren Kub Ii in St Gallen — Reichen- 
bach i Gerster in Bern — Wolff, Sohn in Zürich — Bär in 
Zofingen — Otto Weber — .los. Weidmann — II. & H. Reut- 
linger (sämmtlich in Zürich) — Rost in Oschatz — Schmidt 
uud Thierichens in Frankfurt uud Berlin zu vertheilen. 

Die Konkurrenz rar Entwürfe zum Hause des deutschen 
Reichstages hat am 7. Juni d. J. durch Ertheilung der fünf 
ausgesetzten Preise ihren vorläufigen Abschluss gefunden. Der 
erste Preis von 1000 Friedrichsd'or ist dem Entwürfe Ludwig 
Bohnstedt's in Gotha, die vier anderen von je 200 Friedrichs- 
d'or sind den Arbeiten von Endc&Boeckraann in Berlin, 
Kuvser & von Grossheim in Berlin, Mylius & Bluutschli 
in Frankfurt a. M., G. G. Scott und J. Scott in London zu- 
erkannt worden. Wir behalten uns ausser der Erörterung, 
welche wir deu betreffenden Entwürfen in unserem grösseren 



Artikel widmen, eine weitere Bespre 



cliung uoer diese 



Entschei- 



dung noch so lange vor, bis das motivirtc Gutachten der Jury, 
das man hei einer so eminent öffentlichen Angelegenheit doch 
wohl mit Sicherheit erwarten darf, publizirt sein wird, stehen 
jedoch nicht an, schon jetzt zu erklären, dass die Ertheilung 
eines Preises an den Entwurf des Hrn. Scott als ein Skauda- 
losuxn erscheint, wie es in der uns geläufigen Geschichte deut- 
scher Konkurrenzen bisher noch nicht dagewesen ist. 

Ueber die weitere Entwickelung der Angelegenheit verlauten 
zwar sehr verschiedene Gerüchte, aber noch keine iiositivcu 
Nachrichten. Von den der Jury angehörigen Mitgliedern des 
Reichstages ist bei diesem folgender Antrag eingebracht, über 
den Mittwoch den 12. Juni Besehluss gefasst werden sollte. 

„Der Reichstag wolle besehlicsseu: Sieben Delegirte des 
Reichstages zu ernennen, welche in Gemeinschaft mit dem Hrn. 
Präsidenten des Hauses und Mitgliedern des Bundesrathes sowie 



ofeu steht einzig iu seiner Art da und ist das Vollendetste und 
Beste, was überhaupt für Zwecke der Ziegelfabrikation bisher 
erfunden wurde; wenngleich der Hoffmann'sche Ofen Vorläufer 
hatte, so bleibt er doch der vollendetste und brauchbarste nach 
jeder Richtung hin" etc. 

Ich glaube somit bewiesen zu haben, dass ich nie der Er- 
findung — sondern nur dem Rechtsbestande der Hoffmanu'scheu 
Ringofen -Privilegien entgegen getreten bin, und ebenso, dass 
man nicht so absprechend über meine Beweisführung im öster- 
reichischen Ingenieur- und Architekten -Verein hinwegging, wie 
es der unparteiische Kritiker gethan hat 

Meine Eingangs gestellte Bitte wiederholend, glaube ich um 
so mehr auf deren Erfüllung hoffen zu dürfen, als die Deutsche 
Bauzeitung nicht das Blatt einer Partei, sondern das Organ der 
deutschen Architekten und Ingenieure ist" 

Wien, den 8. Juni 1872. Prokop. 

Eine „ Berichtigung " unserer in No. 21 ausgesprocheneu 
Auffassung vermögen wir in dieser Erklärung nur in sofern zu 
erblicken, als darin die Gründe näher ausgeführt sind, warum 
in der Vorstellung des Oesterreicbischcn Ingenieur- und Archi- 
tekten-Vereins die Bitte um Aufhebung ucs Hoffmann'scheu 
Patentes ausschliesslich vom formalen Standpunkte des öster- 
reichischen Patentrechts motivirt worden ist In der Zeitschrift 
des Vereins ist der einfache Wortlaut jener Vorstellung abge- 
druckt, und haben uns andere Materialien nicht vorgelegen. 
Wenn darin auf die in dem Vortrage des Herrn. Prokop be- 
sonders eingehend versuchte Beweisführung, duss der Hoffmann*- 
sehe Ofeu schon vor der Pateutertheilung durch öffentliche 
Druckwerke bekannt gewesen sei, nicht einmal andeutungsweise 
Bezug genommen ist. so war die Vennuthung wohl verzeihlich, 
dass der Verein von jener Beweisführung ebensowenig überzeugt 
worden sei , als wir dies bekennen mussteu und hier wiederholt 
bekennen. Mag ein Jeder den betreffenden Vortrag nachlesen 
und prüfen, ob unsere durch jene Zitate unterstützteKritik oder 
die oben ausgesprochene Ansicht des Hrn. Prokop, dass er 
nie der Erfindung des Hnffmann'schen Hingofens entgegen ge- 
treten sei, dem Tliatbcstando entspricht 

Dass wir ausschliesslich der Sache zu dienen streben und 
nichts weniger als Partei- oder gar Personen - Interessen ver- 



treten, möge daraus hervorgehen, dass wir Hrn. Prokon keinen 
Vorwurf daraus gemacht haben, dass er in seinem Vortrag« 
nicht blos die Neuheit der Hoffmann scheu Erfindung für Oester- 



reich bestritten, sondern auch die Person des Erfinders verdäch- 
tigt hat indem er die Angaben über dessen vorherige Kenntnis» 
des Arnold'schen Ofens ohne Weiteres als erwiesen annahm. 
Bei dem räthselhaftcu Schweigen, das Hoffmann jenen öffent- 
lichen Angriffen gegenüber behauptet hat, ist es leider nur zu 
erklärlich, dass solcher Verdacht auch bei Männern entstehen 
musste, die geneigt waren, ihm volle Gerechtigkeit widerfahren 
zu lassen. 

unter Zuziehung von Sachverständigen die ferneren Vorberei- 
tungen zur Herstellung eines in Gemässheit des Beschlusses des 
Reichstages vom 1!). April 1871 zu errichtenden Reichstags- 
hauses zu treffen haben. Insonderheit soll es Aufgabe derselben 
sein, sich mit dem Reichskanzler- Amte über den zu diesem 
Zwecke erforderlichen Bauplatz und dessen Erwerbung für das 
Reich zu verständigen, und sodann diu Herstellung eines defi- 
nitiven Bauplanes incl. Kostenanschlag zu bewirken. Dieselben 
werden beauftragt, ihre Arbeiten derartig zu beschleunigen, 
dass die Vorlage wegen der Erwerbung des Grund und Bodens 
und der hierzu uud dem Zwecke des Baues erforderlichen Gelder 
womöglich schon in der Session des nächsten Jahres von Seiten 
der verbündeten Regierungen an den Reichstag gelangen kanu.- 
Hoffentlich sind wir in der Lage, bereits schon in nächster 
Nummer etwas Genaueres melden zu können. Eine schnelle Ent- 
Üingo scheint noch dorn vorstehenden Antrage 



Personal - Nachrichten. 

Deutsches Reich. 
Ernannt: Der Baumeister Wolff zu Strassburg zum 
- Assistenten des Vorstehers im baut ' 



bahn-Baurocister u. 

Bürcau der General-Direktion der Verwaltung der 1 
bahn für Elsass-Lothringen in Strassburg. 

Preussen. 

Ernannt: Die vortragenden Käthe beim Ministerium für 
Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten, Gebeimen Baurätbe 
Flamiuius, Lüddecke und Uerrmann zu Gebeimen Ober- 
Haurätheu: der Baumeister Ruttkowskl iu Breslau zum Eisen- 
bahn-Baumeister bei der Oberschicsischen Eisenbahn daselbst : 
der Kreis-Baumeister Germer in Landesbut zum Bau-Inspektor 
in Prenzlau; der Bau-Inspektor Kühne in Prcnzlau zum Ober- 
Bau -Inspektor bei der Königlichen Regierung in Liegnitz; der 
Baumeister Schmidts in Meschede zum Eisenbahn - Baumeister 
bei der Bergisch-Märkischcn Eisenbahn in Elberfeld. 

Die Bauführer-Prüfung haben bestanden: OttoTechow 
aus Brandenburg a, II. Carl K on n aus Siegen. Otto Kahrstedt 
ausllüselitz bei Tangermünde. Bolcslaus Gorpe aus Labischin. 

Die Baumeister - Prüfung hat bestanden: Richard 
Hermann aus Züllichau. 

In den RuhcBtand ist getreten: Der 
Baurath Sezckorn in " 



KommiMio 



| To« Cirl Bullli In 1 



l>ti«-k nm Oibrldit FUktrll. 



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Jahrg. VI. M 25. 

DEUTSCHE BAUZEITUNG 



R«d»ktie» i, B»|.«ditt<m: 
»rrila, Oraunutna« 101. 
Beile Hungen 
eWrnrhm* alle •Mun.taltra 
«nd eocfchindluneen, 
fai Bvrltn 4M Itnediuea. 



Organ des Verbandes 

deutscher Architekten - und Ingenieur-Vereine. 

Redakteur K. E. 0. FriUch. 



Iaierate 



In der !■ r »i > - Rollur i 
„Bau- Amnl^nr" 
laerrUeaeareU: >'., S«r nre 



frei* l Thaler pro Quartal. 


Berlin, den 20. Juni 1872. 


Ersrbelat jede ■ Dennerstag. 


iDhfttt: Die Konkurrena fiir Ketwurfe tarn Hun du deutecken Heich'- 
leg*\ (FotUtunnp. i — Ucter Peckwerkttager doppelten ijrtnmetf Urlitii Hy*!#«i 
mit Vertikalen. — Id Itlhei Inngen im Vereinen: Verein für F.l«eiieakn»nnde 
n BerUa. -A« 4er Fechlitteraturi Or*en fir die ForueoHlle des Bleea. 


belinweeen*. — Konkurrenten: l>le Koukorrrm für Kntatirfe tum Heu«« de» 
peeterlien Reiclistacej. — Ein Knnknrreai.Au»ae)if<ill>cii für Kntwürle iura Heu 
eine. Aktie*. B*Ub ia Pm». - Per.eael-Naekrlekten etc. 



Neben Arbeiten, wie die von Sohnstedt, Kayser- von 
Grossheim und Stier, müssen die Entwürfe, welche wir den- 
selben nach der von uns gewählten Anordnung zunächst 
anzureihen haben, erheblich zurücktreten, obwohl sich unter 
ihnen sehr bemerkenswerthe Leistungen befinden. 

Als eine solche ist uns z. ß. die von Guido Ehrig in 
Chemnitz erschienen. Der Grundriss zeigt hei zweigeschossi- 
ger Anlage eine so kompendiöse Anordnung der Räume, dass 
an der Tiefe des Banplatzes namhaft gespart werden konnte; 
das schmale Oblong des Baues wird durch einen breiten 
Mittelban so getheilt, dass zwei Höfe von quadratischer 
Form sich ergeben. Im Zentrum des Mittelliaues liegt im 
Erdgeschoss der achteckige Sitzungssaal, an den Fronten 
desselben im oberen Geschosse der Festsaal und die Biblio- 
thek. Die Disposition ist trotz einzelner Schwächen sehr 
klar und in allen Theilen mit künstlerischer Sorgfalt und 
nicht gewöhnlichem Geschick durchgearbeitet. Dasselbe Ifisst 
sich vou der Architektur rühmen, die etwas barocKc Re- 
naissanceformen zeigt; die Eckpavillons und die den Mittel- 
bau flankirenden Thflrme sind mit Hauben in Bogcnforni 
abgedeckt und hat auch die mit einem s»>hr grossen Ober- 
licm versehene, daher sehr flache Kuppel des Sitzungssaales 
eine Ähnliche Dachbildting. Im Innern ist die Erscheinung 
des Saales leider dadurch beeinträchtigt worden, dass die 
Logen für die Zuhörer in zwei Rängen angeordnet sind. 

Auch die Arbeit von Alois Wurm in Wien ist an sich 
von künstlerischem' Reize, wenn auch die Facade des in 
reichem, dekorativen Barockstile und in guten Verhältnissen 
erfundenen Baues weit mehr auf ein Theater, als auf ein 
Parlamentshaus sehliessen lässt. Der halbkreisförmige, im 
ersten Stock dispouirte Sitzungssaal tritt nämlich nicht allein 
mit einer die ganze Baumasse dominirenden Flachkuppel, 
unter der sich die Fenster eines oberen, den Saal noch mit 
sekundärem Seitenlichte versorgenden Umganges befinden, zur 
äusseren Erscheinung, sondern zeigt seine Ruudform auch 
in der dem Königsplatze zugekehrten Front; dass hier eine 
zweigeschossige nach beiden Seiten offene Halle, die in den 
Ecken und der Mitte durch Pavillons gegliedert wird, als 
eine äusserst«, die rechteckige Form wiederherstellende Zone 
hinzugefügt worden ist, verstärkt nnr noch mehr den für 
ein Theater wohl angemessenen, festlich heiteren Eindruck. 
Im Inneren ist der untere Saal-Umgang als Restauration ge- 
dacht; derselbe mündet nach der geraden Seite nicht in 
einen, sondern in zwei eiuander parallele Vorsäle, während 
in der Axe das grosse, durch ein Vestibül von der Sommer- 
strasse her zugängliche Haupt-Treppenhaus liegt. Dass eine 
solche Anordnung, soviel Bestechendes sie auch hat, nicht 
möglich war, ohne andere Unzuträglichkeiten hervorzurufen, 
die den praktischen Werth des Entwurfs sehr beeinträchti- 
gen, erhellt wohl ohne Weiteres. 

Der Entwurf von H. Nisle in Stuttgart, in dem die 
Flachkuppel des Saales eine an byzantinische Vorbilder er- 
innernde Form zeigt — an Stelle des horizontalen Gesiras- 
abschlusses ist die Bogenreihe der grossen Rundfenster mar- 
kirt — ist als architektonische Leistung ohne Bedeutung; 
die in einem viel zu grossen Maasstabe detaillirte Renaissance- 
Architektur lässt künstlerische Reife noch entschieden ver- 
missen. Hingegen ist die Grundrissidee, der wirspüter auch in 
einer anderen, höher stehenden Arbeit begegnen werden, 
durchaus bemerkenswert!). Im Gegensatze zu den bisher 
besprochenen Entwürfen, in welchen der Bau als geschlossene 
Einheit nufgefasst war, begegnen wir hier zum erstenroale 
dem Versuche einer Grnppirung desselben nach dem Zwecke 



e ran Hause des 

(FortaeUung.) 

der einzelnen Räume. Der Mittelbau enthält sämmtliche 
Lokale, die für die Plenar-Sitzungen des Reichstages resp. 



Bundesrathes noth wendig sind, ein Klügelbau die Dienst- 
wohnungen und den Festsaal, ein zweiter die Fraktions-, 
Abtheilungs- und Kommissions-Säle. 

In dem Entwürfe von A. Dahmann in Berlin, der deu 
runden Sitzungssaal in der Mitte des Gebäudes annimmt, 
liegt ein Versuch vor, den Haupteingang der Al>genrdneteu 
von der Südseite her einzuführen. Die architektonische Aus- 
bildung in Renaissanceformen, aber in sehr schweren Ver- 
hältnissen und kleinen Axen, erinnert mit ihrer Flachkupptl 
und den zahlreichen Thürmchcn, deren stark eingezogenes 
Kegeldach sich über einem offenen Säulonuragangc erhebt, 
durchaus an muhaminedanische Bauten. Auch die aus Galatz 
eingesandte Arbeit von Schumann aus Berlin, ein schmaler 
dreigeschossiger Renaissancebau mit Eckpavillons und zwei 
Thürmchen an dem Mittelbau der Vorderfront — Bbei dein 
oblongen Sitzungssaale mit einem kleinen, konstruktiv wohl 
kaum zu lösenden Kuppelaufbau versehen, ist ein wenig er- 
freuliches Werlte 

.Tu nie in Paris hat seinem Saale, der inmitten des durch 
4 Höfe gethf'ilten Baues liegt, eine quadratische Grundform 
gegeben und die Sitze des Bundesrathes in eine Nische gegen- 
über der Tribüne des Präsidenten gelegt. Abgesehen jedoch, 
dass die Details dieser Anordnung nicht gelöst sind, liate>cr 
die Vortheile, welche dieselbe für die Grundrissbildung ge- 
währt, gänzlich unbenutzt gelassen, die Räume des Rundes- 
raths vielmehr fast noch stärker zerstreut, als dies in anderen 
Entwürfen geschehen ist. Die Architektur ist ein seltsames 
Gemisch barocker Renaiesanceformen mit Motiven, die in 
ihrer Verwendung des Flach- resp. Rundbogens dem einfachen 
Barksteinbau entlehnt zu sein scheinen. Die originell ge- 
formte, mit einer Kolossalfigur gekrönte Flachkuppcl dürfte 
unkonstruirbar sein. 

Die erst in den letzten Tagen der Ausstellung zwischen 
den leeren Kisten der übrigen aufgefundene Arbeit von 
H. J. Morre in Delfft zeigt den achteckigen, im ersten Stock 
liegenden Sitzungssaal von einem quadratischem Umgänge 
umgeben. In der Oueroxc liegen der Festsaal, resp. die 
Fraktionssäle, in der Hnuptaxe die Geschäftsräume des Reichs- 
kanzlers etc. resp. die Restauration und Garderobe, letztere 
in einem sehr kräftig vortretenden, höher emporgeführten und 
mit Thürmchen ausgezeichneten Bautheile, welcher die Vor- 
derfront dominirt, während die auf Seitenlicht angelegte Kup- 
pel für die Hinterfront zur Geltung kommt. Die in Re- 
naissanceformen durchgebildete Architektur leidet an ziem- 
lich groben Maasstabsdifferenzen. 

Endlich gehört an diese Stelle der unter den Arbeiten 
seiner Landsleute ebenso vereinzelt wie ehrenvoll dastehende 
Entwurf von Walter W. Robertson in London. Leider ist 
die künstlerische Behandlung desselben in einer höchst ma- 
geren und trockenen Renaissauce-Architektur keine sehr vor- 
teilhafte und talentvolle, anch die Durcharbeitung des Grund- 
risses lässt in dieser Beziehung viel zu wünschen übrig. 
Aber desto angenehmer berührt es im Gegensatze zu der 
phantastischen Effekthascherei der übrigen Engländer, dass 
der Verfasser die praktischen Bedingungen der Aufgabe sich 
klar gemacht untf in deren Erfüllung den Ausgangspunkt 
und die Grundlage seiner Arbeit gesucht hat. Das Oblong 
des Bauplatzes ist durch 4 Höfe getheilt. Inmitten liegt im 
ersten Stockwerk, das mit Entschiedenheit als Hanptgeschoss 
ausgeprägt ist, der Sitzungssaal, dessen kreisförmiger Grund- 
riss hinter der Prüsideiiteutribüne durch einen segmentför- 



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migen Einbau, der unten eine Passage, oben die Journalisten- 
tribüne enthalt, moditizirt wird. Der Versammlungssaal der 
Abgeordneten ist zum Zwecke direkter Beleuchtung an die 
Mitte der Vorderfront, über das untere Vestibül gelegt wor- 
den und wird vom Hauptsaale durch das Treppenhaus ge- 
trennt Wenn es zur Verbindung mit dem Umgange dessel- 
ben zweier Passagen bedurfte, so ist dieser Nachtheil doch 
reichlich dadurch aufgewogen, dass es bei der gewählten 
Anordnung möglich war, dem Vorsaale einerseits die Restau- 
ration und den Festsaal, andererseits den Lesesaal und die 
Bibliothek anzuschliessen, also in der Vorderfront dieselbe 
Folge bedeutender Räume zu gewinnen, welche die Oueraxe 
des Kayser- von Grossheim'schen Entwurfes zeigt. In den 
Seitenfronten schliessen sich der Bibliothek die Abtheilungs- 
säle, dem Festsaale die Prasidentenwohnung an. Eine wei- 
tere Beschreibung des Grundrisses ist wohl nicht erforder- 
lich; es mag nur noch die sehr klare und zweckmassige Ver- 
keilung der Eingänge rühmend hervorgehoben werden. Das 
Innere des Saales ist mit einer sehr flachen Kuppel ge- 
schlossen, das Licht wird jedoch nicht durch eine obere 
Oeffnung, sondern durch einen Kranz runder Seitenfenster 
gewonnen. Im Aeusseren steigt die von vier kleinen kuppel- 
gekrönten Thürmen flankirte, im Verhältnis» zu ihrer Höhen- 
erhebung und zum ganzen Bau zu massige Schutzkuppel 
mit einem steileren Kontur empor. 

Aehnlich, aber wesentlich reicher ist der Aufbau des 
Sitzungssaales in dem Entwürfe von T. Milczcwsky in 
Berlin gestaltet. Der Künstler hat sich an den Wunsch, die 
strenge Symmetrie des Königsplalzes festzuhalten, gebunden 
und seinem Bau demzufolge eine so geringe Tiefe gegeben, 
dass er die Räume in drei Stockwerken vertheilen musste, 
was um so mehr za bedauern ist, als der Grundriss im 
Uebrigen zu den klarsten und einfachsten gehört Im Erd- 
geschosse liegen die Böreaus mit der Wohnung des Dirigen- 
ten, sowie die eine Hälfte der Abtheilungs- und Kommissions- 
säle, im ersten Stockwerk sind sammtliche für die Plenar- 
sitzungen erforderlichen Räume und die Bibliothek, im zwei- 
ten die andere Hälfte die Abtheilangssäle und die Präsi- 
denten-Wohnung mit dem Festsaale angeordnet Der Haupt- | 
eingang führt von der Sommerstrasse durch ein Vestibül zu 
dem Vorsaul empor, während die Front am Königsplatz dnreh 
einen Mittelbau mit Portiken in 2 Geschossen ausgezeichnet 
ist. Die Ecken des Baues werden von schlanken Thürmen 
gebildet, deren Entwickelung in zahlreichen, stark zurückge- 
setzten Geschossen an die Renaissancebauten Danzigs erinnert. 
Vier entsprechende Thürme umgeben den in Glas konstrnirten 
Kuppelaufbau über dem quadratischen Sitzungssaale. Die 
architektonische Ausbildung in Renaissanceformen wird einer- 
seits durch die Gleichwertbigkeit der Geschosse beeinträch- 
tigt, ist jedoch andererseits an sich etwas zu schwer und 
zeigt nicht immer glückliche Verhältnisse. * 

Wir schliessen hieran zunächst einige Projekt«, in denen 
die Kuppel des Sitzungssaales nicht die typische Rnnd- oder 
Polygonform hat, sondern in einfacher Weise über einem 
rechteckigen Räume entwickelt ist, also dem Körper inner- 
halb eines Kloster- oder Spiegelgewölbes entspricht 

Als das hervorragendste unter denselben, gleichzeitig 
als eine der am Einheitlichsten durchgeführten Arbeiten der 
ganzen Konkurrenz, ist das Projekt von August Tiede in 
Berlin zu nennen. Der Grundriss zeigt einen streng sym- 
metrisch angeordneten geschlossenen Bau mit 2 grösseren 
Höfen, im Schnittpunkte der beiden Hanptaxen den recht- 
eckigen Sitzungssaal. Als Hauptgeschoss ist das Erdgeseboss 
angenommen worden. Der Eingang für die Abgeordneten 
führt von der Soramerstrasse durch 2 Portale in den durch 
Oberlicht erleuchteten Vorsaal — eine Anordnung, durch die 
es möglich wurde der Restauration die günstige Lage in der 
Axe des Saals zu geben: es schliessen sich auf der anderen 
Seite dieser Eingänge die Räume für die Bibliothek resp. 
die Büreans an. An der entgegengesetzten Front des Königs- 
die durch einen breit vortretenden Mittelbau mit 
mächtigen Portikus ausgezeichnet ist, beflodet sich ein 
t Eingang, der vorzugsweise für den Bundesrath nnd 
kaiserlichen Hof bestimmt ist und zunächst in ein als 
aasgebildetes Foyer führt; zur Seite liegen die Räume 
des Bundesrates resp. die des Präsidiums nnd die Wohnung 
des Bureau -Dirigenten. Die Mitten der Seitenfronten werden 
durch sehr stattlich ausgebildete Durchfahrten bezeichnet Im 
oberen Geschosse liegt über der Restauration der Festsaal, 
an den sich südlich die Wohnnng des Präsidenten anschliesst ; 
der übrige Raum der äusseren Flügel wird von den Fraktion*-, 
Abtheilungs- und KomraUsionss&len eingenommen. Falls 
man sich mit der grundsätzlichen Auffassung des Verfassers, 
der den Rang des Gebäudes um einen Grad herabgestimmt 
hat und in demselben das Moment des Geschäftshauses vor 



dem des nationalen Monumentalbans betont befreunden kann, 
so erscheint nicht allein der Grundgedanke der Disposition 
glücklich, sondern auch die Durchführung desselben im Ein- 
zelnen kann als fast durchweg gelungen angesehen werden. 
Schwache Punkte sind die Anlage der kaiserlichen Loge, 
die hier wohl unter dem Angemessenen steht, sowie die 
Anordnung des Festsaals, der eines guten Zusammenhangs 
mit den Nebenräumen, sowie eines würdigen Aufgangs ent- 
behrt; überhaupt ist die Ausbildung der Treppen etwas ver- 
nachlässigt. 

Fast das Gleiche gilt von der Architektur, die in feinen 
hellenischen Formen detaillirt ist, jedoch durchaus über die 
konventionelle Schablone hinausgeht nnd zu einer Facaden- 
ausbildung geführt hat, die nach Maasstab und Verhältnissen 
im hoben Grade anziehend und harmonisch ist, wenn sie 
auch für das Hans des deutschen Reichstages gar zu schlicht 
und einfach erscheint und gleichfalls unter dem Fehler 
leidet, dass der Rang des Hauptgeschosses in ihr nicht zur 
Geltung kommt Das charakteristische Motiv der Facaden- 
architektur ist die Säumung der Fensterpfeiler mit bis zum 
Gesims durchgehenden Anten. Die Eckpavillons sind mit 
feinen Flachkuppeln, der oblonge Aufbau über dem Sitzungs- 
saale, der ganz analog dem oberen Stockwerke ausgebildet 
und mit Fenstern durchbrochen ist, mit einem Kuppeldach 
der oben erwähnten Form gedeckt Der Schmuck der Fa- 
hnden ist dabei auf ein Minimum reduzirt und beschränkt 
sich fast allein auf die breiten Flächen , die in dein Mittel- 
bau der Hanptfront neben dem Portikus verbleiben ; hier 
sind Nischen mit Figuren nnd einige Reliefs angebracht. 

Nicht ganz so hoch steht der Entwurf von A. Lang in 
Wien, der bei bemerkenswerthen Einzelheiten doch noch 
keineswegs gelöst ist. Ein oblonger, zweigeschossiger Bau 
mit vorspringenden Flügeln, in dem die Eingänge seitlich 
und vorn, der Sitzungssaal im ersten Stock, hinter demselben 
die Restauration, in der Queraxe Festsaal und Bibliothek an- 
geordnet sind; der Aufbau des quadratischen Sitzungssaales 
mit einem mächtigen Kuppeldach in ziemlich steil ansteigen- 
der Linie gekrönt Als besonders gelungen kann die ein 
feines Gefühl für Formen und Verhältnisse bekundende Aus- 
bildung der Architektur in den Formen italienischer Renais- 
sance gerühmt werden. Hingegen müssen wir in der Arbeit 
von J. Merzenich in Berlin das unglückliche Ergebniss 
allzu hartnäckigen Festhaltens an einer Grundidee bedauern, 
deren Bewältigung wohl auch der besten Künstlerkraft nicht 
gelingen könnte. Aus der Baumasse ist in der Vorderfront 
ein Vorbof in Form eines halben Achtecks ausgespart, die 
Verbindung der Eckbauten mit den Mittelbauten daher durch 
schräge Flügel bewirkt. Es scheinen lediglich Rücksichten 
auf die perspektivische Wirkung gewesen zu seiu, welche 
den Verfasser zu dieser rein äusserlicben Anordnung geführt 
haben; im Grundrisse ist ein Motiv dafür nicht nur nicht zu 
entdecken, sondern eine organische Entwickelung und Ver- 
keilung der Räume ist dadurch sogar direkt unmöglich ge- 
worden. Zu diesem Irrthum hat sich der zweite gesellt ein 
Bauwerk dieses Ranges als einen verhältnissmässig einfachen 
Backsteinbau behandeln zu können. Das Gesammtresultat 
konnte daher trotz einiger Details, die des künstlerischen 
Interesses nicht unwürdig sind, nur lin'im höchsten Grade 
unbefriedigendes sein. 

Dass wir den Versuch, die Saalform des verlängerten 
Halbkreises auch im äusseren Aufbau zu zeigen, um deshalb 
als einen an Bich verfehl, en betrachten müssen, weil uns die 
künstlerische Bewältigung einer so durchaus unorganischen 
Form geradezu unmöglich erscheint, haben wir bereits in 
unserer allgemeinen Erörterung ausgeführt Nichts destowe- 
niger zeugt das Streben nach einer Lösung dieses Problems 
immerhin von nicht geringem künstlerischen Ernste und 
sind es in der That durchweg Arbeiten von Bedeutung, in de- 
nen jener Versuch gewagt ist 

Wir stellen 
Eggert in Berlin, 



Gruudriss wir auf Seite 128 



te 128 pn- 
behaupten, 

nicht mehr Skizze, sondern in sich vollendet und 
abgeschlossen ist, und kaum wüssten wir eine Arbeit zu 
nennen, die mit gleicher Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit 
durchgeführt ist 

Als allgemeine Vorzüge des Grundrisses, der in ähn- 
licher Weise, wie dies bei Sohnstedt und Kayser &. von Gross- 
heim der Fall ist die Mehrzahl der Räume in einem oberen 
Hauptgeschosse anordnet, sind die klare Uebersichtlichkeit 
nnd Zugänglichkeit der Anlage, die gute Vertheilung und 
die durchweg monumentale Ausbildung der Räume zu rüh- 
men. Eine häufige Anwendung von Oberlicht und das 
Hülfsmittel zahlreicher Lichtschachte war selbstverständlich 
auch hier nicht zu umgehen und halten wir dies unter allen 



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- 203 - 



Umständen für einen prinzipiellen Mangel; doch ist wenig- 
dass bei den gewählten Dispositionen 
1er für das Bedürfniss ausreicben- 
ntbehrt Besondere Vorzüge sind 
die Ausbildung der stattlichen Durchfahrt in der Queraxe, 
welche mit den Haupt-Kommunikationen des Hauses in guter 
Verbindung steht, die Anlage des grossen Prachthofes, der 
in ähnlichen Dimensionen in keinem anderen Entwürfe sich 



lern ruht, des 

Nicht als "der 



mit dem In- 



ls der Ansdrnck eines inneren Gewölbebans 
aof, sondern sie sind eingestandenerraasssen 
dnet, um eine kräftigere Relief -Wirkung zu 
ao der Vorderfront, wo sie offenen Hallen 
durch die unbedeutende Tiefe dieser 



findet — endlich als Glanzpunkt der Arbeit die Anordnung 
■ an Rang zui 



der dem Sitzungssaal an Rang zunächst stehenden Neben- 
lokale: des Vorsaals, der Restauration, des Lesesaales und 
der Bibliothek, die als ein zusammenhängender Komplex um 
das grosse, als Ruhmeshalle gedachte Haupt -Treppeahans 
sich gruppiren. Bei der Beziehung des Vorsaals sowohl auf 
Sitzungs- wie Festsaal würde es leicht sein, jenen ganzen 
Komplex für grössere Feste mit zu verwenden. Als Haupt- 
mängel in der Ausbildung des Inneren müssen wir es hin- 
gegen betrachten, dass eine jener Innenräume würdige 
Vestibül-Anlage, für deren Entwickelung unter der Bibliothek 
nicht Höhe genug vorhanden ist, fehlt und dass der ans 
akustischen Rücksichten so niedrig und einfach wie möglich 
gestaltete Sitzungssaal in architektonischer Wirkung hinter 
das Treppenhaus, das wir eines solchen Ranges durchaus 
nicht für würdig erachten, zurücktritt; andererseits will uns 
in diesem Falle ein Brechen des Treppenlaufes nicht wohl 
zulässig erscheinen. An Kleinigkeiten mäkeln zn wollen, 
wozu sich mehrfach Gelegenheit böte , fällt uns natürlich 
nicht ein. 

Weniger glücklich ist der Künstler in der Konzeption 
seiner Facaden gewesen , für deren Detail-Gestaltung das 
Streben einer Forroenbildung im Sinne hellenischer Tektonik 
maassgebend war. Im hohen Grade gelungen ist an derselben 
die allgemeine Gruppirnng nnd Massenvertheilung , die in 
ihrer Anordnung ungemein an den Entwurf Bohnstedt's er- 
innert und sehr wohl einer ebenbürtigen künstlerischen Ausbil- 
dung fähig gewesen wäre. Auf einer mit Kandelabern umhegten 
Terrasse, an deren Ecken wirkungsvolle Reitergruppen auf- 
gestellt werden sollen, erhebt sich der breitgelagerte Bau, in 
ein einfaches üntergeschoss und ein mit honen Arkaden 
gegliedertes Obergeschoss getheilt ; die Ecken bezeichnen Pa- 
villons mit Flachkuppeln, die Mitten Portalbauten, von denen 

der in der Hauptfront einen mit einem reichen Fignrenschmuck | Gruppen von Provinzen nnd Städten, deren Wappen in den 



lediglich 
erzielen; auch 

angehören, ist durch die unbedeutende Tiefe 
Hallen und die sehr geringe Beziehung, welche diesel- 
ben zu dem Zwecke der hinter ihnen liegenden Räume 
zeigen, der dekorative Charakter der Arkadenstellung 
nicht ganz aufgehoben. Mit dem Rundbogenstil, den 
der Verfasser in Folge derselben nnd mit Rücksicht auf die 
Anwendung von Rundbögen in den Haupträumeu des Inne- 
ren seinem Bau vindizirt stehen ferner die scheitrechten 
Ueberdeckungen| sämmtlicher Oeffnungen in den Facaden- 
wänden — mit der stattlichen Ausbildung des vorderen 
Mittelbaus die mehr als einfache Anordnung der Eingangs- 
thüren — mit dem weit über den Zweck der Beleuchtung 
gesteigerten Aufbau des Sitzungssaales die innere Schlicht- 
heit desselben in unlösbarem Widersprach — Widersprüche 
und Inkonsequenzen, die um so fühlbarer werden, ie mehr 
das tektonische Glaubensbekenntniss, zu dem der Künstler 
sich bekennt, das strengste Festhalten an Prinzipien fordert 
Sollen wir dieses Resultat als einen neuen Beweis dafür an- 
ziehen, dass jene Prinzipien zwar eine werthvolle Grundlage 
der Kritik sind, dass es aber ein Irrthum ist, wenn man sie 
zu positiven Schöpfungen für genügend hält? Wir glauben 
kaum, dass es erforderlich ist 

Zur Ergänzung unserer Beschreibung des Baues bemer- 
ken wir noch, dass jener Aufbau über dem Saale in der 
Weise angeordnet ist dass über der geraden Seite ein flach- 
bogiger, mit einem inneren Relief, einer kolossalen Adler- 
Akroterie nnd zwei seitlichen Figuren-Gruppen geschmückter 
Giebel sich befindet an den sich das Dach als flache Halb- 
kuppel anschlieast. In den Bogenfcldern der Arkaden des 
ersten Stockes sind Relief-Darstellungen gedacht, von denen 
der Künstler mit Recht annimmt, dass sie in ihrer Verein- 
zelung geniessbarer sein werden, als ein fortlaufender Fries, 
die jedoch durch den Schatten der Arkaden wohl etwas be- 
einträchtigt werden möchten. In den Zwickeln über den 
Bogen sind Portraitköpfe in Medaillons gedacht, auf den 
Attiken der Mittel- und Eckbauten allegorische Figuren- 



gekrönten triumphbogenartigen Aufbau trägt Das Ganze 
wird von dem Aufbau des Sitzungssaales überragt nnd giebt 
eine sehr schön abgestimminte Silhouette. 

Aber dieser gelungenen Gesammt-Anordnung entspricht 
leider nicht das Detail. Nicht allein, dass der Maasstab 
desselben unseres Erachtens ein viel zu grosser ist, was sich 
namentlich in dem Gegensätze der Fenster- Einfassungen zn 
t?em figürlichen Skulpturenschmnck sehr auffällig geltend 
macht, so entbehrt vor Allem das Hauptmotiv des ganzen 
Facadensystems, jene Arkadenstellung, die an der Vorder- 
front auf* freien Säulen, an den Nebenfronten auf Wandpfei- 



Frie8 des Hauptgesimses verwebt werden sollen. Wohl 
keiner der Konkurrenten hat in dieser Beziehung die durch 
den plastischen Schmuck des Aeusseren zu lösende Aufgabe 
so reiflich durchdacht Nicht lebhaft genug können wir auch 
in diesem Falle bedauern, dass eine so ernste nnd tüchtige 
künstlerische Kraft durch einen unglücklichen Missgriff in 
der Wahl ihrer architektonischen Mittel sich den Weg zu 
einem Ziele verschloss, das sie sonst sicher erreicht hätte. 
Trotzalledem bleibt die Arbeit unbeschadet ihrer Mängel eine 

allzuweit zurücksteht. 

iForlseUunf folgt ) 



lieber Fachwerkträger doppelten symmetrischen Systems mit Tertikaien. 



In den folgenden Entwicklungen wird angenommen, die ein- 
zelnen Konstruktionsthcile (Stäbe) seien in den Knotenpunkten 
durch Gelenke verbunden , so dass in denselben blos LäDgcu- 
spannungen vorkommen können. 

Zur Berechnung der Stabgpannungen in einem Felde dienen 
vorerst die 3 atatischen Gleichungen, welche ausdrücken, dass 
für einen Vertikalscbnitt die 4 Stabspannunjren mit deu Süsseren 
Kräften sich im Gleichgewicht beBaden, Ks bleibt sonach eine 
Stahspanuung unbestimmt »••Ida- L'uü-stiuimtheit mm nwttfut- 
lieh dadurch zu heben suebt dass man annimmt, die 2 Kreuz- 
strebun theilton sich gleichmassig in die Belastung. 

Die Berechnung wird vorgenommen, als bestehe der Träger 
aus 2 Einzelträgeru, deren jeder die halbe Belastung zu tragen 
bat; die Spannungen in den Stäben des wirklichen Trägers er- 
geben sich dann als Summen der Spannungen in den aufeinan- 
derfallcndon Stäben der Einzeltriger. 

Diese Theilung des Trägers in 2 Einzeltriger ist jedoch 
willkürlich und entspricht nur dann annähernd der Wirklich- 
keit, wenn keine Vertikalen vorhanden sind; sie führt bei ge- 
krümmten Gurten sogar zu merklich unrichtigen Resultaten, 
besonders für die Kreuzstreben der Endfclder. 

Das einzige Mittel, die 4. Bestimmungsgleichung zu erhalten, 
liegt in der Betrachtung der elastischen Deformationen des 
Trägers, wobei die Langen und Querschnitte der Stäbe von we- 
sentlichem Einflüsse sind. 

Durch Aufstellung dieser elastischen Beziehungen erhält 
man eine Gleichung zwischen den Stabl&ogen und ihren elasti- 
schen Ausdehnungen, oder da die Ausdehnungen Funktionen 
der Querschnitte und Spannungen sind, eine Gleichung zwischen 
den btablüngen, den Querschnitten und den Spannungen. 

Eliminirt man aus den 3 statischen Gleichungen und 



4. elastischen, 3 Spannungen, so erhält man schliesslich eine 
Spannung resp. einen Querschnitt als Funktion der übrigen 
Querschnitte. Letztere sind innerhalb der Bedingungen der ge- 
gebenen Gleichungen beliebig wählbar. 

Die vollständig genaue Aufstellung der elastischen Bezie- 
hungen ist äusserst komplizirt und weitläufig, sie wird ver- 
einfacht wenn man die Annahme macht, die Deformationen der 
Vertikalen seien gegenüber denjenigen der übrigen Stäbe zu 
vernachlässigen, eine Annahme, die nahe mit der Wirklichkeit 
übereinstimmt, da die Vertikalen meistens viel zu stark für die 
in ihnen wirkenden Kräfte konstruirt sind. 

Jedenfalls erhält man aber auf diesem Wene eine 2. Grenze 
für die Stabspannungen, wenn man die Werths der gewöhn- 
lichen Berechnumrsmethode als 1. Grenze betrachtet, denn das 
eine Mal ist der Querschnitt der Vertikalen unendlich gross, das 
andere Hai = 0 angenommen. 

Die wirklich auftretenden Spannungen werden je nach der 
Stärke der Vertikalen sich mehr der einen oder anderen Grenze 
nähern. Ganz sicher gebt man jedenfalls, wenn man den Quer- 
schnitt jeweils für den grösseren der beiden Grenzwerthe kon- 
struirt. 

Um nun die oben genannten Gleichungen aufzustellen sei 
als Trägerfortn ein sogenannter abgestumpfter Parabelträger 

Vif. i. 




Für ein beliebiges Feld seien (Fig. 2) 



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ab c de f die StabUngen, 
ABCDEF die entsprechenden Span 



M 1 uuugeu, 
s a ß f 3 t if die entsprechenden Quer- 
schnitte, 

M u. if; die bei /? and 5 wirkenden 5us- 
serou Kruft momeuto. 
Die statischen Bedingungen ergeben: 



.W+B d a->rE d . « = 0 
4 e 

,W- Da -f|«=0 

M - Dc-F.'L.c = 0 
t 

wobei Zugspannungen positiv, Druckspannungen 
dttht sind. 

Aus 1, 2, 3 folgt durch Umformung: 



1 



1. 

2. 

5. 
v go- 

1' 
2' 
3' 



jr * _ F b 

d.c f 

Um dio elastische Bedingungsgleichung zu entwickeln, sind 
die geometrischen Verhältnisse vor und nach der Deformation 
aufzustellen. 

Vor der Deformation ist t* = a' -f- d' 

Nach der Deformation ist 

(e + J f)' = a* + (d -f J d)> 4- 2 J n {d -f J d) a 
wo J a die Aenderung des Winkels B T V\ hierbei sind dio 
Ausdehnungen positiv, die Zusammendrückungen negativ vor- 
ausgesetzt. 

Durch Subtraktion uud nach Vernachlässigung kleiner 
Grössen hliherer Ordnung folgt: 

eJe=dJd+daJa I. 
auf ähnliche Weise erhält man 

fJf=dJd + dcJr II. 
wo J x die Aenderung des Winkels S 0 T. 

Vor der Deformation war *» = </»-+- {c — «)" 
Nach der Deformation ist 

(* + J «)» (d + J d + c J r + n J «)« + t< — «)' 
Durch Subt. "ition uud Vernachlässigung kleiner Grössen 
höherer Ordnung dpj: 

b J b — d(J d + r J r + a Ja) Dl 
Aus I, II, III erln'ilt mau nach Kliiuiuatiou von Ja und 

•J r 

fJci/'J/'=« JHrf-J'/ 4. 
Nun ist E= £. Je .€,F=E Jf . p etc., wobei E = 



r <?' . Ffi_ß b> ,ßd> 



Bebt man jetzt dio Werlho von E, />, B aus 1", 2', 3' in 4' 
ein, so erhalt man: 



F P-l f " -^l «" r *4 /■ <" r *- 

*% + U a)d T + F 7 
_ V 6 #' . * , J/ rf» _ rf rf« 

r d 3 f ß r 7/ » 7 



resp. von f ,5 <J 

Für fl uud u sind nun passeude Annahmen zu machen. Am 
besten bestimmt man die Gurtquerschnitte in der Mittu aus 
dem Muximnlmoraerit und IJUst dann die Querschnitte stufen- 
weise nach den Auflagern hin abnehmen; ß und ■> sind dann in 
jedem Felde liek;iuut. 

c und ip sind gegenseitig so anzunehmen, daas sie gleich- 
zeitig 7 uud 8 erfüllen, ohne dass a" uud a" ein erlaubtes Maass 
überschreiten. 

Hierbei kann im Allgemeinen a" nie = a" werden, d. h. 
also: der eine Stab wird nur unvollständig ausgenützt; um dies 
auf einfache Weise zu zeigen, sollen mit Hülfe kleiner Vernach- 
gen die Gleichungen 4', 8, 7 umgestaltet wc 
4' läsat sich ohne grossen Fehler 



Elustizitatsmudul: hierdurch erhalt Gleichung 4 folgende Gestalt: 

4 



( ,1 - /.;,/. I - 

oder 

f\f "** e " r ß ^ ä) cdß T a 4 Kc a) dt 
Statt /" liisst sich setzen y . <r', wo tr' die spezifiseho Spannung 
im Stab f, wodurch die Gleichung 6 folgende (iestalt eruSlt: 

9*_(f± i , *» , #1 ** i AT ^JT* J/"**-» 7. 

/" l P 1 « T ,* Vj " frf/S" t " a ä \c a)de 
Auf ihnjldie Weise erhält mau, wenn man statt E, F elimiuirt : 
E*"(f>,e*,b*,d>\_lf'd> Mb>,t» M\r 

Aus 7 und 8 lassen sich p und £ als Funktion von e ß d 



oder 



aefason, da beide Glieder nahezu gleich gross und von entgegen- 
gesetztem Vorzeichen sind. 

Die Gleichung 4' wird dann: 

£ "-F^ = Q 0. 

t r 

In Verbindung mit V erhalt man: 

<t f \ c a)a f 
F (0* .«LT) = -(*!.-*}* 

lt man für den Stab e 

Aus 10 und 11 folgt durch Division 
5= 

Das heisst: die spezifischen Spannungen pro Quadrateinheit 
halten sich umgekehrt wie die Quadrate der Stablängen, sie 
werden nur im Parallelträger einander gleich, sonst ist immer 
die flachere Strebe {Zugstrebe) pro Quadruteinheit stärker an- 
gestrengt als die steilere (Druckstrebe), der 1'aralleltrSger zeigt 
sich also auch in diesem Punkte vortbcilhafter als die Trager 
mit gekrümmten Gurten. 

Will man dio oben entwickelten Formeln auf unsymme- 
trische Träger einfachen Svstems mit Vertikalen anwenden, so 
hat man blos In 10 uud 1 i t resp. f so 0 zu setzen. 

10 ergiebt dann: 

r ~U a)d 

oder da a 1 . <f = F ist 



II. 



12. 



F=- l M '-*\ r 
V c n) d 



Ebenso folgt 



Ii: 



-(f-ÖS 



beides bekannte Formeln. 

Bei der uumerischeu Berechnung wäre nun folgendcrmassen 
vorzugehen : 

Man berechnet vorerst unter der Annahme zweier K : nzel- 
Systeme die Gurtquerschnitte und Strebenquerschnitte, erstere 
bleibeu definitiv, letztere sind mittels der Gleichungen 7, 8 oder 
10, 11 zu prüfeu, ob für «" uud t' passendu Werthc sieh erge 
ben, andernfalls sind die Querschnitte entsprechend abzuändern. 
Sollten die Vertikalen verhältnissmässig geringe Querschnitte 
haben, so liegen die richtigen Querschnitte der Streben zwischeu 
den nach der alten "und neuen Methode berechneten; ganz 
sicher geht man iu diesem Falle, weuu mau für diu Druck stre- 
ben deu Werth nach der alten Methode, für die Zugstreben nach 
der neuen Methode berechnet. Für Parallelträger geuügt die 
alte Methode vollständig. 

Will man der Vollständigkeit wegen auch die in den Verti- 
kalen wirkenden Spannungen berechnen, so gelaugt man am 
sehne] Uten zum Ziele, weuu mau die Gleichgewichtsbediugung 
für die an eiuem unteren Knotenpunkte wirkenden Vertikal- 
komponenten der Stabapanuuugcn und Lasten aufstellt 
Beispiel Fig. 1. 

Ein Träger von 13 Feldern sei pro Knotenpunkt mit der 
konstanten Last P = 44*0 und der variablen « = 9140 be- 
lastet. 

Dio Länge der 2 Endfelder beträgt 1,S!>«, die der übrigen 
228,4—, die theoreüscho Trägerlänge wurde zu 2830«» ange- 
nommen. 

Für die Streben des Eudfeldea ergiebt sich sodann nach 
der alten Methode: 



£=411000« E - 



_ 41)000 _ 



700* 



70G* 



F= . r >3. r j23 * 



Der Gurtquerschnitt beträgt im Endfeld ot = 183^"». 
Um die Beteclinuug nach der neuen Methode vorzunehmen, 
sind vorerst die Stablängen zu ermitteln: 

a = 153,5 '=> e = 177,1«- d = 150 
* = 100,1 . e = 221 „ /"= 238 , 

Sodann ist: 
M = 0 

M = 18994000 
Gleichung 10 und 11 ergeben dann: 

221«. 238 1 r V ) 177,1.159 



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— 205 — 



"'• * + 1 = 461 

221 T m) 

Für <t" = 700, $» = 76,5 folgt aus der 2. Gleichung: 

Will man « = y> machen und wählt <r" = 700, sr» hat mau 



In diesem Falle ist also c- -f- t = 2 . 80,!)= 161,8; im vorherge 

"€1,1 also dm 

< + =7, 



. ;orherRi 

henden <p + r = 76,5 -f 64,6 = 161,1 also nahezu gleich* 
Materialverbrauch 



er 



Wählt man <f und o" , so 



— T = 700, so is», da 



_ 238» _ . ,, 

2,16^= 1400; o> = 648; <r" = 752. 

Für p = 76,5 iat dann t = 221 - 7G ' 5 "| = 74,3. 

Vi 52 276 ) 

Man sieht in diesem Falle, wo der mittlere Austrengungskoefii- 
licut gleich dem in der gewöhnlichen Metbode angewendeten 



= 700 ist, sind auch die Querschnitte nach beiden Berechnun- 
gen ziemlich gleich. 

Die gewöhnliche Methode liefert demnach die Strebenquer- 
schnitte für einen Anstrengnngskoeffiiienten, der das Mittel zwi- 
schen den wirklich auftretenden Anstrcuguugskoeft]zienten igt. 

Letztere können sehr bedeutend vom Mittel abweichen, wie 
aus dem gerechneten Ilcispiel ersichtlich ist, obwohl hier die 
LSngendiffcrenz zwischen den beiden Streben noch nicht bedeu- 
tend ist. 

Wählt man Gleichung 7 oder 8 statt wie oben 10 und II, 
so hat mau für <r' — 600, 9 = «*) 

129940001-160,7* ,221»-, 
177,1.1591 183 *? 



600/238» , 221» , 160.7' . 159» 
23sl v <P 183 r 183 



24275133 



) = : 



+ 44770 



j = 41795 



)240 + 



197851438 



44770 <f l + 20095893 = 197851438 
v t .4. 449 v = 44193 

9> = 83 

ein Werth, der mit dem nach Formel 10 gerechneten (80,9) fast 
vollständig stimmt; es genügt also, die einfacheren Formeln 10 
und 11 anzuwenden- 

Homberg, im Februar 1872. Engesscr, Ingenieur. 



*) a' — 600 cutspricht a" = ca. 700, wie oben angenommen, 

da ?'=£i*. 
«• 888' 



fARLAMENTS-pEBÄÜDE FÜR DEN pEUTSCHEN JlEICHSTAG. 

Entwurf von Gilbert Scott und John O. Scott iu London. 



Orundrias vera Erdgescbosa. 
Soumeratraea*. 




könlcsplati. 



|i,l-|llirr 



I 

N 



30 



T- 

Sl) 



40 



Irdgesehosa. 

1-17 Kiumf für die Mitglieder dt» 
Keichstagoa. 

1 Vestibül, 
t firower Voraaal. 
1 Garderoben, 
4 rltuungMeaJ. 
i l.«*eslmflier. 

C Spreehtiaainer dea Präsidenten. 

7 Pri»»uliDinrr deeaejben. 

8 Abthellungaeile nebat Vorzimmern. 

9 Frakttnassäle deact, 

10 Sprechzimmer d. Hwkhatagifnitgllcdcr. 

1 1 Sunograpbeasimnefr. 

13 Zimmer lur Korrektami. 

13—17 B«reau-Lokala de« 
Kelebelagea. 
13 BoUatlitlater. 



Vertheilang 



14 Kupedlihiu. 

15 KaiisJnl. 

16 (Jf-*rhftfUalmonrr de« Plttgeatra. 
Ii Id'KUtraliar. 

18-34 TUurno fir dl* Mitglieder 
dea rtundearathe«. 

IS SlUuncsuul aelxt Vursimiuerll. 
I!r fiesebAfts- und Sprechzimmer der 

Hui, .Inrath«. 
30 liparhlAssIrniner des RelchakansJera 

nebet Yoraimmer. 
71 Konrercaialmmer drsgl. 
73 gprcchtlmmer desgl. 
2.1 Wlratilmrncr. 

34 l'ri>ldaiii de« Reichahr sleraotu. 



— i 1 1 r 

so m » so 

der liumi. 

K I.,,,«,.- Festaaaf; 
f€ Hersirslfnnier. 
77 Kmohlogssale. 
2S lialierie. 

30 .s, Maltimmer für Wohnung dea Hu 

rrau > Dirigenten. 
30 Garderobe detfl. 
31. K loset«. 
33. Badestaben. 

33. Treppe ru den kaiserlichen Lorten. 

34. Treppe in den Loge« für dar Publiken. 

35. Treppe aur Präsidenten - Wohnung. 

36. Treppe für die Mitglieder dea Hunden, 
ratha*. 

Kntci Sterkwerk, 
Heber 8. 0, I«, 17, TO, 70: Koaanalealvna- 
jininier. 

.. 3, I», 35, 31: Ablhejluujwilo. 



10 



1U0 Metrr. 



Debarll: Bibliothek, 
»l Leaeaaal. 

13: Zimmer dea Bibliothekar«. 
., 31.73. JJ: Zimmer der Journalisten. 
„ 37: Schlaiiünmer aur Wohnang den 

Präsidenten. 
„ 10: KIom-u. 

8*atarr*lsi 
Unter 16. I»: Arcbir. 

, 17: Bibliothek, Salon and Speise- 
saal aar Wohnung dea Fresidesttea. 
. 10: Küche und Wlrthaebsilarhame 
desgl. 

. 3,«, 7, 34: ReataaratloBidokalitalen. 
. 31, 33: Kaeb* dea KotMarateiir*. - 
. 13-17, 3», 30: Wohnung de« Bu- 
reau-Dirigenten. 
Zur Balte tob 1: Port und Talegraphie. 



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— 206 — 



Mitthoilung-en aus Vereinen. 



Verein für Eiaenoahnkunde zu Berlin. Versammlung 
am 14. Mai 1872. Vorsitzender Herr Weishaupt, Scbrift- 
fübrer Herr Quenscll. 

Herr Stappenbeek hielt einen Vortrag über die Reform 
dea Eisenbahn -Tarif -Wesen». Der Vortragende erläuterte zu- 
nächst, in welcher Weise sich das Tarifwesen, in speeie das 
Güter-Tarifwcsen, auf das er seine Darstellung beschränkte, bei 
den deutschen Eisenbahnen historisch entwickelt bat. Als die 
ersten deutschen Eiseubahncn dem Betriebe übergeben wurden, 
seien die Tarife für den Gütertransport nicht sowohl nach festen 
national-ökonomischen oder eisenbahn betriebstechnischen Prin- 
zipien, als vielmehr mit Rücksicht auf die Bedürfnisse des Han- 
dels, der Industrie uud der Landwirtschaft der von den Bah- 
nen berührten Gegenden, die hauptsächlichsten Transport-Artikel 
und die bisher für deren Beförderung gezahlten Fuhrlbhne in 
wesentlich kaufmännischer Weise gebildet worden. Mit den in 
solcher Weise systemlos gebildeten Frachtsätzen und Klassifi- 
kationen der Transportgegenstfinde hStte jede Verwaltung nicht 
minder systemlos weiter experimentirt . je nachdem wirkliche 
oder vermeintliche, allgemeine oder lokale Handels -Interessen 
oder später auch Konkurrenzrücksichten eine von der bisherigen 
abweichende Behandlung einzelner Artikel zu erheischen schie- 
nen. Allmählig sei in diese Entwicklung eine Art von Prinzip 
hineingekommen, indem die Eisenbahnen in Übereinstimmung 
mit den Motiven, durch welche die unaufhörlichen Antrüge auf 
Frachter» iissiguugen begründet zu werden pflegten, dem «Verth 
des Gutes bei der Tarifirung eine besondere Bedeutung beimessen 
und hochwerthige Güter in höheren, geringwertige in niedrigere 
Klassen einreihen zu müssen glaubten. Insbesondere sei all- 
mShlig der Gruudsalz zu unbeschränkter Geltung gelangt, das* 
fertige Fabrikate mit hohen, Halbfabrikate mit geringeren, Roh- 
stoffe und Rohprodukte mit den niedrigen Frachten zu belegen 
seien. 

Die Frachtermässigungen, auf welche das Publikum fort- 
während hindrängte, hätten sich nun aber bei allgemeiner Be- 
achtung dieses Werthpriuzips nicht nur in der Art vollzogen, 
dass einzelne Artikel aus einer eine grosse Menge von Gegen- 
ständen umfassenden llauptk lasse in eine niedrigere derartige 
Klasse versetzt wurden. Man hätte häufig gefunden, dass ein- 
zelne Artikel, für welche die Fracht einer bestimmten Klasse 
zu hoch erschien, doch immerhin eine noch etwas höhere Fracht, 
als die der näcbetniedrrgeren Klasse zu ertragen im Stande 
wären, und dann für solche Artikel Spexialtarife unter Zugrunde- 
legung von Einheitssätzen gebildet, welche zwischen denen zweier 
Hauptklassen in der Mitte lagen. Da nun die Belastungsfähig- 
keit der einzelnen Artikel in deu verschiedenen Gegenden 
Deutschlands je nach deren Entfernung von den Produktious- 
oder Konsumtions-Orteu oder sonstigen lokalen Verhältnissen 
verschieden aufgefasst wurde, dazu auch die Konkurrenz, sei es 
von Wasserstrassen oder Schienenwegen, und zwar überall in 
verschiedenartiger Weise sich geltend machte, sei da« Bild der 
Tarife ein ausserordentlich buntes und verworrenes geworden. 
In den Lokaltarifen der einzelnen Bahnen, wie in den immer 
zahlreicher werdenden, eiueu Komplex von mehren Bahnen 
umfassenden Verbandstarifen beständen die verschiedenartigsten 
Klassifikationen, und sei es allmählig so weit gekommen, dass 
dem Publikum die Uebcrsicht über die bestehenden Tarife und 
die Berechnung der billigsten Frachten auf das Aeusserstc er- 
schwert würde, andererseits aber auch die Eiscnbahneu kaum 
Güter -Expedienten finden konnten, welche die enorme 
der bestehenden Tarife zu übersehen und in jedem ein- 
Fall richtig anzuwenden im Stande wäreu. Es trete 
deshalb an die Eisenbahnen in dringlichster Weise die Aufgabe 
heran, auf Mittel und Wege zur Beseitigung der vorhandenen 
L ehel stände zu sinnen. Vielleicht sei es möglich, für alle Bah- 
nen des deutschen Eisenhahn- Vereins eine gemeinschaftliche 
Klassifikation mit bindender Kraft für alle Vereinsmitglieder 
einzuführen, deren Forteutwickelung einem mit festen Befugnis- 
Ken ausgestatteten Organ dos Vereins zu übertragen wäre. Eine 
.solche Klassifikation würde aber bei Anlehnung an dio jetzigen 
Verhältnisse eine ausserordentlich komplizirte werden und die 
Bildung von Speztaltarifen für eine grosse Menge wichtiger Ver- 
kehrsartikel dem Ermessen der einzelnen Bahnen überlassen 
müssen. Es frage sieh deshalb, ob nicht eine solche Maassregel 
als eine nur halbe zu verwerfen und zu einem von dem bisheri- 
gen ganz abweichenden Prinzip der Tarifkonstruktion überzu- 
gehen sei. 

In der That sei das jetzige Prinzip, für Güter von grossem 
Werth hohe, für Güter von geringem Werth niedrigere Frachten 
zu erhaben, sowohl vom volkswirtschaftlichen wie vom eisen- 
bahnteebnischen Standpunkte aus zu verwerfen. Vuin volks- 
wirtschaftlichen Standpunkt aus sei geltend zu machen, dass 
der Werth der Güter im Wesentlichen durch die auf die Her- 
stellung oder auf die Ermoglichung eines Verbrauchs derselben 
verwendete Arbeit bedingt werde. Zu dieser Arbeit gehöre aber 
auch der Transport, der sogar in ganz eminentem Sinn ein 
wcrthbildcnder Faktor sei, wie sich dies z. B. bei Erzen, Kohlen 
etc. klar zeige. Es sei deshalb unlogisch, zu behaupten, dass 
Güter, die wesentlich und jedenfalls zum Theil durch die darauf 
verwendeten Transportkosten einen hohen Werth erlangt haben, 
bei weiterem Transport eine höhere Fracht ertragen konnten, 
als Güter von niedrigem Werth, dessen geringe Höhe wesentlich 
oder doch zum Theil auf das geringe Maass der darauf v 
deten Transportkosten zurückzuführen ist Auch vom 



hahntechnischen Standpunkte aus lasse sich die Rücksichtnahme 
auf den Werth der Güter bei der Tarifbilduns nicht rechtferti- 
gen, weil dieser Werth auf die Hohe der Betriebskosten keinerlei 
Eitifluwt ausübe. Das jetzige Tarifsystem. insl>esondere die ver- 
schiedenartige Tarifirung der Güter nach der Unterscheidung 
von Rohprodukten. Halb- und Gauz- Fabrikaten sei auch häufig 
der Industrie direkt schädlich, indem durch die höhere Tarifirung 
der Fabrikate die naturgemäße Entwickelung der Fabrikation 
an den Produktionsorten verhindert werde. 

Rationell und den Interessen des Publikums wie der Eisen- 
bahnen gleirhmässig entsprechend sei allein die den Werth der 
Güter ganz ignorirende gleichartige Behandlung aller Transport- 
Artikel, so dass für jedes Collo Stückgut der gleiche, lediglich 
nach dem Gewicht zu br messende Satz, für alle Wagenladungs- 
güter der gleiche, nach der Tragfähigkeit der Wagen zu berech- 
nende Satz erhoben werde. Für die Wagenladungsgüter möge 
mau 2 verschiedene Tarifsätze festsetzen, je nachdem sie in 
bedeckten oder offenen Wagen gefahren werden. Denn wenn 
auch der Unterschied in den Selbstkosten der Beförderung bei 
den beiden Arten von Wagen nur unerheblich sei, so lasse sich 
doch eine derartige Unterscheidung sehr wohl mit Rücksicht 
darauf rechtfertigen, dass nach den Bestimmungen des Handels- 
gesetzbuches, resp. des Betriebsreelemeuts iür die Eisenbahnen 
Deutschlands die Haftpflicht der Eisenbahnen für die nach Ver- 
einbarung mit dem Versender in offenem Wagen zu befördernden 
Güter eine geringere ist. Die Beibehaltung einer derartigen 
Unterscheidung biete auch den praktischen Vortheil, dass sie 
den Uebergang von dem bisherigen Klassifikationsprinzip zu 
dem Gewichts- und Wagenraum-System dem Publikum wie den 
Eisenbahnen selbst erheblich erleichtert, indem tatsächlich der 
Regel nach die zur Zeit höher tarifirtcu werthvollen Güter in 
bedeckten Wagen, die niedriger tarifirten geringwertigen Güter 
in offenen Wagen gefahren zu werden pflegten. 

Ein völlig unvermittelter Uebergang von dem bisherigen 
System zu dem Gewichts- und Wagenraiim- System werde sich 
überhaupt kaum ermöglichen lassen. Insbesondere würden alle 
die Rohprodukte, deren bisherige vorugsweisc billige Beförderung 
so erheblich zur Förderung und Hebung des nationalen Wohlstandes 
beigetragen habe, auch bei Einführung des neuen Systems einst- 
weilen noch in ihrer jetzigen Ausnahmestellung zu belassen sein. 
Denn währeud einerseits die Erhöhung der zur Zeit für diese 
Massen-Artikel bestehenden Sätze ohne die grtteste Schädigung 
der Industrie durchaus unmöglich sei, könne es andererseits 
deu Eisenbahnen nicht zugemutet werden, sufort, und unver- 
mittelt die Frachtsätze für alle in offenen Wagen zu befördern- 
den Güter den so niedrigen Frachtsätzen für die Massenartikel 
gleichzustellen und dadurch wenigstens für die nächste Zukunft 
eine erhebliche Verminderung ihrer Einnahmen herbeizuführen. 
Ks möchte auch keinem Bedenken unterliegen, das reiue Ge- 
wichts- und WagenraumJ- Priuzin vorläufig noch mit Bezug auf 
cht ige und 



vorzuusweise Konjunkturen un- 
terworfene Artikel der jetzigen höheren Tarifklassen, 



wie z. B. Getreide, Melil, Eisenwaaren, Eisenbahnscl 
Wolle etc , zu durchbrechen, deren jetzige Frachtsätze 
wesentlich erhöht noch erheblich ermässigt werden dürfen, weun 
nicht die finanziellen Interessen des Publikums oder der Eisen- 
bahnen in empfindlicher Weise geschädigt werden sollen. Immer- 
hin würde schon etwas Grosses damit gewonnen sein, wenn das 
Gewichts- und Wagenraum-Svstem von allen deutschen Eisen- 
bahn-Verwaltungen ihren Tarifidlduugen als das eigentlich mass- 
gebende zu Grunde gelegt würde. Die Anzahl der einstweilen 
noch beizubehaltenden Spezialtarife werde sich mit der Zeit, 
wenn sich erst Handel und Industrie in die neue Anschauung 
hineingelebt , ihre Kalkulationen uud Spekulationen derselben 
akkomudirt hätten, immer mehr vermindern und jedenfalls werde 
die erste, wenn auch noch so sehr inodifizirte Einführung des 
neuen Systems gegenüber der jetzigen Verworrenheit des Tarif- 
wesens einen grossen, für das Publikum wio für die Eisenbahnen 
gleich segensreichen Fortschritt darstellen. 

In Betreff der eigentlichen Preisbildung im Tarifwesen 
herrsche bei den deutschen Eisenbahnen eine ebenso grosse 
Verschiedenheit, wie in der Klassifikation der einzelnen Artikel. 
Gleich sei Dur das Prinzip der Berechnung der F'racht nach 
dem Gewicht der Güter einerseits und nach der Länge der 
Transportstrecke andererseits: nach der Zentnermeile. Durch- 
aus verschieden dagegen seien die bei den einzelnen Bahnen 
innerhalb der verschiodeneu Klassen pro Zentner und Meile zur 
Erhebung gelangenden Einheitssätze, die Berechnung besonderer 
Expeditionsgebühren, die Normirung der Tarife nach einer 
fallenden Skala etc. Diese Verschiedenheit wirke aber keines- 
wegs so schädlich, wio das jetzige Klassifikationswesen, und 
finde in der Verschiedenheit der Bau- und Betriebskosten der 
einzelnen Bahnen sowie in der Mannigfaltigkeit der Konkurrenz- 
verhältnisse ihre Rechtfertigung. Eine gleichmäasige Normirung 
der Zentnermeilensätze sie bei der Gestaltung des deutseben 
Eisenbahnwesens eine absolute Unmöglichkeit. Das Publikum 
habe aber auch an eiuer so weit gehenden Nivellirung kein In- 
teresse; es habe ein solches nur an der Cebersichtlicnkeit und 
an der Billigkeit der Tarife. In letzterer Beziehung bilde aber 
die Konkurrenz den besten Regulator, einen besseren jedenfalls, 
als eine zu weit gehende Gleichmacherei. Die 



würduu, wenn sie an die Einführung des Gewichts- und Wagen- 
raum-Systems herangingen, die Sätze für die Stückgut- und dio 



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- 207 - 



mit deu Sätzen der höheren Klassen ihrer jetzigen Tarife zu 
bildco haben. Da diese Sätze uutcr Berücksichtigung wie der 
Selbstkosten so der übrigen mautnigehenden Momente gebildet 
und als im Wesentlichen ausreichend erkannt seien, su würden 
die Bahnen bei der Uehertrajrung derselben auf das neue System 
aller Wahrscheinlichkeit uacfi koinc finanzielle Einbu&sc irgend- 
wie erheblicher Art erleiden, hu Grossen und Gaiuen werde 
dies sicherlich auch bei der Laudwirthschaft, dem Handel und 
der Industrie der Fall sein. Bei den Elsass-Lotbringischeu 
Bahnen sei ein auf dem Gewichts- und Wagenraum- Prinzip be- 
ruhender Tarif bereits eingeführt und seien der Handel- und 
üewerbestand der wiedergewonnenen Lande durchaus damit zu- 
frieden. Auch einige grosse Verbinde des alten Deutschlands 
hätten im Verkehr mit Stationen dieser Bahnen das gleiche 
Svstem angenommen. Dieses Beispiel würde wahrscheinlich 
vielfach Nachfolge Huden, und wenn, wie zu erwarten, auch die 
Preussischen Staatsbahueu zur Einführung des neuen Systems 
ermächtigt werden sollteu, so werde sicherlich das Gewichts- 
und Wagcurauni-System allmählig bei allen Eisenbahnen Deutsch- 
lands zur Einführung gelangen, zum Vortbcil des Publikums wie 
der Eisenbahnen selbst. 

Herr Dr. Wedding sprach über deu Einflu&s des mecha- 
nisches Puddelns auf die Fabrikationskosten der Eisenbahn- 
schienen. Die stetige Steigerung der Lohne beim Puddeln habe 
seit langer Zeit zu Versuchen geführt, die Handarbeit des 
Kratzeng und Luppenmachens durch mechanische Hülfsmittcl 
zu ersetzen. Zunächst versuchte man, die Kratzen durch Ma- 
zu bewegen, und in der That habe sieh die Methode da, 
i ein sehr gleicbniässiges, laug andauerndes Kratzen er- 
forudes Roheisen verbraucht, bewährt Auf den meisten Werken 
sei aber eine Ersparnis« dadurch nicht gewonnen, weil die Kratze 
zwar durch die Maschine geführt, aber dennoch mit der Uaud 
geleitet werden inusstc, um Ausätze, Ungleichniässigkeiten etc. 
sofort entdecken und ausgleichen zu können, und weil die un- 
gleich menr Kraftaufwand erfordernde Arbeit dos Luppenmachens 
nicht durch die Maschine verrichtet werden konnte. Der Vortra- 

derartiger Vorrichtungen und 
Apparaten über, 



Aus der Fachliteratur. 



Jahr- 



Organ für die Fortschritte des 

gang l»7i. Heft I— III. 

L eher Dampfkesselexplosioncn linden wir mehre in- 
teressante Mittbeifungen. Maschinenmeister Grosse in Poltawa 
und Maschinendirektor Kirchweger in Hannover verbreiten 
sich in längeren Aufsätzeu über die Ursachen jener Unglücks- 
falle. Letzterer tritt mit Entschiedenheit der Ansicht gegen- 
über, das«, ohne durch nachlässige Behandlung oder schlechte 
Konstruktion der Kessel veranlasst zu sein, gelegentlich im Iu- 
uern derselben momentan wirkende Kräfte thätig werden, welche 
die Wirkungen des normalen Dampfdruckes weit übersteigen 
und die Kessel zerstören. Als Quellen solcher Kräfte hat man 
die unter dem Namen des Leideufmst'schen Versuches bekannte 
Erscheinung aufgestellt, dass Wassertropfeu, die auf eiue glühende 
Metallplatte sehr hoher Temperatur gegossen werdcu, sich an- 
fangs in flüssigem Zustande darauf balteu und erst bei Ab- 
nahme der Hitze, dann aber ganz plötzlich in Dampf übergehen; 
ferner den sogen. Siedeverzug, welcher (nach Professor Dufour 
in Lausaune) darin bestehen soll, dass das Kesselwasser, weun 
es möglichst frei von beigemeugter atmosphärischer Luft ist 
und der Kessel sieb längere Zeit in Hube befindet, eine bis 
30* C. höhere Temperatur annimmt, als dem vorhandenen Dampf- 
druck entspricht. Wird dieser Zustand durch eine äussere Ur- 
sache gestört, so wird der im Wasser gerammelte Ueberschuss 
von gebundener Wärme plötzlich zur Dauipfcutwickelung ver- 
wendet, und es entsteht der den Kessel sprengende Dampfdruck. 

Hr. Kirchweger stellt also die Mitwirkung dieser und ähn- 
licher mysteriöser Vorgänge bei den Kesselexplusiouen in Ab- 
rede uud sucht die Erklärung der letzteren in ungenügender 
Stärke des Kesselmaterials, in koustruktiousmüugelu der Dampf- 
erzeuger und in vernachlässigter Bedienung der Kessel. 

Die allerdings beunruhigende Thatsache, dass Kessel, bei 
denen augenblickliche Fehler in der Bedienung nicht nachge- 
wiesen werden konnten, explodirt sind, obgleich sie kurz vorher 
einer offiziellen Druckprobe mit ungleich höherer Pressung unter- 
zogen waren, wird darauf zurückgeführt, dass Blech durch häu- 
figes, wenn auch geringes Hin- uud Herbiegen seiue Festigkeit 
aliuiäblig verliert, bis ein plötzlicher Bruch eintritt. Solchen 
Biegungen sind die Kesselwandungeu bei Aeuderungeu der 
Dampfspannung je nach dem Grade der Vollkommenheit ihrer 
Konstruktion mehr oder weniger unterworfen. 

Um die Kessclexplosioucn auf ein Minimum zurückzuführen, 
bleibt also nichts übrig, als einerseits die grösste Sorgfalt auf 
sachgeniasse , solide Konstruktion zu verwenden und anderer- 
seits für unausgesetzt gewissenhafte und gute Bedienung der 
Kessel zu sorgen. 

lu einem andern Aufsatz der vorliegenden Hefte wird die 
durch Wassermangel herbeigeführte Explosion eines Lokomotiv- 
kessels auf der Moskau-Kursk-Bahn beschrieben uud durch Ab- 
bildungen erläutert. 

Auch finden wir eine Angabe über Kcsselexplosiooen in Eng- 
land im Jahre 1870. Unter der Gesammtzahl von 70 Fällen, 
wobei 85 Personen getödtet und 138 verwundet wurdsn, waren 



welche sowohl das Rühren als das Luppenmachen auf me- 
chanische Weise ausführen. 

Diese Apparate bestehen in rotirenden Gelassen. Hervor- 
zuheben sei insbesondere ein von dem Amerikaner Danks an- 
gewandter Ofen. Eiue Kommission des englischen lr>m and 
Srerl Institute habe in diesem Jahre die l>istung eines solchen 
Ofens untersucht, denselben brauchbar befunden und die An- 
wendung für England empfohlen, wo der Erfinder nunmehr den 
Bau von '200 Apparaten gegen eine Prämie von MOOOLst. und 
'1 Shilling per tonn Eisen (333 300Thlr. resp. l'.>,7Sgr. per Tonne) 
gestatte. An Arbeitslöhnen könne bei diesem Verfahren jedoch 
nur gespart werden, wenn es gelinge, von der zur Bedienung 
eines Ofens erforderlichen Zahl Arbeiter gleichzeitig mehre 
Oefeu bedienen zu lassen uud sei die im .Berggeist" von Tappe 
angestellte Berechnung, wonach in Wostphalen aas Handpuddeln 
gegenwärtig noch billiger sei, für einen einzelnen Ofen gewiss 
zutreffend. Der Vortragende hielt es für empfehlenswcrth, auch 
in Deutschland schon jetzt mit Versuchen bezüglich dieses Ofens 
vorzugehen, um im F'allc unverhättnissmissiger Lohnforderungen 
bereits Resultate an der Haud zu haben. 

Schliesslich sprach der Vortragende seine persönliche An- 
sicht dahin aus, dass der Weg: „durch das mechanische Puddeln 
einen allgemeinen Eortschritt tu machen," überhaupt ein falscher 
sei, dass vielmehr der Bessemcrprozcss berufen sei, das Puddeln 
ganz zu verdrängen. Wenn dies gegenwärtig noch nicht geschehen 
sei, so liege das daran, dass man für den Bessemerprozess ein 
phosphorfreies Roheisen brauche, solches aber nicht in hinrei- 
chenden Quantitäten zu beschaffen sei. So lange es nicht ge- 
lungen sei, den Phosphor beim Bossemern zu entfernen, könne 
allerdings Tunner's Ansicht, nach welcher der Danks'sche Prozess 
eine Ergänzung des Bessemerns sein würde, als richtig bezeich- 
net werden; aber es müsse vor allen Dingen das Bestreben auf 
die Unschädlichmachung des Phosphors beim Bessemern gerichtet 
sein uud dazu gebe allerdings der Danks'sche Ofen einen Finger- 
zeig. Es wäre wünschenswerth, wenn die Bessemer-Fabrikanten 
den Versuch machten, an Stelle des gegenwärtig gebrauchten 
kiesclsäurereichen Futters der Bessemer-Blrnen eiu auf ähnliche 
Weise aus Eisenoxyd und metallischem Eisen hergestelltes (ba- 
sisches) Futter zu ' 



nur 3 Lokoraotivkesselexplosionen. 33 Explosionen, also beinahe 
die Hälfte, wurden durch Mangel an sorgsamer Pflege des Kessels 
veranlasst. 

Da bisweilen Kesselstein die Ursache einer Explosion werden 
kann, müssen wir noch auf die Beschreibung eines von Albert 
Zipser (Krakauer Königsmühle) erfundenen Apparats zur Ver- 
hinderung der Kcsselstelnbildung hinweisen. 

Aus dem Rest des mannigfachen Inhaltes der Hefte möchten 
wir neben einigen mehr oder weniger umfangreichen Aufsätzen 
über russische Eisenbahnen (derselben siud 1430 deutsche Meilen 
im vollen Betriebe und 771 Meilen im Bau), über den Betrieb 
auf okkupirten französischen Bahnen und über französische 
Bahnen im Allgemeinen, sowie über die gegenwärtigen Lokomo- 
tivsystemc und deren Abarten — zwei für die Konstruktion der 
Weichen interessante Mittheilungcu hervorheben: nämlich Pou- 
let's bewegliches Herzstück und ein (englisches) Sicherhc itsschtoss 
an Ausweichen. Das letztere dürfte seiner Einfachheit wegen 
zu beachten und zur weiteren Verarbeitung zu empfehlen sein. 

A. — 

Konkurrenzen. 

Die Konkurrenz für Entwürfe zum Hanse dea deut- 
schen Reichstages. Im Anschlüsse an unsere Mittheilung in 
voriger Nummer berichten wir, dass der Reichstag in seiner 
Sitzung vom VI. Juni d. J. den dort zitirten Antrag auf Ein- 
setzung einer neuen Kommission zur weiteren Förderung der 
Angelegenheit genehmigt und seinerseits zu Mitgliedern dersel- 
ben die bisherigen Delegirten des Hauses ernannt hat. Das 
Interesse unserer Leser wird jedenfalls vorzugsweise von dem 
Berichte in Anspruch genommen werden, der zur Einleitung 
der betreffenden Berathung durch deu Abgeordneten Duncker 
im Namen uud Auftrage der Jury, welche über die abgelaufene 
Konkurrenz entschieden hatte, erstattet wurde. 

Der Redner gab zunächst ein kurzes Rcsume über die Vor- 
gänge bis zur Einberufung des Preisgerichts, aus dem wir als 
noch nicht bekannt nur des Faktums zu erwähnen haben, dass 
der aus Gesundheitsrücksichten ausgeschiedene Abg. von Un- 
ruh (Magdeburg! durch den Abg. Thomas (München) ersetzt 
worden ist- Ueber die Thätigkmt der Jury theilte er sodann 
mit, dass dieselbe nach ihrer ersten, wesentlich durch Formalieti 
beanspruchten Sitzung am 31. Mai, in welcher eine (aus säninit- 
lichen Architekten und je einem MitgHede des Bundesraths und 
Reichstages bestehende) Subkommission zur Vorberathung ein- 
gesetzt wurde, überhaupt noch an 4 weiteren Tagen zusammen- 
getreten ist. Bei der Entscheidung über die Preise hat eine 
Abstimmung nur iu Betreff des ersten Preises stattgefunden, 
während ein Rangunterschied zwischen den übrigen 4 prämiirten 
Entwürfen, die in alphabetischer Reihenfolge angeführt worden 
sind, nicht festgestellt wurde. Die Jury hat zugleich beschlos- 
sen, in dem Protokolle lediglich das Resultat ihres aus der 
Ucberzeugung und dem besten Wissen der Mitglieder geschöpf- 
ten Votums niederzulegen, auf eine Motivirung desselben jedoch 
zu verzichten. Eine Notwendigkeit, die nach dem festgesetzten 
Einlieferungstermbe des 15. April eingegangenen Entwürfe von 



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— 208 — 



der Preisvertheilune auszuschlicssen, lag insofern nicht vor, als 
keine der hiervon betroffenen Arbeiten zur enteren Wahl ge- 
langt isf). 

AU einstimmige Uebcrzeugung der Jury sprach der Redner 
es au», dass man von dem Resultate der Konkurrenz, sowohl 
wag Zahl, wie was Werth der eingegangenen Entwürfe betreffe, 
befriedigt sein könne. In letzter Beziehung «ei es hervorzifbe- 
ben, dass zum Mindesten über gewisse Grundprinzipien und 
Anordnungen Klarheit erzielt worden sei, wcdh auch kein zur 
unveränderten Ausführung geeignetes Projekt gewonnen worden 
Vorschläge, wie man demnächst zu einem solchen gelangen 
e, hat die Jury nicht gemacht, doch hat man sich inucr- 
derselben zn der Ansicht geneigt, dass eine zweite be- 
schränkte Konkurrenz unter den Siegern mit Heranziehung 
mehrer bestimmter hervorragender Künstler Deutschlands resp. 
des Auslandes, denen man Bezahlung ihrer Arbeit zuzusichern 
haben würde, der beste Weg zum Ziele sei. 

Neben weiterer Erwägung dieser Krago resp. Vorbereitung 
■ ifgabe der 



der neuen Konkurrenz soll die Aufg 

den Kommission sein, die nöthigen Maassregeln zur Gewinnung 
des Bauplatzes für das Reichstagsbaus zu betreiben. Die Aus- 
sicht, den der Konkurrenz zu Grunde liegenden Platz erwerben 
zu können, ist seit vorigem Jahre noch nicht vorgerückt. Da 
mittlerweile' in der Jury auch Bedenken gegen die Zweckmässig- 
keit des PlatzeB lant geworden sind, weil dieser einerseits Zwei- 
fel über die Wahl der Uauptfacade offen lässt, andererseits aber 
iu der Tiefe zu sehr beschrankt ist, so ist nunmehr die Frage, 
ob eine andere Stelle am Kftnigsplatze nicht 



ernstliche Erwägung gezogen worden. 

Wenn unser persönliches Empfinden sich von dem unserer 
Leser nicht allzusehr unterscheidet, so müssen wir annehmen, 
dass der thatslchliche Inhalt dieses Referates nicht verfehlen 
wird, die allgemeinste und tiefste Entrüstung zn erregen. 
Wir wollen der unsrigen kurze Worte verleihen, ohne auf die 
Hoffnung zu verzichten, dass ein Weg gefunden werden möge, 
auf welchem die gesammte deutsche Architcktcuschuft gegen aas 
bei dieser Konkurrent um das erste nationale Werk des ge- 
ciuigten Deutschlands eingeschlagene Verfahren energischen 
Protest einlegen kann. 

Sehen wir an dieser Stelle von jenen Mängeln des Programms 
ab, gegen die der Vorstand unseres Verbandes seinerzeit ver- 
geblich gekämpft hat und die schon oft genug erörtert worden 
sind. Dass die Befürchtungen, welche wir aas jenen Bestim- 
mungen herleiteten, nicht überflüssige waren, es ist durch das 
Ergebnis» der Konkurrenz leider nur zu sehr bestätigt worden. — 
Sehen wir ab davon, dass der Hinweis, wie wenig bekannt die 
Verhältnisse des parlamentarischen Verkehrs seien und wie 
nothwendig daher eine bezügliche Information der Konkurrenz 
zu Grunde gelegt werden müsse, völlig unbeachtet geblieben ist ; 
mindestens drei Viertheile der Konkurrenten sind zunächst au 
dieser Unkenutniss der praktischen Bedingungen gescheitert, es 
lag iedoch in ihrer Hand, sich aus Anlass derselben vou der 
Konkurrenz zurückzuhalten. 

Aber ist es uicht eine der Würde der Sache und der be- 
theiligten Personen wenig entsprechende Thatsachc, wenn sich 
nunmehr herausstellt, dass die orste und notwendigste Grund- 
lage jedes nicht ausschliesslich idealen Entwurfs, der Bauplatz, 
bei Erlass der Konkurrenz durchaus noch nicht Besichert war. 
ia nunmehr sogar wahrscheinlich aufgegeben werden soll? Man 
bat also, um nur in beliebter Eile vorwärts zu kommen, der 
deutschen Architektenschaft, welche zu nicht geringem Theile 
die Bethciligung an dieser Konkurrenz als nationale Pflicht 
auffasste, die Zumuthung gestellt, ihre Kraft an ein Phan- 
tom zu setzen. Denn dass die Wahl einer anderen Baustelle, 
mag dieselbe auch an einer anderen Seite des Königsplatzes 
liegen, sofort ganz veränderte Momente der Lösung ergiebt, 
brauchen wir wohl nicht mehr auszuführen. Und ob ohnehin 
keines der eingegangenen Projekte sich zur Verwirklichung eig- 
net, kann an dieser Zumuthung Nichts andern! 

Und endlich das Letzte — der Beschluss der Jury eine 
Motivirung ihres Urthcilsspruchea nicht erst zu versuchen, ge- 
schweige denn eine solche zu veröffentlichen! Es steht uns 
nicht an, Muthmaassungen darüber aufzustellen, warum jener 
Beschluss gefasst worden ist Genügt es doch, dass er gefasst 
wurde, um das Verfahren der Jury als eine rücksichtslose und 
unwürdige Behandlung der Konkurrenten, als eine Nichterfüllung 
ihres Auftrages, endlich als eine Verletzung des Prinzips iu 
kennzeichnen, das dem Parlamentarismus zu Grunde liegt. 

Eine rücksichtslose und unwürdige Behandlung der Kon- 
kurrenten, die ihre Kraft und Zeit der Aufgabe gewidmet ha- 
ben und wenn sie nicht zu den Glücklichen gehören, denen der 
Sieg zu Theil geworden ist, doch zum Mindesten fordern können, 
dass sie erfahren, warum sie unterlegen sind. Wir wollen uns 
nicht darauf berufen, dass die vom Verbände deutscher Arcbitek- 



*) Wie hiii ane glaubwürdiger Quelle privatim mitgethellt worden lat, »oll da« 
Verfahren folgendea geweeen eein: Zunitttit Wardan *©n dar Snbknmmiuion etwa 
'• . r.nlwurfe ala aar nah* ran Prüfung berechtigt anerkannt. Dirne »lud detnnächit 
In kleinere (6 oder 6 y ) Gruppen gelbellt und Jede deraelbcn eisern Architekten ala 
lUte-?ntcu und einem Klehtteehnlkcr ala Korreferenten ubarwie»on wurden, nm 
au. ihnen dla au einer engeren Konhurrena geeigneten Plaue auveanählen. Hier* 
bei ' et aleb ala Keaullet ergeben, daaa nur i Pleno «brlg blieben, van denen dureh 
Ab.'li.itnung mit Slimmaetleln dar BahitetedtWhe aU de« eraten Preiaea würdig 
aneikannt wurde, wahrend den übrigen die 4 Nebec-- 
der Veten über 



■Leg n un kein« Geeammt-KontrolU 
aller.li.in Manche« erklären kann! 



Den 



teu- und Ingenieur -Vereine angenommenen Grundsätze für das 
Verfahren bei öffentlichen Konkurrenzen ein solches Verfahren 
fordern, denn wir wissen leider aus Erfahrung, dass diese Grund- 
sätze selbst von Architekten, denen die Ehre einem Preisgerichte 
anzugehören, geworden int. nicht selten mißachtet werden. Aber 
wir meinen, dass es nach den ausserordentlichen Anstrengun- 
gen und Opfern, wekhe die Architckteiischalt für diene Kon- 
kurrenz aufgewendet bat. selbstverständlich erscheinen muoste 
ihr diese Rücksicht zu Theil werden zu lassen.*! 

Eine Nichterfüllung des der .lurv gewordenen Auftrages, 
der sich nach dem Wortlaute des Programms ausdrücklich dar- 
auf bezog, die Entwürfe zu „beu r t hei loa" und über die zu 
zuerkennenden Preise zu entscheiden. Eine solche Beurtheilung 
kann nach dem zunächst liegenden Sinne doch unmöglich dahin 
gedeutet werden, dass sich die einzelnen Personen ein Crtbeil 
bilden und dies ihrer Abstimmung bei der Preisertheilung zu 
Grunde legen, sondern sie setzt voraus, dass die Jurv als Gan- 
zem das l rlheil über den absoluten und relativen Werth jedes 



inzelnen Projektes feststellt. Freilich eine mühevolle Arbeit, 
die sich nicht iu 4 Tagen erledigen lässt, aber doch durchaus 
nicht ausser Verhfiltniss zu der Arbeit, welche jedem einzelnen 
Konkurrenten zugemuthet worden war. 

Eine Verletzung des Grundprinzips des Parlamentarismus 
welches verlangt, dass Alles, was im Namen und Auftrage des 
Volkes geschieht, entweder öffentlich vor dem Volke geschehe 
oder demselben iu anderer Weise soweit bekannt werde, das« 
es beurtheilen kann, ob seine Vertreter ihren Auftrag im Sinne 
der Auftraggeber erledigt haben und ihres Vertrauens würdig 
sind. Hierzu genügt nicht das einfache Resultat der Berathuntr 
sondern es ist uötbig, dass man auch die Gründe anführt, welche 
dieses Resultat bedingt haben. Doch was berufen wir uus auf 
den Parlamentarismus, da die Analogie des einfachen Gerichte- 
Verfahrens, das jedem Vemrtheilten oder Abgewiesenen die 
Rücksicht eines motivirtcu Spruches zu Theil werden lässt, noch 
näher liegt! 

Es ist uns wahrlich nicht leicht geworden ein so hartes 
Irtheil, das zwar allein der Sache gilt, aber in solchem Falle 
des Zusammenhangs mit den Personen nicht ganz entkleidet 
werden kann, so rücksichtslos auszusprechen. Angesichts der 
Bedeutuug. die diese Konkurrenz an sieh, wie durch die ausser- 
ordentliche Betheiligung der deutschen Architekten beanspruchen 
darf, glaubten wir unsere Pflicht zu verletzen, wenn wir damit 
zurückhielten. f\ 

Ein KonkuiTenz-Auasohreiben für Entwürfe zum Bau 
eines Aktien-Hotels In Prag fordert die Einsendung von 
Plänen bis zum 31. August d. J. und setzt dafür 3 Preise von 
4uOÜ, 2000 und 1000 fl. ö. W. uus. Situationspläue und detaillirte 
Prograinnibedinguugen sind vom Bureau des Verwaltuugsratlies. 
Ober- Ingenieur Georg Solch, Prag Brenategasse No. 20 zu er- 
halten. Sobald wir in den Besitz der letzteren gelaugt sind, 
- wir nicht verfehlen das Weitere miUutheilen. 



Personal - Nachrichten. 

Preusson. 

Ernannt: Der Baumeister Jacobsthal zu Berlin zum 
Landbaumeister und technischen Ilülfsarbritcr bei der Königl. 
Miuisterial-llaukomniissiou; der Eisenbahn-Baumeister C lernen h 
in Düsseldorf zum Eisenbahnbau- und Betriebs-Iuspektnr bei der 
Königl. Ostbahn in Königsberg; der Kreisbaunieister Ulrich iu 
Stettin zum Wasserbau- Inspektor daselbst. Dem Wasserbau. - 
Inspektor Pralle zu Burgdorf (Haunoverl ist die Funktion eines 
Mcliorations-Bau-lnsiiektüis der Provinz Schleswig-Holstein kom- 
missarisrh übertragen worden. 

Versetzt: Der Eisenbahn -Buu- und Betriebs-Inspektor 
Nenderoth zu Königsberg in Preussen zur Stargard-Posener 
Eisenbahu nach Stargard i. P. 

Der Charakter als Baurath ist verliehen worden- 
(lern Bau-Inspektor Blankenborn zu Brieg und dem Wasser- 
Bau-Iuepektor Versen zu Steinau a. O. 

Die Bauführer-Prüfung haben bestanden: Hugo Du- 
blanski aus Freyhau, Kreis Militsch; Axel Löwe ausPollnow; 
Oscar Heuuig aus Laudsuerg a. W-; Hermann Verworu aun 
Berlin. 

Die Baumeister-Prüfung haben abgelegt: Bauführer 
Oscar Loebell aus Elbing; Bauführer Heinrioli Möllmann aus 
Cassel; Bauführer Albert Bocke aus Hannover; Bauführer 
Friedrich Wiehe aus Rotenburg. Prov. Hannover. 

Brief- und Fragekasten. 

Hrn. R. iu Dittersbach: Die Publikationen der Monats- 
konkurrenzen des Architektenvereins zu Berlin sind nicht kfiuf- 
lieh, sondern nur für Mitglieder liestimmt Auf Arbeiten aus 
dem Gebiete des Ingeuieurwesens erstrecken sich dieselben bis- 
her noch nicht. 

E. i^Aacffeu" 1 " I>aDk CrhaUen dc ° Um - Wl to Fraukfurt - 

m '' 7 r "' e " rh iLrl «"» die Sieger einer über daa (JeechiiUiebo 

iiliiaii.renendcii ltürkeiclit au erfreuen hatten, mag darauf hervorhoben, daaa man 
ein« «ofortliie Benachriehlignug deraelben fur rMig überllnaalg (ehalten bat. So- 
WHIMn daa Reenltat nlehl durch Z»i>ebenpenonrn erfahren konnten, waren dle- 
ae ben entweder anf die betretende Jiotii Im , Vertuleehten* der lUw-Jiaten Morgen- 
«eltungen «der anf daa amtliche, naeb S Tagen elulrefende Schreiben augewieeeo! 



KomtniealooeeerUc eon Carl Btellta In Berlin. 



Urne* «an Gebrüder Fielen in Berlin. 



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Jahrg. IL JI2 26. 

DEUTSCHE BAUZEITUNG 



B*»tc liu n jea 

Ülwrnf hm*n «II« P<HtM«t4lI*B 
und Ö«hk*ndl«nrri., 



Organ des Verbandes 

deutscher Architekten - und Ingenieur-Vereine. 

Redakteur K. E. 0. Pritich. 



Ia..rat. 

ir dl« Uwr 4er d.. 
aaieU.a« Inden A.ri 

In d.r tratla-Bellaf.: 

I» IV» Hr. [ 



Preil 1 Thaler pro Quartal. 



Berlin, den 27. Juni 1872. 



Ertraeiat jeden Donnerst»?. 



Inhalt' DI. Kwaknrren. ttr Knlaürfe tat» Hau*, de. deaurnen Reicht 
tag*.. ( PortM..a»g. J — Mltla.llutig.il au. V.r.la.n; Arealteklen* Verein tu 
Bari Lb. — Verani.ehte.: Die Kitaiglleh* polytechni.rh* Schul, tm Hannoeer. 
— Dan Aafiiaatn »an Paaaen. — Kommunikation iwiaohen +:»i:«rnl und dem 
Kontinent - An» der F ach III I ml or i C. M. Bau 



Brtkkenbaakund. mit «rliulerndecn Text. — Baa'ai.wnxaallllrhe Litleralar : 
April, klai, Juni IS72. — Konkurrenten: Zur Konkurrenz fär Entwürfe tum 
Hau*, de. Irenurhen Keirh.tagM. — Zu der Konkurrenz für Entwürfe ru einen 
Denk.».!.- far die Gefallenen de. PreuatUelwn Ingenieur-Korn*. — P.r.on al - 
Nachrteht.n. 



Di« Konkurrenz für Entwürfe zum Ilausr den Deutschen Reichstages. 

) 

Umgebung in engster Beziehung steht — 
für eine monumentale Bade-Anlage sich besser 
ten als für ein Parlament; auch ist eine organische Ver- 
bindung dieses Bautheils mit dem Hauptgebäude durchaus 
nicht geglückt. — Dans die Anordnung des plastischen 
Schmuckes über das Konventionelle nicht hinaus geht, wollen 
wir gern mit der Rücksicht auf die „Skizze 1 *, die mangel- 
hafte Anordnung der Geschäftsräume für Bundesrath und 
Präsidium als einen fast allseitigen Irrthum entschuldigen, 
obwohl bei der akademischen Gebundenheit des Grundrisses 
eine Abhülfe für letzteren Mangel nicht eheu leicht wäre. 
In Betreff der Beleuchtung haben die Künstler in anerken- 
nenswerter Weise darnach gestrebt, Oberlicht so viel als 
möglich zu vermeiden; nach unserer Auffassung des für ein 
monumentales Gebäude Gebotenen müssen wir jedoch die 
Art, in welcher hier viele Xebenräiime durch Lichthöfe klein- 
ster Dimension, fast alle Vorzimmer aber durch sekundäres 
Licht erhellt werden, als unangemessen tadeln, mag dem 
notwendigsten praktischen Bedürfnisse damit auch genügt 
sein. 

Den beiden vorhergehenden Entwürfen ist im Aufbau 
des Sitzungssaal«* noch verwandt die Arbeit von Sc hw ech- 
ten & Hellwig in Berlin. Die Vorderfront des in streng- 
ster Geschlossenheit, sogar mit Verzicht auf die üblichen 
Eckpavillons konzipirten zweigeschossigen BauN ist nach 
dem Königsplatze gekehrt, der Sitzungssaal im Erdgeschoss 
angeordnet. Die Enge der einzelnen Räume zu einander ist 
als eine sehr glückliche zu bezeichnen, noch mehr muss die 
ausserordentlich klare und zweckmässige Vertheilung der 
Eingänge, auf deren Sonderung und monumentale Ausbildung 
grosses Gewicht gelegt ist, gerühmt werden ; tadeln möchten 
wir indessen, dass einzelne Gebäudetheile, die . sich nach 
ihren Zwecken sondern, unorganisch und ohne jede Verbin- 
dung aneinander geschlossen sind. Der Hauptmangel der 
in den hellenischen Formen der Berliner Schule detaillirten 
Facaden-Architektur ist ihre allzugrossc Einfachheit und 
Schlichtheit, wie sich dieselbe namentlich in dem mit Seiten- 
fenstern durchbrochenen Aufbau des Hauptsaals uud der 
fast auf die reine Konstrnktinnsform reduzirten Kuppel über 
dem vorderen Fest&aal geltend macht; im Widerspruche steht 
hierzu, dass das einzige reichere Motiv, die im oberen Ge- 
schoss der Hauptfront durchgeführte Säulenhalle, wesentlich 
nur dekorative Bedeutung hat. Im Uebrigen zeugen Formeu 
und Verhältnisse dafür, dass es nicht Armuth war, welche 
die Verfasser dazu bestimmte, sich bei der künstlerischeu 
Entwickclung ihres Baus auf ein so knappes Maas« zu be- 
schränken. 

Bei zwei anderen hierher gehörigen Entwürfen tritt die 
Halbkreisform des Sitzungssaales zwar in einem die Faeade 
dominirenden Hautheile zur Erscheinung, doch umfasst dieser 
nicht allein den Saal, sondern es sind in einer nach strenger 
Auffassung nicht ganz gerechtfertigten Weise auch die Vor- 
räume desselben in gleicher Weise ausgezeichnet worden. 
Für die äussere Ansicht wird eine solche langgestreckte Bau- 
masse allerdings um vieles befriedigender. 

Der eine dieser Entwürfe ist von drei römischen Archi- 
tekten — Francesco Vespignani (dem bekannten Hofarchi- 
tckten des Papstes). Pietro della Valle nnd Rodolfo A. Lan- 
ciani in Gemeinschaft bearbeitet worden — das einzige, 
trotzdem in sich sehr einheitliche Werk, das einer aus raclir 
als den üblichen zwei Personen bestehenden Künstler- Kom- 
pagnie seine Entstehung verdankt. Der oblonge zweigeschos- 
sige Bau enthält 4 innere JHjfe, Zu* de» im Erdgeschosse 



Ein durchaus originelles Gepräge trägt die Arbeit von 
Mylina & Bluntsehli in Frankfurt a. M. Wie schon der 
Grundriss auf Seite 197 zeigt, ist die Bauraasse hier in zwei 
Haupttheile zerlegt. Der Stadt zunächst liegt in ganzer 
Breite der Baustelle ein geschlossenes zweigeschossiges Ge- 
bäude in der Form eines ichmalen Rechtecks, die Ecken 
durch Pavillons, die Hauptfront in der Sommerstrasse durch 
einen Mittelbau gegliedert, die im Gegensatz zu der einfachen 
Renaissance-Architektur der Zwischentheilc durch Säulenstel- 
lungen und grossartige Fenstermotive ausgezeichnet sind. Auf 
der Seite des Königsplatzes entspringt aus diesem Bau die 
eingeschossige Gruppe der zum Sitznngssaale gehörigen Ne- 
bcnsfile, die in der Faeade als eine mächtige Bogenhalle aus- 
gebildet sind, in der Weise, dass das Gurtgesims des Haupt- 
gebäudes sich hier als Kämpfer und horizontales Zwischen- 
gebälk der durch je zwei Säulenpaare geteilten Bögen fort- 
setzt, l'eberragt wird diese Halle durch den von ihr um- 
schlossenen Rundbau des Sitzungssaales, dessen Bogenumgang 
der Höhe des Hauptgebäudes entspricht, während der innere 
Halbkreis und das den Saalhan abschliessende, innerhalb des 
Hauptgebäudes liegende Oblong um ein Geschoss höher empor- 
geführt sind — letzteres mit einem kurzen Satteldach, exste- 
rer mit einem flachen, an den Hintergiebel des»elben sich 
anschmiegenden Halbkegel gedeckt. 

Unzweifelhaft hat der Entwurf Vorzüge, welche die Aus- 
zeichnung desselben durch die Jury nicht ungerechtfertigt 
erscheinen lassen, mag individuelles Ermessen andere Ar- 
beiten auch höher stellen. In akademischem Sinne, und zwar 
in des Wortes bester Bedentung, gehört der Grundriss zu den 
korrektesten, welche die Konkurrenz aufzuweisen hat; künst- 
lerische Phantasie nnd das Streiten nach einer für den prak- 
tischen Gebrauch geeigneten und aus diesem abgeleiteten 
Lösung stehen überall in wohlthnender Harmonie. Ebenso 
bekundet die architektonische Ausbildung der Faeade und 
de* Innern eine Herrschaft über Formen nnd Verhältnisse, 
die virtuos genannt werden kann. 

Andererseits sind bedeutende Mängel nicht zu verkennen. 
So originell nnd reizvoll die Anlage der um den Sitzungs- 
saal gruppirten Nebensäle auch für den ersten Blick erscheint, 
so ist sie doch die schwächste Stelle des Entwurfs. Dass 
hierher das durch eine grossartige Rampen- und Treppen- 
Anlage zugängliche Haupt-Portal des Hauses verlegt ist, dass 
dieses jedoch in der Architektur keineswegs genügend aus- 
gezeichnet ist und von der Terrasse ohne jede Verraittelung 
direkt in den als Vestibulum bezeichneten Vorsaal der Reichs- 
tagsmitglieder fuhrt, wird von vielen Fachgenossen mit Recht 
als unverzeihlich getadelt, ist trotzdem aber nebensächlicher 
Natur. Denn in Wirklichkeit ist hier ein F^ingang durchaus 
nicht nothwendig und. wie die Anordnung der Garderolren 
andeutet, scheint derselbe ursprünglich auch nicht beabsich- 
tigt worden zu seien; nur die allerdings ganz gerechtfertigte 
Erwägung, dass deu drei für das praktische Bedürfniss aus- 
reichenden und sehr bequem gelegenen Eingängen auf der 
Nord-, Ost- und Südseite ein»? künstlerische Beziehung zum 
Sitzungssaals fehlt, scheint die Verfasser dazu bestimmt zu 
haben, an jener Stelle, wo nach der Idee des Entwurfs ledig- 
lich ein Ausgang nach einer dem Publikum verschlossenen, 
zum Promeniren der Reiebstagsmitglieder bestimmten Ter- 
rasse am Platze wäre, einen repräsentativen Eingang anzu- 
legen. Angreifbarer dünkt uns jedenfalls noch die ganze 
architektonische Ausbildung dieser Saalbauten, die in ihrer 
hallenartigen Erscheinung den Charakter eines Bauwerks 
das der öffentlichen Benutzung offen und zu der freien 



■*»-*••*** 



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belegenen, mit zwei Logenreihen versehenen Sitzungssaale j 
führen zwei Haupteingänge, der eine von der Sommerstrasse 
auf die den Halbkreis umgehenden Korridore, der andere 
vom Königsplatze in den auf der geraden Seite de« Saal» an- 
geschlossenen Vorsaal. Dass der erstere der für die Abge- 
ordneten bestimmt« ist, während der zweite sehr viel statt- 
licher aasgebildete seiner Anordnung nach hauptsächlich 
Prarhtvestibül für den Aufgang zur Hofloge ist, muss als 
grosser Mangel bezeichnet werden, der seihst dann kaum 
entschuldigt werden könnte, wenn dieses Vestibül gleichzei- 
tig zu dem Festsaal in Beziehung stände. In anderen Punk- 
ten zeigt die Grundrissanordnung Irrthümer, die augenschein- ! 
lieh aus der L'nkenntniss entsprungen sind, welche die Ver- 
fasser von den in Betracht kommenden Verhältnissen besitzen 
mussten. Aber trotzalledem ist die Disposition immerhin 
eine künstlerische und künstlerisch durchgebildete, und hat 
zu einer höchst stattlichen Raumfolge geführt, von der die 
sorgfältig behandelten Durchschnitte ein anziehendes Bild ge- . 
währen. Einen über das Gewöhnliche hinausgehenden Rang 
und den Vorzug vor fast allen englischen Leistungen muss 
man trotz der etwas trockenen nnd akademischen Renais- 
sance-Architektur auch der Ausbildung der Favade einräumen, 
in der aus dem Aufbau des Mittelbaus die Oberlichte des , 
Saales und des grossen Vestibüls als erhöhte Laternen her- 
vortreten. 

Die andere Arbeit ist die von Otto Girard in Wicu. 
Sie tlieilt mit der früher besprochenen von Alois Wurm den 
Versuch, den eigentümlichen Aufbau des Sitzungssaales mit 
seinen Zuhörer- Tribünen dadurch zu einem noch prägnan- 
teren Ausdruck zu bringen, dass derselbe an die Front ver- 
legt ist. Der Kuudbau des ausschliesslich durch hohes 
Seitenlicht erhellten Saales springt hier nach der Sommer- 
strassen - Seite vor; er wird vou zwei Zoneu umgürtet, die 
oben eiue Doppelreihe von Logen, im Erdgeschoss den leider 
nur sekundär beleuchteten l mgang und eine Anzahl der 
Geschäftszimmer des Bundesrates etc. enthalten. In der 
Axe ist hier die Restauration als ein knrzer oblonger Bau 
von der Höhe des Erdgeschosses vorgelegt; offene Hallen, 
die zur Anbringung reichen mouumentalen Schmucks benutzt 
sind, verbinden denselben mit den schmalen Flügeln, welche 
seitlich dem Hauptkörper des Hauses eutspriugeu, und stellen 
so äusserlich das Oblong des Bauplatzes wieder her. Am 
Königsplatz liegen in dem bis zur Höhe des Sitzungssaales 
emporgeführteu, mit einem Giebel gekrönten Mittelbau unten 
das Vestibül, obeu der Feslsaal; der Vorsaal der Abgeord- 
neten steht mit der Treppen -Anlage für letzleren in un- 
mittelbarem Zusammenhange, was jedenfalls unzulässig ist. 
Der Grundriss leidet im llebrigen noch an anderen, teil- 
weise sehr bedeutenden Irrthümern nnd ist keineswegs ganz 
gelöst, ol»gleich das Streben nach organischer Ausbildung, 
das in der Grundidee desselben sich offenbart, Anerkennung 
verdient. Dieselbe Anerkennung müssen wir der architek- 
tonischen Gestaltung der Facaden zollen, die in eleganten 
Verhältnissen und in flüssiger Verwendung der Formen 
hellenischer Renaissance, im Sinne der I lansen'schen Schule 
komponirt sind. 

Als ein mit Tempelgiebeln geschmückter einfacher Auf- 
bau, nuch Art des von Schinkel für das Berliner Schauspiel- 
haus angeordneten, erscheint der Sitzungssaal in dem Ent- 
wurf von von der Hude & Hennicke in Berlin. Der 
sehr klar disponirte Grundriss zeigt einen schmalen Haupt- 
körper mit 2 inneren Höfen, aus dem in der Mitte der Lang- 
fronten Vorbauten, nach der Sommerstrasse zu aber 2 Seiten- 
flügel entspringen. Hier, in nächster Verbindung mit der 
Stadt haben die Künstler ihren Haupteingang angenommen, 
der durch eine Vorhalle, ein Vestibül und den Vorsaal in den 
oblongen, rings von Ko-ridoren umgebenen Sitzungssaal führt. 
Hinter demselben liegt in der ,\\<- an der dem Königsplatze j 
zugekehrten Front die Restauration, zu der ein direkter Ein- 
gang angelegt ist, neben derselben auf einer Seite das 
Etablissemcut des Bundesrates, auf der anderen das des 
Präsidiums, sowie in der Ecke der mit dem Sitzungssaal i 
des Bundesrates korrespondirende Lesesaal. In der süd- 
lichen Seitenfront ist eine grosse Durchfahrt für den Hof, j 
in der nördlichen der Zugang in den Wohnräumen des Prä 
sideuten und dem Festsaale angeordnet, der übrige Raum j 
wird wesentlich durch die Abtheilungs- nnd Kommissious- 
zinimer eingenommen. Im oberen Geschosse liegen über 
dem Vestibül der Festsaal , über der Restauration ein 
grosser Fraktionssaal, im südlichen Flügel die Bibliotek 
und der Rest der Geschäftszimmer, im nördlichen die sehr 
reichlich bemessenen Wohnungen. Die ganze Anordnung 
des Grundrisses kann praktisch als durchaus gelungen be- 
zeichnet werden und zählt in dieser Hinsicht zu den besten 
xler Konkurrenz, entehrt jedoch in ähnlicher Weise, wie 



wir dies bei dem Entwürfe von Gropius & Schmieden her- 
vorheben mussten, xu sehr der höheren künstlerischen Mo- 
mente, die für einen Bau dieses Ranges verlangt werden 
müssen, und ist zu arm an grossartigen Motiven. Als Belag 
dafür kann die Art und Weise dienen, in welcher die Gar- 
deroben in den Vorsaal eingeschaltet worden sind. — Die 
Architektur des Aeusseren, in guten Verhältnissen und in 
den Formen einer sehr edlen und schönen Renaissance mit 
ruudbogigen Oeffnungen zwischen Säulenstellungen durch- 
gebildet, ist an sich ''in treffliches, einheitliches Werk, hjidtt 
jedoch mit so vielen anderen au der Gleichwertigkeit der 
beiden Geschosse, die einen eigenartigen, das Parlamentahaus 
bezeichnenden Charakter nicht wohl aufkommen lässt» und 
ist in Bezug auf sclbststamligeu plastischen Schmuck zu 
stiefmütterlich Miandclt Nicht ganz dem Stile der Facaden 
entsprechend, jedoch in reizvoller Art ist das Innere des 
Sitzungssaales in Rundbogen - Architektur gestaltet, doch ist 
der Anordnung desselben der Vorwurf zu machen, dass die 
Tribünen für die praktische Benutzung um ein Namhaftes 
zu hoch liegen. 

Dem soeben besprochenen Entwürfe in einigen Bezie- 
hungen verwandt, jedoch an Werth keineswegs ebenbürtig 
ist die Arln>it von Hermann Spielberg in Berlin, die von 
Anhängern der strengen Schinkel'schen Richtung um deshalb 
auf den Schild gehoben worden ist, weil die architektonische 
Ausbildung unter allen Entwürfen der Konkurrenz die am 
Meisten griechische ist. Wir sind übrigens weit entfernt da- 
von zu verkennen, dass die Gesamraterscheinung des reich 
gruppirteu Baues, wie viele Einzelheiten desselben in der 
That von hohem künstlerischen Reize sind; zu bedauern ist 
nur, dass es dem Verfasser nicht gelungen ist, einen überall 
einheitlichen und klar gegliederten Organismus zu schaffen. 
Der ziemlich komplizirte Grundriss besteht aus einem durch 
4 kleine Höfe geteilten Hauptkörper, aus dem auf der Seite 
des Kölligsplatzes zwei schmale Flügelbauten entspringen, 
die durch eine im mittleren Theile elliptisch erweiterte offeue 
Säulen-Halle verbunden werden: kräftige Risalite bezeichnen 
die Ecken, vorspringende Portiken die Mitten aller 4 Fron- 
ten. Der als überhöhter Halbkreis gestaltete Sitzungssaal 
liegt im Erdgeschoss, vor ihm ein langgestrecktes Foyer; 
hinter ihm sind die Räume des Bundesrates, dessen Sitzungs- 
saal jedoch im ersten Stocke sich beiludet, seitlich die des 
Präsidiums ungeordnet. Bibliothek und Restauration liegeu 
in den Flügeln, letztere daher viel zu entlegen vom Saal. 
Schlimmer als diese praktischen l'uzuträglicbkeitcii ist es, 
dass die architektonische Lösung des Grundrisses zu wenig 
übersichtlich und stellenweise sogar sehr kleinlieh ist In 
der Favade steht die kolossale Architektur der durch beide 
Geschosse reichenden Portiken mit der sonstigen Gliederung 
des Baues in argem Widersprach; ebenso ist es nicht zu 
rechtfertigen, dass der mit einem t flachen Zeltdache abge- 
deckte quadratische Aufbau, unter welchem der Sitzungssaal 
liegt, in unmotivirter Weise ausser diesem noch eiue Anzahl 
anderer Räume umfasst, so dass im Innern desselben ein 
ebenso zweckloser wie kolossaler Hohlraum geschaffen ist, 
in der äusseren Erscheinung aber jede Beziehung zu der 
Form der durch jenen Aufbau ausgezeichneten Räume fehlt. 

In ähnlicher Weise hat sich Rudolf Redtenbacher in 
Karlsruhe verleiten lassen, in dem anerkennenswerten Stre- 
ben nach eigenartiger Durchbildung des Grundrisses von der 
ersten Bedingung einer guten Lösung, einfacher Klarheit, ab- 
zulenken; die einzelnen Räume des Hauses sind in seinem 
Entwürfe derartig durcheinander geschachtelt, dass von einer 
l.'ebersichtlichkeit nicht mehr die Rede ist Der Hauptein- 
gang für die Abgeordneten ist von der Sommerstrasse, der 
für den Bundesrath und Hof vom Köaigsplatze her ange- 
nommen. Das Etablissement des letzteren ist in der Favade 
big zur Höhe des Sitzungssaales emporgeführt und mit ihm 
unter einem langen Bogendache, das in der Front von Thür- 
men flankirt wird, vereiuigt. Entsprechende vierseilige Kup- 
peldacher haben die Eckpavillons und die Mittelbauten 'er- 
halten. Die Stilauffassung ist eine durch die konsequente 
Durchführung des Hundbogens individualisirte Renaissance. 

Wegen der sehr bescheidenen Ausbildung des uur bis 
zu massiger Höhe aufgebauten Sitzungssaales, der lediglich 
auf der in der Hauptfacade zur Geltung kommenden Schatt- 
seite mit einem Giebel geschmückt ist, während die für die 
Ansicht versteckte Hinterfront sich einfach abwalmt, kön- 
nen wir nach der von uns angenommenen Reihenfolge d.-u 
Entwurf von Ende & Boeclcmann in Berlin erst hier 
einschalten, während die höchst originelle Konzeption dessel- 
ben ihm einen Rang vor vielen der vorher gewürdigten Ar- 
beiten anweist 

Unübertroffen ist er in der genialen Ausnutzung und 
Ausbildung der Situation, wie dies ein Vergleich des auf 



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-211 — 



8eite 180 publizirten Grundrisses mit dem auf Seit«! 41« und 
417 den vorigen Jahrgangs in dem Konkurrenz-Programm 
mitgeteilten Situutionsplane wenigstens annähernd ersicht- 
lich macht. Die auffällige Unsymmetrie der Nord- und Ost- 
front, an welcher je ein Eckpavillon, resp. noch ein ansehn- 
licher Garten vorspringen, dient dazu um das schräge Ein- 
schneiden der betreffenden Strassenflucbten auf die Gebäude- 
fronten zu verdecken, und ftbei windet so in glücklicher Weise 
einen Nachtheil des Bauplatze», der die Erscheinung der 
meisten anderen Bauten auf das Empfindlichst»- schädigen 
würde. Ebenso ist das dreieckige Stück des Thiergartens, 
das zwischen der neuen, diagonal anf den Königsplatz ge- 
führten Allee nnd der Südfront verbleibt, in äusserst geschick- 
ter Weise an das Haus angeschlossen und zu einem Garten 
ausgebildet worden, der im Zusammenhange mit der anf 
dieser Seite liegenden, leicht in noch besserer Weise zu er- 
schliessenden Restauration den Abgeordneten ein willkom- 
mener Erholungsort sein würde. Bunde* rat Ii und Präsident 
haben in den Gartenanlagen der an die Krönt des Königs- 
platzes angeschlossenen |Terrassen eine ebenso angenehme 
Zugabe zu ihren Räumen, wie das Haus selbst einen durch 
andere Mittel nicht zu ersetzenden Schmuck erhalten. Von 
ausgezeichneter Wirkung würde endlich die Anlage des Mo- 
numentes vor der Hauptfront, sowie die in Vorschlag ge- 
brachte Ausbildung des Königsplatzcs sein. 

Bildet diese einzig dastehende Berücksichtigung der Si- 
tuation den entschiedenen Glanzpunkt der Arbeit, so gewährt 
ilie Entwicklung des Grundrisses nicht minder ein hohes 
Interesse. Ohne die Baumassen in einer die Einheit des 
Baues zerstörenden \Vei>c zu spalten, ist es den Künstlern 
gelungen, denselben dadurch zu individnalisiren. dass die zu- 
sammengehörigen und zusammen benutzten Räume, unbe- 
schadet der Verbindung zwischen den einzelnen Gruppen, 
fast nlterall in kleinen, für sich geschlossenen Etablissements 
vereinigt sind — eine Anordnung die am Meisten den Dienst- 
wohnungen zu (inte kommt, dem ganzen Hanse aber den 
Charakter behaglicher Wohnlichkeit verleiht, wie er in glei- 
cher Weise in Keinem anderen Entwürfe erreicht ist. AVir 
glauben freilich, dass in dieser Beziehung die Grenze, welche 
den Monumentalbau von dem Privatbau unterscheiden soll, 
hier bereits überschritten ist- Grossartige Motive und eine 
der Bedeutung des Hauses entsprechende Raumfolge werden I 
etwas zu sehr vermisst, auch ist bei aller Anerkennung des I 
Raffinements, mit welchem die an die Schwierigkeiten des 
Privatbaus gewöhnten Künstler einzelne Fragen der Beleuch- 
tung nnd Verbindung der Räume gelöst haben, nicht zu ver- 
hehlen, dass die erstere nicht überall so reichlich und schön, 
die letztere nicht überall so einfach und klar ist. wie dies 
in einem Monumentalbau sein muss. Doch in dem kompli- 
zirten Organismus dieses Hauses zurecht zu finden, dürfte 
jedenfalls eine nicht geringe Uebung erfordern. Als der 
schwächste Theil des Grundrisses erscheint die gekünstelte 
Anlage des Aufgangs zur Hofloge im Mittelbau der Front 
nach dem Königsplatz, der wir eine reiche perspektivische ■ 
Wirkung nicht bestreiten wollen, deren Form jedoch jeder 
Motivirung entbehrt und für die ein Raum verschwendet ist, ! 
der sehr viel zweckmässiger dazu benutzt werden könnte, 
um das viel zu weit vom Sitzungssaal entlegene Etablisse- 
ment des Bundesrates diesem näher zu bringen. 

Auch in der Facade wirkt dieser runde Vorbau mit 
seiner im oberen Stockwerke offenen Gallerie nichts weniger 
als glücklich; er entspringt wrder in schöner Weise aus den 
I-angfronteo, noch kommt er in seiner ziemlich unruhigen, 
dekorativen Erscheinung mit den darüber aufsteigenden 
ernsten Massen des Sitzungssaales in Einklang. Im l'ebrigen 
überrascht die architektonische Ausbildung des in zwei ganz 
gleichwertigen Geschossen disponirten, mit den Oberlichten 
angepassten Mansarde- Dächern gedeckten Baus durch die 
ausserordentliche Schlichtheit und Einfachheit ihrer Renais- 
sance- Architektur, die zwar gute Verhältnisse zeigt, jedoch 
in keiner Weise über das Konventionelle hinausgeht. An- 
scheinend haben die Künstler sich absichtlich eine solche 
Beschränkung auferlegt, die indessen bei dieser Aufgabe 
wohl nicht am Platze war. Auch das Innere ist keineswegs 
reich ausgebildet, die Decke des sonst sehr hübsch erfnnde- 
nen, mit einem Bilderfries und zwei grösseren Wandgemäl- 
den neben der Hofloge geschmückten Sitzungssaales sogar 
entschieden zu einfach. Wenn die Zuerkennung eines der 
Nebenpreise an den Entwurf auch nicht unverdient war, so 
ist es sicherlich nicht die architektonische Entwickelung der 
Grundidee, welche sie rechtfertigt. 

Sowohl in dem Versuche, die Umgebung des Bauwerks 
an dieses organisch anzuschliesaen, wie in der äusseren Aus- 
bildung des Saalbaus, der sich mit einem Giebel in der 
Facade markirt, im L'ebrigen hier jedoch ganz eingebaut ist, 



erinnert an diese Arbeit der Entwurf von Philipp Leiden- 
frost in Wien, doch steht derselbe um sehr viel tiefer. Der 
Grundriss zeigt das mehrfach erwähnte Motiv eines oblon- 
gen Hauptlmucs mit vorspringenden Seitenflügeln, also die 
Form eines langgestreckten Hufeisens. Der halbkreisförmige 
Sitzungssaal liegt im ersten Stock, was zur Anlage eines 
kolossalen Foyers in beiden Geschossen Veranlassung ge- 
geben hat. Auch für die zur Hofloge gehörigen Zugänge 
und Nebenräume ist sehr viel Raum verschwendet, während 
andere Bedürfnisse vernachlässigt sind und namentlich ganz 
schmale enge Korridore sich finden. Wie wenig der Ver- 
fasser sich in Verkehr innerhalh der Räume eines Parla- 
ments klar gemacht hat, beweist wohl am Besten die An- 
ordnung des Sitzungssaales, in dem die Bankreihen um etwa 
4ä Grad ansteigen und sich unmittelbar mit den Zuhörer- 
Tribünen verbinden, während die Sitze des Bundesrats 
hinter dem Präsidenten angebracht sind. Die Renaissance- 
Architektur der Facaden trägt einen etwas zopfigen Charak- 
ter und ist mehrfach mit originellen Flachbogen -Moliven 
vermischt 

Bis auf das denkbar einfachste Minimum ist die Er- 
«cheinung des Sitzungssaales in der Facade des von W. Ret tig 
in Karlsruhe eingesandten Entwurfs herabgesetzt. Die vier 
Mauern desselben sind als kahle Attikeu hochgeführt und 
überragen um ein Weniges die Baumasse. EIhmiso nüchtern 
nnd schwer erscheint die Hauptfneade des zweigeschossigen, 
in den einfachsten Rennaissancefonnen detaillirten Gebäudes; 
eine riesige Attika und ein Mittelbau in den Verhältnissen 
eines römischen Triumphbogens, jedoch im Wesentlichen 
ohne andere Oeffnungen als drei verhältnissmüssig kleine 
Thören nnd nur mit Reliefs dekorirt Etwas belebter sind 
die Seitenfronten, in denen das Erdgeschoss durch offene 
Hallen durchbrochen ist. welche die Höfe erscbliessen. Die 
Anordnuug des Grundrisses bietet nichts Bemerkeite wertes. 

Endlich ist eine Anzahl von Entwürfen zu erwähnen, 
in denen ein besonderer, über die Höbe der übrigen Bau- 
teile hinausgeführter Aufbau des Sitzungssaales nicht vor- 
liegt, der letztere vielmehr nur in der Front enarakteri- 
sirt ist. 

Die relativ bedeutendste Arbeit unter denselben ist noch 
die von Francis Roux in Paris — das einzige Werk eines 
Architekten französischer Nationalität, das an der Konkur- 
renz Theil genommen hat. Gern wollen wir dte Faktum 
dieser Beteiligung als Kundgebung einer über blindem Völ- 
kerbasse stehenden unbefangenen und versöhnlichen Gesin- 
nung betrachten, vermögen jedoch leider nicht dem Entwürfe 
bemerkenswerte Seiten abzugewinnen. Die Grundrissanord- 
nung leidet unter den allorgröbsten Irrthümern ülfcr die Be- 
nutzung der einzelnen Räume nnd auch die architektonische 
Ausbildung des dreigeschossigen Baues, dessen duWigehendes 
Facadensystein ziemlich kleine Verbältnisse und trockene 
Renaissanceformen zeigt, während der Mittelbau vor dem 
„ Forsaal * als ein kolossaler, ganz aus dem Maasstab fallen- 
der korinthischer Portikus erscheint, ist wenig erfreulich. 
Eigentümlich ist in dem halbkreisförmigen bitzungssaale 
die Anordnung der Logen, die in flachbogig ausgebauchten 
Nischen liegen. 

Noch tief unter dieser französischen Arbeit steht der 
Entwurf ron Metzger in München, ein zweigeschossiger Re- 
naissancebau, dessen einem Festsaalc ähnlicher Sitzungssaal 
in einer Lücke des Bans mit einem Giebel an die Front 
tritt, sowie das gothische Projekfvon Eberlein in Nürn- 
berg, eine kaum über die erste Idee hinausgeführte, der 
Durchschnitte entbehrende Skizze, mit Facaden im Sinne 
der HeidelofFschen Richtung und einem Grundrisse, den mau 
versucht ist nicht ernst zu nehmen; so liegt der Sitzungs- 
saal ganz an der Front und der Präsident sitzt mit dem 
Rücken an einem Fenster, unter demselben aber befindet 
sich der Festsaal. Auch der Entwurf von C. Dümmler in 
Schwerin, ein dreigeschossiger Backsteinlmu mit einem ellip- 
tischen, von zwei Treppenhäusern llankirten Saale, ist im 
Ganzen eine höchst unreife Arbeit, in der eine Darstellung 
der Erscheinung <lcs Saales übrigens ganz fehlt. 

Es ist 'nicht ganz die Hälfte der Konkurrenten, deren 
Arbeiten wir zu den ersten der von uns angenommenen 
beiden Hauptgruppen rechnen durften, weil in ihnen das 
künstlerische Maass nicht überschritten erscheint So wenig 
bei dieser Klassifikation vermieden werden konnte, dass 
unter den bisher besprochenen Arbeiten sich solche befinden 
mnssten, die man als künstlerische Leistungen überhaupt 
wohl nicht anerkennen kann, so wenig soll durch dieselbe 
gesagt sein, dass unter den noch zu besprechenden Ent- 
würfen, deren Verfasser nach unserer Ansicht ein zn starkes 
Gewicht auf den äusserlichen Effekt gelegt haben, nicht noch 

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— 212 — 



solche von bedeutendem Kunstwerfhe sind. Allerdings ge- 
hört die Mehrzahl der hervorragenden Arbeiten jener ersten 
Gruppe an, wahrend hier der architektonische Dilettantismus 
überwuchert: es fehlt indessen keineswegs an ernsten und 
betnerkenswertben, künstlerisch gedachten Entwürfen, die 
wir anf Grund 'einzelner Uebertreibungen — sei es in der 
Hinzufügung dekorativer Elemente, sei es im Maasstabe de» 
Baues — erst an dieser Stelle erwähnen können. 



ihr durch das Urtheil des Preisgerichts geworden ist, vor- 
anstellen müssen, ist der Entwurf von Geo. Gilbert Scott 
und John 0. Scott in London, von dessen Grundriss wir 
anf Seite 205 eine Skizze gebracht haben. Wir standen, als 
wir die Entscheidung der .Inn mittheilten, bereife* nicht au, 
die Auszeichnung dieser Arbeit als ein durch sachlich.-» 
Gründe schwerlich zu erklärendes Skandalosum zu bezeich- 
nen, und es liegt ums an dieser Stelle ob, das harte Ur- 



PARLAMENTS-pEBAUDE FÜR DEN pEUTSCHEN REICHSTAG. 
Entwurf von August Orth in Berlin. 

Orundriii Ten eratea Stockwerk. 

8oumi«ntr«M«. 




KCuigeplau. 



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Vartaeiluag dar liini, 



Cratae Stockwerk, I] Hrhrlfifü 

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I Vorhalle. 
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4 üetdoriiL«. 
Ii Sit«ung»«aJ. 
rierhu.g., 




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Sleuograpliea. 

15 Zimmer fiir Korrektur«». 
145-19 Kin m» für >■■ ■■* Mitglieder 

itei Bundearathee. 

16 Voraaal. 

1 7 &uiungiaaal. 

IS Vor-, Kpreea-, Geschäfte* und Koofo 

rearrlmtaer der Uelchekanelera. 
Iii 4 i oer-huita* u. Kprerhiluimer für dl« 
Mitglieder dp« Buudetratfcea, 
SO — Si Wob nur.« de» Keirhatago- 
Präni de nK n. 
«I Ve.liüil und Vonaal. 
Sl Ki 



JJ Sp i»e>an!, 
14 Bibliothek 

Grotecr 
16 8pel«e»aal bei 

: u 1 1 rf 

57 Dan« 



38 Glubor. 
St Llehth&fe. 

Xrdg eackoae 

Unter IX. Nordw«»teeke: 
lianner, 
» 4: AbUieilutigMaal. 
. 8: Bibliothek. 
. tl 

„ Mi 



*: Areale. 

12, Mord und Nordeat: Bureau. Lo- 
kalitäten, Killf Paul uad Tele- 
graphi«, 

Sl— 23: Zar rri»ld«aic«-WohouB. s . 
IS. 1», 29: Wohnung dea Bureau- 

Dirigenten. 
10, II, 24: Wohnung dea Boten - 

mrleters. 
1: Einfang für daa Publikum. 
3: Veeiibül für daaaelba. 
1), II. »i Zugang au den Logen. 

treppen für daaoelbe. 
'!'-■ Durchfahrt und VeaUaäl f. dea 
Hot* uad die Di 



Wir beginnen wiederum mit jenen Arbeiten, in denen 
auf eine architektonische Ausbildung des Sitzungssaales in 
der Fa'cade verzichtet ist. Da eine für das I'arlamentshaus 
charakteristische Erscheinung unter diesen Imstanden nicht 
wohl zu erzielen war, das Streben nach effektvoller Aus- 
bildung des Baues sich daher auf Motive angewiesen sah. 
deren architektonische Betonung bereits für andere Gebäude- 
gattungen traditionell geworden ist, so finden wir gerade 
unter den hierher gehörigen Entwürfen solche, die sich auf 
den ersten Mick uuter einen bestimmten baulichen Typus 
einreihen lassen. In der That sind mit einer einzigen Aus- 
nahme alle diese Entwürfe uuter drei Gattungen zu bringen, 
die wir nach ihrer architektonischen Erscheinung als An- 
lehnungen an das Renaissance -Schloss, das mittelalterliche 
lutthhaus und das amerikanische Kapitol bezeichnen können. 

Jene Ausnahme, die wir nicht allein wegen ihrer Eigcn- 
artigkeit. sondern noch mehr wegen der Bedeutung, welche 



theil etwas näher zu erläutern. 

Dass die Arbeit des englischen Architcktenpaares in Be- 
zug anf die erste und unentbehrlichste Grundlage jedes 
architektonischen Werkes, die Erfüllung der praktischen 
Bedingungen der Aufgabe, so gut wie Alles zu wünschen 
übrig lässt, wird unsern Lesern, selbst bei einem flüchtigen 
Studium des Grundrisses, mit wachsendem Erstaunen klar 
geworden sein. Nicht, dass nicht sammtliche im Programm 
verlangten Räume in der verlangten Grösse in dem aus 
einem zu ebener Erde liegenden L'ntergeschoss, dem als 
Erdgeseboss bezeichneten, in unserer Skizze dargestellten 
Hauptstockwerke, einem . (bergeschoss und einem ausgebau- 
ten Dachgeschoss bestehenden, also 4 stöckigen Gebäude ent- 
halten seien! — Aber in welcher Anordnung sind sie ge- 
geben! Die Anlage des kolossalen Vestibüls und Yorsaals, 
die Rücksicht auf die Symmetrie des architektonischen Auf- 
baus spaltet und zerreissl das ganze Gebäude, macht eine 



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— 213 — 



eigenartige Ausbildung und eine zweckentsprechende An- 
einanderreihung und Verbindung der einzelnen Räume völlig 
unmöglich. So sind die Fraktion*-, Abtheilungs- und Kom- 
mission« -Sfile, wie nicht minder die Geschäftsräume des 
Bundesrathes im ganzen Hause zerstreut, die Wohnung des 
Präsidenten in 4, die des Bureau -Dirigenten in 3 Geschosse 
vertheilt; die Restauration liegt ein Geschoss tiefer als der 
Sitzungssaal, der Festsaal und die Bureaus liegen isolirt und 



| dem empfindlichsten Zug zu bewahrender Raum fein wurde. 

' dass die Tribünen des Sitzungssaales bei der gewählten An- 
ordnung eine für den Gebrauch völlig unzulässige Hohe er- 
halten müssen — sei nur beiläufig bemerkt. 

Mit noch grosserem Erstaunen mustert man den Grund- 
riß in Bezug auf die Anforderungen monumentaler Würde 
and Schönheit, auf die Anforderungen organischer und har- 

| monischer Entwicklung, die man an das Gebäude zu 



F^ARLAMENTS-pEBAUDE FÜR DEN pEUTSCHEN ^EICHSTAG, 

Entwurf von Constantin Lipsius in Leipzig. 

Oiundiin T e ■ Hiuptf eichou. 

BMMMMMIMb 



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JIIIIIINII 



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H«upt( nchon 

Ii:. Blum« tut die Mliflieaar de» 
Belfhelaf». 

I VMWk 

5 Hanpttreaa*. 

3 1.1..!. ...Ii. -ii. 

« Voraul. 

:• SiUaoCMMl. 

6 OeeaMfbl- and SprerbiitniDcr de» 

l'rüldeaua. 

7 Schrlftfakrar. 

* Zlmaeer der SteuotTrapben. 
■f Zimmer für Korrekturen. 

10 Spreehilmtnar dar Abseordaoten. 

11 Leaealmaner. 

1} ReauaraUaneraune. 

13 Koenmiahlanaiiraraer. 

14 Ablhrllanireeel*. 

Ii Fraktion***!«. 



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1« — » Rluioe far die Mltgllo 
dar daa B U Ii 41 e»r Alke*. 
U Auffahrt. 

17 Vutlbäl und Treppe. 

18 VoriaaJ. 

19 KluaaeaMal. 

SO UaaehAfU- und Spreehilnimef daa 

Reli'hkkaiiilrrt. 
21 d««fl«ick«n da* PrAtldenten da* 

Retchekanelerarjileit, 
99 Geecliift*iia.mer der Bandeeriltie. 
33—33 Wohnung, dea Praaideu 
tan daa Reichstage*. 

33 Trapp«. 

34 Vurclmtaar. 

75 Kuiplaiigwalori«. 
34 Cr« »aar Fetuaal. 
17 AtbfiUaimaiar. 
34 W«nualo.a**r. 
39 flpalaeaiaiBreT. 
?0 Schlafataoasr. 



Tarthailaaf dar Sittmi. 

31 Tollella und Badail»oior. 
33 Diakar. 



33 Trappe rar den Kaiser and tla» 

drploaoatiftche Korpa, 

34 Trappa lur du Publikum and dl« 

.1 1. ut nii l 

35 Trappa für dl* Krirtut*jr.Millg)tedcr. 
96 Ueburdaekier Kiiilaogaug. 

37 Vorhöf« »Ii OarUBj-Aalaian, Sil*. 
plil*eti, Springbruaaea. 

Ohtrat Stockwerk. 

Uaber 6 und 7: Vorslotnar, Salon und 
Toilrtle für d>l> Kaller. 

„ 0 aad 9 : JournaJIitenilminer. 

, 91—33: Freabdcntlmmer cte. lur 
Wahnoag daa Prialdantaiu 

TJntarf aaohon. 

Uiitar 10, II: Kagittratur. 



l.-v Meter. 



ünter T | Kam lei (turaaur Im Bootarreln 
Archir). 

p f>: Expedition und Zimmer daa 

Bureau - Ulrtfrenien- 
, S, 9: Poet und Telegraphie. 
. 13: B»lenm«lil*r. 
. 14: Bibliothek, BiblloUiakar and 

Zimmer für *(cnn|fr*pk. Hariebta. 
13: Qroaaea Veetibäl und l.eeeaaal. 
S4. 97. 3S, 99. 31. 31: Wotmung 

daa Bare*u-l>lrtK*ntco. 
„ SO, 31 : Wohaaag dea ItoleDmeltter*. 
, S3: Portier aad Bill«i-Au»«abe. 
. 13: Neben 33 Auffahrt far den kal- 

aerllehaa H..r. aaben 34 Ein- 

cat.it für da> Publikum, nebau 33 

Auffahrt für die Reicheutpin.it ■ 

glieder. 

p 19: Durchfahrt aar Wohaang den 

erialdeaten. 
, 90: Vet.UI.ul tu doraetbea. 



aus den übrigen Gebäudethcilen schwer zugänglich in den 
vorspringenden Flügeln. Eine nicht geringe Anzahl der Korri- 
dore ist finster oder doch aufs Dürftigste beleurhtet! Dass 
der Vor*aal der im Programm ausdrücklich betonten Abge- 
schlossenheit entbehrt, dass er ein für seinen Zweck höchst 
unbehaglicher, schwer zu heizender nnd noch schwerer vor 



stellen berechtigt ist. Nur zwei Räume des ganzen Hauses, 
die Vestibül- und Vonaal-Anlage, sowie die Gallerte auf der 
Südseite, haben eine künstlerische Durchbildung erhalten, 
alier der Gegensatz, namentlich zwischen der ersten Partie 
nnd den übrigen Theilen des Hauses ist dadnreh nur ein um 
so krasserer geworden. Was soll man dazu sagen, wenn die 



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Queraxe de» Kuppelraums der Vorsaal- Anlage, welche in der 
Ausseuarcbitektur mit einem riesigen Aufwände von Mitteln 
hervorgehoben ist, im Innern sirn todt rauft resp. in das 
Pissoir führt; was soll man sagen zu der gänzlichen Ver- 
nachlässigung aller übrigen Axen, zu den gebrocheneu Korri- 
doren , deren schönstes Beispiel die Passage aus dein Vor- 
saal in den Festsaal ist, was zu der Form der einzelnen 
RSume! 

Man sollte meinen, «las» eine solche Armseligkeit archi- 
tektonischer Gestaltung jedem Laien nicht minder auffällig 
sein müsste. als die UnZweckmässigkeit der Anlage, dass 
auch der mit einem noch so schwachen Hauche künstleri- 
scher Empfindung Begabte sich von so grellen Dissonanzen 
abgestossen fühlen müsste. 

Die grellste Dissonanz ergieht sich freilich erst, wenn 
man diese Gmiidrissentwickelung mit der architektonischen 
Ausbildung vergleicht, welche den wenigen bevorzugten Innen- 
räumett. in erster Linie aber dem Facadenaufbau geworden 
ist. Alle Kraft der Architekten, ihr ganzes Denken und 
Trachten ist ausschliesslich darauf gerichtet gewesen, die 
äussere Erscheinung ihres Bauwerks zu eiuer möglichst glän- 
zenden und reichen zu machen, und auch die ganz nnver- 
hältnissmässige Betonung, welche im Inneren der Vorsaal- 
Anlage geworden ist, hat wohl lediglich den Zweck gehabt, 
ein doiuftirendes Motiv für die Facade zu gewinnen. Hier 
erhebt sich in derselben eine riesige arhtseitige Kuppel, vor 
welche sich das Vestibül in Form eines Kirchenschiffs mit 



zweithünniger Giebelfacade legt. Mit ähnlichen, jedoch ho- 
rizontal getheilten Giebelfronten, neben denen höhere mit 
Helmen gedeckte Thttrme aufsteigen, die wiederum an der 
Hinterfront ihr Scitenslflek haben, schliefen die Seitenflügel, 
die im Untergesehoss durch Hullen mit dem Mittelban ver- 
knüpft sind. In der Queraxe der Kuppel sind auch die 
Mitten der Seitenfronten durch zweithürmige Portalbauten 
bezeichnet, hinter denen über den Treppenhäusern mächtige, 
mit kleineren Kuppeln gekrönte Thfirme sich erheben. Die 
Milte der Hinterfront endlich bezeichnet ein Vorbau, der mit 
7 kleinen Giebeln zwischen Fialenthürmeii ahschliesst. Für 
die stilistische Ausbildung dieses Komplexes sind die Formen 
des deat*-hen Uebergangsstiles unter buntester Verwendung 
der mannigfaltigen, jener Epoche eigenthümlichen Motive 
und durchgängig spitzbogiger Bildung gewählt — wo sie für die 
moderneren Strukturen nicht ausreichen wollten, jedoch auch 
mit spezifisch gothischen. ja sogar bei Ueber'führung der 
Hauptkuppel ins Achteck mit Elementen der Renaissance 
verbunden worden. 

Dass die beiden Scott ein so ausserordentlic hes Gewicht 
auf äusserliehen Effekt gelegt haben, wollen wir ihnen nicht 
zum per*6nlich(*n Vorwurf machen. Sie haben in dieser Be- 
ziehung ifs echte Engländer gehandelt; denn die Eigenart 
englischer Architektur, namentlich aber englischer Gothik 
ist es, dass erst in zweiter Linie oder sogar überhaupt nicht 
nach einem Zusammenhange zwischen Inhalt und Form ge- 
fragt wird, während man von der letzten verlangt, dass sie 
möglichst prunkvoll, vor Allem aber unter allen Umständen 
möglichst malerisch sei. .la wir wollen sogar gern anerken- 
nen, dass den Architekten in der Thal ein Aufbau geglückt 
ist, der als Bild einen originellen, malerisch -phantastischen 
Reiz gewährt, und dass die Mittel zur Erreichung dieses Er- 
folges um sehr vieles organischer entwickelt sind, als in 
den meisten anderen englischen Entwürfen, indem die Thürnic 
hier doch zum Mindesten Treppen enthalten und die Kuppel 
über einem bedeutenden inneren Hohlraum sich erhebt. 

Aber diese Anerkennung kann unmöglich das Urtheil 



über den Grad der Lösung der Aufgabe beeinflussen, mit 
der diese lediglich dekorative I-eistung nicht den geringsten 
Zusammenhang hat, und unser deutsches künstlerisches Ge- 
fühl wendet sich Meidigt von einem so durch und durch 
hohlen Effekte ab, der statt gesunder Gedanken zur Sache 
nur einen Schwall blendender Phrasen vorzubringen weiss, 
hinter denen sich die äusserst«' Dürftigkeit versteckt Selbst 
abgesehen von der Forderung, dass das Aeussere der orga- 
nische Ausdruck der inneren Disposition und Struktur sei, 
müssen wir aber auch der Favaden-Architektur an sich durch- 
aus den Rang bestreiten, der ihr von verschiedenen Seiten 
eingeräumt worden ist Die Wahl des Stiles ist hier in der 
That die Wahl reiner Laune, die Ausbildung desselben bei 
aller Virtuosität der Mache stark beeinträchtigt durch Will- 
kürüchkeiten und direkte l'nschönheiten. der gewählte Maass- 
stab ein entschieden zu kleiner — endlich der ganze Cha- 
rakter des Baues mit einziger Ausnahme des Mittelbaues in 
der Hinterfront ein so ausgesprochen kirchlicher, dass 
man die Perspektive desselben ganz direkt als Theater-Deko- 
ration zur Darstellung einer Abtei benutzen könnte. Nicht 
höher steht die Ausbildung der bevorzugten Innenräume. 
Während das im Maasstab zu gross gegriffene Vestibül wie- 
derum einen völlig kirchlichen Eiudruck macht gleicht der 
Silzungssal, dem jede Beziehung der architektonischen Aus- 
bildung zu der durch die Benutzung bedingten Ausstattung 
fehlt, einem Lokale für öffentliche Festlichkeiten. 

Sollen wir unser Urtheil über den auch mit einem 
grossen Aufwände äusserer Mittel in Wirkung gesetzten Ent- 
wurf nochmals zusammenfassen, so ist es das, dass er als 
Studie in dekorativer Verwendung der architektonischen 
Formen des Uebergangsstils und als malerische Leistung 
nicht uninteressant ist, das« er hingegen nicht ein ein- 
ziges Moment für eine wirkliche Lösung der Auf- 
gabe des deutschen Reichstagshanses enthält. — 
Wenn sich Hr. Gilbert Scott im Eingange seines Krläute- 
rungsberichtes unter wörtlicher Anführung der Phrase eines 
französischen Kritikers, der seine auf der Pariser Ausstel- 
lung zur Schau gestellten Werke lobpreist, mit Stolz darauf 
beruft, dass er bereits aus zwei deutscheu Konkurrenzen 
(zur Nikolaikirche und zum Kathhause in Hamburg) als 
Sieger hervorgegangen sei, so hätten wir unter den vor- 
liegende«! Verhältnissen nicht für möglich gehalten, 
diesem Stolze dadurch neue Nahrung zugeführt 
würde, dass man seinen Entwurf als einen unter de« 
auszeichnete, welche unter 103 Arbeiten die Aufgabe am 
Besten gelöst haben sollen. Ein ähnliches Faktum ist 
uns, wie erwähnt, trotz des unglückseligen und unbefriedi- 
genden Ausgangs, den namentlich viele älteren Konkurrenzen 
genommen haben, nicht bekannt 

Dass ein solches Votum der Jury mflfclieh war, ist «»in 
ebenso schlagender wie niederschlagender Beweis für «lie 
Gefahren einer Konkurrenz, deren faktische Entscheidung in 
die Hände anspruchsvoller Laien gelegt ist. Dass jedoch 
Architekten, wie Semper und Ncureuther, wie Hitzig 
und Lucae, noch mehr, «lass die noch in viel höherem 
Grade interessirten Vertreter einer organischen, nach künst- 
lerischer Gesundheit strebendeu Gothik, wie Friedr. Schmidt 
und Statz, es dulden konnten, dass ihre Namen mit jenem 
Votum verknüpft sind, ist eine Tbatsache, die wir gern in 
Vergessenheit tauchen möchten, die jedoch leider zu öffent- 
lich ist, als dass sie vergessen werden dürfte, so lange die 
gegenwärtige architektonische Generation lebt. 

MfU 



Architekten -Verein zu Berlin. Zu der fünften Exkur- 
sion am 22. Juni 1872 hatte sich eine kleinere Anzahl von nur 
jüngeren Vereinsgeuosson versammelt, um einen 1 ubrikations- 
zweig, dessen Produkt zwar den bauküustleriscben Kreisen nicht 
allzu nahe steht, dessen einzelne Abtheilungen jedoch für den 
Techniker de« Interessanten sehr viel bieten, eine Kattundrucke- 
rei, etwas näher keimen zu lernen. Es war dazu die in der 
Köpenicker Strasse belegeue Dauucubcrg'schc Fabrik (I.ieber- 
niaun & Co.) zugänglich gemacht, deren freundlicher Dirigent 
»ich den Anstrengungen einer Führung durch alle Räume des 
Etablissement« nach der Reihenfolge der Fabrikation und gleich- 
zeitiger eingehender KrlSuteruug mit besonderer Licbcnswürdig- 
keit unterzog. 

Er kann hier nicht der Ort sein diesen Gang durch die 
Fabrikr&ume beschreibend wiederzugeben, da zum Verständnis« 
der Sache eigene Anschauung unerlässlich ist. Es sei nur im 
Kurzen der hauptsächlichsten Tbeilc der Arbeit Erwähnung ge- 
than: Die Herstellung des zu druckenden Musters auf kupfernen 
Drnckwnhen geschieht entweder durch Prägung mittels einer 
stählernen Patrize, Molette genannt, wobei die in häufiger Wie- 



derkebr iu langen Reihen angewandten einfachen Elemente des 
Musters einzeln eingepresst oder bei zusammengesetzteren 
Mustern mittels des Pautogrupb, einer Maschine, welche ähnlich 
wie der Storchschnabel arbeitend, eiu im Grossen gezeichnetes 
Muster in vervielfachter Anzahl im kleinen Maasstabe auf den 
mit Aetzgrund versehenen kupfernen Walzen mittels Diamant- 
spitzen einritzt. Der aus anderen, namentlich in Baden bele- 
ecneu Fabriken bezogene rohe Baumwollenstoff muss, ehe er 
bedruckt werden kann, einer sehr umständlichen Prozedur un- 
terworfen werden, die mit dem Absengen der Fasern über Gas- 
Hammen beginnt, demnächst und hauptsächlich im Bleichen 
und wiederholten Waschen besteht und mit dem Scheeren der 
Waare endet. Die Farben werden entweder unmittelbar durch 
Aufdrucken allein — hier durch 17 Maschinen mit 1 bis 8 Farbe- 
walzen, jede mit eigenem kleinen Motor versehen — auf den Stoff 
übertragen, oder unter Einwirkung von Dampf- und nassen 
Rädern durch mechanische oder chemische Prozesse an den 
Stoff gebunden, oder in ihm erst erzeugt. Zu den mechanischen 
lüudeniittelu ist l-esondors das durch Einwirkung von Dampf 
koaguliiende hiwcUs zu rechnen, welches die Farbentheilcben 



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215 — 



schützend umhüllt uud am Stoff festhält, weshalb diese Farben 
ebenso als Seht bezeichnet »erden, wie es vor Allem die nach 
dem Bedrucken mit gewissen l'alzauflösungcn iu nassen Bädern 
entwickelten Farben sind. Die fast wunderbare Genauigkeit, 
mit welcher an einer Maschine bis zu acht Walzen auf den 
doch immerhin dehnbaren Stoff die Farben genau zum Muster 
an einander schliessend übertragen, war der Gegenstand län- 
gerer Betrachtung. Auch die im Gange vorzüglichen grüneren 
Umtriebsmasehinen fanden volle Anerkennung. 



Vermischtes. 

Die Königliche polytechnische Sotaule za Kannover 

wurde im Studienjahre 1871/72 von 425 Studirenden besucht, 
unter denen 374 aus Deutschland und 51 aus dem Auslände 
waren. Von den Ausländern waren 4 aus Oesterreich, 3 aus 
Norwegen, 4 aus Russland, 1 aus Polen, 2 aus Finnland, 5 aus 
den russischen deutschen Ostsee pruvinzeu, 2 aus England, 1 aus 
Dänemark, it aus den Niederlanden, 1 aus der Schweiz, 1 aus 
Spanien, 18 aus Amerika. 

Von 25 Lehrern wurden 55 LehrfScher behandelt, von denen l 
der erste Kursus der höheren Mathematik mit 122 Hörern und 
der erste Kursus der Mechanik mit 115 Hörern die stärkste j 
Botheiligung fanden^Durchscbnittlich waren für jedes Fach ; 

Das Aarziehen von Pansen. Ein in No. 2 des laufenden 
Jahrgangs unter obigem Titel enthaltener Artikel, .das Aufspan- 
nen von Pausen" l«tr., veranlasst mich, inj Folgenden ein Verfahren 
darzustellen, welches, seit Jahreu in den königl. säebs. Staats- 
eisenbahn-Baubüreaus im Gebrauch, sich ganz vorzüglich be- 
währt hat und vor den im obcucrw&huteu Aufsatze erläuterten 
Methoden sich dadurch auszeichnet, dass es selbst uugefihtcn 
Händen nur geringe Schwierigkeiten bietet 

Das Verfahren ist. soviel ich weiss, nicht sehr bekannt und 
es sollte mich daher freuen, wenn ich durch Vcröfleutichuug 
dieser Zeilen meinen Fachgeuosseu einen kleiuen Dieust erweisen 
könnte. m 

Ein reines Keissbrett wird möglichst genau horizontal auf 
einen Tisch gelegt und auf dasselbe vorsichtig Wasser gegossen, 
so dass das letztere eine etwa l""* 1 hohe Schicht bildet, welche 
sich ungefähr in der Grösse der aufzuspauuenden Pause — etwas 
gTösser oder kleiner schadet Nichts — ausbreitet. Auf diese 
W'asserschicht wird die Pause, »eiche aber noch nicht koloriit 
sein darf und mit guter, nicht zu dicker Tusche gezeichnet sein 
muss, mit derjenigen Seite, auf welcher die Zeichnung sich be- 
findet, vorsichtig aufgelegt, so dass dieselbe auf dem Wasser 
schwimmt Dann wird mittels eines weichen, Schwamiues das 
Pauspapier in der Mitte aufgedrückt, dasselbe mit den Fingern 
festgehalten uud durch Ausstreichen nach den Seiten durch 
den Schwamm das Wasser möglichst unter dem Papier hervor- 
gedrückt, aufgesaugt uud entfernt. Die Pause liegt nun voll- 
ständig glatt ohne Knitter und Falten auf dem Brett, durch die 
zurückbleibende Feuchtigkeit festgehalten und am Verschieben 
verhindert Die freiliegende Rückseite der Pause wird nunmehr 
mittels eines breiten Piuseis mit dem Klebemittel, gewöhnlichem, 
nicht zu steifen Bucbbiuderkleister. dünn überstrichen; sollte 
man dabei über den Rand der Pause hinausgestrichen haben, 
so wird das Ucberflüssige mit Hülfe des Schwämme* entfernt. 

Das Unterpapier wird nun auf die bestrichene Pause gelegt 
und mit Hülfe eines Handtuches, einer Bürste oder dergt. fest 
aufgedrückt durch Ausstreichen von der Mitte aus befestigt und 
dann Rammt der Pause leicht vom Brett abgehoben. 

Das ganze Blatt ist natürlich in Folge der Feuchtigkeit 
wellig und wird, um es zu glätten, in gewöhnlicher Weise auf 
ein Keissbrett aufgespannt und wenn dies geschehen, der etwa 
über den Rand des Pauspapiers hervorgetretene Kleister mittels 
des Schwammes oder eines grossen Pinsels abgewaschen. Die 
Pause kann nunmehr noch kolorirt werden und ist dann zum 
Abschneiden fertig, 

Dresden am 14. Juni 1872. 

Adolph Krantz, KgL Chaussee -Inspektor. 

Kommunikation zwischen Sogland und dem Kontinent 

Aus eintr Mittheilung der Zivil-Ingenieure Allen und King iu 
der Times vom 21. Mai entnehmen wir Folgendes über die ver- 
schiedenen Projekte zur Verbesserung der Kommunikatiou zwi- 
schen England und Frankreich: 

Das Projekt, welches zur Zeit am meisten Aussicht auf 
Verwirklichung zu haben scheint, ist von dem bekannten Inge- 
nieur Fowler, dem Erbauer der londoner unterirdischen (Metro- 
politan) Bahn, aufgestellt Derselbe beabsichtigt grosse Führ 
boote, welche ganze Eisenbahuzüge tragen sollen, zwischen 
Dover und einem neuen Hafen, der zu Andreselles an der 
FsnnaUsischcn Küste erbaut werden soll, in Fahrt zu setzen, 
da die Häfen von Calais und Boulogne für diesen Zweck keine 
genügende Wassertiefe haben. Die Aulagekoston dieses Projek- 
tes sind im Ganzen auf 2 bis 3 Millioueu veranschlagt, mit 
Einrechnung der erforderlichen Aenderungen des Hafens von 
Dover, der Anlage von hydraulischen Hebevorrichtungen und 
des Baues der uöthigen Anschlussbahnen an beiden Ufern. Die 
Bauzeit ist dabei zu 3 Jubreu angenommen. 

Ein zweites Projekt von Murray uud Hall aufgestellt be- 
schränkt sich auf eine Verbesserung der Häfen von Newhaveu 
und Dieppe und auf Einführung grosser Dampfer für diese 



Der während der Besichtigung eingetretene anhaltende Re- 
gen Hess die Gesellschaft vom Weiterwandern nach dem benach- 
barten Treptow Abstand nehmen, sie blieb vielmehr noch mehre 
Stunden in heiterer Geselligkeit beisammen. Dorthin aber 
hatten sich trotz der Unguust des Wetters von Berlin aus direkt 
einige Vereinsmitglieder mit ihren Damen begeben, so dass an 
diesem Tage der Architektenverein an zwei Orten vertreteu 
war. 



Route, wobei auf eine Ueberführung der Eisenbahnwagen nicht 
zu rechnen ist. Bisher kamen von dem Gesammtverkehr zwi- 
schen England und Frankreich kaum 15 Prozeut anf diese Route, 
dagegen auf die kürzesten Routen über Dover und Folkestone 
resp. 45 und 35 Prozent, indem die übrigen 5 Prozent auf die 
Route Southauiptou - Havre entfallen. Es scheint nun kein ge- 
nügender Grund vorzuliegen, die längere Route Newhaven- 
Dieppe jenen kürzeren uud weit frequenteron Routen vorzu- 
ziehen. 

Mehr Beachtung verdient ein drittes Projekt von Low und 
Hawksbaw aufgestellt, das bekannte Kanal -Tunnelprojokt, wel- 
ches natürlicherweise unabhängig von den bestehenden Häfen 
von Dover, Folkestone. und Newhaven ist Die Anlagekosteu 
sind zu 10 Millionen Sf veranschlagt und dl« Rentabilität»- Be- 
rechnung ergiebt für dieses hohe Anlagekapital nur eine sehr 
magere Verzinsung, selbst unter der Voraussetzung, dass die 
Betriebskasten verhältuissiuässig geringer wie auf gewöhnlichen 
Bahnen sein und dass die Zahl der Passagiere sich vervierfachen 
würde. 

Ein viertes Projekt , das Projekt einer Brücke zwischen 
Dover und Kap Gri.mcz, hat noch weniger Aussichten, weil die 
auf 30 Millionen if veranschlagten Anlagekoaten so übertrieben 
hoch werden, dass an eine Rentabilität des Unternehmens gar 
nicht mehr zu denken sein würde. 

Wenn uuu auch vielleicht da« Tunnelprojekt zur Ausführung 
kommen sollte, so müssen, da die Bauzeit für dieseu Tunnel 
auf 10 bis 15 Jahre zu veranschlagen ist, einstweilen schon 
Verbesserungen in den bisherigen, sehr unvollkommenen Kom- 
munikatious-Einrichtungen eingeführt werdeu. 

In neuester Zeit ist nun vom Ingenieur Karl Pieper in 
Dresden ein fünftes Projekt aufgestellt welches in eiufacher und 
praktischer Weise eine solche verbesserte Kommunikation er- 
strebt. Nach diesem Plan sollen grosse, aber nachgebaute Schiffe 
von höchstens (i Fuss Tiefgang mittels Dampfkraft an einem 
oder mehren Paaren von Drahtseilen entlang gezogen werdeu. 
welche quer durch den Kanal, von Hafon zu Hafen, gelegt sind. 
Durch die Führung an dieseu Drahtseilen soll auch die Bewe- 
gung der Schiffe bei stürmischem Wetter eine verhältnissiuässig 
ruhige werden. Auf solche Weise hofft man die t'eberfahrt 
zwischen Folkestone und Boulogne in 1 1 , Stunden oder weniger 
Zeit bewerkstelligen zu können. Die Aulagekosten für dieses 
Projekt sind nur auf 100 000 oder 200 000 if veranschlagt, 
je nachdem man die Anlage einfach oder doppelt machen, d. h. 
• gleichzeitig nur in einer Richtung oder in beiden Richtungen 
| fahren will. Herr Pieper hat sich bei Ausarbeitung dieses Pro- 
I jektea auf die Erfahrungen gestützt welche man mit der ausgc- 
1 dehnten Kcttcndampfschiffahrt auf der Elbe und auf anderen 
Flüsseu des europäischen Kontinente gemacht hat 

(Aus der Ztg. d. V. deutscher ELscnb.-Verw.) 

- • 

Aua der Facklitteratur. 

O. HL Bauernfeinds Vorlegeblätter zur Brückenbau- 
; knnde mit erläuterndem Text In zweiter Annage neu bear- 
beitet vou A. Döhlemann und W. Frauenholz, Professoren an 
der k. polvtechnischcu Schule iu München. — Stuttgart Verlag 
der J. G. potta'schen Buchhandlung. 1872. 

Die Neubearbeitung des verdienstvollen Bauernfeindlichen 
Werkes war ein Bedürfnis«. Denn bei allem bleibenden Werth, 
welchen die darin enthaltenen Regeln und Vorbilder für die 
älteren Brückenbausysteme (Stein und Holz) haben, war es auf 
dem Gebiet der Eisentechnik durch die erhebliche, in den lett- 
: ten zwei Jahrzehnten hier eingetretene Entwickclung und Ver- 
vollkommnung weit überholt worden. Auf dieseu letzteren 
Zweig des Brückenbaues bezieht sich denn auch hauptsächlich 
die mit Geschick und ganz im Sinne des ursprünglichen Werkes 
durchgeführte Erweiterung, welche, um dessen Umfang nicht 
unverhältiiissmassig zu vergTössern, andrerseits einige Kürzun- 
gen zur Folge gehabt hat R* sind z. B. die Blätter, »eiche 
vom Steinverband, vom Steinschnitt, den Holz- und Eisenver- 
bindungen und den Gründungskonstruktionen handeln, fortge- 
lassen worden. 

Dass die Beispiele der eisernen Brücken grösstenteils aus 
Süddeutechland herrühren, ist naturgemäss. Auch werden wir 
Norddeutsche dies besonders dankbar anerkennen müssen, weil 
uns die Keuutuiss jener Konstruktionen im Allgemeinen schwe- 
rer zugänglich ist, als der hier zur Ausführung gekommenen. 
Dass aber, wenn überhaupt Beispiele aus dem Norden gegebou 
I werden sollten, neben einer kleinen Blechtragerbrueko der hau- 
növemchen Bahnen einzig und ausschliesslich die Brücke über 
die Saale bei Bernburg mitgethcilt wird, mag zwar durch den 
bereits I8C8 erfolgten Abschluss der Dispositionen für die zweite 
Auflage der Vorlegeblätter »eine theilwetse Erklärung finden, 
kann aber nicht als geeignetes Mittel bezeichnet werden, um 
i von der Hauptrichtung der norddeutschen Eisentechnik ein« 



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- 216 — 



Vorstellung zu gewähren. Ebenso bitte sich wohl für die be- 
weglichen Brucken ein zeitgemäßerer Repräsentant finden lau- 
sen, als die kleine (gussciserne) Drehbrücke bei Mechelu, 

Was das Aeusserc des Werkes betrifft, so ist als zweck- 
massige Aenderung gegen die erste Autlage hervorzuheben, dass 
der Text von den Tafeln getreuut und in einem besonderen 
ist X. 



Bauwiiientohaftliche Litteratar. 

April, Mai, Juni 1872. 
.■■■■in i C. M., Vorlegeblatter zur Brückeubaukunde mit er- 
lauf. Texte. In 2. Aufl. neu bearb. von A. Dohlemann und 
W. Fraucnholz. 2 Bde. mit M Taf. 4. Stuttgart. 8 Thlr. 

r, B., die Kunst im Handwerk. Vademeeum für Besucher 
kunstgewerblicher Museen, Ausstellungen ete. 8. Weimar. 
Kart , 1 Thlr. 

Daly, Cesar, l'architecture funeraire. Speeiraens de tombeaux 
mausolees , cbapelles funüraires etc. 120 Tafeln. Fol. Paris. 

4:» Thlr. 

et MUlsr, Album de Scrrurcrlo. 100 Tafeln. 4. Paris. 

4',, Tblr. 

a, architektonische, aus dem Atelier des Professor Herrn. 
Nicolai in Dresden. Heraus«, von A. Niess. Lief. 1 und 2. 
mit 19 lith. Tuf. Fol. Berlin. 4',» Thlr. 

Staat, P., der Bautischler. Tabellen zur Berechnung der 
Kosten für die Bauarbeiten des Tischlers nach dem Meter- 
maass. 8- Leipzig. lä Sgr. 

— der Maurer. Tabellen zur Berechnung der Baukosten und 
Baumaterialien f. d. Maurer auf Grund des Metersvstenis u. 
mit Berücksichtigung des neuen ZiegelformaU. 8.' Leipzig, 
kart 24 Sgr. 

Flak, C, Konstruktion der Kolben- und Gentrifugalpumpen, Ven- 
tilatoren und Exhaustoren. 8. Berlin. 1», Thlr. 
Sank u. C. Wiatur, die Gcorgs-Marien-Uütte bei Osuabrück. Mit 
Uolzschu. u. 17 lith. Taf. 4. Hannover. 5 Thlr. 

die Kegulirung der Flüsse Böhmens. Mit Beilage: Was- 
serkarte Böhmens mit dessen Buhunctz. FoL Prag, l'i Thlr. 
Georg und Waadarlrj, der Metallbau. Ein Hand- und Hülfsbuch 
für Architekten etc. 1. Theil. Mit 400 Uolzschn. 8. Halle. 

1» , Thlr. 

MUiuirUck» Grabiuia« und Monumente für gefallene Krieger. 

2 Hefte mit 12 Taf. 4. Carlsruhe. IV, Thlr. 

Grapow, IL. Anleitung zur Aufsicht bei Bauten. Ein Hand- 
buch: für Hülfsbeamte im Bauwesen zur Belehrung über die 
verschiedensten gewohnlichen Bauausführungen und ihre 
Kosten. 2. nach Metermaass bearb. Aufl. 8. Berlin. IV« Thlr. 
Oraihof, F., theoretische Maschinenlehre. 1. Bd., 1. Liefr 8. 

Berlin. P,', Thlr. 

Handbuch für spezielle Eisenbahn - Technik. Heraus«, von E. 
Heusinger v. Waldegg. 4. Bd. : enth. die Technik des Eisen- 
bahnbetriebes mit Signalwesen und Werkstätten-Einrichtung. 
1. Hälfte. Mit 32 Taf. 8. Leipzig. 4 Thlr. 

Hart, J., die Werkzeugmaschinen für den Maschinenbau zur 
Metall- und Holzbearbeitung. 1. Liefr. 8. Mit Atl. von 
15 Taf. in FoL Heidelberg. 3 Thlr. 

. C. W., Sammlung von Zeichnungen ausgeführter Kirchen, 
Scbulhäuser und Privatbauten in Backstein und Haustein. 
Vollständig in 10 Heften mit »>u Taf. Heft 1 u. 2. Fol. Han- 
nover. 2'/» Thlr. 
— das Volkaschulhaus. Eine Anleitung zum Bau u. zur inne- 
ren Einrichtung desselben, namentlich in Bezug auf die Ge- 
sundheitspflege in den Schulzimmern. Mit 10 Taf. 8. Ebcnd. 

10 Sgr. 

Heiaemaan, H., die Rational-Thcorio der Bewegung des Wassers 
als Lehrbuch der Hydrodynamik. 8. Hagen. 2 Vi Tblr. 
Hardtls, Flachen - Verzierungen des Mittelalters und der Re- 
naissance. Liefr. 1 — 3. (Flüchen -Ornamente — Fliesse). 
Mit je 12 Taf. in Farbendr. Fol. Stuttgart. Jede Liefr. 5 Tblr. 
Hoffmaaa, F., theoret. und prakt. Anleitung zur Ausführung 
schiefer Ziegel- und^Quaderbrücken-GewöIbc, Mit 7 Taf. £ 
Wien. 1 Thlr. 

HölUeal, J., die Aneroi'dc von Naudet und Goldschmid, ihre 
Einrichtung und Theorie, ihr Gebrauch und ihre Leistungs- 
fähigkeit beim llnhenmeseen u. Nivelliren. 8. Wien. 2 Thlr. 
iraaka, H. F.. Deutschlands bisherige Maasse und Gewichte 
umgewandelt in die neuen metrischen Maassc und Gewichtc- 
8. Berlin. 12 Sgr. 

Kliagtntwrg, L., die ornamentale Baukunst des Mittelalters. 
Nach eigenen Aufnahmen bearb. Liefr. 1—16 mit je 6 lith. 
Taf. Fol. Lüttich.. 8 Thlr. 

inig, H., polychrome Meisterwerke der monumentalen ;Kunst 
in Italien vom 5. — Jahrb., dargestellt durch 12 perspekt 
Ansichten in Farbendr. Liefr. I: Inneres der Stanze „Ca- 
della Segnatura" in Korn, gemalt von Rafacl, und lnne- 
les St. Peter in Rom. Fol. Leipzig. 10 Thlr. 

(fehlu* («Igt.) 



sionszimmer, ist zu setzen: unter 12 (an der Kordwestseite) Vor- 
zimmer: unter 13 (soweit die Doppelhalle geht) Lesezimmer; 
unter 14. 16, 18 (westlich von der Tborfahrt) Bibliothek und 
Bibliothekar: unter 18, 04 und 60 (in der Mitte) Durchfahrt. 
Es sind demnach die Räume unter 9, 10, II und unter 12 (neben 



Konkurrenzen. 
Zur Konkurrenz rar Entwürfe zum Hanse doa Deut- 
schen Reichstages. Auf Wunsch des Verfassers und nach sei- 
ner Angabe spezifizircu wir die bei unserer Publikation des 
Bohnstedt'scheu Grundrisses auf Seite 169 etwas summarisch 
gehaltene Bezeichnung der Räume im l'ntergeschoss wie folgt: 
„Statt unter 9—17 Lesesaal und Bibliothek, unter 18 " 




zimmer." 



Mit Bezug auf unsere Auslassung in letzter Nummer ist 
uns anonym, anscheinend von einem Mitgliede, der Jury, das 
nachstehend wörtlich mitgetheilte Schreiben zugegangen. Wir 
verzichten vorläufig auf eine Replik, werden unfern Staudpunkt 
zur Sache jedoch noch einmal am Schlüsse unseres Haupt-Arti- 
kels erläutern und dabei zugleich auf einige Angriffe erwidern, 
die uns in der politischen Presse zu Theil geworden sind. 

„Auf Seite 208 Ihres heutigen Blattes, alinea 2, stellen Sie 
au die Beurtbeilung der Konkurrenz-Projekte zum Parlaments- 
gebäude die Anforderung, dass die Jury als Ganzes das Urtheil 
über den absoluten uud relativen Werth jedes einzelnen Projek- 
tiv feststellt Sie haben hiermit vollkommen Recht. Glücklieber 
oder vielmehr natürlicher Weise hat die Jury denn auch auf 
das Gewissenhafteste nach diesem Grundsatz verfahren. Wenn 
Ihre Quelle Anspruch auf Glaubwürdigkeit macht, wird sie dies 
bestätigen müssen. Dass eine gruppenweise Vorprüfung durch 
einzelne Referenten paare vorherging, verstund sich bei derMassen- 
haftigkeit des Materials von selbst. Die Nachprüfung und spe- 
zielle Erörterung erfolgte in gleicher Weise wie die Abstimmung 
im Plenum. 

Ich bemerke ferner, dass die Annahme, der den Konkurrenz- 
Projekten zu Grunde gelegte Bauplatz sei uufgegeben, unrichtig 
ist. Der Platz wird vielmehr in erster Reihe festgehalten, was 
nicht ausschliesst, im Falle unübersteiglicber Hindernisse sieb 
nach einem anderen umzusehen. 

Dass die Jury keinen motivirten Bericht entartet bat, nen- 
nen Sie eine Verletzung des Grundprinzips des Parlamentaris- 
mus. Ich meine, Herr Redakteur, die Jary habe mit dem Par- 
lamentarismus Nichts zu thuu. Die Mitglieder, Geschworene, 
haben sorgfältigst zu prüfen und sodann nach pBichttnässigstem 
Ermessen zu urthcilen. l'eber die Motive ihres Urtheils sind 
sie keinem Dritten Rechenschaft schuldig. Glauben Sie denn 
auch, dass die Motive bei allen Jurors dieselben sind? Soll die 
Ansicht der Minorität welche im vorliegenden Fall beim ersten 
Preis bekanntlich sehr stark war, unberücksichtigt bleiben? 
Wie soll sie aber zum Ausdruck kommen? Soll sich die Jury 
in den Kampf mit den 98 nicht prämiirten Konkurrenten ein- 
lassen, welche den Bericht, mag darin stehen was da wolle, mehr 
oder weniger heftig angreifen würden? — Von ihrer so oft be- 
währten Gerechtigkeitäliebe darf ich annehmen, dass Sie nach 
nochmaliger Erwägung den Männern, welche mit Hingebung, 
Fleiss und Mühe ihrem Mandat sich gewidmet haben, dies nicht 
zumuthen. Ich sehe hierbei ganz davon ab, dass es thatsächlich 
an der nfftblgcn Zeit zu einem gründlichen Berichte fehlte, wenn 
die Angelegenheit noch in den versammelten Reichstag gebracht 
und wie jetzt geschehen, weiter gefordert werden sollte. 

In aufrichtigster Hochachtung uud vollster Anerkennung 
Ihrer für das Baufach segensreichen Bestrebungen Ihr ergebener 

N.* 



Nach Mittheilungen der politischen Presse sind zu Mitglie- 
dern der Kommission Tür die Reichstagshaus -Angelegenheiten 
seitens des Bundesraths die alten Vertreter — die Hrn. Weis- 
haupt, Pergier von Perglas, von Bülow und Krüger — 
gewählt worden. Als architektonische Mitglieder der Kommis- 
sion, jedoch nur mit berathender Stimme nahen die Vertreter 
des Reichstages nnd Bundesrates die Hrn. Hitzig und Lucae 
— erstcren einstimmig, letzteren mit 6 gegen <"> Stimmen koop- 
tirt so dass die neue Kommission sämmtliche Personen, welche 
die Jury in der abgelaufenen Konkurrenz gebildet haben — 
mit alleiniger Ausnahme der Architekten, welche von ausser- 
halb berufen w 



Zu der Konkurrenz für Entwürfe zu einem Denkmale 
für die Gefallenen des Preusslsohen Ingenieur - Korps, 

welche unter den Mitgliedern des Berliner Architekten -Vereius 
ausgeschrieben war, siud 8 Entwürfe eingegangen, die bis ine). 
Sonnabend den 29. d. M. in der Bibliothek des Vereines ausge- 
stellt sind. 

Personal - Nachrichten. 

Preussen. 
Ernannt: der Baumeister Roth zu Jüb 
bahn -Baumeister bei der Breslau - Mittelwalder 
Münsterberg. 

Die B Anführer - Prüfung haben am 17., IS. und 19 
Juni er. abgelegt : Gustav Michaelsen aus Barth, Jacob 
Gas pari aus ünppart, Kreis St Goar. 

Die Baumeister - Prüfung haben am 19. u. 22. Juni er. 
bestanden: diu Bauführer Leo Franken aus Mühlheim a. d. R., 
Ludwig Schwcring aus Hannover und Herrn. Rose aus Wals- 
rode, Provinz Hannover. 



K«mmln4oiMT«rUg »ob C«rl llctliti !■ Httttn. 



Drutk »,., (J.Ur.d.r Fl«k»rt I« Bwtl«. 



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Jahrg. Tl. M 27. 

DEUTSCHE BAUZEITUNG 



Eeda-ktion o. Expedition: 
Bertis, ti ;i : ■ : M-.r 141. 
S*>t>llunf*a 
aamrfcm.n .11« 

.litt V4.hb1ndt.n1rn, 
fkc MI. d.« tlatdiUeev 



Organ des Verbandes 

Er*" deutscher Architekten - und Ingenieur-Vereine. 



Redakteur E. £. 0. Fritsch. 



Iaa. rate 

für dk Leaer der deatocben 
BanleMuac Ind.. A.rnaaatr 
Ii der tr.üi- Hein«»: 
.B»n-Amel»er- 

Iaeretioa»er.b: 1% Sil. fr. 

ZeUe. 



Preis I Thaler pro Quartal. 



Berlin, den 4. Juli 1872. 



Krsrhriat jede« Banatrslaft. 



Xoba.lt: DI. k uttkxrr.a. far Kniaurf« .um U.U.. Am deui*rh-fi B.Ich. 
uiH- f FnrtMt.unf , ) — Kln. gerichtliche Katari** littina* über Honor» für archf* 
teklovifrcbe Arbeiten. — Srhl.it». mit Jalc aei« ■ K I »i pe für gering* Gefall*. — 
Bfclfcn'l Patcnl-Steinb«eh-llBi.-biae. — 21 1 11 h .1 1 n o ■ . a an» V.relnoa- OMlrf- 
rrlehucher Ingenieur und Arrhlt«k1eo*Verein tu Wim. — Au. der Parhlltte- 
ralur: Zeiuchrln für Bauanaen. r«d t. r.rbkam, Jhrjc. luT», llefl IV— Vit. — 



Bauvr»en»'ha/Ulrhr l.nwt.lur April, Xl.l, Joni (Sellin», l — Konkurr.aien 
Za dar Kaukarmi. für Kniaurfe >u einem Aktien II I la Frag. — Zu der Kon- 
ka.r.a. riu Kmauif» >u d.ai Denkmal auf dam Niederwald. — Konkorrani für 
Knrwurfe m eia.ai Reelecholgebaiide la Bremen und eln.m Denkmal, auf deon 
U.tlruli.Tt;,. t>rl llr.u .lenburtr a. d. II. — Anrcl.ijriihru.u für Knivurfe iura Hau.. 
■Ix. denterhen Keicb.ta ga». — Maa ata-AajaajaajLj- ArTblt .k.cn V- r. i.. «» Kerlln. 



Die Kunkurnnz für Entwürfe ran Hanse des Deutschen ReickstngeK. 

(FortaetauDy.) 



Dem Typus des Ronaissan hl. - ist die äussere Er- 

Kheinuiig des Reithstagshauses in einer Anzahl von Ent- 
würfen angenähert, ilii' den im Anfange unserer Detail-Be- 
sprechung erwähnten Arbeiten nahe verwandt, geschlossene 
Baumnssen mit Eck- und Mittelpavillons zeigen, sich jedoch 
von ihnen durch einen grösseren Reichthum aufwandvoller 
dekorativer Zuthaten unterscheiden. F.* fehlen in keinem 
derselben Thurm. "ildungrn, auch ist tlie dekorativ« Ausbil- 
dung des Details durchweg über das Maas* hinaus gesteigert, 
das bei Amtsgebäuden üblich ist. 

Am Ehesten hätten wir noch den Eutwurf von Triese- 
thau und Schäfer in Berlin jener ersten Gruppe zuzählen 



können. Der zweistöckige Bau in üblicher Pilastcrglicdcrung 
stellt sich als «-in geschlossenes Oblong mit 2 inneren Höfen 
dar. Eck- und Mittelpavillous sind um ein Gcschoss erhöht. 
Der Sitzungssaal liegt im Erdgeschoss, zur Seite des Vnr- 
der Lesesaal und der des Bundesrathes, während die 
Geschäftsräume desselben in der Vorderfront und die Re- 
stauration in einer hinteren Ei ke sieh befinden. Schlimmer 
als diese Fehirr im Grundrisse ist es, dass der Festsaal im 
Aeitsseren ohne jede Auszeichnung geblieben ist. Für den 
Werth, den die Verfasser selbst ihrer Lösung Wimessen, 
spricht es nicht gerade, dass sie es völlig freistellen, ob man 
die Hauptfrout der Sommerstrassc oder dem Königsplatze 



Parlaments- pEBÄUDE für den Peutschen Reichstag. 
Entwurf vou Jordan und Heim in Hamburg. 

Oraadriat vom Xrdg ...hon 

Aou.m«r»traaeo. 

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I - la Ulaeae i-j, die ajltgiied.r 

dei Rolcb.iagai. 
I Unterfahrt. 
I Vorhalle. 
.1 l#ru«fe. Veatibul, 
* tlarderob*. 

Sttiaagaia-i. 
*> l/nt%XMl mit Vurrinm'*;. 
1 Lee.ilmm.r. 
I fllbllolh.kriuiur 
t Er'r.tcbung.riama. 
IQ S|irrrh.imm->r d.r Abgeiirdn.t.ti. 

II ti'lrhklL- nud Sprech. Immer .1.« 

eri.id.ii teil. 



Verth. iluag dar Baum». 



12 Schriftführer. 

13 Steoogcapbea. 

14 KIomK. 

Ii Treppe m dra AHhi-llun|.»älen »«4 
dem Xeataaal, 

15 Trapp« ■« den Praktlolt^al.n. 

II Aufgang tu deu Koninil»el»>n»»lmroern 

16 Aufgang .u d.n AhtbeUnncMelRa. 

1»— 31 Bareaa-Lokale d. Kelcbi- 
lag»«. 

19 Kapedlilnn. Rrgi.ln.t-ir, Kauilel etc. 
80 K.n.Mdiea.r. 

i'l Wohaand d>» Uur.an DiriK.uun. 



8! - 31 Hin in» für dl. Hitgll.der 
da. Band e.ratae.. 
ü aeacbänailmmer de. K.lchikan.l.ra 
and dea Prä.ldentan de« Reith.* 
kauiteramt.. 
21 (Lacliall.. Immer der ßunileeräth«. 



il llalerfahrL 
ti Dnrcb/abrt. 

3« Trappe tur Wohnung d. Pri»id.ftf.n. 

77 Treppe lin Pcl.aal. 

SR Joarnalletea, 

V) Po.t, 

SO T.learaphla. 



11 Aalf.nl >nr Kalarrlage. 

28 Trepne .u ilen i. ,i i, ifteu Lugen. 

11 l'nu'r rar da« l'ubllkaa. 

14 Treppe in deu Loden deaarlbep, 

Vj UfT.se Hallen. 

Sritea Sto.kw.rk: 

Utbar 4, .:. I. H. 12, 82. la: Abthrllunaa 

»ile, FraktJ«n^äJn und Kummli 

.loammmrr 

83 : Journalietenilmmer, 
m II: Kal.erUrb. Salon». 
., 1», 2(1,11: Wohnung de. rräsldru 

Un de» Reteh.ug... 
M »: Groat.r Faatiaal. 



- 218 — 



zukehren and ob man die ülier dem Eingangs-Vestibül tnd 
den I Ecken gezeichneten, sehr ansehnlichen Kuppeln weg- 
lasse will oder nicht. 

In der Arbeit der Gebrüder Frings in Crefcld, die 
gleichfalls einen zweistöckigen Bau Ober einem hohen Unter- 
geschosse zehrt, ist die Queraxe unter dem Vorsaal durch 
eine grosse Durchfahrt betont; das erste mit einer Kappel 
ausgezeichnete Vestibül soll als Ruhmeshalle dienen. Die 
Grundrissentwickelung zeigt manche Schwachen, obwohl sich 
die Verfasser dieselbe dadurch leicht gemacht haben, dass 
sie Räume, wie den Vorsaal, iu der Höhe des Erdgeschosse* 
abschlössen und darüber andere Räume, hier die Kaiserloge 
mit ihren Salons, anlegten. Neben der Kuppel über dem 
Vestibül ist das Gebäude auf der Hinterfront und den Seiten 
mit Thnrmchen geschmückt Die Behandlung der Facade 
in Renaissanceformen ist eine künstlerisch gewandt«, ob- 
wohl theilweise in den Verhältnissen verunglückt; viel 
schwächer ist das Innere, wo die Kuppel als Schacht und 
der Sitzungssaal mit seinen zwei Logenreihen theatermässig 
wirkt. 

G. Hildebrandt in Berlin ist von einem höchst eigen - 
thümlichen Facaden- resp. Grundrissmotive ausgegangen. 
Zwischen den Mittel- und Eckbauten seiner zweigeschossigen 
Fronten springen je zwei resp. drei einaxige Zimmer als 
strebepfeilerartige, mit Thürmchen gekrönte Kauten vor, 
mächtige Bögen verbinden dieselben. In den Ecken sind 
grössere Thürme, in der Mitte der Hauptfront ein von zwei 
Thürraen flankirter Portal bogen — leider mit sehr klein- 
lichen Thüren — angebracht, hinter dem über dem Vesti- 
bül eine Kuppel sich erhebt Es erhellt wohl ohne nähere 
Begründang, dass liei einer so gesuchten und gekünstelten 
Disposition, wie die oben erwähnte, ein befriedigendes Re- 
sultat unmöglich war. Auch die Grundrissentwickelung 
musste durch jenen Zwang beeinträchtigt werden, obwohl 
anzuerkennen ist, dass die Ueberwindnng dieser selbstge- 
schaffenen Schwierigkeit nicht ungeschickt und die ganze 
Anordnung, wonach in der Axe der Seitenfronten der Fest- 
saal resp. die beiden grossen Fraktionssäle, in der Axe der 
Hinterfront der Saal des Bundesraths liegen, wohl überlegt 
ist. .Sehr viel über der Facaden -Ausbildung steht die Ar- 
chitektur des Inneren, die theilweise reizvolle Motive zeigt; 
namentlich verdient die Entwickelung der Ecklogen in dem 
als Quadrat mit abgestumpften Ecken gestalteten Sitzungs- 
saale rühmende Erwähnung. 

In noch höherem Grade scblossartig wird die Erschei- 
nung des Baus, wenn bei ähnlichem Reichthum des archi- 
tektonischen Beiwerks die Anzahl der Geschosse sich ver- 
mehrt und dadurch jener von uns erwähnte Wohnhaus- 
Charakter sich ergieht Es ist dies bei dem vom Laien- 
publikum vielfach bewanderten Entwürfe von Pflaume in 
Cöln der Fall, dessen Facade über einem Keller drei voll- 
ständig ausgebildete Geschosse und in dem hohen Dache 
noch eine durchlaufende Reihe von grossen Mansarden- 
fenstern zeigt, die auf ein ausgebautes Dachgeschoss schliessen 
lässt. Leider vermögen wir in jene Bewunderung noch 
weniger einzustimmen, als wir dies dem Seott'schen Entwürfe 
gegenüber konnten, mit dem diese Arbeit annähernd parallel 
steht. Der Grundriss zeigt fast dieselben Mängel wie jener. 
Die Kommunikationen sind ungenügend und zum Theil 
unterbrochen, eine Entwickelung nach Axen sehr vernach- 
lässigt, die Anordnung der Räume eine zum Theil völlig 
verfehlte. So steht der oblonge, nach Art des provisorischen 
eingerichtete Sitzungssaal mit seiner kurzen Hauptaxe senk- 
recht zu der Axe des Zugangs — die Geschäftszimmer des 
Reichskanzlers nnd seines Stellvertreters liegen im ersten 
Stock neben dem Vorsaal, die der übrigen Mitglieder des 
Bundesraths und deren Saal in einer vorderen Ecke des 
Hauses, beide durch eine doppelläufige Treppe getrennt, von 
der die einzige Verbindung jener Räume mit dem Sitzungs- 
saale auf einem langen und mehrfach die Richtung wechseln- 
den Wege durch das Vestibül und den Vorsaal der Abgeord- 
neten führt. Der Raum gestattet es nicht, auf weitere Einzel- 
heiten einzugehen; als das Sonderbarste muss jedoch erwähnt 
werden, dass das ganze dritte Gcschoss, von dem ein Grund- 
riss nicht gegeben ist, ausserhalb jener Thcile, welche von 
den aus dem zweiten Stockwerk durchreichenden Sälen ein- 
genommen werden, anscheinend nur Räume enthält, die im 
Programm nicht verlangt, also willkürliche Zugabe sind, 
während die nach Aussen so stattlich auftretenden Erker- 
fenster ausschliesslich den Dachboden erleuchten. 

Das Hauptgewicht ist eben einzig nnd allein auf die 
Facade gelegt, i leren Schlos.s-Charakter um so stärker hervor- 
tritt, als für dieselbe die Bauweise nordischer Renaissance 
im üppigsten Reicht Imme dekorativer Entwickelung durch- 
geführt ist. Dem Mittelbau der Vorderfront stehen zwei 



Thürme zur Seite, ein grösserer Kuppelthurm ragt hinter 
demselben über dem Treppen-Vestibül empor; Pavillons mit 
Kuppeldächern, auf jeder Front von zwei spitzen Pfeiler- 
thürmen gesäumt, bilden die Ecken des Baus, der im ersten 
Gcschoss der Hauntfront mit offenen Gallerien durchbrochen 
ist und dessen Flächen über dem Erdgeschoss in ein von 
reichstem plastischen Fignrenschinuck und Pflanzenornament 
strotzendes Mosaik von Pilastern, Nischen, Friesen, Bogen- 
zwickeln etc. aufgelöst sind. Einzelheiten dieses Architektur- 
bildes, das in virtuos vorgetragenen Zeichnungen dargestellt 
ist, sind in der That von grossem künstlerischen Reize, an- 
dere beweisen, dass dem Künstler diese Stilrichtimg eine 
rein äusserliche und nicht das Resultat einer sowohl in der 
Antike wie im Mittelalter fussenden Kunstübung ist. — Da» 
Ganze ist jedenfalls im hohen Grade unruhig. 

Leider darf jedoch eine solche Leistung nicht blos als 
Ril.l betrachtet werden, sondern sie will als organisches 
Kuustwerk beurtheilt sein. In dieser Beziehung gehört die 
Arbeit zu den unerfreulichsten der ganzen Konkurrenz und 
zeugt von einer künstlerischen Leichtfertigkeit, die glück- 
licherweise zu den Ausnahmen gehört. Anf das Missver- 
hältniss, in welchem dieses einseitige und üppige UeW- 
wuchern dekorativer Elemente zu der Aufgabe steht, brau- 
chen wir nach unseren allgemeinen Erörterungen nicht noch- 
mals zurückzukommen, auch jener dekorativen Hinzufügung 
zweier lediglich für die Facadenwirkung bestimmter Ge- 
schosse, die allein schon genügt um den Entwurf zu 
richten, ist bereits Erwähnung geschehen. Aber ebeuso ver- 
letzend sind die Widersprüche, die sieh bei der architekto- 
nischen Ausbildung dieses Baues im Einzelnen zeigen. So 
führt der Haupteingang in dieses, eine der kolossalsten 
Vestibül- und Vorsaal -Aulagen enthaltende Gebäude durch 
eine einzige, hauBthttrartige Pforte, so schmiegen sich in der 
Hinterfront die Nebenräume der Dienstwohnungen in dieselbe 
Pavillon-Architektur, welche vorn der prachtvolle Ausdruck 
für den Festsaal und Bundesraths - Saat sein soll, nur dass 
dort die Mittelfenster vermauert sind, weil Scheidewände 
dagegen stossen; zwei der Volksmänner, welche die Linke 
aufs Herz gelegt, die Rechte zur Betheuerung ausgestreckt 
den Schmuck der Hauptpfeiler im ersten Stock bilden, sind 
hei dieser Anordnung dazu verurtheilt, vor den Badewannen 
des Präsidenten und Bureau-Dirigenten Posten zu stehen. — 
I Ausschliesslich auf malerischen Effekt berechnet sind auch 
i die beiden Schmnckhof- Anlagen des Hauses, zwei an sich 
sehr anziehende Bilder; die Architektur des Innern, na- 
■ mentlich des Sitzungssaales ist überladen. — Wir können 
> von diesem unseres Erachtens ganz verfehlten Entwürfe, dem 
wir wegen der Beachtung, die er in einflussreichen Kreisen 
] gtfnnden hat, eine etwas längere Besprechung widmen muss- 
ten, nicht scheiden, ohne unser aufrichtigstes Bedauern dar- 
über auszusprechen, dass ein Künstler, dessen Werk so deut- 
lich dafür spricht, wie viel er kann, bei einer solchen Auf- 
gabe so wenig ernstes Wollen aufgewendet hat. 

Um Vieles höher stellen wir unbedingt den Entwurf von 
Krüger in Dömitz, dessen Aensseres gleichfalls als drei- 
geschossige Schloss-Anlage mit einem Kuppelthunne in den 
Formen deutscher Renaissance, jedoch in jener namentlich 
Mecklenburg eigentümlichen, dem Terrakottenbau ange- 
passten Version erscheint. Die sehr ungünstig aufgehängte 
und daher wenig beachtete Arbeit dokumentirt sich nicht 
nur in ihrer flüchtigen aber gewandten Bleistift- Darstelluug, 
sondern auch im Grade der Durcharbeitung als Skizze. Der 
höchst koraplizirte Grundriss, komplizirt namentlich dadurch, 
weil die einzelnen Geschosse vielfach in einander übergTeifeu, 
leidet an mannigfaltigen Schwächen und konnte zn einer 
befriedigenden Lösung ebensowenig führen, wie die Facaden- 
Architcktur jemals für die Aufgabe passen konnte. Hin- 
gegen wäre es Unrecht, nicht anzuerkennen, dass diese 
Architektur an sich sehr reizvoll nnd einheitlich, in vortreff- 
lichen Verhältnissen nnd mit künstlerischem Takte ausge- 
bildet ist und zu der Gestaltung des Inneren in angemessener 

Beziehung steht 

An das mittelalterliche Rathhaus in der reichen Ent- 
wicklung, welche dasselbe namentlich in den Niederlanden 
gefunden hat, resp. an die aus diesem Typus abgeleiteten 
englischen Parlamentshäuser lehnen sich diejenigen Ent- 
würfe an, die bei geschlossener Baumasse als dominirendi 
Facadcnmotiv einen aus der Front entspringenden 
Hauptthurm angeordnet haben. Spricht selbst bei 
häusern nur die Tradition für ein so kostspieliges, praktisch 
völlig zweckloses Dekorationsstück, so lässt sich dasselbe 
mit der Aufgabe des Parlaraentehauses selbstverständlich 
noch weniger in Zusammenhang bringen, und es ist jeden- 
falls ein grober künstlerischer Irrthum, wenn man vermeint, 
das seiner Disposition nach hieran nicht berechtigte Gebäude 

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219 — 



«buch eine solche Zittliut zu einem Monumente ersten Kanin s 
erheben zu können. 

Da die llaiiptidcc der hierher gehörigen Entwürfe eine 
mittelalterliche ist, so erklärt es sieh, das vorzugsweise Ver- 
treter der gothischen Bauweise sich ihr zugewandt haben. 

Wir nennen unter ihnen zunächst den Entwurf von 
Tochtermann in Aachen, obwohl die Anlage des Sitzungs- 
saales in einem aus der Hinterfront des Hauses sieh hcraus- 
hebendaa, seillich mit zwei Giebeln schllessenden Hautheile 
gestatten wünle, denselben auch zu der letzten Gruppe zu 
rechnen. Oer Grundriss zeigt ein Oblong mit 3 Höfen, 
deren mittlerer auf zwei seitlichen Freitreppen (!) den Zu- 
gang zu dem im oberen Geschosse liegenden Sitzuugssaalc 
enthält; die Anordnung der Räume lässt praktisch und noch 
mehr an künstlerischer Phantasie Manches zu wünschen 
übrig. In der Facadc dominirt mit Entschiedenheit das 
pben, mit grossen dreitheiligen Fenstern durchbrochene Stock- 
werk, während das Erdgesehoss der beiden l.angfronten zu 
offenen Arkaden sich auflöst, deren Rückwand Rildenwhmuck 
enthalten soll. Es sind diese Arkaden jedoch wohl etwas 
zu untergeordnet behandelt und namentlich von der Strasse 
zu weuig abgeschlossen, so das» sie in dem falschen Cha- 
rakter sogenannter .Lauben" erscheinen. Zur Unterbrechung 
«ler langen Fronten sind in symmetrischer, leider durchaus 
nicht aus dem Grundrisse und" dem Zwecke der betreffenden 
Rlaa» abgeleiteter Vertlieilung Erker ausgekragt. Die interes- 
santeste and originellste Eutwickelung in der zwar nicht 
gerade bedeutenden, kIkt doch immerhin anerkennenswerthen 
L-'acade. an welcher jedes Anklingen an kirchliche Baukunst 
B^Ockuxfa vermieden ist und ein entschieden profaner Cha- 
i ;ik!er sich geltend macht, zeigt jedenfalls der grosse, in die 
Mitte der Hauptfront verlegte Thurm. Sehr unerquicklich 
ist hingegen die architektonische Gestaltung der lnucurämne, 
namentlich des Saales, dessen im Maasstabe viel zu gross 
gegriffene Architektur zu den schlimmeren Leistungen der 
Konkurrenz gehört. 

Min älinliches Verhältnis* liegt in der Arbeit von Jor- 
dan \ Heim in Hamburg vor, bei welcher der Dnrch- 
schnitt allerdings kaum über die erste Anlage gefördert ist 
indessen von der architektonischen Ausbildung des Inneren 
jedenfalls ein sehr unbefriedigendes Bild gewährt. Das 
Aenssere des Baues, obwohl etwas schemutisch und nüch- 
tern, wirkt ungleich besser und zeigt namentlich recht gute 
Verhältnisse. Die beiden Hanptstockwerke und das in der 
Facade als Steck werk behandelte L>aehgeschoss erscheinen 
in den langen Fronttheilen als zusammenhangende Reihen 
snitzbogiger Fenster resp. Arkaden. Eckpavillons, deren 
llclmdächer in Thürme übergehen, Giebelrisalite in den Ne- 
ben fronten und ein grosser Mittelbau in der Vorderfront, be- 
stehend aus zwei kleineren Seilenthünnen und einem grossen 
llauptthurm. zwischen denen Giebel eingefügt sind, beleben 
die Baumasse. Am Interessantesten in der Arbeit ist der 
Grundriss, den wir als letzten unserer Publikation auf 
Seit« 21" mittheilen. Höhere künstlerische Ansprüche darf 
i " i in :m ihn freilich nicht stellen, schöne Kaiimbildungen, 
interessante und grnssartige Motive zeichnen ihn keineswegs 
ans und in der Bemessung der l>iraensionen sind die Ver- 
tnsser bis auf das zulässige Minimum herabgegangen. Aber 
es ist ihnen unter diesem Verzicht und bei Beschränkung 
auf eine Gebäudetiefe, udt welcher die vom Buudesrathc gc- 
w Duschte Einhaltung der Symmetrie des Königsplaues noch 
prögtieh ist, gelungen, eine Anlage zu schaffen, die man als 
eine höchst verständige nnd praktische Lösung der im I'ro- 
gr.imui gestellten materiellen Ifedinguugen anerkennen mnsi 
und die in Betreff einer zweckgemässen Anordnung und 
Vertlieilung der Räume wenige ihres Gleichen hat. 

Auch bei der Arbeit vonGugel in Delfft ist der Grund- 
riss weitaus das Gelungenste. Der schmale oblonge Bau ist 
dnrch I Höfe getheilt, von denen die beiden mittleren inner- 
halb des die Gevehäftsräumc des Reichstages umfassenden 
llauptkörpera liegen, während die äusseren von demselben 
die etwas niedriger gehaltenen Seitenbauten scheiden, in 
welche die Dienstwohnungen verlegt sind. Der halbkreis- 
förmig!' Sitzungssaal liegt im ersten Stockwerk nnd ist so- 
wohl von der Vorder-, wie von der Hinterfront durch ein 
Vestibül mit origineller Trcppcnanlage zugänglich. Im All- 
gemeinen ist Dicht allein die Grundidee, sondern auch die 
Durchführung derselben im Grundrisse bemerkenswert!]. 
Weniger lässt sich dies von der Architektur sagen, die in 
.•iiier etwas akademisch zopfigen Renaissance, mit durchge- 
führter Halbsänleii-Dekoration gestaltet ist. Nur der grosse 
llauptthurm. der etwas von der Facadc zurückgesetzt ist und 
über dem Mittelbau der Haupttreppe bis zu sehr bedeuten- 
der Höhe sieh aufbaut, zeigt originellere Motive. 

Unter den englischen Arbeiten, welche hier anzufülireu 



lind, bat der Entwarf VOU Philipp E. Masey in London 
eine gleiche Anordnung des Hauptthurms in der Ale der 

Hauptfront nnd über den) Eingangs -Vestibül. Zwei andere 
Thürme. welche das Aeussere des- in englisch gothischen 
Formen, feiu aber etwas zu schablonenhaft gegliederten Baues 
schmücken, erheben sich über Treppenhäusern. Das Innere 
zeigt eine praktisch und künstlerisch ziemlich mangelhafte 
R*QJH -Disposition, entbehrt jedoch nicht ganz einer nüch- 
ternen Klarheil, die zwar an einen Kasernenbau erinnert, 
aber immerhin einem Labyriuthe vorzuziehen ist — Fried- 
rich Sang in London, ein aus Offenbach gebürtiger, aber 
durchaus in die Anschauungen der englischen Architekten- 
welt eingelebter Deutscher, bat seinen völlig kirchlich ge- 
haltenen Hauptthurm an eine der Ecken des Baues gestellt, 

i während er sich bei Gliederimg seiner gleichfalls in eng- 
lischer Gothik und gleichfalls ziemlich nüchtern komponirten 
Facaden auf Giebel- und r'ialcnthürrae beschränkte. Es ist 
nicht zu verkennen, dass der Entwurf mit Liebe und Sorg- 
falt bearbeitet ist, doch steht weder die künstlerische, noch 
die an vielen Irrtbümern und grosser Unkenutniss der that- 

I sächlichen Voraussetzungen leidende praktische Lösung auf 
der Höhe der Aufgabe. Ein Hauptmotiv des Grundrisses, 
der die Räume in drei, mehrfach aber in fünf Stockwerken 
anordnet, ist die Anlage einer imposanten Durchfahrt and 
entsprechender Vestibüle, die den Bau nach den beiden Mit- 
telaxen durchkreuzen. 

Originell und phantasievoll — oder vielmehr schon 
phantastisch ist der Entwurf von J. B. Waring in London, 
Ott einen l'ebergang zu den demnächst zu besprechenden 
kapitolartigen Bauten bildet. Die Phantasie des Künstlers 
hat nicht allein nach Erzielung eines möglichst malerischen 
Aussenbaos, sondern ebenso nach grossartigen Raumwirkun- 
gen im Innern gestrebt. In der That ist es ihm gelungen, 
lieselben in seiner Vestibül -Anlage in einer Weise zu schaf- 
fen, wie kaum ein anderer. Eine mit Tonnengewölben über- 
deckte, etwa 15™ breite, 30™ hohe Halle durchschneidet den 
Bau in der Axe von West nach Ost, eine zweite ist in der 
Axe von Süd nach Nord bis zu derselben geführt und ver- 
einigt sich mit ihr im Zentrum des Baues unter einer 
Kuppel. Kleinere Kuppeln erheben sich an den drei für deo 
Kaiser, das Volk una die Abgeordneten bestimmten Ein- 
gängen dieser mit Gemälden und Skulpturen geschmückten 
.Ruhmeshalle*; eine vierte symmetrische Kuppel iat auf 
der Kordseite angebracht, während in der Noruosteoke ein 

I schlanker Thurm emporsteigt, der die ganze Baumasse be- 
herrscht Obwohl diese Idee nicht ohne künstlerisches 
Interesse ist, so brauchen wir wohl nicht näher zu begrün- 
den, dass sie weder ästhetisch als Hauptmotiv der Disposi- 
tion berechtigt ist, noch dass sie eine gute Anordnung des auf 
diese Weise in drei Theile zerspaltenen Gebäudes unmöglich 
macht Trotz vieler Irrthümer hat der offenbar hoch be- 
gabte Künstler in letzter Beziehung übrigens noch das Er- 
reichbare geleistet Der Sitzungssaal konnte selbstverständ- 
lich keine andere Lage erhalten, ab) in der nordlichen Hälfte 
des Gebäudes und sind '2 Lösungen ihrer Anordnung, unter 
Annahme eines balbkreis- und eines kreisförmigen Saales 
.ersucht worden. Die stilistische Ausbildung des Baues 
zeigt im Inneren Renaissanceformen, im Aeusseren, dessen 

; schön abgestimmte Silhouette hervorzuheben ist, eine Ver- 
dickung von romanischen und Renaissance • Motiven, zu 
denen sich die Anwendung von Strebepfeilern gesellt 

Diesem Entwürfe anzuschliessen ist noch der von L. De- 
ville in London, ein Renaissancebau mit grossem Maasstab« 
des Details, in dem die beiden Stockwerke über dem Keller- 
geschoss zu einer Saulenstellung zusammengefasst sind. Der 
kreisförmige Sitzungssaal liegt im ersten Stockwerk, in der 
Axe des Vorsaals der Festsaal und der Saal des Bundes- 
rathes. Ueber dem Vorsaale ist ein mächtiger Kuppelthunn 
angeordnet ein zweiter schlanker Thurm erhebt sich an der 
Sudosteeke über dem Aufgange zu der Hofloge, für die sehr 
viel kaum verschwendet ist Die Architektur ist nicht be- 
dentend, ebensowenig der Grundriss, obwohl derselbe unter den 
englischen immerhin zu den besseren gehört. Der Verfasser 
scheint vorzugsweise Spezialist für Heizung und Ventilation 
zu sein, die in wenigen anderen Arbeiten so eingehend be- 
handelt sind. Als Kuriosum mag erwähnt werden, dass 
auch der Kuppelschacht über dein im Innern ziemlich nie- 
drig abgeschlossenen Vorsaal, das Hauptmotiv der ganzen 
Anlage, als g Ventilator* bezeichnet ist. 

Erinnerten schon die beiden letzterwähnten Arbeiten 
in Ihrer äusseren Erscheinung durch die Zentralkuppel an 
das Vorbild der nordamerikanischeu Kapitolbauten, so tritt 
die Aehnlichkeit mit denselben in jenen Entwürfen noch un- 
verkennbarer hervor, l>ei welchen dieses Facaden-Motiv aus- 
schliesslich dominirt und nicht durch Thürme au der Front 



220 



beeinträchtigt wird. Die Koppel- resp. Thurm - Dekoration 1 
hat dabei ihre Anordnung fast durchweg über dem Vorsaal 
erhalten und sind es ausschliesslich Renaissancebauten, die 
liier in Betracht kommen. 

Als der imposanteste derselben erscheint der von W. 
J.Green in London projektirte — ein zweigeschossiges Ge- 
bäude mit Eckpavillons, die Vorderfront mit einer maasstab- 
losen Säulenhalle dekorirt. Die Kuppel über dem acht- 
eckigen Voreaale, zu dem man von einer grossen Freitreppe 
von Aussen direkt emporsteigt, bat hier wahrhaft kolossale 
Dimensionen und an sich sehr gute, freilich dem Vorbilde 
der Paulskirche sehr getreu nachgebildete Verhältnisse er- 
halten. Hinter diesem riesigen Räume verschwiudet der 
halbkreisförmige, ringsum von Foyers umgebene Saal um so 
mehr, als er auffallend einfach gestaltet ist. Die Disposition 
des Grundrisses ist durch sehr viele Irrthümcr beeinträchtigt 
worden. 

Künstlerisch werthvoller ist jedenfalls die Arbeit von 
Kerr in London. Der Grundriss zeigt ein Oblong mit vier 
Eckpavillons, zwischen deuen in der Hinterfront ein Bau- 
teil vorspringt, während sich die durch einen teropelartigen 
Vorbau ausgezeichnete Hauptfront in einem Segmentbogen 
einzieht. Es ist anzuerkennen, dass die Haupträume des 
Hauses an die architektonisch bedeutendsten Mellen, d. h. 
in die Axen und die Eckpavillons gelegt sind, obwohl die 
Vertheilung derselben keineswegs eine glückliche, die Ver- 
bindung ziemlich mangelhaft ist und dfe Möglichkeit einer 
angenehmen und einfachen Beleuchtung und Lüftung dadurch 
sehr beeinträchtigt wird, dass fast die ganze Grundfläche 
bis auf wenige kleine Höfe bebaut ist. Im Aeusseren er- 



scheint das Gebände als eingeschossiger Säulenban über 
einem hohen Untergeschoss; Maasstab und Verhältnisse der 
ganzen harmonisch und einheitlich wirkenden Gruppe, na- 
mentlich das Verhältnis« der Kuppel zu dem übrigen Bau- 
körper sind ausserordentlich gelungen und ist die Arbeit in 
dieser Beziehung ohne Frage unter allen englischen Arbeiten, 
die in Renaissanceformen entworfen sind, die hervorragendste. 

Ein weiter Abstand trennt von ihr den Entwurf von 
Edward El Iis, der ihr in den Dispositionen sonst verwandt 
ist; in der Grundrissbildung ist derselbe nahezu Karrikatur, 
da die Grundfläche bis auf zwei ganz kleine Höfe ganz über- 
baut und daher fast sämmtliche, oft sehr sonderbar geform- 
ten lünenräume mit Oberlicht erleuchtet sind — der prak- 
tisch ganz verkehrten Anordnung nicht zu gedenken. Auch 
der Entwurf von Thomas Turner in Dublin und Belfast 
zeigt ähnliche Absonderlichkeiten und eine prinzipielle Ab- 
neigung gegen die Lage eines der Haupträume an der Facade. 
Ueber dem im Zentrum des Komplexes liegenden Vorsaale 
erhebt sich hier ein hoher quadratischer Thurm, von dem 
anzuerkennen ist, dass die für ihn projektirten Mauerstärken 
konstruktiv ausreichen würden, was bei den Thunnbildungen 
der meisten anderen Konkurrenten leider nicht immer der 
Fall ist, wenn wir es auch nicht immer hervorheben konn- 
ten. Der Entwurf des Amerikaners W. West aus Washing- 
ton, der gleichfalls hierher gezählt werden muss, ist uns 
nicht völlig klar geworden; er gehört, was Grundriss -Ent- 
wickelung und architektonische Ausbildung betrifft, zu den 
bei einer so zahlreich beschickten Konkarrenz unvermeidlichen 
Schöpfungen, die man nicht anders denn als architektonische 
Kuriosa bezeichnen kann. 



Elie gerichtliche EntscbeUing Iber 

Wir berichteten in Nn. 5 u . Hl. über die Entscheidung 
eiues in Berlin anhängigen Prozesses in Streitigkeiten über 
architektonisches Honorar, der uns deshalb von Wichtig- 
keit schien, weil die Appcllutions-In stanz, das Königliche Kam- 
mergericht zu Herlin, im Gegensatze zu den Anschauungen 
des ersten Richters das von den Sachverständigen angewendete 
Prinzip unserer „Nonn", die Berechnung den" liotiururs nach 
Prozenten der Anschlagssumnie, als richtig und massgebend an- 
erkannt hatte. Die günstigen Aussichten, welche sich hiernach 
für die künftige Behandlung ähnlicher Fälle vor dem Rcchta- 
forum der deutschen Hauptstadt ergeben, sind mittlerweile noch 
dadurch verstärkt worden, dass auch die höchste Heehts-Iustanz 
des Prcussiseheu Staates, das Königliche Obertribuual, bei der 
in jenem Pro/esse anhängig gemachten Revisions-Beschwerde ein 
analoges Erkenntniss gelallt hat. 

Das Ohcr-Tribunal weist in demselben den vom Verklagten 
erhobenen Einwand, dass das Kammergericht den Versuch einer 
Vermitteluug zwischen den Anschauungen des Sachverständigen 
erster und denen zweiter Instanz verabsäumt habe, als unbe- 
gründet zurück, indem einerseits ein solcher Vcruiittclungsver- 
such durch Konfrontation der Sachverständigen keineswegs ob- 
ligatorisch sei, andererseits aber auch ein solcher bei der prin- 
zipiellen, den Sachverständigen zweiter Instanz wohl bewusston 
Differenz der beiderseitigen Anschauungen erfolglos hätte bleiben 
müssen- Es köune kein Zweifel darüber bestehen, dass dieser 
Umstand bei dem zweiten Erkenntnis* erwogen worden sei. — 
Es heisst darauf wörtlich, wie folgt: 

„Es muss aber dem zweiten Richter auch darin beigetreten 
werden, dass die gutachtlichen Bekundungen des t!r. und Z. (der 
Sachverständigen 2. Instanz) den Vorzug vor dem des S. (des 
Sachverständigen I. Instanz) verdienen. Die Arbeiten des Klä- 
gers sind nicht blos mechanische, sondern aus geistiger Thätig- 
keit und Kunstkeuntniss hervorgegangen, und haben aus die- 
sem Grunde die gedachten Sachverständigen den Zeitaufwaud, 
welchen S. zum Slaasstabe der Werthbestiinniuug der Arbeiten 
genommen hat, nicht für geeignet erachtet. Verklagter wendet 
ein, dass dann auch nicht ersichtlich sei, warum die Festset- 
zung des Honorars nach gewisseu Prozentsätzen der Anschlags- 
summc an sich angemessen sei, und muss zugegeben werden, 
dass es hier einen absoluten Werthmesser nicht giebt Allein 
in einem solchen Falle sind diejenigen Daten entscheidend, 
weiche bei der Werthbestimmuug der in Rede stehenden Arbeit 
in crfahmngsmäshigpm Gebrauch sind, und einen solchen Usus 
haben Gr. und Z. bekundet, indem sie sagen, dass der von 
ihnen angegebene Maasstab bei den hiesigen Architekten all- 
gemeiner Brauch sei. Der Preis, den die Sachverstäudigen an- 



geben, ist al 



hier gewöhnlicher, und den gewöhnlichen 



Lohn ist Kläger nach § 873 Th. 1. Tit. 11. des AHgcm. Land- 
rechts zu fordern berechtigt. 

Wenn nun der zweite Richter die Höhe der Forderung des 
Klägers nur nach dem Gutachten des Sachverständigen ZT, wo- 
nach die Gesammtsumrae sich niedriger herausstellt, als nach 
dem des Gr. festsetzt, so hat der Verklagt« um so weniger 
Grund zur Beschwerde, als er selbst und allein deu Z. in Vor- 
schlag gebracht und somit den Sachverständigen anerkannt hat* 
Zum Schtuss erörtert dos Ober-Tribunul noch die Beschwerde, 
dass das Gericht zweiter Iustauz nicht einen Beweis darüber er- 
die „architektonischen Arbeiten", deren Be- 



Honorar fir architektonische Arbeiten. 

i Stellung der Verklagte eidlich iu Abrede gestellt habe, not- 
wendig gewesen seien. Es wird darauf hingewiesen, dass die 
Abnahme und Leistung eines Eides über die Bestellung dieser 
Arbeiten offenbar auf einer unrichtigen Auffassung des Be- 
griffs derselben Seitens des klägerischen Mandatars, des Ver- 
i klagten und des ersten Richters beruhe, da die architektonische. 
Erfindung selbstverständlich die Vorbedingung zur Anfertigung 
eiues vollständigen Bauprojekts und somit ein notwendiger Be- 
standteil desselben sei'). Es sei somit dem Kläger Nichts zu- 
gesprochen, was sich als der Preis einer von den Sachverständi- 
gen für nicht notwendig erklärten Arbeit dargestellt hätte. 

Indem wir unserer Freude über die Wendung dieses Pro- 
zesses der unmöglich ohne Einfluss aiff künftige Entscheidungen 
ähnlicher Streitfragen sein kann, Ausdruck geben, können wir 
unsere frühere Mannung nur erneuern, sich durch die Erfah- 
rungen desselben zu um so energischerer Agitation für die Ein- 
führung technischer Spezial-Gerichte anspornen zu lassen. Denn 
schwerer als die unserem Fache günstige schliessliche Entschei- 
dung der Sache wiegt diu durch das Erkenntuiss erster Instanz 
bewiesene Möglichkeit, welchen Irrthümeru iu Beurtheiluug 
technischer Angelegenheiten eiu Richter verfallen kann, und 
von welchem Einflüsse das individuelle Ermessen des zufällig 
gehörten Sachverständigen ist 

*) Durch mündliche Aeusscrungen von Fachgenossen ist uns 
bewiesen worden , dass wir in unserer ersten Mittheilung über 
den Prozess den humoristischen Irrthum, der jener Eides -Ab- 
nahme über die Bestellung der architektonischen Arbeiten zu 
Grunde lag, nicht so klar gelegt haben, wie es zum allseitigen 
Verständnisse wünschenswerth war. Wir wollen daher den\or- 
gang, wie solcher wahrscheinlich zu denken ist, nochmals in 
etwas drastischerer Weise auseinandersetzen. 

Der Sachverständige erster Instanz, der bei Abschätzung 
der Arbeit des Architekten von dem Maasstabe der dazu erfor- 
derlich geweseneu Zeit ausgegangen war, hatte sich anscheinend 
des Gefühls dennoch nicht ganz eutschlagen können, dass dieser 
Maasstab als ein genügender nicht angesehen werden könne. 
Er hatte daher den beiden Positionen, iu denen er für die An- 
fertigung der Zeichnungen und des Kosten-Anschlages je eine 
Auaahl von Arbeitstagen ä 3 Thlr. Diäten berechnete, eine dritte 
Position hinzugefügt, in der er für die von dem Kläger aufge- 
wendete „architektonische Erfindung", d. h. also für den nach 
Tagelohn nicht schätzbaren künstlerischen Gehalt des Projekts 
einen Zuschlag von 20pCt. des vorher berechneten Honorars 
hinzusetzte. Man hat sich nun wohl zu deuken, dass der Rich- 
ter, dem dieser Gedankengang, wonach die Honorarberechnuug 
nur als Einheit aufgefasst werden konnte, nicht ganz klar ge- 
worden war, an den verklagten Bäckermeister und Bauherrn 
zunächst diu Frage gerichtet hat, ob er die Anfertigung der 
Zeichnungen bestellt habe, was jeuer ebenso bejahen musste, 
wie die folgende Frage, ob er einen Kostenanschlag bestellt 
habe. Hingegen ist es wohl erklärlich, dass er die dritte Frage, 
ob er auch die architektonische Erfindung — (der Ausdruck 
(.architektonische Arbeiten" findet sich unseres Wissens nicht 
in dem Gutachten des Sachverständigen und hat sich erst spä- 
ter eingeschlichen) — bestellt habe, mit einem entschiedenen 
„Nein" beantwortete und hierüber aus bestem Gewissen und 
voller Ueberzeugung einen Eid leistete. 



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Srhloüsr mit Jalousie -klappe fir geringe befällt. 




Auf einer Reine durch dk Niederlande halte ich Gclegcu- 
heit, die beistehend skizzirte eigenartige Schleusen-Konstruktion 
kennen zu lernen, welche, wie ich später gehört habe, auch 
»eben in der Bonner Genend verschiedentlich Anwendung ge- 
funden hat Da diese kleinen Bauwerke zur l'ebcrwiudung ge- 
ringer Gefälle außerordentlich praktisch und billig «Lud", im 
übrigen Dcutach- 

land aber, soweit Fig. i. Grutdriu. 

mir bekannt, noch 
nicht Anwendung 
uefunden hüben, so 
dürfte die kurze Be- 
schreibung dcrsel- 
bon für manchen 
Fachgenossen nicht 
pam ohne Interesse 
sein. 

Wio schon er- 
wähnt, Bind diese 
Schleusen nur zur 
l eberwindung ganz 
geringer Gefalle bis 
etwa 0,5 m geeignet, 
also namentlich- für 
kleine Kanäle der 
norddeutschen Tief- 
ebene. Moorkanälc 
und ähnliche Was- 
serlinie mit ge- 
ringem Gefälle eni- 
pfeblenswerth. Na- 
mentlich bieten die 
selben auch in Ka- 
nülen, welche neben 
der .Schiffahrt zu- 
gleich der Kut- und 
Bewässerung die- 
nen und dadurch 
• ine grössere An- 
zahl kurzer aber in 
der Höhenlage we- 
nig verschiedener 

Haltungen nrfor- I 0 

dem , weil jeder 

Kahn die jalousieartigc Klappe nur in dem Muasse heraMrückt, 
als «ein eigener Tiefgang erfordert 

Der eigenartigste Theil dieser kleinen Schleusen ist eben 
dieso jalousieartige Klappe (in Fig. 2 in etwas grosserem Maass- 
stabc dargestellt) die aus einzelnen Leisten besteht, welehc 



Fig. S. Oorncboltl. 




durch Charnire, oder noch besser weil haltbarer, mittels durch 
die Leisten gezogener Lederriemen verbunden sind, und durch 
Lederstreifen, welche längs der Fugen angenagelt siud. grossere 
Dichtigkeit erlangen. An dem unteren Lude ist die Klappe an 
eine starke Schwelle befestigt, welche durch zwei g e bo g ene 
Hölzer, gegen welche sich zugleich die Klappenleisten stützen, 

auf die Sohle der 
Tit. i. IVuii. Schleuse niederge- 

drückt wird. M«M 
llfilzer werden 
t^rJiC^- durch zwei eiserne 
in die Seitenwinde 
der Schleuse einge- 
lassene Bolzen iu 
ihrer Lage erhalten. 
Eine etwaige Re- 
paratur einer sol- 
chen Klappe oder 
die Auswechselung 
gegen eine neue ist 
ungemein leicht. Ks 
braucht hierzu nur 
der obere lose ein- 
gesteckte Bolzen (rt) 
nerausgcz-igen und 
das otierc.Eude der 
gebogenen Hölzer 
niedergedrückt zu 
werden, so kann die 
ganze Klappe ohne 
Stühe herausgenom- 
men und die neue 
ebenso leicht einge- 
setzt werden. Die 
Kosten einer derar- 
tigen Schleuse mit 
einer Klappe (Fig. 
1) betragen circa 
H00 Gulden hollän- 
disch uder rund 30U 

Thaler , diejenigen 

I I eiuer Schleuse mit 

s 3 iie««r. zwei Klappen (Fig. 

3) 1000 Gulden hol- 
ländisch oder rund 500 Thaler. 

Einer weiteren Erläuterung der Figuren bedarf es wohl nicht, 
da mit Ausnahme der Jalousie - Kluppe und deren Befestigung 
die übrige Anlage ja doch den ortlichen Verhältnissen ange- 
passt werdeu muss. F.- F. 



Make'» Patent. .Stelnbreck-IaschiBr. 



Als Hülfs-Maicliinc für Strassen- und Eisenbahnbau findet 
der .Stone-Breaker" nach Blake's Patent, welcher zur beliebigen 
Zerkleinerung aller Steinarten dient, seit Jahren schon mit dem 
betten Erfolg besonders iu England Anwendung. Derselbe ver- 
meidet bei grosser Leistungsfähigkeit alle schädlichen Stoss- 
wirkungen, indem die das Brechen bewirkenden Theile nur einen 



das Exzenter K. Jede l'mdrehuug der Welle bewirkt durch das 
Exzenter einen Hub des Hebels F. welcher dann durch die Stoß- 
stangen 0', 0', deu um h drehbaren Brechbacken J in eine 
schwingende Bewegung gegen den festen Backen // versetzt, und 
so du Zerbrechen des zwischen den beiden Backen befindlichen 
Materials veranlasst. Die Schwingung des beweglichen Backeus 





-•■hi geringen Arbeitsweg, dagegen eine grosse Geschwindigkeit ha- 
llen (200—260 Touren [ht Minute). Die Konstruktion der Maschine 
ist sehr stark und kompakt, so dass keine besondere Fundumen- 
tirung gebraucht wird, und kann dieselbe leicht mit Rädern ver- 
ehen uud transportabel gemacht worden. Der Betrieb kann 
'Iii! i Ii Dampf- oder Thierkraft erfolgen, und ist die Bedienung 
selbst sehr eiufach und leicht. 

Iu Fig. 1 und 2 ist .4 das (iestell der Maschine, auf dem- 
selben ist die .Schwungradwelle fl gelagert, und es sitzen auf 
dies« die beiden Schwungräder BB, die Betriebsscheibe V und 



gegen den festen lieträgt circa Ii«"», und bestimmt der untere 
Abstand zwischen denselben die Grosse des zu brechenden Ma- 
terials. Zur Regtillrung desselben dienen die mittels Schraube Jf 
verstellhureu Keile .V O. durch welche der Stützpunkt der Stoss- 
stange Gi verändert und die Durchfallsoffnuug vergrössert odei 
verkleinert wird. Die Maschine kann leicht mit einem Sortir- 
eieb versehen werden, um mehre Sorten des gebrochenen Ma- 
terials zu unterscheiden, oder es Ifisst sieh für denselben Zweck 
ein rotirendor Tisch anbringen. 



- 222 - 



Oesterrei obi Hoher 
Wien. 



Ingenieur - und 



Mittheilungen 

Ai chttekten Verein 



Beim Kornliren unserer No. 23, in welcher der letzte Aus- 
zug aus den Protokollen den Ocstcrreichischen Verein» Regelten 
ist, musste der letzte Absatz aus dem Ueferato über den Vor- 
trag des Hm- Kölsch der uuerbittlieheu Notwendigkeit zum 
Opfer fallen. Da die betreffenden Mittheilungen üher Iugenieur- 
bniten in S. Krancisco an sich jedoch interessant sind, so fügen 
wir den fortgefallenen Passus hier nachträglich an. 

Unter den grossen Bau-Ausfuhrungen, 

die dort vollendet oder im Gange sind, ragen mehre Werke des 
deutschen Ingenieurs von Schmidt hervor; ein grosses Trocken- 
dock von 1 35"" Länge und 28™ Thorweite, das durch zwei Zentri- 
fugulnurapen von 2,5 m Durchmesser mit Zuleitungsröhrcu von 
I Weite entleert wird (Baukosten S00.O0O Dollars Gold) — die 
Abaprengurig eines Felsenriffs in der Bucht von San Francisco, 
das mittels eines Netzwerks von Minen mit 460 Z Pulvergehalt 
durchsetzt, mit einem Schlage bis auf 11 ■» Wasseltiefe abgekappt 
vurde — die Ableitung eines Sees von 63,000» a FlächeninSÄ 
mittels eineB durch die Sierra Nevada geführten Tunnels. Der 
letztere 4,7 K " lang, soll so geführt werden, dass er zugleich von 
der Pacincbabn benutzt werden kann, deren östlicher Scheitel 
dadurch um 3Q0 m sich senken, und eine grosse Anzahl von 
Srhneegallerien demnächst wird entbehren können. Das Wasser, 
dessen täglich disponibles Quantum auf mindestens GOOOÜOkb" 
geschätzt wird, soll iu ! schmiedeeisernen Kohren von 1,25 bis 
1,50» Durchmesser neben den Bahngeleisen durch den Tunnel 
geleitet werden und theilweise dem Bergwerksbetriebe, theilweise 
der Berieselung von Ackerbauflächen, theilweise der Wasserver- 
sorgung des 182 K " entfernten Sau Fraucisco dienen. Das durch 
eine Gesellschaft aufgebrachte Anlage-Kapital beträgt 10 Millionen 
Dollurs. 

Monats Versammlung am 3. Februar 1872. Vorsitzender 
Mr. Oberbaurath Fr. Schmidt: anwesend 2-15 Mitglieder. 

Der Gcschäftsliericht ergiebt, dass 20 neue Mitglieder auf- 
genommen sind, 1 ausgeschieden ist Zur Berathuug einer Vor- 
lage über schmalspurige Bahnen und Faiilie's Lokomutivsvstem 
ist. einKoniite von 7 Mitgliedern eingesetzt wordeu; ein anderes 
Komite zur Begutachtung mehrer vom Ackerbau - Ministerium 
zu erlassender WaBserrcchts-Verordnuugen hat seine Arbeit be- 
reits vollendet. Die Redaktion der Vereins -Zeitschrift, welche 
Hr. Professor Edm. Stix in Folge veränderter Berufsgeschäfte 
niedergelegt hat. ist von Hrn. Professor Wilhelm Tiuter über- 
nommen wordeu. 

Nach Erledigung der Geschäfte spricht Herr Inspektor 
llohenegger „über Verbesserung der Kreuzungen und 
Weichen." 

Monats - Versammlung am 10. Februar 1872. Vor- 
sitzender Herr Ober- Baurath Fr. Schmidt; anwesend 241 

Mitglieder. 

Nach dem Geschäftslwricht sind wiederum 5 neue Mitglieder 
aufgenommen, 2 ausgeschieden. Für die bevorstehende General- 
Versammlung wird vom Verwaltungsrathe eine Rcihu von Anträgen 
auf Abfinrlerunsen des Vereins- Statuts eingebracht. Kin Komite 
zur Berathung und Feststellung vun Normalien für Berechnun- 
gen wird eingesetzt. 

Im Namen des Komites zur Prüfung des Bingofeu - Privile- 
giums legt Herr Zivil-Ingenieur F'r. Stach den Entwurf zu einer 
Hingabe an das K.K. Handelsministerium vor. In demselben wird 
klar und bündig nachgewiesen, daas das ursprünglich unterm 17. 
April 1858 an Hoffmann verliehene Privilegium den Bestim- 
mungen des Oesterrcichisehen Patentgesetzes gemäss bereits er- 
loschen und zum Gemeingut« für Alle geworden war, als es im 
Jahre 1808 aufs Neue in Kruft gesetzt wurde. Da eine solche 
Heaktivirung eines erloschenen Privilegiums durch besondere 
Bestimmungen ausdrücklich ausgeschlossen worden ist, so steht 
die an lloffmann gewährte Vergünstigung mit dem Gesetze in 
offenbarem Widerspruch und ist als ungiltig zu erachten. Mit 
Rücksieht auf die Bedeutung der Angelegenheit erachtet sich 
der Österreichisch« Ingenieur- und Architekten-Verein demzu- 
folge für verpflichtet zu beantragen , dass jene Erneuerung des 
lloffmann'schen Privilegiums aufgehoben werde. — Fast mit 
Einstimmigkeit genehmigt der Verein diesen Entwurf und bc- 
schliesst, dass die Eingabe durch eine besondere Deputation 
<b m Herrn Minister überreicht, gleichzeitig aber auch der üe- 
verbeverein, die Handels- und (iewerbekammer, der Gemeinde- 
rath und die Weltausstellung^ -Kommission aufgefordert werden 
sollen, sich dem Schritte des Vereins, anzuscnliessen. 

Zum Sehlnss trägt Herr Ingenieur Bachmayr «über dio 
unterseeischen Sprengungen im Hafen von New-York vor." 

Monats vursammlung am 17. Februar 1872; Vorsitzender 
Hr. Olierbaurath Fr. Schmidt, anwesend 253 Mitglieder. 

Nach geschäftlichen Mittheiluugeu de* Vorsitzenden, aus 
denen hervorgehoben sei, dass dem Verein in der letzten Woche 
abermals 15 neue Mitglieder beigetreten sind und dass um bei 
der gegenwärtigen Personenzahl eine Uebersicht zu gewähren, 
eine Riiitheilune der Vereinsniitglieder iu gesonderte Fachgrup- 
pen erfolgen soll — erstattet Hr. Inspektor Morawitz im Na- 
men des zur Berathung über eiu den schmalspurigen Buhnen 
und Faiilie's-I.'ikomotiv-System gewidmetes Elaliorat des Hrn. 
Klemensiewicz eingesetzten Komites Bericht ab. Jenes Ela- 
borat hatte die über jene Frage vorhandenen Materialien zu dem 
Zwecke zusammengetragen, dass der Verein über dieselben in 
einer Weise Beschlusa fassen solle, die geeignet wäre Tür dio 



I Wasen 
worden, 



aus Vereinen. 

Anwendung schmalspuriger Bahnen iu Oesterreich eine syste- 
matische Grundlage zu bilden. Das Komite hat seine einhellig 
geäusserten Ansichten in einer Anzahl von Resolutionen nieder- 
gelegt, in denen Folgendes ausgeführt ist. 

1) Di« Anlage schmulspuriger Bahnen ist wegen ihrer billi- 
geren Herstellung und ihres billigeren Betriebes für solche Rou- 
ten, auf welchen voraussichtlich kein Masscutransjjort stattfinden 
wird und der Verkehr mit geringer Fahrgeschwindigkeit zuläs- 
sig ist, warm zu empfehlen. 

2) Hingegen ist es ein Irrthum, wenn man um jener Vor- 
theile willen empfiehlt, filtere Normalbahnen in schmalspurige 
umzuwandeln und künftig ausschliesslich letztere zu bauen. Kur 
bestimmte Verhältnisse überwiegen die Vorzüge der Normal - 
bahnen, vor Allem die zulässige grosser« Geschwindigkeit und 
der direkte Anschluss an die Nachbarbahnen, so dass die Frage, 
welches System zu wählen sei, nur für jeden einzelnen Fall zu 
entscheiden ist. 

3) Ebensowenig ist eine Fixirung für das Maas« der schma- 
len Spur jetzt schon möglich; es empfiehlt «ich weitere Erfah- 
rungen abzuwarteu, vorläufig aber an den vom Verein deutscher 
Eisenbahn -Verwaltungen in's Auge gefassten Weiten von 1 m 
und 0.75« festzuhalten, von denen der ersteren für Personen- 
Verkehr vermuthlich der Vorzug wird gugeben werden. 

4) Zwischen dem Fairlie- System namentlich der Fairlie- 
Lokomotive und den schmalspurigen Bahnen existirt keineswegs 
ein solcher Nexus, wie vielfach behauptet wird. Letztere hat 
für schmalspurige Bahnen allerdings ihre Berechtigung, doch 
keineswegs eine ausschliessliche, da sehr wohl auch andere Kon- 
struktionen denkbar sind, während die Prinzipien derselben für 
Normulbahuon bisher noch nicht erprobt sind. Lieber die Wi 
des Fairlie- Systems kann ein Urtheit nicht abgegi 
bevor dieselben angewendet worden sind. 

5. Es kann in Erwägung des Stadiums, in welchem die 
Entwicklung schmalspuriger Bahnsystcmo gegenwärtig noch 
begriffen ist, überhaupt nicht empfohlen werdeu, schon jetzt 
Prinzipien aufzustellen, nach dunen die Anlage derselben ge- 
regelt werdeu sull. Elienso wie solche Prinzipieu für Normal- 
bahnen erst allmälig gewonnen worden sind, ja noch weiter sich 
ändern, ist deren Oewinn auch hier der Zeit zu überlassen. 
Die Entwicklung wird gefordert werden, wenn man bei Erthei- 
lang der Konzession für schmalspurige Bahnen nur den Zweck 
und die Lokalverhfiltiiiss« prüft, sonst aber möglichste Freiheit 
und im Vergleiche mit den für Nortnalbahuen gültigen Vorschrif- 
ten möglichste Erleichterungen gewährt, also von dem ßetriebs- 
imlizeigesetze Abstand nimmt, die Bestimmung des Tarifs ganz 
der Konkurrenz übcrlässt, nicht mehr als 2 Personenklassen 
obligatorisch macht. Ausserdem ist den Regierungen jedenfalls 
zu empfehlen, die Aulage solcher Bahnen durch Einfluss auf die 
Adiazeuteii auch positiv zu unterstützen, während die Sorge des 
technischen Publikums sich darauf richten inuss, alle Erfahrun- 
geu über schmalspurige Bahnen möglichst vollständig zu sam- 
meln und allseitig bekannt zu gehen. 

Das Komite ersucht den Verein diese Anschauungen zu den 
seinigen zu machen und durch Einfügung des betreffenden Be- 
richtes iu das Vereins -Orgau iu letzter Beziehung den Reigen 
zu eröffnen. Der Verein genehmigt diesen Antrag mit überwie- 
gender Majorität und beschliesst zugleich Einreichung des Be- 
richtes an das K. K. Handelsministerium. 

Zum Schluss spricht Hr. Professor Dr. E. Winkler über 
den Nutzen der Auweudung von Konstruktion zur Lösung von 
Problemen der Statik mit besonderer Auweudung auf den Brük- 
kenbuu, wie sie wissenschaftlich unter dem Namen graphische 
Statik zuerst von t'ulinann ausgebildet worden ist Als Vor- 
theile der Konstruktion gegenüber der Rechnung bezeichnet der 
Redner, dass man eine grössere Uebersicbtlichkeit und daher 
leichtere Kontrolle erreicht, in vielen Fällen (namentlich bei 
Behandlung des Erddrucks, der Futtermauern, der kontinuir- 
lidien und Bogeutrüger) wesentlich schneller zum Ziele kommt, 
endlich weniger leicht Fehler macht. Uingegeu lässt sieh durch 
Rechnung eiue grössere Genauigkeit erreichen und ist dieselbe, 
schneller, wenn man nicht gleichzeitig viele Resultate nfithig 
hat Auch ist sie vorzuziehen, wenn man bei Lampenlicht zu 
arbeiten genöthigt ist, und entspricht zuweilen der Individualität 
des Technikers besser. — An alle diejenigen filteren Techniker, 
welche mit der Auwendung graphischer Behandlung der stati- 
schen Probleme uiebt vertraut sind, richtet der Redner die 
Bitte, der Einführung des Verfahrens zum Mindesten nicht 
hinderlich zu sein, wie das leider öfters vorkommt 

General -Versammlung am 24. Februar 1872. Vor- 
sitzender Hr. Ober -Baurath Fr. Schmidt, anwesend 335 Mit- 
glieder. 

Nach Erledigung der geschäftlichen Formalitäten erstattet 
der Vorsitzende den Jahresbericht des VerwaltuDgsrathes für 
das Jahr 1871. Die Mitgliederzahl ist während desselben von 
1266 wirklichen -und 32 knrrespondirenden, zusammen 1298 Mit- 
gliedern auf 1438 resp. 31, zusammen auf 1469 Mitglieder — bis 
zum Tage der Berichterstattung sogar auf 1525 Mitglieder ge- 
stiegen. Von den wirklichen Mitgliedern wohnen 1022 innerhalb, 
472 ausserhalb Wiens. Die Vereinsbibliothek ist auf 3500 Bände 
und 477 einzelne Blätter, die Bausteiusammlung auf 1281» Num- 
mern gestiegen. So lebhaft die Theilnahme an den wissenschaft- 
lichen Wochenversammlungen war, so hat der Schwerpunkt der 
Vereinsthätigkeit doch in der ernsten Arbeit der Komites ge- 
legen, von deneu 5 »tändig, 25 zur Behandlung spezieller rra- 



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gen iu Wirksamkeit waren. Ausserdem waren Seitens de« Ver- 
ein« iHK'b mehrfach Delcgirte zu auswärtigen Berathungen ab- 
geordnet. Dur Hedner schliesst seinen mit Beifall begrüssten 
Vortrag mit der Ucberzeugung. dass der Verein in erfreulichem 
lortsehritt befindlich »ei und mit der sicheren Hoffnung . duas 
dieser Fortschritt auch die Thätigkeit desselben in dem dem- 
nächst zu beziehenden eigeuen Hause auszeichnen werde. 

(Jeher den Stand, in welchem der Bau dieses Hauses zur 
Zeit angelangt ist, erstattet Hr. Hofratb R, von Eugcrth erfreu 
liehen Bericht, aus dem hervorgeht, dass der Verein sein neues 
Heim voraussichtlich schon wahrend des Sommers wird beziehen 
können. Hie Kosten sind bis auf eine durch eine bereits offe- 
rirte Anleihe zu beschaffende Summe von 120 000 Fl. gedeckt — 
Eine noch nachzuholende Formalität, welche das Eigentbunis- 
recht des Gruudstückes von dem Vereinsvorstehor au? den Ver- 
ein übertragt, wird erledigt. 

Der Kassenbericht, von dem Kassonverwalter Hrn. E. Seyhel 
vorgetragen, weist eine Jahreseinnahme von 22,480 Fl. (darunter 
I6.S43 H. an Beitragen) gegen eine Ausgabo von 1 7,20(5 Fl. 
(2341 für Miethe, 4272 für Gehalte, 7545 Fl. für die Zeitschrift, 
11(8 für Druckkosten, 573 für Bücher und Zeitschriften u. 8. w.) 
also einen Ucberschuss von 5213 Fl. nach. Das Präliminare für 
1872 nimmt die Einnahmen zu 25,833 FL, die Ausgaben zu 
1K.710 Fl. an. Der Ghega-Stiftungsfouds ist auf einen Buar- 



Aus der Fachliteratur. 

^?, ,tac }*f} fl rar Bauwesen, red. von Erbkam. Jahrg 1872, 
Heft IV. — VII. enthält aus dem Gebiet« des lngenieurwescua 
folgende Mittbeilungen: 

1. Baitrag zur Ventilationsfrage, ron L. Pinzger, 
Assistent bei der polytechnischen Schule zu Aachen. — Die 
Frage, wie gross die Menge der zur Ventilation eines gegebenen 
Raumes einzuführenden reinen Luft bemessen werden muss 
wird im vorliegenden Artikel anulrtisch unter der Voraus- 
setzung abgehandelt, dass ein Mensch pro Minute 0,005kb- Luft 
|»>j ,4% Kohlensäuregehalt ausathmet, dass die ausgeathmete 
Kohlensäure den betreffenden Raum in allen seinen Theilen 
gleichmässig durchdringt, und dass endlich die in den Raum 
eingeführte reine Luft sich in jedem Augenblicke mit der inne- 
ren unreinen Luft wieder zu einer homogenen Massu vermischt 
Unter dieser Gestalt lässt sich die Frage, wie stark der Knhlen- 
säurcgehalt eines Raumes nach ciuer bestimmten Zeit gestiegen 
sein wird, in dem sich 2 Personen aufhalten und zu dessen 
V eiitilation eine bestimmte Menge reiner Luft regelmässig zuge- 
führt wird, unschwer ableiten. In ihrer Umkehrung bietet diese 
Trage alsdann leicht die l.i.sung. wie gr»s* die Menge der zu- 
gefuhrten reinen Luft sein muss, damit die Verschlechterung 
nach einer bestimmten Zeit ein gewisses Maas* nicht überschreite. 
Nach Herstellung der ersten Grundformeln wird der Einfluss, 
den die Temperaturunterschiede zwischen der äusseren und in- 
neren Luft zur Folge haben, nach Maassgahe de* Gav Lussae'seheri 
<--<etze« eingeführt, und siud die scbliesslichen Ergebnisse die 
in der nachstehenden, der Mittheilung entlehnten Tabelle ent- 
haltenen : 

Erforderliche Luftmenge pro 1 Person uud 1 Stunde 



tWttsttn >n 

■all «»J«*t Lad 
Im Winter. 



CO 70 
100 
150 
40 

60 
100 

SO 
40 
40 

60 
30 
20- 25 



VtnllltUua 

M 

LafttM-lsung. 

Kai 

80 -90 

120 
180 - 200 
50-55 

80 
120 

40 

50 
50 

80 
40 
25-30 



1. In Hospitälern 

a. für gewöhnliche Kranke . .« . 

b. für Verwundete u.Wöchnerinucu 
c während einer Epidemie . . 

2. In Gefängnissen 

3. In Werkstätten 

a. gewöhnlicher Art 

b. mit verdorbeucr Luft . . • , 

4. In Kasernen 

a. bei Tage 

b. bei Nacht 

5. In Theatern 

C In Sälen, bei lauge andauernder 

Benutzung 

7. In Sälen, bei kürzerer Benutzung 

8. In Schulsälen 

Endlich wird angeführt, dass die Wirkung einer mittleren 
Gasflamme == der einer Anzahl von y Personen zu setzen sei. 

I. Die Verbindungsbahn zwischen Düaseldorfund 
Neuss, mit Ucbcrbruck uug dos Rheinstromes ober- 

i?.. /.*. e,dorf - Mittheilung de« Keg.- und Baurath Piehier 
zu Elberfeld. — Die zur ErläutcniBg des Aufsatzes gehörigen 
Mgurou und Zeichnungen siud anscheinend vollständig mitge- 
o Li D \ del Tcjtt j^och erst in der nächsten Lieferung zum 
bchluss gebracht wird, so erscheint es zweckmässig, das Referat 
demnächst im Zusammenhange zu bringen. 

3. Der Werder-Steg über die Murg in Gernsbach, 
T 2 U J: * k ' r Baumeister 'n Karlsruhe. — Der genanutc Steg 
überbrückt die beideu Murg -Arme in der Nähe des Städtchens 
Gernsbach und ist nur für Fussgänger und leichte Karren be- 1 
stimmt Von den 2 Ocffnungeu i 24" resp Si;'» Weite ist die 
letztere durch Zeichnung mitgetheilt Die Konstruktion zeichnet 
sich ihrer Leichtigkeit und Gefälligkeit wegeu aus. Wie es bei 1 
so leichter Konstruktion und derart weiter Theiluug des hori- 
zontalen Kreuzvrrtiandes vorauszusehen, ist eine Steifigkeit der 



bestand von c 40.000 Fl. das Stammkapital des Vereins auf 

3508 Fl. gestiegen. 

Nach Abänderung einiger Statutbostinmiungeu. wonach statt 
eines künftig zwei Stellvertreter des Vorstehers gewählt werden 
sollen, bündige Bestimmungen über die Vertretung des Vereins 
in Rechtsangelegeuheiten getroffen »erden, endlich die Zahl der 
zur Fa»sung gültiger Beschlüsse erforderlichen Stimuiou auf 
200 für die General-Versamml , 150 für die Mouatsversamniluu- 
gen festgi-M-tzt wird, schreitet der Verein zur Wahl des neuen 
Vorstandes. Ks werden: zum Vorsteher Hr. Hofrath R. von Eu- 
gerth, zum ersten Stellvertreter Hr. Obrbrth. Fr. Sehm idt, zum 
zweiten Stellvertreter Hr. Fabrikdirektor Matscheko, zum 
Kassenverwaltcr Hr. E. Seyhel gewählt Ausserdem .»erden 
7 neue Mitglieder des Verwaltuugsrathes und die 32 Mitglieder 
des Schiedsgerichts neu gewählt. Ein begeisterter Ausdruck 
des Dankes au den aos seiner .Stellung scheideudcD bisherigen 
Vi reinsvorsteher veranlasst diesen zu einer ebenso begei-terteli, 
mit stürmischem Beifalle aufgenommenen Erwiderung. 

Vorher wird noch beschlossen, das« das Koniite, welches don 
Bericht über die Anlage schmalspuriger Bah neu verfasst hat, in 
nächster Zeit Bericht darüber erstatten solle, ob für die neu 
anzulegende Gürtelbahn Wiens eine schmalspurige Lokomntiv- 
oder eine Pferde-Eisenbahn anzulegen sei. 




Brücke gegen seitliche Schwankungen nur Uieilwcis« erreicht 
worden. Seiten« <!<>- \ .-i f i>s rs wird •!i.->--r Umstand selbst 
hervorgehoben, jedoch weniger dem Einflüsse des Windes, (wel- 
cher als gering veranschlagt wird), als vielmehr dem absicht- 
lichen Schaukeln von Seiten der passirendcii Personen zuge- 
schrieben. 

4. Das Pumprad, eine neue Wassorhebuogsma- 
schinc, mitgetheilt vom Reg.- und Baurath Wiebc zu Frank- 
furt a/O. — Der Ingenieur II. Ovcruiors zu Rotterdam hat vor 
wenigen Jahren eine neuo Wasserbebuugsmaschine, das Pump- 
rad, erfunden, welches bei der eminenten Wichtigkeit, die diese 
Maschinen überhaupt für die Entwässerung der holländischen 
Niederungen haben, das grösste Aufsehen erregte. Das Pump- 
rad vereinigt, nach den gegenwärtig bereits gesammelt. -u Erfah- 
rungen, fast alle Vortheile der bisher bekannten Maschinen in 
sich, ohne jedoch die Nachtheilc jeuer wesentlich zu tbeileu. 

Die meiste Verwandt- 
schaft hat dasselbe mit 
dem in seiner Konstruk- 
tion bekannten Schöpf- 
rade. Der Vorzug aea 
Pumprades liestebt je- 
doch darin dass der 
Abschluss des Ausseu- 
wossers nicht mehr 
durch die Radschaufeln 
allein, vielmehr haupt- 
sächlich durch eine 
grussc, den eigentli- 
chen Radkor|M>r bil- 
dende Trommel be- 
wirkt wird. Au dem Umfange dieser Trommel liegen nur 
6 Schaufeln, während das Schopfrad meist mit 24 bis 28 der- 
selben konstruirt wurde: jene 6 Schaufeln legen sich scharf 
gebogen und stark exzentrisch an dun Tronimelumfang so 
an, dass nie sich nicht uur aD diesen, souderu auch au das 
untere Mauerwerk (den Kropf) nahezu tangential anschliesseu. 
Die wichtigste Bedingung ist, dass der Troinmeldurchuiesser 
grösser ist, als die Differenz zwischen Ober- und Uuterwosser, 
ferner, das« ein dichter Anschluss un die umgehenden Waugen- 
uud Aufleitungsmaueru erreicht wird. Indem nun die Umfangs- 
ftäche der Trommel den zu förderndeu Wasaerkörper auch von 
ulien begrenzt, wird erreicht, dass die Schaufeln nicht blos 
mechanisch das Wasser weiter schieben, sondern vielmehr eine 
saugende, der Arbeit des Pum|>eukolbeus analoge Wirkung her- 
vorbringen. Durch Messungen an vorhandenen gut konstruirt' n 
Pumprädeni ist festgestellt worden, dass dicselbeu eineu NuU- 
effekt von «.Ml*, gewahren. Meist wird das Pumprad au- Eis n 
konstruirt, jedoch ist auch die Ausführung in Holz nicht uoge- 
wöbulicb. Was die oben erwähnte Dichtung des Wasseran- 
schlusses betrifft, so wird dieselbe durch Bohlen aus hartem 
Holze erzielt, welche als Riug an der Peripherie des Rades und 
als Verkleidung der Schaufellianteu angebracht werden; endlich 
ist das Mauerwerk der Waugeu und des Kropfes, soweit os sich 
an jene Holzt heile onschliesst, mit Zement zu verputzen, wobei 
während der Zement noch weich ist, das Rad iu langsame Um- 
drehung versetzt wird. Mit Recht macht Verfasser darauf auf- 
merksam, dass die Vorzüge des Pumprades auch für das Eut- 
wässerungswesen Deutschlands von Einfluss sein werden und 
diese Erfindung daher die Aufmerksamkeit aller Fach-Ingenieure, 
verdient 

5. Kreuzungen d er II a 1 1 e - Sorau - G ubeuer Eisen- 
bahn mit der Herl iu-A utialter- Rah n bei Delitzsch 

und Fat keu berg, mitgetheilt vom Baumeister llaarbcck. 

Bei den Städten Delitzsch und FaJkenbcrg liegen Uebvrkreuzun- 
gen ausser Niveau der beiden vorerwähnten Bahnlinien unter 
einem Winkel von .s3« 34' resp. 67« 30'. Um unter diesen Ver- 
hältnissen eine Zusammengehörigkeit des Personen- und Güter- 
verkehres beider Buhnverwaltungen herzustelleu, sind an den 
Kreazungspunkten gemeinsame Empfougsgebäude in 2GeschoB«eu 



* 



- 224 - 



angelegt, wahrend zur Verbindung der gesonderten Güterbahn- 
höfe blondere Verbindung*- und Uebergabogeleise in dem 
stumpfen Winkel beider Bahnrichtungen angeordnet sind. PH 
Lokalität bedingte die Ausführung einer Reihe interessanter 
Bauwerke, bestehend hauptsächlich in Brücken und l nterfüh- 
runeeu unter denen namentlich die beiden Bahnunterführungen 
selbst 'sowie die zweigeschossigen Empfangsgebäude hervorzu- 
heben sind. Die sehr sorgfältig bearbeiteten Projekte werden 
einen werthvollen Anhalt bei Autstellung der Entwürfe für ähn- 
liche Anlagen bieten. . 

f.. Die schwuiierischen See- und Hussbenbach- 
tuugen, mitgetheilt vom Ingenieur Lauterburg. - Die schwei- 
zerische naturforschende Gesellschaft hat »ich seit inubren 
Jahren die Beobachtung der sumurtlicheu schweizerischen Ge- i 
wasser zur Aufgabe gemacht und steht im Begriffe, eiuen aus- i 
führlicben Bericht über die bisher gewonnenen hydronietnschen 
Resultate zu veröffentlichen- Ein Auszug aus diesem Berichte 
Ut der .Zeitschrift für Bauwesen" zur vorläufigen Vcröffeiit- 
lichuug zugegangen. Die Redaktion genannter Zeitschrift bringt 
diesen Auszug tbeilweise zum Abdrucke und theilt namentlich 
eine tabellarische l>bersicht der Abflusstnassen des Rheines 
mit. Br- 

Bauwissenschaftliohe Litteratur. 

April, Mai, Juni 1872. (Schluss.) 
Soiak G Katechismus der speziellen darstellenden (ieometrie. 
Mit 1G5 Holzschn und 2 Tnf. 8. Wien. I Thlr. 

— Katechismus der Einrichtung und des Betriebes der Loko- 
mobilen und transportablen Dampfmaschinen im Allgemeinen. 
Mit vielen Holzschn. und 3 Inf. 8. Wien. 1 Thlr 

Xabiktab«Ucn für den Inhalt runder und vierkantiger Hölzer 

nach Metermaass. Herausg. vom Berliner Holz-Komtoir. 8. 

Berlin. Eleg. geb. mit Neusillierlieschlag. 1% Thlr. 

Lqeun«. traite pratique de la coupe des pierres etc. a ''»sag" 

des architeetes, des ingenieurs etc. 8- Mit Atl. von 5'.* Taf. 

in 4. l'ari». W Thlr. 

Läbke, W., die moderne französische Kunst. Vortrag. 8. Stuttgart. 

— Geschichte der deutseben Renaissance. Mit 300 Illustr. 
I. u. 2. Abtbl. 8. 1872. 4 Thlr. 

(Vollständig in 4 Abtheil, bis Ende 1872.) 
Magnus E. , die Polychromie vom künstlerischen Standpunkte. 

Vortrag. 8. Bonn. , .18 Sgr. 

IUsmI, C. A., der Bau des Eiskellers sowohl in wie über der 

Erde vermittels Torf. Stroh oder Rohr. 3. umgearb. Aufl. 

Mit Holzschn. und il Taf. 8- Ualle. 1 Thlr. 

— das Dach in »einer Konstruktion, seinem Verband in Holz 
u Eisen und seiner Bedachung. Mit 250 Holzschn. 8. Halle 

2 Thlr. 

Nash, Jos., Mansion» of England in the olden time. A scries 
«f 104 exterior and iuterior views of celebrated existing edi- 
fices. Neue Ausg. 4 Bde. Imp. 4. London. Sarscnetband. 

6 i£ 6 sh. 

Prtibddt , A., Fabrikation, Prüfung und Uebernahme von 
Eisenbahn - Material. Ein Hand- und Uülfsbuch für Eisen- 
bahn- Djgenieure, Maschinen- u. Hütten-Techniker. Mit >or- 
wort von E. Heusinger von Waldogg. Mit 254 Holzschn. u. 
27 Taf. AbbUd. 4. Wiesbaden. . 4 Thlr. 

Pohlke. K., darstellende Geometrie. 1. Abth. mit Kpfrtfln. 3. 

Ann. 8. Berlin. „ J »'/• Thlr. 

Koglemeat f. d. Ausbildung, Prüfung und Anstellung derjenigen, 
welche sich dem Baufache im Staatsdienste widmen wollen. 
8. Berlin. . , „. ?' » Sgr. 

Hönns. L. von, die Baupolizei des preussischon Staates, dar- 
gestellt unter Benutzung der Archive der Ministerien. 3. um- 
gearb. und auf die neuen Landcstheile ausgedehnte Ausg. 
§. Breslau. „ 4 Thlr. 

Roth L., die Kesselsteinbildung und die Mittel zur Verhütung 
derselben. Mit 1 Taf. 8. Berlin. 12 Sgr. 

Rfinlminn, M., allgemeine Maschinenlehre. 4. Bd., 1. Abtlil. 8. 

Braunschweig. , 1 '.'» .T, 

Kuha F., I-ehrbuch der gesammten TunnelbaukunBt. G. Lieft. 

4. Berlin. 3 Thlr. 

Barnnünng von Hochbauten der Badischen Eisenbahn, von r. 
Eiseulohr, Keller u- A. Fol. 3. AbUi. Hochbauten der 
Tauberthalbahn. 16 Doppclblättcr. Carlsruhe. 2'/, Thlr. 
Skk«l, 0. A., die Grubenzimmerung. 1. Abth. Allgemeiner 
Theil u. Streckenzimmcning. Mit 6 Taf. 8. Freiberg. 2», Thlr. 
Tachniichet Tajenenwörtorbnch für Industrie, und Handel. Deutsch- 
engl. -französisch. 3 Thlc. IG. Wiesbaden. 2»/, Thlr. 

Teiriob, V., Ornamente aus der Blüthezcit italienischer Re- 
naissance (Intarsien). Original-Aufnahmen. Liefr. 1—3 mit 
Fol. Wien 



Wien. Jede Liefr. 



Theorie des Erddruckes und der hierüber angestellten Ver- 
suche. Mit 47 Holzschn. 8. Wien. 24 Sgr. 

Winkler. Bau, Einrichtung und Verwaltung des Köuigl. Zellenge- 
fängnisses in Moabit bei Berliu. 8. Berlin. 1»/, Thlr. 

Wirf, J., Studien über ausgeführte Wiener Baukonstruktionen. 
40 autograph. Tafeln mit Text. Imp.-Fol. Wien. 7'/» Thlr. 

Konkurrenzen. 

Zu dor Konkurrenz für Entwürfe zu einem Aktien 
Hotel In Frag, die wir in Nr. 25 u. Bl. ankündigten, können 
wir nach nunmehriger Einsicht der Programmbedingungen die 
Fachgenossen nicht ermuntern. Es fehlen sämmtliche Bedin- 
gungen, welche zur Sicherung der Konkurrenten nothwendig 
sind, und erscheint es nach den Erfahrungen, die bei anderen 
österreichischen Konkurrenzen gemacht worden sind, nicht eben 
räthlich, sich in dieser Hinsicht eiuem bliuden Vertrauen hiu- 



Zu der Konkurrenz für Entwürfe zu da 
dem Niederwald wird uns mitgetheilt, dass die derselben zu 
Grunde zu legenden Situatiouspläne erst Li einigen Wochen aus 
der Druckerei von C. Adelmann in Frankfurt a. M. zu be- 
ziehen sein werden. Wir haben in unserer Ankündigung der 
Konkurrenz bereits darauf hingewiesen, wie unentbehrlich jedem 
mit Ernst schaffenden Künstler ein solcher Situationsplan ist. 
und können daher nur dringend befürworten, den Schlusstermin 
der Konkurrenz um mindestens 3 Monate hinauszuschieben. 



je 5 Taf. Fol. Wien. Jeäe Liefr. 2»/» Thlr. 

TrzMcbäk, L., Katechismus der Farbenharmonik. Mit 2 Far- 
beutaf. 8. Wien. \ Thlr. 

Wandert«, G., Handbuch der Bauknnstruktionslchre. 2. Bd.: 
Die Treppen, der innere Ausbau und die Gründungen. Mit 
500 Holzschn. u. 8 Taf. 8. Halle. 2 Thlr. 

Wertheün, O., das Röhrennetz der Wiener Hochquellen -Wasser- 
leitung. 8. Leipzig. } % k Thlr 
Winkl«, E., Vorträge über Eisenbahnbau. 3. Heft. Schiebebüh- 
nen und Drehscheiben. Mit 14« Holzschn. und S lith. Taf. 
8. Wien. 2 Thlr 4 Sgr. 

Geschichte der 



Konkurrenzen für Entwürfe zu einem Realscüulgcbäudo 
In Bremen und einem Denkmale auf dem Marlenberge bei 
Brandenburg a. d- H. werden in heutiger Nr. 27 unseres Bau- 
Anzeigers aunoncirt- Weiteres nach Einsicht der Spexial- 
Programme. 

In Angelegenheiten für Entwürfe zum Hanse des deut- 
schen Reichstages werden wir ersucht, die Konkurrenten dar- 
auf aufmerksam zu machen, dass eine möglichst baldige Ab- 
holung ihrer Arbeiten aus dem Ausstellungslokal im Interesse 
derselben erwünscht ist. 

Monat»- Aufgaben für des Arohitekton- Verein zu Berlin. 

Zum 3. August 1872. 

I. Für ein gross«»« Wohnzimmer ist ein Tapetenmuster mit 
höchstens 4 Farben zur Stückbreite von 0,50 m passend zu ent- 
werfen. Verlangt wird eine Ansicht in natürlicher Grösse und 
in Farben soweit ausgeführt, dass die Wiederkehr des Musters 
zu erkennen ist. 

II. Am Ende eines Bahnhofes befindet sich ein Chaussce- 
Uebergang im Niveau; derselbe soll durch eine Ueberführung 
ersetzt werden. Es sind 3 Geleise zu überbrücken, die je eine 
Entfernung von G m von Mitte zu Mitte haben. Bio Chaussee 
soll auf der Ueberführung eine Fahrbahn von 5™ Breite und 2 
Fusswege von je 1 ,5 m Breite erhalten. Es ist dazu ein Entwurf 
unter möglichster Einschränkung der Konstruktionshöhe zu 
fertigen. 

Alle wichtigen Maasse, Ana ahmen und Rechnungsresultate 
sind in den Zeichnungen an geeigneter Stelle einzutragen. 

Personal • Nachrichten. 

Preussen. 

Ernannt: Der Ober -Bau -Inspektor Cuno zu Düsseldorf 
zum Regierung»- und Baurath daselbst. Die Kreisbaumeister 
Grün zu Stallupönen und Noering zu Tilsit zu Bau-Inspek- 
toren. Der Baumeister Krone zu Bitburg zum Krcisbaumeister 
daselbst. 

Versetzt: Der Bau-Inspektor Pavelt zu Kiel nach Frank- 
furt a-/M. 

Dem stadtischen Baurath Licht zu Dan zig und dem stän- 
dischen Baumeister von Schuckmann zu Stralsund ist der 
Charakter als Baurath verliehen worden. 

Die Bauführer-Prüfung haben am 24-, 25. und 2t>. Juni er. 
abgelegt: Johann Peter Albert aus Hamburg, Eduard Happe 
aus Bromberg, Paul Carl Adolph Donath aus Uausburg bei 
Soldau, Justus Conring aus Emden. 

Die Baumeister-Prüfung haben am 2G. und 29. Juni er. 
bestanden: die Bauführer Engelbert Hegemann aus Münster, 
Edmund Hilgers aus Cleve, Otto Sarrazin aus Bocholt, 
Kricschc aus Stettin, Gustav Heinric hsen aus Rcichen- 
bach VScul. 

Brief- und Fragekasten. 

Wir bitten die Fachgenossen, deren in letzter Zeit einge- 
sandte Fragen unbeantwortet geblieben sind, dies freundlichst 
I dadurch entschuldigen zu wollen, dass die Redaktion augenblick- 
lich ziemlich stark in Anspruch genommen, mehre Personen, 
an welche sie Bich behufs Beantwortung einzelner Fragen ge- 
wendet hatte, aber verreist sind. Das Vcrsäumniss wird in kur- 
zer Zeit nachgeholt werden. 

Beiträge mit Dank erhalten von den Hrn. D. in New- York. 
St. in Teplitz, St- in Lauban. 



; toa Carl B««IU» la 



Utbradtr Ki.a.rl lo Barita. 

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Jahrg. VI. M 28. 

DEUTSCHE BAUZEITUNG 

Organ des Verbandes 

deutscher Architekten - und Ingenieur-Vereine. 

Redakteur X. E. 0. Fritioh. 



RfUHnn Brpa4iU«a: 

»«IIa, Orta«*n.tr*»« 101. 




Xn.cra.ta 
fcr tk lern *n 4».urkf s 




IM »p. pw 



Preis 1 Tkaler pr« «aartal. 


Berlin, den 11. Juli 1872. 


Erscheint Jeden laanentag. 


Inhalt: I». Koakurrwt Mr Kataarf« «Hin Hirn <l.a dcuuchen l: 
lagc ( PortaeUnog. ) - Dl* H*«tauriraag da. Thurm*, der kathall.chcn HoY 
kircfcc iu Dreadea. — Da» aaiarbllchc Vorbild d*» lina'inun'.cheri KincoCnia, der 


ArchltcktcaVcriln >a Berlin. - Vermi.rhte.: 8cklcn.ni mit Jarauaie-KJap- 
pcn. — Koiikurrcn.cn Pretrauinchrelben der Wiener Ünlon-Bau-Gncllnchan. 
— Die Batachcldung der Konkurrent lur Kntararr* ru einem Bankgeti.tnli tu 
Frankfurt a. M. 

• 



Die Konkurrenz fär Entwürfe xuni Hause de» Deutschen 



Die letzte, der Zahl nach grösste Gruppe von Entwürfen, 
deren Besprechung uns nunmehr noch obliegt — die Ge- 
saumitheit derjenigen Arbeiten, hei denen, trotz einer auf 
äusseren Effekt berechneten Uebertreilmng in der Wahl der 
architektonischen Mittel anerkannt werden muss, das» dem 
Sitzungssaal des Reichstags ein entsprechender Ausdruck iu 
der äusseren Erscheinung des Gebäudes geworden ist — 
umfasst bei den vielen Variationen, die für jedes der beiden 
obengenannten Moment« möglich waren, selbstverständlich 
die heterogensten Werke. 

Vorab zu nennen sind hier diejenigen Entwürfe, bei 
welchen der Sitzungssaal in Form eines doininirendeu Kup- 
pelbaues aus der Baumasse sich erhebt. Es ist dies eine an 
sich naheliegende und sicher berechtigte Lösung, die in nicht 
wenigen der von uns bereits gewürdigten, und unter diesen 
gerade in den hervorragendsten Arbeiten versucht ist. Der 
Unterschied zwischen jenen und den noch zu besprechenden 
liegt nur darin, dass das Verhältniss des Kuppclaufhaues zu 
dem Gebäude an sich und zu dem Inueren des Saales dort 
noch ein mehr oder weniger harnionisches war, dass die 
Saalkuppel dort uoch als der Haupttheil eines grösseren 
Gauzen erschien, währeud ihr hier Dimensionen gegeben 
wurden , die alles Uebrigc erdrücken oder doch zum Min- 
desten um so viel über das für den praktischen Zweck Er- 
forderliche gesteigert worden sind, dass die organische Be- 
deutung dieses Buutheils mit seiner Erscheinung in ästhe- 
tischem Widerspruche steht. Wo die Grenze liegt, welche 
eine solche Ueberschreitung gestattet, ist mit mathematischer 
Präzision nicht anzugeben, sondern lediglich Sache persön- 
licher Auffassung, und nichts liegt uns ferner als die unsrige 
für unfehlbar zu halten. 

Eine gewisse Berechtigung in sich selbst hat die Anord- 
nung eines mächtigen Kuppelbaues über dem Sitzungssaale 
in den drei Arbeiten von Orth, Benischek und Gorgo- 
lewski insofern, als er hier nicht allein der dekorative Re- 
präsentant des diesem Räume zukommenden Ranges ist, son- 
dern in der That der ausserordentlichen Höhendimension, 
welche demselben auch im Innern gegeben ist, entspricht- 
Wir haben in unserer allgemeinen Erörterung ausgeführt, 
dass nicht sowohl die praktischen Bedenken, unter denen 
uns die der Heizbarkeit gewichtiger scheinen als die der 
Akustik, sondern noch mehr die Rücksicht auf den ästhe- 
tischen Charakter des Saales als eines Geschäftsraumes eine 
das kleinste Broitenmaass überschreitende Höhe desselben 
unthunlich machen, müssen jedoch immerhin anerkenueii, 
dass uns die Konsequenz jener Arbeiten künstlerisch höher 
steht als ein Effekt, bei dem ausschliesslich die unwesent- 
liche Aussenform einer zu entsprechender Höhe gesteigerten 
Schutzkuppel zur Erscheinung tritt. 

Der Grundriss des Entwurfes von Aug. Orth in Berlin 
ist von uns auf S. 212 mitgetheilt worden. Er kann als 
Beispiel eines besonders reich und einheitlich entwickelten 
Gruppenbaus gelten, doch zeigt eine nähere Prüfung, dxss 
diese Gruppirung weniger aus dem Zwecke der Räume als 
mit Rücksicht auf die Facadengestaltung erfolgt ist. Die 
Anordnung der Räume, sowohl in Bezug auf möglichst prak- 
tische Benutzung, wie in Bezug auf Schönheit der architek- 
tonischen Disposition, wird zwar in anderen Arlreiten über- 
troffen, ist aber jedenfalls uuter die gelungeneren zu rechnen. 
Namentlich ist hervorzuheben, dass liei Vereinigung der wich- 
tigsten Räume in dem als Hauptgeschoss ausgeprägten oberen 
Stockwerke die Beleuchtung derselben eine glücklichere und 
die Anwendung von Oberlicht seltener ist. als in den pa- 



rallel stehenden Arbeiten; freilich ist das für den Saalum- 
gang und die Logentreppen disponible Licbtquantnm eiu 
nicht ganz genügendes. Als besondere Vorzüge sind auch 
die Anlage des Bundesrathssaales mit seinem Vorzimmer 
die für die an den Plenar- Sitzungen des Reichstages theil- 
nehmenden Mitglieder desselben ein sehr passender Vereini- 
gung»- und Rüekzugsort sind — sowie die Kombination des 
Treppenaufganges zur Hofloge mit der Treppe zum Fest- 
saale zu nennen-' 

Die Gestaltung des im Grundriss kreisförmigen Sitzungs- 
saales ist unter den Arbeiten, welchen überhaupt architek- 
tonische Bedeutung zugebilligt werdeu kann, wohl die eigen - 
thümlichstc. Da der Fussboden entsprechend den Sitzreihen 
der Abgeordneten stark vertieft ist und die zum luueiiraum 
gezogenen, etwas vorgekragt en Tribünen ziemlich steil an- 
steigen, während die oberen Wände über einer mit Bildern 
geschmückten Arkadenreihe sich wiederum einziehen, so er- 
scheint das O^ieqimHl des im grössten Durchmesser etwa 
41™ breiten , über 50 IU hohen Saales annähernd eiförmig. 
Im Aeusseren erhebt sich die riesenhafte Fahnenstange der 
Saalkuppel in der auf ausschliessliches Seitenlicht berech- 
neten Version derselben sogar bis auf 10O m , in einer andern 
mit direktem Oberlicht ist die Höhe des Baus auf etwa 70 m . 
ermässigt. Der Saalaufbau wächst übrigens achteckig aus 
der quadratischen Masse des mittleren Baukomplexes her- 
vor, über einer Reihe von Roscufeustern einen mächtigen 
Säulcnumgang, darüber unterhalb der stark eingezogenen 
Kuppel noch eine Reihe niedriger Fenster zeigend. Jener 
Mittelbau enthält über dem gleichmä-ssig durchgeheudeu 
Untergeschoss ein hohes und ein niedriges Gest- hos»; bei 
den mit kleinen Kuppeln gedeckten Eckpavillons fehlt das 
letztere, während in den Zwischentheilen <bs Hauptgeschoss 
in zwei Stockwerke zerlegt ist Wenn man davon absieht, 
dass der Portikus des Vestibül -Vorbaus ausser Beziehung 
zu den durchgehenden Haupt -Horizontal -Gliederungen steht 
und dass die denselben mit den Seitenbauten verknüpfende 
Kolonuade etwas zu kleinlich im Maasstabe ist, so kann nicht 
nur ilie ganze Gruppirung des Faeadenaufbaus, sondern 
ebenso die in sehr strengen Renaissanceformeu mit rund- 
um! flachbogigen Ueherdeckuugcn bewirkte Detailbildung als 
ausserordentlich einheitlich gerühmt werden. Die lnneu- 
Architektur dünkt uns im Allgemeinen etwas zu schwer. 

Weniger gelungen ist die äussere Erscheinung des Baues 
in dem Entwürfe von Gorgolewski in Berlin, der Beineu 
dreigeschossigen, als regelmässiges Oblong mit 4 Höfen ge- 
stalteten Bau, der neben der grossen Hauptkuppel die üblichen, 
gleichfalls kuppelgedeckten Eck- und Mittel - Pavillons zeigt, 
in den Formen hellenischer Renaissance mit Anklängen an 
tektonische Versuche gegliedert hat. Dieser tektonischeu 
Richtung widerspricht es, dass die Portiken der Pavillons 
durch zwei Stockwerke reichen, während sehr unangenehm 
die Kleinlichkeit der nur auf das Untergeschoss bezogenen 
Eingänge auffällt. Nichtsdestoweniger verdient der Entwurf 
ganz cutschieden Beachtung, namentlich wegen seiner inter- 
essanten Grundrisside«, in welcher der an sich durchaus 
nicht unberechtigte Gedanke, den Haupteingang der Reichs- 
tagsmitglieder im Süden anzunehmen, mit vielem Glück 
durchgeführt ist Entsprechend sind im Norden das Vesti- 
bül und der Aufgang für die Kaiserliche Loge sowie für 
den Bundesrath, in der Axe der Langfronten diejenigen für 
41« Logen angeordnet Ueber dem SQdvestibül in guter 
Verbindung mit der Haupttreppe liegt der Festsaal, im Osten 
und Westen durch je ein grosses Foyer mit dem achteckigen 



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226 — 



Sitzungssaal!' vorbanden die Restauration and der Lesesaal. 
Leider sind die Geschäftszimmer auch hier zu weit vom 
Sitzungssaal entlegen. — Aehnlieli ist im Aeusseren der 
zweigeschossige Bau von Beuischok in Wien angelegt, 
dessen Architektur recht gute Verhältnisse aufweist, wäh- 
rend der akademisch, aber nicht eben schön durchgebildete 
Grundriss vielfach an praktischen Unzuträgliohkeiton leidet; 
die Treppen zu den Zuhörer -Tribünen des an Höhe dem 
Orth'scnen wenig nachgebenden Saales, die in beiden F.nt- 
würfeu io zwei Rängen angeordnet sind, haben hier wohl 
die kleinsten nnd unwürdigsten Abmessungen erhalten. 

Unter den vielen Entwürfen, Ihm deneu die imposante 
Gestaltung des Knppelanfbaus über dem Saale lediglich eine 
dekorative Ausbildung der über dem Oberlichte desselben 
errichteten Schntzkuppel ist, steht in BetrefT dieses wich- 
tigsten Momentes die Arbeit von Weinbrenner in Mann- 
heim am Höchsten. Der achteckige von vier kleineu Eck- 
baldachinen begleitete Kuppelbau, der sich über dem mit 
gerader Decke geschlossenen, als Quadrat mit abgestumpften 
Ecken gestalteten Sitzungssaalo erhebt, ist nämlich nach allen 
Seiten geöffnet und prägt sich daher auch im Aeusseren als 
ein lediglich den Zwecken monumentaler Repräsentation ge- 
widmeter Bautheil aus. Der streng symmetrische Grundriss 
zeigt einen Mittelhau, ans dem nach "Westen wie Osten je 
drei Flügel entspringen, die in der Mitte ihrer Tiefe durch 
Hallen verbunden sind. Sowohl in praktischer wie architek- 
tonischer Beziehung würde die Entwicklung desselben eine 
der anziehendsten unter sämratlichen Entwürfen sein, wenn 
nicht dagegen der Umstand, dass fast alle Korridore im 
Innern der Flügel liegen, also auf sekundäre oder künst- 
liche Beleuchtung angewiesen sind, so schwer ins Gewicht 
fiele, dass ein näheres Eingehen auf die Arbeit überhaupt 
nicht lohnt. Es ist dies um so sc hmerzlicher zu bedanern, 
als ebenso die architektonische Ausbildung der zweigeschos- 
sigen Faeaden und der Innenräume — in Reuaissauceformen, 
welche etwas an das Barocke streifen, bewirkt — nach Ge- 
sammt -Verhältnissen und Einzelheiten bekunden, dass die 
künstlerische Gestaltungskraft des Verfassers ihn befähigt 
hätte, unter den Ersten um den Treis zu ringen, wenn er 
nicht einem ebenso unglücklichen wie unbegreiflichen Miss- 
griffe verfallen wäre. 

Eiu ahnliches Bedauern hat in uns der Entwurf von 
Coustautin Lipsius in Leipzig erweckt, dessen Grundriss 
wir auf Seite 211! publizirt haben. Wie in dem Ortb'schen 
Plaue liegt der Disposition desselben der Gedanke eines ein- 
• heitlich gestalteten Grunpenbaus zu Grunde, aber die Lösung 
ist hier ungleich organischer, da die einzelnen Glieder des 
Baukörpers nicht blos mit Rücksicht auf den äusseren Effekt, 
sondern zugleich mit Rücksicht auf ihre Bestimmung grup- 
pirt worden sind. Wir finden hier die schon in dem Nisle- 
sehen Entwürfe erwähnte Theiluug in einen Mittelbau, der 
den Sitzungssaal und die im Zusammenhange mit diesem 
benutzten Räumlichkeiten enthält, und in zwei Seitenflügel, 
in denen einmal die beiden grösseren Dienstwohnungen und 
die Festräume, andererseits die Fraktion»-, Abtheilungs- und 
Kommissionssäle liegen. Im äusseren Aufbau erscheint das 
Gebäude im Wesentlichen als zweigeschossig, nur im Zen- 
trum der Gruppe hebt sich der von vier Eektlinrmen ge- 
säumte quadratische Saalhan um das Logen-Stockwerk, aus 
diesem endlich über dem inneren Saalrauine die achteckige, 
mit schlanken Lichtöffnungen durchbrochene Kuppel empor. 
So wenig wir behaupten wollen, dass die Entwickebing des 
Grundrisses vollkommen gelöst, namentlich, dass die Beleuch- 
tung eine überall zureichende, die Form und der Zusammen- 
hang der Räume überall glückliche seien, so dünkt uns doch 
der hier angebahnte Versuch als einer der heaohtenswerthe- 
sten, die in der Konkurrenz überhaupt vorliegen, und möchten 
wir glauben, dass eine Gruppirung der Räume in diesem 
Sinne nicht allein praktisch sehr verwendbar. Mindern auch 
besser als jede andere geeignet ist, für die aussen' Erschei- 
nung des Gebäudes eigenartige und charakteristische Mo- 
mente zu gewinnen. In erster Beziehung wollen wir nur 
auf die Anordnung des buudesräthlichen Etablissements, die 
wir im Prinzip für die beste der vorhandenen Lösungen hal- 
ten, sowie auf den Vorzug aufmerksam machen, dass zu 
allen übrigen Haupttheilen des Hauses neben den von Aussen 
sich öffnenden Aufgängen ein zweites System von Verbin- 
dungen aus den beiden, zu Durchfahrten gestalteten Höfen 
in beiiuemer Weise emporführt. Was das Zweite betrifft, so 
sind die Hauptmassen des Baues in dem Entwürfe des Ver- 
fassers in der That zu einer einheitlich , grossartig und ori- 
ginell wirkenden Gruppe zusammengestimmt, in der der 
Kiippelauf bau übrigens ein immerhin so massiges Ueber- 
gewicht behauptet, dass hierin eine Übertreibung noch nicht 
gefunden zu werden brauchte. Diese Uebertreibung liegt 



vielmehr lediglich in der Detail -Ausbildung, vorzugsweise 
aber in dem plastischen Schmucke der Architektur, die zu 
der künstlerischen Reife der Grundidee im unerquicklich- 
sten Gegensatze stehen und welche — da sie deu Beschauern 
zunächst ins Auge fallen mussten — Veranlassung gewesen 
sind, dass die Meisten derselben von jedem Kingehen auf 
die Arlieit abgeschreckt wordpn sind. Bei stark barocken 
Details sind die Verhältnisse der Architektur fast durchweg 
unschön, namentlich das Hauptgeschoss viel zu gereckt, der 
Maasstab ungleichartig, jedoch meist zu gross. Wahrhaft un- 
geheuerlich erscheint in dieser Beziehung die Entwickelang 
der Eckthürme des Saalbaus und ihre Bekrönnng mit Adlern. 
Um sehr Vieles besser, obgleich ebenfalls etwas gesucht und 
barock, ist die architektonische Gestaltung des Inneren. 

Bei dem Entwürfe von Ehe & Benda in Berlin ist der 
künstlerische Misserfolg des in mehr als einer Hinsicht ver- 
dienstvollen Werkes durch die unglückliche Anwendung eines 
Motivs herbeigeführt worden, das wir als an sich für durch- 
aus berechtigt bei Besprechung einer anderen Arbeit bereits 
anerkannt haben, der Anbringung offener Hallen an der 
Facade, iu denen Gelegenheit zur Anbringung reichen Bilder- 
schmucks geschaffen ist. Die Hallen umziehen hier in Form 
von 7* breiten Arkaden, die auch uoter den auf allen 
vier Seiten kräftig vorspringenden Mitteilmuten durchgehen, 
das ganze, als einfaches Oblong mit i grossen symmetrischen 
Höfen gestaltete Gebäude. Der Grundriss des oberen Haupt- 
geschosses ist von einfacher Klarheit und in einigen Haupt- 
momenten, namentlich in der Anordnung des Komplexes von 
Fest- und Vorsaal resp. Itestauration und Lesesaal, welche 
das imposante Treppenhaus einschliessen, sowie in der Aus- 
bildung der Hauptkorridore, welche als künstlerisch gestal- 
tete Gallcricn die beiden Höfe umgeben, unleugbar von an- 
ziehender Schönheit; sein Fehler ist nur die allzu grosse 
Zerstreutheit und Entlegenheit der Zimmer des Buudcsrathes. 
Dagegen konnte die Anordnung des Mozxauius und Erd- 
geschosses, in welchen die Anbringung von Fenstern der 
äusseren Halle wegen sehr beschränkt, zum Theil sogar ganz 
unthunlich war, nicht anders als im höchsten Grade un- 
erfreulich sich gestalten und musste zu der des lichten und 
hohen Obergeschosses in einen künstlerisch nicht zu bewäl- 
tigenden Konflikt treten. Umgekehrt wird durch 
Hallen die äussere Erscheinung des Obergeschosses, da 
ihnen für jeden nicht ganz entfernten Standpunk 
weniger verdeckt wird, derart beeinträchtigt, dass die Künstler 
wohlweislich vorgezogen haben, statt der verlaugten Perspek- 
tive eine über Eck gesehene geometrische Ansicht zu liefern. 

Das Festhalten an ei i so ungünstigen Motive lässt sich 

wohl nur dadurch erklären, dass die Zeit zu kurz war, um 
das bereits über ein gewisses Stadium geförderte Projekt 
neu zu beginnen. Die Gruppirung des oberen Theils der 
Baumasse, aus welcher die mit einer luftigen Laterne ge- 
krönte, für den lnnenranra allzu massive Kuppel als eiu 
Sechszehnseit hervortritt, sowie die Detailgestaltung der 
Architektur in einer auf die reichste Anwendung des Terra- 
kottenbaues berechneten edlen uud feinen Renaissance ist 
fast durchweg sehr gelungen. 

Albin Zumpe in Zwickau hat seinem Grundrisse die 
Form eines gedrungenen X gegeben. In dem nach dem 
Königsplatze gekehrten kurzen Arm liegt im oberen Ge- 
schosse der achteckige Sitzungssaal mit seinen Nebenräumen, 
in der Axe des durch acht kleine Höfe getheilten Langbaus 
der Festsaal, seitlich Wohnungen resp. Abtheilungssäle. Die 
Anordnung der Räume ist nicht frei von Irrthüinem, die 
Losung jedoch durchaus originell und interessant; zn be- 
merken ist uamentlich die Anlage der Logentreppen in der 
Seite des Vorderbaus, sowie die Anordnung des \orzimmers 
zur kaiserlicheu Loge, das ebensowohl mit dem Festsaale 
wie mit der Loge in Verbindung steht. Das Aeussere, das 
durch die wahrhaft kolossale, mit vier stark vorspringenden 
Ecken und einer Laterne versehene Kuppel beherrscht wird, 
hat thejlweise ziemlich unschöne Verhältnisse uud sehr ba- 
rocke Details, entbehrt jedoch andererseits nicht origineller 
Gedanken und zeigt künstlerische Gewandtheit. Die Gestal- 
tung des Inneren ist ihm nicht ganz ebenbürtig. 

Interessant durch origiuelle Auffassung und bemerkens- 
wert)! durch eine sehr gewissenhafte Durcharbeitung ist auch 
der Entwurf von A. Pieper in Dresdeu, der in den Formen 
deutscher Renaissance, jedoch augenscheinlich in der Auf- 
fassung eines in gothischer Schule gebildeten Architekten 
kompouirt ist. Der Grundriss zeigt zwei breite Eckbauten, 
zwischen denen der deu Saal enthaltende Mittelbau derartig 
eingefügt ist, dass sich hinter demselben ein einspringender 
Hof ergiebt. Ein Hauptvorsaal vor dem Sitzungssaal fehlt, 
vielmehr ist der letztere, dereine eigentümliche auf zwei Sei- 
ten durch Segmeutbögen begrenzte Grundform erhalten hat, 



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227 — 



ringsum von Foyers umgelien. Di»» Lösung ist weder prak- 
tisch noch künstlerisch ganz geglückt, jedoch im Allgemeinen 
klar. Der zweigeschossige Atissenbau mit einem ausgebil- 
telen Mansardedach ist durch zahlreiche, mit Hauhendächern 
bekrönte Pavillons reich belebt; die Hnnptkiippel über dem 
in massiger Höhe geschlossenen Sitzungssaal zeigt sehr be- 
deutende Dimensionen. Bemerkenswerth ist das Streben des 
Verfassers, im Inneren möglichst viele Räume mit gewölbten 
Decken zu versehen. 

Bei dem von Durm & Lang in Carlsrnhe projektirten 
Gebäude schliesst der mächtige Aufbau über dem Sitzungs- 
saale mit einem vierseitigen Bogendachc. Abgesehen davon, 
das» die Konstruktion dies«« Auf baus, von dessen vier Wänden 
zwei frei über dem Saale schweben, im hohen Grade be- 
denklich ist, steht die massige Erscheinung desselben zu 
den feinen und zierlichen Renaissanceformen , in denen das 
Gebäude gegliedert ist, in befremdlichem Widerspruch. In 
der Grundrisslösung hat die Entwickelung eines grossartigeu 
Axensystems, die Ausbildung ausgedehnter Vorräume und 
schöner Höfe die praktische Brauchbarkeit der Anlage leider 
stark beeinträchtigt. Ebenso ist die Anordnung der Korn- 
munikationen um den Sitzungssaal dadurch eine nichts we- 
niger als bequeme und glückliche geworden, dass die Zu- 
gänge zu demselben nicht in das Niveau eines der beiden 
Geschosse, sondern in die Höhe eines dazwischen eingescho- 
benen Mezzanins verlegt sind. Das interessanteste uud mit 
besonderer Vorliebe behandelte Grundrissmotiv ist die An- 
lage der Festlokalität im ersten Stockwerke der Vorderfront, 
die an Grossartigkeit mit der des Strack -Herrmann'schen 
Entwurfes welteifert. 

Der Bau von W. Hamann in Heilbronn, entworfen in 
den Detailformen französischer Renaissance, zeigt zwischen 
dem Erdgesehoss und dem obersten Stockwerke ein im Aeus- 
seren ausgeprägtes Mezzanin, das im Innern jedoch nur wenn? 
zur selbststäudigen Geltung gelangt. Die Eck- und Mittel- 
pavillons haben steile Haubendächer, die Schutzkuppel über 
dem niedrig mit einem grossen Olierlicht schliessenden Saale 
hat Höhendimensionon erhalten, die es gestatten, sie als 
Kunpelthnrm zn bezeichnen. In dem ziemlich klaren, jedoch 
nicht gerade hervorragenden Grundrisse ist die Anlage dop- 
pelter, symmetrisch liegender Eingänge zum Sitzungssaale, 
wie sie ähnlich in der Arbeit Tiede's versucht ist, bemer- 
kenswert«. 



in 



iswerth. — Aehnliche Höhenverhältnisse hat die Kuppel 
den Entwürfei] von F. Hödl in Wien und Friebus & 



Lange in Berlin, die beide als zweigeschossige Renaissance- 
bauten erscheinen, erhalten. Bei ersterem liegt der kreisför- 
mige, mit sehr Indien, durch eine Säulenstellung geöffneten 
Logen versehene Sitzungssaal im oberen Stockwerke, zu dem 
eine völlig frei vorgelagerte breite Treppe emporführt. Bei 
letzterem ist der im Grundriss achteckige Sitzungssaal im 
Erdgesehoss angenommen; der Kuppelanfbaii ist eine getreue 
Nachbildung eines der Gensdarmenmarktsthürme iu vergrös- 
seitem Maasstabe, ebenso verräth die innere Perspektive des 
Festsaals ziemlich deutlich ein bestimmtes Vorbild. 

Als Entwürfe in Renaissanceformen, bei denen der 
Sitzungssaal mit einer mächtigen Kuppel bedeckt erscheint, 
sind ferner noch zu erwähnen die unvollendete Skizze von 
Daniel in Güstrow, ein zweigeschossiger Bau in der nor- 
dischen Auffassung des Stils mit sehr steiler Form der aebt- 
seitigen Kuppel — der Entwurf des Holländers C. Muycken, 
eine quadratische Anlage, die in der (Jucraxe mit zwei run- 
den, im Aufbau jedoch horizontal allgeschlossenen Pavillons 

— Restauration und Festsaal — endigt, — die Arbeiten von 
Fuchs in Boppard und H. Weber in Leipzig, von denen 
der erste seine Seitenflügel mit Tempelgiebeln krönt und im 
Innern Ueberwölbung durchzuführen versucht, der zweite eine 
grosse Freitreppen -Anlage vor dem Mittel- Portikus annimmt 

— endlich das Projekt von Eggers in Bremen, der bei sehr 
komplizirter und ziemlich unklarer Entwickelung des Grund- 
risses seinen Fa^aden -Aufbau aus einer Anzahl deutlich er- 
kennbarer Motive ScliinkePKcher Monumente zusammengesetzt 
hat nnd die Nikolaikirche in Potsdam mit dem Mnseum und 
dem Schauspielhanse zu vereinigen bemüht war. 

Interessanter sind mehre, an den bekannten Herrenhaus- 
Entwurf Fr. Schmidts in Wien ankliugeude Arbeiten, bei 
denen die Gestaltung des Koppelaufhaues über dem Sitznngs- 
saale in gothischen Formen versucht ist. 

In dem einen derselben, von Arnold Guide np fennig 
in Paderborn, ist der achteckige, von doppelten Umgängen 
umgebene Saal in das Zentrum eines grossen quadratischen 
Innenraums gelegt, der durch zwei breite Seitenflügel, die 
an den Langfronten durch schmalere Trakte verknüpft sind, 
gebildet und durch die Verbindiingsbauten des Saales mit 
den Flügeln in vier kleinen- Höfe getheilt wird. Die Arbeit 
iBt in allen Theilen mit grosser Sorgfall und Gewissenhaf- 



tigkeit durchgearbeitet, beweist jedoch, dass der Verfasser, 
wie so viele andere, mit den praktischen Bedingungen der 
Aufgabe leider nicht genügend vertraut war. Das Aeusscre 
des zweigeschossigen Baues zeigt eine sehr korrekte und 
tüchtige gothische Profan -Architektur und würde, ohne die 
hinter den Fronten aufragende, von Eckth firmchen begleitete 
Kuppel, die über der horizontalen Holzdecke des mit hohem 
Seitenlicht erleuchteten Saales errichtet ist, treffliche Motive 
für ein deutsches Rathhaus abgeben. 

Der andere Entwurf von E. Steindl in Pest, der un- 
verkennbar die Schmidt'sche Schule verräth uud an dem 
der ausserordentliche Fleiss der Durcharbeitung nicht minder 
zu rühmen ist, hat den im oberen Geschwss belegenen scehs- 
zchnseitigen Sitzungssaal mehr nach der Ostfront verlegt, um 
vor demselben Raum zur Entwickelung einer grossartigeu 
Treii|ieii - Anlage zu gewinnen. Der Grundriss ist, von den 
praktischen Schwächen abgesehen, auch nicht ganz so klar 
wie zu wünschen ist, enthält jedoch einzelne recht originelle 
Motive. Die Facaden, aus Backsteinflächen mit Wertstem - 
Details hergestellt gedacht, sind ihrem Grundsysteme nach 
ausserordentlich einfach und maassvoll und vermeiden ge- 
flissentlich jede überflüssige Vertikaltheilung; leider wird die 
gute Wirkung derselben dadurch beeinträchtigt, dass die Eck- 
und Mittelpavillons mit steileu Zeltdächern der kolossalsten 
Dimension gekrönt sind. Ebenso ins Maasslose gesteigert 
sind die Dimensionen der Schutzkuppel, die über dem mit 
einem Sterngewölbe geschlossenen, durch Seitenlicht erleuch- 
teten Sitzungssaal aufgethürmt ist. Die architektonische 
Ausbildung des luneren ist harmonischer nnd besser; ein- 
zelne Partien, namentlich die Ausbildung der Bibliothek, sind 
von hohem künstlerischen Reize. 

Nicht zu vergleichen mit diesen beiden, wenn auch nicht 
gelungenen, so doch durchaus lieachtenswcrthen Arbeiten 
sind zwei andere gothische Kuppelbauten von F. A. W to- 
ttrat in Bruuiisehweig — im Grundriss durch viele Irr- 
thütner beeinträchtigt (beispielsweise ist der Zugang der Ali- 
geordneten im Norden, also dem Brandenburger Thor ent- 
gegengesetzt angenommen), in der Facade eine unerfreuliche 
Mischung gothischer und romanischer Motive — und von 
Grell in Schwerin, letzterer erst in flüchtiger Anlage 



Wir sehliossen an diese Kuppelbauten zunächst zwei 
Entwürfe an, in denen der Sitzungssaal als ein horizontal 
geschlossener viereckiger Aufbau mit Eckthürmen hochge- 
führt ist. Bei der Arbeit von C. Luckow in Schwerin ist 
dieser Aufbau, soweit er zur Erscheinung tritt, ganz deko- 
rativ behandelt, da die Verbindung der betreffenden, mit 
kleinen Kuppeln gedeckten Eckthürme durch offene Galle- 
rien bewirkt ist. Ihr sehr reich entwickelte Grundriss dieses 
in Renaissanceformen, mit Hervorhebung grosser Rundbögen 
ausgebildeten Entwurfs zeigt ein nicht uninteressantes Haupt- 
motiv; dem schmalen Hauptkörper, der im ersten Stock den 
etwas zu isolirten Sitzungssaal und die Geschäftsräume ent- 
hält, ist nämlich ein J. formiger Bau vorgelegt, in dem unten 
die Vestibül -Anlage und die ßüreaus, oben die Präsidial- 
Wohnung mit dem Festsaale angeordnet sind. Wuttke «& 
Enders in Berlin haben dagegen einen geschlossenen, regel- 
mässigen Bau mit vier symmetrischen Höfen angenommen. 
Die Hauptidee des Grundrisses ist einfach und klar. In 
dem sehr breiten Mitteltrakte liegen vor dem oblongen, mit 
gerader Decke geschlossenen Saale, iu dem der Präsident 
seinen Sitz auffälliger Weise an der Schmalseite haben soll, 
die Vestibül- und Vorsaal- Anlagen, hinter demselben Lese- 
saal und Restauration. Diu Axeu der Seiten fronteu nehmen 
den Bundesrath- und Festsaal, die Eckpavillons die beiden 
grossen Fraktionssäle, die Kibliothek und die Treppe zur 
Präsidentenwohnung ein. Leider entspricht die Durcharbei- 
tung nicht dieser Klarheit, so dass der Grundriss nichts we- 
niger als gelungen genannt werden kann. Anstatt auf eine 
möglichst vollkommene Entwickelung desselben haben diu 
Verfasser ihre Sorgfalt auf eine eingehende, durch mehre 
farbige Dekorationsblätter erläuterte Darstellung der einzel- 
nen Decken gerichtet. Auch die iu einer hellenisches Detail 
zeigenden, aber möglichst prunkvollen Renaissance ausgebil- 
deten, in drei Geschosse zerlegten Fucaden, mit ihren deko- 
rativen Gallerieu und in ihrer ziemlich rohen polychromen 
Behandlung, haben uns ein höheres künstlerisches Interesse 
zu erweckeu nicht vermocht Die Eckpavillons sind mit 
kleinen Kuppeln geschlossen, deren Konstruktion über den 
geraden Decken der darunter liegenden Räume znm Minde- 
sten gekünstelt sein müsste; das Dach des Saales, das hier 
bis zur Höhe des Aufbaus geführt ist, tritt nicht znr Er- 
scheinung. 

Völlig vereinzelt und seibstständig steht der Entwurf 
des Seniors uuter den Konkurrenten, G. A. Demmler's in 



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— 228 — 



Schwerin da, der den Sitzungssaal in die Höhe des zweiten 
Stockwerks verlegt bat. Der Saal und die mit ihm gemein- 
schaftlich benutzten, ihn in zwei Geschossen umgebenden 
Nebenräume sind in einen quadratischen Bau zusammen- 
gefasst, der Susserl ich als ein auf drei Seiten mit Giebeln 
geschmückter korinthischer Peripternl -Tempel erscheint. In 
zwei Seitenflügeln, die unterhall) dieses Tempel -Auf baus mit 
flachen Dächern abschliessen , liegen einerseits die Abthei- 
lungs- etc. Säle nnd die Bibliothek, andererseits die Dienst- 
wohnungen mit «lern durch die ganze Höhe des Unterhaus 
reichenden Festsaale nnd die Bureaus. An der Vorder- 
front aber führt eine mit Statuen geschmückte halbkreis- 
förmige Rampe kolossalster Dimension, die das im Maasstab 
um ein Mehrfaches gesteigerte Brunnen -Monument Schinkels 
mit der Borussia- resp. Germauia-Figur umschliesst, bis zur 
Höhe des Saalbaues empor. — Man wird der Originalität 
und phantastischen Kühnheit dieser Idee ein gewisses Inter- 
esse nicht versagen können, ohne das Erstannen zu ver- 
hehlen, dass sie einem für die Ausführung gedachten Ent- 
würfe zu Grunde gelegt werden konnte. Das» die Mitglieder 
des Reichstages eine Höhe von mindestens 12 1 *, sei es auf 
einer offenen Rampe zu Wagen, »ei es auf den inneren 
Treppen zu Fuss ersteigen sollen, nm zn ihrem Saale zn 
gelangen, während das Logenpubliknm sogar die volle Höhe 
eines vierstöckigen Wohnhauses zu erklettern hat, ist doch 
wohl im Ernst nicht vorzuschlagen. Aber abgesehen hier- 
von musste die Anordnung der Räume, die unterhalb des 
oberen Tempelbaus liegen, trotz der grossen Durchfahrt, 
welche diesen Unterbau durchsehneidet, selbstverständlich 
eine so unerfreuliche, der Gegensat* zwischen ihnen und den 
auf ihre Kosten emporgehobenen Räumen ein so grosser sein, 
das« von einer gesunden organischen Lösung der Aufgabe 
hier noch weniger die Rede sein kann, als in mehren Ent- 
würfen, bei denen lediglich das obere Hauptgeschoss die 
Anordnung und Beleuchtung der unteren Räume beeinträch- 
tigt. Denn das Wesen eines gesunden Organismus, wie wir 
ihn für das Repräsentanten-Haus des deutschen Staatswesens 
als unentbehrlich erachten, setzt eben Gesundheit und ein 
harmonisches Verhältniss aller einzelnen T heile voraus, 
während eine einseitige Hervorhebung und Auszeichnung der 
Hanpttheile, die auf Kosten anderer Glieder erfolgt und 
auf die Unterdrückung derselben sich stützt — sit venia verbo 
— etwas vom Wesen des asiatischen Despotenstaates an sich 
trägt. 

Ebensowenig können wir den im hohen Grade skizzen- 
haften Entwurf von Richard Schnitze in Cairo mit anderen 
znsammenreihen. Der von einer deppelten Zone von Foyer 
und Sprechzimmern umgebene halbkreisförmige Saal, zu dem 
eine sehr aufwandvoll entwickelte Treppen -Anlage fuhrt, 
mit seiner Rundung in der Hinterfront vor, während 
ade Vorderfront von zwei Treppenthürmen flankirt 
Die Höhenabmessungen wetteifern mit den extremsten 
Beispielen. 

Dominirte in allen bisher besprochenen Arbeiten dieser 
Gruppe ausschliesslich der Aufbau des Sitzungssaales, so 
tritt derselbe in einer Anzahl anderer Entwürfe vor dem 
dekorativen Beiwerke, mit dem die Facadeu sonst noch ge- 
schmückt sind, zurück; es ähneln dieselben daher mehr 
oder weniger jenen Lösuugen, die wir in der vorhergehenden 
Abtheiluug zusammen gefasst hatten, und sie klingen, wie 
jene an bestimmte bauliche Typen au. 

So erinnern die Arbeiten von Lange & Rühlmann in 
München und F. Fingerling in Berlin, die ihren halbkreis- 
förmigen Saal als einen in der Front vorspringenden Rund- 
bau zur Erscheinung gebracht haben, während als Haupt- 
motiv des Aussenbaus ein über dem Vestibül errichteter 
Kuppelthurm sich geltend macht, wiederum unverkennbar 
un amerikanische Kapitolbauten. Der prinzipielle Grund- 
fehler, der dieser Auffassung zu Grunde liegt, ist namentlich 
bei der ersteren zu bedauern, da dieselbe im Uebrigen eine 
/.war etwas zu sehr akademische aber doch höchst einheit- 
liche und bemerkenswertbe Lösung zeigt. Der von zwei vor- 
springenden Seiteuflügeln geschlossene schmale Hauptkörper, 
;ms welchem vorn ein Vestibül-, hinten der Saalbau heraus- 
tritt , ist im Inneren durch vier schmale symmetrische Höfe 
getheilt. zwischen denen in der (/tteraxe seitlich des zen- 
tralen Vorsaals nördlich die Restauration, südlich eine irnpn- 
sante Treppenaulage für den im Südflügel liegenden Festsaal 
sich befindet- Hie architektonische Ausbildung in feinen, 
durch die französische Schule beeinflussten Renaissanceformen 
ist im Inneren, wo vorzugsweise der kuppelgekrönte Vorsaal 
ein prachtvoll gestalteter Raum ist, glücklicher als im Aeiisse- 
ren, wo zwar die Silhouette des zweigeschossigen Baues sehr 
schön abgestimmt i«t, das System der Langfronten aber 
doch zu nüchtern wirkt. — Auch der Fingerling sehe 



Entwurf, der in sehr viel höherem Grade auf den Effekt 
hingearbeitet ist, bietet viele ganz interessante Momente. 
Der Rundbau des Saals wird hier durch eine Kolonnade mit 
den vorspringenden Seitenflügeln verknüpft, die äussere Zone 
derselben enthält im oberen Stockwerke das Foyer, im Erd- 
geschoss die Restauration, was freilich etwas auffällig an 
Theater - Typen erinnert. Neben der durch bekannte Vor- 
bilder sehr stark beeinflussten Hauptkuppel auf dein Vorsaal 
erheben sich kleinere Kuppeln an den vier Ecken des drei- 
geschossigen Gebäudes, über der Bibliothek, dem Festsaal 
und zwei Abtheilungssälen. Freitreppen führen in der Vorder- 
front zu den Portiken der Eckeingänge und des Mittelportals 
empor. Die einzelneu Schwächen der Grandrisslösung wol- 
len wir hier nicht näher erörtern; die architektonische Be- 
handlung der Facaden ist eine ganz gewandte, wenn auch 
eben vorzugsweise dekorative. Der Eindruck des Ganzen 
ist jedenfalls nicht würdevoll und ruhig genug, der Maasstab 
in einzelnen Theileu, z. B. der- Kolonnade und den Portiken, 
ein viel zu kleiner. 

Zahlreicher sind die Entwürfe, welche sich an den Rath- 
haus-Typus anschliessen. Die Arbeit von John Toner in 
London, ein dreigeschossiger gothischer Ban mit einem sehr 
grossen Uhrthnnn und vielen kleineren Thürinen, aus dem 
sich der oblonge Sitzungssaal mit einem hohen, durch einen 
Dachreiter gekrönten Zeltdach hervorhebt, erinnert stark an 
die englischen Parlamentshäuser, ist jedoch im Ganzen ziem- 
lich nüchtern nnd im Inneren, das von kleinen Höfen und 
sehr zahlreichen und langweiligen Korridoren durchsetzt ist, 
ganz unausgebildet. Noch einfacher ist der Entwurf von 
H. Becker in Bernburg, in welchem der Sitzungssaal als 
schlichtes Vierseit mit Eckthürmcn emporgeführt, die Mitte 
der Hauptfront mit einem Thurm l>ezeichnet ist; die Stil- 
auffassung ist die sogenannte romanische der älteren Münche- 
ner Schule. 

Einer der am Reichsten und Malerischsten, freilich auch 
am Willkürlichsten gestalteten Facadenbildungen liegt in dem 
Plane von William Emerson in London vor, der einen 
Komplex von Thürmcn geliefert hat, der dem des Scott' - 
schen Entwurfes der Zahl nach noch den Vorrang abgewinnt. 
Ueberlegen ist er dem letzteren sehr entschieden in der Dis- 
position des Grundrisses, der die Räume in zwei Geschossen 
eines oblongen, durch 4 Höfe gegliederten Baukörpers ver- 
theilt, dessen Zentrum der Sitzungssaal bildet ; die Eingänge, 
unter denen der für den kaiserlichen Hof besonders pracht- 
voll gedacht ist, sind klar gesondert, die Anordnung und 
Ausbildung der einzelnen Räume ist trotz der unvermeid- 
lichen Irrtuüroer doch immerbin mit Berücksichtigung ihrer 
praktischen Nutzbarkeit, mit dem ersichtlichen Streben nach 
schonen, monumentalen Wirktuigcu und in einer gewissen 
Harmonie erfolgt. Ebenso ist es ein Vorzug der Emerson'- 
schen Arbeit, dass die in ihrer phantastischen Yielgeataltig- 
keit doch sehr einheitliche Erscheinung des in den üppigen 
Formen der englischen Spätgothik erfundenen Aeussern, in 
dem der mit einem System von Strebepfeilern nnd Strebe- 
bögen umgebene Saalanfbau mit einem offenen Thürmchen 
schliesst, einen ausgeprägt profanen Charakter trägt. Hin- 
gegen ist es ein Nachtheil derselben, dass der Künstler of- 
fenbar keine Ahnung davon besitzt, dass man von einem 
wahren Kunstwerke verlangt, dass die 
nirenden Motive zu der Bedeutung der durch 
neten Innenräume in einiger Beziehung stehen sollen. Liegt 
eine solche in dem Scott'schen Plane wenigstens insofern 
vor, als die Thürme über Treppenhäusern errichtet und in 
ein gewisses System gebracht sind, so ist deren Anordnung 
und Entwicklung hier lediglich nach den Bedürfnissen des 
Architekturbildes erfolgt und es ist beii 
Hauptthurm über einem Räume der 
dirigeutcu errichtet. Dass der Sitzungssaal 
gezeichnet ist, müssen wir lediglich als einen Zufall be- 
trachten. 

Sehr ähnlich diesem Plane , obwohl anscheinend orga- 
nischer und in einer gothischen Detailbildung, der auch wir 
unter allen in der Konkurrenz vertretenen gothischen Ent- 
würfen deu ersten Rang einräumen müssen, erscheinen die 
erst während der licrathung der Jury eingetroffenen F'acaden 
eines von zwei Deutsch-Amerikanern, Paul Schulze & Paul 
Schön in Newvork gelieferten Entwurfes. Grundrisse und 
Durchschnitte fehlen seltsamer Weise, so dass ein weiteres 
Urtheil nicht möglich ist. 

Auch den Entwurf von E. Klingenberg in Oldenburg 
und Berlin müssen wir hier einreihen, da er an phantasti- 
scher Gestaltung des Aufbans den englischen Arbeiten Nichts 
uachgiebt. Der Grundriss ist allerdings um Vieles organi- 
scher und an sich nicht uninteressant disponirt, auch die 
dort vermisste Auszeichnung der bedeutenden 



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- 229 



an sieh sehr 
zw ar einer 



wir hier, wo der als riesiger Rundthurm eroporgeführte 
Vorsaal, der Sitzungssaal, der Festsaal besondere Baugruppen 
bilden, beobachtet. Wir kennen indessen, da man einem 
deutschen Architekten nicht wohl verzeihen kann, was für 
den Engländer als Landesbrauch entschuldbar ist, keines- 
wegs behaupten, dost* der Eindruck des Entwurfes darum 
befriedigender sei. Ebensowenig vermag die stilistische Be- 
handlung desselben in de» auf mittelalterliche Motive über- 
tragenen Details der Renaissance, die hier als willkürliche 
uud äusserliche Stilvermischung erscheint, uns jenes In- 
teresse einzuflössen, das wir gern jedem in modernem Geiste 
und mit echter künstlerischer Kraft unternommenen Ver- 
suche einer Verschmelzung jener Gegensätze, wie er sei- 
nerzeit auch in dem Domentwurfe des Verfassers vorlag, 
zollten. 

Ein anderer, noch weniger gelungener, an 
eigentümlicher Versuch der Stilvermischung, und 
Kombination der Elemente altfranzösischer romanii 
mit denen der Renaissance, ist in dem Entwürfe der Archi- 
tekten Edward W. Godwin & Robert W. Edis in London 
gegeben. Der Grundriss ist au sich unbedeutend, aber doch 
immerhin überlegt Der viereckige Saal steigt als schlanke 
Kuppel, neben ihr über den Eckpavillons etc. eine Anzahl 
von Tbürmen mit steilen Zeltdächern empor. 

Der Gipfelpnnkt phantastischer Effekthascherei wird in 
den Entwürfen der beiden Engländer R. Stark Wilkinson 
und J. H. Span ton erreicht, von denen wir nicht allein 
mit Rücksicht auf ihre meisterhaft behandelten Milder, son- 
dern nach Ausweis ihrer Arbeiten glauben annehmen zu 
können, dass sie lediglich Architektur-Maler, nicht aber Ar- 
chitekten sind. Beide Entwürfe sind so verwandt, dass es 
scheint, als ob die Verfasser in Uebereinstimmung gearbeitet 
haben. So zeigen beide das bei enclischen Gerichtshöfen 
tvpische Grnndmotiv, den Saalbau inmitten des durch die 
vier äusseren Flügel gebildeten grossen Hofes, in den Hanpt- 



axen durch Verhindungsgänge mit jenen verknüpft — nur 
dass in dem Spanton'schen Entwürfe die Vorderfront sich 
öffnet und dass die Ecken des Baues mit Rücksicht anf die 
darüber aufgethürmten Pagoden verstärkt sind. So hat der 
Saal bei beiden dieselbe langgestreckte, auf den Schmal- 
seiten bogenförmig geschlossene Grundform und dieselbe 
Anordnung, wonach Präsidenten- und Redner- Tribüne auf 
einer dieser Sehmalseiten, zwischen ihr nnd den Abgeord- 
neten aber die erhöhte Tribüne des Bundesrathes liegen, 
so dass — wie dies der Durchschnitt in der That bestätigt 
— höchstens die in letzter Reihe Sitzenden etwas mehr er- 
blicken würden als die Kehrseite des Bundesrathes. So 
zeigen endlich bei vollständiger Vernachlässigung aller kon- 
struktiven l'eberlegung beide Entwürfe dasselbe Gewirr von 
Kuppeln. Thürmen. min a retartigen Schornsteinen und anderem 
Beiwerk in den phantastischsten Kombinationen eines wilden 
Zopfstiles, nur mit dem schon erwähnten Unterschiede, dass 
in dem einen mehr das Vorbild mittelalterlicher Thnrm- 
Kombinationen. in dem anderen hingegen deutlich das Vor- 
bild indischer Pagodenbauten vorliegt. Der Maasstab ist in 
beiden Entw ürfen auf ein Minimum herabgesunken; es kom- 
Portiken mit Axen von 2" 



Dem Reste der Entwürfe glauben wir eine Besprechung 
ebensowenig widmen zu dürfen, wie bereits mehren, früher 
erwähnten Arbeiten. Wir betrachten dieselben als Resultate 
ganz individueller uud höchst absonderlicher Neignnuen. an 
deren Ernst wir mit einer einzigen Ausnahme nicht zwei- 
feln, die aber ihrer Grundauffassung nach M isolirt stehen 
und ein so geringes künstlerisches Gestaltungs -Vermögen 
zeigen, dass sie auf eine Würdigung im Interesse der Sache 
nicht wohl Anspruch erheben können. Es sind die Arbeiten 
von Holzen in Goslar. Lorenz Bauer in München, von 
Delden in Berlin, IL von Geymüller in Paris, Scharrath 
in Bielefeld und Gösling in Pyrmont. 



Die Rfstaarirmg des Thirmes der 

Ausgeführt von dem K. S. Laudbauincister Canzler 
Der aus pirnaischem Sandstein in reiner Arbeit herge- 



stellte Thurm der katholischen Hofkirche war durch Un- 
bilden der Witterung an den Aussenseiten vielfach schad- 
haft geworden; es zeigten sich von den Stellen aus, wo der 
Thurm zugänglich war, massenhaft ausgewitterte Flächen 
im Steinwerk, und die Anzeigen und Beschwerden wieder- 
holten sich, dass grössere und kleinere Steinbrocken von 
Architekturtheilen und Statuen herabgefallen waren, glück- 
licher Weise ohne bis dahin irgend Jemand auf dem sehr 
belebten Schlossplatze zu beschädigen. Die Beobachtung, 
dass bei der Ausführung des oberen Theiles des Thurmes, 
welche zum Theil in die Zeit des siebenjährigen Krieges 
Hfl. nicht allenthalben eine glückliche Auswahl des in der 
Wetterbeständigkeit äusserst verschiedenen Elbsandsteins 
getroffen worden war, und dass die vielfache Anwendung 
von Eisenklammem nnd Eisendübeln, verbunden mit unge- 
nügender Abwässerung und Abdeckung der vortretenden 
Gesimstheile, der Festigkeit des Steinwerks nachtheilig ge- 
worden war, endlich die Ueberzeugung, dass in früherer 
Zeit vorgenommene partielle und nicht mit grosser Sorgfalt 
ausgeführte Reparaturen eher Nachtheil als Nutzen gebracht 
hatten, da die hierbei neu eingesetzten Führungsstücke ver- 
witterter als die älteren Bestandteile erschienen, veran- 
lasste mich im Jahre 1HI>7 hei der zuständigen Behörde, dem 
Ministerium des Kultus nnd öffentlichen Unterrichts eine 
gründliche Instandsetzung des Thurmes und die Gewährung 
der Mittel zu dieser Arbeit, sowie zu der für sie erforder- 
lichen Rüstung zu beantragen. 

Bevor ich znr Beschreibung der hierdurch veranlassten 
Herstellungen übergehe, halte ich es für passend eine kurze 
geschichtliche Notiz über dieses monumentale, im Detail 
wohl nicht meisterhaft zu nennende, aber durch gute Ver- 
hältnisse und durch noble Ausstattung nnd die dadurch er- 
zielte Gesammtwirknng berühmt gewordene Bauwerk einzu- 
schalten. Es sollen dies nur Andeutungen sein und behalte 
ich mir vor, bei der beabsichtigten besonderen Veröffent- 
lichung der sorgfältigst ausgemessenen, im grossen Maasstabe 
aufgetragenen Grundrisse, Profile und Ansichten dieser Kirche, 
für welche der statthafte Maasstab der Bauzeitung zu klein 
sein und der Deutlichkeit Eintrag thun würde, genauere Be- 
schreibungen und Erklärungen abzugeben. 

Die Anfertigung des Planes zu dieser Kirche wurde im 
Jahre 1733 von Kurfürst August II dem Architekten Gae- 
tano Chiaveri aus Rom übertragen, der auch die Ausfüh- 
rung der Kirche nnd des Untertheils vom Tluirme in der 
Zeit von 1738—1746 geleitet hat. Im letzterwähnten Jahre. 



in welchem bereits die Auflegung des Knpferdaches auf dein 
Mittelschiff erfolgte, trat jedoch plötzlich ein Stillstand im 
Bau ein durch das allgemein verbreitete Gerücht, dass die 
kühne Wölbung über dem Mittelschiff unhaltbar sei; in 
Folge dessen hörten alle Arbeiten anf und der Bau blieb 
ca. drei Jahre ganz liegen. Trotz der später dargelegten 
Grundlosigkeit dieses Gerüchtes hatten die erlittenen Krän- 
kungen und Schmähungen Chiaveri dermaassen verletzt, dass 
er 17P.1 Dresden verliess und die Ausführung des noch rück- 
ständigen Thurmobertheils und des inneren Ausbaues aufgab. 
Die Kirche selbst wurde im Jahre 1751 eingeweiht, trotzdem 
im luneru ihm Ii Altarbild und Orgel und der reiche Kapel- 
lenausbau fehlten. Der Thurmobertheil wurde sodann unter 
Leitung des Uberlandbanmeister Schwarze bis 1756 durch 
Aufsetzung des Thunnkrenzes vollendet und in diesem Jahre 
mit der Abrüstung des Thurmes begonnen. Im Jahre 1757 
stürzte bei einem Gewitter das Kreuz nebst einem darunter 
befindlichen, aus Kupfer getriebenen und mit Blei ausgegossenen 
Palmbaum herab und ward noch in diesem Jahre, wohl 
nicht gerade zum Nachtheil, durch deu jetzigen Knopf mit 
Kreuz darüber — beide in Kupfer getrieben und im Feuer 
stark vergoldet, über die H Ztr. schwere eiserne Spille ge- 
steckt — ersetzt. Per Knopf von beiläufig 1,32" Durchmesser 
soll 10 Scheffel und % altes Dresdner Maass halten. Der 
eingetretene siebenjährige Krieg und speziell die Belagerung 
von Dresden, durch welche Kirche und Thurm mehrfache Be- 
schädigungen erlitten, hemmten die vollständige Beendigung 
des Baues, dessen wirkliches Schlussjahr auf 1772 festge- 
stellt werden kann, woraus die Dauer desselben auf 34 Jahre 
sich ergiebt. 

Was die letzten Restaurirungsarbeiten anlangt, so waren 
bereits im Jahre 1X»I'> durch Rollgerüste, angebracht auf den 
das Mittelschiff der Kirche in der Höhe der Seitenschiffe 
umgebenden 3 breiten sandsteinernen Stufen, die Schadhaf- 
tigkeiten an den Hauptgesimsen der Kirche und der darüber 
befindlichen Balustrade ergänzt, auch die Bleiahdec kung über 
den vorerwähnten Stufen, welche zeither mit dem sogenann- 
ten Berliner Oelzemeut überzogen und nur durch ununter- 
brochene Reparaturen nothdürftig dicht zn erhalten waren, 
in der früheren soliden Weise wieder erneuert worden. 

Die Schadhaftigkeiten am Thurme begannen in gleicher 
Höhe mit der Kirche an den Gesimsen des 2. Thurm-Stock- 
werks, direkt über dem Glockenboden, nahmen nach Oben 
immer mehr zu und liessen erst hei der birnenförmigen 
Spitze nach, welche mit Ausnahme der 4 übereck gestellten 
Rippen mit Kupfer überkleidet ist und durch 



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— 230 — 



öfteren, mittels Fahrzeug bewerkstelligten Oelfarhenanstrich 
besser konservirt war, als die übrigi-n Theile. Die Restau- 
ration dieses Theiles und die Erneuerung des Oclfarbenan- 
strichs war jedoch ebenfalls nfithig, sowie die Untersuchung 
des Knopfes und Kreuzes in Bezug auf trsten Stand und 
wegen der Beschaffenheit der Vergoldung derselben. 

Für die Anbringung des ans den Zeichnungen*) deutlich 
zu ersehenden fliegenden Gerüstes, welches demnach bis zur 
KreuzesspiUe reichen musste, konnte der erste oder Glorken- 
hoden nicht benutzt werden, da er nicht genug durchbrochen 
und überdies dnreh die (»locken, welche ritualgemäss in täg- 
lichen Gebrauch kommen, vollständig ausgefüllt und nicht 
zugänglich war. Pas darüber befindliche Stockwerk dage- 
gen, mit welchem die eigentlichen Durchsichten heginnen 
und welches gegen das untere Stockwerk stark zurück- 
tritt und vermöge der ringsumgehenden Steinbalustrade, 
über welcher die Verbindung«- und Traghölzer einzulegen 
waren, passende Höhe und Stützung für die nach Aussen 
gerichteten Winkelstrehen gewahrt, erschien hierzu vorzüg- 
lich geeignet und wurde deshalb als Grundlage der 



•) Aiulfhl ■•<! r 
»!»«e K» » vrfolirrn 



ten Rüstung benutzt, während die Restaurimng der Ge- 
simse, Voluten und Statuen unterhalb dieser Balustrade mit- 
tels transportablen Hangerüstes, dessen Konstruktion in 
Grundriss und Ansicht angegebeu ist, erfolgte. 

Das besonders abgebundene, aus beschlagenem resp. ge- 
trenntem Holz bestehende Gerüst beanspruchte durchaus 
solide Konstruktion, da dasselbe DI Stockwerke hoch und 
bis zum Thunnkreuz reichend 85" hoch über das Strassen- 
pflaster aufgeführt werden musste, den im Elbthal vorherr- 
schenden scharfen Ost- und Westwinden stark preisgegeben 
war, zur Aufforderung schweren Steinwerks und anderer 
Materialien dienen und den Arbeitern zngleich sicheren Stand 
gewähren sollte. Die durchsichtige Beschaffenheit des Thurmes 
gewährte günstige Gelegenheit zur Anbringung zahlreicher 
innerlicher horizontaler Durchkreuzungen, wie die mit No. 1 
bis 5 bezeichneten verschiedenen Rüstböden in Gmndplänen, 
Profilen und Ansichten erkennen lassen, und es hat sich in 
Folge dessen die Rüstuug, welche ziemlich l'.'i Jahr gestan- 
den und den orkanartigen Sturm des Winters 1K67 — 186H 
überstanden hat, ohne dass nur 1 Brett gelockert worden 
den wäre, ganz vortrefflich bewährt. 



Gerint.li*« So. 3. 







1 

* * 






K 1 


* 









J( A 




Bau anschliche Icrblld its 



Rineofrns , der 



lrnnM\rhr «frn in 



Im Verfolge der Artikel über den Hoffmann'sehen Ringofen 
in No. II, 12, 13 der Deutschen Bauzeitung und nachdem nun 
auch die fachwissenschaftlichen Vereine de« Auslandes beginnen, 
sich mit der am 9. August 1870 vom Handelsministerium ver- 
fügten Aufhebung des den Herren Friedrich Hoffraann und l.icht 
unter dem 27. Mai 1858 ertheilten und bis zum 27. Mai 187.1 
verlängerten Patentes auf den später „Ringofen" genannten 
Apparat zu beschäftigen, wird es Allen denen, welchen an Auf- 
klärung in dem Dunkel dieser Patentaufhpbung gelegen ist, von 
Interesse sein, eine Aufnahme des sogenannten Arnold'achen 
Ofens in Fürstenwalde zu erhalten, welche nicht mit einer übel 
angewendeten Phantasie für einen besonderen Zweck bearbeitet 
wurde, sondern welche einfach und wahr hinstellt, was wirklich 
vorhauden ist. 

Fig. 1 uns 2 giebt Grundriss und Durchschnitt des Arnold'- 
schen Ofens, wie solche nach einer Zeichnung des Ilm. Baumeis- 
ter Paul Locff in Berlin in Dingler's polytechnischem Journal 
Rand 107 publizirt sind. Fig. 3 zeigt den Grundriss dieses 
Ofens wie er wirklich vorhanden ist, Fig. 4 und 5 diejenigen 
Profile desselben, welche tür den vorliegenden Fall überhaupt 
von Werth sein können, nach einer möglichst genauen und ge- 
wissenhaften Aufmessung, welche am 11. Juni 1870 vorgenommen 
wurde. 

Die erste rohe Aufzeichnung des Grundrisses nach dieser 
Aufnahme wurde am 12. Juni 1870 zu dem Protokolle des in 
Fürstenwalde angestandenen Lokaltermins, eine spätere Aufzeich- 
nung des Grundrisses und der Profile bei einem weiteren Ter- 
min zu deu Akten der Preussiiichen Patent 



reicht, woselbst sie zu finden sein müssen. Bei der stattge- 
habten Entscheidung scheint jedoch die durch diese 
Aufnahme ermittelte Thatsachc keine besondere Be- 
rücksichtigung erfahren zu haben. 

Die vorliegenden drei Figuren sind zum Zwecke der direk- 
ten Vergleichung in demselben Maasstabe wie die nach dem Ding- 
ter'scben Journal gegebene Aufnahme aufgetragen, woraus sich 
auch das beibehaltene alte Maass erklärt. 

Ein einziger Blick zeigt die Verschiedenheit der beiden 
Grundrisse, welche eben nur die äussere Form des Siebenecks 
und in den beiden Kompartimenteu 1 und 3 die Strebepfeiler 
zu beiden Seiten der Tbure nebst der rechts daneben liegenden 
Hcizöffnung gemein haben. 

Wäre jene Aufnahme und Rekonstruirung eine richtige, so 
müsste sich im Kompartiment l, welches den alten Querschnitt 
des Ofens (.4 im Profile) in unveränderter Gestalt mit beiden 
Seitenwftnden und dem nahezu halbkreisförmigen Gewölbe gegen- 
wärtig noch zeigt, diu OcfTuuug des Rauchabzugskanals am 
Boden, ungefähr gegenüber der bingangsthüre und nahe _an der 



Thüre 
ofen. 



i 



Töpfer- 



Ee findet sich an diesem Punkte, dem einzigen 
wo es überhaupt direkt möglich wäre, Nichts von 
einem Rauc ha bz uge, trotzdem dass die Einbauten in da« 
alte Werk durchaus und überall mit barmlosester llngenirtbcit 
eben nur dem Zwecke entsprechend ausgeführt sind uud 
»cheinlich kein Werth auf sorgfältige Ycrmauc 



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- 231 — 



gewesener Oeffuungen und verbandmässigen Anschluss de* neuen 
Mauerwerkes an Ha.-, alte gelegt worden ist. 

Im Kompartiment 3 (/) im Profile) kann vermöge der nie- 
drigen Ocffuung über dem dort eingebauten Schmelzofen aller- 
dings wohl nachgewiesen werdeu, aas» der ursprüngliche Bau 
auch hier die Form und Abmessungen wie bei dem frei zugäng- 
lich erhaltenen Knnipartimuut 1 hatte, da aber der Schmelzofen 
mit eigenen Wunden zwischen die alten Mauern hineingeschoben 
ist, die alte Ucizöffuuug neben dem Strebepfeiler jetzt die Heiz- 
thüre zur Feuerung unter der Sohle des Schmelzofens abgiebt, 
dieser Feuerungsraum alter ebenfalls seine eigenen Wände hat 
und unzugänglich ist, du kanu au dieser Stelle der in der 
Rekonstruktion des Ofens augegebene Rauchabzugs- 
kanal ebenfalls nicht nachgewiesen werden. 

Ausser in den Konipartimentcn 1 und ist nirgendwo bis 
auf Kopfhöhe ein Stück des alten innereu siebeneckigen Kerns 
erhalten, denn in die übrigen fünf Theile sind gewöhnliche 
T.'ipfenifeu hiueingebaut, welche mit der Stirnfläche der uiuth- 
uiusslichen alten Strebepfeiler beginnen und über die FlSche 
der früheren Innenwand hinaus in den Keru des Bauwerkes 
eingreifen; über den Gewölben der Töpferofen sind dagegen 
noch au einigeu anderen Stellen ausser in I und 3 die alten 
Flachen der lnnenwaud und das alte Gewölbe sichtbar und in- 
direkt messbar. 

Flg. I. Graartrl». 




Alle fünf Töpferofen haben, wie B und C im Profile zeigen, 
ihre Ruuchubzügc um hinteren Ende, über der Höbe du* Ge- 
wölberückens besinnend und in beliebiger schräger Richtung 
nach dem Schornsteine aufsteigend; also auch in den Ab- 
theilungen 2, 4, 5, fi und 7 findet sich Nichts von 
Rauchabzügen am Boden des alten Ofens. 

Oer Kern des Ofeus und die Subatruktionen des Schorn- 
teins sind unzugänglich uud werden wohl auch dem Autor jener 
Rekonstruktion unzugänglich gewesen sein, denn sonst hätte der 
Brennermeister , welcher mit Beharrlichkeit und ungefragt von 
Schieberfalzcn uud deren Spuren sprach, sicherlich die dazu 
uöthig gewesenen Aufbrechuugcn in gebührender Weise betont 
und hervorgehoben. 

Die Zugänge zu den Kompartimenten 4 und 5 können die 
früheren Hciziiffnungen gewesen sein, ihre lichten Weiten stim- 
men mit denen der Heizlöchcr bei 1 und 3 überein; bei G und 7 
findet sich Nichts von solcher Anlage, auch würde es am erfor- 
derlichen Raum dazu fehlen, und bei Abtheilung 2 ist neben 
dem Strebepfeiler ein kleiner Ofen zur Herstellung der Blei- 
uud Zinn-Asche — der sogenannte Aesclier — angelegt. Die 
Rauchubzüge des Schmelzofens und des Aeschers wareu nicht 
zu ermitteln und zu verfolgen. 

Herr Regierung*- und Bau -Rath Wiebe hat die schwarze 
Reise in den über den jetzigen Töpferöfen befindlichen Räumen 

Flg. 1 and t: Dor ArnaldK-h« Ofen nun LttC» Publikation. 



Fl«. I. Psrrhtrhiilii. 




FIk- 3 -i: Um Arnolanclkii Uf«n ntrh u«i Aataabair toii SKinbarl. 

Fi|t 4. Dgirnjchnlll. 

Fi«. 3. Urgndriu. 




M 

_J_ 




uuter den altcu Gewölben gemacht; was er dort entdeckt hat 
ist pag, 'J3 ds. Ztg. mitgetheilt uud skizzirt, im Kompartiment I 
existirt weiter Nichts als ein Paar ausgebrochene Steine loth- 
recht übereinander, welche vom Brennermeister, wie bereit« 
oben erwähnt, als Reste der Srhieberfalzc bezeichnet wurden. 

Eines der wesentlichen Merkmale des lloffmann'm-hen Ring- 
ofens, der Abzug der Rauchgase am Hoden der Kam- 
mern, kann, nach vorliegender Aufnahme, bei demArnold'- 
scheu Ofen nicht nachgewiesen werden, und dieser 
Mangel wird mit Rücksicht durauf, dass Befeuerung von unten 
nachgewiesen und zugegeben ist, dass ferner die Locher im Ge- 
wölbe zum Einbringen des Feueruugstnateriuls viel zu klein und 



auch durchaus zu wenige waren, ganz entschieden darauf hin- 
wirken müssen, dem Arnold'scbeu Ofen die Möglichkeit einer 
ausschliesslichen Befeuerung von oben mit dem wirklichen 
Nutzeffekt des Garbrennens der Steine abzusprechen, weuu 
beide Ofeukonstruktionen neben einander gehalten, verglichen, 
in ihrer Wesenheit praktisch geprüft und vorurtheilslos beur- 
theilt werden, so das« schon aus diesem einen Grund» allein, 
ganz abgesehen von tbatsächlich nachzuweisenden auderen Un- 
möglichkeiten, als feststehend zu erachten ist: 

der Arnold'sche Ofen kann nie das Vorbild des 
Hoffmann'schen Ringofens gewesen sein. 
Lauhan, den I. Juli 1872. Steinhart 



Mittheilungen aus Vereinen. 



Architektenverein zu Berlin. Hauptversammlung am 
5. Juli 1879; Vorsitzender Herr Röder, anwesend I7. r » Mitglie- 
der und 8 Gäste. 

Nach einigen Mittheilungen des Hm. Vorsitzenden über die 
an den Verein gelaugten Zusendungen referirt Hr. Blanken- 
stein im Namen der betreffenden ßcurtheiluugs - Kommission 
über den Ausfall der Konkurrenz für Entwürfe zu einem Denk- 
male für die Gefallenen des Preussischen Ingeuieura-Korps. 



Als Hauptgesichtspnnkt für die Rcurthciluiig der eingegan- 
genen Arbeiten musste t»ei der vorhandenen Sachlage die Ein- 
haltung der als Grenze vorgeschriebenen Kostensumme von 
1500 '1 linier gelten und mussten daher sämmtliche Entwürfe, 
welche dieselben überschritten, unnachsichtlich ausgeschlossen 
werden. Es sind diesem Schicksal zunächst drei aus Bremeu 
eingesandte gothische Entwürfe verfallen, die an sich recht ge- 
lungcu waren und höchstens eine nähere Beziehung zu der 



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— 232 — 



Idee des Denkmals vermissen Hessen — ebenso ein Entwurf 
mit dem Motto .Zum Rhein, überm Rhein, 4 * dessen Grundidee 
bei einer eventuellen Umarbeitung wohl ein brauchbares Projekt 
hätte liefern können. Unter den '• übrigen Entwürfen hat die 
Kommission dem mit dem Motto „Erwin* bezeichneten, als dessen 
Verfasser Ur. Hermann Eggert ermittelt worden ist, den Preis 
ertheilt. vornehmlich wegen der originellen und geschickten 
Form, die auf einem dreiseitigen Unterbau, dessen Flächen den 
Emblemen der drei Abtbeilungen des Ingenieur- Korps gewidmet 
sind, einen sechsseitigen mit Spitzbogen in deu Flüchen endigenden 
Schaft für die Inschriften, darüber endlich über einem runden 
Friese einen mit einer Eichel gekrönten Kuppelschluss zeigt: 
einzelne Details, so die Ecklosungen des Unterbaues, der Ueber- 
gang des Schafts in den Fries wurden dagegen streng getadelt. 
Neben diesem Entwürfe hat die Kommission auch den oben an 
zweiter Stelle genannten an das Denkmal -Komite eingesandt; 
eine Bestimmung über die Ausführung eines derselben ist noch 
nicht getroffen worden. 

Vor Eintritt in die übrige Tagesordnung hielt demuächst 
Ur. Lucae einen Vortrag über die Angelegenheit der Reichs- 
tagshaus-Konkurrenz. Auf Wunsch des Hrn. Vortragenden wer- 
den wir denselben nach stenographischer Aufzeichnung (die bis 
zum Schlüsse dieser Nummer leider nicht mehr druckfahig her- 
zustellen wart wortgetreu veröffentlichen und wollen daher hier 
vorläufig nichts weiter mittheilen, als dass der Redner nach 
einer Rechtfertigung und RrlSuterung des Verhaltens der Jury, 
welche bei der nunmehr beendigten ersten Konkurrenz fungirt 
hat, auch auf die Aussichten für die weitere Entwickelung der 
Angelegenheit einging und au den Verein den Antrag richtete, 
derselbe möge in der schwierigen Auswahl der Personen, welche 
zu der \nm Reichstage beschlossenen enteren Konkurrenz zu- 
gezogen werden sollen, seine Hülfe zur Disposition stellen. 

Nachdem von Hrn. Blankenstein der demnächst akzep- 
tirte Vorschlag gemacht worden war, der Verein möge, bevor er 
irgend welchen anderen Beschluss in dieser Angelegenheit fasse, 
zunächst eine Kommissinn wählen , welche in Erwägung ziehe, 
ob und in welcher Weise ein Eingreifen des Vereins überhaupt 
opportun sei, erwidert Ur. Fritsch auf die gegeu die Redak- 
tion der Deutschen Bauzeitung gerichteten Ausführungen des 
Hrn. Lucae, dass der Ort einer Diskussion über das Verfahren 
bei dieser Konkurrenz zunächst nur die Öffentliche Presse, dem- 
nächst aber die im Herbste bevorstehende allgemeine Versamm- 
lung der Deutschen Architekten und Ingenieure sein könne. 
Er bemerkt zugleich, dass ihm bei einer über die fünf zufälligen 
Sieger der letzten Konkurrenz hinau sgehenden Zuziehung von 
Architekteu zu einem zweiten beschränkten Wettkampfe eine 
gerechte Auswahl der Thciluehmer nicht nur schwierig, sondern 
direkt unmöglich erscheine und dass die einzig befriedigende 
Lösung der I' rage, die überhaupt möglich sei, wohl nur der Er- 
lass einer zweite:, öffentlichen Preisbewegung sein könne, 
bei der den Interessen derjenigen, welche au der ersten Kun- 



I genoi 

Rechnung getragen werden müsse, dass man ihnen für die Be- 
arbeitung des zweiten Entwurfes eiu angemessenes Honorar 
zahle. Eine solche Lösung der Frage sei aber keineswegs aus- 
geschlossen, da die Annahme des Herrn Vortragenden, der 
Reichstag habe über die weitere Behandlung der Sache im Sinne 
einer beschränkten Konkurrenz bereits einen bindenden Beschluss 
gefasst, irrthümlich ist. 

Zu Mitgliedern der auf Grund des vorerwähnten Antrages 
einzusetzenden Kommission wurden demnächst durch Stimm- 
zettel die Hrn. Blankenstein, Adler, Schwedler, Fran- 
zius, Lucae, Fritsch, Ende, Quassowski und Jacobs- 
thal — als Ersatzmann Hr. Stier gewählt. 

Hr. E. Wiebe II. macht Mittheilungen über die für Sonn- 
abend, den 13. Juli projektirte Landparthie mit Damen. Dass 
die beabsichtigte Vereinsreise nach Dresden, für welche seitens 
der dortigen Hchgeuosscn bereits in umfassendster und liebens- 
würdigster Weise Vorbereitungen getroffen waren, wegen unge- 
nügender Betheiligung (es hatten sich leider nur 15 Mitglieder 
gemeldet) nicht zu Stande gekommen ist, findet bei dieser Ver- 
anlassung den mehrseitigen Ausdruck Uefsten Bedauerns und 
wird auf die mannigfachste Weise - durch die Kollision mit 
der Reise des Eisenbahn -Vereins, die augenblickliche Arbeits- 
überhäufung der Techniker etc. — zu erklären und zu entschul- 
digen versucht 

Ur. Blankenstein referirt demnächst noch über die Be- 
urtbeilung der bereits seit mehren Monaten vorliegenden drei 
Konkurrenz - Entwürfe für deu Bau einer Grabkapclle in Back- 
stein-Rohbau. Alle drei Arbeiten sind nicht ohne Werth; als 
die gelungenste ist die mit dem Motto „Kuppel" unerkannt 
worden, bei der die durch Seitentreppen zugängliche, allerdings 
nur schwach erleuchtete Gruft unter dem Innenraum der Ka- 
pelle liegt, während ein anderer Konkurrent den interessanten 
Versuch gemacht hatte , die Anlage doppelräumig zu gestalten. 
Für den nrämiirtcn Entwurf, als dessen Verfasser sich Hr. Thür 
herausstellt, hat in erster Reihe die ausserordentlich glückliebe 
Behandlung der lrinen-Arcbitektur entschieden; auch die Aussen- 
Architektur, bei der nur einige Details zu ändern wären, ist 
fast durchweg hübsch und wirkt namentlich lin der Perspektive 
sehr gut. 

Zum Schlüsse werden einige Geschäftsangelegenheiten er- 
ledigt Für die Kosten des diesjährigen Schinkelfestes wird eiu 
Etats -Zuschuss von 112Thlrn., für die des Besuches des Ham- 
burger Architekten- und Ingenieur -Vereins ein Betrag von 
138 Thlrn. bewilligt Ebenso wird der Kommission für die Her- 
ausgabe der Monatskonkurrenzen, in deren Namen Ur. Stier 
das für 1671 fällige, nunmehr endlich fertige Heft vorlegt, dafür 
Indemnität ertheilt dass sie iu demselben auch eine der alteren 
Scbinkelfestkonkurrenzen, den im Jahre 18(32 von Wietliase 
augefertigten Entwurf eines prinzlichen Schlosses auf dem Brau- 
hausberge bei Potsdam, mit publizirt hat — Fr. — 



SeUeascn mit JaUasle- klappen. 

Die sinnreiche Einrichtung der für Kanäle mit geringem 
Wasserbedarf dienenden Schleusen, welche auf S. 221 <L Bl. be- 
schrieben und abgebildet worden, ist durch den etwa 1858 zu 
Bremervörde verstorbenen Ober - Moor - Kommissär Witte au 
dem, die Ostsee mit der Uamme verbindenden Moorkanalo viel- 
fach ausgeführt und im Augusthefte des Jahrgangs 1842 des 
Gewerbeblattes für das Königreich Uannover S. 20« ausführlich 
beschrieben. *J 

Daselbst ist nachgewiesen, wie die zur Kanalisirung der 
ausgedehnton Moore Im Uerzogtbum Bremen vor hundert Jahren 
gemachten Anlogen, denen zahlreiche Moorkolonien ein gün- 
stiges Bestehen verdanken, der angestrebten Schiffahrtsverbin- 
dung zwischen Elbe und Weser noch entbehren mussten, weil 
der Wasserzufluss auH dem auf der Wasserscheide belegenen 
Moore zur Speisung des Kanals nicht ausgereicht haben würde. 

Die im Jahre 1825 wieder aufgenommenen Untersuchungen 
ergaben die Entfernung der beiden Endpunkte des Guurren- 
burger Moores, welche an der Elbseite durch die Ostc und au 
der Weserseite durch die Hamme und den Kolbeck mit Kähnen 
erreicht werden konnten, zu 15% Kilometer (3352 Ruthen), von 
denen die mittleren 7' , Km im Niveau liegeu, dass nach der 
Oste zu aber auf 8*/, Km ein Gefälle von 5,84'» (20 hannov. Fuss), 
nach der Hamme auf 5V. Kra von 5,20'» (IS") stattfindet Der 
aus dem Moore und zwei kleinen Seen zu erwartende Zulloss 
■ward auf reichlich 750 000 kb'« (3 Milllouen Kubikfuss), der 
Wasserbedarf im Jahre dagegen auf das doppelte Ouantura be- 
rechnet, wenn den anzulegenden Schleusen 0,584"" (2') Gefälle 
gegeben würde; es musste also, wenn die Kanal Verbindung er- 
reicht werden sollte, etwas Anderes ersonnen werden, und ge- 
lang dies durch diu oben bezeichnete Vorrichtung, welcher der 
Name Klappstau gegeben wurde. 

Bis zum Jahre 1830 sind in der Oste -Abtheilung des Ka- 
nals 20 Boicher Klappstaue von je 0,'£>2'» (1') Gefälle und 2,34- 
(8') Weite mit einem gesummten Kostenaufwande von 2,100 Thlr. 
angelegt, und wird der Kanal mit Kähnen von 14,50™ I<änge, 

•) Wla una Iwntrllt «onlnn Ut, Smlttl »ich Mlttbelltlni 
ding» auch lim Bftwwalj anftaxildetea Srhkn.rn •< 
KonatrukUoii dürft* d«iin»rti nicht 




2,05» Breite und bei einer Ladung von lb\000 Pfd. gegen 0,58- 
tief gehend befahren. Die Einrichtung ist so getroffen, dass 
der Kahn bei der Fahrt aufwärts wie abwärts, so viel thunlich 
zunächst auf das oberste Bohleustück der Klappe trifft das nur 
geringen Widerstand leistet da die Klappe mit dem Eisen- 
beschlage nur wenig spezilisch leichter ist als dos Wasser. Es 
folgt das zweite, dritte Bohlcnstück u. s. w. und wie gering die 
Reibung ist, welche die Stauklappe unter dem Boden der Schiffe 
erleidet erqiebt sich daraus dass erst nach 5 Jahren bei jähr- 
lichen Passiren von durchschnittlich 5000 Kähnen, es einer Er- 
neuerung der 4 bis 5 obersten Bohlen bedurft hat. 

Der ausserordentlich geringe Wasserverbrauch dieser 20 
Klappstaue machte es möglich, für die Hatume-Ahtheilung etwa« 
grössere Schleusen anzulegen, welche die Bergfahrt für beladeue 
Fahrzeuge erleichtern, da diese bei der angegebenen Grösse An- 
strengung erfordert, die man später zu vermeiden gelernt hat. 
Es ist gelungen, dem Kanäle aus Gegenden Wasser zuzuleiten, 
welchen im natürlichen Verlaufe eine andere Richtung der Ab- 
wässerung angehört, und konnte deshalb schon 1842 der Bau 
der Klappstaue als ein für deu Oste-llamme Kanal überwunde- 
ner Standpunkt angesehen werden. 

Immerhin aber behält die dort vor mehr als 40 Jahren von 
Witte ausgeführte Anlage für Gegenden, denen nur ein geringer 
Wasserzufluss zu Gebote steht, ihre Bedeutuug. — O. — 

Konkurrenzen. 

Ein Preisausschreiben der Wiener Unlon-Ban-Oe'aeU- 
sohaft fordert zu einer Konkurrenz für den Situationsplan dei 
auf dem Kahlen- und Leopoldsberge zu errichtende Villen- und 
Gartenanlage auf. Das Programm und die Materialien sind von 
der Direktion zu beziehen; Einliefcrungstermin für die Pläne, 
von denen drei mit Preisen von 500, 300 und 200 fl. Oe.-W. 
prämiirt werden sollen, ist bereits der 30. Juli. 

Die Entscheidung der Konkurrenz für Entwürfe zt» 
einem Bankgebäude für Frankfurt a M hat mit dem ersten 
Preise deu Entwurf der Hrn. Linnemann & Strieglcr In 
Maiuz (Motto „Lux"), mit dem zweiten Preise den Entwurf des 
Hrn. J. Litzcumayer in Aalen Wrtmbg. (Motto „Mercuriua*) 
bedacht 



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Jahrg. IL 



J*2 2ft 



DEUTSCHE BAUZEITUNG 



K.daktioa *. BxpiJition: 

BeitiUufiftn 

itorathuM* alle f**i«niU)Un 
tnd B.üt*.h*ndJun|cn, 
f*r Berlin die lipUiVm. 



Organ des Verbandes 

deutscher Architekten - und Ingenieur-Yereine. 

Redakteur K. E. 0. Fritieh. 



tit dir Lttet d.r drabch.a 
Baaxntaag flndra Auftiakme 

In der t-raln - ll'ttur ; 

„Ban- Anntfar" 
tarertWarprrH S', Str. V" 



Preis 1 Thaler »r. (uartal. 



Berlin, den 18. Juli 1872. 



Ersrheint jedea DanaenUg. 



Inhalt: l'rottranin) di*r XVI. V#tunnlun^ aVuturhfr Archit.klcn ond In- 
|.al«.r. su KarUrub*. — Ueter di* Knakurr.ru für Katwiirfo tan Haau* d.i 
deatarnrft Rrdea.laflaa. — Di. Ktataarfraax de* Ttiarm-f* dar kBlAnlisch.n llof- 
klrrli. sa LHaeden. — M itthellanKen auf Vereinen: Arrlii1.kuuvar.la ta 
Barila. — V.rrnl.t hl«»: Ueber GeeckalndigkeiteiaeaMiniieti am Hli.fa btt 0«r- 



ra.rslwlm (Im Jahr. 1*71) ■■■ Vtrciei.h d« WciltmaaaVrh.ri HrdrorafUr«, d.r 
TabeDarr» and d« Oh.rtarheiMchvIliimrr.. - K o II k ar r . Ii > » B : Za der Knn- 
kurren« für Katwurf, la eiaem lMakmaL aar d.ra Mari.iilH.rv. »a Hr.». 
a. d. H. - r-fr.naalKaeariar.ta>.. - Brief- uad Fraiieki.ten 



in 

Dentscher Architekten nnd Ingen. enre 

in 

Karlsruhe 1872. 



Sonntag, 22. September: 

5 Uhr Abends. Gesellige Zusammenkunft im Garten der 
Gesellschaft „Eintracht", bei ungünstiger Witterung 
im Saale. 

Montag, 23. September: 

9 Uhr Gesammtsilznng im grossen Saale der Musenms- 

Gesellschaft: Begrüssungen der Versammlung. 
10 „ Abtheilnngs- Sitzungen in Hörsälen des Polytech- 
cums für 

1. Architektur, 4. Marinetechnik, 

2. fiauingeuieurwenen, 5. Hüttenwesen, 

3. Maschinenbau, 6. Technische Chemie. 
12 . Gänge durch die Stadt vom Polytechniewn ab, in 

Abtheilungen, welche durch verschieden farbige Fah- 
nen kenntlich gemacht werden: 

1. Architekten (roth): Residenzschloss, Wintergärten, 
Lehrerseminar, Turnhalle, Sammlungsgebäude. 

2. Bauingenieure ( blau ) : Kiseubahnwerkstätten , 
Städtisches Wasserwerk, Badeanstalt. 

3. Maschinentechniker (gelb): Maschinenfabrik, 
Eisenbahnwagenfabrik. 

3 „ Kurzes Mittagessen in verschiedenen Lokalen der 
Stadt. 

•1 « Abfahrt vom Haupthahnhof nach Maxau. 
4*> , Ankunft in Maxau. Besichtigung der Eisenbahn- 
schiffbrücke, Anstellung von Beobachtungen über 
die Bewegung des Wassers. 
Rückfahrt von Maxau. 
Ankunft am Bahnhof, Mühlburger Thor. 

„ - Hauptbahnhof. 
Festvorstellung im Hoftheater (freier Eintritt). Nach 
Beschluss derselben gesellige Zusammenkunft in 
einer Bierhalle. 

Diu s tag, 24. September: 

Abtheilungs-Sitzungen im Polytechnicum. 
Abfahrt vom Hanptbahnhof nach Baden. 
Ankunft in Baden. Empfang der Gäste. 
Festlicher Zug durch einen Theil der Stadt. 
Einnahme eines durch die Stadt Baden angebotenen 
Frühstücks in der Trinkhalle. 
1 M - Spaziergang auf das alte Schloss (bei günstiger Wit- 
terune). Während des Aufenthaltes daselbst wer- 
den die Gesangvereine der Stadt Baden und eine 
Musikbande vortragen. 

Von 2 — G Uhr stehen zur Besichtigung geöffnet: Die 
neue evangelische Kirche, Stiftskirche, griechische 
Kirche, das neue Schloss, Dampfbad, neue Kirche 
und Klosterkirche in Lichtenthai, die neuen Säle 
im Konvcrsationshause. 

G „ Mittagessen im KonversaUonsbause. 

9 , Beleuchtung und Musik vor dem Konversationshause 

(bei günstiger Witterung). 
11» , Abfahrt vom Bahnhof in Baden. 



PKOGRAMM. 

12 Uhr Ankunft in Karlsruhe. 

Mittwoch, 25. September: 



5" . 

C „ 
7 . 



8 Uhr 
10« , 
II" . 

12 , 

1 090 
a* « 



9 
12 



10"» 



Uhr Abtheilungs-Sitzungen im Polytechnicum. 
„ Gesammtsitzung im grossen Saale der Museums-Ge- 
sellschaft: Referat« aus den Abtheilungen. Berathnng 
über die künftigen Beziehungen der Wanderver- 
sammlung zum Verband deutscher Architekten- und 
Ingenieur-Vereine, Schluss der Versammlung. 
3 « Festliches Mittagessen in verschiedenen Lokaleu 

der Stadt — 
7 , Festvorstellung im Hoftheater (freier Eintritt.) Nach 
Beschluss derselben gesellige Zusammeukuuft in 
einer Bierhalle. 

Donnerstag, 26. September: 

Ausflug nach Mannheim - Heidelberg. 
8 45 Uhr Abfahrt vom Hauptbahnhof in Karlsruhe auf der 
Kheinlrahn. 

Ankunft in Mannheim. Gang durch den Schloss- 
garten zur Rheinbrücke und zum oberen Theil de« 
neuen Hafens. Dampfbootfahrt längs der Mühlau 
bis zur Xeckarspitze und die Neckar- Korrektion 
aufwärts. Ausschiffung an der Keltenbrücke. 
Einnahme eines durch die Stadt Mannheim ange- 
botenen Frühstücks. 
Abfuhrt von Mannheim. 

Ankunft in Heidelberg. Empfang am Bahnhof. 
Gang nach der Peterskirche, Jesuitenkirclie, Xevkar- 
brücke und zu den Alterthums - Sammliitigeu des 
Herrn Metz. Aufgang durch den Hausuckerweg 
zum Schloss und Besichtigung desselben. 
Mittagessen iu der Restaurationshalle am Schloss. 
Bengalische Beleuchtung des ganzen östlichen Theils 
der Schlossniine nebst Waldparthic. 
Rückfahrt vom Bahnhof Heidelberg. 
Ankunft in Karlsruhe. 

Ausflug uach Strassburg. 
8 50 Uhr Abfahrt vom Hauptbahnhof in Karlsruhe. 



2» 

240 



8 

10 

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10» 



11 

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12 



3 

6» 
8» 
11» 



Ankunft in Kehl. Passiren der Eisenbahnbrücke 
zu Fuss. Begrüssnng der Gäste im Elsass. Besich- 
tigung der Uferbauten. 

Frühstück im Lokal der Rheinlust am linken 
Rheinufer. 

Abfahrt von da auf der Eisenbahn. 
Ankunft im Hauptbahnhof zu Strassburg. Tlieilnng 
in Gruppen, welche durch verschieden farbige Kar- 
ten und Fahnen kenntlich gemacht sind. Die 
Gruppen schlagen verschiedene Wege ein zur Be- 
sichtigung des Münsters, des Frauenhauses, der 
Thomaskirche, des Theaterbaucs, der Kanalanlagen, 
eines Theils der Festungswerke. 
Gemeinschaftliches Mittagessen- 
Gartenfest in den Contaden. 
Abfahrt vom Hauptbahnhof in ! 
Ankunft in Karlsruhe. 



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- 234 -. 



Bemerkungen. 



1. Unterstützungen. Ausser den Fahrpreis-] 
guugcu auf 42 deutschen und österreichischen Eisenbahnen wer- 
den die Zwecke der Versammlung durch folgende Unterstützun- 
gen gefördert: 

Die beiden Festvorstellungen im Hoftheatcr werden durch 
die Muuifizeuz Sr. Königlichen Hoheit des Gmssherzogs von 
Baden dargeboten. Zufolge höchster EntSchliessung sind ferner 
die der Grossb. Hofverwaltung unterstellten Gebäude uud Samm- 
lungen in den näher angeführten Stunden zur Besichtigung 
geöffnet. 

Sfinimtliche im Programme aufgezählten Ausflüge erfüllten 
mittels freier Eitrazüge, welche vom Grossh. Handelsministerium 
zu Gunsten der Versammlung Iwwilligt worden siud. 

Die badische Regierung uud die Stadt Karlsruhe übernehmen 
bis zu einer gewissen Höhe die Deckung eines etwaigen Aus- 
falle« iu den Kosten der Versammlung. 

Die Städte liaden uud Mannheim geben Frühstücke auf den 
Ausflügen dahin; die Stadt Heidelberg veranstaltet die Beleuch- 
tung des Schlosses. 

Die Lesezimmer und sonstigen Lokalitäten der Gesellschaf- 
ten Museum und Eintracht stehen den Mitgliedern der Ver- 
sammlung als Gästen offen. 

2. Ue achftfti lokale. Dis Geschäftszimmer befinden 

sich im Gebäude der Gesellschaft Eintracht, am Hauptcingatig« 
aus dem Bahnhof iu die Stadt. Sie sind geöffnet am '_'!., 22. 
und 23. September vou 8 bis o', am 24. und 25. September von 
S bis 10 Uhr; und findet hier das Einschreiben, Verkaufen der 
Karten, Vertheilen des Programme*, Festzeichens u. s. w., und 
Anweisen von Wohnungen Statt. 

Das schwarze Brett im Polytcchuicum dient zu Bekannt- 
machungen des Lokalkomites au die Mitglieder, zu etwaigen An- 
zeigen der letzteren, endlich- zum Anheften von eintreffenden 
Briefen, wenn solche mit der Bezeichnung des Adressaten als 
Mitglied der Versammlung, oder mit der Adresse Pol) techuicum 
versehen sind. 

3. Karten. Es werden ausgegeben: Allgemeine Mitglieds- 
Karten zum Preis von 4 Tblr. = 1 fl., Karte zum Mittagessen 
in Karlsruhe am 23. September, desgleichen am 2.'>. September. 
Karten für die Ausflüge nach Batten, Maiiuhciui-Heidcltterg und 
Strassburg, zum Preist- von je 3 Tblr. = 5 II. Ii) kr. (incl. Essen 
ohne Wein}. Für theiluehmeudu Damen fällt die Losung einer 
Mitgliedskarte weg. 

Es wird dringend ersucht, alle guwüuschtcu Kar- 
ten alsbald nachdem Eintreffen in Karlsruhe zu kau- 
fen; nach dem 23. September Mittags kann ein Platz bei den 
mittels Karte zugänglichen Veranstaltungen nicht mehr garan- 
tirt werden. 

Dia beiden Ausflüge nach Mannheim -Heidelberg uud 



Tag gelegt, 
»der nicht ol 



irg siud auf den gleichen 
lieh die GesammUahl al l er Mitglieder nicht ohne grosse Schwie- 
rigkeiten an einem Punkt untergebracht werden könnte, und 
muss aus demselben Grunde die Wahl für eine der beiden 
Richtungen in einem gewisscu Grade beschränkt werden. 

4. Sammlungen. Es können besehen werden : Die 
Ausstellung von Zeichnungen, Modellen und Baumaterialien im 
Polytee.hnicuin am 23., 24. und 25. September vou 8 bis 12 Uhr; 
die Modellsanimlungen der Bauschule und der Maschineuhau- 
schule, dio naturwissenschaftlichen Sammlungen, sowie eine 
Ausstellung vou Arbeiten der Studireudeu der Bauschule, im 
Polyteehnicum am 23., 24. uud 25. September von 8 bis 12 Uhr : 
die Kunsthalle (Gemälde und Gypse) am 23. und 25. September 
von 1 bis (1 Uhr; die Landes-GewenM>halle und eine Ausstellung 
von Arbeiten aus dem kunstgewerblichen Unterricht in dieser 
Anstalt, am 23. uud 25. September von 8 bis 12 uud 2 bis t; Uhr. 

Ferner können auf Wunsch besichtigt werden: die Alter- 
thumshalle, Kunstschule, Hofbibliothek, das Uof-Naturalieukabinet 
und Münzenkabinet- 

5. Weitere Exkursionen. An den Ausflug nach 
Strasburg können folgende technische Exkursionen angeschlossen 
werden, zu deren näherer Leitung die betreffenden Fachgenossen 
gern bereit sind: 

Wagenfahrt nach Wolfisheini, über die Uausberge. bis zum 
Rhein-Marue-Kanal bei Höhnheim, zur Besichtigung der Forts- 
bauten, der diese verbindenden Eisenbahn und der 
Strasse. '/, Tag. 

Besichtigung des Khcin-Khone-Kunals, der Kirche in , 
und der Maschinenfabrik (irafeustadeu. Tag. 

Eisenbaliufahrt nach Zabern, von da über die Zaberner 
Steige (Karlssprung) nach Pfalzburg, Besichtigung des Abbruches 
der Festungswerke, ins Zornthal hinab nach Lützelburg und am 
Kanal bis zum Berzweiler Tunnel, Eisenbahn fahrt von Lützel- 
burg nach Strassburg. 1 Tag. 

Eisenbaliufahrt Appcnwcier-Offenburg-Hausach, Wagen vou 
Hausach nach Hornberg. Begehen der Schwarzwaldbabu Hom- 
berg -Triburg -St. Georgen, zurück mit der Post- 2 Tage. 

<>. A n m e 1 d u n g e n. Wiederholt wird um Anmel- 
dung bei dem Lokalkomi te (Adresse Pulytuch nicum ) 
mittel s Brief oder Post karte vor dem 8. Seht ersucht, 
namentlich, wenn die Besorgung eines Logis, die Ueberscuduug 
einer Einladungskarte behufs Fahrpreis - Ermässigungen , oder 
Kaum in der Ausstellung gewünscht wird. Aber auch ohne 
diese besonderen Anliegen dürfte es sehr im Interesse dei 
Fachgenossen liegen, ihre Mitgliedschaft im Voraus anzukündi- 
gen, weil alle Einrichtungen um so praktischer getroffen werden 
können, je früher die Zahl der Theilnehmer abzuschätzen ist. 



teber die Konkurrenz für Entwürfe zum Hanse des deutschen Reichstages. 

Vortrag des Herrn Professor R. Lucae in der Hauptversammlung des Architekten -Vereins zu Berlin am C.Juli 1872. 

Meine Herren! Erwarten Sie von mir nicht, dass ich diesem Fall aber nicht mögliche Kenntnis« der Verhand- 
das l'rtbeil, welches die Jury über die Parlamentsidäne ge- lungen zu besitzen, als Vertreter eines öffentlichen Blattes 
sprachen hat, hier vor Ihnen vertheidigen oder rechtfertigen die Verdammung einer Jurv proklamirt, schadet der Sache 
werde. Ich unterlasse es, nicht etwa in einem altmodischen mehr, als er ihr nützt, denn obwohl sein Verdammungs- 
Infehlharkeitsdüukel, weil ich mich für zu gut halte, auf urtheil nur die Meinung eines Einzelnen repräsentirt, hat es 
einen öffentlichen Angriff auch öffentlich zu antworten, son- doch moruentau durch die Stelle, an welcher es steht, auf 
dem weil ich in diesem Kall zu einer solchen Verteidigung die Menge einen grösseren Einfluss, als jedes andere ge- 
oder Rechtfertigung weder die Pflicht noch ein Recht habe, sprochene Wort, und darum will ein solcher Ausspruch vor- 
her wohl uud doppelt überlegt sein, ehe er iu alle Welt 
geht und eine Körperschaft zu diskreditireu sucht, von der 
jeder Einzelne zu stolz sein muss, um sich gegen den Vor- 
wurf der Gewissenlosigkeit zu vertbeidigeu. 

M. II.! Das clK>n Gesagte hält mich aber nicht al>, 
durch eine historische Darlegung der ganzen ParlamenLshaus- 
angelegenheU Manches, worüber falsche Berichte ins Publi- 
kum und in deu Kreis unserer Fachgenossen gedrungen sind, 
thatsächlich aufzuklären und dadurch eine vielleicht weniger 
einseitige Auffassung des vielbesprochenen Gegenstandes in 
weiter«! Kreise zu trugen. 

Als im vergangenen Sommer eine Kommission nieder- 
gesetzt wurde, um ein Programm für ein deutliches Reichs- 
tagsgebäude auszuarbeiten und die Bedingungen, unter welchen 
die Konkurrenz dazu vorgenommen werden sollte, festzu- 
stellen, wurde ich von Ihnen in diese Kommission gewählt 
und musste später den Vorwurf hören, dass der Delcgirte 
des Architekten -Vereins die vom Verbände deutscher Archi- 
tekten und Ingenieure adoptirten Grundsätze missaebtet 
hätte, wonach iu jeder Jury vorwiegend Fachgenossen oder 
Sachverständige vertreten Nein sollen. M. H.! Abgesehen 
davon, dass ich mein Mandat von Ihnen bedingungslos 
bekommen und auch bedingungslos angenommen habe, uud 
obgleich ich selbst sehr wohl weiss, dass es für uns ein 
zu erstrebendes Ideal sein muss, in unseren Arbeiten auch 
vorwiegend von Architekten beurtheilt zu werden, so 
würde jeder Andere iu jener Kommission ebenso bald wie 



sich aus dem Folgenden überzeugen, m. IL, 
ich, wie immer, so auch jetzt bereit bin, vor dem 
Forum meiner Fachgenossen, die mich nun schon so oft mit 
ihrem Vertrauen beehrt haben, mein persönliche» Verhalten 
in einer allgemeinen Sache, soweit es mir erlaubt ist, offen 
darzulegen, aber was das Urtheil der Parlamentsjury betrifft, 
so halte ich mich da nur für den Theil eines Ganzen, in 
welchem der Einzelne, vorausgesetzt dass die Moral ihm dies 
erlaubt, mit seiner persönlichen Meinung aufzugehen hat. 
wenn die Würde eines Preisgerichts und vor allen Dingen, 
wenn der Zweck eines solchen Preisgerichtes aufrecht er- 
halten werden »oll. Dieser Zweck bestellt nach meiner An- 
sicht aber gerade darin, dass aus den subjektiven Mei- 
nungen einer gewissen Anzahl zu verlässiger.Mäuuer 
ein objektiverMeinungsniederschlag gebildet wird, 
nnd dass die oft verletzende und leicht irrende 
persönliche Beurtheilung auf diese Weise in ein 
unpersönliches und wirkliches Urtheil verwandelt 
wird. Dass bei der Unvollkommenheit aller unserer mensch- 
lichen Einrichtungen auch hier ein Ideal nicht erreicht wird, 
verstellt sich von selbst, und warum es bei den Mängeln 
unserer Natur anch meist nicht erreicht werden kann, das. 
glauben Sie mir, m. IL, würdigen die wenig Bencidcns- 
werthen, welche die sc.hwcrvernntwortliehe Pflicht eines 
Richteramtes auszuüben haben, selber in gerechterer Weise 
als jeder Andere. Derjenige aber — ohne jeden Groll sei 
es hier gesagt, m. IL — welcher, ohne die dazu nötliige, in 



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- 235 



irh sich davon überzeugt habeu . dass der seltene Moment, 
in welchem alle Parteien des deutschen Reichstags wie ein 
Mann zusammen stehen, derjenige ist, in welchem von irgend 
einer Seite auch nur der Versuch gemacht würde, die 
Souverainetat dieser hohen Versammlung anzutasten- Als 
einen solchen Versuch betrachten es aber die Mitglieder des 
Parlaments, wenn dasselbe durch jenes Prinzip, nach welchem 
die Jury überwiegend aus Sachverständigen bestehen soll, 
von vornherein majorisirt und in der Freiheit seiner Ent- 
schlüsse beeinträchtigt würde, und, m. H., faktisch liegt die 
Sache ja auch so, dass sechs ad hoc gewählte Sach verstän- 
dige in einer Kommission von zusammen l'J Personen durch 
die überzeugenden Gründe, mit welchen sie ihre Mei- 
nung den Uebrigen ans Herz legen können, immer mehr oder 
weniger die Führerschaft übernehmen, so dass auch in dem 
vorliegenden Falle der Ausspruch der Jurv, welcher die 
grössteu Gegensätze aller architektonischen Glauliensbekeiint- 
uisse in sich zu vereinigen scheint, viel weniger in dem Ver- 
hältnis* der Laien zu den Architekten, als in dem Umstand 
zu suchen ist, dass in den letzteren die verschiedensten 
Architekturschulen innerhalb der Jury ihre bewussten Ver- 
treter fanden. 

Wenn die Architekten aber eine Gefahr für ihre Sache 
in der erfolgten Zusammensetzung der Jury erkannten, dann 
wäre es damals am ( Irte gewesen , nach der missglückten 
Petition au den Reichstag die besten Namen in unserer 
Kunst zu einer Erklärung zu veranlassen, dass sie unter 
diesen Umständen an einem Kampfe nicht theilnehmen 
wurden. M- IL! Es mag von mancher Seite bezweifelt 
werden, ob ein solcher Schritt Erfolg gehabt hätte; ich 
glaube, dass er von grossem Gewicht gewesen wäre. Jeden- 
falls würde er praktischer und korrekter gewesen sein als 
jetzt die nachträgliche Verwunderung über das l'rtheil einer 
Jur>, deren Zusammensetzung man nicht allein dem Prinzip 
nach gekannt hat, sondern bei der man von jedem ein- 
zelnen Manne — so zu sagen — sein Glauliensbekcnntuiss 
vorher wusste. 

Viel wichtiger erschien es mir damals, im Interesse un- 
serer Fachgenossen einen Grundsatz zur Geltung zu bringen, 
welchen der Verband der vereinten Architekten und Inge- 
nieure leider nicht auf seine Fahne geschrieben hat, näm- 
lich den Grundsatz, die Bestimmung im Programm aufge- 
nommen zu sehen, dass jeder, der bei eiuer architek- 
tonischen Konkurrenz den ersten Preis gewinnt, 
mindestens auch mit der Bearbeitung der definiti- 
ven Pläne beauftragt werden muss. Dies ist der 
Kernnunkt des ganzen Kouknrrenzthums. und ich behaupte, 
in. H., so lange ihm diese ideale und zugleich eiuzig prak- 
tische Grundlage fehlt, fordern diese öffentlichen Kampf- 
spiele die Kräfte der Architekten nur zu einer Lotterie her- 
aus, in welcher der Gewinn für den Einzelnen und für das 
Allgemeine nicht im Verhältnis» zur Höhe der Einsätze steht. 

Ich komme nun zu den einzelnen Puukteu, die beson- 
ders in öffentlichen Blättern besprochen worden sind. Es 
ist der Staatsregierung daraus ein Vorwurf gemacht worden, 
dass sie. bevor sie die Konkurrenz ausgeschrieben, sieh nicht 
vollständig darüber vergewissert hatte, ob dieser Platz auch 
wirklieh zu haben wäre, und dass sie so die besten Kräfte 
unserer Nation, die bona fide für die Erreichung eines prak- 
tischen Zieles in die Schranken traten, veranlasst hätte, uur 
um ein Phantom zu kämpfen. M. H.! ich glaube, der Name 
Bismarck bürgt wohl dafür, dass es sich hier nicht nur um 
ein Phantom handelte und dass die Staatsregierung, indem 
sie die Konkurrenz ausschrieb, vollkommen die Ueberzen- 
gung balle, dass sie diesen Platz für den Bau eines Reichs- 
tagsgebäudes bekommen würde. Und sie steht auch heut 
noch auf diesem Standpunkt, diesen Bauplatz festzuhalten. 
Die Kommission hat neulich beschlossen, in erster Linie bei 
diesem Platz als dem relativ «loch allerbesten zu bleiben und 
den KroU'schcn Platz als den allerdings eventuell zweitbesten 
im Auge zu Multen. 

Aber ich kann mich mit dem oben erwähnten Vorwurf 
auch prinzipiell nicht einverstanden erklären. Wenn die 
Staatsregierung nach dem Abschlüsse der Konkurrenz, die 
den wichtigen Zweck hatte, die ganze Angelegenheit zu klä- 
ren und zu reifen, jetzt zu der Ueherzeugnng gekommen sein 
sollte, den ursprünglichen Platz ■ — selbst wenn er schon 
käuflich in ihren Besitz übergegangen wäre — wieder zu 
verlassen, dann würde ich durchaus nicht glauben, den Kon- 
kurrenten sei dadurch eine unwürdige Behandlung zu Theil 
geworden, dass man sich thatsächlich durch ihre Arbeiten 
ilie Gewissheit verschafft hätte, dass dieser Platz für ein 
Gebäude, welches bestimmt ist, Jahrhunderte zu stehen, nicht 
passend wäre. 

Ich wurde es in diesem Falle nicht allein für recht und 



, erlaubt, sondern ge/ndezu für eine Pflicht der Staatsregierung 
halten, sich nach einem anderen Platze umzusehen, und diese 
Krwägung ist in der That auch der einzige Grund, aus wel- 
chem bei den betreffenden Behörden vielleicht geschwankt 
wurde, ob man nach dem gewonnenen Resultate der Kon- 
kurrenz nicht lieber einen anderen Platz in's Auge fasseu 
sollte. Sie wissen m. IL, dass ein Dualismus dadurch in die 
meisten Lösungen der Projekte gekommen ist, dass die Kon- 
kurrenten nicht recht wussten, ob sie den Haupteingang nach 
i der Seite der Stadt legen, oder gegen das Nationaldenkmal 
J kehren sollten. Das Natürlichste für den Geschäftsverkehr 
I des Hauses ist ja, dass man den Hanpteingang sofort sieht 
und findet, wenn man aus der Stadt kommt, dagegen fordert 
die ganze Disposition des Platzes architektonisch unbedingt 
, dazu auf, die Hauptfront des Parlamentsgebändes in eine di- 
; rekte Beziehung zum Siegesdenkmal zu setzen und sie als 
solche durch den Haupteingang auch zu charaktcrisiren. 

Ein weiteres Bedenken, welches von vielen Seiten in 
der Jury gegen die definitive Wahl des bisherigen Platzes 
laut wurde, bestand dariu, dass man nach den aus der Kon- 
kurrenz gewonnenen Erfahrungen den disponiblen Raum in 
der That für kaum ausreichend halten konnte, wenn auf 
demselben die sämintlicben Bedingungen des Programms 
wirklich erfüllt werden sollten. 

Ein dritter Umstand endlich, der zwar nicht erst nach 
der Konkurrenz, sondern schon vor derselben einen gewissen 
Zweifel in Bezug auf die Angemessenheit des Platzes übrig 
liess. war der, dass trotz der notwendigen Expropriationen 
nicht allein des Raczynski'schen Gebäudes, sondern auch der 
beiden Kasernen und eines Theiles der Freund'scheu Fabrik, 
die wüuschetiswerthe Parallelität der Sommerstrasse mit 
dem Parlamciitsgebaude nicht erreicht werden kann. Trotz- 
dem hat man sich aber doch sagen müssen, dass Alles in 
Allem erwogen, der in Rede stehende Platz von allen erreich- 
baren Grundstücken das erreichbarste ist, wenn man sich 
eben nicht blos mit Phantomen abgeben will. 

Was nun die geschäftliche Behandlung der Arbeiten der 
Jurv betrifft, so möchte ich mir auch darüber einige Worte 
erlauben, obwohl Manches an Gerüchten untergelaufen ist. 
was kaum der Mühe Verth wäre widerlegt zn werden, wenn 
nicht gerade die ungereimtesten Dinge am liebsten geglaubt 
würden. Dahin gehört z. B. die hier und da aufgetauchte 
Itehauptung. dass vor der eigentlichen Beurtheilung der Pro- 
jekte ein diplomatisches Abkommen dahin getroffen worden 
wäre, dass höchstens zwei Berliner Architekten mit Preisen 
bedacht werden sollten, ausserdem aber jedenfalls ein eng- 
lisches, ein süddeutsches und ein nicht-preussiseh-nnrddeut- 
sches zu prämiiren wäre. Es ist dies eine ebenso müssige 
| Erfindung, als der Vorwurf thatsächlich unbegründet, dass 
! die Jury ihrer wichtigen Aufgabe nur vier kurze Sitzungen 
gewidmet hatte. M. H. der Verlauf unserer Thätigkcit ist 
folgender gewesen. 

In der ersten Sitzung, in welcher festgestellt wurde, wie 
die ganze Sache überhaupt behandelt werden sollte, ist nach 
ziemlichem Kampfe der Vorschlag durchgedrungen, dass zu- 
nächst eine Kommission aus vier Architekten und zwei Nicht- 
Architekten — einem Mitgliede des Bundesrates und einem 
Reichstagsabgeordueten — eiue Sichtung der Pläne vorneh- 
men sollte, um diejenigen Arbeiten zunächst auszuscheiden, 
auf die in der rSciirthcilung nicht weiter einzugehen wäre. 
! Diese Kommission erstattete nun, nachdem sie ihre Arbeil 
beendet hatte, vor jedem Projekte dem Plenum der Jury 
Bericht und beantragte nach kürzerer oder längerer Motivi- 
rung. entweder den betreffenden Entwurf anf die engere 
Wahl zu setzen, »der nicht. Auf diese Weise blieben für 
I eine eingehendere Beurtheiluug 2S Projekte übrig. Jedes 
derselben wurde nun zur Berichterstattung an einen der sechs 
Architekten der Jury verloost und darauf jedem technischen 
Heferenten entweder ein Mitglied des Bundesrates oder des 
Reichstages ebenfalls durch das Loos zuertheilt Es haben 
dann diese so zusammengesetzten kleinen Subkommissionen 
in der darauf folgenden Woche täglich von Morgens acht Uhr 
Iiis zum Abend so lange es hell war, vor den Plänen ge- 
sessen, sie studirt, darüber debattirt und sich ihr l'rtheil 
gebildet, nachdem vorher von vier vereideten Bauführern 
(Mitglieder unseres Vereines) sämmtliche Entwürfe mit dem 
Zirkel genau darauf hin geprüft worden waren, ob sie äusser- 
lich das Programm erfüllt nach Zahl und Grösse die ver- 
langten Räume untergebracht und im Wesentlichen die Bau- 
platzbediugungen innegehalten hätten. Dies, meine Herren, 
ist der Geschäftsgang gewesen und nachdem die Subkom- 
missionen ihren mühevollen Auftrag erfüllt hatten, ist von 
den betreffenden Referenten und Korreferenten wieder der 
Gesamratkommission an Ort und Stelle über jedes Projekt 
eine ausführliche Beschreibung und eingehende Kritik gege- 

Uigitiz ed by Google 



23G — 



u uud nach darauf stattgehabter Debatte. ein Beichluss da- 
, über herbeigeführt worden, ob die betreffende. Arbeit für 
geeignet zu erachten sei, auf die engste Wahl gesetzt zu 
werden oder nicht. Aus diesen Debatten gingen schliesslich 
die fünf bekannten Projekte als die preisgekrönten hervor 
Und es blieb endlich nur noch die schwierigste Aufgabe, 
nämlich die Zuerkennung eines ersten Preises unter den fünf 
Ausgewählten, übrig. Abgesehen davon, das* es einem Mit - 
gliede der Jury am allerwenigsten anstehen würde, an einer 
öffentlichen Stelle auf die Einieelnheiten jenes Sclilnssakte* 
einzugehen, wäre ex auch schon um deswillen überflüssig, 
weil der ganze Vorgang bereits im Munde von Jedermann 
lebt. 

Ich komme nun zu dem Hauptvorwurf, welcher der Jurv 
daraus gemacht worden ist, dass sie kein motivütes UrtheU 
gegeben und besonders den Unterlegenen nicht gesagt hat, 
warum sie >qlcrlcgm sind. M. U., ich gestehe ftinen ganz 
offen, dass ich in der Kommission für eine schriftliche Be- 
gründung unseres l'rtheils war. dass ich mich aber nach 
einer kurzen Debatte über diesen Gegenstand von der mate- 
riellen Unmöglichkeit dieses Unternehmens überzeugt habe. 
Denken sie sich 1!< Mänuer aus den verschiedensten Lebens- 
stellungen und Bvruf>.k reisen, alle von dem besten Willen, 
aber auch von den allerverschiedeasten Meinungen erfüllt, 
die sie entweder mitgebracht oder in der Debatte gewonnen 
haben und die bei dem babylonischen Anbitektursprachen- 
gewirre unserer Zeit diametrrrt auseinanderlaufen! Ja. m. H . 
wie wäre es da wohl möglich gewesen für die Beurtbeilnng 
irgend eines Projektes — vielleicht mit alleiniger Ausnahme 
de» Pyrmonters — eine Fassung zu finden, welche von der 
Kommission als solcher unterzeichnet wurden wäre? Die 
Jury hätte sich in jedem einzelnen Falle in ihre Theile auf- 
gelöst. Und zwar würde es sich neben dem Ausschlag geben- 
den Votum nicht etwa nur um ein Separatvotum gehandelt 
haben! Denn, m. H., wenu es schon schwierig gewesen 
wäre, bei dieser Zusammensetzung der Jury Diejenigen in 
Bezug auf ihre Motive zu vereinigen, welche aus den ver- 
schiedensten Gründen für ein Projekt stimmten, so hätten 
sich Diejenigen, welche in der Minorität geblieben, noch viel 
weniger zu einem Gesammtvotuui herbeigelassen, da < bei 
ihnen nicht einmal die Nötbigung zu einem Kom- 
promisse, wie bei jenen, vorlag. Ks wäre eine wahre 
Fluth von Separatvoten zu Tage gefördert worden, und darum 
habe ich mich aus vollster Ueberzeiigung denen nilOlliliciltl) 
müssen, die ein motivirtes Urtlicil in diesem Falle für niebl 
möglich hielten. Nur aus diesen augeführten Gründen ist 
dasselbe unterblieben und also nicht etwa, wie behauptet 
worden ist, weil die Herren so eilig gewesen wären und Alles 
in die kürzeste Zeit hätte zusammengepresst werden müssen, 
um schnell dem Reichstage die Entscheidung vorzulegen. 
Bei dein Ernst, mit welchem die Jury die von ihr übernom- 
mene Pflicht zu erfüllen suchte, konnte selbstverständlich 
eine solche Auffassung nicht Kaum gewinuen. 

Auf die Frage nun, warum denn aber trotz des unrao- 
tivirten UrtliciU der Jury nicht einzelne Architekten gegen 



gewisse Preisertheilungeu protestirt und auf diese Weise ihr 
architektonisches Gewissen salvirt hätten, muss ich antwor- 
ten, dass dieselben Architekten, welche in diesem oder jenem 
Kalle es für ihre Pflicht gehalten haben würden, gegen eine 
Preisertheilnng zu protesliren, in 12 oder 14 anderen Fällen 
dieselbe Pflicht gefühlt hätten, für eine Preisertiieilung ihre 
Privatlanzen einzulegen. Es wäre in der That — wenn ich 
darin recht habe, dass ein Preisgericht sich nicht in sub- 
jektive Meinungen auflösen, sondern ein objektiver Meinungs- 
niederschlag sein soll — diese Aufgabe durch eine solche 
Behandlung der Sache völlig unmöglich geworden zu erfüllen. 

M. H. Bisher habe ich von Dingen gesprochen, die ge- 
schehen und nicht mehr zu ändern sind. Nun aber handelt 
es sich darum, was sollen wir thun und wie sollen wir die 
Erfahrungen, die wir gemacht haben, benutzen. Ich bin der 
Meinung, dass man vorher erreicht, was zu erreichen ist, 
statt nachher mit wirkungslosen Protesten zn kommen. 

Sie wissen, m. H , das» der Reichstag den Beschluss ge- 
fasst hat. ausser den Siegern noch eine Anzahl von bekann- 
ten Architekten des In- und Auslandes zu einer engeren Kon- 
kurrenz aufzufordern, und dass eine Kommission niedergesetzt 
worden ist, nm die weiteren Sehritte zu berathen, die nun 
vorgenommen werden sollen. M. H., was für eine schwie- 
rige Aufgabe es ist, die dieser Kommission bevorsteht, dass 
werden Sie mir nachempfinden, und ich brauche Ihnen nicht 
auseinander zu setzen, dass Alles, was sie bisher schon hat 
auf sich nehmen müssen, verhältnissmässig noch gering ist 
gegen diese neue Verantwortlichkeit, die ihr bevorsteht 

Eb sollen diejenigen Architekten genannt werden, welche 
ausser den Siegern an dein neuen Wettkampfe Thcil zu neh- 
men haben. M. H., ich bitte Sie, uennen Sie diejenigen, 
die Sie für würdig oder vielmehr vor Anderen für berech- 
tigt halten, nunmehr weiter mitzukämpfen. Entweder machen 
Sie direkte Vorschläge oder bringen Sie die Sache vor den 
deutschen Architektentag in Karlsruhe. Lassen Sie uns die 
Angelegenheit aus unserer Mitte weiter betreiben und zwar 
so, dass man an roaassgebender Stelle nicht den Eindruck 
einer blossen Parteisache gewinnt, sondern in dein, was wir 
thun, einen wohlüberlegten und nothwendigen Schritt der 
gesummten Architektenschaft erkennen muss. Nur dann, 
m. H-, haben wir Aussicht auf Erfolg, und was meine Person 
betrifft, so verspreche ich Ihnen, dass ich Ihre Vorschlage, 
wenn sie sich mit meinen eigenen Grundsätzen vereinigen 
lassen, auf die wärmste Weise befürworten werde. 

K. Lucae. 

Der vorstehend abgedruckte Vortrag beansprucht einen 
so grossen Raum, dass wir den Schluss unseres eigenen, 
dieser Angelegenheit gewidmeten Artikels um eine Woche 
vertagen mflnon. wenn wir anders diese Nummer nicht aus- 
schliesslich mit Erörterungen über die uu. Konkurrenz füllen 
wnllen. Ks ergiebt sich hierdurch gleichzeitig die erwünschte 
Gelegenheit, die Aulwort auf die wider uns erhobenen Vor- 
würfe in dieselbe entflechten zu können. Die Red. 



Die ResUuriruig de» Thurnies der katholischen lloflirchc n Dresden. 



(NrliliiM.y 



Ohne in eine spezielle Beschreibung des Verlaufs der 
Herstellung eingehen zu wollen, welche besonderes Interesse 
nicht erwecken möchte, „ . . 

erwähne ich hierzu, dus-s 
sich diese auf Erneuerung 
eines grossen Theils der 
Süulcnkapitülc und Küsse, 
soweit sie nuch Aussen 
geri< htet waren, auf Er- 
neuerung mindestens des 
dritten Theils der Gesims- 
glieder, der aus Stein ge- 
fertigten Kehlen, Balu- 
straden etc., durch Aus- 
spitzunglockererund ver- 
witterlerBestaudtheile bis 
znm festen Stein und de- 
ren Ersetzung durch neue 
Sandsteintheile, welche 
allenthalben unter Ver- 
meidung des Eisens durch 
Bronce- resp. Messing- 
dübel befestigt und mit 
Zement vergossen worden 
sind, erstreckt bat. An den Näolensehäften. sowie an den 
glatten von Profilen nicht unterbrochenen Wandtlächeu, wo 



-r 



zumeist die äussere Schale abgewittert war und wo die tiefe 
Ausspitzung der Flächen nachtheilig für den Zusammenhang 

und Bestand des Thurmes 
geworden wäre, ist die 
Ergänzung in sorgfältiger 
Weise durch Zementputz 
mit Vi Sandbeimischung 
erfolgt Durch starke vor- 
herige und nachtragliche 
Aufeuchtung de» Mauer- 
werks und Putzes mit- 
tels übergebreiteter an- 
gefeuchteter Tücher und 
durch Imitation des 
Scharirschlage» auf dem 
Sandstein etc.. durch Ue- 
herst reichen des fertigen 
Putzes mittels ausgeziuk- 
ter Blechstreifen, Nach- 
ziehen der Steinfugen etc. 
und durch Nachfärben de» 
Putzes nach vorheriger 
Ueberstreichung dessel- 
ben mit sehr verdünnter 
Essigsäure, wodurch die Farbe innig mit dem Bewurf ver- 
bunden wurde, ist es geglückt, dass Putz und Farbe sich bis 




ioogle 



238 



jetzt äusserst fest uud haltbar bewiesen haben und noch 
in der Nahe vom wirklichen Sandstein uur sehr schwer 
xu unterscheiden sind. An» grössten war die Verwitte- 
rung an der Stelle des Thurmes, wo die elliptische 
Grundform in den Kreis übergeht und dieser l'cbergang 
durch zwei hrüstungsartige Kreisabschnitte vennittelt wird; 
diese oben offenen Ahtheilungen, welche die Heger von 
Schnee und Reuen gewesen waren, da genügender Abiaul 
fehlte, hatten Aulass zu ziemlich vollständiger Verwitterung 
der Bekleidungsplatten, I ebcrgangskohleri etc. in diesem 
Stockwerk gegeben und veranlassten die umfänglichsten Er- 
neuerungen mittels starker bearbeiteter Werkstücke. Hier 
ist nnnmehr durch Abdeckung der Kreisahsehnitte mit star- 
kem Gussglas behufs Erhellung der dahinter liegenden Räume, 
und durch Abdeckung der Kehlen und schrügeu Bekl. id.IL— 
platten resp. Uebergangsstiifen mit Bloiblochen, in haltbar- 
ster Weise Schutz und Deckung für das Sandsteinwerk ge- 
wonnen uud beschafft worden. Die Vorsprünge der Siras- 
•.berglieder waren seither zwar mit Kupfer abgedeckt, jedoch 
in leichtfertiger Weise ohne Ahwässcrung und nur mit Holz- 
dübeln im Stein befestigt; sie hatten sieh daher abgehoben 
und waren dadurch um so nachtheiliger für das Sioiuw erk 
geworden, als sie die Feuchtigkeit gehegt und deren Ab- 
fluss verhindert hatten. Dieselben sind bei der Restaura- 
tionsarbeit mit Sorgsainkeit diesen Einwirkungen entzogen 
worden, und zwar durch Beschaffung eines angemessenen 
Gefälles für die (Iberflachen, durch Ergänzung der Kupfer- 
ahdeckung mit einer gehörigen Traufkauto und Anbringung 
VOH im Stein befestigten Bleidübeln. Wo dagegen die Ab- 
deckung noch inangelte, ist solche allenthalben mit Blei- 
blechen erfolgt, da diese sich am alten Theil vorzüglich gut 
und dauerhaft bewährt hatten. 

Die Schadhaftigkeit der Statuen und liegenden Figuren, 
welche ziemlich umfänglich war, wurde durch Künstlerhand 
nach vorheriger Ergänzung der fehlenden Bestandtheile mit- 
tels Thonmodells, welches in Gyps abgeformt und darnach 
in Stein gearbeitet und mittels Broneedühcl in Zement be- 
festigt wurde, in ltester Weise ergänzt und die samiutlichen 
Figuren sodann mit guter Firnissfarbe gestrichen. 

Was speziell das Gerüst anlangt, so wurde die, ein un- 
gleichseitiges Achteck bildende untere Hauptgerüstwand , 
welche in glcichmässigcr Breite durch 7 Strickwerke bis zum 
l'usslioden der 2. Durchsicht reichte, durch untergestellte, 
auf den Hauptsims festaufstehende, mit Zangen verstärkte 
Streben und durch nach dem Innern des Thurmes wirkende 
Zugeisen gehalten, welche letztere durch Hölzer, die in die 
Zwischenräume zwischen Thurmmauern uud vorspringende 
Säulen eingespannt waren, fest uud unvcrsehieblieli gemacht 
worden waren. Angebrachte horizontale Durchkreuzungen, 
■ »weit dies die Durchsichten gestatteten, sicherten den Zu- 
sammenhalt der Wände und auf- und angeschraubte Kreuz- 
bänder vervollständigten die Verbindung. 

Die Ausführung und Wiederabtragung dieser schwieri- 
gen Rüstung ist ohne allen Unfall zu iH-werkstelligeu ni"g- 
lich gewesen, und zwar unter meiner Leitung uud Angabe 
durch den jetzigen Bezirk shamneist er Nauck in (.'heiunilz 
als Hauführer, unter Assistenz des llülfsarchitekten Stock - 
liardt aus Weimar, durch den mit derartigen Arbeiten sehr 
vertrauten Ziminerineister Victor Richter uud dessen sorg- 
samen und zuverlässigen Polier Eöser. Die Maurerarbeiten 
hat der Maurermeister Glöckner in durchaus solider und 
zweckentsprechender Weise besorgt. 

Zum Schluss füge ich noch einige Notizen über den 
Kostenaufwand dieser Herstellung bei, welche nicht ohne 
Interesse sein dürften. 

Das Abbinden des Gerüstes im Zimmerhof erfolgte im 
Akkord nach vorher bekandelten Sätzen, glcichermaasseu die 
Darleihung der erforderlichen Hölzer, Bolzen, Klammern, des 
Seil werks, der Aufzugsuiaschiiic etc.; die Aufstellung und Wie- 
derabtragung desselben, sowie die Aufförderung der Hölzer, 
das Heraufziehen der Steine, des Zemeuts, des Wassers, des 
Kalks und Sandes und das Herablassen der Latriucnfässcr, 
des Schuttes etc. im Tagelohu, wobei der Aufzug in 2 
l chersctxungcn vom f.. und vom U. Gerüsthoden erfolgen 
musste. da die vorhandenen Seile für die ganze Höhe nicht 
ausreichten. 

Der Akkordabschluss mit dem Zimmermeister erfolgte 
unter folgenden Bedingungen: 

a. für Darleihung der erforderlichen Hölzer auf die Dauer 
des Baues, einschliesslich des Verschnitts, jedoch aus- 
schliesslich des Fuhrlohns vom Zimmerhol bis zur 
Baustelle erhielt derselbe: 



für 1 Elle oder 0,50" beschlagenes Holz 

8" u. 9" = 18,8 u. 21,3» stark = 3 Ngr. 5 Pf. 
8" n. 8" = 18.8 u. 18,8 «» , =3,5, 
7" n. 8" = ir,,. r ) u. l.s,s«« , = 3 , — , 
«"u. 7" = 14,2 n. 16,5« „ =2,2, 
5"u. ß" = 11,8 u. 14,2"» r - 1 „ 5 - 
3" u. 7" — 7 u. H.,:.™ „ =1 „ — , 
3"u. 6" = 7 u. 14,2- , =1 „ - , 

b. für Darleihung und Unterhaltung des Eisouwcrks 

für 1 Bolzen bis IS" = 35'» lang - 3 Ngr. 5 Ff. 
do. . DH" = 75.5»« . = 7 „ — „ 
, 1 Küstklaminer = 1 „ 8 „ 

c. für Darleihung der Hebevorrichtungen 

für einen Haspel für den Tag der wirklichen Benut- 
zung Thlr. 5 Ngr. — Pf. 

„ 1 langes starkes Seil desgl. • - „ 5 „ — . 
„ dieselben auf die 

Dauer des ganzen Baues 21 > „ — * — . 

d. für Darleihung einer Leiter. . — „ 12 , 5 . 

e. lür das Abbinden des Rüstholzes 

ohne Rücksicht auf die Stärke 

für 1* oder o.M* — , 1„ 4 „ 

f. der Unternehmer hat allein für die Güte uud Brauch- 
barkeit der von ihm gelieferten Seile, Rlistbretter etc. 
zu haften, ebenso hat er für die Solidität der Kon- 
striktion und der Ausführung zu stehen, über die 
Sicherheit der Arbeiter uud der Passanten an und 
unter dem Gerüste zu wachen und alle Vorkehrungen 
zu treffen, als Anbringung und Befestigung von Barrie- 
ren, Versehlägen etc., welche diese Sicherheit bedingt. 

In Verwendung gekommen sind zu diesem Gerüste: 
ca. 13000 Ellen oder 7.'><J<>" beschlageues Holz, 
I.'.iim schmiedeeiserne Bolzen, 
1500 eiserne Klammern, 
25 Schock in Vorrath befindliche Rüstbretter, 
Iii Schock Verschlag- und Zollbretter zu Verschla- 
gen und zur Verschwerterung, 
300 Schock Nägel, 
5 Stück Leitern, 
32 Stränge, 

2 Seile für die Aufzüge bis zu 70 Ellen oder ca 

40 Meter, 
4 Schwungleinen und 
2 Aufzngsiuasehinen. 
Die Gesammtkosten der Rüstung einschliesslich der Ab- 

'""^^A^K-italSne™" 2455 Thlr. 

für Darleihung der Hölzer, eines Theils der 
Bretter. Bolzen, Klammern, einschliesslich 
des Betrags für Darleihung der Hebema- 

sohinen, Seile etc 1575 , 

Die Kosten der übrigen Herstellungen da- 
gegen : 

für liaskb' oder ca. 314 kb m guter wetter- 
beständiger postelwitzer Sandstein pro 1 kb' 

bis zur Stelle 4 Ngr. G Pf. 170 . 

für die gesammteu Maurer- und Handlan- 
gerarbeiten nebst Insgemein 1450 ■ 

für 50 Tonnen Portland-Zemeut 234 B 

für die gesummte SteinmeUariH-it HNO . 

für die Bildliauerarbeit 700 „ 

für Kupfer und Knpferschmiedearbeit zur 

Simsabdeckung 470 . 

für Blei und Klempnerarbeit zur Abdeckung 

von Mauerflächeu resp. Gesimsen 700 * 

für Firnis*, Farben, Pinsel etc. zum An- 
strich der Thurmspilze und der Statuen, 
während die Arbeit durch die Zimmerleute 

besorgt worden ist 100 , 

Eisenarmaturen zur Stützung der freiste- 
henden Statuen in Verbindung mit ßronce- 

ilühcln 68 „ 

Vergoldung der in Stein erhaben gearbei- 
teten Inschrift in der Füllung zwischen den 

freistehenden Figuren 80 » 

für Sand-, Schutt- und Holzfuhren 150 . 

Nebenausgaben. Gratifikationen für Aufsicht 

und Ausmessung der Kirche . . 500 „ 

des Gesammtaufwands . . !fs;52 Thlr. 

Canzlcr. 



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— 239 — 



Mittheilungen aus Vereinen. 



Archltektenvoroln zu Berlin Ks int einer Anzahl un- 
serer Leser, die uns diescrhalb interpellirt haben, aufgefallen, 
das« Qber mehre der diesjährigen VereinB-Exkursinnen nicht in 
gewohnter Weise l»erichtct worden ist. Wir verfehlen daher 
nicht, die» nachträglich dadurch zu erläutern, dass einerseits 
der durch andere Mitlhciluugeii stark iu Anspruch geuommene 
Kaum unseres Blatten eine eingehendere Schilderung und Erör- 
terung der hei jenen Exkursionen in Augenschein genommenen 
Anlagen nicht erlaubte, wahrend wir andererseits ülier mehre 
derselben einen besonderen Bericht für später uns vorbehalten 
haben. 

Um wenigstem* die historische Ucliersicht über die Vereins» 
Unternehmungen dieses S-muuers. welche unter Umstünden ftucli 
fiir künftige Jahre eiuen gewissen Werth behalten kann, wieder- 
herzustellen, wollen wir daher an dieser Stelle die Notiz nach- 
holen, dass die dritte der diesmaligen Exkursionen, Sonnabend, 
den 8. Juni d. J. der Besichtigung- der seit dem letztun ihr vom 



Verein im Jahre 18*56 gewidmeten Besuche wiederum erheblich 
vergrößerten Aktienbrauerei Tivoli, die vierte am 15. Juni 
der seit Beendigung des letzten Krieges rüstig aufblühenden 
Villen-Kolonie I.ichterfelde. galt. Ueber die fünfte Exkursion 
ist iu No. 26 kurz berichtet worden; die sechste, welche au 
Stelle der leider nicht zu Stande gekommenen Vereinsreise 
nach Dresden eingeschoben wurde, war am 29. Juni nach eini- 
gen Neubauten im Innern der Stadt, dem in seinen Anfängen 
schon im vergangenen Sommer besichtigten Hause der Prcussi- 
schen Bodetikredit- Aktien -Gesellschaft nehen der katholischen 
Kirche und deu grossen städtischen Schulbauten in der Doro- 
theenstraseo gerichtet. Sonnabend, den 13. Juli endlich hat die 
beabsichtigte Exkursion mit Damen, deren Ziel diesmal die lla- 
velparthie unterhalb Potsdams, Baumgartenbrück und jTcmpliu 
waren, unter glänzender Bethciligung und mit glücklichstem 
Verlaufe stattgefunden. 



Fir. i. 



Vermischtes. 

leber Gesrhwiadl'ktltsMf&sMigeii an Khcin bei weracrsieia 

(Im Jahre 1871) m »rglrirh des WcBauanVrhrn Rydro- 

■eters, der Tabe-Barry «ad des •torffarhrnsrawiamers. 

Vom Wasserbau-Inspektor v. Wagner in Bautzen, geprüfter 
Civilingenieiir. 

Wem es bekannt ist, in welcher Unzahl experimcutale Was 
sergeschwindigkeitsmessungou schon ausgeführt worden sind, 
dem dürfte es zum Mindesten überflüssig erscheinen, wenn diese 
nochmals auf's Tapet gebracht und eingehender behandelt wer- 
den. Jedoch unterscheiden sich in neuerer Zeit vorgenom- 
mene Messungen 
wesentlich von de- 
nen alteren Datums, 
sowohl in ihrer Art, 
als auch iu ihren 
Bcsul taten. Als Vor- 
zug der jetzigen 
Messungen — und 
ich spreche hier 
vorwiegend von deu 
Baseler Messungen 
im Jahre 1867, von 
den eingehenden 

Untersuchungen 
Grebenaus, den For- 
schungen von Darcy, 
Bazin etc — ist zu- 
nächst der wichtige 
Umstund hervorzu- 
heben, dass mau 
bei Benutzung des 

Woltmana'schcn 
Klügeis mit verän- 
derlichem Knr- 
rektions-Kueffizien- 
ten gearbeitet hat, 
»Ährend man frü- 
her und zum Theil 
noch jetzt (neueste 
Auflage von Bauern- 

feind's Vermess- 
ungskunde) den Ko- 
effizienten als kon- 
stant annahm, resp. 
noch annimmt. Dass 
dies ein Irrthum ist, 
welcher zu bedeu- 
tenden Differenzen 
bei Ausrechnung 
des Werthes für 
die, Geschwindigkeit und somit auch der Wassermenge führen 
kann, beweisen die neueren Untersuchungen Grebenau'»*). Wie 
bedeutend aber die Werthe des Koeffizienten (*) je nach der 
Grosse der Geschwindigkeit (r) von einander abweichen, zeigt 
z. B. Grebenau's „Woltmann'schcr Hydrometer": 
bei r = 0,173 0,200 0,210 0,250 0,400* 0,500 1,000 1,500 2,000'" 
istA= ~ 1,9891 1,5480 0,04 1 1 0,G 1 48 0,5730 0,.V3 II 0.5288 0,526; i 

Bei Geschwindigkeiten von über 2,00"' au ergab sich der 
Koeffizient konstant — 0..V263. 

Ein zweiter Vorzug der neueren Messungen (am Rhein) 
besteht darin, dass die erhalteneu Resultate durch die versrhie- 
dentlichstcn Instrumente kontrolirt worden sind uud dass man 
— die Wasserspiegel- Geschwindigkeiten uulangend ausser 
dem Woltmann'scheu Flügel stets auch vergleichsweise mit dein 
Oberflächensch wimmer**) operirt hat. 

*J Orebtnan fand darch Experiment, djuii dl* Kurv« der Utndreliunfi»,- 
uhJealUeachwindt-krilen: Abulaieu, L'mdtehuiiit-ii : Ordinai.nl eine t'»i«b-l kl, 
wm akw ilwrrb die aaf rata analytlsebcua Weg» fteilrne de* Iogenlt.ni Urabaer 
(L«i|ig|g) Toncrrvonnffifl pVtifaltg bwaüUitfl. 

"» Die TUMn>rbaiaa»ir «rwirfl Urebrou (ebenso Prof. llaiirnbarb in 
Haael) und wem In »einem lalelr.i.nt'a .Elaborat aber die Banaler liliein Mm- 
»anfea*, welcbea aeineT Zeit ia Drack erecbelann wird, naeb, du Jene falMbe 
Menke liefern. 




Flu. 




Fiir. 3 



Endlich ist noch zu ihrem Vortheile hervorzuheben, dass 
die von Darcy wesentlich verbesserte Pitot'sche Rubre (die so- 
genauute Tube- Darcy) als drittes zur Kuntrule dienendes In- 
strument benutzt worden ist und dass die mit demselben er- 
reichten Resultate hinlänglich genau mit denen des Woltmann'- 
schen Flügels und des Oberflächenschwimmers übereinstimmen. 

Von dieser l'cbcrciustimmung der Resultate aus der Mess- 
uug mit dem Woltmauu, der Tube -Darcy und dem Schwimmer 
hatte ich im Sommer vorigen Jahres Gelegenheit, mich selbst 
zu überzeugen und tlaltei die Tube -Darcy näher keunen zu 
lernen. 

In Gemeinschaft mit Herrn Grelsmau hatte ich iu rOrce- 
nauuter Zeit unter Anderen folgende Vcrgleit-hsmcssungen auf 

dem Rhein bei Gcr- 
mersheim vorge- 
nolulueu: 

Vergleichs- 
messu ugen lui t 
dem Woltmanu 
und der Tube- 
Darcy . 

In einer Entfer- 
nung von 2t i» ton 
linken (huvrischen) 
Ul'cr wurden zwei 
zusammeugekopiiel- 
te Boote mit dem 
darauf befestigten 
Podium auf dem 
Rheine reraukert. 
In der Mitte war 
dicTuhc-Darcv pos- 
tirl: 0,70 t» davnn 
entfernt wurde links 
(H'i ) und rechts 
(Wf) der Welt- 
mann *) i>,2-jn tief 
eingehalten. Dauer 
der einzelnen Be- 
obachtung je 2 Mi- 
nuten. Es ergab 
sich zunächst für 
den Woltmann: 

bei M', : Umdre- 
hungszahl =4<Jil, 7.'.: 
Geschwindigkeit r 
= 1,788m, 

bei H't ! Umdre- 
hungszahl =405,00: 
Geschwindigkeit r 
es 1,780™ 

Im Mittel also: r, = 1.7H4« pro Sekunde. 
An der Tube -Darcy wurden die Wusserspiegelstflnde 00 
Mal abgelesen und erhielt man im Mittel: 0.1612™ Differenz 
Hube. Dieser entspricht nach der unter Berücksichtigung des 
Korrektion* - Koeffizienten aufgestellten Tabelle die Geschwin- 
digkeit 

r, - 1,777™ pro Sekunde. 
Es weichen daher die Resultate nur um 0.007* von einan- 
der ab. 

Vergleichsmeggungen zwischen dem Woltmann, der 
Tube-Darcy und dem Schwimmer. 
Die Verankerung der Boote erfolgte bei 37™ Entfernung vom 
linken Ufer. Die Axen der Instrumente wurden (1,25«« unter 
dem Wasserspiegel eingehalten und ergab sieh zunächst Iteiin 
Woltmann : 

Aus 00 Beobachtungen an der Tubc-Darcy ergab sich 
r, sä 1,940'« 




•) Von Ertel and Sobn la Munrhen. FlageldurrkraoMcr r.irm. 



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- 240 - 



Die Schwimmer (Holzstäbe von 0,.V» Länge, 5 big 10««» Durch- 
messer, ca. ü, im Wasser und durch Beschwerung mit Steinen 
vertikal laufend) — im Ganzen 15 Stück — wurden in der 
Wegiäuge von 200™' bei genau abgesteckten Querprofilen beob- 
achtet, nachdem durch Einwerfen von Probeschwimmeru aus 
dem oberhalb postirten Nachen ersichtlich geworden, das* jene 
denselben Ort berührten, an dem mit den vorerwihuten Inatru- 
menten gearbeitet worden war. Der Weg wurde während des 
Schwimmeng durch Messtischaufnahme hxirt Aus Zeit und 
Weg ergab sich hierbei im Mittel 

r. = 1,9€1. 

Das Mittel von r, r, r, betragt tonach: 
f = 1,957, 

und sehen wir hieraus, das» die Abweichung von 



Mittel- 



beim Woltmann ca. 0,7 Prozent 

bei der Tube-Darcy 0,S6 „ 

beim Schwimmer „ 0,2 „ 

beträgt; im Durchschnitt: O.fia Prozent vom Mittelwerthe. 

Dies« Resultate können unstreitig als zufriedenstellend be- 
zeichnet werden und sprechen zugleich für die richtige und 
sorgfaltige Bestimmung der Grebenau'schen Koeffizientenreihen. 

Die Tube-Darcy. 
Die Tube-Darcy, welche wir bei den vorerwähnten Messun- 
gen benoteten, war nach Angaben von Bazin in Dijou vom 
Optiker Bouvalot gebaut worden, enthielt aber manches IV- 
berflüssige, zum Theil Nachteilige, nach dessen Beseitigung das 
Instrument folgende Konstruktion hat: In einem schmalen höl- 
zernen Gehäuse (oberer Theil in Fig. 1.) befinden sich 
zwei Glasrohren, welche oben und unten in Messingkapseln gut 
«ingedichtet sein müssen. Au dieses schliesst sich der Stiefel 
CB au recbtwiuklig mit dem Ausatzrohre ß A. Dieser enthält 
die Fortsetzung der Kohren. An der Spitze bei A ist eine feine 
Ocffnung von kaum 2""" Durchmesser, durch welche das stos- 
b endo Wasser aufgenommen und über dxs Niveau des Fluss- 
wasserspiegels iu die linke Röhre getrieben wird. Bei der seit- 
lichen üeffuiuig A' tritt das Wasser in die rechte Röhre bis zur 
Höhe des Flusswasserspiegels. Mittels eines Gummiscblauchs 
G, resp. einer Säugpumpe saugt man die beiden Wassersäulen 
gleichzeitig iu die Hohe, um deren Differenz bequem und genau 
ablesen zu können, schliesst durch Drehung des Hahnes r oben 
die Luft ab und beobachtet die so frei hängenden Wassersäulen 
nach ihrem Steigen oder Fallen und ihrer Oberflächend ifferenz. 
Zum Ablesen der letzteren dient ein verschiebbarer Maasstab 
von ca. 50*" Länge (bis zu Millimetern eingetheilt), dessen Null- 
punkt man an dem höheren Wasserspiegel (untere Tangeute) 
einstellt. Am unteren Ende der Glasröhren ist eine Kammer 
£, welche einen durch den Hebel Uli' (in Fig. 2 der Seitenan- 
sicht) zu verstellenden Hahn enthält, der das Nachdringen des 
Wassers verhindert, sobald man BW in die Lage bringt wie in 
Fig. 2. 

Bei der Beobachtung bleibt zunächst F und E geöffnet, 
nach dem Aufsaugen wird F und — sobald die Wassersäulen 
beharren — auch E geschlossen, worauf man abliest, F. wieder 
offnen lässt, den Beharrungszustand abwartet, darauf E schlins- 
sen lässt und die zweite Aulesung notirt etc. An einem Be- 
obachtungspunkt licsst man gewöhnlich 30 oder 00 Mal ab und 
nimmt, nachdem mau die Ablesungen je nach dem schwachen 
Fallen oder Steigen — vor dem Eintritt der Beharrung; — zu- 
sammengestellt, das Mittel. Aus der Formel r — <l\ 2 g . A 
oder für Meter: r = 3 , 4,429 V A, worin « der Koeffizient des 
Instrumentes und A die abgelesene Höhendifferenz ist, ergicht 
sich die hierzu gehörige Geschwindigkeit. *) Diu ganze Manipu- 
lation: Einstellen, Aufsaugen, 30 walige Ablesung etc. dauert 
circa 10 Minuten. Hierbei muss mau stets zweierlei beobachten: 
erstens, das* das Instrument genau rechtwinklig steht und 
zweitens, dass man die linke Wassersäule stets auf dieselbe 
Höhe aufsaugt, damit die hierdurch im Köhra entstehende Luft- 
verdünuung bei allen Bcobachtuugspunktcu nabuzu dieselbe 
bleibe. Saugt mau in verschiedene Höhen, so ändert sich die 
Differenz A, welche in der Mitte der Köhren anders (grösser) 
ist, als am oberen Ende. 

Der Nachtheil der französischen Konstruktion, von dem vor- 
her die Kede war, besteht namentlich darin, dass dur obere 
Hahn F die beiden Glasrohren auch einseitig absperren kann. 
In Stellung a (Fig- 3) sind beide Köhren verschlossen: bei // 
linkes Kohr offen, rechtes zu: bei c beide Röhren offen und bei 
d links zu, rechts offen. Die Stellungen b und d sind ganz 
überflüssig und können schädlich wirken, wenn man die Stell- 
ung a schnell nach c versetzen will, weil sodann die Stellung 
6 — bei welcher die Luft nur in die linke Köhre driugt — 
allemal mit berührt werden muss. Die Vorrichtung in der Kam- 
mer /' muss daher so getroffen sein, das* der Hann nur bei a 
(beide Köhren zu) und bei b (beide offen) einwirkt.*) 

Die Tube-Darcy leistet, wie keiu Instrument, namentlich 
bei der Messung von Geschwindigkeiten hart am benetzten 
Umfang vortreffliche Dienste (ebenso für die Wasserspiegelgeschwin- 



M.t»n U at, »bald i g.t i 
dl. Owchwlndlgkclten b.1 



r 0 „ j. : 



"> rii.» und udere Sutti,»!!« •lud J.m BnrhaniMhra ... 
u. Soha I. München Ifrul.. H.i<l,-»Url,WI,« l.,t.), «,kl>» 



to> KrUI 
dl« Tuü*.1>»kt 



digkeit), welche man mit dem Woltmann wegen des den Flügeln 
tu belassenden Spielraumes nie genau ermitteln kann. Bei 
grossen Strömen kann man zwar die Tube-Darcy nur am Was- 
serspiegel und kleineren Tiefen, wegen ihrer geringen und kon- 
stanten Gesammtlängo (ca. 2<"), aber nicht zur Messung der Ge- 
schwindigkeiten an der Sohle verwenden; doch kommt es bei 
Strömen auf diese überhaupt weniger an; die mit dem Wolt- 
mann angenähert gefundene Geschwindigkeit an der Sohlo 
wird hierbei ausreichend genau sein. Jedoch bei Flüssen und 



Bächen, in denen die Tube-Darcy allseitig verwendbar ist uuu 
in welchen die Geschwindigkeit an den Waudungeu das Gesamut - 
result.it weit mehr beeinflusst, dürfte jener Vortheil der Tube- 
Darcv sehr und zwar um so mehr in's Gewicht fallen, als man 
gerade solche kleinere Wasserläufe grösstenteils zu industri- 
ellen Triebwerken benutzt und daher in der Ermittelung der 
Wassermenge mit grösstcr Vorsicht und Genauigkeit zu Werke 
gehen muss. 

Wie genau mit der Tube-Darcy gearbeitet werden kann, 
zeigt die in Fig. 4 dargestellte vertikale Geschwindigkeitskurve, 
aus welcher ersichtlich ist, dass sogar die Geschwindigkeit des 
Im über der Suhle befindlichen Wusserfadeus bestimmt werden 
konnte. Eine ganz ähuliche Vertikalparabel ergab sich durch 
die Versuchsmessungen, welche ich in Gemeinschaft mit Gre- 
benau am Khein hei Germersheim im vorigen Sommer vornahm. 
Die vorstehende Kurve wurde vou Herrn Grebenau im Juli lSTtt 
im Bcisvin der Herren Baurath Lavale und Kreisbaubeamter 
von Güuther aus Speyer über der Kheinsheimcr Kiesbank am 
Rhein gemessen, und geht aus der Gestalt auch dieser " 
zugleich die Gleichmässigkeit des Wasserabflusses hervor, i 
der Rbcinstrom nach seiner Kegulirung angenommen hat 

Konkurrenzen. 

Zu der Konkurrenz für Entwürfe zu einem Denkmale 
auf dem Karlenberge zu Brandenbarg a. d H., der wir be- 
reits in No. 27 u Bl. erwähnten, wollen wir ebenso im Inter- 
esse der Sache wie mit Rücksicht auf die in hohem Grade dank- 
bare Aufgabe nicht verfehlen, utsere Fachgenossen aufs Wärmste 
aufzufordern. Nach den Erfolgen, welche ähnliche Konkurren- 
zen bereits gehabt haben, trotzdem der Preis des Siegers we- 
sentlich in Oer Ehre des Sieges und in dem Bewusstsem, seine 
Kräfte einem würdigen Zwecke gelieben zu haben, bestand, 
glauben wir übrigens, dass es einer solchen Aufforderung zu 
reger Theilnabmc Iiier, wo auch die äusseren Bedingungen der 
Konkurrenz in günstigster Weise geregelt sind, kaum bedurft 
hätte. Andererseits möchten wir — gerade weil wir eine über 
den Kreis der märkischen Architekten hinausgehende Theil nähme 
erwarten — dorn VcrwaltungB - Aussc husse empfehlen, das von 
ihm aufgestellte Programm noch durch einige Notizen zu er- 
gänzen, ohne die es einem mit den Lokal-Verhältnissen nicht 
ganz vertrauten Künstler schwer sein wird, eine sorgfältige 
Arbeit zu liefern. Da eine bestimmte Kostensumme normirt 
ist, scheinen uns nämlich einige Preisangaben, und da für die 
Form des Denkmals wesentlich die Silhouette, wie dieselbe sich 
in der Ansicht aus der Ebene ergiebt, entscheidend ist — eine 
Skizze von der Gesummt - Silhouette des Berges (am Besten iu 
pbotographischcr Aufnahme) unbedingtes Krforderuiss. 

Personal - Nachrichten. 

Preuasen. 

Ernannt: Der Ingenieur - Assistent Ellenbcrger iu 
Schlüchtern zum Eisenbahn -Baumeister an der Hannoverschen 
Staats-Eisenbahn in Hannover. Der Baumeister Allraenrödcr 
zu Malberg i. d. Kifel zum Eisenbahn -Baumeister hei der Nas- 
sauischen Staats - Eisenbahn iu Büdesheim. Der Baumeister 
Schröder in Magdeburg zum Eisenbahn - Baumeister bei der 
Bergisch -Märkischen Eisenbahn in Düsseldorf. Der Baumeister 
Knebel in Bebra zum Eisenbahn - Baumeister an der Bcbra- 
Friedländer Eisenbahn. 

Versetzt: Der Ober - Bauiuspcktor Muyachcl zu Gum- 
binnen an die Küuigl. Regierung zu Bromberg. Die Kreisbau- 
meister Thiele in bensburg und Kischke in Heydekrug nach 
Lötzen und Sensburg. Der Landbaumeister Rapitzke zu 
Gumbinnen als Kreishaumeistcr nach Ragnit Der Eisenbahn- 
Baumeister Petersen zu Ratibor zur kommissarischen Ver- 
waltung der Eisenbahn - Bauinspektorstellc an der Ostbahn 
nach Bromberg. 

Brief- und Fragekasten. 

Hrn. J. in Dortmund. Die technische Hochschule Wien* 
ist das dortige „Polytechnieum", dessen Programm Sie aufVer 
langen sicher von der Direktion beziehen können. Auf eine Em- 
pfehlung von Unterrichts -Anstalten, die uns sämmUich mehr 
oder weniger doch nur oberflächlich bekannt sind, können wir 
uns selbstverständlich nicht einlassen. Architekten studiren in 
Wien auch an der Akademie der Künste, an der Hansen und 
Fr- Schmidt Lehrer sind, während Kerstol am Polytccbnicum 
wirkt Der Besuch des letzteren wird indessen unseres Wissen* 
als Vorbercitungszcit für das preussische Staatsexamen nicht 
gerechnet. 

Hrn. W. P. in Leipzig. Dass es jedem sclbststäudigen 
Bautechniker völlig freisteht, sich Baumeister zu nennen, haben 
wir des Oeftercn schon angegeben. 



t» Carl H r u i i 1 1 i. ; 



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DEUTSCHE BAUZEITUNG* 

Organ des Verbandes , 

deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine. 



Em i rat» 



Redakteur K. E. 0. Fritsch. 



Preli 1 Thaler pro Quortsi. Berlin, den 


25. Juli 1872. 


Erscheint jeden Hanne rstmg. 


Inhalt; Verbund dauUchar Architekten- und Ingen l*«r -Vereine. -- XVI. 
V«r*«ainiJnn|t denlecber Architekten und Ingenieure. — Di« Konkurrent für 
Km» urfi- mm Slanae de« deutacben Helena tage«. — Ein Beitrag snr Konarraktiun 
dar FuttTmtu#rn mit Intbrahter Varderfllene. — FeullJeton; G. L. Marten», 
— Mlttfaellungen im Vereinen: Arenftekteaveroln tu Berlin. — V er - 
at achtel: Er<MTii*K» Bahiutrerken Im Gebiete de« Verein« Deniafhor Eisenbahn- 


Verwaltungen in 1. SaoMiwr 187». — Konk arrcnien: Konkurrent«» für Em 
wurf« » nnm HMlarJmlirtiiade und rintni NiTlwtlonwbkudf In Hnata — 
Xuiuimi für Entwarf« tum Niaban nnr« (i«wlU*ti«A«h«iJ»i>i dar (lo»rllKliift 
fr»iwilll|r*r Ara>«nfrrund« In Klrl. - Konkarr*«! rur Entwürfe tum Naubau <Ur 
Kor An.'.U tarn Hinte, bof In B&du (tkawrii). — P»r «011* 1 • »«eh ri r h tf n . 
— Brlaf- and rnrikiitrB. 



Verband deutscher Architekten- und Ingenieur -Vereine. 

Die statutenmäßige Versammlung <k»r Abgeordneten des Verbandes deutscher Architekten- und Ingenieur -Vereine 
wird hiermit auf 

Sonnabend, den 21. September d. J. Morgens 9 Uhr 

In dmn Polytechnikum zu Karlsruhe 

eingeladen. 

Gegenstünde der Tagesordnung gind folgende: 

L Innere Angelegenheiten des Verbandes. 

1. Feststellung der Geschäftsordnung für die Abgeordneten -Versammlungen, 

2. Geschäfts- und Kassenbericht für das abgelaufene und Feststellung des Etats für das folgende Jahr. 

3. Aufnahme neuer Vereine in den Verband. 

'4. Antrag des Architekten- und Ingenieur-Vereines zu Hamburg auf Acndening der §§. 23 und 24 des Statuts, 

Zusatz zu §. 23. 

g. Erledigung von technischen und kollegialen Fragen allgemeiner Natur. 

§• 24. 

Die Abgeordneten -Versammlung wird vom Vorstände einberufen; die bezügliche Aufforderung muss 
mindestens 14 Tage vorher im Verbandsorgan veröffentlicht werden. 

Jede statutenmässig einberufene Abgeordneten-Versammlung ist, unabhängig von der Zahl der Anwe- 
senden, beschlussfähig. 

Die Gegenstand« der Tagesordnung müssen den Kiuzelvereinen zwei Monate vorher mitgetheilt werden. 

Einfache \ Vrualtungssacben können auch ohne diese Frist von der Abgeordneten -Versammlung sofort 
erledigt werden. - -' 

Alle anderen Gegensttnde'iWftsKen von >', der^'ti 
um noch nachträglich auf die Tagesordnung g^angen zu kennen. 

Derart etwa getaaste Beschlüsse sind nur Beschlüsse der Abgeordneten, nicht der Abgeordneten -Ver- 
sammlung, sie bedürfen um als Verbandsbeschlnsse zu gelten, einer nachträglichen Genehmigung einer zweiten 
Abgeordneten -Versammlung, respective einer schriftlichen Abstimmung (siehe § 21). 

Abänderungsvorschläge der Statuten müssen unter allen Umständen den Einzelvereinen zwei Monate 
vorher mitgetheilt werden. 

5. Antrag des Verbandes an die XVI. Versammlung deutscher Architekten und Ingenieure zu Karlsruhe, in Zukunft 
an Stelle der Waudcrversammlungen General -Versammlungen des Verbandes deutscher Architekten- und In- 
genieur -Vereine abzuhalten. 

II. Technische und soziale Angelegenheiten. 

6. Schutz des geistigen Eigentbums an Werken der Architektur und des Ingenieurwesens, insbesondere an kunst- 
gewerblichen Erfindungen (Musterschutz). 

7. Reform des Prozessverfahrens bei bautechnischen Streitigkeiten durch Einführung bauteebnischer Spezial-Gerichte. 



8. Aufstellung einer Norm für die Honorirung der Arbeiten im Gebiete des Ingenieur-Faches. 
9- Vorschlage der Herren Grebenau und v. W agner zur einheitlichen Bezeichnung der i 
inenden Grössen (vergl. Deutsche Bauzeitung Jahrgang 1871, No. 4G) und Zusatz- 



diese Berathungen auf alle Gebiete des Bauwesens auszudehnen. 

10. Antrag des permamenten Polytechniker-Ausscbusses zn Dresden auf Einführung eines allgemeinen durch ganz 
Deutschland giltigen Staatsexamens (Reichsexamen) für Techniker. 

11. Angelegenheit der Konkurrenz zum Bau des deutschen Reichstagsgebäudes. 

12. Aufstellung von technischen Fragen, deren Behandlung durch die Einzelvereine als Vorbereitung für die folgende 
Abgeordneten -Versammlung erwünscht ist. 

Der Vorstand des Verbandes deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine. 

Quassowski, Roeder, Blankenstein, 
Vorsitzender. Säckelmeister. Schriftführer. 

Franzius. Gercke. Roemer. Streckert. 

; 

III. Versammlung Deutscher Architekten und Ingenieure. 

Da bis jetzt erst vier Vorträge, und zwar in der Abtheilung für Bauingenieurwesen, angemeldet worden sind, so 
sehen wir uns veranlasst, die geehrten Facbgenossen um thunlicbste Mitwirkung auf diesem Felde wiederholt zu ersuchen. 
Ausser der Ausstellung fördern die Vortrage in den Abtheilungen am fruchtbarsten den wissenschaftlichen Nutzen der 
Wanderversammlungen. Gewiss giebt es ausser theoretischen Thematen eine reiche Auswahl von Gegenständen, nament- 
lich Bauausführungen der neuesten Zeit, welche das Interesse der Fachgenossen fesseln würden, und sind auch kurze, an- 
spruchlose Mittheilungen ganz willkommen. Wir bitten insbesondere auch die Vorstände der technischen Vereine, bestimmte 
in ihrem Kreise liegende Aufgaben dieser Art bei ihren Mitgliedern 

Karlsruh,-, Mitte Juli 1872. 

Das Lokal-Komite. 
Baumeister. Dürrn. 



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— 242 — 



Die Konkurreil für KntwürfV 



Hause des Deutschen Reichstages. 



(Vor«wl«uiij .utt SthJaM ) 



IV. 



Nach einer Erörterung der allgemeinen Moment«*, welche 
in den Entw&rfen dieser Konkurrenz vorliegen und in sich 
den Gehalt an Ideen repräsentiren , der durch sie für eine 
Lösung der Aufgabe gewonnen worden ist, — nach einer 
Besprechung der einzelnen Entwürfe, durch welche wir dem 
nicht minder berechtigten individuellen Elemente Rechnung 
zu tragen versuchten, stehen wir nunmehr vor dem Schlüsse 
unserer Arbeit, die sich zu grösserer Länge ausgedehnt hat, 
als wir dies bei Beginn derselben annahmen und beabsich- 
tigten. Wir müßten furchten, in dieser Beziehung das durch 
den Charakter unseres Blattes vorgeschriebene Maass auf 
Kosten anderer Pflichten überschritten zn haben, wenn nicht 
die Angelegenheit, um die es sich hier handelt, von so 
ausserordentlicher Bedeutung wäre und wenn nicht in der 
That Alles dafür spräche, dass durch dieselbe das Interesse 
der gesammten deutschen Kachgenossenschaft in tieferer 
Weise erregt worden ist, als durch irgend eine andere Frage, 
die, so lange wir denken können, an sie herangetreten ist. 

Und zwar ist die Bedeutung dieser Konkurrenz für unser 
Fach eine doppelte. Sie wird einmal durch die Aufgabe be- 
dingt, welche ihr zu Grunde lag, und ist in dieser Beziehung 
eine sachliche und ideale: ein Gebäude dieses nationalen 
Ranges ist in Deutschland noch nicht errichtet worden und 
wird wohl ebensowenig zum zweiten Male errichtet werden. 
Sie ist jedoch andererseits auch eine materielle oder viel- 
mehr persönliche, indem sie die eigensten Interessen unseres 
Faches unmittelbar berührt. Für das Selbstbewußtsein des- 
selben und für seine Stellung zur öffentlichen Meinung der 
Nation dürfte nicht leicht eiu anderes Ereigniss so einfluss- 
reich werden können, als die bisherige und zukünftige Ent- 
wicklung gerade dieser Konkurrenz. Denn wenn fast alle 
I'rinzipienfragen. die für die Auffassung und Handhabung 
des öffentlichen Konkurrenz -Verfahrens, des Palladiums un- 
serer Kunst, in Betracht kommen, hier aufs Neue angeregt 
worden sind und durchgefochten werden müssen, so scheint 
uns die allseitig gespannte Aufmerksamkeit, die allseitige 
Betheiligung, mit der dies geschieht, dafür zu bürgen, dass 
die Prinzipien, über die man in diesem konkreten Falle einig 
wird, fortan unbestrittenes, zur festen Sitte erhöbe 
nes Gemeingut Aller werden, wie dies den 
einer ausschliesslich theoretischen, von der Mehizabl 



praktischen Techniker als doktrinär 
so leicht nicht vergönnt ist. 

Es ist unsere Aufgabe, nach beiden Richtungen hin de» 
Versuch einer Klärung zu unternehmen, die Resultate der 
Konkurrenz in ihrem bisherigen Verlauf zusammenzufassen 
und Maassregeln in Vorschlag zu bringen, welche zor wei- 
teren Förderung der Sache dienlich erscheinen. Selbstver- 
ständlich haben wir es nicht vermeiden können, unsere Au- 
sicht über einzelne der in Betracht kommenden Momente, 
je nachdem die bekannt werdenden Ereignisse dazu heraus- 
forderten, schon früher* anzudeuten oder in selbstetandiger 
Form nebenher auszuführen. Wir sind deshalb in der poli- 
tischen Presse, in öffentlichem Vortrage, wie in privaten Zu- 
schriften mit mehr oder weniger Heftigkeit angegriffen, zum 
Theil sogar verdächtigt worden. Indem wir unsern Stand- 
punkt zur Sache hier in einheitlichem Znsammenhange ent- 
wickeln, wird sich auch Gelegenheit finden, auf das zu ant- 
worten, was einer Antwort überhaupt werth ist 

Wie man über den sachlichen Erfolg der Konkurrenz 
urtheilen soll und wie man die weitere Förderung der Reichs- 
tagshaus-Angelegenheit betrieben zn sehen wünscht, hängt 
wesentlich von der Auffassung ab, in der man Ziel nnd Zweck 
des Konkurrenzwesens überhaupt betrachtet. Nach den zahl- 
reichen Erörterungen, die hierüber innerhalb der deutschen 
Architektenschaft bereits gepflogen worden sind, als es sich 
darum handelte, unsere .Grundsätze für das Verfahren bt>i 
öffentlichen Konkurrenzen" aufzustellen, hofften wir, dass die 
Anschauungen sich mittlerweile wesentlich geklärt hätten, 
aber wir müssen bekennen, dass wir hierin stark enttäuscht 
worden sind. 

Wiederum ist die Behauptung aufgestellt worden, dass 
der Kernpunkt des ganzen Konkurrenzthums, die ideale und 
praktische Seite desselben es sei, dass der 



zugleich 

Sieger in einer architektonischen Konkurrenz zum Mindesten 
mit der Bearbeitung der definitiven Pläne, wenn möglich mit 



der Ausführung des 

müsse, falls nicht die Konkurrenzen blosse 
sollen, in denen der Gewinn für den Einzelnen und für das 
Allgemeine nicht im Verhältnis» zur Höhe der Emsätze stellt. 
Dass wir uns bereite gegen einen derartigen Abschluss resp. 
eine derartige Konsequenz des vorliegenden Konkurreuz-Ver- 



derartige Konsequenz 

und dabei an die Einsicht der paria- 



O. L. Martens *) 

Der Landstrich zwischen Elbe und Königsau ist vou den 
historischen Zeiten bis zur Gegenwart eiu Waffenkampfplatz 
gewesen, die Kunst hat auf diesem schwankenden Boden nur 
spärlich Wurzel schlagen knunen und die genügen Leistungen 
derselben sind au den Meuseliengesflilf. lit. ru, welche für deutsche 
Art und Sitte Alles einsetzten, last wirkungslos vorübergegangen. 
Ileerd und Altar, diese Grundsteine deutscher Gesittung, haben 
hier zwar monumentale Bituteu, wie die Michaelis -Kirche, das 
Johannis-Kloster und den Dom zu Schleswig, entstehen lassen, 
aus denen der Volkscharakter, die zähe Festigkeit, hervortritt; 
aber die Baukunst, im rechten Sinne des Wortes, ist in den- 
selben nur aLi unentwickeltes Element zu finden. Gerade die- 
sem Kunstzweige jedoch haftet die Eigentümlichkeit an, sich 
nach den klimatischen Verhältnissen, den Landes -Materialien 
und den zeitlichen uud örtlichen Bedürfnissen des Volkes zu 
bilden und der Vollendung entgegen zu gehen, wofern die leben- 
dige Theilnahme des Einzelnen und der Gesaminthcit unter- 
stützend mitwirkt Dieses Letztere vermochten die Stämme 
nordwärts der Elbe Jahrhunderte laug der Kunst nicht ent- 

Der BoJeu lieferte zwar Barksteinmaterial in seltener Güte; 
der harte Granit lag haufenweise als Findling auf den Aeekcru, 
die Buchten der Ostsee waren dicht mit Eichen- und Buchen- 
wäldern eiugefasat; das Klima drängte uuf Bauten monumen- 
talen Charakters hin, erfahrene Werkmeister butteu in den 
nahen Hansestädten ihre Tüchtigkeit und Kunstfertigkeit be- 
wiesen; — und trotz dieser günstigen Umstände suchen wir 
dort vergeblich nach stattlichen Wuhngebäuden, Hathhäuscru 
und Kirchen, wie sie zum Beispiel Lübeck besitzt aus der 
BIDthezeit norddeutscher Baukunst, dem Mittelalter. Die Man- 

*l Wir eutaetman den nacblteaendea Nekrolog der Juli Nuniocr de« 
.Cl.ri-.tli.hen Kunetblattei*. Wenn der Ort. für arelehca dereelbe biolimul »»r, 
dir- Darstellung aooh stellenweise beeiaDaM.1 h«l und dasjenige ssuiaeut, arelcbee 
für ein«! ■ . r . Ionischen Loserkreie da» interessantere geaeaen »irr. — Hu* 
Würdigung d»r Werk« de» eeraturbanen Kanülen Im Verglnlihe satt den II.-. Ire 
Hungen d.r übrige» gothlMhen Subtilen Deutschlands, nansenUirh der auf gleichen 
Fundamente bastrendca hanooiererbcu schule - gani unberücksichtigt geblieben 
.... M gla.it- n arlr In den mit wohlthueanVr Wann», Jedoch in dairhaas objek 
llror Haltaag gesebriebeuen Lebenebllde eine« Uacmea, ilnwa Tod aacb vir als 
ichmerillchea V'^ 1 ""' f*r die^deuueh« Kunst beblacl babea. uaeero Laaern Ina- 
wlllkooman.. Beitrag .. bringe«. ^ M 



draussen für das 
Felde Rath, um Rocht uud 
solche leibliche und geistige Kräfte nicht dem Kriege, sondern 
dem Friedenswerke, der Kunst, zn Gute gekommen, dieselben 
hätten Grosses schaffen müssen; die Holstentraue mit ihren glän- 
zenden Thaten füllt in dem Buche der Geschichte mauebe Blät- 
ter, während die kunsthistorischen Denkmale um so kleinlicher 
erscheinen. — Die Gegenwart hat einen Abschluss der Kämpfe 
für deutsches Recht und Sitte gebracht und es steht zu boffeu. 
dass mit dem inneren Frieden auch der Kunstsinn jenseits der 
Elbe mehr und mehr gepflegt werde. Der naturgemässe Weg, 
welchen die Baukuust durt einzuschlagen hat, um zum Ziel zu 
gelangen, ist in den wenigen Worten über Klima und Material 
angedeutet worden; zwar sind die Granitfindlinge nach uud 
nach von den Feldern fortgeschafft und benutzt und die Eichen 
wie Buchen bilden nur noch einen spärlichen Laubkranz an der 
Ostsee; aber der Erdboden selbst ist noch unerschöpft und bie- 
tet vorzügliche Backsteine zum Bauen dar. — 

Eine feste Grundlage für den architektonisch gegliederte!! 
Rohbau ist seit kaum zwei Jahrzehnten durch das unermüdliche 
Streben weniger Männer in Schleswig-Holstein gewonnen worden, 
und es hat der gothische Backsteinstil, trotz der grossen Vor- 
urtheile, besonders in der sogenannten gebildeten Klasse, nicht 
nur seine Lebensfähigkeit für die Neuzeit bewiesen, sondern auch 
durch seine Kraft und Pracht aus manchen Gegnern F'reuude 
geworben. Sieht man vou der formalen Seite dieser Errungen- 
schaft ab, so darf nicht unerwähnt bleiben, dass das konstruk- 
tive Prinzip des Backsteinrohbaucs hier theils einen günstigen, 
theils einen schwer zugänglichen Boden vorfand. Während näm 
lieh im Volke jene niedersächsiebe Bauweise mit den beschei- 
densten Anfängen einer künstlerischen Ausbildung Jahrhunderte 
lang fortgelebt hatte, war in den kunstverständigen Kreisen die 
Theilnahme hierfür erloschen und das Strebeu nach antiken 
Formen ohne Rücksicht auf Klima und Material an deren Stelle 
getreten; dort hielt der Bauer am unverputzten Hack stein für 
die Mauern seiner Wirthscbaftagobäude, seines Schul- und Pfarr- 
hauses, sowie seiner Kirche fest; die Pferdeköpfe am Dach- 
sparren, die Eisenanker in Jahreszahlenform oder Initialen, die 
runden Bleivcrglasuugen der Fenster und die geschweiften Aus- 
schnitte am Holzwerk waren eben so wie die gemalten Leinen- 
truheu, wie die bäurische Tracht und die platte Sprache ehr- 
würdige Familien -Erbstücke, über welche mit ächter " 



Zähigkeit gewacht wurde; hier dagegen seufzte der Städter un- 
ter dem trüben nordischen Himmel nach den vollendet 



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mentarischen Kreise apellirt haben, ist vou anderer Seite als 
ein „Verrath an der Sache, für welche ein Blatt wie die 
Deutsche Bauzeitung eigentlich einzutreten hätte*, gebrand- 
markt worden, als ein Schacbzug, dessen Zweck kein anderer 
sein könne, als .die Sache wieder in die Hände, der Bau- 
hureankratie zurückzuspielen, welcher sie durch Erlass des 
Preisausschreibens aus den Händen gewunden wurde." Ji 
selbst zum Range eines „ offiziösen" Blattes sind wir bei 
dieser Gelegenheit wiederum*) erhoben worden — Annah- 
men, die für jeden unserer faclurenossenschaftlichen Leser so 
einfach lächerlich sind, dass wir darüber kein Wort weiter 
zn verlieren brauchen. 

Was jene Behauptung anlangt, so hat sie für eine obcr- 
rachtung der Dinge in der That etwas Ver- 
ind ist früher vielfach getheilt worden, aber 
wir haben es schon mehr als einmal nachgewiesen, dass die 
Ceberwindung dieses Standpunktes der wesentlichste Fort- 
schritt der durch das Nachdenken Vieler gereiften An- 
schauungen über das Konkurrenzwesen und die wesentlichste 
Bedingung für die Möglichkeit ist, eine Konkurrenz mit 
strengster Korrektheit, mit gleicher Rücksicht auf die 
Interessen der Kunst und die Interessen der Künstler ent- 
scheiden zu können. Nur weil unser Leserkreis sich seitdem 
erweitert hat und wir hier gleichzeitig noch zu anderen 
Faktoren sprechen, wiederholen wir in Kürze den Nachweis, 
dass eine prinzipielle Beziehung des Sieges in einer Kon- 
kurrenz zu der späteren Ausführung des Baues nur unter 
den günstigsten Voraussetzungen als segensreich sich er- 
weisen kann, sonst aber die grössten Unzuträglichkeiten 
und Konflikte befürchten lässt. War beispielsweise das 
Programm gut, die eingelieferten Arbeiten hingegen nur 
raittelmässig, so bindet jene Bestimmung den Bauherrn ent- 
weder an eiue unzureichende Kraft oder sie verführt zu dem 
schlimmen Missbrauche, gar kein« Preise zu ertheilen. War 
das Programm, wie in so vielen Fällen, mangelliuft und 
stammt daher das Unzureichende der progruiiiiiiKeniässen 
Projekte, während ein genialer Konkurrent ohne Rücksicht 
auf dasselbe eiue gute Lösung gefunden hat, so nöthigt jenes 
Prinzip entweder zu einer wissentlichen Unterdrückung der 



•I AnnKkuuR. Dm «raui 11*1 wtdrrtutir an» darcli dieartb« Polet (UfmIIui 
Kbr*. wrll «Ir b«d*u»rt hatten, il**a tnr kuiiitlrrUfhrn Va-rb«rt*«tuitg der vi>rjfch- 
ilpin KlnragalXarlirkkaltau t.ii. In Jahtu l*«S hhrrftu hrv. ihrtc, Paraaullrk- 
Wlun nur ill* II». Oroiilu» und L«r»l. ltlchl ab»r dW, Hrn. Strick und 
Adlar ilux»H|i«n w«rd«n »arm. Braannllir-h fahrt von «liwn der Er»t« d«u 
.Otoarborbaurath*-. <t*r ta-rilr- den »Banrath* -Titel . daher «narr angeblich offl- 
i in.,» latereaae fnr «Heaelbrnl 



guten Idee und ihres Autors oder zu einer Verletzung des 
formalen Rechte« derjenigen Konkurrenten, welche sich 
streng an das Programm gehalten haben. Nur in Ausnahme- 
fällen werden sich überdies Bauherren finden, die sich in 
dieser Weise schon vor Erlass einer Konkurrenz die Hände 
binden lassen. Folgt hieraus wohl ohne Weiteres, dass es 
unmöglich ist, die besprochene Forderung zu einer obliga- 
torischen Bestimmung aller Konkurrenz-Programme zu 
machen, so haben wir andererseits auch schon ausgeführt, 
dass es bei dem ganzen Stande des Konkurrenzwesens , das 
vorläufig kein Recht der Architektenschaft, sondern eine von 
der Einsicht der Bauherren abhängige Konzession ist, unbe- 
denklich erscheint, dieser Einsicht soweit zu vertrauen, dass 
sie in Fällen, wo jene Lösung sich von selbst ergiebt, die- 
selbe auch wirklich wählt, d. h. die Ausarbeitung der defi- 
nitiven Pläne und die künstlerische Leitung eines Baues 
demjenigen Architekten überträgt, dessen Entwurf in der 
vorhergegangenen Konkurrenz die seiner Mitbewerber nicht 
nur in den Schatten gestellt, soudern auch als eine so reife 
und glückliche Irösung der Aufgabe sich erwiesen bat, dass 
er der Ausführung zu Grunde gelegt werden konnte. Als 
eine Sicherung dessen, die vielleicht einen Zusatz zu unseren 
„Grundsätzen* bilden könnte, schlugen wir eventuell die 
Bestimmung vor, dass für den Fall, in welchem ein aus einer 
Konkurrenz hervorgegangenes Projekt auch wirklich zur 
Ausführung gewählt wird, die spezielle Bearbeitung desselben 
und der künstlerische Antheil an der Bauleitung dem Ver- 
fasser desselben gewahrt bleiben müsse. 

Bei Konkurrenzen zweiten oder noch niedrigeren Ran- 
ge» — zumal wenn bei deren Vorbereitung erst durchweg 
mit der erforderlichen Sorgfalt verfahren wird — werden 
solche Fälle häufiger vorkommen. Bei Konkurrenzen ersten 
Ranges, bei Konkurrenzen um Aufgaben, die bei Erlass des 
Preisausschreibens sich .in vollem Umfange, in allen Be- 
ziehungen noch keineswegs klar übersehen lassen, wird ein 
derartiges Ergebnis« eine um so seltenere, ja geradezu uu- 
wahrsclieinliche Ansnahme bilden, je zahlreicher und tüch- 
tiger die künstlerischen Kräfte sind, die an diesem Wett- 
kampfe Theil genommen haben. Das gewöhnliche Resultat, 
wie es in der That auch bei dieser Konkurrenz vorlag, ist, 
dass eine mehr oder minder grosse Zahl tüchtiger Arbeiten 
sich als im Wesentlichen gleichberechtigt gegenüber 
steht, von denen eine jede in ihrer Art die Lösung der Auf- 
halte um ein gutes Stück gefördert, keine einzige aber in so 
vollkommener Weise gefunden hat, dass der Entwurf ohue 



Stuüifurwun der antiken sonnenhellen Welt, ohne zu beachten, 
dass die Vorsehung der ciuibrischen Halbinsel jene durchsichtige 
Luft versagt und statt der griechischen Steinbrüche Lehmgruben 



zugetheilt hat 

Aus dieser Lage der Dinge ' 
die Einführung des mittelalterl 



, vor zwei Jahrzehnten folgt, das« 
Einführung des mittelalterlichen Backsteinrobbaues in dun 
Elbherzogthümeru nur das Anknüpfen an einen zarten Faden 
sein konnte, und dass hierdurch ein harter Kampf bedingt ward. 
Der Mann, welchem die Ehre gebührt, unermüdlich und sieg- 
reich bahnbrechend für die deutsche Baukunst im Norden ge- 
wirkt zu haben, ist der am 7. Januar d- J. zu Kiel verstorbene 
Stadtbaumeister Gustav Hartens; von der konstruktiven 
Wahrheit und der formalen Schönheit des mittelalterlichen Stiles 
durchdrungen, bat derselbe in seinen zahlreichen ausgeführten 
Entwürfen und in der Bewältigung vieler technischen Schwierig- 
keiten bei der Herstellung und Verwendung des heimischen 
Steinmaterials für die kirchliche Kunst insonderheit oin festes 
Fundament gelebt, auf welchem' er selbst freilich nur in sehr 
bescheidener Weise weiterzuschaffen berufen ward, weil das seit 
langer Zeit ertönende Mahnwort: „Lieb Holstein, musst mehr 
Kirchen bauen" trotz der schreiendsten Noth unbeachtet geblie- 
ben ist. Angesichts der Thatsache aber, dass das Streben jenes 
Mannes zunächst der Profan - Architektur hat gelten und auf 
diesem Gebiete den Weg zur monumentalen kirchlichen Bau- 
weise hat ebnen müssen, wird das Verdienstvolle seiner Arbeiten 
nur um so gewichtiger hervortreten und ein kurzer Rückblick 
auf den Lebensweg und die Kämpfe des Verstorbenen als ehren- 
der Gedenkstein vielleicht theilnehmende Beachtung finden. — 
Gustav Ludolnh Martens wurde geboren am 20. Oktober 
1818 zu Wismar. Unter günstigen Familienverhältnissen, welche 
besonders eine gründliche Schulbildung ermöglichten, durchlief 
er alle Klassen des dortigen Gymnasiums. Während nun der 
Vater das Studium der Theologie als Fortsetzung dieser elemen- 
taren Wissenschaften angesehen und seinen Sohn dereinst in 
würdevoller Amtstracht auf der Kanzel zu erblicken gehofft 
hatte, war der Letztere schon früh durch den ihm innewohnen- 
den Formensinn zu dem Wunsche geführt worden, sich dem 
Baufache zu widmen und für die Kanzel das monumentale 
Gotteshaus zu schaffen. Unter solchen sich schroff entgegen- 
tretenden Zukunftsplänen hatte der mit Festigkeit begabte 
Charakter des Jünglings die erste und vielleicht härteste Probe 
zu bestehen; es galt dem Vater zu erklären, dass der Sohn un- 
widerruflich entschlossen sei, den von ihm als allein richtig er- 
kannten Weg der Arbeit zu betreten, selbst auf die Gefahr hin, 



des so nötbigen Anhaltes vom Vaterhause her beraubt zu wer- 
den. Und Angesichts dieser, vom opferwilligen Ernste durch- 
wehten Darlegung verstummte der väterliche Mund, welcher 
erst nach etwa 6 Jahren sich völlig zufrieden mit dem eigen- 
mächtigen Vorgehen des Sohnes bekannte. Bis dahin suchte 
Martens praktische und theoretische Kenntnisse zu erwerben; 
er ging zunächst bei Zimmermeistern in Schwerin und Kopen- 
hagen in die Lehre und sodann nach München an die dortige 
technische Anstalt; da auf die Wahl der ersten Lehrherren der 
Vater besch Messenden Einfluss ausübte, so darf man annehmen, 
dass dieselben weder durch Liebenswürdigkeit noch Milde dem 
zünftig Lernenden die Praxis erleichtert haben. Vou den auf 
antiker Grundlage ruhenden Arbeiten in Süddeutschland wissen 
wir, dass dieselben vom besten Erfolge begleitet waren, aber 
trotzdem ein noch ungeklärtes Sehnen, nämlich das Streben ' 
nach konstruktivem Ernst und Wahrheit, im Innern des Jüng- 
lings unbefriedigt Hessen. Zunächst stand 1842 eine Reise nach 
Italien in Aussicht, und obwohl hierzu der Vater seine Zustim- 
mung durch hinreichende Geldmittel bewiesen hatte, wandte sich 
der Sohn in Folge des grossen Brandes in Hamburg nach Nor- 
den zu; in der verwüsteten Hansestadt reichte ihm der Vater 
die Uand mit den Worten : „Mein Sohn, wenn Du Etwas gelernt 
hast, findest Du hier ein Feld der Thätigkcit - zeige, was Du 
kannst.* 

In den nachfolgenden G Jahren war Martens hier im Verein 
mit G.G.Unge witter bei solbsUtändken Privatbauten thätig ; 
und wenn auch in späterer Zeit beide Baumeister oft lächelud 
auf diese Erstlingsversuche zurückblickten, so ist doch in und 
neben denselben das Saatkorn gefunden worden, welches jene 
Männer als Vorkämpfer mittelalterlicher Bauweise von dort nach 
Nord und Süd zu tragen bestimmt waren. 

Der leider schon 1864 verstorbene Architekt Ungewitter hat 
sich durch seine gothische Konstruktion» - und Formenlehre, 
sowie durch viele andere litterarische Veröffentlichungen und 
kleine kirchliche Ausführungen in den weitesten Kreisen einen 
bedeutenden Namen erworben; damals war er die anregende 
Seele dieses Zusammenlebens und Wirkens. 

Martens erlangte durch seines Mitarbeiters Streben, an jene 
Blüthenzeit deutscher Baukunst wieder anzuknüpfen und Neues 
zu schaffen, den Fingerzeig für den von ihm einzuschlagenden 
Weg, um nordwärts der Elbe bahnbrechend aufzutreten. 

Vorher aber sehen wir 1848 den Mann friedlicher Kunst- 
bestrebuugeu in den Reihen des tapferen von der IWWkli 
Freikorps die unglücklichen Kämpfe Schleswig -Holsteins gegen 



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wesentliche Modifikationen als zur Ausführung reif bezeich- 
net werden könnte. Individuelles Ermessen der Preisrichter 
wird — zuweilen nicht ohne die grös&te Schwierigkeit — 
eine Rangordnung feststellen können, nach der die ausgesetz- 
ten Preise zur Vertheilung gelangen. Eine offenbare Unge- 
rechtigkeit gegen die dein Sieger so nahe stehenden übrigen 
Konkurrenten und, was noch schwerer wiegt, eine offenbare 
Inkonsequenz im Prinzip des zur Lösung der Aufgabe ein- 
geschlagenen Verfahrens wäre es jedoch, wenn nach solchem 
Ergebnis», das nur als ein vorläufig erreichtes Stadium 
betrachtet werden kann, die weitere Bearbeitung der Auf- 
gabe dem zufälligen Sieger allein übertragen und hierfür 
nicht abermalR der schon beschritten« Weg eingeschlagen, 
d. Ii. eine nochmalige Konkurrenz auf Grund der bisher 
erlangten, positiven Resultate eingeleitet würde. 

Seit Jahren sind wir bemüht nachzuweisen, dass dieser 
Weg einer Doppel-Konkurrenz der einzig würdige und prak- 
tische sei, um unseren Mouumcntalbauten ersten Ranges die 
Wahrscheinlichkeit der möglichst besten Lösung zu sichern. 
Unsere Bestrebungen scheineu in gewissen Kreisen so wenig 
verstanden oder vielmehr beachtet worden zu sein, dass man 
es dort noch gegenwärtig als eine Art von Ungeheuerlich- 
keit ansieht, wenn wir die angebliche Erfolglosigkeit einer 
Konkurreuz mit dem Resultate der diesmaligen entschieden 
bestreiten und als den im vollen Maasse erreichten Haupt- 
zweck derselben den Gewinn von Ideen für die Lösung der 
Aufgabe bezeichnen. 

Der Gewinn von Ideen ist es allerdings, den 
wir unsererseits als den Kernpunkt des Konkur- 
renzwesens betrachten, wenn wir vorläufig allein die 
sachliche Bedeutung desselben ins Auge fassen. Kann 
man eine Konkurrenz denn wirklich nur als Lotterie, sei 
es auch mit Gewinnen, die den Einsätzen entsprechen, oder 
wohl noch zutreffender als eine Submission mit Probestücken 
ansehen, bei welcher dem Mindestfonkrnden resp. Meistver- 
sprechenden der Zuschlag ertheilt wird, andere ein Schmer- 
zensgeld erhalten, die Mehrzahl der Submittenten aber ent- 
täuscht und mit dem Bewusstsein, völlig zwecklos gearbeitet 
zu haben, abzieht? — Wir haben oben nachgewiesen, dass 
die aus dieser Anschauung gefolgerten Konsequenzen nichts 
weniger als praktisch sind: uns dünkt ebenso, dass eine 
solche Auffassung des Konkurrenzwesens auch nichts weniger 
als „id. al- genannt werden kann. 

Will man das Konknrrenzwesen von seiner idealen Seite 
auffassen — nnd dies ist allerdings erste Bedingung, wenn man 



seine wahre Bedeutung verstehen und von dem Wüste un- 
klarer Vorstellungen sich frei machen will, die der bisherigen 
Entwickelung desselben fast noch mehr geschadet haben als 
die Verlfinmdungen der Gegner, so kann dies nicht anders 
geschehen, als dass man es mit Rücksicht auf den ganzen 
Charakter unseres Zeitalters nnd im Zusammenhange mit 
den Ideeu betrachtet, welche für dasselbe die bewegenden 
und treibenden sind. 

Man liebt es in schwächlicher Wehmuth unser Zeitalter 
das der Epigonen zu nennen, weil Geistes - Heroen ersten 
Ranges, die weit über ihre Zeitgenossen hervorragen, in der 
That seltener geworden sind als in früheren Epochen, wäh- 
rend eine grosse Anzahl gleich werthiger Kräfte vorhanden 
ist. Das oben erw&bute Resultat der meisten Konkurrenzen, 
das sich durchaus nicht ändert und auch in dem letzten 
uns hier vorliegenden Falle sich schwerlich geändert haben 
würde, wenn sämmtliche Autoritäten des Faches an dem 
Wettkampfe Theil genommen hätten, ist ja auf unserem 
Gebiete ein sprechendes Zeugnis« für die Richtigkeit jener 
Erkenntniss. Die Ursachen dieses Verhältnisses zu erörtern 
gehört nicht hierher; jedenfalls sind wir weit davon entfernt 
es zu beklagen, sondern blicken mit freudigem Stolz auf 
unser Zeitalter, das gelernt hat, die häufiger unheilvolle als 
segenbringende Abhängigkeit von einzelnen Führern zu ent- 
behren und für die Tbätigkeit von Individuen mit der Tbätig- 
keit der denkenden Gesammtheit einzutreten. Sind nicht 
die Leistungen unserer Epigonenzeit auf allen jenen Gebieten 
unvergleichlich grösser als die der Vergangenheit, auf denen 
man es versteht, an die zur Lösung gestellten Aufgaben die 
Summe der vorhandenen Kräfte zu setzen, die 
Summe der vorhandenen Ideen sich nutzbar zu machen? 
Das Mittel zu diesem Zwecke, es ist kein anderes als die 
freie Oeffentlichkeit, und als ein Recht, nicht als eine 
Gunst verlangt die zweite Hälfte des neunzehnten Jahrhun- 
derts, dass an den Angelegenheiten, welche die Interessen 
der Gesammtheit berühren, die Gesammtheit mitrathen und 
mitthaten kann. Ein allgemeiner Vermittler hierfür ist zu- 
nächst die Presse - für die Aufgaben des politischen Le- 
bens sind es im engeren Sinne die Parlamente, für die Auf- 
gaben der monumentalen Kunst, zumal für die konkreten 
Aufgaben der Baukunst können und müssen es die Konkur- 
! renzen werden. Und wie man jene als das Palladium un- 
seres politischen Fortschrittes betrachtet, so haben wir diese 
das Palladium unserer Kunst genannt. 



die dänischen Uebergriffe und Gewaltmaassregelu mitmachen ; 
am Schlüsse derselben liess er sich in der Festung Rendsburg 
nieder und würde von hier aus, namentlich auf Schleswig- llof- 
steinschem Gebiete, einen grossen Wirkungskreis gewonnen 
haben, weuu nicht sein Tagebuch des v. d. Tauu'scben Freikorps 
der wieder zur Alleinherrschaft gelangten dänischen Regierung 
Anläse gegeben hätte, troU alleemeiucr Amnestie dem Ver- 
fasser bei schwerer Strafe das Uebersch reiten des Eidcrflusses , 
nach Norden biu zu verbinten. In Folge dieser hemmenden 
Fessel wandte Martens sieh 1853 nach Kiel, wo aus kleinen An- ! 
fängeu sich Bedeutsames entwickeln sollte. 

In Wort und Werk ging das unermüdliche Strebou dieses I 
Mannes dahin, den naturgeinässeu Gesetzen der Kuastruktiou 
unter Verwendung des heimischen Zicgeltnaterials uud uutcr 
Zugrundelegung mittelalterlicher Formen Anerkennung zu ver- 
schaffen. Au» vielen Privatbauten der ersten Jahre tritt der 
Widerstreit mit ungünstigen Verhältnissen jeder Art hervor; 
deu Bauherren inusstou aus Sparsamkeitsrücksichten oder auf 
besonderen Wuusch Zugeständnisse gemacht werden, welche ge- 
rade das angestrebte Ziel in den Hintergrund drängten uud die 
beabsichtigt« architektonische Gesammtwirkung theilweise zer- 
störten; die mangelhafte, vernachlässigte Ziegeltechnik führte 
vielfach auf die Notwendigkeit, reichere Gliederungen aus 
Sandstein zu bilden und dadurch den einheitlichen Charakter 
abzuschwächen; endlich befand »ich der Baumeister selbst in 
einer Periode des Ringens, namentlich hinsichtlich der Formen- 
gebung, so dass mancher schon ersonnene Gedanke durch einen 
allzugewaltsamen derben Ausdruck für ein feineres Auge an 
Anziehungskraft eiubüssfe. Die Zeit voll werthvoller Erfah- 
rungen uud Studien, der wachsende Einnuss auf die Ziegeleien 
und weitere Anregungen von Seiten Ungßwitter's durch dessen 
Schüler, welche iu Martens' Bureau arbeiteten, boten dem Meister 
immer reichere Mittel dar, um durch dieselben höhere Ziele zu 
erreichen. 

Die äussere Anerkennung in weitereu Kreisen, ohne welche 
ein Künstler nur aus Ueberzeugungstreue vorwärts zu streben 
vermag, hatte den Arbeiten der ersten Jahre gefehlt; aber der 
feste Charakter bethätiglc hierin theils seine ganze Kraft, theils 
auch seine Härte uud Schroffheit. Damals ward mancher schnei- 
dige Gegensatz hervorgerufen, desseu feindliche Spitze erst nach 
und nach fortschreitend gebrochen wurde, je mehr sich das mit 
seltener Ausdauer verfolgte Ziel des Künstlers als richtig er- 
wies. Neben der Privatpraxis, welche sich über Schleswig-Hol- 
stein, Dänemark, Schweden und Kugland erstreckte, erlangte 



Martens 1865 einen grösseren Wirkungskreis in Kiel selbst als 
Sladtbaumeister. Jedes Jahr sah mehr als ein grösseres öffent- 
liches Gebäude, besonders Schulen, nach den Plänen desselben 
in monumentaler Weise entstehen; während zugleich mehre 
bedeutende Entwürfe, wie z. B. für ein neues UniversitStsge- 
bäude, für durchgreifende Restaurationsarbeiten an der bau- 
fälligen Nicolai- und Klosterkirche, sowie für eine Friedhofa- 
kapelle unausgeführt bleiben mussten. — 18ß5 ward auch der 
Grundstein zur Kirche in Elmschenhagen, einem Dorfe in näch- 
ster Nähe der Stadt Kiel, gelegt und 1866 der Bau vollendet; 
diese bescheidene Aufgabe, welche ein Gotteshaus mit etwa 500 
Sitzplätzen bezweckte, ist in mustergültiger Weise gelöst wor- 
den; vom festgefügten Umfassung*- und Gewölbemauerwerk bis 
zu den geschmiedeten Zierbändern der Thüren und bis zur 
Thurmbckrönung tritt dem Beschauer fast aus allen Arbeiten 
der verschiedensten Geworke neben dem einheitlich schönen 
Gedanken des Baumeisters das beste Streben der Ausführenden 
entgegen. Gerade in solcher Richtung, welche von innen her- 
aus die Schaffenskraft der Handwerker neu zu beleben und 
zu entwickeln suchte, hat Martens gleichfalls segensreich ge- 
wirkt; es war dies eine, fast aus der Natur der Sache mit Noth- 
wendigkeit sich ergebende Folge; die Kunst des Mittelalters 
nämlich hat trotz der weit verbreiteten, irrthümlichen Ansicht 
von geistiger Fiusterniss und leiblichen Beschränkungen freiere 
und selbstständigcre Wcrkleutc gebildet als jene spätere Zeit, 
welche bis zum Schablonenthum der ersten Hälfte unseres Jahr- 
hunderts zu entarten vermochte. 

Das Anknüpfen an die mittelalterliche Bauweise schloss die 
Aufgabe in sich, dem Handwerkerstande durch den Unterricht 
die Wege zu jener längstvcrgessenon persönlichen Theilnahme 
und Liebe an der Arbeit zu eröffnen; ein Anhaltspunkt bierfür 
lag in einem städtischen Gewerbevereine von geringer Lebens- 
kraft und schwachen Mitteln vor; dadurch dass Martens zunächst 
unter seinen Mitbürgern diese unbeachtete Pflauzachule der 
Handwerker als bedeutsamen Hebel für die Baukunst allgemei- 
ner Beachtung und Unterstützung zu empfehlen wnsste, schuf 
er eine feste Grundlage für die Anstalt, welcher er »elbBt als 
Direktor bis zu seinem Tode mit treuer Fürsorge sich widmete; 
aus diesem Streben ist auch die Veröffentlichung einiger Hefte 
Möbelzeichnungen hervorgegangen. 

Das äussere Bild der Stadt Kiel hat durch Martens manche 
Umgestaltungen erfahren; in den letzten Jahren ist ein neuer 
städtischer Bauplan nach Ueberwindung vieler Schwierigkeiten 
zur Ausführung angenommen und begonnen worden, welcher 



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— 245 — 



notwendigen Verfahrens gewinnt in der Thal über- 
I an Klarheit, wenn man das Letztere mit den For- 
des Parlamentarismus in vergleichende Beziehung bringt 
— eine Analogie, die sich selbstverständlich ebensowenig 
in allen Einzelheiten durchführen lässt, wie irgend eine andere. 

An das Verständnis« der parlamentarischen Mitglieder 
der Jury, über [deren Berechtigung, in dieser Sache einen 
solchen Einflnss auszuüben, wir im Uebrigen auch heute 
ebenso denken wie jemals vorher, und an den Reichstag 
überhaupt wendeten wir uns daher — und wie wir glauben, 
nicht ganz vergeblich — wenn wir empfahlen, diese erste 
Konkurrenz für Entwürfe zum Hanse des deutschen Reichs- 
tages wie eine extemporirte parlamentarische General -Dis- 
kussion zu betrachten, die nur in den seltensten Fällen zu 
einem fertigen und reifen Beschlüsse führen wird, während 
ihr wesentlichster und wahrlich nicht gering anzuschlagender 
Zweck eben kein anderer ist, als die Summe der vorläufig 
vorhandenen Ideen an die Oeffentlichkeit zu ziehen, sie zu 
sichten und aus denselben leitende Gesichtspunkte für die 
weitere Behandlung der Sache zu gewinnen. So wenig es 
einem Vernünftigen einfallen wird, eine solche Debatte re- 
sultatlos zn nennen, oder dem relativ besten Redner nun- 
mehr das Weitere anheim zn gebeu, ebensowenig wird das 
Letztere bei einer Konkurrenz mit mehren gleichwertigen 
Entwürfen der Fall sein dürfen, aber ebensowenig wird man 
trotzdem ein positives Resultat derselben ableugnen können. 
Bei einer solchen ideellen Auffassung kann von der Erfolg- 
losigkeit einer Konkurrenz, von der Zwecklosigkeit der dafür 
aufgewendeten Arbeit überhaupt nicht mehr die Rede sein; 
ein jeder Thcilnehmer, auch wenn ihm das Glück einen 
Preis versagt, darf das Bewusstsein hegen, seinerseits nach 
Kräften zur Lösung der Aufgabe beigetragen und sie in der 
That gefördert zu haben; ja selbst die völlig verfehlten Ent- 
würfe, welche die Untauglichkeit mancher Ideen besser bewei- 
sen , als blosse Erwägung es könnte , sind in diesem Sinne 
nicht ganz überflüssig gewesen. Soll freilich ein derartiger 
geistiger Gewinn einer Konkurrenz ganz gehoben und nicht 
allein für die vorliegende Aufgabe, sondern für die Allge- 
meinheit nutzbar gemacht werden, so ist es erforderlich, 
dass die Beurtheilung der Entwürfe nicht nur eine sorg- 
faltigere, als bisher meist geschehen, sondern vor allen Din- 
gen eine absolut Öffentliche ist — ein Moment, auf das wir 
demnächst \m Besprechung des zweiten Hauptgesichtspunktes, 
aus dem wir das Ergebniss dieser Konkurrenz betrachten, 
ausführlicher zurückkommen. 



freilich die verschiedenartigste Beurtheilung hinsichtlich 

Sünstlerischen und praktischen Wertbes erfahren hat; aber 
iesen in die Augen spriugenden Werken, welche als monumen- 
tale Leistungen das Gedächtnis* des Meisters lebendig erhalten, 
bat die Gewerbeschule eine geistige Saat ausgestreut , deren 
Früchte nicht weniger für das anregende uudf : 



Wir dürfen eine Vergleichung der Arbeit in Konkur- 
renzen und der in Parlamenten nicht zn weit durchführen, 
wenn wir den Faden unseres eigentlichen Thenns nicht ver- 
lieren wollen. Aber das. sei uns noch gestattet hervorzu- 
heben, dass wir auf Grund derselben den Vorzug allgemeiner 
vor beschränkten Konkurrenzen auch sachlich für leicht zu 
erweisen halten. Ist doch die Wahrscheinlichkeit unleugbar, 
dass die Summe von Ideen bei jenen grösser sein wird, als 
bei diesen. Wo dies in Wirklichkeit nicht der Fall gewesen, 
wo die durch eine allgemeine Konkurrenz geförderten Ideen 
faktisch dennoch unnutzbar gewesen sind, liegt dies ebenso, 
wie hei den Beispielen, auf die man sich beruft, um den 
Parlamentarismus durch den Parlamentarismus todt zn 
machen, nicht im Wesen der Sache, sondern in dem ver- 
kehrten, sorglosen und missbräuchlichen Verfahren. Be- 
schränkt« Konkurrenzen sind in der Regel nicht nur mit 
sehr viel grösserer Sorgfalt vorlwreitet ', sondern werden 
auch unter geringeren Ansprüchen beurtheilt als allgemeine. 
Die Auswahl der Persönlichkeiten für sie ist hingegen vom 
Zufalle und von persönlichen Einflüssen abhängig, die Ga- 
rantie, dass bewährte Autoritäten unter allen Umständen 
auch gute Entwürfe einliefern werden, eine sehr geringe; 
auch Hr. Gilbert Scott ist ja eine solche „ Autorität! 4 Der 
Abstand, der die anf dem Gebiete praktischer Erfahrung 
und an Sicherheit ihren jüngeren Fachgenossen weit voraus- 
stehenden Meister auf dem Gebiete der Erfindnng von die- 
sen trennt, ist überdies nicht immer ein sehr grosser — ja es 
fehlt nicht an Beispielen, dass Künstler sich in einer langen 
nnd ruhmvollen Laufbahn niemals zu jener Höhe künst- 
lerischen Gestaltnngs-Verrnögens wieder aufschwingen 
ten, die sie in ihrem Erstlingswerke erreichten. 

Es ist unseres Erachtens auch durchaus nicht zu 
gen, dass die Autoritäten unseres Faches sich von allgemei- 
nen und öffentlichen Konkurrenzen so spröde zurückhalten 
werden, wie sie es bisher allerdings in der Mehrzahl getban 
haben, und es dünkt uns keineswegs nothwendig den un- 
würdigen Vorschlag zu befolgen, sie durch die Garantie 
einer Bezahlung ihrer Arbeit hierzu zu veranlassen. Wenn 
die Bearbeitung der Aufgaben monumentaler Baukunst im 
Wege der Konkurrenz nicht mehr Ausnahme, sondern Regel, 
wenn die Form dieses Verfahrens von den bisherigen 
Schlacken und Missbränchen gereinigt sein wird — und 
Beides muss das Ziel unausgesetzten Strebens sein, — so 
werden die besten Geister der Nation an der Arbeit der 
Konkurrenzen ebenso freiwillig Theil nehmen, wie sie im 



fende Talent des Verstorbeneu reden. 

Der früher erwähnte Restaurationsentwurf für die Kieler 
Nikolaikirche fällt in das Jahr 1867; sodann betheiligt« Martens 
sich 1868 an der Konkurrent für die St. Jobanniskircbe in Al- 
tona und trug deu zweiten Preis davon; bald darauf wurde er 
durch die Ehre ausgezeichnet, zum wirklichen Mitgliede der 
k. k. Akademie der bildenden Künste in Wien ernannt zu 
werden. 

Nur wenige Jahre jedoch sollte Martens in diesem Sinn mit 
ungeschwüchter Kraft weiter schaffen; 1869 arbeitete er ein 
Projekt für die Kirchenkonkurrenz zu Orefcld aus und erhielt 
eine lobende Erwähnung. Die Verhältnis* tu ässig geringen Er- 
folge bei solchen Prcisbowerbungen sind grösstenteils dem 
schroffen Charakter des Künstlers zuzuschreiben, indem derselbe 
nd als schön erkannten Gedanken nicht 
5, selbst wo von Freunden gewichtige Bo- 
denken geäussert und eine strengere Beobachtung der Tradition 
des Kirchonbaues befürwortet wurden. Aus der malerischen, 
nach Unsymmetrie strebenden mittelalterlichen Bauweise Eng- 
lands hatte Martens viele fruchtbare, aber uns Deutschen fremde 
Motive geschöpft, und in Folge dessen entstanden für den durch- 
greifenden Erfolg einzelner Entwürfe die gefahrbringenden 
Klippen. 

eigene geistige Bedürfniss, durch ein Studium des zar- 
teren, mehr dekorativen als konstruktiven Backsteinbaucs in 
Norditalien nene Anschauungen zu gewinnen und zugleich die 
klassischen Werke des Alterthums jenseits der Alpen mit eige- 
nen Augen kennen zu lernen, hatte ihn im Winter und Früh- 
jahr 1868 — G9 nach Ober- uud Mittelitalien geführt. Ein an- 
regend geschriebenes Tagebuch . in Briefform an einen Freund 
gerichtet, legt von der Unermüdlichkeit im Besichtigen und Er- 
forschen der Kunstschätze Zeugniss ab, und einige Neubauten 
der letzten Jahre in der Heimath lassen den mildernden und 
läuternden Einfluss des südlichen liinimelsstriches nicht ver- 



Leider sollte der 
Früchte 
Der 



Erfahrung die 
und Kämpfe nicht reifen 
Vollendung nahe und von 



erfüllt, warf ihu ein schweres Leiden im Mai 
1871 auf das Krankenlager, an welches nach acht langen 1 
ten der erlösende Todesengel trat. — 

Eine fast wunderbare Uebereinstimmung findet im Gr 
und Ganzen in den Lebensschicksalen der durch Zufall mitein- 
ander zusammengeführten Vorkämpfer deutscher Bauweise, Mar- 
tens und L'ngewitter, statt. Beide Männer haben seit der Zeit 
ihrer gemeinsamen Thätigkeit zu Hamburg nur den einen Ge- 
danken verfolgt, die Kunst des Mittelalters selbst zu erforschen, 
durch eigene* Schaffen wieder zur Belebung und Anerkennung 
zu bringen; die Arbeiten Ungewitter's und seine in Hunderten 
von Schülern angelegte Baunchtung beweisen das Emporringen 
des phantasievollen Geistes aus den übertriebenen Formen der 
letzten Verfall -Periode des goth lachen Stiles bis zu den klaren 
und schönen Gestaltungen des ersten jugendfrischen Zeitraums; 
dort angelangt und erfüllt von weittragenden Plänen, nament- 
lich auf litterarischem Gebiete, wurde l'ngewitter von einer 
schleichenden Krankheit befallen, mit welcher er unverzagt 
kämpfte, bis Stift und Zirkel den todeskalteu Händen entglitten 
sind; seine letzte grössere auf das Papier gebrachte Arbeit war 
die polychrome Wiederherstellung der frühgothischen herrlichen 
Kirche 'zu Gelnhausen. 

Auch Martens hat bis zum letzten Augenblick in geistiger 
Klarheit, selbst auf dem Krankenbette, sich mit künstlerischen 
Arbeiten , und besonders mit dem Entwürfe zum Ausbau der 
Klosterkirche in Kiel beschäftigt; und so sind von beiden Män- 
nern geistige Vermächtnisse hinterlassen worden, welche der 
Beachtung in weiteren Kreisen empfohlen zu werden verdienen. 

Die grossen Ereignisse des vorigen Jahres haben unserem 
Vaterlande die langersehnte Einheit im Innern und die ver- 
diente Achtung nach aussen hin errungen; den Helden, welche 
in diesem blutigen Kampfe gefallen sind, werden an allen Orten, 
wo dankbare und treue Herzen schlagen, zur Verewigung ihrer 
Thaten Gedenkzeichen errichtet und frische Kranze auf das 
Grab gelegt; die gleiche ehrenvolle Anerkennung verdienen aber 
auch die Männer, welche auf dem friedlichen Gebiete der deut- 
schen Kunst für die Einigung vorleuchtend gestrebt und ge- 
litten haben. Und in diesem Sinne möchten die vorstehenden 
Zeilen den kaum geschlossenen Grabhügel am Ostscestrande au 
Kiel mit einem Erinncrungsblatte schmücken. 

Hermanu Steindorf. 



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— 246 — 



politischen Leben an der Arbeit der Parlamente »ich bethei- 
ligen; das von ihnen erforderte Opfer an Zeit und Geld ist 
dort jedenfalls kein grösseres als hier. Und wenn in dieser 



Oeffentlichkeit so mancher trügerische Nimbus nicht aufrecht 
erhalten werden könnte, so würde der Sache dadurch wohl 
kein Schaden geschehen. 

|Si hin- foigl.) 



Eli Beitrag lar fctastraktiei der htkrMKra mit Utkrtekttr V»rdtr««che. 




Beim Entwerfen der Widerlager für die Brücken mit ei- 
sernem Oberbau, wie dieselben bei Eisenbahnhauten häufig zur 
l'nterffihruiig kleinerer WasserlSufe und Wen erforderlich sind, 
wird in der Regel so verfahren, dass man die mittlere Mauer- 
stärke zu '» bis *f M der Hohe bestimmt und nuu die Hinter 
flfiche der Mauer in gleich hohen und gleich weit vorspringeu- 
Absätzen abtreppt in der Weise, dass die berechnete mittlere 
Mauerstfirke etwa in der Hebe des unteren Drittels wirklieb 
vorhanden ist. Dus bis heute für derartige Mauern gebräuch- 
licbe Profil zeigt Figur I, welches der Wirklichkeit entnom- 
men ist. 

Wie wenig rationell das- 
selbe konstruirt worden, wird 
folgende Betrachtang zeigen. 

Bezeichnet A die Höh« ei- 
ner Kuttermauur uud zugleich 
der Erdschüttung , welche mit ' 
der Oberkante der erstereu 
horizontal abgeglichen ist, so 
ist bekanntlich, die Länge des 

betrachteten Mauertheiles 
gleich der Einheit gesetzt, der 
Erddruck: 

A' J Kubikeinheiten, 

wobei .4 eiue von der Boschaf- 
feuhe.it der lliutcrfülluugserde 
abhängige Koostante bezeich- 
net, welche bei Bodenarten mit 
steilem Kuhcwinkel sich 0 nä- 
hert, im Mittel 0,25 betragt 
uud bei ganz durchweichten 
und schwimmenden Erdarteu 
bis auf 1 steigt 

Die oben skizzirte Futter- 
inauer ist in Ziegelmaucrwerk 
ausgeführt wurden, dessen spe- 
zifischea üewiebt demjenigen 
der HinterfUllungserde gleich 
tat. Bei Untersuchung der- 
selben wird feruer im An- 
schlüsse au die gemachten Be- 
obachtungen angenommen, dass 
bei etwaigem Umstürzen der einzelnen Absätze die Trennungs- 
fugen (durch — — • — - — bezeichnet) fussige Böschungen 
zeigen, wenn sie, wie bei Punkt /, dio Stirnfläche noch treffen, 
sonst aber wie bei den übrigen Punkten // bis V, durch den 
Fusspunkt der VorderflSche gehen. 

Der bequemeren Rechnung wegen sind die Drehpunkte in 
der Stirnfläche selbst angenommen, während sie in Wirklichkeit 
so weit in die Mauer hioeinrücken, dass durch die Resultante 
aus dem Gewichte der Mauer und dem Erddrucke das Mauer- 
werk in der Stirnfläche gerade bis zur Elastizitätsgrenze bean- 
sprucht wird. 

Unter obigen Annahmen ergiebt sich für 

Punkt / die Konstaute .4 zu 0,91 
, // . 0,50 

. /// . 0,45 

. IV .. 0,53 

1 1 1, wie die fernere Untersuchung zeigen wird, das Maximum 
der Mauerstärke in einer Tiefe von 0,84>ti der Gesammthöhe er- 
forderlich ist, hier also bei 13,35 Tiefe, so ist für diesen Punkt 
V die Konstante .4 ebenfalls berechnet und zu 0,51 gefunden. 
Die Schlüsse, welche aus diesen Resultaten zu ziehen, sind 

1) findet ein Einsturz der Mauer statt, so wird sich eine 
Trennungsfuge bilden, welche durch den Punkt /// geht, da 
hier der Werth von .4 uud damit die Stabilität der Mauer am 
geringsten ist. 

2) Erweist sich dagegen, wie anderweitig zu vermuthen, 
die Mauer als stabil, so ist dieselbe, da alsdann der für die 
Konstante .4 gefundene "geringste Werth von 0,45 ausreichend 
ist, nur in dem über Punkt /// belegenen Theile genügend, in 
den übrigen Theilen dagegen überflüssig stark. 

Da es aber Zweck einer rationellen Konstruktion ist, den 
Baukörperu in allen ihren Theilen möglichst gleich grosse In- 
»nspruennabme zuzuertheilen, dieselben nicht in einigen Thei- 
len vollkommen, in anderen dagegen nur unvollkommen auszu- 
nutzen, so erscheint der gegen das in Figur 1 gezeichnete Profil 
gerichtete Vorwurf einer nicht rationellen Konstruktion gerecht- 
fertigt. 

Zur Veranschaulichung des Maasses der Stabilität in den 
verschiedenen Theilen der Mauer dient die Kurve ade der 
Figur 2, worin die Wcrthe von A, welcher Grösse die Stabilität 
proportional ist, als Ordi nuten für die verschiedenen Tiefen als 
Alszisson aufgetragen sind. 



Fl*- s 




Im Folgenden Holl der Weg angegeben wer- 
den, derartige h'uttermauern rationell, d. h. so zu 
konstruireu, dass die Stabilität im Ganzen, wie 
in den einzelnen Theilen möglichst dieselbe ist. 
Letzteres lässt sich nur durch "die Form der Hio- 
terfläcbe erreichen, da die Vorderfläche aus an- 
deren Gründen Henkrecht bleiben muss. 

Die hinten 1 ßegrenzimgslimr des Profils ist. 
wie leicht Hinzusehen . auf zwei verschiedenen 
Kunen zusammengesetzt (cfr. Figur 3). Ffir die 
obere Kurve B G sind die Trennungsfugcu simmt- 

licb ' fiissig gnbfischt und schueidou die 8tirn- 

H 

fläche in verschiedener Höhe; für die untere Kurve C E ändert 
sich diese Neigung stetig, da hier alle Trennungsfugen durch 
den Punkt D gehen. 

Fi». ». 



II J 

I 


t 

\ 


.1 

» 










Vorausgesetzt wird noch, dass die Drehpunkte in der Stirn- 
fläche selbst liegen und Mauerwerk und Uinterfüllungserdc 
gleiches spezifisches Gewicht haben. 

Bestimmung der Gleichung der Kurve B 6. 

Nach Figur 3 ergiebt Bich für einen Punkt /*, derselben 
durch Gleichsetzung des Erddruckmomentes mit der Stabilität 
des betreffenden Mauertheiles, wobei das Gewicht der über der 
Kurve B Pi liegenden Erde mit in Rechnung gestellt wird, die 
Gleichung : 

4 .. (h . .\ Ab' . «4» 



oder nach den Potenzen von 6 geordnet: 
*»+ 3 /,->/, — ;i Wi A" — - 

N » 



A» = 0. 



1) 



Dieses ist die Gleichung einer geraden Linie; dividirt man 
nämlich dieselbe durch b l , so erhält man: 



d. h. das Verhältnis , dessen Werth durch Auflösung obiger 

Gleichung dritten Grades bestimmt werden kann, ist konstant 
Die Kurve B G ist demnach eiue durch den Punkt B ge- 
hende gerade Linie. 

Um ihre Richtung zu bestimmen, ist es am iN-qucmstcr, die 
Koordinaten A, und A, des Punktes G zu berechnen, indem man 
in Gleichung 1 A, // — nb, setzt Nach den nöthigen Um- 
formungen erhält man dann folgende Gleichung dritten Grades : 

*' *' 2« + 2«<l + J t».) = 0 2) 
wozu noch gehört: 



Google 



— 247 — 



4, = H — nt>, 

Hieraua läast sieb b, annähernd ziemlich bequem berechnen. 
Bestimmung der Gleichuug der Kurve C E. 
Für einen Punkt /', derselben erhält man die Gleichuug 

und nach den nfttbigen Umformungen folgende relu quadrati- 
sche, also leicht zu inaende Gleichung: 

W+tt 

Für den Punkt (J erhilt mau durch Einsetzen von k, = 
II — nb, in obige Gleichung wieder deu unter 2 angegebenen 
Ausdruck. 

Für deu Punkt E wird b = H, also nach Gleichung 3 die 
uutere Breite der Mauer: 

6, = H V A 4) 

3 

Diese untere Breite ist aber nicht das Maximum von b. Setzt 

man nämlich die aus Gleichuug 3 gebildet« Ableitung ^ = 0, 

so erhält man für den Punkt M der Kurve, für welcbcu b viu 
Maximum wird, die Abszisse: 

A-i. m H 1/ S m 0,86« H 5) 
4 

und die Ordinate, das Maximum der Breite: 
=r 0.5H H VX. 

Lhu Maximum der Breite liegt also bei allen Futtermauern, 
vorausgesetzt, das* das Mauerwerk und die liinterfüllungserde 
gleiches spezifisches Gewicht haben, auf Ö.Stiti der Uöbe von der 
Oberkante gerechnet'). 

Aus Gleichung 1 ersieht man, dass die Neigung des oberen 
Theilcs der llinterflächenkurve nur vou .1 und « abhängig, von 
der Hob« der Futterroauer aber unabhängig ist. 

Die Neigung der Trennuugsfugcu ist vA jedem Materiale 
etwa Vi füssig, 3. h. diese bilden mit den Vertikalen cineu Win- 
kel von etwa 30*. Die Konstante .4 ist dagegen für die ver- 
schiedenen Kidarten verschieden, bei Dammschüttungen aus 
sandigem Boden, welcher meist zur Uinterfüllung der Kutter- 
mauern verwendet wird, dagegen wie iu dem untersuchten spe- 
ziellen Falle auf 0,46 anzunehmen. Man hat daher das Verhält- 
nis» nur für jede Erdart zu berechnen. 

Die Form der unteren Kurve ist verhältnissniäasig leicht 
und betjuem aufzutragen, da ausser den Punkten V und E, nur 
noch vielleicht zwei bis drei Punkte zu -bestiuinieu sind, am 
die Kurve mit hinlänglicher Genauigkeit zeichnen iu können. 
Auch diese letzteren Rechnungen sind zu vermeiden, wenn man 
die am Schlüsse dieser Abhandlung gegebene Tabelle benutzt, 

in welcher die Werthe von f für verschiedene Verhältnisse -g 

II H 

zusammengestellt sind. 

Die oben entwickelten Gleichungen sind nun auf die in Fi- 
gur 1 dargestellte Futter- 
mauer angewendet und die 
Resultate in Figur 4 gra- 
phisch dargestellt In der- 
selben Figur ist ein punktirt 
gezeichnete* Profil entworfen, 
welches mit Ausnahme des 
oberen Theiles, dessen Breite 
wegen des Auflagers der Ei- 
senkonstruktion sowie einer 
Bahnschwelle auf 3,5 anee- 
nnmmen werden musste, 
möglichst gleiche Stabilität 
besitzt, dem bisher üblichen 
Zicgelformate angepaast ist 
und daher bei der prakti- 
schen Ausführung nicht mehr 
Schwierigkeiten bietet, wie 
das in Figur 1 dargestellte. 

Iu Figur 2 bezeichnet 
die senkrechte Linie de die 
Stabilitäte-Kurvc des idealen, 
die — . — . — .— punktirtc 
Linie f ph diejenige des für 
die Ausführung entworfenen 
Profile« der Figur 4. 

Man ersieht daraus, wie- 
viel inniger sich die Stobili- 
tätskurve des Profils in Fi- 
gur 4 an die ideale Stabili- 
tlttskurvo anschmiegt, als die- 
jenige des gebräuchlichen iu 
Fig. 1 dargestellten Profiles. 

•( In Fol*.- dun», daa« du M»i. .1« Breit« auf n.««c der H&h« >•» der 
Utjerkaala , n umekntt liegt, der Tkall M K der Kur«», «Tie In Fl«. « dar»»- 
xoUt «ad wie er »Irl, „ach Gleickuna; t erfleht, utckl «.an«, rlaatla. Er kruinral 
«M'h Mirker 1,1,1, der Ktirnfl.fi,-. etwa wie — . - . — Bunkilrt, dock erektilen IM 
•niau« Ueulmonun« doeeelben entbehrlich, da far die rraxU nur dar Maximal- 
wert k aan t lotereeatrL K* wird In Folgn oklear Annalnandereeliang dakar aarb 
»• I" Wlrkllekkrll larlnaar. ata GIHehuae, 4 anirifkl. 




Nach spezieller Berechnung enthalt daa ideale Profil einen 
Querschnitt von 65.02Q Einheiten, daa in Figur 4 für die Aus- 
führung entworfene Profil 74,11 N Einheiten und daa in Fig. I 
dargestellte Profil 84.85 p Einheiten. 

Die Kosten -Ersparniss bei Anwendung des in Fig. 4 ent- 
worfenen Profiles gegenüber dem bisher üblichen, ersterem gleich 
stabilen beträgt daher 10,74 auf 84,85 F] Einheiten oder circa 
l'iS'a, ist demnach so bedeutend, dass aie geringe Mehrarbeit 
beim Projektiren und Veranschlagen etc. nicht in Frage kom- 
men kann. 

Bei dem untersuchten Falle hatte sich der kleinste Werth 
voo .4 zu 0,45 ergeben. Da .4 aber in Wirklichkeit nur etwa 

0 45 

auf 0,25 anzunehmen, so ist die Stabilität der Mauer oder 

etwa 1,8 des Erddruckmomentes, welches Verhältnis« sich bei 
genügender Zurücklegung der Drehpunkte in die Mauer etwa 
auf 1,5 erm&asigen wird. 

Ungleich kumplizirter gestaltet sich die Rechnung, wenn 
das spezifische Gewicht des Mauerwerks verschieden ist vou 
demjenigen der HinterfülluDgserde. Man verfährt dann am 
besten tolgendermaassen: Die obere Breite der Mauer wird deu 
Umstünden gemäss mindestens zu 0,6 bis 0,8" bestimmt und 
die grilsste zulässige Uohe dieses Absatzes, ähnlich wie vorher 
berechnet. Daun vergrüssert mau »diese Breit« (bei Ziegeln um 
eine Steinbreite, bei natürlichen Steinen um ein rundes, beque- 
mes und nicht zu grosses Maas«) und berechnet wieder die 
grnsste zulassige Hone u. s. f., wobei man die auf deu Ab- 
treppungen ruhende Erde mit dem betreffenden spezifischen 
Gewichte in Rechnung stellt Es ist auch hier wieder zu unter- 
scheiden, ob die Trenuungsfugon die Stirnfläche schneiden oder 
durch deu F'usspunkt derselben gehen. Welcher von beideu 
Fällen eintritt ist vorher abzuschätzen, wobei die in Figur 4 
dargestellte oder eine nach der am Schlüsse des Aufsatzes ge- 
gebenen Tabelle darzustellende Begrenzungskurve als Anhalt 
dienen kann. 

In vorstehender Untersuchung ist auf die zur Verhütung 
des Gleitens erforderliche Mauerstärke keine Rücksicht genom- 
men. Man überzeugt sich aber leicht, dass die durch die obeu 
aufgestellten Gleichungen ermittelten Breiten genügend sind, eiu 
Abgleiten der einzelnen Mauertbeile zu verhindern. 

Zur Abkürzung der verschiedenen Rechnungen ist die nach- 
stehende Tabelle entworfen, welche für verschiedene Werthe von 

.4 und das Verhältnis« der entsprechenden Breite zur Gc- 

sammthGhe * enthält, wobei vorausgesetzt ist, dass das Mau- 
er 

erwerk und die Hinterfüllungserde gleiches spezifisches Gewicht 
haben. 

Tabelle der Werthe von 





« 


• 


* 


4 


4 


1 


■1 


1 


4 


4 




H 


ff 


ff 


ff 


ff 


H 


H 


ff 


ff 


II 




= 0.3 


= 0,9 


= 0.4 


-U..V 


= 0.6 


= 0,7 


= 0,S 


-0.S6A 


= 0.» 


B 1,0 


.1 - o.> 






- 


- 


0,14» 


0,1344 


0.KS4 


u.3ill> 


0.J635 




A-0.1 










0,»?1 


0JI30 


0JZ14 


0,3t» 


0.3»; 


o.sita 


* = o,t 






: 


0,310 


0,34« 


0.3614 


0^71* 


0,373t 


0JTJ7 


0,3641 


alsOrfl 






0,T»«.V 


0,.UM 


0,1«40 


0.3 »34 


0,193.« 


0,SS4S 


0,1*42 


0.3H71 


A=0fi 






■ ' U '.' ' 


V,»3C 


0.381S 


0.4O4S 


0.4151 


0,417t 


0.4166 


JO,40SJ 


.1 =0,6 






«,14» 


«Jrti 


0,4303 


0.44ZI 


0.444« 


0,4470 


0,446} 


0,447t 


a -it.: 






0.3101 


0,4 IM 


0,4341 


0.47«! 


0,4911 


ml. i: 


0,4 Hg 


!■ 


.1=0,1! 






0.3ÜJS 


<I,44JJ 


0.4HS4 


0^1 II 


>M*i 


0,4^7 


0,4169 




A 0.» 




0.34S4 


0,411« 


0.4144 


0,314« 


0,44» 


fl,33«S 


0,4497 


0.S4SU 


,0,4477 


A 1,0 


: I 


i>,3«74 


0,44*7 


e.100« 


0,.S4fJ 


ajrti 


0.4S70 


0,4900 


0.4S9J 


0,4774 


A 1.« 0,36^6 


0.4»» 


0.1*33 


0.6 :oc 


e.TlHl 


11.7667 


0.7*74 


0.7SI5 


0,7904 


0,774« 



Um für die verschiedenen Erdarten die Grosse der Kon- 
stanten .4 beurlheilen zu können, diene folgende Tabelle, iu 
welcher sowohl der wirkliehe Werth von 4, als auch derjenige 
angegeben ist, welcher bei deu Rechnungen einzuführen, damit 
ein genügender Ueberschusa au Stabilität vorhanden. Letzterer 
ist zu 1,8 des wahren Wertbcs (vergl- die obige Elitwickelung) 
angenommen- 

Tabelle der Werthe von 4. 



Brdartac. 


In Wirk 


Bei 


laehkait. 


BaeaBaat**. 






ananaahaiek. 




0.20 


0,3«; 




0,28 


0,50 




0,11 


0,20 




bis 1,00 


bis 1,80 




0,14 


0,25 




bis 1,00 


bis 1,80 




0,16 


0.30 




0,25 


0,45 


Zerbst, im März l»7-i. 




Nowack. 



Digitized by LjOOQic 



— 248 — 



Mittheüungen aus Vereinen. 

Arobitektenvereln zu Berlin. Die achte Sommer-Exkur- 
sion de« Vereins am Sonnabend, den 20. Juli d. J-, war nach 
der Baustelle des Siegcsdenkmala auf dem Kiwigsplatze und 
dem Bahnhofe der Berlin - Hannoverschen (Lehrter) Eisenbahn 
gerichtet. Wir haben beiden Bauten in den letzten Jahrgängen 
unseres Blattes ausführliche Beschreibungen gewidmet und sind 
daher auch in diesem Falle eines Berichtes überhoben. Das 
Haupt- Interesse auf der Baustelle des Siegcsdenkmals, dessen 
Vollendung im Oktober des nächsten Jahre« erwartet wird, ge- 
währt seit geraumer Zeit die dort etablirte Granit-Schleiferei; 
ähnliche Arbeiten gleichen Umfange* sind an einem deutschen 
Bauwerke wohl noch nicht zur Ausführung gekommen. Mit der 
Versetzung der Granit- Bekleidung dea Unterbaus ist übrigens 
bereits begonnen worden, während die Säule selbst bis zur Höhe 
des Kapitals gefordert ist Die Geblude des Lehrter Bahnhofes, 
der bei seiner letzten Besichtigung durch den Verein noch iu 
Toller Herstellung begriffen war, sind seither durchweg vollendet 

Vermisch tes. 

Im I. Semester 1872 eröffnete Bahnstrecken im Ge- 
biete dea Vereins Deutscher Eisenbahn -Verwaltungen. 

In dem soeben abgelaufenen Halbjahre 1872 sind nach der Zei- 
tung des Vereins in chronologischer Reihenfolge innerhalb des 
Vereinsgebiets folgende Bahnstrecken zur Eröffnung gekommen: 
Berliner Verbindungsbahn (auch für den 
Personen- und Lokal-Güter-Verkehr) . 
Zwaluwe- Dortrecht (Niederland. Staats- 
Eisenbahn) 

sekundäre Zweigbahn Stolberg - Alsdorf 

(Rheinische E.) 

Sator Alja - Ujhely — Legcnye - Mihulyi 

(Ungar. Nordostbahn) 2,n 

für Personen- und Eilgutverkehr und am 
12. Februar für Frachtverkehr Mühl- 
heim a/Rh. - Deutz ( Bergisch - Mär- 
kische E.) 0. M 

Flügelbahn Absdurf-Krems (Kaiser 

Josef- Bahn) 

Crefeld-Kreis Kempener lndustrie-Eisen- 



L 
1. 
5. 
7. 
8. 



3,,» M. 



1. 



10. 
15. 



bahn (Sücbteln-kempen-Crefeld-Süch- 
n- Grefrath einer- und Viersen an- 



teln 

dererseits) 6,,, 

28. , Pilsen -Eger (Kaiser Kranz- Josef bahn) 13., 
1, Februar für Personenverkehr, am 12. Februar für 
Eilgut- und Frachtgut-Verkehr: untere 
RuhrthalbahnstreckeDüsseldorf-Kupfer- 
dreh (Bergisch -Markische E.) ... 4,,, 
1. März Goes-Middelburg (Niederländische Staats- 

bahnj 18»,, Kilom. = 

1. , Poln. Wartenbcrg-Kenipen (B'-eslau-War- 

sebauer Eisenbahn) 2,,, 

l , Cottbus - Forst (Halle - Sorau - Gubener 

Eisenb.) 2», 

13. . Arcnshauseu-Müuden(Magdeburg-Cöthen- 

Ualle-Casscter Eisenbahn) .... 0,»4 
18. , Iglo-Abos (Kaschau-Odcrberger Eisenbahn 8», 
1. April Zweigbahn Ehrang - Quint (Rheinische 

Eisenbahn) 0,„ 

1. » Karf-Beutben O/S. (Oberachlcs. Eisenb) 0», 
s. , Chemnitz -Borna M.l mit den Zweig- 
bahnen Narsdorf-RochRtz [l.„ M.j Nars- 
dorf -Penig [1», M i und Wittgensdorf- 
Limbach [0„ M.J (SOcbsiche Staats- 
bahnen) 10,,, 

13- . Hannover - Ilamelu (Hannover - Alten- 
bekener Eisenbahn) 6« 

1. Mai Pcuziug-Kaisereborsdorf (.Kaiserin Elisa- 
beth-Bahn 2». 

1. . Falkenberg-Eilenburg (Uallc-Surau-Gube- 

ner Eisenbahn) ......... 6,,« 

1. „ Deister-Zweigbahn Weetzen-Barsinghau- 

sen (Hannover- Altenbekener E.) . . . 1» 
1. „ Zweigbahn Friedrich Wilhclmshütte-Sieg- 

burg (Rheinische Eisenbahn) . . . . 0„i 

6. . Zweigbahn Elm- Gemünden (Bebra- Ha- 
nauer E.) 6,i, 

6. „ Tövis-Mediasch (Ungar. Ostbahn) . . . 8,i, 
8. , Przemysl-Chyrow (Erste Ungarisch -Gali- 

zische Eisenbahn) 4,., 

Heudeber -Wernigerode (Magdeburg - Hal- 
berstädter Eisenbahn) 1,„ 

Komotau-Weipert (Buschtehrader Eisen- 
bahn) ca. 7^. 

Landau-Germersheim (Pfälzische Eisen- 
bahn) 2,,, 

Leoben-Vordcruberger Eisenbahn (im Be- 
trieb der Oesterr. Südbahn-Ges.) . . 2*i 
Siegelsdorf-Langenzenn (Baver. Staatsb.) 0.,, 
Kempen - WilheTmsbrück [Podzamcze] 

(Breslau-Warschauer E-) l,u 

26. . Posen-Bromberg (Oberschlesische E.) • • 20,,, 

Koa«U«ioMr»,UK »od Ctrl Bull I, U B<rll>. 



11. 

12. 

16. 

18- 

25. 
26. 



1. Juni 



1. 
10. 



16. 
19. 

30. 



Braunschweig-Ki'migslutter (Braunschwei- 
gische Eisenbahn: 3*, 

Altenessen-Essen (Köln-Mindcuer Eisen- 
bahn) 0,.i 

Wien-Jedlesee (Oesterr. Nordwestbahn) . 0,»» 

Rubrthalbahnstrecke (Meschede- Bestwig- 
Nuttlsr für Güterverkehr (Bergisch- 
Märkische Eisenbahn) l, la 

Szathmar - Bustyahaza (Ungar. Nordost- 
bahn) 10,., 

Altenburg-Zeitzer Eisenbahn (in Betrieb 
der Sächs. Staatsbahn) 3*, 

Weil die Stadt-Nagold (Württemb. Staats- 
bahn) 5,, 

Eilenburg-Halle [fi Jt M.J und Forst-Sorau 
[4„, MO (Ilalle-Sorau-Gubener K.) . . 11*. 



Sa. 179*. M. 

Ausserdem wurden von der leipziger Pferdebahn- Gesell- 
schaft am 16. Mai die Ringhahn um die innere Stadt, die Strecken 
Leipzig-Reudnitz, Lcipzig-Counewitz und Leipzig-Schwimmanstalt, 
am 5. Juni von da bis Plagwitz dem Verkehr übergeben. 

Konkurrenzen. 
Konkurrenzen für Entwürfe zn einem Realaohulgebäude 
und einem NuvigationssohaUjebaude in Bremen sind in deu 
vorhergegangenen resp. iu dieser Nummer uns. Bau - Anzeigers 
angekündigt worden. Als Preisrichter fungiren in beiden Fäl- 
len die Hrn. Baumeister J. Wetzel und Carl Poppe, sowie Hr. 
Oberbaurath Schröder als Architekten, im Verein mit zwei 
Mitgliedern der Baudenutation: ebenso ist der Schlusstcrmin 
<:W. September) bei beiden gemeinschaftlich. Die ausgesetzten 
Preise von 1000 und 500 Mark im ersten, von 1000 Mark im 
zweiteu Falle erscheinen den Verhältnissen und Anforderungen 
im Allgemeinen augemessen, ebenso stehen die uns vorliegenden 
Programm-Bedingungen mit den Grundsätzen unseres Verbandes 
im Einklänge. Wenn wir den Fachgennssen demgemäss die Be- 
theiligung an diesen Konkurrenzen nur empfehlen können, so 
verfehlen wir gleichzeitig nicht unsere Freude über dieses un- 
seres Wissens erste Beispiel einer Anwendung des Konkurrenz- 
Verfahrens bei einem Staatsbau Bremens Ausdruck zu geben. 

Eine Konkurrenz für Entwürfe zum Neubau eines Ge- 
sellschaftahauses der Gesellschaft freiwilliger Armes- 
freunde in Kiel, mit dem Endtermine des 10. September d. J-, 
ist von genannter Gesellschaft ausgeschrieben worden. Das in 
dankenswerther Vollständigkeit ausgearbeitete Programm macht 
die Einhaltung einer Kostensumme von 18000 Thlrn. sowie eine 
in technischer und künstlerischer Beziehung würdige Lösung 
der Aufgabe zur Bedingung. Ausgesetzt sind zwei Preise von 
250 resp. 200 Thlrn. und ist dem Verfasser des für die Ausfüh- 
rung bestimmten Planes zugesichert, dass vor derselben eine 
Vereinbarung und Verständigung mit ihm erfolgt Ali einziger 
lerr Architekt Rosengarten in Hamburg 
otivirtes Gutachten seinerzeit sämmtlichen 
Konkurrenten zugestellt werden soll. 

Eine Konkurrenz für Entwürfe zum Neubau der Kur- 
Anstalt zum Hinterhof in Baden (Schweiz) ist zum 15. Ok- 
tober d. J. eröffnet Als Preisrichter fungiren die Hrn. Simon 

iSt Gallen) Wanner (Zürich) und Saloisberg (Bern); die 
'reise sind in der Höhe von 2500 Fres., 1500 Free, und 1000 
Frcs. ausgesetzt 

Personal - Nachrichten. 

Preussen: 

Ernannt: Der Baumeister Sperl zu Elberfeld zum Eisen- 
bahn-Baumeister in Bochum. Der Baumeister Louis Müller 
zu Torgau zum Eisenbahn-Baumeister der Berg'isch-Märkischen 
Eisenbahn in Dortmund. Der Ober-Betriebs -Inspektor Früh 
zu Saarbrücken zum Baurath und technischen Mitglied der Kgl. 
Eisenbahn-Direktion daselbst. 

Versetzt: Der Eisenbahn - Baumeister Fischbach zu 
Bochum nach Essen- 

In den Ruhestand tritt der Baurath Weise in Neuss. 

Gestorben: Der Baurath Kayser zu Ruhrort und der 
Wasser-Bauinspektor Willich z 



Brief- und Fragekasten. 

Hrn. G. T. Ueber die Höhe der Gehaltssätze für die 
Hilfs-Ingenieure der Gotthardbahn ist uns Nichts bekannt Wir 

?;lauben nicht, dass in dieser Beziehung bestimmte Normen 
estgesetzt sind. 

Hrn. E. L. in Hannover. In welcher Zeitschrift die vom 
Kölner Bezirks -Vereine deutscher Ingenieure veranlasste Preis- 
sehrift über die Patentfrage erscheinen soll, ist uns ebensowenig 
bekannt wie, ob die betreffende Konkurrenz überhaupt ein geeig- 
netes Resultat gehabt hat. Auf einen Abdruck der betreffenden 
.Schrift in unserer Zeitung ist nicht zu rechnen, eventuell jedoch 
auf eine Besprechung derselben. 

Hrn. A. in Berlin. Hr. Architekt Klette in Holzminden 
bittet Sic mit Bezugnahme auf ihre Anfrage in No. 23 mit ihm 
in Verbindung zu treten. 

Draek foe U ,br<ia*r ruktrl la Barila. 



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Jahrg. VI. M 31. 

DEUTSCHE BAUZEITUNG 




Organ des Verbandes 



deutscher Architekten - und Ingenieur-Vereine. ™£ 



Ia..rat> 

für tu Lmr dn 
Hauzrit.BK Bnd.n AutaakaK 



Redakteur X. £. 0. Fritich. 



v , J«x V». 



Prell I Thaler pr« Qaartal. 



Berlin, den 1. August 1872. 



Erirheiat jedea 



Inhalt: CH< Koakarraat für Kntvärfa mm Rmw de. dtataehra H.lclu 
tag«. — B»it>tse mr Tti»«rie der Fitkverk.trigar. - Da. Wa.»»rtla« und »«1». 
V.rw.ndon« in dar B.ut«hnik. - P.alll.laa: Di. .Satlaunr' k*i Bad Ho« 
kurf, - Mltthkllaai.a an. Varaln.n: OaatanalekkKliar Init.nlaur- and 
Arck.takua-Vtrala la Wl«. - V.rajl.tht»: XVI. Vtriatamlnng deutacber 



Archlu U. n und Iag.nltut* i 
mit SunnloJicnind. - Konk urr.na.n: i ._ 
RrtUrkiil- aad t)Tin u a.ial-O.Uud« la « t.iwr Mandat». - 
ata Archlt.kl.a-V.r.l« tu Htrlla. — Pcnoaal- Naekria 
and Fiag.ka.t.a. 



- Bri.f- 



Dic Konkurrenz für R-twürfe zum Ibas« des Deutschen Reichstages. 



Kehren wir nach dieser langen, aber mit Rücksicht 
anf den Standpunkt unserer Gegner nicht wohl zu Hinge- 
henden Abschweifung zur Beantwortung der Frage zurück, 
ob wir den sachlichen Erfolg der nunmehr abgeschlos- 
senen Ronkurrenz för Entwürfe zum Hause des deutschen 
Reichstages als befriedigend nnd erfreulich betrachten, so 
können wir selbetverstindliah nicht anstehen, dasselbe zu 
bejahen. 

Waa unter den gegebenen Voraussetzungen für eine For- 
derung der Aufgabe erwartet werden konnte, ist v/f vollen 
Maasse erreicht worden. Dass eine der eingelieferten Skiz- 
zen sich dazu eignen würde, ohne Weiteres- dem für die 
Ausführung zu bearbeitenden Entwürfe zu Grunde gelegt zu 
werden, war von Vorne herein unwahrscheinlich; es Kann 
daher als kein Misserfolg der Konkurrenz betrachtet werden, 
wenn dieser Fall wirklich nicht eingetreten ist. Freilich 
wird dies«? Thatsache aufs Lebhafteste bestritten, ja es ist 
sogar mit grosser Sicherheit als das „klare und erfreuliche" 
Ergebnis« der Konkurrenz hingestellt worden, dass diesmal 
die Preisrichter, die sachverständigen Stimmen und das 
Publikum einstimmig darüber seien, den rechten Künstler 
und den rechten architektonischen Gedanken ermittelt zu 
haben; wir brauchen jedoch gegen eine solche Behauptung 
nicht weiter anzukämpfen, da wir einerseits die Gründe, 
warum uns keiner der vorliegenden Entwürfe ohne wesent- 
liche Aenderungen für die Ausführung geeignet scheint, 
ausführlich genug entwickelt Italien und da andererseits jene 
Einstimmigkeit faktisch durchaus nicht besteht Hiugegen 
liegt es offenkundig zu Tage, dass durch diesen grossartigen 
Wettkampf der zur Lösung der Aufgabe beigesteuerten Ideen 
und durch die Tiefung und Vergleichung derselben eine 
ausserordentliche, aber auch im hohen Grade nothwendige 
Klärung der Sachlage, eine ungeahnte Erkenntniss der 
für eine wirkliche Lösung entscheidenden Momente gewonnen 
worden ist. Obwohl ein Gutachten der Jury, als deren wich- 
tigstes Amt bei jeder Konkurrenz wir es betrachten, das 
geistige Resultat derselben zu ziehen und festzustellen, in 
diesem Fülle nicht erstattet oder zum Mindesten nicht ver- 
öffentlicht worden ist, so wird doch Jeder, welcher die 103 
Entwürfe zum Hause des deutschen Reichstages in der Aus- 
stellung gesehen, ja selbst Jeder, der sie nur aus uuserer 
Beurtheilung kennen gelernt hat, darüber nicht zweifelhaft 
sein, dass eine nochmalige Bearbeitung der Aufgabe ganz 
andere, wesentlich reifere Entwürfe erwarten lässt und dass 
das Ergebnis» der von uns vorgeschlagenen zweiten Konkur- 
renz, sie möge eine Form erhalten wie sie wolle, in jedem 
Falle um Vieles „klarer und erfreulicher" sein wird, als das 
der ersten. 

Der aachliche Erfolg einer Konkurrenz kommt nebenher 
noch in Betreff des absoluten Werthes der durch sie hervor- 
gerufenen Entwürfe in Frage, und auch in dieser Beziehung 
haben wir vollauf Ursache uns des hier Erzielten zu freuen. 
Wenn uns und nicht wenigen Fachgenossen, welche die 
Konkurrenz spezieller studirt haben, der erst« Eindruck ein 
weniger bedeutender war und zunächst wohl Keiner anstand, 
den Gesain mtwerth derselben unter den der Dom-Konknrrenz 
von 1869 zu setzen, die einen naheliegenden Vergleich dar- 
bietet, so hat sich unsere Ansicht im Verlaufe des Studiums 
doch wesentlich günstiger gestaltet. Man darf nicht ausser 
Acht lassen, das* es sich in jenem Falle um eine verhält- 
nissmässig einfache, fast ausschliesslich ideale Aufgabe und 
um Entwürfe handelte, zu deren Bearbeitung eine einjährige 
Frist gegeben war, während die diesmalige Aufgabe in ihrer 



Vereinigung idealer und praktischer Momente eine der denk- 
bar schwierigsten, das Material ein durchaus nicht genügen- 
des, die Frist zur Bearbeitung der Skizzen aufs Knappste 
zugemessen war. Unter dieser Erwägung neigt sich der 
Vorzug entschieden auf die Seite der letzten Konkurrenz, 
deren Ideen-Reichthum ein ehrenvolles ZeugnisB für das ar- 
chitektonische Gestaltungsvermögen der Gegenwart abgiebt. 
— Allgemeine Schlüsse mit Rücksicht auf einzelne Entwürfe 
zu ziehen halten wir für unstatthaft Wenn die Arbeiten 
einiger Konkurrenten den Erwartungen, die sich an ihren 
Namen knüpften, nicht ganz entsprochen haben, wenn da- 
gegen das Debüt Anderer ein überraschend glänzendes ge- 
wesen ist, so ist es doch um so misslicher hieraus Folge- 
rungen abzuleiten, als bei der in diesem Falle geboteneu 
Hast des Schaffens, die lediglich ein Improvisiren zuliess, der 
glückliche Zufall das Gelingen der einzelnen Arbeiten 
gar zu sehr beeinflussen musste. Eben so wenig ist es mög- 
lich, nach dem Ergebnis* dieser Konkurrenz über die Lei- 
stungen der einzelnen Architekturschulen Deutschlands oder 
gar über das Verhältnis« derselben zu einander abzuurthei- 
len. Man ist sehr eifrig bemüht gewesen, dies namentlich 
der Berliner Schule, der einzigen, welche annähernd voll- 
ständig vertreten war, zu Gemüttie zn führen, und man hat ge- 
glaubt sie vor einer UebersebUtzung der hier, wie bei der Dom- 
konkurrenz unleugbar erzielten Erfolge warnen zu müssen. 
Das letztere ist kaum zu befürchten und sind wir gewiss 
sehr weit entfernt davon, aus jenen Erfolgen eine Ueberlegen- 
heit der Berliner Architekturschnle abzuleiten; möge mau 
Angesichts derselben aber auch die Gerechtigkeit üben, 
mit den beliebten Behauptungen über die Hohlheit Nichtig- 
keit und Inferiorität alles dessen, was von den Baukünstleru 
Berlins geleistet wird, so lautre etwas zurückhaltender zu 
sein, bis die Vertreter anderer Schulen in einem solchen 
allgemeinen Wettkampfe die nunmehr schon zweimal verab- 
säumte Gelegenheit wahrgenommen haben, das ihnen vindi- 
zirte Uebergewicht thatsächlich geltend zu machen. — Was 
endlich das Verhältniss deutscher Kunst zu der des Aus- 
landes, das internationale Ergebnisa dieser Konkurrenz be- 
trifft, so ist auch hierüber, trotz der nicht unerheblicheu Zahl 
der ausländischen Konkurrenten, das Urtheil nicht spruchreif. 
Von einem wirklichen internationalen Wetlkampfe auf archi- 
tektonischem Gebiete konnte und kann nicht die Rede sein, 
wenn die Künstler derjenigen Nation, in welcher der moder- 
nen Kunst unbestritten die eifrigste Pflege zu Theil geworden 
ist, wenn die Künstler Frankreichs fehlen. Ein Vergleich 
zwischen deutscher und englischer Kunst, wie er hier aus- 
schliesslich möglich war, kann zu einem objektiven Urtheil 
nicht wohl fuhren, da das architektonische Ideal beider Na- 
tionen ein durchaus verschiedenes ist. — — 

Gebt« die Maassregeln, welche weiterhin einzuschlagen 
sind, um einen definitiven Entwurf für den Bau des deut- 
schen Reichstagshause« zu erlangen, können unseres Erach- 
tens nur formale, nicht prinzipielle Zweifel obwalten — 
d. h. es erscheint unzweifelhaft, dass derselbe in logischer 
Konsequenz des bereits begonnenen Verfahrens, im Wege 
einer nochmaligen Konkurrenz zu gewinnen ist, während in 
Frage steht, welche Form und Ausdehnung dieser zu geben 
ist Obwohl in dieser Hinsicht weder von Seiten des Reichs- 
tages, noch von der auf seine Anregung neugebildeten Kom- 
mission bestimmte Beschlüsse gefa&st worden sind , ™ ist 

über doch völlig einig. Die sehr begreiflichen uud von einem 

' 'terlich gerechtfertigten 



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- 250 - 



Versucht', «lern Verfasser des mit dem ersten Preise gekrön- 
ten Projektes, der von seinen Freunden bereit« als „des 
Reiches erster Baumeister" und von der Buchhändler-Reklame 
(tar als .der grösstc lebende Architekt" proklamirt worden 
ist, schon jetzt den definitiven Bau- Auftrag zu verschaffen, 
sind daher eben so aussichtslos, wie es die in diesem Falle 
nicht zu befürchtenden Versuche, den Bau in die Hände der 
Bureaukratie zu spielen, sein würden. Das grosse Publikum, 
welches das Ergebnis* der Konkarrenz mit dem Ergebnis» 
der Preisertheilung identifizirt, mnss jene erste Lösung aller- 
dings um so eher als die natürlichste ansehen , als der Ab- 
stand des ersten Preises von den Nebenpreisen scheinbar 
auf ein ebenso grosses Ueltcrgewiebt des betreffenden Ent- 
wurfes schliessen lässt. Es zeigt sich in dieser Hinsicht, 
dass der von ans (in No. 34 d. vorigen Jahrgangs) über die 
AnseUung der Preise gemachte Vorschlag, wonach wir 
riethen, eine ausserordentliche Belohnung des Siegers nur 
für den Fall offen zu halten, dass sein Entwurf sofort der 
Ausführung zu Grunde gelegt werden könne, ebenso seine 
Berechtigung hatte, wie der Vorschlag, dass die Möglichkeit 
einer zweiten Konkurrenz, nnd daher als eine neben den 
Geldpreisen bestehende Auszeichnung hervorragender Pro- 
jekte die Eventualität einer Zuziehung zu derselben, in 
Aussicht genommen werden möge. 

Dass Letzteres im Programm nicht geschehen ist, wäh- 
rend die Jury sich nicht für berufen gefühlt hat, diesen 
- eigener Initiative zu ersetzen, bildet gegenwärtig 
iwierigkeit bei Berathung der Frage, wie die 
urrenz am Zweckmäßigsten einzuleiten sei. 
Es ist selbstverständlich der natürlichste, von uns in 
allen Erörterungen über das Verfahren hei einer Doppel- 
Konkurrenz vorausgesetzte Weg, die zweite Konkurrenz in 

Sler Weise als eine aus der ersten hervorgegangene zu 
handeln, daher auf solche Künstler zu beschränken, 
die bereits mit Auszeichnung an jener Theil genommen 
haben. Es würde dies in formaler Konsequenz der Preis- 
ertheilung dazu führen, hier die fünf mit Preisen bedachten 
Architekten, resp. Architekten-Firmen zu einer engeren Kon- 
kurrenz aufzufordern. Anscheinend ist man jedoch inner- 
halb der leitenden Kommission entweder zu der von uns 
getheilten Ansicht gelangt, dass ein solches Verfahren eine 
ungerechtfertigte Härte gegen mebro der Konkurrenten wäre, 
deren Entwürfe den prämiirten so nahe stehen, dass nur 
individuelle Auffassung nnd die beschränkte Zahl der Preise 
jenen den Vorrang verschafft hat, oder man hegt den Wunsch 
für die weitere Bearbeitung der Aufgabe noch Kräfte zu ge- 
winnen, die der ersten Konkurrenz fern geblieben sind; 
jedenfalls hat von der Alntieht eines Verfahrens in jenem 
Sinne noch Nichts verlautet. 

Welcher andere Weg einzuschlagen sei, hat in den Krei 
sen der Berliner, wahrscheinlich wohl auch in 



die 



gesammten deutschen Faehgenossen während der letzten 
Wochen einen Gegenstand lebhafter Erörterung gebildet und 
voraussichtlich wird nicht nur in der Abgeordneten-Versamm- 
lung des Verbandes deutscher Architekten- nnd Ingenieur- 
Vereine, sondern auch in der Carlsruher Wanderversamm- 
lung die Frage zur Verhandlung kommen, ob und welche 
Vorschläge hierfür die deutsche Architektenschaft ihrerseits 
machen will. Die Entscheidung derselben wird in ersterer 
Hinsicht davon abhängen, ob man es der Würde des Faches 
für angemessen hält, sich der Möglichkeit einer einfachen 
Zurückweisung auszusetzen; in Bezog auf den zweiten Punkt, 
dessen Erörterung wir hier nicht vermeiden können, wird 
eventuell das Bestreben raaassgebeud sein müssen, dasjenige 
Kompromiss zu finden, bei welchem, wie dies ein gutes Kon- 
kurrenz-Verfahren immer erheischt, gleichzeitig den Interessen 
der Kunst, wie denen der betbe " 
getragen wird. 

Das Letztere würde wohl dann in ausgesprochenster 
Weise geschehen, wenn ausser den fünf Siegern anch alle 
diejenigen Tbeilnehmer der ersten Konkurrenz zu dem zwei- 
ten Wettkampfe aufgefordert würden, die durch den Werth 
ihrer Arbeiten zwar nicht ein formales, wohl alter ein mo- 
ralisches Recht darauf erworben haben, von der Mitwirkung 
an einer weiteren Entwickelung der Angelegenheit nicht aus- 
geschlossen zu werden. Wir schätzen die Zahl derselben auf 
mindestens 10; — ihre Auswahl müsste, nachdem die Jury 
als solche nicht mehr besteht und da an einen Wieder- 
znsammentritt derselben schwerlich gedacht werden kaun, 
der leitenden Kommission überlassen bleiben — wenn mau, 
um den Bedenklichkeiten einer derartigen nachträglichen 
Wahl zu entgehen, die Zulassung za der zweiten Konkurrenz 
nicht etwa auf alle 28 Entwürfe ausdehnen will, die auf die 
engere Liste der Jury gelangt sind. 

Es lässt sich freilich nicht leugnen, dass in letzterein 
Falle nicht wenige Konkurrenten au die weitere Bearbeitung 
der Aufgabe gesetzt würden, deren Mitwirkung an derselben 
im Interesse der Sache und im Interesse der Kunst nicht so 
wünschenswert Ist, als die einer Anzahl anderer Künstler, 
die an der ersten Konkurrenz nicht Theil genommen haltet, 
vielfach sogar nicht Theil nehmen konnten. Diese für die 
zweite Konkurrenz zu gewinnen, ist der Zweck jenes 
ren Vorschlages, den der Referent der Jury im Reic 
erwähnte und für den in der Kommission vorläufig 



neben den fünf Siegera 



„bestimmte hervorragende Baukünittler 
des Auslandes" 



zu einer zweiten, 
der ersten mehr 

Deutschlands resn. des Auslandes" zugexogen werden. — Es 
versteht sich wohl von selbst, dass wir einen solchen Aus- 
weg wegen der Verletzung, die hierdurch dem Interesse der 
nicht prämiirten Konkurrenten widerfährt, vor Allem aber 
— der Willkür, die bei der Auswahl jener hervorragen- 



de „Saalburg" bei Bad HomW; 

Die hohe Bedeutung des Römer-Kastel!» Saalburg bei Uom- 
burg v. d. Uöhe für die Wissenschaft und insbesondere für die 
Alterthumskuude ist von hervorragenden Gelehrten anerkannt; 
es finden sich daselbst die historisch merkwürdigsten, 
Protisten und best erhaltenen Ueberreste der Römer- 
Niederlassungen in Deutschland vor. 

Die Zeit der ersten Erbauung der Saalburg durch dio Rö- 
mer während ihrer Kriege iu Deutschland ist bis jetzt nicht 
festgestellt, doch lässt sich mit grosser Wahrscheinlichkeit das 
von Drusus erbaute und im Jahre i» vor Chr. wieder zerstörte 
Pfahlgraben-Kastell, worüber nähere Augaben fehlen, hier ver- 
muthen. Im Jahro 15 nach Chr. abermals errichtet und wie- 
der zerstört, erlebte die Saalburg noch zu verschiedenen Malen 
das gleiche Schicksal. Der mehrmalige Wiederaufbau des Kas- 
tell« durch die Köroer, nachdem es die siegreichen Germanen 
erstürmt und dem Erdboden gleich gemacht, lässt sich aus sei- 
ner für die kriegerischen Unternehmungen jener Eroberer un- 
gemein günstigen Lage erklären, indem die Saalburghöhe der 
einzige Ucborgang ist, um von dem grossen Waffcnplatze Mainz 
mit nur einmaligem Ansteigen direkt über den Taunus in das 
feindliche Uebict zu gelangen. Zur Sicherung der hier münden- 
den Ilcerstrassc, wie als bequeme Ausfallpforte und feste Stütze 
im Falle eines Rückzuges hatten diese Befestigungen i schon 
hohen Werth; die ausserordentliche Wichtigkeit des Kastells 
beruhte indess darin, dass es den Schlüssel zum römischen wie 
'zum Germanischen Gebiet bildete. 

Durch Jahrhunderte tobten hier die Vernichtungskämpfe 
der Germanen gegen ihre Unterdrücker, abwechselnd mit Zeiten 
friedlicher Ruhe; — wohl 14 Jahrhunderte Bind (seitdem ver- 
flossen, in welchen der Saalburg wenig oder gar keine Beach- 
tung geschenkt wurde. Ein in den zwanziger Jahren des vorigen 
Jahrhunderts zufällig aufgefundener Votivstein, welchen Land- 
gral Friedrieb Jakob in den weissen Thurm einmauern " 
und der heute noch dort zu sehen, gab den 
Nachforschungen. Eine 



den zu Tage gebracht, als Urnen, Lampen, Waffenstücke, Mün- 
zen etc cta, doch erat 181(5 und 17, bei Anlage der Chaussee 
nach Ufingen, stiess man auf deutliche Spuren einer ausgedehn- 
teren Niederlassung und ward hierbei namentlich eine Urne mit 
circa 500 römischen Münzen aus dem ersten und zweiten Jahr» 
hundert nach Chr. aufgefunden. In den Jahren 1855 bis 57 
wurde der Saalburg eine grössere Aufmerksamkeit als seither 
gewidmet Die freigebige Unterstützung des Landgrafen Ferdi- 
nand machte es möglich, durch nlanmässige Nachgrabungen die 
Kiugniauern so wie zahlreiche Ueberreste interessanter Gebäude 
offen zu legen. Das Resultat dieser ersten grösseren und der 
vorhergehenden Ausgrabungen lässt sich kurz im Folgenden zu- 
sammenfassen. 

Das Kastell Saalburg gehörte zu den Befestigungen jener 
ausgedehnten verschanzten Grenzlinie, welche, unter dem Namen 
Pfuhlgraben bekannt, die römischen Eroberungen gegen die krie- 
gerischen Germanen zu schützen bestimmt waren. Zu beiden 
Seiten deckten dasselbe die Pfahlgrabcn-Kastcllc bei Reifenberg 
und die Kapesburg, während es sich im Kücken durch die Vor- 
schanzungen bei Heddernheim, ilofheini und Kastell auf den 
Waffcuulatz Mainz stützte. Das Kastell Saalburg selbst ist ein 
längliches Viereck von 221" Läuge und Mir" Breite, mit abge- 
rundeten Ecken und mit zwei tiefen Grüben umgeben. Vier 
Thore, jedes mit zwei viereckigen Thürinen zu beiden Seiten, 
bildeten den Eingang durch die ca. 1,75™ dicken Ringmauern. 
Unter den aufgedeckten Trümmern sind jene eines in der Mitte 
des Kastells belegenen Gebäude-Komplexes besonders merkwür- 
dig: Fünf Eingänge fuhren aus einem von der Hauptatrasse 
durchschnittenen, mit Mauern umgebenen, 12,.V» breiten Vor- 
platz in das Innere dieses 60™ langen und 41'" breiten Raumes 



Praetorium). Man bemerkt hier noch die Fundamente und 
Sandstein -Unterlagen einer vormaligen Säulenhalle. In der 
ersten Abtheilung sieht man auf der rechten Seite die Ueber- 
reste eines kleinen Gebäudes, zur Aufbewahrung der Fahnen 
etc. bestimmt. v>r welchem Säuleulrümmcr gefunden wurden; 
in der zweiten sind zwei mächtige Saudstcinuuader bloßgelegt 
die einer Bronce-Statue, von welcher nur wenige Trümmer ent- 



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— 251 — 



den Architekten noth wendig eintreten uiüsste, für den un- 
glücklichsten halten, der gewählt werden kannte, ganz ab- 
gesehen davon, dass wir die unter solchen Verhältnissen er- 
folgte Zuziehung ausserdeutscher Architekten für eine direkte 
Beleidigung der deutschen Architektenschaft halten müssteu. 
Bekanntlich ist der Versuch gemacht worden, für jene Aus- 
wahl die freiwillige Mithülfe der architektonischen Vereine 
Deutschlands resp. deren Gcsamrntvertrctung anzurufen, doch 
bezweifeln wir ernstlich, dass eine unserer Fachkörperschaf- 
ten einem solchen Verlangen entsprechen würde, selbst wenn 
es als offizielle Aufforderung an sie heranträte. 

Als das unseres Erachtens einzig mögliche Kompromias 
haben wir vielmehr schon anderweit den Erlass einer zweiten 
öffentlichen und allgemeinen Konkurrenz vorgeschlagen, bei 
welcher das Vorrecht, welches den hervorragendsten Theil- 
nehmern der ersten Konkurrenz gebührt, insofern zu berück- 
sichtigen wäre, als sie unter Zusicherung einer bestimmten 
Entschädigungssumme zu der Arbeit direkt eingeladen wer- 
den müssten, während es jedem Anderen überlassen bliebe, 
sich ohne eine solche Entschädigung, ausschliesslich mit der 
Hoffnung auf den Preis an dem Wettkampfe zu betbeiligen; 
ob dabei eine engere Auswahl unter den ersten Konkurren- 
ten erfolgen oder alle 28 Bevorzugten einzuladen wären, 
lassen wir dahingestellt. Dass wir den Vorschlag nicht für 
absolut vollkommen halten, ist wohl schon durch seine Be- 
zeichnung als Kompromiss ausgedrückt Wir glauben jedoch, 
dass dabei den Interessen der an der ersten Konkurrenz "bethei- 
ligten Künstler eine Anerkennung zn Theil würde, mit der 
sie sich begnügen können; keiner derselben würde von der 
weiteren Mitwirkung ausgeschlossen und denen, welche be- 
reits etwas Tüchtiges geschaffen haben, bliebe ein weiteres 
materielles Opfer erspart. Auf das in einem an uns gerich- 
teten sehr energischen Schreiben*) für sie in Anspruch ge- 
nommene ausschliessliche Anrecht an der Sache 
würden nie allerdings verzichten müssen, indessen glauben 
wir, dass sie im Interesse der Kunst gern sich gefallen 
lassen werden, dass der Nutzen ihrer Vorarbeiten eventuell 
einem Anderen zn Theil wird, wenn dieser Andere in der 
That etwas Besseres geleistet haben sollte, als sie. Die 
Möglichkeit, dass dieses geschehen, dass für diesen Bau 
wirklich der beste Entwurf gewonnen wird, ist durch eine 
öffentliche Konkurrenz jedenfalls am Vollkommensten ge- 
wahrt, ohne dass man sich den Schwierigkeiten und un- 
vermeidlichen' Ungerechtigkeiten einer Auswahl ' nnter den 
Architekten auszusetzen braucht — die Wahrscheinlichkeit 
des Erfolges mindestens dieselbe wie bei jeder engeren Kon- 
kurrenz. Ein grösserer Aufwand an Zeit, die bis zum nächst- 

*) Ba Ist dlaear Punkt, den wir nie«! ao •■u*cblteMli«h nach pmöalieh«*, 
sondern tbeuwl» nach allcetaeinen Rückrichlcs n«t>rth«.en. der eiailct, dar 
nnsere A nschaaunKen ron den in Janen ftchrelbaa entwickelten trennt. Wir nta- 
tnen an dlaarr Stellt Varaalauvag, d*tn anonjnvrn VtrfaiMT far »«In Internat 



jährigen Zusammentritt des Reichstages übrigens in reichlichem 
Maasse vorhanden ist, kommt gleichfalls nicht in Betracht 
— die grössere Schwierigkeit der Beurtheilung darf billiger- 
weise nicht in Betracht Kommen. — 

Mag die Entscheidung in dieser Frage übrigens erfolgen, 
wie sie wolle — und wir sind nach den bisherigen Erfah- 
rungen durchaus nicht zu überschwäoglichen Hoffnungen ge- 
neigt — so sind für die Vorbereitung einer zweiten Kon- 
kurrenz in sachlicher Beziehung einige Forderungen zu 
stellen, die unter allen Umständen Geltung beanspruchen 
können. 

Die erste derselben betrifft die Bauplatz-Frage. Wir 
haben es als ein der Würde der Sache nicht entsprechendes 
Vorgehen gerügt, dass man die erste Konkurrenz eingeleitet 
hat, ohne der Erwerbung des Bauplatzes, der gerade in die- 
sem Falle die Grund -Disposition der Entwürfe so ausser- 
gewöhnlich beeinflusste, gewiss zu sein, und es dünkt uns, 
dass wir durch die gegen uns geltend gemachten Argumente 
nichts weniger als widerlegt sind. Dass an den Bauplatz 
an der Ostseite des Königsplatzes noch heute „in erster 
Linie" gedacht wird, dass erst durch die Konkurrenz die 
Mängel desselben ins helle Licht getreten sind, ändert an 
der Thatsache Nichts, dass man 10.1 auf diesen Platz be- 
rechnete Arbeiten hervorgerufen hat, während man für die 
Möglichkeit seines Erwerbes keine andere Garantie 
hatte, als das unerschütterliche Vertrauen auf den „Namen 
Bismarck*; denn es ist allgemein bekannt, dass es persön- 
liche Schwierigkeiten von derzeit unüberwindlicher Art 
sind, welche den Erwerb des Bauplatzes verhindern. Es ist 
wohl keine unbillige Forderung, sondern allerdings nur der 
Würde gemäss, dass man den Künstlern, die ihre Kräfte 
ohne die Sicherheit einer Entschädigung zur Verfügung stellen, 
ttte Gewähr giebt, dass das Resultat ihrer Arbeil zum Min- 
desten nicht durch solche Hindernisse illusorisch gemacht 
werden kann, die der Bauherr vor Erlass des Preisausschrei- 
bens zn übersehen in der Lage war. Wir fordern daher, 
dass bei Erlass einer neuen Konkurrenz nur eiu Bauplatz in 
Aussicht genommen wird, der bereits zur Disposition des 
deutschen Reiches steht. Der vom Reichstage angenommene 
Antrag seiner Delegirten, in welchem die Mitwirkung bei 
Erwerbung eines Bauplatzes als die erste und wichtigste 
Aufgabe der nenen Kommission bezeichnet ist, verspricht 
übrigens nicht nur, dass jener Forderung Geniige geschieht, 
sondern beweist auch, dass man sich in den parlamentari- 
schen Kreisen des bei Erlass der ersten Konkurrenz began- 
genen Fehlers wohl bewusst ist. 

Unsere zweite Forderung betrifft das eigentliche Bau- 
programm. Nach unserer Auffassung des Zweckes einer 
ersten Konkurrenz um eine Aufgabe dieser Art konnten wir 
uns nur damit einverstanden erklären, dass das Programm 
derselben in mehren Punkten einigen Spielraum gewährte 



deckt wurden, als Unterlago dienten. An verschiedenen Punk- 
ten des inneren Kastcllraumes fand man gemauerte Brunnen 
von beträchtlicher Tiefe in der Nähe von Strassen und Woh- 
nungen. 

In den Gebäuden selbst haben sich mitunter Ueizcinrich- 
tungen von ganz eigentbümlicher Form erhalteu; mehre Heiz- 
kümmern gind besonders bemerkenswerth. Nicht allein die 
Wohnungen wareu vermittels irdener Röhren in den Wänden, 
sondern auch ein grosser Theil der bürgerlichen Niederlassung 
wurde unterirdisch geheizt Mit dem Kastell war nämlich eine 
bürgerliche Ansiedlung von bedeutender Ausdehnung verbunden, 
welche vermuthlich als Wohnsitz für Veteranen, wohl auch zu 
Zwecken des Handels und Verkehrs gedient haben mag. Von 
dieser Veteranen-Niederlassung haben sich auf der östlichen und 
westlichen und hauptsächlich auf der südlichen Seite des Kas- 
tells nach Homburg tu viele bauliche Spuren vorgefunden, die 
auf einen sechs- bis achtmal grösseren Flächenraum, als das 
Kastell selbst, schlieasen lassen. Hier wurden auch die höchst 
merkwürdigen Grabstätten und der Vcrbrennungsplats der Lei- 
chen aufgefunden. Die bisher offen gelegten Gräber feigen 
durchaus nur den Gebrauch des Verbrennen! der Leichname. 
Die Asche der verbrannten Gebeine befindet sich zum Theil 
mit der Beigabe einer thönernen Lampe als Symbol des er- 
loschenen Lebens in einer runden irdenen Urne, tun die sich 
HcnkclkrÜKe CThränenkrügc), Teller. Münzen, Trinkgefässe und 
dcrgl. anlehnen. Alle diese Mitgaben sind mit einer fctligen 



Asche, dem Ucberrcste des verbraunten Leichnams, bedeckt 
Dr. J. v. Hefer sagt hierüber: leb muss gestehen, dass mit Aus- 
nahme der Griberstrasse in Pompeji, die ich mit webmüthigen 
Gefühlen auf und abwaudeltc, kein Ueberbleibsel des Alter- 
thums auf mich einen so ergreifenden Eindruck machte, als 
diese in wenig Quadratschuhe eingezwängten UcberreBte von 
Kriegern des welterobernden Römerreichs! 

Westlich des Süd-Thores ausserhalb des Kastelig ist eine 
Gruppe von Gebäuden aufgedeckt worden, welche mit förmlichen 
Bade-Einrichtungen versehen sind. Diese .Bäder* bestehen aus 
1» durch Lufthcizuugskanäle 



auch die Abflusskanälc, zur Fortscbaffuog des benutzten Was- 
sers, haben sich vorgefunden Eine Menge kleinerer Objekte 
wurde ausgegraben, welche theils auf der Saalburg selbst auf- 
bewahrt werden. In letzterer Zeit sind die Nachforschungen 
wieder aufgenommen und hierbei unter Anderem b gemauerte 
Keller links vor dem Südthore blosgelcgt worden, wobei sich 
verschiedene interessante Gegenstände (Glasgefässe) vorfanden. 
Die bürgerlichen Niederlassungen so wie ein Theil des Kastells 
selbst sind bewaldet und nahezu unerforscht, daher bei der- 
einstigen Nachsuchungen noch reichhaltige Funde in Aussicht 
stehen. 

Der erfreuliebe Anthcil, welchon der Kaiser den Saalburg- 
Bauten widmet geht aus einem bewilligten namhaften Beitrage 
zur Fortführung der Ausgrabungen hervor, wie auch der Kron- 
prinz dieser Angelegenheit die grösste Theilnahme bezeigt. Zur 
Förderung der Saalburg-Bauten bat sich in Homburg ein Ver- 
ein gebildet, welcher zunächst unter Oberleitung des königlichen 
Konservators Herrn Oberst von Cohansen zu Wiesbaden ein 
Gräberhaus zum Schutze der oben angeführten Grabstätten in 
damaligem Stile und auf dem ehemaligen Platze zu errichten 
beabsichtigt Hiernach ist der Wiederaufbau des Haupt -Eln- 
gangsthores der (Porta decumana) mit Räumlichkeiten für das 
anzulegende Museum projektirt Die Saalburg ist l'i Weg- 
stunden von Homburg entfernt und schon ihrer prachtvollen 
Lage und hohen landschaftlichen Schönheit wegen als lohnender 
Ausflug zu betrachten. Eine gute Restauration befiodet sich in 
dem nahe gelegenen, eine reizeude Fernsicht bietenden Förster- 
hause, dessen freundlicher Garten als angenehmer Aufenthalt 
und Ruhepunkt von den zahlreichen Besuchern gern benutzt 
wird. Der Förster besitzt die Schlüssel zu dem auf der Saal- 
bürg befindlichen, einen Theil der ausgegrabenen Alterthümcr 
enthaltenden Hause und dient auf. Verlangen als F'übrer. Ver- 
mittels Wagen gelangt man in circa 50 Minuten auf der gut 
gehaltenen Chaussee von Homburg nach der Saalburg; es em- 
pfiehlt sich, bei Rückkehr den oberen König -Wilhelmsweg ein- 



en, bei Rückkehr den uberen König -vulhelniswegcin- 
n. welcher, längs des Taunus hinführend, hübsche 
das Thal bietet. (Köln. Ztg.) 



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— 252 — 



und so den Konkurrenten Gelegenheit gab, über die zweck- 
rnässigste Lösung prinzipieller Grundfrageu ihrerseits Vor- 
schläge zu machen. Bei einer zweiten Konkurrenz darf eine 
solche Unbestimmtheit nicht wohl stattfinden, vielmehr wird 
eine am so grössere Aussicht vorhanden sein, den möglichst 
besten Entwurf zu erhalten, wenn unsere Forderang Annahme 
findet, dass alle Fragen dieser Art im Prinzipe bereits be- 
antwortet sein müssen. Wir rechnen .hierzu — namentlich 
wenn der früher in Aussicht genommene Bauplatz festge- 
halten und bis dahin erworben werden kann — die Frage 
des Hanpteinganges, die Frage der Grundform and der 
Höhenlage des Sitzungssaales, die Frage des Festsaales, end- 
lich auch die der Dienstwohnungen. Letztere ist zwar im 
Programm der ersten Konkurrenz durchaus nicht offen ge- 
lassen; wir glauben indessen, dass das Resultat dersellwn 
die nochmalige reifliche Erwägung recht nahe legt, ob der 
praktische Vortheil, dass Präsident und Bureaudirigent im 
Hause wohnen, die architektonischen Unzutrfiglirhkciten auf- 
wiegt, welche die Anordnung solcher Wohnungen, zumal mit 
Pferdestall und Remise, innerhalb eines solchen Hauses not- 
wendig mit sich bringt. Unsererseits sind wir über die Be- 
antwortung dieser Frage nicht einen Augenblick zweifelhaft 
und würden es, wiederum für den früheren Baunlatz, als 
einen naheliegenden Ausweg erachten, jene beiden Woh- 
nungen in einem dem Parlamentshause gegenüberliegenden 
Gebäude der zurückgelegten Sommerstrasse anzuordnen. 



Für die Lösung dieser Prinzipien fragen würde ein Gut- 
achten der Jury, wie wir es als unbedingt erforderlich bezeich- 
neten, ein Gutachten, in welchem das geistige Resultat der Kon- 
kurrenz, der durch dieselbe erzielte Gewinn an Ideen sachlich 
zusammengestellt and erörtert wäre, den besten und unmit- 
telbarsten Anhalt geben. Da dasselbe aber leider fehlt, so 
fällt der neuen Kommission, welche die nichtarchitektonischen 
Mitglieder der Jury umfasst, die Aufgabe zu, ihre weiteren 
Berathungen auf jene Punkte zu erstrecken. Wir fordern 
im Interesse der Sache nur noch, dass sie alsdann bei Auf- 
stellung des neuen Programmes die Motive, welche für die 
einzelnen Entscheidungen maassgebend waren, nicht ver- 
schweigen, sondern in geeigneter Form znr Kenntnis* der 
Konkurrenten bringen möge. Die Auffassung derselben wird 
eine ungleich fruchtbarere sein, als wenn nur die einfachen 
Resultate jener Erwägungen bekannt geworden sind. Am 
Vollkommensten freilich würde der Zweck, den wir dabei 
im Auge haben, dann erreicht werden, wenn es möglich 
wäre, dass jene von der Jury unterlassene Arbeit von kom- 
petenter Seite nachgeholt und das Programm der zweiten 
Konkurrenz mit einer Denkschrift begleitet würde, welche 
über die Auffassung der sachlichen Momente der Angelegen- 
heit innerhalb der leitenden Kreise Aufklärung verbreitete. 

(Scbluw i 



leidige w Theorie der Faclwe rkjträgf r. 



Von E. G 

Seit Anwendung der Faehwcrksträger ist man bestrebt ge- 
wesen, dieselben aus einer gewissen ursprünglichen Gestaltung 
heraus zu solchen Formen überzuführen, welche eine Minder- 
anordnung von Eisenmasse zulassen. 

Diese Bestrebungen haben ohne Zweifel eine praktische 
Bedeutung; der Werth des Schmiedeeisens in verbundenen Kon- 
struktionen steht immerhin so hoch, daas jede nicht unwesent- 
liche Gewichtsverminderung Berücksichtigung verdient. Läge 
aber dieser materielle Grund gar nicht vor und könnte den 
Umständen nach ein gewisser Mehraufwand au Material und 
Arbeitslohn füglich ganz ausser Betracht gelassen werden, 
immerhin müsste die Frage, wie die Form eines Fachwerks- 
trägora zu wählen sei, damit sein Gcaammtgewicht ein Minimum 
ergebe, als wichtige Aufgabe in der Theorie der Brücken- 
konstruktionen angesehen werden. 

Alle in dieser Richtung ausgebildeten Trägerformen gehen 
zunächst gemeinschaftlich von dem Gedanken aus, dass die 
Gurtungen von der Mitte des Trägers aus einander zu nähern 
und an den Endeu womöglich in einem Punkte zusammen- 
zuführen seien. Dass Gründe für diese Annahme nahe liegen, 
leuchtet ein; die Vertikalen und Diagonalen, welche nach den 
Trägerenden zu immer grössere Querscboittsdimensionen erfor- 
dern, werden bei dieser Anordnung in ihrer Länge verkürzt; 
endlich fällt sogar diu Enddiagonale mit dem letzten Gliede der 
unteren Gurtung zusammen, weun diese mit der oberen über 
dem Auflager direkt zusammengeführt ist. 

Von dieser zuerst erwähnten, gemeinschaftlichen Idee abge- 
sehen, wird der Träger bei den bekannt gewordenen Systemen 
nunmehr je nach verschiedenen Gesichtspunkten weiter ausge- 
bildet. Dem Parabclträger liegt die Idee zu Grunde, das« 
die eine oder andere Gurtung, welche geradlinig angeordnet 
wird, einen konstanten Querschnitt behält, ein Vortheil, der bei 
der praktischen Konstruktion immerhin einigen Werth hat; 
ferner, dass seine Diagonalen bei gleichmässiger Belastung die 
Spannung Null haben. Ein weiterhin alicemein bekanntes, 
hierher gehöriges System ist das von v. Pauli- Hier wird 
der Gedanke, einen konstanten Querschnitt zu erreichen, auf 
heide Gurtungen ausgedehnt uud denselben demnach eine be- 
stimmte, durch Rechnung unschwer zu ermittelnde polygonale 
Gestalt gegeben. Verweilen wir noch kurz bei diesem Systeme, 
so lässt sich gerade hier in geeigneter Weise die Frage ein- 
schalten, in wieweit durch diese Trägerform etwa der Lösung 
einer Minimalform nahe getreten ist. Die Trägerform ist auf- 
gefunden, indem man eine gewisse Bedingung, jedoch lediglich 
bezÜKllch der Gurtungen aufstellte; es fehlt der Nachweis, ob 
die Vortheile, die man zu Gunsten der Gurtungen anstrebte, 
nicht eine gewisse Benachteiligung der übrigen Glieder des 
Systems, d. h. der Diagonalen und Vertikalen zur Folge haben. 

Diese Andeutung wird ersichtlich machen, wie die Auf- 
gabe, einen Fachwerksträger so anzuordnen, dass sein Gewicht 
sich einem Minimum nähere, za behandeln ist. Um diese Auf- 
gabe erschöpfend zu lösen, müssen sftmmtliche Glieder des 
Systems in die Betrachtung hineingezogen werden; man darf 
nicht Bedingungen für einen Theil aufstellen, deren Einwirkung 
auf den übrigen nicht erkeuubar ist Wird die Durchführung 
der Aufgabe in dem Sinne, dass sämmtliche Glieder des 
Systems als Funktionen der zu suchenden Trägerform eingeführt 
werden, zu schwierig, so muss mindestens für diejenigen Glieder, 
»eiche aus der Betrachtung ausscheiden, der Nachweis geführt 
werden, dass sie innerhalb gewisser Grenzen keinen für das 
Schlussresultat ungünstigen Einfluss erleiden. 

In diesem Sinne muss die vod J. W. Sch wedle r zuerst rait- 



rüttefien. 

getheilte und vielfach zur Anwendung gekommene Trägcrfonn 
als der bezeichneten Aufgabe besonders entsprechend angeführt 
werden. Bei dieser Form werden gerade diejenigen Theile des 
Systems, bei denen sich nicht beachtete Einflüsse vorzugsweise 
uucbtheiUg äussern würden, d. h. die Diagonalen, vorweg in 
Betracht gezogen; der Vortheil, die Diagonalen weder doppelt, 
noch auch für Druck anordnen zu müssen , liegt hinreichend 
nahe, und ist deshalb die Gestalt der oberen Gurtung so ge- 
wählt, dass jener Vortheil unter allen Umständen gesichert 
bleibt 

Im Folgenden soll ein Versuch zur weiteren Behandlung 
dieses Gegenstandes gemacht werden, einmal, um zu untersuchen, 
in wie weit sich der absoluten Minimal -Form für Fachwerks- 
träger überhaupt nahe treten lässt, andererseits, weil sieb aas 
dieser Aufgabe gleichzeitig eine Reihe wichtiger' Resultate be- 
züglich des relativen Minimums gleichartiger Trägerformen ab- 
leiten lässt- 

Sollte die Behandlung in strenger Form, d. h. sofort allge- 
mein gültig für einen Träger mit « Fachen aufgestellt werden, 
so wurde sich eine derart weitläufige Entwicklung ergeben, 
daas die Aufmerksamkeit des Praktikers hierfür nicht mehr 
beansprucht werden könnte; os ist deshalb vorgezogen, die 
Durchführung an einem bestimmt gewählten Beispiele zu zeigen 
und wo augänglich, allgemeine Beziehungen nachzutragen. 

Zusammenstellung der Spannungswe rthe. 
Die in der Praxis vorkommenden Fachwerksträger sind der 
Mehrzahl räch solche mit gerader unterer Gurtung; denn bei 
Flussübergängen wird man Fahrbahn und Konstruktionsunter- 
kaute gemeinschaftlich so wenig wie möglich über ein tos den 
Uochwassorständen oder den Schiffahrtsinteressen sich ergeben- 
des Maass erheben, und auch bei Trägern mit obeoliegender 
Fahrbahn würde im Allgemeinen eine Verschwendung im Pfeilcr- 
werk vorliegen, jweun nicht die untere Gurtung geradlinig an- 
geordnet wäre. 

Es sei deshalb 
in Figur 1 die 
Hälfte eine« Fach- 
werk strägera ge- 
wählt , dessen un- 
tere Gurtung gerad- 
linig ist und dessen 

B, 8 Fache sämmllich 
I die Breite 6 haben. 
I Die obere Gurtung 
HH^^BcHvl Polygon. 
■rgHWlfl dessen Eckpunkte 
I durch die Verti- 
I kalen r, «r, x, y, » 
festgelegt sind. 
Diese Vertikalen bilden nun 5 urvariable Grössen, deren 
Werth so zu bestimmen ist, dass das Gesammtge wicht des Trä- 
gers sieh als Minimum ergiebt Um das Gewicht in algebrai- 
scher Form kurz auszudrücken, kann der Gewichtsfaktor für 
die Kubikeinhcit des Materials = 1 gesetzt werden. Ein Glei- 
ches gilt aber auch bezüglich des Festigkeitskoeffizienten, da 
man nie Zug- und Druckfestigkeit des Schmiedeeisens einander 

Gleich zu setzen pflegt- Sieht man nun von Stoss Verbindungen, 
ülfsstücken und Nieten ab. so lässt sich das Gewicht des Trä- 
gers ausdrücken durch die Summe der Produkte aus den Stab- 
längen und den in ihnen auftretenden Spannungen. 

Die Aufstellung der hiernach erforderlichen Gleichungen ist 



Fi«. I. 




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— 253 — 



einfach, und wird deren llerleitung als bekannt vorausgesetzt 
Es sei nur noch Folgendes vorausgeschickt Die Stahlängen 
sind mit kleinen Buchetaben bezeichnet; die entsprechenden 
grossen Buchstaben mögen (mit Ausnahme der unteren Gur- 
tung, wo besondere Bezeichnungen erforderlich werden) die in 
den betreffenden Stäben auftretenden Spannungen bezeichnen. 
Die Belastung wirke am unteren Ende der Vertikalen und be- 
trage pro Knotenpunkt an Eigengewicht und fester Belastung p 
an mobiler Belastung ». In dem Falle, wo es sich um Belastung 
von Eisenbahubrüekon handelt, ist dieser Werth * in gewissem 
Haasse als veränderlich anzusehen. Je mehr der auffahrende 
Zug die Brücke überdeckt, um so mehr kann von einer glelch- 
mässigen Verkeilung der mobilen Belastung die Rede sein; in 
dem r alle jedoch, wo nur das erste Feld neben dem Auflager 
durch die auffahrende Lokomotive belastet wird, wirken die 
beiden Vorderachsen derselben als lokale Einzelbelastung, die 
gÄjgJJ« «d» der obige Werth * zu bemessen ist. Von 
Wichtigkeit ist dieser Umstand bei Bestimmung der unteren 
bpannungsgrenze der Diagonale 0, und der Vertikale W; bei 
Berechnung dieser Wcrthc in Gleichung X* und XV b igt des- 
halb n- durch den der lokalen Belastung entsprechenden höheren 
werth_!T| zu ersetzen. 

. ..JWg die 4 gezogenen Stäbe der unteren Gurtung der Träger- 
nälfte ergeben sich nun, unter der Annahme einer vollen Be- 
lastung der Knotenpunkte, folgende Wcrthe als Produkte aus 
Spannung und Länge: 



I) 7i . I = 0 

II) 71 . b = V, (p + x) . 

III) 71 . t = 6 {p + w) . 

iv) r«. i! 



'r 
x 
V 



In gleicher Weise ergiebt sich für die gedrückten Stfibe der 
oberen Gurtung: 



V) S, . t, = >/, (;f t). 



*« + (r-i>)> 



VF) *, 
VU) S» 



«. = « (P + w) ■ 



6> + (x- r)' 



IX«) 

Xa) 0, 

XIa) O t 

XII i o. 



w 

VUI) s, .Miss 8 (p + *) . Ü ±ÄT *L 

Bei den Diagonalen findet sich die obere und untere Span- 
mingsgrenze bekanntlich unter einer derartigen Verschiebung 
der mobilen Belastung, dass dieselbe vom Kopfe der Diagonale 
nezielientlich bis zum weiteren resp. nSheren Auflager reicht 
(jegendiagonalen können ifl den iwei ersten Feldern nicht erfor- 
derlich werden, weil T, beständig = Null bleibt, also den Werth 
von T, nicht überschreiten kann. Uebrigens soll das Verhält- 
nis» zwischen p und « zunächst noch so gedacht sein, dass auch 
i 5 ii e i ID S Go $ oudia «on«de nicht erfordert. Schreibt man nun 
DezUgUcU der Vorzeichen derart, dass Zug positiv erscheint, so 
Fügendes- oberen Spanuiingswerthe der Diagonalen 

o. -= (*• + ,.). •'• <"+ *> 

IT 

«j» + 3 « 

~z 

*=(*. + x').p^t"' T 

XIHa) 0, . o> = (#» + »•).( "*£±_&I 

Für die untere Spannungsgrenz« der Diagonalen ergiebt 
»ich, wiederum so geschrieben, dass Zog positiv ist: 

IXb) o, o, = (*» r«) . % äjt 
Xb) O, .«, = (». + «■») . (_ fi * .+ * • 

- 0, + . r "»p + y. » _ 6* + ■.. m 

<. f x ) 

Xlllb) //. . o. = <«• + . f w &£±*£ _ + 4 « i 

Endlich zu den Vertikalen übergehend, findet sich die obere 
^pannungsgrenze derselben, so verstanden, dass Druck positiv 
erscheint: 

XlVa) V . r = Vi {p + 9} , 9 
XVa) w. ir = (•/, p + t) , r - (j, -f *,;). »• 
XV Ja) .V .x = {6p + ir) . ir - {% p + »;, *> . x 
X\üa) Y v = (»»/, p + » ,. *) . x - (7 /> + «»/. r) , « 
XVUIa) Z.» = (8p + 4»). r - (••/,„ + V.ir).l 



IT 

x 

' •./'.+ 
y 

s 



) 
) 



Xlb) 
XHb) 0, . o, 



und die untere Spannungsgrcnze, wiederum dorart bezeichnet, 
dass Druck positiv ist : 

xi vb) f.p = •/■ p t 

XVb) W. tr = ('/, p + V.. f.) . p - (/> + | ) . * 

XVII») .V . x = (6 p -f- «/t ir) . » — (•/, p + »/ 4 ») . x 
XVlIb) 7 p = ('V, p + •»„ n).j-(7g+ •>.', >r) . v 
XVIIIb; Z.» = {6p + 4 s).w - (»/,p 4- 5ir).» 

Aus vorstehenden Gleichungen soll nun s- fort folgende 
höchst einfache Anwendung gezogen werden. 

§• 

Relatives Minimum der Fach werkstrSger mit paralle- 
len geraden Gurtungen. 
Es sei ein FachwerkstrSger mit parallelen geraden Gurtun- 
gen gedacht, dessen Höhe = a, so reduzireu- sich die 5 Urva- 
riablen des vorigen Paragraphen auf die einzige Variable s. — 
Hatte man den hiernach bezeichneten Träger praktisch zu kon- 
struiren, so wäre man zu einigen Abweichungen von den be- 
rechneten Formeln genöthigt. Diese betreffen zunächst das 
letzte Feld der unteren Gurtung, dessen Spannung sich theore- 
tisch = Null ergiebt; bei der Konstruktion würde mau minde- 
stens T, = ' , r, machen, und soll dieses Verhältnis« nachstehend 
beibehalten werden. Ferner ist anzuführen, dass die Vertikalen 
Bich nach der Mitte zu theoretisch M verschwftchen, dass auch 
ihnen ein Zuschuss gegeben werden niuss, damit sie gegen Aus- 
biegung hinreichend stark werden uud als Aussteifung der oberen 
Gurtung dienen können. Das bierfür erforderliche Plus soll in 
der Weise berücksichtig werden, dass Z=7 = Z nach Glei- 
chung XVIa) genommen wird. Bezüglich der Diagonalen ist 
noch zu bemerken, dass deren untere Spannungsgreuze bei einem 
Träger mit parallelen geraden Gurtungen und bei richtiger An- 
ordnung der Gegendiagonalen nicht iu Druck übergehen kann; 
es treten deshalb nur die betreffenden Gleichungen ad a in 
Kraft 

Hiernach ergeben sich für die Trfgcrhälfte, unter Berück- 
sichtigung, dass der Werth Z . * halb für die andere Trägersoite 
rechnet: 

die untere Gurtung = 18»/, (/»+ir). ' 



die obere Gurtung 



= 25 (/> + *). £ 
t'4-t' 

= «OV.y+ iQ'A.w) 



die Diagonalen 

die Vertikalen _ 
Summa Gewicht „ , 
des halben Trägers - - , ( 5l l P + M i f) + • ("1 P + I9JJ r) 
oder mit einiger, hier füglich wohl zulässiger Abruudung 
1) Z = ^ (51 p 4- 58 >r) + s (17 V. P + 19»/. *) 
Es wird nun - ein Minimum, wenn 

^7= ~ % ] (51 P + 53 n) -f- 17'/. p + Wft * = 0 

oder 

t = 6 V^P + ■>■>* 

\1':,P + 19»/.« 

Setzt man p = Null, so wird *= 1,724 
setzt man >r=Null, so wird tsa 1,644 
im Mittel also % — Vi *; d. h- das theoretisch günstigste Höhon- 
verhältniss des vorliegenden Trägers ist = Vi. der Spannweite. 

Ein derartiges theoretisches Resultat darf nicht für die 
Praxis übernommen werden, ohne dass alle etwa noch in Be- 
tracht kommenden Nebeneinfliisse vorher gründlich abgewogen 
wären- Zunächst ist nun bekannt, dass dor Grad der Steige- 
rung stetiger Funktionen in der Nähe eines Kulminationspunk- 
tes bedeutend abnimmt; dies wäre im vorliegenden Falle von 
der allergrössten Bedeutung, damit man nicht das Höhen Ver- 
hältnis* des Trägers übertrieben steigert, ohne einen reellen 
Gewinn bezüglich des Gewichtes zu erzielen. Konstruirt man 

zu dem Zwecke die vorstehende 
Gleichung 1 in der Weise, dass 
das Pfcilverhältniss zwischen 
Höhe und Spannweite als 
Abszisse, die Gewichte als 
Ordinalen aufgetragen wer- 
den , so findet sich gemäss 
Figur 1, dass der Grad der 
Veränderlichkeit von 2' inner- 
halb der Pfeilverhältnisse 
■/»• bis %i gering ist Es 
kann deshalb kaum zweifel- 
haft sein, dass mit Rücksicht 
aufdie Vertikalen das Höhen- 
verhältniss auf '« der 
Spannweite zu beschrän- 
ken sein wird. Dass jedoch 
andererseits eine Materialver- 
schwendung eintreten muss, 
wenu man diesen Werth über- 
schreitet, d. h. die Trager- 
höhe geringer als 1 , der 
•Spannweite annimmt, lässt 
Bich, wie folgt, nachweisen. Ein Bedenken gegen das bezeich- 

igitEeöTby Google 




\„l W..i, 



- 254 - 



n*tc Höhenverhältniss könnte bezüglich der Vertikalen ent- 
stehen, insofern als die angenommenen Querschnitte derselben 
bei so betrachtlicher Konstruktionshöhe verstärkt werden niüss- 
ten. Es soll deshalb der Fall vorgesehen werden, wo eine Stei- 



gerung der Vertikalem) uembnitte auf das Doppelte des oben 
neuen erforderlich werden könnte; in 
anstatt 1 die Gleichung: 



Kalle 



(^ + ..3*) + 9(27/, + 30*) 



also p rund = r gesetzt und wie oben verfahren, 
9 = b V *~ = rot v» * = */• Spannweite 

Ol 

d. b. selbst die schwerste Vertikalcnanordnung würde da« 
Maas* Tür die günstigste Ilöhcnanorduung nicht unter '., der 
Spannweite herabdrücken können. 



I 



Im Wasserglas «nd .eiae Vcrweadaag ia der 



Wasserglas wurde im Jahre 1823 von Jon. Nep. v. Fuchs 
zuerst dargestellt. F.r verwendete es hauptsächlich zur Wand- 
malerei und nannte diese neue Malart Stereochromio. Laugere 
Zeit blieb es nur bei vereinzelten Versuchen, bis Herr Direktor 
v. Kaulbach im neuen Museum zu Berlin mehre Wandgemälde 
ausführte, welche keiuen Zweifel mehr darüber aufkommen 
Hessen, dass diese neue Malart mit der Freskomalerei in jeder 
Weise in Konkurrenz treten könne. 

Man bitte glauben sollen, d;iss sich nun auch die Bautech- 
nik sofort dieser beachtonswerthen Erfahrung bemächtigte, da 
ihr ja jetzt Gelegenheit geboten, ihren Monumenten und Bau- 
werken eine Widerstandsfähigkeit gegen die zerstörenden Witte- 
rungseinflüsso zu geben, wie sie bisher in solchem Grade noch 



it gewesen, 
jedoch die 



steht — mit einer Wasserglaslösung zu einem feig 
Dieser erhärtet nun an der Luft nach und nach zu 
festen Körper, dass er die frühere Natur der Kreide 
mehr erkennen lässt. 

Aber auch fast allen Gegenständen von gebranntem Thon, 
wie Thonplatten, Backsteinen, Dachziegeln etc., sowie auch den 
meisten porösen, leicht verwitterbaren Sandsteinen, von welchen 
das Wasserglas mit grosser Begierde eingesogen wird, theilt es 
eine ausserordentliche Festigkeit mit. Es sind Beispiele be- 
kannt, dass ganz mürbe Thonplatten, nachdem sie mit Wasser- 
glas getränkt, über die Feuerung eines Abdampfufens gelegt, 
in welchem auch häufig saure Dämpfe entwickelt wurden, nach 
einem Zeitraum von 1z Jahren ganz unverändert blieben. 

Es dürfte daher bei der Ausführung von Neubauten, welche 
nicht verputzt werden sollen, — mögen siu nun aus Back- oder 
Sandsteinen bestehen, — ein Wasnerglasaustricb stets zu em- 
pfehlen sein. 

Man verwendet 4 Arten von Wasserglas, feber die Art 
ihrer Bereitung will ich hinweggehen, als zu weitführend, und 
nur bemerken, dass das Kaliwasserglas, wie dies schon der Name 
mit sich briugt, eine Verbindung von Kali mit Kieselerde, das 
Natronwasserglas aber als eine Verbindung gedacht werden 
muss, welche gleiche Aequivalcute von Kali und Natrium mit 
Kieselerde verbunden enthält Boim technischen Gebrauche 
des Letzteren mischt man 3 Maasstheile konzentrirtes Kali- 
wa&serglas mit 2 Maasstheilen kotizentrirtem Natronwasserglas 
und es reicht die so erhaltene Lösung zu allen Zwecken aas. 
Dasselbe, vereinigt die guten Eigenschaften des Kali- und Na- 



nicht erreicht 

Mag es jedoch die Macht der Gewohnheit, die Vorliebe für's 
Altherkömmliche, welche bei allem Neuen ihren hindernden Ein- 
fluss üben, mögen es einzelne, nicht mit erforderlicher Sach- 
kenntuiss ausgeführte Versuche gewesen Bein, welche einer 
grösseren Auwendung des Wasserglases entgegentraten, lange 
Blieb ihm eine geschätzte Anerkennung versagt.*) 

Seit mehren Jahren ist jedoch ein erheblicher Umschwung 
zu seinen Gunsten eingetreten und seitdem Herr Prof. V. Liebig 
auf eine Heihe neuer werthvoller Eigenschaften aufmerksam 
machte, entstanden grosse Fabriken, die sich ausschliesslich mit 
der Darstellung dieses Artikels befassen, und ist dem Wasser- 
glas nun eine V erwendung im grossen Maasse zur Verbesserung 
des Mörtels und zu dauerhaften, abwaschbaren Anstrichen ge- 
sichert. 

Seiner chemischen ZusammenHetiung nach aus einer Ver- 
bindung der Kieselerde mit Kali oder Natron bestehend, ver- 
dankt das Wasserglas seine Verwendung in der Bautecbnik 
hauptsächlich dem Umstände, dass es mit dem kohlensauren 
Kalke und Actzkalke eines Mauerverputzes eine chemische Ver- 
bindung in der Art eingeht dass es Beide in kieselsauren Kalk 
verwandelt, welcher im Stande ist, den Einflüssen von Luft und 
Feuchtigkeit in viel höherem Grade zu widerstehen, als dies 
vorher der Fall war. Leicht kann man sich hiervon überzeugen, 
wenn man etwas gepulverte Kreide — die ihrer chemischen Zu- 
sammensetzung nacti ja ebenfalls aus kohlensaurem Kalke be- 

aurührt. 
einem so 
gar nicht 



•J Wir flicht» diu twtiten Grund für »llrhbiltlger sli du erstell. Ni- 
ittialllch 1d Berlin hit es in dem IniereiM für die neue Brnnduug und in din 
luiuulgMlIgtum Verwehen dlesell». rirskUeeh tu verwenden, nicht gefehlt. Wenn 
«lice* Versuch« den gehegten KrwnrtuDgrn [ist durchweg nicht inuprwebin wi- 
llen, dibel iiier unter lieh die ultereeruehiedenirtlgstin Keaulliti irgiton und 
rlidnrch weit uneluiudirgehende Meinungen Hier diu Werth des. Witwiiluei 
für die Biutechnlk sruugt haben, no IM dl» wohl in KlnnvrJüten diduich fu 
ciklüren, diu eli gewteserraisssrn dilcttenUstlicu, d. b. run Technikern, dl« iu 
wenig chemische, oder ron Chemiker», die in wenig technisch« Kenntet» und 
Fertigkeit l>e«i*»cn, nnternoBnae» worden ilnd, l>er vorliegende, Ton Ulkt dem 
.HwsJirhen Gewerbe > hUtli a intnoeuineue Artikel beweist indessen wohl «tu 
Beeten, wie rtel Schwierigkeiten eine Verwendung dei Wisserglssee für technische 
Zwecke uuterliegt, mit wie groseer SncJtkenntntse und Krfihinng, all wii sorg- 
filtiger Ucberlegung und Vorsicht sie unternommen werden musi. Unsere An- 
sieht geht daher mit Entschiedenheit dihln, dies diu Verwendung dei Wsliei- 
giiiti nur dünn eine illgeiwelnere werten und eine merkliche Zukunft hiben 
wird, wenn iich Spe liiliiten für dicMlbi bilden, welche betreffend! Atuclten 

"icJcViT^'u^mgen^iof^d' 1 ^'"t''»!' Wi, j ) , "j"' ta Jj" JJj,**" 

C der bereitwilligsten Niehl, ig. be M n« wurde. 



tronwasserglascs und ist in den meisten Fällen vorzuziehen. 
Das Fixirungswasserglas endlich ist ein mit Kieselerde vollstän- 
dig gesättigtes Kaliwasserglas, dem eine Portion Natriuni-Kie- 
seifeuchtigkeit beigegeben wird, und zwar auf 3 Maasstheilen 
konz. Kali Wasserglas 1 Maasathcil Natrium - Kiesclfeuchtigkeit. 
Letztere wird dargestellt, indem man 3 Theile reines wasser- 
freies kohlensaure» Natron mit 2 Theilen Quarzpulver zusam- 
menschmilzt und hieraus eine konzentrirte Lösung macht Das 
Fixirungswasserglas bat die vorteilhafte Eigenschaft, dass bei 
seiner Anwendung keine Auswitterungen von kohlensaurem Na- 
tron stattfinden und der Anstrich nicht unrein und fleckig wird, 
weshalb es bei der Ornament- und Zimmermalerei beliebt ist. 
Bei allen Wosserglasanstrichen kommt es sehr auf den Grad 
seiner Verdünnung an und dürfen die hier gegebenen Verhält- 
nisse nicht unberücksichtigt bleiben, wenn die Ausführung ge- 
lingen soll. 

Welche Art von Wasserglas nun auch verwendet werden 
soll, immer wird dos 33grädigu beim ersten Anstrich mit seiner 
2 fachen Gewichtsmenge, beim zweiten und dritten Anstriche 
aber mit der gleichen Gewichtsmenge Regen- oder Flusswasser 
verdünnt 

fit! grädige.« wird beim ersten Anstrich mit 5 Gewichtsthei- 
len, beim zweiten und dritten mit 2' ■ Gewichtstheilen verdünnt. 
Auch beim einfachen Tränken von Sand- und Baeksteinarbeiten 
bleiben diese Verhältnisse 

Auf eine Fläche von 100 
etwa: 

Zum I. Anstrich 4 Pfd. Wasserglas von 33« und 12 Pfd. 
Wasser. Zum 2. Anstrich 4 Pfd. Wasserglas von 33« und 
8 Pfd. W asser. Zum 3. Anstrich 3 Pfd. Wasserglas von 
33« und U Pfd. Wasser. 

Wenn mau nun auf einer Mauer» .i:id eine Wasferglasfarbe 
schön und dauerhaft anbringen will, dann bat man vorzüglich 
auf den Verputz Bedacht zu nehmen. Die Hauptaufgabe ist 
demselben durch uud durch eine gleiche steinartige Festigkeit 
zu geben und ihn gleichsam mit der Mauer zu verschmelzen, 
zugleich aber auch dabei zu erzielen, dass er das Wasserglas 
gut und an allen Stellen gleichniässig einsaugt Um dies xu 
erreichen muss der Bewurf mehr mager als fett sein; xu 'kalk- 
haltiger Mörtel würde das Wasserglas nur schwer eindringen 
lassen und auch Sprünge verursachen, die wohl zu vermeiden 
sind. Derselbe muss gut ausgetrocknet und längere Zeit der 
Luft ausgesetzt sein, damit er sich in kalbkohlensaurcn Kalk 
verwandeln kann, weil im anderen Falle der Aetzkalk das 
Wasserglas zum Theile zersetzen würde. 

Ist die Mauer nun in diesem Sinne vorbereitet, dann wird 
sie mit 33grädigcm Natron- oder Doppelwasserglas getränkt und 
zwar wird bei der Verdünnung des Wasserglases bei den ver- 
schiedenen Anstrichen stets verfahren, wie dies oben angegeben 
wurde. Bei grösseren Flächen bedient man sich vortheilhal't 
kleiner Kegenspritzen, deren Strahl in Form eines feinen Regent 
vertheilt wird, indem man ihn durch eine mit feinen Oeffnungen 
versehene Siebplatte treibt Man kann diese Operation wohl 
2 bis 3 mal wiederholen, jedoch ist sehr darauf zu achten, dass 
die Poren der Wand nicht durch zu häufiges Auftragen oder 
auch zu konzentrirte Lösungcu geschlossen und zur Aufnahme 
der hierauf folgenden Farben untauglich gemacht werden. 

Um ganz sicher zu geben und einen bis ins Innere gleicb- 
mässigen Grund herzustellen, bereitet man sich aber am besten 
einen Waascrglasmörtel , der in folgender Art dargestellt wird: 

10 Theile scharfer trockener Sand und 3 Theile an der 
Luft zerfallener Aetzkalk (deu man am leichtesten erhält, wenn 
man frischgebrannten Kalk mit so viel Wasser bespritzt und 
häufig umarbeitet, bis er zu einem feinen Pulver zerfallen) wer- 
den mit 2 Theilen Kreide oder Kalksteinpulver gleichmässig 
trocken gemengt und durch ein mittelfeines Sieb geschlagen, 
alsdann wird diese Mischung mit einer 33grädigen Natron- 
wasserglaslösung, die mit 2 Gewichtstheilen W asser verdünnt, 
derart zu einem plastischen Teige verarbeitet, dass er wie ge- 
wöhnlicher Mörtel zum Verputze verwendet werden kann. 

Dieser Mörtel leistet auch beim Ausfugen von Backstein- 
mauern und überall da, wo es gilt gegen Luit und Feuchtigkeit 
zu schützen, gute Dienste. Je nachdem man etwas mehr band 
oder Kreide zusetzt in manchen Fällen auch die Wasserglas- 
lösung etwas konzentrirtcr anwendet, wird seine Natur dem ent- 
sprechend verschieden sein. 

Nach dem Austrocknen , was in wenigen Tagen stattfindet, 
wird er steinhart und soll mit einer .Natronwasserglaslösung 
(ist billiger als Kaliwasserglas und zu diesem Zwecke vollstän- 
dig ausreichend' 1 in der Art wie schon weiter oben beschrieben, 
wiederholt getränkt werden. 

Ist nun der Untergrund auf die eine oder andere der I 
angegebenen Arten hergestellt, dann kann man nach 
trocknen zum sofortigen Farbanstrich übergehen. 



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Die zu verwendenden Karben werden, bevor sie mit Wasscr- 

C» in Berührung kommen, mit so viel Regen- oder Flusswasscr 
etat, dass sie von diesem vollständig durchdrungen sind, 
ohne dabei flüssig zu werden. Je plastischer und gleichroässiger 
dieser Farbeteig, desto besser vermischt er sich nachher mit 
dem Wasserglase und um so weniger ist ein Gerinnen der Farbe 
zu befürchten. 

Auch hier werden die verschiedenen Anstriche so ausgeführt, 
wie schon angegeben wurde, nur verwendet man hier gerne 
Doppel Wasserglas. Je nach 24 Stunden kann ein neuer Anstrich 
erfolgen und wenn ein Auawittern von kohlensaurem Natron 
befürchtet wird, dann ist es rathsam, den letzten Anstrich mit 
Fixirungswasscrglas auszuführen. 

einen gewissen Glau, der demjenigen der 
dann überfahre man den letzten Anstrich 
en mit einer recht verdünnten Lösung von 
Fixiruugswaaserglas, sorge aber dafür, dass so gut wie möglich 
verzogen wird, um bei Mellon, die vielleicht weniger gut auf- 
saugen, eine Gleichmässigkeit herzustellen. 



Was nun die Wahl der verschiedenen Farben anbelangt, so 
ist diese keineswegs gleichgültig, da viele derselben zu dem 
Wasserglase so grosse Verwandscbaft haben, daas sie, kaum mit 



ihm in Berührung, sofort iu einer unbrauchbaren Masse ge 
rinnen, — wie dies beim Caput mortuum des ilaiidets oft 



ben gleicht, da 
dem Trocknen 



kommt, wenn es von seiner Bereitung her noch freie Schwefel- 
säure cuthalt. 

Andere Farben werden in ihren Tönen wesentlich verändert ; 
aus diesem Grunde sind z. B. keine aus dem organischen Reiche 
stammenden Farben zu verwenden, weil sie früher oder später 
verbleichen. Nichtsdestoweniger bleibt aber die Wahl der zweck- 
dienlichen Farben noch eine so ausserordentlich mannichfaltige, 
dass mau nicht leicht in Verlegenheit kommen kaun. 

Verfasser beschäftigt sich seit langer Zeit eingehend mit 
Versuchen aller Art, sowie mit der Erzeugung der geeigneten Far- 
ben und ist erbötig, jede nähere Auskunft zu geben, 
bei ihm Proboaiistrieho eingesehen werden könneu. 



II. Wagner in 



Mittheilungen 

Oesterreich! scher Ingenieur und Architekten -Verein 
in Wien. 

Fortsetzung der General- Versammlung am 2. Marz 1 
1872; Vorsitzender Hr. Hofrath R. von Engerth, anwesend 277 
Mitglieder. 

Der geschäftliche Theil der General - Versammlung wird 
hauptsächlich durch Wahlen ausgefüllt, welche dadurch notwen- 
dig geworden sind, dass mehre in den Verwaltungsrath und das 
Schiedsgericht gewählte Mitglieder die Wahl nicht angenommen 
haben, resp. nicht die erforderliche Anzahl absoluter Stimmen- 
mehrheiten erreicht wurde. Seit der letzten Sitzung sind 15 Mit- 
glieder in den Verein aufgenommen worden, 1 durch den Tod 
ausgeschieden. Am Schlüsse der Versammlung spricht Hr. Di- 
rektor J. Jähnl über den Bauhof der allgemeinen österreichi- 
schen Ballgesellschaft. 

Monutsversainmluug am it. März 1872. Vorsitzender 
Hr. Hofrath R. von Engerth, anwesend 235 Mitglieder. 

Im Namen des zur Beratbuug der Frage „ob auf der neu 
anzulegenden Gürtelstras6e in Wicu die Anlage eiuer schmal- 
spurigen Lokomotiv- oder Pferde -Eisenbahn den Vorzug ver- 
diene" erwählten Konnten erstattet Hr. Inspektor M. Morawitz 
Bericht Das aus 8 Mitgliedern bestehende Komite hat die ihm 
vorgelegt* Frage dahin erörtert, dass ai zunächst I.okomotiv- 
Bahneu gegen Pferde - Bahnen . alsdann uurmalspurige gegen 
schmalspurige Pferdebahnen in Vergleich stellte. Unter der Vor- 
aussetzung, dass die Anlage der betreffenden Bahn jedenfalls im 
Niveau der Gürte Istrasse erfolgen werde, weil dies bei langsamer 
Fahrgeschwindigkeit gefahrlos, jedoch jedenfalls nothwendig ist, 
um den Zweck möglichst vieler bequemer Statiuusortc, zu errei- 
chen und die Bebauung der Strasse nicht zu hindern, hat sich 
das Komite zunächst einstimmig für eine Lokomotivbahn gegen 
eine Pferdebahn entschieden, weil nur hierdurch die wünschens- 
werthe Kegelmassigkeit der Personenzüge und ein Güter-Massen- 
trausport, wie er voraussichtlich bei läge und bei Nacht sich 
entwickeln wird, ermöglicht werden kann. 

In der Beantwortung der Frage, ob normale oder schmale 
Spur, hat sich das Komite iu eine Majorität und eine Minorität 
gespalten. Die Majorität, welcher der Berichterstatter angehört, 
plädirt Tür eine normal spurige Bahn mit sekundärer Oberbau- 
und Fahrparks -Konstruktion Die Kosten derselben wdrden von 
denen einer schmalspurigen Bahn nur unwesentlich abweichen, 
zumal bei der Vorausgesetzen langsamen Fahrgeschwindigkeit 
ebenso scharfe Krümmungen gestattet seien. Als ein ganz 
ausserordentlicher Vortheil komme es hingegen in Betracht, dass 
bei Anwendung der normalen Spur eine direkte Verbindung mit 
den Bahnhöfen einerseits, mit der in gleicher Spurweite ange- 
legten Pferde •Ringbatiu andererseits sich herstellen lasse, wo- 
durch erst der wahre Nutzen der Gürtelbahn als eines Mittels, 
um Krachten in leichtester Weise nach allen Punkten der Stadt 
schaffen zu können, sich verwirklichen werde. 

Für die aus drei Personen bestehende Minorität berichtet 
Hr. Professor Winkler Das Votum derselben wendet gegen 
die Ansichten der Majorität ein, dass die fast genau vorgeschrie- 
bene Trace der Gürtelbuhu Kurven und Steigungen Bedinge, 
welche durch eine normalspurige Bahn mit sekundärem Ober- 
bau und leichtem Fahrpark sich schwerlich überwinden lassen. 
Bei der letzteren falle die Beschaffung eines Fahrparks, wie er 
erforderlich ist, wenn mindestens jede Viertelstunde ein Zug 
abgebcu soll, finanziell auch erheblich mehr ins Gewicht; ebenso 
bedinge sie grössere Verkehrsstörungen und Belästigungen der 
Umwohner, als eine schmalspurige Bahn. Der Vortheil, dass die 
Gürtelbahn mit den Bahnhöfen iu direkte Verbindung gesetzt 
werden kann, lädst sich bei schmaler Spur allerdings nicht er- 
reichen. Es kommt jedoch in Betracht, dass das Bcdürfniss 
sekundärer Bahnen bereits vortreffliche Ümlade-Vorrichtungen 
hat eutsteheu lassen, deren Benutzung oft nicht mehr kosten 
würde, als diu Wagenmictbe für den lebergang auf die Gürtcl- 
srhalb der Vororte liegende Vt 



aus Vereinen. 

für den Durchgangsverkehr zwischen den Bahnhöfen werde 
ohnehin stets nebeu der Gürtelbahn nothwendig bleiben und 
Hessen sich von dieser nach einzelnen grossen Depotplätzen 
eventuell Seitenbahnen abzweigen. Die Verbindung zwischen 
den Hauptbahnen, einer normalspurigcn Gürtelbahn und der 
Pferdebahn lässt sich übrigens durchaus nicht genügend aus- 
nutzen, weil der Transport von Gutern. auf den es hierbei einzig 
ankommt, des Tags auf der Pferdebahn nicht möglich ist und 
auch in einer Nacht nicht immer durchführbar sein dürfte, vor 
Allem aber, weil ein Uebcrgang der mit zu hohen und breiten 
Radkränzen und zu grossem Radstandc konstruirten, Wagen der 
Hauptbahn auf die Pferdebahn ebenso uuthunlich ist, wie ein 
Uebcrgang der für eine Verbindung mit dieser konstruirten 
Gürtelbahn -Wagen auf die Hauptbahnen es wäre. Als der we- 
sentlichste, von der Majorität zu wenig gewürdigte Vortheil einer 
sekundären Gürtelbahn ist hingegen anzuführen, dass bei dieser 
eine bei Weitem leichtere Möglichkeit vorliegt, sie durch Radial- 
len Etablissements im In- 



bahnen einerseits mit möglichst 

nern der Stadt, andererseits aber vor Allem mit den Vororten 
in Verbindung zu setzen und durch diese Saugadern erst wirk- 
lich lebensfähig zu machen. 

In der darauf folgenden lebhaften Debatte wurden die von 
beiden Seiten angeführten Gründe und Gegengründe weiter aus- 
geführt und der Standpunkt der Majorität, die auf die Verbin- 
dung mit den Bahuhöfen. wie der der Minorität, die auf die 
Anlage möglichst vieler Zweigbahnen das Hauptgewicht legt, 
noch schärfer entwickelt; gegen den letzteren wird namentlich 
geltend gemacht, dass der Betrieb aller dieser Zweigbahnen 
voraussichtlich durch Pferde erfolgen werde, daher in dieser Be- 
ziehung die Frage der Spurweite weniger ins Gewicht falle. 
Die Versammlung adoptirt schliesslich die Ansicht, dass die An- 
gelegenheit zur Abstimmung noch nicht reif sei, und verweist 
dieselbe zur nochmaligen Berathuog in das zu diesem Zwecke 
durch 5 weitere Mitglieder zu verstärkende Komite zurück. Ein 
Antrag, dass dieselbe auch die Anlage von Seilbahnen in der 
Gürlefstrasse in Erwägung ziehen solle, wird abgelohnt. 

An die Versammlung schlnss sich ein vou nahezu 400 Mit- 
gliedern besuchtes Bankett im grossen Saale des Grand-Hotel, 
in welchem nach der erregten Debatte der fachwissenscbaftlichi-n 
Sitzung festliche Heiterkeit uud einträchtliche freundschaftliche 
Gesinnung einen ebenso beredten Ausdruck fanden. Die Reihe 
der in der Vereins -Zeitschrift abgedruckten Toaste auf den 
Kaiser, die Würdenträger und Stützen des Vereins, auf dieseu 
selbst und die Einheit seines Strebens, auf Wien und die Wiene- 
rinnen, auf die Wahrheit u. s. w. giebt ein anziehendes Bild 
österreichischer Gcselligkeit- 

Wochenversammlung^ am 10. März 1872; Vorsitzender 
Hr. Ministerialrat» A. von Kit tinger: anwesend 253 Mitglieder. 

Nach geschäftlichen Mittheilungen des Hrn. Vorsitzenden 
und einem vortrage des Hrn. Hofraths G- Wex über die Schiff- 
bar machnag des Donaustromes am eisernen Thor und den 
sieben Felscubäuken oberhalb Orsowa bespricht zum Schlüsse 
Hr. P. Lippert drei Thesen über die Hülfsmittcl der Ai'ronautik. 

Tendenz der Erörterungen des Vortragenden ist es im Gegen- 
sätze zu der angestrebten Ausrüstung der Charliere mit einer 
durch Dampf-, Gas- oder Handbetriebs -Kraft zu bewegenden, 
jedoch gegen den Wind ganz nutzlosen Schraube, auf das dem 
bekannten Knaben -Spielzeuge, dem Drachen zu Grunde liegende 
Steigeprinzip aufmerksam zu machen und dessen Ausnutzung 
für die Ai-ri «antik zu empfehlen. Er glaubt, dass die Steueruugs- 
fähigkeit eines Ballons dadurch sich erreichen lasse, dass man 
zwischen Gondel und Ballon zwei vertikal ausgespanirte Segel 
anbringt, die durch drei lange Dräthe derart mit einander zu 
verbinden sind, dass man durch Anspannen oder Nachlassen 
derselben jede beliebige Schragstellung der Segel erreichen kann. 
Allen Freunden des Themas stellt sich Hr. Lippert zu »ei- 
terer Auskunft persönlich gern zur Verfügung. 



XVX 




Fahrpreis -Ermässigungen. 
1. Freie Rückfahrt gegen einfache Billets zur Hin- 
fahrt: Altona-Kiel; Badische Eisenbahnen; Berlin- Anhalt; Berlin- 
Görlitz; Berlin -Hamburg; Berlin- Potsdam-Magdeburg; Berlin- 



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Stettin (excl. I. Kl.) ; Frankfurt -Hanau; Hessische Ludwigsbahn; 
Leipzig -Dresden (excl. Schnellzüge); Cottbus -Grosseohaiu; Lü- 
beck -Büchon; Magdeburg-Leipzig; Magdeburg-Halberstadt; Main- 
Neckar-Bahn; Nordhausen -Erfurt; Oberhessiscbe Eisenbahnen; 
Pfälzische Eisenbahnen (nach Maxau oder Ludwigshafen); Rechte 
Odcrufer- Eisenbahn; Rheinische Eisenbahn; Sächsische Staats- 
bahncn (excl. Schnellzüge). 

2. Halber Preis für die Hinfahrt, halber Preis für 
die Rückfahrt, giltig in II. und III. Kl. Aussig -Teplitz; 
Breslau -Schweidnitz -Freiburg; Böhmische Nordbahn; Böhmische 
Westhahn; Galizische Carl-Ludwigs-Bahn; Elisabethbahn (excl. 
Linz-Budweis, excl. Schnell- und gemischte Züge); Kaiser Franz- 
Jos-ef-Bahn (excl. Schnellzüge); Kaiser Ferdinands -Nurdbahu; 
Kronprinz Rudolf-Bahn; Lemberg- Czernowitz-Jassy ; Oesterr. 
Staats -Eisenbahn-Gesellschaft (excl. Schnellzüge); Oesterr. Süd- 
bahn (excl. Schnellzüge)' Theiss- Eisenbahn; Turnau-Kralup- 
Prag; Ungarische Staats -Eisenbahn (auch in I. Kl.); Donau- 
Dampfschiffahrt (Dampfschiffe und Buhn). 

3. Fahrt in II. Kl. zu Bidets der III. Kl., in 
III. Kl. zu Billets der IV. Kl. Cöln-Minden: Niederschlesi- 
sche Zweigbahn: Oesterreichische Nordwcstbahu ; Süd -Nord- 
deutsche Verbindungsbahn. 

4. Verlängerte Giltigkcit der gewöhnlichen Rc- 
tourbillets. Württembergischc Staats-Eisenbahncn (nach Mer- 
gentheim, Jagtsfcld, Bruchsal oder Mühlacker); OldenburgUchc 
Eisenbahnen; Thüringische und Wcrra-Bahn (uach Eisenach und 
Lichtenfels, excl. Schnellzüge und I. Kl.) 

Die angeführten Bewilligungen beziehen sich auf sämii'tliche 
von der betreffenden Verwaltung betriebenen Linien und auf 
die Zeit vom 19. September bis C. Oktober incl. Wer von den- 
selben Gebrauch machen will, hat von dem Lokalkomite im Po- 
lytechnikum zu Carlsruhe eine auf Namen ausgefertigte und ge- 
stempelte Einladungs-Karte anzufordern, welche als Legi- 
timation beim Billetkauf und während der Fahrt dient. 

Auf durchgehende Billets haben die vorstehenden Bewil- 
ligungen keine Anwendung, vielmehr muss der Reisende beim 
Betreten jedes neuen Bahngebietes, also auf jeder Uebergangs- 
Station, ein neues Lokalbillet lOsen. 

Vorträge: 

Bis zum 10. Juli waren bei dem Lokalko-nite nur Vorträge 
für die Abtheilung Bauingenieurwesen angemeldet und zwar: 

Grebenau, Wasserbaudirektor in Strassburg: Ueber die 
Gesetze der Bewegung des Wassers, der Kiesbänke und des Thal- 
weges in gesebiebführenden Flüssen, nach den hierüber am 
Rhein angestellten neueren Untersuchungen, und deren Anwen- 
dung auf den Wasserbau — zugleich als Vorbereitung zu den 
Wassermessungen im Rhein bei dem Ausfluge nach Maxau am 
23- September. 

Gerstner, Ingenieur iu Karlsruhe: Erläuterungen über das 
Btädtisehc und das Hof-Wasserwerk in Karlsruhe. 

Steinau», Eisenbahn- Inspektor iu Manuheim: Erläuterun- 
gen über die neuen Eisenbahn - und Hafonaulagcn in Mannheim. 

Launhardt, Professor in Hannover: Ueber 
zielle Traeirung der Verkehrswege. 

und Ve 
nach O. 

Man nimmt möglichst dünnes und zugleich sehr biegsames 
Stanniol und breitet dasselbe auf «iwr harten und glatten 
Untertage , z. B. einer, Spiegelglas- oder einer andern dicken 
Glasplatte aus, nachdem man dieselbe nass gemacht hat, um 
die Ausbreitung des Stanniols zu erleichtern und das Festlegen 
desselben zu befördern. Die ganz glatte Fläche des Stanniols 
wird darauf in gleicher Weise wie Mauerwerk oder Getäfel mit 
Oelfarbc angestrichen oder bemalt, entweder einfach oder deko- 
rativ. Man lässt die Farbe trocknen und lackirt, worauf das 
bemalte Stanniolblatt von der Glasplatte abgenommen wird und 



Dieses neue Dekorationsmittel wird aufgerollt versendet, 
wie Papiertapeten; es unterscheidet sich aber von diesen we- 
sentlich dadurch, dass die Verzierung mit Oelfnrbe und mit 
allen Mitteln des Dekorationsmalers ausgeführt ist. Das Stan- 
niol bildet eine wasserdichte Fläche und schmiegt sich wegen 
seiner ausnehmenden Biegsamkeit allen erhabenen Verzierungen 
und den mannigfachsten Kontouren an. 

Bei der Anbringung des bemalten Stanniols (peinture-etain) 
breitet man auf der Mauer, dem Getäfel, dem Gegenstand oder 
der Fläche, welche man verzieren will, eine die Feuchtigkeit 
abhaltende Mischung aus; dann schneidet man von dem bemal- 
ten Stanniol passende Stücke ab und überzieht die Gegenstände 
damit, indem man das Stanniol allenthalben andrückt , so dass 
es sich an alle Erhabenheiten und Vertiefungen der Gegenstände, 
inügon diese durch Abformen (Gyps) oder durch Bildhauerarbeit 
(Stein, Holz) hervorgebracht sein, dicht und glatt anlegt. 

Mit Blattgold überzogene* Stanniol (dorure-etaln) kann man 
zum Vergolden anwenden. Man bringt das Blattgold mittels 
des gewöhnlichen Goldgrundes (appret) auf dem Stanuiol an, 
liisst trocknen und überzieht dann die Gegenstände, nachdem 
man zuvor eine die Feuchtigkeit abhaltende Mischung darauf 
ausgebreitet hat, mit dem so vergoldeten Stanuiol. Diese Art 
zu vergolden bietet vor der gewöhnlichen Vergoldung auf Me- 



tallen den Vortheil dar. dass sie jeder Oxydation widersteht. 
Die gewöhnliche Vergoldung auf Metallen und besonders auf 
Zink wird bekanntlich rasch fleckig 

Proben von bemaltem Stanniol, welche der Paris« 
niie vorgelegt wurden, erregten grosses Interesse. Die _ 
wenden bekanntlich schon seit langer Zeit das Stanniol iu 
licher, wenn auch etwas anderer Weise an und bringen Im 
ders durch mit einem durchsichtigen gelben Firnis* überzogene» 
Stanniol da* Ansehen von Vergoldung hervor. 

(Compt rend., t. 74 p. 1229 d. Polyt Zentralblatt) 

Konkurrenzen. 

Eine Konkurrenz für Skizzen zu einem Realaohol- und 
Oymnaaial-Qebäude In Wiener Newrtadt ist vom dortigen 
Stadtrath ausgeschrieben worden. Schlusstennin ist der 29. Sep- 
tember; die beiden Preise betragen 600 und 400 Fl. Oe*terr. 
Währung. 



Zum 



ür den Arohitektenveretn zo Berlin- 
September 1672. 

I. Entwurf zu einem Schiesstande für drei Scheiben mit 
Gewchrständen und Ladetisch. In Verbindung damit stehe ein 
Restaurationszimmer mit kleinem Büffet Der Bau ist in Holz 
auszuführen und in Grundrias, Ansicht uud Durchschnitt dar- 
zustellen. 

Maasstab 1 : IM) resp. 1 :75. 

II. Entwurf zu einer Kanalschleuse für Schiffe von 40 ■ 
Läuge, 7™ Breite und 2,5 m Tiefgang. Die Kosten der Ausfüh- 
rung sollen möglichst gering sein, die Wahl der Materialien 
bleibt freigestellt. Das Schleusengefälle betragt 2,5», der Unter- 
grund ist bis auf 5" unter dem Uuterwasser Moor, dann folgt 



sind in den 



htigen 
Zeiehr 



Stelle 



Personal - Nachrichten. 



Preussen: 

Ernannt: der Baumeister Haeger zu Berlin zum Land- 
baumeister bei der Miuisterial-Bau-Kommission. Der Baumeister 
Andres zu Schlawe zum Kreisbaumeiater das. 

Versetzt: der Landbaumeistcr Jacobsthal zu Berlin. 
1 bisher technischer Hülfsarbeiter bei der Konigl. Ministerial-Bau- 
Kommissiou, in gleicher Eigenschaft an die Abtheilung für da* 
Bauwesen im Ministerium für Handel, Gewerbe und Öffentliche 
Arbeiten. 



Beschwerden. Von mehren Architekten, die an der Kon- 
kurrenz für Entwürfe zum Gebäude des Bankvereins zu Frank- 
furt a. M. Theil genommen haben, wird uns mitgetheilt, dass 
die im § 5 des Preisausschreibens ausdrücklich versprochene 
Motivirung des Urteilsspruche* bis jetzt nicht erschienen ist. 
Mehre Wiener Theilnebmer an der Reichstagsbaus • Konkurrenz 
fübreu Beschwerde darüber, das* das deutsche Reich ihnen ihre 
Arbeiten nnfrankirt zurückgestellt hat Wir konstatiren beide 
Fakten. 

Hrn. L. in Rheydt. Die Syenitlieferung zu dem in N-. 
20 u. Ztg. publizirten Denkmale bei Vionville ist von Herrn 
Ackermann in Weisscnstadt (Bayern) bewirkt Eine Bezugs- 
quelle für sächsischen (angeblich nicht ganz gleichstehenden) 
Syenit ist die Finna Gierisch zu Camenz C S. Ueber die 
Fahrnerscbe Lehre später in einem Briefe. 

Hrn. F. II. in W. Steinschlag -Maschinen sind uns aus 
eigener Erfahrung nicht so weit bekannt, dass wir ein Urtheil 
darüber abgeben konnten. Vielleicht genügt die in No. 27 pub- 
lizirte Maschine, die Sie von Jacob u. Becker in Leipzig bezie- 
hen kOnnen, Ihrem Zwecke. 

Berichtigung. Durch ein Korrektur- Versehen iet im 
Briefkasten der No. 29 unsere Ansicht, das* wohl ein Besuch 
des Wiener- Polytechnikums, nicht aber der dortigen Kunstaka- 
demie als einjährige Vorbereitungszeit für das Preussische Bau- 
führer- Examen gerechnet werde, in das Entgegengesetxte 
kehrt worden. 

Für die Bedaktioo 
vom t Oktober 117« ab. Mae 
Bedingung i* ne 

allgemein« und fachliche Ausbildung, welche letzter« sieh voriugiwei» 
aaf das Gebiet de« Ingenieurweeens ««trecken ioU ; den Vortag werden 




solche Bewerber erhaLten, welche der neueren Sprechen mächtig und. 

Fachgenoocen , welche geneigt lind diese Stellang aniunehraen, 
Walles sieh unter Darlegung ihres bisherigen Ausbildungigangee mit 
den Hedekteur unterer Zeitung, Herrn K B. O. Fritich in schrift- 
liche Verbindung eeLien und weiden von diesem mit den näheren Be- 



Bauieitnng. 



Berlin, im Jnli 1*72. 

Die Hermasgeber der 



II 



lerzu eine 



Holzschnitt-Beilage: Entwurf zu einem Parlamentsgebäude für den Deutschen Reichstag von Hubert Stier. 

Facade nach dem Königsplatz. 



•erleg C*rl Beeliti In I 



tm f. cbmder riekert im 1 



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Jahrg. TL 



JI2 32. 



DEUTSCHE BAUZEITUNG 



Ke4.kt:.n .. 

fivtHo, Ortnipiw<iVM« 10|. 
BMtftUunftn 
ubrni^Knin alle Pnitan-ialten 



Organ des Verbandes 

deutscher Architekten - und Ingenieur-Vereine. 

Redakteur K. £. 0. FriUch. 



Im erat* 
««rrtluni Inden AufniMsr 



■U: 1% Ni. Pt» 
Zeit.. 



Preis 1 TiaJer pre Quart»!. 



Berlin, den 8. August 1872. J Krsckelit jeden leiamtag. 



Inhalt: Dl« KiroVurmii für Ki.lwürf. tum Huh d.» d*ut»cb..n R.klH- Verrin ia Brrlln. — Vtrmiirhln: DI« W««iii>i;hoinc'«li.- Uft BnnK. — 
Xttn. (Sriili».) — Nwirt Brück» Inn »,l*m Wrtl« M l.ihax». — B.itrlje «ur i Rriluktlon von Kltuatla»l|>lin«i »Tjfpho4ojr.phls.elM-inW.fr.- P.r.onal- Nach - 
-MHth.lliii.grr.au. V.reln.n: Arrhitakwn- riahl.n. 



Die Konkurrenz für Eatwfirfe /um Hanse des DentMiea Reichstages. 

((.VhlOM.) 

Es bleibt uns endlich noch übrig das Resultat dieser die Aussicht dessen. Schon die Einleitung der Konkurrenz 
Konkurrenz nach der von uns als „ persönlich* bezeichneten , und die Art und Weise, in welcher der Reichstag über die 
Auffassung, als ein Beispiel des für öffentliche Konkurrenzen für eine sachverständige Majorität der Jury und gegen die 
derzeit gebräuchlichen Verfahrens zu erörtern — zu unter- Interuationalität der Preisbewerbung plaidirende Petition des 
suchen, welche Würdigung den Rechten und Interessen un- | Verbandes deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine zur 
seres Faches in diesem für die gegenwärtigen Zustände wohl i Tagesordnung überging, zerstörten diese Hoffnung, aber im- 
als maassgebend zu erachtenden Falle zu Theil geworden ' raerhin erwarteten wir, dass bei Entscheidung der Konkur- 
ist, und auf welchem Wege wir danach zu ringen haben, renz. für welche zu den bisher leitenden Elementen ganz 

neue Faktoren hinzutraten, anders und besser verfahren wer- 
den würde, als dies in .Wirklichkeit geschehen ist. Wie 
schon früher der Reichstag und die von ihm hervorgerufene 
Kommission, so hat auch das Preisrichter-Kollegium den In- 
teressen unseres Faches so weuig Rücksicht gezollt, dass wir 
das Ergebniss der Konkurrenz nach diesem Gesichtspunkte 
als ebenso unerfreulich und unbefriedigend bezeichnen müssen. 



uestimmten rau ein möglichst gutes l' 
verehren, empfehlen und vertbeidigen 
nigster Überzeugung: es ist uns nicht 
Palladium unserer Kunst, weil wir keii 



densellien weitere Geltung und Anerkennung zu 

Die sachliche Bedeutung des Konkurrenzwesens, auf 
welche wir uns in dem Vorangegangenen allein stützen zu 
müssen glaubten, ist von ihm ja nur die eine und kanm die 
wichtigere .Seite. Nicht nur als ein Mittel, um für einen 
bestimmten Fall ein möglichst gutes Projekt hervorzurufen, 

-~i wir dasselbe ans in- 
ht minder deshalb ein 
kein wirksameres Mittel 
für eine ideale Förderung derselben, keinen besseren Weg 
kennen, auf welchem das aufstrebende Talent gegen .den 
Widerstand der stumpfen Welt* zu der ersten Stoffel einer 
fruchtbaren künstlerischen Laufbahn, zu Ruf and Anerken- 
nung sich durchzukämpfen vermöchte. Wie unentwickelt 
und unverstanden das Konkurrenzwesen auch noch ist, wie 
viele Missbräuche ihm noch immer anhaften und wie ge- 
ring aus diesen Ursachen sein sachlicher Erfolg in vielen 
Fällen gewesen ist, so stehen wir doch nicht an, eineu 
grossen Theil des Verdienstes um die erfreuliche Entwicke- 
lung, in der unsere Kunst unverkennbar begriffen ist, der 
Anregung und Einwirkung der öffentlichen Konkurrenzen zu- 
zuschreiben, und können nur wiederholt an die Thatsachc 
erinnern, dass einige unserer hervorragendsten Baukünstler 
den Ruf, auf den sie ihre glänzende Laufbahn begründeten, 
einer öffentlichen Konkurrenz verdanken. 

Diese Beziehungen weiter auszuführen, ist wohl nicht 
erforderlich, zumal die letzterwähnten Vorzüge des Konkur- 
renzwesens — wenn sich auch Bauherren weniger für sie 
zn erwärmen vermögen — in fachgenossenschaftlichen Krei- 
sen um vieles unbestrittener sind, als die sachlichen Vor- 
theile desselben. Unbestritten ist wohl auch die Annahme, 
dass der Zweck einer Konkurrenz nach der einen, wie nach 
der anderen Seite nnr daun mit einer gewissen Garantie des 
Erfolges erreicht werden kann, wenn das Verfahren bei der- 
selben so sorgfältig und korrekt wie möglich ist. Um dies 
zu fördern sind ja nach langer Vorbereitung und reiflichster 
vielseitiger Erwägung als ein Werk der deutschen Fach- 
genosseasekaft im Jahre 18<3H die „Grundsätze für das Ver- 
fahren bei öffentlichen Konkurrenzen 1 ' aufgestellt worden, 
deren Festhaltnng man nach den bisherigen Erfahrungen als 
Grundlage jeder Konkurrenz für nothwendig erachtete. Der 
erfreuliche Einfluss dieser Arbeit ist in nicht wenigen Kon- 
kurrenzen der letzten Jahre dentlich zu Tage getreten. Lei- 
der hat man sich in anderen Fällen eben so leicht und 
gleichgültig über sie hinweggesetzt und es ist unbeachtet ge- 
blieben, dass jene Grundsätze eben nur die unentbehrlichen 
Bestimmungen enthalten, welche namentlich die Korrektheit 
des Konkurrenz-Verfahrens sichern sollen, während jeder 
einzelne Fall wohl erwogen sein will, um neben dem Noth- 
wendigen auch noch das Zweckgemässeste zu finden. 

Wenn jemals ein Konkurrenz-Verfahren dazu angethan 
war, durch sein Beispiel für die Behandlung derartiger An- 
gelegenheiten ein Muster abzugehen, welches von nachhal- 
tigster Wirkung für alle Zukunft sein konnte, so war es 
dieses, und in voreiliger Hoffnung begrüssten wir seinerzeit 



wie wir es sachlich für günstig ha 

Als wir in No. 25 u. Bl. den Bericht, welchen der Ab- 
geordnete Hr. Duncker im Namen und Auftrage der Jurv 
über deren Thätigkeit in der Reichstagssitzung vom 12. Juni 
d. .1. erstattet hatte, auszugsweise mitthcilten, konnten wir 
nicht umhin, der Entrüstung, welche mehre der durch diese 
offiziellen Angaben bekannt gewordenen Tliatsaciien in nus 
erweckten, bereite einen vorläufigen Ausdruck zu verleihen. 
Dass wir damit auf einigen Seiten anstossen mussten, war 
natürlich, und es ist uns im hohen Grade willkommen, dass 
ein Mitglied der Jury aus unserem Angriffe Veranlassung 
genommen hat, sich seinerseits über die Angelegenheit zu 
äussern und über die Auflassung, welche mehre der von 
uns angeregten Punkte innerhalb jener Körperschaft gefun- 
den haben, Aufklärung zu ertheilen. Das Material für eine 
nochmalige, etwas eingehendere Besprechung des Verfahrens 
bei dieser Konkurrenz ist dadurch wesentlich bereichert 
worden und dieselbe kann nunmehr ungleich fruchtbringen- 
der werden.») 



*) Wir kOnnen es nicht vermeiden, dem in No. 29 abge- 
druckten Vortrage des Hrn. Professor Lucae neben der sach- 
lichen Würdigung au dieser Stelle auch ein persönliches Wort 
der Abwehr entgegenzusetzen. Er hat die öffentlichen Blätter 
zwar nicht geuanut, welche er beschuldigt, ohne die nötbige, in 
diesem Falle aber nicht mögliche Keuntuiss der Verhandlungen 
das Verfahren der Jury in wenig überlegter Weise angegriffen 
und über dasselbe falsche, einseitig aufgefasste Nachricbteu ver- 
breitet zo haben; doch ist es - zumal unseres Wissens kein 
anderes Blatt die Thätigkeit der Jury kritisirt hat - wohl kei- 
nem Zweifel unterworfen, dass jene Vorwürfe auf die Deutsche 
Bauznitupg gemünzt sein sollten. 

Es liegt alsdann leider die Vennuthung nahe, dass der Herr 
Vortrageudo seinerseits ein Urtheil über Aeusserunßcn gefällt 
hat, von denen er nur in flüchtigster Weise Kenntmss genom- 
men haben kaun. Es scheint ihm nämlich einmal entgangen zu 
sein, dass unsere Mittheilungen über das Verfahren der Jury, 
soweit wir dieselben zur Grundlage eines Angriffs machten, 
ausschliesslich dem offiziellen und öffentlichen Berichte des 
Abgeordneten Duncker entnommen waren, während er anderer- 
seits auf Behauptungen Bezug nimmt, die weder von uns, noch 
unseres Wissens von anderen Blättern erhoben worden sind. 
Wir fordern jeden unserer Leser auf, dasjenige, was wir über 
das Verfahren der Jury berichtet haben, mit der von Herrn 
Lucae gegebeneu Darstellung zu vergleichen: er wird sich über- 
zeugen, dass nicht eine einzige unrichtige Thatsache 
als solche von uns mitgethcilt worden ist. Das Einzige, was 
wir Angesichts der für uns zunächst völlig unerklärlichen Prä- 
miirung des Scott' sehen PI. ins nicht als Thatsache, sondern als 
eventuelle Vermuthung andeuteten, dass nämlich eine Uesommt- 
kontrolle der Jury über das Votum der C Beferentcnpaarc unter- 



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258 — 



Es wird vorab die Frage gestattet werden dürfen, oh und ' 
welchen Einfluss unseren .Grundsätzen für du* Verfahren 
bei öffentlichen Konkurrenzen' 1 hier auszuüben vergönnt war. 
Wir glauben nicht zu irren, wenn wir ohne weitere Begrün- I 
düng annehmen, dass ein solcher Einfluss. das* irgend welche 
Berücksichtigung jener Norm in dem ganzen Verlaufe des 
Verfahrens niemals stattgefunden hat. Dieselbe ist von allen I 
bautechnischen Vereinen Deutschlands, wie von deren Ver- 
bände anerkannt und angenommen, doch verpflichtet dies 
selbstverständlich weder den Reichstag nnd Bundesrath, noch 
die durch deren Vertrauen zu Preisrichtern berufenen 
Sachverständigen, sie zu Rathe zu ziehen, geschweige denn 
sich an sie zu binden. Man mag in dem eingeschlagenen 
Verfahren eine Geringschätznng des betreffenden Kanons 
linden nnd sich dadurch verletzt fühlen: jedenfalls fehlt uns 
die Berechtigung, die Nichtbeachtung desselben an sich schon 
zum Gegenstande eines Vorwurfs zu machen, wie dies aller- 
dings geschehen ist, als in der vorberathenden Kommission 
ein durch das Vertrauen des Berliner Architektenvereins, 
wenn auch ohne imperatives Mandat in dieselbe entsendetes 
Mitglied sich über die .Grundsätze' 1 hinwegsetzte. Es ist 
daher wohl nur angemessen, dass wir uns bei einer Kritik 
des Verfahrens' in der Reichstagshaus-Konkurrenz nicht blos 
einfach auf sie berufen, sondern unser l'rtheil in jedem ein- 
zelnen Punkte durch selbstständige Ausführungen motiviren. 

Die Gesanimtheit der Forderungen, welche man an den 
Verlauf einer freieu und öffentlichen Konkurrenz zn stellen 
berechtigt ist, Iflsst sich in drei Hauptfordernnecn zusammen- 
fassen: Sorgfalt in der Vorbereitung und Einleitung der Kon- 
kurrenz — Sorgfalt und strenge Korrektheit bei der Beurtei- 
lung und Preisertheilung — absolute Oeffcntlichkeit. 

Wir verzichten darauf, noch einmal zu erörtern, in wie 
weit in Betreff der ersten gefehlt worden ist; da die Ein- 
wirkung solcher Fehler zunächst den sachlichen Erfolg einer 
Konkurrenz trifft, so haben wir nnsere Ansicht hierüber im 
Wesentlichen schon früher aussprechen müssen. Line Ver- 
letzung unserer allgemeinen Fachintercsseu erblicken wir 
aber in der mangelhaften und ungenügenden Vorbereitung 
einer Konkurrenz insofern, als sie einmal eine Herabsetzung 
der zu einem Kampfspiel mit hölzernen Waffen genöthigten 
Künstler ist und diesen für spätere Fälle die Freudigkeit 
des Schaffens raubt, andererseits aber in jener Beeinträchti- 
gung des sachlichen Erfolges für alle oberflächlich nrtheilen- 
den Köpfe erneute Veranlassung zu einer Missachtung und 
Unterschätzung des Konkurrenzwesens überhaupt giebt. 

Ueber die Sorgfalt, mit welcher das Kollegium der Preis- 
richter bei der Beurtbeilung von Konkurrenz- Eutwürfen zu 
Werke gegangen ist, wird sich nicht leicht ein Urtheil aus- 
sprechen lassen — es sei denn von einem der Richter selbst. 
Es ist uns nicht eingefallen und es liegt uns heut« noch 
fern, der sittlichen Würde der Männer, welche in dem vor- 
liegenden Falle das Preisgericht gebildet haben, am Wenig- 
sten der architektonischen Mitglieder desselben, dadurch zu 
nahe zu treten, dass wir an dem Ernste ihrer mühevollen 
Arbeit zu zweifeln wagten. Sicherlich war es nur so or- 
theilsgewandten Meistern und nur durch den hingehendsten 
und aufopfernden Eifer und einen unermüdlichen Fleiss mög- 
lich, die Summe der Thätigkeit. welche sich ans der Vor- 
prüfung und dem Bericht der ersten Snbkommission, der 
eingehenden Prüfung der G Referentenpaare und dem dem- 
nächstigen Bericht derselben, sowie der Debatte im Plenum 
der .lurv zusammensetzte, innerhalb einer Gesammtzcit von 
nur 7 Tagen zu erledigen; aber die Möglichkeit dessen soll 
unbestritten sein und gern wird Jeder glauben, dass die 
Preisrichter nach ihrer Auffassung des ihnen erteilten Auf- 
trages im vollsten Maasse ihrer Pflicht genügt haben. Wenn 
wir (in Xo. 2:>) die Ansicht äusserten, dass ein Urteil über 
die [OS einzelnen Entwürfe durch die .Inn als Ganzes nicht 
in 4 Tagen fan denen sie nach dem Dunck'er'schen offiziellen 
Berichte zu diesem Zwecke zusammengetreten ist) festgestellt 
werden könne, so bezog sich dies, nach dem für einen nicht 

blieben sein könne, haben wir in der nächsten Nummer durch 
Abdruck eines bezüglichen Schreibens zu berichtigen uns tweilt. 
Von dem durch Hrn. Lucae erwähnten Gerüchte eines diploma- 
tischen Abkommens über die zu prämiireudeu Pläne, von der 
Behauptung, dass die Jury ihre Thätigkeit in vier kurzen 
Sitzungen erledigt habe, veiu einem wider sie erhobenen Vor- 
wurfe der Gewissenlosigkeit findet sich in unserem Blatte 
keine Spur! 

Wir wollen uns damit begnügen, dies konstatirt zu hoben, 
und verzichten darauf, von der Vertheidigung zum Angriffe 
überzugehen, obwohl uns durch den Wortlaut des Lucae'sehen 
Vortrages dazu Gelegenheit gegeben wäre. Unsere Fncbgeuosscu 
werden auch ohne dies darüber entscheiden können, auf welcher 
Seite eine vorsichtigere Erwägung des Urteils zu wünschen ge- 
wesen wäre. 



ganz flüchtigen Leser nicht wohl misszuverstehenden 
Zusammenhange lediglich auf eine zur Veröffentlichung be- 
stimmte, also notwendigerweise schriftlich abgefasste 
Beurtheilung. und wir glauben nicht, dass Jemand uns 
hierin Unrecht geben wird. 

Was die Korrektheit der von einer Jury gefällten Ent- 
scheidung betrifft, so wird die Kritik, wenn nicht eine offen- 
bare Verletzung der Konkurrenzbedingungen vorliegt -- wie 
leider nicht selten vorgekommen ist — auch bierülier die 
vorsichtigste Zurückhaltung beobachten müssen. Andererseits 
darf sie aus persönlichen Rücksichten sieht nicht scheuen, 
offen ihren Widerspruch geltend zu machen, wenn sie die 
feste und wohlerwogene Ueberzengung gewonnen hat, dass 
der Spruch einer Jury so entschieden falsch ist, wie wir 
dies bei dieser Konkurrenz von dem Spruche, welcher den 
Scott'schen Entwurf als eine der fünf besten Lösungen der 
Aufgabe erklärte, überzeugt sind. Niemand wird ja hierbei 
an eine Fälschung, sondern lediglich an einen Irrthum den- 
ken, dem jedes menschliche l'rtheil unterworfen ist. 

In dem vorliegenden Falle lag die Vermuthung nahe, 
dass der betreffende Irrthnm — denn noch habeu wir keine 
Stimme gehört, welche die Prämiinmg des Scott'schen Ent- 
wurfs zu verteidigen gewagt hätte — die direkte Konse- 
quenz einer prinzipiellen Inkorrektheit dieses ganzen Konkur- 
renz-Verfahrens sei, dass die nichtarchitektonische Majorität 
der Jury, durch die glänzende Aussenseite des Entwurfs ge- 
blendet." die architektonische Minorität in dieser Frage ebenso 
überstimmt habe, wie dies bei der Entscheidung über die 
Zuerkennung des ersten Preises geschehen ist, welcher Vor- 
gang .bereits im Munde von Jedermann lebt.* 1 Die Andeu- 
tungen, welche Hr. Prof. Lucae in seinem Vortrage über 
das Zustandekommen der Preisertheilungcn gab, waren nicht 
ganz dazu geeignet, die Vermuthung zu beseitigen, dass 
zum Mindesten die Majorität der sechs Architekten in jener 
Frage unterlegen sei. Jedenfalls gegen die Absicht des Hrn. 
Vortragenden; denn wie jener andere Vorgang, so ist es 
auch nicht unbekannt geblieben, dass mit der überwältigenden 
Majorität der Anderen auch die sechs Architekten der Jury, 
die Hrn. Hitzig und Lucae. Semper und Neu reut her, 
Schmidt und Statz, trotz ihrer verschiedenen Glaubens- 
Iwkenntnisse wie ein Mann und ohne jeden Widerspruch f 0 r 
die Prämiirung des Scott'schen Entwurfs gestimmt haben, 
während es eine einzige Laien -Stimme (Senator Römer 
aus Hildesheim, der seinerzeit schon im Reichstage einzeln 
und vergeblich für eine sachverständige Majorität des Preis- 
gerichts und gegen die Intemationalität der Konkurrenz in 
die Schranken trat) gewagt hat. gegen jene Preisertheilung 
zu sprechen und zu stimmen. 

Ja es ist uns sogar geäussert worden, dass ein anderes 
Mitglied der Jury, dein die unpraktische Grundriss-Disposition 
des Scott'schen Entwurfs durchaus nicht entgangen war. 
sich mir durch das Votum der Architekten dazu bestimmen 
Hess, denselben wegen seiner vermeintlichen architektonischen 
Vorzüge zu prämiiren. 

Wenn man das nummerische Uehergcwicht des Laien- 
Elementes in der Jury aber auch nicht für jene Entschei- 
dung verantwortlich machen kann, so wird man nach den 
gegebenen Andeutungen immerhin doch nicht zweifelhaft dar- 
über sein dürfen, dass es in der Thal einen nicht gerade 
günstigen Einfluss ausgeübt hat — ganz abgesehen davon, 
dass eine zufallige Nichtbestätigung gehegter Befürchtungen 
in einem einzelnen Falle noch keineswegs beweist, dass die- 
selben im Prinzipe grundlos waren. Mit der Ansicht, dass 
' es einer architektonischen Minorität durch ihre überzeugen- 
den Gründe fast immer gelingen werde, die Führerschaft der 
Majorität zu Überehmen, steht in direktem Widerspruche, 
was von dem Souveraiuetiitsgefühl der Reichstags-Mitglieder 
mitgetheilt worden ist; ein Gefühl übrigens, das durch ein 
ihm entgegengesetztes, eben so starres künstlerisches Sou- 
verainetätsgefühl . das lieber seine Mithülfe versagte, ehe es 
sich in Fragen der Kunst majorisiren liesse, wohl zu bezwin 
gen sein dürfte. Hätte das letztere in entsprechendem Grade 
obgewaltet, so wäre ein solcher Fall wohl nicht vorgekom- 
men: es hätte alsdann unter den ad hoc gewählten sachver- 
ständigen Mitgliedern des Preisgerichts resp. der Tor-Kom- 
mission und den nach Fraktionen bestimmten Delegirten des 
Reichstages, sowie den Vertretern des Bundesrates anch 
nicht das Gefühl einer so vollständig gleichen Urtheils-Be- 
rechtigung und Urlheilsfähigkeit Platz greifen köunen, dass 
die ersteren anscheinend den Hanptwerth darauf legten, ihre 
Ansichten in einen aus der Gesammtzahl der Voten sich er- 
gebenden Meinungsniederschlag aufgehen zu lassen, während 
sie weniger darau gedacht haben, dass sie an jener Stelle 
auch als Vertreter ihres Faches standen, und es wohl nicht 
ohne Werth gewesen wäre, wenn sie auch mit den An- 



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schauungen ihrer Facbgeuossen Fühlung behalten hätten. 
Selbstverständlich liegt es uns auch hier fem, ihnen dies 
als Pflicht oktroyiren und aus ihrem Verhalten — leider 
eine sehr häufige Erscheinung bei Technikern, die in ge- 
mischten Kollegien sitzen — einen Vorwurf wider sie er- 
heben zu wollen. Wir würdeu sonst die Frage, warum man 
nach der missglückten Petition des Verbandes an den Reichs- 
tag nicht die besten Namen unserer Kunst zu der Erklärung 
veranlasst habe, dass sie an einer Konkurrenz, die von einer 
nicht sachverständigen Majorität der Preisrichter entschieden 
werden solle, nicht Theil nehmen würden, mit der Frage be- 
antworten können, wamm die erwählten sachverständigen 
Preisrichter nicht lieber ihrerseits eine Aenderung jener 
Feststellung zur Bedingung ihrer Mitwirkung gemacht haben. 
Jedenfalls glauben wir, dass die Richtigkeit unseres Grund- 
satzes, dass unter den Preisrichtern einer Konkurrenz vor- 
wiegend Fachmänner vertreten sein müssen, durch das 
Resultat der Konkurrenz für Entwürfe zum Hause des deut- 
schen Reichstages nicht erschüttert worden ist. 

Im Uebrigen haben wir gegen die Korrektheit des hei 
ihr beobachteten formalen Verfahrens — da wir die Frage 
der Öffentlichkeit für sich behandeln — Einwendungen nicht 
weiter zu erheben. Die schwierige Frage, ob und welche 
Entwürfe von der Preisertheilung auszuschliessen seien, und 
ob hierbei nur die verspätete Einlieferung oder auch Fehler 
im Maasstabe und Differenzen in der Zahl der geforderten 
Zeichnungen etc. zu berücksichtigen seien, hat die erwartete 
Rolle nicht gespielt, da überhaupt kein Entwurf der Be- 
urtheilnng entzogen worden ist. 

Alle Vorwürfe, die man dein Verfahren \m dieser Kon- 
kurrenz machen kann, verschwinden allerdings und treten 
als völlig nebensächlich zurück vor dem Hauptvorwurfe, 
dass sich das Urtheil der Jury in seinen Motiven der Oef- 
fentlichkeit entzogen hat. Absolute Oeffentlichkeit in allen 
Beziehungen ist nach unserer Auffassung des Konkurrenz- 
wesens das erste und wesentlichste Grunderforderniss des- 
selben, das für sich allein alle Bedingungen, welche man an 
ein gutes Verfahren sonst noch zu stellen hat, aufwiegt nnd 
sie eventuell eutliehrlich machen kann, während eine Ver- 
letzung dieses Lebensprinzipes einer öffentlichen Kokurrenz 
zu den Sünden gegen den Geist gehört, welche nimmer ver- 
geben werden können. 

' Die allgemeine Bedeutting der Oeffentlichkeit für das Kon- 
kurrenzwesen sowohl, wie für jedes andere Gebiet, auf wel- 
chem die Interessen der modernen Gesellschaft ihre Vertretung 
finden, brauchen wir kaum zu erörtern. Sie ist das reinigende, 
klärende nnd belebende Prinzip, das die Willkür eindämmt, 
dem Vertretenen die Kontrolle über seine Vertreter, der All- 
gemeinheit die Anregung zum Nachdenken über allgemeine 
Fragen giebt. Und nicht im Sinne eines Misstranens 
nur wird jene Kontrolle geübt. Es greife jeder in seine Brust 
und frage sich, ob er sein Urtheil, ob er seine Handlungen 
nicht nnbewusst vorsichtiger und objektiver überlegt, ob er 
nicht besser urtheilt und handelt, wenn er mit voller Ver- 
antwortlichkeit vor der Oeffentlichkeit dafür einstehen ranss. 

Die unbedingte Oeffentlichkeit, und vor Allein die Oef- 
fentlichkeit des Urtheils hat jedoch für das Konkurrenzwesen 
noch eine andere, eigene Bedeutung — als nothwendiges 
Gegengewicht gegen den Hauptnachtheil, den dasselbe andern- 
valls mit sich bringt — gegen den Nachtheil, dass so un- 
ferhältnissmässig viele Kräfte dazu verfuhrt werden, sich in 
überflüssiger und nutzloser Weise anzustrengen. Wir er- 
innern wiederholt an den Vergleich mit einer Lotterie, der 
für eine Konkurrenz nach dem alten, missbränchlichen Ver- 
fahren in der That einige Analogien bietet. Aber wird denn 
vom sittlichen nnd volkswirtbschaftlichen Standpunkte aus 
eine Lotterie darum weniger verwerflich oder gar annehm- 
bar, wenn die Höhe der Gewinne steigt? Gewiss nicht, und 
wenn der für das Allgemeine nnd den Einzelnen zu erzie- 
lende Erfolg nur durch die Projekte der Sieger und nur 
für die Sieger gewonnen werden Könnte, alle anderen Ent- 
würfe aber nnr die Bedeutung von Makulatur hätten, so 
würden wir das Konkurrenzwesen in der That für prinzipiell 
verwerflich erachten und gegen dasselbe mit dem gleichen 
Nachdrucke eifern, den wir jetzt seiner Verteidigung nnd 
Empfehlung widmen. 

Dass der Gewinn einer Konkurrenz für die betreffende 
Aufgabe wesentlich in der Summe der durch alle Projekte 
beigesteuerten Ideen besteht, haben wir früher schon nach- 
gewiesen. Ihn für das Allgemeine und für alle betheiligten 
Künstler zu heben, giebt es kein anderes und besseres 
Mittel, als eben die möglichste Vollständigkeit und Oeffent- 
lichkeit des Urtheils. Wir halten es für eine Pflicht des 
Bauherrn, hierfür zu sorgen, weil er damit für den Vortheil, 
den er seinerseits aus der Konkurrenz gezogen hat, die beste 



und würdigste Gegenleistung gewähren kann. Für das 
Allgemeine besteht er in jener von uns gerühmten idealen 
Förderung der Kunst, für die betheiligten Künstler in der 
| Anerkennung nnd dem Rufe, den sie dnreh eine tüchtige 
Leistung immerhin sich erringen können, selbst wenn ihnen 
das Glück keinen der Preise geschenkt hat, eventuell in der 
ernsten Mahnung zur Selbsterkenntnis.*, wenn sie ihre Kräfte 
gar zu sehr überschätzt haben. Die öffentlichen Konkurren- 
zen würden nicht mehr lange mit vielen völlig ungenügen- 
: den Arbeiten überschwemmt werden, wenn eine Rangordnung 
der Entwürfe festgestellt und neben der besten auch die 
schlechteste Arlieit öffentlich genannt würde. Selbstver- 
ständlich ist es hierfür nothwendige Voraussetzung, dass die 
Anonymität der Entwürfe, deren vermeintliche Vorzüge bei 
j einer Oeffentlichkeit des Urtheils nicht mehr ins Gewicht 
■ fallen, nnd die wir daher schon lange bekämpfen, gänzlich 
aufgegeben würde, wie es in dem uns vorliegenden Falle 
anerkennenswerther Weise auch geschehen ist. 

Es könnte als ein Einwand gegen unsere Ausführungen 
erhoben werden, dass die Oeffentlichkeit der Konkurrenz ja 
schon durch die öffentliche Ausstellung der Entwürfe ge- 
I wahrt werde, und in der That trägt diese dazu bei nnd war 
in den meisten der bisherigen Konkurrenzen das einzige 
Mittel, um wenigstens einen kleinen Theil jener Vorzüge 
des Verfahrens zur Geltung zu bringen. Dass sie hierfür 
nicht genügt, ist jedoch wohl einleuchtend. Immerhin ist 
dieselbe doch nur einem kleinen Bruchtheile der Interessen- 
ten zugänglich und es können die Mittheilnngen, mit welchen 
eventuell die Presse diesem Mangel abzuhelfen sucht — 
ganz abgesehen davon, dass auf sie nicht immer zu rechnen 
ist — weder an Vollständigkeit und Gründlichkeit, noch 
weniger an Reife und Autorität des Urtheils mit den Aeusse- 
rungen eines für diesen bestimmten Zweck eingesetzten 
Preisgerichtes wetteifern wollen. Unsererseits wenigstens 
sind wir uns unserer ehrlichen Ohnmacht sehr wohl bewusst 
und es ist ja bekannt, dass ein unbequemes Urtheil der Presse 
gern als die „ Meinung eines Einzelnen u diskreditirt wird. 
Für die grosse Masse , vor Allem für das ganze nichtfach- 
mänuische Publikum wird und kann kein anderes Urtheil 
maassgebend sein, als das der Preisrichter, für dessen 
Verbreitung alsdann die Presse schon sorgen wird. Darum for- 
dern wir nnter allen Umständen die Publikation eines in seinen 
Motiven ersichtlichen Urtheils derselben über alle Projekte, 
darum bezeichnen wir den ein solches Urtheil ablehnenden 
Beschluss der Jury, welche über die Konkurrenz für Ent- 
würfe zum Hanse des deutschen Reichstages entschieden 
hat, als den grössten und bedauerlichsten Verstoss, den das 
Verfahren in dieser Konkurrenz aufweist. 

Man hat unsere Forderung als zwecklos, man hat sie 
I als ungerechtfertigt, man hat sie endlich als unerfüllbar 
zurückgewiesen. 

Ihren Zweck glauben wir denen, welchen die neueren 
Bestrebungen zur Hebung des Konknrrenzwesens innerhalb 
der deutschen Fachgenossenschaft unbekannnt geblieben sind, 
im Vorstehenden auseinandergesetzt zu haben. Es ist das Wort 
gefallen, dass die architektonischen Preisrichter in einer 
Konkurrenz doch nicht etwa beanspruchen können, Fachge- 
nossen belehren zu wollen, die hente ihrem Urtheil unter- 
worfen sind, morgen aber selbst ihre Richter sein können. 
Die empfindliche Auffassung jeder Kritik als eines anmaass- 
lichen Belehrnngs -Versuches ist uns allerdings auch schon 
begegnet, doch ist sie glücklicherweise keine allgemeine; es 
sei uns gestattet an den Spruch alter Lebensweisheit zu er- 
innern, dass Niemand zu alt ist um zu lernen, und Niemand 
so gering, dass man nicht von ihm lernen könne. 

Ungerechtfertigt soll unser Verlangen sein, weil das 
Programm der Konkurrenz eine Veröffentlichung des Urtheils 
; der Preisrichter nicht vorschreibt und weil die Jury für das- 
! selbe keinem Dritten verantwortlich sei. Im Programm ist 
; ebensowenig gesagt, dass die Entscheidung über die Prcisver- 
theilung öffentlich mitgetheilt werden solle; es liegt dies eben 
1 im Prinzip« einer ö ffentl ich en Konkurrenz und hängt in letz- 
ter Linie auch nicht von der Jury, sondern von ihrem Auf- 
! traggeber, dem Bauherrn ab. Dass der Auftrag, ein Urtheil 
! abzufassen, hier vorlag, haben wir ans der Stelle des Pro- 
gramms gefolgert, in der es heisst, dass die Entwürfe einer 
Jury „zur Benrtheilung und Entscheidung über die zuzuerken- 
nenden Preise* überwiesen werden sollen, womit uns ganz 
entschieden auf eine andere Art der Beurtheilung hingewie- 
sen zu sein scheint, als anf jene, die eben nothwendige und 
selbstverständliche Vorbedingung der Preisertheilung 
ist. Wir halten an dieser Auffassung fest, wenn wir auch 
zugeben, dass sie nicht unbedingte Geltuns: beanspruchen 
kann. — Was eudlich die NichtVerantwortlichkeit der Jury 
betrifft, so scheint uns dies ein Missverständniss zu sein, 



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- 260 — 



welches sich lediglich auf die ihrer Kürze wegen üblichen, 
sonst aber durchaus nicht zutreffenden Namen „ Jury 4 und 
.Jurors" und die vermeintliche Analogie mit den Schwur- 
gerichten stützt. Wir glaubeu nicht, dass einer der Hicbter 
im Ernste seine Verantwortlichkeit abweisen, oder gar die 
Anfechtung seines Unheils seitens der nichtprümiirten Kon- 
kurrenten scheuen wird. Per bestrittene Zusammenhang mit 
dem Prinzipc des Parlamentarismus, das wir in unserem 
ersten kurzen Artikel angerufen hatten, ist in diesem Falle 
übrigens nicht nnr der ideelle, von dem wir vor Kurzem 
gesprochen, sondern auch ein ganz direkter und positiver. 
Die Konkurrenz um ein grosses monumentales Staatsgebäude 
in einem Verfassnngsstante ist keine Privat- sondern eine 
Staats - Angelegenheit ; Mitglieder des deutschen Parlaments 
bildeten als solche die relative Majorität in der Jury und 
üben den leitenden Einfluss in der Angelegenheit aus. Venn 
man sich an das selbstbewusste Wort von den Bauherren 
und den Baumeistern erinnert, das seinerzeit bei der Be- 
ratung über die Konkurrenz im Heichstage gefallen ist, so 
könnte man allerdings zu der Vermuthung geführt werden, 
dass unsere Abgeordneten im Gefühle ihrer Würde und ihrer 
langjährigen ununterbrochenen parlamentarischen Thätigkeil 
zuweilen wohl nicht entschieden genug daran denken, dass 
sie in Allem, was sie als Abgeordnete thun, die auf eine 
bestimmte Zeit gewählten Vertreter des Volkes sind, 
und dass dieses allerdings verlangen kann, von ihrem 
Thun Kenntnis» zu erhalten. 

ünd endlich das Letzte — die für diesen Fall bebaun- 
tete Unmöglichkeit eines in seinen Motiven ersichtlichen Ur- 
theilsspruches der Jury über alle einzelnen Entwürfe. Wir 
freuen uns um der Würde der Sache willen, dass der Ein- 
wand des Zeitmangels bereits von anderer Seite zurück- 
gewiesen worden ist, aber wir verstehen nicht, wie man in 
Betreff der Form, welche unter den obwaltenden Verhält- 
nissen dem von uns geforderten Votum der Jury zu gelten 
war, so rathlos sein konnte. Es kann selbstverständlich nicht 
davon die Rede sein, dass unter den 15) Mitgliedern dieser 
Jurv ein einheitliches Urtheil über irgend ein Projekt zu ver- 
einbaren war; dass es nicht möglich gewesen wäre, dasselbe 
in weitaus den meisten Fälleu unter den 6 Architekten zu 
Stande zu bringen, d. h. also, dass diese zu fanatische An- 
hänger bestimmter Schulprinzipien wären, um die ausserhalb 
der hier wirklich nebensächlichen Stilfrage liegenden Vor- 
züge und Mängel eines Entwurfes von einem gemeinschaft- 
lichen Gesichtspunkte aus würdigen zu können, wie dies die 
Richter eines juristischen Kollegiums jederzeit thun müssen, 
können und wollen wir nicht glauben. Aber es kommt auf 
ein solches einheitliches Votum auch gar nicht an, um den- 
noch Klarheit über die Motive zu geben, welche ein Urtheil 
herbeigeführt haben; werden dieselben bei parlamentarischen 
Abstimmungen, die mit Ja und Nein erfolgen, doch auch 
nicht zusammengefaßt, sondern ergeben sich einfach aus der 
vorhergehenden Debatte. Das Einfachste uud Närhstlie- 
geudste wäre es also gewesen, ein stenographisches Protokoll 
über die Plenar-Verhandluugen der Jury aufzunehmen und 
zu veröffentlichen; wollte man dieses "nicht, so blieb der 
Ausweg übrig, den jeder Referent gebraucht, der das Resul- 
tat einer Debatte summarisch zusammenfassen will — ein- 
fache Gegenüberstellung derjenigen Momente, welche als 
Vorzüge und Mängel eines jeden Entwurfes überhaupt ange- 
führt worden sind, und Angäbe der Abstimmung, welche über 
den Rang desselben entschieden hat, eventuell unter Mitthei- 
lung der Namen der Abstimmenden. Um zu einem Gut- 
achten zu gelangen, welches die sachlichen Ergehnisse einer 
Konkurrenz zusammenfassen! soll, würde derselbe Weg viel- 
leicht nicht so zweckmässig sein, obwohl der Vortrag des 
betreffenden Referenten und die daran angeknüpfte Debatte 
eventuell auch genügenden Aufschluss geben würden. Wir 
halten es in dieser Beziehung jedoch für weniger schwer, ein 
gemeinschaftliches Votum zu Stande zu bringen ; anderenfalls 
würden hier ein oder mehre Separatvoten nicht zu scheuen 
sein. — Jedenfalls glauben wir nachgewiesen zu haben, dass 



sich der von uus angestrebte Zweck sehr wohl erreichen 
lässt; wir wiederholen, dass uns die Mühe und Arbeit, welche 
dafür aufgewendet werden niüsste', durchaus nicht ausser 
Verbältniss weder zu dem Werthe der Sache noch zu der 
Arbeit der Konkurrenten erscheint. — Warum, wenn Voten 
der Jury, wie wir sie verlangen, fehlten, nicht wenigstens 
die Protokolle derselben veröffentlicht worden sind, welche 
einen authentischen Einblick in die formale Seite des Ver- 
fahrens geben und immerhin auch die für alle Konkurrenten 
interessante Thatsaehe mittheilen würden, welche ~2H Ent- 
würfe zur engeren Wahl gelangt sind, ist uns unerfindlich ; 

vielleicht kann es noch nachträglich erfolgen. 

Wir schliessen hiermit die Erörterungen, die wir auch 
dieser Seite der Konkurrenz widmen mussten. Wenn sie 
nichts weniger als das Muster einer solchen war, wenn sich 
bei ihr in klarster Weise gezeigt hat, wie wenig. anerkannt 
noch die Rechte, wie unverstanden noch die Interessen 
der deutschen Architektenschaft sind — denn an eine Ab- 
sicht sie zu schädigen wird wohl Niemand denken — so 
bleibt nns nichts Anderes als der leidige Trost, dass sie da- 
für das Bewusstsein der Fachgenossenschaft in um so stär- 
kerer Weise aufgerüttelt und ihr gezeigt hat, wie viel no«:h 
zu thun, wie energisch noch zu kämpfen ist, bis wir das 
angestrebte Ziel erreichen können. 

Ueber die Mittel, mit denen wir für unser Ziel zu 
kämpfen haben, kann ein Zweifel kaum bestehen. Wir sind 
es der Würde unseres Fachs schuldig, da nicht als Bittende 
aufzutreten, wo wir fordern zu können glauben. Unterlassen 
wir es daher Vorschläge zu machen, die man nicht von uns 
verlangt, und Petitionen einzureichen, die kaum gelesen wer- 
den! Fordern wir auch nicht, dass die künstlerischen Per- 
sönlichkeiten, welche als Berather und Richter zur Vorberei- 
tung und Entscheidung von Konkurrenzen berufen werden, 
unsere Sache führen und vertreten; erkennen wir es danl.- 
bar an, wenn sie es thun, aber verlassen wir uns nicht dar- 
auf, dass sie es thun! Machen doch nicht wenige von ihnen 
kein Hehl daraus, dass sie persönlich keine Freunde des 
Konkurrenzwesens sind, und von Niemand ist zu erwarten, 
dass er gegen seine Ueberzeugung bandle. Wirke auch hier 
die Gesammtheit für die Gesammtheit, die Oeffentlichkeit 
für die Oeffentlichkeit! Benutze jeder, der gleich uns die 
allgemeine Einführung und Anwendung eines rationellen 
Konkurrenz-Verfahrens für die Entwürfe zu allen öffentlichen 
Monumentalbauten als die Grundbedingung einer zukünftigen 
Blütbe unserer Kunst betrachtet, jede Gelegenheit, um ener- 
gisch für diese seine Ueberzeugung einzutreten und die von 
einem falschen, missbräuchlichen Konkurrenz -Verfahren her- 
rührenden Vorurtheile zu zerstreuen, so wird der Erfolg, 
uud hoffentlich ein nicht gar zu entfernter Erfolg nicht aus- 
bleiben. Ob uns die Gegenwart unser Recht noch vorent- 
hält: die Zukunft wird dennoch unser sein! — 

Sei es dem Verfasser gestattet, einer Arbeit, die ihn 
und seine Leser ein Vierteljahr lang Iwwehäftigt hat, einen 
persönlichen Schluss zu geben. Wie viele Mängel und Lücken 
dieselbe hat, wie sehr sie der Umschmelzung und Feile be- 
dürfte, um ein Ganzes zu werden, fühlt Niemand besser als 
er; seine Kraft ist der Schwierigkeit der Aufgabe leider 
nicht ganz gewachsen gewesen, wenn es ihm auch an ehr- 
lichem Willen nicht gefehlt hat. Für Irrthümcr — und wer 
könnte solche ganz vermeiden — hat er im Voraus um Nach- 
sicht gebeten. Er erbittet solche auch, wenn er in dem 
Bestreben, der Sache zu dienen, der von der Sache untrenn- 
baren Person, wenn er um der Gesammtheit willen dem Ein- 
zelnen zu nahe getreten ist Nach seiner Auffassung der 
Dinge handelte es sich hier darum, eine Pflicht uud wahr- 
lich keiue leichte und angenehme Pflicht zu erfüllen. Muss 
doch auch für unser Fach der Wahrspruch gelten: 

„Heilig achten wir die Geister, 

Aber Kamen sind nns Dunst; 

Würdig ehren wir die Meister, 

Aber höher steht die Kunst!" 

K. E. 0. Fritsch. 



Rauhe Brücke t.q 8,16- Weile bei Lübars. 



Im Anschluss an meine Veröffentlichungen im Jahrg. 1870 
Seite 320 und 328 d- Z. folgt hier ein den dort vertretenen An- 
schauungen entsprechender Entwurf einer massiven Brücke in 
den Fig. 1— G, der seine Entstehung dem Umstände zu verdan- 
ken hat, dass die Kosten desselben sich gcrinßer stellten, als 
die einer Bollbrücke, deren Ausführung nach den in Fig. 7 dar- 
gestellten Abmessungen von 3.76™ Weite beabsichtigt war. 

Der Baugrund, ein tief liegendes Wiesenterram, welches 
vom Bohrer leicht auf grössere Tiefe durchsuuken, sich bis in 
diese Tiefen als ein leicht bewegliches, flüssiges Material zeigte, 
schien, abgesehen von der Meinung über die hohen Kosten einer 
massiven Brücke selbst auf festem Boden, ohne künstliche Bc- . (oder ca. 17'") 



festigung des Grundes nur die Erbauung ciuer hölzernen Brücke 
\ zuzulassen, und auch für diese erheblich lange Jochnfäblc zu bo- 
[ dingen. Ich stellte eine entgegengesetzte Ansicht dahin auf, 
dass der Boden zwar im Bohrloch flüssig, aber tragfahig sei, 
wenn er unberührt, wie die Natur ihn geschaffen, bliebe und 
nicht durch künstliche Manipulationen verdorben würde, und 
dass eine massive Brücke unter den ortlichen Verhältnissen, ob- 
schon solche nicht ungünstig für Ilolzbauteu, billiger als eioc 
| Bollbrücke sei, und hatte die Genugthuung diese Aeusseruug 
nicht unbeachtet verhallen zu sehen. Unter sechs demnächst, 
simmtlich für die Druckfestigkeit des Gewölbes g — 150' rhl. 

Entwürfen war der hie/ dar- 



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261 - 



gestellte der billigste und um eüi ganz Erhebliches billiger als 
die Holzbrücke, deren Kosten sich zu mehr denn 800 Thlr. 1ms- 
rechneten. — Da« Material für säninitlichc Entwürfe war Konkret. 

Die Preise sind pro Kub.' Rundholz 3'/, Sgl'.; für das Mille 
eut gebrannter Ziegel steine, einschliesslich jedoch eines grossen 
Prozentsatzes für Bruch LS Thlr., für die Tonne Portland-Zement 
4 Thlr., für die Sch.-K. Saud und Kies l'/i Thlr., sowie für die 
Sch.-R. Scherben, Ziegelstücke oder kleine Feldsteine 5 Thlr. 
j Hiernach wurden die Kosten des massiven Bauwerks fol- 

Thl. Sg. vi. 
13 8 4 



Transport 012 25 10 
157 4 i 



1. 19«*.», Sch.-R. Erdarbeit li 20 S«r 

2. 1 1 »/.. Sch.-R. Konkret für Fundament, ^ 

aufgehendes und Geländer- Mauer- 
werk a 7 Tbl. 

3. 3"„ Sch.-R. Konkret für Gewölbe . . ä 4 

4. 1 Sch.-R. Pflaster 3" stark a 6 

5. 2 Sch-R. Kieaübcrfüllung ä | " 

fi. 63 lfd.' Hauptgesims ä 1 ". 

7. 98 lfd.' Geländergesims » { , 

8. HO CT Geläuderfüllungeu ä A . 

9. 10^' Füllungen der Pfeiler a I ' 

10. Für Rund Verzierungen in der Stirn- 

übermauerung 

11. 13 Sch.-R. scharfer Grand a 11 

12. 89 Tonnen Zement a 4 

13. 2'; Sch.-R. Steinstücke, kleine Feld- 

steine a 5 

14. Für das Lehrgerüst einschliesslich 

Material und Arbeitslohn, bei Rück- 
nahme des Materials die Hälfte des 
zu 101 Thlr. 29 Sgr. 11 Pf. berech- 
neten Neuwerths mit 

Transport 



^°>»»chD. *>t- *- 9«r«*tiUl 



= 79 25 - 
= 14 10- 

S Izz 

= 10 15- 
- 24 15 - 

- 14 20 — 

6 

- 19 15 — 

= SM 

= 117 6 



50 

612 25 10 



Rechnet man hierzu noch für Unvorher- 
gesehenes u. s. w. sehr hoch . . . 
so ergiebt sich eine Summe von 

I)ie Arbeitsleistungen in pos. 2—10 wurden zu den benann- 
ten Preisen an den Maurermeister Herrn Bussee iu Berlin ver- 
dungen und hatte derselbe die Fundamente beziehentlich Wider- 
lager bereits in der vorgeschriebenen Weise in Konkret voll- 
endet, als eine Wahrnehrauug des an anderer Stelle gleichfalls 
verwendeten Konkrets dessen Anwendung für das Gewölbe nicht 
rt Ü» cl1 . el ' 8t : ne " len ,ics »< der Zement (natürlich nur in Ein- 
zelfällen) trieb. — So vereinzelt dies auch vorkommen und »> 
unerheblich dies zu Zeiten sein mag, so bestimmte es mich doch, 
iu vorliegendem Kalle zu rathen, das Gelingen einer freitragen- 
den Konstruktion davon nicht abhängig zu machen.*) 

Es ist demnächst das Bauwerk unter Belassung des Kon- 
kretwiderlagcrs weiterhin in Ziegeln nach Fig. 8 vollendet. 
Das» hierhin einige Veränderungen iu der Konstruktion beliebt 
sind, welche Verbesserungen leider nicht genannt werden kön- 
nen, weiss der Leser aus Früherem. 

Noch darf wohl, von den Kosten abgesehen, auf die grössere 
Zweckmässigkeit des massiven Bauwerks, welches das Kanal- 
profil nicht wie die llolzbrQcke auf den Querschnitt eines Pa- 
rallelogramms von der Sohlenbroite und Wassertiefe beengt, so 
wie auf seiuu bessere Erscheinung hinzuweisen gestattet sein. 

Berlin. 1. August 1872. 

E. II. Hoffmann, Kreisbaumeister a. D. 



•) Ohne Ulf Detail« hier «eiler eingehen I« »ollen, tet als« 
Koiikreth«|*, anKeatellten Ver.uetu -rw&bul. 

Kln kleiner Bogen t.,u »u Stärke. ü,a4Km Weil», 7* mm 
Br.iie, «urte im Laufe eine« •■ 



»reit», «urde im Lauf« eine. Monat. allmihlieii mit 9*0 Pfd., dann 
endlich mit »iXI Pfd. hel..let. nhue .Um eine Kinheim,; m,„t„r 
nehmhar wurde. Kine r<.rl«unn K der Bel..tnn« <»r untlmi.llet,. wei 
parkten Maueraleinr bU .ur I>eeke de. It.nrn.. In welchem der Ve 



mit «lue» 



I.OOl'fd.. 
und vahr. 
die innre 



hatte, reichten. Die 



Ver».eh. not ■ 



«•«1 tf. 





F.*. T. 




Fht. I. Aluicht. 




Pi«. «. 




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1 0 



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■J. 



SO Vuu. 



leltrig« ur Ticrle 4er h-ckwerlutriger. 

(Fortottiang). 



Allgei 



gefübrl 
Träger 



| 3. 

eine Behandlung der Fach werkstrfiger mit 
geraden Gurtungen. 
Die Lösung der im vorigen § für einen speziellen Fall durch- 
führten Aufgab« läset sich annähernd genau auch für einen 
mit « F'achen von der Breite * wie folgt geben: 
Fi*, s. Ist / die Spannweite , s die Höhe und q 

die Totalbelastung des Trägers (Fig. 3), so 
ist der Werth der Gurtungsspannuug allge- 
mein = S- (Ix — x»), mithin das Pro- 
dukt aus Spannung mal Länge für beide 
Gurtungen der Trägerhälfte 

Weniger einfach gestaltet sich die Herleitung des betreffen- 
den werthes für die Diagonaleu und Vertikalen, da hier der 




Eiufluss der mobilen Belastung und das Verhältnis.*; dieser ztm 
Eigengewichte in Betracht gezogen werden muss. 

Erinnert man sich aber, dass, wie Figur 2 darstellte, der 
Grad der Veränderlichkeit von 2* in der Nähe der Kulminatiou 
gering ist und dass es weniger darauf ankommt, die Lage der- 
selben absolut genau zu bestimmen, als vielmehr sich ihr ent- 
sprechend zu nähern, so wird mau übersehen, dass bezüglich 
der Vertikalen und Diagonalen die Einführung von Näherungs- 
werthen wohl statthaft erscheint. Wichtig ist nur, dass diese 
Näherungswerthe eher zu gross als zu klein bemessen werden, 
damit nicht eine Trägerhöha resultirt, bei welcher der für die 
Vertikalen vorgesehene Querschnitt nicht genügt Vertikalen 
und Diagonalen sollen deshalb zunächst unter Vernachlässigung 
aller schiefen Lastvcrtheilung berechnet und das sich ergebende 
Resultat darnach mit einem Faktor multiplizirt werden, welcher 
die ausser Acht gelasseneu Verhältnisse möglichst stark berück- 
sichtigt 

Die Vertikalkraft in jeder Trägerholfte ist im Mittel = 

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— 262 — 



H W "f* 1 

j (/» + »). die Anzahl der Vertikalen = — 5 — , die Höhe 

derselben = s, mithin das theoretische Gewicht denselben, im 

n n + 1 

Siune des §. 1 verstanden, = ^ [p 4- *0 ■ ■ a 

Nimmt man an. da*« Kar wirklichen Konstruktion der Ver- 
tikalen dieser Werth « mal erforderlich wird, so erhalt man 
ileren Gewicht pro Trägerhälfte 

2> 0, =- 8 - «.« (• -f 1) (|C + *)•• 

In ähnlicher Weise berechnet sich das theoretische Gewicht 
der Diagonalen, UDter Berücksichtigung, dass bei glcichniässigcr 
Belastung Gegen - Diagonalen zunächst nicht erforderlich »lud, 

= 4 (/- + «>• a • , 

also, wenn mau deu Kiulluss der schiefen Belastung und der 
Gegen -Diagonalen durch Multiplikation mit dem Kastor ß in 
Anschlag bringt: 

3) G, =1 ß + *). ** + *' 

Das Gewicht der Trfigerbfilftu ist demnach uus I, 2 und 3: 

4) r=s<jr+ + |^«'}+ (/» + «J».J(« (« +1) 

Um uun 2' zu einem Minimum zu machen, um-- 

■f = o 

<M,er 5) * = 1/' > '* " 

sein. Da n b — t, so l&sst sich auch setzen: 

6) • = 1 1/'" »' + 

' » a (n + \) + ß n 
Die Koeffizienten « uud £ können je mit der Spannweite 
yarilrt werden, sind aber jedenfalls bei Trägern ciufacheu System« 
im Durchschnitte reichlich geschätzt, wenn " = */» um» <* = '■ 
gesetzt wird; in diesem Falle ist 

7) - = 1 ]/i »' ±JJL 
1 » 16 » + 'J 
Beispielsweise ist al M >. wenn 

« = 4 so * = 0,281 und * = rot IV, 

= 5 = 0,246 = „ iy, 

= c — = 0.222 = „ I«/. 

= 8 .... = 0,188 = , iy, 

= 10 .... = 0,167 = - IV, 

= 12 - 0,151 = , 1% 

= 16 .... = 0.12D = „ 2 

d. h. je grösser die Anzahl der Fache (im einfachen 
Systeme), um so geringer ist das Pfeilverhältniss des 
Träger* zu wählen. 

§. 4. 

Die zusammengesetzten Systeme. 
Der Werth /• int praktisch so zu bemessen, das» einerseits 
das Gewicht der Querverbindungen uud Schicucnträger mog- 
licbst gering ausfallt, andererseits eiue gewisse, Beziehung zu 
den disponiblen Schicneiilüugcu erreicht wird. Bei der Kon- 
struktion in preußischem Fussinaassc stellten sich beispiels- 
weise die Werths für t> von 12 resp. t» Fuss als besonders 
günstig heraus. Ilieruach wird also b iuucrhalb gewisser Gren- 
zen liegen müssen, die ohne Nacbtheil nicht überschritten wer- 
den dürfen. 

Vergleicht man nun die am Schlüsse des vorigen § fur " 

ermittelten Werthe, so findet man, dass sich die Hohe der ein- 
zelnen Facha im Verhältnisse zu ihrer Breite mit wachsendem 
h vergrössert, also beispielsweise die Fach -Hube eines Trägers 
mit 16 Fachen = der doppelten Fachbreite_ wird Bei diesem 
Verhältnisse erhalten die Diagonalen bereits eine steile und 
unvorteilhafte Lage; denn um die günstigste Neigung derselben 
zu bestimmen, müsste gemäss §. 2: 

b' + »' ... • 
- — — = Minimum 
a 

d. i.: % — b sein. 
Um eine möglichst günstige Diagooalcn-RichtUDg zu sichern 
andererseits jedoch die v.irtbeilhafteste Trägerhohe nicht aufzu- 
geben, kann man in bokanuter Weise die vielfachen Systeme 
zur Auwcuduug bringen. 

Die Ermittelung der günstigsten Trägerhöhe wird hier mit 
hinreichender Genauigkeit nach 
«. den Formeln des vorigen § er- 

folgen können : denn wenn bezüg- 
lich der Vertikalen und Diago- 
nalon eine Vertheilung der öpau- 
uuugen über mehre einzelne 
Glieder der Breite nach statt- 
gefunden hat, so schliessen sich 
die Gurlungeu um so vollständi- 
ger der durch das Integral er- 



mittelten Summe an. Selbstredend ist, dass der Werth b nun- 
mehr nicht die Entfernung der Querträger bedeutet, sondern der 
durch Fig. -I bezeichneten Breite der Sysfemtheilung entsprechend 




Folgendes Beispiel möge hier Platz finden. 

Bei einem Träger von M™ Spannweite sull mit Rücksicht 
auf die Theilung der Querträger eine Fintheilung in 16 Fache 
erfolgen; es ist zu vergleichen, wie sich die Anordnung im ein- 
fachen Systeme gegen die im doppelten stellen würde. 

Im einfachen Systeme wäre II = 16, daher % =J 0.129 . 50 
= 6,45 n> uud £ gemäss Gleichung 4, §. 3, wenn man noch 
p +■ c = 1 setzt, 

also - = 1 143 

Im doppelten Systeme wäre n — 8, daher * = etwa - > r »0 
ss 8,38" und - unter Berücksichtigung, dass uuumehr p -f- sr = 
2 zu setzen ist, 

also 1' = BGB. 

Das zweifache System würde sich also ungleich billiger stellen 
al* das einfache, selbst wenn die Vertikalen etwas schwerer kon- 
struirt werden müssten, als durch den Werth <z = *'» vorge- 
sehen. 

Jedenfalls kann man zur Sicherheit, um nicht zu grosse 
Höhe bei vielfachen Systemen zu erhalten, für die Bestimmung 
des Wcrthes * «ählen: 

bei 2 fachen Systemen « = 1»,',, ß = !•/• 
bei 3 . , a = 1«/.. ß = 1%. 

Es möge hier noch folgende Kritik der vielfachen Systeme 
Platz finden. 

Die ältesten gegliederten Systeme eiserner Brücken zeigten 
ein ougiuaschigcs System, in welchem flache Stäbe, sehr nahe 
au einander gelegt* und sich gegenseitig überkreuzend, ange- 
ordnet waren; aber so gross auch die Eisenmasse war, die auf 
die gesäumten Gitterstäbe verwendet wurde, so genügte sie 
nicht, um eine hinreichend steife Trag wand zu bilden; es müss- 
ten vielmehr an gewissen Punkten, namentlich den Angriffs- 
punkten der Last, noch besondere Aussteifungen für die Gur- 
tungen angebracht werden. 

In der Beschreibung zur Weichsel-Brücke bei Dirschau er- 
scheinen diese, ein beträchtliches Gewicht konsumirenden Ver- 
tikalstützen unter der richtigen 1i- gründuug, dass sie zur .meh- 
ren Steifigkeit" der Gurlungeu augeordnet seien. Mau er- 
kannte deu Fehler, der dieseu engmaschigen Gitterbrücken 
anhaftete, sehr bald dabin, dass die zur Verbindung und Aus- 
steifung der beiden Gurlungeu eingelegten Glieder m zu viele 
einzelne Tbeile aufgelöst svieu, von denen, trotz des bedeuten- 
den Gcsammtgewiclites , keiner mehr kräftig genug war, um 
überhaupt als Steife dienen zu köuuen. Naturgemäss wurde 
man darauf hingewiesen, dass es weit zweckmässiger sein müsse, 
die Verbindung beider Gurtuugeu mit einander weniger oft, 
aber dafür durch um so kräftigere Glieder zu vermitteln. Durch 
Anwendung der weitmaschigen und reiuen Fachwerkssysteuic 
erreichte man demnach, dass nicht nur uu Eisenmassu erspart, 
sondern überdies Zwischenglieder gebildet wurdeu, die etueu zu 
ihrer Länge im Verhältnisse stehenden Querschnitt erhalten uud 
somit als wirksame Aussteifungen für die gedrückte Gurtung 
fuuktinniren konnten. 

Der hierdurch eingenommene Standpunkt wird durch die. 
Fachwerksträger vielfachen Systems cinigcruiaasscu wieder auf- 
gegeben. Während das einfache Fachwerkssystem den Träger 
in Fache zerlegt, deren Breite iu günstigem Verhältnisse zur 
Hobe steht, werden bei den vielfachen Systemen die Hauptfache 
wiederum gctheilt und die kräftigen Hauptglieder in einzelne 
weniger steife Glieder geringerer Ordnung aufgelöst Als maass- 
gebender Grund für diese Anordnung wird die Entfernung der 
Querträger von cinunder angesehen und je aus dem Verhältnisse 
dieser Weite zur Weite der Hauptfache das Vielfache des Systems 
bestimmt. Wennschon es unerlässliche Bedingung, dass jeder 
I^istpnukt auch als l ' n terst ü t zungspuukt aufzufassen ist, so 
folgt doch keinesfalls, dass jeder Angriffspunkt eines Quer- 
trägers als ein Koustruktionspunkt erster Ordnung gelteu musa : 
jene Lastpuukte können gauz wohl als Koustruktionspunkt«* 
zweiter Ordnung aufgefasst werden, die abwechselnd auch mit 
denen der ersten Ordnung zusammenfallen mögen- Hiernach 
läast sich «ler Charakter des reinen Fachwerks und dessen Vor- 
züge beibehalten, wenu mau wie iu Fig. 5 statt des zweifachen, 

Fi». J. 




und wie in Fig. C anstatt des dreifachen Systems konstruirt- 
Die zum Hauptsystem gehörigen Linien sind dabei stark, die zu 
den Koustruktionsgliedera zweiter Ordnung gehörigen dünner 
bezeichnet. 



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- 263 - 



FS(t. «. 




Die Vorzüge einer derartigen Anordnung mischten wohl 
darin bestehen , dass der grossen Gurtungsspannnng ent- 
sprechend, zwar weniger häufig, aber um so kräftigere Ausstei- 
fungen augeordnet sind; das* ferner diese Aussteifungen im 
Allgemeinen mit ihrem theoretischen Querschnitte vollständig 
genügen und nicht der theils boträchtli<'heu Zuschüsse bedür- 



fen, welche man den mittleren Vertikalen vielfarher Systeme 
gemeinhin gebcu muss. 

Eine gewisse Anwendung ohigen Prinzipcs findet sich in der 
unter Kig. 7 dargestellten Eisenbahnbrückc über den Juniata- 

Fl«. 7. 




fluss in Pensylvanicii, mit «bell liegender Fahrbahn, konstruirt 
von den Ingenieuren JL Wilson & II. Peltit (siehe Nouvcllea 
Annale* de la Oonstruetion, Mai I87'2). Das System ist indessen 
hier nur iu kleineren Verhältnissen (etwa für J7" Spannweite) 
angewandt, und dürfte auf den febleudeu Abschluss der Gegen 
Diagoualcu aufmerksam zu machen sein. (Foriieuang foi«t.) 



Mittheilungen aus Vereinen. 



Architektenverein zu Berlin. Die fl. Exkursion des Ver- 
eins, au der etwa 70 bis HO Mitglieder sich betheiligten, war 
Sonnabend den 27. Juli zunächst nach der Kirche der Dorotheen- 
städtischen Gemeinde zwischen Mittel- und Dorotheenslrasse 
gerichtet. Aus einer einfachen . aber iu guten Verhältnissen 
errichteten gewölbten Krouzkirchc des 17. Jahrhunderts ist in 
den Jahren 18-ü! und 60 durch einen unter dem Einflüsse des 
Kathszimniernieister» uud Stadtverordneten Otto von dem ver- 
storbenen Baumeister Kabelt ausgeführten Umbau eine drei- 
schiftke, romanisirende Laughauskircbe mit llolzderken gemacht 
worden, die nach Verhältnissen und Details zu den unglück- 
lichsten Kirchen-Neubauten Berlins gehört und an künstlerischem 
Werth«' weit unter dem alten srhlichten Gebäude der Zopfzeit 
steht Auch das berühmte Kunstwerk, welches das lunere der 
Kirche schmückt, das herrliche Grabmal des jungen Grafen von 
der Mark, das Schadow als 24 jähriger junger Künstler aus- 
führte und das seinerzeit in einer der 4 Kreuzkapellen einen 
vorzüglichen Aufstellungsort hatte, ist jetzt an der Ostwand des 
südlichen Seitenschiffs, wo es zum Theil unter einen ausgekrag- 
ten Wandpfeiler eingeschoben ist, ganz erheblich ungünstiger 
situirt- 

Als zweites Ziel der Exkursion war der von den Baumeistern 
Kyllmauu 4 Heyden ausgeführte Neubau der grossen Pas- 
sage, die von den Linden nach der Behren- und Friedrich- 
Strossen-Ecke führt, gewählt worden, und wurde derselbe unter 
der Leitung und Erläuterung der beiden Architekten, sowie 
ihrer Hülfsarheiter in allen Thcilen aufs Eingehendste besich- 
tigt. Einen durch Zeichnungen erläuterten Bericht über die im 
Oktober dem Verkehr zu eröffnende Anlage, die zu den interes- 
santesten und grossartigsten der augenblicklich hier im Bau 
begriffenen zählt, werden unsere Leser iu kurzer Zeit erhalten. 

Hauptversammlung am U.August: Vorsitzender Herr 
St recke rt. später Hr. Quassowski, auweseud .Vi Mitglieder. 

Die Zahl der anwesenden Mitglieder genügte nicht, um Be- 
schlüsse, wie sie der Hauptversammlung vorbehalten sind, fassen 



Vermischtes. 

Sie Westing-houae'eohe Luft -Bremse. Die Zeitschrift 
.Engineering* vom 24. Mai d. J. enthalt eine ausführliche Be- 
schreibung mit Zeichnungen der Westinghouse'schen Luft-Bremse, 
welche iu Nordamerika bereits auf Hj Bahnen, und zwar auf 
iusgesammt 20000 engl. Meilen Bahnen mit 1200 Lokomotiven 
und 4000 Wagen im Gebrauch und neuerdings auch auf einigen 
Englischen Bahnen, nämlich der London and Nord Western- und 
der Calcdouiau- Bahn, versuchsweise eingeführt ist. Diese Brems- 
vorrichtung zerfallt in 3 Theile, nämlich erstens den Theil, wo- 
rin die Luft komprimirt wird, zweitens den Theil, worin die 
komprimirte Luft am Zuge entlang geführt wird, und drittens 
den 1 heil, der gleichzeitig als Zug-Siguul dient. Der erste Theil 
besteht in der Hauptsache aus einer Luftpumpe, welche an einer 
Seite der Lokomotiv- Feuerbüchsc angebracht ist. nämlich aus 
einem Dampfzyliuder und einem Luftzyliuder, deren Kolben 
durch eine gemeinsame Kolbenstange verbunden sind. Diese 
Kolben können nötigenfalls per Minute 100 Hübe machen, aber 
e* genügt in der Kegel, sie nur 30— 40 Hübe machen zu lassen. 
Die Steuerung ist in sinnreicher Weise so aogeorduet, dass 
durch einen starken Widerstand der komprimirten Luft die Be- 
wegung langsam gemacht wird. Demnach sind die beiden Kol- 
ben während der Fahrt, so lange die Bremsen nicht angezogen 
sind, stets in langsamer Bewegung begriffen, um den durch 
Undichtigkeit der Stopf büchsen etc. bewirkten Verlust an kom- 
primirter Luft auszugleichen. Sobald die Bremsen angezogen 
werden, also die komprimirte Luft nach den Wagen hin ab- 
strömt, wird der Gegendruck derselben in der Luftpumpe ge- 
ringer uud in Folge dessen durch die selhstwirkende Steuerung 
die Bewegung der' Kolben schneller. 

Von der Luftpumpe aus wird die komprimirte Luft zu- 
nächst in ein Luft- Reservoir geführt, welches sich unter der 
Fussplatte des Führerstaudes befindet. Von dort aus kann die 
komprimirte Luft mittels eines üreiweghahiies entweder in 2 
Rohrleitungen, welche unter sämmt liehen Wagen des Zuges, so- 
wie unter dem Tender entlang geführt sind, eiugelassen oder 
in die freie Luft abgeblasen werden. Die genannten beiden 
Rohrleitungen, welche von einander völlig unabhängig sind, be- 
stehen in der Hauptsache aus Gasrohren von l,90«", die Kup- 



zu konten. Der Hr. Vorsitzende erstattete zunächst Bericht 
über die eingegangenen Schreiben, uuter deueu wir die Anzeige, 
dass von deu Entwürfen zu dem Ingenieur-Denkmal hei St «Mis- 
burg keiner ausgeführt werden soll, sowie eine Aufforderung 
vom Vorstande des Vereins deutscher Ingenieure, sich einer au 
die Reichsgewalt gerichteten Petition desselben in Sachen der 
Patentgesetzgchung anzusch Hessen, erwähnen. Dem letzteren 
soll geantwortet werden, dass nach Gründung des Verbandes 
deutscher Architekten- und Ingenieur- Vereine derartige Ange- 
legenheiten dem einseitigen Vorgehen eines einzelnen Vereines 
entzogen seien. 

Im Namen der Kommission zur Berathung einer Norm für 
das Honorar der Bau-Ingenieure referirte Kr. Streckert. Der 
bereits vor zwei Monaten in seinen Grundzügen vorgetragene 
Entwurf ist von der Kommission durchaus beibehalten worden 
und findet en bloc die Zustimmung des Vereines. (Eine vor- 
herige Mittheilung desselben durch unsere Zeitung ist leider 
unterblieben, doch hoffen wir ein Referat über das Gesummt - 
ergebniss der für die Frage vorgeschlageneu Losungen bringen 
zu können.) 

Hr. Blankenstein berichtet über die Berathungen der 
Kommission, welche die durch den Antrag des Ilm. Lucae an- 
geregte Frage eventueller Schritte des Vereins in Sachen der 
keielistagshuus- Konkurrenz prüfen sollte. Die Kommission ist 
zur Ansicht gelangt, dass die Angelegenheit als eine deutsche 
vor das Forum des Verbandes gehöre, und empfiehlt, die Dele- 
gaten des Berliner Vereins dahin zu instruiren, dass sie sich 
eventuell für eine zweite Öffentliche Konkurrenz (ohne Bezeich- 
nung von Modalitäten), jedenfalls aber gegen Nennung von Per- 
sönlichkeiten für eine zweite beschränkte Konkurrenz aussprechen 
sollen. Auch diese Anträge werden einstimmig genehmigt. 

Einige Fragen beantworten die Hrn. Quassowski, Blan- 
kenstein, Seudler und Streckert. Eingegangen ist dies- 
mal eine Monats-Koukurrcnzarbcit aus dem Gebiete des Ingenieur- 
wesena. F. 



pelungen derselben zwischen den Wagen aus Gummi -Röhren 
von 2..'i0'« Weite. Man kann mit ieder von beiden Rohrleituu- 

?:en die Bremsen anziehen, wodurch also die Sicherheit wesent- 
ich erhöht wird. Ausserdem wird die Kuppelung der Rohreu, 
welche man wegen Zug haken. Zugstangen etc. nicht gut in der 
Mittellinie der Wagen anbringen kann, wesentlich dadurch ver- 
einfacht, dass man 2 Rohrleitungen zu beiden Seiten in gleichem 
Abstand von der Mittellinie anordnet- Man erreicht dadurch, 
dass auch dann , wenn die Wagen auf Drehscheiben gedreht 
sind, dieselben stets mit den übrigen Wagen gekuppelt werden 
können und dass die entsprechenden Theile der Köhrcnkuppe- 
luiigen stets zusammen passen. 

Unter dem Tender und jedem mit Bremsen versehenen Wa- 

Een ist ein Luft-Zylinder vun 20"« Durchmesser und SO.ri"" 
lolbenhub angebracht. Die verlängerte Kolbenstange stellt in 
unmittelbarer Verbindung mit der Hcbelwellc der Bremsvor- 
richtung. Das Anziehen der Bremsen erfolgt durch Einlassen 
der komprimirten Luft in die Kohrleitungen, da diese Luft dann 
in die Luft-Zylinder eintritt uud den darin befindlichen Kolben 
vorwärts treibt. Bei der Einmündung der beiden Rohrleitun- 
gen in die Luft-Zylinder ist ein Ventilkasten angebracht, worin 
aas Ventil sich hin und her bewegen und entweder die Mün- 
dung des Zuleitungsrohres aus der ersten oder diejenige der 
zweiten Leituug sclbstwirkend durch deu Druck der einströ- 
menden komprimirten Luft abschlicssen kann, je nachdem man 
die komprimirte Luft nur in die eine dieser Leitungen hat ein- 
strömen lassen. Auch dann, wenn ohne Vorwissen des Loko- 
motivführers eine jener beiden Leitungen undicht geworden 
sein sollte, wird dieselbe durch iene sclbstthätigen Veutile von 
den Luft-Zvlindern unter den Wagen abgeschlossen, weil der 
Druck der Luft in der schadhaften Leitung danu nicht mehr 
im Stande ist, den Gegendruck der komprimirten Luft, welche 
aus der anderen Leitung in den Zylinder einströmt, im Gleich- 
gewichte zn halten, wodurch also das Ventil nach der einen 
Seite hin geschlossen wird. Das Losen der angezogenen Brem- 
sen wird dadurch bewirkt, dass mau die komprimirte Luft aus 
deu beideu Rohrleitungen und deu damit in Verbindung stehen- 
den Luft-Zylindern iu die freie Luft hinaus ausströmen lässt, 
wobei durch eine Spiralfeder, welche an der Hebelwelle der 
Bremsvorrichtung angreift, der Rückgang des Kolbens im Luft - 



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Zylinder bewirkt wird. Damit die verschiedenen Bremsklötze, 
auch hei uugleichtnässiger Abnutzung derselben, die einzelnen 
Wagenräder möglichst gleichtnässig stark bremsen, empfiehlt es 
sich, die Hebelwelle der liremsvorrichtnng in schwingenden 
Lagern anzubringen. 

Der Luftdruck hl dem Reservoir betrügt gewöhnlich 4,2Ti 
bis 5,ö k pro M"", in den Luft-Zylindern unter deu Wagen aber 
0,7 bis 1 K Mittels des oben erwähntet! Drciwegtmhiies kann 
der Lokomotivführer mit der grössten Genauigkeit den Luft- 
druck in jenen Zylindern regulircu, sei es dass er die Bremsen 
uur sanft anziehen und bald wieder lösen will (z. Ii. beim Her- 
abfahren auf einer.stark geneigten Bahnstrecke), oder sei es, 
dang er die Bremsen rasch und I 



lir anzubringen, um für den Fall, 
ssen sollte, den letzten Theil des 



will, um den 

Zug schnell zum Stehen zu bringen, Ein Manometer zeigt dem 
Führer an, wie gross der Luftdruck im Reservoir ist. rür den 
Fall, dass die Luftpumpe versagen sollte, enthält das Reservoir 
noch genügend Lutt um zwei Mal die Bremsen anzuziehen. Hr. 
Westiugbouse schlägt überdies vor, am letzten Wagen des Zuges 
noch ein zweites Luft-Reservoir 
ditsa der Zug auseinanderrei« 
Zuges bremsen zu können. 

Nach den Berichten der Amerikanischen Eisenbahn-Verwal- 
tungen scheint diese Luft - Bremse sich in vorzüglicher Weise 
zu bewahren. Bei einem am 18. September 18*;u angestellten 
Versuch auf der Pennsylvania-Bahn wurde ein Zug vou G Wa- 
gen, der mit einer Geschwindigkeit von 48 Km per Stunde auf 
einem Gelalle 1 ; .'»,"> abwärts lief, auf 138" Länge zum Stebeu 
gebracht. Auf der Londou aud North Western -Bahn wurde 
eine grössere Zahl vou Versuchen augestellt, und zwar wurde 
ein Zug, der mit 80 bis 'JjK" Geschwindigkeit fuhr, in Zeit von 
16 bis 28 Sekunden und auf ciue Lauge vou 238 bis 402™ zum 
Stehen gebracht. Diese Lange ist freilich noch reichlich gross. 
Günstiger fielen Versuche aus, welche am 21. März 1872 auf 
der L'aledonian-Bahn zwischen Glasgow und Wemyss-Bay ange- 
j wurde u. A. ein Zug, der 



schwiudigkeit auf einem Gefalle 1 ; 



fuhr, in Zeit von 



33 Sekunden und auf 28D" Länge zum Stehen gebracht. Bei 
allen dieseu Versuchen zeigte es sich, dass das plötzliche An- 



ziehuu der Bremsen doch keinen unangenehmen Ruck verur- 
sachte, weil die komprituirte Luft, welche auf die Bremsen wirkt, 
vollständig elastisch ist 

Das Zugsignal, welches mit der Luftbremse verbunden ist, 
besteht aus je einem Zeiger oder kleinen Semaphnren über 
jedem Coupee der Personenwagen. Dieser Zeiger stellt sich 
aufwärts, sobald an einer im Innern des Coupees angebrachten 
Schnur durch einen Passagier gezogen wird, und gleichzeitig 
wird durch das Anziehen jener Schnur bewirkt, dass die koni- 
primirte Luft aus einem kleinen, uutcr dem Wageubodcu ange- 
brachten Reservoir, welches mit den beiden Leitungsrohren in 
Verbindung steht, entweicht, wodurch eine Luftpfeife auf der 
Lokomotive und auch nötigenfalls eine zweite im Zugführer- 
Coupee zum Ertönen veranlasst wird. Der kleine Semaphor 
Uber dem Coupee, von wo aus das Nothzeichen gegeben ist, 
kann nur durch den Zugführer vermittels eines besonderen 
Schlüssels zurückgestellt werden. Die Signalpfeifen ertönen 
also auch dann jedesmal, wenn die komprimirte Luft vom Lo- 
komotivführer in die Rohrleitungen eingelassen wird, um die 
Bremsen anzuziehen, indessen ist durch eine besondere Vor- 
richtung dafür gesorgt, dass dieses Pfeifen nicht von langer 
Dauer sein kann. 

Mau erkennt ans der vorstehenden Beschreibung zur Ge- 
niige, dass die ganze Konstruktion sorgfältig ausgebildet _ ist 
und besondere Beachtung verdient, zumal da sich diese Kon- 
struktion ohne Schwierigkeit auch bei alten Bremswagen mit 
verschiedenartiger Anordnung der Bremsen nachträglich an- 

(Ztg. d. Vereins deutsch. Eisenbahn-Verw.) 

Redaktion von Situationsplänen auf photogr&phisohem 
Wege. Nach der Instruktion des Ministeriums sinu die Vor- 
lagen der einzureichenden Eisenbahn -Vorarbeiten im Maasstabe 
von 1 : 1000U für die generellen, resp. 1 : 2ÖU0 für die speziellen 
Arbeiten anzufertigen, und wird daher bei Benutzung vorhau- 
dener Kataster-, Separation»- oder Verkoppelungskarteu für die 
generellen Arbeiten stets eine Reduktion der Blätter erforder- 
lich sein, um dieselben für die Miuisterial-Vorlagou nutzbar zu 
machen. Aber auch für die speziellen Arboitcu wird sich eine 
solche Reduktion oft nothweudig erweisen, weun die Blätter, wie 
solches namentlich in deu neuen Provinzen oft der Fall ist, in 
einem anderen Maasstabe als 1 : 350U aufgetragen sind. In Han- 
nover ist zum Beispiel der wunderbare Maasstab vou 1 : 2133,33 . . . 
üblich. 

Wer nun je eine solche Reduktion ausgeführt hat, keuut die 
unendliche Mühe und Arbeit, welche dieses undankbare Geschäft 
erfordert, selbst wenn alle Hülfsmittel, die der Mechaniker in 
Reduküons -Zirkeln, Reduktious-Maasstäbeu und Pantographeu 
bietet, herbei gelogen werden. Da stellt «ich denn der Photo- 
graph als Helfer eiu und überhebt uns des grössteu Thcils der 
Mühe und Arbeit Die Situation 1 : 1UOUO kauu immer uur ein 
Bild der Bahnlage geben, ohne bei der Kleiuheit des Maasstabes 
die Möglichkeit zu gewähreu, mit Genauigkeit Maasse abgreifen 
zu können ; es wird daher eiu photographisches Bild der Karte 
stets als Grundlage für die Situutions-Zeichnuug deu genügenden 
Grad von Genauigkeit bieteu. Mit einer guten aplauatischen 



Linse ist aber auch für den Maasslab vou 1 : 2300 die für die 
Situation erforderliche Genauigkeit zu erreichen, eine Genauig- 
keit die solange vollkommen genügt, als es sich nicht um Mein 
und Dein, das heisbt, um den Gruuderwerb bandelt; diesem 
müssen natürlich die Original-Karten zum Grunde gelegt werden. 

Das Verfahren bei der photographischen Reduktion ist uuu 
folgendes.*) In einen Kopfhalter gewöhnlicher Konstruktion 
wird ein Reissbrett von der Grösse der angefertigten Karten- 
kopien (am besten ganzer Whatmann) gespannt und nachdem 
dasselbe mittel* eines [.othes genau senkrecht gestellt ist, durch 
Anziehen der Schrauben des Kopfhalters definitiv befestigt Au 
dieses Brett wird nun eine der zu nhotographirenden Karten so 
glatt als möglich angeheftet, nachdem zuvor die Linie mit der 
Stationirung eingetragen worden, oder doch eine Linie von be- 
stimmter genau gemessener und scharfltegrenzter Länge einge- 
zeichnet worden ist. Auf einem Papierstreifen muss die genau 
reduzirte Länge einer Anzahl Stationen oder der gezeichneten 
Linie aufgetragen und bezeichnet werden. Nachdem nun noch 
das Reissbrctt geuau parallel dem Apparate gegenüber aufge- 
stellt wurde, was durch Messuugen von der Linse nach den 
Ecken des Reissbrettes ermittelt wird, kommt nun das müh- 
samste Geschäft, nämlich die Ermittelung der Heutigen Ent- 
fernung des Instruments von der Karte. Es bleibt dem Tech- 
niker nichts übrk als sein Haupt mit dem Tuche des Photo- 
graphen zu unihüllen und durch Vergleicbung des Bildes auf 
der geschliffeneu Glasplatte mit dem reduzirteu Maasse in der 
Hand, durch einfaches Anhalten desselben an die Glasplatte die 
richtige Entfernung zu ermitteln. Da die photographischeu 
Apparate, soweit mir dieselben bekannt, keine Mikrometer-Be- 
wegung haben, so ist dieses Geschäft ziemlich langweilig, doch 
hilft ein glücklicher Zufall wohl auch bisweilen schnell zum Ziel. 
Ist dieses erreicht und die senkrechte resp. parallele Stellung 
des Reissbrettes nochmals kontrollirt, so kann die Photographi- 
en^ beginnen, dst die nöthige Anzahl Platten vorbereitet, 
so sind in kurzer Zeit alle erforderlichen Blätter von demselben 
Maasstal«? hergestellt Sollten sich unter den Karten Blätter 
mit verschiedenen Maasstäben befinden, so muss natürlich für 
diese dieselbe Manipulation vorgenommen werden. Die einzel- 
nen photo^rapbischen Kopien lassen sich nun leicht auf einem 
Bogen Zeicheupapier zusammensetzen (ich habe deren bis 14 
Stück zusammengesetzt) und von diesem Blatte dann mittelst 
Durchstechen die verlaugte Situation anfertigen. Die Herstellung 
der erwähnten 14 Blatt, in den Originalen sämmtlich ganzer W hat- 
mann, erforderte vom Anfange der Aufstellung bis zum Fertig- 
stellen der Situation in Blei etwa 8 bis 10 Tage, wobei der 
Photograph natürlich noch seine gewöhnlichen Geschäfte besorgte. 
Der Preis stellte sich auf circa 1 Thlr. 5 Sgr. für jedes Blatt. 
Ich habe der Redaktion der Deutschen Bauzeitung zwei dieser 
Blätter «ur Probe eingesandt uud wird dieselbe mir gewiss be- 
stätigen, dass dieselben vollkommuu ihrem Zwecke entsprechen, 
und die Blätter auf Wunsch geru zur Eiusicht mittheilen.*«) Ich 
bemerke noch, dass dieselben in einer Stadt vou circa 9000 Ein- 
wohnern von einem jungen, aber strebsamen Photographen her- 
gestellt sind, mithin wohl auch in jeder anderen mittleren Pro- 
vinzialstadt angefertigt werden können. E. F. 



•) Idi habe dabei »In kMnae Alellar in einer l'ro.imiaMadt . daa nur all 
**• «n»awlKli.i-ii Klurleniunerii renteh« IM, In Aom und gebe «id.- atiafuhr 
licht Beachrtibune; der Manipulation hier veacntlieh am dam (Ii und«, wall ea dem 
Techniker, dar die Arbeit aehnell und ao korrekt »In möglich gefördert unnerht, 
unuv allen l:m»tio.l>-n anrurallien IM, alch Ihr »«■In»! ■■ unleriiehrn and 
•Irr Axietetit .1-, PhoHittraphen elclt au ln.ili-.i-n 

••) So.eit eine aokhe Uotätieun t ohne dl« Müttllrhkelt einer Kontrolle dar 
über, ob der Maaaatab dar Keduklloa In der Thai der baah.l. htlitc tat, tc n Warth 
xiu kaiin. gab«» «Ir dlaaelb» gern. D. Kad. 



Personal - Nachrichten. 

Preussen: 

Ernannt: Dez Eisenbahn • Bau - Inspektor Bormann zu 
Saarbrück zum Ober - Betriebs - Inspektor bei der Saarbrücker 
Eisenbahn das. Der Lokal - Baubeamte der Militair - Verwaltung 
zu Potsdam, Baumeister Hauptmann zum Landbaumeister. Die 
Baumeister Matth * uud Backe zu Kreisbaumeistern in Kempen 
uud Wreschen. 

Versetzt: Der Kreisbaumeister Klein von Wreschen nach 
Schroda. 

Dem kommissarischen Vorsteher des technischen Eisenbahn- 
Bureaus im Ministerium für Handel, Gewerbe und öffentliche 
Arbeiteu, Eisenbahubau Inspektor Quensell zu Berlin ist der 
Charakter als Baurath verliehen worden. 

Sachsen: 

Ernannt: Die Landbau-Assistenten: Hülle zwo Landbau- 
Inspektor in Dresden, Rost zum Landhau - Assistent in Oschatz, 
Seidel zum Laudbau- Assistent in Plauen, Hurtig zum Hülfs- 
arbeiter in Chemnitz, Loewe zum Hülfsarbeiter iu Zwickau. 

Versetzt: Der Chaussee -Inspektor Kran tz in Löbau nach 
Pirna. Der Chaussee - Inspektor B. Lehmann II. in Schnee- 
berg nach Löbau. Der Chaussee -Inspektor Fritzsche in Pirna 
nach Sehneeberg. 

Den Staatsdienst haben verlassen: Der Strassenbau- 
Kommissar, (»H-rbaurath Sorge zu Dresden. Der Lamlhau- 
Assisteut Haupt zu Oschatz. Die Hülfsarbeiter Tramm er zu 
Zwickau, Grosser uud Martin in Chemnitz. 

Gestorben: Der Wasserbau -Inspektor, gepr. Civil- Ingen- 
Kreit ag iu Zwickau. 



Carl Ue.lt t< .,, bVM,,,. 



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Jahrg. VI. Jt£ 33. 

DEUTSCHE BAUZEITUNG 

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„ ££S£ZT deutscher Architekten - und Ingenieur-Vereine. J&ÄS» 8 

Redakteur K. E, 0. Prit.cH. ' " ri ü fcfc* * 



Preis 1 Tbaler »re Quartal. 


Berlin, den 15. August 1872. 


Fr sr hf int jeden ■•■■entag. 


Inhal«: XVI. V«*M»laag d.ol..l„, Arehluktea »n4 Ia«raJ*»ra in 
*»r F.cbarrk.tr*|.r (FlUKl— S> - F. .11 l.loo | Vom Dom «u Cöla. -• V.r- 


•»MWlIunct PaiaMM In Wl.a. - Aa< d.r r.cblUtaratar: Dt* Abrollt. 
t« K.ud.t «»-I Oold«hol<l. - Krbkam'. ZtlUekrlft rär l««*.. - Raa 

ittnr.W. - l'-fr.oa.lN.rhriotat.r. 



XVI. Versammlug deutscher Architekten und ingenienre zu Karlsruhe. 

Bei dem lebhaften Interesse, welches die Angelegenheit der Konkurrenz für das Haas des Deutschen Reichstags 
vor Allem in den Kreisen der Bautechniker findet, von denen es nur einer verhältnissmässig kleinen Zahl vergönnt gewesen 
ist, die Ausstellung der Entwürfe in Berlin za besuchen, ist es in hohem Grade erwünscht, wenigstens die hervorragenderen 
der Konkurrenzarbeiten auf der mit der Versammlung zu Karlsruhe verbundenen Ausstellung architektonischer Arbeiten 
vereinigt zu sehen. Die geeigneten Schritte zur Erlangung der preisgekrönten Entwürfe sind geschehen, und es ist zu 
hoffen, dass dieselben zur Ausstellung kommen werden. Es werden aber auch die nicht prümiirten Theilnehmer an der 
Konkurrenz hiermit dringend ersucht, ihre Entwürfe behufs der Ausstellung bis spätestens den 15. k. M. an das lokale 
Komite für die genannte Versammlung z. H. des Vorsitzenden, Herrn Professor Baumeister nach Karlsruhe einzusenden. 
Dass für eine sorgfältige Behandlung bei der Ausstellung und vorsichtige Verpackung der Arbeiten bei der Rücksendung 
Sorge getragen werden wird, bedarf wohl kaum der Versicherung. 

Berlin, den 13. August 1872. 

Der Vorstand des Verbandes deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine. 



Pir Erlau eiies -entgehe. Pate nt^esetzes. 



wird auf verschiedenem Wege, wenn 
anders durch die Verhandlongen in der letzten Haupt- 
Versammlung des Architekten -Vereins zu Berlin, bekannt 
geworden sem, dass der Verein deutscher Ingenieur«» seinen 
seit 10 Jahren fortgesetzten Bestrebungen für Regelung des 
Patentwesens in Deutschland nunmehr dadurch einen vor- 
laufigen Ahse bloss gegeben hat, dass er dieaerhalb in Form 
einer Petition mit bestimmt formt 
Keichsgewalt sich gewendet bat. 

Die Angelegenheit ist für die grosse Mehrzahl unseres 
eigentlichen Leserkreises, die deutschen Architekten und 
Bau - Ingenieure . nicht in demselben Grade wichtig, wie für 
die Vertreter der Maschinen -Technik, die in ihr mit Recht 
eine der Lebensfragen ihres Faches erblicken. Nichts desto- 
weniger müssen auch wir ihr eine hervorragende Bedeutung 
zuerkennen und sind verpflichtet ihr voll« Beachtung zu 
widmen. Denn nicht allein, daas inuerbalb des Verbandes 
deutscher Architekten- und Ingenieur -Vereine, dessen In- 
teressen wir dienen, eine namhafte Anzahl von Maschinen- 
ingenieuren vertreten ist, die es mit Recht verlangen können, 
dass der Verband auch ihre Sache führe und fördere, soweit 
er es vermag; es berühren sich die Interessen der einzelnen 
technischen Zweige viel zu nahe, als dass der eine gegen 
die des anderen sich gleichgültig verhalten dürfte — mag 
immerhin Jeder in einer selbstständigen Behandlung 
seiner Angelegenheiten das wirksamste Mittel ihrer Förde- 
rung betrachten. So zweifeln wir nicht daran, dass auch 
unsere Fachgenossen im engeren Sinne einer sach- und zeit- 
gemassen Feststellung des Patentrechts ihre Theilnahme und 
Mitwirkung zollen werden. Von einem erfolgreichen Auf- 
schwünge der vaterländischen Industrie, den man auf Grund 
desselben erwartet, wird ein nicht geringer Antheil auch 
unserem Fache zu Gute kommen, ganz abgesehen davon, 
dass nicht wenige. Erfindungen ihm direkt angehören; auch 
hangen die Fragen des Patentrechtes mit den Fragen des 
» für die Erfindungen der Kunst und des Knustge- 
die noch immer ihrer Erledigung harren, so eng 
neu. dass eine Lösung derselben kaum anders als ge- 
meinschaftlich erfolgen kann. 

Wenn hiemach die deutschen Maschinen-Ingenieure sehr 
wohl berechtigt sind, für ihre Bestrebungen zur Regelung des 
Patentwesens die Unterstützung der Bautechniker anzurufen, 
und wenn wir glauben, dass diese gewiss nicht werthlos 
und unwirksam sein würde, so ist um so mehr zu bedauern, 
dass der richtige Weg, um sie in der formell geeignetsten 
Weise herbeizuführen, eine Aufforderung an den Vorstand 




des Verbandes deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine, 
die Angelegenheit auf die Tagesordnung der diesjährigen 
Abgeordneten -VersammhinK des Verbandes zu setzen, nicht 
eingeschlagen worden ist. Leider ist die Zeit zo einer "Tör- 
beratbung derselben innerhalb der einzelnen Vereine jetzt 
wohl nicht mehr ausreichend und es ist unwahrscheinlich, 
dass sie auch ohne eine solche als dringlich und zu sofor- 
tiger Beschlussfassung geeignet erkannt werden dürfte. 

Soweit es in unserer Macht steht, wollen wir wenigstens 
dem Vorwurfe begegnen, dass es in den Kreisen der deut- 
scheu Bautechniker an Interesse für das Vorgehen des Ver- 
eins deutscher Ingenieure und an dem Verständniss, dass 
eine zeitgemässe Feststellung des Patentrechtes eine gemein- 
same Angelegenheit aller Techniker ist, gefehlt habe — ein 
Vorwurf, der leicht dazu geeignet sein möchte, die bei ein- 
zelnen Vertretern der Maschinen -Technik noch immer vor- 
handene Missümmung gegen unser Fach, die wir nicht auf- 
richtig genug beklagen können, aufs Neue zu schüren. Indem 
wir daher unseren Lesern von der dem Bundesrath des 
deutschen Reiches gemachten Vorlage Kenntniss geben, ver- 
weisen wir sie zugleich 'auf frühere Erörterungen im Jahrg. 
1867, S. 389 und im Jahrg. 18G9, S. 144 und 155 unseres 
Blattes, in denen wir mit Anlehnung an die älteren Arbei- 
ten, die der Verein deutscher Ingenieure den Fragen des 
Patentrechtes gewidmet hatte, schon damals bemüht wa- 
ren, nm die Aufmerksamkeit unserer Fachgenossen für jene 
Angelegenheit zu werben. Die Ausführlichkeit, mit der 
der Verfasser des zuletzt erwähnten Artikels die prinzipielle 
Grundlage der Frage bearbeitet hat, gestattet uns auf eine 
ausführliche Mittheilung der Petition, die im Wesentlichen 
keine neuen Momente hierfür beibringen konnte, zu verzich- 
ten, während wir den von der Kommission des Vereins*) 
aufgestellten „Entwurf eines Patentgesetzes für das deutsche 
Reich* mit den zu diesem gehörigen Erläuterungen (jedoch 
ohne die ausführlichen, die Patentgesetzgebung in anderen 
Ländern zum Vergleiche heranziehenden Motive, welche 
jeder, der spezielleres Interesse an der Sache hat, in Heft V 
der Zeitschrift d. V. d. Ing. nachlesen mag) seinem Wort- 
laute nach mittheilen. Dass wir unsererseits auf eine Be- 
sprechung der einzelnen in Frage stehenden Punkte nicht 
eingehen, findet unter den obwaltenden Ve 
seine ausreichende Erklärung. 

•) Dl.wlb« bMl.ud .im o>a Hro. P.bilkaat C. Girln.r (BuckM 
barf). Omni • Direktor Wlut.t <G*orf -Mari.aki.ti. «"> Oraabrück). »ja 
Dr. Andr* lö«a.btatk). Dr. W. M.a.a. aa<l Zi.il- lagt«.« Zt.barth 

Parts). 

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- 26G - 



Entwurf eine« Patentgesetzes für da« deutsche Reich. 



Der vorliegende Entwurf eines einheitlichen Patentgesetz«« 
für diu. deutsche Reich geht davon au«, dass es nicht Mos 
darum »ich handelt, gleiche Grundsätze für die Ertheilung von 
Erfind uugspatenten in den einzelnen deutschen Staaten aufzu- 
stellen. Der Natur der Sache nach inuss die Ertheilung von 
Erfiudungspatenten für das deutsche Reich einheitlich und un- 
mittelbar durch eine Reichsbehörde erfolgen. Wollte man, wie 
bisher, in einzelneu Staaten besondere Erfindungspateute er- 
theilen, welche nur für den Umfang des betreffenden Bundes- 
staates Gültigkeit haben, su würde man damit uunothige Schwierig- 
keiten schaffen und deu Erfolg vereiteln. Der Entwurf schreibt 
daher vor, das« die Erfindungspateute von einer Behörde für 
das ganze Reich ertheilt werden sollen. 

Der dem Patentinhaber gewährte Patentschutz ist eine Lei- 
stung des Staates, welcher die Veröffentlichung der Erfindung 
als Gegenleistung gegenüber steht. Der Nutzen der Patente 
besteht wesentlich darin, das* der Patentschutz die Veröffent- 
lichung neuer Erfindungen befördert Der Entwurf giebt diesem 
Gedanken nach verschiedenen Richtungen Ausdruck. Er schreibt 
vor allen Dingen die vollständige Veröffentlichung aller Erfin- 
dungen vor, für welche ein Patent nachgesucht wird, und ver- 
pflichtet das Patentamt, dafür zu sorgen, dass neue Erfindungen 
in möglichst weiten Kreisen bekannt werden. Er bekämpft die 
Geheimhaltung der Erfindungen durch die Voraussetzungen, an 
welche die Ertheilung von Patenten geknüpft ist (<j 2). 

Wenn aber die \ eröffeutlichune eiuer Erfindung als Gegen 
leistung erscheint, durch welche sieh der Erfinder den Patent- 
schutz erkauft, so niuss andererseits der Patentschutz so wirk- 
sam sein, dass ein genügender Antrieb zum Nachsuchen van 
Pateuten vorliegt- Dazu reicht der bisher in Deutschland ge- 
währte Patentschutz nicht aus. Um ihn wirksam zu machen, 
braucht man zwar nicht die Einfuhr patentirter Gegenstände 
unmittelbar zu verbieten, wohl aber muss der Handel mit pa- 
teutirteu Gegenständen untersagt sein. Ist der gewerbsmässige 
Vertrieb auswärts angefertigter Sachen erlaubt, die Fabrikation 
im lnlande aber an die Erlaubnis« des Patentinhabers geknüpft, 
so würde darin eine Begünstigung der ausländischen Fabrikation 
liegen. Auch aus diesem Grunde ist das bisherige System, deu 
Handel mit patentirlen Gegenständen freizugeben, unhaltbar. 

Em gutes Patentgesetz muss dafür sorgen, dass die Erthei- 
lung von Patenten nicht unbillig erschwert werde, wie es jetzt 
in Preussen tatsächlich der Fall ist, dass aber andererseits 
das Publikum uicht durch ein Uebormaass von Patenten be- 
lästigt wird. 

Der Entwurf schliesst, um diesen doppelten Zweck zu er- 
reichen, 

1) bei Ertheilung »der Patente jede Rücksicht auf die Nütz- 
lichkeit der Erfindung aus. Der Nutzen einer Erfindung lässl 
sich im Voraus nicht Vurtbeilen; ist der Gegenstand überhaupt 
zur Patentirung geeignet, so mag der Patentinhaber selbst er- 
messen, ob die Erfindung Zeit und Kosten lohnt 

Der Entwurf verpflichtet jedoch — um von vornherein eine 
Ueberzahl nutzloser Patente zu vermeiden — das Patentamt, vor 
der Bekanntmachung des Gesuches und der Beschreibung (i 23) 
demjenigen, dessen Gesuch voraussichtlich zu keinem Resultate 
führt, den Rath zu ertheilcu, dass er davon Abstand nehme 
(§ 24). Dieser Rath wird iu vielen Fällen befolgt werden ; 
wird er nicht befolgt, so erfolgt zwar die Bekanntmachung und 
das weiteru Verfahren. Da aber bei der Bekanntmachung die 
Bemerkung veröffentlicht wird, dass das Patentamt den Rath 
ertheilt habe, das Gesuch nicht zu verfolgen, und solche Patent- 
gesuche, welche trotzdem verfolgt werden, äusserlich sofort er- 
kennbar sind, so ist, wer kein Interesse findet, alle Gesuche 
durchzusehen, in der Lage, seine Aufmerksamkeit auf diejeni- 
gen zu richten, welche das Patentamt ohne weitere Bemerkung 
veröffentlicht Das Nachsuchen von Patenten behufs der Re- 
klame wird dadurch uuthunlirh. Der Staat aber wird durch 
die etwaige Bekanntmachung nutzloser Patentgesuche nicht be- 
schädigt, weil die Bekanntmachung in allen Fällen auf Kosten 
des Antragstellers erfolgt 

2) Der Entwurf ertheilt die Patente nicht abgabenfrei, (dies 
ist jetzt in Preussen der Fall), sondern verlangt die Zahlung 
einer Abgälte. Diese Abgabe ist im Anfange sehr mässig und 
steigert sich alltnälig. Die Erfahrung anderer Länder lehrt, 
dass durch ein solches System steigender Abgaben viele werth- 
lose Pateute bald nach der Ertheilung beseitigt werden. 

3 ) Ufr Entwurf Ifisst der Entscheidung des Patentamtes 
über das Patentgesuch ein Verfahren vorangehen, durch welches 
das grössere Publikum mit der Sache bekannt wird und Gele- 
genheit gewinnt, Einwendungen zu erhebeu. Er erleichtert diese 
Entscheidung hierdurch unif durch die Vorschrift, dass der Ge- 
genstand des Patentes ausgeführt sein muss, bevor das Patent 
ertheilt wird. Er gestattet dem Patentamte, wenn das Gesuch 
unbegründet ist, das Patent abzuschlagen, weil eine Behörde 
nach der Auffassung des Entwurfes nicht gezwungen werden 
kann, ein von ihr als unhaltbar erkanntes Gesuch zu gewähreu, 

ieht aber andererseits dem Erfinder ein Recht auf Ertheilung 
»s Patentes, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen " 



tigt Die konsultative Thätigkeit des Patentamtes vor der Be- 
kanntmachung ist weder schwierig noch allzu verantwortlich ; 
die endliche Entscheidung aber ist erleichtert durch die Aus- 
scheidung einer grossen Menge von nutzlosen Gesuchen, die 
nicht so weit gelangen, durch die Mitwirkung des Publikums 
und dadurch, dass die Entscheidung keine definitive ist 

Es ist möglich, dass in der Praxis das Patentamt nach dem 
System des Entwurfes bei der Entscheidung über das Patent- 
gesuch — sobald die Sache in dieses Stadium gekommen ist — 
j. 26 — nicht allzu strenge vesfehren wird, wie man denn in 
der That in Amerika und England, wo das Patentamt keine 
geringeren Befugnisse hat, bei Ertheilung von Patenten nicht 
sonderlich strenge ist ludessen würde man ohne Grund von 
einer minderen Strenge ein Uebermaass von Patenten fürchten, 
weil einestheils eine grosse Zahl vuu Patcutgeauchen, vermuth- 
lich mehr als die Hälfte, bis zu diesem Stadium gar nicht ge- 
langt auch die Notwendigkeit nachzuweisen, dass der Gegen- 
stand des Patents ausgeführt und in Gebrauch gekommen ist, 
eine Menge von Uuzuträglichkcitvn beseitigt, — auderuthc-ils die 
nachträgliche Aufhebung ortheilter Pateute durch gerichtliche 
Entscheidung nach jeder Seite hin offeu gelassen ist und die 
steigeude Abgabenskala werthlose Patente rasch beseitigt 

Der Entwurf schliesst sich hiernach au keine der bestehen- 
den Gesetzgebungen genau an, sucht vielmehr die guten und 
brauchbaren Bestimmungen der verschiedenen Gesetzgebungen 
zu vereinigen und das lubrauchbare zu vermeiden, sucht über- 
haupt die praktische Seite zu betonen und scheut sich nicht, 
hier und da Neues zu empfehlen. Da aber in der That ein 

fsnaues Kopiren der einen oder anderen Gesetzgebung nicht am 
latze ist, so wird man daraus keinen Vorwurf erheben wollen. 

Gegenstand des Patentschutzes. 

§ 1- Gegenstand des Patentschutzes sind: I) Erzeugnisse 
der Industrie. 2) Methoden, solche herzustellen, 3) Maschinen, 
Geräthe oder Werkzeuge, vorausgesetzt, dass dieselben neu ent- 
deckt oder erfunden und ihrer Aatur nach überhaupt patent- 
fähig sind. Die Nützlichkeit kommt dabei nicht in Betracht 
Für Veränderungen solcher Gegenstände werden, vorausgesetzt, 
dass sie sich als selbststäudige neue Entdeckungen oder Erfindun- 
gen darstellen, Verbesserungspatente ertheilt, und zwar als selbst- 
stäudige Patente oder als Zusatzpatente. Für Gegenstände, 
welche als zusammengehörige T heile einer Erfindung nicht zu 
betrachten sind, können nur getrennte Patente ertheilt werden. 

§ 2. Eine Entdeckung oder Erfindung, welche durch den 
Druck in einer europäischen Sprache, oder im deutschen Reiche, 
sei es durch offenen Betrieb oder anderweitig vor der Anmeldung 
des Pateutgesuclies iu solcher Weise bekannt geworden ist, das« 
dieselbe danach vollständig ausgeführt werden kanu, gilt nicht 
als neu- Die geheime Benutzung eiuer Entdeckung oder Erfin- 
dung ist dagegen kein Patenthindernias, gewährt aber das Recht, 
die bisherige Benutzung in früherer We - se fortzuführen (vergl. 
§ 28). Auf Vorgänge ausserhalb des deutschen Reiches von 
Amtswegen Rücksicht zu nehmen Bind die Patentbehörden nicht 
verpflichtet 

§ 3. Ein Patent kann nicht ertheilt werden: 1) auf Nah- 
rungsmittel, Getränke oder Arzeneien, 2) auf Alles, was unter 
das Gesetz vom 11. Juni 1870, betreffend das Urheberrecht an 
Schriftwerken, Abbildungen, musikalischen Kompositionen fällt, 
sowie auf Formen der äusseren Gestalt (Muster und Formen;: 
3) auf Entdeckungen oder Erfindungen, deren Ausübung gegen 
ilie guten Sitten oder die Gesetze Verstössen würde. 



Berechtigung 



md Fähigkeit zum Erwi 
Patenten. 



rb von 



und gestattet daher eine Klage auf Ertheilung des Patcntesl 
Vergleicht man die Thätigkeit der Patentbehörde nach d 
vorliegenden Eutwurf mit dem jetzigen preussischen Verfahren, 
so ist der gegen das letztere erhobene Einwand, dass die dem 
Patentamte zugemuthete Thätigkeit unausführbar sei und die 



§ 4. Anspruch auf ein Patent hat der Entdecker oder Er- 
?r, welcher zuerst um ein Patcut ordnungsmäßig i 
Er kann Dritten überlassen, diesen Anspruch geltend zu i 
Einen besonderen Nachweis, das er der Eutdecker oder Erfinder, 
oder von diesem der Anspruch ihm überlassen sei, braucht er 
jedoch nicht zu führen, vorausgesetzt, dass die Erfindung oder 
Entdeckung überhaupt neu ist. 

§ 5. Patente können erworben werden sowohl von physi- 
schen , als von juristischen Personen und überhaupt von ledern 
zur Erwerbung von Rechten befugten Rechtssubjekte. Ausländer 
müssen zu diesem Behuf ein Domizil im deutschen Reiche 
wählen ; auch kann der Bundesrath aus Gründen der Reziprozität 
ein Anderes bestimmen. 

§ & Erthcilte Patente können unter Lebenden oder von 
Todes wegen gänzlich oder theilweise übertragen werden. Der 
Uebergang des Patentes auf einen Andern als den beim Patent- 
amte verzeichneten Inhaber hat indess Dritten gegenüber erst 
dann Wirksamkeit, wenn er in öffentlich beweisender Form dem 
Patentamte urkundlich nachgewiesen ist und dieses in Folge 
dieser Nachweisung die Umschreibung in dem zu dem Ende an- 
zulegenden Register bewirkt hat. 

§ 7. Mitglieder oder Beamte der Patentbehörden können 
Pateute anders als von Todes wegen nicht erwerben. 

Ertheilung und Erlöschung der Patente. 
§ 8. Die Ertheilung der Pateute erfolgt durch das Patent- 
amt mittels Bakanntmachung im amtlichen Blatte des Patent- 
amtes. Das Patent tritt in Kraft mit dem vierzehnten Tage 
nach dem Ablauf desjenigen Tages, an welchem das betreffende 
Stück des amtlicbdn Blattes am Sitz des Patentamtes ausge- 



ist 



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— 267 — 



§ 9. Patente, welch«- das Patentamt ertbeilt, haben Gültig- 
keit für fünfzehn Jahre, Zusatzpatente für die Dauer des Haupt- 
patentes. 

§ 10. Für den Patentschutz ist eine Abgabe zu entrichten. 
Diese betragt ausser der bei der Anmeldung tu entrichtenden 
Gebühr für das erste Jahr 10 Thlr. Vor Ablauf des ersten 
Jahres ist für das zweite Jahr eine Abgabe von 20 Thlr. zu 
entrichten, vor Ablauf jedes folgenden Jahres eine jährlich um 
10 Thlr. wachsende Abgabe für das nächstfolgende Jahr. Die 
Bezahlung der Abgälte früher als sechs Monate vor Beginn des 
Jahres, für welches die Abgabe den Patentschutz siebern soll, 
ist unzulässig. Für Zusatzpatente wird eine einmalige Gebühr 
von 10 Thlru. . ausserdem aber neben der Abgabe für das 
llauptpateut keine besondere Abgabe erhoben 

§ II. Ein Patent erlischt: 1. durch ein dasselbe aufheben- 
des gerichtliches Erkenntnis« (§ 28): ■>. mit Ablauf des Zeit- 
raumes, für welchen es Gültigkeit hat; 3. mit Ablauf der Zeit, 
für welche die Patentabgabc bezahlt ist. falls die Altgabe für 
das nächste Jahr nicht rechtzeitig eingezahlt wird; 4. durch 
Verzichtleistung mittels schriftlicher Anzeige beim Patentamte; 
6. durch Verfügung des Patentamtes, wenn die Entdeckung oder 
Erfindung nach Ertbeilung des Patentes im deutschen Reiche 
zwei auf" einander folgende Jahre ausser Anwendung geblie- 
ben ist. 

Patentbcbörden. 

S 12. Die Patentbehorden sind das Patentamt und das 
Reichs- Oberhandelsgericht Das Patentamt hat seinen Sitz am 
Sitze deR Reichs-Oberhandelsgerichtes. 

$ 13. Die Mitglieder des Patentamtes ernennt der Kaiser 
auf Vorschlag des Buudesrathes, die Ernennung der übriguu 
erforderlichen Subaltern - oder Vnterbeainten erfolgt durch den 
Präsidenten des Patentamtes. Die Mitglieder des Patentamtes 
sollen mindestens zur Hälfte in dem einen oder anderen Zweige 
der Industrie sachverständig sein. 

§ 14. Der für die Patenthehfirdeu erforderliche Aufwand 
wild aus der Reichskasse bestritten. Insbesondere werden alle 
bei denselben angestellten Beamten aus der Reichskasse be- 
soldet Die Gebühren und Abgaben in Patontsachen fliesseu 
zur Reichskasse. 

5 IV Das Patentamt bat: 1 ) in Bezug auf die Ertbeilung 
von Patenten und deren Aufhebung nach näherer Vorschrift 
dieses Gesetzes zu entscheiden, das öffentliche Interesse in allen , 
Patentungelegeuheitcii wahrzunehmen und vor dem Reichs- 
oberhandelsgerichte zu vertreten; -') über die Anmeldung von I 
Patentgesuchen; die Ertbeilung und den Fortbestand derselben 
die enorderlicheu Register zu führen ; 3) die im Privatinteresse 
erforderlichen Bescheinigungen auf Grund seiner amtlichen 
Kenntnis» mit der Wirkuug auszustellen, dass dieselben ^gleiche 
Beweiskraft haben wie Öffentliche Urkunden; 4) für die Auf- | 
bcwohruug sämmtlicher das Patentwesen betreffenden Urkunden, 
Beschreibungen, Zeichnungen, Modelle, Akten u. s. w. zu sorgen, ' 



auch die Kenntnis* der Beschreibungen, Zeichnungen und Mo- 
delle für das Publikum zu vermitteln. 

§ 16. Das Patentamt erlässt alle Bekanntmachungen in 
dem amtlichen Blatte des Patentamtes. Jährlich soll dem 
amtlichen Blatte ein Verzeichnis der noch gültigen Patente, 
in welchem der Inhalt kurz bezeichnet and du Datum der Kr- 
theilung angegeben ist, beigefügt werden. Das Erlöschen von 
Patenten ist im amtlichen Blatte' baldtbunlichst anzuzeigeu. 

§ 17. Das Pateutumt ist befugt, sobald ihm das erforder- 
lich scheint, Sachverstäudige zuzuziebeu, ohne jedoch an deren 
Gutochteu gebunden zu sein. 

4 18. Der Bundesrath ist befugt, den Geschäftsgang und 
das Verfahren vor dem Patentamte unter Begutachtung der 
Vorschriften dieses Gesetzes näher zu regeln. 

§ 19. Das Reichs-Oberhandelsgcricht entscheidet: l) über 
Streitigkeiten iu Bezug auf die Ertbeilung von Patenten, deren 
Ungültigkeit und Erloschen; 2) über Streitigkeiten zwischen den 
Inhabern verschiedener Patente bezüglich des L'mfanges ihrer 
gegenseitigen Rechte; 3) im Falle des § 31. über die zuzubilli- 
gende Entschädigung; ferner als oberste« Gericht 4) in allen 
Streitigkeiten, welche den Patentschutz zum Gegenstände haben, 
mit der durch die 12 und 13 des Ges. v. 12. Juni 1869, be- 
treffend die Einrichtung eines obersten Gerichtshofes für Han- 
delssachen , bei diesem begründeten Zuständigkeit als oberster 
Gerichtshot. 

§ 20. Für die Fälle des § 19, 1, 2, 3 gelten für das Ver- 
fahren vor dem Reichs - Oberhaudelagerichte folgende besondere 
Vorschriften: 1. die Parteien müssen sich durch einen bei dem- 
selben zur Praxis befugten, am Orte des Gericht« wohnhaften 
Rechtsanwalt oder Advokaten, das Patentamt kann sich auch 
durch eines seiner Mitglieder vertreten lassen; 2. das Verfahren 
ist öffentlich und mündlich; 3. das Gericht ist befugt, alle solche 
Beweismittel selbst durch eines seiner Mitglieder oder durch 
Requisition der ordentlichen Gerichte aufzunehmen, welche ihm 
zur Aufklärung der Sache dienlich erscheinen. An das Gut- 
achten von Sachverständigen, welche das Gericht zuzieht und 
nach seinem Ermessen zuzuziehen befugt ist ist das Gericht 
nicht gebunden; 4. das Gericht stellt den That bestand nach 
seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlungen ßcnchnnften 
Ueberzeugung fest, ohne an positive Regeln über die Wirkung 
der Beweismittel gebunden zu sein; 5. das Gerieht ist befugt, 
jede Partei, welche unterliegt, mit Ausnahme des Patentamtes, 
zu Gunsten der Gegenpartei in die Kosten des Verfahrens ganz 
oder theil weise undf zum Schadenersatz zu verurtheilen; 6- die 
etwa erforderliche öffentliche Ladung der Parteien zu den Ver- 
handlungen vor dem Gerichte erfolgt gültig durch das amtliche 
Blutt des Patentamtes. Doch kann das Gericht daneben Ver- 
öffentlichung der Ladung auch in anderen Blättern anordnen; 
7. im Uebrigen wird das Verfahren durch ein Regulativ geord- 
net, welches der Gerichtshof zu entwerfen und dem Bundesrath 
zur Bestätigung vorzulegen bat 

(Schlau folgt.) 



§ 6- 



Faehwerksträg er mit gekrümmter oberer Gurtung 
und Po rtalabschlüssen an den Enden- 
Vorstehend bezeichnete Trägerarten sind in der neueren 
Zeit namentlich wohl deshalb sehr vielfach zur Anwendung ge- 
kommen, weil sie die Durchführung des oberen horizontalen 
Kreuzverbandes bis zu den Enden hin gestatten und eine lelxm- 
digere Wirkung bietcu, als die Träger mit gerader oberer Gur- 
tung. Die der oberen Gurtung zu gebende Krümmung wird 
gewöhnlich als Kreislinie oder auch als Parabel gewählt- Im 
Nachstehenden soll, um die ohnehin etwas umfangreiche Rech- 
nung nicht noch zu vermehren, der letztere Fall zu Grunde 
gelegt werden. 

(Flg. >.) 



Beitrage zur Theorie der rarhwf rksträjrr. 

(FvrtMUiwg). 

Es soll nun zunächst mit der Bestimmung des Gewichtes 
für die untere Gurtung begonnen werden- 

Die Gurtungsspannung im Punkte H ist, wenn g die totale 
Belastung de» Trägers pro Längeneinheit bezeichnet, 

= 2 ««-«') . j 

mitbin das Gewicht der unteren Gurtung für die Trägerhälfte 
q A« (/« — «*) . 

ft = 2 \ k du 

oder wenn man den Werth h aus Gleichung 3 einsetzt, 




«7 /Vi (Iu - W) du 

• *-t/..- ( ,-). 



Die Auflösung des vorstehenden Integrales, welches Schwie- 
rigkeiten nicht bietet, ergiebt 



5J <»i 



4 Vm* 



4 m 



log. uat 



v % + 

m 



Stellt Fig. 8 die Hälfte eines derartigen Trägers vor, so 
lässt sich die Gleichung für den parabolischen oberen Bogen 
nach den 3 Wertheu r, a und der Spannweite / des Trägers 
ermitteln: sind nämlich K die Ordinate und « die Abszisse eines 
beliebigen Punktes .4 der oberen Gurtung, so findet sich un- 
schwer die Gleichung: 

» ""-'VMS-")' 

oder wenn man zur Abkürzung 
O 



2) ia: 



= m 



setzt, so 3) h 



Aehnlich ist bezüglich der oberen Gurtung zu verfahren. 
Die Spannung in einem beliebigen Punkte A derselben ist, wenn 
ds das Boge ndiffe reu tial bezeichnet, 

_ 2 A ' du' 
also das Gewicht der oberen Gurtung für die Trägerhälfte: 

«) c- ' f J t 

Es ist nun 

idi)' = (dM)> 
du du 
und nach Gleichung 3: 

(rfA)' = 4«' - »y du' 



du 



+ du 



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- 268 — 



* - »» ( f, - *)' 

iuch die Auflösung dieses Integrales hat kein« Schwierigkeiten 
ind liefert dasselbe den Werth 

8 ) ff ,= ff /(, + 4 1 w - w 



und 



_f» -(r\.V .+_«?•*. log. n at. 



1/ 



1/ » _ ' 

Die Bestimmung des Gewichtes der Vertikalen folgt den 
Werthen der Vertikalkraft. Dieselbe ist in einem beliebigen 

Schnitte 4 B des Tragers = f fy — « j Bezeichnet nun * 

die Breite der Feldtheilung im Hauptsysteme (also beispiels- 
weise beim dreifachen Systeme die Breite dreier Felder), a wie 
früher einen gewiasenKoeffizienten , so ist das Gewicht 
Vertikalen 



der Trägerhälfto 
ff, = af 'g^j - *) * 'In 

-V>T(t-){— (t -')■}'• 

01 c. =.,...».£(.-»|) 

Für die Diagonalen ermittelt sich schliesslich in 
lieber Weise, wenn ß als Koeffizient die frühere Bede 
behält: 

»der da nach Gleichung 3: 

dh 



A.6 



du 



IT = 2* 



d. L: 



ff. = ß f '/ 

u 



-f *• 



2« 



10) C. = 



Das Gesammtgewicht der Trägerhälfte ist demnach aus Gleichung 
5, B, 9 und 10: 

Z = ff, + ff, + ff, + ff. 



d. i. 



/ 5 /»\ 1 + 2 *« 



M 



+4 



8« IM. 



l/ 4 - 
m 

ßb 



log. uat 



in 



8 1 »-P 

Die Anwendung vorstehender Gleichung würde 
allgemeinster Form wie folgt aussprechen: 

Die Trägerhöhen r am Ende und % in der Mitte sind als 
2 urvariable Grössen aufzufassen, die nach einer parabolischen 
Linie mit einander verbunden sind; es sind solche Wertbe für 
beide Urvariable iu ermitteln, dass sich - einem Minimalwerthe 
nähert 

Die streng mathematische Entwickelung des Werthes 2 »1» 
würde erforderlich machen, dass die Ableitungen der Gleichung 
11 sowohl nach r als nach a gesucht und dieselben zu Null 
ht würden. Es leuchtet aber ein, dass man als Abgi- 
ngen transzendente Gleichungen erhalten würde, deren Lösung 
nur auf dem Wege des Versuches möglich ist. Da also das in- 
direkte Verfahren so wie so augezeigt ist, würde es nur eine 
Weiterung sein , wenn man die zutreffenden Werthe von p und 
% vermittels der Ableitungen aufsuchen wollte. Es wird im 
Allgemeinen kürzer sein, direkt mit Versuchswerthen in 
Gleichung 11 selbst zu operiren. 

Die Anwendung der in Rode stehenden Trägerform ist 
gegenwärtig eine häufige: namentlich wird sie bei grossen 
Spannweiten ganz besonders beliebt Im Folgenden soll des- 
halb noch ein spezielles Beispiel bebandelt werden, welches aus- 
weisen wird, dass in den meisten ausgeführten Fällen ein ganz 
befriedigendes Resultat in Bezug auf ein zu erstrebendes Minimal- 
gewicht nicht vorliegt 

Die Lichtweite der grosseren deutschen Strombrücken be- 
trägt im Mittel 100 m : es sei deshalb ein Träger von ähnlicher 
Spannweite näher betrachtet. Die nachstehenden, in rhuinl. 



Fussmaass angegebenen Maasse sind nahezu der König Wilhelma- 
Rheinbrücke bei Düsseldorf (Erbkam's Zeitschrift für Bauwesen, 
Jahrgang 1872) entlehnt, während der bequemeren Rechnung 
wegen einige Abrundungen eingeführt sind. 

Hiernach sei / = 336; » = 42; r = 20; * = '/,./. 
Setzt man den Werth q in vorstehender Gleichung, welcher 
;lbst lediglich als Verhältnisszahl auftritt, = 1 und läast 
ferner «■ = •/,, ß= 1 l * werden, so findet man 
1= 139 770. 

Um den Minimalwerth für - zu finden, müssen, wie schon 
augedeutet, streng geuommen die beiden Ableitungen nach r 
und 3 zu Null gemacht werden. Man wird aber auf kürzerem 
Wege ein Bild von dem Grade der Veränderlichkeit von - er- 
halten, wenn man das eine Mal nur s, das andere Mal nur r 
als veränderlich ansieht. 

Belässt man zu dem Zwecke r in dem festen Werthe = 20 
und variirt mit den Werthen von *, so ergeben sich folgende 
Resultate: 

a = 36 so 1 = U9700 » = 72 so i' = 121530 



= 42 
= 48 , 

= 66 
Der 



= 139770 
= 132870 
= 128080 
= 124830 
= 122730 

für r liegt 



= 111080 

= 121070 
— 121610 
= 122510 



au der Stelle, wo 
: 0,232 ist Nach §. 3 wäre 



= 78 

= 84 
= 90 
= 96 



s = 78 oder das Pfeilverhältniss ^ 

für einen Träger mit gerader oberer Gurtung und für den Fall, 

dass * = /„. das günstigste Pfeilverhältniss = 0,167, mithin 

weit geringer als im vorliegenden Falle, gewesen. Es lässt sich 
also hieraus folgern, dass ein Träger mit gekrümmter 
oberer Gurtung, um seinen relativen Minimalwerth 
zu erreichen, einer grösseren HOhenentwickolung be- 
darf, als ein solcher mit gerader oberer Gurtung. 

Nimmt man nun zweitens a auf 42 fest hegend und va. 
die Werthe von r, so findet sich: 



p= 0 so .£=190340 
= 8 „ = 151240 
n „ = 139770 
■ 



= 24 

= 28 



= 137 880 
= 136 GW 



r = 32 so i = 135910 
= 36 „ = 135490 
= 40 , 135420 

= 42 , = 138270 



des Trägers eine möglichst gr 
lung, die Zwischenglieder (Vi 



Aus diesen Resultaten lassen sich folgende Schlüsse ziehen. 
Die in Rede stehenden Träger werden meist so stark gekrümmt, 
dass über den Trägerenden nur das lichte Maass des Normal - 

erofiles unter dem oberen horizontalen Kreuzverbande verbleibt 
>ie*c Annahme ist irrig, sobald es sich um Materialersparnis* 
handelt; denn mit wachsendem r hätten sich für den vorliegen- 
den Träger noch etwa 3% Ersparnis* erzielen lassen; ja selbst 
ein Träger, dessen Gurtungen geradlinig und parallel im Ab- 
stände von 42 Fuss angeordnet wären, würde dem letzten Werthe 
vorstehender Tabelle entsprechend, nicht schwerer geworden sein, 
als der im Beispiel gewählte. 

Noch erheblicher werden die Differenzen, wenn man die 
Werthe von r verfolgt, welche unter 20 liegen, und schliesslich 
bis zu r = 0, d. h. zum eigentlichen Parabeltr&ger über- 
geht. Die Verbältnisszahl des Gewichte- würde hier bis auf rot. 
190 000 anwachsen. Hält man diesem Resultate noch das der 
vorstehenden Tabelle entgegen, wonach das Minimum von - 
etwa für r = 40, also bei nur sehr geringer Krümmung der 
obercu Gurtung eintritt so wird schon jetzt folgender Satz, der 
übrigens in den Schlussparagraphen seine weitere Begründung 
erhält als einleuchtend aufgestellt werden können: 

Die beiden Gurtungen erfordern an jeder Stelle 

:roase Höhenontwieke- 
'ertikalen und Diago- 
nalen) eine möglichst geringe. Bei der Zusammen- 
wirkung beider Verhältnisse behalten die Gurtungen 
ho entschieden das Ucbergewicht über die Zwischen- 
glieder, dass die in der Mitte des Trägers angenom- 
mene Höhe nach den Enden zu verhältnissmässig 
wenig aufgegeben werden darf. Erst nahe am Trägcr- 
eude wird eine plötzliche Umbiegung der oberen Gur- 
tung nach der unteren hin erfolgen dürfen. 

Träger, deren obere Gurtung sich sofort von der 
Mitte aus stark zur unteren Gurtung herabkrümmt 
(Parabelträger, System von Pauli), entfernen sicher- 
sichtlich von der Minitnalform. 

§. 6. 

Die Veränderlichkeit der Zwischenglieder. 
Durch den Schlussatz des vorigen §. ist eine weitgehende 
Folgerung gezogen worden, die zunächst durch nicht« Weiteres, 
als einige Zahlcubeispiele belegt werden konnte. Wir sind den 
weiteren Beweis hierfür schuldig und haben die theilweise Vor- 
ausschickuug jenes wichtigen Satzes hauptsächlich deshalb ge- 
wählt um den Zweck der weiteren Entwickelung von vorn her- 
ein möglichst klar zu stellen. 

Ebenso waren die in den §f 2 — "» dargelegten Verhältnisse 
Zwischenbetrachtungen, die zur besseren Einführung in die nun 

rden. Es ist 
Verbältnissen 

zurückzukehren. 

Nach den Gleichungen I bis XV 1 1 1 daselbst lässt sich das 
Gewicht jedes einzelnen Gliedes, mithin das Gewicht - der Trfi- 



folgendeu Erörterungen passend vor 
nunmehr erforderlich, zu den im §. 1 



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- 269 — 



gerhälfte berechnen; da In der Gleichung für - 5 Urvariable 
auftreten, so würde also nur erübrigen, die Ableitungen nach 
jeder dieser 5 veränderlichen Grossen für sich zu Kuli zu 
machen. Die hiernach sich ergebenden Werthe für die Verti- 
kalen-Höhen würden die Form eines Tragers fest legen, welcher 
als absoluter Minimalträgcr gelten könnte. 

Wenn schon an und für sich die angedeutete Aufgabe nicht | 
ohne einige Schwierigkeiten ist, so verwickeln sich die Verhalt- | 
nisse noch aus folgenden Gründen. 

Es sollen für den vorliegenden Fall die analytischen Gesetze 
über die Auffindung kleinster Werthe in Anwendung gebracht 
werden. Dabei muss vor Allem im Auge behalten werden, das« 
diese Gesetze nur für stetige Funktionen Gültigkeit haben. 
Wenn nun die Stetigkeit der Beziehungen auch bezüglich der 
Gurtungen vorliegt, insofern als die obere bestfindig im Druck, 
die untere beständig in Zogwirkung bleibt, so trifft dies keines- 
wegs bezüglich der Zwischenglieder zu. Die Stetigkeit würde 
verlangen, da es sich bei - nur um absolute Zahleusuuiuicu 
bandelt, dass ein Vorzeichenwechsel während der ganzen Betrach- 
tung nicht eintritt; es ist aber bekannt, dass ie nach der Tra- 
gerform und je nach der Lastvertheilung ein U ebergang der Ver- 
tikalen resp. Diagonalen aus Druck in Zug oder umgekehrt ein- 
treten kann, Hiernach ist unerläßlich, ein Bild derjenigen 
Grenzen, an denen die Stetigkeit unterbrochen wird, von vorn 
herein festzustellen. 

Nach den Gleichungen des §. 1 findet diese Unterbrechung 
der Stetigkeit 4 Mal statt, insofern als sich für die Diagonalen 
und Vertikalen je 2 Gruppen von Werthen aufstellen lieasen. 
Die Gleichungen jeder dieser 4 Gruppen würden sich nun 
äs Null setzen und daraus die 4'StetigKeitsgrenzen berechnen 
und zeichnen lassen. Da es im Folgenden wesentlich auf eine 
Darstellung der Verhältnisse durch Zeichnung ankommt, so soll 
der spezielle Fall vorgesehen werden, wo di 
in dem Verhaltnisse zu einander stehen: 

P*= 1; « = 2; >ü = 3. 

Macht man nun unter Eintragung dieser Werthe 
jede Gleichung der Gruppe Xa bis XIII a zu Null, so 
die Hohen derjenigen Grenze, bei welcher die oberen Span- 
nungswerthe der Diagonalen = 0 werden, also dieselben in allen 
Verhaltnissen in Druckspannung bleiben würden: 



1) 



a = 



! ■ 

135 
156 ' 



Wird ebenso mit der Gruppe Xb bis XI II b verfahren, so 
ermitteln sich die Werthe, bei deuen die untere Spannungsgrenze 
der Diagonalen = Null wird, dieselben also unter allen Yerhält- 



3) 



77 

114 

9 



* = 10 « 
105 
100 



Aus Gruppe XVa bis XVIlIa findet sich diejc 
bis zu welcher die Vertikalen nur Zugwirkung 
haben: 

— IS» 

— 32 

und aus Gruppe XV b bis XVIII b diejenigen 
denen die Vertikalen nur Druck erleiden : 



4) 



r = 



v = , v 



x = 



40 

"77 
8 
9 
110 
105 
37 

32 



Vom Dome zu Coln. 

(Nach dem 62. Bauberichte des Dombaumeisters, 
Baurath Voigtei.) 

Die Stockungen, welche der Fortbau des Domes zu Cfiln 
durch die Kriegsereignisse des Jahres 1870/71 erlitten hatte, 
-sind im letzten Baujahre einer erhöhten Thätigkoit gewichen.' 

Bei Konze.ntrirung des Baubetriebes auf den südlichen Thurm 
ist im Jahre 1871, der Behr reichen Ornamentik der Fenster und 
Wimpergs-Anlageu ungeachtet, die Thurmmauer- Arbeit bis zur 
Höhe von ca. 63 10 (200') über der Fussbodenplattung der Kirche 
gefördert wurden. Am Schlüsse des Jahres waren sämmt- 
ßche Fenstermaasswerke und Ueberwölbungen der vier Fenster 
der dritten Thurmetage, so wie die Gewölbeanfänge in den Bau- 
hütten vollendet und hemmte der so früh eintretende Frost 
allein deren Aufstellung und Einwölbung auf der Höhe des 
Thurmes. Mit Beginn des Frühjahres 1872 ist der südliche 
Thurm von den Kapitalen der Fenster aufwärts, nebst den da- 
selbst beginnenden Ueberkragungs-Bogen zur Anlage des Acht- 
ecks im Innern der Thürme, stetig fortgebaut und nat derselbe 
die Höhe des dritten Hauptgesimses, 69 B (220') über dem Fubb- 
boden der Kirche, am Schlüsse des Monats Juni erreicht 

Die ThStigkeit in den Bauhütten hat sich seit dem Früh- 
jahr ausschliesslich der Bearbeitung der Werkstücke des nörd- 
lichen Thurmes zugewendet und wird seit Juli d. J. dieser Bau- 
theil mit gleicher Beschleunigung bis zur Höhe des dritten 
Hauptgesimses emporgeführt. Sobald deninüehst zu Ende des 
Jahres 1872 beide Thürme die Höbe von 69 m erreicht haben, 
wird der Aushau der Mittelhalle nebst Wimperg und Dachgiebel 
die alleinige Bauaufgabe der ersten Hälfte des Jahres 1872 sein. 
Nach erfolgter Eindeckudg der Mittelhalle zwischen den Thür 
men und der Einwölbung der dritten Etage des südlichen Thur- 
mes, in welcher die grossen Glocken ihre definitive Aufstellung 
finden werden, bleibt demnach nur der fehlende Mittelpfeiler 
der zweiten Etage mit seinen Gurt- und Gratbogen zu ergänzen, 
nachdem zuvor der alte hölzerne Glockenstuhl beseitigt ist 
Neben diesen Ausführungen bleibt die Bearbeitung der Werk- 
stücke zur vierten Etage der Thürme, dem Oktogon, der haupt- 
sächlichste Gegenstand der Beschäftigung In den Bauhütten und 

1872 



Die Restauration» -Arbeiten an der nördlichen Wand des 
südlichen Thurmes sind im Laufe des Jahres 1871 auf die 
Sockel und Pfeiler des Erdgeschosses ausgedehnt, die durch 
Verwitterung und mechanische Zerstörung so vollständig aller 
Details und Profilirungen beraubt waren, dass eine vollständig 
neue Umkleidung der Sockel am Fussboden der Kirche not- 
wendig erschien. 

Durch Aufstellung der dritten Gerüstetage im Bereiche des 
südlichen Thurmes ist die Anlage der Hülfsbauten für die Vol- 
ler dritten Etage der Thürme beendet und werden im 
Jahres 1873 sftmmtliche Konstruktionstheile des vor- 
bescitigt werdeu bchufa Anlage 



neuen Baugerüstes, das seine Stützen um 25» höher in 
Mauerwerke des Oktogons findet und zur Aufführung 
bis zum Fusse des grossen Steinhelms dienen wird. 

Sobald beide Thürme bis zur Oberkante der dritten Etage 
aufgeführt sind, muas auch die Dampf-Förder-Maschine im nörd- 
lichen Thurme auf gleiche Höhe gehoben werdeu , um dann bis 
zur Vollendung der Steinhelme, resp. bis zum Aufziehen der 
grossen Kreuzblume daselbst in Thätigkcit zu bleiben. 

In Betreff des Skulpturenschmucks ist nunmehr auch der 
Zvklus von Heiligenfiguren und Reliefs für die Portalhallen im 
Westen und Norden festgestellt- Für das Innere de* Domes 
sind im Jahre 1871 die letzten fehlenden Figuren der Vorhalle, 
für das Aeussere fünf der unter den grossen Baldachinen der 
dritten Thurmetage aufzustellenden Kolossalfiguren durch deu 
Dombildhauer Fuchs vollendet worden. 

Eine grössere Zahl von Qlasgemäldcn, für deren Stiftung sich 
Geber gefunden haben, ist vollendet und harrt der Einsetzung. 
Die Fenster der fertigen Thurmhallen im zweiten Stockwerke 
werden zum Schutze gegen die Einflüsse der Witterung mit 
bunter Glasmosaik versehen. Endlich soll demnächst auch mit 
einer sorgfältigen Restauration der Fenster im nördlichen Seiten- 
schiffe des Langschiffes der Anfang gemacht werden. Diese 
kunsthistorisch berühmten und mit so hoher technischer Vollen- 
dung ausgeführten Glasgemälde wurden in Folge der Zerstörun- 
gen, welche der Dom unter französischer Herrschaft erlitten, zu 
Anfang des Jahrhunderts oberflächlich restaurirt und die feh- 
lenden Theile mit weissen Gläsern ergänzt, auf denen die Zeich- 
nungen theilweise mit Oelfarben aufgetragen sind, so dass die- 
selben in ihrem jetzigen Zustande kaum einen Anhalt für die 
frühere Farbenpracht und Feinheit der Zeichnung geben, welche 
durch eine kunstgerechte und durchgreifende Restauration nun- 
mehr vollständig wieder hergestellt werden soll. 

Des bedeutsamen Geschenkes, welches dem Domhau gleich- 
sam als Ersatz für die Nachtheile des letzten Krieges mit 22 in 
demselben eroberten, zum Gusse der Uauptglocke bestimmten 
Geschützen von Seiten des deutschen Kaisers zu Theil geworden 
ist, wurde bereits in No. 23 dieser Zeitung gedacht.') Die 
grosse Domglocke, im Gewichte von 500 Zentnern, wird neben 
den beiden grössten Glocken des bisherigen Geläuts im dritten 
Stockwerke des südlichen Thurmes ihren Platz finden, während 
die übrigen kleineren Glocken, in einem Glockenstuhle vereinigt, 
ini vierten Geschosse aufgestellt werden. Eine Entscheidung 
über den Meister, welchem der Guss der » Kaiserglocke " über- 
tragen werden soll, ist unseres Wissens noch nicht erfolgt. 

Der im Jahre 1871 für den Dombau verwendete Geldauf- 
wand beträgt 199282 Thlr., wodurch der Gesammtkostenaufwand, 
der seit dem Jahre 1864 verbaut ist, auf 1064205 Thlr. steigt. 

•) Wir hib» oh .11... U»|,g.nh.ii rorMuüMn, am «Iura irftrtlc*«». Druck- 
fehler In J-ner No»lt •■ b«riciitl(*n. Durch «in- teilen« Komklar in du Komm« 
In mehren der dort «nitenebeiitu Ge«ic«u»hlen <na eine Stell« uch links TBirirltt 
w«rd«r,, •« .!... -litt 400, ljü. IUZ u .. w. 40,0 - Xifi - U.4Z «. .. w. ■■ I 
war. MbM>«iil«IIM .. rJ.n wähl nur vent«« Um* tbtr rftia I 
: «ein. 



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- 270 — 



Trägt man diese 4 Verhältnisse so gegen einander auf, das» 
die lt' enteil Warthe jeder Gruppe = */ t d werden, also in 1 
und 3: », in 2: y und in 4: T — '.'»*, so ergebt sich die Zu- 
sammenstellung Fig. U. Dieselbe lltsst Folgeudes erkennen: 

K l * ». 





a. entspricht die obere Gurtuni? der gebrochenen Linie (1) 
■ ider bleibt noch unter derselben, M haben die Diagonalen nur 
Druck-, diu Vertikalen nur Zugspannung: 

b. hebt sieh die obere Gurtung bis <:i>. so verbleiben die 
Vertikalen noch ganz in Zugspaunuug, die Diagonalen dagegen 
haben Druck und Zug. Ueber (3) hinaus beginnt zum ersten 
Male Druckspannung in den Vertikalen: 

c. mit (2) beginnt diejenige Grenze, vou der ab die Dia- 
gonalen nnr noch Zugspannung aufnehmen (System Schwedler}, 
und endlich ist 

d mit (4) diejenige Grenze erreicht, bei der auch der letzte 
Rest von Zugspannung aus den Vertikalen verschwunden, mithin 
die Vertikalen nur noch Druck, die Diagonalen nur Zug 
empfangen. 

Von (1) bis (41 hat somit eine vollständige Umkebrung der 
VerhStnisse bezüglich der Zwischenglieder stattgefunden. 

D» nun von vorn herein nicht ersichtlich, welche Lage die 
obere Gurtung bei Annaherang an deu Werth - mu. einnehmen 
und welche der Grenzwert he für die Zwischenglieder sie passireu 
wird, ob dieselben also entweder positiv oder negativ oder beides 
zugleich werden, so ist die in Ii 1 gewählte Form zur Bezeich- 
nung des Gewichtes der Diagonalen lind Vertikalen für eine 
analytische Aufsuchung des Mmitnalwerthes von — nicht brauch- 
bar, es muss vielmehr eine derartige Feststellung der Spau- 
nungswerthe vorausgehen, dass dieselben vou einem Vorzeichen 
unabhängig werden und als absolute Zahlenwerth«, wie die 
GurtungssnaiiDuncen, eingeführt werden können. 

Da» einzige Verfahren, welches hier zum Ziele Führen kann, 
ist die Aufsuchung der Differenzen zwischen den oberen und 
unteren Spannungswerthen, d. h. also derjenigen Werthe, welche 

sich durch Subtraktion der b 
Hg. i". Gleichungen von den a Gleichun- 

gen des §_ 1 ergeben- Man führt 
dadurch nicht denhfichsteuWertb 
selbst, sondern die Differenz zwi- 
schen dem obersten und unter- 
sten Spannungswerthe in die 
Rechnung ein, und in der That 
ist man den wirklichen Verbält- 
nissen dadurch nur um einen 
Schritt nähe: getreten. Ein Stab, 
welcher als oberen Spannungs- 
werth 100 Ztr. Zug, als unteren 50 Ztr. Druck aufzunehmen hat, 




durchläuft (namentlich bei einer Eisenbahnbrücke) in ver- 
schwindend kurzer Zeit einen Spannungsweg von 150 Ztrn.; e« 
muss ali ein Fehler unserer heutigen Berechnungsweise be- 
zeichnet werden, dass wir lediglich den grösseren Werth der 
einen oder anderen Reite in Betracht ziehen. 

Bezüglich der Diagonalen konnten sich die Werthe so ge- 
stalten, dass die obere Gurtung 
die Spanuungsgrenze (2) der 
Fig. Qberschreitet, dass also 
der obere und untere Spon- 
uuugswerth beide auf der + Seite 
liegen. Wäre (wie in Flg. 11) 
der obere Werth beispielsweise 
= 100, der untere = 20 Ztr., 
so würde nur der Spannungsworth 80 in Rechnung kommen. 
Auch hierdurch wäre ein eigentlicher Fehler nicht begangen 
wordeu, da alle neueren Untersuchungen bestätigen, MM 
weniger die Spannungen bd ruhender Belastung, als vielmehr 
die Spannung» -Unterschiede bei mobiler Belastung in Betracht 
kommen. Uebrigens kann auch, sobald sich ergeben sollte, dass 
dii- obere Gurtung in diejenige Grenze fällt, wo die angedeu- 
teten Verhältnisse statt haben, leicht eine nachträgliche Kor- 
rektur eingeführt werden. Die Hauptsache bleibt vorläufig, dass 
eine Klarheit bezüglich derjenigen Stellen eingetreten ist, wo- 
selbst dopix lto Vorzeichen eintreten. Subtrahirt man die Glei- 
chunKcn Ab bis XIII b von den Gleichungen Xa Ins XIII a und 
oben« XVb bis XVlUb von XVa bis XVllIa, so können, so 
lange als die obere Gurtung konkav zur unteren liegt (und 
dieser Fall kommt hier lediglich in Betracht) diese Differenzen 
nur mit positivem Vorzeichen d. h. als absolute Werthe er- 
scheinen. 

Bezüglich der End-Vertikale und Diagonale treten die ange- 
deuteteu Verhältnisse nicht ein, und wird deshalb, entsprechend 
den Gurtuugen, deren grösste Spannung in Rechnung gebracht. 

Die GleiehuDgen IX bis XVIll stellen sich deshalb für die. 
weitere Rechnung wie folgt: 

7 /, i _i_ r i 



IX) 



X) <>,.#,= <*• + *••) [ 

xi) tu.o, = (*> + *') (*! 



♦V. * — ».! T| 

X 

3r» 



"/h *— Vi. 



XII) [O t .«4 — (/*» + *') 



las 

xui) = (*•+»') . y 

- * 

ferner: 

XIV) l.r = J (/> + «).r 



8yj 



xv) 



ig ') r + i 



3 it. ir — it. x 



15 



XVI) X.x 

XVII) >.y mjn.z- 
XVIH) Z.% = te.m 



(Sehl»» («Igt.) 



Vermischtes. 

Die MontirungHorbotten des grossen eisernen Mittel 
bauoa dee Weltausatellun^s-Palaatea In Wien. 

Viele Fachgenossen interessiren sich für die Moutirungsar- 
beiten <Jes grossen eisernen Mittelbaues des Weltausstelluugs- 
Palastes. Bei der Besichtigung dieser Arbeiten wurde schon 
häufig die Frage aufgeworfen, warum man deu Dachring mit den 
Säulenausätzen zu ebener Erde montirt habe und nun genöthigt 
sei, die bedeutende Last auf eine Höhe vou 22 Meter zu heben, 
anstatt die Säulen je für sich aufzustellen und' dann den Ring 
auf festen Ocrüstcu zu uiontircu. Die jetzt in Ausführung be- 
griffene Moutiruiigsart wurde aus ökonomischen Rücksichten ge- 
wählt. Die Montirung ist im Allgemeinen dem Bauunternehmer 
überlassen, doch hat er die Genehmigung der Bauleitung einzu- 
holen. Ausführliche Studien über die verschiedenen Arten der 
Aufstellung dieses Riesenbaues haben aber — besonders auch we- 
gen der vielen dem Unternehmer zu Gebote gestandenen _Ge- 
räthschaften, namentlich Ilebeschraubcu — dargethau, dass diese 
Montirungsart die billigste ist und uoch den Vortheil gewährt, 
dass der Hing auf festem Boden ohne Schwierigkeit ganz rund 
zusammengelegt werden kann, während dies auf 80 Fuss hohen 
mehr oder minder elastischen Gerüsteu weniger leicht zu l>e- 
werkstelligen ist. 

Indem wir uns vorbehalten, über die Konstruktion und Auf- 
stellung der eisernen Rotunde in dieser Zeitschrift noch eine 
nähere Beschreibung mit Zeichnungen zu geben, erwähnen wir 
hier nur kurz, dass die Gewichte sämmtlicher beim ersten Sta- 
dium der Hebung montirten Theile rund circa 13000 Ztr. be- 
tragen. Der bis jetzt nicht vollständig montirte untere Dach- 
ring mit den 32 Säulcnköpfen ist bereits 6,30™ gehoben. Hie- 
zu wurden 64 Schraubenspindeln von 100""» Durchmesser und 
33"»» Ganghöhe verwendet (bei jeder Säule 2 Stück). Diese 
Schrauben werden mit Ratschen, an welchen 4,2" lauge Hebel 



befestigt sind, zu gleicher Zeit gedreht. An jedem nebel waren 
1 Mann, zusammen also 192 Mann in Thltigkeit. 

Nachdem die Arbeiter eingeübt waren, wurde die ganze 
Last in je einer Stunde 280 bis 300»» gehoben : alle 150 bis 
200»» wurden genaue Messungen vorgenommen und etwaige 
Ungleichheiten regulirt, so dass der ganze Ring innerhalb der 
Grenzen von \0«"» bis höchstens 15»» stets horizontal steht 

Zur Zeit werden unter jede Säule Stücke von 6,080» Höhe 
untersetzt und mit den oberen Theilen vernietet Dos Gesammt- 
gewicht wächst dadurch auf rund 180O0 Ztr. und an jedem He- 
bel müssen dann 4 Mann, zusammen 256 Mann arbeiten. 

Nachdem diese Gesammtlast auf 7*30» gehoben sein wird, 
kann der Dachring, der dann über das Ilebegerüstc hervorsteht, 
erst vollständig hergestellt werden, woduren ein weiterer Ge- 
wichtszuwachs von rund 3000 Ztr. entsteht. Diese 21 000 Ztr. 
werden dann auf eine Höhe von 12,40» geholten. Demnächst 
werden wiederum Säulenstücke von 6,08» Höhe untergesetzt 
und die Last von 26500 Ztr. auf 18,50» gehoben, mit 5 Mann 
an jedem Hebel, zusammen 320 Mann; sind hierauf die dritten 
Sliulenstücke von 6,08» Höhe untersetzt und vernietet uud 
ist die Last von rund 28000 Ztr. auf 21.80» gehoben, so kön- 
| nen die Fusstücke der Säulen, welche noch 3,35» hoch sind, 
unterstellt, uud die nun fertigen Säulen in ihre Futiplatten 
eingestellt werden. Diese sämratlichen Operationen dürfU-u 
imch eine Zeit von 6 Wochen in Anspruch nehmen. Während 
dieser Zeit wird das Mittclgerüste, welches ciue Höbe von 48» 
erhält fertig, auf demselben wird der Druckring dei Haupt- 
daches montirt, uud während die 30 Stück Radial sparrou zwi- 
schen Druck und Zugring des Uauptduches eingesetzt werden, 
kann gleichzeitig mit der Montirung der Laterne, welche 18,t> m 
hoch wird uud einen Durchmesser von 32,4» erhält vorgegan- 
gen werden. 

(Aus der Zeitscbr. d. Oestcrr. Ingen.- u. Archit-Vcr. No. IX.) 



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— 271 - 



Aus der Fachliteratur. 

Die Anerolde von Naudet und Ctoldsohmid. Ihn- Ein- 
richtung uud Theorie, ihr Gebrauch und ihre Leistungsfähigkeit 
beim Höbenmesscii und Nivcllireu. Von Jos. llbltschl. Wien 
1872. 2 Thür. 

In dem Artikel «Ueber das Höhenraessen mit dem Holoste- 
rique- Barometer* in der Bauzeitung No. 20 empfahl ich das 
Werkeben .Das Höheninessen mit Metall - Karometern von Pro- 
fessor J. Höltschl". Der Herr Verfasser dieses Buches machte 
mich nun auf Rein neueres umfassenderes Werk über diesen 
Gegenstand »Di« Aueroi'de von Naudet und von Goldschinid" 
aufmerksam, und will ich nicht unterlassen, den Fachgenossen, 
welche diese Art der lliibcumessuug kultiviren, dasselbe ange- 
legentlichst zu empfehlen. Das Buch bildet eine weitere uud 
umfassendere Ausführung der frühereu Schrift, bietet jedoch 
ausserdem eine reiche Fülle neuerer Erfahrungen uud Studien, 
auch ist die beigegebene Barometrische Uöhcntafel durch Be- 
rechnung der Differenzen für 0,1 """ Buroiueterstaud wesentlich 
bequemer geworden. Uanz neu ist dasjenige, was der Verfasser 
über das Ooldschmid'sche Aueroid bringt. Die anscheinend so 
glückliche Idee, die Bewegungen des DoseudeckeU durch eine 
Mikrometerschraube zu messen, bat sich leider in der Ausfüh- 
rung nicht bewahrt, wie wiederholte Nivellements mit einem 
solchen Instrumente gezeigt haben. 

Besonders lehrreich für den praktischen Vorgang beim Ni- 
vellireu mit Uolosteriques ist das auf Seite 1ÜS ff. vollständig 
dargestellte Beispiel eines wirklich ausgeführten Nivellements. 
Der Verfasser unternahm dasselbe zum Zwecke einer Eisenbabn- 
Tracirung, uud wühlt in seinem Buche denjenigen Theil des 
IS Meilen langen Nivellements, welches die europäische Wasser- 
scheide zwischen Donau und Elbe zu überschreiten hatte, wel- 
cher in einem Nebenflüsschen der Tbaya liegend ein sehr all- 
uiäligca Gefälle hat und daher für die Lotirung mittels Aueroid 
besouderc Schwierigkeiten darbietet. Dieselben sind jedoch 
glücklich überwunden und sogar geringe Gefalle von 8 und 
ü Wicuur Fuss, welche fast allein iu zwei Mühlwchrcn liegeu, 
ganz richtig ermittelt wurden. 

Bei dieser Gelegenheit möchte ich noch einiger Momente er- 
wähnen, welche ich einer brieflichen Mittheilung des Herrn Pro- 
fessor Höltschl verdanke uud deren Berücksichtigung sich bei 
deu Arbeiten mit dem llolostcriquc sehr empfehk-n dürfte. Bei 
geringen Höheu uud wenn nur einige wenige Puukte iu nicht 
zu grosser Entfernung zu machen sind, empfiehlt es sich, das 
lnstrumeut fort und fort im ganz geschlossenen Etuis zu tragen, 
damit Fehler in der Temperatur des Instruments unmöglich ge- 
macht werden können. Das Instrument wird nämlich in dem 
uus Leder gefertigten, mit Sammet ausgelegten Etuis ziemlich 
lange eine ganz konstante Temperatur behalten. 

Die Lufttemperatur muss duun durch dus besonders bei- 
gegebene Thermometer bestimmt werden. Wird zu diesem 
/wecke das Thermometer au einen Stock befestigt und dieser 
einige Male rasch durch die Luft geschwenkt, so nimmt das 
Thermometer recht bald die Temperatur der umgebenden Luft 
an. Bei geringen Höhendifferenzen kann man die Bestimmung 
der Lufttemperatur auch ganz bei Seite lassen, da die Korrek- 
tion des Fehlers für dieselbe nur '/.»« der gemessenen Höhe 
für 1« Celsius ist, mithiu für 100- erst 0,2 ■ erreicht. Bei um- 
fassenden Aufnahmen empfiehlt es Bich jedoch dringend, das 
Instrument ausserhalb des Etuis an seinem Ringe zu tragen, da 
dann Instrumenten- und Lufttemperatur dieselbe sein wird, 
mithin die Bestimmung der letzteren nicht gesondert vorgenom- 
men zu werden braucht. Es ist dabei natürlich vorausgesetzt, 
dass das Instrument weder den direkten Sonnenstrahlen noch 
dem Einfluss des kalten Bodens, Steins etc. ausgesetzt wird, 
liegen Erste re schützt ein Schirm, gegen den Andern das Unter- 
legen des Etuis. 

Um zu zeigen, welche Genauigkeit mit einem Holosterique 
zu erreichen ist, theile ich einige der eigenen Praxis entnommene 
Angaben mit. Die Höhen wurden sowohl bei Gelegenheit all- 
liner Terrainstudieu durch barometrisches als auch durch 
.tes Nivellement mit einem Fernrohr-Libelleu-Iustrumeut er- 



der | 



Grenzstein 2 
Durch lass 



Stat 44 
Grenzstein 3 
Stat. 42 
Stat. 40 
Stat. 28 

Die Uebereinstimmung ist eine solche 
des Aueeroid- Nivellements wohl in allen 



Aueroid , 

70,4 
70,4 
71,0 
08,0 
84.» 
fei 
73,» 
80,2 
87,7 
84,5 
83,5 
91,4 
82.Ü 



Direkte »Ittlltmtul. 



J 70.C7 



«j,ü7 
84,23 
79,23 
74,12 
79,16 
S5,»2 
83,54 
»3.28 
91,22 
83,2;» 

dass die Richtigkeit 
Fällen für generelle 



Terrainstudien, wo es nur darauf ankommt, Bich für diese oder 
jene Trace zu entscheiden, genügen wird. 

Für diejenigen Kollegen, welche auch die Leistungen des 
instrumenta in rein wissenschaftlicher Beziehung keuneu zu 
lernen wünschen, wird die akademische Schrift des Vicc-Adnii- 
rals Wüllerstorf-Urbair von Interesse sein. Derselbe hat darin 



Expedition niedergelegt und zieht daraus deu Schluss, dass, 
weil das Quecksilber-Barometer den Einwirkungen der Schwere 
auf das Quecksilber nicht entzogen werden kann, das Aneroid 
aber, vermöge seiner luftleeren Büchse, dieser Erwirkung nicht 
unterworfen ist, es möglich sein müsse, durch vergleichende 
Beobachtungen an diesen Instrumenten die Abplattung der 
t Erde und die Eblie und Fluth des Luftozeans, oder mit andern 
Worten die Einwirkung der Anziehungskraft der Sonne und des 
Mondes auf denselben zu messen. E. F. 

Zeitschrift für Bauwesen, redüzirt von Erbkam. Jahn;. 
1872. Heft IV bis VII. ^ K 

B. Aus dem Gebiet des Hochbaues. 
) 1) Der neue Berliner Viehmarkt nebst Schlacht- 
, haus-Anlage. Mit Zeichn. auf Kl. !»— 18 und 1 Tafel im Text, 
von Hrn. Haumeister A. Orth in Berliu. Schluss der im ersteu 
Hefte dieses Jahrgangs begonneneu umfangreichen Publikation, 
ül>er die wir demnächst gesondert berichten. 

2) Die luhalationshalle des Militair-Kurhauses 
Wilhelms-Heilanstalt zu Wiesbaden, mit Zeichnung auf 
Bl. 27, von Hrn. Reg.- und Baurath A. Cremer in Wiesbaden. 
Das kleine zwischen Wohu- und Badehaus eingezwängte, mit 
beiden durch bedeckte Flure verbundene Bauwerk, eine Halle 
von 3,00 »> Weite uud 16,32™ Lauge ist zum Einathrueu der 
heisseu Dämpfe des unter dem Fusst.oden eingeleiteten Tbertnul- 
wassers, sowie als Wandelbahu für die Kraukeu der Anstalt be- 
stimmt. Pfeiler und Gesims sind von Sandstein, die Füllungen 
der Felder, soweit dieselben nicht verglast sind, von rotheni 
Bleudsteiumauerwerk errichtet, die Decke mit Hülfe ornameu- 
tirter Anker nachlNigie gewölbt. Ob die architektonische uud 
technische Bedeutung des Bauwerks eine Veröffentlichung iu so 
grossem Muasstabe rechtfertigt, wollen wir dahingestellt sein 
lassen. 

3) Die Akustik grosser Räume mit speziellem Be- 
zug auf Kirchen, mit 5 Bl. Zeichnungen im Text, von Hrn. 
Baumeister A. Orth iu Berlin. 

Die Abhandlung ist ein erweiterter und mit erläuternden 
graphischen Darstellungen versehener Abdruck des Vortrages, 
welchen der Herr Verfasser — einer der wenigen Architekten,' 
die dem schwierigen Studium der Akustik mit Ernst näher ge- 
treten sind — am ». Dezember v. J. im Architekteuvereiue zu 
Berlin gehalten hat. Wir gaben damals eine kurze Notiz über 
die von ihm gefundeneu Resultate, die wir au dieser Stelle ver- 
vollständigen. Zu einer eingehenderen Bearbeitung des Themas 
für dieses Blatt empfiehlt es sich, das Ergebnis« der Unter- 
suchungen abzuwarten, welche von Seiten der Akademie der 
Wissenschaften in Berlin eingeleitet Bind. 

Die Studien uud Forschungen des Verfassers fussen im 
Weseutlicheu auf der von C. F. Laughans in seiner 1810 er- 
schienenen Schrift »Ueber Theater oder Bemerkungen über 
Katakustik- gegebeneu Grundlage — einer Grundlage, die Lang- 
haus selbst nach weiteren 50jährigen Beobachtungen uud Erfah- 
rungen als unverändert richtig und zutreffend anerkennen 
konnte. Die Methode desselben ist die. dass mit Berücksichti- 
gung der wissenschaftlichen Gesetze des Schalls Untersuchungen 
über die Ursachen schlechter, beziehungsweise guter Akustik 
vorhandener Räume angestellt werden, auf (iruud deren es als- 
dann möglich ist, ein l rtheil über die Akustik anderer Räume 
nicht nur in diesen selbst, sondern bereits aus den Zeichnungen, 
also dem Projekte, zu gewinnen uud dieses demgemäss zu ge- 
stalten oder abzuändern. 

Die physikalischen Gesetze, welche hierbei in Betracht kom- 
men, sind vorzugsweise das über die Reflexion des Schalls, wo- 
nach die sogenannten Schallstrahleu, d. h. einzelne in Betracht 
gezogene Richtungen des Fortschritts der Schallwellen, von 
einer Mache unter dem Einfallswinkel zurückgeworfen werden, 
und das über die Intensität des Schalls, wonach der Schall bei 
cerade fortschreitenden Schallwellen nach dem Quadrate der 
Entfernungen abnimmt, beziehungsweise auf eine cutsprechend 
grössere Fluche sich vertheilt. Hiernach lassen sieh in der 
Zeichnung eines Raumes von einem bestimmten Punkte aus die 
Ueflexiouen der Schallstrahleu graphisch konstruiren, während 
die Stärke derselben nach den zurückgelegten Wegen zu be- 
rechnen ist. Unter der Annahme eines realen Maasstubes, den 
der Verfasser nach seineu Erfahrungen so bemisst, dass für eiue 
Entfernung von 10» vom Schallcrzeugungspunkte eiue Fläche 
von 0,1«' tan oder 0,01 n» als normal in Betracht gezogen 
wird I , stellt derselbe jedoch auch die luteusität de« Schalles au 
bestimmten Punkten anschaulich derart dar, dass er die nach 
obiger Annahme crinittelteu Flächeu graphisch aufträgt. 

Es ist dabei angenommen, dass Schallwellen, welche sieh 
schneiden, ihn? Bewegung über den Durchschuittspuukt fort- 
setzen, so dass nicht etwa eine Konzentration verschiedener 
Schallstrahleu iu einem sogenannten Brennpunkte dort eiue neue 
Schallquelle erzeugen kann. Interfereuzerscheinungen iu Be- 
tracht zu ziehen, hält der Verfasser für praktisch überflüssig, 
da sie durch einen eiureln Sprechenden kaum und höchstens 
für einen einzelnen Punkt erzeugt werden können. Hingegen 
ist die Diffusion der Schallstrahleu durch rauhe reflektirende 
Oberflächen, welche eine grössere oder geringere Abschwächuug 
derselben bewirkt, sehr bedeutend zu berücksichtigen da sie 
in einzelnen Fällen das nächstliegende Mittel an di'e Hand 
giebt, akustische Störungen zu beseitigen. 

Dj? einzige in Betracht zu ziehende Ursache schlechter 
Akustik eines Raumes ist uach den Untersuchungen von Land- 
haus und denen des Verfassers eine Reflexion von Schallwellen, 



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diu innerhalb eines bestimmten Zeitunterschiedes nach den 
direkten ScbaUstrahlen das Ohr des Hörers treffen uud von 
diesem als Nachhall oder Echo vernommen werden ; anstatt des 
Zeitunterschiedes fuhrt man Jedoch für die graphische Ermitte- 
lung zweckmässiger die Differenz des in der entsprechenden 
Zeit von dem direkten und dem reflektirten Schallstrafalo von 
dem Schallerzeugungs- bis zu dem Beobachtungspunkte zurück- 
gelegten Weges ein. Die Aufgabe der praktischen Akustik 
fusat weseDtueh auf einer Kenntniss der Urenicn, in welchen 
eine solche Differenz schädlich und störend wirkt. Dieselben 
sind nach den Beobachtungen des Verfassers, der in dieser Be- 
ziehung von Langhans etwas abweicht, so anzunehmen, das* 
eine Wegdifferenz von b bis 7m nicht nur keine Störung, sondern 
unter Umstanden sogar eine günstige Verstärkung der direkten 
durch die reflektirten ScbaUstrahlen bewirkt; bei geriuger In- 
tensität kann die Differenz noch etwas grösser sein, doch ist 
ein Maass von 10" unbedingt zu vermeiden. Andererseits ist 
als die Grenze, über welche hinaus die Intensität der reflektirten 
Scbalistrablen so gering wird, da*» dieselben unberücksichtigt 
bleiben können, eine Wegdifferenz von 60 bis 70 ^su betrachten. 

eintretenden akustischen Verhältnisse erläutert der Verfasser: 
a) Die Akustik der Decken, die bei Theatern die Scball- 
wirkung für die oberen Hänge noch unterstützen können, wäh- 
rend sie bei Kirchen meist so hoch liegen, dass von einer sol- 
chen Wirkung nicht die Hede sein kann, während die üefabr 
eines Nachhalls oder gar Echos droht; es kommt also darauf 
an die von der Decke reflektirten Schallstrahh-n, mittels welcher 
auch nur der ober« Theil der Wände einen störenden Einfluss 
ausüben kann, möglichst zu zerstreuen und unschädlich zu 
machen. Eine Vergleichung verschiedener Deckenformen durch 
Konstruktion der Schallstrahlcu ergiebt, dass Decken in Form 
eines Segmentbogens , bei welchen die reflektirten Strahlen am 
Direktesten in den Kaum zurückgeführt werden, am Ungünstig- 
sten und zwar um so ungünstiger sind, je annähernder der Ge- 
wölbemittelpunkt in der Höhe des Fussbodens liegt Gerade 
Decken sind günstiger, jedoch durchaus nicht so vortheilhaft 
wie Tonnengewölbe; sie wirken meist weniger schädlich wegen 
ihres den Schall abschwächenden Heizmaterials und der grossen, 
beziehungsweise geringen Höhe der Räume. Auch spiubogige 
Gewölbe können sich mit dem Tonnengewölbe nicht messen, 
werden jedoch meist durch das Relief der Gurte und Kippen, 
sowie durch die Busenwölbung der Kappen, welche aussordent- 
lich vortheilhaft wirkt, verbessert Bei Kuppeln ist im Allge- 
meinen anzunehmen, dass sie akustisch um so günstiger wirken, 
je kleiner der Kadius ihrer Wölbung ist, doch kommt bei ihnen 
die Anordnung des Tambours, dem ein den Schall stark zer- 
streuendes Relief zu geben ist, wesentlicher in Betracht Kas- 
setten, zumal wenn sie senkrecht eingeschnitten sind, sind weder 
bei einem Kuppel- noch bei einem Tonnengewölbe akustisch 
vortheilhaft; es empfiehlt sich, sie durch relieflerte Verzierun- 
gen unschädlich zu machen. 

b) Die Aku stik der Wände erfordert eine nicht minder 
sorgfältige Untersuchung wie die der Decken , denn es sind in 
vielen Fällen die akustischen Störungen innerhalb eines Raumes 
mehr dem Einflüsse der Wände als dem der Decke zuzuschrei- 
ben. Da die allgemeine Anordnung der Wände mit besonderer 
Kücksicht auf akustische Wirkung selten wird erfolgen können, 
so bandelt es sich praktisch meist darum , diejenigen Thcile 
derselben, von denen schädliche Schallstrahleu redektirt werden 
können, durch eine entsprechende Gestaltung der Uberfläche 
unschädlich zu machen. Wesentlich ist hierbei die Höhenlage 
der Schallquelle. Die Theile oberhalb derselben sind weniger 
zu berücksichtigen, da es selten vorkommt, dass sie akustische 
Störungen verursachen können, doch ist zuweilen ein Streifen 
oberhalb der Emporenbrüstung, sowie im Interesse des Kanzel- 
redners die in gleicher Höhe mit diesem liegende Brüstung 
selbst mit starkem Relief oder durchbrochen herzustellen. Am 
Gefährlichsten ist diejenige Wandzone, welche unterhalb der 
Schallquelle und zwar über dem Ohr der Hörer bis etwa zur 
Hälfte der Höhe von diesem bis zur Schallquelle liegt; dieselbe 
ist durch Reliefbekleidung und starke Prohlirung, etwa durch 
Nischen mit kleinerem Halbmesser, möglichst unschädlich zu 
machen, eine kassettenartige Profilirung jedoch zu vermeiden. 
Besonders vorsichtig muss man bei Grundrissformen von bogen- 
förmiger Gestalt sein. Gerade Flächen an Pfeilern sind gleich- 
falls möglichst zu beseitigen. 

c) Einwirkungen der Fläche und des Materials auf 
die Sehallzorstreuung. Dieselben sind oben schon theil- 
weise berührt doch kommen noch die Einwirkungen in Betracht 
welche ein Material, das durch den Schall in elastische Schwin- 
gungen versetzt wird, also z. B. Holz- oder dünne Metall- und 
Marmorplatten, auszuüben im Stande ist. Solche Schwingungen 
entziehen dem Sehallstrahle, der sie erzeugte, einen Theil seiner 
Stärke, werden jedoch selbst zur Schallquelle und sind, wenn 
sie in unmittelbarer Nähe der Hauptquelle erzeugt werden, im 
Stande, diese in günstiger Weise zu verstärken. Es sind gerade 
diese Verbältnisse diejenigen, über welche am Wenigsten Erfah- 
rungen vorliegen und die daher am Meisten einer Feststellung 
durch wissenschaftliche Untersuchungen bedürften, für welche 
der Verfasser einige Fingerzeige giebt. 

d) Den Schalldec kel. Derselbe ist als Mittel zur Ver- 



besserung der Akustik schon lange im Gebrauch, jedoch meist 
rein empirisch uud ohne nähere Ueberlegung angewendet 
worden, während seine Grösse und Form in jedem einzelnen 
Falle durch Konstruktion genau für die Verhältnisse des betref- 
fenden Raumes zu ermitteln sind und auch bei Auswahl de« 
Materials eine sorgfältige Ueberlegung stattfinden muss. Der 
Verfasser, der in letzter Beziehung namentlieh einer Anwen- 
dung des polirten Marmors das Wort redet, giebt für die Ver- 
stärkung des Schalls mittels eines Deckels einige interessante 
Beispiele. 

Die praktische Anwendung seiner theoretischen Unter- 
suchungen für bestimmte Fälle Führt derselbe schliesslich vor, 
indem er einmal die akustischen Verhältnisse der von ihm ent- 
worfenen und erbauten Ziouskircbe in Berlin, welcher er eine 
sehr günstige akustische Wirkung vindizirt, sodann die der 
Nikolaikirche in Potsdam, von der das Gcgentheil bekannt ist, 
einer speziellen Erörterung unterwirft Eine Beobachtung der 
faktisch erreichten Erfolge wird nach Vollendung der Zionskirche 
eine interessante Gelegenheit bieten, den Werth jeuer Erörter- 
ungen auf die Probe zu stellen. Jedenfalls steht wohl auch ohne 
dieselbe fest, dass Uro. Orth für die Hingabe, mit welcher er 
sich diesem so wenig gepflegten und doch so überaus wichtigen 
Gebiete gewidmet bat, der lebhafte Dank aller Fachgenossen 
gebührt. Ein grosser Erfolg, den er bereite jetzt erreicht hat, 
iRt mindestens der, die Erkenntnis« desselben in wirksamerer 
Weise gefördert zu haben, als dies die Vertreter der abstrakten 
Wissenschaft, welche nach weitläufigen theoretischen Erörter- 
ungen schliesslich doch nur die roheste Empirie empfehlen, ver- 
mochten. Möge sein Vorgehen die Anregung dazu geben, dass 
forthin recht viele Kräfte an der LöBung der Aufgabe sich be- 
theiligen. 

4) Die Baudenkmalo Umbriens. in. Assisi, mit Zeich- 
nungen auf Bl. .19 bis 41 : von Hrn. Architekt Paul Laspeyres. 

Her zweite Abschnitt der verdienstvollen Arbeit, deren 
Werth und Bedeutung wir bei Besprechung des Anfangs bereits 
gewürdigt haben, ist der berühmten Staut des heiligen Pran- 
ciscus und der heiligen Clara gewidmet — unter den italienischen 
Städten eine derjenigen, die äusserlich den Typus des Mittel- 
alters am Unverfälschtesten sich bewahrt hat Neben den Resten 
des Alterthums, unter denen die Vorhalle des Minerva- Tempels 
die besterhalteudstc Tempelfront aus dem Alterthum in ganz 
Italien ist, werden die wichtigsten kirchlichen Bauwerke de* 
Mittelalters, der Dom S. Rufiero, Sa. Maria Maggiore, S. Stefano, 
Pietro, Francesco uud Sa. Chiara, sowie einige Profanbauten der- 
selben Zeit eingehend beschrieben und theil« 



Konkurrenzen. 

Konkurrenz für Entwürfe zu einem Nationaldenkma\ 

auf dem Niederwald. Der geschäftsführende Ausscbuss des 
zur Errichtung des Denkmals gebildeten Komites hat unter 
dem Datum des 6. August d. J. eine Bekanntmachung erlassen, 
in der als die nach dem Preisausschreiben (No. 9, S. 7i u. Ztg. 



alin. 5) noch näher zu bezeichnende Adresse, an welche bis zum 
1. September d. J. die konkurrirenden Modelle oder Zeichnun- 
gen einzuschicken sind, die Königliche Akademie der 
Künste zu Berlin genannt wird, in deren Räumen demnächst 
die öffentliche Ausstellung stattfinden soll. Die Kosten für die 
Hin- und Rückfracht aller bis zum 1. September unter der Be- 
zeichnung .Konkurrenz-Entwurf zum National-Denlunal auf dem 
srwald- e 



Nieder 

fonds 

Der von uns im Namen einiger Facbgenossen geäusserte 
Wünsch, dass der Schlusstennin der Konkurrenz mit Rücksicht 
auf die verspätete Lieferung eines Situationsplans hinausge- 
schoben werden möge, hat demnach keine Berücksichtigung ge- 
funden; soviel uns bekannt ist haben allerdings mehre Künstler 
es sich angelegen sein lassen für ihren Entwurf spezielle Stu- 
dien an Ort und Stelle zu machen, und dürfen wir also immer- 
hin auf ein erfreuliches Resultat der Konkurrenz rechnen. 

Dem deprimirenden Gerüchte gegenüber, dass zur Errich- 
tung des Denkmals bis jetzt kaum so viel Gelder beigesteuert 
seien, als zur Deckung der Kosten der Konkurrenz erforderlich 
werden, und dass daher das ganze Projekt voraussichtlich eben 
so scheitern würde, wie es anscheinend mit dem Projekte des 
Scblossplatz-Monumentes für Berlin der Fall Ut, wird die An- 
zeige des Komites befriedigen, dass der bis jetzt 
Fonds bereiU liOOOO Thlr. beträgt Es ist dies alle 
nicht der vierte Theil der in Aussicht 
von 250000 Thlr., es darf Indessen wohl erwartet werden, dass 
nach Feststellung eines bestimmten Planes für die Form des 
zq errichtenden Denkmals die Sammlungen erst ihren eigent- 



Personal - Nachrichten. 

Preuasan. 

Ernannt: Der Wasserbaumeister Hartmann zu Coblenz 
zum Wasserbau-Inspektor in Wesel. Der Bau-Inspektor Alsen 
zu Swinemünde zum Ober-Bau-Inspektor bei der Königl. Regie- 
rung in Danzig. Der Bau • Inspektor Benoit 
Hafenbau-In spektor in Swiu emüude. 



Hierzu eine Holzschnitt -Beilage: 



Entwarf zu einem ParlatnenUgebäude für 
Facade nach dem KOnigsplatze. 



Reich von L. Bohnstedt. 



■C TM Ctrl B..1IH Ii 



od Oibr<4ir Flek.rlt. 1 



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Jahrg. IL JE 34. 

DEUTSCHE BAUZEITUNG 

Organ des Verbandes 

deutscher Architekten - und Ingenieur-Vereine. 

Redakteur X. E. 0. FriUch. 



iU4iktloa o. Xxpeditim 

Berlin, »«, «... I»l. 

Bettelluafen 



»nd BurSahniLiliiai.s, 
tur UrrlM) .1 « k.p-Mmn 



Inierate 

f»r Mt Lrirr »er •«■Uchea 
Hu»IHn( Bnrtpn AiifnihM 
in der «irMI- - HrlU.r : 
„B»u- Anzeiger" 
ttNMMWfM »Vi »«* pr» 



Preis 1 Tkaler »ro tiarlal. 


Berlin, den 22. Anglist 1872. 


Rrtrhf lat Jedem Dannrrsta*. 


In tibi t: Für Krlu* eineti deu Uchea Piunl^rttti««. — Au» Kopmha,tTU 
und der nordischen Induetne und Km) • Aiuatellratag. — M i tt heil un fi« n tu* 
Vereinen; OesterreichUcfaer Ingenieur* und Architekten • Verein tu Wien. — 


OatprennLcher Inu-mrar • und A 
rntur: Die fteverteha'le. - l'erl 
kam n. 


rchileHen -Verein. - A« der F.rhlUte- 
onnl-Nlchrieliteii, Brief- und Fr.go- 



Für Brlat» eiaes deutschen Pateatgeseües. 

(Schlot*.) 

Patentgesuche und Verfahren darübor. 



jji 21. Wer um eiu Patent nachsuchen will, muss dies 
schriftlich in deutscher Sprache bei dein Patentamt« thun und 
da» Gesuch in doppelter Ausfertigung überreichen. Die eine 
Augfertigung wird mit der Beachoinigung über die Zeit der 
Kinreichung versehen zurückgegeben. Das Patentgesetz muss 
den Gegenstand des Patentes möglichst genau, aber kurz 
bezeichnen. Daneben niuss eine Gebühr von 5 Thlr. für die 
Trüfuug des Gesuches eingezahlt werden. Sodann muss dem 
Pateutgcsucbe in deutscher Sprache eine Beschreibung beigefügt 
werden, welche den Gegenstand, für welchen der Patentschutz 
begehrt wird, vollständig und deutlich dergestalt darlegt, dass 
danach von jndem Sachverständigen die Ausführung erfolgen kann, 
auch die Punkte, die als neu in Anspruch genommen »erden, 
bestimmt hervorhebt. Soweit dies zur Deutlichkeit niithig ist, 
siud der Beschreibung Abbildungen, Modelle oder Probestücke 
beizufügen. 

§22. Entspricht das Patentgesuch den formellen Vor- 
schriften nicht, so ertheilt das Patentamt einen Bescheid, worin 
auf die Mängel aufmerksam gemacht und deren Erledigung in 
bestimmter trist vorgeschrieben wird. Erfolgt die Erledigung 
der Mingel in der vorgeschriebenen Frist, so bleibt die Prio- 
rität des ursprünglichen Gesuches gewahrt. 

§ 23. Das formell richtige Patentgesuch wird von dem 
Pateutamto in dem Amtsblatte des Patentamtes abgedruckt. 
Dancbeu ist die dem Gesuche als Anlage beigefügte Beschrei- 
bung uebst Zeichnungen ebenfalls abzudrucken und als Anlage 
des amtlichen Blattes an die dazu bestimmten Behörden zu ver- 
Diese sind gehalten. Jedermann die Einsicht kostenfrei 
tteu. Auch kann Jedermann eiu Exemplar gegen Er- 
_ der Druckkosten, soweit der Vorrath reicht, andern- 
falls gegen Erstattung der Kopialien erhalten- Die Kosteu für 
den Druck des Patentgesucbes und der amtlich zu verfliegenden 
Anlagen hat der Patentsucher nach näherer reglementarischer 
Bestimmung zu tragen. 

$ 24. Das Patentamt ist verpflichtet, wenn da« Patent- 
gesuch nach der Ansicht des Patentamtes zur weiteren Verfol- 
gung sich nicht eignet, vor der Bekanntmachung (§ 30) dorn 
Antragsteller den Rath zu erthoilen, dass er das Gesuch fallen 
lasse, und eine Frist vorzuschreiben, innerhalb deren der An- 
tragsteller sich zu erklären hat, ob er den Autrag verfolgen 
will. Erklärt der Antragsteller Innerhalb dieser Frist, dass er 
seinen Antrag aufrecht erhalte, so wird das weitere Verfahren 
nach $ 28 eingeleitet, jedoch bei der Bekanntmachung des Pa- 
tentgesucbes zugleich veröffentlicht, dass dem Antragsteller die 
Verfolgung des Gesuches widerrathon sei. 

§ 25. Dom Patentsucher ist gestattet , bei Eiureichung 
Heines Gesuches zu beantragen, dass die Veröffentlichung drei 
Monate lang ausgesetzt bleibe. Das Alter des Patentgesuches 
richtet sich nichtsdestoweniger nach der Zeit der Ueberreichung. 

§ 2ti. Frühestens drei und spätestens sechs Monate naen 
der Bekanntmachung des Pateutgesuchs im amtlichen Platte hat 
der Pateutsucher das Recht, unter Einzahlung einer Abgabe von 
zehn Thalern auf die Bewilligung des Patentes anzutragen. <Er 
muss dabei dem Patentamte den Nachweis führen, dass der 
Gegenstand des Pateutes im deutschen Reiche ausgeführt und 
in Gebrauch gekommen ist. Das Patentamt kann die Frist von 
sechs Monaten in besonderen Fällen um längstens eiu Jahr ver- 
längern. Ueber den Antrag auf Krtheilung des Pateutes hat 
das Patentamt (vergl. jedoch § 28) zu entscheiden und das Pa- 
tent entweder abzuschlagen oder zu bewilligen. Jedermann hat 
das Recht, dem Pateutamtc Grüude gegen die Zulässigkeit der 
Patcntertheilung behufs Berücksichtigung bei dieser Entschei- 
dung vorzulegen. Das Patentamt kann die behufs seiner Ent- 
scheidung ihm erforderlich scheinenden Untersuchungen anord- 
nen oder dem Pateutsucher die Beibringung von Nachweisen 
oder Abstellung von Mängelu aufgeben. 

§ 27. Der Patentinhaber ist verpflichtet, dem Patentamte 
die für die fortdauernde Gültigkeit seines Patentes geforderten 
zu liefern. 



Klagen anf Erthciluug und Aufhebung von Patenten* 
§ 28. Gegen das Patentamt findet eine Klage Statt, wenn 
dasselbe ohne rechtmässigen Grund die Ertheilungdes Patentes 
abschlägt oder den Patentschutz entzieht. Du Patentamt ist 
betugt, im öffentlichen Interesse auf Aufhebung eines ertheilten 
Pateutes Klage zu erheben. Endlich kann Jedermann durch 
Klage ein crtheiltes Patent anfechten. Zu Gunsten der Kläger 
wird in diesem Falle entschieden, wenn sich herausstellt, dass 
das Patent überhaupt^ nicht hätte ertheilt werden sollen, oder 
dass der Kläger die Erfindung oder Entdeckung, für welche das 
Patent ertheilt wurde, gleichzeitig oder früher gemacht hat. 
Diese Eutscbeidung hat zur Folge, dass das Patent dem Kläger 
gegenüber unwirksam bleibt. Das Patentamt kann der Klage 
eines Dritten beitreten und in demselben Verfahren die allge- 
meine Aufhebung des Patentes beantragen. 

Patentschutz. 
§ '£). Der Patentschutz erstreckt sich auf die ausschliess- 
liche Anfertigung oder Ausführung des Patentgegenstandes und 
auf den Handel mit demselben; bei Maschinell, Werkzeugen und 
Gerät hen, sowie bei Fabrikatiousuictbodcn iiiduBtriellerEwug- 
nisse auch auf die ausschliessliche Anwendung zu gewerblichen 
Zwecken. Den Patentschutz nach Maassgabe dieses Gesetzes 
geltend zu machen, ist lediglieh Sache des Patentinhabers: er 
kann, was er zu verhindern befugt wäre, beschränkt oder unbe- 
schränkt gestatten und dazu im Voraus verpflichten. 

§ 30. Patente, welche auf Verbesserungen an bereits paten- 
tirt*n Gegenständen ausgestellt werden, schlicssen die Befugni** 
auf Ausübung des bereits Pateutirteu nicht iu sieh. 

§ 31. Der Inhaber eines Patentes hat 1) gegenüber der 
deutseben Kriegs- und Marine-Verwaltung nicht das Rocht, der- 
selben die Benutzung seiner Erfindung zu verbieten; letztere 
ist jodoeb verpflichtet, nachträglich eine angemessene, vom Pa- 
teutgerichte nach billigem Ermessen festzusetzende Vergütiguug 
für die Benutzung der patentirten Erfindung »u zahlen. 2) Auf 
fremde Schiffe, welche sich in Gewässern deutscher Herrschaft 
betiuden, erstreckt sich das Recht des Patontinhalwrs auf Pa- 
tentschutz nur insofern, als die Erfindung oder Entdeckung auf 
denselben für Zwecke des Absatzes im deutschen Reiche ange- 
wird. 



Eingriffe in dag Patentrecht. 

§. 32. Wer das Recht des Patentinhabers oder 
Rechtsnachfolgers auf Patentschutz verletzt, ist dieselben zu ent- 
schädigen verpflichtet. Der Beschädigte kann vorlangen, dass 
anstatt auf Entschädigung auf eine ihm zu entrichtende Gcld- 
busse bis zu 2<)(M) Thlrn. erkannt werde. Die erkannte Geld- 
busse schliesst die Geltendmachung eines weiteren Entschädi- 
gungsanspruches aus. Wenn derjenige, welcher das Patentrecht 
verletzt hat, auf Grund entschuldbaren thatsächtichen Irrthums 
in gutem Glauben hundelte, so haftet er für den entstandenen 
Schaden nur bis zur Höhe der Bereicherung. 

§ 38, Der Anspruch auf Entschädigung, Geldbusse oder 
wegen Bereicherung kann mit keinem anderen Klageanspruch 
in demselben Verfahren kombiuirt und auch nicht als Wider- 
klage oder im Wege der Einrede geltend gemacht werden. 

§ 34. Darüber, ob ein Schaden entstanden ist und wie 
hoch sich derselbe beläuft, desgleichen über den Bestand und 
die Höhe der Bereicherung entscheidet das Gericht unter Würdi- 
gung aller Umstände naen freier Ueberzeugung. 

§ 3ö. Das Gericht kann auf Antrag des Klägers die geeig- 
neten Maassregeln treffen, um weitere Beschädigung des kläge- 
rischen Patentinhabers durch den Beklagten zu verhüten; diese 
Maassregeln können iu Androhung von Strafen und in der Ver- 
nichtung solcher Sachen und Vorrichtungen bestehen, deren 
Besitz bei dem Beklagten eine fernere Verletzung des Patent- 
rechts besorgen lässt. 

§ 36. Die Klage auf Entschädigung, Gcldbussc oder wegen 
Bereicherung verjährt rücksichtlich jeder einzelnen die Klage 
begründenden Verletzung des Patentrechtes in drei Jahren. 

§ 37. Wenn in dem Verfahren über diese Klage eine Frage 



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274 — 



zu entscheiden ist, welche iu erster Instanz vor das Reichs- 
oberhandelsgericht gehört, so hat das Gericht, sofern nach Lupe 
der Sache die Krage vorab entschieden werden muss, die Sache 
auszusetzen und zur Anbringung der Sache bei dem Reichs- 
oberhandelsgerichte der einen oder anderen Partei eine ange- 
messene Frist zu bestimmen. 

6 IIS. Sind technische Fragen, von welchen die Frage, ob 
der Verklagte wegen Verletzung des Patentrechtes zu verur- 
theileu sei, oder der Betrag des Schadens oder der Bereicherun« 
abbangt, zweifelhaft oder streitig, so ist der Richter befugt, das 
Gutachten Sachverständiger einzuholen. 

Schlussbestimmung. 

§ 39. Der Bundesrath wird mit Ausführung dieses Ge- 
setzes beauftragt. 

Von der Petition selbst ist am Interessantesten die Ein- 
leitung, welche eine Kritik der gegenwärtig bestehenden 
deutschen Patentgesetzgebung enthält. Wir tbeilen dieselbe 
wörtlich mit: 

„Die Reiehsverfassnng führt im Artikel 4 das Patent- 
wesen als Gegenstand der Reichsgesety.gebung auf; sie ver- 
heisst damit die einheitliche gesetzliche Regelung des Pa- 
tentwesens für das ganze deutsche Reich. Ein längerer 
Fortliestand der in den verschiedenen deutschen Einzelstaa- 
ten gegenwärtig bestehenden Normen, welche — ohne Zu- 
sammenhang und Prinzip — der Entwicklung der Gewer- 
bethatigkeit im deutschen Reiche den grössten Nachtheil zn- 
fügen, ist in der That uuthunlicb. Die in den deutschen 
Einzelstaaten nach den verschiedensten Grundsätzen er- 
theilten Patente gewähren nur in seltenen Fällen den be- 
treffenden Erfindern einen persönlichen Nutzen, spornen also 
die Erfindungsthätigkeit nicht an. Die grösstenteils: will- 
kürlich bemessene Patentdauer ist zu kurz; auch hat das 
Patent nur innerhalb der Grenzen des Patent ertheilenden 
Staates und nicht im ganzen Reiche Gültigkeit. Zur Ver- 
breitung nener technischer Gedanken tragen die Patente 
Nichts bei, weil die Patentbesch reibnngen in der Regel ge- 
heim gehalten werden, sie wirken also nicht befruchtend 
und anregend anf den technischen Fortschritt, sondern hem- 
men denselben in hohem Grade, weil Niemand weiss, was 



eigentlich patentirt ist und was nicht. Die Gewerbetreiben- 
den sind dadurch in einen ganz unerträglichen Zustand der 
Unsicherheit versetzt, welcher seinerseits wieder lähmend 
auf den allgemeinen Verkehr zurückwirkt. Es ist natürlich, 
dass dieser schlechte Zustand der deutschen Patentgesetz- 
gebung eine allgemeine Abneigung gegen die Ertindungspa- 
tente überhaupt herbeiführt und dass diese Abneigung sich 
besonders lebhaft in Preussen zeigt, dessen Pateutgesetz£e- 
hnng wohl unbestritten die schlechteste von allen ist. 

Der Verein deutscher Ingenieure schliesst sich deshalb 
mit voller Ucherzeugung dem weit] und namentlich in Preus- 
sen verbreiteten Wunsche an, die bestehende Patentgesetz - 
gebung baldmöglichst aufzuheben. Andererseits tritt er aber 
dem weitergehenden Verlangen, die Erlindungspatente über- 
haupt als gemeinschädlich und den Prinzipieu einer gesun- 
den Volkswirtschaft widersprechend gänzlich zu beseitigen, 
auf das Entschiedenste entgegen. " 

Nach kurzer Anführung der von den Volkswirthen der 
Manchester -Schule gegen die Patente erhobenen Vorwürfe, 
nach welchen diese allgemein schädlicher Natur, dem Er- 
linder selbst nicht nützlich, die Normen ihrer Ertheilnng 
aber in befriedigender Weise unmöglich gesetzlich zu regn- 
lircn sein sollen, geht die Petition dazu ül M -r, die Gründe 
für die unabweisbare Notwendigkeit der Erfindungs-Patente 
klarzulegen, und zitirt zu diesem Zwecke namentlich die 
Ausführungen eines Gutachtens, welches das Aeltesten-Kolle- 
gium der Berliner Kaufmannschaft im Jahre l*»>:i in dieser 
Frage abgegeben hat. Das Hauptgewicht wird in diesem 
wie in den darauf folgenden Erörterungen der Petition auf 
den Nutzen einer Veröffentlichung der Patentbeschreibungen 
gelegt. Zum Schlnss werden sodann die Nachtheile nach- 
gewiesen, welche der deutschen Industrie daraus erwachseu 
müssten, wenn in Deutschland dem Verlangen nach Auf- 
hebung der Erfindungspatente nachgegeben würde, während 
dieselben in anderen Staaten Europas, vor allen in Frank- 
reich und England erhalten bleiben. Den Schluss der Pe- 
tition geben wir wiederum nach seinein Wortlaute. 

„Die Konsequenz der bestehenden deutschen Gesetz- 



ter Mrdlscken 

tntdugi 

4ie StMaMpa Ml MM SIT. 

Wenige Länder sind in der Kenntnis» ihrer neueren archi- 
tektonischen Leistungen und Bestrebungen uns so fremd ge- 
blieben als die nordischen: Dänemark, Schweden. Norwegen, 
und doch sind die aus gemeinsamen Wurzeln eutsurosseuen und 
darauf zurückweisenden Lebensbedingungen und Gewohnheiten, 
sowie fast alle auderen die Bauweise bedingenden Umstände in 
vielen Punkten so verwandt mit den unsrigen, dass nach län- 
gerem Auseinandergehen es wohl im Interesse beider Theile 
läge von einander Notiz zu nehmen. — Politische Rücksichten 
haben wohl auf diesem Gebiete wie auf litterarisehem und wissen- 
schaftlichem die Entfremdung genährt und selbst einen fach- 
lichen Zusammenhang nicht aufkommen lassen, der gegründet 
auf gegenseitigen Besuch der Bildungsanstalten oft fernerstehende 
Länder zu verknüpfen im Stande ist. 

In diesem wenig fordernden Zustande muss daher die in 
diesem Jahre stattfindende nordische Ausstellung in Kopenha- 
gen als die Anregung eines besseren Einvernehmens angesehen 
werden, und wenn auch keine Einladung an das Ausland er- 
gangen ist, dieselbe zu beschicken, da sie nur die Thätigkeit 
der drei Reiche repräsentiren sollte, so wird der Besuch schon 
allein so viel zur Beseitigung mancher Unebenheiten beitragen, 
wie die Gastlichkeit und Annehmlichkeit Kopenhagens es auf 
einem anderen Gebiete mit manchem Vorurteil tliut; denn in 
allen Situationen erhält man den günstigsten Eindruck iu Betreff 
des Kulturzustandes der Bevölkerung, der wesentlich durch eine 
Menge Gesellschaften und Vereine, die bereits iu geregel- 
ten Verhältnissen lebend sich dem Allgemeinen widmen kön- 
nen, nicht bloss auf der Höhe, sondern in stetem Fortschritt er- 
halten wird. 

Es ist selbstverständlich, dass bei einer kurzen Schilderung 
der Eindrücke während eines flüchtigen Aufenthalts in Kopenhagen 
an dieser Stelle und vom Standpunkt des Verfassers das Archi- 
tektonische vorangeht: mit der Anregung zu selbstständigem 
Anschauen wird die Aufgabe erfüllt sein, ebenso werden die 
kurzen Bemerkungen über einzelne Zweige der auf der Ausstel- 
lung vertretenen Kunstindustrie nur denselben Zweck haben kön- 
nen, da das Schöne gesehen und nicht beschrieben werden will. 

Was zunächst die Gesammtdisposition der Stadt betrifft, 
so bat sich letztere aus kleinen Anfängen entwickelt. Uu- j 
mittelbar am Sunde und dem Kallebostrom , einem Arme des- 
selben gelegen, wurde sie aus einem Fischerdorf früh zugleich 

od nach den auch i 
des Königs, wel- 
. gettian), datirt die jetzige 
Gestalt der Stadt, die eine glückliche, durch Natur und Men- 
schenarbeit hergestellte Gruppirung der einzelnen Theile zu 1 
- der übewjchUiclisten macht. Nicht nur, dass die vielen , 



seiueu gelegen, wurde sie aus einem riscuerdi 
Handelsstadt, 14411 Residenz: seit 1G1S (und 
späterhin ausgeführten Plänen Christian IV., 
eher am meisten für die Baukunst gethan), < 



schimmernden Häfen und Seen schon eine angenehme Gliede- 
rung herstellen, so hat sich auch im Innern eine sehr ausge- 
sprochene Gruppirung der Verkehrswege und verschiedenen Vier- 
tel gebildet; mer die Gebäude für Kuustinteressen und für 
Sammlungen, dort ein Geheimrathsviertel oder Studentenquar- 
lier, alle in bequemer Verbindung mit den beiden sich reeht- 
winklich im Kongers Nitorp schneidenden Hauptverkehrsadern. 
Die innere Stadt nmschliessen augenblicklich noch die un- 
schätzbaren Festungswerke, welche die Kommune angekauft hat 
und zu öffentlichen Gärten und kleinen Stadtteilen umwandelt: 
dann folgeu in anmutigem allmätigen l'ebergang die Vorstädte, 
einerseits und namentlich am Meeresstrande die Villen, (wenn 
man die bescheidenen Häuschen der Reichen so nennen will), 
die Anfänge eines Arbeiterviertels, luftig und übersichtlich an- 
gelegt, andererseits nach Friedrichsberg hinaus grössere länd- 
liche Wohnhäuser für mehre Familien mitten im Grünen, 
kleine Gärtner-Etablissements etc., überall im bewussten Streben 
und fast immer mit sichtbar «elungenem Erfolg, die Ausdeh- 
nung der Grosstadt auch den Bewohnern zu Gute kommen zu 
lassen. Die zuerst erwähnten Villen sind, namentlich in weite- 
rer Entfernung, nieist nur für den Sommer- und Badeaufenthalt 
berechnet; ihre Lage — auf der einen Seite unmittelbar am Sund, 
der hier keine Dunen hat, sondern die Gärten und Felder be- 
spült, auf der anderen im Zusammenhang mit den tiefgrünen Bu- 
chenwäldern — kann nicht günstiger gedacht werden. Die archi- 
tektonische Gestaltung ist die allereinfachste. — Für bequeme Ver- 
bindungen ist durch alle zu Gebote stebeudeu Mittel zu Wasser 
uud zu Lande gesorgt, namentlich stellen in den vorhin er- 
wähnten Hauptstrasscn und am Bahnhof den Verkehr vermit- 
telnde Pferdebahnen eine immer bequeme Verbindung zwi- 
schen den entferntesten Puiiktcn her. Die Wagen siud kleiner 
als die Berliner, folgen sehr schnell auf einander, haben daher 
zu viel Weichen zu passireu um ein Maximum der Leistung v.u 
erreichen, und müssen bei dem auch sonst zu Tage tretenden 
Rechte des Individiums, welches zwar seine Befugnisse selten 
überschreitet, zu oft anhalten um Passagiere aufzunehmen. 

Mit der Einfachheit uud Plauuiässigkcit des Grundrisses 
der Stndt steht ihre architektonische Erscheinung im Zusam- 
menhang. Auch diese zeigt durchgeheuds Ordnung, Strenge 
und Einfachheit und eine gewisse Anspruchslosigkeit der Ge- 
staltung. Da die meisten älteren Gebäude durch die vielen 
Brände und Blokadcn zerstört sind, so hat die Stadt ein wesent- 
lich modernes Ausehen; die bisher sehr einfach erbauten Privat- 
gebäude tragen nicht dazu bei, ihr in dieser Beziehung archi- 
tektonisches Interesse zu verleihen, das sich mehr den Monu- 
mentalbauten zuwendet. 

Auch in diesen Gebäuden treten die wenigen älteren erhal- 
tenen Gebäude vor denen in diesem Jahrhundert erbauten zu- 
rück; sie harmoniren in ihrem meist etwas schweren klassischen 
Stil durchaus mit der eiufachen Umgebung und geben selbst 
für die neuesten Erscheinungen deu Grundton an, indem sie 
das Eindringen banaler Formen bindern, ohne dennoch gesunden 



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gebung nötigt in der Tbat zum Krluss eines Pateutgesetzes. 
Durch das Gesetz über den Schutz des litterarischen Eigen- 
tliuius und der Produktionen der Kunst ist im Prinzip der 
.Schutz des sogenannten geistigen Eigentums im deutschen 
(teiche anerkannt. Es ist kaum denkbar, dass iu einem 
Staate die Produktionen des Schriftstellers, des Künstlers 
gesetzlich gegen Nachahmung geschützt würden, während 
geistige Produktionen auf technischem Gebiete vollständig 
preisgegeben wären. Schon jetzt beklagen die Erfinder mit 
Hecht es als eine grosse Ungerechtigkeit, dass ihre Erfin- 
dungen — gewöhnlich das Produkt nicht nur langer geistiger 
Arbeit, suudern auch grosser Opfer au Zeit nud Geld — 
einen weit unvollkommeneren Schutz geniesseu als die geisti- 
gen Produktionen des Schriftstellers und des Künstlers; dass 
ihnen der Schutz willkürlich und nur selten zu Tbeil wird. 
Wollte man die technischen Erfindungen schutzlos machen, 
so würde die Konsequenz und der Grundsatz der Gloicb- 
mässigkeit des Rechtsschutzes verlangen, dass das geistige 
Eigentum in keinem Falle geschützt werde. Eine volks- 
wirtschaftliche Partei, welche den Patenten feindselig ist, 
führt als Grund dieser Anomalie an, dass bei einer Druck- 
schrift und einem Kunstwerk das Eigenthumsrecht leichter 

allgemein 

behaupten: auch bei einer Druckschrift und einem Kunst- 
werk ist es häufig schwer zu entscheiden, ob eine strafbare 
Nachahmung vorliegt; diese grössere Schwierigkeit wurde 
alier auch die gänzliche Entziehung des Schutzes nicht zur 
Folge haben können, sondern könnte nur auf die Art der 
gesetzlichen Regelung von Einflnss sein. Die volkswirt- 
schaftliche Partei, welche sich die Befreiung des Verkehrs 
von allen ihn drückendeu Fesselu zum Ziele gesetzt hat, 
übersieht im Eifer des Kampfes • — vielleicht uubewusst 
durch den Namen der Patente verleitet — dass sie mit der 
Befreiung des materiellen Verkehrs von den Patentschranken 
den freien Verkehr der Gedanken fesselt — 

Wenn wir uns der Hoffnung gern hingeben, dass der 
Hohe Bundesrat!! die wirtschaftlichen und politischen Mo- 
tive, welche für den Erlass eines befriedigenden Patentge- 



setzes sprechen, iu ihrer weittragenden Bedeutung würdigen 
wird, so verkennen wir doch selbst die grossen Schwierig- 
keiten nicht, welche einer gesetzlichen Regelung entgegen- 
stehen. Wir erkeunen selbst an, dass sämmtliche bestehende 
Gesetzgebungen nicht befriedigen, in der That steht in allen 
Ländern die Verbesserung der Patentgesetzgebung auf der 
Tagesordnung. Wir können aber nicht zugelwn, dass die 
Schwierigkeit, die Interessen des freien Verkehrs mit 
denen des Erfinders zu versöhnen, das Verlangen rechtfer- 
tigen könne, die Erfindungspatente ganz zu beseitigen. Es 
wäre dies einem anerkannten Bedürfnisse gegenüber gleich- 
sam eiue gesetzgeberische Baukerotterklärung. Solche würde 
man gewiss erst aussprechen dürfen, nachdem alle berufenen 
Kräfte nach eingehendem Studium der Sache die l'uuiög- 
lichkeit anerkannt hätten, eine befriedigende Lösung der 
Frage zu finden. Da die Schwierigkeiten der Sache grossen- 
theils darin bestehen, dass den Gesetzgebern die technische 
Seite der zu regelnden Frageu nicht bekannt ist, so hat der 
Verein deutscher Ingenieure geglaubt, dadurch die Sache zu 
forden), dass er eine Kommission beauftragt hat, unter Bei- 
stand befreundeter Juristen eiuen Patent-Gesetzentwurf aus- 
zuarbeiten. Das Resultat ist der dieser gehorsamsten Peti- 
tion beigefügte Entwurf nebst Motiven. Man hat dabei 
gesucht, möglichst objektiv zwischen den Interessen des ge- 
werbtreibenden und des konsumirenden Publikums und dem 
nothweudig deu Erfindern zu gewährenden Schutze zu ver- 
mitteln , den letzteren auf das zulässige Maass zu beschrän- 
ken und eine den Verkehr hindernde Ueberzahl werthloser 
Patente möglichst zu verringern. 

Wir scnliessen mit der Hoffnung, dass es dem Hohen 
Bundesrathe gefallen möge, der Industrie des deutschen 
Vaterlandes recht bald die Woblthat der durch die Bundes- 
verfassung verheissenen gesetzlichen Regelung des Patent- 
wesens zu gewähren, und mit der gehorsamsten Bitte, den 
in dem beiliegenden Gesetzent würfe niedergelegten Grund- 
lagen eines solchen Gesetzes eine wohlwollende Berücksich- 
tigung zuwenden zu wollen. * 



Fortschritt zu hemmen. — Die in den letzten Jahren erbauten 
öffentlichen Gebäude wie Privathäuser zeigen daher mit wenig 
Ausnahmen würdige Formen, aus gesunder Konstruktion entspros- 
sen, namentlich die neuen Ziegelrohbauten in ihrer Anlehnung 
au italienischen Backsteinstil; die Privatbauten haben fast 
immer eine anspruchslose Gestaltung beibehalten. Auf die Phy- 
siognomie der Geschäftsstrassen haben dio Loden und Schau- 
fenster einen grossen Einfluss, letztere sind iu den verkehr- 
reichsten Strassen sowohl für die Souterrain-Läden, wie für die 
im Erdgeseboss befindlichen angeordnet und nur durch eine 
schmale Zwischentbcilung getrennt Die Soutcrraiuläden stehen 
oft denen des Erdgeschosses an Eleganz nicht nach. Die meisten 
Häuser besitzen Schaufenster iu den gewöhnlichen Fensterdiuicn- 
siuuen.so dasn die leider bei uns kaum mehr auffallende Rücksichts- 
losigkeit in der Verwendung eiserner Stützen und Träger nicht 
zu findeu ist Wo solche angeordnet sind, ist ihre Theilung für 
die ganze Gestaltung der Facadc maassgebend gewesen und hat 
ansprechende Bauten bewirkt. 

Das Hauptbaumaterial ist neuerdings wieder Backstein, meist 
iu kleinstem Format Die iiitesten Gebäude wie die uuter Chri- 
stian IV., dem bauenden Könige entstandene Rosenborg, die Börse, 
iu der Architektur dem bekannten Frederiksborger Schloss ent- 
sprechend, zeigen die in jener Zeit übliche reiche Verbindung 
der aus Ziegelsteinen hergestellten Flfichenkompartlincntu mit 
den vielen vertikalen und horizontalen Hausteiugliederungen. 
Dann folgen die, an holländische Bauten erinnernden einfach- 
sten Ziegelsteinfacaden, ohne Architektur. Die Schlösser und 
grossen Gebäude aus dem vorigen Jahrhundert haben jedoch 
wesentlich Haustein verwendet und dio Flächen geputzt Ebenso 
sind die monumentalen Gebäude aus der ersten Hälfte dieses 
Jahrhunderts konstruirt. Erst in neueren Bauwerken tritt die 
Ziegelarchitektur wieder auf, entweder iu vollständiger Ausbildung 
durch Glasur und Formsteine etc. (Universitätsbibliothek, Natur- 
historisches Museum), in einfacher Gestaltung, wie bei den neue- 
ren Kirchen und Wohnhäusern, oder in Verbindung mit Hau- 
stein (Nationalbank). Die meisten Privatgebäude werden in sehr 
haltbarem Kalk- und Zement-Putzbau hergestellt. Ich mnss hier 
noch einiger Eigentümlichkeiten der Herstellung des Aenasern 
der Ziegeifaraden erwähnen. Die Ziegelsteine sind meist von 
rauher Oberfläche, die Kanten der Verblendsteine nicht über- 
mässig sauber. In richtiger Erkenntnis, wie namentlich bei 
kleineren Bauwerken durch eine grosse Fuge jedes architekto- 
nische Detail illusorisch wird, hat man immer nach dem Ver- 
streichen der Fuee mit einem Ziegelstein die ganze Fläche glatt 
abgerieben und dann diu Fuge mit einem Rundstab verseilen, 
ja oft diesen Rundstab in Relief aufgesetzt, in meist sehr un- 
haltbarer, und unangenehm ins Auge fallender Weise. Der Rund- 
stab der Fuge, und wohl auch hie und da das Abreiben der 
Flächen vererbt sich auf alle neuern Ziegelrohbauten und ver- 
leiht ihnen eine feinem Erscheinung, die mit den meist auge- 
weudeten feineren Gliederungen (diu Steine werden häufiger als 
bei uns der Dicke nach prolilirt) durchaus zusammengeht Den- 



noch zeigen viele iu neuester Zeit aufgeführte Privathäuser in 
dem rühmenswerthen Bestreben der Einführung eines einfachen 
Backsteinbaucs einige nicht zu billigende Eigentümlichkeiten, 
die zum Tbeil jedoch noch aus älterer Zeit herübergenommeu 
sind; namentlich siud oft direkt dem Stcinbalkcnbau entnom- 
mene Formen, horizontale Architrave aus kleinen Ziegelsteinen 
aufwendet und wenig geschickt mit der meist rundbogigen 
übrigen Architektur verknüpft. Ja, bei dem gleich zu besprechen- 
nden neuesten Bauwerk, dem Industrie- Ausstellung. 1 ! • Gebäude, 
sind sogar die Quaderuugen des Unterbaues in Ziegelstein her- 
gestellt Aehnliche Anomalien finden sich hei vielen Gebäuden. 

Gehen wir uach diesen allgemeinen Bemerkungen zur kur- 
zen Betrachtung einzelner Bauwerke über, so müssen wir die 
schätzbare Grundlage anerkeunen. die iu der Kunstabtheiluug 
derAusstellung durch die Entwürfe älterer und neuerer Meister 
gegeben ist. 

Wir finden dort zuerst die Christiansborg- Schlossanlageu von 
Hausen (175H—1845), sowie das Rathaus von demselben, Ge- 
bäude von grossen ernsten Formen und wenig freien Details. 
Die lebenskräftige Behandlung der Antike, wie sie Thorwaldsen 
von seinem Gebiete aus auf die eesammte dänische Kunstbe- 
strebung verbreitet hat, suchen wir darin vergeblich. Es sei 
hier auch des Thorwaldsen-Museums erwähnt, erbant von Binds- 
boll (1800 — 56); dies Gebäude hat von jeher scharfen Tadel zu 
erdulden gehabt, und in der That steht es in der äusseren schwe- 
ren, düsteren Erscheinung mit seinem Zwecke, der Beherbergung 
anmutiger Kunstwerke, im Widerspruch. Manches trägt die miss- 
lungene Färbung dazu bei, noch mehr die gutgemeinte, aber in 
der grossen Ausdehnung langweilige Dekoration mit Sgraffittos, 
die an architektonisch ungünstigster Stelle, weil durch die Vertika- 
len-Gliederung nicht geteilt sondern unterbrochen, das Gebäude 
umgeben. Der Gegenstand der Darstelluug ist dio Ankunft Thor- 
waldsens iu Kopenhagen, Begrüssung durch dos Volk, die An- 
kunft seiner Werke- Für eine kleinere Ausdehnung und in klei- 
nerem Maasstatie würde diese Dekoration, die in ihren einzelnen 
Genrebildern oft sehr charakteristisch gezeichnete Gruppen auf- 
weist, nicht blos volkstümlich, sondern auch strengeren Anfor- 
derungen gerecht geworden »ein. Es kommt hinzu, dass die 
Technik der Herstellung in 3—4 Farben (die bis jetzt in 24 Jah- 
ren wem« gelitten haben) eine sehr beachtenswerte Leistung ist. 
Noch mehr zeigt diu Dekoration des Hofes, in derselben Tech- 
no 



nik , braun und weiss auf schwarzem Grund, in schön gezeich- 
netem und stilisirtem aufsteigenden Laubwerk die Lebensfähig- 
keit derselben. Im Innern, welches die Kunstwerke Thorwaldsens 
in guter Beleuchtung und angemessener Aufstellung enthält, stö- 
ren ebenfalls wieder die Farben; jedoch finden wir liier auch den 
Versuch, die ganz flachen Reliefs der Antike und der früheren 
Renaissance (wie Villa Madama) in Verbindung mit Farbe in die 
Dekoration einzuführen, wenn auch etwas unvollkommen gelöst, 
doch immerhin interessant und die Weiterbildung anregend. 

Von der Ausstellung älterer Werke wäre ferner das von 
Hetsch (1788-64) herrührende stoif klossiche, nicht ausgeführte 



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Die Oder als Schiffahrtsstrassf. 

Er Riebt vielleicht wenig Themata, über welche so viel 



gescuricben und debattirt worden ist, als über die Schiffbar- 
inarhung der Oder, und darf man wohl dreist behaupteu, 
dass aus der hierüber vorhandenen I.itteratur einige recht 
stattliche Buhnen erbaut werden könnten. Dessenungeachtet 
scheint die im Allgemeinen geltende Ansicht, dass Projekte, 
welche viele Jahrzehnte alt werden ohne zur Ausführung zu 
kommen, überhaupt niemals realisirt werden, im vorliegen- 
den Falle nicht bestätigt zu werden; denn es ist noch nie 
grössere Aussicht zur Erfüllung der in dieser Beziehung ob- 
waltenden dringenden Wünsche vorhanden gewesen als ge- 
genwärtig, iusofern einerseits der preussische .Staat jetzt in 
der Lage ist, namhafte Summen für diesen Zweck zn ver- 
wenden, andererseits durch das der Ausführung uahe Pro- 
jekt der Herstellung einer schiffbaren Verbindung zwischen 
'der Donau und der Oder die Schiff barmarhung der letzteren 
gewissermassen zur Notwendigkeit gemacht wird, wenn der 
preussische Staat von Oesterreich nicht überflügelt werden 
soll. Hierzu tritt noch der Umstand, das» der in ungeahnter 
Weise gewachsene Gütertransport aus Oberschlesien durch 
die vorhandenen Eisenbahnen kaum noch bewältigt wer- 
den und dass auch bei der Anlage neuer Konkurrenzbahnen 
eine erhebliche Ermässigung des hohen Eisenbahntarifs für 
Massengüter nicht erwartet werden kann, während derselbe 
durch die Schiff bannaehung der Oder auf den dritten Theil 
des gegenwärtigen Frachtsatzes reduzirt werden könnte. 

Wenn hiernach die Schiff barmachung der Oder zu einer 
dringenden und nnaufschieblicheii Notwendigkeit geworden 
ist, so dürfte es nicht überflüssig erscheinen, zwei Fragen 
nochmals einer kurzen Erwägung zu unterziehen, nämlich 
folgende: 

1. in welcher Weise dieses Projekt am zweckmässig- 
sten, am raschesten und am erfolgreichsten realisirt 
werden könnte; 

2. ob es gerathon sein dürfte, die Ausführung dessel- 
ben einer Aktiengesellschaft zu überlassen, oder ob 



es nicht besser sein würde, wenn der Staat selbst 
die Kealisirung und Ausnutzung desselben in Hän- 
den behielte. 

Für die Beantwortung der ersten Frage muss das Er- 
scheinen der Brochüre «die Schiff barmachung der Oder" von 
C. Fessel als ein Glück bezeichnet werden, da dieselbe un- 
streitig das gediegendste und beste Werk ist, welches bisher 
über den in Rede stehenden Gegenstand geschrieben wurde. 
Dieselbe beschränkt sich in anerkennungswerther Weise nicht 
darauf, Räsoniiements über den in Heile stehenden Gegen- 
stand zu geben, sondern beweist ihre Behauptungen durch 
Zahlen und Daten und gewährt demnach ganz vorzügliche 
Anhaltspunkte für die Ausführung des Projektes. Man darf 
hiernach die folgenden Behauptungen als unbedingt begrün- 
det annehmen. 

a. dass die Schiffharmachung der oberen Oder. d. h. 
der Oder oberhalb Breslau durch blosse Einschränkung mit- 
tels Buhnen nicht erreicht werden kann, wenn die not- 
wendige Herstellung einer durchgängigen Wassertiefe von 
mindestens 1,40" bei k I ei nem Wasserstande erzielt werden 
soll, selbst' wenn man die vorhandenen Regulirungswerke bis 
zu der überhaupt zulässigen Grenze verlängern wollte ; 

b. dass die schon häufig vorgeschlagene Anlage eines 
schiffbaren und durch die Oder zn speisenden Kanals neln-n 
derselben zwar ausführbar wäre, jedoch einerseits weit mehr 
kosten würde, als die Schiffbarmuehung des Stroms durch 
bewegliche Wehre, andererseits nicht so zweckmässig 
sein würde, weil dieser Kanal kürzere Zeit eisfrei sein würde 
als der Strom selbst, ferner weil hierdurch zahlreiche am 
Strome selbst gelegene Orte und Etablissements beeinträch- 
tigt werden würden, weil der Kanal sehr kostspielige Schutz- 
anlugen in Rücksicht auf die Hochgewässer erforderlich 
machen und beträchtliche Landflächen der Kultur entziehen 
würde, endlich weil hierdurch die Benutzung des Segels ganz 
unmöglich gemacht und die Schiffahrt durch die unvermeid- 



Projekt zum Umbau der großartigen und malerischen Räume 
eines im vorigen Jahrhundert begonnenen Pracht -Kuppelbaues, 
der Marmorkirche gegeuüber dem Amalicuplatz, iu eiu Museum, 
sowie die Entwürfe zur Kirche in Nerrebro in schlichtem stil- 
vollen Backsteinbau von Sorenseu (1825—07) zu erwähnen. 

Die Mehrzahl der von lebenden Architekten zur Ausstellung 
gesandten Werke besteht in fleis-sigeu und schönen Studieu 
nach einheimischen und italienischen Bauwerken ; ich muss auf 
ein näheres Eingeben verzichten, dagegen die Zeichnungen zu 
dem vorhin berührten Universität*- Bibliothek - Gebäudu, einem 
tüchtig durchgeführten , reichen Backstciubuu \on Herholdt, 
hervorheben , dem nur die beabsichtigte Verwandtschaft mit der 
daranstossenden Universität schadet. Dieses von Mailing 1831 
— 36 iu einer unnennbaren Bauweise errichtete Gebäude ist 
nächst dem bekannten Dracheuthurm der Börse, so wie dem der 
Kreiser Kirche wohl die einzige architektonische Extravaganz 
Kopenhagens, namentlich im Gegensatze zu der edlen Erschei- 
nung der daneben befindlichen , mit Recht berühmten Frauen- 
kirche von Hausen, welche die Erlöser- und Apostelstatuen 
Thorwaldseus enthält. 

Im Uebrigen ist von neueren Gebäuden zu erwähnen: das 
zoologische Museum, in schöner Backstein-Architektur von Han- 
sen, von dem der ausgestellte Entwurf zur Universität in Athen 
herrührt und dem wohl hauptsächlich der Fortschritt iu der Archi- 
tektur zu danken, das grossartige Gebäude der Ugc, in Backstein 
und Sandstein iu antiker Form, sowie die Nationalbank, letztere, 
die grossartigeu Verhältnisse römischer Paläste mit tüchtiger 
lombardischer Backste'marchitektur vereinigend und von grosser 
ruhiger Wirkung, zumal die bei unseren Bauken übliche Be- 
nutzung des Erdgeschosses zu hell zu erleuchtenden Geschäfts- 
Lokalitäten, die eine starke Durchbrechung der Mauerma<seu 
verlangen, dort nicht Statt hat. Die Geschäftsräume befmdeu 
sich eine Treppe hoch, und das Erdgeschoss — Tresore und un- 
tergeordnete Bäume enthaltend, in Grauitipiader aufgeführt, mit 
kleinen Fenstern durchbrochen, bildet den grossartigen Uuter- 
bau. Ferner der in der Ausführung der Fuudirung begriffene 
Theaterbnu nach den in der Ausstellung befindlichen 
von Dahlenip und Petersen, ein Bau in einfachen 
Rpnaissance-rormeu, der nach dem geschickten Grund- 
zu urtheilen, das Beste hoffen läast. 
Fassen wir noch einmal den Gesaniiut<indruck der modernen 
Bauausführungen zusammen, so tritt uns aus allen das Bestreben 
solider Ausführung entgegen; die Formen sind häufig typisch, 
und die Abgeschlossenheit der Bestrebungen ist auch hier er- 
kennbar. Mit Ausnahme von Italien hat kein anderes Land, 
zum Glück auch noch nicht Frankreich, es vermocht, die 
Architektur zu beeinflussen. Eine grosse Harmonie der Ge- 
summt -Erscheinungen ist das Resultat- 
Ich komme nun zum Ausstellungsgelände, dem jüngsten 
Bauwerke Kopenhagens. Erwähnt war schon, wie erfolgreich die 
alle Richtungen wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Strö- 
hens fördernden Vereine wirkten. Auch die Ausstellung 



ist der Arbeit eines solchen entsprossen. Sie ist wesentlich 
dem Vorgehen des Kopenhagener Industrie- und Handwerker- 
Vereins zu danken, der ein schon vor etwa 10 Jahren beabsich- 
tigtes Unternehmen hierdurch realisirte. Die Kommune hat zu 
derselben ein sehr günstig belegenes Terrain dem ebengenann- 
ten Verein für den Zeitraum von 28 Janren zu massigem Preise 
verpachtet. Der Vereiu gründete rine Aktiengesellschaft und 
diese baute ein Ausstellungsgehäude, welches auch für spä- 
tere ähnliche Zwecke dieneu und namentlich auch bazarartige 
Ausstellungen aufnehmen soll. — Wie aus der dargestellten Situ- 
ation zu ersehen, liegt das Hauptgebäude an der Hauptver- 
kehisstrassc Kopenhagen», dem Vcstcrbro: sehr geschickt sind 
die kleineren Gebäude auf einer gartenarttg terrassirtcu Bastion 
angeordnet und auch noch durch eine Brücke über den Wall- 
graben mit dem Hauptgebäude verbunden. 

Es bedurfte iu der That dieser günstigen Lage, weil die 
Anziehungskraft der Stadt, der Umgegend, der Museen viel- 
leicht mauchen Fremden zu sehr gefesselt hätte. 

Das umfangreiche Haupt-Gebäude, ein Werk des Architekteu 
Klein, bildet in der Gruudform ein Rechteck, welches einen 
glasbedeckten Hof umscbliesst. Die Form ist einfach, da das Ge- 
bäude später mannichfachen anderen Zwecken dienstbar «ein 
soll und daher besonders ausgebildete einzelne Räumlichkeiten 
nicht enthält; es ist in drei Stockwerke gegliedert, wovon zwei 
nur an der Vorderfront in die Erscheinung treten. Da man. 
um zu dem Ausstellungsraum zu gelangen, eine Treppe 
hinabzusteigen hat, hat man gleich beim Eintritt eine freie 
Uebersicht über den schönsten Theil der Ausstellung. Die Süs- 
sere Erscheinung ist eine sehr günstige; gute Verhältnisse von 
Eck- und Mittelbauten gliedern den Bau, nach der Stadtseite 
bildet des im dritten GeschosH aus Eisen und Glas hergestellt! 
Cafe eine ansprechende Unterbrechung. Das Material des Ge- 
bäudes ist ein unverputzter Backstein, die Kapitale und G i-sin.se 
sind Zement resp. Sandstein, der kleine Sockel Granit. Die 
Backsteinform ist, wie schon oben bemerkt, in manchen Punk- 
ten mehr traditionell klassisch, wie dem Stile des Materials 
entsprechend. Die arkadenartige Llofarchitektur ist ebenfalls 
Ziegelrohbau, aber hellgefärbt und von schöner Wirkung, di' 
in Etwas durch die von 'grossen eisernen Säulen gestützte Ei- 
seukoustruktion des Daches beeinträchtigt wird 

Die kleineren Gebäude, soweit sie Ausstellungsobjekte bil- 
den, sind iu malerischer Anordnung gruppirte Holzbauten, die 
in angenehmer Abwechselung nordische einfache und reiche Be- 
handlung des Holzes (meist Nadelholz) darstellen, wie nament- 
lich das Haus, welches die Schwedische Kuustabtheiluug enthält, 
als ein reizvolles kleines Bauwerk bezeichnet werden muss. 

Wir sind hieniit bereits dem Gebiete der Kunstindustrie nahe 
gekommen, welches ein Hauptelement der Ausstellung bildet, der 
Verarbeitung des Holzes. Daher vorher einige allgemeine Be- 
merkungen. 

<*<-hl«M fe'r ) 



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lirhen Reparaturen au den Schleusen häutig unterbrochen 
werden würde u. s. w. 

c, dass die Schiffharmachung der oberen Oder durch 
bewegliche Wehre nicht nur die Erzielung der obener- 
wähnten notwendigen Wasscrliefe ganz sicher verspricht 
-sondern auch in verhältuissiiiässig kurzer Zeit ausführbar 
ist und nicht allzu bedeutende (Geldmittel in Anspruch neh- 
men würde, welche durch eine sehr massige Schiffahrtsall- 
gabe vollständig verzinst werden könnten. 

l'uter diesen Verhältnissen wäre es nicht rathsam, für 
die Schiffbarmachung der Oder oberhalb Breslau eine 
andere Methode zu wählen , als die mittel» beweglicher 
Wehre. Ob hierbei anstatt der von Herrn Fessel pn.jcktir- 
ten Schleusen <lie in dem Artikel T Beitrag zur Verbesserung 
der Oderschiffahrt'* in No. 17 der Deutschen Bauzeitung pro 
1872 vorgeschlagenen Schiffsduichlässe mit Vortheil ange- 
wendet werden möchten, dürfte noch näher zu erwägen sein. 
Wenngleich hierdurch die Ausführungskosten vermindert 
werden würden, so darf nicht übersehen werden, da.vs die 



züglich ihrer Zahl zu vervollständigen und in ihrer gegen- 
wärtigen mit dem Mittelwasserstande nahezu über- 
einstimmenden Hohe zu verlängern, weil hierdurch 
das Mittelwasser- und Hochwasscrprotil zu stark, das Klein- 
wasserprofil dagegen zu wenig eingeschränkt werden würde. 
Es dürfte vielmehr rathsam sein, das Mittelwasserprofil 
in der vor längerer Zeit festgestellten und bei deu bisheri- 
gen Kegulinings- Arbeiten festgehaltenen Normalbreite un- 
verändert zu belassen resp. durch Herstellung der noch 
fehlenden Buhnen zu vervollständigen, dagegen ein neues 
Profil für die kleinen Wasserstände durch Anlage von 
langen Vorlagen vor deu vorhandenen Werken, sogenannter 
Kauschbuhnen, herzustellen, welche aus Sinkstücken oder 
Senkfaschinen anzufertigen und in ihrer Krone auf den ge- 
wöhnlich niedrigsten Wasserstand zu legen sein wurden. 
Das ganze Stromprofil würde hierdurch die nachstehend 
dargestellte Form erhalten, in welcher zur besseret! Verdeut- 
lichung die Höhen in weit grösserem Maasstabe aufgetragen 
siud, als die Längen. 




Schiffahrt durch die Anlage derartiger Durchlässe, zwar eini- 

beschleunigt aber aucli 
werden würde. 



i'h erschwert und gefährdet 



Was nunmehr die Schiffbarmachuug der unteren Oder, 
d. h. der Oder unterhalb Breslau anbelangt, so walten hier 
unstreitig wesentlich verschiedene Verhältnisse ob, welche 
die Frage nahelegen, ob hier nicht eine andere Methode der 
Schiffbarmachuug zweckmässiger sein würde, als die mittels 
beweglicher Wehre. Einerseits hat die Oder hier schon un- 
mittelbar unterhalb Breslau bei kleinem W asserstande eine 
nahezu doppelt so grosse Wassennenge als oberhalb Cosel, 
ferner ein geringeres Gefalle und gleichmässigere Wasser- 
stände; sie enthält hier gar keine festen Wehre und ein 
sandiges Bett ohne Biffe. Die Schiffbarmachuug derselben 
bis zu der notwendigen Wasseltiefe von 1,4»» bei kleinem 
Wasser durch weitere Einschränkung ist jedenfalls 
möglich und würde gegenüber der durch Stauanlagen fol- 
gende sehr schwerwiegende Vorzüge haben: 

a. den der Ik-schleunigung der Fahrt, da die Verzöge- 
rung durch die I'assiruug von Schleusen oder Schiffsdurch- 
lässen wegfällt; 

1). den der grösseren Billigkeit des Trans]K>rts, insofern 
die Strömung und der Segelwind benutzt werden können; 

c. den der unbegrenzten Vermehrung des Verkehrs, wuh- 
derselbe bei der I'assiruug von Schleusen gewisse Grenzen 
nicht übersteigen darf: 

«1. deu der geringeren Anlagekosten, da die bereits vor- 
handenen und mit bedeutenden Kosteu verknüpft geweseneu 
Kegulinings - Arbeiten hierbei vollständig benutzt werden 
können, was bei der SchitTbarmachung durch Wehre nicht 
der Fall sein würde; 

e. den Vorzug, dass die Entwässerung der niedrigen 
I-ändereien längs der Ufer nicht erschwert oder ganz be- 
hindert werdeu würde, was bei der Anlage von Stauanlagen 
zu befürchten sein würde. 

Bezüglich des Mittels zur Einschränkung des Stromes 
w urde mau zwischen Uarallelwerkcu und dem Buhnensvstcm 
zu wählen haben. Es ist nicht zu leugnen, dass durcli Pa- 
rallelwerke mit Hülfe von Baggerungeu eine sehr gleichmäs- 
sige Wasscrliefe erzeugt werden kann und dass die Scliiff- 
falirt hierdurch ausserordentlich erleichtert wird. Anderer- 
seits darf nicht unerwähnt bleiben, dass mau bei Anlaue 
um Parallel werken für alle Zeiten an die von vornherein 
festgestellte Profilbreite gebunden ist, auch wenn dicscll>c 
sich im Laute der Zeit als zu weit oder zu eng herausstellen 
sollte, ferner dass die Bäume zwischen den Parallelwerketi 
und den lleru bei Weitem schwieriger verlanden, als bei 
dem Buhueusystem, wodurch die Unterhaltungskosten der- 
selben sich wesentlich steigern, endlich auch, dass die erste 
Anlage der Parallelwerke bedeutend kostspieliger sein 
würde, als die der Buhnen, da dieselben mit Steinen gehörig 
befestigt werdeu müssten. welche gerade au der unteren 
Oder ausserordentlich theuer sind. 

Es würde hiernach wohl geratheu sein, zur Einschrän- 
kung des Stromes das Buhnensystem zu verwenden; jedoch 
würde es nicht zwec kmässig sein, behufs Erzeugung der 
uöthigeu Sehiffahrtstiefe die bereits vorhandenen Buhnen be- 



Die durch ein derartiges Einschränkungssystem zu er- 
zielenden Vortheile sind vorzugsweise folgende: 

a. dass die bereits vorhandenen Hauptbühnen, insoweit 
dieselben zweckmässig liegen und solide koustruirt sind, 
uanz unverändert bleiben, und die vorhandenen Vorlagen 
derselben zur Herstellung der Kauschbuhnen mit benutzt 
werden köunen; 

ß. dass die Einschränkung des Kleinwasserproßls nicht 
von vornherein bis zu der durch Berechnung festzustellenden 
Grenze getrieben werden muss, ."Mindern ohne jede Schwie- 
rigkeit vervollständigt werdeu kann, wenn sich das Bedürf- 
niss hierzu im Laufe der Zeit herausstellen sollte; 

X. dass die notwendige Wassertiefe von 1,40" für den 
gewöhnlich niedrigsten Wasserstand unzweifelhaft erzielt 
werden kann, da selbst durch eine bedeutende Einschrän- 
kung des Kleimvasserprolils der Abflugs der Mittel- und 
Hochgewässer nicht erheblich hehiudert wird; 

ii. dass die höchst w ünschenswerte Verlandung zwischen 
den Haupt buhneii durch die langen Vorlagen wesentlich ge- 
fördert werden wird; 

s. dass die Schiffbunuachung des Stromes durch die 
vorstehend beschriebene Einschränkungsmetode jedenfalls 
in kürzerer Zeit und mit geringeren Kosten auszuführen sein 
würde, als durch bewegliche Wehre oder durch Parallel- 
werke; 

C. dass die Vorfluthsverhältuisse der längs des Stromes 
gelegenen Bindereien hierdurch gar nicht alterirt und die 
für die Schiffahrt benutzbare eisfreie Zeit durch die Verstär- 
kung der Strömung zwischen den Rauschbuhnen jedenfalls 
verlängert werden würde, während dem I litttritt von Eisver- 
setzungen durch die Gleichmässigkeit der Strömung nach 
Vollendung des ganzen Werkes vorgebeugt werden dürfte etc. 

Nachdem in Vorstehendem der Versuch gemacht worden 
ist darzulegen, dass die zweck massigste Methode der Schiff- 
barmachuug der unteren Oder die Einschränkung 
des Stromes durch ein Buhnensystem sein würde, welches 
auch bei sehr niedrigen Wasserständen die nötige Wasser- 
tiefe erzeugen kann, ohne das Mittelwasser- und Hochwas- 
serprotil in nachtheiliger Weis« zu beschränken, während 
unzweifelhaft für die obere Oder die Anlegung beweg- 
licher Wehre der richtigste und geeignetste Weg zur Er- 
zielung der nötigen Schiffahrtstiefe ist so soll nunmehr 
noch die überaus wichtige Frage erwogen werden, ob es ge- 
raten sein würde, die Ausführung der Schiffbarmachuug 
der ganzen Oder einer Aktiengesellschaft zu überlassen, 
oder ob der Staat nicht besser tun würde, die Realisirung 
und Ausnutzung dieses grossartigen Unternehmens in seiner 
Hand zu behalten. 

Herr Fessel hat iu seiner wertvollen Brochüre die An- 
lagekosten der Schiffharmachung der Oder oberhalb Bres- 
lau zu 4 IlKHHKt 'Uli lr. und die Unterhaltungskosten incl. 
der Verzinsung des Anlagekapitals pro Jahr zu 2.SS.'i7. r > Thlr. 
berechnet und hat nachgewiesen, dass bei dem in sicherer 
Aussicht stehenden Wasserverkeltr von 2ä Millionen Zentner 
der überaus massige Zoll von 0,15 Pfennigen pro Zentner- 
meile eine Einnahme von .'51 2 'KH) Thlr. herbeiführen würde, 
wodurch selbst dann die Unterhaltungskosten gedeckt wer- 



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- 279 - 



den würden, wenn dieselben in Folge unvorhergesehener 
F.reignisse sich etwas liölior stellen »Ilten, als dieselben 
veranschlagt wurden. 

Die Kosten der Schiffbarmachung der unteren Oder 
dnrch das in Vorschlag gebrachte Buhnensvstem sind 
jjro Meile durchschnittlich zu 120000 Thlr.. also fiir 4H>. Mei- 
len zu 5 850 000 Thlr. zu veranschlagen. Hiervon ist der 
Werth der bereits vorhandenen und hierbei zu benutzenden 
Regulirungswerke mit mindestens 20OO00O Thlr. in Abzug 
zu bringen, so dass nur noch höchstens 4O00OOO Thlr. für 
diesen Zweck zu verausgaben sein würden. Die Unterhal- 
tungskosten dieser ]{egulirungsw r erke hat Herr Fessel zu 
hoch veranschlagt, insofern er vorausgesetzt hat. dass all- 
jährlich der Ii». Theil der Buhnen vollständig erneuert wer- 
den müs.ste. Diese Annahme mag bei unsolide erbauten und 
nicht gehörig unterhaltenen Werken zutreffen; dagegen lässt 
sich behaupten, dass zweckmässig und solide erbaute 
Regulirungswerke bei sorgfältiger Unterhaltung nur in 
seltenen Füllen eine vollständige Erneuerung milbig 
machen werden, zumal dann, wenn auf die Festhaltung der 
Verlandungen zwischen densellven möglichst hingewirkt wird. 
Hiernach dürften sich die Kosten der Unterhaltung "pro Jahr 
in folgender Weise ermitteln: 

1. Zinsen des Anlagekapitals, 5% von 

4000000 Thlr , 2<X»(KK» Thlr. 

2. für die nötbigen Erneuerungen und 
Wiederherstellungen an den Werken 
bei sorgfältiger Unterhaltung, und 
für die Räumung des .Strombetts, pro 

Meile 4000 Thlr. also für 48% Meilen 195000 „ 

3. für die Beaufsichtigung etc 1511)0 . 

im Ganzen .... 410000 Thlr. 

Nimmt man nun den ungünstigsten Fall an, das.s der 
Wassel verkehr auf der unteren Uder nicht bedeutender werde 
als der auf der oberen tider mit Sicherheit zu erwartende 
von 25 Millionen Zentner, und dass hier ebenfalls nur der 
sehr massige Zoll von 0,15 Pfennig, pro Zentnermeile er- 
hoben werde, so ergiebt sich eine jährliche Einnahme von 
rot. 50*000 Thlr., also ein Ueberschusa von nahezu 100,000 
Thlr. über die Unterhaltungskosten. 

Nach Vorstehendem würjtie die Ausführung der Schiff- 
barmachung der ganzen Oder ein gut rentirendes Unter- 
nehmen sein, selbst wenn der Wasserverkehr sich auch 
in Zukunft nicht höher steigern sollte, als dies im Vorste- 
henden angenommen ist. Wenn man jedoch erwägt, bis zu 
welcher ungeahnten Höhe der Gütertransport auf der ober- 
schlesischen Eisenbahn sich in verhältnissmässig kurzer Zeit 
gehoben hat, und dass nach erfolgter Schiffbarmachung der 
Uder der TransjKtrt der Massengüter unzweifelhaft zum weit 



überwiegenden Theile dem Wasserverkehr zufallen muss, so 
erscheint die Annahme nicht waghalsig, dass der Güter- 
transport auf der Oder sich im Laufe der Zeit vielleicht zur 
doppelten Höhe des den Berechnungen zu Grunde gelegten 
Quantums von 25 Millionen Zentner erheben dürfte, wodurch 
gleichzeitig auch die Zolleinnahme sich verdoppeln würde, 
wenn man es nicht vorziehen sollte, in diesem Falle den 
Zollsatz zu ermässigen. Dass es unter diesen Umständen 
nicht klug sein würde, wenn der Staat die Ausnutzung die- 
ses Unternehmens einer Aktiengesellschaft ülwrliesse. lieft 
auf der Hand, selltst wenn in letzterem Falle nicht auch an- 
derweitige Schwierigkeiten herlteigeführt werden sollten, in- 
sofern bei der Ausführung des in Rede stehenden Unter- 
nehmens sehr zahlreiche Interessen der adjazirenden Ort- 
schaften tangirt werden, für welche jedenfalls in mehr zu- 
friedenstellender Weis«; Sorge getragen werden würde, wenn 
der Staat selbst, die Schiffbarmachung ausführte, als weiui 
dies durch eine lediglich ihr eigenes Interesse im Auge be- 
haltende Aktiengesellschaft geschehen sollte. 

In vorstehendem Artikel ist bisher unerwähnt geblieben, 
dass die Schiffbarmachung der Oder ihren Zweck nur dann 
vollständig erfüllen würde, wenn gleichzeitig der vorhandene 
Kloduitzkanal zwischen Cosel und Gloiwitz erweitert und 
vertieft, und von Gleiwitz aus einige Zweigkanäle nach den 
Bergwerksdislrikten sowie nach der Weichsel hin angelegt 
werden sollten, um die Hauptprodukte Oberschlesiens mit 
geringen Frachtkosten der Oder zuzuführen nud eine schiff- 
bare Verbindung zwischen letzterer und der Weichsel her- 
zustellen. Die Kosten dieser Anlagen veranschlagt Herr 
Fessel zu 4505000 Thlr. und beweist, dass bei der Voraus- 
setzung einer Gilterbewegung von 25 Millionen Zentner nud 
einem Zollsatz von 0,2 Ff. uro Zeutnermeile die Unterhal- 
tungskosten einschliesslich der Verzinsung des Anlagekapi- 
tals gedeckt werden würden. Wenngleich nun also der 
Staat, wenn er alle diese Bauten selbst ausführte, pekuniäre 
Opfer nicht bringen würde, so dürfte es doch in mancher 
Hinsicht zweckmässig sein, wenn derselbe sich hier darauf 
beschränkte, den Klodnitzkanal umzubauen ; dagegen die 
Ausführung sammtlicher Zweigkanäle dem Privatkapital über- 
liesse, um rascher nnd ohne allzu bedeutende Ausgaben das 
angestrebte Ziel zu erreichen. Dass sich Gesellschaften zur 
Ausrührung dieser Zweigkanäle finden würden, vorausgesetzt, 
dass die vollständige Schiffbarmachung der ganzen Oder 
vorher gesichert sein sollte, steht ausser Zweifel, zumal dann, 
wenn der Staat eine gewisse Zinsgarantie übernehmen, oder 
einen Kostenzuschuss bewilligen sollte, was derselbe im In- 
teresse der stärkeren Fre<|Uentiruiut der schiffbar gemach- 
ten Oder und in dem der Hebung des obersehlesischen 
Bergbaues wohl thuu könnte und gewiss auch thun würde. 

Graeve. 



Mittheilungen aus Vereinen. 



Oeaterrelchlaoher Ingenieur • nnd Architekten -Verein 
zn Wien. 

Wochcnversainnilung am 23. März 1872: Vorsitzender 
Hr. Oberbaurath Fr. Schmidt. 

Hr. Professor Doderer spricht über seinen, von ihm zur 
Ansicht ausgestellten Entwurf zu dem Gebäude des General- 
Kommandos in Wien. Das vierstöckige Gebäude bildet ein von 
4 Strassen umgebenes Viertel von 53, II™ Breite und 78,05** 
Tiefe. Die Hobe desselben bis zum Hauptgcsiiuse betragt 2t>,87 ro . 
Der sehr regelmässige, auf möglichste Ausnutzung des knappen 
Baums berechnete Grundriss ist derart disponirt, dass im Un- 
tergeschoss Aktensäle, Räume für das Dienstpersonal und die 
Zentralheizung, im Krdgescboss und Mezzanin Kanzleien und 
eine llauptmauuswohuung, in dem 5,0H m hohen 1 Stock die 
Dienstwohnung des kommandireuden Generals von Wien, im 
zweiten und dritten Stock die Bureaus der Armee - Intendanz 
und der Militär- Baudirektion. sowie der obersten Militär-Ge- 
richtshöfe untergebracht sind. Zwei Haupt- und drei Neben- 
treppen vermitteln die Kommunikation. — Im Innern hahen die 
beiden überwölbten Vestibüle, der 144n iB grosse Repräsenta- 
tionssaal des Generals und der 34, 13"" lange, 22.71"« breite Hof 
eine bevorzugte architektonische Ausbildung erhalten. Die Ka- 
cade ist durch Zusammenfassen des Erdgeschosses und Mezza- 
nins zu einem tief gewunderten Unterbau, und des ersten und 
zweiten Stockwerks zu einer korinthischen Säulen- resp. Rilaster- 
Architektur im Wesentlichen dreigliedrig gestaltet. In der 
llauptfrout bildet sich zwischen den Eckrisalitou eine offene 
Kolonnade von 4 Axen, auf deren Gebälk sich Brouce-Trophäeu 
erbeben. Eine Dachbailustrade uud eine durch die Regelmäs- 
aigkeit des Grundrisses ermöglichte architektonische Ausbil- 
dung des Dachlirstes geben den oberen Abschluss. Die Gesimse 
werden von Haustein angefertigt, der Flächenschrauck und die ' 
Skulpturen bestehen aus Terrakotta; im Uebrigen kommt ver- | 
putztes Ziegelmaucrwerk in Anwendung. Vullondungstermin 1 



Ur. Ingenieur C. Kohn spricht über die Schulbildung im 
Mittelalter uud das Sehmiedehandwerk. Kr theilt in erster Hin- 
sicht u. A. mit, dass in Deutschland die erste bürgerliche, ohne 
Mitwirkung der Geistlichkeit gestiftete Schule 1257 zu Wien, 
die zweite 1252 zu Lübeck, die erste technische Lehranstalt für 
junge Handwerker im Anfange des 15. .Jahrhunderts zu Nürn- 
berg errichtet wurde: in zweiter Hinsicht erzählt er von dem 
hohen Bange, den die Schmiede seit Meister Tubalkain bei allen 
Völkern eingenommen haben, und verweist auf die künstlerische 
Bedeutung der mittelalterlichen Schmiedearbeiten. 

M onats-Versammlung am April 1S72; Vorsitzender 
Hr. Hofrath R. v. Enger th, anwesend 182 Mitglieder, 
Nach Verlesung des Geschäfts! 



,ut welchem seit 

dem 3. März 3li neue Mitglieder in den Verein eingetreten, 2 
ausgeschieden sind, werden verschiedene Wahlen zur Ergänzung 
des Schiedsgerichtes, für das Vortrags- und Redaktions-Komite 
u. s. w. veranstaltet. Für die Aufhebung des Hoffmann'^chen 
Ringofen-Privilegiums wird dem Hrn. Handelsmiiiistcr der Dank 
des Vereins votirt. 

Hr. Ingenieur W. Kanter, der seinerzeit unter dem Bau- 
direktor Presse! einen Theil der Vorarbeiten für die bosnische 
und rumelische Linie der türkischen Eisenbahnen geleitet uud 
dabei auch Land und I/eute eingehend studirt hat, spricht über 
Baudenkmale und Bauhandwerke in der europäischen Türkei, 
speziell auf dem Boden des alten Thraziens. Von Werken aus 
der Römerzeit und der byzantinischen Herrschaft sind fast 
nur Befestigungs -Anlagen und einige Grabmale erhalten; desto 
imposanter sind hingegen die Baudenkmale, welche seit der 
Besitznahme des Landes durch die Osmanen, namentlich zu 
Adrianopel, der Residenz der Sultane vor dem Falle Konstan- 
tino|K'ls, errichtet worden sind. Die prachtvollen Reste des 
alten Serails werden leider gänzlich vernachlässigt und drohen 
den Verfall, ebenso die grossartigeu Kaufhallen, das „Pesostan* 
und ,das Haus der Wechsler* ; d 
der Sultane Seiini, Mahmud 1. 



; dagegen sind die groaseu Moscheen 
1. uud Achmet vorzüglich erhalten. 



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Letztore drei Bauwerke, die der Ilerr Vortragende näher 
beschreibt,*) gehören tu dem Grossartigsten und Edelsten, was 
die arabische Baukunst überhaupt geschaffen hat Erwähnens- 
werth sind auch die grossen von Sultan Amurad angelegten 
Janitscharen - Khane an der Balkan -Strasse, sowie die trefflich 
ausgeführten, meist im Spitzbogen gewölbten massiven Brücken. 
Einen jj/rellcn Gegensatz zu der vortrefflichen Technik dieser 
alten türkischen Bauten bildet die Verkommenheit der der- 
nialigen Werkmeister des Landes. Nur die Steinmetzen, welche 
ausschliesslich Muhamedaner sind, haben sich einen Best der 
alten Tradition bewahrt, wenn sie auch meist nur Grabsteine, 
sowie Brunnen- und lud Einrichtungen anfertigen; dafür stehen 
die übrigen Bauhandwerker, meist bulgarische oder armenische 
Christen uud in eiuer Person Maurer, Zimmermann und Tischler, 
auf einer desto tieferen Stufe. 

Zum Schlüsse trügt Hr. J. G. Hai dy. Ingenieur-Assistent 
der Südbahn, über ciue von ihm erfundene Methode der Bebei- 1 
zung von Eisenbahnwagen mittels präparirter Kohle (sogen. 
Briqunttc-Kohlc) vor. Es ist diese Beheizung prinzipiell als die 
beste der gegenwärtig üblichen anerkannt worden , doch ist die 
in Norddcutschland eingeführte Anordnung, wonach die glü- 
henden Kohlen unterhalb der Sitze augebracht werden, sowohl 
bei Wagen III. und IV- Klasse wie bei Salonwagen und solchen 
mit Langsitzen nicht wohl anwendbar. Der Vortragende hat für 
diese Zwecke einen Vertikal -Ofen konstruirt, in welchem die 
Kohle mit einem von Oben nach Unten gerichteten Luftzuge 
verglimmt; für gewöhnliche Personenwagen wird das Heizma- 
terial von Oben, für Salonwagen jedoch von Unten eingebracht. 
Angestellte Versuche haben ein günstiges Resultat ergeben. 

(Schlott folgt.) 

Ostprenssisoher Ingenieur- und Arohltekten -Verein. 

Die Monatsversammlung am Donnerstag den -t. Juli wurde 
durch das Erscheinen der Damen in einen gemüthlichon Aus- 
flug nach Sanssouci verwandelt. 

Exkursion und 4. Generalversammlung am 20. und 
'21. Juli. Dem Programm gemäss trafen die Tbeilnchmer an 
der Exkursion am Sonnabend den 20. Juli, Mittags 12 Uhr in 
(iütdenboden zusammen, von wo man nach eingenommenem 
Frühstück über Pr. Holland noch Zölp fuhr. Das Mittagessen 
war im Garten arrangirt, wobei zugleich dem Kollegen, Baurath 
Steeuke, welcher am 15. Juli sein bO jähriges Dieustjubiläum ge- 



•) Vit nnchrclbeng In 
AbdriKka daa Vartnc» M '««dar Btetit » klar, da» ea rieh lohnte 
dat'rlbrn >u «aban. Ortrn dl« Maanaiifabci» . dl« allcrdlngi nur ahgnrhrmru 
»l»r abtataliäut «lud, hab*n wir «liii««. Wiwlrauan. Wann i. M. b*h»u|>ut wird, 
daaa dl» »!• Wunderwerke kühner und (rafSkliar K..n»ltiiktlotl bekannten tlliiaral« 
der Salin -ItaarhM mit Ihran dreifachen Trappen 90m H'die bal Um Uurrhmeaiar 
in dar Baals roeaaen, lo llatrt wohl doch ein lrrthum oder ein Druckfehler in 
Grunde; In dan Briefen an> der Türkei, die dar gtireu wärtla* acneralfeldmarKhaJI 
(traf V. alollko Im Jahre 1*41 TeiüffeaUtcat hat, werden }rar Dimensionen in über 
iOV «im alwa Um für dla Hüne, uad tu 11' = 3,in für de» uolarau. tu »• = 
a.in für d< 



Ans der Fachlitteratur 

Die Qewerbehalle, welche bei EDgelhorn in Stuttgart seit 
1863 erscheint, hat seit langer Zeit, besonders unter der tüch- 
tigen Leitung des bekanntlich von der Redaktion abgetretenen 
Professors Bäumer, eine grosse Verbreitung sowohl unter den 
Architekten als auch in den Handwerkerschulen Deutschlands 
erlangt. So erfreulich es nun einestheils ist, wenn gute Muster 
von Architekturtheilen, Möbeln, Schmuckgegenständeu etc., lehr- 
reiche Untersuchungen über den Zusammenhang von Konstruk- 
tion und Form ersterer, über das Vorkommen gewisser Orna- 
meuteutheile (wie z. B. im diesjährigen 5. u. C Heft über den 
„ Löwen in der Kunst" von C. Uhdu) etc., begleitet von meist 
trefflichen Illustrationen, durch die „Gcwerbetialle" in grossen 
Kreisen bekannt und benutzt werden, so dringend nothwendig 
muss es nndcrntheils erscheinen, dass die Redaktion eines der- 
artigen Blattes ganz besonders vorsichtig in der Aufnahm o der 
betreffenden Muster sei, dass sie niemals deren bringe, welche 
sich wie Lückenbüsscr ausnehmen oder welch« etwa aufgenom- 
men werden, weil sie in Paria zur Welt gekommen sind, und 
dass endlich niemals eine Darstellung darin Platz finde, bei 
welcher keinerlei Maasstab befindlich, bezw. kein Vcr- 
hfiltniss zur wirklichen Grösse angegeben ist. Ist letz- 
teres doch bekanntlich erste Bedingung für die Brauchbarkeit 
des Dargestellten im Kreise der Facbgenossen und besonders in 
dem des Kunsthandwerkes. 

Wir enthalten uns vorerst, des Näheren speziell darzuthun, 
in welcher Weise, namentlich im letzten Jahrgang der „Gewer- 
behallr" gegen diese Bedingungen gesündigt worden ist, und 
wünschen, dass die Redaktion derselben diese Bemerkungen 
lediglich als in ihrem eigenen Interesse liegend ansehen und 
baldmöglichst berücksichtigen möge. — Bei dieser Gelegenheit 
sei uns noch gestattet sie darauf aufmerksam zu machen, dass 
sie ihren „Detailbogen" eine weit grössere Brauchbarkeit für 
die Schüler geben könnte, wenn sie wiche nur auf einer Seite 
bedrucken lassen wollte, damit sie als Zeichen -Vorlagen aufge- 
zogen und besser benutzt werden könnten. ß. 



Personal - Nachrichten. 

Prcussen. 
In den Ruhestand treten am 1. Oktober: 



feiert hatte, vom Verein ein silberner Tafelaufsatz überreicht 
wurde. Nach fröhlichem Mittagsmahl dann General Versamm- 
lung; Vorsitzender Uerzbruch, anwesend 30 Mitglieder und mehre 
Gäste. 

Statt des verstorbenen Vorstandsmitgliedes Rosenkranz und 
des ausgetretenen Vorstandsmitgliedes Muyschcl wurden gewählt 
in den Vorstand: Maschinenmeister Wiehert und Schlossbau- 
inspektor Wolff (Königsberg). Als Mitglieder wurden aufgenom- 
men: Eiseubabnbauinspektor Massalsky (Mcmel), Ingenieur 
W. Müller (Königsberg), Ingeuieur J. Müller (F 
Wasserbauinspektor Krah (Tilsit), Vermcssungs-R 
(Sapunen). 

Hierauf: Dampfschiffsfahrt auf dem Röthlofsee und nach der 
Rückkehr Abbrennen von Theertonnen, Feuerwerk und Abend- 
brot im Garten. Um 11 Uhr wurde zur Nacht geblasen und 
nahm man die gastlich bereiteten Lager beim Kollegen Steenke ein. 
Am Sonntag den 21. Juli Fahrt per Dampfboot auf dem 
Oberländischen Kanal mit Besichtigung und Befahren der ge- 
neigten Ebenen von Zölp nach Elhing. 

M- • il - Versammlung am Donnerstag den 1. August, 
Abends 8 Uhr: Vorsitzender Herzbruch, anwesend 1'2 Mitglieder. 
In Betreff der auf der Exkursion nach dem Oberländischen 
Kanal bemerkten starken Abnutzung der Zähne in den Karom- 
rädern des Triebwerkes u. s. w. sprach Wiehert (Königsberg) 
sich dahin aus, dass diese starke Abnutzung wohl durch die 
ungleichmäßige fast stossweise Inanspruchnahme des Trieb- 
werks entstanden sei. In Veranlassung der vielfachen Verwen- 
dung von Zement zu ollen möglichen Zwecken, welche Steenke 
(Zölp) gezeigt hatte, bemerkten Hesse (Königsberg), dass für 
die Herstellung von Fussbüdcu, Estrichen in Pferdeställen und 
Maschinenwerkstätten Zement zu empfehlen sei. Die Haltbar- 
keit für letztere wurde bestritten und behauptet, dass solcher 
Estrich starke Stössc darauf fallender schwerer Körper nicht 
vertragen könne. Der Vorsitzende führte uu , dass der Wasser- 
gang auf den Decks der eisernen Schiffe aus Zement hergestellt 
werde und starke Stössc aushalte; es würde ferner an denjeni- 
gen Stellen im Schiff, wohin man mit Farbenanstrich schwer 
gelangen könne, Zementguss angebracht, um das Kosten des 
Eisens von Innen zu vermeiden. — Hesse (Königsberg) referirt 
danu über Anwendung von Sandpfählen im Moorboden zur Her- 
stellung eines Treideldammes am Oberländischen Kanal, sowie 
dass dieser Versuch dort gelungen sei. Derselbe besprach dann 
die zweckmässige Bedachung in hiesiger Gegend. — Für Städte, 
wo tüchtige Schieferdecker vorhanden seien, empfehle sich aller- 
dings Schieferdach, auf dem Lande dagegen das verschalte Dach 
mit holländischen Pfannen — Biberschwanzdächer hätten sieh 
hier nirgend bewährt. Letzteres wurde von verschiedener Seite 
bestätigt, jedoch andererseits angeführt, dass man das Eindecken 
der Biberschwanzdächer hier nicht verstehe, weil es hier au 
tüchtigen Dachdeckern fehle, während in anderen Proviuzeu 
sich solche Dächer vortrefflich bewährt hätten. 

Schluss-Sitzung um 9«/. Uhr. 



Kreis 



Schmidt 



Der Baurath 



Schonen zu Cöln und der 
Rotenburg (Rcg.-Bez. Cassel). 

Gestorben: Der Wasserbau-Inspektor Königk in Danzig 

Brief- und Fragekasten. 

Hrn. D. in Crefeld. Hrn. M. in Berlin. Ihre Anfrage 
ist in No. 33 d. Ztg. durch die unter dem Rubrum „Konkur- 
renzen* enthaltene Notiz beantwortet. 

Hrn. II. in Cöln. Ob Feldmesser zur Reserve des Eisen- 
bahn-Bataillons sich versetzen lassen können, ohne als Pionier 
gedient zu haben, werden Sie wohl nur durch Anfrage bei dem 
Frctreffcnden Bataillons - Kommando erfahren können. 

Hrn. A. B. H. in Liegnitz. Zu Spezialbriefen fehlt uns 
die Zeit. Vergleichen Sie. die Antwort im Fragekasten von 
No. 47, Jahrg. 71 u. Bl. 

Hrn. Sch. in Altena. Die Fabriken von H. Berg in Düssel 
dorf und J. U. Ueckert in Halle a. S. zeigen in unserem Bau- 
Anzeiger derartiges Glas an. 

H"rn- R. Sch. in Gotha. Wir wollten Ihrem Wunsche 
durch einen Aufsatz über Füll- uud Regulir-Ocfen entsprechen, 
können denselben jedoch leider iweh nicht erholten. Als der 
beste Füllofen ist der von Professor Meidiugor anerkannt. 

Hrn. L. in Schwerin, F. iu Crefeld. Es ist wohl genus 
der Beschwerden über die Rücksendung der Rcichstagshaus- 
Entwürfe an die Konkurrenten. Wenn bei derselben eine Mappe 
abhanden gekommen ist, so verschuldet dies nur das beim Eiti- 

Sacken beschäftigte Personal , während die unfronkirte Absen- 
ung der Behörde zur Last fällt. 

Hrn. L. in Berlin. Besten Dank für Ihre freundlichen 
Mittheilungen, die uns lebhaft interessirten. in unserer Ansicht, 
dass Dienstwobuuegen dieses Ranges nicht in ein monumentales 
Gebäude wie dos Reichstagshaus gehören, jedoch nicht wankend 
gemacht haben. Ihre Skizze bitten wir Sie in unserer Expe- 
dition wieder in Empfang nehmen zu wollen. 

Hrn. E. S. in Berlin. Publikationen über nötel-Anlagen 
finden Sie sowohl in der Ztschr. f. Bauwesen, wie in der Wiener 
Allgeni. Bauzeitung. Dass man Tanzsälo nach einem 
Fläeheneiuheitsatze pro tanzende Person bemisst, 
unbekannt 



I .... Carl Stallt, la I 



Druck i*a Uebrudar FiekaM La Batlla. 



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Jahrg. TL M 35. 

DEUTSCHE BAUZEITUNG 



■nun, Orulnutniui 101. 
Beit.llnnfH 
IhtrnehanHi «lle P«unn( 
•nd III : n-— r 1 



Organ des Verbandes 

deutscher Architekten - und Ingenieur-Vereine. 



in .ernte 



Tar di. Imi« 
BtiiUUant nnitn jUnuh» 



Redakteur K. E- 0. Fritscn. 



In der 6r.tit-Rell.re: 
„B»n- AaMignr" 

1% Nr. > 



Preis 1 Thaler pr» tiartal. 



Berlin, den 29. August 1872. 



Erscheint jeden Bsaaerstag. 



Inhalt: xvi. 

Karl.rnhe 1*1?. — Beitrag 
Knpcnhairefi und der nord 



chcti litdttttrt 



tr Architekten iiih! lanenl.iirit In 
Firliw rk'turf f 'SrlifnMl. — Aul 
imd Xuniit-AuHUlliuii: <Srhl»>). — 



rv"|" uua^rii uti'i uti iiviiiiwiicii inuimii« utm - r» »»«■■■■••»••■»» i i 

Mitthellunzen »■■ Vereinen: OMtecreichlKher Ingenieur- und Architekten. Fragcka. 
Ver.ln »u Wl.ii. Vermochte.: Znr angeküriten Beteirlinui»*; der m.trl- 



»eilen liuau und Gewichte. — Holihahnen. — B.u w I .ov ha 1 t Ii che I/It- 
l.ratur: Juli und Aufu.t 1RT2. - Kolikorr-men: Monat»- Aufgaben für den 
Arrhitekteu. Verein <tt Berlin. - Vr r.on »1 • N »ehr loh t en . - Brief- und 
I**. 



XVI. VenuuM.nBg Itatsraer Architekten und Ingenieure in Karlsrahe 1872. 

- -.4-»--* • 



PH (.GRAMM. 



5 Uhr 

9 Uhr 

10 , 

12 . 



Sonntag, 22. September: 

Abend«. Gesellige Zusammenkunft im Garten der 
GesellschaR .Eintracht", bei ungünstiger Witteruug 
im Saale. 

Montag, 23. September: 

Gesammtsitzung im grossen Saale der Museums- 
Gesellscbaft: Begrüssuiigen der Versammhing. 



Abtheilunga-Sil 
cums für 

1. Architektur, 

2. Bauinget ' 

3. Maschin. 
Gänge durch die 



iu Hörsälen des Polvtechni- 




a 

4 

4» 



5« 
7 



4. Marinetechnik. 

Hüttenwesen, 
6. Technische Chemie, 
n Polvtechnicum ab, in 
Abteilungen, welche durch verschieden farbige Fah- 
nen kenntlich gemacht werden: 

1. Architekten (roth): Besidenzsehloss. Wintergärten. 
Lehrerseminar, Tiiriilmllu, Saiiimluogsgebaudc. 

2. Bauingenieure (.bUo^ ^toeubtjhnwerkstaitei.. 

3. Maseliiuentediniker (gelb): Maschinenfabrik, 
Eisenbahnwagenfabrik. 

Kurzes Mittagessen in verschiedenen Lokalen der 
Stadt. 

Abfahrt vom Hauptbahnhof nach Maxan. 

Ankunft in Maxau. Besichtigung der Eiscnbahn- 

schiffbrücke, Anstellung von Beobachtungen über 

die Bewegung de* Wassers. 

Rückfahrt von Maxau. 

Ankunft am Bahnhof, Mühlburger Thor. 

, | Hauptbahnhof. 
Festvorstcllung im Hoftheater (freier Eintritt). Nach 



8 Chr 

II 40 . 
12 , 
12» „ 



gesellige 

September 



Zusammenkunft iu 



9 



H J p 

12 Ihr 

9 Uhr 
12 , 



Bcschluss derselben 
einer Bierhalle. 

Dinstag, 24. 

Abtlieilnngs-Sitzungen im Polvtechnicum. 
Abfahrt vom Hauptbühnhof nach Baden. 
Ankunft in Batten. Empfang der Gäste. 
Festlicher Zug durch einen Theil der Stadt. 
Einnahme eines durch die Stadt 
Frühstücks in der Trinkhalle. 
Spaziergang auf das alte Schloss (bei günstiger Wit- 
terung. Während des Aufenthaltes daselbst wer- 
den die Gesangvereine der Stadt Baden und eine 
Musikbande vortragen. 

Von 2 — <i Uhr stehen zur Besichtigung geöffnet: Die 
neue evangelische Kirche, Stiftskirche, griechische 
Kirche, das neue Schloss, Dampfbad, neue Kirche 
und Klosterkirche in Lichtenthai, die neuen Säle 
im Konversationshanse. 
Mittagessen im Konversationshausc. 
Beleuchtung und Musik vor dem Konversationshause 
(bei günstiger Witterung). ' 
Abfahrt vom Bahnhof in Baden. 
Ankunft iu Karlsruhe. 

Mittwoch, 25. September: 

Abtheilnngs- Sitzungen im Polytcchnicnm. 
Gesammtsitzung im grossen Saale der Museums-Ge- 



Lhr 



101« 



£8 



h 

10 

II in 



Seilschaft: Referate aus den Abtheilungen, Berathnng 
Bher die künftigen Beziehungen der Wanderver- 
summlung zum Verband deutscher Architekten- und 
Ingenieur -Vereine. Schluss der Versammlung. 
Festliches Mittagessen in verschiedenen Lokalen 
der Stadt. 

Festvorstellung im Hoftheater (freier Eintritt.) Nach 
Bcschluss derselben gesellige Zusammenkunft in 
eiuer Bierhalle. 

Donnerstag, 26. September: 

Ausflug nach Mannheim-Heidelberg. 
Abfahrt vom Hauptbahnhof in Karlsruhe auf der 
Rheinbahn. 

Ankunft in Maunheim. Gang durch den Schloss- 
garten zur Rheinbrücke und zum oberen Theil des 
neuen Hafens. Dampfbootfahrt längs der Mühlau 
bis zur Neckarspitze und die Neckar -Kor 
aufwart». Ausschiffung an der Kettenbrücke. 
Eiunahme eines durch die Stadt 
botenen Frühstücks. 
Abfahrt von Mannheim. . 
Ankunft in Heidelberg. Empfang am Bahnhof. 
Gang nach der Peterskirche, Jesuitenkirche, Neckar- 
brücke und zu den Alterthums -Sammlungen des 
Herrn Metz. Aufgang dureh den Hausse! 
zum Schloss und Besichtigung desselben 
Mittagessen in der Restaurationshalle am Schloss. 
Bengalische Beleuchtung des ganzen östlichen Theils 
der Schlossruine nebst Waldnarthie. 
Rückfahrt vom Bahnhof Heidelberg. 



Ankunft in Karlsruhe 

Ausflug nach Strassburg 
S* J Uhr Abfahrt vom Hauptbahnhof in Karlsruhe. 



1(1» 



II 

11*' 
12 



3 

.SS» 
11** 



Ankunft in Kehl. Pasairen der Eisenbahnbrücke 
zu Fuss. Begrüssung der Gäste im Elsass. Besich- 
tigung der Uferbauten. 

Frühstück im Lokal der Rheinlust am linken 
Rheinufer. 

Abfahrt von da auf der Eisenbahn. 
Ankunft im Hauptbahnhof zu Strassburg. Theilung 
in Gruppen, welche durch verschieden farbige Kar- 
ten und Fahnen kenntlich gemacht sind. Die 
Gruppen schlagen verschiedene Wege ein xur Be- 
sichtigung des Münsters, des Fraueahauses, der 
Thomaskirche, des Theaterbaues, der Kanalanlagen, 
eines Theils der Festungswerke. 
Gemeinschaftliches Mittagessen. 
Gartenfest in den Ctmtatlen. 
Abfahrt vom Hauptbahnhof in Strassburg. 
Ankunft in Karlsruhe. 



In Bezug auf die weiteren Details vervrciscu wir auf die 
Bemerkungen auf Seite 234 (No- 29) uns. Ztg. und fügen ala 
Nachtrag zu der in No. 31 gesehenen Liste der von deutschen 
Eisenbahn - Verwaltungen bewilligten Fahrpreis - Ermässigungen 
noch hinzu, dass die IHrektiou dur Main- Neckar • Bahn (Frank- 
furt a. M. — Heidelberg und Friedricbsfeld- Mannheim) den Be- 
suchern der Wanderversammlung freie Hinfahrt und freie 
Rückfahrt gewährt hat. 



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— 282 



Beiträge zur Tieerle der Feehwf rkitrigr r. 



(Set 



§. 7. GPSetZ dPS KlldfcllleS. 

Von den .'> UrvariaMen soll nun zunächst die Höhe r der 
Eudvertikale und deren Einfluss auf die Minimalform iu Betracht 
gezogen werden. Der Werth r ist enthalten iu Gleichuug V 
des £ I und in iIpi» (ileichungen IX, XIV und XV des vorigen 
Paragraphen. Man prliält also 

dS 7 , . . S.fjr- rl , 7 2r 



Fl«. 15. 




ganz symmetrische für beide Gurtungcn nicht 
Wird, tat bereit» aus Gleichung 2 erkennbar. 



Setzt 



4H 7 

TT; " ~ i« 

man, zur Gewinnung bestimmter Verhältnisse, 



+ -., (/» + -) + 



die 



schon iui vorigen §. verwandten Beziehungen 

p = 1 ; tat] und "i ~ 3 
ein, so wird: 

I) r = l:! 

d. h. : die Hohe der Endvertikale muss mehr als 7 mal geringer 
als die der Vertikale «r »ein. 

In Fig. 12 ist dies Verhältnis* aufgetragen, und es ist er- 
sichtlich, das» für die Praxis die Bedeutung der Gleichung I 

vis. 1°. Vis. II. Fi«. 14. 



Die vorstehenden Beziehungen sind zwar 
zunächst uur gültig für da« gewählte Bei- 
spiel: indessen ist eine allgemeinu Unter- 
suchung dcrscllten folgendermaasseu ohne 
Mühe augäuglich. 

Die Glieder des Trägers, auf welche r von 
Eiuflusa ist, Bind nämlich S, — tf, — I' und 
W. Der Werth für die«« Grossen drückt sich, korrespoudirend 
mit den Werthen in §- 1 und §. «, bei einem Träger mit n 
Fachen durch die Gleichungen aus: 

»-1 , . , b » 4- ftr - Q' 

» - 1 (p + ") 

2 ' u- 



3) 




0, 



Y 



<>, = (*■ -f F*) . 
ff - I 



(P + ") 



«r = 



I (» - l)' _ 

I in •'■ 



». - 1 



r + 




keine andere «ein kann, als dass die obere (iurtuug nach Fig. 13 
direkt mit der unteren zusammengeführt wird. Dem Sinne der 
Gleichung 1 mehr entsprechend würde zwar die Anordnung nach 
Fig. 1-1 sein; indessen muss hier der AuAagcrpunkt um so viel 
höher gelegt werdeu , wodurch «ich die Kosten des Pfeilerwerkps 
verhält nissmässig vergrößern. 

Ist die Wcglassuiig der Endvertikale einmal ausgesprochen, 
also Gleichung XIV §. 6 = Null geworden, so wird sich der 
(I — 

Werth l r entsprechend modifiziren, und zwar 
werdeu. 

Hiermit wäre (Fig. 15) das Endfeld eines Fachwerksträgers 
festgelegt, hei dem sowohl die untere, als auch die obere Gur- 
tuog eine polygonale Form erhalten sollen. Dass die Form eine 



Nimmt man nun die Ableitung der Gruppe '■< nach r und 
si-Ut dieselbe = Null, So erhält man: 

.. r » (p + s) — (ff — l f M -f -i 
' r ~ 4 « (p + s» 

Hetzt mau. um überschläglich zu beurtheilen, in wie weit 
Gleichung 4 mit n veränderlich ist. p — ff = *i, so erhält man : 

r « -}- j 

ir ' ~ 

Mit fallendem « wird allerdings etwas kleiner als ' , : 

rechnet mau indessi-u hinzu, dass iu solchen Fallen auch >r > p. 
also der Nenner de« Bruches wieder wesentlich vergn'tssprt wird, 
so kann für alle Fälle die praktische Regel festge- 
halten werden, dass r gegen tr verschwindet, d. b. 
beide Gurtungen ohne End vertikale zusammengeführt 
werden müssen. 

§. 8. 

Theoretische Ann&herungsfnrm für Träger kleinsten 
Gewichtes. 

Nach dem in f. 7 gewählten Vorgänge würde nunmehr noch 
erforderlich sein, die Ableitungen des Gcsaiumtgcwichtes der 



•2- Iudustrie-Abthl.: 



Als kepeifaagen ai4 der nordisrbrn ladistrie- u«d hui^t- 
Aiutrllunc;. 

Bei Besprechung dpr Ausstellung für Industrie und Kungt 
muss hier ebenso von der reinen Industrie wie von der Kunst 
abgesehen werden, nur die Kunstinilustrie, »"weit sie auf der 
Ausstellung durch anregende chIit gediegene Leistungen Gelegen- 
heit dazu bietet, kann in Betracht kouimcu. 

Wie schon erwähnt, ist das Ausland zur Beschickung nicht 
eingeladen worden, ohne dass eine solche für hervorragende 
ueue Leistungen gerade ausgeschlossen war. Es hat den Wink 
verstanden uud unter ca. 3700 Ausstellern sind nur -'s Aus- 
länder (6 Deutsche), die, wo sie bemerkbar sind, hei der aus- 
gesprochenen national • nordischen Tendenz sieb sonderbar genug 
ausnehmen. 

Es gruppiren sich die Zahlen wie folgt: 

I. Kuust-Abtheilung: Dänemark . . . 61'2 Nummern, 
Schwedcu . . . 18'J . 
Nurwegen ... 124 
Dänemark . . 2237 Nummern, 
Schweden . . . 9<>4 » 
Norwegen - . - 480 
Ausland .... 28 
Aus der Fngleirhmässigkeit dieser Zahlen ist schon ersicht- 
lich, wie schwer, fast unmöglich es ist, einen vergleichenden 
Uehprhlick der (iesammtleistungen jedes eintelnen Staats zu er- 
halten , wie beispielsweise Norwegen kaum den vierten Theil 
der dänischen Ausstellung zählt. r>s wäre bedauerlieh, wenn 
ein derartiges Zurückhalten dieses Staates auch auf die Wiener 
Ausstellung sich erstreckte. {Einer Nachricht der neuesten Num- 
mer der illustrirtc n Weltausstellungs-Zeitung zufolge «oll die Sub- 
vention eines für die Beschickung Derselben orgauisirten Komites 
im Storthing nicht bewilligt worden sein, während für die Be- 
theiligung Schwedens die Aussichten besser sind.) 

Diese Ungleichheit der Bethi-iliguug majz auch mit einen 
Grund abgeben, weshalb die Urieutirung auf der Ausstellung 
so schwierig ist: der Hauptgrund liegt aber im Arrangement. 
Dasselbe versucht, die Objekte aus den 3 Keiehen nach diesen 
zu sondern, sowie ciuigcrmassen die dem Materiale nach zusam- 
men gehörigen Gegenstände zusammen tu bringen. Es ist aber 
mit sehr wenig Konsequenz darin verfuhren und der Mannig- 
faltigkeit eine für das Studium nothwendige Zusammenstellung 



des Gleichartigen geopfert; in vielen Fällen wird ein solches 
nicht nur sehr erschwert, sondern fast unmöglich gemacht. 
Auch der Katalog, iu hier wenig ttcrochtigteni Nationalgcfühl 
nur Dänisch gedruckt, ist ein wenig erfreuliche« Opus, da er 
blos Namen und Wohnort der Aussteller angiebt. Kr enthält die 
2 Abtheiluugen : 1. Kunstabtheilung Klasse 1. II. Induatric- 
Abtheituug Klasse 2—14, für jedes Königreich gesondert. Iu 
der Dänischen Abtheilmig sind wenigstens am Anfange jeder 
Klasse eiuigu magern statistische Angaben über die betreffende 
Fabrikation uud den Vertrieb derselben gemacht; sonst aber 
keine einzige Erläuterung gegeben. Es muss dies namentlich 
im Vergleich mit den in 3 Sprachen vorhaudeneu vortrefflichen 
Katalogen der Nordischen Alterthumssammluug u. a- in Kopen- 
hagen sehr bedauert werden. Befriedigt iu diesen Punkten die 
Ausstellung wenig, so muss sie im Ucbrigen aber als eine ge- 
lungene bezeichuet werden, und namentlich macht auch die 
ruhige Erscheinung derselben gegenüber dem sonst so häufig 
verwirrenden bunten Keklame-Aufputz den günstigsten Eindruck. 
Nichts dergleichen zeigt sich hier. Man gewinnt wieder den 
Eindruck rüstigen Strebens, welches hier durch den Abschluss 
von den Bestrebungen anderer Länder gefördert, dort gehemmt 
wird. Dass die durch die romantische Epoche versuchte Ein- 
führung der noch immer nicht populär gewordenen nordischen 
Heldensagen als spezifisch nationale Vorwürfe für die Litteratur 
und Kunst keine neuen Ausgangspunkte für die Kunstindustrie 
eröffnet hat, ist selbstverständlich, wenn auch unbewusst viel- 
leicht einzelne Zweige davon Nutzen gezogen halten , wie die 
Kopcuhagciier Gnldscnmuckgegeustände bezeugen. Thorwaldseu's 
Kunstrichtung bleibt wenigstens in Dänemark immer noch die- 
jenige, an welcher die Kunstindustrie, häufig in ungeeigneter 
neisc, meist in guter Weiterbildung hängt und vielfach vor 
schädlichen Einflüssen der modernen Auswüchse impotouter 
Nachahmung des Kokkoko oder brutaler Naturalis ik bewahrt 
wird. Leider zeigt aber auch diese Ausstellung, wie alle anderen 
— und ich bezeichne namentlich die im vorigen Jahre iu Berlin 
angeordnete Ausstellung eines Theils der aus London stammen- 
den englischen Fayaneen und Porzellane — eine wenig ermuthi- 
gende Thatsache: wo auch immer nur ein Muster von tilge 
schmück und elender Komposition da« Auge frappirte, man 
konnte sicher sein, das Wort »verkauft" darauf zu Huden. Sollte 
das Kopenhageuer Publikum sich stark bei diesen Ankäufen 
betheiligt haben? 

Aus der sehr interessanten Kunstabtheilung der 3 Reiche 
verlangt die Architektur uoch einige Worte. Die dänische ist 



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— 283 — 



Trägorhälfte (-) iiacli duu 4 übrigen Urvariablen zu ermitteln 
und jeden dieser Wort he für «ich zu Null zu machen. Es würde 
dadurch diejenige Trägcrforoi festgelegt sein , welche nicht nur 
vermöge ihrer Gestaltung, sondern auch gleichzeitig wegen ihres 
Höhen Verhältnisses die geriugste Eiscninasse erfordern würde. 

Die Lösung der hiernach sich ergebenden 4 Gleichungen 
liietet einige Schwierigkeiten und ist jedenfalls nur auf dem 
Wege des Versuches und der allniäligeu Annäherung möglich. 

Zu dem Zwecke setzt man für irgend eine der Vertikalen 
ein bestimmtes Ilohenmaass ein und verändert dasselbe so lange, 
bis eine genügende l'ebercuistimmung unter den Werthen sämmt- 
lishcr 4 Gleichungen erreicht ist. Am günstigsten stellt es 
sich für die Berechnung, wenn eine bestimmt« Annahme für x 

femaebt wird; dem §■ - entsprechend, wi.nach die Hohe eines 
rfigers mit 8 Fachen mindestens = 1 . der Spannweite sein 
soll, möge deshalb für x zunächst der Werth = Vi b genommen 
und nach Bedürfnis* demnach gesteigert werden. 

Aus den Gleichungen I bis VIII des §. 1 und IX bis XVIII 
iles <j. 6 sind nun die Ableitungen nach ir, mjt herzuleiten und 
jede derselben Null zu setzen. Man erhän alsdann: 
• ,33 . 1 , f - . 

0 x * 4 4 f - 'S ->) 4 - 7 u» t -) 

- *V (*' p -i T'/m «4 -.) - • p - -»'.. - 

i) J (16/, 1 23 4 - v. *.** - *| ilÄj, 4 b»i b) 

— ('Vi P + ■*•/« ~) - Ä'.i - * = 0 

• : *) 3 * J -JJ w>— : J.0> + «3 

+ 8 P + i'V'i t = 0 
Da eine weitere Verfolgung dieser Gleichungen höheren 
tirades überhaupt nur dann im'tglich ist, wenn mau denselben 
bestimmte Zahlenwerthe zu Grunde legt, so sei, wie früher, 
p es 1; 7t ss i und Ti — .'( genommen ; ebenso r gemäss den 
Resultaten des vorigen § = 0 und x — ♦/» b. Es ergebeu sich 
aldaun aus l bis ö die nachfolgenden Gleichungen: 



9 9* t* , 

* s * *» 

Die Lösung der Gluichung 4, welche als Unbekannte nur 



den Werth <r enthält, ist auf indirektem Wege leicht ausführbar 
und liefert die Beziehung 

ir = 1,0'.» b 

Um nun ferner die im Zusammenhange stebeude Gruppe 

5 und ti zu behandeln, setze man für das Verhältnis» -'- , wei- 
ft ' 

dies ein echtor Bruch mit Annäherung au die Zahl I sein wird, 
einen Versuchswerth ein und leise Gleichung ü nach y und Glei- 
chung l! nach % auf Der Quotient aus den für y und 3 gofuu- 
deuen Werthen iuuss nuu dem uiigeuonimenen Versuchs wert ho 
gleich sein, und kuuu mau auf diesem Wege mit fortschreitender 
Korrektur der Anfaugswerthe bald eine genügende Lösuug für 
// und 3 erzi<-leu. In dieser Art der Behandlung ist gefuudeu 

I 9 — HS h 

\ % — 2,26 b 
In Fig. 16 sind nun die 5 Werth« 1 
r = 0; ir = 1,0!» i»; x = 1.33 b; y — 2,12 b . = 2.26 t> 

Fiit. IS. 




zusammenstellt, und liefert ihre Verbindung die gebrochene Linie I. 
Aus dem tiefen Einfallen der oberen Gurtung an der Vertikale 
X schliesst mau, dass der Werth für letztere mit Vi b zu 
klein gewählt ist. 

Es ist hiernach das Verfahren zu wiederholen und der 
Werth für x ullmälig zu vergrößern. Die weitereu bei der ge- 
genwärtigen Berechnung benutzten Versuchsreihen sollen nicht 

| säuitutlicli aufgeführt und nur noch der Fall, wo x = 2,22 b 
wird, besprochen werden. Setzt mau in die Gleichungen I bis 

I 3 diesen Werth für x ein. so erhalt man: 

7) i+i*-™'-* 1 * ■■-•«".■..-»».. = u 
u z ' b 1 

») \ e*--»J.-*,vW - ***** 

9) C 5 -:»*' -31*' .1-27 = 0 

uud nach Auflösung in der früheren Art 
I 9 = 0; W m 1,4"» b; x = 2,22 b; y = 2,81 6; S = 2, k >7 b. 



bereits besprochen. Die Ausstellung von Schweden ist zu 
schwach lieschickt um einen weiteren Gesichtspunkt zu ge- 
währen; die von Norwegen gar nicht. Nur der Kestuuratious- 
bmn der Mctronolitankirche zu Lund in Schweden vom Archi- 
tekten Zette.rval, welcher in einem vortrefflichen grossen Modell 
dargestellt ist, muss hier aufgeführt werden. Der frühere Zu- 
stand des Domes ist durch Photographien veranschaulicht. Der 
Architekt hat durch sehr verständnisvolle, künstlerisch durch- 
geführte Anordnung eines Zentralauf baus über der Vierung, 
zweier kleiner Treppenthürme, so wie durch die Ilöhcrführung 
und den Abschluss der beiden Westthürme die grossartige ro- 
manische Anlage erst zu ihrer wahren Bedeutung erhoben. Ob 
bei dem Bestreben einer einheitlichen Totalansicht nicht zu viel 
im Beseitigen späterer Anbauten, wie Strebepfeiler etc. geschehen 
ist, muss dahin gestellt bleiben; auch würde die Neugestaltung 
des Motivs der Chorbckrönuiig: kleine, 2 Arkaden der Zwerg- 
galleric breite Giebel, die der Photographie nach zu urtheilen, 
allerdings nur aus Holz mit Blechbeklcidung hergestellt waren, 
der Anlage eine origielle, historisch berechtigte, wenn auch nicht 
gerade typisch-rumänische Erscheinung belassen haben, während 
jetzt das feine Gesims fast zu einfach erscheint 

Unter Klasse 3 der Industrie -Abtheilung sind Schüler- 
Arbeiten ausgestellt, namentlich von Zcichcnsciiuleii, die leider 
in unglücklicher Weise im Gebäude zerstreut augeordnet sind. 
Hier ragten unter guten Arbeiten aus Kopenhagen, Stockholm 
und Bergen die Arbeiten der öffentlichen Zeichonschulo ("hri- 
stiania's hervor, in der allein uns eiu kräftig durchgeführtes 
Sjstcm eutgegen tritt. In richtiger Stufenfolge der Vorberei- 
tuugsktasscn, namentlich durch vortreffliche Zeichnungen nach 
Körpern , sowie in ornamentalen Kompositionen, die häufig in be- 
scheidenen guten gothischen Formen von den Schülern nach dem 
Beruf, ohne unnützen Aufwand als Werkzcichuuugcu gefertigt 
sind, hat die Schule Vortreffliches geleistet; der Architekt Tbrap- 
Mever ist fast auf allen guten Arbeiten als Lehrer bezeichnet 
und sein Kinflusa scheint sich nicht hierauf zu beschränken. 
Es fehlte nicht an Schülerarbeiten, die im bessteu Falle mehr 
Manier als Methode und Verständnis*, oft auch diese nicht ein- 
mal zeigten. 

Sehr enttäuscht wird derjenige, welcher die 4. Klasse zu 
studireu gedenkt: es gehört hierher die sogenannte Geschichte 
der Arbeit, sowie die Hausarbeiten (schön und bezeichnend „lluus- 
fleiss* genannt), denn abgesehen von der sehr unglücklichen 
Zerstreuuug und geringen Anzahl der archäologischen Gegen- 
stände, sind die Hausarbeiten ebenso unvollütäudig uud getrennt, 



und nur hie und da wird der uaeb solchen, durch Jahrhunderte 
geübten uud dadurch in sich tust vollkommenen Kunstfertigkeiten 
Suchende belohnt- Es kommt hinzu, dass in diesen Ausstel- 
lungen meistens die Arbeiten aus wohllhätigeu Austaiten, Minden- 
und Taubstummen - Instituten, mit hitieiugefügt sind, die ein 
schönes Zeugniss ablegen für die Bemühungen der Länder 
um ihre Unglücklichen, aber ohne allen Eiufluss für die Ent- 
wickelung und diu Geschichte der Kunstiudustrie bleiben. 
Als hierher gehörend uud in sich vnrtrefllich muss ich 
noch der Ausstellung von Fischereigerätheu aller 3 Stauten er- 
I wähnen, die durch die mannigfachen Arten der zur Anschauung 
gebrachten Technik auch dein Fernsteheudeu grosses Interesse 
gewährt. 

Näher einzugehen ist nur auf d u llulzarbeiteu, Thouarbei- 
ten uud Metallarbeiter, während sowohl die in Betracht kom- 
menden Gewebe, Teppiche, Stickereien etc., wie die Tapeten 
weder in Farben noch Zeichnung Interesse beanspruchen, (aus- 
genommen einige in der Hausarbeit vertretene Gegenstäude der 
erstercu Gattung: nur einige Pelzmosaikdccken etc., namentlich 
aus Schweden, müssen wegen ihrer hübschen Komposition uud 
Farbe erwähnt werden; die Kopeubugener, namentlich die auch 
in der Stadt in den Schaufeustern befindlichen leiden durch 
die zu häutig angewandten geradliuigteu Motive, wie ich sogar 
maurische I.inieuiiiusler weiss auf dunklem Grunde bemerkte: 
während die schwedischen in ruudlicben, flockigen Formen schone 
Wirkungen erzielten. 

Wi nden wir uns daher deu für uus interessantesten Aus- 
stellungsobjekten zu und begiuueu mit deu Ibdzorbeiten. In 
architektonischer Ausbildung linden wir sie in mehren Häus- 
chen, sowie in dem schon erwähnten schwedischen Kunst- 
ausstellung!! - Gebäude vertreten. Das Uolz ist Nadelbolz, 
uud fast alle sind in stilvollen Formeu ausgeführt. Leider ist 
unser hnlzannes Land kaum mehr in der Lage, derartige Ge- 
bäude mit Vortheil za erbauen, wenngleich überall die Dekoration 
sich in den gemessensten Schranken hält. — Die Bautischler ar- 
beiten sind gut; i'igenthümlich den nordischen Ländern sind noch 
die nach aussen aufschlagenden Fenster, daher besondere neue 
Fenster- Konstruktionen nicht vorhanden. Von kleineren, mehr 
dekorativen Arbeiten fallen vor Allem die Ausstelluugs-Schräuke 
auf, und namentlich zeigen viele der Norwegischen und SchwB- 
< dischen eine tüchtige lluud. Es sind hier meist kielerue 
Schränke in Naturfarbe, einfach profilirt und mit «ehr schönen 
Ornamenten bemalt: aber auch die Kopenhagener zeigen die ge- 
sundeste Konstruktion und Formen, die bei grossen (iououstäu- 

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Die Beziehung dieser Werthe zu einander ist durch die ge- 
brochene Linie II angezeigt. 

Diese Linie lSa»t eine befriedigende Stetigkeit erkennen, 
und erübrigt jetzt nur noch diu schliesslichc Prüfung, ob die 
gefundenen Werthe nun auch die Ableitung nach x, welche einst- 
weilen ganz ausser Acht blieb, annähernd geuuu zu Null machen. 

Koustruirt man zu dum Zwecke, ähnlich wie es in Gleichung 
1 bis 3 geschehen, die Ableituug nach X und setzt für p, ~ uud 
~i die betreffenden Werthe ein, so erhält man 

10) 6b J - £ . 40V, - — - 28'/. - 31 '/. = 0 

und wenn man hierin die zuletzt aufgeführten Zahlen eintragt: 
2,22 40',. ( 1,45 y 
65 • 2,81 ~ (2,22}. - 1 2,2 J ' * » " 61 " ~ ° 
51,32 — 8,14 - 1 1,99 — 31,25 = 0 
d. h. die Korrektur der Werthe ist, wenn auch noch nicht ganz 
scharf, HO diich immerhin soweit vorgeschritten als erforderlich, 
um die Linie II als annähernde Losung der gesuchten Minimal- 
form gelten lassen zu können. 

§. 9. 

Schlussfolgerungen: Minimalformen für die 

praktische Anwendung. 
Im Vorstehenden ist das Verfahren erläutert worden, wie 
für einen gegebenen Fall die Minimalform des Gewichtes theo- 
retisch ermittelt werden kann. Eine allgemeine Losung der 
Aufgab« ist damit noch nicht erzielt; aber es wird einleuchteu, 
dass, wie auch sonst die Beiast un gs verhält u issc uud diu Anzahl 
der Fache gedacht sein mögen, immerhin sich eine der Linie 11 
ähnliche Form für die Gestalt der oberen Gurtuug ergebcu 
muss; d. h. eine gebrochene Linie, welche au den Auflager- 
punkten sieh mit der Linie der unteren Gurtuug verbindet, 
dann aber in polygonaler Form sieh bis zu bede ute nder H öh e 
über der Grundlinie erhebt. Diese Hohe ist so beträchtlich, dass 
sie für die praktische Anwendung nieht mehr brauchbar er- 
scheint; im vorliegenden Beispiele würde die Pfeilhohe noch 
etwas mehr als ', » der Spannweite betragen. Bei solchen Kon- 
struktionsbehen würden soviel Zuschüsse für die genügende 
Aussteifung des Trägers gegeben werden müssen, dass die an- 
gestrebte Verminderung des Gewichtes dadurch vollständig illu- 
sorisch wird. 

Denkt man sich nun, diejenige Hohe, bis zu welcher man 
konstruiren wollte oder konnte, sei durch eine parallel der un 
teren Gurtung geführte gerade Linie A H (Fig. 1<>) dargestellt, 
so ergiebt sich, dass alle oberhalb dieser Linie gelegeucu 1» unkte 
aufgegeben uud eiue neue, der geringeren Pfeilbohe entsprechende 
relative Minimalform aufgesucht werden muss. 

Diese Aufgabe ist ungleich einfacher, als diu im vorigen 
Paragraphen behandelte uud kann in theils indirekter Behand- 
lung wie folgt gelbst werden. 



Sei die praktische Maximalbohe des Trägers in der Mitte 
s = V« *i so ist wegen dieser Voraussetzung * keine variable 
Grosse mehr uud die Ableitung nach a scheidet aus der Be- 
trachtung aus- Stellt man sich nun die Ableitung nach y aus 
Gleichung 2 des vorigen Paragraphen in der Weise her, da«« 
a = Vi ä gesetzt wird, so eihält mau 

46V. £ - 59 Vi. J, - M14 *" - 29V. = 0. 

Es ist nun zu zeigen, dass y nicht kleiner, als vi * werden 
kann; gesetzt, x wäre selbst = Kuli, so hätte mau noch 

46'/. - 59'/,. *' - 29»/. = 0 
o y • 

und y = '/• * gesetzt 

-f 62 - 63,27 = 0, 
d. h- y müsste, selbst wenn x = 0, noch etwas grosser als • » b 
werden. Selbstredend ist hieraus der Schiusa zu ziehen, dass 
y = »=»'• * *u nehmen ist 

Geht man nun weiter zur Ableitung nuch x über, wie nie 
in Gleichung 10 des vorigen Paragraphen bereits dargestellt 
worden, so soll auch hier gezeigt werden, dass x nicht kleiner 
als V. 6 werden kann. 

Wäre x = *i b, so hätte man gemäss Gleichung 4 des 
vorigen Paragraphen ar = 1 ,09 f> uud somit aus 10: 

~ 73,53 *;-Sl>,«ss0 

also x — ' %b gesetzt, 

-f 65 - 72,61 = 0, 
d. Ii. x müsste den Werth vou V. 6 noch übersteigen, um die 
Gleichung zu Null zu macheu. 

Ks folgt demnach, dass somit auch x noch es Vi * zu neh- 
men ist, worauf sich alsdann die Werthe 
r = 1,09* 
r = 0 

dem vorigen Paragraphen entsprechend anschlichen. 

Der für die Praxis aus «lern theoretischen Minimalträgrr 
reduzirte würde also der in Fig. 17 sein. 

Fi*. 17. 




den in die richtige Mitte zwischen feiner Möbeltischlerei und ein- 
fach konstruktiver Bewältigung des Materials fällt. Ein grosser 
Theil der würdigen Erscheinung der Ausstellung beruht auf 
der richtigen Ausstattung der Schränke. Die Möbel, die einen 
grossen Kaum im Gebäude einnehmen, sind von vortrefflicher Ar- 
beit und schönen Formen. Die Motive derselben sind die auch 
bei uns üblichen, der Komfort auch der einfachen englischer 
Ausstattung ist nicht darin zu linden; mit Vorliebe sind polirte 
einheimische Hölzer, oft Maserholz verwandt (Mahagoni ist fast 
gur nicht vertreten), auch Intarsien bilden häufig eine schöne 
Dekoration. Die Kopenhagener Mbbel beherrschen die Ausstel- 
lung, aus Schweden ist wenig und in mehr von Frankreich be- 
einflusster Gestaltung eingesandt Die Formen der erstem sind 
jedoch von einer merkwürdigen Reinheit und Einfachheit selbst 
bei den kostbareren Gegenständen. Fast überall entsprechen sie 
den Forderungen der F onnenbilduug wie denen des schonen Ma- 
terials und zeigen, dass man Extreme nach beiden Richtungen wohl 
vermeiden kann. Die Ornamente sind fast überall geschickt 
und bescheiden angebracht und schon ausgeführt, wie nament- 
lich bei den ausgestellten Pianinos zu sehen, die viele gelungene 
Leistungen repräsent iren. Die Intarsien haben in der Zeich- 
nung häufig etwas von der steifen Zeichnung der Antike im 
Anfang dieses Jahrhundert« beibehalten. Die einfuchsten Möbel 
zeigen, wie auch in deu Läden Kopenhagens, eine sehr tüchtige 
Konstruktion; im Preis wird diese Waare jedoch kaum für gc- 
uinnreichen Export mit der uusrigen koukurriren können, bei 
der Billigkeit ohne Rücksicht auf gute Konstruktion und gutes 
Material das erste Erfordernis« ist. Es kanu hier nicht darüber 
gesprochen werden, ob das eine oder das andere uatiotiulöko- 
niisch vortlipilhafter sei; was für die Entwicklung eines gesunden 
Verständnisses kunstindustriellcr Erzeugnisse und das Ansehen 
der Fabrikanten fordernder ist, liegt auf der llaud, ist doch 
der Name „german wäre" für viele unserer Export gegenstände lei- 
der keiue ehrende Bezeichnung für dieselben geworden. — Ausser 
den Gcbrauchsmftbeln sind noch einige Prachtstücke ausgestellt, 
die aber wegen der grösseren Ansprüche, die man an sie als 
Kunstwerke machen muss, den meisten anderen nicht gleich- 
werthig zu erachten sind, wenngleich eins darunter die vollen- 
detsten Intarsien und diu feinsten Schnitzarbeiten zeigt. 

Nicht zahlreich vertreten sind diu modernen gewöhnlichen 
Holzarbciteu, Kähmen, kleinere Gegenstände etc.: sie stehen hier 
auf dem tiefen Niveau des l'ngcscbtnacks, dpr fast überall die- 
sen Zweig beherrscht Es ist dies um so befremdlicher, als siu 
in direktem Gegensätze zu der edlen Erscheinung der Möbel, 



wie zu deu traditionellen Formen der alten Holzschnitzereien, die 
eiuen interessanten Theil der Ausstellung bilden, stehen. Letztere 
sind meist Hausarbeiten, ihre einfachen Formen in ruhiger Ur* 
namentatiou — (namentlich das Flächenoruumeut zeigt eine merk- 
würdige Ausbildung alt nordischer Linien -Verschliugungen in 
vegetabilischem, flechtcuartigem Wachsthum) — eigneten sich 
wohl zu einem Anknüpfungspunkt für diu Hebung dieser gesun- 
kenen modernen Industrie. — Einen sehr günstigen Eindruck 
machen die soliden rohrgeflochtcueu Möbel, in deren Linien- 
führung die Einflüsse alter Traditionen ebenfalls zu erken- 
nen sind. 

Die Arbeiten in Thou, Porzellan etc. stehen nicht auf der 
Höhe der oben besprochenen, namentlich die Bauarbeiten in 
gebranntem Thon. Weder in Kopenhagen selbst, noch auf der 
Ausstellung siud in sich so vollendete Sachen zu sehen. Ein im 
Gurten aufgestelltes Portal in gebranntem Thon zeigt sowohl 
einen sehr geringen Grad der Technik wie der Formgebung. 
Majoliken und Faynncen sind spärlich vertreten, die interessan- 
testen Sachen, worunter ein bunter, in ruhigem, etwas violetten 
Gesammtthon gehaltener Kachelofen aus Stockholm. Die sehr 
reiche, deu unteren Ausstellungsraum fast beherrschende Por- 
zellauiudustrie zeigt in Betreff der Formen den strengen Ein- 
lluss der Antike fast durchweg, und nur hie und da ist ein Ver- 
such gemacht, auf Grund älterer Arbeiten die Eigcuthüinlich- 
keiten des Materials auch mitwirken zu hissen. Hervorzuheben 
sind viele gute uud billige Gebrauchsgegenstände namentlich aus 
der Köuigl. Porzellan-Manufaktur, sowiu die bekannten vortreff- 
lichen Darstellungen Thorwaldscn'scher Bildwerke iu Porzellan. 
In der feineren Tlmuwaarcuindustrie hat die direkte Nahahtuuug 
antiker ThougeflUsc noch mehr eiuen eigentbümlicben konscr- 
virendea Eiulluss ausgeübt: besonders hervorragende neue 
Schöpfungen sind auch hier nicht zu verzeichnen, allein der 
fortwährende Umgang mit guten Formen behütete die neuen 
vor Ausschreitungen. Unangenehm fallen die in ähnlicher Weise 
auch in Deutschland fabrizirteu Nachbildungen antiker Gefässe 
mit naturalistischen bunten Blumen auf. 

Ich komme zu den Metallen. Der Werth der grösseren 
Ausstellungsobjekte in Guss- und Schmiedeeisen beruht wesent- 
lich auf der Güte des Materials und guter Bearbeitung für tech- 
nische Zwecke. Die Kunstindustrie ist fast leer ausgegangen, 
wenn man etwa einige gut ornamentirtc geschliffene, schwer 
gegossene Ocfen abrechnet Weder von der iu Kopenhagen 
häufig auftretenden schönen Eisengussarbeit in Kandelabern, 
Gittern ist etwas zu finden, noch hat die hohe Ausbildung der 



Es möchte fast überraschen, dass nachdem mau seit mehr ' 
als einem Dezennium gestrebt hat, die Gurtungen möglichst 
zu krümmen, in der Absieht, in der einen oder anderen 
Weise an Gewicht dadurch zu sparen, dennoch sich ergehen 
sollte, dass alle diese Annahmen nicht, zutreffend waren und 
der Fachwerksträger mit parallelen geraden Gurtungen, dessen 
Endfelder wie in Figur 17 abgeschnitten sind, als günstigste 
Form Qbrig bliebe. Dennoch dürfte die Lage keine andere sein. 
Der Irrthum, durch deu man geleitet worden ist, mag in Fol- 
gendem liegen: 

Es ist richtig, dass die theoretische Minimalform eine ähn- 
lirhe polygonale Gestaltung hat wie diejenige, nach der man 
die obere Gurtung zu krQmmen bemüht gewesen ist; aber es 
muss beachtet werden, dass die erzielte Linie II (Fig. 16) 
wieder ihre ganze Bedeutung verliert, sobald man bic 
von ihren absoluten Höhenverhältnisscn, welche die Figur dar- 
stellt, unabhängig macht und etwa in ähnlicher Form auf ge- 
ringere Höhcnverhältnisse übertrogen will. Die 5 Unbekannten 
r bis : sind urvarlnble Grössen, von denen jede für sich 
zu möglichst vorteilhafter Höhe anwuchst: die gebrochene Linie 1 
(Fig. 16) lässt deutlich erkennen, dass, als man t zu klein bc- 
maass, sich nicht eine stetige Gestalt der oberen Gurtung ergab, 
sondern die übrigen Vertikalen sich frei zu grosserer Höhe ent- 
wickelten und eiue scharfe Einbiegung bei x zurückliessen. Die 
theoretische Miuimalfonu ist nicht unähnlich einer Parabel; es 
scheint, als sei mau der Ansicht gewesen, dass nach Verände- 
rung der ^efundeneu llöho man nur nöthig halte, wiederum eine 
solche Linie zu konstruiren, um die dieser neuen Höhe ent- 
sprechende Minimalform dumit zu erhalten. Indessen die Verti- 
kulcnhiihen stehen nicht in dem Abhängigkeitsverhältnisse zu ein- 
ander, wie die Ordinaten einer gegebenen Kurve; und gerade im 
Gcgcntheile, da sich die mittleren Vertikalen aus praktischen 
Gründen nicht bis zu ihrer vortheilhaftestpn llöheneutwickelung 
ausbeuten lassen, so muss dies um so mehr bei den Endvertikalen 
nachgeholt werden. 

Hiernach muss zunächst der Parabelträger als ungeeig- 
nete Form bezeichnet werden, wenn der Gesichtspunkt der 
Kostenersparniss in Frage kommt: es ist fast nie möglich, das 
llöhcnverfiältniss dieses Tragers soweit zu steigern, dass »eine 
Entwickelung als angenäherte Minimalform eintreten konnte. 

Ganz ähnlich liegen die Beziehungen beim .Systeme 
v. Pauli. Auch hier würde erst bei grosser Höheuentwicke- 
lung eine L'cbcreinslimmuiig mit der Minimalform eintreten, 
ohne diese Hohe jedoch die Trägerenden zu sehr in ihrer gün- 
stigsten Entwickelung beinträchtigt sein. 

In dem Systeme von J. W. Schwedler zeigt sieb dagegen 
zum ersten Male wieder der Versuch, aus der flachen Neigung, mit 
der die obere Gurluug am Auflugerpunkte von der unteren ab- 
zweigt, herauszugehen, die Gurtung steiler uufsutzen zu lassen 
und dadurch den letzten Vertikalen eiue Höhe zu geben, bei 



der die Endfelder einer vortheilhaftercu Entwickelung fähig sind. 
Aber auch in diesem Systeme ist die Höhenentwickelung noch 
nicht erreicht, welche der Träger kleinsten Gewichtes erfordert- 
In Fig. V ist dargestellt worden, dass im Systeme Scbwcdlcr die 
obere Gurtung mit derjenigen Grenze zusammenfällt, an der die 
unteren Spannungswerthe der Diagonalen zu Null werden. Wenn 
nun auch die vorigen Betrachtungen zeigen, dass der Begriff 
der Minimalform ein fester nicht ist, dass diese Form sich 
vielmehr je mit abnehmender Trägerhöhe verändern 
muss, so lässt sie sich doch unter Annahme eines bestimmten, 
für die Praxis noch brauchbaren Hohenmaasses, wie in Fig. 1? 
geschoben, fixiren. Trägt man die Form der oberen Gurtung 
(natürlich uuter Beachtung des veränderten Höhenmaasstabes) 
aus Fig. 17 in Fig. i> über, so findet man, dass an der entschei- 
denden Stelle, nämlich in der Vertikale r, die obpre Gurtung 
nahe mit der Grenze 4 zusammenfällt, also mit derjenigeu 
Hi>he, in der die Vertikalen nur noch Druck, die Diagonalen 
nur noch Zug empfangen. 

Für die praktische Konstruktion der Trägerform 
kleinsten Gewichtes wird es hiernach unbedingt ge- 
nügen, durch Aufsuchung jener Grenze die Form der 
oberen Gurtung zu bestimmen. 

Verbindet man noch den Träger Fig. 17 mit dem Endfelde 



Flg. 18. 




Fig. lr>. sn ist in Fig. 18 die Minimalform eines Trägers mit 
polygonaler oberer und unterer Gurtung festgelegt. 

" Wir haben zum Schlüsse noch hervorzuheben, dass jeder 
Nützlichkeitsbau in gewissem Grade auch eine ideale Aufgabe 
erfüllen soll. Dieser Forderung vermögen wir jedoch nur ein 
Resultat der Rechnung entgegenzustellen, und der Ingenieur 
mag entscheiden, ob oder in welchen Fällen er die Formen 
kleinsten Gewichtes dem Auge darzubieten entschlossen ist. 

Im Uobrigcn wird einleuchten, dass beim Ucbergang zum 
gewöhnlichen Tacbwerksträger mit geraden und parallelen Gur- 
tungen leicht eine Form gefunden ist, welche eine gewiss« Har- 
monie der äusseren Erscheinung ohne zu erhebliche Gewichts- 
vermehrung gewährleistet. Endlich lasse mau nicht ausser 
Acht, dass besonders mit dem Träger Fig. 8 meist eine noch 
befriedigendere Wirkung zu erreichen ist und man nur darauf 
bedacht sein muss, wie auch in § 5 dos Weiteren entwickelt, 
dem Träger ein genügendes Hfilienverhältniss, aber auch nur 
soviel Krümmung in der oberen <iurtung zu geben, dass das 
Gewicht nicht mehr als nothwendig gesteigert wird. 



Bearbeitung des Schmiedeeisens in Schweden auf diesem Gebiet 
etwas hervorgebracht. In den kleineren Gegenständen steht 
djo Form meist unter der Güte des Materials. Dagegen sind 
einige erfreuliche Beispiele zwar theurer jodoch solider einfacher 
Gegenstände in gegossener und polirter Bronze und Messing vor- 
handen, die wie bei Leuchtern etc. durch schöne Formen und 
gutes Material sich sehr vortheilhaft von unseren überfeinen 
zerbrechlichen, modernen aber mit altersgrüner Bronze -Patina 
gestrichenen Zinkgegenständen auszeichnen. Von Kronleuchtern 
ist fast Nichts vorhanden. — Die Freude an der schönen Er- 
scheinung des Materials zeigt sich aber auch an Gegenständen der 
Klempnerei, die vortrefflich und schön geformte Kupfer- und 
Mossinggeräthe {meist grosse Kaffeemaschinen) ausgestellt hat, 
wie auch [die lackirten Blcchwasxen in Zeichnung und Technik 
hervorragen. 

Den Glanzpunkt der Ausstellung bilden jedoch die Arbeiten 
in edlen Metallen, namentlich die Schmuckgegenstände. Selbst 
die so häutig formlosen Tafelaufsätze und grösseren Gegenstände 
sind hier fast durchgängig mit grossem Geschick und organisch 
koniponirt, halten sich innerhalb einfacher Formen ohne steif 
zu sein und vermeiden unnützen Prunk. Sie haben meist antike 
Formenbildung, hie und da mittelalterliche. Nur ein Beispiel 
der Naturalismus findet sich in einem Tafelaufsatz in Form 
eines Koseustockes. Das Metall ist in entsprechender Abwech- 
selung polirt und muttirt. letzteres in zu grossem Maasse, so 
das» die Oberflächr zu viel metallischen Glanzes verliert. Als 
ausgezeichnetste Leistungen müssen die Norwegischen Silber- 
arbeiten erwähnt werden, die auch für kleinere Gefässe etc. die 
lechnik der Filigranarbeiten in Verbindung mit massivem 
Metall verwandt haben, meist in vollendeter Grazie. Die For- 
men sind sehr elegant und schliessen sich den besten Mustern 
des Mittelalters an, ohne deshalb an Originalität einzulassen; 
der vorhin erwähnte Architekt Thrap -Meyer scheint nicht ohne 
Hindus» auf die Form dieser Gerfithe gewesen zu sein. Die 
künstlerische Gestaltungskraft aber gipfelt in den Schmuckgegen- 
stäuden, einerseits in den Koponnagenrr Goldarbeiten, dann 
aber namentlich in norwegischen Filigranarbriten. Diese wahr- 
scheinlich aus dem Orient (Beirut) eingeführte und seit Jahr- 
hunderten eingebürgerte Technik hat hier ein© höhere Ausbil- 
dung erhalten als irgendwo anders, vielleicht durch diu Berüh- 
rung mit altnordischen Kunstformen. Einige fadenscheinig« 
Nachahmungen von Blumen und Schmetterlingen abgerechnet, be- 
wegen sieb alle Formen innerhalb Btreuger Stflgesctze und 
bringen, namentlich wenn konkave Goldfolie den Reiz der 



dar übergespannten schönen I.inienornamente noch mehr hervor- 
hebt, die reichste und edelste Wirkung hervor. Auch die 
silbernen Ketten mit schön stilisirten Gehängen von kleinen 
Blättchen und Scheiben an eleganten Kettengliedern sind von 
bester Komposition und deuten auf alte Kunstübung. 

Wieviel bei der Schönheit der Kopenhagener Goldarbeiten 
(es werden übrigens auch hier Filigranarbeiten gefertigt) auf 
eine ähnliche Tradition zurückzuführen ist, lässt sich mit 
Gewissheit nicht bestimmen, da wohl namentlich seit mehren 
Dezennien das nordisch nationale Interesse die Nachahmung 
von Schmuckgegenstäudeu aus den llüucngr&bern hervorgerufen 
und dadurch deu Sinn für stilvolle Formen empfänglich gemacht 
hat. Das berühmte nordische Musccum iu Kopenhagen bietet 
eine Fülle der schönsten alten Schmuckgegonstäude, zum Theil 
antiken, meist nordischen Ursprungs, und sein guter Einflnss ist 
nicht zu verkennen, wenn auch hie und da unverstandene direkte 
Nachahmung unangenehm berührt. Andererseits bewahrt das 
nicht minder wichtige ethnographische Museum, voll von den 
schönsten Erzeugnissen aller Völker und Zeitepochen, vor Ein- 
seitigkeit. Es konnte nicht fehlen, dass die besten Früchte sol- 
chem Studium entspriessen mussten, und so finden wir denn, 
dass in Zeichnung, Behandlung der Oberfläche des Goldes, in 
schönen Linien deB aufgesetzten Filigrans, in der Farbenzusam- 
menstellung der Edelsteine die hervorragendsten Arbeiten ent- 
standen sind. Es zeigen auch diese Arbeiten wieder und gehen 
zu der Schlusshemerkung Veranlassung, wie ein Zurückgehen 
auf die Anfänge einer jeden Kunst allein eine schöpferische 
Ausübung derselben ermöglicht, weil in jenen die Bildung»- und 
Weiter-Hildungsgesetze erkannt werden können, die in späteren 
Erzeugnissen, seien sie vollendeter oder verdorbener, meist 
verwischt sind. Es kann dadurch allein der oberflächlichen 
Richtung entgegengetreten werden, welche durch missver- 
st andene Nachahmung von Formen, die ihre Namen nach 
der Regierungszeit Louis XIII., XIV. oder eines anderen fran- 
zösischen Despoten erhalten haben, alles Mögliche gethan zu 
haben glaubt und unsere Kunstindustrie so uuhcilvoll beciunusst 
und leider noch lange beeinflussen wird. Die nordische Ausstel- 
lung hat deu festen Willen der drei Reiche dargethan, auf 
soliden Pfaden weiter zu gehen und so das Beste zu errei- 
chen. Der Erfolg ist nicht plötzlich zu erwarten, denn das 
Schöue ist schwer, aber desto sicherer. 



- 286 



Mittheilungen au» Vereinen. 



Oentcrroichi scher Ingenieur und Architekten -Verein 
zu Wien. 

Monats Versammlung am P.April 1872 1 Vorsitzender 
Hr. Ilofralh U. v. Engorth: anwesend 198 Mitglieder. 

Der Geschäftsbericht erglebt;, da*» seit der letzten Vm «mim 
Inns wiederum 10 Mitglieder neu aufgenommen, - ge*torl>cii 
Kind. Zur Berathung über die Beziehungen, in wiche der Ver- 
ein zu der nächstjährigen Weltausstellung in Wien treten Hüll, 
wird auf Antrag des Verwaltungsruthes ein aus so Pcreonoo 
bestehendes Konnte gewählt. AM Gesichtspunkte für diese Be- 
rutliunp werden bereits hervorgehoben : 1) Stellung des Verein» 
zur Weltausstellung im Allgemeinen. 2) Thätigkcit desselben 
während der Ausstellung. Ii) Hat der Verein als »oh-her nus/u- 
«teilen'/ Was und wie? I) Ist es enipfehleii-werth Kollektiv- 
Ausstellungen der Verciii.-rmitplieder anzuregen ? 5) Förderung 
der Ausstellung von Werken der Fachgenosseu. i!) Organisation 
einer möglichst vollständigen Berichterstattung an den Verein 
ülier Alle*, was in den Kähmen der Vcrcinsthütigkeit füllt. T) 
Enterbung von geeigneten Werken. Vervielfältigungen, Modellen 
etc 8) Stellung zu auswärtigen Vereinen verwandter Tendenz 
und zu ausserhalb des Vereins stehenden FachgeuossMi im All- 
gemeinen. Erwirkung von Begünstigungen betreffs Besuch 
der Ausstellung für die Mitglieder des Verein». 

Zum Schlüsse hält llr. Ober-lmnektor M. Mornwili einen 
Vortrag Bfcet die Donaubrückc der UetternMehuwlHM Nordwest- 
liahu. Die Veröffentlichung desselben durch die Zeitschrift steht 
In Aussieht. 

Wiiclienversamniluiig am '20. April IS72; Vorsitzender 
llr. Hfrth. K- v. Engcrth. 

Nach geschalt liehe a Mittheilungen Seitens des Hrn. Vor- 
sitzenden und einem Vortlage de» Hrn. Major Th. Kadarz über 
eine auf das Prinzip der MsssenbeschleuiUeutig baeirle Variante 
des Schrauheuprnpcllcrs spricht llr. Ober- Ingenieur <'. Maader 
über eine mui dem Eisenbahn ■ Ingenieur Lazar Po poviez er- 
fundene, von ihm „Glorine- genannte (ieleis- Anlage, durch 
»eiche es ermöglicht werden soll, an jeder beliebigen Stelle 



pMttftM* lUmp'll fs* S .I'ii-hiUiIi, 
hl. iiü.ülojdrru. /. II, »III, IV, 



I', 17 Kaum Im i> Zii^.-, 



einer Eisenhahn mit möglichst geringem Zeitaufwande eine grosse 
Anzahl von Zügen zu expediren. Die beigefügte Holzschnitt- 
Skizze macht «bis System seinem Grundgedanken nach ausrei- 
chend klar. Der Erfinder ist der Ansicht, das« sich die betref- 
fende Anlage allerwSrt« leicht wird verlegen lassen, ohne da»* 
es mit Rücksiebt auf die geringe einzuhaltende Fahrgeschwin- 
digkeit nutbwendig wäic, den üblichen festen Unterbau zu schaffen, 
wenn nur für den eisernen Oberhau ein entsprechend günstige» 
System iKostliu A Battig) gewfihlt wird- Sind alle Garnitur- 
1 heile in guter Beschaffenheit und vollständig vorhandeu und 
ist die Mannschaft in dem Auf- und Abladen, Zusammenfügen 
und Abreissen derselben gehörig eingeübt, so hofft er die lter- 
stclliiiig einer (iluriue in den bezeichneten Abmessungen, von 
[».(). 3800" GeleiaUngc innerhalb _M Stunden bewirken zu können. 
Wird für Verladen und Rangireu je eines Zuges durchschnitt- 
lich das Maas» von 2 Stunden angenommen, so können mittels 
der Glorine innerhalb 24 Stunden 72 Züge von einem Punkte 
aus expedirt »erden. lier Vortragende halt das System aller- 
dings noch für verbesserungs- und vcrvollkouimuungsfühig, be- 
zweifelt jedoch nicht, das» dasselbe sowohl für das Verkehrs- 
wesen im Frieden, wie namentlich für militärische Zwecke eine 
Zukunft haben wird. 

Wochen Versammlung am "27. April |S72; Vorsitzender 
llr. Hberbaurath Fr. Schmidt. 

Nach einem Vortrage des Hrn. Professor J. Wist über den 
Hau di s Observatoriums am k. k. pnlvtechliisclien lu-titute zu 
Wien spricht llr. Architekt A. Prokop auf Grund besonderen 
Ansuchen» über deu Bestand und Werth de» lloffmanusclicu 
Kingofen -Privilegiums vorn Jahre IKTiH. Der llr. Vortragende 
weist — soweit wir die mehr juristische als technische Frage 
zu beurtheileu vermögen, mit überzeugender Gewalt — nach, 
dass von anderen formellen Ursachen abgesehen, die Aufhebung 
des frühereu lloffmanirschen Privilegiums gleichzeitig die des 
späteren um deshalb bedinge, weil die im Jahre ItHi.'i (taten tirte 
Ei fiml ung ihrer Wesenheit nach mit der früheren durchaus 
identisch ist. Hinzugefügt sind in der Beschreibung desselben 
nur eine grosse Zahl von Varianten und Details: die Handha- 
bung des Privilegiums während seines Bestandes beweist jedoch 
ganz unwiderleglich, dass das Patent als nicht Mos auf diese 
Verbesserungen, sondern als auf das Prinzip ertheilt aufgefas&t 
wurde. Da es sonach eine einfache, wenn auch ungesetzliche 
Heaktivirung de» älteren Privilegiums war, so ist es als mit 
diesen beseitigt anzusehen. Am Schlüsse seiner Ausführungen 




V'erstehert der Redner, dass er nie gegen deu lioffmann'schru 
Ringofen an sich, sondern nur gegen den gesetzwidrigen Bestand 
der Privilegien gestritten habe, die als Verbesserung» -Privile- 
gien »ehr wohl berechtigt gewesen wären, nicht aber als Mono- 
pole, wozu sie in Oesterreich, wenn auch ohne Huffuiaiiu's per- 
sönliche Schuld, gemacht worden sind. AI» Apparat der Zie- 
getfabrikation sei der lloffmanu'sche Ofen jedenfalls das Voll- 
kommenste, was für diesen Zweck erfunden sei, und könne er 
jeden, der einen guten Ringofen haben wolle ohne die Kosten 
zu scheuen, nur rathen, auch heute noch an lloffmann und »eine 
Vertreter »ich zu weuden und deren Erfahrungen zu benutzen. 

Monatsversatumlung am 4. Mai 1872: Vorsitzender Hr. 
Hufrath R. v. Engerth, anwesend 1CJ Mitglieder 

Seit dem 14. April sind 14 Mitglieder neu eingetreten, 6 
ausgeschieden. Zur Berathung mehrer neu eingegangener Fra- 
gen resp. Antrüge werden Komites gebildet, während mehre der 
früheren Koniites Bericht erstatten. 

Bei nochmaliger Erwägung der Frage, welches System sieh 
für die künftige Gürtelstrasseu-Eisenbahii in Wien am Meisten 
empfehle, hat das neu eingesetzte verstärkte Komitc sich im 
Prinzip wiederum für eine unrmalspurige Lokoluotivbahu ent- 
schieden. Da jedoch die mittlerweile bekannt gewordenen Pläne 
der Gürtelstrasse Gefälle von 1 : 2!) und Kurven von 60™ Radius 
ergeben, uud da sich herausgestellt hat, dass für die betreffende 
Balm das Grundeigentum zu erwerben und ein vollständiger 
Unterbau herzustellen sein wird, so ist leider anzunehmen, dass 
die Anlage einer uoruialspurigeu Lokotuotivbahn bei dem gegen- 
wärtigen Staude der Verhältnisse nicht mehr durchzusetzen ist. 
Unter diesen Umständen empfiehlt das Körnitz, wenigstens der 
Anlage einer schmalspurigen Lokoniotivbahu vor jener einer 
Pferdebahn den Vorzug zu geben. 

Ihis Konnte, welches über die Zulässigkei» vierrädriger Lo- 
komotiven zu hcrathen hatte, spricht »ich für dieselbe — welche 
mittlerweile auch vom Ministerium gestattet worden ist — aus. 
falls derartige Maschinen entsprechend solide koustruirt sind. 
Ein von Hrn. Professor Winkler gestellter Antrag, der Ver- 
ein möge Können für Einführung des Mctermaasscs im Bau- 
wesen in ähnlicher Weise in Berathung ziehen und vorbereiten, 
wie die» in Deutschland geschehen sei, wiril auf Vorschlag des 
Verwallungsrathes bis zum Herbst vertagt. 

Zum Schluss »jtrirht llr. Ministerialrath G. VVex über die 
durch hundertjährige Betrachtungen knustatirtc Vcrmiuderung 
der Menge des Wassers in Quellen uud Flüsscu uud über die 
Ursachen dieser Abnahme. 

Wochen vcriammlwng am II. Mai 1872-, Vorsitzender 
llr. Oberbaurath Fr. Schmidt. 

Da die Versammlung der Wahrscheinlichkeit nach die letzte 
ist, welche der Verein in seinem bisherigen Eukal« abhält, so 
eröffnet der Hr. Vorsitzentie dieselbe mit einer Ansprache, in 
welcher er auf die glänzende Entwicklung des Vereins zurück- 
blickt und die Hoffnung äussert, dass seine Zukunft unter den 
neuen, äussc rlich um »o Viele» günstigeren Verhältnissen, denen 
er im Besitze eines eigenen Hause» entgegen geht, nicht minder 
gedeihlich sein möge. 

Eine Fülle ron Vorträgen beschliesst diese letzte Sitzung 
der Saison. 

Hr. Prof. Dr. E. Winkler spricht über die neue Augart en- 
brüeke in Wieu. Der Musterkarte der verschiedenartigsten 
Brückensvstenie. welche Wien darbietet, geht mit der bisherigen 
Augartenitrücke. einer sogenannten Beutelholz- Ivulgo Knüppel-) 
Brücke, eine mehr merkwürdige als werthvolle Spezies verloren; 
dafür wird sie um eine neue, das dem französischen Hütten- 
werke der Hrn. Eive & Lille eigentümliche System einer 
Hängebrücke mit Spannripgel, bereichert- Der Redner charak- 
terisirt in allgemeiner Weise das neue Svstem und vergleicht 
dassellte in_ Bezug auf ökonomischen Werth mit einem Gitter- 
träger — ein Vergleich, der nicht zu Gunsten der Hängebrücke 

ausfällt. 




A H Kpamtrl'RH. * Slr»«M»*Kw, A F, lt K v..,m,«loul»rii. A II r E B Z.^.l 
«lllfT Zu||4trf1sfii. 

llr. Robert L llaswell, Ingenieur - Assistent der öster- 
reichischen Staatsltahnen. behandelt in eingehender Weise das 
Verfahren beim Proben von Bessern er Stahlaxen und das Ver- 
halten von Besscnier Stahlblechen. Er entwickelt, das» die 
Proben, welche die einzelnen Eisenbahn - Gesellschaften Oester- 
reichs für Besscnier Stahlaxen verlangen, in ungerechtfertigter 
Weise von einander abweichen und zum Theil Forderungen 
stellen, welche der Natur des Materials keineswegs entsprechen. 
Er beantragt daher, dass der Verein sowohl im Interesse der 
Eisenbahnen wie in dem der Stahl - Industrie Oesterreichs ein 
Konnte bilden möge, welches die Frage, in welcher Weise hier- 
für eine neue einheitliche und sachgemässe Norm geschaffen 
werden könne, untersuche. In Betreff der Bessemer-Stalilblechc 
weist der Hr. Vortragende nach, dass die ungünstigen Resultate, 



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- _ 287 — 



welche die Verwendung derselben zu Dampfkesseln mehrfach 
ergeben hat, weniger dem Matcrialc zur Last fallcu, das bei 
normaler Beschaffenheit unbedingt homogener, fester und besser 
ist als das lieste Eisen, Mindern lediglich der unverständigen 
Anwendung desselben. Kr eiupliehlt, dass mati die Blechdicke 
nicht allzu gering bemesse. nur besten Stahl und unter gewissen- 
hafter Sorti rung der Bleche verwende, die Platten nach dem 
Bohren oder Lochen sorgfältig ausglühe, vorsichtig niete, beim 
Biegen nur hölzerner Hammer sich bediene und unter keinen 
l'iustäudcn eiu Versteumicu uuter honein Wasserdruck zulasse. 

Nachdem Hr. Photograph M. .laffe unter Hinweis auf eine 
von ihm veranstaltete bezügliche Ausstellung ül>er die photn- 
graphische Aufnahme von Gegenständen aus dem Gebiete des 
InRenieurweseus und der Architektur gesprochen hat, trägt zum 
Schluss Doch Hr. Ingenieur K. von llnanen über Anwendung 
von Beton zur Herstellung von Wohnhäusern vor. Nach einge- 
• Erfolge, die man hierbei in Frankreich 



und England, namentlich seit Einführung der eisernen emaillirten 
Können von Gebr. l)rake in London erzielt hat, theilt er Näheres 
über die Versuche mit, welche eiu österreichischer Techniker, 
Hr. Freistiitter in Salzburg, aus eigener Initiative unternom- 
men hat. Auch diese sind sehr zufriedenstellend ausgefallen 
und haben sowohl technisch wie finanziell bedeutende Vortheile 
ergeben. Obwohl das anderwärts angewendete /.emeutmaterial 
in Oesterreich verhältnissmässig noch zu theuer ist und hier 
vorläufig durch hydraulischen Kalk ersetzt werden muss, so 
glaubt der Redner doch, dass diese Bauweise namentlich für 
die Verhältnisse Wiens, das aus der Hönau unerschöpfliche 
Massen von Schotter und Saud gewinnen kann, eine grosse Be- 
deutung besitzt, und in der Möglichkeit, die Baukosten eines 
einfachen Wohnhauses um mindestens die Hälfte zu enufissigen, 
ein werthvolles Mittel abgiebt, um zur Lösung der brennenden 
Wohnungsfrage beizutragen. 



Vermischtes. 

Zur abgekürzten Bezeichnung der motrlsohon Mauaso 
und Gewiohto. Nachdem das vom Verbände deutscher Archi- 
tekten- und Ingenieur-Vereine angenommene System zur abge- 
kürzten Bezeichnung der metrischen Maasse und Gewichte bin- 
nen kurzer Zeit von so vielen Stellen bereitwilligst akzeptirt 
worden war, dass sich die überwiegende Mehrzahl der deutschen 
Techniker und der deutschen Behörden sich seiner bedient — 
nachdem durch den Kntschluss des Reichskanzler-AmteN, ange- 
sichts dieser Feststellung des Verbandes auf die von ihm beab- 
sichtigten Vorschläge zu verzichten , das einzig zu befürchtende 
formale Hindernis* einer ullgemeii.cn Annahme unseres Systems 
beseitigt war, schien gegründete Hoffnung vorhanden zu sein, 
dass die gesammte technische Welt Deutschlands in dieser Frage 
zu einer schnellen und glücklichen Einigung gelangen werde. 

Leider scheint diese Hoffnung dennoch vereitelt zu werden. 
Gleichzeitig mit unserem Verbände hatten sich noch andere Fak- 
toren mit derselben Angelegenheit beschäftigt, die von unseren 
Beschlüssen überholt, trntzalledem keineswegs gewillt sind, auf 
die Geltendmachung ihrer Ansichten zu verzichten. Es sind 
dies die kaiserliche Normal -Kichungs- Kommission, welcher 
seinerzeit von Seiten des Reichskanzler-Amts der Auftrag zur 
Aufstellung bezüglicher Vorschläge ertheilt worden war, und die 
deutschen Maschinen -Ingenieur -Vereine, welche die Normal- 
EichuDgs -Kommission mit Umgehung der spezifisch bautech- 
uischen Körperschaften (z. B. des Architektenvereins zu Berlin) 
zu gutachtlichen Aeusseruugcn in der Frage aufgefordert hatte. 

Die erwähnte Reich sbehörde, über deren frühere Thätigkeit 
auf diesem Gebiete wir in No. 43 .Ihrg. 71 u. Hl. berichtet haben, 
hat ihre Vorschläge zu abgekürzten Bezeichuuugeu, nachdem 
sich das Reichskanzler -Amt dieselben nicht angeeignet hat. als 
diejenigen mitgetheilt, „welcher sich die kaiserliche Normal- 
Kichuugs- Kommission fortan in ihren Publikationen bedienen 
wird." Als leitende Gesichtspunkte für die Wahl der Abkür- 
zungen werden folgende angeführt: 

.1) Der blossen Kürze der Bezeichnung soll die möglichst 
deutliche Anknüpfung an die volle Bezeichnung nicht geopfert 
werden; vielmehr sollen insbesondere die Kürzungen der Be- 
zeichnungen der einzelnen Grössenabstufungen so beschaffen sein, 
dass sie zwar ein gewisses System befolgen, aber doch nur ein 
solches . welches ohnu Iwsondcre Erläuterung durch die An- 
knüpfung an den vollen Namen verständlich ist." 

„2) Die abgekürzten Bezeichnungen, welchen eiu besonders 
exakter und allgemein gültiger t'harakter, gewissenuaasseu der 
von mathemathischeu Zeichen zu verleihen ist, sollen möglichst 
geeiguet sein, eiu Gemeingut der. Literaturen ulier derjenigen Na- 
tionen zu werden, welche das metrische System anwenden." 

Die Bezeichnungen, für welche durchweg kleine lateinische 
Buchstaben angewendet sind uud entgegen "dem Wortlaut des 
Reichsgesetzes die romanische Schreibart c in deci resp. centi 
und eubik festgehalten ist, während für die Stellung derselben 
keine Nonnen angegebeu werden, sind in einer Anordnung nach 
ansteigender Grösse folgende: 

A. Längenmaasse: km. dkm. m. dem. cm. mm. 

B. Flächenmaasse: ha. o. um. oder □«»• qdem. oder □ <■">>- 
«jan. oder [ >». qnnn. oder (.;]<■»• 

C. körpermaasse : cbm. hl. I. ebem. cbmm. 

D. Gewichte: kg. dkg. g. dcg. cg. mg. 

Auf eine nochmalige Erörterung des Für nnd Wider glauben 
wir nachgerade verzichten zu können. Es wäre eine Differenz 
in der Schreibweise der Normal -Eichungs- Kommission uud der 
unseres Verbandes, ganz abgesehen davon, dass die Publikationen 
jeuer Behörde in Wirklichkeit durchaus keine Rolle spielen, im 
Allgemeinen so bedenklich nicht gewesen, da die von ihr ge- 
brauchten Zeichen immerhin noch jedem, der uuseres Systems 
sich bedent, verständlich sein werden. Die technische Welt 
würde von dieser Differenz jedenfalls nicht berührt worden sein. 

Auders freilich, wenn die deutschen Maschinen- Ingenieure, 
wie es nach den Beschlüssen einzelner Zweigvereine des Vereins, 
deutscher Ingenieure, sowie nach den in der Zeitschrift d. V. 
und dem Prallt Maschinen-Knnstr. abgegebenen Erklärungen den 
Anschein hat, sich der betreffenden Rczcichnuiigsweise, nls der 
angeblich .offiziellen" anschlicssen. Obwohl das nunimeiische 
Uebergewicht der Hautechniker über die Maschinen - Ingenieure 
ein so grosse« ist, dass kein Zweifel darüber obwalten kann, 
wer in einem Kampfe der beiden Systeme den Sieg davon traget! 



würde, zumal der im Maschinenfache üblichen Maassuugaben 
nur sehr wenige sind und die abgekürzten Bezeichnungen für 
diese im Wesentlichen durchaus mit den unsrigeii übereinstim- 
men , So wäre eine dauernde Spaltung der Techniker in dieser 
F'rage doch sicherlich ein beklagciiswcrthe» Ereignis* , das nur 
dazu beitragen würde, das Gefühl der Zusammengehörigkeit noch 
mehr zu unterdrücken. 

Obwohl es uiis selbstverständlich völlig fem liegt, dem Ver- 
eine deutscher Ingenieure, der an der Berathuug jener Krage 
von Seiten unseres Verbundes nicht Theil genommen hat, einen 
Anschluss an unsere Festsetzungen ohne Weiteres zumuthen zu 
wollen, so hoffen wir doch, duss seine nächste General-Versamm- 
lung, die über die endgültige Wendung der Sache zu entscheiden 
hat, bei ihren Ber.ithuugeu das Moment einer Einigkeit der deut- 
schen Technik nicht nanz unberücksichtigt hissen wird. Der 
Verein von (Jas- und Wasserfachuifinneru Deutschlands, der auf 
seiner General -Versammlung iu Würzburg das System des Ver- 
bandes deutscher Architekten- uud Ingenieur-Vereine haupt- 
sächlich aus diesem Gesichtspunkte adoptirt hat. ist darin ein 
rühmliches Vorbild gewesen. 



Holzbahnen. In Canada sind in den letzten Jahren durch 
den Amerikanischen Ingenieur J. B. Hulbert Holzbahnen zur 
Anwendung gekommen, nachdem man dieselben während des 
grussen Bürgerkrieges in den Vereinigten Staaten vielfach für 
temporäre Zwecke konstruirt und dabei als sehr brauchbar er- 
probt hatte. In Folge dessen wurde im Jahr 186H eine Holz- 
bahn von ca. iüi Kl " Länge, zwischen Carthagu (Staut New- 
York) uud Harris vi lle erbaut, nachdem früher schon eine 
kurze, uur 10*- lange Holzbahn angelegt und in Betrieb gesetzt 
war. Als dritte Holzbahn kam sodann die 42*"' lauge Quebec 
and Gosford Bahn iu Canada (Provinz Quebec) hinzu, welche 
im nächsten Jahr noch um 160 verlängert werden soll. Die 
Sorpel, Drummond and Arthabasca Ouinties Holz- 
bahn von_ !MJKi» Länge ist ebenfalls schon vollendet und im 
uüchsteu Frühjahr sollen noch mehre kurze Zweigbahnen der- 
selben erbaut werden Die ebenso lange Levis and Kenuebec 
Holzbahn in der Provinz Quebec ist noch in der Ausführung 
begriffeu und für die Zukunft ist eine weitere Verlängerung der- 
selben um H4 K|B in Aussicht genommen. 

Der Verkehr auf allen diesen Bahnen ist sehr schwach und 
würde nicht genügen, um selbst die billigste Eisenbahn als ren- 
tabel erscheinen zu lassen. Es gehen indessen täglich im Durch- 
schnitt 3 Züge in jeder Richtung auf diesen Holzbahnen und die 
Tarife für Personen und Güter sind dort nicht wesentlich höher 
wie auf manchen freipienten Eisenbahnen. Mau kauu die Per- 
sonenzuge mit 99 bis 32 die Güterzüge mit 19 bis 26 K™ Ge- 
schwindigkeit per Stunde auf den Holzbahnen befördern uud 
die Adhäsion der Maschinen von 600 z Gewicht auf den starken 
Steigungen der Holzbahnen ist genügend, um jede Last zu be- 
fördern, welche die Maschinen überhaupt zu ziehen im Stande 
sind. Maschinell von IUI) z Gewicht können auf Steigungen 1:60 
einen Zug von 1200 bis liiOU* hiuauffuhreu und Maschinen von 
300 2 ziehen auf Steiguugeu 1:21 Züge vou 400 * Im Winter 
halten sich die Holzbahnen mindestens ebenso gut wie Eisen- 
bahnen, auch köuneu sie- bei Schnecwctter durch Auwendung 
vou Schueepflügeu fahrbar erhalten werden, selbst dann wenn 
der Schuee 1 bis l.iiÄ» hoch liegt. 

Auf der Levis and Kenuebec Bahn ist der Oberbau 
etwas stärker koustruirt als auf den älteren Holzbahnen. Die 
obere Breite des Baliuplanums in den Dämmen ist nirgends 
unter 4,:!iji», in den Einschnitten zwischen 4.10 und 6,70 ra . Die 
Erdarbeiten sind bei den Holzbahnen verhältnissmässig unbe- 
deutend, weil starke Steigungen und scharve Kurven dabei zur 
Auwendung gekommen sind. Der Oberbau der Bahn besteht 
aus hölzerneu Querschwelleu auf einer 0,3« dicken, 3« breiten 
Unterlage von Bettungsuinterial. Die Querschwellen siud 2,. r )0"' 
jung und haben 20«« Durchmesser am dünnen Kudu. Sie liegen 
iu 60««> Abstand uud sind an der oberen Seite mit Einschnitten 
versehen, worin die nls Schienen dienenden Laugschwelleu lie- 
gen und mit Hol/keilen befestigt sind. Die Langschwelleu siud 
lS lm breit, 36"» hoch, aus Stücken von 4,30 ra Länge zusammen- 
gesetzt und an ihrer oberen Fläche sanft abgerundet 

Sowohl in der Konstruktion der Bahn wie auch durch die 
Ausnutzung der Betriebsmittel wird bei den Holzbahnen die 
grösste Sparsamkeit erzielt Auf der Levis and Kenuebec 
Bahn sollen nur 2 Lokomotiven von je 600 z Gewicht vorläufig 



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in Gebrauch genommen werden, nebst 2 Personenwagen erster 
Klasse zu je 40, und 2 desgl. zweiter Klause zu GÖ Platzen, 
ausserdem 2 Gepickwagen, 4 Viehwagen, 10 bedeckte und 30 
offene Guterwagen, 2 Schneepflüge und einig« kleine Arbeits- 
wagen. Hit Errechnung dieses gesammten Betriebs- Materials 
wird die genannte Bahn nur 4100 Canadische Dollars uro Kilo- 
meter kosten. Das Holz zum Oberbau kostet MW Dollars pro 
Kilometer, nämlich 472 Schienen oder Luugschwellen incl. 
Trausport und Bearbeitung ä HO Cts., 2050 Querschwellen desgl. 
h 12' , Cts. und 6000 Holzkeile desgl. a 1 Ct Der Transport 
des Bettungsmaterials und das Legen des Oberbaus kostete pro 
Kilometer 485 D., die durchschnittlichen Kosten der Einfriedi- 
gungen, Brücken, Stationen, Weichen, Drehscheiben etc. betrugen 
uro Kilometer 770 D., für Erdarbeiten, Durchlasse 1430 D., für 
Insgemeinkosten 2M) D. pro Kilometer Bahn. 

Jede Lokomotive kostete 10 000 D., jeder Personenwo 
I. Kl. 2000 D., jeder Personenwagen II. Kl. 1000 IX, ji 
Gepäckwagen 600 D., jeder bedeckte Güterwagen 500 D., jeder 

jeder offene Güter- 
Ber kleine Arbeits- 



Viehwagen MX) D., jeder Postwagen 600 D., jeder offene Güter- 
wagen 320 D., jeder Schneepflug 1000 D-, jede ' 
wagen 120 D. 



Die Arbeitslöhne beim Bau der Bahn betrugen etwa 90 Cts. 
pro Tag bei zehnstündiger Arbeitszeit, die Erdarbeit kostete 
durchschnittlich 4i) Cts.. aber in Felseinschnitten 6,5 bis 11,7 D. 
pro Kubikmeter. Baubolz in Stücken von 3,60" Lauge, 36"° 
Durchmesser kostete 25 bis 43 Cts. 

Die Betriebskosten mit Einschluss der Buhnunterhaltung 
betragen etwa 25 Cts. pro Kilometer. Die Quebec and Gos- 
ford IJahn ist an eine Gesellschaft veqiacbtet, welche das An- 
lagekapital mit 6% verzinst. Die Dauer der als Schienen die- 
nenden Langsehwellen kann bei dem schwachen Verkehr solcher 
Holzbahnen zu etwa 8 Jahren angenommen werden. Indessen 
sind auf den ältereu Bahnen noch Langschwellen vorhanden, 
lahreti im Gebrauch und noch ziemlich 



welche schon seit !2 
gut erhalten sind. 

Das in Canada gegebene Beispiel wird vielleicht in anderen 
dünn bevölkerten Landern, wo das Holz sehr billig, Eisen aber 
sehr theuer ist, befolgt werden, zunächst wahrscheinlich in N e u- 
seeland, wofür Herr Uulbert neuerdings berufen ist, Pro- 
jekte zu Holzbahnen für den Lokalverkehr auszuarbeiten. 

(Ztg. d. V. dUchr. Eisenb-Verw. nach d. Engineering.) 

Bfiu wisse mehäftiiehe I*ittc r st ur 

Juli und August 1S72. 
Adler, F., ausgeführte Bauwerke. I. Die St Tbomaskircho zu 
Berliu. 12 Kuufertafeln. Fol. Berlin. i'., Thlr. 

Atlas kirchlicher Denkmäler des Mittelalters im österreichischen 
Kaiscrstaate und im ehemaligen lombard. - veuetiauischen 
Königreich. Heft 1 — IG mit je 6 Taf. Fol. Wien. Jedes Heft 

20 Sgr. 

Mitutal tätliche Bondenkmale aus Schwaben. Die ehemalige freie 
Reichsstadt Ulm. Heft G. Fol. Stuttgart. 2 Thlr. 12 Sgr. 

Bittet. F., neue allgemeine Bauordnung für das Königreich 
Württemberg. LiefT 1 — 8. 8. Stuttgart. 2 Thlr. 4 Sgr. 

oek, F., Rheinland'« Baudenkmale des Mittelalters. 3, 
Mit zahlr. llolzschn. In 12 Lieferungen. 8. Köln. 2 

Buschmann, H. B., Beitrage zur Theorie der kombinirten Gitter- 
und Hängebrücken. 8. Wien. 16 S. mit 1 Taf. 

Bracht, P. R., die innere Ausstattung der Kirchen. Entwürfe 
von Orgeln, Altären, Kanzeln, Taufsteinen, Kirchenstühleu 
etc. Heft 1. Fol. IV« Thlr. 

Taubcnder, F., die Anlage von Bierbrauereien mit spezieller Be- 
rücksichtigung der Wiener Bauart Mit 29 llolzschn. u. 6 lith. 
Taf. 8. Leipzig. 1 Thlr. 

ouhl, E., u. W. Koner, das Leben der Griechen und Römer, nach 
antiken Bildwerken dargestellt 3. verb. Aufl. 8. Berhn. In 
12 Lieferungen ä 10 Sgr. 

Hartif, E., Tafeln der Umfangsgeschwindigkeiten pro Sekunde, 
berechnet aus Durchmesser und Umdrehungszahl pro Minute. 
8, Weimar. 15 Sgr. 

Hartncr, F.. Handbuch der niederen Geodäsie. 4. Aufl. Mit zahl- 
reichen Holrschn. 8. Wien. 5'i Tblr. 

Hittcnkofcr, das Entwerfen der Gesimse. Eine populäre Vorfüh- 
rung aller beim Facadenbau vorkommenden Gesimse in Schnitt 
und Ansicht In 5 Lief, mit 25 lith. Taf. 4. Leipzig. Jede 
Lieferung 24 Sgr. 

Kette, K., Die periodische Littcrutur der Hautechnik des letzten 
Jahrzehnts 1862-71 8. Halle. 10 Sgr. 

König, F., Der praktische Köhremueister. Anweisung zur Fabri- 
kation und Konstruktion der Röhrculeitungen und Röhren- 
verbinduugeu zu Wasser-, Gas- und Dampf leitungen. Mit 
77 Uolzschn. 8. Jena. 2Vt Thlr. 

Kopkn, C. Die Baumechauik. Lehrbuch für praktische Bau- 
gewerks- uud Maschinenmeister. 8. Leinzig. 2 Thlr. 23 Sgr. 

Kokett, K., Flächentafeln zur Kubatur-Berecnnung bei Eisenbahn- 
Projekten. 8- Wien. 20 Sgr. 

Licbold, B , Die Uolzarchitektur des Mittelalters. Heft 1 mit 
8 Taf. Fol. Stuttgart 1 Thlr. 

Manch. .1. M. von, die architektonischen Ordnungen der Griechen 
und Römer. 6. Aufl. 62 Kpfrtfln. mit Text von L. Lohde. 4. 
Berlin. 4';. Thlr. 

Heyn, L , der Asphalt und seine Bedeutung für den Strasscubau 
grosser Städte. 8. 12 Sgr. 

Nordling, W. von, der Lioran- Tunnel, zum Netz der Orleaus- 



machiues. Tri 
edleia. f., Anweisung zur 
der am häutigsten vorkonn 



Zentralbahuen gehörig, auf der Linie von Arvant zum Lot. 
Mit 14 Taf. Fol. Wien. 2 Thlr. 

Orth, .V, die Akustik grosser Räume mit speziellem Bezug auf 
Kirchen. Mit 5 Kpfrtfln. Fol. Berliu. 1»/, Thlr. 

Orth, A., und K. Bicbeadt, die neue Viehmarkt - und Schlachthau«- 
Anlag« zu Berlin. Mit 10 Kpfrtfln. Fol. Berlin. 4«/» Thlr 
Bedtenbacoar, F., principe* de la «mstruetion des Organen des 
•aduit de Pallemand. 8. Heidelberg. 5'/, Thlr. 

Berechnung des Mauerwerks und 
Dachstühle. 16. München. 

15 Sgr. 

Kosd, G. B. de, Musaici christiani o saggi dei pavimenti delle 
chiese di Roma auteriori al secolo XV. lu 25 Liefr. Imp. Fol. 
Rom. Jede Lieferung 13\« Thlr. 

Buh», F., der englische Einschnittsbetrieb. Ein Beitrag zum Erd- 
bau. Mit 1 Taf. 8 Berlin. 20 Sgr. 

Sammlung gothischer Initialen aus dem 14. und 15. Jahrhundert. 
34 Bl. in Farbendr. Fol. Wien. 1 Tblr. 16 Sgr. 

Bcheffert, A., Bauformen zur ornamentalen und dekorativen Auh- 
bildung des Innern, nebst Auwendung von Farben am Aeuss«- 
ren. 2. Aufl. 8. Leipzig. 3 vi Thlr. 

Schuck, n., Dekorationsmotivo für Zimmcrmaler, Ornamentisten, 
Stuckateure etc. In Heften von je 3 Taf. Fol. Leipzig. 
Jedes Heft 25 Sgr. 

Schiadler, E., Theorie des Modellbaues, oder Feststellung der 
Beziehungen zwischen Modell uud der in einem bestimmten 
Verhältnis« vergrfisserten Maschine. 8. Weimar. 27 Sgr. 

Schinkel, K. F., Dekorationen innerer Räume. Uerausg. von 
M. Gropius. 2. Heft. 4 Taf. in Farbeudr. Fol. Berliu. SV, Thlr. 

Sflhmi, C., Studien über den Hochofen zur Darstellung von Roh- 
eisen. 8. ' 18 Sgr. 

Schublct, A , über Eisenbahnen von lokalem Interesse, insbeson- 
dere Viziual- und Industrie -Bahnen. 8. Stuttgart 1 Thlr. 

StauofT, W., rornetneut russe national. Sect I: Broderies, tissus. 
deutelles. 75 Taf. in Farbendr. mit Text. Fol. Wien. 14 Tblr- 

Suu, V., Auch Etwas über den Dom zu Köln am Rhein. Fünf 
Skizzen. 4. Ems. 20 Sgr. 

Architektonische Studien, hcrausg. vom Architekten-Verein am Po- 
lytechnikum zu Stuttgart Heft 13. Fol. Stuttgart 24 Sgr. 

Stoicr, A., Anlagen von Brunnen und Fontinen für Berlin und 
Potsdam. 6 Taf.' in Tondr. Fol. Berlin. 2« , Thlr. 

Tieti, Ch über den Bau und die Einrichtung von Bierbrauereien. 
2. Aufl. Mit 7 Zeicbn. 8. Wien. 20 Sgr. 

Waidl, F., Handbuch über Administration und Leitung des Zug- 
förderuugs- und Werkstättendieustes bei Eisenbahnen. «. 
Wien. ■ 2»; Thlr. 

Wieb«. F. K. IL, die neuen Berliner Wasserwerke. 24 Taf. mit 
Text. Fol. Berlin. 5% Thlr. 

Konkurrenzen. 

Monats- Aufgaben für den Architekten- Verein zu Berlin 
zum 6. Oktober 1672. 

I. Entwurf zu einem Buffetschrank in Eichenholz für ein 
elegantes Speisezimmer. Maasstab '/,. der Natur. 

II. Ucber einen Kanal soll eine Brücke für massigen Ver- 
kehr in 3 Oeffnungen ä 6 » Weite so angelegt werden, dass beim 
höchsten Wasser beladene Kähne unter deu festliegenden Fum- 
weg-Konstruktiouen noch frei possiren. Die 1™ tiefer liegende, 
b m breite Fahrbahn soll indessen in der Mittelöffnung 1 ■ hoch 



in ihrer ganzen Ausdehnung mit Leichtigkeit gehoben 
können. Eiu entsprechender Entwurf ist zu fertigen. 

Alle wichtigen Maosse, Annahmen und Rechnungs- Resultate 
sind in den Zeichnungen an geeigneter Stelle einzutragen. 

Personal - Nachrichten. 

Preussen. 

Ernannt: Der Kreis-Baumeiäter Böttehe r zu Cöln zum 
Bau - Inspektor daselbst. Der Eisenbahn - Bau - und Betriebs- 
luspektor Steltzer in Wiesbaden zum Eisenbahn - Betriebs- 
Inspektor der Reichs-Eisenbahnen in Elsass-Lothringen in Col- 
mar. Der Baumeister Satt ig in Lehrte zum Eisenbahn - Bau- 
meister der oberen Ruhrthalhalm in Stadtberge. Der Baumeister 
Del tue s zu Cassel zum Eisenbahn -Baumeister und Vorsteher 
des technischen Büroaus der Hessischen Nordbahn daselbst 
Der Land -Baumeister Kluge zu Merseburg zum Wasser- Bau- 
meister und technischen Hülfsarbeiter bei der Rbeiustrom-Bau- 
verwaltuug in Coblcne. 

Dem als technischen Hülfsarbeiter bei der Königlichen 
Ministerial-Baukommission angestellten Land-Baumeister r riu- 
keu zu Berliu ist der Charakter als Bauratli verliehen wurden. 

Brief- und Fragekaiten 

Hrn. L. in G. Als Anstrich für ein Schindeldach, um 
demselben ein schiefcrähnliches Aussehen zu geben, dürfte sich 
vielleicht die russische Farbe eignen; Erfahrungen darübor, ob 
auf einer deu Witterungseinflüssen derart ausgesetzten Fläche, 
wie ein Schindeldach ist, dieser Anstrirh lange haften wird, 
besitzen wir freilich nicht. 

Hrn. L. K. in Schwiebus. Eine Mittheilung über Draht- 
seilbahnen findet sich in No. 32 u. 33 Jbrg. 71 u. Hl. Das Bureau 
des Baumeisters F. Uoffmaun, Kesselstr. 7 lu Berlin, ist die 
Stelle, an der Sie weitere Auskunft erhalteu können. 



KemaU«l«Mr«rlaf «>■ C«tl littlitl in Bttlin. 



Umck »o« «.«brucUr Flektttln 



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Jahrg. H M 36. 

DEUTSCHE BAUZEITUNG 

Organ des Verbandes 

deutscher Architekten - und Ingenieur-Vereine. ^H? 



ReiUktian *. IiBtditia«: 

1*1. 




In. .rat. 

f.r dl» Lner «er 
iUairU.iv.tn4.il 



Eedakteur K. E. 0. FriUch. 



Preii 1 Thalcr pra Qsartil. 


Berlin, den 5. September 1872. J Erscheint Jeden lainerstag« 


Inhalt: XVI. V.iMMuilun« Itanuelier Arelillrkten nnd ln«e»irare. - 
Da» Frraa»i»rlie SUal»l>»ii»e»eu. Kine MiMler-Sitiiinairreke für uydf..irehm 
■ehr Stadien. - Der Trie.ter Hafenbau. — Iii« E«k«r»l<i» .1»« Hcrlln-r ArtM- 
takten V. reift, nach Stendal und Taiitirraiündr H i II he ilnn t* » Hl Ver- 
»loaa: Architekten - Verein .« Berlin. Vernolcrlite»: IVber rti" L'-Utangen 
4»r Parkier Daojpf- Slrawenaalien. - Neu» llaiidkair.« für El dtran.port«. — 
Verarariftea fär die Verdi»*».»*, »ob Uefer»n«.n u. Atb.M«i fnr l'ie»«. staauDau- 


teil. — Vetlndrniun de» Bra>K»UHr< in der Nike dal Klreiiliofe. ~ Abgekumr 
beteietiuunt; iler titetft»<lien Maas.« nud CawJrhte. - Auh.<< j im^ allerer kuuat- 
g«*«rtilirlieT lje?t»u»t&iidt.. - P a r hll l ter at u r : Ka:al<K< dar ersten Wanderau«. 
»tellunu; de» navrrt»ohen f ieaernemiiatnini tu Närnbent. — Ken k n r re ni cn: 
Knnk uirrnl für Km* mfe mm Haine de. deaUrhen Kelch>Uure4. — Knnknrren. 
für Kutniiife ru .lo.m B."r»eiisoliäude In Ureaden. Konkurrent für Kataüif« 
«ii einen, Sil|<„i*l . Ileiikmal auf dem Niederwald. — I'er.oaal-Narhrlrhlea. 



XII. Vemnmlung Deutscher Architekten and ImWurr. 

Zu den in No. 31. der Deutschen Bauzeitung angezeigten Vortragen sind bis 31. August noch folgende angemeldet : 

l. Architektur. 

Tochtermann, Lehrer am Polytechnikum r.u Aachen: Leber mittelalterliche Bestrebungen der neueren BaukuuM. 

2. Bau ingenieu rw esen. 
Kessler, Bezirksingenieur in Saarbrücken : Ueber einige Bauwerke des Saarkohlen • Kanals. 
Sasse, Hegierungs- uud Baurath in Merseburg: Ueber die Entstehung der lnundatious- Flusstbäler. 
Derselbe: Ueber die Stromgesetee im Mississippi und in der Saale. 

3. Maschinenbau. 

Arntgen, Ingenieur der Zcntral-Aktien-Gesellschaft für Tauerei in Köln: Ueber Innerei. 

Bockholtz, Genernlinapektor der österreichischen Staatsliahngesellschaft in Wien: Wasserhaltung»- Maschinen mit 
spezieller Bezugnahme auf den Kraft-Regenerator. 

4. Technische Chemie. 
Hasenclever, Direktor in Stollberg: Ueber Röstöfen zur Schwefelsäure- Fabrikation. 
Das Lokal -Koniite erlaubt sich von Neuem die geehrten Fachgenossen an vorherige Anmeldung ihrer vor- 
aussichtlichen Theilnahme an der Versammlung zu erinnern, da nur hierdurch die Einrichtungen im Interesse der Mitglieder 
selbst möglichst praktisch zu gestalten sind. Dabei wolle femer angegeben werden, ob die Besorgung eines Logis, die 
Uebersendung einer Legitimatioiukarte für Fahrpreis -Kruiiissiguageiw \itum in dar Au*ü4*>lliHkg oder Zeit zu einem Vor- 
gewünscht wird. 

Karlsruhe, 31. August 1872. 

Das Lokal-Komite 
Polytechnikum. 



Das Preußische Staats- Bannest*. 




Inhalt. Ueu.r.lelu. 

IV. 



Zu.ünde In der Yerwaltaa« de, 



III. 



1. Einleitung. 

Eine tiefe Unzufriedenheit mit den Zuständen des Preus- 
siebeu Staatsbauwesens hat sich nachgerade nicht nur der 
Kreise bemächtigt, die zu ihm iu näherer Beziehung stehen: 
sie hat auch bereits jenseits derselben Wurzel geschlagen 
und macht sich in deutlicher Weise bemerkbar. Wahrend 
die Studirenden der technischen Hochschulen, die Architek- 
ten- nnd Ingenieur -Vereine und die ad hoc zusammentre- 
tenden Baulrcamten einzelner Regierungsbezirke und Provinzen 
über die Mängel der bestehenden Einrichtungen diskutiren 
und sie zum Gegenstände von Vorstellungen und Bitt- 
schriften an die leitenden Behörden machen, wird von offi- 
zieller Stelle, in der Presse und im Volke immer häufiger 
und allgemeiner darüber Klage geführt, dass die Leistungen 
der Staatsbaubeamten nicht mehr in gleichem Grade wie 
früher die Höhe dessen repräsentiren , was vaterländische 
Baukunst und Technik überhaupt zu leisten vermögen. Die 
Misstände in den Unterrichts- und Vcrwaltungs-Einrichtun- 
gen des Preussischeu Bauwesens beginnen sogar schon die 
Aufmerksamkeit der Staatsmänner zu erregen und es scheint 
die Meinung zum Durchbruch zu koinmeu, dass es sich hier 
um einen Kranken Theil des Staats- Organismus handelt, 
welchem im Interesse des Landes eine eingehende Unter- 
suchung nnd nach Erkenntniss der Krankheits- Ursachen 
gründliche Heilung entschieden Noth thut. 

Die zunächst und am Empfindlichsten Leidenden sind 
freilich die Angehörigen des Staatsbauwesens selbst, zu denen 
wir nicht alleiu die gegenwärtig ungestellten nnd die für die 
Staatsprüfungen sich vorbereitenden Bautechniker, sondern 



V. Ideen für eine Urform de» Au>liildnnic*i»n«r<» der 
VI. Ideen fär eine Keforas der UauxervaUnng. 
VII. Kehluaawnrt. 

in zweiter Linie auch fast alle nicht im Staatsdienste ste- 
heuden, aus den acht älteren Provinzcu stammenden Archi- 
tekten und Ingenieure rechnen müssen, die bei der Eigcu- 
thümtichkeit der bis vor wenigen Jahren bestehenden. Ver- 
hältnisse gezwungen waren, sich dem für die Staatsbau - 
bearaten vorgeschriebenen Ausbilduugsgange gleichfalls zn 
unterwerfen. 

Ein Aushildungsgaug, der an Schwierigkeit uud wie die 
Dinge in Wirklichkeit sich zu gestalten pflegen, an Länge 
seines Gleichen sucht; der nach einem ans der Blüthezeil 
des bureaukratischen Schablonismus herübergenommenen 
Schema gestaltet, als normales Resultat die Erziclung einer 
in allen Sätteln gerechten Mittelmüssigkeit zur notwendigen 
Folge haben rauss, oder wenn ein selbstständiger Kopf diese 
Norm durchbricht, doch immerhin deu Verlust einiger Jahre 
voll liester Kraft und Frische bedeutet. Ein Ausbildungs- 
gaug, der die ineisten der angehenden Staatsbaubeamten in 
einem Alter, welches ihre frühereu Studiengeuossen anderer 
Fächer schon in angesehener und selbstständiger Lclicns- 
stellung sieht, noch zum Schultische, wo sie das geforderte 
theoretische Pensum in möglichst kornpendiöscr und mund- 
gerechter Form sich anzueignen suchen, sowie zu einer Prü- 
fung nöthigt, deren theilweise Modalitäten für die sittliche 
Würde des Mannes in diesen Lebensjahren nur nieder- 
drückend sein können! 

Seitdem durch die Gewerbefreiheit das Bestehen der 
Baumeister-Prüfung nicht mehr obligatorische Bedingung für 
alle diejenigen ist, welche eine selbstständige Bauthütigkeit 
ausüben wollen, ohne doch durch die Schule des Handwerks 



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gefangen zn sein, and in dem Maasse, wie der Nim Iran, i 
welcher bisher mit der sorgfältig betonten Bezeichnung als 
„Königlicher" Baumeister verbunden war, seine Anziehungs- 
kraft auf das bauende Publikum verliert, hat diese Seite 
des Staatsbauwesens einen Theil ihrer Härte cingebüsst Sie ] 
besteht trotz einiger in den letzten Jahren getroffenen Pal- 
liativ-Maassregeln unverändert fort für alle diejenigen, welche | 
diesen Ausbildungsgang nicht Um um eines Titels willen, 
sondern zum Zwecke des wirklichen Eintritts in den Staats- 
dienst eingeschlagen halben. Für diese ist die Härte aller- 
dings um so empfindlicher, wenn sie den Anforderungen, 
welche an sie gestellt wurden, den Lohn entgegenhalten, 
welchen ihr späteres Amt ihnen gewährt, und beides mit 
der Lage derjenigen Staatsbeamten anderer Verwaltungs- 
zweige vergleichen, mit welchen sie dienstlich zunächst in 
Berührung Kommen. 

Nach ihrer dienstlichen Beschäftigung nicht etwa blos 
technische Konsulenten . sondern auch mit wichtigen Verwal- 
tuiigsfnnktionen betraut, sind sie trotzalledetn im Hange und 
in allen für den Staatsbeamten aus seinem Rangverhfdtnissc 
resultirenden Momenten auf eine für sie beschämend«- Weise 
gegen die juristisch gebildeten, um Vieles jüngeren Vcrwal- 
tungsheamten zurückgesetzt. Wahrend diese über ein zahl- 
reiches, gut geschultes Bureaupersonal verfügen, so dass 
ihnen in Wahrheit nur der höhere, geistige Theil der Arbeit 
verbleibt, ist der Kreisbatibeamte in isolirter Stellung allein 
auf sich und die von ihm zu Im schaffenden . jedoch für die 
amtlich gewährte Entschädigung nirgends disponiblen Hülfs- 
kräfte angewiesen, so dass er gleichzeitig den Kehlherrn wie 
den Soldaten spielen muss. Während jenen zumeist nur ein 
äusserst geringes Arheitsquantmn obliegt, ist der Baubeamte 
mit einem Wüste von Arbeit, und zwar zum Theil der lang- 
weiligsten und geisttötendsten, leider auch häufig der zweck- 
losesten Art überhäuft und zu rastloser Thätigkeit ge- 
nöthigt. Will er zudem sein kärgliches Einkommen, das zur 
Besoldung der diätarisch beschäftigten und der im Privat- 
dienst stehenden Techniker in schreiendem Missverhältnisse 
steht, durch einige Nebenarbeiten — nicht immer zum Vor- 
theil des Dienstes — erhöhen, so gilt es für ihn. alle Kräfte 
bis aufs Letzte anzustrengen. Wahrlich nnter den nicht be- 
neidenswerthen Stellungen Preußischer Beamten eine der un- 
glückseligsten und traurigsten, in welcher auch die frischeste 
Kraft Gefahr länft, aufgerieben zu werden oder zu verkümmern. 

Und was für Viele, die es ernst mit sich und ihrem Be- 
rufe meinen, das Bitterste ist, — bitterer noch als das un- 
muthige tiefühl dessen, der in der Misere eines kleinlichen 
Dienstes keine Gelegenheit findet, sein Wissen und Können 
angemessen zu verwert hen: nicht wenige Baubeamte fühlen, 
dass die Bcurtheilung, welche ihren Leistungen seitens der 
Vorgesetzten oder durch das Publikum zn Theil wird, nicht 
immer ungerechtfertigt ist. Sie fühlen, dass ihre Kraft und 
Teilung zuweilen nicht ganz ausreicht, um höhere künst- 
lerische oder technische Aufgaben in einer den höchsten 
Ansprüchen genügenden Weise zu lösen; sie fühlen — zumal 
im Anfange ihrer selbstständigen Stellung — dass sie die Rou- 
tine und Erfahrung, welche zur Verwaltung derselben gehört, 
erst zn erwerben hatten. Sie fühlen aber auch, dass die 
Schuld dessen nicht ihnen selbst zur Last fällt, dass sie 
unter der unvermeidlichen Konsequenz ihres Ausbildungs- 
ganges und einer Organisation leiden, welche von ihnen Un- 
mögliches verlangt. — 

Was Wunder, das» für alle diejenigen, welche die Kraft 
zn einer anderen Thätigkeit in sich fühlen, die Lust in den 
Staatsdienst zu treten oder in demselben zu bleiben eine 
äusserst geringe geworden ist. Der Bedarf an Architekten 
und Ingenieuren ist augenblicklich ein so ausserordentlicher, 
die ihnen von dem Luxus oder der Spekulation der Priva- 
ten gestellten Aufgaben gewähren eine so interessante und 
verlockende Thätigkeit, der Werth, nach dein ihre Arbeit 
geschätzt und bezahlt wird, ist ein so hoher, dass es eine That 
sich selbstaufopfernder Kntsagung oder besondere Neigung 
für die Formen amtlicher Thätigkeit ist, wenn ein Techniker 
die Gelegenheit ausschlägt, seine Fähigkeit ausserhalb des 
Staatsdienstes verwerthen zu können. Schon für die ver- 
bältnissmässig nicht so ungünstig bezahlten diätarischen 
Stellen ist ein entschiedener Mangel an Bewerbern einge- 
treten. Dass die künstlerisch begabtesten Baumeister sich 
der Anstellung im Staatsdienste entziehen und sich sofort 
ganz dem Privatbau widmen, ist so ziemlich zur stehenden 
Regel geworden, während die Techniker des Eisenbahnfachs 
es lieben, die ersten Stadien der Beamtenlaufbahn durchzu- 
machen, um alsdann mit gesteigerten Ansprüchen in den 
Dienst einer Privatgesellschaft übertreten zu können. Er- 
schreckende Ausdehnung hat dieses Ausscheiden aus dem 
Staatsdienst namentlich in der jüngsten Zeit angenommen, wo 



so viele technische Unternehmungen neu gegründet worden 
sind, die an ihre Spitze Beamte der Staatsbauverwaltung, 
und zwar bis zu den höchsten Stellen hinauf, berufen haben. 
Die Einbusse, die der Staat hierdurch gerade an seinen 
tüchtigsten und erfahrensten Kräften erlitten hat, dürfte 
so leicht nicht zu verschmerzen sein! 

Dass solche Zustände unhaltbar sind, dass sie Gefahren 
in sieh bergen, die das öffentliche Wohl ernstlich bedrohen, 
darüber können Zweifel wohl schwerlich bestehen. Das 
Preussische Staatsbauwesen ist nicht nur ein zu wichtiger 
Faktor im Staatsleben: es beeinflnsst auch, was für unser 
Theil vorerst in's Gewicht fallt, in viel zn hohem Grade die 
Lebensfähigkeit und ßlüthe der gesammteu deutschen Bau- 
kunst und Technik, als dass seine Schäden nicht zugleich 
Schäden des Ganzen sein müsslen. 

Es war der schlimmste Fluch des alten Polizei- nnd 
Bureaukraten-Staates, das« sich allmftlig im Volke die Mei- 
nung festgesetzt hatte, es sei der Staat etwas ihm Fremdes, 
wenn uiclit gar Feindseliges, um das man sich am Besten 
und Bequemsten gar nicht kümmere. Ein nicht geringer 
Theil derer, denen der Fortschritt der Menschheit am Her- 
zen lag, hatte sich daran gewöhnt, auf die Mitwirkung des 
Staates mehr oder weniger zu verzichten und hielt sich für 
befähigt, auch ohne ihn. aus eigener Kraft, dasselbe Ziel zu 
erreichen. Ja diese Anschauung hat sich mit den Formr-u 
des alten Staatswesens, die freilich schon ein verzweifelt 
hippokratisebes Gesicht zeigen, bis heutigen Tages erhalten, 
wenn es auch die grösste nnd dauerndste geistige Errun- 
genschaft der iüngsten politischen Umwälzungen sein möchte, 
dass sie durchbrochen und bis in ihre Grundvesten erschüt- 
tert ist. 

So konnte auch der Glaube entstehen, dass der Fort- 
schritt eines Landes in Kunst und Technik des Bauens un- 
abhängig sei von dem Zustande seines öffentlichen Bau- 
wesens; ja es hatte sich sogar ein gewisser Pessimismus 
entwickelt, der über Misserfolge desselben eine Art von 
Schadenfreude empfand. Mit der zum Bewusstsein erwach- 
ten Ueberzeugung. dass der Staat .wir alle" sind, ist so 
etwas unmöglich geworden. Ist und bleibt der Staat bei 
allem Wechsel der Verhältnisse doch nicht allein der grösste 
und bedeutendste Bauherr, sondern auch derjenige, dessen Bau- 
thätigkeit unabhängig von der zufälligen Konjunktur, unabhän- 
gig von blosser Spekulation undvon individueller Laune bleibt, 
also vorzugsweise fähig ist, den idealen Interessen vmi 
Kunst und Wissenschaft zu dienen. Ist er doch noth wendig 
dazu berufen, das Vorbild für die Bauthätigkeit der Pri- 
vaten abzugeben, gleichwie der Ausbildungsgang seiner Bau- 
beamten unfehlbar stets einen Kinflnss ausülien wird auf die 
Ausbildung, nach welcher die in unabhängiger Stellung oder 
im Privatdienste stehenden Architekten und Ingenieure stre- 
ben werden. 

Dass bei der Stellung, welche der Preussische Staat ge- 
genwärtig in Deutschland behauptet, seine Einrichtungen 
aber nicht blos innerhalb der schwarzweissen Grenzpfähle 
von Wichtigkeit sind, dass — selbst auf einem nach ge- 
wöhnlichem Wortsinne so unpolitischen Gebiete, wie das 
unsere — ganz Deutschland zu Schaden oder Nutzen daran 
Theil nimmt, ob die Verhältnisse des leitenden Staates ge- 
sunde und gedeihliche sind, das brauchen wir kaum näher 
zu begründen. 

Es sind daher nicht die im Preussiscben Staate ange- 
■ Rleljten oder auf eine Anstellung rechnenden Baubeamten 
allein, es ist vielmehr die Gesammtzahl der deutschen Ar- 
chitekten und Ingenieure, welche liei den Zuständen des 
Preussischen Staats- Bauwesens intereSsirt ist und von der 
wir hoffen, dass sie die Forderung einer gründlichen Re- 
form desselben, sowie den Versuch eine solche Reform an- 
zubahnen, mit ihren Sympathien und, soweit wie möglich, 
durch ihre thätige Mitwirkung unterstützen wird. 

Soweit die Zeitverhältnisse dieser Reform günstig sein 
I können, wird dies schwerlich zu einem anderen Zeitpunkte 
in höherem Maasse der Fall sein, als gerade gegenwärtig. 

Was noch vor wenigen Jahren ein Hinderniss hätte sein 
können, das Bedenken, an den altgewohnten Zuständen einer 
liebgewordenen Vergangenheit zu rütteln, ist jetzt völlig ge- 
genstandslos geworden. Um- und Neubildungen sind auf 
allen Gebieten des Staatswesens an der Tagesordnung und 
überall ist man bemüht, mit den künstlich konservirteu 
Resten der Vorzeit rücksichtslos aufzuräumen und der neueu 
Zeit ein neues passendes Gewand zn gelten. Ebenso spielt das 
finanzielle Moment heut glücklicherweise nicht mehr dieselbe 
Rolle, wie im alten Preussen, wo jeder Umgestaltungsplan, 
dessen Ausführung grössere Kosten' erfordert hätte, als die 
bisherige Organisation, von vornherein vollkommen aus- 
sichtslos war. 

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- 291 — 



Das Wichtigste ist freilich die erfreuliche Uebereinstim- 
inung, die in allen hetheiligteu Kreisen in Betreff der Not- 
wendigkeit einer Reform herrscht. Fanden vor nicht langer 
Zeit die alten Einrichtungen noch eifrige und einflnssreiche 
Lobredner und Verthcidiger, die sich jeder Neuerung wider- 
setzten , so ist die Uehcrzeugung von der Unhaltharlteit der 
bisherigen Zustände, wie wir glauben, jetzt fast überall durch- 
gedrungen; ja selbst über einige prinzipielle Grundfragen 
dürften die l eberzeugungen nicht allzusehr differiren. Ebenso 
lassen die vom Ministertische und der Tribüne des Landtags 
gefallenen Aeusserungen darauf schliesseri, das.« man von 
.Seiten der gesetzgebenden Faktoren den berechtigten Wün- 
schen auf eine Neugestaltung des Staatsbauwesens gern ent- 
gegenkommen wird. 

Es handelt sich also wohl nicht mehr darum , die ver- 
langte Reform einem widerwilligen Gegner abzuringen, son- 
dern nur darum, diejenige Form zu Huden, in welcher die- 
selbe am Zweekmässigsten zur Ausführung gelangen kann. 
Bei der verwickelten Beschaffenheit der Verhältnisse, die 
hierbei in Betracht kommen, ist allerding» auch dies*« Auf- 
gabe so schwierig, das» alle Stimmen, welche sich in neuerer 
Zeit über diese Frage geäussert haben, über allgemeine Ge- 
sichtspunkte nicht hinausgegangen sind. 

Nach unserer Auffassung der Dinge genügt eine solche 
Behandlung der Sache um so weniger, als die Neugestaltung 
des Preussischen Staats -Bauwesens, wie wir sie im Sinne 
haben, nur dann eiue wirklich gedeihliche werden kann, 
wenn sie nicht blos. wie die früheren, im Schosse des Han- 
dels-Ministeriuins und der technischen Baudeputation bera- 
then und beschlossen wird, sondern unter Betheiligung aller 
Interessenten erfolgt und öffentlich vor demjenigen Forum 
verhandelt wird, vor welches Staats- Angelegenheiten von die- 
ser Tragweite und Wichtigkeit gehören, vor dem Preussischen 
Landtage. Es kann ein solcher Weg diesmal in keinem 
Falle umgangen werden, da einmal wohl schwerlich ohne 



Bewilligung höherer Kosten auszukommen ist und da es 
zweitens nicht allein darauf ankommt, innerhalb der Bauver- 
waltung, sondern auch die Stellung derselben im ganzen 
StaaU-Organismus zu reformiren. Der beste und sicherste 
Erfolg aber wird hierbei jedenfalls erreicht werden, je klarer 
und erschöpfender die Vorarbeiten sind, je vollständiger das 
Material ist, welches eine Beratbung der bisherigen Zustände 
und dessen was künftig Noth thut, ermöglicht 

Dieses Material zu liefern ist zunächst Aufgabe der Presse 
und unter ihren ürganen in erster Linie die unsrige. Wir 
sind uns derselben seit Jahren mit völliger Klarheit bewusst 
gewesen und haben nicht verabsäumt, uns auf sie nach Mög- 
lichkeit vorzubereiten. Zahlreiche, im Laufe dieser Jahre 
eingegangene Zusendungen verschiedener Fachgenossen haben 
uns dabei wesentlich unterstützt und sind nicht verloren ge- 
wesen, wenn wir sie in dem Bestreben, die Angelegenheit 
in gründlichster Weise und nach umfassenden Gesichts- 
punkten zu bearbeiten, auch zurücklegen mussten. Ist die- 
ses Bestreben doch Veranlassung geweseu, dass wir die 
bereits mehrmals angekündigte Absicht unsere Arbeit zu 
beginnen, bisher stets wiederum auf eine günstigere Zeit 
vertagt haben. Wie wir hoffen, nicht zum Schaden der 
Sache. 

Es ist selbstverständlich, dass uuserc Besprechung aufs 
Strengste bemüht sein wird, sich so objektiv wie möglich 
/.u halten. Wenn die bisherigen Zustände des Preussischen 
Staats-Bauwesens zum grossen Theile mangelhafte sind, so 
ist dies wahrlich im geringsten Grade die Schuld der Per- 
sonen , welchen die Leitung desselben obliegt, sondern die 
Konsequenz von Verhältnissen, gegen die der Einzelne, zu- 
mal der einzelne Beamte, machtlos ist. Andererseits soll 
uns auch keine kleinliche Rücksicht davon abhalten, die 
vorhandenen Zustände zu schildern, wie sie wirklich sind. 

(Koiwouuog folgt.) 



Wem es bekannt ist, wie sehr man in der Hydro- 
technik zu laboriren hat. um die Gesetze der Bewegung des 
Wassers in Flüssen nur einigennaassen zu präzisiren und 
sie allgemeingiltig zu machen, der dürfte es nicht für über- 
flüssig halten, wenn wieder und wieder auf denjenigen regu- 
lirten Strom Europa s aufmerksam gemacht wird, an welchem 
sowohl hinsichtlich seiner Baulichkeiten, als auch seiner Be- 
wegungsgesetze die umfassendsten Erfahrungen und Studien 
gemacht worden sind. Es ist dies der nun vollständig 
kaualisirte Rhein von der elsässischen Grenze bis 
(i ermershei in . dessen gründliches Studium nach allen 
Seiten hin als das Verdienst des königl. bayerischen Bau- 
mspekturs Grebenau (jetzt kaiserlich deutscher Wasser- 
baudirektor in Strassburg) zu bezeichnen ist.*) 

Grebenau hat zunächst interessante Vergleiche 'aufgestellt 
/.wischen dem Rhein vor und nach seiner Rcgulirnng, zu- 
rückgehend Iiis auf die Zeit der Existeuz des Rheinsee- 
beckens, welches zwischen dem Schwarzwald, Vogesen etc. 
bestanden und sich schliesslich in einen geschieheführenden 
Strom umgewandelt hat. Ferner liegen an genannter Rhein- 
>trecke die vollendetsten Untersuchungen vor über die Ge- 
setze der G eseh windigkeit s vertheilung nach Breite 
und Tiefe, welche zu einein grossen Theile das bestätigen, 
was Humphrcvs und Abbot am Mississippi fanden. Von 
besonderer Wichtigkeit sind auch die Gesetze der Bewe- 
gung der Kiesbänke und des Thaiweges, welche am 
kanalisirtt-n Rhein als unzweifelhaft sicher festgestellt wor- 
den sind. Sie erstrecken sich auf die Lage der Kiesbänke und 
des Thalweges, das sich stets (mit Ausnahme der Richtung) 
gleichbleibende LiMgennrofil des letzteren, auf ihr geregel- 
tes Vorrücken, auf die Menge und Art des Geschiebes, wel- 
ches der Rhein dem Ozean zuzuführen hat u. s. w. Ebenso 
ist die Regelmässigkeit der Verlandungen des Alt -Rheins 
bemerkenswerth, sowie die Art der Uferhauten und Weiden- 
pflanzungen, welche die Absonderung des Rheinschlicks be- 
fördern. Ganz besonderes Interesse bieten endlich die Resul- 
tate dar, welche Grcbt-nau aus dem Studium der seit 28 
Jahren alltäglich mehrmals aufgezeichneten Pegelbeobach- 
tungen gewonnen hat Er bestimmt hierans auch auf gra- 
phischem Wege den Vorfuss und die Höhe der Krone der 




*) Hu v»rgl. den Artikel über Grebenau'» Schrift: .Dar Übeln Tor und 
aetn-er Keaulirun«- ■ in Xo. 4M Jahrg. «1 d. Hl., Ii welchem Miner Unter- 
ige» bereite euafuhrllrh nvdaeht llt, I>»r vorliegende erneate Hlawela aoll 
« mÖKlicb Li, den Krfola haben, die 8peiialfachintere.»ntau iMChmila 
darauf aufmirkaam 1a machen , data ein Vortrag Grabenaus nnd die V« 
lang ro. tarobacl.tuB.en über die Hewegsng 5t Wa 
Programm dar beziehend«*! XVI. Wi 




für hydrotechnische Studien. 

P^rallelbauten,") den mittleren Wassermassenstand, 
den mittleren Sommerwasserstand, sowie den, welcher der 
mittleren Arbeitskraft des Rheins entspricht 

Schreiber dieses hat zu wiederholten Malen Gelegenheit 
gehabt, die vorerwähnten Verhältnisse am kanalisirteu Rhein 
i genau Kennen zu lernen, durch Betheiligung an mannigfachen 
ilirekten Messungen (mit dem Woltmann sehen Flügel, der 
l'nbe -Darcy und_Oberflächeuschwimmcr-Gruppen) die Gleich- 

"dismus der Wasser- 
Grebenau'g 
öllig üherein, 

er in seiner Brochüre über den kanalisirten Rhein 
sagt: Die genannte Rheinstrecke ist faktisch die einzig 
bestehende vollutaudijc korrlglrte Strecke eines grös- 
seren geschiebeführenden Flusses und — im Hinblick 
hierauf — geradezu die einzige Schule, in welcher der Hy- 
drotekt lernen kann, was man bei der Korrektion von gc- 
schiebeführeuden Flüssen zu erwarten hat 

Dass man bei der Vielseitigkeit und Genauigkeit der 
am Rhein gewonnenen Unterlagen gerade mit diesen eine 
zuverlässige Prüfung der neuesten Formeln für die mittlere 
Flussgesehwiudigkeit vornehmen kann (von Grebenau bereits 
geschehen), ist selbstredend. 

Die Vortheile, welche die rationelle Regulirung des Rheins 
und deren günstige Resultate, vor Allem aber die Produk- 
tivität Grebenan's für die Hydrotechnik im Allgemeinen und 
mittelbar für die Schiffahrt, Industrie und Landwirtschaft 
darbieten, haben die königl. sächs. Ministerien des Innern 
und der Finanzen bestimmt das Gesuch der sächsischen 
Hydrotekten um Gewährung von Mitteln zu umfassenden 
Untersuchungen sofort zu genehmigen. Diese hydrotechni- 
schen Untersuchungen in Sachsen, welche die Prüfung der 
neuesten Erscheinungen auf dem Gebiete hydrotechnischer 
Wissenschaften zum Zwecke haben, sind bereits in vollem 
Gange und zunächst an drei verschiedenen Punkten der Elbe 
angestellt nachdem man sich zuvor einer richtigen Be- 
stimmung (nicht des, sondern) der Koeffizienten für den 
Woltmann' sehen Flügel (für jede Geschwindigkeit verschieden) 
als der wichtigsten Grundlage für dergleichen Untersuchun- 
gen versichert hatte. Sie werden sich aber ebenso auf kleine 
Flüsse und Bäche erstrecken, wobei die in No. 25> beschrie- 
bene Tube- Darcy gute Dienste leisten wird. Hoffentlich 
werden im volkswirtschaftlichen (und wissenschaftlichen) 
Interesse auch andere Regierungen Deutschlands dem Bei- 
spiele der kgl. sächsischen Ministerien folgen. 

••) D>o Anwendung der Buhnen bat man In Barem (el 
Sachsen) - 



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- 292 - 



Ein Besuch des knunlisirtcii Rheines zum Zwecke des 
Studiums darf nicht in der Zeit der Monate Juni und Jnli 
vorgenommen werden, da in denselben der dürr h die schmel- 
zenden AltK'ti-Gletscher der Schweiz gespeiste Rhein »einen 
höchsten Wasserstand hat- Der günstigste Zeitpunkt ist An- 



fang Frühjahr oder im Herbst, wenn man nicht vorziehen 
sollte, den" hierzu noch geeigneteren Februar zu benutzen. 

Bautzen. v. Wagner 

Wasserbau- Inspektor. 



Der Triester Hafenbau. 



Ueber den Stand der interessanten und grossartigen Hafcn- 
arheiten zu Triest (cfr. Jahrg. 1870 d. Ztg. pag. IM) enthält die 
Neue freie Presse einen Bericht des bauleiteuden Ingenieurs, Hrn. 
Fr. Bömchcs, eingeleitet durch eine klare Beschreibung der 
ganzen Anlage. Vir entnehmen demselben Folgendes: 

Diu neue Haft-nanlaue in Triest umfasst die nordostliche 
Hälfte der alten Rhede, iL h. die zwischen dem früheren La/.arethe 
und dem Salzmoli. gelegene Strecke. Die gradlinige Verbindung 
der Süssendell l'uuklu der geduchteu Objekte hat eine Länge 
vuu 1200'° und bezeichnet die küuftige L'fcruiaucr des neuen lla- 
feus. Aus dieser Linie treten vier Moli hervor und bilden drei 
geräumige Bassins, welche nach Aussen durch ciuen im offenen 
Meere stehenden und parallel mit der Kaimauer laufenden 
Damm oder Wellenbrecher geschlossen werden, au dessen nörd- 
lichem Ende die Einfahrt in den Hafen geschieht. 

Dieser bietet nun der Schiffahrt folgende Elemente zur Be- 
nützung dar: Ausgedehnte Lagerflächen längs der Uferliuie auf 
den vier Moli und dem Hafendamme, welche zusammen •„".>6,100[ I» 
betragen, eine Kai-Entwickelung längs der gedachten Objekte mit 
einer (icsammt- Ausdehnung von 3940», drei grosse Bassins, 
welche für die Manipulation von wenigstens 154) der nahezu 
grössten Handelsschiffe (beispielsweise der Lloydschiffe) genügen- 
den Kaum bieten, und endlich eine Wassertiefe von wenigstens 6">. 

Die bis zu einer Tiefe von II!"» geführten Bohrungen stiessen 
überall auf Schlamm, welcher, aus aufgelöstem Thorimergel l>e- 
stehend, eine variable, jedoch mit der Tiefe zunehmende Konsi- 
stenz besitzt, von dem flüssigen und breiartigen Zustande in den 
oberen, bis zu dem plastischen und kompakten in den untersten 
Schichten. Es ist selbstverständlich, das* diese für den Bau 
höchst ungünstigen BauverhSltuLisc ausschliesslich die Anwen- 
dung eines solchen Konstruktions- Systems gestatten, welche» den 
aus der Natur des Schlammes entspringenden l'ebelständeu das 
Gleichgewicht zu halten im Stande ist. 

Pfahl roste sind unter den obwaltenden Umständen ausge- 
schlossen, da sie einerseits l>ei grösseren Wassertiefen gar nicht 
in Auwendung kommen können und andererseits bei der Mäch- 
tigkeit der »cblunuuschicht eine stete, wenn auch erst nach 
Jahren eintretende Alterirung der Stabilitäts-Verhältnisse be- 
fürchten lasseu. Es bleibt demnach, da die pneumatische Fun- 
damentirung bei der bedeutenden Tiefe, welche bis zur Errei- 
chung des festen Grundes durchstossen werden müsste, den 
Kostenpunkt in einem ausserordentlichen Grade erhöhen würde, 
als einziges Mittel übrig, die Unterlage des Baues durch Ein- 
führen bedeutender Massen von solidem Füllmaterial zu verbes- 
sern und so die zur Aufnahme der Kaimauern dienende Grund- 
lage von grösserer Widerstandsfähigkeit zu schaffen. 

Anschüttungen im Meere bei elastischem Untergründe, wie 
der Schlammboden der Triester Rhede, rufen jedoch unter allen 
Umständen- und bei aller Vorsicht Bewegungen hervor, die sich 
Weise auch den auf den Anschüttungen erbauten 



Kai- und Molenmauern mittheilen. Diese 
Systeme koustruirt werden, welches 



dereu Solidität, unbeschadet der sie alterirenden Bewegungen, 
garautirt- Dieses System besteht iu dem sogenannten Zyklo- 
penbau, d- h. iu der Herstellung einer trockenen Mauer mit- 
tels grosser küustlich erzeugter Blöcke (500 Zentner Gewicht 
von gleicher Grösse und Form, welche ohne Mörtel, voll auf Fun 
gelegt werden. Der Mangel der Verbindung unter einander 
sichert, dieser Mauer eine gewisse Elastizität und gestattet ihr, 
ohne zu bersten, den Bewegungen der sie trügenden Steinwürfe 
zu folgen. Es wird nun zunächst durch den Bagger ein ebenes 
Bett in den Schluiuuibodcu eingeschnitten. Hierauf wird ein 
Steinwurf aus dem vorzüglichen Material des Karstgebirges her- 
gestellt, dessen Produkte iu verschiedener Grösse zur Verwen- 
dung kommen. Bruchstein und Kleiumaterial bilden die Basis 
und duu Kern des Prolila, während dessen Böschungen, beson- 
ders nach Aussen, zum Schutze gegen den Wellenschlag mit 
Blöcken \on verschiedener Grösse (6—80 Zentner Gewicht) ver- 
sichert werden- Den Steinwürfen wird geraume Zeit zum Setzen 

Seiassen, daun wurden bei dem ersten Molo und dem ersten K;ii 
ie Mauern ausgeführt und endlich der Raum dahinter mit Erd<? 
und Steinabfällen ausgefüllt. Die hier gemachten Erfahrunger, 
haben jedoch dazu geführt, später die Anschüttungen schon m 
Ausfuhrung der Mauern zu machen.. 

Das zu den Arbeiten erforderliche Material beträgt nie: r 
denn fünf Millionen Kubikmeter, wuvun l' i Million für Stein- 
würfe und Mauerungen, der Rest auf Anschüttungen entfällt 
Zur Erzeugung dieses Quantums sind zehn Steinbrüche uml 
Materialgrulien im Betriebe und schaffen das mittels verschie- 
dener Prozeduren gewonueue Material per Bahn uud zur See 
nach Triest. Von diesen üewiunungsorten befinden sich fünf 
iu der unmittelbaren Nähe des Hafens, während die übrigen suf 
den Höhen des Karstgebirges uud in den Buchten von Miigvti 
Sistiaua und Monfalcoue in Entfernungen von 7 bis 22 K » tu 
suchen sind. Während die Umgebung von Triest und die in 
dem Meerbusen von Monfalcoue ausgeführten Baggerungen da» 
Auschüttungsmaterial vorzugsweise liefern, fördern die grossen 
Steinbrüche iu Sistiana und die Fundgruben des Karstes den 
vorzüglichen Kalkst-in zu Tage, welcher zur Herstellung der 
Steinwürfe und zur Mauerung der zu den Kaimauern vewende- 
ten künstlichen Blöcke dient. 

Unter den genanutcu Bezugsurteu bieten diu Steinbrüche 
iu Sistiaua für den Fachmann das grösste Interesse, in der 
Bucht gleichen Namens gelegen, werden sie von den letzten 
Ausläufern des Karstgebirges gebildet und zeichnen sich durch 
eine grösstenteils kompakte Gesteinsmasse aus. welche bei 
einer durchschnittlichen Höhe von 40"' eine Angriffsfläche von 
720» Länge besitzt. Die günstige Lage am Meere, sowie die 
bedeutende Entwicklung der Brüche machen sie daher vorzugs- 
weise geeignet zur Gewinnung des Materials im Grossen, wozu 
übrigens der betreffende Unternehmer durch die kontraktliche 
Uebernahme der in dem Zeiträume von 5«4 Jahren zu effektui 
renden Lieferung von 900000 kb'» schon von vornherein ge- 
zwungen war. 



es Berliner ArehlleatenTereias aarh Stendal 
und Taaser münde. 

War es bei der Fülle der Arbeit, welche iu diesem Jahre 
fast alle Jünger der Technik an den Atelier -Tisch oder Bau- 
platz fesselte, leider nicht möglich geweseu, zu der beabsich- 
tigten mehrtägigen Reiso des Vereins nach Dresden eine genü- 
gende Anzahl von Theilnehmern zu gewinnen, so blieb die klei- 
nere eintägige Exkursion nach den altmarkischen Städten Stendal 
uud Tangermünde vor ähnlichem Missliugen glücklicherweise be- 
wahrt. Der 24. August sah etwa 30 F'achgeuossen vereinigt, 
ilie vom schöustcn Wetter begünstigt, mit dem Morgenzuge der 
Berlin-Lehrter Bahn Berlin verliessen. 

Das erste Ziel war die nach J. W. Schwedlers Berech- 
nungen ausgeführte eiserne Elb -Brücke bei I Linierten, deren 
Drenvorrichtung , uur von einem Manne bedient, vorgeführt 
wurde. Als bemerkenswerthes Motiv an dem im Uebrigen auf 
jede ästhetische Wirkung verzichtenden Hauwerke möchte gelten, 
dass bei den steinernen Pfeilern die Ausmauerung zwischen den 
Auflagern der beiden Längsträser nicht bis ganz hinaufgeführt 
ist, so dass die beiden Pendellager jedes Pfeilers äusserst leicht 
auf zwei isolirten Mauerklötzen aufruhen. 

Auf dem Bahnhof zu Stendal wurde die Reisegesellschaft 
von mehren der dortigen Fuchgeuossen empfangen uud zunächst 
tlas neugebaute Stationshaus besichtigt, welches iu seiner äus- 
seren Erscheinung Motive uus Stendals Bucksteiubau entlehnt, 
während das Innere von Baumeister Heidelberg mit kräftiger 
Färbung und reichlicher Verwendung von Naturholz im Sinne 
der Hannoverschen Schule sehr ansprechend durchgeführt ist. 

Die historischeu Baudctikmale Stendals sind im L>etail aus 
dem Adler'schen Werke hinlänglich bekannt, so dass hier nur 
einige Worte über deu Gesamiut-Eiudruck der Stadt 



mögen- Die alten Befestigungsmauern mit ihren Tborthürmen, 
sowie die kirchlichen Monumente des Innern sind das Einzige, 
das noch ein Bild von der Bedeutung des Platzes vor dem 
dreissigjährigen Kriege gtebt, da Stendal noch Hauptstatiou au 
der Hansast ras sc von Magdeburg nach den Klbhcrzogthüincni 
war. Der ganze jetzige Charakter der Stadt, mit ihren breiten, 
überaus sclilecht gepflasterten Strassen, den meist ärmlichi-L. 
einstöckigen Holzhäusern, dem Mangel an Verkaufslädcn und 
lebendigem Verkehr, spricht nur zu beredt vou vernichtendem 
Kriegsiinglück. das den einstigen Wohlstand der Stadt dauernd 
zerstört hat. Dennoch aber — uud vielleicht durch die Aenn- 
lichkcit des Uebrigen gehuben, erscheinen die erhaltenen Monu- 
mente als Werke ersten Ranges. 

Besonders das Uenglinger Thor dürfte als ein für die spä- 
teren Bucksteinbauten der Mark geradezu klassischer Masterbau 
bezeichnet werden. Das Thor, vou einem Thurm überragt, der 
zuerst viereckig, mit überaus graziösen runden Eckthürmchcu 
oben ins Kund übergeht uud mit einem Backsteinkegel scbliess*. 
ist bekanntlich nur der Innenthurm einer vollständigen, jeül 
zerstörten Doppeltbor-Anlage — daher auch bei ihm die eigent- 
lichen Vertheidigungs -Vorkehrungen, als Wurfschlitze (Machi 
coulis), Pechuaseu etc. kaum ausgebildet sind. Dasselbe gilt 
von dem derselben Zeit entstammenden, nur mit weniger Auf- 
wand an Schmuck erbauten Tangermünder Thorthurm. Der 
Dom von Stendal — an der Nordfront mit seiner herrlichen Linde 
vor dem reichgeschmückten Kreuzgiebel , wie au der Ostfront 
mit seinem sonnig stillen Kreuzgang anziehende Arcbitcktur- 
bilder gewährend — ist eine weiträumige Hallenkirche von edel- 
sten Verhältnissen: das Innere, mit unverputzten Pfeilern und 
Bogeurippeu vortrefflich wirkeud, doch ohne den Reiz der um 
das Chor-Achteck herumgeführten Setteuschiffe, wie sie die Haupt 
kirehe zu Tangermünde und St. Marien zu Stendal hat. Die 
letztere zeigt als ungewöhnlichen Schmuck des Chors 



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- 293 — 



Unter solchen Umstündet! verlangt der Betrieb nicht nur 
diu Anwendung vervollkommneter Hilfsmittel für d,cn Trans- 
port und die Verladung des Materials im Bruche, tiondern auch 
die Adoptirung desjenigen Siircrigsystcma, welches die Massen- 
gewinuung des Materials gestattet. Dieses System kennzeichnet 
»ich durch die vorzugsweise Anwendung von grossen, sogenann- 
ten Kiesenminen, welche den Zweck haben, ganze Bergpartien 
von dem anliegenden Felsgebirge loszubrechen und somit durch 
eine einzige Operation ein großes Quantum Material zu er- 
zeugen. Die Zerkleinerung der zu grossen und daher nicht 
ladefähigen Blocke und Felsstucke geschieht mit Hille kleinerer 
Minen. AU Sprengznittel wird ausschliesslich ärarisches Pulver 
verwendet, und erhalten die grossen Minen, je nach der Mäch- 
tigkeit des loszulösenden Steinkörpers, eine Ladung, welche von 
30 bis 600 z variirt. Der PulvrrvcrUrauch hat in den nun ab- 
gelaufenen 4 »/i Bctricbsjahrcu bereits die Höhe von 7500 z er- 
reicht, und beträgt die monatliche Leistungsfähigkeit der Stein- 
brüche im Durchschnitte 25 DUO kb». 

Der zwischen der Staatsverwaltung und der Südbalm ge- 
schlossene Vertrag vom 13. April 1807 übergiebt der letzteren 
den Bau des neuen Hafens um den Pauschalbetrag von 13 Vi Mil- 
lionen Gulden und setzt als Sehlusstermiu der Arbeiten Ende 
1873 fest. Die Wahl des Systems, verbunden mit den Erfah- 
rungen, welche in Triest bei den früheren ebenfalls auf An- 
schüttungen fundirten Seehaiiteii gemacht worden sind, uiusste 
von vornherein die für den Bau bestimmte Epoche als zu kurz 
erscheinen lassen. Bei früheren Seetrauten in Triest hatte man 
die Steiuwürfe mehre Jahre ruhen und sich setzen lassen. 
Der im Jahre 1869 bei dem ersten Molo. gemachte Versuch, mit 
Außerachtlassung dieser durch den Schlammboden bedingten 
Rücksicht vorzugehen und im Interesse der beschleunigten Ar 
beit die Mauern auf den kaum fertigen Steinwurf zu setzen, 
hatte die Alterirung der ursprünglichen Dimensionen des Ob- 
jektes und eine so gründliche Verschlimmerung von dessen Zu- 
stand zur Folge, das» es bis heute nicht möglich war, den- 
selben dem Schiffahrtsverkelire zu übergeben. Diese wichtige, 
in den ersten Baujahren erhaltene Lehre zwang somit im Inter- 
esse der soliden Ausführung r.u langsamerem Vorgehen und zur 
sorgfältigen Beobachtung der durch die obwaltenden Umstände 
gebotenen Rücksichten. Man wird daher vollen Grund haben, 
mit dem Erfolge der Arbeiten zufrieden zu sein, wenn es den 
Anstrengungen der Südbahn gelingt, den ganzen Hafen im Jahre 
1875 fertig zu stellen. Dies schliesst jedoch die Möglichkeit 
nicht aus, einen Theil desselben schon früher dem Schiffahrt» • 
verkehre zu übergeben. 

Dies vorausgeschickt, gehen wir zu der Entwicklung der 
Arbeiten in der abgelaufenen Bauperiode über. Das Jahr IStjT 
weist eine unwesentliche Leistung nach uud diente vielmehr 
zur Einleitung der zu dem grossartigen Baue notwendigen 
Vorbereitungen, als: Eröffnung der Materialgrubeu und Stein- 
brüche, llcrbeischaffnng der Betriebsmittel für den 8m* uud 
Bahntransport u. s. w. Wir haben demnach vier Baujahre zu 
verzeichnen, in denen sich die Bautätigkeit in steter Zuuahmc 
befand, so dass, wenn man die verwendeten Materialmengcn be- 
rücksichtigt, sich die Leistungen der vier Jahre verhalten wie 
I : '2.3: 4,6: 5,9. 

Sehen wir uuu, in welcher Weise die Material-Massen jähr- 
lich zur Verwendung gekommen sind uud rufen wir uns die 
herzustellenden Objekte ins Gedächtnis«. Diese sind: der Hafen- 
dumm, vier Moli, drei Kaimauern und die Anschüttung hinter 
demselben im Gesnnimt-Fiächeuräumc von 278 000,H"' Zu die- 
sen Objekten gesellen sich noch zwei Kanäle, Bestimmt die 



Wässer der sich in die Rhede ergiessenden Wildbächc Klutsch 
und Martcsin aufzunehmen. 

Beginnen wir mit der vom Lande aus besorgten Anschüt- 
tung, so finden wir, dass sie heute bis nahezu an das Endo 
des zweiten Bassins reicht und bereits 70 Prozent der gesamm- 
ten Fläche einnimmt Sie wird von dem Eisenbahnmolo, der 
Eisenbahnriva, dem Lazarcthbassin und ungefähr zwei Dritteln 
der Kaimauer des neuen Hafens eingeschlossen. 

Von den vier Moli ist der erste (seine Fläche übertrifft 
um 12 Prozent die der übrigen und beträgt 215X 9; >*) s0 * eit 
gediehen, um an die Herstellung der Kaimauern über Wasser 
schreiten zu können. Die noch restirende Anschüttung wird 
gleichen Schritt mit der geuannten Arbeit halten, so dass das 
ganze Objekt in längstens zwei Monaten als fertig zu betrachten 
sein wird. 

Bei dem zweiten Molo (derselbe hat 315* Länge und BO« 
Breite) wurde die umgekehrte Reihenfolge der Arbeiteu wie bei 
dem ersten Molo beobachtet Während hier nach der Herstel- 
lung der Steinwürfe die Blockmauern errichtet und als letzte 
Arbeit die Ausfüllung des durch dieselben gebildeten Rahmens 
vollführt wurde, erscheint dort die Aufführung der Kaimauern 
in letzter Linie, und zwar aus dem Grunde, um dieselben un- 
U'helligt von den bereits zum grössten Thcile stattgefundenen 
Bewegungen des Molokörpcrs ausführen zu können. Die im 
Jahre 1870 begonnenen Arbeiteu sind das Jahr darauf mit ver- 
doppelter Thätigkoit forlgesetzt worden und zeigen heute ausser 
dem gesammten Unterbaue die 2™ über Wasser reichende An- 
schüttung auf drei Viertel der ganzen Fläche hergestellt Der 
Moment ist somit gekommen, um an die Versetzung der künst- 
lichen Blöcke, das" heisst au die Herstellung der Knimauern 
unter Wasser zu schreiten. Die Ausführung dieser Arbeit wird 
in ihrem Fortgange wesentlich von dem Wetter beeiuflusst and 
kaun bei günstiger Witterung in sechs Monaten beendigt werdeu. 

Der dritte Molo ist bis jetzt noch unsichtbar und tnuss 
das Senkblei zu Hilfe genommen werden, um sich von dem Vor- 
handensein des theilweisen Unterbaues zu überzeugen. Die im 
verflossenen November begonnene Arbeit wurde so eifrig fort- 
gesetzt, das« nahezu ein Drittel des nöthigou Stein wurfmatcrials 
bereits eingebettet ist, trotz der Schwierigkeiten lokaler Natur, 
welche der Ausführung des Objekts entgegenstehen. Diese 
Schwierigkeiten werden durch den Umstand geboten, dass der 
zu bauende Molo sich unmittelbar vor der Einfahrt in das Eisen- 
bahnbassin befindet, welches von den grössten englischen Dam- 
pfern benutzt wird. Die Maassrcgeln sind getroffen, um diesen 
Molo noch vor Ende dos Jahres über Wasser zu bringen. Der 
vierte Molo ist noch nicht begonnen worden. 

Von den drei Kaimauern besitzt jede eine Länge von 300"'. 
Von denselben befindet sich die des ersten Bassins schon 
seit einem Jahre über Wasser, mit Ausnahme einer Oeffnung 
von 50»; diese diente als Einfahrt in das Lazarcthbassin, wel- 
ches während zweier Jahre theils als Blockplatz, theils als 
Schiffswerfte verwendet wurde. Nachdem nun das Lazareth- 



bassin schon längst zugeschüttet ist, wird ungesäumt an den 
Schiusa der Oeffnung und an die theilweise Rekonstruktion der 
aus den bei dem ersten Molo erwähnten Ursachen altcrirten 
Kaimauer geschritten werden -- eine Arbeit, welche wegen ihres 
schwierigen und heiklen Charakters wenigstens fünf Monat«« in 

j Anspruch nehmen wird. Die zweite Kaimauer befindet sich 
in dem gluicheu Stadium der Entwicklung wie der zweite Molo, 
und gesfuttet demnach der vollendete Unterbau an die Auffüh- 
rung der Blockmaueru zu schreiten. Die dritte Kaimauer 

1 ist uoch nicht begonnen worden. 



anz, der vom Uenglinger Thor herüber genommen 
Das Rathhaus, total verbaut, aber trotzdem mit dem 
steinernen Roland und der dahinter aufsteigeudeu Marienkirche 
zu einem hübschen Bilde vereinigt, erweckt den lebhaften Wunsch, 
wenigstens das Innere in der alten Raumwirkung wiederherge- 
stellt zu sehen. Sicherlich würde der jetzt allerhand profanen 
Zwecken dienende Rathskeller — ein zweischiftiges , auf Back- 
Steinpfeilern ruhendes Spitzbogengewölbe — sich zu einem statt- 
lichen Räume mit nicht allzugrosscm Aufwände herstcllcu lassen. 
Kinc gute spätmittelalterliche, in einem oberen Saale befindliche 
holzgescbnitzte Wand trägt die Jahreszahl 14452. 

Nachdem die Sehenswürdigkeiten Stendals genonsen und 
bei einem vortrefflichen Diner im schwarzen Adler alte Bezie- 
hungen zu den Stendaler Kollegen aufgefrischt, neue geknüpft 
waren, führten zwei Wagen die ganze Tischgesellschaft nach 
dem eine Fahrstunde Elbaufwärts belegenen Tangermünde. Auch 
hier überhebt Adlers Werk der Verpflichtung ausführlicher über 
die Monumente zu sprechen. Der Eiudruck des Ganzen war 
ein überaus gunstiger. Das stets malerische Ensemble mittel- 
alterlicher Befestigungen mit Thunneu, Laufgäugcn, Thoren, 
Futterniuucrn, Alles überragt von der stolzen Domkirche — im 
vollen Glänze der Abendsonne, die auf den alteu weissgefugten 
Kegeln und auf dem Moos, den Flechten, die sie überwuchern, 
die wunderbarsten Time malt — darüber hinaus der Blick auf 
die fruchtbare Elbniederung und das aus Obstwildern aufragende 
Jericbow, so bot das Ganze ein überraschendes Bild, dos die 
Meinten in der .sandigen Mark" nicht gesucht hätten. 

Eine Vergletchung der beiden Städte dürfte bei den Be- 
suchern dalier ausnahmslos zu Gunsten von Tangermüude aus- 
gefallen sein. Ohne Zweifel ist es die Lage an dem belebenden 
grossen Strome, einer Verkehrsader, die keiner Beeinträchtigung 
durch die Veränderung der Zeiten unterworfen ist, was der 
Stadt den Charakter frischen, blühenden Lebens giebt 



Und zu dem anmutbigen Bild, welches die malerischen Strassen 
mit ihren ragenden Mauerthürmen. das Rathhaus, ein kleines 
Juwel mit den filigran-zarten Giebeldekorationen der Branden- 
burger Katharinenkirche, endlich die bunte Stadtbevölkerung 
bietet, die neugierig die Wagen der Ankömmlinge umsteht — 
zu all dem kommt auf dem weiten, ziemlich verödeten King das 
Sehloss, die Erinnerung an den deutschen König Karl IV., der 
mit seiner Gemalin Elisabeth von Pomiueru sich gerade diese 
liebliehe Elb-Landschaft zum dauernden Aufentbalte in seinen 
märkischen Besitzungen erlesen. Ein heiteres, elcgautes Uth- 
leben mag sich unter dem gebildeten, den Künsten und huma- 
nen Studien gleich ergebenen König an dieser Stelle entwickelt 
habon, wo seit dem Schwodcubraude von 1640 nur noch zwei 
Vertheidigungsthürme und ein scheunenartiges Burghaus, alles 
im schlichten Backateinbau des 15. Jahrhunderts, von der alten 
Kultur zeugen. — 

Als bemerkenswert her Rest aus einer iüugorn Zeit als die 
ßackstc'mbautcn ist in der Taugertuüuder Kirche das Orgelge- 
häuse zu erwähnen, ein Holzschnitzwcrk in graziösen früheren 
Renaissance-Fornieu. das bei der «rossen Seltenheit derartiger 
Bauten die höchste Beachtung verdient. 

Nach Stendal zurückgekehrt, beuutzte der grössere Theil 
der Reise -Genossen den Abeudzug zur Rückkehr nach Berlin. 
Nur etwa zehn derselben dehnteu nach einem in fröhlicher Ge- 
selligkeit mit den Steudaler Kollegen zugebrachten Abend am 
nächsten Morgen die Exkursion nach Magdeburg aus, wo unter 
der liebenswürdigen Führung dortiger 1 achgenossen der Dom 
und namentlich die, durch die Erweiterung der Hefeatigung*- 
linie im Westen der Stadt zu der grossartigen Zeiitral-Bahnhofs- 
Aulage gewonnenen Territorien Gegenstand der Besichtigung 
waren. L. 



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- 294 - 



Wir gelangen nun zu dem im offenen Meere stehenden 
Hafcndamm, als demjenigen Bau-Objekte, welches in der 
grösatcu Wassertiefe (1b 1 ») ausgeführt wird und das grösste 
Material ■ Quantum erheischt (. r >2 Prozent des Steiuwurfs - Mate- 
rials). Bestimmt, die drei Bassins gegen den Wellenschlag von 
Aussen zu schützen, zieht sich der Damm in einer Entfernung 
von 170™ von den Moloköpfeu parallel mit der Ufermauer hin 
und hat eine Gcsaninit-Entwickluug von lU'JO™, nicht gerechnet 
die gegen den ersten Molo gekehrte Traverse von 75™ Länge, 
welche die zur Einfahrt der Schiffe dienende Ooffnuug von 95 '» 
bildet Der Damin, welcher ein 12 ■» breites Plateau besitzt, 
bietet nach Innen die zum Anlanden der Schiffe nothige Tiefe 
und wird nach Aussen durch eine Mauer abgeschlossen, welche 
durch eiuen Wurf von grossen Blöcken auf die ganze Länge 
gegen den Wellenschlag geschützt wird. Mit Ausnahme der 
ihr ganzes Profil zeigenden Traverse präsentirt sich noch kein 
Theil des_ Dammes in seinem fortigen Zustande, und die Block- 
"bat zeichnet sich nur als schwache Linie in dem Was- 
auf eine Lange von 400 m . Alles Andere ist unter 

Der Unterbau ist indesa auf die ganze Länge ausgeführt. 



Das Profil des Steinwurfkörpers ist mit wenigen Ausnahmen 
bereits auf die Höhe von 7 ■ unter Wasser gediehen und er- 
reicht gegenüber dem zweiten Bassin bereits die normalen Ver- 
hältnisse- Von hier an trägt dasselbe auf seinem mächtigen 
Rücken die nach Innen gekehrte vierreihige Blockmaucr, hinter 
welcher das über Wasser reichende Plateau auf eine Länge von 
300 m ausgeführt iBt 

So weit als das letztere urstreckt sich auch die Versiche- 
rung nach Aussen mittels grosser Blöcke, und sind alle Vor- 
kehrungen getroffen, um an das ebengeuaunte Stück die letzte 
Hand anzulegen, d. Ii. die Bekröuuug der Kaimauer über Wasser 
zu beginnen. Mau hofft bis Ende des Jahres mit Steinwurf 
uud Anschüttung de« Dammes ganz fertig zu werden, so da** 
für das nächste Jahr die Herstellung der noch rückatäudigeu 
Kaimauer auf die Länge von ca. 500 » übrig bliebe. 

Wir schliessen die Zahl der Bau-Obiekte mit den zwei zur 
Regulirun«; der Wildbäche Klutsch und Martesin dienenden Ka- 
nälen. Während der erste aus lokalen Gründen noch nicht 
begonnen werden konnte, befindet sich der zweito schon seit 
anderthalb Jahren im Bau und ist beinahe auf die ganze Länge 
von 700» eingewölbt. 



Mittheilungen aus Vereinen. 



Architekten -Verein zu Berlin. 

Die beiden Exkursionen des Vereins am 17. und 24. Au- 
gust d. J., von denen die. erste ( 10.) nach dem Empfungs- 
gebäude des neuen Berliner Bahnhofes der Berlin- Potsdam- 
Magdeburger Eisenbahn -Gesellschaft , die zweite (11.) nach 
Stendal uud Tungermünde gerichtet wur, brauchen wir au 
dieser Stelle nur flüchtig zu erwähnen, da wir dem erstge- 
nannten Gebäude, das in diesen Tagen dem Betriebe zuerst 
sich geöffnet hut, als einem der hervorragendsten Neubauten 
Berlins eiue besondere und ausführliche Besprechung widmen 
müssen, während die Schilderung des zweiten Ausfluges iu die- 
ser Nummer unter selbststäudiger Form gegeben ist. 

Die im Vergleiche zu frühereu Jahreu nur geringfügige 
Thcilnahme, welche die Vcreins-Exkursioueu dieses Sommers 
finden, zeigte sich auch bei der 12. derselben, die am 31. August, 
allerdings unter Ungunst de» Wetters, bei einer Betheiligung 
von etwa 30 Mitgliedern stattfand Nach verschiedenen Besich- 
tigung« -Objekten vorzugsweise architektonischer Art war dies- 
mal wiederum der industriellen Technik Berücksichtigung zu 
Theil geworden; es wurdeu zunächst die grosse Nähmaschinen- . 
Fabrik der Hrn. Frister 4 Rossmann in der Skalitzer-, so- i 
dann das Etablissement der Städ t i sehen Gas- A n stalt in der 
Gitschiucr Strasse besucht und unter der zuvorkommenden 
Führung und Erläuterung der leitenden Techniker aufs Einge- 
hendste besichtigt. 

Die Frister 4 Rosamaun'schc Fabrik ist mit ihrem Personal 
von 3H0 bis 400 Arbeitern uud ihrer Produktion von etwa 400 
bis 500 fertiger Maschinen pro Woche ein sprechendes Bei- 
spiel für die Blüthe, bis zu welcher sich dieser Industrie-Zweig 
bereits gehoben hut; die für Herstellung der einzelnen Theile 
thätigen, zum Theil ausserordentlich sinnreichen und kotnpli- 
zirteu Maschinen mussten das lebhafteste Interesse auch bei 
jenen Hesucbern erregen, denen dieses technische Gebiet fern 
liegt. — Die städtische Gas -Anstalt zwischen der Gitschiner 



Strasse und dem Kohlen-Ufer steht unter den drei grossen 
städtischen Etablissements gegenwärtig an zweiter Stelle, wird 
jedoch, wenn die neun und grösste Anstalt vor dem Köuigsthor 
fertig sein wird, in die drittu Stelle rücken. Dem gewaltigen 
Guskonsum der deutschen Hauptstadt entspricht die Ausdehnung 
der betreffenden Werke, die für »ich pro Tag etwa 250000 kb™, 
im Verein mit den beiden Anstalten der Englischen Kontinen- 
tal Gas-Akticu-Gesellschaft aber fast 400000 kb» Gas zu liefern 
haben. Das besichtigte Etablissement hat im Laufe der letzteu 
Jahre seinen drei älteren Retortenhäusern ein neues von circa 
28 ,u lichter Weite, sowie seiueu drei älteren Gasbehältern, vou 
denen der kleinste der gegenwärtig noch stehenden bei 15,25'" 
Glockeudurchniesser 2500 kb'" enthält, zwei neue hinzugefügt, 
deren grösserer circa 40" 1 Glockendurchmesser und 18700 kb" 
l'assuugsraum bat: allerdings stellt auch dieser wiederum er- 
heblich gegen einen vor dem Königsthor zu erbauenden Behälter 
von 53,5 ra Durchmesser und .'IH iOOkb« Inhalt zurück. Der 
grösste der drei vorhandenen Zählapparate tuisst pro Stunde 
3000 kb m ; die beiden Hauptrohre, welche das Gas von der An- 
stalt in das Strasscnnetz führen, haben eiuen lichten Durch- 
messer von 1,07'". — Auf Details der Fabrikation einzugehen, 
vermögen wir selbstverständlich nicht, hingegen sei es uns ge- 
stattet die grossen Vorzüge, welche die neuerbauten Gebäude 
architektonisch und technisch gegen die älteren auszeichnen, 
hervorzuheben. 

Um die beiden letzten Gegenstände des Programms, an 
deren Besichtigung jedoch nur noch eiue wesentlich reduzirtc 
Zahl von Exkursion»- Genossen Theil nahm, das von Hrn. Ar- 
chitekt H. Schäffer pioiektirtc Denkmal für die Gefallenen 
des Kaiser Franz Garde-Grenadier-Regiments auf dem Käser 
nenhofe desselben, sowie die Baulichkeiten der Unious-Brauerei 
in der Hasenhaide, würdigen zu können, war die Tageszeit leider 
zu weit vorgeschritten. O 



Ueber die Leistungen der 

veröffentlicht ein vor Kurzem erschienener Bericht 
Folgendes. 

Schon im Jahre 18G0 wurden in Paris Verbuche mit Dampf- 
Strasseuwulzeu getüncht. Im Jahre lsu4 wurdeu dieselben von 
den Herreu Gcllcrat ui<d Kompagnie wieder aufgenommen, und 
im Jahre 1 S(55 schloss die Stadtverwaltung von Paris einen 
Kontrakt mit der genannten Gesellschaft ab, durch welchen sich 
dieselbe verpflichtete, fortwährend sieben Datnpf-Strassenwalzen 
nach ihrem Patente zum Gebrauche der Stadt zu erhalten. In 
diesem wurden auch die grössteu uud kleinsten Durchmesser 
der zwei Walzen jeder Maschine, sowie die grösste Breite der 
Maschinen, deren Geschwindigkeit und Gewicht pro Meter Walzen- 
länge festgesetzt. 

Die ausgeführte Arlieit wird nach dem bei derselben zu- 
rückgelegten Wege, der durch einen Zählapparat an der Maschine 
angegeben wird, multiplizirt mit dein Gewichte der Maschine, 
berechnet. Die Einheit ist die kilometrisch« Tonne ( KmT ), das 
ist 1000 Kilogramm Maschiuengewicht durch eine Distanz von 
100O™ geführt. Für diese Arbeitseinheit werden 0,», Francs 
während der Nacht-, uud (),„ Francs während der Tageszeit 
vergütet. 

Bei den iu Paris verwendeten Maschinen ist die ganze Last 
als Adhäsion« -Gewicht verwendet. Die vorderen und hinteren 
Theile sind gleichartig, so dass die Maschine vor- oder rück- 
wärts geführt werden kann, ohne umgekehrt werden zu müssen. 
Beide Walzen sind Triebwalzcn und werden iu gleicher Weise, 
aber gesondert von der Dampfmaschine bewegt. Die Maschinen 
können sich in Kurven von einem Radius vou 10 bis 15™ be- 
wegen, und es ist daher möglich, mit denselben in ganz engen 
Strassen um scharfe Ecken herumzuarbeiteu. Das Gewicht der 
Maschine im dienstbereiten Zustande ist beziehungsweise 17, 24 
und 30' 1 '. Das Gewicht pro Meter Walzeulänge ist b*' 1 ' bei der 



kleineren und 8 T bei den zwei grösseren Maschinengattungen. 
Die leichten Maschinen sind besonders geeignet für Anlage 
neuer Strassen, die schweren Walzen, welche übrigens auch für 
Neuherstelluugeu verwendet werden können, dienen speziell für 
die Erhaltung älterer Strassen. Die Maximal -Geschwindigkeit 
wurde mit 4 *.™ pro Stunde festgesetzt. 

Seit dem Jahre lt><>6 wurde in Paris die Gesatumtmenge 
von 320OO kb™ Scbottermaterial verschiedener Gattung mit jenen 
Maschinen gewalzt. Im Durchschnitt ist eine Arbeit von 8 RmT 

I zum Ausrollen eines Kubikmeters Schottermaterial erforderlich. 

I Bei gut geleisteter Arbeit und unter gewöhnlichen Verhältnissen 
ist es jedoch möglich, dies mit 4 bis 5 KmT zu leisten. Bei Be- 
urtheilung der Arbeit ist ein Unterschied zwischen neu ange- 

i legten und alten Strassen zu machen. Erstere, besonders wenn 
sie, wie dies in Paris oft geschieht, nach Niederzissen ganzer 
Quartiere durch diese hindurchgeführt werden, uuf theflweise 
frisch aufgeschüttetem Grund, sind schwierig zu rollen. Hier 
besonders werden die kleinen Maschinen verwendet. Sie pressen 
mit geringem Gewicht auf den Grund und laufen weniger Ge- 
fahr einzusinken. Der Vorgang bei der Herstellung solcher 
neuer Strassen bezüglich des Bewässern* , Besamten» uud Wal- 
zen« unterscheidet sich nicht viel von dem bei der frischen Be- 
schotterung alter Strassen lieobachtoteu. Iu diesem Falle wird, 

' wenn nicht ohnehin nasses Wetter ist, zuerst die Strasse reich- 
lich mit Wasser begossen, sodann wird die gauze obere Kruste 
aufgehauen, damit sich der frische Schotter mit dem alten Ma- 
terial gut verbinden könne; das neue Material wird in Karren 
herbeigeführt und gleichförmig ausgebreitet. Häufig wird dann 
die Strasse noch vor dem Wulzen abermals bewässert. Die 
Bewässerung während der Operation, die Abwechselung mit dem 
Besanden wird je nach dem Wetter und der Gattung des Ma- 
terials verschieden ausgeführt. Hauptsache ist, dass man, be- 
sonders beim Beginn, nur so viel Wasser giebt, als zur Benetzung 
des Schotters und Sande« hinreicht. Erst gegen Ende, wenn 

i die Steine gut verbunden sind und die Feuchtigkeit nur auf 



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- 295 - 



der Oberfläche bleibt, vrird die Strange reichlich bewässert und 
der überflüssige Sand von der Oberflache weggeschwemmt. 

Bs erübrigt noch, die Arbeit mit der Maschine zu be- 
sprechen. Dieselbe wird unter allen Umständen an der Seite der 
Strasse begonnen. Die Wahle wird mehremale über eine der 
Kanten des Macadams geführt- Wenn die Steine etwas zusam- 
mengedrückt sind, werden sie mit Wasser begossen und mit 
Sand bestreut. Bei jeder Passage wird die Walze näher gegen 
die Strassenkrone geführt. Wenn so die eine Hälfte der Strasse 
bearbeitet ist, so wird mit der andern iu gleicher Weis« be- 
gonnen. Der mittlere Theil wird zuletzt uusgefiihrt Gcgeu 
das Ende der Operation bleibt das Wasser an der Oberfläche, 
die Walzen machen keinen Eindruck mehr. Die Strasse wird 
noch mit einem Ueberscbuss von Wasser abgewaschen und ist 
sodann fertig. 

Seit dem Gebrauche der Dampfwalzen haben sich die 
Strassen in Paris wesentlich verbessert und die Dauer der 
Oberfläche derselben hat sich bedeutend verlängert. Ausserdem 
wird die Arbeit mit Maschinen schneller durchgeführt und der 
Vorkehr weniger gebindert, als bei der Handarbeit. Nach den 
gegebenen Andeutungen ist es leicht, die Leistungsfähigkeit 
einer Maschine zu berechnen. Da die durchschnittliche Ge 



Bindigkeit drei Kilometer ist und die Zahl der pro Kubik- 
meter erforderlichen kilometrischen Tonnen vier beträgt, so ist 
der Kubik- Inhalt Schotter, der von einer Maschine per Stunde 
gerollt werden kann, gleich dreiviertelmal dem Gewichte der 
Maschine; sonach beträgt die Leistung der Maschine von 
17 TonDen Gewicht 12.,» Kubikmeter pro Stunde 
24 . „ lS.o» , • a 

30 „ , 2-2.»» p 

Nene Handkarre für Erdtransporte. Hei den Erdarbeiten 
für die Hannover-Altciihekencr Eiscubahn sind mehrfach Ver- 
suche mit verschieden konstruirten Transportgcräthen für Erd- 
massen angestellt worden, und hat sich die nachstehend darge- 
stellte Handkarre während Ifiugeren Gebrauchs in grösserer 
Anzahl, namentlich für trockenen, nicht bindenden Boden be- 
währt. Durch die Lage des Schwerpunktes, welcher Ihm gela- 
dener Karre sich fast seukrecht über der Axe des Rades be- 
findet, erleichtert dieselbe die Arbeit ganz wesentlich, denn 
" bei einer Laduugsfähigkeit von 0,12 kb» (1 Kuh. Fuss 



nr-r-r > t 

c,s i 



Preuss.) der Arbeiter bei der alten Konstruktion circa 70 Pfd. 
zu tragen hat. beträgt dies« Last bei der vorliegenden Karre 
nur ca. 40 Pfd. 

Ein kleiner Uebelstaud bei schwerem bindenden Boden ist, 
dass sich die schmalen Räume zwischen den Seitenwänden der 
Karre und der Raddecke leicht vollsetzen und die Karre nicht 
rein ausschüttet Wie mir mitgctheilt wurde, ist Herr Bau- 
meister Becherer der Erfinder dieser Konstruktion. Dieselbe 
ist wie erwähnt, bei dem llabnbau der Hannover -Altenbckener 
Bahn vielfach in Anwendung und wird von dem Stellmacher- 
Meister Verclas in Hameln für 4 Thlr. 20 Gr. geliefert E. F. 

Vorschriften für die Verdingung von Lieferangen und 
Arbeiten für Prenssisohe Staate bauten. 

An sämmtliche Behörden ist unterm l'.i. August 1872 folgender 
Ministerial-Erlass ergangen. Gegeuüber den bisherigen Auslän- 
den ist die durch ihn eingeführte neue Ordnung der betreffen- 
den Verhältnisse als ein entschiedener Fortschritt zu begrüs&en. 

„Die bei der Verdingung von Lieferungen und Arbeiten 
für Staatsbauten von den verschiedenen Provinzialbehörden zu 
Grunde gelegten allgemeinen Bedingungen weichen in vielen 
Punkten von einander ab. Wenn es auch nicht für angemessen 
zu erachten ist, eine durchgängige Gleichmässigkeit hierfür vor- 
zuschreiben, da die wirtschaftlichen und gewerblichen Verhält- 
nisse, so wie auch die Abweichungen der gesetzlichen Vorschrif- 
ten in den verschiedenen Landesthcilen besondern Berücksichti 




Provinzialbehörden zusteht, so geben doch einzelne, in den hier 
zur Vorlage gekommeneu allgemeinen Bedingungen z 
bau-Entreprisen stets wiederkehrende Bestimmungen, 
nicht zu billigen Bind, mir Veranlassung, die betreffenden Pro- 
vinzialbehörden auf die desfallsigen Mängel hinzuweisen. 

1) Die Grundsätze, welche in der Zirkular -Verfügung des 
Herrn Finanz -Ministers vom 8. März 18G8, das Verfahren bei 
Verdingung von Lieferungen uud Bau -Ausführungen betreffend, 
(Ministerialblatt für die innere Verwaltung, 1868, Seite 145*) 
unter Nu. I. in den ersten fünf Abschnitten aufgestellt sind für 
das öffentliche Ausgebet im Wege des Submission*- oder Lizi- 
tationsverfahrens und für die dabei zu beobachtenden Formen, 
sind auch in dem Ressort der Bauverwaltung zu beachten. Ins- 
besondere ist bei Ertheilung des Zuschlags der Gesichtspunkt 
festzuhalten, dass eine willkürliche Begünstigung Einzelner, mit 
Zurücksetzung anderer solider und Befähigter Konkurrenten 
schlechterdings nicht stattfinden darf. 

Die Gründe gegen die mehrfach noch vorkommende Be- 
stimmung, dass bei Lizitationen oder Submissionen eine will- 
kürliche Auswahl unter den Bietern vorbehalten wird, sind be- 
reits in der gedachten Zirkular-Verfügung angegeben. Es em- 
pfiehlt sich, in Fällen, wo eine Auswahl unter den Lizitanten 
überhaupt nothwendig oder zweckmässig erscheint, diese Aus- 
wahl auf die drei Miudcstfordoruden zu beschränken, gleich- 
zeitig aber die. Befugniss vorzubehalten, alle Gebote abzulehnen, 
wenn dieselben nicht für annehmbar befunden werden. 

2) Für die Bedingung, iu welcher Weise die Vergütung der 
von dem Unternehmer ausgeführten Mehrleistung, oder der Ab- 
zug für eine Minderleistung berechnet werden soll, giebt bereits 
die Zirkular-Verfügung vom 26. Mai 1866 (Ministerialblatt 1866, 
Seite 108) festen Anhalt. Es ist jedoch darauf zu achten, dass 
in den Bedingungen zu den Lieferungsverträgen den Lieferan- 
ten nicht unbegrenzte Verpflichtungen hinsichtlich des Lieferungs- 
iiuantums bei etwaigem Mehrbedarf auferlegt werden. Je unbe- 
stimnitcr der Umfang der Lieferungsverpflichtung ist, desto er- 
heblicher ist das von dem Lieferanten zu übernehmende Risiko, 
was leicht nachtheilig auf die Lieferungspreise einwirken kann. 
Abgesehen von einzelnen Fällen, wo ein Abweichen nothwendig 
erscheint und motivirt werden kann, empfiehlt es sich daher, 
ein bestimmtes Maximum, welches der Lieferant zu dem verab- 
redeten Preise herzugeben, und ciu Minimum, welches die Ver- 
waltung abzunehmen verpflichtet ist, im Voraus festzustellen. 
Dies wird unter verständiger Würdigung der Verhältnisse, welche 
auf einen Mehr- oder Minderbedarf einwirken können, in jedem 
Falle besonders zu arbitriren sein, in der Regel aber ein plus 
oder minus von 10 Prozent gegen das Anschlagsquantum nicht 
überschreiten dürfen. 

3) Zuweit gehende Bestimmungen über Kantionsbestellung 
und Konventionalstrafen sind geeignet, einen ungünstigen Ein- 
fluss auf die I'reisforderungen auszuüben. Die Ib'ibc, zu welcher 
Konventionalstrafen anschwellen, besonders wenn sie mit jedem 
Tage der Verspätung steigen, giebt jetzt schon häutig den Pro- 
vinzialbehörden Veranlassung, eine Ermässigung oder auch den 
gänzlichen Erlas» verwirkter Konventionalstrafen, weil durch die 
verspätete Lieferung ein Nachtheil nicht erwachsen sei, selbst 
zu beantragen, .le mehr ein solches Verfahren zur Regel wird, 
um so eher werden leichtsinnige Kontrahenten bei Uebernahme 
von Lieferungen auf Nachsicht sich Rechnung machen, während 
gewissenhaftere Lieferanten dadurch abgeschreckt werden. Es 
sind daher sowohl in Beziehung auf Konventionalstrafen, wie 
auf diu Höhe der Kautionsbestellung die Festsetzungen genauer 
als bisher, dem obwaltenden Interesse entsprechend abzuwägen 
und den konkreten Umständen anzupassen. Auch sind die 
Termine nicht ohne Noth zu kurz zu bemessen. 

4) Es ist darauf zu achten, dass der bereits in der Zir- 
kularverfügung vom 20. Februar 1870 empfohlene Vorbehalt in 
den Kontrakten Aufnahme linde, wonach, wenn die iu Folge 
einer Säumigkeit des Unternehmers vorbedungeue anderweit« 
Verdiogung der Lieferungen oder Leistungen auf Gefahr uud 
Kosten des Unternehmers zur Ausführung kommt und hierbei 
geringere, als die kontraktlich vereinbarten Preise erzielt wer- 
den, dem säumigen Unternehmer ein Anspruch auf die Diffe- 
renz nicht zusteht. 

5) Iu den Bedingungen finden sich häufig Bestimmungen, 
welche entweder direkt oder indirekt für Dinerenzen über die 
Erfüllung von kontraktlichen Bedingungen, oder über anschlag- 
mässige Anfertigung der Arbeiten, beziehungsweise über die uu- 
tadelhafte Beschaffenheit der Materialien, den Rechtsweg aus- 
schliessen. Dieses erscheint den bestehenden Gesetzen gegeu- 
über nicht haltbar, und es kann namentlich nicht, wie bisweilen 
vorgekommen, unter solcher Ausschliessung die alteinige Ent- 
scheidung des Regieruugs- und Bauraths ausbedungen werden, 
zumal derselbe von dem Unternehmer in der Regel als Partei 
angesehen werden wird. Zur Vermeidung prozessualischer Wei- 
terungen wird es genügen, weuu — ohne Erwähnung des Rechts- 
weges überhaupt — die Entscheidung hervorgetretener Diffe- 
renzen einem schiedsrichterlichen Spruche zugewiesen, oder für 
bestimmte Punkte das Erachten von Sachverständigen, welche 
in dem Vertrage speziell zu bezeichueu sind, als sachlich mass- 
gebend bezeichnet wird. 

Die Königliche Regierung hat die vorstehende 
gen bei Aufstellung der allgemeinen Lieferung«- etc. 
gen und der Entroprise-Kontrakte zu beachten. 



:htl- ') M«n rtnsl. Dcuuch« Bwultun«. 1M8. No. tt p»i|. 157. 

den 



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In Bezug auf die Veränderungen des 
in der Nähe der Kirchhöfe enthalten die »Annale» de la socictu 
de med. de Gaad" die Beschreibung einer interessanten, in St. 
Didier (Allier) von Lefurt angestellten Wasseranalyse des ein- 
zigen dort befindlichen, AO» vom Kirehbofe entfernten Brunnens. 
Da« Wasser hat einen Nüsslichen Geschmack, erregt kein Er- 
breeben, hinterläßt jedoch eiuen fötiden Geschmack. Keim 
Eindampfen bleibt eine dicke, graue Masse zurück, die «ich unter 
weiterer Erhitzung schwarzbraun färbt und einen empyreunia- 
tischen Geruch verbreitet. Ein Theil des Residuums wurde mit 
diluirter Salzsäure gemischt, wobei sich Kohlensäure und eiu 
Geruch nach starkem Leim entwickelte; eih anderer wurde mit 
Kalkhydrat versetzt und mau bemerkte eine bedeutende Masse 
Amnioniakgalze. — Lefort glaubt daher aus dem Vorkommen 
organischer Substanzen den Scliluss ziehen zu müssen, da** 
selbst eine Entfernung von 100« von jeder menschlichen Woh- 
nung für die Anlage des Kirchhofes uicht genügend sei. dass 
neue Kirchhöfe erst dann an einem Orte augelegt werden dürfen, 
wenn man die Gewissheit erlangt hat, dass keine Filtration des 
Khrhhofwassers in die 'ür menschliche Nahrung bestimmten 
Brunnen Statt findet, und dass es uothweudig sei, in der Nähe 
der vorhandenen Kirchhofe, so wie aller zur Beseitigung von 
thierischen Kadavern bestimmten Plätze Draiuröhreu auzulegen, 
welche das von solchen Orten kommende Wasser anderweitig 
fortschaffen, dass es überhaupt sich empfehlen dürfte, von Zeit 
zu Zeit das Trinkwasser einer genauen Analyse zu unterwerfen, 
wodurch bisweilen das Vorhandensein gesundheitsgefährlicher 
Stoffe, zumal iu quellenarmen Gegenden, nachgewiesen würde. — 
Für die Bewohner grosser Städte, deren hettautes Gebiet mehr 
als einen Kirchhof umfasst, der bis vor Kurzem noch im Ge- 
brauch war. ja auf dem noch immer einzelne Beerdigungen statt- 
finden, sind diese Mittheilungen nicht eben erfreulich. W'eun 
wir erst Behörden für Gesundheitspflege besitzen, so wird zu 
deren Funktionen zweifellos auch die Vornahme von Unter- 
suchungen gehören, welche über derartige Verhältnisse klares 
Licht verbreiten. 

Abgekürzte Bezeichnung der metrischen Maasse nnd 
Qewiohte Im Auschluss au unsere Mittbeilung iu voriger 
Nummer geht uns die Nachricht zu, das noch dem neuerdings 
erfolgten Bekanntwerden der von der Normal-Eichungs-Kommis- 
sioti aufgestellten Abkürzungen die Kgl. Eisenbahn- Direktion 
zu Elberfeld, welche seinerzeit ihren Technikern eine Beachtung 
der Beschlüsse unseres Verbandes empfohlen hatte, dies»! nun- 
mehr zur Befolgung jener Vorschläge in dienstlichen Angelegen- 
heiten angewiesen hat. Wir hoffen, dass diese Maassregel, welche 
anscheinend auf dem lrrthume beruht, jene BckauuUnacbuug der 
Normal-Eichungs-Kommissiou als einen offiziellen Erlas» der 
lteichsbehörde zu betrachten, nur vereinzelt dasteht, und weisen 
wiederholt auf das in No. 4 u. diesjährigen Zeitung abgedruckte 
Schreiben des Reichskanzler- Amtes an den Vorstand unseres 
Verbandes hin, wonach auf einen solchen offiziellen Erlass aus- 
drücklieb verzichtet wird. Es dürfte vielleicht angemessen sein, 
wenn Seitens de* Verbaudes geeignete Schritte getroffen wür- 
den, um jenen Irrtlium aufzuklären. 



Gegen- 
stände ist am 1. September d. J. im Zeughause zu Berlin er- 
oftnet worden. Die Dauer derselben ist auf zwei Monate fest- 
gesetzt. Wir machen unsere Leser vorläufig auf diese ebenso 
reichhaltige wie werthvolle Ausstellung aufmerksam, in der 
sehr viele sonst nicht zugängliche Kunstwerke vertreten sind. 
In den nächsten Nummern beabsichtigen wir ausführlicher dar- 
über zu berichten. 

Aus der Fachliteratur. 
Katalog der ernten Wanderausstellung des Bayrischen 
Gewerbemuseums zu Nürnberg, veranstaltet gelegentlieh der 
pfälzischen lndustrie-Ausstelluug zu Kaiserslautern. I'r. 9 Kr. — 
Unter diesem Titel liegt uns ein Werkchen vor, das trotz seiner 
unscheinbaren Gestalt eine Schätzens - und nachahmungswerthe 
Leistung für die Forderung der Kunstindustrie repräsentirt und 
in seinem Bestreben, das Verständnis» für dieses Gebiet im 
Volke anzubahnen, den Nagel geradezu auf den Kopf trifft. 

Der Werth der Ausstellungen, namentlich älterer Kunst- 
werke für die Bildung des Geschmacks und für die direkte In- 
struktion ist zwar ein unbestreitbarer, besonders wenn durch 
eiu oder das andere System in der Aufstellung der Eutwicke- 
luugsgang einzelner Kunstzweige besser veranschaulicht und 
\ er» irrenden Kuriositäten kein Platz eingeräumt wird: aber den 
eigentlichen Nutzen davon werden fast immer nur die Spezia- 
listen des Faches, oder die ihm Näherstehenden haben, denen 
Kenutuiss uud Uebuug das Sehen und Auffassen et möglichen 



Wo es sich um Belehrung der Massen handelt, kann dies kaum 
anders geschehen, als indem mittels eines Katalogs die Aus- 
heilung durch geeignete Erklärungen erst zugänglich gemacht 
wird, wie die» der vorliegende in gelungener Weise zeigt. 

Das bayerische Gewerbemuscum, welchem das Verdienst ge- 
bührt, dies iu richtiger Weise erkannt zu haben, ist. neben dem 
germanischen Museum in Nürnberg und dem sogenannten .Na- 
tional" -Museum in München die dritte grosse Sammlung des 
Landes, in welcher Erzeugnisse der Kunstthätigkeit zu Studien- 
zwecken vereiuigt sind, nährend die beiden älteren vorzugs- 
weise historischen Zwecken dienen und deutsches sowie bave- 



risebes Kulturleben der verschiedenen Epochen veranschaulichen 
sollen, ist diese jüngste Sammlung direkt zur Forderung uud 
Hebung des Kunstgewerbes bestimmt und enthält daher auch 
lehrreiche ueuere Erzeugnisse. Die Veranstaltung von Wander- 
ausstellungen iu verschiedenen Theileu des Landes ist zweifellos 
geeiguet, seine Erfolge für die künstlerische Belehrung des 
Volkes, die Vorbedingung jeder gedeihlichen Weiterentwickeluitg 
der Kunstindustrie, erheblich zu steigern, und es bietet die in- 
struktive Anordnung der diesjährigen Ausstellung bereits einen 
erfreulichen Beweis, wie richtig uud energisch die er»t in die- 
sem Jahre zur Thätigkeit gelaugte Anstalt ihrem Ziele nach- 
strebt. Nach dem Kataloge enthält die Ausstellung in Kaisers- 
lautern nur Arbeiten in Thon und in Metall, so wie eine Folge 
von Ornamenten in Zeichnungen und Stichen etc. Ergänzungen 
in der Darstellung der Entwirkelung sind durch Leihgaben des 
germanischen Museums iu Nürnberg uud einiger Privatsamtu 
lungeu bewirkt; was dann noch im Zusammenhange fehlte, ist 
durch Abbildungen ersetzt. 

Der illustrirte Katalog selbst, zweifellos ein Werk des Di- 
rektors dej bayrischen Gewerbeiuuseutns Dr. Stegmann, ist, 
wie schon erwähnt, sehr zweckmäßig angeordnet Vor jeder 
Abtheiluug theilt er das Wissenswerteste über Entstehung und 
Ausbildung der betreffenden Technik iu kurzen aber klaren 
Worten mit, beleuchtet jeden einzelnen Gegenstand in seinen 
Eigctitliümlichkeiten noch besonders, vielfach durch Zeichnung, 
und schliesst in anregender Abwechslung noch den Unterab- 
theilungen wieder einige allgemeine Bemerkungen un Hiermit 
wird dem durch mangelhatte Erziehung des Nutzens der An- 
schauung verlustig gegangenen, daher immer mehr wisseusdursli- 
geu als schaulustigen Besucher entgegengekommen. In kurzer 
Zeit, auf die bequemste Art mit den bemerk enswertbesteu Ei- 
genschaften der Werke bekannt cemacht, gewinnt er Interesse, 
Verständnis», endlich Gefühl für das Wahre und Falsche, Schöne 
und Hässliche. — Eiu llauptwertli des Katalogs beruht aber 
in den freilich sparsamen Illustrationen eiuiger hevorragender 
Werke, Marken etc. in guten Holzschnitten. Diese nicht hoch 
genug zu schätzende Ausstattung der Kataloge durch Illustra- 
tionen, wodurch die auf der Ausstellung gewonnenen Eindrücke 
für längere Zeit wirksam wieder in die Erinnerung zurückge- 
rufen werden, sind in England, Frankreich — auch Dänemark 
lauge üblich, bei uns kaum vorhanden, daher dieser Versuch 
um so anerkennenswerther ist. Eine allgemeine Einführung 
würde den Nutzen der Museen und Ausstellungen um ein Be- 
deutendes erhohen. E. Jacobsthal. 




Ueber die neue Konkurrenz für Entwürfe zum 
des deutschen Roionstagea sind in den letzten Wochen 
fach Gerüchte durch eiuen Theil der politischen Press« ge- 
gangen, von deneuwir, da ihre Irrthümlichkeit offen zu Tage 
lag, nicht weiter Noitz geuomnien haben; dieselben meldeten 
nämlich, dass bereits eine neue und zwar beschränkte Konkur- 
renz zwischen den vier deutscheu Siegern des ersten allge- 
meinen Wettkampfes (also mit Ausschluss von Sir Gilbert Scott) 
und mit Zugrundelegung des Bauplutzcs auf der Westseite des 
KfmigsplaUes (Krolfsches Grundstück) eingeleitet worden sei. 
Auf die direkte Anfrage einiger Fachgcuo<»sen konstatireu wir 
ausdrücklich die Grundlosigkeit der betreffenden Gerüchte, die 
wohl dadurch entstanden sinn, dass man Maassuahmen, die von 
eiuzelucn Personen als vorläufige Vorsehläge geäussert worden 
sind, als vollendete Thatsachen aufgefasst hat Beschlüsse 
in der Angelegenheit sind vor Mitte Oktober, zu welchem Ter- 
min der erste Wiederzusammentritt der leiteuden Kommission 
in Aussicht genommen ist, überhaupt nicht zu erwarten. Die 
in Berlin wohnenden Mitglieder derselben, von denen der gros- 
sere Theil übrigens auch auf Reisen abwesend war, haben bis 
dahin lediglich den Auftrag, Voruntersuchungen anzustellen, 
auf Grund deren sie dem Plenum demnächst bestimmte Vor- 
schläge über die Wahl eines Bauplatzes unterbreiten können. 

Die Konkurrenz für Entwürfe zu einem Börsengebäude 
in Dresden bat nach der Anzeige de» Vereins -Vorstandes das 
Resultat ergeben, dass unter :il eingegangenen Arbeiten durch 
den Spruch der Preisrichter der erste Preis dem Eutwurfc des 
Architekten Albin Zumpe iu Zwickau und Guido Ehrig in 
Chemnitz, der zweite Preis dem Entwürfe des Baumeisters 
Riffart in COln zuerkannt worden ist. Weitere Details sind 
un» bis jetzt 



In der Konkurrenz für Entwürfe zu einem 
Denkmal auf dem Niederwald sind eingegangen: 12 Modelle, 
uud zwar H architektonische und 4 in's Bereich der Skulptur 
gehörige, sowie 17 Entwürfe iu Zeichnungen, welche ausschliess- 
lich architektonisch gehalten sind. — Die Ausstellung im Lokale 
der Königl. Akademie der Künste zu Berlin beginnt wahrschein- 
lich am H- September und dauert 4 Wochen. 

Personal • Nachrichten. 

Preusscn. 

Ernannt: Der Baumeister Heibig in Wilhelmshaven zum 
Landbaumeister und technischen Hülfsarbeiter bei der Köuigl. 
Regierung zu Trier. Der Kreisbaunieistcr Richrath zu Aurich 
zum Landbaumeister uud technischen Hülfsarbeiter bei der 
I Kouigl. Regierung zu Merseburg. 



I TM C»rl Dnlin In 1 



*M !. - Wider fiek.MIo I 



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Jahrg. Tl. M 37. 

DEUTSCHE BAUZEITUNG 

Organ des Verbandes 

deutscher Architekten - und Ingenieur-Vereine. 

Redakteur Z. B. 0. Fritich. 



Rr.l«k'.icin ■. Etpt4iti.il 
Berlin, flnrirriitr.il/- 101. 

B..t.Uni>(« 

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kaairit.n« linden A.inahaM 
In nee *.fJti» - Hcllacr : 

UwrUMKprcli: »'., P» 



Prek 1 Vha 




lal. Berlin, den 12. 


September 1872. 


Frirkt iat jedea Daaaeritaj;. 


1er pr« |aar 


Inhalt: Du 
>n>l de. r.hr«M< 




UltMl II«». (roru.t«.r...) - Zar Vrrb»- 
*.. — Di. Aulsr.taBl.» In der Krrpla der 
■Im • Papier. — Verml.chtea; U.bnr «in* 


■rne Idee an Lwn-Iirrirrlchnioiteii 
Brlaf- ond Pr.g.eat t.n . 


Ar Tk 


taler. - Per.en.l-Nacnricbtcn, 



(Por< 

der 



II. Die Vorschriften für den Ausbildnngsgang 
Staats-Baubeamten und die Einrichtungen der Bau 
Verwaltung in ihrer historischen Entwickelnng. 
Ein Verständniss der gegenwärtigen Zustünde des Preus- 
sischen Stnatsliauwesens ist nicht wohl möglich ohne einige 
Kenntnis» der verschiedenen Phasen, welche seine Einrich- 
tungen bereits durchlaufen haben. Anordnungen, welche auf 
den Zustanden und Anschauungen längst vergangener Epochen 
beruhen und nur aus diesen heraus erklärlich sind, bestehen 
ja leider noch in allzugrosser Zahl und noch ist es der sche- 
menhafte Geist der Vergangenheit, welcher in offiziellen 
Kreisen ganz unwillkürlich den Maasstab aar, Beurtlieilung 
der Gegenwart abgiebt. 

Man muss diese Thatsacha wohl daraus ableiten, dass 
eine Organisation des Preußischen Bauwesens nach grossen, 
einheitlichen Gesichtspunkten zu keiner Zeit versucht 
worden ist, die verschiedenen I! nin-n desselben vielmehr 
einzeln und stückweis — je nachdem ein Bedürfnis« nach 
dieser oder jener Seite stell geltend zu machen schien — 
erfolgten; über nicht wenige, zum Theil ganz wesentliche 
Momente, welche die Stellung der Baubeamten betreffen, 
wurden ailgewuiutj o«f»ni<*töri»che Verordnungen Überhaupt 
nie erlassen, sondern es sind die betreffendenBestimmungen 
gelegentlich dnreh Zirkular -Reskripte des Ressort -Min isters 
festgesetzt worden. Wcnu man dies nur aufrichtig bedau- 
ern kann, so muss man andererseits billig erstaunen über 
den Grad der Unsicherheit und des Schwankens, der sich 
in der grossen Zahl von Aenderungen kundgiebt, welchen 
die Bestimmungen über den Ausbildungsgang der Bau- 
beamteu und das hierzu dienende Unterrichts -Institut aus- 
gesetzt waren. Man wird nicht zu viel sagen, wenn man 
behauptet, dass die Anordnungen auf diesem für die prin- 
zipielle Auffassung der von uns zu erörternden Fragen wich- 
tigsten und entscheidenden Gebiete den Charakter fortwäh- 
renden Experimentirens tragen — ein Moment jeden- 
falls, welches die Forderung einer abermaligen , diesmal 
jedoch nicht blos im einseitigen Verwaltungswege herbei- 
geführten, sondern Öffentlich diskutirten und von der öffent- 
lichen Meinung des ganzen Volkes sanktionirten Reform 
nicht unwesentlich unterstützt 

Bei dem engen Zusammenhange, den nach ihrer allge- 
meinen Tendenz die Vorschriften für den Ausbildungsgang 
der Staatsbaubearaten mit denen über die spatere dienstliche 
Stellung derselben haben, dürfen wir die Darstellung ihrer 
historischen Entwickelnng nicht wohl trennen. Es ist selbst- 
verständlich, dass wir dieselbe nur kurz halten können und 
uns vorbehalten müssen, auf einzelne interessante Details 
bei der späteren Besprechung der gegenwärtigen Zustände 
auf beiden Gebieten zurückzukommen. — Ebenso selbstver- 
ständlich ist es, dass wir M einer Arbeit, die nicht sowohl 
wissenschaftliche als vielmehr praktische Zwecke hat, auf 
eine historische Untersuchung der ersten Keime und Anfänge 
des Preussischen Staats -Bauwesens unter dem letzten Kur- 
fürsten und ersten Königen Brandenburg -Preussens verzich- 
ten und mit einer Zeit beginnen, zu welcher dasselbe bereits 
zu einer gewissen Ent Wickelung gelangt war. 

Man kann diese Zeit um etwa hundert Jahre zurück- 
datiren und wird als den ersten Schritt zu eiuer einheitlichen 
Organisation des Preussischen Staats- Bauwesens die durch 
König Friedrich II. im Jahre 1770 verfügte Errichtung eines 
„Ober-Bau-Departements 1 * bezeichnen müssen. Dasselbe war 
ein Tbeü des .General -Ober -Finanz-, Kriegs- und Domainen- 
Direktoriums" und bestand aus Geheimen Finanz- und Ober- 
Unter diesem waren bei den Kriegs- und Domai- 



neu-Kammern (den heutigen Regierungen) als Mitglieder der- 
selben Baudirektoren — unter diesen wieder Bauinspektoren 
(für die Städte) und Landbaumeister (für das flache Land) an- 
gestellt. Später ( 1 798 ) erfolgte die Errichtung liesondercr 
.Immediat-, Forst- und Bau Kommissionen" zur Leitung des 
Forst- und Bauwesens der Provinzen; unter ihren Hülfsbeam- 
ten werden, zur „Adbihirutig bei Lokal- Bau -Recherchen 
r ein ganz zuverlässiger Baubediente" und „ein fleissiger Kon- 
dukteur" angeführt. Der Geschäftskreis der Baubeamten 
scheint im V cscntlichcn bereits der heutige gewesen zn sein. 

Wenig oder nichts ist über den daaials vorgeschriebenen 
oder üblichen Ausbildungsgang dieser Baubeamten des vori- 
gen Jahrhunderts bekannt, vor deren wissenschaftlicher und 
technischer Bildung, wie sie zun Mindesten bei Einzelnen 
bestand, wir indessen eine hohe Achtung gewinnen müssen, 
wenn wir bedenken, dass ein Eytelwein und David Gill y, 
deren Leistungen bis heute unerreicht sind, zu ihnen gehör- 
ten. "Wir können nur vermnthen, dass sie ihr Fach ebeuBo 
erlernten, wie noch beute die Feldmesser es thun; durch 
die Beschäftigung und den Unterricht bei einem einzelnen 
Meister ihres Faches, in dessen Bureau sie gleichzeitig ihre 
praktische und theoretische Vorbereitung gewannen. Als 
Prüfuugsbehördc für angehende Feldmesser und Baubcamten 
— eine Bewährung als Feldmesser war jedenfalls schon 
Vorbedingung für eine Laufbahn im Staatsbauwesen — fun- 
girte das Ober-Bau-Departement zu Berlin. Welche Anforde- 
rungen bei dieser Prüfung gestellt wurden, wissen wir leider 
gleichfalls nicht genau, doch scheint soviel festzustehen, dass 
die Vorbildung der Baubearaten schon damals eine auf alle 
Zweige des Bauwesens gerichtete, universelle war. So 
wenig dies bei dem damaligen Stande und Umfang des 
Faches zu bedeuten haben mochte, so ist doch schon damals 
so eindringlich dagegen gewarnt und geeifert worden, wie dies 
beute nur geschehen kann, und bekannt ist das schon früher 
von uns zitirte Wort des Geheimen Ober- Baurath Riedel, 
wie man Stndirende des Baufaches nicht zeitig genug darauf 
aufmerksam inachen könne, dass das Bestreben in allen 
Richtungen desselben Gleiches zn leisten, die Gefahr in sich 
berge, ein polyhistorischer Stümper zu bleiben und sich 
selbst unglücklich zu machen. 

Der Schluss dieser Periode brachte durch die Stiftung 
eines besonderen Unterrichts -Instituts Einheit und Methode 
in den Ausbildnngsgang der Preussischen Baubcamten. Nach- 
dem zu Berlin bereits seit 1775 einzelne öffentliche Vor- 
lesungen über bauwissenschaftliche Disziplinen gehalten wor- 
den waren, zn denen sich seit 17!K> ästhetische Vorträge au 
der Königlichen Akademie der Künste gesellt hatten, folgte 
am Vi. April 1799 die Errichtung der Königlichen Bau- 
Akademie, die bis auf die jüngste Zeit einzige und aus- 
schliessliche alma mater aller Angehörigen des Preussischen 
Staatsbauwesens geblieben ist. Als Kuratorium derselben fun- 
girten gemeinschaftlich die Kunst -Akademie und das Ober- 
Bau -Departement; das mit sehr weitgehenden Befugnissen 
ausgerüstete Direktorium bestand ans Mitgliedern der letz- 
teren Behörde. Als Vorbedingung für den Eintritt in die 
Anstalt, deren Charakter trotzalledem im Wesentlichen als 
akademischer bezeichnet werden muss, wurde ein Alter von 
15 Jahren, leserliche und orthographische Handschrift, sowie 
die Grundlage des Lateinischen nnd Französischen verlangt. 
Die Gesammtdauer des im Sommer durch praktische Be- 
schäftigung unterbrochenen, ab ovo anlangenden Unterrichts 
betrug vier Jahre, konnte jedoch je nach den Vorkenntnissen 
des Stndirenden auf kürzere Zeit ermässigt werden. Mau 
kann nach diesen Daten leicht ermessen, dass die Anfordc- 



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rangen, welche in einer späteren Prüfung an die Baubcaiiitcu 
gestellt wurden, nur höchst massige gewesen sein können; 
auch wird man annehraeu dürfen, dass der Grad allgemeiner 
Bildung, nach welcher die Ansprüche auf Geltung in der 
Gesellschaft bemessen zu werden pflegen, bei den aus die- 
sem Ausbildungsgange hervorgegangenen Beamten im Durch- 
schnitte wohl nicht ganz dem entsprochen haben wird, 
dessen die durch ein Universität« -Studium vorgebildeten 
Staatsbeamten sich rühmen konnten. 

Wesentliche Umgestaltungen erfuhr die Organisation der 
Bauverwaltung zugleich mit der des gesammten Staatswesens 
durch die Veränderungen, mit welcher nach der Zertrüm- 
«ng des alten, morschen Preussens im Jahre 1808 ein 
tr lebenskräftiger Staat auf neuer Grundlage aufgebaut 
"(j doch betrafen diese Umgestaltungen mehr die ftusser- 
lichen Ressortverhältnisse, als die eigentliche Praxis der 
Verwaltung. Wichtiger ist für das innere Leben des preussi- 
schen Staatsbauwesens in dieser zweiten, von 1808 bis 1848 
reichenden Periode einerseits die Bedeutung, welcher der 
künstlerischen Seite des Faches unter dem Kinflusse eines 
Schinkel zu Theil wurde, andererseits aber die Bedeutung, 
welche zu dieser Zeit der bisher stark vernachlässigte, nun- 
mehr aber mit allem Eifer aufgenommene Chaussee-Bau er- 
laugte. 

An Stelle der früheren Kriegs- und Doinainenkammern 
traten als Vereinigungspunkte der gesammten inneren Ver- 
waltung der Provinzen nunmehr die Hegierungen, denen 
bautechnische Mitglieder, Regierung»- und Banräthe, zuge- 
theilt wurden. Im Ressort der Regierungen wurde die Ver- 
waltung des öffentlichen Bauwesens im Einzelnen besonderen 
Land-, Wasser- und Wege -Baubeamten überwiesen. Den 
ersteren, (Landbau- Inspektoren und Laudbaumeistern) wurde 
das gesammte Hochbauwesen des Staates, die Sorge für 
nnehanssirte Wege und kleinere (nicht schiffbare) Flüsse, 
die baupolizeilichen Angelegenheiten und die Prüfung der 
Bauhandwerker übertragen; die Wasser-Baubeamten erhielten 
die Bauten an den schiffbaren Strömen und Kanälen, dir 
Küsten und Häfen zugewiesen; den Beamten des Wegebaus 
endlich, Wegebau-Inspektoren und Wegebaumeistern, denen 
später als eine Zwischen -Instanz noch die Ober-Wege-Bauin- 
spektoren vorgesetzt wurden, lag der Bau und die Unter- 
haltung der Staats-Uhansseen ob. Als Regel wurde festge- 
halten, dass die Anstellung als Wegebaumeister die erste 
Stufe der Laufbahn jedes Baubeamten bilden müsse. Aus- 
geschlossen von der Verwaltung des übrigen Bauwesens blie- 
ben die unter die geschäftliche Leitung der betreffenden Hof- 
Charucn gestellten Bauten an den Königlichen Schlössern um) 
Palais. — Es kann für unseren Zweck nicht von Interesse 
sein, näher darzulegen, welchen einzelnen Veränderungen und 
Entwickelungen die betreffenden Einrichtungen des Provin- 
zial-Bauwescns in dem erwähnten 40jährigen Zeiträume un- 
terlegen sind. Die vorstehenden Angaben gelten allerdings 
vorzugsweise für den Sellins* der Periode, doch sind die 
Verhältnisse, soweit sie vou prinzipieller Bedeutung sind, 
fast durchaus stabil geblieben. 

Ausserordentlich schwankend waren hiugegen die Res- 
sort-Verhältnisse des Bauwesens in Bezug auf die oberste 
Zentralbehörde, der es unterstellt wurde. Das frühere Ober- 
Bau-Departement ward im Jahre 1808 aufgehoben und in eine 
technische Bau -Deputation, welche bei einer abermaligen 
Aenderung im Jahre 1810 den Namen Technische Oher-Bau- 
Deputation erhielt, umgewandelt; die Funktion dieser Be- 
hörde wurde jedoch nicht als administrative, sondern ledig- 
lich als konsultative, zur Kontrole und Revision der öffent- 
lichen Bauten bestimmt, so dass ihre Thätigkeit im Wesent- 
lichen auf die Abgabe von Gutachten , die Revision der 
Kostenanschläge, die Prüfung der Feldmesser und Baukon- 
dukteure sich beschränkte. Die administrative Spitze des 
Preussischen Bauwesens hat bei den fortlaufenden Versuchen, 
welchen die Organisation der obersten Staatsbehörden wäh- 
rend der Regierungszeit Friedrich Wilhelm III. unterworfen 
war, wohl ein Dntzendmal gewechselt und ist unter verschie- 
denen Kombinationen bald von dem .Ministerium des Innern, 
bald von dem der Finanzen, bald von dem für einige Zeit 
errichteten .Ministerium des Handels gebildet worden. Ein 
uäheres Eingehen auf diese Verhältnisse ist wohl gleichfalls 
ohne Werth. 

Um Vieles wichtiger sind die Veränderungen, welche 
während dieser Zeit die Einrichtungen der Bau -Akademie 
und mit diesen die Vorschriften für den Ausbildungsgang 



der Preussischen Baubeamten unterzogen 

Von der Umgestaltung der Bauverwaltung im Jahre 
1808 blieb dieses Institut zunächst unberührt; nur dass es 
dem Ressort des Departements für den Kultus uud öffent- 
liehen Unterricht in Mmserium des Innern zutre thei t und .i«.» .<».!.«.•■ v m m «(.«»«h^iiich« und *u»,u«rt«i.«r -vnd.« teuu«w*. 



der Einwirkung der an die Stelle des Ober-Bau-DepartemeDts 
getretenen technischen Ober-Bau-Deputation entzogen wurde. 
Unter dieser Anordnung, namentlich aber unter dem Ein- 
flüsse und der Nachwirkung der Kriegsjahre konnten die 
Zustände der Bau -Akademie nicht eben gewinnen und die 
Schilderung, welcher ein damaliger Schüler der Akademie, 
Wilhelm Stier, später von ihr entworfen hat, lässt auf eine 
arge Verwahrlosung schliesscn. Bereits im Jahre 1817 wurde 
daher zwischen den verschiedenen Staats - Ministerien über 
eine Reorganisation der Anstalt verhandelt, jedoch erst im 
Jahre 1823 seitens der Ministerien für Handel und Kultus 
ein gemeinschaftlicher Bericht an den König erstattet. Der 
Bauakademie wird in demselben vorgeworfen, dass nach der 
Richtung, die sie genommen habe, die Bildung tüchtiger Bau- 
hedienten nicht mehr als ihr ausschliesslicher und Haupt- 
zweck erscheine, dass sie vielmehr zu vorwiegend die all- 
gemeinen Interessen der Kunst berücksichtige. Es wird vor- 
geschlagen, dass eine Theilung des Instituts vorgenommr-n 
werde, derart, dass die eine Abtheilung, deren Zweck die 
Ausbildung von Baukünstlern sein solle, mit der Kgl. Aka- 
demie der Künste zu vereinigen und dem Ministerium des 
Unterrichts zu unterstellen sei, während die zweite Abtei- 
lung, welche vorwiegend technischen Gesichtspunkten hul- 
digen und sich die Bildung von angehenden Provinzial-Ban- 
meistern und Feldmessern zum Ziele setzen solle, vom Mi- 
nisterium des Handels zu ressortiren habe. 

Die Genehmigung dieser Vorschläge und die selbststän- 
dige Konstitiiirung der beiden Abteilungen, von denen di« 
erste in zwei Kollegien an der Königlichen Akademie der 
Künste noch heute kümmerlich vegetirt, während die zweite in 
der heutigen Bauakademie sich fortsetzt, erfolgte im Jahre 
18l'4, doch blieb die Einrichtung des neuen, unter die Lei- 
tung von Beuth gestellten Instituts zur Ausbildung der 
Staats - Baubeamteu nur von kurzem Bestände.*) 

Bereits im Jahre lH.'tO wurde der Minister des Inneren 
für Handel und Gewerbe ermächtig, der Bauakademie eine 
ueue, den Anforderungen der Zeit entsprechende Urganisati>>u 
zu geben, welche demnächst im Laufe des Jahres 1831 unter 
gleichzeitiger Veränderung der Vorschriften über die Prüfann 
der Staatsbaubeamten mit der ausdrücklich ausgesprochenen 
Absicht eingeführt wurde, .in einer ruhigeren Zeit und nach- 
dem jene Vorschriften wirksam geworden sind, der Gesrhäfts- 
Vertheilung der Baubeamten und ihren Personal -Etat« eine 
andere (testalt zu geben". Der neuen Einrichtung lag «-in 
Prinzip zu Gründl-, das gegenüber der bisherigen an jenen 
Baubeamten gestellten Anforderung universeller Ausbildung 
unzweifelhaft einen Fortschritt repräsentirt. Es wnrde 
nämlich für unbillig erklärt, von allen Haubeamten gleiche 
(^ualitikatiou zu fordern, während doch nicht alle für 
ihre Stellung gleicher Kenntnisse bedürfen und der Ver- 
such gemacht, eiuen Ausbildungsgang einzuführen, auf dem 
sich jeder stufenweise die für einzelne Stellungen erforder- 
lichen Kenntnisse erwerben könne. Die Bedingung einer 
gleichen Befähigung für den Land- und Sehönbau wie für 
den Wasserbau, wurde hierbei lediglich für die Anwartschaft 
auf die höheren uud höchsten Stellen des Fachs gestellt. 

In der Ausführung war dieser Ausbilduugsgaug aller- 
dings im hohen Grade schwerfällig und umständlich. Für 
die Aulnahrae in die Bau-Akademie, die gemäss ihrer nnn- 
mehr noch schärfer ausgeprägten Bestimmung als Untcrrichtv 
Anstalt für künftige Baubeamte den Namen „Allgemeine 
Bauschule" erhielt, wurde wie bisher die Oualifikation als 
Feldmesser, sowie ein Zeugniss der Reife der Sekunda eines 
Gymnasiums oder einer parallelen Anstalt gefordert. Nach 
einem zweijährigen, noch immer ziemlich schulmässig ge- 
stalteten Kursus erhielt der Studirende die Erlaubniss, sich 
zur Vorprüfung als Baumeister zu melden, doch war für dir 
Zulassung zu derselben der Besuch der Bauschule nicht un- 
bedingt obligatorisch. Das Bestehen dieser ersten, öffentlich 
abgehaltenen Prüfung berechtigte den Aspiranten zu dem 
Titel „Bauzögling* uud zu diätarischer Beschäftigung al.« 
Aufseher bei Staatsbauten. Nach zweijähriger Beschäfti- 
gung bei Bauausführungen durfte der Bauzögling sich «He 
Probearbeiten zur Baumeister-Nachprüfung erbitten, die ihm 
den Titel Baumeister (Kondukteur), sowie die Berechtiguns 
zur Anstellung als Wege- und Landbaumeister einbrachte. 
Wer eine Anstellung als Bau-Inspektor erlangen wollte, wo- 
für Bedingung war, dass er als Baumeister „vorzüglich" bo- 



*) Für «in«n g;icM**n Thi-il tin»i»rer \j**t hat dia Itanr-RanlMtin-n der llau- 
•kademie itu Jahre |K?4 tt •<-!) < in »-»fiirlle» Inter weil »i« den *-iJa*a t«r Ä*Mf- 
tun* d-"* alle»t*n tiaulcrhniBRhFll Vereins in I »mtM Ii I »nd, de» Ar<biCektrli-V*Tr>»* 
tu Berlin tC'ifueii hat. Eft war nämlich u>r Vernurh (t ernannt worden . ntt 4ee 
neuen KitirichtunKeu gleichmliij auch ein* *<*;iuiia»nfti|i» l>i*»ipliu unter den Sit- 
direnden cimuluhren , di« *irh bis tu l*ri*eni- und Kundnheti - I.taten w*tfst* 
Der L'nwiUe, d«-n di*** Nvaerung hervorrief, verband eint Anialil dar Studiraa- 



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- 299 — 



standen sei, musste in der Regel nach einem abermaligen 
einjährigen Kursus auf der Bau-Akademie Bich einer zwei- 
ten Vor- und Nachprüfun« entweder im Land- oder Wasser- 
l>au unterwerfen, doch war es gestattet, diese Prüfungen I 
(die Nachprüfung unter Voraussetzung einer dreijährigen 1 
praktischen Beschäftigung), gleichzeitig mit der Vor- und 
Nachprüfung als Baumeister abzulegen. Wer endlich bis 
zum Regierung«- und Baurath und darüber hinaus befördert | 



seiu wollte, rousste gleichzeitig als Land- und als Wasserbau- 
Inspektor geprüft sein. — Gewiss das Muster einer am grü- 
nen Tische ausgedachten Organisation. Konnte doch der 
Fall eintreten, dass ein Aspirant, der die Vor- und Nach- 
prüfungen als Baumeister und Bau-Inspektor ebenso wie die 
beiden Modiiikationen der letzteren getrennt bestand, im 
Ganzen nicht weniger als sieben Prüfungen sich unterwerfen 
musste. 



des Fahrwassers in Oderslrome. 



Herr Graeve räth in No. 34 dieser Zeitung von der 
durch Herrn Fessel empfohlenen Kanalisirung des Oder- 
stromes auf der Strecke Breslau - Küstrin ab und empfiehlt 
hier nur dem Flusshotte eine andere Gestalt zu geben, um 
die für einen leistungsfähigen Schiffahrtsverkebr nöthige 
Fahrtiefe zn erzielen. Dem kann beigepflichtet werden. Die- 
selbe Ansicht ist schon in No. 21 dieser Zeitung von mir 
geäussert, auch ist dort durch Rechnung nachgewiesen wor- 
den, dass die Wassermenge der Oder in den trockensten 
Zeiten wenigstens von Steinau abwärts genügt, um ein regel- 
mässiges Bett für die Thalfahrt bis zu 1,7" Tiefe zn füllen 
und daneben noch für die Bergfahrt nnd für die Flösserei 
ein ausreichend breites Fahrwasser von 0,5 m bis 0,9" Tiefe 
zu bilden. Wenn aber Herr Graeve in dem durch höchst 
unvollkommen verlandete Buhnen schon stark eingeschränkten 
•Strome durch blosse Verlängerung dieser Einbauten die Fahr- 
tiefe noch auf mehr als das Doppelte zu bringen hofft (nach 
einer bisher nicht widerlegten Klage in No. 363 der schle- 
sischen Zeitung haben die zwischen Stettin und Frankfurt 
fahrenden Dampfschiffe trota ihres geringen Tiefganges von 
0.63» letzteren Platz nicht erreichen können, sondern ihre 
Tour in Küstrin abkürzen müssen), so stehen dieser Hoffnung 
alle Erfahrungen an den seit mehr als 50 Jahren im Oder- 
strome ausgeführten Buhnenbaiiten und die Ansichten der 
gewiegtesten Wasserbaumeister entgegen. Wäre es wirklich 
möglich, eine solche Vertiefung des Fahrwassers durch blosse 
Buhnenbauten zu erreichen, dann verdienten ja diejenigen 
Techniker, welche so lange an der Oder herumregulirt'habeu, 
ohne die Fahrtiefe zu vergrössern, Schande über Schande. 
Es ist aber die Vertiefung auf so einfache Weise nicht mög- 
lich und es ist zu hoffen, dass die Staatsregierung Herrn 
Graeves Rath nicht befolgen, vielmehr die für die Ent- 
wicklung des Schiffahrtsverkehrs bisher nutzlos gebliebenen 
und aussichtslosen Buhnenbauten endlich ganz aufgeben 
wird, um zu einem wirksameren Bausvsteme überzugehen. 

Auf welche andere Weise die dem Zweck entsprechende 
Umformung des Flussbettes herbeigeführt werden könnte, 
war in dem erwähnten Artikel in No. 21 dieser Zeitung 
kurz angedeutet, und es ist zu bedauern, dass Herr Graeve 
diesen Vorschlag keiner Erörterung gewürdigt und mit allem 
l'ebrigen, was ausser der Fessel'schen Schrift über die Ver- 
besserung der Oder- Schiffahrt geschrieben ist, in ziemlich 
unliebsamer Weise abgethan hat. Der Gedauke, welcher 
jenem Vorschlage zu Grunde liegt, ist meines Wissens ganz 
neu und verdient fruchtbar gemacht zu werden. Deshalb 
soll dieser Gedanke im Folgenden noch etwas weiter aus- 
geführt werden. 

Das empfohlene, auf S. 300 dargestellte System zur Er- 
zeugung der durchgängigen Fahrtiefe von I,li m ist folgendes: 
In gewissen Entfernungen werden <|ucr durch den Strom 
Nadelwehre gebaut, welche zur Unterscheidung von andern 
die Stauwehre genannt werden sollen. Die Stauwehre 
werden untercinauder durch ein bis zum Mittel Wasserstande 
reichendes Parallelwerk verbunden, dessen Krone zum Lein- 
pfad ausgebildet wird. In dem Parallelwerk wird nahe vor 
jedem Stauwehr eine 18" breite Oeffnung angelegt und durch 
ein nach beiden Seiten verschliessbares Nadelwehr geschlos- 
sen, welches letztere Theilungswehr genannt werden soll. 
Eine Seite des Flussbettes neben dem Parallelwerk, die 
Fahrt, wird für die Thalfahrt mit einer vertieften Rinne 
versehen, ferner wird das zweite Ufer der Fahrt gleichlau- 
fend mit dem Parallelwerk nnd so weit von demselben ent- 
fernt, dass die Minimalwassermenge den Zwischenraum l»is 
zum Normalwasserstande zu füllen vermag, eingeebnet und 
befestigt, endlich wird der übrige Theil des Bettes in der 
Fahrt planirt. Auf der anderen Seite des Parallelwerks liegt 
dann die Fl uth rinne, deren Bett und Ufer nicht weiter 
ausgebildet werden. Bei niedrigen Wasserstanden wird die 
Flutbrinne durch die Stauwehre abgeschlossen und die ganze 
Wassermenge des Flusses in die Fahrt gewiesen. Vor den 
Stauwehren werden in der Flutbrinne ' 
und so weit es nöthig ist vertieft Nach 
solcher Häfen und nach den Mündungen der Nebenflüsse 
richtet sich die Entfernung der Stauwehre. 



Wo die Minimalwassermenge nicht mehr ausreicht, eine 
Fahrt von genügender Breite zu speisen, wird das während 
der Nacht zufliessende Wasser in den oberen Strecken mittels 
einiger Nadel wehre aufgesammelt und am Tage zur Füllung 
der Fahrt abgelassen. Beim Eintritt höherer Wasserstände 
wird die Fluthriune für die Schiffahrt benutzt. In solchen 
Zeiten hat man es auch in der Hand, die Fahrt ganz abzu- 
sperren und zur Ausführung von Reparaturen oder zur Ab- 
hülfe von Fehlgriffen in der Profilweite ganz trocken zu 
legen. 

Vor Eintritt von Hochwasser und vor der Eisbildung 
werden sämmtliche Wehre beseitigt. Das Parallelwerk bildet 
dann eine Kette langgestreckter niedriger Inseln und wird, 
weil es nicht wie die Buhnen der Strömung entgegensteht, 
von der Strömung und vom Eisgange nur wenig angegriffen. 

Bei der Ausführung werden zuerst die Wehre und ein 
schwaches Parallelwerk aus Packwerk oder Steinschüttungen 
erbaut. Hiermit kann schon eine ansehnliche Fahrtiefe er- 
zeugt werden, welche gestattet, im regelmässigen Schiffahrts- 
betriebu die zur Befestigung des Parallelwerks und der Ufer 
nöthigen Materialien aus billigen Gegenden heranzuschaffen. 
Ausserdem ist dann die Möglichkeit gegeben, die Fahrt 
trocken zu legen, um die Rinne für die Thalfahrt auszuheben, 
mit der ansgehobenen Erde das Parallelwerk auf der kon- 
vexen Seite zu verstärken, die nicht verlandeten Buhnen- 
köpfe abzutragen, das zweite Ufer der Fahrt regelmässig 
auszubilden und das Strombett einzuebnen. Als Minimal- 
profil der Fahrt für 5 m breite Kähne mag das umstehend 
skizzirte angenommen werden. 

In diesem Profil ist für die Thalfahrt eine schmale Rinne 
projektirt. weil die zu Berg fahrenden Kähne viel weniger 
tief beladen nnd gern die flachere Seite der Fahrt aufsuchen 
werden, um der starken Strömung im tieferen Theil des 
Profils zu entgehen. 

Bei der Anwendung eines so kleinen Profils, welches 
zwar immer noch für die 0,8"' tief gehenden Kähne eine 
den meisten Kanälen entsprechende Breite hat, müssen von 
Viertelmeile zu Viertelmeile Ausweichestellen für die zu Thal 
fahrenden Kähne und vor den Theilungswehren bequeme 
Wendeplätze zur Einfahrt in die Sommerhäfen angelegt werden. 

Das Gefälle der oberen Oder betragt durchschnittlich 
1 : 3000. Das Minimal-Profil führt pro Sekunde ab 

» = 2,88 . V~ n ■ V « J'= 10,76 kb« 



V = 2,435 . V j '' ■ V « • J- = «,57 



Zusammen 17,3;.! !il>™ 
Soll nach dem angedeuteten Bau-Systeme bis Koscl aufwärts 
verfahren werden, wo die Minimalwassermenge auf 7,7 kb™ 
anzuschlagen ist, dann muss oberhalb Kosel das zufliessende 
Wasser täglich 14 Stunden hindurch aufgesammelt werden. 
Es bleiben alsdann noch 10 Stunden tägliche Fahrzeit übrig. 
Wenn diese Fahrzeit nur kurz ist, so tritt eine solche Be- 
schränkung des Sehiffahrtsbetriebes doch nur in der schlimm- 
sten Jahreszeit ein und dürfte viel weniger hinderlich sein, 
als das Passiren von vielen Schleusen während des ganzen 
Jahres. Ein Aufstau des Wassere zwischen den hohen Ufern 
oberhalb Kosel ist bis zu einer Stauhöhe von 1,5" leicht 
auszuführen. Die Breite zwischen den Ufern kann dort auf 
ungefähr 75™ geschätzt werden. Demnach genügt ein Stau 
von ungefähr 3450" Länge, nm die anzusammelnde Wasser- 
menge aufzunehmen. Dieser Stau dürfte durch 8 Nadel- 
wehre im Abstände von % Meile zu bewirken sein. Unter- 
halb Cosel gestatten die hinzutretenden Wassermengen der 
Nebenflüsse die tägliche Fahrzeit nach und nach zn verlän- 
gern. Bei Breslau wird die Minimal- Wassermenge schon 
hinreichen, um eine Fahrt von hinreichender Weite dauernd 
auch die Nacht hindurch zu speisen. 

Das Parallelwerk wird nach der Oertlichkeit entweder 
ganz aus Steinen erbaut oder aus Packwerk gebildet, durch 
einen Erddamm gedichtet und durch Spreutiagen, Ranch- 
wehren, starke Kiesschüttun^en und Steinschüttungen be- 
festigt. Die Kosten dürften sich wie folgt herausstellen. 

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- 300 - 



A. Die Wehr«. 

1. 2 Nadelwebro oberhalb Cosel je 34 m lang 

ä 15000 Thlr 30000 Tblr. 

2. H Stauwehre zwischen Cosel und Breslau, 
durchschnittlich 48» lang ä 2tKJ00 Thlr. . IGOooo „ 

3. 17 Nadelwehre uuterhallj Breslau durch- 
schnittlich 00'» lang ä 40WX) Thlr Ü801MI0 „ 

4. 2'» Stück je 15" lange, nach lieiden Seiten 
brauchbare Theiluugswehre nebst Lauf- 
hrikkeu für Zngthiere, incl. Vertiefung 
eines Wendeplatzes vor diesen Wehren 

a KKKHI Thlr 250000 „ 

5. 27 Wärter- Etablissements ä 4000 Thlr. . 108000 „ 

A. Summa Wehre 1228000 Thlr. 



0,23 „ Knie zu Aut>weie.he«tclleu für 
die Thalfahrt ä «JO- lang, 7» 
breit. 0,7- tief, = 441 kb» 
4 solche Gruben auf 7500» 
4 441 

macht pro Meter Fahrt 

= 0,23 kb". 

5,9 kb 1 " Erde theils auszubaggern, theils 
aus dem trocken gelegten Bette auszu- 
karren und zur Verstärkung des Pack- 
werks oder Steindammes zu verwenden 

ä 5 Sgr 

Das Ufer der Fahrt auf der Landseite 
in regelmässigen Kurven mit zweifachen 



— 20. Ii 




riUTHmilNl Pr, - Ä5 0£,, s ... «» 

" «»«S* -<t«6t . . • - PACKWERK 



f.lAMLH 

STtlNSCMÖlTUICO 



CAMRT 
RORMALVWSStRSTANO 





hMMH 1'wfmi« <ltJ _r s 9, -.3 
Olill* '» : 



I 

Ii mV 



G 

- 3. - 

- 3. 6 

- 1. — 

9 

- 1. — 

- 22. 6 

- 5. - 

- 2. 6. 



B. Das Parallelwerk. 
Im Oppelner Baukreise gelten jetzt folgende Preise: 
1 kb" 1 Faschinen anzuliefern und auf- 
zusetzen Tblr. — 12, 

1000 Prahle desgl 

1 kb™ Kiessand anzufahren und aufzu- 

brineen 

1 kb m Packwerk anzufertigen und ab- 
rann» cn 

1 [ J" Sprentlase desgl 

l t1m Baiidwürstc desgl 

1 n™ Uferrauchwehr desgl 

1 kb" Kalkbnichsteine anzuliefern . . . 

dieselben zu verwenden 

1 C™ pflasterartige Versteinerung der 

Krone anzufertigen 

Hieraach kosten durchschnittlich 

1 kb« Packwerk incl. Material 10.0 Sgr. 

12. 1 □ Sprcutlage „ , 3,«» , 

Die Anfuhr von l kb m Steine bis Küstrin würde nach 
Herstellung der Fahrtiefe für IV» Thlr. zu bewirken sein. 
Demnach würden durchschnittlich 24 Sgr. Transportkosten 
zu dem Preise ad 8 hinzukommen. 

Hiernach werden die Kosten des Parallelwerks wie folgt 
gesell ätzt: 

1. Den Stein- oder Pnckwerksdamm 3" in 
der Krone breit, 1,.!'" hoch, mit einfachen 
Anlagen, also 5,G ra in der Sohle breit 
im Wasser zu erbauen pro lfd. Meter 
5,6 kb m a 25 Sgr 

2. 5,67 kb™ Erde zur Hinne für die Tbal- 

fabrt G" in der Solde breit, 
0,7 m tief mit dreifachen An- 
Ingcn; 



I. 

2. 



fi. 

7. 

8. 
9. 
10. 



11. 



Thlr. 4 20. 



4. 



W».»ritii,Biw Ucr TlialMut -V 

' = wn. *- ■= o.mi. 

L IT 

Anlagen abzugleichen und die vorste- 
henden, nicht verlandeten Buhnenköpfe 
abzutragen, auch sonstige erhebliche Un- 
ebenheiten in der Fahrt zu beseitigen, 

durchschnittlich pro Meter 

Für den Steinwnrf zur Befestigung der 
konkaven Böschungen . welcher wahr- 
scheinlich nur auf '/« der Länge nöthig 
sein wird; für die ganze Lance durch- 
schnittlich 1 kb" 

5 [j™ Sp reut lagen zur Befestigung der 
übrigen Da 



S. 



und Uferböschungen 

a 4 Sgr 

.1 pflasterartige Versteinung der 
Krone zu beiden Seiten der Kiessehüt- 
tung auszuführen incl. Material ä 10 Sgr. 
3 n™ Krone 20 *"» stark mit grobem 
gesiebtem Kies zu beschütten und den 
Kies mit aufgestreutem Lehm zu be- 
festigen a (> Sgr 

Für andere unvorhergesehene Ausgaben 
abrundend 



15. - 

1 22. *; 

- 20. - 

1 — . — 

- 18. - 

- 25. - 



Meter . . Thlr. 11 — . — 



Summa pro 
mithin pro Meile 82501) Thlr. 
Die Strecke Cosel -Küstrin wird rund 70 Meilen lang, 
mithin 

B. Kosten des Parallelwerks ... 5775000 Thlr. 
Hierzu A. Kosten der Wehre 1228000 . 

«rieht (icsammtbaukosten . . 7003000 Thlr. 
oder rund 7 Millionen Thaler. 

Die jährlichen Ausgaben für Unterhaltung dieser Werke 
würden betragen: 



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IfcuU d. r Wiiiiliiii.-hrii Iti der Kr>|H» Im Miwiib« roo 1 1 I«, 




Durcliwhi.ill .irr Kty|il» null A, II. 
(GninilriH vnd Duirlwrlinlll liu Mwoutw vvo I : ßfi.) 




TiruudriM ilrr Krypta. 



III»- K a fsrabungeii in irr Krypta der Schiasskirche zu Que d llnb 11 rs . 

Die im Jahre isiv.i in der Krypta der Schlosskirchc zu 
Quedlinburg ausgeführte Ausgrabung, deren bereits im Jahrg. 
tSC'.t Seite . r «;:i d. Bl. Erwähnung geschehe u. ist vou mir einer 
genaueren Aufnahme unterzogen, und gebe ich in beistehenden 
Skizzen das zu näherein Verständnis» Erforderliche. 

Indem ich hierbei im Allgemeinen auf den oben angeführten 
Aufsatz verweise, mochte ich nur auf einige Umstände aufmerk- 
sam machen, welche die dort ausgesprochenen Ansichten zum 
Thcil als unhaltbar erscheinen lassen, zugleich aber geeignet 
sind, über das Alter der neu entdeckten Anlage Auskunft zu 
geben. 

Der Quedlinburger Chronist erzählt nämlich*), das* der 
ursprüngliche, von Heinrich I- ausgeführte und im Juli 936 
vollendete Bau .im Jahre 997 auf Befehl der Kaiserstochter, 
Aebtissin Mathilde, mit allem Eifer erneuert wurde. Da sie 
sah, dass die Kirche, wie sie ihr Grossvatcr und ihre Gross- 
mutter, Heinrich und Mathilde, erbaut hatten, enger war, als 
es so grosse Erhabenheit erforderte, Hess sie wegen der Menge 
des daselbst zusammenströmenden Volkes aus angestammter und 
angeborener Güte zur Vcrgrösserung der Kirche zur Ehre des 
heiligen Servatius ein Gebäude von höherem und breiterem 
Bau aufführen , welches der Bischof Arnulf im Beisein anderer 
Prälaten und Bischöfe am 10. März des genannten Jahres weihen 
musste." 

Schon durch diese Nachricht wird e» sehr wahrscheinlich, 
dass die neu ausgegrabenen Reste dein alten, im Jahre 93C vol- 
lendeten Bau angehören, also älter sind als die jetzige Krypta, 
welche aus den Jahren 997 bis 10*21 stammt. 

Zur Gewissheit wird diese Ansicht aber, wenn man das 
Fundament der Kryptasäule a betrachtet. Dasselbe ist nach 
vorhergegangener Beseitigung des nicht sehr fest gewachsenen 
Sandstcinfclsens, aus welchem die übrigen Wände des neu aus- 



| gegrabenen Theiles grosstentheils bestehen, vom Kussbodeu 
desselben und aus der Seiteuwand hervortretend, mit unbear- 
beiteten Feldsteinen roh empor geführt und gegvu den die 
Wandfläche bekleidenden Gypsstuck gegeugetuauert, 
! bei welcher Gelegenheit Sogar zwei kleinu, in der Ecke befind- 
' liehe, aus Stuck hergestellte Wumlsäulcn mit vermauert wurden. 
Gleichzeitig ergieht sieh hieraus aber auch, dass nicht nur 
der ausgegrabene Kaum selbst, sondern auch die aus Stuck her- 
gestellten Ornamente desselben älter sind, als die Fundamente 
der Krypta, also ebenfalls dem Bau vou '»36 augehören müssen. 

Die ganz ungewöhnliche Bildung der Säulcubaseu uud «leren 
Abweichung von den ciufachen Formen der in derselben Zeit 
oder schon früher erbauten, benachbarten Wipertikirchc hat den 
Verfasser des oben angeführten Aufsätze« verleitet die Herstel- 
lung dieser Stuckuruauientc einer weit späteren Zeit zuzu- 
schreiben; allein abgesehen davon, dass in den Kapitalen und 
Bogen die früheste romanische Auffassung sich geltend macht, 
so ist auch der Ueichthum der Ornamentik kein Hiuderuiss, 
derselben ein hohes Alter zuzusprechen, wenn man annimmt, 
dass der Kaiser diesem unter seinen Augen entstehenden und 
zu seiner Grabstätte bestimmten Bau jedenfalls uiu besonderes 
Interesse gewidmet uud die besten Kräfte zu dessen Ausführung 
herangezogen haben wird. 

Wenn dessenuDungcachtet eine gewisse Kohheit in der Aus- 
führung der einzelnen Theile sich kundgiebt, so tuuss mau be- 
denken, dass diese Formen in den vorher gegen die Wand 
geworfenen Gyps mit Stäbchen und mit dem Messer eingear- 
beitet worden sind, und wenn andererseits eine mathematische 
Genauigkeit überall vennisst wird, so ist diese Eigenschaft allen 
Bauwerken damaliger Zeit gemein und zeugt uoch mehr als 
alles Ucbrige für das hoho Alter unserer Anlage. 

R. Theune. 

*> BcKhrri bong und Uearhklil« dar 'SrWiinUich« tu QuedUnburg Ton 
Kugltf und Kuck«. Ui'rlln ISüS bei Gropiui. 



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1. Zinsen und Reparaturkosten T/, des An- 
lagekapitals 490000 Tlilr. 

2. Für Ausbaggern, beziehungsweise Auskarren 
des eingetriebenen Sandes jährlich pro Meile 

10O0 Thlr. oder 70000 „ 

3. Gehalt für 27 Wehranfseher mit Rücksicht 
aaf deren zu anderen Arbeiten verwendbar» 

freie Zeit, besonders im Winter a 800 Thlr. 8100 . 

4. Lohn für 27 pennanente Hilfs -Arbeiter 

ä 150 Thlr 405t) . 

5. Für extraordinaire Hilfe beim Aufrichten 

und Niederlegen der Wehre abrundend . . 850 

Summa Ausgaben . . . 573UtKTThhT 

Die Oberechlesiscbe Eisenbahn von 36,15 Meilen Länge 
hat im vorigen Jahre 1092,7 Millionen Zentnermcilen, oder 
pro Meile rund 30 Millionen Zentner Güter befördert. Die 
Fracht hat durchschnittlich 1,73 Pf. pro Zentnermeile, im 
Minimum für Roheisen 1 Pf., für Steinkohlen 1,49 Pf. be- 
tragen. Wie im Folgenden gezeigt werden wird, kann die 
Schiffahrt bei einer durchschnittlichen Fracht von 0,0 Pf. 
pro Zentnermeile noch sehr reiche Erträge gewähren. Es 
ist also anzunehmen, dass ein Theil der Frachten von der 
Oberschlesischen Eisenbahn auf die OderschifTahrt übergehen 
würde. Hinzukommen würden Kohlen nach Stettin und Um- 
gegend. Steine, Ziegel, Holz etc. in grossen Massen. Von 
merkantilischen Autoritäten wird angenommen, dass der 
Schiffahrtsverkehr unterhalb Breslau noch bedeutender als 
oberhalb dieser Stadt sein würde. Hiernach wird die An- 
nahme eines Schiffahrtaverkehrs von 20 Millionen Zentnern 
pro Meile auf dem vertieften Oderstronic uicht zu hoch ge- 
griffen erscheinen. Es ergiebt sich also, dass eine Schiff- 
falirtsabgahc von 0,15 Pf. pro Meilenzentner genügen würde, 
das Anlagekapital zu verzinsen und die Unterhaltungskosten 
zu decken. 

Es soll nun untersucht werden, in wie weit der Scbiff- 
fahrtsbetrieb im Stande sein würde, bei dem angenommenen 
Frachtsatz von 0,6 Pf- pro Zentnermeile die Abgälte von 
0,15 Pf. zu tragen. Selbstredend kann dabei nur ein auf 
der Höhe der Zeit stehender Schiffahrtslietrich, also derjenige 
mit Dampfsebleppcrn am versenkten Tau, in Betracht gezo- 
gen werden. 

Es wird angenommen, dass von den 20 Millionen Zent- 
nern Güter 2 Millionen Zentner durch gewöhnliche Oder- 
kähne und 18 Millionen durch eine regelmässig betriebene 
Tauschleppschiffalirt befördert werden. Ferner wird ange- 
nommen, dass dieser Schiffahrtsbetrieb von Cosel bis Stettin 
ausgedehnt wird, also auf rund 90 Meilen Länge staltfindet. 
Jede Hin- und Rückreise eines Schleppzuges wird ungefähr 
18 Fahrtage in Anspruch nehmen. Im Jahre können aus- 
schliesslich der Sonn- und Feiertage 220 eisfreie Fahrtage 
gerechnet werdeu. Mithin kann jeder Schleppzug im Jahre 
12 Reisen maehen. Werden Schleppschiffe beschafft, welche 
7 mit je 5lX)0 Zentnern beladene Kähne ziehen können, und 
wird angenommen, dass die Lastkähne durchschnittlich auf 
der Thalfahrt zu »>, auf der Bergfahrt zu ihrer Trag- 
fähigkeit beladen sind, dass also ein Schleppzug auf der 
Birg- und Thalfahrt zusammen 35000 Zentner befördert, 
dann ergiebt sich, dass 43 Schleppzüge von je 7 Lastkähnen 
erforderlich sind, um die angegebene Gütermasse fortzu- 
schaffen. Werden noch ausserdem 35 Lastkähne beschafft, 
welche, während die übrigen unterwegs sind, beladen und 
entladen werden, und werden endlich zur Reserve noch 7 
Schlepper und 64 Lastkähne gerechnet, so sind im Ganzen 
anzuschaffen und zu unterhalten: 

50 Dampfschiffe und 
400 Lastkähne. 

Hiernach ergeben sich folgende Anlage -Kosten: 

A. Fahrzeuge: 

50 Dampfschiffe a |. r HHK> Tlilr. - . 750000 Thlr. 
400 Lastkähne a 2500 Thlr 1000000 , 

B. 180 Meilen Drahtseil ä 6000 Thlr. . Iohoooo . 

C. Betriebsgebäude, Aiilagestellen, 
Krahne. Pateruosterwerke, Winter- 
häfen und Reparaturwerkstätten für 
abrundend . . 1 170000 . 

Summa Anlagekosten . . . 4000000 Thlr. 

Dazu Betriebs -Kapital ■ . . 5 0t KHK) „_ 

Summa . . . 4500000 Thlr. 

Es werden betragen: 

1 Die jährlichen Einnahmen: 
1. Fracht nach Abzug der Stromgefälle und 
ohne Ladekosten und Speditionsgeliühren 
(welche nach den Selbstkosten besonders 
erhoben werden), von 18 . 90 — 1620 



Millionen Zentnermeilen ä 0,45 Pf. .... 2025000 Thlr. 
2. Für Srhleppen fremder Kähne 500 Reisen 

ä 90 Thlr . . 45000 » 

Summa . . . 207lHXKrThlr. 
II. Die jährlichen Ausgaben: 

1. Unterhaltung und Erneuerung der Fahr- 
zeuge 8V. von 1750000 Thlr 140000 Thlr. 

2. Unterhaltung und Erneuerung der Draht- 
seile 15t; von 1080000 Thlr 162000 „ 

3. Unterhaltung der Betriebsgebäude, Be- 
triehsvorrichtungen, Häfen etc. 1 % von 

1170000 Tlilr 11700 „ 

4. Gehälter: 

a. 1 Oberingenieur 5000 Thlr. 

b. 3 Betriebsinspektoren . 1MKK) „ 

c. 1 Obermaschinenmeister 3000 „ 

d. 1 Maschinenmeister . . 20O0 r 

e. 50Scliiffsführera400thl. 20000 . 

f. 50 Maschinisten ä 300 , 15000 _ 

g. 800 Matrosen ä 200 „ 1CO0OO , 214000 „ 

5. Kohlen und Schmieröl für 45 . 220 = 9900 

Fahrtage ä 5 Thlr 49500 „ 

6. Versicherung 12000 „ 

7. Abgaben ^ 40000 B 

8. Direktion und Verwaltung der Stationen 70000 „ 

9. Insgemein für Unfälle etc ■ ■ 70800 „ 

Summa Ausgaben . . . 770000 Thlr. 

Die Einnahmen betragen . . 2070000 „ 

Bleiben Ueberschuss 1300000 Thlr. 

Dies giebt für 4,5 Millionen Anlage- und Betriebs -Kapital 
beinahe 29*,; Dividende. Die Abgabe von 0,15 Pf. pro 
Zentnenneile kann also von der Schiffahrt sehr leicht ge- 
tragen werden. 

Wollte eine Gesellschaft nicht darauf warten, dass der 
Staat das Fahrwasser ausbaut, sondern selbst diesen Aus- 
bau in die Hand nehmen unter der Bedingung, dass ihr ge- 
stattet würde, von fremden Schiffern die berechnete Sehiff- 
fahrtsabgalK; von 0,15 Pf. pro Zentnermeile zu erheben, danu 
würde sich auch hierbei norh ein sehr hübscher Ertrag 
herausstellen. Das erforderliche Kapital würde 1 1 '. » Millio- 
nen Thaler betragen. Hiervon könnten 3',» Millionen als 
fünfprozentige Prioritäts- Aktien ausgegeben werden, so ilasw 
das Gesellsehafts-Kapital 8 Millionen 1 haier betragen würde. 

Dann ergeben sich: 

I. Einnahmen. 

1. Wie vorher berechnet 2070000 Thlr. 

2. Gefälle für 20 . 90= 1800 Millionen 
Zentnerraeilen von eigenen und frem- 
den Schiffen u 0,15 Pf. 750000 

Summa Einnahmen 2820000 Thlr. 

II. Ausgaben. 

1. Für Unterhaltung der Wasserwerke 

excl. Verzinsung des Anlagekapitals 223000 Thlr. 

2. Betriebsausgaben 770000 „ 

3. Zinsen für 3' s Millionen Thaler Prio- 
ritäts-Aktien ä 5% _. 175000 - 

Summa Ausgaben \ 168000 Thlr. 
giebt Ueberschuss 1652000 Thlr. 
oder für 8 Millionen Gesellschaft -Kapital 20,6 % Dividende. 

Obwohl dies mehr ist. als die meisten der grösseren, 
neu gegründeten Unternehmungen liefern, wird sich doch 
schwerlich eine Gesellschaft finden, welche die erforderlichen 
grossen Summen an die Schiffharmachung der Oder wagt, 
weil ein solches Unternehmen dnreh die Nutzlosigkeit der 
bisherigen Rcgulirtingshauten gar zu «ehr in Misskredit ge- 
kommen ist. Herr Graeve hätte sich deshalb die Mühe 
sparen können, in dem erwähnten Aufsatze die Frage zu 
erörtern, ob der Staat den Ausbau des Fahrwassers einer 
Privatgesellschaft überlassen darf oder selbst ausführen muss. 
Diese Frage wird nicht sobald nn den Staat herantreten. 
Wie unzweckmässig aber die prinzipielle Verweigerung der 
Konzession zur Vertiefung des Fahrwassers sein würde, er- 
giebt sich ans der Erwägung, dass nicht leicht mehr als 
einer Gesellschaft die Tauschleppschiffahrt gestattet werden 
könnte und dass die Ausgabe von 7 Millionen Thalern für 
den auf Staatskosten bewirkten Ausbau des Fahrwassers 
hauptsächlich dieser Gesellschaft zu Gute kommen würde, 
weil der Staat nach volkswirtschaftlichen Grundsätzen an 
dem möglichen grossen Gewinn des Wasser -Transportge- 
schäftes durch Erhebung hoher Schiffahrtsgefälle nicht Theil 
nehmen darf. Der Staat würde also jedenfalls klüger thun, 
jene Ausgabe einer Privatgesellschaft zu überlassen, wenn 
sich eine solche zur Ausbeutung des Transportgeschäftes 

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— 303 — 



wider Erwarten dennoch bilden und um die Konzession dazu 
bewerben sollte. Uebrigens möchte unter allen Umstünden 
der Nutzen, welcher dem Staate aus der Vertiefung des 
Fahrwassers durch den Aufschwung vieler Gewerbe in Folge 
der bedeutenden Frachtermässigung erwachsen müsste, sehr 
gross sein. Ausserdem würde der Staat jährlich die grossen 
Summen ersparen, welche jetzt für die Unterhaltung de« 
Fahrwassers ausgegeben werden. Deshalb dürfte ein auf 
den Ausbau des Fahrwassers gerichtetes Unternehmen nicht 



nur anstandslos zn gestatten, sondern sogar möglichst zu 
fördern und durch Gewährung einer Prämie zu unterstützen 
sein, damit der Frachtsatz noch mehr ermässigt werden kann, 
als oben berechnet war. 

Möchten diese Zeilen dazu beitragen, das nützliche Un- 
ternehmen auf ein oder die andere Weise ins Leben zu 
rufen. 

Oppeln, Ende August 1872. 

Albrecht. 



Die Anwendung des Papiers für technische Zwecke, obwohl 
seit Einführung der Dachpappe und Asphaltpapier- Präparat* 
Bchon längst eingebürgert und vorgeschritten, hat bei uus noch 
nicht die Ausdehnung erreicht, die sie in Amerika genommen 
hat, wo mau Kiseubahnwageurfider aus Papiermasse, die in Stahl- 
reifen eingepresst wird, hergestellt bat — geschweige denn, dass 
wir in dieser Beziehung auf der Hübe von China und Japan 
stehen, wo das Papier bekanntlich eine geradezu universelle 
Verwendung findet Vielleicht ist eine neue Erfindung, über 
welche wir den nachstehenden Bericht der technischen Beilage 
der Wiener N. fr. Presse entnehmen, dazu bestimmt, in dieser 
Beziehung Umwälzungen anzubahuen; jedenfalls halten wir den 
Gegenstand für interessant genug, um unsere Leser von ihm 
Notiz zu geben. 

.Der täglich wachsende Bedarf an Papier hat bekanntlich 
schon seit längerer Zeit zur Verwendung von Ersatzstoffen für 
Lumpen geführt, wie sie in diesem Maasse früher nicht vorge- 
kommen war. Stroh, welches soust nur zu Packpapier gebraucht 
worden, wird gegenwärtig selbst für bessere Papiersorten ver- 
wendet, und England, das sich vorzug«wcise auf das dort durch 
billige Fracht zugängliche Espaitogras warf, hat schon iniJahre 
nahezu l' i Millionen Zentner und im Jahre 1S70 über 2 
Millionen Zentner von diesem eingeführt. Das wichtigste Er- 
satzmittel der Lumpen ist aber in neuerer Zeit das Holz gewor- 
den, seitdem es durch die von Völler in Heilbronn konstruirte 
Molzschlcifmaschiue möglich geworden, es in seine feinsten Fa- 
sern zu zerlegen. Zahlreiche Fabriken sind seitdem entstanden, 
wei he nur Holzstoff für die Papierfabriken erzeugen und eine 
groi a Erleichterung für alle papierverbrauchendc Geschäfte, ja 
für das ganze Volk bilden. 

Die Verwandlung des Holzes in seine Fasern auf mechani- 
schem Wege erfordert viul Kraft, der Zeug muss ausserdem 
durch Mahlen vollends klein gemacht werden, wodurch er aher sehr 
au Haltbarkeit verliert; es sind deshalb schon seit mehren 
Jahren wiederholte Versuche gemacht, dus Holz auf chemischem 
Wege zu zerlegen, und war hiebe i das Verfahren von Sinclair 
und Tessie du Mothay auch vun praktischem Erfolge begleitet. 
Dieses Verfahren beruht auf der Anwendung uines sehr hohen 
Druckes — bis M Atmosphären — unter Einwirkung einer 
starken Sodalauge. Das bleichen geschieht wie bisher durch 
Chlorkalk. Mau gewinnt uus Nadelholz von 20 Prozent Wasser- 
gehalt ungefähr ein Drittel Stoff, hat also zwei Drittel Abgang 
an Holz; von Laubholz hat man weniger Abfall und braurht 
auch weniger Soda und Chlor, namentlich bei Espen, die den 
weissesten Holzstoff liefern. Das Misslichc bei diesem Verfah- 
ren ist, dass ein bedenklich bober Druck nothweudig ist und 
dass der Zeug doch noch gemahlen werden muss, also immer 
nicht die Festigkeit von Lunipenzeug hat: auch reicht der 
Druck doch nicht aus, um die Fasern vollständig zu losen und 
unversehrt zu erhalten. Letzteres scheint uuu dem deutschen 
Chemiker Ungercr gelungen zu sein, welcher, der Struktur 
und dem Verhalten der Fasern den genannten Mitteln gegen- 
über näher nachforschend, endlich das Gesetz gefunden hat, 
nach dem die Auflösung vor sich gehen muss. Derselbe braucht 
in Folge dessen nur 5 bis t> Atmosphären Ueberdruck, die 
Hälfte Soda und nur den fünften 'I heil Chlor, letzteres aus dem 
Grunde, weil die Inkrustationen des Holzes besser gelöst wer- 
den und dasselbe deshalb leichter zu bleichen ist. 

Eine für !>0 Zentner tägliche Produktion eingerichtete Fa- 
brik lür Ccllulosc- Papier nach Ungerer's Verfahren ist bereits 
im Bau und soll in ürei Monaten eröffnet, zwei andere sollen 
demnächst in Angriff genommen werden. Welche Bedeutung 
diese Erfindungen haben, ist daraus zu erkennen, dass nach 
den bisher vorliegenden Angaben die Herstellungskosten nach 



dem Verfahren von Sinclair und Tessi£ um fast ein Drittel, nach 
jenem von Ungerer sogar um die Hälfte gegen die mechanische 
Bereitung vermindert werden. Der Wettbewerb von Fabriken, 
welche nach Ersteren arbeiten, fängt deswegen schon an, sich 
geltend zu machen. So haben beispielsweise belgiscbo Fabriken 
trotz eines ZoIIcb von zwei Gulden die Panierpreise am Bhcin 
schon bedeutend gedrückt. Die einheimischen Anstalten werden 
daher suchen müssen, möglichst rasch nachzukommen, um nicht 
dauernd Schaden zu leiden, und es ist namentlich wünschens- 
wert)), dass diese an sich vortreffliche Erfindung nicht unter 
dem Grüudungbllcber unserer Zeit begraben, sondern von guten 
Unternehmern gehörig ausgenützt werde. 

Das Verfahren Ungerer's gewinnt dadurch noch an Bedeu- 
tung, dass es nicht beim Papier stehen bleibt, sondern über- 
haupt alle Pflanzenfasern , auch die zum Spinnen geeigneten, 
löst. Mao dürfte deshalb künftig Flachs oder Hanf kaum mehr 
brechen, rösten, schwingen etc., sondern ihn mittels des Uu- 
gerer'scben Verfahrens in so feine Fasern zertheilen, wie es auf 
mechanischem Wege nicht möglich ist. und zwar ohne weitere 
Zurichtung als in einem Mischhollänucr. Ebenso braucht Un- 
gerer's Holzzeug nicht gemahlen zu werden; es wird daher nicht 
blos die dafür nöthige kraft gespart, sondern auch die Haltbar- 
keit des Papieres erhöht. Der Zeug ist so fest, dass eine Bei- 
mengung von Haderuzcug unnöthig ist. Es leuchtet ein, dass 
diese Erzeugungs-Methode einen gewaltigen Einfluss auf die 
ganze Papier-Fabrikation, namentlich aber auf den Lumpenhau- 
del äussern muss. 

Ein weiteres beachtenswerthes Interesse für die Industrie 
bietet die Cellulose dadurch, dass sie von Kupferoxyd-Amniouiak- 
Flüssigkeit mit grosser Leichtigkeit aufgelöst und hierdurch ge- 
eignet wird, verschiedene Produkte zu liefern, die vielfache 
praktische Verwendung finden können. Dur Eugineer giebt 
hierüber folgende Angaben: Lässt man leinene Lumpen oder 
Holzsägemchl in Kupfcroxyd-Amnioniak vollständig auflösen und 
sodauu die Flüssigkeit gänzlich austrocknen, so erhält man ein 
halbdurchsichtiges Ulas, welches bis jetzt keine Verwendung ge- 
fundi'ii. Bei theilweiser Aullösung jedoch , wo den Fasern ihre 
Form und ursprüngliche Anordnung noch belassen wird, und 
wobei sin blos zusammengekittet werden, erhält mau eigenthüm- 
lichc Produkte. Wenn man beispielsweise ein Papierblatt blos 
einen Augenblick in die Kupferoxyd-Ammoniak-Flüssigkeit ein- 
taucht, dann zwischen zwei Walzen bringt und trockuet, so wird 
es für Wasser vollkommen undurchdringlich; ja es verliert so- 
gar bei der Siedu - Temperatur seinen Zusammenhang nicht. 
Zwei Papierblättcr ebeuso behandelt und zusauinicngcwalzt haften 
vollständig an einander und bilden nur Eiueu Körper; durch 
ähnliche Behandlung von einer grösseren Anzahl von Papier- 
blättern kann mau Uolztafelu bis zur Dicke eines Brettes er- 
zeugen. Mit Geweben, Leinwand in Stücken, welche in der 
Breite aufeinander gelegt sind, erhält man sehr dehnbare Ge- 
genstände von grosser Kohäsiouskraft; man kann auch Lein- 
wand und Papier abwechselnd aufeinander legen und erhält so 
Gegenstände, welchen bei gleicher Dicke keiu Holz an Festig- 
keit gleichkommen kann. 

Eine Dachdeckung mit solchen Blättern wäre für Wasser 
und Wind undurchdringlich; sogar eine aus sechs Doppelbogen 
grauen Papiers hergestellte und dann mittels des Walzwerkes 
zusammengepreßte Probe erwies sich als Bedachungsmaterial 
hinreichend zäh und fest und widerstand allen Einflüssen der 
Witterung. Dieses so erzeugte Material lässt sich wie Töpfer- 
thon formen und zur Fabrikation von vielerlei Gegenständen, 
als^tungsröhren für Wasser, Gas, ,« Hüten. Kleidungsstücken, 



I flirr eine neue Idee » Lösfhrtrrichtingea für Theater. 

Unter dem vorstehenden Titel veröffentlicht Hr. Architekt 
Joh. K. von Schruädel zu Müucheu in No. 18 bis 21 der in Stutt- 
gart erscheinenden Deutschen Feuerwehrzeitung einen inter- 
essanten Aufsatz. Gern entsprechen wir dem Ersuchen, unserem 
Leserkreise über den betreffenden Vorschlag Bericht abzustatten 
uud ihn auf die Wichtigkeit des Gegenstandes hinzuweisen. 

Der Verfasser entwickelt im Anschlüsse an die bekannte, 
durch den Wiener Ingenieur Hrn. Aug. Fölsch herausgegebene 
Brochüre: „Ucber Tucaterbrände etc., dasH die baulichen Vor- 
kehrungen gegen eine Fcucrsgcfahr in Theatern, wie sie in um- 
fassendster Weise beim Bau des neuen Opernhauses in Wien 
augewendet worden sind, zwar einen hohen Grad der Voll- 
l, dass hingegen die eigentlichen 



Löschvorrichtungen, durch welche ein eiumnl ausgebrochener 
Brand bewältigt werden soll, noch immer so mangelhaft sind, 
dass mit der Entstehung uines solchen das Schicksal eines 
Theaters so ziemlich besiegelt ist. Auch die Löschvorrichtungen 
des Wiener Opernhauses, obwohl in ihrer Art noch immer die 
vollkommensten, sind als durchaus uugenügend zu bezeichnen. 
Sie besteben uämlich darin, dass zu beiden Seiten des Bühuen- 
raums je neun übereinanderliegende feuersicher überwölbte Kor- 
ridore angeordnet sind, aus denen schiessschartenartige, für ge- 
wöhnlich mit eisernen Klappen versehene Oeffoungen nach dem 
Bühuenraume münden; ein System von Bohrleitungen und 
Feuerwechseln, an welche ein Schlauch mit entsprechendem 
Mundstücke angeschraubt ist, ermöglicht es, die Bühne durch 
jene Oeffnungen aus dem Vorrat he der drei grossen, unter Dach 
angebrachten Löschreservoirs, welcher eventuell aus den vier 
kleineren Nutzreservoirs von 200 auf 3840»' gebracht 



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kann, mit kräftigen Wasserstrahlen zu Wut reichen. Das Mangel- 
hafte dieser Einrichtung wird darin gefunden, das« für gewöhn- 
lich wohl die Hälfte dieser Löschscharten durch Versetzstücko 
u. s. w. vollständig verstellt ist. Die Anfüllung des gefährdeten 
Räumen durch die an der Decke aufgehängten, höchstens (>,. r > ra 
von einander entfernten Vorhänge macht denselben in dem 
obersten und gerade gefährlichsten Theilo für einen aus der 
Loschscharte operirenden Feuermann auch so unübersichtlich, 
clans es fast ein Zufall sein müsste, wenn es diesem gelingt, 
sofort, ehe der ganze Kaum mit dichtem yualni gefüllt ist, den 
Entstchungsort des Feuers zu eutdeckeu und diesen mit einem 
Wasserstrahle zu treffen. 

Sehr viel schlimmer ist jedoch noch die Lage der meisten 
anderen Theater, in denen sich eiue Löschvorrichtung, wie die 
des Wiener Opernhauses, nicht beiludet und nachträglich wohl 
auch nicht anbringen Besse. Die ganze Sicherung gegen Feuers- 
gefahr besteht hier gewöhnlich in einigen gegen das K-uer selbst 
nicht geschützten Feuerwechseln, an weirhe Schläuche ange- 
schraubt werden können, und in den betreffenden Handspritzen; 
die Möglichkeit der Lhschung eines Urämie* setzt eine Opfer- 
willigkeit des Löschpersonals voraus, die von Menschen nicht 
verlangt werden kann. 

Die gefährlichen Zustände, welche in dieser Beziehung auch 
im Münchener Hoftheater obwalten, haben den Inspektor des- 
selben, Hrn. Stehle, schon vor längerer Zeit veranlasst, über 
ein anderes Prinzip nachzudenken, durch dessen Anwendung es 
möglich wäre, den ganzen Uühuenraum mit einem entsprechen- 
den W'asserquautum zu übergiesseu , ohne dass hierfür die im 
Momente der Gefahr nicht immer sofort disponible Thätigkeit 
einer bedeutenden Löschmannschaft uothwendig wird. Der 
letzte Brand des Hoftheaters iu Darmstadt ist Ursache gewesen, 
dass der Verwirklichung dieser Idee näher gerieten und Herr 
von Schmädcl ersucht worden ist, Vorschläge über die prak- 
tische Ausführung derselben zu machen. 

Das betreffende Prinzip, welches darauf basirt, dass das 
Material, mit welchem die Bühuenräume angefüllt sind, fast 
durchweg aus dünnen vertikalen Körpern von grosser Breite, 
(Vorhänge, Prospekte, Koulissen etc ) besteht, ist einfach folgen- 
des: tn drei verschiedenen Höhenlagen, nämlich obeu über dem 
Schnürboden, unter dem Schnürboden und unter dem Podium, 
ein System horizontaler parallellaufender Köhren, die iu der un- 
teren Hälfte siebartig durchlöchert sind, derart auzuordiien, 
dass sie mit den Reservoirs in Verbindung gesetzt, im gauzeu 
Kaum einen gleichmässig starken Ouss erzeugen müssen- Aehn- 
liches iu Form von Krausen wird bereits bei Malzdarren auge- 
wendet; das ganze System ist vor kurzer Zeit von Amerika aus 
als Löschvorrichtung'für Wohnhäuser und Magazine, jedoch lange 
nachdem Hr. Stehle seinen Plan sich abgedacht hatte, in 
Vorschlag gebracht worden. Versuche mit Röhren von 5«« 
Weite, deren Durchlochuugcn 4""" im Durchmesser hatten, erga- 
ben bei einer Höhenlage des Reservoirs über der Rohre vou 
ü,30» und der Röhre über dem Fussbodeu vou l,. r >» einen Guss- 
regen von nahezu 4™ Breite: k-i 2» Kohrlänue wurde iu der 
Minute ein Wasserverbrauch von etwas mehr als 1'" erforderlich. 
Es ergiebt sich hieraus, dass Röhren in etwa 3™ Entfernung 
von einander und unter dem Schnürboden in etwa 2» Höhe über 
flen Stricken der Vorhänge und Prospekte angebracht, vollkom- 
men genügen würden, um den ganzen Bühneuraum mit einem 
gleicbmässigen Regen zu übergiessen und dass bei den Dimen- 
sionen des Münchener HoftheaterR der Inhalt der gegenwärtig 
vorhandenen Reservoirs im Betrage von etwa 200U HI bei gleich- 
zeitigem Arbeiten des Pumpwerks genügen würde, diesen Regen 
eine Viertelstunde andauern zu lassen, was sicherlich ausreichen 
würde, um einen nicht allzuweit vorgeschrittenen Uraud voll- 
ständig zu loschen. 

Die speziellen durch eine Anzahl von Holzschnitten erläu- 
terten Untersuchungen des Hrn. Verfassers beziehen sich auf 
die Detail-Anordnung der betreffenden Röhrcnsysteiue, nament- 
lich auf die Frage, von welchem Punkte des Theaters aus und 
wie dieselben iu Thätigkeit zu setzen wären. Er entscheidet 
sich dafür, dass dieses vom Niveau des Bühueupodiums, als 
dem für die Löschmannschaft praktikabelsten, durch einfaches 
Oeffuen von Wechseln geschehen müsse, so dass nach Belieben 
der ganze oder nur ein Thcil des gefährdeten Kühnenraums 
unter Wasser gesetzt werden kann; das Wasser muss zu diesem 
Rehufo durch Fallrohre aus den Reservoirs in ein im Niveau 
des Bühnenpodiums liegendes Sammelrohr und von diesem durch 
Slcigerohrc in da* oberhalb liegende Löschrnhr-Systeni geleitet 
werden. Auf dieses Detail, das je nach Beschaffenheit des Thea- 
teis und je nach Vorhandensein einer disponiblen städtischen 
Wasserleitung von entsprechender Druckkraft Modifikationen 
unterliegen wird, brauchen wir näher wohl nicht eiuzugehen. 
Jeder Techniker dürfte eiue solche Anordnung, die sich auch 
an den meisten vorhandenen älteren Theatern wird 
einrichten lassen, mit Leichtigkeit treffen können. Da der 
Wasserdruck der im Dach untergebrachten Reservoire wohl für 
die Löschröhren unter dem Schnürboden und unter dem Podium, 
schwerlich aber für die oberhalb des Schnürbodens ausreichen 
dürfte, da es sich ferner schon als eiu verhängnisvoller l'ebel- 
stand herausgestellt hat, dass der Zugang zu deu im Dachboden 
eines Theaters befindlichen Wasser- Reservoirs während eines 
Brandes gesperrt war, so empfiehlt Hr. v. Schmädel, neu anzu- 
legende Theater, wenn irgend möglich, mit einer Art von Was- 
selthurm zu versehen, der von de 



hoch genug ist, um einen für alle Theile des Hauses genügen- 
den Wasserdruck zu ermöglichen. Ein Uautheil übrigens,^ der 
für die schon gegenwärtig so komplizirte äussere Erscheinung 
eines Theaters ein neues originelles Monument hinzufügen 
würde. 

Das« die erörterten Vorschläge bei den so zahlreich beste- 
henden und noch mehr bei den im Kau begriffenen deutschen 
Theatern volle Beachtung verdienen, dürfte wobl ausser Frage 
stehen : der Verfasser, welcher das System vorläufig noch keines- 
weges als ein fertig abgeschlossenes betrachtet, sondern nur 
die Grundlage zu weiteren Versuchen gegeben haben will, erbittet 
für dasselbe die Mitwirkung und Unterstützung aller Fach- 
männer. Möge ihm dieselbe zu Theil 



Personal - Nachrichten. 

Preus sen. 

Ernannt: Der Baumeister II ottenrott zu Magdeburg; zum 
Eiseiibahn-Kaumeister an der Kergisch-Märkischen Eisenbahn in 
Elherfeld. Der Kreisbaumeister Sioumann in Deutsch -Crom» 
zum Hau-Iuspektor in Frankfurt a. M. 

Versetzt: Der Kreis-Kaumeister Zacher in Lötzeu nach 
Marggrabowa. Der Bau-Inspektor Pavelt vou Kiel nach Frank- 
furt a. M. 

Brief- und Fragekasten. 

Hrn. H. in Köln. In Betreff der von Ihnen gestellten 
Frage, in wie weit Techniker sich zur Reserve des Eisenbahn- 
Bataillons versetzen lassen können, sind erst neuerdings Be- 
stimmungen erlassen worden. Da der Gegenstand für nicht 
wenige Fachgenossen , die sich noch im Militär-Verhältnis« Ih>- 
fiuden, von grossem Werth ist, so geben wir nachstehend einen 
Auszug aus der betreffenden Kabiuetsordre de* deutschen Kai- 
sers- Durch dieselbe wird genehmigt, dass bis auf Weiteres 
sfimmtliche Mannschaften des Ueurlaubtcnstandcs, welche, be- 
ziehungsweise so lauge sie bei Staats- oder Privat-Eiseubahuen 
im Bau- resp. Betriebsdienst angestellt sind oder als ständige 

Erofessionellc Arbeiter desselben fungiren, zur Reserve resp. 
.andwehr des Eisenbahn -Bataillons übergeführt werden. Den 
Anträgen des Chefs des Generalstabs der Armee, bezüglich Ver- 
setzung geeigneter Offiziere des Beurlaubtenstandes von an 'ereu 
Waffen zur Reserve, beziehungsweise Landwehr zum Eisenbahn- 
Bataillon wird entgegengesehen werden. Gleichzeitig ist bestimmt 
worden, dass die Befugnis« zur Anerkennung der für den Mobil- 
machungsfall als unabkömmlich bezeichneten Beamten und stän- 
digen Arbeiter, sowie die Entscheidung auf etwaige Reklama- 
tionen gegen die Einberufung von Offizieren und Mannschaften 
des BcurluubteustandoH des Eisenbahn -Bataillons zu Uebunga- 
zweckeu auf deu Chef des Gencralstabs der Armee übergeht. 
In Ausführung dieser Ordre hat der Kriegs-Minister angeordnet, 
dass die Ueberfübrung der betreffenden Mannschaften zur Reserve 
und Landwehr des Eisenbahn - Bataillons zum I. Oktober d. J. 
erfolgt. Ausgenommen siud die Eisenbahn- Beamten der be- 
diensteten Kategorien, Gepäckträger, Kanzleidicner etc., sowie 
die Erdarbeiter, welche nach wie vor dem Ueurlaubtcnstande 
ihrer Waffen angehören. Die Beurlaubten des Eisenbahn-Batail- 
lons sollen in den Stammlisten besonders, und zwar nach Maass- 



übe ihrer früheren Waffen in leicht übersichtlichen Unterabthei- 
ungen geführt werden. Scheidet ein Beamter oder ständiger 
professioneller Arbeiter aus dem Eisenbahndienste aus, so wird 
er in der gedachten Stammliste gebucht nnd derjenigen seiner 
früheren Waffe zugeschrieben. Ferner sind die Modalitäten ge- 
ordnet, unter denen dem Chef des Gennralstabs der Armee Nach- 
üher die Offizien» des Hnnrlauhtenstandea zu liefern 
welche im Eisenbahndiensto sich befinden. Die Bestim- 
mungen über die Uniform der Offiziere sind vorbehalten. Die 
Zahl der Reserve- und der Landwehr- Offiziere des Eisenbahu- 
Kataillons wird durch den Offizierbedarf Tür den Mobilmachuugs- 
fall begränzt. Der Chef des Gencralstabs der Armee bat auch 
die Entscheidung über die Reklamationen der nicht zum Bcur- 
laubteDStandc des Eisenbahn- Bataillons gehörigen Offiziere an- 
derer Waffen, sofern und solange dieselben im Eisenbahndienste 
angestellt sind. Ebenso siud diejenigen zu den Mannschaften 
des Keurlaubtcnstaudes des Eisenbahn-Bataillons gehörigen Eisen- 
hahnbeamten, welche für die Zwecke der Feld-Eis 
tion keine Verwendung linden, beziehungsweise nicht für 
kömmlich erklärt werden, nach Befinden des Generalstabs-Cbefs 
der Armee, den beimathlichen General-Commandos Behufs even- 
tueller Verwendung als F'eldbeamten zu überweisen. 

Hrn. K. in R. Das betreffende Gutachten wäre zunächst 
wohl direkt bei der von Ihnen in Aussicht genommenen Persöu- 
lichkeit zu erbitten. Auf welchem Wege es als offizielle Aeus- 
serung zu erlangen wäre, können wir nicht beurtheilen, da wir 
nicht wissen, ob die Verhältnisse so liegen, dass anders als im 
Wege des Prozesses überhaupt eine weitere sachverständige In- 
stanz angerufen werden kann. 

Abonnent E. W. Die Luftexpansions- Maschinen nach 
W. Lehmann'* Patent sind uns von Maschinentechnikern warm 
empfohlen worden. Ob Bie für einen bestimmten Fall einer 
Dampfmaschine vorzuziehen sind, kann ohne Kenntnis» der nä- 
heren Verhältnisse nicht wohl hcurtheilt werden und werden 
Sie wohl thun, sich dicserhalb an einen Spezial • Fachmann zu 



Ii— lnlmuwm MM C>fl Vr«llu im Dir»». 



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Jahrg. IL X. 38. 

DEUTSCHE BAUZEITUNG 

Organ des Verbandes 

deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine. 



Redaktion u. Iir editiwi*. 
Berlin. OruienMru» 101. 

ikmiehaMo Hl. rmuniialtra 
«nd Buchkuidrtngrn, 
tut Ucrtin die KifcdiUM. 



Redakteur Z. £. 0. Frisch. 



Inierlt» 

tu dir Lricr der «nUch.li 
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_Btn- Anxeljror" 
InurHoairnU: SV, »•»■ l>ro 



Frei* 1 Thaler pra Quartal. 


Berlin, den 19. September 1872. Ers* 


hf int jeden BannrrstaR. 


rem für ilM N»llon.l ■ lHnkmtl auf <l<m Siede 


i. (Fort.««.»»«.) - Di. Konkur- 
rnl(L - LufiMtuuiten in »er- 


InK*ri.e«r.Vrr*iD zu lUnuoVcr. — Architekt 
»AiaDDluug d*uUch«r Arcfattfllu»* und ln Ä «n 


rnV,„,|l. .n Htrlln. - XVI. Ver 
Lur. tu CtrUruhc. - PeriontI- 







Wesentliche Umgestaltungen auf 
Preussisehen Stantsbauweseus, nnd mit ihnen die dritte, Iiis 
zur Gegenwart reichende Entwickelungs-Periode desselben, 
wurden durch die politische Bewegung des Jahn« 1H4S ein- 
geleitet Leider entbehrten dieselben nur allzusehr eines 
inneren Zusammenhanges und einheitlichen Plans, so das*, 
was in bester Absicht, zum Segen und zur Hebung des 
Faches angestrebt worden war, theilweise in das gerade 
Gegentheil umschlug. 

Die Reform beganu mit einer veränderten Organisation 
der Zentral -Behörden. Mit der im April 1848 crfol«tcn 
Bildung eines Ministeriums für Handel, Gewerbe und offen t- 
liche Arbeiten ging die Leitung des Staats - Bauwesens auf 
dieses über und wurde demnächst in einer «Abtheilutig für 
das Bauweseu und die Eisenbahn-Angelegenheiten* fest kou- 
stituirt. Es war ein nicht zu unterschätzendes Zugeständ- 
nis« an die Preussisehen „Banbedienten", dass die Direktion 
dieser Abtheilung, welche seither bei der wachsenden Bedeu- 
tung des Eisenbahnwesens in zwei selbststäudige Theile zer- 
legt worden ist, einein Baulicamtcn, dein Uberbaudirektor 
Müllin aiivurlcaut wurde; zum -traten Male wurde hiuruul 
einem Techniker ein Amt verliehen, wie es vordem aus- 
schliesslich den juristisch gebildeten Verwaltungsbeainten 
vorbehalten war, wie es weder Schinkel noch Eytelwein 
hatten erreichen können. Als technische Käthe der betref- 
fenden Ministerial - Abtheilung wurden die bisherigen Mit- 

Slieder der Über-Bau-l>cputatirm berufen, die in ihrer frü- 
eren Gestalt, weil der Verwaltung und dem praktischen 
Wirken zu sehr entfremdet , aufgelöst wurde. Soweit ihre 
Funktionen idealer Natur waren, Repräsentation und För- 
derung des Bauwesens in künstlerischer und wissenschaft- 
licher Beziehung bezweckten und daher auch die Leitung 
des Ausbildungsganges und die Prüfung der Staats -Bau- 
beamten nmfassten, gingen dieselben auf eiüe neugcbildete 
Korporation, die „technische Baudeputation " ttWr, 
deren Mitgliedschaft neben den Ministerial -Baurätben, die 
ihr als solche angehören, noch anderen küustlerisch oder 
wissenschaftlich sich auszeichnenden Preussischen Baumeis- 
tern als Ehrenamt verliehen werden kann. 

Während diese erst im Dezember 1849 zum Absehluss 

e brachten Aenderungen in der obersten Leitung des Staatü- 
uwesens sich vorbereiteten, blieb es nicht unbeachtet dass 
auch die Organisation der Bauverwullung in den Provinzen, 
sowie die Einrichtungen des für die Baubeamten vorgeschrie- 
benen AusbildiingKgangcs einer Itcform bedürftig seien. Mit 
einer gewissen Hingabe an den Zug der Zeit, welche die 
Mitwirkung des Volkes bei Berathung der für sein Heil zu 
treffenden Maassregeln forderte, rief das Ministerium den 
Architcktenverein zu Berlin sowie die Lehrer der Bauschule 
zu gutachtlichen Aensserungen über die letztgenannte Frage 
auf. Die Vorschläge des ersteren, aufgestellt vou einer Kom- 
mission, der nehen den ersten Autoritäten auf ausdrücklichen 
Wunsch des Ministeriums auch einige Studirende der Bau- 
schule angehörten, Stellten sich auf einen ziemlich radikalen 
Standpunkt; sie verlangten Aufhebung jedes Studienzwanges 
und wollteu die Zulassung zur ersten Prüfung von einer 
zweijährigen Vorbereitung unter Leitung eines Baumeisters 
abhangig gemacht wissen; in Beireff der zweiten Prüfung 
und der dciuniichstigcn Verwendung im Staatsdienst bezweck- 
ten sie eine Trennung der Stnatshaubeamten nach drei 
verschiedenen Fächern — in Laudbaumeister (Architekten). 
Fabrikbaumeister (Maschinentechniken und Wasser- und 
Wegebaumeistcr (Bauingenieure). Die Lehrer der Bauschule, 



Das Preussisehe Staats -Bauwesen. 

(Kor (Mtiung.) 

allen Gebieten des ] welche für Studirende des Baufaches eine Realschulbildung 
befürworteten, schlugen vor, an Stelle jener Vorbereitung bei 
einem Baumeister den Besuch einer Vorschule als Bedingung 
für Zulassung zu den akademischen Studien einzusetzen. 

Die am 1. August 18 II* erlassenen „ Vorschriften für die 
Ausbildung und Prüfung derjenigen, welche sich dem Bau- 
)';n he widmen w , suchten augenscheinlich zwischen diesen 
Anschauungen und den bisher gültigen Zuständen zu ver- 
mitteln — wie es scheint nicht ohne die Absicht, damit 
eine vorläufige L'ebergaugsstufe zu späteren weitergehenden 
Reformen zu gewinnen. Die wesentlichsten Prinzipien der 
Organisation von blieben hierbei unangetastet nnd nur 
die Ausführung derselben wurde zeitgemäss modifizirt; gäuz- 
lich verändert wurden allein die für den Eintritt in die 
Staatsbaubeainten-Laufbabn gestellten Vorbedingungen. 

Jedenfalls um damit die Grundlage für eine Gleichstel- 
lung der Baubeamten mit den übrigen Staatsbeamten zu 
schaffen, wurde ein entsprechendes .Maas* der allgemeinen 
Schulbildung, die Reife aus der ersten Klasse eines Gym- 
nasiums oder einer Realschule erster Ordnung, miuniehr 
auch Sur diu Aspiranten des Itaulachx vorcesehrieben. Eine 
vorherige Ausbildung und Prüfung als Feldmesser, die his- 
torische Vorstufe des bautechnischen Fachstudiums, ward als 
nothwendig nicht mehr angesehen; an Stelle derselben trat 
die Forderung einer mindestens einjährigen praktischen 
Thätigkeit unter Leitung eines oder mehrer geprüfter Bau- 
meister. 

Der bisherige schwerfällige Prüfungsmodus erfuhr eine 
angemessene Vereinfachung. Eine erste Prüfung als Bau- 
führer, welcher Titel bereits im Januar 1818 au Stelle der 
unerfreulichen Bezeichnung .Bauzögling'* getreten war, sollte 
sich .auf die gesummte wissenschaftliche und technische 
Ausbildung, welche von den Baubeflissenen aller Richtungen 
als die gemeinsame Grundlage der weiteren Studien zu for- 
dern ist", sowie auf die Kenntnisse der Feldmesskunst er- 
strecken ; für die Zulassung zu derelhcn war neben den 
vorerwähnten Vorbedingungen noch der Nachweis eines min- 
destens zweijährigen Fachstudiums erforderlich. Die zweit« 
Prüfung als „Baumeister" blieb in eine Prüfung für den 
Land- nnd Schönbau und in eine solche für den W r ege- und 
Wasserbau gutheilt und bedingte für jede derselben eine vor- 
hergehende zweijährige praktische Thätigkeit als Bauführer 
nnd ein weiteres einjähriges Studium. Allerdings blieb auch 
die Vorschrift bestehen, dass die Prüfung als Land- und 
Wasserbaumeister für die Besetzung derjenigen Stellen erfor- 
derlich sei, deren Verwaltung umfassende Kenntnisse vom 
I,aud- und Wasserbau bedinge, ohne data jedoch wie früher 
ausgesprochen war, dass dies auf alle Stellen vom Regic- 
rungs- und Baurath aufwärts zu beziehen sei; für die Zulas- 
sung zu dieser Doppelprüfung ward eine dreijährige prak- 
tische Thätiirkeit als Bauführer und ein mindestens zwei- 
jähriees Spezialstudium vorgeschrieben. 

Eine gleichzeitige Reorganisation ward selbst verständlich 
auch dem Unterrichts -Institute für die Staatsbanbeatnten zu 
Theil. dessen Lehrplan dem veränderten Ausbildungsgange an- 
gepasst wurde. Da das Studium auf demscllwn für dioZnlassuii'; 
zu den Staats-I'rüfungen nicht obligatorisch war und die frü- 
here Nöthigung hierzu nicht mehr in gleichem Grade bestand, 
so entschloss man sich, den vor 18 Jahren beseitigten alten 
Namen „ Ba uakademic - * wieder aufzunehmen und definirte 
als ihre Bestimmung, „denen, welche sich dem Banfache 
widmen wolleu, Gelegenheit zur Ausbildung darzubieten.- 4 
Zur Leitung der Austalt wurde eiu Direktorium eiugesetzt, 



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- 306 



welchem neben dem vom Ministerium für Handel etc. er- 
nannten Direktor zwei Mitglieder der Technischen (Ober-) 
Bau -Deputation als Repräsentanten des Land- und Schön- 
bau einerseits, des Wege-, Eisenbahn- und Wasserbaues 
andererseits angehören sollen. — 

Längere Zeit verzögerten sich die Reformen auf dem 
Gebiete der Bau Verwaltung, wahrend es doch im Interesse 
der Sache gelegen hätte, dieselben entweder gleichzeitig mit 
der nenen Organisation de« Ausbildungsganges der Bau- 
beamten oder sogar noch vor derselben zur Ausführung zu 
bringen. Lebhaft war im Kreise der Baubeamten über die 
zur Entscheidung kommenden Fragen diskntirt worden; 
auch damals fanden zum Zwecke gemeinsamer Besprechung 
und Verständigung über zu äussernde Wünsche und Forde- 
rungen mehrfache Versammlungen der Beamten einzelner 
Regierungsbezirke statt. Demselben Zwecke diente eine 
Brochüren-Litteratur, in welcher vornehmlich eine even- 
tuelle Trennung der beiden Zweige des Bauwesens verhan- 
delt wurde. Mit sehr schwachen Gründen vertheidigte der 
Wasscr-Bau-Inspektor Gärtner zu Stettin deren bestehende 
Vereinigung im Studium und befürwortete dieselbe auch in 
der Verwaltung durchzuführen, indem an Stelle der bis- 
herigen Kiuzelbeamten für die getrennten Geschäfte des 
Land-, Wasser- und Wegebaus Bauämter (bestehend aus 
einem Baubeamten , einem Aktuar und dem nöthigen Auf- 
seher-Personal) einzuführen seien, denen die gemeinsame 
Verwaltung aller drei Angelegenheiten, jedoch in kleiueren 
Baukreisen übertragen werde. Ihm entgegen befürwortete 
der Land -Bau-Inspektor Manger zu Berlin im Interesse der 
Baukunst die entschiedenste Trennung der Architektur 
vom Ingenieurwesen; er schlug vor, die Angelegenheiten 
des Hochbaus künftig überhaupt nicht mehr durch fest an- 
gestellte Staatsbeamte bearbeiten zu lassen, sondern hier- 
über je nach Bedürfnis? ein bestimmtes Abkommen mit 
Privat- Architekten zu schlicsseu, jlencn er durch Erlass 
einer Vorschrift, dass jeder Entwurf zu einem Neubau der 
Unterschrift eines geprüften Baumeisters bedürfe, die Mög- 
lichkeit einer Existenz zu schaffen gedachte. Für die An- 
gelegenheiten der Baupolizei, des Wasser- und Wegebaus 
wollte er die Verwaltung durch als Ingenieure geprüfte 
Staats-Baubeamtc beibehalten und gleichfalls Bauämter ein- 
geführt wissen, jedoch mit der Modifikation, dass einem 
solchen neben dem älteren Baubeamten stets noch mehre 
jüngere Baumeister zuzuweisen seien. — Alle Stimmen ver- 
einigten sich jedenfalls dahin, dass die materielle Lage der 
Baubeamten einer Aufbesserung dringend bedürfe. 

Zu einer durchgreifenden Reform im Sinne der Manger' 
Sehen Vorschläge und in weiterer Elitwickelung der seit 
1831 durch die veränderte Studien- Einrichtung angebahnten 
Zustände war es unter den politischen Verhältnissen, die 
mittlerweile eingetreten waren, nicht mehr Zeit; als lähmen- 
des Hinderniss für eine gründliche Besserung der vorhan- 
denen Zustände stellte sich zudem die Notwendigkeit in 
den Weg, mit dem für die Verwaltung des Staatsbauwesen* 
bisher erforderlich gewesenen Kostcnaufwande auch weiter- 



hin auszukommen. So kam es dahin, dass die im Laufe 
des Jahres 1*52 durchgeführte neue Organisation der Bau- 
Verwaltung in geraden Gegensatz zu jenen Bestrebungen 
und im Wesentlichen auf den Standpunkt der GärtnerVficn 
Vorschläge sich stellte. Die bisherige Trennung der Beamte 
der Landbau-, Wasserbau- und Wegebau -Verwalturg wurde 
aufgehoben. Wenn auch in den grösseren Städten, au den 
schiffbaren Strömen und den Küsten, sowie in einzelnen Be- 
zirken noch Stellen belassen wurden, deren Geschäftskreis 
ausschliesslich oder doch ganz überwiegend einen dieser 
Zweige des Fachs umfasste, so ward doch als Regel einge- 
führt, dass die im Ressort einer Regierung für bestimmte 
Bauhezirke angestellten Bau- Inspektoren oder „Kreishau- 
m eist er- mit sämmtlichen Bau -Angelegenheiten ihres 
Bezirks betraut wurden. Eine grosse Anzahl solcher Stel- 
len wurde zu diesem Behüte neu kreirt. Ihre Besetzung 
erfolgte, da ausschliesslich die theoretische, seinerzeit durch 
eine Prüfung nachgewiesene Befähigung beachtet wurde, vor 
Allem aber, da die bereits angestellten Persönlichkeiten doch 
eine Verwendung finden mussten, zum grossen Theil durch 
Beamte, die vordem — oft durch 20 bis 30 Jahre — alk in 
dem Wegebau angehört hatten; mit welchem Erfolge soll 
später noch erörtert werden. Von der Errichtung der vor- 
geschlagenen . Bauämter *, welche die Anstellung ständiger 
I Hülfskräfte und damit eiuige Mehrkosten erfordert hätten, 
konute selbstverständlich keine Rede sein. — Für die Staats- 
Eisenbahnen, die zu damaliger Zeit erst in den Anfang ihrer 
seither so glänzenden Entwickelung getreten waren, wurde 
eine gesonderte Verwaltung unter einzelnen dem Ministerium 
für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten direkt unter- 
stellten Direktionen eingeführt. 

Dass neben einer solchen Organisation die für den Aus- 
bildungsgang der Baubcaintcn getroffenen Einrichtuugen nicht 
aufrecht erhalten werden konnten, dass vielmehr die alte, 
noch in vielen Köpfen mit Vorliebe gehegte Vorstellung vou 
der Notwendigkeit universeller Ausbildung für alle Bau- 
beamten hierdurch einen wirksameren Schein der Berechti- 
gung erhalten musste als jemals vorher, ist wohl selbstver- 
ständlich. In der That hat sie nicht nur die Beseitigung 
aller bisher errungenen Fortschritte zur Folge gehabt, son- 
dern ist auch der Riegel gewesen, der allen ueueren Refomi- 
Bestrebungen den Eingang gewehrt hat. 

Nachdem bereits im Jahre 1852 die Vorschriften für die 
Prüfung der Bauführer einen — wie später gezeigt werden 
wird, sehr verhängnissvollen — Zusatz erhalten hatten, 
welcher Art und Anzahl der bei der Meldung zur Prüfung 
einzureichenden Zeichnungen, der sogenannten „Pcnsums- 
blätter", auf das Genaueste bestimmte, wurde unterm 18. März 
1855 ein verändertes Reglement für die Ausbildung und 
Prüfung der Bautechniker des Staates erlassen. 

In Betreff der Vorschriften für die Ausbildung bis zur 
Bauführer-Prüfung stimmte dasselbe annähernd mit den bis- 
herigen Bestimmungen überein; die zur völligen Gleich- 
stellung mit den Aspiranten der alten Fakultäts-Wissenschatt 
gestellte Forderung der Reife des Abgangs zur Universität 



Die 



Siedfrw.U. 



Als unmittelbare Folge der grossen Zeit, welche wir 
vor Kurzem durchlebten, ist den künstlerischen Kreisen des 
Vaterlandes eine Fülle verwandter Aufgaben gestellt worden, 
dereu gemeinsamer Grundgedanke es ist, in dauernder Form 
an die Opfer die gebracht, an die Thaten die geschehen sind, 
zu erinnern. Auf den Schlachtfeldern des Krieges, wie da- 
heim in den Städten sind zu diesem Zwecke Denkmale be- 
reits errichtet, oder noch in Ausführung begriffen, hergestellt 
aus den Mitteln einzelner Truppentheilc, Stadtgemeinden oder 
Provinzial -Verbfinde. Allerdings erheben sich diese Monu- 
mente mit wenigen Ausnahmen nicht über ein bescheideneres 
Maass, wie dies in der Art ihres Zustandekommens aus ver- 
einzelter privater Initiative begründet liegt. Die für diesel- 
ben disponiblen Mittel überschreiten selten die Summe von 
2— 3000 Thalern und bei aller Theilnahme, welche man 
diesen in der That allseitigen Bestrebungen offenbar nicht 
versagen kann, lässt sich doch auch dariilier ein Bedauern 
nicht unterdrücken, dass jene zahlreichen klein zertheilten 
Mittel in einzelnen Fällen, wie z. B. auf dem Schlachtfelde 
von Vionville, das nun wohl schon mit einem Dutzend der- 
artiger Monumente bedacht ist, nicht zu einem grösseren, 
imposanteren und darum auch dauerhafteren Ganzen zusam- 
mengefügt worden sind. 

Der Gedanke, der allerdings gleichfalls zunächst privater 
Initiative entsprungen ist, in einem grossen, von der gc- 



sammten Nation zu errichtenden Denkmale jene Ereignisse, 
die Sicherung des deutschen Landes vor dem angreifenden 
Feinde, die Errichtung des geein'gten Deutschen Reiches zu 
verewigen, fand daher wohl allgemeine Zustimmung und An- 
erkennung. Aui'h die Stelle, auf welcher das Denkmal sich 
erheben soll, die prachtvolle Höhe des Niederwaldes am 
Rhein, gegenüber dem Einflüsse der Nahe in denselben, 
konnte nicht wohl glücklicher und bedeutsamer gewählt 
werden und trug nicht wenig zur Popularität der Idee bei. 

Ein Konkurrenz -Ausschreiben forderte die sämmtlichen 
Deutschen Künstler zur Theilnahme auf. Hinsichtlich der 
Bestimmungen über Idee und Form des Monumentes ganz 
allgemein gehalten, beide ganz dem Ermessen der Konkur- 
renten anheim stellend, wie dies füglich nicht anders sein 
konnte, enthielt es nur eine Beschränkung, nämlich die 
Höhe einer innezuhaltenden Kostensumme von 250000 Thlr. 

Ich will von vornherein über diesen letzten Punkt meine 
Ansicht aussprechen. Das Ergebniss der Konkurrenz zeigt 
nämlich , dass der Bedeutung der Aufgabe, wie den Anteil- 
forderungen, welche der Bauplatz stellt, gegenüber diese 
Summe offenbar zu niedrig gegriffen ist Wenn sie auch 
wohl die Höhe der Beiträge bezeichnen mag, welche durch 
Sammlungen zusammenzubringen sind, so dünkt es mich, 
dass gerade in diesem Falle es weniger dem Linzeinen als 
der Repräsentation der ganzen Nation, dem Staate nämlich, 
zukommt, ein derartiges Unternehmen zu fördern. Der Staat 
allein — darüber mache man sich keine Illusionen und 
denke an deutsche Flottensammlungen — besitzt zu solchen 
Werken die ausreichenden Mittel. Er besitzt dazu auch 



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- 307 - 



d. h. die Ausschliessung der bisher für zulässig erachteten 
Rcalschnlbildung konnte gegen die vom Hause der Abgeord- 
neten als berechtigt anerkannten Beschwerden der Real- 
schulen nicht lange aufrecht erhalten werden. Eine nicht 
unwesentliche Aenderung war es allerdings, dass für das 
zweijährige Studium vor der Bauführer-Prüfung der Besuch 
der Bauakademie obligatorisch wurde und nur durch be- 
sonderen Dispens des Ministers umgangen werden konnte; 
auch wurde der Nachweis über dieses Studium von einer 
regelmässigen Benutzung des Unterrichts, d. h. von dem 
Besuche oder doch der Bescheinigung über den Besuch be- 
stimmter, in bestimmter Reihenfolge zu hörender Kollegien, 
der sogenannten „Zwangskollegien* abhängig gemacht. Als 
der Zweck der hiernach abermals umgestalteten Bauakademie 
wurde bezeichnet, „denen, welche sich zu Baubeamten für 
den Staatsdienst oder zu Privathaumeistern ausbilden wol- 
len, die erforderliche Gelegenheit zu gewähren" ; der im Laufe 
des Jahres 185U vom Direktorium unternommene Versuch, 
nach dem Vorbilde einiger dem französischen Untcrrichts- 
modus entnommenen Einrichtungen weitere, etwas schul- 
mässige Anordnungen einzuführen, stiess auf den energi- 
schen Widerstand der Studirendcn und wurde baldigst auf- 
gegeben. 

Wichtiger und einschneidender waren jedenfalls die 
Aenderungen, welche in Betreff der Baumeister -Prüfung ge- 
troffen wurden. Bestand eine Nötbiguug, dieselbe nach beiden 
Richtungen des Bauwesens hin abzulegen, bisher nur für die 
Aspiranten höherer Stellen und warjlie Möglichkeit eines 

n- 




ler 
BUg 

man jetzt auf den vor ix;tl mnassgeliendcn Standpunkt zu- 
rück und schrieb vor, dass jeder Baumeister ohne Unter- 
schied eine Prüfung ablegen müsse, welche die Architektur 
und das Ingen ieurwesen in ihrem ganzen Umfange zu 
umfassen habe. Bei den qualitativ gesteigerten Ansprüchen, 
welche unter dem Einflüsse der neueren Bauthütigkeit für 
beide Fachrichtungen sich von selbst ergaben, und bei der 
ausserordentlichen Erweiterung, welche der Technik durch 
die mittlerweile in immer allgemeinere Aufnahme kommende 
Anwendung der Eisenkonstruktionen zu Theil geworden war, 
entstand hierdurch eine Prüfung von einem Umfange und 
einer Schwierigkeit, an welche keine der für andere Fächer 
vorgeschriebenen Staatsprüfungen heranreicht — um so 
schwieriger namentlich, weil neben den speziellen Fach- 
disziplinen gleichzeitig auch in den Hülfswissenschaften, so 
in der Theorie der höheren Mathematik, geprüft wurde. 

Eine andere, seltsame Neuerung war die, dass die Ab- 
stufung für die verschiedenen Grade der späteren Amts- 
tätigkeit, welche früher eben nach dem grösseren oder 
geringeren Umfange der Prüfung sich richtete, nunmehr 
nach dem qualitativen Ausfall derselben bestimmt wurde, so 
dass sogenannte „A-, B- und C- Baumeister* entstanden, je 
nachdem sie: „A. für die Verwaltung jeder Staats-Baube- 
amten-Stelle, oder B. nur für die Verwaltung einer Bau- 



Inspektoratelle, und zwar a) einer solchen, mit welcher 
vorzugsweise Land- nnd Schöubau, oder b) einer solchen, 
mit welcher vorzugsweise Wasser-, Wege- nnd Eisenbahn- 
bau verbunden ist, oder endlich C. nur für die Verwaltung 
einer Kreisbaumeister-Stellc" als qualifizirt befunden 
wurden. Zur Ermittelung dieser Abstufungen diente ein 
scharfsinniges System, wonach die einzelnen, nach ihrem 
Werthe mit bestimmten „Points* bezeichneten Zensuren #in- 
fach addirt zu werden brauchten, nm aus der Summe das 
für die Lebensstellung des Examinanden maassgebende Resul- 
tat zu finden. — \\ er jemals eine Prüfung liestanden hat 
und weiss, von welchen Zufälligkeiten jede derselben ab- 
hängt, wird die Bedeutung der ganzen, fär die Auffassung 
der damals leitenden Persönlichkeiten im höchsten Grade 
charakteristischen Einrichtung zu würdigen verstehen. 

Anzuführen ist noch, dass gleichzeitig die Oeffentlichkeit 
der mündlichen Prüfungen aufgehoben wurde, sowie dass 
als erster Schritt, um das bisher ziemlich lose Verhfiltniss 
der Bauführer und der noch nicht zur Anstellung gelangten 
Baumeister zur Staats -Verwaltung zu einem festeren und 
geregelten zu machen, die Vorschrift erfolgte, dass alle für 
den Staatsdienst geprüften Bautechniker verpflichtet seien, 
alljährlich eine Nachweisung ihrer Beschäftigung an den 
Minister für Handel etc. einzureichen und jeder Aufforderung 
desselben zur Uebernahme einer Beschäftigung oder zur An- 
stellung im Staatsdienste Folge zu leisten, widrigenfalls sie 
von der Prüfung als Baumeister zurückgewiesen oder von 
Anstellung ausgeschlossen werden sollten. — 
Die Vorschriften von 185. r > sind ihrem wesentlichen In- 
halte nach 13 Jahre lang in Wirksamkeit geblieben. Wenn 
es seinerzeit nicht Wenige gab, welche in dieser Organisation 
den Gipfel der Vollkommenheit erblickten und von ihren, 
in vielen pointsreichen Prüfungen sich darlegenden Erfolgen 
eine Blüthe des Faches erwarteten, so hat es allerdings auch 
nie an einigen Weiterblickenden gefehlt, welche das Gegen- 
theil voraussahen und der festen t'eberzengung waren, dass 
derartige auf das Unmögliche gerichtete Forderungen 
noth wendig ein hohles Scheinwesen zur Folge haben 
müssten, während die wirklichen Leistungen nicht anders 
als sinken konnten. Keiner hat sich in letzter Beziehung 
schärfer ausgesprochen , als der Altmeister des Faches , der 
seit fast einem Menschenalter in Preussen an der Spitze der 
Bauwissenschaft nnd seit einer Reihe von Jahren an der 
Spitze der über diese Verhältnise entscheidenden Korporation 
steht. Zu einer Aenderung derselben fehlte jedoch der 
äussere Anstoss, fehlte vor allen Dingen die Unterstützung 
des öffentlichen Interesses, das sich in jener Periode zu aus- 
schliesslich auf andere Gebiete konzentrirte. So war neben 
kleineren unwesentlichen Modifikationen der Verzicht auf 
eine dreifache Abstufung der Baumeister-Prüfung — die Aus- 
scheidung des ominösen C, unter Beibehaltung von A und B 
— die einzige gegen den Schlnss des erwähnten Zeitraums 
eingeführte Aenderung. Auch diese erfolgte jedoch nicht 
etwa als Konzession an den Geist der Zeit, sondern sollte 
der Vorläufer einer in der Verwaltung beabsichtigten Reform 



noch um soniehr die Verpflichtung, wenn man bedenkt, dass 
er sich nach dieser Richtung hin bisher eigentlich thcil- 
nahmlos verhalten hat; denn mit den Aenderungen. welche an 
dem ursprünglich für ilie Feldzüge von 18t'»4 und »>ii bestimm- 
ten Denkmale zu Berlin vorgenommen werden sollen — Weg- 
lassung eines anstössigen Reliefs auf die deutschen Süd- 
staaten und Verwendung französischer Kanonen anstatt öster- 
reichischer als Triumphalschmnck — ist es doch unmöglich 
abgethan. 

Jedenfalls wäre dieser Kostenpunkt, wie bei so vielen 
anderen Konkurrenzen, kein Hinderuiss zur Darlegung künst- 
lerischer Ideen in Entwürfen gewesen, und bei der lebhaften 
Theilnahme, welche die Sache auch anfänglich unter den 
Künstlern selbst fand, konnte man wohl auf ein höchst 
interessantes Ergebniss hoffen. Das in etwa 30 Arl»eiten 
nunmehr vorliegende, in einem höchst unwürdigen Parterre- 
lokale der Kunstakademie aufgestellte Resultat dürfte diesen 
Erwartungen gegenüber freilich bei Vielen eine gewisse Ent- 
täuschung hervorrufen. Kaum die Hälfte der Konkurrenz- 
Arbeiten besitzt so viel künstlerischen Werth, um sie nur 
überhaupt in solchem Falle als zulässig erscheinen zu lassen, 
und auch unter den wenigen Entwürfen von hervorragender 
Bedeutung ist wohl keiner von jener durchschlagenden, un- 
bedingt fesselnden Gestaltung, welche ihm ohne jede Modi- 
fikation den Anspruch auf Ausführung sichern könnte. 

Das wäre also wieder einmal eine resultatlose Konkur- 
renz! so werden wir gewiss demnächst von den veschieden- 
sten Seiten zu hören bekommen. Ich glaube dennoch das 
Gegentheil beweisen zu können. 



Was zunächst den Wettstreit zwischen den Schwester- 
küusten der Bildhauerei und Architektur anlangt, so ist er 
wohl nnbediugt zu Gunsten der letzteren entschieden. Nur 
ein architcktonische^Bau von charakteristischer Silhouette — 
das ergiebt die Konkurrenz deutlich — vermag sich an der ge- 
wählten Baustelle den gewaltigen Formen der Natur gegen- 
über zu behaupten. Nur er kann auch soweit für die Ferne 
wirken, wie (lies Erforderniss ist. Die Skulptur kann sich 
dem architektonischem Gerüste allein als ein für die Be- 
trachtung aus der Nähe wirksamer Schinuck anfügen. Es 
ist mir bekannt, dass mehr als ein begabter Bildhauer in 
der richtigen Erkenntniss dieser Thatsachc von der Konkur- 
renz zurückgetreten ist, und es ist wohl nicht zu viel gesagt, 
wenn man die Mehrzahl der eingelieferten Arbeiten aus die- 
sem Kunslgebiet nur als Mittelgut bezeichnet, bei welchen 
vor Allem eine sorgfältige Erwägung dessen , was an jener 
Stelle bezüglich der Gesammtgestaltung das Richtige ist, 
nicht angestellt wurde. Die Schönheit einzelner Details in 
jenen Arbeiten kann nicht bestritten werden, den Grundfeh- 
ler der Auffassung vermag sie aber nicht wieder gut zu 
machen. 

Betrachtet man die Entwürfe aus dem Gebiete der Ar- 
chitektur, die überhaupt auf eingehendere Würdigung An- 
spruch machen können — es sind etwa acht — etwas näher, 
so muss abermals das Faktum konstatirt werden, dass man der 
Berliner Schule das Terrain fast ausschliesslich ül»crlasscn hat. 
Nur zwei Arbeiten, jene von Vinzenz Statz in Cöln und 
diejenige mit dem Motto: „dem deutschen Volke sei's ge- 
bracht*, sind aus anderem Boden als auf dem berliner ent- 

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— 308 — 



«•in, wonach die Kreisbaumeister- Stellen ausnahmslos zu 
Bau-Inspoktor-Stellen erhoben werden sollten. 

Dl« beabsichtigte Reform ist, wie wir sofort ergänzend 
bemerken können, bis jetzt nicht zur Ausführung gelangt 
Als einzige Aenderung,' welche seit der Reorganisation von 
1852 in der Bauverwaltung eingetreten ist, haben wir viel- 
mehr nur einen, nicht im Wege öffentlicher Verordnung, aber 
tbatsüchlich eingeführten Modus im Avancement der Baube- 
amten zu verzeichnen. Wahrend früher nur bei einigen we- 
nigen Regierungen r Ober-Ban-Inspektoren* fungirten — unseres 
Wissens Beamte, die aus der Wegebau-Verwaltung entnom- 
men waren und auch später fast ausschliesslich das Ressort 
des Wegebaus bearbeiteten — tritt nunmehr eine Beförderung 
vom Bau-Inspektor zum Regierungs- und Banrath nur in 
höchst vereinzelten Ausnahmefällen ein; Regel ist es viel- 
mehr, dass gegenwärtig jeder in höhere Stellen beförderte 
Beamte der Bauverwaltung die Skala: Kreis- (resp. Land- 
oder Wasser-) Baumeister, Bau-Inspektor, Oher-Bau-lnspek- 
(or, Bnurutb, Regierungs- und Baurnth etc. durchzumachen 
hat, wahrend in der Eisenbahn-Verwaltung dem Ober-Bau- 
Inspektor der Ober-Betriebs-Inspektor entspricht. 

Der äussere Anstoss zu einer abermaligen Umgestaltung 
des prenssischen Staats-Bauwesens schien im Jahre 18i'>(> ge- 
kommen zu seiu, als zu den alten Landestheilen mehre bis- 
her selbstständige Staaten als neue Provinzen hinzutraten, 
in denen durchweg eine von den Prenssischen Einrichtungen 
verschiedene Organisation sowohl der Bauverwaltung wie 
des Ausbildnngsganges der Baubeamten bestand. Und zwar 
fast durchweg auf der Grundlage einer Trennung der Archi- 
tektur vom Ingenieurwesen, wie sie nach der neuerdings er- 
folgten Reorganisation des Bayrischen Bauwesens gegen- 
wärtig in allen Staaten Europas mit Ausschluss von 
Preussen durchgeführt ist. Es trat damit an die Zen- 
tral-Behördcn des Preussisehen Bauwesens die Frage heran, 
ob — bei der notwendigerweise durchzuführenden Einheit 
der Einrichtungen — die Preußischen Verhältnisse unter 
Vernichtung der dort selbstständig entwickelten Elemente 
auf die neuen Provinzen einfach zu übertragen seien, oder 
ob unter einer Verschmelzung und Vermittelung der bishe- 
rigen Gegensätze für alle Theile des Staates neue Einrich- 
tungen geschaffen werden sollten. 

In Betreff der Verwaltungs- Institutionen hat man nach 
einem mehrjährigen Provisorium sich zu dem ersten Ver- 
fahren entschlossen; es kann dahin gestellt bleiben, ob die 
Ueberzeugnng von der ausreichenden und bewahrten Brauch- 
barkeit der Preussisehen Organisation oder die Rücksicht 
auf den geringeren Kostenbedarf derselben den Ausschlag 
gegeben hat. Selbstverständlich mussten sich hierbei nicht 
nur ähnliche, sondern noch stärkere Inkonvenienzen erge- 
ben, als dies bei Besetzung der Baubeamten -Stellen im 
Jahre 1852 der Fall war. Man hat die Verwaltung von 
Aemtern, deren Geschäftskreis Ban- Angelegenheiten ans 
allen Fachrichtungen umfasst, Technikern übertragen müssen^ 
die nicht nur nach ihrer bisherigen Beschäftigung, sondern 
auch nach ihrer einstigen theoretischen, durch eine Prüfung 



nachgewiesenen Ausbildung einzelnen der von ihnen ver- 
tretenen Fachzweige völlig fremd waren. Man hat jedoch 
diesen zu dem Prinzipe der Prenssischen Einrichtungen in 
schreiendem Widerspruche stehenden Nachtheil lieber ver- 
sehmerzt, als dass man sich zu einer anch für die Zukunft 
gültigen Konzession in diesem Prinzipe entschlossen hätte. 

Es ergiebt sich als selbstredend, dass hiernach ebenso 
eine radikale Reform im Ausbildungsgange der Staats-Bau- 
beamten ausgeschlossen bleiben mnsste, obwohl bei einer 
Abstimmung über die eventuelle .Trennung der Fächer" im 
Schoosse der technischen Bau -Deputation eine sehr starke 
und bedeutsame Minorität für dieselbe sich ausgesprochen 
hatte. Doch waren — wohl mit vorwiegender Rücksicht 
auf Hannover und sein blühendes Polytechnikum — Aende- 
rungen nicht zu vermeiden, die wir von unserem Standpunkt.- 
aus allerdings nur als Palliative betrachten können, die aber 
/.weifellos im Prinzip einen nicht unerheblichen Fortschritt 
gegen die früheren Zustände repräsentiren. 

Die n/uesten, noch gegenwärtig gültigen .Vorschriften 
für die Ausbildung und Prüfung derjenigen, welche sich 
dem Banfacbe im Staatsdienste widmen*, (die Befreiung 
der übrigen Techniker von dem Zwange einer gleichen Aus- 
bildung ist, wie Eingangs erwähnt, der durch den Nord- 
deutschen Bund herbeigeführten Gewerbefreiheit zu danken; 
datiren vom .'i. September 18(58. Als wichtige Aendcnins 
dersellien ist zunäclist zu bezeichnen, dass znr Vorbereitung 
für die Bauführer- Prüfung nunmehr ein dreijähriges Sta- 
dium*) auf einer höheren technischen Lehr-Ansialt vor- 
geschrieben ist, dafür aber auch in dieser Prfüfung sämmt- 
liche Hilfswissenschaften absolvirt und höhere Anforderungen 
in Betreff der Elemente der Ingenieurwissenschaften gestellt 
werden, als bisher der Fall war. Der Nachweis eines Stu- 
diums als Vorbereitung für die Baumeister- Prüfung wird 
nicht mehr gefordert, sondern lediglich der einer zweijäh- 
rigen praktischen Bese. tftigung. In der Prüfuug selbst ist 
es dem Examinanden fr« gestellt, .mit Rücksicht auf seine 
hervorragende Ausbildung in einer der beiden Hauptrich- 
tungeu der Bautechnik" den Wunsch auszusprechen, vor- 
zugsweise nur in dieser strengen Anforderungen unterwürfen 
zu werden; es soll diesem Wunsche nicht nur bei Erthei- 
Inng der häuslichen Probeaufgaben, sondern nach der neuesten 
Bestimmung des Ministers auch bei Ertheilung der Klausur- 
Aufgaben und in der mündlichen Prüfung entsprochen wer- 
den^ so dass bei wirklich hervorragenden Kenntnissen und 
Fähigkeiten in der einen Richtung nothdürftige Kennt- 
nisse in der anderen, ja schon der ungeschmälerte Besitz der 
bei der Bauführer- Prüfung nachgewiesenen Kenntuisse ein 
Bestehen der Prüfung möglich machen. Eine Abstufung der 
in der Prüfung nachgewiesenen Qualifikation ist gänzlich 
aufgehoben. 

Entsprechend diesen Vorschriften sind auch die Ein- 
richtungen der Bauakademie, welche nunmehr in 



•) 3 .Imtiro <l»*»n »itf <1»r lUuAkftd«!»!« tu 
KU Hannover, u?ai-r<Jmtl* «ach auf dvfii Polytcrbni 
bin 1. Okiober lf71, »nrh iaf ilrm zu Carlfruhe. 



standen. Ich glaube wohl hier an öffentlicher Stelle im 
Namen meiner heimischen Kollegen versichern zu können, 
dass uns diese Zurückhaltung, zumal bei einer Aufgabe von 
so ganz allgemein nationalem Interesse, nicht eben erfreut. 
Die Berliner Bestrebungen werden von so vielen Seiten her 
einer dauernd angreifenden Kritik unterworfen, warum blei- 
ben die Herren von Hannover und Hamburg, von Dresden 
und Cöln. München und Stuttgart bei solchen Veranlassun- 
gen, die Richtigkeit ihrer anders gearteten Prinzipien sieg- 
reich zn dokumentiren. denn so hartnäckig zu Hause? 

Indem ich auf die Cbnrakterisiruug der einzelnen, und 
zwar der architektonischen Arbeiten übergehe, nenne ich 
zunächst zwei derselben. Die erste mit der leicht zu entrSth- 
selnden Bezeichnung .Aoiiila-, die andere mit dein Motto 
.FiVs heilige deutsche, Reich". — Beide sind verwandt in 
Rücksicht auf ihre Gesammtgcstaltung und treffen in dieser 
Hinsieht soweit das Richtige, dass die Preisentschciduug 
wohl zwischen ihnen schwanken wird; sie sind verwandt 
in ihrer ganzen, der strengeren Berliner Richtung eigentüm- 
lichen Formengebung, welche sich an antike Kalifornien 
anlehnt. — sie sind endlich auch verwandt in jener Blässe des 
Gedankens und der Reflexion, mit der sie die ursprüngliche 
Farbe der schönen künstlerischen Grundidee nicht eben zum 
Vortheil derselben angekränkelt haben. 

Der Verfasser des Entwurfes . Aijuila " legt als Basis 
seines Monumentes eine geräumige Terrasse an, zu welcher 
eine Fahrstrasse längs der Bergwand hinaufführt. Auf dieser 
Terrasse erhebt sich das eigentliche Denkmal in Form eines 
- Rnndthurmes von m m Höhe. Den Fuss des Thur- 



mes bildet zunächst ein ansehnlicher undurchbrochener Sockel, 
zu welchem man auf vier gleichgebildeten Treppenanlagen vua 
der erstgenannten Terrasse- emporsteigt Auf dem Sockel, 
den eigentlichen Kern des Thnrmes umgebend, erheben sich 
zwei als kreisrunde Bogenhallen ausgebildete Geschosse, von 
denen das obere kleiner im Maasstab gehalten ist und wei- 
ter zurücktritt ; die Hanptaxen sind ausgezeichnet durch vier 
portalartige Vorbauten, welche sich in beiden Geschossen 
ähnlich wiederholen. Aus dieser vorbereitenden Baumus* 
erhebt sich der Thurm selbst, stark verjüngt, durch vortre- 
tende J.iscncn einfach aber kräftig gegliedert und in seinem 
oberen Theile durch einen ringsum laufenden Balkon, so»» 
durch eine offene Loge als Aussichtsturm eharakterisirt 
Ein kuppelartiges, aus Steinschichten gebildetes Dach, wel- 
ches eine Viktoria mit der Kaiserkrone trägt, bildet den 
Absehluss. 

Der künstlerische Schmuck, in Trophäen und Gruppen 
über den Pfeilern und Giebeln der unteren Halle, in Wap- 
penschildern an dem Thurine bestehend, ist angemessen spar- 
sam zur Anwendung gebracht das einfache, streng architek- 
tonische Detail entspricht dem Maasstab und dem erforder- 
lichen Charakter der Anlage; die Wirkung des Gesammt- 
gan/.en, für welche der Verfasser zwei vortrefflich aus- 
geführte perspektivische Darstellungen sowohl von unten, 
vom gegenüberliegenden Ufer des Rheines, wie von der 
Berghöhe oberhalb des Denkmals her gegeben hat, i>t 
gleichfalls schön und charakteristisch, bis auf die berührte 
obere Bogenhalle. Jene zweite Halle wirkt schon nicht 
günstig als kleinere und gedrücktere Wiederholung des un- 



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- 309 - 



jährigen Lehrgang für künftige Bauführer und in einen 
höheren akademischen Kursus gctheilt ist, modifixirt worden. 
Der trotz der Konkurrenz von drei anderen Anstalten einge- 
tretene Andrang von Stndirenden hat jedoch Uebclstände her- 
vorgebracht, deren Besprechung im Abgeordnetenhaus« die 
Veranlassung zu einem Plane für Neugestaltung des Instituts 
gegeben hat, bei der seine ganze Verfassung wichtigen or- 
ganisatorischen Aendernngen unterworfen werden soll. Ober 
die Details dieses, wohl noch nicht ganz festgestellten Plans 
verlauten vorläufig nur Gerüchte. 

Als eine Anordnung von prinzipieller Wichtigkeit haben 
wir schliesslich noch zu erwähnen, das» die seit ein- 
geführten Maassregeln, nm der Staatsregierung eine grossere 
Disposition über ihre Bauführer und die noch nicht zur An- 



stellung gelangten Baumeister zu sichern, in neuester Zeit 
nicht unerheblich verschärft worden sind. Jene, vordem nur 
im Reglement enthaltene Verpflichtung wird nunmehr jedem 
Emmen- Kandidaten besonders in Erinnerung gebracht, wie 
auch der Staat sich die Vorhand in Betreff der Beschäftigung 
der namittelbaraus den Prüfungen hervorgegangenen Bauführer 
und Baumeister vorbehält und diese durch Vorenthaltung 
des Zeugnisses und Patentes zur Geltung bringt. Für eine 
Anstellung im Staatsdienste ist als Bedingung hinzugetreten, 
dass der betreffende Baumeister in dem unmittelbar vorher- 
gehenden Jahre in der entsprechenden Verwaltung des Land-, 
Wasser- und Wegebaus resp. der Staats-Eisenbabnen diäta- 
risch beschäftigt gewesen ist. 

[III] r.i»u 



in Berliner 

Von E. Häseckc. 

Beim Bau grösserer, namentlich Öffentlicher Gebäude dass manches gegen die Luftheizung gehegte Vornrtheil C3- 



ist heutigen Tages den Heiz- und Ventilations-Einrichtnngen 
besondere Aufmerksamkeit zu widmen und, sofern darüber 
uicht schon im Programm entschieden ist, hat in der Hegel 
der Architekt Vorschläge über das anzuwendende System zu 
machen, wobei es sich in den meisten Fällen um eine Zen- 
tralheizung, also nm die verschiedenen Arten der Wasser- 
heizung einerseits und die Luftheizung andererseits bandeln 
wird; die Anlage einer Dampfheizung hat so wesentliche 
Bedingungen znr Voraussetzung, dass hier verzichtet werden 
kann, näher darauf einzugehen. 

Während die Wasserheizung zeitweise fast ausschliess- 
lich zur Anwendung kam, hat sich ergeben, dass sie neben 
ihren grossen Vorzügen auch Mängel haben kann und dass 
sie für manche Zwecke überhaupt nicht anwendbar ist. Es 
wurde sonach der durch fehlerhafte Konstruktion in Miss- 
kredit gerathenen Luftheizung wieder grössere Beachtung zu 
Theil, die sie in der That verdient, da sie unstreitig die ein- 
fachste, billigste nnd rationellste der Zentralheizungen ist. 

Die Verbesserungen der Luftheizung gingen zunächst 
von den wenigen Fabrikanten aus, die eine Spezialität ans 
deren Herstellung machten nnd daher fast ausschliesslich 
eine genauere Kenntniss aller die Heizwirkung bedingenden 
Einzelheiten besassen. Diese Verliesserongen bestehen im 
Gegensatz zu den früheren l'ebelstSnden im Wesentlichen 
darin, dass durch Herstellung grösserer Heizflächen und 
anderweitige Vorkehrungen ein zu starkes Erhitzen der Luft 
und namentlich ein Glühendwerden eiserner Apparate ver- 
wurde; dass die engen Heizkanäle, aus denen die 
f.uft mit grosser Heftigkeit in die Zimmer ausströmte, 
nmsomebr erweitert werden mussten, mit je massigerer 
Temperatur nnd Geschwindigkeit der Anstritt der Luft statt- 
finden sollte; dass ferner dieses Ausströmen nicht mehr an 
so ungeeigneten Stellen wie am Fussboden oder in halber 
Körperhöhe erfolgte; dass endlich für angemessene Ventila- 
tion Sorge getragen wurde. 

Wenn nun auch thatsächlich der Beweis geliefert ist, 



begründet war und sie immer grössere Verbreitung gewinnt, 
so werden doch weitere Verbesserungen, deren diese Heiz- 
methode sowohl noch bedarf als fähig ist, gegenüber der 
Wasserheizung, die in ihrer Entwicklung als nahezu abge- 
schlossen angesehen werden kann, nur dadurch zu ermög- 
lichen sein, dass ein grösserer Kreis von Fachgenossen sich 
dafür intercssirt und an der Hand der praktischen Erfah- 
rung theoretisch die Bedingungen zu ermitteln sucht, welche 
zur Frzielung von Verbesserungen zu erfüllen sind. Bei 
dem innigen Znsammenhange, in dem die Anlage einer Luft- 
heizung mit der Konstruktion des Gebäudes steht, dürften 
hierzu nicht am wenigsten die Architekten berufen sein. 
Aus diesem Grnnde ist es vielleicht nicht unerwünscht, an 
dieser Stelle weitere Mittheilungen über die Anwendung 
dieser Heizmethode unter verschiedeneu Verhältnissen und 
über deren Bewährung zu erhalten. 

Es erhellt aus dem Vortrag, dem sich diese Zeilen an- 
schliessen. und geht aus dem eben Gesagten hervor, dass es 
nicht in der Alisicht liegeu kann, der einen Heizinethode 
unbedingt den Vorrang vor der anderen einzuräumen, son- 
dern das Interesse für die erst in den letzten Jahren wieder 
mehr in Aufnahme gekommene Luftheizung anzuregen und 
weitere Anhaltspunkte für deren Vergleichung mit anderen 
Zentralheizungen zu geben. 

Indem auf das Referat in No. 12 die es Jahrgangs der 
Zeitschrift verwiesen wird, soll auf die allgemeinen und 
prinzipiellen Verschiedenheiten beider Systeme nicht wieder- 
holt eingegangen werden. Die Ansichten hierin sind auch 
grösstenteils so weit geklärt, dass es in vielen Fällen nicht 
zweifelhaft sein kann, welcher Heizmethode der Vorzug zu 
geben nnd wieweit die Zentralheizung überhaupt auszuschlies- 
sen ist. Bisweilen wirken der spezielle Bauzweck 
Zufälligkeiten und äussere Umstände dabei so ' 
ein. dass eine Wahl überhaupt nicht mehr übrig bleibt oder 
doch leicht zu treffen ist, während diese andrerseits vielleicht 
nur nach der eingehendsten Erwägnng aller Vorzüge und 



teren Motives, sie nimmt dem Fusse des eigentlichen Thur- 
mes die erforderliche Kraft, sie stört aber vor Allem die har- 
monische Ruhe dt* Ganzen. Eine anderweitige Lösung er- 
scheint an dieser Stelle unbedingt geboten und würde bei 
einer Verwirklichung des Entwurfes unter die ersten, auch 
des Kostenpunktes halber erforderlichen Reduktionen gehö- 
ren müssen. Ebensowenig kann ich mich einverstanden er- 
klären mit der intendirten Aufstellung eines Reiterstand- 
bildes des Kaisers Wilhelm auf der Terrasse hinter dem 
Denkmal und ohne jede architektonische Verbindung mit 
demselben. Wenn auch ein Standbild für die Fernsichten 
dem Gesammtbau gegenüber kaum zur Wirkung gelangen 
kann, so war es trotzdem wohl möglich und schicklich, es 
zu demselben in eine engere Beziehung zu setzen, als ge- 
schehen. 

Der Verfasser ist indessen bei der äusseren Form des 
Denkmals nicht stehen geblieben; er hat auch das Innere, 
welches bei der erforderlichen Grösse des Ganzen schon 
Platz für ansehnliche Räume bietet, künstlerisch im Zu- 
sammenhange mit der Grundidee durchgebildet und hier 
zweckentsprechend dem Bildnisschmnck eine weitere Ent- 
faltung, als am Aeusseren möglich war, gegeben. 

Ein krypteuartiger Kuppelsaal ist in dem Sockel des 
Thnrmes angelegt In romanischen Kunst formen, mit den 
sitzenden Statuen der früheren Kaiser in einer rings um- 
laufenden Nischenreihe geschmückt, soll er der Vergangen 
heit gewidmet sein. Ein zweiter Saal darüber mit Fresko- 
bildern, welche die Ereignisse des letzten Krieges darstellen, 
reprfisentirt die Gegen wart, wie dies auch seine aus Eisen- 



säulen und Glas hergestellte durchaus moderne Konstruktion 
andeutet. Auf die Zukunft weist die auf der Spitze des 
Ganzen angebrachte Viktoria mit der Kaiserkrone. 

Ich gestehe offen, dass ich dieser Anordnung, in welcher 
s'ch jene schon in der Einleitung bemerkte Reflexion allzu 
grell wiederspiegelt, kein erhebliches Interesse abzugewinnen 
vermag, noch weniger freilich der durch jene Reflexion aller- 
dings motivirten, aber mit dem Formencharakter des Ganzen 
sehr in Widerspruch stehenden Gestaltung der beiden Säle. 
Auch die Beleuchtung der .Räume, des oberen indirekt durch 
eine Glasdecke, welche ihr Licht aus seitlich innerhalb der 
zweiten Boceuhalle angebrachten Fenstern erhalten soll, die 
des unteren, welcher nur durch eine Öffnung im Fussboden 
des Übersaales erhellt wird, erscheint als nicht ausreichend. 

Der Werth und die Bedeutung der Arbeit liegen, wie 
erwähnt, in der äusseren Gestaltung des Gesamintganzen, in 
der charakteristischen Silhouette, sowie in der richtigen 
Wahl der Detailformen. Für das Ergebniss der Konkurrenz 
ist der Entwurf aber vor Allem um deshalb wichtig, weil 
der Verfasser mit einer Sorgfalt, wie es kein anderer Be- 
arbeiter gethan, und mit einem Ernste, der nicht genug 
hervorzuheben ist. in treuer auf Studien vor der Natur 
basirten Wiedergabe der Situation den Beweis geliefert hat, 
welcher Art das Denkmal sein muss, das an jene Stelle ge- 
hört. Ich stehe nicht an es auszusprechen, dass er nach 
dieser Hinsicht das Richtige getroffen zn haben scheint. 

(Sthlan fol,ct.) 



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- 310 — 



Nachtheile jeder Heizmethode möglich ist, was natürlich 
eine ebenso genaue Kenntnis« derselben voraussetzt. 

Luftheizungen sind in neuester Zeit so vielfach ausgeführt, 
tlass im Allgemeinen weniger etwas Neues darüber beizu- 
bringen, als vielmehr das Ausgeführte — namentlich hinsicht- 
lich seiner Bewährung bekannter zu machen ist, was. dem- 
jenigen, welcher der Sache zuerst näher tritt, zum sicheren 
Anhalt dienen kann. Nicht selten rührt ein erklärliches 
Misstrauen gegen eine Sache ans der Unbekanntscbaft mit 
derselben her. 

Obwohl die Luftheizung dem Prinzip nach sowohl im 
Alti'iihum als im Mittelalter bekannt war und zur Anwen- 
dung kam, so hat sie doch erst zn Anfang dieses Jahrhun- 
derts grossere Bedeutung erlangt. Wenn die ersten Versuche 
von Misserfolg begleitet waren und daher die Wasserheizung 
um so wfirmere Anerkennung fand, so scheint es doch wenig 
bekannt zu sein, dass auch ältere Luftheizungen vorhanden 
sind, die alle Anforderungen erfüllt nnd sieh bewährt haben, 
Als zunächstliegendes Beispiel wird das Königliche Palais 
zu Berlin „Unter den Linden* angeführt, in dem vor etwa 
•in Jahren beim Bau durchweg Luftheizung angelegt wurde, 
die bis heut im Gebrauch gewesen ist, obwohl die Einrich- 
tung vom jetzigen Standpunkt aus nicht als vollkommen be- 
zeichnet werden kann. 

Ks ist femer zu erwähnen, dass in Kussland und Nord- 
amerika diese Heizmethode aueh in Privathäusern seit lange 
um) ziemlich häutig in Gebrauch ist und dass sie in Süd- 
deutschland in grösseren öffentlichen Gebäuden fast aus- 
schliesslich in Anwendung kommt. Ks war hiernach kein 
zweifelhafter Versuch, als vor einigen Jahren Verfasser dieses 
gelegentlich der Vorlage des Projekts zu einem Schulhause 
den Komruuualbt'hörden die Ausführung der Luftheizung in 
demselben empfahl, nachdem bis dahin über 20 neue Schul- 
gebäude ausschliesslich mit Warmwasserheizung versehen 
worden waren, gegen deren fernere Anwendung aber wegen 
mancherlei Uebelstände, die sich gezeigt, theilweise Abnei- 
gung sich kundgab. Es sei beiläufig bemerkt, dass diese 
Lebelstände zum Theil dem System mit Rücksicht auf den 
speziellen Zweck, zum Theil aber mangelhafter Anordnung 
und namentlich mangelhafter Bedienung der Heizung zuzu- 
schreiben sind. Da indess ein Zurückgehen von der Zentral- 
zur Lokalheizung nur als Nothbehelf zu betrachten war und 
Widerstreiten fand, so bedurfte es keiner zu weit gebenden 
Fürsprache, um die Genehmigung zur Luftheizung zu er- 
langen. 

Weshalb diese speziell für Schulen besonders und mehr 
als Wasserheizuug geeignet erscheiut, folgt aus der tempo- 
rären Benutzung der Räume und den spezifischen Eigen- 
schaften der Luftheizung, wie diese mehrfach erörtert siud, 
und soll hier nicht näher darauf eingegangen werden. 

Verfasser hat seit dieser Zeit stets nur Luftheizung in 
neuen Schulen projektiit und dazu die Zustimmung der Kom- 
munalltehörden erhalten. Von fünf zur Ausführung gekom- 
menen Schulen mit Luftheizung sind drei bereits einen Winter 
hindurch in Benutzung gewesen und liegen für dieselben 
Erfahrungen vor; eine grössere Anzahl ist in der Ausführung 
begriffen, resp. wird für dieselbe vorbereitet. Ks sollen nun 
an einem Beispiel die Einzelheiten einer solchen Heizanlage 
erläutert und daran weitere Bemerkungen geknüpft werden. 

• Es wird hierzu eine Anlage gewählt, welche in gewisser 
Beziehung als Normtilunlugc eines Gemeiudescliulhauses gel- 
ten kann, wie es jetzt meist zur Ausführung kommt, sofern 
nicht beschränkende Verhältnisse im Bauplatz vorhanden 
sind. Für höhere Lehranstalten ergcln-n sich natürlich an- 
dere Anordnungen. Die bezügliche Anstalt wird als .'(.'». Ge- 
meindeschule bezeichnet und liegt in der Beraauerstrasse. 
(ienau dieselbe Anlage ist auf dem sehr grossen Grundstück 
und mit der Front nach der zukünftigen Stralsunderstrasse 
sofort noch einmal als ßl. Schule zur Ausführung gekommen, 
nur mit dem Unterschiede, das* dort die im II. Stock des 
Mittelbaues vorhandenen zwei Klassen zu einer Aula mit 
entsprechend grösserer Höhe vereinigt sind. 

Im Gegensätze zu den in No. 47 d. Jahrg. 1170 mitge- 



teilten Heizanlagen des Niedcrschlesisch - Märkischen Bahn- 
hofes hierselbst, wo der für Einrichtung einer Luftheizung 
ungünstige Fall vorlag, eine lange Reihe von Räumen eines 
einzigen Geschosses mit derselben zu versehen, ist hier die 
Längenausdebnung des Gebäudes (3r>,G2">) eine geringe und 
bei dem Vorhandensein von drei übereinanderliegenden beiz- 
bnren Ktagen die Zentralheizanlage eine möglichst konzen- 
trirte und daher vortheilhaftc. Dagegen macht gerade der 
l'mstand, mehre Etagen gleicbmässig zn erwärmen, die Be- 
obachtung besonderer Vorschriften nöthig, wie andererseits 
durch die Anlage besonderer Ventilatiooskanäle ein 
zirterer Mechanismus vorhanden ist als dort. 

Die Anordnung der Klassenräume etc. geht zur Genüge 
aus den beigegebenen Grundrissen*) hervor und bleibt nur 
zu bemerken, dass die im Erdgeseho«* liegende Lehrerwoh- 
nung, die Schuldienerwohnung im Keller und die als Amts- 
zimmer, Bibliothek etc. dienenden kleinen Zimmer in den 
beiden Stockwerken selbstverständlich von der Wirkung der 
Zentralheizung ausgeschlossen sind und gewöhnliche Zini- 
meröfeii haben, da hier andere Bedingungen zu erfüllen sind, 
als in den Klassenzimmern. 

Es kommt zunächst darauf an, die Lage nnd Zahl der 
Heizkammeni und damit der Heizapparate zu bestimmen, 
wobei etwa folgende Rücksichten zu beobachten sind : 

Die durch die Zentralheizung erstrebten Vortheile be- 
dingen eine Beschränkung der Zahl der Feuerstellen , wenn 
irgend möglich auf eine einzige. Daliei dürfen die Heiz- 
kanäle nicht zu weit horizontal verzweigt werden nnd w 
wird in jedem einzelnen Fall unschwer zu bestimmen sein, 
wo eine Trennung der Feuerstellen in zwei oder mehre 
stattfinden muss. Es giebt indess Fälle, wo Heizkanile 
direkt von der Heizkammer aus bis auf 8» horizontal ver- 
zweigt werden mussten, ohne dass ein Nachtheil in dei 
Würme-Vertbeilung bemerkt worden ist Dies wird jedoch 
nur dann der Fall sein, wenn dieselben mit entsprechend 
hohen vertikalen Röhren in Ve ' 
dass je höher das 
seine horizontale Ent 

Die Heizröhren für das 
möglichst senkrecht geführt werden müssen, da sie sehr 
kurz ausfallen, während in höheren Kanälen nach statischen 
Gesetzen eine grössere Kraft zur l'ebcrwindung der Wider- 
stünde in horizontalen Strecken derselben unter ütrigens 
gleichen Umständen vorhanden ist. Welches Vernäunu* 
zwischen horizontaler und vertikaler Führung eines solchen 
Heizkauais zu betrachten ist, darüber fehlt es ebenso an zu- 
verlässigen Ermittelungen, wie es schwer sein wird, ein 
solches, bei den wechselnden lokalen Verhältnissen aufzu- 
stellen. Unter Berücksichtigung dersellHMi wird sich empfeh- 
len, den Winkel, welchen eine Verbindungslinie zwischen 
der Ein- nnd Ausströmungsöffnung des Kanals mit der Hori- 
zontalen macht, vorausgesetzt, dass die horizontale Strecke 
in gerader Linie liegt, jedenfalls nicht unter 45*, Iwsser 
nicht unter HO" zu nehmen, und diu günstigste Anordnung 
hierbei würde wiederum sein, den Kanal nach jener Ver- 
bindungslinie selbst zn führen, was indess bei längeren Ka- 
nälen selten möglich sein wird. Am besten ist immer die 
Disposition so zu treffen, dass die Kanäle möglichst senk- 
recht geführt werden können. Daneben tritt andrerseits die 
Rücksicht auf, dieselben möglichst in nicht balkentragenden 
Wänden, also namentlich in Scheidewänden anzuordnen. 
Bisweilen sind dabei, wie in vorliegendem Fall. Thüröffnungen 
hinderlich und es bleibt dann die Wahl, entweder die Bal- 
ken nach anderer Richtung zu legen oder, falls sowohl 
Scheide- als Mittelwünde Heizkanale enthalten müssen, die 
letzteren so." weit von einander zu legen resp. zu ziehen, 
dass möglichst keine oder nur kleinere Auswechselungen der 
Balken nöthig werden, sondern die Kanäle zwischen den 
Balken hindurchgehen. (Fotu*u»g („v 



liren in Verbindung stehen, der Art. 
beheizende Zimmer liegt, um so grösser 
ernung von der Heizkammer sein kann. 



•I Di dl« Dbpotllli» dft Muff-, für dl» 
A\r l «rl.ruhvr V> an<Urv*u*raialuH« d<murh»r 




Mitteilungen ans Vereinen. 



Architekten- nnd Ingenieur-Verein zn Hannover. Haupt- 
versammlung am 4. September 1872. Vorsitzender Hr. Baurath 
II agen. 

Der Vorsitzende eröffnete die Versammlung mit dem Hin- 
weise darauf, dass durch die gegenwärtige Sitzung des Vereines 
die Wintersai.nm eingeleitet werde, und sprach zugleich die 
Hoffnung aus, dass der Verein mit gutem Erfolge die an ihn 
herantretenden Aufgaben lfisen werde, wenn dieselben auch, wie 
wohl anzunehmen sei, durch den erfolgten Auscbluss des Ver- 
eines au den Verband deutscher Architekten- uud 



Vereine an Umfang und Schwierigkeiten zunehmen sollten. So- 
dann richtete der Vorsitzende an die Versammlung die Bitte, 
durch möglichst zahlreiche Anmeldung von Vorträgen die In- 
teressen des Vereins zu fördern. — Hr. Prof. Lauuhardl 
theilte hierauf mit, dass für die bevorstehende Versammlung 
deutscher Architekten und Ingenieure zu Karlsruhe der Archi- 
tekten- und Ingenieur-Verein zu llanuover vom Vorstände de« 
Verbaudes mit dem Referat über No. 8 der Tages- Ordnung 
.Aufstellung einer Norm für die llonorirung dur Arbeiten im 
Gebiete des Ingenieur -Fache»- und mit dem Korcfemt über 



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- 311 - 



No. 10 „Antra« des permanenten Folytechnikcr-Ausschusses zu 
Dresden auf Einführung eines in ganz Deutschland gültigen 
Staatsexamens für Techniker" beauftragt worden ist 

Nach erfolgter Aufnahme von 1»'. neuen Mitgliedern in den | 
Verein wurden durch Akklamatiou die schon für die erste Vcr- I 
Sammlung von Vcrbauds- Abgeordneten in Berlin erwählten Hrn. 
Baurath Hase, Baurath Hägen, Professor Launhardt und 
Oberbaurath Funk als Dele*irte für Karlsruhe wiedergewählt 
und ihnen 4 Ersatzmänner beigegeben. 

Hierauf folgte ein Vortrag des Herrn Heusinger von 
Wald egg über Verbesserungen im Eisenbahnwagenbau. Jahr- 
zehnte hindurch haben sich die deutschen Eisenbahn -Verwal- 
tungen dagegen gesträubt, gewisse für Erhöhung der Bequem- 
lichkeit und für den Schutz der Gesundheit des reisenden 
Publikums als notbwendig erkannte Verbesserungen in den 
Waggons vorzunehmen, weil durch deren Einführung nicht un- 
erhebliche Einrichtungskosten und zugleich eine biubusse au 
Plätzen bedingt wurde; endlich sind sie aber doch durch die 
Konkurrenz und durch die neuerdings eingeführten Jagdzüge 
gezwungen worden, ihren Widerstand aufzugeben und, angeregt 
durch den bekannten Erlass des Herrn Handels-Ministcrs über 
Heizung der Waggons genothigt worden, zunächst für Erwär- 
mung sämmtlichcr Waggons in den kältesten Monaten zu sorgen. 
Die ersten Versuche zur Erwärmuug wurden mit Wärm- 
flaschen gemacht, von denen die mit Sand gefüllten in je 4 
Stunden, die mit Wasser gefüllten in noch kürzerer Zeit ge- 
wechselt werden mussten. Dieser schnelleren Erkaltung wegen 
versuchte man zweitens die Dampfheizung und erreichte j 
damit den Vortheil, dass von einer Zentralstelle ausgehend, 
die ununterbrochene Heizung der Waggons für die ganze Dauer 
der Fahrt bewirkt werden konnte; es stellte sich aber bald als 
ein empfindlicher L'ebclstand heraus, dass das knndensirte Wasser I 
in den Leitungsrohren leicht fror und dass in Folge schwieriger 
Regulirung dieser Heizung die Waggons leicht zu warm wur- 
den. Man versuchte es deshalb drittens mit der Ofenheizung, 
welche indess nur für Salonwagen und Wagen der III. und IV. 
Klasse anwendbar ist Es wurde mit Regulir- und mit Füll- 
öfen geheizt, von denen sich aber nur die ersteren so gut be- 
währt naben, dass ihre allgemeine Einführung zu wünschen ist- 
Die Beschaffung und Einrichtung eines Regulirofens kostet ca. 
80 Thlr., die Kosten der Heizung betragen pro Wagen und 
Stuude Pfennig. — Als neueste Erfindung auf diesem Ge- 
biete ist viertens die Heizung mit chemisch präparirter 
und komprimirter Kohle zu erwähnen. Der Preis dieser 
in Form von Ziegelsteinen gefertigten Kohle ist gegenwärtig 
4 Thlr. 10 Sgr. pro Zeuüicr. Die Heizung geschieht derart, 
dass mehre Kohlenstucke angezündet in einen durchlöcherten 
Kupferblccbkastcn eingesetzt werden, welcher von aussen in 
einen unter einem Koupeaitz befindlichen hermetisch verschlos- 
senen eisernen Kasten geschoben wird. Jedes einzelne Kaufte 
bedarf eines solchen Kastens und wird dadurch die Heizung so 
kostspielig, dass sie nur für Wagen I. und IL Klasse anwend- 
bar ist Die Einrichtungskasten betragen ca- 40 Thlr. pro 
Kou|>e und die Heizkosten 1'/» Sgr. pro Koupe und Stunde. 
Die durch diese Heizung erzeugte Temperatur ist sehr gleich- 
massig und leicht zu reguliren. — 

ifiusichUich der Verbesserungen in der Ventilation der Wa- 
gen ist nur zu erwähnen, dass statt der bisher gebräuchlichen 1 
einfachen Schieber über den Thürcn ebenda Rosettenschiebcr 
angewandt worden sind; sie bestehen aus kleinen durch die 
Wagenwand durchgehenden Kohren mit trichterförmigen An- > 
sätzen, durch welche die schlechte Luft aus- und die frische 
Luft eingeführt wird, auch sind ringförmige Ventilationsschicber 
in der Mitte der Wagendecke augeordnet worden. — Umfassen- 
der sind die Versuche, welche mit den Ketiradenverbcsserungeu 
vorgenommen wurden. Das zuerst angewandte System bestand 
in der Einrichtung von besonderen Rctiraden in Gepäckwagen; 
da indess die Rciseuden genötigt waren, von einer Station bis 
zur nächsten sich in den vor den Rctiraden liegenden Wärter- 
räumen aufhalten zu müssen, so gab man diese Einrichtung 
wieder auf und führte das Koupcsysteni ein. Dieses hat Re- 
tiraden, welche mit den Koupes iu direkter Verbindung stehen 
und mit Toiletteeinrichtung versehen sind; es lassen sich aber j 
nur ein bis zwei Koupes mit ie einer Retirade verbinden, und 
deshalb nahm man das Interkommunikations-System an, 
bei welchem für mehre Wagen mit durchgehender oder ausf- 
liegender Passage je eine Retirade mit Warteraum und Toilette 
genügt. Dieses System verdient vor allen übrigen ganz ent- 
schieden den Vorzug. — Die Frage, welche Mittel am geeignet- 
sten sind, um die Reisenden in Stand zn setzen, sich bei Un- 
fällen während der Fahrt beim Bedienungspersonal Hülfe zu 
verschaffen, ist noch nicht gelöst; die Luftdrucktelegraphen 
haben sich nicht bewährt, mit elektrischen Telegraphen werden 
gegenwärtig Versuche gemacht, so z. B. von der Hannoverschen 
htautshahn auf der Strecke Northeim-Nordhausen. 

Als Schlafvorrichtungen sind von einigen Verwaltun- 
gen ausziehbare Sitzplätze oder auch bewegliche Schlafsessel 
eingeführt doch erfüllen beide Vorrichtungen nur sphr unvoll- 
kommen ihren Zweck und es wird früher oder später zur Ein- 
richtung von besonderen Schlafkoupes geschritten werden 
müssen. — 

Zum Schluss beschrieb der Vortragende noch eine neue 
Art von Viehtransportwagen, welche uach Art der Ställe reit 
Raufe und Krippe vorsehen sind. — 

An den Vortrag knüpfte sich eine allgemeine Diskussion 
über die Heizung mit komprimirter Kohle, welche dem Ober- 



Betriebs -Inspektor Göring Veranlassung gab, seine bei der 
Ostbahn gemachten hierauf bezüglichen Erfahrungen mitzu- 
theilen. — oc — 

ArohitektenYerein zn Berlin. Hauptversammlung am 14. 
September 1H72; Vorsitzender Hr. Streckert, anwesend GS 
Mitglieder und 3 Gäste. 

Da die statutengemäße Hauptversammlung am 7. September 
unter der Ungunst der Verhältnisse, welche zu gleicher Stunde 
den zu Ehren der Drei - Kaiser - Zusammenkunft veranstalteten 
Zapfenstreich und eine Illumination der Stadt stattfinden Hessen, 
nicht beschlussföhig gewesen war, während einige unaufschieb- 
bare Verwaltungs-Angelegenheiten ihrer Erledigung harren, so 
war an Stelle der beabsichtigten Exkursion eine abermalige 
ausserordentliche Hauptversammlung eingeschoben worden. 

Der Hr. Vorsitzende berichtete zunächst über die zahlreich 
eingegangenen Zuschriften. Als die wichtigste derselben er- 
scheint jedenfalls die Antwort welche Se. Exzcllpnz der Herr 
Minister für Handel etc. auf die im Frühjahr dieses Jahres au 
ihn gerichtete Vorstellung über die Notwendigkeit einer Tren- 
nung der Architektur vom lugeuicurwesen ertheilt hat. 

Berlin, den 5. September 1872. 
Dem Vorstande des Architektenvereius erwidere ich auf 
die Vorstellung vom 17. Mai er., dass die Frage, ob in der 
Staatsbauverwaltung die seit 20 Jahren als Regel eingeführte 
Vereinigung der Geschäfte für den Landbau, den Wegebau und 
den Wasserbau iu der Hand von Kreisbaubeatuten beizubehalten 
oder zu einer Trennung dieser Gebiete zurückzukehren sei, 
neuerdings wiederholt in Erwägung gezogeu ist- Das Interesse 
der Staatsverwaltung hat es jedoch als angemessen erscheinen 
lassen, bei der durch eine längere Reihe von Jahren in Preus- 
sen bewährten Einrichtung, als für die Bedürfnisse des Staats- 
dienstes genügend, stehen zu bleiben, und es ist dieselbe dem- 
nach auch in denjenigen seit 18GC neu erworbenen Landestheilen, 
in welchem mit einem uuverhältuissmässig grösseren Kosten- 
aufwand« der Dienst bis dahin durch besondere, nur für den 
Wege-, Wasser- oder Landbau einseitig ausgebildete Baubeamte 
verrichtet wurde, in den letzten Jahren allgemein durchgeführt 
worden. Demnach ist auch eine vollständige Trennung der 
theoretischen und praktischen Fortbildung der Bauführer bis 
zum Baunieister-Examcu. um dieses nur entweder für den In- 
genieurbau oder für den Landbau ablegen zu dürfen, . nicht 
statthaft. 

Im Uebrigen befinde ich mich mit den von dem \ orstande 
dargelegten Ansichten im Wesentlichen im klänge, insbeson- 
dere in der Beziehung, dass es nothwendig ist, dem Uebelstande 
vorzubeugen, dass nicht durch zu hoch gesteigerte Anforderun- 
gen an eine gleich massige Ausbildung in allen Zweigen der 
Kaukunst und Bauwissenschaft eine Verflachung des Wissens an 
Stelle eiuer Vertiefung der Studien beordert würde, und dass 
diejenigen, welche durch Anlage und Neigung in einer oder der 
anderen Richtung etwas Hervorragenderes zu leisten berufen 
gein könnten, daran nicht durch ein nothgedrungeucs Streben 
nach Vielwisscrci behindert werden. 

Von diesem Gesichtspunkte aus habe ich bereits bei Erlass 
der Prüfungsvorschriftcn vom 3. Sentcmber 18ö8 Bestimmungen 
getroffen, wonach die individuelle Begabung uud Neigung der 
zu Prüfendeu für die eine oder andere Richtung der Bautätig- 
keit besonders berücksichtigt werden soll, und durch den beige- 
fügten Erlass vom 31. Mai er. die Prüfungsbehörde für Bau- 
meister noch mit weiterer Anweisung verschen um die Er- 
reichung des Bezweckten zu sichern. Daneben habe ich An- 
ordnung getroffen, dass auf der Bau-Akademie in einem erwei- 
terten Lehrplanc eine grössere Freiheit der Bewegung den 
Studirenden gestattet werde, indem die Zahl der bisher für 
Alle obligatorischen Unterrichts - Gegenstände angemessen be- 
schränkt wird. 

Bei diesen Anordnungen, zu welchen eine in Aussicht ge- 
nommene wesentliche Umgestaltung in der Organisation der 
hiesigen Königlichen Bau- Akademie hinzutritt, muss es für 
jetzt sein Bewenden behalten, uud ich darf annehmen, dass da- 
mit auch den Iterechtigten Wünschen des Vorstandes, soweit sie 
mit den Rücksichten auf die Bedürfnisse der Staats- Bau Ver- 
waltung im Einklänge stehen, Genüge geschehen wordeu. 
Der Minister für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten, 
gez. Graf von Itzenplitz." 
Der an die technische Bau - Deputation gerichtete Erlass 
vom 31. Mai d. J., auf welchen in dem Schreibeu des Uerrn 
Miuisters Bezug genommen wird, hat folgenden Wortlaut: 

„In den Vorschriften für die Ausbildung und Prüfuug der- 
jenigen, welche sich dem Baufache Jm Staatsdienste widmen, 
i vom 3. September 18458, ist in i. 13 bestimmt: dass es den zur 
| Baumeisterprüfling sich meldenden Bauführern freistehen 
solle, mit Rücksicht auf hervorragendere Ausbildung in einer 
der beiden Hauptriclituugen der Bautechnik — Land- unil 
Schönbau oder Wasser-, Wege-, Eisenbahn- und Maschinenbau 
— den Wunsch auszusprechen, dass die ihnen zu ertheilendeu 
Aufgaben nicht gleichmässig den beiden bezeichneten Gebieten, 
sondern vorzugsweise einem derselben entnommen werden, und 
I in §. 14: dass die Prüfungsbehörden dem Kandidaten Auf- 
gaben zu Entwürfen unter Berücksichtigung der von ihm 
in seinem Gesuche hinsichtlich der Richtung ausgesprochenen 
Wünsche zu ertheilcu haben. 

Diesen Vorschriften liegt die Absicht zu Grunde, solchen 
Bautechnikern, welchen die Neigung oder die Begabung und 

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- 312 — 



Mittel fehlcu, um in allen Richtungen eine gründliche Durch- 
bildung zu gewinnen, eine Anregung dazu zu geben, das« sie 
ihre Bestrebungen darauf konzentriren , in einem oder iu dem 
andren, ihrer Befähigung mehr zufügenden und für ihren künf- 
tigen Beruf in Aussicht genommenen Fache vorzugsweise etwas 
Tüchtiees zu leisten, Blatt ihre Kenntnisse und Leistungen nach 
allen Richtungen hin gleichniässig zu verflachen. 

Um diesen Zweck mit mehr Sicherheit zu erreichen, bestimme 
ich in Ergänzung jener Vorschriften: 

1. dass diejenigen, welche zur Bauineistcrprüfung flieh mel- 
den , ohne von der iu §. Iii nachgelassenen Befuguiss I 
Gebrauch zu macheu, vor Ertheiluug der Prüfungs -Auf- 
gaben zu ciuer ausdrücklichen Erklärung darüber 
aufgefordert werden: ob sie vorzugsweise in einer oder 
der anderen Richtung — als Architekten oder Ingenieure 
— und in welcher von beiden die Prüfung vorgenommen 
zu sehen wünschen, 
•2. das«, soweit solche Wünsche ausgesprochen werden, die- 
selben uicht blos bei Ertheilung der Arbeiten zu Ent- 
würfen, sondern auch bei den Klausurarbeiten und 
bei der mündlichen Prüfung zu berücksichtigen sind. 
Neben der strengeren Prüfung in der von den Kandidaten 
bezeichneten Richtung muss aber die beschränktere Prüfung 
in den übrigen Fächern jedenfalls die Ueberxeugung gewahren, 1 
dass dasjenige Maass einer gleichmässigen technischen Vorbil- ; 
dung, welches in der Bauführerprüfung nachzuweisen ge- 
wesen ist, mindestens ungeschmälert erhalten ist. Kandidaten, 
welche neben guten Arbeiten und Kenntnissen in der von ihnen j 
vorzugsweise verfolgten Richtung des Land- und Schönhaues 
oder des Wasser-, Wege-, Eisenbahn- und Maschinenbaues dar- 
thun, dass sie in den übrigen Fächern den an einen guten 
Bauführer zu stellenden Anforderungen noch entsprechen, 
haben, auch ohne in den letzteren Beziehungen die tür Bau- 
meister vorgesehene Stufe der Ausbildung zu erreichen, das 
Qualifikatiouszcuguiss als Baumeister ohne weitere Beschrän- 
kung zu erhalten. Es bleibt vorbehalten, die bessere Ausbil- 
dung nach der einen oder anderen Richtung hin demnächst bei 
ihrer Verwendung im Staatsdienst und bei der Anstellung in 
für sie geeigneten Baubeamteustelleu zu berücksichtigen. 

Die Königliche technische Baudeputatiou wolle hiernach 
verfahren, und insbesondere die Herren Prüfuugs-Kouumssarieu, 
sowie ihre mit dem Vorsitz bei den Prüfungen betrauten Mit- 
glieder über das Maass der hiernach an die zur Baumeister- 
prüfung zugelassenen Bauführer zu stellenden Anforderungen 
verständigen." 

Hr. von Haselberg, Stadtbaumeister zu Stralsund, theilt 
mit, dass das ehrwürdig« Hauptbnudenknial der Stadt, die 
Marienkirche — bekanntlich eine der grossartigsten Haekstein- 
kirebeu des deutscheu Nordens — ein neues Portul erhalten i 
soll und das» es Absicht sei, für den Entwurf desselben eine 
Konkurrenz auszuschreiben, bei der als Preisrichter neben dem 
Oberbürgermeister der Stadt zwei von dem Architcktouv ereilte 
zu Berlin gewählte Mitglieder desselben fuugireu sollen. Der 
Preis des Siegers, dem jedenfalls auch die Ausführung des Baues 
übertrageu werden soll, dürfte nach der Houoraruorm des Ver- 
bandes auf etwa 100 Thlr. sich bemessen. Der Verein besebliesst, 
die Herreu Adler uud Blankenstein zu ersuchen, das Preis- 
richtcramt zu übernehmen; es soll denselben empfohlen werden, 
dahin zu wirken, dass iu dem unter ihrer Betheiligung auszu- 
arbeitenden Programme neben der Rücksicht auf die allgemeinen 
vom Verbände anerkannten Grundsätze jedenfalls auch die Be- 
stimmung Platz finde, dass die Einhaltung einer bestimmten 
Kostensumme nicht zur Grundbedingung der Konkurrenz ge- 
macht werde. 

Hr. Franz Mertens bittet um Subskription auf den von 
ihm in einer i.cuen Bearbeitung herausgegebenen Text zu seiner 
Denkmalkarte des Abendlandes; der Ertrag dieses Werkes ist 
bekanntlieh leider fast die einzige Quelle, aus welcher der For- 
seher, welchem die wichtigsten Entdeckungen der Architektur- 
geschichte au danken sind, Hein Leben fristet. 

Es findet hierauf die Wahl von fünf Dclegirten Statt, weicht ! 
den Verein bei der auf den '21. September nach Carlsruhe ein- 
berufenen Abgeordneten-Versammlung des Verbandes deutscher 
Architekten- uud Ingenieur-Vereine vertreten sollen. Neben den 
dem Verbands -Vorstände ungehörigen Herreu Blankenstein, 
Gcrcke uud Römer werdeu die früheren Delegirten des Ver- 
eins Hrn. Höckmann uud Fritsch zu diesem Amte berufen; 
auf die 5 Delegirten wird zugleich das Wahlrecht des Vereins 
übertrugen, falls die plötzliche Verbindet ung eines derselben 
seine Ersetzung durch ein anderes Vereiusmitglied uothweudig 
macheu sollte. 

Das von Hrn. Schwcdlcr erstattete Referat über die als 
ciuzigc Lösung der Ingenieur-Aufgabe pro August eingegangene 
Arbeit (Chaus&ee'Ueberführung am Ende eines Bahnhofes) rühmte 
die gründliche uud tüchtige Behandlung derselben; als Verfasser 
ergab sich Hr. Moritz v. den Bercken. Zu dem diesmaligen 
Termine ist wiederum eine einzige Arbeit aus dem Gebiete des 
Ingenieurwcseus, hingegen keine Lösung der architektonischen 
Aufgabe eingegangen. 

Neben einigen Bemerkungen über die bevorstehende Curls- 
ruher Wanderversanimlung deutscher Architekten und Ingenieure 



Versammlung ein Vortrug des Hrn. Stier über den Bau des 
Etablissements „Flora" in Charlotteuburg, welches für das nächste 
Mal das Ziel der Vereius-Exkursion bilden soll. 

- F. - 

XVI. Versammlung deutscher Architekten und Inge- 
nieure zu Carlsruhe. Seitens des Lokal -Komites geht uns 
die Mittheilung zu, dass auf Grund der Einladungskarte an die 
Besucher der Versammlung von der Direktion der Berlin-Pots- 
dam -Magdeburger Eisenbahn direkte Billets für Schnell- und 
Personenzüge von Berlin bis Kreiensen ausgegeben werden, welche 
zu freier Rückfahrt bis incl. Ii. Oktober berechtigen. Für Faeh- 
geuossen aus dem deutschen Osten, welche mit dem Besuch» 
der Versammlung eine Rhciufalirt verbinden wollen, wird diese 
Nachricht sicher sehr erwünscht sein. 

Personal - Nachrichten. 

Deutsches Reich. 
Ernannt: Der Eisenbahn -Baumeister Hering in Stras- 
burg zum Eisenbahn-Betricbs-Insnoktor bei der Verwaltung der 
Reichs-Eisenbahnen iu Elsass-Lotn ringen, und ist demselben die 
Verwaltung der Betriebs -Inspektion in Luxemburg kommis- 
sarisch übertragen worden. 

Preussen. 

Ernannt: Der Landhaumeister Fritze in Berlin zum 
Bau -Inspektor in Magdeburg. Der Baumeister Siber zu Bres- 
lau zum Wasserbaumeister und technischen Hülfsarbcitcr bei d> r 
Kgl. Klbstrom-Buu-Direktion in Magdeburg. Der Bau-Akzessist 
Wagner zu I.angenscbwalbach zum Kreisbaumeister in Lennep. 

Versetzt: Der Wasserbau - Inspektor Degner zu Stral- 
sund nach üanzig. 

Brief- und Fragekaaten. 

Hrn. C. Sehr, in G. Die Mitglieder der Technischen 
Bau -Imputation sind in den alljährlichen Verzeichnissen der 
Zeitschrift für Bauwesen, sowie unseres Architekten -Kalenders 
namentlich verzeichnet. 

Hrn. F. W. in Berlin. Die Beschäftigung auf den Bü- 
reaus eines Zimmernieistcrs und eines Baumeisters kann wob! 
schwerlich als die .Ausübung eines Bauhandwerks" aufgefaßt 
werdeu und würde Sie demnach zur Immatrikulation als Studi- 
render der Königlichen Bau -Akademie zu Berlin nicht berech- 
tigen. Ein Besuch der Anstalt ols Hospitant würde Ihnen niciit 
verwehrt sein, doch zweifeln wir daran, dass Sie bei der gegen- 
wärtigen l'eberfüllung derselben durch immatrikulirte Studireode 
Annahme finden werden. Suchen Sie lediglich künstieriscie 
Ausbildung, so würde Ihnen in Berlin noch der Besuch der 
Kuustgewerbeschule oder des Gewerbe -Museum», suchen Sic 
technische Fortbildung, der Besuch der Baugewerkschule dci 
Handwerker-Vereins, sowie der Gewerbe-Akademie oöon stehen. 

Hrn. K. in Köln. Die Baugewerken -Vereine haben es 
zur Bedingung gemacht, nur solche Techniker als Mitglieder 
aufzunehmen, welche ein gewisses Maass von Kenntnissen nach- 
gewiesen haben und daher iu Aussicht genommen, für die- 
jenigen, welche vor Einführung der Gewerltefreiheit eine Meister- 
Prüfung noch nicht bestanden hatten, ihrerseits Prüfungen «u 
veranstalten. Ob Kommissionen für solche Prüfungen Bereits 
in Thätigkeit sind, ist uns unbekannt und wenden Sie sich mit 
einer Anfrage dieserhalb am Besten an den Vorstand des 
Zentral -Vereins der deutschen Baugewerken -Vereine, die .Bau- 
bude" zu Berlin. 

Hrn. S. in G. Aus welcher Holzart der Oberbau der be- 
treffenden Bahnen hergestellt' ist, giebt unsere Quelle leider 
uicht au. 

Hrn. M. in Bingen. Leider ist der von Ihnen gerügte 
Uebeisland, dass die besonderen lllustrations-Beilagen u. Ztg., 
welche oft längere Zeit im Voraus gedruckt werden müssen, 
und zuweilen nicht anders als vor oder nach dem betreffenden 
zugehörigen Texte geliefert werden können, nicht mit Nummer 
und Seiteuzahl bezeichnet sind, nicht zu vermeiden. Einige 
Intelligenz des Buchbinders und der besondere Hinweis auf dir 
Angaben am Schlüsse des dem Jahrgange beigefügten Inhalt.- 
Verzeichnisses werdeu ihn jedoch wohl überwinden lassen. 

Hrn. K. L. in Berlin. Der .Oberbaudirektor T.", den 
die von ihm gebildete Bau- Gesellschaft nunmehr entsetzt bat, 
ist allerdings identisch mit der Persönlichkeit, vor der — »1» 
sie noch wegen Blödsinus unter gerichtlicher Kuratel sich be- 
fand -- in unserem Bau- Anzeiger mehrfach gewarnt wurde, 

Hrn. II. M. in München. Näheres über die Pflasterung; 
mit prismatischen Holzklötzen, insbesondere «über die it;«'^ 
dem Heutigen Stande der Wissenschaft und in lieziehunc su 
dem Bindemittel geeignetste Form der Holzklötze" ist uns ni"h". 
bekannt uud wissen wir auch keine Adresse, von welcher spe- 
zielle Auskunft zu erhalten wäre. Derartige Pflastcrungeu sind 
unseres Wissens vorzugsweise iu den grossen Städten bolzrei- 
eher Länder, Russlands, Nord-Amerika's, Schwedens angewendet 
I worden. Wir würdeu es dankbar begrüssen, wenn einer unser 
| dortigen Leser über die neuesten Erfahrungen in Bezug auf 
i jene Konstruktion uns Mittheilung geben wollte. 
I Beiträge mit Dank erhalten von den Hrn. F. in IHrschberj!. 
II. und .1. in Berlin. F. in Dresden. H. in Berlin. 



Hierzu eine Ulustrations- Beilage: Entwurf zu einem Parlamentsgebäude für den Deutscheu Reichstag von Kayser und 

vo u ' i ru' s hei in 

lU.i.Mn.wlH C./l Bo.llti iu Borlla. Ot.ck .„» UtU.ud.t rtekeriin B.H.. 



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)eutsche Bauzeitung. 



Jahrgang VI. 



Parlaments- pEBÄuDE für den deutschen Reichstag. 
Eutwurf von Kaysor und vuu Gross heim. 




I I I I I I I I I I I 1 1 1 1 1 

"> 0 10 SC 40 SO H«t«r. 

Thtil dt, südlichen S.lt.nf.od«. 




Jahrg. fl JI2 39. 

DEUTSCHE BAUZEITUNG 

Organ des Verbandes 

deutscher Architekten- und Ingenieur- Vereine. *35 

Bedakteur K. £. 0. Fritsch. 



**dtktion ■>. »mp.diti«: 




Ini.nt. 

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finden AafoahaM 

l.ntl« Ui-l'Mr: 



l« m *• 



Preis 1 Haler pro Isartal. 


Berlin, den 26. 


September 1872. 


Ersehe 


■t Jeden Donnerstag. 


Inhalt: v«rb»„u dam«* 
KMkarraaa Mr du N.li.n.l-D. 
ktiinnt» "> B«rll»ar G«ca«i«d»c 


ir Arakluktau und | a|t .iit«iir-Varail». - Dl. 
.kani Ml da. MltBMH (8okl. M .) - Uli- 
holen. (roru«li.»g ) - klltlk.lluDI.il »ua 






— Verwendung tob Drn.ea.lt n 

Kilenb.hnw.u-u- -T.r.eaal- 


Man rar 






MbtahM -Varato. — Vrrmiith- 









Verband deutscher Arekitekten- nid Ingenieur-Yen ine 

Verhandlungen der zweiten Abgeordneten-Versammlung zu Carlsruhe. 



Sitzung am 21. September 1872. 
Die Sitzung wurde durch Herrn Blankenstein, als Ver- 
treter des Vororts, um Uhr im Polytechnikum zu Curlsruho 
eröffnet und von demselben zunächst festgestellt, mit welcher 
Stimmenzahl und durch welche Abgeordneten die dem Verbände 
angehörenden Vereint» in der Versammlung vertreten waren. 
Es waren vertreten: 

1. Der Architekten -Verein zu Berlin durch die Herren: 
Blankenstein, Stadt - Baurath , Gercke, Geh. Baurath, Ed. 
Römer, Baurath, K. E. 0. Fritsch, Architekt, W. Böck- 
mann, Baumeister; B&rnnitlich zu Berlin. (10 Stimmen.) 

2. Der Bayerische Architekten- uud Ingenieur -Verein 
durch die Herren: C. Basler. Ober -Ingenieur der Pfälzischen 
Bahnen zu Ludwigsbafon; J. Henle, k Eisenbahn -Betriebs- 
Ingenieur zu Müncheu; G. J. Seidel, K. Bezirks- Ingenieur bei 
der General - Direktion der Verkehrsanstalten zu München; 
Schmidt, Bauamtmann zu Deggendorf. (8 Stimmen.) 

3. Der Architekten- und Ingenieur-Verein zu Hannover 
durch die Herren: Funk, Oberbaurath zu Osnabrück: Hase, 
Baurath, Launhardt, Professor, Kock, Ingenieur, zu Hannover. 
(8 Stimmen.) 

4. Der Sächsische Ingenieur- und Architekten -Verein 
durch die Herren: SclilCmilch, Hofrath, Sorge, Oberbaurath, 
zu Dresden. (4 Stimmen.) . 

5. Der Hamburger Architekten- und Ingenieur -Verein 
durch Uerrn R. 11. Kaemp, Ingenieur in Hamburg. (2 Stimmen.) 

6. Der Badische Techniker-Verein durch die Herren: 
Baumeister, Professor, D e I i s 1 e, Eiscnbahu-Iuspektor, zu Carls- 
rube. (4 Stimmen.) 

7. Der Verein für Baukunde in Stuttgart durch die Herren: 
J vonEgle, Oberbaurath, K. Hof Baumeister; J. Schlierholz, 
Oberbaurath, Ober-Ing. der K. Eisenbahn - Baukommission , zu 
Stuttgart. (2 Stimmen.) 

8. Der Scbleswig-Holsteinsche Ingenieur- und Archi- 
tekten-Verein durch Herrn L. Bargum, Bau - Inspektor zu 
Schleswig. (2 Stimmen.) 

9. Der Techniker -Verein zu Lübeck durch Herrn Bau- 
direktor Dr. Krieg zu Lübeck. (1 Stimme.) 

10. Der Techniker -Verein zu Osnabrück durch Herrn 
Ober-Baurath Funk, aber ohne Stimme. 

11. Die Architekten- und Ingenieur -Vereine zu Kassel, in 
Ostpreussen und Breslau, sowie der Technische Verein zu 
Oldenburg waren ohne Vertretung geblieben. 

Von den 47 Stimmen der vertretenen 10 Vereine wurden 
somit 37 Stimmen durch 20 Abgeordnete geführt, von denen 3 
je eine Stimme und 17 je 2 Stimmen abzugeben haben. En 
fehlten von den angemeldeten Abgeordneten bei Beginn der 
Sitzung die Herren Beckmann und Delisle. Mau schritt darauf 
zur WahP de» Vorstandes. Die mit einer Mehrheit von 23 bezw. 
25» Stimmen gewählten Herren Blankenstein undLauuhardt 
erklärten die Wahl annehmen zu wollen und übernahmen sofort 
die Geschäftsführung der Versammlung. 

Nach der in No. 30 des laufenden Jahrgangs der Deutschen 
Bauzeitung veröffentlichten Tagesordnung gjng mau zur Fest- 
stellung der Geschäftsordnung für die Abgeordneten- 
Versammlungen über, wofür der Berliner Verein das Referat 
übernommen hatte. Herr Blankenstein brachte zu der im 
Vorjahre durch Herrn Baumeister gelieferten Vorlage einige 
Abänderungs-Vorsculäge in Antrag, mit welchen der Entwurf 
einstimmig die Genehmigung der \ersammlung fand. 

Der Vorsitzende erstattet darauf im Namen des Vorstandes 
den Geschäfts- und Kassenbericht für das abgelaufene 
Jahr. Der Vorort hat die in der Abgeordneten -Versammlung 
zu Berlin im Oktober 1871 beschlossenen Petitionen über die 
Münzgesetzgebung und über die Beseitigung der Meile als Längen- 
niaass redigirt und an den Bundesrath befördert, kann jedoch 
über einen Erfolg dieser Schritte nicht berichten. Leider ist 
auch eine dritte, an den Bundesrat h und Reichstag gerichtete 
Petition in Betreff der Konkurrenz für Erbauung eines Gebäudes 
für den deuUchen Reichstag ohne Erfolg geblieben. 



Die Grundsätze Tür eine einheitliche Bezeichnung der metri- 
schen Maasse und Gewichte sind vom Vororte in einer sehr 
grossen Anzahl von Abdrücken verbreitet und an zahlreichen 
Stellen bereitwillig angenommen worden, ohne dass dadurch die 
jetzt in dieser Hczeichuungsweiso herrschende Verwirrung hätte 
vermieden werden können. Sowohl dieser Gegenstand, wie auch 
die Konkurrenz für- das Reichstagsgebäude werden deshalb in 
der ietzt tagenden Abgeordneten -Versammlung des Verbandes 
von Neuem in Rerathung gezogen werden müssen. 

Der Geldhaushult des Verbandes weist bei einer Ein- 
nahme von 24.» Thlr. und einer Ausgabe von 249 Thlr. 2fi Gr. 
ein kleines Defizit von 4 Thlr. 26 Gr. auf; trotz dieses Defizits 
beantragt der Vorort für das nächste Jahr keine Erhöhung des 
auf 3 Thlr. für je SO Mitglieder festgestellten Beitrages, weil 
mapehe Kosten des ersten Jahres, wie z. B. die für den Druck 
der Statuten, sich in dem nächsten Jahre nicht wiederholen 
werden. Die Herren Seidel und Krieg worden ersucht, die 
Prüfung der Rechnung des Verbandes zu übernehmen , und er- 
klärten sich dazu bereit 

Es gelangt darauf die Aufnahme neuer Mitglieder in 
den Verband zur Verhandlung. Es liegen Anträge zur Auf- 
nahme von drei Vereinen vor, des Architekten- und Ingenieur- 
Vereins zu Davis, des Architekten- und Ingenieur -Vereins zu 
Frankfurt und des Verein» geprüfter Maurer- und Zimmer- 
meistcr sowie Architekten zu Dresden. Die Aufnahme des 
Vereins zu Danzig, »elcher etwa 30 Mitglieder zählt, erfolgt auf 
Befürwortung des Vorsitzenden einstimmig; in gleicherweise 
wird der Frankfurter, zur Zeit 54 Mitglieder zählende neu ge- 
gründete Verein auf Empfehlung des darüber referirenden Stutt- 
garter Vereins einstimmig aufgenommen. — Die Aufnahme des 
Dresdener Vereins geprüfter Maurer- und Ziramermeister sowie 
Architekten wird hingegen einstimmig abgelehnt, weil jener Ver- 
ein sowohl seinem Titel als seinen Statuten nach sich mehr mit 
der Wahrung der materiellen Interessen seiner Mitglieder als 
mit der wissenschaftlichen Förderung der Architektur und des 
Ingeuicurwcscns zu beschäftigen scheint 

Ueber die vom Hamburger Architekten- und Ingenieur- 
Verein beantragte Aendoruug der §§.23 und 24 der Ver- 
baudsstatuteu erstattet Herr Seidel das vom Müncbener Ver- 
ein übernommene Referat. Im §. 23 soll danach als Obliegen- 
heit der Abgeordneten -Versammlung noch die Erledigung von 
technischen uud kollegialen Fragen allgemeiner Natur genannt 
werden, während durch eine andere Fassung von § 24 die Not- 
wendigkeit einer */, Majorität für Statutenänderungen beseitigt, 
für nachträglich auf die Tagesordnung gesetzte Beschlüsse der 
Abgeordneten in dringlichen Angelegenheiten hingegen die Ge- 
nehmigung einer zweiten Abgeordneten-Versammlung resp. die 
Genehmigung im Wege schriftlicher Abstimmung eingeführt 
werden soll. Der Referent ist prinzipiell gegen jede Statuteu- 
Acnderung nach so kurzer Frist, hält den zu §. 23 beantragten 
Zusatz für unwesentlich, will dagegen die zu §. 24 beantragten 
Aenderungen zur Berücksichtigung für spätere Zeit empfohlen 
wissen. Der Vertreter des koreferirenden Schleswig -Holstein- 
scheu Verein, Herr Bargum, ist gegen die beantragte Statuten- 
änderung, weil sie unnöthig und einen neuen Druck der 
Statuten erforderlich machen würde. 

Namcus des antragstcllenden Vereins hebt Herr Kaemp 
die Notwendigkeit hervor, die Statuten eines neuen Vereins 
beweglich uud damit entwicklungsfähig zuhalten; er bezeichnet 
die seinerzeit gepflogene Berathung der bestehenden Statuten 
als eine forcirto und hält es für erforderlich, dafür zu sorgen, 
dass nicht noch einmal übereilte Beschlüsse, wie beispielsweise 
in der Münzfragc, im Namen des Verbandes gefasst werden. 

Hr. Fritsch weist darauf hin, dass der §. 23 der Statuten 
lediglich die Befugnisse der Abgeordneten -Versammlung dem 
Verbands -Vorstaude gegenüber regeln solle, dass aber der Zweck 
des Verbandes durch die §§. 1 und 2 der Statuten ausge- 
sprochen werde, wonach der zu §. 23 beantragte Zusatz hin- 
fällig sei. Hr. Baumeister hebt auch hervor, dass allgemein 
stets die Acnderung einer Verfassung oder eines Statuts durch 



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- 314 — 



eine erschwerte Beschlussfassuug zu vermeiden gesucht werde. 
— Ur. Blaukcusteiu erinnert daran, dass die Verbaudssta- 
tuten sehr «rundlich in Kassel berathen und in Berlin darauf redi- 
girt worden seien, dass man also von einer forcirten Berathung 
derselben nicht wohl redeu könne; auch seien die Abgeordneten 
nioht, wie Hr. Kaemp bei Begründung seine» Antrages be- 
hauptet«, verbunden, bei den Abstimmungen unbeugsam den 
Ansichten der von ihnen vertretenen Vereine zu folgen, sondern 
hätten ihrer persönlichen . im Laufe der Debatte festgehaltenen 
oder gewonnenen Ueberzeugung gemäss abzustimmen. 

Nachdem darauf ein Antrag auf Schluss angenommen wor- 
den war, wurde der Antrag des Hamburger \ereins zur Ab- 
stimmung gebracht und mit allen gegen die beiden Stimmen 
des Antragstellers verworfen. 

Der im Beginn der Diskussion von Hrn. Seidel gestellte 
Autrag, die Anträge des Hamburger Vereins in das Protokoll 
zur zuküuftigen Berücksichtigung aufzunehmen, wurde, von 
demselben jetzt zurückgezogen. 

L'eber den fünften Gegenstand der Tagesordnung, den Sei- 
tens des Verbandes an die XVI. Wandervcrsamniluug deutscher 
Architekteu und Ingenieure zu richtenden Antrag, au Stelle der 
Wandcrversammluugeu von jetzt ab Generalversammlungen des 
Verbandes deutscher Architekteu- und Ingenieur-Vereine abzuhal- 
ten, berichtet Namens des Lühecker Vereins Hr. Krieg und 
Namens des Stuttgarter Vereins Hr. von Egle. Man ist über 
die Zweckmässigkeit und Notwendigkeit dieses Autrages allge- 
mein einverstanden und ersucht Hrn. von Egle, den erwähnten 
Antrag in der Wauderversammlung im Namen des Verbandes 
zu stellen. 

Der Vorsitzende crtheilt hierauf Hrn. Baumeister das 
Wort, um die Dringlichkeit eines von ihm eingebrachten An- 
trages zu begründen, nach welchem die einheitliche Bezeichnung 
der metrischen Maasse und Gewichte von Neuem in Erwägung 
gezugeu werden soll. Zur Motivirung der Dringlichkeit wird 
auf die zur Zeit in der Bezeichnung der metrischen Maasse und 
Gewichte noch herrschende Verwirrung hingewiesen, welche in 
einer den Mitgliedern mitgetheiltcn Nummer der hadiseheu Ge- 
werbezeitung ausführlich erörtert wird, und bemerkt, da*s die 
Hoflnung auf einen Ausgleich sich jetzt, wo auch der Verein 
deutscher Ingenieure hier tage, vielleicht werde verwirklichen 
lassen. 

Nachdem die Dringlichkeit einstimmig angenommen worden, 
wird nach weiterer Diskussion beschlossen, eine Kommission 
von drei Mitgliedern zu eruenneu. welche noch an demselben Tage 
mit dem Vorstande des Vereius deutscher Iugenieure verhandeln 
in der Versammlung des genannten Vereins das vom Ver- 
deutschcr Architekten- und Ingenieur-Vereine angenom- 



mene System der Bezeichnungen zu erläutern habe. Die Hrn 
und S 

sen Auftrag zu übernehmen 



Blankenstein, Fritscb 



Schmidt wurden ersucht, die- 



Man ging sodann zurBerathung der Reform des Pro- 
zessverfahrens bei bautechuischen Streitigkeiten 
durch Einführung bautechnischcr Spezialgerichte 
über, wofür der Verein zu Breslau, welcher aber nicht vertreten 
ist, und der zu Stuttgart das Referat übernommen hatten. 

In der betreffenden AngeleRenheit sind bekanntlich vom 
Baugewerkentag, welcher in Berlin im .lahre 1S70 geta«t hat, 
und vom Berliner Architektenvereiu Petitionen an den Bundes- 
rath gerichtet worden, llr. von Egle verliest das Gutachten 
des Stuttgarter Vereius, wonach die Petition des Baugewerken- 
tages nicht zu vertreten ist, die in der Petition des Berliner Archi- 
tekten-Vereins gegebenen Gruudzüge im Allgemeinen als zweck- 



mässig bezeichnet werden, obwohl nicht als wahrscheinlich 
angenommen wird, dass das darin enthaltene WünscbenswertLc 
auch erreichbar sei. 

Es entspinnt sich über den Gegenstand eine längere Dis- 
kussion, deren Ergebnis? der Vorsitzende schliesslich in Folgen- 
dem zusammenfasst : Man scheine einig darüber zu sein, dass 
die Sachverständigen schon bei der Instruktion der Sache von 
den Gerichten hinzu zu ziehen seien, das« eine grosso Vorsicht 
in der Auswahl der Sachverständigen stattfinden müsse, welche 
nicht durch die Parteien, sondern durch den Richter nach An- 
hörung geeigneter Körperschaften oder Behörden zu eruenneu 
seien. Da ein eigentlicher Autrag nicht vorliege, die Sache auch 
nicht eilig erscheine, weil die neue Zivilprozessorduung für dos 
deutsche Heich so bald wohl nicht festgestellt werden würde, 
so schlage er vor, die Angelegenheit in den Einzel Vereines 
nochmals in Erwägung zu ziehen uud zu dem Zwecke dos von 
dem Stuttgarter Verein ausgearbeitete Gutachten in dem Ver- 
baudsorgaue abdrucken zu lassen. Der Vorsitzende bemerkt 
dabei noch, dass es sich nicht um Aufstellung eines Gesetzent- 
wurfes handele, sondern nur um die Feststellung von Gesichts- 
punkten, welche für die Gesetzgebung zur Berücksichtigung zu 
empfehlen seien. 

lu Vertretuug des sächsischen Vereins schlägt der als Er- 
satzmann für Hrn. Sorge anwesende Hr. Prof. Hartig noch 
vor, mau möge in deu Einzelvcreincn besonders bemerkens- 
werthe gerichtliche Entscheidungen, welche die Reform des Pro- 
zessverfuhrens in bautechuischen Streitigkeiten recht schlagend 
als nothweudig kennzeichnen, sammeln und dem Vororte mit- 
theilen, ein Vorschlag, welcher durch Hrn. Fuuk lebhaft unter- 
stützt und dann gleichzeitig mit dem vorher erwähnten 
Antrage des Vorsitzenden einstimmig zum Beschluss erhoben 
wird. Der Zeitpunkt für die Einlicferuug der Ausarbeitungen 
der Einzelvereine wird auf den 1. Febr. 1873 festgestellt. 

Nachdem die Sitzung für die Dauer von l'/i Stunden un- 
terbrochen worden war, wurden die Verhandlungen um 2 Ihr 
Nachmittags durch den Vorsitzenden wieder eröffnet. Ausser 
d-'u am Vormittag Anwesenden, sowie deu Hrn. Böckmann uud 
Delisle war in Person des Hrn. Bauinspektor Queissner xu 
Hohenstein nunmehr ein Vertreter des Ostpreussischen Vcreiw 
(1 Stimme) hinzugetreten, so dass jetzt 11 Vereine durch 23 Ab- 
geordnete mit zusammen 42 Stimmen vertreten waren. 

Es gelaugte zunächst die Aufstellung einer Norm für 
die Houorirung für Arbeiten aus dem Bauingenieur- 
weseu zur Berathuug, worüber Namens des Hannoverschen 
Vereius Herr Launhardt referirte. 

Vom Referenten wurde nach kurzer Einleitung darauf auf- 
merksam gemacht, dass die Berechnung des Honorars nach stu- 
fenweise abnehmenden Prozentsätzen zu dem llel>elstande führe, 
dass der Honorarbetrag im Beginne einer neuen Stufe niedriger 
ausfalle als am Ende der vorhergehenden Stufe. Dieser l'cbcl- 
staud ist in einem Gutachten des Stuttgarter Vereius seboo 
hervorgehoben und durch die Bestimmung zu beseitigen gesucht, 
dass im Anfange einer neuen Stufe so lange der höchste Uoiw- 
rarbetrag der vorhergehenden Stufe beizubehalten sei, bis auch 
innerhalb der neueu Stufe dieser Betrag erreicht werde. Zu 
einer korrekten Berechnung des Honorars führt dieser Vorschlag 
aber auch noch nicht, weshalb vom Hannoverschen Verein vor- 
geschlagen wurde, das Honorar nach einem stufenweise abneh- 
mendeu Prozentsätze zu berechnen uuter Hinzufügung eines für 
jede Stufe festzustellenden konstanten Werthcs. 

Obgleich allgemein zugestanden wurde, dass diese Art der 
durchaus korrekt sei, * 



für das >iti»nal-Drnkmal auf 
Niederwald. 



Die 



Unter dem Motto: .Fürs heilige deutsche Reich" hat 
derselbe. Verfasser zwei verschiedene Entwürfe eingesandt, 
welche sich aber vornehmlich nur in der Anordnung der 
unteren Parthieu des Monuments unterscheiden. Der obere 
Tlieil des Denkmals ist in beiden Arbeiten fast gleich, ein 
Kuiidthurm. wie ihn ühnlich auch der vorher besprochene 
Entwurf .Aquila* zeigt. Der Verfasser bestimmt für die 
beiden Variationen auch verschiedene Bauplätze; für den 
einen schlägt er den vom Konkurrenz-Ausschreiben gewähl- 
ten Leinegipfel, für den andern den sogenannten Raminstein, 
etwas weiter stromaufwärts gegen Büdesheim belegen, vor. 
Ich kann au dieser Stelle den Gedanken nicht verhehlen, 
welcher mir solchen Doppelarbeiten desselben Verfassers ge- 
genüber fast stets ankommt, dass derselbe nämlich besser 
gethan hätte, es bei einer Arbeit zu belassen. Die richtige 
Wahl unter verschiedenen, namentlich bei einer so freien 
Aufgabe unbedingt höchst mannigfaltigen Grnndmotiven zu 
treffen, ist zunächst Sache des erfindenden Künstlers und 
gehören die Studien dazu in sein Atelier. Dem Publikum 
eine Wahl anheimzustellen ist stets insofern misslich, als 
mau darin vielleicht selbst da eine Unsicherheit des Künst- 
lers vermuthen wird, wo derselbe, wie wahrscheinlich im 
vorliegenden Falle, nur lediglich zu grossen Eifer in Bear- 
beitung der wichtigen Aufgabe gezeigt hat. Beide Enwürfe 



beeinträchtigen sich gegenseitig. Der eine — übrigens iener 
für den Kammstein — obgleich in derselben Ausführlichkeit 
dargestellt, steht dennoch entschieden gegen den anderen 
zurück. Ich habe sonach vornehmlich nur über den letz- 
teren zu berichten. 

Die Kundfonii des oberen Thnrmes ist hier von unten 
auf vorbereitet. Schon die erste Terrasse, anf welcher sich 
das Denkmal erhebt, ist kreisrund gebildet und mit tiefen 
Nischen, welche sich aus der Anlage stützender Strebepfeiler 
naturgetnäss ergeben, gegliedert. Die Terrasse ist bereits 
in bestimmte Beziehung zu dem oberen Bau gesetzt, als 
kräftiger Sockel desselben, nicht wie bei der vorigen Arbeit 
nur als breitbasiges Podium. Eine Säulenhalle von gedrun- 
genen Verhältnissen bildet eine zweite Abstufung in der Sil- 
houette des Ganzen, aus welcher sich dann der eigentliche 
Thurm erhebt, ebenfalls ziemlich kurz und stark verjüngt, 
aber entsprechend kräftig gestaltet und in seiner Bekrönuni 
in einer offenen Halle die Form der Kaiserkrone nach- 
ahmend. So gern ich die Gediegenheit in der künstleri- 
schen Anlage der unteren Bautheile anerkenne, welche in 
ihrer Einfachheit diesem Entwürfe sogar noch den Yorztu: 
vor der erstlM-schriebenen Arbeit zn sichern scheinen, so 
wenig kann ich — und gewiss viele Beschauer mit mir — 
die sonderbare Idee guthoissen. eine Kniserkrone zn mauern, 
mit Diamantquadern anstatt Edelsteinen /.u verzieren und 
sie schliesslich noch als Aussichtsloge benutzen zu wollen. 
Diese Idee uud ihre Ausführung sind einfach zopfig, denn 
der Zopf dokumentirt »ich nicht blos in der Anwendung 
gewisser unschöner Formen, sondern vornehmlich auch in 



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315 



dass die Hinzufügung eines konstanten Warthes zu dem Prozent- 
sätze von Seiten des bauenden Publikums als eine ungerecht- 
fertigte Erhöhung des Honorars aufgefasst werden würde. Hr. 
von Ejtle schlug aus dem Grunde vor, dieselbe Art der Berech- 
nung in anderer Form festzustellen, der Art, dass man den für 
die erste Stufe festgestellten Prozentsatz für den Thoil der 
Koston, welcher dem Orenzbetrago der ersten Kostenstufe 
gleichkommt, auch für höhere Kostenbeträge beibehält und nur 
den Theil der Kosten, welcher den Grenzbetrag der ersten Stufe 
überschreitet nach einem geringereu Prozentsätze bemessen 
solle. Ein Honorar für eine Bau- Ausführung, deren Kosten 
innerhalb der dritten Stufe liegen, würde demnach für drei 
TbeilbetrSge nach drei verschiedenen Prozentsätzen zu berech- 
nen sein. Der Referent für den hannoverschen Verein scbloss 
sich diesem Vorschlage im Allgemeinen an, hielt es aber für 
wünschenswert!], die Prozentslitze der auf einander folgenden 
in, dass jeder Kostenbetrag stets nur in 
cerlcgen ist, von dem der eine dem Grenz- 



zwei Theilbetrfigc zu zerlegen 

werthe der vorhergehenden Stufe entspricht. Im Laufe der De- 
batte über diese Frage wurde von den Vertretern des bayeri- 
schen Vereins die Meinung ausgesprochen, dass im Prinzip die 
prozentuale Ermittelung des Honorars für die generellen Vor- 
arbeiten und die Bearbeitung des Projekts bei Arbeiten aus 
dem Bau-Iugnnieurwesun nicht durchführbar »ei: Hr. Funk un- 
terstützte diese Ansieht und hob ausserdem hervor, dass das 
Unzutreffende der Anwenduug von Prozentsätzen sich auch bei 
sehr grossen Ausführungen herausstellen wird. Die weitere 
Erörterung dieser Prinzipieufrage führte zu der Ansicht, dass 
der Gegenstand zu eiuer Berathung überhaupt wohl noch nicht 
völlig reif sei und bis zur nächsten Abgeordnctenversammlung 
vertagt werden müsse. Eiu in diesem Sinne gestellter Autrag 
wurde jedoch abgelehnt und zunächst beschlossen, die Berathung 
des Gegenstandes vorläufig nur bis zur Sitzung des nächsten 
Tages zu verschieben. 

Man ging darauf zu den unter No. 9 der Tagesordnung auf- 
geführten Vorschlägen der Hrn. Grebenau uml von Wagner 
zur einheitlichen Bezeichnung der in der Hydrometrie vorKotn- 
menden Grossen, und dem Zusatzantrage des Hm Boeder, diese 
Berathungen auf alle tiebiete des Bauwesens auszudehnen, über. 
Die über diesen Gegenstand reforirenden Vereine zu München 
und zu Osnabrück halten denselben für eine Berathung noch 
nicht geeignet, da Aeusscruogeu der Emzclvereiuc bis jetzt 
nicht vorliegen, auch diu für die Eiulicfcruug dieser Aeusse- 
ruugen festgesetzte Frist noch nicht abgelaufen sei. Es wird 
beschlossen, die Eiuzelvereiuc aufzufordern , über den betreffen- 
den Gegenstand bis zum 1. Februar 1873 sich zu äussern. 

Der Antrag des permanenten Polytechuiker- Ausschusses zu 
Dresden auf Einführung eines Reichs-Examens für Tech- 
niker, über welchcu im Namen des sachsischen Vereins Herr 



Schlöniilch referirt, führt zu einer weitgehenden Diskussion 
über die Ausbildung der Bautecbniker und die Organisation des 
Staatsbauweseus in den verschiedenen deutschen Ländern. Hr. 
Kaenip spricht sich im Namen des Hamburger Vereins für 
Abschaffung aller Staatsprüfungen aus, während von auderer 
Seite die Nützlichkeit der technischen Staatsprüfungen betont 
wird, wobei Hr. Blankenstein bemerkt, dass man sogar in 
England daran denke, solche Prüfungen einzuführen. Aus 
dieser Delmtte geht wenigstens klar hervor, dass der Antrug 
der Dresdener Polytecbuikcr nur im Zusammenhange mit ein- 
heitlichen und sehr eingreifenden Acnderungen in dem Aus- 
bildungsgange der Techniker und in der Organisation des Bau- 
wesens aller deutscher Staaten durchzuführen ist Mau bc- 
schlicsst, den permanenten Ausschuss der Techniker zu Dresden 
zu antworten, dass man zwar ihrem Antrage im Prinzips voll- 
ständig beistimme, zur Zeit aber an der Durchführbarkeit des- 
selben zweifle, wobei denselben die Motive des Beschlusses mit- 
getheilt werden sollen. 

Es gelaugt sudann die Angelegenheit der Konkurrenz für 
den Bau des deutschen Beichstagsgebäudes zur Sprache, für 
welche die Vereine zu Hamburg und zu Berlin das Referat über- 
nommen habeu. 

Hr. Kaenip berichtet, dass der Hamburger Verein der An- 
sicht sei, 1) dass es wünschenswert Ii sei, den preisgekröuteu 
Eutwurf zur Ausführung zu bringen, falls die in Frage gezo- 
gene Veränderung des Bauplatzes dies irgend gestatte; 2) sonst 
von Neuem eine freie Konkurrenz auszuschreiben. 3) Sollte in- 
dessen eine beschränkte Konkurrenz beliebt werden, so möchten 
zu derselben nur Diejenigen aufgefordert werden, welche bei der 
ersten Konkurrenz auf der engeren Wahl für die Prämiirung 
gestunden haben. 

An der Debatte über diesen Gegenstand betheiligt sich eine 
grössere Anzahl der anwesenden Abgeordneten. Es wird be- 
klagt, dasB liei der ersten Konkurrenz die Vorschlag des Ver- 
baudsvorstandes keine Berücksichtigung getuudeu haben, und 
der geschichtliche Hergang der ersten Konkurrenz dargestellt. 
Mau ist allgemein der Ansicht, das mit neueu Petitionen nicht 
vorzugehen, sondern an die Wallderversammlung der Autrag zu 
stellen sei, sich in Form einer Resolution über den Gegenstand 
zu äussern. 

Weitere Besehlussfassungen über den wichtigen Gegenstand 
glaubt mau bis zur nächsten Sitzung, welche auf Souutag den 
'2i. Septbr., Morgens 9 Uhr mihi räumt wird, verschiebeu zu 
müssen. 

Darauf erfolgt um h Uhr Nachmittag der Schluss der 
Blaukenstein. Launhardt. 

(SCW.B folgt.) 



Luftheixungei in Berliner Geneindesekulea. 

(ForUFtsuiii.) 



Für das in Rede stehende Schulgebäude ergab sich so- 
gleich die Zweckmässigkeit zweier Ifeizkaiiinieru, die kor- 
respondirend mit den Fluren liegen, so dass jede derselben 
ohne Schwierigkeit mit den vier um diese gruppirten Klassen 
jetler Etage durch einen lleizkuual verbunden werden konnte. 
Da die Keller mit Ausnahrae der Wohnung im mittleren 
Theil überwölbt sind, so war, obwohl je 4 Heizkanäle in 
der Mittelwand liegen, doch keine Auswechselung der Balken 



nöthig, da ja zwei bereits im Erdgeschoss münden und die 
andern einzeln zwischen je zwei Balken hindurch geführt 
sind. 

Für jede Heizkammer war bei einer Breite von 2,3" 
eine Länge von (i,'l m disponibel, während der Apparat selbst 
nur 3,3 m Länge erfordert. Die eine Heizkammer ist daher 
in dieser Länge mit einer Wand abgeschlossen, wobei für 
zwei Kanäle die Anbringung horizontaler Verbindungsstrecken 



dem eklatauten Widerspruche, in dem eine Idee zu der Art 
uud Weise steht, dureri welche dieselbe in die Erscheinung 
tritt. Wir haben heutzutage nach dieser Richtung manche 
Abarteu zu verzeichnen, neugriechischen wie neugothisdien 
Zopf, nelien denen der alte sogenannte des 18. Jahrhunderts 
noch keinesweges der verwerflichste ist. 

Das Dekoration* -Detail ist in diesem Entwürfe zwar 
reicher, aber bei kleinem Maasstahe und grosser Häufung 
nicht in demselben angemessenen strengen Sinne behandelt, 
wie in dem ersten Entwürfe. Statuenreihen, Reihen von 
Reliefköpfen, Wappenschildern und Festons schmücken den 
oberen Thurm, die kaum in nächster Nähe geniesshar sein 
können und deren Reduktion schon die architektonische 
Oekonomie fordert. Der vier Nischen, welche bei ihren ge- 
ringen Maassen nur zu den Pferdesehwäuzen der vor ihnen 
stehenden Reiterstatuen in engere Beziehung zu setzen sind, 
sei hier insbesondere gedacht. 

Auch in dieser Arbeit enthält das UntergesehosR des 
Baues eine kuppelgewölbte Ruhmeshalle ; sie harmonirt in ihrer 
architektonischen Form mit dem Aeusseren und ist an sich 
künstlerisch geschickt behandelt. Ob indessen eine solche 
Halle, die in dieser Anordnung nur geringes Licht und 
schwere Formen erhalten kann, gerade eine Ruhmeshalle, 
nicht vielmehr eine Grabkirche darstellen wird, möchte ich 
bezweifeln. Das wesentlichste Verdienst auch dieses Ent- 
bleibt die bis auf die Bekrönung höchst gelungene Ge- 
der gesammten äusseren Form, für welche der Ver- 
eider keine Perspektive beigefügt hat. 
Die zweite Arbeit ist hier nur kurz zu erwähnen. Der 




Obertheil des ersten Entwurfes erhebt sich aus einem brei- 
ten quadratischen Bau, dessen Ecken mit vier kleinen kup- 
pelgelcrönten Aufsätzen bezeichnet sind und der nach Aussen 
an vier Seiten offene Hallen; im Innern abermals eine soge- 
nannte Ruhmeshalle enthält. An der Vorderseite gegen den 
Rhein ist eine vortretende Terrasse angeordnet. Das Ganze, 
in einer Perspektive dargestellt, welche aber den lokalen 
Verhältnissen nicht entspricht, bietet durch die auch hier 
wiederholte Bekrönung des Thurms durch eine Kaiserkrone 
und durch die vier Ecklösüngen in etwas den Charakter 
eines indischen Grabtempels. Für alle Ansichten vom Thal 
aus würde die vorgelegte Terrasse sehr verdeckend wirken. 

Den erwähnten Arbeiten ähnlich in derGesammtform. wenn 
auch durchaus verschieden im Detail — denn er ist im got bi- 
schen Stile durchgeführt — zeigt sich der Haupttheil des Ent- 
wurfes mit dem Motto: T Dera Deutschen Volke sei's gebracht." 
Ueher einem Unterbau in Kreuzform, mit vier Giebeln ab- 
geschlossen, der abermals eine Ruhmeshalle enthält, deren 
Form sich hier iudessen den Fordeningen einer solchen noch 
am Günstigsten anschliesst, erhebt sieh eine schlanke Sfinle, 
welche am Fuss und an der Spitze mit gothischen Arkaden 
umgeben, als Bekrönung die Statue einer Germania trägt. 
Die Slilformen sind mit vielem Geschick in derjenigen Ver- 
einfachung und Massenhaftigkeit behandelt, wie sie die Auf- 
gabe erfordert. Das Herauswachsen der Mule aus dem kreuz- 
förmigen Unterbau ist allerdings nicht geschickt gelöst, die 
Dekoration der vier Giebel wenig anziehend. Immerhin 
könnte dem Verfasser eine entschiedene Anerkennung nicht 
versagt werden, hätte derselbe nicht durch die Anlage eines 



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316 — 



auf Eisenscbienen nötbig wurde, bei der andern Kammer 
ist diese Trennungsmaner, obwohl der Fabrikant davon für 
jene beiden entfernt liegenden Kanäle eine Beeinträchtigung 
der Heizwirknng befürchtete, fortgeblieben, so dass sie direkt 
mit der Heizkammer in Verbindung stehen. Es hat sich 
ein Unterschied der einen gegen die andere Anordnung hin- 
sichtlich der Heizwirkung nicht ergeben, dagegen bietet die 
letztere den grossen Vortbeil, dass die Heizkammer mittels 
einer eisernen Thür vom Keller ans jederzeit betreten, der 
Apparat selbst während des Heizens Icontrolirt nnd etwaige 
Nachhülfe sehr leicht ausgeführt werden kann. Auch zur 
Anstellung von Beobachtungen ist eine solche Anordnung 
sehr zweckmässig, wie sich später ergeben wird. Die Heiz- 
kammern sind doppelt überwölbt mit einem Zwischenraum 
von ca. \'2"° der zweckmässig nicht hohl bleibt sondern 
mit Asche aasgefüllt wird. 

Die Klassen haben mit geringer Abweichung eine Länge 
von B,68", eine Breite von 6"\ eine Höhe von tfii m und 
einen Kubikinhalt von 204 kb», so dasR jeder Apparat ca. 
1700kb» Zimmerraum zu heizen hat. Bei dieser Grösse der 
Klassen war je ein 'Heizkanal für jede Kl; 
dem ebenso ein Yentilationsrohr entspricht. 

Aus bekannten Gründen werden die Heizkanäle um so 
weiter gemacht, je kürzer dieselben sind, und haben sie nach 
dem Erdgeschoss eine Grösse von 2ß.39* m , nach dein 1. 
Stock von 2G . 31*" und nach dem 2. Stock von 26 . 26*™ 
erhalten. Die Breite ist überall gleich und entspricht der 
Mauerstärke, während die grössere Dimension in der Längs- 
richtung derselben liegt. Um Vorsprünge und über 2 Stein 
starke Maueru zu vermeiden, wird über 26 ,B> breite Kanäle 
selten hinausgegangen werden. 

Die Heizkanälc stehen mit den Heizkammem durch 
kleine Sticbgewülbe dergestalt in Verbindung, dass die Kin- 
strömungsöftuungen mindestens bis zum Gewölbescheitel rei- 
chen. Die Ausströmungsöffnungen in den Klassen liegen 
1,75™ über dem Fnssboden und endigen hier die Kanäle, so 
dass deren Zahl von Etage zu Ftage abnimmt. Ein- und 
Ausströmungs- Öffnung werden zweckmässig ' » grösser ge- 
macht als der Kanalquerschnitt. Um den Eintritt der war- 
men Luft zu reguliren, resp. ganz abzuschließen, dienen 
eiserne Jalousieklappen oder Schieber mit entsprechenden 
Handhaben, die vor der Ausströmungsöffnung angebracht 
sind, so dass die Lehrer die etwa nöthige Kegnlirung selbst 
vornehmen können. Um Unfug Seitens der Schüler zu ver- 
hüten, werden diese Verschlüsse so eingerichtet, dass sie nur 
mittels besonderen Schlüssels stellbar sind, anch wird zur 
Verhinderung des Einwerfens von irgend welchen Gegen- 
ständen in den Kanal ein Drahtgitter hinter dein Verschluss 
anzubringen sein. 

Die Yentilationskanäle dienen ausser der Abführung der 
schlechten Luft zur Verstärkung der Heizwirkung und kön- 
nen gewissermassen als Fortsetzung der Heizkanäle gelten 
unter Einschaltung der Zimmer. Sie erhalten daher im All- 
gemeinen dieselben Querschnitte wie diese letzteren; es ge- 
nügt jedoch meist, ihnen allen die gleiche und zwar durch- 



schnittliche Grösse der Heizkanäle zu geben. Zwar ist wegen 
der geringeren Temperatur die Geschwindigkeit in den Ven- 
tilationskanälen eine geringere, dagegen ist zu beachten, 
dass anch das abzuführende Luftquantum wegen der niedri- 
geren Temperatur kleiner ist und dass sich Heiz- und Ven- 
tilationskanäle in der Weise ergänzen, dass ihre Gesammt- 
höhe überall dieselbe ist, wodurch eine gewisse Gleichmässig- 
keit der Heizwirkung herbeigeführt wird. Es ist aber an- 
dererseits nur vortheilhaft , wenn ein geringeres Luft- 
quantnm durch die Ventilationskanäle abgeführt wird, als 
durch die Heizkanäle eintritt, indem dadurch eine grössere 
Ruhe der Luftschichten in den Zimmern, eine gleichförmigere 
und nachhaltigere Erwärmung derselben und eine schwache 
Luftpressung bewirkt wird, welche eher ein Entweichen der 
Luft nach Aussen durch Thür- und Fensterspalten zur Folge 
hat als das Umgekehrte, was gleichbedeutend mit Abhaltung 
der Zugluft ist. Noch mehr treten diese Umstände durch 
die Art der Abführung ein. Jeder Ventilationskanal steht 
nämlich sowohl über dem Fussboden als unter der Decke 
mit dem betreffenden Zimmer in Verbindung. Selbstredend 
bleibt die obere Mündung während der Heizperiode für ge- 
wöhnlich geschlossen und nur die untere ist stets offen. 
Die warme Luft, welche bei ihrem Eintritt sich erhebt und 
an der Decke ausbreitet, wird theils durch Abkühlung, theils 
durch die Pressung der nachfolgenden Luft niedersinken, 
bis sie schliesslich an die untere Mündung des Ventilations- 
kanals gelangt und dort abzieht. Diese Kanäle werden nicht 
über Dach geführt, weil die äusseren Luftströmungen die 
Regelmässigkeit der Bewegung in denselben beeinträchtigen 
würden, sondern münden im Dachboden, wenn möglich in 
Kopfhöhe und seitlich, und werden hier ebenfalls mit einem 
Drahtgitter abgeschlossen- Sie werden meist erst von dem 
zugehörigen Zimmer ans angelegt, sind aber in vorliegendem 
Fall, wie in mehren andern mit Luftheizung versehenen 
Schulen sümmtlich auch abwärts bis unter den Kellerfass- 
boden geführt und mittels horizontaler Strecken mit der 
Heizkammer verbunden, wie dies die Grundrisse andeuten. 
Es ist zulässig, diese horizontalen Kanäle soweit anfänglich 
zu einem grösseren Kanal zu vereinigen, der zweckmässig 
jrösser ist als die Querschnitte der einzelnen Kanäle zusammen. 
[>a indess diese unter der Kellersohle liegenden Kanäle leicht 
feucht nnd dumpf werden oder wohl gar Grundwasser ent- 
halten können, so müssen sie entweder wasserdicht herge- 
stellt oder besser an der Decke des Kellers als Thonröhren 
oder Zinkkasten angelegt, an der Heizkammer herabgeführt 
werden und über dem Boden in dieselbe ausmünden. Der 
Zweck der Führung dieser Kanäle bis zur Heizkammer ist 
ein doppelter. Einmal kann dadurch die Zimmerluft nach 
der Heizkammer zurückgeführt und also mit Zirkulation ge- 
heizt werden, andererseits dienen sie zur Sommer- Ventilation, 
wovon später die Rede sein wird. Bei der Zuriickführung 
der bereits erwärmten Luft nach der Heizkammer wird na- 
türlich eine schnellere Erwärmung resp. eine Ersparniss an 
Brennstoff erzielt und diese Zirkulation ist zulässig, sofern 
eine Ventilation nicht verlangt wird oder erforderlich ist 



grossen Vorhofes und eines zu demselben führenden drei- 
bogigen Triumphthores seine Anlage für die gewählte Stelle 
völlig unbrauchbar gemacht. Die Vorhalle wird das eigent- 
liche Monument in den meisten Ansichten völlig decken und 
die Bedeutung desselben herabdrücken, wie dies auch schon 
aus der durchaus nicht etwa der Situation entsprechenden 
Perspektive hervorgeht. Der vortrefflichen Darstellung dieser 
Perspektive, wie der fleissigen Ausarbeitung der Zeichnungen, 
in welcher sich die Arbeit den vorgenannten völlig zur Seite 
stellt, sei übrigens rühmend erwähnt. 

Einen gothischen Thurm hat auch Vinzenz Statz*) 
als Denkmal entworfen, aber damit kein erfreuliches Werk 
geleistet. Der achteckige Thurm, unten mit Freitreppen und 
vier vorgebauten Lauben versehen, im oberen Theif ein Mit- 
telding zwischen Kirche und Yertheidigungsthurm , giebt 
weder in seiner unruhigen Silhouette noch in seinen nüch- 
ternen Detailformen das Bild eines Denkmals. Unerfindlich 
bleibt es namentlich, wie ein geborener Rheinländer die 
des Niederwaldes zu solcher Wolfschluchttheaterde- 



Szenerie 
koration 
spektive 
nahe! — 

Erwähnenswerth ist ferner die Arbeit mit dem Motto 



Uli» »»und. Wenn nachträglich - d. h. 8 Ti 
■et i.t nnd Jed.r dl. Naan.» *.lMtn - dl. Ai 
wi. in el.lit.n andern! Fall.n 41. Nara«i mit 
da. in der Th«t e.n* 
auf »eich. 




konnte, als es in der beigefügten Per- 
Hierzu freilich passt der Thurm bei- 



1 Ith bat* in di«wm Kall, den Kanten d»a Vnrtaaaara angeführt, well Inn 
' ohne Motto unter ••Ine Zelfanuiigen fetetit Int, ein Kernt, da* ihn» Jert*n- 

" Tue nachdem die Anstellung »e»ir- 



,Otto w . Das Denkmal ist nicht als Thurm, sondern als 
Gebäude aufgefasst, dessen Form freilich im vorliegenden 
Falle keineswegs der Aufgabe, sondern mehr einer Grab- 
kapellc entspricht. Ein achtseitiger Bau liegt auf der äus- 
serten Spitze iles Felsens, zu dem eine Brücke von der 
Felswand hinüberführt, am Anfange derselben ist als Brük- 
kenthor ein ziemlich winziger Triumphbogen errichtet 
Nischen mit Figuren schmücken die Seiten des eigent- 
lichen Denkmals, dessen Spitze als achtseitige Pyramide ge- 
bildet ist, welche abermals die Kaiserkrone trägt, die zwar 
diesmal aus Metall gedacht ist, aber durch ihre Form und 
namentlich durch die Füsse, auf welchen sie ruht, sich ent- 
schieden als ein tragbares Gefäss darstellt. Das Innere ent- 
hält eine Ruhmeshalle in der Form einer schlanken acht- 
seitigen Kapelle. Die Kunstformen, streng an Säulenordnung 
gebundene Renaissance, erheben sich namentlich in diesem 
Innern durchaus nicht über das Gewöhnliche. 

Zum völligen Kasino in einem italienischen Park ge- 
staltet der Verfasser der in einem . grossen Gipsmodell dar- 
gestellten Arbeit mit dem Motto ? Am freien deutschen Rhein* 
sein Denkmal. Achtseitig, mit einem oberen zurücktretenden 
Geschoss, Vorbauten an den vier Seiteu, Fontainenanlagen 
u. s. w. entspricht es in eleganten Renaissanceformen völlig 
jenem Zwecke, indess durchaus nicht der gestellten Aufgabe. 

Wird hier noch die Arbeit mit dem Motto -Concordia", 
eine antike hohe Säule mit Halle dahinter, ähnlich der bai- 
rischen Ruhmeshalle, ferner jene mit dem Motto „Reichs- 
adler" erwähnt, ein quadratischer als Triumphbogen mit vier 



Oeffnnngen gestalteter Bau in 



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- 317 - 




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- 318 — 




unteren 
letztere 



I >i. S. 




Dies ist in Schulzimmern vor Beginn des Unterriehts und 
nach Schluss desselben der Fall, oder dann, wenn einzelne 
Zimmer Unregelmässigkeiten in der Beheizung bei Ventila- 
tion zeigen. Da Ventilation und Zirkulation sieh gegenseitig 
ausschliessen, so kommt es darauf an, die Verschlüsse der 
unteren Kanalmüudnng so zu konstruiren, dass durch Auf- 
hellung der einen Strömung gleichzeitig die andere in Wirk- 
samkeit treten katin. Am geeignetsten hierzu ist die Ver- 
scblussklappe (Fig. 1.) welche sich um eiue hori- 
zontale Achse gegenüber der Oeffuung des Kanals 
bewegt. In der mit a bezeichneten Stellung ist der 
Kanal nach unten geschlossen, also Ventilation 
vorhanden, in der mit b bezeichneten Stellung 
erfolgt Zirkulation. Bei dieser Anordnung kann 
weder der Ventilationskanal vollständig gegen das 
Zimmer abgeschlossen, noch der obere mit dem 
I'heil in direkte Verbindung gesetzt werden. Das 
ässt sich zwar in leichter Weise erzielen, das erstere 
kann nur durch Anbringung eines besonderen Schiebers vor 
der Oeffnung bewirkt werden. Bei der 35. Schule ist zur 
Erreichung der verschiedenen Zwecke 
der \ erschluss mit 2 Klappen angewen- 
det (Fig. 2). welcher allerdings weniger 
be<mem ist. Beide Klappen drehen sich 
um horizontale von aussen stellbare Ach- 
sen, die eine liegt unmittelbar über, die 
andere unter der Kanalmündung: es ist 
l< i' ht ■ rsii htlicli . wie dun Ii horizon- 
tale resp. vertikale Stellung der einen oder anderen resp. 
beider Klappen Alles etwa Angeführte erreicht wird. Ks 
lassen sich wohl noch andere F.inrichtnngen treffen, doch 
wird immer einfachste Konstruktion mit leichtester Hand- 
habung vereint sein müssen. Selbstredend muss auch vor 
der unteren Ventilationsöffnung ausser dem Verschluss ein 
Drahteitter angebracht sein. Die obere Oeffnung, welche 
nur für die Soinmerventilation in Funktion tritt oder wenn 
beim Heizen eine zu hohe Temperatur 
vorhanden ist, erhält als Verschluss 
eine einfache Jalousieklappe oder einen 
Schieber. 

Zur Erzielung der Ventilation nnd 
selbst zur Beförderung der Zirkulation 
gehört die Zuführung frischer Luft zur 
Heizkammer. Der hierzu dienende Ka- 
^ IL nu ' i ' n (UM Fensternische abwärts, 
j dann unter der Kellersohle auf möglichst 

kurzem Wege direkt nnter den Apparat 

Ig, jjäl Int, s'. Ii! also durch die Fetistcr- 

,! j Öffnung mit der äusseren Luft in Verbin- 

' r -* dun«. I>a der Kellcrruurn an dieser 
Stelle sowohl erleuchtet als nach aussen 
abgeschlossen sein muss, so ist ein Fen- 
______ stl '' 1 ' '^'* < ' l ' rar t angebracht, dass es 

™ sich um eine obere horizontale Achse 

dreht, die mitten über dem Luftschacht 
liegt. Das Fenster ist für gewöhnlich nach innen gestellt, 
so dass die Luft von aussen in den Kanal treten kann. Bei 
stürmischem Wetter indess. wo beträchtliche Störungen in 



der Beheizung eintreten können, wird das Fenster nach 
aussen gestellt und die Luft aus dem Innern des Souterrains 
entnommen, das natürlich in der Nähe mit der Anssenluft 
in Verbindung stehen mnss. Der Znführungskanal erhält 
einen um '/i grösseren Querschnitt, als die von der Heiz- 
kammer abgehenden Heizkanäle zusammen haben, und ist 
am Anlang mit einem Drahtgitter und einer Drosselklappe 
versehen, durch welche der Finlass der Luft sowohl regu- 
lirt als auch ganz gehemmt werden kann. 

Um die Reibung der Luit in den Kanälen möglichst zn 
verringern, sind die Innenflächen derselben so glatt wie 
möglich und soweit es die Zuführungs- und Heizkanäle be- 
trifft, ohne Verputz mit fehlerhaften Verblendsteinen sauber 
im Rohbau hergestellt, um Staubbildung durch abfallenden 
Kalk zu verhindern. Auch die Heizkammer sollte stets in 
gleicher Weise hergestellt werden. Bei einer in Ausführung 
begriffenen Schule werden besonders geformte viereckige 
0,ß5~ lange Thonröhren von entsprechendem Querschnitt zur 
Bildung der Heizkanäle verwendet, indem sie einfach stumpf 
anf einander gesetzt und vem. uert werden, was sowohl hin- 
sichtlich der Kosten als der Arbeit mit bestem Erfolg ge- 
schieht. Diese Thonröhren gewähren gleichzeitig ein Mittel, 
selbst in schwächeren Wänden noch 0,2»;™ weite Kanäle an- 
zulegen und bei Einführung der Luftheizung in alten Ge- 
bäuden mit geringeren Stemroarhciten auszukommen. 

Die Heizap|>arate in der 35. Schule sind von Heckmann 
& Zeltender in Mainz geliefert und denen vollkommen gleich, 
welche nach der Mittheilung in No. 47 des Jahrgangs 1870 
dieser Zeitschrift für Jie Luftheizung im Niederschlesischen 
Bahnhof hierselbst verwendet sind. Für die 55. Schule in 
der f'horinerstrasse und die 31. Schule in Moabit hat die 
Firma Kniebandel und Wegner, für die öl. Schule in der 
Stralsnnderstrasse .1. Laporte bierselbst die Apparate geliefert. 
Diese in der Hauptsache ans Eisen konstruirten Apparate 
sind äusserlich ganz verschieden, im Wesentlichen aber nach 
dem Prinzip konstruirt, die zuströmende Luft entgegen dem 
Feuerstrom zu führen, eine möglichst grosse Heizfläche her- 
zustellen bei möglichster Konzentrirnng des Apparates, und 
diesen soweit mit Chamotte auszukleiden oder ganz massiv 
aus Stein zu errichten, als die direkte Einwirkung der Stich- 
flamme ein tilühendwerden des Eisens befürchten lässt. 

Es verdienen hierbei diejenigen Apparate den Vorzug, 
welche so konstruirt sind, dass sie jederzeit ein Betreten der 
Heizkammer, die zu diesem Zweck mittels einer gut schlies- 
senden eisernen Thür vom Keller zugänglich gemacht ist, 
gestatten, wie es in der 35. Schule der Fall ist. Jede Heiz- 
kammer ist ferner mit einein langen, flachen, von aussen 
zu füllenden Gcfäss zur Wasserverdunstung versehen. 

l'm den Lieferanten der Heizapparate die volle Verant- 
wortlichkeit für die gehörige Wirksamkeit derselben aufzu- 
erlegen, sind sie kontraktlich verpflichtet worden, den ersten 
Winter hindurch die Heizung selbst zu besorgen, dazu die 
Kohlen zu liefeni. den Heizer und die Hoizgeräthscha/ten 
zu stellen und vorkommende Reparaturen zu besorgen. Es 
war dabei Bedingung, dass die Klassen bei allen äusseren 
Temperaturen bis — !<>• zu jeder Zeit von Morgens H bis 
Nachmittags 4 Uhr eine Temperatur von 14 — 17« R. bei 
voller Wirksamkeit der Ventilation haben müssten. Bei der 



sen Mitte eine p> ramideufönnige Spitze sich erhebt, so sind 
eigentlich diejenigen Arbeiten genannt, bei denen Auffassung 
und Fonnenbehandlung doch noch cinigermaassen der Auf- 
gabe entsprechen. Bei den übrigen Arbeiten können höch- 
stens die Grnnduiotive angeführt werden, nach denen sie 
gedacht sind. Man begegnet unter ihnen der bekanuten ma- 
geren gotbischen Spitzsäule, ferner kapellenartigen gothischen 
Bauten, bei denen die schematisch dekorative Verwendung 
des Stiles ebenso unerfreulich wie die (iesammtsilhonette 
erscheint, und im Gegensatz dazu griechischen Rundtempeln 
mit antiken Säulenordnungen in verschiedenen Geschossen, 
langgestreckten an der Bergwand sich hinziehenden Hallen 
im Charakter von Kurhallen, endlich auch jener Gattung von 
Kutwürfen, die sich als rüthselhafte Produkte einer ganz ab- 
normen Phantasie dokumeutiren. 

Mit wenigen Worten sei endlich noch der Bildhauer- 
werke gedacht. Fast noch als architektonisches Werk ist 
die Arbeit .Ehre Vaterland und Kaiser* zu bezeichnen, eine 
kolossale kandelaberartige Säule, zu welcher endlos breite, 
an der Baustelle gar nicht anzulegende Stufenreihcn hinauf- 
führen, deren Podeste mit Relieftafeln und Fignrengruppen 
geschmückt sind. Auch die Arbeit „Meissel und Schwert- 
nimmt ilie Architektur entschieden zu Hülfe, indem sie eine 
quadratische baldai hinartige Säulenhalle grössten Maasstabes 
aufhaut und dahinter sowie davor auf den Ecken Reiter- 
statueu uud Figurengmppen anorduet. denn Maasstab in- 
dessen der Architektur gegenüber fast winzig erscheint. Der 



sehr breit gelagerte Sockel würde jede perspektivische Wir- 
kung lM-eintriichtigen. 

Ausschliesslich als Bildhanerwerk, doch immerhin mit 
Verständniss für die Situation komponirt und auch in üb- 
riger Hinsicht entschieden die hervorragendste nnter den 
Arbeiten dieses Gebietes zeigt sich der Entwurf mit dem 
Motto: r Im Kriege stark, im Frieden gross*. Eine jugend- 
liche Germania, sich selbst kröuend, thront auf einem mäch- 
tigen Postament, zu dem Terrassen und Treppenarme hinauf- 
führen; Krieg und Frieden als zwei Jünglingsgestalten stehen 
zu den Seiten. Für eine andere Stelle, wo sie nicht mit 
der Natur an Bedeutsamkeit zu wetteifern hätte, wäre die 
Arbeit als wohlgelungen und ausführbar zu bezeichnen. 

Die anderen Arbeiten zeigen meist die bekannten Typen 
einer Mittelfigur mit Eckgruppen, einer statueutragenden 
Säule mit fignrenreichem Postament, in mehr oder weniger 
geschickter Ausführung. Eines Entwurfes aber muss noch 
gedacht werden, jenes mit dem Motto: „Dein deutschen Geist 
der Sieg", weil er. obgleich mit vieler Virtuosität vorgetra- 
gen, doch wie kein anderer dem Sinne der Aufgabe dia- 
metral entgegensteht. Eine Germania thront auf einem 
Postamente mit vier Eckgnippen, die durchaus in der Art 
eines jener Brunnen der Zopfzeit mit ühermüthiger Frivo- 
lität behandelt sind. Es lohnte sich wahrlich nicht, dem 
gegenüber den „deutschen Geist* anzurufen. 



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— 319 



.15. Schule erhielt der Fabrikant für die Heizung täglich 
7 Pf. pro 30,!> kb m (l(XX)kb') geheizten Raums und eine 
Entschädigung für Stellung des Heizers. Bezahlt wurden 
dabei nur die Tage, an denen wirklich eine Heizung statt- 
gefunden hatte. Dieser Preis erscheint mit Rücksicht auf 
die erste Heizperiode, die ausfallenden Tage, welche eine j 
starke Abkühlung der Räume zur Folge haben inussten, und 
in Anbetracht der jedenfalls stärkeren Ventilation als bei j 
andern Heizungen, nicht hoch, wenn ausserdem berücksich- i 
tigt wird, dass der Unternehmer, um vor Verlnsten gesichert i 
zu sein, einen möglichst ungünstigen Winter voraussetzen ) 
musstc. 

Die Heizung in der 35. Schule begann in der Regel 
nicht vor 5 Uhr früh und war um 7, 7'/. Uhr, an kälteren 
Tagen um 8 Vi Uhr beendet. Die Ventilationsklappen waren 
meist TagB zuvor nach Schluss des Unterrichts bereits auf 
Zirkulation eingestellt und verblieben bis kurz vor Beginn 
de« Unterrichts, also auch beim Feuern, in dieser Stellung. 
Dabei musste der Zuführungsschacht für die frische Luft 
zum Theil geöffnet werden, da sonst bisweilen die Erschei- 
nung eintrat, dass die Zimmerluft sowohl durch den Zirku- 
lationskanal als durch den Heizkanal nach der Heizkammer 
abströmte; es erklärt sich dies dadurch, dass die Luft in 
den höheren Kanälen stärker aufwärts strömte als in den 
kurzen und dass dieselbe sich auf kürzestem Wege in der 
Kammer zu ersetzen strebte. Konnte der theil weise Zufluss 
der Luft zur Kammer auf kürzerem Wege als durch die 
kürzesten Rückleitungskanäle, d. h. durch den Hanptznfüh- 
rungskanal erfolgen, so trat sofort der normale Zustand ein, 
d. h. es erfolgte in allen Zimmern die Zirkulation gleich- 
müssig. Zeigte sich, dass einzelne Klassen in der Erwär- 
mung zurückblieben, so wurden diese erst allein geheizt und 
dann allmälig die HeizöfTnungeu der anderen Klassen ge- 
ötfnct. 

Um Abweichungen von der normalen Temperatur sofort 
beseitigen zu können und Störungen des Unterrichts zu ver- 
meiden, hatte während desselben nicht der Heizer die Klap- 



pen für den Ein- und Austritt der Luft in den Klassen zu 
reguliren, sondern die sammtlichen Lehrer wurden mit der 
Einrichtung des Heizsystems und der Handhabung und Be- 
deutung der Verschlüsse vertraut gemacht, so dass sie deren 
Regulirung selbst vornehmen konnten; ausserdem hatten sie 
den ganzen Winter hindurch stündlich die betreffenden Zim- 
mertemperaturen zu notiren, zu welchem Zweck jede Klasse 
mit einem Thermometer versehen ist. Diese Heiztabellen, in 
denen ausserdem die äusseren Temperaturen an den entge- 
gengesetzten Fronten des Gebäudes, die Windrichtung, das 
Wetter und der tägliche Kohlcuverhraucli notirt wurden, 
hatten den Zweck, sowohl den Effekt der Heizung beurthei- 
len zu können als um festzustellen, wieweit der Unterneh- 
mer der Heizanlage seinen kontraktlichen Verpflichtungen 
nachgekommen sei. Da wohl selten Gelegenheit sein dürfte, 
derartige Heiztabellen in solcher Genauigkeit und Vollstän- 
digkeit aufzustellen, indem für jede der lf> Klassen ein be- 
sonderer Beobachter vorhanden war und die Notirungen mit 
dem Schlagen der Srhuluhr erfolgten, so verdienen sie auch 
eine entscheidende Bedeutung. Es geht aus ihnen hervor, 
dass mit seltenen Ausuahmcn und geringen Abweichungen 
um H Uhr Morgens eine Temperatur von 13— 14« R. in allen 
Klassen vorhanden war und bis 4 Uhr Nachmittags an- 
dauerte. In der Regel stieg die Temperatur gegen Mittag 
um etwas durch die Anwesenheit der od bis 70 Kinder jeder 
Klasse und mit dem Steigen der üussereu Temperatur. In 
den der Wirkung der direkten Sonnenstrahlen ausgesetzten 
Klassen erhöhte sich die Wurme bisweilen bis auf 1!»« und 
20*, so dass das Oeffnen der oberen Veutilationsöffhung resp. 
eines Fensterflügels oder der Thür uöthig wurde, um Ab- 
kühlung zu bewirken. 

Die kältesten Tage des Winters zeigten zur Schulzeit 
— Ii' äussere Temperatur, hatten jedoch keinen andern 
Einfluss auf die Beheizung als einen grösseren Brennmate- 
rialverbrauch pro Tag. 

(Sohliua folgt.) 



Mittheilungen aus Vereinen. 

Ostprensslsoher Ingenieur- und Architekten - Verein. 



Monatsversammlung am Donnerstag den 

Nachmittage wurde von den Mitgliedern in 



a. September 1K72. 
tgliedern in Begleitung 
ihrer Damen der von der hiesigen Maschinenbau- Aktien-Ge- 
sellschaft Vulcan bei dauernder Lieferung solcher Apparate für 
die Bernsteingräberei am Ostscestrande verbesserte Taucher- 
apparat besichtigt und gleichzeitig ein Taucher in den Pregel 
geschickt. Die Fabrik hat das anerkannt beste System: Koux- 
quayrol-Denayroux als Grundlage adoptirt Die Verbesserungen 
bestehen vornehmlich in Folgend 

1. eine solidere und angeme 
reservoirs, welches mit Entleer 
sich in demselben schmutziges Wasser ansammelt. 

2. Verbesserung des Ziehbandes, wcIcIicb das Kalottenventil 
am Tornister befestigt, und des Ziehbandes, mit welchen der 

mianzug an den Helm angedrückt wird, wodurch eine grös- 
Sichcrheit für den Taucher erreicht ist. 



Konstruktion des Luft- 
aube versehen ist, da 



3. Die sämmtlichen Schlaucbausatzstücke an Pumpe, Belm 
und Tornister werden aus ganz zäbein Metall voll gegossen 
und gebohrt. 

Der Preis eines Taucherapparats mit 2 Taucheranzügen 
stellt sich auf 750 Thlr. 

Gleichzeitig wurde der in den Spanten stehende und zum 
Lootsendienst für Pillau bestimmte eiserne Schraubendampf- 
Schooner besichtigt, da» erste eiserne Seeschiff, welches hier ge- 
baut wird. 

In der wegen Anwesenheit der Damen kurzen Abendver- 
ung wurde Bauinspektor Queisner (Hohenstein) als Ver- 
des Vereins lür di 



die Karlsruher Versammlung gewählt 
und referirte der Vorsitzende Herzbruch über einen Versuch, 
den er in Pillau mit eiuem von M. Holmes erfundenen unaus- 
löschlichen Signalfeuer gemacht habe. In eiuer dicht ver- 
nchlossencn lauglichen Blechbüchse haben sich circa 900 Gramm 
Phosphor Calcium befunden, und sei dieselbe durch ein Brett- 
stück auf dem Wasser schwimmend erhalten. Bevor die Büchse 
ins Wasser gesetzt wurde, sei unten am Boden ein Loch in die* 
selbe zum Einströmen des Wassers gemacht, und oben die 
Spitze abgeschnitten, wodurch sich selbst entzündendes Phos- 
phor-Wasscrstoffgas entwickelt sei. Die 0,1 — 0,15 m starke und 
circa 0,6"> hohe Flamme habe das Dampfboot und das Lootscn- 
boot, mit welchem man V» — 1 Meile in See gegangen war, so 
hell erleuchtet, dass man vom Leuchtthurm Schiff und Menschen 
deutlich unterscheiden konnte. In ziemlich starker Schwellung 
erhielt sich das Feuer circa Stunden und erschien in ■/» bis 
Vi Meile Entfernung als ein starkes Blickfeuer. In der Nähe 
konnte Jede Arbeit deutlich verrichtet werden in einem erleuch- 
teten Kreise von circa 20 —25"'. Für den Lootsen- und Rettungs- 
dienst müsse dieses Signalfcuer besonders empfohlen werden 
und würde dort vielfache und zweckentsprechende Verwendung 



Vermischtes. 

Ueber den Ettling - oberliindischon Kanal liegt uns der 
von seinein Erbauer, Hrn. Baurath Stceukc, im ostpreussischen 
Ingenieur- und Architektenverein als Vorbereitung zu einer 
Vereiusexkursinn*) gehaltene Vortrag vor. Wir entnehmen dem- 
selben (unter Hinweis auf die im Jahrgang 18451 der Zeitschrift 
für Bauwesen enthaltene Publikation über den Kanal) folgende 
Notizen. 

Als Beweis für die Wichtigkeit und den Nutzen des Kanals 
ist die sehr viel bessere Verwerthuug des Holzreichthums der 
oberlfindischcn Waldungen, die er ermöglicht, anzuführen. An- 
fangs der vierziger Jahre wurden in der Gegend von Osterode 
mehre 100 Klafter schönes Kiofcrriklobcnholz zu 5 Sgr. die 
Klafter verkauft, 1845 galt dasselbe Holz 14 Sgr., 1872 175 Sgr. 
Durch Erweiterungen de» Kanalgebietes wird der Verkehr noch 
gehoben werden. Die erste der Art ist in Angriff genommen : 
die Verbindung des Dreweuz- und Schillingsecs bei Osterode, 
ein Bau. der etwa 110000 Thlr. kostet. 

Leider lässt die Taritiruug des freilich sehr massig bemes- 
senen Kanalzollcs zu wünschen übrig. Die Skala regulirt sich 
von 5 zu 5 Last ä 2000 k - Für 5 Last werden im Ganzen (auf 
der 26 Meilen langen Wasserstrasse) 20 Sgr. bezahlt. Die 
Schiffe sind in grossen Differenzen gemessen. Es giebt Schiffe 
von 14 und von 27 Last, während die wahre Differenz vielleicht 
4 Last beträgt. Ungerecht und höchst nachtheilig ist die Beur- 
thcilung, ob das Schiff leer (dann zahlt es nur V. des Kanal- 
zolles) oder beladen. Bei 10 Ztr. Laduug passirt das Fahrzeug 
als leer, bei 11 Ztr wird es als voll beladen berechnet. Die 
Folge ist, dass kleine Ladungsposten von 50 bis 100 Ztr. nicht 
mitgenommen werden, sondern warten müssen, bis der Schiffer 
lohnende Fracht erhält. Der Vorschlag des Hrn. Steenke, den 
Zoll nach dem Maass der Eintauchung zu berechnen, hat leider 
noch immer keine Beachtung gefunden. 

Ein zweiter Uebelstand und grosser Nachtheil ist der Mangel 
an Treidelstatinnen, welche — bei 10 bis 12 Schiffen täglich — 
alle Viertel Meilen errichtet werden müssten. 

In Betreff der geneigten Ebenen (1:12) ist zu erwähnen, 
dass, wiewohl sie darauf eingerichtet sind, ein aufwärts gehen- 
des mit einem abwärts gehenden Schiff gleichzeitig zu beför- 
dern, dennoch jedes einzelne Schiff auch allein sofort befördert 
wird, wenn nicht gerade nur einige Minuten zu warten sind, 
bis das zweite Schiff den Waguii befahreu hat. Eiue Fahrt 
währt in der Regel 10 Dia 12 Minuten, zuweilen auch nur 
8 Minuten. An einem Tage sind schon 72 Fahrten auf der ge- 
neigten Ebene No, 3, welche 24,5"» Höhe hat, gemacht worden. 

Die 35 •< pr. lfd. Meter wiegenden Schieueu der geneigten 
Ebenen ruhen bisher auf eichenen "n ,m starken Langschwellen, 
welche wiederum auf Querschwelleu lagern. Seit 5 Jahren hat 
Hr. Steenke angefangen, die schon schadhaften Schwellen durch 
Betoukörpcr — abgestumpfte Pyramiden von 52 •■■> Höhe, obere 



cd. pm. i»o o. 2*0 d. lfd. . 



d. z H . 



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- 320 — 



Fliehe G8«", untere 52"» im Quadrat, mit abgestumpften Kan- 
ten m ersetzen, und findet, das« sich diese Konstruktion sehr 
gut bewährt. Ein grosser V ortheil liegt darin, dass bei ihr das 
Entgleisen der Wagen nicht mehr vorkommt, ein Ucbclstand, 
der sich sonst doch jährlich 3 bis 5 Mal ereignet und gewöhn- 
lich einen halben Tag Aufenthalt veranlasst bat Die Kosten 
des Betons stellen sich auf 0,36 von denen der eichenen Schwel- 
len. Letztere waren nach 8 und 9 Jahren zu verwerfen, wäh- 
rend die Betons eine unabsehbare Dauer versprechen. Das 
Mischungsverhältnis? ist 1:2:3 oder auch 1:3:4 Zement, 
Grand und Granitbrocken. Ziegelbrocken bewährten sich nicht 
Diese Betons erhalten hölzerne Dübel für die Hakennägel und 
werden in 39 Zwischenraum, diagonal, in Rio? gelegt- Be- 
dineung ist eine angemessene Zeit zum Erhärten- Ein Beton 
enthält ca. 0,19 kb», eine Masse, die nicht leicht durch und 
durch bindet, selbst bei den schönsten schnell bindenden und 
erhärtenden Zementen. 

Verwendung tn Drnanlt ia Ets-Spmjrnigei. 

Die anhaltende strenge Kälte des letzten Winters hatte an 
einigen Stellen der Khone, wo diese Lyon durchfliegst, Anhäu- 
fungen von Eismasken hervorgebracht , welche die zahlreichen 
schwimmenden Etablissement« auf diesem Strome ernstlich be- 
drohten und beim Eisgänge schwere Unfälle vcranlassn konnten, 
wenn plötzlich eintretendes Tbauwctler mit einem geringen 
Steigen des Flusses zusammentraf. Der Brücken- und Stras- 
senbau -Ingenieur Gobin, vou Besorgnis« über diese Sachlage 
erfüllt, führte am 16. und 17. Dezember v. J. Versuche über 
die Anwendung des Dinamyts zum Sprengen des Eises und zum 
Enteisen des Fahrwassers aus. Diese Versuche wurden strom- 
abwärts bei der Lafayette-Brücke unternommen und waren von 
ausserordentlichen Resultaten begleitet 

Die Verwendung des Dynamits zu diesen Zwecken bedarf 
jedoch einiger spezieller Vorkehrungen. Die Explosion einer 
auf das EU gelegten und mit einer Lage Sand oder Thonmörtel 
bedeckten Dynamitpatrone erzeugt blos ein Loch, ohne dass 
längere von demselben ausgehende Spalten entstehen, selbst 
nicht nach der Richtung des geringsten Widerstandes; ein Effekt, 
welcher übrigens mit der sonst bekannten Wirkungsweise dieses 
Explosivstoffes durchaus übereinstimmt. Um von einer, eine 
bedeutende Fläche eiunebmenden Eismasse grosse Blöcke loszu- 
sprengen, muss man einen nach der Seite ihres Randes gerich- 
teten , fast horizontalen Druck hervorbringen ; dieser Zweck 
wurde nun in folgender Weise erreicht: 

Auf 14™ Entfernung von dem freien Rande des 18 bis 20»«" 
starken Eises wurde mit dem Eisbeile parallel zu jenem Rande 
ein Einschnitt vou 1» Länge und 4 bis 5»» Tiefe hergestellt, 
welcher im Schnitt die Form eines V hatte, und zwar so, dass 
seine dem Rande am nächsten befindliche Fläche vertikal war, 
die andere eine sehr sanfte Böschung bildete. Das Dynamit 
wurde in eine Zündwurst von 80*» bis 1° Länge geladen, diese 
wurde, um da« Gefrieren zu vermeiden, mit Sägespänen und 
Wachspapier umgeben. Nachdem die Patrone in dieser Weise 
vorgerichtet und mit einem Zünder versehen war, wurde sie in 
den Einschnitt, gegen die vertikale Fläche desselben gelegt und 
dann etwas stärker auf der abgebuchten Seite mit einer 3 bis 
4'» dicken Sandschicht bedeckt, um die Explosivkraft auf die 
vertikale Fläche zu richten. 

In Folge der Explosion entstanden mehre, im Allgemeinen 
dem Rande des Eises parallele Spalten, welche auf jeder Seite 
40 bis 50™ Länge hatten. Bei einer Explosion entstand sogar 
eine Spalte, welche an der einen Seite 58™ und an der anderen 
Seite 160" Länge hatte. Jede Zündwurst war mit nur 210s 
Dynamit geladen. Auf diese Weise wurden Eisblöcke von 
enormer Grösse loggesprengt, denn sie ergaben in drei bis vier 
Stücken eine Fläche von 100 bis 200 □». 

Um diese Blöcke mehr zu zerthcilen, hatte sich nach- 
stehendes Verfahren mit dem besten Erfolge bewährt. Man 
bohrte in der Mitte des Eisblockes in ungefähr 8« Entfernung 
von dessen Rändern ein Loch von 8 bis 10 •■ Durchmesser und 
führte in dasselbe eine gewöhnliche, in einem dichten Gutta- 
percha-Zünder befestigte Dvnamit-Patronc ein, an der ein Holz- 
stück angebracht war, welches sich in der Querricbtung des 
Loches auf das Eis stützte und das Ganze im Wasser schwe- 
bend erhielt; hierbei kann man das Ende des Zünders mittels 
eines Eisstückes am Rande des Loches festklemmen. Die Länge 
des Zünders wird so berechnet, dass sich die Patrone ungefähr 
in 70 Tiefe unter der unteren Fläche des Eises befindet; 
nach den hierbei gewonnenen Erfahrungen ist dies die geeig- 
netste Distanz. Bei grosserer Stärke des Eises muss man diese 
Tiefe vermindern und umgekehrt. Die Patronen erhalten nur 
17 bis 35* Dynamit; durch ihre Explosion wird das Eis gehoben, 
wobei strahlenförmige Spalten von 10 bis 30" Länge entstehen. 

Diese submarine Minensystem kann nur in 7 bis 8» Ent- 
fernung vom Rande der zu sprengenden Eismasse angewendet 
werden; den günstigsten Erfolg hat es bei schon losgelösten 
und nach allen Richtungen beschränkten Eisschollen. Es ist 
unbedingt nothwendig, die Patrouen vor ihrer Anwendung auf- 
zudornen und durch rasches Opcrircn ein Gefrieren des Dyna- 
mits zu verhüten; dasselbe erhärtet nämlich bei einer Tempe- 
ratur unter 7* C. uud cxplodirt in diesem Zustande nicht, des- 
halb ist es zu empfehlen, die in das Wasser einzusenkenden Pa- 
tronen mit Sägespänen zu umgeben und sie in derselben Weise 
wie die Zündwurstc mit einer zweiten Hülle von Wachspapier 



zu versehen. Die Anwendung von Zündwüraten hat keinen so 
guten Erfolg, wenn das Eis dünner oder weniger fest ist, man 
muss alsdann die Ladung vermindern und das Dynamit mit 
etwas Sägespänen mengen, um seine Wirkung abzuschwächen. 

Mittels dieses Verfahrens war man im Stande, au einem 
Tage 50000 n» Eis zu entfernen, welche« da« Bett der Rhone 
zwischen zwei Brücken verstopfte; zu dieser Arbeit waren vier 
Männer hinreichend und betrug der ganze Kostenaufwand nicht 
über 40 Francs. 



Abstürze 



lür 



Um die 



Entladung der offenen Eisenbahnwagen zu erleichtern, bat der 
Fabrikant John Fowler in neuester Zeit einige sinnreich kon- 
struirt« Abstürzvorrichtungen für Eisenbahnwagen angefertigt, 
welche für die Egyptischcn Bahnen bestimmt eind. Diese Vor- 
richtungen bestehen im Wesentlichen aus einer starken eisernen 
Plattform, welche ein Gleisstück von etwa der Länge eines vier- 
räderigen Güterwagens trägt und um eine feste Drehachse, die 
in der Läugenrichtung des Gleises in etwas grösserer Röhe als 
die Schienen -Oberkante, liegt drehbar ist. Ferner ist diese 
Plattform durch starke Gegengewichte, welche darunter hängen, 
so balancirt, daas der gemeinsame Schwerpunkt der Plattform 
und des darauf stehenden Eisenbahnwagens, wenn der letztere 
beladen ist, über und wenn derselbe leer ist, unter der festen 
Drehachse liegt Die Querträger der Plattform stützen «ich 
mit dem einen Ende, wenn die Plattform horizontal liegt, mit 
dem andern Ende, wenn dieselbe seitwärts geneigt ist, auf kreis- 
runde elastische Auflager, welche ähnlich wie Wagenbuffer kou- 
struirt sind, um die Stösse bei Bewegung der Plattform abzu- 
schwächen. Zu gleichem Zweck dient eine Bremse, die gegen 
ein gusseisernes Kreissegment wirkt, welches quer zur GlcLs- 
richtung unter der Plattform befestigt ist. Durch eine beson- 
dere llebelvorriehtung wird die Plattform in horizontaler La»e 
festgestellt oder, falls der auf die Plattform geschobene Wagen 
gekippt und entladen werden soll, so wird jene llebelvorrieh- 
tung ausgelöst, uud man kann dann mit leichter Mühe die Platt- 
form mit dem daraufstehenden beladenen Wagen kippen. 
Ebenso ist e« nach beschaffter Entleerung des Wagens sehr 
leicht, die Plattform mit dem leeren Wagen wieder in die an- 
fängliche horizontale Stellung zurückzuführen. Damit der Wagen 
I bei dieser Bewegung nicht ganz umkippt, wird er in der schrä- 
gen Stellung, welche er bei der geneigten Lage der Plattform 
annimmt, durch Ketten, welche seitwärts neben dem Gleis an 
Pfählen befestigt und von dort aus nach den Scitenbords des 
Wagens geführt sind, gehalten, auch durch eine Kette mit 



Schraubenkuppelung an der Seite der Plattform, welche beim 
Kippen sich aufwärt« dreht, mit der Plattform fe«t verbunden. 
Neben der Gleisschinne auf derselben Seite der Plattform sind 



2 Winkcleisen angebracht, zwischen deren senkrechten Kippen 
die Wagenräder nicht seitwärts gleiten können. Diese Winkcl- 
eisen dienen als Zwangsschiencn zur Sicherung de« Waeens 
beim Abstürzen. Damit das Abstürzen erleichtert wird, liegt 
die Drehachse Im Grundriss nicht genau in der Läugenachsc 
der Plattform und des Gleises, sondern etwas seitwärts. 

(Ztg. d. Vor- dtaebr. Eiscnb.-Vcrw.; 



Personal - Nachrichten. 

Preussen. 

Ernannt: Der Kreisbaumeister Ilartmann in Worbis 
zum Bau - Inspektor in Arnsberg. Der Baumeister Schorn in 
Wilhelmshaven zum Kreisbaumeister in Burgdorf. Der Eisen- 
bahn-Baumeister Scotti in Eschweiler zum Eisenbahn - Bau- 
Inspektor und Vorsteher des technischen Bureaus der Nieder- 
«chle«isch-Märkischen Eisenbahn in Berlin. Die Baumeister 
Scbwedlcr und Jungnickel zu Eisenbahn -Baumeistern |in 
Ratibor nud Breslau. Der Bauinspektor Döbbel in Belgard 
zum Ober -Bauinspektor bei der Königl. Regierung in Cöslin. 

Den Charakter als Baurath hat erhalten: Der Bau- 
inspektor Regenbogen in Marburg. 

Gestorben: Der Baumeister Buchholz in 



Brief- und Fragekasten. 

Hrn. H K. in Glessen. Quellen, aus denen wir nähere 
Information über die Frage einziehen könnten, stehen uns 
nicht zu Gebote. Doch scheint es ebenso zweifellos, dass nach 
der betreffenden KabineUordrc Offiziere der Infanterie . welche 
beim Bau oder Betriebe von Eisenbahnen angestellt sind, sich 
eventuell zur Reserve des Eisenbahn-Bataillons versetzen lassen 
können, wie dass dos Studium an einer Polytechnischen Schule 
unmöglich als eine Beschäftigung im Eisenbahndienste ange- 
sehen werden kann. 

Hrn. St. in Berlin. Wir rathen Ihnen, sich vorläufig 
noch einmal an den Vorstand der Dresdener Börse zu wenden. 
Die Nichtbeantwortung Ihrer an ein einzelnes Mitglied de« Vor- 
standes gerichteten Briefe kaun anderen Ursachen zuzuschrei- 
ben sein. 

Hrn. B. F. M- in München. Eine gedruckte Norm über 
da« für die Anfertigung von Bahnhof« -Geleise -Plänen zu zah- 
lende Honorar existirt unseres Wissens nicht. Falls auf der 
bevorstehenden Abgeordneten -Versammlung des Verbandes deut- 
scher Architekten- und Ingenieur-Vereine eine allgemeine Norm 
für da« Ingenieur -Honorar vereinbart wird, würden Sie viel- 
leicht an dieser einen Anhalt finden. 



Kommiuio 



•« too C«rl B..IUI In 



tm G.brid.r rickttlU 1 



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Jahrg. VI. M40. 

DEUTSCHE BAUZEITUNG 



KadtkUaa i. Ii»*aitio«: 
feerUa, Ofiatf ttitm I 191. 

B« 1 1« 11 OB (Ml 



Organ des Verbandes 

deutscher Architekten- ind Ingenieir-Yereine. 

Rodakteur X. E 0. Fr i 1 1 ch. 



Innrate 
f«r die l/»r rtrf IreUchen 
HuielUar Inden Aufnahme 

In der 6r»lh-B«tU«: 

Pr. 



Preis 1 Thaler pr« Quartal. 


Berlin, den 5. 


Oktober 1872. 


Kr^fhfiHt jf de n Stl . .1 ml 


Xnbalt: Verband deu Ue bor Architekten und Ingenieur -Verein« (Scillase). 
— Die XVI. Wnndrfreruintnlunc, dvut»e.|wr Architekten und Ingenieur« in fcUrle- 
rahe. — Die Aiuaielluna; allerer kuiiet|r«w.'rMicn*r tiat»»etänite In K."i«il,llrlMin 
Zeuctiaueo ,u Berlin. - l-uflheieiir.r.en in Berliner Geeneindeachuleei (gchlina.) 


V er m lach t*a: Cnl*T»ti**nun|t*:« .Irr »lid tttditn Hrunntn, — K oiikur r *n **> n ; 
UonntM ■ Aufnitl'fn für d*u Arelilt**ktaa -Verein *u RrrMn. — Konkurrent für ttett 
Hau einer nenen BnnccrachuJe In Gotha. — Konkurrent für ein Krim! ha tu in 

b*n«a. — F»r»oaal-Naenrl«tu«n, Brlaf- and Pr..«akaat«n. 



Architektfn- 



(rlehluse). 



Sitzung am 22- September 1872. 

Nach der um 9'/« Ohl erfolgten Eröffnung der Sitzung 
wurde da» Protokoll der Sitzung vom 21. September d. J. durch 
den Schriftführer Hrn. Lauuhardt verlesen und nach einigen 
licrichtigendeu Bemerkungen genehmigt Es wurde beschlossen, 
die Protokolle der jetzt tagenden Angeordneten -Versammlung 
allein in den Spalten de» Verbandsorgans zu veröffentlichen, 
ferner anf den Antrag de« Ilm Kaemp, die nun festgestellte 
Geschäftsordnung durch Ueberdruck zu vervielfältigen. 

Hr. F ritsch berichtet sodann Uber die mit dem Vorstände 
des Vereins deutscher Ingenicure gepflogenen Verhandlungen 
in Betreff einer einheitlichen Bezeichnung der metri scheu Maasse 
und Gewichte. Der Vorstand des genannten Vereins ist davon 
Überzeugt worden, dass durch die von Seiten unseres Verbandes 
vorgenommene Feststellung eine Uebergehung des Vereins deut- 
scher Ingenieure nicht stattgefunden hat und dass die einmal 
von uns angenommene ßezeichnungsweise nicht aufgegeben werden 
kann, wenn nicht die Aufstellung eines anderen und besseren 
Systems gelingt, dessen allgemeine Annahme erwartet werden 
kann. Der Vorstand des Vereins deutscher Ingenieure hat 
darauf die Zusage ertheilt, die Angelegenheit in der jetzt tagen- 
den General -Versammlung nochmals zur Sprache zu bringen i 
und ü i is Krkläruiife't , !j der einzelnen Bezirkavcreuie bja pxw ^ 
nürh ni j U l i l I | i i i i ' ■ Ja M n I 1 1 1 m g rt nzufHl d r Wll*) . ' ***' efc' M» ^ 

Auf den Vorschlag des Vorsitzenden besnhliesst die Ve.r- I 
samnilung, dass die Motivirung der vom Verbände angenomme- 
oeu Bozeichnungsweise noch einmal näher auseinandergesetzt und 
der betreffende Aufsatz den Redaktionen der deutschen techni- 
schen Zeitschriften mit dem Ersuchen mitgetheilt werde, den- 
selben zum Abdruck zu bringen. 

Es wird darauf die in der letzten Sitzung nicht beendete 
Verhandlung über das Verfahren bei der Konkurrenz zum deut- 
schen Reicbstogsgcbäude wieder aufgenommen. Nach längerer 
Debatte gelangt ein von den Hrn. Kaemp und Baumeister 
eingebrachter Antrag zu einstimmiger Annahme, wonach der 
Wanderversammlung, und zwar zuniieh.it der Sektion der Archi- 
tekten, von Seiten des Verbandes die folgende Resolution zur 
Annahme empfohlen werden soll: 

„Wir erkennen noch heute die Grundsätze bei dem Verfahren 
für öffentliche Konkurrenzen nach den Beschlüssen der XV. Ver- 
sammlung deutscher Architekten und Ingenicure in Hamburg 
und des Verbandes deutscher Arckitektcn- und Ingenieur -Ver- 
eine als die richtigen an; wir bedauern, dass bei der Konkur- 
rena für Entwürfe zum deutschen Reichstags - Gebäude diese 
Grundsätze nicht inne gehalten worden sind, und wir hoffen, 
dass späterhin bei allen öffentlichen Konkurrenzen und insbe- 
sondere für eine eventuelle weitere Konkurrenz zum Keichstags- 
gebäude jene Grundsätze befolgt werden." Hr. Hase übernimmt 
es auf Ersuchen der Versammlung, diesen Antrag in der Sektion 
für Architektur bei der XVI. Wandcrversammlung einzubringen 
und zu begründen. 

Man nimmt dann die in der Sitzung vom 21. d. Mts. bis 
beute ausgesetzte Verhandlung über das Honorar für Arbeiten 
aus dem Gebiete des Bauingenieurwesens wieder auf und kommt 
im Laufe der Debatte immer mehr zu der Ansieht, dass man 
sich in der diesjährigen Abgeordneten -Versammlung lediglich 
auf einen Meinungsaustausch in dieser Angelegenheit beschran- 
ken müsse. Man ersucht den Schriftführer, unter Berücksich- 
tigung aller verschiedenen über die Uonoriruug der Bauin- 
genieur-Arbeiten in der Versammlung oder in den Gutachten 
der Einzelvereine hervorgetretenen Meinungeu und Prinzipien 
eine Ausarbeitung zusammenzustellen, welche für die Einzcl- 
vereine eine genugende Grundlage zu neuen eingehenden Be- 
rathungen bilden könne- Bei solcher Lage der Sache wird eine 
Beschlussfassung über die eingebrachten Antrage nicht für 
zweckmässig gehalten und lediglich deren Aufnahme in das 
Protokoll befürwortet. 

jj- y C ^T J^.® n ' c heantragt: ^Im Bau -Ingenieurwesen ist für 




dein Arbeitaaufwande des Ingenieurs oder nach der räumlichen 
Ausdehnung des Baues, nicht aber nach der Bausumm« zu be- 
rechnen", wogegen die Hrn. Baumeister, Schlierholz und 
Launhardt für alle Einzelbauwerke die prozentuale Abmes- 
sung des Honorars nach dem Kostenbeträge des Bauwerkes für 
ausführbar halten und nur bei den Vorarbeiten für bedeutende 
Gesammt -Ausführungen von Eisenbahnen uud dergl. die Be- 
stimmung des Honorars nach den Baukosten für unstatthaft 
anerkennen. 

Herr Funk bfilt bei grosseren, eine gewisse Grcuze über- 
schreitenden Anlagen überhaupt die Normirung nach Prozenten, 
sowohl für die Vorarbeiten wie fjr die Ausführung nicht für 
anwendbar und will die Feststellung der Kosten für jeden ein- 
zelnen Fall einer besonderen Erwägung überlassen. 

Bei Fortführung der Debatte zeigt Bich noch eine Meinungs- 
verschiedenheit darüber, ob die Honorarbeträge im Anschluss 
an den Baumeister'schen Entwurf nur für generelle Vorarbeiten, 
spezielle Vorarbeiten und Ausführung zu tbeilen sind oder ob 
das Gesammt-Honorar nach den aufeinander folgenden Arbeiteu 
in f> Thcilbeträgc zu zerlegen ist, wie von don Hrn. Sehl i er -e 
holz und Keck befürwortet wird. 

Die Trennuug der Bauwerke nach dem Baumateriale, welche 
in dem Gutachten des Stuttgarter und Berliner Vereins aufge- 
(rMvcn worden- ist. wird, twrhoVm sich auch Herr Baumeister 
dafür ausgesprochen hat, dass er dieselbe gern aufgebe, all- 
seitig als unzweckmäßig unerkannt 

Geber Punkt b der Tagesordnung: „Schutz des geistigen 
Eigenthums an Werken der Architektur uud des lugenieur- 
wesens* haben die Vereine zu München und Berlin das Referat 
übernommen. Der letztere hat eine von seinem Mitglied« Hm. 
Jacobsthal verfasste Denkschrift vorgelegt welche in ausführ- 
licher Weise auf die Notwendigkeit des Schutzes für kunst- 
gewerbliche Erfindungen, insbesondere des Musterschutzes 
eingeht 

Herr Heule als Vertreter des bayerischen Vereins bedauert 
die etwas zu einseitig auf diesen einen Punkt gerichtete Teudcnz. 
sowie die späte Einiieferung der Vorlage, in Folge deren wohl 
nur wenige Abgeordnete in der Frage ausreichend informirt 
seien. Er vernusst in der betreffenden Schrift den überzeugen- 
den Nachweis dafür, dass gerade der Verband für den von den 
deutschen Fabrikanten abgelehnten Musterschutz einzutreten 
habe, beantragt jedoch, dass derselbe eventuell geeignete Schritte 
thun möge, um bei Feststellung der in Aussicht genommenen 
Reichtgesetze über den Schutz der Werke bildeuder Kunst uud 
über das Patentwesen auch deu Werken der Kunstiudustrie die 
nöthige Berücksichtigung angedeiheu zu lassen. 

Hr. F ritsch erklärt den Standpunkt der Denkschrift da- 
hin, dass der Verband ersucht werde, als Organ der deutscheu 
Architcktcnschaft sich der Förderung einer Sache anzunehmen, 
welche trotz ihrer Bcdeutuug für die nationale Industrie vor- 
läufig leider von keiner anderen Körperschaft aufgenommen 
werde- Bei dem Mangel an Künstlern, welche sich speziell 
diesem Zweige widmen, seien bisher fast allein die durch ihre 
Vorbildung am Meisten dazu befähigten Architekten die Erfinder 
von Mustern gewesen und daher vorläufig fast allein in der Lage, 
die Bedeutung der Sache und den Werth der künstlerischen 
Erfindung auf diesem Gebiete zu würdigen. Sie, und in ihrer 
Vertretung der Verbund, seien daher auch berufen und ver- 
pflichtet die Bestrebungen einzelner weitblickender Männer der 
Wissenschaft, welche die Erfindung von Mustern der Kunst- 
industrie durch Schutz gegen uubefugte Nachahmung lieben und 
fördern wollen, zu unterstützen, während diu Fabrikanten 



läufig leider noch ihr Interesse darin erblicken, sich kostenlos 
in deu Besitz von Mustern setzen zu können. 

In einer längeren hieran geschlossenen Diskussion bezwei- 
felt Hr. Hase einen wirklichen Erfolg dos Musterschutzes für 
die Förderung der Kunst, welcher durch die völlige Freiheit 
das Schöne nachzuahmen, am Meisten gedient werde. 

Hr. Blankenstein entwickelt dagegen in ausführlicher 
Weise die Bedeutung des Musterschutzes, mit welchem nicht 
am Wenigsten deu Architekten, 



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- 322 



iler vaterländischen Industrie geholfen worden soll, dem vor- 
geschrittene Vertreter schon Einsicht iu die Notwendigkeit 
einer solchen Maussregel zu gewinnen anfangen. Die grösste, 
aber jedenfalls cüic nicht unüberwindliche Schwierigkeit sei die 
Abneigung der Regierungen, welche sich vor Durchführung der- 
selben scheuen. 

Von Seiten der Hrn. Ronier und Sehl Jini i Ich wird auf 
das Verhältnis« tu Frankreich, dessen Muster auch in Deutsch- 
land geschützt seien, und die aus diesem Verhältnisse hervor- 
gehende traurige Lage der Industrie in Elsas» und Lothringen 
hingewiesen. 

Als Resultat der Diskussion ergiebt sich, dass die Versamm- 
lung augenscheinlich nicht abgeneigt ist, der Krage des Muster- 
schutzes das Interesse des Verbandes zuzuwenden, dass sie je- 
doch die Vorberathung derselben tür noch nicht so weit gediehen 
erachtet, um bestimmte Beschlüsse in dieser Hinsieht fassen zu 
kOnncn. Auch wird hervorgehoben, dass jedenfalls nicht dieser 
einielne Punkt, sondern die Frage des Schutzes für die Erfin- 
dungen der Kunst und Technik iu ihrem ganzen, nach der Tages- 
ordnung bezeichneten Umfange erfirtert werden müsse. Der 
Vorort wird beauftragt, eine Denkschrift iu diesem Siuue auf- 
stellen zu lassen und au die Vereine zu versenden, die alsdann 
ihrerseits mit der Frage sich beschäftigen sollen. 

Nach einer halbstündigen Pause wird die Versammlung 
um 1»,.'« Uhr wieder eröffnet; anwesend sind alle Abgeordneten 
mit Ausnahme der Jim. Schlierholz, Delislc und Römer. 

Hr. Funk erhält das Wort, um als eine technische Frage, 
deren liehandluug durch die Einzelvereine als Vorbereitung tür 
die folgende Abgeordneten -Versammlung erwünscht ist, die fol- 
gende von ihm schon iu der ersten Versammlung angeregte 
in Vorschlag zu bringen; .Welche Bestimmungen und Einrich- 
tungen bestehen in den einzelnen Staaten Deutschlands über die 
Ausbildung der Bau-Techniker, und welche Erfahrungen haben 
sich dabei herausgestellt? Man erkennt die grosse Nützlichkeit, 
welch« eine gründliche Bearbeitung dieser Frage, haben würde, 
allgemein an und setzt den Tennin für die Eiulieferuug der 
Arbeiten auf den 1. Mai 187:5 fest. 

Der Vorsitzende Herr Blankenstein stellt zur Erwägung, 
iu welcher Weise die Forderungen für ein Preisausschreiben für 
Schriften über Heizung uud Ventilation wohl am besten fest- 
zustellen seieu, worauf Hr. Kaenip der Versammlung mittheilt, 



dass im Hamburger Vereine für diesen Gegenstand eine 
dere Sektion gebildet worden sei, welche gern bereit sein wurde, 
sich in, der gewünschten Weise ausxuSprpehen. Man nahm die- 
sen Vorschlag des Hrn. Kaomp 'dankend; an. 

Hr. von Egle verlas sodann folgenden von ihm nnd Hrn. 
Krieg redigirten und von einer ausführlichen Motivirung be- 
gleiteten Antrag wegen veränderter Einrichtung der Wander- 
versammlungen , weichen derselbe in der Scldnssitzung d<-r 
XVI. Wauderversamnriung deutscher Architekten und Ingenieure 
Namens des Verbandes einbringen wird, nachdem der Antr.ui 
die ungetheilte Zustimmung der Abgeordiieteuversanimluug ge- 
fuuden hat. 

„Die XVI. Wanderversammlung deutscher Architekten un.l 
Ingenieure wolle (iu Erwägung der vorausgeschickten Motive 
ruug) beschließen, dass künftighin an Stelle der Wanderver- 
sammluugeu bisheriger Art die Wunde rversam m 1 unge.! 
deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine narh 
Maassgabe des Abschnittes III des Verbands-Statuts treten sollen * 

Schliesslich brachte Hr. Höckmann zur Sprache, wie wich- 
tig uud nothwendig es sei, dass alle Fachgenossen sich über d> 
grosse Gefahr klar machten, die in den immer mehr um sich 
greifenden Strikes der Baugewerke liege, und über die Mittel 
nachdichten, durch welche diese Gefahren zu bekämpfen seien: 
er legte zu diesem Zwecke eine Denkschrift des Bundes der 
vereinigten Baugewerke Berlins zur Einsichtnahme aus. Eilte 
längere Diskussion über diesen Gegenstand lies« erkennen, wie 
alle Abgeordneten von der eingreifenden Wichtigkeit die*-* 
Gegenstandes durchdrungen waren. Mau hielt es zur Zeit für 
zweckmässig, den Gegenstand iu der Pleiiarversammlung «Vr 
Wanderversammlung zur Sprache zu bringen uud richtete an 
Hin. Ii Heitmann das Ersuchen, dies übernehmen zu Wullen. 

Nachdem diu anwesenden Vertreter der Vereine deu Wuuscli 
ausgesprochen hatten, dass die nächstjährige Abgcorduetenver- 
samiulung im Anfang August nach Eisenach einzuberufeu vi. 
und nachdetu noch Hr. bunk dem Vorsitzenden und Schrift- 
führer den Dank für ihre Gesehäftsleituug ausgesprochen hatte, 
wurde die Versammlung durch deu Vorsitzenden um 3',, Ihr 
geschlossen. 

Der Vorsitzende Der Schriftführer 
Blankenstein. Launhardt. 



Oie XVI. 



deutscher Archilektea und 

Vom 22. bis 26. September 1872. 



I. Allgemeines. Die Vorbereitungen. Das Fest- 
a Ilm in und die Ausstellung. 
Wie die im Jahre lHtit» zu Hamburg angesetzte XV. 
Wanderversammlung deutscher Architekten und Ingenieure 
i-ii i-i Ii den Krieg um die Führerschaft Deutschlands zwei 
Jahre lang hinausgeschoben worden war, so hat auch die 
für 1*70 nach Karlsruhe einberufene Versammlung durch die 
Ereignisse des Krieges wider Frankreich eine gleiche Ver- 
zögerung erlitten. Schon war seinerzeit der grössere Theil 
der Vorbereitungen beendigt, schon das in seinen Einzel- 
heiten ausgearbeitete Programm öffentlich bekannt gemacht 
worden, als der Huf zu den Waffen ertönte, welcher unser 
Vorhaben ins Ungewisse vertagte. Den siegreichen Erfolgen 
der deut-scheu Waffen, die das Vaterland vor dem drohenden 



Einbrüche des Feindes /n wahren wusslen, haben wir es zu 
verdanken , dass es nicht für immer vereitelt worden ist, 
zum Miudesten doch, dass der Schauplatz unserer XVI. Ver- 
sammlung in der Hauptstadt des badischen Landes bleiben 
konnte. 

So erging im Sommer dieses Jahres aufs Neue eine 
Einladung au die gesammte deutsche Faehgeuossenschati 
uud bereitwillig ist ihr entsprochen worden — bereitwilliger 
fast, als es bei der späten Jahreszeit, der entlegenen l-age 
des Ortes und der gegenwärtigen rastlosen Thätigkeit der 
deutschen Architekten und Ingenieure erwartet werden 
konnte. Eintausend und fünfzig Namen, also ungefähr einc- 
gleiehe Zahl, wie die Hamburger Versammlung, weist die 
am 2.'i. September Mittags geschlossene Liste der Festtheil- 



Die Angstellnitg ftlterer kunstgewerblicher Gegen- 
stände im König!. Zengknuse H Berlin. 

Die letzten Weltausstellungen haben ausser ihrem unmit- 
telbaren Erfolge: der Verbreitung von Wissen und vor allem 
von Selbsterkenntnis« unter den zusammenströmenden Na- 
tionen, auch noch den gehabt, das Ausstellungswesen in 
richtige Bahnen zu lenken und demselben diejenige Stelle 
unter den Hildungsiiiitteln des Volkes anzuweisen, welche 
ihm gebührt. 

Da auf wenigen anderen Gebieten die Anschauung so 
wesentlich von Einfluss auf die Belehrung ist, so machte sich 
die allgemeiner gewordene Einsicht iu die Macht der 
Kunstindustrie vor allein in der Begründung von Museen 
und Ausstellungen geltend. Es Ii an 
durum, die Künstler und Handwerker zu 
vor allem auch das Publikum empfänglich 
der Kuustindustrie zu machen ; eine Aufgabt 
unausgesetzt daran gearbeitet wird, ihre L 
Zukunft erwarten kann. 

So haben, nach vielen Richtungen gmppirt, in neuerer Zeit 
fast überall kleinere Ausstellungen ihn- segensreiche Wirksam- 
keit entfaltet, sei es dass sich iu den Verkehrsmittelpniikton 
ständige Museen dem eingebenden Studium öffneten uud durch 
Wanderausstellungen ihre Schätze noch weiter verbreiteten, 
sei es dass Provinzini -Ausstellungen die Bewohner engerer 
Bezirke zum Schauen und Lernen herbeiriefen, oder Fach- 
Ausstellungen bestimmte Berufsgenossen zn gedeihlichem Zu- 
sammenwirken vereinten. 



lte sich nicht allein 
bilden, sondern 
für die Produkte 
die selbst, wenn 
isung erst in der 



England, Frankreich, Süddeutschland und vor allem 
Oesterreich sind bereits seit einer Reihe von Jahren 
thfitig; bei uns ist, trotzdem die unter Schinkel uud 
Beut Ii bereits begonnenen Vorarbeiten älter sind als alle 
anderen, erst wieder nach der Niederlage auf der Pariser 
Weltausstellung von 1H67 durch Gründung des deutschen 
Gewerbemtiseums versucht worden, durch Ausstellung uwi 
Unterricht vereint die Kunstindustrie zu fördern. Die Schil- 
ler zahl der Unterrichtsanstalt stieg zwar, aber das Intercs»' 
des Publikums für die Ausstellung konnte, wie die Besuchs- 
ziffern ergeben, nicht in wunsehenswerther Weise erweck; 
werden. Mannigfache Ursachen, deren Aufzählung hier zu 
weit führen würde, vor allem die pekuniären Verhältnisse de» 
Instituts mussteii dieses Resultat herbeiführen. Wer kann e» 
ausserdem dem Publikum zumntheii, sieh für liebung des 
Kunstgewerbes zu interessiren , wenn es nach wie vor von 
ausländischen Erzeugnissen oder Kopien nach solchen ülterflu 
thet wird und, danach urthcilend. die vereinzelten eigenen Be- 
strebungen doch für resultatlos halt? — Wenn irgend etwas ge- 
eignet erscheint, dieses geschwundene Iuteresse einigermaassen 
anzuregen, so ist es die Ausstellung kunstgewerblicher Gegen- 
stände im Zeughause, sowohl ihrer selbst als der Hoffnungen 
wegen, welche ein derartig gefördertes Unternehmen für 
die gesammte Angelegenheit des Kunstgewerbes erweckt. 
Der Protektor der Kunstanstalten in Prenssen selbst, der 
Kronprinz, im Verein mit seiner hoben Gemahlin schon seit 
langer Zeit «liesein Gebiete der Kunstthätigkeit stetig fördernd 
und unmittelbar nahe stehend, hat auch diese Ausstellung 
ins Leben gerufen und durch unmittelbare eingehendste 



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— 323 — 



nehmer nach, wobei freilich zu berücksichtigen ist, dass da- 
mals die gleichzeitig, aber an anderen Orten tagenden General- 
versammlungen des Verein» deutscher Ingenieure und der 
deutschen Kunstgenossensehaft uns manchen Abbruch gethan 
hatten, wahrend die ersten* diesmal mit unserer Wanderver- 
sammlnng zusammen liel und fast nach ihrem vollen Bestände 
in sie anfging. 

So interessant eiue statistische Gruppirung dieser 10.W 
Personen nach verschiedenen Gesichtspunkten sich durch- 
führen Hesse, so ist das in der Liste vorliegende Material 
doch leider zu unvollständig und ungenau, als da>s ein sol- 
cher Versuch sich lohnte. Nicht einmal ein sicherer Schlnss, 
wie viele unter ihnen den Architekten, wie viele den Bau- 
oder Maschinen -Ingenieuren ancehören, lüsst sich bei der 
schwankenden Bezeichnungsweise oder Titulatur ziehen, und 
nur so viel möchte sich ergeben, dass infolge des oljen an- 
geführten Umstandes die Zahl der anwesenden Maschinen- 
Ingenieure eine namhaft gröss.-re war als jemals vorher. So 
bleibt mir keine andere t.iuppirung möglich, als die nach 
der Heimathsang. hörigkeit der Theilnehmer, jwic solche in 
einer früheren Mittheilung dieser Blätter (No. ."St. Jhrg. «8 
der Deutschen Bauzcitiing) auch für die Mehrzahl der älteren 
Versammlungen ermittelt worden ist. Preussen als der 
grösste deutsche Staat hat auch die absolut grösste Zahl an 
Mitgliedern der Versammlung gestellt; von den 417 seiner 
l.nndesangehörigcn, welche die Liste aufweist, fällt der 
grössere Theil selltstverständlich auf die westlichen Provin- 
zen. Ä5 Namen gehören Berlin an. Die relativ grösste Zahl 
an Theilnehmern lieferte, wie in allen früheren Fällen, das 
Land, in welchem die Versammlung ihren Sitz hatte; ich 
zähle (wenn meine Scheidung zwischen der Fülle kleinerer 
„ineeu* immer die richtige ist) 2Hi> Namen aus badischen 
< 'rten. Nächst Baden ragt das Königreich Sachsen, wie seit 
alter Zeit, durch eine sehr bedeutende Zahl von Mitgliedern 
hervor — es bat deren nicht weniger als IN), das Densen- 
harte Württemberg hingegen nur . r >5. das grosse Bavern 49, 
Hessen 20 gestellt Letztere beiden Staaten werden von den 
Hansestädten, aus denen im Ganzen 44 Techniker anwesend 
waren, übertroffen. Hie Gcsnmmthcit der übrigen norddeut- 
schen Kleinstaaten war mit 2'.», das Rcichsland Klsass-Loth- 
ringen mit l!l Mitgliedern vertreten. Oesterreich, das in 
der Mi bezahl seiner Söhne an allen I)ingeu, die .drnussen 
im Reich* verhandelt werden, nur schwaches Interesse nimmt 
und daher zu allen auf nichtösterreichischein Boden tagen- 
den Wander -Versammlungen deutscher Architekten und In- 
genieure stets nur eine kleine Zahl von Mitgliedern geliefert 
hat, war dies mal etwas stärker, aber doch nur mit 2'.t, die 
deutsche Schweiz mit X, Skandinavien mit .1, Nord-Amerika 
mit 1 Namen betheiligt. — Es entspricht dieses Resultat im 
Wesentlichen durchaus den früheren Erfahrungen, und wird 
der mit den Verhältnissen der einzelnen Landestheile Ver- 
traute aus ihm ohne Weiteres die bei der Gründung des Ver- 
bandes deutscher Architekten- nnd Ingenieur-Vereine ausge- 
sprochene Ansicht bestätigt finden, dass ein Interesse an den 
bisherigen, nach freier Wahl zusammentretenden Wander- 



versammlungen vorwiegend, ja fast ausschliesslich unter den 
Fachgenossen jener Gegenden sich geltend gemacht hat, in 
denen ein zu ständiger Wirksamkeit orgunisirtes Vereinsleben 
in kräftiger Blüthe steht. 

Nicht gering waren die Schwierigkeiten, welche den mit 
I der Vorbereitung der Versammlung beauftragten Karlsruher 
I Fachgenossen aus dieser freudig übernommenen Pflicht er- 
wuchsen. Mit den an Zahl nur geringen Kräften einer klei- 
neren Stadt, iM ziehungsweise eines kleineren Landes, inner- 
halb räumlich beschränkter Verhältnisse sollten sie leisten, 
was vor ihnen aus der Fülle der in Wien und Hamburg vor- 
handenen Kräfte und Mittel geleistet worden war, und als 
Ehrensache galt es ihnen, hinter diesen Erwartungen nicht 
zurückzustehen. Wohl als einrnüthige dankbare IVherzeu- 
gung aller Fachgenossen darf ich es aussprechen, dass ihnen 
inte in vollstem Maasse geluugen ist. Hie Minderzahl der 
Kräfte ist durch die hingebende Anspannung, die ausdauernde 
opferwillige Thätigkeit der vorhandenen reichlich ersetzt, die 
Differenz «D Mitteln durch eine wohl ülierlegte und glück- 
lich disponirle Organisining ausgeglichen worden. Unter dem 
Vorsitze von Professor Reinhard Baumeister, der an die 
Stelle des in Hainburg zur Leitung der XVI. Wanderver- 
sammlung berufeneu Oberbauraths Gerwig getreten war, 
tagten nnd schafften t! verschiedene Ausschüsse — der Em- 
pfangs-. Dekorations-. Wohnungs-, Exkursions-, Ausstellungs- 
, und Wirtlischafts-Ausschuss — zusammen 57 Karlsruher 
Techniker, denen sich zur Vorbereitung der nach ausserhalb 
| gerichteten Ausflüge noch die Techniker der verschiedenen 
Zielpunkte zugesellten. In nicht geringem Grade wurde ihr 
Werk freilich dadurch unterstützt, dass auch ausserhalb der 
technischen Kreise des Landes und der Stadt die Durch- 
führung dieser Versammlung als eine Ehrensache empfun- 
den wurde und auf das Bereitwilligste Unterstützung fand 
— eine Gunst der Verbältnisse und ein Vorschub, dessen 
sich wohl keine Fachgenossenschaft grösserer Staaten und 
I Städte — am Wenigsten vielleicht die der zum Sitze der 
nächsten Versammlung berufenen Reichshauptstadt • — in glei- 
chein Grade erfreuen kann. Der Fürst des Landes und 
seine Regierung — die Vertretungen der Städte Uarlsruhe, 
Raden und Mannheim, wie nicht minder die Einwohnerschaft 
derselben waren nicht nur jedem an sie gerichtetem Wunsche 
entgpgeu gekommen, sondern hatten sich sogar nicht neh- 
men lassen, ihrerseits zur Förderung der Versammlung bei- 
zutragen*); dass die Stadtbehörde Heidelberg anderen Sinnes 
war wurde ihr arg verdacht. Ueberall grüsste festlicher 
Schmuck der Häuser und fröhliches Willkommen die Gäste 
und die für eine Stadt wie Carlsrulle so schwierige Woh- 
nungsfrage hatte ihre Lösung in leichter Weise dadurch ge- 



•) Wenig« fco-k anirueMagen l.t die FUrderun«;. «relobe denelben durch 
die vnc den dunueheii Kiienbehn - Verwaltungen bewilligten Fahrerei« - Emliil- 
Kungen in Theil gewurden «er. Da dir ineUlen Verwaltungen eine II in - und 
HurkfuJirt auf Ihrer Halm zur Bedingung machten und dl« VergünetlKung (»elbet 
ohne dlea f»rfaer bekannt in gehe») nur ul Pereuuna- nlrht aber auf BatatlMfl 
lM-»o*«m, im duillen nicht alliuvlele im au« weiten Kiilferaungin berbeigtreWlea 
Mitglieder dir TlHMiftflMg »011 dii'«cr Vofiailiguiig Vertlieil gelogen haben. 



persönliche Einwirkung auf den Standpunkt gebracht, wel- 
cher sie von ähnlichen Unternehmungen unterscheidet. — Der 
leitende Gedanke war zunächst, die in den Königlichen Schlös- 
sern von Berlin und Potsdam zerstreut befindlichen alteren 
kunstgewerblichen Gegenstände in einer instruktiven Zusam- 
menstellung der Oeffentlichkeit für einige Zeit zugänglich zu 
machen, und zur Vervollständigung der Sammlung die könig- 
lichen Museen, das Gewerbemnseuin. die vom Staate erwor- 
benen, aber seit Jahren fast unzugänglichen Minutoli*schen und 
Hanemann'schen Sammlungen heranzuziehen, vor Allem aber 
die in Berlin vorhandenen Besitzer von Sammlungen zu veran- 
lassen, ihre Schätze eine Zeit lang dem allgemeinen Besten 
zu Liebe zn entbehren. Das Prinzip derartiger Ausstellungen 
ist namentlich in England lange gebräuchlich, in Deutschland 
bot die Holbein-Ausstellung ein Beispiel. ■ — 

Die eigentliche I^eitung des Unternehmens wurde in 
die Hand einer Kommission gelegt, welche aus dem Vorstande 
und dem Direktor des Gewerbemnseums. so wie mehren 
den Bestrebungen nahestehenden Persönlichkeiten zusammen- 
gesetzt war, und die dem Dr. Jul. Lessing die Ausführung 
der Ausstellung übertrug; die spätere architektonische und 
künstlerische Anordnung derselben ist namentlich dem Ar- 
chitekten Lnthmer sowie dem Historienmaler A. v. Hey- 
den zn danken. Die Geldmittel waren gesichert, da der 
Staat 20,000, die Kommune 5000 Thlr. zur Bestreitung der 
Kosten bewilligten, und es schien nur die Zeit für die In- 
standsetzung zu kurz zu sein; jedoch die Arbeitskraft der 
Betheiligten überwand die Schwierigkeiten, so dass am 
1. September die Eröffnung erfolgen konnte. 



Als Ausstellnngslokal dient ein Theil der grossartigen 
Räumlichkeiten des Königlichen Zeughauses, und zwar um- 
fasst es die nach den drei Hauptfronten desselben belege- 
nen Kompartimente des oberen Stockwerks. Leider war es 
nicht möglich, den prachtvollen Hof als Zugang zur Aus- 
stellung zu benutzen, da er znm Theil von provisorischen 
Baulichkeiten eingenommen wird und auch bei dem Mangel 
genügender Treppen ein besonderes Treppenhaus hinein ge- 
baut werden iuusste. Der Besucher wird sich dennoch des 
Wunsches nicht entschlagen, dieses monumentale Gebäude 
dereinst nicht mehr als Stapelplatz von Waffen, sondern als 
erhebende und belehrende Waffensammlnng zu sehen, für 
• welche die architektonische Gestaltung des Zeughauses wie 
berechnet erscheint. 

Man gelangt jetzt von den Linden aus durch das Erd- 
geschoss in das genannte, höchst gelnngen und einfach de- 
korirte Treppenhaus (dein man nur eine etwas weniger steile 
Treppe wünschen möchte) und von diesem nach dem Mit- 
telraum der Ausstellung. Diese nicht zn umgehende An- 
ordnung hatte leider den Uehclstand, dass ein ununterbro- 
chener Umgang durch die Ausstellung nicht zu ermöglichen 
war, weil die Verbindung der Flügel an der Hinterfront fehlt. 

Nichts desto weniger hat die übersichtliche Anord- 
nung eine leichte Orientirung ermöglicht und den Gang der 
Besichtigung einigermaassen geregelt. Sie gliedert die Aus- 
stellung in drei Theile, 1) eine Waffensammlung, welche 
den Mittelraum einnimmt sowie die Abschlusswand des in- 
neren Raumes nach den Linden zu bedeckt; 2) eine Samrn- 
i hing kunstgewerblicher Gegenstände nach dem Materialc ge- 



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— 324 - 



funiii'it, dass eine gross«' Zahl der Bewohner deu Fremden 
gern ihr gastliches Haus geöffnet hatte. 

Es kann der Zweck dieses Berichtes nicht sein, eine 
gewissenhaft ausgearbeitete Detail -Schilderung alles dessen 
z i geben, was in den Tagen der Versammlung zu sehen und 
zu hören war; er kann nichts anderes Bein, als eine kurze 
und flüchtige Skizze dessen, was von den Theilnehmern 
selbst Ja gleichfalls nur flüchtig genossen werden konute, und 
seine Treue muss er einzig nnd allein darin suchen, die Re- 
sultate des Ganzen, die allgemeinen Eindrücke, welche jeder 
der Versammelten als einen Schatz der Anregung und Er- 
frischung sich gewonnen hat und nach Hause trägt, treu 
und richtig wieder zu gelten. Nebenbei darf er vielleicht 
einzig diese oder jene Erfahrung verzeichnen, die den zur 
Leitung und Vorbereitung künftiger Versammlungen Berufe- 
nen sich nützlich erweisen konnte. 

So verzichte ich darauf, von den trefflichen, fast durch- 
weg wohl gelungenen Veranstaltungen des Lokal- Komites 
des Näheren zu reden, und erwähne nur zweier Momente von 
allgemeinem Interesse, welche in der Erinnerung an diese 
Versammlung bei vielen der Theilnebmer an erster Stelle 
dürften — des Festalbums und der Ausstellung. 



Mit grossem Geschick hat es das Komite, welchem die 
Zusammenstellung und Redaktion des Festalbnms oblag, 
verstanden, trotz des spärlichen Stoffes, welcher ihm im 
Vergleiche mit den Verhältnissen Hannovers, Wiens und 
Hamburgs zur Verfügung stand, ans den bausgeschichtlichen 
und ingenieurwissenschaftlichen Mittheilungen über Karls- 
ruhe und Baden im Jahre 157U dennoch ein Werk zu gestal- 
ten, das jenen bei Gelegenheit früherer Versammlungen ge- 
lieferten Arbeiten ebenbürtig an die Seite treten darf. Ist 
Karlsruhe ärmer au Werken der schönen Baukunst als jene 
Städte, ist seine Geschichte eine noch junge, kaum durch 
IVi Jahrhunderte reichende, so sind dafür einerseits die 
beiden Nachbarstädte Baden und Heidelberg in den Kreis 
der Schilderung gezogen worden, andererseits aber sind in 
den Mittheilungen über den Rhein und seine Korrektion, 
die budischen Eisenbahnen und insbesondere die Eisenbahn- 
brücken, in den Notizen über die Karlsruher Wasserwerke 
und die Fabriken des Landes — Reitrüge aus dein Gebiet«; 
der Ingenieurwissenschaft gegeben, wie sie in dieser Art 
noch keine frühere Festschrift enthielt, wie sie aber auch 
freilich eine auf grössere Verhältnisse gerichtete Schilderung, 
ohne über Ziel und Zweck einer solchen Festschrift hinaus- 
zugehen, nicht wohl bringen kann. In besonderem Gradu 
ist anzuerkennen, in wie einheitlichem Sinne, trotz der Mit- 
wirkung verschiedener Verfasser und trotz der Theilung in 
verschiedene mit einander nur lose zusammenhängende Ab- 
schnitte, die ganze Schrift wirkt. Eine grössere Anzahl von 
Illustrationen, von denen wir die Abbildungen einiger für die 
ältere Monumental- und die neuere Privat-Architektnr Karls- 
ruhe^ charakteristischen Gebäude in nächster No. u. Bl. repro- 
duzireu werden, drei Pläne und eine Karte schmücken das an- 
ziehende Werk, das nel>en seiner Bestimmnug für die Mit- 
glieder der Versammlung sicherlich noch eine weite buch- 



händlerische Verbreitung finden wird und allen denen, die 
sich über die Entwickelung nnd den gegenwartigen Stand 
des badischen Bauwesens unterrichten wollen, wann empfoh- 
len werden mag. Eine angenehme Zugabe für die Festgaste, 
deren Zeit während der Yersammlungstage ein Studium der 
umfangreichen Schrift selbstverständlich nicht zulässt, war 
ein neben dem Festalbum vertheilter „Führer durch Karls- 
ruhe", der im Westentaschenformate gedruckt, alle für den 
Fremden erwünschten Notizen in kurzer, praktischer Zu- 
sammenstellung enthielt. 

Was der diesmaligen Ausstellung ihren Reiz und 
Werth verlieh nnd ihr das lebhafteste Interesse zuführte, 
war, dass eine Anzahl der hervorragenderen Arbeiten ans 
der Konkurrenz für Entwürfe zum Hause des deutschen 
Reichstages an ihr Theil nahm und so zur Anschauung 
zahlreicher Architekten gelangen konnte, denen es nicht 
vergönnt war, sie in Berlin zu sehen. Wichtig war es vor 
allen Dingen, dass unter ihnen die fünf von der Jury prä- 
miirten Entwürfe sich befanden, deren Darleihung — vom 
Reichskanzleramte mit Rücksicht auf den baldigen Wieder- 
zusammentritt der Kommission bereite abgeschlagen — durch 
die dankenswerthe Vermittelnng des Präsidenten dieser Kom- 
mission noch in letzter Stunde bewilligt wurde; neben ihnen 
waren die Arbeiten von Hubert Stier, Gropius & Schmieden, 
Weinbrenner, Dürrn & Lang, Ebe & Bends, Rettig, Trie»e- 
thau & Schäfer — im Ganzen also zwölf der betreffenden 
Entwürfe vertreten. Nach der ausführlichen Besprechung, 
welche die Konkurrenz in diesen Blättern gefunden bnt, 
könnte es überflüssig erscheinen, ein weiteres Wort über sie 
zu sagen; ich will es jedoch nicht unterlassen, an dieser 
Stelle mit einiger Freude zu konstatiren, dass das Unheil 
fast aller Fachgenossen, mit denen ich Gelegenheit hatte 
über die Angelegenheit zu sprechen, mit dem von mir ver- 
tretenen iu Uebereinstimmung sieh befand. Auch in dieser 
so zahlreichen Versammlung, in welcher die verschieden- 
artigsten, weit auseinandergehenden Richtungen sich aus- 
prägten, ist mir keine Stimme bekannt geworden, weiche 
den Scott'schen Entwurf als eine Lösung der Aufgabe ver- 
theidigt hätte, vielmehr sprachen entgegen einigen wenigen 
Gothikern, die um der stilistischen Durchführung der ge- 
wählten Architektur willen Milderungsgründe geltend zu 
machen suchten, nicht wenige namhafte Architekten über 
ihn fast noch schärfer sich aus, als seinerzeit hier geschehen. 

Unter dem überwiegenden Interesse, das diesen — ein 
gewichtiges Ereignisa im architektonischen Fachleben Dcntech- 
lands repräsentirenden Entwürfen zu Theil wurde, hatten die 
übrigen Ausstellungsgegenstände der architektonischen Ab- 
theiluug einen schweren Stand und doch befand sieb unter 
ihnen so manche tüchtige Arbeit, die eingehende Würdigung 
verdient hätte. Zu solcher fehlte es freilich vor Allem an 
Zeit, die nur in kurzen Fristen vor nnd nach den Abtbei- 
lungssiteungen gewonnen werden konnte. So muss auch ich 
nach so flüchtiger Besichtigung, die jedes Studinra ausschloss, 
den Versuch eines Unheils ablehnen und beg 



ordnet, iu 40 Schränken an der Lindenfront; 3) eine histo- 
risch geordnete Reihe von Mölw-In und grösseren Gegen- 
ständen in zehn einzelnen Abtheilungen an den andern beiden 
Fronten, der sich zwei Abtheilungen orientalischer Kunst 
auschliesseu. 

Die bereits erwähnte Fülle der zur Verfügung gestellten 
Gegenstände hat dadurch eine angemessene Verwerthung 
gefunden; den Grundsatz: Wer Vieles bringt, wird Manchem 
Etwas bringen, können wir sogar im Prinzip«; der Anord- 
nung wieder finden, denn die überhaupt möglichen Prin- 
zipe sind zur Anwendung gekommen. Das idealste, nach 
der Form der Gegenstände, in der Waffeusammlung; das 
zweite, nach dem Materiale, in der stattlichen und ruhi- 
gen Reihe der Schränke; das dritte, nach Zeit und Ort, 
iu der seit der Ausstellung von Dublin und der jüngsten 
londoner in Aufnahme gekommenen Anlage in Form 
einzelner in sich abgeschlossener zimmerartiger Abthei- 
lungen, iu welchen ausserdem kleinere Gegenstände in Glas- 
schränken Plate gefunden haben. Diese Abtheilungen boten 
Gelegenheit, auch weniger I ungehörige Gegenstände, wie reine 
Kunstwerke, zur Erläuteruug der „ Geschichte des moder- 
nen Geschmacks * wie zur lebensvolleren Dekoration hin- 
zuzufügen, und nehmen vor Allem das Interesse di'S weniger 
fitchwisseuschaftlicheii Publikums in Anspruch. 

Die Ausstellungsobjekte selbst sind durchschnittlich von 
höherem Werthe, als «lie sonst iu Ausstellungen befindlichen, 
<la das Beste aus Staats- uud Privat- Besitz gegeben worden 
ist; es ist selbstverständlich, dass dadurch eine Menge reiner 
Luxuserzeugnisse, wie sie namentlich das Zeitalter der Re- 



naissance hervorbrachte, die Höhenpunkte bildet, deren eigent- 
licher Kunst werth oft nicht mit dem Werthe selbst auf glei- 
cher Stufe steht, die andererseits aber als Kunstwerke für sich 
vielfach das Gebiet des Kunstgewerbes überschreiten. Im 
Allgemeinen muss jedoch die Auswahl anerkannt werden, 
um so mehr als in derartigen Fällen das Erlangen der Ob- 
jekte ja oft weniger schwierig ist, als das Zurückweisen ein- 
zelner. Hier kommen ausserdem die (.'«'beistände hinzu, die 
das bis zum letzten Tage der Vorarbeiten noch eintreffende 
Material verursachte. Indessen macht bis auf Einzelnheiten die 
Ausstellung einen einheitlichen, in Folge der dekorativ-histo- 
rischen Abtheilung aber vielleicht einen etwas zu reichen 
Eindruck, der jedoch das Publikum, dessen Kunstgefnhl 
in diesem Zweige (wie in manchem anderen) um so stär- 
kere Mittel zur Anregung verlangt, je ferner es ihm steht, 
um so mehr fesseln dürfte. Dem guten Willen des Volkes 
ist es nicht znr Last zu legen, sondern der mangelnden 
Ausbildung jenes Gefühls in demselben, wenn es in seinen 
GeschmacKsaiiscbauungen zurückgekommen ist. Namentlich 
ist die Harmonie der Farbe, die es im Gemälde bereits 
oft würdigt, in der Wirklichkeit ihm vollständig zuwider; 
nur «lie heftigsten Auilinfarhcndissonanzen vermögen das 
überreizte Auge noch zu iuteresaireu. Wenn in diesem 
Punkte die Ausstellung in ihren meist musterhaften orienta- 
lischen Stoffen, in der Zusammenstellung so reicher nnd in 
der Farbe meist doch so harmonischer Zimmerdekorationen 
ihren Zweck der Belehrung erfüllt, so hat sie viel erreicht. — 
Doch gehen wir r cl 

(SthlUM folgt.) 



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- 325 — 



Der Zahl nach ragen unter denselben die Entwürfe zu 
den neuen Hochbauten der badischen Eisenbahnen, meint« 
Wissens durchweg Erfindungen des Banralhs Helbling, 
hervor, als deren hedeutendste das nene Bahnhof-K rapfangs- 
gebäude zu Mannheim und das in Karlsruhe in Ausfuhrung 
begriffene Dienstgeb&ude für die General-Direktion der Ver- 
kehrs -Anstalten erscheinen. Nächst ihm möchte Baurath 



Lang, der die Originalzeichnungen der Turnhalle und des 
Lehrerseminars zu Karlsruhe, der Bürgerschule in Freiburg 
und der nach einer Skizze von Eisenlohr umgearbeiteten 
Kirche in Baden ausgestellt hatte, zu nennen sein. Von 



Kirche in Baden ausgestellt hatte, zu nennen sein. Von 
anderen Badischen Architekten hatten Oberbaurath Berck- 
müller die Zeichnungen zu dem Gebäude für die vereinig- 
ten Sammlungen, Baurath Hochstetter einen Kasernen- 
entwurf und zwei Monumente zur Erinnerung an den letzt- 
vergangenen Krieg, Architekt Warth einen Konkurrenz-Ent- 
wurf zum Bankgebäude in Frankfurt am Main geliefert. Das 
Hofhauamt unter Bauinspektor Dyckerhoff war durch die 
Aufnahmen der Schlösser Karlsruh und Baden; Professor 
Durm, Kirchenbau - Inspektor Diem er und Maler Weyser 
durch architektonische Reiseskizzen und Studien vertreten. 

Von süddeutschen Architekten ausserhalb Badens traten 
Seidel in München mit einigeu blättern seiner von Eduard 
Obermayer in Kupfer gestocheneu Aufnahme der Münchener 
Residenz, Mecklenburg in München mit einem Konkurrenz- 
Entwurf für den Tenipfe neuf in Strassburg und einer für 
New-York projektirten Grabkapelle auf. Claus & Gross 
in Wien hatten einen Entwurf zu einer Hotel-Anlage und 
einem Römischen Bade daselbst, Hanberrisser in Gratz die 
Photographien seines nunmehr vollendeten Rathhauses in 
München und seiner Konkurrenz-Entwürfe für die Universität 
und das Polytechnikum in Gratz ausgestellt, während von 
Dombaumeister Wessiken in Mainz die Photographie eines 
Kirchen -Entwurfes und von Lonhold in Frankfurt a. M. 
ein grosses Schloss-Proickt herrührten. 

Norddeutsche Architekten hatten sich im Verhältniss 
hierzu nur in geringerer Anzahl betheiligt. Ich nenne vor 
Allem Baurath Hase in Hannover mit den Zeichnungen zu 
der Restauration der Nikolaikirche in Lüneburg, zur Kirche 
in Calcfeld und zum Gymnasium in Hildesheim, sowie den 
ersten Heften der Publikation seiner ausgeführten Werke, — 
Otzen in Lichterfelde mit den Zeichnungen seiner dortigen 
Bauten, des Pfarrhausbaues in Altona und den Skizzen zur 
Flora in Charlottenburg, — Luthmer in Berlin mit zwei 
Entwürfen zu dem Marktbrunnen in Lübeck und dem in 
Ausführung begriffenen Sicgcsdcnkmal zu Altona, — Plage 
in Wiesbaden mit den Entwürfen zu der umfassenden 
Krankenhaus- Anlage daselbst, — H ertel in Crefeld mit seiner 
dortigen Kirche. — Riffart in Köln hatte neben einer An- 
zahl von Reiseskizzen mehre, anscheinend akademische Ent- 
würfe ausgestellt, während aus dem Nachlasse von Gust. 
Martens in Kiel eine Anzahl zum Zwecke einer Publikation 
zusammengestellter Entwürfe vorlag. 

Ein zum Mindesten ebenso zahlreiches Material wie in 
den genannten Arbeiten war unter den von mehren photo- 
graphischen Firmen, die sich speziell mit der Aufnahme 
architektonischer Werke beschäftigen — Rückwardt und 



Panckow in Berlin, Böttger in München u. a. — ein- 
gesandten Photographien enthalten. Ich muss unter den 
obwaltenden Verhältnissen selbst auf eine einfache Aufzäh- 
lung desselben ebenso verzichten, wie ich dies in Betreff 
der von mehren buchh&ndlerischen Firmen ausgestellten 
Verlagsobjekte thun mnss. Der rühmlichst bekannte Glas- 
maler Swertschkoff in Schiensheim hatte neben den Kar- 
tons mehrer von ihm ausgeführter Glasgemfilde einige Pro- 
ben seiner Kunst, Professor Uhde in Braunschweig eine von 
ihm zusammengestellte instruktive Auswahl von Modellen 
nach antiken Architektur- Details, Lönhold in Frankfurt 
Muster eiserner nach seinen Zeichnungen ausgeführter Trep- 
penpfosten ausgestellt. Nenne ich noch das bekannte See- 
mann'sche Modell des Strassburger Münsters, so dürfte der 
Umfang der diesmaligen architektonischen Auastellung an- 
nähernd vollständig angegeben sein. So reich die Fülle des 
in ihr Gebotenen jedoch immerhin sein mochte, so erhellt 
doch wohl schon ans dieser Aufzählung, dass sie eines eigen- 
artigen', sofort in die Augen springenden Charakters, aus dem 
sich Folgerungen von prinzipieller Bedeutung ziehen Hessen, 
ermangelte. 

Bei Weitem nicht so reich wie die Ausstellung aus dem 
Gebiete der Architektur war diejenige des Ingeriieurwesens, 
an welcher sich fast ausschliesslich badische Techniker be- 
theiligt hatten. W&re Zeit zu gründlichem Studium vorhanden 
gewesen, so möchten die dort ausgestellten Gegenstände durch 
die systematische Vollstfindigkeit ihres Materials allerdings 
wohl eine reichere nnd interessantere Fundgrube gewesen 
sein, als die mannigfaltigere Sammlung der anderen Abthei- 
lung. Haupt-Aussteller waren hier nämlich die Grossherzog- 
lich Badischen Zentral - Behörden des Wasser-, Wege- und 
Eisenbahn-Baues, die in trefflich geordneten Karten, Profilen 
und Tabellen ein vollständiges Bild der Rhein - Korrektions- 
bauten, der interessantesten Strassen- und Eisenbahn-Ausfüh- 
rungen, sowie eine Sammlung aller neueren grösseren Bahn- 
hofsbauten des Landes, unter denen der unter Leitung von 
Eisenbahn - Inspektor Steinum in Ausführung begriffene 
Bahnhof zu Mannheim besonders hervorragt, geliefert hatten. 
Als einzelner Aussteller ist meines Wissens neben ihnen nur 
Professor Baumeister mit seinem preisgekrönten Entwürfe 
für die Stadterweiterung in Mannheim, sowie einem Entwürfe 
zu der Rheinbrücke zwischen Alt- und Neu -Breisach auf- 
getreten. Ein bedeutendes Interesse für die Spezial -Tech- 
niker des Hafenbaues und des Marine-Ingenicurwcsens erregte 
die von den Oesterreichischen Marinebehörden zu Triest dar- 
geliehene Sammlung betreffender Modelle, Zeichnungen und 
Photographien, unter denen namentlich Boien und Schiffs- 
maschinen zahlreich vertreten waren. 

Die beabsichtigte Ausstellung von Baumaterialien hatte 
nicht die gehoffte Ausdehnung erlangt Neben Proben des 
badischen Hausteins und der einheimischen Ziegelfabrikation 
waren es wesentlich nur die Zement -Arbeiten von Dycker- 
hoff & Widmann, welche hier zu nennen sind. Einige auf 
dem Bahnhof ausgestellte, auf dem Wege nach Constenz be- 
griffene Glocken von Bochumei 
nicht unerwähnt bleiben. 



luftheminjcfti in Beriiier Ceaeiadeschilea. 



(SchliiH). 



Weniger deutlich ist ein Bild zu geben von der statt- 
gehabten Ventilation. Dass dieselbe indes wirksamer ge- 
wesen ist als bei Zimmeröfen und Wasserheizung geht aus 
dem übereinstimmenden Urtheil der Lehrer hervor, von 
denen einige, welche früher in Schulen mit Wasserheizung 
unterrichtet hatten, versicherten, sich dort nicht so wohl 
befunden zu haben; es war dort oft ein Mangel genügender 
Temperatur nnd namentlich fehlte es an gehöriger Venti- 
lation. 

Die Wirksamkeit der Ventilation in der 35. Schule geht 
am deutlichsten daraos hervor, dass die Luft in den Klassen 
wenig oder uichte von dem Gerüche wahrnehmen Hess, der 
sonst Schulzimmern eigen ist, nnd sie folgt mit Notwen- 
digkeit daraus, dass bei der fortwährenden Zuführung von 
frischer warmer Luft — und diese ist mindestens so lange als 
die Temperatur sich konstant erhält, vorhanden — notwen- 
digerweise ebensoviel Luft abgeführt worden ist. Dass dies 
aber nicht die eben eingeführte, sondern die verdorbene Luft 
ist, ergiebt sich aus der oben angedeuteten Art der Luftbe- 
wegung im" Zimmer. Dieser Luftwechsel hört aber auch 
bei sinkender Temperatur nicht auf, wenn er auch schwächer 
wird. In den verschiedenen Kanälen findet selbst bei ge- 

i — und diese werden im Winter 



— stets eine Bewegung, d. h. eine 
eine Zuführung frischer Luft statt 

Wenn bezweifelt wird, dass der Heizapparat, der der 
schnellen Heizung und Einfachheit wegen im Wesentlichen 
aus Eisen bestehen muss, noch viele Stunden nach dem Er- 
löschen des Feuere im Stande sein sollte, der zuströmenden 
kalten Luft den nöthigen Wärmegrad zu geben, so darf doch 
nicht ausser Acht gelassen werden, dass die Wände der 
Heizkammer, sowie die sehr ausgedehnten Flachen der Heiz- 
kan&le eine sehr grosse Menge von Wärme aufzunehmen im 
Stande sind, dass dadurch allerdings eine gewisse Nachhal- 
tigkeit der Erwärmung erzielt wird. Selbst wenn wegen zu 
hoher Temperatur in einem Zimmer die Heizöffnung zum 
Theil oder ganz geschlossen werden musste , hörte die Ven- 
tilation nicht auf, da wegen der Temperatur- Differenz eine 
Abströmung der Luft und ein Zuströmen durch Thür- und 
Fensterspalten, in verstärktem Maasse durch ein geöffnetes 
Fenster, stattfand, bis die Temperatur sich erniedrigt hatte 
nnd die Heizöffnung wieder geöffnet werden konnte. 

Eine Trockenheit der Luft ist 



staubige oder brenzlich riechende Luft Klagen laut gewor- 
n. Da in jeder Heizkammer täglich 1—2 Eimer Wasser 
was etwa 1 kb» Dampf von 15— 17* R. 



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— 826 — 



auf jedeu kb™ Zimmerrauin triebt, welch« 1 » Dampfuuau- 
tura dem Rewohnlichen Feuchtigkeitsgebalt der Luft in F olge 
der Temperaturerhöhung hinzugetreteu ist, so musste in der 
Thal die J.ufl weniger trocken sein als bei anderen Heiz- 
methoden, bei denen in der Kegel eine solche Verdunstung 
nicht stattfindet. 

Für jeden Apparat wurden täglich durchschnittlich 
I — 1 V, Ml Steinkohlen verbraucht; es steht zu erwarten, 
dass künftig ein geringerer Verbrauch stattfinden wird; in- 
direkt wird die Heizung dadurch billig, das» fast alle Repa- 
raturen fortfallen und sich im Wesentlichen auf Erneuerung 
der Koststabe und der Chnmottcausklcidung beschränken. 

Die Anlagekosten, d. h. die Herstellung sämmtlicher 
Kanäle im Mauerwerk und unter der Kellerstdde, die Liefe- 
rung und Einrnaueruug der Heizapparate und der verschie- 
denen Kluppcnverschlussc, haben sich gestellt: 1 

1. bei der 55. (i. -Schule (3700 kb" zu heizender Raum) 
auf 2974 Thlr. oder pro 100 kb- auf ca. HO'', Thlr. 

2. bei der 85. G. -Schule (34(X) kb» zu heizender'Kaum) 
auf 2301 Thlr. oder pro 100 kb« auf ca. 67»/. Thlr. 

8. bei der Gl. (i. -Schule (3600 kb» zu heizender Raum) 
auf 2l«0 Thlr. oder pro 100 kb m auf ca. 60 Thlr. 

Ein sehr wesentliches Moment bei Einrichtum; jeder 
Heizanlage ist das Verhältnis» zwischen dem Inhalt des zu 
heizenden Ranmes und der Grösse der Heizfläche. Je grösser 
die letztere ist, um so geringer ist das Wänncipiantum, 
welches zur Erzielnng eines bestimmten Temperaturgrades 
in gleichen Zeiträumen an die Luft zu übertragen ist, d. h. 
um so weniger heiss braucht die Heizfläche zu werden; in 
gleichem Verhältnis* wächst in der Regel die Nachhaltigkeit 
des Heizapparats. Während bei Kachelofenheizung gewöhn- 
lich auf 1!» - - 24! kb°" Zimmerraum IG'" Heizfläche kommt, 
fand bei den früheren Luftheizungen ein Verhältnis» von 
180 — 190 kb™ zu 1 □'" statt. Jetzt wird bei letzteren auf 
88 bis 52 kb™ Zimmerraum 1 O™ Heizfläche gerechnet und 
dem entsprechend der Heizapparat konstruirt. Rei der 85. 
Gcmcindcschulc findet ein Nerhältniss von 4b' : 1 , bei der 
55. Gemeindeschule von etwa 8<> : 1 statt. 

Der Fabrikant Heckmann in Mainz hat für die von ihm 
ausgeführten Luftheizungen folgende Verhältnisse beobachtet, 
die ich mit seiner Genehmigung hier raittheile: 

Mg tat 1 □m. 

Zentralfeiertagsschnle in München 53. 

Schule in Fürth 5(5 n. 51. 

Schule in Regeosburg 53 — 45. 

Polvteehnische Schul« in München (12 Apparate) 03*)— 44. 

Höhere Töchterschule in Baden 44 n. 3«. 

Mädchenschule in Hcilhronn 57 — 49. 

Bnmersehule in Kassel 47 u. 44. 

Realschule in Weimar 59 u. 53. 

Schule in Sachsenhausen 60 u. 54. 

Lorcnzschulc in Lübeck 33. 

Schule in Hanau 46. 

Nikolaischule in Leipzig 48 — 32. 

Es wird hierzu bemerkt, dass die Einrichtung dieser 
Heizungen, namentlich auch hinsichtlich der Ventilationska- 
näle, im Allgemeinen der oben beschriebenen Anlage ent- 
spricht, mit dem Unterschiede, dass diese Kanäle nicht nach 
der Heizkammer zurückgeleitet sind. Rei der polytechni- 
schen Schule in München sind besondere Rückzüge aus den 
Zimmern unter den Rost, was jedoch verwerflich ist und 
" nicht bewährt hat. 

Kl«. 4. 



En 




Rei der Schule in Hanau 
sind die Ventilation»- Kanäle 
nach Skizze 4 in einen den 
blechernen Schornstein umge- 
benden Aspirationsmantel ge- 
leitet, der über Dach ausmün- 
det. Hierdurch kann eine stär- 
kere Veutilatiou erzielt und 
namentlich die Sommerventilation sehr befördert werden. 

Rei der nach Kelling' schein System eingerichteten Luft- 
heizung in der Anncnrcalschule zu Dresden kommt auf 
42 kb 1 " Raum 1D" 1 Heizfläche. Die Grösse der Heizappa- 
rate bewegt sich zwischen 10 nnd 50[J'" Heizfläche, darun- 
ter ist eine Zentralheizung nicht mehr vorteilhaft, darüber 
wird der Heizapparat zu gross. 

Der Rost, dessen Grösse von Einflnss auf den Nutz- 
effekt ist, erhält Vi. bis V«.o, am meisten wohl. 1 im der 
Grösse der Heizfläche. Sind hiernach die Dimensionen des 
Heizapparat» bestimmt, so ersieht »ich die Grösse der Heiz- 
kammer von selbst ans dem Erfordernis*, dass ersterer mit 



digkeit in 



•) Ol« liotirl« V»rhSltntM»»M»ii KrllMi f*r dl.J»»!«»« A|.|<nrili-, »<"» 
Korri<l«r< etc. «ibetil «fiikn mit gering«» Tcmpriaturrn, u.Ut lUum« mil »< 



d*n«n 



Ausnahme der Seite wo gefeuert wird, umgangen werden 
kann und 0,7 — 1'" von der Decke entfernt bleibt. 

Der (Querschnitt der Heizkanäle lässt sich zwar ans den 
in Folge der Transmission der Wärme durch die L'mschlies- 
sungen der Räume in der Zeiteinheit zuzuführenden Wärme- 
mengen und au» der voraussichtlich eintretenden Geschwin- 

\ZigTl(T-t) 
den Kanälen r = 0,5 r ■ I , (wo a der 

« + ■ 

Ausdehnungskoeffizient der Luft - 0,0036« ist) berechne!, 
wobei übrigens r mir zwischen den engen Grenzen 1™ Ins 
1,5" sich bewegen soll, indessen wird man wegen mög- 
licher Fälle, die nicht in Rechnung gezogen werden köuucn, 
nicht allein die ungünstigsten Voraussetzungen machen und 
den grössten hiernach sich ergebenden Querschnitt wählen, 
sondern diesen noch tun ein gewisses Maas» vergrössern, 
zumal diese Vcrgrössening keine Kosten' verursacht um! 
jedenfalls nicht tiaehtheilig ist, da eine beliebige Regulinim: 
mittels des Klappenverschlusses möglich ist. Man kann 
sich daher sehr wohl an Erfahnmgssätze halten und als 
solche können die Eingangs erwähnten Verhältnisse der 
Heizkanäle und der Zimmergrössen gelten. 

Um über die in den einzelnen Theilen der Heizanlage 
stattfindenden Temperaturen und die Rewegting der Luft, 
gleichbedeutend mit Ventilation, nähere Aufschlüsse zu er- 
langen, wurde eine besondere Probeheizung bei der in Redt 
stehenden Schule veranstaltet. In Erwartung besonders kalter 
Tage, die indes» nicht eintraten, wurde der nachfolgende 
Versuch erst am 19. März d. J. gemacht, bei einer äusseren 
Temperatur von «'/•• R. Die Schule wurde dabei nicht 
ausgesetzt. Wegen der milden Temperatur war jeder Ap- 
parat Morgens « Uhr nur mit 1 Schffl. Kohlen gefieizt wer- 
den. Um 9 Uhr Vormittags wurde die Temperatur inner- 
halb der Heizkammer, die wie Obel erwähnt, vermittels 
einer eisernen Thür jederzeit zugänglich ist. in Hübe der 
Abströmungsöffnungen zu 29» R. gemessen, während die Klas- 
sen bis IS" hatten. Es wurde nun abermals mit 1 Schffl. 
Steinkohlen gefeuert und stieg die Temperatur in der Heiz- 
kammer bald auf 35° (immer an demselben Ort gemessen), 
gleich darauf, etwa gegen 10 Uhr wurde in zwei Klassen 
des ersten Stocks die Temperatur gemessen und ergab sich 
in Klasse 8 in halber Zimmerhöhe zu 2u\ in der Ausströ- 
mung des Heizkanals zu 3,s» und in der Abströmnn^fnuus 
am Fussboden 20«, in Klasse 9 waren die resp. TemiKra- 
turen 21», 56« und 21'. 

Mittels eines Flügel - Anemometers wurde gleichzeitig 
die Geschwindigkeit der ein- und abströmenden Luft ge- 
messen und ergab sich in Klasse S für die einströmende 
Luft innerhalb der Heizöffnung 1,80", für die abströmende 
Luft innerhalb der Oeffuung am Fussboden 1" Geschwindig- 
keit, in Klasse 9 die resp. Geschwindigkeiten von 2" und 1" 
Es entspricht dies einer Lnftzusfrömnng per Stunde in Klasse 
S von 54« kb» und in Klasse 9 von 534 kb" (reduzirt 
auf die resp. Zimmertemperaturen von 20* nnd 21*), oder 
Itei 74 Kindern jeder Klasse von bezw. 7,3« und 7,20 kb" pro 
Kind und Stunde. 

Die Luftabströmung in jeder Klasse betrug hiernach 
392 kb", es muss also ein Tneil der Luft durch Thür- und 
Fensterspalten entwichen sein. Eine hierauf in der Heiz- 
kammer vorgenommene Messung ergab 31* und in dem 
Hauplkanal, welcher die frische Lnft direkt zum Heizappa- 
rat führt, 10', sowie" eine Geschwindigkeit dersellien von 
1,18". Dieser Kanal hat 1,41" und 0,42"' lichte Weite uad 
führte daher 2500 kb" Luft per Stunde zu, oder — da sich 
diese Menge auf s Klassen vertheilt — 313kl>" pro Klasse 
und Stunde ln>i 10«, oder .131 kb" von 80*. Nach einer 
anderen Bestimmung der Geschwindigkeit mittels der Zeit, 
in welcher eingeblasener Ranch eine gewisse Kanallänce 
zurücklegte, ergab sich eine Geschwindigkeit von 1.4™, welche 
einer Luftzuführung von 470 kb" bei 10* entspricht Gegen 
Vi 12 Uhr war in Klasse 9 eine Temperatur von 20', in der 
Heizöffnung dieses Zimmers von 30" nnd eine Ausströmung- 
gesehwindigkeit von 1 ln . In der Oeffnung am Fussboden 
hatte die abziehende Luft 20* und 0,63" Geschwindigkeit In 
den Dachboden strömte die Luft ans diesem Ventilationsb- 
nal mit einer Temperatur von 1«« und 0,47" Geschwindigkeit. 
Um 'AI Uhr waren in der Heizkammer 21". 

Die Messungen mit dem Hygrometer, «las 71'/. zeigte, 
ergabeu in den Klassen keine hemerkenswerthen Abweichun- 
gen des Feuchtigkeitsgehalts gegen die äussere Luft. 

So wenig zuverlässig diese Messungen, namentlich be- 
züiriich der Geschwindigkeiten sein mögen, wegen der Schwie- 
rigkeit der Geschwindigkeitsmessung an sich nnd der Er- 
mittelung der richtigen mittleren Geschwindigkeit eines »Quer- 
schnitts, wegeii der Komplizität des Svstems und der Vt-r- 



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— 327 — 



änderlichkeit «kr Verhältnisse, so geht doch Folgendes da- 
raus hervor: 

1. Die Abgabe der Wärme im Apparat erfolgt ent- 
sprechend dein Material desselben ziemlich schnell. 

2. Die Zimmertemperatur verändert sich nicht in dem- 
selben Verhältnis* sondern erhält sich längere Zeit konstant, 
wächst und fallt nur nlliuälig, da wie ölten bemerkt, die 
Wände der Heizkammer und der Heizkanäle einen grossen 
Theil der Wärme anfangs absorhiren, den sie später wieder 
aligeben. 

3. Selbst bei einer Temperaturdifferenz der äusseren 
und der Zimraerluft von nur !(>• erfolgte eine ausreichende 
und jedenfalls grössere Ventilation, als bei anderen Heizungen 
ohne mechanische Hült'smittel. 

• 4. Die Temperaturen in der Heizkammcr sind nicht so 
hoch als man sie sich gewöhnlich vorzustellen pflegt Es 
ist weiter zu bemerken, dass 

5. die einströmende Luft sich selbst in der Nähe nicht 
unangenehm bemerkbar machte. Die Luftschichten im Zim- 
mer waren derartig in Rnhe, dass selbst Zigarrenrauch keine 
oder nur ganz geringe Bewegung anzeigte. 

Was die Nachhaltigkeit der Wärmewirkung betrifft, so 
sind in dieser Beziehung einige Beobachtungen Morgens 4 
Uhr vor Beginn der Heizung gemacht, zur Ermittelung wie 
weit bis dahin die Zinuner-Temperatnr gesunken sein würde, 
die wie angeführt, Nachmittags 4 Uhr in der Regel noch 
13 bis 14* betrug. 

Es ergab sich einmal bei 4*äuss. Temp. 12-14» in den Klassen 
ein anderes Mal bei — 1« „ „ 7-11« „ „ „ 
ferner bei 0« . „ M2« , „ „ 
Die Schwierigkeit bei jeder Heizung besieht bekanntlich 
darin, die bei der Verbrennung schnell erzeugte und daher 
sehr iutensive Wärme gewissermassen aufzuspeichern und 
dieselbe nur in dem Maasse an die Zimmer abzusetzen, dass 
»leren Temperatur möglichst lange auf gleicher Höhe erhalten 
wird, fall» dies speziell erforderlieh ist. Es gilt daher die 
Feuerzüge mit einem Körper zu umgeben, der eine grosse 
Wännc - Kapazität besitzt. Besonders geeignet hierzu ist 
Wasser. Man ist daher darauf bedacht gewesen, da, wo 
die Hiiume nicht nur einen Theil des Tages, wie in Schulen, 
sondern bis zur Nacht gleichmässig wann sein sollen, die 
Vorzüge der Luftheizung mit denen der Wasserheizung zu 
vereinen, d. h. den gewöhnlichen Luftheiz- Apparat durch 
einen Wasserkessel zu ersetzen. Man gewinnt hierbei aus- 
serdem den Vortheil, in langen Gebäuden mit vielen Hciz- 
kainniern die Zahl der Feuerstellen beschränken zu können, 
indem die Wasserheizung von einer Kammer auf mehrere 
andere verzweigt werden kann, um die Luft in denselben 
indirekt zu erwärmen. Eine derartige Anlage, welche für 
eine jetzt im Bau begriffene höhere städtische Lehranstalt 
ausgeführt wird, auch sonst schon namentlich für Privat- 
häuser ausgeführt ist. wird nicht allein erheblich kostspie- 
liger als die reine Luftheizung, sondern ist auch wieder den 
verschiedenen Wechselfällen einer Wasserheizung ausgesetzt, 
und es sollte daher vor der Anlage geuau erwogen werden, 
ob die Benutzung der Räume eine über 8 — 10 Stunden 
liinausgeheude gleichmässige Erwänunng nothwendig oder 
wünschenswerth macht; im Verneiuungsfall wird stets eine 
gewöhnliche Luftheizung zweckmässiger sein. 

Um schliesslich noch der Sommer-Ventilation zu er- 
wähnen, so versteht sich von selbst, dass eine Ventilation, 
die lediglich durch die Heizung bedingt ist, ohne diese nur 
verlangt und vorhanden sein kann, wenn sie auf andere 
Weise erzielt wird, wie dies allen Heizungen gemeinsam ist 
Meist begnügt mau sich mit dem Oeffneu der oberen Fenster- 
flügel resp. Anwendung einer geringeren Anzahl von Lnft- 
klappen; es hat sich jedoch herausgestellt, dass eine ziem- 
lich wirksame Ventilation durch die Kanäle der Luftheizung 
auch im Sommer vorhanden ist. Vergegenwärtigt man sich 
die Anlage des Kanal- und Rohrsystems, so ergiebt sich, 
dass für jedes Zimmer eine Art kommunizirender Röhren 
vorhanden ist, mit Luft von verschiedenem spezifischen 
Gewicht gefüllt. Es ist ^tatsächlich, dass in den in starken 
Mauern liegenden Kanälen, namentlich im Keller und in der 
Heizknminer, im Sommer eine kühle Luft vorhaudeu und 
dass die Temperatur -Differenz gegen aussen um so grösser 
ist, je wärmer es draussen ist. indem diese kühle Luft 
ans der Heizöffnung und der unteren Ventilationsöffnung 
in das Zimmer und gleichzeitig die warme Luft in demsel- 
ben an der Decke nach ölten strömt, so entsteht eine Ven- 
tijation ähnlich der im Winter, mit dem Unterschied, dass 
die Luft kühl eintritt, sich daher senkt, allmählig erwärmt 
und als warme Luft abzieht Und in der That, aus den 
offen gehaltenen Heiz- und unteren Ventilatioiisöffnuugeii 
strömt im Sommer die Luft stets mehr oder weniger stark 



in die Klassen, bisweilen mit solcher Heftigkeit, dass man 
genöthigt war, die Klappen zu schliessen. 

Für die seltneren Fülle, wo selbst bei kleineren Tem- 
peratur-Differenzen eine starke Ventilation ohne Ueffnen von 
Fenstern verlangt wird, empfiehlt sich eine Anordnung, die 
oben bei einer Schule in Hanau erwähnt ist, welche aller- 
dings eine Sommerfeuerung im Heizschornstein voraussetzt, 
die indess sehr geringe Kosten verursacht. 

Wenn aus dem Vorstehenden vielleicht Mancher die 
Ueberzeugung gewonnen hat, dass die Luftheizung dennoch 
nicht so verwerflich erscheint, als sie von mancher Seite 
dargestellt ist, so ist schon Eingangs erwähnt, dass sie noch 
mancher Verbesserung bedürftig alter auch wohl fähig ist 
Wie diese zu bewirken und wie namentlich in alten Gebäu- 
den, wo die Anlage von vielen und weiten Kanälen in den 
Mauern grosse, vielleicht unüberwindliche Schwierigkeiten 
haben würde, dennoch Luftheizung einzurichten wäre, möge 
einer späteren Besprechung vorbehalten bleiben. Es sei nur 
zum S< hluss einer kleinen Brorhüre Erwähnung gethau, die 
der Beachtung der Kollegen, die sich für den Gegenstand 
interessiren, empfohlen wird. Sie gehört der „ Sammlung 
gemeinnütziger naturwissenschaftlicher Vorträge von Holtzen- 
dorff und Virchow" an und ist betitelt: „Moderne und 
antike Heizungs- und Vcntilationsmethoden" von 
Dr. F. Berger in Frankfurt a. M. (Berlin 1K70.) 

Der Verfasser geht davon aus, dass die jetzigen Heiz- 
methoden die Wärme an die Decke des Zimmers liefern und 
dass die warme Luft durch die Ventilation entweder dort 
abgeführt wird oder in Folge Abkühlung allmählig herab- 
sinkt, geschwängert mit den Produkten der Verdunstung, 
Ausathmung und Verbrennung, die sich im Zimmer erzeugen; 
ersten:« entgegen dem Grundsatz: „den Kopf halt kalt, 
die Füsse warm" 1 , letzteres entgegen den Anforderungen der 
Gesundheitspflege an Besc haffung reiner Luft, — Umstände, die 
bei der eben beschriebenen Luftheizung allerdings wesentlich 
gemildert erscheinen. • Er giebt dann eine eingehende Be- 
schreibung der unter römischer Herrschaft in Deutschland, 
Frankreich und Italien ausgeführten Badeanlagen, von denen 
sowohl gut erhaltene Ueberreste als Abbildungen vorhanden 
sind, und beginnt mit dem Winteraufenthalt der Villa Tus- 
culana, dessen Beschreibung Winkelmann mit den Worten 
einleitet: „die wohlhabenden Leute unter den Alten .... 
waren . . besser wider die Kälte verwahrt als wir. Ihre 
Ocfun . . . heizten die Stube, ohne dass die Hitze dem Kopf 
beschwerlich fiel." 4 

Im Wesentlichen bestanden diese Heizanlagen darin, 
dass der steinerne Fassboden nnd die Wände durchweg mit 
Kanälen versehen waren, die von warmer Luft resp. von Rauch 
durchzogen nnd erwärmt wurden. Andererseits war für Ein- 
führung frischer Luft in der Weise gesorgt, dass dieselbe in 
vielen feinen Strahlen und durch die Wände vorgewärmt 
eintrat und in Folge ihrer niedrigen Temperatur auf den 
Boden sank. Die wärmste nnd best« Luft war hiernach im 
unteren Theil des Zimmers vorhanden; es bildete sich ein 
im ganzen Zimmer gleichmäßig aufsteigender Luftstrom, 
der die Produkte der Aspiration und Perspiration mit fort- 
führte, wobei diese weder mit neuer frischer Luft vermischt, 
noch abermals nach unten zurückgeführt wurden, da an der 
Decke für Abzug der Luft gesorgt war. Der Hauittnnter- 
schied beider Heizungsarten wird durch folgenden Versuch 
klar gemacht: 

Wird in einem grossen Muffelofen aus Thon mit einer 
unteren und oberen Üeftnnng in der Nähe des Fussbodcns 
eine Flamme angebracht , so bildet sich in dem Ofen ein 
heftiger, zunächst nach oben gerichteter Luftstrom; Wände 
nnd Fussboden bleiben kalt, während an der Decke die 
heisse Luft sich ansammelt resp. entweicht, und unten 
die Luft heftig einströmt Bringt man die Wärmequelle 
ausserhalb unter dem Boden des Muffelofens an, der das 
Zimmer darstellt, so wird der Boden am wärmsten, und in- 
dem unten kalte Luft allmählig eintritt entsteht ein sanfter, 
gleichmässig im ganzen Raum sich erhebender Luftstrom, 
der auch dann noch längere Zeit fortdauert, wenn die Wär- 
mequelle erloschen ist. Das Hauptsächlichste ist daher, dass 
nicht die bewegliche Luft zum Träger der Wärme gemacht 
wird, sondern die Umfassungen des Zimmers; während dort 
die Zimmerluft durch die Wände abgekühlt wird und her- 
absinkt, geben hier die Wände Wärme an die Ziramerluft ab 
und diese ist nicht genöthigt zum Boden zurückzukehren. 
Die Ventilation ist unabhängig von der Heizung, zugfrei und 
bewirkt in vollkommenster Weise die Abführung der ver- 
dorbeneu Luft. — 

Ob uud wie weit diese Prinzipien, deren Anwendung 
Dr. Berger zunächst und ganz besonders für Schulen em- 
pfiehlt, bei der jetzigen Konstruktion der Decken und Fnss- 



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böden und dem koniplizirten Organismus der Bauwerke aus- 
führbar sind, bleibt einstweilen dahin gestellt und bedarf 

Xund eingehender Beschäftigung mit der Sache. Ein 
damit Ist gemacht in der in einigen Kirchen Leip- 



zigs ausgeführten Zentralheizung, 
Beheizung sehr 
tung verdient. 



organg, der für die 
Is besondere Beach- 
Haeseeke. 



Mittheilungen aus Vereinen. 



Verein für Eisenbahnkunde zu Berlin. Versammlung 
am 10. September IST-». Vorsitzender Hr. Hart wich', Schrift- 
führer llr. Streckert 

Herr Wiedenfeld machte Mittheilung über zwei kurz hin- 
tereinander erfolgte Entgleisungen auf der Station Landsberg 
der Berlin- Anhaltischen Eisenbahn. — Am 14. August d. J., 
Nachmittags .">• , Uhr entgleiste der '28 Achsen starke Tages- 
schnellzug auf der erwähnten Station nach dem Passiren einer 
Weiche, welche nicht gegen die Spitze befahren wurde, mit der 
Hinterachse der Personenzugmasehine und sätnmtlichen übrigen 
Es gelang den Zug auf eine Entfernung von 260™ zum 
d zu bringen, wobei sich ergab, dasa die Räder der 
Zugseite auf den Schwellen standen; die Schienen dieser 
waren aus den Nageln herausgedrückt, wahrend die der 
anderen in der Kinne der umgekanteteu Schienen spurten. Die 
sofort angestellte Untersuchung stellte fest, dass auf der 260« 
langen demolirten Bahnstrecke 27 Schwellen nicht ganz neu, 
13 Schwellen etwas angefault und nur eine als schlecht zu be- 
zeichnen war; dieselbe lag jedoch nicht an der Entglcisuugs- 
stelle, denn an dieser waren überhaupt keine schlechten Schwel- 
len. Das Geleis wurde sofort wieder hergestellt und den fol- 
genden Tag durch zwei Züge ohne Unfall befahren, wShrend der 
dritte Zug Nachmittags an derselben Stelle, an welcher der 
Unfall des Tags vorher stattgefunden hatte, entgleiste; die Un- 
tersuchung ergab auch jetzt, dass das Geleise und die Weiche 
richtig lagen, nur die Schiene vor der Mutternchienc der Weiche 
zeigte eine unbedeutende, 5"» starke Einbiegung, welche wahr- 
scheinlich durch die Ausdehnung der Schienen bei nicht genü- 
gendem Tempcraturspielraum herbeigeführt worden war. Da 
au dum Tage der ersten Entgleisung Vormittags 8 Uhr eine 



Vermischtes. 

der städtischen Brunnen, wie wir sie 

vor Kurzem anlasslich eines Kalles der Brunnenverunreinbrung 
durch Kirchhofswasser empfahlen, sind in den letzten Jahren 
zu Dresden erfolgt. Der dortige Stadtrath hat jüngst den Stadt- 
verordneten einen 53 Druckseiten enthaltenden Hauptbericht der 
zur Prüfung der Brunneu der Stadt niedergesetzten gemischten 
Deputation zur vorläufigen Kenntnissnahme mit dem Hinzufügen 
übermittelt, dass die von ihm in der Sache z. Z. noch zu fas- 
senden Beschlüsse Gegenstand spaterer Mittheilungen sein wür- 
den. Nach jenem Hauptberichte sind in der Zeit vom Mai 1870 
bis 2a. Marz 1871, mit Aussetzung der vier Wintermonate, 
sämmtliche Brunnen der Stadt, an der Zahl 3627. einer gleich- 
massigen Prüfung unterzogen worden. Von diesen haben sich 
bei der stattgefundenen Prüfung tü'l als solche ergeben, in Be- 
ziehung auf deren Wasserbeschaffeuheit keine Veranlassung zu 
einer Ausstellung zu finden gewesen, während 2684 Brunnen 
im Allgemeinen nicht tadelloses Wasser, 48 Brunnen aber so 
schlechtes Waaser enthielten, dass dieselben sofort entweder 
völlig ausser Gebrauch gesetzt, oder wenigstens als ungeniesa- 
bares Waaser enthaltend gekennzeichnet werden mussten; 
204 Brunnen gaben gar kein Wasser und stellten sich s. Z. als 
' ar heraus. Im Uebrigen verbreitet sich der Bericht 
erm-hopfender Weise und mit ziffermüssigeu Belegen 
ttet auch über die Beschaffenheit des Baues der ein- 
Brunnen, sowie über die lokalen Verhältnisse dersel- 
ben, und schliesslich über die Grundsatze und Vorschriften, 
welche bei Herstellung und Instandhaltung der Brunnen zu be- 
obachten sind. 



Konkurrenzen. 

Xona.ts-Aufga.ben für den Architekten-Verein zu 
lln zum 2. November 1872. 

I. Entwurf zu einem stadtischen Wohnhause. 

Dasselbe soll auf einer rechteckigen Baustelle von 20« Front 
und 35» Tiefe erbaut werden und im Erdgeseboss Laden mit 
grossen Schaufenstern, in den drei Stockwerken je eine herr- 
schaftliche Wohnung enthalten. Das Gebäude ist in Backstein, 
die Facade unter Anwendung reicher Terrakotten auszuführen. 
Es werden Grundrisskizzen vom Erdgcschoss und dem ersten 
Stockwerk, und die Zeichnung der Facade im Maasstabe von 
1 : 200, bezüglich 1 : 75 verlangt 

II. Ein fester Uandkrahn mit Hnrizontaldrchung von 20 Ton- 
nen Tragkraft zur Entladung grosser Seeschiffe von IG» Breite 
und 7,5» Tiefgang, ist auf dem Kai eines Dockhafens zu er- 
bauen, hinter welchem Eisenbahngeleise liegen. Der Untergrund 
ist 8 m unter dem konstanten Wasserstande des Docks erst Moor 
und in 10 " Tiefe reiner Sand. Die Konstruktion des Krahus 
ist im Allgemeinen , die Befestigung iu der Mauer , rowie die 
Mauer selbst speziell zu projcktiren und statisch zu berechnen. 

Alle wichtigen Maasse, Annahmen und Rcchnungs-Rcsultate 
sind in den Zeichnungen an geeigneter Stelle einzutragen. 



neue Mutterschiene in die Weiche eingelegt worden war und 
13 Züge ohne Unfall an diesem Tage die Strecke passirt hatten, 
so kann auch nur als Grund der Entgleisung des 14 Zuges die 
durch die höhe Taseatemperatur herbeigeführte Ausdehnung 
der Schienen und die dadurch entstandene Veränderung der 
Spurweite angesehen werden. 

Hierauf sprach Herr Dr. Wedtling über die Eisenbahn 
Materialien auf der diesjährigen Ausstellung zu Moskau; zu- 
nächst schilderte derselbe die Grundlagen der Eisenindustrie 
in Kussland überhaupt und insbesondere die Erz- und Stein- 
koblenlagerstätten (Finnland, Polen, Ural, Moskauer Bezirk und 
Donez-Gebiet), beschrieb sodann den Hochofenbetrieb, die Dar- 
stellung von Schmiedeeisen und Stahl, wobei der eigenthüm- 
lieben Methode, die Schienen in kaltes Wasser zu werfen, be- 
sonders Erwähnung gethan wurde, und führte alsdann an, ia 
welcher ausgedehnten Weise man in Kussland von der Kohleu- 
oxydgaafeuerung Gebrauch mache. Ferner schilderte der Vor- 
trägende den Betrieb einiger Hüttenwerke (Raiwola, Obuchov, 
Kolpina, Sorroova), erwähnte des interessanten Marktes von 
Niscbni-Nowgorod und schloss seine 
mit der Beschreibung der Lokomotiv- und Wagenbau-, 
zu Kolomna. 

Am Schlüsse der Sitzung wurden die Herren Baumeister 
Wäcbter, Kegierunga- Assessor a. D. Windhorst, Dr. II am - 
mach er, Eisenbahn - Bauinspektor H. Oberberk und Eisen- 
bahn-Bau- und Betriebs- Inspektor Schultze bierselbst durch 
übliche Abstimmung als ordentliche einheimische Mitglieder, 
sowie AbtbcUungsbaumeister Müller zu Torgau als auswärtige* 
Mitglied in den Verein 



Ffir den Bau einer neuen Bürgerschule in Gotha wird 
Seitens des Stadtraths eine Konkurrenz zur Einreichuog voo 
Plänen eröffnet (vergl. Bau-Anzeiger No. 40). Der Schlusstermiii 
ist der 1. Februar 1873. Die Gesammtkosten dürfen die Summe 
von 50000 Thalern nicht überschreiten. Für die beiden besten 
Entwürfe wird ein erster Preis von 1200 Mark und ei 
Preis von 600 Mark ertheiit 



In der Konkurrenz für ein Sohulhaus in Greiz sind 14 
Pläne eingegangen, von welchen indessen keiner die Aufgabe 
dem Programm entsprechend vollständig löst. Ks ist deshalb 
die GesammtKumrae der bewilligten Preise (650 Thlr.) unter die 
besten Arbeiten gleichmäßig vertheilt und sind als solche von 
den Preisrichtern — Arch. Lipslus in Leipzig, Prof. Giese 
in Dresden und Landbaumcister Oberländer in Greiz — be- 
zeichnet worden die Entwürfe mit den Mottos: .Minerva" (Ver- 
fasser Hr. Ehr ig in Chemnitz), .Vorwärts " ( Verfasser Hr. 
Gotthoiner in TJcrlia) und „rothe Marke" (Verfasser Ur. 
Küster in Berlin). 

Ein Preisausschreiben zur Einrcichung von Plänen für eis 
in der Stadt Gleiwitz zu errichtendes Denkmal für die ia 
letzten Kriege Gebliebenen wird von dem Konnte für 
dasselbe erlassen (vide Bau- Anzeiger No. 40). Die disponible 
Bausumme beträgt 2500 Thlr., die Preise für die beiden besten 
Entwürfe sind auf 100 resp. 50 Thlr. festgesetzt Die Pils« 
müssen bis zum 1. Januar 1873 bei dem Landraths - Amt in 
Gleiwitz 



Personal - Nachrichten. 

Ernannt: Der Eisenbahn - Baumeister Karl Friedrich Ji- 
lius Müller in Potsdam zum Eisenbahn- Bau- und Betrieb*-!»- 
spektor daselbst Der Baumeister Monschcur in lnowrad«« 
zum Eisenbahn - Baumeister bei der Posen -Thorn-Bromberpr 
Eisenbahn. Der Baumeister Mappe* in Harburg zum E.**- 
bahn-Baumeister bei der Kai. Ostuahn in Bromberg. Der Krti* 
baumoister SchOnenbergfn Samter zum Bau-Inspektor in Lissa 

Versetzt: Der Kreisbaumeister Arnold in Gersfcld bz« 
Rosenburg und der Eisenbahn - Baumeister Middeldorfs 
Posen zur Oberschlesischcn Eisenbahn nach Breslau. 

Das Baumeister - Examen haben abgelegt am 25. uw 
28. September er.: Bauführer Max Caspar aus llalbersbm 
Bauführer Wilhelm Wer res aus Düren. Bauführer Ludtu 
Büchting ans Cassel. 



Hrn. V. in Gotha. Die beiden Werke: .Die Kalk-, Ziegee 
und Röhrenbrennerei" von E. Heusinger von Waiden, aiw 
.Die hydraulischen Mörtel, insbesondere der Portland-Zenx.-if 
von W. Michaelis werden Ihrem Zwecke am Beaten dienen. 

Hrn. S. in Berlin. Unter den Füll- oder Regulin*" 
eignet Bich für gewöhnliche Zimmer am besten die von 
dinger angegebene Konstruktion. Zu beziehen sind derartig 
Oefen von Cohn, Hausvoigteiplatz 14 bierselbst. 



ug C*il Hullti u 



TM Ol 



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Jahrg. fl. 



DEUTSCHE BAUZEITUNG 



Radaküea * iTj.td.tiaa: 

berlln, tnilwUM 101 

Ea.LUttafan 
iWraHim«n alt. PwUruanltrn 
and nnttiluuidl.ru.n, 

> M 



Organ des Verbandes 

deutscher Architekten - und Ingenieur-Vereine. 

Eedakteur K. E. 0. Fritach. 



Xtiarata 
fnr Dt. Iwt der daatacaea 



Preis 1 Thaler pra Quartal. 


Berlin, den 12. Oktober 1872. 


Erscheint Jede» Ssnnabend. 


Inhalt: !>!. XVI. Waaderr.raaaalaaf d.atachar Architekten und lt>(.- 
uleare in K.rl.rufc«. — DI. AlaauUluig allerer kaJialaanrarWMwr UeiteiuUrjd. la 
KGr.Uli.-'i"n Zeuitriaiue u Berlin. — Die Be.llmrnuii« der Dirnro- und Ein- 
ichnltunnip.cn ratit.l» d«. rlanlmetera direkt man den Län«ennl«clllmenti<pl>nen, 
- DI. Buuoruian «f. Mi»Cer. iu Hameln. — Mlllh.il. mm ... V.r.l- 
n.n: Ortar.aultch.r Ini.nl.ur- «nd Architekten Verein. — Architekten -Vcr.lu 


iu Berlin. — A«. d.r F.chll tter.tur: Zeitschrift da Architekten- und In. 
g.al.ttr-V.r.1». so Hnnnev.r. Jahrg. 71, Heft 1 u.a. — Koakarr «n a ent Koa- 
klirren, für Katvurf. sa einem Katliiaalderjkrael auf den Nlad.rwald. — Kankur- 
reai für Entwurf, in einem GeeellM-hafUbeuee Ar dl. (ie.oll.ch.fi .Verein" la 
B»en. - Km- Koukurr.ni für Entwurf, taa Baa «ioer [naueo Böra. la Frank- 
furt .v Vi. - r er. nn.l - Sack richten. Brief a r. d Frij.li.ltc. 



XVI. 



11. Der äussere Verlauf der Versammlung 
samint-Sitzungen. Die Exkursionen und Ausflüge 
Der 22. und 23. September. 
Nachdem die ersten ans weiterer Ferne eintreffenden 
Gäste der Versammlung bereits durch die Abgeordneten- 
Konferenz des Verbandes deutscher Architekten- und In- 
genieur-Vereine zugeführt worden waren, begann Sonntag 
den 22. September die Massenzuströmung der Fremden, 
deren Verthoilung durch die geschmückte Stadt bald ein 
ungewohntes Leben in derselben hervorbrachte. Leider 
machte die herbstlich rauhe Witterung es unmöglich, die 
erste gesellige Vorversammlung am Abend des 22. September, 
wie beabsichtigt war, im Garten der Gesellschaft Eintracht 
abzulialten. Es musste hierfür der für eine solche Menschen- 
fülle nicht ganz ausreichende Saal gewählt werden — ein 
Tausch, der den praktischen Zweck einer solchen ersten 
Zusammenkunft , das Aufsuchen und Regrüssen Bekannter, 
allerdings erleichterte, den festlich poetischen Charakter der- 
selben hingegen abschwächen musste. 

Als Lokal für diu tieiden zu Anfang und Schluss der 
V grt tam m Itmg abzuhaltenden Gc s a mm tsitznngen war die aus 
der Publikation in Breymann'sBaukonstniktionslebre bekannte, 
von Baurath Lang erbaute Turnhalle bestimmt, deren weite, 
mit buntem Farbenschmuck dekorirte Bäume völlig erfüllt 
schienen, als Professor Baumeister am Morgen des 22. Sep- 
tember die Versammlung mit festlichem Grosse eröffnete. 

Hatten manche der früheren Versammlungen und zumal 
die letzte in Hamburg abgehaltene etwas darunter gelitten, 
dass die Einleitung derselben in allzu geschäftlichem Sinne 
erfolgte, so bildete das ideale Moment, welches diese Feier 
diesmal durchleuchtete, einen nicht gering anzuschlagenden 
Vorzug des Karlsruher Festes. 

In warmer, jedes rhetorischen Aufputzes entbehrender 
und doch an alle Herzen klingender Rede erörterte zunächst 
der Vorsitzende Stellung und Bedeutung dieser XVI. Wander- 
versammlung deutscher Architekten und Ingenieure im Ver- 
gleiche mit den früheren. Wenn derselben einerseits schon 
durch die Anwesenheit und Theilnabme so zahlreicher Ma- 
schinen - Ingenieure , wie sie wohl nie zuvor einer solchen 
Versammlung angehört halten, ein eigenartiger Charakter 
aufgeprägt wurde, der zn der Hoffnung eines steten innigen 
Zusammenwirkens aller technischen Elemente Veranlassung 
giebt, so seien die Verhältnisse, auf welche die diesmalige 
Vereinigung der deutschen Fachgenossenschaft sich stützt, 
überhaupt wesentlich andere und günstigere geworden. Die 
seit den letzten Jahren eingetretene erfreuliche Entwickelung 
des Vereinslebens, welche in der Gründung des Verbandes 
deutscher Architekten- und Ingenieur- Vereine zu einer or- 
ganischen Verbindung der bisher zersplitterten Kräfte geführt 
hat, ist auf die Hebung eines berechtigten Standesbewnsst- 
seins von grösstem Einfluss gewesen und hat bereits zu nam- 
haften Erfolgen geführt Vor Allem aber ist diese XVI. Wan- 
derversammlung die erste, welche innerhalb des neuen deut- 
"eiches tagt, das unsern Bestrebungen nicht allein 
>n im Vertrauen auf eine gesicherte Zukunft einge- 
ausserordentlichen Aufschwung der Technik einen 
Vorschub leistet, sondern auch für die Lösung 
Stellung unseres Faches betreffenden schwierigeren 
Fragen eine solidere Grundlage bildet als die alten Zustände. 
So sei es das Hochgefühl dos Anfangs einer neuen Blütheperiode 
für Baukunst und Bau Wissenschaft, in welchem die deutschen 
Architekten und Ingenieure sich diesmal vereinigen können. 

i V 




(Fnrt*at»nJlg, 

Die Ge- i der Redner auf den ihr im Namen der einheimischen Fach- 
genossen dargebrachten Gross zugleich die Bitte um Nach- 
sicht aussprechen zn müssen, wenn die Stadt Carlsruhe, jung 
in ihrer Entwicklung, schlicht und schmucklos in ihrer Ge- 
staltung, nur eine bescheidene Stätte für sie gewähren könne. 
Was sie trotz alledem ihrer Gäste nicht unwürdig mache, 
sei ihre Lage inmitten einer Landschaft, welche mit Recht 
der Garten Deutschlands genannt wird, und ihre Eigenschaft 
als Sitz eines Fürsten und einer Regierung, als Hauptstadt 
eines Volksstatnmes, in welchem der nunmehr siegreich 
durchgedrungene nationale Gedanke zuerst zu klarem Bewußt- 
sein und zu folgerechtem Handeln sich aufgeschwungen habe. 
Ein von der ganzen Versammlung freudig verstärkter Dank 
an die wohlwollenden Gönner und Förderer derselben, den 
Grossherzog und seine Ruthe, an die Stadtvertretung Carls- 
rahes und ihre gastlichen Einwohnerschaft bildete den 
Schluss dieser Eroffnungsworte, denen seitens der grossher- 
zoglich badischen Regierung Staatsminister Dr. Jolly, sei- 
tens der Stadt Carlsruhe Oberbürgi'nueister Lauter ebenso 
herzliche, wie sinnige Worte des Willkommens hinzufügten. 
Beide erwähnten mit freudigem Stolze derjenigen Anstalt, 
in welcher unter den ersten in Deutschland zu Carlsruhe 
ein Tempel des denkenden and forschenden, Wissen und 
Können vereinigenden Geistes, eine Pflanzstätte der jüngsten 
aber für unsere Zeit wichtigsten Wissenschaft, der Technik, 
errichtet wurde. Jener im idealen Sinne als eines Bandes, 
das die Ziele der Versammlung mit den in Baden gehegten 
Bestrebungen enger verknüpft, daher in direktem Sinne als 
einer Quelle zahlreicher persönlicher Beziehungen, welche 
nicht wenige der Anwesenden als alte Jünger der Carlsruher 
Schule in Treue und Freundschaft an die Bewohner Carls- 
ruhes bindet 

Eine Pflicht dankbarer Pietät gegen einen der eifrigsten 
Freunde und Förderer unserer Wandervereinigungen, den 
leider nicht mehr unter den Lebenden weilenden Präsi- 
denten der letzten Hamburger Versammlung, Architekt Franz 
Georg Stammann, war es, dass die Anwesenden sich in 
ehrender Erinnerung seiner Verdienste erhoben. Von den 
ausser ihm gewählten Vorstandsmitgliedern sind die Herren 
Baudirektor Gerwig (Zürich) und Direktor Karmarsch 
(Hannover) zu ihrem Bedanern verhindert worden an der 
Versammlung Tbeil zu nehmen, wahrend von Hrn. Ober- 
baurath Fr. Schmidt (Wien), wie schon 1»68, jede Nachricht 
fehlte. Acht Vertreter des Vorstandes, die Hrn. Oberbaurath 
von Egle (Stuttgart! Oberst de Paradis (Wien), Oberhof- 
baurath Strack (Berlin), Professor Baumeister (Carls- 
rohe), Oberbaurath Funk (Osnabrück), Professor Durra 
(Carlsrohc), Baumeister Boeekmann (Berlin) und Professor 
Dr. von Ritgen (Giessen) sind hingegen zur Stelle. 

Die kleineren geschäftlichen Notizen, welche nach dieser 
Mittheilung den Schluss der ersten Gesammtsitzung bilde- 
ten, sind der Erwähnung nicht werth, während ein kurzer 
Bericht über die Willigkeit der 4 Abtheilungen, welche in 
unmittelbarem Anschlüsse an dieselbe in den Räumen des 
Polytechnikums zusammentraten, späterhin im Znsammenhang 
gebracht werden wird. 

Den betreffenden Abtheilungs-Sitznngen folgten um 12 Uhr 
die zur Besichtigung einiger Sehenswürdigkeiten von Carls- 
rohe veranstalteten Exkursionen. Die Architekten, zn deren 
Fahne sich, wie in solchen Fällen gewöhnlich ist, weitaus 
die Mehrzahl der Thcilnehmer bekannt hatte, besuchten zu- 
nächst das grossherzogliche Residenzschloss, an welchem 
der in ansprechender Einheitlichkeit, fasi 



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Sinne des vorigen Jahrhunderte durchgeführten Einrichtung 
vornehmlich die herrliche Lage zwischen den lichten Garten- 
anlagen des Schlossplatze* und dem prachtvollen Hardt- 
walde entzückte, welche nicht wenige der Besucher von der 
Höhe des iin Zentrum der liekannten facherartigen Stadt- 
anlage sich erhebenden Scblossthurme» in vollem Umfange 
zu würdigen Gelegenheit nahmen. In dem Hoftbeater, den 
Wintergarten und der Kunsthallc wurden die drei Haupt- 
werke, welche Heinrich Hübsch ausser dem Polytechnikum 
in Carlsruhe selbst geschaffen hat, in dem I-ehrerseminar 
und der Turnhalle von Baurath H. Lang, sowie dem im 
inneren Ausbau noch unvollendeten Sammlungsgebäude von 
Oberbaurath Berckmüllcr die Leistungen der jüngsten 
monumentalen Bautätigkeit des Staates in Augenschein ge- 
nommen. Nicht das geringere Interesse erregten freilich die 
Sammlungen, welche in dem grossen Kuppelraum der Winter- 
gürten, sowie in der Kunsthalle geborgen sind. Das Pro- 
gramm der Bau -Ingenieure umfasste die Besichtigung der 
namentlich durch ihre ausgezeichnete Beleuchtung interessan- 
ten, im Bau fast vollendeten Zentral -Werkstätten der Badi- 
schen Staatscisenbabn, das städtische Wasserwerk im Rüp- 
purrer Walde, dessen Anlage an Ort und Stelle durch Herrn 
Ingenieur G er stn er erläutert wurde, sowie die neue, binnen 
einigen Monaten zu eröffnende städtische Bade -Anstalt — 
letztere in ihrer von Professor Josef Dürrn herrührenden 
Erscheinung allerdings ein Objekt, das wohl mit noch 
grösserem Rechte das Interesse der Architekten beanspruchen 
darf. Am Kleinsten, obwohl nicht weniger dankbar, war 
das den Maschinen-Ingenieuren zugewiesene Feld ; dieselben 
besichtigten die grosse, ehemals Kessler'sche Maschinenfabrik, 
sowie die hauptsächlich für den Eisenbahnbedarf arbeitende 
Wagenfabrik von Schmieder & Mayer. 

Selbstverständlich verbietet ebensowohl der nnr für eine ] 
kurze chronikalische Darstellung disponible Raum, wie die I 
einfache Pflicht der Gewissenhaftigkeit, da 1h*i so flüchtigem 
Schauen ein zuverlässiges Lrtheil nicht zu gewinnen ist, ein 
Eingehen anf weitere Details. Soweit es dem Verfasser 
möglich war, sein durch litterarische Studien vorbereitetes 
Urtheil über die Leistungen und Bestrebungen der Karls- 
ruhrr architektonischen Schule im Anschauen ihrer Werke 
zu vervollständigen, wird er es vielleicht später in selbst- 
ständiger Form zu verwerthen suchen. 

Der Nachmittag vereinigte wiederum die ganze Fach- 
genossensebaft zu dem ersten der gemeinschaftlich zu unter- 
nehmenden Ausflüge, als dessen Ziel die nach einem Ent- 
würfe des Ober- Ingenieurs C. Basler zu Ludwigshafen 



konstruirte Eisenbahnschiffbrücke über den Rhein bei Maxau 
in Aussicht genommen war. Die Besichtigung des interes- 
santen Bauwerkes, das im Festalbnm eine kurze Beschrei- 
bung gefunden hat, gestaltete sich um so instruktiver, als 
das Verhalten desselben beim Uebergange kürzerer und län- 
gerer Bahnzüge, sowie die Möglichkeit, einen Ponton in kür- 
zester Zeit auslösen und wieder einfügen zu können, zu Ebreu 
der Besucher praktisch erprobt wurde. Weniger glücklich 
als diese Experimente gelangen die Geschwindigkeit»- Mes- 
sungen, welche Herr Wasserbaudirektor Grebenau im An- 
schlüsse an seinen zuvor in der Sektion für " 
gehaltenen Vortrag im Rheinstrom veranstaltete; 
wissenschaftliche Untersuchungen wollen eben in 
Müsse vollzogen sein und ent 




Ein trefflicher Imbiss auf der Maxaner Brücke hatte 
den deutschen Architekten und Ingenieuren die Gastfreund- 
schaft der Stadt Carlsruhe bewiesen; die Gastfreundschaft 
des Landesherren eröffnete ihnen und den von ihnen hierzu 
eingeladenen Carlsruher Damen am Abende das Grossher- 
zogliche Hoftheater, in welchem die Meyerbeersche T Afri- 
kanerin tt gegeben wurde, zu ausschliesslichem und freiem 
Besuche. Die naheliegende Voraussetzung, dass die Bezie- 
hung der Festvorstcllung zu unserer Versammlung zum Min- 
desten durch einige Prologworte angedeutet werden würde, 
was den Werth dieser fürstlichen Mnnifizenz in den Augen 
aller Feinfühlenden nicht wenig gesteigert haben würde, 
ging leider nicht in Erfüllung. 

Der 24. September. Ausflug nach Baden. 
Als der gelungenste Theil der in allen festlichen Ver- 
anstaltungen durchweg gelungenen Versammlung wird von 
der Mehrzahl ihrer Mitglieder der Ausflug nach Baden-Baden 
angesehen werden, zu dem am Morgen des zweiten Festtages 
nach Beendigung der Abtheilungssitzungen und unter erfreu- 
licher Betheiligung der Damen die Gesammthcit sich ver- 
einigte. Von einer Gunst des Wetters beglückt, welches die 
Reize der lieblichen Rheingegend zwischen Carlsruhe nnd 
Oos, wie die Pracht des gesegneten Schwarzwaldthals Ba- 
dens mit ihrem höchsten poetischen Zauber verklärte, em- 
pfingen die Festgenossen einen Eindruck von den Natur- 
schönheiten des badischen Gaues, der ihre Stimmung augen- 
scheinlich so überwältigend beeinflusste, dass die Werke der 
Kunst, au welchen die alte, in ewiger Verjüngung begriffene 
Thermenstadt wohl reicher ist als irgend eine ihrer Schwes- 
tern, kaum gebührend gewürdigt worden sind. 

Ein am Bahnhof Baden, dessen Empfangsgebäude zu 



Die Austeilung älterer kunstgewerblicher Gegen- 
stände in Köaigl. Zeughause zb Berlin, »•»•»•) 

Es kann hier nicht beabsichtigt werden, eine die ein- 
zelnen Gegenstände würdigende Beschreibung der Ausstel- 
lung zu geben, wie dies an anderen Orten geschehen ist, 
vielmehr müssen sich die Bemerkungen darauf beschränken, 
,das zu berühren, was in architektonischer oder ornamen- 
taler Beziehung Anknüpfungspunkte für die neuere Kunst 
bilden könnte, deren Grundbedingungen ja in deu meisten 
Fällen andere sind als diejenigen, aus denen die ausgestell- 
ten Gegenstände entstehen konnten. 

Es gilt dies namentlich für die Waffensammlung, 
welche in ihren Hauptstücken, den Harnischen, Schilden, 
Hellebarden, fast ganz dem modernen Standpunkt entrückt 
ist; dennoch ist gerade diese Sammlung um so lehrreicher 
durch das gute Beispiel, welches die Waffenschmiedekunst 
anderen Kunstzweigen darbietet, in ihr zeigt sich fast dureh- 

f&ngig der gute Einflnss rationeller Durchbildung des 
weckes auf die Gestaltung, welcher mit dem Allernoth- 
wendigsten genügt werden muss; selbst die Ornamentirung 
wird dadurch vor dem Verfall bewahrt. Die Reihenfolge 
der Schiessgewehre bietet hierzu eine Fülle von tektonisch 
mehr oder weniger gelungenen Beispielen, die sich bis auf 
die neuesten Produktionen verfolgen lassen. Die Sammlung 
der Hellebarden, Partisanen etc. fesselt durch die kühnen 
und schwungvollen Umrisslinien, die der Degen durch die 
Mannigfaltigkeit und Handlichkeit der Griffe. In ornamen- 
taler Beziehung bieten die auf den Harnischen, den Helle- 
barden und Schilden eingravirten, geätzten, tauschirten Ver- 
zierungen in ihrer richtigen Disposition und klaren Einthei-, 
lung einen bemerkenswerthen Gegensatz zu den gleichzeitig 
in anderen Gebieten herrschenden Formen. Dieser dem 
Zeugbause gehörigen, von dem Hauptmann Ising geordneten 1 
Sammlung schliessen sich 2 Schränke mit Prachtstücken 
aus dem Besitz des Prinzen Karl an. Sie enthalten eine j 
Anzahl Waffen und Gelasse, Prunkschilder, denen meistens 
die hohe Kunst die Weibe ertheilt hat, welche die Kunst- , 



Industrie, in dem Bestreben die Form dem 
sprechend zu gestalten, ihnen versagen muss. Denn wenn 
ein Helm als ein Konglomerat noch so schöner und kunst- 
voll gearbeiteter menschlicher Figuren sich zeigt, hört der 
Begriff desselben, sogar die malerische Wirkung auf. Einige 
Gegenstände daraus, wie überhaupt aus der genannten Samm- 
lung, finden wir bereits in den „Vorbildern für Fabrikanten 
und Handwerkern" veröffentlicht. 

In der Sammlung der nach dem Materiale geordneten 
kunstgewerblichen Gegenstände bilden besonders die Thon- 
arbeiten die Abtheilung, welcher eine direkte Einwirkung auf 
die moderne Kunst zu wünschen wäre. Namentlich ist die 
Behandlung der Glasur, der Farben in den Fayencen in 
reichlichen Beispielen vorgeführt, eine richtige und stil- 
geraässe Ornameutation in sehr vielen vertreten. Die in 
neuester Zeit in England wieder aufgenommene Herstellung 
der metallShnlichen Schillerfarben auf den Erzeugnissen der 
Keramik, die namentlich auf den älteren Majoliken selbst 
leuchtende Farbenkontrastc durch den goldigen Hauch zu- 
sammenbringt, oder ihnen mindestens einen harmonischen 
Hintergrund verleiht, wird, in richtiger* Weise verwendet, ihre 
Wirkung nie verfehlen. Als besonders interessant muss hier 
< ;i:o kleine Sammlung von persischen Arcbitekturstücken 
iu farbigen Glasuren mit der Persien eigentümlichen schö- 
nen Stilisirung der Flora erwähnt werden. Wenn unser 
strenges Klima bisher allgemeiner Verwendung der Glasur 
in den Werken der Baukunst entgegen war, so muss von 
der Ausbildung der Technik verlangt werden, diese Schwie- 
rigkeit zu überwinden, um auch einfacheren Gebäuden deu 
Farbenschmuck zu ersetzen, den hier und da bei reichereu 
Mitteln die Glasmosaik gewährt. Die nach Norden hin be- 
legenen plastisch ornamentirten Faeaden werden gelten zur 
Wirkung gelangen; hier wäre die Farbe Erfordern iss, um 
die notwendige Klarheit zu gewähren. 

Die harten Thonwaaren sind in den übrigens meist 
reizvollen Hauptformen den heutigen Bedürfnissen kaum 
mehr entsprechend; umsomehr muss das Ornament der- 
selben gewürdigt werden, was sowohl in der plastischen 



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den anmuthigsten Schöpfungen E isenloh r's gehört, impro- 
visirter Festzug führte die Gäste — denn als solche be- 
trachtete die Stadt unsere Versammlung — durch den un- 
teren Theil des Orts empor zum Mittelpunkte desselben. 
Die Arkaden der von Hübsch erbauten Trinkhalle, eines 
der früheren, aber zweifellos das schönste Werk dieses Meisters, 
bildete den Festplatz, auf welchem einer herzlichen Begrüs- 
sung der Gesellschaft eine wahrhaft solenne Bewirthung der- 
selben folgte. Abermals im festlichen Zuge, der freilich bald 
genug sich auflöste, wurde sodann der obere Theil der Stadt 
durchmessen und der Berg erstiegen, auf welchem der Glanz- 
punkt der Umgebungen Badens, das alte Schloss weit hinaus 
in die Lande sieht. Fröhliches Getümmel, belebt durch die 
Vorträge eines Musikkorps und der Badenschen Gesangver- 
rine, erfüllte lange die alten Ruinen, denn schwer war es 
von dieser Stelle sich zu trennen. In einzelnen kleinen 
Gruppen, leider meist ohne die nöthige Führung, besichtigte 
die wissbegierige Minderheit auf der Rückkehr zur Stadt die 
einzelnen architektonischen Sehenswürdigkeiten derselben. 

Ohne mich auch hier, und hier noch weniger als ander- 
wärts, auf eine eingehende Schilderung und Würdigung der- 
selben einlassen zu können, nenne ich unter ihnen in erster 
Linie das nene Schloss, die von dem verstorbenen Oberbau- 
direktor Fischer unter Mithülfe der genialen Schwaben 
Beheim und Wirth im Innern prachtvoll restaurirte 
Sommer- Residenz des Grossherzogs. Unter der namhaften 
Zahl kirchlicher Gebäude ist das älteste die vom Architekt 
L. Lang stilvoll restaurirte katholische Stiftskirche; neueren 
und neuesten Ursprungs sind die neue cvaugelische Kirche, 
nach Eisenlobr's Plan von Baurath H. Lang erbaut, die 
nene Kirche in Lichtenthai von Bau - Inspektor Dernfeld, 
die kleine englische Kirche und die dem Schlosse gegenüber 
leuchtende, im Innern sehr gelungene griechische Kapelle, 
das letzt« Werk, das Leo von Klenze geschaffen. Den 
Zwecken des Bades dient gegenwärtig noch ein älteres ziem- 



lich schlichtes Gebäude von Hübsch, während eine nene 
grossartige Dampfbad -Anlage nach den Plänen von Bau- 
Inspektor Dernfeld im Bau begriffen ist; der Trinkballe 
von Hübsch ward oben bereits gedacht. Neben derselben 
hildet das Konversationshaus , in seinen Räumen zum Theil 
noch einem alten Weinbrenncr'schcn Bau angehörig, in sei- 
nen Dekorationen jedoch ein Produkt echten Pariser Ge- 
schmackes, den Mittelpunkt der Geselligkeit, welche bis zum 
1. Januar k. .1. bekanntlich noch in dem Spielsaale sich 
konzentrirt. Französischen Ursprungs, ein Werk des Archi- 
tekten Conteaux, ist auch das Theater, während die ele- 
ganten in Eisen und Glas konstruirten Verkaufsbuden wiederum 
Dernfeld angehören. Eine ausserordentliche Mannigfaltig- 
keit, zum Theil eine nicht gewöhnliche Eleganz zeigt selbst- 
verständlich auch der Privathau, für welchen neben den 
meisten der genannten und nicht wenigen fremden, speziell 
Pariser Künstlern namentlich die Architekten Knoderer 
und Haunz thälig gewesen sind. 

Den Vereinigungspunkt für den Abend gab das in den 
Räumen des Konversationshauses gerüstete Festmahl, bei 
welchem Reden und Sprüche in üblicher Fülle sich entfal- 
teten. Ein wahrhaft prachtvolles Schauspiel, wie es in die- 
ser Vollkommenheit wohl noch von Wenigen der Versam- 
melten gesehen worden war, bot 'nach Schluss des Fest- 
mahls die Beleuchtung des Platzes vor dem Konversations- 
hause, auf welchem inmitten einer wogenden Menge ein 
Musikkorps seine Weisen ertönen Hess, und das zn Ehren 
der Versammlung in Szene gesetzte, in einzelnen Theilen 
bis zn künstlerischer Vollendung reichende Feuerwerk. Hier- 
mit konnte die Beleuchtung des Karlsruher Bades, welche* 
die zu später Nachtstunde Heimkehrenden begrüsste, an 
Reichthum und Glanz freilich nicht wetteifern; als Zeichen 
freundlicher und sinniger Aufmerksamkeit wird sie uns allen 
gewiss nicht minder in angenehmer Erinnerung verbleiben. 



»Ic Bestlnmng der 



und Einsrhnittü-Husei mittel» 



Die Massenberechnungen zu Dämmen und Einschnitten 
unter der Annahme horizontalen Terrainlaufcs normal zur aus- 
Rosteckten Axe erfolgen bekanntlich in zeitraubeuder, schwer- 
fälliger und giÜRttftdtender Weise mit Hilfe gegebener Massen- 
berechnungstabellen durch Ermittelung der Kubikinhalte von 



Station, mit Berücksichtigung der erforderlichen 
tionen, aus den mittleren Bönen der Damme resp. 
den mittleren Tiefen der Einschnitte von Station tu Station, 
zugehörige Massen pro Stationsläoge aus den oben 



des Plaalaeter« direkt ms den Län;enBlTellenentspl»ta. 

erwähnten Massenberechnungstabellcn einzeln entnommen wer- 
den; die respektiven Summen liefern dann schliesslich die 
Gesammtmassen der Dämme, resp. Einschnitte. 

Ebenso genau, aber in einem geringen Bruchtheil der Zeit, 
welche zur Vollendung der Massenberechnungen bei der seither 
üblichen Manier erforderlich ist, können diu Massen der Dämme 
und Einschnitte durch -Flächenermittclung der Damm- 
und Einschnittslängenprofile aus den in ungleichem 
Maasstabe der Langen und Ilöhcn aufgetragenen Längen- 



Arbeit, als in der Zeichnung einfacher, meist einfarbiger 
Flachmuster vielfacher Verwendung fähig ist. Die Ueber- 
fülie fast gleicher Gegenstände in den Schränken (meist 
der Hanemann- Sammlung angehörig) erschwert etwas die 
Uebcrsicht, die in der Ausstellung der Porzellane durch die 
Sonderung derselben nach den Fabrikorten in anerkennens- 
werthem Maasse gewahrt ist. Anch die Ausstellung der 
Gläser bietet, namentlich in den mannigfaltigen Gefässfonnen 
und Farben, ein reiches Bild der Entwickelung, deren Ur- 
sprung aus der antiken Glasindustrie hier leider nicht ver- 
folgt werden kann. 

Weniger umfassend, dafür aber durch die Verschieden- 
heit der Gegenstände fesselnder, sind die folgenden Abtei- 
lungen der Holz- und Elfenbeinschnitzerei, sowie der Metall- 
arbeiten. In ersterer ist es nicht vermieden worden, einer- 
seits die hier so häufigen, reinen Kunstwerke, andererseits 
Spielereien nnd technische Kunststücke, wie hobelspahnar- 
tige Kelchfüsse etc.*), dem unbefangenen Publikum darzu- 
bieten. Die letztere giebt jedoch um so mehr ein pracht- 
volles nnd im Ganzen richtiges Bild hoher Vollendung dieser 
Kunsttecbnik , die vielleicht nnr bei einigen geschnittenen 
Eisenarbeiten zu weit geht. Eine kleine Uebersicht der 
Emailtechnik, die bei dem Reichthnm der Ausstellung in 
diesem Zweige hier wohl ihre Stelle hätte finden können, 
vermisst man, durch die neueren Bestrebungen darin angeregt, 
ungern. 

Die einzelnen Zweige dieser Abtheilnng werden durch 
höhere Schränke gesondert, in denen Gewebe, Spitzenarbei- 
ten, Stickereien sich entfalten. Es befinden sieb darunter 1 
einige sehr werthvolle Arbeiten. 

Als ausserhalb der erwähnten drei grossen Abtheilungen 
stehend muss die Ausstellung der orientalischen Gegenstände 
betrachtet werden. Die kleinere, Persien, Indien umfassend, 
ist besonders reich an edlen vollendeten Werken, während 
die chinesische und japanesische durch die Ausstellung von 
nn harmonischen bnnten Stoffen (die Museen besitzen bessere) 

rt'itw» «h»i»l n««rillne« «ntfcrnt worden vi u. 



den guten Eindruck der harmonischen Porzellan - Deko- 
ration, der vollendeten Metalltechnik zerstört und den 
für unsere moderne Kunstindustrie so wünschenswerthen 
Hinweis auf diejenige dieser Länder nicht zur volleu Gel- 
tung kommen lässt. 

Wenden wir uns zur Betrachtung der sogenannten histo- 
rischen Abtheilnng. Sie enthält ausser den erwähnten grös- 
seren Stücken, Möbeln etc. auch eine nicht unerhebliche Anzahl 
kleinerer Gegenstände, namentlich feiner Metall waan n und 
Scbrauckgegenstände. Das Mittelalter ist nur in einem ein- 
zigen kleinen Raum vertreten, während die Renaissance, 
mehr noch das vorige Jahrhundert, entsprechend grösseren 
Raum ausfüllen, wie die kulturgeschichtliche Stellung Berlins 
nnd Preussens überhaupt es nicht anders voraussehen liess. 
Die werthvollsten Gegenstände, namentlich dem Mittelalter 
nnd der Renaissancezeit angehörig, sind bereits seit langer 
Zeit im Besitz der sogenannten Kunstkammer des königl. 
Museums und dem Studium zugänglich, die späteren in dem 
der königlichen Schlösser. Mehr als in den anderen Ab- 
theilungen finden wir hier die für die Entwickelnng der 
modernen Kunstindnstrie nnr indirekt wirksamen Pracht- 
stücke vertreten. In der mittelalterlichen Ausstellung fesseln 
namentlich die alten Metall- und Emailarbeiten die Auf- 
merksamkeit; die Möbel sind hier spärlich vorhanden; als 
historisch merkwürdig muss der Kaiserstuhl von Goslar er- 
wähnt werden. 

Die der Renaissance eingeräumten Zimmer besitzen als 
Hnnpthestandtheile der Sammlung Möbel und Holzarbeiten, 
welche die Behandlung des Holzes allein nnd in Ver- 
bindung mit anderen Stoffen, Elfenhein, Metall, in dekora- 
tiver Weise veranschaulichen. Der Reichthum und die 
malerische Behandlung lassen trotzdem die Mängel an 
durchdachten strnktiven Formen nicht verschwinden. 
Die freien und launenhaften, aber meist in sich organischen 
Möbelformen der späteren Epochen, selbst des Rokkoko, 
wirken daher meist harmonischer nnd richtiger, weil die 
s, wenn anch malerisch geschickte Verwendung 
in Holz, namentlich in der 



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— 332 




Google 



^335 



nivellcmentsplänen direkt mit Hilfe dea Planimeter» 
bestimmt werden. 

Sind die Höhen eine» beliebigen I.äflgpnprofil* im » fachen 
Moasstabe der Längen aufgetragen, so wird durch Ermittelung 
der Flache de» Längenprofils eines Dammes oder Einschnitte« 
mit Benutzung des Planimeters ein Flächeninhalt ermittelt, 
welcher genau das n fache des wirklichen Profils ist. also des- 
jenigen Profils, welches im gleichen Maasstabe der Höhen und 
Längen aufgetragen wurden. 

Es ergiebt sich also durch Division des ermittelten Flächen- 
inhalts durch n die wirkliche Fläche des betreffenden Längen- 
profils des Dammes, reep. Einschnittes. 

Ist nun im LäDgenprofil die ganze Länge eines solchen 
Dammes oder Einschnittes von Nullpunkt zu Nullpunkt /, 
so ergiebt sieb durch Division der wirklichen Längenprofil- 

fläche, welche also 1 der durch den Planimcter bestimmten 

Fläche tat, durch / genau die mittlere Höhe des ganzen 
Einschnittes — k bis Plonumshühe. 

Für dieses h aber liefern die auch bei den alten Methoden 

f gebräuchlichen Erdmassenberechnungstabellen den pro Stations- 
änge zugehörigen Kubikinhalt. Stehen solche im Voraus berech- 
nete Tabellen nicht zur Verfügung, so ist pro Damm resp- 
Einschnitt je eine Profilflächenberechnung für diese mittlere 
Höhe A nach dum gegebenen Normalprofil de» Erdktirpers tu 
leisten, eine Arbeit also, die in wenigen Augenblicken geschehen 
ist Durch Multiplikation dieser Massen pro Station mit der 
ganzen Länge des Dammes, resp. Einschnittes von Nullpunkt 
zu Nullpunkt, also /, in Stationen ausgedrückt, ergiebt sich 
demnach sofort die Gesammtmasse des betreffenden Dammes, 
resp. Einschnittes. Selbstverständlich lässt sich diese Art der 
Maasenberechnung zur Kubikinhalts bestiuiniuug jeder Art von 
Auf- und Abträgen in Anwendung bringen, also zur Massen- 
berechnung oller Ei sen Min- and Strossenkorper. der Graben- 
anlagen längs der letzteren, Flussverlegungen. Deicbanlagen etc., 
wenn über ein Längenprofil der genannten Werke verfugt wer- 
den kann- 

Diese Massenberechuungsniethodü lässt sich auch benutzen, 
wenn das Terrain normal zur ausgesteckten Axc 
geneigt ist, wobei selbstverständlich die Annahme gemacht 
werden muss, dass diese Neigung des Terrains in der ganzen 
Länge de» Dammes resp. Einschnittes gleichmässig ist, oder so 
vermittelt werden kann, dass eine solche gleichmässige Neigung 
vorausgesetzt werden darf. 

Ist diese Terrainneigung durch das Verhältnis* 1 i :• uud 
dos Boschungsverhfiltuiss der Dämme resp Einschnitte durch 
1 : in bestimmt, ist die Planumsbreite der Dämme = p, die 
Einscbnittsweite in Planumsböhe = t", die mittler« Höhe des 
betreffenden Dammes resp. die mittlere Tiefe des Einschnittes 
nach der obigen Bestimmung = 4, an welcher letzteren nicht 
dos Mindeste durch die Terrainneiguug geändert wird, weil die 



mittlere Höhe h in der ausgesteckten Aie bei horizontalem 
oder quergennigtem Terrain genau dieselbe bleibt, so ist die 
buh der Terrainneigung rcsulnrende Mehrmasse durch Berück- 
sichtigung der Differenz zwischen dem grosseren, auf der Thol- 
soilo hinzutretenden , uud dem kleineren, auf der Bergseite in 
Wegfall kommenden Dreieck der Protilfläche für die ganze 
Länge des Dammes resp Einschnitte* von Nullpunkt zu Null- 
punkt = /. in Stationen ausgedrückt, zu bestimmen: 




I>ie Flächeudifferenz dieser Dreiecke ist eben bei den an- 
genommenen Bezeichnungen folgende: 
Für das mittlere Dammprofil: 



ß — m 
2 m 



Für das mittlere Eiuschuittsprofil: 
(P l V - fff 

Demnach die durch geneigtes Terrain resultirende Mehr- 
masse: 

pro Damm =01 
„ Einschnitt = 0'/. 
welche einfach zu den vorerst ermittelten Massen addirt werden- 

Dies einfache, schnell zum Schlussresultate führende neuere, 
dem älteren, seither gebräuchlichsten an Genauigkeit vollständig 
gleiche uud ebenbürtige Verfahren (weil in beiden Fällen mit 
vermittelten Auftragshöhen, resp. Abtragstiefen ge- 
rechnet wird) zur Bestimmung der Massrninhalte der Dämme 
und Einschnitte mit Hilfe des Planimeters wird sich jedenfalls 
einer allseitigen Anwendung bei überschläglichen Massenberech- 
nungen seitens der Fachgenossen erfreuen und die ältere 
Methode stellenweise ganz verdrängen. 

Stade, im September 1872. 

G. Mengel, Ing. 



späteren Zeit der Renaissance in ihnen verschwanden ist, 
wie sie später in ähnlicher Weise durch den Einfluss der 
Kenntnis» griechischer Kunst wiederkehrt. Von bedeuten- 
derem Kuustwerthe sind durchgehend* die kleineren Arbeiten, 
namentlich die Goldschuiiedearbeiten. 

Wenn die der Renaissance eingeräumte Hälfte der Korn- 
partimente mehr einen internationalen Charakter trägt, so 
wird der heimische durch die zweite Reihe gewahrt, welche 
die Zeit des vorigen Jahrhunderts darstellt. Sie beginnt 
mit einzelnen wenigen Werken des grossen Schlüter, der 
die beginnende Aasartung des Geschmackes in anderen 
Ländern durch höchste künstlerische Kraft und eine für 
die Epoche seltene Reinheit uud Klarheit des Ornament* 
von Berlin eine Zeit lang entfernt hielt Unter Friedrich 
dem Grossen sehen wir Rokkoko- Gegenstände hier in 
reicher Vertretung, den Aasklang der in dekorativer Bezie- 
hung immer noch schöpferischen grossen Rcnaissanceperiode. 
Das nun folgende, durch die entstehende Kenntuiss des grie- 
chischen AlterthuniM charakteristirte Zeitalter des Geschmack* 
beginnt in vielen Beziehungen den Weg des lernbegierigen 
zaghaften Schülers, wenn auch die ausgebildete Technik 
seihst eine Zeit lang vorhält, um den Produkten ia dieser 
Beziehung eine gewisse Meisterschaft zu sichern. Dann ver- 
fällt auch diese nnd der ganze Vorrath an künstlerischen 
Ideen beschränkt sich auf die Formen, welche gute oder 
schlechte Stiche nach alten Vasengemälden dem Publikum 
liefern. Eine Ausnahme macht die hohe Kunst, die dnreh 
Carstens, Schadow einen anderen Standpunkt gewinnt An 
diese Epoche knüpft die Wirksamkeit Schinkels in erwei- 
terter and tieferer Kenntnis» des Alterthams die Herausbil- 
dung des bisherigen griechischen Schemas zur lebensfä- 
higen Kunstform; es beginnt, wenn auch nur erst in ähn- 
licher äusserlicher Weise wie einige Jahrzehnte vorher, das 
Stadium des Mittelalters. Auf dem Gebiete der Technik 
verrückt die sich Bahn brechende Gewalt der Maschine den 
früheren Standpunkt des Kunstgewerbes. Ferner sehen wir 
bei der Armutn des Staates verschiedene billige und ge- 
brechliche Materialien in Aufnahme kommen, um eine wenn 
auch nur geringe künstlerische Aasbildung der Gegenstaude 



anzustreben; es missglückt meistens nnd nach kurzem Dasein 
zieht das schlechte Material die schöne Form za Grabe. 
Erst später wird dem Materials wieder mehr Rechnnag ge- 
tragen, so dass einzelne Gegenstände in künstlerischer wie 
technischer Beziehung zn den Meisterstücken gezählt werden 
müssen. Das Beste was der neueren Eotwickelung ans 
dieser Zeit gegeben worden ist. ist das Beispiel Schinkels 
und seiner Zeitgenossen, das* Streben nach wahrer Ent- 
wickelung • der Form auf der Grandlage möglichster Kennt- 
uiss und rationellen Denkens. 

Die diesen Bestrebungen im Anfange der neuen Zeit ge- 
währte Abtheilung bietet leider fast nur ein Bild der Ar- 
muth, nicht das des bezeichneten Strebens. Mag vieles in 
schlechtem Materiale Ausgeführte verschwunden sein, oder 
nicht Ausgeführtes in dem Laien unverständlichen Zeichnun- 
gen der Auferstehung harren, so ist doch noch genng vor- 
handen, um dem heutigen Kunsthandwerk einen Spiegel vor- 
zuhalten. Hat doch vor mehren Jahren der Architekten- 
Verein eine beträchtliche Sammlung von Silbergeschirren 
nach Schinkels Zeichnungen als Festschmuck aufweisen kön- 
nen; das Schinkelmuseum bewahrt wahrlich für diesen Zweck 
lehrreichere Zeichnungen, als die unsrheinbar dargestellte 
Dekoration zur Armide oder die gothiBche Kirche. Die gross- 
artige Tapete des alten Museums ist neuerdings bei Herstel- 
lung eines Saales wieder angefertigt worden und wäre dem 
Räume wohl zu Statten gekommen; auch wäre die mit einge- 
legtem und tauschirtem Silber und Goldornamenten nach 
G. Stier s Zeichnungen geschmückt«, in der Ornamentik za 
den vollendetsten Blüthen der Schinkel'schen Schule zählende 
Bronze-Statue Friedrich Wilhelms DL hier wohl passender 
gewesen, als '2 Napoleonsbüsten und der König von Rom in 

! an sich für diese Zwecke verwerflichem Porzellanmaterial. 
Selbst der Schrank kleinerer Kunstwerke enthält eine befrem- 

' dende Zusammenstellung aller möglichen Gegenstände, unter 
denen auch mehr als mittelmässige antike Thonwaaren nicht 
fehlen. 

Die Tagesmode verlangt, wie vor HO Jahren griechische, vor 
25 Jahren gothische. heute nur Gegenstände im Renaissancestil, 
einem vielversprechenden Namen. Letalerer soll der Kultur 



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— 336 — 



Dir ResUaratlaa des ■aasten 11 laairln. 



Die ältesten schriftlichen Nachrichten, welche über den 
Münster in Hameln aufzufinden sind, enthalten die Nachricht 
von dem Brande desselben im Jahre 1300. Wenige übrig ge- 
bliebene Reste bildeten die Grundlage für deu im Anfange des 
13. Jahrhunderts erfolgten, im Wesentlichen auf die Gegenwart 
gekommenen Wiederaufbau. Im Jahre 1540 wurde die dem heili- 
gen Bonifacius geweihte Kirche für den protestantischen Kultus 
zuerst benutzt. Wiederholt traten in den Jahren 1660 und 1744 
am Vierungsthurme Beschädigungen ein; im Jahre 178*2 drohte 
das nördliche Seitenschiff einzustürzen, und wurden zur Erhal- 
tung desselben seine Giebelaufsitze abgetragen, hingegen mehre 
sehr unschöne Strebepfeiler aufgeführt Von 1603 bis 1810 
diente die Kirche wiederholt den franzosischen Kolonnen als 
Pferdestall und Pourage-Magazin. Die reichen Altargeräthe. die 
beiden werthvollen Orgeln etc. wurden theils gestohlen, theils 
detnolirt, nur ein Gelaute von 5 bis 30 Zentner schweren 
Glocken ist erhalten geblieben und wird dcmnSchst seiner Be- 
„ zurückgegeben werden. Im Jahre 1840 wurde durch 
Verein die erste Anregung zur Rcstauriruug des der Be- 
nutzung entzogenen Münsters gegeben. Nachdem dieser Verein 
eine kleine Summe zusammengebracht, bot auch die Konigin 
Maria von Hannover die Hand zur Unterstützung des Werkes; 
einige Vermächtnisse vermehrten den so gebildeten Fonds, auch 
Stadt und Regierung Hinten das Ihrige, um die benothigte 
Summe zusammenzubringen , und so konnte endlich im Jahre 
1870 an die Ausführung des lange vorbereiteten Werkes gegan- 
gen werden. 

Unter verschiedenen für die Restaurirungs - Arbeiten auf- 
gestellten Entwürfen erhielt der des Baurath IIa sc- in Han- 
nover den Vorzug und wurde der Ausführung des Werkes zu 
Grunde gelegt Nach den Intentionen dieses Meisters und unter 
spezieller Leitung des Bauführers Dreher ist der Bau, unge- 
achtet der Kriegsercignissc rüstig weitergeführt und nunmehr 
seiner Vollendung nahe gebracht worden, so dass die auf 3 Jahre 
berechnete Bauzeit voraussichtlich eingehalten werden wird. 
Der Kostenanschlag für die reinen Bauarbeiten, ohne die auf 
25000 Thlr- berechnete innere Einrichtung der Kirche, betragt 
43000 Thlr. 

Nach den Forschungen Uase's ist der erste, wie erwähnt 
1200 abgebrannte Bau eine Basilika mit Querschiff, zwei schmalen 
Seitenschiffen, Krypta und zweigeschossigem Vicrungsthurm ge- 
wesen. Jetzt sind davon nur noch die Krypta, der Vierungs- 
thurm, und einige Mauerreste im südlichen 'Kreuzarme und der 
daran liegenden Kapelle erhalten. 

Bei dem Wiederaufbau im 13. Jahrhundert wurde die Kirche 
in einen Hallenhau mit zwei allerdings sehr ungleich bemesse- 
nen Seitenschiffen umgewandelt Die architektonischen Formen 
des ältesten Thelles sind sehr einfach. Sowohl die Säulcnka- 
r Krypta als 



einfache romanische Würfelformen, ein ebenso einfacher Bogen- 
fries schmückt den südlichen Giebel und die Kapelle. Schön 
sind besonders die Uebergänge aus romanischen in gotbische 
Formen, interessant sind dagegen die dem Anfange des 13. Jahr- 
hunderts angehörenden Theile. Das Masswerk der Fenster be- 
steht fast ausschliesslich aus der Wiederholung eines schönge- 
formten Dreipasses, die Fenster selbst sind mit kräftigen Rund- 
stab • Profileu eingerahmt Die Pfeiler mit ihren Diensten, die 
Arkaden an der Innenseite des nördlichen Seitenschiffes, die 
Konsolen etc. zeigen die mannigfaltigste Behandlungswcise und 
die reichsten Steinmotzarbeiten, in theils rein gotbiachen, theils 
mehr oder weniger romanisirenden Formen. Vor allen aber sind 
die beiden Portale der Nordseite herrliche Beispiele gothischer 
Architektur. Der westliche Hauptthurm gehört wohl dem Ende 
der Bauzeit, der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts an. Dieser 
überaus schmucklose Thurm macht mit seinem nach zwei Seiten 
abgewalmtcn Dache einen entschieden dürftigen, unfertigen Ein- 
druck und hat jedenfalls das Schicksal so vieler Kirchonthürme 
getheilt indem er wohl grossartiger projektirt, in Folge allmä- 
ligeu Versiegens der Geldmittel seine jetzige Gestalt erhalten 
hat. Derselben Zeit dürfte auch ein Theil des südliehen Seiten- 
schiffs angehören; die mannigfaltigere Behandlung des Maass- 
werks der Fenster dieses Theiles der Kirche, sowie die Formen 
desselben deuten auf diese Zeit Eine eigenthümliebc Anord- 
nung: bietet die Dachkonstruktion; dieselbe folgt nämlich nicht 
der Längenaxe des Gebäudes, sondern besteht aus mehren den 
Pfeiler-Jochen entsprechenden, rechtwinklig zur Längenaxe an- 
geordneten Dächern, welche nach den Umfassungsmauern ab- 
gewalmt sind. Die Entwässerung geschah durch steinerne, nach 
den Aussenwänden etwas geneigte Rinnen. Diese wenig Dich- 
tigkeit gewährende Abwässerung hat neben der Aufhängung 
des Geläutes im Vierungsthurm wohl hauptsächlich zum Ruin 
des Bauwerks beigetragen. 

Als die Restauration in Angriff genommen wurde, zeigte 
sich das nördliche Seitenschiff in einem Zustande, welcher eine 
Erhaltung desselben unmöglich machte. Was nicht bereit« ein- 
gestürzt war, niusste abgebrochen werden , doch ist mit grosser 
Pietät dafür Sorge getragen worden, dass alle architektonischen 
Formen, soweit sie noch vorhanden waren, erhalten und wo eine 
Ergänzung noth wendig, dieselben treu nach den gesammelten 
Fragmenten ausgeführt wurden; selbst der grösste Theil des 
Quader -Materials hat wieder seine Verwendung gefunden. 

Die grOsste Schwierigkeit und Gefahr, aber auch das meiste 
Interesse bot die glückliche Erhaltung des Vierungsthurmes. 
Von oben bis unten geborsten, war derselbe in unausgesetzter 
Bewegung, ungeachtet an allen möglichen Stellen starke eiserne 
Anker mit Schraubenbolzen durchgezogen wurden. Diese räth- 
selhafte Erscheinung fand ihre Erklärung, als endlich der in 
grossen Haufen auf den Gewölben un ' 



der Neuzeit am nächsten stehen und bietet ja oft, ohne dass 
man nöthig hätte in die Formensprache der alten Welt ein- 
zudringen, oder sich um die konstruktiven Bestrebungendes 
Mittelalters zu bekümmern, ja ohne die von ihr selbst be- 
folgten Gesetze kritisch anzurühren, auf die bequemste Weise 
den Stoff zur direkten Nachahmung, je nach dem verlang- 
ten Dezennium. Wie lange aber diese Richtung vorhalten 
wird, ist nicht vorherzubestimmen, jedoch bei dem immer 
schnelleren Kreislauf, den Geschmack und Mode vollführen, 
wohl zu ahnen; wird sie ja vorzugsweise (bei uns, wie in 
Frankreich) darum gepriesen, weil man hier bei dem noch 
nicht verarbeiteten Material das kritische Denken und Wis- 
sen in der tektonischen Kunst auf das geringste Maass 
herabzusetzen im Stande ist ■ — Und doch hat namentlich die 
Kunstindustrio beides so nöthig, wen* sie ihre Stellung in 
der modernen Zeit wahren will, denn auch die äusseren Ver- 
hältnisse sind heute vollkommen andere, als vor ein- oder 
zweihundert Jahren. Während vom Alterthum bis auf die 
moderne Zeit zuerst der Kultus, dann der Herrscher oder 
mindestens der reiche Kunstliebhaber der Hort der Kunst- 
industrie gewesen ist, verlangt die Neuzeit, dass sie dem 
Volke mehr als früher bildende und erfrischende Geistes- 
nahrung bieten soll. Fromme Aufopferung, sklavische Ab- 
hängigkeit und schlechte Bezahlung der Künstler werden da- 
her beute nicht mehr die Faktoren sein, mit denen früher 
bei Hervorbringung der Erzeugnisse der Kunstindastrie ge- 
rechnet werden konnte. Dafür ist die Maschine als Ver- 
aufgetreten, hat einen grossen Theil der früher dem 
Last fallenden Thätigkeit auf sich genommen 
und es so möglich gemacht, dass die Industrie die billige 
und schnelle Produktion im Kunstgewerbe als ein vortheil- 
haftes und ergiebige« Feld sich erobert und dem Volke zu- 
gänglich gemacht hat. was sonst nur dem Begüterten zustand. 
Aber mit der meist übermässigen Billigkeit und Schnelligkeit 
der Produktion hielt die Schönheit der Form nicht Schritt, 
nicht einmal die Zweckmässigkeit; unbequeme Stühle, un- 
ffe, unzweckmässige Ausgüsse der Ge fasse 
gang und gäbe, namentlich wenn leicht zu 
die Fehler zu Tugenden tu 



indgriffe 
noch ga 



stempeln bestrebt ist. Die vom Menschen immer zu ver- 
richtende Hauptarbeit die Erfindung in der Gestaltung, bat 
der Vervollkommnung neuer Maschinen nicht folgen kön- 
nen und unreife Produkte zu Tausenden haben die Welt 
überschwemmt Jene schöpferische Arbeit muss heute in 
schnellerer Zeit, aber in konzentrirter und überlegterer Weise 
geschehen, weil jeder Mangel in der Vollendung sich ver- 
tausendfacht Was in der Renaissance namentlich oft den 
Reiz einzelner Kuustwerke erhöht, die kleinen Erscheinun- 
gen der individuellen Eigcnthümlichkeiten der Künstler, die 
sich bis zur Aeusserung der Laune im Rokkoko fortsetzen, 
wird heute bei der Maschinenproduktion vermieden und auch 
hier eine ähnliche Objektivität angestrebt werden müssen, 
wie sie in anderer Weise die höchsten Spitzen der bilden- 
den Kunst überhaupt zeigen. Dass auch dieses die blosse 
Nachahmung nachahmender Kunst nicht leisten wird, liegt 
uuf der Hand. 

Dass das Schaffen auf dem Gebiete der Kunstindustrie von 
einem solchen objektivmi Standpunkte aus noch keineswegs 
geübt wird (der Orient bildet aus, anderen Gründen etwa eine 
Ausnahme), ja dnreh die materialistische Richtung der Kul- 
tur, die erniedrigenden Anforderungen der Mode immer we- 
niger Aussicht auf Wirksamkeit hat, ist Schuld daran, wenn 
die Massenproduktion, ohne Halt in der Tradition, verlassen 
von der bildenden Idee des Künstlers, von dem tüchtigen 
Können des Handwerkes, ihren ruhmlosen Weg unaufhaltsam 
verfolgt. 

Dagegen kann nur wirken: Rechtssicherheit der 
künstlerischen Produktion im Kunstgewerbe, damit die mehr 
als je nothwendigen ausdauernden Studien überhaupt mög- 
lich gemacht werden, ferner unausgesetzter allgemeiner und 
spezieller Kunst-Unterricht des Volkes, für den leider bia 
heute bei uns die Geldmittel gefehlt haben. Hoffen wir. 
dass Beides bald in hinreichendem Maasse uns zu Theil 
werde. Wenn dereinst der Boden des Recht« geschaffen sein 
wird, wenn der ernährende Born der Belehrung fliesst wird 
der Sonnenstrahl erst im Sunde sein, die Entwicklung 
der Blüthe der Kunstindustrie auch bei uns wahrhaft zu 
befördern. E. Jacobsthal. 



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- 337 - 



Es zeigte sich nun, dann bei einer früheren 
Restauration der leitende Techniker auf die Idee gekommen 
war, um den wohl damals schon defekten Vicrungspfeiler zu ent- 
lasten, einen Theil dieses Druckes auf den Scbildbogen des Mit- 
telschiffes zu übertrafen. Zu diesem Zwecke war ein kompli- 
zirtes System von Bogen augelegt, welches aber den beabsich- 
tigten Zweck durchaus nicht erfüllte, sondern das Entgegenge- 
setzte verursacht hatte. Der Schildbogen mit seiner nur 
schwachen Hintermauerung konnte der ihm aufgebürdeten Last 
nicht Stand halten und wich unausgesetzt immer mehr und mehr 
aus. Bei der Restaurirung blieb nur übrig, den Vicrungsthunn 
entweder ganz abzutragen, oder zu unterfangen und das zer- 
störte Mauerwerk durch neues zu ergänzen. Es wurde das 
Letztere gewählt und Dank der umsichtigen und sorgfältigen 
Leitung ist die Ausführung dieses nicht ungefährlichen Unter- 
nehmens ohne Unfall glücklich von Statten gegangen. Die 
übrigen Theile der Kirche bedürfen nur kleinerer Reparaturen, 
mit Ausnahme sämmtlicber Dächer, welche neu mit Schieferbe- 
kleidung und kupfernen Wasserrinnpn hergestellt worden; auch 
hat der westliche Thurm, welcher nun die früher im Vierungs- 
thurm befindlichen Glocken aufnehmen soll, ein dem ganzen 
Bau entsprechendes Hauptgcsinrt mit Bogonfries erhalten. 

Leider liegt in Folge jahrelanger Anhäufung von Schutt 
und der Erhöhung der Strasseut'ahi bahn beim Bau der Ketten- 
brücke der früher über das umliegende Terrain erhöhte Fuss- 
boden des Münsters nunmehr wohl 1™ unter demselben. Ks 
dürfte sich empfehlen wenigstens die nächste Umgebung der 



Ingenieur- und 

General-Versammlung in lnsterburg am 3. Oktober 
1872. Vorsitzender Uerzbruch, anwesend 19 Mitglieder und 
6 Gaste. 

Nachdem die Stadt, die Kirche und die dortige Aktien-Spin- 
nerei besichtigt war, wurde Abends 7 Uhr .die Versammlung er- 
öffnet und nach Verlesen des Protokolls beschlossen: 1) der Vor- 
stand wird ermächtigt , soweit nicht freiwillige Vorträge ange- 
meldet sind, die Vereinsmitglieder der Reihe nach obligatorisch 
zu Vortragen, Mittheilungen etc. aufzufordern. 2) das Winter- 
Familienfest ist in der zweiten Hälfte des Februar 1873 in Kö- 



Durch Ballotage wurden als Mitglieder aufgenommen: Eisen- 
babnbauinspektor Clemens (Königsberg), Baumeister Hein- 
rich (Königsberg), Ingenieur Radock (Königsberg}, Kreisbau- 
meister Ruttkowsky (Angerburg), Eisen bahnbaumeister Mat- 
thies (lnsterburg). Dann folgten folgende Vorträge: 

Simony (Königsberg) beschrieb unter Vorzeigung dos Ap- 
parats die Einrichtung der vou der Maschinenfabrik Vulcan 
verbesserten Taucherapparate, namentlich die bei derselben an- 

gewendete Luftzuführung u. s. w. und setzte hinzu, die Sicher- 
et des Apparats sei jetzt so gross und derselbe so zweck- 
mässig konstruirt, dass die Taucher bei Brüsterort ohne Gefahr 
und Beschwerde 6 Stunden unter Wasser bleiben könnten. 
Die Fabrik liefere auch jetzt Apimrate ohne Anzüge für Bei 
werke, um die Bergleute gegen das Einathmen schlechter Li 
etc. zu schützen. 

Mohr (Hemel) beschrieb unter Vorlegung der Zeichnungen 
die Einrichtung einer in Memel gebauten Schwefelsäure-, Salpe- 
tersäure- und Superphosphat- Fabrik. 

W. Müller (Königsberg) beschreibt die Konstruktion des 
auf der Maschinenfabrik Vulcan in Königsberg im Bau begriffe- 
nen eisernen Lootsen- und Bugsir -Schrauben -Dampf- Schooners 
für den Pillaucr Hafen. Das Schiff, das erste eiserne Seeschiff, 
welches in Königsberg gebaut werde, habe eine Kiellänge von 
25,108™, im Mittelspannt eine obere Breite von 5,179 m , und werde, 
da dasselbe vornehmlich auch im Winter im Eise gebraucht wer- 
den solle, besonders stark konstruirt, bekomme vorno am Bug 
und in der Wasserlinie eine gepanzerte 0,026 unter Waaser 
eine 0,013" and über Wasser eine 0,010" starke Haut Der Tief- 
gang des Schiffes werde hinten 3,14 m , vorne 2,67 ■ betragen und 
nahe derselbe eine Auswässerung von durchschnittlich 2,04 ■. 
Wenn das Schiff im Allgemeinen nun sehr scharf gebaut werde, 
so sei der Schnitt am Bug über Wasser doch voller angeordnet, 
damit das Schiff beim Stampfen in See nicht zu tief mit dem 
Bug, der überdies zum Abschieben des Eises überfallend kon- 
struirt sei, durchsetze. Das Schiff erhält ein ganzes Sturmdeck, 
zwei sogenannte Pfahl-Masten ohne Stengen und eine Wölpsche 
Maschine von 50 Pferdekraft mit Oberflächen-Kondensation. Die 
Geschwindigkeit des Schiffes werde voraussichtlich 12 Knoten pr. 
Stunde betragen, wobei der Kohlenverbrauch ca. 10 Pfund pr. 
Stunde und Pferdekraft sein werde. 

Becker (lnsterburg) referirt über die am Nachmittage be- 
sichtigten in diesem Jahre mit Konkrct-Mauern ausgeführten 
Gebäude; die ihm gestellten Anforderungen: „schnelles Austrock- 
nen, Schutz gegen Kälte in diesem Winter» seien erreicht, da 
die in diesem Sommer gebauten Gebäude bereits bewohnt seien, 
und zugleich sei der Bau billiger, als mit Ziegelsteinen ausge- 
führt Die Kosten für Ziegelmauerwerk bei Ziegelstein preisen 
von 15 Thlr. pro Mille würden sich auf 7 Thlr. 21 Sgr. pr. kb<» 
stellen, während 1 kb« Konkret-Masse nur 4 Thlr. 26 Sgr- ge- 
kostet habe. Für ein zweistöckiges Gebäude betrage der Preis 
- Konkrethäuser pr. □» = 30 Thlr., für ei 



Kirche, etwa bis zum Trottoir der Strasse, auf das Niveau des 
Fussbodens zu senken, das Trottoir mit einem einfachen Gelän- 
der zu versehen und den Eingängen gegenüber breite Freitrep- 

Een anzulegen. Irre ich nicht, so ist eine ähnliche Anlage am 
[ildesheimor Dome ausgeführt Ebenso ist im Laufe der Zeit 
der westliche Theil des Münsters durch Privathäuser verbaut 
worden. Nicht allein ist der Kirche dadurch ihr Haupteingang 
entzogen, sondern auch die ganze Ansicht des schönen Baues 
leidet dadurch. Es wäre wohl eines Opfers seitens der Stadt werth, 
durch Ankauf und Abbruch der betreffenden Gebäude einen 
Platz zu schaffen, wie ihn kaum eine Stadt gleicher Grösse auf- 
zuweisen haben würde- Der frei am Ufer der Weser aufstre- 
bende Bau des Münsters, die Kettenbrücke, die bewaldeten 
Berge des gegenüber liegenden Ufers mit ihren Villen und dem 
Aussicbtsthurm auf dem Klüt bilden ein Panorama, so reizend 
wie es nur gedacht werden kann, Natur und Kunst alte und 
neuo Zeit vereinigen sieh um den Münsterplatz Hamelns mit 
ihrem reichsten Blüthenkranzc zu schmücken. Zu bedauern ist 
noch, dass der Vierungsthurm keinen anderen Abschluss erhal- 
ten kann als seinen alten Zwiebelhelm und die dazu wenig pas- 
sende flache Kuppel, doch sollen weder die vorhandenen Mittel 
noch die Tragfähigkeit des Mauerwerks etwas Anderes erlauben. 
Durch die Munifizenz einer Anzahl wohlhabender Bürger ist 
jedoch dem Münster ein besonderer Schmuck in der Form far- 
biger Fenster geaichert, indem die Herstellung je eines solchen 
von den betreffenden Bürgern als Stiftung übernommen wor- 
den ist E. F. 



Gebäude = 17 Thlr. und für Stallungen = 7 Thlr. Die Mischung 
der Konkret-Masse bestehe aus 1 Theil Portland-Zemcnt, 4 Thei- 
len Kalk , 15 Theilen Kies und 10 Theilen geschlagenen Ziegel- 
steinbrocken. Im Ganzen sei für 6 Gebäude 674 kb« feste Masse 
verwandt worden. Die Umfassungsmauern seien im Erdgeseboss 
2 Stein, oben l'> Stein stark, die Mittelwände, auch die tragen- 
den, dagegen 1 Stein stark; unter den Balkenlagen seien die 
Mauern mit Ziegelsteinen abgeglichen, auch zwischen den Balken 
Ziegclsteinmaucrwerk eingefügt Bei der Ausführung seien die 
Materialien trocken gemengt, dann in 0,10 — 0.16" Höhe ausge- 
breitet und Kalkmilch darüber gegossen. Die fertige Masse sei 
in Lagen von 8«" eingebracht und so lange gestampft, bis die 
Masse feucht geworden sei (schwitze). 

Schluss der Versammlung gegen 10 Uhr. 

Arohltekton-Voroin zn Berlin. Da die vorletzte der dies- 
jährigen Sommer-Exkursionen des Vereins Sonnabend den 21. Sep- 
tember nach dem Bau der Flora in Charlottenburg gerichtet 
war, über den wir ungern Lesern bereits eine ausführlichere 
Mittheilung in Aussiebt gestellt haben, die letzte Vercins- 
Ezkursion. Sonnabend den 28. September d. J. aber die Aus- 
stellung älterer kunstgewerblicher Gegenstände im Zeughause 
zum Ziele hatte, über die an einer anderen Stelle unseres 
Blattes berichtet ist, so bleibt uns nur übrig, über die Haupt- 
versammlung am 5. Oktober, mit welcher die neue Winter- 
saisou des Vereins begann, zu referircu. Den Vorsitz in der- 
selben führte Ur. Streckert, anwesend waren 87 Mitglieder 
und 10 Gäste. 

Nach den üblichen geschäftlichen Mittheilungen des Herrn 
Vorsitzenden berichtet zunächst Hr. Franzius über die Beur- 
theilung der in der letzten Monatskonkurreni als einzigen ein- 
gegangenen Arbeit aus dem Gebiete des Ingenieurwesens. Das 
Programm der Aufgabe (Entwurf einer Kanalschleuse) ist nicht 
ganz korrekt eingehalten, auch in der Fundirung und der Wahl 
des Betonfangedamnis ist gefehlt. Gut ist hingegen die Kon- 



igedamnis 

struktion der Thore nach neuestem französischem Prinzipe, sowie 
die Berechnung das Mauerwerks, der Thore und der Füllzeit. 
Die Kommission hat dem Verfasser, Hrn. Friedrich Bauer, ein 
Andenkon ertheilt Für die fälligen Moiiatskonkurrenzen ist 
leider keine Lösung eingegangen. 

In ausführlicher Darstellung berichtet Hr. Blankenstein 
über die diesmaligen Verhandlungen der in Karlsruhe zusam- 
mengetretenen Abgeordneten-Versammlung des Verbandes deut- 
scher Architekten- und Ingenieur -Vereine und geht hierbei na- 
mentlich auf einzelne Punkte, welche in dem durch das Ver- 
bandsorgan mitgetheilten Protokolle nur geringe Berücksich- 
tigung gefunden haben, näher ein. Eine Schilderung des Ver- 
laufes der an die Abgeordneten -Versammlung angeschlossenen 
XVI. Wander • Versammlung deutscher Architekten und Inge- 
nieure gipfelt in dem Urtheile, dass bei dieser Versammlung 
zu ausschliesslich der Charakter des Festes vorgewogen habe 
und dass es — zumal bei der Ungunst welche die Verhältnisse 
Berlins einem solchen Unternehmen bieten — ernste Anstren- 
gungen erfordern werde, um der für 1874 nach Berlin angesetz- 
ten Versammlung ein anderes, eigenartiges Gepräge zu geben. 

Nach einer Ansprache, in welcher Hr. Adler zu einer leb- 
haften Bethciligung bei den Vorträgen und Moi 
dieses Winters auffordert, erfolgen Fragebeaufc 
die Herren Franzius, Blankenstein, Boeckmann und 
Streckert. 

Zur Aufnahme in den Verein gelangen die Herren Dehn- 
hardt und Beymann, in der letzten Hauptversammlung (wie 
nachträglich hinzugefügt wird), Hr. Zaar. O 



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- 338 - 



Jahrg. 1872, Heft 1 und 2. 
A. Aug dem Gebiete des Ingeniourwesens. 

1. Die vorteilhaftesten Konstruktions-Verhält- 
nisse der Was serräder; von Dr. Th. Weins, Prof. am 
Polytecb.uik.un) iu Dresden. 

Wenn mau die Dimensionen der Wasserräder mit Hülfe der 
Theorie s<> bestimmt, das* die Effcktvcrlustc möglichst gering 
werden, so kommt man theilweise zu kostspieligen uud ihrer 
hohen Anlagekosten wegen finanziell nicht mehr vort heilhaften 
Konstruktionen. In der Regel hilft man sich hier durch erfah- 
rungsmassige Schätzung. Herr Weiss hingegen ermittelt mathe- 
matisch das Minimum der Kosten für den GcsaminterTekt, wel- 
chen ein Werk als Betriebskraft erfordert, indem er die Her- 
stellungskosten für die eveuU. als Aushülfe für das Wasserrad 
anzulegende Dampfmaschine, die jährlichen Unterhaltung*- uud 
Betriebskosten für diese, den jährlichen Zinsfuss eiuscbliesslieh 
der gemeiuen Interessen und der Amortisation für das Hcr- 
stcllungskapital des Wasserrades u. s. w. mit in Betracht zieht 
und die Gleichung für die Gesammtkosten des Effekts nach den 
verschiedenen, sich so ergebenden VariaMu differentiirt 

Diese (gewiss rationelle Methode, welche Herr Weiss bereits 
früher zur Bestimmung der vortheilhaftesteu .relativen Grosse* 
der Zahnräder und der vortheilhaftesteu Geschwindigkeit des in 
Köhren zu leitenden Wassers (Civil -Ingenieur Band AU nag. 
439), sowie zur Bestimmung der vortheilhaftesteu Mauerstärke 
der Wohnungeu und der vortheilhaftesteu Dimensionen der 
Dampf- und Wasserheizungsanlagen (Allg. Bauz. ltKjy.W) ange- 
wandt hat, gedenkt er iu einem späteren Aufsatze für die Was- 
serräder an eiuem bestimmten Beispiele durchzuführen und 
näher zu erläutern. 

2. Gebläseniaschine der Georgs-Maricnbütto bei 
Osnabrück; vom Generaldirektor Wintzer. 

Die 5 Gebläsemaschinen der genannten Hütte sind sämnit- 
lich liegend. Die neueste und vollkommenste derselben mit: 
Durchmesser des Dampfzvlinders .... 1,334» 

Durchmesser des Windzylinders 2,825™ 

Hub des Dampf- uud Windkolbens . . . 2,197™ 
wird in ausführlichen Zeichnungen mitgetheilt und beschrieben. 

3. Erbauung eines Forts auf dem Laugt ütjeusandc 
iu der Weser; vom Wasserbau-Inspektor Ruude. 

Zur Verteidigung der Wesermünduug siud neuerdings zwei 
Forts erbaut, von denen das eine am rechten Weserufer belegen, 
in der Ausführung nichts von besonderem Interesse darbot, 
während beim Bau dos andern, dessen Lage auf dem Langlüt- 
jeusande, eiuem ausgedehnten Watt nordwestlich von Bremer- 
hafen, links vom rahrwasscr der Weser bestimmt war, die 
grösstcu Schwierigkeiten uud Drangsale bekämpft werdeu 
mus9ten. 

Das an der Baustelle aus weichem Schlamm, darunter aus 
feinstem Schlick und feinstem nach unten allm&lig zunehmen- 
dem Sande bestehende Watt wird von der gewöhnlichen Fluth 
überströmt, wie aus folgenden Höheuangaben spezieller hervor- 
geht: 

iO = gewöhnliche Ebbe (niedriges Wasser), 
-f 1,2 bis -f 1,9» = Lühe des Baunlatzes, also halb Fluthhöhe, 
-4- 3,5» = gewöhnliche Fluthhöhe, 
-f- 7,2" = grosstc Sturmfluthhöhe, 
4- 5,33'" = gewöhnliche Sturnifluth bei stürmischer 
Witterung. 

Bei diesen Verbältnissen war zunächst eine Erdenveloppc 
für das Fort auszuführen, welche nach aussen his -f- 6,28™ zwei- 
fache, darüber bis zu der auf +- 9,75» liegenden Krone acht- 
fache Anlage erhalten sollte. Die zweifach angelegte Böschung 
wurde mit ü,47 m starken möglichst grossen Sandstcimjuadern 
auf einer Unterlage von Backsteinbrocken abgedeckt. Die Üua- 
dern wurden mit Zement vergossen. Der Fuss der Quaderlage 
lehnt sich gegen eine Pfahlreihe mit beiderseitigen Kabmhöl- 
zern, welche aussen durch Schrägpfähle gestützt wird, während 
sie nach innen mittels 11,3» laugen Ketten an Ankerpfählen 
verankert ist Zur weiteren Sicherung der Steiuböschung gegen 
Ausrutschen und Unterspülung ist unter ihrem Fuss eine 7,5» 
breite, (»,'.)4 n > im Mittel starke Faschinenlagc in einem hierzu 
ausgehobenen Graben, mit der Oberfläche des Watts bündig an- 
gelegt. Vier von dem Werk auslaufende Buhnen verhindern die 
Abüpülung des Sandes um dasselbe und befordern die Auf- 
schliekung. Eine derselben, welche bis an den Ebberand des 
llauptfahrwassers der Weser reicht, diente als Unterlage einer 
Trausportbrücke, welche bei weiterem Fortschreiten des Baues 
zum Loschen der Sandsteine gebraucht wurde. 

Für den Erdtransport wurde vom linken Weserufer bei 
Blexen aus eine Eisenbahu mit 0.&57» Spurweite auf einem 
3,75™ breiten Buschdamm und mit Ueberbrückung des Fedder- 
warder Fuhrwassers hergestellt. 

Der Bau begann im Sommer 1869 und war bei Ausbruch 
des französischen Krieges schon so weit vollendet, dass die Bat- 
terie in vertheidigungsfähigen Zustand gesetzt werden konnte. 

4. Zur Theorie des Erddrucks; von Baurath Mohr. 
Herr Möhr beabsichtigt die Bemerkungen, welche Herr 

Winkler im Jahrg. 1*71 der Zeitschrift gegen seine Theorie des 
Erddrucks veröffentlicht hat, zu widerlegen. 



5. Berechnung der Flügel massiver Brücken vom 
Baumeister E. Häseler. 

Der Verfasser verfolgt den von Censidere und Winkler ein- 
geschlagenen Weg, wonach, wie sich iu der Festigkeitslehre die 
Grösse und Richtung der Kraft, welche auf ein beliebigest 
Flächenelemeut wirkt, aus dem Spannung*- bezw. Stellungseltip- 
soide ergiebt, beim Eindruck ganz dieselben Beziehungen statt - 



6. Sprengungen zur Verbesserung des Fahrwas- 
sers im East River bei New-York; von C. 0. Gleim. 

Der östliche Zugang zu dem Hafen von New-York, aus dem 
Long -Island -Sund, der sogen. East River, enthält eine Menge 
von relariffen, welche die Schiffahrt im höchsten Grade gefähr- 
den und ihr jährlich grosse Verluste zufügen. Seit dem Jahre 
1845 sind viele Versuche gemacht, diese Riffe zu beseitigen; 
doch scheint der Weg zu gründlicher Abhülfe erst jetzt ge- 
funden- Seit 1869 arbeitet man daran, HalletB Point, einen von 
Long- Island -Ufer aus 90™ weit in den Strom vorspringenden 
Felsrücken zu beseitigen. Im Schutz eines an das Ufer ange- 
schlossenen Fangdammes hut man einen sehr jgwäumigeu 
Schacht abgeteuft. Von diesem aus werdeu fächerförmig zehn 
Stollen, deren Sohle 9» unter Niedrigwasser angelegt ist, in 
den Fels getrieben. Sie werden durch Querstollen verbunden , 
und nur soviel bleibt stehen, als zum Tragen der Decke nöthig 
ist Schliesslich soll die Decke gesprengt und diu Felstrümmer 
entweder in der Unterhöhlung begraoen oder nachträglich durch 
Hebeklauen aus dem Wasser gehoben werden. Nach demselben 
Systeme gedenkt man später die Sprengung der anderen Felsen 
auszuführen und so eiu bequemes Fahrwasser von 360» Breite 
für die tiefsten Schiffe zu erzielen. im fofct.) 



Konkurrenzen. 

Die Konkurrenz Mir Entwürfe zn einem Nationaldenk- 
mal auf dem Niederwald hat durch den Spruch des Preisge- 
richtes, aus welchem die Hrn. Professor Eggers t und Prof. 
von Lübke ausgeschieden uud durch Herrn Geh. Reg.-Rath 
Hitzig ersetzt worden waren, eine Entscheidung dabin gefun- 
den, dass von den 37 eingelieferten Entwürfen 7, und zwar die 
mit dem Motto: 1. „Concordia". 4. „Aquila". 5. „Otto". 7. „Für 
das heilige deutsche Reich". 13. .Dem deutschen Volke sei's 
gebracht". 27. .Im Kriege stark, im Frieden gross". 29. .Ein 
einig Deutschland gross und frei." zur engeren Wohl gestellt 
und von dieseu die Entwürfe No. 7, Verfasser Architekt Her- 
mauu Eggert in Berliu — No. 27, Verf. Jobannes Schilling 
iu Dresden — und No. 13, Verf. Architekt Pieper in Dresden 
als die besten erklärt worden sind. Einen dieser Entwürfe zur 
Ausführung zu empfehlen hat die Jury indessen beanstandet, 
da ihres Erachtens keiner vollständig der Aufgobo genast hat 
und jeder die iu Aussicht geuommenen Kosten um ein Mehr- 
faches überschreitet: aus letzterem Grunde hat sie auch von 
ihrem formellen Rechte gar keinen Preis zu erthcilen Gebrauch 
gemacht, dem Konnte jedoch anheimgestellt, in wieweit es im 
Interesse der Kunst auf dieses formelle Recht verzichten wolle. 
Es sind in Folge dieses Schiedsspruches den genannten 3 Künst- 
lern Ehrenpreise im Betrage von 1500, 1000 und 500 Thlr. zu- 
erkannt worden. Die weitere Entwicklung der Angelegenheit 
soll nach Mittheilung des Ausschusses wahrscheinlich im Wege 
einer zweiten Konkurrenz angestrebt werden. 

Bei der Konkurrenz für Entwürfe zn einem Gesell- 
sohaftshause für die Oesellschaft .Verein" In Essen ist 

nach einer Mittheilung der Direktion der erste Preis dem Ent- 
würfe des .Architekten J. Grotjan in Hamburg, der zweit«- 
Preis dem Entwürfe des Architekten L. Schreiber in Zwickau 
zu Theil geworden- Die Entscheidung der Preisrichter ist deu 
Grundsätzen des Verbandes gemäss iu einem Protokoll ver- 
öffentlicht 

Eine Konkurrenz für Entwürfe zum Ban einer neuen 
Börse In Prankfurt a. H. mit dem Schlusstermin des 1. Fe- 
bruar 1H73 ist laut Bekanntmachung in unserem B 
eröffnet. Nähere Mittheilungen behalten wir uns bis 
sieht des Spezial- Programms vor. 

Personal - Nachrichten. 

Preussen. 

Ernannt: Der Kreisbaumeister Gcnth in Solingen (am 
Wasserbau-Inspektor iu Kuhrort: der Kreisbaumeister Franz 
Meyer in Nienburg zum Bau - Inspektor das.; der Baumeister 
Julius v. Hausen zu Stendal zum Kreisbaumeister in Solingen. 

Diu Baumeister-Prüfung haben am 2. und 5. Oktober c 
bestanden: der Bauführer Richard la Piurrc aus Berlin, der 
Bauführer Carl August Robert Beutler 
Kreis Koseuberg. 



Abonnent Sch. in L. Methodischer Unterrieht im Aqua- 
relliren zum Selbststudium erhalten Sie am Besten durch die 
Werke von Mai Schmidt, Berlin 1868, und von Hohe, prakt 
Aimarellschule für Anfänger, M. Gladbach 1857. 

Beiträge mit Dank erhalten von den Hrn. F. In Wann- 
brunn, W. in Berlin, G. in Winzig, K. in Berlin, B. in Berlin. 
S. in Brandenburg. 



: T« C.rl U.ei.u In 



T»a ü.bmdtr Flok.rt I« 



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Jahrg. TL X 42. 

DEUTSCHE BAUZEITUNG 



m^mST 1 Organ des Verbandes 41 , "VL-h.. 

lnt.llunf.il j IT • tr • IMHHMllMlfeM 

deutscher Architekten - und Ingenieur- Vereine. 

Redakteur K, E. 0. Fritsch. mm 
Preis I Thaler ftm Quartal. Berlin, den 19. Oktober 1872. Erscheint jeden Sonnabend. 

Inhalt: Die XVI. Wandrrrrr*aiamJuitf! di-uueSer Aretmelacii uml Info- ' i»n».*f. - Vcrwrndonu Älter ElJcnUthittfhlrnrii hrim Wehrbau. -- lluAonbfrc-oh- 

nirurp m K»rl.rohf. — lUf AJbfft. Hrurkr Vi — l>r»lil»usti«rti;.r» nlm- nun* railtel» d.-i l'Untfueler«. Au. der Fa.hl t Itcrat l» r: ZaitMhrift d« 

KuntrwKirht, mit »rhtis.l.li«u.l.'r Well». — Mit lb«ll« ■■*!! im V.r.l» »n : Airl.il.kmi.. »u.l in£.>nl*»r- Ven-in« »u IUiiiwu.-t. .Tanr*. H, IM I u. » (Srhluil. 

Areliit..kien. uml lii*.nl.ur-V..rein ivi Hannover. — Arrhileklen Verein l« Her Schulder librr Ki».'i>fc»hiwn »mi lokalem Inler..-. — v. W.l.rr. Di. Traxl» de» 



tili — Vrrminehte«: UrsanitaUna des l.aud»lra*»eiibauei in d.r 1'roTtiu Hau Baue, und Belri»lw» der Sekundärt-almen. - rer.nnal-Naehrtrht.n .te. 



Die MI. 



deutscher Architekten und Inge.iei.re im Karlsruhe. 



(Furt.eUuiin) 



Der 25. September. 
Nach einer letzten mehrstündigen Thätigkeit der ein- 



liim 



! 



Abtheilungen ward am Mittag des dritten Versamm- 
le« die Gemeinschaftliche »Schlussitzung unter dem Prä- 
des Professor Baumeister mit dem Referate der 
Abtheilungs-Vorsitzenden eröffnet. Für die architektonische 
Ablhcilung erstattete dasselbe Hr. Baumeister BOckmrinn 
Berlin), für die der Bau-Ingenieure Hr. ü!>erbanrath Sorge 
Dresden), für die der Maschinen -Ingenieure Hr. Direktor 
Grashof fCarlsruhe), für die der Marinetechniker Hr. Oberst 
Libert de Paradis (Wien). 

Kleiuere geschäftliche Mittheilungen bildeten den Ueber- 
gang zu einigen Verhandlungs-Gegeustäuden von allgemei- 
ncrem Interesse, welche auf Antrag der Abgeordneten des 
Verbandes deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine, be- 
ziehungsweise der Ahtheilungcn dem Beschlüsse der Plenar- 
Versarnmlung vorbehalten worden waren. 

Mit kurzen Worten leitete zunächst Hr. ßaurath Hase 
Namens der architektonischen Abthcilung den Antrag ein, 
dass die Versammlung sich mit der dort anf Anregung tttfs 
Abgeordneten-Tages gefassten Resolution iu Betreff der Kon- 
kurrenz für Entwürfe zum Hause des deutschen Reichstages 
einverstanden erklären möge. Die (bereits auf Seite 321 mit- 
getheilte) Resolution lautet: 

„Wir erkennen noch heute die Grundsätze bei dem 
Verfahren für öffentliche Konkurrenzen nach den Beschlüs- 
sen der XV. Versammlung deutscher Architekten und In- 
genieure in Hamburg und des Verbandes deutscher Ar- 
chitekten- und Ingenieur- Vereine als die richtigen ati; wir 
bedauern, dass bei der Konkurrenz für Entwürfe zum 
deutschen Reichstags-Gebäude tliese Grundsätze nicht inne 
gehalten worden sind, und wir hoffen, dass späterhin l>ei 
allen öffentlichen Konkurrenzen und insbesondere für eine 
eventuelle weitere Konkurrenz zum Reichstags -Gebäude 
jene Grundsätze befolgt werden." 

Aus der beifälligen Aufnahme dieser Resolution und 
dem Mangel jedes Widerspruches konnte der Vorsitzende 
konstatiren, dass die Gesammtheit der deutschen Architekten 
und Ingenieure, soweit sie auf dieser Versammlung vertreten 
war, iu dieser Frage einstimmig und cininüthig sei. 

Einen Zusatz erhielt diese Resolution auf Antrag des 
Architekten Hrn. Kayaer (Elberfeld), der unter lebhaftem 
Beffall die Notwendigkeit ausführte, die Adresse jenes Be- 
schlusses in erster Linie nicht au die Behörden, die für eine 
Durchführung unserer Grundsätze doch nicht direkt in An- 
spruch genommen werden können, sondern an uns selbst, 
an die deutsche Fachgenossenschaft zu richten. Ein von 
ihm vorgeschlagener Zusatz: 

„Die Versammlung spricht die feste Erwartung' aus. 
dass künftighin Architekten sich sowohl als Konkurrenten, 
wie als Preisrichter nur an solchen Konkurrenzen bethei- 
ligen werden, deren Programm mit den Grundsätzen un- 
seres Verbandes in l'ebereinstimmung sich befindet» 
fand gleichfalls einstimmige Annahme Seitens der Versamm- 
lung. Möge diese Erwartung ebenso einstimmige Annahme 
in Wirklichkeit finden! 

Im Auftrage der Abgeordneten -Versammlung des Ver- 
bandes sprach Hr. Baumeister Böckmnnn sodann über die 
Bedeutung der Arbeiterfrage, vorwiegend in dem Sinne, es 
der Gesammtheit aller deutschen Architekten nnd Ingenieure 
zur Ueberzeuguug zu bringen, dass es für sie Pflicht sei, bei 
dem gegenwärtigen Stande der Frage auch ihrerseits Stel- 
lung zu derselben zu nehmen. Er erläuterte die Ursachen, 



warum gerade das Bangewerbe, an welchem einerseits so 
grosse und zwar die empfindlichsten Kapitalien betheiligt 
seien, in dem es andererseil« so schwer sei eine Einigung 
der Arbeitgeber zu Stande zu bringen, zum Hauptfelde der 
iso*( inli^t iHc licn j^^i «at& t-i oo t] fitrt). r (1 v j i j^ rbcitc ro _ * 1 1 • r 1 . . . . 
und gielyt eine historische Darstellung, in welcher Art «ich 
die Verhältnisse in dieser Beziehung zu Berlin, dem Zentral- 
punkte jener Agitation, seit den letzten drei Jahren ent- 
wickelt haben. Als einziges Mittel, um der Willkür der 
Arbeiter widerstehen zu können, hat die Meisterschaft, welche 
in jedem der bisher geführten Kämpfe mehr oder weniger auf- 
fällig unterlegen ist, es erkannt, der trefflichen Organisation 
der Arbeiter eine ebenso straffe und entschlossene Organi- 
sation der Arbeitgeber entgegen zu setzen. Der Bund der 
Baugewerbe Berlins, welcher sich uub dieser Ueberzeugung 

| heraus gebildet hat, ict daher Angesichts der Verzweigung. 

| iu welcher die Gesellenverbände sich über die verschiedensten 
deutschen Orte erstrecken , im Begriffe, sich gleichfalls zu 

, einem Verbände sämmtlicjier Arbeitgeber des deutschen Bau- 
gewerbes zu erweitern. 

Dass es für die deutschen Architekten und Ingenieure 

I nicht wohl thunlich ist, sich zu diesen Konflikten innerhalb 
des Baugewerbes iudiffereut zu verhalten, folgert schon dar- 

. aus, dass l»ei dem fortdauernden Versagen der technischen 

I Hülfskräftc uud der hieraus zu befürchtenden Lahmlegung 

' der Bauthätigkeit auch ihr Interesse gefährdet ist und die 
Wichtigkeit einer gedeihlichen Fortexistenz nicht Wenigen 
von ihnen direkt untergraben wird. Dass ihnen vermöge 
ihrer Stellung zu beiden Parteien ein bedeutender Einfluss 
auf Beileguug des Konfliktes zustehe, versuchte der Redner 
in eingehender Weise zu entwickeln. Kraft dieser »Stellung 
seien es gerade die Architekten und Ingenieure, welche am 
Leichtesten uud Erfolgreichsten die Vermittlerrolle überneh- 
men könnten. »Seien die Forderungen der Arl>eiter gerecht, 
wie dies bei der im Jahr lHiiy durchgeführten Arbeitsein- 
stellung der Berliner Bauhandwerker der Fall war, so wertle 
der Gewerksmeister einer Unterstützung derselben von dieser 
Seite schwerlich widerstehen — seien dieselben hingegen 
willkürlich und frivol, so werde die Meisterschaft gegenüber 
dem gefährlichen Drängen der Bauherren und Behörden, 
welche letzteren in der Frage noch keine bestimmte Stellung 
genommen haben, keinen besseren Anwalt finden können 
als die Architekten und Ingenieure, deren Pflicht es in sol- 
chem Falle gewiss sei, für die Sache der Arbeitgeber Partei 
zu nehmen. Wenn dies geschehe, so werde auch dem eng- 
herzigen Treiben derjenigen Minorität der Meisterschaft ein 
Ziel gesetzt werden, welche in ausschliesslicher Verfolgung 
ihres persönlichen Interesses auf die Strike spekulirt uml 
jeder Forderung der Arbeiter nachgiebt, wenn sie hierdurch 
einen Vorsprnng vor ihren Konkurrenten gewinnen kann. 

Die gegenwärtig tagende Versammlung deutscher Archi- 
tekten und Ingenieure wird ersucht ihr Einverständniss mit 
diesen Darlegungen durch die Annahme folgender Resolution 
auszusprechen : 

„Ks ist Pflicht jedes Architekten nnd Ingenieurs 
sich in seinem Bereiche über den »Stand der Frage der 
Arbeitseinstellungen zu orientiren und etwaigen unge- 
rechtfertigten Bestrebungen und Forderungen der Ar- 
beiterpartei mit seinem ganzen Einflüsse entgegenzutreten." 
Herr Bezirks- Ingenieur Kessler (Saargemünd) fühlte 
sich in der Befürchtung, dass die einfache Annahme dieser 
Resolution als ausschliessliche Parteinahme für die Anschau- 
ungen der Meisterschaft gedeutet werden könne, 



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- 340 — 



anlasst. auf Grund seiner jahrelangen Erfahrungen als Lehrer 
im Berliner Handwerker-Verein aueh ein Wort für die Be- 
strebungen desjenigen Theils uutcr den Arbeitern einzulegen, 
dem es ernstlieh um Fortschritt und Fortbildung zu thnn 
ist. der jedoch unter den früheren Zustanden unmöglich 
hierzu gelangen konnte. Dass sieb die Meisterschaft deu 
gerechten Fordeningen dieses strebsamen Theils der Arbei- 
terschaft zu lange widersetzt habe, sei die llanptnrsache, 
dass die gegenwärtige Agitation einen so krankhafteu und 
bedauerlichen Charakter angenommen habe. Der Redner 
bat daher die vorgeschlagene Resolution nur in dem Sinne 
eines gleichen Wohlwollens für Arbeitnehmer und Arbeit- 
geber des Baugewerks anzunehmen, in der Praxis aber jeder 
Parteinahme nach der einen oder anderen Seite eine mög- 
lichst streune und unbefangene Prüfung des Sachverhaltes 
im Einzelnen vorausgehen zu lassen, damit die gegenwärtige 
hohe Stellung der Architekten und Ingenieure über den 
Parteien keine Kitihussc erleide. 

Nach einigen Gegenbemerkungen der Hrn. Böckmann 
uud Felisch (Berlin), von denen der Letztere ausführt, dass 
es sich augenblicklich nicht mehr um die je nach Bedürf- 
niss oder Belieben in den \ ordergruud vorgeschobenen De- 
tailfragcn, sondern lediglich um die Maehtfrage handele, 
wurde die angeführte Resolution demgemäss einstimmig an- 
genommen. 

Ks folgte schliesslich auf Antra« des Verbandes deut- 
scher Architekten- und Inuenienr-Yereine die Berathung und 
Beschlussfassung über die künftige Stellung der bisherigen 
Wanderversammlnng zu unserem Verbände. 

In längerem Vortrage erläuterte Hr. Oberbanrath von 
Egle (Stuttgart), anknüpfend an die Geschichte der vor MO 
Jahren ins Leben gerufenen Wanden crsaiunilnngcu und de- 
ren allmälige Knt Wickelung, die Motive, welche ans den bei 
diesen gewonnenen Erfahrungen zur Gründung des Verbände* 
geführt haben, dem heute alle IG bis jetzt bekannten Archi- 
tekten- und Ingenieur-Vereine des deutschen Reiches und 
durch diese wohl weitaus die meisten der hier Versammelten 
angehören. Wahrend die Wirksamkeit des Verbandes als 
einer organisirten ständigen Körperschaft wohl zweifellos 
grössere Aussichten auf Krfolg habe, a | R die der bisherigen, 
unregelmässig zusammentretenden und in ihrer Zusammen- 
setzung vom Zufall abhängigen Wanderversammlungeti, werde 
am Wesen der letzteren so gut wie Nicht* geändert, her 
Zutritt zu denselben sei nach wie vor auch allen Tech- 
nikern, die keinem der verbundenen Vereine angehöien, als 
willkommenen Gästen ermöglicht: — dass der Ort der Ver- 
sammlung und der Vorstand ferner nicht mehr von dem 
Plenum, sondern von den Altgeordneten der Vereine gewählt 
Weiden, sei sicher als eine Verbesserung anzusehen. 

Der hiernach formulirte Antrag: „Die XVI. Wanderver- 
sammlung deutscher Architekten und Ingenieure wolle in 
Erwägung des vorher Gesagten beschliesseu, dass künftighin 
an Stelle der Wanderversammlungen bisheriger Art Wander- 
versamnilungen des Verbandes deutscher Architekten- und 
Ingenieur-Vereine nach Maassgabe des Alischnitts II des Ver- 
bands-Statuts treten sollen*, wurde, du Niemand das Wort 
zu demselben nahm, zur Abstimmung gestellt und mit grosser 
Majorität genehmigt. Im Namen des von der Abgeordneten- 
Versammlung des Verbandes zum Schauplatze der nächsten 
Wanderversammlung erwühlten Vorortes lud Hr. Baurath 
Blankenstein die Anwesenden zum Besuche der 1H74 in 
Berlin beabsichtigten Zusammenkunft ein, indem er jedoch 
vorab darauf aufmerksam machte, dass diese Versammlung 
wegen der Schwierigkeiten, die sich einem Feste der bis- 
herigen Art dort entgegenstellen würden, einen wesentlich 
anderen Charakter tragen müsse. 

Nachdem Hr. Professor Dr. von Ritgen (Glessen ) als 
Ausdruck des Dankes für die Aufnahme, welche der Ver- 
sammlung in Karlsruhe geworden war. ein donnerndes Hoch 
auf alle Förderer derselben ausgebracht hatte und nachdem 
auf Antrag des Hrn. Vorsitzenden bestimmt worden war. 
dass dem in Mainau verweilenden Landesfürsten dieser Dank 
telegraphisch auszusprechen sei. w urde der Schluss der Ver- 
sammlung proklumirt. 

Der ernsten Sitzung folgte um :i Uhr ein heiteres Fest- 
mahl, das unter den lokalen Verhältnissen der Stadt leider 
in zwei getrennten Räumen abgehalten werden musste. Die 
hiernach unvermeidliche Scheidung der Gesellschaft war in 
der Weise erfolgt, dass im Saale der Gesellschaft , Ein- 
tracht- vorzugsweise die Architekten und Bau -Ingenieure, 
im Saale de» „Museum" vorzugsweise die Maschinen -Inge- 
nieure tafelten. Die vom Lokal -Komite geladenen Ehren- 
zn denen neben den Ministem und Stadtvorstätidcn 



gefeierte Führer des XIV. Armeekorps. General von 
Werder, sowie der treffliche Dichter J. V. Scheffel ge- 



hörten, hatten sich dementsprechend vertheilt. Dass die fest- 
liche Stimmung der Versammlungstage in diesen Stunden 
ihren Höhepunkt erreichte . sprach sich in zahlreichen 
Toasten aus. Warmen Anklang fanden unter denselben 
namentlich der Kinleitiingsspnich Professor Baumeister"« 
auf Kaiser und Reich, sowie der Toast. Minister Jolly's auf 
die Versammlung; den ungemessensten Jubel hingegen erregte 
das Hoch auf den als Hauiit und Seele des Ganzen so hoch 
verdienten Vorsitzenden. Professor Baumeister, und seine 
Erwiderung, in welcher er den Sieger von Beifort als Facb- 
genossen zu reklamiren versuchte. 

Der Abend schloss mit einer zweiten Festvorstellung im 
Hoftheater, für welche .Götz von Berlichingen* gewählt war. 
Während einer Zwischenpause kam das in herzlichen Wor- 
ten abgefasste Antwort-Telegramm des Grossherzogs zur Ver- 
lesung. 

Der 26. September. Die Ausflüge nach Strassburg 
und nach Mannheim - Heidelberg. 
Mit Rücksicht auf die bedeutende Zahl der Theilnehmer 
und die Schwierigkeiten, welche die Unterbringung derselben 
an einem einzigen Orte mit sich geführt haben würde, waren 
für den grösseren Ausflug, mit welchem die Versammlung 
ihren Abschluss rinden sollte, zwei verschiedene Ziele zur 
Wahl gestellt worden: Strassburg und Heidelberg ■ — eine 
schwierige Wahl für alle die Vielen, welche noch keine der 
beiden Städte kannten und nach jeder dersellten sich hin- 
gezogen fühlten. Die Entscheidung erfolgte schliesslich in 
der Weise, dass die Mehrzahl der Norddeutschen und mit 
ihnen der grössere Theil der Versammlung Strassburg den 
Vorzug gab. während die Mehrzahl der Süddeutschen, zumal 
der Einheimischen sich durch das in Aussicht gestellte Schau- 
spiel einer Beleuchtung der Schlossruine für Heidelberg l»e- 
stimmen liess. 

Etwa IHK» Personen mochte der Extrazug enthalten, 
welcher südwärts gewandt, noch einmal an den vor zwei 
Tagen genossenen Landscliaftsbildcni des Schwarzwalds vor- 
über, zunächst bis nach Kehl führte, wo die Fachgenosseu 
ans Strassburg ihre Gäste bereits erwarteten. Jenscit* der 
Rheiubrücke auf dem wiedergewonnenen deutschen Boden 
brachte in ihrem Namen Hr. Wasserbaudirektor Grebenau 
den Fachgenosseu der alten deutschen Gauen ein herzliches 
Willkommen, dem deutschen Vaterlande aber ein mit brau- 
sendem Jubel aufgenommenes Lebehoch aus. Die über die 
Pontonbrücke zu kurzer Rest nach Kehl Zurückgekehrten 
führte sodann der Eisenbahnzug weiter nach der Hauptstadt 
des Reichslandes, deren wechselnde, jedoch überall von der 
gewaltigen Masse des Münsters beherrschte Ansicht bei der 
1 Umfahrt auf der Verbindungsbahn gut gewonnen werden 
konnte. 

In drei Gruppen vertheilt durchstreifte die Gesellschaft 
! unter ortskundiger Führung die Stadt und besichtigte deren 
architektonische Sehenswürdigkeiten — das Münster, das 
Frauenhaus mit seiner als Meisterwerk der Steinmetzknnst 
berühmten Trenne, die mehr interessante als schöne Tho- 
inaskirche mit ihren Kuriositäten, die alten noch ganz den 
reichsstädtischen Typus tragenden und an Frankfurt erin- 
nernden Privalhänser und die aus französischer Zeit stam- 
menden öffentlichen Gebäude, endlich auch die leitler noch 
sehr zahlreichen Spuren der Beschiessung in den nördlichen 
Stadttheilen und die Neubauten der S'tcinstrasse, unter denen 
die seltsamsten Auswüchse wilder architektonischer Phan- 
tasie sich befinden. Kin Eingehen auf Details mnss ich mir 
auch hier versagen ; nur kann ich nach diesem ersten Sehen 
j des Münsters mein Erstaunen nicht unterdrücken, dass in 
I allen mir Itekannten Beschreibungen und Schilderungen- des- 
selben netten dem spezifisch baugeschichtlich interessanten, 
anatomischen Detail fast nur der künstlerische Eindruck des 
Aeusseren gewürdigt wird, nirgends aber die grossartice 
Raumwirkung des Innern. Während jener für mein 
Empfinden durch die in allen gothischen Theilen sich gel- 
tend machende Künstelei bedeutend abgeschwächt wird, 
scheint mir gerade diese in ihrer durch die weiten Span- 
nungen bewirkten Einheitlichkeit und in dem harmonischen 
Verhältnisse, das sich durch die im Anschluss an den alten 
romanischen Bau bedingten massigen Höhendimensionen er- 
geben hat. unter allen deutschen Kathedralen nicht ihres 
Gleichen zu besitzen. Am Nächsten kommt dem Strass- 
burger Münster in dieser Beziehung wohl das Innere des 
St. Stephan zu Wien, doch entbehrt dieses ebensowohl den 
lieiz der Hochschifflieleuchtung wie den der vollständig er- 
haltenen allen Glasbilder. 

Neben dem Architektonischen interessiren den deut- 
schen Besucher Strassburgs gegenwärtig nicht minder die 
ihm entgegentretenden allgemeinen Kultlirmomente, und bil- 
dete der Austau i bezüglicher Beobachtungen einen Haupt- 



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gegenständ des Gespräches unter unserer Gesellschaft Mei- 
nerseits war ich ebensosehr wie von dem deutsehen 
Typus der alten Stadttheile, von dem echt deutschen Typus 
der Einwohner und von der Tbatsache überrascht, das* 
ich erst am späteu Abend einige französische Worte erhaschen 
konnte. Diese Unversehrtheit des deutschen Elementes, 
welche ein völliges Aufgehen desselben in das deutsch-natio- 
nale Bcwusstsein für nicht allzufcrne Zukunft verbürgt, lässt 
es leicht verschmerzen, dass die ehrliche Zähigkeit desselben 
ihre Sympathien gegenwärtig noch nicht zu wechseln und 
ihre Antipathien nicht zurückzuhalten vermag. Die blicke, 
mit welchen eine nächste Generation den Besuch deutscher 
Architekten uud InHcnieure in Strassburg empfaugen wird, 
sind sicherlich weniger gleichgültig und feindselig, und die 
für französische .Feinheit* nicht gerade sprechende Sitte, 
dass Damen der höheren Stünde vor deutscheu Besuchern 
ausspucken . wird bis dahin deutscher Gesittung wohl ge- 
wichen sein. Der Magistrat wird es dann — selbst am Vor- 
abende des Kapitulationstages — gestatten, dass die Mnn- 
sterpvratnide zu Ehren der Gäste in hellem Lichte er- 
stralilen darf, und auch der künftige Münsterwerkmeister 
wird sicher nicht mehr ein Mr. Klotz sein, der dem Be- 
suche seiner Eachgenossen aus dem Wege geht und die 
Pergamente der alten deutschen Bauhütte vor ihnen ver- 
schliesst. 

Tin so freundlicher trat gegenüber diesen harmlosen 
Aeusserungen eines in seinen ehrenwerthenGrundmotiven leicht 
erklärlichen und daher entschuldbaren Grolls die Herzlich- 
keit hervor, mit welcher die aus allen Theilen Deutschlands 
zusammengesetzte, erfreulicherweise auch schon durch einige 
Elsasser verstärkte Eachgenossenschaft der deutschen Reichs- 
behürden den Gästen entgegenkam. Auch nicht wenige von 
den nichttcchuischcn Spitzen dieser Behörden, voran der 
als Gönner und Förderer unseres Fachs schon aus seiner 
früheren Amtsthätiekcit bekannte Oberpräsident v. Möller, 
waren an der Festtafel erschienen, zu welcher nach Been- 
digung der Exkursionen die ganze Gesellschaft sich in deu 
Bäumen des englischen Hofes vereinigte, und betheiligten 
sich mit ihr an dem Gartenfeste, das am Abend in einem 
Vergnügungslokale der vor dem Judenthor belegenen Kon- 
taden stattfand. Durch eine Dekoration von bunten Lampions, 
verbunden mit bengalischer Erleuchtung der entfernten Gar- 
tenpartien in wechselnden Farben, ward hier im Verein mit 
der Musik und dem fröhlichen Wogen der Menge ein in der 
That festliches Treiben hervorgebracht, dem nur die Gunst 
eines wärmeren Tages zu wünschen gewesen wäre. 

Zu der Fahrt nach Mannheim und Heidelberg hatten 
etwa 3<>0 bis 4(H> Theilnehmer, darunter wie erwähnt, die 
Mehrzahl der einheimischen Faehgenosscn mit ihren Damen 
sich vereinigt. Für den Weg nach Mannheim war die im 
Jahre 1X70 vollendete direkte Bahn über Graben, Waghäusel 
und Schwetzingen gewählt worden. Firste Station ward auf 
der Kbeinbrücke zwischen Mann! ■ im und Ludwigshafen ge- 
macht, wo das Lokal- Komite der Gesellschaft ein durch 
Böllerschüsse, Musik und festlichen Schmuck der Häuser 
und Schiffe wirksam verstärktes Willkommen entgegen- 
brachte. In grösster Beschleunigung wurde das neue Zen- 
trum des regen Mannheimer Verkehrslebens, die grossartige 
Hafen-Kanal- und Bahnhofs- Anlage besichtigt; die von einem 
erhöhten Aussichtspunkte gewonnene und durch den dort 
ausgestellten Originalplan, dessen photographisehes Abbild 
jeder Theilneliiner empfangen hatte, wesentlich unterstützte 
L'ebersicht wurde sodann durch eine Dainpfhootfahrt rhein- 
abwärts bis zur Neckarspitze und von da neckaraufwärts 
bis zur Kettenbrücke vervollständigt. 

Nachdem ein von der Stadt Mannheim dargebotenes 
Frühstück Wirthe und Gäste in heiterer Geselligkeit vereint 
hatte, wurde am Nachmittage die Fahrt uach Heidelberg 
angetreten. War diu Stimmung des dortigen Stadtsäckels 
gegen die Versammlung etwas kühler gewesen als die von 
Carlsruhe, Baden und Mannheim, so Hess der freiwillige 
Empfang, der ihr seitens der Einwohnerschaft zu Theil 
wurde, an herzlicher Wärme doch gleichfalls nichts zu wün- 
schen übrig. Vom Bahnhofe, dessen Hauptgebäude neben 
dem Oarlsruher und Freiburger wobt der bedeutendste der 
Eisenlohr'scheu Bahnhofsbauten ist, ging der Zug durch die 
Stadt, von deren Gebäuden die neu dekorirte Jesuiteukirehe 
und die mittelalterliche Peterskirche im Innern besichtigt 
wurden, zunächst nach der Neckarbrücke — dann, nach 
kurzem Verweilen bei den Alterthums - Sammlungen des 
Herrn Metz, empor zu dem Zielpunkte des Tages, der viel- 
gepriesenen Ruine des weiland kurpfälzischen Residenz- 
en losses. 

Ueber die Herrlichkeiten dieser Stätte, an welcher die 



I Schönheiten der Natur mit Schöpfungen der Kunst wett- 
eifern, die zu dem Edelsten gehören, was jemals auf deut- 
schem Boden geschaffen wurde, ist so viel geschrieben uud 
gesagt worden, dass es überflüssig erseheineu möchte, ein 
Wort hinzuzufügen. Und doch müssen gerade den Archi- 
tekten, der sie offenen Auges und warmen Herzens betritt, 
so manche Gedanken bewegen, die anzudeuten hier wohl 
der richtige Ort ist. Wenn es ein Gefühl der Beschämung 
erwecken kann, dass es den Franzosen, die einst dieses 
Denkmal der Kunst zerstört haben, vorbehalten war. durch 
eine würdige Publikation zuerst wieder das volle künst- 
lerische Verständniss der erhaltenen Reste herbeizuführen, 
so dürfen wir mit vollem Rechte stolz darauf sein, dass 
deutscher Geist es war, der einst hier gewaltet und ge- 
schaffen hat. Mag der Meister des Otto Heinrich -Baues un- 
bekannt bleiben, so darf es heute einem Zweifel wohl nicht 

I mehr unterliegen, dass er aus deutschem, nicht aus welschem 
Geiste schöpfte, als er den Ballast des pfälzischen Chur- 
fürsten in die reichen Formen der aus Italien nach dein 
Norden vordringenden Bauweise kleidete; — als das Klei- 
nod deutscher Renaissance gilt uns diese Facade, wie 
das gesummte Schloss ein Kleinod unter den Fürsteusitzen 
Deutschlands war, mit dem au Bedeutung nur die um 
einige Jahrhunderte ältere Residenz des Hochmeisters an der 
Nogat sich messen konnte. 

Jene nordische Burg, vor dem Untergänge gerettet, soll, 
wenu die Kunde sich bestätigt, aus Anlass der jüngst in ihr 
begangenen Säkularfeier eine künstlerische Wiederherstellung 
zu vollem Glänze erfahren. Das Schloss zu Heidelberg ist 
eine Ruine, die trotz ihres festen Gi ftiges, trotz der Pflege, die 
ihr zu Theil wird, ulliiiäligem Untergänge entgegen gehen 
muss, wenn nicht umfassende Hülfe naht. Sollte sie ihr 
versagt, werden? — Ich halte es kaum für Werth auf den 
Einwurf derer zu antworten, welche einer Wiederherstellung 
des Heidelberger Schlosses sich entgegensetzen werden, weil 
es als Ruine viel malerischer in der Landschaft stehe. Ein 
Blick auf Merian's Abbildung dürfte sie belehren, dass die 
Erscheinung des alten unversehrt eu Baues an malerischem 
Reize wahrlich noch höher stand; zudem würde der gegen- 
wärtige Charakter durch eine Restauration, die sich allein 
auf die Schlossgebäude erstreckte, die Ruinen der Festung 
alier unberührt Hesse, nur unwesentlich alterirt werden. 
Gewichtiger ist die Frage, welchem Zwecke neben dem der 
Erhaltung des alten Baus die Wiederherstellung zu dienen 
hätte und aus welchen Mitteln sie bewirkt werden könnte. 
Aber auch ihre Beantwortung scheint mir einfach und 
selbstverständlich. Wiegt, jener Zweck der Erhaltung des 

i Denkmals, der Wiederherstellung des glanzvollsten Beispiels 
deutscher Kunst aus der Blüthezeit vergangener deutscher 
Kultur an sich nicht .schon schwer genug, so Hegt es wohl 
nahe, den Bau zu einer Sammelstättc für die Reste jener 
Kultur, zu einem Museum deutscher Reuaissauce zu 

I bestimmen, für deren Wichtigkeit gegenwärtig ja allerwärts 
die Augen sich öffnen. Nachdem unsere Zeit so viele 
Denkmale mittelalterlicher Religiousanschauung vom Unter- 
gange gerettet hat, nni sie als glänzenden Sitz denjenigen 
zu überliefern , die jetzt eudlich wiederum als die schlimm- 
sten Feinde deutschen Geistes erkannt worden sind, wird 

, sie hoffentlich auch für einen solchen Bau und für einen 
solchen Zweck das nöthige Interesse besitzen. Nachdem 
das deutsche Volk Millionen dazu hergegeben hat, um den 

I Dom von Köln zu vollenden, wird es gewiss nicht minder 
eine Ehrenpflicht darin sehen , die um Vieles geringeren 
Kosten einer Wiederherstellung des Schlosses von Heidel- 
InTg zu tragen. 

Eine weitere Ausführung dieser Gedanken Hegt ausser 
der Absicht dieser Zeilen. Vielleicht geben dieselben einem 
unter den Berufeneren — ich zähle zu diesen in erster 
Linie die Künstler uud Kunstfreunde des deutschen Süd- 
westens — die Anrcuung zu ernstlicher Verfolgung der 
Sache. An Sympathien und thätiger Unterstützung wird es 
ihnen sicher nicht fehlen. 

Sicher haben auch nicht Wenige unter den am 26. Septem- 
ber im Schlosse zu Heideiberg Versammelten gleichen oder 
ähnlichen Gedanken nachgehangen. Ob sie zur Aussprache 
gekommen sind, meldet mein Gewährsmann nicht. Desto 
begeisterter ist die Schilderung, welche alle, die au dem Aus- 
fluge Theil genommen haben, von der Festfröhlichkeit ent- 
werfen, die sich in der zum Zwecke dieses Besuches eigens 
en ' diteten, mit sinnigen Bildern und Emblemen , sowie hu- 
moristischen Kernsprüchen geschmückten Halle entfaltete. 
Zu dem Schönsten aber, was jemals gesehen werden kann, 
zählen sie den Eindruck, den die am Schlüsse des Abends 
veranstaltete Beleuchtung der Schlossraine gewährte, ein 

I magisches Schauspiel, dass die Rlusion geben konnte, als 



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ständen die Mit Jahrhuudcrten ausgebrannten Gebäude noch 
einmal in vollen Flammen. 
, Obwohl die zum Zwecke dieser Ausflüge gestellten Ex- 

trazfige einen grossen Theil der Fachgeuossen um Abend 
nochmals nach Carlsruhe zurückführten, so war eine Zusam- 
menkunft dort nicht mehr möglich; seihst die in demselben 
Zuge befindlichen Bekannten verloren sich in dem Gewirr 
der Menge und mussten »ich ohne ein Wort des Abschieds 
trennen. Sei es mir gestattet dasselbe im eigenen nnd im 
Namen aller derer, die in gleicher Lage sind, den Freunden 
hier nachträglich zuzurufen. Auf ein fröhliches Wiedersehen 
an anderer Statte! 

III. Die Abtheilungssitzungen. 

Eine eigentümlich« und charakteristische Erscheinung, 
welche die diesmalige Wanderversaminlung von den letzt- 
vorhergegangenen unterschied, war die Abnahme des Stoffs 
für die Verhandlungen der Abtheilungen. Während in diesen 
vordem der Schwerpunkt der ganzen Versammlung lag und 
sie lediglich mit einer l'ehcrfülle von Verhandlungs-Material 
zu kämpfen hatten, war an Stelle dessen nunmehr eine 
Armut getreten, die es gestattet den Bericht über diesen 
Theil der Versammlung in Kürze zu erledigen, 
a. Die Sitzungen der Abtheilung für Architektur. 

Unter dein Vorsitze der auf Vorschlag des Uikalkomites 
zum Präsidium berufenen Herren Baumeister Bocckmaun 
(Berlin) und Baurath Hase (Hannover) begannen die Ver- 
handlungen am ersten Versamiulungstage mit einem Vortrage 
des Lehrers am Polytechnikum zu Aachen, Hrn. Architekt 
Tochtermann .über mittelalterliche Bestrebungen 
der neueren Baukunst. 1 " 

Angesichts der Heerlager, die sich auf dem Gebiete der 
xVrchitektur noch immer gegenüberstehen, obwohl der Wunsch 
nach Einheit ein auf allen Seiten empfundener ist, biete sich 
das Moment solcher Einignng in der Lesung der Aufgaben 
unserer Zeit. Bereits sei in einer dem XIX. Jahrhundert 
eigentümlichen Entwickeln« von Maass und Proportion 
etwas Gemeinsames gewonnen — für die desto verschieden- 
artigere Gestaltung im Einzelnen sei die Einheit noch zu 
erstreben. Der Weg, auf welchem dies möglich sei, könne 
lediglich gefunden werden durch die Erforschung der Wan- 
delungen, welche das Gesetz architektonischer Erfindung im 
Verlaufe der Zeit erlitten hat. 

In einem an blühenden Wendungen reichen Exkurse 
über die Entwickelung des architektonischen Gedankens seit 
der Antike charakterisirt der Redner die nach dem Verfall 
der antiken Bankuust eingetretene, noch heute nicht abge- 
schlossene Bewegung als die Folge der neuen geistigen Ge- 
burt durch das Christenthum. Freigeworden von dem Dienste 
des Vergänglichen habe die altchristliche Kunst die Bau- 
steine der versunkenen Vergangenheit im Glauben an den 
lebendigen Gott neu zusammengefügt und Werke geschaffen, 
deren Zentrum nicht im Diesseits, sondern im Jenseits zu 
suchen sei. Die Begeisterung und Kraft des Schaffens habe 
sich alsdann gesteigert zu der mittelalterlichen Kunst, deren 
Faden bis zur neuesten Zeit zu verfolgen ist. Das Gesetz 
der antiken Ordnung sei hierbei nicht verloren gegangen; 
nur im Verfall der Gothik sei es verwischt, währeud es in 
der Blüthezeit mittelalterlicher Kunst noch durchschimmert, 
aber vergeistigt ist, so dass allein eine vergeistigte Auffas- 
sung Klarheit des Verständnisses herbeiführen kann. So sei 
der Begriff des Daches im durchbrochenen Thurmhelm schein- 
bar freilich aufgehoben, dafür aber eine symbolische Bedeu- 
tung desselben, etwa als die zum Himmel führende Jakobs- 
leiter, gew-onnen. 

Als auf dem Gipfel der Festfreude, welche das künst- 
lerische Schaffen des vom Geiste des Christentums durch- 
drungenen Mittelalters bezeichnet, notwendiger Weise eine 
Zeit der Ermüdung eintreten musste. hälfe mit der Wieder- 
aufnahme des antiken Systems ein neuer Akt des kunstge- 
schichtlichen Dramas begonnen, der bis in die Gegenwart hin- 
einreicht. Während der Freiheit in der Verwendung dieses 
Systems hohe Auerkennung nicht zu versagen sei, währerid 
von den Künstlern des XV. und XVI. Jahrhunderts noch ge- 
rühmt werden könne, dass sie auf dem Boden mittelalter- 
lichen Empfindens standen und Audacht des Schaffens be- 
sassen, entstehe doch die Frage, ob die Grundansehannngen, 
auf denen diese Bauweise beruht, sich mit dem uutersteu 
Grunde des sittlichen Lebens vereinigen lassen. 

Dem gegenüber seien nunmehr auch Bestrebungen auf- 
getreten, die ein neues Aufblühen der mittelalterlichen Herr- 



lichkeit herbeiführen möchten. In dem hierdurch entstan- 
denen Dilemma sei es Pflicht Gerechtigkeit auf beiden Seiten 
zu üben und mit scharfer Untersuchung auf die historische 
Grundlage einzugehen. Ein schroffes Aufeinanderplatzen der 
Gegensätze erfolge meist nur da, wo eine tiefere Kenntnis» 
der Vergangenheit fehlt, währeud das Bestreben, die Gesetze 
mittelalterlichen Schaffens kennen zu lernen, auf der entge- 
genstehenden Seite bereits eine grössere Beachtung der Wahr- 
heit in konstruktivem, wie ästhetischem Sinne herbeigeführt 
habe. Es lasse sich hoffen, dass von dieser Wicderbeack- 
tung mittelalterlicher Kunst der dritte Akt der Kunstge- 
schichte datiren werde. 

W r ie die Entwickelung der architektonischen Bestrebun- 
gen in der Neuzeit sich vollzogen habe, versuchte der Red- 
ner an dem Beispiele der Männer nachzuweisen, die seit 
Beginn dieses Jahrhunderts in Carlsruhe wirkten. — Wein- 
brenner als der Schöpfer einer ernsten tüchtigen Architel- 
turschule, ans der Moller, Andrea der Begründer der Han- 
noverschen Schule, und Hübsch hervorgingen — Hübsch 
als Meister, Lehrer und Schriftsteller ausgezei- hnet, der streif 
Forscher, welcher dem Mittelalter nicht hold, in dem durti 
ihn angebahnten Verständniss altchristlicher Kunst doch die 
Quellen der Erkenntniss für den Ursprung mittelalterlichen 
Schaffens öffnete — Eisenlohr endlich, dessen liebliche 
Schöpfungen, von einem Strahle dessen angelacht, der «I» ist 
der Weg, die Wahrheit und das Leben, in Wahrheit die 
Harmonie des Lebens repräsentirten. 

Durch das Wirken dieser Männer sei ein Streben in- 
geregt, dass nicht mehr auf die Erscheinung, sondern aut 
, das Wesen sich richte, nicht dem Strome folge, soudern auf 
| den Quell zurückzugehen sich bemühe — eiu Streiten, da.» 
seither schon vieles Neue, wenn auch noch Lückenhaftes 
geschaffen habe. Neue Anregung zu rüstigem Fortstrebe 
— wenn auch auf verschiedenem Wege, so doch nach dem- 
selben Ziele • — • erwartet der Hedner von dieser Versammlung! 

Eine Diskussion im Anschlüsse an den Vortrag, den der 
Heferent nrn der Gerechtigkeit willen möglichst eingehend 
nnd objektiv darzustellen bemüht war, wurde von keitier 
Seite beliebt — eine erklärliche Erscheinung, wenn man be- 
1 rücksichtigt, dass derselbe einen praktischen Gedanken, an 
den sich eine fruchtbare Erörterung und AnseinaudcrM'tmni; 
hätte knüpfen lassen, überhaupt nicht enthielt, während ein 
Angriff auf die dem Redner eigentümliche GrundanffiKvmng 
den Andersgesinnten kaum lohnend dünken kuimle. 

Wesentlich realerer Natur war der Stoff MI weiten 
| Vortrages, in welchem Herr Professor Meidingei (Carls- 
ruhe) seine Versuche über die Ursachen der _ Zugstürungcu 
in Kaminen" (Rauchrohren) vorführte. Da die betreffen- 
den Experimente bereits in mehren Zeitschriften (zuletzt in 
No. !• der Haarmann'schcu Zeitschrift für Bauhandwerker; 
ausführlich beschrieben worden siud und das praktische 
Hauptresultat derselben, dass man Oefen aus verschiedenen 
Geschossen nicht in ein und dasselbe Rauchrohr münden 
lassen soll, ein seit Gillv für jeden norddeutschen Techniker 
geläufiges ist, so kann von einer näheren Mitteilung hier 
wohl Abstand genommen werden. Weniger bekannt dürften 
die von Hrn. Meidinger gegebenen Erörterungen ül*r den 
Einfluss des Wiudes auf den Zug in Kaminen und die hier- 
nach Itediugtc Form der Schornsteinköpfe sein. Die betref- 
fenden Experimente wiesen schlagend nach, dass jeder Wiml- 
stoss, der eine Schorusteinöffnung unter einem flacheren 
Winkel als l. r >* über der Horizontale trifft, den Zujr verstärkt, 
und zwar um so mehr, wenn er auf den Schornsteinkopf auf- 
prallend eine Richtung nach aufwärts annimmt und hierdurch 
die im Rauchrohr befindliche Luft fortreissen kann. Es folgt 
hieraus, dass alle horizontal ausladenden Gliederungen eines 
Sehonisteinkopfes. welche fliese aufwärts gerichtete Luftbc- 
wegung wieder aufheben, zu verwerfen sind. Gegen abwärt' 
gerichtete Windstösse, wie gegen Regen und Schnee gewährt 
eine Deckplatte von dem doppelten Durchmesser des Rauch- 
rohrs, in einer Höhe von zwei Drittel dieses Durchmessers 
über der Mündung angebracht, vollkommenen Schutz. 

Die elegante Sicherheit, mit welcher der Vortragende 
seine Experimente ausführte, und die Präzision der aus den- 
1 selbcu gezogeueti Schlußfolgerungen fanden allgemeinen Bei- 
, fall. Sicherlich wird die Einführung des von ihm konstru- 
I irteu Versuch-Apparates l>eiin Unterrichte, auf polytechnischen 
| und Hängewerk -Schulen gute Dienste leisten und wesentlich 
dazu beitragen, die noch immer ziemlich verworrenen An 
Khauungeu über dieses Kapitel der Feuerungskuude zu 
klären. 

(Mrlll.M folgt.) 



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- 343 — 



■ic Albert -Blicke bei Chrhra. 



Dein Eughlceriug entnehmen wir einige Notizen über die 
ihrer baldigen Vollendung entgegensehende Alberlbrücke über 
die Thanns bei Chelsea. deren System und Hauptmaass« fol- 
gende, nach der Beschreibung und einer malerischen Perspek- 
tive koustruirte Skizze veranschaulichen möge. Sie 7eigt das 
». g. System Ordish, nach welchem unter andern die Frauz-Jo- 



Brücke hingespannten, ti,\bt m starken Drahtseileu aufgehängt. 
Diu Thürme stehen, um die Brückenbahn nicht einzuengen, 
ausserhalb der llauptträgcr. Sie bestehen au* einem 1,2-2'» 
Durchmesser haltenden gussciseruen Zylinder, um welchen acht 
achteckige 0,305'» starke l'fciler iu 0,305'" Abstand vom Kern 
gruppirt sind. Am Aufluger der Ketten (18,*)«» Über der Brük- 




sepha-Hrücke in Prag ausgeführt ist. Die zu beiden Seiten der 
Fahrbahn liegenden Haupttrliger sind mittels gerader, geneigter 
Ketten oder Zugbänder an den Spitzen der Thünne aufgehängt. 
Die Knden der Trager am Lande sind vertikal 



ankert. Da sich lauter Dreiecke bilden, in denen die Thürmn 
und die Haupttrliger die gedrückten Stäbe, die geneigten Ketten 
die gezogenen sind, so können Schwankungen in Folge schiefer 
Belastung nicht eintreten, so lange (bei 3 Oeffnungcn) die 
Aussenoffnungen nicht das Uebergewicht über die Mittelüffuung 
gewinnen, oder soferu die Stabilität der Zwischcupfeilcr es ver- 
hindert. Oh und event. welche Vorrichtungen zur Unschädlich- 
machung der Tcuiperaturveräudcrungeu gctroBcu sind, wird 
leider nicht mitgetheilt. 

Die Querträger sind iu 2.44"" Abstand angebracht Sie 
tragen eiue 12,4'J- breite Hrückeubahn, die iu einen 8,23« brei- 
ten Fahrweg und zwei je 2.13"' breite Fusswege zerfällt. Die 
Tragekctteu bestehen aus je 2 nebeneinander liegenden gewalz- 
ten Bandeisen, welche die Haupttrliger zwiseheu sieh fassen- 
Im sie gegen Durchbiegung zu sichern sind sie iu Abständen 
von je 0.1'" mittels eiserner Zugstangen an zwei über die ganze 



kenbahn) sind die Iteidcu sich gpgenüberstehendeu Thürme durch 
einen gusseisernen Flachbogon verbunden. 

Jeder Thurm steht auf einen zylindrischen gusseiseruen 
Pfeiler, der Ml auf den Lomb.nclay hinabgesenkt und mit Kon- 
kret ausgefüllt ist. Derselbe hat in seinem Haupttlieil ijü" 
Durchmesser: nur der unterste 1,37™ hohe Theil ist ii,4"> weit, 
der darauf folgende I..V2™ hohe ist konisch und bildet so den 
Uebergang zu dem Haupttlieil den Pfeilers. Die Verankeruug 
der Trägereuden erfolgt mittels (t,2'» m hoher, O.'JH 01 weiter, be- 
steigbarer Zylinder, welche sich unten zu einer Kammer mit 
1,.V2"> Durchmesser erweitern. Sie stehen senkrecht, mit dem 
Bodeu 7.'J3" unter der Fahrbahn und sind mit einer Beton- 
mas.se umhüllt, welche das für die Verankerung erforderliche 
Gewicht hat. 

Die Brücke, sChon vor vielen Jahren durch den Prinzen 
Albert in Atiregung gebracht, erlangte erst 18C4 ihre. Parla- 
meutsakte. Durch das Dazwischentreten des Thames-Embauk- 
meut-Projckte* wurde der Bau bis 1870 hinausgeschoben. Man 
hofft die Brücke bis Eude des laufenden Jahres zu vollenden. 




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— 344 — 



Von allen Drathzugbarrieren mit Schlagbaum haben bislang 
diu nach Kirchweger'schcm System konstruirteu den meisten 
Auklang gefunden, da sie den erhöhten Anforderungen der Be- 
hörden für die Sicherung de« Betriebes am besten entsprechen, 
und doch leiden sie, wio alle ähnlichen Konstruktionen, uoch 
an drei erheblichen Mängeln: 

J. Durch das Kontregewicbt wird der Schlagbaum doppelt 
so schwer gemacht, als er zu sein brauchte, und in Folge 
davon sind auch alle übrigen Konstruktioustheile. Dnith- 
zug, Windetrommel, Rollen, Welle doppelt so stark zu 
konstruiren. 

2. Die Kraft wirkt stets an dem kleineren Hebelarm, der 
ca ' .— 1 it des grosseren, je nach der Breite des zu sper- 
renden Weges beträgt. 

3. Die zum Schliessen der Barriere zu verwendende Kraft 
wird dadurch so gross, das« ein Ruck beim ersten An- 
ziehen unvermeidlich ist und in Folge davon das Rdaaan 
des Drathzuges immer im Moment des Schlicst-eus, also 
gerade wenn die Barriere ihren Dienst thun soll, erfolgt. 

Alle diese Uehelstände sind durch die nachfolgend beschrie- 
bene und skiz/irte Konstruktion vermieden worden, denn: 

1. durch den Wegfall des Kontregewichtes werden alle Kon- 
struktionstheile auf das richtige Maass zurückgeführt; 

2. die Kraft wirkt stets am 2 Vi- bis 4 fachen liebelarm; 

3. beim Schliessen ist überhaupt keine Kraft zu verwenden, 
sondern nur beim Offnen, zu wiener Zeit ein H<-issen 
des Drathes die Sicherheit des Bahnbetriebes nicht ge- 
fährdet. 

Die in Rede stehende Konstruktion beruht auf dem Prinzip 
des Falles eines materiellen Punktes auf einer geneigten Ebene. 
Durch die schräge Lage der Drehaxe ist zu gleicher Zeit die 
senkrecht auf ihr stehende geneigte Ebene hergestellt, in wel- 
cher der Schwerpunkt der Barriere alle Lagen bis zu seinem 
tiefsten Punkt zu durchlaufen bestrebt ist. Den tiefsten Puukt 
(Ruhelage) erreicht der Schwerpunkt bei geschlossener Barriere. 
Beim Oeffuen wird der Schwerpunkt im Kreisbogen auf der ge- 
neigten Ebene hinaufgezogen. Ist sie um geschwenkt (of- 
fene Barriere), so muss sie in dieser Lag« durch das Sperrad 
der Windetrommel erhalten werden. Der Leituugsdrath ist für 



diese Lage stets gespannt, doch nur massig — mit 5 — 10 k . 
Das geringste Nachlassen des Leitungsdrathes lässt die Barriere 
zur Bewegung kommen; die Bewegung ist sanft und gleich- 
Ulässig. 

Zu bemerken ist noch, dass ein zwischen den Barrieren 
eingeschlossener Fuhrmai>n sich und sein Fuhrwerk durch Auf- 
drehen der Barriere leicht befreien kaun, indem er die Kette 
am Kopfende der Barriere in den Daumen r (am ersten Leit- 
rollenpfahl) einhakt und die Barriere damit feststellt. Sollte 
der Fuhrmaun das Abhaken und Schliessen der Barriere ver- 
gessen, so besorgt dieses der Wärter mit Leichtigkeit dadurch, 
dass er den Kopf der Barriere bis hart an den ersten Leitrol- 
lenpfahl heranzieht; dadurch gleitet die Ketle von selbst von 
dem Daumen c herunter. Von jeder Bewegung der Barriere 
wird der Wärter durch ein Läutewerk tienachriclitigt, dass sich 
in unmittelbarer Verbindung mit der Drehaxe befindet und aus 
einem gezahnten Rade besteht, das einen Hebel in Bewegung 
setzt. Das Läuten beim Schliessen und Oeffnen der Barriere 
ist also nicht der Willkuhr des Wärters überlassen. 

Der Kloben c zwischen der ersten und zweiten I-eitrolle hat 
zwei Funktionen zu erfüllen; er dient als Fangvorrichtung des 
zerrissenen Drathes, indem er beim zu schnellen Durchlaufen der 
Kette dieselbe mit seinen äusseren Rändern klemmt. Zu gleicher 
Zeit dient er in Verbindung mit dem zwischen den I/eitrollen 
f und g befindlichen Kettenstück als Kontregewicht gegen das 
zwischen dem Kopf der Barriere und der ersten Leitrofle befind- 
liche Kettenstück. Wenn nämlich vom Wege aus die Barriere 
geöffnet mird (etwa durch einen Fuhrmann), so sinkt der Klo- 
ben laugsam zu Boden und zieht das oben erwähnte Ketten- 
stück nach sich , so dass es nicht auf dem Fahrdamm liegen 
bleiben kann. Alles übrige ergiebt und zeigt die Skizze. 

Es kann wohl nicht geleugnet werden, dass die neue Kon- 
struktion wesentliche Vortheile gegen die früheren bietet, beson- 
ders auch deshalb noch, weil die Kosten derselben nur die 
Hälfte von denen der früheren Konstruktion betragen. 

Berlin im Oktober U>72. 

A. Eichhorn, 
Baufahrer an der Berlin - Dresdener Flisenbahn. 



Mattheilungen aus Vereinen. 



Architekten- und Ingenieur-Verein zu Hannover. Haupt- 
versammlung am 9. OktotH-r. Vorsitzender Hr. Baurath Hase. 

Nach Erledigung geschäftlicher Angelegenheiten statteten 
die Herren Prof. Launhardt und Ingenieur Keck über die 
Verhandlungen der Abgeordneten des Verbandes deutscher Ar- 
chitekten- und Ingenieur- Vereine zu Karlsruhr Bericht ab, 
dessen Wiedergabe wir uns hier versagen kiiuueu, da den Lesern 
der deutschen Bauzuitung das offizielle Programm dieser Ver- 
sammlung bekannt ist. Ks verdient indes* erwähnt zu werden, 
dass sich an die Mittheiluugeu des Hrn. Prof. Lu miliar dt 
über den Baumeisterschen Autrag, betreffend die einheitliche 
Bezeichnung der metrischen Maassc und Gewichte, eine Debatte 
schloss, aus der die Schwierigkeiten zu erkennen waren, welche 
einer Einigung im Grossen über die Gleichförmigkeit genannter 
Bezeich n uti gen entgegenstehen, indem über einzeln« Punkte in 
der von ca. 10 Personen besuchten Versammlung eine über- 
raschende Menge von einander abweichender Ansichten hervor- 
trat und eine Ucberciustiinmuug nur darüber vorhanden zu sein 
schien, dass es zweckmässig sei, die für den Zentimeter ange- 
nommene Bezeichnung «■ in cn > umzuwandeln. 

Auch der Bericht über die Bcratüuug des Musterschutzuu- 
trages gab Veranlassung zu einer kurzen L>iskussion, bei wel- 
cher der Vorsitzende und Hr. Baurath Köhler dem gänzlichen 
F'ortfall jeder Art von Musterschutz energische Fürsprache zu 
Thell werden Hessen. Für diese sowie die übrigen wichtigeren 
Fragen der Karlsruher Verhandlungen wurde eine eingehendere 
Besprechung an einer der nächsten llaupt-Versammtuiigeu in 
Aussicht genommen. 

Nach Beendigung des Berichtes wurden durch Abstimmung 
■I Bewerber als Mitglieder des Vereins aufgenommen, worauf 
Herr Baurath Hagen noch einen Vortrag über den Stund der 
Vorarbeiten hielt, welche für das Projekt einer Wasserversor- 
gung Hannovers gemacht sind. — oe — 

Are bitekten- Verein zu Berlin. Versammlung am 12. Ok- 
tober 1872; Vorsitzender Hr. Quassowsk i, auweseud 174 Mit- 
glieder und U Gäste. 

Unter den Mittheilungen, mit denen der Hr. Vorsitzende die 
Versammlung eröffnete, ist leider die Nachricht von dem Tode 



eines Vereins-Mitgliedes, des Ober-Betriebs-Insp. d. Berlifl-Pots- 
dam-Magdeb. Kisenb., Hrn. Klewitz zu verzeichnen. Hr. Ar- 
chitekt Victor Schröter zu St Petersburg hat 3 
phien nach den Zeichnungen einer von ihm erbauten ] 
llolzkircliu eingesandt. 

Hr. Adler berichtet über die bis jetzt für diesen Winter 
angemeldeten Vorträg« und regt au, dass uuter diesen womög- 
lich auch einige Fragen behandelt werdeu möchten, die geeignet 
sind iu einer vielseitigen und fruchtbringenden Diskussion er- 
örtert zu werden. Als eine solche Frage beabsichtigt er seiner- 
seits das für Berlin gegenwärtig so wichtige Thema der «Woh- 
nungsfrage" vor das Forum des Vereins zu ziehen. 

Unter Auslegung einiger Photographien vou der Mont-Cenis 
Eisenbahn äussert sich Hr. Mackeuthuu über die durch den 
neuerdings gemeldeten Uufull wahrscheinlich wieder in das Ta- 
gesgespräch tretenden Befürchtungen, welchu in Betreff des Be- 
triebes durch den Mont- Ccuis-Tunnel gehegt werdeu. Nach 
seiuer Ansicht ist derselbe im Verhältnisse durchaus ebenso 
gefahrlos und mit ebensowenig Belästigungen für die Reisenden 
verbunden, wie die Fahrt in jedem andern Tunnel. Die einzige 
Möglichkeit einer Belästigung könnte durch den Rauch der Lo- 
komotive herbeigeführt werden, dies jedoch bei dem Ouer- 
schnitte des Tunnels auch nur in dem gewiss sehr seltenen 
Falle, dass eine bestimmte ungünstige Windrichtung die sonst 
sehr kräftige Ventilation für einige Stunden ganz verhinderte 
und somit Veranlassung gäbe, dass der Rauch aller inzwischen 
durch den Tunnel passirenden Züge in demselben sich auf- 
speicherte. Auch in diesem Falle würden jedoch nur die Ma- 
schinisten etc. betroffen werden, kaum aber die Passagiere. 

Der weitaus grösste Theil des Sitzungsabends wird durch 
einen Vortrag des Hrn. .1. W. Schwedler ausgefüllt, in wel- 
chem derselbe über das Ergebniss seiner, im Vereine mit meh- 
ren anderen der ersten wissenschaftlichen Autoritäten Berlin'* 
(Ilagen, Helmholz. Dove) unternommenen Studien und Versuche 
über Akustik einige Mittheilungen geben will. Das Thema an 
und für sich, zumal jedoch der vorläufig behandelte Theil des- 
selben, der sich ausschliesslich auf die Theorie des Schalles in 
ihrer wissenschaftlichen Begründung erstreckte, lässt ein Referat 
au dieser Stelle nicht zu. — F. — 



• Vermischtes. 

Organisation des Landstrassenbaues In der 
Hannover. In der gegenwärtigen Sitzungsperiode des Hanno- 
verschen Proviiizial-Laiidtages finden Verhandlungen wegen 
L'ebcrnahme der technischen Leitung des Landstrasseubaues, 
mit Ausnahme der Staatsschausseen, auf die Provinz statt. 
Bisher war der finanzielle Theil des Ausbaues der Laudstrasacn 
auf den der Provinz überwiesenen Proviuzialfouds angewiesen, 
während die technische Leitung durch die von Seiten des 
Staates angestellten Kreis - Baubeamteu besorgt wurde. Huttc 
diese Zweitheilung an sich schon ihre Uuzutiäglichkeiteu, so 



wurden dieselben doch bei der grossen Ausdehnung, welche 
der Laudstrusscubau iu den letzten Jahren annahm, und der 
dadurch den Kreis-Baubeamtcu auferlegten Arbeitsüberbürdung 
wesentlich gesteigert, so daas bei dem notorischen Mangel 
technischer Kräfte eine Stockung in den Bauausführungen zu 
befürchten war. Der Proviuzial-Laudtag erbot sich, diu Kosten 
der technischen Leitung dieser Bauten auf den Proviuzialfouds 
zu übernehmen und ein eigenes Personal vou Wejjebautech- 
uikerti anzustellen. Die Staatsregieruug ist diesem Vorschlage 
bereitwillig entgegengekommen und finden wie erwähnt, gegen- 
wärtig die Verhandlungen hierüber statt. Es wird beabsichtigt 
in der Provinz 12 Laudstrasseu- Baubezirke mit den Hauptorten 

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— 345 — 



Hannover. Bassum, Ilildcshcini, Northeim, ('olle, Uelzen. Lüne- 
burg, Verden, Stade, Osnabrück, Luigcti, Aurich zu errichten 
und go incl. einer Stelle heim Landesdirektnrium 13 Wegebau- 
Inspektor-Stellen mit HOO bis 1500 Thlr. Gehalt, -200 Thlr. Bu- 
reankosteneelder und Pensionsberechtigung zu besetzen. Neben 
diesen Inspektor-Stellen sollen noch 7 Wegebau-Kondukteure 
mit durchschnittlich 1000 Thlr. Gehalt angestellt werden. Für 
die ganze Verwaltung ist incl. der Reisekosten-Entschädigungen 
etc. ein Betrag von 36000 Thlr. in Aussicht genommen. 

Die anzustellenden Beamten haben, sofern sie nicht die 
staatliche Qualifikation als Baumeister besitzen, ein eigenes 
Examen beim Landesdirektorium, dessen Spezialitäten noch nä- 
her zu bestimmen sind, abzulegen. 

In welchem Aufschwünge sich der Laudstrassenbau in der 
Proviuz Hannover befindet, zeigt der Umstand, das» im Jahre 
1869 18 Meilen. 1870 21 Meilen, 1871 26',', Meilen Strassen an- 
schlagmässig ausgebaut worden sind. Von wesentlichem Ein- 
flüsse auf dieses günstige Resultat sind die im Jahre 1869 auf- 
gestellten Nonnen für die aus dem Provinzialfonds zu bewilli- 
genden Beihülfen zum Landstrassenbau gewesen- Nach diesen 
Normen steigen die zu gewährenden Bcihülferi 



en Fällen allgemeiner Nützlichkeit der Anlage, oder 
besonderer Bedürftigkeit des Verbandes, mit den Anstrengungen, 
welche die einzelnen Wegcverbände aus eigener Initiative 
machen, und zwar derartig, dass bei Aufbringung von 4 Umla- 
gen 30"',, bei S Umlagen 35%, bei (> Umlagen •10%. bei 7 Um- 
lagen 45%, bei H Umlagen 50% und ferner für jede weitere 
Umlage 10% mehr bis zu 90% bei 12 Umlagen gewährt wird. 
Eiue solche Umlage wird nach der zu entrichtenden Grund- 
und Gebäude-Steuer, sowie der Hälfte der personlichen Abga- 
ben bemessen, und zwar so. dass vom ersten Thaler der Summe 
dieser Abgaben 4 Gr. und von jedem ferneren 10 Gr. 4 Bf. zu 
zahlen sind, ein System, welches mit Rücksicht darauf, dass der 
hoher Besteuerte "die Strassen mehr benutzt als der niedriger 
Besteuerte, allerdings nicht ganz gerechtfertigt sein dürfte, 

E. F. 

Verwendung alter Eisenbahnschienen beim Wehrhau. 

Bei dem Reparaturhau eines Wehres in der Weser ist es mit 
günstigem Erfolge versucht worden, das Holzwerk, welches 

früher durch den Eisgang viel 
zu leiden hatte, durch An- 
bringung alter Eisenbahn- 
schienen gegen diese Be- 
schädigungen zu schützen. 
Wie die Skizze zeigt, sind 
die alten Schienen auf dem 
oberen Bohlenbelage in der 
Richtung des Stromes ange- 
bracht. Die Länge der ein- 
zelnen Streck«' ist gleich einer 
haltton Scbieuenlfiugc, also 
gleich circa 3™. Die Ent- 
fernung der einzelnen Schie- 
nen beträgt circa 2,5"; be- 
festigt sind dieselben an dem 
Bruchende durch einen star- 
ken Schrauhcnholzcn und in der Mitte durch zwei Schienennägel. 
Der Erfolg ist im vorigen Winter ein sehr günstiger gewesen, 
die Eisschollen gleiten auf den Schienen entlang und Iteschädi- 
gen das Holzwerk fast gar nicht. E. F. 




Aufsatz in Nu- 41 diene* Blattes über Massenberechnuugeu mit- 
tels des Piaiiimeters direkt aus den Längcnnivclleuientspläuen 
hat der Verfasser übersehen, dass die Querprofile von Dämmen 
und Einschnitten nicht im einfachen Verhältnis* der Hohen, 
sondern im Quadrat der Hohen zunehmen, dass mithin die aller- 
dings richtig bestimmte mittlere Hoho für die Berechnung von 
Massen auf eine grossere Länge in der angegebenen Weise nicht 
benutzt werden kann. Wenn auch diese, immerhin unrichtige 
Berechnungsweise mit gemittelten Höhen für kurze Damm- (Hier 
Einschnittsabschnitte eingeführt und zulässig ist, so darf man 
sie doch nicht auf grossere Längen , wo die Höhenunterschiede 
zwischen je 2 Qucrprofilen bedeutender werden, anwenden, weil 
wie gesagt der Fehler mit dem Quadrat der Hohe wächst. 

Will man die Massen direkt auf den Längen -Nivellements 
mittels des Planimeters bestimmen, so kannte man auf folgende 
Weine verfahren : 

Man trägt von einer Horizontalen aus in gleichen Entfer- 
nungen nach unten resp. oben die Damnihohen resp. Einschnitts 
tiefen von 0 — A glcichmässig zunehmend in dem Hohenuiaass- 
stabe des Nivellements als Ordinaten auf und über resp. unter 
der Horizontalen die zu jeder Profilhohe gehörenden Flächen- 
inhalte, durch vertikale Linien dargestellt, im beliebigen Maass- 
stalw auf. Die Profilhohen werden dann durch eine gerade 
Linie, die durch Linien dargestellten Flächen durch eine Kurve 
begrenzt. Trägt man nun mittels einer solchen etwa auf Pans- 
leiuwand gezeichneten Figur in jedem Punkte des Längen- 
Nivellements die den betreffenden Profilhoheu entsprechenden 
Flächeninhalte vom Planum aus nach oben resp. unten hin auf, 
so repräseulirt dio dadurch erhaltene Fläche den Kubikinhalt 
zwischen beliebigen Prulilen- Diesen Flächeninhalt wird man 
am schnellsten mittels des Planimeters unter Berücksichtigung 
des für die Darstellung der Flächeninhalte gewählten Maasstabes 
' b. - Wenn mau die den Flächeninhalt der Profile darstel- 



lenden Vertikalen nicht polvgonartig durch gerade Linien, son- 
dern durch Kurven, die sich mit ziemlicher Richtigkeit werden 
zeichnen lassen, verbindet, so würde man durch diese Methode 
die Massen noch richtiger bestimmen können, als es die gewöhn- 
liche Berechnungsweise mit gemittelten Hohen oder Profilen ge- 
stattet R. 

Aus der Fachlitteratur. 

Zeitschrift des Architekten- und Ingenieur-Vereins zu 
Hannover. Jahrg. 1872, Heft 1 und 2. 

A. Aus dem Gebiete des Ingen ieurweseus. 

7. Die Anlage eiues Produkten- und eines Ran- 

&irbahnhofca in Verbindung mit der Zentralstation 
annover; von Baumeister Mchrtcus und Ingenieur 
Arntzun. 

Von dem Umwandlungsprozess, in welchem sich sümmtliche 
einigermaasseu bedeutende Bahnhofe der älteren Bahnen jetzt 
mehr oder weniger heliuden, stellt der Bahnhof llanuover eiu 
höchst interessantes und lehrreiches Beispiel dar. 

Da eiue Erweiterung des Bahnhofes an seiner alten Stelle 
nicht möglich war, musste die Trennung der einzelnen für Per- 
sonen-, Güter-, Produkten- und Rangirverkehr erforderlichen 
Anlagen ins Auge gefasst werden. In unveränderter Lage konnte 
fast nur der Personenbahnhof erhalteu werden, während die 
Produkten- und Rangirgelcise, (letztere zu einem vollständigen 
Rangirbahnhof erweitert) nach Westen hinausgeschoben werden 
mussten. Die Richtung dieser Verschiebung war, abgesehen 
von andereu Gründen, dadurch bedingt, dass östlich von dem 
alten Bahnhof die Einmündung der Bahnen vou i asscl und 
Hameln in die Hauptbahn (vou Lehrte) stattfindet. 

Der Raugirbahiihof, welcher mit dem Zeutrulbahubof ausser 
durch die Hauptgeleise noch durch zwei seitlich, rechts und 
links von diesem liegende Geleise, die s. g. Gütcrgelcise ver- 
bunden ist, besteht aus 4 von einander getrennten Systemen 
von Raugirgeleiseu, 2 nOrdlich, 2 südlich der Balm nach' Minden 
belegen. Zur Verbindung der beiderseitigen Systeme dient eiu 
Geleise, welche* die Hauptgelcise mit der Neigung 1 : 5 kreuzt. 
Diese Spaltung des Rangirbahnhofes durch die Hauptgeleise hat 
sich indess als nicht zweckmässig erwiesen. 

Auf die übrigen Einzelnheiten der Bahnhofsanlage, welche 
in erwünschter Ausführlichkeit beschrieben werdeu, und zu 
welcher auch eine Strassenüberfuhrung mit eisernem und eine 
Fusswegüberführung mit hölzernem Leber bau gehören , näher 
einzugehen, würde hier zu weit fuhren. Es sei nur noch auf 
deu Produkteubahuhof hingewiesen, welcher den gegebenen 
Platz recht gut ausnutzt, und — wo es sich um Minima von 
Abständen zwischen Ladegeleisen handelt — als Beispiel heran- 
gezogen werden dürfte. Die Länge der Produkteugeleise reicht 
jedoch schon jetzt nicht mehr aus. 

Sehr bedeutende und durchgreifende Aenderungen und Er- 
weiterungen müssen demnach nuch in'« 1-elien treten, ehe der 
Umbau des Bahnhofes Hannover als vollendet zu betrachten ist. 

8. Die Eiseubahnbrücke über den Georgs vehn- 
Kanal in der Oldenburg-Leerer Eisenbahn: von Ober- 
Baurath Buresch. 

Für den 6,05™ im Lichten weiten Schiffsdurchlass der 
Brücke ist das in Holland schon mehrfach ausgeführte Krahn- 
priuzip gewählt wordeu, welches bekanntlich darin besteht, dass 
die beiden um eine Wendesflule drehbaren, je eine Schiene des 
Bahngeleises tragenden Brückenträger nicht in feste Verbindung 
miteinander gebracht, sondern mittels beweglicher Staugen, 
ähnlich den Lenkschienen einer Weiche, so miteinander gekup- 
pelt sind, dass sie beim Aufdrehen sich vor dem Widerlager 
unmittelbar nebeneinander legen. 

Zum Anheben der freien Trägerenden behufs Feststellung 
der Brücke, wozu bisher meist Excentrics verwendet sind, dient 
hier ein Keilmechauismus, der sich vollständig bewährt hat. 

Der Aufsatz, welcher mehrfach auf Verbesserungen hin- 
deutet, deren die im vorlicgeu/leii Falle gewählte Konstruktion 
noch fähig ist, dürfte dazu dienen, dem Ökonomisch unzweifel- 
haft empfehlenswertheu Krahnprinzip in Deutschland mehr Ein- 
gang zu verschaffen. 

9. Zur Theorie des Erddrucks; von Baurath Mohr. 
Nachtrag zu desseu Aufsatz Uber denselben Gegenstand im 

Jahrg. 1871 der Zeitschrift 

B. Aus dem Gebiete des Hochhaus. 

Villa Cahn in Plittersdorf hei Godesberg am 
Rhein; von Baurath Oppler zu Hannover. 

Der einzige architektonische Beitrag, welchen das erste 
Semester der Zeitschrift diesmal enthält, giebt in vortrefflicher 
Photolithographie von Lneillot in Berlin das Bild einer in deu 
Jahren 1808 bin 1S72 errichteten Villen-Anlage, deren äussere, 
reich gruppirte Firscheinung den malerischen Charakter der 
mittelalterlich rheinischen Bauten mit Glück festzuhalten ver- 
sucht. Die Ausführung ist in verschiedenfarbigem trefflichen 
Steinmaterial mit steiler Schieferbedachung bewirkt, das Innere 
unter durchgängiger Anwendung von Hol z-Paonoeleii und echten 
Holzdecken bis aufs Kleinste in gotbischeui Stile durchgeführt. 
Die Baukasten des Hauses haben pro Ii™ Grundfläche etwa 
100 Thlr., die der Terrasse, welche die Villa mit dem Rhein- 
ufer verbindet, für sich etwa 6500 Thlr. betragen. 

Unter den kleineren Mittheiluugcu der Zeitschrift, die unter 
der Redaktion von Professor Launhardt ersichtlich einen 
neuen Aufschwung nimmt, sind die Referate aus der Fach- 



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- 346 - 



littcratur zu erwähnen, die in ihrer gegenwärtigen Vollständig- 
keit und bei der übersichtlichen Anordnung iu uueh dem Stoffe 
verschiedenen Gruppen ein Gesaiuintbild des iu den Haupt- 
fachzeitschriften gelieferten Materials geben, wie es in ähn- 
licher Gediegenheit wohl nirgend anders zu finden ist. 

Von den lieiden bisherigen Supplementen des Blattes „Bei- 
träge zur Förderung der Kunst in den Gowerken" und .die mit- 
telalterlichen Baudenkmäler Niedersachscns - ' ist das erste, in den 
letzten Jahren ins Stocken gcrathenc Unternehmen von der 
Zeitschrift uuutnehr ganz getrennt und erscheint unter dem 
Titel „Die Kunst im Gewerbe" von Baurath Oppler redigirt 
in Vierteljahreshctteu. Wir behalten uns vor, spater auf das- 
selbe zurückzukommen. 

Die Publikation der mittelalterlichen Baudenkmäler Nicder- 
sachsens wird mit je einem Jahreshefte durch Baurath Hase 
fortgeführt nie beiden letzten Hefte (pro 1870 und 71) ent- 
halten die Darstellung und Beschreibung der Stiftskirche 
iu Gandersheim von K. Honrici, Stadtbaumeister zur Har- 
burg, der St. Martinikirche zu Moringen und der Ka- 
pellen zu Nienhagen und Oldenrode von Hauralh Hase, 
und des Doms zu Minden von Architekt P. Tornow — leider 
mit lithographischen Darstellungen, die an Korrektheit viel zu 
wünseheu übrig lassen. Eine Darstellung im Wege der Auto- 
graphic, beziehungsweise der Gravirung auf Stein, wie sie Franz 
Schmitz in Colli für sein Dorowerk anwendet, würde sicher 
Kesultaten führen. — X — 



„Sohbblor über Eisenbahnen von lokalem Interesse. 
Stuttgart. 1 Thlr." — „v. Weber, Die Praxis des Baues und 
Betriebes der Sekundär bahnen, Weimar. 1 Thlr." 

Seitdem Plessucr seine Brocbürc über .Herstellung billi- 
ger Lokal- und Nebenbahnen • im Juhre 1870 veröffentlichte, 
hat sich üt>er dieses Thema eine eigene Littcratur gebildet 
(Weber zählt allein 45 No, in seiner Littcratur -Nachweisung 
auf, wobei allerdings eine An/ahl brieflicher Mitteilungen ein- 
gerechnet ist), unii wahrend bisher nur Stimmen für den Ge- 
genstand laut wurden, sehen wir in den vorliegenden beiden 
Werkchen die entgegengesetzte Ansicht, wenn auch in verschie- 
dener Schärfe, vertreten. 

Schübler räumt noch den sekundären Eisenbahnen eine, 
wenn aucli beschränkte Wichtigkeit für das Verkebrsleben ein, 
v. Weber dagegen spricht denselben bis auf engbegrenzte Aus- 
nahmen jede Berechtigung ab. Wie so oft, dürfte auch hier die 
Wahrheit in der Mitte liegen, und scheint dem Referenten das 
Schübler'schc Buch den richtigsten Standpunkt in dieser Be- 
ziehung einzunehmen. Es ist durchaus nicht zu läugnen, dass 
in einzelnen Fällen theils wegen der Neuheit, theils aber auch 
aus persönlichen, bisweilen sogar nicht ganz lauteren Motiven 
die Bedeutung eines Netzes von Sekuudfir-Eiscuhahucu wesent- 
lich vergrössert dargestellt worden ist (mau vergleiche die Re- 
klame, welche gegenwärtig für das Unternehmen der Schweize- 
rischen Sekundärbahuen in der Tageslitteratur gemacht wird). 
Andererseits beisst es aber auch die Augen absichtlich ver- 
schliessen, wenn man nicht die wesentlichen Vortheile anerken- 
nen will, welche ein System von Sekundärbahnen den von ihnen 
durchzogenen Gegenden und den benachbarten Hauptbahnen 
als Zubringer gewähren würde. 

Mag es immerhin wahr sein, dass eine Sekundärbahn 
schneller in ihrer Leistungsfähigkeit, als in ihren Anlage- und 
Betriebskosten im Vergleich zu einer Hauptbahn abnimmt, so 
bietet eine Sekundärbalin doch wieder eine ganze Reihe von 
Vortheilen, welche durch eine Hauptbahn nicht zu erreichen 
sind. Die Leichtigkeit, mit welcher eine Sekundärbann der 
Tcrraiuformation folgen kann, gestattet derselben eine Menge 
industrieller Etablissements auf ihrem Wege direkt zu berühren, 
ja sogar solche Etablissements aufzusuchen, welche bei Anlage 
einer Hauptbahn nur mit unverhältnissmässigcn Kosten durch 
Schienenstränge mit derselben in Verbindung zu bringen wären. 
Eine Sekundärbahn kann leichter vorhandenen Wegen, Dämmen, 
Grenzen folgen. Wenn auch diqsn Objekte nicht als üahnkörper 
beuutzt werden, so wird doch durch das Anschliessen an den- 
selben die Entstehung von Trcnustückmi vermieden. Da mithin 
den Besitzern hierdurch weniger Unzuträglichkeiten bereitet 
werden, so wird der Grunderwerb leichter und billiger zu be- 
wirken sein, denn das neue Expropriationsgcsctz wird den 
Plessncr' sehen Wunsch wohl unberücksichtigt lassen, nach wel- 
chem bei Berechnung der Entschädigungssumme auch der durch 
die Anlage der Bahn gesteigerte Werth des Reststückes in An- 
rechnung anf die zu zahlende Summe gebracht werden soll. 

Freiherr von Weber würde übrigens zu einem wesentlich 
anderen Urtheil über die Zweckmässigkeit der Sekundärbahuen 
gelangt sein, wenn er au diese Bahnen nicht dieselben Anfor- 
derungen in Betreff der Fahrgeschwindigkeit und Bequemlich- 
keit wie au eine Hauptbahn gestellt hätte; Anforderungen, deren 
Berechtigung und Erforderniss nicht recht einleuchten will 
Für Gegenden, welche bisher auf die Transportmittel der Fahr- 
post und des Lastfuhrwerks augewiesen waren, ist es bcIhiii ein 
wesentlicher Gewinn, wenn auf einer Sekundärbalin Personen 
und Güter mit einer Geschwindigkeit von 2'/i bis :s Meilen oder 
lö bis 23 i n f | nr Stunde befördert werden können. 

In beiden Werken sind eine Anzahl älterer deutscher Bah- 
nen in ihren Anlage- und Betriebskosten zur Verglcicbung mit 
Sckundärbalinen neueren Datum? herangezogen worden, und 
nimmt es uns Wunder, in Ix-ideu Zusammenstellungen die Cott- 



bus-Grosseuhainer Eiseubahu nicht zu finden, da dieselbe wegen 
Billigkeit des Baues, sowie der Geldbeschaffung unbedingt al- 
mustergiltig aufgestellt werden kann und das betreffende Mate- 
rial durch die Broschüre des Baurath Boeder über diese Eiseu- 
bahu leicht zur Hand war. Ganz unzutreffend zur Vergleichung 
dürfte dagegen die Heranziehung der Uiesluu-Scliweidniti- Frei- 
linger Eisenbahn sein, einer Bahn ersteu Ranges, was deu 
Verkehr anbelangt, welche die bedeuteudeu uicdorschlcsischeii 
Kohlenreviere mit Breslau, der zweiten Stadt Prcusscus, und 
der Regierungsbezirks-! lauptstadt Liegnitz verbindet, dabei (ie- 
gendeu und Badeorte berührt, welche in jedem Sommer einen 
btrom von Reisenden der Bahn zuführen. E. F. 

Personal - Nachrichten. 

Deutsches Reich. 
Ernannt: Der Königl. bayrische Ingenieur - Assistent 
Schneidt zum Eisenbahn-Baumeister bei den" Keichs-Eiseubah- 
nen in Elsass-Lothringen iu Met*. 

Preusson. 

Ernannt: Der Baumeister Garcke zu Magdeburg «um 
Eisenbahn- Baumeister bei der Bergisch - Märkischen Eisenbahn 
iu Esweiler: der Baumeister Schönrock zu Kiel zum KreL*- 
baumeister in Deutsch- Grone; der Wegebau -Kondukteur Bor- 
chers iu Hannover zum Kreisbaumeister iu Köln; der Kreil - 
baumeister Herschenz zu Gnesen zum Bauinspektor daselbst; 
der Kreisbaumeister Fftlschc in Bartensteiu zum Bauinspektuf 
in Belgard; die Ober-Bauinspektoren Peters iu Oppclu, Hau- 
stein iu Posen und Muyschel iu Broniberg zu Rcgierungs- 
und Baurätheu iu Op|telu, Posen und Bromberg; der Bauiuspek- 
tor Blut Ii zu Neu-Rupptu zum Wasserhau-Iusjtektor iu Stralsund 

Versetzt: Der Eiseubahu- Baumeister Kahle vou Arns- 
berg nach Elberfeld; der Eiseubuhn-Iiaumeister Schmidt« von 
Elberfeld nach Arnsberg; der Eisenbahn -Baumeister Salti; 
von Stadtberge nach Meschede; der Eimibahn-Baumeister Kot- 
tenhof von Stadtberge uach Nicdcr-Marsberg. 

Die Baumeister -Prüfung haben um a. und 12. Oktober 
c. ubgelegt: Bauführer Carl Gamper aus Marklissa; Bauführ« 
Paul Gustav Bischof aus Ei nen bei Schönebeck. 

Brief- und Fragekasten. 

Konkurrent zum Arndt-Denkmal. Ihr Schreiben ist 
nach Ihrem Wunsche dem Komite in Bergen übermittelt wor- 
den. Worin der Grund der ullerdiugs unverantwortlichen Nach- 
lässigkeit liegt, dass die Konkurrenten noch nicht wieder im 
Besitz ihrer Pläne sind, ist uns unerfindlich. 

Hrn. Gt. in Guben. Die von der Berliner Abfuhrgesell- 
schuft tienutzten Tonnenwageu siud vou Eckert oder von dir 
Firma Schneitier 4 Andre« (Mullerstr. 17'JbA welche die zuge- 
hörigen Pumpen liefert, gebaut; doch siud die KckcrtVk-u 
Wagou mit eisernem Tonuengefäss vorzuziehen. Eine Puuiin» 
und die entsprechenden 2 Tonueuwageu kosten etwa lfiOO Thlr- 

Hrn. J. iu Cöln. Auf deu hiesigen grösseren Ateliers 
haben sich zur Aufbewahrung vou Zeichnungen Schubladen mit 
uiederzuklappeuden Stirnbrettern am Meisten bewährt 

Abonnent iu Hamburg. Gute Stellungen für Tech- 
niker im Auslände werden wohl selten auf Angebot, sondere 
eher durch Meldung auf Nachfrage zu erlangen sein. Da dV 
deutsche Bauzeituug Leser in allen Welttheileu hat, so ist ein« 
Offerte in derselbeu vielleicht nicht ganz aussichtslos; für dir 
Gegenden, welche Sie speziell im Auge haben — Südaroerika 
oder die englischen Kolonien dürfte eine Annonce in den Tim** 
am Zweckentsprechcuditeu sein. 

Hrn. P. in Bcrliu. Es ist uns nicht bekannt dass du 
im Laufe der letzten Jahre mehrfach ventilirte Projekt, die Häu- 
ser der Schlossfreiheit iu Berlin entweder ganz zu rasiren, «der 
durch einheitliche niedrige Bauten zu ersetzen ernstliche Aus- 
gichten auf Durchführung hätte, und wir haben in Folge de*s<s 
vermieden dasselbe zum Gegeustaudc einer Besprechung ■ 
macheu, die sich mit demselben Rechte auf 100 andere PhauUfl''- 
Gebildc erstrecken könnte. Dass der gegenwärtige Zustaod 
dieses Theiles unserer Stadt ästhetisch befriedige, kann aller- 
dings Niemand behaupten, im Gegentheilc giebt es wohl kein 
schlimmeres Beispiel für die Kohlieit uud Lächerlichkeit eimr 
Facadendekoration in antikem Stile iu Verbindung mit dor 
polizeilich vorgeschriebenen Brandgiebel - Bauart Andererscfc 
können wir auch keineswegs der Ansicht beipflichten, dass ein 
freier Quai oder eiii niedriger Trakt von Restaurations-Ilalin 
aus Glas und Eisen hier das Wünscheuswertbe wäre. Die im- 
[sisante Erscheinung der Schlosskuppel beruht nicht zum 8* 
ringsten darauf, dass sie über den Häusern der Sclilüäsfreilirit 
hervorschaut und nach dem Maasstals- derselben beurtheilt wird 
wir möchten ernstlich bezweifeln, dass der freie Blick auf du 
als Unterbau dieser Kuppel benutzte Triumphbogen - Portal 
Eosauders von Göthe ein bcfriedigcrciidea Arcliitekturbild ge- 
währte. 

Mehre Leser. Nur uugeru haben wir die Fortsetiur.c 
des Artikels über das Prcussische StaaUhauwesen ausgesetzt 
doch Hess sieh ein Nebeueiuaudergehen desselben mit unsere 
Berichten über die Carlsruher Versammlungen leider nicht er- 
möglichen. 

Beiträge mit Dank erhalten vou den Herren K. in Alten 
bürg, E. in Börnberg. 



: »0« C.rl Hr.llt. In B-rlln. 



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Jahrg. ?|. M 43. 

DEUTSCHE BAUZEITUNG 



101. 
B«it«l)iir>f*n 

uth-rn" »ifn.n »II«* K.».(arnlaltrn 
Ilj.-lili»iii1a,n<i-n, 



Organ des Verbandes 

deutscher Architekten - und Ingenieur-Vereine. 

Redakteur X. E. 0. Fritsch. 



Icurat« 

für dl» Int der dr.Uta« 
kls|.|liir.f Und.« Aafnanin. 

In d.r Srtlli - »nlut : 
.B»n-An«!l(tor" 

»% Ur pr. 



Preis I Thaler pr« Quartal. 



Berlin, den 26. Oktober 1872. 



Erscheint jeden S«nnahend. 



Tnhalt: XVI. Wt», 



Ar.lm.kl.n 



In«.- 



•KSmMMI 

, tu K»rl»ry»o. (Kchla«.} - Dm II««,«. 
»Irunii ioii Städten. - Millh.lluiiit.il in V.r. Inen: 



Der A»ch.n«u«pf ir.nilrin)- 
iibrr die Kinwlrkui 
NirhrldKlrl. Brief- uml F ra Kek »»I r • 



Die XVI. Wand« 



rrrrsanmlung deutscher Architekt™ und Ingenieure zu hur Km he. 

ISrlilii»«). 



lila. 



1> i e Sitzungen der Alitlieilung für 
Architektur. (Sehlnss.) 
Die Verhandlungen des zweiten Versammluiigstages be- 
gänne! mit einem Vortrage, durch welchen Hr. Bau rat h 
Hase (Hannover) die von ihm Namens der Abgeordneten- 
Versammlung des Verbandes eingebrachte Resolution in Be- 
treff des Verfahrens bei der Konkurrenz zum deutsrhen 
Ueichstagshansc ltegriindeti». Sicherlich mnsste es den Werth 
dieser Kundgebung nicht wenig erhöhen, dass sie von einem 
Manne vertreten wurde, der unter den Architekten Deutsch- 
lands eine so hervorragende Stellung einnimmt und durch 
eine so oftmalige Beteiligung an Konkurrenzen — sei es 
als Konkurrent oder als Freisrichter — Gelegenheit zu 
reichster persönlicher l'rfahruug auf diesem Gebiete ge- 
habt hat. 

Der Redner bezeichnete als die Hauptfehler, welche bei 
bei der Einleitung und Durchführung von Konkurrenzen 
gemacht zu werden pflegen, die zu wenig sorgfältige und 
«rundliche Vorbereitung des Programms, die Zusammen- 
setzung des Schiedsgericht.* mit einer überwiegenden Zahl 
von Laien, endlieh die Versrhweigimg der Gründe, welche 
die Entscheidung des Schiedsgerichts herbeigeführt halten. 
In Betreff der Erfahrungen, welche bei internationalen Kon- 
kurrenzen gemacht zu werden pflegen, erinnerte er au die 
weiland Hamburger Rathhaus-Konkurreuz, an welcher Archi- 
tekten von 4 Nationalitäten sich Itethciligt hatten, aus denen 
demnächst je einer, ein Engländer, ein Franzose, ein Russe 
und ein Deutscher prämiirt wurde.*) 

Nach einer kurzen historischen Darlegung über die Be- 
strebungen zur Besserung des Konkurrenzverfahrens, welche 
auf der XV. Wanderversammlung in Hamburg zur Aufstel- 
lung unserer .Grundsätze für das Verfahren bei öffentlichen 
Konkurrenzen" geführt halten, konstatirte der Redner deren 
Nichtberücksichtigung Itei der letzten grossen Konkurrenz für 
Entwürfe zum Hause des deutschen Reichstages und erläu- 
terte die Notwendigkeit, dass die Vertretung der deutschen 
Architcktcnschaft — nicht zum Schutze einzelner Fersonen. 
sondern zum Schutze der Kunst ■ — gegenüber einem solchen 
Verfahren ihre Stellung wahre. 

Die Annahme der Resolution erfolgte ohne jeden Wider- 
spruch mit einmüthiger Zustimmung; nur dass Hr. Kayser 
( Elberfeld ) im Sinne des später von ihm in der Gesammt- 
sitzung eingebrachten Zusatz -Antrags sich äusserte und Hr. 
Tochtermann (Aachen) sich beklagte, dass die Fachpresse 
bei Besprechung neu eröffneter Konkurrenzen nicht immer 
ihre Schuldigkeit Ihne, ** ) 

Da das Frogramm der Abtheilung hiermit bereits erle- 
digt war. so forderte der Vorsitzende die Versammlung auf, 
ans ihrer Mitte heraus Fragen zur Erörterung zu stellen. 
Hr. Bauamtmann Streiter (Aschaffenburg) schlug als eine 
solche Frage die der Entstehung und Beseitigung, beziehungs- 
weise Verhütung des Haussehwarames vor, der in seiner 
Heimath neuerdings eine erschreckende Ausdehnung gewon- 
nen halte, seitdem die Forstwirtschaft im FiehteUrehirge 
und Frankenwaldo sich an die Forderungen der Bautechnik 




nicht mehr kehre, sondern Bau- und Brennholz gleichzeitig, 
d. h. im Saft sehlagen lasse. Die Ansichten des Redners, 
dass die Haiiptursache des Schwämme« in der Beschaffen- 
heit des Holzes zu suchen sei, welches in den geschlossenen 
Bestanden der Forsten seine .lahrringe zu schnell ansetzt 
und nicht völlig reif wird, dass man daher zur Verhütung 
des Schwamines vorzugsweise auf die Herkunft und 'Beschaf- 
fenheit des Bauholzes zu achten halte, wurden von anderer 
Seite durch Mittheilung der Erfahrung bekämpft, dass völlig 
Irisches, im Safte geschlagenes Holz sich mehrfach unver- 
sehrt erhalten halte, wo altes trockenes Holz ganz zerstört 
wurde. Es wurde darauf hingewiesen, dass der Schwamm 
nach den vielseitigsten ültereinstimmenden Erfahrungen nie- 
mals im Holze selbst entsteht, sondern meist aus der Auf- 
füllung oder dem Mauerwerk, nach anderer Ansicht stets 
;ms dem Untergrunde emporwächst, und dass als bestes 
Mittel zur Verhütung und Beseitigung des Schwamines sich 
noch immer die Anordnung einer entsprechenden Ventilation 
bewährt habe. 

Da die Meinungen der verschiedenen Redner weit aus- 
einandergingen, so wurde auf Antrag von Hrn. Banrath Hase 
beschlossen, die Besprechung abzubrechen und die Frage 
erforderlichen Falls wohl vorbereitet in wissenschaft- 
licher Behandlung vor die nächste Versammlung zu bringen. 
Kine gleichfalls von Hrn. Streiter angeregte Erörterung 
über die Einführung des einheitlichen Ziegelformats wurde 
von dem Vorsitzenden Hrn. Boeekmann durch die Mit- 
teilung abgeschnitten, dass diese Frage in dem hierbei vor- 
zugsweise betheiligteii Norden von Deutschland fast völlig 
gelöst sei. Es folgten schliesslich einige an den Vortrag des 
Hrn. Frofessor Meidinger angeknüpfte Fragen und Erör- 
terungen, nach deren Erledigung in Krmangclung weiteren 
Stoffes die Verhandlungen der Abtheilung geschlossen wurden. 

Die durch diesen unerwartet zeitigen Abschluss der Be- 
rathungen frei gewordenen Morgenstunden des dritten Ver- 
samraluugstages wurden von den Mitgliedern der Abtheilung 
theils zum Besuche der Ausstellungen im Polvtechniknin be- 
nutzt, Iiifils einein Besuche der unter Hrn. Frofessor Mei- 
dinger stehenden Landesgewerbehalle, einer, permanenten 
Ausstellung bemerkenswerter Industriegegenstilnde, sowie 
des von Hm. Professor Ratzel geleiteten kunstgewerblichen 
Unterrichts -Instituts gewidmet. Die in letzterem veranstal- 
tete Ausstellung von Schülerarbeiten wies bereits die erfreu- 
lichsten Erfolge dieses erst vor Kurzem durch den Staat ins 
Leben gerufenen Unternehmens auf. 



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K.rahrunc b.raiif.totr,.ii ».rd»n können. 
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il.lil.t «.in. Wir «anVo «ern darauf «enntworl.« haken od.r oorli antworte», 
»eun dm asulriarklirh, unter «enau.r Angab, d.r Halen, aarxetprochen «ar. 
o.l.r no.lt («.»ab.. I). It.d. d. l>. K.lg. 



b. Die Sitzungen der Abtheilung für Bauingenieur- 
wesen. 

Unter der Theilnahme von etwa ISO bis 2tH) Mitgliedern 
konstituirte sieh die Abtheilung für Bauingenieurwesen am 
ersten Versammlungstage, indem sie auf Vorschlag des Lo- 
kalkomihs Herrn Oherbanrath Sorge (Dresden) znm ersten, 
Herrn Oberbaurath Schlierholz (Stuttgart) zum zweiten 
Vorsitzenden berief. 

Die Reihe der Vorträge begann mit dem des Hrn. Was- 
serhandirektor Grebenau (Strassburg) T über die Gesetze 
der Bewegung des Wassers, der Kiesbänke und des Thal- 
weges in geschiebföhrenden Flüssen, nach den hierüber am 
Rhein angestellten neueren Untersuchungen, und deren An- 
wendung auf den Wasserbau. 

Hr. Grebenau erörterte zunächst den Werth statisti- 
scher Beobachtungen über Flusswasserstände. Die von ihm 
dargelegten graphischen Resultate langjähriger Beobarhtnn- 



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gen am Rhein, der Elbe, der Lahn, dem Neckar, der Ga- 
r..uDe, dem Mississippi, der < »der etc. beweisen in ihrer l ebcr- 
eiustimmnng, dass weder die Kenntniss des jemals beobnch- 
teten Maximal- noch die des Minimal -Wasserstandes von 
namhaftem praktischen Werth« ist; einen solchen hat hin- 
gegen die Feststellung von füuf anderen Fixpunkt«, welche 
ilnrch langjährige Beobachtungen der mittleren .Monatswas- 
serstände zn erreichen ist, und zwar des mittleren Wasser- 
standes: 1} im .Januar. 2) im Jnui, 3) nach den 12 Monats- 
mitteln, 4) nach den i'< Sommermonatsmitteln, 5) nach den 
0 NViutennonatsinitteln. — Die Kenntniss dieser Fixpunkte 
sei sowohl wichtig für die Anordnung der Wasserbauten, 
wie für die hierauf bezügliche Gesetzgebung. So hat sich 
beispielsweise ergeben, dass die empirisch als bewährt be- 
fundene Höhe, der Parallelwerke am Rhein, der Elbe und 
der Salzach mit dem mittleren .luniwasserstaiide dieser Flüsse 
übereinstimmte; an der Garonne hingegen genügte diese 
Höhe nicht ganz und musste nach und nach vermehrt werden. 

Fin Bericht über deu nunmehr folgenden Hanpttheil des 
Vortrages, der zur Vorln-rcitiing für die Exkursion des Nach- 
mittags nach Maxau dienen sollte und die ganze erste Sitzung 
ausfüllte, dürfte an dieser Stelle durch einen Hinweis auf 
die Mittheiltiugen der Deutschen Bauzeitung in No- .Vi, .Ihrg. 
lHiJ'.t und in No. 4K, .Ihrg. 1*71 ersetzt werden können. 

Die Spezialisten lies betreffenden Kachgebietes haben von 
den Ermittelungen Grebenaus ohnehin ausführlichere Kennt- 
nis». — 

Die Sitzungen des zweiten Versammlungstages begannen 

— da die Hrn. Ingenieur Gerstner (Carlsruhe) uud Eisen- 
bahn-Inspektor Stei nant (Mannheim) zu Gunsten der au- 
derweit angemeldeten Vorträge auf ihre .Mittheilungen über 
die Carlsruher Wasserwerke uud die Mannheimer Bahnhofs- 
uud Hafen-Anlagen verzichteten und sieh entsprechende Er- 
läuterungen für die Besichtigung dieser Bauten vorbehielten 

— mit dem Vortrage des Hrn. Professor Launhardt (Han- 
nover) „über die kommerzielle Tracirung der Ver- 
kehrswege*. Auch dieses Thema ist von dem Hrn. Vor- 
tragenden bereits in mehrfacher Weise lilterarisch behandelt 
worden. Es mag daher hier lediglich daran erinnert wer- 
den, dass Hr. Launhardt die Projektirung der Eisen- 
bahnen und Strassen abhängig macht von dem zu erwarten- 
den Verkehr der einzelnen zu verbindenden Puuktc und auf 
Grund dessen, lediglich durch Konstruktion auf horizontal 
und eben gedachtem Terrain, die Richtung der Bahntrace, 
die Anschlnsspunkte von Seitenbahnen, sowie aus den kilo- 
metrischen Verkehrskosteu der einzeluen Linien die Ge- 
sammtverkehrskosten herleitet; erst auf Grund der hierdurch 
gewonnenen Resultate werden die durch das Terrain gebo- 
tenen Abweichungen in Rechnung gezogen, beziehungsweise 
die Tracirung dem vorhandenen Terrain angepasst. 

Da nach einem weitereu Vortrage des Hrn. Bezirksin- 
genieur Kessler (Saargemünd) .über einige Bauwerke 
des Saarkohlenkanals- (insbesondere Schleusenkammern 
mit eigentümlichen Hebevorrichtungen) die Zeit zu einer 
längeren Mittheilung nicht mehr ausreichte, so gab Hr. Ober- 
bau rat Ii Funk einige kurze Notizen über die Ihm den Han- 
noverschen Eisenbahnen durch das linprägniren der 
Schwellen mit Zinkchlorid erzielten Resultate. Das Irn- 
pragniren der Schwellen ist derart geschehen, dass eine 
Mischung von 1 Theil Zinkchlorid mit :Ut Theilen Wasser 
nach Anpumpen der Luft unter einem Druck von 7 Atmos- 
phären eingepresst wurde, was nach Ermittelung des Pro- 
fessor Wöhler in Göttingen ein vollständiges Durchdringen 
der Schwelle mit Zinkchlorid zur Folge hat. Die erzielten 
Erfolge sind in der That überrasc hend und cutheben dieses 
Verful ireii durchaus aus dem Bereiche blosser Versuche. Bei 
den von 1*02 bis 1H.V> (im Mittel 1. Juli lsjt) verlegten 
lü 1 000 kiefernen (Jner-Senwellcn der Bahnstrecke von Rheine 
nach Emden betrug die Auswechselung: 
nach t; 7 8 9 10 11 12 IS 14- 15 16 17 Jahren 
0,2 0,4 o,ü o,s~i,i 1,4 1,'J l'J .»,'J t;,l tt Prozent 

Die Erhöhung des Prozentsatzes in den letzten Jahren ist 
jedoch wesentlich entstanden durch die Notwendigkeit einer 
Umlegung und Auswechselung defekt gewordener Schienen. 
Die hi-rbei ausgewechselten Schwellen waren zu Einfriedi- 
gungen und für Nebengeleis«- noch branchbar, und zeigte ein 
von Hrn. Funk vorgewiesenes Prolwstück, welches I7Vi Jahr 
im Erdboden gelegen hatte, in der That noch einen voll- 
ständigen Zusammenhang der Holzfasern. Die Kosten des 
Verfahrens lietragen pro Schwelle 2% bis 3 Sgr., während 
eine Imprägnirung der Schwellen mit Kreosot !> — l<> Sgr. 
erfordert, Die ('öln-M indener Bahn hat daher in Folge der 
mitgeteilten Resultate auch bereits den Kntsi hluss gefasst 
von der linprägnimng mit Kreosot ab- und zu der mit Zink- 
chlorid überzugehen. 



Am dritten Versamtnlungstage trug zunächst Hr. Ra- 
gieruugs- und Baurath Sasse (Merseburg; .über die Ent- 
stehung der Inundations-Flussthäler- vor. Die von 
ihm durch meteorologische, geologische und physikalische 
Schlüsse begründete Ansicht, dass die meist mehr oder we- 
niger tief eingeschnittenen Flussthäler nicht das Resultat der 
gegenwärtigen, eher auf Erhöhung ihres Bette* hinwirken- 
den Wasserläufe, sondern das Ergebnis* früherer unterge- 
gangener Ströme wien, ist in dem bereits zitirten Aufsätze 
des Hrn. Sasse .Ihrg. 71. No. IX d. dtschn. Bauztg. gleich- 
falls schon augedeutet. Eine Diskussion musste hier, wie 
bei allen anderen Vorträgen aus Maugel an Zeit unterbleiben. 

Hr. Wasserbauinspektor Hipp (Ehrenbreitenstein) be- 
richtete hierauf .über die Felsensprengungen im 
Rhein bett- besonders iu der Strecke von Bingen los St. 
Goar. Die von frühesten Zeiten her bekannten Arbeiten 
haben bis 1K-J0 eine Vertiefung des Binger Lochs auf .'iO, in 
den Jahren \s->s bis 34 eine solche auf 200 F'uss Breite er- 
zielt, sind jedoch bekanntlich mit grösserem Erfolge erst 
seit 1H.V.I wieder aufgenommen worden. Den hierüber im 
Jahrg. IHM der Zeitschrift für Bauwesen veröffentlichten 
Mittheilungen schlnss der Hr. Vortragende hier weitere An 
gaben an. Die seit in Jahren iu Anweuduug befindliche 
Hipp'sche Fallbohrmaschine mit Handsteuerung hat sich 
besser bewährt als die früher angewendete Sehwarlzkopfselic 
Bohrmaschine; dieselbe besitzt o,.'t | - Fallhöhe, kann 12h Ins 
150 Schläge pro Minute ausüben und liohrt Löcher von 
0.OX«» Durchmesser in (,«uarzit und Kieselschiefer, obwohl die.«.«- 
Gesteine sehr grosse Festigki-it und Zähigkeit besitz« n un l 
ungünstig geneigt anstehen. Die 1.5 — 2 m tiefen Bohrlöcher 
werden zugestöpselt nnd nenn gleichzeitig mit Blecfepatro- 
ni-n, worin 5 Pfd. Pulver uud die erforderliche Länge vmi 
Cölu bezogener Zündschnuren, unter Saiidfüllung besetzt nn I 
entzündet; bis l.'i m unter \\ asser werden hierauf die Spreue- 
stücke durch Tancherschiffe. von denen z. Z. drei vorhanden 
sind, mittels (»..">■" hoher, 0.7. r > m weiter Tanrherschachte von 
Eisenblech unter Benutzung knmprimirter Luft gehoben iiml 
beseitigt. Pro Schicht von '»Tag werden 2,5 kb™, pro Jahr 
ca. 25i«okb m gefördert, und dürften noch ti Jahre erforder- 
lieh sein um die jetzt verlangte Fahrtiefe von 2..V" herzu- 
stellen; früher kostete die Sprengung und Beseitigung eines 
Kubikmeters: 180 Thlr. (1H30), 70 Thlr. (l.S, r iO— 5t»), 33 Thlr. 
(ISiiCO, ls Thlr. (IHCT). in Thlr. (lSi.Sj, im Jahre l»70 da- 
gegen nur noch C». Thlr. . 

Zum Schlüsse sprach Herr Regicrungs- und Banralh 
Sasse noch .über die Strom gesetzi- im Mississippi 
und der Saale-, ohne dass es ihm jedoch möglich war 
seinen Vortrag zu vollenden. 



f. Die Sitzungen der Abtheilungen für Maschinen- 
bau ii ml Marinetechnik. 

Da das Interesse der Leser dieser Zeitung sich im Wi - 
sentlichen wohl lediglich auf die Verhandlungen der Ahtbri- 
hingen für Architektur und Bauingenieiirweseii konzeutriM. 
so wird über die Thätigkeit der übrigen Abtheilungen ein 
kurzer Bericht im Sinne der hierüber in der Gesamml- 
schliissitziing gegebenen Referate genügen. 

Die Abtheibiiig für Maschinenbau nahm unter Hein 
Vorsitze der Herren Ober - Maschinenmeister L'hlenhnt 
(Hannover) und Direktor Grashof (Carlsruhe) am ersten 
Versaminlungstage einen \ r ortrag des Herrn Ingenieur Pie- 
per (Cöln) .über die geschichtliche Entwickelnnu 
des Si-hiffspropellers-: sodann des Herrn Hechnung- 
niths Baumann (Berlin) .über die Schraube ohue 
Ende- entgegen. Der zweite Tag brachte einen interes- 
santen Bericht des General - Inspektors der Ocsterrcicbisrhiii 
Siaatsbahn-Gescllsehaft iu Wien, Herrn Bochk oltz .über 
Wasserhaltungsmasi-h inen mit spezieller Bezns:- 
nnhme auf den Kraft - Regenerator'*, der dritte lag 
einen solchen des Herrn Ingenieur Gebauer (Wien) .über 
den Bolzano - Patent-Treppenrost". Die Bethcilignni: 
an den Verhandlungen wurde als eine sehr rege und lel«- 
hafle gescliildert. 

Auch die .Sektion für Marinetech nik". die dies- 
mal zum zweiten Male, unter dem Vorsitze ihres Begrün 
der», Herrn Oberst Libert de Paradis (Wien) tagte iithl 
einen Vortrag desselben .über das Tulegraphenkal" 
zwischen Triest und Alexandria" anhörte, war vmi 
dem Resnltate ihrer Thätigkeit, die durch die offizielle Thei - 
nähme der deutschen wie österreichischen Marinebehörden 
eine wünschenswerthe L'nterstütznng erhielt, befriedigt Die 
ihr angehörenden Techniker hallen indessen die Febcrzen- 
gung gewonnen, dass zur Fördernng ihrer Ziele nicht allein 
eine noch weitere Gliederung nothwendig sei, Maden* da» 
die Sektion sich anch gleichsam in Permanenz erklären 



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— 34!) — 



müsse. Für künftige Ycisaiumluugcu soll »-in dctuillirtcs 
Programm eutworfeti und zeitig versendet werden; es wird 
gehofft, dass Itei der Wahl des Orte» für diescllicn aueli den 
Interessen dieser Sektion zeitweilig Rechnung getragen werde. 

Seitens der im Programm vorgesehenen Abteilungen 
für Hüttenwesen und technische Chemie wurde ein 
Berieht Dicht erstattet. Es ist dem Referenten nicht be- 
kannt, ob dieselben überhaupt am Stande gckomineu sind. 

IV. Das Ergebnis* der Versammlung. 

Nach der vorangegangenen Darstellung der Einzelheiten 
scheint mir /.um Schlüsse auch der Versuch geboten, da» 
Gesammtergebniss der Versammlung /u ziehen. 

Wenn ich dasselbe — trotz der fröhlichen Erinnerung, 
die wohl jeder Theilnehmer den in Karlsruhe verlebten 
Tagen bewahren, troU der dankbaren Anerkennung, die er 
den ausgezeichneten, unter der Gunst der ausseien Verhält- 
nisse so glücklich gelungenen Veranstaltungen der dortigen 
Festordner zollen wird — als ein durchweg befriedigendes 
nicht bezeichnen kann, so ist wohl selbstverständlich, dass 
hierin kein Vorwurf gegen Diejenigen cnthalteu ist, welchen 
die Vorbereitung und" Leitung der Versammlung oblag. Das* 
dieselbe bei ihrem Susserlich glänzenden Verlaufe an gei- 
stigern Gehalte das nicht bot, was sie bieten sollte und 
konnte, scheint mir vielmehr das Ergebnis» einer durch Tradi- 
tion entwickelten Form, welche für die Wauderversammliingen 
einer altereu Zeit wohl genügte, unseren heutigen Verhält- 
nissen alier nicht mehr in gleicher Weise entspricht. 

Sollte dies, wie ich ans den übereinstimmenden Aeus- 
serungen Vieler, unter ihnen nicht weniger Mitglieder des 
\ orstandes und des Lokul-Komitcs, zu hotfell wage, zur all- 
gemeinen l'cbcrzcugnng werden, sollte hiernach diese XVI. 
und letzte der nach bisherigem Brauch und ans freier Wahl 
zusammentretenden Wunder Versammlungen der deutschet! 
rachgcnossriischaft den Austoss dazu gegeben haben, dass 
tür die Gestaltung der künftigen allgemeinen Versammlungen 
unseres Verbandes neue, zweckentsprechendere Formen ge- 
funden werden, so wäre dieses Ergebnis* freilich auch ein 
werthvolles. 

Klagen über die Üesultatlosigkeit der Wauderversamm- 
lungen nicht blos unserer, sondern auch derjenigen anderer 
Iterufsgcnosseii werden fast so lange geführt, wie diese 
überhaupt existiren. Soweit sie sich auf jene älteren Ver- 
sammlungen bezogen, zu denen vor der neueren Eutwicke- 
lung uuserer Verkehrs- und Verständigungsmittel der nach 
idealen Zielen strebende Theil der Fachgenossenschaft in 
anspruchsloser Geselligkeit sich zusammenfand, wnreu sie 
entschieden falsch und unberechtigt. Nicht schwerwiegende 
1,'esultate wissenschaftlicher Erkenntnis«, sondern Aureguug 
und Erfrischung, Erweiterung seines Gesichtskreises im 
Sehen neuer Werke, im Hören fremder Ansichten, im leben- 
digen Austausche der Gedanken: das waren für den Theil- 
nehiner Ziel und Frucht jener Versammlungen. Und wie 
sie hierdurch in einer stillen, äusserlieh noch arg beschränk- 
ten Zeit zum Fortschritte des Faches nicht wenig mit- 
wirkten, soll ihnen nicht minder der Antheil unvergessen 
sein, den sie gleichzeitig zur Förderung und zum emilichen 
Siege des nationalen Gedankens beigetragen haben. 

Kiner realeren und anspruchsvolleren Zeit konnte jene 
Schlichtheit nicht mehr genügen. Mit Recht forderte man 
von unseren Wanderversammluugen auch praktische Resul- 
tate und machte hierzu nicht ohne Glück den Versuch, eine 
grössere Zahl der Theilnehmer zu aktiver Thätigkeit zu 
bringen, indem mau neben den Vorträgen auch Berathnngen 
und Beschlüsse veranlasste und neben den allgemeinen 
Sitzungen die Verhandlung in getrennten Fachsektionen ein- 
führte. Gleichzeitig erhielt mit der wachsenden Zahl der 
Theilnehmer auch der übrige Theil des Programms eine Er- 
weiterung, bei der gewetteifert wurde, eine immer reichere 
und glänzendere Fülle des Stoffes in ihm zu vereinigen. 
Unbeachtet aber blieb, ob bei einer Mitglicdcrzahl, wie sie 
ilie letzten vier Versammlungen aufwiesen, ob bei einer sol- 
chen Fülle des Stoffes der beabsichtigte Zweck überhaupt 
noch erreicht werden konnte, ob bei dieser anspruchsvolleren 
Form nicht selbst ein Theil jener idealen Erfolge der älteren 
Versammlungen verloren gehen musste. 

Anregung und Erfrischung, sowie eine Fülle neuer An- 
schauungen, es wird sie zwar noch immer ein Jeder davon- 
getragen haben, der rechten Sinnes und empfänglichen Ge- 



müthes eine dieser Versammlungen besuchte; darf man doch 
sagen, dass ihr Effekt in dieser Beziehung ein geradezu un- 
verwüstlicher ist. Ob dies aber in «lern wirklich erreichbaren 
Grade geschieht, ob der für das Ganze und die Einzelnen er- 
zielte Nutzen dem Aufwände von Kraft und Mitteln ent- 



spricht, der hierbei erfordert wird, ist allerdings eine Frage, 
die man aufrichtiger Weise nicht wohl bejahen kann. 

Wenden wir uns zunächst zu der ernsten geschäftlichen 
Seite des Programms, zu der Arbeit, welche in den Ge- 
summt- und Ahtheilutigssitzungen geleistet wird. 

Der bedeutsamste und wichtigste Theil derselben ist 
jedenfalls- in den dort gepflogenen Berathungen und den 
hieraus hervorgegangenen Beschlüssen enthalten. Es ist 
jedoch eine anerkannte Thatsache. deren offene und klare 
Auseinandersetzung seinerzeit das Verdienst Professor Bau- 
meister's war, dass eine solche grosse Wanderversammlung 
zu ernsten und eingehenden Berathnngen nichts weniger als 
geeignet, dass es sogar gefährlich ist, die Entscheidung 
wichtiger Fuchfragcn dem Zufalle, der bei ihrer Zusammen 
Heizung waltet, zu überlassen. Gerade diese Erwägung ist 
ja der Ausgangspunkt für den Vorschlag gewesen, zum 
Zwecke solcher Berathungen und Beschlüsse eine organisirte, 
ständig arbeitende Körperschaft, den Verbund deutscher Ar- 
chitekten- und Ingenieur -Vereine ins Lehen zu rufen. Und 
ohne dass die Verbindung desselben mit der diesmaligen 
Wanderversammlung bereits eine offizielle gewesen wäre, 
sind in der Thal schon die von ihr — fast ohne jede Be- 
rathung gefassten Beschlüsse durch die vorhergehende Ab- 
geordneten - Versammlung des Verbandes vorbereitet uud 
eingebracht worden. Ihre Bestätigung durch das Plenum 
hat wesentli -Ii nur ihren Einfluss auf die öffentliche Mei- 
nuug verstärkt, wie denn dieses Ergebnis» unseres Thuns 
fast das einzige gewesen ist, von dem die politische Presse 

Notiz genommen hat. 

Sollte cs nicht nützlich sein , die Kritik, welche die 
Thätigkeit der Wanden crsaminlungen in Bezug auf jenen 
Punkt bereits auf ein angemessen licschränktes Maas» her- 
abgesetzt hat, an eh auf den zweiten und grösseren Theil des 
geschäftlichen Programms, die Vorträge und Diskussionen 
in den Ahtheiluiigssitzungeti anzuwenden? Mit einer ein- 
zigen, von bestem Erfolge gekrönten Ausnahme — der Ver- 
sammlung in Hannover, bei welcher das 1/okalkomitc durch 
vorherige Bekanntmachung eine Reihe bestimmter tech- 
nischer Fragen zur Diskussion vorgeschlagen hatte — ist es 
dem Zufalle überlassen worden, von wem und über welche 
Stoffe Vorträge angemeldet wurden. Ich möchte nicht gern 
Jemandem zu nahe treten, aber es ist Pflicht, rückhaltlos 
auszusprechen, das* hierbei — diesmal wie früher — starke 
lrrthümer begangen worden sind, welche wohl veranlassen 
können, dass die Bedeutung unserer Wanderversammlungen 
sowidd in den Augen der Faehgenosseu sinkt, wie in denen 
des Publikum* , welches leicht geneigt ist. nach deren Er- 
gebnis* den augenblicklichen Stand unseres Fache* über- 
haupt zu beurtheilen. Nicht allein, dass ein grosser Theil 
der Vorträge, der auf jenen älteren Versammlungen wohl 
angebracht war, bei der heutigen Entwickelung unserer viel- 
seitigen Fachpresse einen besseren Platz in dieser fände und 
dort sogar zu grösserer Wirkung gelangen würde — nicht 
allein dass • — wie diesmal in der Abtheiluug für Bauinge- 
nieure ■ — die Gefahr eines ermüdenden Parallelismus der 
Stoffe eintreten kann: es werden auch Vorträge angemeldet 
und gehalten, die der Ausdruck eines in seinem Ueber- 
zeugungsmuthe gewiss ehrenwerthen , aber doch so einseiti- 
gen, vom Denken und Fühlen der grossen Mehrheit so iso- 
lirteu Geisteslebens sind, dass deren Geduld eine harte 
Probe auferlegt wird. Eine Diskussion ist selbst in deu 
Fällen, wo sie erspriesslich wirken könnte, ineist nicht mög- 
lich, weil die Mitglieder, unvorbereitet auf eine solche, das 
erforderliche thatsächliche Material nicht zur Hand haben — 
häutig auch, weil bei der Courtoisie möglichst alle Redner 
zum Worte kommen zu lassen, die erforderliche Zeit fehlt. 
— So ist es, bei aller Anerkennung von Einzelheiten, wohl 
nicht möglich zu behaupten, dass der Gesammtgehalt des 
in den Abtheilungs - Verhandlungen der letzten Versamm- 
lungen gebotenen Stoffes es Werth gewesen wäre, hierzu 
die Gesammthcit der deutschen Fachgenossen auf- 
zubieten und einzuladen; denn dieser Gesichtspunkt 
allein ist es, nach welchem im Interesse der Würde un- 
serer Versammlungen geurtheilt werden darf. Die kompeten- 
teste Kritik ist jedenfalls bereits durch die in Karlsruhe ge- 
wonnenen Erfahrungen geliefert. Die Armuth an Stoff, wie 
sie namentlich in der Abtheiluug für Architektur hervortrat, 
die verhältnissmässig geringe Betheiligung an den Abthei- 
lungssitzungen, die bestenfalls kaum die Hälfte der Ver- 
sammlung in sich vereinten, beweisen eine Abnahme des 
Interesses an diesem Theile des Programms, die jedenfalls 
kein Zeichen innerer Gesundheit ist. 

Liegen die Mängel, welche wir in dieser Beziehung an 
unsern Wanderversammlungen beklagen, auf dem Gebiete 
ihrer inneren Organisation, so ist der verhältnissmässig zu 



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- 3.V 

geringe Nutzen, den sie in anderer Beziehung erzielen, eine 
einfache Folge der von mir schon hervorgehobenen allzu- 
grossen Reichhaltigkeit des Programms nnd der Ueberzahl 
an Theilnehinern. 

Die Verwerlhung der gesummten in den Vcrsamnilungs- 
tageu disponiblen Zeit, sei es zu Sitzungen, Ausflügen, Fest- 
vorstelluugen oder Festmahlzeiten, inuss notwendigerweise 
eine gewis.se ruhelose Hast hervorbringen, die einerseits leicht 
zur Ermüdung führt, andererseits aber auch Veranlassung 
ist, dass alle diejenigen, welche erklärlicher Weise keinen 
Theil des Programms versäumen möchten, seihst das für sie 
Wichtigste und Werthvollste in einer Flüchtigkeit gemessen, 
hei der von einer nutzbringenden Würdigung nicht mehr 
die Rede sein kann. Am l ngünstigsten geht es in dieser 
Beziehung der Ausstellung, zu deren Betrachtung mau dies- 
mal nur durrh den Verzicht auf eine Sitzung oder einen der ! 
Ausflüge gelangen konnte; es kann nicht Wunder nehmen, 
dass sich uuter diesen Umstünden verhältuissmässig nur so 
wenige Faehgenosscn finden, die sich an ihr betheiligen. 
Aber auch die r^xkursioueri und Ausflüge, soweit sie auf 
Objekte künstlerischen und technischen Studiums sich be- 
ziehen, leiden unter der Kürze der für sie disponiblen Zeit — 
noch mehr freilich unter der gewaltigen Masse der Theil- 
nehmer, welche bei Besichtigung der meisten Jnnenräume 
ebenso störend ist, wie sie es unmöglich macht, die erfor- 
derliche Anzahl von Führern zu ätelleu. welche nicht blos 
den Weg zu dem Bauwerke zeigen, sondern auch dem 
wirklichen Verständnisse desselben erläuternd entgegeulei- 
ten. Eine in Karlsruhe allgemein gehörte und sicher 
berechtigte Klage war es endlich, dass unter diesen Verhält- 
nissen selbst ein Hauptzweck und Hauptgewinn früherer 
Versammlungen, die Möglichkeit neuer persönlicher Bekannt- 
schaften, die Anknüpfung neuer wüuschetiswerther Bezie- 
hungen, meist nur in oberflächlichster, bedeutungsloser Weise 
erreicht werden konnte. — 

Wohl Niemand wird in der von mir versuchten offenen 
Darlegung dieser Manuel eine Herabsetzung des Karlsruher 
Festes erblicken. Eben so wenig soll dieselbe ein Angriff 
auf das Prinzip unserer Wanderversammlungen sein, deren 
Werth und Bedeutung für die Gegenwart unseres Faches 
nicht minder gross ist, als vor .'»> Jahren, wenn auch viel- 
leicht in anderer Weis»'. Einem Zweifel wird es aber wohl 
nicht unterliegen, dass der Apparat ihrer Thätigkeit den 
Bedingungen und dem Bedürfnisse unserer Tage nicht mehr 
genügt, dass er einer Reform dringend bedarf. 

Eine solche Reform wird sich gegenwärtig leichter und 
günstiger ins Werk setzen lassen, als jemals vorher, da ja 
die Wanderversammlungen alter Traditon in Karlsruhe ihren 
Ahse hl uss gefunden haben und der Verband deutscher Ar- 
chitekten- und Ingenieur-Vereine es ist. der sie künftig be- 
rufen und leiten soll. Es wird für ihn uud den augenblick- 
lich an seiner .Spitze stehenden Verein, der im Jahre 1S74 
die erste Generalversammlung zu empfangen hat. sicher den 
tiegenstand ernster uud eingehendster Erwägung bilden, 
durch welche Mittel das praktische und ideale Ergebnis* 
derselben auf die überhaupt erreichbare Höhe gebracht wer- 
den kann: wahrhaft Erspriessliches wird aber am Leichte- 
sten dann erreicht werden, wenn die Gesammtheit der deut- 
schen Fachgenossen — sei es in den Einzelvereinen, sei es 
in der Presse an der I>ösung dieser schwierigen Frage Theil 

Es sei mir bei der Anregung derselben an dieser Stelle 
gestattet, hierzu durch die Andentung einiger Gedanken bei- 
zutragen, die als reif und vollständig zu gelten keiuen An- 
spruch raachen, aber als Ergänzung der vorangegangenen 
kritischen Betrachtungen wohl am Platze sind. 

Als das schwierigste aber wichtigste der zu lösenden 
Probleme scheint mir die Verringerung der Theilnehmerzahl. 
l)io Beschränkung der Thcilnahmebcreehtigung auf Mitglieder 
der verbundenen Vereine und eingeführte Gäste wird voraus- 
sichtlich in etwas darauf hinwirken aber noch nicht genü- 
gen; jedenfalls dürfte sich die Mitgliederzahl der nächsten 
Versammlung in Berlin unter allen Umständen grösser stellen, 
als die irgend einer früheren. Abhülfe für die Zukunft 
scheint mir einzig möglich durch Annahme des Vorschlages, 
welchen der Architektenverein zu Berlin bereits IK7D liei 
Berathung des Verbandsstatutes gemacht hatte: Einführung 
jährlicher Versammlungen, aber Theilung des Stoffes in der 
Weise, dass das Programm in einem Jahre ausschliesslich 
auf das Interesse der Architekten, im nächsten ausschliesslich 
auf das der Ingenicure berechnet ist — selbstverständlich 
ohne die Theilnabme eines Jeden an jeder Versammlung zu 
beschranken. 

Leichter ist es selbstverständlich das Programm in Be- 
treff der Ausflüge und festlichen Veranstaltungen zu verein- I 



fachen, so das« für Jeden einige Stuudeu der Müsse sich 
hnden, die er nach eigenem Ermessen anwenden kann, so- 
wie den geselligen Versammlungen, die vorzugsweise zur 
Pflege neuer Bekanntschaften geeignet sind, etwas grösseren 
Spielraum zu gewähren. Die Ausstellung, deren Zusammen- 
setzung durch einen bestimmten Plan, nach welchem beson- 
dere Eiuladungeii zu erlassen wäreu, vielleicht beeinflusst 
werden könnte, darf jedenfalls nicht blos in den Tagen der 
Versammlung geöffnet, sein, sondern muss einige Zeit vor 
und nach derselben allen denen, welche sie zum Gegenstände 
des Studiums zu machen wünschen, sowie dem Publikum 
offen stehen. 

Was endlich den Stoff für die Vorträge und Dbkussio- 
ueu betrifft, so scheint es mir bei den Versammlungen lies 
Verbandes ebensowohl Recht als Pflicht der leitenden Fak- 
toren zu sein, dem Zufalle 1m-i Aufstellung des betreffenden 
Programms einen möglichst geringen Spielraum zu iil>erla>- 
sen, sondern dafür zu sorgen, dass bis zn einem gewissen 
Maassc nur solche Stoffe behandelt werden, die ihrer Natur 
nach vorzugsweise dazu geeignet sind, gerade von den Theil- 
nehinern einer solchen Wanderversammlung gewürdigt und 
nutzbringend verwerthet zu werden. 

Ohne dass Fragen allgemeinen Inhalts, die augenblick- 
lich im Mittelpunkte des Tagesinteresses stehen, ausgeschlo* 
MD zu werden brauchten, stellt sich in dieser Beziehung für 
die Vorträge doch das lokale Moment als in erster Linie 
beachteiiswerth dar. Ein Hauptreiz und ein Hauptvorlheil 
der Wanderversammlungen ist es ja gerade, dass mit dem 
jedesmaligen Wechsel des Ortes jedesmal neue, in sich t\- 
pische uud charakteristische Verhältnisse «lern Theilnehmer 
sich aufthun und ihn zum Studium auffordern. Und doch, 
wie wenig können dieselben — vielleicht aus allzugrosscr 
Bescheidenheit der Ortsgenosseu — gewürdigt werden, wie 
viel entgeht trotz der Besichtigung dem Verständnisse. Es 
isi in dieser Beziehung nur ein äusserlicher Fortschritt, iu 
Wirklichkeit aber ein Rückschritt der neueren gegen ilie äl- 
teren Wanderversammlungen, dass seit Einführung der um- 
fangreichen Festschriften, die notorisch erst nach der Heim- 
reise gelesen werden, der einleitende Vortrag über die Fest- 
orte weggefallen ist. Ich meine, dass der Nutzen und Erfolg 
der Wanderversanuulnngen trefflich gesteigert werden könnte, 
wenn «lieser Vortrag nicht allein wieder eingeführt, son- 
dern auch in der Weise erweitert würde, dass in jeder der 
Abtheiluugeu weitere spezialisirte Erläuterungen über die zu 
besichtigenden Objekte gegeben werden. Ein Abdruck die- 
ser Mittheiluugen mit den nöthigen Illustrationen würde als- 
dann nicht wie jetzt im Vorrath hergestellt zu werden brau- 
chen, sondern zur wesentlichen Erleichterung des gegen- 
wärtig über Gebühr belasteten Lokalkomites dem Berichte 
über die Versammlung einverleibt werden können. 

Wichtiger als Vorträge, in denen aus dem ihnen Dar- 
gebotenen die Zuhörer Anregung uud Belehrung empfangen 
können, sind freilich noch Diskussionen über Gegenstände, 
zu denen die Theilnehmer aus dem Schatze ihres eigenen 
Nachdenkens und ihrer eigenen Erfahrung beizutragen ver- 
mögen. Wenn jemals, so werden dieselben bei Gelegenheit 
solcher Wanderversanuulnngen sich vielseitig und nutzbrin- 
gend entwickeln können, falls s'e nur in wirksamer und ge- 
eigneter Weise vorbereitet worden sind. Hierfür scheint mir 
der \H&2 von dem Lokalkotnite in Hannover vorgeschlagene 
Weg ein sehr gutes Vorbild abzugeben, zumal der Verband 
zur Durchführung desselben sehr viel grössere Mittel U'sitzt. 
Es wird der auf die Gesammtheit der einzelneu Vereine ge- 
stützten Abgeordneten-Versammlung weder schwer fallen, 
eiue Auswahl zur Diskussion geeigneter Fragen zu treffen, 
noch für jede derselben einen Referenten zu bestellen, der 
sie in zweckentsprechender Weise einzuleiten im Stande ist. 

Ein Moment endlich, dessen Berücksichtigung unserei 
Wanderversammlung vielleicht noch erhöhtes Interesse zu- 
führen könnte, wäre die Ermöglichung oder vielmehr Be- 
günstigung einer theilweisen Scheidung iu noch engere Fach- 
gruppen, so dass auch den Vertretern bestimmter Spezial- 
Interessen zum Austausche ihrer Ansichten und Erfahrungen 
Gelegenheit geboten würde. Sollten beispielsweise die Bau- 
bcamten der einzelnen Kommunen Deutschlands nicht reichen 
Stoff zu einem solchen Austausche haben und diese Gelegen- 
heit gern benutzen? Ks bedürfte in diesem Falle nur einer 
Anregung durch mehre Vertreter der betreffenden Gruppen 
und rechtzeitiger Aufforderung zur Theilnabme- 

Mag es einstweilen mit diesen Andeutungen genug sein. 
Andere werden Anderes und Besseres beizutragen haben. 
Möge in jedem Falle ineine Hoffnung sich verwirklichen: 
dass es dem gemeinsamen Nachdenken und den gemeinsamen 
Anstrengungen Aller gelingen werde, den Versammlungen 
des Verbandes deutscher Architekten- und Ingenieur- Vereine 



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3:>1 — 



unter den Wanderversammlungen der verschiedenen dent- I zn sichern, 
sehen Berufsgenossen denselben Rang und dieselbe Bedeutung behauptet. 



die unser Fach in der Reihe der übrigen Fächer 



Dm Hülster zu Strtssbnrg. 

Nachtrag II. 



In No. 23 des Jahrganges IK71 dieser Zeitschrift habe 
ich von einem Berichte des Münster- Baumeisters Klotz, 
welcher sich auf die rasch und glücklich bewirkte Gradrich- 
tnng und Sicherung des Steinkreuzes auf der Thurmspitze 
bezog, Mittheilung gemacht. Vor einigen Wochen ist ein 
zweiter Bericht desselben Meisters veröffentlicht worden, der 
weil er den ersten genauen Nachweis über die durch das 
Bombardement verursachten Schäden liefert und mit einer 
summarischen Ermittelung der notwendigen Reparaturkosten 
abschließt, wieder geeignet ist, die deutschen Farhgenossen 
zu interessiren. , 

Auch dieser vom 15. Februar 1h72 datirte Bericht trägt 
den charakteristischen Titel: 1*~0. Cathedrale de Stra**- 
ho«r<). Reparation ijeaerale tU* deyat* eawr* par le Horn- 
hardemmt. Rapport präsente ä M. E. l.autti . Maire de la 
Ville, par j»/. G. Klotz, ArMlett,: de FOeurre Kutte-Dame, 
Ap. 5 Pkutographit*. Strai>*>>«>ir</. CA. Winter, Editeur- 
Plmtonraphe. 1872. Er zerfällt in drei Abschnitte; der 
erste giebt eine geschichtliche und beschreibende Uobersicht 
der eutstandenen Schäden; der zweite behandelt die Schätz- 
ung der Reparaturkosteu und der dritte die zu ergreifenden 
Maassregeln. 

Bekanntlich ist das Müuster au vielen I'uuktcn beschä- 
digt worden, doch ist der Grad dieser Schäden sehr ver- 
schieden. Die Nordseite und ganz besonders die Nordwest- 
ecke des Thunnes haben am Meisten zu leiden gehabt, weil 
die Breschbatterieu bei Schiltigheiin und Waeken zahl- 
reiche Geschosse grade nach dieser Richtung geworfen haben. 
Weniger beschädigt erscheinen die audereu Facaden, weil nur 
fliegende Batterien an der Süd- und Südostseite der Stadt 
die Kathedrale zum Ziel (tunkte (so behauptet der Verfas- 
ser) genommen haben. L>ie Beschädigungen der Steinspitze 
waren die gefährlichsten, die des Schiffes werden wegen 
ihres Umfangcs und Wertlies den grössten Kostenaufwand 
erheischen. Der Unterbau des Nordthurraes in einer Höhe 
von ti™ über dem Strasseiipflaster bis zur Plattform ist der- 
jenige Bautheil, welcher in seinem reichen Steindetnil am 
schwersten beschädigt worden ist. Der Verfasser erklärt zu 
begreifen, dass die auf der Plattform befindliche Observa- 
tions- Station diese nachdrückliche Beschiessung veranlasst 
hat. fährt dann aber fort: „mai* >/uel motij pourrait-on aroir 
rie prodigver le* prujeetile* au.r etaije* injerieur* et de le* 
battre en breehe eomme an vulgaire batlionf Oh ne 
pouvait ignorer au'il* elaient Fveuere *i nmnue iF Erwin de Stein- 
hacli, du plu* celebre maitre de F Alltmmjne au mögen wje et lr 
premier arehitecte taic de notre eatln'drale! q«e dirait Göthe, 
ll paar um mummt U pOUVOtt »urtir de *a tombe et roir tont ce» 
detattre*. Im am en 1770 te lamentait de ne pas trourer la 
tuiube de Fd/iittre maitre et ,/ui en a exprime le* reoret* en de 
*i belle* et tournante* paroletl Et aurtk »mit la douleur du 
di;/nr are/,iteete du dix-huitieme *iäte, um a teuu pour une teile 
•■normite t'innoeent bautet aue le* Mflfafl de Creuui ont lauer 
eontre Ii entltAlrale, qn'il a vru deeoir eomtater le /ait par une 
inscription lapidairet' 

Diese Stelle ist so bezeichnend für den Standpunkt des 
Verfassers in der Gegenwart, dass ich nicht zweifle, dass 
sie von zahlreichen französischen Journalen als ein evidentes 
Zeugniss für die deutsche Barbarei bereits verwerthet wor- 
den ist. Da aber jeder von uns die eigenartige und schwie- 
rige Stellung unserer neuen Landsleute in vollem Maasse zu 
würdigen weiss und ich speziell vor dem innigen, ich könnte 
fast sagen zärtlichen Verhältnisse des Münsterbaumeisters 
zu dem seiner Obhut und Pflege seit mehr als einem Men- 
schenalter anvertrauten Werke die aufrichtigste Hochachtung 
hege, so beschränke ich mich, mit Unterdrückung jeder spe- 
zielleren Kritik auf die berichtigende Bemerkung, dass von 
eiuer beabsichtigten Breschelegung in den Unterbau lies 
Thurnies auch unter Laien nicht die Rede sein kann. Hätte 
aus irgend welchen kriegstechnischen Gründen die Absiebt 
bestanden, das Münster zu demolireu, so wäre dies bei der 
Leistungsfähigkeit der preussischen Artillerie, bei der mas- 
sigen Entfernung (ca. 2(MHI'" ) und der hervorragenden Stel 
lung des Münsters eine leichte That gewesen. Aber grade 
die bei einem so lange dauernden (fast f. Wochen) nnd so 
sicher geleiteten Bombardement doch noch unverhältniss- 
inässig geringe Beschädigung des Münsters beweist besser 
als jedes Räsonnement, dass deutscher Seits das Möglichste 
erstrebt worden ist, um das wolbekannte und in Deutsch- 
land mehr als in Frankreich gewürdigte Meisterwerk der 



mittelalterlichen Baukunst zu retten. Wenn die Heranzie- 
hung des .rinuocent buu/ef die Kriegführung unter Louis 
le Grand verherrlichen soll, so wirkt (lies nicht für deutsche 
Leser, denen die befohlenen Mordbrennereien zu Heidelberg 
und Speier in ihren Resultaten ganz oder theilweis noch 
heut vor Augen stehen. 

Indessen ist es wahr, dass die erfolgten Beschädigungen 
immer noch umfangreich und intensiv genug gewesen sind, 
um das theilnehmende Bedanern jedes Gebildeten zu er- 
wecken. Die ersten Kugeln erreichten das Müuster schon 
in der Nacht vorn 18 bis 19. August, die letzten am Tage 
der Uebergalie am 27. September: in der Nacht vom 2« bis 
27. August geriethen die Dächer des Schiffes nnd Chores in 
Brand; am l. r >. September wurde das Kreuz zum Sinken ge- 
bracht, nachdem die Spitze schon durch mehr als 13 Ge- 
schosse getroffen worden war. 

Line spezielle Aufzählung aller einzelnen getroffenen 
und mehr oder weniger beschädigten Bautheile würde hier 
zu weit führen. Der Verfasser thut es, indem er mit dem 
untersten Stockwerke des Nordthurraes beginnt nnd allmäh- 
lich in passenden Rundgängen alle Thefle der Westfront 
streifend, bis zur Spitze emporsteigt. Drei Photographien 
nach der Natur und zwei nach Zeichnungen augefertigt, er- 
läutern diese Aufzählung und geben auch dem Fernstehenden 
Gelegenheit, von der Art der Zerstörung au einzelnen Haupt- 
punkten eine Vorstellung zu gewinnen. Sodanu zur Auf- 
zählung der Beschädigungen am Schiffe, Kreuzschiffe und 
Chore übergehend, hebt der Verfasser die Thatsache hervor, 
dass die hier erfolgten Zerstörungen am Steinbau noch in- 
tensiver gewesen und vielleicht noch schwieriger wiederher- 
zustellen sind, als die am Westbau erwähnten. Dies bezieht 
sich sowohl auf die immer sehr thetire Anfertigung grösserer 
Stab- und Maasswerks-Einsätzc, als auf die Erneuerung be- 
trächlicher Längen der herabgestürzten Balustraden. Durch 
Zufall sind die Strebepfeiler und Strebebögen, (deren Er- 
bauung Klotz — irrthümlicber Weise — den Vorgängern 
Erwin'« zuschreibt) unbeschädigt geblieben. Die bange Sorge, 
welche an dieser Stelle mit den Worten: .En efet, uuet 
aiirnit ete /■• dfoattre *i un ou pluxieur* ares-boutaut» araient 
ete detmih't' ausgesprochen wird, kann ich nicht theilen, 
da zahlreiche Kathedralen mir auf Reisen bekannt geworden 
sind, deren Strebebögen ganz oder theilweise fehlten, oder 
— wenn noch erhalten — in einem so ruinösen Zustande sich 
befanden, dass von einer struktiven Wirksamkeit nicht mehr 
die Rede seiu konnte. 

Für die Solidität der Gewölbe des Schiffes spricht die 
Thatsache, dass bei dem Dschbraude ülter ilirer Oberfläche 
sich ein Feuerheerd von 60" Länge zn 15« Breite bildete, 
in welchem mehr als (MM) Stereu Holz (an Dachverbaud 
nnd Schalnng) verbrannten und die Kupferbedachung von 
12U(I0' (einschliesslich des Eisens in den Verbindungen etc.) 
Üieilweis zum Schmelzen brachte. 

Glücklicherweise sind die Klappen in der Oeffnung des 
obersten Mittelgeschosses zwischen den beiden Thürraen 
rechtzeitig geschlossen nnd dadurch das Eindringen des 
Feuers zu den Glockerislühlen behindert worden. Auch die 
Dächer der Kreuzflügel sind verschont geblieben. Der zer- 
störte Dachverbnnd stammte von 17ti»; eine hierauf bezüg- 
liche eingravirte Gedenktafel hat sich unter den geretteten 
Kupferplatten vorgefunden und ist dem Münsterarchive ein- 
verleibt worden. Von der ursprünglichen Blcibcdachung. 
welche im Mittelaller das Münster deckte, sind jetzt nur 
noch ülter der St. Katharinen Kapelle von 1331 einige Plat- 
tenstücke vorhanden. 

Der Verfasser widmet sodann den Beschädigungen und 
Zerstörungen, welche die Glasgeraaldc betroffen haben, eine 
eingehende Betrachtung. In kunstgeschichtlicher Beziehung 
haben diese Bilder einen hohen Werth, zunächst eine kleinere 
Zahl durch ihr selten hohes Alter, sodann die Mehrzahl 
durch die Wahl der Gegenstände und durch ihre künstle- 
rische Behandlung. Die ältesteu und deshalb interessan- 
testen befinden sich in der Apsis und den Kreuzflügeln. 
Sie stammen theilweis noch aus dem Schlüsse des XII. Jahrh. 
und sind für Kostümgeschichte etc. augenblicklich um so 
wichtiger und werthvoller geworden, als der berühmte gleich- 
zeitige Codex der Herrad von Landsperg, dieses Juwel der 
Strasshtirgor Stadtbibliothek, durch eine nie zn rechtfertigende 
Fahrlässigkeit seiner Hüter untergegangen ist. Des Ver- 
fassers Sorgfalt und Liebe zu seinem Gegenstaude veranlasst 



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S53 



iliu xii einer dctaillirtcn Aufzählung iiiler dargestellten Vor- 
würfe, mif iIiTt-ii Wiedergabe ich verzichten rnass. Alle 
Glasmalereien i-nt halt«>it 1112 grosse Figuren, mehr als SO 
Medaillons mit Büsten und 300 Fächer mit Szenen legen- 
darischen Stils. Auf 4»><K) Fächer vertheilt und mehr als 
f>4H),000 Glusstüeke urnschliossend, beträgt die Gesammtobcr- 
flärhe etwa l.*>00 Quadratmeter. Von diesen 4<>00 Fächern 
sind vor dein Beginn der Beschiessung (170 herausgenommen 
und in der Krypta geborgen wurden; die am Platze geblie- 
beneu mussten allen Zufällen der Zerstörung preisgegeben 
(Verden. Zürn guten Glü k ist die wirklich erfolgte Beschädi- 
gung weder so umfangreich, noch so unersetzlich gewesen, 
als Anfangs zu erwarten war. Noch nicht ein Drittel ih r 
au ihrem Platze gelassenen Fächer ist beschädigt worden 
und die Wiederherstellung derselben kann, Dank der seit 
dem grossen Sturme von 1S42 Seitens der Bauverwaltung 
veranstalteten Sammlung aller Glasmalereien im verkleinerten 
.Maasstabe, und der vieljährigen Praxis geschickter Lokal- 
glasmaler mit Genauigkeit wieder erfolgen. 

Am geringsten ist der Verlust auf statuarischem Gebiete; 
„MM lintont «»«* — sagt der Verfasser — <l< le <lirr, et 
*V*f pa*. gräet ä une attention tlelirate dt* projectile*, 
mtiü parve r/ue, ilu cute Sur<l ilt In lour, il «'.y arait pa* t/e 
r tittut*, <lant It* plmtM ,/ni leur tont iltttinee« rt iju'it n'y en a 
/iWIH ru." 

Zuletzt sind noch einige zur Kirehenausstattung gehö- 
rige Gegenstände als mehr oder weniger beschädigt anzu- 
führen. In erster Linie das 148!) erbaute Orgelgehäuse au 
der Nordseite des Olpergadens, von welchem noch der Per- 
gameutriss im Münsterarchivo aufbewahrt wird; sodann einige 
Bänke unter der Vierung. Oer Taufstein von 1453 und 
ebenso die reiche Stciukuuzcl von 14H(i sind ebenso unver- 
letzt gelilieben, als die liekaunte, einen unverdienten W'olt- 
ruf geuiessende astronomische I hr im Südkreuzflügel. 

Der Kosten -Anschlag zerfällt in: 1- Kosten für Stein- 
metzarbeiten iucl. Material — 240.t>00 Fr.; II. Kosten für 
Zimmerarbeiten und Dachdeekcnirheitcu an den Dächern, 
iucl. Materialliefening von Kupfer, Zink. Schiefer und Ziegel 
- 187000 Fr.; III. Wiederherstellung und Erneuerung der 
Glasgemälde = 80383 Fr.; IV. Restauration der Orgel ss 
i'iOOOO Fr.; V. Reparatur von Chorstühlcn, Bänken, Ihren 
und Thiiren - 274. r > Fr.; VI. Erneuerung des verbrannten 
Tauwerks, Leitern, Rüstungen etc., ferner für Errichtung 
provisorischer 1 lächer und ähnlicher Arbeiten an der Orgel 
- 27872 Fr. Alles zusammen 6i>8000 Francs oder rund 
100 000 Thaler. 



Wenn man erwägt, dass dieser Anschlag einerseits auf 
genauester dreißigjähriger Erfahrung beruht, andrerseits wegen 
Geltendmachung der vom Reiche zugestandenen Entschädi- 
gungen sicherlich nicht niedrig bemessen worden ist, so 
wird rnan sich wohl allseitig überzeugen, dass die früher 
und bis in die neueste Zeit hin gesungenen Klagelieder über 
die unersetzlichen Beschädigungen am Münster sehr über- 
trieben gewesen sind und besser unterblieben wären. Eine 
mittelgrosse französische Kathedrale zu restauriren kostet 
mindestens das Doppelte, in der Regel <las Drei- uud Vier- 
fache, und zwar sehr zum eigenen Schaden des Werkes, da 
die restaurireuden Architekten mit Rücksicht auf die in Pro- 
zenten von der Bausumme vereinbarte Tantieme die Restau- 
ration so weit als irgend möglich auszudehnen pflegen. In 
dieser Beziehung werden die edelsten Denkmäler häutig 
mehr Iwschädigt, als durch eine Beschiessung oder einen 
Brand, nur nimmt die Presse, da das Thema nicht pikaot 
genug ist, keine Notiz davon. 

Seit der l'ebeigabe der Stadt und Festunu ist das Stein- 
kreuz der Spitze gefestigt und sind die Gewölbe durch pro- 
visorische Dächer, sowie gefahrdrohende schwebcndc.Sclimuck- 
theilc durch Streben und Stützen gesichert worden. Ferner 
haben zahlreiche Ausbesserungen an Treppen uud Fenstern 
stattgefunden. Eine nicht geringe Arbeit iimfasste die Auf- 
räumung und Fortschaffung der Trümmer uud Splitter. Mehr 
als 34)0 Wagen fuhren siud zu dieser Arbeit erforderlich ge- 
wesen. 

Die Ergänzung der Glasmalereien ist bereits weit vor- 
geschritten; noch während des Winters erfolgte die Erneue- 
rung uud Ausbesserimg der Bänke und Chorstühle. Zum 
Schlüsse giebt der Verfasser noch einige Andeutungen über 
bereits geplante Verbesserungen uud Vervollständigungen, 
namentlich die Freileitung und Wicdcrausschmückuug des 
Viernugslhiirincs. der Erneuerung der alten in Messing gegos- 
senen lluuptpnrtalflügcl etc. Mit grosser Wahrscheinlichkeit 
winl die umfassende liestauration in drei bis vier Baujahren 
beendigt seiu und zwar wie wir mit voller Zuversicht zu der 
Sachkenntuiss uud Liebe des Herrn Verfassers aussprechen 
können, in sorgsamster und gediegenster Weise. Es stände 
besser um die Schöpfung n der Baukunst, wenn jedes archi- 
tektonische Denkmal erster Ordnung einen .solchen treueu 
und gewissenhaften Hüter uud Pfleger besässe, als das 
Münster zu Strassburg. 

Berlin, Oktober 1872. F. Adler. 



Vortrag, gehalten 

Allgemein ist bekannt, wie sehr sich die Bevölkerung in 
den Kulturstaatcn Europa'« seit Beginn dieses Jahrhunderts ge- 
hnbefl hat. Legen wir x. B. nur die acht alten Provinzen 
Preusseus unserer Vergleichung zu Grunde, so ergiebt sich eine 
Verdoppelung der Einwohnerzahl für die letzten .Ml Jahre. Die 
l mache ii dieser Erscheinung werden allgemein in den verbes- 
serten Verkehrs- und Produktionsverhältnissen gesucht, uud den 
Beweis für diese Anschauung liefert die Tliatsache, duss die 
Bevölkerung auf dem flachen Laude fast konstant geblieben ist. 
während lieh dieselbe in den Breuu|>unkteu des Verkehrs und 
der Fabrikation, also den grossen Städten, in wissender Pro- 
gression vermehrt hat. Beispiele sind die Bergwerksgegenden 
und Industriestädte Westphalens, Schlesiens etc., in noch höhe- 
rem Maasse die grossen Fabrikstädte Englands, wie Lecds, 



I eher Kaimli-iruiig taa Städten. 

April 1872 im Architekten-Verein zu Berlin von Baumeister Eduard Wiehe. 

Exkremente sofort in Thonrohrlcitungen resn. Kanüle führen, 
die obigen Forderungen, uud sie bürgern sich in den Häusern 
der wohlhabenderen Klassen auch rasch ein. Nur hat man bis- 
her bei ihrer Anlage gewöhnlich nicht genügende Vorsicht an- 
gewendet; die Ruhrleitungen wtfren häufig nicht gut angelegt, 
so dass Verschlammungen des Bohrs entstanden; auch müude- 

C. ä ..1....^ 1 „ rt .. rt l,,..., 1 .4 ! .. W" i. ...... ..1 Jt +*u iiiiiarliillri II III 



Sheffield, Manchester, Ncwc.istle u|sm Tyne, vor allen aber Ber- 
lin, welches ia seinen Aufschwung wie bekannt, mehr seiner 
Eigenschaft als Industrie- und Handelsstadt, als den hier ver- 



sammelten Militair- und Zivilbehörden verdankt. 

Noch 1830, ulso vor 4t) Jahren, fehlte vieles au der Ein- 
wohnerzahl von 200 Tausenden; jetzt haben wir das Vierfache 
dieser Zahl erreicht und denken in kurzer Frist die erste Mil- 
lion vollzählig zu machen. Wenn wir uns auch üImt diese Fort- 
schritte uud den mit ihnen verbundenen Aufschwung des Wohl- 
standes einem gerechten Gefühl von Freude und Stolz hingeben 
dürfen, so wird dumu-lbe doch je länger je mehr durch Miss- 
ständc verschiedener Art gedämpft, die sich bei uus wie in 
allen solchen Ansiedluugen vieler Menschen geltend machen. 

Etwas Neues über diesen so oft besprochenen Punkt zu 
sagen, kauu hier nicht nieine Absiebt sein. Es inug genügen, 
in ganz kurzen Worten den Stand der Dinge in Berlin zu reka- 
pituliren, um ein Bild von den Zuständen der meisten grossen 
Städte I leutschlands zu neben. Die ll.iuptschwierigkeit ist die 
Fortschuffung der menschlichen Exkremente. Vom Standpunkt 
der Gesundheitspflege ist es erforderlich, dieselben sobald wie 
möglich — am besten sofort nach ihrer Ahsonderuug — zu ent- 
fernen und aus dem Bereiche der Stadt zu bringen. 

Dies wird jedoch selten erreicht. Die Senkgruben und 
.leren vierteljährliche oder gar nur jährliche Reinigung, die .Mi- 
ete, siud in ihrer Unvollkommenhcit 



fahr- Ton bcd resp. Eimer 
genügend bekannt- Am h 



teu sie fust ohne Ausnahme in die Wasserläufe innerhalb und 
ausserhalb der Stadt, so dass dieselben arg verpestet wurden 
Ks stellte sich heraus, dass mau die gefürchteten l'cbclstänüV 
nicht vermieden, sondern nur au einen andern Ort versetzt 
hatte, und es wurden Zweifel an der Zulässigkoit uud dem 
Werth dieser Einrichtung laut. Dazu kam der sosjeiiauute volks- 
wirthschaftlichc, eigentlich aber nur landwirtschaftliche Staad 
punkt. Die Vertreter desselben rcklanürteu diese Stoffe bei 
ihrem unleugbaren Dungwerthe tür die Aecker uud prophezeiten 
üble Folgen aus der Nichtbcfolgung ihrer Rath schlüge, luiwi 
scheu hemficht'mte sich die Spekulation dieser Angelegenheit: 
es bildeten sich Fabriken für fubrikation sogenannter Poudrettc 
Al-'i.li l - li-'li.iften md die verschiedeusten Systeme der S 
fuhr uud Düngcrbereituiig wurden empfohlen. Die Litteratu: 
war nicht müssig und dir- Menge von guten und schlechten 
Schriften über dieses Thema ist staunenerregend. 

Angeregt ist dieser unter deu Namen: „Kanalisation oder 
Abfuhr" geführte Streit für Berlin durch den Bericht einer w 
12 Jahren vom hiesigen Handelsministerium ausgesaudteu K^m 
mission. Die Verhältnisse Berlins hatten schon lange die Aut 
merksumkeit der Regierung, welche hier sehr bedeutende Inter- 
essen als Hausbesitzer hat, in Anspruch genommen. Im Jahre 
I8H1 nun unternahm die erwähnte Kommission, welche aus deru 
Geh. Ober-Bau-Rath Wiehe, dem damaligen Baumeister, jetzi- 
gen Baurath llobrccht uud dem Ingenieur V« itmeyer bc 
stand, zum Studium dieser Frage eine Reise nach England un-.i 
einigen Stüdteu des Koutiuenta. Sic legte ihre Beobachtungen 
und zugleich ein Projekt für Berlin — welches im Wesentlich«, 
auf den in London befolgten Prinzipien basirte, in einem au> 
fuhrlichen Reiseberichte vor. 

Seitdem ist in Berlin viel gesagt, viel geschrieben und prv 
jektirt, aber nichts Durchgreifeudes ausgeführt worden. Deel; 
kann man insofern mit Befriedigung aut diese Zeit zurück 



besten erfüllen Waterk loset», welche die sehen, als die Grundsätze, welche zu berücksichtigen siud, *■ 



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allen Seiten beleuchtet und fcsl gestellt wurden uud als viele 
Gegner diene« System» bei näherer Prüfung sich für dasselbe 
ausgesprochen haben. Allgemein wird jetzt zugegeben, das* 
zur Abführung des Verbrauchs- uud Kegenwassers ein Net« von 
uuterirdiseheu Entwässerungsröhren erforderlich sei, wenn auch 
vielfach muh der Standpunkt festgehalten wird, dass die Ein- 
leitung der Exkremente in diese Leitungen, also die Anlage von 
Waterklosets überhaupt, durchaus unzulässig sei. So ist die 
ursprüngliche ungerechtfertigte Fragestellung «Kanalisation oder 
Abfuhr' zu der korrekteren: Kanalisation mit Abfuhr oder Ka- 
nalisation ohne Abfuhr gewurdeu uud die zur Lösung derselben 
versuchten Schritte haben in ganz Deutschland ein lebhaftes 
Interesse «ach gerufeu. Zum beweise dafür erwähne ich die 
seit einer Reihe von Jahren in allmäliger Ausführung begriffene 
Kanalisirung von Frankfurt a- M , die kürzlich vollendete Ka- 
iiulirung Danzigs, welche ich heute noch spezieller besprechen 
werde, die Vereine, welche sich zur Forderung Oer öffentlichen 
Gesundheitspflege in Berlin, in der Rheinprovinz gebildet haben, 
sowie eine bereits im V. .lahrgang stehende Vierteljahrsschrift 
für öffentliche Gesundheitspflege. ' Letztere ist das Organ von 
Mäuueru der Wissenschaft und Technik, welche sich uuf den 
regelmässigen Wauderversainiuluugeu der Naturforscher uud 
Aerzte zu einer besonderen Sektion für Öffentliche Gesundheits- 
pflege zusammen gefundeu haben. 

Wenn nun auch durch die geistige Arbeit von Vertretern 
aller Bcrufszwc^ige, von Aerzten, Ingenieuren, Chemikern und 
Vcrwaltungs-Ücamtcn im Laufe der Diskussion Vieles gewonnen 
worden ist, so lässt sieh ein Uebelstand doch nicht leugneu: 
der grossen Mehrzahl des betheiligten Publikums fehlt es an 
eigener Anschauung ausgeführter Hinrichtungen uud au der 
Gelegenheit, die aufgestellteu Behauptungen und Theorien an 
der Hand der Erfahrung selbst zu prüfen. Wohl sagt mau. das-» 
die Litterutur uus ül»er Vieles unterrichten kann, es hält aber 
sehr schwer, falls es nicht unmöglich ist, aus den widersprechen- 
den Nachrichten das Richtige herauszuerkeunen. So nahm ich 
doiiu im vorigen Sommer die mir gebotene Gelegenheit wahr, 
diese Verhältnisse in England selbst eingehend zu studireu 
Kanu man durch eine solche Reise auch nicht dasjenige lernen, 
was eine thälige Mitwirkung an derartigen Bauausführungen 
bietet, so gewiuut man doch einen Ucborblick, welcher dem- 
jenigen leicht verloren geht, der nur das gerade in der Aus- 
luhrung begriffene Projekt bearbeitet, und man kann durch Ver- 
gleichen ein klares Urtheil über den Werth des Prinzips, über 
die Kehler, welche au einzelnen Orten gemacht sind, sowie — 
worauf es mir besonders ankam — iiber den gegenwärtigen 
Stand der Wissenschaft uud Technik und über die Fortschritte 
der letzten Jahre erwerben. Auf diese Reise habe ich fast 
■4 Monate verwendet , uud ich muss anerkennen, dass ich des 
Interessanten viel gefunden habe. Ich besuchte alle Orte, von 
welchen ich etwas erwarten durfte, und überzeugt« mich, dass 
die -überwiegeude Mehrzahl der Städte mit Kanalisirung aus- 
gerüstet ist und dass die öffentliche Meinung in England, sowie 
die Stimme der Autoritäten mit Entschiedenheit fordert, dies 
System beizubehalten, und mir die bisher gemachten Fehler zu 
vermeiden. Dies schlicsst nicht aus, dass einzelne Stadtverwal- 
tungen anderer Meinung sind und es immer noch mit Abfuhr 
versuchen, oder dass sich Unternehmer finden, welche mit irgend 
einem Pateut ausgerüstet, in allen Zeitungen Reklame machen. 
Namentlich den letztgenannten Aufsätzeu gegenüber ist selbst 
sehen und — selbst riechen — der beste Prüfstein. 

Zugleich aber glaube ich gegenteiligen Auffassungen gegen- 
über die Bemerkung schuldig zu sein, dass ich im Allgemeinen 
den englischen Ingenieur weder, was Kühnheit der Projekte, 
noch was Geschick der Ausführung, noch weniger aber, was 
theoretisches Verstäuduiss anlangt, üt>cr den deutscheu stellen 
kann: allerdings hat der Engländer vor uus voraus die Ver- 
fügung über einen Reichthum des Landes au materiellen Schätzen, 
an Kohle, Erzen und vorzüglichen Baumaterialien, sowie an dis- 
poniblen Geldmitteln, so dass dadurch sich die grösseren I.ci- 
stungen erklären. Was speziell die Kanalisirung und Beriese- 
lung betrifft, so ist in England viel zu lernen, weil dort elien 
bereits seit langer Zeit Erfahrungen an ausgeführten Aulagen 
gesammelt siud: es sind aber keine Schwierigkeiten vorhanden, 
welche die Herstellung derartiger Bauten in Deutschland uud 
durch deutsche Ingenieure irgend hindern oder zweifelhaft 
machen könnten — immer vorausgesetzt, das» man die bereits 
gemachten Erfahrungen kennt und anwendet. 

In den maassgebendeu Kreisen, d. h. in den Gesundheits- 
ämtern der englischen Städte, betrachtet man die in Rede 
stehenden baulichen Anlagen nicht als einzelne und selbststän- 
dige Einrichtungen, sondern als Glieder einer Kette, welche 
durch die vielseitige Thätigkeit dieser Behörden gebildet wird, 
uud welche Vieles vou dem einschliesst, was man hier einer- 
seits als Aufgatte der Polizei, andererseits als Aufgabe privater 
Wohlthätigkeit auffasst. Zu dieser Aufgabe der Gesundheits- 
ämter gehört Wasserversorgung, Entwässerung, Reinigung der 
Strassen, Anlage vou Kirchhöfen, Bau von Hospitälern, Beauf- 
sichtigung von Fabriken, Arbeiterwohnungcn, Schulhäusern, Ge- 



fängnissen, Bau von Schlachthäusern etc. etc. Als Haupt- 
bediuguug zum geistigen und moralischen Wohle der Menschen 
gilt es, auch körperlich die menschenwürdige Existenz zu er- 
möglichen, uud diese erfordert in erster Linie, wie man ge- 
wöhnlich sagt: reines Wasser, reine Luft, reinen Boden. 

Die letzte Forderung, nämlich die Reinheit des Bodens ist 
eigentlich in den erstgenannten schon inbegriffen, da der durch 
Abfälle der verschiedensten Art und durch das Einsickern ver- 
unreinigten Wassers impräguirte Boden Zersetzungsprodukte 
bildet, welche die Luft und das Brunnenwasser verderben. Ge- 
rade der letztgenannte, durch die allgemeine Erfahrung be- 
stätigte Umstand führte auf die Errichtung vou Wasserwerken, 
und der hierdurch erleichterte Bezug von reinem Wasser zu 
einem in seiner Quantität früher unmöglichen Verbrauch desselben. 

Die Annehmlichkeit und der Nutzen unbeschränkter Wasser- 
versorgung soll nicht im Mindesten bestritten werden, wenn man 
im Stande ist, das durch d- ; , Ge* .rauch verunreinigte. Wasser 
auch ohue Uebelstände wieder los zu werden. Die Abführung 
dieses Hauswassers in offenen Rinnsteinen ist das nächstliegende: 
wir alle kennen alter aus Erfahrung die Nachtheile, welche 
dieses Vorgehen im Winter wegen der Eisbildung, im Sommer 
wegen der Zersetzung und des Gestankes hat — ganz abgesehen 
vou den tiefen Rinnsteinen, welche sich in der Regel wegen des 
uöthigeu Gefälles ergeben. Man wurde also auf unterirdische 
Ableitung hingewiesen. Ein Thonrohr bis zum nächsten Wasser 
ist bald gelegt und der Hausbesitzer wäre aller Unl»ei|uemlich- 
keiteu los und ledig, wenn es die Andern nicht auch so machten 
und zuletzt die Wassrrläufe so weit verunreinigt wurden, das« 
mau auf Abhülfe sinnen muss. Das zunächst vorgeschlagene 
Mittel ist gewöhnlich die l eberwölhung des betreffenden Gra- 
bens, wenn derselbe nicht etwa zu breit dazu ist. Dies Mittel 
ist selten ausgeführt und zwar mit gutem Grunde. Es ist sehr 
kostspielig, den Kanal so gross zu machen, dass er die grössten 



Zufliis 



zur Zeit der Schneeschmelze uder heftiger Ii 



geiigusso 

abfuhrt : und hat mau ihm die hierfür geeigneten Dimensionen 
gegeben, so ist er für die trockene Zeit viel zu gross, die Nieder- 
schläge bleiben liegen und gehen in Zersetzung über. Ausser- 
dem zeigt sich in allen Fällen an den Ausmüuduugeu des Ku- 
nals der unangenehmste Geruch. Giebt mau dem Kanal da- 
gegen zu geringe Dimensionen, so veranlasst er bei bedeutendem 
Zuflüsse das Zurücktreten der SchmutzHüssigkeit in die Däuser. 
Aus diesen Gründen kam man nach und nach darauf, Kauäle 
entweder den Wasscrläufeu parallel oder ganz unabhängig von 
deren Richtung zu erbauen, welche nur das unreine Wasser der 
Thonrohrleitungeu ubführeu sollten, während die natürlichen 
Wasserbetten vor Verunreinigung bewahrt blieben. Hiermit ist 
eigentlich schon der Begriff der Kanalisirung gegeben: ihn uus 
führlich zu präzisiren. ist es nöthig, noch manche andere Fragen 
zu betrachten. 

Zuerst handelt es sich um Form und Material der Ka- 
uäle und natürlich stehen diese im innigsten Zusammenhang. 
Während früher unterirdische Abzugskauäle häutig mit senk- 
rechten Wänden und geradem oder nur flach gekrümmtem Boden 
ausgeführt wurden, sind jetzt nur der kreisförmige uud der ei- 
förmige Querschnitt in Anwendung. Die vortheilhaftestc Form 
eines Kanals für eine konstante Wassermenge wäre natürlich 
die Kreisform, da hierbei das Verhältnis* zwischen benetztem 
Umfang und Querschnitt, wodurch die Geschwindigkeit bestimmt 
wird, sowie die erforderliche Mauermasse am günstigsten wird. 
Die Aufgabe ist aber gewöhnlich nicht die, für eine konstante 
Wassermenge Vorsorge zu tieften, sondern einen Kanal zu kon- 
struiren, welcher zwar iiöthigeufalls grosse Regenmengen ab- 
führen kann, in trockener Zeit uud bei geringen Zuflüssen aber 
möglichste Vnrtheile bietet, und den Strom so zusammenhält, 
das* dem Niederschlagen und Antrocknen der mitgeführteu 
Stoffe entgegengewirkt wird Dies wird durch die Eiform er- 
reicht, l>ci welcher der Boden nach einem kleineu Radius ge- 
formt ist, uud welche ausserdem bei demselben Querschnitt der 
Kanäle eine grössere Höhe gewährt, also das Begehen erleichtert. 

Die Kauäle werden aus Ziegeln konstruirt und erhalten bis- 
weilen Sohlstücke aus Sandstein oder gebranntem Thon. Hart 
gebrannte Steine, guter Zementmörtel und sorgfältige Arbeit 
sichern denselben eine grosse Dauer — wie ich im Jahre IM7 
bei der Begehung der 3.'> Jahre alten Hamburger Kanäle kon- 
statirt habe — und verringern die Arbeit für Reparaturen und 
Unterhaltung bis fast auf Null. Die kleinsten derartigen Ka- 
näle sind etwa U.öO"» breit und 0,!'. r >™ hoch, so dass sie, wenn 
auch nicht zu begehen, so doch immer noch durch Kriechen zu- 
gänglich sind- Eine obere Grenze giebt es aus konstruktiven 
Rücksichten nicht, doch pflegt man die ganz grossen Sammel- 
kauäle, vou 3« uud mehr Breite, kreisrund zu machen, da diese 
Sammelkanäle stets eine bedeutende Wassermenge führen. 

Häufig ist es allerdings, schon mit Rücksicht auf die dis- 
ponible Höhe, vortheilhafter, zwei oder mehre kleinere Kanäle 
herzustellen, als eineu ganz grossen zu koustruiren. So führt man 
auf der Nordseite Londons durch 3, auf der Südseite durch 3 
parallele Kanäle das Kanalwasser der Themse tu. 



Mittheilungen aus Vereinen. 



Axchltcktenvereio zu Berlin. Versammlung am 19. Ok- 
tober 1873; Vorsitzender Hr. Quassowski. 

I»em Verein ist die traurige Mittheilung zugegangen, dass 
wiederum eines seiner auswärtigen Mitglieder, diesmal einer 



seiner Stifter, der Baurath Orth mann in Breslau, verschieden 
ist. Von den IS Architekten, die den Verein im Jahre 1834 
begründeten, siud gegenwärtig noch 5 am Leben. 
Den grösseren Theil des Abends füllte wiede 



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welche vom 



diesmal noch uiclit zum Abschlüsse gelangende Vortrag über 
die Theorie des Schalles vou Hrn. J- W. Schwedler. Den 
Schluss der Versammlung bildete die Beantwortung einiger 
Frageu durch die Hrn. guassowski, Wiehe, Hartwich und 
Streckert. O 

Vennischtes. 

24. September bis Ii. Oktober in Pari» getagt hat' 
ist in Bezug auf die künftige internationale Organisation der 
üruudlageu des metrischen Maass- und Gewichtswesens zu einer 
benicrkensm'erthen Einigung gelangt. Es ist nämlich in den 
letzten Sitzungen f nachdem die ersten Wochen der Verhandlungen 
der neuen Einrichtung des künftigen gemeinsamen Urmaasses und 
Urgewichtes aller Nationen gewidmet waren, fast einstimmig 
der Beschluss get'usst worden, die Regierungen sammt lieber auf 
der Konferenz vertretenen Staaten, d. h- fast aller Kulturvölker 
der Erde, zu ersuchen, ein internationale« Bureau für Maasse 
und Gewichte zu errichten, welchem unter der Leitung eine* 
permanenten internationalen Koruite's übertragen werden soll 
1) die definitive Feststellung des neuen gemeinsamen Urmaasses 
und Urgewichtes, 2) die definitive Ausgabe der an die einzelnen 
Nationen zu verabfolgenden, möglichst identischen Kopien dieses 
neuen Urmaasses und Urgewichtes, 3) die Aufbewahrung des ge- 
meinsamen Urmaasses und l'rgewichtes, 4) die in gewissen Zeit- 
räumen zu wiederholende Vergleichung aller den einzelnen Staa- 
ten zu übergebenden Kopien des Urmaasses uud l'rgewichtes 
untereinander und mit den Originalen, 5) die fernere Ausgabe 
genauer Kopien uu Staatsrcgierungeu , sowie au Interessenten 
jeder Art, (»die Ausführung aller derjenigen gemeinsamen Ar- 
beiten uud Untersuchungen auf dem Gebiete des internationalen 
Maus- uud Gewichtswesens, welche im Interesse der F.nt- 
wickelung und Befestigung seiner Grundlagen und der Ausbrei- 
tung seiner Geltung erforderlich sein werden. 

Das zur Leitung dieser internationalen Institution, d. h. zur 
Ernennung und Ueberwachung ihrer Beamten, berufene perma- 
nente Komite wird aus 12 Mitgliedern bestehen, und als Sitz der 
ganzen Institution ist zunächst Poris iu's Auge gefasst 

Die Versammlung hat ihr Präsidium beauftragt, bei der 
französischen Regierung zu beantragen, dass dieselbe nunmehr 



das ganze Projekt auf diplomatischem Wege den betheiligten 
Regierungen vorlege und dieselben auffordere, zum Zwecke der 
gemeinsamen Unterhaltung der vorgeschlagenen internationalen 
Organisation einen Vertrag zu schliessen, durch welchen zugleich 
das internationale Bureau für Maass und Gewicht in oder bei 
Paris als eine neutrale Institution unter den Schutz aller Re- 
gierungen zu stellen sein würde. 

Der Aschen stampf (Cendrin)-Baa und die Wohnunga- 
noth. Unter obigem Titel versendet, der Medizinal-Rath Küchen- 
meister in Dresden eine 10 Seiten umfassende, als Manuskript 
gedruckte Broschüre. Wenn der Verfasser, der in der Ein- 
leitung die Ursachen der Wohnungsnoth bespricht und die- 
selben namentlich in der Theueruug des Grund uud Bodens, sowie 
aller bisher üblichen Baumaterialien findet, zur Abhülfe der- 
selben die Anlage eigener Arbeiter-Kolonien empfiehlt, so kann 
man ihm hierin wohl kaum beipflichteu. Es heisst für die 
gegenwartigen sozialistischen Bestrehungen geradezu Brenn- 
punkte schaffen und den Führern derselben Kasernen für 
ihre Arbeiter-Bataillone hauen, wenn man die Arbeiter in ei- 
gene Quartiere, gleichsam in ein Ghetto verweisen will. Im 
weiteren Verfolge des Schriftchens theilt der Verfasser seine 
eigenen, sowie die Erfahrungen des Herrn Berudt, Besitzer 
einer Patent-Sammett'abrik in Deubeu bei Dresden, betreff* des 
Cendrin-Baues mit. Herr Bern dt hat seiu Fabrikgebäude in 
dieser Weise ausführen lassen, uud dasselbe soll allen Er- 
schütterungen einer Dampfmaschine, einer Transmissinnswelle 
und eines Stampfwerks vou 8 Stampfen ohne jeden Sehaden 
widerstanden haben. Eine Platte aus Cendrin, welche einen 
ganzen Winter im Wasser gelegen , soll unbeschädigt vorge- 
funden sein. Die Zusammensetzung des Cendriu erfolgt aus 
5 Theilen Steinkohlenasche und I Theil Staubkalk : welche zu- 
sammen 0.00« Theile fertige Ccndriuwand liefern. Die Preise 
sollen sich iu folgender Weise stellen: Pise 1. Cendrin 1,8, 
Bruchstein 3,5, Ziegelstein S,0. Die schwache Seite bei dieser, wie 
bei allen Stampfbäuten, scheint die äussere Form der davon 
hergestellten Bauten zu sein, da die Art der Herstellung jede 
gesebmack- und stilvolle Behandlung sehr schwierig machen 
dürfte. Der Umstand, dass gerade dort, wo der griisste Woh- 
uungsmangel zu herrschen pflegt — in der Nähe grosserer Fabrik- 
anlagen , das empfohlene Baumaterial Steinkohlenascho meistens 
im Uebernuss vorhanden, und fast werthlos, ja bisweilen 
eine Last wird, dürfte immerhin empfehlen, weitere Versuche 
mit dem Verfahren vorzunebmeu , uud glaubte ich somit die 
Aufmerksamkeit der betreffenden Fachgenossen auf dasselbe 
lenken zu sollcu. E. F. 

Die Untersuchungen über die Einwirkung dos Leucht- 
gases auf das Gedeihen der Bäume, welche auf Veranlassung 
der Stadtbehorden in Berlin im Iranischen Garten und in der 
städtischen Baumschule seit zwei Jahren betrieben wurden , siud 



nunmehr abgeschlossen. Das Resultat derselben lüsst sich in 
dem Satze zusammenfassen: „dass selbst die geringe Menge 
Leuchtgas von 0,772 kb- täglich auf 17,8 kb'» Boden vertheilt, 
die mit dem Gas iu Berühruug kommenden Wurzelspitzen der 
Bäume jeder Art iu kurzer Zeit todtet und dass dieses uui 
so früher geschieht, je fester die Bodenoberfläche ist." Ein- 
zelne Baumarten (wie Gotterhaum, Gleditschie, Rüster und 
Kugelakazie) geben eine solche Vergiftung früher, andere (wie 
Ahorn und Linde) später äusserlich zu erkennen. Ferner ist 
durch die Untersuchungen ausser Zweifel gestellt, dass das 
Leuchtgas auf die Wurzeln der Bäume im Winter weniger zer- 
störend wirkt, als während der Wachsthumspcriode derselben, 
und dass selbst ein höchst geriuges, aber anhaltend auf die 
Wurzelspitzen wirkendes 0"i">tum Leuchtgas die Erkrankung 
und endlich deu Tod der Bäume sicher hert>cifiihrt. Erholen 
knuuen dergleichen erkrankte Bäume sich nur dann, wenn die 
Einwirkung des Leuchtgases nur gering und von kurzer Dauer 
ist und jedenfalls nur die Zeit einer Hbrillen- (Faser-) hildnng, 
nicht aber eine ganze jährliche Wachsthumsperiode umfasst. 
Nach den Erfahrungen der Gasaustaltsbeamten machen sich 
aber undichte Stellen in den Leitungsrohren mit einer Ausströ- 
mung von etwa 0,20 Kubikmeter Gas täglich weder durch den 
Geruch noch soiist wie an der Bodenoberflächc bemerklich, und 
da ohne Zweifel eine Menge solcher unbedeutender undichter 
Stellen vorhanden sind, so sind die Baunianpflanzungen nicht 
nur in unmittelbarer Nähe der Gasleitungen, sondern auch in 
weiterer Entfernung iu steter Gefahr, als erfahrungsmüssig das 
entwichene (las in deu unteren lockeren Schichten oft bis 10» 
weit vordringt, bevor es sich durch die Oberfläche verflüchtigt. 
Durch die augestellten Untersuchungen ist daher konststirt 
wordeu. dass Baumpflanzungen auf Strassen mit Gasbeleuchtung, 
selbst in verhältnissmässig weiter Eutferuuug von den Rolir^n- 
leitungen, der Gefahr der Erkrankung uud des Absterbens aus- 
gesetzt sind, so lange es nicht gelingt, einen durchaus luft- 



dichten Verschluss für die Muffenverbindungeu der Kötrcn iu 
Anwendung zu briniccn oder eine Vorrichtung zu treffen, mittels 
welcher das Leuchtgas unbehindert aus der Tiefe entweichen 



Preussen. 

Ernannt: Der Eisenbahn -Bau- und Betriebs -Inspektor 
Bensen Essen zum über- Betriebs- Inspektor bei der Nicder- 
sehlesisch-Murkischen Eisenbahn zu Berlin. 

In den Ruhestand tritt: Der Kreis - Baumeister Stahl 
in Minden: 

Gestorben: Der Regierungs- und Baurath Peters in Op- 
peln. Der Baumeister Eichhorn in Celle. 

Die Baumeister-Prüfung halten bestandeu am 10 und 
19. Oktober er.: Beruhard Schelten aus Esens; Wilhelm R»it- 
uiaun aus Celle. 

Brief- and Fragekaeten. 

Hrn. B. in Berlin. Amtliche Bestimmungen für die Ausfüh- 
rung von Vorarbeiten zu Schiffahrtskanälen nach Analogie der in 
Betreff der Eisenbahnen erlassenen, bestehen in Preussen nicht. 
Die letzteren, sowie die unterm 15. August d. J. vom Ministerium 
für landwirtschaftliche Angelegenheiten erlassene Anweisung 
für die Ausführung der technischen Vorarbeiten bei Ijmdes- 
Meliorationen dürften einigen Anhalt geben. Die grasartigsten 
in letzter Zeit gemachten Vorarbeiten für Kanal-Anlagen möch- 
ten die für den Rhein-Weser uud Weser-Elb-Kanal von Baurath 
Michaelis iu Münster, sowie die für deu Elb-Spree-Kaual von 
den Ingenieuren Thiel * Knoch in Breslau sein. 

Ilm. M. C. Cassel. Die Finnische Farbe oder besser ge- 
sagt, der Finnische Anstrich beruht auf der Anwendung des 
Ziukosvds zum Beizen des Holzes, um die Würmer davon abzu 
halten. Das Zilikoxvd wird hierbei als Zusatz zu einem Ge- 
menge von Kolophonium, Thran und Roggeumehl genommen, 
dessen Rezept im Speziellen uus nicht bekannt ist. Mit diesem 
Anstrich verwandt ist der Russische, welcher wie folgt tiereitel 
wird: In 12' Wasser werden 0,33* Eisenvitriol gelost, hierzu 
0,'25k Harz (Kolophonium':, 1,5k Caput mortuum: ferner werden 
D Roggenmehl mit 0.38 1 Wasser zusammen gerührt uud das 
Ganze gemengt. Vor dem Auftragen auf das Holz wird die«* 
Gemenge frisch bereitet und eignet es sich nicht zur Aufbe- 
wahrung. 

Hru. H. in Berlin. Ob für das Glasdach einas Vorbaue* 
farbiges Glas zu empfehlen ist, wird von dem Geschmacke dt* 
Besitzers abhäugeu, jedenfalls empfiehlt sich für diesen Zweck 
mattes Glas, wie es /,. B. iu der neuen Hülle des hiesigen Pots- 
damer Bahnhofes angewendet ist. 

Hrn. F. in Bremberg. Die Verhältnisse der betreffenden 
Baugenossenschaft sind uns vollständig unbekannt. Wäre dir» 
aber auch nicht der Fall, so müssten wir es dennoch völlig ab- 
lehnen, uns üImt deren Zuverlässigkeit und Solidität ein Urtheil 

zu gestatten. 

Beiträge mit Dank erhalten von den Herrn T. zu Berlin. 
F. in Warmbruun. B. iu Deutz, M. in Hannover, EL iu KOtt, 
M. in Stade. 



Hierzu eine Holzschnitt-Beilage: Faende der Villa March in Charlotten bürg, erfunden vou C. Hense. Grundrisse und TW 

folgen in nächster Nummer. 



Kt>«ah«i»»««rli« t»n Carl Imüo >• B.eliu. 



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Jahrg. VI. M 44. 

DEUTSCHE BAUZEITUNG 



tot. 

iiWnifhm*!* «IU pMtanMaltrn 
. im! I- ■ ■ Iiäo«! i u i , 
ftor Merlin di* Espe41ÜoD. 



Organ des Verbandes 

deutscher Architekten - und Ingenieur-Vereine. ™ 



Prri<i 1 Tbalrr pro Quartal. 



ße 



Redakteur K. £. 0. Fritsch. 

November 1872. 



Inttrit. 

für «I* l<rw. dir drotirtfii 
Hunrttam *a*n Aafuhau 
in «r«l»-»rllw: 
Bau - Ann: licet- •• 
lM<-m«..prrl»: V, Sp t». 



n , 



Sonnulicuil. 



Inhalt: Di» SrKI«h»fW»cll»m tt> <ld«r. - Our K««iüb.u. »I. MnM tur 
H.l.u.in <1.« »MU-w.rk«.. - Uob«r K»iwli.lrtti.jc toi. SlidUo «Schill«»). Mit- 
ih.lUaK.u «»« Vor.lnon: Arrhll»kl.»-Vcr.ln » H.rlt». - VtralMbtaai 
Zu dr» UDUnsclmnxrn ober dl. RI»«irko»« d.. I^ürht«..o auf du 0<-d«b-ii 




tu Hrrlin. — Vf fo» «, I - N»r,h r I eh l. n , Brl.f- und Fnirklilr . 



Die Sehiffharnarhung der Oder. 



In No. 34, Jahrg. 1 872 der Deutschen Bauzeitung liat Hr. 
Graeve einen sehr dankenswertben Beitrag über die Oder 
als Seh iffahrtsRtras.se veröffentlicht, der um so willkommener 
ist, da er auf Orts- und Sachkenntnis* beruht und Veran- 
lassung zur weiteren Beleuchtung des betreffenden Gegen- 
standes und zur Aensserung entgegenstehender Ansichten 
bietet. 

Herr Graeve tritt unter Bezugnahme auf die Schrift 
.dl« Schiffharii.achung der Oder, 1*72, Oppeln bei Reisewitz* 
>ler Ansicht bei. dass zur Schiffbarroaehung der oberen Oder 
bis Breslau die Kanalisirung mittels beweglicher Wehre ein 
geeignetes Mittel sei, giebt aber für die untere Oder von 
Breslau bis Küstrin der Einengung des Bettes durch niedrige 
Rausc hhuhnen den Vorzug. In der genannten Schrift ist die 
Schiffharmaehung der Oder von Breslau nach Küstrin zwar 
nur beiläufig behandelt, indessen sind Seite 38 die bei Kü- 
strin im Jahre 1S<;ö zur Beseitigung lokaler Versandung des 
Flussbettes ausgeführten Uaiischhuhnen bereits besprochen, 
alier zur allgemeinen Anwendung auf der Oder oberhalb 
Küstrin nicht für zweckmässig angesehen. Diese Ansicht 
soll nachstehend weiter begründet und hier gleich bemerkt 
werden, dass die bei Küstrin erbauten Ranschbuhuen nicht 
allgemein maassgehend sein können, weil hier neben dein 
alten Strombett norli ein Vorfluthkanal besteht, so das» das 
llochwasserprotil zn gross bemessen und eine Einschränkung 
durchaus zulässig ist. 

Jeder Strom hat das Betrehen, das seinem Hochwasser 
angemessene natürliche (Juerprnhi, das sogenannte Norinal- 
protil herzustellen. Hat er daher in Folge L'fer- Abbruchs 
eine zu gross«» Breite angenommen, so wird er passende 
Einschränkungswerke und insbesondere inklinante Buhnen 
wenigstens an geraden und konvexen Ufern verlanden. Ist 
jedoch die Einengung über das natürliche Profil hinaus ge- 
trieben, so führt der Strom einen fortwährenden Kampf 
gegen die ihm aufgezwungenen Schranken und bewirkt die 
Zerstörung der künstlichen Bauwerke in längerer oder kür- 
zerer Frist, je nachdem dieselben mehr oder weniger solide 
hergestellt sind. An der Przemsa, einem Grenzflusse zwi- 
schen Oesterreich und Prenssen am Krakauer Gebiet, der 
vollständig verwildert ist. bei mittleren Wasserständen nur 
0,3™ hohe Ufer, stellenweise eine Breite von 100 — 120"' 
hat, während 30« ausreichend sind, zeigt sich eine Verlan- 
dung der leicht gebauten inklinanten Buhnen, häufig bei ge- 
wöhnlichen Wasserständen, wenige Stunden nach deren Her- 
stellung. Die Oder hat elvenfalls Verlandungen erzeugt, an 
der oberen Oder z. B. bei Krappitz, Döhem. In der letzten 
Zeit jedoch , wo die Einschränkung weiter ausgedehnt ist, 
haben Verlandungen zwischen den Buhnen nur in äusserst 
geringem Maasse Statt gefunden. Es dürfte demnach bereits 
an vielen Orten die Grenze der Einschränkung überschritten 
sein, welche durch die natürlichen Stromverhältuisse bedingt 
wird. Der Strom wirkt jetzt, mehr auf Zerstörung als Unter- 
stützung der Werke, so' dass nach jedem Hochwasser und 
Eisgänge erhebliche Reparaturen erforderlich werden. Die 
stärkere oder geringere Ansteigung der Buhnenkrone nach 
dem Ufer zn. also die Beschränkung des Profile» nach der 
Höhe, hat einen wesentlichen Einfluss auf diese Verhältnisse, 
aber doch einen geringeren, als die Länge der Werke, also 
die Einschränkung des Profils nach der Breite. Verlanden 
die Buhnen nicht, so äussern sie anf Räumung des Bettes 
eher einen schädlichen als nützlichen Einfluss, weil sich 
beim 1'eln rsturze des Hochwassers Auskolkungen und seit- 
liche Wirbelbewegungen bilden, welche die Stosskraft des 
' i der Mitte des Strombettes brechen und nnregel- 



mässige Ablagerungen des Geschiebes veranlassen. Der Ge- 
heime Ober-Baurath Becker, welcher die oderhauten längere 
Zeit in der obersten Instanz leitet«' und dessen langjährige 
Erfahrungen gewiss von Bedeutung sind, hält die Buhnen 
an der Oder für sehr uachtheilig. sowohl in Bezug auf Ufer- 
Unterhaltung als Räumung des Bettes.*) In der Denkschrift 
vom 15. November 1*07, welche von der Königlichen Staats- 
Regicmug dein Abgeordnetenhause vorgelegt ist, wird der 
Fall angeführt, dass oberhalb Neusalz in einer auf 105,45" 
(28 Rothen) Breite eingeschränkten Flugstrecke eine glekh- 
mltxise Wjuwerticfe von 1,10—1,25" (SV. — 4 Fuss) vor- 
gefunden wurde, während sich bei sonst gleichen Stromvcr- 
hältuissen in der angrenzenden auf *4.74™ (22V, Rutlieu) 
eingeschränkten Strecke zwar direkt zwischen zwei einander 
gegenüberliegenden Buhnen eine Wnssertiefe von 1,57 » 
(5 Fuss), aber in der Mitte des Stromfeldes nur eine 
Wassertiefe von 0,47— 0,G3« (IV. — 2 Fuss) gebildet hatte. 
Hier war also wahrscheinlich eine seitliche Theilung und 
Bewegung des Stromstrichs zwischen den Buhnen am Ufer 
entlang eingetreten, so dass in der Mitte des Stromfeldes 
Konvexen des Stromstrichs entstehen mussten, welche die 
Ablagerung des Geschiebes in der Fahrstrasse begünstigten. 
Die Seitenlieweguug. il des Stroiustriclis entstehen fast immer, 
wenn die flachen Kopfhöschungcn beschädigt werden und 
sich an deu steilen Böschungen Auskolkungen bilden. 

Die geringe Neigung der Oder, Verlandungen zu bilden, 
mag auch durch die Beschaffenheit des Bettes veranlasst 
werden, welches besonders an der oberen Oder sehr tief ein- 
geschnitten ist und deshalb den grössten Theil des Hoch- 
wassers abführen muss. Bei dem starken Längengefälle von 
V».». '/»... und bei der grossen Wassertiefe wird die Boden- 
geschwiudigkeit bei Hochwassern zu gross, als dass das Ge- 
schiebe zur Ruhe uud Ablagerung kommeu könnte. Ober- 
halb des festen Wehres bei Kosel hat die Oder ziemlich auf 
eine Meile Länge sehr bedeutende Wassertiefen. Der Ober- 
Kanal der Koseler Schleuse, die Winske, ein offener Neben- 
kunal der Oder Itei Oppeln, obwohl mehrfach von der Rich- 
tung des Hochwassers gekreuzt, unterliegen nicht der Ver- 
sandung, welche an ähnlichen Orten an anderen Flüssen mit 
niedrigen Ufern fast immer einzutreten pflegt. Die Oder 
führt bis Küstrin bei einem sehr schmalen, gebirgigen Regen- 
gebiet bei Hochwasser ungefähr 150 — ISO Mal so viel Wasser 
als bei Niederwasser. Es dürfte*, daher einleuchtend sein, 
dass die Regulirung des Flusses, welche die Herstellung 
eines beharrlichen Hochwasserprofils bezweckt, und die 
Schiffharmaehung, welche eine lohnende Wassertiefe für die 
niedrigsten Wasserstände beschaffen lull, sich nicht mit den- 
selben Mitteln erreichen lassen, weil beide Zwecke einander 
widerstreiten. 

Nach diesen allgemeinen Erörterungen möge es gestattet 
sein, spezieller anf das Projekt einzugehen, die Schiffhar- 
maehung der Oder von Breslau bis Küstrin durch Einengung 
des Bettes mittels Rauschbuhncii zu bewirken. Da die Oder 
bei Breslau etwa nur 20 kh"°, bei Küstrin 50 kb« Wasser in 
der Sekunde bei niedrigen Wasserständen abführt, so inüssten 
bei dem Gefälle von 1:31.00- 1:3200 zur Gewinnung einer 
Wassertiefe von 1,4™ die niedrigen Rauschbuhnen so lang 
gebaut werden, dass das Flussbett hei Breslau ungefähr auf 
1!> ™, bei Küstrin ungefähr auf 40 « eingeengt würde. Hier- 
durch wird der Strom für Strom und Eisgang wenn nicht 
der Höhe, doch der Breite nach ganz erheblich eingeschränkt 
und an der natürlichen Ausbildung des Bettes Umdeutend 

') Zmr KtaataU. *-r Od.r C. Il«Ur. Berlin. I»«.. H.ft I. S.U. K. 



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mehr behindert, als durch die bisherigen Bnhnenbauten. 
Die Rauschbuhueu werden daher einem sehr starken An- 
griffe nnd einer baldigen Zerstörung ausgesetzt sein. Im 
Jahre 1853 wurden anf Veranlassung des Geheimen Oher- 
Bau-Rath Becker dergleichen Kauschbuhnen in grosser Zahl 
an der oberen Oder ausgeführt, um durch die niedrige Lage 
derselben die Verlandutig zu beschleunigen. So richtig dies 
Prinzip bei Buhnen ist, welche nicht über die Nonnalbreite 
hinausgehen, so wenig bewährte sich dasselbe im vorliegen- 
den Falle, weil die Werke zu weit in das Bett hervortraten. 
Die Buhnen wurden zum grössten Theile schon vom näch- 
sten Hochwasser fortgerissen, die Senkfaschinen im ganzen 
Strombett verstreut, so dass eine arge Verwilderung des 
Fahrwassers entstand. Nach den früheren Erörterungen ist 
zu bezweifeln, dass die Rauschbuhnen bei der unnatürlichen 
Einschränkung des Bettes eine Verlandung erzeugen sollten. 
Höchstens dürften sich, wie dies bei zu langen Buhnen ge- 
wöhnlich beobachtet werden kann, zunächst hinter den 
Köpfen, vorausgesetzt dass dieselben sehr flach gebaut und 
erhalten werden, lange Barren bilden, welche gerade die 
uaturgemässe Verlandung zunächst der Ufer verllindern und 
wie künstliche Parallelwerke zu Auskolkungen an den Ufern 
Veranlassung geben. Es kann also nicht darauf gerechnet 
werden, dass die Buhnen durch die Verlandungen einen 
Schutz und eine längere Dauer gewinnen sollten. Nach den 
Erfahrungen, welche an der oberen Oder gemacht sind, und 
welche auch mit den Angaben in Hagen's Wasserbau § 75 
übereinstimmen, haben Buhnen aus Faschinenpackwerk nur 
eine Dauer von 10 — 15 .Iniiren, oder erfordern bedeutende 
Unterhaltung!)- nnd Reparatnrbanten. welche mindestens so 
viel Kosten als der periodische Neubau veranlassen. In der 
Schwierigkeit oder vielmehr in der Unmöglichkeit, die er- | 
forderlichen Unterhaltung«- und Rcpnraturhautcn in der 1 
richtigen Zeit in ausreichendem Maasse zu bewirken, liegt 
das hauptsächlichste Hinderniss des sogenannten Regnlinings- 
baues mit Buhnen aus Faschinen, und ist hierdurch gewiss 
viel mehr als durch Anwendung eines falschen Konstrnktions- 
Systetns die geringe Dauer der bisher üblichen Regulirungs- 
werke veranlasst worden, weil niemals ein Beharrnngszustand 
eintreten konnte. Die bei Hochwasser und Eisgang einge- 
tretenen Beschädigungen lassen sich nur bei niedrigem 
Wasserstand erkennen . so dass also rechtzeitige richtige 
Dispositionen zur Beschaffung des erforderlichen Materials 
niemals getroffen werden können. Die Reparaturen selbst 
sind ebenfalls nur bei niedrigen Wasserständen auszuführen, 
welche häufig durch kurze Anschwellungen des Flusses unter- 
brochen werden. Die Arbeitszeit ist eine sehr beschränkte 
und fällt meistens in die Zeit der Ernte, wo unter den 
jetzigen Verhältnissen auf kurze Zeit Arbeiter in genügender 
Zahl gar nicht zu beschaffen sein werden. Wenn diese 
Schwierigkeiten sich bisher bereits fühlbar gemacht haben. ! 
welche Noth soll erst entstehen, wenn man die Oder von 
Breslau bis Schwedt auf ßO Meilen Länge von der natür- ; 
liehen Breite von 200 — 3O0 m auf 20 — 50"» einschränken und 
daher das Faschinenwerk sehr erheblich vermehren wollte. I 

Dieselben Schwierigkeiten, welche der Herstellung und 
Unterhaltung der Faschinenbauten entgegenstehen, insbesondere 
die Beschränkung der Arbeitszeit auf die niedrigen Wasser- 
stände, machen sehr zweifelhaft, ob die Einschränkung des 
Bettes theils durch Itauschbuhnen für das Schiffahrtsprofil, 
theils durch gewöhnliche Buhnen für das Hoi-hwasserprotil 
in einer kürzeren Zeit hergestellt werden kann, als die 
Kanalisirung mit beweglichen Wehren. Nach der Becker'schen 
Denkschrift von 181,7 hatte die Königliche Regierung in 
Oppeln zur Vollendung der Einschränkung des Bettes bis 
zur Normalbreite, also zu der sogenannten Oder-Kegulirang 
nach dem bisher üblichen System, in dem betreffenden Bezirke 
einen Zeitraum von 3 Jahren, in Breslau von <!— 8 Jahren, 
in Liegnitz von 4 Jahren, in Frankfurt von 8 Jahren für 
uöthig erachtet. Die weitere Einschränkung mittels Rausch- 
buhnen dürfte neben Reparatur der älteren Werke doch min- 
destens eine gleiche Zeit beanspruchen. Dagegen lässt sich 
die Kanalisirung mit beweglichen Wehren beijuem in einem 
Zeitraum von 2- -3 Jahren herstellen , da dabei geringere 
Bauten erforderlich werden, als jetzt alltäglich bei Eisen- 
bahnen vorkommen. Das Nadelwehr bei Oppeln ist in 3 
Herbstmonaten vollendet, obwohl eine Unterbrechung durch 
Hochwasser eintrat und unerwartete Hindernisse durch 
Reste eines alten Wehres veranlasst wurden. Die Schlensen- 
I muten können durch niedrige Erddäinrne gegen Hochwasser 
geschützt und Winter und Sommer betrieben werden. 

Darin beruht ein hauptsächlicher Vorzug der guten 1 
Wasserstrassen, besonders der Sehiffahrtsknnäle und der 
kanalisirten Flüsse, dass zu ihrer Unterhaltung verhältniss- , 
massig geringe Arbeitskräfte erforderlich sind. Die Eisen- 



bahnen haben in erstaunlichem Maasse die Konsumtion aller 
Güter befördert, aber gewiss nicht unwesentlich die ent- 
sprechende Produktion behindert und vertheuert , weil sie 
ganz bedeutende Arbeitskräfte nicht blos zum Bau, soudern 
auch znr Unterhaltung und zum Betriebe in Anspruch 
nehmen, also anderen Arbeitszweigen entziehen. 

Dass bei der Schiffharmaehung durch Rauschbuhnen die 
bereits vorhandenen Regiilimngsarbeiten beibehalten und 
benutzt werden können, hat auf den Kostenpunkt keinen 
wesentlichen Einfluss, weil die Kostspieligkeit des Faschinen- 
banes mehr aus der NoÜiwendigkeit der öfteren Erneuerung 
oder bedeutender Reparaturen, als aus der ersten Anlage 
hervorgeht. Die vorhandenen Buhnen würden übrigens bei 
Kanalisirung der Oder vorläufig beibehalten werden Können 
Wenn überhaupt eine Verlandung derselben möglich ist, so 
wird sich eine solche zeigen, wenn die in der Schrift .die 
Schiffbarmachung der Oder* vorgeschlagene Geradelegung 
des Hochwasser-Stromstrichs, und zwar in der Weise er- 
folgt, dass man die in den Sehnen der Stromkrütnmungen 
angelegten Scbleusenkanäle bei Hochwasser als Vorfluthkanäle 
benutzt Wenn der Stromstrich sich in der Mitte des Strom- 
bettes bewegt so wird die Geschwindigkeit des Wassers an 
den Ufern ermässigt und die Ablagerung des Geschiebes 
begünstigt. Tritt keine Verlandung der Buhnen ein, so ist 
dies ein Zeichen, dass sie mindestens ntwöthig, wenn nicht 
schädlich sind. Man kann sie dann allmählich verfallen 
lassen und den Uferschutz richtiger durch Uferdeekwerke. 
Abflachung der Böschungeu, Weiden- und Rohrpflanzungeti 
bewirken. Wird die Schiffbannachuiig der Oder durcli 
Kanalisirung erzielt und die bisherige Art der Reguliruni: 
aufgegeben, wonach die Buhnen zugleich zur Einschränkung 
des Fahrwassers und zum Schutz der Ufer dienen sollten, 
so muss natürlich den Adjazenten, welche den Besitz un« 
die Nutzung beanspruchen, die Unterhaltung der Ufer allein 
znr Last fallen. Zur Vermeidung von Weiteningen wäre es 
allerdings am vorteilhaftesten, dass dem Staat die Ufer auf 
eine gewisse Ausdehnung als Eigenthum zugewiesen würden, 
wobei den Adjazenten das Zugangsrecht an geeigneten Orte« 
vorbehalten bliebe nnd der Staat die Unterhaltung entweder 
gegen eine Ablösungssumme oder gegen die Nutzung, wenn 
dieselbe der Unterhaltnngslast entspricht übernehmen müsste. 

Die Besorgnis«, dass au der Oderstrecke von Breslau 
bis Küstrin durch den von den beweglichen Wehren veran- 
lassten Aufstau des Wasserspiegels die Entwässerung anlie- 
gender Grundstücke behindert werden sollte, ist wohl nur iu 
einzelnen Fällen begründet, weil zunächst unterhalb der 
Schleusen nur ein Aufstau von 0,3 — 0,7i m über dem niedrig- 
sten Wasserspiegel nothwendig ist, die Oder und das dane- 
ben liegende Terrain aber durchschnittlich ein Gefälle von 
2,2 m pro Meile hat, so dass also durch Legung der Schleu- 
sen dicht oberhalb der Entwässerungsgräben oder durch Zie- 
hen von Entwässerungsgräben bis unterhalb der Sehleuseu 
bei noch disponiblem Gefalle von 1,4 — 1,8'» für die Meile 
hinreichende Vorfluth geschaffen werden kann. Muss doch 
für das Odergebiet unterhalb Küstrin bis Stettin ein Gefälle 
von 0,3— 0,6" pro Meile und noch ein geringeres genügen- 
Für Ausnahmefälle dürfte man indessen den Aufstau nur so 
weit steigern, dass der Rückstau unterhalb der Schleusen 
ausläuft, so dass eine Erhöhung des Wasserspiegels hier gsr 
nicht eintritt. Die Austiefung des Bettes zunächst unterhall' 
der Schleusen Hesse sich in diesem Falle durch Parallelwerk»' 
von entsprechender Länge erzielen, welche den Schiffahrtsbe- 
trieb nicht wesentlich hindern würden, weil die Strömuut; 
durch den noch stattfindenden Aufstau gemässigt ist 

Die Verzögerung der Schiffahrt, welche bei dem kana- 
lisirten Flusse durch Passiren der Schleusen und engeu 
Schiensenkanäle entsteht, kann durch eine um so rascher* 
Fahrt auf den offenen Stromstrecken ausgeglichen werden, 
wo nach Aufhebung der Strömung durch rasche Bewegung 
des Schiffes kein den l'fern schädlicher Wellenschlag nai 
kein erheblicher Aufstau, wie in einem engen Profile verur- 
sacht wird. Der letztere Uebelstand würde die Bergfahrt 
auf Stromschnellen, welchen an der Oder für niedrige Wasser- 
stände l>ei der vorhandenen geringen Wassermenge nur eis 
so enges Profil gegeben werden könnte, dass dasselbe von 
dem beladenen Fahrzeuge fast ganz ausgefüllt werden müsste, 
ganz unmöglich machen, aber auch schon auf dem offenen, 
durch Kauschhuhnen bis auf Ii» — l<i n eingeschränkten Strome, 
besonders zwischen zwei einander gegenüberliegenden Buhnru 
erschweren und verzögern. Der Zeitverlust, welcher durch 
Passiren einer Schleuse entsteht, ist mit einer Viertelstande 
reichlich bemessen, wenn das Gefälle nur l,3 m beträgt und 
grosse Einlass- und Auslassöffnuugen für das Füllen und 
Leeren der Schleusenkammer angebracht werden. Die \er- 
zögerung, welche anf dem offenen Strome die starke Strö- 



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- 357 - 



mann veranlasst, ist jedenfalls viel bedeutender. Auf dem 
kanalisirten Flusse lüsst sich die Thalfahrt mindestens so 
rasch zurücklegen als auf dem offeuen Strome, weil die Zug- 
kräfte, welche hei der Bergfahrt gewirkt haben, auch heider 
Thalfahrt zur Ausnutzung kommen können, während diesel- 
ben bei der Stromschiffahrt unbeschäftigt zurückgehen. Wenn 
eine regelmässige Schiffahrt und die Einhaltung bestimmter 
Lieferungsfristen erzielt werden soll, so kann auf den Segel- 
wind nur als eine zufällige Beihülfe gerechnet werden, da er 
selten in der günstigen Richtung lange Zeit auhält, auch in 
den starken Knrven nicht zu benutzen ist. Von der Anwen- 
dung eines Leinpfades wird bei der Einschränkung des Bet- 
tes durch Rauschbuhnen ganz abgesehen werden müssen, 
weil der Leinenzng bei der grossen Entfernung des Fahr- 
wassers vom Ufer zu schräg ausfällt. Als einzig mögliches 
Betriebsmittel wären also nur die Dampfschleppschiffe anzu- 
Damit diese ihre Rechnung fänden, müssten sie einen 
n Tarif stellen, das» ihnen auch die Thalfahrt bezahlt 
Die Räderdampfschleppschiffe auf dem Rheine lassen 
sich pro Zentnenneile eine Fracht von 0,7- 0,« Pfennigen, 
die Kettenschlepper auf der oberen Elbe 0,fi6 Pfennige, dage- 
gen Schleppschiffe auf Binnenseen nur 0,1 — 0,2 Pfennige 
bezahlen. Uebrigens ist es eine längst anerkannte Thatsache, 
dass im Ganzen genommen der Transport auf einem Kanal 
oder kanalisirten Fluss billiger ausfällt, als auf offenem 
Strome, wenn auf letzterem die Thalfabrt auch ohne Zug- 
kraft zurückgelegt werden kann. Siehe Hägen s Wasserbau 

§ 117, Seite 4Ö1, — Lamarle, du conemir* de* ranaux et de» 
rlteminx de fer. Annale' der /«mt» et rhauMett. lH. r )!). Nach 

dem Tarif der lociete de tnuage kostet der Transport der 
Schleppschiffe auf der Seine bei Benutzung der Schiensen 
nur ein Drittel bis ein Viertel so viel, als bei niedergelegten 
Wehren, wo die natürliche Strömung wieder eintritt. (Deutsche 
Hauzeitnng lS»i!t, Nr. 44.) Es ist übrigens fraglich, ob man 
die jetzt bestehende Schiffahrt durch den Ausbau eines öffent- 
lichen Stromes zwingen darf, sich eines bestimmten Trans- 
portmittels, im vorliegenden Falle der Dampfschiffe, zu be- 
dienen. Die Kanalisirung durch bewegliche Wehre bietet 
den ausserordentlichen Vortheil, dass bei höheren Wasser- 
ständen, bei welchen früher ein lohnender Verkehr allein 
möglich war, welche aber nur durchschnittlich SO Tage im 
.lahre anhielten, die Schiffahrt nach wie vor auf offenem 
Strome betrieben werden kann, dass aber die Möglichkeit 
geschaffen, dieselbe bei niedrigen Wasserständen mit noch 
grösserem Vortheil und grösserer Sicherheit zur Ausführung 
zu bringen. Wer die Schleusen nicht benutzen will, mag 
wie früher warten, bis Hochwasser eintritt. 

Dass der offene, durch Rauschbuhnen eingeengte Strom 
ÖM grössere Leistungsfähigkeit besitze, als der kanalisirte, 
dürfte sehr zu bezweifeln sein. Da bekanntlich die zu Thal 
fahrenden Schiffe und Flösse nicht scharf gesteuert werden 
können, entsteht bei einer Einengung des Fahrwassers bis 
auf 19 — IG" 1 , besonders wenn die Flusskrümmungen beibe- 
halten werden sollen, die Gefahr, dass die zu Thal gehenden 
Fahrzeuge mit den zn Berg fahrenden Schiffen zusamtnen- 
stossen und häufig auf die Bahnenköpfe geworfen werden. 
Auf der oberen Oder, wo bereits eine Einengung des Bettes 
bis auf 33,7"» vorgenommen ist, machte sich schon bei dem 



jetzigen sehr schwachen Verkehr dieser Uebelstand in so 
starkem Maasse fühlbar, dass Verordnungen erlassen werden 
mussten, welche die Breite und Länge der Flösse beschränk- 
ten. In Folge davon ist der Transport der Bauhölzer fast 
ganz auf die Eisenbahn übergegangen. Auf der oberen Elbe 
im Königreich Sachsen, wo eine Einschränkung des Bettes 
durch Parallel werke nur auf Ii:!™ stattgefunden hat, wird 
die eingeführte Kettenschleppschiffahrt ganz wesentlich durch 
die Flösse behindert*), und ist aus dieser Thatsache zn ent- 
nehmen, dass wenn die Kettensehleppsehiffahrt auf der Oder 
zur Ausführung kommen sollte, wenigstens die Flösserei ganz 
eingestellt werden muss. Aber auch die Kettenschleppschiff- 
fahrt und die Segelschiffahrt werden wahrscheinlich in dem 
engen Fahrwasser und den starken Krümmungen unüber- 
windliche Erschwernisse finden. Hat doch die auf der unteren 
Brahe von Bromberg bis zur Weichsel bereits eingeführte 
Tauschleppschiffahrt wegen zu starker Flusskrümmungen 
wieder eingestellt werden müssen. Auf dem kanalisirten 
Flusse kann nach Aufhebung der starken Strömung zu Berg 
und Thal, zur Tages- und Nachtzeit ein Verkehr der ver- 
schiedensten Fahrzeuge mit Sicherheit neben einander statt- 
finden und auf den breiten Stromstrecken auch vom Segel 
Gebrauch gemacht werden. Eine Fahrstrasse hat dann die 
grösste Leistungsfähigkeit, wenn sie den Verkehr nach beiden 
Richtungen mit möglichst gleichen Betriebsmitteln ermöglicht, 
weil nur in diesem Falle Veranlassung zur Anlage von in- 
dustriellen Etablissements und zur Entwiekelung des Lokal- 
verkehrs gegeben wird, der in volkswirtschaftlicher Bezie- 
hnng eine viel grössere Bedeutung hat, als der durchgehende 
und internationale Verkehr. 

Gewinnt man eine Fahrtiefe von 1,4" und gieht den 
Schleusenhäuptern eine Weite von 7,5"", so können Schiffe 
von 7000 Ztr. Ladungsfähigkait zur Verwendung kommen. 
Rechnet man für 300 Tage bei dem geringen Schleusengcfällc 
von 1,3™ für den Tag tiO Schleusungen — an der Ruhr 
werden hei stärkerem Schleusengefälle in den Sommertagen 
häufig 70 Schleusungen vorgenommen — so ergäbe sich pro 
Jahr, nnd zwar nnr nach der einen Rjchtung, eine Leistungs- 
fähigkeit der Schleusen von 121! Millionen Zentner, also die 
Möglichkeit eines Verkehrs, wie er jetzt auf dem Rhein 
besteht. Sollte sich dersellte noch mehr steigern, so liegt 
kein Hinderniss vor, noch eine zweite, eine dritte Schleuse 
anzulegen, da der Wasservorrath nicht in Frage kommt 

Die Schiff! >armachung der Oder durch Rauschbuhnen ist 
viel weniger als die Kanalisirung zu einem Aktienunterneh- 
men geeignet, weil erstere eine unendliche Zersplitterung der 
Arbeitskräfte bei der Herstellung und Unterhaltung bedingt, 
auch nach den jetzt bestehenden Gesetzen zur Erhebung 
eines Schiffahrtszolles nicht berechtigt. Bei der Kanalisirung 
könnte die Herstellung und Unterhaltung der Schleusen. 
Schleusenkanäle, beweglichen Wehre sehr wohl einer Privat- 
gesellschaft überlassen werden, wenn nur der Staat die Ver- 
pflichtung übernimmt, die Unterhaltung der Ufer entweder 
durch die UferhesiUer bewirken zu 
Fessel. 

187», No. 1J, 8. 1*S. 



Der Regiebau, als Nittel zur Hebung des Baagewerkes.*) 



Nach dem nunmehr eingetretenen Abschluss eines so 
vielfach bewegten Bausommers wäre es wohl geeignet, recht- 
zeitig vor dem Beginn der nächsten Bauperiode auf Mittel 
und Wege zu sinnen, wie den so verderblichen Störungen 
der Bauthätigkeit Seitens der Arbeiter wirksam zu begegnen 
sei. Leider ist der darauf hinzielende Aufsatz in No. 9 
bis 14 der deutschen Bauzeitnng, welcher so manches Be- 
herzigenswerthe darüber brachte, ohne ein Eingehen der 
Fachgenossen hervorzurufen vorübergegangen. Man möchte 
fast einen Indifferentisraus derselben voraussetzen, wenn nicht 
die Bequemlichkeit, den Nationalökonomen von Profession 
diese Frage zu überlassen, die Schuld daran trüge, dass 
solchen Fragen so geringe Aufmerksamkeit geschenkt wird. 
Dagegen steht aber zu befürchten, dass die spätere Zeit 

dung treffen und 
rächen 



ohne uns gehört zu haben, ihre Entscheidung treff 
die Theilnahmlosigkeit der Banbeaniten sich alsdann 



Ohne auf die historische Entwickelang unserer heutigen 
Gewerbegesetzgcbnng einzngehen. welche sich seit noch kei- 
nem Dezennium aas den Zunftgesetzen entwickelte, nachdem 
bekanntlich — und wie ich überzeugt bin, mit Recht — fast 
die gesammte Presse und die meisten kompetenten Stimmen 
sich für Aufhebung des Zunftzwanges ausgesprochen und 
die heutigen Einrichtungen mit Freuden begrünst hatten, ist 



es mir doch zur Darlegung des Vorschlages über die Ein- 
führung des Regiebaues als Mittel zur Hebnng der im Sinken 
begriffenen Baugewerke, wie sie auch schon in dem oben 
zitirten Aufsatz berührt worden ist, nöthig, die heutigen 
Bauverhaltnis.se im Allgemeinen zu besprechen. 

Seit Einführung der Gewerbefreiheit ist das äussere An- 
sehen des Baugewerks wenig verändert; auch jetzt noch ar- 
beiten darin Meister, Gesellen und Lehrlinge, dennoch aber 
hat sich die Stellung dieser drei Kategorien zu einander 
vollständig verschoben. 

Zuerst die Meister! Wohl keine Stimme mehr wird sich 
gegen das freie, durch keinen Prüfungszwang behinderte 
Emporsteigen ans dem Gesellen- und I^ehrlingsstande znm 
Meistertliume erheben. Die heutige Wohnungsnoth würde 
ohne jene freiheitliche Entwiekelung und wenn das bauende 
Publikum nur auf die privilegirten Meister beschränkt gewesen 
wäre, aus Mangel an Unternehmern einen noch grösseren 
Umfang angenommen haben; ja wir danken die grossartigen 

•) Bei der durch dl* Beschlüsse der Karlaraber WanderterMiaiatunf wohl 
noch starker anirereirten Antmerksasnkeilt, welch* man In den Kreisen der deut- 
schen Architekten und lnireniear« neuerdings der Arbeiterfrage iiuu »enden be- 
ginnt, glauben wir iu einer Hrfpreehnng derselben von Seiten der ausserhalb der 
Parteien eteheadeu FsWlgenoseen wiederholt auffnrdern tu müssen. Wir eröffnen 
dieselbe mit einem Anfeatsi', der ein« anseree Wissens noch nicht vernarbt* Be- 
leuchtung derselben rom Standpunkte des Daubeamteo bringt, D. Kod. 



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358 - 



Anstrengungen zur Erweiterung der Städte zumeist der (ie- I 
Werbefreiheit Auch hat sich durch die neuen unzüuftigcn 
Meister die Sicherheit des Baues nicht, wie Viele fürchteten, 
vermindert, da eine vollauf mit Kompetenz ausgestattete 
Baupolizei, welcher vielleicht nur in den ländlichen Bau- 
kreisen die vollziehenden Polizeiorgaue fehlen, jede gefähr- 
dende Bauanlage rechtzeitig unterdrücken kann. — Besorg- 
nis« erhebt sich erst bei der zweiten Frage, wie die Stellung 
des Gesellen sich seit der neuen Ordnung entwickelt hat. 
Wenn viele alte Anhänger der vollen Gewerbefreiheit jetzt 
dieselbe als zu weit gehend bezeichnen, so ist es nur die 
eingetretene Verwilderung uud Demoralisation der Gesellen, 
welche diese Besorgnis» erzeugt und entschieden einen Rück- 
schritt des Bauhandwerks dokumentirt. 

Das* der unzünftige Meister die moralische uud tech- 
nische Ausbildung seiner Arbeiter mit grösserem Leichtsinn 
vernachlässigt habe als der frühere geprüfte Meister, an 
welchen der Geselle immerhin durch ein patriarchalisches 
Band geknüpft war, folgt daraus noch nicht; unleugbar sind 
alter die so häufig aufeinanderfolgenden Strike der Bauhand- 
werker ein Beweis dafür, dass faktisch das alte Vertranens- 
vcrhältniss zerrissen ist, dass .Missgunst, Misstrauen und ein 
kleinlicher Interesseukrieg beiden Theilen das Leben nur 
mit Bitterkeit erfüllt, ja wohl für lange Zeit das gedeihliche 
Zusammenarbeiten derselben verhindern wird. l)er Gewer- 
befreiheit würde die Verschuldung hierin nur ungereehter- 
weise zugeschoben werden, da der Beginn der jetzigen Zu- 
stünde schon in der Zeit der Zunftgesctzgebung w urzelt, wo 
insbesondere der grosstädtische Bauhandwerker seit der ge- 
steigerten Bautätigkeit und aufgeregt durch die überhand- 
nehmende Spekulation grösseren Lohn verlangte und durch 
Koalition wirklich in die günstige Lage kam, Vorschriften 
seinerseits macheu zu können,. 

Es möchte schwer sein, mit einfacher Prozeutsatzbestiin- 
mung des gebührenden Antheils am Verdienst, sowohl für 
den Unternehmer wie für den Arbeiter, zu beurtheilen, ob 
wirklich, wie das Schlagwort lautet, eine wucherische Aus- 
nutzung der Arbeitskraft stattgefunden habe; es ist auch un- 
thunlich, aus den zumeist allerdings brillanten ökonomischen , 
Verhältnissen der älteren Gewerksmeister auf die Art des 
Erwerbes zu seh Messen: gewiss ist es im Gegenthcil vielseitig 
Undank gewesen, mit welchem die Gesellen lohnten, als sie 
beim Strike ihren alten Urodhcrrn auch nach jahrelangem, 
befreundeten Zusammenarbeiten verliessen. Allein, so wie 
sich die Verhältnisse seit diesem mehrjährigen Kampfe her- 
ausgebildet haben, können wir zwar unsere Sympathien jenen 
alten Gewerksmeistern nicht versagen, aber dürfen ihret- 
wegen und für sie auch nicht ohne Weiteres in den Kampf 
eintreten. Auch ein Zwang Seitens der Regierung, diese 
gleichsam getrennte Ehe wieder mit engeren Banden zu 
schliessen, würde nur zu grösserer Verbitterung führen; nur 
die volle Freiheit nene Verbindungen einzugehen, kann hier 
helfen. Das schlimmste uud gefährlichste Moment in der 
heutigen Verwilderung des Bauhandwerks liegt aln-r nicht 
sowohl in der immer unverschämter sich steigernden Lohn- 
forderung, sondern in der Verschlechterung der Arbeit. Es 
ist nicht zu verwundem, wenn alte Gewerksmeister, welche 
ihren ehrenwerthen Arbeitsstolz besitzeu, ihr Geschäft auf- 
gehen, da sie es nicht ertragen können, exorbitante Lohn- 
sätze zahlen, den Arbeiter so zart wie ein rohes Ei behan- 
deln und dennoch mit der schlechtesten Arln-it vorlieb nehmen 
zu müssen. Es ist ferner wahr, was insbesondere die Steiu- 
inetzmeister beklagen, dass der Lehrling nach kurzer Lehr- 
zeit, kaum mit den Handgriffen, geschweige denn mit den 
Feinheiten des Handwerks bekannt, bereits als Geselle arbei- 
ten will und in der Werkstatt Itci seiner Forderung unter- 
stützt wird, denselben Lohn zu erhalten wie der Geschick- 
testes denn daraufhin kann ja der letztere durch einfache 
Vergleichnng die Lobnschraube zu seinem Vortheil neu an- 
ziehen. — 

Als man bei Einführung der Gewerbefreiheit die Schwie- 
rigkeit voraussah, den Lehrling im Bilduugszwang zu erhal- 
ten, glaubte man, dass nunmehr in der freien Konkurrenz 
die Geschickten und Fleissigcn mit um so grösserer Strenge 
die Untauglichen aus ihrer Mitte selbst entfernen und dass 
letztere um so eifriger ihnen gleichzukommen suchen würden. 
Dass in der plötzlich durch politische Ereignisse herbeige- 
führten Steigerung der Bauthätigkeit bis zur Ausnutzung 
eines Jeden, der nur arbeiten will, eiue Scheidung der 
Leistungen nicht möglich werden, dass also die Preisregelung 
der Arbeitsqualität durch übergrosse Nachfrage verhindert 
werden würde, konnte mau nicht voraussehen; natürlich ist 
aber auf diesem Wege, auch ohne die sozialistische Erregnng 
der Gemüther in Betracht zu ziehen, der gute Arbeiter de- 
moralisirt worden. Wiederum kann man also die Verschul- | 



dung hierin nicht der (iewerbefreiheit zuschieben, wo für den 
langsamen Uebergang iu die neuen freiheitlichen Zustände 
keine Entwiekelungszeit übrig blieb. Wiederum wird man 
also auch nicht nach der Seite der Beschränkung unserer 
Gewerbefreiheit ein Heilmittel suchen könuen, ebensowenig 
wie man allein durch Einrichtung von Gewerkssehulen. 
Gewerltemtiseen etc., soviel Gutes sie auch anderwärts wirken 
werden, die Bildung des Arbeiters heben wird. Ks bleibt 
allein übrig, den Bildungstrieh des Arbeiters dadurch wieder 
zu beleben, dass man ein neues Vertraueusverhältniss zwi- 
schen Arbeiter und Meister herstellt, in welchem der letztere 
nicht als Spekulant, sondern als werkthätiger Künstler 
seiue Mitarbeiter zu sich heraufzieht. 

Die Zeit, in welcher die ewig bewunderungswürdigen 
gothischen Dome ausgeführt wurden.- sah in der Bauhütte 
den Architekten zugleich als Werkmeister; derselbe Mann, 
der den riesigen Plan erfand, staud auch seineu Lehrlingen 
und Gesellen so nahe, dass Jeder im Verkehr mit ihm er- 
messen konnte, welche Stelle im Bau der geistigen Bildung 
gegenüber der rohen Arlteitskraft gebührt; es musste sich 
zum müdesten das Gefühl der Achtung und Ehrfurcht dar- 
aus entwickeln. Heutigen Tages ist aber der die Arl>eit in 
der Werkstatt vertheilende Meister nur in seltenen Fällen 
auch ihr Erfinder, und es gehört keine allzugrosse Ueber- 
hebung Seitens des Arbeiters dazu, um sieh für befähigt zu 
erachten, des Meisters Stelle auch seinerseits ausfüllen zu 
können; die Person des Meisters imponirt ihm nicht mehr 
Wohl hat sich die Kemedur, welche durch die (iewerbefrei- 
heit hierin zu hoffen war, bereits faktisch angebahnt: es 
haben sich auch wissenschaftlich und artistisch gebildete 
Männer als Unternehmer etablirt, welche die schwierigen und 
kostbaren höheren Studien des Faches persönlich durchge- 
macht haben und Bedeuteudes in der Erfindung zu leisten 
im Staude sind. Aber auch diese neuen Elemente können 
sich dem materialistischen Strebeu der Zeit nicht so ent- 
ziehen, wie vielleicht es Männer thun können, für deren 
sichere Existenz der Bauherr in fester Besoldung sorgt: auch 
bei derartigen Unternehmern wird der Arbeiter meistens al> 
das Werkzeug zum raschen Erwerb angesehen und die 
Heilighaltung der Arbeit kann Ihm ihnen keine volle Pflege 
linden. Anderseits kann nur interessenlose Hingabe und 
ideales Streben des Meisters bei seinen Arlieitern Ehrfurcht 
und Hingal>e, Begeisterung und Nacheiferung erwecken; der 
Arbeiter muss. um iu seine alte Stelle treuer Mitarbeit wie- 
der einzutreten, Beispiele von Männern halten, für die es noch 
etwas Höheres giebt, als der materielle Gewinn. Wenn auch 
Talent, Kunstfertigkeit und ideales Strebeu gewiss eine gross»- 
Zahl der jetzt angegriffenen Meister auszeichnet, so lange sie 
nicht die Person des Arbeiters durch nähere Berührung 
gewinnen, durch Hingabe für ihr geistiges und leibliches 
Wohl sein Vertrauen wieder erwerben, ihm durch Heilig- 
hallting der Arbeil bis zur Verleugnung ihrer eigenen Iuter- 
essen Achtung einflössen, wird von dieser Seite für die 
Hebung der Bauhandwerker wenig zu erwarten sein. 

Viel eher wird sich eine gedeihliche Entwickeliing an 
die Person der Baubeniuten anknüpfen lassen, denen, trotz 
mancher Verkümmerung, Schinkels Vorbild betreffs der Mit- 
arbeit des Architekten an der Bildung der Nation in reinem 
Andenken stets vor Augen gestanden hat, welche allein 
durch die Zugehörigkeit zu den Organen eines, ohne ideale 
Zwecke gar nicht denkbaren Staates mehr Vertrauen vom 
Arbeiter verlangen können als der Spekulant, Ihm welchem 
meistentheils jeder Mehrverdienst des Arbeiters mit einer 
Verringerung des eigenen Verdienstes zusammenhängt. In 
solcher Lage befindet sich natürlich jeder angestellte Baube- 
amte .lein Arbeiter gegenüber, möge er vom Staate oder von 
der Kommune, oder von grösseren Ballgesellschaften, bezie- 
hungsweise Bauherren etc. engagirt sein. 

Ich wünschte nun. dass alle von diesen Baubeamten 
geleiteten Bauten iu Regie ausgeführt würden, dass also ohne 
die Mittelsperson des submittirenden Unternehmers alle Bau- 
arbeiten, vielleicht mit geringen Ausnahmen, von eigenen 
Bauarbeitern, nicht in grösseren oder kleineren Akkorden, 
sondern nur in Tagelohn ausgeführt würdeu, dass in einem 
Arbeitsverhällniss, in welchem das Leben nicht allein in der 
Arbeitsstrapaze gipfelt, die Arbeiter durch den ihnen nahe- 
stehenden Meister Zeit und Anregung erhielteu, um sich nichf 
blos als Arbeiter, sondern auch als Menschen zu fühlen. 
Zeit und Gelegenheit zu ihrer Weiterbildung fanden und in 
dieser Schule gebildet, eventuell auch mit Bewährungsattesten 
versehen, den Sauerteig abgäben zur Durchsäueruug des im 
Privatbau beschäftigten Gewerkes. — Eine solche Arbeits- 
verbindung, welche bei den fiskalischen Bauten einfach im 
Verordnungswege statt des jetzigen beschränkten oder öffent- 
lichen Submissiousverfalirens verfügt werden kann, scheint 



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mir die segensreichste Krönung der Gewerhefreiheit zn sein, 
da in der Freiheit des Baubcaiuten, sieh mit dem Arbeiter 
direkt wieder zu verbinden, der alte verherbesprochene Zu- 
stand der Bauhütten wiederhergestellt würde. 

Es bliebe nur zu beweisen, dass bei der gegen die Pri- 
vathauthätigkeit geringen Auzahl der in Regie auszuführenden 
•Staats- oder Koiumuualhauten sich eine solche Schule des 
Arbeiterstandes, wie ich sie wünschte, herstellen Hesse. — 
Wenn auch wirklich au Zahl geringer, so werden doch an- 1 
sere Staats- und Kommunalbauten fast durchweg in dem 
Sinne künstlerischer .Monumentalbauten entworfen, welche 
die Würde und Solidität, und gleichsam die Ewigkeit des 
staatlichen b-bens vor Augen stellen sollen. Wie einst auch 
die Hellenen nicht nach der Rentabilität ihrer Staatsbauten 
saheu, sondern das monumentalste und edelste Gestein, die 
eleganteste Arbeit, die bis zum Nagel durchdachte Form der 
Repräsentation ihres Staates allein für würdig hielten, so hat 
auch unsere Zeit entschieden Front gemacht gegen die dürf- 
tige Auffassung jüngst vergangener Dezennien, l ud wie sich 
an die Arbeiten der Akropolis von Athen, wie sich in 
neuerer Zeit an die Restauration des Kölner Domes blühende 
Steinmetzschulcn angeschlossen haben, so werden sich im 
Kegiebau durch alle Provinzen unseres Staates Bauhütten 
bilden, die Zucht und Sitte, Kuustgeschick und Arbeitsfreude 
verbreiten sollen. 

.Man könnte auch einwenden, dass der heutige Privatbau 
in grossen Städten monumentaler und daher lehrreicher ist, 
als der Staatsbau, und es ist allerdings nicht zu leugnen, 
dass in Betreff eines luxuriösen Baumaterials die Konkurrenz 
des Privatbaues bis ins l'unatürlichc gesteigert worden ist. 
Aber nicht im Material allein, mehr noch in der künstleri- 
schen Durchbildung liegt die Monumentalität, und in der 
Achtung auch vor der geringsten Bauarbeit liegt das zu be- 
tonende Bildungsiiioment. Darum muss gerade für deu Re- 
giebau die ausschliessliche Tagelohnleistung. die Fernhaltung 



zu Hast und Eile und damit auch zu unsolider Arbeit auf- 
fordernder Akkordarbeiten verlangt werden. Dass dadurch 
eine VertheuiTuug des Baues eintreten müsse, folgt noch 
keinesfalls und müssle immerhin durch Versuche erst koii- 
statirt werdeu. Es existiren im Gegeiitheil mehre Fälle, wo 
für Hochbauten, wie z. B. in Breslau, die Behörde den Weg 
des Regiebaues aus Sparsatnkeitsrücksichten beschritten hat 
und die besten Erfahrungen bereits erzielt sind- 

Nur allein der Gesichtspunkt, deu l'ebertheueruugen der 
Handwerksmeister in der Submission durch den Regiebau 
ein Paroli zu bieten, dürfte gar nicht betont werden, und 
wäre nur geeignet auf Seiten jener der Behörde so lange 
verbundenen .Männer Aufregung hervorzurufen; es verbleibt 
für den Staat die Pflicht, wenn der Regiebau als «las einzige 
Kettuugsmittel zur Hebung des gesunkenen Baugewerkes an- 
erkannt wird, für die Erziehung desselben auch Ausgaben 
zu machen, welche sich nicht nur in der höheren Solidität 
der Ausführungen, sondern in der Beruhigung des jetzt so 
hoch erregten Arbeiterstandes rentabel genug angelegt bezei- 
gen werden. Gegen die Uebwtheuerung können auch noch 
andere Auswege vorgeschlagen werdeu, welche die Normimng 
des Meisterverdienstes auch bei variablem Arbeiterlohn ins 
Auge fassen: allein in dem Gesichtspunkt der Beruhigung 
des Handwerkers durch Eröffnung neuer Arbeitsverbindun- 
gen muss der Regiebau angeordnet werden, mit der offen 
ausgesprochenen Absicht, den Arbeiter nicht als rohe Kraft 
auszunutzen, sondern ihn in der Arbeit weiterzubilden. Daun 
erst schützt sich die Behörde vor dem Vorwurf, in dem Streit 
zwischen Meister und Gesellen Partei ergriffen zu haben, 
und sie zwingt auch ih n Privatunternehmer durch ihr Bei- 
spiel, dem sinkenden, mehr und mehr verwildernden Ban- 
handwerke neue moralische Anker zuzuwerfen. • - 

Lichterfelde im Oktober 1H72. 

W. Tuck ermann, 
kgl. Baumeister. 



lebrr hanalUirun-; von Städte«. 

(ScIllUM). 

Ausser den gemauerten Kanälen kommen noch Thninohren in einen Klus« kein Hedenken entgegensteht. Mau entlehrt 

in Anwendung. Dass man diese auch eiförmig macht, halte ich daher durch sogenannte Regenauslässe oder Rc geu überfäl I e 

für eine Spielerei: in London sah ich auf der vorjährigen Aus- an geeigneten Stellen die Kanüle. Diese l' überfülle- sind wie 

Stellung in iler Albert -Hall eiförmige Kohren von O.t'O'» Höhe, ein Wehr konstruirt, und treten in Funktion, sobald die nor- 
atier auch kreisrunde von 0.10" 1 Durchmesser bis zu O.'.'O" hin- i male Füllung — bis zum Kämpfer des DcckengewOlhes — P r- 

auf. Hervorzuheben ist, duss mau feste gute Steiiigutrohren, reicht ist. 

welche innen und uusseu glasirt sind, verwenden muss, nicht Die Rücksicht auf diese gauz unentbehrlichen Regenaustässe 

lockeres i>oröses Material, welches in der Fabrikation den Drain- | bedingt daher, genau die Wasserstände der zur Entlastung iu 

röhren ähnlich ist und sich als durchaus nicht haltbar ge- Aussicht genommenen Wasserläufe zu studiren , um etwaiges 

zeigt hat. Hücktreten des Flusswassers in die Kanäle zu verhüten und 

Die zu wählenden Dimensionen sind in Verbindung mit versichert zu sein, duss die Auslässe hei allen Wasserständen 

dem Gefälle zu betrachten. Als Miniuialdinicusioncu würde ich fuuktionircu können. 

für Strasscnröhrcn 0,20™ Durchmesser, für gemauerte Kanäle Wirken diese Erwäguugeu, ebenso sehr wie die Rücksicht 
1,2" Hohe zu 0,s» Breite empfehlen, auch wenn die nach deu auf die Baukosten uud auf ungehinderten Ausfluss des Sammel- 
l'ckaimtcn Formeln gefundenen theoretischen Abmessungen be- kauals iu seinem unteren Ende — mag dieser nun in einen 
deutend geringer wären. Die grössten Dimensionen für Kanäle Flus*, in einen Pumpeusumpf. oder über Rieselfelder erfolgen 
habe ich mit 3,.'>" Durchmesser in London gefundeu, doch — darauf hiu, die Kanäle möglichst hoch zu legen, so siud zwei 
sehliesst keine technische Rücksicht eine Vergrösscrung des audere Momente vorhauden. welche für die M i ui mal tief e 
Durchmessers aus. Dagegen möchte ich für Röhreudurchmesser maassgebend sind. Das wichtigste ist. die Entwässerung der 
nicht über 0,-I.tO bis 0,')2.'i m hinausgehen, da mir die grösseren Keller. Hierfür wird im Allgemeinen eine Tiefe von etwa 3 ■ 
Stücke bis jetzt in der Fabrikation zu schwielig erscheineu und unter Pflaster, also von etwa 1,3«' unter Kellersohle genügen, 
zu vielen Zufälligkeiten ausgesetzt sind. Was das tiefälle be- Bei dieser Tiefeulage der Rohren kann aus Waschkellern etc. 
trifft, so thut man gut, zu steile Führung der Röhren und Ka- die Ableitung direkt iu den Strassenkanal erfolgeu, ohne dass 
nälu zu vermeiden, um eben dem Trockenlaufen der Leitungen man hei der üblichen Tiefe der Kellersohle von etwa 1,.V" unter 
und dem Festtrocknen etwaiger Siukstoffe entgegen zu treten: der Strasse befürchten dürfte, dass Itei hoher Füllung der Ku- 
duch hängt dieses ganz von lokalen Verhältnissen ab. Als Mi- ■ nälc eine Ueberschwemmung des Kellers stattfindet. Der an- 
nimalgefälle für Hausrohru mag mau 1 : M>, für Rohrleitungen dere Funkt ist die Einwirkung, welche die Kanäle auf das 
ohue besondere Vorrichtung zum Spülen 1 : 300, für Rohre mit Grundwasser haben. In unsern flachen (legenden sind die Ver- 
Spttlbetrieb 1:600 betrachten uud uur im äussersten Nothfall hßltnisse der Kellertiefe und des Gruudwasscrstandcs gewöhn- 
noch flachere Neigung anwenden. Für Kanäle geht man je nach lieh derart, dass bei Heb Igung der obengeuauuten Regel die 
der Grösse von 1 : *„'l)0 bis zu 1 : 2400. Kanäle mit ihrer Sohle in das (irundwasser tauchen: der er- 
Hei der Abmessung des Querschnittes ist die abzuführende leichterte Abfluss des Wassers in der Baugrube senkt deu Was- 
Maximul-Wasseruieuge maassgebend. Die Quantität des gewöhn- «erstand auf den Itenachhartcn Grundstücken uud diese Wir- 
liehen Verbrauchswassers verschwindet hierbei fast vollständig kung wird auch nach Heendicuug des Kauals nicht aufgehoben- 
gegeu die Regenmenge, welche bei uussergewöhulich heftigen Kinerseits die h.ckere llinterfüllung und ilie Wasserfäden, welche 
Regengüssen in die Kanäle gelaugt. Wenn auch der Regenfall sich an den Außenseiten des Kanals hinziehen, andererseits 
für Berlin z. B. durchschnittlich 0,602™ pro Jahr beträgt, so die Unmöglichkeit, die Kanäle absolut wasserdicht herzustellen 
giebt es doch Tage, an welchen 0,013 bis 0,020" Regen binnen und das Kinsickern von Aussen her zu verhindern, bewirken 
einer Stunde fällt, und es ist daher Vorsorge zu treffen, dass ein Hcrahgchcu des Grundwassers, wie sich dies am besten an 
der Theil des Regens, welcher wirklich iu die Kanäle kommt, dem Austrocknen der Keller und Hruuueu nachweisen lässt. 
und nicht vorher durch Verdunsten, Eiusiekcru etc. verloren Eine Senkung des (iruudwassers ist aber nach den umfang- 
geht, ohne IJeberfüllung der Leituugeu abgeführt wird. Für reichen Ermittelungen des berühmten Arztes Dr. M. v. Petten- 
diejeuigen Kanäle, welche einzelne Stadttheile entwässern, kofer iu München von ganz direkter und segensreicher Wirkung 
kommt man hierdurch auf keine außergewöhnlichen Dirnen- auf die Verminderung einer Reihe von Krankheiten, uuter wel- 
sionen, wohl aber für die Hauptsammelkauäle, und der Hau der- cheu Cholera, Typhus uud Lungcukrankhcitcn obenan stehen, 
selben würde sich ungemein vertheuern, wenn mau nicht auf an- Der L'mfaug* dieser Mitthciluug erlaubt es nicht, die zuletzt 
derweite Abführung des Regcuwassers bedacht wäre. Tritt uäiu- erwäbute Frage eingehender zu erörtern oder die anderen Punkte, 
lieb eiu solcher Regeufall ein, so spült, falls das Gefälle eut- welche noch zu berücksichtigen sind, in einer allgemeinen Dar- 
sprechend gewählt ist, die durch die grosse Wassermenge in Stellung zu besprechen. Ich ziehe daher vor, an Stelle dessen das 
den Kanälen und Röhren erzeugte Geschwindigkeit alle etwaigen für die Stadt Danzig ausgeführte Kanalisiruugs-Projekt in seinen 
Sinkstoffe sofort wea und verdünnt das in den Kanälen flies- Stadien der Berathung. Ausführung. Geldbeschaffung und Wir- 
sende Uauswasser in einem solchen Grade, dass seinem Eintritt kung durchzugehen, und hoffe an diesem konkreten Beispiele 

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- 360 - 



dasjenige klar stellen zu können, was allgemein gefasst zu weit- 
läufig ausfallen würde. — 

Danzig hatte einem dringenden Bedürfnisse Rechuung ge- 
tragen, als es sich zum Hau einer Wasserleitung entschloss. 
Bisher war das nöthige Trink- und Gebrauchswasser entweder 
aus dem Itadaunenbach und aus zahlreichen Brunnen, welche 
nber durch die bestehenden Senkgruben rtc. stark verunreinigt 
waren, oder aus den von Hausirern in fahrbaren Tonneu feilge- 
botenem Quellwasser der näheren Umgebung entnommen wor- 
den. Ein glücklicher Griff Hess zwei Meilern von Danzig ent- 
fernt ein Quellengebiet entdecken, welches reines Wasser in ge- 
nügender Menge und in einer solchen Höhenlage bot, dass es 
ohne Anwendung von Pumpen die Stadt zu versorgen geeignet 
war. Während man damit beschäftigt war, diese Quellen durch 
••in System von Saugedrains zu fassen und die Kohren zum 
llochrescrvoir und zur Stadt zu legen, wurde Seitons des Ober- 
bürgermeisters von Winter, der von seiner Amtstätigkeit als 
Polizei-Präsident auch hier gekannt und geschätzt ist, auch die 
Krage nach dem Verbleib der so in die Stadt zu führenden und 
durch den Gebrauch verunreinigten Wassermeugen in Angriff 
genommen. 

Auf Grund seiner Bekanntschaft mit dem bereits erwähnten 
Projekte für Berlin wandte er sieh au den Geh. Ober-Bau- Rath 
Wiehe mit der Aufforderung zur Projektirung eines Entwässe- 
rungssystems für Danzig, und dieses Projekt, au dessen Ausar- 
beitung auch der Zivihngenieur Vuitmeyer thätigeu Antheil 
genommen hat, ist der Ausführung zu Grunde gelegt worden. 
Einen wesentlichen Theil an der sofortigen Inangriffnahme hat 
auch die hiesige Firma J. «i A. Aird, welche sich bereit er- 
klärte, 70000 Thlr. unter dem Anschlüge das Projekt auszu- 
führen, falls sie die Arbeiten gleichzeitig mit der von ihr über- 
nommenen Legung der Wasserrohren ausführen kannte, und 
welche ausserdem die Reparatur- und Betriebs -Kostet! Tür die 
nächsten 30 Jahre übernahm, wogegeu ihr das Kanalwasser 
und das erforderliche Düueulaud zur Auiage einer Rieselfurm 
zur Verfügung gestellt wurde. Diese Farm ist bereits in er- 
folgreichem Betriebe. Es wurde bei der Aufbringung des Buu- 
kapitals der Grundsatz festgehalten, dass solche Aulagen nicht 
allein der gegenwärtigen Generation zum Vortheil gereichen, 
daher auch nicht aus den laufenden Einnahmen zu nestreiten 
sind, sondern dass eine Anleihe, welche durch allmälige Amor- 
tisation die Last auf eine Reihe von Jahren vertheilt, sowohl 
gerechter ist, als auch die Mittel zu einer energischeren und er- 
spriesslichereu Förderung des Baues bietet. — In der That ist 
die Kanalisirung Danzigs, welche im Herbst 18t;;» in Angriff ge- 
nommen wurde, bereits im Dezember 1871, also nach 2 V« jäh- 
riger Bautätigkeit, in dauernden Betrieb gesetzt worden. 

Ehu ich nun zu einer kurzen Beschreibung des Kanalsvstcms 
übergehe, milchte ich noch in Kürze eine Darlegung erwähnen, 
welche der Stadverordnete Dr. Lievin bei Gelegenheit der Geld- 
bewilligung vortrug s 

„Nachdem die Betriebskosten durch den Vertrag mit J. & 
A. Aird in Wegfall gekommen sind, repräsentirt die Verzinsung 
und Amortisation des Anlage- Kapitals von H000Ö0 Thlr., a'so 
rund 300OÜ Thlr., die jährliche Ausgabe für das Kanal netz. 
Wenn B. Latham (in seinem Gutachten über das Projekt der 
Kanalisation) auch vielleicht zu hoch greift, indem er auf die 
Reduktion der Sterblichkoitsziffer von 37 auf SO pro Mille, also 
bei 70000 Einwohnern auf die Erhaltung von jährlich 1200 
Menschenleben rechnet, so würde schon eine Reduktion um 3 
pro Mille, also um rund 200 Todesfälle jährlich, das Resultat 
ergeben, dass die Rettung eines Menschenlebens pro Jahr dem 
Zinscnbetragc von 150 Tnalern gegenübersteht. Da ferner auf 
jeden Todesfall durchschnittlich '25 Erkrankungen kommen, so 
hat mau pro Jahr 5000 Kranke weniger zu erwarten.' Noch 
wurde kurz auf die Erleichterung des Armen-Etats hingewiesen, 
die ausser diesen Erfolgen noch direkte Ersparungen erwarten 
lasse.*) 

Die lokalen Verhältnisse der Stadt Danzig schienen die 
Ausführung eines Kanalnetzes bedeutend zu erschweren, wo 
nicht unmöglich zu machen. Die Stadt liegt in der Niederung, 
von hohen Festungswällen und einem wassergefüllten Graben 
umgeben, so wie von dem Mottlau -Flusse in 2 Armen durch- 
zogen- Die Mottlau ist ein fast still jstehendes Gewässer, wel- 
ches von der Stadt bis zur Ostsee, d. h. auf etwa eine Meile, 
durchschnittlich nur 52"»» Gefälle hat. Bei Stauwind fliesst 
das Wasser sogar rückwärts aus der See bis zur Stadt Unter 
diesen Umständen war au natürliche Vorfluth nicht zu denken, 
und war es unerlässlich, zur Entleerung der Kanäle eine Dampf- 
pumpe aufzustellen. Dieselbe hat ihren Platz auf einer Mottlau- 
Insel — der Kümpe — gefunden und wird durch eiserne, unter 
dem Flussbett durchgelegte Rohre, sogenannte Dücker, von den 
Kanälen aus erreicht. Die Strassenroiirleituugen sind entweder 
so gelegt^ dass sie von ihrem oberen Ende von der Itadaune 
aus gespült werden können, oder stehen unter einander derart 

*| Klne Intereanaute- Anerkenuuuir il-j »folge« il-r in Danilg durchgeführten 
Kanalitienng hat jiingtt ein Mitglied der Bct liner Stadtverordneten - Vcrtammlunr 
.ii öffentlichem Vortrage gegeben. Denelb* bekannt», «I« «in heftig»« Oefawr d«r 
Kaaaltdrung nach Dann« gereiit in acln, dir dortige Anlaut mit dein lebhaft«'«! 
Hernühen. Mantal und Kaehthclle der«elb«n in entdecken, eingehend gemildert in 
n, durch da» An»rhaawn der betreffenden Klnriehtuiigrn aber ao gründlich van 
Irrihüment und Vorurtheilcn geheilt worden in «In, da«» «r vrm einen» 
In »Inen^Paul«. «ich Terwanditlt habe. Da wir glekhe Intelligen« und «l«kj>e 

<■»> daa empfehlen«» 

dee V«, 



iu Verbindung, dass man einen Spülstrom durch jeden Theil 
des Kohrstranges leiten kann, die „todten Enden" also durch- 
gehends vermieden sind. Um das Wasser aus den Strassen- 
röbreu der ganzen Stadt aufzunehmen und abzuleiten, sind Sam- 
melkauäle erforderlich; dieselben haben ein Gefälle von 1 : 1500 
bis 1 : 2400, eiförmigen Querschnitt und sind ganz aus Ziegel- 
steinen hergestellt. 

Die oben erwähnten Regenausläase sind an verschiedenen 
Punkten angebracht, wo die Kanäle eben der Mottlau nahe ge- 
nug kamen. 

Auf die Art der Hausanschlüsse brauche ich hier nicht 
näher einzugehen; diese Methoden sind in Berlin so gut durch- 
gebildet und so bekannt, dass etwas Neues darüber hier nicht 
zu sagen ist. Ebenso sind die Kasten, durch welche das Regen- 
wasser aus den Rinnsteinen in die Kanäle eingeführt wird, seit 
einigen Jahren in Berlin im Gebrauch. Das, wag als das Wesent- 
lichste an den Anschlüssen der Kücbcu, Kloaets, Höfe, Rinn- 
steine etc. zu betrachten ist, sind die Wasserverschlüsse, welche 
den Austritt der Kanalgase hindern, und welche bei den Klosets 
und Küchen bis zu '•>•»•» Wasserdruck stark sind, während auf 



den Strassen 



9mm angewendet werden. Dieser Unter- 



Inteilage iu geben, da« in «ein. für du l'lettam dar 
»ine Kxknninn nach - 




schied hat den Zweck, das Entweichen der Kanalgase in die 
Häuser unter allen Umständen zu verhindern , iu den Strassen 
möglichst zu vermeiden. Innerhalb der Häuser ist das Abfall- 
rohr — wenn auch nur durch ein Luftrobr von 20«"" — bis 
über das Dach hinaus zu verlängern, damit die Luft aus dem- 
selben frei und ohne Spaunuug entweichen kann, wenn das ein- 
tretende Wasser sie verdrängt, eine Einrichtung, welche kürz- 
lich durch polizeiliche Vorschrift auch für Berlin obligatorisch 
gemacht worden ist 

Was vorhin als etwas dem Danziger Projekt Eigentüm- 
liches erwähnt wurde, dass nämlich das untere Ende des Kaual- 
netzes durch einen Dücker geschlossen wird, verhindert das 
Eintreten des Wiudes in das System. Ein derartiger Abschluss 
ist durchaus nöthig, da anderenfalls alle Waaservcrseblussc 
durch einen anhaltend auf die Ausmündung des Kanals gerich- 
teten Luftstrom gesprengt und die Kanalgase in die Häuser ge- 
drückt werden würden. Man erreicht bei Austnüuduugcu iu 
Wasserläufe die Sicherheit gegen solche Vorkommnisse dadurch, 
dass man den Kanal bis in den Stroinstrich und zwar bis unter 
Nicdrigwas*er führt — bisweilen schlichst man das in freier 
Luft ausmündende Ende des Kanals durch eine Kluppe, welche 
von der Flüssigkeit nach Bedarf geöffnet wird- Ausserdem sind 
nach dem Vorhergesagten alle EinlasMiffuuugeu durch Wasser- 
verschlusse gesperrt- 

So lange nun der Abfluss des Wassers mit dem Zuflüsse 
gleichen Schritt hält, hat dies keinen Nachtheil, füllt sich »ber 
der Kanal bei heftigem Regen plötzlich an seinem oberen Ende, 
so wird die eingeschlossene Luft sich einen Ausgang erzwingen 
und trotz aller Vorsichtsmassregeln in die Häuser entweichen, 
wenn man ihr nicht anderweitig einen bequemen Ausweg ge- 
stattet. Die Vorrichtung nun zu einer solchen Ausgleichung der 
Luftspannung versteht man unter der Ventilation der Kanäle. 
Hierzu dienen bisweilen die Regenrinnen, welche ohne Wasser- 
verschluss mit dem Scheitel der Kanäle verbunden werden, 
besser aber eigens an den Häusern hinaufgeführte Röhren, weil 
das in den Regenröhren herabströmonde Wasser eine. Menge 
Luft in die Kanäle herabreisst und bisweilen den Austritt der 
Luft vollständig unterbrechen köuntc. Gewöhnlicher sind Oeff- 
nungeu, welche direckt in deu Strassendamm münden und in 
welcheu die austretende Luft durch ein Filter von Kohle des- 
infizirt wird. — 

Noch sind einige Worte über den Spülbetrieb zu sagen. An 
allen Strassenkreuzungen befinden sich Eiusteigebrunncn , in 
welche die Röhren münden. Durch Klappen wird es ermöglicht, 
das Wasser in den Brunnen anzustauen und plötzlich durch die 
Röhren (Hessen zu lassen. Der heftige Strom würdo genügen, 
sogar Ziegelbrocken etc., falls diese sich in die Röhren verirren, 
fortzutreiben. In dieser Weise ist eine vollständige Sicherheit 
gegen Verstopfen resp. Verschlammen der Röhren gewonnen, 
falls die Aufsicht genügend gehaudhabt wird. 

Bei den Kanälen lässt sieh diese Aufsicht durch regel- 
mässige Begehungen leicht erzielen, für die Röhren ist dieselbe 
dadurch ermöglicht, dass zwischen je zwei Einsteigeöffnungen 
sich ein Lampenloch befindet. Sowohl im Grundnss wie im 
Längenschnitt gehen die Röhren zwischen diesen Punkten ganz 
geradlinig, so dass von deu Einsteigeschächten das Licht einer 
in daa Lampenloch herabgelassenen Laterne wahrzunehmen ist. ' 
Werden nun Verschlammungen bemerkt, so sind dieselben durch 
wiederholte Spülung leicht zu beseitigen. Man hat sogar für 
ganz arge Vernachlässigung des Rohrnetzes, wenn nämlich sich 
lehmige Niederschläge gebildet hatten und festgetrocknet waren, 
Mittel gefunden, ohne zum Aufgraben der betreffenden Stelle 
zu greifen. Man kann nämlich von einem Einsteigebrunnen 
bis zum anderen leicht einen Bindfaden durchflössen, vermittels 
dessen mau eine eiserne Kette durchzieht, und durch deren Hin- 
und Herbewegung lassen sich dann auch diese Verunreinigungen 
des Querschnitts beseitigen. 

Mag mau nun die erforderliche Vorfluth iu einem Flusse 
finden, oder durch Pumpen künstlich schaffen, oder endlich die 
Hauswasscr direkt zum Rieseln verwenden, immerhin ist es 
wünschenswert!!, zur Vermeidung von Verschlammungen die Sink- 
stoffe, d. h. die Stoffe, welche sich niederzuschlagen geneigt sin ' 
und die schwimmenden Massen, welche in Korken, Papie 
stücken, bisweilen auch in unzertheilten f 



D. R«d. 



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- 361 



bei welchen eine Verbreiterung de» Kanal profilea Veranlagung 
wird, dass das llauswasser die gröberen von den suspendirten 
Stoffen fallen läast. Diese Schlamm fange werden meist paar- 
weise angeordnet, so das* sie abwechselnd geräumt werden 
kennen. In Daniig haben dieselben vor den DQckern ihren 
Platz gefunden. Das Auffangen der schwimmenden Massen ge- 
schieht in London durch eine Art Käfig von Eise/istäbcn, durch 
welche das llauswasser passiren muss. Bevor dieser Apparat 
behufs der Reinigung aufgezogen wird, lässt man eineu anderen 
hinter resp. vor demselben herab, damit nichts Schädliches in 
die Pumpen gelangen kann. Dies ist in London um so mehr 
geboteu, als wegen des Einführens noch nicht rcgulirter Bliche 
in das Kanalnetz bisweilen junge Hunde, Ratten, die bei den 
zeitweise bis oben gefüllten Kanälen ertrunken sind, etc. sieb 
im Hauswasser mit vorfinden. Um Uebertreibungen entgegen- 
zutreten , bemerke ich noch , dass bis jetzt auch zweimal eine 
Kinderleiche angeschwemmt ist — in Zeitungsartikeln klingt, es 
so, als ob dies täglich vorkäme. In Danzig hat man zum Durch- 
seihen des Hauswassers den von B. Latham erfundenen Srtrage 
rrtractor angewendet. Dcrscllw ist ein vertikal stehendes kreis- 
förmiges Sieb , durch welches die Pumpmaschine fortwahrend lang- 
sam gedreht wird. Ein Wasserstrahl, welcher von hinten den jedes- 
mal üben befindlichen Thcil des Siebes trifft, reinigt denselben 
und bewirkt, dass die aufgefangenen Stoffe in eine Rinne fallen, 
von wo sie durch eine archimedische Schraube fortgeführt wer- 
den. Von da gelangt das Hauswasser iu den Pumpeusumpf und 
wird durch ein 57""» Durchmesser haltendes Druckrohr nach 
dem Dünenterrain hinaufgedrückt. Eine Reservepumpe ist vor- 
banden, welche bei Reparaturen der ersten und bei ausserge- 
wöhnlichen Regengüssen in Funktion tritt. Wenn ich die Be- 
rechnung der Durchschnittsleistung sowie des Maximalkraftbe- 
darfs der Pumpen hier nicht vorführe, so bitte ich mich mit 
der Kürze der Zeit entschuldigen zu wollen. Dieselbe Entschul- 
digung mache ich dafür geltend, dass ich. ohne weitere Er- 
klSruug auf die Wichtigkeit hinweise, welche die Kanalisirung 
für die Pflasterfrage, d. h. für Keguiirung der Rinnsteintiefen 
und Riunstcingcfülle, für Furt Schaffung der Rinnsteinbrücken, 
für Anlage und Unterhaltung eines guten StrasRcnpflasters hat. 

In Bezug auf die bauliche Ausführung wird es genügen, Ihre 
Aufmerksamkeit auf die Bauzeichnungen von Frankfurt a. M. zu 
lenken. Die Herstellung dieser Kanüle erfolgte derart, dass diu 
Baugrube genau iu der nöthigen Breite ausgehoben und aus- 
' i die Steifen (oder Spriesscn) immer vertikal 



lagen. Bei tiefeu Baugruben wurde die Förde- 
rung des Bodens durch einen Zwillingskrahn bewirkt, der auf 
einem Geleise von 9,\\ m Spurweite stand. Der Krahn trug an 
jedem Arm einen Eimer von ca. 0,:iOkh m Inhalt, welcher gekippt 
werden konnte; diesem fuhrenden Krahn fulgto daun auf dem- 
selben Geleise eine kleine Dampfmaschine zur Wasserbewältiguug, 
sowie 5 — 6 auf Lowry's laufende Handwinden zum Herablassen 
des Baumaterials, wie Sandsteinsohlstücke, Ziegel, Mörtel und 
Wasser. Die Ziegel wurden in grossen Bottichen erst 1 . Stunde 
unter Wasser gesetzt, ehe sie herunter gegeben werden durfteu, 
" für den damit beauftragten Arbeiter die Strafe so- 



fortiger Entlassung auf etwaiges Zuwiderhandeln gegen diese 
Anordnung. Dio nierbei bewiesene Sorgfalt wnrde auch auf 
alle Einzelnheiteu der Ausführung, von der Absteckung und 
dem Nivellcmeut an bis zu der Herstellung des Mörtels und der 
Dicke der Lagorfuge ausgedehnt, erscheint aber auch als drin- 



gend geboten, da später etwa uothwendige Reparaturen nur mit 
uuverliältnissrnässigen Schwierigkeiten und Kosten ausgeführt 
werden können. Von diesen Kanälen — 1,88"» hoch , wurden täg- 
lich an jeder Arbeitsstelle bis 10 laufende Meter fertig gestellt. 

Bedeutend leichter und rascher geht das Legen der Thon- 
rohren vor sich. Die Dichtung erfolgt wie bekannt, durch Thon 
und dies ist auch maassgebenu für die Langen -Abmessung der 
Rohren. Es ist nämlich erforderlich, dass der Arbeiter nach 
dem Verlegen des Rohres mit der Band hineingreift, um den 
Stoss zu kontrolliren resp. gut auszuschmieren; man darf daher 
die Rohre nicht über 0,»>-'l m lang machen , wenn sie niebt etwa 
ho weit sind, dass der Arbeiter mit Kopf und Schultern hinein 
kann. F-ino Dichtung mit Zementmörtel ist anderweitig ver- 
sucht worden, man ist aber davon abgekommen, da es bei Haus- 
ausrhlüsscn öfter uöthig wird, einzelne Röhren herauszunehmen 
um Zweigstüeke einzusetzen, und Thondichtung dies gestattet, 
bei Zement aber stets ein Zerbrechen eines oder mehrer Rohre 
(da man dio Muffen nicht leicht rein machen kann) nöthig wird. 

Uni die jeweilige Arbeitsstelle bequem wasserfrei zu halten, 
arbeitet man am liebsten von uuteti nach oben, also gegen das 
Gefalle, Dies gestattet auch das leichte Einsetzen des Visir- 
kreuzes auf die Sohle des Rohrs Auch bei steilen Gefällen 
stellt man die Fluehtb<icke so, dass der Sehstrahl dem zu legen- 
den Thonrohr parallel ist, man also in einfachster Weise stets 
ohne Rechnung und mit demselben Visirkreuz arbeitet! kann. 

Wenn es mir schliesslich gestattet ist, noch eine Rekapitu- 
lation des über die Kanalisirung Gesagten beizufügen, so liegt 
nach dem bisherigen der wesentliche I ntersebied zwischen den 
hei uns bestehenden und den rationellen Kanälen, deren Bau 
wir erstreben, vor allem in der Form, welche einen möglichst 
geringen Widerstand neuen dio Bewegung des Wassers bietet, 
in der Abmessung des Querschnitt«, welche ebensowohl 
l'eberfüllung vermeidet, als auch für geringe WaRsermengeu 
Vorsorge trifft, und iu der sorgfältigen Verthuilung de« Ge- 
fälles, welche Senkungen und daher rührende Verschlam- 
mungen, d. h. Verringerung des uöthigen Querprofils, eben so- 
wohl als auch ungenügende Ausfüllung des Querprofils ver- 
hindert. Wird das Material ausserdem mit Sorgfalt ausge- 
wählt und behandelt, so sind die Vorbedingungen gegeben, den 
Lauf des Wassers au der Hand der Theorie zu verfolgen, und 
eingehende Beobachtungen haben deren l'ebcreinstimmuug mit 
der Praxis über allen Zweifel erhobeu. 

Wüuschenswerth ist es zur Fortspülung etwaiger Ablage- 
rungen, dass die Geschwindigkeit des Kanalwassers bei voll- 
fliessenden Röhren, also beim Spülbetrieb oder bei Regenwetter, 
0,<>0 bis 0,90'» pro Sekunde betragt. Dies wird bei Beobachtung 
der oben angegebenen Gefällsrerhältnisse sich erreichen lassen. 
Daun legt das Kuualwasser 2, I<> bis 3.24 Kn » pro Stunde zurück. 
Bei weniger, t. B. nur auf ' , der Höbe gefüllten Röhren ist die 
Geschwindigkeit nicht bedeutend geringer, die Abfallstoffe aller 
Art, namentlich aber die Fäkalstoffe, werden also noch frisch, 
ehe sie in Zersetzung übergehen können, aus der Stadt beför- 
dert. Hierin liegt der Gegensatz zu den leider hier vorzugs- 
weise bekannten Kanälen, welche bei unzureichenden Quer- 
schnitten und Gefällen eigentlich nur verlängerte Senkgruben 
sind, deren Inhalt in Gähruug begriffen ist. Der Umstand. 



man stets an derartige Anlagen denkt, wenn von Kauali- 
sation die Rede ist, hat den grössten Theil der Angriffe gegen 
rationelle " 



Mittheilungen aus Vereinen. 



Architektenverein zu Berlin. Versammlung am 26. Ok- 
1872; Vorsitzender Hr. Quassowski, anwesend 181 Mit- 
glieder und 23 Gäste. 

Nach Erledigung der laufenden Geschäfts - Angelegenheiten, 
welche diesmal die Vorstellung einer sehr bedeutenden Zahl 
von F'achgenossen, die sich zur Aufnahme in den Verein gemel- 
det hoben, umfassten, trägt Hr. Giersberg über einige von 
ihm besichtigte Heizung»- und Vcntilatious-Aulagen vor. 

In eingehender Beschreibung und unter Darstellung der 
wichtigsten Grundrisse und Durchschnitte führt der Hr. Vor- 
tragende zunächst dos von dem früheren Stadtbaumeister Hrn. 
Marx zu Magdeburg daselbst erbaute städtische Krankenhaus 
als Muster einer iu dieser Hinsicht gelungenen Ausführung vor. 
Das grosse, aus einem Kellergeschoß und drei Stockwerken 
bestehende Gebäude ist einflüglig nach einem sehr ciufachen 
Grundrissystcm entworfen, indem die für 12 Betten bestimmten 
Krankensäle von «,28» Breite, 10,ti7- Tiefe und 5,02'» Höhe 
je durch ein Wärterzimmer, eine Theeküche und die entspre- 
chenden Kloscts getrennt, längs eines grossen Korridors an 
einander gereiht sind; nur an dem einen Haupte des Gebäudes 
sind eine Anzahl kleinerer durch einen Querkorridor zugäng- 
licher Krankenzimmer angeordnet worden. 

Heizung und Ventilation sind mit einander verbunden und 
erfolgt deren Betrieb durch Pulsion und Aspiration mittels konse- 
quenter Ausnutzung einer in einem Anbau errichteten Dampfkes- 
sel-Anlage. Die aus dem Garten entnommene frische Luft wird in 
einem unter der Kellersohlc liegenden Kanal von 1.57XLK8 1 » 
Querschnitt in das Haus geführt und durch den von der Dampf- 
maschine betriebenen grossen Flügelventilator in den unterhalb 
des grossen Korridors befindlichen Hauptkaual gedrückt Von 
hier aus tritt dieselbe durch verschiedene Abzweigungen in die 
Heizkammern, woselbst sie sich an grossen mit "durch Dampf 
Wasser gefüllten Trommeln erwärmt, aus diesen In 



einen parallel dem Hauptkanal unmittelbar unter dem Fuss- 
boden des Erdgeschosses entlang geführten Warmluftkanal, und 
von da endlich mittels der einzelnen möglichst geukrecht empor- 
getuhrten Röhren in die Zimmer. Die Äbsaugung der schlech- 
ten Luft erfolgt durch ein System von Röhren, welche in einen 
auf der Hinterseite des Hauses angelegten Kanal münden; dieser 
steht mit dem 47 ra hohen Schornstein der Kessel-Anlage, in 
dem die eisernen Rauchröhren bis zu halber Höhe emporgeführt 
sind und mittels dessen auch die Küchen auf das Kräftigste 
ventilirt werden, in Verbindung. Der Eintritt der frischei/ 
Luft erfolgt während der Heizperiode durch Oeffnungen unter 
der Decke, die Absaugung der schlechten Luft durch Oeffnungen 
um F'ussboden der Zimmer. Im Summer wird durch Verstel- 
lung der betreffenden Klappen das umgekehrte Verhältnis.« ein- 
geführt; die frische Luft kann alsdanu mittels besonderer Ver- 
bindungskanäle aus dem Hauptkaual direkt in die obere Zulei- 
tung und aus dieser iu die Zimmer tretuu, doch ist mit bestem 
Erfolge (18* Zimmerteniperiitur bei 24« Wärme der äusseren 
Luft) der Versuch gemaent worden, sie auch im Sommer durch 
die Heizkammern zu führen und dort in deu mit kaltem Was- 
ser gefüllten Trommeln sich abkühlen zu lassen. 

Der Effekt der Einrichtung, an welcher der Hr. Vortragende 
besonders die vorsorgliche Opulenz hervorhebt, diu sich in den 
bedeutenden, eine Begehbarkeit und Reviaiou so sehr erleichtern- 
den Dimensionen der Kanäle, in der doppelten, jederzeit eine 
Ausschaltung und Reparatur ermöglichenden Anordnung sfimrat- 
licher Apparate u. s. w. äussert, wird als ein (vorzüglicher ge- 
schildert. Bei einer Eintrittsgeschwindigkeit der frischen Luft 
von nur I m ist auch nicht eine Spur von Zug vorhanden, ebenso- 
ist die Absaugung der verdorbenen Luft eine vollkommene. 
Ueber die Bau- und Betriebskosten der Anlage, die ansehe inend 
allerdings aussergewöhnlichc sein dürften, konnte Auskuuft nicht 



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- 362 — 



Hr. Giersbcrg bespricht sodann noch einige Beispiele neue- 
rer Luftheizungs-Anlagcn, insbesondere die Konstruktion der 
betreffenden Heizapparate. Als die gelungenste dieser Ausfüh- 
rungen wird von ihm die im Gymnasium zu Bielefeld von den 
Fabrikanten Reinhard ii Hlüiulein aus V ürzburg gelieferte Hciz- 
Einrichtung bezeichnet. Der Effekt ist ein zufriedenstellender, 
doch würde die Ventilation wohl noch eine vollkommenere sein, 
wenn zur Abführung der verdorbenen Luft statt eines grossen 
Zentral-Schorusteius deren mehre au verschiedenen Stellen an- 
gelegt uud mit einer Heizeinrichtung versehen worden wären. 
Der Heizapparat besteht aus Gusseisen mit Chamottc-Austutte- 
ruug uud beruht im Prinzip auf der bekannten Zusammen- 
setzung von Rijbreu , die das Feuer unter entsprechendem 
Wechsel seiner Richtung durchstreicht. Der Werth desselben 
beruht namentlich auf der vorzüglichen Dichtung und der sach- 
geuiässcn Auordnung der Rubren, die gegen ein Glübeudwerdeu 
vollkommen geschützt sind. Die Fabrikanten legen grosses 
Gewicht auf das Verdampfen einer grossen Wasser<,uantität 
in der Heizkammer {hier etwa 3U Eimer pru Tag), empfehlen 
alier, die Zuführung dieses Wasscro,uaiitums unabhängig von dem 
Dienste des Heizers zu machen 

Nicht ganz so gute Erfolge sind bei den Luftheizungs-Anta- 
cen der Töchterschule uud der Realschule in Essen er/felt wor- 
den, wo die Erwärmuug einzelner Zimmer sowie die Hube der 
überhaupt zu erreichenden Temperatur zu wünschen übrig las- 
sen. Der Apparat in jener ist ein dem vorher erwähnten ähn- 
licher Köhreuofcu: in dieser wird das Feuer der* Ofens durch 
mehre Bänke von Chamottniauerwexi zurückgehalten, die Heiz- 
kammer selbst wird durch zwei gusseiserne Platten, zwischen 
denen mit Sand gedichtete Vcrbinduiigsrobren sich befinden, 



getheilt. Ein anderer von dem 
vorgeführter, gleichfalls in Ess 



?rrn Vortragenden im Abbilde 
aufgestellter Ofen zeigt ein 



der Anordnung eines Lokomotivkessels ähnliches Röhrensystem. 

Der als Gast anweseude, durch den Hrn. Vorsitzenden als 
eines der ältesten Vereinsraitglicder vorgestellte Baurath Hr. 
Steenke giebt hierauf in Folge der an ihn gerichteten Auffor- 
derung eine kurze Schilderung des von ihm erbauten und ver- 
walteten Elbing-Oberländischen Kanals mit seinen geneigten 
Ebenen. Er erörterte hierbei die interessantesten technischen 
Momente des einen berechtigten Huf in der technischen Welt 
geuiesseudeu Werkes, namentlich die Erfahrungen, welche sich 
während des seitherigen Betriebes herausgestellt, halten (vid. 
Nr. 3'.i S. 31lt d. öl.), in ebenso anschaulicher und klarer, wie 
durch die Frische der Darstellung anziehender und anregender 
Weise. S'iuer Ansicht, dass die Einführung der geneigten 
Ebenen au Stelle der Schiffsschleusen sich nicht allein in diesem 
einzelnen Falle bewährt habe, sondern dass sie bei den unzu- 
reichenden Wasseruieugen unserer Flüsse das überhaupt einzw 
mögliehe Mittel sei. um viele der als nothweudig erkannten 
Kanal-Anlagen ausführen zu können, worden sicher nicht wenige 
Techniker beistimmen. 

Den Schluss der Versammlung bildete die Beantwortung 
einiger Fragen durch die Herren Ende, Streckert uud 
Ouassowski. Heiterkeit erregte unter diesen Frageu die eine, 
welche zu wissen wünschte, welche technische Persönlichkeit iu 
Breslau dem Metermaasse noch immer so hartnäckig die An- 
erkennung verweigere, dass die dortigen Wasserstandsbeobaeli- 
tuugeu nach wie vor im Fussmaass veröffentlicht werden. 

- F. — 



i für den Architekten- Verein In Berlin 
7. Dezember 1872. 

I. Entwurf zn einer Reitbahn von •20"' uud 3.V" Länge. 
Das unten sichtbare hölzerne Dach soll von eisernen architek- 
tonisch durchgebildcteu Bindern getragen werden. Die anzu- 
ordnenden Tribünen sollen 100 Zuschauer fassen. 

An Zeichnungen werden verlangt: ein Grundriss im Maass- 
stab vou 1 : 200, Facade und zwei Durchschnitte im Maasstabe 
von 1 : 100. 

II. Auf einer Sandbank an der Seeküste ist ein I.eucht- 
thurm vou 50™ Höhe zu erbauen. Die Höhenlage der Sandbank 
ist 1 "° über gewöhnlichem Niedrigwasser. ■>•» unter gewöhn- 
lichem Hochwasser und 4°' unter den höchsten Fluthen, abge- 
sehen von der Höhe der einzelnen Wollen. Der Uutergrund 
ist reiner Saud. Die Wabl des Materials ist freigestellt. Der 
Leuchtapparat ist gar nicht, die Konstruktion des Thurnica nur 
im Prinzip, die Fundirang aber speziell darzustellen. 

Alle wichtigen Maass«, Annahmen und Kcchnuugs-Rosultate 
sind iu den Zeichnungen an geeigneter Stelle einzutragen. 

Personal - Nachrichten. 

Preussen. 

Ernannt: Der Kreis -Baumeister Arend zu Hofgeismar 
zum Bau-Inspektor daselbst Der Bau-Eleve Heller jn Fulda 
zum Kreis- Baumeister in Worbis. Der Baumeister Funk zu 
Dramburg zum Kreis • Baumeister daselbst. Der Bau -Eleve 
Soff in Marburg zum Kreisbaumeister in Prümin. 

Die Bau meist er- Prü fu ng haben am 23. und 2<>. Okto- 
ber er. abgelegt: der Baufülirer und Feldmesser Johann Carl 



Vermischtes. 

Zu den Untersuchungen Aber die Einwirkung des 
Leuchtgases auf das Gedeihen der bäume werden wir er- 
sucht nntzutheilen, dass die in No. V.', erwähnten Resultate der 
neuerdings durch die Stadtbehörden Berlins veranlassten Er- 
mittelungen durchaus mit denjenigen übereinstimmen, welche 
der Ingenieur T. L. Wcstpha'leu zu Hamburg bereits vor 20 
Jahren angestellt uud im Jahrgang II der Zeitschrift f. Bwsn. 
p. :t:t»— 41 veröffentlicht hat 

Frequenz des Polytechnikums in Wien. Nach der durch 
den Rektor des Instituts gegebenen Rückschau auf das ver- 
flossene Lehrjahr betrug die Zahl der inskribirten Schüler i*72, 
wovon H.'»0 ordentliche, 122 ausserordentliche Hörer. li:!2 Schüler 
gehörten der Ingenieurschule, 42 der Bau-, 7» der Maschiucti- 
bauschule au, öl hatten sich der chemisch-technischen Schule, 
IU der allgemeinen Abtheilung (Lehramts-Kaudidaten) zugewen- 
det. — Dass die unter Professor R- von Ferste! stehende 
Bauschule einen verbältnissroassig geringen Umfang besitzt, ist 
eiue Thatsache, die uns überrascht hat 

Konkurrenzen. 

Die Konkurrenz für Entwürfe zum Bau eines GeBell- 
sohaft8hauses der Gesellschaft freiwilliger Armenfreunde 
in Klei ist durch das Preisgericht dahin entschieden, dass dem 
Entwürfe mit dem Motto .Diana" (Verfasser Architekt Fitscheii 
in Hamburg) der erste Preis, dem Entwurf mit dem Motto 
.Vorwärts", (Verfasser Architekt Moldeiischardt iu Kiel) der 
zweite Preis zuerkannt wurde. 



Ottuiaun aus Pr. Holland. Der Bauführer und Feldmesser 
Heinrich Schmitz aus Dortmund. Der Bauführer und Feld- 
mc>ser August de Groote aus Durtmund. 

Die Bauführer-Prüfung haben bestanden am 21.. 22. 
und S3. Oktober er.: Andreas Wien hol dt aus Pillau. Pa-jl 
Göttlich Böttger aus lleiligenstadt. Gustav Tolkmitt aus 
Wohlau, Kreis Ileiligenbeil. ' 

Gestorben: Der Bau-Inspektor Buchterkirch zu Star- 
ganl i Pom. 

Brief- und Fragekasten. 

Abonnent in B. Warum werden von der Breslaucr Bau- 
bank keiue Architekten der Hannoverschen Schule engagirt:- 
Jedeufalls aus persönlichem Gesckmack. Rücksichten, über die 
in einem so ausschliesslich privaten Verhältnisse wohl Nieman- 
dem ein Irtheil zusteht. Un der Thatsache selbst ist pn- 
ührigens Nichts bekannt. 

Hrn. II. in Hannover. B. iu Deutz. Wir halten die 
Frage einer Verwendung des Piaiiimeters zur Bestimmung der 
Damm- und Eiuschnittsmassen aus dein Läugcnprotilc durch die 
dem Aufsatze in Nr. 41 u. Bl. in Nr. 42 seitens des Hru. R. zu 
Theil gewordene Ktitik für vollständig erledigt und glauben 
daher auf einen Abdruck Ihrer Artikel unter bestem Danke für 
dieselben verzichten zu müssen. 

Hrn. F. N. in Lauen bürg a/E. Der Hauptwerth der 
Kubiktabellen des Berliuer Ilolz-Komptoirs beruht darin, das.- 
die prinzipiellen Annahmen derselben auf Beschlüssen der Ver- 
treter des Berliner Holzhandels beruhen. Iu Gegenden, in denen 
diese Beschlüsse nicht anerkannt worden sind, dürfte auch ein 
anderes der vielen ähnlichen Werke, über deren Richtigkeit unc, 
Zuverlässigkeit wir im Einzelnen kein Urtheil haben, dieselben 
Dienste thun. 

Hrn. C. B. iu Hamburg. Ein Werk oder eine ausge- 
dehnte Abhandlung über die Ursachen des Feuchtwerdens äußerer 
und innerer Mauern aus gebrannten Ziegeln ist uns nicht bekannt 
Insofern Wände wegen mangelhafter Isolining nicht von aufsteigen- 
der Erdfenchtigkeit durchzogen werden, kann ein Feuchtwerdf i. 
derselben selbstverständlich nur eine Folge atmosphärischer Nie- 
derschläge sein. Es ist eine vielfach gemachte Erfahrung, dass das 
Vorhandensein gewisser chemischer Bestandtheile (Salpeter, Sali 
|ip.), sei es in den Ziegelsteinen oder im Mörtel, den daraus herge- 
stellten Mauern die Eigenschaft giebt, Feuchtigkeit aus der At 
mosphäro anzusaugen; an Seeküsten will mau in dieser Bezie- 
hung namentlich einen höchst schädlichen Eiufluss des zur Mör- 
telbereituug benutzten Seewassers beobachtet haben. 

Konkurrent für das Vereinshaus-Projekt in Essen. 
Der uns vou Ihnen übersandte Auszug aus dem Protokoll der 
Jury enthält allerdings keine Beurtheilung der Entwürfe im 
Einzelnen. Da dieselbe indessen von vornherein kon Statut 
dass wegen Nichteinhaltung der vorgeschriebenen Kostensumme 
eigentlich kein einziger der Entwürfe konkurrenzfähig sei . so 
wird eine Einsprache hiergegen »ich nicht erheben lassen. Die 
Form der Abschrift lässt ohuehiu darauf schliessen, dass die 
Beurtheilung der 8 Entwürfe, welche bei Ertheiluug der Preise 
zur engeren Wahl gelangten, uur ausgelassen ist Wahrscheii. 
lieh wird sie den betreffenden S Verfassern vollständig mitge- 
theilt sein; ebenso hat das Protokoll der Anzeige nach tn Essen 
öffentlich ausgelesen. 

Beiträge mit Dank erhalten vou den Herrn K. iu St. Jo 
bann, IL in Berlin. 



C.rl ■••litt In B'Mt». 



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■ 



Jahrg. H. 



JI2 45. 



DEUTSCHE BAUZEITUNG 



Kedaktioa u T.ifti lion: 
BVrtia, <ir*ni»n»1nuM 10t. 
Beat«Uunc*n 
ubn-n-nm« n all» PutanUalleO 
und Huchkandi.mrn. 



Organ des Verbandes 

deutscher Architekten - und Ingenieur-Vereine. 

Redakteur K. E. 0. Fritsch. 



In. .rat« 

für 41» Lese? d«f deolirheo 
laden A.fn.haM 



Preis I Tbaler pra Quartal. 



Herlin, den 9. November 1872. 



ErsVbf lat Jf de n 



Inhalt: IM» l>>Tllloiibul»o Im SiaililtranlipiiliaiiHi in Dr.iil.li, — Zur 
sutiMItht»- rnttnurrnmit d«r (iewulb*. - M 1 1 1 li»l I u n I »w au. V»r*in*>it; Ar- 
rMMaan Vrr.ln in IttiUa - Vtraln rur KUi'BlohakniiiJy tu H Min. - V»r- 
mlifhl.i: ln«»nkfiirt>.utm m Ararrlka. IIa. T»i.-tim>tni>l»r. — li-l-r dl» 



Sl-hrrh-lt tu Ki<»nbalmb»lrirlMi. in.l , l -■ ilw Haluatfaal. - Uafca» ala H» 
handln»« iwu-r Wohnraum». — Aus d»r Facht UUraiur: Zaludirlft tat 
Barnim, rwtl*lrt «na ii. Krtik.n. Jahr*. IH», Haft V1U — X. r.raonal- 
Na-liri thlrn, llrfof- und Frag.kaatan. 



die 

Wie mit dein Waehsthum der Bevölkerung einer Stadt 
allgemeine wohlluhrtliche Institute in verhältnissmässig kur- 
zer Zeit unzureichend werden, so ist es auch gekommen, 
dass die Stadtgemeinde Dresden vnr etwa zwei Jahren zur 
Krweiterung ihres Sladtkrankenhauses zu schreiten hatte. 

In Erwägung, dass das bestehende Gebäude in seiner 
grossen Ausdehnuug vor etwa 2i! Jahren als ein altes. Wohn- 
zwecken dienendes Palais von der Stadlgemeinde erworben 



Der Unterzeichnete gieht die Planung eines solchen '. 
und gestattet sich hierüber Folgendes zu bemerken. 

Situation, Um ein in H Form gehaltenes, mit der 
Hauptfront nach Süden gerichtetes dreistockiges Mutterhaus 
schbessen sich im Projekt beiderseits je sechs, unter sich 
verbundene Pavillons an. wovon die nach Westen gelegene 
Hilft« vorerst zur Ausführung empfohlen und wie das Be- 
dürfnis* es erheischt, nach und nach errichtet werden soll. 



mit 




T 

u t 

und damals für die Zwecke der Krankenpflege so gut als 
möglich gewesen, eingerichtet resp. umgebaut worden ist, 
konnte weder von technischer, noch ärztlicher Seite die in 
Frage tretende Erweiterung als ein An- <Mler Aufbau behan- 
delt, sondern nur als ein Neubau empfohlen werden. 

Für diesen Neubau rausste natürlich das Bedürfnis« 
maassgebend sein, und fand sich nach vielseitiger Erörterung, 
dass demselben vorerst durch den Bau eines Hanpthauses 
(Mutterhauses), an welches eine Reihe von Pavillons sich 
anzuschliessen hat. entsprochen werden könnte. 

Nachdem über diese Baufrage von dem Unterzeichneten voll- 
standige Plane vorgelegt, entschied man sich zunächst für den 
r Pavillons zur Erweiterung der chirurgischen Station. 



Der Verbindungsgang umschliesst in der Mitte einen 
freien Baum, welcher als (iarten für Rekonvaleszenten dient. 
Die Intervallen zwischen je i Pavillons messen 17.1 2™ und 
werden ebenfalls als Gürten behandelt und benutzt! 

Die Längenaxe der Pavillons ist von Süden nach Nordon 
gerichtet, so dass die Krankensäle besonders der Morgen- 
und Abendsonne ausgesetzt sind. 

Konstruktion. Die Pavillons sind] durchgehend massiv, 
im Unterbau von Sandstein, im Oberhan von Ziegeln herge- 
stellt und derartig konstruirt, dass ersterer zur Abhaltung 
der Grnndfenchte resp. Bodenluft bei 2,75" Höhe vollstän- 
dig isolirt und vollständig überwölbt ist. 

Im (»berbau besteht der Fussboden bis auf die Flächen 



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— hCA 



I 



Über den Heizkammern aus Holz und ist zur Konservirung 
die Lagerung desselben in Schlacken und Salz bewirkt 

Die Deekenfläche des Krankensaales ist nach Maassgabe 
des Durchschnittes, insbesondere zur Verminderung der Ab- 
kühlungsflächen doppelt und im Ganzen als Hängewerk kon- 
struirt. 

Die im Rauin sichtbare Decke zwischen je zwei Uänge- 
werksstreben ist durch aufgelegte Leersparren in 5 Felder 
getheilt, welche im Räume mit 'i mm starker Pappe verkleidet 
sind. Letztere ist auf der sichtbaren Seite mit Gel, auf der 
Rückseite mit Asphaltlack überstrichen. Die Befestigung 
dieser Papptafeln ist durch Deckleisten auf dicht schliessen- 
dem Holzeinschub erfolgt. 

Die obere Fläche der untersten Sparrenreihe ist abge- 
schalt und mit Dachpappe abgedeckt. Unter Belassung eines 
20»" hohen leeren Raumes, welcher wie später dargelegt, 
zur Unterstützung der Ventilation mit in \crwendung ge- 
nommen, ist die oberste Sparrenreihe aufgebracht. 

Diese Süsseren Sparren sind H— von der Oberkante ab 
mit einem Fehlboden verseben, auf welchem ein I.ehmes- 
strich von 4'» Stärke aufgetragen ist. Die Sparrenober- 
fläche deckt eine genuthete Dacbschalune, auf welcher der 
englische Schiefer befestigt ist. 

Die eingezogene Decke des Dachreiters ist ganz so. wie 
die beschriebene äussere Dachfläche behandelt. Die Felder 
des Dachreiters sind, soweit dieselben nicht zu Ventilations- 
resp. Beleuchtungszwecken dienen, mit Hohlziegeln ausge- 
artet. 

Räumlichkeiten. Der Unterbau enthält 
zwei Heizkammern, 

den Raum, in welchem der Apparat zur Bereitung des 

heissen Wassers aufgestellt ist, 
eine Heizerstnbe, 

eine Garderobe für Eigenthumskleider der Kranken, 

eine Wäschkamraer, 

je zwei Holz- und Kohlenräume und 

in der Mitte einen freien Luftraum. 

Der Oberhau enthält einen grosseu Kraukfnsaal für 2S 
bis 32 Kranke, in dessen 4 Ecken mittels Bretterwand ein 
Wärterraum, eine Theeküehe mit Gaskocheinrichtung. ein 
Baderann), ein Raum für Schwerkranke und zwei Klosets 
abgeschnitten sind. 

Hierüber befinden sieh ausserhalb des Saales an einem 
Ende desselben und im Anschluss an den Verbindungsgang 
ein verglaster Raum zur Aufnahme der Rekonvaleszenten 
und ebenso am andern Ende ein solcher zum Einlegeu der 
Kranken während der Sommerzeit. 

Heizung. Die Heizung eines jeden Pavillons erfolgt 
im Unterhau mittels zweier Caloriferes' nach Kelling's System. 

Frische von Aussen gesaugte Luft gelangt an den Man- 
telflächen eiserner, tbeilweis mit Chamotte ausgefütterter 
Röhren zur Erwärmung und wird mittels eines im Scheitel der 
Heizkammer aufgesetzten Kaehelschlottes in den Kranken- 
saal geleitet. Der Kachelschlot selbst hat das Ansehen eines 
mitti r ii Ofens und sind die Ausströmnngsöffnungen 
der Wärme in ca. 2» Höhe, vom Fussboden gerechnet, ange- 
bracht. 

Die Wärme ist regnlirbar und kann, wie ans dem Län- 
gendurchschnitt ersichtlich, vor Einströmung in den Kran- 
kensaal durch die Klappe .1' mit frischer Luft gemischt, 
ebenso der einströmenden Wärmemenge ein beliebiger Feueh- 
tigkeitsgrad gegeben werden, je nachdem man in den zwi- 
schen je zwei Wärmeröhren eingehängten Kupferrinnen 
mehr oder weniger Wasser verdampfen lässt. 

Die Beschaffenheit der hierdurch erzeugten warmen Luft- 
mischung ist nach Ausspruch der Aerzte und nach Ausweis 
speziell angestellter Untersuchungen durchaus befriedigend. 
Ebenso ist der Brennmaterialverbrauch ein verhältnissmüssig 
sehr geringer, insofern, als während der kältesten Winter- 
tage von 70,71 und 71/72 beide Caloriferes eines Pavillons I 
pro Tag nicht mehr als 4 Hektoliter Kohlen erfordert haben, | 
um im Krankensaale eine Wärme von 1 1> — 17' aufrecht zu 
erhalten. Bei — 3» war es nicht nöthig, beide Oefen zu 
heizen, es wurde mit nur einem Ofen derselbe Effekt er- 
reicht und der Kohlen verbrauch auf täglich 2% Hektoliter 
herabgesetzt, dabei aber der Raum mit ventilirt. 

Ventilation. Zum Abzug der verdorbenen Luft die- 
nen 4 Ventilationskanäle, wovon je 2 in den Giebelwäuden 
des Pavillons angelegt sich vorfinden. Diese Kanäle, mit 
ff und 8 bezeichnet, fangen im Oberbau an der Decke an, 
gehen bis nach dem Souterrain herunter, wo dieselben eines- 
theils mit 4 Aspirationsschornsteinen, anderntheils mit 4 
Zirkulationskanälen kommuniziren. Die Saugessen sind über 
das Dach geführt und haben in ihrem Innern gusseiserne 
Rauchröhren. Durch die Rauchröbren zweier Sangessen geht 



der Rauch der beiden Caloriferes, durch die dritte der Ranch 
von dem Ofen zur Wassererwärmung. Die vierte Saugesse 
wird durch einen kleinen Treppenrost direkt geheizt. An 
den beiden Saugessen, deren Rauchröbren mit den Caloriferes 
verbunden sind, befinden sich elienso wie bei der zuletzt 
erwähnten, Treppenroste, auf welchen zu der Zeit, wo die 
Caloriferes nicht mehr im Betriebe sind, Feuer unterhalten 
I wird. 

Im Winter werden die unteren OefTnungen der mit den 
! Saugessen kommunizirenden vertikalen Ventilationskanäle H 
geöffnet, dagegen im Sommer die oberen OefTnungen S die- 
ser Kanäle. 

An jeder Langwand sind in den mittelsten Schäften 4 
i Kanäle angebracht, welche auf dem Fusslmden des Ober- 
baues anfangen und in dem bereits beschriebenen Luftraum 
der Dachkonstruktion ausmünden. 

Dieser zwischen der oberen und unteren Dachfläche 
eingeschlossene Luftraum kommunizirt andererseits durch 12 
Rohrstutzen mit der Anssenluft. Im Sommer bewirkt die 
Erwärmung der Dachfläche durch die Sonne ein Ansangen 
der Luft aus dem Pavillon, im Winter dagegen wird nur 
eine schwache Zirkulation von Aussen znr Abwendung von 
Verstockungen unterhalten. 

Die erforderliche frische Luft erhalten die Pavillons im 
Sommer durch dieselben OefTnungen des Kachelschlotes zu- 
geführt, durch welche im Winter warme Luft einströmt, und 
wird dieselbe ans dem freien, im Mittel des Unterbaues ge- 
legeneu Luftraum durch die Klappenöffnung X direkt ent- 
nommen. Dieser Luft -Kühlraum ist mit Zementfussboden 
i versehen und verträgt daher ohne Schaden Wasserspren- 
gnngen. welche, um die Luft zu kühlen, bei ganz heissen 
Tagen daselbst unterhalten werden. 

Ausser der beschriebenen Aspirations- Ventilation befin- 
den sich in dem Dachreiter 10 Stück gleichzeitig zu öffnende 
Jalousie -Fenster, welche im Sommer, namentlich wäh- 
rend der Nacht, aufgehalten werden. 

Durch die Konstruktion der Pavillons in Verbindung mit 
der beschriebenen Ventilationsanlage ist es möglich gewesen, 
im vorigen und dem jetzigen Sommer an den heissesteu 
Tagen die Temperatur im Krankenraum auf 4- IS bis höch- 
i stens 4- 19° R. zu halten. 

Die Luft im Krankeuraume ist durchgehends eine reine, 
j Nach den im vergangenen Frühjahr angestellten offiziellen 
Untersuchungen des Bezirksamtes T)r. Niedner hat sich er- 
geben, dass bei einer Temperatur von 17* R. in 1230 Tbei- 
len Luft nur 1 Theil Kohlensäure enthalten ist. und wird 
hierbei bemerkt, dass die Fenster des Pavillons nicht ge- 
öffnet (es waren sogar noch Doppelfenster vorhanden) und 
das Zimmer von HI Kranken und einer Wartefran bewohnt 
war. 

Zahlenangaben über den Erfolg der Ventilation müssen 
vorläufig noch zurückgehalten werden, da die sehr eingehen- 
den Untersuchungen, welche zur Frmitteluug der Ventilations- 
grösse angestellt werden, noch nicht völlig zum Abschlüsse 
gelangt sind. 

Bewässerung. Die Versorgung mit kaltem und war- 
mem Wasser erfolgt zur Zeit durch interimistische Vorkeh- 
rungen, wird aber nach Vollendung des Hauptgebäudes, der 
städtischen Wasserleitung und der allgemeinen Betriebsan- 
lagen in rationeller Weise vermittelt werden. 

Entwässerung. Zur Vermeidung von Nachtheilen für 
die Gesundheit der Krankenhausbewohner und für die der 
Anwohner des Kanals, welcher die abgehenden Wässer wei- 
ter führt, ist die Süwern'sche Desinfoktionsmethode angenom- 
men und vorläufig in kleinem Maas-stabe seit ca. IV» Jahren 
in Thätigkeit unterhalten. Diese interimistische Anlage be- 
steht in gewissen Vorkehrungen, durch welche die Oesin- 
fektion aller Abgangstoffe und Wässer noch innerhalb des 
Raumes erfolgt. Die Absonderung der festen von den flüssigen 
Steffen geht in einer ausserhalb der Gebäude befindlichen 
wasserdichten Grnbe vor sich. Die hier geklärte Flüssigkeit 
tritt in die Schleuse, während die gesenkten festen Stoffe 
durch Abfuhr ( welche bis jetzt nur ein Mal stattgefunden) 
beseitigt werden. 

Die Einrichtung ist von Herrn Ingenieur R. Röber aus 
Leipzig, demselben, welcher die Desinfektionsanlage im Leip- 
ziger Stadlkraukenhaus hergestellt, getroffen worden und ist 
bis jetzt nach dem Urtheil der Krankenhausärzte hierüber 
der l>este Erfolg zu berichten. 

Kosten. Die Baukosten eines Pavillons betragen inet. 
Gangantheil, Gas- und Wasserleitung, Bade- Einrichtung. 
Ofen und Ventilation, aber excl. Kanalisalious- und Desin- 
fektionsantheil. 13454 Thlr. \b Sgr. 

In einem Pavillon können bei|iiein 30 Kranke unterge- 
bracht werden, es kostet demnach ein Bett 448,4 Thlr. 



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- 365 — 



In dem gleichzeitig hier zu erbauenden Hauptgebäude, 
welches 14 grosse Krankensäle und 22 kleinere Kranken- 
zimmer, sonst nur einen Sektionssaal , 2 Wohnungen für 
Assistenzärzte und 2 dergl- für Oberkrankenwärter enthält 
und zusammen 150 Betten fassen wird, kostet die Anlage 
für ein Bett jedoch 761 Thlr. und sind hierbei die Kosten 
für Gas-, Kalt- und Warmwasser- Leitung sowie Desinfek- 
tion nicht mit eingerechnet. 

Dieser letzte Umstand, der technisch sehr wohl erklär- 
lich, lehrt, dass der Pavillonbau, da wo der Grund und Bo- 
den nicht zu theuer, unbedingt der billigste Ban ist. 

Es ist zwar nicht möglich, dass ein Pavillonsystem ohne 
Haupt- oder Betriebsgebäude bestehen kann, weil die An- 
lage kleinerer und abgesonderter Krankeuzimmer unvermeid- 



lich, ebenso gewisse Betriebsbedürfuisse lieh nur in ein sol- 
ches Haupthaus einlegen lassen, jedoch meine ich, dass, 
wenn billig gebaut werden soll, bei einer grösseren Anlage 
die Ausdehnung dieses Hauptgebäudes möglichst zu redt zi- 
ren und dafür die Zahl der Pavillons zu vergrößern sein 
dürfte. 

Werden die Baukosten grösserer Krankenhausanlagen 
zusammengezogen, so stellt sich heraus, dass der Aufwand 
für ein Bett da am billigsten zu stehen kommen wird, wo 
die grösstc Anzahl Pavillons vorhanden, wie dies sehr deut- 
lich durch die Leipziger Bauten nachzuweisen ist. 

Dresden, atn 8. September 1872. 

Th. Friedrich, Stadtbaudirektor. 



Zar Stabilität! •Interxichuns; der Gewölbe. 



Man sieht nicht selten, dass Ingenieure bei der Stubilitäts- 
untersuchuug vun Gewölben zwar die Drucklinie in der Weise 
verzeiebuen, dass sie den iloriznntulsrhub mit den die Belastung 
des Gewölbes repräscutirendeu Kräften der Reihe nach graphisch 
zusammensetzen, dass sie jedoch die Grösse des Horizontal - 
schubes zuvor durch Rechnung ermitteln. Wenn nun auch iu 
sehr vi eleu anderen Fällen eine zweckmässige Kombination der 
Rechnung und der graphischen Methoden am raschesten uud 
sichersten zum Ziele führt, so wird doch Jeder, dem die Kon- 
struktionen der graphischen Statik nur ciuigcrmaasscn geläufig 
geworden sind, nicht darüber im Zweifel sein, dass im vor- 
liegenden Falle das rein graphische Verfuhren entschieden deu 
Vorzug verdient, und dass daher Diejenigen , welche in der eben 
angedeuteten Weise zu Werke gehen, sich dadurch eines nicht 
unbedeutenden Yortheils, den die graphische Statik gewährt, 
begeben. Es scheint somit das Verfahren , die Grösse des Ho- 
rizontalschubes, resp. den Pol des dem Seilpolygon der Druck- 
linie zugehörigen Kräftepolygons graphisch zu bestimmen, we- 
niger bekannt zu sein als es verdient, weshalb es gerechtfertigt 
erscheinen^ mag, dass dasselbe, unter Zugrundelegung der be- 
kannten Werke von Culmann und Bauschinger, au dieser Stelle 
in Kürze erörtert wird, um so mehr, als auch die erwähnten 
Werke auf den allgemeineren Fall, nämlich Gewölbe von un- 
symmetrischer Form oder mit unsymmetrischer Belastung, nicht 
näher eingehen und Culmann auf Seite 491 seiner .Graphischen 
Statik* den Pol des Kräftepolygons für den einseitig belastetcu 
eisernen Bogen durch Probiren bestimmt. 

Zum Verständnis» des Folgenden ist es zunächst erforderlich, 
eiuen Sutz der graphischen Statik anzuführen , welcher lautet: 
.Sind zwei Seilpolygone aus zwei verschiedenen Polen ein 
und desselbeu Kräftepolygons verzeichnet worden, so schneiden 
sich die gleichnamigen' Seiten dieser beiden Seilpolygone auf 
ein und derselben geraden Linie, welche der Verbindungslinie 
der beiden Pole des Kräfte|K>lygons parallel ist Es seien bei- 
p,_ j, spielsweise in dem Kräfte- 

polygon Figur Ui die vier 
Kräfte 1 , 2, 3,4 nach Grösse 
und Richtung an einander 
getragen und sodann aus 
dem Pol C das Seilpolygon 
0 l II III IV K Fig. 1£, so- 
wie aus dem Poi i \ das Seil- 
polygon 0, I, ll t IlhlVt Vi be- 
schrieben worden ; dann 
schneiden sich je zwei gleich- 
namige Seiten dieser beiden 
Seilpol vgone, z. Ii. 0 I und 
tf, /, ,'odcr / // und /, //, 
oder /// IV uud ///, /»', u. s." 
w. in deu Puukteu a, b, d u. 
s. w. ein und derselben ge- 
raden Linie c </, welche zu der 
Verbindungslinie C Ci im 
Kräftepolygon parallel ist Der Beweis hierfür ist in Bau- 
schioger's „Elementen der graphischen Statik", §29 nachzusehen. 





Soll nun eine Mittellinie des Druckes in ein Gewölbe ein- 
gezeichnet werdeu, so hat nun vorerst über die Lage derselben 
gewisse Annahmen zu machen. Gewöhnlich stellt mau in der 
Praxis die Anforderung, dass diese Linie im Scheitel dis 
äussere und in deu Bruchfugen das innere Drittel der G^wölb- 



stärke berühre: liegt sie dabei überall im inneren Drittel des 
Gewölbes und überschreitet die Maximalpressung nicht die zu- 
lässige Belastung des Materials, so hat man auf alle Fälle mit 
hinreichender Sicherheit konstruirt, man mag nun der Schettler '- 
sehen Ansicht , der zufolge diejenige Mittellinie des Drucks 
die wahre ist, welche den geringsten llorizontalschub ergiebt 
und sich demnach im Scheitel und in den Bruchfugen den 
Gewölbkanten soweit nähert, als die Festigkeit des Materials 
gestattet, — oder der Culmann'scbeu Ansicht, der zufolge die wahre 
1 Mittellinie des Drucks sich der Achse des Gewölbes in der Art 
am meisten nähert, dass der Druck iu deu am stärksten kom- 
primirten Fugenkauten ein Minimum ist, beipflichten. 

Ein Maximum von Stabilität erhält man bekanntlich dann, 
wenn man die Form des Gewölbes so anordnet, dass sich eine 
durch die Mitten sänimtlicber Fugen gehende Mittellinie des 
Drucks dariu verzeichnen lässt, und es ist diese letztere nach 
Culmuuu dann auch die wahre Mittellinie des Drucks. Nach 
Schettler jedoch tritt letztere auch in solchem Falle, zufolge 
| des ein Minimum des Horizoutalschuhes bedingendem Prinzips 
vom kleinsten Widerstande, im Scheitel und in den Bruchfugen 
| so nahe an die Gewölbkanten heran, als die Festigkeit des Ma- 
terials gestattet, und fällt nur dann mit der Mittellinie des 
Gewölbes zusammen, wenn die Bruchfestigkeit des Materials 
. nur unter diesen Umständen noch eben hinreicht, die sich er- 
gebende Maximalfugcnpressung auszuhalten. Die Meinungen 
3er ausübenden Ingenicure scheinen getheilt darüber zu sein, 
ob die Scheffler'schc oder die Culmann'sche Theorie als die 
; richtige zu betrachten sei; die bei ausgeführten Gewölben sich 
zeigenden Erscheinungen, u. A. auch die Art und Weise der 
Druckübertragung in schiefen Gewölben, dürften wohl im All- 
gemeinen zu Gunsten der auf das Prinzip des kleinsten Wider- 
standes basirten Schefflcr'schen Theorie sprechen. 

Ob man indess die obenerwähnte oder eine andere Anfor- 
derung in Betreff der Lage der Mittellinie des Drucks im Ge- 
wölbe stellt, ist gleichgültig, stets läuft das Verfahren darauf 
hinaus, für ein gegebenes System von Kräften eine Drucklinie, 
resp. ein Seilpolygon zu verzeichnen, welches durch drei zum 
Voraus bestimmte Punkte geht, von denen zwei in den beiden 
Bruchragen, der dritte im Gewölbescheitel oder in der Nähe 
desselben liegt Wie diese Aufgabe ganz allgemein gelöst wer- 
den kann, ist weiter unten zu ersehen; hier soll zunächst der 
einfachere Fall eines Gewölbes von symmetrischer Form und 
symmetrischer Belastung in Betracht gezogen und an einem 
Beispiel erläutert werden. 

1. Beispiel: Gegeben das in Fig. 'lb dargestellte Gewölbe 
von symmetrischer Form und symmetrischer Belastung; die 
Drucklinie soll, vorläufig ohne Rücksicht auf den Erddruck, so 
eingezeichnet werden, dass sie im Scheitel das äussere, in den 
Bruchfugen das innere Drittel der Gewölbstärke berührt. — Es 
genügt in diesem Falle natürlich, nur eine Hälfte des Bauwerks 
zu untersuchen, da die Drucklinie ebenfalls eine symmetrische 
Gestalt erhält. Hat dos Mauerwerk gleiches spezifisches Gewicht 
wie das Hinterfällungsmaterial, was bei Ziegelmauerwerk un- 
gefähr zutrifft, so bildet die obere Begrenzung des Hinter- 
füllungsmaterials zugleich die Belastungslinie; besteht dagegen 
das Bauwerk aus Bruchsteinmauerwerk , so erhält man die Be- 
lastungslinie, indem man die Höhe des Hinterfüllungsmuteriala 
im Vernältniss der spezifischen Gewichte, also etwa wie 5:4 oder 
3:2, auf die Höhe einer gleich schweren Mauerwerk smasse re- 
duzirt. Die ßclastungsflächc theilt man durch vertikale Linien 
in Lamellen von gleicher Breite, worauf die Länge der Mittel- 
linie einer jeden Lamelle als Repräsentant des Gewichtes der- 
selben gedacht werden kann; kommen einzelne Lamellen von 
abweichender Breite vor, so ist deren Fläche zunächst auf die 
Normalbreitc zu reduziren. In Figur 24 sind die Lamcllen- 
grenzen puuktirt, ihre Mittellinien ausgezogen. Die Längen der 
letzteren, odur einen bestimmten Tbeil dieser Längen, trägt man 
der Reihe nach aneinander uud erhält so das Kräftepolygon ; in 
Fig. '2a wurde der vierte Theil der Länge der Lamellen -Mittel- 
linien aufgetragen. Gewöhnlich kann man die letzteren mit ge- 
nügender Genauigkeit zugleich als die Schwerpunktslinien der 
Lamellen betrachten, somit erübrigt nur noen, den Pol des 
Kräftepolygons zu bestimmen, um das Seilpolygon der Druck - 
liuie verzeichnen zu können. Zu diesem Zweck ist zunächst 
der noch unbekannte Punkt der Bruchfuge , in welchem die 
Drucklinie das innere Gewölbdrittel berührt, nach bestem Er- 
messen anzunehmen; es sei dies z. B. der Punkt b , so dass als 



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— 366 - 



Belaatungsfläebo der vorläufig angenommenen Bruchfuge *Iir> 
Lamellen 1 bis b in Betracht kommen. Der Punkt e im Scheitel 
ist durch die Forderung, das» daselbst die Drucklinie durch da* 



Fl«, »b. 



Fiir- Si. 




äussere Drittel der Gewölbstärke gehen soll , gegeben. Denkt 
man sich nun die Drucklinie, vorerst schätzungsweise uach vor- 
läufiger Annahme, durch die Punkte r und b gehend verzeichnet 
und im Pnukte h eine Tangente an dieselbe gezogeu, und zieht 
man durch den Punkt Ii des Kräfte|iolygi>ns eine Parallele zu 
dieser Tangente, so giebt der Schnittpuukt C derselben mit 
einer durch den Punkt 0 gezogenen Horizontalen die approxi- 
mative Lage des Poles au und es bezeichnet zugleich die Länge 
0 C die approximative Grosse des bei symmetrischer Belastung 
und symmetrischer Gewölbeforiu natürlich horizontal gerichteten 
Scbeitelscbubes. Verzeichnet mau nun aus dem Pole C das in 
Fig. 16 puuktirt angegebene Seilpolygon der Drucklinie, so wird 
man im Allgemeinen finden, dass dasselbe noch nicht der An- 
forderung, in der Bruchfuge das innere Gewölbdrittel zu be- 
rühren, genügt, indem der in der Bruchfuge belegene Punkt a 
dieses Polygons etwa ans dem inneren Gewolbdrittel hinausfällt: 
aus dem Verlauf des gezeichneten Seilpolygons wird sich aber 
jetzt mit hinreichender Genauigkeit die bisher unkekauute Lage 



des Punkte» 6 beurtheilcn lassen und es ist demnach nunmehr 
eine neue Druekliuio zu konstruiren, welche durch den Punkt c 
und den jetzt genauer ermittelten Punkt b geht. Es ist leicht 
zu ersehen, dass die gerade Linie, auf welcher sich die gleich- 
ii am iura Seiten des bereits gezeichneten und des neuen, ge- 
suchten Seilpolygons (resp. Drucklinie) schneiden, eino durch 
den Punkt r des Scheitels gehende Horizontale sein muss, denn 
der beiden Polygonen gemeinschaftliche Punkt r liegt auf dieser 
Linie; letztere muss aber ausserdem der Verbindungslinie des 
Poles C mit dem noch zu bestimmenden Pole, t\ parallel »ein: 
diese Verbindungslinie aber kann nur horizontal sein, duuu wäre 
sie es nicht, so ISge der Pol (\ nicht auf der durch den Punkt 
0 gezogenen Horizontalen 0 C, es könnte mithin der Scheitclschub 
nicht horizontal gerichtet und die Drucklinie in ihren den beiden 
Gewölbebälften entsprechenden Zweigen nicht symmetrisch sein, 
was doch vorausgesetzt wurde. Verlängert man daher die Seite 
' , des puuktirt. oi Seilpolygons bis zu ihrem Schnittpunkt ä mit 
der durch den Punkt c gezogenen Horizontalen und zieht darauf 
// b, so erhält man sofort die Seite *'. des gesuchten Polygons 
und eine durch den Punkt 5 des Krüftepolvgons parallel zu // /> 
gezogene Linie ergiebt in C t den richtigen P>>1 fiir das gesuchte 
Scilitolygon und in der Länge UV, den richtigen llorizoulalschub. 
In Fig. '2b ist das neue Seilpolygon ausgezogen und mit den 
Uuchstabeu rhgr bezeichnet. Da dasselbe die Druckliuic «der 
Kiehtuugsliuie des Drucks, aber nicht die Stützliuie oder Mittel 
liuio des Drucks, d. h. die Verbindungslinie der Angriffspunkte 
des Drucks in dun aufeinander folgenden Fugen darstellt . - 1 
ist der Punkt g. in welchem es die F'undamentsohle schneidet, 
keineswegs der Angriffspunkt des Drucks daselbst Als letzteren 
erhält uj.m vielmehr den Punkt f, indem man durch den Schnitt- 
punkt c der Polygonseite mit der Schwerpuuktslinie der La- 
melle ü eine Parallele zu der Linie 9 l\ des Kräftepolygons 
zieht , denn dann giebt e f die Richtung der Resultireadeu 
sämmtlieher auf die Fundamentsohle wirkenden Kräfte an, und 
es bezeichnet die Lange a C, im Kräftepolygon die Grosse dieser 
llesiiltirenden. Der Punkt f ist also maossgebend hinsichtlich 
der Stabilität des Widerlagers gegen Kanten; fällt derselbe in 
das innere Drittel der Widerlagsstärke , was man möglichst iu 
erreichen suchen wird, so nimmt der ganze Mauenjucrschnitt 
an der Druckübertragung Theil, was auch stillschweigend vor- 
ausgesetzt war, indem die ersten Lamellen (i und 7 des Wider- 
lagers mit ihrer vollen Hohe im Krfiftc|>ulygoii in Rechnung 
gebracht wurden. 

(FortMUaag Mgl.) 



Mittheilungen 

Architekten - Verein zu Berlin. Hauptversammlung am 
'2. Nuvembcr 1872; Vorsitzender Herr Streckert, später Herr 
Boeckmanu, anwesend 88 Mitglieder und l> Gäste. 

Als einzige Geschäfts - Angelegenheiten kommen zunächst 
die Auswahl der fiir das nächste Vereinsjahr zu haltenden Jour- 
nale und die Aufnahme neuer Mitglieder zur Erledigung. Die 
erste bleibt'uuf den Vortrag des Oberbibliothekars Hrn. V ranzius 
im Wesentlichen die bisherige: es wird ein Journal abgeschafft, 
4 neue werdeu hinzugefügt, so dass die Anzahl der in der Bi- 
bliothek aufliegenden technischen Zeitschriften nunmehr 89 be- 
trägt Zur Aufnahme in den Verein gelangen die Um. Aunecke, 
Beckmann, Hessel, Blau. Bleich. Bohne, Coerper, Fuhrenholtz, 
B. Fischer, Fuhrberg, Gotter, Macseier, Uoeft, Kachel, Küster, 
Lorck, Nienhausen, Posch. Schwieger, Seeliger, Steeubock, Stol- 
terfoth, Thierichens und Wentzel in Berlin, sowie als auswärti- 
ges Mitglied Herr Baurath Merckel in Detmold. 

In dem dritten Theile seines Vortrages über die Theorie 
des Schalles entwickelte Hr. J. W. Schwedler sodann die Be- 
dingungen für die Rejektion des Schalles von gekrümmten Flä- 
chen; ein praktisches Beispiel für die Anwendung dieser Theurio 
führte er schliesslich durch MitUieilung einiger über die Akustik 
der Thomaskirche zu Berlin angestellter Untersuchungen vor. 
Wenn der Referent wiederholt bedauern muss, dass die Natur 
des in diesen Vorträgen gebotenen Stoffes, die es den meisten 
Zuhörern wohl nur unter angestrengter Spannung möglich machte, 
dem Redner zu folgen, einen Bericht an dieser Stelle völlig aus- 
sehliesst, so glaubt er dafür im Namen Aller den lebhaften 
Wunsch aussprechen zu können, dass recht bald eine ausführ- 
liche, mit den uöthigen graphischen Darstellungen versehene 
litterarische Bearbeitung des Gegenstandes erscheinen möge. 
Den grössteu Nutzen würde eine solche namentlich dann stif- 
ten, wenn sie neben der Kutwickclung des für akustische Un- 
tersuchungen erforderlichen theoretischen Apparates eine mög- 
lichst grosse Zahl von direkten Untersuchungen in Betreff be- 
kannter Räume vorführen wollte, deren akustische Zweckmässigkeit 
oder Unzweckmässigkeit feststeht. Das Resultat solcher Studien 
praktisch zu verwertheu und iu allgemein gültigen Grundsätzen 
für die Gestaltung der zu akustischen Zweckeu benutzten Innen- 
räume auszuprägen, ist eine Aufgabe der Zukunft, un deren Lo- 
sung die gesarnmte Fachgenossenschaft Theil nehmen muss. Wie 
derselben bereits durch die in Nr. 33 d. Bl. besprochene, gleich- 
falls zunächst im Architektenvercine zu Berlin vorgeführte Pu- 
blikation Ort h's eine dankenswerthe Anregung wurde, so würde 
sie sicher die wirksamste Forderung erhalten, wenn erst die be- 
treffenden Arbeiten J. W. Schwedlcr's zum Gemeingute Aller 
geworden sein werden. 

Die im Fragekasten enthaltenen Fragen wurden durch die 
Hrn. Schwedler and HSsecke beantwortet. — F. — 



aus Vereinen. 

Verein für Etsonbahnknnde zu Berlin. Versammlung am 
S.Oktober 1872. Vorsitzender llerr Weishaupt, Schriftführer 
Herr Streckert. 

Herr Oberbeck theilt ein von Herrn Garcke in Hanno 
eingegangenes Schreiben mit, worin derselbe, veranlasst durch 
den :n ,1er vorhergehenden \ crsaimuluug des \ ereins gehalten, i 
Vortrag über zwei Entgleisungen auf dem Bahnhofe Landsberg 
der Rerlin-Anhallischeii Hahn, die seinerseits gemachten Beob- 
achtungen und angestellten Untersuchungen über zwei unter 
ähnlichen Umständen stattgehabte Entgleisungen, bei welch-, 
gleichfalls die Züge aus der Weiche, also mit der Richtung d-r 
Spitze gefahren waren, ausführlich bespricht. Die Entgleisungen 
haben gleichfalls kurze Zeit nach einander stattgefunden, die 
erste au einem Sonnabend, die zweite an dem darauf folgendeu 
Montag; bei beiden zeigte sich an dem an die Weiche anschlies- 
senden Sebiencnpaar eine Spurerweiterung von 4 bis 5*°>; welche 
als eine Folg« der Entgleisung betrachtet werden musste. Die 
angestellte Untersuchung ergab, dass die Schienen und Schwellen 
in einem guten, untadelhaftcn Zustande sich befanden, dass 
jedoch die Mutterschiene der Weiche an der Stelle, wo die Zunge 
beginnt an dio Schienen sich anzuschmiegen, durch den Rail- 
, reifen frisch angegriffen war, sowie dass zwischen der Oberfläche 
der Zunge und der Fahrschiene eine Höhendifferenz von 
4rom vorhanden war. In diesem Höhenunterschiede hatte das 
Rad einen Widerstand gefunden und wurde iu der Richtung der 
Bewegung abgelenkt Das Fahrzeug wurde gegen die gegenüber- 
liegende Schiene gedrückt, welche hierdurch aus den Befesti- 
gungsniittelu gelöst, eine Spurerweiteruug zeigte; die* halte 
schliesslich ein Umkanten der Schienen zur FoIge ( da der Wider- 
stand der Nägel zu gering ist, um in diesem Falle, wenn der 
seitliche Druck, beziehungsweise der schiefe Stögs grösser wie 
der senkrechte (die Belastung) ist, das Umkanten der Schieneu 
zu verhindern (wie dies v. Weber in seinem Werkchen r dio Sta- 
bilität lies Eisanbahugestäuges" au Beispielen so richtig nach- 
gewiesen hat). Zwei Tage vor der ersten Eutglcisung war auch 
liier eine neue Mutterschieue eingelegt worden und ist dieser 
Umstand als die Ursache der Entgleisung zu betrachten; die 
Schienen sind fast durchgängig aus weicherem Material wie die 
Zungen hergestellt, so dass eine raschere Abnutzung der ersle- 
reu stattfindet: die Zungen, welche beim Auswechseln der Mutter- 
sebieuen noch brauchbar, aber schon etwas abgenutzt sind, 
schlicssoii dann nach dem Einlegen einer neuen Schiene gewöhn- 
lich nicht ganz genau an die Mutterschiene an, federn u. s. w., 
so dass es sich ouipGehlt, jedesmal beim nothwendigen Einlegen 
einer neuen Schiene die ganzo Weiche herauszunehmen, in der 
Werkstatt nachsehen zu lassen und statt derselben eine andere 
vollständig revidirte Weiche einzulegen. 

Der Vorsitzende knüpft hieran einige Mittue düngen über 



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— 3f»8 — 



die erwähnt«- Schrift v. Weber' s und Sprach &odanu eingehen- 
der das von demselben Verfasser herausgegebene Werk „die 
Prasis des Iiaues und Betriebes der sekundären Eisenbahnen", 
welches sich, wie alle Schriften v. Weber's. durch vorzügliche 
Behandlung des Stoffes, grosse Gründlichkeit und treffende 
Kritik auszeichne, daher zum Studium warm empfohlen werden 
köunc. 

Herr Piesauer gab hierauf unter Beschreibung der einzel- 
nen Metboden du» Arbeitsbetriebos in Einschnitten eine solche 
über den englischen Eiuschnittsbotrieb bei Eisenbahnen unter 
Bezugnahme auf dir' diesen Gegenstand behandelnde Broschüre 
von Rziha, — beschrieb die in derselben erwähnten Arbeits- 
den Logen-, Strosseu-, Seiten-, Röschenbau und zeigte 



daraus unter Erwähnung verschiedener Beispiele, dass bei An- 
wendung des englischen TSinschnittbetriebes bei einem Einschnitt 
von 16 1,1 Tiefe und 500'» Länge in mildem gebrächen Gebirge 
bei 208,000 kb™ Masse die LobnersparnisB 40 V., einem gleich - 
gestaltete:! Einschnitte in leicht schiessbarem Gestein 20% und 
in festem Gestein 14*.. und die Zeitersparnis« in allen vorer- 
wähnten Fällen 20 bis 30» . betragt. 

Am Schlüsse der Sitzung wurden in üblicher Abstimmung 
Herr Bauiuspektor Krüger als einheimisches Mitglied und die 
Herren Berghauptmann Serlo und Stcrnke, Oberingenieur der 
Ostpr. Südbahn, als auswärtige Mitglieder in den Verein auf- 
genommen. 



Vermischtes. 

In Amerika. 

Die Bauujjternehmungen in Amerika verfolgen wir zunächst 
wohl deshalb mit allgemeinem Interesse, weil sie uns durch ihre 
Großartigkeit, ihre Dimensionen impouircu- Die Berichte von 
dort weisen aber noch einen anderen Zug auf. der uus Anregung 
zu gewähren geeignet ist. Da* ist die Frische und Uuverdros- 
seuheit, mit der uusere Kollegen jenseits des Ozeans an die Lö- 
suug schwieriger, ia bedenklicher Aufgaben herantreten — oder 
heranzutreten in der glücklichen Luge sind- 

Von diesem Gesichtspunkt aus sei uns vergfiuut, zunächst 
kleineu Unternehmens (technischen Kunststückes) zu er- 
wähnen, welches immerhin seiner eleganten Durchführung wegen 
bemerkenswerth ist. Es ist die Verschiebung eines Fa- 
brikschnrnsteins. Die Cabot Company zu Brunswick fand 
es nöthij, wegen Vergrößerung ihrer Baumwolleufabrik den 
24 ■ hohen, unten 2,36™, oben 1,52™ im Geviert nicsseudeu 
Schornstein, im Gewicht von über 100 T , um ti" 1 zu verschieben. 
Mau baute zu diesem Zweck Bahnen wie auf den Schiff-helliugen, 
mit ebener geschmierter Oberfläche, unterfing den Scborusteiu 
durch die Bahn und den darauf stehenden Schlitten und be- 
wegte den letzteren mit seiner Last durch 2 Schrauben in 
4'i Stuuden um die vorgeschriebene Strecke. Die Züge waren 
um 1 Uhr Nachmittags ausser Verbindung mit dem Schornstein 
gesetzt, um 9 L'hr au demselben Abend wurden sie wieder da- 
mit verbunden, Feuer augemacht, und der Dampf ging wie- 
der au. 

Gehen wir nun zu grösseren Unternehmungen über und 
berichten zuerst über diejenigen, die uns bereits bekannt sind, 
so haben wir uns vor Allem des glücklichen Fortganges der 
Arbeiten zur S pre ugu u g der Felsenriffe im Eastriver 
bei New-York zu erfreuen. Uuserm früheren Bericht (pag. 338 
d. lfd. Jg.) über dieses, einem grossen Ucbelstaude bewunderns- 
würdig gründlich abhelfende Verfahren fügen wir hier nur die 
Notiz hinzu, dass zur Sprengung der unterseeischen Minen 
300 Ztr. Dynamit verwendet und mit einem Male durch Elek- 
trizität angezündet werden sollen Wenn diese kolossale Spren- 
gung, wie man hofft, gelungen sein wird, beabsichtigt man noch 
2 andere Felsbänke auf dieselbe Weise fortzuräumen, und gedenkt 
im Jahre 1X74 die Fahrt durch den Eastriver frei und sicher 
zu haben. Auch glaubt man eine Überschreitung des Kosten- 
anschlages nicht befürchten zu müssen. 

Weit ungünstiger lauten in letzterer Beziehung die Nach- 
richten über den zweiten, den Eastriver betreffenden Riesenbau, 
die von] Rohling entworfene Hängebrücke zwischen 
New-York undBrooklvu. Hier sind die Thürme tHaupttraee- 
pfeiler) an beiden Seiten des Flusses noch nicht vollendet und 
schon sind die Millionen verausgabt, welche für den ganzen 
Brückenbau veranschlagt waren. Ein ganzes Heer von raubsüch- 
tigeu Politikern und deren Anhang hat die Gelegenheit ergriffen, 
sich hierbei zu bereichern. Die Beamtengenälter lieziffern sich 
— selbst nach amerikanischen Begriffen — aussergewOhnlich 
hoch. Und dem ersten Baubeamten wird ausserdem nachgesagt, 
dass er sich bei Gelegenheit der Lieferungen unehrliche Ein- 
nahmequellen eröffnet habe. 

Auch der Tunnel unter dem Detroit - Flusse im 
Staate Micbigau, welchen wir auf pag. 25 unseres Jhrg. 1871 
beschrieben, scheint nicht so rasch vorwärts zu kommen als mau 
hoffte. Unerwartete Schwierigkeiten haben sich in den Weg 
llt, so dass man erst mit dem Versenken der 15™ tiefen 
liäehte (Brunnen aus ZicgL-lmaucrwcrk auf einem 1,57™ Dm. 
haltenden, 2,4™ hohen Eisenring) behufs Herstellung des Ent- 
wässeruugstuuuels bat beginnen können. Dich schreitet das 
Werk rüstig vorwärts und der Ruf des Ingenieurs Cbesbrough, 
welcher sich bereits bei der Tuunelaulage iu Chicago bewährt 
hat, scheint sein Gelingen zu verbürgen. 

Unter den neuen Lnteruehmuugeu zeichnet sich die von der 
peruanischen Regierung beabsichtigte Eisen bahn- und Damnf- 
schifflinie quer über den Kontinent von Südamerika 
durch Grossartigkeit und Kühnheit aus. Sie wird die Anden in 
einer Höhe von 4270» über dem Meere überschreiten und somit 
nur 300"» unter der Grenze des ewigen Schnees bleiben. 

Dem ganz eisernen Agua de Varrugas-Viadukt, (eben- 
falls in Peru) können wir trotz seiner recht erheblichen Hohe 
von rot 77™ kein besonderes Gefallen abgewinnen. Denn wie- 
wohl uusere Notizen zu einer eingehenden Beurtheilung des Bau- 
works nicht ausreichen, lassen seine durch Fiuk'sche Einxelträ- 
ger überspannten (4) Oeffnungen und seine sehr breiten (in der 
Richtung der Längenaxe des Viadukts 15™ oben wie unten), aus 
je 12 Säulen bestehenden Pfeiler kaum auf einen Fortschritt 



gegen die Bauart schlicssen, welche sich in der alten Welt für 
derartige Werke herausgebildet hat. 

Die Eisenbahnbrückc über den Mississippi bei Da- 
venport in .Iowa scheint die bisherigen Ausführungen der 
Art an Grosse zu übertreffen, da der drehbare, zwei gleiche 
Oeffnungen überdeckende Brückentheil eine Länge von 11 1,5™ 
hat. Der Bewegungsmechanismus scheint dem der Ousebrücke 
bei Grole in Euglaud (cfr. pag. 359, Jhrg. 18U7 d. Ztg) nachge- 
bildet zu sein. Wenigstens ist, wie dort, hydraulische Maschi- 
nerie vorhanden, diu durch eine Dampfmaschine in Bewegung 
gesetzt wird. Nur besteht die Füllung der hydraulischen Ma- 
schinen nicht aus Wasser, sondern aus reinem Glyzerin, das 

"trückentheils 



aus einem über der Mitte des drehbaren Br 
brachten schmiedeeisernen Reservi.ir in die Pumpen niedernieast, 
welche es iu die hydraulischen Zylinder drückeD, die dann mit- 
tels Drahtseilen die Bewegung der Brücke veranlassen. Die 
Einfachheit der Maschiuerie wird hervorgehoben. 

Da wir nun einmal wieder bei den .grossen" Brücken sind, 
so sei noch zuletzt eine solche erwähnt, der wir wohl den Ruhm 
werden lassen müssen, die längste der Welt zu sein. Sie misst 
nämlich 24 Kilometer und überschreitet die beiden Flüsse Mobile 
und Teusas, sowie dazwischen liegende Sümpfe. Sie enthält 
10 Drehbrücken. Ihr Material ist Holz auf eisernen Jochen, die 
auf eingerammten hölzernen Pfählen stehen. 



Das Tacheometer. In gegenwärtiger Gründungspenode 
ist mau wohl daran gewohnt worden, bei einem neuen Unter- 
nehmen alle nur denkbaren Momente zur Empfehlung desselben 
augeführt zu sehen, dass aber schliesslich auch die Instrumente 
des Geodäten herbeigezogen werden, dürfte mindestens unge- 
j wohnlich sein. Die Berliner Börsenzeituug vom 23. Sept d- J- 
I No. 445 enthält nun in einem Artikel über die Chemoitz-Aue- 
Adorfer Eisenbahn und die Sächsische Eiscnbahnbau-Gesellschaft 
folgenden Satz: «Nicht ohne Interesse ist, dass die Sächsische 
Eisenbahnbau - Gesellschaft, unseres Wissens zum ersten Silt 
in Deutschland, bei den Terrainaufnalimen das Tacheometer in 
Anwendung bringt. Ein neues Instrument, das nicht blos die 
zeitraubenden Arbeiten mittels Setzlatte uud Kette ganz und 
sar ersetzt, sondern auch weit sicherere Resultate liefert, mit 
deren Hülfe es möglich ist, die denkbar günstigste und tech- 
nisch beste Liniu aufzufinden. Namentlich in gebirgigem und 
koupirtem Terrain, wie es von der Chemnitz-Aue-Adorfer Eisen- 

Tacheom«- 
Höhc dtr 



lung ües 
auf die 



ters von ganz hervorragendem 
Baukosten." 

Es dürften nun, wie ich annehme, manche Fachgeuos*en be- 
gierig gewesen sein zu erfahren, was es denn eigentlich mit 
diesem wunderbaren Instrument Tacheometer auf sich hat. 
Schreiber dieses sah sich veranlasst, Erkundigungen über das- 
selbe einzuziehen, deren Resultat er hier mittheilt. Das Tacheo- 
meter ist nichts weiter als ein gewöhnliches sogenanntes Uni- 
versal-lnstrumeut, also ein zum Niveltireu tauglicher Theodolite, 
mit welchem es auch den ganzen äusseren Aufbau gemeinsam 
hat Das spezifisch Eigenthümiichc des Tacheometer« ist, oder 
vielmehr soll sein, der Distanzmesser, welcher von seinem 
Erfinder (?) Porro in Mailaud jenen Namen empfing, den ir...: 
später auf das ganze Instrument übertragen bat. 

Dieser Porro'schc Distanzmesser ist ein Fadcndistanxmesser. 
also ein Fernrohr mit drei horizontalen Fäden, von denen die 
beiden äusseren als Distanzmesser, der mittlere aber zum Ni- 
vellireu dient. Ein solcher Distanzmesser giebt bekanntlich 
jede in senkrechter Gesichtsrichtung auf die Latte (oder parallel 
zum Erdboden) gemessene Distanz D nach der Formel: 



D = k.L+(j, + e) 

worin /. den zwischen den Fäden beobachteten Lattenabschnitt 
p die Brennweite des Objektivglases im Fernrohr, c den Ab- 
stand dur Objektivlinse von der Instrumeutenmitte oder dem 
Punkte, über dem man sich zentriscb aufgestellt hat. bedeutet ; 
'!' <") ist demnach für jedes Instrument eine Konstante. Die 

p 

Hauptkonstante k des Distanzmessers ist stets = y. wenn* der 

Abstand der beiden Parallelfäden ist. 

Die Distanz D hat demnach ihren Anfangspunkt in der 

Instrumentenmitte und ihren Endpunkt an der Latte, dort wo 
diese von der zum Boden parallel gerichteteu Fernrohr-Axe ge- 
troffen wird. Bei geneigtem Boden erfordert demnach jede 
solche Distanz noch eine Reduktion, um die horizontale Entfer- 
nung des Aufstellungspuoktes des Instruments vom Fusspunktc 
der Latte zu erhalten- Porro vernachlässigt nun den Werth 
(p +-<•) wegen seiner Unbcdouteadheit und weil die Fadendiatanz 



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messer ohnebin nnr Distanzen bis zu 100» mit derselben Schärfe 
wie ein« gute Kettenmossung gebeu {'/,.» der Länge), Dis- 
tanzen bis zd 250» aber nur big '/„, der Länge genau gegeben 
werden. Er setzt also geradezu: 

B - k I. 

und giebt nun durch entsprechende Wahl von p und t> der Kon- 
stanten * = ~ den Werth 100. so dass also jede gemessene 
o 

Distanz stets da« 100 fache der an der Latte abgelesenen Zahl 
beträgt und mau daher an dieser nur das Komma um 2 Stellen 
nach rechts zu verrücken braucht, um jene gelbst zu erhalten. 

Dies ist nun einmal nicht« prinzipiell Neues, da schon 
Reichenbach vor 40 Jahren anf eine derartige Wahl der Kon- 
stanten k hinwies, dann aber heisst es den Werth eines Instru- 
mentes von vornherein herabsetzen, weun man dessen Leistungs- 
fähigkeit durch Hinweglassung eines theoretisch wesentlichen 
Gliedes abschwächt. 

Ilm ganz richtig zu sprechen, will ich jedoch noch erwäh- 
nen, dass Porro das Glied (p -f- c) eigentlich doch nicht igno- 
rirt, sondern dass er vielmehr das Instrument derartig adjustirt, 
da&g eben bei ciüer Distanz von '200» L — 2» ist, somit dio Be- 
besteht und erfüllt wird 
200 = * . 2 + {p + c ) 
Beispiel für {p + r) =0.4» folgen würde: 

2 * 

Eine derartige Adjustirung des Instruments wird erreicht 
durch entsprechende Stellung des Objektivs. Bei ff = 200'» ist 
somit wirklich L = 2», also der 1U0. Tbeil der Distanz, jede 
andere Distanz als 200» muss aber unrichtig gegeben werden. 

So ist z. B. für ein an der Latte abgelesenes Maass /. . -. 
0,165-, die wahre Distanz = 99,8 . 0.167. + 0.4 = 16.867», wäh- 
rend l'orro geradezu setzt ff = 100 L = 16,5"; Fehler dem- 
nach 0,367» bei 16,8» also relative Genauigkeit 
_ 0,367 _ 3C7 _ 1 
— 16,8 — 168Ö0 — 46 

Ich glaube es ist nicht uothwendig, auf weitere Details ein- 
zugehen, um zu zeigen, dass das Tacheometer nun und nimmer 
das leisten kann, was in dem erwähnten Artikel behauptet 
wird. Denjenigen Kachgeuoasen, welche trotzdem etwa Verlan- 
gen nach einem solchen Instrumente tragen sollten, diene zur 
Nachricht, dass dieselben von Herrn Porro in Mailand, früher 
in Paris für den Preis von 800 Francs also circa 220 Thlr. ge- 
liefert werden, lu Oesterreich sind sie durch den Hofrath Nörd- 
linger eingeführt worden, haben jedoch anscheinend keine weiten! 
Verbreitung gefunden. K. F. 



Ueber die Sicherheit des Eisenbahnbetriebes, insbe- 
sondere das HaltesignaL Unter vorstehendem Titel giebt 
Herr Eisenbahubauinspektor Niemanu aus Breslau im 5. lieft 
des Ifud. Jhrg. des Heusinger'achcn Organs eine Mittheilung, in 
welcher er, anknüpfend an einen bestimmten Eisenbahnunfall, 
die Frage erörtert, welche Wegstrecke durch ein Haltesignal 
wirksam gedeckt wird. Er macht zunächst auf eigenen Beobach- 
tungen beruhende Angaben über die Zeit, die von dem Augen- 
blick, wo ein Haltesignal sichtbar wird, bis dahin zu vergehen 
pflegt, dass die Bremsen deg Zuges angezogen sind. Sodann 
stellt er Formeln auf, um den Weg »u ermitteln, den ein ge- 
bremster Zag bis zu seinem Stillstände durchlaufen wird. Die- 
ser ist natürlich ie nach der Schwere und Geschwindigkeit des 
Zuges, der Anzahl der Bremsen, der Nässe oder Trockenheit 
der Schienen und dem Gefälle der Bahn ein verschiedener. Un- 
ter den zur Erläuterung der Formeln berechneten Beispielen 
wollen wir nur das hervorheben, bei welchem sich der Weg am 

frflssten ergiebt. Es ist dasjenige eines Kourierzuges mit 1 Lo- 
omotive und 20 Axen. darunter 6 Bremsaxen, welcher mit 
20» Geschwindigkeit ein Gefälle von 1 : 100 abwärts fahre. Er 
würde nach 64:5» zum Stillstand zu bringen sein. 

Nach Beschreibung eines ferneren Unfalls, bei welchem ein 



Zug, vermuthlich durch Unachtsamkeit des Zugpersonals, auf 
einer über 800™ langen Strecke nicht zum Stehen kam, schliesst 
die Mittheiluug mit den Worten: .Jedenfalls kanii mau aus 



einem solchen Falle, wenn er sich wirklich zuträgt, die Lehre 
nehmen, dass es uothwendig ist, bei misslicbem Wetter die 
höchste Vorsicht anzuwenden, eventuell die Bremskraft der Züge 
zu verstärken, damit bei ungünstiger gestellten Haltesigualen 
die Sicherheit nicht verloren geht. 

Weiss der Lokomotivführer, dass er bei seinem Zuge, um 
ihn zum Halten zu bringen, auf schlüpfrigen Schienen eine 
Strecke von mehr als 600™ gebraucht, so wird er vermuthlich 
seine Fahrt mit grosser Aufmerksamkeit danach einrichten und 
besonders an Punkteu, an denen er ein Haltesignal erwarten 
kann, in vollster Vorbereitung eintreffen.* 

Diese Sätze wird gewiss Niemand bestreiten wollen. Wir 
möchten aber die Konsequenz weiter treiben und statt der be- 
sonderen Maassregeln zur Wahrung der Sicherheit bei „ungün- 
stig gestellten Haltesignalen* es vielmehr dahin gebracht se- 
hen, dass überhaupt keine ungünstig gestellten Haltesignale 
vorkommen. Dies fässt sich mit Hülfe des Distanzsignals un- 
ter allen Umständen erreichen. Wenn dasselbe hinreichend weit 
vor den gefährlichen Punkt (Weiche, Drehbrücke, Niveaukreu- 
zung u. s. w.) vorgegehobeu, von dem an jenem Punkt aufge- 
stellten Wärter mittels Drahtzuges bedient und mit dem Me- 
chanismus des beweglichen Gleisetheiles oder dem konkurriren- 
den Krenzungssigual so in Verbindung gebracht wird, dass das 



Haltciignal nur beseitigt werden kauu. wenn die Bahn wirklich 
fabrliar ist, so dürfte hier im Prinzip der höchste mögliche 
Grad von Sicherheit erreicht sein. Dass die Konstruktion der 
Signale, der Drahtzüge pp. eine derartige »ein muss, bei welcher 
Störungen in der Wirksamkeit nicht vorkommen können, ist 
selbstredend. Ks ist jedoch um so weniger uothwendig hier 
näher auf Details einzugehen, als ziemlich vollkommene und 
praktische Konstruktionen von Distanzsignalen bereits mehrfach 
ausgeführt sind. Wie weit das Signal vorgeschoben werden muss, 
um wirksam zu decken, darüber giebt die Mittheilung des Herrn 
Niemann sehr dankeuswertbe Fingerzeige. 

Nur einen Puukt möchten wir hier noch anregen. Bei Hal- 
tesignalen, die einen bestimmten Punkt in der Bahn decken 
sollen, (also abgesehen von den auf freier Bahn durch die Bahn- 
wärter uuter linstäudeu zu gebenden Haltesignalen) ist es zu 
derou vollkommeuer Wirksamkeit allerdings erforderlich, das«, 
wenn sie geschlossen sind, niemals, auch nur wenig, über sie 
hinaus gefahren werde. Freiherr v. Weher giebt in seinem 
.Telegraphen- und Signalwesen" (pag. IU6) deshalb die Be- 
stimmung: der Führer, der bei einem Tages- oder Nacht - Halt- 
signale vorbeifährt, wird hart bestraft. Nun ist aber bei neb- 
ligem Wetter absolut unmöglich, den in voller Fahrt befindlichen 
Zug noch vor einem unerwarteten Haltesignal zum Steheu zu 
bringen. Auch würde es den Betrieb in unzulässiger Weise 
belästigen, wenn an Stellen, wo Haltesignale erwartet werden 
können, die Kührer liei Nebel immer so langsam fahren sollteu, 
dass sie auf die oft sehr kurze Strecke, wo sie das Sigual wirk- 
lich sehen, noch halten können. Es dürfte also zur Durchfüh- 
rung jener gewiss logischen Bestimmung des Herrn v. Weber 
erforderlich sein, vor das eigentliche Haltesignal ein Avertisse- 
ments (Langsamfahr-) Siguul so weit vorzuschieben, dass der 
Kührer, wenn er dies geschlossen findet, unter allen Umständen 
im Stande ist, vor dem eigentlichen Haltesignal zu halten. Dies 
kann daun ziemlich nahe au dem gefährlichen Punkt stehen, so 
dass der Drahtzug des ebenfalls von jenem Punkt aus durch 
den dort stationirten Wärter zu bedienenden Avertissementssig- 
uals noch nicht übermässig lang wird. X. 

Ueber die Behandlung neuer Wohnräume. In No. 38 

der .Industrie-Blätter* veröffentlicht Hr. Kühr unter vorstehen- 
dem Titel eiue nicht uninteressante theoretische Erörterung über 
die Mittel, um mit frischem Mörtelputz versehene Wohnräume 
eines neuen Hauses in möglichst kurzer Zeit bewohnbar zu 
machen. 

Dass die chemische Ersetzung des im Kalkmörtel enthalte- 
nen Hydratwassers durch die der atmosphärischen Luft (im 
Verhältnisse von 0.001 bis 0,002) beigemischte Kohlensäure nur 
eine sehr langsame sein kann, erhellt leicht aus eiuer Berech- 
nung der Mengen, um die es sich hier bandelt lu eiuem W ohn- 
räume, der an Wänden und Decke etwa 140 i_J» Putzfläche 
besitzt, sind in dieser, nach gewöhnlicher Schätzung des Kalk- 
bedarfs. etwa 750 k uebranuter Kalk und 241 k Hydratwasser ent- 
halten; zur vollständigen Verdrängung des letzteren unter Ver- 
wandlung des Kalkhydrats in kohlensauren Kalk sind 68H k 
Kohlensäure erforderlich, welche durch Verbrennung von 160 * 
Kohle erzeugt werden könnten. Eine wirksamere Einwirkung 
bringt schon der Aufenthalt von Menschen in den betreffenden 
Räumen, das bekannte gesuodheitsgefährliche .Einwohnen" 
hervor. Da ein erwachsener Mensch innerhalb 24 Stunden 
0,960" Kohlensäure ausathmet, so würde ein 60tägiger Aufent- 
halt von 10 Menschen in jenem Raum schon das nöthige Quan- 
tum liefern, falls der Aufenthalt in demselben ohne Ventilation, 
bei welcher ein grosser Theil der Kohlensäure entführt wird, 
möglich wäre. 

Es ist jedoch andererseits nicht erforderlich, dass der ge- 
sammte Kalk des Putzmörtels mit Kohlensäure gesättigt wird, 
bevor ein Bewohnen der Räume ohne Gefahr für die Gesundheit 
möglich ist; eine äussere Schicht von 2 bis 3™» genügt schon, 
um das Eintreten der Kohlensäure und das Austreteu des Was- 
sers zu einem fast unmerklich langsamen zu macheu. Eine 
solche Schicht aber wird sich in verhältnisstnässig kurzer Zeit 
künstlich durch Anwendung von Mitteln erzeugen lassen, die 
den betreffenden Räumen bedeutende Kohlensäuremengeu zu- 
führen, lieblich ist hierfür bereits die Unterhaltung von Kooks- 
feuern in eisernen Körben geworden, wobei jedoch die Einwir- 
kung der Hitze — nicht immer zum Vortheile der Haltbarkeit 
des Mörtels — eine nicht minder bedeutende Rolle spielt, als 
die Entwickelung von Kohlensäure. Wirksamer noch würde das 
Verbrennen von Holzkohle sein, von denen bei zweckmässiger 
Verwendung 12,5 k innerhalb fünf Tagen genügen würden, um in 
jenem Räume dio betreffende schützende Schicht kohlensauren 
Kalkes zu erzeugen. Gauz besouders aber empfiehlt der Ver- 
fasser des zitirteu Aufsatzes, sich für diesen Zweck der neuer- 
dings zur Heizung von Eisenbahnwagen eingeführten Presskohle 
zu bedienen. Dieselbe enthält neben einem Nitrat und dem 
nöthigen Bindemittel etwa 80 >' Kohle uud verbrennt unter ge- 
ringem Sauerstoffverbrauch langsam wie eiue Räucherkerze, ist 
also vorzugsweise dazu geeignet, eine stetige und permanente 
Kohlensäure-Entwickeluug zu bewirken. Dabei erfordert die- 
selbe eine vcrhältnissmässig sehr unbedeutende Bedienung, 
schliesst Feuersgefahr beinahe vollständig aus und ist mit gerin- 
gen Kosten zu bewirken. Für den genannten Raum würde eine 
Stägige Keuerung mit täglich etwa 3" Presskohle erforderlich 
sein; die Kosten derselben betragen pro Zentner des Materials 
nicht mehr als etwa 6 Thlr. 



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— 370 — 



Aus der Fachliteratur. 

Zeitschrift fftr Bauwesen, rcdifcirt von G. Erbkam. 
Jahrg. 1872, lieft Vlll big X- 

A. Aas dem Gebiete des Ingenicurwcscns. 

1. Die Verbindung «bahn zwischen Düsseldorf und 
Neuss mit Ueberbrückung des Rheinstmmes. Mittheilung des 
Regierung«- und Baurath Pichier zu Elberfeld (Schluss). 

Ueber diese interessante bauliche Anlage berichten wir 
Folgendes im Zusammenhange. Der Plan zu einer direkten 
Verbindung der Stationen Düsseldorf und Neuss der Bergisch- 
Mftrkisehen Eisenbahn war zwar schon seit dem Jahre IH61 be- 
stimmt ins Auge gefasst worden, indessen gelaug es erst am 
Schlüsse des Jahres 18*17, nach sehr umfangreichen Verhand- 
lungen mit der Militärverwaltung, dio definitive Festsetzung 
des Projekte« zu erreichen. Hauptsächlich wichtig in dieser 
Vcrbiudungsbahu ist die feste Uheiubrücke in der Nähe des 
Dorfa* Hamm, von der auch im Folgenden lediglich Notiz ge- 
uouimeu werden soll. Die Rhciuübcrbrückuug liegt nahezu 
rechtwinklig zur Stronirichtung und gestattet ein Durchfluss- 
prolil von i'JäSp™ ; dieses wird gebildet durch die eigentliche 
Strombrücke mit 4 Oeffnungeu von je I03,.">7» lichter Weite in 
Eiüenkonstruktiou, und demnächst durch die Fluthbrücke, welche 
lj überwölbte Öffnungen von je IS.i?3"> licliter Weite und 2 
im Interesse der Landesverteidigung angeorriuete Drehoffnun- 
gen von je 13,.t0« Weite mit 7,85»" starkem Mittelpfeiler enthült. 
Ebenso ist aus strategischen Gründen noch eine ;!,77"> weite Zug- 
brücke landwärts von dem rechtsseitigen Stirnpfeiler angelegt 
worden. 

Was zunächst die zur Anwendung gekommenen Fuudirungs- 
methoden betrifft, so ist die der beiden lluuptstrompfeiler durch 
Versenkung unter Zuhülfenahtne von komprimirter Luit erfolgt. 
Alle übrigen Pfeiler wurden entweder direkt oder mittels Ein- 
rammen von Spund wänden. Ausbaggern der Grube. Einbringen 
einer Betonsohle und Aufmaueru zwischen Betnnfiingedäniuicn 
fundamentirt Hier soll die letztere Fundiruugsart nicht weiter 
berührt, sondern nur über die mit komprimirter Luft einiges 
Weitere angeführt werden. Nach den Erfahrungen, die bereits 
bei der Fuudirunc mehrer Brücken bei Stettin gemacht waren, 
wurden für jeden der beiden Stroiupfeiler 2 Scnkghickcu u S.D'.m 
Durchmesser verwandt. Zur Aufstellung dcrsehVn wurde ein 
Ilolz-Gerüst in 3 Etagen hergestellt. Dasselbe enthielt iu der 
untersten Etage die Oeffnungeu für das Versenken der (Hocken, 
Materialien- Depot« und Mörtelhäuke. In der zweiten Etage 
waren die Lokomobilen und Luftpumpen aufgestellt, sowie das 
Hebelwerk zum Versenken angemacht. Die dritte Etage end- 
lich diente zur Aufstellung eines Laufkrahnes von 120 Ztr. Trag- 
fähigkeit. Die Verbindung mit den l'fern wurde durch Draht- 
scilfährcu bewirkt, eine Anordnung, durch welche der Schiff- 
fabrt keine Hindernisse in den Weg gelegt wurden. Die Kosten 
für sfimmtlicbe 4 Glocken betrugen einschliesslich aller Vor- 
richtungen zum Senken 2'JOOÜ Thlr. Die Tiefe der Versenkung 
betrug Ki.lis"' beziehungsweise 15,07» unter dem mittleren Was- 
serstande. Was die Veutiliruug der (Hocken anbetrifft, so w urde 
dieselbe wahrend des Verseukeus dadurch erreicht, dass die 
überschüssige Luft unter den Rändern der Glockeu hcrausge- 
I 'res st wurde. Beim Beginn der Ausmauerung wurde alsdann 
eine andere Ventilation in der Weise hergerichtet, dass eine 
Bohre durch den Einsteigeschacht geleitet und oben durch ein 
Ventil geschlossen wurde. Der Bedarf an komprimirter Luft 
wurde Anfangs durch eine, bei vermehrter Tiefe jedoch 2 Luft- 
pumpen erzeugt, welche je mit einer 16 pferdigeu Lokomobile 
getrieben wurden. Die Bodenfbrderung und spater das Einbrin- 
gen des Betons geschah mit Kübeln, welche im Luftschachte 
durch Menschenhände mit einer Winde bewegt wurden. 

Was den eisernen Oberbau der 4 Stromöffnungcn anbetrifft, 
so ist die spezielle Beschreibung und statische Berechnung des- 
selben in der Mittheilung enthalten. Beiläufig sei nur bemerkt, 
dass die Ermittelung der Spannungen bis auf 4 Dezimalstellen 
des Zentners, d. b. bis auf Bruchtheile von I^then, die sonst 
klare Rechnung beeinträchtigt. Das gewählte System ist drei- 
facher Ordnung und entspricht der in neuerer Zeit vielfach zur 
Anwendung gekommenen und durchaus empfehlenswert hm An- 
ordnung, wobei die untere Gurtung geradlinig, die obere nach 
einer Kreis- resp. Parabellinie derartig bestimmt wird, dass 
hinreichende lichte Höhe verbleibt, um auch einen oberen hori- 
zontalen Kreuzverband bis nach den Auflagern hin durchführen 
zu können- Als Pfcilhöhe in der Mitte ist rot- ';• der Spann- 
weite gewählt worden, es hätte sich behufs Materialersparnis 
empfohlen, dies Vcrhüitniss mindestens bis auf '/i zu vergrösseru 
und die Krümmung der obereu Gurtung weniger stark zu neh- 
men, als dies geschehen ist. im L'ebrigen möge noch der bei 
oieser Brücke wohl zum ersten Male bemerkten Anordnung der 
Druckstreben in den Endfeldern Erwähnung geschehen (Fig. 1). 

Abgesehen davon, dass die Anordnung 
des 3 fachen Systeme« überhaupt eine 
Klarheit der Spannungsvertheilung nicht 
mehr gewährleistet, wurde die Disposition 
der Endstreben als rationell Itezeichnet 
werden können. Greift man nämlich auf 
das einfache System zurück , so ist die 
vorteilhafteste Anordnung die nach 
Fig. 2. Ed Z'i-t aber die obige nichts anderes, als die 
Auwendung dieses Priuzipes auf zwei der drei einfachen Systeme. 
Es soll schliesslich noch angeführt werden, dass das (ie- 



F«. 1. 





wt aip 




sammtgewicht des eisernen Ueberbaue.-- 
rot 5*. Millionen Pfund beträgt, wofür 
einschliesslich der festen Rüstungen der- 
lei! der Preis von 77 Thaler pro 10OO 
Pfund gezahlt wurde, ein Satz der ge- 
genwärtig bereits ganz ausserordeutlk-li 
überschritten wird. Der Unglücksfall , 
welcher sich während der Montirung d<>r 
zweiten (Vffnuug dadurch zutrug, dass ein betadeuer Nachen 
gegen die Rüstung austiess, wodurch diese zertrümmerte und 
di. BisenkoBstruktion sammt dem Nachen in den Rhein ver- 
sank, ist seiuer Zeit, namentlich auch der rechtlichen Folgen 
weueu. ein Gegenstand langer Erörterung in der Presse gewesen 
und von daher wohl noch hinreichend Itekannt. 

2. Der Nordsee-Kanal bei Amsterdam und die dazu 
gehörigen Anlagen, von Rc«.- u. Baurath A. Wiehe in Stettin. 

Bekanntlich ist man iu Holland gegenwärtig mit der Aus- 
führung jenes grossartigen Unternehmens beschäftigt welche- 
den Zweck hat, die Stadt Amsterdam auf kürzestem Wege, also 
iu fast westlicher Richtung, durch eine WttMntrattM mit der 
Nordsee zu verbinden. Der Verfasser, welcher die baulichen 
Anlagen im Juni 1871 in Augenschein genommen hat, liefert 
eine durch Karten und Zeichnungen sorgfältig erläuterte Be- 
schreibung derselben, 
aus der wir. mit Rück- 
sicht auf die im Jahr- 
gang 1870 der Deut- 
schen Bauzeitung _ be- 
reits enthaltene ziem- 
lich ausführliche Mit- 
theilung des Hrn. Bau- 
meister Stuertz über 
denselben Gegenstand 
nur soviel rekapituli- 
reu wollen, als zur 
allgemeinsten Orienli- 
ruüg des Lesers erfor- 
derlich scheint. — Der 
alte Schiffsweg von Am- 
sterdam ging durch 
die Zuider-See; da 
dieser seichte Meer- 
busen jedoch von al- 
len grosseren Schiffen 
nur schwer zu pa>- 
siren ist, wurde schon 
in den Jahren 181» 
— 1825 aus Staatsmitteln der zum Kriegshafen Nieuwedicp 
führende Nordhnlländischo Kanal {A U der Skizze) angelegt. 
Aber auch diese Anlage bietet wegen ihrer Länge, we^teu der 
geringen Querschnitt sdiweusionen des Kanäle* und der uugün*Vi- 

Sm Lage zur Windrichtung nicht eine ausreichende Leistung*- 
higkeit. und ist mau deshalb, da die Konkurrenz der Nach 
barstädtc Rotterdam und selbst Antwerpen nur zu sehr tu 
fürchten stand, zur Ausführung eines neuen, weit gross artiger 
bemessenen Nordseekauales (fi U) geschritten, der an Lange 
nur etwa ",'t des hestehenden Kanals A B halt und ausserdem 
vorteilhaft gegen die herrschenden Winde gerichtet ist An 
beiden Fanden wird der Kanal durch Schleusenanlagen begrenzt 
werden und bei l> an der Nurtlsceküstc sich eine grosse Hafen - 
aulage entwickeln. Indem mau aber gegen die Zuider-See zugleich 
einen Abschlussdumm \ ü) errichtet, erreicht man noch die Mög- 
lichkeit, den unter den Namen des Y bekannten Binnenartu 
der Zuider-See trocken zu legen uud somit eine nicht unbe- 
trächtliche Landfläche dem Meere abzuringen. — Die einzelnen 
Theilu des grossen Werkes, zu deuen auch eingreifende Aend- - 
rangen der Eiseubahuaulageu in Amsterdam gehören, dürften 
iu der Abhandlung näher zu studiren sein. 

Brief- und Fragekasten. 

Hrn. M. in Hamburg. Ihn' Annahme in Betreff der Her- 
stellung des von Hrn. Franz Duncker iu Nachahmung unseres 
Architekten -Kalenders herausgegebenen Konkurrenz-Unterneh- 
mens hat jedenfalls die W ahrscheinlichkeit für sieh. Wir können 
„die ungeheure Heiterkeit" unserer Fuchgeuossen an den Nord- 
seeküsten würdigeu, wenn sie iu jenem Kalender die von uns 
dem vorigen Jahrgange des Architekten-Kalenders zum ersten 
Male beigefügte Ebbe- uud F'luth-Tabelle mit den vorjähri- 
eu Zeitangaben getreulich abgedruckt Huden. Essoll 
Jiieraus nicht gerade der Schluss gezogen werden, dass der als 
Herausgeber des Kalenders genannte Techniker trotz »der Mit- 
wirkung bedeutender Fachmänner" — (der eine ist uns übri- 
gens so unbekannt wie die andern) — unwissend darüber gewesen 
sei, dass die Tiden sich nicht an unser Sonnenjahr kehren, wohl 
aber dürfte das betreffende Faktum keine günstige Zuversicht 
ouf die Sorgfalt erwecken, mit welcher jenes Werk au« den hierfür 
benutzten Quellen zusammengestellt worden ist. Dass unser 
Kalender, auf dessen gewissenhafteste Revision und Berichtigung 
wir in erster Linie bedacht sind, erst einige Wochen später auf 
den Markt gebracht werden kann, ist wohl erklärlich, wenn man 
Itcrücksichtigt, dass wir zum Zwecke jener Berichtigung alljähr- 
lich auf die Mittheilungen von mehr als 100 Fachgenossen uns 
stützen müssen, die wir — wenn die betreffenden Angaben nicht 
schon wieder veralten sollen — nicht vor der zweiten Hälfte des 
Jahres erbitten können. 



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Jahrg. IL 



JK46. 



DEUTSCHE BAUZEITUNG 



Kaiakti» ». IiptaitiMi 
Hrrlln. OrankMlraM 191. 
BoiUllusfta 
tktrnrhaua il> fj.uniftllro 



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Organ des Verbandes 

deutscher Architekten - und Ingenieur-Vereine. "SEE 



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tfr Inn an 4<>(Khr.D 
Raalrlt.iu ns4cn A.fD.haw 



Redakteur K. E. 0. Fritsch. 



>V. m er. 



Preis 1 Thale r pr» Quartal. 



Berlin, den 16. November 1872. 



Ersehclit Jedei SoiabeiJ. 



Inhalt: 



V.r.la.n: 



l-r. 



un,1 nchlu..) - Mltth. Hungen .... 

V.r.tu. - 



V.ralu ■■ Berlin. — trrkliekt«- and Iagwi«ar-V«r.ia m H.nnot.r. — V.r. 
n>i»cM.« Um Wlau-TarMn.. - Kookarr.ni.nj; N.a erfffn.t. Konkar- 
ranMa. - I»«r.oaal-Nac bricht«, tlc. 



Das Preußische 

(Porta«Lang an 

1IL. Kritische Würdigung der gegenwärtigen Zu- 
stände im Ausbildungsgange der Baubeamten. 
Bereits haben wir den geheimen Hauptgrund der Schwäche 
reicher die Organisation des Preussischen 
det. Wenn die chronischen Refortnver- 
dass es in den leitenden Kreisen sowohl an 
dem Bewusstsein dieser Schwäche, wie an dem Streben nach 
wirksamer Abhülfe niemals gefehlt hat, so ist der geringe 
Erfolg aller dieser Versuche wohl nicht anders zu erklären, 
als durch die Annahme, dass mau die bessernde Hand an 
unrichtiger Stelle angelegt hat, dass man sich stets damit 
begnügte, an den Details der vorhandenen Einrichtungen 
zu ändern, ohne zu untersuchen, ob das von ihnen über- 
nommene Prinzip überhaupt noch ein zeitgeralsses und 
lebensfähiges sei. 

Durch diese Erwägung scheint uns der Punkt bestimmt, 
an welchem wir unsere Kritik einzusetzen haben, wenn wir 
derselben die Möglichkeit eines wirklichen Erfolges sichern 
wollen. Es gilt vor Allern die prinzipiellen Grund- 
lagen einer solchen Kritik festzustellen, ohne welche 
eine Verständigung über die zu Lrörternden Fragen fast 
aussichtslos sein dürfte. Lud eine Verständigung, nicht einen 
Kampf beabsichtigen wir — zum mindesten nicht einen 
Kampf gegen die Personen, welche die augenblicklichen und 
zufälligen Träger des für das Preussische Staatsbauwesen 
gültigen Systems sind. Wie wir nicht zweifeln an der Auf- 
richtigkeit ilires Willens, znr Förderung des gemeinsamen 
Fachs, zur Hebung des Standes beizutragen was immer in 
ihreu Kräften steht, so wünschen wir nichts eifriger, als 
das» es uns gelingen möge, keinen dieser Männer ohne Not Ii 
zu verletzen, vielmehr auch diejenigen unter ihnen, welche 
bisher anderen Anschauungen gehuldigt haben, zu über- 
zeugen und zu Bundesgenossen der von uns vertretenen 
Bestrebungen zu werben. 

Es ist eine im höchsten Grade auflallende Thatsachc, 
dass die Anschauungen über Ziel und Zweck des für die 
Baubeamten des Staates vorzuschreibenden Ausbildungsganges 
bei uns noch heute so grosse Unklarheit und Verwirrung 
zeigen ! 

Als das Bestehen der für das Baufach angeordneten 
Staatsprüfungen zugleich die unumgängliche Bedingung jeder 
selbstständigen privaten Thätigkeit für alle nicht aus dem 
Handwerk hervorgegangenen Architekten und Ingenieure 
Preussens war, geschweige denn zu einer Zeit, wo Bautech- 
niker von höherer Ausbildung lediglich im Staatsdienste Ge- 
legenheit zu entsprechender Wirksamkeit fanden, war der 
Ausbildungsgang der Staatsbaubeamten der einzige überhaupt 
mögliche Weg für ein praktisches Studium der bauteebnischen 
Fächer. Es erklärt sich in Folge dessen wohl, dass er einer- 
seits auch als der normale galt, wie dass man andererseits 
die Anforderungen an ihn nach idealen Gesichtspunkten 
bestimmen zn müssen glaubt«. 

Auf die Verkehrtheit einer solchen Anschauung, welche 
die lebendige Entwicklung eines ganzen Faches in dieselbe 
bureaukrntische Schablone zwängen wollte, brauchen wir 
heute, nachdem durch die Freigebung der Baugewerbe eine 
prinzipielle Aenderung der früheren Zustände eingetreten 
ist, nicht mehr näher einzugehen. Die Macht der Gewohn- 
heit ist jedoch viel zu gross, als dass die Folgen jener Zu- 
stande sie nicht noch lange überdauern sollten. So wird 
die öffentliche Meinung au der L'eberzeugung von dem abso- 
luten Werthe des den Staatsbanbeamten auferlegten Ausbil- 
wohl noch lange festhalten, und nicht nt 



Staats- Kau we 

. Nr. 3* du Jak 

munen und Privatgesellschaften werden von ihren Technikern 
' verlangen , dass sie die Staatsprüfungen absolvirt haben, 
sondern auch die meisten der studirenden Architekten und 
Ingenieure selbst, vor Allein aber «leren Angehörige werden 
nach wie vor einen solchen äusserlichen Abscnlus» ihrer 
Studien für unentbehrlich ansehen, ohne danach zu fragen, 
ob die Erfüllung dieser Form den Grad ihrer inneren, künst- 
lerischen oder wissenschaftlichen Entwickelnng fördert oder 
beeinträchtigt*). ' $ 

Ks ist hegreiflich, dass man bei einer derartigen Auf- 
fassung Ziel und Zweck des Ausbildungsganges der Bau- 
Ireamten darin erblickt, dass die in ihm gebildeten Techni- 
ker den möglichst höchsten Anforderungen der Bauwissen- 
schaft und Baukunst genügen sollen. Von Seiten des Staates, 
wie von Seiten einer ernsthatten Kritik wird man dieselben 
jedoch zweifellos darin suchen müssen, dass der betreffende 
'Ausbildungsgang Techniker liefert, die dazu geeignet sind 
dem Staate als Banhcamte die möglichst besten 
Dienste zu leisten; ein Standpunkt übrigens, der in Re- 
gierungskreisen sehr geläufig ist und stets herhalten inuss, 
wenn etwaige Angriffe auf die Qualität der künstlerischen 
oder wissenschaftlichen Leistungen von Baubeamten zurück- 
gewiesen werden sollen. 

Die von uns gerügte Unklarheit verschiebt sich in die- 
ser Beziehung einfach auf die engere Frage, welcher Art 
denn wohl die Anforderungen sind, welche man an die 
Banbeamten des Staates zu stellen hat, nn 
Wege die möglichste Gewähr dafür erlangt 
dass sie diesen Anforderungen genügen. 

Man ist von anderer Seite so weit gegangen, die Noth- 
wendigkeit von Staatsbanbeamten an sieb, oder doch in 
zweiter Linie die Noth wendigkeit eines bestimmten, durch 
Prüfungen abgeschlossenen Ausbildungsganges für dieselben 
ganz zu bestreiten. Man hält e* in erster Beziehung für 
vorlheilhafter, wenn der Staat — ähnlich wie jeder Privat- 
mann — für bestimmt» technische Zwecke je ein bestimmtes 
Abkommen mit einem freien, für diesen Fall besonders be- 
fähigten Techniker abschliesst. Gegen einen obligatarisch 
festgesetzten Ausbildungsgang nnd das System der Prüfun- 
gen macht man geltend, dass diese in ihren Erfolgen niemals 
eine Garantie dafür bieten, dass der betreffende Kandidat 
die verlangten und seinerzeit nachgewiesenen theoretischen 
Kenntnisse auch praktisch anzuwenden versteht, dass sie 
hingegen eine bequeme Flagge sind, hinter welche sich die 
Mittelmässigkeit versteckt; einfacher und sicherer sei es da- 
her, die Baubeamten des Staates nach Maassgabe ihrer 
praktischen Bewährung gleichfalls aus der Zahl der Pri- 
vattechniker auszuwählen. 

Wir wollen nicht verkennen, dass diese Ausführungen 
unter gewissen Bedingungen ihre volle Berechtigung haben: 
im Hinblick auf die Verbältnisse des Preussischen Staates 
dünkt uns ein näheres Eingehen anf dieselben jedoch ziem- 
lich müssig. Es ist eine anerkannte Wahrheit, dass lebens- 
fähige Reformen nur in organischer Fortbildung vorhandener 
Zustände geschaffen werden können, niemals aber, indem 
man diese gewaltsam auf den Kopf stellt Mögeu Bau- 
beamte in unserem Sinne auch vielleicht in anders gearteten, 
anderen historischen Entwickelnng 



*) Rinn lur dir ■Jlg* , nielit* W*rth*rWUaw»g dar Prüf»ng*ti oh*r*kt*wiatl»chre 
Eraraelnung anf v*. wandten i;-*M*te war das lebhaft* Beda«*™, »«Ich«« die bei 
EmfiUirung drr .tewert^rtttliett Im .labre 1(*&S konacqucnler WH»*? verfügt« Auf 
babung der Prl * »i - Ha utu «U t • r - 1* r ti f u ng vrrur*a*tht«, obwohl die in Folg* 
erlangten Recht« ak4i »chwi Unget faat nur taf den Tllal wlbat ba*c trankt 



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genen Staaten, in denen eine bis zur höchsten Blüthe ent- 
Faltete Privatbautbätigkeit vorhanden ist, entbehrt werden 
können — mag die Zahl derselben und ihr Wirkungskreis 
mit der Einführung und Ausbildung einer wirkliehen Selbst- 
verwaltung der Provinzen, Kreise nnd Gemeinden künftig- 
bin auch in Preussen manche Einschränkungen gestatten: 
so steht doch wohl fest, dass Baubeamte hier im Staate- 
organismus so lange eine berechtigte Stellung einnehmen 
werden, als in ihm Beamte überhaupt fungiren und der 
Staat als Bauherr auftritt Ebensowenig lässt sich das Sy- 
stem der auf eine bestimmte Vorbereitung basirten Prüfun- 
gen einseitig für ein einzelnes Fach aufheben, ganz abge- 
sehen davon, dass es in einem Staate von der Grösse 
Preussens eine unentbehrliche Sicherheit * ist. 
Denn während die Bestimmung der für ein Amt erforder- 
lichen Qualiiikation bei der Oeffentlichkeit des gesammten 
Lebens in einem kleineren Staatswesen einer Kontrolle unter- 
liegt, die Missgriffe oder gar Missbräuche selten befürchten 
lässt, würde dieselbe nach Beseitigung der Prüfungeu hier 
ganz ausschliesslich der persönlichen Schätzung und damit 
der Gefahr einer bis zu krassestem Nepotismus führenden 
Willkür unterliegen. 

Der Werth, den jene im gewissen Sinne extremen For- 
derungen nnd Vorschlüge für die Erörterung der von uns 
gestellten Frage besitzen, beruht jedoch weniger auf einer 
direkten Verwendbarkeit derselben für die Preussischen Ver- 
hältnisse, als in der Klärung, welche die Gegenüberstellung 
solcher Gegensätze jederzeit mit sich bringt. 

Wir glauben dieser Klärung vertrauen zu können, wenn 
wir zunächst die ohnehin fast selbstverständliche Ansicht 
aussprechen, dasa die Dienste, welche ein Beamter dem 
Staate zu leisten vermag, ihren Schwerpunkt durchaus nicht 
in seinem, für den Zweck einer Prüfung angelernten, theore- 
tischen Fachwissen besitzen. Abgesehen von den allgemeinen j 
Forderungen gewissenhafter Pflichttreue entscheidet vielmehr 
das Geschick, mit welchem der Beamte jenes Wissen festzuhal- 
ten, fortzuentwickeln und nutzbar zu machen versteht ; es ent- 
scheidet das Maass der von ihm gesammelten Erfahrung, die 
sichere Kenntnis« und die Umsicht in der Benutzung aller Ver- 
hältnisse seines jeweiligen Wirkungskreises. Es ist daher wohl 
eine unerlässlicüe Forderung, dass die vom Staate angeord- 
nete Ausbildung des Beamten für seinen Beruf sich nicht 
blos auf ein bestimmtes Maass theoretischer Kenntnisse 
richtet, sondern in jeder nur möglichen Weise auch nach der 
Garantie strebt, dass derselbe die erforderliche Uebung des 
praktischen Dienstes sich angeeignet hat 

Heber den Umfang der in einer Staatsprüfung nachzu- 
weisenden Fachkenntnisse wird mau gleichfalls nicht zwei- 
felhaft sein, sobald man an der Hand jener Erwägungen 
sich den tbatsächlichen Zweck der Prüfungen für Beamte 
klar zu machen gesucht hat Es ist leider — nicht allein 
in unserem Fache — eine in ihren Konsequenzen sehr ent- 
würdigende Verdunkelung des Unterschiedes eingetreten, der 
zwischen einer solchen auf die Befähigung zu einem prak- 
tischen Amte gerichteten Fachprüfung und einer Schul- 
prüfung besteht. Während diese ermitteln will, mit welchem 
Nutzen der Schüler den Unterricht benutzt hat. also die 
höchste Grenze seines Wissens festzustellen sucht, ist der 
Zweck einer Beamtenprüfung geradezu der umgekehrte, näm- 
lich kein anderer als der, die unterste Grenze des Wissens 
festzustellen, welches der Kandidat besitzen mnss, um einem 
bestimmten Amte ohne die Gefahr eines Schadens für das 
Gemeinwesen vorstehen zu können. 

Wohl könnte es scheinen, als ob die Ausnahmestellung 
der Baubeamten auch hierin eine Ausnahme bedinge. Denn 
neben derjenigen Seite amtlicher Thätigkeit, welche sie mit 
allen höheren Staatebeamten geraein haben, dem Beobachten, 
Prüfen und Entscheiden auf dein ihnen zugewiesenen Ge- 
biete, wird ja von ihnen verlangt, dass sie zu schöpferi- 
schen Leistungen künstlerischer und technischer Art befä- 
higt sein sollen. Da man an diese vom Staate hervorgeru- 
fenen Schöpfungen sachlich die höchsten Ansprüche zu 
stellen berechtigt ist, so scheint es nahe zu liegen, dass man 
für den Ausbildungsgang der betreffenden Beamten auch die 
höchsten Ziele ins Auge fasst 

Es ist dies selbstverständlich eine arge nnd, wie wir 
später nachweisen werden, höchst verhängnissvolle Täu- 
schung; denn leider führen die höchsten Ansprüche nicht 
so ohne Weiteres auch die höchsten Erfolge und Leistungen 
herbei. Während jener allgemeine Dienst des Beamten in 
seinen theoretischen und praktischen Anforderungen mit 
einem Durchschnittsinaasse von Urtheilskraft sich erlernen 
nnd versehen lässt, welches die einfache Voraussetzung einer 
gewissen Bildungsstufe ist, erheischt jene schöpferische Thä- 
tigkeit, soweit sie höheren Ansprüchen genügen soll, vor 



Allem einen Grad eigenartiger Begabung, welcher 
durchaus nicht bei Jedem vorhanden ist und durch Stu- 
dien keineswegs ersetzt werden kann; sie erheischt neben 
dieser Begabung sogar noch eine fortdauernde, unausge- 
setzte lebung und kann nach jähre- und jahrzehnte- 
langen Unterbrechungen, die durch eine sehr verschieden- 
geartete Beschäftigung ausgefüllt waren, nicht bei beliebiger 
Gelegenheit wieder entwickelt werden. 

Man wird aus diesem Grunde viel eher zu dem ganz 
entgegengesetzten Schlüsse gelangen, dass nämlich jene Aus- 
nahmestellung der Baubeamten eine an sich unhaltbare 
ist, dass ausserordentliche Forderungen eben nur auf ausser- 
gewöhnlichem Wege, nicht aber im Gange eines regelmässi- 
gen Bureaudienstes, dnreh ein nach bestimmter Schablone 
geschultes ßeamtenpersonal sich erfüllen lassen. Ist doch 
dieser Grundsatz auf anderem Gebiete rückhaltlos anerkannt 
— nicht etwa blos in Betreff aller vom Staate veranlassten 
künstlerischen I.eistungen mit alleiniger Ausnahme der ar- 
chitektonischen, sondern auch in Bezug auf jene höchsten 
Staatsämter, von deren Trägern man schöpferische Ideen 
erwartet, und die daher lediglich nach Maassgabe ihrer per- 
sönlichen Befähigung und des persönlichen Vertrauens, nicht 
aber auf Grund einer durch vorschriftsmässigen Studien und 
die Stufenleiter eines regelrechten Dienstes zu erlangenden 
Qualifikation in ihre Stellung berufen werden! 

In den vorstehend entwickelten Gedanken glauben wir 
ein genügendes Material zur Beantwortung jener von uns 
aufgeworfenen Frage nach Ziel nnd Zweck des Ausbilduugs- 
ganges für Baubeamte und damit die beabsichtigte Grundlage 
für eine Kritik der betreffenden Einrichtungen uid Zustände 
des Preussischen Staatebauwesens geliefert zu haben. Es 
mnss leider von vorne herein bekannt werden, dass dieselben 
unseren Anschauungen nicht nur nicht entsprechen, sondern 
fast in jeder Beziehung einen Gegensatz zu denselben bilden. 

Einen Gegensatz zu unserer Annahme, dass der Aus- 
bildungsgang der Baubeamten nicht blos ein Maass theore- 
tischen Wissens, sondern auch die entsprechende Uebung für 
die Bedingangen des praktischen Dienstes als Beamter ins 
Ange zu fassen hat! Mögen gewisse Bestimmungen diesen 
Zweck zu verfolgen scheinen, mag derselbe, wie schon früher 
erwähnt, noch so oft ausdrücklich betont werden, so steht 
doch fest, dass die Anordnungen des Unterrichts, wie die 
Anforderungen der Prüfungen sich ^tatsächlich nahezu aus- 
schliesslich auf die theoretisch-technische, d. h. die 
künstlerische und wissenschaftliche Ausbildung des Kandi- 
daten beziehen, während auf seine wirkliche Ausbildung 
als praktischer Beamter so wenig Gewicht gelegt und diese 
derartig dem Zufalle überlassen wird, dass es fast scheint, 
als solle in dieser Beziehung die Richtigkeit des alten deut- 
schen Sprichwortes über den von Gott stammenden Beruf 
zu Aemtern mit neuen Beispielen belegt werden. 

Einen Gegensalz nicht minder zu unserer Annahme, 
dass das durch Prüfungen nachzuweisende theoretische Wis- 
sen und Können des Beamten sich lediglich auf das Dnrch- 
schnittsmaass des für die unterste Stufe des Dienstes Erfor- 
derlichen, das von Jedem ohne Unterschied auch erreicht wer- 
den kann, erstrecken darf! Jene Anschauung einer älteren, in 
dem Bewusstsein bureaukratischer Omnipotent befangenen 
Periode, welche das Ziel des Ausbildungsganges der Preussi- 
schen Staats- Baumeister nach verschwommenen Idealen 
bemaass, dominirt trotz aller scheinbaren Konzessionen noch 
heute in den für diesen Ausbildungsgang gültigen Vorschriften. 

Noch immer ist es ein Maximum der Quantität tech- 
nischen Wissens, auf welches dieselben hinzielen, so dass 
der Baubeamte zur Zeit seiner Prüfung nicht nur im Besitz 
aller Kenntnisse sein soll, welche er voraussichtlich braucht, 
sondern auch aller der, welche er möglicherweise brauchen 
könnte. Noch immer bemisst man die Qualität seiner 
Leistungen nicht nach den Aufgaben, welche der Wirkungs- 
kreis der weitaus meisten Baubeamten thatsächlich bietet, 
sondern nach Aufgaben, welche die höchsten Leistungen 
eines Architekten und Ingenieurs herausfordern. Noch im- 
mer begnügt man sich endlich mit dem Bewussteein, durch 
diese Anordnungen das Höchste erstrebt zu haben, und 
sieht es nicht, dass die Erfolge in Wirklichkeit so ganz nnd 
gar andere sind und sein müssen. Denn jener Umfang des 
erforderten Wissens und jener Grad des erforderten Kön- 
nens steht zu der Zeit des dafür angesetzten Studiums und 
zu dem Maasse gewöhnlicher menschlicher Kräfte in einem 
so grossen Missverhältnisse, dass das normale Resultat eine» 
solchen Ausbildungsganges nnr ein ganz oberflächlicher Dilet- 
tantismus sein kann, der den ernsten Bedingungen der 
Wirklichkeit gegenüber nur allzubald versagt, wie er den 
Forderungen der Prüfung nur durch ein Scheinwesen zu ge- 
nügen vermag. 

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- 373 — 



Wenn au» diesem Aosbildungsgange trotzalledero nicht 
wenig tüchtige, ja sogar mehre ausgezeichnete Architekten 
oder Ingenieure hervorgegangen sind, so haben diese ihr Ziel 
eben in Folge ihrer aussergewöhnlichen Begabung und der 
im Schaffen gewonnenen Selbstbildung — nicht durch jenen 
Ausbildungsgang, sondern trotz seiner erreicht. Ein Gleiches 
gilt für diejenigen, welche nach Neigung und formaler Bega- 
bung zu trefflichen Verwaltungsbeamten sich entwickelt haben. 
Um ein Vielfaches grösser ist jedenfalls die Zahl der minder 
glücklichen und begabteu, jedoch tüchtigen und ehrlichen 
Naturen, die in hartem Ringen als Techniker wie als Beamte 



ihre Schuldigkeit zu thun versuchen, aber sich selbst nicht 
verhehlen können, dass sie in dem ihnen aufgezwungenen 
vergeblichen Mühen nach unerreichbaren Idealen in keiner 
Beziehung selbst nur das geworden sind, was sie werden 
konnten, wenn sie zn rechter Zeit eine gründ liehe Vorbil- 
dung und ein Einleben in eine enger begrenzte Sphäre ange- 
strebt hätten. 

Dass wir in nicht zu grellen Farben aufgetragen haben, 
wird sich aus der Schilderung der Details, an welche wir 
nunmehr gehen wollen, zur Genüge ergeben. 

(FortMUusg tolgt.) 



Sur Stabilität« -Intfriuebsn; der Gewölbe. 

(FortMUung und sth:««i 

Bei der ganzen bisherigen Untersuchung ist der horizontale 
Erddruck unberücksichtigt geblieben; man~kaun denselben in- 
des» leicht zum Schluss noch in Betracht ziehen und auch für 
diesen Fall die Richtung, Grosse und den Angriffspunkt des 
Drucks in der Fundameutsuhlo bestimmen. Ueberaus einfach 
wird das Verfahren, wenn man sich den Erddruck auf eine be- 
liebig gencigto Flache in eine vertikale und eine horizontale 
Komponente zerlegt denkt, von denen die erstcre durch das 
vertikal über der Flache ruhende Gewicht, die letztere durch 



die bekannte Formel P as . «' . y • tg* f*B* — |) dargestellt 

wird, wenn h die Druckhche, y das Gewicht der KubikeiDheit 
Erde, <p den Reibungswiukel der letzteren bezeichnet Setzt 
man hierin y = 1 und f = 36» 52', entsprechend den gewöhn- 
lich vorkommenden Erdarten, so wird P = \ A«, kann daher 

8 

durch die Flache eines Dreiecks von der Höhe h und der Grund- 
linie '/, . h dargestellt werden, und es liegt der Angriffspunkt 
von P in der Höhe des Schwerpunktes dieses Dreiecks. In Fig. 
2* wurde m n = '/..»* gemacht, es stellt somit die Fliehe 
des Dreiecks m n k den horizontalen Erddruck dar. Ist das 
Bauwerk aus Bruchstein herzusteilen und hat man demgemäss 
das Uiuterfullungsmaterial auf Bruchsteinmauerwerk, etwa im 
Verhältnis wie 3:2 reduzirt, so ist dieselbe Reduktion auch 
mit der Basis m n des erwähnten Dreiecks vorzunehmen, so dass 
12 1 

in diesem Falle m n = — . ~ . ä = ■ A wird. Dabei ist die 
4 i o 

Spitze * des Dreiecks nicht in der Bclastungslinic, sondern in 
der wirklichen Begrenzungslinie des Hinterfüllungs- Materials 
liegend anzunehmen: die flelastungslinie kann unter Umständen 
Über dem Widerlager tiefer liegen, als der äussere Gewülb- 
scbeitel. Zieht man durch den letzteren in Fig. 2* eine Hori- 
zontale, so schneidet diese von dem Dreieck k m n das Trapez 
P q n m ab, welches den zur Wirkung auf das Bauwerk kom- 
menden Tbeil des horizontalen Drucks repräsentirt. Der An- 
griffspunkt dieses Drucks liegt in der Höhe des Schwerpunktes 
des Trapez v q n m welcher sich in bekannter Weise findet. 
Die Länge der Liüie •/•• im Kräftepolygon, welche die Fläche 
des Trapezes pqnm darzustellen hat, kann man entweder 
durch Rechnung oder einfacher durch graphische Flächenver- 
wandlung wio folgt bestimmen- Da in dem Kräftepolygon Fig. 
2a die die Lamelfengewicbte reprSscntirenden Längen gleich 1 , 
der Längen der Lamellen-Mittellinien ge- 
macht, die letzteren also auf die vierfache 
Lamellenbreite reduzirt wurden, so wird 
die Länge gleich sein müssen der 
Höhe eines Dreiecks, dessen Basis gleich 
der achtfachen Lamellenbreite and dessen 
Fläche gleich der Fläche des Trapez pqnm 
ist Zieht man nun durch den Punkt p 
in Fig. 3 eine Parallele pH zu q m und 
verbiudet u mit q, so ist das Dreieck 
q » « gleich dem Trapez pqnm, denn 
von dem letzteren ist das Dreieck p q m 
hinweg genommen, dagegen das jenem 
gleiche Dreieck qmu hinzugefügt worden. 
Macht man ferner n v gleich der acht- 
fachen Lamellenbreite, zieht tr u und durch 
den Punkt q die Linie q r parallel zu 
ir «, so ist dos Dreieck wen gleich dem 
Dreieck q n u, denn von dem letzteren 
ist das Dreieck q tr u, hinweg genommen, 
dagegen das demselben gleiche Dreieck 
tr u r hinzugefügt worden. Das Dreieck 
r tr n ist somit gleich dem Trapez pqnm, und da n tr ul.i Ba- 
sis gleich der 8 fachen Lamellenbreitc gemocht wurde, M ist 
ff p die im Kräftepol vgou Fig. 2 a als Vi* anzutragende Länge. 
Die sämmtlichen in Fig. 3 punktirt angegebeneu, hier der br- 
klärung wegen notwendigen Linien braucht man natürlich nicht 
auszuziehen; es genügt, nur die Schnittpunkte zu markireu, und 
dann können diese Konstruktionen leicht in der Hauptfigur vor- 
genommen werden. — Zieht man nun in Fig. 2 * durch den 
Schwerpunkt S des TrupczeB pqnm eine Horizontale, bis diese 
die Verlängerung von e f im Punkte A schneidet, und zieht man 
dann A i parallel zu der Linie (', 10 im Kräftepolygon, so ist 
nunmehr / der Angriffspunkt, h I die Richtung und C% 10 die 
Grösse des Drucks auf die Fundiunentsohle unter Berücksich- 
tigung des horizontalen Erddrucks. Man ersieht aus der be- 



Fl(. 3. 




deutenden Abweichung des Punktes i von dem Punkte f dass 
die Druckübertragung eine ganz andere geworden ist und dass 
es um so mehr uothwendig wird, sich über die Wirkung des 
horizontalen Erddruck» Aufschlug* zu verschaffen, je grösser die 
Höh« des Widerlagers ist, 

Sind für eine beliebige Fuge die Grösse, die Richtung und 
der Angriffspunkt des Drucks gegeben, so lässt sich auch leicht 
ein Bild über die Art und Weise der Vertheilung des Druck« 
über die betreffende Fuge gewinnen. Man hat zu dem Zweck 
den Gesammtdruck zunächst in eine zur Fuge normale und in 
eine zu derselben parallele Komponente zu zerlegen. Die letz- 
tere hat das Bestreben, ein Gleiten in der Fuge hervorzubringen, 
die erstem dagegen stellt die normale Pressung der Wölbsteine 
gegen einander dar. Denkt man sich auf einer Fuge u b Fig. 4 



Fl 5. « 




in jedem Punkte derselben eine Ordinate errichtet, deren Längs 
die normale Pressung pro Flächeneinheit an der betreffenden 
Stelle ongiebt, so wird die Begrenzungslinie d c dieser Ordi- 
naten eine gerade Linie sein müssen, da die Grösse der Pressung 
pro Flächeneinheit dem Abstand von der in Fig. 5 links von 
a b und ausserhalb der Fuge liegeuden neutralen Achsa pro- 
portional ist Die Fläche des Trapezes a b c d stellt nun offen- 
bar den Gesammtdruck auf die Fuge a b dar und der Angriffs- 
punkt dieses Druckes wird in der durch den Schwerpunkt 5 
des Trapezes a 6 r d gezogenen Ordinate liegen. Fällt die neu- 
trale Achse innerhalb der Fuge a b, z. B. nach e in Fig. 5, so 
würde in dem Thcil a e der Fuge Zug stattfinden, wenn das 
Material überhaupt geeignet wäre, Zug aufzunehmen, was bei 
Mauerwerk nicht vorausgesetzt wird. In Folge dessen tritt der 
Tbeil u e des Maucrquerscbnitts einfach ausser Wirksamkeit 
und es wird der Gesummtdruck durch den Theil e b der Fuge 
in der Weise übertragen, dass die Pressung pro Flächeneinheit 
bei e mit 0 beginnt und nach b hin proportional der Entfer- 
nung von f stetig zunimmt Die Fläche des Dreiecks e b f 
stellt demnach den Gesammtdruck dar, und der Angriffspunkt 
des letzteren liegt in der durch den Schwerpunkt .V des Drei- 
ecks e b f gezogenen Ordinate. Es geht daraus hervor, dass 
e b — 3 g b ist und dass also die Fuge ab so lange auf ihrer 
ganzen Länge an der Druckübertraguug Theil nimmt, als der 
Angriffspunkt des Drucks in dem inneren Drittel derselben, 
resp. die neutrale Achse ausserhalb der Fug« liegt. Ist der Ge- 
sammtdruck , somit die Fläche ab cd in Fig. 4 oder ebfia. 
Fig- b, um! ausserdem der Angriffspunkt dieses Drucks, somit 
die Ordinate, auf welcher der Schwerpunkt der Druckfigur lie- 
gen tnuss, gegeben, so ist damit zugleich die letztere selbst be- 
stimmt. 

Um beurtheilen zu k firmen, ob die Maximal presaung pro 
Flächeneinheit die zulässige Grenze nicht überschreitet, ist es 
zweckmässig die Druckfiguren so zu verzeichnen, dass ihre Or- 
dinnten die Pressungen nach ciuem zum Voraus angenommenen 
bequemen Maasstabe in Kilogramm pro Q » m angeben- Soll 
uuu z. B. die Vertheilung des Drucks über die Fundamentsohle 
in Fig. 2i ermittelt werden und ist letztere Figur nach einem 
Maasstabe von I : 100 aufgetragen worden, so dass also die 
halbe Spannweite 3"», die Pfeilhöne 2", die Lamellen breite 0,6", 
die Breite der Fundamentsohlo gleich 4 Luuiellenbreitcn=2,4" 
beirägt, sn ist zunächst der Maasstab zu bestimmen, in welchem 
in dem Kräftepolygon Fig. 2 a die Gewichte zur Erscheinung 
kommen. Da als Gewicht einer Lamelle V», der Länge ihrer 
Mittellinie aufgetragen wurde, so repräsentirt 1"» Länge im 
Kräftepolygon eine rechteckige Belastungsfläche, deren Basis 
gleich der Lamellenbreitc = 0,6 ■ und deren Höhe = 100 . 4 . 
!«■ =4 m ist, also eine Fläche von 2,4 Q" oder ein Gewicht 
von 2,4 . 1,6 =3,84 t, wenn man das spezifische Gewicht des 
Ziegelmauerwerks zu 1,6 und die in der Gewölbacbse gemessene 
Länge des in Untersuchung gezogeneil Theils des Bauworks zn 



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— 374 — 



1 oi annimmt. In dem Kräftepolygon Fig. 2« ergicbt (', lt=*/ t 
die vertikale Pressung auf die Fundamcntsohlc, einerlei ob der 
horizontale Erddruck In Betracht gezogen wird oder nicht ; denn 
c» ist C, D sowohl die vertikale Komponente der Resultirenden 
C x 9 als auch der Resultirenden <\ 10- Die Länge C, D findet 
sich durch Abgreifen tu 9,1»", repräsentirt also einen vertika- 
len Gesammtdruck auf die Fundamentpohle von 9,1 . 3,84= 34,9 T . 
Ist nun in Figur 6 n s = h die Breite der Fuudanicntsohle, / 



Fiirnr e. 



Fi«« 7. 




der Angriffspunkt des Druckes für den Füll, dass der Erddruck 
in Betracht gezogen wird (vergl. Fig. 21), m fiudeu sich die 
Seiten a una 6 des gesuchten Drucktrapezes n s tr m leicht aus 
den beiden Gleichungen: 

l . « » I 



i) r=f(tt + 6)./> 



34,9 



(« + 6\ 2,4 



2; u- 



h a4 



24 _ . 0 _2 4 « + 26 
3 fl-M — ' 3 il + 6 
wobei die Lange f f = 1 ■ aus der Fig. 2 6 abzugreifen ist. Man 



findet: 



a = 21, IT pro = 2,1 U pr» « 
6 — gl pro = 0,8* pro L~>" 

Figur 1 > 



diese in Figur 6 6 stricbpuuktirteu Linien die Riebtungen der 
Resultirenden aus den Kräften 1 bis 3, resp. 4 bis 6 und L bin 
6 an. Man erhalt nun für die Resultirenden /' , , und /' . . 
ein durch die Punkte « und e gehendes Seilpolygon, indem 
man auf der Resultirenden P,-, einen beliebigen Punkt jr 
annimmt, nx und cx zieht und die dadurch sich ergebenden 
Durchschnittspunkte d und t verbindet Ein durch die Punkte 
a, 6 und c gehendes Scilpolygon bat mit dem eben gezeichneten 
ailer die Punkto a una c gemeinschaftlich, in den letzteren 
schneiden sich demnach je zwei gleichnamige Seiten der beiden 
Polygone, folglich ist a c die Linie, auf welcher sich überhaupt 
alle gleichnamigen Seiten der beiden Seil|wlygoue schneiden 
müssen. Verlängert man nun ac und de bis zu dem Schnitt- 
punkt /"und zieht durch /"und 6 die gerade Linie fh6g, ver- 
bindet darauf a mit g und c mit A, so ist agbhc ein durch 
die funkte a,6 und c gehendes Scilpolygon. zunächst für die 
bi-idcu h ritte P,—, und P,-,. Zieht mau durch die Puuktv 
0 uurt 6 des Kräftepolygons Parallelen zu den Linien ag und 
ck des Seilpolvgons, so ergicbt der Schnittpunkt (' den zuge- 
hörigen Pol, mittels dessen sich nuu das Seilpolygou mit Rück- 
sicht auf die einzelneu Kraft« l bis 6 vervollständigen läast; so- 
mit ist die Aufgabe gelöst. Eine Kontrolle für die Richtigkeit 
der Zeichnung erhält mau, indem man durch den Punkt 0 des 
Kräftepolygons eine Parallele zu ax, durch den Puukt eine 
Parallele zu rx und durch den Punkt C eine Parallele zu a c 
zieht: dann müssen sich diese drei Linien in eiu und demselben 
Punkte r,i schneiden, deun es ist dann On der Pol für das Seil- 
polygon adee und die Verbindungslinie <T,, der beiden Pole 
im" Kräftepol vgon uiusa nach dem Früheren parallel sein der 
Liniu a f, auf welcher sich die gleichnamigen Seiten der beiden 
Seilpolygone adec und aghe schneiden. Eine zweite Kon- 
trolle ergicbt sich dadurch, dass sich die beiden Linien a g und 
ck, gehörig verlängert, in einem auf der Resultirenden P t - , 
liegenden Punkte schneiden müssen. 

Zur Erläuterung der Anwendung des Vorstehenden diene 
das folgende 

2. Beispiel: Gegeben das in Fig. 9 * verzeichnete unsym- 
metrische Gewölbe mit der durch die Bclastuugslinie defg be- 

S reuzten Belastung; es soll unter Berücksichtigung des Erd- 
rucks eine Druck Ii nie eingezeichnet werden, welche in der 

Figur Hb. 




In Figur 6 sind die Grössen a und 6 im Maosstahe 1»»'= 1* 
pro |J»"> aufgetragen. 

Bezeichnet in Fig. 7 wieder n » die Fumlumentsohle in 
Uebereinstimmung mit Fig. 2 6 , und f den Angriffspunkt des 
Drucks für den toll, das* der horizontale Erddruck ausser Acht 

S «lassen wird, so ergicbt sich zunächst, das n» >3.«/"int. 
[aebt man daher n «? = 3 . » so wird der Theil e s der Fuge 
an der Druckübertragung nicht Theil nehmen und die Druck- 
figur wird ein Dreieck mit der Basis n e werden. Die Uobe 

34 9 

m n dieses Dreiecks berechnet sich zu in » = 2.. '" =32Tpro 

r~|" = 3,2 k pro LT'", da die aus der Fig. 2 6 abzugreifende 
Länge n e— 2,18™ beträgt. 

Hat man ein Gewölbe von unsymmetrischer Form oder mit 
unsymmetrischer Belastung in Bezug auf seine Stabilität zu 
untersuchen, so ist stets die bereits oben erwähnte Aufgabe zu 
lösen, für ein gegebenes System von Kräften ein Seilpolygon zu 
verzeichnen, welchem durch drei zum Voraus bestimmte Punkte 
geht. Es kann dieses wie folgt geschehen. 

In Fig. $6 seien 1,2,3 ....(> die gegebenen Kräfte, welche 
in Fig. 8« nach Richtung. Grösse und Sinn zu einem Kräfte- 
polygon au einander gereiht seien; es soll ein Seilpolygon ver- 
zeichnet werden, welches durch die drei gegebenen ['unkte a, 
6 und c geht Man vereinige zunächst die zwischen je zwoien 
der drei Punkte a, 6 und c gelegeue Gruppe vou Kräften zu je 
einer Resultirenden, indem man mit einem beliebig angenom- 
menen Pol ( ', im Kräfte polygou da» Seilpolygon 0, l t //,-.- ■ I //, 
konstruirt und die Schnittpunkte Zi .'/■ s» der Seiten 0, /, und 
Y/t V/1, und Uli IV, bestimmt. Zieht man darauf durch //, eine 
Parallele zu der Linie 0,3 im Kräftepolygon, ebenso durch s, 
eiue Parallele zu 3/6 und durch Xi eine Parallele zu 0/6, so 
geben zufolge der bekannten Eigenschaften des Seilpolvgons') 

•) Kit findet dJa wichtigsten S&U4 der graphUehea Arithmetik, Fliefcftnvar. 
wwdluog und SUIIk , neUt einigen An*« ndunitrii , Mjf ««nlcfti S-ttvn i n -nmrn...| 
(«tt«l]t in de» i QrmiuUuf« de« urmjjhlicbcn H«linfn> und der graphischen bu- 
ll*.' von K. ton Oll. 



Nähe des Scheitels das äussere, in den Bruchfugen das inner'- 
Drittel der Gewölbstärke berührt — Es werde zunächst gan: 
in der bereits oben angegebenen Weise die Belastungsfläche in 
vertikale Lamellen cingetneilt, deren Grenzen in Fig. 9 6 punk- 
tirt und deren Mittellinien ausgezogen sind. Es repräsoutirt 
somit die Fläche einer Lamelle den vertikalen Druck auf dvj 
zwischen den unteren Endpunkten ihrer Grenzlinien gelegenem 

Figur Rb. 




Theil der äusseren BogenliDie. Um den auf den letzteren in 
horizontaler Richtung wirkenden Erddruck zu bestimmen, sind 
durch die Punkte, in welchen die vertikalen Lamellcngrcnzeo 
die äussere Bogenlinie schneiden, horizontale Linien gezogen, 
in Fig. 9 6 punktirt, welche in den den horizontalen Erddruck 
reprftsentirenden Dreiecken gkl und dkl diejenigen Flächen 
abtheilen, welche die auf die einzelneu Bogenstückc in horizon- 
taler Richtung wirkenden Kräfte darstellen. Die Grundlinien 
der Dreiecke ghi und //*/ wurden aus den bei Beispiel l er- 
örterten Gründen gleich ihrer Höbe gemacht. Die AngrifEs- 



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- 375 - 



punkte der horizontalen Kräfte sind in der Höbo der Schwer- 
punkte der Trapeze anzunehmen, welche durch ihre Fläche die 
Grösse dieser Kräfte angeben. In dem Kräftepolygon Fig. 9 a 
Figur •-'». sind nun die sämmtlichcn horizontalen und 
vertikalen Kräfte so zusammengestellt , das» 
je zwei auf ein und dasselbe Bugcnstuck 
wirkende unmittelbar auf einander folgen 
und dadurch sofort zu einer Kesultireudeu 
zusammengesetzt werden können, wodurch 
dann die in Fig. 9 b mit kleinen Pfeilen be- 
zeichneten Spczialreaultirendeu au» Vertikal- 
bolastung und horizontalem Erddruck »ich 
ergeben. Es erübrigt nun noch, das Seilpo- 
lvgou der Drucklinie einzuzeichnen, zu wel- 
chem Zwecke eine vorläufige Annahme über 
die Lage derjenigen drei Punkte , in welchen 
die Drucklinie die Grenzlinien des inneren 
Gcwölbdrittcls berührt, zu machen ist Er- 
wfigt man, das« eine auf das Gewölbe ge- 
brachte Last die Drucklinie gewissermassen 
anzieht, d. h- da» Bestreben hat, dieselbe der 
äusseren Bogenlinie zu nähern, indem, eine 
stetige Kurve vorausgesetzt, der Krümmungs- 
radius der Drucklinie an der Stelle wo die 
Last wirkt, kleiner wird, so lässt sich da- 
raus schliessen, das« derjenige Punkt, in 
welchem die Drucklinie das äussere Drittel 
der Gewölbstärke berühren soll, nicht im 
Scheitel des Gewölbes, sondern etwas seit- 
wärts davon in der stärker belasteten linken 
Bogenhälfte, etwa bei b liegeu wird. Denkt 
man sieb durch diesen Punkt b eine Druckliuie gelegt, so lässt 
sich weiter schliessen. dass etwa bei a und c diejenigen Punkte 
liegen werden, in welchen dieselbe das innere Drittel der Ge- 
wölbstärke berührt. Demgemäss wurde versuchsweise durch die 
Punkte a, b und c eine Drucklinie ganz nach der weiter oben 
gegebenen Anleitung gelegt: die dazu dienenden Konstruktion»- 
linien sind jedoch in Fig. 9 4 weggela«sen, um die des kleiuen 
Maasstabes wegen uicht eben grosse Deutlichkeit der Figur 
nicht noch mehr zu beeinträchtigen. Bei der Bestimmung des 
Poles C im Kräftepolygun waren hier selbstverständlich nur die 
zwischen den Punktun a und c geleg enen Kräfte 3 bis 18 in 
Betracht zu ziehen, da die übrigen auf die Lage der Druckliuie 
den Punkten a und c keinen Einfluss üben. Die so 
Druck linie liegt, soweit der kleine Maasstab der 
dieses erkennen lässt, überall im inneren Gewölb- 
drittel und berührt die Grenzen desselben in der Näbo der 
Paukte a, b und f. Wäre letzteres nicht der Fall, so würde 
man jedenfalls jetzt mit völlig genügender Genauigkeit eine 
richtigere Lage der Punkte a, b und c annehmen und durch 
Wiederholung der Konstruktion eine den Anforderungen ent- 



sprechende Druckliuie linden können. Die Linie C 10 im Kräfte- 
polvgon, welche der deu Gewölbschcitel durchschneidenden 
Seilpolygonseite entspricht, giebt die Grössu und RKhtung des 
Scheitelschubes an, welcher im vorliegenden Beispiel natürlich 
nicht horizontal, souderu geneigt ist. 

Das oben befolgte Verfahren zur Ermittelung de» Erddrucks 
wird ungenau, wenn die obere Begrenzuugslinie der Krdbelas- 
tung nicht horizontal , oder wenigstens annähernd horizontal ist, 
welcher Fall bei Tunnelgewölben häufig vorkommt Man kann 
dann statt der krummlinigen äusseren Begrenzung des Gewölbe» 
ein Polygon substituiren , jede Polygonseite, z. B. mit Fig. 10, 
bis zu ihrem Durchschtiittspunkt p mit der Begrenzuugslinie 
der Erdbelastung verlängern, den Erddruck auf die Wand p m 
und die Wand p n bestimmen und die Differenz dieser beiden 
Drucke gleich dem auf die Fläche m n wirkenden Erddruck 
setzen. Das hierbei einzuschlagende Verfahren ist in der .Gra- 
phischen Statik" von Culmann nachzusehen; man vergl. auch 
die .Neue Theorie des Erddrucks" von Winklcr. I»t der Erd- 
druck auf jede einzelne Polygonscite ermittelt, so kann die Kon- 
struktion der Drucklinie ganz wie in dem oben gegebenen 
zweiten Beispiel geschehen. Bei diesen Untersuchungen hat 
man sein Augenmerk vorzugsweise auf die Tunnelmüuduugen, 
woselbst die Belastungshöhe gering ist, zu richten; denn je 
grösser die Verschiedenheit in der Belastung der beiden Ge- 
wölbehälften im Vergleich zur ganzen Belastung ist, desto mein- 
wird die Druckliuiu von der symmetrischen Form abweichen. 

n» Im Allgemeinen wird die- 

selbe eine ähnliche Lage, 
wie die in Fig. 10 puuktirt 
angedeutete, einnehmen und 
häufig an dem einen Wider- 
lager ganz aus dem Mauer- 
werk heraustreten , wenn der 
Querschnitt des letzteren sym- 
metrisch angenommen war. 
Um unter diesen Umständen 
die Stabilität zu sichern, 
giebt man der Ausmauerung 
ein der Stützlinie sich an- 
schmiegendes Profil , wie 
a b c i e f Fig. 10, welche 
Form bei einem Tunnel der 
Linie Call -Trier der Rheinischen Eisenbahn mit Erfolg zur An- 
wendung gekommen ist Wenn einzelne unter ähnlichen Ver- 
hältnissen, aber mit svmmctrischem Profil ausgeführte Tunnel- 




gcwölbe, bei denen sich keine überall in dem Mauerquerscbnitt 
I Hegende Stützlinie verzeichnen lässt, trotzdem nicht eingestürzt 
sind, so erklärt sich dieses dadurch, dass der passive Erddruck 
mit in's Spiel getreten ist, während man bei den Stabilitäts- 
I Untersuchungen nur den aktiven Erddruck, und zwar mit Ver- 
nachlässigung der Kobäsion berücksichtigt. Es würde indess 
nicht rat h sinn sein, darum von vornherein auf den passiven 
Erddruck zu rechuen, denn es wird sich bei einem Tunneige - 
wölbe wohl nie ermöglichen lassen, das Mauerwerk so fest an 
die gewachsene Bergwand anzuschliessen , dass dasselbe nicht 
bevor der passiv- Erddruck zur Wirkung kommt »ehr bedenk- 
liche Bewegungen, deren Grösse sich nicht annähernd vorher 
beurtheilen lässt und die sehr leicht den Einsturz des Bauwerks 
nach sich ziehen können, zu erleiden hätte. 

Die Erdmassen sind in Wirklichkeit in ihrem Innern nie 
so homogen, wie die Theorie voraussetzt. Es zeigt sich daher 
bei der Ausführung von Tunnels theils in Folge der Schichtung 
des Gebirge*, theils weil sich einzelne Erdmassen von ihrer Um- 



gebung ablösen, sehr häufig ein lokaler konzentrirter Druck. 
Mau kann sich gegen die Wirkungen derartiger Vorkommnisse 
einigermaßen sichern, indem man für die deiiktwr ungünstigsten 



Fälle dieser Art die Stützliuion verzeichnet und Form und Di- 
mensionen des Mauerwerks so auordoet, dass diese Stützlinien 
noch sämmtlicb in dem Maueruuerschuitt liegen. Von der For- 
derung, dass dieselben alle im iuueren Drittel des letzteren 
liegeu sollen, wird man dabei ohne Bedenken absehen können, 
um nicht übermässig grosse Mauerdiuieusioucn zu erhalten. 

Zum Schluss möge hier noch auf die Bedeutung und deu 
Unterschied von Druck- und Stützlinie aufmerksam gemacht 
werden, da beide Linien noch »ehr häufig verwechselt werden. 

Soll ein Gewölbe stabil sein, so darf weder ein Kanten, 
noch ein Gleiten der Wölbsteine auf einander stattfinden. Um 
die Sicherheit gegen Kanten beurtheilen zu können, muss mau 
die Angriffspunkte des Drucks in den einzelnen Fugen kennen: 
wi-bindet man diese Angriffspunkte mit einander, so erhält man 
ein Polygon oder bei unendlich dünn gedachten Wölbsteinen 
eine Kurve, welche Scheffler die Mittellinie des Drucks, 
Culmann die Stützlinie nennt. Zur Beurtheilung der Sicher- 
heit gegen Gleiten ist es erforderlich, dass die Richtung des 
Drucks in den einzelnen Fugen bekannt sei; verlängert man die 
durch die Angriffspunkte des Drucks gehenden und die Richtung 
desselben angebunden Linien, bis sie sich schneiden, so erhält 
man ein Polvgon oder bei unendlich dünn gedachten Wölb- 
steineu eine Kurve, welche Scheffler die Richtuugslinie des 
Drucks, Culmann die Drucklinie nennt Bleibt man bei 
deu zwar wuniger präzisen aber kürzeren Culmann'schen Be- 
zeichnungen*), so würde man also bei einer eingehenden Sta- 
bilitätsuntersucbuug sowohl die Stützlinie, als auch die Druck- 
Knie zu konstruiren haben. Bei den in der Praxis vorkom- 
menden Gewölbeformen und Belastungsverhältnissen ist fast 
stets weniger ein Gleiten, als vielmehr ein Kanten zu befürch- 
ten, so dass es meist genügen würde, sich durch Einzeichnen 
der Stützlini« davon zu überzeugen, ob die Stabilität in dieser 
Hinsicht nicht gefährdet ist Gewöhnlich konstruirt man indess 
nicht diu StüUlinie , sondern die Drucklinie, weil »ich die letz- 
tere, welche als ein Scilpolygon betrachtet werden kann, ein- 
facher und rascher zeichnen lässt Dadurch erhält man zu- 
nächst Aufschluss über die Stabilität bez. des Gleitens, indem 
der Wiukel, welchen die Richtung des Drucks in einer Fuge 
mit der Normalen zur Fugenrichtung bildet, jedenfalls kleiner 
sein muss, als der Reibungswinkel der Wölbsteine auf einander. 
Wenn mau aber sodann aus der Lage der Drucklinie in dem 
Gewölbe und Widerlager weitere Schlüsse auf die Stabilitäts- 
verhältuisse bez. des Kantens zieht, welche streng genommen 
nur auf die StüUlinie basirt sein dürften, so setzt man voraus, 
dass die Abweichung der beiden Linien von einander so gering 
sei, dass dieselbe ohne Nachtheil vernachlässigt werden darf. 
In den meisten Fällen der Praxis findet dieses allerdings statt: 
es können indes» doch Umstände eintreten, welche eiue sehr 
merkliche und uicht mehr zu vernachlässigende Abweichung 
beider Linieu hervorbringen, besonders in den Widerlagern, so- 
wie zuweilen in der Nähe der Kämpfer namentlich halbkreis- 
förmiger Bögen. Damit mau in solchen Fällen nicht irre gehe, 
wird es daher stets nothwuudig sein, über beide Linien eine 
klare Anschauung zu gewinnen, damit man im Stande sei, in 
zweifelhaften Fällen mit Hülfe der bereits gezeichneten Druck- 
linie wenigstens einige Puukte der Stützliuie zu bestimmen, wo- 
raus sich beurtheilen lässt, ob die Verwechselung beider Linien 
noch zulässig ist; es lassen sich aber gerade die wichtigsten 
Punkte der Stüzlinie, nämlich im Scheitel, woselbst Druck- und 
Stützlinie zusammenfallen, am Kämpfer und in der Fuudamcnt- 
sohle immer leicht mittel» der schon eingezeichneten Druckliuie 
finden. In Fig. ■> b des ersten Beispiels ist nur der Punkt /'der 
Stützliuie für deu Fall, dass keine Rücksicht auf deu horizon- 
talen Erddruck genommen wird, ermittelt worden und es zeigt 
seine geringe Abweichung von dem Punkt ff der Druckliuie, 
das» noch ohne bedcutei.de Beeinträchtigung der Genauigkeit 

'/ Scheffler nennt an eli.««J»«n st.ll.n H |m Werket : „Theorie der Qe- 
»«»• * etc.. 41« Mlllellinte del Druck« .Irr Kurie »eg««i Druckliuie. Wollt« mm 
■Ii-- Beiefchoung beibehalten, «o bliebe für die Richt««K>ILuie ia Druck« der 
Name Htntitinla and man haue dann gerade dl« entgegengeeetilen Benennung««, 
wie uo Culmann In «einer .Oraplilxliea si.uk - (ebraajclit. H«i der iiroaeen Ver- 
breitung de« leUlgenatialen Werket dürfte ea ainjemeiscn nein, die Culm 
B-ielrtiuu ugen beinbehalten. 



Lage 

nnd I 



der Mittellinie drt llrnrki und 
(iewüiben, von Chr. KaeU'B*, 




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- 376 — 



im vorliegenden Fall die Stabilität bez. des Kantons nach der 
Lage der Drucklinie anstatt derjenigen der Stützlinie beurtheÜt 
werden darf. 

Die Drucklinie ist von der Richtung der Fugen unabhängig, 
dagegen abhängig von der Lage der Schwerpunktslinien der 
einzelnen Belastungsflächen. Letztere lindert sich im Gewölbe 
nur unmerklich, wenn man statt der der Ausführung ent- 
sprechenden radialen Fugen vertikale aubstituirt ; sie lindert sich 
aber wesentlich im Widerlager, wenn mau statt der horizontalen, 
event geneigten Fugen die Vertikaltheiluug einführt Nur auf I 
die letzte Seilpolygonseite hat dieser Umstand keinen F.influss, 
da die letztere der Rcsultirenden säinnitlichcr Krfifto entspricht, 
wobei es gleichgültig ist, in welcher Reihenfolge und in we'chen 
Unterabteilungen diese Kräfte zusammengesetzt wurden. Die 
Stützlinie ist von der Richtung der Fugen abhängig, weshalb 
bei ihrer Konstruktion die in der Ausführung wirklich vorhan- 
dene Fugenrichtung, d h. also die radiale Richtung im Gewölbe 
und die horizontale, event. geneigte Richtung im Widerlager, 
beizubehalten ist. 

Will man sich nicht mit der Ermittelung einzelner maass- 
gebeuder Funkte der Stützlinie zufrieden geben, sondern deu 
ganzen Verlauf derselben verzeichnen, so kann man allerdings 
im Gewölbe leicht von der Vertikaltheilung auf die wirkliche 
Fugenrichtung übergehen (siehe: .Culmann, graphische. Statik" 
S. 453>, jedoch nicht im Widerlager, weshalb es hier nothwendig 
ist, schon der Konstruktion der Druck linie diejenige Eintheiluug 
der Belastungsfläche mit horizontalen, event geneigten Fugen 
zu Grunde zu legen, welche man für die Konstruktion der Stütz- 
linie für zweckmässig erachtet 

Die Vertikaltheilung des Gewölbes und des Widerlagers ist 
für die rasche Ausführung einer Stabilitätsuntersuchung ausser- 
ordentlich bcuueni und wird, wenn man noch den Durehschnitts- 
punkt der Stutzlinio mit der Fundamentsohle bestimmt, für die 
meisten Fälle der praktischen Anwendung vollkommen genügen. 
Da sie indes* wohl geeignet ist, die richtige Vorstellung von 
der wirklich stattfindenden Art und Weise der Druckübertra- 
gung in dem Mauerwerk zu verwischen, so ist dem weniger Ge- 
übten aus diesem Grundo sowohl, als auch zur Erlangung einer 
eingehenden Kenutniss des Wesens und des Unterschiedes von 
Druck- und Stützlinie, die genaue Konstruktion beider Linien 
in einigen Ucbuugsbeispiulcu zu empfehlen. Ausführlicheres 
hierüber findet man in der .Theorie der Gewölbe, Kuttermauern 



Mittheilungen 

Ostpreuaslschor Ingenieur- und Architekten- Verein. 

Monatsversammlung am Donnerstag, den 7. Nov., Abends 
8 Uhr. Vorsitzender Hr. Ilerzbrucb, anwesend 16 Mitglieder 
und ."■ Gäste. 

Der Antrag, die Mouatsversammlungen statt um 8 Uhr um 
7 Uhr Abends beginnen zu lassen, wira abgelehnt, dagegen be- 
schlösse^ die Mitglieder hierselbst der Reihe nach zu Vorträ- 
gen in den Mouatsversammlungen obligatorisch aufzufordern. 
Hr. Hermann machte dann Mittheilungen über eine für Ma- 
schinenbauer wichtige neue Zeitschrift .Her Cyklop" und refe- 
rirtc über deren Inhalt Hr. Wiehert referirte über den soge- 
nannten Kugel-Torf und über die Versuche, die mit Brennma- 
terial in Kugelform gemacht seien, nach welchen dasselbe einen 
grosseren Heizeffckt in dieser Form gehabt habe; auch wies 
Referent darauf hin, dass die Lokomotivführer ihr Feuerungs- 
material stets in bestimmter Grösse zerkleinern Hessen. Hieran 
schloss sich eine längere Diskussion über Torffeuerung etc. 

Schluss der Sitzung 9>/ ( Uhr. 

Arohltekten-Vereln zu Berlin. Versammlung am No- 
vember 1872; Vorsitzender Hr. Quassowski, anwesend 174 
Mitglieder und 11 Gäste. 

Nach kurzer Erledigung der laufenden Gcschäftsangelcgen- 
heiten trägt Hr. Quassowski über Fundirungen mittels Brun- 
nen vor. Er erläutert zunächst im Allgemeinen Prinzip und 
Technik dieser bekannten Konstruktionsmethode , die in der 
Neuzeit eine stets wachsendu Verbreitung gefunden hat, wie sie 
ja thatsäeblich auch die Grundlage aller künstlichen Fundirungen 
mittels Caissons etc. bildet. Ihre Anwendung — in Berlin zum 
ersten Male beim Bau des Hamburger Bahnhofes eingeführt — 
eignet sich für alle Tiefen und fast für alle Fälle, da man in 
vielseitiger Praxis der Schwierigkeiten, die sich ihr entgegen- 
stellen, Herr zu werden gelernt hat und bis zu bemerkeuswer- 
ther Vollkommenheit in Ausbildung der Methode gelangt ist 

Mit besonderer Vorliebe ist die Fuudirung mit Brunnen bei 
den unter der technischen Leitung des Hrn. Vortragenden aus- 
geführten Neubauten der Berlin - Potsdam - Magdeburger Eisen- 
bahn gewählt und sind hierbei sehr zufriedenstellende Erfolge 
erzielt worden, von denen er mehre Beispiele anführt In den 
meisten Fällen hat man — wie neuerdings üblich geworden ist 
— auf die grössere Bequemlichkeit, welche das Senken runder 
Brunnen ►gewährt, verzichtet, die Form derselben vielmehr mög- 
lichst genau der des darauf zu gründenden Pfeilers angepaast. 
Brückenpfeiler wurden hierbei gewöhnlich in 3 Brunnen — einen 
mittleren annähernd quadratischen und zwei an den Pfcilor- 
köpfen zerlegt; der Versuch einen solchen Pfeiler auf einen ein- 
zigen grossen länglichen Brunneu zu gründen, ist in einem Kalle 
cclungcn. in einem zweiten hingegen, wo in der Tiefe ein grosser 
Baumstamm diagonal unter dem Brunnen sich vorfand, miss- 
gluckt; es ist jeaoeh anzunehmen, dass weniger die Grösse des 



UDd eisernen Brücken" vun Dr. 11. Scheffler, und in der .Gra- 
phischen Statik" von K. Culmann. 

Nachtrag. 

Bei der oben gegebeneu Lösung der Aufgabe, ein SeUpoly- 
gon durch drei gegebene Punkte zu konstruiren. wird es erfor- 
derlich, eine Gerade durch einen gegebenen Punkt und den 
Schnittpunkt zweier anderen gegebenen Geraden zu ziehen. 
Dieser Schnittpunkt fällt aber, wenn sowohl die Gewölbeform 
als auch die Belastung nahezu symmetrisch ist, leicht über den 
Rand der Zeichnung hinaus. Man kann sich dann auf verschie- 
dene Weise, u A. durch die bekannte Transversalen -Konstruk- 
tion, helfen. Sind nämlich ab und ac iu Fig. 11 iwei gegebene 

Figur II. 





1 




T 

l 



Geraden, und zieht man von einem beliebigen Punkte d aus die 
Strahlen d<j. d f, de. db. zieht ferner in den entstehenden Vier- 
ecken die Diagonalen, so liegen die Schnittpunkte h, i, k der 
letzteren auf einer durch den Punkt a gehenden Geraden a m 
Es ist hiernach leicht zu ersehen, wie man zu verfahren hat, 
wenn einer der Punkte b, i, k und die Geraden ab und ac, 
oder wenn einer der Punkte g, f, e und die Geraden a m und a c 

Segeben sind. Damit die Konstruktion nicht ungenau wird, darf 
er gegebene Punkt nicht zu nahe an einer der gegebenen Ge- 
raden liegen, was sich indess immer erreichen llsst 
Berlio, im Juli 1872. C Heuser. 



ans Vereinen. 

Brunnens hieran die Schuld trägt, sondern dass die Beseitigung 
dieses Hindernisses durch einen Taucher zu spät versucht wurde. 
Die Brunuenkränze wurden aus mehren Lagen von Bohlen mit 
entsprechender Armiruog von Eisen konstruirt, das Mauerwerk 
in ziemlich bedeutender Stärke von hartgebrannten Ziegeln in 
Zementmörtel (1 Tbeil Zement, 2'/i Theil Sand) ausgeführt Beim 
Ausbaggern ergab die Anwendung des gewöhnlichen Sackboh- 
rers, auf aeu das Personal am Meisten eingeübt war, die besten 
Resultate. Der Beton zur Ausfüllung der Sohle wurde aus 
1 Thl. Zement, 3 TM. Sand und 6 Tbl. Steinschlag zusammen- 
gesetzt, zur Ausmauerung des trocken gelegten Tbeils hingegen 
ein Trassmörtcl angewendet, der aus 1 Thl. Beckumer Kalk, 
1 Thl. Trasa und 2 Tbl. Sand bestand. 

Unter den Bauwerken der B.-P.-M. F., die auf Brunnen ge- 
gründet sind, hob Hr. Quassowski hervor: 

1. Eine Wegeuutcrführung der Wannsee- Bahn. Das eine 
Widerlager derselben ist auf festem Boden gegründet, bei dem 
anderen fand sich Triebsand vor, der auf gewöhnlichem Wege 
nicht zu bewältigen war. Das Fundament wurde daher in 7 
Brunnen zerlegt, deren Senkung iu 14 Tagen geschehen war. 

2. Der Viadukt über den Schiffahrta-Kanal in Berlin. Die 
Brunnen (3 auf einem Pfeiler) erhielten eine Grösse von 4 71 
zu 5,65» in den Seiten und eine Wandstärke von 3 Stein. Da 
bei dem weichen Untergrunde ein sehr schnelles Senken und 
in Folge dessen die Möglichkeit eiues Reissens zu erwarten 
stand, so erfolgte eine Verankerung der Brunnen. Die Kränze 
erhielten bei 0,63» Breite eine Stärke von 0.16"'. 

3. Die Ehlc-Brücko bei Magdeburg. Die zu überbrückende 
Entfernung betrug nach Anlage eiues Umfluthkanals 470"; da 
die Konstruktionen der alten Brücke wieder verwendet werden 
sollten, wurde für die Ocffnungcu eine Weite von nur 12,55» 
angenommen, so dass 31 neue Pfeiler zu gründen waren. Die 
Brunnen erhielten bei 2,20« oberer und 2,51» unterer Breite 
der Pfeiler eine Weite von 2,83», Wände von 2 bis 2V» Stein 
Stärke und Kränze aus 3 Lagen 78»» starker Bohlen. Die Sen- 
kung erfolgte bis 6,28» Tiefe, die obere Verbindung der Brun- 
nen wurde durch Kapncnwölbungen bewirkt Trotzdem bei 
dieser Ausführung mehrfach esperimcntirt wurde (Anfangs ord- 
nete man runde Brunnen an, während der oben erwähnte Ver- 
such, die Pfeiler auf je einen einzigen länglichen Brunnen zu 
gründen, gleichfalls hier unternommen ist), gelang es doch sie 
im Verlaufe eines einzigen Baujahres zu bewirken. 

4. Die Elbbrücke bei Magdeburg. Die Gesammtlänge der 
Brücke von 628» zerlegt sich iu 5 mittlere Ocffoungen von 
62,8» und in 5 seitliche Oeffnungcn von 31,4» Axweite- Die 
Verhältnisse wareu für die Fuudirung ausserordentlich günstig, 
da sich in einer Tiefe von — 1,25 bis — 2,83« schon fester Fei» 
vorfand, doch ergaben sich für die Anwendung von Bronnen 
insofern Schwierigkeiten, als auf dem Lande eine schwache 
Fehlschicht durchbrochen werden mussto, während im Wasser 



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377 — 



das geneigte Anstehen des Felsens zu überwinden war. Beides 
ist durch Taucbcrarbeit vcrhältniBsniässig leicht von Statten 
gegangen; allerdings hat man in letzterer Hinsicht darauf ver- 
zichtet unter den Brunnen eine völlig wagerechte Fläche her- 
zustellen, sich vielmehr begnügt, durch Abbrechen des Felsens 
auf der einen, Unterstopfen des Brunnenkraozes auf der anderen 
Seite ein nothdürftiges Auflager desselben auf so lange zu er- 
zielen , bis durch die Ausgiessung der Sohle mit Beton ein in- 
niger Anschluss der Brunnen an den Untergrund hergestellt 
war. Auf die Sicherung dieser Fundirung mittels einer guten 
bis auf den Fels reichenden Steinschüttung ist sorgfältig Bedacht 
genommen worden. — Die Pfeiler waren auch hier in je 3 
Brunnen getheilt. Bei der Strombrücko hatten dieselben eine 
Weite von 4,71 X 5,fc5» eine Mauerstärke vou 3 Vi Stein und 
Kränze aus 4 Lagen 105»» starker Bohlen in einer vou 0,39 — 
0,71« ansteigenden Breite; bei der Fluthbrücke hatten sie eine 
Weite von 2,83 X +,08" und Kränze aus 3 Logen von Bohlen in 
0,31 bis 0 47- Breite. Die Kosten der Brunneuaenkung haben 
an der Elbbrücke 19 Thlr. 3% Sgr. pro Meter betragen. 

Im Anschlüsse an diese Mittheilungen beschrieb Hr. Quas- 
sowski demnächst noch eine andere an der Magdeburg-Helm- 
stedter Bahn ausgeführte Fundirung, die zu interessanten Beob- 
achtungen Veranlassung gegeben hat. Die Bahn durchschneidet 
auf braunschweigischem Gebiete das Wiesenthal der Aue und 
die Landesregierung stellte die Forderung, dass ein dort vor- 
handener Graben unter allen Umständen an seiner Stelle er- 
halten und durch den Bahnkörper geleitet werde. Es war hierzu 
ein Durchlass erforderlieh, der bei 2,5» Lichtweite 5,34" hoch 
mit Erde zu überschütten war. Der Grund an der betreffenden 
Stelle zeigt auf 4,7'»» Moor, darunter in ca. 2.5» Mächtigkeit 
einen blauen, sogenannten Thon (wahrscheinlich Infusorienerde), 
dann eine 1,50 bis 3.75» starke Schiebt des grünlichen Magde- 
burger Sandes, endlich bis auf eine nicht festgestellte, jedenfalls 
30» noch überschreitende Tiefe sogenannte verlorene, d. h. von 
Wasser durchzogene und fast völlig aufgelöste Braunkohle. Da 
von einem Erreichen festen Baugrundes hiernach unter keinen 
Umständen die Rede sein konnte, so wurde ein Versuch gemacht, 
den Boden dadurch zu komprimiren, dass man unter dem Bau- 
werk einen Rost von 11 bis 13» langen, in etwa 0,50» mittlerer 
Entfernung geschlagenen Pfählen anordnete, den man jedoch 
nach den beim Bau der Ostbahn in Küstrin gemachten Erfah- 
rungen mit keiner festen Spundwand umgab. Die Ausführung 
des Bauwerks erfolgte nach Abräumung der Moorscbicht und 
Ersatz derselben durch eine Kiesauffüllung in vorsichtigster Weise, 
ebenso die spätere Beschüttung desselben mit Erde. In Folge 
der letzteren trat jedoch zu beiden Seiten des Durchlasses ein 
bedeutendes Aufquellen des Bodens ein, dem man durch Auf- 
füllen von Sandmasseti einen Gegendruck entgegensetzte, ohne 
jedoch verhüten zu können, dass das Bauwerk hierbei an mehren 
Stellen risa und eine Verlängerung von 0,76» erlitt, während 
die Senkung im Scheitel an keiner Stelle mehr als 39»» betrug. 

Die Reparatur de* Durchlasses erfolgte in der Weise, dass 
man nach Entfernung der Aufschüttung die geborstenen Stellen 
ausstemmte und durch neues Mauerwerk ersetzte, gleichzeitig 
aber 3 Längsanker von 75»» starkem Eisen einbrachte. Obwohl 
sich nach Wiederherstellung der Aufschüttung neuerdings feine 
D aarrisse gezeigt haben, so ist es doch gelungen hiermit der 
Bewegung Einhalt zu thun. 

Eine Erklärung des Vorganges glaubte der Hr. Vortragende 
darin zu finden, dass der aufgeschüttete Sand unter dem Drucke 
des Dammkörpers zwischen die Rnstpfähle gedrungen ist und 
diese hierbei zur Seite gedrängt hat; eine andere wurde auch 
in der Diskussion, die auf seinen Wunsch dem Vortrage ange- 
schlossen wurde und in der einige ähnliche Fälle zur Erwäh- 
nung kamen, von keiner Seite gegeben. 

Bei Beantwortung der Fragen rieth Hr. Ende von der An- 
lage einer für sämmtliche Räume des Gebäudes gemeinschaft- 
lichen Zentralheizung bei Privathäusern, die von mehren Par- 
teien bewohnt werden, entschieden ab. Die Ansprüche der 
einzelnen Individuen an die Heizung sind so verschieden, das.« 
hieraus die gröasten Unzuträglichkeiten entstehen, und es em- 
pfiehlt sich — wenn man solchen Häusern die Annehmlichkeit 
einer Zentralheizung gewähren will, eine solche für jede Woh- 
nung anzulegen. Herr Wiche II erläutert die Erfahrungen, 
welche man bei dem Versuche der Anwendung von Thonröhren 
für die Wasserleitung in Königsberg gemacht hat — Erfahrun- 
gen, die bekanntlich so ungünstig ausgefallen sind, dass man 
-*i noch während des Baues entschlossen hat, zur durchgängigen 



Architekten - und Ingenieur - Verein zu Hannover ; 

Hauptversammlung am 6. November 1872. Vorsitzender Bau- 
rath Hase. 

Nach erfolgter Abstimmung über die Aufnahme von 3 neuen 
Mitgliedern wurde beschlossen, die von dem Untcrstütinngsfonds 
für hilfsbedürftige Kollegen im Felde übrig gebliebene Summe 
von 50 Thlrn. bis dahin, wo über ihre definitive Verwendung 
ein Beschluss gefasst werden wird, bei dem Banquier des Ver- 
eines zinsbar anzulegen. 

Auf Anregung des Herrn Koehler wurden sodann 2 Kom- 
missionen von je 7 Mitgliedern gewählt, von denen eine die 
Musterschutz - Angelegenheit in Vorbereitung nehmen, die an- 
dere Moassregcln in Vorschlag bringen wird, welche die Ein- 
wirkung des Vereines auf eine systematische Gestaltung des 
Stadtbebauungsplanes und auf eine Revision der städtischen 



Hierauf folgte ein Vortrag des Vorsitzenden über das Kai- 
ser - Heinrich - Grab in der Schlosskirche zu Quedlinburg. 

Als Einleitung gab der Vortragende einen Ueberblick über 
die geschichtliche Kntwickclung dieses interessanten und mit 
Recht berühmten Kirchenbauwerkes. Der im Süden der Stadt 
gelegene isolirt« Felsen, auf welchem die Kirche steht, war ur- 
sprünglich wohl nur mit Festungswerken tum Schutze der 
nahebei gelegenen Pfalz des Kaisers bebaut; noch bei Lebzeiten 
desselben wurde indess ein Stift, bestehend aus Kirche und 
Kloster, erstcre wahrscheinlich nach dem Muster der in der 
Mitte der Pfalz befindlichen Wipertikirche, inmitten der Fes- 
tungswerke angelegt Dieses Stift diente nach dem 935 erfolgten 
Tode des Kaisers, abwechselnd mit anderen Lieblingsorten, seiner 
Wittwe Mathilde zu deren zeitweiligem Aufcuthaltsorte. 

Durch die Enkelin des Finklers, die Tochter Otto's, wurde 
die Kirche 997 bedeutend vergrössert, um die grosse Menge des 
sich zum Gottesdienste ansammelnden Volkes fassen zu köuneu. 
Ks ist sehr wahrscheinlich, dass dieser Umbau in den damals 



üblichen Formen der doppelchörigen Kirchen ohne hervortre- 
tendes Chorquadrat ausgeführt wurde, bei welcher Gelegenheit 
ein Theil der alten Kirche zur Krypta der neuen wurde. Im 
Jahre 1070 wurde die erweiterte Kirche durch Feuer grössten- 
thcils zerstört und obgleich der Wiederaufbau bald begonnen 
war, doch erst 1 129 vollendet Dio neu«) Kirche war im Wesent- 
lichen in den Formen der abgebrannten wieder aufgebaut, doch 
im ganzen korrekter dem ausgebildet romanischen Schema an* 
gepasst Bei dieser Gelegenheit ward die alte Kirche gänzlich 
zu der jetzigen Krvptaanlage umgestaltet; nur eine Säule und 
vielleicht einige Pfeiler der alten Kirche fanden hierbei Wieder- 
verwendung. Der Chor erlitt einen nochmaligen Umbau und 
zwar im gothischen Stile im Jahre 1320 auf Veranlassung der 
Aebtissin Jutta. 

Was nun das Grab des Kaisers selbst betrifft, so ist darauf 
aufmerksam zu machen, dass diese Bezeichnung sowohl auf sein 
wirkliches Grab angewandt wird, in dem bald nach seinem Tode 
seine Gebeine eingesetzt wurden, als auch auf eine vor mehren 
Jahren unter der Krypta vorgenommene Ausgrabung, welche 
an die Ostwand des eigentlichen Grabes stösst und interessante 
Baureste zu Tage gefordert hat Der Vortragende hat diese 
Baureste, über welche im Jahrg. 18*39 dieser Zeitung S. 563 und 
im gegenwärtigen Jahrgang S. 301 berichtet ist. mit allen De- 
tails aufgenommen und veranschaulichte die Schönheit dersel- 
ben durch zahlreiche mit Kreide an die Wandtafel gezeichnete 
Skizzen, die nicht minder durch das Anziehende der Architck- 
turformeu als auch durch die hohe Kunstfertigkeit und Voll- 
endung, mit der sie gezeichnet wurden, den lebhaften Beifall 
der Versammlung hervorriefen. 

Die nähere Beschreibung der Anlage würde hier zu Wieder- 
holungen führen, es uiögc deshalb der nochmalige Hinweis auf 
die obenbezeiebneten Stellen und die dabei befindlichen Zeich- 
nungen genügen. Von Wichtigkeit dagegen siud dio Mittheilun- 

Sen, welche der Vortragende über die muthmassliche Zeit der 
lerstellung der ganzen interessanten Anlage machte. Er trat 
der S. 301 d. Ztg. aufgestellten Behauptung, dass die aufgefun- 
denen Baureste aus der Zeit der Erbauung der Kirche, also aus 
der ersten Hälfte des zehnten Jahrhunderts herrühren, entschie- 
den entgegen; sämmtliche Basen, Kapitale, Schäfte und Archi- 
volten sind in Stuck ausgeführt; eine Technik, welche man in 
vielen Kirchen des elften und zwölften Jahrhunderts am Harze 
findet. Die eigcuthümlichcn Formen derselben deuten auf die 
Zeit des elften Jahrhunderts hin. 

Vor allem aber erlaubt das neben- 
stehend wiedergegebene Profil des Sockels, 
welches auf S- 301 falsch gezeichnet ist, mit 
beinahe vollkommener Sicherheit den Schluss 
auf eine spätere Anfertigung der Anlage als 
zur Zeit der Erbauung der ersten Kirche 
unter Kaiser Heinrich. Formen, wie dio hier 
aufgefundenen, der Säulen und ihres Zube- 
hörs, Abschrägungen wie die am Sockel 
vorkommenden kannte die nächste Folgezeit 
der Karolinger noch nicht, sondern diesel- 
ben werden erst in der Zeit des entschie- 
denen Romaniamua gefunden. Zur weiteren 
Unterstützung seinor Annahme führte der 
&pm& Vortragende noch an, dass sämmtliche 

Basen der kleineren Säulen in Vogelfüsse 
auslaufen und dass bierin eine Hiudeutung auf den Gründer 
der Kirche, den Finkler oder Vogelsteller gesehen werden musa. 
Dieser Name ward Heinrich indess erst lauge Zeit nach seinem 
Tode beigelegt, er findet sich in keiner Urkunde aus seiner Zeit, 
er ist durch die Mythe gebildet und tritt bei Schriftstellern erst 
nach Jahrhunderten auf. Es dürfte gewiss nicht falsch gegriffen 
werden, wenn man die Zeit der Herstellung der Gruft gegen die 
Mitte des 11. Jahrhunderts annimmt 

Ucber den muthmaasslichen Zweck der. Anlage erklärte der 
Vortragende weniger bestimmte Ansichten,' als über ihre Ent- 
stehungszeit aussprechen zu können ; er hält es für wahrschein- 
lich, dass der Raum unter der Krypta schon in der zuerst er- 
bauten Kirche angelegt ist, um zur Beisetzung von Angehörigen 
des Kaiserhauses zu dienen ; ob diese indess stattgefunden hat 
oder nicht, ist nicht nachzuweisen. 

Aus den Resten der Gruft ersieht man den Schluss dersel- 
ben nach oben nicht mehr. Es liegt die Vermuthung nahe, dass 
sie nach oben offen und mit einer Brüstung umgeben war, auf 
sich (wie in der Wipertikirche) die SäuFen und Pfeiler 




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— 878 — 



des Chorschlusses aufsetzten. Reste, welche in der Gruft auf- 
gefunden sind, scheinen auf eine derartige Brüstung, welche 
mit zierlichen Arkaden dekorirt war, hinzudeuten. — oe. — 

Vermischtes. 

Eine Wind - Turbine. Bei einer kurzen Anwesenheit in 
Riesa hatte ich Gelegenheit, eine dort aufgestellte Wind-Turbine 




ie als Motor für eine Kreissäge 
diente und folgende Einrich- 
tung hatte. In der Mitte eines 
massiven Gebäudes von quadra- 



;m Grundriss und etwa 12° 
llöhe befand sich eine vertikale 
Welle, das flache Doch des Hau- 
se« etwa um 4" überragend, mit 
8 Stück schwach gekrümmten, 
ausdünnen Brettern zusammen- 
gesetzten Schaufeln an, welche 
durch eiserne Stangen in einem 
festen Abstände von der Welle 
gehalten wurden, so dass sich 
unmittelbar um die letztere ein 



Acht Leitschaufeln bb waren in der Weise an der Peripherie 
dieses Turbiucnradca angebracht, dass sie sich um eine an ihrem 
inneren Eude befindliche vertikale Welle drehen fassen. Durch 
entsprechende Stellung konnte die Kraft des Windes regulirt 
werden ( wahrend dieselbe ihre Wirksamkeit gänzlich verlor, 
wenn die Leitschaufeln so weit gedreht wurden, dass die Spitze 
der einen die Drehaxc der anderen berührte. Dieselben bildeten 
dann einen das Rad völlig einschlicsseudeu achteckigen Kasten. 

Die Kreissäge , welche durch Riemenbetrieb in Bewegung 
gesetzt wurde, befand sich im Erdgeschosa des GebSudes. 

Bei einem rocht frischen Winde machte die Turbinenaxe 
beim Leergange in 3 Sekunden eine Umdrehung, wenn die Sage 
dagegen arbeitete verlängerte sich diese Zeit in dem Verhältnis« 
der geleisteten Arbeit. Beim Zersägen eines 4 starken 
Brettes war die Veränderung unmerklich; dagegen betrug die 
Umdrehungszeit beim Durchschneiden einer 8 starken 
eichenen Bohle etwa 6 Sekunden. Die Vorrichtung soll eine 
Stärke von 0 Pferdekräften besitzen, indessen kann sich dies 
nur auf eine bestimmte Geschwindigkeit des Windes bezieben, 
Greiwe ich nicht erfahren konnte, T. 



Konkurrenzen. 

Nen eröffnete Konkurrenzen. Durch ein Verseben ist es 
unterlassen worden, der am s. Dezember d. J. geschlossenen, in 
No. 43 unseres Bau- Anzeigors angekündigten Konkurrenz für 
Entwürfe zu einem neuen Portale der Marienkirche in 
Sralsund auch an dieser Stelle zu erwähnen. Wir hoffen, 
dass diese Aufgabe trotz, oder vielleicht gerade in Folge ihrer 
Eiufuchheit unter den im Backsteinbau geschulten Architekten 
Norddeutschlands, namentlich unter denen der Hannoverschen 
Schule, zahlreichste Betheiligung finden wird. Dass dies bei 
einer aus Meldorf in Hollstein „an Architekten, Steinmetzen 
und andere Sachkundige* erlassenen Aufforderung, die bis zum 
16. Dez. Risse zu einem einfachen, aus Granit herzustellenden 
Denkmal für die gefallenen Krieger nebst Kostenanschlag 
erbittet und dem .zur Ausführung gelangenden" Plane eine 
Prämie von 30 Tbir. in Aussicht stellt, in gleichem Maasse der 
Fall sein wird, glauben wir nicht, können auch unter solchen 
Verhältnissen von einer Betheiligung nur abrathen. 

Dasselbe gilt von den internationalen Konkurrenzen für 
Entwürfe zu einem Denkmal der Prinzessin Heinrich 
der Niederlande in Luxemburg und zu einem neuen 
Hospitale in Antwerpen. Die erstcre ist in No. 43 unseres 
Bau-Anzeigers angekündigt und schliesst am 31. Januar k. J., 
für die letztere, deren Programm vom Sekretariat der bürger- 
lichen Hospitfiler zu Antwerpen zu beziehen ist, gilt als Scbluss- 
termin der 1. Mai 1873 und es sind Preise von 3000, "2000 und 
1000 Frcs. festgesetzt Die Aussichten einer internationalen Kon- 
kurrenz sind für die Architekten der fremden Nationalitäten 
bekanntlich nichts weniger als günstig, sobald die Preisrichter 
nicht Deutsche sind. 

Von einer in Bremen eröffneten Konkurrenz für Entwürfe 
zu einem Kriegerdenkmale ist uns bis jetzt Nichts bekannt ge- 
worden; die darüber in mehren Blättern enthaltene Notiz scheint 
den Beschluss, dass eine solche Konkurrenz erlassen werden 
soll, mit dem Faktum selbst verwechselt zu haben. 

Personal - Nachrichten. 

Preu ssen. 

Ernannt: Der Bau -Inspektor Berring in Crefeld zum 
Ober-Bauluspektor beim Regieruugs Kollegium in Oppeln. Der 
Baumeister van der Blassen zu Essen zum Kreisbaumeister 
in Aurich. Der Baumeistor Hauck zu Berlin zum Lokal-Bau- 
beamter, der Militair-Verwaltung in Köln. Der Kreisbaumeister 
Blaurock zu Neustadt i. Wcstpr. zum Bau-luBpekter in Neu- 
Ruppin. 

Die Versetzung des Eisenbahn-Baumeisters Kahle von Arns- 
berg nach Elberfeld und des Eisenbahn-Baumeisters Schmidts 
von Elberfeld nach Arnsberg ist — 



Dem Direktor der König). Porzellan-Manufaktur, Regicruogs- 
und Baurath Möller zu Charlottenburg ist der Charakter als 
Geheimer Regierungsrath verliehen worden. 

Das Baumeister-Examen haben bestanden am 30. Ok- 
tober, 2, und '.1. November er.: Julius Brüning aus Selsin- 
gen; Carl Rebentisch aus Sycke; Wilhelm Eduard Otto Rh e- 
nius aus Gross-Salze; Edmund Karl Markus Ludwig Müller 
aus Wettin. 

Das Bauführcr-Eiamon hoben am 28., 29. und 30. Ok- 
tober, 4., 5. und <>. November er- bestanden: Friedrich Oskar 
Uossfeld aus Scbulpforta: Emil Strcichert aus Tilsit; Bern- 
hard Dedekind aus Kloster Maricuberg bei Helmstedt; Samuel 
Kauziger aus Neuenburg i. Westpr.: Hugo Gcelhaar aus 
Hohenstein i. Ostpr. ; Hermann Gnuschkc aus Barten i. Ostpr. 



Brief- und Fragekasten, 

Hrn. W. W. in Berlin. Ein populär geschriebenes Werk 
Uber Ziegelfabrikation, das wir durchaus empfehlen könnten, 
ist uns nicht bekannt. Uobrigons ist es eine gewagte Sache, 
derartige Empfehlungen auszusprechen, ohne den Zweck zu 
kennen, welchem das Werk dienen soll. Wollen Sie eine ober- 
flächliche dilettontistiscbe Kcnntniss des betreffenden Gebiete* 
gewinnen, so dürfte Ihnen jedes der in jüngster Zeit erschiene- 
nen Kompendien : Heu sine er v. Waldegg, Neumann etc. ge- 
nügende Dienste thun, suchen Sie dagegen für den wirklichen 
Betrieb der Ziegelfabrikation Belehrung und Anregung, so kön- 
nen wir Ihnen nichts dringender rathen, als sich in den Besitz 
der von dem verstorbenen Albrecht Türrschmiedt begründeten 
„Töpfer- und Ziegler- Zeitung" zu setzen und deren Aufsätze 
eingehend zu studiren. Von einem höheren wissenschaftlichen 
Standpunkt« aus wirkt die Zeitschrift des Vereins für Ziegel- 
fabrikation, während als dos neueste Werk dieser Tendenz „Ab- 
riss der Thonwaarcn-ludustrie." von Prof. Kerl anzuführen ist. 

Bot heiligtor an der Schu Ihaus-Konk urreuz für 
Kiel. Unseres Wissens ist die Verzögerung der Entscueiduus 
durch Schwierigkeiten bewirkt worden, welche dem Zusammen- 
tritt des anfänglich bestimmten Preisgerichts sich entgegenge- 
stellt haben. 

Hrn. W. in Otterndorf. Das neueste Werk über Oberbau 
der Eisenbahnen ist noch immer Wink ler, Vortrage über Eisen- 
bahnbau; der Theil über Bahnhofsgeleise ist jedoch noch nicht 
erschienen. Ausserdem ist zu empfehlen : „Anleitung zum Legen 
der Bahnhofsgeleise von J. R. Baugut - und .Handbuch der spe- 
ziellen Eisenbahn -Technik von licusingcr von Waldegg". 

Um. C. L. in Berlin. Die spezielle Konstruktion der eiser- 
nen Oefeu im provisorischen Reicbstagsgebäude ist uns nicht 
bekannt, doch glauben wir, dass dieselben keine Mcidinger'scheii 
sind. Die Konstruktion ist unseres Wissens von dem Ingenieur 
der Berliner Aktiengesellschaft für Zentral - Heizung*-., wawer- 
und Gas-Anlagen (früher Schäffor & Walcker), Hrn. Bernaxd 
angegeben und Sie werden von jener Gesellschaft sowohl 
Auskunft erhalten, als auch derartige Oefeu bezichen 

Um. M. Z. Wir können (in der betreffenden Frag« keine 
authentische Entscheidung fällen, sondern nur eine Artsicht 
äussern. Diese Ansicht stimmt mit der Ihrigen völlig übereil». 
Bei der Einführung der li Unterabtheilungen, welche in § 4 
unserer „Norm zur Berechnung des Honorars für architektonische 
Arbeiten" als die einzelnen Leistungen angeführt werden, tiu 
denen sich die Gesammtthätigkeit des Architekten bei einer 
Bauausführung zusammensetzt, hat augenscheinlich der Zwcct 
obgewaltet, die verschiedenen Stadien der architektonischen 
Arbeit so zu trennen, dass bei einer plötzlichen Unterbrechung 
dersell>en oder beim Uebergange des Baues von dem einen iml 
den anderen Architekten, mit Klarheit ersichtlich ist, welcher 
Prozentsatz des Gcsammthonorars der betreffenden Leistung 
entspricht. Da sehr viele Projekte nicht weiter gelangen, als 
bis zu einer ersten Skizze, so war es nothwendig, für diese 
Arbeit einen besonderen Theilbetrag festzusetzen. Unseren 
deutschen Verhältnissen entsprechend ist dieser Prozentati 
ziemlich niedrig normirt worden, da der seinerzeit von Ib. 
Donaldson mit Recht hervorgehobene Gesichtspunkt, das» in 
dieser Abtheilung die Erfindung, d. h. diejenige geistige Arbeit 
de* Architekten enthalten sei, welche den höchsten Werth seiner 
Leistung ausmacht, den meisten Bauherren wohl nicht begreif- 
lich zu machen wäre und eine höhere Forderung lur Sku.'en 
bei ihnen auf unüberwindlichen Widerstand stossen wurde. Wenn 
neben einem Honorar für die Skizze ein im Durchschnitte glei- 
ches (in den unteren Klausen höheres, in den höheren gerin- 
geros) Honorar für den vollständig ausgearbeiteten Eutwirt 
ausgeworfen ist, so geht wohl schon aus dem letzterwähnt« 
Verhältnisse unwiderleglich hervor, dass die Anfertigung «wr 
Skizze als die selbstverständliche Voraussetzung ftr 
die Ausarbeitung dos Entwurfs anzusehen ist, und dass daher 
ein solcher mit dem für Skizze und Entwurf ausgesetzten 
Betrage auch in dem Falle honorirt werden muss, wo die Aus- 
häudigung einer besonderen Skizze an den Bauherrn nicht 
erfolgt ist. 

Berichtigung. In dem Referat über die letzte Haupt- 
versammlung des Architekten-Vereins zu Berlin ist in No. 4-' 
S. 366 u. BI. die Zahl der vom Verein pro 1873 zu haltend« 
Zeitschriften irrthüinlich auf angegeben: dieselbe beträgt** 

Beiträge mit Dunk erhalten von deu Herren P. u. B. ■ 
Berlin, v. W. in Bautzen, M in Cassel. 



ue„4.r PKkirt I» 



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Jahrg. fL M 47. 

DEUTSCHE BAUZEITUNG 

Organ des 'Verbandes 

deutscher Architekten - und Ingenieur-Vereine. "yE 

Redakteur K. E. 0. Fritteh. 



Kadaatioa L Ei|i*dit:«»: 
*<tlm, OruinitrMM loi 
Be.t.Lluafaa 



I in n rat. 

für 4k Uwr «er 

IM 



>',', IV Pr, 



PreU 1 Thaler pr. taartal. 


Berlin, den 23. November 1872. Ertekclitjetlea Sjaaakeia. 


Inhalt: l>a> Pr.u«lwii. Slaalrtuwataen. iFortaetiaag). Neabauten in 
Hanau.«. - Di« Villi March aa CharloMenburg. - lieber fiewiUb* aiu diu.. 
mSrtel, dann Fertigkeit, Ko.tea aad Ihr V.rhallaa, verglichen mit Ueaölben tob 


Begafalckua, — Uitfheilaugen an. Vereiaen: Architekten-Verein iu Berlin. 
- V.rmi.rht.i Da« Tarti»»in*t«. - l'.no.ll- * ae hriehtaii , Brief- 
aad Fragekaalea. 



(Fartxetxuua). 



Bei der Ausbildung, die den Preussischen Baubeamten 
vorgeschrieben ist, sind drei von einander getrennte Haupt- 
momente zu unterscheiden: die allgemeine für den Eintritt 
in dag Fach erforderliche Vorbildung, das theoretische Fach- 
studium und die praktische Ausbildung als Techniker und 
Beamter. 

Welcher Umfang und welche Form allgemeiner Schul- 
bildung für den Beruf des Baumeisters als die zweckent- 
sprechendste zu verlangen sei, ist seinerzeit iu Preusseu 
Gegenstand eines heftigen Streites gewesen, an dem sich 
nicht nnr Techniker, sondern namentlich auch Schulmänner 
betheiligt haben. Ohne dass wir an den gegenwärtig be- 
stehenden Vorschriften, welche den Eintritt in die Laufbahn 
des Baubeamten von der vorherigen Ablegimg der Abi- 
turienten-Prüfung auf einem Gymnasium oder einer 
Realschule erster Ordnung abhängig machen, etwas geändert 
wissen möchten, halten wir es durch die Tendenz dieser 
Arbeit, welche die möglichste Klarheit über alle mit dem 
Preussischen Staatsbauwesen zusammenhängenden Verhält- 
uimc au verbreiten strebt, dennoch für geboten, auch jene 
Frage einer kurzen Erörterung zu unterziehen. 

Man hat dieselbe, wie wir glauben, meist ein wenig zu 
trivial behandelt. So hat man. als im Jabre 184S» an Stelle 
der Reife für die erste Klasse einer höheren Schule die Ab- 
solvirung des vollständigen Kursus einer solchen gefordert 
wurde, dies ausschliesslich damit motiviri, dass die künfti- 
gen Baubeamten in allgemeiner Bildung und „in der öffent- 
lichen Stellung den übrigen Staatsbeamten in keiner Weise 
nachsteheu möchten," während doch vor allen Dingen die 
Erwägung gerechtfertigt war, dass der Kursus jener Schulen, 
namentlich der der Gymnasien, ein iu sich geschlossenes 
Ganzes ist, das nicht ohue Nachthe'd an beliebiger Stelle 
abgeschnitten werden kann, dass vielmehr die letzten Jahre 
desselben fortlassen geradezu seine wesentlichsten 
Früchte wegwerfen lieisst Mit derselben Einseitigkeit 
hat man in dem späteren Streite für nnd wider die Gleich- 
berechtigung der Realschnlen mit den Gymnasien stets nur 
das Maass der positiven Kenntnisse, welche die Schüler der 
betreffenden Anstalten zu erwerben pflegen, in Betracht ge- 
zogen Hill- deren grössere oder geringere Nützlichkeit für 
das Studium der bautechniseben Fächer untersucht, während 
es doch von gleichstehender Bedeutnng ist, welches Maass 
allgemeiner Geistesreife und welche Geistesrichtung jene er- 
langt haben. Es berührt eigentümlich, wenn in den Mi- 
nisterial-Reskripten der dreissiger Jahre die Beschäftigung des 
künftigen Staatsbaubeamten mit den alten Sprachen dadurch 
motivirt wird, dass derselbe wenigstens die gewöhnlichsten 
aus jenen Sprachen hergenommenen Ausdrücke verstehen 
müsse, um durch mangelhafte Schulbildung keine Blössen 
zu geben, ^falls er vielleicht bernfen würde, eine Stelle in 
einem Kollegio auszufüllen"; oder wenn von anderer Seite 
wieder geltend gemacht wird, dass ein in der Ausdehnung 
des Gymnasialkursns getriebenes Studium der alten Sprachen 
um deshalb überflüssig sei, weil doch verhältnissmässig we- 
nige Baumeister dazu kämen, sich über antike Kunst aus 
deu Originalstellen der alten Schriftsteller zu unterrichten. 
Dass in Betreff der für das Studium des Baufachs unmittel- 
bar nützlichen Kenntnisse, in der Pflege der Mathematik, 
der Naturwissenschaften, der neueren Sprachen, meist auch 
des Zeichen-Unterrichts, die Realschulen deu entschiedensten 
Vorzug verdienen, scheint uns ebenso unbestreitbar, wie der 
Vorzug, welcher den Gymnasien kraft ihrer idealen Rich- 
tung in dem Ergebniss grösserer Tiefe und Systematik des 



Denkens und demzufolge eines grösseren formalen Geschicks 
gebührt. Für deu Techniker spielt jenes, für den Beamten 
dieses eine wichtigere Rolle und folgert hieraus eben die 
Gleichberechtigung beider Intcrrichts-Methodeu für den 
hier in Betracht kommenden Zweck. Wenn nnsere Gymna- 
sien sich von der Verkümmerung wieder erholt haben wer- 
den, die ihnen während der Periode kirchlicher und poli- 
tischer Reaktion zu Theil geworden ist, so möchten wir, mit 
Rücksicht auf die in deu Vordergrund zu stellende Beamten- 
Qualitikation der Preussischen Staatsbaumeister, der Gymtia- 
sialbilduug persönlich den Vorzug geben : der augenblickliche 
Zustand derselben in Betreff der oben erwähnten Unterrichts- 
zweige ist jedoch auf den meisten Anstalten ein so trostloser, 
dass wir zur Ausbildung der Baubeamten für'» Erste die Ab- 
solvirnng des Realschulkursus empfehlen müssen. 

Es gilt dies übrigens, wie wir beiliiulig bemerken, 
lediglich für die allgemeine Vorbildung des Baubeamten. 
Für den Architekten und Ingenieur steht der mittelbare 
wie nnmitlell>are Vortheil, der ihm aus dem regelrechten 
Besuche ein«» Gymnasiums oder einer Realschule erwächst, 
nicht mit dem Nachtheile im Gleichgewicht, dass er in Folge 
dessen verhältnissmässig zu spät in sein Fach eintritt; er 
muss deu Elementen desselben bereits die Jahre frischester 
lichkeit widmen, falls er sich mit allen Wurzeln 
darin einleben will. Es müssen daher für 
Vorbildung besondere Unterriehts-Austalten beeriindet 
' •neu uns in dem Reorguuisatiousplaue der 
Preussischen Gewerbeschulen ein vielverheisseuder Anfang 

gemacht zu sein scheint 

Zwischen der Vorbildung durch die allgemeine Schule 
und dem akademischen Fachstudium besteht im Aushilduugs- 
gauge der Preussischen Baubeamten von jeher ein Verbin- 
dungsglied — früher die Ausbildung und Bewährung als 
Feldmesser, nenerdings die praktische Thätigkeit imter Lei- 
tung eines geprüften Baumeisters, das sogenannte Eleven- 
jah r. 

Ueber die Notwendigkeit eines solchen Verbindungs- 
gliedes ist wohl kaum ein Zweifel zulässig. Der auf der 
Schule gewonnene Gesichtskreis und der für die meisten 
Novizen völlig fremde Horizont eines technischen Fuchs 
haben so wenig mit einander gemein, dass eine allmälige 
Vermittelung zwischen beiden Gegensätzen ebenso unentbehr- 
lich ist, wie ein Uebergang von dem auf der Schule üblichen 
zu dem auf Anschauung; basirten technischen Unterrichte. 
Es gilt endlich vor allen Diugen, dem Eleven diejenigen 
technischen Vorkenntnisse und Fertigkeiten beiznbriugeu, 
welche die einfache Voraussetzung eines Fachstudiums 
sind. 

Die historische Ausbildung nnd Bewährung als Feld- 
messer hatte diesem Bedürfnisse nur in uothdürltiger, zum 
Mindesten in sehr einseitiger Weise entsprochen. So 
wünschenswerth und nützlich dieselbe im Uebrigen auch für 
viele Leistungen des speziellen Bau- Ingenieurs ist, so muss 
doch eingeräumt werden, dass sie unter den allgemeinen 
Anforderungen an den Baubeamten keine so wesentliche 
Rolle spielt, dass hieraus das für sie erforderte Zeitopfer 
von mindestens zwei Jahren gerechtfertigt werden konnte. 
Die Organisatoren von 1849 haben daher sicherlich gut daran 
getliau, wenn sie die Erlernung der Theorie und eine be- 
schränkte Uebuug des Feldmessens dem späteren Ausbildungs- 
gange des Baubeamten einfügten, die Vorbereitung für das 
akademische Fachstudium aber durch eine zweckentsprechen- 
dere Art der Beschäftigung zu ersetzen suchten. Wir wolleu 

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sie auch nicht tadeln, wenn sie dieselbe in der Unterweisung 
durch einen praktisch thütigeu Baumeister zu tiuden 
Klaubten; schien doch die Einführung einer solchen Lehr- 
zeit, welche offenbar den in Frankreich üblichen Ausbil- 
dungsgang des Architekten zum Muster nahm, nicht nur 
allen oben erwähnten Gesichtspunkten im Interesse des 
weiteren Studiums am Einfachsten und Besten gerecht zu 
werden, sondern sie versprach noch nebenher, den Eleven 
bereits mit den vielseitigsten Erfordernissen der Praxis be- 
kannt zu machen und damit eine Grundlage seiner Ausbil- 
dung auch nach dieser Richtung hin abzugebeu. 

An Stimmen, welche diese Hoffnungen als eine leere 
Illusion bezeichneten, hat es freilich schon damals nicht 
gefehlt. Der Erfolg hat bewiesen, wie sehr sie Recht hatten, 
denn thatsächlich giebt es im ganzen Ausbildungsgange des 
Preussischen Baubeamten kaum eine so verfehlte und ver- 
derbliche Einrichtung, wie die des Elevenjahres. 

Das Büreau eines Preussischen Kreisbaubeaniten, an 
welches bei dieser Einrichtung doch zunächst gedacht wor- 
den ist und dem in der That die grosse Mehrzahl der Ele- 
ven sich anzuvertrauen pflegt, besitzt mit dem Atelier eines 
Pariser Architekten oder dem Bureau eines Englischen Zivil- 
Ingenieurs nur geringe Aehnlichkeit. Abgesehen von allen 
anderen, ohne Weiteres in's Auge springenden Gegensätzen 
fehlt ihm gerade dasjenige Element, welches jene zur Aus- 
bildung junger Künstler und Techniker vorzugsweise geeignet 
macht: die Genossenschaft älterer und jüngerer Schüler, 
in welcher der Anfänger unter beständiger Anleitung und 
am Vorbilde seiuer geübteren Gefährten in die Bedingungen 
seines nenen Bernfes sich einzuleben vermag, während der 
Meister selbst nur die Seele nnd die oberste Autorität dieser 
in ununterbrochener Verjüngung begriffenen Körperschaft bil- 
det Der Eleve des Preussischen Daulieamten sieht sich auf 
dessen Büreau zumeist allein, höchstens in Gesellschaft eines 
auf gleicher Stufe befindlichen Genossen und eines Schreibers, 
und ist in Betreff aller Anleitung und Belehrung ausschliess- 
lich und direkt auf die Person seines Lehrmeisters ange- 
wiesen. 

Wenn dieser die erforderliche Müsse besitzt und sich 
die nöthige Mühe nicht verdriessen lässt, wenu sein Wohn- 
ort und sein Wirkungskreis ihm dazu Gelegenheit geben, 
dem Schüler lehrreiche Beispiele vor Augen zu stellen und 
ihu an lehrreichen praktischen Aufgaben in das Verstand- 
niss des Faches einzuführen, wenn er endlich — was die 
Hauptsache ist - überhaupt zum Lehrer berufen ist, so 
soll nicht bestritten werdeu, dass die Resultate des Eleven- 



jahres die beabsichtigten sein können. In einzelnen Fällen 
mögen sie es auch wirklich sein. Leider 'ist der PreuasLsche 
Baubeamte in der Regel mit Geschäften derartig überhäuft, da*, 
es für ihn schon erheblicher Anstrengungen bedarf, um nur 
anf dem Laufenden zu bleiben; einen grossen Theil de* 
Jahres ist er zudem auf Dienstreisen begriffen. Die Art 
seiner Arbeit ist nicht immer eine solche, dass sie zur lehr- 
reichen Beschäftigung eines Fachjüngers geeignete Gelegen- 
heit giebt. Eine ganz unzutreffende Voraussetzung aber b>l 
es, dass ein jeder Baubeamte neben den vielen anderen 
von ihm erforderten Eigenschaften und Fertigkeiten ohne 
Weiteres auch Beruf, Neigung uud Geschick zum Lehrer 
haben soll! 

Sehen wir doch zu, wie die meisten Eleven in Wirk- 
lichkeit beschäftigt werden. 

Mit Ausnahme Weniger, die als Söhne von Technikern 
oder im Verkehr mit solchen bereits einen Einblick in th< 
Wesen des Fachs gewinnen konnten, haben sie dieses ohne 
ausgesprocheneu Beruf als Brotstndium erwählt. Ohne 
l'ebuug im Zeichnen, das auf den meisten Schulen leider 
noch immer vernachlässigt wird, praktischer Anschannng an>l 
praktischer Fertigkeit überhaupt mehr oder weniger entbeh- 
rend, siud sie auf dasselbe fast völlig unvorbereitet; von 
allen Kenntnissen, die sie der Schule verdanken, vermögen 
sie vorläufig noch nicht den mindesten Gebrauch zu machen, 
in allen dem, was sie augenblicklich gebrauchen könnten, 
sind sie so ungeschickt uud hülflos wie nur möglich. Wö- 
llmen Noth thäte, wäre ein systematischer Unterricht, 
der an die gewohnte Form ihrer bisherigen Thätigkeit an- 
knüpfend und von einfacheren allmälig zu schwereren l'eliun- 
gen ansteigend, sie in diese neue fremde Welt einführte 
aber dies würde vor Allem erfordern, dass sich ihr Lehr- 
meister ständig mit ihnen beschäftigte, während er ihnen 
doch nur gelegentlich eine Viertelstunde widmen kann und sie 
im L'ebrigen sich selbst überlassen muss. 

So wird ihnen denn für gewöhnlich zuuächst die mecha- 
nische Kopie einiger Zeichnungen aufgetragen. Haben sie 
hierbei allmälig eine oberflächliche Handfertigkeit und ein 
nothdfirftiges Verständnis» dessen, was sie zeichnen, erhört, 
so wird ihnen demnächst auch wohl die Anfertigung einiger 
für den Dienstgebrauch bestimmter Blätter — sei es nach 
älteren Vorlageu oder nach Skizzen des Banbearoten - an- 
vertraut; auch die Herstellung der für die Akten erforder- 
lichen Pausen fällt ihnen zu. In sehr vielen FälWu kommt 
der Eleve jedoch gar nicht dazu, soviel zeichnen zu können. 
Die Thätigkeit seines Lehrers gipfelt in schriftlichen Arbei- 



Vubauten In lautrer. 

In gleichem Schritte mit dem Aufschwünge, welchen in den 
letzten 4 — 5 Juhreu Handel, Verkehr und Industrie in Han- 
nover genommen haben, ist auch diu Entwicküluiig des Bau- 
wesens in dieser Zeit zu höherer Blüthe gediehen. Es hat zwar 
in Hannover schon seit Jahrzehnten eine äusserst reite Bautä- 
tigkeit geherrscht, in der das ernste Streben auf Herstellung 
stilgetuässcr Privatbauten volle Anerkennung verdient: zu kei- 
ner Zeit aber hat die Bautbätigkeit einen solchcu Umfang ge- 



habt, wie in den letzten Jahren. Es ist unschwer vorauszusagen, 
dass, wenn säromthehe im Laufe dieses Jahres in Anreguug 



gebrachten, zum Theil auch in Angriff genommenen öffentlichen 
und Privat -Bauprojekte zur Ausführung kommen, die Stadt 
Hannover mit theilweiser Ausnahme des inneren stagnirenden 
Kernes in weiteren ä— 10 Jahren eine vollkommen veränderte 
Physiognomie haben wird. Wie sehr uud wie schnell die bau- 
lichen Interessen in deu Vordergrund des öffentlichen Lebens 
getreten sind, geht wohl schon daraus hervor, dass in diesem 
Frühjahre zwei Aktien - Baugesellschaftcn, die eine unter dem 
Namen .Hannoversche Baugesellscbaft," die andere als .Ge- 
werbliche Baubank- mit bedeutenden Kapitalien gegründet 



In ästhetischer Hinsicht ist aus der obengenannten Ent- 
wickeluugspcri»dc und der unmittelbar vorangegangenen Zeit 
als ein wichtiges Moment die Einführung des Renaissancestiles, 
der bis dahin in Uannovor fast uuvertrefeu war, hervorzuheben. 
Als die ei »teil Bauten, deren Faeadcu mit konsequenter Durch- 
fahrung der Renaissance hergestellt sind, müssen zwei an der 
Kreuzung der Georgs- mit der Packhofstrassc stehende Wohn- 
häuser bezeichnet werden, von denen das eine, uach dem Eul- 
wurfe von Köhler erbaute, antikisireude, das andere von 
Kuntze entworfene französische Renaissance zeigt. 

Unter den spateren Renaissance- Neubauten, ja unter deu 
Neubauten Uannovcrs überhaupt verdient den unbestreitbaren 
Vorrang der, wenn auch erat zum kleineren Theil vollendete 
Umbau des Zentral - Bah nhofes. Das alte von Professor 
Schwarz erbaute Bahnhofsgebäude, welches seiner Zeit den 
Ruf eines Musterbaues hatte, geuüicte schon seit Langem den 
Anforderungen nicht mehr, welche in Folge der Uberruschenden 
Verkehrssteigeraugen der letzten Jahre an dasselbe gestellt 
werden mussten, so dass endlich der Abbruch und Wiederauf- 



bau desselben in bedeutend vergrösserten Verhältnissen nicht 
länger aufzuschieben war. Das von Hitzig entworfene Neu- 
bauprojekt besteht aus drei durch Arkaden und Pavillons mitein- 
ander verbundenen Gebäudetheilcn — zwei Flügeln, von denen 
der östliche, jetzt vollendete, l'J Feuster Strasseufront hat. oVr 
westliche deren 17 erhalten wird, nnd einem Mittelbau. — Die 
Gcsummtlänge der Str&sscnfrout wird nach der in Bd. XtHi 
Heft 2 der Zeitschrift des Hauuov. Arch.- und Ing- Vereine 
veröffentlichten Ansichtszeichnung ca. :iC0 m betragen. 

Soweit sich nach dieser Zeichnung uud nach dem ferüteti 
Flügelbau urtheilen lässt, werdeu die von Vielen gehegtea Er- 
wartungen, dass durch dieseu Bahnhofsbau ein würdiges \or- 
bild Tür den in Hannover in der Einführung begriffenen Re- 
naissancestil geschaffen werde, getäuscht. Zwar verdient w 
Anerkennung, dass man vom Putzbau abgesehen und sich iura 
Ziegelrohbau mit .Sandsteingliedern entschlossen hat, aber« 
Verhältnisse an diesem Klügelbau sind so unglücklich gewM". 
die Detailliruug ist so nüchtern, dass man ein leobarte» e* 
dauern über die hier beliebte Art, ein Muster der Kenaissaacr 
aufzustellen, nicht unterdrücken kann. Die Folgen dieses Fehl- 
griffes sind um so bedeutungsvoller, als es sich gerade in Hul- 
uover darum handelte, für deu Stil, der voraussichtlich toa 
für lauge Zeit der herrschende bleiben wird, auf einem Terrain 
Fuss zu fassen, welches sich zum grössten Theile in den Wa- 
den eiuer durch hervorragende Leistungen ausgezeichneten Schul-' 
der mittelalterlichen Stile befindet; gerade hier wäre es w 
Wichtigkeit gewesen, die Gleichberechtigung der Renaissance 
mit der so lauge und so sorgsam gepflegten Gothik durch i nn 
glänzendes Beispiel überzeugend darzulhun. — Der Mittelbau 
ist in bessereu Verhältnissen entworfen, trotzdem wird es N 
der Ausführung desselben eines reichlichen Aufwandes von be- 
schick und gutem Geschmack bedürfen, um den ungünstig 
Eindruck abzuschwächen, deu der Flügelbau so entschieden b'r 
vorruft Am meisten missfallen an diesem letzteren die uu- 
schönen Verhältnisse des Hauptportales und der Einfahrt, an« 
die geringe Höhe der beiden unteren Geschosse, sowie der*: 
Sockel. Das Gebäude besteht nämlich aus drei Geschossen, von 
denen das obere in der Facado durch ein stark ausladende* 
Gurtgesims von den unteren beiden, welche eine nicht unter 
brochene Fluche bilden, getrennt wird; es würde vielleicht au-«- 

S ereicht haben, wenu die unteren Geschosse zusammen " m 
albes Meter höher angeordnet wären, für den Sockel wün>' 
aber nahezu seine doppelte jetzige Höhe nöthig gewesen «■«• 



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— 381 — 



ten, in Berichten, Anschlägen, Vertrags-Abschlüssen uud 
Rechnungs-Revisionen. Der ihm vom Staate gewährte Ersatz 
für mechanische Arhcitshülfc reicht durchaus nicht aus, das 
erforderliche [Hilfspersonal besolden zu können, ganz abge- 
sehen davon, dass es überhaupt schwer zu beschaffen ist. 
Selbstverständlich muss der Eleve hier mit eintreten und 
wird als Abschreiber, wie zum Ausrechnen der Anseblags- 
ansätze gebraucht. — In den Sommermonaten wird ihm die 
Gelegenheit gegeben, in die äussere Praxis des Dienstes einen 
Einblick zu thun; er begleitet seiuen Meister auf die Bauten 
und wird ausgeschickt, um diese oder jene kleine Aufnahme 
zu machen oder Materialien abzunehmen, zuweilen wird ihm 
in Ermangelung einer anderen Kraft sogar schon die Leitung 
eines kleinen Baus anvertraut, bei dem der auf der Baustelle 
spazieren stehende „Herr Bauführer" von dem Polier oder 
Schachtmeister dann gewöhnlich auf s Gründlichste hinter- 
gangen wird. — 

Wir sind weit entfernt, den Baubeamten aus solcher, 
ihnen von der Noth aufgezwungenen Beschäftigung ihrer 
Eleven einen Vorwurf machen zn wollen. Erwächst ihner 
doch hierbei nichts weniger als ein persönlicher Vortheil, son- 
dern bei der Unznverlässigkeit, unter welcher diese ersten 
technischen Versuche derselben zu leiden pflegen, viel eher 
eine Last und Verantwortlichkeit, die sie nur ungern sich 
aufbürden. Die für die Ausbildung der Eleven erzielten Re- 
sultate können jedoch selbstverständlich nicht die erwünsch- 
ten sein. Während sie materiell unzureichend sind, bringen 
sie ideell eine ernste Gefahr mit sich. 

Dass es mit der Vorbildung für die Anforderungen des 
praktischen Dienstes nicht viel auf sich hat, ist wohl selbst- 
redend. Dem Eleven sind die technischen Momente dessel- 
ben noch viel zu fremd, als dass er aus einer Kenntnissnahme 
der bezüglichen Berichte und Anschläge, oder aus einem Be- 
suche der Baustellen bereits wirklichen Nutzen zn schöpfen 
vermöchte, ganz abgesehen davon, dass dies möglicherweise 
in einem Zweige des Baufaches geschieht, mit dem er spä- 
terhin nie wieder in Berührung kommt. Es wird der nach 
dieser Richtung erzielte Vortheil daher im Wesentlichen auf 
eine Kenntniss der äusseren Formen amtlicher Thätigkeit, 
des sogenannten Kominissdienstes hinauslaufen, deren Not- 
wendigkeit und Nützlichkeit wir nicht bestreiten wollen, die 
aber auch noch später sich erwerben lässt und in dieser 
Periode mit dem Yersäiunniss anderer wichtigerer Erforder- 
nisse gar zu theuer erkauft wird. Den meisten Eleven fehlt beim 
Antritt des akademischen Studiums die hierfür erforder- 
liche Eebung im Zeichnen. Leider dass dies nicht ein- 



mol kontrollirt werden kann, das das zu liefernde Probeblatt 
sich vermöge des dem Menschen eigenen Nachahmungstrie- 
bs mit eiuiger Mühe auch wühl ohne eigentliche Zeichen- 
fertigkeit herstellen lässt. Es is unseres Wissens auch noch 
niemals vorgekommen, dass ein solches Probeblatt nicht für 
genügend befunden wäre, wohl aWr ist es Thatsache, dass 
den neu immatrikulirten Studirendcn des Baufaches zuweilen 
die einfachsten mechanischen Hülfsmittel des Zeichnens un- 
bekannt sind, ja dass es ihnen sogar noch an jeder techni- 
schen Anschauungsweise fehlt. In dieser Beziehung pflegen 
diejenigen Eleven am Besten, ja «heilweise sogar vortrefflich 
vorgebildet zn sein, die ihre Lehrzeit nicht bei einem Kreis- 
baubeamten, sondern in dem Atelier eines grosstädtischen 
Privat-Architekten zugebracht haben, wo sie ausschliesslich 
mit instruktiven Zeichenarbeiten beschäftigt und der oben 
gerühmten Anleitung der älteren Ateliergenossen theilhaftig 
geworden sind. Auch sie leiden indessen unter dem zweiten 
Versfiumniss, das wir dem Eleven jähre zur Last legen, an 
einer Unterbrechung der mathematischen Studien, 
deren Nachtheil im Verlauf der späteren Studien und Prü- 
fungen schwer genug sich geltend macht, von Vielen sogar 
niemaU verwunden werden kann. 

Fast noch schlimmer als diese Mängel erachten wir die 
bereits angedeutete positive Gefahr, dass dem Eleven durch 
die Beschäftigung und die scheinbaren Erfolge dieses Jahres 
über das von ihm gewählte Fach eine Anschauung l>eigc- 
bracht wird, die seine Ausbildung in ihrer Wurzel vergiftet. 
Nach dem ersten, sein Selbstgefühl stark deprimirenden Ein- 
tritte In dasselbe sieht er sich binnen verhältnismässig 
kurzer Zeit, ohne dass es für ihn irgend welcher systema- 
tischer Studien bedurft hätte, lediglich auf Grund der 
durch die roheste Empirie gleichsam von selbst erlangten 
Kenntnisse zu einer Menge von Geschäften gebraucht und 
anscheinend auch branchbar. dje einen nicht unwesentlichen 
Theil der Amtstätigkeit des Baubeamlen ausmachen. Muss 
bei der allgemeinen Bildung, die er Itcsitxt, ein solcher 
Scheinerfolg nicht urngekehrt eine Steigerung seines Selbst- 
bewußtseins hervorbringen, die ihn die Schwierigkeit des 
Fachs, die Notwendigkeit angestrengter systematischer Stu- 
dien fürs ElttC völlig verkennen lässt 'i Wird ihm auf 
.diese Weise nicht geradezu ein Dilettantismus impräg- 
nirt, von dem er sich nicht wieder frei machen kann, 
wenn er später auch znm Bewusstsein desselben gelangt? — 

Wir halten dieses Moment allein schon für ernst genug, 
um eine Beseitigung des Elevenjahrs in der bisherigen Form 
fordern zu können, selbst wenn es bessere und genügende 



um eine gute Wirkung des Ganzen zu erzielen. Au den 
äusseren Enden wird die Facade durch je ein drei Fenster breites, 
au de» Kcken gerädertes, mässig vortretendes Risalit abge- 
schlossen. Dan obere Geschoss wird durch ciue Ordnung von 
korinthischen Pilusteru und Doppclpilasteru geziert, deren Kapi- 
tale durch einen abweichend von den übrigen Gliedern aus 
rothbraun gefärbtem Zementstuck hergestellten Fries ver- 
bunden werden. Portal uud Fenster sin« durchweg ruiidbogig, 
doch ist in den Fenstern des oberen Geschosses, welche in Fe' 



der grösseren Höhe desselben schlanker als 
ordnet sind, dpr Bogenahsehluss mit einein Ornament in der 
Weise ausgefüllt, dass die Fenster geraden Sturz haben. Das 
Gebäude liegt nach allen vier Seiten, deren nördliche an den 
Perron stösst, frei uud umscbliesat mit seinen vier Flügeln 
einen ruässig grossen liof; in der nach dem jetzigen Direktions- 
Gebäude zugewendeten östlichen Seite, wclene ebenso wie die 
entgegengesetzte westliche eine der Hauptfaeade ähnliche An- 
ordnung hat, liegt in der Mitte gleichfalls ein Portal, (was in- 
des* der Westseite fehlt), doch ist dasselbe nicht wie in der 



drei, sondern nur ungefähr 1'/, Gebäudeaxen breit, 
im zweiten Geschoss auch nur ein sehr breites Fenster 
darüber liegt; im dritten Geschoss ist indess nicht, wie es an 
klassischen Bauten, z. B dem Palast Ruccellai in Florenz oder 
dem Palast Pompeji zu Verona ohne Scheu geschehen, das zwi- 
schen den mittleren Pfeilern liegende Feld gleichfalls verbrei- 
tert, sondern die Felder sind sämmtlich gleich breit, so dass 
die Fenster de* oberstuu Geschosses, mit Ausnahme der bei- 
den äussersten, ausserhalb der Mittelaxen der darunter ge- 
lesenen Fenster stehen. Hannover hat damit ein Seitenstück 



Auf einer ca- anderthalb Meter hohen Sandsteinptinte er- 
heben sich drei Geschosse, von denen das Erdgeschos-i ausser 
dem an der Seite gelegenen Thnrwege noch 8 Fenster Front 
hat, während die oberen beiden Geschosse 9 Fenster breit sind. 
Sämuitliche Fenster haben gerade Abdeckungen, die des Erd- 
geschosses Kousülenvcrdachungeu, welche, wie die Einfassungen, 
Raupt- und Gurtgesimse, von Sundstein gefertigt sind.* Die 
Fenster der beiden oberen Geschosse liegen iu ununterbroche- 
ner Waudlläcbe, welche von dem uuteren Geschosse durch uin 
üurtgesinis getrennt ist. 

Das Gebäude trägt deu Charakter eleganter Einfachheit, der 
zweifellos noch entschiedener zum Ausdruck gelangt sein würde, 
wenn statt der rothen mit dunkelglasirten Streifen abwechseln- 
den Ziegel gelbe oder chamoisfarbene gewählt worden wären ; 
ebenso dürfte es von Vortheil für die Wirkung der Facade ge- 
wesen sein, wenn die Fenstereinfassungen der oberen Geschosse 
etwas breiter und das Gurt- und llauptgesims noch kräftigpr 
profilirt wären. Der Mangel an starke Schatten gebenden Pro- 
nliruugen fällt um so mehr auf, als das Bankgcbäude in einer 
mit nicht eben 



fgeuen Fenster 
Fac« 

Es würde 



ubofsbaues, dessn 
teu Deutschlands 



zur Facade des Kricgsniinistcrial-Gebäudes in Berlin erhalten 

der Bedeutung des Bah 
projektirte Halle dereinst zu den grfissten 
wird, durchaus angemessen sein, wenn die Ausstattung der 
Architektur desselben diejenige Sorgfalt erfährt, 
voraussichtlich anf die inneren Einriebtungen verwandt 
i wird. 

Nach dem Bahnhofsbau verdient von den Neubauten im 
Renaissancestil das nach einem Entwürfe von .Jacobsthal 
ausgeführte Bankgebäude zunächst Erwähnung. Es steht zu 
dem ebenbesprochenen Bau in einem gewissen Gegensatze , in- 
dem seine gleichfalls iu Ziegelrohbau und unter Verwendung 
von Saudstein ausgeführte Facade iu echt Schinker»chcm Gcwtc 
konzipirt ist. 



LCll^ C 1^0 Q L- 1-1 -1 Eitlf^i- 1* Dt. It-l**.llttil3^ Ii t ^ t y 

die richtige ästhetische Würdigung des 
Gebäudes noch der Umstaud, dass sich in unmittelbarer Nabe 
desselben mehre Wohnhäuser neueren Ursprungs befinden, unter 
ihnen die Eingangs erwähnten zwei Renaissancegebäudc, welche 
ebenso, wie nie im Stile der hannoverschen Schule erbauten 
Nachbarhäuser, durch den lebensvollen Wechsel ihrer Gliede- 
rungen und Gruppirungen einen Gegensatz zum Bankgebäude 
bilden, der diesem nicht zum Vortheil ist- 

Im Ganzen aber — es mag noch einmal hervorgehoben werden 
— erfreut sich das Auge an den mit feiner Empfindung für das 
Schrine angeordneten Verhältnissen und Formen dieser Facade 
uud übersieht ihretwegen gern einzelne Mängel, mftgen die vom 
Bildhauer misshandelten Adler und Löwou in den Sandstein- 
füllungen der unteren Fensterbrüstuugen sogar die unwillkür- 
liche Heiterkeit des Beschauers erregen. 

Von den nicht öffentlichen Renaissancebauten sind vor 
Allem die von Köhler entworfenen und ausgeführten Wohn- 
häuser am Schiffgraben zu nennen. Die zuerst "'bauten und 
zu einer Gruppe vereinigten zwei Däuser sind in der Zeitschrift 
des Hannov. Arch - u. Ingen - Vereins veröffentlicht und in der 
Deutschen Bauzeitung bereits besprochen worden; die später 
errichteten Häuser sind zu einem Komplexe gruppirt. dem eine 
sehr gefällige Wirkung nicht abzusprechen ist. Hi.. Mitte der 



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— 382 — 



materielle Resultate lieferte. Man möge erwägen, dass es 
sich bei demselben um das Fuudamcut des Ausbildungs- 
ganges der Uaubeaniten handelt, dessen Mangel den ganzen 
Aufbau gefährden, dass demzufolge gerade in dieser Periode 
die äusserst« Vorsicht beobachtet, diegrösste Garantie siche- 



ren Erfolges erstrebt werden muss. Nichts Anderes, als die 
Rücksicht auf diese hervorragende Bedeutung des Eleven- 
jahres hat uns auch veranlasst, der Würdigung desselben 



Die Villa March zu Charlotteaburg *) 



Das Wohnhaus, welches sich Herr Kommerzien-Rntb 
I'. March zu Charlottenburg neben der von ihm geleiteten 
Thonwaareu-Fabrik erbaut hat. ist bereits vor einigen Jahren, 
gelegentlich eines vom Berliner Architekten-Verein dahin 
gerichteten Besuchs, Gegenstand der Besprechung in diesen 
Blättern gewesen. Durch die freundliche Bereitwilligkeit 
des Architekten, Herrn Baumeister Hense zu Berlin, sind 
wir in der Lage, den interessanten Bau unseren Lesern nun* 
mehr auch im Bilde vorführen zu können. 

Eines erläuternden Eingehens auf die Grundriss-Anord- 
nung der Villa wird es kaum bedürfen. Sie ist, wie in sol- 
chen Fällen wohl immer, das Ergebniss individueller Wünsche 
und Gewohnheiten der Hausbewohner, die in sich ihre Be- 
rechtigung tragen, ob sie mit den Anschauungen Anderer 
auch nicht ganz übereinstimmen. Die Oricntirung ist der 
Lage des Grundstücks entsprechend so erfolgt, dass die nach 
dem Garten geöffnete Hauptfront Mittags-, die der Fabrik 
zugekehrte Eingangsfront Morgensonne bat. Das an der 
Nordostecke vorgelegte Thürmchen, dessen Innen räum nicht 
durch eine an dieser Stelle zwecklose Wendeltreppe •ausge- 
füllt wird, sondern den betreffenden Stockwerken zugetheilt 
ist. motivirt sich durch das in seinem Obertheil enthaltene, 
von der Fabrik aus gespeiste Wasserreservoir, web/lies neben 
dem Wasser für den wirthschaftlichcu Gebrauch solches 
auch für die im Zentrum des Treppenhauses angeordnete, 
von Pflanzengruppen umgebene Fontaine, sowie zur Bespren- 
gung des Garten» liefert. Oberhalb dos Reservoirs ist ein 
vom Boden aus zugängliches offenes Belvedere aufgesetzt, 
dem die anmuthige Aussicht über die Gärten und Häuser 
der Stadt und den Thiergarten hoffentlich noch recht lange 
nicht durch benachbarte Mietiiskasernen enlzoueu wird. 

Das architektonische Interesse an dem Bauwerk wird 
sich vorzugsweise auf die künstlerische Ausbildung und die* 
technische Herstellung desselben, und zwar in erster Linie 
seiner Ftcaden richten. 

Die Wahl des gMhisehen Stils ist zunächst wohl gleich- 



F...dt i»i bereit« mit Kr. 4.3 ior»t»K«KMckt 



falls aus der individuellen Neigung des Architekten, wie de?. 
Bauherren hervorgegangen, von denen der letztere, sowohl 
als der l>etheiligte Terrakotten-Techniker, wie auch in Folge 
seines durch langjährige Beschäftigung mit der Kunst ge- 
wonnenen selbstständigen Urtheils, auch an der Detail -Ge- 
staltung des ganzen Baues einen grosseren Antheil genommen 
hat. als sonst zu geschehen pflegt; sie war nebenher bedingt 
durch den Wnnsch, ein möglichst reich und fein entwickeltes 
Terrakotten-Detail anwenden zu können, ohne dabei zn un- 
geschlachten Kastenformen und einer lediglich dekorativen 
Scheinarchitektnr zu gelangen. Die Auffassung des Stils 
lässt sich in Grundmotiven und Formen unschwer erkennen 
als die der Berliner Schule zur Zeit der Führerschaft 
Stüler's, dessen Atelier Hense durch lange Jahre als 
einer der treuesten und bewährtesten Mitarlieiter des Meisters 
angehört hat. 

Es ist unsere Absicht nicht, an dieser Stelle in eine 
eigentliche Kritik des Werkes einzugehen, die durch die un- 
vermeidliche Wiederanregnng der Frage über die ästhetische 
Stellung und Bedeutung des Terraknttenbaues zn längeren 
Erörterungen führen müsste, welche bei der hoffentlich nicht 
für immer ausgesetzten, nochmaligen selbstständigen Behand- 
lung derselben besser am Platze sein werden. Von der An- 
schauung, dass der Charakter der Terrakotta zu den Formen 
und der Technik des Backsteinbaus iu Beziehung zu setzen 
sei. ist in der Villa March jedenfalls Nichts zu finden; sie 
tritt bei ihr mit Entschiedenheit als ein durch die Eigen- 
schaften grösserer Wetterbeständigkeit und grösserer Billig- 
keit motivirter Ersatz für den Hanstcin, in dem Firstkamm 
sogar als Ersatz für den Metallguss ein, während sie an 
Feinheit einzelner Details den Kampf mit Holzschnitzerei 
herauszufordern scheint. 

Wir wollen über diese Auffassung, die nach unserer per- 
sönlichen Meinung ästhetisch nicht berechtigt, weil i&tbetisch 
unfruchtbar ist, hier um so weniger rechten, als hei der 
Detaillirung des Baues augenscheinlich nicht sowohl das Be- 
streben vorgewaltet hat, bestimmte künstlerische Prinzipien 
zum Ausdruck zu bringen, als vielmehr der sehr entschuld- 



Gruppe wird vou 4 Häusern gebildet, von denen 3 zu einer sym- 
metrischen Fahnde vereinet sind: zu Ireideu Seiten wird diese 
mittlere Partie, welche schon seit längerer Zeit fertig ist uud 
bewohnt wird, von einem, resp. mehren noch im Bau begriffeueu 
Bioaeni flankirt, wodurch ein hütischer Abschluss der gauzeu 
Anlage erreicht werden wird. Die auch Iiier entschiedene An- 
näherung au die Antike anstrebenden l'enaissanccformcn sind 
in ansprechenderer Weise augewandt, als hei den Häusern der 
zuerst erwähnten Gruppe. 

Gleichfalls am Schiffgraben, aber am entgegengesetzten Kode 
desselben, steht eiu vor Kurzem fertig gewordener Kenaksaucc- 
buu nach einem Entwürfe eines jüngeren hiesigen Architekten, 
welcher in seiner Komposition mehrfache Anklänge an die neuere 
I läu.-crgruppe von Köhler zr-igt, sich aber weiter als diese von 
der Antike entfernt. 

In der Priuzeustrasse hat der Direktor der llaunov. Bau- 
gcsellschaft, Architekt W all brech t, vier zu einer Gruppe ver- 
einigte Gebäude von bedeutendem Umfange erbaut, deren rucade 
/.war nur in schmuckloser Renaissance auftritt, welche aber doch 
erwähnt zu werden verdienen, weil das Bestreben, möglichst, 
echte Materialien zu verwenden, einen, wenn auch noch beschei- 
denen Ausdruck findet, indem das Erdgeschoss mit einer Sand- 
steiuquaderung verkleidet ist, während die oberen Geschosse in 
gleicher Weise wie die vorerwähnten Privatbauten nur Saudstein- 
gliederungen mit geputzten Wandflächcu zeigen. Noch entschie- 
dener tritt dieses Bestreben iu dem gleichfalls von der Bau- 
ge-ellschaft. nach einem Entwürfe von Brockmauu in Ausfüh- 
rung genommenen Ban eines Gebäudes für die Provinzial-Dia- 
kontö-Gesellsehaft auf. Das Gebäude liegt iu der Gcurgstrasse, 
ilem Hoftheatcr gegenüber, und ist in der Ausführung bis zum 
Beginn des zweiten Stockes vorgeschritten; die gesammte Faeade 
wird mit Sandstein verblendet, und es liisst sich aus einzelnen 
Zügen der bis jetzt fertigen 2 Geschosse, wie z. B. der Anord- 
nung des Sockels mit origineller Losung der Kellcrfcnstereiiifaa- 
sungeu, der Stützung des Gebälkes über den Portaleu durch 
jonische Säulen u. m. a. erkennen, dass eine reiche Ausstattung 
der "•'•\;a r !; beabsichtigt wird. 

Der Vollständigkeit wegen mögen als Renaissancebauten 
hier noch der Anbau au das Vergnügungs - Etablissement Tivoli 
und das dicht dabei am Schiffgraben gelegene Wohnhaus des 
Direktors desselben erwähnt werden. — 

w f u 'i^lreicher als die genannten Renaissancebauten sind 



diejenigen Bauten vertreten, welche, uud zwar 
beinahe ausnahmslos im Ziegelrohbau, in den mittelalterlichen 
Stilformen ausgeführt sind. In unvermischter Reinheit ist in- 
dess nur der gothische Stil an einigen wenigen Gebäuden in 
Auwenduug gekommen, die Mehrzahl der Neubauten zeigt eine 
im Ganzen ansprechende Verbindung von gothischeu un<f roma- 
nischen Stilelementen , unter vorzugsweiser Verwendung des 
Flachbogens und sonstiger für die Neuzeit charakteristischer 
Architektur- und namentlich Ornament-Formen. Von den öffent- 
lichen Bauten sind zu nennen: Der östliche Flügel des Zellen- 
gefängnisses, welcher ebenso wie der Hauptbau vom Land bau 
Kondukteur-Schustcr entworfen und ausgeführt ist, ferner das 
Kasernement der reitenden Artillerie am Welfenplatze, das nach 
einem auf der früheren Garnison-Bau-Direktion gefertigten Ent- 
würfe gebaut ist und sich durch seine geschmackvolle Faeade 
auszeichnet- Endlich noch eine städtische Schule in der Hildes 
heimerstrasse, welche, wie die Inschrift eines über dem Eingange 
befindlichen Medaillons besagt, von ßaurath Droste erbaut ist 
und durch die grellen Töne der zur Facaden Verblendung ver- 
wendeten rothen und gelben Ziegelsteine auffällt. 

Die Zahl der Privatbauten ist so gross, dass dieselben nur 
strassenweise aufgezählt werden können. Es sind vor allem zu 
nennen: Die Königs-, Wein-, Adelheid 
auch dürfen zwei am südlichen 
Nähe des Lyzeums aufgeführte 

Leistungen der neuereu hannoverschen Schule gehörend, 
unerwähnt bleiben. 

Aus der Summe dieser Aufzählungen ergiebt Bich wohl zur 
Genüge, bis zu welchem Umfange die Bauthätigkeit Hannovers, 
soweit sie den Hochbau betrifft, in diesem Jahre gediehen ist. 
Es wird das Bild der gesammteu Bauthätigkeit vervollständi- 
gen, wenn noch angeführt wird, dass Hannover in diesem Jahre 
eine Pferdeeisenbahn erhalten hat, deren ausgedehnte Betriebs- 
Etablissements beim Dorfe Döhren liegen, dass ferner behufs 
Anschluss der Geleise der Hannover- Altenbekener Bahn an die 
Staatsbahn Ucberführungen von bedeutender Länge und zum 
TheM innerhalb der Stadt liegend haben errichtet werden müs- 
sen, und dass eine neue massive Leinebrücke im !_ 
ist, welche die beiden Theile der nach grosstädtischem 
neuprojektirten Goethestrasse verbinden wird. 



Aueinuiu-, unu iniersanensirassc : 
en Ende des Schiffgrabens in der 
rte Neubauten, als zu den besten 
uoverschen Schule gehörend, nicht 



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- 383 — 



bare Wunsch des Bauherrn mitgewirkt haben dürft«, die in 
der That eminente Leistungsfähigkeit seiner Fabrik an einein 
glänzenden Beispiele zur Sehau stellen zu können. 

Wenn wir in unserer früheren Besprechung sowohl in 
der Feinheit und Zartheit, wie im Reichthurae des Details 
das richtige Maas» überschritten zu sehen glaubten, und vor- I 
zngsweise hieraus ableiteten, dass das Gebäude nicht ganz 
den Findruck eines aus einem Gusse enstandenen organischen ! 
Ganzen macht, so scheuen wir uns nicht zu bekennen, dass 
wir hei abermaliger Betrachtung de» Hauses in neuerer Zeit 
diese Ansicht nicht aufrecht erhalten konnten. Viel mag ' 
dazu beitragen, dass der farbige Kindruck desselben seither ein j 
wesentlich anderer geworden ist, indem der Regen nnd vor 
Allen» der ans der Fabrik herübergewehte Russ in das kalte, 
blasse und monotone Gelb der Facaden etwas Leben und 
Abwechselung gebracht hat. Der schwächste Theil, welcher | 



platten, mit denen die Mündungen der Ventilationskanäle 
in der Faeade geschlossen sind, haben, je nachdem sie frische 
Luft zuleiten oder schlechte Luft abfuhren, eine verschiedene 
Gestalt und zwar die einer Lerche, beziehungsweise die einer 
Fledermaus erhalten. In den stehenden Figürchen der Facade 
sind die Männer geehrt, denen der Aufschwung der Knnst- 
thätigkeit in Preussen, der in seinen Folgen auch den Auf- 
schwung der Marrh'ftchcn Fabrik hervorgebracht hat, zu 
danken ist: Schlüter, Schinkel und Stüler, Schadow und 
Rauch als Künstler. Reuth als Förderer der Industrie. Die 
Konsolfigurcn an den Einrahmungen der grossen Fenster des 
Obergeschosses sollen das Andenken an die Techniker er- 
halten, die am Bau des Hauses mitgewirkt haben; neben 
dem Architekten Hense und dem Bildhauer Professor Albert 
Wolff, der alle Figuren und figürlichen Reliefs modellirt 
hat, sind die Brüder March als Terrakottisten, der Maurer 



Villa ^Iarch in Pharlottenburg. 




für den nicht wohl abzuleugnenden Missklang in der an- 
ninthigen Gesammterscheinnng vorzugsweise verantwortlich 
sein möchte, ist — wie schon damals hervorgehoben wurde 
— jedenfalls der schwere Giebelaufbau «her dem zurück- 
tretenden Mittelbau der Gartenfront, dessen Verhältnisse und 
Details sowohl zu dem rein dekorativen Charakter desselben, 
wie zu denen des übrigen Baues, vor Allem der unteren 
Vorhalle, in hartem Widerspruche stehen. 

Von der liebenswürdigsten Seite zeigt sich der Sinn 
des Bauherrn und das Talent des Künstlers in den Details 
der reichen Dekoration mit figürlichem und ornamentalem 
Schmucke. Hier ist nirgends eine konventionelle Schablone 
von Pflanzenwerk und beliebigem .Menschenklein'' für ge- 
nügend erachtet worden; jede rigur, jedes Relief, jedes Wap- 
pen hat für sich seine sinnige Beziehung und ordnet sich 
e!-»r Gesammtidee unter, sogar die durchbrochenen Thon- 



und Zimmerer, der Tischler und Schlosser im Abbilde ver- 
ewigt. An passenden Stellen sind Tafeln mit deutschen 
Kernsprüchen eingefügt. 

In ähnlicher Weise ist das Innere stilgemäss durchge- 
führt. Der grössere Saal und das Treppenhaus haben echte 
Holzdecken, die Treppe ein Geländer, Saal und Vestibül 
Kamine von Terrakotta erhalten. Reiches Holzschnitzwerk, 
Bilder in den Superporten. ein Glasbild an der Schmalseite 
des Saals, sowie als Krönung des Brunnens inmitten des 
zentralen Treppenhauses die Thonfigur Emst Marchs, des 
verstorbenen|Vaters des Bauherrn und Gründers der Fabrik, 
mögen erwähnt werden. Wohlthuend berührt es, dasB bei 
aller Mannigfaltigkeit die Ausstattung doch nirgends ver- 
schwenderisch nnd prunkend, vielmehr durchweg einfach, 
stellenweise sogar etwas schlicht ist. Zur Erwärmung der 
Innenräume dient eine Niederdruck-Wasser-Heizung. 



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— 384 — 



An der Westseite de« Hauses, im Friese des zuin Da 
menziromer gehörigen Erkers steht der alte Denksprach: 
Havtn i't eine l.utt — aber trau t» kutt — hat Mancher 

nit grwuttt. 

— Herr .March verhehlt es nicht, dass es ihm selbst nicht Kosten wohl auf mindc 
anders ergangen ist und dass der zum Schluss ermittelte gen sein. 



Preis von 80000 Thlr, worunter etwa 20 000 Thlr. für die 
aus seiner eigenen Fabrik bezogenen Terrakotten, seine Ab- 
sichten und Erwartungen ubertroffeu hat; nach den heutigen 
Arheita- und Materialpreisen dürften die entsprechenden 

100 000 Thlr. zu veranschla- 
- F. - 



lebrr Gewölbe aas bussmnrtri. deren Festigkeit, Kosten und Ihr Verhaltes, verglichen mit (iewölbei m Ttr «fisteln? n, 



In der Zeitschrift für Bauwesen, Jahrgaug 1857, trat ich ge- 
legentlich der Beschreibung de» Scheuueiibaus in Kuiwenzuinos- 
ten einer kurz zuvor in jener Zeitschrift vertretenen Anschauung, 
dass Gewfilbekonstruktioncn, wie solche diu Kbmer l>ei ihren 
Kauten mehrfach mit Hülfe ihres ausgezeichneten Mörtels aus- 
geführt, bei uns zu Lande uicht möglich seien, weil unser Mörtel 
schwinde, entgegen, — Den Beweis für die Kichtigkeit meiner 
Behauptung, dass wir ebenfalls mit uusern Materialien allmälig 
erhärtende Massen, welche uicht schwinden, und somit ähnliehe 
Konstruktionen wie die Kömer herstellen könnten, suchte ich 
durch Mittheiluugen über Ausführung einer Anzahl Gewölbe zu 
bringen, welche von breiigen Massen unmittelbar gegen loth- 
rechtc Wandflächen ausgeführt waren. Dieselben waren in den 
Seiten 2,5— 3 m lang, und bei der Art ihrer Ausführung gegen 
lothrechte Winde oder Gurttoigen würde, wäre ein erhebliches 
Schwinden bei Erhärtung der Masse eingetreten, ihr Bestehen 
eine Unmöglichkeit sein. — Seit jener Zeit sind von anderer 
Seite, so z. B. aus Württemberg, iu dieser Zeitung andere Beweise 
dafür, dass wir heut zu Tagu Mörtel, welcher nicht schwindet, 
darstellen köuneu, erbracht, indem es ohne einen solchen nicht 
denkbar ist, dass man das Dach eines Gebäudes — und wate dies 
auch uur ein kleines Bahnwärtcrwohuhaus, wie das von Dötting« 
im Jahrgaug 1870 mitgetheilte — von einer weichen, allniählig er- 
härtenden Mörtelmischung herstellen kann. 

Ich würde auf diese Angelegenheit nicht zurückkommen, 
fände nicht m. E. ein in der oisher noch nicht genügend be- 
kannten Sache an und für sich ungerechtfertigtes Misstrauen 
gegen diese Baukonstruktion statt, welches deren Ausführung 
zum Theil sehr erschwert, zum Theil von ihrer Anwendung 
ganz abhält, während sie häutig genug vor Zicgelgcwölbcu deu 
Vorzug verdienen möchte. Ich will kurz die Vorzüge, welche 
den Gewölben aus Gussmörtel zukommen, erwähnen, uud hier- 
bei deu Anfang mit denjenigen Eigenschaften machen, welche 
vom theoretischen Staudpunkt aus sie anderen Gewölben, welche 
von einer grösseren oder geringeren Menge fester Materialien 
durch Bindemittel zusammengefügt werden, gegenüber als be- 
vorzugt erscheinen lassen, um aus der Wirklichkeit nachher 
den Beweis zu briugen, ob diese die Kichtigkeit der Theorie be- 
stätigt. — 

Da ein Gewölbe ein System sieb gegenseitig stützender 
Körper ist, so ist die Gefahr, dieses System der Forderung des 
Begriffs nicht entsprechend zu verwirklichen, offenbar eine um 
so grössere, aus je mehr einzelnen Theilen dieses System durch 
Menscheuhäude, und somit auch durch menschliche,- Aufmerk- 
samkeit oder Nachlässigkeit, zusammengesetzt werden muss. — 
Ein Mangel an gehöriger Külluug der Fugen mit Mörtel, wie er 
z. B. bei der Verwendung kleiner Ziegel iu irgend welchem 
Maass« eintritt, verhindert das vollständige gegenseitige Stützeu 
der einzelnen Theile des Systems oft in sehr bedeutender Weise, 
uud je mehr Fugen, um so grösser die Gefahr, dass der Theorie 
die Wirklichkeit nicht Genüge leiste- Diese Gefahr hört 
auf, wenn das Gewölbe aus einem einzigen Körper gebildet 
wird. 

Ferner: Die Vollkommenheit des Gewölbes bedingt ein 
eichartiges Material in allen seinen Theilen. — Stein und Mör- 
I sind aber nicht gleichartig, uud die grössere Festigkeit des 
einen von beiden kömmt dem anderu uicht oder uur zum Theil 
zu gut. Für Gussmörtelgewölbe tritt dagegen die Bedingung 
ebensowohl, dass das Gewölbe aus einem einzigen Stein besteht, 
als dass derselbe gleichartige Festigkeit hat, in 
Vollkommenheit ein. 

Aus der Theorie ergiebt sich ferner, dass Richtung und 
Lage der Fugen gleichgültig ist. — Für alle Gewölbe aus ein- 
zelnen festen Körpern ist dieselbe aber keineswegs gleichgültig, 
sie muss vielmehr mit grösster Notwendigkeit eine ganz be- 
stimmte sein, wenn die Festigkeit des Gewölbes nicht ganz er- 
heblich leiden soll. Für Gussgewölbe wird dio theoretische For- 
derung wahr, und es entspringt daraus für die Ausführung ein 
sehr wesentlicher Vortheil, indem mancherlei mühsame, Zeit und 
Kosten heischende Arbeit, welche Ziegelgewölbe an ihren Ge- 
wölbeanfängen durch ihre Verbindung mit den Maueru bez. 
Gurten bedingen, fortfallen. 

Nächst diesen aus der Theorie herstammenden Vorzügen 
ist anzuführen, was bei der Theuerung menschlicher und na- 
mentlich maurerischer Arboit nicht wenig in Betracht zu ziehen 
ist, dass Maschinenarbeit uud Handlangerarbeit, oder bei klei- 
neren Bauausführungen Pferdearbeit an Stelle der Maschinenar- 
beit beziehendlich Handlangerarbeit, ganz allein zur Ausführung 
der Gussgewölbe ausreicht, die Kunstfertigkeit des Maurers gauz 
überflüssig wird, dass endlich die Materialien zum Gussgewölbe 



ir Ken i'ul 
und dass 



endlich ein Putz 



den aus dem Vorigen entstehenden Vortheil bisweilen noch er- 
heblich mehre 
wendig wird. 



Gewölbekappen von "».fi.V" Seite im Quadrat ausgeführt, be- 
stätigen bis heut, dass eiu Schwinden des Materials nicht ein- 
tritt, uud der nachstehend angeführi« Fall einer Beobachtung 



Blendung der Maurerarbeiten sind 
grosser und, wie aus Obigem her- 



des Verhaltens von Gewölben aus Gussmörtel und solcher vou 
Ziegelstein Bcheint den Beweis dafür zu liefern, dass die Voll- 
kommenheiten, welcher jene nach der Theorie fähig, ihnen auch 
in Wirklichkeit eigen sind. Die Druckfestigkeit von Ziegelstein- 
material soll pro \~]* m 1* und bei besseren Meinen uud Zement- 
mörtel 14 k nach üblichen, bcziehendlich polizeilichen Vorschrif- 
ten sein. — Bei einem Gebäude, bei welchem die Stärken der 
Gewölbe mit 150', d. i. mit 8,7.^ pro □'«• sowohl für Zle 
steiu- als für Koukretgewölbc bestimmt uud die Gurte iu 
geln, die Kappen iu Konkret beabsichtigt waren, schien es wegen 
des äusserst langsamen Fortschritts der gewöhnlichen Maurer- 
arbeiten rathlich, einen Ersatz für fehlende Maurerkrfifte zu er- 
langen, weshalb ich die Ausführung der Gurte ebenfalls in Guss- 
mörtel anempfahl. Nach Vi 
die Senkungen ganz gleich 

vorgeht, mit gleichen Scheitelstärken hergestellter Gurte gemes- 
sen worden, und sind mir, wie folgt, tnitgetheilt: 

Lichte Weite = 4,-10'»: beabsichtigter Pfeil = 0,60'». 

Pfeilhöhe des Zicgolgurtbogeus 0,'>4 also Senkung Cm«. 

, Koukretbogcus 0,.V.>. r i, n> also Senkung .">■"». 

In Betreff der Gewölbekappeu von Gussmörtel ist eine vou 
2 bis .'>■» ermittelte Senkung vou dem Beobachter mit der Be- 
merkung begleitet worden, dass die geringfügigen, tatsächlich 
eigentlich gar uicht zu benennenden Senkungen kaum festzu- 
stellen oder als unvermeidliche Messungsfehler zu betrachten 
seien. Als Ergebnis* dieser Beobachtung dürfte deshalb wohl 
mit Kecht zu bezeichnen sein: 

„Diu Druckfestigkeit tür Gewölbe aus Gussmatcrial darf mit 
Sicherheit für ca. »n pro □* m angenommen werden. — • 

Die Mischung der Giissmasse war 1 Theil Portland-Zemcnt, 
6 Theile Zusatz an Sand, Kies und Steiustücken jeder Art. Von 
diesen loseu Massen ist etwa 17 Prozent mehr erforderlich, al» 
Mauerwerk entsteht, oder rund pro kb ra Gussmauerwerk: 
140' Portlaudzemeut, 840' Kies, 1-20' Steinbrocken oder dergleichen 
= zusammen 120O 1 . bei welcher letzteren Rechnung 20} Packmi- 
terial der Abruuduug halber uud der Auskömmlichkeit wegen 
gerechnet sind. 

Sind die Materialien in brauchbarem Zustande vorhaorfea, 
so fertigt eiu gewöhnlicher Arbeiter, • der Mischung, Transport 
der Materialien und Anfertigung des Gussgewölbes auszuführen 
hat, durchschnittlich pro Tag 2 bis an 1 "*) Aufstellung der Lehr- 
gerüste, so wie Zubereitung des Materials, also etwaige Zerklei- 
nerung der Steiiibrockeu, Saud- oder Kieswäsche, ist hierin nicht 
einbegriffen, da diese Arbeiteu je nach Verhältnissen verschie- 
dene sind. Die Billigkeit der Konstruktion, bezieheudlich ihr 
Kosten verhältuiss zu Ziegelgewölben lässt sich nach diesen Ba- 
ten feststellen und dürfte sich wohl in den meisten Fällen zu 
Gunsten der Giissgewölbe ergeben. Da sie auch, wie aus Obi- 
gem hervorgeht, über eine grosse Zahl der aus Ziegeln herge- 
stellten Gewölbe iu Betreff der Tragfähigkeit den Vorzug ver- 
dienen dürften, so werden sie einer zuuehmeudeu Verbreitung 
sich erfreuen. — 

Nicht ausser Acht zu lassun ist, worauf ich bereits bei Ge- 
legenheit der in No. 32 mitgetheilteu Brückeukoustruktion hin- 
wies, die Tauglichkeit des Zements zu prüfen, denn bei einer, 
angeblich von der Firma „Charles Sharf A Colin*, wie vermuthet 
wird, jedoch von einem Zwischenhändler gefälschten Zemcntli' 1 - 
ferung erwies sich der Gussmörtel für vorstehende Zwecke un- 
tauglich, und hatte nach 14 Tagen und länger noch nicht die 
erforderliche Härte. 

Die Senkung eines Gewölbes ist nur Folge eutweder der 
unvollkommenen Ausführung, oder der Elastizität des Wölben»- 
terials, oder aber des Nachgeben» der Widerlager. Letztere 
waren in dem vorangeführten Falle des Vergleichs von mit ver- 
schiedenen Wölbcmaterialicn ausgeführten Bögen ganz dieselben, 
und die vou Gussmaterial ausgeführten Gewölbe beweisen, da» 
in ihrer Konstruktion die Ursache der Senkung nicht liegen 
kann. — Es bleibt also nur zu Gunsten der Gussmörtelgewölb« 
die Annahme übrig, dass ihre Ausführung die sorgsamere Er- 
füllung der the oretischen Forderungen ermöglicht, oder dass da' 
Gussmaterial eine grössere Festigkeit erlangt hat, als das Ge- 
wölbematerial, welches für die Ausführung in Ziegelstein gewählt 
wurde (wobei ich bemerke, dass ein Kalkzcmentmörtel verwen- 
det wurde), oder dass sowohl erstere als letztere Ursache vereint 
den Vorzug der Gussmörtelgewölbe begründen und rechtfertigen 

Noch darf zu ihrer Empfehlung angeführt werden, dass w 
eine* vor Regen schützenden Daches nicht bedürfen, und das« 
sie daher mit dem Aufbau der Stockwerke gleichzeitig ausge- 
führt, die Bauausführung in verschiedener Beziehung erleich- 
tern und fördern. — 

Berlin. 26. Oktober 1872 Der Kreisbaumeistcr a. D. 

E- H. Hoffmann. 

•) |)io (inwülbr, Ton nVr«n Ail,f«hr«nK in OMgem dt« Red«, haben J« n»- 
Ihrer Welte, i'feilhßer und der eerwhledetwn Belflatauft ein« zwischen M" 
.1l>tra rwhledeoc SrheileUtirlte. und den enUprechend rer«ehled««w QcvöltK 
nc ArlKliM«. I.t d.hcr eine mllüer«. 



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- 385 - 



16. No- 
174 Mitglieder 

de« Herrn 



veniber 1872; Vorsitzender Hr. Köder, 
und 14 Gäste. • 

Die Versammlung beginnt mit ein 
Seydel über die Anwendung von Pumpen iura baggern, spe- 
ziell über die nach diesem Prinzip durch den Vortragenden 
konstruirten BaggerRchiffe. Unsere Leser werden eine selbet- 
stäiuiige Mittheilung hierüber erhalten. 

Herr Bchwatlo legt zwei Modelle der von der Kaiserlichen 
Postverwaltung zur Anbringung an den Thürcu der Wohnungen 
empfohlenen Briefkasten vor Es wurde in einem vor einigen 
Wochen den Privaten eingehandigten Zirkular Seitens der Post- 
verwaltung auch hervorgehoben, das» die Architekten beim 
Neu- oder Umbau von WohngebSuden auf zweck massige An- 
bringung solcher Briefkasten Bedacht nehmen mochten, worauf 
Herr Schwatlo nochmals aufmerksam macht. Die vorgelegten 
Modelle scheinen jedoch durchaus noch nicht allen Ansprüchen 
zu genügen. Für grössere Briefe in Form eines gebrochenen 
Bogens Schreibpapier, sowie auch mit Rücksicht auf die Mehr- 
zahl der hierorts erscheinenden Zeitungen sind sie zu klein ; 
um eine Ucberzeugung zu gewinnen, oo sie Briefe enthalten 
oder leer sind, dürfte es sich auch mehr empfehlen ein Draht- 
netz von etwas grosserem Flächeninhalt, als die unterhalb ein- 
geschnittenen Löcher anzubringen. — Die Frage, ob die Brief- 
träger verpflichtet seien, das Hineinwerfen von Briefen in den 
Kasten durch Anziehen der Wohnungsglocke bemerklich zu 
machen, konnte nicht mit Bestimmtheit beantwortet werden. 

Herr Blankenstein spricht sodann Uber den neuerdings 
in Berlin und I maegeud und speziell in Kummelsburg zur Aus- 
führung von Wohnhäusern in Anwendung gekommenen Zement- 
Pise-Bau. Von den Besitzern der Lehmann'schen Wollcnwaaren- 
und Teppich-Fabrik werden daselbst Häuser für Arbeiter- Fa- 
milien gebaut, welche zunächst miethsweise, allmälig durch Ab- 
zahlung als Eigenthum an die Inwohner abgegeben werden 
sollen. 

Alle Winde werden hierbei aus Zement und Schlacken mit 
Sandzusatz zwischen Lehren von Eisenblechtafcln hergestellt 
Wo Schlacken fehlen, kann man Kalksteinkothen oder geschla- 
gene Lesesteine verwenden; kurz die Mass« der Wände ist ein 
Beton und wird ähnlich wie dieser in Kasten gemengt. 

Die Mischungsverhältnisse sind: 1 Tbcil Zement, 2 Tbeile 
Sand nnd 7 Theile Schlacken. Bei Anwendung von Steineu 
kann der Sandzusatz etwas grösser sein: der Genalt an Zement 
wird jedoch immer zu Vi« der Masse angenommen. Gestampft 
er Beton nicht, sondern einfach mit der Schippe iu 
von 0,60 bis 0,66™ Höhe eingefüllt und 



Er erhärtet in 24 Stunden, so dass mit dem Wegnehmen der 
Lehren und dem Weiteraufbau schnell vorgegangen werden kann. 
Man hat derartige Wohnhäuser in 3 Monaten in allen Theilen 
fertig zum Bewohnen hergestellt 

' Die Festigkeit der Mauern soll nach deu angestellten Frü- 
hen gross sein; aus solcher ßetoumasse hergestellte Gewölbe 
haben bedeutende Belastungen ausgeholten, ohne das« der auf 
der Gewölbelaibuug aufgetragene Putz Risse gezeigt hätte. 
Treppen sind daraus noch nicht hergestellt. Deu Umfassungs- 
mauern wird eine Stärke von O/iM™, den Balken tragenden 
Scheidemaueru von 0,225°, den übrigen Scheidemauern von 
0,150'» den Gewölben eine Stärke von 0,100" gegeben. 

Die Auffüllung der Mauern erfolgt zwischen Lehren von 
Holz oder Eisen. Letzteres ist unbedingt zu empfehlen, weuu 
eine grössere Anzahl von Häusern gebaut werden soll, in Rummcls- 
burg wendet man Eisenblechtafeln von 0,66"» Höhe an, welche 
an den Rändern und dazwischen in 0,30 bis 0,40m Entfernuug 
mit I Eisen versteift werden. Die Längen der Tafeln sind je 
nach der Länge der herzustellenden Mauern verschieden; die 
grössteu sind 3,30°' laug. Zur Aufstellung dieser Tafeln die- 
nen r*1 förmige eiserne Ständer; durch Schienen, welche quer 
über zwei sich gegenüberstehende Ständer mit eisernen Stiften 
befestigt werden, wird die Entfernung derselben, entsprechend 
einer gewünschten Mauerdicke normirt. Die Rand-Winkcleiscu 
der Blechtafeln werden mit deu Flauscheu der Ständer ver- 
schraubt und hierdurch Kasten gebildet, in welche die Beton- 
masse eingefüllt wird. Die Flanschen der Ständer enthalten 
auch Reihen von Luchem, an denen eiserne Konsolen für Rüst- 
bretter, 0,80» auskragend, mittels Stiften befestigt werden. Für 
das Auasparen der Rauchrohre, der Fenster und Thüren wer- 
den Lehren von Eisenblech resp. Holz verwendet, die später 
entfernt werden. 

Die Familienhäuser in Rummelsburg werden mit Holzge- 
Bimsen versehen, innen und aussen mit Kalk geputzt und er- 
halten ein Pappdach. Die Ersparniss im Rohbau solcher HSuxer 
sull 50; gegen die aus Ziegelmaterial betragen. 

Nach einigen Erörterungen über die Festigkeit und Sicher- 
heit der Piscbautcu im Allgemeinen und der beschriebenen 
im Besonderen, für welche bestimmte Zahlenangaben nicht vor- 
liegen, folgen noch Fragebeantwortungen ohne allgemeineres 
Interesse. 

Zum Schlüsse wird Seitens der Herausgeber der Deutschen 
Bauzeitung das erste Exemplar des Deutscheu Baukaieuders 
für 1873 dem Verein überreicht und die Ausgabe desselben 
nebst der Beigabe im Buchhandel binnen etwa einer Woche in 
Aussicht gestellt. S. 



Vermischtes. 

Bas Tarheosaete r. 

In No. 45 dieses Blattes findet sieb eine Kritik des Tacheo- 
meters, welche auf irrigen Voraussetzungen beruht. Hätte der 
Herr Verfasser seine .Erkundigungen" aus der zuverlässigeren 
Quelle des ausführlichen von Porro selbst gegebenen, in den 
Anna!-* da p,mts et ehauuee» 18','J. J. *eme>tre enthaltenen Jfe 
mnire tur de nnm-eaul iuitrumenU et pracedes de grmUtie, de ni. 
cellrmenl ei itarpeniaye- ergänzt, so würde er gefunden haben, 
dass die ursprünglich vou Porro mit dem Namen „Tachcometer" 
bezeichneten Instrumente von den gewöhnlichen Universalinstru- 
menten sehr verschieden sind, und dass insbesondere der Por- 
ro'sche Diatanzmesser zwar ebenfalls, wie der Keichenbach'sche 
und Krtel'sche, ein Fadendistanzmesser, aber in seiner Wirkungs- 
weise ein wesentlich anderer ist, als jene. 

Nennt man nach Porro denjenigen Punkt, von welchem aus 
die Distanzen gerechnet werden müssen, wenn sie den von dem 
Fadenkreuz bezeichneten Lattenabschnitten direkt proportional 
sein sollen, den analytischen Punkt, so liegt der letztere bei 
dem gewöhnlichen Reichenbach'scheu oder Ertel'schen Distanz- 
messer in dem vorderen Brenupuukt des Objektivs. Um die 
auf das Rotationszentrum des Instruments bezogenen Entfer- 
nungen zu erhalten, hat man daher entweder zu jeder abgele- 
senen Entfernuug noch die konstante Distanz des analytischen 
Punktes, hier also des vorderen Objektiv -Brunnpunktes vom 
Zentrum des Instruments, hinzu zu addiren, oder man kann 
auch nach Reichenbach die Theilung der Latte so einrichten, 
dass man sofort die auf dos Zentrum des Instruments bezogenen 
Entfernungen abliest, in welchem Falle der eine Faden des 
Fadenkreuzes stets auf den Nullpunkt der Latte gerichtet wer- 
den muss, während im ersteren Falle jeder beliebige Punkt der- 
selben zur Ablesung benutzt werden kann, so dass letztere auch 
dann noch ausführbar bleibt, wenn nur ein kleiner Theil der 
Latte zwischen Baumzweigen oder anderen Hindernissen hin- 
durch sichtbar ist Der Ertel'sche Distanzmesser hat bekannt- 
lich zwischen Objektiv und Okular noch eine Kollektivlinse, 
wodurch erreicht wird, dass die Entfernung der beidun Horizon- 
talfadeu kleiner sein kann, als bei dem Reichenbach'schen Dis- 
tanzmesser, während im Uebrigen die Wirkungsweise beider 
dieselbe ist 

Porro hat nun zwischen Objektiv- und Kollektivliuse noch 
eine vierte Linse eingeschaltet, welche die auf sie fallenden, 
vom Objektiv kommenden Lichtstrahlen parallel zur Fernrohr 
achse bis zur Kollektivliuse 



Fadenkreuz zwischen diese 



weitersendet; ferner bat er das 
Linse und die Kollektivliuse 



gestellt und das Fernrohr so mit dem Instrument verbunden, 
dass der für dieso Linsen - Kombination sich ergebende analy- 
tische Punkt in das Zentrum des Instruments fällt Der zwi- 
schen der neu eingefügten und der Kollektivlinee gelegene Theil 
des Fernrohrs, in welchem die Lichtstrahlen parallel zur Achse 
des letzteren sind, kann beliebig verlängert oder verkürzt, auch 
in demselben das Fadenkreuz beliebig in der Richtung der op- 
tischen Achse verschoben werden, ohne dass dadurch an der 
Wirkungsweise deB Ganzen etwas geändert wird. Okular, Kol- 
lektivlinse und Fadenkreuz Bind gemeinschaftlich gegen das 
Objektiv, sowie ausserdem das Fadenkruuz für sich gegen dos 
Okular verschiebbar, während die neu eingefügte Linse eiue 
konstante Entfernung vom Objektiv hat Die Vorzüge des Porro*- 
sehen Distanzmessers bestehen somit darin, dass die Lattenab- 
schnitte direkt proportional sind den auf das Zentrum des In- 
struments bezogenen Entfernungen, und dass dies konataute 
VerhältnUs zwischen Lattenabechnitt und Entfernung durch 
die von der Grösse der Distanz und der Sehkraft des Beobach- 
ters abhängige Länge des Okularauszuges und Stellung des Fa- 
denkreuzes gegen das Okular nicht geändert wird. Der in 
No. 45 dieses Blattes dem Porro'schen Distanzmesser gemachte 
Vorwurf der l'ngenauigkeit entbehrt mithin der Begründung ; 
dass derselbe im Gegentheil einer recht grossen Genauigkeit 
fähig ist, wenn man nur dem Fernrohr eine recht starke Ver- 
größerung uud ein besonderes Okular für jeden der Horizontal- 
ffidcu gibt, geht aus dem Eingangs erwähnten „Memoire etc.- zur 
Genüge hervor. 

Die Porro'schen Instrumente , welche noch mehre andere 
eigenthümlicbe und höchst sinnreiche Einrichtungen zeigen, 
scheinen trotz de» grossen Lobes, welches eine vom französi- 
schen Minister der öffentlichen Arbeiten mit ihrer Prüfung be- 
auftragte Kommission denselben gezollt hat, keine weitere Ver- 
breitung gefunden zu haben, weil sie für eiueu dauernden Ge- 
brauch iu Wind uud Wetter zu subtil waren. Später hat Moiuot 
die Vorzüge des Porro'schen Tacheometers, soweit dieselben bei 
Eisenbahn- Vermessungen von wesentlichem Nutzen sind, auf den 
gewöhnlichen Theodolitheu zu übertragen gesucht, nnd auf die- 
sen niodifizirten Theodolithen ist dann auch der Name „Tacheo- 
meter* übergegangen. Derselbe unterscheidet sich von den 
gewöhnlichen Theodolithen und Uuiversaliustrumeuten haupt- 
sächlich dadurch, dass das Fernrohr den Porro'schen Distanz- 
messer enthält und eine sehr starke Vcrgrösserung hat, dass 
zur Kontrolle der Horizoutalwinkelmessuug uud zur Orieuti- 
rung des Instruments nach jedesmaliger Aufstellung eiue Bous- 
sole angebracht ist, dass zwei Libellen, eine feste uud eine be- 
wegliche auf dem Fernruhr sitzende und mit diesem sich 

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drehende, vorbanden und dass die Kreistheilungeu nach dem 
Zentesimalsysteni eingerichtet siud, wodurch nicht nur die Ab- 
lesung rascher und sicherer erfolgt, sondern auch namentlich 
die Erledigung aller erforderlichen Rechnungen mittel» eines 
zu dickem Zweck besonder» konstruirten grösseren Rechen- 
schiebers sehr erleichtert wird. Auch zeigt der Nonius des Ver- 
tikalkreisea bei horizontaler Stellung de* Fernrohres nicht 0', 
sondern 10Ü«, indem der Winkel, welchen die Richtung der 
Visur mit der im Zentrum des Instrument* errichteten Verti- 
kalen bildet, gemessen wird. Wegen des Naheren hierüber er- 
laube ich mir, auf deu in der Zeitschrift des Architekten- und 
lugeuieur- Vereins zu Hannover, JaLrguug 1871, enthaltenen Auf- 
satz über .die Aufnahme des Terrains mit dem Distanzmesser 
bei Eisenbahn- Vorarbeiten, insbesondere die Methode von Moinot* 
uud auf die daselbst angegebenen Quellen zu verweisen. Diese 
Moinot'scbe Methode der Aufnahme mittels des Tacheometers 
ist bei nur einigermaassen koupirteni Terrain nach meiner Er- 
fahrung die rascheste und sicherste bei hinreichender Genauig- 
keit, und darum die rationellste, und wird, abgesehen von der 
Photographie, welche vielleicht berufeu ist, noch mehr zu 
leisten, nur bei generellen Vorarbeiten und wenn wegen des 
Vorhandenseins guter Katasterkarten die Situationsaufnahme 
in Wegfall kommen kann, durch die Methode der Hohenmessung 
mittels Aneroiden übertroffen. — Dass es sich in dem in Nu. 4.» 
d. Bl. erwähnten, aus der Berliner Börsenzcituug entnommenen 
Passus nur um eine Reklame, nicht um den wahren Werth des 
Tacheometers handelt, liegt auf der Hand. Trotzdem ist die 
Behauptung, dass die Anwendung desselben von Einfluss auf die 
Hohe der Baukosten sei, nicht ungerecht fertigt, indem mit kei- 
nem anderen Instrument in der disponibelen , gewöhnlich sehr 
kurz bemessenen Zeit ein so zuverlässiger und dctaillirter 
Schicbtenttlan, dessen Anfertigung als Grundbedingung für die 
Ausmittelung der bezüglich Bau- und Betriebskosten vortheil- 
haftesten Bahnlinie zu uetrachten ist, hergestellt werden kann- 
Nur zu diesem Zweck dient übrigens das Tucheoinetcr; ist die 
definitiv ausgemittelte Linie aus dem Schichtenplau auf das 
Terrain übertragen, so erfolgen Stutioniruug. Nivellement und 
(Juerprouisaufnahm« in der üblichen Weise, wie auch Moinot in 
der Einleitung »eines Werkes: „Lere* de Plans a la Studio" 
angiebt. 

Diu Fabrikanten der Tachuometer liefern auch kleinere und 
billigere Instrumente, bei welchen die Boussole. die feste Libelle, 
das Sichcrheitsfurnrohr und die Repetitionseiurichtung des Tacheo- 
meters weggelassen und der Ponro'scbe Distanzmesser durch 
den Erter»cuen ersetzt ist, welche demnach nichts Anderes als 
gewöhnliche Universalinstrumente sind und nicht mehr als 
Tacbeonieter bezeichnet werden konuen, da sie diesem an Leis- 
tungsfähigkeit ganz bedeutend nachstehen. Man kann dieselben 
indes« doch manchmal bei kleineren Aufnahmen in dur in 
No. 45 d. Bl. beschriebenen Weise mit Vortheil benutzen, denn 
der daselbst beispielsweise berechnete Fehler von 0.367» stellt 
auf dem Papier, wenn man es etwa mit der Herstellung eine* 
Schichtenplanes im Maasstabe von 1:5000 zu thun hat, nur die 
nicht mehr messbare Lange von 0,073 ■n"' dar uud darf bei den 
uach der Polarmethode aufgenommenen Detailpunkten um so 
mehr vernachlässigt werden, als er sich nicht fortpflanzen oder 
mit anderen Fehlern summiren kann. — Es scheint, als ob bei 
der dem Herrn Referenten in voriger Nummer d. Bl. auf seine 
Erkundigungen gewordenen Auskunft ein derartiges Uuiversal- 
iustrumeut mit einem Tacheometer verwechselt worden sei. 

Der Anschaffungspreis des Tacheometers ist allerdings ein 
ziemlich hoher: E. Richer, 15 Rue de la Ccrisaie, pres la Bas- 
tille, Paris, berechnet für die grössere Sorte incl. aller llülfs- 
upparate und Verpackung ruud 300 Thlr. Es ist indes» zu be- 
rücksichtigen, dass dagegen ein Theodolith oder Universalin- 
strument und wenigstens ein bis zwei Nivellirinstrumente ent- 
behrlich und die Ausgaben für Arbeitslöhne und Fruchtent- 
schädiguugen nicht unbedeutend ermässigt werden. 

In Oesterreich bat die Moiuot'sche Metbode und das Tacheo- 
meter Anwendung gefunden, bevor Hofrath Nördlinger. der die- 
selbe übrigens im Jahrgang 1865 der Zeitschrift des Architckteu- 
und Ingenieur-Vereins zu Hannover warm empföhlet! hat. dort- 
bin berufen war. Zu Anfang des Jahres 1870 mit Eisenbahn- 
Vorarbeiten in Böhmen beschäftigt, habe ich, nachdem auf niei- 
uen Vorschlag mein damaliger Chef, Herr Oberingenieur F. Rziha 
in Prag, bereitwilligst seine Genehmigung ertheflt, im Auftrage 
desselben ein Tacheometer von Richer in Paris bezogen, welches 
nebst einem kleineren damit aufgenommenen Schichtenplan in 
der im Herbst 1870 veranstalteten Ausstellung des Architekten- 
und Ingenieur-Vereins in Prag zu sehen war. Die mit diesem 
Instrument bei deu Aufnahmen für die Linien Prag-Dux und 
Bilin- Aussig erzielten Resultate waren so günstig, dass noch 
mehre Instrumente bestellt wurden; der Bezug derselben 
wurde jedoch durch den inzwischen ausgebrochenen Krieg ver- 
eitelt. Ob vordem schon eine Anwendung des Tacheometers in 
Deutschland oder Oesterreich stattgefunden hat, ist mir nicht 



Berlin, den IL November 1872. 

C. Heuser. 

Gleichzeitig ging uns von anderer Seite nachstehende, den- 
en Gegenstand betreffende Aeusserung zu: 
Ohne deu Ausführungen die ein Referent in No. 45 d. Bl. 
dem Tacheometer widmete, zu nahe treten zu wollen, glaube 
ich doch dieses Instrument, von einem Gründer iu etwas ko- 



mischer Weise zur Reklame benutzt, der Beachtung der Kol- 
legen empfehlen zu kOnneu. 

Praktisch mit dem Porro' sehen Distanzmesser noch unbe- 
kannt, war ich bei den Vorarbeiten zur Moselbahn in die Noth- 
weudigkeit versetzt, eineifgewöhnliehen Theodoliten zur Distanz- 
mcasuitg einzurichten und mir selbst ein Aufnahme - Verfahren 
auszubilden, welches selbstverständlich mit dem von Porro zu- 
erst angegebenen uud von Moinot beschriebenen fast identisch 
ist (l.ere t Je Plann ä la Stadta par Moinnt, Perigvevx 

Auf diese Erfahrungen gestützt, kann ich die Aufnahme 
mit dem Tacheometer, weun auch nicht wunderbar, doch über- 
aus praktisch iieuucu. Dieses Instrument setzt den aufnehmen- 
den Ingenieur iu den Stand, von einer beliebigen Aufstellung 
aus alle Puukte, auf denen eine Latte aufgestellt werden kann, 
in Bezug auf Horizontal - uud Vertikal - Projektion festzulegen. 
Die zu erreichende Genauigkeit ist für den Zweck der gene- 
rellen Vorarbeiten vollkommen genügend, die Schnelligkeit der 
Aufnahme-Arbeit im Freien übertrifft die joder anderen Methode 
uud die Sicherheit in deu Resultaten ist durch den Ausfall der 
durch unzuverlässige Gehülfen auszuführenden Zwischenarbeiten 
erheblich gesteigert. Dass für die speziellen Vorarbeiten 
andere Methoden, iu Anwendung gebracht werden müssen, ist 
selbstverständlich, wird auch von Moinot in seiner Vorrede ein- 
geräumt 

Der Sehl usB jenes Reklame -Artikels berührt absichtslos 
einen wunden Punkt unserer Praxis bei Eisenbahn - Vorarbeiten. 
In koupirteni Terrain, welches mit Eisenbahnen zu durch- 
schneiden eine Hauptaufgabe der gegenwärtigen Technik ist, 
sind zuverlässige, weit ausgedehnte Horizontalkurvenkarten 
besser, als der unfehlbare Blick eines berühmten Technikers. 
Diese Karten kosten alter sehr viel Geld, Zeit und Mühe. IBre 
Anfertigung lässt sich nicht gut im Voraus übersehen und da- 
her auch nicht pro laufd. Kilometer in Akkord übernehmen. 
Für diese Arbeiten ist aber das Tacheometer ein ausgezeich- 
netes Instrument und somit allerdings von hervorragendem 
Einfluss auf die Höhe der Baukosten und — wie wir hinzufügen 
können — der späteren Betriebskosten. 

Coblenz, den 10. November 1872. Meydenbauer 

Haumeister. 

Personal - Nachrichten. 

Deutsches Reich. 

Ernauut: Der kgl. bayr. Ingenieur-Assistent Paraquin 
zum Eisenbahn-Baumeister bei den Reichs-Eiseubahnen in Elsa-ss- 
Lothringeu in Saargemünd. 

Die Baumeister-Prüfung haben am 13. und 16. Norem- 
l»er er. abgelegt: Carl Ueiurich Friedrich Theodor Freyseaus 
Essen. Heinrich Sc h äffer aus Spandau. 

Die frühere Pri vat-Baumeister-Prüfung hat am lt., 
12., 13. und 16. November er. abgulegt: Beruhard Buch aus 
Münster. 

Die Bauführer-Prüfung haben am IL, 12. und 13. No- 
vember er. abgelegt und bestanden: Heinrich Bens aus Elber- 
feld. Richard Günther aus Unruhstadt Friedrich Wilhelm 
Ernst Mau aus Stralsund. 

Brief- und Fragekasten. 

nrn. E. B. in Düsseldorf. Ein neueres Werk, das Anlei- 
tung zu Eisenbahn- Vorarbeiten giebt, ist u. W. nicht erschienen. 
Wir verweisen Sic auf das bekannte Handbuch Ueusinger 
von Waldegg's sowie auf deu auch im Separatabdruck erschie- 
nenen Aufsatz Ferdinand Hoff mann 's im Jahrg. 70 der Wie- 
ner Allgem. Bauzeitung, empfehlen Ihnen jedoch auch die An- 
leitungen zum Traciren der Eisenbahnen von Hevne (Wien, er- 
scheint gegenwärtig in neuer Auflage) und Heider'(Lcipzig 1860). 

Hrn. Sch. in Paderborn. Dass Preussische Baumeister 
vor Kurzem 2 Jahre nach bestandener Prüfung eine Aufforde- 
rung zur Annahme einer festen Anstellung als König!. Kreis- 
resp. Wasserbaumeister erhalten haben sollen, während die bei 
Eiaenbahnbauten beschäftigten Baumeister für längere Zeit prin- 
zipiell übergangen werden sollen, bezweifeln wir ganz entschie- 
den. Es findet das umgekehrte Verhältnis* statt, da fortwährend 
neue Eisenbahn-Baumeisterstellen kreirt werden, während die 
Besetzung der Stellen in der Pro\inzial- Verwaltung erst nach 
Erledigung von solchen erfolgen kann. Daas die im vorigen 
Jahre vom Abgeordnetenhaus« bewilligten neuen ° 
an Baumeister bereits zur Vertheiluug gelangt 
wen, ist uns nicht bekannt 

Hrn. F.G. in Berlin. Herzlichen Dank für Ihren Zuspruch. 
Wir führen unsem Kampf lediglich im Interesse der Sache, un- 
beirrt durch die unvermeidlichen Antipathien — doch ist es 
uns eine willkommene Stärkung in demselben, uns auch von ho 
warmer Sympathie begleitet zu wissen. 

Hrn. M. H. in Berlin. Der in Berliner Architekteukreiseu 
beliebteste Lehrer des landschaftlichen Aquarellirens ist neben 
Professor Biermann der Maler von Keller, Ritterstrasse 52c. 
Auch die Maler Dressler, Ritterstrasse 60 und Henuicke, 
Skalitzerstr. 3, ertheilcn unsere» Wissens derartigen Unterricht. 

Hrn. W. in Frankfurt. Die Berliner Börse ist im Jahr- 
gang 64 der Zeitschrift für Bauwesen publizirt Wir bitten um 
Nachricht', ob Sie iu Ihrer Anfrage diese oder in Folge 
Schreibfehlers die im Jahrgang 1871 
lichte Bremer Börse meinen. 



tou C.rl Bi.lili in 



'•n O.brid.r ruk«rtla 1 

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Jahrg. Tl. 



DEUTSCHE BAUZEITUNG 



B#tlio, Oruiriulram III. 

B«»t.Uunf«n 

ubctMkn.0 4lle PnUmUltrn 



Organ des Verbandes 

deutscher Architekten - und Ingenieur-Vereine. 

Redakteur X. B. 0. Frit«ch. 



In« ritt 

fiir 6\* l*mt tf.r dp 
ÜfturcHunr finden Aufn4Mm' 
In il« erath-artlMe: 



IN s»r. pt. 



frei» I Tbalcr pro Quartal. 



Berlin, den 80. November 1872. 



Inhult: Du 

nun, »y.m u, ftmafc« isra. - i 

iK.tmil.t Flowi|ii»T(.ri>Iil«', — Miltheil 
tu It. t Ii». — Vtrnl.cktt*: Vcbrr i 



reine«: AirJilt*kle.l-Ver»ln 
n«»er WoWimn*. — ! 



HtttjiMMiaaK — K»»k«rrcn 
i.l <u ilfitl Anxlx« «1». Ol 
liu.uliVirf. - W«iwiiU«li«W<iii«.n. - MoMU AuffalMii 
Vorrlu iu lUrlln. — e«r«i>n»IN«eliri«he..« »I«. 



Hof* >" 



Das Preussische 

(Port, 

Die för jeden Aspiranten des Preußischen Staats, -Bau- 
dienstes obligatorische Forin des theoretischen Fach- 
studiums ist seit dem Jahre 18o'8 der dreijährige Besuch 
einer höheren technischen Lehranstalt. Wie die Ahsolvirung 
des Elovenjahres die normale Vorbedingung für die Aufnahme 
in dasjenige Uuterriehts-Iustitut bildet, welches vorzugsweise 
zur Ausbildung der Staatsbaubeamtan dienen soll, so ist 
dieses dreijährige, iu seineu Details naher geregelte Studium 
Vorbedingung für die Zulassung zur ersten der bautechnischen 
Staats-Prüfungen, der Ba uffih rer-Prü fung. 

Es handelt sich in Betreff dieses Theils des Ausbildungs- 
ganges zuniiehst um eine Prinzipienfrage. Der Knf nach 
einer .Trennung der Fächer* ist in den letzten Jahren 
eine so allgemein beliebte und geläufige Parole geworden, 
dass man die radikale Durchführung dieser Maassregel mit 
einer radikalen Heilung sämintlicher Gebrechen des Preussi- 
schen Staatsbnnwescns nicht selten für gleichbedeutend hält. 
Leider liegt die Sache nicht ganz so leicht und einfach. So 
sehr wir vielleicht selbst zur Popularität jener Forderung 
beigetragen haben, so vermögen wir der Ansicht, dass eine 
Tr-mmmg der Fächer schon vom Anbeginn des akademischen 
Studiums geboten sei, doch keineswegs beizupflichten. 

Sie hat eine unbestreitbare Bedeutung für das freie 
Studium Ton Architekten oder Ingenieuren, dessen ideales 
Ziel es ist, dem Schüler die höchste Ausbildung in dem 
Iwtreffenden Fach/.weige zu geben, die er nach seiner Indi- 
vidualität überhaupt zu erringen vermag; es ' unterliegt wohl 
keinem Zweifel, dass Form und Methode des Unterrichts für 
jeden der beiden Fälle verschieden sein müssen, wenn er 
sachlich auch zum Theil dieselben Gegenstände betrifft. Hier- 
von kann hei einem obligatorischen Ausbildnngsgange 
für Beamte, dessen Ziel nach unseren einleitenden Erörte- 
rungen lediglich eine für Jeden erreichbare Durch- 
schnittsbildung ist, nicht wohl die Rede sein. Wir geben 
sogar gern zu, dass es für das Interesse der Verwaltung vor- 
teilhaft ist, wenn diese minimale Durchschnittsbildung der 
Baubeamten, wie sie für die Funktionen des gewöhnlichen 
Dienstes genügt, sich auf beide Zweige des Bauwesens er- 
streckt, dass es daher zweckmässig erscheint, ein entspre- 
chendes theoretisches Studium für den Gesammtumfang 
des Faches vorzuschreil>en. — Wenn es lebhaft zu wün- 
schen und bei einer gesunden Organisation des Ausbildnngs- 
ganges mit Sicherheit anzunehmen ist, dass Viele der an- 
gehenden Baubeamten sich mit diesem Durchschnitte nicht 
begnügen, sondern aus eigenem Antriebe und gemäss ihrer 
eigenartigen Begabung in einer der beiden Fachrichtungen 
weit über ihn hinausgehen werden, so kann die Forderung 
einer prinzipiellen Theilung der Anfangsstudien hieraus doch 
um so weniger abgeleitet werden, als es bei den Meisten, 
die ohne ausgesprochenen Beruf und ohne jede technische 
Vorbildung in das Fach eingetreten sind, erst im späteren 
Verlaufe der Studien sich herausstellt, ob ihre Begabung 
sie vorzugsweise auf einen und welchen der Zweige des- 
selben hinweist. 

Ein Anderes ist es freilich mit der Art und Weise, wie 
nach seinem prinzipiellen Grundgedanken berechtigte 
akademische Fachstudium thatsächlich ins Werk gesetzt wird. 
Es haben sich in dieser Beziehung Misstände eingeschlichen 
und behauptet, die den Erfolg desselben leider schwer beein- 
trächtigen mÜRsen, so dass der angestrebte und anzustrebende 
Zweck wohl nur in der Minderzahl der Fälle wirklich er- 
reicht wird. 

Man wird es als keinen Mangel unserer Arbeit, 



SUutM-Baun 

als eiue durch die Sachlage bedingte Notwendigkeit an- 
sehen, wenn wir bei einer Besprechung dieser Nothstände 
ausschliesslich die Berliner Bau-Akademie in's Auge fassen. 
Die Verhältnisse der polytechnischen Schulen zu Hannover 
und Aachen, geschweige denn der zu Carlsruhe, und die spe- 
ziellen Bedingungen, welche sich auf ihnen für das akade- 
mische Studium der Aspiranten des Prenssischen Staatsbau- 
fachs ergeben, sind uns nicht vertraut genug, um sie in un- 
sere Kritik mit hereinziehen zu können. Ihre Stellung zu 
den in Betracht kommenden Fragen, soweit sie nicht aus den 
allgemeinen Vorschriften von selbst sich ergiebt und dem- 
nach mit den Berliner Verhältnissen identisch sein muss. 
ist auch viel zu neu, die Anzahl der von ihnen ausgebilde- 
ten Preussischen Bauführer im Vergleich mit der ungeheuren 
l'eberzahl der in der Hauptstadt Studirenden zu geringfügig, 
als dass sie bis jetzt einen Einfluss hätten ausüben können: 
viel eher ist anzunehmen, dass der Einfluss der Zustände 
und Einrichtungen an der Berliner Buuakademie auf jene 
Schulen bereits eine Wirkung geäussert hat und im Verlaufe 
der Jahre noch eingreifender äussern wird. Ebenso wird man 
es bei der Bedeutung dieser für die Ausbildung des Preussi- 
schen Baubeamtcn fast ausschliesslich bestimmten und fast 
ausschliesslich benutzten Anstalt entschuldigen, wenn wir 
uns an die durch unser Thema bedingte Grenze nicht, allzu 
streng binden, sondern neben den Zuständen der allgemeinen 
Studien-Einrichtungen in Kürze auch einige Fragen ihrer 
Detail-Organisation besprechen. Abgesehen davon, dass dies 
in Anbetracht der beabsicht igten Aenderung dieser Organi- 
sation von Interesse sein dürfte, ist ja die Blüthe, beziehungs- 
weise ein Verfall der Bau-Akademie mit dem Wohl und 
Wehe des gesammten Preussischen Staats-Bauwesens so innig 
verwachsen, dass wir uns trotzalledem von der Sache nicht 
weit entfernen werden. 

Wir haben hierbei vor Alleiu eine Pflicht der Gerech- 
tigkeit zu erfüllen. Bei allen Angriffen auf die Einrichtun- 
gen und Leistungen des Preussischen Staats-Banwesens, die 
in der Presse oder von der Tribüne des Abgeordnetenhauses 
herab laut geworden sind, hat in erster Linie stets die Bau- 
Akademie herhalten müssen; sie ist der Prügelknabe ge- 
wesen, den man für die meisten der gerügten Mängel ver- 
antwortlich gemacht, auf den man die volle Schaale des Zornes 
ergossen hat. Sachlich ist ein grosser Theil jener Vorwürfe 
berechtigt gewesen. Die öffentliche Meinung hat jedoch das 
Bedürfniss, jedem sachlichen Mangel auch eine persönliche 
Schuld zu suhstituiren, und konnte in diesem Falle kaum 
anders verfahren, als jene Verantwortlichkeit zunächst auf 
den Direktor nnd die Lehrer der Bau-Akademie zu beziehen. 
Beiden, vor Allem aber den Letzteren, ist damit bitteres 
Unrecht geschehen, da man nicht wissen konnte, wie be- 
schränkt der ihnen zugewiesene Wirkungskreis, wie gering- 
fügig der Einfluss ist, den sie trotz Aufwendung ihrer besten 
Kraft auf die Geschicke und Erfolge des Instituts auszuüben 
vermögen. Wenn sie trotzalledem ein Vorwurf trifft, so ist 
es zunächst der, dass sie mit der für den Preussischen 
Beamtenstand so charakteristischen Resignation sich fort- 
dauernd dazu hergegeben haben, ihre Kraft an Aufgaben zu 
setzen, deren Aussichtslosigkeit, ja Unmöglichkeit für sie 
nicht zweifelhaft sein durfte, dass sie geduldig ausharrten 
iu einer Stellung, in der sie so wenig wirken konnten, — 
mit einem Worte — dass ihnen die Energie des Protestirens. 
erforderlichen Falls des .Strikcns* gefehlt hat! 

Es würde um die Bauakademie, wie um den ganzen 
Ausbildungsgang der Preussischen Baubeamten vermutbluh 



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- 388 



anders stehen, wenn dieselbe nicht eine todte Maschine, 
sondern ein sclbstständiger, lebendiger Organismus w5re, 
wenn man die Lehrer nicht Mos als Arbeiter behandelt 
hätte, die für ein bestimmtes Honorar ein bestimmtes ihnen 
zugewiesenes Unterrichls Pensum zu leisten haben, sondern 
wenn ihnen Gelegenheit gegeben worden \\;'ire. ihre Einsieht 
und Erfahrungen auch iu der Mitwirkung au dem Plane der 
Arlteit und an der Feststellung ihres Erfolges zu verwerthen 
und zu erweitern. Wir würden vielleicht weniger zahlreiche 
Experimente, aber jedenfalls grössere Erfolge zu verzeichnen 
haben. 

Statt dessen ruht nicht allein der geistige Schwerpunkt, 
sondern auch die eigentliche Leitung der Anstalt in einer 
ihr fremden Körperschaft, der Technischen Baudepula- 
tiou. Das durch die Zustände des Jahres Iii»'.» bedingte 
Verhältnis« hat sich ohne alle Modifikation bis auf die so 
wesentlich anders geartete Gegenwart übertragen. Jene Be- 
hünle bildet dem Namen nach das Kuratorium, in Wirklich- 
keit aber das Direktorium der Akademie; denn das als 
solche fungirendo kleine Kollegium ist nichts anderes als 
eine Sub-Kommission der technischen Kau -Deputation, wel- 
cher das ständige Dezernat in dieser Angelegenheit und die 
Leitung der bedeutungslosen Aeusserlichkeiton übertragen 
worden ist, während die Entscheidung in allen wesentlichen 
Tunkten dem Plenum vorbehalten bleibt. Es sei fern von 
uns daran zn zweifeln, dass eine Körperschaft, wie die tech- 
nische llaudcputation, der so viele der bewährtesten Fach- 
männer Preussens angehören, in ihren bezüglichen lierathun- 
gen und Beschlüssen nicht die vollste Gewissenhaftigkeit und 
Sorgfalt aufbietet — es sei fern von uns zu leugnen, das« 
eine kontrolli reude Bcthciligung ausführender Techniker 
und erfahrener Beamten nothwendig ist, um dafür zu bür- 
gen, dass ein Unterrichts-Institut wie die Bauakademie ihrer 
Bestimmung getreu bleibt. Aber die Verhältnisse sind eben 
von jeher stärker als die Menschen gewesen und die Gren- 
zen einer berechtigten Kontrolle sind in dieser Beziehung 
durchaus nicht eingehalten worden. Vor Allern ist eine 
vielköpfige Körperschaft, iu der das Gefühl der Verantwort- 
lichkeit und die Initiative des Einzelnen sich abschwächen 
niuss, überhaupt nicht zur fördersainen Leitung eines zu le- 
bendiger Fortentwicklung bestimmten Instituts geeignet. 
Die Vereinigung der Leitung und der Kontrolle in einem 
und demselben Zentrum niuss ferner unter allen Umständen 
eine gewiss»», der Anregung entbehrende Einseitigkeit hervor- 
bringen, die der Entwicklung neuer fruchtbarer Ideen un- 
möglich günstig sein kann. Endlich aber — und »lies ist 
das Entscheidende- — heisst es dein doktrinären Experimen- 
tiren auf dem Felde des Unterrichts Thür nnd Thor öffnen, 
wenn die Organisation desselben so ausschliesslich der Be- 
stimmung von Persönlichkeiten anheimgegeben ist, die bis 
auf wenige Ausnahmen den Unterrichts-Verhältnissen völlig 
fern stehen und von jeher ferngestanden haben. Welchen 
Einfluss dies auf die von den Mitgliedern der technischen 
Baudeputation abgehaltenen Prüfungen und demzufolge rück- 
wirkend auf den Unterricht an der Bau -Akademie ausübt, 
werden wir noch zn erörtern Veranlassung nehmen; wir 
möchten als eine Thatsache jüngeren Datums, welche das 
geistige Verhältniss der Lehrer zn dem Institute chanikteri- 
sirt, hier nur noch anführen, dass die organische Verände- 
rung desselben im Jahre lSCH durchgeführt worden ist, ohne 



dass jenen Gelegenheit geboten worden wäre, ihn» Ansicht 
über dieselbe zu Süssem. 

Bei einer so unwürdigen Stellung und einer im Verhält- 
niss zu der sonstigeu Werthschätzung hervorragender tech- 
nischer Leistungen ganz ungenügenden Besoldung der Lehrer, 
bei der im Vergleich zu ähnlichen Anstalten ärmlichen üo- 
tirung der Akademie, die neuerdings nicht aus der Iniative 
der Staatsregiemng. sondern aus der des Abgeordneten- 
hauses eine Verbesserung erfahren soll, kann es nicht Wunder 
nehmen, wenn die Besetzung der Lehrstellen zu wiin- 
scheu lässt. Nicht als ob unter den Dozenten nicht hervor- 
ragende Künstler und Techniker vorhanden wären. die 
nach ihren Kenntnissen und ihrem Lehrberufe jeder Anstalt 
zur Zierde gereichen könnten, aber die unselige, durch Tra- 
dition festgestellte Kegel ist es, dass eine Lehrthätigkeit au 
der Berliner Bau- Akademie nur als ein Nebenamt an- 
genommen nnd ausgeübt wird. Selbst unter den 10 Männern, 
die (bei eiuer Frequenz von s<k> Studirenden!) als ordent- 
liche Lehrer an der Anstalt beamtet sind. Badet nur die 
Minderzahl den Schwerpunkt ihrer Lebens -Thätigkeit in 
dein Unterrichte an der Bau-Akademie, die U ehrigen gehören 
nebenbei noch einer Behörde oder einer anderen Lehraustalt 
an. die sie in mindestens gleicher Weise in Anspruch nimmt, 
oder sie verwenden den Haupttheil ihrer Krall als Privat - 
Architeklcn. Bei den i.'i ausserordentlichen Lehren), die auf 
gegenseitige »(monatliche Kündigung engagirt sind und die 
zum Theil nur iu einem der beiden Semester, oder doch i:i 
einem derselben nur als Privatdozenten wirken, ist dies 
selhsUcrständlich ganz ausnahmslos in eiuer odtir der anderen 
Weise der Kall, ebenso bei den für den Zeichen-Unterricht 
angenommenen Hülfslehreni. meist jüngeren Baumeistern, 
denen ihre diätarische Beschäftigung bei einer Behörde die 
erforderliche Müsse lässt, um sich des kleinen Nebenver- 
dienstes zu erfreuen. Wie ist es möglich zn erwarten, dass 
unter solchen Verhältnissen selbst die besten Kräfte das 
leisten und wirken können, was sie leisten und wirken 
würden, falls sie mit ganzer Seele ihrem Lehrberufe sich 
hingäben? Wie soll es alter auch möglich sein, unter allen 
Umständen alle Lehrämter mit Persönlichkeiten zu lx- 
setzen, die zn Lehrern an sich und speziell zn Lehrern des 
betreffenden Unterrichtszweiges berufen sind? Wird doch 
eine solche Lehrthätigkeit zuweilen seiner oktrovirt. wie <s 
vorgekommen ist, dass sie lediglh h ein Semester hindan-Ji 
bis zur Erlangung des Professor- Titels ausgeübt worden ist. 
während auf Persönlichkeiten, die zu Hülfslehrerstellen nur 
entfernt geeignet erscheinen, direkt gefahndet wird! Dass 
von eiuer Berufung von Lehrern, die sich anderweit be- 
reits als solche bewährt haben, hiernach keine Rede sein 
kann, ist wohl selbstverständlich, zumal denselben in den 
meisten Fällen der für einen Lehrer der Bauwissenschaften 
in der Akademie unentbehrliche Nimbus der bestandenen 
Prüfung als Prcussiseher Baumeister*) fehlen würde. Es 
ist allerdings vorgekommen, dass Baubeatnte unter dein 
vorwiegenden Gesichtspunkte, sie als Lehrer an der Bau- 
Akademie verwenden zu können, nach Berlin berufen wor- 
den sind, im Allgemeinen gilt jedoch der Usns. dass die 

Ol« mit dm I*b*n«rhi<'kul«i Willwlm ltl»r'l Vw<r»ul«.|i w»rd«a ilrt 
<l*r M»»«-iwln *rii>nrni. «hurh die ili«.rr — bereit« itiuiitra »einfr fn.<-h-i-t 
und trfoUrelthnlen LehrUiäiiirkrit geiwuntrn wurdt. «Ick ilrr Formalität einei 
üMrUriuhrbHi HrüfungvK<.lla.|iiiuaM tu unu-i urifo». Uta AonVuning dürft» b**u 
«««•Ii krln- •»«.•iillii-h »tul«rr tin. 



Die Stirnflatk ran 13. \ mbn 187t 

Die Sturmfluth, von welcher unsere Ostsecküst« am 13. No- 
vember dieses Jahres heimgesucht wurde, hat in ihren grausi- 
gen Verheerungen so manche Gelegenheit zu interessanten tech- 
nischen Beobachtungen dargeboten, die der Aufzeichnung uud 
Mittheilung wohl Werth wären. Solches anzuregen ist der we- 
sentlichste Zweck nachstehender Zeilen, in denen der Verfasser 
einige auf der Reise nach Rostock und Warnemünde gesammelte 
flüchtige Notizen zusammenstellt. 

Die Warn«« wird von Rostock an ein breiter und tiefer 
Küstenfluss, der sich vor seiner Mündung zu einem kleinen Haff, 
dem Breitling erweitert, das durch Dünen von der Ostsee ge- 
schieden ist; die Mündung seihst ist durch vorgelegte Molen, 
deren westliche die kleine hölzerne Leuchtbake trug, vor dem 
Versanden geschützt. — Um 9 Uhr Morgens war die Warnow 
bei Rostock aus ihren Ufern getreten und hutte, da das Bohl- 
werk mit dem Kai überHuthct war. zu Vormehtsmassrcgeln Ver- 
anlassung gegeben. — (legen 10 Uhr fing das Wasser an zu- 
sehends zu steigen und erreichte 3 Uhr Nachmittags seinen 
höchsten Stand. — Es war nämlich zwischen 10 und 11 Uhr 
die Sturmfluth in der Ostsee so hoch gestiegen, dass sie über 
den Kamm der Düne in den Breitling überfiel, jene an der 
schmälsten Stelle durchbrach und nun unaufhaltsam Alles über- 
strömte. 

Dieser plötzliche und gewaltig. Strom, verbunden mit dem 



in voller Heftigkeit andauernden Sturm musste im Hafen die 
vielfachen Beschädigungen an öffentlichem und privatem Eigen- 
thum anrichten. — Die Holzlager und Baggerprahme kamen 
in's Treiben und beschädigten was ihnen vorkam ; so wurden 
die Ladebrücken zum grossen Theil zerstört, die Balken ge- 
brochen, während die mittlere durch den Wasserdruck etwa l n ' 
hoch auf die Schutzpfähle gehoben und dort verblieben ist. 
Das Steuergebäude, das in seinem Erdgeschoss unter Anderem 
Thee und dergl. kostbare und diffizile Waarenlager hatte, wurde 
auf einfache und sinnreiche Wehe geschützt. Die geöffneten 
Thore wurden durch übereinandergelegte Balken gesperrt und 
vor diesen durch festgestampften Mist ein Fangedamm herge- 
stellt. Unmittelbar dahinter ward eine Grube in der ganzen 
Thorbreite gegraben, das durchdringende Wasser in dieser auf- 
gefangen uud ausgeschöpft. — 

Gegenüber von Rostock auf dem linken Ufer der Warnow 
liegt eine Kalkbrennerei, die in ciuem Küdersdorfer Schachtofen 
den vorzüglichen Faxekalk brennt. Der gebrannte Kalk wird 
in kleine Tonnen von etwa 1 Scheffel Inhalt verpackt und lagerte 
in einem massiven Gebäude. Das Wasser trat zunächst in den 
Ofen und löschte den unteren garen Kalk, so dass er später als 
Kalkmilch abgelassen werden musste. Als das Wasser in das 
Lagerhaus getreten war uud die halbe Höhe der unteren Ton- 
neu (0,18 ,m ) erreicht hatte, löschte auch der luhalt dieser und 
entwickelte eine derartige Hitze, dass die Tonnen, soweit sie 
über Wasser waren, sich entzüudeten, und das Gebäude demzu- 
folge ein Rauh der Flammen wurde. Der seltsame Vorgang, bei 



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frei wmlenden Stelleu im Wege tkr Vererbung an jüngere 
Lehrer oder Assistenten übergehen. 

Wir kCnnen nicht nmhin an dieser Stelle beiläufig noch 
des Raummangels zu erwähnen, der bei der Bcspre< hung 



über die äusseren Zustand 



•r Bau-Akademie im Januar 



d. J. im Prcussischen Abgeordneteuhause allerdings um des- 
halb mit Recht gerügt wurde, als mau sieh denselben wohl 
etwas zu sorglos hatte über den Kopf wachsen lassen, Die 
Frequenz der Anstalt hatte schon vor dem .Jahre 1870 ein 
bedeutendes Ansteigen gezeigt und Zustände, wie die des 
vorigen Jahres, wo die drei /.um obligatorischen Besuche 
bestimmter Kollegien verpflichteten Kurse durchschnittlich 
an 200 Studircnde zahlten, während der grösste Hörsaal 
nur 120 Personen fasste, wo also offiziell auf ein theil weises 
.Schwänzen* des obligatorischen Unterrichts gerechnet wurde, ' 
durften unter keiner Bedingung geduldet werden, mussten 
vielmehr ohne Rücksicht auf tleldkosten durch Zuziehung | 
anderweiter Lehrkräfte und provisorische Beschaffung ande- 
rer Lokalitäten aufs Schleunigste beseitigt werden. Wir 



werden weiterhin noch darauf zurückkommen, dass bei einer 
Anstalt, an der nicht nur Vorträge gehalten werden, sondern 
die hauptsächlich Lebungen im Entwerfen betreiben soll, 
eine unbegrenzte Vermehrung der Zahl der Studirenden. 
selbst wenn ihr durch eine noch so grosse Zahl von Parallel - 
Kursen begegnet wird, ihre grossen Nachtheile hat, dass mau 
daher den Raummangel an der Bau-Akademie am Zweck- 
massigsten nicht durch Erweiterung der Unterrichtsräume 
oder gar einen Neubau, sondern durch Errichtung neuer 
Parallel-lnstitute an anderen Orten beseitigen wird. 

Auf Heranziehung weiterer Aeiisscrlichkeiten, von denen 
wir allerdings noch manche anführen könnten, die zu einer 
richtigen Würdigung der Stellung, die dieses Mutter-Institut 
der Preussischen Baubeamten einnimmt, vielleicht ebensoviel 
beitragen würden, als eine sorgfältig durchdachte und durch 
innerliche Gründe motivirte Deduktion, verzichten wir, um 
zu einer Erörterung des Studienganges selbst und seiner Er- 
folge überzugehen. 

(F»rt.cuun|( [SchluM von DL] toigt.) 



Sekundäre Eisenbahnen. 



Eine neue Pfosten-Eisenbahn nach Fell's System (vergl. 
unsere Notiz auf pag. 373 Jhrg. 1870) ist vor Kurzem vollendet. 
Sie entspricht Ranz unseru Abbildungen auf pag. 333 Jhrg 1871. 
nur dass der Unterbau aus verstrebten Holzhacken und Lang- 
schwellen hergestellt ist. Bemerkenswert h ist sie als — soviel 
wir müssen — erstes Beispiel einer derartigen Hahn mit Loko- 
motivbetrieb. Die uns darüber zugegangene Mittheiluug lautet: 

„Ich habe vor einigen Tagen Gelegenheit gehabt, in Aldcrs- 
liot, unweit London, eine schmalspurige Lokouiotivbatin zu be- 
sichtigen, welche durch ihre originelle Konstruktion uud Klein- 
heit des Maasstabes weiteres Interesse verdienen dürfte. 

Die Bahn ist erbaut vom Britischen Kriegsministerium uud 
soll ausschliesslich zu seinen Zwecken dienen, d. i. zum Trans- 
port verschiedener Lager -Artikel nuch den bei Aldershot befind- 
lichen grossen militairischen Depots, Gleichzeitig ist sie der 
Versuch einer passagcren Feldeisenbahn im Kriege. Das System 
ist angegeben von J. B. Fell, dem vom Mont-Ccnis her bekauuteu 
Ingenieur. Die Bahn ist gegenwärtig nur etwa 1800™ laug uud 
rührt aus einem Depot in Aldershot nach dem South t'auip. 

Die Spurweite ist wohl die kleinste bisher für LokoinotU- 
bahnen angewendete, nämlich 0,457"" (die Pcstiniogbahn hat 
0,61» Sjiur.) Die Schienen haben das Vignole -Profil , wiegen 
ca. "J,64— 11,48» pr. lfd. M. und sind auf I.angschwellen mit Nä- 
geln befestigt, ohne Lascheuverbindung. Die Langschwellen wer- 
den fast durchweg von hölzernen Jochen getragen, welche in 
Entfernungen von 3 bis 4.5'" von einander stebcu uud deren 
Höhe an der höchsten Stelle ca. 7,6"" beträgt. Einschnitte sind 
möglichst vermieden und Auftrüge gar nicht vorhanden. Zum 
gröbsten Theil liegt die Bahn in Steigungen von 1:50 und iu 
Kurven von 140 m . 

Die Wagen sind süiumtlich gleicher Konstruktion: ein Kas- 
teu J,44° 1 lang, 1,52» breit, 0,61« hoch, nach Art der offeueu tiü- 
terwageu. Die LangtrSger des Untergestells siud über den Kas- 
ten hinaus verlängert uud siud an deu Achsen der 0,40b'» hohen 
Kader aufgehängt, derart, dass der Boden des Kastens nur etwa 
7,6»" über Schienenoberkunte schwebt. Jeder Wagen ist mit 
4 horizontalen Führuugsrollcu von ca. lTS" 1 ™ Durchtn. verseben, 
die an den Langträgern befestigt sind uud au hölzernen Latten ent- 
lang rollen, welche au die Laugschwelleu genagelt siud. Mau 
sieht, dass solcher Art die Tendenz zum Entgleisen oder Kippen 
fast vollkommen aufgehoben ist, zum Uebcrflusa siud iu diesem 
Siune die horizontalen Führuugsrollcu noch mit ciuseitigeu Flan- 



Einzelnc Wagen können durch eingelegte Sitzbrettcr zur Be- 
förderung von Persoueu eingerichtet werden; andere werden durch 
aufgesetzte schräge Wände geeignet gemacht, um bis 5,7 kb™ Heu 
oder Stroh aufzunehmen. Elastische Buffer oder Federn sind 
nicht augebracht: die Querriegel an den Enden der Langträger 
uehmeu die Zughakeu uud Kuppel ungsketten auf. Einige Wa- 
gen sind mit Bremsen ausgerüstet, deren Hebel mittels Sperr- 
kliukeu festgestellt werden können. 

Die Lokomotive hat 6 gekuppelte Räder von 0,406« Durchm. 
Ihr Gewicht ist 4Vi Tons, das des Tenders 3'/i Tons im Betriebs- 
zustande. Auch die Maschine und Tender haben die horizonta- 
len Führuugsrollcu an den herabhängenden Rahmen. 

Gegen Ende des vorigen Monats wurde die Bahn in 
der genannten Ausdehnung vollendet und durch eine Kommission 
von Ingenieuren und Offizieren in Bezug auf ihre Leistungsfä- 
higkeit geprüft. Man hatte die Wagen mit aller Art militairi- 
scher Artikel beladen, wie Zelte, Geschosse, Mehlsäcke, 
Heu etc. bis zu 3 Tons per Wagen. Einige Wagen nahmen die 
inspizirct.de Kommission auf, andere Soldaten mit vollem Ge 
päck. Die Stärke der Züge ist mir leider nicht genau bekannt 
geworden. Der bei dem Versuch über die Bahn geführte Per- 
sonenzug hat angeblich die durchschnittliche Geschwindigkeit 
von 32 Kn > per Stunde gehabt; der Güterzug 16K™ per Stunde. 
Eine Msxitnalgcschwindigkcit von 48Km ist versucht worden, 
wobei man keine bedenklichen Schwankungen des Unterbaues 
beobachtet hat. 

Dem Bericht« nach ist das Experiment überhaupt zufrieden- 
stellend ausgefallen und man beabsichtigt, die kleine Balm wei- 
ter zu führen und mit der South Western Eisenbahn und dem 
Bosingstokc Kanal in Verbindung zu bringen. 

Auch wenn der Erfolg dieser kleinen Bahn vollständig kon-. 
statirt ist, wird ihr Beispiel vermuthlich keine grosso Rolle 
spielen in dem .Kampfe der Spurweiten", der ausserhalb Deutsch- 
lands noch heftig fortgeführt wird. (The kattlc of the gang<*. 
It. F. Fnirlrtf 1872). Vermöge der herabhängenden Rahmen der 
Fahrzeuge wird die Koustruktiou von Weichen unmöglich, 
Schiebebühnen und Drehscheiben sind dagegen leicht herzu- 
stellen. 

Gleichwohl aber scheint das in Rede stehende System an 
Einfachheit der Konstruktion und Billigkeit der Anlage Nichts 
zu wünschen übrig zu lassen, so dass seine Anwendung auch 
bei uns in manchen Fällen einen gut oekonoinischcn Transport 
ergoben könnte. Als solche Fälle denke man sich diejenigen 



die direkte Erzeugerin einer Feuersuoth 
gewordeu ist, war durch deu Befund der Brandstelle, so wie er 
hier dargestellt, genau zu koustatiron. 

Auf dem Wege nach Waruemüude wurdu mir der winzige 
Best eines Schuppens gezeigt. Eine einzige Sturzsee hatte den- 
selben mit seinem gesainmten Inhalt von 150 Lust Steinkohlen 
a 36 Zoll-Ztr. von der Erde verschwinden lassen. In Warne- 
münde selbst überraschte es, dass dort, wo sonst feste Fusswege 
waren, jetzt knietiefer aufgeworfener Seesand sich befand: Bäume 
sind unterwaschen und umgestürzt, und immer allgemeiner und 
sichtbarer wird die Verwüstung, je näher man der Mündung der 
Warnow kommt. Dos Lootseuhaus und die Waraibade-Austalt, 
beide auf der Nordnstecko gelegen, hatten die volle Wuth des 
Sturmes auszuhalten gehabt; sie sind denn auch unterspült 
worden und theilweis eingestürzt Am Strande sind die schönen 
Anlagen vor den Logirhäusern mit Hecken und Strauchwerk, 
die 'lerrassen mit den Sitzplätzen völlig verschwunden; nichts 
als die kahle nackte Dölme zu sehen, denn das Meer bat mit 
d<>n Anlagen die Uferabhänge auf 2 m Tiefe abgespült, so dass 
die Fundameute der dahinter stehenden Gebäude freigelegt und 
theilweis selbst noch mitgenommen wurden. Von dem Herren- 
bade am Strande ist keine Spur mehr vorhanden, die Beste des 
Damenbades machen einen traurigen Eindruck. Etwa auf 6,25™ 
Länge ist das schmale massive Gebäude von Grund aus zerstört, 
uud über diesen zerstörten Theil hängt das unverletzte Schiefer- 
dach auf den drei aus dem stehengebliebenen Theilc hervor- 
ragenden Fetten. 



Die Einfahrt in den Hafen ist wie erwähnt, durch Stein - 
molen gebildet, von denen die Wcstmole weiter in die See hinein- 
ragt. Sämmtlichc massive und hölzerne L ferne Währungen des 
Hafens bis auf diese Molen sind unverletzt erhalten; die Zer- 
störung betrifft nur die dahinterliegenden hohen Ufer und die 
darauf stehenden Gebäude. Auch die Molen sind nur an den 
Köpfen beschädigt, und zwar sind diese bin auf den mittleren 
Wasserstand fortgerissen, das F'undament jedoch unversehrt. 
Wenn man auf den grossen verklammerten Steinblöcken der 
Westmole an der Wasserlinie umhergeht, kann man die Gewalt 
des Elementes bewundern, das solche Granitblöcke von 0,25 kb"> 
Inhalt trotz der Eisenklammern aushob und über die Mole fort- 
wälzte, so dass sie fast sämmtlich sich an der Westseite aufge- 
stappelt, vorfinden. — 

Von Interesse ist nach solchen Beobachtungen, in Rostock 
die historische Hochwassermarke zu besichtigen. Es ist eine in 
das llafenthor eingemauerte Tafel mit folgender Inschrift: Ao. 
1625 den 10. Febr. ist DAS MEER DURCH EIN NORDOSTEN 
STURM AN DIESEN STEIN UNTERSTE KANTEN von 2 bis 
5 UHR AUF DEN ABEND AUFGELAUFEN UND ERWACHSen. 

Herr Eisenhahn -Baumeister Langfeld hatte die Höhe des 
Wasserstandes am 13. November vorläufig am Thorflügel selbst 
markirt. Derselbe ist allerdings ö.tä" unter der gedachten I'n- 
terkante gehlieben, hat jedoch von 3 bis gegen 8 Uhr Abends 
angehalten. E. II. 



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390 — 



Provinzialstädte, die uuf eine Betheiligung am grossen Eiscn- 
hahnsystem nicht mehr rechnet! dürfeu und die gleichwohl einen 
genügenden regelmässigen Verkehr nach einer Richtung unter- 
halten; ferner isolirtc industrielle Etablissements, die sich in 
gleicher Läge befinden. Der Traktus solcher Miniatur -Eisen- 
bahn würde in gewöhnlichen Fallen ohne Schwierigkeit den vor- 
handenen Wegen folgen können. Die Anlage würde durch kei- 
nerlei Brückenbauten vertheuert werden und die Grunderwerbs- 
kosteu könnten kaum ius Gewicht fallen: in vielen Fallen, wie 
bei Chausseen, werden unbedenklich die Seitengräben und Bö- 
schungen als Bahnterrain dienen können. 

Endlich verspricht das System, welches in denkbar kürzester 
Zeit und mit den einfachsten Mitteln erstellbar ist, für Kriegs- 
zwecke wichtige Dienste leisten zu sollen*), 
en 5. November 1872. 

Jul. Piossek, Baumeister.* 
Auch das Eisenbahn System Larinaujat (vgl. pag. 187 
Jhrg. 1869 d. Ztg. und Heusinger' ü Organ Jhrg. 1870 pag. 93) 
macht wieder von sich reden. Es hat bekanntlich nur eine 
Schiene, auf welcher Kider laufen, die sich unter der Mitte der 

•) Eine &Mcbretbimg der Bahn ig Aldenhot, nrtwt bildlich« DtntellunK der 
Kooitmktion, d«r Lokomotiven autl Wi^pn bringen die Intitcn Nuwiuein dei 



Wagen und Lokomotiven befinden, während die Triebräder sowie 
die SeitenrSder der Wagen nach Art der Strasscnlokoniotivcn 
sich auf dem Planum der Chaussee bewegen, in welche jene 
Schiene eingelegt ist Ausser der kleinen Nebenlinie Raincy 
Montfermeil (Franz. Ostbahn) soll eine Bahn in Portugal zwischen 
Lissabon und Launciar nach diesem System erbaut sein. 

Nach einer Mittheilung des Wiener Zentralbl. f. Kisenb. ha- 
ben nun in Paria auf dem Trocadero vor Kurzem offizielle Ver- 
suche mit dem System Larmanjat stattgefunden. Dasselbe 
scheint in etwas geändert zu sein, indem von „zwei unmittelbar 
aneinander liegenden und verbundenen Schienen" die Rede ist, 
in deren Vertiefung sich der Spurkranz der mittleren Rader 
bewegt Die Versuche sollen, was das Durchfahren scharfer 
Kurven (4 — 5» Radius) und das Ersteigen von Rampen mit 
1:33'/] Steigung betrifft, günstige Resultate ergeben haben. Iii,- 
Geschwindigkeit des Zuges auf der mit Zusebern und Privatwagen 
gefüllten Strasse betrug 25*» pr. Stunde. Dennoch haben dir 
Versuche kein bestimmte» L'rtheil darüber gewinnen lassen, od 
die Anwendung des Systems in Paris praktisch sein würde. Ks 
sollen diesem ersten Versuch noch weitere Experimente folgeu 

Bis jetzt dürfte die Sache also nicht einmal geeignet sein, 
um damit für das von vorn herein nicht sehr iiuponirendi.' 
System Reklame zu machen. 



An kanalisirten Wasserläufen der früheren Zeit ist häufig — 
wenn nicht überall — die Erfahrung gemacht worden, das« sich 
die Anlage auch des rationellsten (Jucrprofiles nicht erhielt. 
Die Uferböschungen verwandelten sich wieder nahezu in die 
Rechteckform und die normal augelegte Flussohle zeigte im 
Längenprofil ziemlich dieselben Unregelmässigkeiten wie vor 
der Kanalisation. Für den Tlydrotekten war diese Erfahrung 
keineswegs eine ermuthigende', zumal wenn die Kartnlisirung 
landwirtschaftlichen Meliorationen galt, dereu Erfolge gewöhn- 
lich Hand in Hand gehen mit der Beschaffenheit der betreffen- 
den Wasserläufe. Soweit sich diese Erfahrung auf grosse Flüsse 
und Strömo erstreckt wird man bei deren Korrektion wohl 
gleich von vorn herein darauf verzichten müssen, jemals eine 
durchgängig symmetrisch - normale Gestaltung in der Quer- und 
Längsrichtung aufrecht zu erhalten, denn die bisher korrigirteti 
Stromstrecken lehren, duss der Strom auch dann noch seine 
besondere Art und Weise, seine Geschiebe zu trausportiren, 
beibehält, und wohl kein Parallelwerk, am allerwenigsten das 
den Parallelismus der Wasserfädeu störende Buhueusystem, ver- 
mag symmetrisch gestaltete Stroraquerprofile herzustellen: der 
Strom setzt sein Recht durch trotz der Sisyphusarbeit der 



Jnter diesen Verhältnissen wird man schon zufrieden sein 
können, wenn man mit den angewendeten Regulirungsmaass- 
regeln überhaupt einen allgemeinen Vortheil erreicht. Letzteres 
geschieht aber um so mehr, sobald man jene Art und Weise 
des natürlichen Geschiebetransportes, il. h. den Weg der Ge- 
schiebe und das Gesetz von dessen Veränderlichkeit 
innerhalb einer gewissen Zeit, ergründet hat und hiernach den 
Weg für die Schiffahrt periodisch bestimmt. Diese Veränder- 
lichkeit dürfte bei jedem Strome eine systematisch sieh wieder- 
holende sein. Beispielsweise ist vom Kheinstrome bekannt, dass 
derselbe vor etwa 100 Jahren oberhalb Spever etc. so verwildert 
war, dass die Schiffahrt ernstlich gefährdet wurde. Durch die 
zufolge dessen vorgenommene Korrektion des Stromes, bei 
welcher, soweit nöthig, nur Parallelwerke angewendet wurden, 
sind die Interessen der Schiffahrt vollständig gewahrt worden, 
der Erfolg ist für dieselbe ein höchst günstiger und dauernder. 
Trotzalledom behielt der Strom die Form seiner Sohle im 
Thalweg so bei, wie in Fig. 1 angedeutet ist Auf die Länge 

Plpir I. 



teb«r die ErhaKaag normaler Flimnur rprotilr 

Von Wasserbau • Inspektor v. Wagner (Bautzen). 

den. War der Schiffahrts- oder Thalweg z. B. im Jahre I — - ■ 7 
in Richtung der Linie r x jr » (Fig. 3) gelegen, so nimmt er im 
Jahre 1871 die entgegengesetzte Richtung opqr ein, im Jahr> 
1875 wieder ähnlich wie 1867 u. s. f., so dass der Thalwcg pe- 
riodisch sich verändert und wieder zurückkehrt. Mit Ergrün- 
dung der Art, wie und wann dies geschieht, ist schon viel ge- 
dient 

Bei kleinereu Flüssen, Bächen und Gräben dagegen (bis 
zur Breite von ca. 30») ist es gelungen, das Profil in der Weise 
festzuhalten, wie es im betr. Projekte aufgestellt worden war 
Wenn ich nicht irre, so bat mau zuerst im Grossherzogthmu 
Baden, woselbst die meisten Flüsse in schön geordnetem, n- 
gulirten Zustand sich befiuden, damit begonnen, die Flussohle 
nach gewissen Zwischenräumen durch sogen. Querschwellen 
zu befestigen , welche vertikal zur Mittellinie des Flusses theiis 
als trockenes Bruchsteinmauerwerk, oder mittels Faschinen etc. 
in die Sohle eingebaut wurden. Das Ergebuiss davon war, dass 
die Sohle eiue gleichmässige, normale Höhenlage beibehielt und 
dass demzufolge die Uferböschungen sich bis zu ihren Futur 
gut erhielten. Dasselbe Resultat wurde im Köuigr. Sachsen au 
mehren regulirteu Flüssen erzielt. Sogar bei lockerem Saud 
boden gelingt es, das Profil in regelmässiger Gestalt zu erhal- 
ten . wobei oft die einfachsten Mittel ausreichen , wie folgende 
Beispiel zeigt 

In dem aus lehmigem und lettigem Boden bestehend«" 
Tbale des Schwarzwassers bei Saritsch (zwischen Bautzen um 
Hoyerswerda) wurde unter Anderem ein Fluthgraben einge- 
schnitten, welcher die Bestimmung hat das Hochwasser schnell 
abzuleiten und unter dem Wildbett hinweg einem rechtsseitigeu 
Tiefpunkte zuzuführen. In der Mitte seines Laufes hat derselbe 
1,5 ■ Sohl breite, zweifache Böschungsanlage, ca. 2« lokale Ufer- 
höhe und das relat. Gefälle: 0,0011. Auf die Länge von o 
200» zeigte der Boden einen plötzlichen l ebergang in losen 
Kies und schwimmenden Sand. Die während des nassen Bau 
jahres sich öfter wiederholenden Hochwasser zerstörten 
mals in dieser Strecke das ganze Profil, rissen den aogep« 

Fl*ur. 3. 




von 34000« liegt der höchste Sohlpunkt 1,52» und der tiefste 
9,67™ unter dem Wasserspiegel; das Mittel beträgt 5» . Eben- 
so veränderlich ist die Gestalt der Querprofile. Während eines 
die Form der Linie .4 H C D E hat (Fig. 2), 




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is ca. 1000» unterhalb gelegene Profil die Gestalt nach 
K a b c .4 an. Die Art und Weise, wie die Sinkstoffc des 
Stromes ihre Wanderuug antreten, ist aber genau ermittelt wor- 



Ranen der Böschungen weg und kolkten die Sohle aus. Selbst 
die Anwendung von Längslascliiuen am l'ferfuss erwies »ich 
als unzureichend. Da keines der gewöhnlichen Befestigung^ 
mittel Widerstand leistete, Hess ich in Entfernungen von 5 zu 
5» Querschwellen von der einfachsten Form in die Sohle ein- 
Ein Brettsfüek i 1 in Fig. 4 wurde quer in die Sohle 



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- 391 



und z. Th. in die Böschungen eingetrieben, dahioter ein ca. 
0,25« dickes Reisigbündel B eingelegt und dag Ganze durch 
Pfähle von ca. 0,05 ro Dicke befestigt, wie aus dem Grundriss 
von Fig. 4 ersichtlich ist. Die Böschungen wurden wieder mit 
Deckrasen belegt und dieser nnr in seinen unteren Schichten 
angepflöckt. Nach diesem Einbaue hat sich diese Strecke auch 
bei grösseren Flu theo in der Quer- und Laugsrichtung 
ausgezeichnet erhalten. Materialkosten und Arbeitslohn betra- 
gen pro 1 Querschwclle 10 Sgr. 2 Pf.; für die ganze Länge von 
200>» dieser Grabcustrecke ca. 10 Thlr. 

Gern hatte ich an diesem Flutbgraben cxpcrinicntirt. um 
aus verschiedenen Entfernungen der Querschwellen von einan- 
der, aus der wechselnden Dichtigkeit des Sohlmaterials, dem 
Gefalle und dem Wasscrquerscbmtt bestimmte Beziehungen zu 
einer normalen Entfernung zu erfahren. Nach Lage der Sache 
musstc mir genügen, die Verstimmung der Adjazenten über deu 
Zusammensturz der Böschungen beschwichtigt zu sehen. Wüu- 
schenswerth bleibt es aber, wenn über diese» Bauobjekt Ver- 
suche angestellt werden. Eine zu geringe Entfernung der 
Schwelleu schadet zwar nie dem Flusslaufe, aber der Baukasse, 
während wiederum eine zu gross gewählte Distanz den beab- 
sichtigten Zweck illusorisch machen kann. Letzteres war z. B. 
an einer Strecke der Dreisam in Baden der Fall, woselbst die 
Querschwellcn ursprünglich ca. 30" weit vou einander entfernt 
lagen- Die Auskolkungen der Sohle verblieben, sodass man 
nunmehr dazwischen, also alle 15« eine Querschwelle einschob. 
Möglicherweise wäre man mit 20 => ausgekommen und hätte so- 
mit ersparen können. An diesem Flusse (von 20 bis 25 » Breite 



und 0,007 bis 0,0028 relat. Gefälle) »ollen sich die Faschinen- 
Schwellen nicht bewährt haben und sind diese z. Th. mit sol- 
chen aus grossen Bruchsteinstückeu vertauscht worden. Höchst- 
wahrscheinlich bestehen Beziehungen zwischen der Schwellen- 
entfernung (-i), dem Wasser<|ucrschuitt (/"), dem relat- Gefälle 
(f) und dpr Dichtigkeit (/,) des Sohlmateriala. Wenn nun die- 
jenige Kraft, welche auf Beschleunigung wirkt (von der bekannt 
ist, das» sie durch Widerstände au den Wandungen etc. aufge- 
hoben wird), gleich 

r.r.i.i. 

zu setzen ist (;* = Gewicht der Volumeinheit Wasser), wenn man 
ferner annimmt, dass jene Widerstände, in Verbindung gebracht 
mit einem, den Aggregatzustand des Materials berücksichtigen- 
den Koefficienten C, identisch mit der Dichtigkeit ), seien, so 
würde aus der Gleichuug 

Tt - r .r.k.t 

die gesuchte Entfernung folgen: 

woraus sich ereiebt: je grösser der Querschnitt oder das Ge- 
fälle, desto kürzer wird die Entfernung von Schwelle zu 
Sehwelle: ebenso: je grösser die Dichtigkeit des Sohlmatcrials 
und je fester der Zusammenhang der Geschiebe, desto grösser 
wird die Entfernung und umgekehrt Viel leicht lassen sich 
diese Beziehungen auf ähnliche Weise in eine wenigstens ap- 
proximative Formel bringen, deren Feststellung in diesem 
Falle unter der Aegide des Motto's: „Probiren geht über Stu- 
diren-' wird bewirkt werden müssen. 



Mittheilungen 

Architektenverein zu Berlin, Versammlung am 23. No- 
vember 1872; Vorsitzender Hr. Streckert, anwesend 174 Mit- 
glieder und 12 Gäste. 

Der Hr. Vorsitzende macht die traurige Mittheilung, dass 
Hr. Ober-Ingenieur Bronisch, zuletzt technischer Chef der Bcr- 
liu-Görlitzer Eisenbahn, seit 18 Jahren Mitglied des Vereins, am 
18. November d. J. verstorben ist. 

Hr. Endo bespricht unter Vorlage einiger Proben die Be- 
strebungen des von Dr. Oidtmann in Linnich geleiteten Insti- 
tuts für Glasmalerei. Das Ziel dieser Bestrebungen ist es, 
durch eine rationelle, zur Massenproduktion befähigte und doch 
den künstlerischen Charakter der Glasgemälde nicht beeinträch- 
tigende Technik die Herstellung derselben zu einem so billigcu 
Preise zu ermöglichen, dass sie auch dem gewöhnlichen Privat- 
l au zugänglich werden. Die älteren, aus Königlichen Mitteln 
zu München und Berlin ins Lebeu gerufenen Anstalten, in denen 
die in unserem Jahrhundert neu belebte Kunst der Glasmalerei 
zunächst ihre Pflege fand, stellen für ihre Werke noch heute 
Preise, die eine solche Verwendung fast ausschliessen; dieselben 
werden eben als künstlerische Leistungen betrachtet und 
bezahlt Nachdem jedoch die naturalistisch-malerische Richtung, 
die in Glasbildern den Effekt von Staffeleigemäldeu zu erreichen 
strebte, durch das Studium der an Leuchtkraft und Farben- 
pracht hervorragendsten Glasbilder des Mittelalters mehr und 
mehr zu Gunsten der alten Kunstweise beseitigt wird und man 
die Glasgemälde wieder als ein Glas-Mosaik ausführt, in dem der 
Uaupt-Kontour von der Verbleiung gebildet wird, während in 
den aus je einer Farbe bestehenden Tafeln nur noch schwarze 
Zeichnung enthalten ist, reduzirt sich die eigentliche künstle- 
rische Thätigkeit in der Glasmalerei lediglich auf deu Entwurf 
des Kartons, während das Uebertragen desselben auf die Gläser, 
das Einbrennen der schwarzen Zeichnung, das Zuschneideu und 
Zusammensetzen eine wesentlich mechanische Thätigkeit ist, die 
durchaus fabrikmäßig betrieben werden kann. Es ist dies 
namentlich der Fall, seitdem das Uebertragen der Zeichnung 
nicht mehr durch Zeichner, sondern gleichfalls auf jenem rein 
mechanischen Wege geschieht, der den individuellen Charakter 
der Zeichnung in absoluter Treue und Reinheit wiedergiebt 
Die Fabrik in Linnich hat sich zu diesem Zwecke früher des 
Steindrucks, später jedoch der Autographic bedient; neuerdings 
findet vorzugsweise die einfache t'ebertragung auf direktem 
photographischen Wege Verwendung. Ihre Preise sind in der 
That ausserordentlich billig, das Quadratmeter Grisaillcfcuster 
ist bereits für 1*k Thlr. zu haben. Ueber die Qualität ihrer 
Leistungen besteht vielseitig eine ungünstige Meinung, die in 
Betreff der älteren Fabrikate — aus einer Zeit, in der diu An- 
stalt noch im Stadium der Versuche sich befand — nicht immer 
unbegründet war; sowohl die Verbleiung wie die Haltbarkeit 
des zur Darstellung der Zeichnung verwendeten Schwarzloths 
Hessen anfänglich zu wünschen übrig, doch sind diese Mängel 
mittlerweile längst überwunden. Herr Endo glaubt demnach 
die Glasbilder der Oidtmann'schen Fabrik mindestens zu einer 
versuchsweisen Verwendung warm empfehlen zu können. 

Im Anschlüsse an die tu der letzten Versammlung gegebe- 
nen Mittheilungen des Hrn. Blankenstein über die Verwendung 
von Zement-Beton zu Wohnhausbauten hat Hr. E. II. Hoffmann 
das Modell eines von ihm in diesem Jahre zu Ranzin in Neu- 
Vorpommern ausgeführten Wohnhauses für 2 Arbeiterfamilien 
aasgestellt, bei welchem nicht allein die vertikalen Wände, son- 
dern auch die nämmtlichen gewölbten Decken, sowie die 
Treppen von Zement-Beton oder wie er es nennt „Kiessguss" 
hergestellt sind. Es ist dasselbe Haus, auf welches die von Hrn. 
Iloffmann in No. 47 d. Bl. gegebenen Mittheilungen über die 
Festigkeit von Gewölben aus Gussmörtel sich beziehen. Vorge- 



&ub Vereinen. 

zeigte Proben des dazu verwendeten Betons liessen das unter 
Verwendung von Stettiner Portland-Zement hergestellte Material 
allerdings als ein solches erscheinen, dessen Festigkeit der von 
gewöhnlichen Ziegelsteinen mindestens gleichstehen dürfte, wäh- 
rend ein aus Powundener Zement hergestelltes Betonstück eine 
Verschiedenheit der äusseren harten Schale und des zu gerin- 
gerer Festigkeit gelangten Kerns erkennen liess. 

In ausführlichem Vortrage leitete demnächst Hr. A ssm an n 
die von verschiedenen Seiten vorgeschlagene und gewünschte 
Besprechung über die Wohnungsnot!! iu Berlin ein. 

Seit längerer Zeit hat sich in Berlin schon eine W ohnungs- 
fragc geltend gemacht, bei welcher jedoch vorzugsweise das 
Bedürfuiss der arbeitenden Klassen in Erwägung kam. Gemein- 
nützige und spekulative Gesellschaften haben sich bemüht die- 
selbe in geeigneter Weise zu lösen, nachdem das Ideal, dass 
jede Familie ihr eigenes Haus bewohnen solle, längst als ein 
unerreichbares erkannt worden ist Während dieser, meist von 
geringem Erfolge gekrönten Versuche ist ieduch aus der Woh- 
nungsfrage in den letzten Jahren eine Wohnungsnot h entstan- 
den, die nicht mehr allein die unteren Stände, sondern gleich- 
massig die gesammte Bevölkerung iu einer W eise betroffen hat, 
dass nicht wenige Familien, welche nicht direkt zu einem 
Aufenthalte in Berlin gezwungen waren, ihren Wohnort lieber 
gewechselt als den neuen Verhältnissen sich gefügt haben. 

Die Gefahren dieser Zustände, welche die Wohnung als die 
gröaste Sorge unserer Zeit erscheinen lassen, bedrohen nicht 
allein die Gegenwart sondern auch die Zukunft. Wenn es bisher 
auch immer gelungen ist die zur Zeit des Wohnungswechsels 
obdachlos gewordenen Familien wieder in Wohnungen unterzu- 
bringen, von denen freilich ein grosser Theil als menschenwür- 
dig nicht mehr bezeichnet werdeu kann, so werden doch unter 
dem Einflüsse dieses Nothstandes die Anforderungen an eine 
normale Wohnung gleichzeitig ganz allgemein immer tiefer her- 
abgesetzt. Die Beschaffenheit der neu angelegten Wobnungcu 
wird stetig schtecher, die Bebauung überall dichter — Uebcl- 
stände die leider nicht vorübergehen, sondern für die Zukunft 
nicht wieder gut zu machen sind. 

Zu einer Beurtheiluug der betreffenden Verhältnisse ist es 
erforderlich, sich von der Art des Wohnens in einer Grosstadt 
wie Berlin eine Uebcraicht zu schaffen. Ein charakteristisches 
Bild gewähren die betreffenden statistischen Resultate der Volks- 
zählung vom 3. Dezember 1867, eines Jahres also, in dem vou 
einer Wohnungsnot!) noch nicht die Rede war. 

Berlin enthielt damals rot 700,000 Einwohner, die auf 13600 
bebauten Grundstücken wdhnton, so dass auf jedes Grundstück 
durchschnittlich etwa 50 Menschen kamen. Von diesen Grund- 
stücken enthielten nur 6«. eine einzige Haushaltung — 22% 
2 bis 5 Hshlt - 26% 6 bis 10 Hshlt - 33% 11 bis 20 Hshlt 
3% über 30 Hshlt. Die Zahl der einzelnen Wohnungen betrug 
153000, ko dass jede Wohnung durchschnittlich 4 bis 5 Köpfe 
enthielt; G74000 Personen wohnten dabei in eigentlichen Wohn- 
häusern, 26000 Personen in Gasthäusern, Kasernen, Gefängnissen 
etc.; 72% der Wohnungen lagen in Vorderhäusern, 28% in Hin- 
terhäusern. 62000 Menschen (!*% d. Bevölkerung) wohnten in 
Kellern, 47000 Menschen 4 und noch mehr Treppen hoch. 6000 
Menschen (in Familien von durchschnittlich 4 Köpfen) hausten 
in Wohnungen die kein einziges heizbares Zimmer enthielten, 
290,000 Menschen in Familien zu 5 Köpfen in solchen, mit nur 
einem heizbaren Zimmer. Die Anzahl dieser Wohnungen be- 
trug 49% sämmtlicher Wohnungen überhaupt Wenn derartige 
Wohnungen und ebenso diejenigen mit 2 heizbaren Zimmern, 
welche von Familien zu 10 Köpfen bewohnt werden, als übervöl- 
kert gelten, so waren in Berlin damals 16000 übervölkerte Woh- 
nungen vorhanden, deren Bewohner zu 52% aus Kindern bestanden. 



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Für die Volkszählung vom 3. Dezember 1871 sind analoge 
Ermittelungen noch nicht publizirt: nie sehr die Verhältnisse 
sich verschlechtert haben müssen, lässt sich vermuthen, wenn 
man berücksichtigt, dass die Mietbspreisc für kleine Wohnungen 
sich seither um etwa IM",, für mittlere Wohnungen um etwa 
100». erhöht haben. 

Eine Ergänzung dieses Bildes gab der Vortragende durch 
.•in der neuesten Haupraxis entnommenes Heispiel der Art und 
Weise, wij in Berlin Grundstücke bebaut werden. Das circa 
3200 Tf» grosse Grundstück von ÜO.liO" Strassenfront liegt au 
der Landsberger Kommunikation, also durchaus nicht iu einer 
Gegend, in der der Gruudwerth ausserordentlich hoch und die 
Wohnungen besonders gesucht sind. Auf demselben befinden 
sich zunächst ein Vorderhaus, hinter demselben jenseits eines 
ersten Hofes ein erstes Quergebäude, dahinter ein zweiter, dritter, 
vierter und fünfter Hof mit einem zweiten, dritten und vierten Quer- 
gehäude, endlich jeuseit des letzten Hofes eine'Keihe von Stallen 
und Remisen. Die fünf Gebäude, alle mit mittlerer Durchfahrt 
versehen, sind etwa 11 bis 12"» tief und im Kuller, Erdgeschoss 
und je vier darüber liegenden Stockwerken zu Wohnungen, die 
meist aus Stube. Kammer uud Küche bestehen, eingerichtet: die 
Hofe, in denen kleinere Stall- uud Abtrittsgebäude errichtet 
sind, haben gleiche Tiefe, wie die Häuser. Im Ganzen enthält 
dieses eine Grundstück 50 Wohnungen im Keller, 30 im Erdge- 
schoss, 140 in den darüber liegenden Geschossen, also in Summa 
200 Wohnungen. Dabei ist noch anzuerkennen, dass die durch 
die Bau|H>lizei-Ordnung vorgeschriebenen Grenzen der Bebauung 
keineswegs erreicht sind, ja dass im Vergleich zu dem Raffine- 
ment, mit welchem klein.- Grundstücke im Innern der Stadt 
ausgenutzt zu werden pflegen, sogar eine gewisse Opulenz iu 
Berücksichtigung des Luft- und Lichtbediirfnisses beobachtet 
worden ist! — 

Im Allgemeinen lassen eich die gegenwärtigen Zustände 
dahin charakterisircu, dass es an kleinen Wohnungen fehlt und 
dass sämmtliche Wohnungen zu theuer sind. d. h. weder zu der 
Vermögenslage der Bewohner noch zu den Baukosten der Häuser 
iu richtigem Verhältnis- stehen. 

Leber die Ursachen der Wohnungsnot!] in Berlin sind bereits 
vielfache, darunter manche unrichtige Behauptungen aufgestellt 
worden. So hat man die neuere Gesetzgebung, welche die volle 
Freizügigkeit geschaffen uud das Einzugsgehl beseitigt hat, für 
sie verantwortlich machen wollen, während doch einerseits der 
erst durch dies neue Freizügigkeits - Gesetz zur Einwanderung 
nach Berlin berechtigte Theil des Zuwachses eiu ziemlich un- 
wesentlicher ist. andererseits aber der Zuzug der letzten Jahre 
keineswegs ein aussergowöhulicher war: er hat iu der dreijäh- 
rigen Periode von IStil bis t>4 15», und von ISG4 bis \'<1 11%. 
iu der vierjährigen Periode von 1867 bis 71 17*. betragen, was 
auf drei Jiüirc reduzirt IIIS 0 , ergieht. Für eine Besprechung 
in hautechniseheii Kreiseu werden vorzugsweise nur diejenigen 
Momente heranzuziehen sein, die mit technischen Fragen zu- 
sammenhängen. Es wird dirs im Wesentlichen auch genügen, 
da als die stichhaltigste Erklärung für die eingetretenen Miß- 
stände die Stockung der Bauthätigkeit ebenso gelten muss, 
wie alle Maassregeln zur Abhülfe derselben darauf hinauslaufen 
müssen, eine Vermehrung der Bauthätigkeit herbeizu- 
führen. 

Eine solche ist nach Ausweis der ertheilteu BauerlaubuLss- 
scheinc bereit* eingetreten. Während im Jahre 18GS deren 188'.'. 
1 »«'.»: 2008, 1870: 172», 1871: 2477 derartige Scheine ei (heilt 
wurden, sind im Jahre 1872 bis zum 31. Oktober bereits SSM 
ausgegeben worden und wird ihre Zahl bis zum .lahresschluss 
voraussichtlich auf 3800 steigen. Leider ist es nicht möglich 
zu ermitteln, wio viele Wohnungen durch diese Bauten geschaf- 
fen worden sind, da die Scheine Nichts darüber enthalten. Wenn 
die zuweilen geäusserte Annahme, dass durch das Niederreissen 
vieler Häuser mit kleinen Wohnungen und deren Ersatz durch 
Neubauten für gewerblicho Zwecke eine Verminderung der 
Wohnungen eingetreten sei, allein im Hinblick auf die Erwei- 
terung so zahlreicher Wohnhäuser im Innern der Stadt hinfällig 
erscheiut, so beweisen die faktischen Zustände doch jedenfalls, 
dass die bisherige Steigerung der Bauthätigkeit ungenügend war 
und noch um Vieles energischer werden muss, falls sie eine ent- 
sprechende Wirkung äussern soll. 

Leber die Vorschläge, dass der Staat oder die Stadtgemeinde 
hierzu durch ein direktes Eingreifen iu die Privatbauthätigkeit 
beitragen soll, ist kurz hinweg zu geheu. Die kolossalen Mittel, 
welche zur Herbeiführung faktischer Erfolge nothweudig wären, 
können von dieser Seite ohne Benachteiligung anderer Interes- 
sen nicht wohl aufgebracht werden; jedes Eingreifen mit gerin- 
geren Mitteln könnte nur dazu dienen, die luitiative von Seiten 
der Bevölkerung abzuschwächen. Es kann keinem Zweifel unter- 1 
liegen, dass aus dieser heraus allmälig unter allen Umständen 
eine Kegulirung der jelzt vorhandenen Missverhältnisse von An- 
gebot und Nachfrage erfolgen werde, und es gilt daher wesent- 
lich nur Mittel zu finden, diese Kegulirung nach Möglichkeit zu 
beschleunigen. 

Auch die Gründung von Kredit-Instituten kann hierzu we- 
nig helfen, da die Vorliebe, mit welcher das Kapital sich gegen- . 
wärtig den Bauunternehmungen zugewandt hat, den Beweis 
stiebt, dass es an Geld keineswegs fehlt; ebenso ist in Folge 
der baulichen Eutwickeluug, welche Berlin bereits in der letz- 
ten Periode erfahren hat, ein technisches Personal vorhanden, 
das nach Zahl und Leistungsfähigkeit den zu lösenden Aufgaben 
wohl gewachsen ist. 

Zur Beurtheilum: der Hindernisse, welche trotzdem dem er- 



wünschten energischen Aufschwünge der Bauthätigkeit entgegen- 
stehen, ist es erforderlich, die beiden Arten der heutigen Bau- 
Unternehmung zu unterscheiden. Dieselbe liegt einerseits in 
den Händen von Ballgesellschaften, welche sich in den 
Besitz grösserer Grundstückkomplexe gesetzt haben; sie verse- 
hen diese mit ordnungsmäßig gepflasterten und entwässerten 
Strassen und verkaufen demnächst die Wohn-Parzellen der ein- 
zelnen Quartiere entweder bereits mit von ihnen selbst in Vor- 
rath gehauten Häusern oder als Baustellen. Andererseits wird 
dieselbe in alter Weise von Unternehmern ausgeführt, die ein- 
zelne Baustellen kaufen und bebauen, sei es um die betreffenden 
Häuser persönlich auszunutzen oder um sie an Andere zu ver- 
kaufen. 

Die Thätigkeit der Baugesellschafteu ist in Berlin eine 
durchaus neue, verspricht aber eiue sehr bedeutsame zu werden. 
Augenblicklich bestehen bereits IG Gesellschaften, welche grössere 
Terrains innerhalb oder in nächster Nähe des Weichbildes mit 
Wohnhäusern zu bebauen beabsichtigen. Die Gesellschaften, 
deren Terrain in weiterer Entfernung von Berlin liegt, sind 
hierin nicht einbegriffen, da die von ihnen in Aussicht ge- 
nommene Art der Bebauung (mit Villen) eine wesentlich an- 
dere ist, ebensowenig diejenigen Gesellschaften, welche sich zum 
Zwecke einzelner grösserer Bauunternehmungen in der inneren 
Stadt, Strassen -Durchleguugen etc. gebildet haben. Man ist 
besorgt gewesen, dass der Einlluss dieser Unternehmungen 
eiu ungünstiger sein wird, dass sie ein Moiio|mi1 ausüben 
und die Preise willkürlich in die Höhe schrauben würden; es 
ist dies jedoch schon wegen der Konkurrenz, zu der sie unter 
einander genöthigt sein werden, kaum zu fürchteu, im Gegcn- 
thcil darf angenommen werden, dass der t)rfolg ihrer Thätig- 
keit das allgemeine Beste ausserordentlich fordern wird, und 
um so viel mehr, je schneller letztere sich entwickelt und ab- 
wickelt. Dass dies bisher erst iu sehr geringem Grade ge- 
schehen, ist wohl der Neuheit der Verhältnisse und dem Mau- 
gel an Uebung zuzusebreibeu, den die leitenden Techniker in 
der Einleitung solcher Unternehmungen besitzen- Die vorbe- 
reitenden Schritte erfordern viele Zeit, da häufig grosse Um- 
wege gemacht werden. Namentlich haben die Verhandlungen 
über dio von fast ullen Baugesellschaften beantragten Abände- 
rungen des Bebauungsplanes meist zu sehr langwierigen Ver- 
zögerungen geführt, weil über die Grundsätze, nach denen die 
Behörde bei solchen Abänderungen verfährt, grosse Unklarheit 
herrscht. Jedenfalls ist zu hoffen, dass im Laufe des nächsten 
Jahres, sowie erst die Strassen der betreffenden Terrains auge- 
legt uud gepfla-tert seiu werden, sich bereits eine wirksamere 
Thätigkeit der Baugesellschaften entfalten wird. 

Zu eiuer Befriedigung des vorhandenen Bedürfnisses irini 
dieselbe jedoch um so weniger ausreichen als jene Komplexe 
fast ausschliesslich im Westeii uud Südeu der Stadt liegen, 
während der Osten nur spärlich, der Norden, wo inuerbalb der 
alten Vorstädte Wedding und Gesundbrunnen schon längst eine 
grosse Zersplitterung des Grundbesitzes herrscht, gar nicht in 
das Bereich dieser Bauthätigkeit gezogen werden kann. Hier 
muss noch durch dio vermehrte Bauthätigkeit Einzelner Ab- 
hülfe des Wohnungsumtigels beschafft werden und gerade diese 
Seite der Privat-Bauthätigkeit ist es, welche der Untcrstützunc 
bedarf. 

Hauptsächlich kann diese Unterstützung dadurch gewährt 
werden, dass man für die hierbei in Betracht kommenden Bju- 
quartiere diejenigen Vorbedingungen der Bebauung ins Werk 
setzt, durch welche die Baugesellschaften ihre Thätigkeit Mch 
erleichtern, d. h.. dass man für eine genügende Entwässerung 
derselben sorgt uud ihre Strassen fertig herstellt. Es ist dies 
iu Berlin um so leichter durchzuführen, als es sich in Betreff 
der Kosten nur um die Auslage eines Kapitals handelt, rt»' 
später von den Besitzern der Grundstücke ersetzt werden muss 
Gegenwärtig wird der entsprechende Beitrag jedem Einzelnen 
bereits bei Beginn seines Hausbaues abgenommen, während die 
Pflasterung öfters erst sehr viel später ausgeführt wird. Welche 
Schwierigkeiten sich einem Bau, der des gepflasterten Zufuhr- 
wegs entbehrt, entgegenstellen, welche gräulichen Zustände sieli 
in einer solchen halbbebautcn, ungepflasterten und mangelhaft 
oder gar nicht entwässerten Strasse entwickeln, ist leider alltu- 
bekannt. Neben dem direkten Nachtheile für den üesundheits- 
und Sittenzustand der Bewohner schaden dieselben indirekt, 
indem sie vor weiterer Bebauung abschrecken; ebenso sind die 
Kosten, welche auf die provisorischen stückweis angelegten Eut- 
wässerungsvorrichtungen verwandt werden müssen, meist ver- 
loren, da diese später, sobald ein einheitlicher Plan dafür auf- 
gestellt wird, gänzlich verändert werden müssen. 

Da der einzelne Bauunternehmer gegen solche Ucbelstinde 
hülflos ist uud eine Vereinigung der verschiedenen Grundbe- 
sitzer eines der Bebauung zu erschliessenden Areals wohl selten 
oder gar nicht zu Stunde kommen wird, so bleibt Nichts übrig, als 
dass in dieser Beziehung die öffentliche Behörde eintritt. E> 
ist dies nicht nur iu anderen Orten üblich (z. B. hat das kleine 
Cassel für die Anlage neuer Strassen seit 1866 eine Anleihe 
von 2 Millionen Thaicr gemacht), sondern auch Berlin selbst 
hat für den Erfolg einer solchen Maassregel ein lehrreiches iido 1 
aus früherer Zeit glänzendes Beispiel iu dem sogenannten K-ty- 
nicker Felde, der heutigen Louisenstadt. Das ausgedchute, et« 
*!. r >0 Morgen grosse Terrain befand sich früher im gemeinsame» 
Besitze eines Theils der Bürgerschaft. Obgleich schon tö»* 5 
ein Bebauungsplan für dasselbe aufgestellt worden war, gi&£ 
die Bebauung doch nicht über die dürftigsten Anfinge hinaus 
hauptsächlich wohl, weil die Zugänge fehlten und der Besiö 



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ungünstig vertheilt, lag. Unter König Friedrich Wilhelm IV. 
kam eine Einigung mit den Grundbesitzern und zuglciih eine 
Separation zu Stande : dag zu Strassen, Plätzen und dem durch 
deu Stadttheil geleiteten Kanäle erforderliche Termin wurde un- 
entgeltlich an den Fiskus abgetreten, wogegen dieser die sofor- 
tige Pflasterung der Strassen übernahm und innerhalb 3 bis 
4 Jahren ausführte. Der Krfolg ist als ein ausserordentlicher 
zu bezeichnen. Von den 300 ODO Menschen, um welche die Ein- 
wohnentahl von Berlin in der Zeit von 1848 bis ISWV. gewachsen 
ist, wohnten 150 000, also die Hälfte, in der Louiseustadt! I>a 
der Hauptzug der Stadterweiterung im l'ebrigmi schon damals 
nach Westen gerichtet war, so ist dies« intensive Bebauung der 
I.ouis n nstadt wohl lediglich dem Umstände zuzuschreiben, dass 
dort bereits gepflasterte Strassen vorhanden waren. 

Es scheint daher kein wirksameres Mittel zur schnellen 
Steigerung der Bauthätigkeit und zur Abhülfe der Wnhnungnoth 
zu gelten, als dass gegenwärtig Aehnliches geschieht. Selbst- 
verständlich würde unter den heutigen Verhältnissen nicht der 



Fiskus, sondern die Kommune entsprechend vorzugehen haben 
An geeigneten Terrains, die nach Ausführung der Strassen sehr 
oald der Bebauung unterliegen würden, fehlt es keineswegs; so 
ist auf das grossentheils im städtischen Besitze befindliche Areal 
zwischen dem Kanal und der llasenhaide, den sogen. Urban hin- 
zuweisen, auf dem sogar die Strassen schon ausgelegt sind, des- 
gleichen auf die zwischen dem Kanal, Treptow und Rixdorf be- 
legenen Kölnischen Wiesen, deren Separation nur von der Fest- 
stellung des Bebauungsplanes abhängig ist. Die Ausführung so 
umfassender Pflasterarbeiten mag bei den jetzigeu Arbeiter- 
verhältuissen schwierig sein, ist aber jedenfalls nicht un- 
möglich. 

Neben diesen allgemeinen Gesichtspunkten sind eudlich 
noch einige Momente , die das eigentliche Bauen betreffen , zu 
berücksichtigen. 

Es fehlt leider überall an Arbeitskräften, bei Behörden so- 
wohl, wie bei Unternehmern, doch ist wohl zu hoffen, dass die- 
selben durch Zuzug von auswärts fortdauernd sich vermehren; 
ebenso ist zu erwarten, dass die Hemmungen der Bauthätigkeit 
durch Strikes nicht mehr so häufig und so andauernd sein 
werden , wie in den letzten Jahren. Sind die Erfahrungen, 
welche hierbei sowohl seitens der Arbeiter, wie seitens der 
Arbeitgeber gemacht worden sind, nichts weniger als günstige, 
so dürfte doch namentlich von einem Strike der Letzteren nicht 
so bald wieder die Rede sein. 

In Betreff des Mangels an Baumaterial und der exorbitanteu 
Preise desselben muss der ausgleichende Einfluss der Konkur- 
renz abgewartet werden. Derselbe würde wahrscheinlich schon 
eingetreten sein, falls dpr Zustand unserer Zufuhrwege, nament- 
lich unserer Wasserstrussen einer Frequenz des Verkehrs, wie 
sie das gegenwärtige Bedürfnis* erfordert, entspräche. Der Schif- 
fahrts-Kanal, der dazu bestimmt war, deu Schiffsverkehr um die 
Stadt zu leiten, bildet jetzt fast lediglich einen Zufuhrweg für 
die anliegenden Bauterreins; es könnte seiu Nutzen wesentlich 
erhebt werden, wenn die Böschungen durch Futtermaueru ersetzt 
und eigentliche Uferstrassen angelegt würden. Auch die Schleu- 
sen, vor denen die Kähne oft 7 läge laug liegen müssen, ge- 
nügen laugst nicht mehr dem Verkehr. 

Was die Ausführung der Bauteu betrifft, so wird die Bau- 
tätigkeit um so freier sich entfalten, je geriugemi Einschrän- 
kungen sie unterworfen ist Es ist wünschenswert«, dass die 
baupolizeilichen Bestimmungen nach dieser Richtung hin einer 



abermaligen Musterung unterworfen worden: leider ist die An- 
gelegenheit der neuen Bauordnung dadurch ins Stocken gerat hen. 
dass die städtischen Behörden über ihr Verhalten zu derselben 
noch nicht schlüssig geworden sind Die augenblicklichen Ver- 
hältnisse erschweren den Verkehr namentlich dadurch, dass in 
den bestehenden Vorschriften so viele Amcudirungs-Unklarheiten 
sich finden. Die Umständlichkeit, wulcho gegenwärtig zuweilen 
mit der Erlangung der llauerlaubniss verbunden ist, würde sich 
erheblich mindern, wenn in derartigen Angelegenheiten künftig 
mehr der Weg persönlicher Verhandlung üblich würde. 

Ob die Einführung neuer Baumaterialien, so z. B. des 
Statnpfkonkrcts berufen ist, einen wesentlichen Einfluss auf die 
Vermehrung der Bauthätigkeit auszuüben, möchte zu bezweifeln 
seiu. So berechtigt die Anwendung desselben für einfache, 
läudliche Verhältnisse sein mag, so müssen städtische Gebäude 
doch für eitien zu verschiedenartigen Gebrauch herhalten, als 
dass dies bei ihnen in gleicher Weise der Fall sein könnte. 

Es kommen schliesslich noch einige Fragen allgemeiner Art 
in Betracht Zunächst die der Besteuerung. Die Gewährung 
der Steuerfreiheit auf eine tiestiminte Zeit für sämmtliche Neu- 
bauten ist unter ähnlichen Verhältnissen anderwärtR, so z- B- im 
Haag mit gutem Erfolge versucht worden. Die Besteuerung der 
Wohnungen ist unter den augenblicklichen Verhältnissen über- 
haupt eiue sehr drückende und müsste modifizirt werden. Wei- 
ter die der Kommunikations-Erleichterung. Man glaubt 
vielfach durch Anlage, von Pferdebahnen, durch eine erwei- 
terte Nutzbarmachung der Verhindungs - Lokomotivbahn pp. 
ein wirksames Mittel zur Hülfe gegen die Wohnungsnoth 
schaffen zu können, doch dürften diese Hoffnungen sich in 
Wirklichkeit nicht bestätigen. Die Umgegend Berlins ist zu 
arm au kleinen Städten, welche einen namhaften Theil der 
Einwohnerschaft Berlins unter Verhältnissen, wie sie hierfür 
geschaffen werden müssen, an sich ziehen könnten; weigert sich 
doch selbst Charlotteuhurg fertige Strassen unter der Bedinguni: 
einer Unterhaltung derselben anzunehmen. Noch schlimmer 
steht es selbstverständlich auf den Dörfern, in denen nur villen- 
artige Gebäude die keiner Entwässerung und sonstiger Bedin- 
gungen städtischer Verhältnisse bedürfen, gebaut werden können. 
Pferdebahnen dürften jedenfalls wohl nicht im Stande sein, eineu 
neuen Stadttheil hervorzurufen. 

Das Haupt -Ergebnis* seiner Ausführungen fasste der Red- 
ner schliesslich nochmals in folgenden Sätzen zusammen: 

L Die Zunahme der Bevölkerung in dem bisherigen Ver- 
hältnisse kann nicht verhindert werden. 

i. Das einzige wirksame Mittel gegen die augenblickliche 
Wohnungsnoth ist in der Förderung einer möglichst energischen 
Bauthätigkeit zu erblicken. 

3. Die Thätigkeit der neubegründeteu Baugesellschafteu 
wird in dieser Beziehung von günstigem Erfolge sein, wenn sie 
sich schnell entfaltet und schnell zu Ende geführt wird. 

4. Die Förderung kleinerer, vereinzelter Bau-Uutcrnehmun 
gen kann am Besten durch die Anlage fertiger Strassen, sowie 
dadurch bewirkt werden, dass mau die baupolizeilichen Be- 
stimmungen möglichst von allen Unklarheiten befreit — 

Bei der vorgerückten Zeit wurde beschlossen, von einer au 
den Vortrag geknüpften Diskussion für 



zung .i: 

Einige im Fragekasten enthall 
Uerru tranzius beantwortet. 



abzusehen und 
Fragen wurden durch 
- F. - 



Vermischtes. 

Ueber die Behandlung- neuer Wohnräume sind in No. 4.» 
d. Bl. sehr beaebtenswertne theoretische und jedenfalls des 
praktischen Nutzens nicht entbehrende Erörterungen, angestellt 
von Herrn Kühr, mitgetheilt worden. — In denjenigen Fällen 
jedoch, wo neben einer möglichst raschen Austrockming des in- 
neren Mauerwerks sowohl, wie des Kalkputzes, auch die dabei 
zu erzielende Festigkeit eine Hauptrolle mitspielen soll; möchte 
das in der Baumaterialien-Lehre vom Professor, Architekt Rud. 



uns in ticr uaumaxenaiien-Lenro vom rrotessor, Arcnitckt Kud. 
Gottgetreu in München, (Berlin 1809 bei Jul. Springer) auf Seite 
501 und 502 Gesagte mit in Erwägung zu ziehen seiu. Der ge- 
nannte Verfasser bemerkt nämlich dort Folgendes:*) „So lange 
in dem Mörtel Feuchtigkeit genug vorhanden ist, wird durch 
diese an Stelle des zu kohlensaurer Kalkerde verwandelten 
Kalkcrdehydrats das im Mörtel in Substanz vorhandene Kalk- 
erdehydrat immer von Neuem gelöst Fortdauernd tritt Koh- 
lensäure von Aussen an die Kalkerdebvdratlösuug heran und 
schlägt daraus von Neuem kohlensauren 'Kalk nieder. Die Bil- 



*) Du WcrthTolte d*r Kahr sehen MItlhellung scheint uns rorn.-.i-i.t da- 
rin iu beruhen, da» sie die von den meinten Technikern wohl nicht gebahrcad t»e- 
.ueksirMigt« Prang, welch« yasnlltiieu »ou Kohlentiur« In den betreffenden 
Falle beanspracht werden, angeregt kW. Eine gross* Lacke leigt sie Insofern, 
la welchem der beabsichtigte chemische Projess durch Zutun* 



alt sie du /.«-ItmAa*.-, 



ntllch wichtigen Angelegenheit erfordert wohl »er allen Din- 
Keihe enrirnitiger Kiperlmenle festgestellt würde, ab du tur 
mg de> Im Mörtel enthaltenen llrdratwaasors dure« Kohlen- 



rung eine» g,r™-*ren (Rantums Ton Kohl-n.ii.t- heTToraubringen nein ««II, ansehet 
neud ... . willkürlich geechiut hat. Die wissenschaftlich* Klärung der Cor die 
ßaupraxis ausserordentlich wichtigen An 
gen, due durch eine He 

gewöhnlichen Kmrtttmg nee im Hörtel enthaltenen Hv. 

Owe erforderliche Zeitmaua durch den chemlecben Vorgang an .Ich, oder durch 
.ertrage (,aaatltat der in der almospharlarhen Luft enthaltenen Kohlensaure 
hadlngt wird. Nur wenn das Leute» der Fall i.l, haben dt« Vcreache. ein schnel- 
ler« Trocknen des Hortete ahn« Beeinträchtigung .einer Fertigkeit auf dem Weg. 
künstlicher Zuführung eon Kohl-t. »i.r« bewirken «o könne«, «in« Auaeicht auf 
J.rfalg. Die hier angeführt« Deduktion dea Gollgetnuschen Werkel laut dieaes 
Moment gani unetirtert, da in Ihr nur die Polgen einer be.chleunigten Enttarnung 
des Urdratuauers durch Verdampfung millel« Wirme erwähnt werden. 

U 



ID. 



düng von kohlensaurer Kalkerdc und die Erhärtung des Mörtels 
geschieht demnach von aussen nach innen. Zu gleicher Zeit mit 
dem Vorgange der Bildung von kohlensaurer Kalkerde geht eine 
Verdampfung vou Wasser aus dem Mörtel vor sich. 

Das Verhältnis*, iu welchem diese stattfindet, ist von gros- 
sem Einfluss auf die Weitererhärtuug des Mörtels. Geht die 
Verdampfung sehr rasch und durch die ganze Mörtelmassc oder 
von einer grossen Fläche aus vor sich, verliert sich also die 
Feuchtigkeit im Mörtel schnell und kauu der Prozoss der Lö- 
sung von Kalkerdehydrat uicht mehr erfolgeu, so tritt die Koh- 
lensäure der Luft in die Poren des Mörtels uud au das noch iu 
Substanz im Mörtel vorhandene Kalkerdehydrut und verwandelt 
dann dieses feste Kalkerdehydrat in kohlensaure Kalkerde. Diese 
Verwandlung des nicht in Lösung sondern iu Substanz vorhan- 
denen Kalkerdehydrats zu kohlensaurer Kalkerde steigert die 
Kestigkeit des Mörtels uicht mehr. 

Der Zeitpuukt, iu dem diuse Verwandlung eingetreten ist, 
bezeichnet die Grenze der Mörtclbildung überhaupt Ist sin vol- 
lendet — uud dies geschieht, wenn keine Feuchtigkeit mehr 
vorhanden ist, sehr schnell — so ist dann der Mörtel eine todte 
Masse, in welcher die charakteristischen Wechselwirkungen des 
Mörtelbildungsprozesses nicht mehr stattfinden können. Geschieht 
dagegen die Verdampfung tler Mörtelfeuchtigkeit langsam vou 
innen nach aussen uud nur auf einer geringen Oberfläche, wird 
mithin der Frozcss der wechselseitigen /Ausscheidung von koh- 
lensaurer Kalkerde uud Lösung vou Kalkerdehydrat lange Zeit 
fortgesetzt, so zwar, dass das vorhandene Quantum Kalkerde- 
hydrat möglichst vollständig iu Lösung übergeführt und mit 
dieser in kohlensaure Kalkerde umgewandelt wird, so wird der 
solcher Art gebildete Mörtel ungleich fester sein. Ks kann da- 
her unter güustigen Verhältnissen aus einem reinen Kalksand- 
Mörtel ein sehr fester Mörtel gebildet werden. Auch ergiebt 
- uuter veränderten Umständen aus denselben 
uud denselben Mischumrsvcrhältnissen ein ver- 



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schieden fester Mörtel entstehen kann. Hieraus erklärt sich, 
dass künstlich oder schnell getrockneter Mörtel gar keine Fes- 
tigkeit hat. sondern wie trockener Sand auscinanderfällt; darum 
erhalt künstlich getrockuetes oder in heisser Witterung gefer- 
tigtes Mauerwerk, namentlich bei dünnen Wänden, wenig Fes- 
tigkeit, ebenso wenig dasjenige Mauerwerk, bei dessen Anferti- 
gung man das Walser gespart hat; dagegen wird das bei mildem 
Wetter ausgeführte oder starke Wände bildende und mit vielem 
Wasser durchnetzte Mauerwerk das festere u. s. w.* 
Hamburg, den 21. November 1872. 

Carl Bües. 

Nordamerikanische Holzpflasterung. — Auf Urund der 
in No. 38 der Deutschen Bauzeitung enthaltenen Aufrage über 
Holipflasterung stelle ich in Nachstehendem gern meine über 
diesen Gegenstand gesammelten Erfahrungen zur Benutzung 
meiner deutschen Facbgenossen. 

Die amerikanischen Städte haben in neuerer Zeit aus- 
schliesslich das Nicholsou'sche pat- Holz-./»»reme«/- angenom- 
men, das früher noch auf einer Brettunterlage, jetzt aber nur 
noch auf der fest abgewälzten Kiesbettung verlegt wird und 
aus ca. 14,5 1,0 hohen, 12*» breiten reihenweise gestellten Holz- 
klötzen von 15 — 30"» Länge besteht. Die Verlegung geschieht 
auf folgende Welse : Ganz wie bei jeder anderen Pflasterung wird 
nach Ebenung des Strasseuplanums eine Kieslage von 20— 25*» 
aufgebracht und festgewalzt, was mit einer schweren eisernen 
(iartenwalze geschieht: auf diese kommt eine schwächere Lage 
von feuchtem Sand, welcher gleichfalls abgewalzt und auf interi- 
mistisch dazu eingelegten Lchrbrottern von der Mitte nach bei- 
den Seiten hin. nach der genauen Wülbungsliuie abgestrichen 

wird. Diese Wölbung ist nur 
schwach, etwa 4— 5«» auf 3—4™ 
Strassenbreite; zur Kinnstcinbil- 
dung senkt sich diese Wölbung 
zu beiden Seiten etwas stärker 
gegen die Bordsteine des Trot- 
foirs. Auf diese Unterlage wird 
das Holzpflaster reihenweise im 
Verband (Wechsel der Stoss- 
fugen), die Reihen quer zur 
Strasse, daher bei Strassenkreu- 
zuugen in vollständiger Wieder- 
kehr aufgesetzt, was bei der 
leichten Handlichkeit der tanne- 
nen Klötze, die wo erforderlich, schnell mit dem Beile zurecht 
gehauen sind, sehr schnell von Statten geht. Um die Fugen 
zwischen den Klötzen mit grobem ,graret" (Kies) zu füllen, wird 
derselbe über das so gebildete Pflaster gekehrt und über ihn 
hinweg Stcinkohlentbeer mittels einer Giesskonnc warm in die 
Fugen gegossen. Ist alsdann der so mit Theer vermischte .<>ra- 
rei- noch mit einem Schlageiscn und einer Handramme fest ein- 
gedrückt und das Ganze mit Sand abgeglichen, so ist das Pflas- 
ter fertig und kann dem Verkehr übergeben werden. — Die 
vorerwähnte Manipulation des Festschlagens der Fugenfüllung 
geschieht am Leichtesten durch zwei Arbeiter, von denen der 
eine ein ca. 30*™ langes, 2*» dickes, 5*™ hohes Eisen an einer 
eisernen Stange führt, der andere nach jedem Vorrücken 
mit der Handramme auf das auf den Fugen entlang geführte 
Eisen schlägt. Soll diese Holzpflasterung in Strassen vorgenom- 
men werden, die mit »tn-rt p«™ befahren, d. h. mit Pferde- 
bahnen versehen sind, so sind die Schwellen derselben vorher 
in einer Tiefe von ungefähr 4*» unter der überkante des Pflas- 
ters zu verlegen, so das», wenn die Schiene aufgenagelt ist, das 
Holzpflaster nur noch ein Geringes übersteht Es ist gut, die 
Klötze entlang der äusseren hohen Seite der Schiene mit dem 
Dächsei schräg abzufosen, damit die Fuhrwerke leicht aus dem 
Schienengcleise herauskommen können, wenn sie solche kreuzen, 
oder dann entlang fahren. — 




Indianapolis, Ind., 4. November 1872. 



Konkurrenzen. 



Paolo SiolL 



tiv besten der 7 eingegangenen Entwürfe, als deren Verfasser 
die Hrn. Architekt lhntze in Halle, beziehungsweise die Archi- 
tekten Templin und Reddersen in Bremen eich ergeben 
haben, je die Hälfte der beiden zusammengezogenen Preise er- 
halten haben. — Die Konkurrenz für Entwürfe zu einem Denk- 
male auf dem Marienberge bei Brandenburg, an der 
6 Entwürfe Theil genommen haben, hat das Resultat ergeben, 
dass leider keines derselben die zur Bedingung gemachte Aus- 
führbarkeit für eine Summe vou 20000 Thlr. festgehalten hat. 
Es ist daher gleichfalls kein Preis ertheilt, jedoch sind die bei- 
den relativ besten Entwürfe augekauft und die Verfasser dersel- 
ben, die Architekten II. Stier und H. Eggert in Berlin ver- 
?ue beschränkte Ko ' 



Monats-Aufgaben für den Architekten- Verein In Berlin 
4- Januar 1873. 

I. Für einen Speisesaal ist ein Kamin in reichverzierten 
farbigen Kacheln zu entwerfen. Derselbe soll im Körper etwa 
1,70» lang, 0,90» tief und 1,25» hoch werden, und noch einen 
Aufsatz von 0,55» Tiefe und 0,80— 1,00» Höhe erhalten. Di" 
Absätze werden mit Marmorplatten abgedeckt. Die Vorderan- 
sicht ist in Farben und im MaaaBtabe von >/■ der Natur darzu- 
stellen. 

II. Eine im Niveau über eine Eisenbahn mit fi Geleisen füh- 
rende Stadtstrasse von 16» Breite für den Fahrdamm und je 
4» Breite für die Bürgersteige soll mit Barrieren gesperrt wer- 
den. Diese Barricrcu sind so zu konstruiren , dass sie in miß- 
lichst kurzer Zeit von Einem Wärter geschlossen und geöffnet 
werden können : dieselben sollen bei Tag und Nacbt leicht er- 
kennbar sein und Kinder und Kleinvieh abhalten können. 

Alle wichtigen Maasse, Annahmen und Rechnungs - Resul- 
tate sind in den Zeichnungen an geeigneter Stelle einzutragen 



Personal- Nachrichten. 

Ernannt: der Eisenbahn - Bau- und Betriebs - Inspektor 
Bachmann zu Breslau zum Ober - Betriebs - Inspektor bei der 
Westnhälischen Eisenbahn in Münster. Der Baumeister 
Schlichting zu Gross Glogau zum Kreisbaumeister in Hcvde- 
krug. Der Kreisbaumeister Valett zu Neubaus an der ÖsU- 
zum ßauinspektor daselbst. Der Ober - Betriebs - Inspektor 
Schmeitzer zu Berlin zum technischen Mitglied der Direktion 
der Ostbahn in Bromberg. Der Ober - Betriebs - Inspektor 
Bensen zu Münster zum zweiten technischen Mitglied de« Ei- 
senbahn - Kommissariats zu Berlin. Die Bauräthe: Efill zn 
Cassel, Wiehe zu Hannover und Früh zu Saarbrücken zu Re- 
gierung*- und Bauräthen. 

Versetzt: der Rcgierungs- und Bnurat/i Grotcfcad in 
Berlin als technisches Mitglied zur Direktion der Ohersclil«. 
Eisenbahn noch Breslau. 

Die Baumeister-Prüfung haben am 20- nwl ö. Novem- 
ber er. abgelegt: Johann Thelen aus Derichsweiler, Kreis Dü- 
ren; Robert Henderichs aus Bensburg. 

Die Bauführer-Prüfung haben bestanden am 18., 19. 
und 20. NovemlKT er: Feldmesser Julius Mütze aus Solingen: 
Mathias Koenen aus Glesch, Kreis Bergheim; Franz Wilhelm 
Friedrich von Fiscnnc ans t'öln. 



Eine Konkarrenz für Entwürfe zur Vergrc-sserung and 
za dem Austoauo des Gasthof ca „Breldenbaoher Hof" zn 
Dasseldorf mit dem Schlussterminc des 1. März 1973 wird von 
der dortigen Baubank ausgeschrieben, bietet also einen inte- 
ressanten Beleg dafür, dass nicht Behörden und Korporationen 
allein, sondern auch Baugesellschaften sich dieses Weges be- 
dienen, um für einen bestimmten Zweck die relativ besten Ideen 
sich disponibel zu machen. Das in seinen allgemeinen, wie in 
den speziellen Baubedingungen sehr klare Programm schliesst 
sich in Betreff der ersten auch an die Grundsätze des Verban- 
des an. Als Preisrichter fungiren die Hrn. Geh. Reg.- u. Bau- 
Rath Krüger, Stadtbaumstr. Westhofen und Haumeister J. 
Krons in Düsseldorf. Der erste Preis beträgt 2500, der zweite 
1200 Mark Deutsche Reichsmünze. 

Preisen tacbeldnngen. Die Konkurrenzen für Entwürfe 
zu einer Navigationsschule und einer Realschule in 
Bremen sind dahin ausgefallen, dass bei der ersteren unter 
drei eingegangenen Arbeiten die des Baumeisters Th. Kggers 
in Bremen den Preis erhalten hat, während bei der zweiten ein 
erster Preis nicht ertheilt worden ist, sondern die beiden relu- 



Hrn. E. R. Dresden. Die Ausrüstung von Tunnel* in 
Schmiedeeisen ist in den letzten Jahren bei einigen Tunael- 
bauten, z. B. auch bei der Call-Trierer Eisenbahn durch An- 
wendung schmiedeeiserner Träger unter Mitbenutzung von Hon 
mit Erfolg angewandt worden, ohne dass sich bis jetzt ein 
System des Ausbaues mit Schmiedeeisen ausgebildet hat Das* 
gegenwärtig in Deutschland ein Tunnel unter Anwendung voo 
Schmiedeeisen im Bau begriffen ist, ist uns nicht bekannt Ztuu 
Studium der Tunnelausrüstungen in Eisen kann „Rziha'a Lehr- 
buch des Tunnelbaues*, empfohlen werden, welches, wenn es auch 
bezüglich der Anwendung von Eisen hauptsÄcblichdie Auf- 
rüstung mit gusseisernen Rahmen behandelt, doch Fingerzeige 
enthalten dürfte, in welcher Weise Gusseisen rortbcilhalt durch 
Schmiedeeisen ersetzt werden könnte. — In Amerika findet 
gegenwärtig die Ausrüstung der Tunnels mit Eisen grössere 
Verbreitung. 

Hrn. C. L. in Krotoszyn. Die betreffenden Mittheil ungen 
in der letzten Nr. unseres "Blattes dürften Ihren Wunsch er- 
füllt haben. 

Hrn. II. in Berlin. Eine hölzerne Decke in einem mit 
heisscu Dämpfen fortwährend angefüllten. Raum durch cidcl 
Anstrich vor Fäulnis» zu bewahren, dürfte sehr schwer m 
auch wenn mau die Kosten eines Oel- Anstrichs, der Ihnen zu 
theuer ist, daran wenden wollte. Eine andere Farbe, die diesen 
Dienst besser und billiger verrichten möchte , ist uns niclt be- 
kannt — Es werden fortwährend vielerlei neue Farben aoeeb» v 
ten, von keiner ist aber bis jetzt zweifellos ausgemacht, 
sie zugleich billiger und besser als Oelfarben-Anstrich ist. 

Hrn. E. G. Eine Erklärung des Ausdrucks „Berliner Schul'" 
im Gebiete der Architektur können wir Ihnen an dieser Stelk- 
nicht geben; sie würde in solcher Allgemeinheit eine Iiiige:' 
Darstellung erfordern. Vielleicht können wir Ihren 
einfacher erfüllen, wenn Sie uns mittheilen, was Ihnen an jener 
Bezeichnung unklar ist. 



um 0**1 Ht.litm I» B»rllii. 



l>n*h >m U.truil.r rtDkerli» B»m. 



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Deutsche Bauzeitung 



JthigMg \ I. 



(JNIVERSITÄTS-pEBÄUDE IN OS TO CK. 




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Jahrg. f 1. M 4». 

DEUTSCHE BAUZEITUNG 



! 1(1. 

Efllrl'.-jnrr- 

bhrriwHiM«!! All« PirtUiittaltMl 



Organ des Verbandes 

^ deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine. 

Redakteur K. E. 0. Fritjch. 



lax rata 

f.r 41. tritt 4er driiich.il 
Bauzeit. n( flad.n \.rn»hme 
la 4M 0nll.-B.ll4f.: 

>tt **L V 



Preis 1 Tbaler pro Quartal. 



Berlin, den 7. Dezember 1872. 



Erscheint jeden Sonnabend. 



Inhalt: Da. rr»u.»l.ch« Slaattbaavcaen. (FortaeUung). -- U.ber An* 
I .on W.lckrn.lrauan, tntb.iend.ra for H.n.ir- und Kohl. ofruben - Bahn- 
hMa. - MUlli.llar.«.n au. V.r.ln.o: Arcr,lt.kt«n-V.reiii >a Barlin. — Var- 
ia l . e h t .. : »'«»enlMdi - B<abaeriMn«»a. -Koakurr.na.n: K.Jffp.n« ein« 



Konkurrent für ein in Bremen cu errichtende. KrieR.r- Denkmal 
rar Entaürle >u einem Denkmal, fi 
• ooaWNaclirlchl.n etc. 



KobkuiTcni 
— Per- 



Das Preussiseae Staats- IIa miesen. 

(FartMUmtf). 



Der dreijährige Lehrgang für künftige Banführer um- 
fasst: 

1. Landbaukunst (Linien -Architektur- und Orna- 
ment-Zeichnen): a. Bau -Konstruktionslehre mit Zeichen -Ue- 
hnngen. — b. Projektionslehre in Anwendung auf Steinschnitt 
der Gewölbe, Schatten -Konstruktion nnd Perspektive (mit 
Zeichen- Uebnngen). — c Die wichtigsten Formen der anti- 
ken Baukunst, namentlich der Säulen -Ordnungen und Bo- 
genstellungen, nebst den bezüglichen Details der Gesimse, 
sowie der Thüren, Fenster u. s. w. (mit Zciebcn-Uebungen). 
— d. Die Einrichtung und Konstruktion einfacher Gebäude, 
Anfangs mit L'ebung der Darstellungsmethoden von Grund- 
rissen, Profilen, Facaden nnd Detail-Zeichnungen, später mit 
Uebung im Entwerfen von Gebäuden nach gegebenen Pro- 
grammen. — e. Landwirtschaftliche Baukunst (mit Uebnn- 

*n im Entwerfen). — f. Die gewöhnlichen Bau-Materialien, 
eranschlagung, Ballführung etc. — g. Ornamentenzeichnen 
nach Vorlegeblftttcrn nnd Gips, Anfangs in Umrissen, später 
in ausgeführten Methoden. — h. Geschichte der Baukunst 
des Altcrthums, des Mittelalters und der italienischen Kunst- 
periode. 

2. Wasser-, Wege- und Eisenbahnbau: Elemente 
des Wasser-, Wege- und Eisenbahnbaues, namentlich das 
Fnndamentiren unter Wasser, der Bau gewöhnlicher Brücken, 
Uferbefestigungen, Verwellungen, Stauarchen, Wehre, Müh- 
lengerinne, Ent- und Bewässerungsbauten ; ferner die Anord- 
nung und Ausführung der Längen- nnd Ouerprofile der 
Strassen- und Eisenbahndämme, der dabei vorkommenden 
Erdarbeiten, die verschiedenen Arien der Wegebefestigung 
und des Eisenbahnoberbanes, die Wasserableitungen und 
die Anfertigung zugehöriger Anschläge (mit Uebungen im 
Entwerfen bezüglicher Bauwerke). 

3. Maschinenbau: Die Maschinenteile und die ein- 
facheren auf Baustellen gebräuchlichen Hülfsmaschinen und 
Geräthe, ferner die Einrichtung gewöhnlicher Mühlen und 
Dampfmaschinen. 

4. Reine Mathematik: a. Algebraische Analysis, Tri- 
gonometrie, Stereometrie, analytische Geometrie (mit Uebung 
im Gebrauche von Logarithmen). — b. Differential- und In- 
tegral-Rechnung mit Einschluss der Differentialgleichungen 
nnd Metbode der kleinsten Quadrate. 

5. Angewandte Mathematik: a. Statik und Dyna- 
mik in Anwendung auf Baukunst und Maschinenwesen, mit 
Uebungen im praktischen Rechnen. — b. Feldmessen nnd 
Niveliiren nntcr Anwendung der üblichen Instrumente (mit 
Exkursionen); Geodäsie (mit Exkursionen.) 

6. M ftturwissenschaften und Technologie: a. Phy- 
sik in Bezug auf Wärme, Licht, Elektrizität und Magnetis- 
mus. — b. Chemie in Bezug auf die einfachen Stoffe und 
deren Verbindungen mit einander, sofern dieselben auf Bau- 
materialien von Einfluss sind. — c. Orvktognosie und Ge- 
ognosie in Hinsicht auf ihre systematische Ordnung und so- 
weit dieselben zum Erkennen, 'Auffinden und Beurteilen der 
im Bauwesen zur Anwendung kommenden Materialien erfor- 
derlich sind. — d. Bauwissenschaftliche Technologie (mit 
Exkursionen). 

Die Verteilung dieses Lehrstoffs in die drei Jahreskurse 
ist nach der neuesten Anordnung die folgende. Im ersten 
Jahre werden die Baukonstmktionslehre des Hochhaus. Pro- 
jektionslebre und Perspektive, Uebungen im Bauzeichnen 
nach Vorlagen, die reine Mathematik sowie Physik und 
Chemie erledigt, der Unterricht in den Formen antiker Bau- 
kunst und im Ornamentzeichnen wird begonnen. Der letztere. 



fortschreitende Uebungen im Entwerfen von Gebilden und 
Vorträge über die Geschichte der Baukunst gehen durch die 
beiden nächsten Jahreskurse hindurch. Vollendet wird im 
zweiten Jahre der Unterricht in den Formen antiker Bau- 
kunst, in der landwirtschaftlichen Baukunst, deu Elementen 
des Bau-Ingenieurwesens, der Statik und Dynamik, dem ge- 
wöhnlichen Feldmessen, der Oryktognosie' und Geognosie. 
Im letzten Jahre treten endlich als neue Unterrichts-Gegen- 
stände hinzu die Bauraaterialienkunde, das Veranschlagen 
und die Bauführung, der Maschinenbau, die Technologie und 
die Geodäsie, während die Statik und Dynamik in ihrer An- 
wendung auf die Praxis geübt wird. — "Obligatorisch ist 
der Unterricht in den oben unter 1. a. b. c. d. e. f. g. sowie 
unter 2. und 3. angeführten Gegenständen. — 

Dass der Besitz von Kenntnissen und Fertigkeiten aus 
den in diesem Lehrgange enthaltenen Disziplinen für den 
künftigen Staalsbanbeamten nützlich, ja bis zn einem ge- 
wissen Grade sogar unentbehrlich sei, müssen wir nach dem 
von uns eingenommenen Standpunkte zugeben. Ein Anderes 
ist es mit der Frage, ob die Wichtigkeit, mit welcher die 
einzelnen Unterrichtsgegenstände innerhalb des Studien- 
planes behandelt sind, der Bedeutung entspricht, welche die- 
selben späterhin in Betreff der durch die dienstliche Thatig- 
keit des Beamten gebotenen Aufgaben einnehmen. Es dürfte 
von Jedem, der diese dienstliche Thätigkeit kennt, aner- 
kannt werden, dass der spezifisch künstlerischen Seite des 
Fachs ein unverhältnissmässiges Uebergewicht eingeräumt 
ist, während diejenigen Fachgebiete, welche in der amtlichen 
Provinzial-Praxis voranstehen, der sogen. Kamerai -Bau und 
das Ingenieurwesen, ausserordentlich mager abgespeist sind. 
Auf eine nähere Ausführung dieses Momentes verzichten wir 
jedoch, da unter den obwaltenden Verhältnissen das „Was* 
als beinahe gleichgültig gegen das „Wie" zurücktritt. 

Vor Allem drängt sich nämlich die wichtige Frage auf, 
ob und in wieweit bei den oben angeführten Unterrichtsge- 
genständen die akademische, auf ein gereiftes Verständ- 
niss nnd die freie Selbsttätigkeit der Studircnden berech- 
nete Methode des Unterrichts überhaupt zweckmässig und 
zulässig ist. 

Die Stellung derselben besagt bereits, dass wir sie zum 
Theil verneinen. Wir sind in der That der Ansicht, dass 
die Hilfswissenschaften eines Fachs, in erster Linie aber das 
zum Verständniss desselben erforderliche ABC, nicht auf 
die Akademie gehören, dass sie in einer Sicherheit, die 
im Interesse der Studircnden verlangt und vor Beginn des 
akademischen Studiums mit ernster Strenge erprobt werden 
ranss, am Besten sehulmüssig, d. h. auf einem Wege er- 
lernt werden, bei welchem es dem Lehrer möglich ist sich 
zu jeder Zeit der Erfolge seines Unterrichts zu vergewissern 
und diesen dementsprechend zu modifiziren. In der bei uns 
üblichen Weise des Studiums der alten FakultäU -Wissen- 
schaften, für welche die Grundlage allgemeiner wissenschaft- 
licher Bildung und die im klareii Verstehen fremder Geistes- 
tätigkeit, wie im eigenen logischen Denken sich äussernde 
Geistesreife genügen, welche durch die Abiturienten-Prüfung 
nachgewiesen werden müssen, findet dies wirklich statt. Für 
das Studium des Baufachs, welches neben diesen Bedin- 
gungen noch voraussetzt, dass dem Studirenden das ABC 
des Techniken geläufig sei, d. h. dass er jeder tech- 
nischen Darstellung ein müheloses Verständniss entgegen- 
bringt und in dem Mittel dieser Darstellung, dem Zeichnen, 
bereits eine gewisse Fertigkeit und Sicherheit erlangt hat. darf 
man die gleiche Forderung nicht ungestraft vernachlässigen. 



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- 396 — 



Leider int dies bei ans der Fall und wir erblicken hieriu 
den Quell des Siechthums, das die Bau-Akademie von jeher 
befangen, selbstverständlich aber in um so höheren Grade 
um sich gegriffen hat, je mehr bei dem Zudrauge von Stu- 
direnden der Unterricht zum Massen - Unterricht geworden 
und eine vermittelnde und ergänzende Einwirkung des Leh- 
rers auf den Einzelnen fast unmöglich gemacht ist. In Folge 
der verfehlten Einrichtung des Elevenjahres nnd bei der völ- 
lig ungenügenden Kontrolle über die Resultate desselben man- 
gelt einem grossen, wenn nicht dem grössten Thcilc der 
Immatriknlirten zunächst jene Grundlage technischer Ausbil- 
dung; sie sind genOthigt die Vorbedingung eines akademischen 
Fachstudiums auf der Akademie selbst, die ihren ersten 
Jahreskursiis fast aussehliesslich^diesem Zwecke widmet, zu 
gewinnen, können dies aber unter den vorhandenen äusser- 
lichen Bedingungen einerseits nicht immer in dem thatsärh- 
lich erforderlichen Grade erreichen und gelangen anderer- 
seits in eine verhängnissvolle Richtung, welche das eigent- 
liche akademische Studium aufs Schwerste schädigen muss. 

Ein ungefähres Bild von den auf der Berliner Bau- 
Akademie herrschenden Zuständen wird man sich machen 
können, wenn man sich das Chaos ausmalt, das auf einem 
Gymnasium eintreten niüsste, falls zum grossen Theil Schü- 
ler in dasselbe aufgenommen nnd demnächst ohne Prüfung 
versetzt würden, die bei ihrer Aufnahme noch mit dem Lesen 
und Schreiben zu kämpfen haben. Thatsächlich machen 
sich die Folgen dieser Zustände darin geltend, dass die Ten- 
denz des gesamroten akademischen Studiums in erster Linie 
auf die Erlangung einer äusserlichen Zeichenfertigkeit ge- 
richtet ist nnd das Hauptresultat desselben durchschnittlich 
darin besteht, dass die Studirenden beim Abgänge von der 
Anstalt diejenige Zeieheufertigkeit besitzen, die ihnen beim 
Eintritte nothwendig gewesen wäre. Was blosses Mittel znm 
Zwecke sein sollte, ist zum vornehmsten Zwecke selbst, die 
Bauakademie im Wesentlichen zu einer Zeichen- 
schule geworden. 

Zur eigentlichen Blüthe hat sich dieser, in seinem Ur- 
sprünge durch die Mängel des Elevenjahrs veranlasste Cha- 
rakter der Bauakademie entwickelt, seitdem auf ihr die 
„Zwangskollegien" und „Pensumsblätter* eingeführt 
worden sind. 

Man hat geglaubt durch diese den Studirenden aufer- 
legte Verpflichtung, bestimmte Kollegien in bestimmter Reihen- 
folge anzunehmen und während derselben, soweit sin mit 
Zeichenübungen verbunden sind, eine bestimmte Anzahl von 
Zeichnungen anzufertigen, den Gefahren der akademischen 
Freiheit, die sich vordem in bedenklicher Weise gezeigt haben 
sollen, wirksam vorbeugen zu können. Nicht ohne Stolz 
hat man in diesen Blättern, die mit dem Visum des Lehrers 
versehen, behufs Zulassung zur Bauführer-Prüfung vorgelegt 
werden müssen und von denen die besten alljährlich auf 
Kosten der Akademie vervielfältigt werden, einen handgreif- 
lichen Beweis für die trefflichen Erfolge des Instituts zu er- 
blicken vermeint. — Leider ein schwerer Irrthum. 

Dass eine unbegrenzte akademische Freiheit, von der 
man bekanntlich weder in Frankreich noch in England 
etwas wissen will, unter den bisherigen Voraussetzungen des 
Studiums auf der Bau -Akademie in der That ernste Ge- 
fahren mit sich bringen muss, ist sicher nicht zu läugnen. 
Wenn der Studirende in der Sorglosigkeit fröhlichen Jugend- 
muthes an gewissen geradezu unentbehrlichen, durch spä- 
teren Fleiss niemals zu ersetzenden Vorlesungen oder Leitun- 
gen, welche die elementarsten Kenntnisse des Fachs be- 
treffen, entweder gar nicht oder nur unregelmässig Theil 
nimmt, so erwachsen hieraus seiner ganzen späteren Aus- 
bildung dauernde und bedeutende Naehtheile. Trotzalledem 
möchten wir die goldene Freiheit des deutschen Studenten, 
deren Einflnss je nicht sowohl auf die Fachbildung, als viel- 
mehr auf die Entwicklung des Charakters, auf die sittliche 
Reife und die Befestigung idealer Gesinnung im Manne 
hinwirkt, auch den Studirenden des Baufachs vergönnt 
wissen. Wir schon das Mittel um jener Gefahr zu begegnen, 
nicht in der Einschränkung oder gar Entziehung jener Frei- 
heit wärend der akademischen' Studienjahre, sondern eben 
darin, dass man allen elementaren Unterricht, dessen Ge- 
wicht nicht sowohl in der auregenden Leitung des Lehrers, 
als vielmehr in der unausgesetzten Unterweisung desselben 
beruht nnd die sichere Einprägung positiver Vorkenntnisse 
und Fertigkeiten zum Ziele hat, nicht in die akademischen 
Formen kleidet, sondern diese erst eintreten lässt, wenn jene 
Grundlage überwunden uud der Studirende im Stande isl, 
sich in seinem Fache heimisch zu fühlen. 

Durch jene Anordnungen, welche einerseits durchaus 
nicht weit genug gehen, um vou denen, die eine schranken- 
lose akademische Freiheit geniessen wollen, nicht umgan- 



gen werden zu können, hat man andererseits eine Gefahr 
heraufbeschworen, die wir um Vieles schlimmer schätzen, 
als jene. Wenn es bereits ein unvermeidlicher Nacbtheil 
jedes auf eine schliessliche Prüfung bezogenen Studienganp-s 
Ist, dass die Mehrzahl, welche eben ein Brotstudium treibt, 
weniger nach einer in sich abgeschlossenen Ausbildung strebt, 
sondern danach trachtet, die Anforderungen der Prüfung auf 
die leichteste Weise erfüllen zu können, so muss die Vor- 
schrift eines bestimmten, innerhalb des akademischen Kursu«. 
zu absolvirenden Pensums eine freie, selbststandige Thätig- 
keit der Studirenden fast gänzlich lahm legen. Man erfüllt 
die Vorschrift, bestenfalls mit besonderem Eifer nnd Fleiss, 
aber man glaubt damit im Wesentlichen auch Alles gethan 
zu haben, was zur Erreichung der Zwecke des akademischen 
Unterrichts überhaupt erforderlich ist. 

Von besonders ungünstigem Einflüsse musste unter den 
von uns besprochenen Verhältnissen die Einführung der 
-Pensumsblätter* sein, auf deren Anfertigung sich seither 
die Thätigkeit des Studirenden zum wesentlichsten Theih- 
konzentrirt. Ungünstig für Jene, die gern die bequeme 
(ielegenheit ergreifen, sich durch Anlehnung an vorhandene 
Vorlagen und möglichst flüchtige Ausführung derselbe»! auf 
die billigste Weise mit den an sie gestellten Anforderungen 
abfinden zu können, ungünstiger aber noch für die emsigen 
und gewissenhaften Naturen, denen es das Bewusstsein mög- 
lichster Pflichterfüllung gewährt, weun sie ihr ganzes Kön- 
nen nnd ihren ganzen Fleiss, ihre ganze Kraft und ihre 
ganze Zeit auf die Herstellung dieser Blätter verwendet 
haben. Es kommt dazu, dass dieselben für den qualitativen 
Ausfall der Bauführer-Prüfung von nicht unwesentlicher Be- 
deutung sind, da sie im Prüfungs-Zeugnisse mit besonderen 
Zensuren ligurireti. Was Wuuder, dass bei dem Wunsche, 
für diesen Zweck die möglichst effektvollsten und bestechend- 
sten Blätter zu liefern, und bei der Rolle, welche das Zeich- 
nen an und für sich im Lehrplaue der Bau-Akademie ein- 
nimmt, das Hauptgewicht nicht auf den geistigen Inhalt der 
Zeichnung, sondern vor Allem auf die Darstellung gelebt 
wird, die oft den Fleiss vieler Wochen in Anspruch nimmt 
und falls es der Gegenstand irgendwie erlaubt und die Vor- 
schrift nicht ausdrücklich das Cegentheil gebietet, gern in 
der ausgeführtesten- Methode, in buntem Aquarell, unter 
Aufwendung reicher landschaftlicher; Staffage etc. geleistet 
wird. I>er Höhepunkt dieser Richtung, in der die auf äusser- 
liche Zeichenfertigkeit gerichtete Tendenz der Bau-Akademie 
ihren Hauptiinsdruck und ihre Hauptnahrung fand, soll übri- 
gens neuerdings bereits überschritten seiu. freilich ohne da.->s 
diese Ermässigung als günstiges Symptom gedeutet werden 
könnte Unerwähnt darf dabei nicht bleiben, dass dieses 
unverhältnissmässige Gewicht, das auf die Darstellung aU 
solche gelegt wird, einerseits anf die gegenwärtig nicht mehr 
berechtigte Auffassung der Bau- Akademie als eines vorzugs- 
weise zur Ausbildung von Künstlern bestimmten Instituts, 
andererseits aber auf die Tradition einer Zeit zurückgeführt 
werden kann, in der das Hauptergebniss architektonischer 
Thätigkeit leider auf das Bild in der Mappe beschränkt blieb. 
Es muss auch wohl zugegeben werden, dass die individuelle 
Neigung einzelner Lehrer von einer absichtlichen oder unab- 
sichtlichen Förderung dieser Richtung nicht, freizusprechen ist. 

Dass der Nutzen, der sich unter solchen Verhältnissen 
für die weitaus meisten Studirenden, namentlich die zu In- 
genienren berufenen aus der Anfertigung der Pensumsblätter 
ergiebt, verschwindend klein ist gegen den Schaden, der ihnen 
aus der damit verbundenen Zeitvergeudung erwächst, 
lässt sich unschwer nachweisen. Obwohl die Bedingungen 
für einen Erfolg des zur Vorbereitung für die Bauführer- 
Prüfung bestimmten akademischen Lehrkursus gegenwärtig 
um Vieles günstiger sind, als vor der letzten Reform, da der 
damalige zweijährige Kursus annähernd dasselbe Quantum 
an Lehrstoff umfasste, wie der jetzige dreijährige, so wird 
nach Durchsicht des Lehrplans wohl nicht allein der Techni- 
ker, sondern anch der umsichtige Laie zugeben, dass das 
zur Erlangung der darin aufgeführten Kenntnisse und Fertig- 
keiten disponible Zeitmaass noch immer ein ausserordent- 
lich knappes ist. Selbst wenn man berücksichtigt, dass es 
sich in keiner Weise darum handeln kann, den Studirenden 
mit einer für das ganze Bedürfniss der Praxis genügenden 
theoretischen Bildung auszurüsten, sondern dass es lediglich 
gilt, ihm die Grundlage zn geben, auf der er selbsttbätig 
weiter sieh entwickeln soll, so ist die hierfür angesetzte Zeit 
doch nur dann eben zureichend, wenn sie in Überlegtester 
Eintheilung und nnter Aufbietung aller Kräfte für den Zweck 
des eigentlichen Fachstudiums ansgenntzt wird. Dies wird 
unmöglich gemacht, wenn die Verführung vorliegt, sie für 
solche, den hohlen Schein von Erfolgen heuchelnde / 
Henkelten zn opfern. 



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397 — 



Selbst unter dem Gesichtspunkte blosser Uebung im 
Zeichnen ist der dur:h die Anfertigung der Pensumsblütter 
nach gebräuchlicher Art erzielte Erfolg ein sehr zweifelhaf- 
ter. Die zum Theil ausdrücklich geforderte Anwendung aus- 
geführter Darstelluncsmethoden ist ein l'nding für alle jene, 
die in den einfachen Elementen des Zeichnens noch nicht 
sicher sind, wie dies bei nicht Wenigen der Studirenden des 
Haufaches doch der Fall ist; sie streift an die oft gebrand- 
innrktc Methode des Zeichen-Unterrichts auf Gymnasien und 
höheren Töchterschulen, wo die Schüler möglichst sofort an 
eiue Landschaft, einen Kopf oder ein Blumenstück gesetzt 
werden, das sie in mühselig mechanischer Thätigkeit nach- 
ahmen, ohne von wirklichem Zeichnen eine blasse Ahnung 
/.iv haben. Auf der Bau-Akademie gab namentlich seit lan- 
ger Zeit der durch einen berühmten Lehrer geleitete Unter- 
richt im Ornamentzeichnen Veranlassung zu solchen Ver- 
gleichen. Kenntniss von den Hauptmotiven architektonischer 
Ornamente zu geben, wie dies erst in neuester Zeit durch 
den Unterricht eines verdienstvollen jüngeren Dozenten an- 
gestrebt wird, lag ganz ausserhalb seiner Tendenz, auch die 
Erlangung einer gewissen Fertigkeit im freien Handzeichnen 
wurde nur durch die ersten Stadien des Unterrichts notbdürf- 
tig begünstigt. Im späteren Verlaufe desselben wird auf die 
Zeichnung höchstens ein ganz kleiner Brucbtheil derjenigenZeit 
verwendet, die der vorschriftsmassigen Ausführung derselben 
auf Tonpaj)ier, mit Schatten und aufgesetzten Lichtern ge- 
widmet wird; allein das Mischen der Letzteren nimmt öfter 
den gleichen Zeitaufwand in Anspruch, so dass es zur Stu- 
dienzeit des Verfassers bei praktischen Mannern ein sinniges 
Auskunftsroittel bildete, dass Mehr« Tonpapier von gleicher 
Farbe kauften und sich das dazu passende Licht »odann so- 
fort in grösserer Menge mischten oder vielmehr von dem 
willigen Hiilfslehrer mischen Hessen. Denn nicht blos der 
Beirath und die kritische Aeusserung des Lehrers, sondern 
wenn möglich dessen direkte und möglichst ausgedehnte 
Hülfe wurden und werden bei Herstellung der Pensumsblat- 
ter in Anspruch genommen. 

Schlimmer noch ist es um die Uebungen im Entwer- 
fen einzelner Baukonstruktionen oder ganzer Gebäude be- 
stellt, in denen naturgemäß der Schwerpunkt des akade- 
mischen Ausbildungsganges liegen müsste. Man wird, da 
hier die persönliche Begabung des Einzelnen in Frage kommt, 
zwar nicht verlangen können, dass Alle bis zu einer sehr 
bedeutenden Fertigkeit gefördert werden, aber der eigentliche 
Zweck des Unterrichts, den Studirenden bis zu dem relativ 
höchsten Ziele des für ihn Erreichbaren zu führen, wird 
jedenfalls doch nur dann zu erlangen sein, wenn er sich an 
möglichst viel Aufgaben versucht. Ob vou einer wirksamen 
„Uebung* im Entwerfen die Rede sein kann, wenn als 
das normale Resultat des Semesters, auf das die Meisten 
der Studirenden sich beschranken, ein Entwurf auf einem 
Blatte betrachtet wird, während an Bankonstruktions-Zeich- 
nungen pro Semester je zwei Blatt, von denen das eine je- 
doch meist nur Kopien enthält, verlangt werden, mag ein 
Jeder sich selbst beantworten. Da die Blätter als Pensums- 
blätter sich prüseutiren sollen, so wird ein unverhältniss- 
mässiger Theil der auf sie verwendeten Kraft wiederum vor- 
zugsweise der Darstellung gewidmet. 

Die Gerechtigkeit erfordert es freilich anzuerkennen, 
dass es bei nicht Wenigen, die von der Wichtigkeit des Ent- 
werfens vollkommen durchdrungen sind, nicht blos eine be- 
queme Abfindung mit dem Pensum ist, wenn sie bei regel- 
mässiger Benutzung des anderen Unterrichts in einem Se- 
mester nur einen Entwurf liefern, dass sie trotz der ehr- 
lichen Mühe nnd des Kopfzerbrechens, die sie neben der 
Darstellung auf die eigentliche Thätigkeit des Entwerfens 
verwenden, doch nicht mehr zu leisten im Stande sind. 
Die Vorbildung, mit der sie diesen Kursus angetreten hal>en, 
ist zu mangelhaft, als dass sie ohne eine fortwährende An- 
leitung und Hülfe des Lehrers vorwärts kommen könnten. 
Bei dem Mangel an Lehrkräften auf der Bauakademie wird 
ihnen diese aber nur verhältnissmässig selten und auch dann 
nicht immer in genügendem Maassc zu Theil. Ganz altge- 
sehen davon, dass die Lehrkraft der Hiilfslehrer, auf welche 
die Mehrzahl der Studirenden sich allein augewiesen sieht, 
der des leitenden Lehrers wohl nicht immer ganz ebenbürtig 
ist, stellt sich das Durchschiiittsmaass der Zeit, welches die 
Lehrer dem einzelnen Studirenden widmen können, als viel 
zu gering heraus. Von einem Durchsprechen der Aufgabe 
nach ihren allgemeinen und speziellen Bedingungen, von 
einem näheren kritischen Eingehen auf die \ ersuche de« 
Schülers, von der Entwickeliing persönlicher Beziehungen 
zwischen diesem und dem Lehrer, wie dies eine zweck- 
entsprechende Einführung in das Gebiet künstlerischen und 
technischen Schaffens, diu wohl am Vollkommensten in der 



Gemeinschaft eines geschlossenen Ateliers und bei Beschrän- 
kung auf eine gewisse Schülerzahl erreicht wird, fordert, 
kann unter solchen Umständen keine Rede sein. Es biessc 
auch Uebermenschliches von den Lehrern verlangen, wenn 
sie in der ihnen gebotenen Hast auf eine so grosse Zahl 
verschiedener Individualitäten mit durchweg gleicher Sorg- 
falt und Liebe eingehen sollten. Es ist vielmehr sehr ent- 
schuldbar, wenn sie ihre vollste persönliche Hingebung vor- 
zugsweise nur auf Jene erstrecken, bei denen sie ein leicht 
entgegenkommendes Verständniss und offenbare Begabung 
finden, also auch offenbare Erfolge erzielen, während der 
Unterricht der grossen Masse im Wesentlichen auch Seitens 
der Lehrer als „Pensum" erledigt wird. Mnss manche 
spröde und unentwickelte Natur, die der eingehendsten An- 
leitung gerade am Bedürftigsten gewesen wäre, hierunter 
leiden, so ist allerdings andererseits anzuführen, dass es 
auch solche giebt, denen jedes kritische Eingreifen des 
Lehrers in ihren Entwurf, falls es nicht sofort zu positiven 
Resultaten führt, als eine für das Fertigwerden-des Pensums- 
blattes sehr unwillkommene Störung erscheint 

Am Schlimmsten endlich muss unter solchen Verhält- 
nissen derjenige Theil des Lehrstoffs vernachlässigt werden 
nnd ungenutzt bleiben, der in den Vorträgen enthalten ist. 
Nicht sowohl das Bedürfnis« nach akademischer Freiheit 
(die in dieser Beziehung dadurch gewahrt ist, dass die Ver- 
pflichtung bestimmte Kollegien zu belegen noch nicht bedingt, 
dass sie auch wirklich besucht werden), sondern wohl vor 
Allem die durch das Elevenjahr verschuldete Entwöhnung 
von regelmässigen systematischen Studien, sowie der zum 
Theil sehr trockene Stoff der ersten Vorträge bewirkt, dass 
die Studirenden sich zu ihnen wenig hingezogen fühlen, 
während die Anspannung aller Kräfte, welche Viele dersel- 
ben auf die zur Herstellung der Pensumsblätter erforderliche 
Zeichenfertigkeit richten und an diese selbst setzen müssen, 
ihnen in der That nur ein beschränktes Quantum an Zeit 
und ein noch geringeres an Interesse für wissenschaftliche 

. Studien und Uebungen übrig lässt. Es kommt dazu, dass 
die späteren Anforderungen der vorzugsweise durch die Mit- 
glieder der Technischen Bau-Depntation abgehaltenen Prü- 
fungen mit der Tendenz und Methode des auf der Bau- 
Akademie ertheilten Unterrichts nicht in direktem Zusam- 

! menhange stehen. Vor Allem aber ist zu berücksichtigen, 
dass die „ Zwangskollegien" eben nnr einen Theil der 
Vorlesungen umfassen und dass bei der ganzen Richtung des 

I Studium« nichts näher liegt als der Glaube, dass dieser 
Theil für das Bedürfniss regulärer theoretischer Ausbildung 
völlig genüge. So sind es denn die vorschriftsmässig belegten 
Zwangskollegien, welche von der Mehrzahl der Studirenden 
vorzugsweise, wenn nicht ausschliesslich besucht werden, 
darunter freilich immer noch von einer verhältnissmässig 

; nur geringen Zahl Solcher, welche durch ein ergänzendes 
litterarisches Studium und die entsprechende häusliche Arbeit 
wirklichen Nutzen vou ihnen ziehen und sich nicht damit 
trösten, dem Vortrage zugehört, bestenfalls ihre Notizen aus 
demselben schwarz auf weiss nach Hause getragen zu haben. 
Nur ein ausserordentlicher Fleiss und eine Natur, die es 
vermag ihr Interesse mit vollkommener Gleichmässigkeit auf 
so viele heterogene Gegenstände zu vertheilen, ist bei der 
Masse des gleichzeitig zu bewältigenden Stoffes und bei den 
Anforderungen an die Thätigkeit vor dem Reissbrette hierzu 
im Stande. 

Dies möchte namentlich in Betreff der mathematischen 
Kollegien gelten, die leider nicht obligatorisch sind und da- 
her von Vielen nicht gehört werden; aber auch von denen, 
die sie ans eigenem Entschlüsse oder auf den Rath Anderer 
besuchen, werden es wohl nur Wenige sein, die in Folge 
einer besondere ausgezeichneten Vorbildung und Begabung 
für die mathematische Wissenschaft dem Unterrichte mit 
Nutzen folgen können, während die Mehrzahl, welche ihr 
Schulpensnm während des Elevenjahres mehr oder weniger 
vergessen hat, oder doch zum Mindesten aus der Uebung 
mathematischer Studien gekommen ist, einem solchen aka- 
demischen Vortrage nur ein lückenhaftes Verständniss zu 
widmen vermag, leider jedoch nicht die Zeit besitzt, diese 
Lücken durch häuslichen Fleiss sofort zu ergänzen und das 
Gehörte entsprechend zu befestigen. Daher pflegen sich diese 
Vorträge vom Beginn bis zum Eude des Semesters anch 
sichtbar zu lichten. 

Man wird nach diesen Details unsere früher ausge- 
sprochene Ansicht, dass die Bau-Akademie im Wesentlichen 
als Zeichenschule wirkt, während ihre Resultate in Betreff 
eigentlicher Fachbildung nur höchst oberflächliche und dilet- 
I tantische sein können, wohl nicht nnmotivirt finden. Selbst- 
• verständlich verwahren wir uns dagegen, als wollten wir den 
| Glauben verbreiten, sie erziele ausnahmsweise nicht 



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- 39S - 



bessere Erfolge. Studirenden, welche durch einen glücklichen 
Zufall eine bessere Vorbildung genossen haben , als sie der 
Durchschnitt der von der Schule durch das Elevenjahr zur 
Bau -Akademie Uebergegangenen besitzt, und die während der 
Studienjahre einer erfahrenen Leitung theilhaftig werden, 
hervorragend Begabten und übermenschlich Fleissigen gelingt 
es — glücklicherweise in nicht allzu seltenen Fällen — auch 
innerhalb des Rahmens des akademischen Studien - Pensums 
eine gute Fachbildung sich zu gewinnen; freilich erstreckt 
sich diese dann schon meist auf nur eine Seite des Fachs. 
Den grössten Nutzen aber erzielen aus dem Unterrichte der 
Bauakademie die an keine Zwaugs- Kollegien und Pensums- 
blätter gebundenen einheimischen Privat- Architekten und 
die Ausländer, bei denen allerdings zumeist die erste dieser 
Bedingungen eintrifft; sie gehören fast durchweg zu den be- 
vorzugten Lieblingsschülern der Lehrer. Auch wiederholen 
wir, dass seit Einführung des dreijährigen Kursus eine kleine 
Besserung der Zustände eingetreten sein soll, die sich 
namentlich in»einer erhöhten sclbslständigen Regsamkeit des 
letzten Jahreskursus zu äussern scheint. Ein erfreuhchesZeichen 
dieser Regsamkeit bildet nach Innen die Thätigkeit des Aus- 
schusses der Studirenden, dessen Anregung schon manche 
schätzenswert he Detail-Maassregeln zu danken sind — nach 
Aussen namentlich die von diesem Ausschusse geleitete 
Herausgabe der „Denkmäler der Baukunst'. 

Die allgemeine Verfassung der Anstalt nnd ihre Durch- 
schnitts-Resultate, die hinter dem, was als normaler 
Durchschnitt zu fordern wäre, leider weit zurückbleiben, 
glauben wir jedenfalls nicht unrichtig oder übertrieben ge- 
zeichnet zu haben. Man möge nur bedenken, dass jenen 
erfreulichen Ausnahmen eine mindestens gleiche Zahl ent- 
gegengesetzter Fälle gegenübersteht, in denen die Studirenden 
— und nicht immer die Talentloseren — den Einrichtungen 
der Akademie sowenig Geschmack abzugewinnen vermögen, 
dass sie mit ihr nur höchst lose Beziehungen unterhalten, 
mit den ihnen auferlegten Verpflichtungen aber dadurch sich 
abfinden, dass sie die Zwangskollegien bezahlen und die Testate 
der Lehrer dafür einziehen, die Pensumsblätter aber in einem 
oder in mehren grösseren Abschnitten, eventuell erst bei 
herannahender Prüfung fabrikmäßig anfertigen. 

Die maassgebende Probe auf das Ergebniss des akade- 
mischen Ausbildungsganges wird jedenfalls durch die Bau- 
führer-Prüfung, auf welche derselbe vorbereiten soll, Bezogen. 
Wäre die beabsichtigte Ausbildung auf Grund der akademi- 
schen Studien nnd L'ebungen wirklich in normalem Grade 
erreicht, so müssten die Studirenden im Stande sein, nach 
Abschluss jenes dreijährigen Kursus ohne jede weitere Vor- 
bereitung, als eine Durchsicht ihrer Hefte, die Bauführer-Prü- 
fung zu bestehen. Die Erfahrung lehrt jedoch, dass dies 
fast ausnahmslos nicht der Fall ist, dass es für die 
Meisten noch einer ziemlich angestrengten und weitläufigen, 
auf die speziellen Details der Prüfung zugespitzten Vorbe- 
reitung bedarf, welche theils in das letzte Studien-Semester 
mit hineingezogen, theils erst nach formellem Abschluss der 
Studien begonnen wird. 

Was die eigentlichen Fachwissenschaften sowie die Hilfs- 
wissenschaften der Physik, Chemie etc. betrifft, so fällt es 
verhältnissmassig nicht schwer, die etwaigen Lücken der aka- 
demischen Bildung zum Zwecke der Prüfung zu ergänzen. 
Es existiren vortreffliche, durch die Arbeit von Generationen 
vervollkommnete Hefte, welche das Wesentlichste aus den 
hierfür erforderlichen Kenntnissen in klarer Uebersichtlich- 
keit zusammengestellt enthalten. Ausserdem bildet es gegen 
die von uns erwähnte Forderung, dass sich das Wissen des 
künftigen Baubeamten auf viele Dinge erstrecken soll, die 
man in der Praxis nur möglicherweise brauchen könnte, 
gewöhnlich aber nicht braucht, ein schätzbares Gegengewicht, 
dass auch von dem Vielen, was in der Prüfung gefragt wer- 
den könnte, verhältnismässig doch nur ein geringer Theil 
wirklich gefragt wird. Die Prüfung wird grossentheils von 
Männern der Praxis abgehalten. In der Iiimöglichkeit, an 
junge Studirende den Maasstab einer gereiften Erfahrung 
legen und diese aus der Fülle ihres eigenen Wissens exanii- 
niren zu können, müssen diese zu einer Reflexion, was sie 
von den Examinirenden wohl fordern können, und damit zu 
gewissen Schematen gelangen, die durch eine sorgfältig ge- 
pflegte Statistik natürlich sehr bald ermittelt und dann in 



Form von sogenannten „Fragezetteln-, die der Person der 
einzelnen Haupt -Examinatoren angepasst sind, zu Nutz und 
Frommen der späteren Examinanden überliefert und ergänzt 
werden. 



In ähnlicher, obwohl in ernsterer und für die wirk- 
liche Ausbildung der Examinanden nützlicherer Weise 
bereitet man sich darauf vor, den Anforderungen der achttägi- 
gen Klausur, in welcher ein kleinerer Entwurf zu liefern ist, 
entsprecheu zu können. Was man bei dem ausschliesslichen 
Streben nach Pensumsblättern und bei dem Mangel an aus- 
[ reichender Belehrung und Anleitung währeud des akademi- 
! sehen Unterrichts im Entwerfen nicht gelernt hat, — seit 
[ einigen Jahren ist allerdings in zur Vorbereitung für die 
, Klansur bestimmter Kursus im Entwerfen aus dem Stegreif iu 
das Programm der Akademie aufgenommen nud wird zahlreich 
besucht — «las sucht man durch Selbstbülfe zu ersetzen. 
Eine Anzahl von Semestergenossen tritt zn einem „Klausur- 
Verein* zusammen und stellt sich das Ziel, die Gesummt- 
heit der für die Klausur der Bauführer-Prüfung vorhandenen 
| Programme — dieselben sind seit längerer Zeit auf eine be- 
stimmte in lithographirten Exemplaren vorhandene Anzahl 
von Aufgaben, die nur selten durch einen neuen Examinator 
eine vorübergehende Bereicherung erfährt, beschränkt ge- 
blieben — zum Zwecke der Uebung unter sich zn bearbei- 
ten. Die Aufgaben werden dementsprechend unter die Ein- 
zelnen verthcilt und Jeder übernimmt die Verpflichtung, bei 
den zeitweisen Zusammenkünften des Vereins je eine Arbeit 
vorzulegen, die alsdann von den Andern scharf kritisirt 
wird und falls diese Kritik ungünstig ausfällt, entsprechend 
geändert oder sogar neu geliefert werden muss. Es ist wohl 
keine Frage, dass eine derartige Thätigkeit, ganz abgesehen 
von dem direkten Nutzen für die Prüfung, eine äusserst 
werthvolle Förderung in der Sache selbst gewährt nnd da- 
her die lebhafteste Anerkennung verdient. 

Die grösste Schwierigkeit pflegt die Vorbereitung auf 
den mathematischen Theil des Examens zu machen, der frei- 
lich ohne eigentliches Wissen nicht wohl zu bestehen ist: 
sie nimmt demzufolge auch weitaus die meiste Zeit in An- 
spruch. Bitter rächt sieh in dieser Beziehung die Vernach- 
1 lässigung und Unterbrechung der mathematischen Studien 
während der vorhergegangenen Zeit, denn mathematisches 
Wissen und Können ist eben, wie die Kunst, ein Besitz, der 
nur durch ununterbrochene Uebung erhalten, ohne dieselbe 
aber nur gar zu leicht ganz verloren gehen kann. So ein- 
gehend die zum Zwecke der Prüfung unternommene Vor- 
bereitung daher auch sein mag, so genügt diesell* in den 
meisten Fällen doch nur nothdürftig für diese. Als Mittel 
der Vorbereitung ist seit den ältesten Zeiten der in Gemein- 
schaft mit 3 oder 4 Genossen empfangene Unterricht durch 
einen bewährten Spezialisten des betreffenden Gebietes, der 
selbstverständlich auch mit der Methode der Examinatoren 
vertraut sein muss, im Gebrauch. Es ist keine anzweck- 
mässige Sitte, dass man die besten dieser anonymen, mit 
den Bedürfnissen und den durchschnittlichen Vorkenntnissen 
der Studirenden vertraut gewordenen Lehrer bei eintreten- 
den Vakanzen zu einer offiziellen Lehrstellnng an die Bau- 
Akademie beruft; schon die allen älteren Preussischen Bau- 
meistern wohl bekannten Professoren K r ick und Brix haben 
ihre Laufbahn einst in dieser Weise begonnen. 

Das Resultat der Bauführer-Prüfung, die neben der ein- 
wöchentlichen Klausur ein dreitägiges mündliches Examen 
umfasst, ist bei alledem im Durchschnitt durchaus kein gün- 
stiges; es muss ein verhältnissmässig hoher Prozentsatz sein, 
der die Prüfung nicht besteht oder während derselben zu- 
rücktritt. Zwar ist es in erster Linie die Mathematik, welche 
den Stein des Anstosses bildet, doch sind auch fast sümmt- 
liche anderen Prüfungsgegenstände schon zu Klippen gewor- 
den, an denen Einzelne scheiterten. Die Bekanntmachungen 
der Technischen Bau-Deputation, die im Laufe der Jahre »m 
schwarzen Brette der Akademie erschienen sind und in denen 
bald die eine bald die andere Disziplin als eine solche be- 
zeichnet wurde, in der die Kenntnisse der Examinanden in 
letzter Zeit sehr mangelhafte gewesen seien, geben davon ein 
weiteres Zeugniss. 

Dass hiernach trotz des Andranges der Studirenden zur 
Bauakademie, trotz der bestechenden Erscheinung der von 
ihnen zur Prüfung eingereichten Pensumsblätter von einer 
Blüthe der Akademie nicht wohl die Rede sein kann, das* 
die Einrichtungen des theoretischen Fachstudiums, denen sie 
dient, wie die Einrichtungen der Prüfung, durch welches die 
Resultate derselben festgestellt werden sollen, eiuer Reform 
dringend bedürftig sind, glauben wir nachgewiesen zu habe». 



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- 399 — 



Bei den Ansprüchen, die der wachsende Verkehr bezüglich 1 erfleheinen lassen, die Verwendung möglichst einzuschränken, 
des Rangirens und Aufstellens oder Beladens der Güter- und wenn ohne Aufgab« der genannten Vortheile thunlich. Letztere 
i'roduktensüge an die Bahnhöfe stellt, tritt in vermehrter Weise Möglichkeit nun ist zunächst gegeben durch dos Mittel, die 
die Anordnung von inneren durchgehenden Weichen- Bannbofsgleise streckenweise parallel mit sich zu ver- 
htrassen als nothwendig hervor; so weit nicht mit einfachen schieben und einzelne derselben in demselben Räume der 
Kreuzungen auszukommen ist, können dieselben die Gleise an- j Diagonale mittels zweier einfachen Weichen von beiden Seiten 
scheinend nur mittels der englischen Weichenanlage einzuführen, den andernfalls die englische Weiche eingenommen 
durchschneiden und auf diese W eise die hinter ihnen verblei- haben würde- Die mehr oder weniger zu wiederholende Anwen- 
denden Geislingen möglichst wenig abkürzen. Aber auch auf düng dieses bekannten Verfahrens hangt von der Gesammtsummc 

Fl*«r 1. 




Figur 4. 




den Süsseren Weicbenstrassen erschienen diese letzteren vielfach < der Entfernungen ab, welche die Gleise in der unverschobenen 
als nothwendig, wenn neben den Hauptgleisen noch ein als Lage ergeben, und genügt in Fällen schon die in den neuesten 
Kangirkopf dienendes Ausziehgleise, so wie etwa noch eine Vereinbarungen als wüuschcnswerth bezeichnete Normal- Entfer- 
oder mehre Bahnabzweigungen, Verbindungsglcise nung von 4,5 m , während bei etwaigem Vorkommen eines oder 
nach abgezweigten Glcisgruppen oder dergleichen, neben ein- mehrer Zwischen -Perrons sich das disponible Gesammt- 
ander aus dcmllauptboreich des Bahnhofes heraustreten müssen. Verschiebungsmaass noch günstiger gestaltet, ohne dass eine 
Die vierfache englische Weichenanordnung hat aber neben besondere Erbreiterung stattzufinden brauchte. Selbstverständ- 
dieser Brauchbarkeit res«. Uncntbehrlichkeit die bekannten Nach- j lieh sind andererseits wieder ziemlich enge Grenzen der An- 
theile der Kostspieligkeit und Komplizirtheit, sowie einer aus . Wendung gezogen, da man die Verschicbungen nicht so weit 
dem Gegenüberliegen je zweier Herzstücke sich ergebenden wird ausdehnen mögen, das* sie den grfissteu Theil des Bahn- 
mangelhaften Führung der Räder, welche es immerhin geboten hofes so zu sagen „in Unordnung bringen". Ferner nehmen die 

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- 400 - 



verschobenen Gleite un Stellen die Minimal-Entfeninng von 3,5™ 
nn, und darf dies, ohne thron Worth als Bahiihoisgloise. zu 
schmälern, nur un S<f llcn geschehen, woselbst die Gleise nur 
/um Durchfahren, niclit zum Stellen von Wagen oder Zugtheilen 
dienen, wo also ein fahrender Zug das Nebengleise für gewöhn- 
lich unbesetzt linden wird, wie auf der freien Bahnstrecke. 

In Figur i der beigefügten Skizzen ist eine Aiifgalie dar- 
gestellt, wo in unmittelbarer Nähe einer Hauptstalion für eine 
hinzutretende, hauptsächlich dein Kohlouverkohr dienende Linie 
ein besonderer Rutigirbahuhof einzurichten ist. welcher zum 
Vertbeilen der Güterzüge in mehre Zweiglinien dienen will. 
Ks erscheint uolhwcudig, die sämmtlichen Bahuluifs-Glci-e 
den genannten Ausniüuduiigcu. sowie einem zu letzteren treten- 
den Auszichstrunge (von welchem wiederum weitere tudt aus- 
laufende Gleisgruppcu sich abzweigen) direkt zugänglich zu 
machen, ohne duss die zu diesem Zwecke anzulegende innere 
Weiehenstrasse die Standglcisc für ganze Zuglängen unter das 
geforderte Maas« abkürzte. Letzteres berechnet sich bei einem 



welches nur nach ein und denselben Richtungen befahren wird 
und unter sich keine direkte Verbindung verlangt, dadurch, das» 
sie in beiden Richtungen das Fahren gegen die Weichenspitzen 
vermeiden. Ein Beispiel dafür zeigt in Figur 1 die Verlängerung 
der innern Weicbenstrassc über das durchgehende Gleise I hinaus 
nach einem vorn gelegeneu Ausziehst ränge, {welcher die Ver- 
bindung Back einer um andern Buhnhofsende seitwärts abzu- 
zweigenden todten Gleisgruppc 2. Ordnung vermittelt . Da auf 
den betreffenden Bahnen diu Züge künftig nach rechts aus- 
weichen werden, so genügt in beiden Gleisen die halbe eug- 
Hache Weiche mit ihrem genannten Vorzuge, während der Aus- 
tritt des '2. durchgchcudcu Gleises aus der Susseren Weicheu- 
strussc links einen 3. derartigen Fall ergiebt. Ks ergeben »ich 
hier im Gauzen demnach von 8 Gleüedurchschneiduugen nur 
2, Tür welche die ganze englische Weichenanlage nicht entbehr- 
lich erscheint. 

Eine andere, zur kurzen En t Wickelung und raschun Aus- 
breitung von Glciscnetzen geeignete WcichenkonstrukÜoti ist 



Füiiir 5. 




n Iiis die teercu k> n; i. Ul. 
b l,adegt.leije. 
r für dl« vuileu Wagreu. 
d Em. und Auifalirt^rtoM-. 
i* iura Cniketicu der LokuiiMilIvi 
f !»■!.. iur diu Haide. 
ff LadejtuWln L d. MuU|tlal«. 
• KeaererKeleue für Wa^oa. 
t für l'er«ouru> uml 

Uatervt-ikcur. 
« Auielvk£cli'i«o. 

/ (KM* ium U 4»r RntaiMka 

im Ladi-Lrahu. 

■ 2cot»»lui.i.l -Waa^ 



IUI) 

I — r — t- K'i 



Uaj'tlaü für dl- Längi-n, die bmlen duppcll. 
IM '-DO 



*0 



«"Ai M'Kr. 



den Neigung» verh&ltnissen entsprechenden Maximum der Güter- 
züge von 120 Axen n 3.5™ durchschnittlicher Lauge, incl. Loko- 
motiven auf 460™ freie Glciselänge, wonach der eigentliche 
Kuugir-Rabnhof der vorliegenden Aufgabu eine GesamnitlSnge 
zwischen den Eudweichen von pp. 1>00 m erforderte. Die Skizze 
/eiüt, in welcher Weise in den nächsten hiuter den llauptglciscu 
erfolgenden Gleisen III, IV und V, von welchen die vorgenannten 
Abzweigungen direkt ausgehen, von fünf Gleisdurcbscnuciduugcu 
nur zwei mit vierfacher englischer Anlage versehen zu werden 
brauchten, mit Hülfe von Verschiebungen der betreffenden Gleise, 
welche letztere innerhalb der verschobenen Strecken beim Vor- 
kommen eines Zwischen-Pcrrons die normale Entfernung von 
4 ,.'>'" (puuktirt) annehmen, ohne letzteren dagegen die Waite auf 
das Mauss von 4,8» ™ vcrgiosscru. Da zwischen den boideu Dia- 
gonalen dicGIeiscstücke III und IV doch niemals zum Aufstellen 
von Zugtheilen dienen werden, so erscheint das Zurückgehen auf 
das Miuimalmaass von 8,5™ hier aus anfänglich erwähntem 
Grunde nicht weiter nachtheilig. 

Eine sehr vortbeilbafte Eigenschaft haben ferner bekannter- 
m aassen die halben englischen Weichen in einem Gleiseriaar, 



demnächst die dreithciligu Weiche. Das Zusammenlaufen 
dreier Gleise jedoch in genau sin uud demselben Punkt l&sst 
keine Kurveiicntwickclung zu. die für andere als wirkliche Neben- 
gleise brauchbar erscheinen könnte, uud wird mau daher lieber 
zu der ausciuandergezogenen Doppelwek'be greifen, welche mit- 
tels Durchkreuzung zweier einfacher, an getrennter 
Stelle ans dem grade n Strange ausgehender Weicheu gebildet 
ist. Bei geeigneter Anlage vermeidet dieselbe die Nachtheile 
der ersteren, hauptsächlich das Gegenüberliegen zweier llcrz- 
stücke, und erscheint zu ausgedehnter Anwendung Behufs Ent- 
wickeln von Wcichenstraascn brauchbar. In Figur 2 ist eine Kon- 
struktion derselben dargestellt, welcher die Bedingung zu Grunde 
liegt , dass die Aufeinanderfolge der ersten beiden Herzstücke 
in einer Eutfcrnuug von nicht unter 5 Meter geschehen soll, 
um nicht beide Axcn eines und desselben Wagens gleichzeitig 
einer einseitigen Führung der Radkränze auszusetzen. Zu dem 
Ende ist der Abgang der Kurve einerseits mit 380, andererseits 
mit 190 Meter Radius koustruirt, wobei sich die äusseren Herx- 
stück-Winkel in der GrftBse von 1:11 und 1 : 9 ergeben und bei 
Wiederholung der Anlage in einer durchgehenden Wcicben- 

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- 401 — 



Strasse, Fig. 3, die Aufeinanderfolge d?r Ausmündungcn nach 
ein und derselben Seite bin in Entfernungen von p. p. 40 Meter 
stattfinden kauu. Dadurch ergeben sich die Gleiswciteu der 
einen Seite von vorn berein tu 4.4 Meter, während auf der 
andern Seite da« Minimalmaass von 3,<> Meter entstellt und 
durch »eitere Verschiebungen gleichfalls auf ein grösseres Maas« 
gebracht werden kann, z. H. auf 4 Meter oder mehr. Es erfordert 
daher in einer solchen Weichenstrasse die Verkeilung nach 
beiderseitig ausmündenden Parallelgleisen uiebt mehr Längen- 
eutwickcluug, als die Ausmündung nur nach einer Seite hin, wenn 
man von dem meist nur zweifelhaften Nutzen gewährenden Ver- 
fahren, die Weichenstrasse steiler zu stellen als die Herrstück- 
winkel, hier ganz absehen will. Durch derartige parallele Gleise- 
Verschiebungen, wie diejenige in Fig. 1, werden allerdings neue 
Krümmungen in die Bahnhofsgleisc eingeführt, welche aber be- 
liebig sanft ausgerundet werden können und gegenüber den- 
jenigen Krümmungen, die meistens ein längerer raugireuder Zug 
in einem komplizirten Weichennetz zu überwinden hat, (bei 
mangelhaft angelegten Weichen bis zu 100 Meter Kadius faktisch 
herunter gehend) nicht in Betracht kommen können. Ausserdem 
sind durch das Sammeln der sonst überall zerstreut liegenden 
einzelnen Weichenzüge in durchgehende Strassen die Bahuhofs- 
gleise unabhängiger geworden und der Verschiebung fähig. 

Die Anordnung 1' ig. 3 dagegen, welche eewissermaassen die 
Verschmelzung zweier gewöhnlichen Weiche nstrassen 
darstellt, dürfte eine vermehrte Anwendung da verdienen, wo 
es bei einer Güter-Verladestation auf ein detaillirtes Sortiren 
von Rohprodukten, sowohl der Qualität wie den Bestimmungs- 
orten nach, ankommt. Auf den Kohlengruben-Stationen 
werden unter ein uud derselben Siebvorrichtung, der sogenann- 
ten Rätteranlage, neuerdings meist drei Sorten Kohlen ver- 
laden, die Fbrder-, Stück- und tirieskohle, für welche die ein- 
zelnen zum Theil vorher desiguirteu Wagen aus 2, 3 oder 
mehren Standgleisen in jedes der genannten 3 Ladegleise über- 
gehen müssen. Man bewirkte daher bekanntlich anfänglich die 
Anlage der Ludestationcu nur mit Hülfe von Schiebebühnen 
und Drehscheiben, welche allerdings die Möglichkeit der ge- 
nannten Vertbeilung am weitesten ausdehnen und den Kreis- 
lauf, deu die Kohlenwagen aus dem llauptgleise durch die Auf- 
stellung -, Lade- und Zugformiiuugsgleisc zurückzulegen haben, 
kurz uud übersichtlich gestalten lassen. Allein beide Vorrich- 
tungen zeigen sich einer so permanenten Benutzung nicht immer 
gewachsen und erfordern wegen rascher Abnutzung und Wider- 
stand gegen die Auffahrt der Wageu hohe Betriebskosten und 
lange Verladczeiten, weswegen man mehr uud mehr darauf ge- 
führt wurde, dieselben wieder durch die einfachste und billigste 
Konstruktion, diejenige der Weiche, zu ersetzen. 

Es ergab sich durch ausschliessliche Einführung der letzteren 
zunächst die symmetrische langgestreckte Statiuusauhige, bei 
welcher der Beschwerlichkeit, dass lange Gleisestrecken von den 
mittels Menschen- oder Pfurdekraft bewegten Wagen zurückgelegt 
werden müssen, durch Anwendung von Zwischengefälleu begeg- 
net wurde. Immerhin aber erlauben die gewöhnlichetkWeichenarteu 
und auch die englische Weiche nur eine beschränkte Vertbei- 
lung, letztere nur von 2 in je 2 Gleise, während die l'ebersicht- 
lichkeit im Vergleich mit derjenigen des erstgenannten Kreis- 
laufs ebenfalls eine geringere wird. Es treten ausserdem für 
die in engen Gebirgsthälern aufzuschliessenden Fördcrpuukte 
Aufgaben heran, bei welchen es darauf ankommt, nicht allzu- 
lange Horizontalen und Graden zum Anschluss einer durch- 
gehenden Linie oder einer Zweigbahn an letztere verwenden zu 
müssen, vielmehr einem gegebenen Schachtpuukte mit scharfer 
Krümmung und Steigung sich möglichst unmittelbar zu nähern, 
und stellt Fig. 4 eine solche Lösung dar, sowohl als Kopfstation 
für das mit </ bezeichnete HauptgfeiKe, wie lür beiderseitigen | 
Verkehr mit der Gleisefortsetzung anzuwenden. Der von links 
kommende leere Kohlcuzug fährt ein in da* Uauptglcise d, 
worauf die Maschiue mittels des Gleises r sich hinter den Zug 
setzt und denselben je nach der Länge in 2 bis 3 Theilen in 
die Standgleise a drückt. In deu Gleisen r stehen die he - 
ladenen Wagen bereit, welche die Maschiue, nachdem sie 
gedreht hat, herauszieht und im Gleise </ zum neuen Zuge zu- 
sammensetzt. Durch abermaliges Pussire u des Wechsclgleises e 
gelangt die Locomotive vor letzteren Zug und fährt nach links 
ab. Ks leuchtet ein, dass die Richtung nach rechts über 
Gleise d> ein noch einfacheres Rangiren gestattet , da das Um- 
setzen der Maschine im Gleise « beidemal erspart wird. Die 
Bewegung der leeren Wageu aus dem Gleise « durch die Rätter- 
anlage nach e bin geschieht mittels der Hand oder mit Pferden, 
und ist zur Erleichterung des Geschäfts eine Gefällevertheilung 
gedacht, wie sie das Längen -Nivillemcnt Fig. 4 darstellt Hie 
aus einer Aufeinanderfolge von Weichen der Fig. 2 u. 3 ge- 
bildete Weichenstrasse jenseits des Rätters enthält als Spitze die 
Zentesimal waage zum Wiegen der beladenen Wageu, und ist 
wegen des so wie so nothwendigen Haltens der Wageu auf der- 
selben die nunmehr erfolgende Umkehr der Richtung der 
letzteren nicht als ein besonderer Nachtheil der vorliegenden 
Anlage zu erachten, (wie es allerdings gegegenüber der sym- 
metrischen Anlage sein würde, wenn ein solches Anhalten jedes 
Wagens nicht stattzufinden hätte). Dahingegen erspart diese 
Umkehr die nochmalige in symmetrischer Weise auf der linken 
Seite zu wiederholende Lage der rechtsseitigen Glcisgruppe a' 
und bringt ciuu wesentliche Verkürzung des Ganzen hervor. 
Offenbar wird anderseits die Wirkung der Lmkehrstrasse abge- 
schwächt, wenn aus sämmtlichcn Gleisen b die Fahrzeuge erst 
die Waage aa der Spitze paasiren müssen, und kann mau daher 



I die letztere auch mit 3 facher Wiegeplatte in die Gleise l> legen, 
wie nunktirt angedeutet ist Allein auch in der ersteren Lage 
der Waage behält die Weichenstrasse den Vorzug gegen eine 
punktirt angegebene Zusammenziehung der Gleise <• unter sich, 
wegen der eintretenden Verkürzung der letzteren und Notwen- 
digkeit, die ganze Anlage dann wieder nach rechts hin ver- 
längern zu müssen. Will man zum Aufsammeln einer grösseren 
Anzahl leerer Wogen die Zahl der Reservegleise vermehren, so 
geschieht dies am Kesten durch Vergrößerung der Gleisegmppc «, 
und dürfte es möglichst zu vermeiden sein, den Platz durch 
Verlängerung der eigentlichen Arbeitsgleise: 6 oder e gewinnen 
zu wolleu. Vielmehr wird man die Gleise, auf welchen die Be- 
wegung der Wagen ohne Maschinenkraft stattfindet, immer nur 
auf die Maximalläuge eines Zuges zu bemessen suchen, um un- 
nöthig zu durchlaufende Wege hierbei vor Allem zu vermeiden. 
Auf Ansammlung von belade n eu Wagen und hierzu nöthige 
Vergrösseruug der Gruppe e braucht wohl nicht reflektirt zu 
werden, uud würde aus diesem Grunde eine etwa aus anderen 
Gründen beliebte Vmkehrung der Richtung des Wagen-Kreis- 
laufs aus deu Leergleisen r in die beladenen a, welche man 
unter Abändern der Gefällevertheilung bewirken könnte, weniger 
zweckmässig erscheinen, da die Glciscgruppe <* die der Aus- 
dehnung fähigere ist. Neuerdings ist aber bekanntlich die Mög- 
lichkeiten Zeiten der Verkehrsstockung, des Warenmangels ete. 
die Förderkohle in grossen Massen aufstapeln uud später ohne, 
nochmalige grössere Zwischentransporte in Züge bringen zu 
können, als besonders wichtig hervorgetreten, uud dient hierzu 
ein in erösserer Ausdehnung anzulegendes, in der Höhe mit der 
Schachtmündung fortzuführendes Plateau, die Kohlenhalde, 
mit langer Sturzmauer und unterhalb der letztem liegendem 
Ladegleise /, welches einen besonderen Zug ganz oder etwa in 2 
Theilen aufnehmen kann. 

In Fig. 5 ist eine zweite Kohlenstation, gleichzeitig 
für Personen- und Güterverkehr eingerichtet, dargestellt, welche 
anderen Verhältnissen der Situation uuterliegt. Die Bahn kann 
sich hier dem Fördersehacht nur bis zu einer gewissen Entfer- 
nung nähern, ohne dass letztere gross genug wäre, um eine 
vollständige Trennung der Gleiseanlage nothwendig zu machen. 
Es ergiebt sich dadurch eine mehr rechtwinklige Richtung der 
Grubenanlage zur ersteren, sowie die Einführung des leeren an- 
kommenden Zuges iu die Geleise a vor Kouf derselben an- 
statt, wie bei der Figur 4, seitwärts mit Hülfe der dortigeu 
Geleise-Einziehung. Eine solche Gleisezusammeuziehung, welche 
bei Figur 4 gleichzeitig zum Einlegen der zum Wiegen der 
leeren Wagen bestimmten gemeinschaftlichen Zentesimalwaage « 
i und der Vertheiluugsweichen diente und die man andernfalls bei 
! eiuer Anlage wie Figur 5 mit Hülfe zweier, mit den Spitzeu 
gegeneinander gekehrten dreifachen Weichensysteme am einfach- 
sten bilden konnte, würde offenbar hier zu viel Platz kosten, 
und ist für die Anbringung der Waage nicht unentbehrlich, da 
man letztere mit dreifacher Wicgeplatto anlegen kann. Es 
kommt also nun noch darauf an, in den durchgehenden 3 Ge- 
leisen eine anderweitige Vertbeilungsvorrichtung anzubringen, 
und erscheint hierzu wiederum die droithoilige Weiche, in 2 
sich durch kreuze ii den Systemen, brauchbar, wie in Fig. 5 
im Detail dargestellt. Die Vertbeilung aus 3 in ie 3 Gleise 
ergiebt (-ich hier nicht c§z so vollständig wie in Fig. 4, allein 
bei der grossen Lätigc der Stellungegleise u werden für ge- 
wöhnlich die beiden ersten für den ankommenden Leerzug aus- 
reichen, so dass das dritte Gleise tt mehr als Reservegeleis f 
und zeitweise zum Laden an der Halde dienen wird. Die Ge- 
leise der Gruppe tt Ii können wegen der in derselben liegenden 
\\ iege- und lCättervorriehtuugen nicht von der Lokomotive nas- 
sirt werden, und müssen daher sämuitlicbc Züge, auch die kür- 
zeren, zunächst ganz ebenso wie in Fig. 4 in das llauptgeleise 
d einfahren, um von dort mittels des Ausziebstrangs * in 
Gruppe a zurückgesetzt zu werden. Ebenso geschieht das Zu- 
sammensetzen der in Gruppe c stehenden beladenen Zugtheile 
mittels Ausziehens aus dem Strange, d im Hauptgeleise, da in 
Folge der im Gebirgsterrain sich unmittelbar au deu Bahnhof 
anschliessenden starken Steigungen ein direktes Aus- und Ein- 
fahren in die eigentlichen Arbeitsgeleise im Allgemeinen nicht 
zu machen sein wird. Aus diesem Grunde würde die Verlegung 
des Ausfahrtsgeleises d in die Lage rf 1 , welche mau bei günsti- 
gem Terrain wählen könnte, oder die Wiederholung desselben 
an dieser Stelle weniger Nutzen haben, als es anfänglich schei- 
nen möchte, und letztere hauptsächlich dem gemischten Güter- 
und Kohlenverkehr dienen, im Uebrigen aber diese Verlegung 
der Ausfahrt für die Anlage uud Vertbeilung der Zwischen- 
gefälle, wie sie das Längeu-Nivellemeut Fig. l> darstellt, aller- 
dings günstiger erscheinen, da das Gecengefälle im Gleise d 
selbst vermieden, slatt dessen ein solches von 1 : 400 iu die 
Hauptgleise gelegt werden könnte. 

Derartige Ijtdestatimien erfordern für sich allein etwa 300O 
laufende Meter Gleise und in Verbindung mit Persouen- und 
Güterstationen bis 4. r iOQ m , und kommen dem Bedarf der sym- 
metrischen langgestreckten Anlagen ziemlich gleich, während sie 
die mittels Diebscheiben und Schiebebühnen bewirkten älteren 
Aulugen, soweit durchschnittlich Ermittelungen augestellt werden 
konnten, ebenfalls weder an Gleiseverwendung noch au Längen- 
eutwickclung zu übertreffen scheinen, vielmehr oft noch Erspa- 
rung au beiden zeigen. Demnach erleidet, was mehr in Betracht 
kommt als die Frage der Anlagekosten, der geschilderte Wugen- 
Krcislauf durch die Verwendung der Vertheilungs- Weichen keine 
besondere Verlängerung im Vergleich zu der Anordnung mittels 
Schiebebühnen und Drehscheiben. Vieregge. 



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Architektenverein zu Berlin. Versammlung am 30. No- 
vember 1872; Vorsitzender Herr Quassowski, anwesend 150 
Mitglieder und 7 Gäste. 

llr. Scndlor theilt unter Vorzeigung bezüglicher Probe- 
stücke und Vorführung zahlreicher Experimente das Resultat 
umfangreicher Versuche mit, die er in Betreff der praktischen 
Verwendbarkeit der verschiedenen Gasbrenner veranstaltet hat. 
Wir werden dorn Vortrage einen besonderen Artikel widmen, 
/.um Schluss zeigt derselbe den von Professor KHnkcrfues in 
Güttingen erfundenen elektrischen Apparat zum Anzünden von 
Glasflammen vor und crlfiutert die Anwendung desselben. 

Hr. Häscckc theilt mit, das* eine derartige Einrichtung 
von der hiesigeu Firma Keiser A Schmidt im Sitzungssaal« dt-s 
Preussischeu Abgeordnetenhauses ausgeführt worden sei, und 
schlagt vor, dass der Verein sie dort in ihrer Wirkung iu Au- 
genschein nehmen möge. 

Zum Schluss erfolgt die Beantwortung der im Fragekasten 
enthaltenen Fragen. Die in Aussicht genommeue Diskussion 
über die Wohnungsnoth wird der vorgeschrittenen Zeit wegen 
für diesmal vertagt. — F. — 

Vermischtes. • 

Wasserstands-Beobaohtungen in Travemünde und Lü- 
beck bei der Sturmfluth am 13. November 1872. 

Im Anschluss an die in letzter Nummer mitgethcilten 
Wasserstands-Beobachtungen in Warnemünde und Kostock dürfte 
es für die Fachgenossen interessant sein, die Wirkungen der 

f rossen Sturmfluth vom 13. November auch in den benachbarten 
Ulfen Travemünde und Lübeck kennen zu lernen- Ein Blick 
auf die Karte zeigt, dass die Lübeckor Bucht sowohl, als die 
direkt nach Ost und Nordost gerichtete Küste Schleswig-Hol- 
steins der Gewalt des Nordoststurmes viel mehr ausgesetzt 
gewesen sein niuss, als die mehr nach Nordwesten streichende, 
theilweise durch die Insel Küpen, die Insel Zingst und die 
Halbinsel Darss geschützte Mecklenburgische Küste. In Folge 
dieses Unterschiedes in der geographischen Lage ist auch der 
Anprall der Wogen in der Lübecker Bucht viel heftiger gewe- 
sen, als in der Mündung der Warnow; wenigstens durfte dies 
aus dem grösseren Ansteigen des Secwaisers gefolgert werden 
können. 

Auch in Travemünde und Lübeck sind feste Hochwasser- 
marken vorhanden, welche in jedem Falle den Mittheilungen 
alter Chroniken mit ihren nicht nachmessbaren Höhenangaben 
vorzuziehen sind. Unsere Älteste Hochwassermarke besteht in 
einem am Amtsbausc in Travemünde eingemauerten Stein mit 
folgender Inschrift: „Anno 1625 d. 10. Febr. Hatt Dat Water 
So Höh Gestan Undcr dissen Stein." Der Tag ist derselbe, an 
welchem auch iu Rostock das Hochwasser roarkirt ist. aber 
wenn dort die Fluth vom 13- Novbr. d. J. 0,6H m unter der cr- 
wShntcn Marke geblieben ist, so ist das Wasser in Travemünde 
0,32™ höher gestiegen als 1623. 

Die iu Lübeck gemachten Beobachtungen bestätigen dieses 
Resultat. Auch hier bestehen von li;2.'>, 1694, 183G und 1867 
zuverlässige Hochwassermarken. QSklcich Lübeck auf dem 
Wasserwege gemessen über 3 McilenTou der See entfernt liegt, 
stieg doch die Fluthwclle hier zu einer in historisch beglaubig- 
ter Zeit noch nicht dagewesenen Höhe, indem der bekannte 
höchste Wasserstand vom 10. und 11. Januar 16i>4 (welcher nur 
2*» höher war, als der von 1625,) noch um 0,545 ■ übertreffen 
wurde. Dieser höchste Stand wurde beobachtet am 13. Novbr. 
gegen 2 Uhr Nachmittags; um diese Zeit drehte sich der Wind 
und das Wasser begann rasch zu fallen, und zwar von 4 Uhr 
Nachmittags bis 10 Uhr Abends um 1,05»» und wahrend der 
Nacht bis zum 14. Novbr. um 8 Uhr Morgens um weitere 1,15«". 

Krieg. 

Konkurrenzen. 

Die Eröffnung einer Konkurrenz für ein in Bremen zu 
erriohtendes Krieger-Denkmal, welche in mchreu Blättern irr- 
tbümlich als bereits geschehen angekündigt worden war, ist nun- 
mehr mittels Bekanntmachung der betreffenden Deputation vom 
24. Nov. d. J. und mit dem Scbluss-Terruinc des 15. Marz künf- 
tigen Jahres erfolgt Die in Aussicht genommene und unbe- 
dingt einzuhaltende Bau-Summe von 20,000 Thlrn. ist allerdings 
keine sehr hohe, eröffnet der künstlerischen Erfindung jedoch 
immer noch ein weiteres Gebiet, als in den meisten der anderen 
änhlichen Falle. Die Wahl zwischen einem plastischen und einem 
architektonischen Monumente ist freigestellt. Das Preisgericht 
wird durch die Hrn. Professor Drake zu Berlin, Dr. Hettner 
zu Dresden und Oberbaurath Schröder zu Bremen, also durch 
einen Bildbauer, einen Kunstgelehrten und einen Architekten 
gebildet. Die beiden Preise sind auf 1000 und 750 Mark Reicba- 
währung normirt. 



är Entwürfe zu einem Denkmale 
für Peter von CornoUns zu Düsseldorf ist von einem dorti- 
gen Komite ausgeschrieben. Wir erwähnen derselben nur bei- 
läufig, da die Forderung, dass der iu Modcllskizze zu liefernde 
Entwurf iu einer Statue von Peter von Cornelius seinen wesent- 
lichsten Bestandteil haben soll, die Betheiligung von Archi- 
tekten für sich allein ausschliesst 



Personal- Nachrichten. 

Ernannt; Der Bau -Inspektor Klein zu Breslau zum Ober- 
Bau -Inspektor bei der Knnigl. Regierung in Oppeln. Der We- 
gebau-Kondukteur Reissner zu Syke zum Landbaumeister 
und technischen Hilfsarbeiter bei der Kgl. Landdrostei in Han- 
nover. 

Versetzt: der Regierungs- und Baurath Assmann zu 
Berlin an das Regierungs - Kollegium nach Cassel. Der Bau- 
Inspektor Haege zu Arnsberg Dach Siegen. 

In den Ruhestand treten am 1. Januar: der Bau- 
Inspektor Arens zu Soltau. Der Regierungs- und Baurath 
Kronenberg zu Oppeln. Der Baurath Nordtmcyer zu Eis- 
leben. Der Baurath Rathsam zu Magdeburg. 

Die Baumeister-Prüfung haben am 27. und 30. No- 
vember er. bestanden: Bauführer Otto Wilhelm Junker aus 
Tangermünde. Arthur Schlemm aus Fallersleben, Landdrostei 
Lüneburg. 

Die B auf ührer - Prüf ung haben bestanden am 25. 2C. 
und 27- November er: Mai Boettcher aus Berlin. Alfred 
Schellenberg aus Usingen. Bernhard Schaum aus Gross- 
Umstadt, Grossh. Hessen. Feldmesser Carl Heck hoff aus 
a bei Mülheim a. d. Ruhr. 



Brief- und Fragekasten. 

Hrn. N. in Pilsen. Wie wir vermuthen, meinen Sie die 
dem Kreisbaumeister Ritter in Trier patentirtc Methode der 
Glockenauf häugung. Sic wenden sich dieserhalb am Besten 
direkt an den Erfinder. 

Herrn R. in Frankfurt a. M. Zum Betriebe der be- 
treffenden Schleiferei wird sich die Ueiss-Luft-Maschinc (Luft- 
expansions-Maschine) nach Lehmann's Patent recht gut eignen 
und ist bekannt, dass Besitzer, welche diesen Motor nicht nach- 
lässig behandeln lassen, sehr zufrieden damit sind. Die Mi- 
schinen werden gefertigt von der Berlin- Anhaltischen Maschi- 
nenbau-Aktiengesellschaft in Berlin-Moabit. 

Herrn N. in Conitz. Wir haben ihre Anfrage einem be- 
währten Fachmann vorgelegt und darauf folgende Antwort er- 
halten: 

„Spezielle Nachweisungen über Glasfabrikation mit Anwen- 
dung von Torfgasen stehen mir momentan nicht zur Verfügung. 
Irre ich nicht, so sind die Glashütten bei Usez (in Schneide- 
mühl), J. Hof! gehörend, dazu eingerichtet und damit betrieben. 
Sehr gut<?r Torfgasbetrieb — allerdings nicht für Glasfabrikatiou 
sondern zum Schweissen von Eisen — ist vorhanden in der 
Schmiederei der Aktien-Gesellschaft für Mascbinenfabrikation. 
früher L. Schwartzkopff in Berlin. Als Ingenieure für diese 
Branche sind zu nennen: 

Ferdinand Steinmann, Civ.-lng. in Dresden, (hat in 1868 u. 
C9 bei J. (1. Engelhardt in Freiberg Veröffentlichung über 
Glasöfen njit"Regenerator bewirkt); 

Julius Helff, Dirigent der Glashüttenwerke in .. 
bei Bieberich, (hat Bayrisches Patent vom 7. Mai 1867 
Schmelzofen mit Gasfeuerung). 

Berlin, 1. Dezember 1872. 

Ew. Fr. ScholL Civ.-lng." 
Warnung. Von mehren Seiten werden wir aufgefordert, 
an dieser Stelle vor einer Persönlichkeit zu warnen, die unter 
dem Namen eines Baumeister F. und unter dem Vorgeben bei 
einer Bahnverwaltung (Hannoversche oder Westfälische Bshn) 
eugagirt zu sein, die räch genossen verschiedener Städte Nord- 
deutscblands in Form von Noth- Anleihen gebrandschatzt hat. 




die der Betreffende zu seiner Legitimation vorgezeigt bat, eben- 
falls gefälscht waren, Hess sich nicht ermitteln. — Wir könneo 
Allen, die es sich nicht versagen wollen, gelegentlich einem auf 
unverschuldete Weise in wirkliche Ilülfshedürftigkeit gcraUie-aen 
Fachgenossen ihre Unterstützung zu gewähren — nach unserer 
persönlichen Erfahrung sind namentlich Oesterreichcr, die aus 
einem fernen Engagement krankheitshalber iu die Heimat zu- 
rückkehrten, öfter in solcher Lage gewesen — nur auf das Drin- 
gendste rathen, sich durch kein falsches Zartgefühl davon ab- 
halten zu lassen, von den Bittstellern die Vorzeigung einer 
wirklichen Legitimation zu verlangen. Schwindler, deren 
bestes Kennzeichen die Gewandheit ist, mit der sie in so deli 
kater Lage sich zu benehmen wissen, werden auf ein derartiges 
Ansuchen sich meist sehr bald unter dem Ausdrucke einer treff- 
lich gespielten Eutrüstung entfernen. 

Hrn. P. in Sprcmberg. Wie Hr. Reg.- u. Baurath Ass- 
mann gelegentlich seiues am 23. Nov. im Berliner Architekten- 
verein gehaltenen Vortrages mittheilte, steht die Verlegung des 
bei Moabit belegenen Pulver-Magazins bevor und ist das Terrain 
desselben bereits zur Bebauung durch eine Gesellschaft in Aus- 
sicht genommen. 

Hrn. S. in Würzburg. Von einer Strassen - Walze mit 
Pferdebetrieb, welche ohne Drehung und ohne Umspannen der 
Pferde vorwärts und rückwärts walzen kann, ist uns nichts be- 
kannt Sollte den betreffenden Zwecken einer grösseren Korn- 
muDe die iu No. 17 d. laufd. Jhrgs. u. Bl. abgebildete und be- 
schriehene Dampfstrassenwalze nicht besser entsprechen? 



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Dr«k Q. 



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Jahrg. TL 



M 50. 



DEUTSCHE BAUZEITUNG 



Kedaktloa a. Itp«ditioeu 
«erlln, OrMKattrMee 1*1. 



Organ des Verbandes 

deutscher Architekten - und Ingenieur-Vereine. 

Redakteur X. £. 0. Fritsch, 



In ••rat* 

f.r die UM 4« I 
»l*llooi indes t 
la 4er Crtlü-BeUite: 
„Bau- Anzeiger" 

Isierauuprtli: »Vi lfl pn 



Preis 1 Tkaler »r. Quartal. 


Berlin, den 14. Dezember 1872. 


Erscheint Jede*- Stirnabern!. 


Inh.lt: Dm rr.ue.l« B . 8i«t.b«w«, n . (Fort««...»), - Der B.i»hof 

■u Htu.over. - Der Br»„<l | n Bom.i.. - El« in«™»«,, tu 8lMn»rt..V<.r«M«.ii. 
— Mlttheilungen tu, Vereinte: Architekten- and Ingenieur- Verein tu Uu- 
norei. — Verein /ür Eleenbthnkunde in Berlin. — Ottpreiutlirher Ingenieur- und 


Arel.ltee.wn -Verein. — Architekten - Verein in Berlin. — Ane der fick- 
lltterelur: E. Hlldebrtndt't AqmreJIt der Bebe um die Erde. — Vernltoa- 
tee: \erbeuerter Extinkteur. - Konkurrenten; Für Entwürfe ta einem 
Kun. 1( „«rbKhnt«eMutle In Ptenhelui. - Periou.l.N.chrlcate» *te. 



Staats 

(Toruetiung). 

Das Bestehen der Bauführer-Prüfung, welche der Vor- 
schrift gemäss frühestens 4 Jahre nach bestandenem Abitu- 
nenten-Examen abgelegt werden kann, in Wirklichkeit aber 
durchschnittlich erst nach 4',i Jahren, also etwa im 24. oder 
25. Lebensjahre des Aspiranten abgelegt wird, eröffnet die- 
sem den Eintritt in die wirkliche Praxis des Bauens, 
bs ist Bedingung für die Zulassung zur Banmeister-Prüfung, 
dass der Bauführer zwei Jahre lang als solcher unter der 
Leitung von Königlichen Baubeamten oder von Baumeistern, 
welche du? Prüfung für den Staatsdienst abgelegt haben, be- 
schäftigt war, und zwar müssen von dieser Zeit mindestens 
12 Monate dem Dienste auf Baustellen gewidmet sein, die 
übrige Zeit kann auf Beschäftigung mit Bureau- oder solchen 
reldmesser- Arbeiten, welche zu Bau- Ausführungen erfordert 
werden, verwendet sein. 

Soweit der Staat selbst die Dienste der von ihm aus- 
gebildeten und geprüften Bauführer in Ansprach nimmt, ver- 
tilgt er hierbei den Zweck, ihnen die für ihren Beruf erfor- 
derliche praktische Ausbildung zu gewahren, nur in 
nebensächlicher Weise; maassgehend ist vielmehr ledig- 
lich das Bedürtniss der Verwaltung. Die Regierung 
hat sich das Recht vorbehalten, ihre Bauführer und (wie wir 
nutuipirend bemerken) die noch nicht zur definitiven Anstel- 
lung gelangten Baumeister für ihre Zwecke zu beschäftigen, 
und ahndet den Ungehorsam gegen eine in dieser Beziehung 
erlassene Anweisung mit dem Ausschluss von der Baumeister- 
Prüfung, beziehungsweise der Anstellung im Staatsdienste: 
aber sie hat sich nicht die Pflicht auferlegt, ihren jünge- 
ren Bnuteehuikern Gelegenheit zu solcher Beschäftigung zu 
bieten. Bauführer und Baumeister finden in der Staatsver- 
waltung vielmehr nur soweit kommissarische Verwendung, 
;ils fiskalische Bauten ausgeführt werden, bei denen eine 
technische Spezial-Anfsicht unentbehrlich ist. beziehungsweise 
als die augenblickliche Arbeitslast einzelner Baubeamten eine 
technische Hülfe erfordert. Aus dieser stets durch das direkte 
Interesse des Staates bedingten Art der Beschäftigung moti- 
virt es sich von selbst, dass die betreffenden Dienste der 
Bauführer nicht unentgeltlich beansprucht, sondern aus den 
l onds der Bau-Ausführungen etc. in Form einer Besoldung 
nach Diäten honorirt werden; allerdings ein stark ins Gewicht 
tallender, von den Aspiranten des Justiz- und Verwaltungs- 
dienstes vielfach beneideter Vorzug unseres Facha, dem wohl 
in erster Linie der starke Zudrang zugeschrieben werden 
inuss den dasselbe seit geraumer Zeit aufzuweisen hat. 

In älterer Zeit, als die Bautätigkeit des Preussischen 
Maates eine verhältnissmässig sehr schwache war, überstieg 
das Angebot die Nachfrage, d. h. die Zahl der vorhandenen 
Bauführer den Bedarf an solchen nm ein Namhaftes, so dass 
es diesen nicht allein freigestellt wurde, ob sie im Staats- 
oder Pnyatdienste sich beschäftigen lassen wollten, sondern 
s>'gar oblag, eine Gelegenheit znr Beschäftigung im Staats- 
dienste selbst zu erkunden; bei besonderem Missgeschick, 
zumal wenn auch die Privat-BautbStigkeit stockte, ist es wohl 
vorgekommen, dass Bauführer Monate lang ohne Stelle waren 
und diese Zeit- einbüssen raussten. Der Staat begnügte sich, 
talls iiur die Form der alljährlichen Meldung erfüllt und später 
ein Zeugriiss über ein voischriftsraässiges Zeitmaass prak- 
tischer rekelt beigebracht wurde. Neuerdings haben sich 
die Verhältnisse trotz des vermehrten Zudranges zu den ban- 
technischen Studien so wesentlich verändert, dass es dem 
Staate nur mit Mühe gelingt, die zur Ausführung seiner Bauten 
und zur Ausarbeitung der bezüglichen Entwürfe erforder- 
lichen Hülfskräfte aus der Zahl der von ihm geprüften, zu 



einer Anstellnng im Staatsdienste sich vorbereitenden Tech- 
niker zu gewinnen. Jede Nummer des Anzeigeblattes der 
Deutschen Bauzeitung legt ja hiervon Zeuirniss ab. Um der 
Konkurrenz der in Bemessung der Diäten splendideren 
Privatgesellschaften begegnen zu können, hat die Behörde 
von ihrer bisherigen liberalen Praxis abgehen und zu dem 
Auskunftsmittel schreiten müssen, das dem Staate zustehende 
Anrecht auf die Dienste seiner Bauführer und Baumeister 
bereits unmittelbar nach deren Prüfung, erforderlichenfalls 
durch eine Vorenthaltung des Prüfungs-Zeugnisses geltend 
zu machen. — Es wirft ein drastisches Licht auf die in 
Folge der historischen Misstände eingewurzelte Verwirrung 
der Anschauungen innerhalb und ausserhalb unseres Faches, 
dass man diese Maassregeln in den Kreisen der davon Be- 
troffenen zum grössten Theile als einen verwerflichen und 
ungerechtfertigten Zwang, als einen Akt bnreaukratischer 
Willkür empfindet. Deutlicher und besser kann es wohl 
kaum bewiesen werden, dass man die Staatsprüfungen im 
Baufach auch nach Einführung der Gewerbefreiheit häufig 
nicht sowohl als die Vorstufen des wirklich beabsichtigten 
Eintritts in den Staatsdienst ansieht, sondern sie in erster 
Linie als ein der Mode gegenüber noch unentbehrliches 
Mittel zur Geltung vor dem Publikum auffasst, dessen man 
sich zu seinem eigentlichen Zwecke nur schlimmsten Falles, 
als Notbanker, zn bedieaen gedenkt! — 

An dieser Stelle handelt es sich darum, die Bedeutung 
und den Werth der Bauführer-Praxis als eines Gliedes in 
der Reihenfolge des den Preussischen Staats-Baubeamten 
auferlegten Ansbildungsganges zu würdigen. Je weniger wir 
im {stände waren, die vorangehenden Stadien desselben in 
ihrer Einrichtung und in ihren Erfolgen als zweckentspre- 
chend zu erachten, um so williger sind wir bereit, das Gute 
und Richtige, das in der Anordnung der praktischen Beschäf- 
tigung unsrer Bauführer enthalten ist, und die trefflichen 
Lrfo ge, welche sich aus derselben für ihre Ausbildung als 
lechniker ergeben, in vollem Umfange anzuerkennen. 

In Betreff des Systems an sich ist vor Allem die wahr- 
haft rationelle Ausnutzung der gegebenen Momente hervor- 
zuheben, mit welcher der Staat die technische Kraft seiner 
künftigen Baubeamten bereits für seine realen Zwecke er- 
giebig macht, während er ihnen gleichzeitig die vollkom- 
menste Gelegenheit giebt, diese Kraft zu schulen und zu 
Ii i?' • ist cl>nnso rationell, dass die ausschliessliche 
Beschäftigung der Bauführer im Staatsdienste trotzdem nicht 
obligatorisch gemacht ist, dass diesen vielmehr, sobald hier 
das Bedürfniss befriedigt ist und Gelegenheit zu instruktiver 
Beschäftigung fehlt, freigestellt bleibt, sich für ihre Ausbil- 
dung als praktische Techniker eine andere, günstigere Ge- 
legenheit zu suchen ; der Staat erzielt in diesem Fnlle ja 
'len möglichst grössten Gewinn und erspart die direkten 
sowie indirekten Kosten des Lehrgeldes. Man verfahrt in 
dieser Beziehuug trotz der augenblicklichen Noth noch immer 
mit nihmenswerther Liberalität, indem man nur die soeben 
geprüften, anderweit noch nicht engagirten Techniker zu 
Ii 06 ™ Bescnaf(, Kung bei Staatsbauten zwingt; Fälle, dass 
Hautührer ans einem bereits angetretenen Privat-Engageraent 
abberufen worden wären, zu welcher mehrfach in allgemeiner 
f orm angedrohten Maassregel der Staat zweifellos berech- 
net ist, sind uns nicht bekannt geworden, also wohl nur 
ganz ausnahmsweise vorgekommen. 

Man könnte gegen das augenblicklich beobachtete Ver- 



bei Auawahl der zur Besetzung der vakanten Stellen 
in der Staats -Bauverwaltung bestimmten Persönlichkeiten 
wohl nicht immer die genügende Rücksicht auf die indivi- 
duelle Begabung der Einzelnen genommen werden kann, so 
daas es wohl nicht selten eintreten dürfte, dasa der Eine 
oder der Andere in eine rar ihn nicht passende Fachrichtung 
gedrängt wird. Ein grosses Gewicht vermögen wir diesem 
Bedenken nicht beizumessen, da es einerseits unter den gegen- 
wartigen Zustanden des theoretischen Ansfoildungsganges in 
ler That bei sehr Vielen der jungen Bauführer noch nicht 

des Faches sie ihre Be- 



bel sehr V lelen der jungen 
dürfte, auf welchen Zweig d< 
iweist, und da andrerseits die 



gabung hinweist und da andrerseits die Motive, durch welche 
diese bei freiwilliger Anaahme eines Engagements sich be- 
stimmen lassen, wohl auch nicht immer jenes Moment ins 
Auge fassen, sondern sich zunächst auf Gründe materieller 
Natur — vor Allem auf die Höhe des Diätensatzes und den 
Ort der Beschäftigung — beziehen. Wenn die theoretische 
Ausbildung unserer Bauführer erst eine weniger oberfläch- 
liche und dilettantistisebe geworden sein wird, so dass zur 
Zeit ihrer Prüfung schon ein sicherer Scbluss auf die Art 
ihrer individuellen Begabung gezogen werden kann , wird 
sich jene Gefahr bei einsichtiger und sorgfältiger Leitung 
der betreffenden Auswahl, an der wir zu zweifeln nicht den 
mindesten Grund haben, in genügendem Maasse vermeiden 
lassen. Ja wir sind sogar offen genug einzugestehen, dass 
eine sanfte Bevormundung in der Anweisung praktischer Be- 
schäftigung gegenüber jenen äusserlichen Lockungen zuweilen 
sogar einen ausserordentlich günstigen und heilsamen Kin- 
fluss auf die künstlerische oder technische Entwicklung 
Einzelner ausüben könnte- Vor Allem den zu hervorragen- 
den künstlerischen Leistungen Berufenen dürfte nicht selten 
ein wesentlicher Dienst geschehen, wenn sie an eine Stelle 
gesetzt würden, wo sie in wirklicher Praxis des Bauens unter 
neuen, eigenartigen Bedingungen Gelegenheit zur selbststän- 
digen Entwickclung fanden, während gegenwärtig so manches 
vielversprechende Talent untergeht oder zum routinirten 
Atelier- Architekten verkümmert, weil es seine Kraft ent- 
weder gar nicht übt oder sie in unverantwortlicher Weise 
tum Zwecke blosser Zeichnerei ausnutzen lässt, während 
den Anforderungen eines Dienstes auf der Baustelle durch 
eine bedeutungslose Formalität nur zum Scheine genügt 
wird. • 

Der treffliche Einfluss, welchen die Beschäftigung wäh- 
rend der Bauführer-Zeit auf die technische Ausbildung des 
Einzelnen auszuüben vermag und bei den weitaus Meisten 
auch wirklich ausübt, ist ja in ganz überwiegendem Maasse 
auf die wirkliche Praxis in einer selbständigen und verant- 
wortlichen Stelle zurückzuführen. In einer Thätigkeit, welche 
die Kraft den bisher lediglich theoretisch gebildeten jungen 
Technikers in einer durchaus neuen, au bestimmte reale Be- 
dingungen und die mannigfachsten zufälligen Verhältnisse 
gebundenen Weise in Anspruch nimmt und daher zu neuen 
selbstständigen Aeusserungen herausfordert, welche ihn zwingt, 



das Bild auf dem Papier und die Ausführung desselben iu 
Wirklichkeit fortwährend in uumittelbare Beziehung zu 
.setzen — bei der Nöthiguug, das erlangte Wissen und Kön- 
nen, auf das sich der in isolirter Stellung befindliche Bau 
i führer allzuoft allein angewiesen sieht, nunmehr auch that- 
sächlich anzuwenden — in der Möglichkeit, die angelernten 
Kenntnisse durch eigene Erfahrung zu befestigen und zu er- 
weitern, erschliesst sich nicht Wenigen unter den Bauführern 
erst das wirkliche Verständniss eines Faches, das ihnen 
bisher lediglich ein Brotstudium war, dessen Bedingung 
erfüllt werden mussten; mit der Freude am Schaffen wfichst 
in einem gegen die bisherigen Fortschritte ganz unverbält- 
nissmässigen Grade die Fähigkeit des Schaffens und der 
Trieb nach Vervollkomunng des Wissens. 

Wohl die Meisten, mögen sie theoretisch tüchtig oder 
mangelhaft vorgebildet sein, stehen den neuen Verhältnissen 
zunächst ziemlich hülflos gegenüber, aber die ihnen aufer- 
legte Verantwortlichkeit, von welcher bei eiuer Beschäf- 
tigung in Ateliers und Büreaus natürlich kaum die Rede seiu 
kann, spornt sie um so energischer an, sich dasjenige, was 
ihnen zur Ausfüllung ihrer Stelle noch fehlt, in möglichst 
kurzer Zeit anzueignen. Nicht nur der vorgesetzte Baumeister 
allein, sondern mehr noch die Männer der eigentlichen Praxis, 
mit denen der junge Bauführer in Berührung kommt, Werk- 
meister und Unternehmer, Poliere und Schachtmeister sind 
es, bei denen er — möglichst unvermerkt — in die Lehre 
«reht und denen er nicht blos in Betreff mancher thatsäcli- 
lichen Erfahrung, sondern namentlich in Betreff gesunder 
praktischer Anschauung und eines sicheren praktischen Blicks 
nicht selten die nützlichst« Anleitung zu danken hat. Ja 
noch mehr, soweit die im Examen leicht zu verdeckenden 
Lücken, an welchen die theoretische Ausbildung der Mehrzahl 
leidet, die sich später in der Praxis fühlbar machen, wer- 
den sie häufig nicht allein durch die Praxis, sondern durch 
nachträgliche - ergänzende Studien, wenn auch stückweise 
ausgefüllt; es ist eben die Eigenschaft eines vorgeschrittenen 
Lebensalters und einer vorgeschrittenen Stufe allgemeiner 
Bildung, dass sie mechanisch und aus weitaussehenden Nütz- 
licbkeitsrücksichten nicht entfernt das zu lernen und noch 
das zu behalten vermögen, was sie zum Zwecke der 



nwendung^ auf einen konkreten Fall mit Leichtigkeit er- 



für alle Zeit unvertilgbar bewahren. 
So wird die Bauführerzeit für die Meisten nicht allein 
eine werthvolle Schule praktischer Erfahrung und technischer 
Uebung, sondern sie macht bei 
d.-r erfreulichen Begabung, welche 
sind, in Betreff Vieler auch die Schäden wieder gut, an 
welchen ihre Ausbildung in Folge der mangelhaften Einrich- 
tung der früheren Stufen zu leiden hatte. Selbstverständ- 
lich ist das immer nur bis zu einem gewissen Grade möglich, 
denn Lücken und Mängel der elementaren Grundansbil- 
dung, welche jugendliche Empfänglichkeit und eine auf sie 
allein gerichtete, unausgesetzte Uebung erfordert, lassen sieb. 



■er laknhef m lautrer. 



Wenn 



der Raum der Deutschen Bauzeitung für die Be- 
lokaler Interessen auch nur beschränkt ist, so hofft 
der Verfasser, für die nachstehenden Mittheilungen aus seiner 
Vaterstadt doch einige Spalten beanspruchen zu dürfen, da sie 
eine lokale Frage behandeln, die auch ausserhalb Hannovers 
und namentlich in Berlin grosses Interesse erregen dürfte. 

Hannover hat bekanntlich in den letzten Jahren vor und 
uach 18u; mehr als irgend eine andere Stadt Deutsch- 
lands an Umfang und Verkehr zugenommen. Die Verhältnisse 
sind hier bei einem monatlichen Zuzug von ca. 1000 Menschen 
fast amerikanische geworden. Was heute gebaut und mit enor- 
men Kosten angelegt wird, genügt schon oft nach Ablauf eines 
Jahres nicht mehr den steigenden aber berechtigten Ansprüchen. 
Nicht nur die Vergnügungslokale sind zu beschränkt geworden, 
sondern auch die Harkte und Strassen erweisen sich an vielen 
Stellen als zu eng. die öffentlichen Gebäude als zu klein, die 
öffentlichen Anstalten, namentlich die Verkehrs- Anstalten den 
Anforderungen als weitaus nicht gewachsen. 

In bedenklichster Art tritt dieses Verhältniss auf dem Ter- 
rain und In den Gebäuden der Staatsbahn zu Tage. Hannover 
baute in den vierziger Jahren an seiner damaligen nordöstlichen 
Auasenseite einen stolzen Bahnhof von ca. 350" Front, der in 
Deutschland seines Gleichen suchte und (wie in No. 47 d. Ztg. 
anerkannt) eine Zeit lang den Ruf eines Musterbaues beaass. 
Aber schon am Ende der fünfziger Jahre entsprach die Ans- 
ucht mehr dem gesteigerten Verkehr, 



nicht dem Güterverkehr. Man erwarb anliegendes 
so viel als nur möglich; die günstige Gelegenheit dazu 
war jedoch schon verpasst, da jenseits der Bahn bereits ein 
grosser Stadttheil, der sogen. Tivoli - Stadttheil erstanden war. 
Dieser ist heut zu etwa einem Viertel Hannovers angeschwollen 
■ die Im Niveau der 9tras»en liegende Eisenbahn scheidet 



dieses neue Viertel in lästigster Weise von dem alten Hannover 
ab. Es sind 6 bis 8 der gefährlichsten Passagen, welche den Ver- 
kehr vermitteln. 

Die schon lange vor 1866 auftauchenden Projekte zum L'm- 
beziehungsweise Neubau des Bahnhofes fanden 1863 zuerst Ge- 
stalt in dem von Bauinspektor Rasch erbauten Direktionsge- 
bäude, und weiter 1867 in mehren Konkurrenz-Arbeiten hanno- 
verscher Baubeamten, unter denen sich die von demselben Ar- 
chitekten entworfene durch Klarheit und den Verhältnissen 
Rechnung tragende Urossartigkeit auszeichnete. Das Projekt 
basirte auf Erhebung des ganzen, Hannover durchschneidenden 
Bahnkörpers um 1,75" über das Niveau der Strassen, die um ein 
Entsprechendes tiefer gelegt das Uebel der Passagen beseitigten. 
Der architektonische Aufbau des Bahnhofes stand wie der de* 
Direktionsgebäudes auf dem guten Grunde der hannoverschen 
Schule — vielleicht war das einer der Gründe, die an massge- 
bender Stelle in BerlüVfür die Verwerfung des Entwurfes ent- 
schieden. 

Die schliesslich« Losung der Frage, wie und von wem der 
menumentale Neubau des Empfangsgebäudes im Bahnhof Han- 
nover geschaffen werden sollte, ist bekannt Hannover erhielt 
ein von Berlin hnportirtes Muster moderner Renaissance- Archi- 
tektur, das in dem bereits zitirten Aufsatze in No. 47 d. Bl. 
trotz der offenkundigen Freundschaft des Verfassers für die«! 
Richtung mit einer Schärfe kritisirt ist, der wir unsererseits 
kaum etwas hinzuzufügen brauchen. — Die Bauthätigkeit au 
diesem Werke hat sich bis jetzt neben theilweisem Abbruch des 
alten Stationsgebäudes auf die Errichtung eines einzigen Flügels 
beschränkt Die ,19 Axen" desselben, welche in sinniger Ab- 
wechselung durch 27 Minerva-, 22 Merkurköpfe und 16 Eulen 
charakterisirt wurden, hat man in Hannover mit einer gewissen 
Ehrfurcht erstehen sehen — man war geduldig und wartete die 
Vollendung des in sich abgeschlossenen Baues ab. Desto ener- 
gischer erhob sich endlich der lang verhaltene Ausdruck der 
Entrüstung iu mündlicher und schriftlicher Kritik. Die Situs- 

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wie wir früher schon hervorhoben, in späterer Zeit nie- 
mals ersetzen. Wollte man Umfrage halten bei den Preussi- 
sehen Baumeistern : wir zweifeln nicht daran, daas die Mehr- 
zahl derselben es gern und willig anerkennen würde, das* 
sie den besten, den eigentlich werthvoUen und nutzbaren 
Theil ihres technischen Wissens wie ihre* Könnens nicht 
sowohl dem Studium auf der Bau-Akademie, als der Bau- 
führer-Praxis verdankt. 

Allerdings ist hierbei hervorzuheben, dass die in die- 
ser Zeit gewonnene Ausbildung grossentheils eine einsei- 
tige ist 

Wenn sie zunächst einseitig ist, indem sie sich fast aus- 
schliesslich auf denjenigen Zweig des Faches erstreckt, in 
welchem der Bauführer seine Beschäftigung gefunden hat, 
so ist das allerdings wohl kein Uebelstand zu nennen; es 
ist unter den bisherigen Zustanden vielmehr lediglich dieser 
Einseitigkeit zu danken, dass es noch immer einer verhält- 
nissmässig so grossen Zahl der Aspiranten des Preußischen 
Staats-Baudienstes gelungen ist und gelingt, des Dilettantis- 
mus, auf den die obligatorischen Studien-Einrichtungen hin- 
zielen, wenigstens nach einer Richtung hin Herr zu werden. 
Dass es nicht möglich und auch nicht nöthig ist von den 
Kaubeamten des Staates zu verlangen, dass sie für alle 
Zweige de« Bauwesens eine gleiche Befähigung besitzen 
sollen, wenn man sich eben nicht mit der Gleichheit der 
Mittel mäasigkeit oder gar der Unfähigkeit begnügeu will, ist 
glücklicherweise eine Krkenntniss, die sich im Laufe der 
letzten Jahre allgemein Bahn gebrochen hat, wenn man 
sich auch noch nicht entschlossen hat die vollen Konseqnen- 
zen derselben zu ziehen ; es werden wohl nur wenige ausser- 
gewöhnlich beschränkte Köpfe sein, in denen das Ideal einer 
.Vereinigung der Fächer" noch in dieser Form sich erhalten 
hat. Ein sehr wesentlicher Mangel, der gegenüber der bureau- 
kratischen Tendenz, welche im Uebrigen den Grundzug der 
Einrichtungen des Preussischen Staatsbauwesens bildet, im 
höchsten Grade auffallen inuss, ist es hingegen, dass die 
Art und Weise der Beschäftigung als Bauführer in den mei- 
sten Fällen auf eine einseitig technische Ausbildung 
gerichtet und nur in Bezug auf diese von Erfolg ist, während 
eine Ausbildung für den Dienst als Beamter ganz in 
den Hintergrund tritt oder überhaupt gar nicht stattfindet. 
Wir haben dieses seltsame Missverbältniss bereits in den 
allgemeinen Erörterungen, mit welchen wir diesen Abschnitt 
unserer Arbeit einleiteten, erwähnt und haben hier die Ver- 
pflichtung es etwas näher zu beleuchten. 

Mindestens drei Viertheile der späteren Thätigkeit des 
Lokal - Baubeamten , und zwar diejenigen , in welchen der 
Schwerpunkt seiner selbstständigen Wirksamkeit und sei- 
ner amtlichen Vertrauensstellung beruht und beruhen inuss, 
setzen sich aus den Geschäften des „kleinen Dienstes", 
ans Lokal - Untersuchungen und Revisionen, Verhandlungen, 
Berichten und Gutachten, Kosten -Uebersch lägen etc. zusam- 
men, während die Projektirung und Ausführung grösserer 



Banten in den meisten Baukreisen der Provinz sieht die 
Regel, sondern eine Ausnahme bildet. Es kann jungen 
Baumeistern, die sich vorwhriftsmässig einem nach aen 
höchsten idealen Zielen gerichteten theoretischen Ausbil- 
dungsgange unterworfen haben, wohl nicht verübelt werden, 
wenn sie für diesen Theil banbeamtlicher Thätigkeit nicht 
gerade Sympathien besitzen, sondern ziemlich geringschätzig 
auf ihn herab sehen. Trotzdem ist sicher nicht za leugnen, 
dass eine sachgemäß Erledigung jener Geschäfte, wie sie 
im Interesse des Staats und der betheiligten Privatpersonen 
erwünscht, beziehungsweise nothwendig ist, nicht allein 
an das technische Wissen nnd die Erfahrung, sondern vor 
Allem an die persönliche Umsicht, an das formale Geschick 
nnd die Geschäfts -Rontine des Beamten sehr häufig die 
höchsten Anforderungen stellt — Anforderungen, die nicht 
ohne Weiteres von Jedem in genügender Welse erfüllt wer- 
den können, sondern die verlangen, dass man sieh anf sie 
durch praktische Gebung und die Anleitung erfahrener Beam- 
ten ebenso vorbereitet hat, wie auf jede andere Art amt- 
licher Thätigkeit. 

In dieser Beziehung zeigen die Einrichtungen des für 
die Preussischen Baubeamten vorgeschriebenen Ausbildnngs- 
ganges eine Lücke, die sich später oft sehr empfindlich 
rächt. Es ist, wie wir bereits ausgesprochen haben, im 
Wesentlichen dem Zufalle anheimgegeben, ob nnd welche 
Vorbildung für die Formen und Bedingungen des amtlichen 
Dienstes die Baubeamten des Staates vor ihrer Anstellung 
erlangt haben. Ein Zufall ist es, wenn sie während des 
Elevcnjahre8 eine — wie wir nachgewiesen haben besten- 
falls nur sehr dürftige — Kenntniss jenes Dienstes erlangt 
haben; in dem Atelier eines Privatarchitekten, das in Betreff 
der anderweiten Momente für die Zwecke des Flevenjahrs 
noch die grössten Vorzüge gewährt, lernen sie hiervon jeden- 
falls so gut wie nichts. Ein sehr prekärer Zufall ist es, 
wenn sie aus den an der Bau -Akademie gehaltenen Vor- 
lesungen über Bauführung, Veranschlagung etc. (die übrigens 
in No. 49 nur in Folge eines Druckfehlers unter den Zwangs- 
kollegien angeführt sind), praktischen Nutzen schöpfen; der- 
artige Dinge kann man eben nicht aus Vorlesungen, sondern 
nur durch praktische Uebung lernen. Ein Zufall endlich ist 
es, wenn sie während der Bauführer-Praxis, die für jenen 
Zweck wohl zweifellos die geeignetste Lehrzeit ist, aus- 
reichende Gelegenheit zu solcher Uebung finden. 

Die Uebung in den auf der Baustelle erforderlichen Ge- 
schäften, auf welche die Meisten der diätarisrh t hutigen Bau- 
führer und Baumeister beschränkt bleiben, genügt hierzu 
noch keineswegs, ganz abgesehen davon, dass sie meist auf 
einen einzelnen Zweig der Verwaltung, von denen jeder seine 
besonderen Formen hat, sich bezieht; eine Beschäftigung im 
Büreau, die für gewöhnlich allein auf Zeichenarbeiten sich 
erstreckt, ist nicht obligatorisch. Bei einer Beschäftigung 
unter der Leitung geprüfter Baumeister, die nicht im Staats- 
dienste stehen^ dürfte jenes Moment noch weniger zur Gel- 



tion ist wühl genügend dadurch gekennzeichnet, dass sich auch 
nicht Eine Stimme zur Verteidigung des Bauwerks vernehmen 



Dass der Bau indessen in dieser Art ausgeführt wurde, 
dafür haben wir alle Ursache, den direkten und indirekten Ur- 
hebern desselben dankbar zu sein, nicht so sehr, weil die han- 
noversche Architektur-Schule in diesem Gegensätze nur gewin- 
nen kann, sondern weil aus der Besprechung über den Bau ein 
Moment in den Vordergrund getreten ist, das für Hannover von 
eminent grösserer Wichtigkeit ist — die von Seiten der Bür- 
gerschaft erhobene kategorische Forderung der Erhö- 
hung des Bahnkörpers. Nach dem Erscheinen eines sehr 
eingehenden Artikels im hiesigen Tageblatt that sich auf Be- 
trieb des Senators a. L). Angcrstcin eine stattliche Reihe 
der angesehensten Bürger zusammen, um eine Versammlung 
der Bürgerschaft anzuberaumen, die gestern Abend im Tivoli 
tagte 

Es waren ca. ein Tausend Männer zusammengekommen, in 
welchen durch Namen vom besten Klange so ziemlich alle Kreise 
und alle Interessen der Stadt vertreten waren. Die unter Vorsitz 



von Baurath Kohler und Ingenieur Heusinger von Waldegg 
gepflogenen Verhandlungen richteten sich in erfreulicher Weise 
uicht sowohl auf das „Wie* der Ausführung des Projektes, son- 
dern auf das, was von Seiten der Bürgerschaft zu thun sei, um 
das Projekt der Erhöhung des Bahnkörpers um 4"» zu realisircu. 

Die erste erfreuliche Kunde, die der Versammlung aus dem 
kurzen Vortrage Angersteins ward, war die Mittheilung, dass 
von Seiten der General - Direktion der hannoverschen Staats- 
bahnen keine Gegnerschaft zu erwarten stehe. Von Professor 
Rü hl mann ward auf das Projekt hingewiesen, welches «sein 
Schüler und ein guter Hannoveraner* Rasch aufgestellt habe. 
(Rasch gegen wärt«; in Essen hatte sein Nichtkommen telegraphisch 
entschuldigt). — Dem Antrage Angersteins, nämlich den städti- 
schen Kollegien den Weg der Initiative, d. h. Absendung einer 
Imputation an den Handelsminister resp. den F 



gen stand ein Antrag des Obergerichts -Anwalts Dr. Mülle r 
gegenüber: eine Kommission zu ernennen, der die Ermächti- 
gung auch ohne den Magistrat direkt in Berlin die Sache zu 
fordern, ertbeilt werde. Eine erfreuliche Wendung in den De- 
batten über diese Anträge gab das Erscheinen des Stadtdirek- 
tors Rasch, der sein Zuspätkommen entschuldigte, weil ihn 
die Eisenbahn am Tivoli-Uebercange Stunde aufgehalten. 
Der würdige Vorsteher unserer Gemeinde konstatirte, von dem 
Bürgervorsteher Dr. Bärens unterstützt, dass die städtischen 
Kolleg ien einstimmig in jeder Beziehung und mit allen Kräften 
die Wünsche der Versammlung, welche or in so bedeutsamer 
Quantität und Qualität vor sich versammelt sehe, zu den ihrigen 
machen würden. Von ihm und von anderer Seite ward betont, 
dass es geradezu unbegreiflich sei, wie der Staat Privatgesell- 
schaften zu den kostspieligsten Ueberfübrungs-Anlagen zwinge, 
während er gleichzeitig die Verkehrsstörungen, welche durch 
die im Niveau liegende Staatsbahn hervorgerufen, zu perma- 
nenten mache. Bezüglich der Kosten ward eine Aeusserung 
des General - Direktors der hannoverschen Staatsbahncu Herrn 
v. Maibach erwähnt, dass eine Summe von 10 — 12 Millionen 
erforderlich sei, um Interimsbahnhof und Erhebung zu beschaffen, 
eine Annahme, die Heusinger von Waldegg auf ca. die Hälfte 
reduziren zu können glaubte. Rasch hielt den Kostenpunkt für 
ziemlich bedeutungslos, da die Rentabilität der Staatsoabn eine 
so ausserordentliche sei und die Stadt Hannover zu dem Ver- 
kehr (der nach Maibach's Aeusserung sich binnen Jahresfrist 
verdoppelt haben soll) gerade den wesentlichsten Beitrag liefere. 
Ferner müssten in anderen Städten von der Bedeutung Hanno- 
vers noch ganz andere Summen aufgewandt werden, um z. B. 
Bahnhöfe in das Herz der Stadt zu bringen. Hierbei kann Re- 
ferent die freudige Bemerkung nicht zurückhalten, dass in den 
der Versammlung ein energischer Zug 
sich kundgab, der jede kleinstädtische Enge, welche Hannover 
früher so charaktensirte, zur Seite warf und Millionen für un- 
wesentlich hielt, wo es gilt, dl« Zukunft der Vaterstadt zu 



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— 406 — 



tnng kommen. Eine wirkliche Ausbildung nach dieser Rich- 
tung erlangen wohl nur diejenigen Bauführer in dem wün- 
schenBwerthen Grade, die in einer Art eine Adjudanten- 



lem Baubeamten eine Zeitlang Gelegenheit ge- 
allen Dieostgeschäften desselben sich zu bV. 



Stellung bei einem Banbeamten eine Zeitlang 
habt haben, 
theiligen. 



Eis 

Im Anschluss an die in No. 47 d. Blattes bei der Be- 
sprechung des Tacbeometers gemachten Bemerkungen Ober die 
Aufnahme von Horizontalkurvcn dürfte es gestattet sein, auf 
eine Metbodo hinzuweisen, welche, obwohl keineswegs neu und 
dem Vernehmen nnch z. B. bei den Vermessungen des preuss. 
Generalstabes vielfach in Anwendung, doch bei Eisenbahn- Vor- 
arbeiten wenigstens in Norddeutschland fast gar nicht in Ge- 
brauch zu sein scheint, dennoch aber sehr wohl für solche ge- 
eignet ist und namentlich dieselben Vortheile, welche die An- 
wendung des Tacbeometers im Grossen gestattet, mindestens 
im kleineren Maasstabe, dann aber auf noch bequemere Weise 
überall da gewfihrt, wo es sich um Detail-Aufnahmen inner- 
halb eines anderweit bereits festgelegten Liniensystems han- 
delt, wo also eine Summirung von Fehlern nicht zu besorgen 
ist (u. A. bei der auch in No. 47 erwähnten Polarmethode). 

Giebt man nämlich der Kipprcgel eines gut konstruirten 
Messtisches ein rocht stabiles Gestell, einen fein getheilten Ver- 
tikalkrcis mit Nonien und Mikmmeterschraube , ferner eine 
zweite, der Länge nach auf dem Fernrohr zu befestigende em- 
pfindliche Libelle, endlich dem Fernrohr selbst einen Distanz- 
messer und starke Vergrösserung , so kann die Benutzung des 
so ausgestatteten Instruments nach demselben Prinzip wie die 
dps Tacbeometers geschehen, mit dem einzigen wesentlichen 
Unterschiede, dass die llorizontalwinkel hier nicht mit einem 
Kreise gemessen, sondern direkt gezeichnet werden. Bei der 
erforderlichen Leichtigkeit der Handhabung und bei der Natur 
des Messtisches überhaupt kann das beschriebene Instrument 
zwar nicht die grosse Tragweite und Genauigkeit des voll- 
kommenen Tacbeometers erreichen, mithin nicht gerade zur ur- 
sprünglichen Festlegung der Basislinien empfohlen werden; da- 
gegen eignet es sich um so mehr für die an letztere anknüp- 
fenden Detail-Aufnahmen, als es den nicht unwesentlichen Vor- 
theil bietet, dass man die Lage der aufgenommenen Punkte 
gleich draussen auf dem Papier vor sich sieht, einen erheb- 
lichen Theil der Rechuuug erspart und mit grosser Leichtigkeit 
durch neue Aufstellungen sich Kontrollen verschaffen kann. 
Die aufgenommenen Punkte können nämlich gleich auf dem 
Felde mit Hülfe des Rechenstabes *) — wenigstens hinsichtlich 
ihrer Distanz — berechnet und aufgezeichnet werden. Es bleibt 
dabei nicht ausgeschlossen, ist vielmehr zu empfehlen, dass 
man die abgeleseneu Zablenwertbe tür die auf dem Messtisch 
gezeichneten Punkte nach bestimmtem Schema notirt. um die 
richtige Rechnung und Zeichnung nachher im Hause kontrol- 
lircn zu können. — Das Fehlen des Porro'schou Distanzmessers 
dürfte — abgesehen von der stärkeren Vergitterung — kein 
sehr wesentlicher Nachtbeil sein, denn einmal ist in den 
meisten Fällen, wie bereits in No. 47 bemerkt wird, die betref- 

•| Der iu di»**m Zweck wlo überhaupt «u allen teelitiiftehen Ktchnungen no 
liberum brauchbar* Heehemteb wird enge »blteklleh In Huer gegen 41a bisherige 
fianzi>,Urtt<< ei»aa vt-rvollkoaoinneten und eperlell für Demarhlaod elngariehieun 
Form bei Dennert u. Pape in Altuna neb»t Anweisung iura Uebrae>cta bergeelellt 
und kommen päd* In diew-u "1 aj;en die eraten Exemplare tum Veraand. 



fende Differenz in dem Haasstab der Zeichnung nicht messbar, 
andererseits kann die Korrektion, wo sie erwünscht ist, leicht 
angebracht werden, da es sich nur um Addition einer bekannter, 
konstanten Grösse (der Entfernung des anallektischen Punkte« 
von dem auf dem Messtisch bezeichneten jedesmaligen Stand 
punkte) handelt. Erforderlich ist es dagegen, vor jeder rer 
änderten Stellung der Kippregel das Fernrohr wieder in die 
Horizontale zurückzuschrauben, die Nouius-Ablcsungbcim Eis 
spielen der Libelle zu notiren und den Vertikal-Winkel um 
diese Grosse zu korrigiren. 

Bei dem Instrument, mit welchem der Unterzeichnete zn 
arbeiten Gelegenheit hatte, welches übrigens sehr wohl verschie- 
dener Verbesserungen fähig wäre (dasselbe hatte u. A. nor ei- 
nen halben Vertikalkreis mit einem Nonius), erschien es zweck- 
mässig, die beiden — einzeln durch getrennte Schrauben verstell- 
baren — Distanzfäden so zu justiren, dass das Verhältnis) der 
Entfernung zu dem gelesenen Lattenabschnitt (bei horizontaler 
Visur) = 100 war. Die Ablesung des letzteren geschah gleich- 
zeitig mit der des mittleren Fadens an einer gewöhnlichen auf 
Zentimeter getheilten Nivellirlatte, so dass also l« des Latten 
abschnittes — abgesehen von der Reduktion auf den Horizont - 
grade 1» Entfernung bezeichnete. Das Fernrohr gestattete die 
Ablesung von einzelnen Zentimetern etwa bis zu ciuer Entfer 
nung von 250™, die crossten Abstände vom Instrument betrugen 
wenigstens etwa 250™ 1 , ausnahmsweise bis 300«. 

Zugleich ist noch bemerkenswertb , dass das beschriebene 
Instrument ausserordentlich vielseitiger Anwendung fähig ist. 
Besitzt dasselbe nämlich wie das soeben erwähnte die Einrieb 
tung, dass es nach Ausschalten der Messtiscbplatte direkt auf 
den Dreifuss dea Statifs geschraubt werden kann, so ist es in 
dieser Form wie ein einfaches Xivellir-Iustrument zu benutzen, 
jedoch immer mit dem sehr grossen Vortheil, dass man zugleich mit 
Elevatiou und Degression arbeiten kann, also in koupirter Gegend 
(namentlich auch bei langen und steilen Querprofilen) oft von 
einem Punkte aus ein ausgedehntes Terrain zu bestreichen ioi 
Stande ist, welches bei Anwendung eines gewöhnlichen Nivcllir- 
Instrumentes eine grosse Zahl von Aufstellungen erfordern 
würde. Auch ist das Instrument in beiden Gestalten äusserst 
bequem zur Längenbestimmung an solchen Stellen, wo die zu 
messende Linie auf kurze Längen steile Schluchten und Ab 
hänge überschreitet. Die Kettenmeseung giebt in solchen Fäl- 
len, wenn überhaupt noch möglich, sehr unrichtige, die Stafc- 
roessung nur bei sehr exakter Ausführung und mithin gr«s>Mm 
Zeitaufwand gute Resultate 

Endlich mag es bei der bisher geringen Anwendung nicht 
überflüssig sein, ausdrücklich darauf aufmerksam zu machen, 
dass dasselbe Instrument, abgesehen vom Distanzmesser, also 
als einfacher Messtisch in Verbindung mit der Messkette grade 
bei Eisenbahnvorarbeiton in koupirtmi Terrain ganz vortreff- 
liche Dienste zu leisten im Stande ist und deshalb wohl eine 
ausgedehntere Anwendung in diesem Zweige der Technik ver- 
diente; so z. B. zu den für Projekte von Bauwerken erforder- 



lichem. Ein gleich erfreulicher Charakter giebt sich auch in 
der augenblicklichen Waescrversorgungs-Krisis kund, über welche 
vielleicht ein anderes Mal das Nähere mitgetheilt wird. 

Die Versammlung endigte mit der Annahme des von Hern. 
Rasch gemachten Vorschlages, aus der Versammlung 6 Männer 
zn wählen, die verstärkt durch 3 Mitglieder des Macistrats und 
3 des Bürgervorsteher -Kollegiums schleunigst eine Petition aus- 
arbeiten und dem Hrn. llandelsminister überreichen solle. Wio 
die Grösse, Zusammensetzung und Einhelligkeit der Versamm- 
lung, so scheint die Zusammensetzung des auf Grund dieses Be- 
schlusses gebildeten Komites dafür zu bürgen, dass die Bewe- 
gung nicht resultatlos im Sande verlaufen wird. 

Zu wünschen wäre nur noch, dass die Petition auch die 
ünantastbarkeit des Emst- August -Platzes verlange. Derselbe 
zählt gewiss zu den schönsten Plätzen Deutschlands, soll aber 
durch das gegenwärtig iu Ausführung begriffene Bahnhofsge- 
bäude um ein Bedeutendes verengt werden. Wenn hier nicht 
Halt geboten wird, muss man nach des Referenten Ansicht die 
Notwendigkeit einer Abtragung des Ernst- August -Denkmals 
als ernste Möglichkeit ius Auge fassen. 

Hannover, den 1. Dezember 1872. T. U. 

Ver Brand in Boitan. 

Der grosse Brand, der jüngst in Boston wüthete, hat den 
amerikanischen Architekten abermals eine Lehre gegeben, welche 
auch für Deutschland, wo man die leichtfertige Art und Weis« 
des amerikanischen Bauens einführen will, oder schon nachge- 
ahmt hat, nicht überflüssig sein möchte. 

Der „Scientific American" sagt hierüber Folgendes: 
„Eine zweite Kalamität, welche den Verlust von Millionen 
an Geld und werthvollen Waaren zur Folge hatte, ist in unserer 
Mitte vorgekommen. Boston hat das Schicksal Chicagos ge- 
theilt, ist eine Beute der Flammen geworden, und 64 Acres 
Flächenraum, besetzt mit den prächtigsten " 



mehr ein schwarzer rauchender Trümmerhaufen. Der abge- 
brannte Distrikt schliesst in Fich folgende Strassen: 

Summer, Washington, Milk, Kongress, Water, Kilby und 
die halbe Zentralstrasse, sowie von da beinahe in gerader Linie 
zur Broadstrasso und zu dem Boston-, Hartford- und Eric- Eisen- 
bahn-Depot sich erstreckend. Mit eingeschlossen sind die Otis, 
Areh, Hawley, Franklin, Devonshire , Matthews, Perkins, Bigb, 
Purchasc und Pearl Strasse, nebst einer grossen Anzahl enger 
Gässchen und Plätze. 

Das Feuer wurde am Sonnabend Abend (9. Novbr.) entdeckt, 
und bevor nur eine der Dampfspritzen zur Stelle war, hatte es 
schon ein ganzes Mansarden-Dach ergriffen und in Brand 
gesetzt, so dass, von einem heftigen Winde begünstigt, bereits 
in einer halben Stunde das betreffende ganze Viereck in Feuer 
und Flammen eingehüllt war. So arg und mächtig war die 
Hitze, dass es den Feuerleuten gar nicht möglich war, an ihren 
Posten aushalten zu können; die Frontwände der Gebäude, 
welche aus Granit bestanden , sprangen , cxplodirten und fielen 
in Stücken auf die Strasse hernieder. Kein Bau, selbst der 
massivste, vermochte dem Feuer auch nur den geringsten Wi- 
derstand zu leisten. Endlich kam Hilfe von auswärts, und nach 
24 stündigen Anstrengungen, sowie nachdem man mehre Viertel 
der schönsten Bauten in die Luft gesprengt hatto, vermochte 
man Herr des Feuers zu werden. Aber wenige Stunden nach- 
her brach es in Folge von Gasexplosionen von Neuem aus, ds 
man aus Nachlässigkeit die zu dem in Brand stehenden Distrikt 
führenden Ilauptröhren nicht abgesperrt hatte. Und so vergin- 
gen im Ganzen sechs und dreissig Stunden bis man das Feuer 
völlig gelöscht hatte. Der Verlust, dessen Folgen man durch 
das ganze Land spüren wird, wird auf 90 Millionen Dollars ver- 
anschlagt. 700 Gebäude, worunter die prächtigsten, wurden zer- 
stört. 

Das Schicksal Bostons giebt uns aber eine viel ernstlichere 
' Lektion, als jenes von Chicago, indem es auf die radikalen Feh- 
1 ernen Bauwesens hinweist Denn die 



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— 407 — 



lieben Spczial-Aufnabmen, ganz besondes aber zum Kurven-Ab- 
stecken. Hierbei hat der Messtisch gegenüber dem Theodolith 
den Vortheil, dass einmal jede Rechnung wegfällt, dagegen die 
Zeichnung stet« leicht zu kontrolüren ist, und das« man ferner 
unter Benutzung der Zeichnung mit grosser Leichtigkeit belie- 
bige und beliebig viele Standpunkte je nach der Öertlicbkcit 
zweckmässig wühlen kann, auch gleichviel ob in oder seitwärts 
der Linie, was beim Theodolith immer mit komplizirten, leicht 
Irrthümern ausgesetzten Rechnungen verbunden sein würde. 
Das Verfahren besteht hierbei bekanntlich darin, dass mau in 
der auf dem Messtisch in passendem Maasstabe (z. B. I : 10O01 
gezeichneten Kurve Punkte im Abstände einer Kettenlänge (20"') 
mit dem Zirkel genau abtheilt und von dem Standpunkte ans. 
welcher awf dem Papier markirt wird, mittels des Fernrohrs 
über jeden Theilpunkt hin den vorderen Kettenstab nach jedem 
Kettenzuge (wie beim Tbeodolith) einrichtet. Es braucht kaum 
besonders erwähnt zu werden, dass man die Standpunkte des 
Messtisches insofern passend auswählen resp. verändern muss, 
als der Winkel der jedesmaligen Visirrichtung mit der 
bücklichen Knrvenrichtnng nicht zu gross werden darf. 



Anwendung des bezeichneten Instruments hat sich ebenso wie 
die übrigen vorhin beschriebenen z. B. im letztvergangenen 
Frühjahr bei den speziellen Vorarbeiten zu der Gebirgsbahn 
Langelsheim -Clausthal trefflich bewährt, deren Trace einem 
stark geschlängclten Flussthalc des Oberbartes folgt nnd dem- 
entsprechend zum grossen Tbcil aus engen Windungen besteht 
Aufgaben, wie das Verlegen von Linien, daa Einlesen einer 
möglichst passenden Kurve zwischen verschiedene Hindernisse 
(als Klus«, Chaussee und steile Abhänge) und ähnliche, wieder- 
holten sich daselbst sehr häufig und wurden einschliesslich der 
erforderlichen Spczial-Aufnshmcn in der gedachten Weise so 
rasch, bequem und sicher erledigt, wie dies auf keinem andern 
Wege zu erreichen sein dürfte- Das dabei benutzte Instrument 
ist bereits vor längeren Jahren von Kern in Aarau geliefeit 
und kostet mit allem Zubehör, jedoch ohne Latte, nur etwa 
120 Thlr., wäre jedoch , wie erwähnt , in mancher Beziehung zu 



Halberstadt, 28. 



1872. 



A. Goering 



Mittheilungen ans Vereinen. 



Architekten - nnd Ingenieur - Vorein zu Hannover. 

Hauptversammlung am 4. Dezember 1872. Vorsitzender Herr 
Baurath Hase. 

Nach der durch üblich« Abstimmung ei folgten Aufnahme 
von 11 neuen Mitgliedern und nachdem durch Herrn Wasser- 
Bauinspcktor Hess Auskunft auf eine im Fragekasten vorge- 
fundene Frage gegeben worden war, forderte Herr Architekt 
Simon den Verein auf, eine von einer zahlreich besuchten 
Bürger-Versammlung beschlossene Petition an den Herrn Hau- 
dclsminister , welche das Gesuch um Hnherlegung des Zeutral- 
Bahnhofs enthält, zu unterstützen.*) 

Wenngleich allseitig anerkannt wurde, dass durch die jetzt 
vorhandenen Niveauübergänpe der Staatshalt an derKöuigs- und 
Fernroderstrasse auf die Dauer ganz unerträgliche Verkehrs- 
hcniniungen herbeigeführt werden und dass deshalb die Höher- 
legung des Bahnhofes um ca. 4™ wohl nur noch als eine Frage 
der Zeit anzusehen sei, so wurde dem Antrage doch mit dem 
Bemerken entgegengetreten, dass es in dieser Angelegenheit 
eines durch den Verein abzugebenden teehnischen Gutachtens 
durchaus nicht bedürfe, da aich die zuständigen Behörden über 
die technische Seite der Frage vollkommen klar seien und es 
sich nur um die Bewilligung der bedeutenden Mitte), welche 
eine Höherlegung des Bahnhofes erfordert, aus den Staatsfonds 
handelt. 

Damit es indess nicht den Anschein gewinne, als ob dem 
Vereine diese für das Aufblühen der Stadt Hannover so wich- 
tige und technisch so interessante Frage gleichgültig sei, schlug 
Herr Prof. Launhardt eine Resolution vor, worin auszu- 
sprechen sei. dass der Verein die von einem Theile der Bürger- 
schaft zur Förderung der Höherlegung des Bahnhofes gethanen 
Schritte mit Freuden begrüsse, von einem besonderen Vorgehen 
in der Sache aber Abstand nehme. Dieser Vorschlag wurde von 
der Versammlung fast 



Iii Holl. 



deren Artikel In he»ll« r Nu. n. 



Hierauf hielt Herr Baumeister Haeselcr aus Berlin einen 
Vortrag über einige Bauwerke der Zweigbahn Wittenberge — 
Geestemünde. Der Vortragende gab zunächst einige topo- 
graphische Notizen über die Linie und theilte dann die Instruk- 
tion mit, nach welcher die bei Anlage dieser Bahn vorkommen- 
den Bauwerke ausgeführt werden und welche sich 1) auf die 
Plattendurchlässe 2) auf die gewölbten Durchlässe 
und Brücken bezieht; hinsichtlich der letzteren wurde die 
Anordnung der Widerlager, die Hintermauerung der Ge- 
wölbe und Konstruktion der Futtermauern eingehend be- 
sprochen. — Sodann beschrieb Herr Hacseler unter Vorle- 
gung der dazu gehörigen Zeichnungen noch drei grossere Bau- 
werke dieser Bahn: 1) die Jetzelbrücke mit 8 Oeffnungen 
a 32,6» ; 2) eine 10 Minut. von Wittenberge befindliche Unter- 
führung eines Feldweges mit darunter liegendem Durchlas» 
nnd 3) die Brücke über die Luhe mit 3 Oeffnungen a 12,55 », 
welche ein kontinuirlichcr Blechträger überspannt, in den zwi- 
schen den beiden Mittelpfeileru 2 Charuiere eingeschaltet sind, 
während der obere Horizoutalverbaud durchgehend ist. Für die 
Beschreibung der grossen Elbbrücke bei Dömitz stellte der 
Redner für später einen besonderen Vortrag in Aussiebt 

— oo — 

Verein für Elaenbannknnde zu Berlin. Versammlung 
am 12. November 1872. Vorsitzender Herr Weishaupt. 
Schriftführer Herr Streckert. 

Herr Orth beleuchtete auf Grund einer Konkurrenzarbeit 
für den Bebauungsplan von Pest— Ofen, welche wesentlich als 
Studie über die Umgestaltung grasser Städte mit Bezug auf die 
moderneu Verkchrsverhältnisse beabsichtigt war, die Hauptge 
sichtspuukte, welche für derartige Projekte hauptsächlich 
inaassgebend sind. Die modernen Städte hätten ein neues 
Verkehrsmittel gewonnen, welches mehr als alle anderen Ver- 
hältnisse die Neubildungen irrosser Städte beherrscht und vor 
allen Dingen dabei berücksichtigt 



Details jenes Brandes wiesen darauf hin. dass die Flammen mit 
der grössten Furie sieb über die Mansarden-Dächer aus- 
breiteten. Und in der That verschuldet diese in der Archi- 
tektur importirte Neuigkeit, dass maucher Feucrausbruch in 
einen gewaltigen Brand überging. So bestehen in unserer Stadt 
ebenfalls eine Menge solcher Dächer, welche die Gebäude über- 
ragen und nichts weiter sind, als „Feuci fallen-; Schalen von 
leichtem, trockenen Holze, das einen dünueu Schiefer- oder Blech- 
überzug hat, und welche in Folgo der grossen Flächenausdeh- 
nung, die sie darbieten, vom Feuer, das in einem benachbarten 
Gebäude ausbricht, unmittelbar und schnell ergriffen werden. 
Viele unserer sogenannten feuersicheren Gebäude sind blosse 
Ueberzügc oder Häute von Eisen und Mauerwerk; das ganze 
Innere aber besteht aus Holz, das wenn es in Brand steht, das 
Eisen zusammendreht und die ganze Geschichte zusammenfallen 
macht. Insbesondere werden die Zwischenwände nur von Schin- 
deln nnd Latten gefertigt, welche ausser dem leichten Gvps- 
überzug weiter nicht den ireringsten Schutz gegen Feuer erhalten. 
Wenn man französische Dächer bauen will, so Mite das Gesetz 
verlangen, dass sie aus Mauerwerk aufgerichtet würden;?;, um doch 
dem leichten Rahmenwerke einigen? Schutz" zu verleihen. Höl- 
zerne Kirchentreppen sind vernünftiger Weise verboten; dieses 
Verbot sollte sich aber auch auf die Mausaiden- Dächer er- 
strecken. 

Neue Bauten in bevölkerten 'Distrikten sollten jedesmal 
feuersicher sein und müsste der Gebrauch von Holz bei ihrer 



Errichtung völlig vermieden werden. Die Zwischenwände soll- 
ten massiv oder doch mit trocknen! Kalke oder irgend einem 
nichtleitenden und unentzündbaren Materiale ausgefüllt werden. 

DaDU wird auch von dem Mangel an Wasser berichtet. Wie 
können aber unsere grossen Städte, die säramtlich an grossen 
Flüssen liegen. Mangel daran haben? Man sollte in New York 
in gewissen Abständen, längs den Ufern der Flüsse Thürme er- 
richten, die als Wasserreservoirs dienen und vermittels Blei- 
rohrenleitungeu mit den Strassen in Verbindung gesetzt, zu je- 
der Zeit hinlänglich Waaser liefern könnten, um jeder 



Feuersgefahr begegnen zu können. Oder man könnte auch von 
deu mächtigen Pumpmaschinen von der Hollv Sorte aufstellen, 
um aus deu Flüssen im Falle des Bedürfens das uöthige Wasser 
herbeischaffen zu lassen. 

Auch sollte man es obligatorisch machen, in grossen Eta- 
blissements ein ganzes System von Röhren zu ziehen, um, da 
dieselben mit feinen Löchern versehen sind, sämmtliche Räume 
derselben lediglich durch das Umdrehen eines Hahues unter ein 
allgemeines Schauerbad zu setzen. 

Für Gebäude, welche bereits bestehen, sollten in jedem Falle 
, Maassregeln getroffen werden, um dem Ausbruche eines Feuers 
! sofort begegnen zu können. Breite Strassen und isolirte Waa- 
reuhäuser haben sich stets als Schutz gegen Feuer bewiesen, 
weshalb bei Anlegung oder Erweiterung von Städten auch da- 
i rauf das grösste Augenmerk gerichtet sein sollte." — 

So weit der Scientific American. Einen Hauptmangel 
in Betreff der Feuersicherheit amerikanischer Bauten erwähnt 
das Blatt nicht. Dies sind die hohlen Decken, welche im Ver- 
eine mit den seitlichen Lutteuzwiscbenwänden das Feuer im Nu 
bis zu den neumodischen Mansarden-Dächern tragen. Auch die 
hohl gemauerten Frontwände dürfen nicht unerwähnt bleiben, 
'»er geringe Widerstand, welchen die Decken dem Feuer zu 
leisten vermögen, erklärt »ich leicht daraus, dass dieselben an- 
statt der Balken lediglich auf die Schneide gestellte Bretter ent- 
halten, welche zudem selten soweit in das Mauerwerk eingefügt 
sind, dass sie eiu solides Auflager linden, sondern knapp auf 
der iuncrsteu Kaute uufruheu und oftmals nur durch Holz- 
splitter und Steinstückehen in wagerechte Lage gebracht worden 
sind. — 

Eine interessante Wahrnehmung, die auch bei dem Brande 
in Boston wiederum gemacht worden ist, besteht darin, dass 
Wcrthsacheu, Geld und Papiere iu Räumen, die von Mauern 
und Gewölben von Zicgelsteiuen umschlossen waren, erhalten 
worden sind, während sich sogenannte massive Gewölbe von 
Granit nicht bewährt haben. 

New- York, November 1872. A. D. 



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- 408 - 



die Eisenbahnen. Abgesehen von etwaigen grossen Wasser- 
strassen müsse von ihnen und ihrer Einführung in und durch 
die innere Stadt deren l'mliildung beginnen und in Verbindung 
damit festgestellt werden: die Eisenbahnen bildeten gegenwärtig 
die Hauptverkehrsadern und nicht mehr wie früher, die weither 
einmündenden Chausseen, deren Bedeutung jetzt wesentlich nur 
von der Wichtigkeit und Frequenz der zunSchstgclegcncn Orte 
abhänge und nicht mehr von entfernt liegenden Verkehrszentren. 
Die Schwierigkeit der Einmündung von Eisenbahnen in das 
Herz der Staute mache deren möglichst frühzeitige Dispuniruiig 
wüiisehcnswerth, wodurch jungen, stark sich entwickelnden 
Städten bedeutende Opfer an Geld und produktiver Arbeit er- 
spart werden können. Per Vortragende weist auf Grund vorge- 
legter grosser Plane (von denen er die Zurückgabe einer Iber 
1 a> grossen perspektivischen Ansicht Seitens der Verwaltung 
der Städte Ofen — Pest nur durch Vermittelung des auswärtigen 
Amtes hat erreichen können) nach, in welcher Weise in diesem 
Spezialfälle das System von Lokomotiv -Eisenbahnen mit dem 
Strassennetzc und einem Netze von Pferde -Eisenbahnen in ei- 
nen organischen Zusammenhang gebracht war- Es folgte dann 
noch unter Erwähnung der interessanten ober- und unterirdi- 
schen Bahnanlagen London'« der Nachweis, wie wichtig auch 
für Berlin eine solche, die Stadt durchschneidende Lokomotiv- 
Eisenbahn , mit welchen Opfern dieselbe verknüpft und wie 
nothwendig es sei, dass von Seiten aller Behörden auf eine 
möglichst haldige Herstellung eines solchen Verkehrsmittels hin- 
gewirkt werde; dasselbe sei mehr als alle anderen Verkehrs- 
hI rassen geeignet, den Preis der Wohnungen herabzudrücken, 
denn es weide durch ein solches Eiscubahnsystcm, welches in 
hervorragendem Sinne eine öffentliche Strasscnanlage sei, we- 
sentlich grosseres Terrain zur Bebauung nutzbar, als dieses 
sonst möglich sei. Schliesslich beschrieb der Vortragende noch 
die gegenwärtige Gestaltung Pest — Ofens. 

Der Vorsitzende erörterte hierauf des Weiteren die 
Wichtigkeit der angeregten Frage für die Ausdehnung grosser 
Städte und insbesondere für Berlin, und dass eine solche Balin- 
anluge, deren Verwirklichung man jetzt hier näher trete, eine 
grosse praktische Bedeutung erlangen müsse. 

Herr Reuleaux gab hierauf eine kurze Schilderung über 
die Entwickeluug der Pumpen, welche durch bedeutende Ver- 
besserungen der letzteu Jahre eine Vervollkommnung erreicht 
hätten, die möglicherweise eine grosse Umgestaltung der vor- 
handenen Anlagen herbeiführen werde. Die erste grössere 
Bewegung auf diesem Gebiete sei durch die auf der Ausstellung 
in Paris im Jahre 1867 vorgeführten Dampfpumpen ohne 
Schwungrad herbeigeführt. Derartige Konstruktionen, z. B. von 
Camerow, Banmann, Wilson, Tnngyc, seien vielfach ausgeführt 
und hätten sich bewährt, wobei die Dampf- und Pumpenkolbeu 
direkt verbunden* wurden. Die Pumpen in Bergwerken etc. 
habe man nun noch dadurch zu vervollkommnen gesucht, dass 
man, wie z. B. Decker in Cannstadt, den Dampf von oben zu- 
und wieder nach obeu abgeführt habe und das Wasser dabei 
von unten ohne Zwischensätze nach oben geführt. Der Preis 
solcher Maschinen für bedeutende Hubhöhen verhalte sich. z. B. 
bei solchen in Sehlesisehcn Gruben, zu denjenigen Maschinen 
alter Konstruktion wie 4:11 und in Rheinischen Gruben sogar 
wie 1:8, dieselben haben in England grosse Verbreitung ge- 
funden. In neuerer Zeit sei man nun noch weiter gegangen 
und habe gesucht auch den Hauch der Schornsteine zu beseiti- 
gen; dies sei durch einen Kondensator, welcher mit Schaalen 
und Trichtern versehen ist, auf welche das herabtröpfelnde 
Wasser, den Rau-h niederschlagend, fällt, erreicht worden. 
Eine derartige Anlage mit Dampfkesseln und Schornstein uuter 
der Erde sei in einer 1000 Fuss unter dem Spiegel des Meeres 
liegenden Grube in Wales mit günstigem Erfolge im Betriebe. 
Der Vortragende glaubt, dass diese Neuerung eine grosse Re- 
volution auf dem Gebiete der Dampfmaschinen herbeiführen 
werde und durch dieselbe die Axt an die Wurzel der Schorn- 
steine gelegt sei: die Bedenken, dass durch eine derartige Au- 
läge der für die Arbeiter erforderliche Sauerstoff verbraucht 
werden würde, seien nicht gerechtfertigt, da der Wetterzug be- 
günstigt und die Luft nach den gemachten Erfahrungen im Gc- 
genthei) besser würde. 

Herr Schulze machte sodann Mittheilung über den von 
Frevlerhand gemachten Versuch, durch das Legen von Nummer- 
steinen und einer Barricrcustange auf die Schienen einen Zug 
der 06tbahn zur Entgleisung zu bringen: glücklicherweise wur- 
den jedoch diese Hindernisse durch die Hahnräumcr der Ma 
schine fortgeschleudert, ohne dem Zuge zu schaden. 

Am Schlüsse der Sitzung wurden in üblicher Abstimmung 
als einbeimische ordentliche Mitglieder in den Verein aufge- 
nommen: Herr Eisenbahn • ßauinspektor Meyer, Abtheilungs- 
Baumcistcr Messow, Baumeister Sarrazin, ' Regierung« - Rath 
Jecklin und Regierungs- Assessor Todt. 



Ostpreuas. Ingenieur- und Architekten-Verein. Monats- 
versammlung Donnerstag den ',, Dezember. Vorsitzender: Hr. 
Herzbruch. Anwesend 1"» Mitglieder uud 3 Gäste. 

Herr Müller, Schiffsbau -Ingenieur, spricht auf Veranlas- 
sung des Abluufens des ca. 2000 Ztr. schweren, sehr scharf ge- 
bauten eisernen Lootsen- Schooners .Pilot" über das Ablaufen 
der Schiffe im Allgemeinen, insbesondere des ehengenannten 
Schiffes uud erklärt, dass man bei der geringen Tiefe des Gra- 
bens neben der Fabrik, in welchen der Scboouer abgelaufen sei, 
ringsherum 20 Stück Weinfässer an demselben befestigt und so 



ein geringes Eintauchen des Schiffes vou 20- 2V» erreicht 

habe. — 

Durch Ballotemcnt wird Hr. Ingenieur Werneburg in 
den Verein aufgenommen. 

Für das Arrangement zum diesjährigen Familienfeste werden 
in das Komite gewählt die Herreu Arndt, Hcrzbrueh. 
Hesse, Heumuuu. Müller und Radock. 

Herr Mcndthal erklärt das Lipkin'sche System der Grad- 
führuug- 

Der Vorsitzende referirt, dass nach einer Mittheilung im 
l Archiv für Seewesen bei Kesseln mit Oberflächen - Kondensa- 
toren allerdings ein höheres Vacuum erzielt werde und dir 
daraus folgende Kohlen - Ersparnis« sehr bemerkenswert sei, 
das« dagegen kaum ein Zweifel darüber obwalte, dass seit Ein 
führung der Oberflächen-Kondensatoren die mittlere Dauer der 
Kessel in der Marine vou neun auf fünf Jahre gesunken ist. 
— Die Ursache dieser bcklagenswertheu Eigenschaft sei bic- 
. her nicht vollkommen erhoben und daher auch eine Abhülfe 
noch nicht gefunden. — In den Kesseln zweier hier im vorigen 
Jahre in der Fabrik Vulkan gebauten Woolfschen Schiffern» 
sebineu mit Oberflächen-Kondensatoren sei nach je 4— 6 Wochen 
Betrieb eine grosse Menge seifenartiger Masse gefunden (nach 
Mitthciluug des Direktors Simony). und wahrscheinlich griffe 
die Fettsäure die Kessel an. — Ein Stück dieser Masse habe 
derselbe dem Kollegen, Herrn Direktor Albrecht zur Unter- 
suchung übergeben- — 

Herr Simony bemerkte sodann, das« die Ursache der ge- 
ringeren Dauer der Kessel nach «einer Ansicht nur dadurch 
herbeigeführt werden könne, dass der Talg, welcher zum Schmie- 
! ren der Kolben im Zylinder zugeführt werde, «ich bei der 
grossen Dampfspannung zersetze und sich Fettsäure bilde, 
welche da« Eisen , namentlich in den Süthen und Nieten an- 
greife. — Um dieses zu verhindern; lasse man bei Setschiffen 
die Maschine zunächst mit gewöhnlicher Kondensation arbeiten, 
damit sich im Kessel eine dünne KesseUteinhaut bilde, and 
erst dann lasse mau die Oberflächen-Kondensation in Wirksam- 
keit treten. — 

Herr AI brecht legt dann ein Stück der Fettbildung vor, 
welche er als Kalkseife erkannt höbe. Seife sei im Wasser lös- 
lich, die Kalkseife unlöslich. In dieser Kalkseife seieu IC bi> 
17». eines Fettes vorhanden, das herausgeschmolzen sich als 
Stearinsäure ergeben hätte: da nun Talg stearinsaures und 
Oleinsäure« Glyzerin sei, so müsse jedenfalls ein grösseres 
Quantum Oleinsäure frei geworden sein, welche im Wasser ius- 
pendirt, den Kessel angreifen könne; das Glyzerin, im Wasser 
löslich , «ei dabei in dem Kesselwasser aufgelöst worden und 
es frage sich daher, ob nicht vulkanische Oele zum Schmieren 
j verwendet werden könnten. 

Herr Simony bemerkt dagegen, dass bei der bobeo Dampf- 
spannung die vulkanischen Oele nicht brauchbar seien, weil die- 
selben sich sofort in Dämpfe oder Gase auflösen und dann akut 
schmieren würden, während Talg bekanntlich sieh schwer in 
Dumpf verwandeln lasse. Uebrigcns hätten die Oberflichen- 
Kondensatoren auch für Seeschiffe noch den grossen Vortheil, 
dass das Ueberkochen der Kessel vermieden und das Salzab- 
Mascu überflüssig werde. — 

Herr Karioc k theilt dann mit, dass für das Borsigwerk in 
Schlesien sechs neue Kessel von der Moabiter Maschinenfabrik 
von Borsig geliefert seien und das« man das sämmtliche Kon- 
densat ions- Wasser in einem Bassin zur Wiederbenutznng ge- 
bammelt habe. — Nach kurzer Zeit seien alle Kessel undicht 
geworden uud nach erfolgter Reparatur schon nach II Tagen 
wieder undicht gewesen. Nun habe man von der Lokomotiv- 
l'abrik von Borsig in Berlin sechs neue Kessel fertigen lassen, 
welche gleichfalls nach b Wochen undicht geworden seien. Ein* 
genaue Untersuchung habe nun ergeben, dass in säninitlicben 
Näthen ein weisses Pulver sich befinde, welches als Magnesia- 
Seife erkannt sei. Magnesia-Wasser sei also für die Kessel schid- 
lich und also auch Seewasser, welches stets Magnesia enthalte. 

Herr Albrecht führt aus, dass Magnesiaseifc das Eisen 
nicht angreifen könne, letzteres könne nur geschehen von einer 
löslichen Verbindung, und wahrscheinlich sei Chlor- Magnesia 
vorhanden gewesen, welches bei der grossen Hitze «ich in eine 
Säure auflöse, uud Magnesit, welches unlöslich und «ich mit dem 
Fett des Kondensationswassers in Magnesiascife verwandle; 
diese, so wie die freiwei dende Fettsaure hätten dann beide die 
Kessel angegriffen 

Herr Wiehert theilte mit, dass auf der Eisenbahnstation 
Insterburg schlechtes Wasser sei, von dem die Kessel sehr lei- 
den. Auch in diesem Wasser sei neben Kalk und Gyps Mag- 
nesia gefunden. Von eingehängten Kupfer-, Messing-, Stahi- 
uud Eisenplatten sowohl im Wasser- als im Dampfraum warf« 
uaeb :t— 4 Monaten Messing und Kupfer fast gar nicht ange- 
griffen gewesen, die Stahlplatte habe starke Rostflecken gezeigt, 
da» Eisen sei vollständig zerfressen gewesen, namentlich dw 
Platten, welche im Wasser gehangen hätten. Das Wasser dort 
könne daher zur Kesselsjieisung nicht mehr benutzt werden. 

Herr Alb recht schlägt endlich noch vor, statt mit Talg 
mit Stearin zu schmieren, da Stearinsäure, wie die Probe der 
vorgelegten Kessel-Rückstände ergeben, leichter mit dem Kalk 
eine Seife bilde und , um dieses zu vermehren noch eventuell 
Injektionen mit Kalkwasser vorzunehmen. — H. — 

Ar cht Ickten verein zu Berlin. Haupt • Versammlung am 
7. Dezember 1872; Vorsitzender Herr (Juassowski, anwesend 
115 Mitglieder und ü Gäste. 



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- 409 - 



Nachdem der Vorsitzende unter lebhaftem Bedauern und 
der Bitte um eine .sorgfältigere Pflege der alten schönen Ver- 
einssitte konstatirt hat, das» auch diesmal, wie schon seit ge- 
raumer Zeit keine Lösung der Monats-Konkurrenz-Aufgaben ein- 
gegangen ist, bespricht Mr. Lucae die letzte der im Hochbau 
gelieferten Skizzen, den Entwurf zu einem städtischen, im Back- 
steinrohbau auszuführenden Hause. Sowohl der Gruudrisslüsung. 
die das verdienstliche Streben bekundet, unter Aufgabe der üb- 
lichen Schablone allen Raunten Luft und Licht zuzuführen, wie 
der in den Formen der Bologneser Architektur detuilljrten, .ohne 
Eisen* konstruirten Facade wird von dem Kcfcreuten im Allge- 
meinen grosse Anerkennung gespendet: als Verfasser der von 
der Kommission einstimmig prärniirteu Arbeit ergiebt sich Hr. 
Ferdinand RcimanD. 

Eine längere Besprechung über das in diesem Winter abzu- 
haltende Vereinsfest führt als Resultat den ohne sonderlichen 
Enthusiasmus gefassten, aber ebenso nur schwach bekämpften 
Beaehlugg herbei, diesmal wiederum einen Ball zu veranstalten. 
Zu Mitgliedern der Festkommission werden gewählt die Herren 
Mackeuihun. Ziller, Reimann, Appelius, Nitschmann, Wolffeustuiu, 
Urickenstein. 

In der nunmehr eröffneten Diskussion über die Wohuuugs 
noth in Berlin nimmt zunächst Hr. Boeckmann das Wort, 
um dem Kernpunkte des von Hrn. Assmanu gchultt-ueu Vor- 
trages, dass dieser Nothstand durch ein Stocken der Bauthätig- 
keit entstanden sei und durch eine Vermehrung derselben ge- 
hoben werden müsse, seinerseits beizupflichten. Ein derartiges 
Schwanken in der Intensität der Bautbätigkeit, vergleichbar der 
Ebbe und Flut, ist ein natürliches Ergcbniss, sobald diese aus- 
scbUesslich Sache der kleinen, zahlreich verzettelten l'rivatspc- 
kulation ist, wie dies in Berlin, wo die meisten Bauten durch 
Poliere ausgeführt wurden, bisher der Fall war. Es wird ver- 
schwinden, sobald hierfür die Thäligkeit grosserer Baugesell- 
schaften erst so überwiegend Platz gegriffen hat, wie dies in 
London der Fall ist. Dass das aber geschehen wird, dürften 
die Erfahrungen, wie vortheilhaft ein Baubetrieb im Grossen ist. 
in nicht allzulanger Zeit veranlassen. 

In Betreff der grosseren Wohnungen wird von einer wirk- 
lichen Noth schon binnen Kurzem nicht mehr die Rede sein 
können. Der unverhältnissinässige Bedarf an solchen, der in 
letzter Zeit durch namhafte Verbesserung in der Vermögenslage 
vieler Einwohner und durch den Zuzug so vieler begüterter 
Fremden entstanden war, hat bewirkt, dass sich die Spekulation 
speziell auf die Herstellung solcher Wohnnngen gerichtet hat. 
Sehr viel schlimmer steht es in Betreff der Wohnungen für 
„kleine Leute." Obgleich diese notorisch den höchsten Ertrag 
liefern (7 bis 10% des Anlagekapitals gegen 3 bis 4% bei 
grosseren Wohnungen), so herrscht doch bei den meisten Bau- 
herren eine starke Abneigung dagegen, sich den Mühseligkeiten, 
Verdriesslichkciten und Gefahren auszusetzen, welche die Ver- 
waltung solcher Häuser mit kleineren Wohnungen um so siche- 
rer mit sich bringt, je mehr die gesellschaftliche Stellung und 
die Vermögenslage des Hauswirtbs ihn über die Sphäre seiner 
Miether erheben. In noch üblerer Situation werden sich vor- 
aussichtlich die Gesellschaften befinden, welche sich mit der 
Herstellung kleiner Wobnungen befassen wollen; ihre Bestre- 
hungen werden einem Theile derer, auf welche sie berechuet 
sind, voraussichtlich nicht sowohl als Versuche humaner Hülfe, 
sondern als organisirte Versuche der Kapitalisten zu weiterer 
„Aussaugung des kleinen Mannes" erscheinen und ihr Verhält- 
nis! zu den Miethern sich nichts weniger als freundlich gestill- 
ten. — Leider werden von den Folgen dieser durch das Ver- 
halten des Berliner Pöbels hervorgebrachten Abneigung gegen 
die Herstellung kleinerer Wohnungen auch die soliden und 
guten Elemente der uubemitteltcn Volksklassen betroffen. 

Sehr viel besser werden mit solchen Elementen die aus ihnen 
selbst hervorgegangenen kleinen Bauunternehmer fertig, welche 
daher sobald noch nicht zu entbehren sein werden. Dass ihre 
Thitigkeit durch die Anlage fertig gepflasterter Strassen ausser- 
ordentlich begünstigt und gefördert werden würde, steht wohl 
ausser Frage. Ein interessantes Beispiel, wie sehr die energi- 
sche Obsorge für gute Strasaeo- Anlagen die Entwickelung einer 
Stadt zu heben vermag, bieten ausserhalb Berlins die Städte 
Elberfeld und Barmen, deren erstere in dieser Beziehung Nichts 

§ethan hat und die daher von der jüngeren Nachbarstadt, in 
er desto mehr geschehen ist, in verbältnisaniäasig kurzer Zeit 
überflügelt worden ist. 

Soweit die Ballgesellschaften, welche in dieser eziehung 
unabhängig sind, die auf ihrem Terrain befindlichen Strasseu- 
Anlagen pp. selbst ausführen, wird sich übrigens zum Theil das 
Resultat ergeben, dass diese Anlagen von Seiten der Gesell- 
schaften besser und opulenter ausgeführt wurden, als dies die 
Kommune ihrerseits gethan, beziehungsweise dem Publikum 
hätte auferlegen können. Wenn der Redner in einem früheren 
Vortrage behauptet hatte, dass dies auch in Betreff einer De- 
tail-Feststellung des Bebauungsplaues der Füll sein und dass 
die Thätigkeit von Ballgesellschaften in dem Vorbandensein 
eines detaillirten Bebauungsplanes ein schweres Hemmnis» fin- 
den würde, so freut er sien das Letztere nunmehr durch Hrn. 
Astmann ausdrücklich anerkannt zu sehen. Der Zeitverlust, 
den der Antrag auf eine Abänderung des Bebauungsplanes, der 
durch 5 Instanzen zu laufen hat, erfordert, ist in der That ein 
so enormer, dass bei nicht ganz wesentlichen Punkten eine Ge- 
sellschaft sich schwer schädigt, wenn sie derartige Anträge 
stellt Nach der Stellung, weiche die städtischen Behörden zu 
der Bebauungsphuifrage eingenommen haben, und nach diesen 



neuesten Erfahrungen scheint übrigens das Aufgeben des detail- 
lirten Bebauungsplanes nur noch eine Frage der Zeit zu sein. 

Die Ursachen, »eiche die zur gegenwärtigen Wohnungsnoth 
fiihtvnde letzte grosse Ebbe in der Prlvathauthätigkeit herbei- 
geführt haben, sind wohl nicht blos die durch Hrn. Assmanu 
angeführten. Es dürfte auf das Misstrauen dos Kapitals, das 
nicht allein wegen der allgemeinen Geld -Kalamität, sondern 
namentlich in Folge der durch einige Häuserciustürzc erzeugten 
Panik der Buuthätigkeit sich entzog, hinzuweisen seiu. Auch 
ist zu berücksichtigen, dass der Zuzug von ausserhalb; der in 
den in No. 4« enthaltenen Angaben in einer Durohschnittszifli-r 
tür mehre Jahre angegeben ist, während dieser Zeit stark 
variirto. so z.B. iui vorigen Jahre die Höhe von 55 000 Menschen 
erreichte. Vielleicht hätte durch eine ausserordentliche An- 
strengung der Buuthätigkeit dennoch die hierfür erforderliche 
Zahl von Wohnungen hergestellt werden können, wenn nicht die 
Strikcs eingetreten seien. Gegen die von Hrn. Assmanu 
geäusserte Ansicht, dass ein Striko der Arbeitgeber wohl nicht 
so bald wieder vorkommen werde, bemerkt der Redner, dass die 
letzteren im vorigen Jahre nicht gestrikt, sondern der von 
den Arbeitern eingeschlagenen gefährlichen Maassregel eines 
portiellen Strikes lediglich den erforderlichen gemeinsamen 
Widerstand entgegengesetzt hätten, und dass er überzeugt sei, 
dass sie in jedem ähnlichen Falle wiederholt ebenso handeln 
würden. 

Unter den Mitteln zu Forderung der Buuthätigkeit glaubt 
J Hr. Boeckmann vor Allem eine energische Verbesserung und 
| Erweiterung der Zufuhrwege für das Baumaterial, namentlich 
I der Wasserstrassen betonen zu müssen. Neben der piojektirtcu 
Erweiterung alter und der Anlage neuer Kanäle, welche eine 
Wosserzufubr aus weiter Ferne vermitteln sollen (des Fiuow- 
und Elb-Spree-Kanals), ist vor Allem nfithig, dass in der Nähe 
Berlins neue Wasserstrassen geführt werdeu, welche auf die Be- 
bauung des anliegenden Terrains zweifellos einen ebenso gün- 
stigen Einfluss ausüben werden, wie dies seinerseits der Land- 
wehr-Kanal gethan hat. Es liegen ja seit längerer Zeit die 
durch Hrn. Bau rat h Röder bearbeiteten Projekte eines Süd- 
und Nord-Kanals, sowie eines Kanals durch die Grunewald-Seen 
vor. Von einer wirksamen Abhülfe des Materialmangels durch 
die Eisenbahn kann nicht die Rede sein; die Fracht wird zu 
stark vertheuert (augenblicklich etwa um 4 Thlr. pro Tausend 
Steine), die Zufuhr ist eine sehr umständliche (eine Kahuludung 
enthält eben so viel als 12 I.owrys), die Möglichkeit des Aut- 
und Abladeus auf den Bahnhöfen eine sehr beschränkte. 

Dass von einer Einführung neuer Baumaterialien, insbeson- 
dere des Konkrcts, nicht viel zu erwarten sei, glaubt auch Hr. 
Boeckmann. Die hierzu erforderlichen Haupt- Materialien, 
das sind guter grobkörniger Saud oder Kies, sind hier ziumlicli 
selten und müssteu gleichfalls von auswärts eingeführt werden ; 
die bis jetzt benutzten Schlacken werden sehr bald aufgebraucht 
sein. Die Möglichkeit einer veränderten Bauart würde 
allerdings von wesentlichem Einflüsse sein, ist jedoch unter der 
Herrschaft der augenblicklich gültigen BaujKdizci-Bestinimuugeu 
so gut wie ausgeschlossen und konnte nur eintreten, wenn völ- 
lige Konstruktionsfrcibcit gegeben würde. 

Es folgt zunächst eine Zwischenbemerkung von Hrn. Möller, 
der neben den Kommunikationen für Baumaterial auch noch die 
Herstellung besserer nach der Umgegend führender Verkehrs- 
wege für Menschen betrieben wissen will, und der von Herrn 
Abs mann geäusserten Ansicht, dass von einer derartigen För- 
derung einer Kolonisation kein ins Gewicht fallendes Resultat 
zu erwarten sei, entgegentritt. Er glaubt, dass es sich sehr gut 
ermöglichen lasse und sehr wünschenswerth sei, dass das An- 
1 wachsen der Stadt nicht blos stets an der Peripherie, sondern 
auch von äusseren Zentral punkten erfolge; allerdings müssteu 
die Gewohnheiten unserer Bevölkerung iu Betreff einzelner hier- 
I bei in Betracht kommender Punkte , so in Betreff Anordnung 
der Haupt-Mahlzeit, der Schulzeit pp. noch um Vieles groastäd- 
tischer werden. 

Im Anschlüsse hieran ergänzt Hr. Boeckmann seine Er- 
örterungen auch nach dieser Seite hin. Die Vorstadtfrage ist 
keine ganz offene mehr, sondern es deuten verschiedene An- 
zeichen darauf hin, dass sie bereits einer gedeihlichen Lösung 
entgegengeht und dass ein grosser Theil der Bevölkerung gern 
die Gelegenheit ergreifen wird, sich ein eigenes Häuschen auf 
eigenem Grund und Boden zu erwerben. Es lässt sich auch 
nicht absehen, warum bei der Gleichartigkeit so vieler sonstiger 
Sitten und Angehauungen das englische und holländische Ideal 
der Wohnung, das für deutsche Verhältnisse in Bremen muster- 
haft sich darstellt, nicht weitere Geltung sich verschaffen sollte. 
Allerdings ist es richtig, dass eine solche Art des Wohnens sich 
in und beziehungsweise bei Berlin nur für die bemitteltere 
Klasse der Bevölkerung wird einführen lassen : für diese ist sie 
i keineswegs unerreichbar, wenn mau darauf verzichtet, eiue eigent- 
liche Villa zu bauen. Ein Häuschen nach Bremer Muster auf 
einem 8 bis 10» breiten, 500 ] m Flächeninhalt fassenden Bau- 
plätze lässt sich bei einem Bauplatzpreisc von 50 Thlr. pro 
□ Ruthe (3,5 Thlr. pro □ unter heutigen Verhältnissen für 
SÖOO Thlr. erwerben setzt also einen jährlichen Miethsaufwand 
von etwa 400 Thlr. voraus. 

Die Hrn. K, H. Hoffmanu und Orth heben die Wichtig- 
keit der Verkehrswege zu neuen Städteaulagen nochmals hervor: 
der Letztere besonders die Verbindung derselben mit dem 
Zentrum der Stadt durch Eisenstrassen. 

Herr Assmann verwahrt sich in einer Erwiderung zunächst 
davor, dass er der Herstellung der Verkehrswoge und was 

Digüized by LaOQgle 



- 410 — 



.. zusammenhängt, der Entwässerung und Beleuchtung der 
Strassen, zu geringen Werth beigelegt habe; er verweist wieder- 
holt auf Charlottenburg, dessen Entwicklung durch ein passives, 
ja abweisendes Verhalten nach dieser Richtung hin wesentlich 
kümmert werde. —' 

Was den Zeitverlust durch die Notwendigkeit vieler Aen- 
ingen des Bebauungsplanes betreffe, so müsse ein solcher, 
bevor gebaut werden könne, immer zu Grunde gelegt werden. 
Sei also ein Plan für eine Stadtanlage und deren Erweiterung 
nicht schon vorhanden, so müsse er theilwcise bei Etablirung 
i Bau-Gesellschaft entworfen werden und diese 
viel Zeit, als die Eiuhjlung der 

mk g deg vorhandenPn p,a,,8 • wo M 




Die Abstellung des Mangels an kleinen Wobnungen sei 
weniger von Gesellschaften , als von einzelnen Privaten iu er- 
warten, uud allerdings seien es die Poliere, welche es oft besser 
als geschulte Architekten verstünden, Häuser mit kleinen Wob- 
nungen geschickt und zweckmässig herzustellen. Diese solle 
man möglichst unterstützen und ihnen mit Anlage uud Befesti- 
gung der Wege bülfrcich entgegeukommen. Zweck der Bau- 
gcsollscbaficn werde es wohl vornehmlich bleib"n, Mittel wob- 
nungen zu bauen ; kleine llfiuscr erfordern verhältnissmäissig zu 
viel Verwaltung und verkaufen sich schwer. — 

Zur Aufnahme in den Verein gelangen die Herren: 
Blaukonburg. Ludwig Böttgcr, Contag, Foyerabend, 
v. Flotow, Frühling, Kochcndörffer, Meyer, v. Ritgen, 
Rüppcll, Stubbe. — F. — 



Aus der Fachliteratur. 
E. Hildebrandt'a Aquarelle der Reise um die Erdo. 

l'hromolitbogr. von R. Steinbock A W. Loeillot. Verlag von R 
Wagner in Berlin. 

Eine soeben erschienene neue Folge genannter Blätter giebt 
uns Veranlassung, dem ganzen Unternehmen, obwohl nicht gerade 
zur Fachliteratur gehörig, einige Worte zu widmen, die freilich 
davon absehen müssen, dem rein künstlerischen Werthe des 
Werkes gerecht zu werden, und sich daher nur auf einige tech- 
nische Bemerkungen beschränken können. Die moderne liebe- 
volle Behandlung architektonischer Zeichnungen durch die Ur- 
heber hat viele derselben der Technik der Aquarellmalerei 
näher geführt, nnd wenn dabei auch die Grenze des Dilettan- 
tismus selten überschritten wurde, so dürfte doch der Einfluss 
dieses Bildungsmi tte I s nicht unterschätzt werden. Neuer- 
dings haben freilich auch bei uns die gesteigerten Anforderun- 
gen an die rein sachliche Arbeit des Architekten, namentlich 
Bei grösseren Werken, dahin geführt, die Ausstattung der Ent- 
würfe besonderen Fachküustlern zu übertragen und dadurch auch 
dieser Uebung scheinbar den Boden entzogen; hoffen wir, dass 
nicht ganz darauf verzichtet wird. - Durch die nähere Kenntoiss 
der Technik wird die iu Rede stehende Herausgabc für Viele 
um so werthvoller, als darin die Wiedergabe der Bilder in Farben- 
druck in einer Vollendung erfolirt ist, die sogar die Entstehung 
der Originale zur Erscheinung bringt und dadurch dem speziel- 
len Studium die Vorzüge derselben darbietet. Mag mau über die 
Zweckniässiakeit der durch llildebrandt vertretenen Auffassung 
der Darstellung für rein architektonische Gegenstände, wie sie 
sich namentlich in den breit gehaltenen architektonischen Vorder- 
gründen durch starke Betonung des rein malerischen Elements 
äussert, streitig sein, so kann man es nicht, wo bei entfernterem 
ohnehin 



auf diu Darstellung von Details verzichtet 
und stimmungsvolle Harmonie der Farben iu ihre 
Rechte tritt. Hiefür bietet "die ganze Sammlung eine Fülle von 
Beispielen. Die neue Folge enthalt in ihrer Mannigfaltigkeit 
mehr malerische Motive; die Ansicht der Ladroneuinsel, sowie 
ein Einblick iu eine Strasse in Ticntsin dürften besonders her- 
vorzuheben sein. E. J. 



Vermischtes. 

Verbessertor Extinktenr. In So. 40 Jahrg. lSM d. Bl. 
ist der von der Magdeburger Maschinenfabrik Schttffer * Buden- 
berg fabrizirte Feuerlösch - Apparat . Extinktcur " beschrieben 
und gewürdigt worden. Das den unverkennbaren Vorzügen des 
Apparates entgegenstehende Bedenken, ob der Druck in dem- 
selben sich bei längerer Füllung ungeschwächt werde erhalten 
lassen, hat neuerdings Veranlassung zu einer Verbesserung ge- 
geben, die von der Firma Raven 4 Zabel in (Quedlinburg einge- 
führt im Hessischen Gewerbeblatte, wie folgt, beschrieben wird. 

Der verbesserte Extinkteur unterscheidet sich von der fil- 



der AusQussbahn in die linke Hand genommen. Als Vorzüge 
dieses Apparates werden angegeben: 1. der trichterförmige 
obere Theil erleichtert das Einfüllen des Wassers; 2. die Füllung 
mit 200 Kubikzentimeter oder 368 Grammen Schwefelsäure ist 
um ca. 80",, billiger als die Füllung mit Weinsteinsflure; 3. der 
Apparat erhält erst seinen Druck beim Gebrauch, arbeitet dem- 
nach auch mit dem ursprünglichen Druck, während die älteren 
Apparate, welch fortwährend unter Druck liegen, diesen Druck 
nach und nach verlieren uud im entscheidenden Moment un- 
brauchbar sein können. — Eine Sicherheitsvorrichtung verbin- 
dert ein Platzen des Apparates und er kann während des Bran- 
des von Neuem gefüllt und in Thätigkcit gesetzt werden. Die 
Herren Raven uud Zabel in Quedlinburg ändern auch Apparate 
älterer Art nach dieser neuen Konstruktion um. 



Apparate hauptsächlich dadurch, 
t des wirklichen Gebrauchs erzeugt 



dass der Druck erst zur Zeit 

wird. In dem oberen Theile des zylinderförmigen Apparates 
befindet sich eine vertikale Bleiröhre mit Boden! Ein in dem 
oberen Theil dieser Röhre sich befindender vertikaler Hals ist 
durch ein Bleibütcben, welches lose aufsitzt, geschlossen. Dicht 
über dem Hütchen hat das Bleirohr seitliche Oeffnungen, die 
Verbindung mit dem Wasserraum des Apparats herstellend- 
Der Extinkteur wird von oben mit Wasser bis zur Höhe dieser 
Oeffnungen gefüllt, wobei die obige trichterförmige Form des- 
selben das Einfüllen erleichert Dem Wasser werdeu 1 »'« Pfund 
doppeltkohlensaures Natron zugesetzt. Das erwähnte Bleirohr 
wird bis an den Hals mit Schwefelsäure (80 prozentige) gefüllt 
nnd auch in die Randvertiefung des Halses etwas Schwefelsäure 
oder noch besser etwas Oel Begossen, damit die feuchte Luft im 
Apparate von der Schwefelsäure im Bleirohr abgeschlossen ist, 
indem das Bleihütchen mit seinem unteren Rande iu das Oel 
der Randvertiefung eintaucht. 

Bei der Entdeckung eines Feuers wird der Apparat umge- 
stülpt, einigemal umgeschüttelt und mit einem daran befindli- 
chen Tornisterriemen auf den Rücken genommen. Durch das 
Umstülpen ist das Bleihütchen aus dem Hals in der Bleiröhre 
abgefallen, die Schwefelsäure läuft aus dem Bleirohr in den 
Wasserraum des Apparates und zersetzt das doppeltkohlensaure 
Natron, das Wasser mit Kohlensäure sättigend. Es entsteht 
hierbei ein Druck von 4 ■/,— S •/• Atmosphären (je nach der Tem- 
peratur des Wassers) und der Apparat ist zum sofortigen Ge- 
brauch fertig. Das Schlaucbmundstück wird in die rechte Hand, 



Konkarrenzen. 

Für Entwürfe zu einem Kunstgewerbsohnl^blude In 

Pforzheim, welches auf Kosten der Stadtgemeinde errichtet 
werden soll, ist eine öffentliche Konkurrenz mit dem Schluii- 
termin des 1. März 1873 ausgeschrieben (vidc Bau -Anzeiger 
No. 49a). An Zeichnungen werden verlangt; ein Situationsplan, 
die Grundrisse sämmtlichor Stockwerke, drei geometriacbe Ansich- 
ten, die erforderlichen Durchschnitte und wo möglich eine perspek- 
tivische Ansicht. Die ausgesetzte Bausumme betragt 160,000 Fl- 
und darf nicht überschritten werden. Preisrichter sind die 
Herron Prof. Darm in Karlsruhe, Prof. Wagner in Darmstadt, 
Prof. Walter in Stuttgart und zwei Beigeordnete, Hr. Gemeinde- 
rath Becker und Hr. Gewerbschuldirektor Hnber in Pforz- 
heim. Die beiden Preise sind auf 1000 und 500 Fl. nonnirt 
Das Bau-Programm ist von dem Gemeinderath tu beziehen. 



Preussen. 

Ernannt: Der Landbaumeister Kill burger zu Erfurt 
zum Bau - Inspektor in Eisleben. Der Baumeister Steinblck 
zu Berlin zum Kreisbaumeister in Wehlau. Der Kreisbaumeister 
Neumann in Bonn zum Bau-Inspektor in Crefeld. Der Bau- 
meister Bernhardt in Breslau zum Landbaumeister nnd tech- 
nischen Hülfsarbeiter hei der Kgl. Regierung in Bromberg. Der 
früher bei dem Bau -Amte der vormaligen freien Stadt Fran- 
furt a. M. angestellt gewesene Wege-, Wasser- und Brückenbau- 
Inspektor Ludwig Friedrich Bernhard Eckhard ist nun- 
mehr definitiv in den preussischen Staatsdienst übernommen 
und demselben die von ihm bisher kommissarisch verwaltete 
Wasserbauraeister-Stelle zu Frankfurt a. M., unter Belassung des 
Charakters als .Königlicher Bau-Inspektor", verliehen worden. 

Versetzt: Der Kreisbaumeister Saemann zu Weblau 
nach Hartenstein. 

Die Baumeister-Prüfung haben abgelegt: CarlWilcke 
aus Rodenberg, Wilhelm Holtgreve ans Verlar. 

Die Bauführer-Prüfung haben abgelegt: Arthur Wetz 
aus Cöln, Rudolph Wiethof aus Breslau, Wilhelm Piernay 
aus Schwedt a. 0.. Otto Lehmann aus 



Brief- und Fragekasten. 

Hrn. F. H. in Berlin. Eine Autwort auf die Frage, welche 
Art der Zentralheizung für eine Wohnung von 7 bis 9 Zimmern 
die beste sei, kann nicht wohl gegeben werden, wenn der Plan 
der Wohnung, die Lage derselben, die Beschaffenheit des Hauses 
etc. nicht bekannt sind; es käme dies auf die Charlataneric 
derjenigen Aerzte hinaus, welche Kronke im Wege der Korres- 
pondenz kuriren wollen. Von jenen Momenten hängt nicht 
minder die grössere oder geringere Kostspieligkeit der Anlage 
ab: annähernde Vergleichszahlen finden Sie in unserem Deut- 
schen Baukalender. Ein Werk, das wir Ihnen zum Studium der 
verschiedenen Heizsysteme empfehlen könnten, ist uns unbekannt. 
Ein solches, das Sie in den Stand setzen würde, mit alleiniger 
Hülfe desselben Zentralheizung«- Anlagen ausführen zu können, 
giebt es überhaupt nicht. Wollen Sie ein unbefangenes, kriti- 
sches Urtheil über den Werth und die Eigentümlichkeiten der 
neueren Svsteme erlangen, so giebt es hierfür wohl kein bessere« 
Mittel, als* ein Studium der zahlreichen Aufsätze, welche unsero 
Zeitunu sowohl über allgemeine Fragen aus diesem Gebiete, wie 
über einzelne Ausführungen gebracht hat 



tob Ctrl Bctliti In I 



Jahrg. Tl. JK 51,5*. 

DEUTSCHE BAUZEITUNG 

KÄJLÄ Organ des Verbandes h , .* lB, "* u 

Btttallunfaa Iii 1 1 • i 1 / -IT • TT • SauJrtt 



•jaST" deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine. ta ^» : 

Ur Urtiia flu ajanUUM. teMtnwipriU: »Vi *U pr. 

Redakteur K. E. 0. Fritioh. zr«.. 
Preis I Thilrr pro (tuurtal. Berlin, den 25. Dezember 1872. Erscheint jede« Ssaaabeua. 



Inhalt: V.tbud Oautacher Archii?kl*n und Ingenieur- VsrHn». — Di* Oder II. N an ■!» r Bahn»<r.cke Hlluo« Urtif.»«Id. — Aitt il.r fif hlll- 

ala Whhmhw. — Da. UalmrailiH-GrMiMla lu Ko.(wrk. — Da» fr. ■ Ii- irraiur; latttahrtB, für Bu««nti, ftdigirt Ma O. Rrlikaa. - Bauw »»°n 

Htaaut.auw.ati>. (ForlwUMit). - M i II hol 1 1 n |t I *a > V« r.i a«B: ArchltakUa- .rhaflUrho I.ltt.raiur: S.|>t«Mlwr l.i. DmMbir l»tt. - f«n«il Kit h - 

V*r»la ta Ufrlln. — V.rni tth ««»: Di« Z«r«i.'.r>i»»*n d«r Siurrallaüi vom rieh tan. — Brt.f- und Pfag»ka»t*r>. 



Verband deutscher Architekten- md lagenieur -Vereine. 

Die Vorstände der dem Verbände angehörigen Vereine werden hierdurch ganz ergebenst daran erinnert, nach 
§. 7 des Statuts Anfangs Januar 1873 dem unterzeichneten Verbands-Vorstande die Anzahl ihrer Mitglieder anzuzeigen und 
die Beitrage mit 3 Tblr. für je 50, resp. angefangene 50 Mitglieder einzusenden. 

Der Vorstand 

Quassowski, Vorsitzender. Blankenstein, Schriftführer. Köder, Säckelmeister. 



Die Oder als } 

Wir haben der Frage der Regulinmg des Oderstromes, 
welche neben ihrer eminenten Bedeutung für die wirt- 
schaftliche Kortentwiekelung des östlichen Deutschlands ein 
nicht minder hervorragendes technisches Interesse I «an- 
sprachen darf, stets eine rege Aufmerksamkeit geschenkt 
und es mit Freude begrüsst, dass die Techniker, welche in 
jüngster Zeit eine Lösung derselben versuchten, sich unserer I 
Zeitung als des Organs zur Geltendmachung ihrer Ansichten 
bedienten. Trotz einig in der Ueberzeugung. dass das bis- j 
her befolgte Regulinings- System die Wünschenswertben Er- 
folge nicht dargeboten habe und nicht darbieten könne, 
gingen dieselben in Betreff der |>ositiven Vorschläge, welche 
sie für ein an dessen Stelle zn setzendes neues System 
machten, ziemtfeh weit auseinander. Das iu den betreffenden 
Aufsätzen des laufenden Jahrganges der deutschen Bauzei- 
tnng enthaltene Bild dieses Widerstreits der Meinungen 
würde ein unvollständiges sein, wenn wir dasselbe nicht 
durch ein sehr bemerkenswerthes Aktenstück ergänzten, 
das in den letzten Tagen in der besonderen Beilage des 
Deutschen Reichs- und Königl. Prenssisehen Staats- Anzei- 
gers erschienen ist und sich mit Entschiedenheit gegen jene 
sämmtlichen Vorschläge wendet, während es das bisher ein- 
geschlagene System der Oderregulirung verlheidigt Wenn 1 
man den Ursprung dieses Aufsatzes in der Bau- Abtheilung 
des Preussischen Handels-Ministeriums suchen muss und I 
wohl nicht mit Unrecht voraussetzt, dass er dem mit der 
Bearbeitung und oberen Leitung aller die Oder betreffenden 
Fragen beauftragten Staats-Techniker angehört, so wird man , 
mit Genugthunng und Anerkennung sich dieses neuen Bei- 
spiels erfreuen müssen, dass die Staatsregierung das frühere 
souveraine Schweigen in solchen Fragen nicht mehr zu ihrer 
Regel gemacht hat, sondern sich der Einsicht nicht ver- 
schlossen hat, wie sehr das Interesse der Sache dadurch ge- 
fördert wird, wenn sie üIkt ihre Intentionen und über die 
von ihr jedenfalls am Resten gewonnenen Erfahrungen öffent- 
liche Aufklärung giebt! Zur Sache selbst haben wir nicht 
das Recht eines selbstständigen Urtheils, sondern dürfen er- 
warten, dass ein solches von anderer Seite her geäussert 
werden wird. Wir gelten hier den in Rede stehenden nnter 
obigem Titel in No. 50 d. St.-A. erschienenen Aufsatz nach 
seinem vollen Wortlaute. 

Wohl wenige Wasserstrassen Deutschlands halten in 
neuerer Zeit die Aufmerksamkeit der Presse in so hohem 
Grade erregt, als die Oder. 

Nachdem im Frühjahr dieses Jahres eine ausführlichere 
Arbeit des Regierungs- und Bauraths a. D. Fessel über „die 
Schiffbarmachung der Oder" in der Reisewitz'schen Buch- 
handlung in Oppeln erschienen war, begann sehr bald in der 
.Deutschen Bauzeitung*, dein Organe des Verbandes deut- 
scher Architekten und Ingenieure, und in der .Sehlesischen 
Zeitung- eine lebhafte Parteinahme für und wider die von 
Herrn Fessel empfohlene KaDalisirung der Oder durch Na- 
del wehre und Schleusen j das früher schon vielfach ventilirte 



Projekt der Anlage eines besonderen Oderkanals neben dem 
Flusslaufe wurde aufs Neue besprochen, ohne eine lebhafte 
Unterstützung zu finden; an die Stelle der „Fessel'schen 
Schleusenkanüle- wollte man Schiffsdurchlässe theils mit. 
theils ohne Absehlussthore und mit einem Gefälle von 1:1000 
gesetzt wissen, um die Anlagekosten der Kanalisirung der 
Oder zu vermindern und den Zeitverlust für den Schiffer 
beim l'assireu der Schleusen zu vermeiden, wogegen Andere 
das Fessel'» In- Kanalisirungsprojekt lediglich auf die obere 
Oder beschränkt, dagegen für die untere Wer ein weiter 
durchgebildetes Einschränkungs-System in Anweudung ge- 
bracht sehen wollten. 

Endlich ist in jüngster Zeit .unter strenger Verurtheiluug 
eines Vorgehens Tvie das eben erwähnte, ein neuer Vorschlag 
gemacht worden, nach welchem das Strombett auf die ganze 
Lauge von Uosel bis Cüstrin der Breite nach durch einen 
Damm in eine sogenannte „ Fahrt " nnd eine „Flutbrinne 1 " 
getheilt und in gewissen, noch ziemlich unbestimmt gelas- 
seneu Entfernungen durch Stauwehre abgeschlossen, ausser- 
dem aber durch Kommunikationen zwischen Fluthrinne und 
Fahrt ermöglicht werden soll, die erstere bei niedrigen 
Wasserständen als Sammelbassin zur Speisung für das Fahr- 
wasser zu benutzen. 

Da nun im Anschlüsse an diese Vorschläge auch zu- 
gleich die Ansicht ausgesprochen worden ist, dass es unter 
den gegenwärtigen Verhältnissen als die Pflicht des Staates 
zu erachten sei. entweder die für die Verbesserung der 
Schiffahrt auf der Oder von Cosel bis Cüstrin nach jenen 
Vorschlägen erforderlichen, auf 7 bis 10 Millionen Thaler 
berechneten Kapitalien als Fonds perdu herzugeben, oder 
die Ausführung einer Privat -Gesellschaft zu überlassen und 
das Unternehmen durch eine Zinsgarantie oder durch eineu 
einmaligen Staatszuschuss zu Subventioniren, so dürfte es 
nicht überflüssig erscheinen, anf die eiuzelnen Vorschläge 
und ihre Vorzüge und Nachtheile etwas näher einzugehen. 

1) Was zunächst die Fessel'sche Broschüre betrifft, so 
soll dieselbe nur soweit beleuchtet werden, als sie sich auf 
die obere Oder, also die Strecke oberhalb Breslau bezieht, 
wie dies auch dem im Vorworte des Schriftchens dargeleg- 
ten Zwecke des Herrn Verfassers entsprechen dürfte, da in 
der That eine Kanalisirung der Oder unterhalb Breslau mit- 
tels Schleusen und Nadelwehren aus dem in dem Vorschlage 
in No. St des VI. Jahrganges der „Deutschen Bauzeituug" 
mit Recht dagegen geltend gamaehten Gründen kaum von 
irgend Jemanden befürwortet werden dürfte, der deu Zu- 
stand dieses Stromtheiles genauer kennt. 

Obgleich Herr Fessel anf Seite 1 seiner Schrift den 
Nutzen der bisherigen Regulirung der Oder darin erkennt, 
.dass durch dieselbe die Ufer gegen weiteren Abbruch ge- 
sichert worden seien- und dort ebenso wie auf Seite 7 an- 
führt, „dass die bisher bewirkte Regulirnng unbedingt nach 
den Erfahrungen, welche in den letzten zehn Jahren gemacht 
worden sind, eine regelmässige Ausbildung des Flussbettes 
zur Folge gehabt und für die wirkliche SchitTbarmachuug 



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eine sehr werthvolle Vorbereitung erzielt habe u , resumirt er 
am Schlüsse das Resultat seiner Erörterungen über die Be- 
dürfnisse der Oderschiffahrt dahin, dass durch die Reguli- 
rung keine anhaltende Wassertiefe beschafft werden könne, 
welche zum ununterbrochenen Betriebe einer lohnenden 
Schiffahrt nothwendig sei, dass vielmehr zur Gewinnung der 
erforderlichen Fahrtiefe von 1.4™ bei der geringen Wasser- 
menge und dem starken Gefälle der Oder Stauwerke ange- 
legt werden müssen, welche das WaBser in einzelnen Strorn- 
abschnitten ansammeln und das Gefälle vermindern. 

Dieser Ansicht ist, soweit es die Errichtung einer Fahr- 
tiefe von 1,4 ■ beim niedrigsten Wasserstande betrifft, gewiss 
beizupflichten und es würde auch die Ausführbarkeit der 
Kanalisirung der oberen Oder mittels beweglicher Wehre 
nicht in Zweifel zu ziehen sein, wenn die lokalen Verhält- 
nisse die Anlage solcher Stauwerke überall in dem Maasse ' 
begünstigten, wie dies Herr Fessel z. B. auf Seite .'ili seiner 
Schrift annimmt, d. h. wenn das Bett der Oder überall so 
tief eingeschnitten wäre, dass die Ufer durchschnittlich 
.'t bis 4 m höher lagen, als der mittlere Soraraerwassersland. 
und demnach ein Aufstau von 0,6 bis 1,6™ ohne Nachtheil 
für die angrenzenden Grundstücke resp. für die auf die ge- 
genwärtigen Sommerwasserstände bnsirten Entwässerungs- 
Anlagen vorgenommen werden könnte. 

Das« dies an vielen Punkten aber nicht der Fall ist, 
würde eine spezielle Untersuchung sehr bald lehren und 
würde die Schwierigkeiten erkennen lassen, welche in dieser 
Beziehung zu überwinden sind und durch welche die für 
die Ausführung der Kanalisirung erforderlichen Kosten sich 
ansehnlich erhöhen würden. 

Aber auch abgesehen von diesen Schwierigkeiten fragt 
es sich, ob denn auch durch eine in dieser Art durchge- 
führte Kanalisirung wirklich dos erreicht werden kann, was 
Herr Fessel beabsichtigt, d. h. eine für den ununterbrochenen 
Betrieb einer lohnenden Schiffahrt genügende gleichmässige 
Fahrtiefe von 1,4™ nicht nur beschafft, sondern auch dau- 
ernd erhalten werden kann, und diese Frage muss so lange 
verneint werden, als der oberen Oder durch ihre Nebenflüsse, 
wie die Birawka, die Stober, die Malapane und die Neisse 
alljährlich so erhebliche Sandmasse» zugeführt und im Hanpt- 
strom abgelagert werden, wie dies gegenwärtig noch ge- 
schieht. Mit der Kanalisirung allein würde demnach der an- 
gestrebte Zweck nicht erreicht werden können, vielmehr 
müssten alljährlich sehr beträchtliche Baggerarbeiten ausge- 
führt werden, ohne dass es trotz derselben immer möglich 
werden würde, beim raschen Abfallen des Hochwassers diese 
Arbeiten so zu fördern, dass nicht über Verflachung einzelner 
Strecken ebenso geklagt würde, wie dies gegenwärtig ge- 
schieht. 

Hat also anch die in der obern Oder als nahezu vol- 
lendet geltende Regulirung. wie Herr Fessel zngiebt, die 
wirkliche Schiffbarmachnng in werthvoller Weise vorbe- 
reitet, so wird die Kanalisirung des Flusses durch Stauungs- 
anlagen. wenn überhaupt, doch erst dann mit Erfolg in An- 
griff genommen werden können, wenn der immer wieder- 
kehrenden Versandung seines Bettes durch die Nebenflüsse 
hinreichend begegnet worden ist. 

Das Bestreben der Stromverwaltung ist seit längerer I 
Zeit schon darauf gerichtet gewesen, dieses Ziel zu erreichen; 
bis dies gelingt, wird die Frage über die zweckmässigste 
Art der weiteren Ausbildung des Hauptstromes oberhalb 
Breslau aber um so mehr als eine offene betrachtet werden 
müssen, als erst die Verbesserung der Flussehiffahrt durch 
Einführung der Ketten- oder Tauschiffahrt auf der Oder 
selbst, oder auf Strömen von ähnlichem Charakter, und na- 
mentlich eine Verbesserung in der Form der Schiffsgefässe 
weitere Fingerzeige dafür an die Hand geben kann, welcher 
Tiefgang der Fahrzeuge auf der Oder ermöglicht werden 
muss, um eine lohnende Schiffahrt hetreilten zu können. 
Denn dass das Maass von 1,4™ das zum Betriebe einer loh- 
nenden • Schiffahrt durchaus erforderliche sei, dürfte doch 
noch weitere Beweise nothwendig machen, als sie die Fes- 
si l'sche Schrift enthält Erwägt man nämlich, dass die Haupt- 
aufgabe der oberen Oder als Wasserstrasse die Vermittlung 
des Massen Verkehrs zwischen Obers'hlesien mit seiner reichen 
Montan-Industrie, meinen Kalksleinhigern und Forsten, und 
den Hanptabsatv.punkten für die Erzeugnisse jener bildet, 
also zunächst Breslau und weiterhin Stettin , Berlin nnd 
Hamburg, so ergiebt sich, dass eine über das Maass von rot. 
1™ beim niedrigsten Wasser hinausgehende Tiefe des Fahr- 
wassers auf der oberen Oder zwar dem Verkehre mit den 
beiden erstgenannten Punkten zu Gute kommen, für die 
Erreichung der letzten beiden Stationen aber so lange irre- 
levant bleiben würde, als nicht auf den, auf dem Wege 
nach Beilin und Hamburg zu pnssireuclen Gewässern, also 



der Spree, der Havel und der Elbe, grössere Tiefen als 
diese beim niedrigsten Wasser gegenwartig zeigen, hergt- 
gestellt würden. Erwägt man ferner, dass auf der Elbp 
von Anssig bis unterhalb Magdeburg bei einer Wassertiefp 
heim niedrigsten Wasser von durchschnittlich 1" sich nach 
Einführung der Tauerei ein von Jahr zu Jahr steigender 
Verkehr entwickelt hat und dass also auf einer von Schleu- 
sen und Stauanlagen freien Wasserstrasse « ine Tiefe von I™ 
beim niedrigsten Wasser zu genügen scheint, um eine loh- 
nende Schiffahrt zu betreiben, und erwägt man endlich, dass 
auf Kanälen und kanalisirten Flüssen auch das Maass von 
1,4™ als nicht genügend erachtet wird, sondern, wie neuer- 
dings für den Donau-Oder-Kanal 2J> m , für die kanalisirte 
Saar 1,8™ gefordert werden, so wird man zugeben müssen, 
dass das Maass von 1,4™, so lange man die kanalisirtr 
Oder von Ober-Schlesien bis Breslau im Auge hat, zu geriny. 
so lange man alter die Strecke Breslau -Stettin mit einem 
gut konstruirten Convoi von Schiffen am Toueur in Betracht 
zieht, zu gross erscheint, jedenfalls aber noch weiterer Be- 
gründung bedarf, bevor eine darauf basirte Kostenberech- 
nung des Kanalisirungsprojektes Anspruch auf die erforder- 
liche Sicherheit macheu kann. 

Wie nun trotz des oben angeführten Zugeständnisse* 
ülter die bisherigen Erfolge der Regulirung der Oder davor 
gewarnt werden kaun, dieselbe auch auf der unteren Oder 
durchzuführen und zu vollenden, während doch hier die Ver- 
hältnisse für eine Regulirung, wie sogleich gezeigt werden 
soll, ungleich günstiger liegen als auf der oberen Oder, er- 
scheint um so weniger verständlich, wenn man weiss, dass 
die Behauptung in der Schrift des Herrn Fessel Seite !.'>: 
„dass der Faschinenbau so veraänglich sei. dass häufig nach 
4— . r > Jahren, durchschnittlich nach 10—12 Jahren, eine Er- 
neuerung eintreten muss, wenn auch alljährlich Reparaturen 
vorgenommen werden* eine völlig irrige und wohl nur da- 
rauf zurückzuführende ist, dass die in früheren Jahren zur 
Anwendung gekommene; leichte, jetzt hingst verlassene Bau- 
art der Regulirungswerke ohne Anwendung von Steinköpfen 
sie dem Stromangriffe dergestalt preisgab, dass sie bei gleich- 
zeitiger unzureichender Unterhaltung allmählig zerstört wur- 
den und zuletzt nichts als die in das Land eingebundene 
Wurzel davon übrig blieb. 

Wie unverändert dagegen sich die in den letzten zehn 
Jahren ausgeführten Werke trotz der stärksten Eisgänge er- 
halten haben und wie verbäitnissinässig gering die zu ihrer 
Unterhaltung erforderlichen Kosten sind, davon kann Bich 
Jeder überzeugen, der sich die Mühe nimmt, diese Verhält- 
nisse vom Strome ans zu prüfen, und seine Behauptungen 
nicht auf Schiffernachrichteu allein basirt. 

2) Der Bau eines Kanals neben der Oder wird von 
Herrn Fessel sowohl, wie von Andern verworfen und den 
dagegen angeführten Gründen werden schwerlich gute Ge- 
gengründe gegenübergestellt werden können, so lange mau 
nicht Projekte verfolgt, wie sie etwa die Schrift: .Topogra- 
phische Erwägungen über den Bau von Kanälen in Deutsch- 
land* von dem Geheimen Kegierungs - Rathe Dr. August 
Meitzen. Berlin, Verlag von Wiegandt & Hempel 1870. auf 
Seite 34 u. folg. enthält. Ob die Zeit kommen wird, wo 
man an die Ausführung solcher Projekte herantreten wird, 
ist abzuwarten; dass sich schon gegenwärtig die erforder- 
lichen Kapitalien dafür aufbringen lassen sollten, mnss nach 
den bisherigen Erfahrungen ülter das Vertrauen des Publi- 
kums zu der Rentabilität von Kanälen bezweifelt werden. 

3) Dass die weitere Ausbildung der bisherigen Reguli- 
rung anf der unteren Oder, also von Breslau bis Schwedt, 
durch Vorlagen vor die vorhandenen Einschrünkungswerke. 
welche nur das Sommerwasserprofil noch weiter verengen, 
wie sie in No. 'M des VI. Jahrgangs der .Deutschen Bau- 
zeitung* vorgeschlagen werden, seit mehren Jahren schon 
überall da stattgefunden hat. wo es gilt, Stromschnellen zu 
korrigiren, oder den Stroinstrich an einer bestimmten Stelle, 
wie in dem Fahrjoche einer Brücke zu fixiren, scheint dem 
Verfasser jenes Aufsatzes unbekannt zu sein. Wenu diese 
Art der weiteren Ansbildune der Oder- Regulirung in einem 
Artikel in No. 44 des vorgedachten Blattes demnach ver- 
worfen wird, so muss daran erinnert werden, dass vorläufig 
für die untere Oder eine grössere Tiefe als etwa 1™ beim 
niedrigsten Wasserstande nicht angestrebt wird und dass 
die Unterhaltung der vorhandenen Regulirungswerke durch 
diese, sie dem unmittelbaren Stromaneriffe entziehenden 
Vorlagen (von beiden Herren Autoren „Ranschbnhiicn* ge- 
nannt) noch um Vieles erleichtert, die der Vorlagen selbst 
alter, weil sie grösstenteils unter Wasser liegen, fast anf 
Null reduzirt wird. 

Wenn die feinere Ausbildung des Fahrwassers der Od-i 
auf dem vorgedachten Wepe bisher noch nicht in dem er- 



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wünschten Umfange hat durchgeführt werden können, so lag 
und liegt dies wohl nur daran, dass auf einigen Strecken 
noch Lücken in der ersten rohen Verbesserung des Strom- 
luufes xu ergänzen waren, deren Ausfüllung zur Verhütung 
weiterer Verwilderungen des Stromes nicht unterlassen wer- 
den dnrfte, nnd dass die bisher für Stromregulirungszwecke 
zur Disposition stehenden Mittel grössere Aufwendungen für 
die Verbesserung des Fahrwassers der Oder nicht gestatteten, 
ohne gleich dringliche Bedürfnisse bei anderen Strömen zu- 
rückzustellen. Bei der gegenwärtig günstigen Finanzlage des 
Staates werden anf die fraglichen Ausführungen voraussicht- 
lich grössere Summen als bisher verwandt werden können, 
s o dass zu erwarten steht, dass mit Ablauf des nächsten 
Jahres auf der Stromstreeke Stettin-Frankfurt a. 0. das für 
einen geregelten Dampfschiffsverkehr erforderliche gleich- 
infissige Fahrwasser von mindestens 1» beim niedrigsten 
Wasserstande überall beschafft sein wird nnd dass im Laufe 
der nächsten 3 — 4 Jahre auch die Strecke Frankfurt-Bres- 
lau, so weit dies, wie in dem Steinauer Bezirke, nicht schon 
jetzt der Fall ist, eine gleich sorgfältige Ausbildung zeigen 
wird. Wird daneben, wie dies dem Vernehmen nach Ab- 
sicht ist, auch die Zahl der der Stromverwaltung zur Dis- 
position stehenden Dampfhagecr noch vennehrt, so werden 
künftig Stockungen im Schiffahrtsverkehr, wie sie bisher in 
den Sommermonaten häufig vorkommen, mehr und mehr ver- 
mieden und endlich ganz beseitigt werden können. 

4) Was endlich den letzten der im Eingange gedachten 
Vorschlüge zur Verbesserung der Oder als Wasserstrasse be- 
trifft, d. h. die Anlage eines das Flusshclt anf die ganze 
Länge von Cosel bis Cüstrin der Breite nach theilenden 
Dammes, so ist klar, dass dieser Damm, welcher die soge- 
nannte „ Fahrt" von der „Flutbrinne" trennen und dessen 
Krone im Niveau des mittleren Wasserstandes liegen soll, 
bei Anschwellungen des Stromes über Mittelwasser stark 
überströmt werden würde, und da die Strömung bei dem ge- 
krümmten Laufe der Oder bald anf der einen und bald auf 
«ler andern Seite des Dammes die stärkere sein würde, so 
ist nicht ersichtlich, wie dabei die Fahrrinne gegen Versan- 
dungen, vielleicht sogar gegen vollständige Verschüttungen 
sicher gestellt werden soll, wie sie erfahrungsgemäss hei 
Parallelwerken häufig vorkommen. Als ein solches wird 
über der projektirte Damm auch wirklich bezeichnet und 
da demselben jeder Ausehluss au ein festes, wasserfreies 
Ufer fehlt, so sind auch Durchbrechungen desselben, wie sie 
selbst die solidesten Parallelwerke erleiden, und damit in 
Verbindung die ärgsten Verwilderungen des Stromlaufes 
nicht ausgeschlossen. 

Abgesehen aber von allen, der Ausführung eines solchen 
Projektes bezüglich der Beschaffüng und Erhaltung einer ge- 
nügenden Tiefe in der sogenannten „Fahrt" entgegenstehen- 
den Schwierigkeilen würde der Oderschiffahrt, anstatt einer 
dem lwdeutenden Kostenaufwande entsprechenden Erleichte- 
rung, eine erhebliche Gefahr daraus erwachsen, dass die 
Schiffe bei Wasserständen, welche über das Mittelwasser 
hinausgehen und bei denen also die Krone des Dammes 
zwischen „ Fahrt" und .Flnthrinne" unter Wasser liegt, fort- 
während gewärtigen müssen, ihr Fahrzeug beim Aufstossen 
auf den mit Steinen abgepflasterten oder beschütteten Damm 
zu beschädigen, und der Verlust an Schiffen und Ladung 
würde 'dabei tun so grösser sein, als gerade bei solchen 
Wasserstfinden die Schiffahrt am lebhaftesten lietrieben wird 
und der Wasserstand in der Oder zu allen Jahreszeiten ein 
so vielfach wechselnder ist, wie ihn kaum ein anderer der 
norddeutschen Ströme aufzuweisen hat Beispielsweise raar- 
kirte der Pegel zu Maltsch im September dieses Jahres, also 
in einem der Monate, welche die konstantesten Wasserstande 
zu zeigen pflegen: 

am 3. September 2.20 



, Ii. 

, 23. 
. 2«. 
. 30. 

und der Pegel zu Neusalz 
am 5. ' 

: l 
:S 

, 30. 



3,11" 
1.88» 
l.fi5» 
3,71» 
2,41» 

0,97» 
1,65» 
1,18» 
0.47» 
2,12» 
1,52» 



Da nun der mittlere Wasserstand an ersterem Pegel 
auf 2,20"', an letzterem auf 0,97» liegt, so ergiebt sich aus 
vorstehenden Zahlenangaben, dass selbst bei dem sonst so 
konstanten September- Wasserstande die projektirte Damm- 
krone während eines Zeitraums von drei Wochen zweimal 



beträchtlich überfluthet worden uud also der Schiffer zwei- 
mal in Gefahr gewesen wäre, beim Abfallen des Wassers 
auf die Krone aufzustossen und Havarie zu erleiden. 

Wenn aus dem Vorstehendem einerseits hervorgehen 
dürfte, dass die verschiedenen, in letzter Zeit gemachten 
Vorschläge zur Verbesserung des Fahrwassers der Oder, so 
weit sie über die feinere Ausbildung der bisher durchge- 
führten Regulirung hinansgehen, wenig geeignet erscheinen, 
zu einem weiteren Eingehen auf ihre Realisirung aufzufor- 
dern, und andererseits erkennbar geworden sein dürfte, wie 
selbst die Gegner der Kegnlirnng den Nutzen derselben nicht 
zu leugnen vermögen, vielmehr anerkennen müssen, dass 
dadurch gegen Abbruch gesicherte Ufer gewonnen worden 
sind nnd dass eine regelmässige Ausbildung den Flussbettes 
erreicht, der Strom aber zugleich angemessen befähigt wor- 
den ist, die ihm von Jahr zu Jahr in Folge der grossen 
Meliorationen seines lnnndationsgebietes rascher zuströmen- 
den Hochfluthen gefahrlos abzuführen, so wird es nur noch 
des wiederholten Hinweises auf die bereits ad 3 angedeute- 
ten ferneren Ziele bedürfen, welche durch die Fortsetzung 
und weitere Durchbildung des Regnlirungswerkes nach ein- 
heitlich festgestellten und durch die Erfahrung bewährten 
Prinzipien angestrebt werden, um die mannigfachen Vor- 
würfe zu widerlegen, welche in der Tagespresse sowohl, 
wie in Petitionen und Berichten an die Behörden resp. die 
Landesvertretnng gegen ein Vorgehen auf diesem Wege er- 
hoben werden und welche doch meist auf Unkenntniss der 
Sachlage oder auf Überschätzung der Schwierigkeiten be- 
ruhen, welche die eigenthümliehen Verbältnisse der Oder: 
das leicht bewegliche Material ihres Bettes, das starke Ge- 
fälle und die geringe Wassermenge im Sommer, der Her- 
stellung eines allen Anforderungen genügenden Fahrwassers 
entgegenstellen. Wenn z, B. die „Ostsee-Zeitung" vom 25 An- 




günstige Verhältniss hervorhebt, in welchem dieselben zu 
den erzielten Erfolgen stehen, so zeigt dies von völliger Un- 
kenntniss der thatiächlichcn Verhältnisse; denn jeder Sach- 
verständige, welcher die Stromkarten jener Strecke von 
184? nnd 1872 mit einander vergleicht, ans welchen allein 
die erzielten Verbesserungen des Stromlaufs ersichtlich sind, 
wird zugestehen müssen, dass für die auf die Regulirung von 
4 Meilen Stromlänge in dem Zeitraum von 25 Jahren ver- 
wandten circa 200.000 Thlr., also pro Meile und Jahr circa 
2000 Thlr.. sehr Erhebliches geleistet worden ist, nnd dass 
es durchaus unwahr ist, dass die Fahrt für die Schiffe von 
Jahr zu Jahr schlechter geworden sei, während der Grund 
der Klagen lediglich in den immer höher gestellten Ansprü- 
chen an Fahrtiefe, selbst bei den niedrigsten Wasserständen 
zu suchen ist, denen zu entsprechen die bisher zulässigen 
Aufwendungen noch nicht gestatteten. Ebenso unverständ- 
lich ist es, die stückweise Regulirung der Oder zu tadeln 
nnd dariu die vermeintlichen Misserfolge der Regulirung über- 
haupt zu suchen, während jeder Hvdrotechniker weiss, dass 
eine Stromregulirung sowohl zur Erzielung der günstigsten 
Resnltate. wie ans Rücksicht anf die Beschaffung der erfor- 
derlichen Materialien und Arbeitskräfte, nur in folgerechtem 
Vorschreiten innerhalb von einander unabhängen Stromab- 
theilungen zur Ausführung gebracht werden und daher selbst- 
redend erst dann einen vollständigen Erfolg erzielen kann, 
wenn die Regulirung sämmtlicher Stromabtheilungen in Zu- 
sammenhang gebracht ist, was auf den HO Meilen Stromlänge 
von Cosel bis Cüstrin zu erreichen bis jetzt eben noch nicht 
möglieh war, aber doch in nicht zu ferner Aussieht steht. 
Wenn endlich hie und da behauptet wird, es fehle dem 
ganzen Regulimngswerke an einem einheitlichen Plane, ja 
es würden dabei Maassregeln ergriffen , von denen eine d"ie 
andere aufhebe, so verdienen solche Behauptungen kaum 
eine Erwiderung; denn sie beweisen eben nnr, dass ihr Ur- 
sprung auf Personen zurückzuführen ist, welche den bezüg- 
lichen Verhältnissen durchaus fern stehen, welche sich aber 
dennoch berufen fühlen, in das allgemeine Klagelied der- 
jenigen Schiffer einzustimmen, welche mit ihren unzweck- 
mässig gebauten Kähnen und mit der unsichersten Kraft von 
der Welt — dem Winde — den zweckmässig konstrnirten Ei- 
senbahnen erfolgreiche Konkurrenz machen möchten, deren 
Misserfolg sie dann der Mangelhaftigkeit des Fahrwassers 
der Oder zusehreiben, während sie mit Schiffen, welche für 
die Oderverhältnisse passen, und mit einer billigen kontinu- 
irlichen Kraft schon jetzt auch auf der Oder eine lohnende 
Schiffahrt betreiben könnten. 

Ueber die Auffassung dieser Verhältnisse an maassge- 
bender Stelle dürfte der, der Handelskammer zn Frankfnrt 
an der Oder auf ähnliche Klagen unterm 29. Oktober c. 



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— 414 — 



ertheilte Ministerial-Besch.id einen MumUu liefern, welcher 
lautet : 

.In Erwiederung auf den. von der . . . für das Jahr 1871 
(•»fetteten Jahresbericht, und zwar auf den die Oderschif- 
fahrt und den die Regulirung dieses Stromes betreffenden 
Abschnitt, sind zunächst die thatsächlichen Voraussetzungen, 
von welchen daselbst ausgegangen ist, dahin zn berichtigen, 
dass die Plane zur Regulirung keineswegs ausschliesslich 
nach den bei einmaliger Bereisung gemachten Beobachtungen, 
vielmehr erst nach dem vollständigen Ergebnis« der ge- 
rammten umfassenden Vorarbeiten , insbesondere nach den 
genauesten Ermittelungen der Beschaffenheit des ganzen 
Flussbettes und der Erfolge der früheren Regulirungsarbeiten 
festgestellt werden, und dass ferner bei den von der Strom- 
Verwaltung angestellten Versuchen zur Beseitigung der ver- 
sandeten Stellen keineswegs ein nach dem Gottlob'schen 
Systeme erbauter Bagger, vielmehr, nachdem dieses System 
sich als ungeeignet erwiesen, das der Gevynne'schen Pumpe 
zu Gründe gelegt ist. 

Die weiteren allgemeinen Ausführungen der .... können 
ebensowenig für zutreffend erachtet werden. Wie es im 
Laufe der letzten Jahre bereits gelungen ist, mittels der plan- 
raässig ausgeführten Regulirungsarbeiten das Fahrwasser der 
Oder von Schwedt aufwärts bis Cüstrin soweit zu verbessern, 
»lass der Dampfschiffsverkehr auf dieser Strecke, selbst bei 
den niedrigsten Wasserständen eine Unterbrechung nicht 
mehr zu erleiden hat, so wird die Fortsetzung dieser Ar- 
beiten auch für die Strecke Cüstrin -Frankfurt, nachdem der 



Verkehr auf derselben schon im laufenden Jahre nur wäh- 
rend weniger Wochen unterbrochen gewesen ist. voraussicht- 
lich binnen Kurzem dasselbe Ziel vollständig erreichen 
lassen. Freilich aber dürfen, obschon die Organe der Strom- 
verwaltung thunlichst alle Schiffahrt« -Hindernisse sofort zu 
beseitigen bemüht sind, die zur Verfügung stehenden Mittel 
und Kräfte doch nicht auf solche Arbeiten, welche nur einen 
bald vorübergehenden Erfolg versprechen oder bei dem 
nächsten Anwachsen des Wassers sich als überhaupt unnö- 
thig erweisen würden, vielmehr zur Vermeidung einer Zer- 
splitterung zunächst nur auf die Herstellung eines regel- 
mässigen, der Wassermenge und den Gefälleverhältnisscn 
entsprechenden Fahrwasser« verwendet werden, und ist zu- 
gleich darauf Bedacht zu nehmen, das« dem Strome auch 
die Fähigkeit zur Abführung des ihm in Folge der grossen 
Meliorationen in den Niederungen von Jahr zu Jahr rascher 
zugeführten Hochwassers erhalten bleibt. Im Ucbrigen ronss 
es als eine Aufgabe der Schiffer, wenn diese bei jedem Was- 
serstande ungehindert passiren wollen, angesehen werden, 
die Fahrzeuge den bestehenden Verhältnissen anzupassen 
und die geeigneten Vorrichtungen zur alsbaldigen Ueberwin- 
dung vorübergehender Hindemisse mit sich zu führen. Nur 
auf diesem Wege lassen sich vom Schiffsverkehr insbeson- 
dere die Nachtheile derjenigen geringeren oder grösseren 
Verlegungen der Fahrrinne abwenden, welche bei der Natur 
des äusserst beweglichen Flussrnaterials und bei rasch wech- 
selnden Wasserständen, selbst in den best regulirten Strecken 
nicht immer zu verhindern sein werden." 



Das I in imitats- 1> bände in Rostock/: 



Unter den Profangebänden, welche seit dem Bau des 
Schweriner Schlosses in den, von einem ebenso baulustigen 
wie über die reichste Fülle materieller Mittel schaltenden 
Fürsten beherrschten Mecklenburg- Schwerin'schen Landen 
entstanden sind, kann sich an Bedeutung keines mit dem 
am 27. Januar IH70 eingeweihten neuen Universitiits-Gebäude 
zu Rostock messen. 

Dasselbe ist erbaut an Stella eines älteren, im höchsten 



Jahre waren dem Ausbau und der Ausstattung gewidmet. 
Entworfen ist es durch den Hofbaurath Willebrand zu 
Schwerin, dem auch die obere Leitung des Baues übertragen 
wurde und dem die künstlerische Durchführung bis ins De- 
tail angehört; als ausführender Baumeister hat der Baukon- 
dukteur Prahst fungirt. 

Die Grnndriss-Anordnung des in seinem Haupttheile 
tief liegenden Souterrain, einem niedrigen Erdge- 




Grade unscheinbaren Hauses, des sogenannten „ColUgium al- 
*«!»•, das der im Jahre 1419 gestifteten kleinen, aber durch 
reges geistiges lieben ausgezeichneten Universität «eit etwa 
:t Jahrhunderten zum Sitze gedient hatte. Mit der längeren 
Hauptfront dem Blücherplatze zugekehrt, links von dem 
Museum begrenzt, rechts an eine Nebenstrasse, die Kröpe- 
liuer-Strasse stossend, blickt es nach der durch ihren Reich- 
thum an charakteristischen mittelalterlichen Wohnhäusern 
ausgezeichneten Blutstrasse. Der im Jahre 18G1 beschlossene 
Neubau wurde im Jahre 18ti6 mit dem Einreissen des alten 
Hauses, von dem nur der nach dem Hofe liegende Flügel in 
seinen unteren Aussenmauern erhalten worden ist, begonnen. 
1867 kam das Gebäude nnter Dach, die beiden folgenden 

•) Di« » dl«H>r Pnbllk*(ioB tfhüritr neull-An.icnt tom Mittelt,»» <ltr 
ll««pl'«rao> irt b«r»lt» mit No. « «oranitenhickt worden. Leider hibrn «ich der 
V.,ll«oduii« der Dirclurhsitle bi» »m Rnebelnra dioer Nummer lllnderei»« esl- 
jegengwtelll. so du« dieselben nur,«elierert werden mnwn, Die Hcd»kll„i,. 



schoss und drei oberen Stockwerken bestehenden Hauses 
hat mit einfacher Klarheit die Anforderungen des Bedürf- 
nisses zu losen gesucht, ohne nach einem Ideal architekto- 
nischer Grossartigkeit, das schon durch den beschränkte« 
Bauplatz ausgeschlossen war, zu streben. Die Gesammtheit 
der erforderlichen Räume ist in drei, nach ihrer Benutzung 
gesonderte Gruppen zerlegt, welche sich der Form des 
Bauplatzes sehr zweckmässig anschliessen. Her die Halft* 
front dominirende Mittelbau enthält im Souterrain die Heiz- 
kammer, darüber vorn das durch zwei Geschosse reichende 
Vestibül, hinten die Aborte und einige Nchcnräume; vom 
zweiten Stockwerk an endlich die durch die ganze Tiefe des 
Hauses reichende Aula. Links vom Mittelbau ist unter Mit- 
benutzung des alten Flügels die nach ihrem Raumbedürfois* 
grösste und zahlreichste Gruppe aller jener Räume angeord- 
net, welche den Zwecken des akademischen Unterricht« und 
der Verwaltung de« Institut« dienen — unten die Dienst- 



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- 415 — 




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Wohnungen der Hausheamten, darüber die Hörsäle, die Zim- 
mer der Professoren, die Sitzungs-. Sprech- und Gerichts- 
zimmer n. s. w. Der kleinere Theil rechts vom Mittelbau 
dient endlich fast ausschliesslich den Zwecken des Archivs 
und der Bibliothek, welche letztere in einem durch die ganze 
'liefe des Gebäudes und durch drei Stockwerke reichenden 
Räume einheitlich zusammengefaßt worden ist. Eine grosse 
einheitliche Treppen-Anlage mit akademischer Axen-Entfal- 
tung war bei dieser Anordnung allerdings nicht zu erzielen, 
doch benfihrt sich dieselbe als ebeuso praktisch, wie sie 
der monumentalen Würde und Stattlichkeit keineswegs ent- 
behrt. 

In Betreff des architektonischen Aufbaus sei zunächst 
der Facaden erwähnt, von deren Gestaltung die hier mit- 
getheilte kleine Gesammt- Ansicht der Front am Blücherplatz 
und das Detailblatt des Mittelbaus derselben ein Bild gewäh- 
ren, das freilich die farbige Wirkung des Baus nicht wieder- 
zugeben vermag. Der Künstler hat sein Werk in die Formen 
des Renaissance-Stils gekleidet, und zwar hat er sich bemüht, 
diejenige Version desselben festzuhalten und fortzuentwickeln, 
welche unter dem Namen des .Johann Albrecht -Stils" be- 
kannt, an einigen filteren, der Rccicrungszeit dieses Herzogs 
angehörigen Banresten des Mecklenburgischen Landes auf- 
tritt — eine naive und nicht reizlose Übertragung italieni- 
scher, vorzugsweise venctianisc her Motive auf den nordischen 
Backstein- und Terrakottenban. Bei aller Anerkennung des 
Talentes, mit dem dies geschehen ist, und bei vollster Wür- 
digung der feinen und liebenswürdigen Weise, in welcher 
das System der langen Fronttheile entwickelt ist, wird man 
allerdings kaum anstehen dürfen, die ästhetische Berechti- 
gung von Bildungen, wie sie in der Bekrönung des Mittelbaus 
airftreten. zu bestreiten und zu bedauern, dass sie in so 
monumentaler Weise verkörpert worden sind. Möglicherweise 
hat in dieser Bezichuug ein direkter Wunsch des hohen Bau- 
herrn vorgelegen, dem .der Architekt sich nicht entziehen 
konnte. 

Was an seinem Werke neben jenen erwähnten Vorzügen 
noch hesonders hervorgeholten werden miiss, ist die höchst 
geschickte Verwendung und Kombiuation des einheimischen 
Materials und die aus diesem, beziehungsweise der landes- 
üblichen Bauweise abgeleitete Wahl der künstlerischen Detail- 
Gestaltung. Die Gesimse, Friese und Lisenen, die Bekrö- 
nnngen des Bans nnd die Medaillonköpfe, endlich die Ein- 
fassungen der Fenster sind an den beiden oberen Stock- 
werken aus dunkelrothen Terrakotten ausgeführt, von denen 
die glatten in einer Schweriner Ziegelei, die ornamentirten 
von March in Charlottenburg geliefert wurden. Die Statuen, 
die Einrahmung der beiden oberen Nischen, sowie die Archi- 
tektur des Hanptnortals sind aus Nebraer Sandstein, alle 
glatten Zwischenfelder der oberen Stockwerke nnd die archi- 
tektonische Gliederung des geonaderten Unterbans sind in 
Mörtelputz hergestellt, der allerdings nur ans so vorzüglichem 
Kalkmaterial, wie es in Mecklenburg vorhanden ist. in einer 
Bolchen Festigkeit und Vollkommenheit hergestellt werden 
konute, dass die Quadernng des Unterhaus kaum von natür- 
lichem Steinmaterial zu unterscheiden ist. Als Dekorations- 
uiittel für diese Putzflächeu aber ist eine reiche Anwendung 
\on Sgraffito herangezogen worden, für welche der leider 
zu früh verstorbene Max Lohde die Entwürfe geliefert hat. 
Seraffitostreifen. oben dunkle Zeichnung auf hellem Grunde, 
unten helle Zeichnung auf dunklem Grunde, schaffen zwischen 
den Fenstern und den umschliessenden architektonischen 
Hauptformen ein Rahmenwerk von leichten Füllungen, deren 
oberste die Embleme der akademischen Tugenden enthalten; 
zu reicheren und grösseren Kompositionen in Sgraffito gaben 
die grösseren Flächen der Seiten facade Gelegenheit. 

Man wird sicher nicht zweifelhaft sein, dass in dieser 
Kombination der Materialien und namentlich in der Art, 
wie die Sgraffito -Dekoration angeordnet worden ist, sehr 
heachtenswerthe Momente für eine Bereicherung unserer 
nordischen Bauweise enthalten sind, wenn man auch wün- 
schen möchte, dass der Putz nur iu glatten Flachen und 
nicht zur (Quader-Imitation, und dass anstatt Terrakotta und 
Saudstein womöglich nur ein einziges dieser Materialien an- 
gewandt worden wäre; ganz abgesehen davon, dass der Sand- 
stein mehrfach noch durch Zetnentgnss ersetzt worden ist. 
Die farbige Wirkung, die sich aus dem tiefen dunklen Roth 
der Terrakotten, der dunklen röthlichen Färbung des Ne- 
braer Sandsteins und des diesem angenäherten rauhen Putzes 
im Unterbau und dem hellen gelblichen Tone des glatten 
Putzes an den Obergeschossen, sowie dem Dunkelbraun der 
Sgraffito-Zeiehnung zusammensetzt, ist eine reiche aber bis 
jetzt noch etwas kalte; sie wird im Laufe der Jahre jeden- 
falls noch harmonischer zusammengehen. 

Was die Bedeutung der plastischen Darstellungen an der 



Facade betrifft, so sei bemerkt, dass die Figureu in den Ni- 
schen des Mittelbaues die Gründer der Universität, die Herzöge 
Johann III. und Albrecht IV., die Scndellen über denselben die 
Grossherzöge Friedrich Franz I. und 11., das Relief über dem 
Portal den ersten Kanzler der Universität, Bischof Heinrich von 
Schwerin darstellt. In dem mittleren Giebel -Halbrund des 
Mittelbaues hat da« Mecklenburgische Wappen, in den beiden 
seitlichen haben die Medaillons der nm die Universität ver- 
dienten Minister von Schröter und Vizekanzler von Both 
ihren Platz gefnnden. An der Giebelfacade entsprechen die 
Statuen der Reformatoren der Universität, der Herzöge Jo- 
hann Albrecht I. uud Ulrich den oben erwähnten Standbil- 
dern. In dem reichen Friese, welcher die Brüstung des 
zweiten Stockwerks und den Sockel des Oberbaues bildet, 
sind die Portrait-Medaillons der berühmtesten Rostocker Pro- 
fessoren angeordnet, auf den vorspringenden Postamenten dieses 
Sockels stehen vor den Haupt- Lisenen die allegorischen 
Statuen der vier Fakultäten, der Schriftstellerei und der 
Uuchdruckerei. Auf die geistige Einheit des Ganzen deutet 
die über dem Hauptportal eingefügte Inschrift: Doctrina mul- 
tiplex. vei ila* una. 

Das Innere entspricht in architektonischer Durchfüh- 
rung der Facade. Ist doch selbst die dnukelrothe Farbe 
der äusseren Terrakotten auf die reich ornamentirten Thür- 
einfassungen des Innern übertragen worden , wo sie leider 
etwas zu hart wirkt. Das durch vier mächtige, mit Thon- 
platten bekleidete Säulen getheilte Vestibül, sowie die Kor- 
ridore haben gewölbte Decken, die übrigen Räume der obe- 
ren Stockwerke excl. des Archivs und der Bibliothek Holz- 
decken erhalten, denen in den Repräsentationszimmern der 
Professoreosehaft, sowie in der Aula eine reiche künstle- 
rische Ausbildung gegeben worden ist. Die letztere, ein 
Raum von Ii»™ Länge und ll ra Breite, erhält ihr Haupt- 
licht durch 3 grosse Oberlicbtfenster, wahrend das grosse 
Seitenfenster derselben in der Vorderwand, unterhalb dessep 
das Katheder sich befindet, in reicher Glasmalerei das Mecklen- 
burgische Wappen enthalt. Gegenüber dem Katheder ist 
eine die ganze Breite der Anla einnehmende Gallerie, über 
den beiden Seitenportalen sind zwei einspringende Balkon- 
logen angeordnet, sämmtlich durch Sfiulen von rothem bel- 
gischen Marmor gestützt. Die durch weisse Stuckpilaster 
gegliederten Wandflächen sind unterhalb mit hoher Holztä- 
felung bekleidet, oberhalb in grauem, beziehungsweise gelb- 
lichem Stucco lucido mit Goldornament dekorirt. Reiche 
Goldverzierung enthält auch die Holzdecke, während der 
Fries mit 16 Medaillon - Portrait« Rostocker Professoren ge- 
schmückt ist. — Als der architektonisch bedeutsamste Raum 
ist nächst der Aula das Treppenhaus der linken Seite zu 
nennen, das sich mit breiten, dnreh Sandsteinsäulen getra- 
genen Bögen nach den anschliessenden Korridoren öffnet. 
Die in Gusseisen mit Holzbelag ausgeführte Treppe selbst 
ist ein treffliches Werk der bekannten Hütte in Lauch- 
hamiuer. Die geschlossenen Felder des oberen Stockwerks 
sind mit den Büsten antiker Redner, Philosophen und Dich- 
ter geschmückt. 

Unter den konstruktiv« interessanten Anordnungen des 
Inneren steht jedenfalls die der Bibliothek an der Spitze. 
Um jede Anwendung von Leitern überflüssig und die Bücher 
aufs Leichteste zugänglich zu machen, sind die drei Stock- 
werke hier noch durch je eine Zwischendecke getheilt, so da*s 
sich im Gauzen 6 übereinander liegende Geschosse ergeben 
haben, die. dnreh offene Treppen an beiden Seiten mit einan- 
der verbunden, als ein einheitliches Ganzes betrachtet werden 
können. Die grösste Vorsorge aber ist auf die möglichste 
Fenersicherheit dieses Raumes verwendet worden. Thür- und 
Fensteröffnungen der starken massiven Wände sind mit eiser- 
nen Läden zu verschlicssen, der untere Fussboden, sowie die 
drei oberen Hauptdecken sind jrewölbt, letztere anf eisernen 
Trägern, und der oberste Abschlnss ist ausserdem noch mit 
einem Lehmschlagn versichert, über dem sich zum Schutz 
gegen die bei Löschung eines Dachbrandes aufzuwendenden 
Wassermassen eine Decke von Holzzement mit entsprechen- 
dem Abflüsse befindet. Von Eisen ist endlich das ganze 
Gerüst des inneren Ausbaues der Bibliothek, die Säulen und 
Balken der Zwischendecken. Da zwischen dem Mittelbau 
und der Bibliothek ausserdem noch eine Axenweite einge- 
schaltet ist. welche, mit starken Mauern umschlossen und über- 
wölbt, die zweite, aus Schmiedeeisen konstrnirte Haupttreppe 
des Hauses enthält, so dürfte allerdings ein relativ hoher 
Grad von Fenersicherheit erreicht sein. — 

Zu erwähnen sind ferner die Beleuchtungs-Einrichtnngen 
der Aula, welche oberhalb der Oberlichte, also ausserhalb 
des Raumes selbst, angeordnet worden sind und zugleich 
eine wirksame Ventilation des Saales bewirken. Die Er- 
wärmung desselben erfolgt durch warme Luft, die des Vesti- 

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- 417 - 




Soularr.ia. 

iL Luhh-fliuDiwB für 41« Aula; 

■ - Frbehsr LufUng; 

b. Kalur Luftcit*. 
*. H. „.». für Vftlibil, 

Irrpp« «ml Korridore, 

r. lleiMwaurrheimnK f«r dir Arbelt»- 

limner dor WbUolh.kare eti4 die Bn 



liüls, der Treppen und Korridore, sowie einiger anderer 
1! ulnar des Hauptbaues dureh eine Heisswasser-, die der 
übrigen Räume durch gewöhnliche Kachelofenheizung. Lage 
und Anordnung der Heizkammern für die Zentralheizungen 
giebt die beifolgende Skizze an. 

Die Konten des Gebäudes einschliesslich aller beim Bau 
aufgewendeten Ausgaben haben 1 75,655 Thlr. betragen, was 
bei einem Gesammt - Flächeninhalte von ca. 1408 □ pro 
Quadratmeter bebauter Grundfläche den Preis von 124,7 (pro 
□ Fuss Hambrg. 10 Thlr. 5% Sgr.) ergiebt. - F. — 



Das Prcassixhe Staats* 

(Fortirtiim^). 



Ein bemerkenswerter Nachtheil der Bauführer- Praxis, 
der sich allerdings nicht für die Ausbildung der Bauführer, 
wohl aber für die allgemeine Gestaltung ihrer späteren Fnch- 
und Lebens-Lanfbahn fühlbar macht, ist es, dass die Meisten 
derselben sich allzulange in der Praxis fesseln lassen und 
daher zu spät zur Baumeister -Prüfung gelangen. Selbstver- 
ständlich trägt nicht jene, sondern die ganze Lage der Ver- 
hältnis*« die Schuld hieran. 

Meist wird die vorscbriftsinässige Minimalzeit von nur 
zwei Jahren praktischer Beschäftigung bereits um ein Nam- 
haftes überschritten, bis der Bauführer die Ertheilnng der 
Probe- Arbeiten für jene Prüfung beantragt; nicht Wenige 
aber lassen sich auch hiermit noch nicht genügen, sondern 
unterbrechen die Vorlvereitung für diesen letzten Akt des 
Vorspiels ihrer eigentlichen Karriere ein oder gar mehre 
Male, um wiedernm in die Praxis zurückzukehren — zum 
Mindesten doch, um der Anfertigung einiger grösseren Ent- 
würfe für praktische Aufgaben obliegen zu können. Es sind 
thatsächlicli nur entschiedene -Streber" oder besonders glück- 
lich organisirte und vom Glück begünstigte Naturen, welchen 
es gelingt, den Ausbildungsgang Preussischer Staatsbaubeam- 
ten in der kürzesten hierfür erforderlichen Frist abzuschlies- 
ren. Die Mehrzahl verwendet auf denselben ein Zeitmaass, 
welches das in anderen Fächern übliche bis nm ein Mehr- 
faches überschreitet. Als Durchschnitt konnte nach den 
bisherigen Erfahrungen angenommen werden, dass die Bau- 
meister-Prüfung etwa im SO, Lebensjahre absolvirt wurde. 
Einzelne, welche verhältnismässig erst spät in das Fach 
eingetreten sind und bei welchen die gewöhnlichen Verzö- 
gerungsgründe demzufolge am Stärksten zu wirken pflegen, 
gelangen mit jenem Abschlüsse, der ihnen bis vor Kurzem 
erst die Möglichkeit einer völlig selbstständigen, vom Staate 
anerkannten Thätigkeit als Bautechniker eröffnen musste. 
bis nahe an die Grenze des 40. Lebensjahres! 

Derartige, nicht allzu seltene Ausnahme- Fälle, ja sogar 
die Regel, mögen vor Engländern und Amerikanern als ko- 
mische Beispiele unverwüstlichen deutschen Zopfes erschei- 
nen, während sie in Wirklichkeit eher einen tragischen Bei- 
geschmack haben. Jedenfalls offenbart sich in der That- 
sache, dass die vom Staate gebildeten Bautechniker erst in 
so später Zeit zur vollen Wirksamkeit gelangen, eine vom 
grünen Tische her verschuldete Vergeudung an kostbarster 
und frischester Nationalkraft, die es allein schon rechtferti- 
gen würde, dass erforderlichen Falls die Vertreter des Volkes 
hier helfend eintreten.- 

Die Gründe dieser Verzögerung sind zum Theil äusser- 
nder und materieller Natur: es ist der Gelderwerb der Di- 
äten, welcher die meisten Bauführer so lange in der Praxis 
festhält und während der Prüfung wieder in dieselbe zu- 
rücktreibt. Leider ist dies ein durch bittere Notwendig- 
keit erzeugtes Elend. Unser Volk ist ein armes und die 
ärmsten, mit des Lebens Nothdurft am Härtesten kämpfen- 
den Glieder desselben sind seine Beamten, die in ihren 
Söhnen wiederum das Hauptmaterial zur Ergänzung und 
Erneuerung des Beamtenstandes stellen. Eben weil das 
Baufach bereits während der Vorbereitungszeit die Gelegen- 
heit zum Erwerb und Verdienst liefert, wird es von Man 



Prüfung erforderlichen Gelilmittel Sorge zu tragen. Es ist 
naheliegend, dass sie dies zunächst auf dem Wege der Er- 
sparnissversuchen, — ob dieser Versuch auch nur in seltenen 
Fällen gelingen mag. namentlich da die Meisten sich über 
das Maass des für jenen Zweck erforderlicheu Zeit- und 
Kosten -Aufwandes arg zu täuschen pflegen. Was bleibt 
unter solchen Verhaltnissen für alle Jene, denen es an Nei- 
gung und Gelegenheit zu den entsprechenden Anleihen fehlt, 
übrig, als wieder und wieder in den Nothhafen einer diäta- 
rischen Beschäftigung einzulaufen? — 

Allerdings sind diese, nicht für Alle maassgebendeu 
materiellen Gründe nicht die einzigen. In Betracht zu ziehen 
ist neben ihnen das sorglose Behagen an der Gegenwart, an 
dem Wirken in einer angenehmen und lehrreichen Stellung, 
der Wunsch, eine interessante einmal begonnene Arbeit zu 
Ende zu führen, oder die Verlockung, eiue noch interessanter^, 
unter ähnlichen Bedingungen vielleicht niemals wiederkeh- 
rende Aufgabe zu lösen — mit einem Worte, der Reiz 
lebendigen Wirkens und Schaffens, welcher den, der 
ihn einmal kennen gelernt hat, so leicht nicht aus seinen 
Banden entlässt. Es wiegt dieser Grund um so stärker, je 
hervorragender die Leistungen und demgemäss die Erfolge 
des Bauführers sich gestalten; gelangen doch manche nnter 
ihnen bereits zu einer so bedeutenden selbstständigen Thätig- 
keit, oder sie erringen sich durch schöpferische Leistungen, 
die sie bei öffentlichen Konkurrenzen im Wettkampfe mit 
den ersten Meistern des Faches bethätigen, bereits eine so 
allgemeine Anerkennung, dass die Forderung eines weiteren 
Nachweises ihrer künstlerischen oder technischen Befähigung 
zu einer bedeutungslosen Formalität wird. — Von einer 
gewissen Schuld an einer zu weiten Ausdehnung der prak- 
tischen Beschäftigung mancher Bauführer sind häutig auch 
ihre Vorgesetzten nicht freizusprechen, welche mehr den 
eigenen Vortheil, als den ihrer Hülfsarbeiter ins Auge fassen 
und eine Kraft, deren Verlust sie schwer empfinden würden, 
so lange wie es nur angeht, festzuhalten streben. 

Dass alle diese Gründe eine solche Rolle spielen können, 
ist jedoch nur möglich, weil die Einrichtungen der Bau- 
meister-Prüfung sie in so verhängnissvoller Weise unter- 
stützen. Alle Mängel und Verkehrtheiten, die wir in den 
Anordnungen für den Ausbildnngsgang der Prenssischen 
Banbeamten zn rügen hatten, kulminiren in dem System 
dieser Prüfung, die für Alle, welche sie überhaupt ernst 
nehmen, zu einer so langwierigen und kostspieligen, zugleich 
aber zu einer so schwierigen sich gestaltet, dass der Antritt 
und die Durchführung derselben eine nicht gewöhnliche 
Energie und nach mehren Seiten hin eine direkte l'eber- 
windung des Entschlusses fordert. 

Eine kritische Besprechung dieser Einrichtungen und 
der durch sie hervorgerufenen historisch gewordenen Zu- 
stände ist keine leichte. Nicht allein, weil es einer sorg- 
fältigen Ueberlegung bedarf, wie weit eine Schilderung jener 
Zustände wohl gehen kann, nm in der Sache zu nützen, 
ohne doch dem Ansehen des Preussischen Banbeamtenthums 
vor der öffentlichen Meinung, die Ursache und Wirkung nicht 
objektiv genug zusammenhalten kann, einen schwer zu ver- 
windenden Makel anzuhängen, sondern vor allen Dingen. 



eben ergriffen, deren Eltern nicht einmal die Mittel besitzen, | weil die Einriebtungen selbst gegenwärtig in einem Ueber- 



ihre Söhne während der akademischen Studienjahre unter 
halt en zu können, die jedoch darauf rechnen, aus den — 
anscheinend überreichlichen — Einnahmen der Bauführer-Zeit 
die durch fremde Hülfe aufgebrachten Kosten decken zu 
können. Wenn hiernach nicht wenige Bauführer geuöthigt 
•ind, einen Tbeil ihrer Diäten, die »ich unter den Bedin- 
gungen des Lebens in der Praxis keineswegs 
zend darstellen, zur Abtragung von Schulden zu 
so dürfte sogar die Mehrzahl derselben darauf angewiesen 
sein, während der Praxis für die Beschaffung der zur Vol- 
lendung ihrer Studien und zur Anlegung der Bnumeistcr- 



augszustande sich befiuden. Die Details der Baumeister- 
Prüfung haben durch die Vorschriften des Jahres 18G8 eine 
Veränderung erfahren, die wir als eine sehr wesentliche Ver- 
besserung, durch welche mehre der schlimmsten und em- 
pörendsten Misstälide beseitigt worden sind, stets und gern 
anerkannt haben, der wir jedoch um deshalb nur die Be- 
deutung eines Palliativs einräumen können, weil die Haupt- 
Prinzipien des Systems dal>ci unangetastet blieben. In 
Wirklichkeit haben diese neuen Vorschriften erst eine be- 
schränkte Geltung erlangt, da bis zur jüngsten Zeit die 
Mehrzahl der seither geprüften Baumeister ihr Baufuhrer- 



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- 418 - 



Examen vor deren Einführung abgelegt hatte, an den Vor- 
zügen der gegenwärtigen Organisation daher nicht vollen 
Theil nahm, — wohl auch, weil es für die Examinatoren 
theilweise einer gewissen Eingewöhnung in die Tendenz jener 
Aenderungen bedurfte, die ihnen ja noch vor Kurzem durch 
einen in No. 38 d. Ztg. mitgetheilten Erlas* des Ressort- 
Ministers besonders eingeschärft und durch ergänzende Be- 
stimmungen deutlicher erläutert worden ist. Die Möglichkeit, 
über den tatsächlichen Erfolg dieser Maassregeln auf Grund 
zuverlässiger Erfahrungen zu urtheilen, ist daher eine sehr 
beschränkte. Wir hoffen allerdings, schon aus inneren Gründen 
heraus überzeugend nachweisen zu können, dass der Erfolg 
weder der beabsichtigte sein kann, noch das* selbst der be- 
absichtigte Erfolg genügen würde; doch werden wir uns nicht 
nehmen lassen, in jener Hinsicht mehrfach auf die früheren 
Hinrichtungen zurückzugreifen, weil die Irrt Initiier und Mängel 
der ihnen zu Grunde liegenden Prinzipien sich in ihnen 
klarer und deutlicher darstellen, als in der gegenwärtigen 
Abschwächung derselben. 

Bevor wir auf die Details der Baumeister-I'rüfung ein- 
gehen , mögen zuvörderst die beiden allgemeinen Momente 
erörtert werden, welche das System derselben als ein bereits 
in der Idee verfehltes erscheinen lassen. 

Das erste derselben ist es, dass die Prüfung sich nicht 
auf die Leistungen des Kandidaten erstreckt, sondern 
zum grossen Theil auch den Apparat betrifft, welcher als 
normale Vorbedingung für die Fähigkeit zu solchen Leistun- 
gen betrachtet wild; sie erhält wesentlich dadurch jenen 
schulmässigen Charakter, den wir der Würde der Sache 
nicht ganz für entsprechend halten können. Nicht nur das 
relative Können des Kandidaten und das Maas» seiner in 
der Praxis gewonnenen Erfahrung werden geprüft, sondern 
er soll zugleich Rechenschaft ablegen über seine positiven 
Kenntnisse in einer Reihe von Fachdisziplinen, die er sich 
in der geforderten Allgemeinheit und Schlagfertigkeit nur 
durch ein umfassendes theoretisches Studium systematischer 
Art gedächtnissmässig angeeignet haben kann. 

Wir halten dies für ein Verkennen des natürlichen We- 
ges menschlicher Elitwickelung, das nur bei einem Doktri- 
narismus möglich ist, der sich aus Scheinerfolgen zu dem 
Schlüsse verleiten läset, das der Mensch Alles kann, 
was er soll. 

Dass von einem Studium dieser Form und Tendenz bei 
dem Lebensalter der meisten Bauführer und nachdem sie 
eiumal auf die Bahn lebendiger Entwickelung in praktischer 
Tbätigkeit geleitet worden sind, wirkliche Erfolge nicht 
erwartet werden können, ist unsere innerste Ueberzeugnng. 
Gewiss wird die Notwendigkeit und Nützlichkeit eines über 
die Bauführer-Prüfung hinaus fortgesetzten Studiums eben- 
sowenig wie von uns, von irgend einem Kandidaten der Bau- 
meister -Prnfnng verkannt und geleugnet; im Gegenthcil es 
dürfte unbestritten sein, dass dem Techniker ein stetiges, 
neue Anregung und neues Wissen erstrebendes Studium bis 
an sein Lebensende ein unentbehrliches Bedürfnis» ist, will 
er sich anders auf der Höhe seines Fachs erhalten. Wir 
haben auch schon gebührend hervorgehoben, wie aus der 
Praxis und deren Anforderungen sich fortdauernd der frucht- 
barste Anlass und Sporn zur Ergänzung nnd Erweiterung 
auch des Wissens ergiebt Aber zu einem auf Erzielnng 
eines Kompendien -Wissens gerichteten theoretischen Stu- 
dium, zu systematischem Lernen aufgedächtnissmässigem 
Wege pflegt der praktische Techniker in einem über die erste 
Jugend vorgeschrittenen Alter mehr oder weniger verdorben 
zu sein. Zwingt er sich unter dem Drucke eines auf ihn aus- 
geübten Zwanges trotzalledem unter saurem Schweisse zu 
diesem Rücksprunge in ein schülermässiges Studiren, so ist in 
zehn Fällen gegen einen anzunehmen, dass das erlangte 
Wissen, soweit es zum Zwecke der Prnfnng angestrebt wurde 
nnd nicht durch die Praxis befestigt wird, ein äusserliches 
ist, das die Prüfung nur kurz überdauert. 

Die früheren, für alle bis zum Jahre 18G9 geprüften 
Bauführer noch heute gültigen Vorschriften, welche den 
direkten Nachweis einer bestimmten, nach dem Bauführer- 
Examen absolvirten Studienzeit forderten, gingen in der 
Annahme dessen, was in dieser Zeit noch gelernt werden 
könute und sollte, von Voraussetzungen aus, die man in der 
That kaum für möglich halten sollte. Was soll man dazu 
sagen, dass den Kandidaten angesonnen wurde, nunmehr erst 
die Theorie der höheren Mathematik und deren Anwendung 
auf die Statik und Mechanik zu erlernen, nachdem die Sätze 
der letzteren in der Bauführer-Prüfung bereits mit Hülfe der 
elementaren Mathematik hatten begründet werden müssen, 
dass in dem an der Bau-Akademie für die Zwecke jenes 
Studiums eingerichteten Lehrgänge für künftige Baumeister 



stisches Gegenbild gewährt es, dass bis zur Berufung J. W. 
Schwedler's ein Kolleg, in dem das Entwerfen grösserer 
Eisenkonstruktionen hätte erlernt und geübt werden können, 
gänzlich fehlte, während doch in den Prufungs-Aufgabcn 
schon öfters solche gefordert wurden. Ebenso fehlte für das ■ 
Bedürfniss der Architekten, welche eine höhere Ausbildung 
suchen, und fehlt noch heute ein Vortrag über die Lehre 
vom Stil und von den Stilen, trotzdem C. Bottiche r, der 
berühmte Begründer der ersten, der Akademie angehört, aber 
freilich seine Kraft in elementarem Zeichen - Unterricht ab- 
nutzen inuss. 

Jenem drückendsten Misstande ist vorgebeugt, seitdem 
nunmehr die gesammten Hülfswissenschaftcn in der Bau- 
fuhrer-Prüfung erledigt worden, auch wird der Nachweis einer 
bestimmten Studienzeit nicht mehr gefordert. Das Prinzip 
selbst ist trotz dieser milderen Handhabung dasselbe geblie- 
ben, da die mündliche Prüfung in den Fachwissenschaften 
noch in der alten schulmässigen. auf ein Kompendien-Wissen 
berechneten Form erfolgt. — Selhstverstäudiich wird auch 
das Resultat im Wesentlichen das alte bleiben. Es ist nach 
der positiven Seite ein in doppelter Beziehung zweckloser 
Scheinerfolg ; zwecklos, weil das in solcher Weise angeeignete 
Wissen leider gar so bald verfliegt, zwecklos auch, wen bei 
den heutigen Hülfsmitteln der Litteratur ein auf gesunder 
Grundlage gebildeter Techniker in jedem Falle, der ihm eine 
bisher nicht geläufige Aufgabe darbietet, in schnellster und 
vollkommenster Weise sich von dort Raths erholen kann 
und erholen wird. Nach der negativen Seite bringt die Nö- 
thiguug zu jener Art des Studiums, wenn sie ernstlieh ge- 
nommen wird, einen Verlust an Zeit und eine Unterbrechung 
in der für die Individualität der meisten Bauführer einzig 
erfolgreichen und werth vollen Art der Weiterbildung in der 
Praxis hervor, die nicht anders als schädlich wirken können. 
Und zwar müssen sie um so schädlicher sich erweisen, je 
grössere Bedeutung gerade diese ersten Jahre wirklichen 
Schaffens für die Entwickelung des Technikers zu haben 
pflegen; es bietet sich in dieser Hinsicht ein direktes Gegen- 
stück zu der Anordnung des Elevenjahres, durch welches 
umgekehrt die für ein elementares systematisches Studium 
werthvollste und unersetzliche Zeit für eine werthlose Ein- 
führung in die Praxis verschwendet wird. 

Es sei übrigens bemerkt, dass diese Nöthigung an- 
scheinend nicht sehr ernst aufgefasst wird und dass die 
für die Organisatoren von 18G8 wohl maassgebende An- 
nahme, dass ein besonderes Studium zum Zwecke der Bau- 
meister-Prüfung nach Aufhebung der (mit voller Strenge 
durchaus nicht durchfuhrbaren und sehr häutig umgangeneu) 
Zwangsverpflichtung zu einem solchen grossen theils auch 
freiwillig unternommen werden würde, eine irrige war. Die 
beiden höheren akademischen Kurse der Bau - Akademie, 
welche an Stelle des früheren Lehrgangs für künftige Bau- 
meister getreten sind, veröden in schreckenerregender Weise, 
nachdem die Mehrzahl der nach den alten Bestimmungen 
geprüften Bauführer ihre obligatorische Studieuzeit absolvirt 
hat und die neue Generation der Bauführer sich zur Prüfung 
anschickt. Der Kursus für Land- und Schönban hält sich 
in nothdürftiger Weise hauptsächlich durch Ausländer und 
Privat-Architekten. Die Vorlesungen des Ingen ienrfachs zäh- 
len neuerdings wenig mehr als ein Dutzend oder gar noch 
unter einem Dutzend Zuhörer; ja es soll nahezu in Frage 
den haben, ob das Kolleg im Eisenbahnbau — unter 
heutigen Zeitverhältnissen vielleicht die wichtigste unter 
allen auf der Akademie gehaltenen Vorlesungen nnd einem 
als trefflichen Spezialisten dieses Gebiets bewährten Dozen- 
ten anvertraut — im laufenden Semester überhaupt zu 
Stande kommen werde! — 

Obwohl dem vorher erörterten Momente eine Geltung 
in absolutem Sinne beizumessen ist. da eine Disponirung 
der praktischen und theoretischen, der Hülfs- und Fachstu- 
dien, wie sie im Ausbildungsgange der Preussischen Baube- 
amten vorhanden ist, wohl iu jedem Fache schädlich sein 
möchte, so erlangt es seine eigentliche Bedeutung allerdings 
erst durch das Hinzutreten des zweiten, für die Einrichtun- 
gen der Preussischen Baumeister -Prüfung charakteristischen 
Haupt-Moments — der Bestimmung, dass dieselbe gleichzei- 
tig in beiden Richtungen des Baufachs, der Architektur und 
dem Ingenieurwesen, abgelegt werden muss. 

Wie schon früher erwähnt wurde, steht Preusscn mit 
dieser Eigentümlichkeit allein unter allen Staaten Euro- 
pas, welche eine derartige Vereinigung entweder niemal« 
gekannt haben oder doch so einsichtig waren, sie wieder 
aufzuhellen. Auch haben wir erwähnt, dass die seit Jahren 
wachsende Agitation gegen diese Zwangsehe, welche sich 



Studiums eingerichteten Lehrgänge für künftige Baumeister bei uns entwickelt hat, nicht selten so weit geht, dieselbe 
noch Landschafts- und Figurenzeiehnen tigurirten! Ein dra- , als den einzigen Quell aller Mängel des Preussischen Staat s- 



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— 419 - 



bauwesens, eine „Trennung der Fächer" hingegen als den 
einfachen und sicheren Weg alles Heils zn bezeichnen. Wir 
selbst sind zwar von jeher nicht unter den letzten Eiferern 
für eine derartige Maassregel gewesen, doch glauben wir in 
der vorangegangenen Kritik nachgewiesen zu haben, dass 
sie eine derart ausschliessliche Bedeutung nicht besitzt. 
Allerdings ist nicht zu verkennen, dass die bestehende Ein- 
richtung, wie sie in der Baumeister- Prüfung sich geltend 
macht, unter allen Misständcn im Ausbildungsgange des 
l'reussischen Baubeamten von Jedem wohl am Drückend- 
sten empfunden wird, so wie dass ihre Zwecklosigkeit und 
Schädlichkeit am Offensten zu Tage liegen. 

Wir mussten es billigen, dass eine Vereinigung beider 
Fächer in dem ersten akademischen Studium der Bauhe- 
amten stattfinde, da bei Antritt desselben die entsprechende 
Begabung des Studirenden wohl nur selten klar zu erkennen 
ist und da die Anforderungen des späteren Dienstes als Be- 
amter allerdings eine gewisse minimale Durchschnittsbildung 
nach beiden Richtungen wünschenswert» machen — endlich, 
da die Grundlagen beider in der That nicht so wesentlich 
verschieden sind. Nach zurückgelegtem akademischen Studium, 
(wie es sein müsste, leider jedoch noch nicht ist), zum Min- 
desten jedoch nach einer mehrjährigen Beschäftigung in der 
Praxis wird umgekehrt von einer Unklarheit über die Fach- 
richtung, zu welcher der Bauführer sich neigt und in wel- 
cher er die erfolgreichste Entwicklung erwarten lässt, wohl 
nur in seltenen Fällen noch die Rede sein können. Gegen- 
über dem kolossalen Umfange, welchen das Gebiet des Bau- 
wesens heute erreicht hat, und in einem Zeitalter, welches 
seine grössten Erfolge durch eine verständige „Theilung der 
Arbeit" erzielt, muss es nunmehr freilich als eine unbe- 
greifliche Anomalie erscheinen, wenn man verlangt, dass die 
Fortentwickclung des Bauführers sich trotxalledem auf beide 
Richtungen erstrecken soll, wenn man ihn nöthigt eine Prü- 
fuug für den Gesammt- Umfang des Faches zu bestehen. 
Dass Einrichtungen, wie die der im Jahre 1855 organisirten 
Baumeister-Prüfung, welche eine gleiche, und zwar die 
höchste Ausbildung nach allen Richtungen hin voraus- 
setzte und von dem qualitativen Ausfalle der Prüfung die 
Anstellungsfähigkeit für bestimmte Amts-Grade abhangig 
inachte, in unserem Jahrhundert überhaupt bestanden haben, 
wird man nach einem oder wenigen Jahrzehnten vielleicht 
zu bezweifeln geneigt sein. 

Es bedarf heute bereits keines besonderen Beweises mehr 
dafür, dass jene Forderungen etwas Unmögliches oder doch 
nur für wenige seltene Geister Erreichbares anstrebten. Die 
Ueberzeugung hiervon, welche bereits die neuen im Jahre 
I8ti8 erlasseneu Bestimmungen beeiuflusst hat, ist seitdem 
in überraschender Schnelligkeit vorgeschritten und wird 
x ielleicht nur von einzelnen Idealisten nicht getheilt, welche, 
um den Traum von der Möglichkeit eines solchen Ziels zu 
retten, sich mit der allerbescheidensten Verwirklichung des- 
selben zufrieden geben würden und bisher zufrieden gegeben 
haben. Dass man den Studireuden des Baufachs die Fähig- 
keit, das Gesamintgebiet ihres Fache» zu bewältigen, ab- 
sprechen will, erscheint Manchem auch als eine Herabsetzung 
derselben gegenüber den Vertretern anderer Fächer. Wir 
erhielten kurz nach Beginn unserer Arbeit von Seiten eines 
älteren Banbeamten, den wir wegen seiner im Kampfe gegen 
das Unlautere bewährten Ueberzeugungstreue hoch verehren, 
eine Zuschrift , in welcher dieses Moment betont und die 
iS'othwendigkeit einer für alle Beamte des Bauwesens gleich- 
mütigen Ausbildung durch die Analogie vertheidigt wnrde, 
dass dies doch in allen ähnlichen Fächern der Fall sei — 
trotzdem sich in der Jnstiz späterhin Kriminal- und Zivil- 
Juristen, in der Medizin Aerzte für innere Krankheiten und 
Operateure unterscheiden. 

So wenig wir diese Analogie eiuer ausführlichen Wider- 
legung für Werth halten, da wohl jeder Leser einsehen wird, 
dass jene Unterschiede allerhöchstens den Nüancen innerhalb 
der beiden Zweige unseres Faches entsprechen, so giebt sie 
uns doch Veranlassung, ihr eine andere gegenüber zu stellen 
und unsere Erörterung um ein Beweismittel zn verstärken, 
dem trotz aller Mängel , an denen mehr oder weniger jede 
Analogie leidet, an populärer Beweiskraft doch selten ein 
anderes gleichkommt Anstatt die Jurisprudenz nnd die 
Medizin ins Auge zu fassen, vergleiche man lieber die be- 
züglichen Einrichtungen desjenigen Institutes, dem der Prenssi- 
sche Staat von seinem Beginn bis zu der Gegenwart in erster 
Linie den ihm unter den Völkern gezollten Ruhm verdaukt 
— unserer Armee! 

Die einzelnen Abtheilungen derselben : Infanterie, Kaval- 
lerie, Artillerie und Iugenienrwesen greifen in einem Kriege 
doch wohl noch ganz anders in einander, als es mit den 
beiden Zweigen des Bauwesens der Fall ist Trotzdem ver- 



langt man von einem Offizier durchaus nicht, dass er die 
Theorie aller dieser Waffengattungen bis ins Einzelne stn- 
dirt habe und sich einer Prüfung hierüber unterwerfe; man 
bildet und prüft ihn vielmehr nur in einer einzigen Waf- 
fengattung. Ebenso bemisst man die Anforderungen der 
Prüfung nach Maa&sgabe der I.eistnngen eines Subaltern-Of- 
fiziers und verlangt lediglich, dass der Aspirant den Dienst 
eines solchen zu erfüllen im Stande sei; nicht aber zwingt 
man ihn zu Studien und stellt ihm Aufgaben, wie sie von 
einem Feldherrn gefordert werden. Man braucht sich, da 
die Mehrzahl, welche leider nicht aus Genies besteht, der- 
artigen Anforderungen selbstverständlich nur r nothdürftig u 
genügen könnte, nicht mit der leidigen Illusion zu trösten, 
dass solche verdorbene Feldherren für den subalternen Dieust 
demnächst vielleicht doch noch gut genug sein würden, 
sondern hat das Bewusslsein, die Offiziere für diesen Dienst 
so gut als möglich ausgebildet zu haben. Wirkliche Ge- 
nies und hervorragende Talente machen sich bald genug 
von selbst bemerkbar; sie werden im Stande sein sich die 
zur Lösung der höchsten militärischen Aufgaben erforderlichen 
Kenntnisse der anderen Waffengattungen anzueignen, ohne 
in jeder einzelnen ein bestimmtes Studium und eine beson- 
dere Prüfung zu absolviren. Indem der Staat ihnen die Ge- 
legenheit zu einer höheren Ausbildung, sowie die Aussicht 
auf eine höhere Laufbahn eröffnet und sie demnächst ihren 
Leistungen entsprechend verwendet, schafft er sich ans ihnen 
in einfachster und zuverlässigster Weise das Material, das 
er zur Lösung jener höheren militärischen Aufgaben bedarf. 

Die Nutzanwcnduug, die sich ans dem Vergleich eines 
solchen, den natürlichen Verhältnissen entsprechenden, in 
seinen Erfolgen glänzend bewährten Systems für eine Kritik 
der Einrichtungen im Ausbildungsgange der Preussischen 
Baubeamten, speziell des S> stems der Baumeister-Prüfung 
ergiebt, ist wohl so leicht, dass wir sie jedem Leser über- 
lassen können. Sie dürfte nicht allein zu einer völligen 
Verurtheilung der früheren Zustände, sondern darüber hin- 
aus zu der Ueberzeugung leiten, dass auch die im Jahre 18G8 
getroflenen und in diesem Jahre weiter ausgebildeten Bestim- 
mungen das Rechte noch nicht getroffen haben. Es ist aller- 
dings eine Erleichterung, dass es dem Bauführer freisteht, 
mit Rücksicht auf seine hervorragendere Ausbildung in einer 
der beiden Fachrichtungen sich einem strengeren Examen 
nur in dieser zu unterwerfen, während in der anderen even- 
tuell nur der ungeschmälerte Besitz der von einem guten 
Bauführer zu fordernden Kenntnisse nachzuweisen ist, ohne 
dass die durch eine solche Prüfung erlangte Qualifikation 
beeinträchtigt würde. Aber c-s ist trotzalledcm doch nnr eine 
halbe Maassregel, welche die Fehler im Prinzip durch Kon- 
zessionen in der Ausführung zu beseitigen sucht, und sie 
muss daher nothweudig an den Schwächen jeder Halbheit 
leiden. 

Es ist hier noch nicht der Ort. auf diese Frage in 
vollem Umfange einzugehen. Die Beibehaltung des Prinzips 
einer Vereinigung der Fächer bis zur Baumeister -Prüfung 
ist in dem zuletzt bekannt gewordenen wichtigen Akten- 
stücke, das mit anerkeunenswerther Offenheit Auskunft über 
die bezügliche Ansicht der Regierung giebt, dem in No. 38 
n. Ztg. mitgetheilten Antwortschreiben Sr. Exzellenz des Hrn. 
Ministers Grafen von ltzenplitz an den Berliner Architekten- 
Verein, trotz bereitwilliger Anerkennung der idealen Mängel 
und Gefahren einer solchen Einrichtung durch dasBedürf- 
niss der Verwaltung motivirt. Das Interesse der Staats- 
verwaltung hat es hiernach angemessen erscheinen lassen, 
dass die bisherige Vereinigung der Geschäfte für den Land- 
bau, den Wegebau und ih n Wasserbau in der Hand von 
Kreisbaumeistern beizubehalten sei, da diese Einrichtung 
für die Bedürfnisse des Staatsdienstes als genügend und 
dabei billiger als eine getrennte Verwaltung dieser Geschäfte 
sich herausgestellt hat; jene Verbindung involvirt aber, dass 
eine vollständige Trennung in der Fortbildung der Bau- 
führer bis zum Baumeister- Examen nicht statthaft ist. — 
Es wird daher unsere Sache sein, in den der Einrichtung 
der Bauverwaltung und deren Reform gewidmeten folgenden 
Abschnitten unserer Arbeit den Nachweis zu versuchen, dass 
die Resultate der bisherigen Organisation dem Interesse der 
Staatsverwaltung durchaus nicht in dem erwünschten Grade 
i genügen, sowie dass Einrichtungen lieh treffen lassen, 
welche die praktischen und finanziellen Vortheilt der bishe- 
rigen theilen, ohne dem einzelnen Baubeamten die Leistung 
| eines Universal -Genies zuzumuthen. 

Wir können uns allerdings nicht versagen, hier daran 
| aufmerksam zu machen, dass in dem jenem Schreiben bei- 
; gefügten, gleichfalls in No. 38 uns. yftg. abgedruckten Er 
, lasse des Herrn Handelsministers an die Technische Bau. 
depntation vom 31. Mai 1872 die Unhaltbarkeit des bis- 



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herigen Systems bereit» eine indirekte Anerkennung erführt, 
welche durch einige ergänzende Schlüsse unschwer dargelegt 
werden kann. Denn wenn als zulässige Grenze des im Bau- 
meister-Examen nachzuweisenden Wissens und Könnens in , 
einem der beiden Fachgebiet« betrachtet wird, dass der Kan- 
didat die bei der Bauführer-Prüfung nachgewiesenen Kennt- | 
nisse noch ungeschmälert besitzt, so lässt sich bei der qua- 
litativ durchaus glciehmässigcn Mischung, in welcher die 
Geschäfte ans den verschiedenen Fachgebieten in der Thiitig- 
keit der meisten Baubeamten vereinigt sind, hieraus die ein- 
fache Folgerung ableiten, dass die für das Bauführer-Examen 
geforderten theoretischen Kenntnisse an sich znr Verwaltung 
einer gewöhnlichen Baubeamten-Stelle ausreichen müssen. 
Eine wiederholte Prüfung in diesen Kenntnissen ist alsdann 
aber jedenfalls überflüssig; denn die Notwendigkeit einer 
Kontrolle ülier den ungeschmälerten Besitz derselben wird 
sich wohl schwerlich vertheidigeu lassen, oder sie müsste 
mit demselben Rechte vou Zeit zu Zeit wahrend der ganzen 
späteren Laufbahn des Beamten wiederholt werden, da 
die Jahre des späteren Verwaltungsdienstes jenen Besitz 
wohl ebenso gefährden, als die der Bauführer-Praxis. 

Ueber die Schädlichkeit der den angehenden Preussischen 
Baubeamten auferlegten Zwangsverpflichtung, eine universelle 
Ausbildung im Bauwesen bis zu diesem Grade erstreben zu 
müssen, kann wohl noch weniger ein Zweifel bestehen, als 
über deren Zweeklosigkeit. Alle von uns bei Besprechung 
des zuerst erwähnten Moments erwähnten alleemeinen Nach- 
theile müssen hierdurch in verstärktem Maasse hervor- 
gerufen werden, ja es liegt die entschiedene Gefahr vor, 
dass eine in der Bauführer-Praxis mit Glück begonnene Ent- 
wickelung nach der einen Fachrichtung durch diese aufge- 
zwungene Unterbrechung und die mit jenern Zwange verbun- 
dene grosse Abstumpfung in nicht wieder gut zu machender 
Weise gehemmt und vernichtet wird. Es scheint uns dies 
wenigstens eine sehr naheliegende Erklärung für die Thnt- 
sache zu sein, dass viele Baumeister die Hoffnungen zu er- 
füllen nicht mehr im Stande sind, zn welchen sie während 
ihrer Bauführerzeit berechtigten. Auch in dieser Beziehung 
verhehlt man sich in neuerer Zeit die Wahrheit nicht mehr, 
so dass wir einer eingehenden Erörterung dieses Gesichts- 
punktes überhoben sind und nur nachzuweisen haben, dass 
jene Nachtheile durch die neueren Erleichterungen der Bau- 
meister- Prüfung leider nur in ziemlich unwesentlicher Weise 
gemildert worden sind. 

Es kann nach der Lage der Dinge hierbei fast allein 
die Erleichterung in Betreff des Umfangs der für die Bau- 
. meisttr-Priifung zu bearbeitenden grösseren Aufgaben, also 
eine kleine Minderung in der Quantität der zu leistenden 
Arbeit und im Zeitaufw.mde, in Betracht gezogen werden. 
Dass die zugesicherte Beanspruchung einer geringeren Quali- 
tät der Leistungen eine Erleichterung der Anforderungen für 
die Baumeister -Prüfung zu gewähren nicht im Stande ist, 
dürfte wohl kaum in Frage kommen können. Denn nicht 
einem Jeden ist der glückliche Leichtsinn gegeben, sich auf 
die Nachsicht und Milde der Examinatoren zu verlassen, zu- 
mal dieselben nur bei hervorragenderen Leistungen auf 
einem Gebiete des Faches in Aussicht gestellt sind, während 
es bei den, einen schalen Dilettantismus fördernden Einrich- 
tungen des akademischen Stadiums doch schon als ein sehr 
zufriedenstellender Erfolg betrachtet werden muss, wenn ein 
Bauführer nach Beendigung seiner praktischen Thutigkeit 
diesen Dilettantismus überwunden hat, ohne deshalb im 
Mindesten anf wirklich hervorragende Leistungen in dem 
von ihm erwählten Fachgebiete Anspruch erheben zu können. 
Ks kommt dazu das deutsche Pflicht- und Ehrgefühl, das 
bei allem Widerwillen gegen die schulmässige Behandlung, 
welcher der Kandidat der Baumeister-Prüfung sich aussetzen 
muss, es doch nicht auf sich nehmen mag, vor den Exami- 
natoren als ein g»r zn nothdürftig bestandener Schüler da zn 
stehen. So dürfte trotz jener scheinbaren Herabminderung 
der Anforderungen weder der Umfang noch der Grad der für 
die BaumeiMer-Prüfung erforderlichen Vorbereitung eine we- 
sentliche Einschränkung erfahren haben! — 

Ein Eingehen auf die Details der Prüfung wird diese 
allgemeinen Betrachtungen ergänzen und zum Theil in ein 
noch schärferes Licht setzen. 

Dieselbe beginnt bekanntlich mit der Ertheilung zweier 
Probe-Aufgaben, Entwürfen aus je einem der beiden Fach- 
gebiete, die in häuslicher Arbeit und mit Gestattung aller 
erforderlichen Hülfsmittel, ausschliesslich persönlicher Hilfs- 
leistung von fremder Hand, zu lösen sind. Die hierfür üb- 
lichen, selten vnriirten Programme, von denen manche an- 
scheinend aus älterer Zeit stammen, nmfassten bisher zum 
grosseren Theile die schwierigsten, umfangreichsten und 
komplizirtestcn Aufgaben des Fachs: fürstliche Kesidenz- 



schlCsser, Akademien nnd Universitäten, Pariamentshäuser, 
Dome u. s. w. im Landbau — grössere Kanal- Hafen- oder 
Eisenbahn -Anlagen, Brückenbauten u. s. w. im Ingenieur- 
wesen. Sie erfordern, falls nicht etwa filtere Bearbeitungen 
desselben Programms benutzt werden, meist ein besonderes 
Vorstudium , zu welchem im Ingenieurwesen noch die sehr 
erschwerende Noth wendigkeit tritt, zunächst eine ideale 
Situation zn erfinden, welche den im Programm gestellten, 
oft nicht eben gewöhnlichen Bedingungen entspricht. 

Es ist zu einer, wohl nur von wenigen Bauführern 
nicht befolgten Kegel geworden, der Bearbeitung dieser Auf- 
gaben in Berlin obzuliegen, weil sie die erforderlichen Hülfs- 
mittel, vor Allem in der Bibliothek des Architekten Vereins, 
dort am Besten zur Hand haben, und es darf wohl gesagt 
werden, dass die Meisten sich ihrer Arbeit mit einem 
Fleiss nnd einer Gründlichkeit hingeben, welche der grössten 
Anerkennung werth wären, falls sie nicht leider eine im 
Wesentlichen zwecklose Zeitvergendung bezeichneten. In der 
Anzahl, Behandlung und Ausstattung der Zeichnungen klingt 
eiue Erinnerung an die zur Bauführer - Prüfung geleisteten 
Pensumsblätter durch, in den Erlänterungsberichten werden 
znm Theil grössere nnd gehaltvolle Abhandlungen geliefert. 
Der Zeitaufwand znr Anfertigung der beiden Probe-Arbeiten 
pflegte früher aber auch nie unter einem Jahr, bei besonders 
gewissenhaften Naturen zuweilen sogar mehre Jahre zu be- 
tragen. 

Nichts liegt uns ferner als die Absicht eines Vorwurfs 
oder Spottes gegen solche Gründlichkeit, in welcher zunächst 
doch wiederum jener sittliche Emst nnd ienes Streben nach 
solider Tüchtigkeit sich ausspricht, welche zu den besten 
Eigenschaften unseres Volkes gehören," mögen sie immerhin 
häufig den Schein der Schwerfälligkeit an sich tragen; anch 
! steht wohl fest, dass es eben nur eine derartige Vertiefung 
I in die Arbeit ist, welche Viele ein Interesse an derselben 
gewinnen lfisst und ihnen den Trost gewährt, die darauf ver- 
wendete Kraft nicht blos zum Zwecke leerer Formerfüllnng 
angestrengt zu haben. Ohne eine gewisse Bereicherung sei- 
nes Wissens nnd Könnens wird überhaupt wohl Niemand 
der Ausarbeitung seiner Probearbeiten obliegen. Aber dasv 
die Kolossalität dieser idealen Aufgaben prsten Banges mit 
den Verhältnissen, welche die spätere Praxis der Baubeam- 
ten darbietet, fast gar keinen Zusammenhang hat, noch mehr, 
dass sie Anforderungen stellt, welche das individuelle Ver- 
mögen und die Vorübung« der Meisten selbstständig zu er- 
füllen überhaupt nicht im Stande ist — dass sie also zum 
Kopiren und Nachahmen nötbigt, wo geschaffen werden 
sollte, bringt es mit sich, dass der wirkliche nnd bleibende 
Gewinn durchschnittlich doch nur ein sehr geringer ist, dass 
nicht Wenige aus diesen unter unendlicher Mühe vollendeten 
Arbeiten verhältnissmässig doch nicht mehr lernen, als sie 
ein>t durch die auf Tonpapier getuschten Ornamentzeichnun- 
gen im Bauführer-Kursus gelernt halten. Das ist ein Nutzen, 
der dem Aufwände an Zeit und Geld wohl selten entspricht. 
Und doch ist eiue solche Erwägung nur vom Standpunkte 
der Studirenden zulässig. Vom Standpunkte des Staatsin- 
teresses tritt hinzu, dass es sich hierbei überhaupt nicht um 
Arbeiten schulmässiger Tendenz, sondern nm die Probe han- 
delt, oh deren Verfasser den Anforderungen an einen Staats- 
Baubeamten gewachsen sind; es dürfte alter wohl Keinem 
zweifelhaft sein, dass Leistungen dieser Art hierfür nnr einen 
sehr problematischen Anhalt geben können. Allerdings wird 
eine höhere Ansicht von den Pflichten des Staates sich auch 
zu der Frage berechtigt halten, ob es verantwortet werdpit 
kann, dass eine solche Unsumme von Kraft, nnd zwar der 
' Kraft Solcher, die nicht mehr Schüler, sondern bereits zu 
werthvollen Leistungen befähigt sind, an der Lösung bedeu- 
| tungsloser idealer Aufgaben sich anstrengt, während sie mit 
} Leichtigkeit und unter besserer Erreichung des beabsichtig- 
I ten Zweckes für den Staat nutzbar gemacht werden könnte 
Wir haben hierbei wiederum zunächst die früheren Zn- 
stände im Ange gehabt, welche seit 18G8 dadurch erleich- 
I tert worden sind, dass ein Kandidat, welcher sich zu hervor- 
ragenderen Leistungen auf einem der beiden Fachgebiete für 
befähigt erklärt, nur in diesem eine umfangreiche, in dem 
anderen aber eine leichtere Aufgabe erhalten soll. Wenn 
wir recht berichtet worden sind, so soll anfänglich von einer 
W irkung dieser Maassregel wenig mehr zu merken gewesen 
sein, als dass der betreffende Kandidat in dem von ihm ge- 
wählten Gebiete allerdings eine Arbeit umfangreichster Art 
erhielt, während die ihm ertheilte zweite Arbeit sich an 
Schwierigkeit denen Anderer, welche einen solchen Wnnscii 
nicht ausgesprochen hatten, häufig genug gleichstellen konnte: 
es bestand daher ein gewisses Misstraueu, jenen Weg zu I • 
treten. Solche Vorkommnisse mögen vor Allem dadurch 
ermöglicht worden sein, dass trotz jener Modifikation noch 



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421 — 



immer zwei Aufgaben von zwei verschiedenen Examinatoren 
erthci't wurden, während es wobl näher gelegen hätte, hier- 
mit alsdann eine einzelne Persönlichkeit zu betrauen, ja 
vielleicht statt zweier Aufgaben eine einzelne, entsprechend 
gemischt« zu ertheilen. Nach dem neuesten Erlas* des 
Ministers soll sich hingegen eine sehr entschiedene Wendung 
zum Besseren vollzogen haben, so dass neben der einen 
Hauptaufgabe die zweite oft nur im Umfange einer früheren 
Klausur-Aufgabe ertheilt wird; man klagt nur darüber, dass 
bei Zuweisung der Arbeiten die Individualität und praktische 
Vorübung des Einzelnen so wenig berücksichtigt wird, so 
dass z. Ii. ein Ingenieur, der lediglich im Eisenbahndienste 
beschäftigt war und jedenfalls wieder zu demselbeu zurück- 
kehren wiid, zu einer Darlegung seiner in der Praxis ge- 
wonnenen Kenntnisse keine Gelegenheit findet, sondern sich 
an einer Hafen- Anlage oder dergl. abmühen muss. — Für 
eine wirkliche Besserung der Zustande ist jene Maassregel 
trotxallcdcm nicht von durchgreifender Bedeutung, da der 
Nachtheil, dass überhaupt so umfangreiche, rein akademische 
Aufgaben gestellt werden und gelost werden müssen, nach 
wie vor unverändert besteht, wenn er anch — in diesem 
Falle quantitativ — gemildert ist. 

Während der Anfertigung der Probearbeiten müssen die 
Kandidaten selbstverständlich danach trachten, sich nebenbei 
noch für die übrigen Anforderungen der- Prüfung vorzu- 
bereiten. 

Wir haben bereits im Voraus bemerkt, dass es mit dem 
Studium, welches die Vorbereitung zur mündlichen Prüfung 
bilden müsste, in Wirklichkeit nicht allzu ernst genommen 
wird, und auf welchen Ursachen dies beruht Es sind wohl 
lediglich die gewissenhaftesten Naturen, welche zu jenen 
Zwecken ein Studium sich auferlegen, das mehr als die 
schnellste und billigste Vorbereitung auf die Prüfung erstrebt. 
Anstatt des akademischen Dozenten wird daher lieber der 
„ Einpaucker 1 * in Anspruch genommen, der für mehr 
Geld nm Vieles Weniger, aber dafür auch in möglichst kur- 
zer Zeit und in einer für das Examen direkt verwendbaren 
Form liefert. Es bestehen derartige nützliche und willkom- 
mene Vermittler, welche auf Wunsch auch „technischen 
Rath* bei Anfertigung der Probe- Arbeiten ertheilen, nicht 
nur für das Fach der Mathematik, in welchem sie ihre 
Thätigkeit mehr und mehr auf die Aspiranten der Bauführer- 
Prüfung zn beschränken haben, sondern auch für fast sümtut- 
liche Fachdisziplinen. Neben der hierdurch gewonnenen 
Vorbereitung spielt der „Frngezettel* allerdings eine noch 
wichtigere Rolle als bei der Bauführer-Prüfung. 

Ebenso begegnen wir hier wiederum einer bereits bei 
Gelegenheit jeuer besprochenen Institution, deu zur Einübung 
auf die Klausur bestimmten „ Klausur -V ereinen"; in 
Wirklichkeit ist dieselbe sogar für die Baumeister- Prüfung 
erfunden und von hier nach dort übertragen worden. 

Es lässt sich auch in der Thut nicht leugnen, dass die 
Anforderungen der beim Baumeister-Examen üblichen Klausur, 
und zwar vor Allem der in Betreff des Ingenictirwesens ver- 
hängten, solche sind, dass sie ohne eine besondere Vorberei- 
tung schwer, wenn nicht geradezu unmöglich zn lösen 
sind, falls der glückliche Zufall nicht helfend eintritt. Ganz 
abgesehen von der nach französischein Vorbilde eingeführten 
Bedingung, dass von der Skizze, die am ersten Tage ge- 
liefert wird, während der weiteren Mägigen Ausarbeitung nicht 
abgewichen werden darf — gewiss eine grausame Nöthigung, 
falls jene Skizze mangelhaft war — ist die Forderung, dass 
eine solche Skizze ohne Anwendung von Hülfsmitteln inner- 
halb eines Vormittags geliefert werden soll, an sich eine so 
hochgeschraubte, dass sie mit absoluter Sicherheit wohl von 
Niemand erfüllt werden kann. Während eine Aufgabe aus 
dem Gebiete des Hochbaus immerhin auch dem Dilettanten 
noch zugänglich ist, weil ihre Lösung so unendlich ver- 
schiedene Modifikationen und Abstufungen des Werths ge- 
stattet, setzt die konkrete und ziemlich eng begrenzte Thätig- 



keit des Ingenieurs für jeden Fall eine Summe positiver 
Kenntnisse und Erfahrungen voraus, die geradezu unentbehr- 
lich sind, die aber wobl kein Ingenieur der ganzen Welt für 
den ganzen ungeheuren Umfang seines Faches so 
sicher im Kopfe hat, dass er über sie zn jeder Zeit gebieten 
könnte. Und eine solche Anforderung stellt man an jnng« 
Techniker und hat sie bisher sogar an solche gestellt, die 
das Ingenieurwesen nur aus Vorträgen und Büchern, nicht 
aber in Wirklichkeit kennen gelernt haben? — 

Die einzige Möglichkeit ihr zu genügen, ist eben die. 
dass die Aufgabe zufällig einem Gebiete angehört, das dein 
Kandidaten geläufig, vielleicht sogar eine solche ist, die er 
in anderer rorro schon gelöst hat. Diese Möglichkeit zur 
annähernden Wahrscheinlichkeit zu gestalten, ist eben 
der Zweck der Klansur- Vereine, deren Mitglieder in ange- 
messener Vertheilnng alle Aufgaben, die bisher bei der 
Prüfung vorgekommen sind, bearbeiten, durch gegenseitige 
Kritik berichtigen und vervollkommnen und die so erlangten 
Lösungen zum Zwecke eventueller Wiederverwendung sam- 
meln. Ihre Thätigkeit in dieser Hinsicht ist von ,stannens- 
werthen Erfolgen hegleitet; denn in Wirklichkeit kommt es 
selten vor, dass eine Klausur-Arbeit misslingt. ja die Lei- 
stungen, welche Einzelne bei dieser Gelegenheit entwickeln, 
übertreffen Alles, was diesell>en Persönlichkeiten vor oder 
nachher zu leisten vermochten! Wichtiger und verdienstli- 
cher als diese Siege in dem traurigen Kampfe zwischen der 
List und dem Zwange, über den wir um so lieber einen 
Schleier decken, als wir mit der Taktik desselben nicht ver- 
traut genng sind, erscheinen die Leistungen der Klausur- 
Vereine in Betreff der durch jene gegenseitige Kritik gewon- 
nenen Belehrung und Anregung ihrer einzelnen Mitglieder; 
ja dieselben können in dieser Hinsicht wohl kaum hoch ge- 
nug angeschlagen werden und stehen in ihrer nützlichen 
Wirkung oft wohl um sehr viel höher, als der Gewinn, 
den Viele ihren akademischen Studien verdanken. — 

Ob hingegen der Gewinn, den der Staat durch dieses System 
der Klausur- Arbeiten erzielt, dem Nachtheilo entspricht, von 
dem die Folgen der dadurch geschaffenen Zustände unfehl- 
bar begleitet sein müssen, darüber appelliren wir an die 
Einsicht jedes Lesers. W ir halten den Nutzen derselben, 
selbst wenn die Aufgaben auf ein sehr viel geringeres Maass 
reduzirt und die Klausuren nur für je ein Fach vorgeschrie- 
ben wurden, für sehr unbedeutend: ein niaassgebendes Urtheil 
über die praktische Leistungsfähigkeit des Beamten kann 
nicht durch eine solche Probe, die zur Anregung innerhalb 
des akademischen Studiums und zur Prüfung der Erfolge 
desselben angemessen sein mag, gewonnen v. erden, da er 
innerhalb des Dienstes zu Leistungen unter ähnlichen Bedin- 
gungen wohl kaum genöthigt werden wird. Der Nachtheil — 
und jeder Einzelne, der durch diese harte Zeit gegangen ist, 
wird ihn schwer empfunden haben — mag von einem gesunden 
Sinne bald genug verwunden werden. Die Verantwortung 
der bisherigen Zustände lallt jedenfalls nicht auf diejenigen, 
die sich nach schwerster Ueberwindung zu dem Unvermeid- 
lichen entschließen, solidem auf die, welche die Macht haben 
sie abzustellen, aber mit sehenden Augen nicht sehen wollen 
— um eine Form zn retten! — 

Wir sind damit am Schlüsse unserer Erörterungen über 
das System der Prenssischen Baumeister- Prüfung und zn- 
eleich am Schlüsse unserer kritischen Würdiguug der gegen- 
wärtigen Einrichtungen für den Au&bildungsgang der Prens- 
sischen Staats-Banbeamten angelangt. Unser Urtheil über 
denselben noch einmal in allgemeiner Form zusammenzu- 
fassen, hallen wir für entbehrlich. Es ist ein solches so- 
wohl in der Einleitung, die wir diesem Abschnitte unserer 
Arbeit vorausschickten, enthalten, wie wir auf dasselbe noch 
einmal zurückkommen müssen, wenn wir späterhin unsere, 
mehrfach schon aus der Kritik hervorschimmernden Reform- 
Vorschläge aufstellen werden. 

(K«,U««ui B (IV) I-' ; 



Mittheilungen aus Vereinen, 



Architekten- Verein zn Berlin- Versammlung am 14. De- 
zember 1872; Vorsitzender Hr. Strockert, anwesend 115 Mit- 
glieder und fi Gäste. 

Nach Erledigung der kleineren Geschäfts- Angelegenheiten 
folsjt ein Vortrag von Hrn. H. Meyer über Bau und Betrieb 
eines Aquariums. Dem Hrn. Vortragenden hat diu Revision 
der Rechnungen über den Bau des biegigen Aquariums obgele- 
gen und er int nach dem Tode des leider zu früh gestorbenen 
Architekten desselben, W. Lüer aus Hannover, mit deu erfor- 
derlich werdenden baulichen Veränderungen und Reparaturen 
in dem Gebäude betraut gewesen. Er hat in dieser Stellung 
Gelegenheit gehabt eine Reihe von Erfahrungen zu gewinnen, 
die für ähnüche Anlagen, wie sie neuerdings an mehren Orten 



In- 



nusgeführt und prnjektirt 
teresse sein dürften. 

Nach einer Einleitung über die allgemeinen Gesichtspunkte, 
nach welchen diu Anordnung derartiger Rauteu zu treffen ist, 
würdigt der Redner zunächst in wanner Weise die Verdienste, 
welche der geniale Erbauer des Berliner Aquariums sich durch 
diese Schöpfung errungen hat.') Sie ist nächst dem in neuester 
Zeit erstandenen Aquarium zu Brigthon nicht nur die grüsstc 
unter allen demselben Zwecke dienenden Anstalten Europas, 
■Andern wird von Fachmännern, welche die Einrichtung von 



•> Bttrhirikniit: nM Abbildungen 4M Berlin« Aquiriltn» 
Jahnr.ng IM» Mo. U u. M. ( 



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— 422 



Aquarien eingebend sfndirt haben, anbestritten auch als dieje- 
nige anerkannt, in welcher die meisten originellen Ideen ver- 
körpert sind uinl aus welcher d; her auch die beste Anregung 
und Belehrung für Aulapen ähnlicher Art zu holen ist. 

Wenn dies Verdienst um so hoher anzuschlagen ist, als es 
zur Zeit, wo der Entwurf des Berliner Aquariunis entstand, an 
Beispielen, aus denen der Erbauer sich Kalbs erholen konnte, 
noch sehr fehlte, und als die Aufgabe auf einem Bauplätze und 
unter Bedingungen gelost werden niussle. welche so uugünstig 
wie nur möglich waren, so sind in Folge dieses Abgangs au Er- 
fahrungen iu Betreff einiger technischen Momente der Ausfüh- 
rung allerdings Einrichtungen getroffen worden, welche sich aU 
mangelhaft herausgestellt haben und mittlerweile geändert wer- 
ben mussteu. Speziell diese Momente sind es, auf welche der 
llr. Vortragende näher eingeht. 

Als ein solcher Mangel ist es zunächst zu bezeichnen, dass 
bei der Verkleidung des aus einem festen Backsteinkern herge- 
stellten konstruktiven Gerüstes mit natürlichen Steinen wohl 
in Folget der Eile, mit welcher der Bau betrieben wurde, zu 
viele Hohlräume belassen worden sind. Es hat dieser Umstand 
dam Veranlassung gesehen, dass der Bau sich binnen wenigen 
Monaten mich seiner Fertigstellung mit einer Masse von Unge- 
ziefer, Hatten, Mäusen etc. anfüllte, welche — abgesehen von 
anderen Ucbelstäuden — das Lebcu der iu ihm enthaltenen 
Vögel ernstlich gefährdete. Die Ausfüllung der bezüglichen 
Schlupflöcher, durch welche das Uehel »llnjälig beseitigt worden 
ist, hat die Arbeit von ti geübten Maurern während ganzer 4 
Monate erfordert! Auch wäre im Interesse etwa erforderlicher 
Veränderungen vielleicht eine noch ausgedehntere Sicherung der 
Mauerwerkskunstruktinucu durch eingelegte Eisen -Stützen und 
Anker erwünscht gewesen. 

Wesentlichen Veränderungen ist die Einrichtung der Bassins 
für das zur Speisung der Aquarien dienende Wasser, des Hoh- 
ronsystems und der einzelneu Behälter unterzogen worden. 

Alle Wasserbassins sind sehr sorgfältig iu Katheunwer Stei- 
gen und Zement gemauert, im lunern mit mehren Dachstein- 
schichten in Zement bekleidet und demnächst noch asphaltirt 
worden. Da eine permanente Bewegung des Wassers uuthweu- 
dig ist, so war die Anlage von Hoch- und Tiefbussius erforder- 
lich, zwischen denen das durch Daiiipfpumpcn bis zur Höhe der 
erstercu gehobene Wasser, das unter bedeutendem Drucke und 
unter »teter Mitfübrung von I.uft in die Behälter tritt, in be- 
ständiger Zirkulation sich befindet. Ursprünglich wurde beab- 
sichtigt, das Wussei für die Bassins der dem Mittelmeere, der 
Nord-, und Ost sc; augehörigen Thiere je aus der natürlichen 
Ouelle zu beziehen: es war daher incl. des Bassins für die 
Siisswasserthiere die Anlage von vier Doppelbassins und eines 
vierfachen Bohren-Systems erforderlich, was die Ausführung 
selbstverständlich nicht allein verlheuerte, sondern auch in aus- 
serordentlichem Maassc erschwerte. 

Bei Eröffnung des Betriebes hatte man mit unerwarteten 
Hindernissen zu kämpfen. Das in Fässern bezogene Original- 
Seewasser, das schon bei der Ankunft ziemlich trübe war, ging 
in den Bassins sehr bald iu eine dicke weisslichc Flüssigkeit 
über; wenn dieser Umstand wohl nicht mit Unrecht der Ein- 
wirkung des noch nicht ganz erhärteten ui.d abgebundenen Ze- 
ments zugeschrieben werden konnte, so stellte sich der Bezug 
von natürlichem Seewasser doch jedenfalls bald als zu kostspie- 
lig heraus, so dass mau es mit der künstlichen Herstellung 
desselben versuchte. Auch hierbei wurden längere Zeit hin- 
durch nur unhefi iedigende Erfolge erzielt; das Wasser blieb 
mehr oder weniger unklar, bis es endlich dem jetzigen Mitdi- 
lektor des Aquai iums Chemikei Dr. Hermes glückte, das Pro- 
blcm iu glänzender Weise zu loten, wählend gleichzeitig di r 
erste Direktor Dr. Brehm die Entdeckung machte, dass die 
bekannte Miesmuschel die Eigenschaft besitzt, getrübtes Wasser 
hinueu kurzer Zeit wieder klar zu mürben- Von noch grösserer 
Wichtigkeit für die Lauliche Einrichtung war jedoch die Erfah- 
rung, dass es der Anwendung eines Wassers von verschiedener 
rheinischer Zusammensetzung für die Thiere dir diei europäi- 
schen Meere, nicht bedürfe, dass diese sich vielmehr in einem 
und demselben künstlich hergestellten Wasser sehr gut halten. 

Praktischen Nutzen von dieser Erfahrung hat mau gezogen, 
als es sich vor Kurzem darum bandelte, das ganze System der 
Wasser-Speisung einer Erneuerung zu unterwerfen. Der Salz- 
cehalt des Wassers ist nämlich Veranlassung gewesen, dass iu 
Jahreu de, Betriebes sowohl die sänimlliehcn eisernen Kohren 
wie die Pumpen bis zur Grenze der Zerstörung augegriffen 
worden sind. Die drei Seewasscr-Uoch-Bassins sind nunmehr 
unter namhafter Erhöhung iu ein einziges zusammengezogen 
wurden, was eine wesentliche Ersparung im Betriebe ergeben 
hat. das Höhrensystem konnte selbstverständlich bedeutend ver- 
einfacht werden. Statt der bisherigen Saug- und Druckpumpen 
sind gleichzeitig Kreiselpumpen aus der Fabrik von Weben 
zur Anwendung gekommen, während die Maschine von ö auf 
l j Pferdekräfte verstärkt ist. Sowohl die Bohren wie alle Theilo 
der Pumpen, welche mit dem Wasser in Berührung kommen, 
sind mit einer Emaille -Schicht von 3 rai ° Stärke versehen wor- 
deu und hat der Fabrikant öjährige Garantie für deren Halt- 



barkeit übernommen. Die der Einwirkung de* Wassers am 

Meisten ausgesetzten Injektoren, d. h. die in die einzelnen Be- 
hälter hineinragenden Endstücke der Zuleitungsröhren sind von 
I lartgummi hergestellt, das vom Sccwasaer gar nicht angegriffen 

wird. 

Bei den Behältern ist der am Meisten gefährdete Theil, der 
i.in Sorgfältigsten zu sichern ist, die Glasplatte, welche densel- 
ben nach dem Zuschauerraum hin abschliesst. Im Anfange sind 
mehre derselben gesprungen, nicht allein weil man zum Theil 
etwas zu dünnes Glas hierzu gewühlt hatte, sondern wohl mehr, 
weil ihre Versetzung nicht sorgfältig genug geschehen war ; die- 
selben ruhten in einem nur 26""" breiten, nicht ganz abgegliche- 
nen Kitt-Falz Bei der Erneuerung sind stärkere Gläser ange- 
wendet und diese mit 78 mm breitem Falz auf einer Filz-Einlage 
versetzt worden. 

Endlich sind die Einrichtungen der Heizung zu erwähnen. 
Die von Ahl & Pnnsgen in Düsseldorf gelieferte Heisswasser- 
i eziehun; swei.se Dampfheizung hat sich zwar im Allgemeinen 
sehr gut bewährt, jedoch hat sich auch hier als ein Ucbelstand 
herausgestellt, dass die Köhren sowohl in den Bassins der 
Schildkröten und der Krokodile, wie in den Käfigen der Schlan- 
gelt mit dem Wasser oder dem feuchten Sande in direkte Be- 
rührung kamen, was gleichfalls zu ihrer totalen Zerstörung ge- 
führt bat. In den erstgenannten Bassins ist die Einrichtung 
dahin abgeändert worden, dass man direkt den abgelassenen 
Dampf der Maschine in das Wasser führt, in den Schlangen- 
kätigen ist das Röhrcnsystem in alter Weise erneuert, von dem 
Sande des Fu&sborjens, den es erwärmen soll, jedoch durch eine 
Eisenplattc geschieden worden, so dass es zeitweise nur einer 
Ersetzung dieser bedarf. Dl M Äeser Aenderung ausser- 
ordentliche Schwierigkeiten daraus ergaben, dass die zum vor- 
deren Abschluss der Käfige dienendeu Glasplatten kaum aus 
ihren Kähmen zu lösen waren, so ist die Einrichtung getroffen 
worden, dass dies später nicht mehr erforderlich wird. 

Nuchdem Hr. Meyer im Anschluss an diese Mittheilungen 
noch auf einige spezielle Fragen nähere Auskunft gegeben hatte, 
erfolgt die Beantwortung der im Fragekasten enthaltenen Zettel 
durch die Hrn. Streclert, Ende und Lfimmcrhirt: der 
letztere empfiehlt die neuerdings eingeführten Petroleum-Koch- 
Apparatc, die sieb bei vorsichtiger Behandlung gut bewähren 
sollen. — F. — 

Versammlung am Sonnabend den 21. Dezember 1872. Vor- 
sitzender Herr Quassowski, anwesend 86 Mitglieder und 

S Gäste. 

Der Herr Vorsitzende theilt mit, dass zur Konkurrenz um 
die Preise beim Schiukelfest im Landbau G Arbeiten mit 
71 Blättern, im Wasserbau 3 Arbeiten mit 28 Blättern einge- 
gangen sind. 

Die Herren Mackenthun und Nitschmann haben die 
auf sie gefallene Wahl zur Kommission für einen Ball des Ar- 
chitekten-Verein abgelehnt und werden die Herren Cornelius 
und Knoblauch au ihrer Stelle eiutreten. 

Der angemeldete Vortrag dos Hrn. E. H. Hoffmann findet 
lllchl Statt uud wird in Folge dessen zur Beantwortung der ein- 
gegangenen Fragen geschritten, von denen einige mit Hinweis 
auf das Studium der üuellen abgethan werden können, während 
einige andere Fragen Mittheilungcu von allgemeinerem Interesse 
hervorrufen. 

So giebt Herr Gill an, dass es nicht zweckmässig sei, die 
Innenseite der umschliesswndeu Wandung eines offenen Filter- 
bassins abzuböscheu, dass dieselbe vielmehr senkrecht sein 
müsse, damit, weuu im Winter sich eine Eisdecke bildet, dieselbe 
sich mit dem wechselnden Wasserstaude heben und senken 
l mm S In zu empfehlen sei aber die Anlage überwölbter 
Filterbassins. „ 

Hr. Köder theilt auf eine Anfrage mit, dass nach seinen 
Notizen die durch den Zentralvereiu für Hebung der Deutschen 
I' luss- unu 

Kanalschiftahrt vereinbarten Maassc für Schiffe und 

Kanäle folgende seien. 

Breite der Schiffe G,.V\ 
Tauchuug der Kanalschiffe l,7. r >», 

Tiefe aller festen Schwellen durch die Kanäle resp. Ka- 
naltiefe 2.5", 
Nutzbare Schleusenlänge 57,5 "*, 
Schleusenthorwcite 7", 
Kaualsohlbreite (2 schiffig) IG™, 
Kanalböschiingen 2fach, 

Breite im Kanal-Wasserspiegel bei 2,5 ■ Tiefe, 26 ■ 
Lichtweite der Brücken über den Kanal einschl. LeinpfadlO", 
licht höhe über dem Normal-Wasserspiegel 4,5 -, 
. Brückenöffnung bei fester Waudbegrenzung 2= breiter alt 
der Schiffskörper, also 6,5" -f- 2'» = 8,5 
llr. Bacnsch beschreibt sodann in einem auf die Terrain- 
verhältnisse eingehenden Vortrage und durch Skizzen an der 
Tafel die Zerstörungen, welche die kürzlich stattgehabte Stunn- 
Buth an der Ostseeküste und auf der Insel Rügen angerichtet 
hat. Ohne Anschauung der Skizzen ist eine Wiedergabe dieser 
interessanten Mittheiluugen nicht thunlich. S. 



Vermischtes. 

Die Zerstörungen der Sturmfluth vom 13. November 
an der Bahnstrecke Mütaow-QreifBwald. Die Zeitung des 
Vereins deutscher Eisenbahn-Verwaltungen giebt über die aus 



politischen Zeitungen bereits im Allgemeinen bekannten Unfälle 
an der Vorpommerschen Buhn einen Bericht des technischen 
Direktors der Berlin-Stettiner Eisenbahn, Hrn. Geh. Brth. Stein, 
dem wir Folgendes entnehmen. 

Die Sturmfluth, von welcher ein grosser Theil der deutschen 



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- 423 - 



Ostseeküste am 12. und 13. November er. in so 
Weise betroffen worden, ist auch für einen Tb eil der Vorpom- 
nierschen Zweigbahn von den verderblichsten Folgen gewesen. 

Nicht allein verunglückte der am 13. November von Stral- 
sund abgelassen« Personenzug im Momente de« Passircns der 
nahe vor Greifswald in Station 28,0!) über den Rykgraben füh- 
renden Brücke mit eisernem Oberbau, iudem letztere nach den 
heftigen Einwirkungen der Sturrnfluth der Erschütterung de* 
Zuge» nachgab und unter demselben einstürzte, gondern es füll- 
ten demnächst auch am frühen Morgen und im Laufe des Vor- 
mittags des 13. November mit der weiteren rapiden Steigung 
der im heftigsten Nordost-Sturme tobenden Fluth mehre Durch- 
brüche des Bahndammes zwischen den 16,2.') K "> von einander 
entfernten Stationen Greifswnld und Miltzow, resp. eine Ver- 
rückung und Unterwaschung des Bahndammes au verschiedenen 
Stellen. — Im Weiteren wurden die zur Vorpommerscheu Zweig- 
bahn gehörigen Hafenbahnen zu Greifswald und Stralsund durch 
die Sturmfluth beschädigt und zum Theil zerstört, in der Stral- 
sunder Hafenbahn ist namentlich die gerade in Reparatur be- 
findliche Holzbrücke von 188™ Länge fortgerissen; ferner wurden 
die Telegraphen-Leitungen nicht nur auf" der Bahnstrecke Stral- 
sund-Greifswald, sondern auch auf weiteren Strecken der Vor- 
pommerschen Zweigbahn zum Theil arg beschädigt und dadurch 
die telegraphischen Verbindungen unterbrochen, weiterer gcrio- 

§crcr Schäden an den Bahnanlagen und Gebäuden nicht zu ge- 
enken. 

Was die Katastrophe bei der Brücke über den liykgrabcn 
anlangt, so ist zu bemerken, dass die Rykbrücke von 11,30» 
lichter Weite, welche tüchtig und solide erbaut war und bisher 
keine Spuren des Verfalls gezeigt hatte — lediglich der unwi- 
derstehlichen Einwirkung der Elemente hat weichen müssen, 
wie denn überhaupt keinem der Beamten eine Schuld au dem 
Unglücksfall beizumessen ist. 

Niemals zuvor seit Jahrhunderten haben in dieser Gegend 
die Elemente in solcher Entfesselung Menschen so arg bedroht 
und menschliche Einrichtungen so arg verwüstet, wie dies am 
12. und 13. November er." hier geschehen ist Der gewichene 
Bahndamm hinter Grcifswald mit seiuer Umgebung von ange- 
triebenen Balken, Brettern, Klafterholz, den allerlei Trümmern 
von Hausgeräth und Sachen, gcwfihrte ein grauenerregendes 
Bild der Verwüstung. 

Die Lokomotive Fides des verunglückten Zuges lag diesseits 
des Rykgrabcns — nach Greifswald zu — tief eingesuuken in 
dem ausgeschwemmten, durchweichten Boden. Die 10 Wagen, 
aus welchen der Zug zusammengesetzt, waren theils zur Seite 
des gewicheneu Bahndämme« umgestürzt, theils — wie der Post- 
wagen, der Packwagen und Eilgutwagen — kleinere oder grössere 
Strecken (das Obergcstell des Packwagens sogar ca. 2K» weit; 
vom Bahnkörper entfernt in das Wicseuthal fortgeführt worden, 
wo ihnen augenblicklich des sumpfigen Untergrundes wegen 
schwer beizukommen war. Das eiserne Untergestell des Pack- 
wagens wurde im 7" tiefen Kolk des Rykgrabens in" der Nähe 
der Brücke aufgefunden. 

Was die Verwüstungen an dem Bahnkörper selbst anlangt, 
so hatte sich die Stelle, wo die Rykbrücke gestanden, zu einem 
grossen Durchbruch von 38» Weite und 7» Tiefe erweitert; von 
5er Brücke selbst waren keine Theile mehr vorhanden, da diese 
in die Tiefe gesunken oder weiter fortgeführt waren. Die sons- 
tigen Zerstörungen, welcho in 5 Durchbrüchen, in Unterwaschung 
der Geleise und Böschungen, Wegspülung von Schwellen etc. be- 
standen, reichten bis hart an den Bahnhof Greifswald heran; 
letzterer ist jedoch völlig intakt erhalten, er blieb bis zur Besei- 
tigung der Störung Endstation. 

Die Wiederherstellung des Bahnkörpers an den zerstörten 
Stellen in einer möglichst Kurzen Frist erforderte selbstverständ- 
lich energische Anstrengungen und es ist so schnell, als es nur 
die Umstände gestatteten, hiermit vorgegangen worden. Zunächst 
hatte der Abtbcilungs-Baumeister Busse 11 iu Greifswald bereits 
ein Kommando von 80 Mann Jagern zur ersten Hülfeleistung 
requirirt Auf Veranlassung des technischen Direktions Mitglie- 
des, welches sofort auf die telegraphischc Meldung des Unglücks- 
falls mit dem uSchsten Zug nach Greifswald geeilt war, traf dann 
am 14. November aus Berlin ein Kommando des Königlichen 
Eisenbahn-Bataillons von 3 Offizieren, 7 Unteroffizieren und 70 
Mann ein und am 16. November 152 Arbeiter des Unternehmers 
Büttner, welche vom Bau des 11. Geleises der Bahnstrecke 
Angermündc-Stettin herbeigezogen wurden. Die Mannschaften 
des Eisenbahn -Bataillons und diese Arbeiter arbeiteten unaus- 
gesetzt mit Zuhülfenahme der Mittagsstunde an der Wiederher- 
stellung des Bahnkörpers auf der Feldmark Greifswald, resp. an 
dem Bau ei 
Rykgraben. 
Busse II. 

Hülfeleistung beigegeben wurde. Die Wiederherstellung des an- 
deren zerstörten TheÜB des Bahndammes auf der Feldmark Me- 
sekenhagen wurde dem Baumeister Klehmet übertragen, unter 
welchem ca. 600 Arbeiter (grösstenteils vom Bau der Berliner 
Nordbahn herangezogen) beschäftigt waren. 

Dio lleranschaffung des Bodens zu den Schüttungs-Arbciten 
geschah mittels Arbeitszügen von Gioifswald resp. Miltzow aus. 
Zu den Miltzower Arbeitszügen war nur eiue Lokomotive, welche 
am 13. November in Stralsund in Reserve stoud, vorhanden und 
gelang es, diese Lokomotive bis zur Widerherstclluug des Bahn- 
körpers im betriebsfähigen Zustande zu erhalten, wovon die 

DU Arteftarar Wiederherstellung des Bahnkörpers sind 



so schnell gefördert worden, dass bereits am 3. Dezember er. die 
Unterbrechung der Bahnlinie zwischen Greifswnld und Miltzow 
gehoben wur und der Betrieb vollständig wiederhergestellt wer- 
den konnte. Die Herstellung einer interimistischen Tolegraphen- 
leitung auf den betreffenden Strecken ist bereits erfolgt. Die 
Hafenbahnen zu Grcifswuld und Stralsund sind während der 
Wiuterzeit für den Verkehr entbehrlich, an ihre Wiederherstel- 
lung wird erst später zu denken sein. Au der Peene-Brücke bei 
der Station Auklain hatten sieh, ebenfalls aus Anlas« jenes Na- 
turereignisses, Untcrwaschuiiiieu gezeigt. Nach genauer Unter- 
suchung und vorsichtigem Befahren, und nachdem durch An- 
schüttungen und Stciiiparkuugeu die Brücke wieder gesichert 
war, kouute dieselbe gefahrlos erklärt werden. 

Nach überschlügiger Abschätzung wird der ganze, diu Vor- 
pommersche Zweigbahn durch die Sturmfluth um 12. und 13. No- 
vember betroffene Schaden auf ca. 2.'i0ü00 Thlr. zu veranschla- 
gen sein. 



ng des Bahnkörpers aul aer remmaru ureuswam, resp. an 
Bau einer 38» langen Interimsbrücke über den erweiterten 
raben, und zwar unter Leitung des Abthcilungs-Baumcisters 
le II. und des Baumeisters Bruhn, welcher Letztere zur 



Aus der Fachliteratur. 



Zeitschrift für Bauwesen redig. v. O. Erbkam. Jahr- 
gang 1872, Heft VIII bis JXL 

A. Aus dem Gebiete des lugenieurwesens. 

(Schill» ■<» So. 15). 

!!. Studien aus dem Gebiete der Ostsee. Mittheilung, 
des Geh Bauratli Baensch zu Berlin — Ks ist bekannt, dass 
die Ostsee von den Erscheinungen der Fluth und Khbe in irgend 
merklicher Weise; nicht abhängig ist: für den Seegang, die 
Küstenströmungen uud die Wasserstände dieses Binnengewässers 
wird also ausschliesslich fast nur das Luftmeer als bewegende 
Kraft auftreten, uud alle jene wichtigen Erscheinungen, welche 
die Umbildung der Küsten, dio Veränderung an den Häfen und 
den Wechsel der Wassertiefen betreffen, können somit nur Re- 
sultate der Luftbewegungeu sein. Der Verfasser, dem durch 
seine amtliche Stellung Gelegenheit zu langjährigen eigenen 
Beobachtungen dur Ostsccküsteu geboten worden, benutzt eine 
zuverlässige, einen Zeitraum von 1.') Jahren umfassende, auf der 
Lootsenst-ition Rügeuwaldertuünde uufgeuoniuieue Beobachtungs- 
periode; gestützt auf die Dove'sche Theorie der Luftbeweguug 
fasst er zunächst diese Beobachtungen über die Richtung und 
Intensität der Winde in einem mittleren Jahre zusammen, um 
sie alsdann mit denjenigen Jahren iu Vergleich zu bringen, 
welche die grössten Abweichungen von dem gemittelten oder 
normalen Jahre zeigen. Die eiuzelucu Monate des Norinaljahrcs, 
wie der am meisten abweichenden Jahre werden gesondert In 
Betracht gezogen, um daraus die Beziehung zwischen deu Jah- 
reszeiten und der Richtung, sowie auch der Intensität des Win 
des zu erkennen. Die enthaltenen Resultate werden zu den 
Wasserständen, Küstenströmungen uud Wellenbewegungen der 
Ostsee iu Beziehung gebracht uud endlich auch ciuigc Anwen- 
dungen auf den Ufer- und Hafenbau au der Ostsee gezogen. — 
Die Abhandlung erregt um so grösseres Interesse, als die ver- 
nichtende Wirkuug der lierbststürme dieses Jahres darau mahnt, 
wie wenig unsere gegenwärtigen Kenntnisse und Vorkchruugeu 
für einen wirksamen Schutz der Ostsccküsteu noch genügen. 
Es dürfte äusserst lehrreich sein, wenn der Herr Verfasser die 
ausnahmsweisen Ergebnisse des Jahres 1872 noch nachträglich 
zu dem Mitgctheilb'U in Beziehung brächte. 

4. Die Jalomitza- und Tel eaga- Brücke der Galatz- 
Bukarester Eisenbahn. Mittheiluug des Baumeisters 
Ilaarbeck. 

Nach einer allgemeinen Charakteristik der auf der bezeich 
heten Bahnlinie zur Anwendung gekommeneu Brüekeu- Kon- 
struktionen uud Fundirungeu, welche sich aus der Natur der 
Flussläufe herleitet, werden zwei dieser Brücken, bei denen 
Oeffuungeu bis zu 47 Meter Weite vorkonuneu, spezieller an 
den beigegebeuen Spezialzeichuungen erläutert. Wir hebeu hier 
nur die interessante Notiz hervor, dass deu Haupttlägern bei 
4!)"' Stützweite eine Höhe von !».'i» zwischeu den Gur- 
tungsquerschuitten, also ein PfeilverhülttiLss von nahezu V» ge- 



geben ist. Bei Faehwcrksträgcrn möchte ein derartiges Höben- 
Verhültuiss wohl kaum schon zur Auwenduug gekommen «eiu; 
da sich iudessen bei der Lage der Fahrhahu in lialber Höhe der 



Träger Gelegenheit zur Anordnung eines dreimaligen horizon- 
talen Kreuzverbandes bot, zwei in der Ebene der Gurtungen, 
der dritte in der Höhe der oberen Sehwellenträgerguitung lie- 
gend, so Hess sich wenigstens eiue genügende Aussteifung des 
Systemes leicht erzieleu; das Gewicht fiel dabei jedoch um etwa 
4 Prozent höher aus, als es bei Brücken gleicher Spannweite 
erfahruugsmässig beträgt. 

.1. Aualytisch-graphischcKonstruktion derBrük 
kengewölbe, vom Baurath Professor Dr. F. Heinzerling in 
Aachen. 

Die bereits in den vorigen Heften begonnene Abhandlung 
wird in den gegenwärtigen zum Schlüsse geführt. Dieselbe 
bildet die Fortsetzung des im IU. Juhrgauge enthaltenen Auf- 
satzes .Die Bauwaage und ihre Ergebnisse für den Gewölbebau*. 
— Wir möchten erwähnen, dass bei der gegenwärtig allseitigen 
Bevorzugung der graphischen Statik der Herr Verfasser einige 
Mühe finden wird, seiner hier vorgetragenen Auffassungswvtse 
zu verschaffen. — Gr. — 



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- 424 



Banwissenschaftlicha Litteratu* 

Septembor bis Dezember 1872. 
t, A., u, A. v. Raven, dio Baracken-Lazarethn dos Vereins 
f. d. Reg.-Bez. Aachen im Kriege 1870 71. S. Aachen. 10! 



Stampfer. C, theoret. u. prakt. Anleit 
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serstaat. 17., 18. Liefr Fol. Wien. I'A Thlr. 

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Mit f. lith. Tfln. 4. Hannover. 1 Thlr. 

Baudenkmale, mittelalterliche, au« Schwaben. Der Münster in 
Tim- Beschrieben von ,1. von Egle, aufgen. und gez. von A. 
Beyer und ('. Ricas. Fol. Stuttgart. U Thlr. IS Sgr. 

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mit besond. Kucksicht der Konstraktion bearb. 8. Mit Atlas 
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u. Hängebrücken. 8. Wien. 12 Sgr. 

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stimmungen der Gawerbc- Ordnung vom 29. Juni 18G9. 8. 
Berlin. 15 Sgr. 

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Berücksichtigung der neuereu Telegraphie. 2. Aull. 1. Liefr. 
8. Berlin. 1*. Thlr. 

Entwürfe, architektonische, aus dem Atelier des Prof. IL Nicolai 
in Dresden. 3. u. 4. Liefr. Fol. Berlin. Jede Liefr. 2 Thlr. 

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bearb. von K. K Zctische. Mit 22G Abbild. 8. Leipzig. 

24 Sgr. 

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wie Kirchenmöbel und Kirehengerüthe nach den verschied. 
Kirchenstilen. 3. Liefr. mit 42 Modellen in natürl. Grösse. 
Fol. Weimar. 7V| Thlr. 

Händel, E.. die Schablonen -Malerei des Mittelalters. Vorlagen 
in wirklicher Grösse mit Berücksichtigung des Bedürfnisses 
der Anwendung iu der Gegenwart. 25 Taf. Fol. Weimar. 

tft Thlr. 

Haseler, K- D., I lms Kunstgeschichte im Mittelalter. 4. Stutt- 
gart. 2«, Thlr. 

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bei Steinbruck f. d. südl. Staatseisenbahn Wien - Triebt. 4- 
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Heyn«. W., das Traciren von Eisenbahnen. 4. Aufl. 8. Mit Atl. 
in Fol. Wien. 4", Thlr. 

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Projekten. 4. Wien. 20 Sgr. 

Krane, F. X-, die christliche Kunst in ihren frühesten Anfängen. 
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Lfibke, W., Geschichte der deuUchen Renaissance. 3. Abth. 8. 
Stuttgart. 2 Thlr. Iii Sgr. 

Meyn, L., der Asphalt und seine Bedeutung für den Strasseubau 
grosser Städte. 8. Halle. 12 Sgr. 

Mothee, 0., illustrirtes Baulexikon. 3. Aufl. In Heften a 5 Sgr. 

Mueeum der modernen Kuustiudustric. Mustersammlung von her- 
vorragenden Gegenständen der letzten Weltausstellungen 
von Paris und London. Mit 2000 Holzschn. 4. Leipzig. 

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Abbild. 8- Hamburg. 4 Thlr. 

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von Walzeisen und Eisenkonstruktionen. 8. Ilagen. 24 Sgr. 
Schinkel, K. F.. Sammlung architektonischer Entwürfe. Auswahl. 
80 Kupfertaf. in Fol. mit Text. Berlin. Geb. 26'/, Thlr. 
nitt, E. , Vorträge über Bahnhöfe und Hochbauten auf Loko- 
motiv-Eisenbahnen. 1. Theil. 1. Lief. 4- Leipzig. 3 Thlr. 

J. L., Danzig und seine Bauwerke. 54 Kupfertafeln in 
Fol. mit Text. 2. Ausgab?. Berlin. Mfe Thlr. 



Nivelllren. 7. Aufl. 

2 Thlr. 

Villen, Wohnhäuser und öffentliche Gebäude in Berlin, Potsdam 
und Umgebungen. Photographien nach der Natur von M. 
Panckow. 1. Sammlung. Fol. Berlin. 3 Thlr. 

Waid), F., Handbuch über Administration und Leitung des Zug- 
förderungs- und Werkstätten -Diensten bei Eisenbahnen. 4. 
Wien. 2«/i Thlr. 

Weber, M. M. von, diu Praxis des Baues u. Betriebes der Seknn- 
därbabneu mit normaler u. schmaler Spur. 2. Aufl. 8. Wei- 
mar. 1 Thlr. 

Weher, M. M. von, die Schule des Eisenbahnwesens. 3. Aufl. 
bearb. von E. Schmitt. Mit 13C Abbild. 8. Leipzig. 2 Thlr. 

Winkler, E-, Vorträge über Eisenbabubau. 2. Heft. Weichen u. 
Kreuzungen. 2. Liefr. 8. Prag. 1 Thlr. 2 Sgr. 

WinUer, E., der Brückenbau. Theorie der Brücken. 1. Heft. 
2. Liefr. 8. Wien. 2 Thlr. 

Woltmann, A., die Bau geschiente Berlins bis auf die Gegenwart. 
Mit Holzschn.-Abbild. 8. Berlin. 2',, Thlr. 

Zahn, A. von, Musterbuch für häusliche Kunstarbeiten. 3. Abtb. 
Fol. Leipzig. 4 Thlr. 



Personal • Nachrichten. 

Prcussen. 

Ernannt: der Baumeister Jneckel zu Stralsund zum 
Kreisbaumeister in Berent. Der Kreisbaumeister Freund in 
Jüterbog zum Bau -Inspektor zu Stargard i. Pom. Der Bau- 
meister Harhausen in Minden zum Kreisbaumeister daselbst. 
Der Baumeister Middeldorf in Aachen zum Landbaumeister 
bei der KOnicl. Regierung in Arnsberg. Der Bau-Koroissar 
Engelhard iu Orb zum Kreisbaumeister in Gersfeld. 

Versetzt: der Krcisbaumeister Fromm zu Berent nach 
Neustadt i. Westpr- 

Die Baumeister-Prüfung haben am 11. und 14- De- 
zember er. abgelegt: der Bauführer Ewald Bertucb aus Pa- 
sewalk; der Bauführer und Feldmesser Alfred Di 1 1 mar aus 
Potsdam; der Bauführer Theodor Rothe aus Lusch (Kgr. Böhm.) 
Am 18. u. 21. Dezember. Eugen Froehlich aus Keppur- 
lauken bei Insterburg. Hermann Kiene aus Einbeck. 

Die Bauführer-Prüfung haben bestanden am 9. 10. u. 
11. Dezember er: Heinrich Bona t aus Tilsit; Max Anderson 
aus Köpenick; Richard Kux aus Halberstadt- Gflttfr. Knoche 
aus Herford. Am Iii., 17. u. 18. Dezember. Carl Friedrich 
August Köhtio am Neustettin; Friedrich Wilhelm II offmann 
aus Potsdam; Hermann Au ff ermann aus Dortmund; Gustav 
Henning aus Gelnhausen. 

Brief- und Fragekasten. 

Berichtigung. In dem Artikel .Ein Instrument für Ei- 
seubabnvorarbeiteu" muss es heissen; 

.die grössten Abstände vom Instrument betrugen 
meistens etwa 250 m " statt wenigstens etwa; 
ferner: .Etcpression" statt Degressiou. 

Hrn. W. in Z. Als mustergültig zu erachtende Gerichts - 
gebäude für die rheinische Rechtspflege sind innerhalb des 
Preussischen Staates in neuerer Zeit zu Bonn und Düsseldorf er- 
baut worden. Die Pläne für ersteres sind bekanntlich vor eini- 
geu Jahren durch die .Zeitschrift für Bauwesen* veröffentlicht. 
Gegenwärtig ist ein ähnliches Gebäude, welches der vom Justiz- 
Miuister Leonhard beabsichtigten Reorganisation des preussischen 
Justizwcseus entsprechen soll, zu Altona in der Ausführung be- 
griffen und werden für 1873 dergleichen Bauten in Posen und 
Hechin^eu vorbereitet. Für die letztgenannten 3 Städte sind die 
Grundrisse von dem Geheimen Ober-Baurath Herrmann entwor- 
fen worden. 

Hrn. E. in Kaiserslautern. Wir bedauern unter Hin- 
weis auf unsero Ihnen brieflich mitgetheilten Gründe Ihren 
Wunsch nach einer Berichtigung wiederholt ablehnen zu 
müssen. So gern wir eine solche eintreten lassen, falls wir etwas 
Irriges und Ungenaues angegeben haben, so liegt die Sache hier 
doch so, dass die vorwiegend in Ihrem geschäftlichen In- 
teresse erwünschte Ergänzung einer an und für sich durchaus 
korrekten Antrabe, die wir bei wieder vorkommender Gelegen- 
heit zu modifiziren uns gern bereit erklärt haben, nicht in den 
redaktionellen sondern in den Inseraten -Theil unseres Blattes 
gehört. 

Langjähriger Abonnent. Das Mycothanason zur Ver- 
treibung des Uaüs-, Holz- und Maucrsrhwanimc* und als Prfi- 
servativmittel gegen Bildung desselben ist uns nicht bekannt. — 
Es giebt der Mittel, den Mauerschwamm augenblicklich zu töd- 
ten, viele und kann dazu jede Substauz gewählt werden, die or- 
ganisches Leben überhaupt zerstört. Hiermit ist aber nicht viel 
gewonnen. Die Hauptsache bleibt immer — und dies hat auch die 
bez. Diskussiou in der letzten Wander -Versammlung zu Karls- 
ruhe bestätigt — dass hinreichende Ventilation vorhanden, indem 
so die Bildung des qu. Schwammen verhütet und da, wo der- 
selbe sich bereits zeigt, seine Weitereutwickclung unterdrückt 
wird, nachdem man denselben vorher soviel als möglich durch 
mechanische Mittel beseitigt hat. Bezüglich eines Vereins für 
Beschickung der Welt- ' 



»l..i.i..WUr Wl» C«r. -tili, U> 



... «ekreOer rieten la i 



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in 

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