DEUTSCHE
BAUZEITUNG
/ V V V / . v j
9100
296q
JJrittrrtüti ünibcrsitii.
*
Di
Jd by Google
DEUTSCHE
BAUZEIT UN 6.
ORGAN DES VERBANDES
DEUTSCHER
ARCHITEKTEN- UND INGENIEUR- VEREINE.
REDAKTEUR K. E. 0. FRITSCH.
SECHSTER JAHRGANG
1872.
BERLIN
KOMM ISSIONS -VERLAG von CARL BEELITZ
0RAN1EN -STRASSE N« 101.
T
Digitized by
Digitized by Google
INHALTS-VERZEICIINISS.
I. Allgnela« ln;fle?fnhfittn des latTathti.
Bauverwaltung und Unterricht, persönliche VerhiltniJie dar
Baute ehniker.
Das Preussischo Staatsbauwesen . . 282. 222. 301 222. 822. 382
aas. ML 112
Agitation für Trennung dos Baufaches in Prcusscn L42
Schreiben des Ausschusses der Studircndcn der Bauakademie 163
Zur Frage der Gchaltsverbcsscrung der Preussischen Bau-
bearaten ZI
Die ßerathuug über den Etat des Handelsministeriums im
preussischen Abgeordnetenhaus? 23. 3Ü
Organisation des Laudstrassenbaucs in der Provinz Hannover LLLL
Vorschriften für die Verdingung von Lieferungen und Ar-
beiten für Preussische Staatsbauten 225
Prfimienertheilung an Preussische Bauführer H>6
Die Konigl. Polytechnische Schule in Hannover 21Ü
Frequenz der Konigl. bayr. polytechnischen Schule in Mün-
chen im Winter- Semester 1871/72 2
Frequenz des Polytechnikums in »ieu 382
Die neue Organisation des Staatsbauwesens in Bayern ■ ■ ■ 30
Die Stellung der Badischen Staats-Baubeamten IS
Die Organisation des Bauwesens in dem Beichslande Elsass-
Lothringen 63
Eine neue Bauordnung für Berlin. (Nachtrae) 25* 31
Wiederum eine gerichtliche Entscheidung über Honorar für
architektonische Arbeiten 31L 220
Ueber Fensterrecht Zit 9B
Für Erlass eines deutschen l'atcntgcseUes 205. 223.
Ausstellungen.
Aufruf au die Architekten Norddeutschlands in Bezug auf
die Wiener Weltausstellung 132
Die Wiener Weltausstellung des Jahres 167:: 2. 142. 142
Die Ausstellung kunstgewerbl. Gegenstände im Küuigl. Zeug-
hause zu Berlin 226. 322. 330
Eine permanente Ausstellung moderner kuustgewerbl. Arbei-
ten_ des In- und Auslandes ZI
Aus Kopenbagcu und der nordischen Industrie- und Kunst-
ausstellung , . . 221 282
Bau-OeweTt».
Zum Schutze gegen die Arbeitseinstellungen der Bauband-
werker 123
Zur Frage der Scbutzmuassrcgelu gegen diu Arbeitseinstel-
lungen der Baubandwerkcr GS, üL 102. 126
Arbeitseinstellungen der Berliner Baugewerkc HL 132. 140. 143 !
Arbeitseinstellungen der Handwerker in Hamburg und Kö-
nigsberg 112
Der Regiebau, als Mittel zur Hobuug des Haugewerkea . . . 352 i
Der Prozess wegen des Uausciusturzes in der öranieustnissu
zu Berlin 51 l
Haan und Gewicht
Die internationale Maa»s- und Gewichts-Kommission 3M
Die Einführung des metrischen Maass- und Gewichts -Sys-
tems in Oesterreich 22
Das Kubikmeter als Kinheitsuiaass, insbesondere für llolz-
bereebuungen 12
Neue Vereinbarungen über die Einführung des Meteruiaasses
im Handel mit Bauhölzern *2Z
Vorschlage zu Bezeichnungen für das .Hundertstel- des
Kubikmeters S
Zur abgekürzten Bezeichnung der metrischen Maasse uud
Gewichte 282. 206
Baumaterialien,
Brennofen für Thonwaaren mit Gasfeuerung und kontinuir-
licheni Betriebe lü. 15L Iii
Der Hoffmann'sche Ringofen und die prcuBsische Patent-
Kommission 82. 22. Uli
Das angebliche Vorbild des Hoffmanu'schen Ringofens, der
sog. Arnoldsche Ofen in Fürstcnwaldc 230
Ueber Gewölbe aus Gussmöttel, deren Festigkeit, Kosten n.
ihr Verhalten verglichen mit Gewölben von Ziegelsteinen 381
Zement-Dachplatten von Peter Jantzen in Elbing ....... 51
Das Wasserglas und seine Verwendung in der Bautechuik . 251
Ueber das Thonmatcrial zu den Verblendsteincn und Terra-
kotten der Bauakademie zu Berlin 63
Der Aschenstampf (Zendrin) - Bau uud die Wohnungsnotb . 351
Normal-Zicgelfürmat 211
Dekorationsmalerei und Vergoldung mit Staniolgrund .... 256
BanwisMnschaitttche Theorie.
Zur Stabilit&ts-Untcrsuchung der Gewölbe ........ 365. 313
Beitrüge zur Theorie der Fachwerkstrfigcr . . 252. 261» 262. 282
Ueber FachwerkstrSger doppelten symmetrischen Systems mit
Vertikalen 203
Zur Eintheiluug der Balken mit freiliegenden Stützpunkten 144
Ein Beitrag zur Konstruktion der Futtermancrn mit loth-
rechter VorderflSche 246
Ueber Geschwindigkeitsmessnngeu am Rhein bei Germers-
heim 232
Hekrologe und persönlich« Hotisen.
Gustav Martens f 23. 212
Wedding t &A
Peblemdnu f 51
Die Wahl eines Stadtbauraths für Berlin 82. 12ü
Auszeichnung des Architekten Friedrich Schmidt in Wien . 140
Messen und Zeichnen.
Das HJihcnmessen mittels des Holosterique - Barometers • ■ 100
Ein Instrument zu Eisenbahn -Vorarheitcn • • • 400
Das Tachcometer 388. 385
Die Bestimmung der Damm- uud Einschnitts-Massen mittels
des Planimeters direkt aus den Langen -Nivellements -
Plänen 23L
Reduktion von Situationspl&nen auf photographischcui Wege 21Ü
Ueber Unterricht im Freihandzeichnen 62
Ueber das Pausverfahren mit lichtempfindlichem Papier tu. 122
Das Aufziehen von Pausen Li- 54. 215
Feuilleton and vermischt* Mittheüungen .
Reiseskizzen aus dem Orient 2fk 12. 58. 60. 23. 82. 20, 102. 110
IIS. L2Ü
Die Illumination in Rom am 22. November 1871 3. lü
Hie .Saalburg" bei Bad Homburg 2äU
Das •J.ijithrige Stiftungsfest des Motiv 101
Das Weihnachts f est des .Motiv" 31
Rechnungs-Ahschluss der Hagen -Stiftung pro 187t) u. 1871 82
Das deutsche Reichswappeu &
üuss einer Glocke für den Kölner Dom 122
Ueber die Einwirkung des Leuchtgases auf die Buuiuvege-
tation 20. Sil 362
Der Brand vou Chicago . . iSUl
Ueber eine neue Idee zu Löschvorrichtungen für Theater .
Verbesserter Extinkteur • - • • , ■ ■
Ueber die Behandlung neuer Wohnräume Ü6U. 3Ujl
Zellulose- Papier *"Hi
Mangel an Küdersdorfer Kalksteineu 0ü
Digitized by Google
II. Hochbau
Holte
ImMiKII
Die Renaissance in Wien 10
Xunitgesehicht« «ad Arehäolog-io
Das Münster zu Strasaburg 2ü
Die Aufgrabungen in der Krvpta der Schlosakirche zu Qued-
linburg 2Q1
Die Restaurirung des Thurmes der katholischen Hof kirche
ru Dresden 222. 23fi
Die Kestannition des Kaiserhauses zu Goslar 22
Die Krypta des Mainzer Domes und die Frage ihrer Wieder-
herstellung Sä
Die Restauration des Munsters zu Hameln 22£
Banamführangen and Projekt«.
Die St. Johannes-Kirche iu Altona 04
Pfarrhaus der Norder Gemeinde zu Altona 112
Von» Dome zu Köln 2G2.
Das neue Gerichts-Aints-Gcbäude in Johann-Ueorgenstadt . L25.
Dor Neubau des Polytechnikums in Dresden QH
Das Universitäts-Gobäude in Rostock <U
Die Pavilloubautcu im Stadtkrankenhause zu Dresden . . . 2ti3
Die Villa March zu Charlottenburg 382
Mm
Wohnbaus des Herrn C Melchers in Bremen 42
Die Arbeiterwohnungen auf dem Grossh. Gestütshofe Raben-
steinfeld bei Schwerin 32
Neubauten in Hannover 2BQ
Der Bahnhof zu Hannover ... 404
Ueber amerikanisches Bauwesen. VII. Das Rosevelthospital in
New York 2fi
Die amerikanischen Kapitolc 12
Amerikanische Vorstadtbäuser 32
Denkmäler für Gefallene des deutschen Heeres Ifiö
Ein Programm für den Bau neuer Schulhäuser in Wien . . 121
Die gegenwärtige Bautätigkeit Berlins 143
Die Kosten des provisorischen Gebäudes für den deutschen
Reichstag in Berlin DJS
Die Aufstellung eines Ucbcrsichtsplanus der für die inouu-
menfllen StaaUbauteu Berlins disponiblen, im Staatsbe-
sitze befindlichen Baustellen 140
Heizung and VsntüaUoa.
Luftheizungen in Berliner Gemeindeschulen .... äO'J. 215. 22i
Konitraktion.
Die Montirungsarbeiten des grossen eiserneu Mittelbaues des
Wcltausstcllungs-Palastcs in Wien 220
III. Insrnlcurwcsrii.
Die Schiffbarmachung der Oder 124. 120» 221L 222» 255
Die Oder als Wasserstrasse 411
Ueber die Erhaltung normaler Flussquerprotile 320
Eiue Muster-Stromstrecke für hydrotechnische Studien . . . 2211
Ueber den Elbing-Oberländischen Kanal 312
Der König Wilhelm-Kanal bei Mctucl fiZ
Der Triester Hafenbau 232
Wasserstandsbeobachtungen in Travemünde 4Q2
Die Sturmtluth am 13- November 1872 388
Schleuse mit Jalousie-Klappe für geringe Gefälle .... 232
Verwendung alter Eisenbahnschienen beim Wehrbau 315
Verwendung von Dynamit zu Einsprengungen 32Q
Kommunikation zwischen England und dem Kontinent . . . 215
Est- und BewüMrangen
Ueber Kanalisirung von Städten BMi 35U
Die Reinigung und Entwässerung Berlins 20. 130
Untersuchungen der städtischen Brunnen in Dresden ....
Veränderungen des Brunnenwassers in der Nähe der Kirch-
höfe 226
Brücken.
Massive Brücke von 8,1 fi» Weite bei Lübars 2fiQ
Die Mississippi-Bogenbrücke zu St. Louis 84
Die Albcrt-Brücke bei Chelsea 343
Amerikanische Brücken ZI
lugenieurbauteu iu Amerika Säfifi
Verbessertes Scharnier für eiserne Brücken ÜB.
Straiaen.
Neue Handkarre für Erdtransporte 225
Nordamerikanische Holzpflasterung 324
Ueber die Leistungen der Pariser-Dampf- Strassen- Walzen . . 224
Dampf-Strassen-Walze 123.
Blake's Patcut -Steinbrech -Maschine 221
Eisenbahnen.
Sekundäre Eisenbahnen 332
Schwebende Eisenbahnen &
Holzbahnen 282
Uel>er Kopfstationeu 2. 2
Ueber die Anordnung von Wcichenstrossen, insbesondere für
Kangir- und Kohlengruben - Bahnhöfe 322
Drathiugbarriere ohne Kontregewicbt mit schrägstehender
Welle 243
Abstürzvorrichtungen für Eisenbahnwagen 22Q
Eine neue hydraulische Bremsvorrichtung 42
Die Westiughouse'sche Luft-Bremse 262
Ueber die Sicherheit des Eisenbahnbetriebes, insbesondere
das Haltesignal 3fi2
Aus der Thätigkeit der deutschen Fcldeisenbabn - Abthei-
lungen 5LZ3.mLUZ.lia.123
Eiscnbahn-EroBuungcu in Deutschland und Oesterreich-Un-
garn im 2. Semester 1871 41
Die im L Semester 1872 eröffneten Bahnstrecken im Gebiet
des Vereins deutscher Eisenbahn •Verwaltungen 248
Die badische Schwarzwaldbahn 41
Die Berliner Nordbahn 42
Die Eilteubahn -Verbindungen zwischen Baden und Elsass . . 113
Die St Gotthard-Bahn 2k 123
Die Zerstörungen der Sturmfluth vom 13. November an der
Bahnstrecke Miltzow-Greifswald 422
Neue Eisenbahuprojekte in England Iii
Die Rumänischen Eiseubabneu 142» HIL 121
Zur Berliner Verkehrsfrage 182
Ein Wort über Eisenbahn-Personen-Yerkehr 128
IV. litlheilMgei Mt »reine«.
Verband deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine 12. 28.
101. iU- 313. 321
Der Verband deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine
und der Verein deutscher Ingenieure Ii2
Iii Versammlung deutscher Architekteu uud Ingenieure zu
Karlsruhe 133. 233. ALL 255» 2SJ- 28SL 312. 322. 322. 3311. 241
Itudischcr Techniker Verein IM
Architekten-Verein zu Herlin LL.0.2iL4»i.54.ü2 l ti2.2li.8fL
■t7 lüL 123. 130. 138. LUL 134. 102. LLL 184. Ultt- 214. 22L
232. üs. 26S. SM. uLL 332, ü_L 958. SfiL 3tUL 22ti» 3öä. 30L
402, 408. 421
Die Exkursion des Berliner Architekten-Vereins nach Sten-
dal und Tungi rmünde 202
Das Schiukelfest des Architekten- Vereins zu Berlin SO
Ein Fest des Architekten-Vereins zu Berlin 50
Verein für Eisenbahnkuude zu Kerlin 2. 'Ja. LLx UtL AJt». 328.
366. 402
Architekteu- und Ingenieur-Verein zu Breslau 114
Architekten - und Ingenieur -Verein zu Cassel . , . . 22. 4Ü. Hat
Der Ausflug des Hamburger architektonischen Vereins nach
Berlin '. 135
Architekten - und Ingenieur-Verein zu Hannover 22. 52» 83. 138
itti 311) 344. 3IL 402
Oberbayrischer Architekten- und Ingenieur -Verein zu
Müuchen . 18*
Ostpreussischer Ingenieur- und Architekteu -Verein in Kö-
nigsberg . . ±L G2. UZ. 130. 154. 1112. 2SÜ- 311L 33L 22lL 408
Oesterreicnischer Ingenieur- und Architekten -Verein in Wien
2. 3fL 152. 120. UiL im. 222. 254» 222. 28ü
Die Kritik des Hoffniann'schen Ringofens im Oesterreichi-
sebeu lugeuieur- und Architekteu -Verein 122
Sächsischer Ingenieur- und Architekten-Verein 15t. HU
Zweigverein des sächsischen Ingenieur- nnd Architekten-
Vereins zu Zwickau 22
Die Gründung eines Vereins deutscher Architekten und In-
genieure zu Strassburg 52
American Institute of Architects 12S
Raugewerkeutag iu Berlin 60
Die (ieneral -Nersammluug des Brandenburgischen Bauge-
werken -Vereins 36
Generalversammlung des deutschen Vereins für Fabrikation
von Ziegeln, Tliouw.iaren, Kulk etc. 22» 3S 44
Digitized by Google
V. km der rarblittrratur.
Mir
/••itsehrift des Architektenvereius zu Hannover 3L SSL 02» IL
7£L 3.%8. M!>
• Allgemeine Bauzeitung 42. JtL 122» 142. 1G3. 121
Zeitschrift für Bauwesen UJL Iii» 222» 22L 210. 423
< >rgau für diu Fortsehritte des Eisenbahnwesens . ... .IX 201
Die Gewerbchalle >BO
Hauernfeind. Vorlegebl&ttor zur Brückcnbaukuudc mit er-
läuterndem Text 21i
K. Hildebrandt's Aquarelle der Reise um die Erde iüi
Höltschl, die AueroTdo von Naudet und Goldsebmid 211
Katalog der ersten Wanderausstellung des Bayrischen Ge-
werbeniuseunis zu Nürnberg 22li
Petzholdt, Fabrikation, Prüfung und Uebernahme von Eisen-
bahn-Material I5i;
Schübler, über Eisenbahnen von lokalem Interesse 21k
v. Weber, die Praxis des Baues und Betriebes der Sekunder-
bahnen 346
Bauwissenschaftlicbc Litteratur WO» 21£» 221» 288. 424
.1, htmkurre nien.
Die Konkurrenz für Entwürfe zum Hause des Deutschen Reichs-
tages UL 14Q. LLL IM» liZ- Uli» Uli. LSi. 123« 2tHL 201» 201
20X 21iL 211» 224» 22i. 234. 242. 24it» 2M. 21Lü
Siegesdenknial in Altona .... 32. 83
Hospital in Antwerpen 228
Denkmal für die Gefalleneu des Preussischen Ingenieur- Corps
(im Architekten- Verein zu Berlin) 211t
Mouatsaufgobcn für den Architekten-Verein in Berlin . . 8, 40
m. Uli. US. Uli. 224. 2äü» 288» 228. 2H2. 324
Kuranstalt zum Hinterhof in Baden (Schweiz) 243
Denkmal auf dem Marienberge bei Brandenburg a. d. IL 224
240. 2U4
N.ivigatinnsschulgcbäude in Bremen j-lfl. XU.
Kcalschulgebäudo in Bremen '224. 248. 3ü4
Kriegerdenkmal in Bremen 402
Innere Ausstattung des ('ober Doms 24
Börse in Dresden Li£» 2S2Ü
Denkmal für Peter von Cornelius in Düsseldorf 402
Ausbau des „Brcidenbacber Hof" in Düsseldorf 31)4
Brückenbau zu Bad Ems 22
Kirche zu Esch a. d- A 148
Gesellschaftsbaus in Essen 122. 328
Bankgebaude in Frankfurt a,M 232
Börse in Frankfurt a M 33a
Stadttheater in Frankfurt a. M lfi
Dcukinal für die im letzten Kriege Gebliebenen in Gleiwitz 323
Si-hul^ebäude iu Oürlitj |
Bürgerschule in Gotha 283
ScbulgebSude in Greiz 112» Ü2fi
Schlachthaus iu Ueilbroun 40.
Gesellschaftsbaus der Gesellschaft freiwilliger Armenfrcuude
iu Kiel 241» 362
Heukmal für die im Kriege von 1X70,71 gefallenen deutschen
Krieger zu Liegnitz . . 32
Denkmal der Prinzessin Heinrich der Niederlande in Luxem-
burg 3ÜJ
Anlage eines neuen Stadttheils in Mannheim La»
Stadttheater in Mannheim 24
Denkmal für die gefallenen Krieger in Meldorf (Holstein) . 31h
National-Denkmal auf dem Niederwald 8. 12. XtL 212. XML
314. 338
Kuustgewcrbe-Schulgcbaudc in Pforzheim AK)
Aktien-Hotel in Prag 2Ü8. 221
Arndt-Denkmal auf dem Kugard 5i» fi2
Kurbaus in Langen-Schwalbach 80. UJu
Portal der Marienkirche in Stralsund 228
Protestantische Kirche iu Strassburg 80. 82
Villen- und Garten-Anlagen auf dem Kahlen- und Loopolds-
berge bei Wien 222
Realschul- und GymnasialgcbSude in Wiener Neustadt . . . 252
Schulhaus in Zotingon 32. 2ÜU
KonkuiTenz für Entwürfe zu Zimincr-Oefen 4Q
Konkurrenz für Maschinen-Techniker 40
Konkurrenz für Schriften über die Pateutfrugc 148
Personal Oarhrichtf ii. — Brief- und fräse kästen.
Als besondere 1 1 1 ustrations -Beilagen gehören zum Jahrgang 1872:
^*\. Jiihuuues-Kirche zu Altona. Perspektivische Ansicht einzufügen nach Seite 111
Vfurrhuus im Nurder - Kirchspiel zu Altona „ _ „ 112
CtäuKeuprolil eines Theils der Feldeisenbahn von Kemilly noch Pont ä Moussoo . . , 121)
^Henkmal auf dem Schlachtfeldc von Vionville . . . 1£D
' J( Entwurf von Bohnstedt , , .200
Parlaments -Gebäude für den deutschen Reichstag-*— „ „ Kayser und v. Grossheiro , . . 2011
J- . - Stier . . »0
— Ikivatbautcn in Carlsruhe „ » . 332
„Milla March in Charlottenburg ....... ^. .... , . , 282
Universität in Rostock { tiß^Jg^ .Ml. -MvfclV 4.4
ßiKli<Jnirh«T?t
Gfbrn<1«r Firkm I» IWIIii.
Digitized by Google
Digitized by Google
DEUTSCHE
BAU ZEITUNG
WOCIlKNlil.ATT
II K R A IlSff K< • K B K N VON HtTGllKDEBN
& ROH I T E K T E N - V K RE INS ZI» BERLIN,
JAHRGANG 187/
BERLIN,
KOMM ISSIONS - VERLAG vos CARL UE ELITZ.
Digitized by Google
Jahrg. IL M l
DEUTSCHE BAUZEITUNG
m££LS£KT Organ des Verbandes mmH2*?l*m»
deutscher Architekten - und Ingenieur-Vereine.
Bedakteur K. E. 0. FriUcta. ' US** **
Preis 1 Thaler er« taartal. Berlin, den 4. Januar 1872.
Er»fhf Int Jeden lannmtat;.
Inhalt: Zu» *«■*» 4«hrt. An uowr«! K.chu»uauwii, — ll.b*r Koprat.tioiton-
— Di« Ill.minalian Im Hiim am ?7- N^vfiibtr 1.71. — Srltwoboiidu Eisenbahnen,
M Inhell w »|r. au. Vorolli. »: OraUrroiHiitrher Inicenlear- und Arrhitek-
imi Vc-reii» tu Wii.». — Verein fdr Ki«enbalinkuiu)o m llerlln. - V « r m 1 1< hl..:
Ff.,,wii. der kr.ni K l. b. y ,riarh.ii ualylwaniwh.tl Schill, in München in Wint.r.
»mnl« 1*71 7J. - Zur Wicnrr W.Ii • A iwtwllun«. - Dm rt.iiUelie IUI CO.-
«■ffM. - W.ttcr. VanaUlfll iu BMrt<hliuii«ton für da. ll«iwl«rl*t»l do» K.blk-
tneter». — Konkurrenten: Selnil«eliiiMl» in <l5rlli«. — National - Denkmal tur
V.rhcrrllrhnnij dor Er.l(ini««- ile-r Jahre 1670 nnd 1871. - Ho«at» ■ Aufnähen im
Arrhll«klon-V«r»il» .« U»rll» «. 3. F«b,. 1K7J. - Per. ona I N ae h r 1 eht.n etc.
Zum neuen Jahre.
An unsere Fa o h g e n o s s e n.
Der Abschluss einer fünfjährigen Periode, welche unsere Zeitung als „Wochenblatt herausgegeben von Mitgliedern
des Architektenvereins zu Berlin" vollendet hat, und der Beginn eines neuen Jahrganges, in welchen dieselbe als das „Organ
des Verbände!« deutscher Architekten- nnd Ingenieur -Vereine eintritt, legt es uns nahe alter Sitte zu folgen und Umschau
zu halten ül>er das, was die Vergangenheit uns gebracht hat und was die Zukunft uns zu bringen verheisst —
Es ist nicht unsere Absicht auf das zurückzublicken, was wir »elltst in den vergangenen fünf Jahren geschaffen,
erstrebt und erreicht haben; denn nnr allzusehr hegen wir die Uel>erzeugung, das« wir mit redlichen, aber schwachen
Kräften wirken nnd leider noch weit davon entfernt siud unserer Aufgabe in einer Weise? zu genügen, wie sie das Ziel
unseres Strebens bildet. Wenn unsere Erfolge trotzalledem das Maass unserer anfänglichen Hoffnuugen übertroffen haben,
so verdanken wir dies nicht allein dem Wohlwollen und der Nachsicht der Fachgenossen, sondern vor allen Dingen dem
Aufschwünge, zu welchem unser Fach innerhalb des gesammten Vaterlandes und mit vereinter Kraft all' seiner Söhne
iu diesem Zeiträume sich aufgerafft hat
Es ist ein stolzes, hoffnungsfreudiges Gefühl, mit dem wir eines solchen Aufschwunges uns bewusrt werden dürfen. —
Soweit ünsserliche, materielle Bedingungen auf ihn einwirken konnten, mussten diesclbcu eher hemmend als
förderlich sein. Die Neuheit der seit 18G6 geschaffenen politischen Zustände, die Unsicherheit der nächsten Zukunft, in
welcher eine weitere Entwicklung derselben erfolgen musste, lähmten allerorten den Unternehmungsgeist und Hessen eine
rege Thätigkeit weder im öffentlichen Bauwesen noch im Privatbau aufkommen. Und als demnächst die erwartete Krisis
wirklich eintrat, als die deutschen Stämme sich geeinigt zu dem grössten Kampfe erhoben, den Deutschland jemals be-
standen hat, da konnte von einer Pflege friedlicher Künste nnd Gewerbe noch weniger die Rede sein.
Doch starker als die Ungunst dieser materiellen Verhältnisse war der geistige Gewinn, den wir in diesen Jah-
ren der Gährung und Vorbereitung erworben haben. — Die Ueberzeugung, dass wir am Eingange einer neuen grössereu
Zeit stehen, in welcher mit so mancher alten Form auch so manche alten Misstände verschwinden werden, in welcher
alle schlummernden Kräfte der Nation sich zu vollem Leben entfalten können, in welcher wir die Früchte dessen erndten
unsere Vorfahren und wir selbst in stiller ernster Arbeit geschafft und gepflegt haben. — Das Bowusstsein, dass
nicht allein an jedem Einzelnen sei, seine Kräfte und Fähigkeiten anzuspannen, um für sich das Beste zu lei-
sten, sondern dass es der Vereinigung und Organisirung aller Kräfte Ircdürfe, wenn in der That das Höchste und Grösste
erreicht werden soll. Und dämm ist trotz jenes äusserlicheu, erzwungenen Stillstandes die Arbeit der deutschen Archi-
tekten und Ingenieure kaum jemals energischer und der Erfolg derselben kaum jemals vielversprechender gewesen, als in
diesen jüngstvergangenen Jahren.
Voran nach dem ganzen Zuge des Zeitalters, das mit realen Grössen zu rechnen liebt, die Arbeit der Ingonieure,
auf deren für den heutigen Weltverkehr unentbehrliche Thätigkeit jene Hemmnisse auch von geringerem Einflüsse waren.
Ist die Blüthe dieses Zweiges der Technik, dem täglich neue Aufgaben und neue Lösungen derselben sich darbieten, in
der ganzen Welt eine beispiellose, so ist der Antheil, den seine deutschen Vertreter hieran beanspruchen dürfen, schon
längst als einer der l>edentenclsten anerkannt.
Aber auch die deutschen Architekten haben alle Veranlassung des Fortschrittes, den ihre Kunst zeigt, froh zu sein. •
Kann die allgemeine Entwicklung derselben in einem so kurzen Zeitraum auch nicht gemessen werden und kann sich das
Urtheil über die baukünstlerischen Leistungen der Gegenwart auch weniger auf Werke als auf Entwürfe stützen, so haben
doch gerade diu letzten Jahre in mehren grossen Konkurrenzen nnd in einer Reihe von Ausstellungen Gelegenheit gegeben
zu erkennen, in wie ausserordentlichem Maasse einerseits die Anzahl ausgezeichneter architektonischer Talente angewachsen
ist, die nur der Aufgalien bedürfen, nm es den Meistern der Vergangenheit gleich zu thun, und mit welchem Ernste diese
Talente andererseits ihren künstlerischen Beruf auffassen. Sichtbar geht ein neuer Geist, namentlich durch die jüngeren
Künstlerkreise und im Verschwinden begriffen ist die unglückselige Zersplitterung und Rivalität einseitig abgeschlossener
und sich befeindender Schulen, die über der Schaale zu dem Kern, über der Form zu dem Wesen künstlerischer Erfindung
nicht gelangen konnten. Man hat endlich erkannt, wie wenig man einander bisher verstanden, aber wie viel man von ein-
ander zu lernen hat, und da mau auf beiden Seiten redlich bemüht ist, das Versäumte nachzuholen, so darf ein Erfolg,
der für die zukünftige Entwicklung der Baukunst entscheidend sein wird, als keine leere Hoffnung mehr gelten.
Der Fortschritt in jeder der beiden Riehtuugen des Faches würde freilich noch aussichtsvoller nnd schneller sein,
wenn der grössere Theil der deutschen Bautechniker uuter dem Zwange eines für beide Richtungen berechneten Auabil-
dungsganges nicht noch immer mehre unersetzliche Jahre der Iwsteu Kraft vergeudet» tuüsste; indessen hat die Ueberzeu-
gung von der Schädlichkeit dieses veralteten Systems seither bereits iu so weiten Kreisen Wurzel geschlagen, dass der
gänzliche Fall desselben nicht lange mehr ausstehen kann. —
\ 658209 r .
l< (KJ&CAj?)
— 2 —
Der Aufschwung unseres Faches im Vaterlande zeigt sich jedoch nicht allein in den auf dem idealen Gebiete von
Wissenschaft und Kunst errungenen Erfolgen, sondern noch entschiedener und energischer spricht er sich aus in den An-
strengungen, welche die deutschen Architekten und Ingenieure gerade im Verlaufe der letzten Jahre der Pflege eines kräf-
tigen Standesbewusstscins und der Vertretung unserer gemeinsamen Standesinteressen gewidmet haben. Und wer
mochte leugnen, dass die Interessen der Personen mit den Interessen des Faches so eng zusammenhängen, das» von einem
nachhaltigen Aufschwünge des letzteren und einer angemessenen Bedeutung desselben im Kulturleben der Nation nicht
wohl die Rede sein kann, so lange seine Vertreter sich nicht eine angemessene Stellung und den gebührenden Einfluss
auf die Gestaltung der für das Fach wichtigsten Fragen gesichert haben.
Leider stehen in dieser Beziehung wir ,und mit uns alle Techniker noch sehr weit hinter den berechtigten An-
sprüchen zurück. Wahrend die Technik in ihrer wunderbaren Entwickelung der entscheidende Faktor für die moderne
Kultur geworden ist, hält man ihren Vertretern noch immer den Rang vor, den sie kraft dieses Verhältnisses einzunehmen
berechtigt sind, will man sie noch immer nicht der Vormundschaft entlassen, welche die juristische Bureaukratie auf fast
allen Gebieten des öffentlichen Lebens sich angemaasst hat. Aber freilich trifft die Techuiker, welche sich diese Zustände
widerstandslos gefallen Hessen und jede Berührung mit dem Öffentlichen Leben vermieden, hierbei ebenso der Haupttheil
der Schuld, wie dies in Betreff des vielbeklagten Mangels an Interesse und Verständniss, den das Publikum einzelnen
Zweigen der Kunst und Technik zollt-, der Fall ist.
Um so erfreulicher ist es, dass ihre Vertreter in neuerer Zeit mit einer eingehenderen Erkenntniss dieser bcklagens-
werthen Misstände anch den richtigen Weg zu ihrer Beseitigung gefunden haben, dass sie den der deutschen Litteratnr ge-
zollten Ruhm „sich selbst ihren Werth erschaffen zu haben* auch in ihrem Kreise zur Wahrheit machen wollen.
Und nicht leicht dürfte eine günstigere Zeit für derartige Bestrebungen gefunden werden können als die unsere, in welcher
auf fast allen Gebieten des öffenllichen Leltcns mit den Schlacken einer beschränkteren Vergangenheit aufgeräumt wird,
um Baum für den Ausdruck der neuen Bedürfnisse zu schaffen. Sind doch schon jetzt in nicht wenigen, unser Fach be-
treffenden Fragen, in welchen die deutschen Architekten und Ingenieure zur Vertretung ihrer Ansprüche die Initiative er-
griffen haben, Erfolge erzielt worden, an welche eine frühere Generalien zu denken wohl kaum den Muth gehabt hätte!
Niemals wären freilich diese Erfolge möglich gewesen und um Vieles geringer die Fortschritte, deren unser Fach
sich rühmen darf, wenn nicht dasjenige Moment, dessen wesentliche Bedeutung wir schon vorher hervorgehoben haben, die
Vereinigung und Orgauisirung der bisher zersplitterten technischen Kräfte, in so entschiedener Weise in den Vordergrund
getreten wäre. Was im Laufe der jüngst vergangenen Jahre von uns erreicht worden ist, wir danken es in erster Reihe dem
mächtigen Aufschwünge, den innerhall) unserer Kreise das Vereinswesen genommen hat.
Wohl haben einzelne dieser Vereine schon seit längerer Zeit bestanden und gehlübt, und der Einfluss, den sie von
jeher anszuübeu gewusst haben, ist gewiss ebensowenig zu unterschätzen, wie die Anregung und Förderung, die uusere
Fachinteressen durch die grossen allgemeinen Wanderversammlungen deutscher Architekten und Ingenieure empfangen
haben. Aber der Gang der Entwickelung, den seit fünf Jahren die meisten der älteren und die neun nenen während dieses
Zeitraums entstandenen Vereine genommen haben, ist doch ein wesentlich anderer und kräftigerer geworden und
lässt mehr als alles Uebrige den Pulsschlag der neuen Zeit verspüren. Und wenn bereits die letzte jener Wanderversamm-
lungen auf Grund der Vorarbeit einzelner Vereine mehre thatsäehliche Resultate aufweisen konnte, deren keine frühere
sich rühmen darf, so ist für die gemeinsame Arbeit der Fachgenossen in dem Verbände deutscher Architekten- und Inge-
nieur-Vereine nunmehr eine Grundlage gewonnen, auf welcher dieselbe in stetig wirkender Kraft und mit der Hoffnung
dauernder Erfolge sich stützen kann.
Die Grüudung des Verbandes ist noch in zu frischem Gedächtnisse, die Erwartungen, die wir von seiner Wirk-
samkeit hegen, leben noch zu sehr in aller Herzen, als dass wir die Bedeutung dieses Ereignisses, das wir als den Aus-
gangspunkt einer künftigen Blütheperiode unseres Faches betrachten, hier noch einmal eingeheud erörtern müsaten.
Wir erwarten eine solche Blütheperiode um so zuversichtlicher, als gleichzeitig mit dem Entstehen dieses gewalti-
gen Hebels innerer Kräftigung und Entwickelung auch die äusseren materiellen Verhältnisse in einer Weise sich umgestaltet
haben, wie sie günstiger nicht sein kann. Im Bewusstsein seiner Macht und im Vertrauen auf eine durch diese gesicherte
friedliche Zukunft wendet sich das Vaterland nach Kampf und Sieg gegen den äusseren und inneren Feind, gegen den
Neid des Nachltars und den Zwist im Hause, nunmehr mit ganzer Seele und in voller Hingebung den Werken des Frie-
dens zu und rüstet sich nachzuholcu, was so lange versäumt uud verschoben ward. Schon jetzt lässt sich für die Bau-
kunst und Technik eine Fülle der grossartigsten und lohnendsten Aufgaben überscheu, zu deren Bewältigung die Zahl der
vorhandenen Kräfte kaum ausreichen dürfte. Sic wird sich nicht vermindern, sondern steigern im Laufe der gedeihlichen
Entwickelung, die uns die Zukunft verspricht
Sollen wir dieser Zukunft froh werden und würdig sein, sollen wir hinter den Aufgaben, die sich uns bieten,
nicht zurückbleiben, so gilt es freilich nicht nachzulassen in der Anspannnug der Kräfte, die uns zu dem bisher errunge-
neu Ziele getragen hat. Dessen möge der Einzelne wie die Allgemeinheit sich bewusst bleiben.
Für unser bescheidenes Theil und auf dem uns zugewiesenen Gebiete versprechen wir dies aus vollem Herzen.
- F. -
Vortrag gehalten im Architekten Verein zu Berlin am 18. November 1871 von W. Housselle.
der Eisenbahn-
in ihrer
ihrer Kou-
Die grossen Hallen der Em]
Kopfstationen sind, da wesentliche Ahweichungen
Grundform nicht vorkommen, sowohl hinsichtlich il
struktion als ihrer architektonischen Erscheinuug ziemlich
unabhängig von der Anordnung und Vertbeilung der sie um-
gebenden Räumlichkeiten. Sie können daher auch für sich
allein zum Gegenstande des Studiums gemacht
Em
der Ver-
■ Allem
den praktischen Bedürfnissen des Publikums und des Be-
triebes zu genügen. Er mnss jedoch andererseits eine schöne
Dagegen beruht die äussere Erscheinung dieser
pfangsgebäude wesentlich auf dem Gruudriss und der
theilung der Räume im Innern. Der Gruudriss hat vor .
Architektur ermöglichen. Wie beiden Anforderungen am
besten entsprochen wird, dürfte — wie die Ausbildung der
Hallen — noch als offene Frage zu betrachten sein. Es
war mir daher eine erwünschte Ergänzung früherer Studien,
auf einer in diesem Frühjahr unternommeneu Reise die
Grundrisse einiger neuen Kopfstatious - EmpfangBgebäude
Derartige Studien, so lehrreich sie im Einzelnen sind,
können allerdings bestimmte Normen für besondere Fälle
nicht an die Hand geben, da solche Grundrisse — altgeschen
vou der Grösse der betreffenden Stationen — nicht nur nach
den örtlichen Verhältnissen, sondern auch nach den Sittcu
Digitized by Google
Ken mar zu legen, so seneinen sie mir un
rauf hinzuweisen, dass bei Kopfstationen in
wegen de» vorbandeneu oder zu erwartendei
auf die Anlage von Zwischenperrons nicht
des Landes verschieden zu gestalten sind. Doch dienen sie
immerhin dazu, einzelne Punkt, von prinzipieller Wichtig-
keit klar zu legen. So scheinen sie mir unter Anderm da-
grosseu Städten
erwartenden Lokalverkehrs
Zwischenperrons nicht nur für ankom-
für abgehende Züge Bedacht zu neh-
men ist. Dies ist aber von wesentlichem Einfluss auf die
Kntwickelung der Kopffacadc, dieser wichtigsten, meist am
weitesten sichtbaren uud dem nach dem Bahnhof eilenden
Reisenden zuerst in die Augen fallenden Parade, welche
deshalb einerseits zur Charakterisirnng des Bahnhofe -Ge-
bäudes die geeignetste, andererseits aber auch hinsichtlich
ihrer Gestaltung die schwierigste und der verschiedenartig-
sten Ausbildung unterworfene ist
Denn während jene Kopfstatiimeu, welche keine Zwi-
schenperrons oder doch nur solche für ankommende Züge
haben, ihre Räumlichkeiten ausschliesslich zu den Seiten der
Halle gruppiren, die Kopfseite aber ganz offen lassen oder
durch eine Glaswand schliessen können, sind bei Anordnung
von Zwiscbenperrons für abgehende Züge Expeditionslokalc
am Kopfende der Halle anzulegen. Den hierdurch bedingten
Kopfban dann weiter ausnutzend, legt man oft die Bureaus
der Bahn Verwaltung und Wohnungen der Direktoren in ihn
hinein oder siedelt in ihm — in England — ein Hotel an.
So gerechtfertigt eine derartige Anordnung in einzelnen
Fällen sein mag, wenn es au geeignetem anderweitigen Platz
zur Unterbringung der letzterwähnten Erfordernisse fehlt, so
ist doch nicht zu verkennen, dass durch dieselbe in das
ausschliesslich dem Verkehr zwischen dem Publikum und
den Eisenbahnzügen zn widmende Empfangs-Gebäude Räume
'«•bracht werden, die nicht uothwendig hinein gehören.
Mes rächt sich aber — abgesehen von manchen praktischen
II Dznträglichkeitcu — dadurch, dass es eine äusserlich klare
architektonische Charakterisirung des Bahnhofes als solchen
sehr erschwert, wenn nicht unmöglich macht. Die Vorzüge,
welche Kopffacaden wio die des Strassburger Bahnhofes in
Paris in dieser Beziehung haben, sind ja schon früher von
dieser Stelle aus hervorgehoben worden.
Von den örtlichen Verhältnissen, welche ich vorhin als
von Einfluss auf die Gestaltung der Kopfstations -Gebäude
bezeichnete, will ich nur die Lage der Station zur Stadt,
insbesondere ihre Entfernung vom Mittelpunkt der letzteren
hervorheben. Diese ist für den Bahnhof sowohl als auch
für die Stadt so wichtig, dass eine Vergleichung der grössten
Städte Europas in dieser Beziehung nicht ohne Interesse
sein dürfte. Ziehen wir nur Paris, Wien und Berlin in Be-
tracht, da London welches ganz von Eisenbahnen durch-
zogen und mit Bahnhöfen übersät ist, sich zu einem Ver-
gleich mit diesen wenig eignet, so ergiebt Bich, dass die
mittlere Entfernung der Personenbahnhöfe dieser drei Städte
von ihren Mittelpunkten ziemlich gleich ist. Wir erhalten
nämlich in Paris (von den Halles centrales) im Mittel 2520™
in Wien (vom Stcphansplate) 2170"", in Berlin (vom Schloss-
plate) 2320"». Man kann also sagen, dass wir Berliner in
diesem Punkt nicht schlechter und nicht besser daran sind
als die Wiener oder Pariser: „nicht schlechter" weil die
Nähe am Mittelpunkt der Stadt den Erweiterungen oder Um-
bauten der Bahuhöfe grosse Hiudernisse bereitet — „nicht
besser", weil die bezeichnete Lage für die Entwicklung des
Verkehrs einer Bahn, namentlich des Lokal verkehre, von
grösster Wichtigkeit ist. Ich erinnere hier nur an das Bei-
spiel von London. In Berlin ist freilich der Lokalverkehr
noch sehr gering. Doch sind auch hier die Anfänge und
Vorbedingungen dazu vorhanden. Und wie derselbe mit den
durch ihn hervorgerufenen Anlagen ein Motiv zur architek-
tonischen Ausbildung des Stationsgebäudes werden kaun,
zeigt uns hier der neue Potsdamer Bahnhof, dessen Koiif-
facade einen Schmuck in der grossen Vorhalle nebst Vestibül
für die Extrazüge findet.
Weuiger Verschiedenheit der Anordnung, als bei den
Räumen am Kopf der Stationen, zeigt sich bei denen an der
Ankunfts- und Abfahrtsseite. Ks haben sich vielmehr hier
— namentlich für die Abfahrtsscite — einige Typeu heraus-
gebildet, von denen der bei unserm Görliteer, Niedersehle-
sischen und Osthahnhof angewandte einer der beliebtesten
ist. Das Vestibül mit den Billetbüreuns liegt in der Milte
und im dasselbe schliessen sich rechts die Gepäckannahme,
links an einem langen Korridor die Wartesäle, mit dem der
IV. Klasse anfangend und endigeud mit dem der I. Diese
Reihenfolge, welche da, wo der Zutritt zu den Wartesälen
Jedermann freisteht, beibehalten werden mnss, hat den Nach-
theil, dass die Passagiere II. und 1. Klasse oft einen ziem-
lich weiten Weg nach ihren Wartesälen zurückzulegen haben.
Wir werden sehen, dass bei den Bahnhöfen in Wien, bei
welchen nur Reisende mit Billets in die Wartesäle zugelassen
werden, die umgekehrte Reihenfolge beobachtet ist
Der erste Bahnhof, welchen ich auf meiner Reise be-
suchte, der Freiburg-Sch weid nitzer Bahnhof in Bres-
lau, schliesst sich aber noch ganz dem vorhin beschriebenen
Schema an. Nur ist der Korridor hier verhältnissmassig
kurz, da ein besonderer Wartesaal IV. Klasse nicht ange-
legt ist. Dieser Bahnhof ist einem dem Neubau fast gleich-
kommenden Erweiterungsbau unterworfen und in seiner nenen
Gestaltung erst im Oktober d. J. dem Verkehr übergeben
worden. Das alte Empfangsgebäude lag (von der Stadt aus
gesehen) an der linken Seite der Bahn. Es enthält jetzt die
Gepäckausgabe, das Ausgangsvestibul, einen Wartesaal und
die Bureaus der Telegraphen - lnspektion. Ein dreistöckiger
Pavillon für die Eilgutausgabe und Büreuus ist ihm am Kopf-
ende vorgeliaut. Der Abfahrtsflügel wurde ganz neu errichtet
Dein oben bereits darüber Gesagten ist hinzuzufügen, dass
hinter dem Wartesaal II. Klasse (vom Vestibül aus gerechnet)
der der 1. Klasse liegt, nur durch eine offene Säulenstellung
davon getrennt. Auf letzteren folgt ein s. g. Speisesaal oder
reservirtes Zimmer von massigen Dimensionen. Er ist mit
dem Saal I. Klasse durch 3 Bogenöffnuugen verbunden, deren
mittlere einen reichen, als Ausströmungsöffnung für wanne
Luft dienenden Kamin und darüber eine grosse Spiegelscheibe
aufnimmt, während die beiden äusseren durch Glasthüren ge-
schlossen werden. Die Säle 1. und 11. Klasse bilden mit
diesem Speisesaal (ähnlich wie in dem nenen Empfangsge-
•t« Illumination In Rom am 17. Nmater IS7I.
Von Paul Laspcyrcs.
Am Montage, dem 27. November feierte Italien in der Er-
öffnung des ersteu in Korn tagenden Parlaments das Fest der
definitiven Uebertraguug des Regierungssitzes nach der neuen
Hauptstadt, das Fest der Krönung des seit Jahrzehnten geplanten,
ira Verlaufe zweier Lustren unter der Gunst ciues wunderbaren
(ilückes verfolgten und Jetzt an's Ziel geführten Werkes der
vollständigen nationalen Einigung.
Rom selbst, die glückliche Nachfolgerin des neidlos auf
seinen Vorrang verzichtenden Florenz, hatte sich in ein fest-
liches Gewand gehüllt, würdig der eminenten Wichtigkeit des
Tages. Der Corso, wie sonst alltäglich in den Nachmittags-
stuuden der Tummelplatz der müssigen und eleganten Welt, so
auch heute die eigentliche Schaubühne, zu der sich Alles drängte,
war in seiner ganzen Länge von der Piazza di Veneria bis zur
Piazza del Popolo am nördlichsten Rande der Stadt durch eine
unabsehbare Zahl prächtiger goldgezierter ruther Velaricn, durch
Flaggenstangen uud den bunten Schmuck ausgehängter Teppiche
und grün- weiss -rother Fahnen zu einer herrlichen Feststrassc
umgewandelt worden. Durch sie hatte der König in pomphaftem
Aufzuge vom quirinalischen Palaste zum Parlamentsgebäude auf
Monte Citorio seinen Weg zu nehmen.
Die während der letzten vierzehn Tage mit Eifer betriebenen
Vorbereitungen hatten durch ihre Grtwsartigkeit die Erwartun-
gen Aller aufs Aeusserste gespannt Neugierige Gruppen beob-
achteten, lebhaft plaudernd, von früh bis spät deu Fortachritt
der Arbeiten, welchen leider die Ungunst regnerischer Witterung
sehr behinderte. Ein Jeder fragte, besorgt gen Himmel blickend !
Wird auch diesmal unser gewohutes Glück den Wolkenachleier
zerreissen; wird die Stella d'Italia ungetrübten Glanzes leuchten?
Die schwarze Schaar der Priester, die ängstlich jede Berührung
mit dem Feste mied, betete, so erzählte man sich, um Regen
und alle Welt sorgte, es möchte ihr Wunsch in Erfüllung gehen.
Denn noch am 2fi. November tobte Wind und Regen in den
Strassen der Stadt Man liegreift daher den Jubel, der das
Volk ergriff und aus den gläuzendcn Augen Aller hcvorlcuchtutc,
als am 27. die Sonne am wolkenlosen Himmel emporstieg und
die laue Wärme eines wonnigen Maicutages über das beglückte
Land ergoss. Ja es geschehen uoch Wunder! Wie manchen
national gesinnten Italiener, der sonst für kirchliche Wunder
nur bittereu Spott hat, hört muu jetzt voll Gläubigkeit das zwie-
fache Mirakel preisen, das dem geeiuteu Vaterlaudo zwischen
Regen und Sturm wie das Geschenk eines höheren Willens diesen
Tag der Wonne gab und das dem ezaltirtcn Volke zur hellen
Mittagszeit iu der allerdings klar sichtbaren Venus die Stella
d'Italia leibhaftig vor Augen führt«, gerade dem Eingänge zum
Parlament gegenüber. Miracolo!
Ein Jeder, der zwei Jahro zuvor der Eröffnung des grossen
vatikanischen Konzils beigewnhut, der es erlebt hatte, wie zu
dem Tage, welcher das Papstthum uud die Kirche im vollsten
Glänze zur Erscheinung bringen sollte, der Himmel mit düsterer
Mieuc seine Rugenflnthen über Rom und den Menschenstrom
ergoss, der noch zur Nachtzeit oder im grauen Zwielicht eines
unheimlichen W internier -renn zum St. Peter wogte, musste un-
willkürlich jeneu tristen Morgen mit der heiteren Festlichkeit
in Parallele stellen, die heute die Strassen und Plätze der ewi-
rn Stadt schmückt, den bleiernen wolkeuschwcrcn Himmel des
Dezember mit dem Glauze der Mittagssonne dos 27. November.
Weit mehr als der Nordländer geht der Italiener im Genuas
glänzender öffentlicher Feste und Schaugepränge auf, welche
Digitized by Google
häude in Görlitz) eine innig zusammenhängende Gruppe von
Baumen mit durchgehender Axe, in welche man auch aus
dein Saale III. und IV. Klause durch die grosse Oeflhung
des Büffets einen Kinlilick hat. Särnmtliche Räume des
Kmpfangsgebäudcs sind gut beleuchtet und in hellen freund-
lichen Farben dekorirt.
Die Gebäude auf der Abfalirts- und Ankunftsscitc sind
nicht durch eine grosse, särnmtliche Geleise überdeckende
Halle verbunden. Die Seitenperrous sind nur durch uieilrige
Perronballen in Form von Pultdächern, welche auf je einer
Säulenreihe ruhen, überdeckt. Der projektirte 10,2'" breite
Mittclperron erhält ebenfalls eine niedrige Bedachung. Die
Kopfseite der Station wird von einer halbrunden, aussen
durch eine Säulenhalle geschmückten Abschlnssmauer be-
grenzt. Diese erhält in der Mitte ein grosses Portal, welches
den auf dem Mittelnerron ankommenden Reisenden zum
Ausgang dienen wird. Es ist deshalb neben dem Portal,
innerhalb der Altschlussmauer ein bedeckter Kaum für Ge-
päckausgabe vorgesehen. Hie gewählte Form der Verbin-
dung der beiden üebäudetheile am Kopf durfte, wenn ein-
mal von der monumentaleren Anlage einer grossen Perron-
halle abgesehen wird, nicht ungeeignet sein, die ganze Gruppe
als Empfangsgebäude zu charakterisiren.
Das Empfangsgebäude ist unter Leitung des Herrn Rc-
gierungsrath Vogt im Grundriss von dem auch mit der Aus-
führung betrauten Baumeister Hasenjäger entworfen, während
die Architektur im Wesentlichen das Verdienst der Archi-
tekten Kyllmann & Heyden ist.
Zwischen Breslau und Wien ist eine neue Eisenbahn-
verbindung im Entstehen, welche, im Verein mit der Bres-
lau-GIatz-Mittelwalder Linie der Oberschlesischen Bahn, von
der Oesterreichischen Nord westbahn gebildet wird.
Diese letztere erhält in Wien unmittelbar vor der Tabor-
Liuie ihren Bahuhof. Auch hier sehen wir Ihm dem Em-
pfangsgebäude in der Anordnung der Räumlichkeiten auf
der Abfahrtsseite den olren beschriebenen Typus. Nur tritt,
abgesehen von der durch das in Oesterreich übliche Links-
Fähren bedingten umgekehrten Lage der Räume eine Aen-
dening deshalb ein, weil der Perron nur den mit Billets
versehenen Reisenden offen steht. Direkte Ausgange für das
Publikum aus dem Vestibül auf den Perron waren demnach
nicht anzuordnen, vielmehr konnten zwischen beide ausser
den Billetkassen noch verschiedene Büreaus und Nebenräume
eingeschoben werden. Eine Trennung der Restauration von
den Wartesälen, welche bei den grossen Wiener Bahnhöfen
jetzt meist beliebt wird, ist hier nur theilweise durchgeführt.
Per Wartesaal Hl. Klasse dient nämlich auch als Restaura-
tiouslokal und nur für die II. Klasse ist ein besonderer Re-
staurationssaal vorhanden, an welchen sich ein kleinerer
^Wartesaal* anschliesst. Vor den Wartesälen, von diesen
durch den Korridor getrennt, zwischen zwei Risaliten des
Hauses wird eine Restaurationsterrasse angelegt, welche ge-
eignet ist, nicht mitreisende Besucher aus dem gegenüber-
liegenden Augarten anzulocken. Auch fehlt diesem Bahn-
hof nicht die in Wien übliche Restauration für Kutscher auf
der Ankunftsseite.
Für den kaiserlichen Hof ist auf der Ahfahrtsseite neben
dem Wartesaal I. Klasse ein reservirter Salon angeordnet.
Die eigentlichen Kaiserzimmer liegen auf der Ankunftsseite
am Ende der Halle, da einerseits ein Verweilen der fürst-
lichen Herrschaften im BahnhöTsgcbäude (festlicher Empfang
durch Deputationen etc.) mehr bei der Ankunft als bei der
Abreise stattfindet, andererseits aber auch die Abreise ineist
in Extrazügen erfolgt, welche danu von der Ankunftsseite
iles Bahnhofes abgelassen werden sollen. Unter den Räum-
lichkeiten dieser letzteren Seite ist ein Zimmer für einen
Arzt hervorzuheben. Ein Ausgnngsvestibul ist nicht, vor-
handen, vielmehr gelangen die Reisenden durch einen War-
tesaal resp. die Gepäck ausgäbe zu den an einer Veranda
haltenden Wagen. Doch ist für die mit Lokalzügen (an
einem Zwischenperron ) Ankommenden am Kopfende der
Halle noch ein besonderer seitlicher Ausgang angeordnet.
Derselbe führt einerseits zu der Veranda und den Wagen,
andererseits in geradliniger Verlängerung der Veranda durch
das Kopfgebäude auf die Strasse. Die Fussgänger sind hier-
durch bei ihrem Austritt aus dem Gebäude in sehr geeig-
neter Weise vor der Gefahr des üeberfahrenwerdens geschützt
Vor den Kopf der Station ist ein Verwaltungsgebäude
Dies enthält zwar in der Mitte ein grosses Portal,
11 dasselbe dem auf den Zwischennerrons verkehren-
den Publikum für gewöhnlich geschlossen bleiben und nur etwa
bei Ankunft von Festzügen ausnahmsweise als Ausgang dienen.
Ueber dem Portal ist die Mitte der Kopffacade durch
ein grosses halbkreisförmiges Fenster ausgezeichnet, welches
in wohl nicht ganz glücklicher, weil unorganischer Weise
anf die dahinter liegende Halle hinzudeuten bestimmt ist.
Diese Halle, welche bei 39°" Spannweite 5 Geleise, 2 Seiten-
und i Zwischenperrons überdeckt, konnte, da nicht allein
die Post- und Ellgutexpeditionen, sondern auch die Gepäck-
annahme ausserhalb des eigentlichen Empfangsgebäudes in
Anbauten untergebracht und die Perrons weiterhin noch durch
niedrige Hallen bedeckt sind, sehr kurz gemacht werden.
In wieweit dies geschehen ist, zeigt folgende Zusammen-
stellung der Längen einiger grossen Bahnhofshallen:
Oesterr. Nordwestltahn 126"»,
Franz- Josephs Bahuhof in Wien . . 139»,
Südbahnhof in Wien 142 m ,
Potsdamer Bahnhof in Berlin .... 172",
Lehrter Bahnhof daselbst 181",
Ostbahnhof daselbst I88 a .
Niederschl.-Märk. Bahnhof daselbst 20H».
Die Halle hat eine Art von Sichelträgcrn in 10,5 bis
14" Entfernung von einander. Die Dachfläche ist in der
Mitte auf •/» der ganzen Breite verglast.
Architekt des Nordwestbahnhofes ist Herr Prof. Bäu-
me r aus Stuttgart.*) «Sfiuiu. m% < >
•) tum. WH iWrrrrof. Bi«ra.r
«inil im Verlauf* der A
klirrn »In. Wcgno J«ii«t Aimler»««»«
(iriindrtMkiit* unterbleiben mÜMen
dl« bcaUlrhtljL' ttrtluguiix einer
bisher fast allein die Kirche mit Aufbietung höchster fiusser-
licher Pracht au dun grossen Kircheufesten Im it. Kr bedarf der-
selben von Zeit zu Zeit, um dann mit neuer Heiterkeit seiner
Alltagsbeschäftigung wieder nachgehen zu können. Durch den
häufigen Sinnenreiz der geschmackvoll in Szene gesetzten Um-
züge und Prozessionen mit daran sich anschliessender Illumi-
nation, Feuerwerk und Musik ist in Italien dus Volk auch iu
geringeren Ortschaften mehr als anderswo verwöhnt, und stellt
somit bei ausserordentlichen Gelegenheiten auch ausserordent-
liche Anforderungen. Besonders aber muss den Körnern . von
Jugend auf an den Prunk des päpstlichen Zeremoniells und der
gewaltigen kirchlichen Feierlichkeiten gewöhnt und gesättigt
von der Pracht der weltberühmten Beleuchtung der Peterskup-
pel und der Girandola am Piucio zu Ostern und am Peterstage,
des Neuen und Effektvolleu viel geboten werden , um sie zu be-
friedigen.
Durum war es keine kleine Aufgabe au einem Tage von so
hoher Wichtigkeit, der Tausende von Gästen aus allen Theilen
der Halbinsel herbeilockte, Grosses und den Ansprüchen Aller
Genügendes zu leisten, und es wird lohnen, Umschau zu halten,
in welchem Maasse und mit welchen Mitteln die gesteigerten
Anforderungen befriedigt wurden.
Die riesenhaften Erfolge, welchn im verflossenen Juhre unser
Deutschland durch die geeinten Kräfte der gesummten Nutiou
zu erringen vermochte und die ja auch uusere Vorgängerin iu
der Arbeit der nationalen Einigung, Italien, ihrem letzten Ziele
zuführten, haben auch unsereu Städten gross und klein bei der
Feier der Singe, des gewonnenen Friedens und der ruhmreichen
Heimkehr unseres Kaisers und der lorbeergeschmückten Truppen
Gelegenheit in seltener Fülle geboten, dem Jubel, der die Her-
zen aller füllte, festlichen Ausdruck zu verleihen, und fürwahr
grössere Pracht, verbunden mit echt künstlerischer Weihe hat
sicher weder die Epoche der pruuksüchtigen römischen Impe-
ratoren gesehen, noch die Blüthezeit der edlen Renaissance in
Italien, von deren Festen uns Burkhardt so leuchtende Schil-
derungen vorführt.
Es ist gewiss von Interesse, besonders für den Architekten,
dem ja in Erfindung und Herstellung der äusseren Erscheinung
ephemerer Feste eine der anziehendsten Aufgalicn zugewiesen
wird, den eigenthümlichen t'nterschied kennen zn lernen, welcher
in der deutschen und italienischen Auffassung der Illumination
scharf hervortritt, jenes wesentlichsten Theileg der dem gan-
zen Volke gemeinsamen Festlichkeiteu, der dazu bestimmt ist.
den Jubel des Tages bei magischem Licht bis tief iu die Nacht
hinein auf Strassen und Plätzen zu gemeinsamer Freude zu
In Deutschland macht das Volk selbst die Illumi-
nation. Jeder gross und klein, wirkt nach Kräften mit, ein
Meer von Licht über alle Strassen zu giessen. da Jetler, der ge-
niesst, auch beigetragen haben will. Die Behörden und Genos-
senschaften treten mehr wie Privatleute mit ein in die unbe-
schränkte Reihe der Festtheilnehmer und Festsehöpfer, und nur,
wie sie im öffentlichen Indien deu Bürger weit an Macht und
Ansehen überragen, bringen sie diese höhere Bedeutung auch
an den öffentlichen Gebäuden durch reicheren Schmuck und
Glunz zum Ausdruck, so das* Alles, was bei unseren Beleuch-
tungen au grosseu prachtvollen Effekten durch Behörden oder
Genossenschaften geschaffen wird, lediglich als eine die Blicke
zumeist auf sich ziehende Steigerung der Lichtwirkung aus dem
üefunkel von Tausenden und Abertausenden von Lichtern, wel-
ches der gemeinsame Wille Aller erzeugte, hervorragt.
In Italien: wie so ganz anders!
Da wird dem Volke, das sich durchaus passiv verhält,
die Illumination gemacht. Sic ist ein Schauspiel, welches
Digitized by Google
- 5
ßRESLAU- fREI BURG -^SCHWEI DNITZER jl ISENBAHN
Bmpfaatafibäad* in Brede,«.
ANKUNFT3 - AtlTE
ABFftHRTS - SCITE
Buthllobea-Erkla.ru H|(.
AbUhrleaeite: A. Veallbul. - B, MUMMT. - f. WwleMUÜ III. «Dil IV. Klane. - 0. Wartetui II. Klane. - S. Warlowal I. KU««. - r.»[.i«.ui. -
f. Herrentoilette. — II. Pam*llte.|leUe. — 3. Gepäck - Annaha». - *. Steuer. — t. Ktlgut • KincdiUos. — II. IVklmm r. — ff. Brbairn«) ui.it Zugführer. —
0. fMatiotiab«reau. — f. TeleKrapheabäreau. — ff. Pom.
Ankunft. .eito: A. Amu|i VndUI. — «.Wartesaal. - c. Gepick- Auagab«. - ».Portier. - B. Sinter. — f. Eilgut- Aua«aln. - f. InUm. -
J». PolUel. - J. Telegraphen- laapekilon. - g. U.ba.g.ilnmtr. - LBkt
(Vtrg). die Auftaue über die ScIJ-TraBaporthahlt In No. 31 ti. 53 und über die Pfosten - Eleenbahn in No. 42 JxUta. 1H7I der DeikUcben Beaaeltung.)
In Folge unserer Mittheilungen Ober die Seil- und Pfosten-
Eisenbahnen sind wir von verschiedenen Seiten darauf aufmerk-
sam gemacht worden, dass Einrichtungen. ähnlich der Hodgson-
v. Dücker'schnn Seil -Eisenbahn und der Fell'scheu
Pfosten -Eisoubahn schon mehrfach versucht, ausgeführt und mit
Erfolg benutzt worden sind. Wir nehmen von dienen Mitthei-
lungen um so lieber Notiz, als die tätlich steigenden Eisenpreise
Ersparungen auf dem Gebiete des Eisenbahnbaues immer wich-
tiger erscheinen lassen und alle früher gemachten Erfahrungen
wohl einige Winke enthalten , nach welcher Richtung hin eine
weitere Ausbildung der neu aufgetauchten Systeme schwebender
Eisenbahnen anzustreben sein wird.
Das erste Beispiel einer Beil -Bahn datirt bereits aus sehr
früher Zeit Eine Danziger Chronik von R. Curickc (aus
der Mitte des 17. Jahrhunderts) enthalt Bild und Beschreibung
einer Vorrichtung zum llinüberschaffen der Erde vom
Bischofsberge nach dem damaligen Bastion Berg,
welche der holländische Ingenieur Adam Wyb« von Harlin-
gen im Jahre 1C44 anordnete. Die Zeichnung ist in sehr klei-
nem Maosstabc ausgeführt und entbehrt der Details; doch ist
soviel ersichtlich, dass auf dem Bastion Berg, sp.lter und noch
heute Bastion Wieben genannt, ein Pferd mittels eines Göpels
ein Tau ohne Ende bewegt, an welches eine grinse Anzahl von
Eimern oder Körben in gleichen Abständen angehängt ist. Die-
ses Tau läuft über Köllen, die von starken Pfosten getragen,
auf der Seite, wo die beladenen Gcfltsso hängen, zahlreicher als
auf der andern angebracht sind. Wie die Befestigung der Rol-
len, der GefSsse am Tau, das Ein- und Ausladen erfolgt, ist
nicht ersichtlich; das aber ist unzweifelhaft, dass man 08 mit dem
System llodgsou und nicht mit dem System Dückcr zu thun hat.
Ein schönes Gedicht: Kurze poetische denoch unbe-
schmeichlctc Beschreibung des blühenden Danzigs
1646. Von George Groblingcr aus Regensburg"
auch dieses Werkes und zwar in folgenden Versen:
eine mächtige und reiche Hand dem Volke vorführt mit der
Einladung: Schliosst eure Läden, eure Thören; kommt her, be-
wundert! Bei Kirchenfesten ist's die geistliche Genossenschaft,
bei weltlichen Festen der Staat oder die Kommune, welche —
freilich mit aus den Beuteln des Volkes geschöpften Mitteln — den
ganzen Apparat beschaffen und allein die Illumination der Masse
auftischen, ähnlich wie ein Gastgeber Erfrischungen geschmack-
voll arrangirt auf einem Büffet zusammenstellt und nun die
dankbaren Gäste einladet, es sich wohl sein zu lassen. Wir
Deutschen vielmehr linden uns wie zu einem Piknik zusammen,
und Jeder bringt mit, was seinem Geschmack und Vermögen an-
gemessen ist, der Eine simple Hausmannskost, der Andere lek-
kere Delikatessen, Alle aber jene Heiterkeit und Herzensfreude,
die uns die innere Mitbetheiligung erzeugt
Es kann nicht zweifelhaft sein, dass manche Vorzüge der
geschilderten italienischen Art eigen sind, die bei der deutschen
nicht erreicht werden köuueu; nämlich eine schöne planmässige
Harmonie, eine wirklich vollkommen zusammenstimmende Ar-
chitektonik des Arrangements. So kann jede Lücke leicht ver-
mieden werden, und doch wird die wie immer beschaffene Ocrt-
lii'hkcit mit ihren Strassen und Plätzen es von selbst an die
Hand geben, die rythmische Wiederkehr gewisser Motive durch
fesselnde Prunkstücke in überraschender Weise zu unterbrechen.
Nur vermeide es der Beschauer aus dem Lichtslrome heraus-
zutreten, der sich bei einseitiger Herstellung der Beleuchtung
doch immer nur auf einen gewissen, vielleicht in sich geschlos-
senen Strasscnzug beschränken muss; er biege nicht in die Seiten-
gassen ab, wo alsbald tiefe Nacht ihn uinschliessen wird, in deren
Stille der Lärm der Freude aus der Ferne fast unheimlich her-
übertönt. Nur wer an der Feststraase selber wohnt, wird sich
dem erkältenden Eindruck entziehen können, den beim Heimweg
schroffe Wechsel von Lieht zur Nacht machen muss.
In unserer deutschen Heimat werden dem Heimkehrenden noch
freundlich die Lichtlein in dem geringsten Hause leuchten, und
mit der vollen Wärme, die das Gefühl erzeugt, mit seinem gan-
zen Volke eines Geisten zu sein, kehrt er in sein Haus zurück,
dessen Zimmer selbst vom ungewohnten Glanz der Lichter wi-
derstrahlen. Gewiss, wir Deutschen werden nicht zögern, unserer
Art für immer den Vorzug zu geben; denn stets wird der Sinn
des Festes, als des Ausdrucks dankbar froher Stimmung uns
zu sehr am Herzen liegen, als dass der Einzelne auf seine eigene
Mitwirkung verzichten könnte.
Das oben Gesagte will ich nun versuchen dem Leser durch
die Beschreibung der römischeu Illumination vom 27. November
zu illustrircn. Für einen aufmerksamen Beschauer bot sich
ausser der Augenweide auch viel Gelegenheit dar zu lernen,
denn die Italiener wissen wohl ihre Mittel zu wählen und die
stete Ucbung hat ihnen eine bemerkenswerthe Routine verschafft,
das Effektvolle vom Unbedeutenden zu scheiden und die Gunst
der Ocrtlichkeit vollständig auszunutzen.
In Korn war es diesmal das Munizipium, welches die Dcko-
rirung der Feststrasse und die Beleuchtung am Abend auf seine
Kosten herrichten liess. Die ganze Anordnung wurde einem
Unternehmer, dem Cav. Ottino für die beträchtliche Summe von
180,000 Frcs. übertrugen. So wurde, da eine kundige Hand
die oberste Leitung hatte, etwas Einheitliches und architekto-
nisch wohl Durchdachtes hergestellt, das jedenfalls ungeachtet
einiger Missgriffe über alles Erwarten glänzend und wirkungs-
voll hätte ausfallen müssen, hätte nicht die theilweisc Verwen-
dung alter Apparate und schliesslich ein ausser der Berechnung
liegender hindernder Umstand nachtheilig eingewirkt: nicht etwa
Ungunst der Witterung, denn diese konnte in jetziger Jahreszeit
nicht schöner gedacht werden an dem stillen Vollmondabend,
dessen Lüfte kaum ein schwacher Zugwind bewegte, sondern
Digitized by Google
- 6
— — — Schau au wass Wih erfunden,
Der wunderbare Mann, der fast zu allen Stunden
Ein neue* Thun erdenkst, mein vielgeliebter Freund
Und kunstberuffner Geint Auf das. des Walle* Fciud
Umb etwas» niedriger von seiner Hoffart werde
So nimbt er seinem Haupt in leichter Müh' die
Und führt sie in der Lufft zwei Wasser Überhin
Auf unsern Wall hinauff. Fahr fort u. s. w.
Eine ganz andere Art schwebender Eisenbahn richtete im
Jahre 1834 der damalige Festung«- Baudirektor von Posen,
jetzige General a. D. von Prittwitz zum Transport von Zie-
gelsteinen von der Ziegelei Zabikowo nach der 1800 Schritt ent-
fernten Wasserstraße ein. Die Beschreibung d«rnclben erschien
als Brochürc'), welcher wir folgende Angaben entnehmen:
Hölzerne Ständer, welche in bestimmten Entfernungen in
die Erde eingesetzt sind, tragen eiue liochkantigc Bohle, auf
welche Eisenschienen mit Holzschrauben flach aufgeschraubt
sind. Die Wagen, welche auf diesen Schienen laufen, Iiabeu nur
ein Rad mit fester Achse und sind so koustruirt, das« die Last
auf beiden Seiten gleichmäßig vertheilt herabhängt Das Schwan-
portkosten und 35% der Anlage- und Betriebskosten. Pro Zent-
ner und Meile berechnet sich der Transport mittels der Bahn
auf 1,4 Pfennig.
Als die Hauptvorthoilu der v. PritiwiU'Hchen schwebenden
Eisenbahn werden folgende hervorgehoben :
\) Einfache Konstruktion und darum billige Herstellung.
2) Vermeidung von Erdanschüttungeu und Planirungsarbeitcn
und der Störungen durch Schmatz und Schnee;
3) leichte Herstellung von Kurven, Weichen, Durchfahrten;
4) sicherer Betrieb, bequemes Auf- und Abladen u. 8. w.
Gewiss wird man dies anerkennen und dem vurdiunten Er-
finder die Priorität eines Gedankens, den 36 Jahre später Hr.
Fell als neu und ihm angehorig zu verwertheu suchte, einräumen
müssen! Vergleicht mau inaessen damit das v. Dücker'scbe
System der Seil -Eisenbahn, so ergieht sich unzweifelhaft, da.-»
die Konstruktion der letzteren einfacher und höchstens halb so
ist. Kurven, Weichen Durchfahrten, die bei allen Eiscn-
thunlichst zu vermeiden sind, weil sie stets den Betrieb
oder erschweren, lassen sich an den Seilbahnen allerdings
r leicht ausführen, dagegen gestattet die grosse Entfer-
der
ken der Wagen wird begrenzt durch seitlieh an die Pfosten
nagelte Bretter, an Jenen entlang die Friktionsräder der
Wagen laufen. Die Tragfähigkeit eines Wagens betrug 10 Ztr.
Die Kosten ciues solchen werden zu etwa 45 Thlr. berechnet
und die Gesammtkoston einer Baiin auf -.25,000 Thlr. pro Meile
veranschlagt — Uebrigena sind zweirädrige Wagen eben so gut
oder wohl noch besser verwendbar. — Die Bahn bei Posen blieb
-.'•2 Jahre in Betrieb und erzielte in dieser Zeit unter Anrech-
nung des Materialienwertbes beim Abbruch dur Bahn rund
4H00 Thlr. Reingewinn gegen die früheren Transportkosten, bei
rund 14,000 Thlr. Anlage- und Unterhaltungskosten. Die Er-
sparnisse stellen sich daher auf gegen 26% der früheren Traus-
•) Die «kwctieaclc Kl»» titln tri Pom«. ». ämimgr. Brill», IM?, M F>r-
nutig der Stützen das Ueberschreiten von Wegen , Flüssen und
ähnlichen Tcrraiiihinderiiisscn fast ohne alle Schwierigkeit, wo-
durch die Anwendbarkeit dieses Systems ganz ausserordentlich
erhöht wird.
Leider sind so wenig Erfahrungen zur Hand, dass man die
Grenze für die Leistungsfähigkeit beider Systeme auch nicht
entfernt bestimmen kann; doch ist wohl zu übersehen, dass bei
kurzen Linien mit einem Geleise das Bohlensystem mehr leistet.
weil es die. Bildung eingeschlossener Züge beladoner Wagen
zulässt
Will mau endlich aus dem Gesagten einen Schluss auf die
weitere Ausbildung dieser Art von Transportmittel ziehen, so
wird es der sein, dass man die freie gerade Strecke aus Draht-
seil oder hängendem Rundeisen herstellt, die Kurven, Weichen,
Auf- und Abladestellen aber als festes System horizontal auf-
vielmehr die Lässigkeit des mit dem Anzünden der Lichter be-
auftragten, allerdings durch die angestrengte Arbeit der letzten
Tage stark ermüdeten Personals, welches da wo eine Kontinui-
tät der Flammenreihen für die beabsichtigte Wirkung durchaus
unthwendig war, bedauerliche Lücken entstehen liess und so
den Eindruck vielfach schwächt«.
Wie schon am Tago der Corso die Oertlichkeit war, auf
welcher das festlich frone Volk mit Vorliebe hin und her wogte,
so blieb er es auch für die abendliche Beleuchtung, indem er
auf dem nächsten und bequemsten Wege die beiden Glanzpunkte
der Illumination, das Capitol und die Piazza del Popolo, mit ein-
ander verband. Naturgemäss bildete, da die Munizipalität gleich-
sam den Gastgeber spielte, auch der Sitz derselben, das Capitol,
den Ausgangspunkt des üanzeu. Von dort folgte die Feststrasse
der Via d'Araceli, der Via del Gcsü und dann dein geraden Lauf
des Corso in seiner ganzen Länge bis zur Piazza del Popolo.
Dort bog sie links rückwärts ein in die Via di Ripetto, weiter-
hin Via della Scrofa genannt, von deren Ende beim Sitzungs-
ei-bäude des Senates, der ehemaligen Post, sie durch schmale
krumme Gassen die Piazza della Rntonda (Pantheon) t>eruhrend,
den Anschluss an ihren Anfang bei der Kirche del Gesü auf-
suchte. Wir werden nichts Wesentliches uubesprucheu lassen,
wenn wir nur die Ausschmückung des Corso und der Ripetta
schildern, so wie die Anordnungen auf den drei Plätzen del
( ampidogtio, del Popolo und della Rotonda.
Es war gewiss ein ungemein glücklicher Gedanke, bei der
I »ckoration des Capitola die grossartige Architektur der Gebäude-
Kruppe, welche wir Michel Angclo's genialer Erfindung verdan-
ken, in Flammenlinicn zu roproduziren. An allen Hauptlinien
der Säuleu und Pilaster, der Gesimse und Fenstereinfassungen,
endlich der Steigungen der grogsartigen Freitreppen-Anlage vor
dem Senatoren-Palast waren schmale Latten angeheftet, auf welchen
in dichten Reihen kleine offene Blechhecken mit Talgfüllung ge-
nagelt waren. So sollten die herrlichen Verhältnisse der Pa-
läste, welche das eherne Bild des Marc-Aurel umgeben, wie mit
goldig feurigem Griffel in die Nacht geschrieben werden, eine
lesbare Schrift dem fern aus duukler Nacht hurüborschauondeu
Vatican, dass ein neues Reich auf diesem klassischen Bodcu seine
Weihe empfangen habe.
Überhalb der Schmalseiten des Museumsgebäudes erhoben
sich in leuchtenden Farben zwei mächtige Wappen des Savoyischen
Hauses, das weisse Kreuz im rothen Felde, von einem ähnlichen
Wappen über der Front des Seiiatorenpalastes, dem dio Wappen
der Stadt Rom zur Seite standen, strahlte eiue grosse Sonne
ihren Schein hernieder und über ihr schwangen sich prächtige
bunte Blumenguirlandeu, mosaikartig
Migesetzt, durch die Luft; Alle« aber
einer Fülle von far-
bigen Lämpchen zusammengesetzt,
ward überstrahlt von einem riesenhaften, in blauem Licht fun-
kelnden fünfzackigen Sterne, der Stella d'Italia, der sein Licht
von der Hohe des Capitols-Tlturmes ergoss.
Es ist sehr zu bedauern, dass gerade hier den Erfinder -des
Arrangements sein Dienst-Personal in hohem Maasse im Stich
liess; denn weit mehr trug die Nachlässigkeit und ungerechtfer-
tigte Hast beim Anzünden als der leise Wind, der den capitoli-
nischen Hügel umweht«, die Schuld, dass der beabsichtigte Ef
fekt nur unvollkommen erreicht wurde. Gleichwohl wurde ein
Jeder, der aus den niedrigen Strassen zur Höhe des erhabenen
Platzes hinaufstieg, von dem Gcfunkel der unzählbaren Flämm-
chen wie von einem Zauber umfangen, der es schwer macht uin-
terdrein noch nüchterne Kritik zu üben.
«Schill« fcl.-t.)
Digitized by Google
— 7 —
liegender und gut unterstützter Schienen ausbilden wird. Selbst-
redend müssen dabei die einseitig aufgehängten Tran»portge-
(nach Frlu'. v, l'ücker) zur Anwendung kommen du- ja
auch noch den Y ortheil Italien, als Sturz- oder KippgeluiW jg
Es aiud übrigens wieder mehre Seil - TraoaixirtUahiicn im
Bau und Oer Vorbereitung, ul>er deren Krtolg wir — nach Ablauf
des Winter» — au bciiihtvii uu.i vuiüiihaltenl
Lämmer liirt
Mittheilungen aus Vereinen.
Ocaterreiohisohcr Ingenieur- und Arohltekten Verein
7,n Wian.
Wochen- Versammlung im 88. Oktober 1871; Vomit-
reuder Hr. Uberbaurath Kr. Schmie! t, anwesend VM Mitglieder,
Der Vereins-Vorsteher erftftnet die Sitzung, mit welcher der
Verein nach fast 6 monatlichen Ferien wieder in seine gewohnte
ThStigkeit eintritt, mit einer begrüsseuden Ansprache und Äus-
sert die Hoffnung, das» die Erfolge des beginnenden Jahres,
des letzten im alten Lokale, hinter den früheren nicht zurück-
stehen mögen.
Als ersten Tbcil eines Reiseberichtes über die neueren, iu
Norddeutschland zur Anwendung Bekommenen Systeme eiserner
Brücken giebt Hr. Professor Dr. E. Win kl er unter Vorlage von
Zeichnungen und Photographien eine Beschreibung der von
Lobs« erbauten neuen Elbbrückcn bei Hamburg und Harburg,
deren System er als eine Kombination des Hingewerks mit dem
Bogcnsprengwerke bezeichnet Hr. Ingenieur Hanacek spricht
sodann über eine Verbesserung der Mayer'schen Steuerung.
Monats- Versammlung am 4. November 1871; Vorsitzen-
der Hr. Oberbaurath Fr. Schmidt, anwesend '204 Mitglieder.
Dcr Geschäftsbericht für die Zeit vom 7. Mai bis 4. Novcm-
bgt erineM, iiw Wbbm Mitglieder in den Verein aufgenommen,
7 wirtliche und I fcorresponflirendes Mitglied ausgetreten, resp.
verstorben sind. Von Seite der K a imig wie von rnväfiSa
und zahlreiche /.usemlumieu und nielirluclie Aalloph rut.gei; zu
guttenmeben Aeusaerungen etngciauten; letztere sind tnciiweisc
bereits erga iii.- ii Iw' y.m Vorstände aufgestellte und vom
Ycrwultuiit^ratlie genehmigte Kiitwurf einc-t Antv,».i Nein eit-i'iis
an tYof. Baumeister in Carlsrahc, hetrettend die Stellung des
Vereins zum Verbände deutscher Ai.'lii'.rktcii- und Ingcnieur-
V ereine (al>gedruckt in Nn. Jahrg. 71 d. deutschen Bauztg.)
wird vorlesen und mit allen gegen 8 Stimmen gebilligt.
Nach Erledigung der Vcrwaltungsangelegcnheiten hält Herr
Ober-Inspektor Aug. Prokop einen längeren, eingehenden Vor-
trag über Ziegelfabrikation mit besonderer Berücksichtigung der
Ringöfen in Bezug auf Konstruktion und Betrieb. Die Publi-
kation desselben wird durch die Vereinszeitschrift erfolgen.
Wochen Versammlung am 11. November 1871; Vor-
sitzender Hr. Oberbaurath Fr. Schmidt, anwesend '247 Mit-
glieder.
Hr. Zivil -Ingenieur Gärtner spricht unter Vorlage von
Zeichnungen und Photographien über die Pfcilcrhautcn der Do-
uaubrücke bei Mauthhauson. Auch dieser Vortrag wird in der
Verciuszeitschrift ausführlich mitgctbeilt werden; wir erwähnen
daher an dieser Stelle nur, dass die Fundirung der Strom- und
de« einen Landpfeilers auf Caissons erfolgte, die mittels Anwen-
dung komprimirter Luft versenkt wurden. Es war diese Fun-
dirung von ausserordentlichen Schwierigkeiten begleitet, da man
beinahe bei allen Pfeilern auf Granitfelsen von sehr un regel-
massiger Gestalt sticss, deren Beseitigung zum Theil nur durch
Sprengungen im Caisson zu ermöglichen war. Um einen
ununterbrochenen Betrieb des Materialbaggers zu erzielen, wurde
die Anordnung so getroffen, dass der gcsaiumte Apparat in kom-
primirter Luft arbeitete.
Verein für Elaonbahnko.ndo zu Berlin. Versammlung
am 12. Dezember 1871. Vorsitzender Hr. Streckert, Schrift-
führer Hr. Quensell.
Herr Schwabe hielt im Anschluss an die von ihm veröf-
fentlichte Schrift: .Ueber das englische Eisenbahnwesen* einen
Vortrag über die Eisenbahnen Londons, in welchem noch einem
allgemeinen Oebcrblick die Anlage der verschiedenen Personen-,
Güter- und Kohlonbahnhöfe dieser Metropole besprochen und da-
bei diejenigen Gesichtspunkte hervorgehoben wurden, die für
Berlin mit Rücksicht auf die am 1. Januar 1872 (bevorstehende
Eröffnung der neuen Vorbindungsbahn für den Personen- und
Lokal-Güter- Verkehr besonderes Interesse bieten. In Betreff der
Einrichtungen für den Personen -Verkehr würde London von
keiner anderen Stadt der Welt übertroffen. Ausser einem wahren
Labyrinth von über- und unterirdischen, mannigfach mit einander
verbundenen Bahnen seien noch zahlreiche Dampfboot-, Omni-
bus- und Pferdcbahnlinien vorhanden. Auf den innerhalb Lon-
dons und seiner Vorstädte gelegenen, zusammen ca. 6 preuss
Meilen langen Metropolitan- und North -London -Eisenbahnen
wurden im Jahre I8<0 etwa 60 Millionen Passagiere befördert,
während im Jahre 18«>9 die Gesammtfrequenz auf allen preus-
sischen Eisenbahnen in einer Gesammt länge von ca. 1370 preuss.
Meilen ca. G'2 Millionen Personen betragen habe. Wenn auch
ein derartiger Verkehr, der bei der etwa 4'/* mal grösseren Be-
völkerung Londons gegenüber Berlins einer Frequenz von ca.
18 Millionen für letztere _ Stadt entsprochen würde, als achwer
erreichbar anzusehen sei, so würden doch die sehr niedrigen
Tarifsätze der Berliner Verbindungsbahn zur raschen Hebung
des Personenverkehrs auf derselben wesentlich beitragen. Dieser
Tarif ist für die 3. WagonklasBc wie folgt gebildet: bis zu *.■'•
Meilen = •/• Sgr-. von % bis zu 2 Meilen = 1 Sgr., von 2 bis
3'/. Meilen = IV» Sgr. und für jede Anschlusstrocke von einem
Stadthahnhcfc bis zur nächsten Station der Verbindungsbahn =
'/, Sgr. pro Person. In der 2. Wagcoklasse wird das dreifache
vorstehender Tarifsätze erhoben. Die Fahrpreise in der 3. Klasse
sind niedriger als bei den Arbeitszügen in England. Die Lage
des Güterverkehrs in Berlin sei ungleich günstiger ala in London.
Die neue Verbindungsbahn gewähre hierfür so ausgedehnte Vor-
theile, wie sich solche in einer anderen Metropole kaum wieder-
fanden. Nicht nur, dass schon jetzt, soweit es die Rauruvcr-
h<nisso der vorhandenen Stadtbannhöfe gestatten, alle in Berlin
ankommenden Güter iu gaiucu Wagenladungen durch Vermitfe-
luug der Verbindungsbahn auf jedem der vorhandenen Stadt-
babnhöfe, mit Anfang des Jahres 1872 auch auf jedem der G
Bahnhöfe der Verbindungsbahn zur Entladung kommen können,
finde auch von joder dieser Verbindungsbahn-Stationen eine Ex-
pedition von Gütern in ganzen Wagenladungen nach jeder an-
deren Eisenbahn-Station in- und ausserhalb Borlins statt, eino
Einrichtung, die unzweifelhaft für die Hebung von Handel und
Industrie von grossem Einflüsse sein und in \ erbindung mit der
Eröffnung des Personenverkehrs eine neue Epoche in dem Vcr-
kehrslcttcn Berlins eröffnen werde.
Herr Wedding legte das von C. Schmcidlcr, Kgl. Eisen-
bahusekretair in Breslau verfaasto Werk: .Geschichte des deut-
schen Eisenbahnwesens* vor und besprach dessen Inhalt. Der
Verfasser unterscheide 5 Perioden : dio erste bis zum Jahre 1840,
die zweite bis 18-18, die dritte bis 1860, die vierte bis 1870 rei-
chend, durch den Abschluss des Uauptnetzcs cbarakterisirt.
Dio fünfte Periode besinne mit den grossen Ereignissen der
Jahre 1870 und 1871. Durch einen einleitenden Abschnitt über
die Beförderungsmittel vor Entstehung der Eisenbahnen und
einen weiteren Abschnitt über den Einfluss des Eisenbahnwesen«
auf dio Lebens- und Staatsverhiltnisso Deutschlands habe das
Werk die wünschenswerthe Vollständigkeit erhalten und empfehle
sich als ein ebenso interessantes als nützliches Buch für Fach-
leute wie für Laien.
Durch übliche Abstimmung wurden demnächst als Mitglie-
der in den Verein aufgenommen: Herr Geh. Reg.-Rath Davis,
Herr A. Hagen, Direktor der Deutscheu Unionsbauk, Herr U.
Kremser, Direktions-Mitglied der Aktien-Gesellschaft: „Nord-
deutsche Fabrik für Eisenbahn - Betriebsmaterial*, Herr Reg.
Assessor Dr. Hodemann und Herr Ingen. F. C. Glaser.
Beim Schlüsse der Sitzung wurden für das nächste Jahr dio
Herren Weishaupt, Ilartwich, Vogel, Streckert, Ebe-
ling und Ernst zu Vorstandsmitgliedern wieder erwählt.
Yflimischtfi».
Frequenz der köntgl. bayer. polytechnischen Söhnte In
München Im Winter •Semester 1871/72. Gcsammtzahl der
Hörer: 907 (gegen 564 im Winter-Semester 1870/71 ), darunter
233 Nichtbayern mit folgender Vcrtheilung auf einzelne L&ndcr:
i ii'.sterreii h Ii', ) Süddeutsi In ■ llciehs-Slaateu I I
Pfgi
l.i'lim
■ - 81 | ^
Tvrol . . . . 29)
N ' [ ,;■■ ii'. - r I n Ui'ii'h<-S:i fc i!i-. t,s
Rumänien, Serbien etc.
K;j-,-J;ui.I „ml l'uli :Z
Ii»
35
Italien
England.
Grii-i:hi'iilmi'l.
Auf die einzelnen Abtheilungen vertheilen sich s&mtutlichc
Hörer (Studircude und Zuhörer oder Hospitanten, welch' letztere
meist nur einige Lehrgcgcnstaiide belegen. während die Studiren-
den in der Kegel den vollständigen Lehrplan adoptiren) wie
folgt :
Schweden, Norwegen und
Aegypten je 1 ■ -~~ '■<•
Summa . SX",
Allgemeine Abtheilung • .
(•180
hu;
üi
Li
21
ui
LL
14
Ii
22
Iii
11
22
3
24
m
■>.'.:{
33
62
32
IU, 3J2
lli 3iü
2fi Zi
In TL
4Ü ZI
Inn •uieur- Aluheilung . . .
Kl
Hochbau Aütheilung . . .
IS
Mechanisch -techu. Ahthl.
: So
«'Ii- mlM-.h-fc.iKi. Abtheil.
ro
Summ i . . . V.t'.i
Lizi m.
Iii J&L
' Darunter 2s Kandidaten Kr du t.cr.ni.ch« Uhramt mmi Iii Verkehr«
und Zolltllent- Aaplrantra.
Zur Wiener Weltausstellung. Die durch Nummer 49 die-
i serr Zeitschrift gebrachte Mittheilung über den für den Bau der
' Wcltousstcllungs-Hauptgeb&ude nunmehr gefaasten Beschluss der
Google
durchgehenden Anwendung von Eisen zu den Dächern und
Wandgerippen anstatt des ursprünglich „im Hinblick auf den
grossen Holzreichthum Oesterreichs und auf die bedeutenden in
Hnlzverarbeitungs-Anstalten" beabsichtigten
Fachwerkbaues buh Holz, hat nur andeutungsweise von den
grossen Forderungen für die Ausführung dieser Holzbauten und
von dem Unterschied gesprochen, um den sie die nachträglich
gemachte Kostenberechnung für Eiscnkonstruktioucn überstie-
gen. Jetzt ist, was damals als eine so irrthümliche Meldung er-
scheinen konnte, dass man nicht wagte, sie in einem Fachblatt
auszudrücken, durch eine von maassgeltender Stelle ausgegan-
gene Kundgebung Itestfitigt: die Herstellungskosten eiserner
Galerien beziffern sich „um die Hälfte billiger, als weuu un-
ter Annahme der niedrigsten Anbote zur Uolzkoustruktiou ge-
griffen worden wäre."
Von 64 aus Oesterreich, Deutschland und der Schweiz, aus
Belgien, England und Frankreich zur Bewerbung Eingeladenen
haben fünfzehn ihr Angebot eingesendet: als das billigste hat
sich die Forderung von „J. K. Harkurt auf Hark orten" ergeben:
9 Uuldeu 51 Kreuzer in Silber für den Zollzentuer fertigen
Eisenwerks sammt Transport und Aufstellung, und für einen
bis zur Hohe von (MOOO Ztm. angenommenen Bedarf. Demzufolge
i.st der violbowährten Firma Harkort der Gerippbau aller Gale-
rien übertrageu worden, und sie ist also jetzt, da sie seit
auch die grosse ltotuude in Arbeit hat, mit der
' betraut.
Fs.
Das deutsche Reichswappen. Auf Wunsch mehrer Fach-
genossen geben wir nachstehend eine Abhildnng des für das
deutsche Keichswappcn gewählten Kaiser- Adlers. Der Wortlaut
des Erlasses, durch welchen das Wappen angeordnet wurde, ist
folgender:
„Als kaiserliches Wappen ist der schwarze, eiuköpfige, rechts-
seheude Adler mit rothem Schnabel, Zunge und Klauen, ohne
Szepter und Reichsapfel, auf dem Brustschild der mit dem Ho-
henzollernschiid l>clcgte preussischc Adler, über demselben die
Krone in der Form der Krone Karls des Grossen, jedoch mit
zwei sich kreuzenden Bügeln, in Anwendung zu bringen. — Die
kaiserliche Standarte enthält im Purimrgrunde das Eiserne Kreuz,
belegt mit dem kaiserlichen, von der Kette des schwarzen Ad-
lerordens umgebenen Wappen in weissem Felde, nud in den vier
Eckfeldern des Fahnentuchs abwechselnd den preussischeu Adler
und die kaiserliche Krone.*'
Nach den von uns durch freundliche Vcrmittelung an maass-
gebender Stelle eingezogenen Erkundigungen sind für das Wap-
pen nur die vorstehend ausdrücklich angeführten Bedingungen
obligatorisch. Die Form des Adlers im Einzelnen, so z. B. An-
zahl und Stellung der Flügelfedern etc., ist völlig freigegeben
und kann jeder Künstler, der in den Fall kommt, das Wappen
Weitere Vorsohläge zu
dertstel" des Kubikmeters, die uns in Folge der Notiz iu
Nr. 51 d. v. Jhrgs. zugegangen sind, wollen für dasselbe die
Namen „Scheit" resp. „Pfosten" eingeführt wissen. Anderer-
seits haben wir aber auch von sehr beachten» wert her Seite einen
Aufsatz erhalten, der sich auf das Entschiedenste für die aus-
schliessliche Anwendung des Kubikmeters bei llolzberechnungen
ausspricht. Wir werden denselben iu eiuer der nächsten Num-
mern veröffentlichen.
Konkurrenzen.
Die Entscheidung der Konkarrenz für ein
bände in Qörtit* (vid. No. 10, .lahrg. 71 u. Hl.), die
15. Juli abgelaufen war, ist nunmehr am 18. Dezember v. J
erfolgt und finden unsere Leser einen ausführlichen Bericht über
dieselbe iu der heutigen Nummer uns. Bauanz. veröffentlicht.
Der erste Preis von 150 Friedrichsd'or ist dem Bntwurfe de«
Architekten W. Crem er in Berlin zu Thcil geworden, der mit
einigen von den Preisrichtern vorgeschlagenen Modifikationen
der Ausführung zu Grunde gelegt werdun soll, wobei dem Ver-
fasser die Ausarbeitung der Detail uUoe übertragen werden wird.
Don zweiten Preis von SO Frd'or haben die Architekten Barth in
Görlitz und Kathey iu Pest errungen; ausserdem sind die Ent-
würfe der Architekten Ebe & Ben da in Berlin und Guido
Eh rieh in Chemnitz durch eine ehrenvolle Anerkennung aus-
gezeichnet und zum Ankaufe für einen Preis von je 40 Frd'or.
emofohlen worden. — Die gauze Konkurrenz giebt das erfreuliche
Beispieleines mit gewissenhafter Korrektheit nach den Grund-
sätzen der deutschen Architektcnschaft durchgeführten Ver-
fahrens.
Ein National -Denkmal zur Vorherrli nun« der Ereig-
nisse der Jahre 1870 a. 71 auf der Höhe des Niederwaldes,
gegenüber Bingen, ist von einem aus Männern aller deutschen
Gauen gebildeten Könnte in Anregung gebracht worden. An-
dern in No. 'Mi d. v. Jhrg. d. K. Ztg. mittet heilten und befür-
worteten Aufrufe entuehmen wir, dass die Art und Weise der
Verwirklichung dieser Idee Gegenstand eiuer Konkurrenz sein
soll. „In welcher Form, ob als plastisches Kuustgebild, ob als
edles Bauwerk, wird dem Rathc und dem freien Wettkampfe der
deutschen Küustlerwclt auheimgestellt sein." Die aus freiwilligen
Beiträgen zu beschaffenden Kosten sind auf 300000 Thlr. ange-
nommen.
Monats -Aufgaben für den Architekten -Verein zu Berlin
zum 3. Februar 1872.
I. Farbiger Schnitt durch eiuen Tanzsaal von 12 Meter
Breite. 18 Meter Länge und 10 Meter Höhe. Die Decke ist
ebeufalls darzustellen. Maasstab der natürlichen Grösse.
II. Zum Legen und Stechen vou Masten von 25 Meter iJtuge
ist au einem Flussufer ein Krahu zu errichten. Zur Bedienung
des Kralins siud 2 Wärter anzustellen, und können vou jedem
Kahn 2 Manu zur Aushülfe reuuirirt werden. Der Krahu ist zu
eutwerfeu, und zu erläutern, wieviel Schiffe innerhalb 24 Stunden
vuu demselben abgefertigt werden können.
Alle wichtigen Maasse, Aunabtucu und Rechnungsresultatu
sind in den Zeichnuugen an
Preuasen.
Ernannt: Der Wasserbau -Inspektor Hagen zu Genthin
zum Ober-ßauinsncktor beim Kollegium der Kgl. Regierung zu
Cöslin: der Eisenbahn-Baumeister lasch zu Bromberg zum Be-
triebs-Inspektor der Kgl. Ostbahu in Schneidemühl; der Eisen-
bahn- Bauinspektor Ulrich zu Metz zum Wasserban- Inspektor
in Genthin; der Landbau-Condukteur Carl Fischer zu Hanno-
ver zum Landbaumeister und technischen Hilfsarbeiter bei der
Kgl. Finanz-Direktion daselbst; der Baurath Buhse zu Hanno-
ver zum Regieruugs- und Baurath bei der Kgl. Finanz-Direktion
daselbst ; der Landbaumeister Cornelius, Hilfsarbeiter im Fi-
uanz-Ministerium zu Berlin, zum Bauinspektor.
Versetzt: Der Landbaumeister Berghauer zu Lieguitx
als Kreisbnumcister nach üoldberg; der Bau-Iuspcktor Kräh zu
Königshütte als Wasserbau-Inspektor nach Tilsit.
Dem Baumeister L'hermet zu Magdeburg ist der Charak-
ter als Baurath verliehen worden.
Brief- and Fragekai ten.
Hrn. R. a. S. Welche Systeme haben sich für hölzerne
auf steinernen Pfeilern ruhende Strasscubrücken am besten be-
währt, wenn es sich um Oe ffnungen von 40 bis «0 Fuss und
eine ziemlich beschränkte Höhe zwischcu Hochwasser und Fahr-
bahn handelt, und wo findet man diesbezügliche praktische und
theoretische Abhandlungen?" — Bis 15» Weite empfehlen sich
doppelte UaiiKewerkskon-struküoneu; bei grösserer Spannweite
das Howe'sche System. Es würde sich aber auch das Bogeu-
bangewerkssystem bis zu der von Ihnen angegebenen Spann-
weite anweudeu lassen. Praktisch und ohne zu grossen theore-
tischen Apparat behandelt finden Sic den Gegenstand in „Ahl -
bürg, der Strassenbau mit Eiuschluss der Konstruktion der
Strassenbrücken." -
Hrn. V. in W. Als Grossuhrmachcr für Anfertigung von
Thurm-Uhren sind in Berlin die Hrn. Möllinger, Zimmerstr. 88
und Rössner, Kommondantenstr. 45 rcnommirt.
Beiträge mit Dank erhalten vou Hrn. W. in Clausthal.
An unsere Mitarbeiter.
Von der Voraussetzung ausgehend, dass die Einbürgerung
des seit dem 1. Jauuar d. J. obligatorisch gewordenen Meter-
maasses sich ytu so schneller vollziehen wird, je konsequenter
die technischen Kreise sich ausschliesslich desselben bedienen,
werden wir alle MaassangaU-u fortau lediglich in Mctermaass
bringen. Wir bitteu unsere Mitarbeiter hierauf schon in deu
Manuskripten Rücksicht zu nehmen.
Koranii'ojoiixrrla* <
Carl Bf»lil» 1»
,o„ i;ri,ru<Ur Kicken iu B.rlln.
Digitized by" Google
Jahrg. Tl. M 2.
DEUTSCHE BAUZEITUNG
lliUli» .. Iip*diti.a;
■m m.
BatUUaafaa
> alle P.iUaii»II<.
r.r tm\» dl. f. m .^ui,„
Ia.arat.
Organ des Verbandes
deutscher Architekten - und Ingenieur-Vereine. "*2ES
Redakteur K. E. 0. Pritieh.
PrtlH Thaler »r. laartal. Berlin, den 11. Januar 1872. Erschein Jedei
tvi.., Kapfcutlo««*. (Schl.M.) - Dt. RtMlMMc. in Wim - DI«
•iB*rik»i<«»» Kapllot.. — Di« Sullunf Art U«Juek»t> SiuuliubwiM. - Mit-
tliallaaf.a tu. V.r. In.«: Archll.kl.a-V.r.la ■■ herün- — Vermischt.«:
Dar Brand »«i Chle.go. — Du Aafxl»»«» tob P.u»a. ~ Anaaalak »is Meter.
- Di. Ial<
Kli»nb«hn|m.)ekt* la Enalind. — Konkurr.Ri.n:
MB H*«M llM il« Htvrh r-n V.r ,■ hiU(t! — K«kUT«M I
larf ». M. — P.r.eaa I N »t h rieht.» »tc.
Der andere nene Bahnhof in Wien, welcher auch das
bewusste Schema iu der Disposition der Räume an der Ab-
fahrtsseite zeigt, ist der zwar nicht neu begründete, doch
einem vollständigen Umbau unterworfene Zentralbahnhof
der Staatsbahngesellschaft, der früher s. g. Raabc-r
Bahnhof. Da derselbe in Heft 13 und 14 des Jahrgangs
1871 der Zeitschrift des österreichischen Ingenieur- und
Arcbitektenvereins veröffentlicht ist, will ich mich hier auf
einige kurze Notizen beschranken.
Das KmpfanRSgebäude hat keinen quervorgelegten Kopf-
bau. Der Kopf der 6 Geleise, 2 Seitenperrons und einen
Zwischenperron überdeckenden, zweischimgen mit Oberlicht
versehenen Halle ist durch eine Glaswand geschlossen. Die
Seitenfacadcu sind symmetrisch. Die Abfahrtsseite zeigt zwei
Eudpavilions und einen Miltelpavillon, die sich an Höhe
Bautheile
Wagen zu ermöglichen, werden hier (und^ wie ich glaube
auch auf anderen österreichischen Bahnen) Zutrittskarten zu
den Perrons verkauft
Die sehr geräumige Gepäckannahme, welche links von
dem grossen Vestibül liegt, ist nach französischem Muster
mit drei eingebauten Expediüonslokalen für die verschiede-
denen Linien und schräg darauf zulaufenden Gepäcktischen,
auf welchen das Gepäck entlang geschoben wird, versehen.
Diese Einrichtung hat den Vortheil, dass die Reisenden,
welche mit ihrem Gepäck an den Tisch allmählig vorrücken,
in der Reihenfolge, wie sie kommen, abgefertigt werden und
ein Vordrangen Unverschämter nicht leicht möglich ist.
Der kleinste der nenen Wiener Bahnhöfe ist der im
Neubau begriffene Bahnhof der Franz-Josephs-Bahn in
der Alservorstadt. Sein Empfangsgebäude zeigt abweichend
Die An- | von den
I Im lattmMlMfeM staaM.i.«ahaaa-e..aiit.aafi i» ww*.
AfiffcHRTa-SEITt
i ;r '
1 -,
i '
0
0 I :g
Abfakrit M.lt.: J. Vaatlaul.. - II. Kam. — C. Portkrr. — B. Kl.ia*r Halaataa. — M. '
•aal S. KlaaM. — J. Wartaual 1. Klaau. - JT. KnUa rillen 1. aad I. KI.M*. — L. <
Aakuan.-S.lt.: ». AMHfaag».V.»tlbul. - *. WarUaaaL - fr. T»U.tt«a. - B.
S. Por«r*r. - H, H. Bar».«.. - JJ. Baba-Ant. - *. Kalamaal. - II.
r. u.d.okt.r Hof.
- F. SlalloiMch.f. - Ii. Wart.ia.I I. Klam. — H. Warta-
- Jt O.rd.rok.. - .1, It. Paar. - *. Kllirut-Aafi
- KB. Zall-Barwa. - r,J.S»U
kunftsseite hat nur die Endpavillons. Auf der Abfahrtsseite
enthält der Mittelpavillon das grosse Vestibül, der am Ende
der Halle belegene Verwaltnngsräume, der am Kopf die
Restauration. Diese ist hier von den Wartesälen vollständig
getrennt nnd erfallt den besagten Pavillon in allen Stock-
werken: im Keller ist die Restauration III. Klasse, im Erd-
geschoss die II. Klasse und eine Treppe hoch liegt ein gros-
nebst einigen Nebenzimmern.
legen. Um Leuten
das Begleiten der 1h
am Eingang der Warte-
den Wartesaal I. Klasse
bis an die
bahnhof und
Lehrter Bahnhof neben dem in der
unserm
Mitte der Abfahrtsseite angeordneten grossen Vestibül links
den Wartesaal III. und IV. Klasse, rechts die Säle 1. und
II. Klasse nebst Daraenzimmer und Toilette. Hill et- und Ge-
p&ckexpeditinn liegen zwischen Vestibül und Perron. Diese
Anordnung gewährt zwar den Vortheil, dass das Vestibül
leichter in die Mitte der Abfahrtsseite gelegt und diese sym-
metrisch gestaltet werden kann, sowie dass die Reisenden
der niederen Klassen gleich im Vestibül von denen der hö-
heren getrennt werden und dass nicht einzelne Wartesäle
sehr weit vom Vestibül entfernt sind; sie bedingt jedoch
Dies ist in Wien um so
Digitized by Google
mehr als l'nhcuuemlichkeit fühlbar, weil dort weil mehr als ,
hier in eleu Babuhufs- Restaurationen warm gegessen wird. |
Sind doch im Franz- Josephs - Bahnhof, wo der Keller der
niedrigen Lage wegen nicht wohl zu Körnen zu verwertheu
war. zwei vollständige getrennte Küchen hinter den l>etref-
fetideu Wartesälen im Krdgesehoss angelegt worden. Auch
ist nicht zu x erkennen, duss der Gcpäckctpcditinn hei der
|j»ge zwischen Vestibül und PeJTOfl schwer die für aie wün-
scbenswerllie Ausdehuuug zu geben ist. Die Abfabrtsseite ;
des Frauz-Josephs-Babuhof-t flankirt links ein die Post und 1
sonstige Verwaltungsräuiu- enthalteader mehrstöckiger Eck- i
uavillon. rechts das dein Ko|if dieser Station «juervorgelegte |
Knpfgehüudc. Dieses enthält ueben einem grussartig dispo-
nirten mittleren Vestibül links die Kaiser/immer, rechts Bu-
reaus uud in den oberen beschossen Direklionsräume.
9. Otpirk-\il>t>lw tu. — II. Veiac.il».
Anf der Aokuuftsseite sehen wir drei isolirte, nur durch
die Seitenwaud der Halle verhnndene Pavillons. Den vorde-
ren stellt der Kopfbau dar, der mittlere enthalt die Gepäck-
ausgabe, das Ausgangs- Vestibül, einen kleinen Wartesaal u.
a. w.. der am Ende der Halle belegene ist der Bahnverwal-
tuug gewidmet.
Die Halle ist bei einer Länge von 139 m nur 88,45" weit,
und wird vier au ihren Eudeu nicht mit einander verbundene
Geleise, zwei Seitenperrons und Raum für einen .Mittelperron
aufnehmen. Das Hallendach hat 6,88* Binderweite. Die
Binder siud Polonceauträger mit vergitterten Sparren. Das
Dach ist fest (ohue Anwendung von Glas) eingedeckt. Es
lies» sich seitliches Oberlicht in genügender Menge anbringen.
Am Ende, nach der bahn zu ist die Mulle durch einen mas-
siven Giebel, der auf 2 Bögen und einem zwischen deu Ge-
leisen steheadeu Pfeiler ruht, geschlossen.
Eine von den bisher beschriebenen Bahnhöfen ganz ab-
weichende (iestaltung hat das EmpfangsgebSude des letzten
zu < n\ ahnenden Wiener Bahnhofes, nämlich dasjenige der
Südbahn, weil hier das Bahnplauuiu bedeutend hoher als
das Terraiu uud so zu sagen in der Bel-Etuge des Gebäudes
liegt. Dazu kommt noch, dass die linke (Abfahrt*-) Seite
desselben dem Publikum nicht zugänglich ist, so dass alle
Eingänge sich am Kopf befinden. Dies Empfaugsgebäudc
ist augenblicklich in einem Erweiterungsbau begriffen, desseu
Ausführung ein liesouderes Interesse dadurch erhält, dass
sie erfolgen muss, ohne den Betrieb in dem alteu, zu erwei-
ternden Gebäude zu stören oder daraus zu verlegen.
Was uun die neue Grundriss- Disposition betrifft, s»
gruppiren sich die in zwei Stockwerken untergebrachten
Räumlichkeiten um ein kolossales, die Mitte des Kopfbaues
einnehmendes, durch beide Stockwerke hindurchgehendes
Vestibül, welches dem Eingang gegenüber eine grosse dop-
pelannige Freitreppe enthält.
Dieses Vestibül hat incl. der Treppe einen Flächeninhalt
von 798 □-
Das des Bahnhofes in Mailand 796 „
Das des Bahnhofes in Stuttgart 896 r
Das des Lehrter Bahnhofes in Berlin ,
Das des Potsdamer Bahnhofes in Berlin 326 .
Der Eintretende findet in dem Vestibül zu ebener Erde
links nud rechts die Billetexpeditionen. Weiterhin an der
linken Seite führt ihn ein Durchgang nach dem Gepäckau-
nahmelokal, aus welchem er anf demselben Wege nach dem
Vestibül zurückkehrt, um auf der erwähnten Freitreppe die
Hobe des Bahn planum« zu ersteigen. Von dem linken Trep-
Dir leaaltuaee In Hirn.',
(•Aus der Neuen freien Presse.)
»Im eigenen Hause auf eigenen Füssen!" Von die-
sen Worten nahm Direktor v. Kitelbcrgcr in einem bei Kr;. ff
nuug der Vorlesungen im neuen Muscurosgebäuile Kehaltenen
Vortrage den Ausgangspunkt zunächst zu einer eingehenden Be-
sprechung des heutigen Zustande» der Kunstgewerbe in Oester-
reich, die sich sowohl' bei der dekorativen Ausschmückung die-
Ml ihrer Förderung gewidmeten Gebäudes, als in der gleich-
zeitig eröffneten Ausstellung in glänzender Weise entfaltet und
als fast vollständig auf eigenen Füssen stehend erwiesen haben.
Auf eigenen Füssen, uud zwar als eine Frucht selbstständi-
gen künstlerischen Schaffens, steht jedoch, wie weiter entwickelt
wurde, nicht nur das Kunstgewerbe in Oesterreich , sondern
auch d-r wichtigste Zweig der bildenden Künste, die Architek-
tur, welche berufen ist, die Schwesterküustc Malerei und Skulp-
tur und das Kunstgewerbe zur Mitwirkung au ihren Werken
heranzuziehen und vereiut mit ihneu den Eindruck vollendeter
Kunstwerke hervorzurufen.
Die Stadtanlagen des modernen Wien sind die glänzendste
Frucht einer selbständigen geistigen Arbeit der Kaiserstadt;
sie haben keinen fremdländischen Charakter, sie sind spezifisch
wienerisch; sie haben etwas von dem heiteren, leichtlebigen und
genussüchtig™ Wieuertbum an sich. An manchen dieser Bau- |
ton haben viele Nichtwiener, auch Ausländer gearbeitet; fremd-
artige Gedanken, Berlinisches. Müncbnerisches, selbst Frauzösl-
K bei klingt hie und da durch; aber im Ganzen und Grossen
dominirt der lokale Typus, und die Architekten, die von aus-
wärts gekommen siud, waren bald genOthigt, sich dem eigenar- I
tigeu Kuustgeniu« zu fügen, der unsere Donaustadt baulich do-
nuuirt.
Damit soll nicht gesagt seiu, dass Alles gut ist, was hier
geschaffen wurde, auch nicht verschwiegen werden, dass von aus-
wärts glänzende Ideen hereingebracht worden sind; es soll da-
mit nur angedeutet sein, dass die Kraft, die eigenen Impulsen
folgt, hier keine geringe ist, und dass ein grosser Theil derjeni-
gen, welche als Künstler baulich schaffen, sich seiner Zielpunkte
klar bewusst ist.
Die Renaissance hat hier entschieden gesiegt, aber in ganz
anderer Richtung, als es in Berlin und Paris der Fall ist.
Die französische Renaissance-Bewegung ist spezifisch natio-
nal; sie ist geistreich durch und durch; in Paris selbst ist sie
•) Wir e..trj..lunerj den all <ilaut«n»l>ekeDairilil elnei du (nltl Wortttlir«
dar Wkotr Itmaluanra Unat aaaam*B Artikel dar Neuen fielen hn», eellwtter
•Undllrk ohu ■ damit dla Auaiubranic*« duaalkeii talUianill* i» aar Helen. Wir
«..ll-ii «ielin-hi d.ircli d-r. Ali.lraek iiiuäcb.t 0. Ie.imh.ii a e«i u. Inj »mar De-
«prathumr dee.alc.en Tl.»,«., aeeaareelli au ,),-... Srb-Ift«irk aiik'.iriieii t«
•««■'■ Ii |; i
begünstigt durch das eigentümlich reiche, prachtvolle Bauma-
terial, das sich in der nächsten Nähe von Paria iu grosser uud
vorzüglicher Masse befindet; alier sie hat keine Elemente in sich,
um das Volk für ideale Aufgaben der Kuust zu erziehen; sie
fördert wenig die Malerei und die Skulptur uud ist selbst in
ihren reinsten Formen nicht frei von einem barocken Beige-
schmacke. Sie nimmt daher iu der Geschichte der europäischeu
Zivilisation, insbesondere der italienischen Renaissauce gegen-
über, eine untergeordnete Stellung ein. Daher haben sich auch
alle hcrvorragcudcB Architekten der Gegenwart, deren Organ
feinfühlig genug war. um das geistige Gewicht der verschiede-
nen Renaissance -Richtungen zu messen, von der Nachahmung
der französischen Renaissance ferngehalten; die besseren deut-
schen Architekten fast insgesammt, welche dem Zuge der hu-
manistischen Bildung des deutschen Volkes folgend, entweder
nach Griechenland oder nach Florenz ihre Augen richten.
Iu Berlin ist die Renaissance moderirt durch die Nach-
klänge der Schiukel 'sehen Schule- Berlin ist beherrscht durch
die Traditionen des modernen Klassizismus, wie ihn Schiukel
künstlerisch ausgebildet, B'Micher theoretisch formulirt bat-
Dieser tritt im griechischen Gewände auf und will die Formen
der griechischen Architektur nicht nachgeahmt, wohl aber dem
moderneu Leben angepasst haben.
Diese Vertiefung iu den Geist des llellenenthums gebt Hand
in Band mit den Bestrebungen der gelehrten Bumanisteu Deutsch-
lands.
So lange Schinkel lebte, war diese griechische Renaissance
auf deutschem Boden von einem poetischen Hauche durchdrun-
gen. Denn Sckinkcl wollte nicht, dass die griechischen Formen
nachgeahmt, »oudern dass dieselben künstlerisch nachempfunden
werden; er wollte kein Geschlecht von Kopisten erzeugen, son-
dern zu eigeuer poetischer Schöpfung anregen, und damit dies
möglich werde, bat er und seine Schule sich gewissermaassen
von der antik-römischen Architektur emauzipirt. die doch selbst
nur auf Nachahmung und Verarbeitung griechischer F'ormeu
beruhte, und bat die Geister auf die reine Schönheit der griechi-
schen Formen, als den t'ruuell der Kunst hingewiesen. Aus
der Vertiefung in den Geist der griechischen Baukunst sollte
die Regeueration der modernen Architektur emporwachsen.
Seine Nachfolger gehen zwar noch auf den ^egen Schinkel'«,
aber ihnen fehlt der Genius, die grosse künstlerische, treibende
Kraft des Meisters.
Der Purismus der heutigen Berliner Architektur ist schul-
mässig trocken. Man siebt es den Bauwerken deutlich uu. dass
sie nach Regeln gemacht sind Die Nüchternheit, die sich über
die Architektur der Kaiserstadt an der Spree ausbreitet, drückt
wie ein Alp auf die gesammte Kunst und Kunst -Industrie und
kontrastirt stark mit den lebeudig bewegten Formeu der Re-
naissance-Rauten in Wien. Ist hier zu wenig Schule, so ist dort
zu viel. Wird dort zu wenig versucht, so gehen hier die archi-
Digitized by Google
11 -
pt-narme oben geradeaus weitergehend, gelangt er in die aus
einem grossen Vestibül und einein Saal bestehenden, reich-
lich bemessenen Restnurationsränme, welche von einem gros-
sen Theile des Publikums als Wartezimmer benutzt werden
dürften- Die eigentlichen Wartesäle folgen an der Abfahrts-
seite hinter einem weiteren Vestibül , mit einem Hofsalon
begiuuend und mit dem Wartesaal 111. Klasse scbliessend.
Sie sind mit Ausnahme des letzten Saales durch einen Kor-
ridor vorn Perron getrennt, also möglichst in den Hinter-
grund gedrängt. L'm das Gepäck der Reisenden, sowie die
Postsachen und das Kilgnt. wofür die Expeditionen ebenfalls
im Erdgeschoss sind, in den Zug zu bringen, ist an der Ab-
fabrtscite des Empfnngsgcbäudes entlang ein Geleise mit
starkem Gefalle vom Bahnhof hinunter gelegt. Von dort
holt die Maschine unmittelbar vor Abgang der Züge die Ge-
päck- und Postwagen herauf uud setzt sich damit vor die
Personenwagen.
LHe auf der Bahn angekommenen Reisenden gehen, um
den Bahnhof zu \ erlassen, durch ein neben dem Aukuufts-
perron belegenes Vestibül, an welc hes ein kleiner Wartesaal
für Begrüsscnde anstösst, über eine Freitreppe in ein unteres
Vestibül. Hierneben ist die Gepäckausgabe, in welche die
Gepackstücke mittels zweier vertikaler Fürdertische (mit
hydraulischer Bremsvorrichtung) hinabgelassen werden. Aus
dieser tritt man in die übliche offene Veranda, an welcher
die Droschken stehen. Reisende ohne Gepäck, sowie die auf
den Zwischenperrons ankommenden können auch am Kopf
durch das grosse Eingangsvestibul hinausgehen. Die Perrons
werden deshalb am Kopfende abgeschlossen und Beamte
zum Abnehmen der Billets dort aufgestellt.
In der Bel-Etage des Ankunftstrakts befinden sich nach
dem Kopf zu recht ausgedehnte, für offizielle Empfänge be-
rechnete Kaiserzimmer.
Bureaus und kleine Wohnungen sind in den 4 Eckpa-
vilions des Gebäudes vertheilt
Im Erdgcschoss sind noch zu erwähnen: die Stadtpost-
expedition und Eilgutannahme, welche sich auf der Ankunfts-
seite, als der von der Stadt aus allein zugänglichen Lang-
seite des Empfangsgebäudes befinden. Da die Lokale, ans
welchen die Postsachen und Eilgüter in die Eisenbahnwagen
übergehen, an der Abfabrt.sseite liegen, müssen diese Gegen-
stände im Innern des Gebäudes durch dem Tageslicht kanm
' zugängliche Passagen ziemlich weit transportirt werden. Es
war dies eine unangenehme aber leider nicht zu vermei-
dende Konsequenz aus der eigentümlichen Lage des Bahn-
hofes. Die Gewollte unter der grossen Halle sollen grössten-
teils als Magaainränme dienen, doch findet sich hier auch
noch ein kleiner geheizter Wartesaal (für Leute, die auf ihr
(iepäck warten), ein Raum für deponirtes Reisegepäck und
ein Militairwartesaal.
Die grosse Halle soll bei einer lichten Weite von nur
.15,7 2" 5 Geleise, i Seiten- und i Zwischenperrons enthal-
ten. Die eisernen Dachbinder sind im Polonceausvstem. Das
Dach wird zum Theil verglast. Ausserdem erhält die Halle
seitliches Oberlicht und zum Theil volles Seitenlicht. Beim
Aufbau ist die linke Seitenmauer der alten Halle mitbenutzt
und uur erhöht worden, während die rechte Mauer von
Grund aus neu aufzuführen war. Die rechte Seiten wand der
alten Ualle diente zur Aufnahme der einen Laufschiene des
Montirungsgerüstes für das Dach. Die zweite Laufschiene
wurde auf Stützen, die zwischen 2 Hallengeleisen standen
und durch das alte Hallendach hindurch gingen, angeordnet.
Dies musste nämlich stehen bleiben, bis das neue Hallen-
dach ganz vollendet war. ...
Der alte Kopfbau wird durch das nene Vestibül
überbaut und dann erst herausgebrochen.
Im Innern des Empfangsgebäudes werden schöu
sorten. namentlich der in der Nähe von Triest brechende
feine Kalkstein reichlich verwendet Die äusseren Wand-
flächen werden, wie an allen neuen Wiener Eiupfangsgebäu-
den, grossentheils geputzt.
Architekt des Empfangsgebäudes der Südbahn ist Herr
Direktor Flattich.
Wie in Wien die alten Empfangsgebäude für den jetzi-
gen Verkehr theilweise zu klein geworden sind und Erwei-
terungsbauten nöthig gemacht haben, so ist dies auch in
Manchen mit dem Zentralbahnhof der bayerischen Staats-
bahn der Fall. Nur ist man hier noch nicht am Bauen.
Auch ist das Projekt noch nicht genehmigt. Doch verlautet
im Allgemeinen darüber, dass man parallel neben die alte
tektonischen Versucher sehr häufig über die Grenze des Er-
laubten.
Das poetische Element, die Berechtigung des einzelnen Sub-
jektes wird durch die Regel der Schule in Berlin in den Hin-
tergrund gedrängt, während <>ie in Wien ihr volles Recht in An-
spruch uiuiuit.
NN ir können es daher jeden Tag von ausländischen Archi-
tekten, welche uasere Kaiserstadt besuchen und den Bestrebun-
gen unserer Baukünstler in viel höherem Grade gerecht werden
als diese seihst, hören, wie poetisch angeregt sie sich durch die
bewegten Formen der Wiener Architektur fühlen, wie wohl es
ihnen thut, künstlerischen Individualitäten zu begeguen, und
wie vorteilhaft Wien sich in dieser Beziehung von Paris und
Berlin unterscheide; denn iu Berlin und Paris arbeiten die Ar-
chitekten schablonenhaft, dort nach den Rezepten des modernen
Klassizismus, in Paris nach den Schablonen der französischen
Renaissance früherer Jahrhunderte.
Iu Wien allerdings droht gegenwärtig auch das Schabloncu-
weseu durch die Baugesellschaften hereinzubrechen ; denn mö-
gen diese es auch für »ich als einen Vorzug beanspruchen, dass
sie schuell Häuser bauen, grosse Stadtviertel mit monströsen
Zinshäusern bedecken, so lässt sich nicht läugnen, dass die Ar-
chitektur als Kunst durch sie auf höchst gefahrvolle Bahnen
gelenkt wird. Indem sie fabrikmSssig produziren, machen sie
die ganze jüngere künstlerische Generation gewissermaasson zu
geistigen Dienstroanncru, die mit Hochdruck arbeiten für Aktio-
näre, welche so wenig als möglich künstlerische und so viel als
möglich pekuniäre Erfolge erzielen wollen.
Wo diese baugesellschaftliche Architektur in Wien waltet,
sind die Bauten um kein Haar besser als die liaussmann'schen
Boulevards in Paris, ja im Gegentheilo noch schlechter. Denn
ist die Architektur in Paris in diesen neuen Stadttheilen mono-
ton, so ist doch wenigstens vom Standpunkte der Baupolizei
viel besser gesorgt, als es bei uns vielleicht der Fall ist.
Die Wiener Renaissance im Allgemeinen hat, wie gesagt,
wenig Schule, aber viel Talcut, und dort, wo sie nicht durch die
eben charaktcrisirte Einfiuasnahme der Baugesellschaften ge-
hemmt ist, giebt sie Gelegenheit zur Entwickelung von Indivi-
dualitäten.
Die Wiener Renaissance lehnt
rh
isstentheils an die ita-
lienische Reuaissance an, hie und da, allerdings sehr vereinzelt
und nie ohne fremdartigen Beigeschmack, an altgricchische Kunst.
In diesem Anlehnen an Italien und Griechenland folgen unsere
Künstler einem gesunden Instinkt, und wir können nur wün-
schen, dass sie sich in dieser Richtung nicht irre machen lassen.
Denn all unser künstlerischer Fortschritt beruht darauf,
dass die geistig reinigende Atmosphäre, die aus Toskana und
Bellas zu uns herüberstreift, immer mehr sich verbreitet Viele
Erscheinungen in der Wiener Renaissance klingen noch an mit-
telalterliche Formen an, und dieses Anklingen an mittelalter-
liche Formen verleiht einigen Erscheinungen einen ganz eigenen
romantischen Reiz, während die selhststäudige Gotnik in Wien
mit dazu beiträgt, den Reicht hu m der Bauformen zu erhöhen
und die Eintönigkeit der Strassen und Plätze zu unterbrechen.
Atier der Entwickelung und Fortbildung der Wiener Architektur
stehen zwei grosse Hemmnisse entgegen. Eines derselben kommt
aus den Kuustkreisen selbst, das andere aus der Gesellschaft.
Von Seite der Gesellschaft droht der Kunst Gefahr durch den
übertriebenen, oft unverständigen Luxus, der sich mit äusserem
Glanz und Schimmer an Stelle reeller, durch Echtheit des Ma-
teriale* und Schönheit der Formen werthvoller Leistungen be-
' dieser Kunst des leeren Seheines wird viel zu viel Geld ge-
opfert; Werke, die nur glänzen aber nicht befriedigen, sind am
allerwenigsten geeignet, eine Generation von Handwerkern uud
Künstlern zur wirklichen Kunst heranzuziehen. Die Schäden,
welche der Kunst durch die sozialen Strömungen der Zeit ge-
schlagen werden, muss sich dieselbe übrigens gefallen lassen.
Sie sind die Gewitter der geistigen Atmosphäre.
Anders ist es mit jenen Schäden, welche unserer Kunstont-
wickelunc durch die Kuust selbst geschlagen werden- Da treten
wir aus dem Kreise der sozialen Notwendigkeit heraus, da giebt
es allerdings ein Gebiet, das man beherrschen, das man regeln
und leiten aaun.
Wenn wir in unserem Bau- nnd Kunstlcbcn die Renaissance
wollen, so müssen wir auch die Bedingungen lierWizuführcn be-
müht sein, unter denen die Reuaissance - Bewegung allein eiuen
gedeihlichen Einfluss auf das gcsaniuite Kunstleben ausüben kann.
Eine Renaissauce aber ist ohne bedeutende Skulptur und
Malerei, ohne eine künstlerisch und technisch vollendete Orna-
mentik ganz haltlos. Bei Renaissance -Bauten kommt es nicht
blos darauf an, dass in den Formen der Renaissance gebaut
wird, sondern es müssen auch der Bildhauer und der Maler
von den Prinzipien und dem Geiste der Renaissance lebendig
durchdrungen sein. Sic müssen, das zeigt uns der neue Museums-
bau, sich ihres Künstlerthums bewusst sein und geistig schaffend
an dem Werke mitarbeiten.
Unsere Maler und Bildhauer aber sind mit geringen Aus-
nahmen, weit weg von dem, was in einer Zeit, welche die Re-
naissance will, Maler und Bildhauer leisten sollen.
Die hervorragendsten Leistungen der modernen Kunst sind,
wie die alljährlichen und die grossen Weltausstellungen zeigen,
auf dem Gebiete der Landschaft und des Genres zu suchen : die
Renaissance aber braucht Maler, welche die volle menschliche
Gestalt beherrschen, die es sich zur Lebensaufgabe machen, in
die Geheimnisse ihrer Schönheit einzudringen und die Gestalt,
die Schönheit der Linien und der Form zu studiren.
Diese Künstler sind aus unseren Kunstschulen, aus den
Lehrsälen der Akademien, aus den Ateliers der grossen Maler,
aus den Salons der Ausstellungen fast völlig verschwunden. Die
Digitized by Google
— 12 —
•Mfeshah«! Ii Wia». I ■ r<iMcko.t.
Aaf.brl
wnij
— : r
Aakaaft.
l-TtatlbaU — BB. Kaban -Veatlbäl. - r. Aaigingi < Vtitlhü'. — 0. Rrauuralloa. — K. Bmtrt. — t.
— J. Wamaaal I. Kl. — M. Wajtaaaal &. Kl. - L. Talafranhla. — AT. StaUoaacha/. — fr, l.icMhor.
»«Ar. - ö. Gaatck- Ataafab«. — AT. Wartaaaal. — B. L*m»lii«ri«.
Kacke. — V, Ku«wlkk<. Baloaa. - II. Wamaaal t. Kl
-- O. Buuu Uu Bakucraaltaug — /\ Bartaa fär Vcr-
gross« Halle zu beiden Seiten je eine kleinere Halle legen
will. Dazwischen wfirden in zungenartigen Gebäuden die
Wartesäle, um lange Mittelkorridore gruppirt, untergebracht
werden. Die gante Anlage würde Aehnlichkeit mit der
Stuttgarter und gewissermaasaen eine Verdoppelung dieser
zeigen.
Im Bau, und sogar schon fast vollendet fand sich auf
dem Mfinchener Zentralbahnhof eine neue Iteparatarwerk-
stätte, welche an Ausdehnung meines Wissens alle Ähnlichen
Anlagen in Deutschland übertrifft. (Sie brdeckt unge-
fähr 17 Hektare. Wegen ihrer klaren Anordnung und
mancher zur Anwendung gekommenen neuen Einrichtungen
im Innern dürfte sie sich zum eingehenderen Studium md-
W. Honsselle.
menschliche Gestalt als solche ist im Sinne der alten Renainsunre
kaum mehr ein Gegenstand des Studiums der Maler von heute.
Selbst die Historienmaler studiren kaum mehr die menschliche
Gestalt, wie die Maler des sechszehnten Jahrhunderts. Ihre Ge-
srhichtemalerei ist zumeist Kostüm-Malerei.
Sie huldigen gleichfalls einer gewissen Art vou Naturalis-
mus, sie gleichen jenen Politikern, die in einem Athem mit
allen Parteien einen Ausgleich anzustreben gewillt sind, mit
den Naturalisten und den Koloriaten, den Romantikern und den
Anhängern des Klassizismus.
Aber mit diesen Ausglciehsmalern ist der Renaissancekunst
nicht gedient, sie vor Allem braucht Maler einer entschiedenen
Schule, und eben diese Schule fehlt fast in ganz Europa.
Die beutige Schule erzieht die Künstler zu allem Anderen
eher, als zur Kunst des historischen Stiles, zum Kultus der
Schönheit, der Verklarung der menschlichen Gestalt.
Die kleinen Liebhaber, der Markt, üben dominirenden Ein-
flu«s auf unsere grossen Schulen: die Sprache der Monumente
geht verloren.
Noch trauriger steht es in der Skulptur. In dieser selbst
ist in Wien dasjenige beinahe verschwunden, was man überhaupt
Schule nennt. Iiier schwanken wir zwischen Stilisten der ro-
mantischen Schule und zwischen einem namenlosen Naturalismus,
der hier und da Routine, aber fast nirgendwo poetische Begabung
und entschiedenes Wollen zeigt. Nur einige jüngere Bildhauer
machen davon eine Ausnahme und sind bemüht, der Bildhauerei
Freundo, dor Plastik eine Stelle im Wiener Kunstloben zu
erwerben.
Und so steht die heutige Renaissance-Architektur ziemlich
vereinsamt da. Malerei und Skulptur gehen ihre eigenen Wege
und nicht immer die besten. Die Schule selbst lisst sie im
ßtiche. Nur einige wenige jüngere Maler lehnen sich mit kla-
rem Bcwusstsein an die moderne Renaissance-Strömung an.
Aber heute empfinden es alle besseren Geister lebhaft, dass
die Kunst der Zukunft förmlich gedemüthigt und degradirt wird,
wenn sie nicht wieder den grossen Stil zum Ausgangspunkte
der Kunststudien macht; dass es ganz unmöglich wird, eine
Renaissance durchzuführen, so lange wir eine Maler-Generation
haben, die in den geistigen Bestrebungen nicht weiter geht, als
es ieuc sind, die seit Jahren schon auf den internationalen Aus-
stellungen zum Ausdrucke kommen.
Bei allem Aufwände von Geist werden die modernen Renais-
•- ihm - Hauten nicht jenes freudige Echo in unserer Brust her-
vorrufen, als es bei den Bauten des 15. und 16. Jahrhunderts
der Fall ist, so lange nicht die Schwusterkünste Malerei und
Skulptur in gleicher Höhe mit auf dem Schauplatze eintreten.
Darum raus» unser Augenmerk unverwandt aufienc grosse Kunst
blicken, welche die menschliche Gestalt, den Kultus der Schön-
"t in Form und Linien zu ihrem Prinzipe erhebt.
In dieser Beziehung ist die Herstellung grosser monumen-
■ Rauten von eminenter Bedeutung, und da die Stadterwei-
terung Wiens jetzt bis zu dem Punkte gediehen ist, wo grosse
monumentale Hof- und Staatebauten in Angriff genommen wer-
den können, so blicken wir mit Spannung in die Zukunft. So
lange die österreichische Monarchie ezistirt, ist das Kuustlcben
Wiens nie vor einer hnffnungsreichcren Aera gestandrii. An den
Neubau der Akademie der bildenden Künste wird bereits Hand
angelegt, die llofmuseen und das Iloftheater werden neu gebaut,
der Stadthausbau ist gesichert, für den UuivcrsitStsbau werden
demnächst die Detailplane gearbeitet — sSmmtlicb Bauten, an
welche die höchsten Anforderungen gestellt werden müssen.
Die hervorragendsten Künstler deutsch - oesterreichiseher
Nation sind bei diesen Bauten betheiligt; keines von diesen
Gebäuden ist ein Bedürfnissbau im gewöhnlichen Sinne de«
Wortes ; nirgendwo ist eine Ueberstürzung nöthig, überall eine
stilgerechte Durchführung Grundbedingung des Gelingens des
Baues.
Darum dürfen wir hoffen und erwarten, dass Malerei und
Bildhauerei bei diesen Bauten nicht als Nothbehelfe hinzuge-
zogen werden , sondern dass man den besten Bildhauern und den
besten Malern Gelegenheit geben wird, zum Schmucke dieser
Werke im grossen Stile zu i '
•le aaerlkaalscken Kapitale.
Nicht weniger als drei unter den Staaten der nordamerika-
nischen Union errichten augenblicklich neue Kapitole, d- h.
Gebäude, in denen die gesetzgebenden Körperschaften des Staa-
tes tagen und die Amtszimmer der einzelnen Staateregierungen
sich befinden sollen.
Der Staat New- York versucht es bekanntlich mit dem
Staatskapitolc zu Washington zu rivalisiren. indem er zu A I b a n y
einen Bau begonnen hat, der im Voranschlage auf 5 Millionen
geschätzt, wahrscheinlich das Doppelte dieser Summe kosten
wird. — In No. 3. Jahrg. V. der Deutschen Bauzeitung ist eine
Beschreibung und Skizze dieses in französischer Renaissance
entworfenen Gebäudes gegeben. — Der Staat Illinois will eine
Summe von vier Millionen zur Errichtung eines Kapitols zu
Springfield spenden und der Staat Jowa hat für ein gleiches
Gebäude zu Des Moines 1 '/» Millionen Dollars ausgesetzt Das
erste soll .in klassischem Stile" errichtet werden, von dem letz-
teren erfährt man, dass es nach korintischer Ordnung proiek-
tirt ist und späterhin eine schmiedeeiserne Kuppel erhalten
soll, die auf eine halbe Million Dollars veranschlagt ist.
Nur einige wenige Staaten, wie z. B. West-Virginien,
haben keine Kapitole; andere, wie z. B. Connecticut, halten
deren zwei, die jedoch hier auf jenes zu Hartford reduzirt wer-
den sollen. Nur zwei der Staaten aber besitzen noch Rogierungs-
eebäude, welche aus der Revolutionszeit herstammen, nämlich
Rhode Island und Maryland. Als das vornehmste Staats-
liaus gilt jenes des Staates Tennossee zu Nashville, und als
das kostspieligste das des Staates Ohio zu Columbus.
Ueber die Mehrzahl der übrigen Regierungsgebfiude der ciu-
ind folgende Notizen nicht ohne Interesse.
Digitized by Google
13 —
Abf.brl.
MLUJl FO* DtFACK - P05T- DU D CILOUTWftfttM
Aok.nfl.
*ttii««. - ». Uepark-Aalialna». - Poat. - F.
i B V.rkekr. - Jk*. St«ltpoat-Aai»hne. - V. ti-piek- Depot. - 0.
>- Vcatibäl. — 8. Ell«nl • Aalgabe. — T. KmIsoIkt ■ UeiUuratlo«. — C
- F. Eilual.AaiMhme. - «. Wohaoa«. - H. Ucklkof. - 1.
ti-piek- Depot. - «. Uepirk Aa^cabe. -- P Oebei.tfr W.i
He.uiir.ll.». - V. Maguii». - f. Poliiei.
Die Stellung 4er ladlsrhei Staats -BaaWaatu.
Bekanntlich bildet die Erhöhung der Gehalte der Staats-
Angestellten, und hierunter auch der technischen Beamten, ge-
genwärtig einen Gegenstand der Erörterune in fast allen deut-
schen Ländern. Aach in Baden hat die Regierung bei Eröff-
nung der Ständeversammlung eine Vorlage darüber in Aussicht
gestellt. Da aber bei den technischen Bcrufszweigcn ausser den
gesteigerten Preisen der Lebensbedürfnisse auch noch andern
t'mstSnde auf eine erhebliche, sowohl pekuniäre als dienstliche
Ilessrrstelluns hindrängen, ho hat sich der Vorstand des tutdi-
schen Techniker -Vereins veranlasst gesehen, eine umfassende
Darstellung über die Verhältnisse uiicl Beschwerden des Standes
der Regierung und den Kammern bekauut zu geben. Es dürfte
den Fachgenossen in anderen Reichslfindern wohl nicht uner-
wünscht «ein, von diesem Vorgang Kenntnis« zu erhalten, um
geeigneten Falles das Beispiel nachzuahmen.
Vor Allem schien es nothwendig, sich nicht blos in allgt-
Daa Staats- Kapitol von Maryland zuAnnapolis gilt als
ein Huster eines schonen Bauwerkes im Backsteinbau und
stammt noch aus dem vorigen Jahrhundert. Ks ragt mit seiner
Kuppel, die in eine hölzernen Spitze auslauft, bis zu 61™ em-
por und die Aussiebt, welche man aus dieser Höhn über die
Chesapeake Bay geniest, ist einzig. Der Saal des Governors
und die Kammern der Legislatur messen je 10,4 bei 12, '2'" und
sind, wie da« ganze Gebäude, hell, schmuck und solid. Zum
Bau des Gebäudes wurden im Jahre 1769 700U Pfd. Stei l, ange-
wiesen und 1772 der Grundstein gelegt.
Das Kapitol von Maine zu Augusta kustete 170,000 Doli,
and ist aus Granit errichtet, hat in der Mitte eine Säuleuhalle,
an den Seiten aber einfache Flügel. Es steht auf einem grüuen
Hügel.
Das Pennsylvania Staatshaus hat 54,1* ■ Front und "24.4 m
Tiefe, ist aus Ziegelsteinen errichtet und mit einem jonischen
Portikus, sowie mit einer mächtigen Kuppel versehen. In ge-
sonderten Gebäuden zu seiner Seite befinden sich die Amtszim-
mer des Governors und der übrigen Staatsbeamten. Die Aus-
sicht von der Kuppel dieses Baues ist besonders durch Gebirgs-
und Flusszeneric ausgezeichnet. In der Nachbarschaft befindet
sieh die Stelle, welche ursprünglich zur Errichtung des Natioual-
Kapitols bestimmt gewesen war.
Das Kapitol von Massachusetts wurde hu Jahre 17'.1S
vollendet und ist das ansehnlichste Gebäude in Boston. Seine
Kuppel erhebt sich 36,6" filier das Terrain und 70,1" filtcr
das Niveau der benachbarten See. Dieser Bau ist trotz seines
Alters doch ganz und gar der Stadt würdig, welch« die historisch
wichtigste in Amerika ist, und wird stets in einer so militairi-
schen Ordnung und Sauberkeit gehalten, als ob er noch immer
gleichsam das Hauptquartier der Republik wäre. In der Flucht
der Terrassen, welche zu ihm hinaufführen, sind bronzene Sta-
tuen aufgestellt und in der Rotunda befinden sich Büsten aus-
gezeichneter Männer Bostons Massachusetts ist übrigens der
einzige Staat, welcher seinen Regierungssitz in einer Stadt ersten
Ranges aufgeschlagen hat.
Das vorläufig noch bestehende Kapitol des Staates Ncw-
York zu Albany, in dessen unmittelbarer Nähe der schon
erwähnte grossartige Neubau aufgeführt wird, liegt 39.6« über
dem Hudsonflusse and. bat 120,000 Doli, gekostet. Es ist aus
Werksteinen errichtet und in der Seitenfront mit einem jonischen
Portikus geschmückt, über weichem Urnen angebracht sind.
Eine Bailustrade umzieht das ganze Dach und die Kuppel
wird von der Statue der Göttin der Gerechtigkeit gekrönt.
Das Vermont- Staatshaus zu Montpelier inisst 45,7 zu
30,5'" bei 30.5* Höhe. Es ist von dunklem Barre-Granit in
dorischem Stile errichtet und hat ein kupfernes Dach. Es kostete
132,000 Doli. Eine Statue Ethan Allers von Farkin Meade,
welche in dem Gebäude aufgestellt ist, darf die Aufmerksamkeit
von Kunstliebhabern beanspruchen.
Dm V irginia- Staatshaus, nächst dem in Washington das
am reichsten geschmückte und das am Merkwürdigsten gewordono
Regieruugagebäutle im Lande, ist eine unglückliche Nachbildung
des Maison Carrce zu Nismes in Frankreich, — eine der Lieb-
habereien Jeffersons. Es ist ül>cr dem Untergeachoss mit
jonischen Pilastern und Säulen besetzt und von rohen Ziegeln
erbaut, macht jedoch eben keinen angenehmen Eindruck auf
den Beschauer.
Noch weniger ist dies der Fall bei dem Kapitol von Ohio
zu Coluiubus. Dasselbe ist H2.7« lang, 55,2» breit; die Spitze
seines Domes ragt bis in eine Hohe von 47,8™. Ihis Baumate-
rial ist ein harter Kalkstein, der dem weissen Marmor ähuelt;
den Stil ist mau den klassischen provinziellen zu neuneu ver-
sucht. Auch hier umgiebt das Ganze eine Säuleu- und Pfciler-
stelluug: ein falscher Giebel erhebt sich in der Mitte über das
flache, mit Rauchfangen versehene Dach, die Kuppel ist ge-
drückt und ähnelt sehr einer Mütze. Der Bau hat gegen 4,000.000
Doli, gekostet. In anschaulicher Weise verglich der berühmte
William Carry dieses architektonische I nding, einen der kolos-
salsten und kostspieligsten Steinhaufen, die existiren, äußerlich
mit einer Theet.isse, welche auf einem Ziegelsteine steht. Ein
Park umgiebt dieses Kapitol.
Das Kentucky -Staatshaus ist ein Hau, aus weissem Mar-
mor aufgerührt und hat einen Portikus und eine Kuppel vou unge-
fähr derselben Art, wie jene des Virginia Staatculiause*.
M ad i son, die Reaierungsstadt des Staates Wisconsin, liegt
pra rhtv o|| auf einem erhöhten Isthmus, umgeben von zwei grossen
Binnenseen. Dahin war 1837 der Regierungssitz verlegt, weil
die Stadt sich ganz besonders dafür eignete. Das Kapitol ist
aus Kalkstein errichtet und steht inmitten eines sehr grossen
Parkes durch den dio Strassen vou der lliihe aus sich radial
heruiederzieheu. Noch werden Witze darüber laut, daas es
nicht gar lange Zeit her sei, dass die Schweine sich unter die
Sitzungssäle der ~
Grunzen auch ihrerseits" etwas zu der l-ebhaftigkeit beizutragen
wussten, mit welcher solche Körperschaften hier zu Lande zu
tagen pflegen.
Das Kapitol von Missouri zu Jeffer son City steht un-
mittelbar u!mt dem Flusse auf einer ca. 25* hohen Anhöhe.
Dasselbo hat 250,000 Doli, gekostet, ist in edlem Stile »tu
Werkstein erbaut, und nimmt sich insbesondere unten vom
Flusse aus gesehen, stattlich aus
1ms Jr nnessee - Staatshaus kam Mut SiM afUUoi Dollars M
stehen und ist 54* über dem Flusse, an der höchsten Stelle
von Nashville errichtet. Es ist ein jonischer Bau mit einer
Kuppel, die noch eine schönere Aussicht bietet, als jene des
Kapitals zu Annapolis. Dieses Regierungsbäude wird wie er-
wähnt für das beste in Amerika gehalten.
Das Kapitol des Staates Texas zu Aastin misst 44,2* bei
29,8« und hat eine Kuppel, die eine Höhe von c 31* erreicht.
Der Bau ist aus Oolith von weisslicher Farbe in
Stile errichtet und hat 150,000 Doli, gekostet.
A. D.
Digitized by Google
— 14 —
meinen Sätzen zu ergehen, sondern eine statistische Grandlage zu
schaffen, au» welcher man den gegenwärtigen Pcrsonalstand der
Beamten mit den Durchschnitten von Besoldung. Dienstalter und
Lebensalter, sowie das Schicksal aller seit den 30er .Uhren exa-
minirten Kandidaten der Technik, namentlich der im Staats-
dienst Verbliebenen ersehen konnte. Die betreffenden Tabellen
gliedern sich nach den drei in Baden vollständig getrennten
Zweigen des Wasser-, Strassen- und Eisenbahn-Baues, des Eisen-
bahn-Betriebs und des Hochbaues. Nur die bemcrketiswerthesten
Folgerungen mögen hier kurz angeführt werden.
Der Ingenieur oder Techniker gelangt gegenwärtig durch-
schnittlich im 37. Lebensjahre zum Eintritt in den eigentlichen
Staatsdienst (mit bleibender Anstellung und Pensionsberechti-
gung) bei 1000 Fl- Besoldung. Letztere erhöht sieh bis zum
h0. Lebensjahre auf KiOO Fl. Auf Nebenverdienst durch Privat-
arbeiten ist wegen überhäuftcr Dionstgeschafte, durch Reisediäten
wegen der hohen Wirthshausprcise kaum zu rechnen. Es bleibt
daher dem Beamten geradezu versagt, mit dem Lohne der eige-
nen Arbeit eiue Familie standesgcniäss durch die Welt zu
bringen. Ebenso ungünstig stellt sich der Vergleich zwischen
den technischen Staatsdienern and denjenigen gleichen Alters
(»der gleichen Dienstranges in der Verwaltung und Justiz, nnd
es kann dieser Maugel au Gleichstellung wohl noch mit als
Nachwirkung des alten Vorurtheils angesehen werden, dass die
wissenschaftliche Bildung und gesellschaftliche Stellung bei Tech-
nikern geringer sei, als bei den Absolventen von Universitäten.
Der Umfang der Bautätigkeit und sonstigen Geschäfte,
die Verantwortlichkeit der Techniker für die ihnen anvertrauten
grossen Geldmittel, der Anspruch auf ihre geistigen und kör-
perlichen Kräfte haben seit 30 Jahren gewaltig zugenommen,
wie dies mit Zahlen leicht nachzuweisen war, uud doch ist we-
der die Anzahl der Staatsdiener noch ihr Lohn entsprechend
gewachsen. Es wurde ferner Klage darüber geführt, dass eine
nicht unerhebliche Anzahl von Stellen stets nur provisorisch
besetzt wird, dass die Einnahmen nicht regelmässig sondern
nach Willkübr der vorgesetzten Behörde steigen, dass die Dienst-
zeit nicht für die ganze Dauer der thatsäch liehen Wirksam-
keit für den Staat, sondern erst von der definitiven Anstellung
an gerechnet wird, dass bis zu der letzteren keine Jahresgehalte
sondern Tagel ftbne bezahlt werden. Bei solchen Verhältnissen
kann es nicht Wunder nehmen, dass viele, und zwar grade die
falligsten und strebsamsten Praktikanton nach Ueberstehung der
ersten Lehrjahre im Staatsdienst sich ins Ausland oder zur
] Privat präzis wenden, dass viele badische Polytechuiker sich
überhaupt nicht mehr der Staatsprüfung unterziehen. Der Staat
! ist daher seit mehren Jahren geuöthigt gewesen, seinen Be-
j darf an Technikern durch Ausländer zu decken, welche höher
als Badener bezahlt weiden mussten, oder Arbeiten höheren
Ranges dem niederen Baupersonal anzuvertrauen Es Hess sich
auf Grund dieser Thatsachen unschwer nachweisen, dass es im
I wohlverstandenen Iutercsse .des Staates selbst liegt, mittels
durchgreifender Verbesserungen in der Lage seiner technischen
Angestellten dem vielfach beklagten Mangel an gutem Personal
abzuhelfen-
Das Verhältnis* zwischen Technikern und Nichttechuikcrn
ist noch ganz auffallend erniedrigend für die ersteren gestaltet
bei der Badischen Eisenbahn -Betriebsverwaltung. Man findet
anderwärts beide Klassen koordinirt, öfter den Techniker an die
Spitze der Verwaltungszweige gestellt, wie es seiner Verantwort-
lichkeit gewiss mit Recht zukommt. Hier aber liegt der dienst-
liche Vorrang und die höhere Einnahme durchgehend» auf Sei-
ten derjenigen Beamten, welche meist durch Routine und eine
kurze Studienzeit ihre Befähigung erlangt haben. Das Vorur-
tbeil, dass Techniker Leute von geringerem wirtbschaftlichen
Verständnis» seien, ist noch die mildeste Auslegung für diese
Uebclständc, zu deren Verbesserung bei der durch Uebergang
der badischen Post an das Reich nothwendig fallenden Neuor-
ganisation der Verkehrsanstalten eine passende Gelegenheit ge-
boten ist.
Auch bei diesen Bestrebungen hat sich der Nutzen des Ver-
einslebens gezeigt- Mau kann unter der Firma eines Vereins
Manches freimüthigcr nnd nicht minder sachgem&ss sagen, als
wenn alle lletroffcnen mit ihren persönlichen Unterschriften ein-
stehen müssten. Uebcr den Erfolg de» geschilderten Schrittes
will s. Z. berichtet werden.
Karlsruhe, Auf. Januar 1872. B.
Mittheilungen aas Vereinen.
Architekten- Verein zu Berlin- Hauptversammlung
am 6. Jan. 1*72. Vorsitzender Hr. Böckmann; anwesend 131
Mitglieder.
Au» verschiedenen geschäftlichen Mittheilungen, mit welchen
der Vorsitzende die Hauptversammlung eröffnet, ist der Antrag
des Vorsitzenden des Vereins , Motiv" hervorzuheben, die Sitzung
des 20. Januar wegen des an diesem Tage stattfindenden Weih-
nachtsfestes des genannten Vereins ausfallen zu lassen- Mit
der Aunahme dieses Antrages seitens der Versammlung verbin-
det der Vorsitzende die Aufforderung zur lebhaften Betneiligung
an diesem eigentlich architektonischen Winterfeste.
Als Kommissionen zur Beurtheilung der eingegangenen
Schinkelfest-Konkurrenzen, welche nach kurzer Debatte auf die
Zahl von ie S mit 2 Ersatzmännern festgestellt werden, gehen
aus dem Wahlakt hervor die Herren: Strack, Ende. Lucae,
Adler, Orth, mit den Ersatzmännern Stier und Hitzig für
den Hochbau — die Herren Schwedler, Franzius, Grund,
Quassowski, Streckert, Ersatzmänner Haarbock und
Hartwich, für die Arbeiten aus dem Gebiete des lngeuieur-
wesens.
Herr Adler, zum erstcnmale nach seiner Rückkehr aus
dem Orient wieder im Kreise des Vereines, bespricht hierauf in
eingehender Weise die Monatskonkurrenz für Dezember, deren
fünf, fast durchweg gute Lösungen den Beweis liefern, dass es
nur eineB interessanten Themas wie hier (Siegesthor am Bclle-
VormiBchtes.
Wenn wir auch unsere I^eser
der bis jetzt in den Vereinigten
Der Brand von Chioago
über den grössten Häuserbraud,
Staaten stattgefunden hat, einen ausführlichen Bericht mit Be-
rücksichtigung aller für den echniker interessanten Momente
noch nicht vorlegen können, so ist es uns doch durch Zusen-
dung einiger New- Yorker Zeitungen von Seiten eines Hambur-
ger Fachgeuossen möglich gemacht, unsere kurze Notiz in No. 44
dieser Zeitung zu vervollständigen. Wir hatten gehofft weitere»
brauchbares Material dafür zu erhalten, sind jedoch in dieser
Beziehung enttäuscht worden.
Chicago liegt bekanntlich dicht am westlichen Ufer des
Michigansees und wird vom Chicagoflusse, der sich im Innern
der Stadt in zwei Arme theilt, durchströmt; dieser Theil des
Flusses nun, der von der Vereinigung seiner Arme ab in einer
Länge von mehren englischen Meilen in rein östlicher Richtung
nach dem See fliegst, ist als die eigentliche Mittellinie der durch
das Feuer verwüsteten Fläche anzusehen, nördlich und südlich
von dieser Linie ist die Stadt aus lauter parallelen und sich
rcehtwinklich schneidenden Strassen erbaut und von den durch
diese gebildeten mehr oder weniger grossen rechteckigen lläuser-
vierteln sind zu jeder Seite des Flusses ca. 300 abgebrannt.
Es wird zwar berichtet, dass die hauptsächliche Ursache
der schnellen Verbreitung des Feuers in dem mächtigen Sturme
zu suchen sei, der, mehre Male seine Richtung wechselnd, die
Flammen mit der Geschwindigkeit eines Prainebrandes weitor-
Allianee-Platz) bedarf um die Thätigkeit der Vereinsmitglieder
anzuspornen. Den Preis hatte die Kommission der Arbeit mit
dem Motto »Walküre* zuerkannt, als dereu Verfasser sich Herr
Wolffen stein ergab, während auch der Arbeit des Herrn
Fritz Wnlff, als zweitbester, ein Andenken zugesprochen wurde.
Das projektive Winterfest beschäftigt hierauf den Verein,
der sich nach längerer Debatte für die bereits in früheren
Jahren beliebte und bewährte F'orm des sog. F'amilienfestes mit
möglichster Beschränkung auf die Mitglieder des Vereins und
deren Angehörige entscheidet. Die Sorge für dieses Fest wird
einer aus den Herren I". Wolff, Sch we n ke. Cre mer, Lu th-
mer. Stier, Knoblauch, Hanke und Schaeffer bestehen-
den Kommission übertragen.
Von sonstigen Erscheinungen des Abends ist noch zu er-
wähnen, dass Hr. Jahn eiue Sammlung von Photographien
italienischer Details vorzeigt, die er meist nach seinen Angaben
in Toscana hat aufnehmen lassen, und welche der Photograph
zu 6 Sgr. pro Blatt hier verkaufen will. Dieselben werden in
der Bibliothek aufgelegt. Hr. Finde empfiehlt das Werk von
FYicdr. Elschbach über Stickmuster mit kurzem Hinweis auf
die Irrwege, welche die modernen Frauenarbeiten in stilistischer
Hinsicht meist noch zu geheu pflegen. Einige F'ragebeantwor-
tungen seitens der Herren Böc k man n, Röder und Gersten-
berg beenden die Hauptversammlung, der sich noch eine lebhaft
besuchte gesellige Sitzung im Arion-Garten anschliesst
L.
getrieben hat, e» kann indes» mit Hinsicht auf die vorhanden
gewesenen guten Löscheinrichtungen al» zweifellos angesehen
werden, dass das Feuer trotz des Sturmes bald nach seinem
Ausbruche gelöscht worden wäre, wenn nicTit die leichte Bauart
der Häuser das schnelle Umsichgreifen desselben zu stark be-
günstigt hätte.
Ueber diesen Umstund, nämlieh die primitive Bauweise, die
bis vor wenigen Jahren, zum Theil sogar noch bis auf den heu-
tigen Tag in der „Riesenstadt des Westens* üblich gewesen ist,
scheinen noch vielfach falsche Ansichten im Uralauf zu sein.
Die Berichte, über das märchenhafte schnelle Aufblühen der
jungen Stadt mögen bei Vielen die Vorstellung erweckt haben,
dass die, gleichsam wie mit einem Zauberstabe aus der Erde
gelockten Häusermassen in stolzem Steinbau prangten. — Dem
war keineswegs so. Es gab in dem abgebrannten Stadttbeile,
der ca. ein Fünftel der ganzen Stadt ausmacht und in dem sich
der ccsammto geistige und materielle Verkehr konzentrirte,
allerdings eine nicht geringe Anzahl solid konstruirter massiver
Bauten, die grosse nach Tausende zählende Menge der sie
umgebenden Privathäuser bestand aber aus F'ochwcrks- und
Blockhausbauten. — Es dürfte die Bemerkung hier einzuschalten
sein, dass durch diesen Umstand auch die Leichtigkeit erklärt
wird, mit dem ein Theil der Stadt um fi™ über das ursprüng-
liche Niveau gehoben worden ist —
Dicso leicht gebauten, zum grossen Theil auch mit leicht
brennbaren Stoffen und Woarcnlagern gefüllten Häuser gaben
dem in einem Stalle ausgebrochenen Feuer eine so schnelle und
Digitized by Google
15 —
reichliche Nahrung, dass sich sehr bald alle Löscbungsvcrsuche
als vergeblich erwiesen und das* auch die in diesem Meere von
Zündstoff isolirt stehenden Massivbauten, von denen einige, wie
z. B. da« Bureau der „Tribüne" für absolut feuersicher gehalten
worden waren, bald mürbe gebrannt waren und zusammenstürzten.
Es soll dies wesentlich darin seinen Grand haben, dass das übliche
Haumaterial in einem Petroleum - Distrikte gebrochen, nach
Jahren noch so viel entzündliche Substanzen enthält, dass ein
Ausbrennen derselben erleichtert ist.
Dass nicht die ganze Stadt der Feuersbrunst zum Opfer
gefallen ist, wie noch am Mittag des S*. Oktober befürchtet
wurde (der Brand brach am 8. Oktober aus), ist zum Theil der
Energie des Gencrallieuteuant Sheridan zu danken, der den süd-
lichen Theil durch Niederzissen grosser IHuserviertel rettete,
zum Theil aber dem Umspringen des Windes, der den Feuerlauf
dem See zuführte.
Die Verluste, von denen Hunderttaussende von Einwohnern,
sowie viele Korporationen betroffen worden sind, erreichen eine
erstaunliche Höne, uud wenn es eiues Beweises für die Bedeu-
tung Chicagos unter den Städten der l'nion bedurft hätte, so
wäre er durch die tiefgreifenden Störungen geliefert, welche der
Brand Chicagos im gesamtsten Handels- und Verkehrsleben der
Vereinigten Staaten zur Folge gehabt hat.
Unter den beim Brande in Chicago zerstörten öffentlichen
Gebäuden sind als besonders hervorragend zn nennen:
Das Gerichtshaus. Es war 1&55 ganz von Kalkstein er-
baut und hatte einen hohen Thurm, der eine vollständige Ueber-
sicht über die Stadt und einen Theil des Sees gewährte.
Die Handelskammer,
aufwände von 533000 ThaJern
Marinur erbaut.
Das Stationsgebäude der südlichen Michigan-EUenbabu.
Gleichfalls von Marmor und (mit Ausnahme der vandcr'jild-Sta-
tion) das schönste Eisenbahngebäude in ganz Nordamerika.
Das Zoll- und Postgebäude.
Die erste und zweite Presbyterianische Kirche.
Die Eintrachtskirche.
Das Dearborn-Theater.
Die Farwcll - Halle. Eine der grössten Hallen für Ver-
sammlungen in der Union.
Aikens Museum.
Mr. Vickers Theater. Galt für das erste Theater der Stadt
Das Sberman - Haus. Eines der grössten Hotels im
Westen, war Eckhaus mit 2 Fronten von ie 340' engl. Läuge.
Das Crosby - Opernhaus, war 18oj vollendet und halte
gegen GOOOÖO Thaler gekostet. „ ,
Die Erinnerung an diese grossartigen Verluste und das na-
uienlose Elend, in welches sc viele Tausende versetzt sind, wer-
den das ihrige dazu beitragen, dass trotz aller Eile, mit der die
Errichtung neuer Wohnungen in Angriff genommen werden muss,
beim Wiederaufbau der Stadt gesunde Grundsätze in Anweu-
dung kommen. Und nicht nur Chicago, sondern sämmtliche
Städte der Union werden aus diesem Unglücksfalle eine Lehre
ziehen und der eigenen Stimme wie auch den eindringlichen
Mahnungen der gesammten amerikanischen Presse Gehör schen-
ken und in Zukunft solide und wirklich feuersichere Bauten
Sie war 1865 mit einem Kosten-
in italienischer Renaissance von
Das Aufziehen von Pansen ist eins jener technischen
Nebenarbeiten beim Zeichnen, die viele Techniker nicht sowohl
aus Sparsamkeitsrücksichten, als vielmehr aus Besorgnis für
die möglichste Schonung der Zeichnungen dem Buchbinder zu
überlassensich scheuen. In derThat ist diese Arbeit unter allen
ähnlichen weitaus die schwierigste, und selbst nur wenige Buch-
binder sind im Stande, sie allen Anforderungen an Korrektheit
und Sauberkeit entsprechend derartig zu bewirken, dass nirgends
eine Faltung oder Verzerrung des Fauspapieres stattgefunden
hat, und dass dieses auf dem weissen Unterlagepapier wie ein
aufgedruckter Ton erscheint, ohne dass an irgend einer Stelle
das angewendete Klebematerial sichtbar wird. Es ist daher,
wenn die Masse derartiger Arbeiten nicht etwa so gross ist, dass
ihre Besorgung nicht mehr in einer Erholungspause nach geistig
anstrengender Arbeit erfolgen kann, den jüngeren Technikern
allerdings anzuempfehlen, sich in dieser Beziehung von fremder
Hülfe möglichst zu emanzipireu; auch wird die Annehmlichkeit,
dass man auf der aufgezogenen, noch auf dem Reissbrett sitzen-
den Pause nunmehr mit grosser Bequemlichkeit alle wünschens-
werthen Tuscharbeiten, resp. bei Bleistiftpausen eine Fixirung
vornehmen kann, immerhin in's Gewicht fallen.
Veranlassung, diesen Gegenstand zu ei-örtorn, giebt uns eine
in der Dtsch. lndustr. Ztzg. enthaltene Notiz, die ein Verfahren
zum Aufziehen sehr grosser Pausen mittheilt, bei welchen die
Schwierigkeiten der Arbeit selbstverständlich in nicht geringem
Grade wachsen. Wenn wir aus jener Notiz die unwesentlichen
Nebendinge weglassen, so ist jenes Verfahren im Allgemeinen
als eine einfache Theilung der Arbeit zu charakterisireu.
Man legt die aufzuziehende Pause in der richtigen Lage auf das
aufgespannte Unterpapier und verdeckt je nach der Grösse der-
selben die Hälfte oder noch einen grösseren Theil davon durch
einen Bogen Makulaturpapier, der auf dem Brette unverrückbar
festgeheftet wird. Der freigebliebeno Theil wird darauf umge-
klappt, auf der Rückseite mit dem nöthigen Klebematerial Be-
strichen und nach sorgfältigem Zurücklegen und Auzieben in
bekannter Weise unter einem weichen Ueberlegebogen mit der
Hand, einem Tuchballen oder einer Bürste glatt gestrichen.
Dieselbe Manipulation wird demnächst mit einem oder noch zu
mehren Malen mit der übrigen Fläche des Pauspapiers
holt, wobei zur Erzieluog eines innigen Anschlusses j<
eiu Streifen des schon festsitzenden Papiers abgezogen und neu
mit dem Klebematerial bestrichen werden soll.
Wir bezweifeln unsererseits nicht, dass mau durch diese
Methode seineu Zweck erreichen kann, wenn es auch schwer
sein möchte, die betreffende Pause so sauber aufzuziehen,
dass mau die doppelt bestrichenen Streifen nicht sofort erkennen
sollte. Man wird daher, wenn die Grösse der Pause nicht eine
ganz ausserordentliche ist, in vielen Fällen doch noch besser
fortkommen, wenn man sich zu derselben eines möglichst festen
Papiers bedient, sie jedoch in üblicher Weise auf einmal auf-
zieht. Hierbei wird es jedoch mit Ausnahme von ganz kleineu
Blättern, die keine Schwierigkeiten machen, gut sein, wenn man
sich des (vielen Fachgenossen unbekannten) Tapezierkunstgriffes
bedient, beim Aufbringen der Pause auf das Unterlagepapier
das Brett mit letzterem nicht horizontal auf deu Tisch zu legen
sondern zunächst schräg nach Oben geneigt aufzustellen. Es
erfordert alsdann kein sonderliches Geschick, das aufzuziehende
senkrecht gehaltene Blatt zunächst mit 2 Ecken resp. einer Seite
I auf die Unterlage zu bringen und von dort aus vorsichtig glatt
zu ziehen, während es in jenem Falle kaum zu vermeiden ist,
dass dasselbe zunächst iu der Mitte aufliegt, dass die freischwe-
benden Ecken umklappen und was dergl. Unfälle mehr sind.
Vielleicht ist es nicht überflüssig noch einige Erfahrungs-
regeln mitzutheileu, unter denen diejenigen vorangestellt werden
mag, dass man Pausen auf Oelpapier möglichst frisch aufziehen
muss, weil Oelpapier um so brüchiger und zerreissbarer wird,
je älter es ist. Je nach der Qualität des Papiers richte sich
der Klebestoff. Dickes Papier so wie alle grösseren Bogen Wer-
dern am Besten mit Kleister aufgezogen, der jedoch sehr dünu
und gleichmässig aufgetragen werden muss; bei kleineren Bogen
und leichtem Papier wird man sich mit Vortheil eines sehr
stajk verdünnten Gummi arabicum bedienen, doch beachte man
in jedem Kalle die bei allen Aufzicharbeiten erforderliche Haupt-
regel, dass das aufzuziehende Blatt erst dann aufgebracht wer-
den darf, wenn es keine oder doch nur geringe Wellen wirft,
also möglichst gleichmässig angefeuchtet ist Ein Papier, das
wenig geleimt ist und daher unter der Aufeuchtung reisst,
lässt sich nur dann aufziehen, wenn es vörher mit einer Gelatine-
Lösung getränkt und alsdann getrocknet worden ist — Zum
Glattstreichen der Pause bediene man sich keiner zu harten
Bürste, weil sonst die Striche derselben siebtbar bleiben; dass
das vorhergehende Anziehen nur in der vorsichtigsten und
massigsten Weise geschehen darf, weil sonst sofort eine Verzer-
rurg 3er Zeichnung erfolgt, bedarf kaum einer Erwähnung. Die
grösste Schwierigkeit bildet es für Ungeübte die erforderliche
Stärke des Klebematerials so zu treffen, dass dasselbe einerseits
vollkommen haftet, andererseits nirgend über die Ränder her-
ausquillt; es lässt sich diese Kunstfertigkeit jedoch nur durch
Erfahrung erreichen. O
Ammoniak als Motor. Die Gewinnung einer neuen Be-
wegungskraft, die für viele Zwecke, u. A. für Strassen-Eiscu-
bahnen, dem Dampf vorzuziehen wäre, beschäftigt in den Verei-
nigten Staaten Theoretiker und Praktiker in hohem Grade.
Neuerdings finden sich in technischen Zeitschriften Erörterungen
für und gegen die Verwendung von Ammoniak als Bewegungs-
kraft Der „American Artizan" bespricht die wie gewöhnlich
mit grosser Emphase angekündigte Erfindung in sehr kühler und
ungläubiger Weise, das „Iron Age* bringt dagegen Urtheile von
Gelehrten, die für die Verwendbarkeit von Ammoniak als Be-
weguugskraft sprechen. Professor C. A. Joy vom Colombia-Col-
lege beschreibt, nach der Zeitschrift für Eisen -Industrie, einen
Apparat zur Kondeusirang von Ammoniak, der in Frankreich
ausgestellt wurde, und giebt seine Meinung in dem Sinne, dass
Ammoniak sich mit Erfolg als Bewegungskraft verwenden lasse.
Der Apparat ist sehr einfach, er besteht nur aus einem Auf-
nahmebehälter zur Kondeosirung des Gases und einem Konden-
sator für dessen Erkaltung und Wiedererzeugung, nachdem es
seinem Zwecke gedient hat. Das Gas wird aus dem gowöhn-
licfceu Ammouiakwasser geVQBBM und wird vermittels seines
eigenen Druckes in einem Kondensator, der in eine kühlende
Mischung gestellt wird, flüssig gemacht Der Aufnahmebehälter,
gefüllt mit flüssigem Ammoniak, gleicht den gegenwärtig zur
Aufbewahrung der Kohlensäure für die Sodawasser - Anstalten
benutzten Apparaten. Es ist mit Doppelschrauben und Erahnen
wersehen, so dass er an dem Kolben, wo er arbeiten soll, be-
festigt werden kann. Das flüssige Gas kann In starken Behäl-
tern, die je nach der angewendeten Hitze einen Druck von 7—
10 Atmosphären aushalten, auf Wagen transportirt und dem Be-
stimmungsort zugeführt werden, gerade wie Sodawasser jetzt
durch die Strassen gefahren wird. An jeder feststehenden Ma-
schine ist ein mit kaltem Wasser gefülltes Gefäss angebracht,
in welches das Gas nach dem Austritt aus dem Kolben geleitet
wird, gerade wie Dampf aus der Niederdruck - Dampfmaschine
kondensirt wird, uud der Kondensator enthält alsdann alles Gas
in einer wieder iu Flüssigkeit zu verwandelnden Form. Wenn
ein neuer Vorrath von flüssigem Ammoniak vom Wagen abge-
t liefert ist, werden die Kondensatoren wieder mitgenommen und
in der Uauptfabrik daraus vou Neuem Gas gewonnen. Man nimmt
I an, dass mit 20 Pfund flüssigem Ammoniak der Druck von einer
Pferdekraft eine Stunde laug unterhalten werden kann. Ein
Omnibus mit einer Ammoniak -Maschine von I Pferdekraft kann
, mit 50 Pfund flüssigem Ammouiak und 120 Pfund kaltem «asser
8 Meilen weit gefahren werden. Am Ende der Route wird ein
Digitized by Google
— 16 —
neues Quantum flüssigen Ammoniaks und kalten Wassers auf-
genommen and das Ammoniak kann nachher wieder aus den
I'JO Pfd. Wasser herausgezogen »erden. Kine solche Maschine
würde weder Ranch noch Dampf verursachen, sie würde jederzeit
fertig sein und mit Vortheil auf steigcuden Bahucu, iu Privat-
häuscru. Gruben, Tunnels, Stadt-Eisenbahnen, bei Feuerspritzen,
bei Luftballons und überhaupt da, wo die Verbrennung von Luft
vermieden werden muss, augewendet werden kennen.
Industr.-Bl.
Die telegmphisoten Verbindungen zwisoben Europa
und Amerika sollen um eine ueuc vermehrt werden. Ks hat
sich eine Gesellschaft mit 1,250,000 Pfund Sterling Grundkapital
gebildet, um ein Kabel von Portugal über Madeira, St. Vincent,
Cap Verde nach Cap S. Koque in Brasilien zu legen.
Neue Eisenbahnprojekte in England. Wenn man ]dic
Kisenbahukarte Englands ansieht, kann man zu der Vermuthung
kommen, dass dort nicht mehr viel Platz für neue Eisenbahnen
sei. Dasa dem jedoch nicht so ist, geht aus folgender Notiz über
die Anzahl der Bills hervor, welche der nächsten Parlaments-
Session vorliegen werden. Es handelt sich um nicht weniger als
144 Projekte für Eisenbahnen und 28 für Pferdebahnen. In der
vorigen Session logen nur So Eisenbahn- und 18 Pferdebabu-
prujekte vor. Die Baulust auf diesem Felde scheint in Euglaud
also wieder im Wachsen begriffen zu sein. (Engineering.)
Konkurrenzen.
Die Konkurrenz für Entwürfe zum Hause des Deut-
Relohstages. Bei dem Interesse, welches mit uns uu-
> Leser allen bisherigen Phasen dieser Konkurrenz geschenkt
haben dürften, erscheint es gerechtfertigt, wenn wir von einigen
Urtheilen Notiz nehmen, welche in der politischen Presse über
das Programm derselben laut wurden. Wir haben dabei_mit
Genugthuung zu konstatiren, dass von fast allen Seiten die von
uns hervorgehobenen Bedenken gegen das Ueberwiegen des
Laien-Elementes in der Jury und gegen die Interuatioualität der
Jury getheilt werden. Das Organ der Rheinischen Ultrauion-
tamm, die Kolnische Volkszeitung, findet zwar, dass dieser letzte
Tadel verletzend für die deutschen Baukünstlcr sei. Ihre Auf-
fassung, — „wenn dieselben wirklich den Wettkampf mit auslan-
dischen Künstlern zu scheuen hatten, obgleich sämmtliche
Schiedsrichter Deutsche sind, so schlösse solche Besorgniss ein
Todesurtheil über unsere Bau - Akademien , (an deren Hervor-
bringungen freilich gar wenig Deutsches wahrzunehmen ist) in
sich. Vielleicht ist indess endlich auch seihst die Berliner Bau-
zeitung zu der Erkenntnis* fortgeschritten, dass diese Akade-
mien wieder den alten Meisterschulen weichen müssen, und
dass die aus enteren entsprossene Bau- Bureaukr.it ie der Ruin
aller echten Kunst ist" — beweist indessen , wie das unmittelbar
Nachstehende, dass sie gegen unsere Auslassungen schlagt, ohne
dieselben gelesen zu haben, was uns um so weniger wundert,
als der Zweck ihres ganzen Artikels ja doch in nichts weiter
als in einer Reklame des Hrn. A. Reichen sperger gijtfelt,
die wir dem alten Herrn nicht inissgöuueu wollen. Beiläufig sei
übrigens bemerkt, dass aus einer Anzeige des englischen Mi-
nisteriums für öffentliche Bauten über die Bezugsquellen des
Programms etc. geschlossen werden kann, dass das Rcichskanz-
leramt des deutschen Reiches sich nicht damit begnügt hat, Ar-
chitekten fremder Nationen nicht nur nicht auszuschhesseu, son-
dern dasa es dieselben durch Vermittelung ihrer Regierungen
indirekt sogar zur Betheiligung an der Konkurrenz aufgefor-
dert hat
Einen Tadel der Wiener N. fr. Pr., dass man es leider ver-
säumt habe, die hervorragendsten deutschen Architekten einzeln
und persönlich einzuladen und ihnen die lluuorirung ihrer Pro-
jekte zuzusichern — welche Versäumniss Angesichts der über-
reichlichen Inanspruchnahme derselben ihr Fortbleiben zur vor-
aussichtlichen Folge haben werde. — wollen wir hier nur flüchtig
erwähnen, unsere von diesem Standpunkte sehr abweichenden
Gedanken jedoch zurückhalten, bis es sich herausgestellt hat,
inwieweit diese Voraussicht begründet war. — Fast allgemein
hingegen wird der Termin für die Anfertigung der Skizzen zu
kurz befunden und darüber geklagt, dass hierdurch den mit der
Aufgabe noch am meisten vertrauten Berliner Architekten ein
zu grosser Vorschub gegeben würde. Inwieweit das Letztere
der Fall ist, wollen wir allerdings dahinstellen, iudessen lässt
sich , selbst wenn man den grösseren Tbeil der Misstimniuog
auf jene Halbtalcnte zurückführt, die durch jene Bestimmung
allerdings möglichst ausgeschlossen werden sollen — wohl nicht
ganz verkennen, dass dieselbe Angesichts des grossen Mangels
an llülfsmatcrial für die Lösung der Aufgabe nicht ganz unge-
rechtfertigt ist. Wir haben dieses Umstandes in unscrni letzten
grösseren Artikel zu weni* Erwähnung gethan, hingegen früher
(in No. 34. Jhrg. 71) die Wahl eines kurzen Termins ausdrück-
lich mit dem Wunsche auf Bearbeitung einer Denkschrift über
die bezüglichen Fragen iu Zusammenhang gesetzt. Vielleicht
dass dieser Wunsch auf Grund der jetzt sieh ergebenden Er-
fahrungen zum Mindesten für spätere Fälle ein geneigtes Gehör
Zur Konkurrenz für das Stadttheater In Frankfurt a. M.
gehen uns nachträglich einige Mittheilungen zu, von dewn wir
um so mehr Notiz nehmen müssen, als dieselbeu wiederum ge-
eignet sind die vermeintlichen Vorzüge des beschränkten "
kurrenz-Verfahrens in des rechte Licht zu setzen. Sollten die-
selben nicht völlig genau sein, so werden wir eine Berichtigung
dankbar annehmen; es ist leider das ganze Verfahren mit einem
fast absichtlichen Ausschluss der Öffentlichkeit pehandhabt
worden und hat unseres Wissens nicht einmal eine öffentliche
Ausstellung der Entwürfe stattgefunden.
Bekanntlich waren zur Thcilnahme an der Konkurrenz die
Hrn. Strack und Lurae (Berlin), Bordiau (Brüssel), Burnitz
(Frankfurt a. M.) und Brückwald (Altcnburg) aufgefordert
worden und lag denselben ein von einer Kommission ausgearbei-
tetes Programm nnd ein bestimmter Bauplatz vor, dessen Di-
mensionen für deu Zweck des Gebäudes allerdings zu knapp
bemessen waren. Vier der Konkurrenten hatten daher den ge-
frebenen Bauplatz mehr oder minder ignorirt und in willkür-
icher Weise überschritten, während Hr. Oberhofbaurath Strack
allein sich streng an die Form desselben gehalten und mit
grosser Kunst den Versuch gemacht hatte seine Nachtheile soviel
als möglich auszugleichen.
Bei Entscheidung der Konkurrenz spielte demnächst die be-
kannte Alternative, zwischen zwei Projekten zu entscheiden, von
denen das eine sich nicht an das Programm gehalten, aber
dasselbe verbessert hatte und sich daher zur wirklichen Ausfüh-
rung am Meisten empfahl, während das audere dem Programme
treu geblieben war, in Folge dessen aber trotz aller künstleri-
schen Vorzüge einige unvermeidliche praktische Nachtheile zeigt.
Bei einer öffentlichen Konkun-enz, die eine Klausel über
die Ausführung der preisgekrönten Entwürfe nicht enthält, bietet
sich in diesem Falle der Ausweg, das programmgemässc Pro-
jekt zu pämiiren, das programmwidrige, aber bessere hingegen
zur Ausführung zu wählen. Der Bauherr hat alsdann zur Strafe
seiner geriugen Vorüberlegung doppelte Preise zu zahlen; der
priimiirte Konkurrent empfängt jedoch in dem Preise eine Ent-
schädigung für seine vergebliche Arbeit und den Interessen der
Sache wird Rechnung getragen. Mag immerhin die Geldent-
schädigung für einen Künstler, der bei gleicher Freiheit der In-
terpretation das Gleiche oder noch Besseres geleistet hätte, wie
sein bevorzugter Konkurrent, dem nun die Ausführung zu Tbeil
wird, kein vollständiger Ersatz sein, so ist das Verfahren doch
immerhin korrekt abgeschlossen und kann als ungerecht nicht
bezeichnet, werden.
Bei einer beschränkten Konkurrenz, in welcher die Theil-
nebmer für ihren Arbeitsaufwand entschädigt werden, der Preis
hingegen in der Wahl eines Projektes für die Ausführung und
der Uebcrtraguug derselben an den Sieger besteht, kann die
Entscheidung kaum anders ausfallen, wie es hier durch die Be-
vorzugung des Lucae'schen Projektes geschehen ist; man setzt
sich über die Programmwidrigkeit, falls diese eine Verbesserung
ist, hinweg und wählt zur Ausführung das für dieselbe am
Meisten geeignete Projekt. Es lässt steh gegen die Richtig-
keit einer solchen Entscheidung unter den gegebenen Verhält-
nissen nicht das Entfernteste einwenden, mag man die Bitter-
keit der Kränkung, die in diesem Falle einem Meister wie
Strack widerfuhr, auch in vollem Umfange würdigen, und wir
können es nicht anders als selbstverständlich finden, dass die
Bauherren, welche sich bei einer beschränkten Konkurrenz die
ganze Freiheit des Priratbauherrn
welchen Hr. Oberhofbrth. Strack gegen
legt hat, zurückgewiesen haben.
Der Misstand liegt eben weniger in dem konkreten Falle
wie in dem Prinzine des Verfahrens, dessen weitere Nachtheile
wir schon früher (Jhrg. GS bei Gelegenheit der Wiener Museen-
Konkurrenz) eingehend erörtert haben. Mögen Künstler, die
eine solche Kränkung vermeiden wollen, sich besinnen, ehe sie
auf eine beschränkte Konkurrenz eingehen, oder mögen sie zum
Mindesten darauf halten, dass der Spielraum für eine Interpre-
tation des ihnen gegebenen Programms mit genügender Deut-
lichkeit festgestellt werde.
Personal- Nachrichten.
Preussen.
Ernannt: Der bisherige technische Asaisteut Velde zu
Wiesbaden zum Königl. Eisenbahn-Baumeister bei der Nsssaui
sehen Staats-Eiseubahu daselbst.
Der Regierung«- und Baurath Crotiau sowie die Bau-Iuapek-
toren Funke und Bolte zu Eisenbahn-Direktoren und Mitglie-
dern der General- Direktion der Eisenbahnen in Elsass-Lothringen.
Der Bau-Iuspektor Schwatlo zu Berlin zum Regierungs-
uud Baurath.
Brief* nnd Fragekasten.
Hrn. W. D. in Gera Die betreffenden uns bekannt ge-
wordenen Fälle sind von uns sämmtlich mitgetheilt worden.
Hrn. P. in Berlin. Es ist ganz selbstverständlich, dass
nach Einführung der Gewerbefreiheit die Annahme des Meister-
titels au keiuerlei gesetzliche Vorschriften mehr gebunden ist.
Hrn. P. iu St. Johanu. Die Prüfun« im Eisenbahnbau,
welche ein Preussischer Bauführer zu Itestehen hat, erstreckt
sich nicht über die allgemeinen Elemente des Gebietes hinaus.
Hrn. F. in N au gar dt. Unseres Wissens ist die Firma
Ahl 4 Pousgcu in Düsseldorf in Anfertigung derartiger Eisen-
besonders renomiuirt.
Beiträge mit Dank erhalten von den Hrn. D. in Stuttgart,
H. und A. in Berlin. B. in fsrlsruhe.
.l..lo
»■ Carl Hohn in U.HI.
lourt v» <i.br»S«r Kiek.»! In UtrK»
Digitized by Google
Jahrg. H. MX
DEUTSCHE BAUZEITUNG
Organ des Verbandes
deutscher Architekten - und Ingenieur-Vereine.
Redakteur K, £. 0. Fritich.
lat.r.t*
rar dir Im 4n I
H4iilHt.ni Da4.il A« fn.hr».
I» 4.r Gruli • MUce I
.rUn-AMOlr»"
11 >V. SP. Pf.
freis 1 Thaler prt taartal.
Berlin, den 18. Januar 1872.
Erscheint Jed« D*n»«rstii|;.
Inhalt: Vi'tl.Btttl di-uucb*** Areliiulu ii und liMD'fttnur V«r*iu+. — l>u
Kttl'iknx'lrr *\n KifthelUflnaa**, .n»u*w.tlflVr» fiir Hft|xl*rtM-,itiutiw#M. - DU Illu
aalnati»n in itom an 27. N«Vüinli»r IH7I. fSr-hliMn.) — * IVhar da» Fa»»verfahrnu
m*i lichifmplSii<llirlavn Papier. — M i 1 1 bei 1 u u n;e n au» VaraJna»: Onaterrnl-
rhltcber Inirenivar* n»nl Arr-ailektnn -Verein. — Zweit; Wr*i ; t <)•*« taVImfrAheu 1 o-
(Cenleur- und Architekten - Verein« ta Zwickau. — Architekten- «od Iititva.+ur-
Vereui fu Hannover. Architekten- und Ingenieur- Verein tu Ka**«l — I>euta*<her
Verein für Fabrikat!«« v«n Kitgelt., Thonwaar*«, Kalk und Zement. — Arrhitekt»«-
Verein au Herlin. — V ar m l*e h t et : AoarlbaMinetie Vor«tadthauiwr. — IM* R<-
rathung über d*n Ktat üm lUttuelnnahilirtaftuma tan preutaiarlaan Ab«eurdji*t«*n-
hau». — (luatav Wart.,, f. — Atta dar Fach 1 1 Karat u r: Organ für die Fort-
-. |it< i . KUanbaJm»«*«» IS70 -71. — K enk« rre n i r » ! N#«ai Hiadttheater
in MartDMtn. - KiaknrraiiB für den KMner D*m. — Pa rn nua 1 - N ae n
r 1 r h t * » elr.
Verband deutscher Arckitekten- und Ingrnienr-l
Die Beschlüsse der Abgeordneten -Versammlung, betreffend die Einführung der metrischen Maasse und Gewichte
im Bauwesen, sind von dem unterzeichneten Vorstände dern ihm ertheilten Auftrage entsprechend, übersichtlieh zusammen-
gestellt, in 12ÜOO Exemplaren gedruckt und an die Behörden der Deutschen Staaten, die technischen Lehranstalten, die Eisen-
bahn-Direktionen, sowie an die dem Verbände angehörigen und an verwandte Vereine versandt worden, wobei die von den
Vercinsvorständen geäusserten Wünsche soweit als irgend möglich berücksichtigt worden sind. Den Verbandsmitgliedern
wird es zur Befriedigung gereichen, dass die Arbeit der Abgeordneten -Versammlung, soweit es dem Vorstande bisher
bekannt geworden ist und wie dies aus zahlreichen Zuschriften hervorgeht, allgemein Anklang gefunden hat und zur An-
wendung empfohlen worden ist.
Da von verschiedenen .Seiten die Uebersendung von grösseren Mengen der Blätter gewünscht ist, und um die-
selben auch allen denjenigen zugänglich zu machen, welche bei der Vertheilung der 1201X1 Exemplare keine Berücksich-
tigung finden konnten, ist der Vertrieb dieser Blätter auf eigene Rechnung der Buchhandlung Von Carl Beelitz, Orauieu-
Str. 101 übergeben worden, von welcher diesellren in beliebiger Anzahl bezogeu werden könneu.
Berlin, 10. Januar 1SV2.
Der Vorstand des Verbandes deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine.
Böckmann, Vorsitzender. Blankenstein, Schriftführer.
Das Kubikmeter ab
Von Wich manu, Land-
Seit einigen Jahren bin ich in meinem hiesigen Wir-
kungskreise am Harze ausschliesslich mit Werth- und lu-
haltsberechnungeu von zu Baulichkeiten erforderlichen
Holzuiatcrialien, sowohl in Stämmen als Dieleu beschäftigt.
Ich habe diese Rechnungen früher in Kuhikfussen, seit einem
Jahre jedoch schon in Kubikmetern aufgestellt und bin so-
mit in der Lage schon einige Erfahrungen Alter die Be-
quemlichkeit resp. Unbequemlichkeit des neuen Holzmaasses
gesammelt zu haben, die ich bei einer Erörterung dieses
Themas unter den Eachgeuossen zur Miltheilung durch die
deutsche Bauzeitung für nicht ungeeignet halle. Bei der
Verbreitung, welche diese Zeitung in allen technischen Krei-
sen des deutscheu Reiches besitzt, bedaure ich, dass gegen-
über den Bestrebungen für Einführung des Dekaliters als
Maasseiuheit im Holzhandel, möge dieses nun r Hundertstel 1 ',
„Block", „ Riegel- oder wie noch auders titulirt werden, in
derselben bisher ein, wenn auch nicht ermunterndes doch
wenigstens passives Verhalten beobachtet wurde. Ich sehe
in der Einführung des Kubikmeters als Maasseinheit für
Holzbereehnungen — ganz abgesehen von seinen Eigenschaften
als dezimales Maass und vou dem Zusammenhange mit dem
Metermuass überhaupt — einen grossen r ort schritt gegen den
früheren Kubikfuss und würde deshalb umgekehrt die Ein-
führung des „ Hundertstel- als einen Rückschritt hinter den
Kubikfuss zurück betrachten.
Alle Vorzüge, welche der Aufsntz in Na 4!) Jhrg. 71
der Bauzeitung der grösseren Muusseiiihcit von 10
Kubikmetern bei Erdberechnungen, gegenüber dem einlachen
Kubikmeter, mit vollem Rechte zuspricht, finden ebenso bei
Holzbereehnungen für das Kubikmeter dem Kubikfuss
gegenüber statt. — Je grösser die MaasseinheiL, desto leichter
rundet sich der Handelspreis in einfacher, für die Ret Innin-
gen vortheilhaficr Weise ab. Je kleiner die Maasseinbeit,
desto peniblere Materialberechnnngen werden not Iuvenil ig.
ohne das l'reisresultat der Arbeit Cur die Praxis werthvoller
zu machen, als das Resultat der einfacheren Rechnung mit
grösseren Einheiten. Die Holzpreise pro Kubikmeter werden
sich binnen Kurzem mindestens nach vollen Mark abrunden,
die Rechnerei dadurch vereinfachen und sich so dein Ge-
däcbtniss weit leichter einprägen, als die Pfennige für den
Kubikfuss oder das Hundertstel. Berechnungen von Kubik-
metern Holz mit mehr als drei Dezimalstellen für gewöhn-
insbesüiiderp für Helibemhnangea.
Bauinspektor zu Clausthal.
• liehe praktische Zwecke sind unnütze Zeitvergeudung. Bei
rundeu Stammen spottet die natürliche unregelmässige, vou
der Kegel- und Zylinder - Gestalt stark abweichende Form
derselben jeder Berechnung mit mehr als .'i Dezimalstelleu;
bei Dielenmaterial macht die rechnerisch niemals genau zu
ermittelnde Grösse des bei praktischer Verwendung erforder-
lichen Verschnitt« jede genauere Rechnung ohneliin völlig
Aber auch abgesehen von den Vorzügen, die das Kubik-
meter als grössere Maasseinheit dem Kuhikfussc uud gar dem
Hundertstel gegenüber hat, scheint mir dasselbe insbesondere
noch weit geeigneter, um als Bauholzmaass in die
Begriffe des Volkes überzugehen. Beim Kubikfuss
ist dies leider niemals der Fall gewesen und beim Hundert-
stel würde es erst recht nicht der Fall sein.
Denn die Form, in welcher uns die Natur das Bauholz
liefert, ist die des Stammes. Als .Stamm erzieht es der
Förster, als Stamm kauft es der Holzhändler und der Bau-
herr, als Stamm transportirt es der Fuhrherr und der
Flösser. Für alle nicht technisch geschulten Berufsklassen
ist deshalb auch das natürliche Holzina ans der Stamm.
Wenn der Mann aus dem Volke die Absicht hat ein Haus
von bestimmter Grösse zu bauen, uud sich erkundigt, wie
viel Holz er dazu nöthig habe, so ist er nicht viel klüger
man ihm antwortet „so und so viel tauseud
viel hundert Kubikfuss.- Antwortet man
ihm aber „Hundert und so und so viel Stamm-, so hat
er g'.ekh eine ganz bestimmte Vorstellung von Preis und
Arbeit, da er den Preis der Stämme auf den Auktionen
keunt und weiss, wie viel Stamm er auf sein Fuhrwerk
laden kann.
Nun fällt aber die Grösse des durchschnittlichen
gewöhulicheu Bauholzstammes (wenigstens bei Nadel-
hölzern: so nahe mit dem Kubikmeter zusammen,
das yuautitfit und Preis für beide in vielen Fällen völlig
gleich sind, in allen Fällen aber in sehr einfachem Verhält-
nisse zu einander stehen. Hier z. B. haben die gebräuch-
lichen schwächeren Bauholzstämme bis S, die stärksten
IV», die mittleren gerade 1 Kubikmeter Inhalt, und zwei-
stöckige Nadelholz-Fachwerk-Gebäude in der hier üblichen
Konstruktion erfordern pro ( } m Grundfläche (excl. Dielen)
einen Bauholzstamm, dessen Länge zwischen 13 und 10
als vorher,
und so und so
Digitized by GoeJgle
— 18 —
Meter mit 0,8 bis 0,£> kb" Inhalt varürt. Es wird hier
also die zum Gebäude erforderliche Anzahl von Stämmen
mit derjenigen der dazu erforderlichen Kubikmeter sehr nahe
übereinstimmen, und ebenso werdeil die drei Preise pro
Kubikmeter Holz, pro Stamm und pro (Juadrat- Meter Ge-
bäude-Grundfläche in Bezug auf Bauholz fast durch die-
selbe Zahl ausgedrückt, so dass das Verhältnis« zwischen
diesen dreien auch dem Ungebildeten leicht klar wird. Bei
Berechnung nach Kubikfusscn oder gar nach Hnndertsteln
sind alle diese Zahlen im höchsten (irade verschiedenartig
und für den Nicht - Techniker ist dann ihr Zusammenhang
nur schwer begreiflich.
Da somit die M aasseinheit des Volkes beim Holz-
handel mit den Kubikmeter fast zusammenfällt, so sollte
man glauben, es würde gerade den Holzhändlern der na-
türliche Werth des letzteren als Holzmauss am aller-
ersten einleuchtend geworden sein. Dass nun alier eben aus
diesen Kreisen der Vorschlag zur Einführung des .Hundert-
stel" 4 hervorgegangen ist. scheint mir nur durch jene Ge-
daukenträgheit erklärlich, welche durch die Macht der Ge-
wohnheit gefesselt, sich scheut, mit dem alten Schlendrian
der Kubikfussrecbniing zu brechen, und gezwungen, eine
Metergrössc zu wühlen, nach einer solchen greift, die dem
Kubikl uss möglichst ähnlich, wenn auch noch unprakti-
scher als dieser ist.
Wäre der Vorschlag von den Steinhändlern ausgegan-
gen, ro würde er mich weniger ülverrascht haben; denn als
Baustein kommt die Kubikmctergrösse natürlich oder künst-
lich nur sehr selten vor, während wir dieselbe als Holz-
stück tagtäglich in natürlicher und künstlicher Gestalt vor
Augen sehen. In jedem Nadelholzwalde tritt sie uns in un-
zähligen Exemplaren in natürlicher Schönheit in den ver-
schiedensten Grössen vor Augen, da der Nadelholzstamm in
den Höhen von HO bis 1<N) Fuss, l«-i einein Durchmesser von
15 bis 12 Zoll in Brusthöhe, diesen Inhalt bat. l ud auch
künstlich sehen wir sie fast auf jedem Bauplatz vor Augen,
da der abgelängte Stamm für den Balken des gewöhnlichen
Hauses von etwa M Fuss Tiefe, bei Vi Zoll mittlerem Durch-
messer, ihr entsprechend ist. Es liegt nicht der geringste Zwang
vor. rieh die Ranmmaass-Einheit als Würfel zu denken, wenn
sie auch lierechnet ist durch Bildung der dritten Potenz. Und
so gut wie das Tausendstel derselben dem Volke nicht ah»
Würfel, sondern im Eiter als Zylinder zum leichtfasslichen
Begriff wird, eben so gut kann sich dasselbe auch da* Ganze
der Maasseinheit in der dem Zylinder ähnlichen Gestalt des
Stammes deukeu, wenigstens da, wo es sich um Holzgrössen
handelt.
Wenn es somit schwer werden tlürfte für Bauholz-
stämroe ein natürlicheres und zweckmäßigeres Einheits-
maas« zu finden, als die Kubikmetergrösse ist, so Reheint
mir dieselbe auch für Dielen nichts weniger als unbequem,
jedenfalls weit bequemer als der Kubikfuss. Für den Nicht-
Techniker bildet der F'ussboden eines gewöhnlichen Wohnzim-
mers von etwa 16' im Q aus IS" Dielen als Repräsentant
der Kubikmetergrösse gewiss ein leichter begreifliches Maass.
als V.[_j ra solcher Dielen, welches das .Hundertstel* dar-
stellen würde. Selbst bei Berechnungen von Dielen, die
nach F'ussmaass geschnitten Bind, stellt sich schon eine be-
deutende Vereinfachung heraus, wenn man nach Kubikmetern
statt nach Kubikfusscn rechnet. Denn da nur wenige
Dielen-Sortimente pro Stück eine gerade Anzahl von Kubik-
fnssen enthalten, so musste man bei solchen mit einem ge-
meinen Bruche oder mit 2 Dezimalstellen rechnen. Da für
Kubikmeter '.i Dezimaleu genügen, bei diesen aber die erste
regelmässig eine Null ist , so bleiben in der Tbat nur 2
Ziffern zu multipliziren. Ich berechne in F'olge dessen das zu
einem Gebäude erforderliche Dielenouantum jetzt nach Ku-
bikmetern rascher und sicherer, als früher nach Kubikfusscn,
trotzdem dass mx-h alle Dielen, mit denen ich zu thun halte,
nach Fussen und Zollen geschnitten sind. Bei Bechnnngen
mit dem Hundertstel würden diese Vortheile natürlich weg-
fallen, da der kleinere Einheitspreis auch eine skrupulösere
Materialberechnung, mithin eine grössere Zahl von Dezimal-
stellen erforderlich machen würde, ohne dem Keebnungs-
resnllat einen grösseren praktischen Werth zu geben, als
das Resultat der einfacheren Rechnung hat.
Das natürlichste Haudelsmaass für Dielen-Materialien
ist aber die Wagenladung oder das .Fuder". Dieses wird
je nach Beschaffenheit der Fahrwege ein bis drei Kubik-
meter enthalten. Also auch hier wird der Preis des Kubik-
meters zum Volkspreise des Fuders in sehr einfachem Ver-
hältnis stehen und weit leichter begreiflich werden als der
Kubik fusspreis.
Möchten die hier entwickelten Gedanken die Zustimmung
der Fachgenossen finden und diese veranlassen, der Ein-
führung des Hundertstels nach Möglichkeit entgegen zu
treten.' Ich glaube allerdings nicht, dass dieses sich den
bald allen Augen klar werdenden Vorzügen des Kubikmeters
gegenüber lange würde halten können: sein Gebrauch würde
aber immerhin den Uebergang etwas erschweren, die Ab-
rundung der Preise pro Kubikmeter verzögern und dadurch
eine Menge unnützer Arbeiten hervorrufen.
Zum Sch bisse sei mir gestattet einige Bemerkungen über
die Einführung neuer Namen für die neue Maassgrösse hin-
zuzufügen, da hierauf von verschiedenen Seiten und nicht
mit Unrecht Werth gelegt zu werden scheint.
Wenn auch alle Versuche, die bisher gemacht sind, um
dem Metermaass selbst gangbate deutsche
> in Kern um Z7. ><» , Biber 1871.
die Illustrationen auf Seite 21.
fltuMm)
Wir steigen die breite Kampe hinab uud folgen dem Zuge
der Menge: funfspitzige Sterne rechts und liuks weisen uns den
Weg zum Corso.
Im Corso war es intendirt, die lange schmale Strasse zur
Nachtzeit scheinbar in einen von F'euer erfüllten Tunnel zu
verwandeln. In fast gleichmässigcn [Abstanden von etwa 40
Metern überspannten wohl an SO aus bleiernen Köhren herge-
stellte Bogen die Strasse und Hessen von einem doppelten
Keifen kleiner Flammeu das weisse helle Gaslicht horniedcr-
leucbteii. Diu beigefügte Skizze F'ig. 1 wird eine klare An-
schauung des sinuvolleu Apparates geben. Der Erfinder fühlte
wohl, dass diese Bogen, wenn lediglich an den quer über die
Strasse gespannten Drahtseilen aufgehlugt, willkürlich in der
Luft schweben würden, und daher liess er sie ans dreifach über
einander geordneten, kegelförmig nach oben sich verkleinernden
Körben emporwachsen, welche Laubwerk und Blumen füllten
und deren Bänder weisse Ballous aus mattein Glase zierten.
Die eisernen, das Ganze stützenden Wandkonsolen waren durch
Kaukenwcrk aus Epheu verdeckt
Die regelmässige Wiederkehr der Bogen erzeugte für das
Auge den Schein eines feurigen Gewölbes, uuter welchem die
heitere Menge dahinwandclte zur Piazza Oolonna und Piazza del
l'opulo. wo schmetternde Musik erschallte, und über dem wun-
derbaren Gewölbe blähte der zarte Nachthauch die purpurnen
Velarien. uud die goldenen Säume gaben den Feuerschein in
mattem Glitzern wieder.
Schon an deu vorhergehenden Tagen konnte mau sich im
Torso an dem äusseren Gerüst ein Bild von der beabsichtigten
Wirkung machen, uud musste deu glücklichen Griff des Fest-
ordners bewundern. Dennoch muss es gesagt sein, dass die
thatsüchliche Wirkung vielleicht gerade hier, wo man den gröss-
ten Totul-Kffekt zu rinden glaubte, am meisten hinter deu Er-
wartungen zurückblieb. Wir kritisiren eben um zu lerneu und
zu belehren, nicht weil wir das Vermögen in uns fühlen, selber
gegebenen Falles etwas gleich Gute» geleistet, oder die Fehler,
die wir rügen, vermieden zu haben. Daher möge es mir ge-
stattet sein, die Mängel, die hier nur in der Ausführung lagen,
namhaft zu machen. Es ist klar, dass der täuschende Schein
eines Gewölb«» mit dem oben dargestellten Schema nur dann
vollkommen erreicht werden kann, wenn alle Bogen von gleicher
Form uud so aufgestellt sind, dass ihre Mittelpunkte m einer
graden Linie liegeu. Selbstverständlich muss auch ein voll-
ständig gleichniässiges Brennen der einzelnen Flammen voraus-
gesetzt werdeu. Aus mehren Ursachen aber fehlte es hier an
allen diesen Vorbedingungen. Manches mag zu eilig hergerich-
tet worden sein, so dass die luuchaltung einer scharfen Mittel-
linie unbeachtet blieb, doch wollen wir, da der Corso keine
absolut grade Strasse ist, die leiteuden Persönlichkeiten nicht
zu sehr dafür verantwortlich machen, dass sie ihren Zweck
nicht ganz erreichten. Der Mangel lag vielmehr in allerlei anderen
ungünstigen Umständen. Denn erstlich war das Motiv der De-
koration nicht für den heutigen Tag erfunden, sondern bei
dieser Gelegenheit nur noch einmal reproduzirt. Mau hatte
auH einer anderen Stadt, wenn ich nicht irre aus Florenz, die
kostbaren Bogen, welche ersichtlich schon einmal ihren Zweck
erfüllt hatten, nach Rom geschafft, (sie bestaudeu aus zwei
Theilen, welche im Scheitel mit Draht zusammengebunden
wurden) und musste sie an einem auderen Orte, als für den sie
gearbeitet waren, so gut es eben ging verwenden. Da aber
fand es sieh, dass sie für den römischen Corso eine zu grosse
Spannweite hatten, und mau griff zu dem Auskunftsmittel, sie
schräg über die Strasse zu spannen, und zwar nicht überall in
glcichmässigen, sondern je nach der zwischen i» und l. r > Meter
wechselnden Breite der Strasse verschiedenen Winkeln gegen
die Straasenajce, so dass eiue beim Betrachten sehr störende
Verkürzung der Bogen eintrat. Zudem waren manche^ Köhren
beim Trausport und Aufstelleu verbogen worden und in Folge
davon brannten die Flammen ungleichmässig, theilweise auch
gar nicht; bei einzelnen Bögen loderte aus dem nicht sorgfältig
verschlossenen Scheitelende ein mächtiger Flammenstrom hervor.
Kin gewisser Tln-il der Schuld mag auch der Unzulänglichkeit
der römischen Gasanstalten zur Last zu legen sein. So trat
bedauerlicher Weise der gehoffte Eindruck nicht in Wirksamkeit.
Wie mir mag manchem Anderen das lebendige Treiben des
Digitized by Google
- 19 —
zu geben, als misslungen angesehen werden müssen, so ist
damit noch keineswegs ausgeschlossen , bei verschiedenen
Materialien für die Matisseinheit verschiedene deutsche Namen
zu gebrauchen. Da die Nalurbcschaffenheit und Gestalt der
Materialien verschieden ist, so ist auch die Form des einem
jeden am meisten angemessenen Rautnmaasscs verschieden
und damit uueh eine verschiedenartige Benennung molivirt.
Die Knie ist von der Natur in gelagerten Schichten
gebildet und die Technik bearbeitet sie bei Abtragungen
und Aufschüttungen in solchen; die in Nr. 49 vorgeschlagene
Form und Benennung der Erdmaasseinheit mit „Schicht*
ist deshalb sehr glücklich gewählt und hat gewiss die beste
Aussicht angenommen zu werden. Für das Holz liefert die
Natur, wie im Obigen entwickelt wurde, eine engbegrenzte
Maiissform im Stamme, und die Bezeichnung der Maassein-
heit für dieses mit dem Worte „Stamm* liegt deshalb
sehr nahe.
Sollten diese Bezeichnungen in der technischen Sprache
Anklang finden, so bliebe noch eine solche für das dritte Haupt-
baumaterial, den Stein, zu wühlen. — Hier ist die Würtel-
gestalt des Kubikmeters am Welligsten unpassend (wenn
gleich ein kleineres parallelepipedisches Xlaass, etwa in
Hektolitergrösse, hier vielleicht am naturgemässesten sein
würde), und es handelt sich hier also nur um einen anderen
Namen. Man konnte hierzu vielleicht das Wort „Block*
wählen. Iu Form des Blockes liefert uns die Natur den
Baustein. l)ic erratischen Blöcke waren die ersten und lauge
Jahrhunderte hindurch die einzigen Bausteine in den Ebenen
Norddeutschlands, in Blöcken bricht sie uns noch täglich
Bausteine von den verwitternden Felsen los und als Blöcke
brechen wir sie uns selbst in den Tiefen der Erde. — Tech-
nisch hat das Wort „Block* bisher keine andere Bedeutung
als die Bezeichnung von Stämmen, welche zum Dielenschnitt
lK-stimm«, bei 20 bis 25 Fuss Länge und 18 bis 16 Zoll
Durchmesser lkb™ enthalten, also auch einen etwa gleich
grossen Körper bezeichnen. Diese doppelte Bedeutung würde
alter wohl nie ein Missverstäudniss veranlassen können. —
Fänden diese Benennungen Anklang, so köunte man
aurh die Bezeichnung der Kubikmetergrösse mit den drei
Buchstaben kb" 0 durch einen einzigen ersetzen und etwa
ltei Holzniaterialicn «Stamm* durch s, bei Steiuwerken
„Block* durch b, bei Erdarbeiten „Schicht" (eventuell =
10 kb" 1 ) durch S bezeichnen*).
Auf diese Weise würden heiin Kaummaass für den Tech-
niker kürzere Bezeichnungen, für das Volk leichter fassliche
Begriffe und Benennungen gewonnen uud die Metennaasse
so binnen Kurzem weit volkstümlicher werdeu als die Fuss-
maasse je gewesen sind. —
Bei dem Längenmaass zeigt sich letzteres schon jetzt.
Der gewöhnlichste Waldarbeiter ist jetzt, wie ich aus eigener
Erfahrung weiss, im Stande ein Gebäude mit dem Meter-
stock aufzumessen, während ihm dies früher mit dem Vier-,
Fünf- oder Zehn-Fusstock nicht immer möglich war, da er
nicht die genügende Fertigkeit und Sicherheit im Multipli-
zireu, die dazu erforderlich ist, besitzt. — Erst wenn man
einige Zeit mit. den Metermaassen gearbeitet hat, fängt man
an zu empfinden, wie ausserordentlich unpraktisch die Grösse
des Fusses, sowohl beim Längen-, als beim Flächen- und
Raum-Maass gewesen ist. Kann man daher die grossen
Vorzüge der Meterinaasse noch mit bequemeren Benennun-
gen verbinden, als sie bisher geführt haben, um so
Clausthal, den 29. Dezember 1*71.
Wichmann.
•) Dein leutercn Vortu-blige möchte« wir an •lltrillng» »Iii il» Gnu
■Ulm« iMmlMi »II hierdurch die Einheit iei «UfMfcM Sy»lr-u« und »eine
IntertiAlionele Heilung lierlutfafhOitl würde. Ks Brhli***t J.;doeli ein r'eet-
hülle» der Kubikmeter - Kei-hr-ung den Ücbrmucn Jener porwl&reu Keiner* ehe um*
wenitt «ue, wie die» «(»her bei der Kuuik(u»rcclina->r; in U:trefl IM .Klefter*,
.Kinn' etc. gnthah, (t>. P
leber das Paunerfahren ■
Die immer bedeutsamere Stellung, welcho die Photograpliiu
in ihrer Auweuduug als ein llülfsinittcl der verschiedenartigsten
Zweige der Technik sich erringt, hat schon längst zu Versuchen
geführt, dieselbe auch zum Kopiren von Zeichnungen zu ver-
werthen. Einfache und brauchbare Methoden einer solchen Kopir-
Weisc, die nur dann von wirklichem Werthe ist, wunn die An-
wendung derselben mit möglichst geringen Kosten durch
Jedermann erfolgen kaun, sind jedoch erst seit verhältuiss-
tnässig kurzer Zeit bekannt geworden und haben unseres Wis-
sens bisher noch nicht vermocht, in weitereu Kreisen sich Ein-
gang zu verschaffen, Es wird dies trotz der grossen und unver-
kennbaren Vorzüge des Verfahrens auch nicht früher erfolgen,
bis nicht von einer grösseren Zahl von Fachgenossen, nament-
it lichtempfindlichem Papier.
lieh aber auf grossen architektonischen und technischen Bureaus,
wo der Bedarf von Kopieu ein massenhafter ist. Versuche dar-
über augestellt worden sind, wie Erfolg, Zeitaufwand und Kosten
des Kopirens mit lichtempfindlichem Panier sich zu dem bisher
] üblichen Durchpausen, resp. der Vervielfältigung von Zeichnungen
durch Umdruck stclleu.
und gleichzeitig die Bitte
Zu solchen Versuchen anzuregen und gleichzeitig die Bitte
Mittheilung der erzielten Resultate auszusprechen ist der
Zweck dieser Zeilen, nachdem wir früher (in No. •> > u. 4:5 Jhrg. 71
uns, Ztg.) bereits auf die zu unserer Kenntnis« gelangten Metho-
den der neuen Kopirmethode hingewiesen hatten. Wir erhielten da-
mals eine dankeuswerthe Zuschrift uud mehre Probeu(daruutcr
die Kopie einer getuschten Zeichnung) Seitens eines Facbgenos-
italienischen Publikums eine grössere Augenweide gewesen sein, l
als die Kette feuriger Bogen über unsern Häuptern.
Gemächlich Hess ich mich vom Strome der Menschen, den
kein Wagen durchschneiden durfte, weiter tragen bis zur Piazza
del Popolo, von wo mir eine mächtige Sonne entgegenleuchtete.
Wohl wünschte ich im Stande zu sein meine Leser an der
freudigen Uebcrraschung mit Thcii nehmen zu lassen, die der
Anblick dieses Platzes hervorrief. Vielen derselben wird diu
für Schaustellungen und Volksfeste aller Art so besonders ge-
eignete Oertlichkcit wohl bekannt sein, und sie werden es nicht
anders erwarten, als dass hier ein Ungewöhnliches zu schaffen
versucht wurde, wie es in der That mit vollständigem Erfolg
geschehen. Für sie würde es daher auch überflüssig sein, der
Schilderung des phantastischen Gebildes, welches am Festabend
der im milden Licht des Mondes sich ausbreitende Platz trug,
durch Zeichnungen eiuo anschaulichere Illustration beizufügen.
Es sollen daher die nachfolgenden beiden Skizzen — des Situa-
tionsplans Fig. 2, uud eines partiellen Durchschnittes des Fest-
baues Fig. 3 — vielmehr den mit der Lokalität nicht vertrauten
Leser das Verstäudniss der folgenden Zeilen erleichtern.
Wir treten in die Mitte des Platzes und befinden uns in
einem idealen zeltartigen Baumu von kolossalen Dimensionen.
Ringsum im Kreise streben hohe Masten empor, Wappenschilder
tragend, den Fuss in Epheu und Blumen gehüllt. Ihre roth
umwundenen schlanken Stämme tragen schwere goldene Spitzen;
2*i an der Zahl umhegen sie einen weiten Kreis von nielir als
100 Meter Durchmesser. Zwischen ihuen spaunt sich der fest-
liche Schmuck weisser mit Roth und Gold verbrämter Velarien
aus, deren hell beleuchtete Flächen einen gewaltigen Kreis am
tiefblauen Nachthimmel über unsern Häuptern abzirkeln. Stolz
erhebt sich in der Mitte der ehrwürdige. Obelisk, nach dem
vatikanischen der grösste und schönste, den Rom besitzt. Dem
altersgrauen Stein hat man ein lustig buntes Gewand umgelegt
und die schwere Last aufgebürdet, wie das Zentrum so auch
die Stütze seiner ganzen Umgebung zu sein. Mit drolliger
Miene fügt er sich in sein Geschick. An seiner Vorderseite
trägt er die gewaltige Sonne, deren tausend Gasflämmchcn weit
hineinleuchten in die drei Strasseu Ripetta, Corso und Babuino.
Sein Postament ist umgezaubert in einen dreifachen prächtigen
Terrassenbau, dessen llauptlinien durch perlenartigc Reihen von
weissen Ballon - Lampen klar hervortreten; dazwischen bunter
Blumenflor und üppiges Grün grosser Blattpflanzen, aus welchem
heraus die den Rachen der vier granitnen Löwen an den Ecken
entsprudelnden Wasserstrahlen eine leichte Melodie murmeln,
sobald die auf dem uutersten Terrasseuab^-atz aufgestellte Musik
ihre schmetternden Weisen verhallen lässt. Das trunkene Auge
des Beschauers aber kann nicht lange weilen bei der realistisch
farbigen Pracht, es wird unwiderstehlich eronorgezogen zu jenem
feenhaften Gewirr der Tauseude blauer Licntlein über ihm, zu
dem Meere von künstlichen Sternen, welches obeu den weiten
Umkreis füllt und die Lichter des Himmels durch seinen Schein
beschämt.
Es erfordert eine geraume Zeit, bis man sich entschließen
kann, von dem fesselnden Augenreiz sich loszureissen um zu
forschen, mit welchen Mitteln man dies Zauberwerk vollendete.
Die Säule des Ganzen ist der hohe Obelisk in der Mitte. Um
seine Spitze hat man einen Gurt von leichtem Zimmerwerk ge-
legt, von welchem über ebenso viele Rollen 28 Seile ihren
Ausgang nehmen und sich gleich den Railieu eines Spinnenge-
webes üIht den Platz zu deu Spitzen tler durch Rückhaltseile
in ihrem Stand gesicherten Mastbäume schwingen, von wo sie,
abermals über Rollen geführt, zum Erdboden hiliabreieben. So
ward es ermöglicht, durch ein bei|uemes Herablassen der an .V>
Meter weit gespannten Seile das Anzünden der Lampen von der
Erde aus in einfachster Weise vorzunehmen. Nach ungefährer
Zählung trug jedes Seil 180 —200 Flammen in kleinen hluu ge-
färbten Bechergläsern, welche iu Ürahtschlingeu hängend, auf
je Ii zierliche Ampeln, iu Form von Körben, Glocken oder Ballons
aus Draht und leichtem Gaze -Gewebe zusammengesetzt, sich
vertheilteu. Hier wo bei gruppenweiscr Verthoilung der_ Lichter
eine rythmische Ordnung derselben gar nicht beabsichtigt war,
that es dein Gesammteffekt keinen grossen Eiutrag, dass viele
der Lutnpcu ihren Dienst versagten. Es blieben ihrer immer
noch genug das reizvollste sanfte Lichtgeflinimer hoch iu den
Lüften zu verbreiten, während vom Fuss des Obelisken blendend
weisses Licht ausging.
Ungern wendet man dem fesselnden Schauspiel deu Rücken,
um durch die Via di Ripetta deu Rückweg anzutreten. Es will
Digitized by Google
- 20 -
»en, der ein solche« Verfahren schon für sieh benutzt. Wir
glaubten im Interesse der Allgemeinheit fürs Erste keinen för-
derlicheren Schritt thun zu können, als diese Proben und die
Zuschrift einem namhaften photographischen Sachverständig en
mit der Kitt« zuzustellen, über Theorie und PraxiH des Verfah-
rens in eingehenderer Weise gutachtlich sich äussern zu woren,
und sind nunmehr in der Lage, unsern Fachgenossen nachste-
hend dieses Gutachten vorlegen zu können.
.Hinsichtlich des in No. 43 der deutschen Bauzeituug er-
wähnten »neuen* Verfahrens zum Kopiren von Zeichnungen auf
photographischem Wege von S. Block hierselbst bemerke ich,
dass solches nach den Resultaten, die mir Mitglieder der poly-
technischen Gesellschaft zur Begutachtung vorlegten, im Prin-
zip ganz dasselbe ist, wie das bereits in No. 22 d. Z. p. 176
mitgetheilte Verfahren von Talbot Dieses (das Talbotsche) Ver-
fahren besteht also im Wesentlichen darin, dass man lichtem-
pfindliches Papier unter der zu kopirenden Zeichnung oder Pause
oder dem Holz- oder Metall- resp. Steindruck dem Licht aussetzt
und nachher fixirt.
Photographen pflegen sich dieses lichtempfindliche Papier
selbst zu präpariren, diese Präparatiou ist jedoch für Architek-
ten und Ingenieur« zu umständlich, unsauber und kostspielig
und daher mag es kommen, dass der schon lange bekannte
Lichtpausprozess keineu Eingang in die Praxis fand. Insofern
war die Einführung eines käuflichen, haltbaren, lichtem-
pfind liehen Papieres, welches durch Mr. K. Talbot in Ber-
lin, Wilhelmstr. 101 fertig für den Handel geliefert wird, ein be-
deutender Fortschritt und hat solcher der Sache einen neuen
Impuls gegeben.
Die chemische Erklärung des Prozesses ist einfach: das
Licht wird von den schwarzen Strichen der Zeichnung zurück-
gehalten, an diesen Stellen bleibt demnach das darunter He-
uende Lichtpauspapier weiss, au ollen übrigen Stelleu färbt es
sich schwarz. Resultat also eine weisse Zeichnung auf schwar-
zem Grunde; diese genügt für viele Zwecke. Wünscht man
aber eine schwurze Zeichnung auf weissem Grunde so fertigt
mau von der ersten Kopie eine zweite nach demselben Verfahren.
Photographen nennen die erste Kopie (weiss auf schwarz) eine
negative, die andere eine positive.
Das Verfahren wird unter meiner Leitung bereits seit Herbat
1870 auf der Kgl. Gewerbeakademio mit bestem Erfolge ausge-
übt und steht es jedem Techniker frei, sich dort durch eiueue
Anschauung davou zu überzeugen. Es findet ferner Anwerbung
in sehr umfangreichem Maassc bei dem Ingeuieurkurps des Kgl.
Generalstabes, wo es zum Pausen von Karten und Plänen be-
nutzt wird, in der SchwartzkopfTschcn Maschinenfabrik, auf der
Kgl. Werft zu Danzig etc. etc.
Der Prozcsg ist an sich höchst einfach und nach der kur-
zen Gebrauchsanweisung, die Hr. Talbot gratis ausgiebt, von
jedem Unkundigen leicht auszuüben. Zeichnungen auf Paus-
papier bedürfen zur Vollendung nur weniger Minuten, dickere im
Verhältnis« natürlich mehr. Von Apparaten ist nichts weiter
nötbig als ein grosser Kopirrahmen zum Einspannen der Zeich-
- und eiu paar Holzschaalen zum Wässern der '
Kopien. Ich beziehe diese Sachen ebenfalls von Hrn. Talbot.
Wie einfach und leicht der Prozess ist, mag am besten daraus
hervorgehen, dass ich die Herstellung der Lichtpausen für mei-
nen Bedarf einem Hausdiener der Akademie überlasse.
Für Bautechniker hat aber die Sache noch eine weiter
gehende Bedeutung. Der Prozess gestattet nämlich, von Zeich-
nungen auf Pausleinen nder Pauspapier Kopien zu nehmen, die
sich verhurten wie ilild und Spiegelbild, d. h. symmetrisch sind,
je nachdem mau nämlich das Original mit der Vorder- oder
mit der Rückseite auf das lichtempfindliche Papier legt. Für
die Darstellung der Pucade eines symmetrischen Gebäudes ge-
nügt demnach die Zeichnung der einen Hälfte, die andre kann
mittelst I.ichtpausprozesses hergestellt und gegengeklebt werden.
Ebenso kann man sich die Zeichnung vieler Konstruktions-
theile, die sich oft in völliger Kongruenz wiederholen (Fenster,
Fialen etc.) ersparen, es genügt einen einzigen solchen zu ent-
werfen und die andern durch Lichtpausen herzustellen und das
Ganze durch Zusammenkleben zu vereinigen-
In dieser Weise wird der Prozess bereits von Herrn Bau-
meister Huucke in Stassfurt nach einem der Redaktion der
deutscheu Bauzeituug zugegangenen Schreiben mit sehr gutem
Erfolge benutzt. Herr Huucke bedient sich jedoch eines photo-
graphischen Negativs auf Glas; eiu solches ist at>er nicht
nötbig, die Papiernegative, welche man mit Hülfe des Liehtpaus-
prozesses erhält, leisten dasselbe. Herr Hauckc macht ferner
darauf aufmerksam, dass mau au der ersten negativen Kopie
durch Decken mit Tusche Aeuderungeu machen könne, die natür-
lich für gewisse Zwecke sehr brauchbar sind Diese Retouchc
lässt sich, wenn man will, auch wieder entfernen.
Farben stören wenig, selbst von dem photdgraphiscb ver-
rufenen Blau wirkt eigentlich nur die dünn« Aniliulosurfarbc
abnorm. Das Kolorirtu der fertigen Lichtpausen machte mir
früher Schwierigkeiten, da die Albuminoberfläche des Liebtpaus-
pupiers die Farbe schlecht annimmt. Neuerdings empfing ich
von Herrn Talbot jedoch Farben für diesen Zweck, französischen
Ursprungs, die in el<ensn leichter Weise sich auf Lichtpaus-
papier auftragen lassen, als Tusche auf gewöhnliches Papier.
Herr Dr. Jacobson, Invalidenstras.se (it>g hierselbst, hat bereits
mehre dieser Farben mit bestem Erfulg nachgeahmt.
Das Satiuircn der fertigen aufgeklebten Kopien zwischen
Rollen ist besser zu vermeiden, indem es, wie Herr Baumeister
Haucke : n seinem Brief ganz richtig hervorbebt, die Dimen-
sionen alterirt Hesser ist einfaches Pressen zwischen 2 Reiss-
brei tern mit Auflage schwerer Gewichte, oder Aufziehen der
Pausen.
Duss mau auch gewöhnliche einseitig beschriebene Schrift-
stücke damit kopiren kann, ist selbstverständlich- Ich habe
gar nicht selten Quittungen, Wechsel und ähnliche Dokumente
für gerichtlichen Gebrauch auf diese Weise kopirt, und
dürfte sich mit der allgemeineren Einführung des Prozesses, die
sicher nach und nach eintreten wird, noch eine Fülle von iuteres-
ergeben.
Dr. W. Vogel.
Dozent dor Photochemie und Photographie an der
Kgl. Gewerbeakademie in Berlin.
nach dem schönen Eindruck des zuletzt Gebotenen nicht mehr
munden, was hier aufgetischt wird. Die in etwa 25 Meter Ab-
stand von einander über die Strasse gespannten Gehänge bunter
Lampen und die in den Intervallen bald einzeln, bald paarweise
aufgehängten Licbterkronen wollen jetzt gar zu spiessbürgerlich
erscheinen. Auch hier sind grosse Geldmittel aufgewandt worden;
die Zahl derLampen lässt nicht« zu wünschen übrig. Die gewählten
Apparate aber, von denen die Skizze Fig. 4 eine Anschauung
geben wird, passen mehr für eine in kleinen Dimensionen aus-
geführte Bclcuchtuug, z. B- eines Gartens oder auch selbst noch
der Strassen einer kleinen Stadt So habe ich im vergangenen
Sommer mit gleichem Rüstwerk, nämlich bunten Lämpchen.
die von reihenweise geordneten umgekehrten Blüthenkelchen
herniederhingen, bei Kirchenfesten, welche das kleine Sorrent
feierte, sehr anziehende Wirkungen hervorbringen sehen. In
der Via di Ripetta sah nun freilich jede einzelne Lampen-
Guirlande ungemein zierlich aus, besonders tbaten sich auch
die elegant gezeichneten, aus drei flachen, nach unten sich Öff-
nenden weissen Glocken zusammengesetzten Kroncnleuchter her-
vor; im Ganzen aber nahm das Auge nur ein Chaos von feurig
farbigen Punkten wahr und sali seinem Verlangen nach ruhigen,
den Blick weiter leitenden Linien nicht entsprochen. Die Auf-
hängepunkte hätten genau abvisirt, diu Kurven der Bogenliuien
gieichmässig geregelt sein müssen, dann wäre, hätte man die
störenden korbartigen Ampeln zu beiden Seiten fortgelassen,
auch hier mit den angewandten Mitteln gewiss eiu bedeutender
Effekt erzielt worden. Es entschuldigt viel, dass alle schon beim
Corso namhaft gemachten Ucbelstähde , nämlich kleine Ab-
weichungen in der Richtungslinie uud in der Breite der Strasse,
bei der Via die Ripetta im erhöhten Maasse sich vorfinden.
Ermüdet biegt mau endlich zur Seite ab und gönnt dem
Auge einige Erhohlung. Bald aber brirht nochmals ein greller
Lichtstrom sich Bahn, der von der Mitte der Piazza della Ro-
tonda ausgeht. Fächerartig breiten grosse I'almenblättcr, an
ihren Enden mit züngelnden Gasflammen besetzt, die Anne aus.
Ihr Stumm ist der kleine Obelisk auf der Foutainc vor der ehr-
würdigen Säulenhalle des alter.-schwarzen Pantheon. So ist der
kleine Platz von blendend weissem Licht erfüllt Das düstere
Gestein des Römerbaues, dem nur die südliche Sonne Licht und
Schatten zu verleihen weiss, wird nicht dadurch erwärmt Doch
plötzlich lösen die schlanken Säulenschafte und das Eisenwerk
der Gitter gespenstergleich vom Hintergrunde sich ab, den
blutrothes bengalisches Licht in glühendes Eisen umzuwandeln
scheint.
Diese Ruhe und Einfachheit der Linien- und Farben-Wirkung
bildet gewiss den befriedigendsten Abschluss nach der Fülle
sinnverwirrender Lichtgebilde.
Ueberblicken wir nochmals die Leistungen des Munizipiums
und des Cuv. Ottino, so ist nicht zu verkennen, wie viel Gross-
artiges uud der Bedeutung des Tages Würdiges iu's Werk ge-
setzt worden, und mit ganzer Befriedigung dürfen diese sich
sagen, dass sie das Mögliche geleistet haben. Hingegen sehen
wir uns nach dem um, was ausser der guten Feiertags - Laune
die Einwohnerschaft selbst zum gläuzcndou Verlauf des Festes
beigesteuert hatte, so begegnen wir fast einem leeren Nichts.
Am Tage zwar hatte jede Strasse sich in den grün-weiss-r
patriotischen Fahnenschmuck gehüllt, am Corso waren
der Strecke, welche der König zu passiren hatte, als er zur
ParlamentserJiffnung fuhr, Tcppiche ausgehängt und einige
Balkone waren mit bunten Stoffen ausgeschlagen wie zum Car-
ueval. Doch am Abend wie kümmerlich! Freilich hatten in
dem Strassenzuge, der für die Illumination bestimmt war. viele
Hauseigenthümer eine Betheiligung an der Beleuchtung ver-
sucht, allein mit jämmerlichen Mitteln! Zumeist waren nur
einzelne, trüb scheinende Papierlaternon, an ihrer Vorderseite
mit dem Bildnisse des Königs, horribile dictu in Druckerschwärze
bedruckt, au die Fenster gestellt, die wie uus schmutzigem
Löschpanier zusammengeklebt schienen : Andere glaubten durch
das Aushängen einiger bunten Ballons ein Uebriges gethan zu
haben. Aber wie missmuthig und träge schaute das Alles drein.
Es wäre besser gänzlich unterblieben.
Der Italiener freilich empfindet diese Kontraste nicht,
denn seine Sinne nimmt der Glanz der offiziellen Lichter ganz
gefangen.
Nun wohl! ein jedes Volk hat seine Art im Grossen wie im
Kleinen, und hält sie hoch. Lassen wir den Italienern die ihre
und halten wir die unsere in Ehren.
Rom, 5. Dezember 1871. P. Laspeyres.
Digitized by Google
Mittheilungen aus Vereinen.
Ostpreusslsoher Lngonlour and Architekten -Verein
Mouatsversamniluug, Donnerstag den 4. Januar 1N72.
Der Vorsitzende Hr. Herzbrucb machte Mittheilungen über
den in Hamburg für die Uuterelbc gebauten Eisbrecher No. 1-
Derselbe Mi ein eiserne« Schrauhenschiff von 41"" Kiellängc,
10™ breit im Mittelspant, Tiefgang hinten leer 3.8™, bei voller
Ladung 4.4 m , während vorne sehr geringer Tiefgang sei, damit
das Schiff leicht auf das Eis hinauflaufe und dasselbe durch
sein Gewicht (380T) zerbreche. Selbstverständlich sei das.-clbe
stark konstruirt und namentlich die Sehifl'shaut im Buir ent-
sprechend stark. Die Stärke der Maschine wird zu 24U Flerde-
kraft angegeben. Der Eisbrecher soll 0,3'» starkes Eis mit Ge-
müthlichkeit durchschneiden. Im hinteren Theile des Schiffes
sollen Wasserkasten zum Füllen und raschen Entleeren vor-
hauden sein, um dadurch den Tiefgang des Schiffes reguliren
zu können. Zu vollständigen Versuchen hat es au Eis gefehlt
— man hofft die Fahrt auf der Viitcrelbe bis Hamburg dadurch
offen halten zu können.
Zur Begutachtung der Gruudzüge zur Berechnung des Ho-
norars für Arbeiten der Bau-Ingenieure wurde eine Kommission,
bestehend aus den Herren Hesse. Heumanu, Ostendorff.
Lademanu, Wulff und Tackmann gewühlt.
Ferner wurde beschlossen, diu M onat sversamtn luugen
von jetzt an auf dem üstbahuliof am ersten Donnerstag ,
im Monat zu halten und den Mitgliedern jede» Mal Karten zu- I
zustellen, damit der Tag nicht in "Vergessenheit geruthe.
Zweigveroin dea saoha. Ingenieur- und Architekten-
Vereins zu Zwickau. Versammlung 1. -lanuar. Der Vorsitzende
bringt die Frage über Einführung bautechnischer Schieds-
gerichte zur Besprechung. Nach eingehender und lebhafter
Diskussion wird der einhellige Beschluss gefasst. deu Vcrwal-
tungsrath des sächs, Ingen.- u. Arch.-Ver. zu ersuchen, das völ-
lige Einverständnis« mit den Anschauungen des Berliner Ver-
eins in der Voraussetzung auszusprechen, dass die Einführung |
von Schiedsgerichten für alle technischen Fächer erstrebt und
deingeniäss das Wort „bauteehnisch" in „technisch" um-
gewandelt werde. Dieser Beschluss, welcher der Zusammen-
setzung des sächs. Ingen.- u. Arch.-Vcr. entspricht, soll dem
Verwaltungsrath des letzteren mit dem Ersuchen zugefertigt
werden, all seinen Einftuss auf dessen Durchführung zu ver-
wenden, da ganz dieselben Motive, welche für die Einführung
bau technischer Schiedsgerichte angeführt sind, auch für die
Einführung solcher Gerichte für alle übrigen tcchuiscbcu Fächer
sprechen, voraussichtlich häufig viele derselben kollidireu wür-
den und jedenfalls eine derartige Erweiterung der gesammten
Technik zu Gute komme.
Von einer speziellen Berathung der unter No. üu 12 ff. des
Protokolle« über die Abgeordnetun-Versammlung des Verbandes
deutscher Architekten und Ingenieure aufgeführten Punkte, die
Norm für das Honorar der Bauingenieure und die Grundsätze
für Konkurrenzen im Bau - Ingenieurwesen betr., wird vorläufig
abgesehen , und zunächst diese Angelegenheiten einer Kommis-
sion zur Berathung und Berichterstattung übertragen. Auf
Vorschlag werden hierzu Hr. Direktor Becker, Hr. Bctriubs-
Lngenieur Bleyl und Hr. Chaussee-Inspektor Döhucrt gewühlt
und dieselben ermächtigt, sich durch Zuwahl zu verstärken.
Mit Rücksicht auf die noch immer vergebens erwartete
Ministerial -Verordnung, die Einführung des neuen Ziegelfor-
mates betr., wird beschlossen, den Verwaltungsrath des Haupt-
vereina um nochmaliges Vorgehen in dieser Angelegenheit, und
zwar in Gemeinschaft mit dem Vorstand des sächs. Baugewer-
kenvereins zu ersuchen.
Schliesslich findet ein bereits früher vom Vorsitzenden ge-
machter Vorschlag allgemeine Annahme, nach welchem die Ver-
sammlungen nicht wie zeither einmal, sondern zweimal im
Monat, und zwar an jedem zweiten und vierten Donnerstag
Abends */> 8 Ihr stattfinden sollen, um Zeit zu grosseren Vor
tragen aus den verschiedensten Fächern der Technik zu gewin-
nen und das Djteresse au den Vereiusversammluugeu zu erwei-
tern. Der von Hrn. Hütten-Ingenieur Ehrhardt zugesagtu Vor-
trag über verzinnte Stahlbleche musste wegeu vorgerückter Zeit
ausgesetzt bleiben. — ck. -
Arobitekton und Ingenieur-Verein zu Hannover. Ver-
sammlung, am 10. Januar 1872 , Vorsitzender Baurath Hagen.
Es erfolgt die Aufnahme von 7 neuen Mitgliedern, und dar-
auf die Wahl des Vereins- Vorstandes.
Es wurdeu gewählt: als Vorsitzender Baurath Hase, als
Stellvertreter Baurath Hagen, als Sekretair Prof. Lauuhardt,
als Stellvertreter Wasser-Bau-Inspektor Hess, als Bibliothekar
Bau-InBpektor Auhagen, als Redakteure Prof. Treuding und
Laudbau-lnspektor Pape, als Kassenführcr Ober-Bau-lnspektor
Voigts.
Baurath Hagen trägt darauf über die Wasserversorgung
der Stadt Hannover vor, indem er zunächst die bestehenden,
für die im raschen Wacbsthum begriffene Stadt durchaus un-
genügenden Verhältnisse der Wasserversorgung durch das alte
städtische Wasserwerk vor Augen führt, sodann aber die not-
wendigen Bedingungen für eine neue Anlage präzisirt.
Das neue W asserwerk muss zu allen Jahreszeiten für sämmt-
liche WasBurbedürfnissc, ausserhalb wie innerhalb der Stadt
hinreichen.
Das Wasser muss frei sein von allen schädlichen Beimen-
gungen, sowie von Verunreinigungen: es muss an jeder Stelle
der Stadt, sowohl in den Leitungen, wie im springenden Strahl
in die höchsten Stockwerke der Häuser reichen.
Ks miins billig geliefert werden und das Unternehmen der
Wasserversorgung noch rentabel bleiben. Als Minimum der
Wassermeng« nimmt er l. r >4iiü kb m pro Tag oder 0,01 kbm pro
Kopf au. Zur Beschaffung dieses Wasscrquautuius sind die
Quellen in der Nähe Hannovers nicht ausreichend. Es sind
Leitungen von Quellen aus dem Deister Gebirge (4 — 5 Meilen
weit) in Vorschlag gebracht , doch auch das Tagewasser des
Deister ist unzureichend, die unterirdischen Abflüsse sind theils
durch Bergbau verunreinigt, theils auch Zweifel über die Reich-
haltigkeit derselben begründet. Die Anlage artesischer Brunnen
hat sich auch als ein unzuverlässiges Unternehmen erwiesen.
Es bleibt also nur die Entnahme aus dem Leinefluss direkt oder
indirekt als sicher ausreichend übrig, und wird daher die Ge-
winnung des Wassers und künstliche Filtration mittels Brunnen,
die im groben Kiese des Leinethaies gesenkt werden, empfohlen.
Als Reserve möchte die Entnahme direkt aus dem Fluss uud
Klärung des Wassers durch Filterbassius dienen. Als Empfeh-
lung für die Art der Anlage dieueu in anderen Städten ge-
lungene ähnliche Unternehmungen.
Für die Gewinnung des Wassers empfiehlt sich das Terrain
südlich der Stadt, am linken Ufer der Leine, vor deren Spal-
tung in Arme; für Anlage des llorbreservoirs das Plateau des
Limiener Berges, 4n,2«> über dem Oberwasser der Leine.
Es entspinnt sich eine längere Debatte, indem der Giesserci-
Direktor Westendarn der Wasser - Entnahme aus ouell-
reichen Gegenden des Deister das Wort redet , doch wird die
Ausgiebigkeit der genannten Quellen, sowie die Zweckmässig-
keit einer derartigen Anlage für die lokalen Verhältnisse über-
haupt mehrfach bestritten uud der Wasserreichthum des Deister
namentlich durch Regierung«- uud Bauruth Keil, auf Grund
vielfach gesammelter Beobachtungen und Thatsachen bezweifelt
und zu Gunsten des Hagen' sehen Projektes durch Direktor
Kirchweger die Wasserversorgung Leipzigs augeführt und
mit vielfachen Angaben erläutert.
Die Feier des Stiftungsfestes des Vereins, die gewöhnlich
in der Januar-Versammlung stattfindet, ist auf deu «. Februar
vertagt worden. — r. —
Architekten- und Ingenionr- Vorein zu Cassel. Am 5.
d. M. feierte unser Verein sein XL Stiftuugafest im festlich ge-
schmückten grossen Saal des neuen Kunsthauses dahier, in
welchem für dieses Fest von den Gewerkschaften hiesiger Um-
gebung eine Anzahl schöuer Arbeiten aus gebranntem Thon,
sowie Architekturstücke aus Serpcntiu ausgestellt waren.
Nachdem sich Abends K Uhr etwa 70 Personen (Mitglieder
und Gäste) eingefunden hatten und dieselben durch den Vor-
sitzenden, Herrn Rudolph, begrüsst waren, sprach Herr Küm-
mel in interessanter Weise über die Lage der Stadt Mexico
uud gab kurze Notizen über einige Hauptbauten derselben, ins-
besondere die Kathedrale, das Colegio de la Mineria u. a., ferner
über bauliche Einrichtungen der Mexicaner im Allgemeinen uud
über die Eisenbahn nach Guadalupe.
Nach Beendigung dieses Vortrages begann das Festmahl,
bei welchem muntere Reden und Scherze abwechselten, so dass
die Versammlung in heiterster Stimmung bis zu später Stunde
zusammen blieb.
Die General- Versammlung des Deutschen VereinB
für Fabrikation von Ziegeln, Thonwaaren, Kalk und Zement
findet in diesem Jahre am SSw, '2b'- und 27. Januar in den Räu-
men der polytechnischen Gesellschaft, Berlin, Neue
Friedrichstrasse 35 statt Wie in den frühereu jährlich wieder-
kehrenden Versammlungen des Vereins soll der erste der Sitzuugs-
tage ausschliesslich dem Interesse der Ziegel- und Thonwaaren-
Industrie gewidmet sein; am zweiten Tage werden vornehmlich
solche Fragen auf die Tagesordnung gesetzt werden, welche von
allgemeinem Interesse für alle in dem Verein vertretenen In-
dustriezweige erscheinen; der dritte wird speziell der Kalk- und
Zementfabrikation gewidmet bleiben.
In- IVoL'ranviii, -"weit i - bis jetzt festgestellt ist, wird
namentlich folgende Gegenstände enthalten:
Torfstechmaschine zur Aushebung von Wieseukalk und Thon
unter W : asser. — Entwässerung von Thougrubcu. — Thonför-
derung bei Frostwetter. — Künstliche Erwärmung von Trocken-
räumeu in Ziegeleien. — Winterproduktion auf Ziegeleien. —
Leber Schwarzwerden heller Steine. — Schutz der Schieber im
Ringofen. — Brennen glasirter Röhren im Ringofen. — Ziegel-
pressen und Forniinasehinen. — Härten und Glasireu von Steinen.
— Feuerfeste Ziegel. — Dinusstciuc. — Gasfeuerung. — Ver-
grösserung von Oefeu. — Ark'itcrstrickcs. — Arbeiterwohuungeu.
— Seiltrausportbahneii. — Hebevorrichtungen. — Senkrechte und
schräge Kalkfördeniug. — Zement für Ofeubauten und zur Orna-
meutiruug von Stubenöfen. — Konkretbauteu und Zemeutsteine. —
Von Vorträgen werden folgende vorkommen: Ueber die
Bewegung der 1' euergaso in stehenden und liegenden Oefen. —
Ueber Drahtseilbahnen.
Wie bisher werden währeud der Vcrsuiumlungstagc Produkte
verschiedener Etablissements, Modelle etc. zur Ausstellung ge-
Digitized by Google
- 23 —
Arohitekten-Verein zu Berlin. Versammlung am 13. Jan.
1872; Vorsitzender Hr. Bockmann, anwesend 15« Mitglieder
vind 2 Gäste.
Mehre geschäftliche Mittheilungen eröffnen die Sitzung. l>er
Böhmische Architekten -Verein ludet den hiesigen zur Beschik-
kuug der am 18-20. März d. J. von ihm zu veranstaltenden
architektonischen Ausstellung ein; der Verein beschliesst. wie
in früheren %Tahren der Einladung zu folgen und beauftragt die
Monats-Konkurrenz-Komtnissioii mit der Auswahl und Ueher-
sendung geeigneter Arbeiten. Eine von dem Verein .Baubude*
eingesandte Bearbeitung des Entwurfes zur neuen Bau-Polizei-
Ordnung wird der im Vereine zu gleichem Zwecke bestehenden
Kommission überwiesen.
Seinem gegebenen Versprechen nachkommend, fordert der
Vereiuswirth, Hr. Plcssner zu einer Konkurrenz für einen Ver-
eins-Speisesaal auf. Er hat die Lücke, welche zwischen dem
gegenwärtigen Sitzungssaal und dein II int erlüg«! seines Wohn-
hauses liegt und zur Zeit von Stallgchäudcu eingenommen
wird, uls Bauplatz für diesen Saal bestimmt, der hiernach 7,6"'
Breite bei 15"> Tiefe o<ler ziemlieh genau '» von der Grund-
fläche des gegenwärtigen Saales erhalten würde. (Die beabsich-
tigte Hohe von 5™ würde annähernd bis zum Kämpfer der
jetzigen Saalfenster reichen, dem Sitzungssaal also von dieser
Seite ziemlich alles Licht entzogen werden.) Die Konkurrenz-
bediugungen nebst der Lithographie des Bauplatzes werden vou
Vercinssekretär zu entnehmen
Facade
Es folgt hierauf der Vortrag des Hm. A. Jahn über die
»de des Domes zu Florenz, anknüpfend an die Photographie
Vermischtes.
wie in den
Amerikanische VorBtadthäuser.
ren Stählten Europas die Wohnungnoth, d. h. der Mangel an
billigen und bescheidenen, dabei alter doch auch bequemen Wohn-
häusern immer grossere Dimensionen annimmt, so ist auch in
den grosseren Städten Amerikas ein eigenes Heim ein Luxus,
deu sich nur Wenige erschwingen können, welche in mittleren
Verhältnissen leben. Und, wem die Misere der Mietwohnun-
gen unerträglich ist, muss eben aufs Land ziehen und demnächst
tagtäglich bei Wind und Wetter wie bei Sonnenschein den Weg
nach und vom (iesehäftlokal mit Eisenbahn, Dampfschiff. Fähr-
boot, Stadteisenbahn oder Omnibus zurücklegen, ja sieh oft der
Marter säuimtlicher dieser Fortbewegungs- und 'Beförderungs-
mittel geduldig unterziehen.
Bnl-e<«ho«>,
Erat-r
T—T
T
I I I I
in & 10 n
, iJ. Beiu<-ti*simin*r, C. SrhlK/iimnirr, D. Kiirhr,
F. Kobinrt, f.", Wuitu'lirank.
Sf.ol.cki
Diu Lots oder Bauplätze in den Vorstädten oder der näch-
sten Umgehung grosserer Städte sind aber noch immer gar hoch
iiu I reise, uud dem, der das Ziel errungen, entsteht danu erst
die keineswegs leichte Aufgabe, sich darauf ein Haus mit mfis-
siKei» Kosten herzustellen, das bei der Beschränktheit des Grund-
stückes doch möglichst allen Ansprüchen an zierliches Aussehen,
bequeme und gesund« Einrichtung, vielleicht auch an einige
Eleganz im Aeusscrn und Innern genügt.
Wie amerikanische Architekten diese Aufgabe lösen, davon
sei hier ein einfacheres Beispiel niitgetheilt
Das Häuschen, von dem wir zwei Grundriss-Skizzen und
zwei Ansichten geben, Ist im Holzbau auf massiven Fundamenten
errichtet und misst in seinem zwoist. Ick igen Hauptkörper «,10™
Breite bei 8,.>|m Länge, demselben ist ein einstöckiger Anbau von
4,8« und 3,«fi« angefügt. Es empfängt Licht von allen Seiten
und ist mit seiner Gichclfacade der Strasse zugekehrt.
Der Haupteingaug führt auf dieser Seite in einen nur ljr2 m
breiten Flur, in dem die schmale Treppe zum Obergeschoss auf-
steigt Rechts liegt das 4,12X4,4«" grosse Besuchszimmer, das
mit einem um 0,5« nach der Strasse vorkragenden Balkon ver-
sehen ist, dahinter 3,8» tief in ganzer Breite de^ Hauses das
nach dem der Ausführung zu Grunde gelegten Entwürfe des
Architekten de Fabri«. welche dieser dem Verein zum Geschenke
macht Eine Bearbeitung dieses Stoffes hat der Vortragende
mit Abbildung einiger der interessantesten , aus jener Kon-
kurrenz hervorgegangenen Entwürfe der deutschen Bauzeitung
zugesaut.
Mit einigen von den Herren Schwedlor, Streckert uud
Qhiassowski beantworteten Fragcu schtoss die Sitzung aus-
nahmsweise früh. Denn schon den Eintretenden hatten im
Vorsaal die „pfälzischen Liebesgaben" begrüsst, wie mysteriöser
Weise in der Anzeige die 4 wohlbeleibten F5.ss.cheu Sneyerischen
Sonnen-Bieres benannt waren, welche der ufalz-baynsche Archi-
tekten- und lugeuieur- Verein als ersten kollegialischen Verbands-
Gruss uns übersandt hatte.
Der köstliche Trank, der leider nur zu schnell vor dieser
„Arheitsthcilung" verschwand, belebte sehr rasch die Stimmung.
Ks überschreitet die Uefugnisse des Berichterstatters, über diese
ausserordentliche Sitzung zu referiren. Erwähnt sei nur noch,
duss der Dank der (»'messenden in einem trefflich exekutirten
Salamander Ausdruck fand, der in schöne Verse übersetzt den
freundlichen Gebern tel-grupbisch übermittelt wurde. — Sicher
erweckte dieses fröhliche suugreiehe Beisammensein auch in den
hartnäckigsten Zweiflern die Ueherzeugung, das« die in uusenn
Verein so sehr darniederliegende Geselligkeit nur eines glück-
lichen Ausbisse*, eines günstigen Bodens bedarf, um blühend
aufzuspriessen. Möge der nächste Winter den Beweis liefern,
das* der von Herrn Plessner beabsichtigte Saalbau die
günstigen Boden schafft! L.
Wohnzimmer. Der Anbau enthält die unterkellerte Küche, aus
der ein Ausgang nach dem Hofe führt , mit Speisekammer und
Wandschrank.
Im oberen (Jeschoss belinden sich über dem Wohnzimmer
zwei Schlafzimmer. Der Kaum über dem Besuchziiumer uud
einem Theil des Flurs wird vou uiuer Stube mit Kubinct uud
Wandsehrank eingenommen, die als besondere kleine Wohnung
vermiethet werdeu. Der Dachraum dient zum Aufbewahren des
Brennholzes.
Die Geschosshöhen betragen unten 3,05", oben 2,74", unter
Dach 2,13">. Die architektonische Ausbildung, die sich im
Aeusseren auf einige Holzzierrathen beschränkt und ihren Cha-
rakter durch das weit ausladende Dach und die Verdacbun^eu
der Thür- uud Fensteröffnungen empfängt, ist selbstverständlich
eine höchst einfache. Die Baukosten betragen indessen auch
nicht mehr als 3000 Dollars. A. D.
Die Beratbus k- über den Etat des Handelsministeriums
im preusalschon Abgeordnetenhauso hat am 1H. Januar zu
einer für unser Fach höchst interessanten uud wichtigen Diskus-
sion geführt, in welcher die Verhältnisse des deutschen Gewerbe-
Museums, der Bau-Akademie, des Ausbildungsgaugcs der Preus-
sischen Staats -Baubeamten u. A. besprochen wurden. Wir
müsscu unsere Leser vorläufig auf die Berichte
Blätter verweisen, werden nach dem Erschein
graphischeu Berichtes jeduch nicht verfehlen, näher auf
Angelegenheit zurückzukommen.
Gustav Martens f. Aus Kiel ist die seit längerer Zeit
befürchtete Trauerkunde von dem Tode des Architekten Gustav
Martens, der bekanntlich seit einer Reihe von Jahren als
Stadtbaumeister daselbst wirkte, eingetroffen. Was der Ver-
storbene, als einer der phantasievollsten und originellsten Ver-
treter der modernen Gothik durch seine zahlreichen Bauten zur
Entwicklung der neuereu deutschen Baukunst beigetragen hat,
wird sobald nicht
Aus der Fachliteratur.
Organ für die Fortschritte des Eisenbahnwesens.
1870 — 71. l>cr durch den Krieg hervorgemfenen Störungen
und anderer Verhältnisse wegen waren wir in den letzten Jahren
nicht in der Lage, Heferate aus dem Organ zu bringen- Um
damit in regelmässiger Reihenfolge wieder zu beginnen, wollen
wir zunächst einige der wichtigsten Mittheil uugen jener Zeit-
schrift über Eisenbahn-Oberbau aus deu letzteu beiden Jahr-
gängen ganz kurz zusammenfassen.
I. Eiserner Oberbau. Derselbe ist aus dem Versuchs-
stadiura noch nicht herausgetreten. Nach den „Referaten über
die Beantwortungen der für di ; V. Versammlung der Techniker
deutscher Eisenbahn - Verwaltungen aufgestellten Fragen" (Org.
Ih71 n. 41) ist das allgemeine Resultat, welche* aus den uiit-
get heilten neueren Erfahrungen in Anwendung des ganz eisernen
Oberbaues hervorgeht, noch immer ein ziemlich unbestimmtes.
Das dreitheilige System sowohl mit hoher als mit niedriger
Unterschieue wird der zu geringen inneren Beweglichkeit und zu
kostspieligen Unterhaltung wegen von der Hannoverschen und
Württembergisehen Bahn getadelt. Jedoch ist das dreitheilige
System mit hoher Unterschiene von der Braunschweigiseheu
Bahn mit gutem Krfolg zu ausgedehnterer Anwendung gebracht.
Das System Hart wich ist in der Beschaffung billig, während
des Betriebes sicher und fest und bei Wiederherstellungen
wegen seiner Einfachheit vortbeilhsft, erfordert jedoch hohe
Unterhaltung*- und Krneuerungskosten und fährt sich hart-
Systeiu Hilf wird von der Nassauisehen Buhu, auf der e*
allein lur Ausführung gekommen ist, durchaus günstig beurtheilt.
Digitized by Google
24 —
Ebenso wird das Querscbwcllensystem Vautherin bis auf die
en Unterhaltungskosten im Allgemeinen günstig beurtheilt.
Die Beschaffungskosten ur. lfd. Meter excl. Bettuugsinaterial
sind: Dreiteiliges System (Scheffler) 11.41 Thlr., System Hart-
wich 7 bis 8 Thlr., iweitheiliges System (Hilf) ll.fi Thlr., System
Vautherin nur wenig theurer als rlolzschwellennberbau.
Auf Grund dieser Referate hat die im Juui 1871 zu Ham-
burg abgehaltene Technikerversammluug (Org. 1871 p. 193) an-
erkannt, ,daäs der eiserne Uberbau unter Umstünden entschie-
dene Vortheile bietet, aber keinem der bisherigen Systeme her-
vorragende Vorsüge einzuräumen sind. Ks wird empfohlen, mit
i verschiedenen Systemen noch weitere vergleichende Versuche
eben haben unterschlagende, für den krummen Strang gekrümmte
Zungen (so dass Links- und Rechtswegen verschieden sind';
die Neigung der Weicheuherzstücke betrügt durchweg 1:10. Es
Eine sehr übersichtliche tabellarische Zusammenstellung
der bisherigen Ausführungen von eisernem Oberbau enthält das
Organ v. 1870 p. 156. Es geht daraus hervor, dass sich bis
dahin 19 Bahnen des Vereins deutscher Eisenbahnverwaltungen
an den Versuchen betheiligt haben, und dass 296 463"> »der 39,5
Meilen von ganz eisernem Oberbau ausgeführt resp. in der Aus-
führung begriffen sind. Davon kommen 152066™, also über die
Hälfte, auf das System Hart wich.
Von Projekten für neue eiserne Oberbausysteme ist hervor-
zuheben dasjenige von Hermann Baer in Mannheim und Adolph
Roth in Baden für dreitheiligen Oberbau mit stählerner Fabr-
schienc (Org. 1870 p. 192).
Uebcr die in Frankreich und Belgien zur Ausführung ge-
kommenen eisernen Ouersehwclleusysteuie uud die dabei auge-
wandten Schienenbcfestiguugen giebt ein Reisebericht des Inge-
nieurs der Rheinischen Bahn Vojacek (Org. 1871 p. 13) sehr aus-
führliche Mittheiluugen.
Hieran schlicsst sich nach Henry Bellet's Befestiguugssystem
für Vignole-Schicnen auf Vautherin-SchweHen (Org. 1870 u. 145).
2. Stahlschienen. Auch über Stahl- und Stahlkopf-
schienen sind laut den Hamburger Beschlüssen (Org. 1871 p. 193)
die Beobachtungen noch nicht umfassend uud eingehend genug,
um ein endgültiges Urtheil füllen zu können. Doch lassen die
bisher gewonnenen Erfahrungen auf ein günstiges und Ökono-
misch vortheilhaftea Verhalten hinreichend schliesson. Die Ein-
kliukungcn bei Stalilschienen aufzugeben kann vor der Hand
nicht empfohlen werden. Die Eiuklinkungen siud aber an den
Ecken sorgfältig abzurunden, auch die Schienen thunlichst nur
an den Enden einzuklinken.
Die diesem Beschluss zu Grunde Hegenden Beobachtungen
(Org. 1871 p. 28) sind über Puddelstahlschienen von 8 Verwal-
tungen angestellt und bei 3 sehr günstig, bei .'1 zufriedenstellend,
bei 2 ungünstig ausgefallen. Zcmcntirte Schienen hielten sich
von 3 Verwaltungen bei einer im Allgemeinen gut, bei der an-
dern nicht gut, bei der dritten hielten sich solche Schienen mit
gehärtetem Kopf ganz schlecht, mit nicht gehärtetem Kopf bis-
ner sehr gut. lieber Gusstahlschienen haben sich 10 \erwal-
tungen geäussert, und zwar 7 derselben günstig, 1 ungünstig,
während 3 nur ihre Resultate in Zahlen ohne bestimmtes Ur-
theil mittheilten.
Auch in Amerika beschäftigt mau sich mit Versuchen über
Stahlachicncn (Org. 1871 p. 33). Die Berichte der 26 Bahnver-
waltungeu, von denen dies in eingehender Weise geschehen ist,
sollen im Allgemeinen sehr zu Gunsten der Stahlschiencn lauten.
In Belgien wirft man den Stahlschiencn vor, dass sie einen zu
hohen Grad von Politur annehmen.
3. Steinwürfel-Oberbau. Auf der Taunusbahn, wo
schon seit 1839 Steinwürfel-Oberbau liegt, stellen sich die Unter-
haltungskosten desselben bedeutend billiger als bei Holzschwellen-
oberbau (ungefähr wie 1:3) (Org. 1870 p. 205 und 1871 p. 236).
In Württemberg sind seit 1867 ca. 21300- Geleise mit Stcin-
würfcl- (stellenweise auch Zemcntwürfol-) Oberbau ausgeführt.
Die Anlagekosten sind nicht sehr bedeutend theurer als bei
Holzschwelleuoberbau (sie verhalten sich dazu etwa wie 5 zu 4);
doch ist, nach dem offiziellen Bericht über diesen Oberbau, für
ein endgültiges Urtheil auch jetzt noch die Zeit seines Beste-
hens zu kurz. (Org. 1870 p. 194, vergl. auch ebenda p. 139).
4. Konstruktion der Weichen. Hier ist aus dem Jahr-
gang 1870 (p. 226) dio von Clement A Paraviciui patentirte
Sicherheitsvorrichtung hervorzuheben, vermöge welcher unvoll-
ständig geschlossene Weichen durch die gegen ihre Spitze fah-
renden Fahrzeuge selbst geschlossen werden.
Ein neben der Anschlagschiene unmittelbar vor der Zun-
genspitze befindliches Pedal, welches bei geschlossener Weiche
mit Schienenoberkante bündig liegt, hebt sich vermöge eines
mit der Weiche durch eine Zugstange verbundenen Hebelwerks,
sobald das Oeffnen der Weiche beginnt. Wenn die Weiche halb
offen ist, steht es am höchsten. Es sinkt wieder auf Schienen-
oberkanteubohe herab, sobald die Weiche in dem einen oder an-
deren Sinne geschlossen wird. Ist die Weiche theilweise ueoffuet
und ein Fahrzeug nähert sich ihrer Spitze, so drückt das erste
Rad auf das gehobene Pedal und schhesst, indem dies auf die
Zugstange wirkt, die Weiche. Die Vorrichtung ist so einfach und
scheiut (soweit sich dies ohne cigeue praktische Versuche beur-
theilcn läaat) so zuverlässig, dass sie sich wohl zur ausgedehnten
Anwendung empfehlen dürfte.
Jahrgang 1871 enthält (p. 173) einen sehr ausführlichen,
mit vielen Abbildungen ausgestatteten Aufsatz des Baumeister
Abresch über die neuen Weichen und Geleisekreuzungen der
Goln-Mindener Bahn. Es wird hier die Neigung der Schienen
auch in den Weichen und Kreuzungen durchgerührt. Die Wei-
werden "auch englische Weichen, Kurvenweichen uud dreithciligo
(dreiwegige) Weichen mitgetheilt Diese letzturcn sind nicht so
konstruirt, wie es in ausserdeutschon Ländern üblich ist, dass
die beiden Weichen vollständig ineinander fallen: es ist nur
die zweite Weiche zwischen die erste Weiche und deren Herz-
stück, und zwar so dicht als möglich an die Weiche sulbst heran
gewhoben. — W. H. -
Konkurrenzen.
Konkurrenz fUr Entwürfe zur Anlage eines neuen
Stadttheaters In Mannheim. Unter Hinweis auf die Bekannt-
machung in der heutigen Nummer unsere?) Hauanzeigers ver-
fehlen wir nicht die Facbgcuosscu auf diese interessante Aufgatte
ganz besonders hinzuweisen. Der Termin zur Einreichung der
Skizzen ist bis Mitte März zwar ziemlich knapp bemessen, dürfte
jedoch für einen Architekten, der solcheu Arbeiten uicht ganz
fremd ist, ausreichen. Auch gegen die Hohe des Preises (400
Thlr. für eine Skizze mit Erläuterungen), sowie die Zusammen-
setzung des Preisgerichts ist Nichts einzuwenden.
Konkurrenz für den Kölner Dom. Wir entnehmen der
Beilage z. Anzeigur f. d. Kunde d. deutschen Vorzeit, Nr- 12.
S. 392 folgendes:
Das Metropolitan -Domkapitel von Köln hat durch Aus-
schreiben vom 10. Dezember sieben bewährte Meister der kirch-
lichen Baukunst zu einer Kouk urrenz behufs Beschaffung
eines Gesamml planes für die innere Ausstattung des
Köln er Doms eingeladen. • Laut des beigeschlossenen ausführ-
lichen Programms haben die koukurrirendeu Kunstler vorzu-
legen: einen Plan zu einem neuen Hochaltar. Pläne zu einem
erzhisch6Hichen Throne von Holz, zu einem Chorabschlusse in
Form eines Lettners, zu Beichtstühlen und pinen Plan zu einer
Kanzel. Ausserdem werden gutachtliche Acusseruiigen gewünscht
über Beflurung, Beleuchtung und die innere Behandlung der
Wände u. s. w. Der äußerste Einsemlungsterunn ist der 8. De-
I zember 1872.
Hierzu gestatten wir uns ein Paar Fragen, um deren Be-
antwortung diejenigen Fachgenossen, welche der Sache näher
stehen oder speziellere Kenntniss erhalten haben, gebeten wer-
den. Ist die Staatsbehörde bei dem Konkurrenz- Ausschreiben
direkt oder indirekt betheiligt? Wie heissen die sieben bewähr-
ten Meister? Wie lauten die Prngrammsbcdiugungen wegen der
Jury, des Honorars etc-? X.
Personal - Nachrichten.
Preussen.
Ernannt: Die Baumeister Grüttefieu, Kottenhoff,
Pauly, Emil Reuter und Naumann zu Kgl. Eisenbahn-Hau-
meistern bei der Bergisch -Märkischen Eisenbahn. Der Eisen-
bahn-Baumeister Melchior« zu Unna zum Eisenbahn-Bau -
Inspektor bei der Brcslau-Mitlclwalder Eisenbahn in Breslau.
Der Baumeister Edg. Schmiedt zu Halle a. d. Saale zum Eisen-
bahn-Baumeister bei der Bergisch - Märkischen Eisenbahn in
Unna. Der Wasserbaumeister Opperman zu Meppen zum
Wasserbau -Inspektor daselbst. Der Haumeister Bruns zu
Düsseldorf zum Landbaumeister uud lechnischeu Hülfsarbeiter
bei der Kgl. Regierung daselbst
Versetzt: Der Landbaumeister uud technische Hülfsarbeiter
bei der Kgl. Regierung zu Cöslin, Killburgor an die Kgl.
Regierung zu Erfurt. .
Der Kreishaumeister Massing zu Trier ist als kreis-hom-
muual-Baumeister daselbst angestellt worden.
Dem ordentlichen Lehrer der lugeuieurwissenschaften au
der polytechnischen Schule zu Hannover, Launhardt, Ist das
Prädikat „Professor" beigelegt wurden.
Am 6. Januar c. haben das Baumeister-Examen be-
standen: Heinr. Willi. Rieh. Kuttig aus Wöllstein, Julius
Franck aus Kirchwahlingcu. Felix Schmidt aus Brünn.
Das Bauführer-Examen haben bestanden: Theodor Böhm
aus Cleve, Immanuel Frommann aus St. Petersburg, Georg
Hubert Breiderboff aus Coln, Richard Alexander Mertins
ans Berlin.
Sachsen.
Gestorben: Der BozirkshaumeisW Haasc in Bautzen.
Brief- und Fragekasten.
Hrn. E. St. in Hamburg. Die Erkundigung und wohl das
ausschliessliche Interesse bezog sich allerdings nur^ auf das
Reicbswaptten; die nachträgliche Aeuderuug an der Standarte,
die möglicherweise noch nicht die letzte ist, dürfte daher weniger
iu's Gewicht falleu. „
Berichtigung. In dem Artikel über nie Stellung der
badischeu BaubVamton in Nr 2 u. BI. Seite 14 Sp. 2 Z. l.iv. Ü.
hat sieh ein sinnentstellender Druckfehler eingeschlichen. Es
ist daselbst von einem Mangel an .gutem" Personal die. Rede,
während lediglich der Mangel an Personal überhaupt erwähnt
werden sollte.
Beiträge mit Dank erhalteu von den Hrn. S iu Merseburg,
J. iu Berlin.
: w C.rl B*.liu I.
, Set
. i«
Digitized by Google
Jahrs. TL ^24.
DEUTSCHE BAUZEITUNG
E*d*ktU» u Ktpedit.oo:
Bnllo. Oritttravtriw* 191.
BttUllaftfO
Organ des Verbände.
lato r*te
für dt< l>«r der dtc
ntoirllnitf Änd« -<
deutscher Architekten - und Ingenieur-Vereine. *»-■■-»
Redakteur K. E. 0. Fritsch.
IM «p t»
Preis I Thuh'r pr» fiartal.
Ii
enin, aen
Januar 1872.
Rrtrhelit jeden P«antr»tar.
InhR'.t, Km-
Ort.at. V. - K*u«'
l»ar die Eiaiuhron.( daa »umiyw im Handel mit Baahül.ern. — Mitthel-
*■• Vereinen Verband deulKaer Arauiteklaa- und lnirrnlenr- Vereine.
— OeeterTeicliuKtier Ufrniear- »d Architekten- Verein Wl«n. — Verml.tih-
te. Au 4«
l'auaee. — Du
. - In 1
da. Varein* jMoti«." - Au. dar PacBlIttera-
tur: Zellechrlft daa Architekten-Vereine tu HannoTer. — Koakur ren.en: Eine
Konkurrent für Entwürfe au einten Slegea-Dankmal In Altona. — Kankurrau« Per
Mitglieder daa Arehitokiea- Vereine ta Berlin. — per .anal - Haan r lelitan etc.
rigsten und gt
scli lügen de*
Konzession u
tekteu- Vereins
Praxis in der
Bauordnung für Berlin.
Nachtrag.
Zu den nicht gerade sehr häufigen Siegen, welche die
öffentliche Meinung über beabsichtigte Maassnahmen der Be-
hörden davongetragen hat, kann unzweifelhaft die Thatsache
gerechnet werden, dass wir mit dem Jahre 1872 noch keine
neue Bauordnung für Berlin bekommen haben. Welchen
Antheil an diesem, unseres Erachtens sehr günstigen Erfolge
unsere Artikel beanspruchen dürfen, wollen wir dahingestellt
sein lassen. Je unabhängiger unser Urtheil von demjenigen
der zunächst und am Meisten betheiligten technischen
Kreise aufgetreten und begründet worden ist, mit um so
grösserer Befriedigung können wir nachträglich konstatiren,
dass die eingehenden Berathungen, welche iu denselben ge-
pflogen worden sind, wenigstens im Prinzipe, und Üieilweisc
auch in der Aufstellung positiver Gegenvorschläge, zu ähn-
lichen Resultaten geführt haben.
Es liegen uns drei Gutachten technischer Korporationen
über den Entwurf zu einer neuen Bauordnung für Berlin
vor, welche an dieser Stelle einer kurzen Besprechung und
Würdigung unterworfen werden sollen. Zunächst das Referat
der vom Berliner Architektenverein niedergesetzten
Kommission. Die nach den Beschlüssen derselben beantragten
Amendements sind nicht durch Vervielfältigung einem grösse-
ren Kreise zugänglich gemacht, sondern dem ergangenen
h dem Magistrat zur Berück-
r Prüfung des Entwurfs übe r -
Der aus hiesigen Gewerksmeistern be-
Verein .Berliner Baubude" hat dagegen ein
...«^^oria" über den Entwurf durch den Druck veröffent-
licht, dem eine vergleichende Gegenüberstellung des ursprüng-
lichen Texte» und des Wortlauts nach der Umarbeitung bei-
gefügt ist In formeller Beziehung sei daran gleich die
Bemerkung geknüpft, dass der gewählte Modus, den beider-
seitigen Wortlaut ohne typische Auszeichnung der neuen
Fassungen, ja sogar mit willkürlichen Aenderungen in der
äusseren Gruppirung des Stoffs nebeneinander zu stellen,
die Uebarsieht über die beantragten Aenderungen sehr er-
schwert. El lag jedenfalls durchaus kein Grund vor, das
•ehr geeignete Vorbild, welches der Druck amendirter parla-
mentarischer Schriftstücke hierfür bietet, nicht zu befolgen.
Das dritte Schriftstück sind „ Drucksachen des „ Berliner
Schornsteinfeger-Gcw erks", unter welchem General-
titel zwei Schreiben der „ vereinigten Schornsteinfeger-
meister Berlins" an das Kgl. Polizei-Präsidium vom 1. und
89. November 1871 (das letztere als „Protest" bezeichnet)
zu saui menge fasst sind.
Von den städtischen Behörden liegt noch keine definitive
Aeusserung über den Entwurf vor. Bekanntlich hatte der
Magistrat dem Antrage der Stadtverordneten -Versammlung,
die Bauordnung vor Abgabe seiner Erklärung dieser zur
Meiuungs-Aeusserung zugehen zu lassen, nicht entsprochen,
vielmehr den einzelnen Mitgliedern der Versammlung an-
heimgegeben, ihre Ansichten eventuell an den Magistrat ge-
langen zu lassen. Trotzdem wurde offiziell eine Deputation
zur Berathung des Entwurfs von der Stadtverordneten-Ver-
sammlung niedergesetzt Dieselbe beschränkte sich indessen
in ihrer Sitzung vom 22. November darauf, ihre Ueberein-
stimmung mit den in dem Bericht des Magistrats an die
Ministerien für Handel und Inneres vom 20. Dezember 18(143
enthaltenen Ausführungen in Betreff der Aufhebung der
Baukonsense auszusprechen, ohne zu bedenken, dass
mit dieser Maassrege leine anderweitige gesetzliche Regelung
der Haftpflicht nothwendig verbunden ist, welche sien von
joder Entschliessung des Kgl. Polizei-Präsidiums ganz unab-
hängig darstellt Die Stadtverordneten-Versammlung beschloss
darauf „die Sache an die Deputation zurückzugeben, um den
Entwurf in eingehende Erwägung zu nehmen und darüber
weiteren Bericht zu erstatten." Dieser weitere Bericht liegt
noch nicht vor.
Um nunmehr unsere Bemerkungen über die vorne er-
wähnten Gutachten der drei technischen Korporationen an das
System anzuschließen, welches für unsere an dieser Stelle
veröffentlichte Besprechung des Entwurfs maassgebend war,
so heben wir
1. in Betreff der Bauerlaubniss hervor, dass die
Gewerksmeister sich mit grosser Entschiedenheit auf den
erwähnten Standpunkt der städtischen Behörden gestellt haben,
die Bauerlaubnisscheine durch einfache Anzeigen zu ersetzen,
und zwar ganz allgemein und radikal auch bei den schwie-
Bauten, welche nach den Vor-
ler besonderen Behandlung und
Die Kommission des Archi-
sich dahin, „wenn auch eine milde
des Konzessionswesens dringend
Aenderung im Wortlaut der bezüg-
nicht anzustreben." Wir müssen
gegenüber unsern Vermittlungs Vorschlag
aufrecht erhalten. Freilich insofern kann man der Kom-
mission des Architekten -Vereins nur beistimmen, dass die
hochwichtigen Angelegenheit nicht
erreicht
cht ist, wenn man. wie die Gewerksmeister, einfach das
Wort mit dem andern vertauscht oder hier und da
i Passus auslässt Die Bauordnung, wie sie von den
Gewerksmeistern aufgestellt worden ist, würd
heutigen Verhältnissen ganz ungesetzlich und d
lieh sein. Wen von denselben als Beginn ihrer Wir
der 1. Januar 1873 verlangt worden ist, so stimmt das zwar
insoweit vollkommen mit unsern Wünschen überein, als es
solche Aenderungen angeht, die allein von der Entschliessung
des Kgl. Polizei-Präsidiums und seiner vorgesetzten Behörden
abhängen. Ob aber auch die drei Faktoren der Gesetzgebung
in dieser Zeit Rieh zu den nothwendigen gesetzlichen
Maassregeln werden verständigen können, ist bei dem Mangel
jeder legislatorischen Vorarbeiten sehr fraglich. Jedenfalls
wäre es Sache derjenigen Korporation gewesen, welche ein
Rechtsprinzip in dieser kategorischen Form aufgestellt hat
demselben auch möglichst bald Geltung zu verschaffen zu
suchen. In dieser Beziehung könneu wir nur eine Petition
an den Landtag empfehlen.
„Der Verein (Baubude) maasst sich nicht an — nach
dem Wortlaut des Promemoria — hierdurch eineu abgerun-
deten, in sich vollendeten Gegenentwurf zu liefern; er ist
sich vielmehr bewusst, dass für dieses Ziel die Thätigkeit
einer Versammlung mit oft widersprechenden Ansichten
wenig geeignet ist, auch fehlte es ihm an Zeit, um etwas
Vollständiges zu liefern, und endlich bekennt- er, dass für
solche Aufgabe seine Kräfte nach mancher Richtung hin
ungenügend sind. Dagegen legt der Verein Werth auf seine
dem vorliegenden Entwurf ziemlich scharf gegenüberstehen-
den allgemeinen Prinzipien und schmeichelt sich nach dieser
Richtung hin einige Berücksichtigung zu verdienen, weil
seine Mitglieder in der praktischen Anwendung der Bau-
ordnung täglich Erfahrungen gesammelt haben." Wenn man
sich erinnert, dass noch vor wenigen Jahren die Gewerks-
meister die lebhafteste Agitation gegen die durch die neue
Gewerbeordnung herbeigeführte Abschaffung der Meister-
und Gesellen-Prüfungen ins Werk gesetzt haben, muss man
Digitized by Google
— 26 -
sich um so mehr Ober den Radikalismus wundern, mit dem
nunmehr — nach dem Wegfall der Prüfungen — der „Schutz
de* Publikums" lediglich und allein in der Verantwortlich-
keit der Bauherren gesucht wird. Weitere gesetzliche
Anforderungen an die Solidität der Bauten, als in der auf
dem Prüventions - Prinzip bosirenden Bauordnung enthalten
sind, werden nicht erhoben, auch für neue Konstruktionen
und Materialien, für die schwierigsten und komplizirtesten
Bauten werden gar keine besonderen Ansprüche gestellt; so
auch der § 7 des Entwurfs, wonach unter Umständen die
verantwortliche t'ebernahme eines Baues durch einen „ge-
prüften Baumeister" gefordert werden kann, ist einfach ge-
strichen. Das scheint uns nicht nur über das gesetzliche,
sondern auch über das praktisch zulässige Maass weit hin-
aus zu gehen. Wir küuncu uns auch keineswegs mit der
von der Architekten-Vereins-Kommission beantragten Fassung
des § 7 befreunden, wonach die verantwortliche l'ebernahme
durch einen „geprüften oder einen solchen Architekten, der
sich bereits durch Ihn Ausführungen bewährt hat", verlangt
werden konnte. Dieser reinen, unter rnistiinden äusserst ver-
letzenden Willkür würden wir unsererseits noch das wenig-
stens äusserlicli immer sicher erkennbare Merkmal des poli-
zeilichen Entwurfs vorziehen. Wir können auch in dieser
Beziehung nur an unseren Vorschlägen festhalten, welche dieses
Recht der Baubehörde auf neue und ungewöhnliche Kon-
struktionen und Materialien lieschriinken wollen.
2. Die allgemeinen Vorzüge der neuen Bauord-
nung, welche wir, abgesehen von der berührten falschen
Grundlage, hauptsächlich in der gesetzgeberischen Mache
gefunden haben, sind \on den technischen Korporationen
insofern anerkannt, als sie sich an das gegebene .Muster un-
bedingt angeschlossen haben. Wir unterschreiben auch gern
den Ausspruch am Eingang des Referats der Arcbitekten-
Vereins-Kommission, dass „die grosse Mehrzahl der neuen
Bestimmungen als ein Fortschritt gegen die bisher gültige
Bauordnung zu hegrüssen sind.'
3. Was die Strassen, Plätze und den öftentlichen
Verkehr angeht, so können wir uns anch nur mit der Archi-
tekten -Vereins -Kommission einverstanden erklären, welche,
um dem Grundbesitzer die möglichst freie Benutzung seines
Terrains zu sichern, den § 11 so amendirt, dass derselbe
lautet: „Die Bebauung eines Grundstücks und die Disposition
der Gebäude auf demselben ist dem Ermessen des Bauherrn
anheimcestcllt, soweit nicht die vorliegende Bauordnung oder
andere öffentliche Interessen verletzt werdeu." Unbegreif-
licher Weise verschärfen die Gewerksmeister, deren „frei-
heitliche" Tendenzen in der Konzessionsfrage so weit gehen,
die polizeiliche Bestimmung, dass die Bebauung in der
Regel längs der Bauflucht zu erfolgen habe, dahin, dass sie
auch die Möglichkeit vou Ausnahmen streichen. Ihr § 12
stellt zuerst den Satz auf: „Die Bebauung erführt längs der
Bauflucht." Leber das dieser Bestimmung bisher zum Grunde
liegende Prinzip, welches in dem Bebauungsplan und seiner
Handhabung wurzelt, haben sich leider die erwähnten tech-
nischen Korporationen gar nicht geäussert. Unserer An-
schauung nach gehören solche Bestimmungen überhaupt nicht
in eine Bauordnung, sondern bedürfen einer besouderen
Regelung durch Ortsstatut. Unser materieller Standpunkt
zur Sache echt aus unsern früheren Ausführungen über den
Bebauungsplan hervor, welche neuerdings sowohl durch die
Beschlüsse der städtischen Behörden Berlins, als auch durch
Aeusseningen der Wissenschaft (Resolution der Berliner
volkswirtschaftlichen Gesellschaft. Prof. Wagners Rede über
die soziale Frage, Dr. Rotkowsky's Schrift: Die zur Reform
der Wohnuugszustänile in grossen Städten nothwendigen
Mnassregeln der Gesetzgebung und Verw altung, mit besonderer
Rücksicht auf die Verhältnisse Wien's) allseitige Bestätigung
und Anerkennung gefunden haben.
Ebensowenig gehören die im § 25 des Entwurfs ent-
haltenen Bestimmungen über Herstellung und Unterhaltung
der Bürgersteige in eine Bauordnung hinein. Dieser Gegen-
stand würde auch einen Theil der zu erlassenden Strassen-
und Wegeordnung bilden. Mit dem von den Gewerksmeistern
aufgestellten Prinzip, die Uuterhaltungspflicht der Bürger-
steige von den Eigcnthümcrn auf die Kommune zu über-
tragen, kann man sich im Allgemeinen nur einverstanden
erklären. Wenn aber einmal diese Einrichtung getroffen
wird, müsste gleichzeitig eine Vereinbarung zwischen Fiskus
und Kommune dabin getroffen werden, die gesammte Strassen-
pflasterung allein der letzteren zu überwe
lieber amerikanisches Bannen«!.
(Hierzu die Abbildungen auf Seite 29.)
VII. Das Roosevelthospital in Ncw-York. Pfeiffer in New- York, dessen freundlicher Mittheilung wir
Der Freigebigkeit eines seiner früheren Mitbürger, des eine Beschreibung und die von nns gegebene Skizze der An-
1863 verstorbenen Mr. J. H. Roosevelt, verdankt New-York läge verdankeu. hat die Entwürfe gefertigt und leitet die
das schönste und besteingerichtete Hospital, welches bis jetzt Ausführung.
in den Vereinigten Staaten erbaut ist. Der Architekt Hr. Carl Das Hospital ist nach dem jetzt wohl überall als das
Reiseskbiea aas dem irient.*)
V.
•) V,r,l. 4M F.UUK1«. in Kr. 45, 41 und 4». Jhrg. II, d. de.ucbeo Biuil*
Einen Hauptpunkt unseres Exkursions -Programme» bildete
ein mehrtägiger Ausflug nach Sart, d. i. Sardes, der alten lydi-
scheu Köuigsstadt in der Herraus Ebene. Diese Stadt, oder viel-
mehr ihre Ruinenfelder von Smyrnn aus zu erreichen ist durch
die Eröffnung der Eisenbahn nach Kassabah wesentlich erleich-
tert worden. Man kann jetzt in letzterer Stadt übernachten
und Tags darauf mit guten Pferden Sart in sechs bis sieben
Stunden erreichen. Freilich ist ein Nachtlager in dem llün von
Kassabah nicht sehr verlockend und gradezu schwierig eine
mehrtägige Unterkunft in Sart, wo auf uuadrattueilengrossotu
Terrain nur noch eine Wassermühle uud eiue kleine Kaffee-
schenke bei dem sogenannten Pakal existireu. Von Fremden-
zimmern ist selbstverständlich bei beiden keine Rede, sondern
der gute Wille ihrer Besitzer gestattet im günstigsten Falle
innerhalb der nackten, von Schmutz und Ungeziefer starrenden
Wände und auf dem blossen Erdbodeu nur ein Nachtlager auf
eigenen Decken und Teppichen. Am besten bleibt's daher,
Zelte und Mitrabteu von bniyraa aus mitzunehmen, um jeder
Sorgu wegen des Nachtquartiers überholten zu sein.
Da indessen unsere Freunde versichert hatten, dass wir ent- j
weder in einem in der Nähe von Sart neu aufgebauten Tschiflik
d. i. Guts -Vorwerk oder in dem hinter Sart belegenen quellen-
reichen und dcsshalh sehr ungesunden Dorfe Sakikli Unterkommen
finden würden, so verzichteten wir der besseren Beweglichkeit
ballier auf Zelte, mietheten nur einen Dragoman, der gleich-
zeitig als Koch fungireu sollte, uud bestellten uns telegraphisch
in kassabah Pferde. Diener und einen Lastwagen für unser Ge-
päck. Nachdem noch die gütige Empfehlung des Konsuls Spiegel-
thal, der Mitglied des Direktoriums der kassabali-Bahu ist, für
Nachtlager im Stationsgebäude zu Kassabah gesorgt, brachen
wir dem 10. September wohlgemuth nach unserm Zielpunkte
auf. Der Kanzler des deutsehen Konsulats, Dr. St. hatte sich
uns angeschlossen und so bildeten wir ein volles Siebengestirn
bei unserer Abfahrt von Smyrna.
Obsehon der Himmel mit Wolken bedeckt war
Anzeichen auf Hegen deuteteu, war die Hitze sehr gross und
während der Fahrt im engen Coupe so drückend, dass an
Schlaf nicht zu denken war. —
Die Bahnlinie umkreist zunächst den weitgebuchteten
sniyruaiscben Golf, streift am Fusse der Fclseiuodeu des alten
Sm'yrnu vorbei und biegt erst unweit der Hermus-Mündung land-
einwärts ein, um in unmittelbarer Flussnähe mit massigen
Steigungen das Plateau der ly di schon Ebene zu erreichen. Das
Gebirge, von Ausläufern des Sipylus gebildet, gliedert sich an-
fangs in sanften Berglehnen, steigt dann immer kühner und
schroffer empor uud bildet an dem Statinnspuukte Monissa, (dem
alten Magnesia ad Sipylum) einen wunderbar grossartigen Hiuter-
grund tür diese bäum- und garteureiche. theaterformig aufgebaute
Stadt. Wäre ein Seespiegel vorhanden, so würde man sich
plötzlich in die Schweiz an den WallenstSdter See versetzt
glauben, .leuer Mangel und die Fülle hochragender Zvpresscn,
schöner Oliven- uud Granatenhaine, sowie der Typus der ganzen
echt orientalisch erbauten Stadt halten aber den Beschauer in
Asien fest. Hellenische uud romische Denkmäler fehlen fast
gänzlich, die häufigen und heftigen Erdbeben, von denen schon
in den mythischen Zeiten der Tarftaliden berichtet wird, scheineu
alles verwischt zu haben. Aus türkischer Zeit verdienen einige
mit schlanken Minarets geschmückte Moscheen, darunter die
prächtige Djami Sultan Murud's des II. von 1343 eine Erwähnung.
Erst bei weiterer Fahrt, weun die liahuliuie sich den last
senkrechten Felswänden des Sipylus nähert, erscheinen sicht-
bare Erinnerungsspuren der uralten Tautalusstadt iu der Form
von Felshr.hleu, welche durch schmale Fusspfade erreichbar
sind. Mitten unter ihnen das aus dem Kelsen gehauene, ur-
thüuilich rohe Nischenbild der Niobc, schon von Homer gekannt,
in seinen Dimensionen kolossal, aber bei dem gewaltigen Maass-
stabe der umgebenden Felswände klein erscheinend. Nur im
Digitized by Google
vorzüglichste anerkannten Pavillonsystem auf einem 61 nnd
244 m grossen Grundstück erbaut; in der Milte liegen die
Verwaltungsgebäude , von denen das vordere die Kiireaus
und Beamtenwohnungen, einen Hörsaal, mehre Privat-Kran-
kenzimmer und zwei kleinere Slile für weibliche Patienten,
der dahinter gelegene die Bäckerei, die Speise- und Wasch-
küche nebst Plätt- und Trockenränmen euthSlt.
Zu beiden Seiten der Verwaltungsgebäude liegen ju
2 Pavillons mit 27,4 18 breiten , als Hof resp. Garten be-
nutzten Zwischenräumen. Jeder dieser Pavillons hat ausser
dem Keller- und Erdgeschoss noch 3 Stockwerke.
Die Kellerräume sind fast ausschliesslich von den
Heiz- nnd Ventilationsapparaten eingenommen. Die Luft zur
Heizung wird mittels eines 20 m hohen und 3,64 ■ im Lichten
weiten Thunlies aus dm reineren Schichten der Atmosphäre
entnommen, über mit heissetn Dampf gefüllte Schlangenrohre
geleitet nnd von diesen direkt in die einzelnen Kranken
zimmer geführt. — Für die Ventilation ist ein zweiter circa
4t)™ hoher und 4,87 ■ im Lichten weiter Thurm erbaut, in
dessen Innern der eiserne Schornstein für die Feuerungen
sämmtlicher Pavillons steht; mittels der Rauchwärme im
innem Schornstein wird die Luft im äusseren Thurm, in den
die Ventilationskanäle aus allen Gebäuden eingeführt sind,
in Bewegung gesetzt. Diese Aspirations -Ventilation ist eine
so umfassende, dass sogar die Glocken sämmtlicher Gas-
flammen mit Ventilationsröhrcu in Verbindung stehen, welche
die Verbrennunvrsgase abführen.
In den Erdgeschossen der Pavillons befinden sich
Bureaus und Zimmer für Augen- und Privatkranke mit allen
dazu gehörigen Hülfsräumen. Jedes der übrigen Stock-
werke, welche gleiche innere Einrichtung haben, enthält
einen 9,14» breiten. 32,3 m langen und 4,57" hohen Kran-
kensaal, der für 28 Kranke eingerichtet ist, so dass auf jeden
Kranken 48,5 kb" Luft kommen. Ausserdem befinden sich
in jedem Geschosse ein Wärterraum und Theeküehc, S|>eise-
zirnmer für Rekonvaleszenten, Wasch- und Badezimmer,
Waterklosets, Dampfbad, Troekenraura für Matnizen etc.
Die Toilettetischchen in den Sälen sind nicht, wie sonst
l üblich, an den Wänden aufgestellt, sondern um eiserne
I Säulen gruppirt, welche in der Mitte der Säle stehen nnd
zugleich zu Heiz- und Ventilationszwecken dienen. — Eine
durch sämmtliche Geschosse gehende hohle Säule wird dazu
benutzt, die Wasche nach dem Keller zu befördern, von
wo sie durch die Waschfrauen abgeholt wird. Die reine
Wäsche wird von den Leinenstuben aus mittels Aufzügen
nach den verschiedenen Geschossen gebracht. Zur weiteren
Ersparniss von Arbeit sind Kehrichtsammler angelegt, d. h.
glusirte Thonrühren, welche in die Wände eingemauert sind
und auf die Fussböden aller Korridore und Stuben ausmün-
den, so dass der Kehricht direkt hineingefegt und in den
Kellern in eisernen Kasten gesammelt werden kann, von
wo aus er in die Feuerungen der Kessel geworfen wird. —
Die Wände der Zimmer und Korridore sind mit vierfachem
Oelfarbcuanstrich versehen, damit sie durch gründliche
Waschungen desinfizirt werden können. Für die Beförde-
rung sehr schwacher Kranker nach den höher gelegenen
Stockwerken ist in jedem Pavillon ein besonderer Aufzug
vorhanden.
Einer der noch im Bau begriffenen Pavillons soll nur
zur Aufnahme chirurgischer Kranker eingerichtet werden.
Diese Absicht scheint indes« erst nach bereits erfolgter Fest-
stellung des Projekts, so wie es unsere Skizze zeigt, gefasst
wurden zu sein; in der Beschreibung ist nämlich gesagt, dass
der Saal dieses Pavillons 9,14 breit, aber nicht, wie die
übrigen Säle 32,3 sondern 39,0 ■ lang wird, während sich
doch in der Grundrisskizze ein solcher längerer Saal nicht
angegeben findet. Der chirurgische Saal soll 6,09-- hoch
und der ganze Pavillon nur einstöckig werden.
Die einzelnen Gebäude stehen miteinander durch Kor-
ridore in Verbindung, die eine Breite von nur ca. 2 ro zu
haben scheinen, welches geringe Maas», namentlich im Hin-
blick auf die übrigen so reichlich bemessenen Räume einiger-
maassen auffällig ist.
Gänzlich vollendet sind bis jetzt erst 2 Pavillons; die
Verwaltungsgebäude siud im Mauerwerk fertig.
New »rrinbiringen aber die Einftkrnii; in Itterausm im Handel nit Bauhölzer».
Am 9. Januar fand im Uelbigschen Lokale zu Dresden eine gerathen sei, von deu bisher üblichen Maassen der Baumateria*
Versammlung von Hol »Produzenten und Konsumenten statt um iipn gänzlich abzusehen und dafür neue, den Bedürfnissen der
sich über die durch Einführung des Mcteniiaasses bedingte Neu- Konstruktion ebenso wie dem metrischen Systeme besser ent-
reguliruug der Dimensionen der im Baufach« verwendeten und sprechende Maasse für Baumaterialien einzuführen, mit an Ein-
auf Lager zu haltenden Höher, Bretter, Latten u. a. w. zu helligkeit grenzender Majorität bejaht.
einigeu. Zur Berathung lagen die von einigen Interessenten gemach-
Die Versammlung war von ca. 100 Produzenten, Forst- ten Vorschläge .Zur Umrechnung der Norraalmaasse des Lang*
wirthen. Händlern, Baumeistern und sonstigen Fachleuten aus bolzes und der Bretter von Ellen- in Metermaass" in autogra-
fast allen Theilen Sachsen, sowie eiuigen Theileu Böhmens uud pbirtcu Exemplaren vor, und wurden bei Beginn der Verband*
der preussischen Provinz Sachsen besucht. hingen noch eine Anzahl Exemplare der schon vor Jahresfrist
Aach ziemlich lebhafter Debatte wurde die Vorfrage, ob es von dem sächsischen Ingenieur- uud Architekteuvcrein aufgc-
Frühjahre, wenn der schmelzende Schnee rinnende Bcrgwässer-
chen bildet, weint das Bild der versteinerten Tautalustochtcr,
jetzt »aas es im Trocknen.
Am Spätnachmittage erreichten wir Kassabnh und fanden
im Hause deH Stationschefs, bei Herrn Tiorowitsrii aus Zara in
Dalmatien deu liebenswürdigsten Empfang. Seine Umsicht hatte
für Alles, Zimmer, Betten, Essen, Bedeckung und Pferde gesorgt.
Die unter seiner Leitung erfolgende Durchwandcrung der Stadt
Hess uns das gauze schmutzige Elend einer pfützeureichen
Türkenstadt erkennen und erweckte unser lebhaftes Mitgefühl
für die einsame Existenz eines gebildeten Mannes an den Gren-
zen der Zivilisation. Der einzige uns anmnthende Punkt im
Orte war eiu neu errichtetes griechisches Kaffeehaus in einem
Vorstadtgarten . weil hier dfe pflegende und verschönernde
Menschenhand in Wegen, Rasenplätzen, Gebüschen uud Bassins
sichtbar wurde.
Der nächste Morgen fand uns vor Sonnenaufgang munter
und bald zu Pferde. Leider musston wir den Kanzler unsere«
deutschen Konsulats hier zurücklassen; ein heftiges klimatisches
Fieber hatte ihn Nachts überfallen uud es war dringend ge-
boten , dass er mit dem nächsten Bahnzuge nach Suiyrna 'zu-
rückkehrte, um Hülfe und Pflege in europäischen Kreisen zu
finden- Wir bildeten einen stattlichen Reiterzug; vorauf zwei
vom Kaimakam (Vizegouverneur) gestellte, schwer bewaffnete
Reiter, wir sechs paarweis dahinter reitend, dann Prof. St. in
dem urwüchsig schwer gebauten Watten mitten unter dem Ge-
päck auf Decken liegend und deshalb stets als Grossköuig be-
handelt, zuletzt der Dragoman und der Aiwanschi (Pferdeknecht)
den Zug schliessend.
Bald umfing uns die grosse Ivdische Ebene, in beträcht-
licher Entfcrnuug von parallelen Bergketten eingefasst, rück-
wärts durch den stolzen Gcbirgsstock des Sipylus geschlossen
und nach vorn in fast unabsehbarer Weite sich verlicreud.
Selten blitzt der Hermus zur Linken aus den flachen Muldeu
der schwach gewellten Ebene herauf, noch seltener entdeckt der
Blick eiu an den Ausläufern der Tmolus-Kctte hängendes Ge-
birgsdorf. Die Strasse selbst war gut, auch voller Karawanen-
verkehr, denn die Fruchterndte war im vollen Gange. Die Er-
innerung an die alte Zeit, in der einst hier unzählige Reiter-
geschwader sich getummelt, sowie der Wunsch, rasch vorwärts
zu kommen, führte zu mannigfachen Versuchen, in möglichst
raschem Tempo zu reiten, doch bcharrten unsere mehr aus-
dauernden als feurigen Pferde in der üblichen Gangart de»
Landes, dem Rachwan, d. i. einem Schnellschritte, welcher nur
massig vorwärts bringt, aber Ross und Reiter auch weuig er-
müdet. Eiu werthvoller Vorzug bei einer Mittagshitzo von über
30* R. Nach dreistündigem Ritte wurde in Achmct Kfti, einer
bescheidenen, aus wenigen Hütten bestehenden aber von alten
Pappeln und Ahornbäumen wohlumschatteten Niederlassung, ein
kurzer Halt gemacht, um sich durch Kaffee und Mastika zu
stärken. Bald darauf traten die Abhänge des Tmolus näher
heran, der breite Weg wurde schlechter, doch verkündeten gross«
i und hohe kegelförmige Grabhügel, dass wir in die alte lydische
Königsstrasse eingetreten waren. In der Entfernung von etwa
einer Meile tauchte zur Linken der weite Scespiegel des gygäi-
scheu Sees auf und hinter ihm die Erdterrasse, welche höchst-
wahrscheinlich die eigentlichen Königsgräber, darunter den sofort
erkennbaren Kolossalbügcl des Alyattes Grabes trägt.
Einige Stunden später waren wir nach Ueberschreitung de»
Paktolus in Sardea. Zu beiden Seiten der Strasse, auf sanftan-
steigendem Terrain dehnten sich die Ruinenfelder. Sichtbare
Quaderberge liegen neben grasbedeckteu Schutterrassen, niedrige
Thor- und Brückenreste werden verdunkelt durch hochragende,
aber aus älteren Bruchstücken zusammengesetzte Pfeiler und
Mauern. Zur Rcchteu thront auf schroff abgewitterten Fels-
wäudeu die fast unersteiglich scheinende Akropolis; an ihrem
Nordfusse erheben sich aus einem kleinen Platancnhaino, welchen
der Paktolus nährt, ein Paar Säulen, — die einzigen Kuustbau-
reste der einst so blühenden Stadt.
Wir umritten einen schilfbewachsenen Teich und hielten
vor der Hütte des Pakal, um wegen des Nachtquartiers zu unter-
handeln. Der biedere Grieche verweigerte die Aufnahme, weil
der einzige zur Verfügung stehende Raum mit seiner Baum-
wolleuerute gefüllt war. Kaum bedurfte es seiner Weigerung,
Digitized by Google
— 28 —
stellten Tabelle für die Normirung der Maasse der Baumatcria-
lieQ nach dem metrischen Systeme vertheilt.
Ea begann hierauf die oft ziemlich lebhaft geführte Dehatte
über die metrischen Maasse, welche den einzelnen beim Hauen
in Betracht kommenden verschiedenen Holzwaaren zu geben
seien, und wurden in den meisten Fällen mit Stimmeneinhellig-
keit folgende Beschlüsse gefasst:
1) Das Stammholz ist in Laiigen von 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13,
14 und 15 m auf Lager zu halten. (Diese Maasse sind natürlich
innerhalb der Küsten zu verstehen.)
2) Das Stammholz wird zur Bestimmung des Preises am
Zopfende nach ganzen Zentimetern der Stärke, von Zentimeter
zu Zentimeter ansteigend, gemessen. Hierbei gilt das in ganzen
Zentimetern ausgedruckte Nurinalwaass als mittlere Stärke und
würde ein halbes Zentimeter darüber zur folgenden höhereu, ein
halbes Zentimeter darunter zur folgenden niederen Gattung zu
nehmen sein.
3) Klötzer, welche zu Pfosten, Brettern, Latten u. s. w. ver-
arbeitet werden, sind in den Längen von 3,5; 4; 4,5; 5 und
5,5 " zu achneiden.
4) Für Hölzer, welche nach kubischem Inhalt berechnet
werden, ist die Mittenstärke derselben, in ganzen Zentimetern
ausgedrückt, maassgebend, und zu empfehlen, als geeignete Ein-
heit zur Berechnung «das Schcit"=0,ül kb» anzunehmen.
5) Stollen sind mit einem quadratischen Querschnitt von
7, 10, 12 und 15 "» und mit einem oblongen Querschnitte von
7 und 10 "> zu schneiden.
6) Bretter und Pfosten sind in den Starken von, 1,5-4 «■»
um ein halhes Zentimeter, von 4— 5"» um ein ganzes Zentimeter,
von 5—9"» um 2"» zunehmend, also in folgenden Starken her-
zustellen: 1,5«» = Trennling, 2"» = Schlagbrett, 2,5"-=Scliaal-
brett, 3«» = Spundbrett, 3,5«» = Mittelbrett, 4, 5, 7 und 9""=
Pfosten.
7) Die Breite der gesäumten Bretter beziehentlich Pfosten
ist von 15"» an, immer um 2,5 *■ zunehmend, anzunehmen.
Sic würden demnach folgende Maasse zu erhalten haben:
15; 17,5; 20; 22,5; 25; 27,5; 30 u. s. w. Zentimeter.
8) Doppellatteu sind 7««» breit, 3.5 1 « stark zu macheu,
9 Dachlatten 6"» breit, 3'» stark,
10) Spalierlatten 3'» breit, 3«"» stark,
11) . 2'" breit, 2"» stark.
12) Als Nonnalmaass für die Berechnung des Werthes der
Schnitt waaren an Pfosten, Brettern, Stollen and Latten ist im
Handelsverkehr eine Lange von 5" anzunehmen, und werden
diese Waaren künftighin nicht mehr nach Mandeln und Schock,
gondern nach dem Hundert verkauft
Dresden, 9. Januar 1872.
Kr. Ott. Glöckner.
Mittheilungen aus Vereinen.
Verband deutsoher Architekten- und
Unter allen bisherigen Maassuahmen des Verbandes ist keine
so geeignet gewesen, das Bestehen desselben sowie die Art und
den Nutzen seiner Thfttigkeit so schnell und in so weiten Kreisen
bekannt zu machen, wie die von ihm ins Werk gesetzte Agitation
für Verbreitung seiner Beschlüsse über die Einführung gleich-
mfissiger Schriftzeichen zur abgekürzten Bezeichnung der me-
trischen Maasse uud Gewichte. Was der allgemeinen An-
nahme dieser Zeichen, die sich an den verschiedensten Stellen
schon Eingang verschafft halten, hinderlich zu sein schien, war
der Umstand, dass das Reichskanzleramt (angeblich auf Anre-
fung eines durch den Hamburger Senat vermittelten Wunsches
ea dortigen Ingenieur-Vereins) bereits vorher Einleitungen ge-
troffen hatte, um seinerseits ein derartiges System aufstellen
zu lassen und demnächst zur Annahme anzuempfehlen. Mit
der Aufstellung des Systems war, wie gerüchtweise auch ver-
lautet hatte, die Zcntral-Eichungs-Behörde beauftragt worden,
die sich ihrerseits mit den Eichungs-Aemtern und den ihr be-
kannt gewordenen Ingenieur- Vereinen (andere der Suche viel
näher stehende Vereine, z. B. der Berliner Architekten-Verein,
waren übergangen) in Verbindung gesetzt hatte. Die Resultate
ihrer Arbeit, zur Zeit der Abgeordneten-Versammlung des Ver-
bandes allerdings noch nicht ganz definitiv abgeschlossen, wi-
chen von den Beschlüssen der letzteren nicht unwesentlich ab
und ergab eine Besprechung, die mehre Beamte des Verbandes
mit dem Vorsteher jener Behörde hatten, dass trotz des aner-
kenneaswerthen Entgegenkommens von dieser Seite eine Einigung
doch kaum herbeizuführen sei.
Der Vorstand des Verbandes hat sich demzufolge entschlossen,
i dem Rcichskanzleranitc eine direkte Mittheilung von dem Stande
1 der Sache zu macheu. um Prüfung deB diesseits aufgestellten
l Systems zu bitten und anheiiuzuü teilen, ob im Interesse einer
; schnellen Einführung einheitlicher Grundsätze nicht auf die
von Seiten der Reichsregierung beabsichtigten Maassregeln Ver-
zicht geleistet werden könne. Die darauf erfolgte Antwort
I tlieilen wir nachstehend ihrem Wortlaute nach mit, weil wir
glauben, dass sie nicht allein ihrem konkreten Inhalte nach be-
friedigen wird, sondern auch als ein wahrhaft erfreuliches Bei-
spiel dafür gelten kann, in welchem erleuchteten und auf der
Höhe der Zeit stebeDden Geiste die oberste Reichsbehörde ihre
Aufgabe auffasst.
.Dem Vorstand des Verbandes deutscher Architekten- und
Ingenieurvereine wird auf das gefällige Schreiben vom 11. v. M.
und JahreB, betreffend die einheitliche Bezeichnung der metri-
schen Maasse und Gewichte, Folgendes ergebenst erwidert:
Die Herbeiführung einer Uebereinstimmung in der Anwen-
dung abgekürzter Bezeichnungen der metrischen Maasse und
Gewichte gehört nicht zu den dem Reichskanzler-Amte durch
das Gesetz gestellten Aufgaben. Nur weil die Vortheile einer
solchen Uebereinstimmung augenfällig sind und aus der Mitte
der betheiligten Kreise auf die Herbeiführung solcher Ueber-
einstimmung gerichtete Bestrebungen nicht hervortraten, hat das
Reichskanzler-Amt es für zweckmässig erachtet, die Frage zu
erörtern, ob nicht seinerseits Schritte zu thun seien, um die
Herbeiführung einer solchen Uebereinstimmung zu fördern.
Nachdem der verband der deutschen Architekten- und Ingenieur-
Vereine Bein Bestreben auf die Lösung dieser Aufgabe gerichtet
denn was er uns als Wohnstube zeigte, war ein feuster- und
diclenloscr Raum mit rabenschwarzer Decke und durchlöcherten
Lehmwänden. Für das Studium des Naturlebens der Thiere
schien allein gesorgt zu sein, denn in einer Ecke lag eine hüb-
sche Landschildkröte, ein gelbschinitnerndes Chamäleon kletterte
langsam und bedächtig, mit seinen weitstcllbaren Augen unheim-
lich mich anglotzend, au der Wand in die Höhe und verschiedene
grosse schwarze Eidechsen sassen wie aus Basalt geschnitten
auf den weissen Baumwollfasern. Das Beste an dieser Urhütte
war das auf Rundhölzern ruhende, weit vorspringende Dach,
sowie ein anstossendps terrassirtes Plätzchen unter einem herr-
lichen Ahornbaume. Dieses wurde sofort zur Speise- und Siesta-
Station für die nächstfolgenden Tage erwählt, dann aber trotz
der brütenden Mittagshitzc nach kurzem Rekognoszirungsritte
über das Ruinenterrain wieder aufgebrochen, um wegen des
Nachtlagers ins Reine zu kommen.
Die vielen Wasserläufe, welche vom Tmolus herabquellen
und sieh in den Hermus ergiessen, selten als Bäche rinnend,
viel häufiger stagnirend oder zu ganzen Sümpfen sich erweiternd,
Schill- und binseubewachscu, gaben den nöthigen Aufschlug*,
falls es dessen noch bedurfte, dass Sart eine Fieberbrutstätte
geworden und deshalb so gänzlich verlassen worden ist, wie es
heut erscheint. Bald hörte fast jeder Begriff einer Strasse auf,
nur gewaltige Steindummreste Hesse» ab und zu erkennen, dass
früher hier eine Menschenhand thätii? gewesen war, um noth-
weudige Pfade zu bahnen. Unsere Pferde gingen willig durch
Dick und Dünn, durch schwarzen Sumpfboden und auf glattem
Steinpflaster, aber unser armer Grosskönig hatte auf seinem
Wagen, der bald rechts, bald links, bald vorn, bald hinten in
tiefe WaHserlöcher und Schlcnken fiel, entsetzlich zu leiden. In
einer Stunde erreichten wir eine massige Bodenerhebung, auf
welcher ein Yururkenluger (d. i. ein Lager von nomadisireuden
Turkomannen) aufgeschlagen war. Ein unheimlicher Anblick,
diese schwarzen Filzzelte, an Berliner Leichenwagen erinnernd
und durch das Aussehen ihrer zwar tief gebräunten aber fahlen
und aufgedunsenen Bewohner sofort wieder die Geissei des
Landes, das tückische Fieber vor Augen stellend. So weit das
Auge reichte ein dichtes Schilfmeer, an den Rändern von Keu-
gchlainniheckcn eingefasst, jenseits weite abgeerntete F'eldcr
dieses überfruchtbaren, aber miasmenreichen Bodens. Nach
Ueberschreitun« eines schwärzlich dunklen Baches, dessen «teile
Ränder nicht ohne Gefahr zu nehmen waren, betraten wir den
Ilofplatz des Tschiflik, welches unser Uauptquarticr für einige
Tage bilden sollte.
Es war dies eine neue Ansiedelung, der reichbegüterten
Phanarioten Familie der Baltadzi in Stambul gehörig und vor
einem Jahre erst vollendet Die Gruppirung der Gebäude bildete
die Schenkel eines rechten Winkels. Gerade vor uns das zwei-
stöckige Wohnhaus, dem in der Hälfte der Beletage die Fenster
fehlen, daneben flucbtinässig aber getrennt die Stallungen und
Scheuern, zur Linken ein niedriges Gebäude mit Wirthschaft«-
räumen. der Küche etc. liier wurde uns von dem Vertreter
der Familie ein Zimmer angewiesen, welches wenigstens die un-
schätzbaren Vorzüge der Dielung, einer verscbliessbaren
Thür und zweier vorglasten Fenster besass. Auch einige
Teppiche wurden uns bereitwillig geliefert, alles Uebrige blieb
uns oder vielmehr unserm Dragoman überlassen. Dass t>ei der
tiefliegenden Lage des Gehöfts mitten in Sümpfen die grösste
Vorsicht geboten war, leuchtete Jedem sofort ein. Wir mussten
daher konsequent darauf verzichten, vor Sonnenaufgang und nach
Sonnenuntergang draussen zu sein, und jeden Diätfehler wie
jede Erkältung zu meiden suchen. Dank dieser Vorsicht und
dem entsprechenden prophylaktischen Gebrauch kleiner Chinin-
dosen ist Niemand unserer Reisegesellschaft trotz mehrtägigen
Aufenthaltes an dieser bedenklichen Stelle am Fieber erkrankt.
Woran wir aber Alle gelitten und unaussprechlich gelitten, be-
sonders, des Nachts, das waren die Bisse und Stiche ganzer
Heerschaarren von Moskitos, Flöhen uud Wanzen. Hätte uns
der gute sorgenbrechende Wein, den wir nicht vergessen hatten,
nicht in den Schlaf gebracht, kein Auge hätte des Schlnramer-
gottes erquickende Nähe gespürt. Des Morgens aber sah und
fühlte jeder schmerzlich, wie sehr er das Opfer teuflischer Un-
(Formttuf Mfl.)
Digitized by google
— 29 —
JlOOSEVELT- JJOSPITAL IN ^EW-JORK.
1 " ' 1 ' 1
M too Mm«.
|tn>pm| 1 1 ;
10 o
Situttltniplta,
A. V»rw»luo«»r»»Ud». — 5. Wlrthaohaft-gtbaad». — f. Krankfii Pa»lll«i. — 0 0. Ukknhu« und N«»]l«»biude. - g. Garuuuluacr. — Madlul • Coli»«».
C. G lanti ijl.
I 1 -' ' l "i JTTTT*]
10
10
I
M
«0 M«l*T.
Vi'.ll"
i. Ktltlr: >iil
B. Fla».
I Korridor». ,
». Wirtor-Zlmowr.
E. Stattooi-Kuche.
F Limmer ritt Amu
O. te«U»ilBBoi rar (i»xi»»»r>d»,
K. Klemer.
V»r w»lt«i
M. PrWatkich».
8. VorralrMraon.
T. L»fcor»i»rtrwB.
V. liJJChlflr.lim.il. r d«» Y.ir
»Mlun.
J. L»ir.»»k«mn>4T.
M. GcaobirrkiBmvr.
L KI*mu.
M. Waschraum.
.V Badoxlninrer.
O. Dampfbad.
f. V«tillUUoaa»oka»kt.
igageb&nd«.
v ApoUwk».
ky. Ap«l»»»iaBBi«r d. Voiaukvm.
X- *p»rMkaaia»r.
T. Ziomar für Jrniki.o Uaur-
•uckaajf.
Wlrlhick»ft»(»b«ud».
H «ii; i k ii -b- » Dampf <Tl»alMaam
Koefak««rd. /. HpckackaaaBMr.
r. Birktnl. ä. Mpnlkuch».
if Backofen. aa. Srhomttalaj , »agtbnrt Ten
0i Vorrath>kasii»«r. Abfuhrunft-Kaaklan für
f. Waacbkock». f»rd*rk«» LufU
t rikiuiuu«. a. I/ufUafahnioip-BVluK'hl.
Leich«nhaaa.
i. Bcobaoktuntjtilminer. 8. fkargki
a.talla;«ha.ada.
B. Stall and Waicnichuppoo. H WwkslatL
- 30
hat, ist für da* Reichskanzler-Amt die Voraussetzung wegge-
fallen, unter welcher es «eine Initiative für geboten erachten
konnte, vielmehr glaubt es die Erreichimg des Hauptziels, wel-
ches in der möglichst allgemeinen Uebereinstimmung in der
Anwendung abgekürzter Maas»- und Gewiehtse.czeichnuugcn be-
steht, gegenwärtig am besten dadurch zu fördern, da»« es sich
jeder Kritik der von dem Verbände der deutschen Arcbitekten-
nnd Ingenieurvereine empfohlenen Bezeichnungen enthüllt und
die Prüfung der Vorzüge dieses oder eines anderen Svstems
lediglich der Praxis überlässt.
Das Keichskanzler-Anit wird daher zunächst abwarten, ob
es den bcthcüigtcn Kreisen, insbesondere den Bestrebungen des
Vorstande* des Verbandes deutscher Architekten- und Ingeuicur-
vereinc gelingen wird, die wüuschenswertbe Uebercinstimmung
in der abgekürzten Bezeichnung der metrischen Maasse und Ge-
wichte herbeizuführen.
Berlin, 18. Januar 1872.
Das Reichskanzler-Amt.
Delbrück.'
Oasterreiohisoher Ingenieur- and Arohitektenverein zu
Wien. Wochenvcrsaniiuluiig am IS. NWmber «Sil: Vor-
sitzender Hr. Oberhaurath Kr. Schmidt: anwesend 347 Mitglieder.
Die ungewöhnliche Bethciligung an der Versammlung ist ver-
anlasst durch den Vortrag, welchen Freiherr von Schwarz-
Senborn unter Ausstellung der bezüglichen Pläne über die
Vorbereitungen zur Wiener Weltau^stelluug von 1873 und über
deren Verhältnis« zu den Dispositionen der vorangegangenen
Londoner und Pariser Ausstellungen hält. Wir haben Hinz« Ittel
aus diesem Vortrage bereits direkt mitgetheilt und hoffen wei-
tere Mittheilungen über die Wiener Pl&ue in nächster Zeit geben
zu können.
Wochenversammlung am 25. November 1871 ; Vorsitzen-
der Hr. Olierbauruth Fr. Schmidt; anwesend 224 Mitglieder.
Nach einigen geschäftlichen Notizen über das Programm der
nächstjährigen internationalen Ausstellung in London und der
internationalen polytechnischen Ausstellung in Moskau folgt ein
Vortrag des Hrn. Zivil-Geometers von Altvater über »ein Pro
jekt einer Bewässerung des Marchfeldes.
Zweck dieser Anlace, deren Ermöglichung erst durch das
vor Kurzem erlassene Wassergesetz gegeben ist, soll eine Hebung
der landwirtschaftlichen Produktion Nicderosterrcichs und da-
durch die Herbeiführung einer leichteren Verpflegung Wiens
sein. Gegenwärtig ist das umfangreiche Gebiet, von Flugsand-
schollen durchsetzt, ohne ausreichende Niederschläge und unge-
deckt, den Gefahren einer Missernte so leicht unterworfen wie
kaum ein anderes. Das zur Bewässerung erforderliche Wasser
soll aus der Donau bei Koruueuburg entnommen werden. Sein
Quantum ist nach den meteorologischen Beobachtungen üb«r
die Niederschlagsmengen der fruchtbarsten und unfruchtbarsten
Jahre und unter Annahme einer einmaligen Bewässerung in je
8 Tagen berechnet worden und soll dasselbe der Strom mit
Leichtigkeit abgeben können. Der Zuführungshauptkanal soll
sich in 3 grosse und 2 kleinere Ausästungen spalten, die ganze
zu bewässernde Flüche in 7 Theilc zerlegt und jeder Kanal mit
7 Schleusen abgeschlossen werden, so dass es möglich wäre, das
ganze Marchfeld innerhalb 7 Tagen mit Wasser zu speisen. Die
auf 18 Millionen Gulden berechneten Kosten hofft der Vor-
tragende von den bcthciligten Laudwirtheu aufgebracht zu sehen,
zumal er den in einem einzigen Jahre aus dem Unternehmen
zu erzielenden Reingewinn auf 20 Millionen Gulden berechnet.
Vermischtes,
Aua dem preußischen Abgeordnotonhanse. Wir haben
unsere Lesern verheisscu, ihnen nachträglich noch einen Bericht
über die vorzugsweise Angelegenheiten "unseres Faches betref-
fende Sitzung des Abgeordnetenhauses am 13. Januar d. J. zu
geben und wollen diesem Versprechen nunmehr in Kürze nach-
kommen. Selbstverständlich erlaubt der uns zugemessene Raum
nur ein allgemeines Referat und verbietet jedes nähere Eingehen
auf die angeregten Frageu.
Zunächst kamen zur Sprache die Verhältnisse des deutschen
Gewerbe-Museums zu Berlin, für da« der Abgeordnete von Behr
eine kräftige, Staatsunterstützung, zunächst die Herstellung eines
eigenen Gebäudes aus Staatsmitteln, verlangte. Der Handels-
minister Graf von Itzeu plitz deutete an. dass nicht allein
dies in Aussicht genommen sei, soudern dass man sogar die
Absicht hege, das Institut ganz zur Staatsanstalt zu machen,'
wobei einzig und allein im Wege steht, dass die von der Stadt
Berlin bewilligte Dotation von 100000 Thlr. ulsdaun an die
Stifter zurückfallen soll. Gegen eine solche Absicht protestirten
die Abgeordneten von Henning und Lasker, die ein Gedeihen
des Instituts nur für möglich halten, wenn es im Wesentlichen
seinen Privatcharakter behält. Der Abgeordnete A. Reichen-
sperger wünschte, dass die den kunstgewerblichen Bestrebungen
zu Theil werdende Staatshülfe sich nicht alleiu auf Schöpfungen
in Berlin beschränke, was eine unfruchtbare Zentralisation zur
Folge haben müsse, sondern dass man die Gründung ähnlicher
Institute, jedoch von möglichst individuellem Charakter und
einer bestimmten Richtung, nicht einem „Univer&algeschmaek"
huldigend, auch in den grösseren Proviuzialstädten Köln, Bres-
lau, Königsberg ins Auge fassen solle. Lasker hält „einen ge-
sammten Kunstgeschmack" für nothwendig, gesteht jedoch ein,
dass das Berliner Gewerbe -Museum, dessen bisherige geringe
Erfolge er den unruhigen politischen Zustünden der letzten Jahre
zuschreibt, auf den Rang eines Deutscht Gewerbe -Museums
verzichten müsse, nachdem Berlin in dieser Beziehung von
Boyern überflügelt worden ist.
In direkterer Beziehung zum Bauwesen steht eine andere An-
gelegenheit, die demnächst verhandelt wurde. Schon der Re-
ferent der Kommission Abg. Jacobi hatte als ein von dieser
speziell hervorgehobenes Bedürfuiss den Erlass einer neuen
Wege-Ordnung bezeichnet, die der Minister jedoch vou dem
Zustandekommen der Kreisordnung abhängig machte. — Der
Abg. v. Bennigsen befürwortete eine Veränderung der Orga-
nisation der Wogebau-Verwaltung in der Provinz Hannover, die
gegenwärtig ausschliesslich durch Staatsbaubeamte erfolgt. Die
Provinz resp. die Wege-Verbände sind Willens, die Besoldung der
erforderlichen Baubeamteu zu übernehmen, falls ihnen die An-
stellung derselben überlassen bleibt. Der Minister versprach
einen solchen Antrag in wohlwollende Erwägung zu nehmen, und
wurde von anderer Seite hinzugefügt, dass eine ähnliche Reform
auch für Nassau, wo allerdings die Verhältnisse etwas anders
liegen, wünschenswert!! sei. Hier haben die Staatsbaubeamten
ex officio das gcsauimte Bauwesen der Gemeinden zu verwalten,
und es wird Klage geführt, dass dies in Folge der durch die
neue Organisation naeh ultpreussischem Musler eingetretenen und
noch weiter beabsichtigten Verringerung des Buubeamtcnpersoiials
nicht mehr in so vollständiger Weise geschehen könne wie früher.
Der Reg.-Konim., Ministerial - Direktor Mac-Leau. deutete dem
gegenüber auf die Kleinheit der Nassnuischen Baukreise hin,
versprach jedoch, dass den Kreishaumeistern, so lange jenes
Verhältnis* dauere, auch fernerhin eine ständige Hülfe zu Theil
werden solle; allerdings solle dies nicht wie bisher durch ange-
stellte Hilfsbeamte (Akzessisten) von (auf Wasser-, Wege- oder
Hochbau) beschränkter Qualifikation, sondern durch diätarisch
beschäftigte aber .vollständig ausgebildete* Baumeister oder
Bauführer geschehen.
Eine längere Diskussion entspann sich sodann über die von
der Regierung beantragte Summe zu Reisestipendien für Bau-
meister, die nach Italien und Griechenland geschickt werden
sollen. Der Abg. A Rcichenspergcr benutzte diese Gelegen-
heit, um einerseits den Werth einer Reise nach Griechenland,
das nur noch wenige, durch Abbildungen ausreichend bekannte
Trümmer enthalte, ganz zu bestreiten, den Werth einer Reise
nach Italien jedoch nur für bereits ausgebildete Künstler
gelten zu lassen, während er in erster Linie die historischen
Monumente des Vaterlandes in gründlicherer Weise als bisher
: geschehen, studirt wissen will. Er beschuldigte die für das
I Staatsbauweseu maassgebenden Kreise einer Geringschätzung
oder sogar Antipathie gegen die ältere deutsche Kunst, während
er die eigenen Leistungen dieser Bau-Bure aukratie. namentlich
die Eisenbahu-Bauten, als trostlos monoton und langweilig kritl-
j sirt Es wurzele dies jedoch wesentlich darin, dass die Preussi-
schen Baubeamteu nach allen Richtungen hin sich ausbilden
wollen oder müssen und iu Folge dieser Nötbiguug, zu viel zu
wissen, unmöglich viel zu können im Stande sind. Um Abhülfe
iu diesen ungesunden und unmöglichen Zustäudeu zu schaffen,
sei es zum Mindesten erforderlich, das Iugeuieurweseu von der
Architektur im engeren Sinuc zu treuueu: ja um eine Blüthe
der Architektur herbeizuführen, wie solche in klassischen Pe-
' rioden der Kunst bestanden habe, werde noch nicht einmal da«
genügen, sondern die Architektur iri noch Wsetiräiiktcro Ge-
biete, z. B. Profan- und Kirchen-Architektur, sich (heilen müssen.
Mehrfache Zustimmung und zum Schlüsse lebhafter Beifall be-
gleitete diese letzteren Ausführungen des Redners.
Der Minister begnügte sich, der Forderung, dass die Studien-
reisen sich auf das Inland beschränken sollen, entgegenzusetzen,
dass — wenn hiermit Deutschland gemeint sei — ja auch Reisen
in diejenigen Länder, wo die mittelalterliche Kunst vorzugs-
weise geblüht habe — Oesterreich, die Schweiz, Frankreich
Belgien u. s. w. — ausgeschlossen seien. Im Orient gebe es nicht
blos Trümmer, souderu auch Bauwerke wie die Hagia Sophia.
Gerade die tüchtigsten Baumeister seines Ministeriums (!) hätten
eine bestimmte Vorliebe für die gothische Kunst und das bei
den Verhandlungen über den Berliner Dom bewiesen. Was end-
lich die Klagen über die von den Baubeamten geforderte Viel-
wisserei betreffe, so sei diese sicher alsein Ucbel zu betrachten;
es sei eiue Abhülfe aber bereits durch seine letzte Prüfuugs-
Itistruktiou erfolgt, wonach jeder Examinand sich für eine ne;
stimmte Richtung erklären kann und nur iu dieser ein stren-
geres Examen zu bestehen bat, während im Uebrigen nur a 11-
gemeine Kenntnisse von ihm verlangt werden. — Nach eini-
gen weiteren Bemerkungen der Abgeordneten Karsten und
Reichensperger, wonach der letztere sich dagegen verwahrt,
als wolle er Reisen ins Ausland überhaupt perhorresziren, wäh-
rend Iteide die Hoffnung aussprechen, dass der Fonds künftig
soweit vergrössert werden soll, dass er sowohl für Studienreisen
im Inlande und Auslande hinreiche, wird die geforderte Summe
schliesslich ohne Widerspruch genehmigt.
Unter Uebergehung unwesentlicher Punkte — Wünsche und
offizielle Aeusseiungen über Herstellung eines neuen Ostsee-
hafens bei Leha, energischeren Beirieb der Stromreizulirungcn an
Elbe, Oder, Drewonz, Warthe, Ems etc., Aulage neuer Schiffahrts-
kanäle, insbesondere des Elb -Spree-, Rhein -Weser- und Nord-
Ostscekanals, Verbesserung der in lebensgefährdendem Zustande
befindlichen Chausseen der Grafschaft GlaU u. a. m, — un-
Digitized by Google
— 31 -
wesentlich insofern, als definitive und spezielle Erklärungen
über keinen derselben erfolgten, erwähnen wir als des wichtig-
sten und interessantesten Gegenstandes der Diskussion schliess-
lich der Besprechung über die Zustände der Berliner Bauakademie.
Der Abg. Dr. Karsteu konstatirto, dass der Etat dieses
Instituts unverändert auf i>.>10 Thlr. sich erhalte, trotzdem die
Frequenz der Anstalt von I85S bis jetzt von 275 auf 783 Stu-
dirende gestiegen sei, und schilderte die Zustände, die sich bei
der jetzigen Frequenz innerhalb der alten total unzureichenden
Räumlichkeiten ergeben haben. Er rügte ferner die unzureichende
Zahl und die ungeeignete Beschaffung der Lehrkräfte, von denen
nur 10 definitiv, die andern auf Kündigung oder gar nur als
Hülfslebrer angestellt sind. Endlich cbarakterisirte erden inneren
Zustand der Anstalt, der sich aus der obligatorischen Vereinigung
der als gleichberechtigt für Alle angesehenen technischen und
künstlerischen Studien erzieht und bei dem namentlich die letz-
teren schweren Schaden leiden. Er beantragte, eine Resolution
dahin zu fassen, dass die Staats -Regierung aufgefordert werde,
mit dem nächsten Etat einen Plan zur Reorganisation der Bau-
akademie vorzulegen, und schlug vor, zur Aufstellung dieses
Plaues, der als Hauptprinzip die Trennung der Fächer,
ausserdem aber die Verbesserung der äusseren llülfsmittel , die
Beschaffung geeigneter Räumlichkeiten, die Erweiterung und
feste Austeilung des Lohreiperseinals in s Auge fassen müsse,
eine freie Kommission von Sachverständigen zu bilden. —
Der Abgeordnete Schmidt ergänzte diese Wünsche noch
dahiu, dass auch auf Beseitigung der Zwangskollegieu und
obligatorischen Zeichnungen gesehen werden müsse, sowie dass
finanziell vor Allem und baldigst zum Mindesten eine Gleich-
stellung mit der Gewerbe-Akademie, sowohl in Betreff der Lehrer-
besotdungen wie des Bibliothekfonds etc. erfolgen müsse. Der
Abgeordnete Reichensperger endlich wünscht die betreffende
Reorganisation noch radikaler, so dass uielit nur die Trennung
der Fächer, sondern auch ein Zurücktreteu des theoretischen
vor dem praktischen Unterricht im Sinne der alten Meister-
schul eu anzustreben sei.
Demgegenüber erkannte der Minister die materiellen Män-
gel, vor Allem den Raummangel als vorhanden an und ver-
sprach durrh Verlegung der Direktorwohuuug und des Schinkel-
museums schleunigste Abhülfe zu schaffen. Der beantragten
Resolution erwies er sich jedoch eben so wenig geneigt, wie
dem in Konsequenz derselben vorgeschlagenen \Nege eiuer Be-
rathung des Rcorgauisatiousplaucs durch eine Sachverständigen-
Kommission, weil dieser Weg kein erspriessliches Resultat ver-
spreche. Der Antragsteller zog darauf die Resolution vorbehalt-
lich eiuer anderweiten Fassung derselben bei der Schlussberathung
zurück.
Den Schluss der Diskussion, welcher sich im Wesentlichen
auf die neue Organisation der Gewerbeschulen erstreckte, über-
gehen wir, müssen jedoch noch anführen, dass der Herr Minister,
dessen An galten übrigens in mehren anderen von ihm erwähnten
Punkten (beispielsweise in Hctreff der durch das letzte Prüfuugs-
reglemcut geschaffenen Zustände) keine ganz genaue Bekannt-
schaft mit den entsprechenden Verhältnissen verriethen, vorher
die überraschende, weil in technischen Kreisen ganz unbekannte
Thatsacbe verkündete, dass in Persou des Baurath Uobrecht
ein llüllslchrcr für Vorlesungen über Gesundheitspflege au der
Bauakademie angenommen sei. Ks kann sich dieses Engagement
jedenfalls nur auf die Zukunft bezichen.
Wenn wir im Ucbrigcu uicht allein eine unerbittliche Kürze
innehalten, sondern auch jede eigene Acussernng zur Sache
unterdrücken mussten, so ist das Letztere allerdings nur ge-
schehen, weil wir bald Gelegenheit haben werden, dies theil-
weise nachzuholen. Wir glauben Angesichts der erfreulichen
Tbat&achc, dass uicht nur die Vertreter des Volkes, sondern
ebenso der Miuister ein warmes Interesse für eine Verbesserung
der gegenwärtigen Misstäude unseres Faches, allerdings nur
auf einem Gebiete desselben, geäussert haben, nunmehr die
Zeit
~w. pnuwi»., .., um die schon oft beabsichtigte aber
nicht ohne Grund verschollene eingebende Besprechung der-
selben vorzunehmen und weiden in den nächsten Nummern mit
einer grosseren Arbeit über die Zustände des Preussischen
Stuats-Bauwcsens beginnen. Wollen uns die Fachgenossen, denen
wir im Laufe der Jahre schon manches sorgsam aufgesparte
Mat crial zu derselben verdauken, mit weiteren dabin gehörigen
Beiträgen unterstützen, so bitten wir um deren baldige Ein-
cudui.
Das Weihnaohtafest des Vereins „Motiv", die bekannte
S rosse architektonische Winterfestlichkeit Herlins, die im vorigen
ahre wegen des Krieges ausgefallen war, hat am 20. Januar
mit erneutem Glänze und unter einer Betheiligung, die auf 80t)
Persoueu geschätzt wird, stattgefunden. Das Programm und
der Inhalt der einzelnen Produktionen sind im Allgemeinen so
typisch, dass wir nach den ausführlichen Schilderungen früherer
Jahre diesmal auf eine eingebende Beschreibung verzichten
können. In dem Festspiele war allerdings die Modifikation ein-
getreten, dass der Bauführer nicht die Tochter, sondern die
Nichte seines Bauinspektors liebt. Als die hervorragendsten
Leistungen müssen die musikalischen bezeichnet werden, deren
komischer Theil in eiuem .1 Ikmann-Konzerte- gipfelte.
Aus der Fachlitteratur.
Zeitschrift des Architekten v ereias zu Hannover. Jahr-
A. Aus dem Gebiete des Hochbaues.
1} Das Gymnasium Andreanum zu Hildesheim, mit-
getheilt durch deu Laudbaukouduktcur F'ischer zu Hannover.
Die in einer Vorstadt llildesheim's belegene Anstalt mu-
tet zwei getrennte, jedoch uuter gemeinsamem Direktorate
stehende Schulen, ein Human- und ein Real-Gymnasium, und ist
im Gauzeu auf 822 Schüler berechnet. Die Grundrisse des Pro-
jektes, bei welchem die von Zwei in Weimar entwickelten Prin-
zipien maassgebeud waren, sind von Oberlaudbaumeister Mittel-
bach in Hildesheim, die Facaden von Baurath Hase in Hannover
entworfen.
Das aus Kellergeschoss und drei oberen Geschossen von je
4,. r > 1 » 1. Hübe bestehende Hauptgebäude hat eine hufeisenförmige
Grundform, die jedoch in der längeren (südlichen) Seite durch
einen Mittelbau von grösserer Tiefe, an den sich seitlich die
thurmartig vortretenden Treppenhäuser schliessen, unterbrochen
wird. Dieser Mittelbau enthält den grösseren Theil der beideu
Schulen gemeinsamen Räume: im Erdgeschosse eine dreiaxige
offene Vorhalle, ein entsprechendes Vestibül und die Wohnung
des Schulwärters, durüber die Bibliothek, das Konferenz- und
Direktorial - Zimmer, oben endlich in ganzer Ausdehuung die
ll,7<" breite, 1»™ tiefe Aula. Die Flügel, dereu Tiefe von lü'" sich aus
einem Korridor von 2,(ji" und einer Klasseubreite von .V-H) m zu-
sammensetzt, enthalten links die » Klassen des Real-Gymuasiums,
den Zcichensaal, das Karzer und 2 Lehrerzimmer, rechts die 10
Klassen des ilumau-Gvmnasiums, das Pbvsik- und Sauiroluugs-
zimmer: als eine uachabmeuswerthe Disposition ist hervorzuheben,
dass die Korridore in deu hinteren Flügeltheilen nicht sym-
so UM
cht haben
metrisch , soudern beiderseits nach Westeu
sämmtliche Srhulzimmer ausschliesslich Süd- oder <
und von einander thunlicbst isolirt sind.
Die Klassen sind durchweg als Langklassen angelegt und
bei Aufstellung durchgehender Ränke mit je einem Seiteugange
so bemessen, dass auf einen Schüler durchschnittlich 0,U6 bis
l,H0O m Grundfläche und 4,1X1 bis .'»,1't kb" Luftraum kommen.
Die Bänke sind fest und in nur vier verschiedenen Grössen an-
genommen, was als ausreichend erachtet wird. Die F'euster haben
eine Grosse von 1,17 und 2,S4- erhalten. Die Garderobe wird
auf den Korridoren abgelegt.
Eine besondere Berücksichtigung ist in der Publikation den
Heizungs- und Ventilation*- Anlagen zu Theil geworden. Die
letzteren sind höchst einfach, da lediglich verschliessbare Ka-
näle zur Zuführung frischer Luft aus deu Korridoren uud zur
Ablührung der verdorbenen Luft über Dach augelegt sind.
Die Heizung ist eine Heisswasserheizung von Ahl & Pöusgcn in
Düsseldorf: die spezielle Darstellung und Beschreibung derselben
wird vieleu Fachgenossen willkommen und werthvoll sein. We-
niger gilt dies von den mitgetheilten Resultaten der allerdings
sehr exakt uud gründlich, "aber doch nur au einem einzigen
Tage angestellten Prüfung der Heizung und Ventilation;
weun solche lleobachtungeu TOD Werth sein sollen, so müssen
sie sieb zum Mindesten auf eine ganze Heizperiode erstrecken.
Die Facaden -Architektur des Gebäudes, ist aus rothen Back-
steinen und Terrakotten mit dunklen (ilasuren in gotliischen
Formen ausgebildet. Das Hauptmotiv der langen Fronten bildet
eine Zusammenfassung der beideu obereu F'enstcrrcihen in Bleud-
uütchen; der vordere Giebel des Mittelbaues, deu die beiden
Treppeuthürme flankiren, sowie die als Risalite vorspringenden
Seiteugiebel des vorderen Gebäudetraktes sind in reicher" Weise
durch Fialen und Ziergiebelchcn mit Rosettenfüllung gegliedert.
Dem Referenten ist diese Facade nicht nur in der Zeichnung,
sondern auch iu Wirklichkeit als eines der anziehendsten und
gelungensten Beispiele des von der Hannoverschen Schule ge-
pflegten Backsteiubaues erschienen; der Charakter und Maass-
stab des Materials machen sich iu° g
und die stattlichen Gesammtverhältuii
Harmonie zu dem feinen Detail.
Die Kosten des Hauptgebäudes excl. Einrichtung und Bau-
leitung haben sich auf naooS Thlr. (.Vs.H Thlr. p. (J'" Gruud-
fläche , 77,44 Thlr. pro Schüler) belaufen. Die Gesammtkosten der
Anlage, zu welcher noch ein Abtrittsgebäude gehört, während
der Raum für eine Turnhalle vorläufig noch reservirt ist, betra-
gen 7^.'Ril Thlr.
2. Das Pfarrh aus zur Kreuzkirche in Hannover,
von Architekt Tochtermunn in Hildesheim.
Das Rau-Programm schrieb für das In;» errichtete Gebäude
vor, dass dasselbe die Wohnungen der beiden Geistlichen und
des Küsters, jede mit getrenntem Eingänge und getrenntem
Hofe, sowie eiueu für beide Geistlichen zugänglichen Kontir-
maudensaal enthalteu solle. Es ist dieser Aufgabe in der Weise
genügt, dass das im Hauptkörper Iti,7« lange, 7.3» breite Haus,
au dessen Hinterfront sich 2 kurze Flügel von 5.2» Breite und
2,7'» Vorsprung unschliessen, im Erdgeschoss die Wohnung des
Küsters und den Konfirmaudeusaal, beide von der Hauptfront
zugänglich, sowie neben einem auf jeder Seitenfront belegenen
Eingänge Küche, Speisekammer und Gesindestube der beiden
Pfarrwolinuugen enthält, während die beiden oberen Geschosse
zur Hälfte zwischeu den letzteren getheilt sind. Es werden
übrigens sowohl die ursprüngliche Grundriss- Anordnuug des
Autors, wie die demselben auferlegte, zur Ausführung gebrachte
liebster Weise geltend
leben in wohlthucuder
Modifikation gegeben, von der wir, — gegen seine Ansicht — der
letzteren den sehr entschiedenen Vorzug zuerkennen müssen.
Die Facaden, belebt durch Ziergiebel und F>ker, sind iu
gothischem Backsteiubau aus hellgelben Steinen mit rothen Ver-
zahnungen ausgeführt. Sie zeigen angenehmo Verhältnisse und
eine dem Maasstab angemessene Detail -Ausbildung, auch brin-
Digitized by Google
32 -
gen sie die Bestimmung des Gebäudes zu charakteristischem
Aasdrucke. Das Innere zeigt in den Vorplätzen und Sälen echte
Holzdecken. Die Baukosten nabeu 18000 Thlr. (p.O c. 46,5 Thlr.)
betrag
. Umbau der evangelischen Kirche zu Langen-
hagen bei Hannover, mitgetheilt von Baurath Hase.
Die Aufgabe eine» Neubaus für die auf 540 Sitzplatze nor-
mirte Kirche, bei welchem ein alter Thurm zu benutzen war
und bei dem auf eine verbältnissmä&sig grosse Zahl von Kom-
munikanten, sowie auf diu Möglichkeit späterer Emporen-Anlage
gerücksichtigt werden niusste, ist in ziemlich origineller Weise
gelöst worden.
Der innere Kirchenraum besteht aus einem Langschiff von
8,35» lichter Weite und 22,6« lichter Länge, mit 3 breiten und
einem schmalen Kreuzgewölbe überspannt, an das sich in der
Breit« einer vollen Travce je ein 4,2" tiefer Querschiffflügel
und im Osten der aus 7 Seiten eines Zehnecks gebildete Chor
von 10<» grösstem Durchmesser anschließet: die Höhe dieses
Theils betragt bei 12,6 ■ Kümpferhöbc bis zum Scheitel der
ausserordentlich überhöhten Gewölbe 25,5". Um ihn zieht sich,
nur durch das Querschiff unterbrochen, eiu Umgang von 1.5 n>
lichter Breite und 8 m Höhe als schmales Seitenschiff. Die Sa-
kristei schliesst sich als fünfeckige Kapelle einer Seite des Chor-
umganges an. 2 kleine Vorhallen sind als Windfange den Ein-
gangen vorgelegt, die in der westlichsten Halb-Travee der Nord-
und Südseite, welche durch eine eingebaute zweigeschossige
Holzemporc bezeichnet wird, in die Kirche führen. Die West-
tu welcher der alte, spater auch zum Abbruch bestimmte
liegt, ist im Erdgeschosse ohne Oeffnungen-
Die Benutzung erfolgt iu der Weise, dass das vom Umgang
zugangliche Langschiff in ganzer Breite zu Sitzplätzen verwen-
det ist; werden noch Emporen verlangt, so lassen sich diese in
den Querschiffsflügeln anlegen. Die Kanzel ist an dem letzten
südlichen Schiffspfeiler angebracht.
Die architektonische Ausbildung im reinen Backsteinbau
zeigt den gothischen Stil. Das Innere des in den Querechiffs-
giebeln durch 2 grosse fünftheilige Fenster, im Chor und dem mit
sechskappigeu Kreuzgewölben geschlossenen Langschiff durch eine
fortlaufende Reihe dreitheiliger Ilochfenster von relativ sehr be-
deutenden Abmessungen (2,23b Breite bei 3,60" Höhe), endlich
im Umgänge durch eine Anzuhl kleiner Fenster erleuchtet wird,
muss eine Fülle von Licht erhalten, wie sie bei Backsteinkirchen
in diesem Maasse selten ist. Die Formen sind einfach und derb,
der wesentlichste Schmuck neben glasurten Streifen in den Fen-
stereinfassungen ist ein zierliches Triforium. Die Gewölbekappen
Bind mit gelblicher Kalkmilch gestrichen, aBe anderen Theile
im natürlichen Tone des Materials belassen. Leber die Grenzen
ästhetischen Maasses geht es wohl hinaus und dürfte es der
künstlerischen Empfindung jedes ausserhalb der hannoverschen
Schule stehenden Architekten widerstreben, das» auch Kanzel
und Altar aus glasurten Backsteinen gemauert sind, obwohl dies
bei einfacheren Formen, wie sie hier angewendet wurden, noch
am Ehesten zulässig erscheint — Auch das Aeussere, dessen
Verhältnisse sich breit und gedrungen ergeben haben, ist derb
und schlicht; nach der Ansicht des Referenten würde es noch
gewonnen haben, wenn die Form der Strebepfeiler weniger ge-
künstelt wäre. Eine strenge Durchführung im Backateinbau
mit horizontaler Mauerung aller Schrägen und Anwendung von
Glasuren zu allen exponirten Theilen ist selbstverständlich auch
hier erfolgt Die Dachflächeu sind mit glasurten Pfannen in
Zementmörtel gedeckt
Die Kosten des im Herbst 186$ vollendeten Baus, zu dessen
Gelingen der bauführende Architekt A. Schröder und der
Maurermeister Leyn wesentlich beigetragen haben, betrugen
17000 Thalcr, was fast unglaublich niedrig erscheint
4) Akustik und Bauwerke. Nach 2 Vorträgen von Mr.
Fleteher Barret aus dem Englischen des „Builder."
Ein etwas unklar geschriebener Artikel, der scheinbar eine
Reibe interessanter Beobachtungen bringt, die — soweit sie
nicht schon allgemein Bekanntes enthalten — praktisch jedoch
kaum zu verwertben sind. Speziell wird über die Verbesserung
mangelhafter Akustik durch Aufstellung parabolischer und hy-
perbolischer Reflektoren, über das Fortrollen von Schallwellen,
die eine Wand unter zu spitzem Winkel treffen, über die Ver-
stärkung des Schalls durch entsprechend koustruirte Hohlräume
resp. eine Theilung der Luft eines Raumes in Unterabtheilungen
u. s. w. gehandelt
Aus den Protokollen der Vereinssitzungen ist das Referat
über den vom Landbau-Kondukteur Schuster am 7. September
1870 gehaltenen Vortrag über die Einrichtung von Lazareth-
Baracken hervorzuheben, das eine durch zahlreiche Skizzen
erläuterte übersichtliche und vollständige Zusammenstellung der
bemerkenswerthesten Baracken ■ Lazarethe giebt, die bis zum
Kriege von 1870 nnd während desselben in Amerika und Deutsch-
land ausgeführt worden sind. — F. —
fair)
Konkurrenzen.
Eine Konkurrenz für Entwürfe zu einem Slegree-Denk-
mal In Altona ist in unserem heutigen Bauanzeiger angekün-
digt. Gegenüber den ähnlichen Aufgaben dieser Art, die in
letzter Zeit zur Lösung standen, wird die vorlii
halb die dankbarste sein, weil die Kostensumme hier erheblich
höher bemessen ist Leider enthält das Ausschreiben eine Be-
dingung, deren Aenderung absolut uothwendig ist, wenn eine
Betheiliguug an der Konkurrenz räthlich erscheinen soll.
ist nämlich weder ein Preisgericht noch überhaupt ein Preis
im Sinne unserer üblichen Konkurrenzen ausgesetzt, sondern
das Komite hat sich vorbehalten, den zur Ausführung gewählten
Entwurf angemessen tu honoriren. Wählt es demnach aus
irgend welchcu, in seinem Belieben stehenden Gründen keinen
der in der Konkurrenz eingehenden Entwürfe, so haben alle
Theilnehmer vergeblich gearbeitet. Wir haben keinen Grund
anzunehmen, dass dieser Verstoss gegen die .Grundsätze" ab-
sichtlich erfolgt ist hoffen daher, dass derselbe i
aufs Schleunigste beseitigt werden wird.
KoamitMlo»T«rt>c roa Carl Btslilt La Btrlln.
für die im Kriege von 1870/71
gefallenen deutschen Krieger zu Liegnitz.
v^^^witrij^c^^^s». - — — 1 — *■*
DU
nr n -i i ■< i i ■ i i
» « M m*
Das Programm der Konkurrenz ist in No, 8 unseres Bau-
Anzeigers veröffentlicht Auf Wunsch theilen wir an dieser
Stelle noch eine Situatioos - Skizze und die für den Kosten-
anschlag in Betracht kommenden Einheitspreise mit
Die Arbeitspreise betragen
für 1 kb» Erdarbeit 0,17 Tblr.
für 1 kb™ Pundanientinauerwork von Granit 0,60 „
für 1 kb™ Ziegelmauerwerk 0,68 „
Tagelohn für einen Maurer bei 12stndg. Arb. 0,88 „
desgl. für einen Zimmermann 0,83 „
desgl. für einen Arbeiter 0,50 „
Die Materialienprcise betragen
für 1 kb» lagerhafte Granitbruchsteine . . 2,08 „
für 1000 Stück gute Mauersteine 11,00 „
für 100 Liter gelöschten Kalk 0,84 „
für 1 kb» gesiebten Mauersand 0,56 „
für 1 lfnd. Meter Granitstufe incl. Verlegen . 2,99 ,,
für 1 [□■ glatt und sauber gearbeitete c. 22 »■
starke Granitplatten incl. Aufstellen und
Verdübeln 10,15 „
Berichtigung. Die in voriger Nummer erwähnte
kurrenz in Mannheim bezieht sieh auf Entwürfe
Stadttheil, nicht wiei
zu einem Stadttheater.
Personal - Nachrichten.
Preussen.
Ernannt: Der Baumeister Bohl zu Kyritz zum Kreis-
baumeister daselbst Der Landbaumeister Beyer, mit der
Leitung der Bauten der militair-technischen Institute in Spandau
betraut, zum Bau-Inspektor. Die technischen Mitglieder der
Eisenbahn-Direktion zu Elberfeld, Bauräthe Dircksen und
Pichier zu Regierungs- und Bauräthon. Der Ober-Betriebs-
Inspektor Schwabe zu E
Direktor Red er zu Cassel
technischen Mitgliedern der Direktion der 1
Eisenbahn in Berlin.
Versetzt: Der Ober-B ti I Schmeitzer zu
Hannover an die Nicderachlosich- Märkische Eisenbahn nach
Berlin. Der Eisenbahn Bau- und Betriebs- Inspektor Heyl tu
Elberfeld zur Main-Weser Bahn nach Frankfurt a. M
Gestorben: Der Eisenbahn Bau-Inspektor Rosenkranz
in Königsberg i. Pr.
Am 20. Januar c haben das Baumeister-Examen bestan-
den: Ludwig Köhler aus Uelzen, Aug. Leis aus Eckenhagen,
Kreis Waldbroel, Rudolph Richard aus liurg bei Osnabrück,
Ilermanu Uuntemüller aus Uslar, Prov. Hannover, Paul
Kunze aus Pless, Adolph Francke aus Güttingen.
Das Bauführer-Examen haben bestanden: Georg Grell
aus Hoyerswerda, Eduard Saal aus Köln. Heinr. Klutraann
aus Witten a. Ruhr, Richard Eger aus Havnau, Reinh. Beer
aus Breslau, Carl Heusei aus Potsdam, Eerd. Decker aus
Weiberg, Kreis Büren.
mit Dank erhalten von Hrn. V. in Saarbrüc
»w> (jtbrud.r ricZtrl la »erllu.
Digitized by Google
Jahrg. YI. J£ 5.
DEUTSCHE BAUZEITUNG
T: .■■! . k • i m n >. Etpaaitia:
■rrlln, OrtnEf Mlrww tat.
B.itel!aaf«n
nn.t Hurhktndlantrn,
tn UttUn du F.iKri.ik.».
Organ des Verbandes
deutscher Architekten - und Ingenieur-Vereine.
Redakteur X. E. 0. Fritsch.
Und» A.faaha»
I* tu OraUi-kXlai«
„Bau- ADMlgn"*
l.'.ii-tLLtuptrll: S% Str. ata
IUI«.
Preis I Thaler pro Qaartal.
Berlin, den 1. Februar 1872. Erscheint Jeden ■•■■«»tag.
Iuhalt: IM. ArbroLnaorinungen auf d.m f irinriFrrocr. (;<-.tii:.hnl. ICabrn-
»l.infeld I. I Sih«.-.ia — Kl», iku." K«»..r0.iun.- («r Berlin. (S.hlnn,.) — Üna
I'r»j.rkt <l.r »l (Inlll.rirrtt-Ilnlin. Wl-dmim >mr u'rlfhtllch* F.nt«f n.idiint; UMr
lloiiimr fnr arrliit.kloniM-li. Arb.lt.». - M Itt h .■ 1 1 u n s Mi ana V.r.lnon: (in-
nirrnl- Wr.amrahnit cl.a tjraml.»! ortl-ili-ii llauixa.rkin - V.r.lna. — (l.nnral. V.r-
»inmlDnu .1., «l^mwl.cn Wrclna fnr Faurikatlan von Zlfn.tr. »tu. — ArchiMkl*».
V.r.lu tu Berlin. — Ana dar f a .• fi 1 1 1 - r a tu r : Z.ii.rhrifi 4M Arcaltaktea- und
lnx.lilmr Ver.lna in Hanantar. Jahrs («TV. — Konknrr.at.r-- «.hall»» in
Zolin*«». - Knnknrr*ni für B anrhln.n ■ Teehnlk.r. - Hönau Auf,»fc.n für da*
Arrl,li.k(.n-V.roln tu Iterlln tun ». Hin IST». - Knnknrr.ni für BalvOrfa ■■
Zlmm.rör.M. - K.ola.htli.u» |. H.llarnnn. - P.r.oaal • Nach rlnll U I atr.
Die Arbeiter-Wohnu-igen auf den Cre^herzoglieliei Gestütslwfe Rabeasteiatfeld bei Schwerin.
Von Hofbaurath H. Wi
(lllertu «IIa Abbild
Das Grossherzoglich Mecklenburgische Landgut Haben-
steinfeld, ca. eine Meile von der Residenzstadt Schwerin am
grossen Schweriner See belegen, enthiilt ausser einem Privat-
gestüt des hoben Besitzers auch einen Wohnsitz mit Parkan-
lagen zum Sommeraufenthalt der ({rossfürstlichen Familie.
Auf diesem Gute sind für den Betrieb der Landwirt-
schaft seit dem Jahre 1863 für 12 Arbeiterfamilien »'. neue
Wohnhäuser, jedes für 2 Familien eingerichtet, erbaut.
Die Hinrichtung derselben ist nach den auf Seite 37
dargestellten beiden Grundrissen für je 8 und 3 Gebäude
immer gleich ausgeführt. Jede Wohnung für eine. Familie
enthält:
a. einen besonderen Hausflur, von dem eine Leitertreppe
zum Dachbodenraum führt,
b. 2 Stuben. — (in 9 Wohnungen beladet sich neben
den Wohnstuben noch ein kleiner Alkoven für ein
Bett).
e. eine Kammer, besonders zum Schlafen für den weib-
lichen Hofgänger bestimmt,
d. eine Speisekammer; darunter, und auch unter dem Al-
koven einen kleinen Keller zur Aufbewahrung der
Wintervorruthe, von der Speisekammer aus zugänglich.
e. eine Küche mit einein offenen Feuerheerd, ül>er welchem
sich eine gewölbte Rauchkapqc mit einem weitem, vom
Schornsteinfeger zu besteigenden Schornsteinrohr be-
findet; in dem Fenerheerdo selbst ist ein Backofen
angelegt.
Diese Wohn- und W'irthsehaftsräome enthalten zusam-
men eine Gruiidfläshe von ca. 82 C" 1 und sind 2.72 m im
Lichten hoch. Die Stuben werden durch Kachelöfen von
Innen aus geheizt. Leber den Heizöffnungen der Oefen ist
eine Kocheinrichtung angebracht, in der während des Win-
ters gleichzeitig die Speisen gekocht werden können.
Aus dieser Kocheinrichtung führt von der Decke der-
selben ein Rohr direkt in den Schornstein zur Ableitung
der von den kochenden Speisen entwickelten Wasserdärapfe
und (iase.
Für die Ventilation der Stuben ist nicht allein durch
die Oeteu selbst, sondern auch noch durch besondere, neben
den russischen Schornsteinrßhren aufgeführte Zugkanäle ge-
sorgt. Ebenso werden die Keller durch Röhren in den Mauern
venlilirt, die von der Decke der Keller ausgehen und auf
dem Dachboden möglichst hoch unter den Dächern neben
den Schornsteinröhren ausmünden.
Die Lage der Gebäude ist so gewählt, dass die Stuben
theils nach Süden, theils nach Westen liegen und der kleine
\\ irthschaftshof sich entweder an der Seite oder an der
Hinterfront« des Gebäudes befindet. Vor den Häusern sind
kleine Blumengärten, von lebenden Hecken eingefasst- Mit
jetler Wohnung einer Familie in unmittelbarer Verbindung
und von der Küche aus zugänglich , steht das Stallgebäude.
Diese Hinrichtung hat vorzugsweise den Nutzen, dass die
Hausfrau nicht allein bequem, sondern auch selbst noch in
Krankheitsfällen, wo sie sich noch nicht der äusseren Luft
aussetzen darf, ihre kleine Wirtschaft, namentlich die Fütte-
rung des Viehs besorgen kann. Das Bedenkliche und Xach-
theflige, welches von einer solchen Verbindung allenfalls für
die Gesundheit der Bewohner durch das Eindringen der
Dünste aus den Ställen in die Wohnung gesagt werden könnte,
ist nun möglichst dadurch beseitigt, dass die Thür zum Stall
von der Küche ausgeht, in der durch den weiten und offenen
Schornstein über dem Feuerherd stets eine natürliche Ven-
llebrand in Schwerin
untren auf ft.lt* 37.)
tilation stattfindet, und dass zwischen der KQche nnd den
Wohnräumen sich immer noch erst der Flur befindet. Ferner
liegt der Fussboden in den Ställen um 0,29 resp. 0,43™ nie-
driger als im Wohnhanse, auch sind die Wände zwischen
Stall nnd Wohnbaus nicht allein nach unten gegen das Ein-
dringen der Feuchtigkeit geschützt, sondern auch oben auf
dem Dachltoden bei Vermeidung jeder Oeffnung durch massive
Wände vollständig von einander geschieden. Die Ventilation
des Stalles selbst geschieht theils durch in den Ringwänden
angebrachte sogenannte Kreuzlöcher, theils durch Drains
unter der Decke.
Jeder Stall enthält:
a. einen Futtergang mit Ausgang nach dem Hofplatz,
b. einen Kuh-, eventuell Holzstall,
c. einen Schweinestall,
d. einen Hühnerstall, daneben einen Abort,
und umfasst eine bebaute Grundfläche von ca. 28,71 Q"
bei einer lichten Stallhöhe von 1,86".
Die Ableitung des Spülwassers ans den Küchen nnd der
Jauche aus den Ställen geschieht mittels offener Rinnsteine
nach den Dungplätzen.
Unmittelbar über den Wohn- und Wirthschaftsräumen
befindet sich unter den Dächern der Bodenraum zur Auf-
bewahrung trockener Vorrath«, wie Flachs, Bohnen etc., und
im Giebel über der Kehlbalkenlage ist noch ein kleiner
Räucherboden angebracht.
Die Bauart. Der Grund und Boden, auf dem die Ge-
bäude aufgeführt sind, ist ein sehr trockener, grösstentheils
kiesiger. Der Fussboden in den Wohnhäusern liegt 0,43 bis
0,57™ über dem äusseren Terrain und ist in den W ohnstuben
aus hellen gebrannten Hohlziegeln, auf den Fluren, in den
Küchen etc. und in den Ställen aus rothen gebrannten vollen
Ziegeln, theils flachkantig, theils hochkantig gelegt, hergestellt
Die Fundamente und Kellermanern sind sfimmtlich aus
gesprengten Granitsteinen in hvdrauliBchem Kalkmörtel ge-
fertigt und ca. 14«» unter dem Fussboden zur Abbaltnng
der aufsteigenden Feuchtigkeit mit einer Isolirschicht von
künstlichem Asphalt — einer Mischung aus Steinkoh lentheer,
Sand und hydraulischen Kalk — abgedeckt. Die äusseren und
inneren WÄndc sind durch wpit
Ziegeln in hydraulischem Kalkmörtel gern
über den Wohn- und Wirthschaftsräumen
pelt T förmig gewalzten
Gewölben aus
selben ist ein
blaugrau glasurten Dachpfannen, die massiven Giebelmauern
dagegen mit gebrannten Zungenstetinen eingedeckt
Die Ringwände sind nur 1 Stein stark, ebenso die inneren
1 resp. •/, Stein; nur di« äusseren Wände haben an den
Wohnräumen, theils der grösse-
ren Wärme wegen, theils um das
Durchschlagen der Feuchtigkeit
möglichst zu verhindern, noch im
Innern eine vertikale Luftschicht
erhalten, während die freistehen-
den Dachgiebel einen Stein stark
aus gebrannten Hohlziegeln her-
gestellt sind. Die Art des Mauer-
verbandes für diese äusseren
Mauern mit den Luftschichten
ist, wie hierbei bemerkt ausge-
führt, und sind die durchgehen-
gewalzten eisernen Balken, mit '/. Stein starken
gebrannten Hohlstein dazwischen; über den-
Lehmestricb. Die Dächer sind mit rothen und
Erat. 8clii.-ht-
n
i r
41
J
'■'wt-| 3
u
Znt.lt. Schlthl,
tt a
H -
>
Digitized by Google
iBHH
,1 I luz
den Bindersteine a, a, a entweder
um V« der gewöhnlichen Mauer-
steinlänge länger und besonders
dazu gefertigt , oder wie b, b, b
abwechselnd aus V» und ganzen
Steinlängcn hergestellt. Die letzte
Art hat »ich gegen das Durch-
schlagen der Feuchtigkeit besser
bewährt.
Zur grösseren Feuersicherheit der Wohnungen sind, wie
bemerkt, nicht alleiu sämmtliche Wände, Decken,
Giebel, Gesimse etc. massiv, sondern es sind auch noch die
Scheidewände unter dem Dach zwischen den beiden Familien-
Wohnungen jedesmal bis zur t'nterkante der Dachpfannen
massiv ausgeführt. Dachsparren und Latten sind nun frei-
lich von Holz, jedoch ist möglichst darauf Bedacht genom-
men, dass die Sparren in kurzen Entfernungen durch hori-
zontal liegende doppel-T förmig gewalzte eiserne Haiken, und
diese wieder durch massive Pfeiler unterstützt und hin-
Die Form der Gebäude ist aus den mfy
beiden Grundrissen und der perspektivischen Ansicht der
ganzen Gruppe ersichtlich.
Die äusseren Mauerflächen sind einfach mit gefärbtem
Kalkmörtel in den Farbentönen der verschiedenen Ziegel j
reichend miteinander verbunden sind, so
Latten, wenn sie einmal brennen sollten, erst fast vollstän-
dig verkohlen müssen, bevor sie herunterstürzen und den
Gewölben nachtheili«
gefngt, möglichst glatt gelassen und durch Anwendung
gebrannten hellgelben und rothen Ziegeln, anch sein
glasurten, mit Benutzung des richtigen Steinverbandes ge-
mustert.*)
Die Kosten betreffend hat jedes Gebäude für zwei
Familien mit den beiden Ställen ca. 3375 Thlr. gekostet, mit
Einschlnss aller Materialien, jedoch mit Ausschluss der
Sand- und Granitstein-Fuhren, die durch die Ackerbaupferde
von der Feldmark des Guts unentgeltlich beschafft worden
sind. Mithin betragen die Baukosten pro ynadratmeter der
Grundfläche ca. 15,2 Thlr. Willebrand.
i<) Leider ist durch elaen, ohn« Vtnwfon« Ar* £Ansrn Stock» nicht mehr tu
I ■ tt-iiU'-T:<!f-n Irrlli um ü>.» HoJ***hn*ldcr* Iii der IVrfjwktW« d*r hellliHfiichtrt*
(•ieliel um Rekhfttu*« In «ln»r VT*Im* dar£*»1»ilt word<<», dt« der Wirklichkeit
nicht K»ni »titeftrtcht und dl« m*l*rt«ch« Wirkun« der <lru»n« et**. b**ioirirhtiiet,
U«r b*tren*#tid« <iieb«l i-L in ihnlirfaer WMM w»« di# in flrhmun li*«tad« R«lu>
de« Mail*** »tu rothen dunklen Mo» •«f«?ftfcrl und mit hellt«
g*mu«tert. to dut I
(D. Hed.)
für Berlin.
(8«hl
4. Der zulässige Grad der Bebauung, wie ihn I
die Polizei aufgestellt hatte, hat — wie wir mit besonderer
Befriedigung hervorheben können — am wenigsten Gnade
vor den Augen der technischen Korporationen gefunden. Die
Gewerksmeister wünschen nun aus den Gründen, aus wel-
chen wir gegen eine übermässig- Hofgrösse protestirt hatten,
überhaupt keine Aenderung an dem bisherigen Znstande, ob-
wohl sie es anch für wünsehens Werth erklären, den Woh-
nungen möglichst viel Luft und Licht zuznführen. Sie ver-
kennen dabei vollständig, dass sich zwischen den jetzigen
8,8* und den geforderten 10" im Geviert doch noch allerhand
Mittelwege denken lassen, die den gewünschten Vortheil
verschaffen können, ohne die befürchteten Nachtheile mit in
den Kauf zu nehmen. Wir freueu uns dem gegenüber, dass
sich die Architekten-Vereins-Kommission im Prinzip voll-
ständig und in der Ausführung znm Theil auf unseren Stand-
punkt gestellt hat. Die Kommission stellt nämlich das auch
von uns vertheidigte Prinzip, dass ein bestimmter Theil des
Grundstücks (Vi wie auch in Köln, wogegen wir •/, verlangt
hatten) unbebaut bleiben müsse, voran und verlangt, das»
ein Hofraum von 8™ im Geviert (welches Maas* wir all-
gemein gefordert hatten) mir liei Grundstücken von mehr
als 25*j[_J" (d. h. grösser als 4 X im Geviert) verblei-
ben solle. Theilweise schon bebaute Grundstücke sollen nur
bis anf 6yS" Hofweite ausgenutzt werden können. Diese
Bestimmungen sollen erst vom 1. Januar 1875 ab eintreten,
bis wohin die jetzigen Verhältnisse bestehen bleiben. Da
Anordnungen über die Hofweite kleinerer Grundstücke als
25«r]™ fehlen, so sollen hierfür also nur die Bestimmungen
über die Entfernung der Umfassungswände von einander
maassgebend sein, womit wir uns auch mit Rücksicht auf
das feste Prinzip der baulichen Ausnutzung bis zu «/« der
Grundstücksgrösse nur einverstanden erklären können.
Heber die Entfernung der Um fassungs w än de von
einander sind nun folgende Grundsätze akzeptirt. Bis zum
1. Januar 1 87. r > soll im Allgemeinen die bisherige Weite von
5,3 m maassgebend sein. Wände unter 8" Länge können bis
auf 2.5" an einander rücken, und wenn ohne Oeffnnngen
noch näher. Vom 1. Januar 1875*) ab ist der folgende
Wortlaut vorgeschlagen: Auf demselben Grundstück müssen
2 einander gegenüberliegende l'rnfassungswände mit Öffnun-
gen mindestens 8™ von einander entfernt bleiben. Eine
Entfernung bis auf 5,3» ist vorbehaltlich der für den Hof-
raum festgesetzten Grösse statthaft, wenn eine dieser Ott*
fassnmiswäude unter 1«™ lang ist. Die Entfernung bis anf
2,5" ist statthaft, wenn eine dieser Umfassungswände unter
lang ist. Unter 2,5"» dürfen l'rnfassungswände auf dem-
selben Grundstück nur dann von einander entfernt sein,
wenn diesellten beiderseitig ohne Öeffmmgen sind. Es soll
ferner gestattet sein, zwei einander gegenüberliegende l'rn-
fassungswände gleich ihrer halben Fronthöhe von einander
entfernt zu stellen. Bei verschiedenen Fronthöhen derselben
ist die Entfernung gleich der halben mittleren Fronthöhe zu
D. Auf bereit* vor dem Jahre 1875 bebaute Grund-
•) In <Um ll-tfl. n»chr»Hwn h»t »Ich dl» 1
ll<*a B*d»k*a «i.r », lit.mrlll.-tuftllrhr In
IM.i-r.lmiiininun* mit »»• g*<>i «il«n»rl
lorlKhm BMtlitiiBDnc*» »□■«««r™«'«««.
stücke, welche Umfassungswände mit Öffnungen in geringerer
Entfernung als 8™ enthalten, dürfen bei Wiederbebauung die
Umfassungswände in der bisherigen Entfernung, aber nicht
unter 5,3™ errichtet werden.
Auf den ersten Anblick scheinen diese Festsetzungen
zu komplizirt und etwas unklar gefasst zu sein. Die be-
gleitenden Motive lassen indessen erkennen, dass prinzipiell
die Entfernung unabhäng von der Höhe der Gebäude Ite-
messen und nur in besonderen Fällen, namentlich bei Villen-
bauten, mehr ausnahmsweise ein näheres Aneinanderrücken
bis zur halben Fronthöhe gestattet sein soll. Gegen die Be-
stimmungen des Entwurfs ist hierin ein Fortschritt
lieh zu verkennen.
Auch liei der Entfernung von der nachbarlichen
Grenze ist unsere Erwägung, dass es hierbei mehr auf
rechtliche, als auf polizeiliche Gesichtspunkte ankommt,
nicht genügend gewahrt. Wir halten schon zn beweisen
gesucht, dass die NachbargTenze ganz anders behandelt wer-
den muss, als ein Gebäude auf demselben Grundstück, und
können uns mit der prinzipiellen Gleichstellung derselben
nicht einverstanden erklären. Zwar sind die Festsetzungen
der Kommission gegenüber den Vorschlägen des Entwurfs
als ein Fortschritt zu betrachten, wir müssen aber doch
daran festhalten, dass zu einer solchen Aenderung des jetzi-
gen Zustande* eine gesetzliche Regelung nöthig ist. Im
Uebrigen macht noch die Kommission darin dieselben Fehler,
wie der polizeiliche Entwurf, dass sie auch die jetzt zu-
gelassene anderweitige Normirung der Entfernung von
S'aebbargehäuden durch hypothekarische Eintragung, bis zum
I. Januar 1875 verbietet, um sie dann wieder zu gestatten.
Die allgemeine Zulassung von Ausnahmen in Betreff der
Hofgrösse. die Entfernung der Umfassungswände auf dem-
selben und auf Nach bargnindstücken, wie sie die Kommission
dem Ermessen des Polizei -Präsidiums anheimstellt für alle
Fälle, wo das Grundstück „nicht vorzugsweise zu Wohn-
zwecken behaut* wird, halten wir für sehr gefährlich,
weil damit eine zu grosse diskretionäre Gewalt verbunden
ist und gewisse Grundregeln, namentlich auch mit Rücksicht
auf die Baupolizei, ein für allemal feststehen müssen.
In der Bemessung der Höhe der Gebäude hat die
Kommission sich anch zum Theil unsern Vorschlägen ange-
schlossen; sie hat das Höhenmaximum für gewöhnliche
Wohngebäude gestrichen nnd nur für Speicher und gewerb-
lichen Anlagen dienende Gehfin<fe festgehalten, sie hat femer
ganz ans denselben Gründen, wie wir. die Zahl der Ge-
schosse fest bestimmt, und zwar auf 4 über dem Erdgeschoss.
Mit Rücksicht darauf, dass dagegen an der Gleichstellung
von Häuserhöhe und Strassenbreite festgehalten und anf eine
Beseitigung, Einschränkung oder Verbesserung der Keller-
wohnungen vollständig verzichtet worden ist. können wir in
diesen Vorschlägen keinen besonderen Fortschritt erkennen.
Wir müssen es daeegen anerkennend hervorheben, dass
die Gewerksmeister für die Kellerwohnungen wenigstens die-
selbe Höhe gefordert haben, wie für die übrigen Wohnräume,
nämlich 2,5™.
5. Unter den einzelnen technischen Vorschriften
bat die Architekten -
Stimmungen über die
ssion die bisherigen Be-
wie anch wir, beibehal-
Digitized by Google
- 35 —
ten, während die Gewerksmeister in dieser, wie auch in
allen vorerwähnten Beziehungen lediglich auf dem Stand-
punkt der alten Baupolizeiordnung stehen geblieben sind.
Kein bygiäniscbe Forderungen haben bei den Gewerks
meistern sehr wenig Gnade gefunden. So z. B. war für die
.Senk- und Sammelgruben eine Entfernung vou 1,4- von
der nachbarliehen Grenze vorgeschrieben. Wahrend nun
die Architekten -Verein« - Kommission noch ausserdem die
absolute Undurchlässigkeil derselben verlangt, ist den
Gewerkmeistern auch noch die vorgeschriebene geringe Ent-
fernung zu viel nnd daher gestrichen. In dem § 66, dessen
Ueliersehrift .hrandsichere Feuerungen — helle Küchen" ge-
lassen ist, streichen die Gewerksmeister die Bestimmung,
dass Küchen entweder nach freien oder nach Lichlhöfcn
hinaus liegen müssen, setzen dafür aber keine andere Be-
stimmung an deren Stelle und gestatten also Küchen in ganz
dunkelen, unventilirteu Baumen. Die speziellen Bestimmungen
über die Einrichtung der Schornsteine und Zugrobren. welche
die Architekten -Vereins -Kommission sammtlich beibehalten
hat. werden ohne Weiteres gestrichen und ersetzt durch die
sehr kategorische Bestimmung, dass für die Reinigung der-
selben der Eigentümer verantwortlich ist. Wenn damit nur
die Verpflichtung, reinigen zu lassen, gemeint ist, kann man
Nichts dagegen einwenden. Wollen die Gewerksmeister die
Verantwortlichkeit des Eigentümers aber auch auf die wirk-
lich geleistete Schornsteinfeger-Arbeit ausgedehnt wissen, so
ist damit doch etwas zu viel verlangt. Andererseits ist die
Verantwortlichkeit der Bauherren zu gering behaudelt, wenn
die Aufstellung der Baugerüste davon eximirt wird. Hierfür
sollen nämlich nach der Forderung der Gewerksmeister nur
die betreffenden Aulsteller verantwortlich sein, denen durch
Streichung sämmtlkher spezialisirter Hegeln, die von der
Architekten-Vereius-Kommission durchweg unerkannt worden
sind, vollständig freie Hand gelassen ist. In dem Bestreben,
der freien Erschliessung des Polizei - Präsidiums möglichst
wenig Spielraum zugestehen, sind unseres Erachtens die
(Gewerksmeister auch zu weit gegaugen. Abgesehen davon,
dass fast sänimtlichc auch in liberalem Sinne zugestandenen
Ausnahmen von gegebenen Hegeln (wie z. B. im § CU bei
Brandmauern) gestrichen sind, haben die Gewerksmeister in
andern Fällen in derselbsn Absicht ungerechtfertigte Ein-
schränkungen aufgestellt, z. B. im § 1)7 die Anwendung von
Luflsteinen nnd Lehmmörtel nur bei Gebäuden bis zu . r > m
Fronthöhe, hier aber allgemein zugestanden. Gerechtfertigt
das Verlangen der Architekten-Vereins
Kommission, partielle Rohbauabnahmen anf Antrag des Bau-
herrn zuzulassen.
Schliesslich müssen wir den in vielen Beziehungen sehr
beherzigenswerthen Ausführungen der Schornsteinfeger
noch eine Aufmerksamkeit schenken. Sie verlangen, dass
„jeder Steige-, resp. Leinschornstein da, wo er angelegt ist.
eine separate luftdichte Reinigungsthür habe; dieselbe dürfe
sich aber nicht in Miethsräumen oder Wirthschaftskelleru,
sondern ausschliesslich nur auf Fluren !>efiuden. Danach
könnte vou dem Kellergeschoss nur die Strassenfront zu
Wohnungen, die andern Kellerrfinme müssten, wie auch ganz
riehtig, nur zu Wirthschaftskellern benutzt werden.* Die
Reinigung sämmtlicher Leinschomsteine soll nur vom Dach
aus geschehen mittels Anlage von Laufbrettern, die ander-
wärts bereits ganz allgemein im Gebrauch seien; Kappen
sowie Rauchaufsätze ieder Art bähen uur für den Verfertiger
Nutzen, für «las Publikum lediglich Schaden und Unannehm-
lichkeiten. Bei Neubauten sollen möglichst gleich Reserve-
schornsleine angelegt werden, da bei späteren Umbauten die
vorhandene Zahl oft nicht ausreicht.
Wenn hiergegen wenig einzuwenden ist, so geben doch
die Schornsteinfeger noch ein erkleckliches Stück weiter und
versteigen sich zu einer zwangsweise vorgeschriebenen sozia-
listischen Glückseligkeits-Theorie, die mit dein ultraverkehrs-
frcihcitlichcn Standpunkt der Maurer- und Zimmermeister
in einem höchst bemerkenswerten Gegensatz« steht. So
.sollen die Hinge der Kochiuaschiueu in ganz Berlin vou
gleichem Muasse sein," die .Heizkraft der Kachelöfen soll
Seitens der Töpfer schriftlich garanlirt* werden, .die neu«
Bauordnung inüsstc diese vorteilhaften Feuerungsaulageu
(d. h. sog. Sparöfen in den Zimmern, die von der Koch-
maschine mit geheizt werden) zur unbedingten Vorschrift (!)
machen.- Demi .zwischen dem, der einen Wald vorsätzlich
anzündet und denjenigen, welche es verschulden, dass all-
jährlich die Hälfte von den zu verbrauchenden Brennstoffen
zwecklos vergeudet wird, ist wenig Unterschied.* „Wer
daher allen dem, was in Betreff der Brennstoff-Ersparnis»
hier empfohlen ist, anstatt es zu befördern entgegenwirkt,
der mag sein was er will — ein Menschenfreund ist er aber
sicher nicht." — Wir können auch den Architekten und
Bauhandwerkern nur empfehlen, das Prädikat .Menschen-
freund" und damit das Wohlwollen der Schornsteinfeger
Berlins uuter allen Umständen zn verdienen.
Dr. Ernst Bruch.
Das Projekt der St UUnard-Baha.
Wohl kein anderes Eisenbahn-Unternehmen zieht iu gleicher
Weise die Aufmerksamkeit des Bau-Ingenieurs auf sich, als das
Gotthard-Projekt, es wird daher auch für die Leser diese» Blat-
tes nicht unerwünscht sein, darüber einige näher« Angaben in
dem Folgenden zu finden. Dieselben beruhen tbuils auf den
Mittheilungen der Denkschrift des Bundeskanzler-Amte» an den
Norddeutschen Reichstags d. d. 16. Mai 1870, tbeils sind dieselben
einem längeren Aufsätze in dem „Bulletino del Club Alpiuu di
Torino 18b2" entnommen, einige Angaben endlich beruhen auf
privaten Mitteilungen.
Nachdem lange Zeit Uncntschlosscuheit in allen botheiligteu
Kreisen geherrscht hatte, welcher Punkt zur Durchbrechung der
Alpcnkette gewählt werden sollte, und die Meinungen zwischen
allen bekannten Alpennässen geschwankt hatten, bot die be-
stimmt« Erklärung Italiens und Norddeutschlauds, nur dem
St- Gottard-Proiekt die erforderliche Subvention zu gewähren,
dem Schweitzer Bundesrath die Gelegenheit, nun cbcufalls seinen
Einfluss für Rcaluirung dieses Planes in die Wagschaalc zu
werfen. Im Auftrage des Gotthard-Komites waren schon seiner
Zeit durch die badischen Ingenieure Beck und Gerwig detail-
lirte Untersuchungen angestellt und dann verschiedene Rich-
tungslinien für den Tunnel ermittelt worden. Diu erste Trace,
welche dem Projekt nunmehr zur Grundlage dient, tritt mit
1110« Seehöhe Vi dem Orte Gttscbonen in den Tunnel ein.
Dieser selbst wird 14800" laug, steigt in seinem höhsteu Punkte
auf 1162,5— SU. und endigt bei Airolu mit einer Seehöhe von
i IVi ". Die gegenwärtig« Strasse zwischen Gö»chenen und
Airolo über den Gotthard pas* hat ein« Länge von 34 K -. Bei
diesem Projekt ist es möglich, einen Schacht auf 3500- Ent-
fernung vom Nordende bei Andermatt abzuteufen, doch würde
derselbe allerdings ca. 300- tief werden müssen.
Gleich« Richtung, nur abweichende Höhenlage, hat ein neuer-
dings In Anregung gebrachtes Projekt Die nördliche Mündung
bei Göchencn bleibt in derselben Höhe von 1110" über dem
Meere, dann steigt aber der Tunnel mit 1 : 150 bis auf 1137« Sil.,
um dann mit Gefälle vou 1 : 1000 den südlichen Ausgangspunkt
bei Airolo mit 1130« SU. zu erreichen. Die Gesaramtlängu
dieses Projektes ist 14900- , mithin 100- grösser als das zuerst
erwähnte.
Diu Gesteine, welche in dieser Richtung zu durchfahren
wärcu, sind auf etwa 2000- vom Nordend« ein iu Gneis über-
gehender Granit von bedeutender Härte. Namentlich der Granit
ist von sehr feinem Koru und gross« Feldspatbkrvstalle ein-
scbliesseud. er scheint dem im Riesengebirge bei Schreinerhau ein-
zeln anstehenden sehr ähnlich zu sein. Im südlichen Theile
schliesst sich au diese Formation ein sehr harter quarzreicher
Glimmerschiefer iu für den Bau günstigen, steil aufgerichteten
Schiebten, auf eine Läng« von ca. 12Ü0O- an. Dca ltust der
zu durchbrechenden Gesteine bilden einzelne Kalk- und Seruiu-
schichten, sowie eine alte Schieferformation. Diese säuiuitlichen
Schichten treten nur im nördlichen Theile auf und dürften na-
mentlich die steil aufgerichteten Kalkachichten in e«u?r Länge von
ca. 2000- dem Wasser den Zutritt gestatten und sowohl eine starke
Auszimmerung als auch spätcro Wölbung nothwendig machen.
Im Allgemeinen sind- die Gesteine härter als am Mont-Cenis,
natürlich mit Ausnahm« der bekannten (Juarzscbicht bei diesem.
Die zweite Konkurrenz-Linie liegt etwa» mehr westlich und
bildet eine nach Westen konvexe Kurve. Sie liegt gerade unter
dem St. Gotthard und ist 570- länger. Alles
um sie dem ersten Projekt weit nachzustellen.
Die dritte Linie eudlich ist zwar nur 10680- lang, jedoch
durch ihre grössere Seehöhe von 1350'* und 1470"', namentlich
an ihrem nördlichen Eude schwer zugänglich.
Der Kostenanschlag des ersten Projektes für 14,8 K - soll nebst
Ausmauerung 14% Milliouen Thlr. betragen, derjenige des er-
wähnten neuesten Projekts für 14,'J Km lC'/i Mill. Thlr., wobei
die Kosten für zweigeleisigeu Oberbau niiteiugcrechuet sind.
Der laufend« Meter würde also ad l rot. !»63 Thlr., ad 2 rut.
1008 Thlr. kosten. Grattoui, bekanntlich Ingenieur beim Bau
des Mont-Cenis -Tunnels, hat di« Uebemahme der Ausbruchs-
und Wölbungsarbeiten für 4500 Fr. (1200 Thlr.) pro Meter uffc-
rirt, während die Kosten des Mout-Ccuis- Tunnels anfänglich
5500 Fr. (1167 Thlr.) pro Meter betrugen, nach und nach aber
durch Verbesserung der Maschinen etc. auf 4650 Fr. (1240 Thlr.)
herabsanken. Das Komite glaubt mit 4000 F'r. (1067 Thlr.)
das laufend« Meter herstellen zu können, ja diese Summe noch
nicht zu bedürfen, wobei allerdings darauf gerechnet ist, dass
nur etwa ein Drittel des ganzen Tunnels ausgemauert wer-
den darf.
Für die anschliessenden Strecken ist eine Maximal-Steigung
xon 1 : 40 und ein Minimal-Radius der Kurven von 300- ange-
nommen worden, nur auf der Strecke zwischen Biasca nnd La-
Digitized by Google
— 36 —
vorgo «oll eine Steigung von 1 : 86 zulässig sein. Die angenom-
mene Raazeit der einzelnen, da« ganze Unternehmen zusammen-
setzenden Linien ist folgende: Bianca Belliuzona20K»\ Bellinzona-
Piuo 25 K n», Zweigbahn nach Locarno 8 K », Lugano-Cbiazzo 25Km
in 3 Jahren, Luzern-Küssnacht-Goldau und Zug-Adrian-Goldau
23 K " in 2*i Jahren, Goldau-Brunnen-Flüelen-G<kschenen 49 K «>,
Airolo-Biasca 39 K » und Bellinzona-Lugano 29 K » in , Jahrru.
Der Tunnel selbst eoII bekanntlich in 9 Jahren fertig gestellt
sein- Sänimtlichc Linien mit Ausnahme der Hauptstrecke
Flüelen-Goschenen-Airolo-Biasca, welche zweigeleisig hergestellt
werden soll, sind eingeleisig auszuführen beabsichtigt.
Die Tarife für den Personen-Verkehr sind annähernd die-
selben, wie die der deutschen Schnell- und Kurierzüge, jedoch
mit einer Ermässigung von 33'/, pCt. für die Strecken mit Stei-
gungen von weniger als 1:66. Im Speziellen sollen die Preise
die nachstehenden sein.
Für die Schweizermeile ä 4800»: I. Klasse in schwacher Stei-
gung 50 Cts., in starker Steigung 75 Cta.; II. Klasse 35 resp.
53 Cts.; DL Klasse 25 resp. 38 CU.
Für die Moilu a 7,5*'»: I. Kl. 78 resp. 117 Ct«. (0,24 resp. 9.36
Groschen): II. Kl. 55 resp. Kl Cts. (4,4 resp. 6,6 Groschen);
Iii. Klasse 30 resp. 5'.» Cts. (3,12 resp. 4,6* Groschen).
Für das Kilometer: I Klasse 10,4 rwp. 16,6 Cts.; II. Klasse 3,3
resp. 11,0 Cts.; III. Klasse 5,2 resp. 7,8 Cts.
Da in jüngster Zeit auch das Projekt der Splügeubahn auf
die Tagesordnung gesetzt worden ist, so mögen auch hierüber
einige Worte folgen.
Die italienischen Iugcuirurc Vannotti, Finardi und Antouiui
haben für dieses Projekt zwei Linien ermittelt, welche zwar den-
selben Ausgang im Hinter- Kheiuthal haben, von denen jedoch
diu eine unter dem Surettahorn nach lsola in einer Lange von
14150"» und einer Seehöhe von 1250«» führt und fast Kauz im
Gneis und Granit liegt, wahrend die andere unter dem Passe
seihst nach dem Lirothal geht, nur yitOO"» lang ist, dafür aber
eine Seehöhe von 14'JO"» bis 1607™ erreicht. Das von dieser
Linie zu durchbrechende Gestein ist fast ausschliesslich ein
stark zerklüfteter Kalk.
E. F.
Wiederum eine gerichtliche Entscheidung über Bonnrar für architekfoaKrhe Arbeiten.
Unser« Leser werden sich des interessanten, für die. Stellung
des Faches jedoch beschätnouden Falles einer gerichtlichen
Entscheidung über architektonisches Honorar erinnern, den wir
in No. 18, Jahrg. 1871 d. Bl. mittheilten. Wir sind leider noch
nicht in der Lage, über den Ausgang der Appellation berichten
zu können, haben hingegen in diesen Tagen von einer anderen,
wohl auch für jenen Fall Hoffnung erweckenden Entscheidung
Kenntniss erhalten, welche die Appcllations-Iustauz, das Köuig-
licbe Kammergericht zu Berlin, in einem ähnlichen Prozesse
gefallt hat
Der Thatbestand ist in Kürze folgender: Der Baumeister
Seh. zu Berlin hat für den Bäckermeister B. im Jahre ISC9 ein
vollständiges Projekt zu eiuem städtischen Wohnhaus« nebst
Spezialknstenanscblag angefertigt und dafür, da ihm der Bau
selbst nicht übertragen wurde, ein Honorar von 1000 Thlr- be-
ansprucht. Der Bauherr hat die Angemessenheit dieser For-
derung bestritten uud es zur Klage kommen lassen. Der Prwzess
ist in erster Instanz, beim Kgl. Stadtgerichte zu Berlin, für den
Klager ungünstig verlaufen. Seine Behauptung, dass der Ver-
klagte jene, von ihm unter Mittheilung der , Nonnen des Archi-
tekten Vereins" im Voraus als Minimalpreis bezeichnete Summe
genehmigt habe, ist von diesem eidlich in Abrede gestellt wor-
den. Der gerichtliche Sachverständige Herr Baurath Sch. hat
die ihm vorgelegte Arbeit, bei welcher indess dio gleichfalls
gelieferten Zeichnungen und Berechnungen der Eisenkonstruk-
tionen fehlten, nach Arbeitstagen abgeschätzt und für diese einen
Satz von 2 Thlr. angenommen; unter Hinzufügung eines Auf-
schlages von 20*/a für architektonische Erfindung (wohl aus-
schliesslich für Anfertigung der Zeichnungen) hat er hiernach
ein Honorar von 424 Thlr. 9 Sgr. als augemessen bezeichnet.
Der Gerichtshof bat hiervon jedoch noch jenen Zuschlag im Be-
trage von 32 Thlr. 24 Sgr. gestrichen, weil der Kläger nur für
das entworfene Projekt und den angefertigten Spozial-Anscblag
eine Vergütigung beanspruchen darf, nicht aber für .die archi-
tektonischen Arbeiten," deren Bestellung der Verklagte
eidlich bestritten hat.
In Folge der Appellation des Klägers hat das Kgl. Kamroer-
goricht eine neue Beweisaufnahme ungeordnet und als Sachver-
ständige den Professor Herrn G. und den Baumeister Herrn
Z. vernommen. Wie das Erkenntnis* resutnirt, fussen dio
Gutachten beider „auf derselben thatsächlicheu Grundlage, näm-
lich auf der Annahme eines usancemässigen Prozentsatzes
J_ I V. I ~ .1- ■ .vi; 1 ;_ L i _
der AnschlaBssumme für die Arbeiten einschliesslich der Erfin-
dung resp. Oer Vorarbeiten." Das erste erklärt, unter Annahme
einer Anschlagssumme von 36100 Thlrn. und eines Prozent-
satzes von 2,6 % als des allgemein üblichen, ein Honorar von
936 Thlr. für angemessen; das zweite ermittelt die eigentliche
Anscblagssumme zu pp. 40000 Thlr., nimmt jedoch nur einen
SaU von 1,99 reep. 1,55 + 0,6 Prozent an und ist so auf eine
Summe von 835 Thlr. gelangt. Der Gerichtshof hat das letztere
Gutachten des Baumeisters Z., welches in Betreff de r Höhe des
Prozentsatzes ausdrücklich auf dio „Nonn des Architekten-Ver-
eins" Belüg nimmt, „wegen seiner speziellen Begründung und
der Klelitlgkcit der Oi'lindlngcir bevorzugt und ilauadi er-
kannt, indem er sowohl das Sachverständigen-Gutachten erster
inbtanz. wie das Bedenken wegen der nicht bestellten arekitek-
touischeu Arbeitet! als beseitigt erklärte.
Mau mag in den Kreisen der Preußischen Architekten über
dieses Resultat und die in dem Erkenntnisse enthaltene aus-
drückliche Anerkennung der Hamburger Norm) die nach erfolgter
Annahme durch den Verband fortan wohl am passendsten als
.Norm des Verbandes etc.* bezeichnet werdm möchte) immer-
hin erfreut sein uud wird sich für die nächste Zukunft gewiss
nicht ohne Erfolg auf diesen wichtigen Präzedenzfall stützen
können. Aber eben so unerfreulich ist der Einblick, den dieser
l'rozess wieder einmal in das gerichtliche Verfahren bei solchen
Angelegenheiten gewährt hat, und ein zutreffenderes Beweisstück
für die Notwendigkeit technischer Spezialgerichte mit sachver-
ständigen Mitgliedern dürfte so leicht nicht gefunden werden.
Welches Verständuiss für nicht einmal spezitisch technische,
sondern nur für ausserhalb des eugsteu Kreises juristischen
Denkens liegende Fragen hat der in erster Instanz fungireude
Gerichtshof gezeigt, als er die klassische Unterscheidung zwischen
der Anfertigung eines vollständigen Projekts mit Suezial-Kosteu-
ansehlag und der Anfertigung der -architektonischen Arbeiten"
zu oiuum Neubau ermittelte und feststellte, doss zu den letz-
teren ein ausdrücklicher Auftrag erfolgen müsse. Und liegt
nicht in der Möglichkeit so weitgehender Irrthümer, in der
Thatsache, das» iicchtssprüchc bei solcher Unklarheit über die
zu entscheidende Sache erfolgen können, in dem Zufalle, der
über derartigen Erkenntnissen, je nach Zusammensetzung des
Gerichtshofes und je nach dem individuellen Ermessen der von
ihm gehörten Sachverständigen waltet, ein Zustand der Rechts-
pflego vor, den man in unserer Zeit wahrlich nicht für möglich
halten sollte!
Wie sehr übrigens dieses individuelle Ermessen noch hei
einer und derselben sachverständigen Persönlichkeit .Schwan-
kungen uuterworfeii ist, sind wir gerade iu dem besprochenen
Falle im Stande zu beweisen Es liegt uns nämlich Abschrift
eines Gutachtens vor, welches der Sachverständige erster lustauz.
Herr Baurath Sch., der die Ante
Anfertigung des Projektes und
Kostenanschlages diesmal als eiue Tagearbeit abschätzte, iu einem
älteren Prozesse über architektonisches Honorar, am 16. März
1868, abgegeben hat. Es ist vou ihm damals, also ein Jahr bevor
die in Hamburg beschlossene „Norm* publizirt wurde, eiue
Berechnung uueb Prozenten der Bausumuie zur Bestimmung des
architektonischen Uouorars für angemessen befunden uud au^e-
Mittheilungen aus Vereinen.
P.
Die Generalversammlung des Brandenburglaohen Bau-
ge werken -Vereins und des Vereins Baubude, sowie die Dele-
nrten- Versammlung sämmtlicher Baugewcrkcn-Vcrcinn Deutsch-
end* wird, nach einer Bekanntmachung des Vorstandes iu der
Baugewerks-Zcitung, am 18- 19. uud 20. Februar d. J. zu Ber-
lin stattfinden. Wir erfahreu aus einem Artikel derselben Zei-
tung mit Bedauern, dass die am II. Dez. 1870 beschlossene
Gründung eines Verbandes dieser Vereine, die auch wir mit
bester Hoffnung begrüssten, bis jetzt noch nicht ins fak-
tische Leben getreten ist. Man schreibt dies der mangel-
haften Organisation des Verbandes und dem Fehlen eines
Statuts zu und hofft dies gegenwärtig durch Schaffung eines
solchen verbessern zu können; gleichzeitig will man ein ein-
heitliches Reglement -für die Prüfungen aufstellen, denen der-
jenige sich unterziehen soll, welcher in einen Baugewerkenvcr-
eiu aufgenommen werden will, ohne die früher vorgeschriebene
Meisterprüfung bestanden zu haben. Von welchem Erfulge
- lein wird, muss abgewartet werden; es will uns fast bc-
dass diejenigen Elemente desBaugewcrkauieisterstandes,
>en und im Interesse der Sache ihre
und den stetigen Fortschritt des
gesetzt halfen, bei der grossen Masse ihrer Berufsgenosscu so
wenig thätige Theilnalime rinden, dass ihnen dieses uneigen-
nützige Streben bald verleidet sein wird und ihre Kräfte erlah-
nieu müssen. Es könnte, dies nicht lebhaft genug bedauert werden.
Die General -Versammlung des deutschen Vereins für
Fabrikation von Ziegeln, Thonwaaren, Kalk und Zement
fand am 25.. 26. und 27. Januar d. J. in den Bäumen der poly-
technischen Gesellschaft zu Berlin unter sehr reger Betheiligung
statt. Von den 300 Mitgliedern des Vereins war etwa die
kleinem Hälfte anwesend, ausserdem 50 bis 60 Gäste erschienen.
Erster Tag.
Der Vorsitzende gedachte zunächst des grossen Verlustes,
den der Verein durch den Tod seines früheren Sekretärs uud
Redakteurs des Notizblattes, Hrn. Tü rrscb miedt, erlitten, und
forderte zu Beiträgen für den Türrsihmiedt-Fouds auf. welcher
einem Schüler des hiesigen Gewerbemuseums ein Stipendium
für das Studium der Kuusttöpferci gewähren soll. Eiu Theil
der zusanmiengestcuerteu Summe soll zur Errichtung eines
Denksteins auf dem Grabe des Verewigten verwendet werden.
Digitized by Google
- 37 -
^RBEITEI^-'y^OHNUNQEM
auf dem Groülieriogl. OeAfithofe RubeutteUfJeldJti ei Schwerin.
An Stelle des Hrn. Türrschmiedt wurde Hr. Hr. Seger,
<lcr z. Z das Amt des Sekretärs und Redakteur* interimistisch
verwaltet, einstimmig gewählt nnd darauf die Herren Dr. Bi-
schof In Wiesbaden, Hr. Dürr« in Aneben und Dr. Richters
in Waldenburg in Sehl, zu Klircumitglicderu ernannt.
Aua der nun folgenden Diskussion tat Nachstehendes vor-
zugsweise zu registriren:
Die Brosowskv'selie Tnrf-deehmaschine ist für die Thou-
fürderung unter Wasser gänzlich unbrauchbar, «eil sie nicht in
den Thon eindringt, nach der Ansicht der Fabrikanten selbst
auch dann, weuu nie. bedeutend starker konstruirt würde.
Für die Thonfürderung bei Front wetter wurde empfohlen,
die zunächst abzustechende Thon flache um Abend vor der Wer-
bung mit frischem Pfeidedünger i Fuss hoch zu bedecken. Im
Herbst bandhoch aufgebrachte Fichtennadela schützen den Thon-
boden vor dem Eindringen des Frostes, können aber kein Auf-
thaueu bewirken, wie dies beim l'fenledünger der Fall ist.
Für die künstliche Trocknung von Ziegelwaarc ist uls Ilaunt-
sache zu bezeichnen, da.« aussei- der nftthigen Würm» für Zu-
führung trockener und die Abführung der feuchten Luft, also
für gute Ventilation gesorgt wird. Zu diesem Gegenstand wur-
den eine Menge von 'iWkcneiuriehtungcn beschrieben und durch
Skizzen criHutert.
_ Für die Herstellung von dauerhafter Glasur auf Ziegel-
steinen wurden verschiedene Verfahren mitgetbeilt: den Schieber
im Kingofeti schützt man am Itestcn durch Anstrich mit Stein
kohlcutheer liegen Host, auch hat es sich bewahrt, denselben zu
versinken. TbonrOhren sind nur gut zu brennen, wenn sie
zwischen gewöhnlichen Steinen eingesetzt werden.
Hr. Dr. Lessing führte in einem allgemein fesselnden Vor-
trage die Ansieht aus. dass die Thnnwaarcu - lndrust ie, welche
das vorzüglichste Feld für ihre Eutwiekclung in der M T ark Bran-
denburg. In specin in Berlin habe, von der bisher beliebten
I Farbloalgkeit wieder zur Anwendung bunter Ornamente Aber»
geben müsse. Der Redner legte eine reiche Auswahl von Pro-
ben ans Frankreich, England u. e. w. sowohl neueren als älteren
; Ursprungs vor und wies dabei nach, dasa* unsere vorzüglichsten
j Fabriken zwar sehr glatte und sauber hergestellte Stücke lie-
[ fem, aber nicht entfernt die Wirkung älterer Proben in Besag
I auf vollgcsfittigte Farben erreichen. ^Er glaubt die Zeit gekouf
Anstrengungen in dieser Richtung .
mal die namhaftesten Architekten der Neuzeit dies« Bestre-
bungen unterstützten.
Zweiter Tag.
Die Frage, welche Ziegelpresse und Forniniaschine eich als
die beste bewahrt habe, blieb ungelöst, da eine l'nivcrsalZieeel-
maschiue wegen der verachiedeuartigeu Beschaffenheit der Zie-
gelerdo nicht möglich ist, von den besseren Ziegelpressen aber
jede ihre Vorzüge für gewisse Verhältnisse hat.
Die bis jetzt «■■machten wenigen Erfahrungen über Transport
uuf Scil-Eiseubahuen sind durchaus befriedigend, wenn auch an
allen Orten, wo dieselben bis jetzt exiatirtcu, viel Zeit und Geld
auf Versuche hat verwendet werden müssen. Herr Baumeister
Lämmerhirt referirte über das Historische der schwebenden
Kiscubuhucu, in specie der Seileisenbahnen und legte der Ver-
sammlung u. A. ein System einer Doppelbahn mit Zugseilbe-
wegung und eine Kombination des v. Dücker'schen Systems mit
dem v. Prittwitz'schen vor, welches die Anbringung von Drch-
m und Weichen ermöglicht. Das Ganze wurde, durch ein
«ehr v
Ein Anstrich von Wasserglas auf Ziegelsteiucn vor dem
unen giebt im Allgemeinen der OberHäche eine dunklere
Färbung; ausserdem wird Wasserglas als Bindemittel für Far-
beuzusatz verweudet, doch ohne guten Erfolg.
Die grünen oder schwarzen Anflüge auf hellfarbigen Steinen
wcrd?n als Vegetationen, Flechten, Algen charakterisirt. Für
Entfernung derselben von Fanden wird ein jährlieh zu wieder-
holender Anstrich derselbeu mit einer Aulbisuug vou Schwefel-
calcium empfohlen.
Hebevorrichtungen zur Förderung von Thonen, Kalkstein etc.
müssen sich durchaus nach den örtlichen Verhältnissen richten.
Das Ofensvstem von Benno Schneider soll sich uicht be-
sonders vortheilhaft gezeigt haben; über Ausführungen von Paul
Loeff wussle Niemand etwas anzugeben.
Die Benutzung von Wicseiikalk zum 'Brennen von Kalk
wird nur bei grosser Reinheit desselben und an solchen Orten,
wo Kalkstein schwer zu Iteziehen ist, empfohlen.
Nach Schluss der Verhandlungen vereinigte ein Festmahl
in denselben Räumen einen grossen Theil der Anwesenden bis
zum Abend.
(StlilUM fuIdU.)
Architekten-Verein zu Berlin. Versammlung am 27. Ja-
nuar 1872; Vorsitzender Hr. Höckmann. Anwesend 20. r > Mit-
glieder und 13 Gaste.
Nach Vorstellung der zahlreichen, zur Aufnahme sich mel-
denden Fachgeuosseu und nach einem Bericht des Vorsitzenden
über die seit letzter Sitzung eingegangenen Zusendungen sprach
Hr. Lucac über sein von ihm ausgestelltes Projekt zum Neu-
bau des Stadttheaters in Frankfurt a. M.
Bekanntlich entstammt dieses Projekt einer beschrankten
Konkurrenz, deren Verlauf wir erBt vor Kurzem (in No. 2 u. Bl)
nachträglich zu besprechen Veranlassung nahmen. Da der Ver-
fasser jedoch erst nach Entscheidung der Konkurrenz Gelegen-
heit hatte, mit den speziellen Wünschen und Gewohnheiten des
ziemlich ständigen frankfurter Thcaterpuhlikunis vertraut zu
werden, so hat die innere Disposition seitdem eine wesentliche
Umarbeitung erfahren. Mittlerweile hat auch die Platzfragc eine
neue Entwickelung genommen und wird beabsichtigt, die anfäng-
lich bestimmte Baustelle hinter dem alten Theater aufzugeben
und eventuell für eine neue Börse zu verweudeu, das neue
Theater hingegen am Westend der Stadt, auf einem am Anfange
der Bockcuheimer Allee belegenen freien Platze zu errichten.
Neben dem Gewinne, der aus dieser Lage für die äussere Er-
scheinung des Gebäudes sich ergebeu würde, spricht für die
Wahl auch die Nachbarschaft der beliebtesten, aristokratischen
Wohnquartiere; ebenso fällt der Gewinn einer Börsen-Baustelle,
wiu siu passender nicht leicht gefunden werden kann, und die
Möglichkeit, das alte, von von der Launitz sehr zierlich restau-
rirte Theater zu erhalten, immerhin ins Gewicht.
Diu Grundform des Gebäudes zeigt ein Oblong von etwa
50"" Breite und SO" Länge, wobei in der Breite die beiden auf
jeder Seitenfrout vorspringenden Bautheile mitgerechnet sind,
während in der Länge das kräftige Risalit, welches die Haupt-
front gliedert, und die davoriiegeude Vorfuhr tshallc noch hinzu-
treten. Aus den Dachflächen dieses zweistöckigen, in gleicher
Gesimshöhe abschliessenden Unterbaus ragen bis zu ziemlich
bedeutender Höhe der Zuschauerraum und die Bühne, welche
zu einer zweiten langgestreckten Baugruppe vereinigt sind,
empor — der Zuschauerraum nach der Vorderfront gekehrt und
den uuverhüllten Halbkreis zeigend, die Bühne nach der Hinter-
front mit einem mächtigen Giebeldreieck gekrönt.
Der Vortragende hat bei dieser Grundform für das Aeusscro
die für das Theater so charakteristische Erscheinung des Rund-
baues, für das Innere hingegen eine rechtwinklige Gestaltung der
Foyers und Vorplätze zu erlangen gesucht; die Vermitteluug der
Gundform des Zuschauerraumes mit deu ihn rechtwinklig um-
gebenden Mauern ist im Innern dadurch erreicht, dass die
beiden durch diu äussere Korridorlinie abgeschnittenen Zwickel
des Quadrats zum Korridore hinzugezogen sind und nur durch
eine leichte Säulenstellung von ihm getrennt erscheinen.
Eine genaue und vollständige Schilderung vou der E
lung des Gebäudes zu liefern, würde ohne Mittheilung
Skizze ebenso undankbar sein, wie über das Maa^s dessen, was
der Vortragende selbst gegeben, hinausgehen; wir beschränken
uns dahur auf eine kurze Charakterisirung der wesentlichsten
und für den Entwurf charakteristischen Momente, dio in Betreff
der Anordnuug des Zuschauerraumes, sowie der Treppen und
Netienräume zu demselben hervorzuheben sind. Wie schou er-
wähut, inusätc hierbei iu ganz besonderer Art auf die lokalen
Traditionen und Verhältnisse Rücksicht genommen werden.
Der Zuschauerraum wird etwa 1«0Ö Personen fassen und
besteht ausser dem Parquet und deu Parquetlogen, welche jedoch
so bedeutend erhöht sind, dass die dort Sitzeudeu auf allen
Plätzen über die Köpfe der stehenden Parquelbesucher hinweg-
sehen können, aus 3 oberen Rängen von je 3,5"> Höhe. Ein
vierter Rang ist (wie im Berliner Wallnertheater) als eine omphl-
theatralisch ansteigende Fortsetzung des dritten Ranges angeord-
net Die beiden untersten Ränge (Parquetlogen und erster Rang)
werden iu 50 Logen abgetheilt, über welche bereits vor Einleitung
der Konkurrenz disponirt war, da für die Anwartschaft auf diese
(später jedoch noch zu bezahlenden Logen) .'»0 Bürger Frank-
furts je 10,000 fl. zum Baukapitale beigesteuert haben: ebenso
ist vorausgesehen, das späterhin auch fast alle Plätze des gleich-
falls in Logen eingetheilten zweiten Ranges bald in feste Hände
gelangen werden. Gewünscht wurden ausserdem uoch besonders
breite" und tiefe Proszeniumslogeu. unter denen die eine für den
Herzog von Nassau, eine andere als Loge für distinguirte tremde
reservirt werden soll. Die Dimensionen des Raumes haben sich
bei einer Bübueni.ffnung von 14,5» demnach ziemlich bedeutend,
auf 21™ lichten Durchmesser im Parquet ergeben, wobei die
Bilkone der Logen auf 2 Sitzreihen um l.ti» vorgekragt sind.
In der Architektur des Inneuraumes hat der \ erfasser des 1 rojcktii
versucht, die bei den meisten Theatern so störende Ncbeneman-
dei»tellung verschiedener Maasstäbe zu vermeiden, indem er
gro«>e und streng architektonische Motive nur bei der Ein-
rahmung der Proszeuiumsöffnung (ein Korbbogen auf korin-
tischen Säulen; und iu der Deckcnthciluug angewendet bat
wahrend die I>ogeutheilung der Ränge als eiue Reihe von freier
gebildeten Rahmen gedacht ist. j_ m
Für die Anordnung der zum Zuschauerraum führenden fciu-
L-äuge und Treppen machten die vorerwähnten Verhältnisse
gleichfalls ihren Rinfluss geltend. Es wurde nicht allein auf die
Anlage eiuer monumentalen Prachttreppo grosses Gewicht gelegt,
sondern es war direkt nöthig, dieselbe bis zur Höhe des zweiten
Ranges emporzuführen; auch war ausserdem auf möglichste Be-
quemlichkeit der Zugäuge Rücksicht zu nehmen. Selbstverständ-
lich war ferner im Interesse der Sicherheit für eine möglichst
grosse Zahl verschiedener Ausgänge zu sorgen. ,
Mit Ausnahme je zweier kleinerer Treppen, die auf jeder
Seite einerseits eineu direkten Zugang für die cximirten Be-
sucher der Proszeniumslogeu gewähren, andererseits die Besitzer
der der Bühne zunächst liegendeu Logen auf kürzestem Wege
in dieselben führen, sind die Zugänge und Treppen zum Zu-
schauerraum in dem die Hauptfront bildenden, zu den Seiten
vorspriugenden selbstständigen Bautheile vereinigt- In den
Seitcu liegen zwischen 2 Zu- resp. Ausgängen iu quadratischen
Treppenhäusern dio Treppen zum dritten Rauge resp. zur Ual-
lerie, im luucrn hinter einem langgestrekten Vestibül die
grosse Prachttreppe, aus zwei geraden Armen mit je zwei Läu-
fen von 3 5»» Breite bestehend- Die Anordnung derselben ist
in höchst ' einfacher, aber geschickter Weise so getroffen, dass
der Zugang vou ihr zu den einzelnen Rängen abwechselnd von dem
grossen Mittel podest oder von den beiden Seitenpodesten ertolgt,
wodurch sehr stattliche Höheuvcrhältuisse gewonnen worden
sind. Ins Parquet mündet das Mittclpodest. zu den Parnuet-
lo-eu führen die Seitenpodeäte; zum ersten Rang und auf der
anderen Seite nach dem au der Vorderfront über dem > estibul lie-
genden ca. 34 ra und 7.25«' grossen Foyer gelaugt man wieder
aus der Mitte, zum zweiten Range von der Seite von dem
einen dieser letzten Podeste führt eine Thür auf die für den
dritten Rang bestimmte Treppe. Die Decke des grossen Irep-
peuhauses liegt gleich hoch mit der des i dritten Ranges und
wird es sowohl für den Anblick aus dem Treppeuhause wie von
den Korridoren der 3 obersten Räuge einen grossen Reu ge-
währen dass die Wand zwischen ihnen fast vollständig durch-
brochen ist. Als Eingänge für die kommeuden Theaterbesucher
sollen übrigens ausser den für die zunächst erwähnten '1 reppen
nur zwei — der eine für Gäste mit, der andere für solche ohne
Billets — benutzt werdeu. und zwar die in der ersten Axn der
Seitenfronten gelegenen. Der Ausginge können 15 geöffnet
werden, von denen 3 für Wagenbesitzer, 12 für russgänger be-
stimmt sind. . ,
Die übrigen Räume des Theaters erheischen keine besondere
Erwähnung: dieselben sind jedoch so angeordnet, dass die be-
deutenderen (Probesäle etc.) in den Hauptaxen der Konten
liegen und dadurch grosse monumentale. Motive für die racadeu-
bildung gewonnen werdeu konnten. Die letztere ist in den
hellenischen Formen der Berliner Schule, jedoch iu einer freieren
der Renaissance genäherten Auffassung erfolgt und hat das
günstige Urtheil der Preisrichter wie des entscheidenden frank-
furter Baukoinitcs in erster Linie beeinflusst, da, wie erwähnt,
die innere Disposition des Entwurfes Iwdeutciulen Abänderun-
gen unterzogen werdt •u musste. Die Ausführung wird voraus-
sichtlich in dem zu Frankfurt üblichen, für die architektonische
Wirkung allerdings uicht sehr vortheilhaften, weil zu dunklen
Sandsteinmatcrial, geschehen.
Mit einem Dank an den Vortragenden verband der Vor-
sitzende die Bitte an deu Verein, dass dieses Beispiel einer
Vorlage bedeutender, in Ausführung begriffener Projekte zu
einer allgemeineren Sitze werden möge. Ueber die günstigste
Stellung des Theators in der neuen Situation, uebeu welchem
Digitized by Google
— 39 —
noch ein Dekorationsmagazin und ein Kaffeehaus errichtet werden
»ollen, entspann «ich auf Wunsch des Vortragenden noch eine
kleine Diskussion, au welcher die Hrn. Ende und Orth »ich
bctheiligten.
Die vorgerückte Zeit gestattete von den auf der Tagesord-
nung stehenden Angelegenheiten nur noch diu Wahl der Schin-
kelfestaufgaben für 1872. Für den Hochbau wurde unter zahl-
Vorschlägen der Entwurf eines Gewerbe - Museums,
für das Ingenieurfach der Entwurf eines monumentalen Neubau.«
der Januowitz-Brückn in Berlin gewählt
Nachdem Hr- Ende ein Album der bekannten Nfihring'-
schen Photographien vorgelegt und zur Subskription aufgefor-
dert hatte, mahnte der Vorsitzende schliesslich noch an die
Wichtigkeit der in nächster Versammlung bevorstehenden Vor-
standswahl und empfahl eventuell vorherige Verstäudiguug.
— F. —
Aus der Fachliteratur.
Zeitschrift des Arohitekten- und Ingenieur-Vereins zu
Hannover. Jahrgang 1870.
B. Aus dem Gebiete des Ingeniourwesens.
I. Beitrag zur Theorie der Holz- und Eisenknn-
struktiunen, von Ingenieur Mohr, Professor am Polytechuikum
in Stuttgart. Eh werdeu diejenigen elementaren Aufgaben der
Festigkeitslehre, welche die Spannung pro Flächeninhalt eines
Querschnitts für irgend einen Punkt desselben bei gegebener
Grflsse der normal gegen den Querschnitt gerichteten Aussen-
kraft und deren Angriffspunkt zu bestimmen trachten, — die
Ermittelung und Darstellung des Trägheitsmoments, die Be-
stimmung des Mittelpunkts der Spannung oder der neutralen
Axe u. s. w. in eiugcnender Weise graphisch behandelt.
Ii Aus dem Erdbau, von Sekt.-lng. Hennings zu Weil
die Stadt Eine durch generelle Zeichnungen und konstruktive
Details erläuterte Beschreibung eines beim Bau der Württctn-
bergischen Schwarzwaldbahn zwischen Stuttgart uud Calw a. d. N.
ausgeführten einspurigen 27"" tiefen Einschnitts mit '/, fachen
Böschungen. Der Baubetrieb ist auf der einen Seite mittels
Drahtseils derartig erfolgt, dass die beladenen abwärts gehenden
Kippwageu die leeren zur Fördcrungsstellc hinaufzogen (auf der
obersten 18»/. Rampe 10 gegen 10 Wagen). Das Drathsei), 315«
lang, bestand aus 3ß Drähten a 3,5""» Durchmesser, die horizon-
tal liegende Radtrommel mit 2 Rinnen, der noch ein zweites
Rad mit einer Rinne vorgelegt war, maass 3«, die Leitrollen
0,86"* im Durchmesser; die Kosten des nach lOtnonatlichem
Gebrauch noch in vMlig gutem Zustande befindlichen Apparats
excl. Seil betrugen 1200 Thlr. Auf der anderen Seite erfolgte
der Betrieb durch Stollen und Schächte mittels 4 Zügen vou je
50 bis 27 Wagen und einer kleinen 150* schweren Lokomotive.
Die Kosten der Arbeit blieben auf beiden Seiten ziemlich gleich
und haben bei einem Muschelkalk - Material« insgoaammt pro
kb- ca. 0.567 Thlr. betrafen.
3. Ueber Rentabilität, und Richtungsfeststelluug
der Strassen, von Baumeister Launhardt in Hannover.
Wiederabdruck eines bereits früher in selbstständiger Form er-
schienenen (S. »39, Jahrg. CU u. BL besproche uen) Aufsatzes.
4. Ueber die Ermittelung der Spannungen in
Fachwerksträgern, von Ingenieur Keck zu Hannover. Es
wird entwickelt, dass bei unregelmässigen Trägerformen die
Methode der graphischen Statik in den meisten Fällen zweck-
mässiger ist, als die der Rechnung. Nach Culmann's „Graphischer
Statik* werden alsdann diejenigen Sätze dieser Methode, deren
Kennt niss für den vorliegenden Zweck nothwendig ist, her-
geleitet und auf ein bestimmtes Beispiel angewendet. An der
Nebeneinanderstellung der für einen Schwedler'schen Träger
durch die Rechnung und durch die graphische Methode ermit-
telten Resultate wird gezeigt, wie die letztere einen für die
Praxis vollkommen genügenden Grad der Sicherheit gewährt
5. Die Parabel-Theorie in ihrer Anwendung auf
Saale undUnstrut,
Merseburg.
^erjenigen deutschen Hydrotekten
bekannt, welchu die durch die Amerikaner Humphrevs uud
Abbot in neuen Aufschwung gebrachten theoretischen Untersu-
rhungen über die Bewegung des Wassers — gegenwärtig wohl
dasjenige Feld der technischen Theorie, auf welchem am eifrig-
sten geforscht und gearbeitet wird — mit besonderer Hingabe
erfasst und durch eine fortgesetzte Reihe selbstständiger Beob-
achtungen und Uerleitungen gefordert hat. Die vorliegende Ab-
handlung enthält das Resultat seiner Forschungen, aufgebaut
zumeist auf einer Crossen Zahl sehr sorgfältiger und genauer
Messungen, die in den Jahren 18CS und 18fi9 an den genannten
Flüssen durch den Baumeister Heibig und den Bauinspektor
Opel ausgeführt worden sind. Dieses bereits in einer früheren Ab-
handlung des Verfassers (im „Civil-Ingenieur" von 18fl7) für mehre
andere Strome entwickelte Resultat weist einen Zusammenhang
zwischen dem Gesetze der Parabel und jenem des Verhaltens
der Stromläufo auf, der sich nicht blos auf die Vertikal-
und Uorizontalkurven der Wassergeschwindigkeiten erstreckt,
^.i.il,!.., l :„ i i r, - i • « i \ .
u. un: j inuoi- i iieuno i n i u r «
die Bewegung des Wassers in der S
von Regierungs- und Baurath Sasse in J
Der Verfasser ist als einer derjenigen d
auch in mehreu anderen Beziehungen wiederkehrt.
Eine eingehende Darstellung dieser vorläufig noch nicht abge-
schlossenen „Paraheltheorie* würde an dieser Stelle nicht am
Piatie sein ; wir begnügen uns daher, die einzelnen Uuternbthei-
luDgen des Aufsatzes — die Wassermengenparabel — die Profil-
parabel — das Gcschwindigkcitflgesetz — die Vertikalgeschwin-
digkeitsparabel — die Horizontalgcschwindigkeitsnarabel — Ver-
gleich der mittleren Geschwindigkeit aus dur Profil -Vcrtikal-
gegchwindigkeitsparabel mit den Messunpresultatcn — zu nennen
und im Uebrigen anf den Aufsatz seihst zu verweisen. Der
kleineu Gemeinde, welches dieses Feld der l'nterBuchung be-
stellt, dürfte derselbe ohnebin schon längst bekannt gewor-
den sein.
6. Beobachtungen über das Grundwasser in der
Norddeutschen Ebene, von Waaserbauinspektor Hess in
Lüneburg. Die Beobachtungen sind im Flussgebiet der Aller
angestellt und beziehen sich in erster Linie auf den Ahzug des
Grundwassers in den Kezipienten. Als vorläufige Resultat«
(selbstverständlich nur für Sandboden) Iwzeichnet der Verfasser
folgendes: a) Für Flächen, welchu einen tieferen Gruudwasser-
stand haben, auf welchen Gräben u. s. w. überall keinen Einflu*>
. ausüben und deren Breite normal zum Rezipieuten etwa ' . Meile
beträgt, ist das durchschnittliche Gefälle auf 1:845 zu schätzen,
b) Für Flächen von geringerer Breite bis zu etwa 1000 ln ist
das Gefälle auf 1 : 1C00 bis 1 : 1200 anzunehmen, c) Der Abfall
von dem Grundwasser im Terrain bis auf den Wasserspiegel des
Rezipienten beträgt 1H bis 29'«, bei künstlichen Kanälen, welche
wechselnde Wasserspiegel haben, 58"" und darüber. — Seinen
Beobachtungen über das Aufstauen des Grundwassers uud da»
Eindringen desselben in das Terrain will der Verfasser erst
Werth beilegen, wenn sie durch weitere und ausführliche Ver-
suche vervollständigt werden. Für das Aufsteigeudes Grundwassers
durch Kapillar -Attraktion werden die von Hübbe für ß ver-
schiedene Sandsorten ermittelten Resultate angeführt.
7) Berechnung der Inanspruchnahme der Haupt-
theile der Krähno auf den Stationen der Staat sei sen-
bahnen und der Provinz Hannover. Es werden 8 trans-
portable Krähnc von 54 Zentner und ein transportabler Krahu
von 100 Zentner Tragkraft in Betracht gezogen. Das Resultat
der Berechnung ist in einer Tabelle übersichtlich zusammen-
gestellt.
8) Polygonaler Lokomotivschuppen für lßStände
auf Bahnhof Hannover, von Georg Mehrtens und Gustav-
Roth , Ingenieuren zu Hannover.
Das Gebäude bildet ein Sechszehnseit von fast HO« äusserem
Durchmesser und enthält eine Drehscheibe von 12» Durch-
messer. Das aus Schmiedeeisen koustruirtc Dach besteht aus
einer inneren Kuppel von 31,38» Durchmesser, die auf guss-
eisernen Säulen ruht, und einem äusseren Ringe, der durch
32 Sprengwerksträger gebildet wird; die Dachflächen sind mit
I Pappe auf Holzschaalung gedeckt. Der F'uss der Kuppel ist
durch Zwischenstützen um ca. 2™ über den Anfall der unteren
Dachflächen erhoben und der dadurch gewonnene Tambour ganz
durch Fenster durchbrochen; ausserdem enthält jede Polygon-
seite der äusseren in Backsteinen knnstruirten 0,.Vn» starken
Umfassungswand 2 grossere Fenster. Eine hölzerne mit Jalousien
versehene Laterne von 5,84« Durchmesser auf dem obersten
Ringe der Kuppel ruhend, vermittelt die Ventilation, lß guss-
eiserne Rauchanzüge entfernen den Rauch. Für Entwässerung
und Wasserzuführung ist bestens gesorgt.
Die Kosten des Baus, der in eingehendster Weise und mit
sichtlicher Liebe beschrieben und dargestellt ist, und von dem
sfimmtliche Berechnungen mitgetheilt werden, haben 39,800 Thlr.
betragen, was für die Lokomotivu 2487,5 Thlr. für den Quadrat-
meter der bebauten Grundfläche 18.75 Thlr. ergiebt.
9) Beitrag zur Theorie der elastischen Bogcn-
träger, von Iugeuieur Mohr, Professor am Polytechnikum zu
Stuttgart Es wird die Theorie eines steifen Bogens mit gelenk-
ffirmigen Kämpfern eingehend behandelt
10) Anwendung einiger elementarcr~8ätze der
Geometrie der Lage auf die Feldmesskunst, vun In-
genieur Francke. Die betreffenden Sätze worden entwickelt
und In Bezug auf spezielle Aufgaben der Feldmesskunst, deren
Vereinfachung durch die hier angewendete Methode allerdings
nicht zu bestreiten ist, erläutert.
Aus fremden Quellen werdeu ferner noch Zeichnungen und
Beschreibung eines iuteressanten norwegischen Holzbaus, des
Aquädukts über Bongen bei Hafslaud, sowie eine ame-
rikanische Abhandlung über die Tragkraft hölzerner und
eiserner Pfähle und die Anwendung der letzteren entweder
als Tragsäulen oder als Tragpfähle zu Fundirungen, vou
W. J. Mc. Alpine, ehemaligem Ingenieur der Stadt New-York,
mitgetheilt G
Konkurrenz für Entwürfe zum Bau eines SohulhauseB
in Zofingen (Schweiz). Das uns vorliegende bei der Bauver-
waltung zu Z. zu beziehende Programm, das sich über die Grund-
lugen des Entwurfs mit genügender Deutlichkeit verbreitet und
höchstens darin lückenhaft ist, dass es für_ die verlangte
approximative Kostenberechnung des innerhalb einer Summe vou
400000 Frcs. zu haltenden Baues und die lokale Bauweise keinen
weiteren Anhalt giebt, setzt als Termin für die Einsendung der
Pläue au den Genieindeamman Mattern in Z. deu 15. Maid. .1.
fest. Es sollen 5 Preise von 2000, 1000, 500, 300 und 200 Frcs.
zur Ve
ist
derl
ig kommen. Deu Bedingungen der .Grundsätze"
ietS^
Digitized by Google
— 40 —
Konkurrenz für Maschinen -Techniker. Die Zeitschrift I
„Praktischer Maschinen - Konstrukteur" etlässt «'in Preisaus-
schreiben für Abhandlungen über „Einrichtung und Betrieb mittel-
grosser Maschinenfabriken* und über „Konstruktion und Aus-
luhrungen der Girard-Turbinen oder eines denselben ähnlichen
Systems", von denen die erste einen Preis von 900 Thlr., die
zweite einen solchen von 100 Thlr, beide ausserdem beim Ab-
druck da« übliche Houarar erhalten sollen. Das Preisrichtcramt
haben 6 Fachmänner übernommen; Termin der Einsendung ist
der 1. April d. J.
Monats-Aufgabcn für den Architekten-Verein zu Berlin
zum 2 Marz 1872.
I. Innere und Süssere l>ckonitiuu eines Eisenbahn-Salou-
wagens. Auf die Verwendung von polirtcu Hölzern ist besonders
Bedacht zu nehmen. Maasstab der natürlichen Grosse.
II. In einer Gebirgsgegend ist ein Bach im Gefälle von
1 : 9 und an dersellK-n Stelle ein Fahrweg vnn 1,7 Meter Breite
horizontal unter einer Eisenbahn hindurebzuführen. Der Bach,
welcher nur zu Zeiten Wasser führt, schneidet die Bahnaxe j
unter einem Winkel von 40 Grad und gestattet keinr Korrektion
in Richtung und Gefälle. Der Fahrweg schneidet die Buhn
rechtwinklirh und verbindet die beiderseitigen Porallelwege, die
mit einem Gefälle von 1:80 ansteigen. Die Höhe der Unter-
führung darf nicht unter 4,.') Meter betragen. Der Durchlas*
erhält 4,8 Quadrat- Meter Querschnitt, eine 1:9 geneigte Sohle
ohne Kaskaden, die in der Bahuaxe \7;> Meter unter Sehieueu-
unterkante gelegen ist Die Parallelwege sind in den Durch-
lass zu untwässern. Der Entwurf zu diesem kombinirteu Bau-
werke ist zu fertigen und stutisch zu erläutern.
Alle wichtigen Maasse, Annahmen uud Kechnungsresultate
sind in den Zeichnungen an geeigneter Stelle einzutragen.
Die Konkurrenz für Entwürfe zu Zimmeröfen, die in
Xu. 49 Jahrg. lh"l des Bau-Anzeigers resp. der Deutschen Bau-
zeituug angezeigt war, hat eine Betheiligung von 14 Künstlern,
anscheinend vorzugsweise aus Hamburg gefunden. Die leiden
Pieise sind Entwürfen der Architekten Wm. Hauers und Paul
Koch zugesprochen worden. Eine Anzahl anderer Entwürfe —
unter ihnen solche von Th. Necker, Wm. Hauers, II. Bruns-
wig haben eine nur ehrenvolle Erwähnung gefunden. — Möge
der nachahmenswert he Zweck dieser Konkurrenz, der Fabrikation
neue und gute Vorbilder zu liefern, nunmehr in der That auch
entsprechend genutzt werden.
Konkurrenz fttr Entwürfe zu einem Sohlachthause in
Heilbronn. Aus einem uns zugehenden Schreiben eines bei
dieser am 15. Oktober v. J. abgeschlosseneu Konkurrenz bethei-
ligten Fachgenossen ersehen wir, dass dieselbe resultatlos ge-
blieben ist, weil das Preisgericht entschieden hat, dass keine
der eingegangenen Arbeiten den Anforderungen des Programms
entspreche. Wir hatten seinerzeit (in N». i'7 Jahrg. 71 u. Bl.)
gerügt, dass das Preisgericht nicht vorher bestimmt sei; an-
scheinend soll dasselbe auch nachträglich nicht genannt werden
und sein Gutachsen nicht zur Kenntniss der Ocffeutlichkcit ge-
langen. Dass unter diesen Umständen das stattgehabte Ver-
fahren das grösstc Misstrauon erwecken muss, ist begreiflich.
Der oben erwähnte Fachgenosse ersucht uns, alle Theilnehmer
der Konkurrenz, welche sich etwaigen Schritten gegen die Heil-
bronner Gemeindebehörden ansehhessen wolleu, aufzufordern,
ihre Adressen bei uns niederzulegen.
Personal - Nachrichten.
Preussen.
Ernannt: Der Baumeister Lange zu Magdeburg zum
Eisenbahn-Baumeister bei der Hannoverschen Stauts-Eiseubaliu
in Osnabrück. Der Eisenbahn-Bau-luspektur Früh zu Saar-
brücken zum Ober-Betriebs-Inspektor daselbst.
Brief- und Fragekasten.
Hrn. M. in Leipzig. Soviel uns bekannt, sind die Steine
zum Berliner Kathhaus tlieils von Augustin in I.auban, theils
von March unter Mitverwendung von Laubauer Thon. Die Bau-
Akademie hat Steiue aus Zernsdorf unter Mitverwendung von
Itirkouwcrder Thon, von Joachimsthal, uud die feineren Sachen
von Feilner. Die Verbleuder zur flank sind von Friedenthal. •
Adressen für jetzt sind noch Stange (Aktiengesellschaft) Greppin
bei Bitterfeld, Lessing (Aktiengesellschaft; Herinsdorf liei Berlin,
Oppenheim Rüdersdorf^ v. Kcthmauu llollweg in Hohculinow bei
Neustadt E./W.. Kuuheiru Alaunwerk bei Freieuwalde, Klau in
Zernsdorf bei K. Wusterhausen u. A.
Hrn. K. in Schonungen bei Schweinfurt. Eine
Zementprobe (roh oder gebrannt) hinsichtlich der Bcstandtheile
zu untersuchen, ist sehr kostspielig und umständlich, könnte
nur durch Fachmänner wie Prof. Dr. Ziurek, Dr. W. Michaelis
(Berliu). Dr. Frühling (Zossen) oder Andere besorgt werden.
Das Beste ist einer Bauvcrwultung oder einem Bau-Unternehmer
eine grössere Probe gebräunten Zementes zur Verwendung uud
Bcurtheilung zuzusenden.
Maschinen zum Schneiden von Fassdauben, sowie Füg-
maschinell sind zu sehen, vielleicht auch zu bezieheu durch die
Kouiralulonivtrla« von C»rl Bcallti tu Brrlln.
Daubeufabrik von Franke & Pauli in Münden (Ilunnover) oder
den Holzhchneide-Mühlenbesitzcr Berger in Holzkircheu im Bay-
rischen Tyrol.
Hrn. W. O. in B. Werke üImt Baumaterialien-Lehre sind
in reicher Auswahl vorhanden, das neueste von Prof. Gottgetreu
in München. — Empfehlenswert!«! Werk« über Anlage von Gips-,
Kalk- und Ziegelöfen sind: Bruno Kerl, Thonwaaren- Industrie.
Heusinger von Waldegg, Ziegel- und Köhren- Fabrikation.
Brogniart, Traite des Arts cerami<|ues. Ziegler. Etudes cera-
mbpies. Knapp, ehem. Technologie. — Ueber einzelne Fragen
in diesem Fache giebt am besten Auskunft das Notizblatt de«
deutschen Vereins für Fabrikation von Ziegeln etc. (Jahrgänge
18(15 bis 1871 erschienen). — V —
Hrn. Stadtbmstr. M. in Baden. Eine Fahrbahn von
kompriiuirtem Asphalt existirt in Berliu seit 1" , Jahren in dem
letzten Theile der Oberwallstrasse am Krön prinzlichen l'alais
und hat sich dieselbe ebenso wie die Asphaltstraßen in London
und Paris sehr gut bewährt. Warum die Anwendung der As-
phalt-Fahrbahnen in Berlin vorläufig nicht weitere Ausdehnung
linden kann, haben wir bereits angedeutet, als wir (S. 4Sö
Jahrg. lfiC'J d. Bl.) über die Anlage dieser Strasse berichteten;
Nachtheile der Konstruktion sind uns nicht bekannt geworden,
ausser dass der komprimirte Asphalt von Manchen für zu glatt
gehalten wird, Wie uns Hr. Fabrikant Schiesing (33 Geor-
genstr- in Berlin), au den wir uns in dieser Angelegenheit ge-
wendet haben, mittheilt, sind die Asphaltmiuen von Val de Tra-
vers in den ausschliesslichen Besitz einer englischen Gesellschaft
übergegangen, mit deren Bevollmächtigten für Deutschland Hrn.
J. W. Leuth (Hotel du Nord in Berlin) Sie in Verbindung treten
müssen, falls Sie die Anfertigung solcher Fahrbahnen, zu der
besonders geübte Arbeiter und eigene Maschinen gehören, beab-
sichtigen. 5— H«» stark incl. Beton-Unterlage von 18 bis
•»Htm wird sich in Baden auf ca. 6 Vi Thlr. stellen. Die Frage
der Asphaltstrasseu ist übrigens in jüngster Zeit, namentlich
in Hamburg vielfach erörtert worden.
Hrn. 1 iu Jena. Wir besitzen keine nähere Kenntniss
von den in jüngster Zeit ausgeführten Petroleum-Lagerhäuseru
und haben daher auch kein Urthcil, welche dieser Aulageu als
musterhaft bezeichnet werden könnte. Wir bitten jedoch unsere
Leser, denen ein solches Urthcil zusteht, um freundliche Ver-
mitteluug desselben.
Hrn. Ii. in Ottweiler. Quadrirtcs Zeichenpapier finden
Sie iu jeder grösseren Zeichenmaterialieuhandlung Berlins; ob
dasselbe als Rollenpapier fabrizirt und verkauft wird, ist uns
nicht bekannt, doch möchten wir dies auch in Zweifel ziehen.
Hrn. J. L. iu Deutz. Eine Anzeige über den Ausfall
der Konkurrenz in Langenschwalbach ist uns bisher von keiner
Seite zu T heil geworden.
Hrn. W. in Münster. Wir bedauern Ihren Bestrebungen,
für sämnitliche Grössen des metrischen Maass-Systems deutsche
Namen aufzustellen, keinen Werth beimessen zu können. Die-
selben sind um so aussichtsloser, als wohl bereit« jetzt als sicher
angenommen werden kann, dass die wenigen Bezeichnungen
dieser Art. welche das norddeutsche Gesetz über die Einführung
des metrischen Systems angenommen hat, zu einer ernstlichen
praktischen Verwendung niemals gelangen und binnen Kurzem
vergessen sein werden. Es kann dies nicht nur im Interesse
der vollen internationalen Geltung des Meter-Systems, sondern
auch im luterresse voller Erkenntnis* seines ihm gerade als
System eigenthütuliehen Werthes, nur als erfreulich bezeichnet
werden. Die von Ihnen missverstandenen, in unserer Zeitung
aufgetretenen Bestrebungen zur Aufstellung neuer deutscher
Namen für metrische Grössen bezogen sich nur auf solche
Maasse, die innerhalb des Systems nicht besonders benannt
sind, aber für die praktische Verwerthumj als Verkaufsmuass
für geeignet gehalten wurden.
Hrn. T. in Berlin. Ueber die Kündigungsfrist, die bei
Lösung des Engagements von diätarisch beschäftigten Technikern
festzuhalten ist, kann, falls Besonderes nicht verabredet worden
ist, nur der Usus entscheiden. Bpi monatlicher Diätcnzahluug
pflegt mau eine halbmonatliche Kündigung als Minimum anzusehen.
Hrn. E. in Vlotho. Ein ernstliches Studium neben eiuer
praktischen Beschäftigung zu betreiben ist sehr schwer und er-
fordert eine eiserne Eueraie. Au Gelegenheit zu einer Beschäf-
tigung in einem Berliner Bureau dürfte es bei dem augenblick-
lichen Mangel au guten Hülfsarbeitcrn schwerlich fehlen, doch
müssen wir" Ihnen die Einsendung einer bezüglichen Offerte für
unsereu Bauanzeiger selbst überlassen.
Hrn. F. K. in Essen. Die Gruudriss- Skizzen des engli-
schen, sowie der meisten auderen Parlamente sind in dem von
einer englischen Parlaments- Konimission vor 2 Jahren veröffent-
lichten iilaubuche publizirt und durch Vermittelung einer geeig-
neten Buchhandlung (Astier & Comp, in Berlin) zu beziehen.
Ihre Ansichten über die Notwendigkeit der Anonymität bei
Konkurrenzen theilen wir nicht und haben den Fortfall der-
selben bei der Konkurrenz für den Berliner Dom und nunmehr
für das Reichstagshaus als grossen Fortschritt begrüsst. Zur
Begründung unseres Staudpunktes verweisen wir Sie auf No. 24.
Jhrg. «7 u. Bl.
Abonnent iu Eschweiler. Eine der Ihrigen ent-
sprechende Aufrage über die Gotthardbahn haben wir mindes-
tens schon dreimal beantwortet.
Beiträge mit Dank erhalten von den Hrn. Sch. iu Posen,
St. Zölp.
Oruck i.n üeUrnd.r FicktM la B«rl!n.
Digitized by Google
Jahrg. Tl. M 0.
DEUTSCHE BAUZEITUNG
Organ des Verbandes
deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine. "*E5
Redakteur K. E. 0. Fritich.
I ü. Eip.dltisn:
Brrlin. Omalenuraue IM.
BaataUunfaa
Shrrn.niD.-n tll« P..unitalt»a
Im. rat.
tat dl. Imct in dVaUcn.n
Hjairitunf finden Aufnahm-
IV. »er. »«
Preis 1 Thaler pr* Quartal.
Berlin, den 8. Februar 1872.
Ersr heiat jeden Donnerstag.
tnbftlt: Di« Bndl.en« Krhwari.*aldtMjin. - U.la«klii.n an» drn Orient.
(FortMUnnt.) — klltthellungen au. V.r. Inen: D«aUcbrr Verein inr Fa-
brikation »on Ztaceln, Thonw»ar«n. Kalk and Zrmrot. - Ar.iiit.ktMi- und In»*-
nl.ur-V»r.ln in KaweL - Ar<*lt.kt.n -Verein aa Barlin. - V.tn i.eht.« : Ei-
lenbahn-Erfffnunnen in D-utK-Wnnd and 0..t»rreU>b-Ur>tar» In 3. 8«n««.t Uli.
- DI. Berlin« Nordbahn. - Klae B.ne hydr.nli«li» Hr«ma»orri<-li«mil. -Au«
dar Fa.blltl.r.tur: Allg.rn.ln. Banarilun«. Jahrg. 1*70, Heft 7 - lt. -
l'.niMi.l Nachrichten ««.
Die Badisrke Sehwarzwaidbaha.
(Hierzu die Abbildungen auf Seite 45.)
Das Rhebathal und die in demselben hinziehende badi-
sche Eisenbahn bilden bekanntlich bei Basel einen rechten
Winkel, dessen Schenkel nach Osten und Norden gerichtet
und auf pow Längen im Ganzen geradlinig sind. Schon
seit vielen Jahren war man bestrebt, zu diesen Katheten die
Hvpothenuse eines rechts* itikligen Dreiecks zu schaffen, eine
direkte Eisenbahn zwischen den Endpunkten Offenhnrg und
Konstanz, welche die Hochebene des Schwarzwaldes über-
schienen sollte. Die Aufschliessnng des badischen Schwarz-
waldes für den Eisenbahnverkehr, also eine lokale wirth-
schaftliehe Maassregel, muss als di r Hauptzweck des Unter-
nehmens angesehen werden, da der durchgehende Güterver-
kehr auch in der Folge stets den Umweg durch das Rhein-
thal einem Uebersteigen der beträchtlichen Höhe des Sehwarz-
waldes vorziehen dürfte. Jenem Hauptzweck entsprechend
wurde auch die Zugsrichtung im Einzelnen gewählt, wobei
ausserdem auf die partikularen Grenzen zwischen Baden und
Württemberg Rücksicht zu nehmen war. Die vielfachen An-
fechtungen, welchen das Projekt in wirtlischaftlicher Bezie-
hung ausgesetzt wurde und trotz seiner nahe bevorstehenden
Vollendung immer noch ist, lassen sich zumeist auf die eben
erwähnten Umstünde zurückführen; unbestritten ist es aber
in technischer Beziehung eine der interessantesten Unterneh-
mungen der Gegenwart.
Die Ausführung der Bahn ist seit etwa 12 Jahren von
den beiden Endpunkten stückweise gegen die mittlere,
schwierigste Partie, zwischen Hausach und Villingen vor-
gerückt und bewegt sich gegenwärtig noch auf dieser letz-
teren, in welche namentlich die Ersteigung der Wasserscheide
zwischen Rhein- und Donau-Gebiet fällt. Abgesehen von
der kurzen Thalstrecke OfToulmrg-Huusach hat der Bau fort-
während unter der Oberleitung des Bandirektors Ger w ig
gestanden, welcher ausser den technischen Studien und An-
ordnungen sein beharrliches Wirken auch dem Durchsetzen
des ganzen Projektes bei Behörden und Kammern gewidmet
hat, so dass er als der eigentliche Schöpfer der badischen
Schwarzwaldbahn angesehen werden muss. Insbesondere
bat derselbe auch die Grundsätze für die Tracirung und
Ausführung der eigentlichen Gebirgssteige bestimmt, welche
im Folgenden Iteschrielren werden soll.
Von der Wasserscheide der sogen. Sommerau bei dem
Orte St. Georgen fällt das Terrain nach Südosten flach ab
in das Gebiet der Donaugewässer, nach Nordosten aber sehr
steil in das tief eingeschnittene Gutachthal, welches bei
Hansach in das Kinzigthal mündet Die Eisenbahnlinie
durchschneidet die Wasserscheide mittels eines Tunnels von
1680* Länge und besitzt ihren höchsten Pnnkt an dessen
östlicher Mündung in Ü'.ii" Meereshöhe. Von dem Bahnhofe
Hausach aus mit 243 1D Meereshölie, mnsste daher eine Höhe
von 591"° erstiegen werden, zu welcher die einfache Länge
des Gutachthals bei Weitem nicht ausreichte. Zwar konnte
man mit einer Steigerung von 1 : 50 noch den Ort Homberg
gewinnen, dessen Bahnhof etwas über der Thalsohle ange-
legt wird und 38tJ'" Meereshöhe lvositzt. Von hier an ist
aber die Steigung des Gutachthaies selbst zu bedeutend, und
Huden sich auch keine grösseren Seitenthäler, durch deren
Ausfahren die Linie hätte verlängert werden könuen. Es
wurde daher die erforderliche künstliche Verlängerung durch
zwei Schleifen gewonnen. Eine solche Schleife beginnt
mit einem Thalübergang und einem sogenannten Kehrtunnel,
zieht sodann in entgegengesetzter Richtung an der gegen-
überliegenden Thalwand eine Strecke weit empor, wendet
sich in eine Seitenschlucht und gewinnt endlich durch das
olrere Terrain hindurch wieder den Anfangspunkt, jedoch in
weit grösserer Höhe. Ein Querschnitt durch die Schleife
trifft also dreimal die Zugslinie, und es macht schon jetzt
einen eigentümlichen Eindruck, an gewissen Stellen des
Thaies drei Eisenbahnen in bedeutenden Höhenunterschieden
übereinander zu erblicken, deren Zusammenhang in Tunnels
nnd Seitenschluchten versteckt liegt. Beim späteren Befahren
der Balm wird sich dieser Eindruck gewiss bei manchen Rei-
senden bis zur Verwirrung erheben. Die Steigerungen bewegen
sich je nach den örtlichen Verhältnissen zwischen 1:50 und
1:58; der kleinste Krümmungshalbmesser ist 300».
Begreiflich erforderte die Tracirung einer s.» verwickelten
Hahnlinie in einem stark koupirten und steilen Gebäude lange
und mühsame Studien. Die ersten Aufzeichnungen erfolgten
in den Sektionsblättern der militärisch-topographischen Karte,
welche mit Horizontalkurven versehen sind, resp. ergänzt
wurden. Diese Karten liositzen jedoch nur annähernde Ge-
nauigkeit. Es wurde daher nach diesem Vorprojekt alsbald
ein Polvgonzug in natura verlegt und aufgenomn
Eckpunkte in das voraussichtliche Bahuterrain,
nicht genan in die Mittellinie, fielen. Zugleich
Höhenunterschiede dieser Eckpunkte, oder nahe dabei ge-
wählter Eispunkte genau nivellirt. Die weitere Detail-Auf-
nahme des zum Theil bereits abgeholzten Terrains erfolgte
mittels Horizontalkurven in 3* Höhenabstand, und zwar
auf eine I reträch tliche Erstreckung nach der Breite hinaus.
In den hiernach angefertigten Zeichnungen wurde nun die
Trace genauer entworfen, indem sowohl Längen- als Quer-
nrofile unmittelbar ans dem Situationsplan mit seinen Kurven
herausgezogen werden konnten. Die Stationspunkte der Trace
folgen hier nicht, wie sonst, in gleichen Längenabstän-
den, sondern in gleichen Bahnh öhenabstän den von
l,5 ra auf einander, wie sich dies aus dem angeführten geo-
metrischen Material am beouemsten ermitteln und in naturam
übertragen liess. Iii Strecken von gleichförmiger BahnsU'i-
gerung ergeben sich natürlich von seihst auch gleiche Längen-
abstände. Während der Ausführung des Baues kommen
endlich noch kleine Verschiebungen der Zuglinie vor, schon
wegen der unvermeidlichen Abweichungen und Knickungen
der Horizontalkurven gegenülrer deren Aufzeichnung aus
einzelnen Punkten. Während der Ausführung erst wurden
auch die definitiven Querprofile des Bahnkörpers aufgenom-
men, behufs der Flächenberecbnung des Grunderwerb«, der
.Massenbestimmung und Bezahlung der Akkordanten. Der
Maasstab der Situationsplane iu dem ersten Stadium des
Projekte* lietrug 1 : 5000, im zweiten 1 : 1000; derjenige der
Höhen in den Längenprofilen und der Querprofile resp.
1 : 500 und 1 : 100.
In geologischer Beziehung finden sich in der ganzen
Gegend Granit und Gneiss, sowie Porphyrgänge. Das Ge-
stein kommt in den mannichfaltigsten Zustanden vor, fein-
körnig uud grobkörnig, trocken und wasserhaltig, kompakt,
zerklüftet und geschichtet. Es tritt an vielen Stellen nackt
zu Tage und ist übrigens mit einer nur dünnen Humus-
schicht bedeckt. Die TJergabhänge sind steil, die Thäler
und Schluchten tief eingeschnitten. Unter diesen Umständen
erschien es entschieden vortheilhafter. das Bahnplanum mehr
in die Berge hineinzulegen, als erhebliche Thalübergänge zu
veranlassen, mehr mit Erd- und Feldmassen zu arheiten,_als
Kunstbauten zu errichten. Deshalb kommen auf der 28,7 Km
langen Strecke zwischen Hornberg und St. Georgen nicht
weniger als 34 TuuneU mit einer Gesammtlänge von 8,3""
vor. Die Thalübergänge am Anfang der beiden Schleifen
Digitized by Google
— 42 —
nnd niedrige Brücken über die Gutach, von hohen Bauten
findet sirli nur ein Viadukt vou 24'" Höhe mit Pfeilern aus
Sandsteinqnadcrn und eisernem Oberbau. Auch die klei-
neren Durchlasse und Durchfahrten sind wegen des theuren
Baumaterials thunlichst reduzirt. Namentlich tritt dies Be-
streben hervor bei den sehr zahlreichen Ueberdammungen
von Querthälern und Schluchten. In solchen Schluchten
findet sich gewöhnlich ein steil abfallendes Büchlein und da-
neben ein Weg zur Abfuhr vou Langholz und Brennholz
mittels Schleifen oder Schlitten. Statt nun unter dem das
Thalchen von c nach d quer übersetzenden Bahndamm (s.
Fig. |, Seite 45) eine lange gewölbte Durchfahrt nebst Dohlen
in" der Richtung des bestehenden Weges und Baches
wird seitwärts, wo der Damm niedriger, eine Durch
fahrt von 3 bis 4- Weite und Höhe mit abgerundeten Flü-
gelmauern und Blechträgem erbaut An dieselbe sehliesst
sich nach oben eiucAnschüttung mit horizontaler Oberfläche
v n d nach unten ein neuer Weg mit passendem Gefälle (1 : 10
bis 1:5), welcher den alten Weg bei e wieder erreicht. Das
Bächlein aber wird mittels einer Sickerrinne a b durchgeführt,
welches mit 1 bis 1,50- Tiefe und 1,50'" Breite in den ge-
wachsenen Boden eingeschnitten und mit Felsblöcken aus-
gefüllt ist. Durch diese Maassregeln erreicht man mit be-
deutend geringeren Kosten die Kommunikation durch den
Buhndamm und überdies einen Lagerplatz für Holz, welches
heruntergeschleift und aufgestapelt werden kann, ohne die
Bahnböschungen zu beschädigen. Sollte die Sickerrinne beim
Schneeal>gang oder dergl. nicht Fassungskraft genug dar-
bieten, so dient die Durchfahrt zugleich als Fluthdurchlass.
Das zweigeleisige Planum ist 7,50- breit in der Höhe
der Schwellenoberfiäche. In den Einschnitten kommen
hierzu in der Kegel keine Seilengräben, vielmehr findet,
um an der zu lösenden Felscnmasse zu sparen, die Ent-
wässerung mittels eines Dohlens in der Bahuaxe statt. Der-
selbe besitzt das Gefälle der Bahn selbst, bedarf also keinen
grösseren Querschnitt als 0,30™ im ! ', ist entweder im Felsen
ausgesprengt, oder mit Scitcnmänerebcn angesetzt und mit
rauhen Steinen gedeckt Die Bettung wird, incl. der Schwellen,
iu der Bnhnaxe 0,4H m , an den Bannkanten 0,36- stark. Die
Böschungen der Felseneinschnitte sind meistens im Anzng
1 : 3 gehalten. In Strecken, welche Schneeverwehungen aus-
gesetzt sind, wurden neben den Böschungskanten Schnee-
dämme nnd Schneegräben hergestellt.
Die Bahndämme bestehen fast durchgehends ans Ge-
rölle und gesprengtem Felsenmaterial. Auf einem solchen
Kern konnten die Böschungen steil gehalten nnd gepflastert
werden, wie es auf den steilen Berghängen zur Erspa
an Füllmasse wüuschenswcrth war. Der grösste Theil der
Böscbnngen ist demnach einfnssig, nichtsdestoweniger kom-
men dergleichen bis za 45- senkrechter Höhe vor. Der
Fuss des Pflasters ist sorgfältig in den gewachsenen Fels
eingesprengt, mit Stufen unter rechtem SVinkel gegen die
Bosch nngsebene. Als mittlere Dicke des Pflasters wurde«/,«
der Böschungshöhe (uach der Neigung gemessen) angenom-
men, Jedoch im Allgemeinen nicht unter l m und nicht über
3 m . in diesem Pflasterkörper, welcher gleichzeitig mit der
Anschüttung emporsteigt, sind un regelmässige Blöcke mög-
lichst dicht zusammengeschlossen, so dass die grössten Di-
mensionen oder Lager ungefähr rechtswinklig zur Böschungs-
ebene stehen. Die Haupter bleiben durchaus unbearbeitet
und ragen deshalb znm Theil weit — bis zu 1- — über die
Flucht der Vonlerfläche hervor.
In ähnlichem Charakter wie das Pflaster ist auch sämmt-
liches Mauerwerk an Kunstbauten, ausser den Gewölben,
gehalten. Geeignete Findlinge oder ans den Tunnels und
Einschnitten gewonnene Granitblöcke wurden durch die ge-
übten, meist italienischen Arbeiter auf einander gethünut;
dabei war von schichtweisem Verband keine Kede und nur
durch passendes Auswähle! und genaues Ineinanderfügen
der Steine, sowie durch gutbindenden Mörtel suchte man
Stabilität zu erreichen. Die sichtbaren Oberflächen aller
Steine blieben rauh, auch die Kanten. Flügelabdeckunaen
und dergl. bilden keine stetigen Linien und Flächen. Der
auf diese Weise entstandene, wahrhaft kyklopische Charak-
ter entspricht unstreitig der Natur des Baumaterials und
der wilden Gegend; indessen scheint uns an kleineren Bau-
werken der klare Ausdruck der Grundformen doch so stark
verwischt zu sein, dass man Mühe hat, die Hauptlinien und
namentlich bestimmt gekrümmte Flächen zu erkennen. Auch
möchte wohl die Zusammensetzung von Konsolen-Gesimsen
und Brüstungen aus unregel in 5 ssig begrenzten Blöcken,
deren Dimensionen gleichwohl sorgfältig gewählt und deren
gegenseitige Berührungsflächen geuau bearbeitet worden sind,
etwas gesucht erscheinen und jedenfalls nicht wesentlich
billiger sein, als wenn man die Blöcke vollends in geome-
trisch bestimmten Formen bearbeitet haben würde. Die An-
wendung des Kvklopen-Verbandes sollte sich nach unserem
Dafürhalten auf einfache und grosse Grundformen be-
schränken und das ästhetische Gleichgewicht an etwaigen
einfassenden und krönenden Bautheilen durch entsprechend
kräftige, aber architektonisch geregelte Kunstformen zu
Stande gebracht werden.
ans
VT.
Die Tage unseres Aufenthaltes vergingen im Fluge, aber
auch in heisser Arbeit. So wie die Sonne über den mimischen
Bergketten aufgegangen war und die Sumpfnebel niedergekämpft
hatte, erhub sich jeuer vom harten Lugcr und eilte ins Freie
um sich anzukleiden. Ein I'uar gy mnastische Freiübungen waren
ein Hochgcnuss nach übel vollbrachter Nacht. Des Dichters Worte :
„Kr freue sich, wer da utbnict im rosigen Licht"
wurden dabei mehr als ein Mal rezitirt, bis Geist und Körper
wieder im vollen Gleichgewicht waren. Dann wurden eilig die
letzten Vorbereitungen getroffen, um Kopf und Hals das I^mcn-
tuch geschlungen, Skizieubuch und Revolver in den Gurt gehängt,
eilig servirte der Dragoman den guten arabischen Kaffee — wio
es kam, in Gläsern, Bechern, Feldflascheu — dann schwang sich
jeder rauch in den Sattel und trabte über den Hof ins Freie.
Galt es doch täglich vor dem Eintritt der vollen Mittagsglut
ein möglichst grosses Pensum zu absolviren- Und dennoch griff
nach einer Stunde jeder unwillkürlich in den Zügel, sobald mau
durch die Agnus castus Hecken und Binsenwfilder auf die Höhe
der Ruinenfelder gekommen war. Welch' tiefe Grabesstille im
hellsten Sonnenglauze! Vor uns lag der weitgedehnte sanft an-
steigende Friedhof, unter welchem die vielgepriesene reiche
Königsstadt seit Jahrhunderten schlummert
Zur Linken und im Hintergrunde die hochgipflige schluchten-
reiche Tmoluskctte, mit alten Fichtenwäldern bewachsen, rechts
die schwach gewellte Hermus-Ebene, von einzelnen Büffelheerdeu
tielebt, in der Mitte auf einem schroff gesonderten Vorberge des
Tmolus die schwarzgrauc Akropolis. wie oft ist sie belagert
und erstiegen worden; wie oft mag der Blitz sie getroffen, das
Erdbeben sie ershhüttert haben. Schlimmer als alles beben die
strömenden Wiuterregen und die sengenden Strahlen der asiati-
schen Sonne an ihrem niürbcu, bröckligen Muteriole (Kagclfluhc)
genagt. Die Schutthalden ringsum au ihrem Fusse, langst zu
Hügeln erwuchsen, verkünden den Zerstörungsprozess, tief ge-
furcht und unterwaschen erscheint der Leib, der breite Oipfel
ist zum schmalen Katnniu zusammen
noch Htehenden Mauerreste können
stürzen.
Am Nordfusse des Burgfelsens, aber doch so hoch belegen,
dass ein weiter Ausblick auf das Herumsthal vou dort aus ge-
stattet ist, zeigen sich Theater und Stadion als eine kombinirte
Hauuulagc thcils in das Terrain eingeschnitten, tlieils durch
künstliche Suhstruktioneu gesichert. Auf tieferen Terrainstufen,
aber weit zerstreut, erheben sich die gewaltigen Pfeiler- und
Mauerreste grosser Gymnasien und Thermen, wie kleinerer alt-
christlicher Kirchen. Mancher Baurest wird zu unserer Linkeu
durch die Laubkronen der urulteu Platanen, welche die Mühle
beschatten, verdeckt; zur Rechten entzieht eine weit vurtretende
Hügellvhnc, welche vom Westfusse der Akropolis ausläuft, die
hohen Säuleu des Kybele - Tempels vollständig uusern Blicken.
Diesseits wie jenseits der Pakalliütte deuten mächtige, mit ver-
brannten Gräsern und Asphodillen bewachsene Schutthügel auf
begrabene Baukunst. Antike Bausteine liegen mit Mamortrüm-
mern gemischt zu den Füssen unserer Pferde. Selbst der Zug
der Stadtmauer wird bei sorgfältigem Studium der Ternünlinien,
wenigstens uach der Westseite hin erkannt Doch das Augo er-
müdet, die zerstreuten Kuincngruppcu und Schutthügel zu ver-
folgen und einheitlich zusammenzufassen. Denn nichts ist er-
halten von der goldreicheu Stadt der rossebändigenden Lydier,
wenig vou der übervölkerten griechisch-rnmischeli Stadt welche
Florus noch das zweite Rom nennen konnte. Weitaus das Meiste
ruht unerforscht im Boden. •
Der werthvollste Baurest ist die auf mächtiger Substruktions-
terrasse im Paktolus-Thale stehende ionische Säuleugrunpe des
der l'rzeit entstammenden aber mehrfach erneuerten Kybele-
Tempels. Es ist das grosse Heiligthum der mfiouischen Lande«-
göttiu, welche der Chor des Sophokles im Philoktet mit den
Worten ausruft:
„Bergmuttcr, Krd\ Alluährerin, welcher Zeus selbst entspross,
„Die waltet bei Paktolus grossem, goldnem S.roui. —
«schmolzen, die wenigen
jeden Tag iu die Tiefe
.0 Du Sel'ge, die auf Berglöwen hnch,
„Den Stiurwürgeru, thront!"
Drei bis fünf Meter tief liegen die Trümmer verschüttet
zwei Säulen mit kräftigen Voluten-Kapitellen ragen noch auf-
wärts; andere liegen daneben, in Trommeln wieder zerspellt,
wie das Erdheben sie niederwarf. Die Zerstörung ist seit 170
.lahreu weit vorgeschritten. Bei Chnndler's Besuch (1761) stan-
den noch fünf Säulen aufrecht, selbst ein Arcliitravstein ruhte
deckend nnd festigend darüber.
In ChiahuU'a Zeiten (1GW) war sogar noch die Hauptthür«
Digitized by Google
Die auf der Schwarzwaldbahn vorkommenden Tunnels
sind bei massiger Lange sofort in vollem I'rofll durchge-
brochen, bei grösserer Länge mit Hülfe eines Suhlenstollens
begonnen. An dem längsten Tunnel, unter der Sommerau,
führte man zunächst vier Schächte aus, von denen der längste
75>» Tiefe besage, der kürzeste an der Grenze des Tunnels
und des oberen langen Voreinschnittes sich befand. Das
Planum aller Tunnels hat 7,20"' Breite und ist auf gleiche
Art wie bei den Felseinschnitten entwässert. Die Decke ist
je nach der Beschaffenheit des Gesteins nach dreierlei Nor-
malien gestaltet. In ziemlich kompaktem Fels ist ein Halli-
kreis von 4,08 m Halbmesser ausgesprengt, dessen Scheitel
sich in ö,OG™ Höhe über den Bahn -Schwellen befindet In
zerklüftetem, und namentlich in steil geschichtetem Gestein
ist durch Anschluss zweier Tangeuten au den Halbkreis das
Tunntil-FrottW
im IltllArci« in «tpi»'...;*« io Zlntneni- s »Ii K»p|>0»i;<i*5lli«.
sog. Spitzbogenprofil durchge führt uml dadurch mehr Sirher-
heit gegen das Ablösen von Massen im Scheitel erreicht.
In noch weicherem oder wasserhaltigem Gebirge wurde ein
Kappengewolbe zwischen Absätze auf den natürlichen Fels-
widerlagern eiugespannt, welches bei 0,3b" bis 0,48°" Stärke
aus regelmässig bearbeiteten Granit -Schichtensteinen aufge-
mauert und mit kleinen Steinen ausgepackt wurde. Die
für diesen Fall vielfach erforderliche Zimmerung bestand aus
1 bis 10 Kronbalken, mit einer Zonenlänge von ca. 8 — 10*.
Die Kronbalken waren an beiden Enden durch ein gewöhn-
liches Joch mit HaupUmerschwellen (in der Figur punktirt)
unterstütst, ausserdem durch 2 bis 3 Zwischenjoche, deren
Pfosten von der Sohle bis zur Decke reichten. Man erhielt
somit eiu inodihzirtes englisches BauBystem. Das auszu-
sprengende Profil misst in den drei genannten Normalien
der Reihe nach 42, 44, 49,50G". Verkleidung der Wider-
lager mit Mauerwerk war nur au weuigeu Tunnelstrecken
erforderlich.
Die Bauausführung der Eisenbahnstrecke zwischen Hom-
berg und St. Georgen begann 1»«S, und zwar mit den Rieht-
Stollen der längeren Tunnels und den grösseren Felsein-
schnitten. Nachdem die Beschaffenheit des Gesteins genü-
gend erkannt war, wurden die Arbeiten in der Regel durch
Submission vergeben. Man theilte sie zu dem Ende in LooM,
welche für sich abgeschlossene Bauplätze bildeten und füg-
lich noch durch kleinere Unternehmer oder Arbeiterpartien
zn bewältigen waren. Nach diesem System des sog. Klein-
akkords konnten namentlich die zahlreich herbeiziehenden
Arbeiter aus Tyrol, Tessin, Piemont, welche bekanntlich in
Felsarbeiten besonders gewandt sind, vortheühaft beschäftigt
werden, ohne die kostspielige Vermittelung eines grossen
Bau-Unternehmers und trotz der geringen Sicherheitsleistung
jener Fremden. Die Sprengmaterialien wurden stets von der
Hau Verwaltung im Grossen angeschafft und dem Akkordan-
ten zum Selbstkostenpreise überlassen. Bei der kolossalen
Masse von Fclssprengungen kam es zur Ersparniss sowohl
an Kosten als an Bauzeit sehr darauf an, sich der förder-
lichsten Sprengmittel zu bedienen, und wurden deshalb Ver-
suche mit mehren Surrogaten des gewöhnlichen Sprengpulvcrs
angestellt. Von allen diesen hat das Dynamit die besten
Erfolge gewährt und ist deshalb seit 186Ö in grossem Um-
fange angewendet worden. Da der Transport des Dynamits
auf den Eisenbahnen nicht erlaubt ist so wird dasselbe aus
der Nobul'scheu Fabrik in Hamburg in Ladungen von 40 —
50 7 ' auf der Axe versandt und kommt jetzt auf 80 fl. |m t
Zentner zn stehen. Leider war im Sommer 1871 der Bezug
durch eine Esplosion der Fabrik unterbrochen. Die Erspar-
nisse an Zeit und Geld bei der Beseitigung von Feldmassen
in Folge der Anwendung von Dynamit gegenüber dem Spreng-
nnlver können nach den Erfahrungen bei der Schwarzwald-
bahn durchschnittlich zu 20 — 25% geschätzt werden. Be-
sonders erheblich sind sie natürlich in wasserhaltigem Ge-
stein, sowie in unterirdischen Räumen, wogegen zum Ge-
winnen von Bausteinen und Nachputzen von reiswänden die
intensiv zertrümmernde Wirkung des Dynamits sich nicht
gut eignet. Unglücksfälle kommen bei verständigem Ge-
brauch nicht öfter vor, als sie sich leider auch beim Pulver
zu ereignen pflegen.
.Möglichst früh wurden auch die Bahn wartshüuser
hergestellt, um in der einsamen Gegend als Wohnungen nnd
Geschäftsräume des Banpersonals verwendet werden zu köu-
nen. Es ist dabei die landesübliche Bauweise des Schwarz-
zum Naos vorhanden: ihr kolossaler Dcekstcin erregte sein Er-
staunen. Und noch jetzt inipouiren die Trümmer trotz aller
Verschleppung und Verschüttung durch den selten grossen
Maasatab, in dem sie gearbeitet sind- Der nach NNO. onentirte
Bau war ein achtsäuliger Dipteros. Der untere Säulen-Durch-
messer beträgt mehr als 2" die Axenontfcrnung 5,20 m . Die
Kanneluren. 24 an der Zahl, siud nur lehrenartig am Au-
und Ablaufe vorgearbeitet aber nie vollendet wordeu. Voll-
ständig fertig gearbeitet erscheinen die weit ausladenden und
bliebst wirkungsvollen Voluten-Kapitelle. Ihr Schema entspricht
dem der Kapitelle von Prien», doch siud die mit vier Kehlen
(darunter zwei schuppenbclcgtu Balteusgurtv) versehenen Seiten-
ansichten reicher geschmückt, als die entsprechenden jener Ka-
pitelle. Das Schneckenauge bildet einen stark erhobenen Knopf
eine flache Hose steht in der Frontmittc. der volutirten Fascia
und wird in seltsamer Weise von zwei füllhornartigen Kelchen
umrahmt Die gedoppelten Perlenschnur« der Balteusgurte sind
iu Voluten beendigt und tragen zierlich gemciscltc Palmetten,
lu allen diesen Details, sowie an anderen, welche von den
Epistylien und den Kranzgesimsen herrühren, wird der Charak-
ter einer spät hellenistischen Epoche erkennbar. Es ist zu be-
dauern, dass Tcxier von den interessanten Details keine Abbil-
dung gegeben; die bei Cbeancy mitgetheiltcu sind nicht ganz
zuverlässig. Doch genügen sie für jeden Kenner hellenischer
Baukunst, um Julius Braun's Annahme, dass der Tempel der
Glanzzeit von Sardes (dem Schlüsse des VII. Jahrh.) angehöre,
sofort zu beseitigen. Das Material ist eiu grobblättriger weisser,
hier und da blaugrau gefärbter Marmor, dessen Fundstätte uns
unbekannt geblieben, aber wahrscheinlich in dem Bergsattel des
Tniolus, welcher zur Cayster Ebene und nach Ephesus hinüber-
führt zu suchen ist.
Die Reste des Theaters und Stadions siud weniger bedeu-
tend. Das Theater ist nach römischer Art erbaut, der Durch-
messer beträgt 12C'». Oben war eine Säulenhalle, in halber
Höhe ein Mittclgang angelest: die Platzeinrichtung ist der Ver-
schattung halber unkenntlich geworden. Die beiden Stirumauern
zeigen Gussmauerwerk mit Marniorquaderu bekleidet Die
Scbichteotechnik der unteren Quaderreihen spricht für einen
Neubau des III. Jahrhunderts aus der Epoche der Attaliden.
Die oberen, minder sorgfältig bearbeiteten Quaderschichten lassen
mehrfache und nachlässige Ausbesserungen erkennen. Zu den
Füssen des Theaters und der Hinterfront seines Skenengebäudcs
unmittelbar angeschlossen liegt das Stadion mit der mächtigen
Länge von rot 190". Seine Längsaxe ist von Südost nach
Nordwest gerichtet; die linke Sitzreihe ist in das abgeschrägt»
Terrain eingeschnitten, die rechte ruht auf winkelrecht gestell-
ten rundbogigeu Tonnengewölben römischer Technik. Die
Uauptwiederherstcllung ist nach dem grossen Erdbeben in
Tiberius Zeit erfolgt wie vortreffliche ältere Baustücke er-
kennen lassen, die zu dem Gussmörtelbau verwendet wor-
den sind.
Nördlich vom Stadion, etwa :i;> m von den obersten Sitzen
eutfernt, steht eine merkwürdige Thuranlago, nächst den Sub-
struktioneu der Burgmauern des Kybele-Tempcla das älteste iu
Sardes. Zwei aus grossen Quadern hergestellte Rundbogcnthore,
von SO. nach NW. orientirt, nach einer schrägen Axe geordnet,
folgen einander. Das untere Thor ist bis zu den wuchtigen,
nur aus einer unterwärts abgeschrägten Platte bestehenden
Kämpfern verschüttet, der obere Thorbogeu ist bis zu 1» unter
dem Scheitel in der Erde begraben. Die Bogenspannungen sind
klein, 2, V> m weit aber die Grösse der Quadern, die Strenge der
Kämpfer, diu treffliche Tecknik bezeugen ein** frühe Bauzeit
welche schon dem Aufauge des füuften Jahrhunderts, der
Epoche des Wiederaufbaues nach dem ionischen Ueberfallo
angehören kann. Von der starken Mauer, zu welcher das
Doppeltbor den Zugang eröffnete, sind noch Quader-Doppel-
reinen vorhanden und auf beträchtliche Längen verfolgbar. Das
Ganze seheint ein zur Burg gehöriges, weit vorgeschobenes Be-
I festigungswerk gewesen zu sein, dessen höhere Flankirang
Stadion und Theater, wegen ihres schroffen Nordabsturzes ge-
bildet haben.
Mehr in der Thalfläche, dicht an der alten llauptstrasse
und hinterwärts vom Hühlbache (jetzt I.ntro patamos genannt)
begrenzt, erheben sich die stattlichen Trümmer eines antiken
Gebäudes, welches später zur christlichen Kirche eingerichtet
worden ist. Deutlich erkennbar ist ein oblonger gewölbter Saal,
an seinen kurzen Seiten mit Halbkreistribünen begrenzt
Die MaasHe sind beträchtlich, 17» Breite und 61" Länge, mit
Ausschluss der Trihüucnnischen. dercu Spannung fast 13 m be-
trägt Die Langseiten sind völlig durchbrochen, so dass der
grosse Raum ähnlich wie die Mazentius-Basilica auf acht
Pfeilern ruht Die 7,50* starken Pfeiler sind aus grossen Mar-
morquadern erbaut; über ihren ionischen Antenkämpfern folgen
Backatelnschichtcn. Erhaltene Ansatzapuren verrathen die
frühere Existenz von Tonnengewölben mit grossen Scitcnstich-
1 kappen; Seitenschiffe waren nicht vorhanden, doch befanden
welches zu Grunde gelegt, jedoch in etwas soliderer und feu-
ersicherer Weise. In der Regel ist ein Platz an einer Berg-
wand ausgesucht, an welchen sich der aus rauhem Granit-
maucrwork bestehende Unterbau anlehnt und hineinschiebt.
Dieser Unterbau enthält Stall, Geräthschaftcnrauro, Keller.
Das Hauptgeschoss ist theils direkt von der Bergseite her,
theils durch eine Treppe aus dem Unterbau zugänglich und
enthält Küche und 2 bis 3 Zimmer. Die Umfassungswände
besteben meistens aus verschaaltem und ausgemauertem Fach-
werk. Das Dachgebälk und der aufgesetzte Kniestock sprin-
gen darüber vor, noch weiter überragt der Vorsprung des
Daches, welches halb abgewalmt und mit Schiefer gedeckt
ist. Im Dachraura finden sich noch 1 bis 2 Giebelzimmer.
Dazu kommen öfter noch Galerien oder Freitreppen. Das
(tanze stimmt mit Formen und Farben ausserordentlich an-
sprechend zu der malerischen Umgebung.
Wir führen nun noch eiuige Akkordpreise an, aus wel-
chen auch die Behandlung des Baubetriebes noch uülier er-
sichtlich sein dürfte: (1 fl. — IK) Kr. = « , Thlr.
Lösung von Boden Di Kr., von Felsen 40 bis CO Kr.
per kb n , inkl. Stellung und Unterhaltung des Geschirres und
Ankauf der Sprengmaterialien.
Auslesen unf Aufsetzen brauchbarer Steine zu Mauer-
werk oder Schotter aus den Sprengniassen 13 Kr. per kl)" 1 .
Transporte von Abtrag zu Auftrag nach besonderer
Tabelle.
Herstellen von Böschungspflaster bei l m Dicke 27 Kr.
per Q™, wobei das Beschaffen der Steine durch die vorher-
gehenden Preise bereits vergütet worden.
Kyklopcnmauerwerk incl. Gerüste und Mörtellicfcrung,
aus den im Loose selbst gesprengten und bez. Lösung be-
reits bezahlten Steinen, in hydraulischem Mörtel 8% fl.,
trocken 3*/» fl. per kb"'.
Liefern und Bearbeiten von Gewölb • Schichtensteinen
aus Findlingen oder im Loose gesprengten Blöcken 25 bis
31 fl. per kb" 1 . Arbeitslohn zum Mauern, lud. Gerüste und
Mörtel, weiter 6 fl.
Ricbtstollcn von 2,40™ Höhe und 2,70" Breite, für Aus-
sprengen, Transport und Anschütten der Massen 70—150 fl.
per laufendes Meter.
Tunnels von massiger Länge, für Aussprengen im vollen
Profil (Halbkreis oder Spitzbogen-Decke), Transport und An-
schüttung der Massen 250 bis 300 fl. per laufenden Meter.
Auch hier ist Stellung und Unterhaltung der Geräthsehaften,
Dienstbahnen und Sprengmittel Sache der Akkordanteu und
in den Preisen mit einbegriffen,
Somraerau-Tnouel. Nach Herstellung des Sohlenstollens
wurden für die Sprengarbeit behufs Erweiterung zum Spitz-
bogenprofil 250 bis 320 fl., zum Kappenprofll 320 bis 350 fl.
per laufd. Meter bezahlt, .incl. Transport zur Anschüttung
vor das Portal. Ferner für Auszimmerung nach dem oben
lieschriebenen System mit 6 bis 10 Kronbalken incl. Holz-
lieferung 5 fl. per Kronbalken und per laufd. Meter Tunnel.
Die Eisenbestaudtheile zur Zimmerung sind besonders be-
zahlt. Versetzen des Kappengewölbes aus den an das Portal
augelieferten Schichtensteinen, incl. Lehrgerüste und Mörtel-
lieferung SO bis ;>0 fl. per laufendes Meter.
Die Differenzen in diesen Preisangaben beziehen sich
vorzugsweise auf die geringere oder grössere Entfernung des
Arbeitsortes vom Portal.
Die Gesammtk osten der Eisenbahnsfrecke von Hornberg
nach St. Georgen, mit Ausbau eiues Geleise», sind veran-
schlagt zu H 380 000 fl., d. h. zu 202 000 fl. per Kilometer.
Da seit Kurzem auch die Arbeiten auf den an die eigent-
| liehe Gebirgssteige anschliessenden Strecken in Angriff ge-
nommen worden sind, so wird die ganze Schwarzwaldbahn
voraussichtlich im Laufe des Jahres 1803 dem Verkehr über-
geben werden. Im Herbst des laufenden Jahres werden da-
her die an der Wandcrversammlung deutscher Architekten
und Ingenicure zu Karlsruhe Theil nehmenden Facbgenossen
noch Gelegenheit haben. Manches vom Baubetrieb zu sehen,
und es sollte mit der Zweck dieser Zeilen sein, dieselben
im Voraus etwas zu orientireu und zum Besuche des inter-
essanten Baues anzuregen. B.
Mittheilungen aus Vereinen.
General -Versammlung des deutschen Vereins für Fa-
brikation von Ziegeln, Thonwaoren, Kalk und Zement
(Schluss).
Dritter Tag.
Von Seiten des Hrn. Scheukelbergerin Saarbrücken waren
Proben von feuerfesten Steinen eingesandt worden, welche in
einer hiesigen Fabrik neben aus Euglaud bezogenen Dimas-
Steiucn der höchsten Temperatur und der Stichflamme eines
Schweissofeus ausgesetzt waren. Die Schenkelberper'schen Stein«
hatten sich dabei den Dinassteiuen an Feuerfestigkeit bedeutend
überlegeu gezeigt, denn die Letzteren wareu vollständig zerstört
Der Preis der Schenkelberger'schen Steine ist pro Zentner 15 Sgr.
ab Fabrik in Oltweiler (Rhein-NabcBabn).
Der Vortrug des Herrn Dr. Seger über
die Bewegurg der
sich 8™ breite Portiken vor der Front- und Hinterseite. Hinter
der letzteren zeigt sich das Terrain 3" 1 tief künstlich vertieft
und breit umwallt, so dass wahrscheinlich in dem Saale der
Uauptsaal eiues Gymnasiums und in dem grossen vertieften
Platze die Pul äst ra desselben zu erkenuen ist. Bei dem fast
undurchdringlichen Dornengestrüpn, welches die ganze Ruine
durchwachsen hat, waren sichere llauptmaasse nur mit grosser
Schwierigkeit zu gewinnen.
Hinter der durch riesige Platanen überaus malerisch ge-
stalteten Mühleuhütte steheu fünf andere starke Pfeilerreste,
welche schlecht uud nachlässig ans alten Trümmern erbaut
sind. Grosse Marmorquadern, ionische Geisonblöeke. kaunelirte
SSulentrommeln, korinthische Kapitelle, alles ist bunt durch-
einander gepackt. Die Orientiruug ist nach NO. gestellt, in
welcher Richtung auch eine Apsis gestauden zu haben scheint
Die Länge beträgt 33™, die Breite 15 m . Auch hier sind die
Pfeiler unten aus Marmorrtückcn , die Gewölbeausätze aus
konstruirt. Die Faradenreste
römische Technik, vier Ziegelschichten wechselnd mit e
Bruchsteinsicht, ganz ähnlich wie zu Paris und Trier die so-
genannten Thermeupaläste. Das Gauze ist der Rest einer aus
antiken Trümmern liederlich zusammengebauten einschiffigen
gewölbten altchristlichcn Kirche. Unter den verwendeten Bau-
stücken sind werthvolle, wenn auch spätrömische Strukurtheile
vorhanden.
Zuletzt befinden sich ansehnliche Reste dreier grosser Ge-
bäude südlich von der alten Hauptstrasse in der Nähe des
Paktolus, darunter eiue aus kolussaleu Mannoruuaderu erbaute
Tempelkrepis uud ein mit flachen marmorneu Strebefeilem be-
setzter aber in der erwähnten Bruchstein-Ziegeltechnik herge-
stellter Baurest, welcher häufig, aber ohne Begründung, als die
Gerusia bezeichnet wird.
Schwierig ist der Aufgang zur Burg. Nur von der Südwestseite
windet sich zwischen Zwcrgeichen, Arbutus und auderen Strauch-
gewächsen ein schmaler Bergpfad in die Höbe. Bis zur Hälfte
kann man — Dank sei es der Kraft und Ausdauer der einhei-
mischen Pferde - hinaufreiten. Dann beginnt ein mühevolles
Klettern auf den glatten versengten Grashängon oder den
schroff abgewitterten undurchdringlichen Dornen, mit dicken
Sluarzknollen bestreuten Thnnschlammwäuden, wobei Hecken oft
en Weg sperren und nicht blos Kleider, sondern aucli Blut
kosten. Die noch stehenden Mauerreste entstammen verachie-
Bauepochcn, doch ist der Quaderbau entschieden überwie-
Send. Griechische Säulen, römische Inschriften, altbyzautinisehe
'apitelle treten an verschiedenen Punkten zu Tage. Die tiefer
liegende Vorburg ist besser erbalteu als die kaum noch zugäng-
liche Hochburg. Die Riugmaueru der letzteren, auf ganz
schroffem Hange überstehend, sind selbst formlos geworden
uud gleichen fast dem Grundfelsen, darauf sie stehen. Herrlich
aber ist die Aussicht, welche von oben sich eröffnet Hiutcr uns
der noch immer bewaldete, durch gewaltige Schluchten reich geglie-
dertcTmolus, dessen deutlich erkennbarer Bergsattel den altenWeg
nach Ephcsus verkündet. Das siud die kühlen Schluchten und
rauschenden Bergwälder, iu welchen einst (F.e Göttermutter mit
ihren Löwen umherschweifte und die lydischen Könige auf
Hochwild jagten. Dort strömt aus platanen- und pappelbesctztem
Thale der Paktolus hervor, von Granatenbäumen und Oleander-
becken ciugufasst, wie ehemals, aber des Goldes, welches seinen
Namen schon iu alter Zeit zu den Helleneu trug, längst beraubt
Vor uus ruhten tief unten die Ruinenfelder, von Bächen be-
grenzt und von der Landstrasse durchschnitten. Darüber
hinaus breitet sich fast unabsehbar in einaiigor Richtung zu
beiden Seiton des Herrn us die grosse lydische Ebene, östlich und
westlich von dämmernden Bergketten 'begrenzt Ihre Mitte ist
durch den gygäischeu See uud seine Fürstengräber in [unzer-
störbarer Weise als heiliges Landeszentrum bezeichnet. Und
neben der wundervollen Aussicht und der herrlichen Berg-
luft, welche Fülle von Erinnerungen umweht uns hier
oben. Die sagenhaften Gestalten des Kandaules und Gyges
tauchen auf. Krösus kommt mit seiner schon von Pindar geprie-
senen freuudlicheu Tugeud, Kyros und Xerxes mit ihren Völker-
heeren ziehen vorüber, keltische Reiterschaaren wechseln mit
ionischen Heerhaufen: dem Autiochus mit seinen Syrern folgen
die geschlossenen römischen Legionen; au die weltlichen Kämpfe
schliesseu sich kirchliche Kämpfe, bis der wilde Tamerian die
letzten Reste nationalen Lebens und kulturlicher Entwickelung
in Blut und Asche erstickt. Seitdem ist Sardes nicht nur eine
todte, sondern auch eine begrabene Stadt Wird sie mit dem
sicheren Heranrückeu der bereits prujektirten uud veranschlagten
Eisenbahn eine Auferstehung erleben? Die Bejahung ist bei
der seltcuen Fruchtbarkeit des Bodens und dem immer stärkeren
und Vordriugeu der griechischen Volksmenge in
nicht mehr zu bezweifeln.
(ForM.lion« folgt.)
Digitized by GpOgl
45
piE ^ADISCHE ^CHWARZWALDBAHN.
(Dta .»^U«» Z»hL« beieioho.il dl« Mrtrnbube in UrtOT.)
Feuergase iu stehenden und liegenden Brennöfen suchte die Ge-
setze, von welchen eine gleichmässig« Vertheiluug der Hitze
und ein möglichst geringer Brennstoffverbrauch abhängig ist,
durch Skizzen verschiedener Ofenkonstruktionen zu erklären.
Die Frage über Benutzung der Oasfeuerung gab Hrn. Reg.-
und Bau-Rath Möl ler Veranlassung zu Mittheilungen über den
in der Kgl. Porzellan-Mauufaktur ausgeführten kuntinuirlichen
Brennofen. (Eine Exkursion, welche nach der Sitzung nach
Charlottenburg unternommen wurdo, bestätigte die vorzüglichen
Resultate der von Hrn. Mcndheim ausgeführten Anlage). Für
die Ziegelfabrikation muss sich ein solcher Gasofen als zu
theuer in der Herstellung und irn Betriebe erweisen, dagegen
würdo derselbe mit bedeutenden Vereinfachungen für die E ubri-
kation feinerer Thonwaareu wohl cmpfehlenswerth sein. Resul-
tate über anderweitige Ausführung von Brennofen mit Gas-
feuerung waren nicht bekannt
Ob es vorteilhafter ist, bei Vergrößerung des Betriebes
einen alten Ringofen abzubrechen und einen neuen hinzustellen,
oder einen zweiten daneben zu setzen, hängt durchaus von
lokalen Verhältnissen und namentlich auch von der Grosse der
ursprünglichen Anlage ab. In eiuzelueu seltenen Fällen ist
auch ein Umbau des alten Ringofens möglich.
Die Diskussion über Vermeidung von Arbeiterstriken und
den Bau von Arbeiterwohnungen brachte die verschiedenartig-
sten Auskitten zu Tage; im Allgemeinen einigte man sich dahin,
dass es gut sei, eine Erwerbung von Grundeigenthum durch die
Arbeiter zu begünstigen und dieselben dadurch „an die Scholle"
zu binden
Einige aus einem weissen Zement hergestellte Ornamente
erregten in der Versammlung lebhaftes Interesse und wurden
zur Verwendung, auch bei Stubenöfen, empfohlen, doch konnte
Niemand über die Erfolge bei derartiger Verwendung Auskunft
geben.
Bei Ofenkonstruktionen lässt sich Zement nur da verwen-
den, wo höhere Uitzegradc nicht einwirken, derselbe kann also
nicht als feuerfestes Bindemittel gelten.
Digitized by Google
Eine eingreifende Konkurrent durch Zementsteine, resp.
Konkretbauten hat die Ziegelfabrikation vorläufig nicht zu be-
fürchten.
Die Versammlung sprach sieh noch über die Grundsätze
aus, die sieb für den Ausehlum von Zweigvereinen an den
Hauptvereiu empfehlen mochten, und nahm Kcnntniss von dir
Bildung eines Ziegelfabrik anten-Vero ins in Dresden. —
Die nächste General -Versammlung wird wieder in Berlin statt-
finden. - T -
Architekten und Ingenieur -Verein zu Cassel. Haupt-
versammlung am 30. Januar 1872.
Eis wurden zunächst vier Mitglieder aufgenommen, nämlich
die llcrreu Ober- Maschinenmeister Bütc, Bauführer Eubell.
Baurath Küll und Techniker Kautz. Sodann machte der Vor-
sitzende. Ur. Rudolph, Mittheilung über den Rccliiiungsab-
«chluss vom vergangenen Jahr, und wurden die Hrn. Kümmel
und Krausse gewählt, um die bezügliche Abrechnung III prüfen.
Hierauf erfolgte die «tatutenmässige Neuwahl des Vorstandes
welche zum Vorsitzenden Hrn. Rudolph, zu Bibliothekaren die
Herren Sallmann, Schmidt und Kümmel, zum Schrift-
führer Hrn. Schuchard, zum Kassirer Hrn. Kegel, zum Di-
rigenten des Lesezirkels Ilm Hiudorff uud zu Mitgliederndes
Vorstandes ohne spezielles Vereinsamt die Hm. Blanckenhorn,
von Dehn-Rotfclser uud Fink berief.
Nach Beendigung dieser geschäftlichen Angelegenheiten
machte Herr Rcdur interessante Mittheiluugen über die von
Froronisdorf beschriebenen Untersuchungsmethoden für eine
Statistik des Wassers von Boudron und Bmidct. Die von dem
Vortragenden vorgeführten Experimente zeigten , das» nach
diesen Methoden jedes Wasser ausserordentlich leicht und in
wenigen Minuteu auf seineu Härtegrad untersucht wurden kanu,
weshalb dieses wirklich praktische Verfahren allgemeinen Bei-
fall fand.
Arohitekten -Verein zu Berlin. Haupt -Versammlung am
3. Februar 1872.. Vorsitzeuder Hr. Böckmann, anwesend 115
Mitglieder.
Der Säckelmeister des Vereins, Herr Röder verlies»! den
Finanzbericht über das abgelaufene Verwaltungsjahr. Die Fre-
quenz des Verein«, in welchen im Jahre 1871 CO neue Mitglieder
aufgenommen wurden (in den beiden Vorjahren 57 resp. 59), ist
auf 289 in Berlin wohnende und 545 auswärtige, im Ganzen also
auf 934 Mitglieder gestiegen (gegen 731 pro 1869 und 688 pro
1870). Trotz dieses günstigen Mitgliederstandes haben die Ein-
nahmen, welche im Etat zu . r >800 Thlr. veranschlagt waren, nur
die Höbe von 4889 Thlr. um deshalb erreicht, weil nicht allein die
Nachwehen des Krieges die Beiträge der einheimischen Mitglie-
der vermindert haben, sondern namentlich, weil durch die Ver-
zögerung in der Publikation der Monatskonkurrenzen, bei deren
Versendung die Beiträge der Auswärtigen eingezogen wurden,
ein sehr erheblicher Ausfall in Betreff der letzteren entstanden
ist. Es ist andererseits gelungen, auch die im Etat auf 5700
Thaler veranschlagten Ausgaben auf 51 95 Thlr. zu ermässigeu,
so dam das gegenwärtig vorhandene Defizit nur 306 Thlr. beträgt;
das Kapitalvermögen des Verein« anzugreifeu, war nicht erfor-
derlich, da nach dem Eingehen der ausstehenden Beiträge Btatt
des Defizits eiu Ueberschuss aus der Verwaltung des Jahres 1871
rieh ergeben wird Auf die ilaupttitel des Etats vertheilen «ich
Wirklich
IM
pro IHN
Krgrb-
lilu
|irt> IST»
A. Einnahmen.
TWr
et
Thlr.
TWr.
96.
10
3
96
Beiträge der Mitglieder in Berlin .
4211.
25
4600
4145
Beiträge der auswärtigen Mitglieder
289.
819
806
Au« der Zeitschrift f. Bauwesen . .
180.
180
Zinsen des Kapital-Vermögens . . .
1 1 1.
105
Summe . . .
4888.
27.
'•
."■800
5353
B. Ausgaben.
Für da« Vereinslokal
1834.
21.
1
1850
1931
728.
11.
i
815
648
657.
23.
525
681
Für die Bibliothek
787.
10.
850
577
Für das Mobiliar
129.
16.
175
952
408.
3.
550
623
83.
13.
200
90
Für Feste und Exkursionen
449.
26.
t
400
423
86.
30
.'1
876
Summe . . .
5165.
5.
5700
6772
Der Finanzbericht und der von dem Hrn. Säckelmeister
vorgelegte Etats - Entwurf werden darauf zur Prüfung einer
Decharge-KommiHsinn übergeben, zu deren Mitgliedern der Verein
die Herren Cornelius, Haarbeck und Sondier ernennt.
Vor Beginu der Neuwahl des Vorstandes theilt der Herr
Vorsitzende die Nachricht mit, dasa Herr Grund eine Wieder-
wahl abgelehnt habe; es wird jedoch der Versuch beschlossen,
ihn zum Verzicht auf diese Absicht zu bewegen. Herr Böthke
referüt sodann über das Ergebuiss einer kleinen, am vorher-
gehenden Tage zusammengetretenen Vorversamrnlung, welche
vom Vorstände noch einige bisher anderweit versehene Funk-
tionen iLcitung der Bibliothek, Redaktion der Protokolle etc.)
übernommen wünscht, ausserdem aber eine in anderen Vereinen
sogar vorgeschriebene zeitweise Ergänzung de« Vorstandes durch
Ausscheiden bisheriger und Eintritt neuer Mitglieder für zweck-
i massig erachtet.
Die Wahl des ersten Vorsitzenden wird dadurch zu einer
schwierigen und langwierigen, das« mehre der in Aussicht ge-
nommenen Kandidaten, zunächst Hr. Adler, nach der ersten
Abstimmung auch Hr. Streckert, sie mit Entschiedenheit ab-
lehnen, erst im dritten Wablgange vereinigen sich 107 von 114
Stimmen auf Hrn. Quassowski. Zum Stellvertreter des Vor-
sitzenden wird Hr. Streckert mit 85 von 113 Stimmen, zum
Säckelmeister Hr. Röder mit 93 von 103 Stimmen gewählt In
Betreff der 9 übrigen Vorstandsmitglieder ergiebt der erste
Wahlgang nur für 7 der vorgeschlagenen Kandidaten, die Herren
Schwedler, Franzius, Endo, Grund, Adler, Höck-
mann und I.ucae die erforderliche Majorität von % der abge-
gebenen Stimmen. Da« Resultat der zweiten Abstimmung, bei
welcher die Hrn. Möller, Stier und Orth zur engeren Wahl
gelangen, bleibt ebenso wie das Ergebniss der Wahl de» Schinkel-
fest-Komites am Schluss der Versammlung noch nicht ermittelt.
In den Verein neu aufgenommen werden die Hrn. W. Becker,
G. Böttger, Clausen, Hamel, Januskowski, F. Röder,
Ziem als einheimische, Hr. Vogdt (Elberfeld) als auswärtiges
Mitglied.
Während dieser Wahlen referirt Hr. Ende zunächst über
die 4 Entwürfe, welche bei der Konkurrenz für ein Krieger-
denkmal in Neissc eingegangen sind. Der erste derselben, eiue
kuppelgckröute offene Halle auf hohem Unterbau, ist nach der
Ansicht der Beurteilungskommission zu sehr von antiken An-
schauungen ausgegangen, um dem Empfinden des Volkes ver-
ständlich zu sein, und würde die Ausführung die disponible
Bausumme um ein Mehrfache« überschreiten; auch steht das
dabei gezeigte Können hinter dem künstlerischen Wollen erheblich
zurück. Der zweite, ein gedrungener im Hauptkörper obeliskeu-
artig gestalteter Bau, an den Kanten mit Kanonenrohren gesäumt
entbehrt des nöthigen Ernstes der Durchführung und trägt
mehr den Charakter einer aus Surrogaten hergestellten flüch-
tigen Moment -Dekoration. Befriedigend, weil in sich abge-
schlossen und zur Ausführung geeignet, erscheint ein dritter
Entwurf, der auf einem reich cutwickelten und bedeutenden
Postamente einen schlank verjüngten achteckigen, mit dem
eisernen Kreuze gekrönten Aufbau aus Backsteinen zeigt, doch
ist die Behandlung namentlich der oberen Theile etwas zu
schlicht und nüchtern. Der beste künstlerische Gedanke ist
endlich in dem letzten Entwürfe enthalten. In Formen , die
eine Vermischung antiker und mittelalterlicher Motive anstreben,
erhebt sich auf einem verhältnissmässig niedrigen Unterbau ein
glatter runder Schaft, der die verlangten Inschriften trägt, wäh-
rend ein reich skulpirter Fries als Hals des säulenartigen Mo-
I numents die Embleme der verschiedenen Waffengattungen ent-
hält. Ein kapitelartig gedachter Aufsatz bildet den oberen
. Abschluss. Die Kommission hat diesem Entwürfe, als dessen
! Autor sich Herr Hubert Stier ergiebt, einstimmig den Preis zu-
erkannt, bringt jedoch pine etwas veränderte Detaillirung des
I untersten und obersten Theils in Vorschlag. Gleichzeitig wurde
auch die vor diesem erwähnte Arbeit, die von Hrn. Kühn ge-
zeichnet ist, der Division, die das Denkmal setzen will, zur Be-
achtung empfohlen.
Herr Sil lieh berichtet über den Inhalt des dem Verein
zugegangenen Promemeria's, welches der Verein .Berliner Bau-
bude* dem polizeilichen Entwürfe zu der neuon Bauordnung für
Berlin gewidmet hat Die Kritik, welche er dieser (von uns be-
reit« besprochenen) Arbeit zu Theil werden Ifisst, ist im Allge-
meinen keine günstige; namentlich glaubt er, das» die von der
Einsetzung eines Bauamtes und der Aufhebung der Bau-Erlaub-
nisscheine erwarteten Vurtheilo in Wirklichkeit nicht dürften
erzielt werden. Demgegenüber nimmt Herr Boockm ann Ver-
anlassung sich seinerseits mit grosser Schärfe gegen das Prin-
zip der Bauerlaubniss und dessen gegenwärtige Handhabung
auszusprechen. Er räumt allerdings ein, dans in dem vorläu-
figen Uebergangsstadium, wo eine verhältnissmässig nur geringe
Zahl von Privat -Architekten existirt, deueu ein Bauherr mit
vollem Vertrauen die ihm auferlegte Verantwortlichkeit auf
eigene Gefahr hin übertragen könne', ein polizeiliches Ein-
schreiten und eine Ueberwachung der vielen unzuverlässigen
Kräfte, auf welche die Bauherren noch augewiesen sind, nicht
zu entbehren seien. Hingegen schildert er die Nachtheile,
welche aus einer schabloueumässig durchgeführten Präventiv-
kontrolle, welche die Verantwortlichkeit hauptsächlich dem kon
trolliretiden Beamten aufbürdet, in denjenigen Fällen erwachsen,
wo dieselbe sachlich nicht nothwoudig wäre, als so bedeutend,
das« der Vortheil dort und der Schaden hier sich mindestens
ausgleichen. Diesen Schallen weist er nach in dem enormen
Zeitverluste, der durch die Revision der Pläne sich ergiebt
und mit den Zwecken des Baues oft absolut nicht zu ver-
einigen ist, iu der Hemmung der schöpferischen Kraft des
Architekten, der in diesem fortwährenden Kampfe mit der
obrigkeitlichen Bevormundung «ich abnutzt uud erlahmt, end-
lich in den Verhältnissen, die dadurch entstehen, dam in der
Uncrträglichkcit des auferlegten Zwanges nicht selten alle
Mittel ergriffen werden, um die Vorschriften der Behörde mit
Absicht und wissentlich zu umgehen oder selbst direkt zu vor-
I letzen. — F. —
Digitized by Google
- 47 —
15.
27.
1.
10.
Oktober 1.
L
Dezember 31
Vermischtee.
Eisenbahn -Eröffnungen In Deutschland und Oesterreich-
Ungarn im 2. Semeacer 1871. Die Zeitung dea Vereins deut-
scher Eisenbahn-Verwaltungen, die sonst die Eisenbahn-Eröffnun-
gen im Gebietu des Vereins nach der Zeitfolge uud uro Semester
tuittheilte, giebt diesmal eine geographisch geordnete Jahres-
t'ebersicht derselben, jedoch mit Ausschluss der niederländischen
Bahnen. Im Anschluss an unsere letzte, derselben Quelle ent-
nommene Mittheilung (Nr. 33 Jbrg. 71), in der wir bereits die im
ersten Semester eröffneten Bahnstrecken augei
wir zunächst noch der alten Methode folgen.
I. In D«nt*ctü«nd.
1. In Preussen.
Flatow Conitz (Preussische Ostbahn) .
Moekcr - Jablonowo (Preussische Ost-
bahn) . . . .
Gerdauen -Rothfliess (Preus.sische Ost-
bahn)
Lyck-Prostken (Ostpreuss. Südbahn) .
Oels-Poln. Warteuberg (Breslau -War-
schauer Eisenbahn)
Breslau -Strehlen (Oberschlesische Ei-
alin) .
Glogau - Kothenburg (Brcslau-Schweid-
iiitz-Ereiburger Eisonbalin) ....
Sagau - Sorau (Nicderschles. Zwcigb.)
Cottbus - Guben (Hallc-Sorau-Gubcucr
Eisenbahu) 5,03
Cottbus - Falkenb. i g (Halle-Sorau-Gu-
beuer Eisenbahn)
Berlin - Spandau ( Magdeburg - Halber-
stttdt. Eisenbahn) .
Aschersleben - Cöunern ( Magdcburg-
llalberstädtor Eisenbahn)
Gardulccen-Lchrte (Magdeburg-Ilalber-
Btädter Eisenbahn)
Osterode- Grenze bei Babenhausen [iu
der Richtung auf Seesen] (Hannover-
sche Eisenbahn) 0,43
Münster - Osnabrück (Köln - .Mindener
Eisenbahn) 6,66
Gerolstein - Trier (Khcfoischt Eiscnb.)
für den Güterverkehr Uagen-Oberhagcn
(Bergisch-Markische Eisenbahn) . . ■
Ruhrthalbahnstrecke Arnsberg - Me-
schede (Bergisch-Märkische Eisenbahn)
Salzschlirf - Fulda (Oborhcss. Eisenb. )
2. 1 n Sachsen.
Grossehönau - Warnsdorf ( Sächsische
StaaUbahn )
Radeberg-K anic uz (Säehs. Staatsb.) .
3. In Thüringen-
Dezember 20. Gera- Eichicht (Zweigbahn der Thüring.
Eisenbahn)
4. In Oldenburg.
Sande -Jever (Oldeuburgische Staatsb.)
5. Iu Hessen.
Mainz-Armsheim (Hessische Ludwigs-
bahu)
Odenwaldbahnstrecke Wiebelsbach-
Hcubach-Erbach (Hessische Ludwigsh.)
C. In Baden.
September 15. Freiburg-Alt-Breisach (Privatbahn im
Betrieb der Badischeu Staatsbahn Ver-
waltung 3,00
7. In Bayern
Schweinfurt - Kissingen (Bayerische
Staatoeisenbehn) 3,41
Nürnberg-Neumarkt (Bayer. Ostbahn) »,85
Juli-
Oktober
November
September
1.
1.
15,
15.
1.
I.
Juli
Oktober
Juli
15.
IG.
18.
31.
15.
Oktober
Oktober 15.
18.
24.
6,76
7,35
8.31
!f,l0
3,33
4,90
8,5»
1,70 ,
10,51
1,73
3,78
13,57
9,31
0,32
2,ti4
2,6a
0,30
3,70
10,28
1,73
4,76
3,10
Oktober
9.
1.
IL In Oeiterrcieh - Ungarn.
I. I n Oesterreich (Cis-Leithanicn).
Oktober 1. Pelsdorf-Uohcnelbe (Oesterreichischc
Nordwestbahn) 0,58
1. Zuaim - Stockerau (Oesterrcichische
Nordwestbahn) 3,82
17. Wostromiersch ( Ostromer ) - Jitschin
[2,28 M ] und Trautenau - Freiheit
[1,211 M.j lOesterreichische Nordwestb.) 3,57
3. Gemünd -Cercan-Pisely (Kaiser Franz
Josef-Bahn) 18,!»
14. Gercan-Pisely-Prag (Kaiser Franz Jo-
sefs-Bahn) . 5,40
9. Fricsen-Carlsbad [7,7 M.l und Tirsch-
nitz- Fronzeusbad [0,5 M ] (Buscbthc-
■ ■*>,■■* 8,20
6,70 ,
Oktol>cr
Juli
2.
15.
September 1.
November 20.
Dux-Bodenbacher Eisenbahn ....
Salzburg-Halluin (im Betrieb der Kai-
serin-Elisabeth-Babu) .
Wr. Neustadt- Gr- Neusiedler Eisen-
bahn (im Betriebe der Südb.-Gcsellsch.)
Villach - Franzcnsfcste (Oesterreich.
2,40
4,49
27,78
222,99 M.
2,90,
6.98 ,
5,80 .
18,32,
3,49.
8.50.
4,75 .
5.99 ,
14,76 .
11,67 .
15,43 .
321,58 M.
17'-M9 .
Gesammtsummc pro 1871 500,77 M.
Die Gesammtsumme der im Jahre 1870 neu er-
öffneten Bahnen (Nr. 5 Jhrg. 71 u. Bl., wo jedoch die
niederländischen etc. Bahnstrecken io Abzug zu brin-
gen sind), betrug: ■ 413,54 .
Mithin ist gegen das Vorjahr (tingetreten
eine Steigerung von 87,23 M.
Die Berliner Nordbahn (Berlin-Stralsund) ist am 30. Dzbr.
v. J. in Neu-Strelitz und Oranienburg begonnen worden, nach-
dem der Direktion die Preussische und Strelitzsche Konzession
ertheilt ist uud die staatlichen Kautionen von ihr hinterlegt
sind. (Der hiesige Bahnhof dieser Bahn dürfte anderweitigen
Zeitungsnachrichten zufolge nördlich der Zionskirche zwischen
Brunnen- und Schwcdterstrasse, oder zwischen Schwedterstrasse
Transport
Hohenstadt • Zöptauer Eisenbahn ( im
Betriebe der Oesterr. Staatsbahnverw.
Taruopol - Podwoloczyska - Russische
Grenze (Galizische Carl- Ludwigsbahn)
Verestie - Botusani (Lemberg Czcrno-
witx-Jaasy-EisenbattD)
2. In Ungarn.
Dezember 8. Silleiu - Poprad (Kaschau - Odcrberger
Eisenbahn)
Poprad - Iglo (Kaschau -Oderberger Ei-
senbahn)
Legenye-Mihalyi-Honionna (Erste Uu-
gariscb.Galizischo Eisenbahi
Nagy Karoly - Szathmar (
Nordost bah u)
Szerencs - Satoralja -Ujhely (Ungarische
Nordostbahn)
Karlsburg - Maros Yasarhcly (Ungar.
Ostbahn)
Grosswardcin-Czaba (Alfiild-Fiumancr
Eisen bahn)
Raab-Steinamauger (Ungar. Wcstbalin)^
Summa
Im ersten Semester betrug die Summe der neu
eröffneten Bahnen desselben Gebiets
Oktober 1.
November 1.
12.
25.
September 25.
Oktober 26.
November 20.
14.
1.
Oktober
Eine neue hydraulische Bremsvorrichtung (Rarkers
Patent) ist bei einem Zuge der Great-Eastern-Bahn seit sieben
Wochen in fortgesetzter Anwendung, ohne dass sich Uebelttande
herausgestellt hätten. An der Lokomotive ist ein Akkumulator
angebracht, welcher gleich nach Abfahrt des Zuges voll Wasser
gepumpt wird- Von diesem aus können jeden Augenblick die
hydraulischen Presseu in Thätigkeit gesetzt werden, welche die
Bremsen des Zuges anziehen. Da hierzu nur die Bewegung
eines Handels erforderlich ist, soll die Handhabung des Appa-
rates eine sehr leichte und die Wirkung eine sehr schnelle sein.
Die Pressung auf alle Bremsklötze soll gleich sein und Stössc
dabei nicht vorkommen. t Auch sollen die Räder bei jedem
Wetter zui
Transport 222,9» M.
Aus der Fachliteratur.
Allgemeine ßauzeitnng, redig. von A. Köstlin, Verlag
von R. von Waldheini in Wien. Jahrgang 1870. Heft 7— 12.
(Vid. No. 4 u. flg. Jhrg. 71 u. Ztg.)
A. Aus dem Gebiete des Hochhaus.
1) Das alte herzogliche Lusthaus iu Stuttgart,
mitgetbeilt von A. Köstlin.
Eine sehr umfassende Wiedergabe eines der schönsten
Beispiele deutscher Renaissance, daas leider noch im Jahre 1845
zerstört wurde, um dem Bau dos Theators Platz zu raachen.
Das sogenannte Lusthaus, über welches in neuerer Zeit auch Prof.
W. Bäumer im Jahresbericht der Polvt Schule zu Stuttgart
1869 berichtete, wurde 1580 durch den Herzog Ludwig von Wür-
tomberg erbaut, um den zahlreichen Feston, Musik- und Theater-
Auffuhrunguu dieses lebenslustigen Hofes als geeignetes Lokal
zu dienen. Es war ein echter Luxusbau im Sinne der Renaissance,
für dessen Herstellung die für jene Zeit enorme Summe von
300000 fl. angewendet wurde. Baumeister war Georg Beer,
auch die Namen des Bildhauers und Malers, Schioer und Dit-
terlin, sind erhalten. Im Jahre 1758 wurde das .Lusthaus" zum
Operuhause, 1811 zum Sehauspielhuusc umgebaut und endlich
1845 gänzlich zerstört. Vor diesem traurigen Ende des schönen
Baues scheint ein Architekt Beisbarth sehr genaue Aufnahmen
gemacht zu haben, welche in Verbindung mit Aufnahmen des
Ober-Baurath von Fischer einer Anzahl von früheren Schülern
des Stuttgarter Polvtechuikunis das Material zu der vorliegen-
den Publikation geliefert haben. Wir finden die Namen Hof-
mann, F. Wilhelm, Arledter, Moor; eine innere Perspektive ist
Facsimile einer alten Originalzeichnung des K. Kupferstich-
kabinets zu Stuttgart
Der Bau bestand aus dem Hauptsaal iu der ersten Etage,
einem kolossalen Hohlraum von 20" Breite bei 56» Länge und
13,5" Höhe bis zum Scheitel des flaeneu llolzgewölbes, uud der
grossen .Türuita - , dem Raum für das Gefolge, der in sehr reiz-
voller Weise drei grosse Wasserbassins von 12" Weite enthält.
Aus der Mitte derselben und um sie herum sind die kanuelirten
Säulen gruppirt, welche dlo reichen Storugewülbe tragen. Den
Digitized by Google
— 48 —
ganzen Bau umgiebt eine graziöse Arkatur auf jonischen Sfiulen
mit reichverzierten Basen, welche an den rier Ecken in isolirt
stehende runde Fiankirungstbünne ausläuft. Die Treppe zum
oberen Saal führt mit einer sehr zierlichen Eingangs-Loge am
Aeusseren herauf.
Die Publikaüon ist sehr vollständig und erstreckt sich auch
auf Details, von welchem namentlich die auf den Kämpferkonsolen
der Susseren Arkadengewölbe sitzenden Halbfiguren, PortrSts
des Erbauers und seiner fürstlichen Verwandschaft, als anziehende
Kostümstudien hervorgehoben zu werden verdienen.
9) lieber Gesammtanordnung der Bahnhofe und
Stationen, insbesondere der Hochbauten, von Wilhelm
Flattich, Chef-Architekt der k. k. privilegirten Süd-
bahngesellschaft.
Auf 9 Blatt Zeichnungen giebt der Verfasser ein reiches
Material für Bahnhofshocnbauten aus den Ausführungen der
osterr. Südbahngesellschaft. Der Text enthalt auf 16 Seiten
eine sehr systematische Abhandlung über die verschiedenen
Formen der auf Bahnhöfen vorkommenden Hochbauten und
klassifizirt die dem Architekten hierbei entgegentretenden Pro-
gramme. Die Anlagen werden in 3 Hauptgruppen zerlegt:
f) solche für den Verkehrs-Dienst, S) für den Zugförderungs-
Dienst, 3) für den Bahnerhaltungs-Dienst Eine Scheidung der
Stationsanlagen in Klassen nach ihrer Geleiselänge oder nach
der Grösse ihrer Hochbauten wird prinzipiell verworfen, kehrt
jedoch im Text wiederholt wieder.
Unter Gruppe 1, Verkehrsdienst, begreift der Verf. Bahn-
hofe ohne Personenverkehr, nur mit Kontrol- und Telegraphcn-
dienst (1 Beispiel), ferner die kleineren Personenbahnhöfe mit
ihren unterschiedlichen Bedürfnissen, welche aufgezählt werden.
Sie werden nach ihrer Grösse klassifizirt und. von jeder Klass«
Beispiele aus Ungarn und Tyrol, im Ganzen G verschiedene
Pläne gegeben. Zwei Tafeln sind der Wiodergabe grösserer
Personenbahnhöfe gewidmet, welche eigene Ausgangslokale,
getrennte grössere Restaurationen, zum Theil auch gedeckte
Perrons enthalten. Auf diu einzelnen Bedürfnisse, namentlich
die Restaurationen, geht der Verf. näher ein und giebt interes-
sante Winke über die Nachtseiten derselben, die allerdings
wesentlich für den Süden Werth haben mögen. Zweiseitip uiid
Insel-Anlagen werden auffallender Weise sehr kurz abgefertigt.
Von dem reichen Material der Stationsanlagen für den Güter-
dienst werden gedeckte und geschlossene Gütermagazine in zwei
Beispielen — Holz- und Massivbau — gegeben; über gedeckt«
und offene Magazine, Kohlen- und Vieh-Vcriadungsanlagcn, end-
lich über Bureaus und Waage-Einrichtungen enthält der Text zahl-
reiche Fingerzeige mit bildlicher Erläuterung. Wo Kaserne-
ments für das Güterverkehrs -Personal nöthig sind, sollen die-
selben möglichst gesondert von den übrigen Bahnhofsanlagen er-
baut werden. Zum Schlüsse werden die beiden Güterbahnhöfe
von Wien und Ofen im Grundrisse mitgetbeilt
Die zweite Hauptgruppe, Anlagen für den Zugförderungs-
dienst, zerlegt der Verf. in solche zur Speisung und Entleerung
der Maschinen, Wasseratationen, ßrennmaterialstationcn, Wasser-
leitungen und Pumpen, Druckwerke, Reservoirs und Wasser-
hähnen, sowie deren allgemeine Disposition, und in Stationen
mit Lokomotiv- Depots, welche meist die vorgenannten Bedürf-
nisse mit umfassen. Unter den Lokomotiv-Depots werden dann
die verschiedenen Formen, gerade, kreisförmige und halbkreis-
förmige Remisen, in Beispielen der Südbahn aufgeführt. Als
dritte Unterabtheilung treten hierzu noch die Werkstätten für
grössere •Reparaturen, welche der Verf. für •.JDpCt. der Loko-
motiven, lOnCt. der Personen-, 6pCt. der Lastwagen, welche im
Betrieb sind, berechnet wissen will. Ein ausführliches Beispiel
erhalten dieselben in der mitgetheilten grossen Zentral-Werkstätte
in Marburg, welche 134 Mellen Bahn zu bedienen hat.
Die dritte Hauptgruppe endlich, Anlagen für deu Bahu-
Erhaltungsdienst, umfasst in kurzer Erwähnung Wärterhäuser
und Wohn-Etablissemcnts, von welchen die mitgetheilten Beispiele
allerdings nach dem Rathe des Verf. auf das möglichste Maas»
von Einfachheit reduzirt sind, und die Station (Bureaus, Depots
und Werkstätten) des Sektions-Ingenieurs, sowie die Station des
mit der Verwaltung einer geuzeu Linie betrauten Obcr-lugeuicurs.
Ueber die Bauweise der mitgetheilten Hochbauten ist noch
zu sagen, das« dieselben zwar anscheinend durchweg in solidem
Material, aber auch in jener lanirweili«en, h:uh -akademischen
fcun r assung erbaut sind, welche kürzlich in der preussischen
indesvertretung eine so harte Beurtheilung erfahren hat. Nur
in Tvrol scheint ein Versuch gemacht, an die landesüblichen
Holzbauten anzuklingen.
3) Ueber Beton Verwendung zu Hochbauzwecken,
hauptsächlich zu ganzen Gebäuden, von J. Schlier-
holz. Mit einem Blatt Abbildungen: Bahnwärterhaus von
Beton. Es sind in extenso wesentlich dieselben Versuche und
ihre Resultate dargestellt, über die auch d. Blatt im Jhrg. 1870,
Druckproben von ßetnnwürfeln aus verschiedenem Fabrikate
beigefügt. —
4) Die Kirche Madonna de Sau Biagia in Monte-
pulciano, mitgetheilt von Emil Ritter von Förster.
Wir irren wohl nicht, wenn wir die sehr vollständige, auf
Blatt dargestellte Aufnahme mit dem von demselben Verf. her-
S. 44 u. 45 eine Mittheilung des Bauinspektors Dollinger brachte.
Hauptresultatc dieser Versuche über eine Bauweise, welche man
als Zement-Pise bezeichnen kann, sind: Vorzüglichkeit des Port-
land-Zemeutcs vor dem Roman-Zement, wenigstens Notwendig-
keit eines Aussenputzcs von Portlaud; bei Wärterhäuseru diu Un-
möglichkeit, dieselben früher als 4 — G Wochen nach ihrer Er- I
bauung der Erschütterung «durch den Bahnbetrieb auszusetzen.
Dem Aufsätze ist eine Zusammenstellung der Kosten bei ver-
schiedenen Mischungsverhältnissen, sowie eine Tabelle über
ausgegebenen Werke „Die Renaissance in Toskana' in Verbindung
bringen. Der Text giebt einen kurzen biographischen Abriss
der Familie de« Meisters, Giamberti mit dem Beinamen San
Gallo , dem wir die weniger bekannte Notiz entnehmen , das*
dieser Beiname nicht von dem Orte der Herkunft stammt,
sondern dem Giuliano Giamberti, dem Bruder Antonio^', des
Erbauers der Kirche von Montepulciano, in Anerkennung eines
vor der Porta San Gallo in Florenz ausgeführten Klostcrbaues
von Lorenz! de' Medici verliehen wurde. Die Autorschaft des
filteren Antonio, durch Vasari überliefert, wird von dem Verf.
einfach als richtig angenommen, mit der Notiz, der wir uns
allerdings durchaus nicht anschliessen können, dass ihm dabei
die reizende Zeutralkirche Madonna dclle Carccri, die rein Bruder
Giuliano kurz zuvor in Prato erbaut, als Muster vorgeschwebt
habe. (S. Zeitachr. f. Bauw. Jahrg. 18«8. Bl. 62 u. 63, 18C9
Bl. 42.) Aber auch für die Kirche in Montepulciano möchten
wir, Vasari zum Trotz, die Akten über seine Autorschaft noch
nicht für geschlossen halten und dieselben den Kunsthistorikern
noch einmal zur Revision überwiesen seilen. Vorläufig müssen
wir uns allerdings auf unsere persönliche Empfindung bei eigener
Anschauung dos fraglichen Bauwerks stützen, wenn wir c* für
bedenklich halten, diese höchst nüchterne, nchablonenmässig
richtige Architektur der Kirche zu Montepulciano einem Meister
der Frührenaissance, einem Mitstrcbendeu und Zeitgenossen
des Giuliano da Sangallo, des Giuliauo da Majauo und anderer
Schöpfer der in ihrer akademischen Fehlerhaftigkeit so unendlich
liebenswürdigen Bauten des quattro Cento in Toskana zuzuschrei-
ben. Es ist hier nicht die Stelle zu kunsthistorischen Kontro-
versen dieser Art, denen wir uns auch nicht hinreichend ge-
wachsen fühlen, allein wir würden eine besondere Befriedigung
empfinden, wenn eine eingehendere Forschung diesen Bau dem
älteren Antonio, dem Meister der Frührenaissauce, nähme, um
ihn dem gleichnamigen Neffen, dem routinirten Architekten
und F'ustuugsingenieur der Hochrenaissance zuzuweisen. — Die
Publikation ist eine äusserst genaue, augenscheinlich auf den
vollständigsteil Messungen beruheude, uud giubt ausser Grund-
rissen, Ansicht und iHirchschnittcD in sehr grossem Maasstabe
noch ein grösseres Detail vom Untergeseboss des Thurmes. Es
verdient überhaupt anerkenuend hervorgehoben zu werden, dass
die Allgem. Bauzeituug unter ihrer gegenwärtigen Redaktion
an keiner ähnlichen deutschen Fachzeitschrift zu rühmende
Personal ■ Nachrichten.
Preussen.
Ernannt: Der Baumeister Schütte zu Schleiden zum
Kreisbaumeister daselbst. Die Eiscubahu - Baumeister Forsch
in Rybnik und Albert Schul tze zu Saarbrücken zu Füsenbahnbau-
Inspektoren bei der König). Ostbahn in Bromberg und resp.
Berlin. Der Eisenbahn -Baumeister Dulk zu Elberfeld zum
Eisenbahn-Bauiuspektor daselbst Die Baumeister Tb. Schultz
und Ehlert zu biseubahu- Baumeistern bei der Bcrgisch - Mär-
kischen Eisenbahn.
Im Januar c. haben das Baumeister-Examen bestanden:
Willielm Herborn aus Dillenhurg, Reg.-Bez. Wiesbaden.
Das Bauführer-Examen haben bestanden: Karl Adolph
Hinkeide yu aus Lübeck; Rud. Ed. Zorn aus Stieglitz bei
Schönlauke; Karl Otto Müller aus Wittstock ; Otto Rcbcr aus
Kemel im Unter-Taunuskreis.
Brief- und Fragekalten.
Hrn. Baumstr. G. in G. Genaueres über die Festigkeit
der bei Neuwied fabrizirten künstlichen Tuffsteine (Schwcmm-
steine) haben wir nicht erfahren können; auch dürfte bei der
Herstellungsweise derselben — sie bestehen aus vulkanischem
Sande und Kalkmilch und werden nach dem F'ormen einfach
getrocknet — die Beschaffenheit der einzelnen Steine ganz
ausserordentlich verschieden sein. Es steht fest, dass aus solchen
Steinen gothische Kreuzgewölbe bis zu 10 ,u Spannweite, in deu
Kappen 0,15» stark, mit gutem Erfolge ausgeführt sind. Nach
der Schätzung eines erfahrenen Kachmannes dürfte ihre
Druckfestigkeit nicht höher als 3 k u. □ «■ anzunehmen sein.
Hrn. S. in Cöslin. Ihre Anfrage ist von uns vermittelt,
aber bisher ohne Antwort geblieben. Zur Beschaffung der von
Ihnen gewünschten Arbcitsnülfe sind wir leider ausser Stande.
Hrn.B. in Berlin. Die Schinkelfest-Konkurrcnz ist eine
interne Angelegenheit des Berliner Architekten-Vereins und nur
für Mitglieder desselben zugänglich. Um Mitglied zu werden,
ist zunächst die Einführung in den Verein durch ein anderes
Mitglied erforderlich; Bedingung der Aufnahme, deren Formali-
täten Sic demnächst leicht erfahren, ist, dass der Betreffende
ein mindestens einjähriges Studium an einer anerkannten bau-
technischen Hochschule nachweist, oder vom Vorstaude ein-
stimmig empfohlen wird.
Beiträge mit Dank erhalten von deu Hrn. D. F. in Karls-
ruhe uud M. in Lengerich.
; «oa C.rl B.fllt. In
One* .o« lirkr.d.r PIck.MIl Btrl?»
Digitized by Google
Jahrg. Tl.
Ml.
DEUTSCHE BAUZEITUNG
lUiUktica .. EtpWititn:
»«II», Ofanirfe.lr...» 191
BeateUaagvn
uWrarlim.'» «Ilr NHüMBtl
anri ftornhaadlnnari.,
tut Urrlln die Ktprdlllon
Organ des Verbandes
deutscher Architekten - und Ingenieur-Vereine.
Redakteur K. E. 0. Fritsch.
laiarata
Mr dl. u«. tn AnUthm
B.otrtl.n« Haara Aafnahm«
la a>t üiall» - Hrlla«r :
n Bau - A o MftHB ™
Imerttani prplt : SV« Str. pra
Preis I Tlialer pr» Quartal.
Berlin, den 15. Felu-uar 1872.
Inhalt: W«li..l,..i. .1^. Il.m. C Mrlrh.,r, in Bremm. - l>lr n.a» ftrtani-
»atlan iL . N>aal,Uan«r in Itavrrn. - Zamrul . I>aru|.taltan ...„ .la.iurn
la i:n.i.u. - KU K-.t dr. Arrkllaklaa- VtrahM au n«clia. - tti 1 1 h - j I u n n
au» »«rrli,»., Arrhitrllni- und ll.iiul.ui . V,.,l„ ... Han..»vrr. - Vrrrh. für
Kitanbahnkandt. all ll-.ll... Iii ....dun* .in.» V. r. in» .lfut.rlifr Ardiitrklrn und
l.ij-iii.ii,.. m Mrat.Ur.5. Ar. bi.rkl. u • \Vr.U a» Brrlin. — V .• im 1 »r Urea: |
— -*■ v *— — ..- -J- . u - V _r — : . . _ — — —
Wahnliaus des Hern (
Erfunden und ausgeführt
Die Wohnungsverhältnisse Bremens sind bekannt und
berühmt als ein an den meisten anderen Orten Deuts« bhinds
leider unerreichbares Beispiel gesunder und natnrgcmässer
Kulturcntwickelung. Nirgends wird die englische Anschau-
ung, welche es für eines der ersten und notwendigsten Le-
bensbedürfnisse des .Menschen hält, in eigenen Hause und
auf eigenem Grunde y.n wohnen, so allgemein und konsequent
in die Wirklichkeit übertragen und so hartnackig festgehalten
wie hier. Miethhäuser und Mietwohnungen in der üblichen,
eigens für diesen Zweck bestimmten Form anderer Gross-
städte sind — zur nicht geringen I nbe^uemlichkeit der
nach Bremen versetzten Beichsbcamten — so gut wie gar
nicht vorhanden; neben den öffentlichen Gebäuden bestehen
in der inneren Stadl vorwiegend Geschäftshäuser und Spei-
cher, während die Vorstädte sich aus kleineren, von je einer
ramilie bewohnten Wohngehauden zusammensetzen, die sich
theils in einer Flucht aneinanderreihen und geschlossene
Strasseufronten bilden, theils zu freier gruppirten Villen-
QaWtMNI vereint sind.
So gesnnd und erfreulich diese ZnstSnde sind und so
originell die Gesammt-Physiognomie der Stadttheile ist, die
sich ans ihnen heraus in völliger, durch keinen polizeilichen
Bebauungsplan lievormundcten Freiheit entwickelt hat »en, so
erhellt doch andrerseits, dass die Aufgaben, welche sich in
Bremen der Privatarchitektur darbieten, verhaltnissmiissig
nur bescheiden sein können. Ks kommt hinzn, dass die den
kleinen Freistaat beherrschende Sitte in der Thal etwas von
republikanischer Einfachheit gewahrt hat und es bedingt, in
allen Beziehungen des Leliens ein gewisses Maass einzuhalten.
Trotz des grossartigen Beichthumes, der in der Bremer
Kaufmannschaft vertreten ist, begegnet man doch nirgends
einem prahlerischen Zurschaustelleu desscllaen und einein iilaer-
triebenen Luxus, sondern nur schlichter, aber solider Vor-
nehmheit. Diesem Sinne würde es widersprechen, grosse
und pmukeude Häuser zu errichten; ja, wie uns versichert
worden ist, würde ein derartiges Abweichen von der Sitte
dem kaufmännischen Credit des Bauherrn, der seinem Ge-
schäfte für solchen Zweck ein bedeutendes Kapital entzöge,
direkten und empfindlichen Schaden bringen. Daher erreicht
keines der zahlreichen PatrizierhSuser Bremens, die der neue-
ren Eutwickeluug der Stadt angehören, in Bezug auf Um-
fang und Bcichthum der Ausführung einen Bang, der dem
eines Palastes sich näherte, und ebenso sind die Villen vor
oder in nächster Umgebung der Stadt - mit einer einzigen
Ausnahme, die wir später gleichfalls unseru I-esi rn vorführen
zu können hoffen — weit davon entfernt mit Schlössern ri-
valisiren zu wollen. —
W ir glaubten diese Vorbemerkungen vorausschicken zu
müssen, iiiii den Fachgenossen den richtigen Maa.sstab für
die Beiartheilung eines Bauwerkes zu geben, das wir auf
Seite 53 in Grundrissen und Facaden-Skizzen darstellen und
das noch eines der am reichsten ausgestatteten Beispiele
ueuerer Wohnhäuser in Bremen sein dürfte. Allerdings kann
das von dem Architekten Heinrich Müller erltaute, Herrn
C. Melehers gehörige Gebäude nur in dieser allgemeinen
Beziehung als Typus für die Anlagen ähnlicher Ar« gelten,
während die für die Gestaltung des Entwurfes im Einzelnen
maassgebenden Verhältnisse so eigenartig waren, dass das-
selbe völlig originell dasteht.
Die Baustelle des vorzugsweise für den winterlichen
Gebrauch des Besitzers bestimmten Hauses, ein uuregel-
mässiges Grundstück von ppr. US^O" grösster Breite und
80,10* grösster Tiefe wird an den Langseiten von 2 Nach-
«■•ni-iop Kanari
isri Ibmi. - K ..kuti „,.■„ a ii Ii Da ikatl lad
Narhrtchcrn ttt.
III Ii,,:... —
— An« <l.r Pacl.lHtaralur: AH
.011 Ko.di... Jahn!. INT», ll.fi
' — Peraeaal
Jlelchers in Bremci
von Heinrich Müller,
bargrundstücken. an den Soli
von 2 öffentlichen
Wegen begrenzt, von denen der eine, die Georgstrasse.
Fahrstrasse ist, der andere, die Contrescarpe zu jenen
liehen Promenaden gehört, welche an Stelle der alten
eine
jenen herr-
tungswerke die Altstadt umgürten. Die Grösse der Bau-
stelle würde unter anderen Verhältnissen für ein ähnliehe«
Haus absolut ungenügend erscheinen müssen; nur die vor-
gesehene Art der Benutzung als Wohnsitz eines einzelnen
Ehepaars und als Lokal für die winterliche Geselligkeit des-
selben, sowie die Sicherheit, dass die Bebaunug der Nach-
bargrundstilekc niemals in einer Weise erfolgen kann, die
es nicht erlaubte von ihnen Luft und Licht zu beziehen,
konnten eine Anordnung rechtfertigen, wonach fast der ge-
sainmte Flächeninhalt des Grundstücks in Bebauung genom-
men wurde.
Das Haus, in zwei Geschossen ül>er einem hohen Sou-
terrain erbaut, ist im Grundriss so disponirt, dass an beiden
Frontseiten fast gleichmässig angelegte Eingänge in dasselbe
führen. In stattlich ausgebildeten 3,48"' breiten Fluren er-
steigt man auf einarmigen Treppen die Höhe des Erdge-
schosses und gelangt daselbst in einen Korridor von 2,65"
Breite und 1 0,5"" Länge, an den sich zur Seite halbkreisför-
mig mit 7,25'° äusserem und 4,35™ innerem lichten Durch-
messer das grosse, in ganzer Ausdebnuug durch Oberlicht
beleuchtete Treppenhaus anschües&t, in welchem die Treppe
zum oberen Stockwerke liegt. Korridor und Treppenhaus
sind heizbar angelegt und nehmen hei ihrer streng symme-
trischen Anordnung und architektonischen Durchführung in
dem Organismus des Hauses einen höheren Bang ein , als
den blosser Passagen; sie sind vielmehr in erster Linie als
der Zentralraum gedacht, in dem sich bei Gesellschaften,
denen das gesammte Erdgeseboss als Festlokalität dient, die
Gaste iu nngezwungener Weise ergehen und aus dem sie
nach Belieben in jeden der anderen Bäume gelangen können.
Der grösste unter diesen ist das an der Georgstrasse liegende
Empfang/immer, etwa G.ilH"' im Q messend, mit reicher
tief kassettirter Decke. An ihn schliesst sich ein in Eichen-
holz getäfeltes kleineres Zimmer, das die Silberschränke
enthält, an dieses das kreisförmige Speisezimmer von 7,25 ra
Durchmesser, mit einem Kamin geschmückt, — letztere bei-
den Bäume über den winzigen W irthschafUhof hinweg nach
dem grossen Garten des Nachbargrundstückes sehend. An
der breiteren Front nach der Contrescarpe liegen das Bou-
doir der Dame des Hauses, auf einen breiten Balkon mün-
dend, und das 6,37 und 7,53" grosse Wohnzimmer derselben.
Zwischen diesen und dem Speisezimmer die durch alle Ge-
schosse gehende Wirthschaftstreppe, sowie eine kleine Passage
und Toilette, die durch einen Lichtschacht beleuchtet werden.
Das ober ■ Stockwerk enthält über den zuletzt genannten
Räumen das Schlafzimmer, die Garderoben und das Bade-
zimmer der Herrschaft, l'eber dem Speise- und Silber-
zimmer liegen 2 Räume, die als ein Refagium der Herreu
noch zu den Gesellschaftslokalitäten des unteren Geschosses
hinzuzurechnen sind — ein Bauchzimmer und die Bibliothek.
Der Best des Geschosses, etwas niedriger als die vorher-
gc nannten Bäume, da die lichte Höhe der Stockwerke im
l'ebrigen J,'.^ 1 ", die des darunter liegeuden Empfangszimmers
jedoch 5,71t' n betrögt, wird von Fremdenzimmern eingenom-
men. Eine kleine Trepp« führt zu einem Zwischengeschosse,
das über dem Hauptflur dieser Seite eingeschaltet werden
konnte. Im Souterrain sind die Wirscbaftsr&ume vertheilt,
wie dies im Grundrisse, der in dieser Beziehung wohl keiner
weiteren Erläuterung bedarf, angegeben ist.
Digitized by Google
50 —
Von der architektonischen Gestaltung der Facaden geben
die Skizzen eine Darstellung. Sie ist in den Formen der
Renaissance, wie sie von der Berliner Schule aufgefasst wird,
erfolgt — eine Stilrichtung, welcher der Künstler bei seinen
meisten Privatbauten treu geblieben ist. l'as Material der
Ausführung war Sandstein für das architektonische Detail,
Zementputz auf Backsteinmauerwerk für die Flächen. Die
Wirkung ist mehr in den stattlichen Verhältnissen des Ganzen
— bei den bedeutenden Stockwerkshöhen ergab sich eine
FacadenhChe von 17,65" — als in effektvoller Gruppirung
und reichem Detail gesucht Die architektonische Ausbildung
des Innern, in denselben Stilformen, vermeidet nicht minder
einen auf blendende Pracht berechneten Effekt; sie ist ein-
fach nnd vornehm, wie die Anordnung des Grundrisses es
in ihrer Art ist.
• - F. -
Bie nene Irgaaisation des
Bereite in No. 50 des vorigen Jahrgangs der deutschen
Bauzeitung ist gemeldet worden, dass eine vollständige Reorga-
nisation des bayerischen Bauwesens im Werke sei und welche
Erwartungen Seitens der belbciligten Beamten an dieselbe gc-
kuüpft wurden. Unterm 23. Januar dieses Jahres ist nunmehr
die königliche Verordnung erschienen, durch welche die neuen
Verhältnisse fest geregelt werden. Dieselbe zerfällt in drei Ab-
schnitte, wovon der erste von der obersten Leitung des Staats-
bauwesens, der zweite von der Leitung desselben in den Kreisen,
der dritte vou der in den Bezirken handelt
Die oberste Leitung des Staatsbauwesens ist dem
Ministerium des Innern übertragen, welchem zur Erfüllung der
hierdurch Bestellten Aufgabe die oberste Baubehörde als eine be-
sondere Abtheilung einverleibt ist. Die für das Personal der Staate-
ministerien gültigen allgemeinen Vorschriften finden daher auch
auf dus Personal der obersten Baubehörde gleichmSssige An-
wendung. Die oberste Baubehörde besteht aus: a) einem Ober-
baudircktor als Vorstand mit dem Bange des Direktors einer
Zentralstelle, h) der nöthigon Anzahl von Oberhuuräthen und
Baurathen, erstere (dem Vernehmen nach 4) in dem Bange der
bisherigen Oberbaurithe , letztere (dem Vernehmen nach 3) im
Bange der Krcisbauräthe, c) einem Assessor in dem Bange der
Kreisbauassessoren, d) einem Sekretär und Buchhalter, e) einem
Begistrator, f) einem Kanzlisten. Ausserdem wird der obersten
Baubehörde die erforderliche Anzahl von Praktikanten und
Zeichnern beigegeben.
Die Leitung und Beaufsichtigung des Staatsbau wese na in
den Kreisen wird den kgl. Kegierungeo, Kammern des Innern
übertragen. Zur Erfüllung dieser Aufgabe wird jeder Kreis-
regierung die entsprechende Zahl von Krcisbauräthen und
Assessoren für den Landbau, sowie für das Ingenieurfach bei-
gegeben. Dieselben sind die technischen Organe für beide
Kammern, und der Kreisregierung, Kammer des Innern einver-
leibt Die Leitung und Vertheilung der Geschäfte, sowie die
Ueberwachung der Komptabilitfit steht dem Baurathe, in dessen
Abwesenheit dem Assessor und bei Vorhandensein mehrerer
Assessoren dem Dienstältesten derselben zu. Im Falle der
Verhinderung des einen Kreisbauraths und der betreffenden
Assessoren findet die Vertretung durch den anderen Kreisbau-
rath oder durch die für dessen Fach berufenen Assessoren statt.
Die Krcisbauräthe haben den Bang der Kegierungsräthe, die
Kreisbauassessoren denjenigen der Regieruugsassessoren und
gelten für sie die für die Mitglieder der Begierung bestehenden
allgemeinen Vorschriften und Anordnungen.
Die Leitung und Beaufsichtigung des Staatsbauwesens in
den Bezirksämtern wird Bauämtern übertragen. Die Bau-
ämter sind der Begierung unmittelbar untergeordnet und erstrekt
sieb deren amtlicher Wirkungskreis auf den Umfang der zu
einem Bauamte vereinigten Verwaltungsdistrikte. Die Bauämter
sind den Bezirksämtern koordinirt und die Beamten derselben
haben den gleichen Bang mit den Beamten der kgl. Distrikte-
verwaltungsbehörden. Die allgemeinen Dienstvorschriften für
die letzteren finden ihre gleichmässige Anwendung auf die
Bauämter und deren Beamten. Jedes Bauamt ist mit einem
Bauamtmann als Vorstand und einem oder mehren Bauamts-
Staatsbaawesens in Bayern.
assessoren als Nebenbeamten zu besetzen, welch letzteren im
Bcdürfnissfallc ein vom Bauamt entfernt liegender Wohnsitz
angewiesen werden kann. Der Bauamtmann als Vorstand des
Bauamts übt alle Befugnisse eines solchen aus. Inliesonderc
steht ihm die Vertheilung der Arbeiten unter die Nebeubeamten
und deren Beaufsichtigung zu. Der dienstälteste Nebenbeamte
am Sitze des Bauamts vertritt den Amtsvorstaud im Verhin-
derungsfalle. Sowohl für den Strassen-. Brücken- und Wasser-
bau, als auch für deu Laudbau werden besondere Bauämter ge-
bildet Letzteren können, wo es die Lokalverhältnisse erfordern,
auch einzelne Strassen sammt zugehörigen Brücken übertragen
werden.
Die Anzahl und Formation der Bauämter weist eine der
Verordnung anliegende Tabelle nach. Gemäss derselben werden
48 Bauämter errichtet, nämlich 24 für den Landbau mit 31
Nebcnbeamteu, und 24 für das Iugenicurfach (Strassen-, Krücken-
und Wasserbau) mit 30 Nebeubeamten. Auf die einzelnen
Begierungsbezirke vertheileu sich diese Aemter folgendermaßen :
1) Oberbayern: a) Landbau: 4 Bauämter: Freising mit 1 Nebeu-
beamten, Münrhen mit 2 N.-B, Traunstein mit 2 N.-B. und
Weilhelm mit 2 N.-B. b) Ingenieurfacb: 6 Bauämter München
mit 2 N.-B., Friedberg mit 1 N.-B., Ingolstadt mit 1 N.-B., in
Oberbayern und im Kehlheimer Bezirk. Koseuheim mit 2 N.-B
Traunstein mit 2 N.-B. und Weilheim mit 1 N.-B. 2) Nieder-
bayern: a) I^andbau: 2 Bauämter: Landshut mit 1 N.-B., Pussau
mit 2 N.-B. b) Ingenieurfach: 3 Bauämter: Landshut mit 1 N.-B.,
Deggendorf mit 2 N.-B., Bimbach mit 1 N.-B. 3) Pfalz: a) Land-
bau: 2 Bauämter: Speyer mit 1 N.-B. und Kaiserslautern mit
1 N.-B. b) Ingenieurfach: 2 Bauämter: Speyer mit 2 N.-B. und
Kaiserslautern mit 1 N.-B- 4) Oberpfalz mit Regensburg:
a) Landbau: 2 Bauämter: Regensburg mit 2 N.-B. und Amberg
mit 1 B.-B., b) Ingenieurfach: 3 Bauämter: Begcusburg mit 1
N.-B., Amberg mit 1 N.-B. und Weiden mit 1 N.-B. 5) Ober-
franken: a) Landbau: 3 Bauämter: Bamberg mit 1 N.-B-, Bay-
reuth mit 1 N.-B. und Hof mit 1 N.-B.. b) Ingenieurfach: 2
Bauämter: Bamberg mit 1 N.-B. und Bayreuth mit 2 N.-B.
0 Mittelfranken: a) Landbau: 4 Bauämter: Anabach mit I N.-B .
Eichstädt mit 2 N.-B., Nürnberg mit 1 N.-B. und Windsheim mit
1 N.-B., b) Ingenieurfach: 2 Bauämter: Ansbach mit 1 N.-B.
und Nürnberg mit 1 N.-B. 7) Luterfrauken und Aschaffenburg:
a) Landbau: 3 ßauämter: Aschaffenburg mit 1 N. B-, Kissingen
mit 2 N.-B. und Würzburg mit l N.-B. b) Ingenieurfach: 3 Bau-
ämter: Aschaffenburg mit 1 N.-B., Scbweinfurt mit 1 N.-B.
und Würzburg mit 1 N.-B. 8) Schwaben und Neuburg: a) Land-
bau: 4 Bauäniter: Augsburg mit 1 N.-B., Donauwörth mit 1 N.-B.
Kempten mit 1 N.-B. und Memmingen mit 1 N.-B. b) Ingenieur-
facb: 3 Bauämter: Augsburg mit 1 N.-B., Dillingen mit 3 N.-B.
und Kempten mit 1 Nebenbeamten.
Die Besoldung der verschiedenen Baubeamten-Klassen soll
wie folgt normirt werden: Die Oberbnuräthe.- 1)3700,2) 2900.
3) 3000, 4) 3100 Fl.') (resp. 1543 - 1657 - 1714 u. 1771 Thlr.);
•» Di* Bit 1) tM-idrhii«* Hamm* bt <Ur künftig« G*h»It in don OTMi
5 J»hr».ii t) »on 6. l.i. Inel. 10 Jthn; 11 »Ol» II. eU l»cl. 11. J»hr» ; 4) «*m
IS. bin tnrl. SU. J»hr* Fär Jede, weiter* «/iiiaiiutalua »oll eine Mehr»« tu«
100 Fl. (II Thlr.) •Intrrb-a.
»■ Fest des Arttltekten- Vereins in Berlin.
In einer Periode, wo die hastige Arbeit des Tages unter
den Architekten und Ingenieuren der deutlichen Hauptstadt sich
noch verdoppelt hat — mögen dieselben nun die Anforderungen
der .Gründer" oder die einer drängenden Behörde zu erfüllen
trachten, mögen sie nach dem ersehnten Ziele des Studiums
oder gar nach der Palme des Siegers in der Konkurrenz zum
Heichstagshause ringen — ist ein erquickendes Aufathmen von
des Schaffens Lust uud Last in behaglich festlicher Geselligkeit
doppelt willkommen. Für den grösseren Kreis der Fachgenossen
war im Weihnachtsfeste des „Motiv" bereits eine Gelegenheit
hierzu geboten worden, für die Mitglieder des Architekten-
Vereins und ihre Damen bot sie sich iu dem „Familienfeste",
das am Abende dt* 12. Februar gefeiert wurde.
Nach der bekannten Begel, dass Ernst und Fröhlichkeit zu-
sammen erst die wahre Harmonie des Lebens bilden, ist es eine
alte Tradition, dass solches Fest als eine wichtige Vcreins-
augclegenbeit betrachtet wird, und müssen wir in einem vor-
zugsweise dem inneren Leben unserer Vereine gewidmeten
Blatte daher nothwendig Notiz vou ihm nehmen, wenu es gleich
freilich nicht unter der gewohnten Bubrlk geschieht. Wir thuu
es um so freudiger, als wir damit wiederholt aussprechen kön-
nen, wie glücklich der Uebergaug von dem früheren, in seiner
Art allerdings berühmten Ballgepränge der Architekten- Vereins-
feste zu ihrer jetzigen Form gewesen ist Weniger glänzend
und mehr auf die engeren Kreise des Vereins beschränkt haben
sie nicht nur an Gehalt, sondern auch an Theilnahme unter
i dessen Mitgliedern gewonnen und war namentlich das diesmalige,
von 400 Personen besuchte Fest mit seinem Damenflor ein treff-
licher Beweis für die Vorzüge der vor vier Jahren zum ersten
Male versuchten Neuerung.
Das Programm des Abends zeigte eine dankenswerthe und
mit Dauk aufgenommene Einfachheit Eine theatralische und
eine theatralisch-musikalische Aufführung, zu denen sich Damen
und Herren — und zwar diesmal fast ausschliesslich aus den
Veroinskreisen — vereinigt hatten, ein zwangloses Mahl iu klei-
neren Gruppen und dann bis zum Morgen hindurch die heitere Ge-
S Helligkeit bei der Flasche und für die Jugend und die jugend-
lich Fühlenden die Lnst des fröhlichen, herzbewegenden Tanzes.
Eine höhere Bedeutung, als dies bei manchen ähiiliehen
Fällen geschehen kann, ist wohl dem diesmaligen Festspiele zu-
zumessen , einer anmuthig abgerundeten Episode aus der bau-
lichen Vergangenheit Reriks unter dem Titel; „Heirathen oder
Bauen". Zu Grunde gelegt war di<- , noch vor Jahresfrist in
einem Vortrage innerhalb einer Vereinssitzung geschilderte
Entstehungsgeschichte des jetzt vom Prinzen Albrecht von
Prcussen bewohnten Palais in der Wilhelmstrasse. Bekanntlich
I musste dasselbe ein reicher französischer Emigrant, der Marquis
Digitized by Google
— 51 —
die Kreigbauräthe: 1) 2200, 2) 2400, 3) 2€00, 4) 2700 Fl.
(resp. 1257 — 1372 - i486 u. 1543 Thlr.); die Kreisbau-
beamten: 1) 1800, 2) 2000, 3) 2100, 4) 2200 FL (resp. 1028-
1143 — 1200 u. 1257 Thlr.); die Rogicrungs-AssosBorcn,
auch die technischen: 1) 1700, 2) 1800, 3) 1900, 4) 2000 Fl.
(resp. 971 — 1028 — 1085 u. 1143 Thlr.); die Baubcamten
(Bauaintmftnner) gleichen Gehalt mit den Stadt- und Landrich-
tern, nämlich : 1) 1600, 2) 1800, 3) 2000, 4) UM Fl. (resp. 914
— 971 — 1143 u. 1200 Thlr.); dhj B auamts-ABBosso ren (die
bisherigen Assistenten) gleichen Gehalt mit den Bezirksamts-
und Landgerichts-Assessoren, nämlich: 1) 1000, 2) 1200, 3) 1300,
4) 1400, 5) 1500 Fl. (resp. 571 - 685 - 742 - 800 u. 857 Thlr.)
Dass bei einer so durchgreifenden Reorganisation die Pcr-
sonalvcihältnissc aller Baubcamten mehr oder weniger berührt
werden und eine Versetzung derselben von ihren bisherigen
Wohnsitzen in grossem Umfauge stattfinden muss, ist selbstver-
ständlich. Die Zahl der Beamten, die bei dieser Gelegenheit in
den Ruhestand treten, wird vorläufig zu 40, die Zablder
herigen Assistouten, die nunmehr eine Anstellung als
Assessoren erhalten, auf 61 angegeben.
Zrtaent - Dachplatte* tob Peter Jantiru In Elbiug.
In Nr. 12, Jahr. 1870 der deutschen Bauzeitung fand unter
dieser UeberBchrift eiue Mittheilung von mir Aufnahme. Jetzt,
nachdem das Dach meines Hauses und Thurmes mit diesen Ze-
uientplatten gedeckt t zwei harte Winter ganz vortrefflich Ober-
stauden und auch nicht die geringste Spur einer Schwäche zu
erkennen gewesen, möchte ich doch diu Ansicht aussprechen,
dass die Konstruktion eine vorzügliche und die Anwendung des
Portlaud -Zements zu diesem Zwecke eine unübertreffliche ist.
Wenigstens giebt es bei uns kein anderes Material, das
in gleicher Weise verwendbar wäre und gleichen Erfolg ver-
bürgen konnte.
Die Alten arbeiteten ihre Dachsteine von Marmor oder har-
tem Gestein. — Wer wollto es wagen, diese Formstcinc aus
Thon zu brennen? Es giobt zwar nach meiner Kenntuiss ein
Thonlogcr, vou dem der rühmlichst bekannte
Wesselly (Königsberg) die Behauptung aufstellte, er wolle
diesem Thon eine Platte vou 144 r J einen Zoll stark fertigen
und sie solle beim Brennen sich nicht verziehen. Aus solchem
Material wäre es vielleicht möglich, die in Rede stehende Form
der Platten zu streichen, halbtrocken mit starkem Druck zu
pressen und dann zu brennen. Schwerlich giebt es aber viele
dergleichen Thoulager und kaum dürfte eine Stärke von nur
II «um in Thon für die Dauer genügen, jedenfalls wird für ein
solches Dach Garantie nicht geleistet werden können. Ebenso
werden sich die vorzüglich scharfen und geraden Kanten, welche
eine llaupttugeud dieser Dachsteino Bind, in Thon kaum er-
zielen lassen. Ohne diese Eigenschaften fallen aber alle Vor-
züge dieser Dachdeckung.
Dem verdienstvollen Fabrikanten A. Krohcr zu Staudach
am Chiemsee verdanke ich viele wichtige Fingerzeige und hat
derselbe eine 24 jährige Erfahrung für die Dauerhaftigkeit der
von ihm fabrizirten Zcmentdachplattcn für sich. Diese Wahr-
heit erwogen, tnusste ich wahrlich einen nicht geringen Schrecken
bekommen, als ich den Aufsatz in Nu. 37 (S. 295) Jahrg. 1871
der deutseben Bauzeitung las.
Alle Achtung vor der Erfahrung des Herrn Kroher, aber
jeuer Aufsatz: „zur Dachdeckung mit Staudacher Ze-
meutplatten" kann die Techniker für Zementplatten nicht
einnehmen. Ich erlaube mir einige Punkte zu beleuchten.
Der Verfasser tadelt vorzugsweise die trapezförmigen Tafeln,
wie sie der Fabrikant Jantzeu in Eltone fertigt Herr Kroher
hat in den sehr ausführlichen Briefen, die er so freundlich war
mir zu schreiben (vom 26. Dez. 1868, 69 u. 70) merkwürdiger
Weise mit keiner Sylbe seiner seit dem Jahre 1856 nnternom-
brachen- Geht ab«.
Elbiugcr trapezförmigen Platten ähnlich
sieht. Selbst wenn jedoch nur eine kleine
Abweichung vorliegen sollte, so kann die-
selbe doch von wichtigen Folgen und
Nachtheilen begleitet sein. So z. B. waren
die ersten Zeichnungen von Hrn. Kind
für die Deckleisten oben ohne Falz, wie
bei A der Skizze. Dadurch mag es gesche-
hen sein, dass die Deckleisten nicht fest
hängen blieben, sondern hinab zu gleiten
strebten und die Falze a A und « <' ab-
dor Falz wie bei B herum, so hingt der
Deckleisten auf den beiden anstossenden Platteu und kann nicht
rutschen und folglich auch nicht brechen.
Hr. Kroher sagt ferner, nachdem er die Schablonen-
Schiefer form als die beste erkannt: „während letztere Platten
selten zerspringen, trifft sich dieses bei den trapezförmigen,
wenn sie mehre Jahre auf einem grösseren Dache liegen, häu-
figer, denn mit der Zeit bringen oft wiederkehrende Belastungen,
sowie das Austrocknen des Holzes Veränderungen an den Holz-
lagen des Daches hervor, worauf die aufs genaueste in einander
greifenden Platten oder die überspringenden Theile derselben
hart gegen einander gestemmt und abgedrückt werden, wie es
übrigens mit allen Falzziegeln geht, wenn sie einmal längere
Zeit Dienste thuu, und worüber zum Oefteren von anderer Scito
berichtet wurde.*
Mir ist dieser Tadel durchaus nicht einleuchtend. Wie es
möglich" sein soll, dass durch wiederkehrende verschiedene Be-
lastungen des Daches (vielleicht durch Schnee?) und nun gar
durch dag' Augtrocknen des Holzes solche Veränderungen an
den Holzlagen des Daches — (wie ist diese Veränderung zu
denken?) — vorkommen können, dass diese so geformten Zement-
platten in ihren Falzen brechen können, ist mir ganz undenkbar,
denn:
1. kenne ich keine solche Belastung eines Daches, dass da-
Be Weitungen entstehen, welche die Dachsteine be-
ineuen aber fehlgeschlagenen Versuche mit trapezförmigen Platten
gedacht. Von anderer Seite ist durch den Baumeister Lang-
bein angeführt, dass diese Form vor 15 Jahren schon ange-
rendet, daher keine neue Erliudung sei, die Dächer sich aber
w br bewährt haben (Bauzeitung 1870, Nr. 13, Seite 107).
Ob Hr. Kroher seinen {Zementplatten ganz dieselbe Form
gegeben, wie ich sie in Nr. 12 d. Bl. für 1870 nachgewiesen,
möchte ich daher doch zu bezweifeln mir erlauben. Unter den
vielen Formen, die Hr. Kroher mir in Zeichnung oder in Ze-
uieutausfuhrung mitgethcilt hat, befindet sich keine, die den
2. kann unmöglich das Austrocknen des Holzes Verände-
rungen an den Holzlagen erzeugen, welche die Platten
etc. zerbrochen.
Ich habe diese Steine so genau als möglich an einander ge-
fugt aber trocken eingedeckt, so dass Bewegungen, — wenn
sie aus dem Temperaturwechsel entspringen, gehr bequem er-
folgen können. Die Festigkeit der Elbinger Zenientplatten ist
so gross, dass keine Beschädigungen der von Hrn. Kroher er-
wähnten Art hier vorkommen.
Wenn Hr. Kroher bedauert, dass seine Warnungen an die
Elbinger Fabrik nicht beachtet worden seien und dass mau
auch dort die von ihm erprobten Erfahrungen mit Entschieden-
heit durchmachen wolle, so erscheint diese Rüge oder Warnung
gegen die Elbinger Plattenform um so härter, als er anführt,
dass der Fehler sich erst nach einigen Jahren herausgestellt
habe. Es ist der mir von Hrn. Kroher warm empfohlene Satz,
doch nur keinen schnollbindendcn Zement zu verwenden, im
de Vernezobrc, im Jahre 1736 erbauen, um den König Friedrich
Wilhelm L, der ebenso gern Bauherren für seine Friedrichstadt
preiste, wie Ehen seiner Unterthanen stiftete, davon abzubringen,
seine Tochter gewaltsam mit einem Kapitain der Königlichen
Garden zu verheirathen.
Der Stoff ist. bereits von Charlotte Birchpfciffer, übrigens in
einem der schwächsten ihrer schwachen Stücke, verwerthei Für
diesen Zweck und Tür ein architektonisches Publikum hatte der
Dichter, Hr. Stier, es wohl verstanden, ihm eine vorzugsweise
architektonische Seite abzugewinnen. Wenn auch wiacr die
historische Treue machte er zum glücklichen Nebenbuhler des
vom Könige erwählten Bräutigam seine bekannte Persönlichkeit
des Faches, den Freund und späteren Architekten Friedrich IL,
Kapitain von Knobelsdorf, der das Fräulein gewinnt und den
König durch die Vorlage des von ihm gefertigten Entwurfes zu
jenem Pulais besänftigt. Durch die drastische Vorführung des
Lebens und Treibens in dem damaligen Uauptbaurevicr, der
Kochstrasse, schuf er daneben eine Grundlage, auf welcher der
Charakter jener guten alten Zeit, wie die seltsame Wendung der
Ereignisse verständlich sich aufbauen konnten. So führt er
neben dem Könige, dem Marquis, seiner Tochter und deren Die-
nerschaft, sowie den beiden Konkurrenten Forcade und Knobeig-
dorff, welche die Träger der Handlung sind, noch eine Anzahl
lebensvoller Persönlichkeiten — die Mitglieder der gefürchteten
Baukommission, Major vou Dcrschan und Bürgermeister Kochiua
— den Bauherrn und Schuster Kulicke und seinen Sohn — end-
lich den Schwärm durstiger Handwerker, Kelle den Maurer,
Spundholm den Zimmermann, Biberschwanz den Dachdecker,
Hammerechlag den Schmied, sowie Knobbe den weiasbiergpen-
denden Budiker vor.
Auf den Gang des Stückes im Einzelnen können wir leider
nicht eingehen. Mit Anmuth und Liebe vorgetragen wurde es
mit wohlverdientem rauschenden Beifalle aufgenommen. Der-
selbe Beifall wiederholte resp. steigerte sich noch bei der näch-
sten Produktion, dem schon auf dem Motiv- Weihnachtsfest vor-
geführten Ulkmann -Konzerte. Der Effekt desselben war hier
wohl noch grösser, da es wirkliche Damen waren, die diesmal
als Virtuosinnen in Gesang, Spiel und i
Komik wirkten.
Dem folgenden Theile des Festes einen 1
zum Mindesten ihn niederzuschreiben, ist wohl nicht erforderlich.
Ungemessenn Fröhlichkeit war hier die Losung, und wenn es
schon überhaupt nicht schwer ist fröhlich zu sein, wenn man
den guten Willen dazu besitzt, so besitzen unsere Fachge
den berechtigten Ruf der Kunst nicht nur zu bauen, s<
auch sich zu erbauen.
Winter!
- F. -
Digitized by CjOOQle
Grossen befolgt und wenn ich auf meinem Hause einige Platten
von englischem Portland -Zement gefertigt verwendet habe, so
ist das eben als Probe, die man doch wiederholen darf, ge-
Ich kann mir meinerseits für dio Zementdächer keine zweck-
entsprechendere Form, als die trapezförmigen Steine sie haben,
denken, und alle Gründe welche zur Entschuldigung der vorge
falleneu Beschädigungen vorgebracht werden, schiebe ich auf
Material und Arbeit. Bis jetzt bewähren sich die Fabri-
kate des Herrn Jantzen vorzüglich und werden auch —
nach meiner Ansicht — diese Vortrufnichkcit ferner bewahren.
Die Haupt-Vorzüge dieser Zement-Dächer sind folgende:
1. Grosse Dichtheit bei freiem Luftwechsel. Ein Ver-
strich der Fugen ist nicht allein unnothig sondern ge-
radezu schädlich. Demnach sind dieselben besonders für
landwirtschaftliche Gebäude empfehlenswert!].
2. Grosse Feuersicherheit.
3. Geringe Belastung des Dachstuhls, welcher daher keines
starken Verbandes bedarf. Das Gewicht ist fast nur dio
Hälfte eines Biberschwanz-Kronendaches,
4. Wettcrbeständigkuit.
& Anwendbarkeit für Dachneiguugcn in nicht gcriugen
Grenzen. Mein Thurmdach hat »/» der Tiefe zur Höhe
und bewährt sich.
6. Leichte und schnelle Eindeckung.
7. Grosse Wohlfeilheit. Dio Kosten stellen sich nicht höher
als die eines Pappdaches.
8. Sehr gutes Aussehen.
9. Leichte Darstellung von Oberlichten. (Wie in meiner
oben erwuhuteu ersten Mhtheilung beschrieben.)
Wenn ich auch auf jene erste Mittheilum; in Nr. 12, Jahrg.
187U Bezug nehme, so führe ich doch noch Folgendes au.
Dimensionen: Die Platten sind .Vi"" lang, unten 2!)" 1 ',
oben 34 ,n > breit und ll">«> stark. Das vorhandene Leistehen
oder der Falz ist durchweg 13"»"» breit und 13"" 0 hoch. Die
Lattung ist IS»" weit.
Kosten: Das [ J w Platten und Deckleisten kostet 2*2 Vi Iiis
24 Sgr. — Das Meter First- und Gratsteiu 13 Sgr. — Das
Meter Kehlrinne 13 Sgr. — jeder Giebelschlussteiu 4 Sgr. Der
Preis pro Mille betrügt 125 Thlr. — Die Firideckungsarbciteu
werden pro O" Dachfläche mit 2 Sgr., pro Meter Firststeiu mit
3 Sgr., pro Meter Grat- und Kehlrinne mit 5 Sgr. berechnet
Gewicht: Ks wiegen 1[_ ■» Platten und Deckleisten 72 Pfd.
- 1 lfd. Meter First-, Grat oder Kehlsteine 40 Pfd. - 1 Giebel-
schlussteiu 8 Pfd.
Es sind gegenwärtig schon mehr als 7000Qj m Zement-Dach-
platten aus geflachter Fabrik verwendet
Zoelp, Oktober 1871. Stcenkc.
Mittheilungen aus Vereinen.
ersammlung am
Schrift füll rcr
Verein für Eieenbahnkunde zu Berlin. V
9. Januar 1872. Vorsitzender Herr Weisshaupt,
Herr Vogel.
Der Vorsitzende gedachte mit warmen Worten des
durch den Tod aus dem Vereine geschiedenen, demselben seit
dem Jahre 1855 angehörenden Mitgliedes, Stadtältesteu und Di-
rektors des städtischen Ertenchtuugswesens, Hrru Bärwald,
und ehrte die Versammlung das Audeukeu des Verstorbeneu, in-
dem sie sich von den Sitzen erhob.
Hr. Börner sprach über die Ueberführung der Strasse
No. 1 1 des Berliner Bebauungsplanes über die Geleise des Nie-
derschlesiseh - Märkischen und des Ost -Bahnhofes. Dieselbe
soll ca. llKi 1 " lang werden und durch zwei massive Mittelpfeiler,
sowie U Säulenunterstützungen in 14 Oeffnuugeu zerlegt werden,
die sänimtlich eisernen Uebcrbuu erhalten.
Hr. Jacobi berichtete über die Thätigkeit der 2. Feld-Eisen-
bahn-Abtheilung während des Krieges 1870,71. Die eigentliche
Wirksamkeit derselben begann mit dem Tage des Gefecht« M
Weissonburg am 4. August 1870 und endete Anfangs Marz 1S71.
Während dieser Zeit wurden von der Abtheilung folgende Eisen-
bahnlinien betriebsfähig hergestellt:
11 die Linie Weissenburg-Hugeuau-Wendeuheiui-Naucv-Frouard-
Chulous-Meaux-Chclles = 70 Meilen.
Gorbeil -Moutarges = 12Vi do.
Jagny-Brienon = do.
Orleans-Bcaugeney = 3' t dn.
Chartres-Le Mans-Lager von Oonlio = 19'/« do.
zusammen = 106 Meilen.
Rekoguoszirt wurden die Strecken St. Dizier-Vassy und Bn -
tigny-Veudoinc. Ferner führte dieselbe die Vorarbeiten für eine
l'ingehungsbahn von Toul, ca. 1». Meilen lang, in der Zeit vom
22. bis 25. August aus. I'elicr dir Marschleistung ist beispiels-
weise zu erwähnen, duss ein Theil der Abtheilung vom 25. De-
zember 1870 bis 20. Januar 1871, in einem Zeitraum von 27 Ta-
gen (worunter 15 Arbeitstage) ca. 42 Meilen Landwege und
31
8
do.
do.
do.
do.
Architekten- nnd Ingenieur -Verein zu Hannover. Ver-
sammlung um 7. Februar 1S72; Vorsitzender Baurath Hase. Es
erfolgt die Aufnahme vou 7 Mitgliedern.
Prof. Launhard, als Sekreiair des Vereins, trägt den Jah-
resbericht pro 1871 vor, nach dem der Verein mit tilO Mitglie-
dern in das Juhr eingetreten ist. Der Verein verlor durch den
Tod 12 Mitglieder, durch Austritt 15. Es traten neu ein 4<>
Mitglieder, so dass deren Zahl um Schluss des Jahres 1871 029
betrug. Von ihnen wohnen 278 in der Provinz Hannover, 44 in
Berlin.
Die Zeitschrift des Vereins ist regelmässig und in 4 Heften
erschienen. Im neuen Jahr soll die, bislang jährlich in einem
Hefte der Zeitschrift beigegebene Beilage „nie Kunst in den I
Gcwerkeu* vierteljährlich den Mitgliedern zugestellt werden und
soll unter Kedaktiou des Baurath Oppler für regelmässiges
Erscheinen, ruicheu Inhalt und gediegene Ausstattung gesorgt
werden. Ebenso soll die Veröffentlichung der Kuustdeukuiale
Niedersachsens mit regerem Eifer fortgesetzt werden.
Die Bibliothek des Vereins zählt 3870 Bünde, 51 Zeitschrif-
ten kommen auf den Lesetisch. Für die gütig gewährte Bei-
hülfc von bOO resp. 200 Tbulern Seitens des Hrn. Handels- |
miuistcrs wie des Landesdirektoriums wird der Dank des Ver-
eins ausgesprochen. Es folgt dann an Stelle eines Vortrages
die objektive Darstellung der Spektralerscheinungen durch Hrn.
Mechaniker Landsberg, mit einleitenden Bemerkungen vom
Prof. Dr. von Quintua Icilius.
Nach Schiusa der Versammlung fand zur Feier des 21 jäh-
rigen Stiftungsfestes des Vereins unter ungemein zahlreicher
Betheiligung ein Abeudessen statt, das vou musikalischen und
mimischen Darstellungen unterbrochen, die Theiluehmer bis zur
«päten Morgenstunde fröhlich vereinigte.
33 Meilen Eisenbahn zurückgelegt hat. Im Allgemeinen waren
die Linien mehr oder weniger durch Aufnehmen von Schienen,
Beseitigen des Oberbaues kleiner Brücken, durch Zerstörüng
der Wasserstationen, der Telegraphenleitungen etc. beschädigt.
Grössere zerstörte Bauwerke, deren Wiederherstellung durch
die Abtheilung bewirkt ist, sind:
1) die auf 4l t "> Länge zerstörte Brücke bei Vitry le Fran-
cais, welche mittels Boekkoustruktion wahrend 10 Tagen für
beide. Geleiso fahrbar hergerichtet worden ist,
2) die auf 102"* Länge bei mehr als lt>»' Hohe fast total
gesprengte Maruebrücke bei Trilport unweit Mcaux, deren 3 grosse
Oeftuungeu, jede mit einer freitrageudeu (Gitter-) Konstruktion
von 25,'.MJ*n Länge und 4™ Höhe, nebst einer kleineu Oeffuuug \ou
7,85" Lange, bei vollständiger liochmauerung zweier Pfeiler und
theilweiser Aufmauerung ih r anderen Pfeiler in ca. 6" t Wochen
überdeckt wurden.
3) die unweit von der Kisenbahubrücke bei Trilport gele-
gene auf etwa Hl»' Länge gesprengte t'hausseebrüeke über die
Marue, deren Neubau 4 Tage gedauert hat.
4) die in 2 Oeffuungeu von je 1 1,30'° Länge zerstörte Brücke
über den Arrueuion bei Brienon, deren für 2 Geleise betriebt-
fähige Herstellung in 7 Wiutertageu bewirkt wurde, und
7>) die Febcrspatmung einer bei t'ourville in der Linie Char-
tres-Lo Maus gelegenen schiefe Brücke von 11,30« normaler
Oeffuuug, welche iu 7 Wiutertageu ausgeführt worden ist.
Alsdann sind an grösseren Bauten zur Ausführung ge-
kommen : - •
t>) die eine Meile lange Umgehungsbahn bei Nuntcuil, deren
Ausführung einen Monat gewährt hat; ferner
7) der grösste Theil der für die Armee- Bedürfnisse ange-
legten Erweiterungsbauten auf den Bahnhöfen Nuntcuil ■ l.aguy
(miui Bahnhofe Lagny aus wurden eine Zeit lang 9 Armee-Korps
versorgt), Cuelles und Esbly. Ausserdem wurde noch eine Aus-
ladestelle für Munition und Geschütz bei Vaires, zwischen Lagny
und ('helles, ueu hergerichtet.
Nach Berichterstattung über die allgemeine Thätigkeit der
Feld-Eiseubahn-Abtheilung ging der Vortragende zu den Details
der MDielmM Bauten über. Er erläuterte dieselben durch Skiz-
zen und Photographien, sprach über die Art der Zerstörung,
der Beschaffung der Materialien, über die Konstruktion und Mon
tiruug namentlich der Brücken von Vitry le Francais und Tril-
port, und gab eine spezielle Uobersicht über die neu bergerich-
teteu Buhnhufs-Aulugcu von Lagny und Vaires.
Zum Schluss wurden durch übliche Abstimmung die Herten
Obertriebs-lnspektor bei der Niedcrschlesiseh- Märkischen Bahn
Sehmeitzer und Abtheiluugsbaumeistcr bei der Berliu-Anhal-
tisebeu Eiseubahn Roth als einheimische ordentliche Mitglieder
in den Verein
Dio Gründung eines Vereins deutscher Architekten und
Ingenieure 2U Strasaburg hat am 27. Januar d. J. unter er-
freulicher Beteiligung der dortigen Faehgenosseu stattgefunden.
Einer derselben schreibt uu* darüber Folgeudes:
„Bereits seit Oktober vorigen Jahres regt" sich unter den
hier anwesenden Kollegen der Wunsch und das Verlangen enge-
rer Vereinigung. Häutige Zusammenkünfte in froher, gemüth-
licher Architektenweise führten dir. Aufstellung vorläufiger Sta-
tuten herbei, nach denen die Faehvenossen sieh einmal wöchent-
lich zu gegenseitiger Anregung und Erholung versammelten. Am
oben genannten Tage, bis zu welchem jedem Fachgeuossen der
Beitritt ohne Weiteres offen gehalten war, konnten wir endlich
mit unserem Stiftungsfeste in die Oeffentliehkeit treten. Das
Vereinslokal hatte unter künstlerischer Hand sieh festlich ge-
schmückt. Zahlreiche tiäste waren auf die gesandte Aufforde-
rung hin aus Baden und den sämmtliehen grösseren Orten des
Elsasslandes er^chieneii, um das auf neuem deutschen Boden
geborene Kind der deutschen Kuust und Wissenschaft zu sehen
Digitized by Google
^OHN HAUS DES j^ERRN p. JA ELCHERS IN ßREMEN.
Erfunden von Ucinr. Müller.
F»f»de an dar Con tre«carpo.
r« ..i.i » an dar Oaarf-Straate.
prmj" i 1 t , 1 ; 1 1 , p
1
K ..-II«-
ISrtttt Stockwerk.
f"l ' ' r-r
A Kuihc.
H K..el..«-K.ll,r
f Weil.krll.-r.
I> »'»»rhklirlir.
f. I'liiutube.
FF Dienerinnen, r.
f rhir.iwlk.Her.
// VornttorMai.
/ Knhlcnrmm.
* llaiukae'-lit.
l r
■t r~r-i i i
5 10
A A Tr«|ip«i «. KrdKwfcna». C K|n.Ui.<imnwr.
B IUu|illr')i|w (call
Oberlirlil).
€' X*bentrej.|>e.
D Wobinimtner.
F. Rnijifantr)xiram«r.
F BlblioUiek resp.
Nllt-MJJmm«.
II K.bi.,,1.
; i »
A Flur.
L l'»u«c.
«f Hot.
-1
SO Met«.
A Reuehltmiu-r. 6' Ii Fremden .- inn< r
JI BiblMhek. ff Haupttreppe.
(' Nrlil.f«iiiii.r r . / Nobeuuerpe.
/> Gvilrrob« der Dune. 1 Flur,
K Garderobe de* Herrn. L Llcliueuactii.
FT
Digitized by Google
— 54 —
und freudig zu begrüssen. In demselben Lokale, wo dereinst
Jacobinerrrden gehalten worden waren, ertönte heute deutsche
Bede und deutsches Lied. Das Fest war als sehr gelungen zu
bezeichnen und bis zu früher Stunde waren alle Anwesende in
ungebundener Fröhlichkeit vereint. Viele traten dem Vereine I
bei, und bei der augenblicklichen Anzahl von etwa '<0 theilweise
auswärtigen Mitgliedern ist demselben ein kräftiges Empor-
blühen gesichert Leider ist nicht zu verhehlen, dass die vor-
mals französischen Architekten sich bis jetzt noch sehr zurück-
haltend gegen den jungen Verein verhielten und die gebotene I
Bruderhand vorerst noch zurückwiesen."
Die Thcilnalimn der Architekten und Ingenieure in den
alten deutschen Landeu und ihren herzlichen Glückwunsch zu
dem erhofften Aufblühen dieses jüngsten unserer Fachvereine
dürfen wir hiermit wohl ohne Weiteres versichern. Ist es uns
jedoch gestattet, mit Bezug auf den Schlussatz obigen Schrei-
tions einen aufrichtig gemeinten Kath zu Süssem, so mftchtcu
wir ihn dahin aussprechen, dass ein Erstarken des Vereins zu
Muhender Lebenskraft von seiuen (iründern mehr in der engen
Vereinigung der aus dem alten Deutschland nach dem Elsass
übergesiedelten Elemente und in der energischen Arbeit der-
selben gesucht werden möge, als in dem Bestreben möglichst
schnell einen Anschluss zahlreicher ehemals französischer Tech-
niker herbeizuführen. Gauz abgesehen davon, dass die Empfin-
dung derselben, welche sie zunächst von einem solchen An-
schlüsse zurückhält, zum grosseren Theile wohl ehrender Scho-
nung Werth ist, wird es sicherlich mehr dazu beitragen, ihnen
vor deutscher Kunst und Technik und deren Vertretern die
wünschenswerthe Hochachtung einzuflossen .' wenn sie das auf
eigene Kraft und eigenen Trieb gestützte Walten derselben be-
obachten können, als wenn sie sieb von dieser Seite allzu er- I
sichtlich gesucht fühleu. Dass ciue baldige uud innige Ver-
söhnung der Gemüther, das nächste zu erstrebende Ziel, auf kei-
nem Felde bessere Aussichten hat, als auf dem der an und für I
Vermischtes.
Der Pruzess wegen des Hauseinsturzes in der Oranien-
etrasse zu Berlin, über welchen wir in No. .">!' S. 304 Jhrg. 71
berichtet haben, ist in der letzten Woche vor der G. Kriminal-
Deputation des Stadtgerichts zur Verhandlung und Entscheidung
gelangt. Der Sachverhalt ist durch die Aussagen der Zeugen
und Sachverständigen im Wesentlichen so festgestellt worden,
wie wir ihu in jener Notiz angegeben haben, und ist als Ursache
des Einsturzes daher unzweifelhaft anzusehen, dass die Bögen,
welche die Last der Mauern und Balkenlagen der oberen Stock-
werke an Stelle der ausgebroebenen Mauern zu trageu hatten,
gegen einen Schornsteinkasten gespannt worden sind, welcher
einem solchen Drucke nicht zu widerstehen vermochte, sondern
in sich zusammenbrach. Auf die Details der Verhandlungen
einzugehen, dürfte nicht von allgemeinerem Interesse sein; er-
wähnen müssen wir jedoch als eines nur von juristischer resp.
advokatischer Seite ernsthaft zu würdigenden Kuriosums, des
Haupteinwaudes, den der Vcrtbeidigcr , Rechtsauwalt H. (uach
dein Referate der Voss. Ztg.) für »eine Klienten geltend machte.
Er ging nämlich davon aus, dass die neue Gewerbeordnung nur
.Bauunternehmer* und nicht mehr Baueewerksmeister kenne.
Ein Zuwiderhandeln gegen allgemein anerkannte Regeln der Bau-
kunst Seiteus eines „Bauunternehmers" sei jedoch undenkbar,
weil es kein solches Gewerbe gebe; ein Gewerbe müsse erlernt
werden und da man wohl Maurer oder Zimmermann, nicht aber
Bauunternehmer lernen könne, so sei es ganz ungerechtfertigt,
wenn der Staatsanwalt von der besonderen Aufmerksamkeit
spreche, dio der Bauunternehmer bei Ausübung seines Gewerbes
aufzuwenden habe. Der Gerichtshof hat diese Beweisführung
zu würdigen uicht vermocht, sondern die beiden Uauntangeklag-
ten, den Maurermeister A. und den Zimmermeister M. Werner,
•ter fahrlässigen Tödtuug und der fahrlässigen Körperverletzung
mehrer Menschen für schuldig erklärt; der erste ist als der
eigentliche Unternehmer des Baus mit 2 Jahren, der zweite mit
l'i Jahren Gefängnis» bestraft worden. Der mitangeklagte
Polizeiwachtmeister, dem zur Last gelegt war, den ohne Bau-
crlaubniss begonnenen Bau nicht rechtzeitig inhibirt zu haben,
wurde wegen Mangel an Beweisen für eine derartige Verletzung
der Amtspflicht freigesprochen.
Dlo Todesfälle der Geh. Ober-Reg.-Rätho Woddin» und
Fehlomann, welche in voriger Woche zu Berlin erfolgten, haben
der höheren preussischen Beamtenwelt 2 Männer genommen,
die in den Kreisen der Fachgennssen, welche längere Jahren in
Berlin gelebt haben, wohl allgemein bekannt waren. Weddiug
wirkte als Chef der technischen Deputation für Gewerbe und
der Königl. Staatsdruckercl, sowie als Mitglied der technischen
Baudeputation; Pehlemann als Verwaltungschef der Ministerial-
Baukommiseion, welebe bekanntlich die ausführende Instanz für
die fiskalischen Bauten Berlins bildet.
In Betreff des Aufziehens von Pausen, des in No. 2
d. Bl. besprochen ist, wird die Angabe folgender Metbode noch
am Platze sein: Man rollt die Pause auf uinen recht genau ge-
arbeiteten llolzzylindcr von ca. 5 Durchmesser oder mehr,
stellt die aufgespannte Unterluge oder hängt das betreffende
Papier senkrecht auf, bestreicht zunächst einen Streifen von
der Rolle und wickelt diese nach und nach ab, indem man vor-
her jedesmal eine entsprechende Breite auf der Rolle oder der '
sich kosmopolitischen Technik, glauben wir annehmen zn kön-
nen. Wir noffen aber auch, dass die Zeit nicht allzufern ist,
wo aus dieser Versöhnung auf neutralem Gebiete ein Einklang
der Gemüther in deutscher Gesinnung erblühen wird!
Möge ein deutscher Architekten- und Ingenieur- Verein in Stras-
burg dus Seiuige dazu beitragen!
Architekten Verein zu Berlin. Ausserordentliche Haupt-
Versammlung am 10. Februar 1872; Vorsitzender Hr. Strockert,
anwesend 183 Mitglieder und 5 Gäste.
Der Herr Vorsitzende verkündet, das 5 sämmtliche in der
letzten Hauptversammlung gewählte Vorstandsmitglieder die
Wahl angenommen haben. Eine Zählung der zuletzt abgegebe-
nen Stimmzettel ergiebt demnächst, dass zum 11. Vorstands-
mitglied Hr. Möller gewählt ist; als 12. Vorstandsmitglied
geht aus einer zweimaligen Abstimmung über den Hrn. Stier
und Orth der letztere hervor. Ober - Bibliothekare bleiben wie
bisher Hr. Stier nnd Hr. Frauzius. Die Kommission für die
Vorbereitung des diesjährigen Schiukelfestcs bilden endlich die
Ilm. Luthmer, Stier, Knoblauch, Orth, Cornelius,
Eggert uud Frauzius.
Während und nach diesen Wahlen spricht Hr. Adler über
seine vorjährige Reise nach Jerusalem und den Aufenthalt da-
selbst. Wir dürfen hoffen, dass die Skizzen aus dem Orient,
welche unsere Zeitung dieser Reise verdankt, in ihrer Fort-
setzung auch die heilige Stadt in den Kreis ihrer Schilderung
ziehen werden, uud verzichten daher auf eine Wiedergabe des
fesselnden Vortrages, der durch die Ausstellung zahlreicher
Photographien, eines grossen Stadtplanes uud mehrer eigener
Skizzen unterstützt wurde uud * vorläufig auf eine Darstel-
lung des Weges von Jaffa nach Jerusalem, der Geschichte, der
Lage und Gesammt- Erscheinung der Stadt erstreckte. In den
folgenden Sitzungen soll derselbe beendet werden.
Unterlage mit dem Klcbcmaterial versieht. Es ist dies Ver-
fahren jedenfalls ein höchst zweckmässiges, dos ohne Weiteres
einleuchtet, indes» wie jede derartige Arbeit ein wenig l'ebung
voraussetzt. Bei genauer Arbeit und gutem Material wird keine
Nachhülfe mit Bürste etc. nöthig sein. Die Methode stammt
meines Wissens aus den Büreaus der engl. Schiffsingenicure,
wo meistens sehr lange Pausen zum Aufkleben kommen.
Aus der Fachliteratur.
Allgemeine Bauzeitung redig. von A. Köstlin. Verlag
TOB K. vou Woldhuim in Wen. Jahrgang 1870. Heft 7 — 12.
{Schluss.)
A. Aus dem Gebiete des Hochhaus.
5) Wohnhäuser der Herren F. Pranter und G. von
Angeli in Wien, von Architekt Friedrich Schachner.
Es werden von beiden Häusern je eine Facade uud die Grund-
risse (letztere ohne Bezeichnung der einzelnen Räume) gegeben.
Ein erläuternder Text fehlt ganz , doch ist es allerdings nicht
schwer auch ohne diesen in den Zeichnungen sich zu onentiren.
Beide Gebäude sind Zinshäuser der üblichen Art, das erste in
einer Strasse der Wiedeu belegen, nur Sgeschossig, das zweite
dem Bereiche der Stadterweitcruug (Giselagasse) angehörig, ans
einem hohen Souterrain und 5 oberen Geschossen bestehend.
Gemeinsam ist beiden die Art der Gruppirung auf einer Bau-
stelle von verhältnissraässig bedeutender Sirassenfront und gerin-
ger Tiefe — ein Vorderhaus und 2 symmetrisch angeordnete Flügel,
/.wischen denen ein regelmässig "gestalteter Hof verblieben ist,
doch liegt das Augeli'sche Haus an einer 8traasenkreuzung und
konnte daher auch von der einen Seite her Licht erhalten.
Die Grundrissgestaltung einer Miethkascrne ist so sehr von
der lokalen Sitte abhängig, dass der Erfindung des Architekten
ein verhältnismässig geringer Spielraum verbleibt Wir finden
in den vorliegenden Fällen, wo es sich um Wohnungen mittlerer
Grösse haudelt, die traditionelle Misere des Wiener Zinshauses
wieder — ausserordentlich kleine Nebenräume, dio fast aus-
schliesslich an schlecht erleuchteten und ventilirten Lichtschach-
ten liegen, und die Beschränkung auf einen einzigen Treppen-
aufgang — wollen indessen immerhin anerkennen, dass der
Architekt bestrebt gewesen ist diese Nachtheile wenigstens zu
mildem. Die Facaden, anscheinend in Sandsteinarchitektur und
Ziegelvorbleudung ausgeführt, mit einzelnen von der Gesammt-
haltuug etwas abstechenden zopfigen Details, die zweite ausser-
dem an einer Ueberfülle schwerer horizontaler Gliederungen lei-
dend, bieten nichts Bemerkenswerthcs.
B. Aus dem Gebiete des Ingenieurwesens.
1) Die neuen Formeln für die Bewegung des Was-
sers in Kanälen und regelmässigen Flusstrecken, von
W. R. Kutter. Die durch sämmtliche Hefte des Jahrgangs
reichende, von zahlreichen graphischen Daxstellungen begleitete
Abhandlung hat einen Umfang, der ein näheres Eingehen auf
dieselbe an diesem Orte ebenso wenig zweckmässig erscheinen
lässt wie die Natur des Stoffes selbst Der Verfasser beleuchtet
die bisher üblichen Formeln, namentlich die von Evtelwcin,
Humphrcys & Abbot, Bazin, Gauckler . Ganguillet und* Kutter,
nach ihren Vorzügen und Mängeln und versucht schliesslich zur
Aufstellung eiuer allgemein anwendbaren Formel zu gelangen,
bei welcher alle hierfür in Betracht zu ziehenden Momente Be-
rücksichtigung finden. Seine Arbeit hat u. W. unter den Spc-
Digitized by Google
zialisten des betreffenden Gebietes gebührende Anerkennung ge-
funden, wenn andererseits freilicli auch (wie in No. 31 Jhrg. 71
u. Ztg.) der hohe Werth, dm man der Aufstellung einer Wasser-
geschwindigkeitsformcl licilogt, in Abrede gestellt wird.
2) Dio Schwarzcubcrgbrücke in Wien, von 0. Horn-
bostel. Die Ausführung dieser Brücke, welche vom Schwarzen-
bergplatze, resn. der Lothringer Strasse in der Richtung des
Schwarzenberg-Palais Ober den Wienfluss führt und die direkteste
Verbindung von der Ringstrasse nach der Heugasse und dem
Rennwege gewährt, ist im Frühjahr 1864 begonnen und im Herbst
1866 vollendet worden. Der Entwurf, von den Ingenieuren
Kuhn und Hornbostel vertagst, entstammt einer im Jahre
1862 ausgeschriebenen Konkurrenz. Die massiv aus Schnitt-
steinen (Verkleidung mit Granit, Parapet und Geländer aus Salz-
burger Marmor) erbaute Brücke, in den Bögen 10,50 m breit,
zwischen den Kämpfern der Landpfeiler 19,80" lang, vom Rogen-
scheitel bis zum mittleren Wasserstande 6,50° hoch, zeigt die
Eigentümlichkeit zweier Oeffnungen mit einem Mittelpfeiler.
Es erschien dies ästhetisch so bedenklich, dass der Gemeinde-
Rath bereits die Ausschreibung einer neuen Konkurrenz be-
schlossen hatte, indessen siegte doch der Unterschied der Kosten
gegen eine einbogige Brücke (im Verhältniss von 3 : 5), wie die
Notwendigkeit einer UeberbOhung der Fahrbahn bei letzterer
über jenes Bedenken. Nach der Lage der Brücke in einem der
elegantesten Stadttheile überwog die Rücksicht auf eine monu-
mentale architektonische Ausbildung des Bauwerks den tech-
nischen Tbeil der Aufgabe und ist diesem Verhältnisse auch in
der Publikation, welche sich auf eine Perspektive, einen Längen-
und Querschnitt beschränkt, Rechnung getragen. Durch die
bekannte Abkantung der Gewölbestirnen sind die gedrückten
Korbbogen in der Ansiebt zu flachen Segmentbügen geworden:
als Hauptdekorationsmotiv figuriren stehende Konsole auf den
Pfeilern und verzierte Schlussteine. welche die breiteren Posta-
mente tragen, durch welche das Ballastradengeländer gegliedert
ist. Die Kosten des Baues haben 300,000 Fl. betragen.
3) Die Donau brücke der k.k. pri v. Ocst er reir.hi sehen
Staatseisenbahn - Gesellschaft bei Stadlau, von Aug.
Küstliu. Mit 14 BL Zeichnungen.
Die Donaubrückc bei Stadlau unterhalb Wien bat nicht nur
als erste Btabile Ucberbrückung des Stromes in neuerer Zeit
die Art ihrer Fundirung und der Auf-
Oberbau«« in der technischen Welt Interesse
erregt und ist daher auch in diesem Blatte schon früher mehr-
fach erwähnt worden. Der Platz für dieselbe war durch das
Donauregulirungsproiekt genau bezeichnet und bedingte es das
letztere, dass der reclitaeitige Landpfeiler der Brücke sich genau
an den künftigen Ilochufcrbord anschliessen musste, während
für das Hochwasser auf dem linken Ufer das nöthige Vorland
frei zu lassen war. Nach einigen Abänderungen, die während
der Ausführung eintraten, hat sich die Disposition des Bauwerks
so ergeben, dass die Hauptbrücke aus 5 Oeffnungen von 75.86 m
lichter Weite mit 3,79» starken Zwischenpfeitern. die VorSutH-
brücke aus 10 Oeffnungen von 33,76» lichter Weite mit 2,53'»
starken Zwischenpfcilern besteht, woraus sich die Gesammtlänge
zwischen den Landpfeilern auf 758,70"» ergiebt Die Höhe der
Konstruktions-Unterkante wurde auf 9,48" über Nullwasser an-
genommen- Der Oberbau der Kauptbrücke besteht aus einer
zusammenhängend konstruirten 7,59™ hohen Gitterkonstruktion,
deren beide 1,59" auseinander liecendc Tragewände durch uu-
tcre Querträger verbunden sind, welche die Schienen des Doppel-
geleises tragen; der Oberbau der Vor Hut brücke besteht aus 4
durch Kreuzverbindungen gekuppelten Gitterträgern von 3,16"
Höhe, auf welchen die Schienen direkt auflagern.
Die Fundirung der Pfeiler , welche bis zur Tiefe des die
Grundlage des Wiener Beckeus bildenden Inzcrsdorfer Tegels
— bei dorn Landpfeiler auf 8™, bei den Stronipfeilcru auf 15»,
bei den Pfeilern der Vorflutsbrücke auf II» unter Null herab-
geführt werden musste, war wegen der wechselnden und hohen
Wasserstände und der grossen Geschwindigkeit des Stroms eine
schwierige. Sie erfolgte durch Versenknng eiserner Kaissons
mittels komprimirter Luft, unter Emporftthrung der Kaissonwau-
dung abi Umhüllung des Pfeilermauerwerks, und bot insofern
ein hervorragendes Interesse, als die Unternehmer (Castor und
Comp.) unter den gegoltenen Verhältnissen auf die Anbringung
fester Gerüste ganz verzichteten und sich statt derselben
schwimmender, durch ein ausgedehntes System von Dratb-
seil-Veraukerungen gesicherter Gerüste bedienten, was nach
einiger Erfahrung volkommen gelang. Die im Verlauf der Ar-
beit erzielte Förderung der Senkung betrug im Durchschnitt
täglich etwa 0,80™.
Die Konstruktion dos Gitteroberbaues, an Schneider u. Comp,
in Crcuzot vergeben, bei welcher vorzüglich ökonomische Rück-
sichten beobachtet wurden und die daher auch fast jeder
schmückenden Zuthat entbehrt, bietet vom technischen Stand-
punkte aus nichts wesentlich Neues. Bemerkenswerth ist nur
die Art der Aufbringung auf die Pfeiler durch Vorschieben vom
Ufer aus, welches eingehend beschrieben und dargestellt ist. Die
Bewegung erfolgte auf einer für diesen Zweck erbauten Bahn
mittels eines durch Menschenkräfte (16 M.) in Gang gesetzten
Getriebes mit 512 facher Uebersetzung. Gegen die enorme In-
anspruchnahme der Träger in ihrer vorgeschobenen Lage waren
dieselben durch provisorische Aussteifungen gesichert; ausserdem
wurden beide Enden mit einem SO" vorspnngenden, nach vorn
zugespitzten Schnabel versehen, der die Länge der sich frei tra-
genden Hauptkonstruktion wesentlich verkürzte.
Der Beginn der Arbeiten, die unter der obersten Leitung
des Baudirektors von Ruppert standen, während als baulei-
tender Chef-Ingenieurs, Inspektor Heinrich Schmidt und unter
diesem die Ingenieure Karl Ruppert jun. und Weikuni fun-
girten, erfolgte im Herbst 1868, nie Eröffnung der Brücke am
24. November 1870. Die Kosten des Baues belaufen sich auf
2100000 Fl. öster. W., wovon die Fundirungs- und Pfeilerbauten
und der eiserne Oberbau annähernd je die Hälfte beansprucht
haben.
4) Ueber hvdraulische Kalke und Zemente und
speziell deren Natur und Vorkommen in Galizien, von Thomas
Kutscbora, K. K. Ober- Ingenieur. Wir können unsere Ver-
wunderung nicht unterdrücken, dass in einem Blatt, wie die All-
gemeine Bauzeitung, eine an sich zwar wohlgemeinte Arbeit
Aufnahme finden konnte, von der man — wenn nicht auf einige
1863 und 64 in der Zeitschrift des Oesterreichischen Ingenieur-
und Architekten -Vereins erschienene Mittbeilungen Bezug ge-
nommen würde — anzunehmen versucht ist, dass sie ein Viertel-
jahrhundert lang im Pulte der Redaktion geschlummert habe.
Alla neueren, ausserhalb Oesterreichs gewonnenen wissenschaft-
lichen und praktischen Resultate des betreffenden Feldes schei-
nen dem Herrn Verfasser völlig fremd geblieben zu sein, wie er
denn diesseits des Rheines nur den rreiburger Zement in der
Schweiz, den in München aus Mergel fabrizirten hydraulischen
Kalk, in Preussen den Tarnowitzer und Grodziecer Zement, in
Oesterreich den Pcrlmoser Zement endlich den Stoiberger und
slavonischen hydraulischen Kalk als zu den „bekanntesten" Fa-
brikaten gehörig anführt In wie weit die Arbeit durch Nach-
weis der Materialien, welche sich innerhalb Galiziens zur Zement-
fabrikation eignen, ihre Verdienste hat, sind wir ausser Stande
zu beurtheilen-
Unter den kleineren Mittheilungen des Jahrgangs sind die
Korrespondenzartikcl aus der Türkei von dem beim Bau der
dortigen Bahnen beschäftigten Ingenieur Buche leu, sowie der
Abdruck des neuen österreichischen Brückengesetzes zu cr-
O
Konkarrenz für Entwürfe zu einem Arndt-Denkmal auf
dem Rugard. Seitens der Jury geht uns das nachstehende
Gutachten mit der Bitte um Veröffentlichung zu. Wir entsprechen
derselben trotz der für diese Stelle ungewöhnlichen Länge
des Schriftstückes mit Rücksicht auf die Konkurrenten, welche
ihre Kräfte der Aufgabe in so uneigennütziger Weise gewidmet
haben.
„In Nr. 21 der Deutschen Bauzeitung vom 25. Mai v. J. er-
ging von dem Koinite für die Errichtung eines Arndt Monumen-
tes auf dem Kugard ein Aufruf an die Architekten Deutsch-
lands, Entwürfe zur Errichtung eines Denkmals in Gestalt eines
Wartthurms auf dem Ruirard einzureichen- Einfachheit und Gedie-
genheit, gleich dem edlen Sinne des Vater Arndt, schlichte Formen
bei den geringeu. 3000 Thlr. nicht übersteigenden Mitteln, for-
derte das Programm.
Die Unterzeichneten, welchen die ehrenvolle Aufgabe zu
Theil geworden, die 19 eingegangenen Arbeiten von UTachgc-
nossen und einem Laien zu prüfen, sind in ihrem Urtheil von
folgenden, aus dem Programm und dem Wesen der Aufgabe sich
selbst ergebenden Gesichtspunkten ausgegangen.
Für die äussere Gestaltung des Denkmals ist die Form
eines Wartthurms in dem richtigen Gefühl gefordert, dass auf
diesem höchstun Punkte des nördlichsten deutschen Eilandes
ein Denkmal vor Allem weithin sichtbar sein müsse, hinaus-
leuchtend auf das Meer, ein Merkzeichen deutschen Landes.
Hieraus ergiebt sich von selbst die Forderung einfachster Form
uud damit im Zusammenhange Ausschluss jedes kleinlichen
Details. Für letzteren spricht ebensosehr das heimische Bau-
material Rügen, welches trotz der Nähe des vortrefflichen
Ziegel matcrials des norddeutschen Tieflandes hauptsächlich ein
schöner Granitfindling ist Zudem ist die geschickte Vorarbeitung
dieses Materials eine uralte Technik auf Rügen. Nicht zu ver-
kennen ist, dass die Forderung der Gestalt eines Wartthurms
für die Zwecke eines Monumentes eine schwere ist. Die Gefahr
liegt nahe, entweder zu sehr in den Charakter eines ürabmo-
numents zu zerfallen, oder aber die Aufgabe iu dem Sinne eines
Burgthurms oder sonstigen profanen Bauworks zu lösen. — Die
äussere Gestaltung muss neben dem praktischen Zwecke eines
j Aussichtsturms in erster Linie den Eindruck eines Ehreudcuk-
I muls erwecken, da durch dieses Bauwerk das deutsche Vater-
land die Stätte ehren will, wo Arndt geboren und wo er oft
genug, ein Flüchtling von deutscher Erde, hiuttbergeseheu hat
in das deutsche Vaterland. Nebenbei ist auf die Gewinnung
von Sitzplätzen, schützend gegen die auf der Höhe stets herr-
schenden Seewinde, Rücksicht zu nehmen. Für die innere
Raumanordnuiig musste einige Schwierigkeit die Anbringung
der Treppe für die drei Geschosse bieten, da die Anlage einer
Wendeltreppe in der Mitte die Räume in ihrer Abgeschlossen-
heit beeinträchtigt, andererseits die Anläse eines besonderen
Treppcnthurmes gar leicht die Kontur des Aeussern stört.
Schliesslich inusstu die Herstellungssumme ein gewichtiges Mo-
ment für die Beurtheilung abgeben. Wenn auch anzunehmen
ist, dass durch weitere Sammlungen die Mittel sich noch etwas
höher gestalten werden, so siud doch viele der
Arbeiten weit über ds
gegangen.
Von dieser Erwägung geleitet ist das Urtheil der Unter-
zeichneten Folgendes:
Digitized by Google
- 5G —
1) Derjenige Entwarf, welcher dem Charakter einer anziehen-
den weihevollen Stätte am meisten entspricht, ist der mit dem
Mottn: .Vater Arndt." Eine mfissig hone, je nach den Mitteln
zu mauernde oder aufzuschüttende Terrasse bereitet die land-
schaftliche Umgebung für das Bauwerk architektonisch vor.
Iu untereinander wohl abgewogenen Höhcnvcrbültnissen erhebt
sich ein Rundtthurm in drei Geschossen ; das letzte in Form einer
Kuppel. In dem unteren sind gegen aussen sich öffnende tiefe
Nischen zum Schutz gegen Wind und Wetter, im mittleren
massige Fenster angeordnet, welche den Raum für das kleine
Museum rugiauiseber Alterthümer beleuchten. Zum Vortheil
des Entwurfs wird es sein, wenn die oberste Kuppeletagn ganz
fortfällt und statt dessen ein flacherer Abschluss gewühlt wird.
Ebenso erscheint es nöthig, die allzu zarten, wenn auch fein ge-
wählten Details in Gesimsen, Flächenvcrzieningen etc. aufzugeben
und Formen einer derben Ziegel- oder Brucbstcintcehnik einzu-
führen. Die Anwendung einer anderen TreppcQanlage als die
einer Wendeltreppe in der Mitte des Bauwerks niuss als wün-
schenswerth bezeichnet werden. Ilm die Bedingung eines ge-
schützten, mit Fenstern versehenen Belvederes zu erfüllen,
würde es sieh empfehlen, das obere Geschoss angemessen zu er-
hohen und mit einer Gallerie von Rundbogenfenstern unter der
Zinnenbekrünung zu versehen.
2 u. 3) Zwei andere Arbeiten desselben Verfassers mit den
Mottos: »Vater Arndt 2", .Vater Arndt 3", zeigen weniger edle
Verhältnisse und auch einzelne fremdartige Elemente, nament-
lich in den oberen Abschlüssen und in einzelnen Dekorations-
motiveu.
4) Noch bescheidener in der Verwerthung der gebotenen
Mittel und mit richtigem Gefühl das heimische Bruchstein-
material zur Geltung bringend, ist der meisterhaft und geist-
reich dargestellte Entwurf mit dem Motto: .Und hat er mich
keinen Ehrenstein — Sein Name wird nimmer vergessen sein*.
Weniger glücklich in den Verhältnissen des äusseren Aufbaues
erweckt dieser Fintwurf durch die allzu kleinen Fenster des
Mittelgeschosses — als Museum dienend — und durch den
Mangel ausgebildeter Sitzplätze im Erdgeschoss zu sehr den
Eindruck eines Grabdenkmals. Wenn auch hier die Treppe in
der Mitte des Bauwerks als Wendeltreppe angeordnet ist, ist
dies aber in einer Weise geschehen, das« dieselbe ein be-
deutungsvolles Moment für die Durchbildung des Innenraums
geworden ist.
5) Der Auffassung dieses Entwurfs nahe verwandt ist der
mit dem Motto: .Ein Volk, ein Heer — ein Herz und Hand." —
Augenscheinlich hat der Verfasser darnach getrachtet mit ver-
hältuissniässig geringem Materialaufwand eine Wirkung grosser
Mächtigkeit zu gewinnen, indem er dem oktogonen Kern seines
Baues Wer Kreuzflügel anfügte, welche einen breit gelagerten
Unterbau für die Feruwirkung gewähren sollten. Auf ihn setzt
sich als zweites Geschoss das innere Oktogon mit einer reichen
Fensteranordnung auf. Ein mächtiges Kteinkreuz in der Form
des Landwehrkreuzes schliesst in Verbindung mit einem flach-
kuppelartigen Steindach das Bauwerk sinnig und wirkungsvoll
ab. Dabei hält der allgemeine Charakter glücklich die Mitte
zwischen den F'ormen einer profanen Warte uud denen eines
Mausoleums. Als Baumaterial ist mit massiger Anwendung von
Ziegeln und Ziegelformsteinen für die Bögen und Gesimse der
Granitbruchstein gedacht. Es ist nicht zu verkenuen, dass
auch diese Arbeit, wie die vorigen beiden, bedeutungsvolle Mo-
mente für die Gestaltung des Denkmals bietet. Dagegen können
die Unterzeichneten ihre Bedenken nicht zurückhalten, dass für
die Ausführung das allzustarke Vortreten des Kreuzflügels
störend wirken möchte. Ueberaus schlank ist die Eingangsöff-
nung, trotz des Geschicks, mit welchem hier die Büste Artidts,
den Eintretenden begrüssend, angebracht ist. Die gewählte
Grundrissform gewährt auch bei diesem Entwurf geschützte,
wenu auch nicht sehr einladende Plätze für den Genuas der
Fernsicht. Von der Anordnung einer Wendeltreppe in der Mitte
des Bauwerks gilt das schon früher Bemerkte, obgleich durch
die tiefen Kreuzflügolnischen das Störende einer solchen Anlage
für einen lunenraum hier gemildert wird. (srhiau f.ii«t.)
Personal • Nachrichten.
Preussen.
Ernanut: Der Eisenbahn - Baumeister Wende roth zu
Stargard i. Pom. zum Eisenbahn - Bau- und Betriebs- Inspektor
bei der Kgl. Ostbahn in Königsberg. Der Baumeister Linken
zu Marienwerder zum Landbaumeister uud technischen Hülfs-
arbciler bei der Königl. Regierung daselbst.
Dem Wasserbau -Inspektor F ran /ins in Berlin ist der
Charakter als Baurath verliehen worden.
Am 3. Februar haben das Baumeister -Examen bestanden:
Carl. Heinr. Alfred Urban aus Pr. Holland. Aug. Nie. Jos.
Ritter aus Vulkmarscn.
Das Bauführer - E x a in e n haben bestanden: Carl
Baehckcr aus Wischwill, Kreis Raguit. Anton Fliegenkam p
aus Düsseldorf Carl Huppert! aus Lieveuich, Kreis Erkelenz.
Joseph Müller aus Pfaffendorf, Kreis Bergheim.
Brief- und Fragekasten.
Hrn T. in Jona. Auskunft über Petroleumlager-Sehuppen
für kleinere Städte haben wir nicht erhalten; hingegen sind wir
darauf aufmerksam gemacht worden, dass die grössten und ver-
mutlich auch vollkommensten Anlagen dieser Art, deren Ein-
richtung sich unschwer vereinfachen lassen dürfte, in Bremer-
haven und Geestemünde ausgeführt sind. Sic würden daher
wohl am Besten von den dortigen Bremischen resp. preussischeu
Wasserbaubcamtcu (B.-lnsp. Dankes in B. oder ßrth. Dink-
lage in G."i Auskunft sich erbitten.
Hrn. Ch. L, Halberger Hütte bei Saarbrücken. Ein
Aufsatz über die Verschiebung des Pelham-Hotel in Boston ist
in Heft III Jhrg. 70 d. Zeitschritt d. Oesterr.- Ingenieur- u. Ar-
chitektenvereins mitget.heilt. Wir haben nur kurze Notiz davon
genommen.
Hrn. v. Th. iu Skrad. In Nr. III S. 321 Jhrg. GS. d. IRsrh.
ßauztg. finden Sie einige in Mecklenburg zum Schutze des Ufers
gegen den Abbruch der See ausgeführte Anlagen beschneiten. Die
Frage ist unsers Wissens übrigens durchaus noch nicht so weit
gelöst, dass man eine solche Schutzvorrichtung ohne Weiteres
als »die beste, sicherste, praktischste uud gleichzeitig möglichst
billigste» bezeichnen könnte: aurli wird die Wahl der Konstruktion
immerhin von lokalen Verhältnissen abhängig sein. Wir können
Ihnen daher nur rathen die Hülfe eines in der Nähe wohnenden
erfahrenen Wasserbau-Technikers iu Anspruch zu nehmen.
Hrn. A. B in T. Ein Brief unter der Adresse der Illu-
strirteu Ztg. in Leipzig wird auch ohne weitere Angahe an seine
Bestimmung gelaufen. Wollen Sie ein Cebcrtiiissiges thun, so
setzen Sie noch die Verlugstirma »J. J. Weber" hinzu.
Hrn A. in Hamburg. Das Anschleifen ton Keissfedern
übernehmen in Berlin wohl alle Mechaniker. Wer es unter ihnen
am Besten versteht ist eine Frage, deren Beantwortung wohl
um so schwieriger ist, als die Auspriiche der einzelnen Zeichner
an die Beschaffenheit einer gut angeschliffenen Ziehfeder ver-
schieden sind.
Hrn. M. in M. 1) Eine unterirdische Röhrenleitung von
glasirten Thouröhreu für eine grössere Abtrittsanlage wird wohl
am Snlidesten ausgeführt, wenn mau die Röhren auf einer durch
aus festen Unterlage verlegen kann uud wenn man alsdann den
Muffenz wischen räum zunächst unterhalb mit
Tbonnnii
dichtet, darüber aber mit einem fest uud hart werdenden Binde-
mittel: Zeuieut oder geschmolzenem Schwefel, vergiesst. Um
jede weitere Bewegung der Röhren zu verhüten, werden sie als-
dann noch mit Steiubrocked uud Zemeutmörtel auf ihrer unwan-
delbaren Unterlage vermauert.
Kann eine solche Unterlage nicht hergestellt werden und
hat man von einem etwaigen späteren Lecken nicht üble Folgen,
etwa Infizirung naheliegender Brunnen zu fürchten, so ist es
besser zur Dichtung der Muffen weichen Thon zu verwenden,
der, wenn er die Muffe vollständig ausfüllt und nach dem Zu-
sammonschielH>n der Rohrstücke innen jedesmal glatt abgestri-
chen wird, sehr gute Dienste leistet. Eine solch« nachgiebige
Dichtung gestattet den Köhren beim Nachsackeu der Füllerde
im ausgehobeneu Graben kleine Bewegungen, ohne dass sie dabei
zerbrechen.
2) Dass ein anderer Grundanstrich als der von Mcnnigeöl
färbe zum Schntz eiserner Brücken sich besonders bewährt habe,
ist uns nicht bekannt
Hrn. St. in Z. IVr Zentner Bessemor- Stahl- Schienen
kostete bei Submissionen für grösseren Bedarf im v. J. hier in
Berlin ca. 5 Thlr. Dieselben werden von Krupp in Essen, der
Hütte iu Hörde und andern Brossen Werken fahrizirt.
Abonnent J. »Beim Scliwedler'schen Träger ist die Form
der Gurtungeu so gewählt, dass die Diagonalen nur gezogen
werden, und nur weuu die mobile I„ast gegen das Eigengewicht
erheblich wird, werden in der Mitte Gegendiagonalen erforder-
lich. Bei einem Träger dagegen, wo die Diagonalen unigekehrt
wie beim Schwcdler'schen Träger geneigt sind, werden (cfr.
Ritter, dement Theorie der Dach- und Brückenkonstruktioueu
2. Aufl.) die Diagonalen immer gezogen, selbst dauu. wenn das
Eigengewicht gegen die mobile Belastung sehr (unendlich) klein
ist, worauf dann der Träger die Form eines Dreiecks mit 2 gera-
den Hälften der oberen Gurtung annehmen würde. Die V ertikalen
werden gedrückt wie Mm SehwedlerVchen Träger uud der .Ma-
terial-Verbrauch wird sehr nahe derselbe sein. Warum werde
ich nicht angewendet? (Der Antischwedlersehe Träger.)-
Theoretisch steht der Anwendung des bei Ritter el. Thcor.
d. Dach- und Brüekenkonstr.. Aufl. 2, Fig. IUI dargestellten
Trägers nichts im Wege. Doch kann die Beseitigung der (ingen-
diagonalen in deu Mittelfeldern uur dann als ein Vortheil be-
zeichnet werden, wenn dadurch eine Matcrialersparniss erreicht
wird. Dies scheint alter nach Vergleicliung der Fig. 344 und
332 nicht der Fall zu sein. Andrerseits niuss die sehr -spitz-
winklige Zusammeuführung der (iurtungen am Auflager, wo
noch dazu fast dreimal so grosse Spannungen zu übertragen
sind als Ihm dem SchwedlerVhen Träger, zu praktischen Unzu-
träglichkeiten führen, die der letztere vermeidet Im gegebenen
Falle würde ein Versuch beide Träger zu konstruireu , jeden-
falls am besten zeigen, auf welcher Seite der Vortheil liegt.
Berichtigung. In dem Aufsatze über die Arbeiterhäuser
zu Rabensteinfeld bei Schwerin haben sich einige siuneutstelleude.
für deu aufmerksamen I^-ser allerdings leicht als solche erkenn-
bare Druckfehler eingeschlichen. Auf Seite 33 Zeile 14 v. U. soll
esheissen .1 resp. '.Stein- und nicht »I resp. 1', Stein": der
am Schlus.s angegebene Preis pro [_> beträgt endlich nicht 41,1,
sondern nur 10,2 Thlr. D. Red.
: «on C«rl nttliti In ■Mttei
ÜTac« »oa <laaraa'*r Klcktrlia B.rMa
Digitized by Google
Jahrg. Tl. M 8.
DEUTSCHE BAUZEITUNG
Berlin. OraitirnitruK Kl.
B.atelluagcn
Organ des Verbandes
deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine.
Redakteur X. E. 0. Fritsch.
Inaerata
tu iit Laer der aealKhe»
8amrt1.ni Brut*. Aa!aalu»e
Preis 1 Thaler pro Quartal.
Berlin, den 22. Februar 1872.
Erscheint Jeden Itnne rstag.
Inhalt: Au» 4»r 1 hängten il.t deuten»» K, ld»i»*iili.hii - Ali!ti'ilui,gi'u V.
— Verberuwrlfr. Scharnier fwr eiterne Brucken- — K«i**aklucri dein Orirnt
VII.-- Mlllh.iluBf.il an. Ve rel n eu- Der Verband dir dauuehen Architekten-
w»d Ingenieur-Vereine und der Verein detilncher Ingenieur*. — <ret| rewMlachar
Ingenieur- und Architekten-Verein. — Architekten -Verein tu Berlin. — V*r-
nleebtea: Ober Unterricht im Freihanilreitiinen. — Ueker de» Tlimirnalertat
ly ilru Vt-ibleiidilettHii und rerraAnllen der Bauakademie iu Berlin. — LH.
narh.te n.uialKui in Kerlin< — Der Neubau d-. Polytechnikum, in Dresden. —
Die < iifi.iii».ii<.ii de* Bim»«« in dem Reichil.nde Kl.*» . Lothringen. — Au*
der Xienlltt.ra.tur: Zeitschrift de. Ilannorenchrn Architekten- ■■ '
Verein«. Jahr*. |«|. _ Kon k nrren .en : Arndt- Denkmal auf
(Sehlue..) l>*r»'.nal-?iac hrirhten etc.
Aus der Thuiigkeit der deitsehea Feld* iMubalin- Al.t.ieiliingeii.*)
V. Die Eisenbahn-Zerstörungen auf der französi- |
sehen Nordbahn, Strecke Soissons-Paris, und deren |
Wiederherstellung.
(Hit Abbildungen auf Seil« 61).
In Flg. 1 ist ein bei der Station Nanteuil le Haudouin
gelegener Viadukt dargestellt, dessen etwa 80" weites Ge- j
wölbe durch Pulvermiuen unter dem südwestlichen Wider- j
lager gesprengt werden sollte. Jedoch hatten, wie es schien,
letztere an der südostlichen Seite des Pfeilers versagt nnd
war das Gewölbe zwar beschädigt, aber stehen geblieben, j
während aus dem Entlastungsmauerwerk eine Läuge von
10" in voller Breite weggerissen und der Hauptpfeiler am
nordwestlichen Kopfe bis in grössere Tiefe zerbröckelt wor-
den war. Die fernere Tragfähigkeit des Pfeilers für das
Hauptgewölbe, sowie diejenige des letzteren selber erschienen
unbedenklich, dagegen musste die Oberfluche des ersteren
für eine aufzustellende Hilfskonstruktion in der Lücke erst
abgeräumt und tragfähig gemacht werden. Es wurden des-
halb über die erwähnte tiefer gehende trichterförmige Be-
schädigung mehre Balken a a bis auf die mehr unversehr-
ten Theile des Mauerwerks hinweggestreckt und unter den-
selben die Form des Stirnmauerwerks durch Aufpacken der
Trümmer möglichst wiederhergestellt, wie es der Querschnitt
A, durch den Widcrlagspfeiler und die anschliessenden Bö-
schungskegel gehend, darstellt Auf diesem Schwellrost
resp. auf dem Mauerwerk der anderen Seite ruhend, wurde
ein Mitteljoch aufgestellt und das Endauflager für die Trag-
balken einerseits auf dem Entlastungspfeiler c hergerichtet,
da der Pfeiler 6 mit dem Entlastungsgewölbe nach c hin
zu sehr zerstört war. Das andere Auflager bildete ein auf
den regulirten Mauertrümmern aufgestelltes zweites niedri-
s Pfahljoch, welches durch eine neue Erdschüttimg weiter
Auf der nordöstlichen Seite des Viadukts fanden sich
en vor, jedoch wurde in der Nähe ein zweites
ches Bauwerk unbeschädigt, aber zur Sprengung
vorbereitet aufgefunden und in Bezug auf die Lage des Mi-
nenganges näher untersucht Es fand sich die Entlastungs-
öffnung ff ( in ihrem unteren Theile durch Stirnmauern h i
nach Aussen geschlossen, die Oberkante h durch eine Bö-
schungstreppe, die Sohle / durch eine iiiwendige Leiter von
A aus zugänglich.
In letzterer Sohle zeigte sich der abfallende Minen-
schacht i tf, der aber bis oben hin mit Steinen versetzt war,
Semnach der die Ladung enthaltende Querkanal d nur nach
nthmaassung skizzirt worden ist), und war von der Zünd-
leituug ebenfalls nichts zu finden. Der Raum i h bildete
ein vor Regen und Wind geschütztes Versteck, und Hessen
verschiedene Ueberreste, wie Stroh, leere Flaschen etc., schlie-
ssen, dass die Arlreiter oder auch die den Befehl zum An-
zünden erwartende Wachen sich dort wohnlich eingerichtet
haben mochten.
Weit gründlicher als bei den vorbeschriebenen Bau-
werken fand sich die Zerstörung der in Fig. 2 dargestellten
Chaussee-Unterführung in der Nähe des Bahnhofes
Mitry-Clay, da von derselben nichts als das nordöstliche
Widerlager stehen geblieben war. Das Widerlager der an-
deren Seite war mit dem Ift* weiten Hauptgewölbe so gänz-
lich verschwunden, dass die Hinterfüllnng bei a 6 eine
glatte unversehrte Erdwand bildete, während dagegen das
•) Di* Idltthell.B,... «.Ich* wir auf Seit* 90, US. »3 und Ul de* eorig*».
Jahrgang* «nur onlgem Titel bracht«!, konnten bleber leider nicht fortgeaetal
werden, da ta.hr. V.r»|ir.eh.n, di. una In dl.**r Beiiehung gemacht wurden,
lar Diei»K»chlft. halber un.rfUlh bleiben nuMu. Wir holten, daa. daa
aa die*** Bericht» auch j.iat nach uneauniadert nein wir*. (D. B*dJ
eine Geleise in einer Länge von 4 Schienen völlig frei-
schwebend im Bogen über der Zerstörungsstelle hinweg-
hing. Die Wegebrücke war also, in Wahrheit zu sagen,
.reinlich • herausgeschossen worden. Das hängende Geleise
wurde, ein wenig unterstützt ein willkommenes Mittel zum
Hinüberziehen der kleinen Arbeits-Lowrys (sogenannter Bahn-
meister -Wagen}, welche, da die abgeschnittene Gesammt-
strecke der Lokomotive entbehrte und sie selbst nur in sehr
geringer Anzahl gefunden wurden, auf beiden Seiten der
Lücke abwechselnd dem Verkehr dienen mussten.*)
Es warf sich nun bezüglich der Art und Weise der
Wiederherstellung des Bauwerks, welches einer Neben-Koni-
munikation diente, die Frage auf, ob nicht ein vollständiges
Zuschütten der Lücke nm schnellsten zum Ziele führen
würde, du es an Bauholz in der Nähe maugelte und die aus
grossen Blöcken bestehenden Trümmermasseu doch nicht
anders als mittels Erdausfüllung zu einem neuen Funda-
ment geebnet werden konnten. Es wnrde demgemäss die
Aufschüttung mittels Seitenentnahme begonnen und, da die
Pioniere einer Sektion hierzu zu schwach, Seitens eines be-
nachbarten Kommandos ein Detacbement von KK) Mann auf
Ersuchen gegen Zahlung von Zulage gestellt, durch welche
Kräfte die Auffüllung bis auf 3 m über Chaussee bewirkt
wurde.
Allein das eintretende Regenwetter, die ungewohnte Ar-
beit auf den schlüpferigen Karrdielen, die Uebermüdung der
Leute, mangelnde Oerath« etc. Hessen die Arbeit doch nicht
befriedigend vorschreiten, und entschloss mau sich schnell
den Rest der Lücke mit Holzbau auszufüllen, wozu die be-
nachbarten Bäume allerdings das Material erst liefern muss-
ten. Die Aufschüttung, welche wegen des sie durchsetzenden
Trümmermaterials eine nicht so grosse Einsenkung, als es
scheinen könnte, befürchten Hess, wurde zur Vertheilung
des Druckes mit einer Bettung von dicht gelegten Bahn-
schwellen bedeckt, und wurden auf dieselbe Pfaliljocho mit
einfachen Tragbalken gestellt, welche Konstruktion, da das
Holz unbeschlagen verwendet wurde, in kürzester Zeit voll-
endet war. Der bei dem Befahren durch die Lokomotive
eintretenden Einsenkung war durch eiue ansehnliche Ueber-
höhnng im Voraus begegnet worden.
Durch die Wiederherstellung der vorbeschriebenen Bau-
werke sowie der Telegniphenleituttg und der ebenfalls un-
gangbar vorgefundenen WVsserstationen, welche insgesammt
in der ersten Hälfte des Oktobers 1*70 bewirkt wurde, war
die Strecke von Villers -Cotterets bis zur Zernirungslinie
von Paris in einer Länge von 60 Kilometern fahrbar ge-
macht Dieselbe wurde vom Eisenbahn-Knotenpunkte Creil
aus, mit welchem sie durch die Zweiglinie Crepv-Senlis in
Verbindung stand, mit Lokomotiven versorgt und in Betrieb
gesetzt. Dagegen war auf der nordöstUchen Fortsetzung der
Linie bis Soissons, ausser der Wiederherstellung des Tunnels
von Vierzy, welche im vorigen Jahrgang dies. Blattes be-
schrieben worden ist, (conf. No. 12) noch ein grösserer ge-
sprengter Felseinschnitt jenseits der genannten Station
Villers-Cotterets aufzuräumen, mit welcher Arbeit demnächst
um die Mitte Oktober begonnen wurde. Der Einschnitt,
den
etc. mit
einer aeachwlndlgkelt eon 13 Kilometern nro
und Irota der prliaktleilen Vorrichtungen, (ein
• nahuilnoer dlenmd) kein l'nfall oder B
anderen fieleh« In eeharle« Tiabe gehenden Vierde
für die mangelnde Lokotnolle», ortmaU ala tur di«
Wichtlgk.it eich «rweiiewl, war epaierhia aar Strecl
UWIIang UKbifligt war. w.,. de* d«rt »eiw.nd.leu
„ der Atbtit.n tu«
d.r U.lbabn, wo die Ab-
Digitized by Google
— 58 -
wlecher nach dem Qnerprofil Fig. 3 die Form a b c und
k b l ff gehabt hatte, fand sich durch die W irkung beidersei-
tiger starker Pulverminen in der Form <•'<•<// fg zerstört,
und zwar oben in beiden Böschungen trichterförmig ausge-
höhlt resp. abgerutscht, unten mit meist gewaltigen Fels-
blücken (von einer zur Kreideformation gehörigen kalkigen
und mergeligen Beschaffenheit) vollständig verschüttet, nnd
zwar, wie das Längenprofil zeigt, auf die 13 m betragende
untere Breite der Hoblkegel in ziemlich sleichmüssiger Höhe,
durchschnittlich 5">, von da ab die Znschüttung nach beideu
Seiten altfallend und eine Gesnrnintlängc von 32"* erreichend.
Die Lage der Mincnkiuumern ist nach Muthmaassung und
Beschreibung angedeutet und soll die Pulverladung auf bei-
den Seiten je 400* betragen haben. Die Wirkung ergiebt sich
aus der Grösse der gelösten Massen, welche etwa 3000 Ith 1 " be-
tragen haben mag, sowie aus der Gewalt, mit welcher einzelne
Blöcke aus dem Einschnitte heraus in den zur Seite gele-
genen Wald geschleudert worden waren. Beispielsweise
war ein Steinblork von mehren Zentnern Gewicht über
200 Schritte weit geworfen worden und hatte seine Flug-
bahn durch Zerstörung der Baume bezeichnet.
Von den gelösten Massen musste ein (Quantum von etwa
1500 kb™ zum Einschnitte herausgefördert werden, wodurch
das Profil h a k i freigemacht wurde. Zunächst wurden mit-
tels Schiebekarren die niedrigen Auslaufe der Zuschüttnng
entfernt und wurde beiderseitig eine steile Ladewand gebil-
det, um das L'eberladen in grosse offene Güterwagen bewir-
ken zu können, welche letztere aus Sevran resp. fe Bourget-
Drancy beschafft und theilwtise auf Landwegen nach der an- i
deren Einschnittsseitc transportirt wurden. Ein grosser T/heil
der Blöcke musste erst durch Schiessen zerkleinert werden.
Während die Arbeit auf der einen Seite durch die Vor-
arbeiter und Pioniere der Sektion ausgeführt wurde, welche
für die ganze I/Mstung wiederum zu schwach gewesen wäre,
wurden für den andern Angriffspunkt (iO französische Zivil-
arbeiter requirirt, jedoch so, dass die Stadt Villers-CottereU
die letzteren mit allem Arbeitsgerät!) zu stellen hatte und
dafür einen billigen Tagelohn pro Mann baar empfing und
selbst auszahlte. In Folge dieses Verfahrens zeigte sich von
französischer Seite eine Bereitwilligkeit und ein Fleiss zur
Arbeit, welche bei dem einfachen Kontributions-Verfahren
nicht zu erwarten gewesen wären und die bei der kurzen
Zeitdauer nicht bedeutenden Kosten durch Beschleunigung
der Vollendung aufwogen.
Gegen Ende Oktober waren beide Geleise fuhrbar her-
gestellt, und konnte die im Betrieb befindliche Zwischen-
strecke nunmehr bis an den erwähnten Arbeitspunkt der
z\ Sektion, Vierzv, ausgedehnt werden. Nach einiger Zeit
war auch diese Tunnelarbeit Wendet und die Verbindung
von der Zernimng Paris bis S<>issous zum Anschlüsse an
die Linie nach Reims und Frouard bis zur deutschen Grenze
hergestellt. Die vorbeschriebenen Arbeiten an den beiden
Viadukten und dem Einschnitte wurden durch die Sektion 1
der Feld-Eisenbahn-Abtheilung IV ausgeführt, unter spezieller
Bauleitung der Herrn Baumeister vou Niederstetter und
Ingenieur Pfeiff. während Herr Bauführer Roeholl ala
Ober-Materialien- Verwalter fungirte.
Saarbrücken. Vieregge.
Vrrbmerte» Scharnier für eiserne Brücken,
D.is bisher bei eisernen Brücken zur Anwendung gekom-
mene Bohouscharnier hat hauptsächlich den Narhtheil, das* der
Druck auf die Quadrateinheit des Bolzens ein sehr beträcht-
licher ist. In Folge da\on nutzen sich die Scharniertheile hei
den durch die Ik-iastuug de,' Brücke oder durch Tcrupcratur-
wrchsel erzeugten Bewegungen stark ab und es tritt mit der
Zeit ciu Kiufresscn des Scharnicrlwdzeus ein. Dieser Uebelstand
zeigte sich vor einigen Jahren Leim Crunilin-Yiadukt so merk-
lich, dass man sich veranlasst sah das ganze Bauwerk in Re-
paratur zu nehmen und die Bleche um das Bolzeuloch herum
durch aufgeßb-telc Platten zu verstärken.
Wirksanier ah das eben angeführte Mittel, um den Druck
auf die Quadrateinheit im Scharnier herabzuziehen, ist es, an-
statt eines Scharuierbolzens dereu mehre anzuwenden. Die
Mittelpunkte der einzelnen Bolzen mfl sen dann auf konzentri-
schen Kreisen liegen, damit eiuo Kreisbeweguug im Scharnier
möglich wird, und müssen die Bolzcnlöcber auf beiden Seiten
den erforderlichen Spielraum gewähren. Zur sicheren Führung
ist noch im Mittelpuukte der konzentrischen Kreise ein kräfti-
ger Zeutrirungsbolzeu anzubringen.
Die spezielle Einrichtung eines solchen Scharniere» für den
Scheitel einer Bogenbrücke zeigt Fig. 1 in der Ansicht, Fig. 9
im llnrizoutalschnitt, und ist hierbei angenommen, dass der
Querschnitt des Hauptfragen* in der Nähe des Scheitels aus
eiuer mit 4 Wiukeleiseu annirtcu Blech wand besteht. Wie aus
Fig. 1 zu erflehen, ist die Blechwaud R der Bogeuhälfte rechts
Rrbeskiiica ans dem Orient.
VII.
Ein weiterer Zielpunkt unserer Reise war Bcreama, das
alte Pergnmuro, nördlich von Smyrna in der roysischen Landschaft
Tcuthranieu. Schon si-it Jahren hatte mich dieser Ort weniger
durch die zahlreichen Keste klassischer Baukunst als durch die
Grossartigkcit und Eigentbümüchkcit einer altehristlichen Ruine
angezogen und beschäftigt. Ungeachtet die ältere Publikation
von Choiseul-Gouffier durch Testier** und Arundell's Mitthei-
lungen vervollständigt worden war, blieben wesentliche Punkte
mir stets fraglich und konnten nur durch Autopsie endgültig
erledigt werden. Dazu kam nun während meines ersten Aufent-
haltes in Smyrna (Frühjahr K^TÜ) die ebenso unerwartete als
hocherfreuliche Entdeckung, dass ein Landsmann und Faeh-
Seuossc, ciu früherer Studirender der kgl. Bau-Akademie. Herr
ucjami aus Essen, seit mehren Jahren seinen dauernden Wohn-
sitz in Perganium genommen hat. Seine Bekanntschaft hatte
ich in Müller's Hotel zu Smyrna, woselbst er abzusteigen pflegt,
wenn Geschäfte ihu nach der Hauptstadt rufen . gemacht oder
vielmehr erneuert und war von ihm in liebenswürdigster Weise
zu einem mehrtägigen Besuche nach Keinem Wohnsitze einge-
laden worden- Meine für Konstantüiopol in Aussicht genom-
menen Arbeiten — Untersuchung der Hauptmoscheen auf
Struktur, Beleuchtung und Akustik — hatten mich damals ver-
hindert, diese willkommene Einladung anzunehmen. Diesmal
durfte die günstige Gelegenheit um so weniger unbenutzt bleiben,
als auch Freund G. mit seinen Begleitern in gleich entgegen-
kommender Weise von Humann nach Pergamum eingeladen
worden war und gern und freudig zugesagt hatte.
Bei der Kürze der uns zugemessenen Zeit waren nur zwei
Punkte schwierig zu erledigen; einerseits die Zerlegung unserer
Reisegesellschaft in zwei Abthciluujcn, um parallel und daher
doppelt arbeiten zu können, und andererseits die Ermittelung
einer möglichst raschen Hin- und Rückreise. Ueber den ersten
Punkt einigten wir uns bald- Die Herren Major R. und Dr. II.
brachten uns oder vielmehr den wissenschaftlichen Zwecken
unserer Studienreise das nicht geringe Opfer, in Smyrna zurück-
zubleiben, um in mehrtägiger heisser Arbeit die begonuene
Aufnahme von Alt-Smyrua " zu vollenden. Da auch Prof. St.
bereits nach AUicti abgereist wa<-, so blieben nur Freund C,
Dr. G. und ich für den Ausflug nach Pergamum verwendbar.
Ungleich grössere Schwierigkeit bereitete die Frage der Hinreise,
denn für die Rückreise zu sorgen hatte Freund Humann ver-
sprochen. Man kann entweder mit der Kassabah-Eisenbabn bis
Mcnitncn fahren, dort Pferde nehmen und iu eiuem scharfen
zweistündigen Kitte Pergamum erreichen, oder ein Datupftioot
wählen, welches Aiwalü, den festländischen Hafenort gegenüber
von Lesbos berührt, um von dort aus zu Pferde in acht bis
neun Stunden nach Pergamum zu gelangen. Da aber diu Schiffe,
welche Aiwalü anlaufeu, nur alle vierzehn Tage füllig sind,
bleibt es rathsamer, mit einem der grossen Stautbul -Dampfer
bis Mytilene zu fahren, dort eine Kuderbarke, bei günstigem
Winde ein Segelboot zu miethen und quer über den Golf nach
Dikcli zu fahren. Von diesem kleinen, aber lebhaft aufblühen-
den Handelsplätze aus bedarf es dann nur eines fünf- bis sechs-
stündigen Kittes his Pergamum. So praktisch, weil fast jeden
Tag realisirbar. die letztgenannte Knute ist, so bedenklich ist der
Umstand der Ueberfahrt im Golfe, weil bei stürmischem Wetter,
selbst bei nur konträrem Winde diese Fahrt sechs, ja zehn und
zwölf Stunden dauern und deshalb bei jähem Tetuperuturwechyel
ein starkes klimatisches Fieber hervorrufen kann. F'reund H.
hatte sehr bittere Erfahrungen in dieser Beziehung gemacht uud
uns deshalb vor jener Route gewarnt
Da für uns alles darauf ankam, Zeit zu sparen, so hatte
zuletzt die genaue Lokalkenntniss uu«eies stets treu lür unsere
Wunsche sorgenden Konsuls Dr. Lürssen noch eine vierte Art
der Beförderung entdeckt, welche alle Schwierigkeiten zu heben
versprach. Seit einem Jahre war ein aus England verschriebener
und trotz seiner Kleinheit glücklich angekommener Küsten-
dampfer .Sokrates" für Syrische Handelshäuser in Snivrna thätig,
um die kleineren aber für die Ausfuhr von Südfrüchten beson-
ders wichtigen Küstenpunkte, wie Vurla, Aiwalü, Üikeli etc.
anzulaufen und die dort genommenen Ladungen nach Smyrna
oder Mytilene zu trausportiren. Diese Nusschaale von einem
Dampfer war eben wieder in vollster Thätigkeit, weil die Frucht-
Ernte, und diesmal eine in Feigen und Rosinen überaus gesegnete,
bereits begonnen hatte. Den Sokrates für uusere Zwecke zu
beuutzen, schlug Dr. L. vor und wir zögerten nicht bereitwilligst
darauf einzugehen. Mit den Besitzern kam bald ein Vertrag zu
Staude, in welchem sie sich, — allerdings gegen eiuen enormen
Preis, der wahrscheinlich die Gesammtuukosten der ganzen F'uhrt
deckte — verpflichteten, uns drei in einer Nacht nach Dikeli
zu schaffen. F'reund H. wurde noch schleunigst telegraphisch
von unserer Reiseroute benachrichtigt und um pünktliches
Erscheinen mit Pferden und Dienern am nächsten Morgen
gebeten. —
Digitized by Google
— 59 —
vom Scheitel mit 2 Laschen .4 B C D verschraubt, welche die
Träger für die Führungsbolzen b, b etc. und den Zentrirungs-
bolzeu a bilden. Die genannten Bolzen lieeen in diesen Laschen
fest an und sind als Schraubcnbolzeu konstruirt, um dieselben
Fl«, i.
Punkte des Hauptträgers, in welchen das Biegungsmoment bei
voller Belastung der Brücke den Werth Null hat, so verhalt
sich derselbe für diesen Bclastungszustaud ebenso wie ein kon-
tinuirlicher Träger ohne Gelenke. Betrachten wir im Kolgen-
dun einen derartigen Träger, welcher über drei "
Fig. i.
4 I -l,--»t, f I-
fl B E FC
Fig. J. Iloiftoncalfrclitntt nich x—f.
KMMQI
gehOri« gegen einander anziehen zu konneu. Der mittlere
Tbeil der Kölzen ist prismatisch, ähnlich dem Stein einer Ku-
lisse gebildet , um die Pressung pro Quadrateinheit berabzu-
ziehou. Zwischen die Laschen legt sich das Blech AI l) G F A
L, welches mit innglichen Löchern nebenstehender
Vjk) Form für die Fühmngsbolzeu versehen und mit der
ft9 Blcchwaud Q des Hauptträgers verlascht ist Es
versteht sich, das« diesem Bleclio eine möglichst
grosse Starke zu geben ist, um diu Anzahl der Füh-
rungsbolzen zu beschränken. In Betreff der Anordnung letz-
terer ist zu bemerken, dass dieselben bei einseitiger und
totaler Belastung der Brücke die Scheiteldrücke A' resp. //
zu übertragen haben und daher ausser den Bolzen b, b
etc. noch die mit b t bezeichneten nöthig sind. Findet in der
Richtung des Druckes keine Veränderung statt, so 'sind die
Bolzen in einem Kreisausschnitt anzuordnen, dessen Mittellinie
mit der Druckrichtung zusammenfällt uud dessen Zcntriwiukel
60 Grad nicht überschreitet. Einen noch grosseren Zentri-
winkel zu nehmen ist unzweckmässig, indem dann die Druck-
vertlu-ilung auf die einzelnen Bolzen eine zu ungleichmässige
wird.
Der eben erwähnte Fall der unveränderlichen Druckrieh-
tung tritt bei Scharnieren ein, welche in koutinuirlichen Fach-
werk- oder Blechträgern angeordnet werden, um die Spannungen '
der Konstruktionstheile unabhängig von der Höhenlage der Auf- 1
lagerpunktc zu machen. Legt mau diese Charuiere in die
Stützweite / geht und welcher in der Mittolöffnung mit 2 !
uieren in den oben genannten Punkten versehen ist.
Ist /, der Abstand der Nullpunkte des Bicgungsmomentea von
den Mittelstützcn (bei totaler Belastung aller drei Ocff-
nungen),
/, die Länge des in die Mittolöffnung einzuschaltenden Trä-
gers,
p t das auf denselben kommende Eigengewicht der Brücke
pro Längeneinheit,
p das entsprechende Eigengewicht für den Träger der Stütz-
weite / pro Längeneinheit,
g die auf jeden Träger reduzirtc mobile Last pro Längen-
einheit,
so ergiebt sich für den Maximaldruck auf jedes Scharnier
P=(Pt+9)~2 oder, da /, = / - 2/. = / - 2 . 0,276 /
/. ss 0,448 /
P = 0,224 (p, + 9)1 (1)
Hat nun das Mittelblech die Stärke <f, ist ferner n die er-
forderliche 'Anzahl der Führungsbnlzen, d der Durchmesser der
letzteren, 9 der Durchmesser des Zentrirungsbolzena und s die
im Scharnier zulässige Druckspannung pro Quadrateinheit, so
folgt für h (annähernd)
n.3.d.i-\-i9.t = P, also
P ■
* = 77d—*- d < 2 >
Hinsichtlich der im Scharnier bei Belastung der Brücke
eintretenden Bewegungen ist zu] beichten , dass sich dasselbe
am weitesten öffnet, wenn nur die
mit mobiler Last bedeckt ist.
Nennt man ? t den Winkel, um welchen sich das Balkcn-
. I* 4.) i
AB mit mobiler Last dreht und je,
in Folge der Belastung der Oeffuung
eht und je, den entsprechenden Dreh-
ungswinkel des Trägers £ F um F, so öffnet sich das Schar-
nier um den Winkel:
• = fi + fi mithin (3)
f>, -Man y,
" ~ 1 - tan * • tan f
tan oi = tan p, + tan j?,
, oder weil und p, sehr klein:
(4)
Am 26. September fuhren wir Nachmittags, in üblicher
Weise von Freunden und Laudsleutcn bis zum Schiffe begleitet,
an Bord. Die überaus biedere Erscheinung des Kapitains. eines i
Engländers aus Cambridge, Hörste uns sogleich Vertrauen ein,
denn über die Solidität des .Sokrates selbst waren dunkle
Gerüchte in Smyrna verbreitet. Noch mehr beruhigte uns die
Anwesenheit der beiden Uhedcr und zweier von ihnen eingela-
denen griechischen Freuudo. Alle vier wollten diese selten
günstige Gelegenheit benutzen, um nach einer zu verplaudern-
den Nachtfahrt Tags darauf in der Umgehend von Dikeli zu
jagen, bis der nach AiwalU weitergehende Sokrates wieder zu-
rücksekommen sein würde. An Nachtruhe war also bei der
wohlbekannten Schwatzhaftigkeit Jung-Griechenland» nicht mehr
lu denken. Dafür benahm uns das herrliche Wetter uud der
sanfte Gang des kleinen SchraubenRchiffchens die stille Sorge,
zehn bis zwölf Stunden lau» auf deu Wogen des üolischen
Meeres gerollt, ja unter Umständen gerettet zu werden. Nach
einem gemeinschaftlichen, sehr fröhlichen Picknick, in welchem
auf Kaiser Wilhelm, Bismarck. Moltke. auf die deutsche Wissen-
schaft, auf hellenische Sprache und klassische Kunst in drei
Sprachen getoastet worden war und einer der Griechen, ein
Kohlenhändler, im Feuer der Begeisterung mich himmelhoch
ersucht hatte, bei dem bevorstehenden Eintreffen des Kanonen-
bootes Delphiu ihm die Kohlculicfcruug verschaffen zu wollen,
legten wir von dem dreisprachigen Wortregen in der engen
Kabine halb bewusstlos gewordeu, uns aif die Polster, während
die Griechen ihre lebhafte Unterhaltung über die im Gange
befindliche Rosinensaison mit ungeschwächten Mitteln auf dem
Decke fortsetzten.
Nach kurzem Halbschlummcr weckte uns die Nachricht
unserer Ankunft in Dikeli. Es war 2 I hr Morgens. Das Meer
lag unheimlich wie ein schwarzer Spiegel ringsum uns , das
Wetter war schwer und dunstig, der Mond stand halbver-
gchleiert, hie und da blitzte eiu Stern, — der Strand war nicht
TO erkennen. Ein elendes Boot setzte uns bald darauf an's Land,
unbekannte Gestalten bemächtigten sich unseres Gepäcks und
führten uns, alle Fragen nach Humann-Effendim unbeachtet
lassend, in einen aus Holz- und I.ehmwänden erbauten H&n.
Zwischen brüllenden im Morgenschluimncr gestörten Katneelcn
und Mauleseln hindurch, eine zerbrechliche Leitertreppc hinauf
ppten v
lutumer
r ein offenes Gemach und dirin uusern nachträglichen
Schlummerplatz verkündigte. Unser biederer Kapitän , der
Gentiemann von Cambridge, hatte seinem Sokrates das Avusscrste
zugcinuthet uud uns in der unerhörten Zeit von kaum 10 Stun-
den nach Dikeli geschafft. Hier wus^to niemand von unserem
Kommen, auch llumann halte uichts von sich hören lassen, daher
der unerwartet stille und dunkle Empfang. Sehr ermüdet streck-
ten wir auf die Polster desDivans und schliefen, trotz der ent-
setzlichen Angriffe der zahlreichen, durch Fasten und Einsam-
keit doppelt blutgierigen Insekten, den Schlaf des Gerechten.
Eiu den Kaffee servirender Hausdiener weckte uns, da dio
Somfe längst aufgegangen war. Zu unseru Füssen lag — nebel-
frei wie immer — der leshischc Golf; das herrliche blaue Meer
blickte holdselig wie ein liebes Miidcher.auge zu uns empor, die
stolzgipflige Insel winkte dämmernd von ferne herülier, wir
eilten rasch ins Freie. Das bunte Leben am Strande, — kom-
mende und gehende Kanioelhcerden, ausladende Küstenschiffc,
hinausgehende Fischerbarkou, badende Kinder, — alles dies —
so oft gesehen, fesselte doch auf* Neue uud bot reichen Stoff
zur Unterhaltung. Vor sechs Jahren standen in Dikeli drei
Hütten, jetzt sind über 100 Häuser erltaut, Mühlen errichtet,
Gärten angelegt, — kurz, das Aufstci-cn einer rührigen Bc-
völkcrung ist unverkennbar. In althellenischcr Zeit wird es
kaum anders auslöschen haben; das rasche Aufblühen der
ionischen Handels Einporien muss in ganz ähnlicher Weise er-
folgt seiu.
Und dennoch verging uns der Vormittag trotz eines See-
bades, trotz mehrfachen Besuches einer bescheidenen Kaffee-
hütte am Strande sehr langsam. Der Wunsch, vorwärts zu
kommen, war zu mächtig und doch die Notwendigkeit, unsern
Gastfrcund zu erwarten, zu gebieterisch, um dem Genüsse der
Szenerie, der sonntäglichen Stille, der milden Wärme, die hier
Uber den Wassern schwebt, mit voller Gcniüthäruho sich hin-
zugeben.
Als der Tag weiter vorschritt, erkannten wir dio »Not-
wendigkeit, uns Pferde zu verschaffen. Da eine Poststation am
Orte noch nicht existirt, war dies nicht leicht, doch es glückte.
Freilich waren die uns vorgeführten Gäule wahre Jammerge-
stalten, schmutzig und halbverhungert, eleud gezäumt und mit
harten Holzsättelu versehen, indessen musslen wir sie nehmen.
Zuletzt bestellten wir in einem Xenodochlion, — einer neugrie-
chischen Garküche, — ein bescheidenes, aus Brot, Eiern und
Kaviar, Weintrauben und Melonen bestehende» Mittagsmahl und
fingen au, dasselbe unter dem trüben Drucke der Verhältnisse
langsam zu verzehren, da dröhnte eiliger Hufschttu;, er kam
näher, durch die Staubwolken brachen zwei Reiter, sie sprangen
ob uud traten ein, — es waren der langersehnte Gastfreund aus
Digitized by Google
\ V
V"
In letzter Gleichung lässt sich für tan p, mit
Genauigkeit setzen:
tan y, = -f- tan = g-^ tan ?>, = 0,616 tan Fl ,
für ui
tau 1» = 1,616 tan j». (5)
j.
Die GrOssc von
f, wird bestimmt,
indem man dcnWin-
kp| berechnet, wel-
chen die neutrale
Faser des Balkons
A B E in B mit der
Horizontalen bilden
würde, wenn der-
selbe gewichtslos
wäre und pro Län-
geneinheit die Be-
lastung q hätte.
Bezeichnet nun
(Fig. 5)
M das im Scharnier wirkende Reibungsnioracnt,
R den bei .4 wirkenden Auflagerdruck,
I das mittlere Trägheitsmoment des Tragcrquerschnittes,
£ den Elasüzitätsinodulus,
bat man für einen Querschnitt in der Entfernung x von; .4
»**•
EX
. . — MX
dz'
dahe
fix«
ffx«
•24
(6)
(7)
Für x = 0 ist V = 0, mithin *, — 0;
V = 0. Es erscheint demnach für k,
für x = /
B /• ff /'
6
24
= 0
. _ ff /• Ä /•
*'~ 24 C
Diesen Werth von Ai In Gleichung 6 gesetzt, liefert
F ~dp_Bz> ffx» ff/« B /»
EX di-~% r + 24
Nimmt man bierin * = /, so ist J| = tan y, . folglich
£Ttan,. = ^- ^+^-^
£ S tan 5T, =
Ä /'
3
ir
ff/«
(10)
Da nun V? = — y , so hat tan den Werth:
Für den Winkel •» ergiebt sich demnach die Bestimmung«-
— ='S- C tt- I) <">
Von vorstehenden Gleichungen soll eine Anwendung ge-
:ht werden auf die Trager einer eingeleisigen Bcbmicdeeiser-
Eisenbahn-Brückc, welche drei Oeffnungen ä 40°» überspannt
Hier ist:
/, = 0,276 . 40 - 11,04« , wofür U = 11» gesetzt wird,
mithin /, =40-2.11= 18» .
ßergama and sein Hausgenosse, Herr Huck aus Berlin, der seit
einigen Jahren als Bauteehniker bei den Strassen- und Brückon-
bauten Humann zur Seite steht. Nun erfuhren wir, dass uuser
Telegramm nicht sofort am Abend, sondern offenbar erst am
nächsten Tage befordert worden war und wegen des mangelnden
Datums und der statt dessen gewählten unsicheren Formel
„morgen* Freund II. veranlasst hatte, mit grosser Seelenruhe
erst seine Strecke zu besichtigen und danu laugsam nach Dikeli
zu reiten, da unsere Ankunft erst 24 Stunden später erwartet
werden konnte. Zum guten Glücke für uns seien ihm aber Vor-
mittags ein Paar Einwohner von Dikeli begegnet, welche ihm
auf Anfrage l>erichtet, dass der unvermuthet in der Nacht an-
gekommene Sokratea drei Franken an's Land gesetzt habe,
welche nach liergama wollten. Darauf Sei er mit seinem Be-
gleiter mit verhängten Zügeln hereiiigcsurengt , die ebenfalls
allarmirteu Diener mit den Pferden und einem Gepäckwagen
würden in wenigen Stunden eintreffen. Wie dieses unerwartete
Zusammentreffen unsere gedrückte Stimmung mit einem Schlage '
verbesserte, wie gern wir dem Pferdeverleiher ein Reugeld zahl-
ten, wie unser frugales Mittagsmahl iu zweiter unverbesserter
Auflage erschien, dann in eine Kaffeesitzung mit Tschibuck- und i
Nargileh-Pfeifeu sich verwandelte, bis die angekommenen Pferde,
ohne ausruhen zu dürfen, wieder marschfertig gemacht wordeu
waren, — alles dies bedarf keiner Skizzirung , es versteht sich
von selbst.
Trotz der gewaltigen Hittagshitze brachen wir um 2 L'hr I
auf und ritten wieder in einer Kalvakadn von sieben Heitern, 1
den zweirädrigen Karren mit dem Gepäck weit hinter uns las- j
send, den flach geneigten l'ferahhang hinauf. Bald traten wir j
zwischen unbewaldeten Hügeln in die Cai'cus- Ebene pin und
hatten in kurzer Zeit Gelegenheit, die von II. erbaute und ihrer
letzten Vollendung entgegengehende Kunst«trasse zu bewundern.
Es ist eine breite, stattliche, von Kirkagatsch oberhalb Bergama
bis nach Aiwalü reichende und mit einem Zweige nach Dikeli
mündende, normaltnässig erbaute Anlage von etwa 12 Meilen
Länge. Auf der von uns berittenen Strecke im Thale des Ca'i-
cus sind keine besonderen Torrainsrhwierigkciten vorhanden,
doch sollen dieselben nach Kirkagatsch zu sich vorfinden und j
steigern. Der Verkehr war sparsam, einige Karawanen begeg- |
neten uns freilich und zwangen häufig zum Ausweichen in die
auch hier vorhandenen Keuschlammbecken, selbst ein von Büf-
feln gezogener Karren lenkte durch das für Kleinasien seltene
Rädorkaarren unsere Aufmerksamkeit auf sich. In einem trans-
portablen Bretterhause, welches der Kawass bewohnt, wurde
ein kurzer Halt gemacht, um die Inschrift eines in der Nähe
gefundenen romischen Meilensteines zu kopiren. Die Hügelreihen
rückten allniählig immer näher heran, auf einem derselben
rechts von der Strasse wurden Kuinenreste sichtbar, aber die
untergehende Sonne mahnte iura forcirten Marsche und so blieb
dieser wie manch anderer Punkt unbesehen. Nun ging der
Mond in seltenster Schönheit auf, gross und kupferrot!) durch
die steigenden Abendnebel hindurchscheinend, er gestattete uns,
um rascher vorwärts zu kommen, Streckwege durch Binsen zu
reiten. Doch der Abend rückte schnell vor, der Weg zog sich
endlos und gewunden durch die sumpfiger werdende Ebene, endlich
blitzten hinter dunklen Bäumen Lichter auf, ein gewaltiger
Grabhügel trat fast bis an die Strasse heran, andere weiter
zurückliegende verbargen sich im milden Schimmer des Mondes,
die niedrigen Mauern und hohen Cypressen eines türkischen
Todtenplatzes begleiteten uns, bis der klirrende Hufschlag die
gepflasterte Strasse und die mit fensterlosen Lehmhäusern ein-
gefasstc Vorstadt verkündete. Es folgten mattbeleuchtetc , mit
offenen Läden besetzte Strassen, ein kleiner, von Kaffeehäusern
uud Garküchen umringter Marktplatz zeigte auch Menschen,
doch betrachteten die noch zahlreich versammelten Rauch- und
Kaffeegäste unseren langen Zug mit würdigem orientalischen
Pflegrua. Dann wurde es plötzlich wieder dunkel. Als die
Strasse bergaufwärts stieg und die Pferde auf dem schlechten
Pflaster unaufhörlich stolperten und glitten, wurde Absitzen
kommandirt, — ich höre noch das weitschallendc deutsche
Kommandowort, — die Pferde wurden kurz am Zügel genom-
men und in die schrittweise wachsende Dunkelheit der durch
vortretende Dächer und llolzerker fast ganz überbauten Strasse
hineinmarschirt. Ein leise rieseludes Wässerchen zu unseren
Füssen mitten in der Strasse, über uns ein schmaler aberstern-
funkelnder llimmelsstreif, rechts und links schwarzgraue schief-
stehende Holzhäuser, und plötzlich beim Einbiegen in eine enge
Sackgasse ein offener Thorweg, dahinter der Hof mit dem zwei-
geschossigen altanbedeckten Hause, dessen weit geöffnete Thür
unter dem hellen Scheine einer Petrolcumhängclampc eine wohl-
besetzte Tafel erkennen lässt. F'rau Huck empfängt uns mit
einem herzlichen Willkommen. Wir sind mitten in Kleiu-Asien
bei lieben Landsleuten iu eiuem deutschen Daheim!
(Fort.ctimiK Mft.)
Digitized by Google
— 61
£isenbahn-£erstörungen auf der FRANZÖSISCHEN J^Iordbahn,
Fl f . 1. YUiakt b.l ■»■(»•II 1» H»*«»aia.
Flf . 1. Ch»vnti-Voierfiikr«i>( b«i Bahnhof M itry-CI»?
Fig. 1. F.U«i»»»kaUt ia
Flg. «.
Setzt I
so ergiebt
i für p = 1000« pro
Px = 790» »
q = 2400» ,
i für den M
■ »
P auf das
Pz= l A (700 + 2400) = 28710»
Nimmt man nun den Durchmesser der FührungBbolzen d = 3"»,
denjenigen des Zentrirungsbolzcos «9 = 7*«, und nietet das Mit-
telblech aus zwei Blechen von 2,5«- zusammen, a<
für die Anzahl n der Bolzen, wenn G0» Druck auf <
Zentimeter kommen sollen, (nach Gleichung 2):
» = S- l =29.«- wofür wir
n = 39 nehmen.
Diese 29 Fübningsbolzen werden in 7 konzentrischen Krei-
sen angeordnet, welche 10«» Abstand von einander haben. Diu
Entfernung der einzelnen Bolzen auf jedem Kreise wird eben-
falls zu 10* m angenommen und der Spielraum zu jeder Seite
eines Führungsbolzen zu 0,5»». Der Anschluss des Mittelbleches,
sowie der beiden Scharnierlaschen an die Endvertikalen der
anstossenden Träger erfolgt durch Schrauben und Winkeleiscu.
Für den Winkel » folgt nach Gleichung 12:
Ifiie . 40 ( 2400 ■ 40»
E.X \ ST~
Digitized by Google
62
Ist der Reibungskoeffizient der Bolzen = 0,4, so beträgt die
• nlreibung 0,4.9.790* _ 2844" (annähernd), und das Rei-
uungsmoment M= % . 0,7 . 2844 = 1327»", mithin
Nehmen wir an, dass das mittlem Trägheitsmoment des
Trägers •/, von dem ist, welches dem Querschnitte des Maximal-
die Tragerhöhe = h und die
T 's
ergiebt sich aus der Gleichung
V*
net; daher
, worin V den Auflagerdruck in .4
4 °\ 3400 - 7110. 11 - 1000
2.3400' ~~ 40
V = 64533k; .V„„ =612427-*
10313829 1 . . %
= M (*bger.)
daher
Für -» folgte also,
angenommen wird
1 =
TT* T
tan ■ — 3307103800
Die Bolzen des konzeotrischen
verschieben sieb hiernach um
70*
für A 6"> und für der Werth
J =
27110
321
0.218 1 », rund _ = 2<°n>. Diese Bewegung er-
10313829
2 h „
TT
s
s
10313829
5400 . J/__
scheint bei dem geringen Druck von ca. G0 k pro Q ,,B als zu-
lässig. Bei den übrigen Bolzen verringert sich
tional dem Drehungsball
erBterc propor-
E. Hacseler, Baumeister.
Mittheilungen aus Vereinen.
Der Verband deutscher Architekten und Ingenieur-
Vereine und der Verein deutscher Ii-g-enienre. Von mehren
Seiten ist an uns die Aufforderung ergangen, nachträglich eiue
Notiz über die Beschlüsse zu bringen, welche der Verein deut-
scher Ingenieure auf seiner am 13. bis IC. September vorigen
Jahres zu Kassel abgehaltenen Hauptversammlung, in Betreff
seines Verhältnisses zu dem damals noch in Aussicht stehenden
Verbände deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine gefasst
hat. Es hat sich nämlich mehrfach die \ersion verbreitet, dass
der Verzicht auf die Gründung eines, alle Zweige der Technik
umfassenden Verbandes und das isolirte Vorgehen der vorzugs-
weise das Bauwesen pflegenden Architekten- und Ingenieur-
Vereine von jener Seite mit einer gewissen Empfindlichkeit
betrachtet werde und das Verhältniss des Ingenieur-Vereins zu
unserem Verbände daher ein nicht allzufreuudliches zu werden
verspreche.
\Vir sind dem gegenüber in der Lage, auf Grund des im
letzterschieneneu Hefte der Zeitschrift des Vereins d. Ing. er-
statteten Berichtes über jene übrigens ausserordentlich schwach
besuchte Hauptversammlung, die Grundlosigkeit dieser Annahme
zu versiehern. Allerdings wurde über die Fragen, ob der Verein
deutscher Ingenieure entweder bei der nach Berlin berufenen I>e-
leeirten- Versammlung der Architekten u. Ingenieur-Vereine oder
selbstständig bei deu einzelnen technischen Vereinen die Grün-
dun« eines I'uiversal-Techniker-Vereins nochmals anregen solle,
weitläufig debattirt, doch sind dieselhen fast einstimmig abge-
lehnt worden und ist den Gründen, welche zur Errichtung
unseres engeren Verbandes geführt haben, volle Gerechtigkeit
wiederfahren. Der Anbahnung eines kollegialischen Einverneh-
mens zwischen beiden Körperschaften, auf welches das Statut
ausdrücklich hin
Ingenieure seinerseits dadurch ei
hat der Verein deutscher
Rechnung getragen,
dass er den Beschluss, seine nächste Hauptversammlung gleich-
zeitig mit der der deutschen Architekten und Ingenieure in
Karlsruhe tagen zu lassen, erneuerte.
Sollte ob des Scheiterns jener weitergehenden Einheits-
Bestrebungen in manchen Gemütern noch ein Missklang zu-
rückgeblieben sein, bo hoffen wir aufrichtig, dass derselbe nicht
lange vorhalten wird. Nicht Abneigung gegen eine engere
Vereinigung der deutschen Bautechniker mit den deutschen
Maschineutechnikern, sondern lediglich die Ueberzeugung, dass
zunächst das dringendere, durch jenes weitere Ziel gefährdete
Bedürfnis, vorliege, jeden der beiden Zweige in sich erstarken
zu lassen, hat auf unserer Seite zur Ablehnung der betreffenden
Projekte geführt, und nicht wenige, die seinerzeit am eifrigsten
für sie gekämpft, haben sich nunmehr dieser Ueberzeugung an-
geschlossen. Dass wir in vielen , ja in den meisten Beziehungen
zusammengehören, ist uubestritteu ; wir werden unsere gemein-
samen Ziele, aber auch jene Form einer äusserlicheu Einheit
erreichen können, wenn nur die Seele solcher Einheit, die
Eintracht vorhanden ist.
Oatprouastflcher Inganlenr - nnd Architekten - Verein.
Monatsversammlung am 1. Februar er. Anwesend 19 Mitglieder
und 4 Gäste.
Der Vorsitzende Hr. Herzbruch gedenkt in kurzer Rede
mit ehrenden Worten des durch den Tod so plötzlich dahin ge-
schiedenen Kollegen, Eisenbahn-Betriebsinspektor Rosenkranz
(Königsberg), welcher das Schatzmeister- Amt des Vereins ver
hatte, und theilt mit,
Ladc-
manu einstweilen dieses Amt als Stellvertreter übernommen
habe. Für die Jahrcsrechnuug werden als Revisoren gewählt
die Herren Kuckuk und Wienert.
Hr. Kloth (Königsberg) legt hierauf eine patentirte sogen,
amerikanische Luth- und Neigvings- Waage vor, welche derselbe
aus Köln für 4 Thlr. bezogen hat. Die Konstruktion findet Bei-
fall und wird das Instrument für generelle Projektimngsarbeiten
etc- für zweckmässig erachtet. Ebenso bringt darauf der Vor-
sitzende eine Zeichnung des in voriger Versammlung beschrie-
benen Hamburger Dampfboots Eisbrecher No. 1 zur Ansicht
Hr. Tackmann (Königsberg) referirt über die Berathuugen
der Kommission, betreffend Feststellung der Grundzuge zur Be-
rechnung des Honorars für Arbeiten aus dem Bau - Ingenieur-
Wesen, und bringt verschiedene Veränderungen in Betreff der "
Klassifikation der Arbeiten in Vorschlag. Es wurde beschlossen,
die Kommission zur schriftlichen Berichterstattung binnen drei
Wochen aufzufordern, dann diesen Bericht durch Abklatsch ver-
vielfältigt, jedem Mitgliede mitzutheilen und in nächster Ver-
samuilunn darüber zu diskutiren und zu beschliessen.
Hr. Tackmann referirt sodann über eine, durch einen nicht
sachverständiircn Architekten ausgeführte und eiserne Träger
enthaltende Deckeukonstruktion in dem für das Kloster zu
Breunsberg im vorigen Jahre erbauten Seminar-Gebäude, welche
in Fü!«e der Verwendung zu schwacher Eisendimensionen be-
reits Gefahr des Einsturzes ankündigende Formveränderungen
angenommen hat, und bespricht die Fehler dieses Baues.
Zum SchluKS entspinnt sich eine sehr lebhafte Diskussion
über die Frage, ob durch spezielle nnd eingehende Versuche
festgestellt sei, dass Raddampfer beim Befahren von Flüssen
und Kanälen durch den von ihnen erzeugten Wellenschlag den
Ufern mehr schaden als Schraubendampfer. Es wird diese Er-
fahrung allgemein bestätigt.
Hiermit ward die Sitzung um 10 Uhr geschlossen. Ein ge-
meinschaftliches Nachtessen vereinte einen grossen Theil der
Kolloucn iu heiterster Stimmung noch bis zum Abgang des Ei-
senbalmzuges und der Gäste aus Bromberg.
Nächste Monats- Versammlung am Donnerstag,
den 7. März er. _______
Arohltekten-Vereln zu Berlin. Versammlung am 17. Fe-
bruar 1872: Vorsitzender Hr. Quassowski; anwesend 130 Mit-
glieder und 5 Gäste.
Der Versammlung, welche nach langem Interregnum zum
ersten Male wieder von dem ersten Vorsitzenden eröffnet wurde,
lagen zunächst einige geschäftliche Mitteilungen vor, aus wel-
chen hervorzuheben, dass neuerdings auch die Stadt Cottbus
sich an den Verein um die Beschaffung des Entwurfes zu einem
Siegesdeukmal gewandt hat. Die statutengemäße öffentliche
Ausstellung der Schinkelkonkurrenzarbeiteu wird vom 23. bis
29. Februar im Vereinslokalc stattfinden.
Von dem Inhalte des von Hrn. Adler gehaltenen Vortrages
über die mittelalterlichen Bauten von Jerusalem, über die von
Deutschland veranlassten Ausgrabungen auf dem, früher dem
Johanniterorden gehörigen Terrain in der Nähe der h. GrabeB-
kirche, sowie über den dort beabsichtigten Neubau werden unsere
Leser, wie schon in vor. Nr. gesagt, iu anderer Weise Kenntniss
I erhalten. Den Schiusa der Sitzung bildete die Beantwortung
einiger Fragen durch die Hirn. Franzius, Hurt wich, Röder
und Schwcdlcr.
Vermischtes.
Ueber Unterricht im Freihandzeichnen. Ein Besuch des
Gewerbe-Museums zu Berlin und die Besichtigung der daselbst
befindlichen Zeichen-Vorlagen und ausgestellten Schüler-Arbeiten
gab den Anlass im Laufe des verflossenen Jahres dem Unter-
richt im Freihandzeichnen an der Gewerbeschule zu Donzig
Theil einzufügen:
Aus
der Gesammtzahl werden Gruppen von 8 bis 10 Schülern
zusammengenommen und mit einer und derselben Wandtafel
beschäftigt, während die Uebrigen in der bisherigen Weise bei
ihren Einzclvorlasen bleiben, bis sie selbst an die Reihe kommen.
Die Wandtafeln sind wie im Gewerbe-Museum auf *
in grossem Maasstab, als aussefuhrte Umris»
tile geschieht
zeichnet. Die Fixirung der K
von Gelatine -Lösung mit dem
ur. Die
Digitized by Google
63 -
auf den Wandtafeln wird in den Unterrichtsstunden selbst von
den bessern Schülern meist nach Bötticber'schen Vorlagen aus-
geführt und erhält vom Lehrer nur die letzte Vollendung.
Es stellte sich nuu die Handhabung der so erzielten Vor-
bilder iu folgender Weise heraus. Der Leber giebt die von der
Schülergruppe festzuhaltende Hauptdiuiension der darzustellen-
den Figur an. lässt darauf von einem der Srhüler an der
schwarzen Tafel mit Kreide die Art und Weise des Entwurfs
andeuten und nimmt schliesslich das Wort zu etwaigen Berich-
tigungen uder Ergänzungen. In der besprochenen Weise zeichnen
jetzt die Schüb-r von ihren Plätzen aus uud gebeu sodann ihre
mit Namen und Zeitangabe versehenen Arbeiten ab, welche zu-
letzt gemeinschaftlicher Beurtheilung unterworfen werden) In
diese gewissermaasseu öffentliche Zensur kann denn auch ein
wesentliches Moment des Unterrichts hinein gelegt werden. Der
gleiche Maasstab und die beschrankte Zahl innerhalb der Gruppe
ergaben sieb als äusserliche Bedingungen der gemeinschaftlichen
Besprechung.
Bei Einführung dieses Verfahrens war es das nächste Ziel
gewesen, die Auffassung der Formen und Uebung im Entwerfen
wo möglich mehr als bisher zu befördern. Sodann galt es
Wetteiter zu erwecken durch Einführung eiuer Konkurrenz.
Endlich sollte der mündliche Vortrag in diesen l'uterrichtszweig
eingeführt werden, der, bei dem gegebenen Ausschluss einer
•peziellcn Formenlehre, dieses belebenden Mittels bisher ent-
behren musste.
Wird nun auf diesem Wege der gewüuschte grössere Erfolg
erzielt, so bleibt er dem Gewerbemuseum*) zu verdauketi.
Danzig, im Februar IH72. E. Bobrik.
Ueber das Thonmaterial zu den Verhlendsteinen und
Terrakotten der Bauakademie zn Berlin haben wir im
Fragekasten von No. 5 u. Hl. eine irrige Miitheilung gegeben.
Der in den Jahren 1832 bis 36 unter Schinkel und Schmidt
mit der unmittelbaren Ausführung des Baues beauftragte Tech-
niker, unter den dabei thätigeu Beamten der einzige Uebcr-
lebcnde. sendet uns folgende Berichtigung, die von denen, «eiche
sich für die vaterländische Thonwaaren-ludustrie spezieller iuter-
essiren, wohl um so dankbarer aufgenommen werden wird, als
der Kaiig. welchen jene Fabrikate nicht allein absolut, sondern
namentlich in ihrer Zeit einnehmen, ein so hoher ist, dass ein«
völlige Klärung des Sachverhältuisses in der That wünschens-
wert!* war.
.Das Material, aus dem die gerammte äussere Verblendung
des Bauakademie-Gebäudes gebildet ist, besteht zur Hälfte aus
Kathenower Thon (aus Schlagenthin bei Rathenow), zur Hälfte
aus Thonerde, die den bei Stolpe an der Havel befindlichen
Ablagerungen entnommen ist. In Stolpe befand sich die Zie-
gelei des Lieferanten Wenzel, aus der alle Verbleud- und Ge-
sims-Steine der äusseren Fronten, nebst allen Oruameuten der-
selben hervorgegangen sind. Der während der Bau-Ausführuug
erfolgte Umzug des Wenzel nach Königs- Wusterhausen, wo er
eine neue Ziegelei gründete, hat in dieser Beziehung nichts ge-
ändert, da Wenzel die unfertigen Stücke nach der neuen Be-
triebsstätte mitnahm, den ferneren Betrieb aber mit den näm-
lichen Rohstoffen fortsetzte. Dagegen sind alle mit figürlichen
Darstellungen versehenen Reliefs aus der Töpferei von Cornelius
Gormaun, damals iu der Laufgasse hierselbst, hervorgegangen.
Sie waren zwar ursprünglich vun der Feilner' sehen Fabrik ülwr-
nommen, die jedoch ihr Engagement im Laufe der dazu getrof-
fenen Einleitungen zurückzog,-
Für die nächste Bansaison in Berlin dürfte, wie uns
mitgetheilt wird, neben den eventuellen Arbeitseinstellungen und
dem voraussichtlichen Mangel an Mauersteinen uoch ein anderer
Umstand verh&nguissvoll werden — der Mangel an dem üblichen
Fandamentirungs-Material, den Rüdersdorfer Kalksteinen. Ganz
abgesehen davon, dass die Produktion der Brüche mit den zu
erbebenden Ansprüchen schwerlich im Verhältnis» stehen wird,
steht für den gesammten Privatbau die Unmöglichkeit, das
Material rechtzeitig herbeizuschaffen, in Aussicht, da ab-
weichend von dem bisherigen Usus neuerdings verfügt worden
ist, dass diejenigen Schiffe, welche für den Fiskus und die
Kommune Berlin einladen, in deu Brüchen vor allen anderen
ausser der Reihe bevorzugt werden sollen. Vielleicht, dass gegen
eine solche die Privaten wohl nicht unwesentlich beeinträchtigende
Maassregel, die dem Prinzipc der Stoatsindustrie nicht eben neue
treuude erwerben dürfte, noch rechtzeitig Einsprache erhoben
werden kann.
Der Neubau des Polytechnikums in Dresden wird, nach-
dem die zweite Kummer des sächsischen Landtages am 2S*. Ja-
nuar, die erste am 17. Februar die erforderlichen Geldmittel
einstimmig ohne Debatte bewilligt hat. in diesem Frühjahr be-
ginnen. Wir hoffen über den umfangreichen, auf 400000 Thlr.
veranschlagten Bau, dessen Pläne von dem Lehrer der Archi-
tektur am Polytechnikum, Professor Rudolph Hevn herrühren,
später Ausführlicheres mittheilcn zu können. Die Hauplfront
von 96« Länge kommt an den Bismarckplatz und ist der Stadt
zugekehrt, die eine der beiden, je 61» langen Seitenfronten au
die
taal.
um Elnfuhran- diner I^htnilhod« milinf ■
ttu.i, Kfl.rh.j ■■><! MiMm KMkfolger
Die Organisation des Bauwesens In dem Reichs-
Slsass-Loturingen hat in Betreff der Wasserbauver-
waltung nunmehr die erwartete Aeuderung erfahren. Zur Leitung
uud Ausführung der Strom- und Kaualbauten, deren unmittel-
bare Leitung dem Oberpräsidenten übertragen ist, wird dem-
selben eiu Bauverständiger beigegeben, welcher deu Amts-
charakter - Wasserbaudirektor* führt und welchem die erforder-
liche Anzahl von Hülfsarbeitern zur Seite steht (Ob die Wahl
einer bestimmten Persönlichkeit schon erfolgte, ist uns nicht
bekannt) Für die örtliche Kontrolle und Ausführung werden
Bezirke gebildet, deren Abgrenzung dem Oberpräsideuten zusteht
und dereu je einer einem Bczirksiugcnieuer übertragen wird.
Die Regulirung des Hochbau- uud Wegewesens sowie des Ge-
meinde-Bauwesens bleibt vorbehalten.
Aus der Fachliteratur.
und
Zeitschrift des Hannoverschen Axohitekten-
genieur- Vereins. Jahrgang 1871.
A. Aus dem Gebiete des Ingenieurwesens.
1) Die Gotthardbahn, vom Eisenbahn- Bau- Inspektor
Klose zu Münster. Ein Resunie aus dem im Jahre 186i> erschie-
nenen Werke des Komites für den Bau der Gotthardbahu, wel-
ches bereits in Nr. 20 Jhrg. lsua d. Deutsch. Bauztg. besprochen
worden ist.
2) Konstruktion der Weichen und Geleise-Kreu-
zungen auf der Köln-Mindener Eisenbahn, von Ludwig
Abreseh, Baumeister zu Köln. Der Bau der Strecke Veulo-
Hamburg hat im Jahre 1868 Veranlassung gegeben ein neues,
mit allen durch die Erfahrung als wünscheuswerth erkaunteu
Verbesserungen ausgerüstetes Weichen - System aufzustellen,
welches zunächst auf dieser Strecke, durch Auswechseln der
alten Weichen allmälig aber auf allen Strecken der K.-M.Bahn ein-
geführt werden sollte. Der Verfasser entwickelt zunächst das
Programm der neuen Konstruktion. 1) Möglichst schlanke Kur-
ven bei möglichst geringer Länge der Weichen. 2) Gleiche
Länge der Zungen. 3) Durchführung der Schienen-Neigung in
der ganzen Weiche, also auch im Herzstücke. 4) Solide und
zweckmässige Unterstützung uud Lagerung der Zungenwurzel.
5) Ermöglichung eines leichten Auswechseins aller Konstruktions-
iheile der Weichen und Gclcisekrcuzungcn. 6) Verwendbarkeit
der Konstruktionstheile der einfachen Weiche uud der cuglischen,
dreitheiligcn und Kurven-Weiche. 7) Herbeiführung eiues sauf-
ten Gauges der Wagen beim Durchfahren der Weichen und
namentlich der Zungen-Vorrichtungen und Herzstücke — und
beschreibt demnächst eingehend, unter kritischer Vergleichuug
mit anderweit üblichen Konstruktionen, sein auf 4 Blatt Zeichnun-
gen dargestelltes System resp. dessen einzelne Thcile. Nach
Durchführung desselben werden auf den Strecken der KM.
Bahn nur 6 Normal-Weichen resp. Normal-Kreuzungen: 1) Die
einfache Weiche rechts und links; 2) Diu Geicisokreuzung mit
doppelter englischer Weiche; 3) die ücleiackrcuzung mit ein-
facher englischer Weiche; 4> die gewöhnliche Geleisekrcuzuug ; 5)
die dreitheilige Weiche rechts uud links; 6) die Kurven-Weiche
rechts und links — zur Anwendung kommen und für diese
insgesammt nur zweierlei Arten Zungenvorrichtungeu und dreier-
lei Arten Herzstücke erforderlich sein.
3) Die küu st liehe Ent Wässerung be deich ter Küste n-
marscheu mittels der Fl uth, von Wasserbauinspektor Hess
zu Lüneburg. Ausserbalb des Hauptdeiches sollen zwei getrennte
Bassins angelegt werden, von denen das eine — das Bassin des
Oberwassers — das Fluthwasser aufnimmt und zurückhält,
um dasselbe zum Betriebe eiuer Turbine zu benutzen, welche
wiederum als Motor für eine zum Heben des Biuncuwaascra be-
stimmte Kreiselpumpe dieut. Das zweite Bassin — das des
Unterwassers — nimmt während der Fluth das abmessende
Betriebswasser der Turbine, sowie das durch die Kreiselpumpe
geförderte Binncuwasser auf und lässt dasselbe während der
Ebbe abfliesseu. Das erste Bassin ist demzufolge mit einer Ein-
lass-Schleuse, die wäbreud der Ebbe, das zweite mit eiuer Aus-
flussschh'usc, die während der Fluth geschlossen wird, versehen;
die Maschinen sind im Mitteldeiche unmittelbar beim Anschlüsse
desselben an den Hauptdeich aufgestellt. Der Effekt der Vor-
richtung, sowie die Anlage- und Betriebskosten werden für ein
bestimmtes Beispiel berechnet; doch ist nicht mitgetheilt, ob und
wo eine solche Anlage schon wirklieb ausgeführt, oder ob sie
nur Projekt des Verfassers ist.
4. Bemerkungen über Zemente, von Prof. Dr. Heeren.
Die Kenutniss der Zemente ist unter dem Aufschwünge, den die
Anwendung und Fabrikation des Materials gerade iu den letzten
Jahren genommen hat, derartig vorgeschritten, dass eine Ab-
handlung über dieses Thema, welche auf die Untersuchungen
der neueren Zeit nicht Bezug nimmt und der anscheinend sogar
das bereits im Jahre 1&68 erschienene, auf seinem Gebiete
epochemachende Werk von Dr. Michaelis fremd geblieben ist
einigcrntaassen veraltet sein dürfte. Es gilt in dieser Bezie-
hung dasselbe, was wir in letzter No. einem Aufsatze der Wie-
Bauzeitung vorzuwerfen hatten.
(t'slMtUlllic Mgl.)
Konkurrenz für Entwürfe zn einem Arndt-Denkmal aul
dem Rugard. (Schluss).
6 u. 7) Der Entwurf mit dem Motto: „War je ein Kitter
edel, du warst es tausend Mal, vom Fusse bis zum Schädel*
Digitized by GöOgle
64 -
reiht «ich in dem allgemeinen Empfinden des der äusseren Er-
scheinung zu gebenden Charakter« den vorigen an, zeigt aber
vom Kusse bis zum Scheitel eine wenig edle, an da« Unschöne
streifende Auffassung eine« solchen Denkmals. Hierzu gesellt
sich für den oberen Abschluss ein unmotivirtes Uubergehen aus
dem Achteck zum Viereck und von diesem wieder ins Achteck
zurück, sowie ein Mangel au Licht für den Inneuraum. Hin
zweiter Entwurf desselben Verfassers und mit demselben Motto
vermeidet zwar diu gerügten Mängel, ergeht sich dagegen in zu
kleinlichen Formen-Kombinationen, so das« derselbe In keiner
Weise den Eindruck eines Ehrendenkmals erwecken kenn.
An diese Gruppe von Entwürfen, welche vor Allem eine
monumentale Wirkung angestrebt haben, reiht sich eine andere,
welche die Lasung der Aufgabe in der Erfindung eines dem
mittelalterlichen Burgenbau entlehnten Wartthurms gesucht
haben. Sie bewegen sich dabei meist in den reichereu Formen
des gothischen Stils Abgesehen von der nach Ansicht der
Beurtheilungs-Kommission nicht richtigen Gesammtau ffassung
beanspruchen diese Entwürfe für ihre Ausführung einen Kosten-
aufwand, der wenigstens weit über die disponiblen Mittel hinüber-
greift. In erster Linie gilt dies von dem Entwürfe:
8) mit einem Monogramm und dem Widmungsspruch:
„dem alten Rugianer Arndt". In den reichsten Hausteiu-Fornicn
gothischer Burg-Architektur baut sich ein stattlicher Bergfried
reich und schön in 4 Geschossen auf einer hohen gemauerten
Terrasse auf. Ein besonderes Treppeiitbürmchcn vermittelt den
Zugang auf die Plattform über dem dritten Geschoss und zu
dem oberen sehlanken achteckigen Aussichtsturm. Unwillkür-
lich greift hier der Gedanke Platz, dass dies eine schone Wohn-
Btättc für den alten Arndt bei seineu Lebzeiten gewesen wäre.
Für das Andenken an den Dahingeschiedenen ist sie zu wohn-
lich und behaglich gedacht.
9) An sich ausserordentlich anziehend ist der Entwurf mit
dem Motto .Auf den Bergen ist die Freiheit*. In seiuen Haupt-
Hieben wieder in poligonem Bruchsteinmauerwerk gedacht, sind
die Gesimsabschlüsse, Fenster- und Thüreinfassungen, die Ab-
deckungen der Strebepfeiler, sowie der Helm in jenen gothischen
durchgebildet, wie sie sich vielfach in den mittel-
alterlichen Thorthürmen norddeutscher Städte finden. Auch
hier vermittelt ein besonderes Treppenthürnicben die Zuzüge
zu den drei für ihre Benutzung disponiblen Geschossen. Der
ganze Entwurf bekundet Sinn für schone Verhältnisse, Kennt-
nis« der Formen, sowie eine kunatgeübto Hand.
10) Der dritte Entwurf aus St Johann bei Saarbrücken
hat mit sichtlicher Vorliebe eine reichere Durchbildung der
Innenräume angestrebt Alle drei Geschosse sind mit zum Theil
reichen Gewölben überdeckt Tiefe Fensternischen mit vorge-
legten Säulen für die Aufnahme der Gewölberippen und Gurte
gestalten namentlich das für die Sammlung bestimmte Mittel-
geschos» zu einem reichen Innenraum. In geschickter Weise
ist ausserdem die Treppenunlage gemacht, welche im letzten Ge-
schoss als selbstständiges Erkerthurmehon. jedoch ohne störendes
Element für die Aussen-Architektur auftritt Weniger glücklich
ist der Verfasser in dem äusseren Aufbau gewesen. Die beiden
untersten Etagen stehen in ihrer allzu grossen Einfachheit in
xu scharfem Kontrast mit dem
Obergeschoss.
reich gegliederten mächtigen
11) Der Entwurf mit dem Motto .Fahrt wohl, ihr Fran-
zosen, _zur Ostsee hinab! und nehmt, Ohnehosen, den Wallfisch
zum Grab* zeigt eine grosse Gewandbeit in der Behandlung
einer solchen Aufgabe, nach Art der in der hannoverschen
Schule durchgebildeten Formensprache. Die Flächen sind in
ihren Hauptmassen in Granitbruchstein, Gesimse, Gurtungen und
alle sonstigen feineren Architektur-Theile in zweifarbigem Ziegel-
stein, jedoch ohne Anwendung von Formsteinen ausgeführt
Wenn trotzdem dieser Entwurf nicht glücklich genannt werden
kann , so liegt dies in der Gesammtform und besonders in dem
allzu breit gelagerten niedrigen Unterbau, aus dem der Thurm
sich plötzlich in grosser Schlankheit, fast unvermittelt erhebt.
Dadurch gewinnt das Bauwerk das Ansehen einer mehr zu ge-
werblichen Zwecken bestimmten Anlage.
12) Aehnliches lisst noch mehr der einfache oktogone
Tburmbau des Projekts mit dem Motto: .Das ganze Deutsch-
land soll es sein" vermuthen. Die gewählten Formen deuten
wenig daraufhin, dass der sonst stattliche Bau ein Denkmal
sein soll. Noch vermindert wird dieser Eindruck durch den in
Holz konstruirten Dachreiter, als Abschluss der inneren Wendel-
treppe. Oerade für einen solchen Zweck sollten dergleichen
leicht vergängliche Materialien für das Aeusserc vermieden
werden.
13) Ein Gemisch von Florentiner Wohnhaus- Architektur
mit Formen, welche dem einfachen mittelalterlichen Thorthurm
entlehnt sind, bietet ein Entwurf aus Zwickau. Zeigten die
vorher angegebenen Entwürfe die Architektur gewerblicher Ge-
bäude, so hat dieser den Fehler, zu sehr den Eindruck eines
in Thurmform gebrachten Wohnhauses zu machen.
14) Ein sehr zwiespältiges Empfinden erweckt ein Entwarf
aus Baden mit dem Motto: .Wird auch der Beutel leer, so
sammele man noch mehr." In seinem unteren Theil durch schwe-
ren Rustikaquaderbau den Eindruck eines Monuments anstrebend,
kontrastirt hiermit in auffälliger Weise ein in den leichtesten
Formen eines Gartenpavillons zum oberen Abschluss
Aussichtsthurm. Weit weniger trifft dieses Projekt der Vorwurf,
auf welchen das Motto hinzudeuten scheint
Vier Entwürfe endlich mit den Motto'«:
15) Schwarz, Roth, Gold.
16) ein kleiner Beitrag aus Leipzig.
17) Leipzig, sowie
18) einer ohne jede Bezeichnung
sind als wenig gelungene, wenngleich gutgemeint
bezeichnen.
19) Ein letzter mit dem Motto:
.Denk ich mir Grosses, so denk ich mir's rund"
erklärt sich von selbst als der unvollkommene Versuch eines
berührt aber wohlthuend durch den Geist, der
Erläuterungsbericht uns entgegentritt
Die Beurtheilungs-Kommission.
Strack. Uerrmann. H. Ende.
Wie wir mittheilen dürfen, waren die von den Preisrichtern
an erster Stelle erwähnten drei Arbeiten von Hrn. Architekten
Hennann Eggert, der unter No. 4 erwähnte Entwurf von Hrn.
Baumeister Eduard Jacobsthal in Berlin eingesandt. Das
Denkmal -Komite soll sich Anfangs dem letztgenannten Entwurf«
zugeneigt haben, hat sich aber neuerdings dafür entschieden,
den ersten Eggert'schen Plan, jedoch unter bedeutenden Modifi-
kationen und unter theilweiser Umbildung desselben in einen
Ziegelbau, zur Ausführung zu bringen. Sobald der neue Ent-
wurf definitiv festatebt, hoffen wir unsern Lesern eine Skizze
a können.
Prcussen.
Ernannt: Der Baumeister de Nerie zu Guben zum
Eisenbahn- Baumeister in Saarbrücken. Der Baumeister Köhler
zu Schleswig zum Landbaumeister und technischen HQlfsarbeitcr
bei der Königl. Regierung daselbst, der Baumeister Matthies
zu Gerdauen zum Eisenbahn-Baumeister bei der Königl. Ostbahn.
Bei der Verwaltung der Reichs - Eisenbahnen in Elsass-
Lothringen sind ernannt worden:
zu Eisenbahn-Bctriebs-Inspektoron: der Eisenbahn-
Betriebs-Inspektor Ferdinand Gustav Kecker, der Abtheilungs-
Baumeister Friedrich Wilhelm Büttner, der Eisenbahnbau-
Inspektor Julius Oster meyer, der Eisenbahn - Baumeister
Julius Victor, der Eisenbahn-Baumeister Victor Coermann;
zuEisenbahn-Baumeisteru: der Abtheilungs-Baumeister
Friedrich Wilhelm Beemclmans, der Ingenieur Hugo von
Kictzell, der Baumeister August Friedrich Schroeder, der
Abtheilungs-Baumeister Karl Georg Friedrich Hering, der
Ingenieur tiarl Julius Pah st, der Baumeister Hermann Karl
August Liudcmann, der Baumeister Otto Koeltze;
Gestorben: Der Regierungs- und Baurath Grimsehl zu
Hildesheim und der Bauiuspektor Christensen zu Flensburg.
Brief- and Frage karten.
Hrn. L. H- in Lindenau bei Leipzig. Die Erlangung
einer Staatsbaubeamten-Stelle ist selbstverständlich von der Ab-
legung eines Staats-Examens abhängig : auch für Privatstellungen
bei Kommunen oder Eisenbahnen bildet die Anstellung von
Technikern, die keine Staatsprüfung bestanden haben, nur die
Ausnahme.
Hrn. B. in Ratibor. Wenden Sie sich an einen Kammer-
jäger Bei Regierungs - Kollegien gilt allerdings die Vertilgung
des Ungeziefers in fiskalischen Gebäuden als eine technische
Frage, die in Ermangelung einer anderen Persönlichkeit der
Kompetenz des Regierungs- und Bauraths unterstellt wird —
unsererseits ziehen wir den Kreis des unser Ressort bildenden
technischen Gebiets etwas enger.
Abonnent in Kiel. Die Prcussischen Bestimmungen für
das Raumbedürfoiss bei Schulen, auf Mctermaass abgerundet,
sind im vorigen Jahrgange der Ztschrft f. Bauw. publixirt
Hrn. A Z. in K. Von einem Rangiren der in Elsass-Lotn-
ringen angestellten Eisenbahn-Beamten mit denen des Preua-
sischen Staates kann selbstverständlich keine Rede sein, da ja
bei Weitem nicht alie dem Preußischen Beamtentum« entnom-
men sind.
Hrn. 11. in Criminitzschau. Wir könneu Sic nur auf den
Weg der Insertion in unserem Bau-Anzeiger verweisen.
Verschiedenen Fragestellern, die «ich in jüngster
Zeit wegen Auskunft über dio Techniker der Gotthardbahn an
uns gewendet, theilen wir nachstehend eine Aeusserung des
ersten Sekretärs der Direktion mit, der auf eine direkte Anfrage
dieser Art unterm 13. Februar erwiderte, das» der Ober-Inge-
nieur der Gntthardbahu noch nicht ernannt ist, dass indessen
die Direktion die Wahl desselben demnächst beim Verwaltongs-
rathe beantragen zu können hofft und dass selbstverständlich
deutsche, namentlich norddeutsche Techniker von der Bewer-
bung um ein Engagement bei der Gotlharduuteniehmung nicht
ausgeschlossen sind.
Beiträge mit Dank erhalten von den Herren: H. und G. in
Hamburg, V. in Saarbrücken, F. in Hameln.
h »imi- ; -i"-l.f wn C»rl n»«llti I* IUHI*.
roa ü.brudtr KKkfrl l» Bull«.
Digitized by Google
Jahrg. TL
M 9.
DEUTSCHE BAUZEITUNG
Redaktion n. Expedition:
Berlin, OranieastraM« 101.
Baatellunfen
«toraetimei« alle r»«un<UKen
Organ des Verbandes
deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine.
Redakteur X. £. 0. Fritich.
In.erat.
far «I. !
Buir»
In der Cratlt - Beilate :
„Bau- AniotgLT-
»prell: 1% S|T, PI
Preis 1 Thaler pro Quartal.
Berlin, den 29. Februar 1872.
Eraeheiat Jedea Baanerttag.
Inhalt. Zur 1 rase der rVhuUiaaaaaraeeln ( i;r» die ArUelueln.lellunaen
der Hauhandwerker. — Der KünlE-WlUinlm-Kaual fiel Meroel. — Helieeklnen
au. dem Orient VIII. . M lllliel 1 u n t eu au. Vereinen: B.»K»»erk«nta|! In
Berlin. - Architekten -Verein tu Herlln. - Verml.cate.: Die Fr. K . der K..
ualMtran. Berlin.. — r-ernaaeate Au..lell.n« moderner kun.tgeaerbll.-ber Arbel-
ten in Wien. — Amerflaatu-ne Bracken. — Zar Fr. te der GehalMverbeaaerung
prcaaeUcber Rennen. — Au. der Fachllt 1 era 1 u r : Zeiteehrlrt de. Architek-
ten, und Ingenieur-Verein» 111 Hannoecr. Jährt. 1*71. (ForteeUung). — Kon-
kurrenten: National Penkmal aaf den Niederwald. — Brückenbau in Bad Bai ■
— fere-nal-Nachrichten etc.
Zar Frage der Schutxmaassrcgeln gegen die Ar liritseir.stellui.gen der Bauhandwerker.
Während Baumeister nnd Bauunternehmer sich auf die
bevorstehende hoffnungsreiche Baukanipagne rüsten, blickt
wohl so mancher mit Besorgnis« in die Zukunft, weil er
vorauszusehen glaubt, das» die rege Banthätigkeit, welche
die Gunst der Verhältnisse hervorrufen will, auf schwere
äussere Hemmnisse stossen wird. Es dürfte feststehen, dass
als ein solches Hemmniss an vielen Orten der Mangel an
Baumaterial sich geltend machen wird, aber mit noch grösse-
rer Sicherheit darf man erwarten, dass die Bauarbeiter diese
Gelegenheit nicht vorübergehen lassen werden, ohne den
Arbeitgebern gegenüber neue Forderungen zu stellen oder
die alten zu erneuern. Erklärlich ist es daher, wenn die
letzteren bereits mit Eifer bestrebt sind. Maassregeln zum
Schutze gegen die drohenden Ereignisse vorzubereiten.
Die Bedeutung dieser Frage berührt nicht blos diejeni-
gen unserer Fachgenossen, welche als Unternehmer oder
Meister in nächster Beziehung zu den Bauarbeitern stehen;
für die Mehrzahl derselben, soweit sie nicht auf den Verdienst
des Augenblicks unmittelbar sich angewiesen sieht, ist eine
Arbeitseinstellung gegenwärtig sogar minder bedeutungs-
voll als früher, da die Erfahrung der letzten Jahre sie zn
genügender Vorsicht bei Kontraktabschlüssen veranlasst
nahen dürfte. Es ist vielmehr zunächst das gemeinschaft-
liche und gleichraässige Interesse aller dem Bauwesen an-
gehörigen Bernfsgenossen, dass der erfreuliche, eine blühende
Entwickelung verheisseude Aufschwung der Banthätigkeit
nicht durch fortwährendes, unberechenbares Versagen der aus-
führenden, werkthätigen Kräfte gelähmt werde, dass nicht
Zustände chronisch werden, unter deren uiigesuudem Einflüsse
schliesslich das Ganze Schaden leiden muss. An den Maass-
regeln zur Uelierwindnng dieser Zustände kann aber nicht
allein die Gesamrutheit der Fachgenossen Theil nehmen, in-
dem sie ihr Gewicht auf die schliesslich doch stets den Aus-
schlag gebende öffentliche Meinung geltend macht: eine grosse
Zahl derselben — und zwar neben den Unternehmern die
als Rathgeber und Vertreter von Bauherren fungirenden
Baubeaniten und Privat -Architekten — werden sogar in
der Lage seiu, hierfür mit direktem Erfolge wirken zu
Wir glauben daher eine Pflicht zu erfüllen,
die Diskussion dieser Frage, die bisher wohl zu vorwiegend
zwischen den beiden sich gegenüberstehenden Parteien ge-
führt worden ist. auch unter den weiteren Kreisen der deut-
schen Architekten und Ingenieure in Anregung bringen und
zunächst durch die Darlegung unserer Ansichten über die
Ursachen der Bauarbeiter-Strikes und die Mittel zu ihrer Be-
seitigung den Versuch machen, einen bescheidenen Beitrag
zur Klärung des schwierigen Themas zn liefern. Sehr be-
scheiden kann dieser Beitrag um deshalb nur sein.^weil wir
uns bei unseren Betrachtungen selbstverständlich vorzugs-
weise auf die Verhältnisse der Bangewerbe beschränken
müssen, während doch die Bewegungen auf diesem Gebiete
im engsten Zusammenhange stehen mit den auf Verbesserung
seiner Lage gerichteten Bestrebungen des gesammten Arbeiter-
standes, und ein radikales Mittel zur Abhülfe finden nichts
weniger als die soziale Frage lösen biesse. Da indessen für
dieses wichtigste Problem unserer Zeit doch schwerlich eine
einzige, für alle Fälle unfehlbare Formel genügen wird, so
verlohnt, es sich immerhin darüber nachzudenken, ob nicht
einstweilen innerhalb der einzelnen, sehr verschiedenartig
gestalteten Berufskreise etwas zur Anbahnung gesunderer Ver-
hältnisse geschehen kann. Und unseres Erachtens ist dies
für die Baugewerbe sehr wohl möglich.
Wir haben damit wohl schon angedeutet, dass wir in
Betreff der Schutzmanssregeln gegen die Strikes der Bau-
arbeiter nicht etwa blos die nächste Gegenwart im Auge
haben. Was von Seiten der Bauunternehmer geschehen
kann und geschehen wird um den in der bevorstehen-
den ßaiisaison drohenden Arbeitseinstellungen vorzubeugen
oder dieselben bei ihrem Ausbruche sofort und energisch
zu unterdrücken, kann nur als eine Maassregel des Augen-
blicks betrachtet werden, deren Erfolg ein vorübergehender
sein wird nnd möglicherweise nur dazu beiträgt, die vor-
handenen Gegensätze zu schärfen nnd die Erbitterung der
Gemüter zu steigern. Wo nach den grossen Strikes der
letzten Jahre eine Vereinbarung der Meister und Gesellen zur
Wicdcraufuahinc der Arbeiten geführt hat, vor Allem in
Berlin, das in Bezug auf diese Verhältnisse am Meisten in
Betracht kommen muss, weil es das maassgebende Versuchs-
feld für ganz Deutschland bildet, ist nichts weniger als Friede
eingetreten, sondern höchstens eine vorläufige Waffenruhe
geschlossen worden, in welcher die beiderseits erschöpften
Streiter sich von den Nachwehen des Kampfes erholt und
zur abermaligen Eröffnung desselben vorbereitet haben. Ein
neuer Kampf — so lange die Ursachen des alten fortdauern
— wird nur zu neuer Erschöpfung und neuer vorläufiger
Waffenruhe, niemals aber zum dauernden Siege der einen
nnd zur dauernden Unterwerfung der anderen Partei führen.
Es bietet sich also die Aussicht auf eineu permanenten Krieg,
in welchem jeder Kämpfende verwundet wird, nicht aber
auf einen Frieden, dessen Dauer nur durch eine aufrichtige
Versöhnung gurantirt werden kann.
Trotzalledem sind wir weit davon entfernt zu leugnen,
dass ein solcher Kampf der Gewalt gegen die Gewalt seine Be-
rechtigung hat Er ist wie jeder Krieg, ein bei dem gegenwär-
tigen Kulturstande der Menschheit noch unvermeidliches
Uebel, das letzte Mittel um sich vor einem Gegner Hecht zn
verschaffen, der sich Vernunftgründen unzugänglich erweist.
Ist er aber einmal ans solcher innerer Notwendigkeit her-
aus entstanden, so ist es sicher zweckmässig ihn mit Energie
auszukämpfen, da eine geeignete Basis zn Unterhandlungen
alsdann meist nur gefunden werden kann, wenn der Unter-
liegende vor der Kraft des Siegers Respekt gewonnen hat.
Wir wollen daher Maassregelu. wie jene, welche augenblick-
lich die Zimmermeister Berlins unter sich vereinbart haben
— Strike der Arbeitgeber und Entlassung der Gesellen auf
sämmtlicheu Arbeitsplätzen bei jedem partiellen Versuche
zn einem Strike der Arbeitnehmer — durchaus nicht ent-
gegentreten, sondern nur befürworten, dass man sich auf
solche Akte des kriegerischen Zwanges nicht beschränken,
sondern gleichzeitig keinen Versuch zur allmäligeu Herbei-
führung friedlicher Zustände unterlassen soll.
Um zu heurtbcilen, welche Maassregeln hierzu dienen kön-
nen, muss man den Verhältnissen, aus welcher die neu
auftretenden Forderungen der Bauarbeiter und die
Zwecke ihrer Durchführung in Szene gesetzten Arbeits-
einstellungen hervorgegangen sind, etwas näher auf den
Grund gehen. Wir wollen versuchen, dies in möglichster
Parteilosigkeit zu thuu.
Soweit die Auslassungen der zunächst betheiligten Par-
teien und ihr Verhalten in dem Kampfe für ein solches
Urtheil Anhaltspunkte gewähren können, dürfte die im
vorigen Jahre eingetretene grosse Arbeitseinstellung der
Berliner Maurer das reichste und werthvollste Material ge-
liefert haben, da seit Erlass des neuen Gewerbegesetzes
innerhalb des Deutschen Baugewerks wohl noch nirgends
ein Kampf mit gleicher Hartnäckigkeit und
geführt worden ist. Wir haben dem fiuss
Verlaufe des-
Digitized by Google
66 —
selben bereit« in Nr. 37, Jahrg. "1 u. Bl. eine karze Dar-
stellnng gewidmet, wahrend die Resultate aus demselben,
die wir damals zu ziehen unterdessen, an dieser Stelle wohl
eine geeignetere Verwerthung finden.
Bekanntlich war die ausserlichc Veranlassung des letz-
ten Strikes der Berliner Maurer die Weigerung der Meister,
auf die von den Gesellen gestellte Forderung eines zehn-
stündigen Normalarbeitstages, für welchen das bisher für
elfstündige Arbeit bezahlte Lohn in Geltuug bleiben sollte,
inmitten der Bausaison einzugeben. Die Meister wollten diese
Lohnerhöhung erst vom 1. Januar 1872, jedoch
der Bedingung bewilligen, dass fortan das in
Fabriken bereits eingebürgerte Prinzip der Stundenlöhn u ng
werde. Motivirt wurde die Annahme dieses
lern Organe
Zeitung, als
ionsequeuz der
Stellung
zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, bei welcher von
■ patriarchalischen Dienst- und Lohnverhältnisse
nicht mehr die Rede sein könne, sondern es wesentlich auf
dem alten
den Kauf resp. Verkauf der faktischen Arbeits-
leistung ankomme. Diese lasse sich jedenfalls nach Stun-
denlohn richtiger bemessen als nach Tagelohn, wahrend das
einzig richtige Prinzip die Arbeit im Akkord sei — bei
der Schwierigkeit einer Akkordirung vieler Leistungen aller-
dings eine noch offene Frage, deren Lösuug der Friede in
dem vielgeschürten Kampfe zwischen Arbeit und Kapital
sein würde.
Die Einstellung der Arbeit trotz jenes Entgegenkom-
mens der Meister wurde von diesen als ein frivoles Unter-
nehmen bezeichnet, dessen Zweck weniger die Einführung
des nur als Vorwand der Agitation vorgeschobenen Normal-
Arbeitstages als vielmehr die Sicherung eines dauernden
L'ebergewichts der Gesellen über die Arbeitgeber und das
Recht willkürlicher Lohnsteigerung gewesen sei. Die ganze
Bewegung der Arbeiter sei von Seiten ihrer sozialistischen
Führer, die selbstsüchtige Interessen verfolgten oder destruk-
tiven politischen Zielen dienten, künstlich hervorgerufen und
überliesse sich die Masse willenlos deren Leitung, während
der besonnene fleissige Theil der Gesellenschaft durch den
Terrorismus der Uebrigen lahm gelegt werde. Eine Berech-
tigung wurde dem Streben der Arbeiter nach Erhöhung ihres
Lohnes in einem Artikel der Baugcwerkszeitung nur insoweit
zuerkannt, als der Lohnsatz die Grenze noch untersteigt,
welche die Nothdurft des Lebens zieht Und als
nicht unter dieser Grenze wurde während des Strikes der
Lohnsatz von 1 Thlr. für lOstündige Arbeitszeit angenommen,
während späterhin allerdings einer der angesehensten Zim-
mermeister Berlins, der sich der Mühe einer näheren Be-
rechnung unterzogen hatte, nachwies, dass dieser Lohnsatz
den heutigen Verhältnissen entsprechend mindestens 1 Thlr.
lü Sgr. betragen müsse, und die Behauptung aufstellte, dass
nur durch nie der Forderung zuvorkommende Bewilligung
eines solchen Satzes der Friede zwischen Meister und Ge-
sellen herzustellen sei.
Was die Taktik des Verhaltens gegen den Strike be-
trifft, so ist von Seiten der Arbeitgeber als wirksamstes
Mittel, um dem Zwange der vereinigten Arbeiter begegnen
zu köunen, eine Einigung der Meister erkannt und erprobt
worden, wenn es auch ausserordentliche Schwierigkeiten ge-
macht hat, eine namhafte Zahl derselben zum völligen Ver-
zicht auf die Verfolgung ihrer persönlichen Interessen zu
bringen und sie zu veranlassen. Alle für Einen und Einer
für Alle zu Btehen. Mit Festigkeit gegen die in der Form
willkürlichen Zwanges auftretenden Forderungen der Arbeiter
suchten sie — zum Mindesten in ihren als Aensserungen der
Gesammtheit erlassenen Beschlüssen und Proklamationen
— einen maassvollen, zur Milde und Versöhnung geneigten
Standpunkt zn verbinden. Vor Allem waren sie bedacht,
durch Aufklärung über den vorliegenden Thatbestand und
durch die völlige Oeffentlichkeit ihres Vorgehens die Sym-
pathien des Publikums und der Presse zu gewinnen. Gegen-
über den unvermeidlichen Exzessen, die bei der Arbeitsein-
stellung vorfielen und der von muasslosen Kraftansdrücken
strotzenden Art und Weise, in welcher die sozial - demokra-
tischen Blätter den Strike vertheidigten, ist ihnen dies auch
in vollem Maasse gelungen und hatten die Meister es diesem
Umstände neben ihrer Einigkeit wohl am Meisten zu ver-
danken, wenn ihnen schliesslich , nachdem die Mittel der
Strikenden erschöpft waren, der formelle Sieg dadurch zu
Theil wurde, dass die Gesellen stillschweigend in die Wieder-
aufnahme der Arbeit zu den alten Bedingungen willigteu.
Eine mehr als formelle Bedeutung hatte dieser Sieg freilich
nicht, indem die Festhaltnng der alten Bedingungen nur als
eine bei der Wiedcranstellung der Gesellen obligato-
rische Form angesehen wurde, während unmittelbar darauf
zum grösseren Theile namhaft höhere Lohnsätze bewilligt
wurden, als sie vor dem Strike gefordert waren.
Als Sehutzmaassregeln gegen fernere Arbeitseinstellungen
vm.
Als wir nach erquickendem und völlig ungestörtem Schlafe
am nächsten Morgen auf den vor unseren Zimmern befindlichen
hölzernen Söller hinaustraten, athmeteu wir mit Entzücken die
reine balsamische Luft, welche die Nähe waldreicher Gebirge
verkündete. Es war, als ob der stolze Gipfel der zu unserer
Linken belegenen Akropolis einen frischen Morgengruss herab-
sendet^ um zur Besteigung einzuladen. Zur Rechten und dicht
in unserer Nähe stieg die mit Rundbogen - Fenstern besetzte
Ruine eines kolossalen Backsteinbaues empor, unter den win-
zigen türkischen Holzhäusern der stumm-beredte Ausdruck einer
grossen Vergangenheit. Gradeaus schweifte der Wiek über die
fruchtbare Calcus-Ebcne bis zu den vom Morgcuncbcl noch sanft
verschlcierteu Bergketten und haftete schliesslich mit Behagen
auf dem von einer munteren Tbierwelt belebten llofe zu uusern
Füssen. Bald waren wir, von Dienern und Arbeitern schon er-
wartet, marschfertig, um unter unseres Freundes Führung zur
Burg der Attalidcn hinaufzusteigen.
Es i-t unfraglich eine der gewaltigsten Akropolis -Aulagen,
welche man sehen kann, von der Natur gleichsam zur Verthei-
digung geschaffen. Von Süden nach Norden gestreckt, an drei
Seiten schroff abfallend und nur von der Südseite auf gewun-
denen Pfaden ersteigbar, erhebt sie sich zu der imposanten Höhe
von über 300». Leberall siud die natürlichen Terrosscustufen
durch Abbruch künstlich schroffer gemacht oder durch Futter-
mauern erweitert; mehre Vertheidigungslinien liegen, von Thoren
und Thürmcn geschirmt, übereinander. Auf dem höchsten Gip-
fel thront im Norden diu mächtige Terrasse, von welcher einst
das prachtvolle Hauptheiligthum der Stadt mit seinen weiss-
leuchtcnden Marmorsäuleu weit in das Land hinausschaute.
Unwillkürlich wird man, wenn man die trotz aller Zerstörung
und Verschüttung noch so stattlichen, tbeilwcis mit Strebepfei-
lern besetzten und stufenförmig übereinander geordneten Fut-
termauern bei dem langsamen Aufstiege von unten her betrach-
tet, an die vielgepriesene Lage des Bergpalastcs von Ekbatana
erinnert.
Ucber der untersten sehr zerstörten Mauer auf der Süd-
oetseite erhebt sich eine zweite Quadermauer niittclinässigur
Arbeit, in die stark vortretende halbrunde, aber nur aus Bruch-
steinen erbaute Thürme eingeschnitten sind. Sie ist offenbar
jüngeren Ursprunges. Noch höher folgt eine über 250» lange, aus
herrlichen Quadern erbaute und mit starken geböschten Strebe-
I pfeilern besetzte Futtermauer, deren Technik mit der des statt-
lichen Perilwlus-Unterbaues des Qlympieinns zu Athen überein-
stimmt und zweifellos auf gleiche Itauze it (11. Jahrhundert) deutet.
I Die treffliche Erhaltung der Oberfläche spricht rühmlich für die
Güte des verwendeten Materials, eines feldspatharmen und des-
halb nur massig verwitternden Trachyts. Die Südecke schliesst
ein Dreiviertelrundthurm späterer Zeit , er bildet aber nur die
herausgenommene Ecke eines starken Oblougthurmes, durch wel-
chen die alte Strasse, mittels zweier hintereinander folgender
Thore leiebt sperrbar, emporstieg. Eine in der Strebepfeilcr-
mauer vorhandene Lücke lässt querschnittartig die interessante
und nachträglich in solidester Technik erfolgte Hinzufiigung und
Einbindung der ersteron in eine ältere, viel einfacher behan-
delte Futtermauer erkennen. Noch höher treten dann krepis-
artig ummantelte Klippen auf, welche die Unterbauten grosser
zerstörter Gebäude bildeten, während nach Osten hin und von
der Strcbcpfeilcrmauer gestützt, wahrscheinlich weitgedehnte
Gärten sich erstreckten. Westlich von dem Untorthorc mit dem
vorspringenden Rundthurmo zeigen sich in gleicher Höhe Man-
I ern aus mächtigen aber stark verwitterten Quadern, deren tech-
' nische Fügung ein höheres Alter bekundet. Durchschreitet mau
die Gartenterrasse, so wird die alte, mit röthlichen Granitplatten
belegte schmale F'ahrstrasse sichtbar, welche in geschickter Füh-
rung, aber mit sehr steiler Steigung durch Ruinenhügel bis zu
einer oberen, von zwei vortretenden Thürmen flankirten Mauer
emporführt. Auf dem Wege dahin liegen alte thönerne Wasser-
lcituugsröbren, antike Ziegel und marmorne Säulenbaacn. Die
Thoranlage neust den Anschlug» - Mauern ist schon späten Ur-
sprungs- l' eberwiegend aus weissen Marmorbruchstücken erbaut,
umschlugst sie nicht nur architektonische Fragmente aller Art,
sondern auch zertrümmertes Bildwerk, darunter horizontal gelegte
Friesplattcn mit fast lebenHgrossen Hochreliefs. Mindestens zwei
Prachtbauten sind hier begraben worden. Spätdorische und jo-
nische Bauweise findet sich überwiegend vertreten; die zahlreichen
Detail* der letzteren sind dabei von eiuer Eleganz und Fein-
heit, welche an die hochvollcndete Durchbildung der Erechtheion-
Details erinnern und die Verwendung attischer Architekten am
Hofe der Attaliden unzweifelhaft bekunden. Aber auch ältere
Bruchstücke fehlen nicht. An der Südostseite liegen in horizon-
taler Bettung die Schafttheile von 34 Säulen, theils dorischer,
theils jouischer Bauweise angehörig. Das Material ist ein grauer
Granit, der Maasstab nur klein. Und wieder einige 100» nach
Norden hinauf folgt dann eino zweite, aber offenbar erst in by-
zantinischer Zeit hergestellte, von 2 Thürmen flankirte Thor-
anlage, welche herrliche Baustücke verschlungen hat Erst hier
Digitized by Google
— 67
resp. gegen ungerechtfertigte Mittel zur Durchsetzung der-
selben ist unter den Meistern eine Petition an die gesetz-
gebenden Faktoren des Reiches um Erlass von Bestimmungen
gegen einen Misshrauch der Koalitionsfreiheit in Anregung
gebracht und zu diesem Zwecke statistisches Material ge-
sammelt worden; soweit nns bekannt, ist jedoch ein Schritt
in dieser Hinsicht nicht erfolgt. Nach Beendigung des Stri-
kes hat man sich sowohl von Seiten der Meister wie von
Seiten der Arbeiter mit dem Projekte beschäftigt, die bereits
in England erprobte Institution .der Einigungsämter —
aus Delegirten der Arbeitgeber und Arbeitnehmer zusammen-
gesetzte Schiedsgerichte — einzuführen, doch ist es auch in
dieser Beziehung bei einem Versuche geblieben, da die Stim-
"er Majorität, zum Mindesten anf Seiten der Gesellen,
derartigen Schritten noch nicht günstig war. Von dem aus
der Meisterschaft hervorgegangeneu Vorschlage, die Gesellen
dadurch zu entwaffnen und den sozialistischen Agitatoren
den Boden ihres Einflusses dadurch zu entziehen, dass man
ihnen freiwillig ein noch über ihre Lohnforderungen hinaus-
gehendes Mehr biete, sowie von der Verabredung der Ber-
liner Zimmermeister einer neuen, aus frivoler Veranlassung
hervorgegangenen Arbeitseinstellung bei einem einzelnen Mei-
ster sofort mit einem allgemeinen Gegenstrike s&mtul lieber
Arbeitgeber zu begegnen, haben wir schon oben Erwähnung
gethan.
Wir haben nunmehr das Verhalten der Gesellen zu be-
leuchten und eine unbefangene Würdigung der von ihnen
»er EÖDlg Wilhelm . Kanal bei leael.
Vortrag des Ucrra Baumeister Mohr 'ini Ostpreussischen
Der König Wilhe 1 m -Kanal ist eine Wasserstraße, die
parallel dem kurischen Half läuft und den Mcniclstrom in di-
rekte Verbindung mit der Stadt Memel resp. deren Holzplätzc
bringt. Der Uaupthandel der Stadt Memel nämlich besteht in
Holz' das aus Kussland längs des Menielstromes herankommt,
in Memel verarbeitet und dann nach England und anderen
Handelsplätzen exportirt wird. Bei dem Bezug dieser Rohwaa-
ren, wie er bisher effektuirt wird, müssen diese Hölzer als
Flüsse verbunden über das kurischo Haff gehen , und hat die
Memcler Kaufmanuschaft in fast jedem Jahre nicht unbedeu-
tende Verluste durch Zerschlag dieser Uölzur während deB
Transports. Um diesem Uebelstande eben abzuhelfen, ist durch
den König Wilhelm-Kanal eine geschützt liegende Wasserstrasse
geschaffen, auf der nunmehr der Transport der Waaren ohne
Gefahr bewirkt »'erden wird.
Der ganze Trakt des Kanals ist 50,8-1 Km lang und kreuzt
drei Flussgebiete, nämlich das der Miuge, der Drawöhne und
der Kitsche, während er an seinem Eudc noch den Schmeltelle-
Kluss berührt Von diesen Flüssen hat jedoch einzig diu Minge
einige Bedeutung, während die übrigen nur als kleine Wicscn-
abwässerungen resp. Abflüsse für übergetretenes Haffstauwasser
angesehen werden können. Der Kanal beginnt etwa gegenüber
dem Gute Kuwcrtshof am Momelstroin und zwar durch den so-
genannten kaiialisirten Taggrabeu, der auf 753,25 1,1 Länge die
Verbindungslinie zwischen! dem Memel- und dem Miugestrom
bildet, alsdann wird der Mingestrom auf circa 26,33 Klu Länge
als Was-erstrasse bis Lankuppen hinauf benutzt. Hier verlässt
der Kanal das Bett der Minge und geht in westnordwestlicher
Richtung nach dem Haff zu, bis er^uach ungefähr 6,60 K,u das
und Architekten- Verein.
rrcicht Dann folgt er dem Flussbett
der Drawöhne auf ungefähr 1,88 Km Länge und geht dann in
fast nördlicher Richtung auf 15 Km Länge nach der Vorstadt
Schmelz bei Memel, wo er an der Schule No. IV. iu's Haff ein-
mündet Auf diesem Wege überschreitet er den Klischc-Fluss,
der durchdämmt und mittels eines neu angelegten Bettes pa-
rallel dem Kanal in die Drawöhne geführt ist Vor der Mun-
dung des Kanals wird, geschützt durch einen Molo von nahezu
1.88 Km Länge, ein Tbeil des kuriachen Haffes von ca. 45,96 I|A
abgeschnitten, der als Uolzhafeu benutzt werden soll.
Das Profil des Kanals ist etwa folgendes: Die Sohlo des-
selben liegt auf 1,57 m unter dem bekannten niedrigsten Wasser-
stande des kurischen Haffs und hat eine Breite von 18,83 ™.
Der Leinpfad ist überall linksseitig angelegt, bat eine Breite
von 2,51"« und liegt 2,83" über der Sohle; rechtsseitig liegt in
derselben Höhe ein kleines Bankett von 0,63 « Breite. Die
Böschungen von der Sohle bis zur I-einpfadsböhe sind in der
Kanalstrecke von Lankuppen bis zum Drawfihnefluss 2fach, von
da ab bis zum Hafen 3facli angelegt, weil auf der ersten Strecke
der Boden grösstenteils aus Lehm und wenig Torf, auf der
zweiten dagegen fast aus lauter feinem Sande besteht Von dem
Leinpfad ab aufwärts ist in den Abträgen IV, fache Böschung,
in den Aufträgen dagegen 2 fache Böschung augelegt. Da, wo
der Kanal niedriges, dem Haffstau ausgesetztes Terrain über-
schreitet, sind zu beiden Seiten desselben Dämme geschüttet,
deren Krone 0,63 01 über dem bekannten höchsten Wasserstande
liegt Die Breite dieser Dämme beträgt 7,53 m und werden die-
selben gleichzeitig als Parallelwege längs des Kanaltrakts be-
nutzt Hinter dem Damm auf der Bankettseite ist, da daa
erreicht man nach Durchschreitung gewaltiger Trümmermassen
die oberste in sanfter Wiilbung ansteigende Kuppe des Burg-
berge« von etwa 100™ Breite und fast 400™ Länge.
Es ist ein weites, unter verdorrten RascuhÜgeln begrabe-
nes Trümmerfeld edler Hauaulagen. seit Jahrhunderten von
den pergamenischen Steinhauern und Kalkbreunern nach Mar-
morquadern durchsucht und dennoch noch immer werthvolle
Reste klassischer Herrlichkeit bergend. Der schmale Kamm des
Gipfels ist in der Mitte durch eine 27 m hohe, von unten aus
der Tiefe herauf geholte prachtvolle Quadermauer nach Nord-
osten zu verbreitert worden. Dies ist wieder eine Anlage echt
alexandrinischer Epoche — einer Epoche, welche über unbe-
schränkte Mittel gebietend, auch Bedürfnissbauten stets in
grossem monumentalen Sinne behandelte. In gleicher Weise,
wie hier. batLvsimachus auch das neubegrüudetc Smrrna und
das nach den Abhängen des Prion und Koressus zurück verlegte
Ephesus ummauert und bewehrt. Nur Herodes der Grosse hat
drei Jahrhunderte später den stolzeu Diadochen durch verwandte
Bauanlagen zu Jerusalem und Masada übertroffen, An der
Südwestseite und ziemlich parallel Bteigt ciuo ähnliche Futter-
mauer aus gewaltigen Quadern auf, welche in halber Höhe von
einem starken halbrunden Gurtgesimsc wirkungsvoll getheilt
wird. Hinter und über dieser Mauer erhob sich auf einer aus
schön behandeltem Buckelquaderwerk hergestellten Krepis ein
Hauptheiligthum der Burg, der sogenannte Ätheua Polias-Tempel.
Er ist nach Nordnordosten orientirt; sein an der Südwcstseite
hinzugefügter Peribolus erforderte die Anlage mächtiger ans
Ualbtonnen- und Ganztonnen-Gew-ölbeu gebildeter Substruktioncn.
Die Kleinheit der Blöcke, die Mörtelverwendung dazwischen
und die geringere Technik der in Gussmörtelwcrk hergestellten
Gewölbe selbst bezeugen aber die beträchtlich spätere Bauzeit
dieser Zusatz-Anlage. Hinter der Krepisbuckelmauer und unter
der Cella befinden sich dagegen drei uebeneinanderliegeudo
Tonnengewölbe, deren Schniusteiuquaderu an allen Fugen eine
hochvollendete und völlig mörtellose Fügung zeigen. Die aus
feinkörnigem weissen Marmor hergestellten ßautheile des
Tempels sind schon sparsam geworden, doch konnten Säulen-
und Pfeiler-Kapitelle, Architrav-, Balken- und Stroterenbruch-
stücke, sowie eine Thür-Konsolo noch gemessen werden. Gewiss
würde eine sorgfältige Ausgrabung noch hinreichend viele Bau-
glieder ans Tageslicht fördern, um eine angenähert sichere
Restauration zu wagen. Dallaway, der im Anfange unseres
Jahrhunderts den Tempel noch bequem messbar fand, scheint
zu haben. Texier geht an den merkwürdigen
Akropolis mit gewohnter Flüchtigkeit
vorüber. Der Tempel war ein sechssäuliger korinthischer Perip-
teros. Seine zweireihigen Akanthuskapitcllc mit Eckstengclu
zeigen eine entschieden römische Behandlung, die attischen
bereits auf Plinthen ruhenden Basen besitzen eine gemeissclto
Torenspira unten und eine aufwärts gerichtete Blätterspira
oben. Veberall, bis in die zarten Blattsäume der Decktafeln
hinein, ist eine feine und sorgfaltige Mcissclarbeit vorhanden. Der
Maasstab ist mittel gross, der Durchmesser der Säulen beträgt
1,20 ihre Höhe etwa 10,45 Obschou dieses an hervorragen-
der Stelle stehende Bauwerk fast immer als Athena-Tcmpel
bezeichnet wird, so glaube ich doch wegen der echt römischen
Fassung und der engen Verwandtschaft mit den bekannten
Augustus-Tempclu zu Ancyra und Mylaasa (letzterer schon
gegangen) auch hier einen Augustus- und
kennen zu dürfen, dessen Existenz auf de
Burg gesichert ist.
Nachdem schliesslich der hochalte aber noch immer köst-
liches Wasser spendende Brunnen — der erste Schatz, welchen
diu Natur hier gestiftet, und der letzte, welcher nach dem Unter-
gange aller anderen Schätze übrig geblieben ist — besichtigt
worden war, wurde das Hinabklettern in der glühenden Nach-
mittagssonne und an der schroffen Westseite nicht ohne allerlei
Fährlichkeitcn bewirkt Kurz vor dem Wiedereintritte in die
Stadt stiessen wir auf merkwürdige, ganz aus dem Felsen ge-
hauene Wohnhausaulageu, deren Aehnlichkeit mit den uralten
Resten der sogenannten Kranaerstadt an der Westseite der
Akropolis zu Athen überraschend war.
In der Stadt sind die Reste antiker Baukunst ebensosehr
durch Zerstörung zusammengeschmolzen wie durch Ueberbauung
schwer erreichbar geworden. Der interessanteste Bau ist die
I auf eine Strecke von 1% m bewirkte durchgängige Ucberbrückung
des die Stadt von Norden nach Süden durchmessenden Selinus.
Ea sind zwei parallel gelegte und aus grossen Buckelquadern
I in guter Schnittsteintecbnik hergestellte Tonnongewölbe, welche
I auf einer starken mittleren Zungenmauer ruhen. Wie der
Augenschein lehrt, sind dieselben nur in der Absicht hergestellt
worden, um einen am Flusse in schräger Richtung belegenen
grossen Platz in voller Breite bis weit über das ändere jen-
| seitige Ufer hinaus erweitern zu können. Die selten wohl-
erhaltenc Bauanlage lässt in Grösse und Technik einen echt
> monumentalen Herrschersinn erkennen und wird deshalb, sowie
wegen des Maugels der hier nothwendig gewesenen schiefen
Tonnen-Gewölbe, die den römischen Architekten schon bekannt
a, der Attalidcn-Epochc angehören. Weit-
erreste sowie zwei doppeljochige Rogeubrücken
Digitized by Google
ganze durchschnittene Terrain sein Gefälle nach dem Haffe zu
hat, ein Parallelgraben zur 'Entwässerung der angrenzenden
Ländereien angelegt mit 0,68 » Sohlcnbreite und 1 '/» fachen
Böschungen. Als Minüiialgefallü für diesen Farallelgrabcu sind
0,087 •»» pro Meter angenommen ; eg ist dieses Gefälle über nur
auf wenigen Stellen so gering, meistens ist es möglich gewesen,
0,35 mm pro Meter Gefälle zu gehen.
Die Bespeisung des Kanals geschieht direkt durch das ku-
rische Haff und zwar an seiner Austuüudung bei Schmelz, und
durch den Drawöhuefluss, der sich beim Dorf Drawöhne in'«
Haff ergiesst. Bei mittlerem Wasserstand beträgt die Wasser-
tiefe des Kanals 2, "20 » , bei gewöhnlichem Hochwasser 2,67 » ,
bei sehr starkem Südsüdweststurm int es jedoch vorgekommen,
dass das Wasser bis uuf 3,14 » über der Kanalsohle gestiegen
ist, jedoch gehören diese Falle zu deu Seltenheiten. In dun 5
letzten Baujahren ist dieser Fall nur einmal im Jahre 1807 da-
gewesen.
Im Speziellen ist über die einzelnen Bauwerke des Kanals
Folgendes zu bemerken:
Der Mingefluss hat von dem Dorfe Miuge ab bis zum Dorfe
Sakuten auf nahezu 22,50 K » Lange durchweg eine Tiefe von
mehr als 2,83 ■> hei niedrigem Wasser, es war hier also keiner-
lei künstliche Aulagu weiter erforderlich. Von Sakuten ab auf-
wart« bis Lankuppen hiu jedoch uchtueu die Tiefen an 3 Stellen
bis auf 0,70 » bei niedrigem Wasser ab, so dass hier eine Kor-
rektion des Stromes erfolgen niusste; es ist dies geschehen durch
Anlage von 4 Buhnensystemen, mittels derer der Fluss bis auf
seine Nortualbreite von 37.66 » eingeschränkt ist. Drei dieser
Buhneusysteme sind im Jahre 1870 vollendet und haben bereits
durch die letzte Herbst- und Frühjuhrsabwässerung dergestalt
gewirkt, dass selbst bei niedrigem Wasser eine Tiefe von l,'JQ
bis 2,20 m zwischen den Buhnenköpfen erzielt ist. Das letzte System
ist jetzt vollendet und wird hoffentlich dieselben Wirkungen äus-
sern. Die Buhnen sind aus Faschinen mit einfacher Böschung
an den Seiten und zweifacher am Kopf bei 2.51 m Kroueubreite
konstruirt. die unterste Faschinenlage am Kopf ist um 0.04 »
in einer Stärke von 0,01 » hervortretend angelegt, um so ein
möglichst sicheres Fundament für die Steinvorschürtungon, mit
denen die Köpfe der Buhneu gesichert sind, zu erhalten. Die
Kosten dieser Regulirung betragen ca. 12 000 Thlr,
Der wechselnde Wasserstand der Miuge. der zwischen Hoch-
und Niedrig -Wasser um ca. 3,11 » bei Lankuppen differirt,
machte es erforderlich, dass bei Laiikuppen, WO der gegrabene
Kanal von der Minge sich abzweigt, eine Schleuse augelegt wurde.
Dieselbe ist von dem früheren Leiter des Baues, dem jetzigen
Wasserbauinspektor Degner in Stralsund, erbaut, mit massiven
Häuptern konstruirt, während die eigentliche Schleusenkammer
in ihren Wänden bis zum Wasserspiegel in Faschinenpackungen
hergestellt ist. Die Länge der Schleusenkammer beträgt 157 »,
die Breite derselben 23,54 », so dass immer 2 Holztlösse mit
einem Mal durchgeschleust werden können. Das Oberhaupt ist
12,55 m lang una ua t einfache Thore, die eine Ueffuung von
10,83 °* Breite schliessen. Das l'uterhaupt dagegen ist 10,77 »
laug und hat ausser dem Schleusenthor noch ein Fluththor gegen
deu Kanal zu. Die Ausgleichung des Wassers geschieht durch
Schützen in den Thoren.
Leber den Kanal werden die durchschnittenen Wege mittels
: hölzerner Brücken übergeführt, die im Ministerium projektirt
| sind. Sie haben zwei Landjoche, zwei einfache und zwei dop-
I (Milte Wasserjoche. Der Leinpfad ist unter der Brücke mittels
I eiues Bollwerks durchgeführt. Zum Durchlassen der Schiffs-
I mästen sind einfache Mastenk läppen angebracht. Die Länge
! der Brücke zwischen den I.andjochen beträgt 38.76 », die Breite
der Durchlassöffuuuu 13,65 », so dass nach Altzug des 2,51 ■
breiteu Leinpfades 11,14 » Wasserfläche zur Benutzung für die
durchgehenden Fahrzeuge übrig bleibcu. Die Breite der Brücke
zwischen deu Geländern ist auf 5.02 " uonuirt. Es sind in dieser
Weise Imreits 0 Brücken ausgeführt und hat sich die Konstruk-
tion derselbe« sehr gut bewährt.
Zu sänuutlichen Durchlässen siud Zeuieutrflhreu von 0,63 ■»
| Durchmesser zur Anwendung gekommen, mit Ausnahme eiues
| kleiuen Kaskadendurchlasses , der von Feldsteinen erbaut ist,
■ und eines eisernen 1,26 ■ im Durchmesser haltenden Durch-
lasses mit selbstthätiger Klappe, der das Wasser aus dem
Luhtze Gebiet durch den Kanataamm hindurch nach dem Kanal
Rihrt.
Der Abschlussdamm des Holzhafens gegen das kurische
Haff hin ist in der Art konstruirt, dass an den beiden Seiten
[ desselben in eiuer Entfernung von 1S.H3 >" zwei Fasehinenkörper
bis zum niedrigsten Wasserstand gepackt siud und der Zwischen-
raum zwischen denselben mit Erde ausgefüllt ist. Nach dem
Haff zu sind in Entfernungen von 0,63™ durch diesen Fasehinen-
körper hindurch eichene Pfähle vou 4,0S » Länge und 0,21 ■
Durchmesser eingerammt und hiergegen ein Steiureveteineut bis
zur Höhe von 0.04 « über dem höchsten Wasserstand nach Eniy-
scher Kurve konstruirt aufgeführt. Gegen das Hafeubassiu zu
ist ein eiufaches Steinrevctement als Deckung der eineinhalb-
fachen Böschung angelegt. Der Molo ist deshalb [so breit kon-
struirt, weil er gleichzeitig als Platz zum Stapeln für Stäbe be-
nutzt werden soll, und bleiben zu diesem Zweck 6,28 » Breite
für die ganze Länge des Molos disponibel.
Die Ausführung des ganzen Bauwerks ist auf der Abthei-
lung Lankuppen -Drawöhne in Regie geschehen, während die
Abtheilung Drawöhne-Schiueltellc liurchwcg durch Unternehmer
in Akkorden von 30—70000 Thlr. ausgeführt ist, uud zwar der-
art, dass die Aushebung durch Ausschachtung bis auf ca. 1 » vou
der Sohle erfolgte, der übrige Boden aber alsdann ausgebaggert
ist. Zur Bewältigung des Grundwassers sind einfache Pater-
tiootci werke angewandt. Bei eiuer jedesmaligen Inangriffnahme
von 188 m Kanalstrecke sind je nach der Durchlässigkeit des
bezeugen die ehemalige solide Ausstattung des Selinus mit
Verkenrsstrassen und Üferschutzwehren.
Auf dem linken Flussufer, stromaufwärts von der Ueber-
brückung steht eine jetzt verlassene, alter im Ganzen woliler-
haltene Djanii, deren Erbauung dem Bujazct Gülderim (Blitz)
zugeschrieben wird. Es ist ein oblonger dreischiffiger uud
dreiwöchiger Bau mit kreuzförmigen Pfeilern, welche spitz-
bogige Arkaden tragen. In den Seitenschiffen sind oblonge
Kreuzgewölbe, im Mittelschiffe Zwickelkuppeln vorhanden. Die
Verhältnisse sind niedrig uud gedrückt; das Material besteht
unteu aus sorgtältig geschliffenen Truchytquadern. oben in deu
Gewölben aus Ziegeln. Das an der Westseite belegene Haupt-
portal ist mit einem derben Kielbogen umrahmt; die Fenster
sind gepaart; von dem neben dem Portal projektirt gewesenen
Minarct ist nur der in fünf Seiten des Achtecks hergestellte
Lnterbau zu Stande gekommen. Die von anderen Reisenden
ausgesprochene Vermutbung, dass diese Moschee eine altbvzau-
tinische Kirche sei, welche den Titel Agia Sofia geführt nahe,
ist mit Entschiedenheit zurückzuweisen. Nichts byzantinisches
ist sichtbar, alles ist osmanisch und gehört dem Schlüsse des
XIV. Jahrhunderts an.
Jenseits des Selinus, auf dem Wege zum Amphitheater
liegen die in grossen Quadern erbauten Reste des Stadious,
leider dermaassen verschüttet, dass die l'mrisslinien in den hier
befindlichen Gärten nur mit Mühe verfolgt werden können.
Gleich daneben, mit der Front nach Osten schauend uud dem
Flusse zugekehrt steht eine mächtige spitze Felsklippe von fast
20» Höhe, an vielen Stellen bearbeitet uud au allen Seiten mit
Absätzen und oblongen Nischen versehen, um Weihegescheuke
aufzustellen. In der Mitte öffnet sich eine breite uud rauchge-
schwärzte Höhle mit einem Steinbett im Hintergründe. Das
Ganze ist ein urultes Felsen - Uciligthum, dessen Stellung zum
Flusse wohl nicht ohne Bedeutung ist Auch hier befinden sich
zahlreiche Spuren alter aber stark zerstörter Felsenhäuser wie
am Bnrgabhange.
Ein an dieser Stelle mündender Bach leitet uns mittels
schmaler auf seinen schroffen Thalrändern befindlicher Pfade
zu der merkwürdigen Ruine des Amphitheaters. Dasselbe ist
in origineller Weise unter Benutzung der steilen Thalhäuge so
über den kleinen Bach gebaut worden, dass die nicht grosse
Arena von drei parallel nebeneinander gelegten Tonnengewölben,
welche den Bach in der Längsaxe des Baues überbrückten, ge-
tragen wurde. Was im Terrain fehlte, namentlich auf der Süd-
seite, ist durch künstliches Mauerwerk hergestellt worden. Am
schönsten und wahrhaft grossartig ist der nördliche Abschlus*
des Thaies durch vier bis 26» Höhe aufsteigende Pfeilermassen
aus geschliffenen Quadern, welche den charakteristischen Schich-
tenwechsel von Hoch- uud Flachquadern besitzen und durch
schräge Strebepfeiler gesichert werden. Nur reduzirte Kunst-
formen siud vorhanden. Zu den höhereu Theilcn sind die grossen
Quadern nur an deu Aussenecken verwendet wordeu, während
der Massenbau den aus kleinen Granitquadern hergestellten
kubischen Steinverband zeigt. In ähnlicher Weise ist der obore
Thalhang geschlossen uud mit horizontalen wie schräg geneigten
Keilschnittgewölben in trefflichster Fügung überdeckt worden.
Leider sind Taxier'« Aufnahmen auch für dieseu fast einzig zu
nenneudeu Haurcst des Alterthums weder vollständig uoch geuau.
Das unweit belegene Theater ist ursprünglich in den nach
Südosten gerichteteu Hügelabhaug eingeschnitten und erst in
römischer Zeit durch zentral gestellte tounengewölbte Unter-
bauten, welche Sitzreihen trugen, am obersten L mgange ver-
frössert worden. Die Lage ist schön, wie bei allen antiken
heatern; links die gewaltige Akropolis, zu Füssen die Stadt
und das CaTcus Thal mit seinen drei grossen Grabhügeln, rechts
sauft geschwungene, jetzt allerdings von Wald- und Baumwuchs
eutblösste Hügelketten. Die Anlage ist entschieden griechisch:
Skene und Theatron sind getrennt; die Abschlussmauern des
I letzteren sind mit schrägeu Strebepfeilern besetzt; der Aussen-
durchmesser beträgt etwa 150'». Das Skenengebäude war aus
Marmor erbaut, seine Uinterwäude stehen noch in Gartenmauern
verbaut, aber die Orchestra liegt tief verschüttet uud wird seit
Jahreu als Steinbruch benutzt, um aus den edlen Baubruch-
stückeu türkische Grabsteine zu meisscln. Die Scheukelmauern
sind aus Granitquadcrn errichtet; die nordöstlich stehende ist
älter als die entsprechende der andern Seite. An ihr erscheint
I wieder der vortrefflichste Bogen- und Buckclquadcrbau iu ab-
wechselnden Scbichtenhöhen, ganz ähnlich deu besten Futter-
mauern der Burg und daher auf lysimachische Epoche deutend.
Die südwestliche Schenkelmauer ist dagegen jüngeren Ursprungs,
aber aus der besten römischen Epoche, wie das hier befindliche,
einer schräg geführten Feststrassc als Durchgang dienende
Bogcnthor beweist, welches mit einem ach ie feelegt e n und
[ steigend (reführten Tonnengewölbe in Schuittstcinf)ua-
dern überwölbt ist. Diese Anlage ist in technischer Beziehung
eine der schönsten, welche ich je gesehen habe. Sie bezeugt,
bis zu welcher Höhe die Keuutiuss des Steinschnitts im Alter-
thum entwickelt gewesen sein muss, wenn so schwierige Probleme
I in einer entlegenen Distriktshauptstadt mit solcher Sicherheit
gelöst werden Tionnten- (rniMuwi MpJ
Digitized by Google
— 69
Bodens 2 — 4 solcher Pateniosterwurke iti Thätigkeit gewesen. |
Es wurden pro Siliachtruthe wechselnd zwischen '21"« und 25'/,
Sgr. an Preisen gezahlt. Der Unternehmer hatte hierbei säinmt-
liche Gerätschaften herzugehen und stellte die Verwaltung nur
0 Handbagger und die dazu nöthigen Prähme, deren Unterhai- !
tung jedoch auch Sache des Unternehmers war. Ausserdem hat
die Verwaltung zwei Dauipfbagger, die theils zur Ausbagiferung
de« Hafenbasains henutit wurden, theila an den Unternehmer
gegeu Zahlung einer Pacht pro Arbeitstag hcrgeliehcn worden
sind.
Das Bauwerk ist im Jahre 1863 begonnen und wird hoffent-
lich im Laufe de» Jahres 1872 der Benutzung übergeben werden
könuen. Die Kostendesselben dürften sich nicht unter 950000 Tblr.
stellen.
Mittheilungen
Baugewerkontag in Berlin. Die Generalversammlung des
Braudeflburgischeu Baugewerkcn-Vereins, des Vereins .Berliner
Baubude" und der Delegirteu deutscher Baugewerkeu -Vereine,
deren Einberufung wir in No. 5 mittheilten, hat nunmehr am
IS., 13. und 20. Februar in Berlin stattgefunden, und berichten
wir Uber dieselbe nach deu Referaten in der Vossischen Zeitung
und der Baugewerks-Zeituug. leider hat der Mangel an luteressu,
den die Mehrzahl der deutscheu Baugewerksmeister derartigen,
auf Vereinigung zur Fortbildung und Vertretung des Standes
gerichteten Bestrebungen zollt und dessen wir in jener Notiz
gedachten, sich in bedauerungswürdiger Weise bestätigt; die
Generalversammlung, an welcher im Dezember 1S70 über 250 Per-
sonen Theil nahmen, beschränkte sich diesmal auf etwa HO Per-
sonen, unter denen 33 auswärtige Delegirte sich befanden.
Die Verhandlungen des ersten Tages, Sonntag den IS. Fe-
bruar, die durch den Vorsitzenden der .Berliner Baubude",
Hrn. Baltz, eröffnet wurden, umfassten lediglich die Wahl des
Kureaus und die Einsetzung der Kommissinnen zur Vorberathung
der verschiedenen vorliegenden Anträge.
Montag den IH. Februar begann die Sitzung mit einem Vor-
trage des Vereins-Schriftführers, Hrn. Fetisch, über die Ent-
wicklung und Tbfitigkcit der deutscheu Baugewerken -Vereine,
dessen Inhalt ergab, dass die Zahl derselben fortwährend im
Wachsen begriffen ist und dass es somit an der formellen Vor-
bedingung einer gedeihlichen Wirksamkeit keineswegs fehlt
Nach kurzer Debatte wurde demnächst die bisherige Vereinigung
des Brandenburgischcu Provinzial-Vereins mit der Berliner Bau-
bude, die sich in der Praxis nicht Itewährt hat, aufgehoben und
»oll der erste sich neu und selbständig koustituiren. Endlich
erfolgte die Berathung eines Statuts für einen .Allgemeinen
Verband der deutschen Baugewerken-Vereine". das nach längerer,
erst in der Sitzung des nächsten Tages zu Ende geführten Dis-
kussion festgestellt wurde. Die Grundprinzipien dieses Ver-
bandes sind bereits im Jahre IS7U beschlossen und nicht ge-
ändert worden; sie bestehen darin, dass als zur Aufnahme be-
rechtigte Vereine nur solche ungesehen werden sollen, deren
Mitglieder einen angemessenen Nachweis ihrer Befähigung zur
selbst ständigen Ausübung der Baugewerbe geführt haben, sowie
dass jedes Mitglied eines der verbundenen Vereine beim Wechsel
seines Wohnortes ohne Weiteres auch in jeden anderen eintreten
kann. Die Verwaltung wird einem Vorstände übertragen, dessen
gesebäftsführender Ausschuss der Vorstand der .Berliner Bau-
bude" ist und dem ausserdem die Vorsitzenden sämmtlicher
Zweig -Vereine angehören: entscheidende Abstimmungen «(dien
in einer alljährlich im Februar einzuberufenden Dclegirteu-
Vcrsammlung, und zwar nach der Kopfzahl der in den Vereinen
vertretenen Mitglieder stattfinden. Der jährliche Beitrag der
Vereine ist pro Kopf auf 15 Sgr. angenommen, insofern die Mit-
gliederzahl nicht 100 übersteigt.
Ein von Hrn. Dr. Fancher in Aussicht gestellter Vortrag
musstc wegen Verhinderung desselben ausfallen; nach Schluss
der Sitzung besichtigte die Versammlung unter Führung des
Professor Gropius das für diesen Zweck bereitwilligst geöff-
nete und erleuchtete provisorische Haus des deutschen Reichs-
tage«.
Dinstag, den 20. Februar wurde nach Beendigung der am
Montag abgebrochenen Verhandlungen in die für diesen Tag
festgesetzt»! Tagesordnung übergegangen, betreffend die Fest-
stellung eines Normalstatuts zu den Aufnahmebedingungen
in die Baugewerken-Vereine, uuter Hinzuziehung der Direktoren
der Baugewerkscholen, von denen allein die Herren Wilda —
Eckernförde, — und Mollinger — Höxter — erschienen
waren. Trotz lauger Vorbcrathungen im Schoosse der Kommis-
sion, welche wegen des umfangreichen Materials allerdings nicht
zu einem genügenden Abschluss gelangt waren, trat die Ver-
sammlung in die Berathung des vorliegenden W i I da'scheu Prü-
ningsentwurfs nicht ein, sondern nahm nach ungefähr einstüudiger
Berathung folgende Resolution an:
„Die Kommission beschliesst in Anbetracht, das« die Durch-
berathuug des vorliegenden Prüfungs-Regletneuts der verfüg-
baren zu kurzen Zeit halber gründlich nicht möglich war, und
in Betracht, dass die Ansichten der Kotumissiousmitglieder weit
auseinandergehen, der Versammlung vorzuschlagen:
vorläufig von der Berathung des vorliegenden Entwurfs
abzustehen, dagegen zu beschliessen, dass sich die Prnvinzial-
Vereinc über den Entwurf schriftlich gutachtlich äussern
mochten, um dann aus diesem so gesammelten Material von dem
Zentral-Ausschuss ein Prüfungs-Kegleinent entwerfen zu lassen,
welches demnächst in einer zu berufenden Delcgirten-Versauiin-
lung berathen werden soll :
bis zur Feststellung dieses Reglement« «oll es jedem Pro-
vinzial-Verein freistehen, die Prüfung seiner aufzunehmenden
Mitglieder nach einem von ihm selbst aufzustellenden oder
bereit« aufgestellten provisorischen Reglement vorzunehmen.
Ebenso können inzwischen die Abgangszeugnisse der Baugewerk-
aus Vereinen.
schulen in theoretischer Beziehung als für die Prüfung voll-
gültig angesehen werden.*
Der letzte Punkt der Tagesordnung waren die vom Vor-
stände des Vereins .Berliner Baubude" eingebrachten gedruck-
ten Anträge. Zunächst wurde die Debatte eröffnet über die Frage:
.wie haben sich die Baugcwcrks-Meister einem Strikc gegen-
über zu verhalten", und .welches ist da« beste Büttel, Arbeiter-
strikes zu verhüten?" Mehre Redner gingen in längerem Vor-
trage auf diesen wichtigen, noch nicht gelösten Gegenstand ein.
Zu einem eigentlichen Resultat führten die Verhandlungen in
so fern nicht, als Niemand ein wirksames Mittel vorzuschlagen
vermochte, welches geeignet gewesen wäre, diese soziale Frage
zu lösen. Dagegen nahm man allgemein eine gemeinschaftliche
Petition an das Staatsininisterium au: etwa eintretende Strikes
einer vis major gleichachteu zu wollen und auf die strenge Fest-
baltuug au kontraktlich übernommenen Verpflichtungen in diesen
Fällen nicht zu bestehen.
Endlich beschäftigte man sich mit der Frage über die
zweck massigsten Hülfsmasehinen zum Heben der Materialien
auf Bauten, — eine Frage deren Bedeutung namentlich darin
beruht, dass man sich durch die Einführung derartiger Maschinen
möglichst unabhängig von den für diesen Zweck bisher aus-
schliesslich verwendeten Arlieitskräften macheu will. — Den
festlichen Abschluss der Verhandlungen bildete, wie üblich, ein
gemeinsames Festmahl.
Arohitekten-Vereln zu Berlin. Versammlung am 24. Fe-
bruar 1872. Vorsitzeuder Hr. Quassowski; anwesend 165 Mit-
glieder und 7 Gäste.
Unter den an den Verein ergangenen Schreiben befindet sich
eine Aufrage des Sächsischen Ingeniour- und Architektenverein»
in Betreff der für das nächste Frühjahr beabsichtigten Vereins-
Exkursion nach Dresden; da über diese Exkursion ein formeller
Beschluss des Vereins noch nicht gefasst ist, so kann die An-
frage vorläufig noch nicht bestimmt beantwortet werden. Das
Weitere soll der später zu wählenden Exkursions - Kommission
überlassen werden.
Hr. Blankenstein berichtet über die 4 Entwürfe zu einem
Denkmale für die Stadt Lieguitz, welche in der unter den Vcr-
einsmitgliedern zu diesem Zwecke veranstalteten Konkurrenz
eingegangen sind. Die Lösung war durch die Bedingungen der
Aufgabe ziemlich eng begrenzt. AU weniger gelungen werden
zwei Entwürfe bezeichnet, von denen der eine die Figur des
schlafenden I.öwen, welche deu Haupttheil des Denkmals bilden
soll, in eine Halle eingebaut hat, während der andere sie auf
ein auffallend schmales Postament von zu wenig ausgeprägtem
Sockel, mit einem bedeutungslosen Triglyphenfries gesetzt bat,
das auf den längeren Seiten in unschön angeordneten Halbkreis-
nischeu die Inschrifttafeln zeigt — Angenehm wirkte in der
Darstellung der dritte Entwurf .Königsgreuadiere", als dessen
Hauptvorzug die sehr gelungene Ausbildung der Situation gelten
muss. Das Denkmal seihst zeigt einen effektvollen Kontur: auf
einem als Bank ausgebildeten Sockel einen Stufeuunterbau,
darauf das fein detaillirto Postament; doch ist das letztere für
die Figur des Löwen entschieden zu gross und würde diese für
nahe Standpunkte fast verdecken, ebenso sind einzelne Details
dem Granitmateriale durchaus nicht angemessen und die Ver-
wendung farbiger Terrakotten zur Herstellung eines Triglyphen-
frieses würde in Wirklichkeit zn unruhig wirken. Die Bcurthci-
lungs-Kummis.siou hat daher diese Arbeit, als deren Verfasser
Hr. Beruhard Kühn sich ergiebt, dem Liegnitzer Komite nur
zur Berücksichtigung resp. Ertheilung des zweiten Preises
empfehlen können. Den ersten Preis und das Vereinsandenken
bat sie einstimmig der vierten Arbeit mit dem Motto .2000 Thlr."
zugesprochen, welche da« schlichte, in edlen hellenischen Formen
gezeichnete Postament, das zunächst von einem Broncegitter
umgeben wird, auf einem Erdbügel erhöht hat. Der Löwe ist
hier mit Entschiedenheit als Hauptmotiv zur Geltung gebracht
und steht die Einfachheit des Ganzen sowohl zu dem Material
wie zu der Kostensumme in angemessenem Verhältnisse; nur
werden einige Modifikationen in der Höhe der einzelnen Theilc
des Unterbaues gewünscht. Verfasser der Arbeit ist Hr. Fer-
dinand Luthmer.
Hr. Streckert verliest das Programm für die nächstjährige
Schinkelfcstaufgabe aus dem Gebiete des Ingenieurwesens —
Entwurf zu einer massiven Erneuerung der Janowitzbrücke in
Berlin, — das ohne Bemerkung genehmigt wird. Das Programm
für die Hochbau-Aufgabe kann erst in der nächsten Sitzung
vorgelegt werden, da der Referent Hr. Lucae an der Fertig-
stellung desselben und an der Anwesenheit am heutigen Abend
verhindert ist.
Es folgt ein Vortrag von Herrn Römer I. über die Heiz-
und Ventilations-Eiurichtungen, welche derselbe in seinem Kon-
kurrenz-Projekte für die städtische Irren -Anstalt zu Dalldorf
entworfen hat Für die Kirche war Luftheizung, für die Bade-
Digitized by Google
70
linuner Dampfheizung angenommen ; die Heizung der Pavillons,
»eiche unter den vorliegenden Verhältnissen am Schwierigsten
anzuordnen war. ixt als eine Mitteldruck - Wasserheizung (mit
Erhitzung des Wassers bis zu 100« R.) projektirt worden, jedoch
so, dass die einzelnen Räume nicht direkt durch die Heizkörper
erwärmt werden sollten, sondern das« diese ausnahmslos im
untersten Geschoss sich befinden und die erwärmte Luft durch
Kanäle den Räumen zugeführt wird. Die Ventilation, welche in
einem Irrenhause nicht eiue so grosse Rolle spielt, wie in eiuein
Krankenhause, ist mit der Heizung direkt verbunden; die durch
einen zentralen Schlot angesaugte frische Luft wird durch ein
horizontales Kanalnystem zu den Karamern der Heizkörper ge-
leitet — ein zweites Kaualsystcin führt die verdorbene Luft
nach einem Aspirationsschornstein. Zu Grunde gelegt ist hier-
bei die Annahme, dass in jeder Stunde einmal eine vollständige
Lufterneuerung erfolgen soll. — Der Vortragende äussert übri-
gens am Schlüsse seinerMittheilungen motivirte Bedenken gegen
die von den städtischen Behörden getroffene Wahl des Platzes
Vermischtes.
Die Frage, der KanaUslrung Berlins — nachdem der
erste heftige Widerstand der Dilettanten sich gelegt hat, seit
mehren Jan ren lediglich eine Frage der Zeit — ist abermals
um einen Schritt vorwärts gerückt. Leider erfolgt dieses Vor-
rücken in so langsamem Tempo, dass er immer noch zweifelhaft
bleibt, ob die gegenwärtige Generation sich der Segnungen der
grossen unentbehrlichen Verbesserung noch wird erfreuen Können,
zumal nach der Prinzipienfrage zunächst noch die Geldfrage und
die möglicherweise nicht minder schwierige Frage einer Aus-
einandersetzung mit dem sogenannten .Strassenfiskus" zu lösen
sein wird, der augenblicklich wieder einmal mit den städtischen
Behörden im Konflikt steht Uns dünkt übrigens - beiläufig
bemerkt — gerade unter den gegenwärtigen Verhältnissen eine
gemeinschaftliche Lösung der letzten beiden Kragen sich von
selbst darzubieten; der fcjtrassenfiskus braucht nur sein Besitz-
recht au den bis 183!) gepflasterten Strassen Berlins, das de facto
die höchst lästige Pflicht der Unterhaltung dieser Strassen be-
deutet, unter Leberwoisuug eines der Ablösung dieser Pflicht
angemessenen Kapitals an" die Kommune der Hauptstadt zu
übertragen, um alle zukünftigen Konflikte dieser Art aus der
Welt zu schaffen und der Stadt, wenn auch nicht die ganzeu, so
doch einen gewissen Theil der zur Ausführung der Kaualisirung
erforderlichen Mittel zu gewähren.
Den Stadtverordneten Berlins lagen iu ihrer letzten Sitzung
zwei neue, auf die Kanalisirungsfragc bezügliche Aktenstücke
vor — das durch den Baurath Hobrecht aufgestellte spezielle
Projekt nebst Kostenanschlag zur Entwässerung des Gebiets
der Dorotheen- und Friedrichstadt, sowie Alt-Kölns — sowie
ein Bericht der gemischten Deputation für die Reinigung Berlins
von Auswurfstoffen.
Das erstgenannte Projekt ist auf Grund eines Beschlusses
der Stadtverordneten vom 14. Juli 1871 aufgestellt worden und
ist in dem Erläuterungsberichte gleichzeitig eine Darstellung
dea bereits seit Sommer 1870 vorliegenden generellen Entwässe-
rungsprojektes Tür Berlin, von dem diese Arbeit nur ein weiter
ausgeführtes Detail ist, enthalten- Das Magistrats-Schrei! < be-
merkt zu der Vorlage, welche Herr Bauruth Ho brecht nach
dem Beschlüsse der Stadtverordneten demnächst in einer privaten
Sitzung des Magistrats und der Stadtverordneten uoch mündlich
erläutern soll — folgendes. .Das Projekt ist einer eingebenden
Durchberathung der gemischten Deputation für die Reinigung
Berlins von Auswurfstoffen in einer Reihe von Sitzungen unter-
worfen worden. Wenn die Anwesenheit hervorragender ärzt-
licher Autoritäten aus dem Kreise der Stadtverordneten-Ver-
sammlung in der Deputation zu der Annahme lierechtigt, dass
Forderungen sanitärer Beschaffenheit bei den Berathungen nicht
ausser Acht gelassen sind, so hat der Magistrat auch anderer-
seits geglaubt, bei der grossen Wichtigkeit des Gegenstandes
auch dafür sorgen zu müssen, dass bei Prüfung der bau- und
maschinell -technischen Seite des Projekts die Deputation ausser
durch das berufene städtische Organ auch durch Fachautoritäten
unterstützt würde, welche dem hierauf bezüglichen Urtheil der
Deputation allgemeinste Giltigkeit und Zutrauen beilegen. Er
hat zu dem Ende die Herreu :"l) Geheimen Ober-Baurath Koch,
2) Geheimen Regieruugsrath und Direktor der Gewerbe- Akademie
Reuleaux den Deputationsberathungcu beizuwohnen ersucht
und ist diesem Ersuchen in entgegenkommendster Weise ent-
sprochen worden. Das Ergebniss der Deputationsberathungcu
war die Billigung des Projekts für den Fall der Ausführung in
seinen wesentlichen Theilcn resp. die Amendirung desselben
nach einzelnen, mehr dem Detail angehörenden Richtungen. Es
liegt somit jetzt ein sorgfältig ausgearbeitetes und durch hervor-
ragende Fachautoritäten gebilligtes Entwässerungs-Projekt für
Berlin vor, welches, indem es früher gehegte Vorstellungen be-
züglich des erforderlichen Kostenaufwandes auf ihr richtiges
Maas» reduzirt und Besorgnisse wegen der in den lokalen Eigen-
thümlichkeiten Berlins liegenden technischen Schwierigkeiten
beseitigt, in bestimmter Weise zur AnBehauung bringt, welche
Zwecke unter dem allgemeinen Namen der Entwässerung
Rcrlins erreicht werden sollen und wio sie erreicht werden
können."
Die zweite Vorlage, hervorgerufen durch einen Besch luss
der Stadtverordneten vom 30. November v. J., hat zum Zwecke
den gegenwärtigen Stand der Versuche über die Möglichkeit
für die in Rede stehende Anstalt, den er für die Zwecke eines
Irrenhauses wenig geeignet finde.
Den Schluss nilden Frage -Beantwortungen, an denen sich
der Hr. Vorsitzende, Hr. Streckert und Hr. Häsecke bethei-
ligen Die von Letzterem aus der Praxis der Berliner Kom-
munal - Baubehörde entnommene Angabe, dass für Schulzimmer
die Lage nach Norden jeder anderen vorgezogen werde, während
die Westseite womöglich vermieden wird, giebt Aulass zu einer
ziemlich lebhaften Diskussion, in welcher Hr. Blankenstein
behauptet, dass dies allerdings die Ansicht der Schulmänner,
nicht aber die der Aerzte sei, welche ein Scbulzimmer, dessen
Luft niemals der reinigenden Wirkung des Sonnenscheins theil-
haftig werden kann, durchaus nicht für günstig halten; nach
ihm verdient im Allgemeinen die Ostlage den entschiedenen
Vorzug, während mau selbstverständlich mit jeder Lage auskom-
men kann. Die Ausführungen des Hrn. Häsecke finden da-
gegen Bestätigung und Unterstützung durch Hrn. Boeckmann.
einer geregelten Abfuhr der Auswurfstoffe darzulegen. Die
gemischte Deputation äussert sich darüber wie folgt;
I. Eine geregelte Abfuhr setzt folgende Vorbedingungen
voraus: 1) besondere Klosetcinrichtungeu im Hause, 2) Desinfek-
tion oder wenigstens Deodorisirung der Fäkalstoffe, 3) Organi-
sirung eines zuverlässigen Fuhrgeschäfts , 4) Absatz der Fäkal-
stoffe an Landwirthe oder Fabrikanten. Gegenstand eines Ver-
suchs können nur die Punkte ad 1. und 2. sein, denn bei 3. und
4. handelt es sich nicht mehr um Versuche, sondern um wirk-
liche Unternehmungen. Die gemischte Deputation hat sich daher
von Anfang an die Aufgabe gestellt, die Punkte ad 1. und 2.
in den Kreis ihrer Versuche und Untersuchungen aufzunehmen.
Die von ihr aufgeführten Versuche beziehen sich auf folgende
Methoden: a. die Süvcm'scbe Desinfektion, b. die Lenk'sche
Desinfektion, c. das Erdklosct, d. das Müller-Schür'sche
Kloset, e. das verbesserte Müller-Schür'sche Kloset, f. das vou
Professor Müller angegebene Verfahren der Trennung der Fäkal-
stoffe und des Urins (Versuche in einem besonders gebauten
Priv<[- auf dem Arbeitshaus-Grundstück), g. das Liernur'sche
Verfahren, h. dos Berieselungs-Verfahreu. Diese sämmtlichen
Methoden hat die Deputation geprüft. 5 dieser 8 Methoden ge-
hören ausschliesslich der Abfuhr an; ein Versuch bezieht sich
ausschliesslich auf die Kanalisation. Die Berichte über das
SüveruVche und Lenk'sche Verfahren sind schon gedruckt und
den städtischen Behörden übergeben. II. Eine anderweitige
Abfuhr-Methode, welche hier einen Vertreter fände, ist der
Deputation, ausser den geprüften, nicht bekannt III. Es ist
endlich angegeben, welche Bedeutung einem Abfuhr- Versuche
unsererseits Beigelegt wird, wenn ein solcher gelungen wäre.
Wir sind zu der Ueberzeuguug gelangt, dass in der mit Wasser-
leitung versehenen Stadt Berlin 1) eine Kanalisation neben einer
jeden Abfuhr zu erbauen ist, 2) dass diese Kanalisation in bei-
den Fällen, d. h. also, wenn daneben eine Abfnhr besteht, oder
wenn die menschlichen Dejektionen durch die Kanäle abgeführt
werden, nach denselben Dimensionen, in derselben Grösse
und mit denselben Kosten hergestellt werden muss. 3) Dass
also die Kosten einer Abfuhr, wenn eine solche neben der
Kanalisation besteht, in ihrem ganzen Umfange den Kosten einer
Kanalisation hinzutreten. 4) Dass die durch den Verkauf der
Fäkalien za erzielenden Erträge nicht eine solche finanzielle
Höhe erreichen würden, um die Kosten des Abfuhrwesens zu
decken.
Es ist in der Deputation von keiner Seite bezweifelt,
dass in denjenigen vorstädtischen Bezirken Berlins, welche die
Wasserleitung noch nicht haben, eiue Kanalisation bis dahin,
wo dies eingetreten ist, unmöglich ist, und dass die Abfuhr
dort fürerst die einzige Möglichkeit bleibt, die Reinigung dieser
Gegenden Berlins von Auswurfstoffen einigermaassen zu er-
reichen. Die Deputation ist in sich auch ferner darüber einig,
dass zur Verbesserung der jetzt dort bestehenden Abfuhr nicht
Versuche zur Lösung eines nicht vorhandenen Problems, sondern
verschärfte polizeil ichc Maa ssregeln erforderlich sind;
auch kann man über die polizeilichen Maassregeln selbst kaum
im Zweifel sein. Es würde zu fordern sein, 1) dass die Mist-
gruben zur Aufbewahrung der Fäkalstoffe und des Urins auf
den bewohnten Grundstücken beseitigt werden. 2) dass jede
Haushaltung einen Kübel oder Fass dessen Grösse höchstens
die Dejektionen einer Woche aufzunehmen im Stande ist nebst
einem Reserve-Kübel oder Fass sich beschaffe. 3) dass wenigstens
wöchentlich einmal die Abfuhr (in verschlossenen Wagen) bei
Nacht stattfinden müsse, 4) dass Fass oder Kübel nur in voll-
ständig gereinigtem Zustande nach der Entleerung wieder in
Gebrauch genommen werden dürfe etc.
Hiernach glaubt die Deputation sowohl die nöthige Parität
bei den bisher angestellten Versuchen beobachtet zu haben,
(obwohl sie den Abfuhrversuchen nur eine untergeordnete Be-
deutung bei der Reinigung Berlins von Auswurfstoffen zuer-
kennen kann), als auch eine Vorlage behufs Anstellung eines
anderweitigen Abfuhrversuchs nicht machen zn können. Da-
gegen wird sie einen zusammenfassenden Bericht über die Er-
gebnisse ihrer Thätigkeit erstatten, sobald ihre Untersuchungen
über die bis jetzt uoch nicht ganz zu Ende geführten Arbeiten,
namentlich in Beziehung auf die Berieselung, sowie auf die
geologischen, chemischen und statistischen Aufgaben, welche der
Deputation gestellt sind, zum Abschlüsse gerührt sind.
Digitized by Google
71
Eine permanent« Ausstellung moderner konstgewerb-
ler Arbelten des In- und Auslandes wird in einem eigen»
dam bestimmten Saale des Oesterreichischen Museums für Kunst
und Industrie veranstaltet werden. Wie uns die Direktion des-
selben mittheilt, werden für diese Ausstellung, zu deren Be-
schickung eingeladen wird, folgende Gesichtspunkte
beod sein:
1. Es kennen nur Gegenstande zugelassen werde
in Form und Ornamentation ausgezeichnet sind, oder doch einen
hohen Grad der kunstgewerblichen Technik, oder die Anwendung
eines neuen technischen Verfahrens auf Kunstgewerbe zeigen.
In zweifelhaften Fallen entscheidet eine J u ry über Annahme oder
Ablehnung. Bei Werken des Auslandes, welche nicht durch die
betr. Künstler, Fabrikanten etc. selbst zur Ausstellung gelangen,
ist doch immer der Ursprung genau anzugeben. Arbeiten von
Dilettanten oder Arbeitarn müssen ausdrücklich als solche
t. Die Gegenstände müssen zuerst angemeldet und nach
erfolgter Verständigung über den Zeitpunkt der Einlieferung
kostenfrei in das Museum geschallt werden.
3. In der Regel soll ein Gegenstand durch sechs Wochen
ausgestellt bleiben; falls eine kürzere oder längere Zeit ge-
wünscht wird, ist darüber mit dem Museum Vereinbarung zu
treffen. Für Gegenstände, welche ohne solche Vereinbarung
über den festgesetzten Termin im Museum belassen werden,
kann keinerlei Haftung übernommen werden.
4. Bei besonders kostbaren oder zerbrechlichen Gegenstän-
den ist für deren Sicherheit vom Aussteller Vorsorge zu treffen.
5. Platzgebühr ist nicht zu entrichten.
6. Bei verkäuflichen Gegenständen des Inlandes kann der
Preis angegeben werden.
7. Auswärtige Aussteller müssen dem Museum einen Ver-
treter in Wien namhaft machen.
Für die ebenfalls permanente Ausstellung der zeichnen-
den reproduzirenden Künste (Kupferstich, Holzschnitt,
Chromo- Lithographie, Photographie u. s. f.), für dio ein beson-
Saal resemrt ist, wird ein besonderes Reglement erlassen
Brücken. Der Umstand, dass die Aus-
führung der grossen internationalen Brücke zu Buffalo (welche
die Vereinigten Staaten mit Canada verbinden soll), sowie einer
anderen grossen Eisenbrücke in Canada amerikanischen Brückcu-
bau-Untcruehmen) nach siegreicher Konkurrenz mit englischen
Mitbewerbern übertragen ist, scheint in Amerika einiges Auf-
seben zu erregen. Er veranlasst unsern dortigen Korrespon-
denten, in Folgendem auf die Vorzüge hinzuweisen, welchen das
amerikanische Brückenbausystem diesen Sieg über das englische
zu verdanken hat.
Ihr Hauptaugenmerk richten die Amerikaner darauf, die
Brücken so viel als möglich in den Werkstätten fertig zu
machen, und die Arbeiten auf der Baustelle auf ein iiusserstes
Minimum einzuschränken. Sie scheinen es in diesem (übrigens
auch hier zu Lande gethcilten) Bestreben allerdings weit gebracht
zu haben, da sie im Stande sind, eine Brücke von 60™ Spann-
weite, wenn es nßthig, binnen 2 Tagen nach Vollendung der
Gerüste soweit fertig zu stellen, dass Bie sien frei trägt.
Auch wird auf möglichste Gleichartigkeit der Konstruktions-
theile hingewirkt und dadurch eine sehr ausgedehnte Anwen-
dung der Maschinenkraft ermöglicht, sowie die Genauigkeit der
Arbeit befördert. Die Einschränkung der zum Bruckenbau
nöthigen Handarbeit gestattet natürlich auch die Preise billig
zu stellen. Dazu kommt, dass man in Amerika im Allgemeinen
leichter konstruirt als in England. Und dennoch sind die ame-
rikanischen Brücken sowohl im vertikalen als im horizontalen
Sinne steifer als die englischen, da sie gemeinhin höhere Träger
erhalten und in Folge dessen sowohl oberhalb als unterhalb der
r ahrbahn mit Horizontalverband
Zur Frage der Qehaltsverbesaerang der Prensalaohen
Baubeamten ist die erfreuliche Mittheilung zu melden, da&s
unter den Anträgen der Budget-Kommission, welchen der Finanz-
minister in der Sitzung vom 2ß. Februar seitens der Regierung
zugestimmt hat, auch Folgeudes gehört: „Die Regierung aufzu-
fordern, darauf Bedacht zu nehmen, dass die fixirten Vergütun-
gen für Bureaukosten, Schreibhülfe, Fuhrkosten u. dergl. nament-
lich für Landräthe, Baubearoten und Distriktskommissarien,
auf einen dem wirklichen Bedarfc entsprechenden Be-
trag festgesetzt werden."
Ans der Fachliteratur.
Zeitschrift des Architekten- und Ingenieur -Vereins zu
nnorer. Jahrgang 1871.
A. Aus dem Gebiete des Ingenieurwesens.
(Fortsetzung).
5. Michaelis und Hess, das Projekt des Woser-
Elbe-Kanals. — Bei dem ausserordentlichen Aufschwünge,
welchen der Verkehr Deutschlands in der letzten Zeit genom-
men hat, und welcher es dringend wünschenswert!} macht, dass
ihm neue recht leistungsfähige Wege er lossen werden, muss
die Mittheilung dea vorliegenden Projekte als sehr zcitgeinäss !
bezeichnet werden.
6. Scbmiedeeiserne'Brücken der Südharzbahn,
von Ingenieur Rooth in Hannover. — Mitgetheilt werden
die Sieberbrücke (rechtwinklig mit zwei Oeffnungcn von 14,60» |
lichter Weite, Fachwerk ) und zwei Wegeunterführungen. Die
charakteristische Konstruktion der Fahrbahn, wiewohl etwas viel
Holz erfordernd, empfiehlt sich wegen der Verminderung der
Gefahr bei Entgleisungen auf der Brücke, die sie herbeiführt,
sowie wegen der Möglichkeit, die Schieuenstösse an jeder belie-
bigen Stelle der Brücke, auf die sie beim Legen des Oberbaues
treffen, solide und einfach zu unterstützen. Zweckmässig ist
auch die Befestigung der Schwellen an den Schwellenträgern.
Der Berechnung der Schwellen und Querträger ist das bedeu-
tende Gewicht einer Lokomotive von 1020 z , welches sich
gleichmässig auf « Räder mit 1,75" Randstand vertheilt, zum
Grunde pelegt
7. Die Georgs-Marienhütte bei Osnabrück, von
Oberbaurath Funk. — Der Georgs-Marien-Bergwerka- und
Hüttenverein ist im Jahre 1850 als Aktiengesellschaft entstan-
den. Von da an haben sich seiue Aulagen sukzessive vergrößert,
werden sich aber erst jetzt, wo sie durch AnschlusB an die
Venlo-Hamburgor Bahn direkte Eisenbahnverbindung erhalten,
zu ihrer vollen Bedeutung entwickeln können. Letztere lä&st
sich darnach beurtheilen, dass mau den jährlichen Transport auf
der Anschlussbahn nach Bahnhof Uassbergen (Venlo-Iiamburg)
zu 8 100000 z annimmt. Ausserdem werden von den Gruben
am llüggel und Kothen Berg, wohin von der Hütte ebenfalls eine
Bahn (die sogen. Hüggelbahn) geht, jährlich 55000U0 2 Erze
heranzufahren sein. Es war an der Hütte also auch eine ziemlich
ausgedehnte Bahnhofsanlagc erforderlich, welche den Antheil
der Bautechniker an der ganzen Mittheilung vor Allem in An-
spruch nehmen dürfte. Die Geleiseanlage kann als ein Muster
der deutschen Lösungsart solcher Aufgaben betrachtet werdeu,
da die Zugänglichkeit aller Theilc des gegebenen Bahnhofster-
rains im Wesentlichen durch Weichcnverbindungen erzielt und
das so geschaffene Netz durch Drehscbeibengeleise nur vervoll-
ständigt ist.
Die Hochöfen, deren Konstruktion als die neueste, auf die
bisherigen ausgedehnten Erfahrungen gestützte bezeichnet wird,
sind ausführlich dargestellt
Auch die Windwärmapparate sind neu, und sollen gegen
die bisherigen Konstruktionen erhebliche Vortheilo bieten.
Die Steinbrechmnscbine der Georgsiuarienhütte (welche
skizzirt ist) stellt eine Verbesserung der Blake" scheu Maschine,
dar und hat als solche bedeutende Erfolge errungen und viel
Nachahmung gefunden. In Belgien ist sie der Hütte pateutirt-
Als Nebenprodukt der Hütte werden die Schlacken zur Fa-
brikation von Trassniörtel und künstlichen Steinen in so aus-
gedehntem Maasse verwendet, dass sich in Osnabrück eine eigene
Fabrik (H. W. Meyer 4 Co.) zur Ausbeutung derselben hat bil-
den können.
Zum Betriebe des Werkes einschliesslich des Bergbaues
sind G9 Dampfkessel der verschiedensten Art thätig.
An Kokesöfen sind 200 Stück thätig, 100 im Bau. Diesel-
ben sind nach dem sogen. Francois'schen System mit Thüreu
an beiden Enden, hohlen Seitenwänden und Sohlen, in welchen
die Züge für die Gase liegen, mit Maschinen zum Auspressen
der Kokcs aus den Oefen, welche durch lokomobile Dampfma-
schinen betrieben werden, hergerichtet.
Der Georgs -Marienhütte -Bergwerks- und Hüttenverein be-
schäftigt gegenwärtig 1M0 Arbeiter. Schon im Jahre 1860 wurde
dort eine selbstatändige politische Gemeinde geschaffen, welche
seitdem eine erhebliche Entwicklung erfahren hat und hoffent-
lich einer noch weit blühenderen Zukunft entgegengeht
8. Projekt nebst Kostenanschlag eines Wasser-
werkes für die Städte Dortmund und Hörde nebst
Umgebung, von Ingenieur Clauss in Braunschweig. —
Da zur Ausführung dieser Anlage eine Art Submission unter
Technikern ausgeschrieben war, ist das Projekt des Hrn. Clauss,
der nicht der Mindestfordernde war, nicht zur Ausführung ge-
kommen. Dass dasselbe nun doch veröffentlicht wird, ist gewiss
dankbar anzuerkennen, da solche nicht ausgeführten Entwürfe
ja oft prinzipiell ebenso richtige und bisweilen grossartigere Lö-
sungen enthalten als die wirklichen Ausführungen.
». Zur Theorie des Erddruckes liege
als drei Arbeiten vor, und zwar
a) Beitrag zur Theorie des Erddruckes von Baurath Mohr
in Stuttgart;
b) Berechnung der Futter- und Flügolmauern in Damm-
schüttungen von Ingenieur G. Menge!;
c) Bemerkungen des Professor Wink ler zu dem unter a)
angeführten Aufsatz, mit desseu Auffassungen sich Hr. Winkler
nicht einverstanden erklären kann.
Die theoretische Behandlung dieses schwierigen Theiles der
Statik wird bei so reger Bctheüigung wissenschaftlicher Kapa-
zitäten hoffentlieh der Klarheit entgegengeführt werden. Zu be-
dauern ist nur, dass durch die vielen Zufälligkeiten, welche, bei
Erddruck immerhin vorkommen können, und die Schwierigkeit,
vor Aufstellung der Projekte mit der zu verarbeitenden Erdart
Versuche anzustellen, der Werth jener Theorie für die Praxis in
so vielen Fällen mehr oder weniger illusorisch wird.
10. Die Aufnahme des Terrains mit dem Distanz -
messer bei Eisenbahnvorarbeiten, insbesondere die
Methode von Moinot, von Ingenieur C. Heuser in
Berlin.
Diese Aufnahmen beruhen darauf, dass die Entfernung eines
Punktes vom Beobachter tfus der Länge geschlossen wird, welche
zwei horizontale Fäden im Fernrohr auf einer vertikal auf den
Punkt gehaltenen Latte abschneiden, wobei dann zugleich durch
den Elevatiouswinkel des Fernrohre* der Höhenunterschied der
Digitized by Google
— 72 —
Punkte gemessen wird. Dio Vortheile der Methode, welche aller-
dings uicht unbekannt war, springen in die Augen. Wenn da-
her hier unternommen wird, durch eingehende Beschreibung
derselben ihre allgemeine praktische Anwendung in Deutsch-
land anzubahnen, so kann die« nur als sehr verdienstlich be-
zeichnet werden. Gleichzeitig wird der zur schnellen und vor-
theilhaften Ausübung der beschriebeneu SIe8Kuug»tnethüde er-
forderliche logarithmiscbc Rechenschieber waren empfohlen.
Konkurrenzen.
Die Konkurrenz für Entwürfe zu einem NaUonal-
Denkmal auf dem Niederwald, deren bevorstehenden Erlass
wir in No. 1 d. laufend. Jahrg. erwähnten, ist nunmehr durch
folgende Bekanntmachung eröffnet Die ebenso seltene, wie in-
teressante Aufgabe, ein« der poetischsten, die jemals deutschen
Künstlern gestellt worden ist, wird gewiss nicht verfehlen, zu
zahlreicher Betheiligung auch unter den Fachgcnosseii anzu-
regen. Das Komite würde sich übrigens den Dank aller Künst-
ler erwerben, wenn es von dem zur Aufstellung des Denkmals
zunächst in Aussicht genommenen Punkte einen genauen Situa-
tionsplan und eine oder mehre Photographien aufnehmen Hesse
und diese so schnell als möglich zur Disposition der Konkur-
renten stellte.
1) Zum Andenken an die jüngste sieg- und erfolgreiche,
einmüthige Erhebung des deutschen Volkes und an die Wieder-
aufrichtuug des deutschen Reiches soll ein National -Denkmal
auf dem Niederwald, gegenüber dem Eiuflussu der Nahe in dpn
Rhein, errichtet werden.
21 Die Konkurrenz zur Einsendung von Eutwürfeu zu die-
sem Denkmal ist für alle deutschen Künstler eröffnet. — Ihrer
Wahl ist dio Bestimmung des künstlerischen Charakters des
Entwurfs — Plastik oder Architektur oder eine Verbindung
beider — überlassen. Für den erstereu Fall ist die Ausführung
in Erzguss in Aussicht zu nehmen.
3) Als Standort des Denkmals ist vorerst der Leinginfcl ge-
dacht, ein Hügel, etwa auf zwei Drittel der Höhe des Nieder-
waldes, 500 Fuss über dem Rhein, gerade gegenüber dem Ein-
flüsse der Nahe, ohne jedoch damit andere geeisnete Punkte am
Abhänge des Niederwaldes auszuschliesseu. Die Kosteu des
Denkmals einschliesslich der Aufstellung sollen den Betrag von
250 000 Thlr. nicht überschreiten.
4) Die koukurrireuden Modelle sind in Gypsabgüssen ein-
zusenden, welche die Höhe von 1 % Meter ebensowenig ülier-
Bchreiten, als unter einer solchen von 75 Zentimetern bleiben
dürfen. Für rein oder vorwiegend architektonische Entwürfe
ist statt dessen die Einsendung vollständiger Zeichnungen in
ähnlichen Dimensionen gestattet.
2) Die Modelle bezw. Zeichnungen müssen bis längstens
3. September 1872 in Berlin unter einer demnächst bekannt zu
machenden Adresse eingetroffen »ein, um zur Koukurreuz zu-
gelassen werden zu können. In diesem Falle übernimmt der
Ausscbuss die Kosten der Hin- und Rückfracht Sie müssen
mit einem Motto für die öffentliche Ausstellung versehen und
von einer überschläglichen Berechnung der Kosten der Aus-
führung und Aufstellung, sowie von einer genauen Bezeichnung
des Standortes, falls als solcher eine andere Stelle des Nieder-
waldes, als der Leingipfel, vorgeschlagen wird, («»gleitet sein;
ausserdem ist für das Preisgericht ein versiegelter Zettel bei-
zufügen, welcher Namen und Adresse des Künstlers enthalt und
aussen dasselbe Motto tragt, wie der Entwurf. Die öffentliche
Ausstellung der Modelle und Zeichnungen findet mindestens 14
Tage vor dem Urtheilsspruch des Preisgerichts in Berlin statt
und bleibt eine solche auch an anderen Orten vorbehalten.
G) Das Preisgericht hesteht aus folgenden Künstlern und
Kunstkennern: Professor Drakc in Berlin, Professor Eggers
in Berlin, Professor Dr. Hähne! in Dresden, Professor Lübke
in Stuttgart, Oberbaurath Professor Schmidt in Wien, Oberhof-
baurath Professor Strack in Berlin, Professor Zumbusch in
München. Dasselbe hat bei seinem Spruch ebensowohl auf
den absoluten Kunstwerth der Arbeiten , als auf die Angemes-
senheit und Ausführbarkeit derselben nach Maassgabe des vor-
stehenden Programms zu sehen.
7) Dem Autor des hiernach von dem Preisgerichte als der
beste erkanuten Entwurfs wird entweder die Ausführung des-
selben innerhalb der durch die verfügbaren Mittel gezogenen
Grenzen übertragen, oder ein Preis von ItOOO Thlr. zuerkannt
8) Pur den zweitbesten Entwurf wird ein Preis von 1000
Thlr., für den drittbesten ein solcher von 500 Thlr. ausgesetzt.
9) Der zur Ausführung bestimmte, sowie die mit Preisen
gekrönten Entwürfe werden Eigenthum des. Ausschusses mit dem
ausschliesslichen Rechte der Vervielfältigung.
Frankfurt a. M., im Februar 1872.
Der geschaftsführunde Ausschuss
des Komite« zur Errichtung eines National - Denkmals auf dem
Niederwald.
Brückenbau zn Bad Ems. Unter diesem Titel lesen wir
unter deu Inserateu der Kölnischen Zeitung folgendes eigentüm-
liche Konkurrenz -Ausschreiben:
„Die hiesige Stadtgemeinde beabsichtigt, ein
Fussbrücke über die Lahn daliier zu erbauen, und ladet
sachkundige Techniker zur Aufstellung und Einreichung
geeigneter Baupläne mit dem Anfügen ein, dass für deu zur
Ausführung geeignet befunden werdenden Plan ein Prei*
von 100 Thalern bezahlt wird.
Bad Ems, 17. Februar 1872. Der Bürgermeister Stauch. -
Wir brauchen wohl nicht näher auszuführen, doss eine der-
artige Konkurrenz gegen jeden Brauch verstösst und für den
Techniker, der sich darauf einlassen würde, nicht die geringste
Garantie bietet. Nichtsdestoweniger wollen wir nicht verfehlen,
alle diejenigen, »eiche mit deu Verhältnissen nicht etwa naher
vertraut sind, ausdrücklich vor eiuer Betheiliguug zu warneu.
Personal - Nachrichten.
Deutsches Reich.
Zum vortragenden Ruthe im Bundeskanzler-Amte an Stelle
des ausgeschiedenen Geh. Ober-Bauraths Hart wich ist (wie
wir in Folge eines Versehens nachträglich berichten müssen)
der Geh. Baurath Kind, bisher Rath im Prcuss. Miuist für
Handel etc.. ernannt worden.
Preussen.
Ernannt: Der Baumeister Kubale zu Krotoschin zum
Eisenbahn-Haumeister bei der Stargard-Poscuer Bahn in Star-
gard i. P. Der Bau-Kommissar Stern zu Leugerich i. Westpb.
zum Kreisbaumeister zu Prüm, Reg.-Be*. Trier.
Versetzt: Der Regierung»- und liaurath Franz zu Kob-
lenz als Hülfen Leiter in die Eisenbahuabtheiluug des Ministeriums
für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten nach Berlin. Der
Regierung*- und Bauruth Vogel in Berlin nach Kobleuz.
Die Bau meist er- Prüfung halten bestanden: Bauführer
Heinrich Böhme aus Göttingeu: Architekt Theodor Becker
aus Wablstorff in Holstein; Karl Heinrich aus Jastrow; Max
Spitta aus Lissa; Karl Herman Wex aus Schwerin i. M.: Paul
Georg Eduard Jacob aus Löwen.
Das Bauführer-Examen haben bestanden: Feldmesser
Aug. Ferd. Ludw. Bauer aus Dirschau; Wilh. Heinr. Hermann
Rasch aus Magdeburg ; Traugott U uger uu_s Luckenwalde: Otto
Peters aus Magdeburg: Franz Coulmann aus Darmstadt:
Alpbons de Ball aus Lobberig bei Crefeld; Ernst Ross-
kotheu aus Rosskotheu bei Kettwig; Wilhelm Effmann aus
Werden a. d. Ruhr: Friedrich Eduard Otto aus Neudorf bei
Reichenhach: Karl Ludolf Müller aus Steinhöfel i. P.; Ulrich
Alter aus Prauss bei Nimptsch; Feldmesser Wilhelm Nitka
aus Königsberg i. Pr.
Brief- und Fragekasten.
Herrn Landwirth F. N. in L. Ob die von dem Un-
ternehmer beiin Bau Ihres Rindriehstalles gewählte Konstruktion
von Gewölbekappen zwischen eisernen Trägem, welche auf Säu-
len ruhen, auch bei Annahme eiuer Gewölbe&tärke von V« Stein
und porösen Steinen ohne Gefahr auszuführen sein wird, kaun
erst mit völliger Sicherheit beurtheilt werden, wenn man die
Bau- und Detail-Zeichnungen einsehen kann und die über dem
Gewölbe möglicher Weise eintretenden Belastungen kennt Für
die vorhandene Spannweite ist die Gewölbostärke etwas gering,
genügt aber vielleicht in Anbetracht aller Verhältnisse. Die
Reduktion fühlt sich nicht berufen, technische Gutachten auf
Grund kurzer brieflicher Angaben über Bauausrührungen abzu-
geben; sie wird aber, wenn Sie es wünschen, Ihnen eiuen Tech-
niker nachweisen, der das fragliehe Projekt prüft und ein Gut-
achten darüber aufstellt.
Hrn. K. in Breslau. Für die auf Seite 413, Jhrg. 1871,
mitgetheilten Ziffern ültcr die Gesammtzahl der den einzelneu
Rang- und Gehaltklassen augehörigen Baubcamten sind wir nicht
verantwortlich; wir habeu dieselben ohne Kontroln dem Etats-
Entwurf entnommen. Eine ausführlichere Mittheilung dieses
Entwurfs, resp. dos demnächst festzustellenden Etats — falls
die Gehaltszulagen sich nicht wesentlich ändern, wird wohl
kaum erforderlich sein, da mittlerweile jeder Beamte auf amt-
lichem Wege von der auf ihn fallenden Zulage Kenntniss erhal-
ten dürfte. Wir berichtigen übrigens einen in jeuer Notiz ent-
halteueu Irrthum. Der bautechnische Hülfsarbeitcr im Finanz-
Ministerium ist. von der Gehaltsverbesserung nich t ausgeschlos-
sen, sondern »oll von 1000 auf 1200 Thlr. erhöht werden.
Hrn. II. in Lemberg. Den Entwurf zur neuen Bauord-
nung für Berlin und das Promeraoria der Baubude wollen wir
Ihnen gern verschaffen: das Referat der Architekten-Vereins-
kommissiou, das nicht gedruckt worden ist, können Sie sich
in keiner anderen Weise versebaffeu, als indem Sie den Vorstand
direkt ersuchen, Ihnen eine Abschrift desselben zukommen zu
lassen. Der Erlass einer neuen definitiv festgestellten Bauord-
nung für Berlin wird sich jedenfalls noch geraume Zeit verzögern.
Berichtigung. In dem Aufsatze über Zementdachplatten
in Nr. 7 ist auf Seite 52 in Folge eines Druckfehlers die Weite
der Lattuug uuf 18« m angegeben, während es 48"" heissen soll.
In Nr. 8 ist am Schlüsse der unter den Mittheilungen aus Ver-
einen enthaltenen ersten Notiz über das Verhältnis« des Verban-
des zum Verein deutscher lngeuieure das leicht einzuschaltende
Wort „ohne- fortgeblieben.
lllustrationsbeilage: Facade der St Johanneskirche im Norder -Kirchspiel
Der Text und die übrigen Zeichnungen folgen in einer späteren Nuninrer.
toi. C.Ii B..III1 ta
Um** vw. O «br.d.r Kicker . In lk.li,i.
Digitized by Google
£st. Johannes - Kirche im [Vorder- Kirchspiel zu Altona.
Jahrg. Tl. M 10.
DEUTSCHE BAUZEITUNG
Organ des Verbandes
deutscher Architekten - und Ingenieur-Vereine.
Redakteur Z. £. 0. Fritioh.
Inaerate
ftr 41. L«er «fr l
Sutrllen« Kirim Aefnalun-
la «er wialte-aWlate:
PrcU 1 Tbaler pre Quartal.
Berlin, den 7. März 1872. Kmheint je-ei Ninerstag.
Inhalt: An der TMtickelt der riratMhea Peld-Blientiahai Abtbelltiairen VI.
- K.la*aklea.a dm Orient IX. - Hin Brkenntniaa Uber Feneterrarht. - Mit-
thallaaten in V.r.ln.af ArcMUwIaa.Veratn iu Berlin. - Varml.ohtet:
getalion. — Aa. dir Faohlitlerllar: Zell.chrlft da. Archit-kirn nnd Inga
nleur-Verelne in ll:. .... . Jahr*. 1871, Urft 1 - 4. ( Fortaetrang). — Konkor-
reaaen: Monat. Aufgaben Im Architekten -Verein H tlrtla tum «. April 1*77.
— Prole.Untieche Kirch* ia StrawlMirg. - Pera«, nil - K ae bricht. a .10.
Aus der Thätigbeit der
VI. Die Wiederherstellung der zerstörten Marne-
Brücken auf der Strecke Blesme-Chaumont der
französischen Osthahn.
(Mit AMMdungrn aal Seite 77.)
Als nach dem Falle von Metz in den ersten Tagen des
November 1870 der Vormarsch der zweiten Armee in der
Richtung Toul - Joinville - Bar sur Aube - Troye* erfolgte, erhielt
die Sektion L der 4. Feld-Eisenbahn-Abth'eilung den Befehl
zur Herstellung der hier zunächst in Betracht kommenden
zerstörten Bahnstrecke Blesme - Chaumont. Dadurch, das»
die leichten Hindernisse bis Joinville bereits seitens des Ei-
bahn-Direktors der genannten Armee beseitigt worden waren
und die Abtheilung über das tägliche Vorrücken der Trup-
pen genau unterrichtet wnrde, konnte bereits am S. Novem-
ber, nach Beendigung eine* Vorpostengefechts, die erste zer-
störte Brücke über die Marne, jenseits der Station Donjeux
bei dem Dorfe Villiers gelegen, rckognoszirt werden, während
über die weiteren Aufgaben noch nichts Genaueres erkundet
war. Jedoch konnte bald nachher auf Umwegen bis zur
Haltestelle Froncles vorgedrungen werden, und fanden sich
noch xwei weitere ebenfalls völlig zerstörte Marne-Brücken,
während ein zwischen No. II und III gelegener Tunnel glück-
licherweise erhalten war und zuverlässige Nachrichten die
weitere Strecke über Bologne bis Chaumont als unbeschä-
digt bezeichneten.
Die Aufgabe der Sektion bestand demnach aus der gleich-
zeitigen, aufs Aeusserste zu beschleunigenden Herstellung
dreier Brücken, welche eine Gesamratlänge von 14t) Meter
hatten und von denen nur die erste Baustelle mit Zügen
erreichbar war, während die beiden andern durch Baustege,
aus Telegrapbenstangen gebildet und schleunigst über das
Waaser resp. die Trümmer gestreckt, erst zugänglich ge-
macht werden mussten. Die beiden ernten Brücken hatten,
wie es die Skizzen punktirt darstellen, aus je 2 massiven
Gewölben von 20 resp. 18 Metern Spannweite bestanden,
deren Trümmer je eine OeflFnung völlig für den Wasserdurch-
fluss versperrt, die zweite Oeffnung eingeschränkt hatten.
Bei der gebotenen Forcirung der Arbeiten, indem an-
fänglich nur eine Gesainratbauzeit von 3 Wochen gewährt
werden sollte, konnte an zeitraubende Aufräumungsarbeilen
und Herstellung des Hochwasserprofils nicht gedacht werden,
vielmehr war es das Nächstliegende, nur für eine OeiTnung
freitragende Konstruktionen zu verwenden, die Trümmer der
anderen Oeffuung dagegen zu einzelnen Tragpfeilern herzu-
richten und mehre Pfaliljocbe darauf zu stellen. Die Be-
triebseröffnung konnte dadurch wesentlich beschleunigt und
im Uebrigen der Fall im Auge behalten werden, dass die
Brücken bis zum Frühjahrshochwasser Dienst leisten müssten
und dann ohne Betriebsunterbrechung theilweise umgeändert
werden könnten. Zur Herstellung der freien Oeffnungen
wurdeu 4 Stück hölzerne Gitterträger aus Metz beschafft,
welche dort seitens der französischen Ingenieure schon vor
dem Kriege in Vorrath gehalten worden waren , jedenfalls
zum Zwecke, auf dem in Aussicht genommenen Marsche nach
Berlin deutsche Flüsse damit zu überbrücken. Diese Sorte
von Trägern, welche in grosser Anzahl und bedeutenden
Längen, bis zu 25 Metern, in Metz vorhanden waren,*) er-
wiesen sich jedoch als ziemlich mangelhaft konstruirt, da
sie, wie Figur I und II und besonders der Querschnitt bei
C zeigt, der Vertikalen entbehrten und die aus 2 getrennten
Halbhölzern bestehenden Gurtungen zu schwach waren. Die
durch Aufmauerung der Trümmer resp. des völlig zerschos-
•I Dieaelben .lud aiapulthlloh IM dar F*)d-Kl«abahn-Abthtllaii( Mo. 1
; dar Streek. Kplaal-Veaowl verwendet word.a.
-Ahtheilungen.
Landpfeilers bei No. I
senen Lnndpteilers bei £<o. 1 gewonnenen Stutzpunkte er-
gaben für die Aufstellung der Pfabljoche, welche die freien
Fintöffnungen begrenzten, Weiten von 15», welche aber
durch schräge Unterstützungen auf 10» eingeschränkt wer-
Femer wurden in den mittleren Theilen der
Träger vertikale Absteifungen, aus Bohlenstücken
zugefügt und die Gurtungen durch l'ebernageln von
gegeneinander gegossenen starken Eichenbohlen, a a im
Querschnitt C verstärkt, wodurch die Durchbiegungen auf
das Maass de« Zulässigen, zurüc kgeführt werden konnten.
Da es zur l'eberbriickung von Spannweiten, wie die
genannten, keiner Fachwerkträger bedarf und letztere schwer
zu transportiren und aufzustellen sind, so erscheint die An-
fertigung solcher Konstruktionen, so lange sie nicht für
Spannweiten von l. r > — 20 Meter stark genug und womöglich
zerlegbar gefertigt werden, nicht recht motivirt, in vorlie-
gendem Falle waren dieselben einmal da und trotz der be-
schriebenen nothwendigen Abänderungen geeignet, den Brnk-
kenbau abzukürzen, gegenüber der Anfertigung von lauter
neuen Konstruktionen. Die bis in grössere Tiefe zertrüm-
merten Mittelpfeiler wurden aufgemauert und mit doppelten
Pfnhljochen besetzt, von hier ans die zweiten Oeffnungen durch
einfache Tragbalken, auf 5.60 bis CSO" Entfernung durch
die vorerwähnten einfachen Joche gestützt, Überbant. Diese
Tragbalken sowie die zum Aufbringen der Fachwerkträger
dienenden Rüsthölzer, runde Stämme von im Mittel 0.40 1 "
Durchmesser und 15 — 20™ Länge, waren grösseren Theils
ebenfalls aus Metz geholt und erwiesen sich im Verhältniss
nützlicher als die Gitterträger. Bei den ansehnlichen freien
Weiten von 6,30"' zeigten sich 3 dergleichen nebeneinander
liegende Balken zum Tragen der Fahrbahn vollkommen
sicher, ohne irgend weiche künstliche Verstärkung (einzelne
Kopfbänder ausgenommen*). Behufs Aufstellung der Fach-
werkträger wurden die längsten Hölzer über die Joche ge-
streckt nnd in der Mitte durch in das Flussbett gestossene
Telegraphenstangen unterstützt, darauf die beiden Träger
als fest verbundenes Sytein herüber gerollt, welche Arbeit
sich als höchst zeitraubend, mühsam und bei den mangel-
haften Rüstungsvorrichtungen nicht ungefährlich erwies. Bei
dem Rollen wurde die Lokomotive zum Ziehen benutzt, wo-
bei ein öfteres Zerreissen der Taue nicht ausbleiben konnte-
So entstanden die Brücken No. I und II zunächst mit den
in den Zeichnungen punktirt gezeichneten, direkt unterstützten
Pfahljochen g resp. c und /*, und waren die einzelnen Joche
sämmtlich durch Verkreuzungen, aus Telegrapbenstangen
gebildet, parallel der Brückenaxe gegen einander abgesteift.
Anderen Verhältnissen als den beschriebenen unterlag
die Herstellung der dritten Brücke bei Froncles, indem beide
ehemalige Oeffnungen noch dem Wasserdurchfluss dienteu
und geringere Dimensionen, von je 15" Spannweite hatten,**)
während die beiden Landpfeiler besser erhalten und noch
geeignet waren, seitliche Stützpunkte für eine freitragende
Konstruktion abzugeben. Ein Zubauen der einen Oeffnung
durch Aufstellung mehrer Pfahljoche erschien daher nicht
thunlich, und wurde in Rücksicht auf die in der Umgegend
zu erlangenden Hölzer — kurze Kichenstämme von starken Di-
•) In den gezeichnete» Prahlen zeigen .Ich ».Ist 4 Stuck, da dl« kürzeren
Balken nicht geetoeaea, eondern um «Ine gencln»cblltlletio Spannweite »oben ein
it »u '
-) Dl. »ir.llead. Verkleinerana d.r Llcht.'.naungen von Bracken, welche
•o mh. ia einander liegen, eon J>'w »tforaaurwlrt« lul IS«, erklirt .ich weniger
Ul. ilevn Abnehmen der Zudaieraenve |l. nie den u n«u u»Ug»n llorlillnHerheJl-
• iM , »elch«i die in Plueaengen oder Winkeln Heilenden Biuckea So. I und II an
lerli.g.o. DieSornf.lt. welche die fliniüiiKhen Ingenieure, a»fdlo Durchfobniag dor
Wege darrh die Kiaeabahaen verwenden, .ehomt .ich auf dl. Korrektion der iu
kreuzenden G.wiuer weniger ia .ratreck.a.
Digitized by Google '
mensionen — zn einer Sprengewerks-Konstruktion gegriffen,
wie sie die Figur III darstellt, l'm der diesem System an-
haftenden Verschieblichkeit zu begegnen, wurden für das
aufzustellende Mitteljoch sowie die verschiedenen Zaugeuver-
bindungen lauter Dreiecksformen eingeführt, die Knotenpunkte
durch Laschen- und Bolzcnverbindungen sorgfältig unter-
stützt und besonders auch die durchgehenden Tragbalken
mit den Querfetten so verkämmt und verbolzt, dass diesel-
ben ebenfalls als Zangen für die Angriffspunkte der Haupt-
streben wirken mussten. Die übrigen Zangen bestanden aus
Kreuzhölzern oder starken Eichenbohlen , welche ebenfalls
durch Bolzen nnd durch Verkuimnung (soweit es die Dimen-
sionen zugaben) die Haupttheile der Sprengwerke nnd Stütz-
joche unter einander verbanden, während die Querkreuze an
den Hauptstreben, Spannriegeln und Pfahlwanden aus Tcle-
graphensUngen bestanden und in derselben Weise befestigt
Die Pfahljoche an den Widerlagspfeilern standen auf
den vorspringenden Banketten der letzteren, während zum
Tragen des Doppeljoches der bis unter Wasser zerspreugte
Mittelpfeiler neu aufgemauert werden inusste, was bei dem
Froste durch Zubereituug des Zementmörtels mit gewärmtem
Sande und kochendem Wasser so gut geschah, als es unter
so aussergewöhnlirhen Verhältnissen thuulich war. Das
Aufstellen der Sprengwerke geschah mit Hülfe von je ti
Stück Flaschenzügen, welche an einein über die Oeffnung
gestreckten und auf den Mittel- und Seiten jochen niheuden
Tragbalken befestigt waren. Die beiden Hauptstreben und
der Spannriegel je eines Svstems wurden gleichzeitig aufge-
wunden und schwebend in einander gefügt, welche Operation
durch das Geräusch der über die Trümmertuassen hinfliesscn-
den Marne sehr erschwert wurde. Das Getöse machte oft
jeden Zuruf unvernehmlich, und inusste das Kommando durch
Zeichen oder Boten von Gerüst zu Gerüst gegeben werden.
Das Auflegen der Geleiseschwellen auf den eine unre-
gelmässige Überfläche bildenden ruudeu Tragbäuinen geschah
hier, wie bei den übrigen Brücken, durch Aufnageln von
Bohlen und Unterlegen von Doppelkeilen unter den einzelnen
Schwellenköpfen, wobei es jedoch rathsam sich erwies, die
feste Ausgleichung möglichst vollkommen zu macheu, da die
Doppelkeile fortwährend losgerüttelt werden. Um letzteres
zu verhindern, wurden nach Eröffnung des Betriebe» und
nachdem die Bauwerke sich gesetzt hatten, die Keile mög-
lichst durch Brettstücke ausgewechselt oder, wo dies nicht
angänglich, festgenagelt. Hat man einzelne Stellen der Trag-
balken besonders hoch liegen , so steht nichts im Wege,
hier statt der Bahnschwellen schwächere Querbohlen zum
Tragen der Schienen zu verwenden. Es erschien ferner
zweckmässig, die Geleiseschwellen enger als gewöhnlich zu
legen, da es nicht ausbleiben konnte, dass einzelne Schwellen-
köpfe doch nicht hinreichend zum Tragen kamen; auch
wurden sämmtliche Schwellen auf den Tragbalken festge-
nagelt.
Was die Bewährung der dritten Brücke betrifft, so erwies
sich letztere beim ersten Befahren vollkommen unbeweglich,
jedoch trat späterhin in diesem Verhalten nach und nach
eine Aendemng ein, indem die Verkämmungen der nicht
rollkantigen Hölzer und die in der Eile durchgetriebeneu
Bolzen nicht diejenige Festigkeit der Dreiecksverbindungeu
hervorriefen, wie man sie bei der Arbeit in Friedenszeit
voraussetzen kann. Trotzdem hätten die Senkungen und
Verschiebungen nicht in der Weise eintreten können, wenu
nicht das ganze Mitteljoi h sich auf seiner Steinunterlage an
Punkt b der Figur III sehr merklich beim Fahren verscho-
ben hätte. Letzteres geschah beim Befahren der einen Oeff-
nung in der Richtung nach der 2. Oeffnung hin, und erfolgte
der Rückgang in derselben Weise, wenn die Kcbnellfahrende
Maschine auf der Mitte der letzteren angekommen war.
Die Beobachtung dieser Gelenkbewegung einer geaamm-
ten grösseren Brückenkonstruktion war, besonders aus dem
Innern des Mitteljoches her, nicht ohne Interesse und, so
lange die Brückenbahn ihre frühere Höhenlage stets wieder
einnahm und unter sorgfältiger Beobachtung stand, vorläufig
der Vorgang nicht als unmittelbar gefahrbringend zu er-
achten. Das Mittel zur Abstellung der Bewegung aber war
angezeigt durch das erwähnte Gleiten auf dem Mittelpfeiler,
und genügte iu der That eine Schicht Steine zur Ausmaue-
rung der Lang- und Querschwellen bei Punkt A. um die
frühere Unbeweglichkeit der Brücke wieder herzustellen; vor-
sichtshalber wurde jedoch diese Ausmauerung des Mitteljoches
noch um etwa 1,50» höher hinaufgeführt.
Wie bereits erwähnt, war mit Hülfe der beschriebenen
Konstruktion die Herstellung aller 3 Brücken beschleunigt
und inzwischen am 7. Dezember der Betrieb bis Chaumont
eröffnet worden, worauf die Sektion von dort über Chatillon
sur Seine bis Trovcs vorrückte. Von hier aus wurden Re-
kognosziruugen auf der Strecke Troyes-Montereau und spe-
ziell nach einer grösseren zerstörten 'Seine-Brücke bei Xogent
vorgenommen, zur Begutachtung der Frage, ob diese Strecke
zur Verbindung nach Orleans bin herzustellen sein werde.
Währendem verwandelte sich die strenge Kälte plötzlich in
Thauwetter, welches eine enorme Anschwellung der Marne
und dadurch eine Beschädigung der Brücke No. U hervor-
rief. Das Hochwasser hatte sich in den Trümmermassen
der 2. früheren Gewölbeöffnung das mit d e bezeichnete
Bett gerissen, und hing das Joch r, gehalten durch die Län-
genverkrenzungen etc., frei an der Fahrbahn, welche sich
gesenkt hatte und momentan nicht fahrbar war. Die Sek-
tion begab sich schleunigst nach Villiers zurück, da die Her-
stellung der genannten Strecke nach Montereau aufgegeben
Reisetkluea au itm trieat
IX.
Von dem Theater führt eine heilige Feststrasie mittels
einer dorischen Halle von Ualbsäuleupfeilern in südwestlicher
Richtung zu einem Thale, in welchem eine lauwarme Quelle
entsprieß- Die hier vorhandenen Reste sind auch in dorischen
Kunstforuicu gestaltet. Vielleicht hat an dieser, erst in jüngster
Zeit von H. erforschten Stelle das berühmte Asklepicion gestan-
den, aus dessen Arcbi\eu der Altmeister der Heilkunde, Galenus
von Pergamum, so werthvollc medizinische Erfahrungen schöpfen
konnte. Von dem ebenfalls oft erwähnten, jedenfalls ausserhalb
der Mauern belegenen Nikephorion ist bis jetzt keine Spur ge-
funden wordeu.
In geringer Entfernung von der Stadt, südlich und südöst-
lich belegen , erheben sich aus der Ebene drei in ansehnlichen
Dimensionen aufgeschüttete Hügelgräber. Ihre äussere Erschei-
nung stimmt mit der der lydischeu Gräber am gygfiischen Sea
überein, doch sind die Neigungswinkel dem Anscheine nach
etwas steiler. Der grüßte derselben ist ein Doppeltuiuulus,
durch die Einsattelung zwischen den nahe zusammentretenden
Gipfeln ebenso deutlicli erkennbar, als aus der von zwei ver-
längerten Uulbkreisen gebildeten Grundfläche. Sein Längcndurch-
meaaer betraft 200"' ; er wird in seltener und bemerkeuswerther
Weise von einem Graben und niedrigen Aussenwallc umgürtet
Wegen der imposanten Grösse und Doppelgestalt gilt er für das
schon von Puusanias erwähnte Herocugrubuial des eingewander-
ten Stadtgründers Pergnnius und seiner Mutter Audromache.
Eine genauere Untersuchung hat bisher weder an diesem noch
an dem kleinereu, zwischen dem Selious und dem Cetius bele-
genen Tumulus stattgefunden.
Näher bekauut ist nur der der dritte Grabhügel, welcher
allgemein, aber ohne sichere Begründung der Tumulus der Auge
genau n t wird. Nach Pausanias war der Grabbügel dieser Athena-
Priesteriu, deren Sohn Telephus der Kührer einer arkadischen
Einwanderung in Pergamum gewesen ist, am Cai'cus belegen.
Ihn umgab eine steinerne Einfassung und seine Krönung uil-
dete das Erzbild einer nuckten Frau. Von diesen Angaben trifft
nichts zu, als der steinerne, fast 6 : hohe, aus grossen Quadern
erbaute Unterbau, auf welchem der inipo&aute Erdkegel von lbO™
Durchmesser und über 32 ■ Höhe ruht. An der riordostseite
ist eine merkwürdige, aber längst geplünderte, dann Jahrhun-
derte hindurch verschüttet gewesene und kürzlich wieder zu-
gänglich gemachte Grubanlage vorbanden. Sie besteht aus einem
420 » laugen tonnengewölbten Gange, dessen Breite 3,20 ■ und
i Rö^e 5,50" beträgt. Er führt zu einem quergelegten ebenfalls
| tonnenüberwölbten Gemache von 16,'.>U» Länge, dessen Breite und
Höh« mit denen des Ganges übereinstimmt An diesen
, stossen drei mit l&iigsgclcgtcn Tonnengewölben bedeckte
kammern, welche durch drei Bogenöffuungen mit dem
Vorgemachc, sowie durch zwei sturzbedeckte Seitenöffnungen
mit einander iu Verbindung stehen. Die mittelste Kammer ist
die grösste, sie hat eine Breite von 5,50 ™, jede der Seiteukam-
mern hat 4,30 "> Breite. Die Tiefe ist der Breite gleich, die Höhe
bis zum Tonnenscheitel betragt 7,40™. Die Wände dieser gross-
artigen Grabanlage sind aus sorgfältig geschliffenen Quadern,
welche bis zu den Kämpfern den charakteristischen Schichten-
wechsel der hellenistischen Epoche zeigen, erbaut worden. Die
Grösse der Quadern (3,20» Länge) ist ebenso bemerkenswerth
als die hochvollcudete Steinmetzenarbeit, welche nirgends, weder
in Stoss- noch Lagerfugen den Mörtel erkennen lässt. Kunst-
fornieu fehlen gänzlich, auch Wertzeichen habe ich nicht finde u
können. Hinter und über den Quaderschiebten, deren Stärke
0,. r >0 — 0,75 ■» betragt, befindet sich eine fast.ebenso dicke Schicht
von zementartigem Gussmörtelwerk, welche die ganze, ursprüng-
lich als Freibau hergestellte Anlage mantelartig uinschliesst und
offenbar den technischen Zweck hatte, das Eindringen von Tage-
wasser oder Erdfeuchtigkeit möglichst zu verhindern. Diese
Absiebt ist denn auch, wie die Trockenheit der Quadern und
die Reinheit der Luft beweisen, in vollem Maasse erreicht wor-
den. Die ausserordentliche Vollenduug und Sicherheit in der
Bugen- uud Gewölhetechnik, besonders bei dem Einschneideil des
Haibzyliudcrs über dem Eiutrittsgange in den entsprechenden
Halbzyiinder des Vorgemaches (wodurch bereits zwei scharfe
Grate des Kreuzgewölbes erzeugt werden), und die inuoterbaite
Herstellung der geachselt gehauenen Gratsteine beseitigen sofort
die Vennuthung, als ob hier eine Grubaulage aus heroischer
Digitized by Google
war, und wurde die Fahrbarkeit der Brücke II in kürzester Frist
wieder hergestellt, wozu einige über die neu entstandene Oeff-
mmg, Behufs Unterfangen des genannten Pfahljoches gestreckte
Balken hinreichten, während das unterspülte Fundament des
.Joches /"ebenfalls provisorisch wieder gestützt werden musste.
Dieses Vorkommniss sowie die damalige Lage des Krie-
ges, welche einen baldigen Frieden noch nicht in Aussicht
stellte, Messen nunmehr die Auswechselung einiger Pfahl-
joche der beiden ersten Brücken durch freitragende Kon-
struktionen als nothwendig erscheinen, wobei gleichzeitig
die Ausbesserung und Deckung mehrer Pfeiler und Ufer-
böschungen gegen weiter zu erwartende Hochwasser vorge-
nommen werden konnte. Demgemäss wurde bei Brücke I
ein Joch, bei Brücke 11 zwei durch Einfügen von Spreng-
werken ausgewechselt, wie solches in Figur 1 und H und
besonders durch den Querschnitt A. II erläutert wird, und
zeigte sich nach der Wegnahme der Joche insliesondere die
lfi,SO- weite, freitragende Konstruktion bei Brücke II, deren
Widerlager fest eingemauert waren, durchaus unbeweglich
beim Befahren, wie es kaum erwartet war. Den Vorzug der
einfacheren Beschaffung und Aufstellung geniesst das bei
Brücke No. I. eingefügte einfache Sprengwerk B von 12»
Weite, welches nur aus drei Systemen, die beiden äusseren
etwas schräg liegend, besteht, und allerdings die Tragbal-
ken in einer Stärke veraussetzt, dass dieselben bis auf 6»
freigelegt werden können. Sind letztere vorhanden und ist
die Höhenlage der Fahrbahn derart, dass die Horizontalzan-
gen einigermassen aus dem Hochwasser gebracht werden
können, so dürfte es wohl keine einfachere und zugleich
sichere Konstruktion geben, da die Entfernung der gemau-
erten Stützpunkte schon gross genug wird, um sich mit dem
Hochwasser abzufinden, letztere ausserdem nicht durchaus
unverschieblich zu sein brauchen. Bei grosseren Spann-
weiten, etwa über 18", würden die Tragbalken schon ver-
stärkt werden müssen, wodurch das System den Charakter
der Einfachheit völlig verliert. Die Figuren zeigen ferner,
wie die gemauerten Pfeiler und Uferböschungen weiter gegen
das Hochwasser gesichert worden sind, und geschah dieses
besonders bei dem gefährdeten Fusspunkt m des betreffenden
Pfahljoches der Brücke I, der durch Unterspülung freigelegt
worden war. Die daselhst sich vorfindenden Fangedamms-
pfähle wurden mit Faschinen ausgefüllt, und wurde eine
sorgfältige Vermauerung über dem Bankett des alten Pfeilers
ausgeführt und durch Steinwurf gesichert. Eine ähnliche
doch einfachere Sicherung des tragenden Banketts war von
vornherein am Punkte « der Brücke III vorgenommen wor-
den. Zur Sicherung der Joche gegen den Eisgang wurden
die Pfeiler zwischen den Hölzern in grösserer Höhe anfge-
manert und bei Brücke III die untern Theile der Haupt-
streben mit starken Bohlen verschaalt.
Was die bei den BrDckenbanten vorkommenden Neben-
arbeiten betrifft, so geht aus dem Angeführten hervor, wie
das beschwerliche Baumen des Flussbettes von den Trüm-
mermassen grösstenteils dem Strome seihst war ül>erlasseii
worden; dagegen erwuchs eiue zweite ansehnliche Arbeit
aus der Notwendigkeit der Verlegung der anschliessenden
6 Geleisestrecken auf der mit zweigeleisigem Planum aber
nur einem Schienenstrange ausgeführten Bahn, da die neuen
Brücken, Behufs Gewinnung besserer Stützpunkte auf den
zerschossenen Pfeilern, in die Mittellinie der Bahn gelegt
werden mussten*). Es entstand hierdurch die nothwendige
Verschiebung einer ansehnlichen Gesammt-Geleisestrecke im
gefrorenen Boden und groben Steinschlag, zu welcher Arbeit
französische Zivilarbeiter verwendet wurden.
Da zu den Hauptarbeiten die Pioniere der Sektion eben-
falls zu schwach an Anzahl waren, so wurde ein Manrer-
und Zimmermeister mit SO Mann aus dem Bezirk der Khein-
Nahe berufen, während für die zeitweise sich häufenden Mau-
rerarbeiten ebenfalls französische Zivilarbeiter mit ihren Ge-
rätschaften zugezogen werden mussten. Um die Mitte der
Zeit der erst beschriebenen Herstellungsarbeiten erschien fer-
ner die Festungs- Pionier- Kompagnie No. V znr Verstärkung
der Arbeitskräfte, nnd musste dieselbe während des zweiten
Baustadiuras den Ersatz für die Pioniere der Sektion selbst
bilden, da letztere mit Ausnahme eines kleinen Detache-
ments gelegentlich der Rückkehr von Troyes nach dem Ei-
senbahn-Knotenpunkte Nuits »ous RaviereB zur Verstärkung
der daselbst ebenfalls mit einem grösseren Brückenbau be-
schäftigten 2. Sektion gesandt worden waren.
Der ungünstigen äusseren Verhältnisse während der Ar-
beitszeit, hervorgerufen durch die ineist herrschende Kälte mit
Schneefall, ist bereits Erwähnung gethan, und ist es begreiflich,
dass die in einem freien Flnssthale oberhalb des Wasseretroms
gelegenen Baustellen den Unbilden der Witterung noch beson-
ders ausgesetzt waren und dass die Arbeit auf den mit Eis über-
zogeneu mangelhaften Gerüsten manche Uebcrwindung kostete,
manche Hanntirung verdoppelte und verdreifachte. Dazu kam
die in Folge schwacher Besetzung der Umgegend zeitweise
auftretende Unsicherheit, (das gesammte Okkupationsterrain
wurde später im Schach gehalten von wenigen Prozenten
der in Vormarsch befindlichen Truppen) welche manche In-
konvenienzen Iwzüglich der für die Arbeiten förderlichen
Quartiernng der Arbeitskräfte hervorrief, während der Ver-
such, der abgekürzten Tagesarbeit durch Benutzung der Nacht-
zeit aufzuhelfen, nur in einzelnen Fällen wirklichen Erfolg hatte.
Die spezielle Bauleitung bei den drei Brücken hatten die
Hrn. Baumeister v. Niederstetter und Bauführer Rocholl.
St. Johann a. d. Saar. Vicregge.
• Ein Cmiitand. der den viederherfttellrndeu
lordlng» Ihm Arbeit nicht »ehr erleichtert haben wird.
Zeit erhalten sei. Alle Kriterien und namentlich die nur aus
wiederholter Anschauung der antiken Denkmäler zu gewinnen-
den Beobachtungsmomente der Technik sprechen dafür, dass der
Bau der Spätzeit der hellenischen Kunst entstammt, da ähnliche
Aulagen aus römischer Epoche bisher nicht bekannt geworden
sind. Dann wird aber, und zwar unter Betonung der technischen
Verwandtschaft mit Bauaulagen auf der.Akropolis, sich die Vermu-
tung rechtfertigen lassen, dass es ein Bauwerk der attalidisclien
Zeit ist und vielleicht dem Neubegründer der Stadt und Stifter
des pergamenischen Reiches, Philetärus, welcher 263 starb, an-
gehört. Grade einem Fürsten dieses Schlages, einem Empor-
kömmling, konnte es reitgemäss erscheinen, sich in der Weise
älterer Dynasten bestatten zu lassen und deshalb unter Be-
nutzung der Errungenschaften des Bogen- und Gewölbebaues
für die Grabkammorn die altciubeiniischc Form des Heroenhügels
für die äussere Erscheinung zu wählen. Aber wäre das Grab-
mal auch jüngeren Ursprunges, etwa Attalas I. angehörig ge-
wesen, immer würde das für die Baugeschichte, speziell für die
Geschichte der Konstruktion bemerkenswerthe Faktum
gewonnen, dass der Tonnengewölbebau und seine Hinüberfuhrung
zumKrcuzgo wölbebau iu Schnittsteiuquadern bereits im
dritten, sicher im zweiton Jahrhundert vor Chr. in diesen asia-
tischen Distrikten eine hohe Vollendung erreicht hat.
Zuletzt muss ich noch der grossen Backsteinbau -Ruine im
Innern der Stadt gedenken, welche jedem Reisenden, auch dem
flüchtigen Touristen, am meisten in die Augen fällt. Sie ist seit
dem XVII. Jahrhundert bekannt und häufig beschrieben worden.
Doch wird erst Texier's Bemühungen eine Aufnahme verdankt,
welche, abgesehen von der unvollständigen und unrichtigen
Wiedergabe der Ostthcilo und der Nebenbauten, das merk-
würdige Baudenkmal in den HauptzUgcn veranschaulicht. Am
linken Sclinusufer auf mächtigen Substruktionen errichtet, ist
dasselbe mit seiner Apsis nach Ostsüdosten orientirt und dabei
so gestellt, dass die Hauptaxe die früher erwähnte 196 ■» lange
DoppelüberbrückunK des Flusse» zwar in schräger Richtung
aber grade in der Sitte schneidet. Da nun vor der Westseite
in einer Entfernung von 200» eine parallele Perlbolus-Msuer
czistirt, deren mittlerer Eingang in jene Hauptaie fällt, so er-
kennt man deutlich, dass an dieser Stelle mittels künstlicher
und kostbarer Ueberbrückung ein geräumiger Platz geschaffen
worden ist, der über beide Flussufer sich ausdehnte und seinen
stattlichen Abschluas in der Ruine fand. Die letztere ist eine
aus drei Elementen zusammengesetzte Baugruppe; sie besteht
aus einem hochragenden oblungen Ziegelbau in der i3.it • und
zwei daneben stehenden Rundgebäuden, welche aus Quadern
errichtet und mit Flachkuppcln gedeckt sind. Der Mittelbau ist
ein Rechteck von 21™ Breite (im Lichten) und 30« Länge, ein-
schliesslich der Apsis von '',50 ™ Spannung. Zwei Spindeltreppen
liegen rechts und links neben der Apsis, welche aussen in Form
eines halben Sechsecks, also polygonal Beschlossen ist- Die
Maucrecken, in denen die Treppen liefen, treten dubei
soweit nach Osten vor, dass sie mit den Polygoueckeu flucht-
reebt liegen und mittels einer oberen Ueberbrückung der ein-
springenden Ecken die Aufführung eines antik gegliederten
Ostgiebels gestatten. Die Beleuchtung fand nur durch hoch-
gestellte Scitenfenster, 5 auf Jeder Seite, statt und zwar sind
diese Fenster nur in der Westhälfte des Baues angeordnet.
Unter ihnen liegen axenmässig fünf rundbogig überwölbte Wand-
nischen. Balkenlöcher, Fundamentstücke und noch vorhandene
Granitsäuleufragmente von entsprechendem Maasstabe beweisen,
dass in dem ganzen Schiff des grossen Saalbaues an drei Seiten
Emporen vorhanden waren. In dem rechteckigen Vorraum dicht
vor der Apsis sind antike Marmorfriese mit Akanthusranken
und lesbischen Kymatien eingelassen, deren Krönung ein simir-
tes Geison bildet, welches in seinen Kunstformen alle Kenn-
zeichen des V. Jahrhunderts besitzt. In derselben Auffassung
einer tief gesunkenen Kunstepoche sind die äusseren Ober-
mauern mit derb vortretenden Murmorquadcro bandartig durch-
zogen und die Rundbogen der Oberfenster aus abwechselnden
Marmorquadern und Ziegclscbichten eineewölbt. Auch hier (im
Acussern) treten nach Osten rundbogige Wandblenden statt der
Oberfenster auf, aber in derselben rohen Materialverbindung
wie im Westen. Die Westfront hat sehr gelitten, doch erkennt
man, dass ein grosses flachbogig überwölbtes Fenster i
abgestuften Strebepfeilern mit dem vorauszusetzenden
antiken Giebel das Hauptmotiv der Facade bildete.
Neben diesem über 20 ■ hohen Mittelbau erstreckten sich,
wie die Balken- und Sparrenlöcher der verschwundenen Säulen-
Digitized by Google
- 76 -
Von einem Baubeamten der Provinz Podien gebt uns Ab-
schrift eines Erkenntnisses zu, welches das dortige Anpellations-
izericht in einem Prozesse über Fensterrecht gefällt hat Durch
den Neubau eine« 3 Geschosse hohen massiven Wohnhauses in
einer Kreisstadt Posens war nämlich im Dachgiebel de» alten
Nachbarhauses ein Fenster verbaut worden und hatte der Besitzer
desselben in erster Instanz ein Erkenntnis« erstritten, wonach
der Erbauer des neuen Hauses verurtheilt wurde, mit diesem,
dem betreffendem Fenstergegenüber soweit zurückzutreten,
dass man aus dem ungeöffneten Fenster den freien Himmel er-
blicken könne. (Nach einem Plenar-Beschl. d. Ober-Tribunals
v. 9. Dez. 1839. Entscheid. Band 5. S. 1«;, durch welchen der
$ 143, Tbl. I Titel 8 d. Allgem. Landrechts ergänzt wird, soll
der Abstand soweit genommen werden, das* der Nachbar, dessen
Hecht auf Liebt und Aussicht gewahrt werden soll, aus seinem
ungeöffneten Fenster vor dem Neubau, in vertikaler Richtung
den Himmel sehen kann). Der Verurthciltc hat dieser Bestim-
mung dadurch zu genügen gesucht, dass er im Dache seines
Hauses vor dem betreffenden Fenster eine grössere Oeffnung
zur Lichtbeschaffung angelegt hat; trotzdem ist Exekution gegen
ihn verfügt worden, gegen welch«! er nun seinerseits vor dem
Appellationsgerichte klagend Einsprache erhob. Das Appella-
tionsgericht hat diese Einsprache verworfen, indem es nach
Feststellung des Thatbestandes und Bezugnahme auf das erste
Urtheil sowie die oben erwähnte Entscheidung des Ober-Tribu-
nals, sich folgcnderinaasscn äussert:
„Wenn Kläger, wie es scheint, den in diesem Präjudiz aus-
gesprochenen Grundsatz, es genüge, wenn es dem Nachbar auf
irgend eine Weise möglich sei, aus dem ungeöffneten Fenster
den Himmel zu sehen, so uuffasst, als ob nun jede zu diesem
Behufe in dem Neubau angebrachte Oeffnung für ausreichend
erachtet werden müsse, so übersieht er, dass dabei ausdrück-
lich ausgesprochen ist, dass der Bau von dem Gebäude, in wel-
chem das Fenster sich befindet, zurücktreten und der Zwischen-
raum mindestens drei Werkschuh (§ 139, Tbl. I, Titel 8 des
Allgem. Landrechts) betragen muss. Kläger hat durch seine
Vorrichtung weder dem Wortlaute des Urtels noch dem Zwecke
desselben entsprochen. Durch die Oeffnung im Dache seines
Hauses wird dem Verklagten Licht und Aussicht nicht in dem
Maasse gewährt, wie dies" bei lunehaltung des gesetzlich vorge-
schriebenen \! -Lindes der Fall ist. Er rauss seinen Bau von
dem Gebäude des Verklagten zurückziehen. Da er dies bisher
nicht gethan hat, so kann auch die Exekution nicht eingestellt,
vielmehr muss das erste Urtel bestätigt werden. -
Der Einsender kritisirt diese Entscheidung in folgender Weise :
.Der zitirte § 139 des Allgem. Landrechts lautet : „Neu er-
richtete Gebäude müssen von schon vorhandenen Gebäuden des
angrenzenden Nachbars, wenn nicht besondere Polizeige-
setze ein Anderes vorschreiben, drei Werkschuhe zurück-
treteu. 1- Wie für die Stadt Berlin und wie für die Stadt Posen
durch die betreffenden Bau-Polizei-Ordnungen ausdrücklich „ein
Anderes vorgeschrieben ist", so gilt dies auch für s&mmtliche
Städte des Regicrungs-Bezirks Posen, indem in der Zusammen-
stellung der baupolizeilichen Vorschriften für den Regierungs-
Hezirk Posen vom 12. Februar 1847, Q. Abschnitt, § 19 wört-
lich bestimmt ist:
„In den Städten muss ao viel als möglich dabiu gestrebt
werden, geschlossene Strassculiuien zu erhalten.'
Soll nun dem Erkenntnis« zufolge, das neu erbaute Haus auf
mindestens 3 Fuss Länge abgebrochen und hier durch einen
neuen Giebel geschlossen werden, so wird, da das zu erhellende
Fenster im Dachgiebel des Nachbarhauses liegt, dadurch nicht
nur Nichts für die Licht Zuführung gewonnen, sondern auch der
von der Königlichen Regierung erlassenen Polizei -Verordnung
und somit dem § 139 im Landrechte selbst direkt entgegen ge-
handelt, ganz abgesehen von den grossen Kosten und Verlusten,
welche dem Besitzer des neuen liauses dadurch erwachsen. —
Meinerseits wäre ich der Ansieht, dass der Bemerkung iu Grein's
Baurecht de 1803, Seite 121 entsprechend, es genügt, wenn bis
zum Fensterschlage jenes Bodenfensters hinab ein Lichthof an-
gelegt wird, welcher das Licht dem Fenster des Nachbars in
dem Umfange zuführt, in welchem dasselbe nach den §§ 142 n-
143. Tit. 8. Theil I des Allgem Landrechts vorgeschrieben ist."
Wenn der Verfasser unter Hinweis auf die Wichtigkeit des
Erkenntnisses für alle Bauherren und Baumeister der Preussi-
scheu Provinzen uns auffordert, den Gegenstand zur Diskussion
in der Deutschen Bauzeitung zu stellen, so haben wir diesem
Wunsche vorstehend zwar senr gcru entsprochen, glauben aber
nicht, dass eine Diskussion in den Kreisen der Techniker in
eiuur so spezifisch juristischen Frage etwas Wesentliches fbrderu
kann. Möge jeder Fall dieser Art vor Allem mitwirken darauf
hinzuweisen, wie uothweudig es ist, dass die so wenig geklärten
Fragen des Baurechtes möglichst bald im Wege der Gesetz-
gebung eine neue und einheitliche Lösung erfahren. Ob-
wohl wir über die Verhältnisse in den anderen deutschen I
ten nicht genügend infonuirt sind, so glauben wir doch,
es keinerlei Schwierigkeiten unterliegen dürfte, ein -
Buurecht für das ganze Reich aufzustellen und ein
Mittheilungen aus Vereinen.
Architekten- Verein zu Berlin. Haupt -Versammlung am
2. März 1872. Vorsitzender Hr. Quassowski; anwesend 177
Mitglieder und 16 Gäste.
Nachdem der Herr Vorsitzende über die zahlreich einge-
gangenen Zuschriften und Einsetidungen berichtet hatte, legie
zunächst Hr. Fritsch eine Auzahl von Photographien und
Umdruck -Zeichnungeu — Darstellungen der Arbeiterbäuser zu
Rabensteinfeld bei Schwerin, mehrcr von dem Architekten
Wilhelm Hauers in Hamburg erbauten Wohnhäuserund Villen,
des von der Stadt Hamburg dem Fürsten Bismarck dedizirten
von Hrn. Martin Gensler entworfen™ Ehrenbürger -Diploms,
endlich einer grösseren Zahl der kirchlichen Bauwerke Köln«
reihen beweisen, zwei rings mit Portiken umgebene Höfe von
25 m Tiefe und 42" Breite. In der Axc jedes Hofes erhebt sich
ein thurmartiger, aus kubischen Granitquadern und mit einem
Ziegelkuppelgewöibc bedeckter Zentralbau von 11,75" Durch-
messer. «Jeder derselbeu bat au der Westseite einen mittleren
graden und zwei schräg gestellte Eingänge. Gegenüber befindet
sich eine rechteckig hinausgebaute Exedra mit einer kleinen
kouchenartigen Nische. Die Beleuchtung bewirkte ein hoch-
gestelltes Oberfenster über dem Haupteingange. An dem
Aeusseru ist das ursprüngliche Geisou verschwunden, doch sind
noch einige mit Akanthusblättern belegte Marmorkonsolen Vor-
banden. Etwas tiefer befindet sich unter dem aus Ziegelschich-
ten hergestellten Friese gurt artig ein Marmortorus. welcher wie
die Marmor-Konsolen, mühselig nachgeahmte antike Formen*
Schemata in spätester Fassung wiederholt Der südliche Zentral-
bau bflwahrt noch einen ärmlichen, (geduldeten) byzantinischen
Altar mit dem Bilde der Panagia, davor ein ewiges Lämpcben.
Er ist dem H. Antiiias geweiht, an dem grossen Mittelbau
haftete noch im XVII. Jahrhundert der Name Hagios Johannes
Evangelist». Höchstwahrscheinlich besuss der nördliche Zentral-
bau den H. Johannes Theologos als Schutzpatron. Und suinit
ergiebt sich die ganze Bauanlage, was schon aus Texier's Zeich-
nungen zu vermuthea war, als eine altch ristlicbe Kirche
mit zwei Memoricnkapellcn zuerkennen. Durch die Anord-
nung zweier inneren und eines äusseren grossen gemeinschaft-
lichen Vorhofes wurde ein Gruppenbau gebildet, wie ich unter den
erhaltenen Denkmälern an Grossartigkeit keinen zweiten kenne.
Alle sonstigen Besonderheiten, wie kryptenartige Unterwöl-
bungen etc. , an dieser Stelle übergehend , bemerke ich noch,
das« <iin entfernt stehende westliche Pcribolusmauer in gleicher
itauzeit ebenfalls aus kubischen Granitquaderu hergestellt ist
und aussen Flachbogenblenden zeigt, während im Innern iu den
entsprechenden Blenden treffliche antike marmorne Thürkrö-
uungen mit Zahnschnitteu verwendet sind. Unzweifelhaft steht
der wahrhaft imposante Bau auf der Stelle eines untergegangenen
und berühmten antiken Heil"
wie Texier
ihn mit
ten antiken Heiligthunis, gehört aber nicht mehr,
mit wenig gründlicher Motiviruug annimmt, dar
sondern der altcliriatlichcn Epoche an. Man darf
. Wahrscheinlichkeit in
an Gewissheit
die Epoche Thoodosius des II. und der Pulcheria setzen, von
deren lebhafter Bauthätigkeit merkwürdige aber bisher unbe-
achtet gebliebene Denkmäler noch heut in Konstantinopel vor-
handen sind. Auffallend bleibt es, dass dieser für den Beginn
des V. Jahrhunderts so eminent wichtige Bau, — hierauf bezüg-
liche Konsequenzen halte ich vorläufig zurück — bisher so wenig
Beachtung gefunden hat. Fast immer wird er nach Texicrs
Urtheil als spätrömische Basilika bezeichnet, während ältere
englische Reisende ihn mit Recht schon längst als altchristliche
Kirche aufgefasnt und benannt haben.
Nachdem wir durch die Güte unseres Gast freundes alles
Wichtige in der Stadt gesehen (einschliesslich der zahlreichen
in Kirchen und Privathäusern zerstreuten antiken Reste), nach-
dem wir sodann mit den Honoratioren der Stadt, den Kaimakam
an der Spitze, Höflichkeitsbesuche ausgetauscht und — was nicht
minder wertvoll war, — alle unsere Wunden geheilt und neue
Kräfte gesammelt hatten, war es Pflicht, an die Rückreise nach
Smyrna zu denken. Es war nicht leicht, die Erlaubniss zur
I Rückkehr zu erlangen, da unser Wirth, den angeborenen deut-
schen Sinn für Gastfreundschaft mit orientalischer Höflichkeit
< verbindend, alles aufbot, uns so lange als möglich festzuhalten.
1 Endlich willigte er ein, indem er versprach, uns nicht nur bis
Smyrna, sondern auch von dort aus noch weiter bis nach
Ephesus zu begleiten, um die dort seit unserem ersten Aufent-
halte begonnenen Arbeiten vollenden zu helfen. Seine Beglei-
tung war uns hochwillkommen, da wir noch vorhatten, einen
kleinen Abstecher nach einem abseits belegenen und von Euro-
päern wenig besuchten Gebirgsdorfc Kiliasi-Köi (Kirchdorf) zu
| machen, bei dessen Besuche die geläufige Kcnntniss der türki-
schen Sprache von hohem Werte war. Vor anderthalb Jahren
hatte nämlich der Dragoman des deutschen Konsulats in Kon-
stantinopel, Herr Dr. Schröder, bei einer archäologischen Exkur-
sion zwischen Smyrna und Pergamum von einem in Kilissi-Köi
befindlichen nlt-griechiscbcn Iuschriftstcine, welcher bisher un-
bekannt geblieben war, Kenntnis« erhalten. Es war ihm auch
trotz mancher Schwierigkeit gelungen, das türkische Haus be-
treten »u dürfen, worin der liisehriftstein. als Fuasbodenplatte
eingelegt vielleicht seit Jahrhunderten bewahrt wirdj doch
hatte die Kürze der Zeit und die Gröaao der Inschrift ihn be-
Digitized by Google
— 77 —
^ARNE-DRÜCKEN.
W.. I, ktf VilH.n.
III, b.l Iroml.i.
! ' ' ' ■ I " r ~ r -t 1
10 9 0 » 6 S 4 3 J I 0 ID H*H*.
Digitized by Google
— 78 —
und seiner Umgegend — vor. Die letzteren in Umdruck hergestell-
ten, skizzeuartig behandelten Zeichnungen sind zum grosseren
Theile das Werk eines Kölner Kunstfreundes, des Kaufmanns
Hrn. F. Frantzen, der Reine Mussestunden zur Untersuchung
und Aufnahme der historischen üaudcnkinulc der Stadt ver-
wendet und die Abbildungen derselben au Freunde der Sache
verschenkt- In grosser Anspruchslosigkeit der Darstellung, die
in manchen technischen Punkten die Hand des Dilettanten nicht
verkennen lässt, andererseits aber ein höchst bedeutendes
architektonisches Talent und eiue grosse Schürfe der Auffassung
und Beobachtung bekundet, enthalten diese Blätter ein ausser-
ordentlich werthvolles Material, das die vorhandenen Publika-
tionen über die Kölner Bauten in willkommenster Weise ergänzt
und über viele derselben neue Aufschlüsse gieht. Die kompen-
diöse Art der Behandlung, die namentlich auf den in den letz-
ten Jahren gezeichneten Blättern durchgeführt ist, welche Grund-
risse, Durchschnitte, Ansichten und Details, theils in geome-
trischer, thcila in perspektivischer Darstellung in bunter Zu-
sammenstellung und untermischt mit deu an betreffender Stelle
eingeschriebenen erläuternden Notizen enthalten, entspricht
allerdings nicht der üblichen Opulenz und Schwerfälligkeit lin-
derer Publikationen, die aus dein Material«' einiger solcher
Blätter ein ganzes Werk mit mehren Bogen Text und zahlreichen
Tafeln gemacht haben würden, ist aber ausserordentlich über-
sichtlich und billig und mochte daher den Fachgenossen, die
sieb für die Aufnahme unserer deutschen Baudenkmäler interes-
siren und gelegentlich einen bescheidenen Beitrag hierzu liefern
wollen, als Muster »arm zu empfehlen sein. In seiner Heimat
ist es Hrn. Frantzen auch bereits gelungen, mehre junge
Architekten für seine Methode zu gewinnen, und darf namentlich
eine Publikation der Gereous-Kirrhe, die ein gegenwärtig in
Berlin studirender Architekt, Hr. Custodi», im vorigen Jahre
herausgegeben hat — ein einziger auf allen 4 Seiten bedruckter
Bogen — als ein ausgezeichnetes Beispiel für diese Bestrebungen
Hrn. Lucae verliest sodann das von der Kommission auf-
gestellte Programm für die architektonische Aufgabe zur näch-
sten Scliinkelfcstkonkurrenz — Entwurf eines Gebäudes für das
Berliner Gewerbemuseum auf einem Grundstücke der verlän-
gerten Zimmerstrasse. Ueber eiueu Punkt — die Bestimmung
des Baumaterials, für welches die Paraden zu entwerfen sind
— hat die Kommission sich nicht einigen können und die Ent-
scheidung dieser Frage daher auf den Verein übertragen. In
einer längeren und lebhaft geführten Diskussion werden. 4 ver-
schiedene Vorschläge gemacht- 1) Die Wahl des Baumaterials
ganz freizustellen: es wird dagegen eingewendet, dass die Ent-
würfe dann so ungleich ausfallen dürften, dass eine Vergteichuug
und gerechte Beurtheilung stark erschwert würde. 2J Ein Ge-
misch von Schnittstein- uud Backsteinbau vorzuschreiben, was
wenig Anklang findet. 3u. \) Entweder ausschliessliche Anwendung
von Schnittstein oder Backstein festzustellen. Für die Wühl des
erstereu wird geltend gemacht, dass die Aufgabe hierdurch
wesentlich erleichtert werde, indem die jungen Architekten, die
sich bei dieser Konkurrenz zu betheiligen pflegen, doch vorzugs-
weise auf die Formen des Schnittsteinbaus geschult seien. Da-
gegen wird für den Backsteinbau gerade deshalb plaidirt, weil
er die Konkurrenten dazu nöthigt. über die gewöhnliche akade-
mische Koutine hinauszugehen und sich in selbstatändiger Er-
findung zu versuchen; auch die Bedeutung desselben gerade für
den vorliegenden Fall, wo es sich um ein zur Hebung vater-
ländischer Technik uud Kunstitidustrie bestimmtes Institut
handelt uud das Gedächtnis* Schinkels, der diesen Zweig der-
selben neu belebt hat, gefeiert werden soll, wurde gebührend
hervorgehoben. Die Abstimmung ergab demnächst, dass eine
sehr bedeutende Majorität mit der zuletzt entwickelten Ansicht
einverstanden war, so dass also die Wahl des Backsteinbaus für
den Entwurf vorgeschrieben werden soll.
Die Referate über die Beurtheilung der zum diesjährigen
Schiukclfeste eingegangenen Arbeiten verlasen Hr. Orth im
Nauicu der Architekten-, Hr. Iloussejlc im Namen der Inge-
nieur-Kommission. Die Beurtheilung der 4 Bearbeitungen der
architektonischen Aufgabe, für welche bekanntlich der Entwurf
einer Villa auf dem Sandwerder in der Havel gestellt war, hat
ein keineswegs erfreuliches Resultat ergeben. Sämmtlichen Ar-
beiten wird neben Schwächen im Einzelnen zum Vorwurf ge-
macht, dass sie ein für die Aufgabe nicht ausreichendes Geschick
der allgemeinen architektonischen Komposition zeigen; die mit
dem Preise bedachte Arbeit, als deren Verfasser sich Hr. Her-
mauu Zill er ergiebt, hat diesen Erfolg der gefälligen und ge-
schickten Behandlung der Architektur im engeren Sinne zu
danken; dagegen ist die Losung des konstruktiven Theils so
nebensächlich behandelt, dass die Kommission diesen Entwurf
der technischen Buudeputation zur unbedingten Annahme als
Probeorbeit zur Baumeisterprüfung nicht empfehlen konnte. Die
Schinkelmedaille und eine unbedingte Empfehlung für den ge-
nannten Zweck hat der Entwurf mit dem Motto „ Niuhtworks"
erhalten, der an künstlerischem Geschick jeuer nicht ganz gleich-
kommt, aber gewissenhafter durchgearbeitet ist; der Verfasser
desselben ist leider bis jetzt nicht ermittelt worden. — Um sehr
Vieles günstiger fiel die Beurtheiluug der beiden Arbeiten aus
dem Gebiete des Ingeuieurwesens aus, für welche ein Eutwurf
eines eisernen Viaduktes auf eisernen Stützen als Aufgabe vor-
gelegen hatte. Trotz mehrfacher Ausstellungen im Einzelnen
hat die Kommission dem Fleisse und Geschick beider Konkur-
renten im Allgemeinen doch ihre Anerkennung gezollt und da-
her beide Arbeiten der technischen Baudeputation empfohlen.
l>er erste Preis — das Reisestipendium von 100 Friedricbs'dor
und die Schinkel - Medaille — ist dem Verfasser der Arbeit
.Nietkopf*, Hrn. G. Heuser, zugesprochen worden.
Hr. Send ler berichtete sodann im Namen der Dccbarge-
Kommission über die Prüfung der vom Säckelmeister vorgeleg-
ten Kassen -Abrechnung für das Jahr 1871 und den Etats-Ent-
wurf für 1872, die beide einstimmig akzeptirt wurden. Eine von
der Kommission gegebene Anregung, ob in Betreff der ziemlich
bedeutende Uukosten erfordernden Publikation der Protokolle
nicht eine Aenderung eintreten könne, gab zu einer Diskussion
Veranlassung, an der die Hrn. Assmann und Fritsch sich
betheiligten und deren Resultat war. dass dem Vorstände die
vorläufige Berathung der Angelegenheit aufgegeben wurde.
Zum Schiusa erfolgte die Beantwortung der eingegangenen
Fragen durch die Hrn. Röder, Fritze und Schwedler. Der
I-etztcrc gab sein Urtheil über die von Hrn. Häscler in No. 8
hindert, eine vollständige Abschrift oder einen Abklatsch herzu-
stellen. Diesmal sollte der neue Fund der Wissenschaft erobert
werden, alle Ilülfsmittel waren mitgebracht worden, und es kam
nur darauf an, das Haus wieder zu finden und die Erlaubnis»
zum Abklatsch zu erhalten. Das Letztere war nicht ganz leicht,
da das Haus von einer Wittwe bewohnt wurde und die altmuha-
medanischen Gesetze über die absolute Absperrung des weib-
lichen (icschlcchtü im Innern des Landes ebenso wie in der
Hauptstadt noch in voller Kraft bestehen. Nur ein mit der
Sprache und den Verkehrsarmen der Eingeborenen völlig Ver-
trauter konnte hier für die wissenschaftlichen Zwecke unserer
Reise vermittelnd eintreten. Alle Möglichkeiten des weiteu
Rittes und eines etwa nothwendigen Aufenthaltes am Zwischen-
punkte erwägend, schlug II. vor, eine Nacht in Kilissi-Köi zu
verbringen, um sowohl Abends wie Morgens Abschrift»- und
Abklatsch-Versuche vorzunehmen, und dann am nächsten Tage
in einem scharfen Ritte nach Menimen hinahzureiten, um vöu
dort aus mit dem Nachmittagszuge Sinvrua erreichen zu können.
Auch wegen der schwierigen Unterkunft schaffte er Rath, indem
er eine in Pergamum ansässige begüterte Griechin , welche ein
Landgut in K.-K. besass, bewog, uns eine Empfehlung an ihren
Verwalter, wegen Gewährung von Nachtquartier mitzugeben.
So brachen wir denn nach mehrtägigem Aufenthalte in P.
Mittags auf, und schlugen den alten direkten Weg zur Küste
ein. Allen fiel die Trennung schwer; mehr als einmal hielt
der lange Zug an, um die schöne Lage der Stadt in der frucht-
barsten Umgebung uud zu Füssen der herrlich gegliederten
Akropolis dem Auge dauernd einzuprägen. Wir passirten bald
den Catcus auf einer ziemlich bedenklich aussehenden Brücke,
su dass Absitzen gerathen war. Jenseits des Flusses begann
eine fruchtbare und bei weitem besser angebaute Ebene, als wir
bisher gesehen hatten. Abgeerntete Mais- uud Baumwollenfel-
der wechselten mit gut bestandenen Oelbaumnflanzungen ; selbst
Rinder- und Schaafheerdeu trafen wir mehrfach. Links von
unserem, theilweis dicht beschattetem Wege sahen wir hoch an
den klassisch geformten Berghalden drei ganz im Holzstil ge-
haute Dörfer hängen. Gar gern hätte ich sie auf ihre nationale
Bauweise näher besichtigt, wenn nicht die bereits weit vorge-
schrittene Abendzeit es verboten hätte. Wir durchritten mehre
alte, mit Marmorgrabsteinen tiesäet e aber längst rerlassene Tür-
kenkirchhöfe und sahen mit Bedauern herrliche antike Archi-
tekturfragmente zu Brunnen- und Mauereinfassungen verwendet
Immer mehr näherten wir uns der Küste. Hinter uns blieb die
schöne Bai von Tschaudarlvk; bald ging die Sonne hinter einem
hoch- und dunkelblau dastehenden Gebirge zu unserer Rechten
unter. Die rasch einbrechende Dunkelheit machte den Ritt auf
holprigen Pfaden beschwerlich und es verstummte das laute
Gespräch. Endlich gelangten wir zu einem am Meeresstrande
belegenen türkischen Kaffeehause, welches als Poststation dient.
Hier erfuhren wir mit Schrecken, dass wir den rechten Weg
verfehlt hätten, und deshalb, um Kilissi Köi zu erreichen,
schräg rückwärts in das Gebirge hinein reiten müssten. Glück-
licherweise gelang es bald einen mit der Gegend wohlvci trau-
ten Führer zu finden; er wurde beritten gemacht und au die
Spitze des Zuges gestellt. Bei der tiefen Dunkelheit und der
Enge der steilen Velscnpfade musstc anfangs mit Vorsicht ge-
ritten werden. Bald aber ging der Mond in der lauwannen
Nacht auf uud übergoss die dunklen Bäume, die weissen Kalk-
felsen und gelben Grashänge mit seinem milden Lichte. Die
tiefe Stille erweckte den Gesang und bald erschollen die alten
deutschen Weisen von Strassburg und vom Odenwald, vom
treuen Kameraden und von der Wacht am Rhein durch die
kleinasiatiscben Berge.
Es war schon spät, als wir das hochbelegene, aus elenden
Lehmfachwerkhütten erbaute Dorf erreichten; lange suchten
wir, von grossen Hunden umheult, nach dem Gehöft der Griechin,
welches uns zum Nachtquartier bestimmt war. Als wir es
endlich gefunden und die Pferde in den Hof geführt hatten, er-
schrak ich vor dem Wohnhause, in dessen Bel-Etagp wir logiren
sollten. Ein ähnliches bedenkliches Ueberhängen von Ober-
mauern (über 0,80") hatte ich noch nicht gescheu, eine solche
aus dünnen Latten gebaute und unter jedem Bestcigcr sich
tief durchbiegende Haupttreppe nie geahnt. Oben war die Sache
mit Ausnahme des, die stärkste zulässige Chausseesteigung weit
überschreitenden Fussbodens, besser als es unten schien. Rings-
um Divans. ein kleiner Lchmkamin, dicke Tcppiche auf der
Erde, ein Muttergottesbild mit Lätnpchcn in der Ecke,
wir alles Nöthige von Bürsten, "
Fliesspapier
Rasch
Digitized by Google
— 79 -
d. Deutsch. Bauztg. vorgeschlagene Scharnier • Konstruktion
dahin ab, dass es in der Ausführung schwer «ei, eine so grosse
Anzahl von Scbraubeubolzen, wie hierbei erforderlich, derartig
anzuordnen, das« dieselben gleichzeitig und gleichmäßig in An-
spruch genommen werden.
Zur Aufnahme üi den Verein gelangten die Hrn. Bcrtho Ul,
Bohn, Carl Junker, von Rosainsky und Wilke
Vermischtes.
Normal- Ziegelformat Nach Mittheilung des deutschen
Vereins für Fabri kation von Ziegeln etc. ist das von
demselben vorgeschlagene und vom Verbände deutscher Archi-
tekten- und Ingenieur-Vereiue akzeptirte Normalziegelformat
für die Veranschlagung und Ausführung v
geschrieben worden: Preussen, M
Staatsbauten vor-
burg-Schwerin, M.-Stre-
litz, Sachsen-Gotha, S.-Wcimar-Eisenacb, S.- Altenburg, Braun-
schweig, Schwarzburg-Rudolstadt, Schw.-Sondershausen, Schauiu-
burg-Lippe und Lübeck.
Von Sachsen (Königr.), Bavern, Würtemberg, Baden, Olden-
burg etc. fehlen die Nachrichten darüber. _ _
Uebor die Einwirkung des Leuchtgase« auf die Batim-
vegetatlon sind seitens des städtischen (iartendirektors Meyer
zu Berlin auf Anordnung der Komtuunalhehörden in neuerer
Zeit abermals Versuche angestellt worden, deren Resultat ge-
eignet ist, den |vou vielen Seiteu vertretenten Glauben an die
verhältnismässige Unschädlichkeit des Gases stark zu erschüt-
tern. Der Bericht über die zur Zeit noch fortgesetzten Versuch:,
die später auf ein Terrain von mindestens 2o Ar Grösse über-
tragen werden sollen, schliesst mit fulgendvu Ausführungen:
»Aus den bisherigen Versuchen ergiebt sieh jedoch bereits als
unzweifelhaft, dass selbst die geringe Menge Leuchtgas von 25
Kubikfuss täglich auf eine Quadratruthe und bei 4 Fuss Tiefe
auf 576 Kubikfuss Bodeu verthcilt, die mit dem Gas in
Berührung kommenden Wurzelspitzeu der Bäume jeder Art
in kurzer Zeit tödtet. und dass dieses um so früher geschieht,
je fester die Bodenoberfläche ist. Einzelne Itaurasrten, wie
Götterbaum, Gladitschic und Kugelakazie, geben eino solche
Vergiftung früher, andere, wie Ahorn und Linde, später
äusserlicb zu erkennen. Ob aber, und unter welchen Umstän-
den, ein Baum im Stande sein durfte, sich wieder von solcher
Vergiftung gänzlich zu erholen, wird sich im weiteren Verlauf
der Vorsuche zeigen, durch welche schliesslich auch die Frage
Erledigung finden soll, welches dasjenige niedrige Quantum
Leuchtgas sei, welchem die Wurzeln der Bäume längere Zeit
können, ohne wesentlich zu leiden.*
Aus der Fachliteratur,
Zeitschrift des Architekten- und Ingenieur-Vereins zu
inover. Jahrgang 1871. Heft 1 bis 4. (Scbluss.)
B. Aus dem Gebiete des Hochbaues.
1. Wohnhäuser der Herren Dr. Bodeumeycr und
Dr. Brandes am Schiffsgraben zu Hannover, entworfen
und ausgeführt von Baurath Köhler. Mit 3 Bl. Zeichnungen.
Die beiden Wohnhäuser, in einem mit Vorgärten geschmück-
ten und freier bebauten Stadtthe ile belegen , siud in gemein-
schaftlicher Facadeu-Architektur uud äusserlich ein Ganzes dar-
stellend, derartig disponirt, dass die Brandgiebel sich decken,
während alle übrigen Seiten Licht erhalten. Jedes derselben
besteht aus einem Souterrain, in welchem die Wirthschaftsräume,
uud zwei oberen Geschossen, iu denen die Gesellschaft«-. Wohn-
und Schlafzimmer liegen. Anzahl und Anordnung der Zimmer
ist in beideu Häusern, von denen das kleinere nur eine, das
grossere oine Pracht- uud eine Ncl>entreppc enthält, verschieden:
gemeinsam ist bei beideu die Anlage eines Salons im Krdge-
geschoss, der mit einem Portikus und einer breiten Freitreppe
nach dem Vorgarten mündet,
l'cber die Grundrissdispositiou derartiger Häuser, die iu
den meisten Fällen weniger auf den Architekten, als auf die
Bauherren zurückzuführen ist, kann eine Kritik kaum statt-
finden; ausftchlies.sliches Eigenthum des Ersteren ist im Wesent-
lichen nur die künstlerische Gestaltung, die hier unter Verwen-
dung antiker Formen erfolgte. Die mannigfach gegliederten
Facaden, bei denen die Archilekturtheile von Sandstein, die
glatten Flächen von geputztem Backsteinmauerwerk hergestellt
sind, zeigen geradlinig überdeckte, zu grösseren Gruppen ver-
einigte Oeffmingen; das Innere hat einen reichen farbigen
Schmuck erhalten.
Wenn der wenig befriedigende Eiudruck der Architektur
zum Thcil wohl auf die sehr mangelhafte Darstellung gesebubeu
werden muss, so ist der Schöpfung, die bei einer ziemlich will-
kürlichen Zusammenstellung von Formen an entschiedener Nüch-
ternheit leidet, ein höherer künstlerischer Werth doch nicht bei-
zumessen. Sie kann sich in dieser Beziehung neben den besse-
ren Leistungen der einheimischen mittelalterlichen Schule nicht
behaupten, was um so mehr zu bedauern ist, als gerade au
eiuem Orte, wo der nach neuen Gestaltungen ringenden Indivi-
dualität des Schaffens so viel Rechnung getragen wird, Werke,
die auf den Traditionen klassischer KuDstübung fussen, eines
Hauches klassischer Anmuth und Vollendung am Wenigsten
entbehren dürfen.
2. Grabmal des Organisten Anger zu Lüneburg,
von Baurath Hase iu Hannover.
Die ausserordentlich schwierige Aufgabe eines \on den ge-
wöhnlichen Typen abweichenden selbstständigen kleinen F'rei-
mouuments, an welcher so viele Architekten schon gescheitert
sind, hat hier eine neue Lösung gefunden, die der Zeichnung
zufolge nicht unglücklich wirkt. Auf kurzen Säulenfüsseu erhebt
sich über der mit Platten abgedeckten, stufenförmig erhöhten
Gruft ein mittelalterlicher Sarkophag, der mit geraden Giebeln
geschlossen ist. Der eine dieser Giebel trägt einen durch-
brochenen Aufbau — ein Kreuz, eingerahmt von einem gotbischen
Bogen, dessen Abdachung von einer Statuette der heil. Cacilia
gekrönt wird. Die Widmungsiuschrift ist auf den beiden Sar-
Schwämmen aus und eilten, von einem neugeworbenen Fuhrer
begleitet, znm Hause des Türken, der als Bruder der alten
Wittwe, welche den genannten Inschriftstein liewahrte, dringend
nöthig war, um den Eintritt in das Wittwenhaus zu erlangen.
Wie viel Zeit verlorcu wurde, bevor dieser Edle unser Vorhalten
begriff, sich dann fertig machte, nach langem Klopfen bei seiner
Schwester Einlass fand, endlich nieder herauskam und uns, von
einem stattlichen Schwarme türkischer Biedermänner, der Aet-
testen des Dorfes, begleitet, feierlich hineinführte, mag nur
flüchtig angedeutet werden. Endlich standen wir in einer holz-
überbuuten Vorhalle vor unserm langerstrebten Schatze. Es
war ein ansehnlicher Stein von etwa 0,70™ und 1,50» ; er enthielt
r als 100 Zeilen zu je (10 Buchstaben; die obere
bei der elenden Lateruenbeleuchtung nur erkennbar aber nicht
lesbar, die untere Hälfte schien durch Betreten gänzlich ver-
wischt Mit Abschreiben war nichts zu machen; es musste ein
Abklatsch versucht werden. Noch heut sehe ich das eigenartige
Bild. C. u. H. u. G. knieend und bald nach Wasser, bald nach
Fliesspapier rufend, bald hoffnungsvoll sich aufreibend, bald mit
Resignation auf den Erwerb verzichtend. Ringsuni die hocken-
den und in Rauchwolken begrabenen Türken, welche leidenschafts-
los wie immer mit gewohntem Phlegma das Ende der Dinge er-
warteten. Auf dem Hofe zornige und uicht zur Ruhe zu brin-
gende Hunde, während das holde Mondlicht die Hofmauern, die
tiefer belegenen Lehmhütten, die Ebene, die Küstengcbirge, ja
selbst das ferne Meer mit seinem mildesten Glänze übergoss.
Nachdem ein erster Abklatsch misslnngen, wurde ein zweiter
mit höchster Sorgfalt gefertigter auf dem Steine liegen ge-
lassen und gegen hohen Backscbisch dem Schutze Ali's — so
hiess der fromme Wittwenhüter — anvertraut. Nach frugalem
Irnbiss begabeu wir uns zur Ruhe in der sicheren Erwartung,
dass, falls auch nur eine leise Erderscbütteruiig in der Nacht
käme, vir uns auf dem Düngerhaufen dieses Hofes wiederfinden
würden. Indessen lief alles glücklich ab, — die üblichen In-
sektenangriffe ausgenommen. Lange vor Sonnenaufgang waren
wir fertig und warteten auf Ali. Der Treffliche kam und führte
uns zu unserm Steine. Aber auch dieser Abklatsch war miss-
lungen, «bschon wir ihn unberührt fanden. Nun half kein Be-
die Inschrift
keit abgeschrieben werden. Zu diesem Behufe entschlossen sich
die Sachkenner C. u. G., den ganzen Tag über von Ali uud
sonstigen Freunden der Wittwe wohl bewacht im Hause sitzeu
zu bleiben, während wir nuch Smyrna vorausreiten und da-
bei das ganze auf zwei Pferde ge'ladene Gepäck eskortireu
sollten. Rasch wurden die Vorräthe getheilt. die Kawussen bei
den Freunden gelassen — Humann und ich brachen mit einem
Diener und den Packpferdeu auf. Es war ein herrlicher aber
heisser Ritt, bergauf, bergab, bald an der wundervoll gezeich-
neten Küste entlang, bald über schroffe Abhänge uud Klippen
fort, stundenlang im Schritt, zeitweis in frischem Ualopp. Da
wir die Ankunft des Zuges in Menimen nicht sicher wussten,
war die höchste Eile geboten. Die Pferde wurden daher nur
ein einziges Mal im Laufe de« Tages an einer Quelle getränkt,
aber der hier vorkommenden Blutegel halber mit höchster Vor-
sicht. In einem brütend heissen Sumpfgelände überfielen uns
noch schwärmende Stechfliegen und brachten die Pferde fast zur
Raserei: indessen kamen wir glücklich durch. Nach einem kur-
zen Aufenthalte in einer Kaffeehütte, eine Stunde vor Menimen,
stiessen wir auf den Heraus, fanden mit Hülfe von Hirten die
F'urt und setzten mit einiger Schwierigkeit hindurch. Zuletzt
ging es im schärfsten Tempo zum Städtchen, dessen weisstei-
nerne Windmühlen uns schon von Weitem eutgegenleuchteten.
In dem bescheidenen Wartezimmer wurde rasch umgekleidet
und Kuffee genommen, dann kam der Eisenbahnzug und führte
uns in einigen Stunden nach Smyrna.
Als wir am andern Morgen wieder am Arbeitstische süssen,
traten unerwartet C. u. G. bei uns ein. Sie hatten trotz aus-
dauernder zwtilfstündiger, auf den Knieeu verbrachter Arbeits-
zeit nur die obere grössere Hälfte der Inschrift abschreiben
können und waren dann ohne Aufenthalt die ganze Nacht hin-
durch bei herrlichem Mondenscheine auf denselben Pfaden wie
wir nach Menimen hinabgeritten. Mit dem Frühzuge hatten sie
Smyrna glücklich erreicht; wir waren alle wieder zusammen.
Nuu galt es zum zweiten Male nach Ephesus zu gehen, um diu
daselbst früher begonnenen Arbeiten zum Abschlüsse zu bringen.
Digitized by Gc
kopb Bedecken angebracht, wahrend der unter« gehrige Kaud
dciselE«
heu Sprüche enthalt
den at
Gruft
Die Kosten des aus Sandstein hergestellten Denkmals incl.
gemauerten Gruft habeu bei einer Sarkophaglänge v
einer üeaanimtböhe von 4,67- 685 Thlr. betragen.
i von 2,48-
3. Ueber dir K hallten- oder Marne 1 uckengräber bei
Kairo, vom Bau-Inspektor Pape in Hannover. Mit 2 Bl. Zeich-
nungen.
Die genannten Bauwerke, einige 30 an der Zahl, stellen in
zwei Gruppen vertheilt in der Nähe der Zitadelle von Kairo.
Verschieden au Grösse und Ausbildung — die kleineren ein
einziger Raum von ca. 4 — 6", die grössten komplizirte Anlagen
mit Moscheen und anderen Baulichkeiten verbunden — zeigen
sie doch im Wesentlichen einen einheitlichen architektonischen
Typus, der sich namentlich in der Gestaltung des eigentlichen
Grabesraumes, eiuer thurniartigcn Halle mit massiver Kuppel,
geltend macht. Der Verfasser l>eschreibt eingehend die allge-
meine Anordnung und Ausbildung der Monumente, die er zu
den bemerkenswertheren Leistungen des arabischen Stils zählt,
und theilt eines derselben, das Mausoleum des Sultans Tarabeh,
in Ansicht, Grundriß und Details (leider ohne Durchschnitt) mit.
Die Erbauungszeit der Gräber ist nach seiner Ansicht frühe-
stens auf dus Ende des 14. Jahrhunderts zurückzuführen; ar-
chitektonische Einflüsse des Abendlandes durch beim Bau be-
schäftigte christliche Sklaven scheinen ihm nicht unwahr-
scheinlich.
4. Wohnhaus zu Hudemüblen an der Aller, entworfen
und ausgeführt von Baurath Uase zu Hannover. Mit 2 Blatt
Zeichnungen.
Das für den Gebrauch eines Wittwers mit nur einem Kinde
bestimmte, unschwer jedoch auch von einer grösseren Familie
zu benutzende Haus gewährt ein reizvolles Beispiel eines nach
Grundris* und Aufbau originellen, aus den Bedingungen de*
Beuprogramras abgeleiteten Hauses, wie sie die hannoversche
Schule mit voller künstlerischer Hingebung an di
schaffen weiss.
Im Grundrisse bildet eine durch zwei Stockwerke
Halle von 10,5» Lange und 7« Breite und Höbe das Haupt-
motiv; sie empfängt ihr Licht von der einen Schmalseite und
wird auf den drei übrigen Seiten von kleineren NebenräutueD
umgeben. Im Erdgeschoss ein Esszimmer und Servirzimtuer.
sowie zusammenhängend Wohn- und Studirziinnier, Bibliothek,
Kabinet und Rlumenhaus des Herrn — im ersten Stock Schlaf-
zimmer und Garderobe des Herrn, Schlafzimmer der Gouver-
nante und ihres Zögliugs pp.; — im Souterrain liegen die Wirth-
schaftsräume, im Dacngeschoss eine Anzahl von Giebelstuben.
Die Treppe, von dereu Podest die Retiraden zugänglich sind,
ist in eiuer Ecke des Hauses augeordnet.
Das Aeussere ist in Backsteinbmu unter theilweiser Anwen-
dung glaairter Steiue und in gothischen Formen ausgebildet
und gewährt bei angenehmen Verhältnissen und einer wohltbu-
enden Einheit des Maasstabcs (aus welchem höchstens der Aufbau
der Uausthür herausfällt) in seiner bewegten Gliederung mit
Giebeln, Erkern und dem thurmartig gedeckten Treppeubause
einen brichst malerischen und stilvollen Eindruck. Das Innere,
mit Ausnahme der reicher ausgestatteten Halle, ist einfach, je-
doch gleichfalls in einheitlichem Stile mit echten Holzdceken
durchgebildet.
Die Kosten des Baues haben 13O0O Thlr. oder pro H™ ca.
47 Thlr. betragen, was als ausserordentlich massig zu be-
trachten ist. - F. —
Monats - Aufgaben Im Arohitekten
n & April 1872.
1. Entwurf zu einer Grabkapelle.
Die untere Gruft soll in schöner Anordnung 12 Särge von
1 Meter Breite und 2,20 Meter Länge fassen können und durch
stattliche Treppen mit dem oberen Räume verbunden «ein, wel-
cher mit circa 80 Sitzplätzen, einem Altar und einer kleinen
Orgel verschen sein «oll. Ein Glockenthnrm oder Glockengiebel
wird verlangt. Das Game farbiger Backsteinbau im Rund-
An Zeichnungen werden verlangt: 2 Grundrisse im Maass-
stabe von , 2 Facadcn und ein Durchschnitt im Maasstabe
von Vi,,.
II. Für einen Flusshafen ist ein 100 Meter langes. 15 Meter
über Niedrigwasser liegendes Bohlwerk, an welchem 2 Meter
tief gehende Schiffe anlegen, zu entwerfen. In der Höhe dieses
Bohlwerks soll auf einem besonderen Geleise ein beweglicher
Dampfkrahn von 80 Zentner Tragfähigkeit aufgestellt werden,
welcher zum Ueberladen schwerer Lasten vom Schiff zum Wag-
gon dient und der bei Hochwasser rückwärts in Sicherheit ge-
bracht werden kann. Ausser dem Bohlwerk ist der Geleiseplan
zu entwerfen uud die Stabilität des ersteren ni '
Alle wichtigen Maasse, Annahmen und Rechnungsresultate
m den Zeichnungen an geeigneter Stelle einzutragen.
Die Entscheidung der Konkurrenz für Entwürfe zum
u der Protestantischen Kirche zu Straaaburg (vid. Nr. 98
Jhrg. (I. d. DUch. Bztg.) hat am 24. Febr. d. J. stattgefunden.
Einen uns kurz vor Srhlusa der Nummer zugehenden Bericht
über die Konkurrenz können wir leider nicht mehr bringen,
sondern begnügen uns vorläufig mit folgender Notiz aus der
Strassb. Ztg.: .Die zur Prüfung der Projekte behufs Aufhaltung
der neuen Kirche bestimmte Kommission, bestehend aus den
Herren Dr. Semper, Architekt und Professor in Wien, Questel,
Architekt des Palastes zu Versailles, Böswillwald, Architekt
und Generalinspektor der historischen Monumente von Strass-
bürg, Leblois, Präsident des Konsistoriums der neuen Kirche,
J. Sengenwald, Flach und Intim, als Mitglieder desselben
Konsistoriums, vereinigten sieh am 24. Februar Mittags, um
über die zu erthcilendeu Preise zu bestimmen- Keinem der
eingeschickten Projekte konnte der erste Preis gewährt werden,
welcher bekanntlich noch dem Programm des Konkurses 5000
Francs war. Für die besten unter den vielen ausgestellten
Plänen wurden folgende fünf Arbeiten, nach ihren Motto's er-
kennbar, gewählt und ihnen folgende Preise zuerkannt: HH. Jean
Bernhard, Henri Motte und Albert Tournade in Paris, Preis
3000 Fr. (einstimmig zuerkannt); 2) Hr. Stanislaus Bau in Paris,
Preis 2000 Fr.; 3) HH. Laurent Farge und Eugen Salutier iu
Paris, Preis 1000 Fr.; 4) Hr. Salomon, Architekt in Strassburg,
Preis 1000 Fr.; 5) Hr. Röderer aus Strassburg, wohnhaft in
Paris, Preis lOOO Fr.
Die Entscheidung der Konkurrenz für Entwürfe zum
Bau eint« Kurhauses in Langen - Schwalbaeh (vid- No. 43.
Jahrg. 71. d. Dtsch. Bztg.) hat als Sieger zwei Münchener Archi-
tekten, die Hrn. Hugo Kafka und Otto Schulze hervorgehen
lassen. Wir entnehmen diese Notiz der Frankfurter „Didoskalia*.
ohne zu wissen, ob die Genannten gemeinschaftlich gearbeitet
und zusammen den ersten Preis errungen haben, oder ob von
den ausgesetzten Preisen nur 2 verliehen worden sind.
Personal • Nachrichten.
Prcussen.
Ernannt: Der Zivil-Ingeuicur, Dr. phil. Meck le nburg zu
Trier zum Eisenbahn- Baumeister in Kreuznach.
Versetzt: Der Eisenbahn-Baumeister Scheuch zu Kreuz-
nach nach Trier.
Dem Kreisbaumeister Friedr. Wilh. Uoffmaun zu Pr. Hol-
land ist der Charakter als Baurath verlieben worden.
Das Baumeister-Examen haben bestanden: Andreas
Kühnert aus Eisfeld; Julius Fischer aus Pillau; Julius Hehl
aus Kassel.
Das Bauführer-Examen haben bestanden: Emil Hoff-
mann aus Gollancz, Kreis Wougrowitz; Rudolph Kiel aus
Eidinghausen bei Oeynhausen; Rudolph Albert Schmidt aus
Stabitz, Kreis Dt Krone.
Sachsen.
Ernannt: Strassenbaukondukteur Peters zum Chaussee-
inspektor in Lflbau; Betriebsingeuieur Engelhardt in Chemnitz
zum Bctriebs-Obcringenieur bei der Kgl. Generaldirektion der
sächsiscbeu Staatsbannen zu Dresden; präd. Betriabsiugcnicur
Becker zum Betriebsingeuieur in Cbemuitz; Scktiuusiugenieur
Larraas in Penig zum Betriebsingenieur in F'löha; Sektions-
Uartenstein beim Bau der Plauen-"
ir.
Brief- and Fragekuten.
Hrn. R. T. in N. Die Gritschen Vorleget! Itter zum male-
rischen Architekturzeichnen sind im Verlage von Ernst u. Korn
hicnwlbst erschienen. Die aus dem Jacobsthal'schen Unter-
richte am Gewerbemuseum cnstandonon Vorlegeblätter werden
von dem Autor in einem besonderen Werke unter dem Titel
.Grammatik der Ornamente" veröffentlicht.
Hrn. 0. St. Soviel uns bekannt ist, sollte die Bahn
Harburg-Stade als Staatsbahn gebaut werden uud würde die-
selbe von der KgL Eisenbahu-Dircktiuu in Hannover ressortiren.
Der Bahnbau bis nach Cuxbafeu und die Hofen-Anlage daselbst
stehen wohl noch iu sehr weitem Felde.
Ilm. v. H. Der Fall, dass von einer Kommune den zur
Enßcheidung einer Konkurrenz erwählten Preisrichtern eine un-
eutcelt -he Thätigkeit augesouneu worden ist, dürfte wobl noch
nicht dagewesen sein; zur Veranschlagung der hierfür aufzu-
wendenden Kosten werden die Bestimmungen über Diätensätze
in der Honorar - Norm des Verbandes einen passenden Anhalt
gewähren. — Die Entscheidung der Frage, ob ein Konkurrenz-
Projekt für die in dem Programme als obligatorisch festgesetzte
Kostensumme ausführbar ist, bildet allerdings einen dunklen
Punkt so mancher preisrichterlichen Gutachten, die über diese
für den Bauherrn meist wichtigste Angelegenheit nicht selten
gar zu leicht hinweggehen; doch dürfte es unter Technikern
wobl nicht zweifelhaft «ein, dass diese Frage sich bei einiger
Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit mit genügender Sicherheit ent-
scheiden lassen wird, auch ohue dass ein spezihrter Kostenan-
schlag aufgestellt und iu amtlicher Weise revidirt wird. Es
wird Sache der in einem Preisgerichte vertretenen Mitglieder
der zunächst betheiligten Körperschaft sein, die technischen
Richter zu einer möglichst präzisen Beurtheilung der Frage zu
drängen.
Beiträge mit Dank erhalten von den Hrn. H. in Ber-
lin. M. in Strassburg, v. W. in Bautzen, N. in Zerbst.
Kommlui.n.MrlMI C.rl It. .1,1. I. B«rll».
Pf«* O.
,rt i
Digitized by Google
Jahrg. VI. M II.
DEUTSCHE BAUZEITUNG
Redaktion m. Expedition:
BtrNs. Orintfmtw** III.
BttUlluarca
Organ des Verbandes
deutscher Architekten - und Ingenieur-Vereine. "3S
Bedakteur X. E. 0. FriUcli.
fir 41« Um 4<r Inttthn
kui-ltinf »aitn AofiuK»f
(ir.llf - lillil!
b) »K «P. pr.
Prcb 1 Th«]«r P r« turttl. Berlin, den 14. März 1872.
Erscheint jeden teanersta;.
d« I).«b«»d».rk-r. < FartMtron«. > - D«r lloffnuan'KB« Kin-of.-. and 41. r.r««i»-
•»►rb« l'M.nlk«mm(.«oi.. — fUimkiiien in. dem Oli.nl X. — in* MUalulfipU
Bof.ab.grkt »» 81. U>ui«. - Hillli.llanc.B >at V.r.la.a: Archil.kl.n-
a..d lofwWar-V.r«- .„ HWotw. _ Ar-hli.H.n.V.r.la .« Itorli».
altehl.-: Hacn-SUflaa«. - Zur Wl.d.rb.*rtiuo-; d.r SUdtb.ur.tl
tu tUrlln. - Konk urr.a-.n 1'rote.tanlLch. Kirch. In yin-iin;
D.nkm.l für Alton.. — H«r.*»al-?ia-liri.ht«a «1«.
- V.r.
Zw Präge der ScfcaÜHUssregelii gege« die Arbeitseiastelluigeii drr Bauhandwerker.
(Fortuuurvg tutt 8<alaai.)
Es ist nicht zu leugnen, dass die Aensserungen , mit
welchen während des vorjährigen Berliner Strikes der Stand-
punkt der Gesellen verfochten wurde, sehr wenig geeignet
waren, die Öffentliche Meinung zu ihren Gunsten zu stimme».
Zwischen hohlen Phrasen und den bekannten sozialistischen
Schlagwortern ziemlich unverhüllt die Anerkennung, dass
das mit allen Mitteln zu erstrebende Ziel eine möglichst
geringe Arbeitszeit und ein möglichst hoher Lohnsatz sei,
und die entschiedenste Abneigung in ernstlich gemeinte Ver-
handlungen mit der Meisterschaft einzutreten, falls diese
nicht einfach die Forderungen der Gesellen bewilligte.
Die Löhnum: nach Stunden wird als eine Quelle unaufhör-
licher Zwistigkeiten und als ein Mittel, um dem Arbeiter
von seinem bisherigen Lohne etwas abzuzwacken, eine Ab-
stufung des Lohnsatzes nach dem Fleissc und der Tüchtig-
keit der Gesellen als eine der meisterlichen Willkür Thür und
Thor öffnende Falle verworfen nnd zurückgewiesen. Daneben
fehlte es nicht an drastischen Mitteln, um das Lebens -Ele-
ment der Strikes, die Einigkeit der Arbeiter gegen diejenigen
unter ihnen, welche zum Nachgeben geneigt waren, durch-
zusetzen. Und als schliesslich die Arbeit wieder aufgenom-
men wurde, eine prahlerische Proklamation, durch welche
der Ausgang des Strikes als ein Sieg der Gesellen verkündet
wurde, weil das Prinzip der Stundenlöhnung beseitigt und
der zehnstündige Normal -Arbeitstag bewilligt sei!
Aber wer die Stellung der Arbeiter in gerechter Weise
würdigen will, darf sich von dieser Aussenseitc der Be-
wegung nicht ohne Weiteres abstossen '
nächst Btets den Bildungsgrad der Arbeiter berücksichtigen,
der es durchaus nicht zulässt. den von ihnen gethanen oder
beizulegen,
der Meisterschaft bean-
nur wenige
denen ihr
zulässt,
gebilligten Aeussernni
wie sie ihrerseits die
sprachen dürfen. Man wird für
Persönlichkeiten verantwortlich
AgiUtionstalent die Führerrollen verschafft hat; und auch
diesen, von dem Sauerteige halbverstandener sozialistischer
rien oberflächlich angegährten Helden der Volksver-
iungen wird man ihre Phrasen und Uebertreibungen
allzuhoch anrechnen dürfen. Ein Gleiches gilt von
der „Frivolität* der Motive, welche für die Arbeitsein-
stellungen geltend gemacht werden; es darf darüber nicht
strenger geurtheilt werden, als über die formellen Veran-
lassungen, aus denen die Kriege der Staaten und Völker
hervorgehen, denn in den seltensten Fällen ist ja die an-
gebliche Ursache der Kriegserklärung mehr als der äuaser-
fiche Anstoss, der eine aus tieferer innerer Notwendigkeit
entsprungene Krüns zum Ausbruch bringt. Wer könnte von
dem leicht aufgeregten, heissblütigen Arbeiter, — wenn das
Gefühl der Unzufriedenheit mit seiner Lage einmal die Ober-
hand gewonnen hat — erwarten, dass er seine Worte und
Handinngen ängstlich auf die Goldwaage legt? Ja selbst die
Exzesse nnd Zwangsmaassregeln gegen die am Strike nicht
Theil nehmenden Gesellen wird man in einem milderen Lichte
sehen müssen, wenn man bedenkt, wie viele geradezu rohe
Elemente unter dem Arbeiterstande einer grossen Stadt ent-
halten sind. Aus der verh<nissmässig äusserst geringen
Anzahl solcher Exzesse während des letzten Strikes der
Berliner Maurer wird sich sogar eher ein günstiges Urtheil
für das Verhalten der grossen Mehrheit derselben ziehen
bissen. Soviel steht jedenfalls fest, dass die Organisation der
ganzen Bewegung auf Seite der Arbeiter eine bewunderungs-
würdige war, dass ihre Einigkeit, Opferwilligkeit und die Cha-
rakterstärke, mit <!er sie den beschlossenen Feldzugsplan
durchführten, sehr günstig abstach gegen die Zerfahrenheit
und den Mangel an Gemeinsinn, den ein Theil der Meister-
schaft zeigte.
Und ist denn das Ziel der Arbeiter, selbst wenn es in
so nackter und selbstsüchtiger Form ausgesprochen wird,
wie oben geschehen, ein so absolut verwerfliches? Zum
Mindesten haben diejenigen wohl kaum das Hecht solches
zu behaupten, die von der volkswirtschaftlichen Lehrkanzel
herab dem Arbeiter auseinandersetzen, dass es sich für ihn
nunmehr einfach um den durch Nachfrage und Angebot re-
gulirten Verkauf seiner Leistungen handele. Kaufgeschäfte
und Spekulationsgeschäfte sind heut leider so identische Be-
griffe geworden, dass man es dem Arbeiter wahrlich nicht
verübeln kann, wenn er auf Grund jener Theorie mit seiner
Waare zu spekuliren und den geringen Kapitalwerth der
einzelnen Arbeitskraft durch eine Koalition \ieler zur Gel-
tung zu bringen sucht. Während es beispielsweise nicht nur
für eine erlaubte, sondern sogar für eine geschickte und au-
erkennenswerthe Operation gilt, wenn es einem Bauunter-
nehmer durch massenhafte Material-Aufkäufe gelingt, die
Konjunktur zu beherrschen und dadurch ein entschiedenes
Uebergewicht über seine weniger weitblickenden oder über
geringere Kapitalien gebietenden Konkurrenten zu erlangen,
wird es schwer sein den Arbeiter davon zu überzeugen, dass
er nicht berechtigt sei, durch ähnliche Spekulationen einen
grösseren Gewinn von seiner körperlichen Leistung zu er-
streben, als ihn allenfalls die „Nothdurft des Lebens^ fordert.
Um so schwerer, wenn diese Nothdurft des Lebens in so
willkürlicher und oberflächlicher Weise geschätzt wird, wie
dies oft geschehen ist. Man wird nichts anderes thun kön-
nen, als dem Arbeiter auseinander zu setzen, wie gefährl ich
jenes iStreben nach einer unbegrenzten Lohnsteigerung für
ihn selbst werden kann, sobald er hierbei einseitig und rück-
sichtslos gegen die Interessen Anderer verfährt, also einen
Rückschlag herausfordert Aber diese Auseinandersetzung
wird augenblicklich kaum eineu sehr empfänglichen Boden
finden, denn einerseits dürfte er auf das ihm bestrittene
Recht jenes Strebens zu eifersüchtig sein, um es bei seinem
Bildungsgrade nicht mit einem gewissen Eigensinn geltend
zu machen, andererseits wird er jene persönliche Gefahr
nicht allzuhoch anschlagen, so lange er wirklich noch um die
blosse Nothdurft des Lebens arbeitet uud keinen Besitz
aufs Spiel zu setzen hat
Haben wir damit bereits eine Hauptursache der gegen-
wärtigen Arbeiterbewegung, die durch die vom Staate ge-
währte Koalitionsfreiheit plötzlich in vollen Fluss gebracht
worden ist, berührt und gleichzeitig schon eines der Mittel
zu ihrer Beseitigung angedeutet, so sind diese Momente doch
mehr allgemeiner Natur und gelten nicht etwa blos für die
Banhandwerkc. Dass die Verhältnisse gerade bei diesen
einen so schroffen Charakter angenommen haben, ist ent-
schieden noch durch andere Gründe veranlasst worden.
Nimmer würden die sozialistischen Agitatoren, deren Ver-
führung man eine so grosse Schuld an der Bewegung bei-
misst, einen solchen Einfluss haben erlangen können, wenn
sie nicht in eiuer allgemeinen Misstimmung der Bauarbeiter
gegen ihre Arbeitgeber ein so günstiges Feld Tür ihre Agita-
tion gefunden hätten, und nimmer würde eine derartige Miss*
Stimmung sich haben entwickeln können, wenn die Zustände
des deutschen Baugewerks noch normale und gesunde wären.
Es ist bei den Arbeitseinstellungen der letzten Jahre
deutlich zn Tage getreten, eine wie tiefe Kluft Meister nnd
Gesellen des Bauhandwerks von einander trennt, wie das
Digitized by Gc
— 82 -
Verständnis* und das Vertrauen zwischen beiden und mit
ihnen das Bewusstsein von der Solidarität ilm-r Interessen
in einer Iteklngenswertheti Weise geschwunden sind. Wäre
dies nicht der Fall, wie sollte es erklärlich sein, das»
grösstentheils auch der intelligente, fleissige und tüchtige
Kern der Gesellenschaft — und wer unsere deutschen Bau-
haudwerker kennt, weiss, dass dieser Theil nicht gering ist
und sich von der unterstell Klasse des Standes sehr wesent-
lich und vorl liedhaft unterscheidet — si.-h mit der Akkord-
arbeit, die ihm die offenbarsten Vortheile bietet, uuter den
gegenwärtigen Verhältnissen nicht zufrieden giebt; dass er
ebenso den Verlockungen, welche ihm das Anerbieten der
Meisterschaft auf höheren Lohnsatz für tüchtige« Leistungen
gewählt, staudhaft widersteht, dass er sich lieber mit der
grossen, ihm keiucsu. l- ■ . I ml n.i Masse verbündet und
mit deren Aussichten sich ge nügen lasst, als dass er sein
Schicksal, wie bisher, in die tl&ude der .Meister legen will,
lud doch ist keine andere Hoffnung auf Besserung der
gegenwärtigen Misstande möglich, als wenn gerade dieser
Theil der GeseUenschaft einem Einvernehmen mit der Meister-
schaft zurückgewonnen wird, wenn es gelingt, seine Interessen
von denen der roheren und weniger tüchtigen Kiemente zu
trennen und durch Niederhaltung und möglichste Eutbehr-
liehmachun« der letzteren den Stand albnälig von ihnen zu
befreien und in sich zu lieben.
Unseres Erachtens ist diese Kluft zwischen Arbeitgebern
und Arbeitnehmern des Hängewerks, welche wir als Haupt-
ursnehe der Unzufriedenheit der letzteren betrachten müssen,
nicht etwa eine Folge der Gewerbefreiheit, die das alte
patriarchalische Verhältnis zwischen beiden gelöst hat —
von keiner Seite ist dies auch behauptet worden — sie ist
auch nicht ausschliesslich eine Folge des unklugen Verhal-
tens der Meisterschaft, welche die eisten, seit Jahren drin-
gend uothwendig gewordenen Lohnerhöhungen mir mit
Widerstreben sieh abringen Hess und dadurch Krbitternng
auf Seiten der Arbeiter hervorrief: sie ist vielmehr eine ganz
natürliche Konsequenz davon, dass im Wesentlichen noch
immer die alten Formen für das Verhältnis* zwischen Meister
und Gesellen festgehalten werden, während die Bedingungen
des Haugeschäfts selbst sich stark verändert haben. Eine
Anomalie, die schon vor Einführung der Gewerbefreiheit
bestand und deren gegenwärtige Folgen durch letztere höch-
stens gezeitigt worden sind.
Seit lange ähnelt, wie wir das bereite im Jahre DM>8
zu entwickeln Gelegenheit genoinmeu haben, der Geschäfts-
gang der Baugewerke, zumal der in den grösseren Städten,
weit weniger dem Handwerke, als dem Fabrikbetriebe, ob-
gleich keine Arbeit sich weniger für einen solchen eignet,
als namentlich die stets an wechselnder Stelle, stets unter
verschiedenen Bedingungen schaffende Thätigkeit des Maurers.
Die BauRewerksmeistcr, in ihrer Mehrzahl ans einer sich ver-
erbenden Meister- Aristokratie hervorgegangen, dem Werk-
nlatze zuweilen völlig fremd, gehörten nach Erziehung und
Lebensstellung schon längst nicht mehr den Handwerker-
kreisen an . wie sie auch nicht als Handwerker sondern als
Kaufleute, Architekten und Techniker wirkten. So geriethen
sie zu ihren Gesellen, mit denen sie in alter Zeit das Band
wirklicher Berufsgenossenschaft verbunden hatte, um so mehr
in das Verhältnis« des Fabrikherrn zu seinen Arbeitern, je
mehr der steigende Verkehr und die materielle Entwicklung
sie dazu nöthigle, vorzugsweise mit kaufmännischen Konjunk-
turen zu arbeiten, ihr Geschäft ins Grosse zu treiben und
eine möglichst grosse Zahl von Arbeitern zu halten, die
selbstverständlich je nach der Jahreszeit und dem Geschäfts-
umfange einem fortdauernden Wechsel unterworfen ist. Dass
sich hierbei Meister und Gesellen allmälig mehr und mehr
entfremdet worden sind, dass sie das Verständniss und die
Theilnahme für ihre beiderseitigen Interessen verlieren niuss-
teu. je mehr die ersten zu Gross-Kaufleuten, die letzteren zu
Proletariern wurden, ist wohl ebenso einleuchtend, wie, dass
dieses Verhältnis* gerade von dem besseren Theile der
GeseUenschaft schwer empfunden werden musste.
Der Hnflniann'sche Ringofen und die preußische Patent -Kommission.
Vou Baumeister Lämmerhirt in Berlin.
Im Jahre 1*58 wurde dem Baumeister Friedr. Iloff-
mann zu Berlin in Gemeinschaft mit dem Stadt-Baunith
Licht zu Danzig von dem preußischen Handels -Ministerium
ein Patent ertheilt
„auf einen ringförmigen (Ifen zum unausgesetzten
Betriebe beim Brennen von Ziegeln und anderen
Gegenständen*
und diesem Privilegium durch zweimalige Verlängerung Seitens
derselben Behörde die gesetzliehe Gültigkeit von 15 Jahren,
also bis zum Jahre 1*7:» verliehen.
In gleicher Weise erlangte der Erfinder in andern Staaten
Europa'» und in Amerika Pateute; alle irgendwie bedeutenden
Ausstellungen enthielten Zeichnungen, Beschreibungen und
Modelle der für die Keramik, die Kalk- und Zementfubrika-
tion äusserst werthvollen Erfindung und zahlreiche Anerken-
nungen , wie goldene und silberne Medaillen und der grand
Prix der internationalen Ausstellung zu Paris 1867 wurden
derselben zu Theil, selbst die Societe d'Kncouragement pour
l'Industrie nationale zu Paris gewährte dein Ausländer ihre
höchste Anerkennung.
Zwölf Jahre hindurch hatte das Patent unangetastet
Gültigkeit gehabt, ca. 7<X) Ausführungen von Ringöfen ver-
breiteten in allen Welttheilon den Ruhm der deutschen
Technik uud mehrfache Pateritverletzungen waren von dem
Pateut- Inhaber gerügt, von Gerichts- und VerwnllutigsbehCr-
den aller Länder, ganz besonders auch des preussischen
Staates, als begründet anerkannt und alle irgend bekannten
Ofenkonstmktionen bei solcher Gelegenheit mit dem Ring-
zurückgezogen. Mit Rücksicht auf den wachsenden Fremden-
verkehr bat die Bahndirektion einen kleinen Umweg der Bahn-
Die berühmteste Stadt des alten Klein- Asiens, als Mittel-
punkt urulter Gottcsverehrung heilig und volkreich wie keine
Uukre — Ephcsua — ist jetzt %on Sinyrua aus leicht zu er-
reichen. Noch vor wenigen Jahren waren anderthalb Tage-
iiiärsclie zu Pferde nMhig, jetzt nach Ei Öffnung der Eisenbahn
nach Aidiri bedarf es nur etwas über drei Siunden. Die Bahn
ist uut gebaut, der Betrieh regelmässig, überwiegend uuf Güter-
verkehr begründet, freilich geht in den Wochentagen der Mor-
genzug so spät ab, dass eine Rückkehr an demselben Tage un-
möglich ist. Nur Sonntags kann man den Ausflug in einem
Tage ubsohiren, ohne aber bei der Kürze der Zeit und der
weiten Ausdehnung der Ruinenfelder wenig mehr ids eine
oberflächliche Kcnntnis-nahme einzelner Kuutrümnier zu gewin-
nen- Bei einem Aufenthalte \on zwei Tagen wird kaum das
Wichtigste und auch dieses mir flüchtig betrachtet werden
können. Am gerathcustcii ist es, dieser in kunstwissenschaft-
licher Beziehung so überaus wichtigen Stätte des Alterthums
eine ganze Woche zu widmen. Lud auch dann wird der Be-
sucher erst in den letzten Tagen nach drei- und viermaligem
Besuche der Hauptstütten eine genauere Uebersicht von dem
Umfange, der eigcuthümlichcn Luge, dem Denkmälcrreichthum
und — falls die nSthigcu Vorstudien vorangegangen sind —
von der ganz eigenartigen geschichtlichen Elitwickelung dieser
verkehrsvollen Wallfahrt»- und Handelsstadt gewinnen.
Noch im vorigen Jahrhundert war Ephcsus von einigen
griechischen Familien, welche in den Ruinen hausten, bewohnt;
jetzt ist seine Bevölkerung ausgestorben oder hat sich vielmehr
uueh dem kleinen, im tiefsten Verfall befindlichen Orte Ajasalouk
nicht gescheut, Ajasalouk zu eiuem Stationspunkte für
- von Touristen ein De-
hme
alle Züge erhoben uud zur Unterkunft
scheidenes Häuschen neben der hölzernen Perronhalle erbaut
Dieses Häuschen bewohnt Mr. Sivey, ein weit in der Welt herum
gekommener Engländer, welcher mit praktischer Umsicht für
das Unterkommen, die Ernährung und riihruug aller derer sorgt,
die sich ihm anvertrauen wollen. Seine — Rrfreshment room —
getaufte Behausung, aus eiuem Schenkstühchen und einer Kam-
mer bestehend, in welcher letztereu sechs Personeu dicht neben-
einander gepackt an der Erde schlafen können, während der
Wirth mit seinem Diener in gleicher Lage im Schenk stübeben
schläft verdient trotz solcher Enge den erwähnten Titel im
vollen Maasse. Mr. Sivey besitzt Weltkenntniss genug, um zu
wissen, wie dem an Komfort gewöhnten und trotz des heissen
Klimas energisch arbeitenden Europäer eine HcrzsUlrkuug — zu-
mal bei den Mahlzeiten — uutwendig ist. Die von ihm geführ-
ten Mixed - Pickles, Sardinen. AlcVund Medoc's lassen nichts
zu wünschen übrig , das von ihm selbst destillirte Kirschwasser
hat Anspruch auf eine Ausstellungs-l'rämie ; doch zeigt erst die
Erscheinung eines echten Plumpuddine, zu dessen eigenhändiger
Herstellung sein natürliches Wohlwollen sich dann und wann
gedrungen fühlt, die seltene kulinarische Begabung des treff-
lichen Mannes auf ihrer vollen Höhe. Aber auch in vielen
anderen Punkten, in der Besorgung von Pferden uud Dienern,
in der Nachweisung von versteckt liegenden Deukmälerresten
oder neu zu Tage gekommenen Inschriften, in der Mittheilung
praktischer Winke für Gesundheitspflege ist Mr. Sivey ein
Musterwirth von altenglischem Schlage. Seine Rechnung ist
stets bescheiden und nie versäumt er es, den Gästen, die er
liebgewonnen, beim Abschiede ein Andenken zu verehren. Immer
Digitized by Google
ofen in Vergleich gezogen ; und doch war es keinem der zum
Spruch berufenen Sachverständigen in den Sinn Bekommen,
der Hoffmann'schen Erfindung die Neuheit und Eigcnthüm-
lichkeit abzusprechen oder sie auch nur anzuzweifeln. Daun
erst, im Jahre 1870, traten einige Gegner Hoffinann's und
des Patentes mit der Behauptung auf, der Kingofen sei nie-
mals eine neue Erfindung gewesen, sondern dem Werke eines
Maurermeister» Arnold in Fürstenwalde — wenige Meilen
von Berlin an der Nicderschlesisch- Märkischen Eisenbahn —
entlehnt. Anf Grund dieser Behauptung verlangten der
Ziegeleibesitzer Moritz Victor und Genossen die Aufhebung
des Hoffmann & Licht scheu Patentes und das königlich
prenssische Handelsministerium gab dem Antrage derselben
durch das Reskript vom 9. August 1370 Folge.
Das grosse Aufsehen, welches diese weittragende Ent-
scheidung in den betbeiligten Kreisen hervorrief, wurde durch
die maasslosen Angriffe und Schmähungen von Seiten ein-
zelner gegen Hof f mann auftretender Persönlichkeiten wieder
wachgerufen.
Wider alles Erwarten säumte Hoff mann den Weg der
Öffentlichkeit zu betreten und das hohe Ansehen, welches
er in den Kreisen der Techniker geniesst, durch Aufklärungen
zu stärken; er beschränkte sich darauf, den hohen Behörden
Vorstellungen zu machen und Anträge auf nochmalige gründ-
lichere Untersuchung zu stellen. Inzwischen sind aber die
gegen ihn verfassten Schmähschriften weiter verbreitet und
von seinen Feinden in fremde Sprachen übertragen, in Folge
dessen nicht allein Angriffe auf die im Auslände ertheilten
Patente, sondern auch Sentenzen für und wider die Neuheit
des Ringofens zu Tage gefordert sind. Die Sache ist dadurch
eine internationale geworden und droht einerseits das Au-
sehen der deutschen Ingenieure im Auslande zu untergraben,
andrerseits allen denen die Früchte ihres Streben* zu rauben,
welche den Werth der Erfindung des Ringofens erkannten
und sich nm deren Einführung im Auslande verdient gemacht
Dazu können die Freunde der guten Sache nicht v
schweigen; die öffentliche Meinung niuss aufgeklärt und an-
damit nicht ausländische Ingenieure ein Ur-
Hlen, das uns, den deutschen, wenig zur Ehre gereichen
würde und uns selbst unzweifelhaft zunächst zusteht. Die
nachfolgende möglichst authentische Beschreibung des Hoff-
mann'schen und des Arnold'schen Ofens soll dazu dienen,
einen Vergleich zwischen beiden Konstruktionen zu ziehen
und ein Crtheil darüber hervorzurufen, ob und iu wie weit
die Aufhebung des Hoffmann-Licht' sehen Patentes gerecht-
fertigt erscheint.
Der Werth des Hoffmann'schen Ringofens besteht
hauptsächlich in der enormen Brennmaterial -Ersparniss. die
durch Benutzung desselben beim Brennen von Ziegeln. Thon-
waaren, Kalk, Zement etc. erzielt wird und welche sich,
gegenüber den Oefen anderer Konstruktion auf liO — ÖO*/»
des früheren Verbrauches beziffert; ausserdem ist er ein
Apparat, welcher wie kein anderer — den auf gleichen Prin-
zipien beruhenden Gasofen ausgenommen — eine
exakte Regelung des Brennprozesses gestattet.
Die filteren, allgemein gebräuchlichen Ofenkonstruktionen
leiden an folgenden drei 1 nvollkommenheitcn:
das dem Feuer xngefnhrtc Brennmaterial wird nicht
vollständig verzehrt, geht vielmehr zum Theil als schwarzer
Rauch zum Schornstein oder auf anderem Wege in die Luft
und bleibt mit einem andern Theil in der Asche zurück;
die durch den Brennprozess entwickelte Hitze entweicht
bei der Abkühlung der Brenuobjekte ungenutzt; und
viele Sorten von Breunston, namentlich staubförmige,
sind in den gewöhnlichen Brennöfen nicht verwendbar.
Diese Cebelstände wurden langst erkannt und namhafte
Techniker versuchten denselben durch neue Einrichtungen
abzuhelfen. Der Engländer Gibbs z. B. gruppirte mehre
Oefen um einen Schornstein und benutzte die abgehende
Wärrae des ciuen Ofens zur Vorwärmung des nächstliegen-
den; er erhielt dadurch ein Bauwerk, mit welchem der
Ho ff mann' sehe Hingofen äusserlieh eine gewisse Aehtt-
lichkeit hat; der französische Ingenieur Mai He ging einen
Schritt, weiter, indem er in seinem Ofen zu Villeneuve le
Hoi mit di-r in der abkühlenden Ofenabtheilung erwärmten
Luft das Feuer der nächsten Abtheilung speiste, aber sein
Ofensvstem hatte nicht den gewünschten Erfolg und wurde,
obwohl dasselbe in Frankreich patentirt war, wieder ver-
lassen.
Diese Konstruktion. »welche mit fast wörtlicher Ceber-
setzung der Maille's.hen Patentbeschreilmng im .lahrgang
1857 der Försters.hen Bauzeitung ausführlich dargestellt
wird, ist bis dahin die vollkommenste und — wie der Er-
finder Hoffmann in seiner Patentbesebreibung selbst an-
deutet - - als der Vorläufer des Ringofens zu betrachten.
Wie der Grundriss und Durchschnitt auf Seite H. r ) er-
läutert, besteht der Hing ofen uns einem ununterbrochenen
.ringförmigen- Ofenkanal, welcher die zu brennenden Steine
aufnimmt und an verschiedenen Punkten durch Schieber,
welche das ganze Proiii decken und von oben oder von der
Seite einzuführen sind, abgeschlossen werden kann. Jeder
von zwei Schieberschlitzcn (oder zwei Gurtbögen) begrenzte
Theil des ( »fenkanals — Kammer oder Abtheilung genannt —
besitzt eine Einkarrthür und einen zum Rauchsammler resp.
Schornstein führenden Fuchs oder Hauchkanal.
Henkt man sich nun den
Schieber an irgend einer Stelle
eingesetzt, die zunächst davor
liegende Thür und deu zu-
nächst dahinter liegenden
Rauchkanal (Fuchs) geöffnet
fdie Pfeile in der Figur zeigen
beide an), alle übrigen Ein-
gänge und Rauchkanäle aber
geschlossen und im Schorn-
steine eiue aufsteigende Luft-
säule, so wird ein Luftzug
entstehen, der aus der Atmos-
phäre durch die geöffnete. Thür
in den Ofen gehl , diesen seiner ganzen Länge nach bis
auf die andere Seite des Schiebers durchstreicht, hier durch
hat er dergleichen zur Hand; Inschriftstückc oder Kelieffragmente
oder Münzen. Da er mein Interesse für die Thicrwclt wahrge-
nommen, so beschenkte er mich mit einem Chamäleon, welches
er selbst gefangen und lauge bei sich bewahrt hatte. Leider
musste ich das harmlose aber höchst interessante Thierchen in
Smyrna zurücklassen, da mir noch zu weite See- und Land-
fahrten bevorstanden, um au eine glückliche Heiuibringnng für
unser Aquarium denken zu köuueu. Wir alle sind Mr. bivey
zu dauerndem Danke verpflichtet und können nur wünschen,
das« es ihm noch lange vergönnt sein möge, an jener denk-
würdigen, aber so völlig verödeten Stätte, seine wirklichen
Talente zu Nutz und Frommen aller Kuustforscher und Touristeu
zu bethätigeu.
Hinter Mr. Sivcys Hefreshment Room, aber iu einiger Ent-
fernung steht ein anderes europäisch gebautes Häuschen in zwei
Stockwerken, welches von Mr. Wood, dem kühnen und Willens-
stärken Engländer, der die WiederauflRudung und Bloslcgung
des verschwundenen Artemis-Tempels, von Ephesus sich zur
Lebensaufgabe gemacht hat, bewohnt wird. Seit mehr als zehn
Jahren hat dieser Mann, ein echt englisches Original auf seinem
Gebiete, die ionische Küste durchstreift, an verschiedenen Punk-
ten theil» für sich, theils im Auftrage des britischen Museums
gegraben, zuletzt aber seit sieben Jahren »eine Thätigkeit auf
die Ruinenfelder von Ephesus beschränkt, um das Hauptziel,
die Wiederentdeckung des Artemisions, erreichen zu können.
Die Aufgabe, die er sich gestellt, war eine Ripsenaufgabe, denn
keine sichere Spur des berühmten Heiligtums war bis jetzt zu
Tage gekommen, ungeachtet der durch Rlinius bekannte kolos-
sale Maasstab auch in dem kleinsten Marmorfragmente sofort
einen Wink hätte geben müssen. Aber so wenig die Reisenden
des vorigen Jahrhunderts die Stätte des Artemisious hatten
nachweisen können, so wenig war es den zahlreichen Reisenden
unser* Jahrhunderts, selbst wenn sie, wie Falkeuer. hier einen
längeren Aufenthalt genommen hatten, gelungen. Das räthel-
bafte Dunkel, welches auf dieser archäologischen Kruge ruhte,
wur im Gegcutheile und grade durch l-'alkeuer's Werk über
Ephesus nicht gelichtet, sondern verdichtet worden. Aus den
wenigen und unvollständigen Nachrichten der Alte», welche nach
dem Vorgänge Anderer auch Hirt iu seiner bekannten Abhand-
lung über den Dianentempel zusammengestellt hat. waren keiue
sicheren Fingerzeige über die Lage des hoebberühmten Heilig-
tums zu entnehmen. Im Wesentlichen wuRste man nichts wei-
ter, als duss dasselbe iu sumpfigem Terrain, 8000 Fuss von den
Steinbrüchen entfernt und ausserhalb des mugnesiseben Thore«
gelcgcu habe. Wo aber nullte man dasselbe suchen, auf einem
Bodeu, der durchschnittlich 6—7 ■» Alluvium besitzt und dabei
in einer abgewickelten Länge von etwa b Kilonieter und einer
Breite von 1—3 Kilometer so gleichmässig mit seinen Keuschlamm-
hecken sich ausbreitet, dass selbst die alten Wasserlüufe uud
Dümmst rasscu völlig verschwunden sind? Von dem magnesi-
schen Thore war ebensowenig eine Spur vorhanden, als die zahl-
reichen Steinbrüche, sowohl diesseits wie jenseits Ajasalouk be-
legen, irgend einen Anhalt verstatteten, da niemand im Stande
war, den berühmten von Pixodurus entdeckten Mannuibrueh
nachzuweisen, der eiust das herrliche Material iu so reichlicher
Fülle und unter den bequemsten Abfubrverhältnisseu zum Tempel-
bau gespendet hatte.
Es gehörte eine an Einsamkeit gewöhnte, mit oisenfester
Gesundheit begabte und vor ulleu Dingen so zähe Natur, wie
Mr. Wood sie besitzt, dazu um die gewaltige Aufgabe zu lösen.
Die Geschichte seiuer Entdeckung wird, falls er sie nach seineu
Tagebüchern veröffentlicht, dereinst ein interessantes Kapitel in
der Geschichte der Archäologie bilden. Denn sieben Jahre lang
i bat er schrittweise vorrückend uud ciuen Ruiueuhügcl nach dem
Digitized by Google
den geöffneten Rauch kanal in den Rauchsammeikanal ; Rauch -
sammler) und aus diesem in den Schornstein tritt.
Denkt man sich ferner den Ofenkanal mit den zn bren-
nenden Gegenständen, z. B. Ziegelsteinen, gefüllt, und zwar
der Art, dass der Luftzug in der ersten Hälfte des Kanals
bereits fertig gebrannte, in der Abkühlung begriffene Steine
durchstreicht, demnächst das Feuer speist (welches durch
Einstreuen des Brennmaterials in die glühenden Steinmassen
von oben unterhalten wird) nnd auf der letzten Hälfte des
Ofenkanals durch noch nicht gebrannte Steine zieht, nm
dann durch den offenen Rauchkanal in den Schornstein zu
entweichen, so ist klar:
1) dass die in die offene Thür eindringende atmos-
phärische Luft auf ihrem Laufe durch den ersten Theil des
Ofens, indem sie die fertig gebrannten Steine abkühlt, sich
in hohem Grade erhitzt; folglich
2) im Stande ist, in dem nnn folgenden Theile des
Ofens, welcher mit Heizmaterial beschickt wird, die Ver-
brennung zu fördern und den Effekt des Feuers zn erhöhen ;
endlich
3) dass die gasförmigen Verbrennungsprodukte aof
dem Wege durch den letzten Theil des Ofens bis zum
Schornsteine (resp. Rauchsammler) eine Menge Wärme an
die noch ungebrannten Steine absetzen nnd dieselben bis
zn einer solchen Temperatur vorwärmen nnd erhitzen, dass
nur eine knrze Brennzeit und eine verhältnissmässig geringe
Menge Brennmaterial erforderlich ist, um sie vollständig
gar zu brennen.
Wenn nun die der offenen Thür zunächst stehenden
Steine am meisten abgekühlt, also zum Herausziehen taug-
lich sind, so kann man sie durch frische, ungebrannte Steine
ersetzen; der Abschluss des Ofens mittels des Schiebers
kann vor der nächsten Thür hinter den frisch eingesetzten
Steinen erfolgen, diese Thür kann geöffnet, die vorhergehende
geschlossen werden, und eben so der nächste Rauchkanal
geöffnet und der geöffnet gewesene geschlossen werden.
Das Feuer brennt an der dem Schieber entgegen-
gesetzten Seite des Ofens; die Speisung desselben ge-
schieht, wie oben bereits angedeutet, ausschliesslich
von oben mittels Einstreuens des Brennmaterials zwischen
die glühenden Steine, wozu senkrechte Kanäle, die Heizlöcher,
Entfernungen von einander im Gewölbe des Ofens
Die Steine unter, diesen Löchern werden so
aufgesetzt, dass in verschiedenen Höhen des Ofen-
kanals ein Theil des Brennmaterials liegen bleibt
nnd zur Verbrennung gelangt, oder dasselbe bis zur Ofensohle
frei herabfällt. Fein zertheilte, also stanb- oder
grusförmige Brennstoffe sind die vortheilh aftesten,
nicht allein wegen der durch die Konstruktion des Ofens
gebotenen Art und Weise der Verwendung des Brennstoffs,
sondern auch weil ihre Zersetzung in gasförmige Produkte
am schnellsten erfolgt.
Die Befeuerung des Ofens ist, wie aus dem
Vorstehenden ersichtlich, die denkbar einfachste
Gasfeuerung. Der glühende Theil des Ofens ist die
Retorte, in welcher sich der Brennstoff sofort in gas-
förmige Produkte zersetzt, die aber auch sogleich verbrannt
werden, weil Sauerstoff genug verhanden ist, der auch den
Koaksrückstand glühend erhält. Das Feuer brennt in dem
Ofen mit der grössten Rnhe nnd Gleichmässigkeit; die Gluth
zieht dem Feuer voran und erhitzt die unmittelbar vor dem
Feuer stehenden Brennohjekto derart, dass das in die nächste
Heizlochreihe rechtzeitig eingeschüttete Brennmaterial sich
an den glühenden Steinen von selbst, entzündet
und eine Kontinuität des Feners entsteht, die bei
keiner anderen Ofenkonstruktion jemals erreicht
worden ist. Auf diesem Umstände beruht haupt-
sächlich die Ueberlegenb eit des Ringofens.
Wie gross die Bedeutung des Ringofens für die Industrie
ist. erhellt aus folgenden Zahlen:
Nimmt man die Produktion an Ziegeln in Preussen
anf 2000 Millionen Stück und diejenige von gebranntem
Kalk auf 9—10 Millionen Kubikmeter an, so würden, wenn
würden, in
Brennstoff er-
etwa 400
Ringöfen, die etwa 3 Millionen
Dagegen sind die Erfolge des Arnold' sehen Ofens
verschwindend, denn er hat nur in 1 Exemplar existirt und
ist nur 4 Jahre von 1838—1842 in Betrieb gewesen. Warum
dies nicht anders war und sein konnte, wird aus der Be-
schreibung, die ich im Folgenden so genau, als
lieh ist, wiedergebe, ohne Schwierigkeit zu
iForlMUoni folgt.)
Ueber diese grosse Brücke, von welcher wir bereits wieder-
holt (Jahrg. 1869 pag. 468 u. Jahre. 1871 pag. 273) mit Abbil-
dungen versehene Mittheilungen gaben, liegt ein neuer Bericht
des Ober- Ingenieurs Captain James B. Eads (vom 1. Oktober
1871) vor, welchem wir (nach dem Engineering) folgende Notizen
entnehmen.
Das Mauerwerk an sämmtlichen Zwischen- und Widerlags-
pfcilcrn war bo weit gefördert, das« dem Verlegen der eisernen,
zur Aufnahme der Bogenrippen bestimmten Platten, welches
sofort beginnen sollte, nichts im Wege
H St. Ulis.
Hinsichtlich des l'eberbaues, dessen wichtigste Theile, ins-
besondere die Bogenrippen, aus Gusstahl gemacht werden, lag
die Hauptschwierigkeit in der Herstellung geeigneter und genü-
gend widerstandsfähiger Stahlsorten. Dies zeigte sich schon
bei den ersten Stücken, die abzuliefern waren, nämlich Anker-
bolzen von 7— ll m Länge bei 0,1 Iii Stärke. Diese zerbrachen
zunächst zweimal die Früfungsniaschinen und nachdem diese in
genügender Stärke hergestellt waren, zeigten sich viele der
Bolzen zu schwach und mussten durch bessere ersetzt werden.
Von einem Bolzen wurde ein über 6- langes un
Stück gleich einem Pfeil 16-20- weit aus der
erforschend, mit unbeugsamer Energie Gräben und Grä-
ben und Locher und Löcher aushüben lassen, bis er im
Frühjahre 1870 durch die glückliche Auffindung eines Inschrift-
steins, welcher der Peribolusmauer des Artemisions angehörte,
»eine langjährigen Bemühungen mit Erfolg gekrönt sah. Sofort
kaufte er, um vor jedem Einsprüche der türkischen Regierung
gesichert zu sein , Tür sich als Eigenthum das ganze Terrain,
unter welchem er nun mit Sicherheit die Reste des Heiligtu-
mes vermuthon durfte, und begann im Spätherbste 1870 die
Grabungen. Bald stiess er mittels eines Erdschachtes anf vor-
treffliches Marmorpflaster, welches wie »ich später ergab, den
Fussboden einer weitgedehnteu Krypta unter der Tempelcella
gebildet hatte, und war damit endlich zu der Lagerstätte der
Tempel - Ruinen selbst vorgedrungen. Sie lagen mehr als 6»
tief vorschüttet, 'an einer Stelle begraben, wo Niemand sie bis-
her gesucht hatte, nämlich bei dem Kastellhügel von Ajasalouk
und völlig abgetrennt von den grossen Ruinenfeldern rings um
den Prion. Nicht die geringste Bodenerhebung hatte ihre
Existenz bekundet und selbst noch jetzt kann ein Reisender
lange danach suchen, so versteckt liegen sie unter Dornenhecken
und Agnus Castus-Staudcn.
Schon während unseres ersten Aufenthaltes, als Mr. Wood
_h auf einer Reise sich befand, hatte Mr. Sivey uns bei einem
langen mehrstündigen Ritte zu allen wichtigen Grabungsstellen
geführt und dadurch in einer Weine orienürt, dass wir mehre
Tage eigenen Suchens ersparten. Damals (September 1871) waren
noch alle in den letzten Jahren aufgedeckten Stadt- und Denk-
malstelleu ganz offen und sichtbar — nur einzelne Skulpturen,
Architekturfragmente und Inschriften waren schon nach London
transportirt worden, so dass die wichtigsten Notizen über Plan-
bildung und Formengeataltung zu gewinnen waren. Ich fürchte,
* i jetzt noch so bequem zugänglichen Schutt- und Trüm-
merhalden, die tiefen Gräben, in denen ganze Reihen von Sar-
kophagen stehen, in wenigen Jahrzehnten mit Erd- nnd Gras-
narbe so bedeckt sein werden, daaa ihre Stelle nur mit Mühe wie-
derzufinden sein wird, und bezeichne ea deshalb als eine hohe
Ehrenpflicht für die Society of DUtttanti, die hier gewonne-
nen umfassenden und werthvollen Resultate der Wissenschaft
durch eine ähnliche Publikation dauernd zu erhalten, wie dies
noch in jüngster Zeit mit Aegina und Phigalia in so gediegener
und mustergUtigor Weise geschehen ist
Uusere zweimalige Fahrt zwischen 'Smyrna und Ajasalouk
bot kein besonderes Interesse, da nach Ersteigung des hinter
dem Scblossberge belegenen Plateaus, wo eine kleine Zweigbahn
nach Budia abgeht, eine weitgedehnte Ebene, massig bebaut,
achwach bevölkert und von den «engenden Strahlen asiatischer
Sommersonne verdorrt und ausgebraunt, sich erstreckte. Erst
hinter der ersten Station Sediköi öffnete sich ein schöner Blick
durch das Gebirge über Lebedoa nach dem blaudämmernden
Samos. Bei Turbalü zeigte sich mehr Kultur, Büffel- und Scbaaf-
heerden weideten, selbst kleine im Betriebe befindliche Feld-
ziegeleien wurden sichtbar, an den Höhenzügen hingen dichte
Rauchwolken, Waldbrände verkündend, welche die Hirten stet*
im Herbste zu entzünden pflegen, um den Boden für den Graa-
wuchs im künftigen Frühjahre zu düngen. Dann trat die Bahn
dem Küstengebirge, dem alten Galessoa näher und näher; schön
gezeichnete aber schwach bewaldete Kalksteinfelsen ragten empor
an einer besonders schroffen Stelle,. einem uralten Defile, von
einem Schlosse, Kosi Kalessl bekrönt Gleich darauf streiften
wir kolossale Steinbrüche mit 40—50™ hohen glatten Marmor-
wänden, überschritten den träg gewundenen Kayster und '
den uns wenige Minuten später in 'Ajasalouk, auf dem
Digitized by Google
— 85 —
schleudert, während die letzter* durch dea Rückschlag des
übrig bleibenden Bolzcnstückes erheblieh beschädigt wurde. Es
ist indess gelungen, diesen Fabrikutionszweig so zu vervollkomm-
nen, dass die Lieferung der Bolzen jetzt in genügender Qualität
und, wie es scheint, ununterbrochen vor sich geht.
Aehuliche Schwierigkeiten waren bei der etwa 4 Fünftel der i
ganzen Stahlarbeit ausmachenden Lieferung der ca. 8.95™ langen
und 0,457«> starken Köhren zu den ßogcnrippeu zu bekämpfen.
Diese bestehen aus je G Stäben (Dauben) von der Lange der :
Röhren und 0,029-0,054'» n.ff„... •.«•.., ii.,.f..
Starke bei 0*41 - Breite. H.ft?«... ..h.r s,
welche zunächst schon sehr
schwer zu walzen waren.
Sodann teigte eich die
Qualität des Stahles der
einzelnen Stücke bei der
grnssten Sorgfalt der Be-
reitung zu verschieden.
Wahrscheinlich war durch
Abweichungen in der an-
gewandten Hitze dos Ver-
hältnis« zwischen Kuhle
und Eisen stellenweise ein
anderes geworden als man
beabsichtigte.
Dies führte zu Versu-
chen mit Chromstahl.
Chrom bildet mit d?m
Eisen eine in ihren Eigen-
schaften dem Stahl ähn-
liche Verbindung. Chrom
hat wenig oder keine Ver-
wandtschaft mit Sauerstoff
und wird durch übergrosse
-Hitze nicht augegriffen,
während Kohle jeuo Ver-
wandtschaft in [hohem
Maasse besitzt und durch
Hitze aus dem Stahl her-
ausgebrannt werden kann.
100 Probestäbe von Chrom-
stahl wurden im letzten
Monat hergestellt. Sie
zeigten keinen Fehler und
hielten säromtlich die ver-
langten Proben aus. Die-
ser Stahl ist leichter zu
bearbeiten als der Kohlen-
stahl, da er eine grössere
Hitze vertragen kann und
in Folge dessen die Form
der Walzen leichter an-
nimmt Gegen Druck kann
man fast jeden Grad
der Widerstandsfähigkeit
durch Hinzufüguug von
Chrom erreichen.
Herr Eads bat zwar
von Krupp und Petin
Godet die Zusicherung er-
halten, dass sie einen sei-
nen Anforderungen ent-
sprechenden Kohlenstalil
liefern könnton; jedoch
kann er nicht umhin,
seine Meinung dahin aus-
zusprechen, dass Kohlen-
stahl nicht mit dersel-
ben Rcgclmässigkeit und
Gleichförmigkeit gemacht
werden könne, als Chrom-
stahl. Auch hat die Ge-
sellschaft, welche diesen
Stahl für die St Louis-
Brücke liefert, Anstalten
getroffen, um fortan nur
aen Chromstahl zu ver-
wenden.
Auch die Beschaffung
von bedingungsgemässem
Schmiedeeisen hat viel
DnrrlMchuilt und GrandrUi.
Schwierigkeiten gemacht, so dass hieraus ebenfalls eine Verzöge-
rung in der Fertigstellung der Brücke erwachsen ist.
Interessant ist die Höhe, auf welche die voraussichtliche
Ucberselireitung des Anschlages der Brücke geschätzt wird. Sie
betragt 1 479583 Dollars, also nahezu lVi Millionen, während
der Anschlag sich nach unserm ersten Berichte auf rund 4','«
Millionen belief. Motivirt werden die Mehrkosten ausser durch
eine nachträglich beliebte Verbreiterung der Brücke von lö^"
auf 1G,52« unter Anderm durch die kräftigere Versteifung gegen
Wind, welche während der
Ausführung für nöthig er-
achtet worden ist. DicF ahr-
bahu der oberen (Strossen-)
Brücke war ganz aus Holz
entworfen und sollte in
ihrem Zusammenhange die
Windverstfifung bildcu-
Miiu hat sich entschlossen,
unter die Fahrbahn eine
ununterbrochene Lage von
Eisenblech zu legen, so
dass dem ;Windc ein hori-
zontaler 16,47» (!) hoher
Blechträger entgegen-
wirkt, (der zugleich das
Holz der Fahrbahn gegen
die Funken der darunter
fahrenden Lokomotiven
schützen wird). Berechtigt
ist diese Vorsicht gewiss,
wenn das richtig ist. was
über einen grossen Orkan
(Tornado) im letzten März
berichtet wird. Derselbe
soll allerdings alles bia-
herDagewesene übertreffen
und unter Anderem eine
über 500 Ztr. schwere Lo-
komotive von den Schienen
und 7 oder 9" davon auf
nur l,b" tiefer liegendeu
Boden auf die Seite gewor-
Teu haben. Dabei hatte
sich keine Spur gezeigt,
dass die Maschine die
Schienen beschädigt oder
früher als 4 bis 5=> vom
Geleise die Erde berührt
hätte.
Den Iiauptuntheil an
den Mehrkosten trägt na-
türlich die bedeutend tie-
fere Fundirung deB öst-
lichen Widerlagspfcilers,
die sich gegeu den ersten
Entwurf nothwendig
zeigte und über welche
wir bereits früher berichtet
haben.
Schliesslich sucht Herr
Eads geine Gesellschaft
über die vielen zu bringen-
den Gcldopfer durch die
zu erwartenden, bisher
bedeutend unterschätzten
Einnahmen und durch den
Ruhm, den die Brücke
ihnen bringen wird, zu
trösten.
Und das ist wohl frei-
lich ausser Frage, dass,
wenn das Werk sich in
dauernder Stabilität den
gehegten Erwartungen
entsprechend bewährt ,
die Erbauer allen Grund
haben werden , darauf
stolz zu sein.
W. II.
Mittheilungen aus Vereinen.
Architekten- und Ingenieur -Verein zn Hannover. Ver-
sammlung am 6. März 187*2. Vorsitzender B. - R- Hase.
Nachdem die Aufnahme fünf neuer Mitglieder stattgefunden
hatte, forderte der Vorsitzende die Versammlung auf, eine Kom-
ston zur Begutachtung der von Professor Baumeister in Karlsruhe
f «machten Vorschläge für Norroirung des Honorars der Bau-
ngenieure zu wählen, welcher Aufforderung durch Wahl der
Herren Hagen, Lannhard, ilcrhold, Borchers, Keil,
Hess. Heusinger, Fischer, Keck entsprochen wurde. Das
Gutachten der Kommission wird dem Vereine schon in der
nächsten Hauptversammlung (3. April) zur Genehmigung vor-
gelegt werden, da der 1. Mai als Termin der Einreichung beim
Vororte Berlin bezeichnet ist —
Baurath Hase macht 1 die Versammlung auf die von der
SchulzVhen Buchhandlung im Vereinslokale ausgestellten Pho-
tographien indischer Bauwerke aufmerksam und hebt hervor,
dass wir erst durch diese im Auftrage der englischen Regierung
mit einem bedeutenden Kostenaufwand angefertigten Photo-
graphien eine richtige Anschauung von dem erstauulichen Reich-
thum und der Mannigfaltigkeit indischer Bauweise erhalten
und dass deshalb diese Sammlung von ca. 60 Blättern, die sieb
auch durch Vollkommenheit der technischen Ausführung aus-
zeichnen, eine besondere Beachtung verdiene und sich eine Sub-
skription auf einzelne derselben wohl empfehle.
Hierauf folgt ein durch eine Fülle von interessanten Mit-
theilungen fesselnder Vortrag des Professor Rühlmann über
Digitized by Google
86
Geschichte und Technik der Dampfschiffe und deren Verkehrs-
wege. Aus einer in der Königl. Bibliothek zu Hannover be-
findlichen Korrespondenz zwischen Leibnitz und Papin ergiebt
»ich die Oberraschende Thatsache, dass Papin am 27. September
1707 mit einem von ihm erbauten Ruderradschiffe, zq dessen
Fortbewegung die Dampfkraft benutzt wurde, auf der Fulda von
Kassel nach Münden gefahren, hier aber an der Fortsetzung
der Fahrt nach Bremen durch MQndcncr Schiffer, welche das
Schiff zerstört, ihn selbst aber misshandelt haben, gehindert
worden ist. Welche Art von Dampfmaschinen zur Bewegung
der Räder gebraucht wurden ist, geht leider aus den Papin'schen
Briefen nicht hervor. —
Weitere Versuche zur Anwendung des Dampfes für die Fort-
bewegung von Schiffen wurden von Savery. Hull, Bramah, Miller
gemacht, indes* erst dem Engländer Symington gelang es, die
Konstruktionen soweit zu vervollkommnen, dass sie eine brauch-
bare Grundlage für die Herstellung der Dampfschiffe in ihrer
gegenwärtigen Gestalt abgaben. — Dem Amerikaner Fulton ge-
bührt das Verdienst durch Kombination eigener Ideen mit den
Resultaten der Versuche anderer Techniker zur Konstruktion
von Dampfschiffen gelangt zu seiu, mit denen der Ozean befahren
werden konnte. — Anfanglich wurden nur Rudcrrider benutzt,
•von denen sich diejenigen nach dem System Morgan mit be-
weglichen Schaufeln bis auf den heutigen Tag am besten be-
währt haben. Mannichfacho Versuche, die Schraube on Stelle
der Räder einzuführen, wurdet, gemacht, doch genügte erst die
von Ericson 1836 konstruirte Schraube allen Anforderungen. —
Epochemachend ist der Bau des Grcat Eastern (zuerst Leviathan
genannt) der von Brunei, welcher 1835 den Great Western, 1842
den Great Britain gebaut hatte, 1851 entworfen wurde. Mit
diesem Unternehmen war in der Schiffsbaukunst die Energie in
gleichem Maasse geneckt, wie in der Brückenbaukurist durch
den Bau der Brücke über den Mcnay. Die eigentliche Veran-
lassung zum Bau dieses Kolosses war das Bestreben gewesen,
die Bewegung des Schiffes auf der See soweit zu verringern,
dass die Passagiere nicht seekrank würden: man glaubte dies
zu erreichen, indem man das Schiff so lang machte, dass es nur
auf Wellenscheiteln ging, und da die Länge der grössten Wellen
auf ca. 180 Meter festgestellt war, gab] man dem Great Eastern
204 Meter Länge, ohne iudesa damit den beabsichtigten Zweck
vollständig zu erreichen. Dagegen wurde mit diesem Bau die
Entscheidung darüber getioffen, dass das Eisen vor dem Holz
als Schiffsbautnatcrial den unbedingten Vorzug verdien«; »eine
Widerstandsfähigkeit beim Zusammenstoss mit Eisbergen und
Klippen wurde erprobt, uud seine Dauer ist ganz unberechen-
bar. Zwei anfangs schwer empfundenen Nachtheilen, der Ab-
lenkung der Magnetnadel und dem Ansetzen von Moos, Muscheln
etc. bei den Aequatorschiffen ist durch Entdeckungen aus der
neuesten Zeit abgeholfen, zu denen in Bezug auf den letzter-
wähnten Uehelstand der Ueberzug der Schiflü mit einem gut-
haftenden Zement gehört. Durch den Zufall hat der Great
Eastern eine ganz unschätzbare! Bedeutung für den Weltverkehr
dadurch erlangt, dass zweifellos nur durch seine Mitwirkung
die Legung des transatlantischen Kabels ermöglicht ist, indem
die frühere Vertheilung des Kabel« auf mehre Transport-
Schiffe die Hauptursache des mehrmaligen Misslingens war.
Sowie der Kampf zwischen Holz und Eisen wurde auch
bald der Kampf zwischen Rad und Schraube und zwar zu Gun-
steu der letzteren entschieden. Scott Russell versuchte eine
Kombination von Rad und Schraube, doch erwies sich dieselbe
als unpraktisch. — Eine neue Epoche in der Entwickelung der
Dampfschiffe eröffnete die Erfindung der Panzerschiffe. Napo-
leou III. machte 1855 im Krimkriege den ersten Versuch .mit
gepanzerten schwimmenden Batterien; da dieser Versuch gelang,
befahl er den Bau von 3 mit 4'/i zolligen Panzern k bekleideten
Dampfschiffen, von denen das erste „La Gloire" 1858 vom Stapel
lief. England trat mit dem Bau des Warrior und Black Prince
in den Wettkampf ein, der unter Betheiligung von Deutschland
und Nordamerika bis auf den heutigen Tag dauert. — Von
nicht geringerer Wichtigkeit war der Bau von Thurm- uud
Widdersrhiffen. deren erste Repräs« mtanten der Merrimac und I
der Mouitor sieh mit dem denkwürdigen Zweikampf vor Rich-
mond in die Geschichte einführten. Von dieser Zeit ab hat
sich die Kriegsmarine unablässig bemüht, die Frage zur Ent-
scheidung zu bringen, ob dem System der Breitseitenschiffe oder
dem der hurmschiffe der Vorzug gebühre. In der Handels-
marine dagegen harrt die andere Frage der Entscheidung, ob
es vorteilhafter ist, für den transatlantischen Verkehr Segel-
schiffe mit Dampfhülfe oder Dampfschiffe mit Segeln zu bauen.
In technischer Hinsicht ist für die Dampfschiffe zunächst
deren Form von Bedeutung; man hat vielfach versucht, dieselbe
durch Rechnung zu finden, ebenso hat man als direktes Modell
die Form der Fischkftrpcr benutzt, in den meisten Fällen aber
wird sie von den Schiffbauern nach Grundsätzen, welche aus
der Erfahrung gewonnen sind, festgestellt — Anders verhält es
sieh mit den Dampfmaschinen, für welche die genaueste Berech-
nung erforderlich ist. In neuerer Zeit wendet man vorzüglich
hochgespannte Dämpfe und Maschinen nach Art der Woolfschen
an. Der .König AVilhelm" (dessen Modell der Vortragende vor-
zeigt) hat 3 Zylinder, von denen der mittlere die frischen Dämpfe i
empfängt, welche er an die Nebenzylinder abgiebt. Ausserdem \
Hochdruckdampfe hat die neuere Zeit auch die Anwendung so-
genannter überhitzter Dämpfe und vor allem eine energische
Kondensation eingeführt und damit hinsichtlich der Kohlencr-
sparniss auffallende Resultate erzielt — Ein grosses Gewicht
ist auf eine zweckmässige Konstruktion des Propellers zu legen;
wie schon erwähnt, giebt man gegenwärtig der Schraube den
Vorzug, man ist aber noch nicht über die beste Konstruktion
derselben einig. Die Franzosen geben ihr meist 2 Flügel, wäh-
rend die Schiffe der Nordsechäfen meist 4 flügelige Schrauben
haben; bei erateren ist das Ausheben leichter, letztere geben
mehr Fläche als Triebmittel. Eine neue Art Propeller ist in
den sogen. Reaktionsschiffen versucht, welche mittels Turbinen
bewegt werden: durch Umdrehen der Ausflussröhren kann ein
schneller Wechsel von Vor- und Rückwärtsgehen und Stehen-
bleiben erzielt werden. Bei Breitseite - Kriegsschiffen ist auch
eine schnelle Umdrehung um die vertikale Mittelaxe von Wichtig-
keit, bei Versuchen mit einem Reaktionsschiffe und einem gleich
langen Schraubendampfer (allerdings mit Doppclschraube) hat
letzterer diu Umdrehung in der halben Zeit erreicht, welche dag
erstere brauchte. Die Doppelschraube hat für Handelsschiffe
nicht minderen Werth als für Kriegsschiffe, indem sie die Her-
stellung der als Triebmittel nöthigeu Fläche ermöglicht, ohne
einen zu grossen Tiefgang zu bewirken, also namentlich für die
Flußschiffahrt Vortheife bringt. —
Von den ozeanischen Verkehrswegen und den auf denselben
gebräuchlichen mit Dampf bewegten Verkehrsmitteln sind voran
die Datnpffähren und Trajektanstalten zu nennen, (Portsuiouth,
Plymouth). Das Abtreiben vom Ufer ist Hauptsache, bei Rhein-
hausen geschieht es rechtwinklig, bei Bonn schiefwinklig zum
Ufer; ersteres ist vorzuziehen. Für die grösste in Europa vor-
handene Binnensee - Entfernung Friedrichshafen - Romansborn,
2'/> Meile, wird jetzt von Scott Russell eine Trajektfähre gebaut,
welche nach dessen eigenem Geständnis* als Experiment für die
Trajekteinricbtung über den Kanal la Manche anzusehen ist, da
die Absicht, einen unterseeischen Tunnel zu bauen, definitiv auf-
gegeben ist. Die Kettenfährc führte zur Erfindung der Ketten-
flusschiffahrt (Magdeburg, Dresden) der noch eine grosse Zukunft
bevorsteht, weil sie eine ausserordentliche Ermässigung der
Frachtsätze möglich macht.
Eine noch höhere Bedeutung als für die Flu -Schiffahrt haben
die Dampfschiffe für den ozeanischen Verkehr. Es existiren
gegenwärtig 42 transatlantische Dauipferlinien ; England besitzt
Hw. Deutschland 153 Scedampfer, davon der Norddeutsche
Lloyd 30, die Hamburg-Amerikanische Packet-Dampfachiffahrta-
Gesellschaft Mi. In ganz Europa giebt es 4289 und, nach einer
ungefähren Schätzung, auf der ganzen Erde 8000 Seedampfer.
An Flussdamnfern erreicht der Mississippi nebst seinen Neben-
flüssen mit 900 die höchste Zahl. Von allen zwischen Europa
und Amerika bestehenden Dampferlinien sind nur 4 in den
Händen von Amerikanern.
Nach Beendigung des Vortrags legte Prof. Launhard eiue
Papiermatrize und einen darin gegossenen Bleisatz des , Hanno-
verschen Kouriers' vor und erklärte das für Herstellung der
Stereotypen gebräuchliche Verfahren. Die Matrizen werden mit-
tels Scidonpapier und Kleister, der einen geringen Kalkzusatz
hat, geformt und in Ocfen getrocknet Die Satzplatten sind
eben, während das Druckpapier auf Walten liegt. In einer
Stunde können 2000 Exemplare einer grossen Zeitung hergestellt
werden. Professor Rühlmann fügt hinzu, dass mittels des
bei englischen Zeitungen mit starker Auflage üblichen Verfah-
rens, auch deu Satz zylinderförmig zu gestalten, 3000 Exem-
plare in der Stunde gedruckt werden können. — oe —
Architekten-Verein zu Berlin. Versammlung am 9. März
1872. Vorsitzender Hr. Quassowski, anwesend 151 Mitglieder
uud II Gäste.
Nach einigen Mittheilungen des Hrn. Vorsitzenden über die
eingegangenen Zuschriften, unter denen sich die traurige Nach-
richt von dem Ableben des Vereins-Mitgliodcs Baumeister F.
Deppc zu Cassel befindet, verliest Ur J. A. Becker ein
Schreiben, durch welches ihm vier Entwürfe, die an der jüngst
zu Hamburg entschiedenen Konkurrenz für Zimmeröfen theilge-
nommen haben — die beiden preisgekrönten und zwei andere
— zur Vorlage an den Verein zugegangen sind. Die Verfasser
der beiden letzteren , deren Arbeiten zwar nicht den Beifall der
Preisrichter, wohl aber deu der preisausschreibenden Fabrikan-
ten gefunden haben, so dass. sie in erster Linie zur Ausführung
bestimmt sind, wollen hierdurch bei dem Vereine als dem Vor-
orte des Verbandes ein Urtheil darüber provozireu, ob die Ent
Scheidung der Jury in der That eine sachgemässe war und nicht
vielmehr eine Korrektur verdiene. In einer kurzen Diskussion,
an der die Hrn. Ende, Fritsch und der Hr. Vorsitzende sich
betheiligen, wird ausgeführt, dass eine Interpellation in Kon-
kurrenz-Angelegenheiten, selbst wenn sie begründet wäre, nicht
vor den Verein als Vorort, sondern vor den von ihm einge-
setzten Vorstand des Verbandes gehöre. Begründet könnte eine
solche Interpellation, die eine im Namen der Fachgenossenschaft
zu erhebende Einsprache gegen die Entscheidung der Konkur-
renz bezweckt, jedoch nur in dem hior keineswegs zutreffenden
Falle sein, dass das bei der Konkurrenz beobachtete Verfahren
grobe formelle Verstösse gegen das Programm und die vom Ver-
bände angenommenen »Grundsätze" aufweise. Die Prüfung der
von einem Preisgerichte gefällten ästhetischen oder technischen
L'rtheile zu unternehmen, würde Seitens des Vereins oder des
Verbands - Vorstandes ein höchst bedenklicher und anstössiger
Vorgang sein; es könne die Anfechtung jenes Urtheils vielmehr
lediglich aus der individuellen Ueberzeugung und Initiative Ein-
zelner, sei es in der Presse oder in mündlicher Auslassung, er-
folgen. Die Versammlung scldiesst^ sich dieser Ansicht m in-
Hr. Blankenstein referirte im Namen der betreffenden
Digitized by Google
— 87 —
Beurtbeilungs-Komuw.-ii >n über die architektonischen Monats-
Konkurrenzeu des März. Aufgabe war die farbige Darstellung
eines Schnittes durch einen Tanzsaal. Von den beiden Arbeiten
hat die eine, obwohl in virtuoser Technik dargestellt, in ihrer
schweren düiteren Färbung den Charakter eiue» Tanzsaalea ganz
und gar verfehlt; die Architektur ist barock und in vielen
Theilen ungelöst, die Decke im Maasstabe viel zu gross. Die
andere, in der Färbung günstiger, zeigt umgekehrt in der
Architektur der Wände einen Missgriff im Maasstab and mehre
unglückliche Motive; dagegen ist die Decke trotz einiger Aus-
stellungen reizvoll und angemessen. Als Verfasser dieser zwei-
ten Arbeit, der ein Andenken zugesprochen worden ist, ergiebt
«ich Hr. Nerenz.
Ein Schreiben dos Verfassers dar bei der Schinkelfestkonkurrenz
mit der Schinkel-Medaille ausgezeichneten Arbeit „Nightworks"
hat ergeben, das» derselbe nicht Mitglied des Vercius ist; es
wird beschlossen, d&ss die Arbeit demzufolge beim Schinkclfest
nicht ausgestellt werden soll.
Den Haupt Vortrag des Abends hatte Hr. Ende übernommen,
der über Bremen spricht. Die eigentümliche Gestaltung des
dortigen Lebens, das iu Deutschland ebenso exzeptionell wie an-
ziehend und ehrenvoll dasteht, verdankt die Stadt wohl nicht
allein ihrer republikanischen Verfassung, sondern namentlich
ihrer Stellung zum Welthandel, welcher der Bürgerschaft grosso
Rcichtbünier zuführte, ohne sie bei ihrer für grössere Seeschiffe
nicht zugänglichen Lüne mit den rohen Elementen des Schiffs-
volkes in direkte Berührung zu bringen. In seiner architekto-
nischen Physiognomie, bei der die Werke der alten Zeit sich
mit denen der Gegenwart zu einem harmonischen Bilde verbin-
den, hält Bremen die Mitte zwischen Hamburg, wo die ersteren
in den grossen Branden und in der intensiveren Entwicklung
der Stadt fast ganz verschwunden sind, und Lübeck, wo sie in
r Weise dominiren. Der hervorstechende Charakter
?diugung^ei
eines wirklichen Familien,
ihr
Vermischtes.
j. Nachricht pro 1870 und 1871.
Stiftungs-Kapital.
Beitrag des Architekten -Vereins in einer Aktie a 25 Thlr. und
in Staats-Anleihen 4025 Thlr.
Beitrag des Eisenbahn -Vereins in Staats -Anleihen . 4500 „
Beitrag^ des Schleswig - Holsteinischen Ingenieur-
Nachträgliche Zuwendungen und Konvertirungs-
— % »
zusammen 8932 Thlr.
8525 Thlr. in Effekten.
Im Jahre 1870 hat sich das Stift ungs-Kapital durch Zinsen er-
höht bis auf 9050 Thlr. in Staatsanleihen und Prioritäts-
Obligationen.
Im Jahre 1871 ist dem Stiftungs-Fonds zugewendet:
Erlös der Reiseskizzen, gesammelt auf der im Jahre
1869 unternommenen Studienreibe der Bau-Akademiker
baar , ... 10 Thlr.
Verwendung der Zinsen: Im Jahre 1870 und 1871 haben
4 Studirende der Bau -Akademie an Stipendien 500 Thlr.
erhalten, der eine 200 Thlr., die drei übrigen je 100 Thlr.
und der Bestand der Kasse ist am Rechnung» -Jahres-
schlüsse 1871 rund 226 Thlr., einschliesslich obiger
10 Thlr.
Zur Wiederbesetzuag der Stadt Bauraths - Stellen zu
Berlin. Aus zuverlässiger Quelle verlautet, das» das Resultat
der Aufforderung zur Bewerbung um die beiden Stadt-Bau-
rathsstellen in Berlin die zur Vorberathung dieser Angelegen-
heit eingesetzte Kommission der Stadtverordneten-Versammlung
nicht vollständig befriedigt hat. Es soll in dieser Kommis-
sion die Ansicht zur Geltung gekommen »ein, mit Rücksicht
auf die hohe Bedeutung der Stellungen der Stadt -Bauräthe in
Berlin gegenüber den technischen Rathen des Polizei-Präsidiums,
der Ministerial-ßaukomniission und der Ministerien und Ange-
sichts der bevorstehenden grossen Bau •Ausführungen, nament-
lich der Kanalisirung und der Wasserversorgung Berlins, nur
ganz gediegene Bautechniker von Ruf zu wählen, welche gleich-
zeitig tüchtige Verwaltungsbcamte sind. Selbstverständlich hat
man hierbei die Bemessung des Gehaltes in zweite Linie ge-
stellt, da solchen Ansprüchen gegenüber das jetzt offerirtc Ge-
balt nicht aufrecht erhalten werden kann und dasselbe bei einem
Bau-Etat von I Millionen auch nicht entscheidend sein dürfte.
Eine Reorganisation der städtischen Bauverwaltung würde eine
solche Wahl zur nächsten Folge haben.
Die Kommission hofft bei diesen ganz veränderten Verhält-
nissen und Bedingungen geeignete Persönlichkeiten ohne ein
neues Ausschreiben gewinnen zu können und hat deshalb die
auf 14 Tage vertagt.
.»
In Betreff der Konk urrenz für die Entwürfe zum Bau
der protestantischen Kiroho in Straaaburg tragen wir nun-
mehr den bereits in voriger Nummer erwähnten Original- Bericht
aus Strassburg nach. Ein dortiger Fachgenosse schreibt uns:
„Die Deutsche Bauzeitung hatte im vorigen Jahre das Aus-
u dem bei der Be-
Nach einem kurzen l'ebcrblick üt
der Stadt, die am Kiugauge de» Mittelal
fusst auf der als Grundbedi
lebens festge
bewohnt
die alte Geschichte
Jters der geistige Mittel-
punkt des deutschen Nordens, später eines der horvorragend&ten
Glieder des Hansabundes war, ging der Vortragende auf die
alten Bremer Bauten, und zwar mit Ücbergchung der kirchlichen
Gebäude, auf die der alten Profanbauten ein. Das Motiv für
das alte Bremer Kaufmannshaus, das bis zum 14. Jahrhundert
noch grossentheil» aus Holz und Lehm mit Strohdachuug, seit
dem 12. theilweise aus Stein und erst seit dem 14. aus Ziegeln
und mit Ziegeldach errichtet wurde, ist in dem nicdcrsächsischen
Bauernhause zu suchen, wie dies der Redner durch den Ver-
gleich zwischen dem Grundrisse beider Häuser nachzuweisen
versucht. Die architektonische Ausbildung der schmalen hoch-
giebligen Gebäude erfolgte bis ins 16. Jahrhundert im Anschluss
an die kirchlichen Bauformen iu gothisebem Backsteinbau, später
in den Formen der Renaissauce, in welchen namentlich im
17. Jahrhuudert höchst reiche und malerische Werke entstanden
sind. Einer Beschreibung der Privathäuser folgt die der her-
vorragendsten öffentlichen Monumente, von denen jedoch das
Rathhaus Gegenstand eines späteren Vortrages seiu soll.
Der neueren Entwicklung Bremens erwähnte der Reduer
vorläufig nur durch eiue allgemeine Charakteristik der zuletzt
in freier, ohne polizeiliche Bevormundung gebliebenen Bebauung
entstandenen SUdttheile mit ihren kleinen, billigen Häusern von
nur 6,37 bis 7,53°» Breite. Der typische Grundns« eines solchen
Hauses, das iucl. Grundstück nur 5500 Thlr. gekostet hat, wird
mitgetheilt
Zum Schluas erfahrt die Beantwortung der im Fragekasten
befindlichen Fragen durch die Hrn. Schwedler, Röder,
Grund und Streckcrt. — F. —
lagerung eingeäscherten sogenannten .Neuen Tempel' erwähnt
und sowohl wegen der Programmbedingungen als auch der Zu-
sammensetzung des Preisgerichts vor einer Betheiligung an der
Konkurrenz gewarnt. — Wie sehr gerechtfertigt diese Warnung
war, zeigt der Ausgang.
Im Ganzen waren etwa 35 Arbeiten eingegangen, von denen
nur 8 bis 9 ihren deutschen Ursprung sowohl durch die deut-
schen Bezeichnungen, als auch durch ihre Auffassung verriethen.
Man muss gestehen, das» die meisten dieser Arbeiten (bei den
speziell aus Berlin herrührenden erkennt man leicht Anklänge
an die Zionskirche, die Petrikirche, die Potsdamer Nikolaikirche
etc.) auf dem Niveau des Gewöhnlichen standen, wovon wohl im
Ganzen nur zwei auszunehmen sein dürften, welche durch ihre
Lösung Interesse erweckten. Man kann demnach ohne Weiteres
behaupten, das» diese Konkurrenz von der deutschen Architek-
tenwelt so gut wie gar nicht beachtet worden ist.
Sehen wir uns nun an, was die französischen Architekten
telcistet haben, so konnte schon ein flüchtiger Gang durch die
älc die Ueberzeugung verschaffen, dass eine wahrhaft tüchtige
künstlerische Leistung überhaupt nicht vorhanden war, was
auch die Jury bestätigte, indem sie in Benutzung des ihr durch
das Programm verlielieneu Rechtes keine Arbeit des ersten
Preises von 5000 Frcs. für würdig erklärte. Man muss es in-
dessen anerkennen, dass dieselbe wenigstens die Gesanimtsumme
der ausgesetzten Preise (8000 Frcs.) in 5 Abstufungen zur Ver-
keilung brachte. Aber wie geschah dies?
Die Jury bestand bekanntlich ans 4 Konsistorialräthen, 2
Pariser Architekten, (den Hrn. Questel und Boeswillwald)
und Hrn. Professor Semper aus Wien.
Den ersten Preis erhielt das Projekt mit dem Motto:
„Cherchcz et vous trouverez," vou 3 Pariser Architekten
in .Gemeinschaft verfasgt. Es
, sind drei Schüler des Herrn
Questel, die das Projekt in
seinem Atelier gezeichnet haben
', sollen, so dass ihm dasselbe
; wohl kaum unbekannt war. Es
hat den nebenstehend skizzirten
! Grundriss und nimmt eine l'eber-
deckung mittels Kassettendecke
*• in Holz an; im Mittelschiff dop-
9 peltes Hängewerk, seitlich ein-
faches. Die Seitenfenster drei-
fach gekuppelt und lang ge-
streckt, wie an einer Svuagnge,
so das» eiue genügende Beleuch-
tung des Mittelraums und der
Decke unmöglich ist Die Em-
poren massiv halbkreisfönnig.zwi-
schen den Pfoileru überwölbt, die
Orgel über dem Oratorium, wäh-
rend Vestibül und Sakristei in halber Kirchenhöhe liegen bleiben;
die Vorderfacade mit ganz plumpem Mittelthurm, der treppenför-
mig unter weniger als 45* Neigung endigt Das Ganze macht den
Eindruck eines noch unerfundenen Uberseeischen Baustils. Aus-
geführt sind übrigens die etwa 8 Blatt Zeichnungen ganz meis-
terhaft und bestechend, »o dass sie als Bilder die Laien ausser-
ordentlich anziehen mussten. Die drei Verfertiger erhielten
SACRI
STll
ORATORIUM
... m. .
VEST1
801.
3Ö00 Free.
Den zweiten Preis erhielt das Projekt
Religio-. Ks hat
ist die eine Treppe
Digitized by Gc
88 —
Tin der Sakristei fortgelassen worden. Die l'ebcrdeckung int
hier im Mittelraum durch ein langes Tonnengewölbe, für die
Seiten durch Kreuz-Gewölbe bewirkt, also für (las Verständnis»
des Predigers noch übler. Die Fenster genau dieselben, die
Facade nur in sehr unwesentlichen Punkten anders, der Thurm
treppenförmig nach der Parabellinie endigend. Die Süssere Dar-
stellung verrieth dieselbe Schule und in der That ergaben sich
bei Eröffnung des Couverts als Verfasser wiederum einige Jün-
ger der Pariser Schule, die in Gemeinschaft gearbeitet hatten;
diesmal nur zwei, aber wiederum aus dem Atelier des Herrn
Questcl. Dieselben erhielten 2000 Frcs.
Merkwürdigerweise hat auch der mit dem dritten Preis von
1000 Frcs. gekrönte Entwurf: „Dicu et Patric* wiederum
denselben Grundriss, sogar wieder mit der zweiten Treppe an
der Sakristei. AU Ueberdcckung sind hier überall Kreuzge-
wölbe gewählt, die Fenster sind einfach und grösser, die Tra-
veen in der Seitenansicht mit Giebeln ausgebildet, in der Vor-
derfa^ade ausser dem starken Mitteltharm mit kuppeiförmiger
Abtreppung noch zwei Shnlichc kleinere, aber auch noch mäch-
tige Seitcnthürme vorhanden, die ebenso endigen. Das Projekt
verrieth in der Behandlung etwas weniger Routine als die vorigen
und rührte von einem sechsten, wahrscheinlich jüngeren Schüler
des Herrn Questel her.
Aus glaubwürdiger Quelle wurde mir mitgctheilt, dass alle
diese drei Projekte nebeneinander im Atelier des genannten
Herrn entstanden seien.
Den vierten Preis, ebenfalls 1000 Frcs.. erhielt 'ein Projekt
mit dem Motto: „ Laboremus *, welches weder Scbönheitsgefühl
noch kunstgeschichtliche Bildung des Verfassers vermutben Hess.
Der Grundriss unterscheidet sich von den drei vorigen dadurch,
dass durch Fortnahme der Treppe am Oratorium, und Ersetzung
derselben durch eine in der früheren Sakristei die Kirche ganz
rechteckig geschlossen, vollständig ohne Absis ist Die Sakristei
befand sich neben dem Thurm. Die Anwendung von 5 Traveen
(an Stelle der früheren 3) ergab quadratische Deckenfelder der
Seitenschiffe und längliche im Mittelschiff. Trotzdem versuchte
der Verfasser hieraus eine romanische Hallenkirche herzustellen.
Bei einer Anwendung von Rundbilgen wäre er [mit den Anfän-
gern der Gurtbögen im Mittelschiff um ca. 3— 4"> tiefer gerathen
als mit den Anfängern der Seitenschiffbögen; da dies entschie-
den zu misslich gewesen wäre, so half sich der Verfasser, indem
er im Mittelschiff Ellipsenbögen anwendete und so wenigstens
jenen Unterschied auf 2" reduzirtc. Der Thurm hebt sich un-
vermittelt aus der Baumasse heraus und die 30™ breite Vorder-
faeude gleicht einer Mauer, in welche Löcher hineingeschossen
worden sind; ebenso war die Seitenansicht höchst mangelhaft
gelöst Der Verfasser war der hiesige Architekt des Konsisto-
riums Herr Salomon, welchen man, wie es scheint nk'ht gern
wollte.
Der fünfte Preis eudlich, ebenfalls von 1000 Frcs., wurde
dem jetzigen Stadtbaumeister in Lille Herrn Röderer, einem
geborenen Strassburgcr, für ein
Projekt zuerkannt dessen Lö-
sung im Allgemeinen für die ver-
hültiii&smässig best«* unter den
preisgekrönten gelten könnte,
wenn nicht die etwas rohen und
weit über den Maasstab hinaus-
gehenden Details, sowie die grosse
Kürze der Seitenansicht nach-
theilig wären. Vorzüge desselben
sind: Die geringe Zahl der Pfei-
ler, die Gestaltung der Seiten-
schiffe lediglich als Gänge, die
hellen grossen Fenster, die bis
oben hinauf reichende, auch
äusserlich zum Ausdruck gelan-
gende Absis, die Verringerung'der
Breite in der Vorderansicht und
denigemäss bessere Verhältnisse,
die Stellung der grossen Orgel
im Thurm und den beiden Nebenbauten, also dem Altar gegen-
über. Die architektonische Ausbildung ist in romanischem Stile,
aber in jener der französischen Schule cigenthümliclipn, unserem
Schönheitsgeftthle völlig widerstrebenden Auffassung der Details
durchgeführt
So die Entscheidung der Jury, wahrlich lehrreich genug in
der Geschichte der Konkurrenzen.' Wir unsererseits können da-
raus schließend nur noch allen den Fachgenossen unsern Dank
sagen, welche sich an dieser Konkurrenz nicht bctbeiligt haben.
Wie mitgetheilt wird, ist den Bearbeitern des an erster Stelle
prämiirten Entwurfes eine Umarbeitung desselben übertragen,
jedoch in der Weise, dass, wie es gewöhnlich gebt der Archi-
tekt der betreffenden Behörde (Herr Salomon) wohl die letzte
Feile anlegen wird.
Strasburg, den 3. Mäii 1872.
Metzenthin."
Die Konkurrenz für Entwürfe zu einem Siegesdenkmale
In Altona., deren wir in No. 7 d. Dtsch. Bztg. Erwähnung thaten,
ist nunmehr vor Kurzem zur Entscheidung gelangt. Wer als
Preisrichter fungirt hat, ist uns leider nicht bekanntgeworden;
als der beste unter den eingegangenen Entwürfen, deren Ver-
"■ zum grösseren The.il dem Nachbargebiete angehörten, ist
der Plan des Architekten Ferdinand Luthmcr zu Berlin an-
erkannt und zur Ausführung gewählt worden. Derselbe ver-
werthet die zur Disposition stehenden Kanonenrohre nicht
allein in der üblichen senkrechten Stellung, sondern hat die-
selben in origineller Weise auch iu ihrer natürlichen horizon-
talen Lage zur Bildung einer Art von Columni
wendet
Personal - Nachrichten.
Prcussen.
Ernannt: Der Kreis -Baumeister de Rege zu We
zum Bau-Inspektor in Wittenberg. Der Kreis-Baumeister Kop-
pen zu Hanau zum Bau-Inspektor zu Berlin.
Die Baumeister-Prüfung haben bestanden: Otto Frie-
drich Wille aus Meseberg bei Osterburg; Friedrich Wilhelm
Schwedler aus Rostock: Hubert Krebs aus Köln.
Die Bauführer- Prüfung haben bestanden: Rudolph
Heinrich Schierhorn aus Gardelegcu; Albert Sylvius Oswin
Kayser aus Berlin; Rudolph Philippi aus Solingen; Hermann
Georg Voerkel aus Delitzsch; Friedrich August Erwin Neu-
Bnef- und Fragekasten.
Hrn. S. in Berlin. Die Kayser'schen Kochmasehincn ...
sich allerdings bewährt, abgesehen von den Nachtheilen, welche
eiserne Kochmaschinen im Allgemeinen haben, namentlich der
starken Verbreitung von Hitze. Im Allgemeinen lieben die
Hausfrauen die Maschinen mit Kachclbekleidung mehr.
Hrn. B. L. in St Der Fehler, welcher begangen ist, liegt
darin, dass die sonst sachgemäss ausgeführte Glas-Isoltnschicht
unter dem Niveau des Strässenterrains liegt, so dass die Feuch-
tigkeit von der Seite (nicht von unten) in das Mauerwerk ein-
dringt; dieselbe hätte einige Zoll oberhalb des Strassennivaus
gelegt werden müssen.
Sie können dem Uebelstand abhelfen 1) durch Anbringung
von Mauerkrfiuzen, wodurch sie das Erdreich von den Umfassungs-
mauern anhalten. Diese Kränze müssen einige Zoll bis unter Ihre
Isolirscbicht heruntergeführt werden; 2) durch streckenweises
Unterfahren und nachträgliches Einbringen einer Isolirschicht
über dem Strassenniveau. Erster« Methode dürfte etwas beque-
mer und billiger sein, doch kann hierüber nur die Ocrtlichkeit
entscheiden.
Hrn. F. J. in Berlin. Die Frage, welche Belastung einem
bestimmten Baugründe zugemuthet werden kann, ist keineswegs
eine positiv entschiedene uud um so schwieriger nach allgemeinen
Grundsätzen zu beantworten, je wechselnder die Beschaffenheit
des Baugrundes zu sein pflegt. Unseres Wissens ist dieselbe
bisher noch in keinem wissenschaftlichen Werke einer gründ-
lichen, auf Experimente und Beobachtungen gestützten Unter-
suchung unterworfen worden. Bei Kastengründungeu in Berlin,
die auf scharfem Sand erfulgen, ist eine Belastung des Grunde«
bis auf 5,12k pro (70 Pfd. pro m üblich, doch ist man
in schwierigen Fällen und da wo der Baugrund sehr tief lag,
auch schon über dieses Maass hinausgegangen, ohne nachthcilige
folgen verspürt zu haben.
Hrn. F. in Elberfeld. Banquette haben lediglich den
Zweck, die Last des Baues auf eine grössere Fläche zu verthei-
len, und wird sich ihre Breite nach der Tragfähigkeit des Bau-
grundes richten müssen. Selbstverständlich sind sie auf Fels-
boden überflüssig.
11 rl i" P- T -. ßerlio - D'e P™ge ist zu unpräzise gestellt
um sie definitiv beantworten zu können. Nach hiesigen Preisen
kostet unter angegebenen Verhältnissen 1 laufd. Meter einge-
leisigc gerade Bahn i 7«/,-9 Thlr., wenn die Streckschichtcn von
rindlmgen hergestellt sind und zwischen den Schienen chaussirt
wird.
Hrn. M. in G. Die Form der Sfigedächer oder der sog.
1 i ii 1 *» ich schr °*währt. Keines nicht blendendes Licht
und billige Konstruktion sind ihre Vorzüge. Unseres Wissens
ist indes» über solche Anlagen eine allgemeinere Veröffentlichung
nicht erschienen. Die augewandten Konstruktionen sind aehr
mannigfach, und würde Bich Jemand, der dieselben zusammen-
stellen uud uäher erörtern würde, ein Verdienst erwerben.
Hrn. R. in B. Nach der nächsten Abgeordneten-V<
lnng des \erbandes, in welcher eine Norm für "
Ingenieur -Arbeiten hoffentlich aufgestellt
wir Hire Fragen beantworten zu "
uns Erfahrungen, aus denen sich
stellen Hessen, nicht zu Gebote.
Hrn. V. \V. 77. Ein Werk, das speziell
Passagen handelt, ist uns nicht bekannt
Hrn. A. in Pm. In sehr geringem Maa^se lassen doppelt
eingedeckte Schieferdächer bei einem mit heftigem Wind ver-
bundenen Schneetreiben den Schnee durch die Fugen, doch nur
beim Beginn dieses Wetters, während später die Fugen durch
den Schnee selbst gedichtet werden. Wenn an Maueranschlüssen,
Schornsteinen etc. sich der Schnee durch vorhandene Fugen
tingang verschaffen sollte, so muss hier ein künstliche« Dich-
tungsmittel, etwa Zement, angewendet werden. Von einem Ein-
treiben von Schnee in grösseren Mengen darf bei einem gut
eingodeckten duppelten Srhiefcrdache nicht die Rede sein.
Beiträge mit Dank erhalten von Hrn. E. iu Homberg, S.
in Merseburg, K. in Lübeck.
••••• l«« >-» Curl litMiii fa (Ulli*.
Pru<« >« (i.brudtr rielarl im IHtlin.
Digitized by Google
Jahrg. TL M 12.
DEUTSCHE BAUZEITUNG
Organ des Verbandes
deutscher Architekten - und Ingenieur-Vereine.
Bedaktenr K, £. 0. Fritieh.
Iai.rat.
flr Ut Uter «er i
Hau ": ' ■ • i tngVn '
In d.f nl '-
I« »«r- C«
Prell 1 Thaler pro Quartal.
». - D.r Hol
MitthollniiKtn au. V.relaea: '
V.r.ln. - A.rdüU>ktan .V«.ln >u ltartln. - Vei
• - VaraiUc ht.il PI. Blnfäh rnaK <!.. i
Berlin, den 21. März 1872.
in Ur.trllrlcli. — U,« krtUliratlnn In I
Erscheint Jedf n Dement**.
»}»l.ma in ...
F.a«t.rr«rbr. - Ana d.r Fleh litt. ralar: IM. Krypta
dem Ori.nl XI. nnd di. Fra«. Ihr.r WM.rhmt.llaH. Ton F. Sehn.tdcr. -
uarf Arthiwk. Llttnatar Januar, F.r.rn.r, Mari IM*. - Kon k ar r. ai.n:
— r*r..,nal.Nachrl.ht.n *u.
Da» Schinkels st des Architekt™ -Im ins » BeHill
am 13. März 1872.
Vollzähligkeit waren zu unserer diesjäh-
r an 270 Fachgenossen, .länger, Freunde
Gönn, r der Baukunst erschienen. Wenn wir unter
den letzteren neben dem Preussischen Staatsmmister, dessen
Ressort die Pflege der aus dem Bedürfnisse hervorge-
gangenen Baukunst repräsentirt, auch den Minister bemerk-
ten, dem die Förderung der idealen Kunstinteressen des
Staates anvertraut ist — wenn neben dem Minister der
öffentlichen Arbeiten, Grafen vou Itzenplitz auch der Kul-
tusminister Dr. Falk ein Theiluehmer unseres Festes war,
so wollen wir dieses kleine, alier für den Beginn einer neuen,
von den Künstlern langersehnten Zeil hoffentlich nicht ganz
bedeutungslose Zeichen nicht unbemerkt lassen.
Eine Aeuderung in den typischen Formen des Festes
hatte nicht stattgefunden, so dass wir nur einiger Einzel-
heiten zu erwähnen haben. Das Bild des gefeierten Meisters
war diesmal nicht wie sonst der Mittelpunkt der zum
Schmucke des Saales errichteten Dekoration, sondern als
bescheidenes Relief an der Vorderseite eines Postamentes an-
gebracht, anf dem sich die von dem Bildhauer Hundt-
rieser schön erfundene und effektvoll modellirte Germania-
Figur erhob. Das siegreich geführte Schwert ruht in der
Scheide geborgen, wahrend die Rechte den Preis ruhrnwür-
digen Sieges und die Hoffnung segenspendenden Friedens,
den goldenen Lorbeerkranz hoch emporhält. Zur Seite des
Postaments zeigten zwei niedrigere Brüstungen die Namen der
Männer, die dereinst neben Schinkel an der Erhebung un-
seres Volkes in Kunst und Wissenschaft gewirkt, eines Cars-
tens nnd Cornelius, Schadow und Rauch, Humboldt
und Beuth. Ueber der von grünem Pflnnzensehmuck um-
rahmten Gruppe prangten im Seheitel der dunkelrothen, den
Hintergrund bildenden Draperie das blitzende Reichsschild
mit der Kaiserkrone und die lorbeerurnwundenen Zeichen
de» eisernen Kreuzes. — An Originalzeichnnngen Schinkels
war eine im Besitz des Herrn von Quast befindliche, ziem-
lich zahlreiche Sammlung seiner Jugendarbeiten aus den
Gymnasialjahren und der Lehrzeit bei Friedrich Gilly aus-
gestellt. Theils figürlichen, theils landschaftlichen und ar-
chitektonischen Inhalts — zum Theil Kopien, zum Thcil von
Schinkels eigener Erfindung — mit der Feder, in Tusche, in
reduzirtem und vollständigem Aquarell ausgeführt, zeigen
diese Zeichnungen fast ausnahmslos noch eine grosse Aengst-
lichkeit und Befangenheit; nur wenige landschaftliche Skiz-
zen lassen etwas von dem späteren Fluge des Genius ahnen.
— Als Festandenken wurde diesmal das Portrait Schinkels
in Miniatur-Relief, eine aus der Eichler'scben Kunstanstalt
hervorgegangene Nachbildung des für die Dekoration be-
nutzten (Tiei'schen) Reliefs zur Vertheilnng gebracht. *
In seinem Jahresberichte über die Thätigkeit des Ar-
chitekten-Vereins knüpfte der Vorsitzende desselben, Herr
Baurath Quassowski, an die Grundidee jener Dekoration
an. Vor einem Jahre noch schrieb das geeinigte Deutsch-
land mit gezücktem Schwerte dem Feinde die Bedingungen
des Friedens vor; heut winkt es seinen Söhnen im frohen
Genüsse desselben zum Wettkampfe in den Werken des
Friedens, mahnend an das Beispiel der Männer, die zu An-
fang des Jahrhunderts nach einer ähnlichen Epoche unser
Volk in solchem Wettkampfe geführt. Wenn schon beim
letzten Schinkelfeste diese Mahnung in der Ansprache eines
hohen Ehrengastes ihren warmen Ausdruck land, so hat
unser Fach und unser Verein seitdem gezeigt, mit welchem
freudigen Eifer er ihr zu folgen bereit ist; äusserlich viel-
unserer Stadt für den Triumphzng des siegreich einziehenden
Heeres, innerlich durch die erhöhte Theilnahme an allen
dem Fortschritte des Faches gewidmeten Arbeiten und Be-
strebungen.
Als des für das Yereinsleben wichtigsten Ereignisses ge-
dachte der Redner der in Berlin erfolgten Gründung des
Verbandes deutscher Architekten- und Ingenieur- Vereine, als
des sichtbaren Abschlusses derjenigen Annäherungs- und
Einigwigs-Bestrebnngen, mit welcheu die deutschen Genossen
unseres Faches seit 30 Jahren für ihren Theil ein Scherflein
zur endlichen Einigung der deutschen Stämme beigetragen
haben, wfihrend sie gleichzeitig durch den Bau der neuen
Verkehrswege dasjenige materielle. Moment schufen, das
mehr als jedes andere eine l'rsache und Grundlage der An-
näherung unter den bisher getrennten Gliedern des Vater-
landes geworden ist- Mit Genugthuung wies er auf die Re-
sultate der ersten Abgeordneten -Versammlung und auf die
Stellung hin, welche der Berliner Verein als nächster Vor-
ort des neuen Verbandes erlangt hat.
Die Statistik des Vereins ergiebt für das allgelaufene
Jahr eine durchschnittliche Zahl von 365 in Berlin wohnen-
den und 531 auswärtigen, zusammen von 896 Mitgliedern.
Hiervon wurden fi9 der ersten und 5 der letzteren neu auf-
genommen, während der Verein 8 seiner Mitglieder durch
den TihI verlor. Die Einnahmen haben bekanntlich
Tblr. betragen.
Dass von den Konkurrenzen des Vereines die Monats-
aufgaben und die zur Errichtung vou mehren Denkmälern
ausserordentlichen
^er ausgeschriebenen
für gefallene Kriei
Preisbewerbungen, liei denen 43 verschiedene Arbeiten ein-
gegangen sind, eine lebhaftere Betheiligung fanden als die
grösseren, für das diesmalige Schinkelfest zur Entscheidung
gestellten Konkurrenzen, suchte der Redner in den Verhält-
nissen des vergangeneu Jahres zu begründen, welches mit
seinen aufregenden Ereignissen und bei der späten Rück-
kehr so vieler jüngerer i achgenossen aus dem helde für eine
derartige Arbeit nicht günstig war. Bei der Proklatnirung
des Resultates dieser Konkurrenzen wurde mitgetheilt, dass
den Siegern derselben, den Hm. Ziller und Heuser, der
Staatspreis von je 100 Friedrichsd'or verliehen worden ist.
Die technische Baudeputation hingegen hat zwar die beiden
Arbeiten im Ingenieurfache als Probearbeiten für die Bau-
meister-Prüfung genehmigt, die mit dem Staatspreise be-
lohnte ihr zur bedingten Annahme empfohlene architek-
tonische Arbeit jedoch wegen ihrer konstruktiven Män-
gel zurückgewiesen und dabei erklärt, dass künftig über-
haupt nur solche Arbeiten auf jene Vergünstigung zu rechnen
haben würden, welche die beabsichtigten Konstruktionen
deutlich dargestellt zeigten. Die für das nächste Schinkel-
Fest bestimmten Konkurrenz -Aufgaben (Entwurf eines Ge-
werbe-Museums nnd eines massiven Neubaus der Jannowitz-
BrückeJ haben die Genehmigung des Ministeriums erlangt
und liegen bereits im Drucke vor.
An die vorn Vorsitzenden erbetene Yertheilung der
Schinkel -Medaillen nnd seinen Glückwunsch an die dies-
maligen Sieger knüpfte der Minister für öffentliche Arbeiten,
Herr (traf von Itzenplitz, auch diesmal eine an die ganze
Versammlung gerichtete Ansprache, in welcher er der jün-
geren Architekten- und Ingenieur-Welt in wiederholten ein-
dringlichen Worten ans Herz legte, durch Gewissenhaftigkeit,
Kntst und vor allem durch Tiefe des Strebens sich auf die
Höhe ihres Faches zu schwingen. Es sei dies heute um
so mehr erforderlich, als eine gewisse Mittekuässigkeit des
Digitized by Google
Wissens und Könnens in sehr viel, grösserem Maasse Gemein-
gut geworden sei als früher, während an Köpfen, welche
über diese beqnem zu erreichende Mittclmässigkeit hinaus
zu einer höheren Bedeutung sich eraporgerungen haben und
deren unser Vaterland vor Allem bedarf, durchaus kein
Ueberflnss sei.
Die darauf folgende Festrede des Abends hatte der Ge-
heime Regiernngs-Rath und Konservator der Kunstdenk müler
in Preussen, Herr von Quast übernommen und hierfür das
Thema: „Schinkel und die Gegenwart" 1 gewählt
Wer die Erhebung der neuen auf antike Tradition ge-
stützten Kunst vollbracht hat, das zeigt ein bekauntes Kaul-
bach'scbea Bild an der Münchener neuen Pinakothek, in dem
unter der Führung Winkelmanns, Carsteus, Thorwaldsen und
Schinkel zur Befreiung der vom Zopf in Haft gehaltenen
Grazien ansebreiten. 100 Jahre sind nunmehr schon seit dem
Tode Winkelmanns, 70 nach Carstens, 30 nach Thorwaldsens
und Schinkels Dahinscheiden verflossen, aber noch unver-
gessen und unvergänglich steht die That jener Männer vor
unserem Geiste und das Andenken dos ältesten und jüngsten
uuter ihnen ist für die Nachstrebenden ein festlicher Ver-
einiguugspuukt geworden.
In allgemeinen Zügen führte der Redner ein Bild der
Kunstzustände vor, wie Bie seit dem Verfall der im Deko-
rativen entarteten mittelalterlichen Kunst bis zum Ende des
vorigen Jahrhunderts sich entwickelt hatten. Das frische
Leben der italienischen Frührenaissance , das nach franzö-
sischem Boden verpflanzt, auch dort eine nene Kunstepoche
hervorgerufen hatte, konnte in Deutschland eine gleiche
Wirkung nicht zu Wege bringen, weil die neue Richtung
dem Volke zu fremd und dieses zu ausschliesslich mit der
Reformation auf religiösem Gebiete beschäftigt war. So war
es nicht die Renaissance der Frühzeit, sondern erst die von
Michel Angelo nach Raphael s Tode eingeleitete, der Willkür
und Laune verfallene Baukunst, welche in Deutschland
Boden gewann und hier, wie überall, in schneller Entartung
und Verwilderung, von üppiger Formenfülle und dekorativer
Ueberwucherung bis zu jener Nüchternheit und Abgcblasstheit
herabsank, die in der Mitte des vorigen Jahrhunderts auf
allen Kunstgebieten herrschten.
Dieser Zeit, deren künstlerisches Schaffen der Redner
in drastischen Worten zu schildern versuchte, hielt Winkel-
mann den Spiegel antiker Einfachheit und Schönheit vor
und das erwachende selbstetändige deutsche Bcwussteein, das
zunächst in der Neugestaltung unserer Litteratur zum Aus-
druck kam, bereitete seiner Lehre schnell eine Stätte im
Herzen der Zeitgenossen, wenn dieselbe vorerst auch nur
in der Kritik sich geltend machen konnte. Die Reste der
alten bisher geübten Kunst weise, deren Unhaltbarkeit bald
überall erkannt wurde, räumte die französische Revolution
hinweg, ohne jedoch an deren Stelle etwas Anderes setzen
zu können, als ein manirirtes Theaterthum, von dem im
Gebiete der Malerei erst Carstens den Rückweg zur Natur fand.
Schwieriger war die Anbahnung eines neuen Kunst-
prinzips in der Architektur, weil es für diese an guten Vor-
bildern fehlte. Selbst wo man auf römische und die so
eben bekannt gewordenen griechischen Beispiele sich stützte,
I gelangte man doch wenig über eine mechanische missver-
ständliche Nachahmung derselben hinaus, wie denn auch
das, was Schinkels Lehrer, Friedrich Gilly uud er selbst
unter dessen Einfluss geschaffen, noch keine fruchtbare
Eigenthümlichkeit zeigt, sondern an absoluter Nüchternheit
leidet. Erst als Schinkel nach seiner Rückkehr aus Italien,
wo er die Schöpfungen einer wirklichen Kunsthlüthe gesehen,
in einer durch die traurigen Schicksale des Vaterlandes her-
I beigeführten Periode ruhiger Sammlung dem tiefen Studium
hellenischer Kunst sich ergab, ging ihm das Verständnis« des
organischen Leltens ihrer Schöpfungen auf und wurde er
fähig dieses Leben nen zu erwecken.
In poetisch begeisterter Weise erging der Redner sich
nunmehr in einer Würdigung hellenischer kunstweise, um so-
dann zu schildern, wie nach der Wiederaufrichtung Preussen»
im siegreich erkämpften Frieden die Werke Schinkels in
ihrer von den Zeitgenossen bisher ungeahnten Reinheit nnd
Schönheit erstanden — nicht allein in gebundener Nach-
ahmung der von den Hellenen geschaffenen Kunstformen,
sondern durch neue Verbindung und Fortbildung derselben,
j als neue und selbstständige, im hellenischen Geiste erfundene
Schöpfungen. Leider ist es ihm gelten vergönnt gewesen,
[ anders als mit Surrogaten bauen zu können, aber niemals
hat er sich mit Scheinkonstruktionen begnügt, sondern seiu
ausgesprochenes Bestreben war es, auch für die den Griechen
nicht geläutigen Konstruktionen unserer Zeit in ihrem Sinne
die entsprechende Form zn finden. So hat er den Typus
der Holzhäuser in den Alpen, so den Facadenhau mit ge-
brannten Ziegeln für die neuere Kunst wiener gewonnen.
Durch seine That war die Bahn einer Neubildung un-
serer Baukunst eröffnet, auf der ihm eine Schaar strebender
Schüler nachschritt, nachdem dnreh die Einsicht und den
Einfluss bedeutender, ihm treulich zur Seite stehender Män-
ner, vor Allen des Kronprinzen und Beuths, sein künstlerisches
Schaffen nicht allein einen festen Boden im Vatcrlande ge-
wonnen hatte, sondern sogar der Stolz desselben geworden
war. Durch den ganzen Preussischen Staat bis zu den ent-
ferntesten Grenzen desselben herrschte bald nur die Tradition
seiner Schule; überall entstanden in seinem Geiste empfun-
dene Werke, die Anspruch auf künstlerische Bedeutsamkeit
erheben konnten. — Wie Grosses damit in Preusaen ge-
schehen sei, das glaubte der Redner am Besten durch einen
Vergleich darthun zu können mit dem, was gleichzeitig andere
Länder in der Baukunst leisteteu. Hoch stellte er es über
das dilettantistische Experimentiren mit einer Musterkarte
aller Stile und über die ohne jegliches Schönheitegefühl
unternommenen Versuche neuer Stilbildungen, die in andereu
deutschen Staaten an'ä Tageslicht treten, — hoch über die
Schöpfungen englischer Architekten, die zwischen den i
Hebet kluea au itm Orient.
XI.
Der erste Eindruck von Ephesus hat etwas Befremdendes. Man
fühlt sich enttäuscht, denn die Aussicht ist beschränkt und das We-
nige, was, mau Übersicht, zeigt späte, elend zusammengeflickte
Rette des klassischen Alterthums. Ucber den Bahnhot weg
zieht sich ein langer hochragender, aber nur aus älteren Archi-
tekturbruchstücken uud Inschriftetcinen sehr unsolid zuaamnieu-
Befiigter Aquädukt Er führt in grader Linie zu dem Ka.stell-
hügcl zur Hechten, der in sanften Abhängcu links in die Ebene
verläuft und auf seinem Rücken die wenigen noch bewohuten
Häuser und Hütten des Dorfes Aiasalouk trägt Sechs kleine
aus Backsteinen erbaute und mit Kuppeln überwölbte Moschecu,
davon einige mit Minarcte verschen, sowie mehre Bäder bewei-
sen, dass der Ort in früheren Zeiten bewohnter und volkreicher
war, als jetzt. In der Mitte des Dorfes, wo zwei Kaffrehütten
existiren, ist eine der Moscheen mit einer dreijochlgen auf an-
tiken Granitsäulcn ruhenden Vorhalle ausgestattet. Gegenüber
sprudelt in halbzerstörter Fassung die letzte Quelle, welche der
Ort beeitzt, bildet aber, da niemand für den Ablluss des Was-
sere sorgt, stagnireude Lachen und damit die Hauptbrutstätte
für das Weber, woran im Sommer monatelang die ganze Bevöl-
kerung dahinsiecht.
Hinter deu letzten Hütten beginnt ein dschungclartiges,
von schmalen Reitpfaden durchzogenes Dickicht aus Dornen-
hecken, Kobrstengeln und baumartigen Agnus castus Gesträu-
chen bestehend, in welchem mau sich leicht verirren kann,
da die Dichtigkeit und Höhe des Pflanzenwuchses nirgends
einen Ausblick verstattet Ist dieses Labyrinth passirt, so tritt
ins Freie und hat plötzlich den wie eine Insel aus der
ufragenden Prion mit seinen beiden durch eine Einsut-
erbundenen Kuppen vor sich. Links von demselben er-
heben sich die schluchtenreichen und steilen Hänge des Ko-
rcssus, der
dem Meere
von Ajasolouk;
gebliebene weisslcuchtende und offenbar aus Marmorquadern er-
baute Moschee. In der mit niedrigen Baumgruppen besetzten
Ebene zwischen dem Kastellhügcl und dem Prion verkünden
alleeartige Schilfwfildcr die Existenz zahlreicher unsichtbarer
Wasserlftufe des Kayster; hinter ihnen begrenzt das stolze Ge-
birge des Galetsus den Horizont Vergeblich späht der Blick
nach Trüminerniassen und Ruinen; nur ein geübtes Auge un-
terscheidet nach eiuigcr Zeit auf dem höchsten Kamme dos Ko-
ressus die Konturen thurmbesetzter Ringmauern und am Fus.se
der starken Einsattelung zwischen Korcssus und Prion einige
hochragende Pfeiler- und Mauerreste. Kein menschliches Wesen
ist zu sehen, ringsum herrscht in brütender Mittagshitze diu
tiefste Stille. Unwillkürlich erinnert man sich in solchem Au-
genblicke der alten Prophezcihung der Sibylle, dass einst die
Erde beben und sich öffnen, und der Abgrund den Dianen-
tempel wie ciu Schiff im Sturme verschlingen würde. Ephesus
selbst, nicht mehr bewohnt, würde dann klagend und weinend
an den Flussufern nach der Stelle fragen, wo das Heiligtum
gestauden.
In ernste Betrachtung über die Vergänglichkeit alles Irdi-
schen versunken, wenden wir das Pferd rechte und reiten grad-
aus auf eine Gruppe von Oelbäumen los. Ks sind die einzigen
in diesem Theil der Ebene nnd deshalb leicht zu findeu. Unter
ihren Wurzoln stehen noch die Theile der Peribolus -Mauer,
deren Entdeckung Mr. Wood Gewissheit gab aufrichtiger Fährte
zu sein.
Der hier gefundene, die Entdeckung vorbereitende Iuscbrift-
stein, ein Dekret Angust's über das Asylrecht enthaltend, be-
findet sich bereite in London. Wir steigen ab, durchschreiten
verdorrte Ackerstücke, überklettern niedrige Feldmauern, win-
den uns durch Gebüsche und stehen endlich an dem senkrecht
Erdgrube, in
Digitized by Google
— 91
»ungebildet«!) Stilen einer vergangenen Zeit, der Kanstweise
eine» Palladio und der des Mittelalters schwanken, — hoch
endlich über die Leistungen französischer Kunst, die nach
der nüchternen römischen Antike der napoleonischen Zeit
und nach schüchternen Versuchen mit der Gothik und dem
nationalen Stile des gechszehnten Jahrhunderts schliesslich
mit vollen Segeln in die prunkende Kunstweise der Epoche
l/iuis XIV. eingelaufen ist und unter der entsittlichenden
Herrschaft des zweiten Kaiserreiches sich in Bildungen ge-
fallen hat, die der treffende Ausdruck einer mit raffinirtem
äusseren Luxus verbundenen inneren Fänlniss sind.
Während anderwärts solches geübt wurde, hat die Ber-
liner Architekturschule eine lange Zeit hindurch die Schinkel-
sehe Tradition in voller Reinheit und mit ihr eine gross-
artige Stellung sich bewahrt. Freilich standen nicht alle
Schüler auf der Höhe des Meisters nnd keiner hat die Uni-
versalität seines Genius geerbt, so dass der Eine und der
Andere die eine oder andere der von jenem gegebenen An-
regungen vorzugsweise auszubilden beflissen war. Mit der
steigenden Potenz der materiellen Mittel hat der Wuusch
nach reicherer Formgestaltung sich entwickelt, mit ihm ein
Hervortreten des dekorativen vor dem struktiven Elemente.
Nicht ganz ohne Einfluss blieb die Wiederaufnahme der
mittelalterlichen, gothisehen Baukunst, die leider nicht im
Schinkel schen Sinne einer Verschmelzung des autiken und
mittelalterlichen Kunst nrinzips, sondern in einfacher, freilich
viel bequemerer Wiederholung und Nachahmung der alten
gothisehen Formen erfolgte — einerseits wohl im Zusammen-
hange mit gleichzeitigen Bestrebungen auf kirchlichem Ge-
biete, andererseits als Modesache, namentlich gepflegt von
Grundbesitzern, die im Besitze eines englisch -gothisehen
Schlösschens englische Lords zu sein vermeinten.
Dass die Schinkersehe Schule diesen Einflüssen und Strö-
mungen im Allgemeinen siegreich widerstanden hat, ist ein
Beweis für ihre innere Gesundheit Ihr gefährlichster Feind
ist ihr freilich erst in neuerer Zeit mit dem Auftreten der
aus Frankreich importirten, neu aufgelebten Zopfarchitektur
Unter dem hartnlusen Namen des Rukkoko nnd der
Renaissance allmälig in ganz Europa vordringend, hat diese
Richtung zuerst wieder in Möbeln, dann in der Dekoration
einzelner Innenräumc, schliesslich verstohlen auch in der
-Architektur sich wieder an's Licht gewagt Leider
_ sich auch in Berlin Architekten, die einem Kunst -
Mäcen, der mit einer solchen Facade vielleicht seinen Besuch
der Pariser Weltausstellung und sein VersUindniss für aller-
neueste Mode dokumentiren wollte, zu Willen waren. Kaum
stand die erste Mansarde, so schienen die Schleusen durch-
brochen, durch welche das drohende Unheil so lange abge-
wehrt worden war, und begierig stürzten sich Bauherren und
Baumeister auf die neue Kunstweise! Jetzt bedurfte es ja
keines Studiums mehr, das Gesetz der Statik hatte seine
Gültigkeit verloren, keine Fesseln hemmten das Genie mit
allen nur möglichen Mitteln nach allen nur möglichen Effek-
ten zu haschen; denn geduldig waren da» Papier und
geduldig und unerschöpflich waren der Putz und der
Stuck-
Wohin sind wir gekommen , so schloss der Redner eine
in den intensivsten Farben gehaltene, im Detail ausgeführte
Schilderung dieses Treibens, wenn wir erstarrt nnd erstaunt
sehen müssen, dass solche Gebilde sich 30 Jahre nach dem
Tode Schinkels an dem Orte seines Wirken» breit machen
dürfen? Es sind Geister aufgekommen, die von Schinkel
nicht» wissen; die schrankenlose Gewerbefreiheit hat der
Architektenschaft Elemente zugeführt, die jedes Zusammen-
hangs mit seiner Schule entbehren. Noch wuchert dieses
Unwesen lediglich im Privatbau und wo Architekten mit
Verläugnung einer besseren Tradition Bich ihm ergeben, ist
man anzunehmen versucht dass sie e» gethan haben um in
einer Thätigkeit, die nicht mehr der Kunst sondern ledig-
lich der Spekulation dient, ihr Gewissen zu betäuben.
Aber es wird und muss anders werden. Wenn uns be-
reit» elliptische Bögen entgegen grinsen, so fragen wir uns
mit Recht ob denn die Sieger von Metz und Sedan darnm
gesiegt haben, um aus der Hauptstadt des Feinde» da» Pa-
riser Rokkoko nach Hause zu bringen. Noch schlagen viele
Herzen im heiligen Feuer für das Künstlerische Ideal Schin-
kels, noch ist es möglich durch die Ausführung der öffent-
lichen Monumental- und Prachtbauten ein Beispiel zu geben,
an dem der irregeleitete Geschmack sich läutern und wieder
aufrichten kann. Und schon jetzt ist eine Anzahl von Wer-
ken — die National-Gallerie, das Bankgebäude, das Sieges-
Denkmal — im Entstehen liegriffen, von denen ein solcher
heilsamer Einfluss zu erwarten ist. So wollen wir hoffen,
dass es der sich selbst getreuen Schule Schinkels gelingt,
Preussens Machtstellung auch in der Kunst aufrecht zu er-
halten, dass es dem machtig anbrechenden Tage gelingt die
Nachtthiere, die sich in
Lebhafter Beifall bekundete die Zustimmung eine» ge-
_ Theils der Versammlung. Dass diese Zustimmung
nicht eine allseitige war, dürfen wir um so weniger verschwei-
gende grösser das Aufsehen ist, welches die Rede von Quast's
bereits in weiteren Kreisen gemacht hat und demnächst noch
machen dürft«. Wir dürfen das ernste Bedenken nicht ver-
hehlen, welches sich uns gegenüber einer an solchem Orte
und in solcher Weise geführten Polemik aufdrängt.
Gegen die Auffassung, in welcher der Redner die ar-
chitektonische Entwickelung der Gegenwart sieht eingehend
zu streiten wäre hier nicht angethan. Gern erkennen wir
manche »einer Ausführungen al» wahr, wenn auch zuweilen
etwa» übertrieben an, erheben jedoch nm so entschie-
deneren Protest gegen die Einseitigkeit einer Darstellung,
die innerhalb der Schinkel'schen Schule nur Licht, ausser-
halb derselben nur Finsternis» erblicken lässt, und werden
diesen Widerspruch beirründen, sobald die Rede — hoffent-
rege» Leben herrseht Zu u eisern Füssen liegen
Reste des
Artemision. Hier wird geschaufelt und gegraben, dort geladen
und gekarrt: an einer Stelle baut man Karrbabnan, an einer
andern wuchtet man riesige Marmorblöcko in die Höbe, um ihre
Linterflache zu betrachten; zwischendurch schreiten die mit
Flinten und Pistolen bewaffneten griechischen Wächter, um die
Arbeiter wie die Touristen-Besucher griesgrämig zu überwachen.
Die Ausgrabung ist eine mühevolle, kostbare und gesundheita-
gefährliche Unternehmung, denn die schlammartig zusammen-
gekitteten Brdmassen stehen fest wie Mauern, die gelöste Erde
muss weit transportirt werden und aus der Tiefe blitzt selbst
im Spätsommer das stagnirende Grundwasser herauf. Das alte
Terrain liegt durchschnittlich 6 — 6Vi m unter dem jetzigen. Für
einen Nichttechniker ist eine Orientirung auf dem Trümmerfclde
unmöglich, selbst ein Architekt bedarf der Magnetnadel und
sorgfältiger Betrachtung der Einzelheiten, um eine Uebersicht
zu gewinnen. Bis jetzt ist etwa ein Drittel der Tempelarea blas
gelegt worden, und zwar an der Südwestecke. Die Zerstörung
ist eine exzeptionell durchgreifende gewesen, weil die Trümmer
Jahrhunderte hindurch für die marmornen Prachtbauten Konstan-
tiuopel» als Steinbruch gedient haben. Viel fehlte nicht daran,
so wäre sie total gewesen, — so verschwindend klein sind die
Ucberreate xu der ganz ungeheuren Baumasse, welche kunstvoll
verbunden da» weltberühmte Heiligthum bildete. Und doch
setzen die hie und da stehen gebliebenen oder zerstreut umher-
liegenden Fragmente durch ihr Volumen noch in Erstaunen.
Wahrhaft imposant ist ein noch vorhandener, wenn auch stark
beschädigter Kapitellhlock , welcher beweist, dass das riesige
Kapitell mit seinen 2.7.V 0 weit ausladenden Schnecken aus einem
Stucke gcmcisselt war. Eines der wcrthvotlstcu Fragmente ist
eine an Ort und Stelle befindliche Basis iu der inneru Südreibe
des Dipteros, etwa 35,50 m von der Westecke entfernt Sie ruht
auf fünf sehr grossen Quaderschichten, welche die Höbe de»
ätercobata mit ca. 3,40- ergeben, und besteht in üblicher
au» Plinthua, doppeltem Trochilus und einer mit 9 Reifen
versehenen oberen Spiro. Der Säulen-Durchmesser beträgt etwa
2,15», die nur mit grosser Schnelligkeit measbare Axencntfur-
nung etwa 7,28 » und es sind 24 Kanneluren von 0,23 ■ Breite
vorhanden. Ich gebe diese Zahlenwerthe mit Reserve , da nur
während unseres ernten Aufenthaltes eine flüchtige Messung ge-
stattet wurde. Die Schaftblöcke der Säulen waren am Rande
auf V« des Durchmessers, ähnlich wie am Parthenon, aufeinander
geschliffen worden. Die Epistvlien sind nur in geringen Spuren
erhalten; sie waren aussen dreit heilig und mit Perlenschnuren
gesäumt innen zweitheilig und ohne Astragale. Zwei Kapitell-
blocke zeigen die gröastc Verwandschaft mit denen der Propyläen
zu Athen und eine echt attische Behandlung der ranftheiligen,
mit gedoppelten Astragalen gesäumten Seitenansichten ; das obere
Kyma fehlt und scheint aus einer Zwischenplatte bestanden zu
haben. Die merkwürdigsten Bruchstücke sind aber die mit le-
bensgrossen Figuren in Flachrelief geschmückten unteren Säulcn-
und Pfeiler-Schaftatücke, weil dieselben zum ersten Male die am
Tempel befindlich gewesenen eolumnae eaelatae, deren Zahl Pli-
nius auf 36 angiebt, veranschaulichen. Die Komposition der
Reliefs ist frisch und lebendig, die Arbeit dagegen schon
flüchtig und mit attischer Bildhauerarbeit nicht zu vergleichen.
Die Stilfassung läast einen iunigen Zusammenhang mit den Re-
liefs vom grösseren Friese des Mausaolcuras erkennen. Da»
schönste dieser Bruchstücke scheint nach der spitzwinkligen
Ecke, welche erhalten ist, so dass auf jeder Seite eine Figur
sichtbar wird, zu einem Altare gehört zu haben. Von den inneren
Stützonstellungen sind ebenfalls bis jetzt nur wenigo Reste
gefunden worden. Eine untere korinthische Säulenordnung,
deren Kapitelle zwei Akantliusreihen und Eckstengel bcsassciL
ist gesichert, die obere fehlt bis jetzt. Aus der Krypta sind
stämmige dorische Rundpfeiler mit 36 Kanneluren hervorgegan-
gen, welche an die ähnlichen Kryptastützen von Eleusis erinnern.
Nach sorgfältiger vergleichender Betrachtung aller bisher ge-
- BaudcUfls scheint mir mit Sicherheit nur eine Bauzeit
IV. Jahrh. (etwa von 360—320) vertreten zn »ein, wenigsten»
Digitized by Google
— 92 —
lieh ohne irgend eine Absehwächung — im Drucke vorliegen
wird. Aber wir sind weit davon entfernt in den Ton hüh-
nischen Spottes einstimmen zu kennen, mit dein über sie
im Feuilleton der politischen Presse berichtet worden ist.
Dazu steht uns die Ueberzeugung des Mannes, der als einer
der ältesten unter Schinkels Schülern in heiligem Ernst und
aus vollem Herzen seinem Unmuthe Kaum gegeben hat, zu
hoch; dazu sind uns vor Allem die Konsequenzen, die wir
aus einem solchen Vorgänge, der nur in dem Schinkclfest-
Toaste des Jahres 185(3 ein Vorbild hat, für die Zukunft
unserer Schinkelfeste befürchten müssen, zu schwer und be-
deutungsvoll. — In diesem Sinne sei uns ein Wort erlaubt
Möge es nicht ausser Augen gelassen werden, dass es
ein Fest ist. das die am 13. März im Geiste des grossen
Todten Versammelten begehen wollen, und das«, was an
solchem Feste gesprochen wird, des weihevollen Maasses,
des milden Tons der Liebe nicht entbehren darf. Wer er-
innerte sich nicht gern der wohlthuenden Milde und Fein-
heit, mit der einst ein Stüler bei ähnlicher Veranlassung
jener Bestrebungen gedachte, die gegenwärtig ein so hartes
l'rtheil über sich ergehen lassen mnssten. Hat doch der
Architektenverein, als jener noch lebte, tiieht nur ein Pro-
jekt der kölner gotbischen Schule, sondern sogar ein solches
im entschiedensten Kokkoko- Stile trotzalledem des ersten
Preises am Schinkelfeste für würdig erachtet ! — Mag man
jedoch immerhin der Ansicht sein, dass jede künstlerische
Richtung, die nicht auf Schinkel zurückgeführt werden kann,
verderblich und verwerflieh ist, so giebt es zur Bekämpfung
der Gegner andere Mittel und andere Gelegenheiten, bei
denen (Uesen die Möglichkeit einer Antwort an derselben
Stelle nicht abgeschnitten ist. Sollte man gerade diese Ge-
legenheit für günstig halten, um einen Vernichtnngsversuch
auf die Gegner zu machen, will man die Schinkelfeste zu
Glanbensgerichten gestalten, bei denen die Anhänger des
Meisters ihr feierliches „Anathema sit!- über jeden schleu-
dern, der nicht so denkt und fühlt wie sie, so dürfte dio
vielgepriesene, bislang einzig dastehende Harmonie der Ber-
liner Architektenwel», so dürften unsere Scbinkelfeste gar
bald am Längsten bestanden haben! —
Ueber den auf die Festrede folgenden Theil der Feier
ist wenig mehr zu Iterichten. Geredet wurde nur noch ein
einziges Mal, und zwar in Form des offiziellen Triukspruches,
den diesmal Herr Baumeister Hubert Stier ausbrachte.
Auch er verwies auf die Festes- Dekoration und den Ver-
gleich, der sich von selbst aufdrängt, wenn wir die Gegen-
[ wart mit jener Zeit, in welcher für Schinkel das Feld des
Schaffens sich eröffnete, in Beziehung setzen. Wahrheit ist
nnnmehr geworden, was den Vätern als stolzes Ideal vor
Augen stand, wofür sie den gleichen Kampf gekämpft und
gerungen, der jetzt hinter uns liegt. Ihre hingebende Auf-
opferung, die Tiefe und das Feuer einer Begeisterung, an
| deren Gewalt wir nicht hinanreichen konnten, ist ihnen
nicht gelohnt worden; uns ist das wofür sie vergebens ge-
blutet, das einige selbstbewusste Vaterland, über Macht als
eine Gabe gekommen, deren ganzen Segen wir erst allmälig
I begreifen lernen. So hatten die Männer jener Zeit, und unter
] ihnen unser Schinkel, mit ihren grossen Gedanken, mit ihren
Hoffnungen und Träumen sich in einer Gegenwart zurechtzu-
I finden, die karg und knapp sich nach jeder Seit« beschränken
> musste und beschränkte. Wehmütig berührt es, wenn wir
1 sehen, wie ein Schinkel den Verhältnissen, die ihn umgaben,
! seine Schöpfungen gewissermaasseu abringt, wie er die offen-
! barsten Schädigungen seiner Werke oft nur mit genauer
Noth verhütet w~ie endlich Vieles des Besten uud Schönsten,
was er erfunden, überhaupt nicht verkörpert wird. Aber es
ist unser Stolz, dass er uuter jenen Verhältnissen nicht er-
i lahmte, dass er nicht abliess auch in die knappste Form
: noch künstlerischen Gehalt zu legen, dass er und andere
mit und nach ihm das heilige Feuer echter Begeisterung in
treuem Herzen bewahrt haben. Es ist unser Stolz und unser
Segen, denn wir empfangen heut das Vermächtniss jener
Zeit, ihren Schatz an grossen und grossartigen Gedanken,
um ihn zu verwenden uuter äusseren Verhältnissen, in denen
schon jetzt Alles hiudrängt zu freiem mächtigem Aufschwuuge,
I zu eiuer Fülle der bedeutendsten Aufgaben, für welche Mittel
bereit stehen, wie sie vordem in unseren Landen selten oder
nie gegeben waren. Dass uns in dieser anbrechenden grossen
Zeit der Ernst und die am Wahren und Idealen festhaltende
Kraft der Väter, dass uns der Geist eines Schinkel nicht
fehlen möge, es war der Schluss, in welchem der Spruch
gipfelte.
Gesang, Iwi dem leider eine neue dem Tage angemessene
Gabe der Musen verraisst wurdp, und fröhliches Gespräch
der Tischgesellschaft füllten im Uebrigen den Abend. Von
den üblichen Begrüssungs- Telegrammen der anderwärts zu
gleicher Feier vereinten Fachgenossen traf leider nur das
von COln gesandte rechtzeitig ein; später kamen deren noch
von Bromberg und Strassburg an. An letzterem Orte hatten
sich 60 Theilnehmer zum Feste versammelt.
-F. -
(FortMUiiDK.)
Der Ofen des Maurermeisters Arnold zu Fürstenwalde Gestalt ziehen kann. Diejenige Zeichnung aber, wie sie in
ist heute nicht mehr in der ursprünglichen Form vorbanden, Dingler's polytechnischem Journal n. a. veröffentlicht ist,
sondern durch Einbau von TGpferöfen derart verändert, dass entspricht wohl den Ansichten der Gegner des Hoftmann-
man mir mit Mühe einige sichere Schlüsse auf die frühere sehen Patentes, ist aber nicht als authentisch anzusehen.
ist es mir nicht möglich gewesen, irgend ein Bruchstück zu finden,
welches unzweifelhaft dem grossen Neubau des VI. Jahrh. an-
gehört haben könne. Da« Material ist ein feinkörniger Marmor,
dem pentelischen an Güte sehr nahe kommend, mir bläulicher
schimmernd und deshalb der warmen Tönung entbohrend. So
weit die Technik erkennbar ist war sie der iu deu perikleischcn
Bauten erscheinenden hochvolleudctcu Technik nicht ganz eben-
bürtig, wenn auch mit gediegener Soigfalt behandelt. Aus den
bisher ermittelten Maasen und gefundeneu Bruchstücken lässt
»ich eine auch nur angenähert sichere Restauration nicht be-
wirken, besonders da der Cclluhau so gründlich zerstört ist;
aber wir dürfen hoffen, dass weitere Funde uns in den Stand
setzen werden, ähnlich wie es heim Maussoleum von llalikarnass
geschehen ist, wenigstens dio llauptfront auch dieses Weltwunders
m der Baukunst dereinst durch Zeichnung zu veranschaulichen.
Der Abschied von dieser denkwürdigen Stätte der Ge-
schichte der Baukunst fällt sehwer, — doch wir müssen weiter.
Zwischen langen Feld - und Gartenmauern steigen wir zum Ka-
stell hinauf. Ueberall begegnet uns die ärmlichste Flickarbeit,
aus trefflichen antiken Bausteinen hergestellt. Auf dem Sattel
steht ein vou älteren Mannorthümien flankirter Thorbogon;
wir begrüssen ihn als einen alten Bekannten aus Choiseul-
Gouffier's Werk. Aber auch er zeigt sich trotz seiner Grösse
und mit Reliefs geschmückten Ausstattung als rohe konglome-
ratartige Zusammensetzung besserer Architekturfragmeutc. in
denen die hadrianische E|M>che vorwiegend vertreten ist. Eine
dahinter belegene griechische Kapelle wird wogen ihrer gesunden
Lage noch gottesdienstlich benutzt, bietet aber kein architek-
tonisches Interesse. Mitten durch das triimmerbedeckte Plateau
ersteigen wir zuletzt den höchsten, von einer Polvgonmauer um-
schlossenen Gipfel uud betreten die Hochburg. Es ist eine auf
älteren Fundamenten ruhende türkische Anlage mit einem schutt-
bedeckten Zentralthurme, Wallgüugcri, Mauerthürmen und ge-
wölbten Kellern, von Feigenbäumen. Dornen, Ginstergesträuchen
durchwachsen, — ein Bild der völligen Zerstörung.
Aber die Aussicht ist herrlich und weitumfassend. Zum
ersten Male erblicken wir einen schmalen Saum des Meeres,
welches iu der allerältesteu Zeit wahrscheinlich den Pcribolus
des Artemisiou bespülte, indem es den sogenannten Pilger-
hafen bildete. Längst haben die schlammartigen Aufhäufungen
des Kayster dasselbe weit hinausgedrängt : wo einst die blaue
Woge sanft sich hob, erstrecken sich die von Hecken durch-
schnittenen und theil weis mit Melonen, Mais und Gurken be-
standenen Felder des über eine Stunde entfernten Dorfes Chir-
kimi. Da wir höher stehen als der Prion, so verfolgen wir
hinter und über demselben die mächtige Bergkette des Koresaus,
der mit einem thurmgekrönten, gewöhnlich als St Paul's Ge-
fängnis* bezeichneten Vorgebirge schroff zur Sumpfebene abfällt
Dicht zu uusern Füssen erhebt sich das grosse, aus Marmor-
quadern hergestellte Gebäude, welches uns schon bei dem ersten
Hinaustreten in die Ebene durch seine r>scheinung überrascht
hat. Wir schulden ihm einen Besuch und steigen auf schmalen
Felspfaden hinab. Es ist ein stolzer rechteckiger Bau, von 53 m
Breite uud W" 1 Tiefe, dur in einen vou drei Seiten mit Ballen
umgebenen Vorhof und ein dahinter belegenes überwölbtes
Ilauntgebäude zerfällt Wo die Hofmauern das Hauptgebäude
berünren, stehen zwei fein gezeichnete aber oben zerstörte Minu-
rets aus Backsteinen. Die mit Flachkuppeln bedeckt gewesenen
Portiken des Vorhofes sind zusammengestürzt, dio prachtvolle
Marmorfontaiue iu der Mitte ist auseiuandergerissen, durch alle
Fugen des Marmorpflasters drängt sich wieder die üppigste Ve-
getation. Da» 5schiftigc aber nur zwei Joche tiefe Hauptgebäude
bietet ein ähnliches ergreifendes Bild der Zerstörung. Nur die
beiden Zwickel kuppeln des Mittelschiffs schweben noch auf ihren
spitzbogigen Tragebögen, die übrigen sind gesunken, doch bähen
die Arkaden, Dank sei es der Festigkeit ihrer 1,18» starken
antiken Granitsäuleu, deu Sturz überdauert Noch steht in der
Hanptaxe, in üblicher Weise in dio Wand eingebettet und mit
edel profilirter Architektur umrahmt, dio nach Mekka woiseudo
Gebotsnische. Unzweifelhaft befinden wir uns iu einem Heilig-
Digitized by Google
-93
Nach dem Wortlaut de» Untersnchnngsprotokolles») be-
steht das Bauwerk au* einer Äusseren, siebenseitigen Ring-
mauer von rnnd fi,:W" ("20 Fuss) Seite und einem Kern, in
dessen Mitte der Schornslein steht. Zwischen der äusseren
Mauer und dem Kern befindet sieh eine Reihe überwölbter
Räume, von denen fünf als Töpferöfen und einer als Schmelz-
ofen benutzt werden Die Üeekenriinme dieser Oefen
liegen unter demjenigen Gewölbe, mittels dessen der ur-
sprüngliche Raum zwischen Umfassnngswand und Kern oben
abgeschlossen ist- Die ursprünglichen, über den Ofendecken
befindlichen Gewölbe sind als Kappen mit beinahe halb-
kreisförmiger Wölblinie zwischen der Umfassungswand und
dem Kern derartig eingespannt, dass die Scheitel parallel
zur äusseren Begrenzung des Gebäudes liegen. Hr. Reg-
und Baurath Wiehe aus Frankfurt a. 0. hat nirgend eine
Spur davon entdecken können, dass der um den Kern
liegende 2.HD™ (9' 2") hohe, f,91» (6' 1") breite Raum
durch feste Zwischenwände in Abtheilungen getheilt gewesen
sei, hat vielmehr die Ueberzeugung gewonnen, dass dieser
Raum ein zusammenhängender Ring gewesen sei.
Derselbe ist durch sieben, in der Mitte der äusseren Seiten
zwischen je 2 Strebepfeilern liegende Thüröffnungen zui
lieh gewesen und rechts neben jeder dieser Thürcn hat si
eine Feuer- oder Schüröffnnng befunden.
In Folge
der statt ge-
habten Umän-
derungen ist
weder eine un-
tere Oi'ffuting,
welche als
Rauchabzng
angeschun
werden könn-
te, noch eine
ursprüngliche
Verbindung mit dem Schornstein
über den Oefen zu konstatiren.
Dagegen haben sich unverkenn-
bare Spuren von Falzen und da-
mit korrespondirend Schlitze von
39— (IV»") Weite im oberen Ge-
wölbe vorgefunden, welche nach
Behauptung des Hrn. Arnold
zur Aufnahme eiserner Schieber
her gedicut haben
■
'TT 1 '
CE
i itt »Wr« Werkstatt.
Hr. Arnold behauptet ferner,
im Seheitel eines jeden Gewölbefeldes (von ca. 3,61°»
lVt'] Länge und 1,88» f6'] Breite drei Oeffnungen vor-
, welche zur Anfnahme von Feuenings-
It Juni 1879.
material von oben her gedient
haben sollen. Hr. Reg. - Rath
Wiehe hat zwei solcher Oeffnun-
gen gefunden und wie folgt skiz-
zirt; daliei spricht er die Ansicht
aus, dass diese Oeffnungen schon
von Hause aus die lichte Weite
von 78 nnd 105"™ (3 und 4"i gehabt haben.
Ausser diesem durch den technischen Koramissar der
Regierung zu Frankfurt a.O. festgestellten örtlichen Befund
enthält das Protokoll noch eine Reihe von Zeugenaussagen,
aus denen zahlreiche Widersprüche später nachgewiesen
werden sollen; zunächst ist c* von Wichtigkeit, das Wenige,
was über den Betrieb des Ofens ge«agt und sicher zu
schliessen ist, zusammenzufassen.
Danach ist unzweifelhaft, dass die Hanp tfeuerung von
unten durch die erwähnten Schüröffnungen bewirkt worden
ist und dass dieselbe nicht hat entbehrt werden können.
Eine Feuerung von oben durch 3 kleine Löcher — sollten
dieselben auch 260 uud 130""» (10 und 5") gross gewesen
sein — konnte unmöglich ausreichen, um eine mit Steinen
besetzte Kammer von 2,S3» Höhe, 1, SS™ Breite, 3,«1 ■» Länge
(rosp. 9', « und 1 1 '/•') in Gluth zu bringen und noch daliei
gleichzeitig die folgenden Kammern vorzuwärmen und aus-
zuschmauchen. Mag man die Sache betrachten wie. man
•) o. «.
will, mag man Hrn. Arnold vollen Glauben schenken, dass
er „einen ununterbrochenen Betrieb durch die
Kammern mit veränderlichem Abschluss dnreh
den transportablen Schieber gehabt habe, so kann
mau die behauptete Heizung von oben, zumal die Rauch-
abzüge am Heerde gelegen haben sollen, doch immer nur
ab einen Nothbehelf, um die nöthige Hitze nach oben
zu ziehen, betrachten, ganz genau ebenso, wie der Ziegler
beim Abbrennen eines Kasseler Flammofens die oberen, vom
Rost entfernt liegenden Rauch- und Schmanchabzüge gelegent-
lich dazu benutzt, einige Stücke Holz einzuführen und die
Hitze in diesem Theil des Ofens zu steigern.
Damit erhält man aber noch keiuen Ringofenbetrieb,
selbst wenn man dabei den ununterbrochenen ringförmigen
Ofunkanal und den transportablen, das ganze Ofenprofil
schlieaaenden Schieber hinzunimmt Wenn ich vorhin die
Riugöfen charnkterisirte, als 1) durchaus mit heisser Luft
gespeist, 2) ausschliesslich von oben her mit Brenn-
material versehen, welches zwischen die zu brennenden
Objekte resp. in ausgesparte Schachte geworfen wird, und
3) diu vor dem Feuer hegenden Kammern vorwärmend
und ausschmanchend, wenn ich 4) als Hauptursache des
enormen Erfolges das kontinuirlich fortschreitende,
sieh gleichsam immer wieder selbst entzündende Feuer im
Ringofen bezeichnete, so raus» ich jetzt behaupten, dass von
diesen Momenten höchstens ein eiuziges, das Vorwärmen
und Ausschinauchen der vorwärtsliegenden Kammern, am
Arnold'schen Ofenbetriebe nachzuweisen oder anzunehmen ist.
tun des l.slam, niclches mau niemals als eine byzantiuischn
Kirche hätte ansprechen sollen. Der ganze Bau ist aus einem
Gusse und gehört zu den keuschen Schöpfungen des ersten Auf-
schwunges der osnianischeu Baukunst. Mit Recht haftet der
Name des Erbauers, Selim I., auf dem mit musterhafter Klarheit
kouzipirten uud mit maassvoller Pracht durchgeführten Bau-
werke, das in die ersten Jahnehute des XVI. Jahrhunderts mit
Sicherheit zu stellen ist Das Innere muss einst einen herr-
licheu Anblick dargeboten haben, wenn man sich die Wirkung
der mit glasirteu Ziegeln in feinster Färbung bekleideten Kup-
peln zu den stolzen polirtcn Granitsäulen und den geschliffenen
weissen Marmorwänden denkt und dabei die maaaavollu Grösse
und die trefflichen llauptvcrhältnisse erwägt Auch das Aeus-
■ero weckt mit seinen hochragenden reichen Portalen, Fenster-
reihen und Waschplätzen den Eindruck ähnlicher Befriedigung,
wiewohl das kundige Auge bald mit stillem Schmerze aus aller-
lei geretteten Fragmenten die Thatsache erkennt, dass die ganze
Moschee aus den Marmorquadern des Artemisions erbaut worden
ist und daher erat vor drei Jahrhunderten jener Trümmeratitte
— so zu sagen — den letzten Ouadenstosa versetzt hat
Eine unweit belegene, aber durch Zerstörung völlig unkennt-
lich gewordene Kirchenruine gilt für die grosse St. Johannes-
Kirche, welche Justinian in höhcrem Alter neuerbaut hat. Da keine
Entscheidung zu gewinnen ist, so kehren wir zu den Pferden
zurück und galoppiren quer über die Ebene bis zum Ostfusso des
Prion. Grosse Steinbrüche, in üppige Vegetation gehüllt und
deshalb kühl und schattig, nehmen uns auf; mau glaubt in
Syrakus zu sein. Vorn sind an den geglätteten Felswänden
oblonge und halbrunde Nischongräbcr oingemeisselt; sie bezeugen
eine altgriechische Nekropoüs. Die hier als Grotte der Sieben-
schläfer gezeigte Höhle ist ein einschiffiger, mit einem Ziegel-
tonnengewfilbe überwölbter Kaum, nach W. orientirt und mit
halbrunden Blendnischen an den Langscitcu besetzt Dio Ein-
fachheit und Strenge der ganzen Anlüge, sowie die klassische
Eintbcilung der geputzten und stuckirten Decke lassen einen
■ehr frühen Bau, der dem IV. Jahrhundert angehören kann, er-
kennen, /wischet, kolossalen, malerisch durchwachsenen Stein-
brüchen steigen wir auf felsigen Rcitpfaden zum Sattel des Prion
empor. Eine gewaltige pseudisodome Quadermauer, 15—20
Schichten aus dem Boden ragend und 3,25 m stark, begegnet uns;
sie umzog einst beide Kuppen in thurrabesetzter Linie und war im
Sattel mit eiuem thurmflankirten Thorc geschützt Auf dieser
von der Natur selbst formirten direkten Strasse muss der Haupt-
verkehr von der am Wcstfusso des Prion belegen gewesenen
Neustadt nach dem Artemision hinübergegangen sein. Mit Aus-
nahme einer spätrömischen Ruine in der Nähe einer Höhle,
welche warme Dämpfe aushaucht, giebt es keine erkennbaren
Baureste mehr auf dem Prion.
Wir steigen deshalb wieder östlich hinab und setzen von
der Siebenschläfergrotte aus nnsern Marsch in nordwestlicher
Richtung am Fusse des gewaltigen Marmorberges fort, indem
wir einer thcils in den Felsen gehaueueu, tbcila durch Sub-
struktionen gestützten Strasse folgen. Es ist das Musterbild einer
antiken, mit Ruheplätzen versehenen Stadtpromenade. An einer
Stelle zeigt die künstlich geglättete senkrechte Felswand einige
40 oblonge Nischen, in denen einst Weihegeschenke standen;
an einer andern treffen wir auf ein grosses Felsengrab, welches
ein mächtiger sattcldachförmiger Deckstein schliesst Weiterhin
stoesen wir auf bemerkenswerthe Reste einer sehr viel älteren
Ringmauer, als die obengefundene, die der lysimachischen Epoche
angehört, sein kann. Noch tiefer hinabsteigend betreten wir
eine breite, antike Fahrstrasse, welche mit Säulenhallen ciuge-
fasst war und zwischen den links belegenen, mit grossen, aber
schwarz gewordenen Marmor-Quadern bekleideten "
des Stadions und den Terrassenuutcrbauten cinea
hindurchführte.
Digitized by Google
Denn ad 1) haben die in der Aussenwand liegenden
Rostfcuerungeu nur kalte Luft zur Verbrennung gehabt and
selbst die olteren Oeffnungon, welche zum Heizen gedient
haben sollen, blieben nach direkter Aussage der Zeugen
offen, um der Luft den Eintritt zn gestatten; ad 2) hat nur
sehr wenig Brennmaterial durch die oberen Oeffnungcn im
Gewölbe eingebracht werden können und von Heizsehächten
oder dergleichen ist nirgend die Rede; und ad 4) hat das
Feuer — was bei der Untersuchung leider nicht zur Sprache
gekommen ist — offenbar von Kammer zu Kammer, von
Rostfeuerung zu Rostfeuerung neu entzündet werden
müssen.
Herr Arnold hat den Ringofenbetrieb bis heute noch
nicht verstanden, von denjenigen Zeugen, welche Kenntniss
des Arnohrschcn Betriebes hallen, war ein solches Verständ-
niss nicht zu erwarten und die Patentkommission — ■?
l>i<t Patent-Kommission hat. geleitet von dem Berichte
des Hrn. Professor lt. Weber, nur nach äußerlichen Dingen
geurtheilt, sie hat Ol'cukanal, Schieber und Feuerung von
ölten in beiden Ol'eukonslruktioucn zu finden geglaubt und
daraus die Identität derselben gefolgert, ohne auf die Ver-
schiedenheit der Kombination der llülfsniittel. die Art des
Betriebes und auf ilie grossen Erfolge im einen Falle, auf
die Unmöglichkeit eines nutzbringenden Erfolges überhaupt
im anderen Falle zu achten.
Entgegen der leichtfertigen Behauptung Arnold*!, wo-
nach der Baumeister Büssehcr eine Zeichnung des in Bede
stehenden Ofens erhalten und an Hoffmann luitgcthcilt haben
sollte, hat lloffmanu so k'ar, als sich ein negativer Beweis
überhaupt führen lässt, nachgewiesen, dass er von dem
Vorhandensein des Arnold'schen Ofens und dessen
Konstruktion nichts gewusM hat, und dennoch berück-
sichtigt die Patentkommission die Widersprüche nicht, welche
Arnold s weitere Angaben an sich und im Vergleich zu den
übrigen Zeugenaussagen bieten.
Wäre alier auch der Arnold'sche Ofen . so wie er sich
aus deu Angaben Arnold s und seiner Freunde darstellt, dem
Erfinder Hoffmaun bis in alle Detail* hinein bekannt ge-
wesen, so würde er mit den Veränderungen, die nöthig sind,
um aus dem Arnold'schen Ofen einen wahrhaften Ringofen zu
machen, sich ein noch grösseres Verdienst um die Industrie
erworben haben, als man ihm zugestanden hat, da er seinen
Ringofen nach dem Bekanntwerden des Maille'schen Ofens
erfand. Denn es steht der AmoldVhe < Ifen weit hinter
dem Maille'schen zurück; der Ofen zu Villeneuve le Roi
hatte durch feste Wände geschiedene Kammern, also keinen
ununterbrochenen Ofeiikaual und keinen transportablen
Schieber, aber er hatte Feuerung von oben in besonderen
festen Fcucrräutnen, denen vorgewärmte Luft zugeführt
wurde, und ausserdem alle diejenigen Vorzüge, welche dein
Arnold'seheii Ofen beigewohnt kaben könnten. Wenn aber
der .Maille'sehe Ofen den Arnold'schen übertrifft, so hat die
internationale Jurj zu Paris, ohne es zu wollen, auch über
den Werth des Arnold'schen Ofen« ihr Urtheil gesprochen;
denn sie hat den Hoffmann'scben Ringofen mit der Patent-
beschreibung Maille s in Vergleich gezogen und darauf hin
den Erfinder lloffinanu und seinem Ringofen den grami
Prix zuerkannt, trotzdem dass später nach dem Maille'schen
< Ifen noch zwei Verbesserer desselben. Jolibois und Barbier,
in Frankreich aufgetreten waren und Patente erhalten hatten.
Die St. Johannes- Kirche in Altona.
I>ie Stadt Altona bildete bei ca. 7n,(KK> Einwohnern bis
zum Jahre ISÖli eine einzige Kircliengemeinde. Dieser ab-
norme Zustand, schon lange als grosser IcMstand empfun-
den, wurde durch Abtrennung und Konstituimu« der soge-
nannten Nordergeineiude, welche nach der Zählung von l.M',7
etwa lü.OOl) Seelen nmfasst. gehoben.
Nachdem von der neugebildeten Gemeinde der Beschloss
zur Erbauung einer neuen Kirche gefasst war und eine engere
Konkurrenz kein günstiges Resultat ergehen hatte, wurde
unter dem 30. September I*o7 eine allgemeine Konkurrenz er-
öffnet. Die in derselben fungireuden Preisrichter, die Herren
Ober-Hofbaamtfa Strack. Professor Adler aus Berlin und
Baurath Hase aus Hannover entschieden sich unter .l.t ein-
gegangenen Arbeiten für die Projekte des Stadt-Baumeisters
Martens in Kiel und des Unterzeichneten als die relativ
besten nnd wurde Seitens der Bau- Kommission das letztere
nach Vornahme einiger Reduktion definitiv für die Ausfüh-
rung bestimmt.
In der No. !> der Deutsehen Bauleitung ist bereits eine
äussere Perspektive des piämiirteu Planes veröffentlicht, dein i
in heutiger Kummer Grnndriss und IJjierprofil folgen.
Der lebende Grundgedanke bei Aufstellung dt« Pro-
jektes war: unter Beibehaltung der Langschiff- Kirchenform
eine möglichste Konzentration der Gemeinde um Altar und
Kanzel herbeizuführen und all.' Gesicht und Gehör störenden
Pfeilerstellungeu zu vermeiden. .
In Folge dessen ist die Kirche groiwrilamig und ein-
schiffig mit kurzen Kreuzesanneu gebildet und dienen die
angelegten Seitenschiffe zwischen den durchbrochenen Strclte-
pfeih rn des Hauptschiffes lediglich der Kommunikation.
An den Seiten des grossen steinernen ThurmeS befinden
«ich südlich das Treppenhaus, zum Thurm und zur Orgel-
empore fahrend, nördlich der Eingang zu den Ib izkelleru.
Den Giebeln des Quersebiffes legen sich Vorhallen an.
die als Windfänge dienend, zugleich den Verkehr mit den
die Ecken flankirendeu und zu den Emporen des t^uer-
schiffes führenden Treppenthürnu hen vermitteln.
Au den Achteckseiten des Chores sehliessen sieh orga-
nisch .'{ gcKihlossene und I nach der Kirche zu offene Ka-
pollen an, ersten- prograrnmmässig als Betstühle und Sakristei
bestimmt, lehrten zur Aufnahme bevorzugter Sitze.
Die .1 Emporen des Qnersehiffes und der Orgel sind
steinern und gewölbt und möglichst organisch aus den Pfeiler-
formen entwickelt.
Das Baumaterial ist Backstein, mit alleiniger Ausnahme
der kurzen Sandstein -Pfeiler im Innern, sowie der Stufen i
nnd Schwellen.
Mit Ausschluss der geschlossenen Kapellen und der Tri-
f< rien des Schiffs, in welchen die Wandttcbcn geputzt sind,
ist sowohl aussen wie innen letliglich ein Backsteinrohbau
zur Anwendung gekommen.
Während im .\ens«.ron ein voilrothcr Stein mit reicher
Vei Wendung von Glasuren benutzt wurde, ist im Innern eine
Ausfühning aus gelben, grauen, rothen und Glasursteinen
gewählt.
Alle Bäume sind massiv mit Kreuzgewölben ölterspannt ;
während die Seitenschiff- und Ka|tellengowölhc sich zwischen
die durchbrochenen Strebepfeiler des Hauptschiffs spannen,
überträgt sich der Schuh der Gewölbe de-.«elUn durch An-
wendung parabolischer Stützbögen lediglieh auf die Strebe-
pfeiler des Seitenschiffs, welche so angeordnet sind, dass die
Mittellinie aus Dun k und Schob durch sie umhüllt wird.
Der Schub der Einporengewölbe endlich wird durch die ge-
knickte Stützform der Grundrisslinie der abgrenzenden
Gurte aufgeholten.
Die Behandlung des Backsteinbanes in konstruktiver
Rücksicht anlangend, so sind die zu öfteren schon besproche-
nen Prinzipien der hannoverschen Schule zur Anwendung ge-
kommen, also wie bekannt, durchweg gleichartige Grösse des
Materials und horizontale l.agertugen.
Alle Spitzen und Thiirmclien, gleichfalls aus Backsteinen
und zwar Glasursteinen Unstruirt. erhalten ihre Sicherung
durch eingemauerte Stangen, deren am oberen Theile be-
findliche Schranbenmnttcr den Schlnsstein fest anzieht.
Da wo Erschütterungen zu befürchten, also an der
grossen aus Klinkern und Glasurstcinen koiistiuirten Helm-
spitze, isl <ler Sehlusstein aus Granit hergestellt, durch
welchen, wie durch das darunter befindliche .Mauerwerk eine
freiseh wehende im Innern stark belastete und oberhalb
durch eine Mutler befestigte Eisellstange hängt, die wiederum
oben das Tbnrmkretu trägt, so dass alle Bewegungen den
letzteren durch das au die Stange gehängte ( iewicht para-
Usirt werden, ohne die Steifikonstruktion zu berühren.
Säiiimtliche Aussenwände <|er Kirche haben zur Abhal-
tung der b uchten Luft Isolirschichten. Die inneren Maucr-
theile, nur 'i Stein stark, sind durch getheerte Binder mit
der äusseren Hauptmauer in Verband gebracht.
In der Fortuenbehandlnng ist im Anschlus« an die vor-
erwähnten Backstiinkonstntktionspriuzipien mit >o giosser
Strenge wie möglich Alles vermieden, was der Natur des
Materials widerstrebt.
Die (ilasurstoine sind im Aensseren sehr reichlich zur
Auwendung gekommen; alle Wasserschläge, Abdeckungen,
sowie sämmtliche Ecken und die Fenslerpfosteu sind daraus
gebildet.
Ausser dieser vorzugsweise konstruktiven Anwendung
ist jedoch die (ilasiir in Fenster- und I Wlaleinnhmnngen,
Musterungen der Steindächer, Friesen etc. Wich dekorativ
benutzt, so dass. da Glasuren in allen Nüunveii zur Anwen-
dung gekommen sind, ein farbenreiche« (icsamiutbild ent-
staudeii i-t.
l»er allgemeine Vorwurf, den man der hannoverschen
Digitized by Google
- 95 —
|5t. Johannes-Kirche im ^Order-Kirchspiel zu ^Altona.
m — i — i — r
I l> Ii»
Quoräurebichailt dBTch dit 7i«rua£.
13 M.trr.
Rrt. u. »n^of. TOB J. III»!.
10 0
UM
so
.JL
i — | — i — i — i — i — n — i — i — i — |
u 4 Ii) 14
(jra ■4'riti.
J I I L
T"
M
JU Meter.
Digitized by Google
Digitized by Googl
— 97 —
Schule in der Verwendung der Backsteine oft gemacht hat,
— der, dass sie ihr Prinzip zu Tode reit« — ist auch hier
anzubringen, indem ausser den Maasswerken der Fenster auch
selbst die Zifferblätter der Uhr, letztere aus weissen und
schwarzen Steinen mit sogenannter Emailleglasur, ge-
mauert sind.
Bei Erwähnung dieser Töpferbezeichnung will ich in
versuchter weiterer Beleuchtung der Glasurfrage im Allge-
meinen, nnd im Besonderen der durch Herrn Professor
Adler gütigst gewährten Auskunft, dass die Griinde der
Nichtanwendung der Glasur in Berlin in den kalten Lich-
tern zu suchen seien, welche sie reflektirt, meine Erfahrun-
gen dahin mittheilen, dass diese Erscheinung allerdings auf-
tritt da, wo wie in Berlin durchweg die sogenannte Emaille-
oder Deckfarbenglasur zur Anwendung gebracht ist. niemals
aber dann, wenn die Glasur nur Lasurfarben enthält, welche
den Ton des Materials wohl umfärben, aber stets warm er-
halten. Die Anwendung der letzteren führt allerdings den
Uebelstand mit sich, dass je nach der Beleuchtung und dem
Standpunkte des Beschauers die Nuance wechselt, während
die Deckfarbenglasur von jedem Standpunkte aus dieselbe
Farbe zeigt. Scheint es hiernach richtig bei dekorativer
Anwendung der Glasur nu r Deckfarben anzuwenden, so giebt
es doch ein einfaches Mittel, in dieser Verwendung Würmle
des Tones mit Gleichartigkeit in der Farbenwirkung
zu verbinden, und dies ist die Musterung des Steines.
Prägt man nämlich den zur Erscheinung kommenden
Steinseiten ein möglichst energisches plastisches Muster auf,
so reflektirt nach jedem Standpunkt des Beschauers eine
gewisse Zahl der Flächen gleichartig und das Auge findet
alsdann fast immer dieselbe Farbe wieder.
Absolut nothwendig werden die Deekfarbenglasiiren da,
wo man auf weitere Entfernungen wirken will, oder da, wo
man in ganzen Glasurflüchen Musterungen mauert, Demge-
mäss sind in der vorstehend beschriebenen Bauausführung
die Friese an Thurm und Hauptschiff, die Musterungen der
gemauerten Dächer und Helme etc. aus solchem Matcriale
gebildet, während die Grundflächen mit Lasurfarben gla-
surt sind.
I>er bei einer früheren Gelegenheit vom Unterzeichneten
aufgestellte Grundsatz, dass der Backsteinbau vor allen
Dingen eine klare Aufhebung aller Kräfte verlange, ist be-
sonders bei der Behandlung der Fenstermaasswerke leitend
gewesen; es sind alle Künsteleien vermieden, alle Formen
sind geschlossen und die Bogenzwickel gefüllt. Während
diese Ausbildung im Aeusseren einen würdigen nnd mit der
ganzen einfachen Formenbildnng zusammen gehenden Ein-
druck macht, ist die Wirkung im Innern dagegen unverständ-
lich und verfehlt, und der Verfasser gesteht gerne ein, dass
die mitteralterlichen echten Backsteinmaasswerke trotz der
bei denselben vorkommenden Künsteleien und konstruktiven
Fehler, denen ja denn auch die meisten zum Opfer gefallen
sind, in aesthetischer Beziehung bei weitem den Vorzug ver-
dienen. Es ist ihm damit ein neuer Beweis geliefert, dass
nur dann bei den alten Backstein-Denkmälern anscheinend
eine konstruktive Willkür vorliegt, wenn den gewichtigsten
aestehtischeu Gründen nachgegeben ist.
Das Innere der Kirche ist in rothen, gelben, gTanen
Formsteinen, so wie dekorativer Anwendung von Glasuren
reich polvchmmisch gestaltet. Die bei den wenigen Natur-
farben des Backsteins unvermeidlichen Härten werden durch
eine vermittelnde malerische Dekoration und Vergoldung
vermindert, welche indessen stets den Grundton des Mate-
rials offen lässt, und das Uebrige an fehlender Stimmung
endlich wird von den Glasmalereien erwartet, welche in be-
scheidener Weise von vorno herein durchgeführt werden.
Altar, Kanzel und < »rgelgehüusc werden in Eichenholz,
das übrige Inventar in Kiehnholz ausgerührt.
Die Kirche erhält keinen Mittelgang, dagegen breite.
Seitengänge; Kanzel und Altar sind von jedem Sitzplatze
aus sichtbar.
Zur Vermeidung der bei der Luftheizung so oft be-
klagten starken, zugwindartigen Luftströmungen ist eine
Warmwasserheizung gewählt, welche ihre Feuerstelle in dem
Gewölbe unter der Thurmhalb- hat und gleichmassig durch
i die ganze Kirche ihr Rohrnetz ausdehnt. Nach Absicht
des Fabrikanten soll damit keineswegs eine völlige
■ Durcbheizung des ganzen Raumes, als vielmehr nur
eine Heizung der unteren 3 bis 3,50 Meter hohen Luft-
schicht erzielt werden. Die im Laufe dieses Winters ange-
I stellten Versuche sind sehr befriedigend ausgefallen.
Der Bau, im September 1868 begonnen uud während
j des Jahres 18t>D, veranlasst dnreh grosse Schwierigkeiten
in Beschaffung eines guten Materiales sehr gering gefördert,
i ist nunmehr bis auf die Helmspitze und innere Deko-
I ration vollendet; die Bauzeit wird also pprt. 4 Jahre be-
I tragen.
Die Gcsammtkosten incl. der ganzen Ausstattung, des
Geläutes, der Orgel, der Heiz- nnd Gasanlage, der Dekora-
i tion, so wie der Planirungs-Arbeiten in der Umgebung, end-
lich der Bauleitung, des Konkurrenz- Verfahrens und sämmt-
licher Nebenkosten, betragen rund 120,000 Thaler. —
Die Glasursteino kosteten im Durchschnitt 35 bis 40
Thaler pro Mille, die Formsteine 24 Thlr.
Der grössto Theil der Bauarlwiten ist in Generalentre-
| prise von den Herren Liedtke & Sohn in Altona ausge-
führt; mit der speziellen Leitung des grössten Theiles
der Ausführung ist Herr Architekt Sixt betraut gewesen.
Lichterfelde, den 15. März 1872.
J. Otzcn.
eussisoner Ingenieur- und Architekten-Verein zu
Tg i. Pr. Ausserordentliche Versammlung am 7. März
1872,~Abenda 7 Uhr. Vorsitzender Hr. Horzbruch; anweseud
23 Mitglieder.
Nach Bericht des Vorsitzenden über die Eingänge wurde
die per Zirkular den Mitgliedern mitgetheilte Statuten-Abände-
rung in den §§. 4 und 5 genehmigt und dann durch Hallotage
aufgenommen als neue Vcrcinsniitgliedcr: Bauinspektor Dallmcr
in Gumbinucn, Fabrikant Sandmann hier, Baumeister Schot-
tauer hier. Eiscub. - Betriebs - lnsp. Wendroth hier, Eisenb-
Baumeister Bach mann hier, Techn. Direktor der Annahütte
Sänger hier, Baumeister Dan in Neukirch, Kreischaussee-
Bauführer Ruhnau in Pr. Evlau. Die dann vorgelegte uud
revidirto Johrcsrechnuug wurde genehmigt und Dechurge cr-
t heilt. Wegen Erkrankung des Bauniths Steenke fiel der
Vortrag über den Oberländischen Kanal aus, und die im Frage-
kasten gefundene Frage: Wie wird ein Damm durch die Pregel-
wiesen vun 23" Breite incl. Gräben am zuvorlässigsten herge-
stellt? erschien, nachdem alle möglichen Methoden angeführt
waren, zur Beantwortung nicht geeignet, weil die Frage zu allge-
mein, ohne Angabe über die Moortiefen, zulässige Entwässerung
etc. gestellt war.
Hr. Lademann (Königsberg) hatte 2 Proben von Kunststeinen
aus Kopenhagen zur Ansicht ausgestellt und wurde beschlossen,
über die Festigkeit des Materials Versuche anzustellen.
Schluss der Versammlung Uhr und einfaches gemein-
schaftliches Abendessen.
Architekten-Verein zu Berlin. Versammlung am IC. März
1872. Vorsitzender Hr. Quassowski, anwesend 134 Mitglieder
und 3 Gäste.
Der Hr. Vorsitzende macht nach kurzer Erwähnung der ein-
gegangenen Schriftstücke dem Verein die traurige Mittbeiluug,
dass eines seiner hiesigen Mitglieder, in weiten Kreisen bekannt
und beliebt, der Baumeister Fritz Hollin in der vorhergehen-
den Nacht nach längeren Leiden verschieden ist Der Kom-
mission für das Schinkelfest wird für ihre trefflichen Veran-
staltungen der Dank des Vereins ausgesprochen.
Den Haupt-Vortrag des Abends hielt Hr. Häscekc, der
vor Erörterung seines eigentlichen Themas über die Heizung
von Schulgebäuden Gelegenheit nimmt, noch einmal auf die vor
einigen Wochen diskutirtc Frage der günstigsten Stellung von
Schulgebäuden zur Himmelsrichtung zurückzukommen, um die
seinerzeit hervorgetretenen Differenzen zwischen der von ihm
und der von Hrn. Blankenstein entwickelten Ansicht auszu-
gleichen. Er betont, dass er die Lage auf der Nordseite für
Schulzimmer um deshalb als die beste empfuhlou habo, weil
das in erster Linie maassgebende pädagogische Interesse es
wünschenswertb mache, alle für deu Unterricht störenden äusseren
Einwirkungen nach Möglichkeit abhalten zu können. Der gün-
stige Einfluss der Sonne auf die sanitäre Beschaffenheit eines
/immers verdiene allerdings auch Berücksichtigung uud sei des-
halb wohl eine solche Lage erwünscht , in welcher die Schul-
zimmer entweder nur in deu Morgenstunden oder des Abeuds
nach Beendigung des Unterrichts dem direkten Sonnenlichte zu-
gänglich werden. Da man selten eine völlig freie Wahl in dieser
Hinsicht haben werde, so werde hauptsächlich die eine negative
Regel festzuhalten sein, dass man Schulzimmer auf keinen Fall
nach der Südwestscite legen solle.
In Betreff der Heizung von Schulgcbäuden ist die prinzipielle
Grundfrage, ob eine Zentralheizung gewählt werden soll oder
nicht, in unbedingt bejahendem Sinne wohl nur für solch»
Städte zu entscheiden, wo sich technische Kräfte zur sofortigen
Ausführung etwaiger Reparaturen vorfinden. Wo dies nicht der
Fall ist, empfehlen sich verbesserte Ocfen, unter denen nament-
lich die von Duvigucau in Magdeburg sich sehr bewährt haben.
Die Wahl des Heizsystems ist nicht a priori zu entscheiden,
sondern hängt von der Beschaffenheit und Disposition der Räume
ab. Man wird Räume, die ganz verschiedenen Zwecken dienen,
nicht zu einem Heizsystem kumbiniren, sondern für die kleine-
ren, permanent benutzten Lokale eine Heizung mit möglichst
grossem Reservationsvermögen wählen, die grossen, selten zu
Digitized by Gc
98 -
beheizenden Räum« dagegen ausscheiden nnd mit besonderen
Apparaten, eisernen Oefen, Gasfeuerung oder Luftheizung, allen-
falls auch mit Hcisswusserboizung verschon, obwohl die letztere
wegen der leichten Möglichkeit des Einfrierens nicht räthlich
erscheint.
Als die für Schulhäuser vorzugsweise geeigneten Systeme
der Zentralheizung kennen zunächst nur die Warmwusscr- und
die Luftheizung in Betracht kommen, und unternahm es der Vor-
tragende auf Grund der in den Berliner Komiuunal-Schuleu ge-
sammelten Erfahrungen einen objektiven Vergleich zwischen
beiden Systemen zu ziehen.
Mit Warmwasserheizung, die eine Zeit lang mit beson-
derer Vorliebe und Ausschliesslichkeit angewendet wurde, sind
in Berlin 2.5 Lehranstalten versehen. Es sind iu ihnen beide
Systeme, sowohl das der Vertheiluug vou einem oberen Haupt-
rohr wie das der direkten Vertheiluiig vom Kessel aus vertreten
und haben sich im Alicemeinen beide gleich gut bewährt. Mit
der Heizung ist überall die Ventilation in der Weis« in Verbin-
dung gesetzt, dass die von Aussen direkt oder durch ciu be-
sonderes Kanal -Svstera entnommene frische Luft zwischen die
Köhren der Heizkörper eingeführt und dort erwärmt wird.
Uegulirscheihen gestatten den Luftzutritt beliebig zu gestalten,
eventuell auch ganz abzusperren , wobei alsdann lediglich die
Zimmerluft in Zirkulation gesetzt wird.
Die Vortheile der Warmwasserheizung sind bekannt und
auch hier bestätigt worden. Es sind die grosse Wärmekapazität,
die Möglichkeit einer leichten und weiten Führung der Leitung,
sowie der leichten Anlage in alten wie in neuen Gebäuden,
endlich die Erzeugung strahlender Warme, auf welche von ärzt-
licher Seite besonders Werth gelegt wird. Dem gegenüber steht
als der grosste Nachtheil', dass die Ventilation in der angedeu-
teten Weise sich nicht bewährt hat, indem das Zuströmen der
kalten Luft so heftig erfolgt, dass dieselbe sich an den Röhren
nicht genügend erwärmen Kann, daher noch kalt in die Zimmer
tritt und Zug erzeugt; vielfach ist die Ventilation deshalb ein-
fach ausser Wirksamkeit gesetzt worden. Ein Vorzug in Betreff
des Feuchtigkeitsgehaltes der Luft findet nicht statt, sondern
ist dieselbe bei Warmwasserheizung mindestens ebenso trocken,
wie bei Luftheizung. Der Betrieb hat gewisse Ueltclstände. Eine
Regulimng der Heizung für die verschiedenen Räume ist sehr
schwierig, da die Hähne unter dem starken Drucke des Wassers
sich nur schiecht bewegen lassen und meist bald ganz versagen.
Ein Einfrieren ausgeschalteter Oefen niuss verhindert werden,
indem dieselben einzeln abgelassen werden; lästig ist auch daB
fnrtwährende Nachfüllen von Wasser in die Rohrleitung. Bei
der immerhin komplizirten Anlage, namentlich in Betreff der
Löthstellen der Oefen, sind verschiedene Wechselfälle und Repa-
raturen, besonders bei älteren Heizungen zu erwarten, die unter
Umständen sehr störend sein können; auch die Ablagerung von
Schlamm in der Leitung ist zu fürchten. Endlich kommt in
Betracht, dass die Heizkörper in den Zimmern immerhin noch
einen ziemlich bedeutenden Raum beanspruchen.
Dass die Aulagekosten einer Warmwasserheizung relativ die
höchsten iind, ist bekannt, hingegen sind die Behauptungen in
Betreff ihres angeblich so bedeutenden Brennmaterial-Verbrauches
nicht bestätigt worden.
Luftheizung ist bisher in 8 Berliner Schulgebäuden an-
gelegt worden und in 4 derselben bereits mit grossem Erfolg
einen Winter hindurch in Benutzung gewesen. Der Vorschlag
eines Versuches mit diesem Heizsysteme wurde zuerst vom Vor-
tragenden im Jahre 1868 gemacht, nachdem die Klagen über
die Mängel der älteren Heizungen die Kommunalbehörden zur
Einleitung sehr spezieller Untersuchungen über die Leistung
der verschiedenen Systeme veranlasst hatten, die in den Jahren
18ti9 u. 70 durch den Ingenieur He nueberg auch zur Ausführung
gekommen sind. Namentlich gewährten die Reobachtuugcn bei
dem in Ausführung tiegriffencn neuen Krankcuhause, wo zwei
ganz gleiche Pavillons "der eine mit Mitteldruckheizung, der
andere mit Luftheizung versehen worden sind, und nie für
beide Heizarten ein sehr günstiges Resultat ergeben haben,
ein grosses Interesse.
Vortheile der Luftheizung sind die mit ihr verbundene un-
mittelbare Erzieluug einer sehr vollkommenen Ventilation, die
Killigkeit der Anlage und der Heizkosten, die leichte Bedienung
und Regulirung. die geringe Reperaturbedürftigkcit, endlich der
Fortfall jedes Heizapparates in den Zimmern. Als Xachtheile
kouiincu ihr geringeres Reservation 9 vermögen, die Schwierigkeit
einer Fortführung der Luft kanäle auf längere horizontale Strecken,
endlich die Unzuträglichkeiten iu Betreff der Erwärmung über
einander lieg-nder Räume in Betracht.
Der Hr. Vortragende legt hierauf im Ansrhluss an diese
allgemeinen Erörterungen das Projekt für die Lufthcizungsein-
riclitung iu einer der vou ihm erbauten Gcnioindcschuleu vor
und beschreibt dasselbe im Einzelnen, auch giebt er eine Zu-
sammenstellung über die Resultate der im letzten Winter ver-
unstalteten sehr vollständigen Beobachtungen über die Leistung
der im Betriebe befindlichen Luftheizungen, sowie über die
Anlagckosten derselben. Wir verzichten auf einen Bericht darüber,
weil uns von ihm eine spezielle, von Zeichnungen begleitete
Mitthciluug für unser Blatt zugesagt worden ist. Zum Schiusa
legte derselbe ein von Neumann in Paris bezogenes Anemometer
vor. das bei den von Hrn. Henneberg verunstalteten Unter-
suchungen benutzt worden ist, und erläutert Konstruktion und
Gebrauch des Instrumentes.
Hr. Böckmann macht Mittheilung davon, dass das Inge-
nieur-Korps der Preussischen Armee sich gleichfalls an den
Verein um Vermittelung des Entwurfs zu einem Denkmale für
die im letzten Kriege Gefallenen des Korps gewandt habe. Es
wird beschlossen, dem Wunsche ebenso, wie in allen bisherigen
Fällcu zu entsprechen.
Hr. Adler legt das dritte Heft de« vou Studirenden der
Bauakademie unternommenen Werkes, Denkmale der Bau-
kunst, vor.
Die zahlreich im Fragokasten enthaltenen Fragen werden
durch die Hrn. Böckmann, Schönfelder, Schwedler,
Streckert und Orth beantwortet
Ein besonderes Interesse gewährte die Vorlegung des von
dem Vereine zur Beförderung des Gewerbefleisses in Preussen
für seinen Vorsitzenden, Staatsminister Delbrück, gestifteten
Khreudiploma, das während der Sitzung zur Ansicht umherging.
Das von Hrn. Schäffor auf Pergament gemalte Kunstwerk
dürfte sowohl au Reichthum der Erfinduug und Adel der
Formen, wie an Anmuth und Pracht der Darstellung von keiner
der in neuerer Zeit geschaffenen ähnlichen Arbeiten erreicht
werden. — F. —
Verein für Elaenbahnkunde in Berlin. Versammlung am
13. Februar 187* Vorsitzeuder Herr Hart wich, Schriftführer
Herr Vogel.
Herr G. Hagen machte die Mittheilung, dass in dem
Bulletin der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St.
Petersburg vom 3. Januar d .1. sich eine von Herrn L. Lipkin
angegebene Lösung der Aufgabe befinde . die geradlinige Bewe-
gung durch alleinige Anwendung von Gelenkverbindungen in
voller Schärfe in eine kreisförmige zu verwandeln. Durch das
Watt'scho Parallelogramm und andere Anordnungen sei dieses
bisher nur annähernd geglückt, und er vermuthe, dass diese
Lösung auch im Muschiuenbau Anwendung finden könne.
In der einfachsten Zusammenstellung werden zwei längere
und vier kürzere Glieder, wie Fig. 1 zeigt, durch Gelenke mit
einander verbunden. Die Länge der ersteren von Achse zu
Achse gemessen sei gleich «. die der letzteren gleich b. Bei
einer gewissen Form dieses verschiebbaren Systems, wobei die
Mittellinie ABC horizontal gedacht werden mag, bilden diese
mit den Gliedern o die Winkel a und mit den Gliedern * die
Winkel ß. Alsdann ist
a sin. a — b sin. ß
= * V i - «*. ß*
und AB = a cos. o — I cos. ß
AC = a cos. o -f b cos. ß
also AB. AC = a' cos. «• - *' co«. /*•
aber cos. ß* — b* - «> sin. o*
daher AB . AC = «' — *»
Dieses Produkt ist sonach unabhängig von den Winkeln
a und ß und behält seinen konstanten Werth, wenn sich auch
A von C entfernt, wobei AB sich verkürzt
Die Mittellinie habe sich nach Fig. 2 um den Punkt t ge-
dreht, so dass sie in AB'C liege, und zugleich sei der Punkt
B' soweit zurückgezogen, dass er mit der Kreislinie zusammen-
falle, deren Durchmesser AB ist. Der Winkel AB'B ist aldaun
I ein rechter, und die beiden Dreiecke ABB 1 und ACC 1 , die bei
A gleiche Winkel haben, sind einander ähnlich, weil
Aß . AC — AB'.AC*
oder AB : AB' ~ AC'-.AC
Der Winkel ACC ist sonach auch ein rechter, oder so lange
der Punkt B in der erwähnten Kreislinie liegt und A seine
Stelle nicht verändert, bleibt C in der senkrecht durch C ge-
zogenen geraden Linie. Wenn also der Balancier mit B ver-
bunden wird und um die Achse K schwingt, während A sicher
befestigt ist. so hebt und senkt sich C, ohne aus der geraden
Linie zu treten.
Diese Zusammenstellung wurde durch ein vorgelegtes Modell
erläutert und dabei noch bemerkt, dass man die beiden Punkte
B und C auch verwechseln köune. Wird nämlich C mit dem
Balancier verbunden, dessen Achse nunmehr in der Mitte der
Linie AC liegen muss, so bewegt sich B wieder in einer geraden
und gegen ABC normalen Linie.
Herr IL Wiche war der Ansicht, dass das System von
Evans sich für die Ausführung mehr eigne, wobei die gradlinige
Bewegung sich gleichfalls iu voller Schärfe darstellt wenn das
Lager, welches die Achse des Balanciers trägt den Schwingun-
gen desselben entsprechend auf einer horizontalen Bahn sich
hin- und herschiebt Dio Zahl der Glieder sei dabei viel ge-
ringer und sonach ihre Verbindung sicherer.
Herr G- Hagen äusserte darauf, dass in dem Lipkin'schen
Digitized by Google
99 -
System die Uebertragung der Krfifte nicht unpassend
wenn in der horizontalen Lage des Apparates die Glieder *
lieh fiteil gestellt würden.
Herr Skatweit bespricht sodann das Projekt der Saal-
hahn , von Sulza, Kösen über Rudolstadt nach Saalfeld. Die
Linie folgt dem Laufe der Saale, die Ufer derselben selten ver-
lassend, fast ohne verlorene« Gefalle, jedoch mit Kurven von
zum Theil geringem Radius, bis zu 450™ herab. Das zu lösende
Erdreich ist von guter Beschaffenheit, thcils Luhm, theila Fels,
welcher bei Jena aus Kalk- und Sanastein besteht; die Erdar-
beiten betragen rot 134 bis 178,000 Kubikmeter pro Meile, die
Zahl der kleineren Bauwerke betragt rot. 100, während nur eine
grossere Brücke von 3 Oeffnuugeu u 31 Meter lichter Weite,
in ii Eisen überdeckt bei Schwarza vorkommt Die Befestigung
der Böschungen des Bahnkörpers nach der Flusseite ist wegen
mangelnden Raumes schwierig und sind deshalb Fnttermauern
in grossen Longen erforderlich, für welche zum grossen Theil
jedoch Steinschlittungeu und Abpflosterungen genügen werden.
Die Anlage des Bahnhofs Jena ist besouders schwierig; die
Lage desselben jedoch noch nicht endgültig festgestellt, weil die
Weimar'sehe Rogierung noch nicht bestimmte Entscheidung über
den Anschluss einer anderen von Weimar nach Gera über Jena
zu führenden Bahn getroffen hat. Das Anlagekapital der Bahu-
Vermischtes,
Die Einführung des metrischen Maasa und Ge-
wichte-Systems in Oesterreich, auf Grund eines vom 23.
Juli 1871 datirten Gesetzes, wird nunmehr in Nr. 6 des Reicbs-
gesetzblattes vom 2. März 1872 bekannt gemacht. Die neuen
Maas«« und Gewichte treten erst am 1. Januar 1876 in obligato-
rische Kraft, können jedoch schon vom 1. Januar 1873 an bei
gegenseitigem Einverständnisse gebraucht werden, wobei in
öffentlichen Geschäftslnkaleu eine bezügliche Bekanntmachung
nebst Vcrhältniss-Tabellc ausgehängt werden muss. Von der
für den norddeutschen Bund eingeführten, jetzt für das deut-
sche Reich gültigen Moass uud Gewichtsordnung unterscheidet
sich das Österreichische Gesetz namentlich dadurch, dass es
keinerlei Einführung deutscher Benennungen für die Einheits-
ruaas&o versucht hat, sowie dass auch aas Dezimeter, sowie
Deii- uud Zentiliter als selbst« tänd ige Maasse eingeführt sind.
Merkwürdiger Weise ist eutgegon dem gerade in Oesterreich
herrschenden Gebrauche und nach unseren Anschauungen nicht
zum Vortheile der Sache die Schreibweise Deoi uud Oenti cin-
Seführt Da beide Maassordnungen auf verschiedenen Kopien
er französischen Prototypen als Unnaassen basireu. so ist die
Differenz derselben leider verhältnissm&ssig nicht unbedeutend.
Sic betragt beim Meter 0,03246""», um welche das deutsche
Maass langer ist als das Osterreichische, beim Kilogramm
0,0020421 in demselben Sinne.
Die Restauration dos Kaiserhauses zn Goslar, dem
wir in den No. 31 bis 34 des vorigen Jahrgangs eine aus-
führliehe Darstellung widmeten, ist am 13. März Gegenstand
einer Interpellation des Grafen Münster im Preussischen
Herrenhause geworden. Der Kultus-Minister Hr. Dr. Falk er-
kannte in seiner Erwiderung die Verpflichtung der preussischen
Regierung, für die Erhaltung des ehrwürdigen Denkmals deut-
scher Kunst und deutscher Geschichte zu sorgen, vollständig an
und äusserte sich demnächst wie folgt Ueber das »Wie" der
Ausführung können aber verschiedene Ansichten bestehen. Ati-
gesehen davon, dass ein vollständiger ganzer Palast hergestellt
werden konnte, der, wie es mir scheint, doch im Wesentlichen
nicht« anderes sein würde, als ein modernes Gebäude im alten
Stil, kann man so verfahren, dass die vorhandenen Reste des
Palastes freigelegt werden von den sie entstellenden späteren
Gebäuden, die sie zum Theil verkleiden, und das» die dann klar
gestellte Ruine, so wie sie klar gestellt ist, erhalten wird, Es
giebt aber auch noch einen anderen Weg, nämlich den, die wirk-
lich in der Anlage klar hervortretenden Theilc — ich meine
den Kaisersaal und die Palastkapelle — derart auszubauen, dass
diese Theile sich zu einem architektonischen Ganzen vollenden,
dieser Wege einzuschlagen und wie weit event. in letz-
Fallo zu gehen sein wird, darüber lässt sich auch noch
■n, und es schweben im Augenblicke Verhandlungen zwi-
deu betreffenden Ministerien. Sie werden zunächst dazu
führen, Anschläge aufzustellen, die insbesondere auch den zu-
letzt von mi
Ueber Fonsterrecbt enthält die Bauordnung der freien
Stadt Lübeck cinu Bestimmung, welche wohl kaum ähnliche
Zweifel zulassen dürfte, wie solche in einem in Nr. 10 dies. BL
aus dej- Provinz Posen initgothcilten Falle obgewaltet und zu
einer Berufung auf richterlichu Entscheidung Veranlassung ge-
geben haben.
§. 73 der Lübeckischen Bauordnung lautet: „Fenster,
Licht- und LuftOffnungen in den Wänden nachbarlicher Gebäude
können fortan durch keine Verjährung den Eigenthümcr in
seiner Befugnis», hart an der Gränze Gebäude aufzuführen, be-
schränken. Dergleichen Beschränkungen können vom Nachbar
nur durch einen Vertrag als Grundgerechtigkeit erworben wer-
den, insofern dies nach der Bestimmung des § 74 zulässig ist"
§ 74. .Fenster, Licht- und LuftOffnungen, welche in Gränz-
vor dem 1. April 1864 (Zeitpunkt des Erlasses der Bau-
linie ist zu 4«/i Millionen Thaler veranlagt; die Bahn selbst wird
von einer Aktiengesellschaft gebaut
Herr Weidtmann spricht hierauf über den Mangel an
Lokomotiven auf den Eisenbahnen. Derselbe sei zunächst eine
Folge des Krieges; die grosse Kalamität der Verkehrsstockun-
gen dagpgen habe vorwiegend ihren Grund in der ungenüg
Grosse der Bahnhofe. Der Vorsitzende ist der Ansicht,
durch Einführung des Nachtdienstes — Beladen und
portiren der Züge — viel mehr geleistet werden könne, als bei
dem seitherigen Dienst In England seien diese Einrichtungen
besser, es würde dort auf einem viel kleineren Raum in kürzerer
Zeit mehr geleistet wie bei den hiesigen Bahnen, das Beladen
auf offene Wagen geschehe dort zweckmässiger. Herr Mulberg
glaubt, dass durch die Anwendung von Drehscheiben auf den
Bahnhöfen für Güterverkehr die fehlende Länge durch eine
grossere Breite zweckmässig ersetzt werden konnte.
Herr Bahlko giebt hiernach eine kurze Beschreibung der
Fundiruug der Weichselbriike bei Thoru; die Pfeiler sind je auf
3 Brunnen fundirt, deren Senkung mittels indischer Schaufeln
bewirkt wurde.
Am Schlüsse der Sitzung wurden in üblicher Abstimmung
die Herren Hauptmann Tetzlaff, Lindow, Knappe und Witte,
Ratbsiuaurcrmstr. G. Borstell und Ingenieur G. Lentze als ein-
ordnung) rechtlich bestanden haben, dürfen von dem Nachbar
nicht verbaut werden, und darf dieser hart an der Gränze nur
bis unter den Rand der Oeffnungeu baueu und muss von da ab
einen im § 75 näher beschriebenen Lichthof frei lassen. Fen-
ster, Licht- und LuftOffnungen, welche nach obigem Termin in
Gränzraauern angelegt worden sind, müssen einen Stein stark
vermauert werden, sobald der Nachbar dieselben durch ein Ge-
bäude auf der Gränze verbauet*
§ 75. „Ein Lichthof muss so angelegt werden, dass an
jeder Seite des Fuusters ein Wandraum von wenigstens 1 '\ Fuss
(0 43'») frei bleibt Dem Fenster gegenüber muss der Bauende
bei 12 Fuss (3,45") Hohe des neuen Gebäudes 4 Fuss (1,15»),
und für je 6 Fuss (1,72») mehr Höhe 1 Fuss (0,29-») mehr
zurücktreten." K.
Aus der Fachliteratur.
Die Krypta des Mainzer Domes und die Frage ihrer
Wiederherstellung, von Friedrich Schneider, Dompraebcndar,
Mainz. Victor vTZabern. — ist die letzte in der Reihe der bau-
geschichtlich so interessanten und dankeuswertheu Veröffent-
Uchungen*) desselben Herrn Verfassers.
Sei lion seit vielen Jahren wird bekanntlich am Mainzer Dom
restaurirt; der schadhafte Zustand des Ostchores veranlasste,
dass man die in dem Gutachten der Dombaumeister F. J. Den-
zinger von Regensbure und Friedrich Schmidt von Wien zur
Wiederherstellung des Domes empfohlenen Maassregeln befolgte.
Seit 1868 leitet Dombaumeister J. Wessi cken die weitgehenden
Restaurationsarbeiten des Domes, die in den letzten Jahren so
weit vorgeschritten sind, dass man an den Neubau des indessen
abgetragenen Ostthurmes denken kann, der im Charakter des
Ostchores wieder errichtet werden soll. Eng damit zusammen-
hängend ist die Frage der Wiederherstellung dor Krypta, die in
der vorliegenden Schrift eingehend und, gestützt auf die wäh-
rend dor Restauration des Domes gewonnenen baugeschichtlich
werthvollen Aufschlüsse (im lctzteu Jahr wurden bei Gelegen-
heit der Untersuchung der Fundameute die Umfassungswändo
der Krypta mit den Waudpfeilern zum Theil blosgclegt) mit
grosser Sachkenntnis« besprochen wird.
Nach allgemeinen Andeutungen über Zweck und Anordnung
der Krypten werden zunächst historische Notizen über die ur-
sprüngliche, sodann über die jetzt aufgefundene Krypta des
Domes gegeben, welche letztere nicht mit der enteren, gegen
1036 von Erzbischof Bardo erbauten identisch, sondern mit dem
ganzen Ostchor, wie wir ihn jetzt sehen, gleichzeitig ist , also
der zweite^ Hälfte des 12. Jahrhunderts angehört Nach der
Beschreibung dieser Krypta folgen Nachrichten über ihre Zer-
störung, die wahrscheinlich durch den, etwa zwischen 1437 und
1446 erbauten Pfeiler uuter dem Triumphbogen veranlasst wurde.
Dieser hatte vermuthlich den Zweck, die über dem arcus tri-
umuhalis aufgethürmte Last des Pfarrthurms zu stützen, da die
Widerlager des Bogens als ungenügend erkannt worden waren.
MitRecht wird hervorgehoben, dass durch diese Entfernung
der Krvpta die für diu Festigkeit des Oberbaues notwendige
Verbindung der unteren Mauerkörper wegfiel, und wie unvoll-
kommen der Pfeiler seinem Zweck genügte, davon geben die
furchtbaren Zerstörungen des ganzen Ostchores, die noch durch
mehre Dombrände befordert wurden, Zeugnis». Risse von 15«»
Breite zogen durch die 1,5" dicken Tuffsteinmauern des roma-
nischeu Theile« des Thurniaufbauca , die sich durch den ganzen
Bau bis in die Fundamente verzweigten und schlecht durch die
Tünche moderner Zeiten verdeckt waren. — Mit überzeugender
Gewissheit wird vom Verfasser nachgewiesen, dass die Wieder-
herstellung der Krypta in der alten Form aus technischen Grün-
den behufs der Verstärkung des Unterbaues des Ostthurms, aus
ästhetischen Gründen zur Vorminderung der Ueberhöhung des
»» Dl» übrig?» Stbrlftcn lind: I) D«r Otttimnn dra Malntar D MO t«. 1870.
J) D*r FMI« loa Maina» Dom, 1BT0. S) DI« Baujaaeliiclite d«. Miltner Dorn-.
Tora Jahr UM- IJWO. CSIn IST0. 4} Der hellitr» Bardo, KnbiKjiof »ort Maiiu.
I Malm. Fr. Kirchturm. 1*71.
Digitized by Google
Ostchores im Innern, aus liturgischen und endlich aas Gründen
der Pietät, die vor Allem bei jedem Restaurationswerk raaass-
gebend »ein müssen, zur Notwendigkeit wird, und das» kaum
ein stichhaltiger Grund gegen die Wiederherstellung der Krypta
angeführt werden könne.
Wer in den letzten Jahren die bedeutenden Schaden des
Ostchores des Mainzer Domes zu besehen Gelegenheit hatte, wer
sich für die Restauration der Bauwerke früherer Zeiten intercs-
sirt und schon Zeuge der Verstümmelungen und aus Mangel an
Verständnis» mittelalterlicher Bauweise erfolgten üblen Zurich-
tung vieler unserer Baudenkmäler war — die in dem Schrift-
chen angeführten Beispiele lassen sich leider in's Unbegrenzte
vermehren und um nur Einiges anzuführen, weisen wir auf die
absonderliche Komposition, mit der neuerdings die Nordfacade
des Domstiftes in Aschaffenhurg beschenkt wurde, beispielsweise
auch auf die als kunstgeschichtliches Kuriosum der Veröffent-
lichung werthen Strebepfeileraufsätze am Chor des Freiburger
Munsters mit den Jahreszahlen 1780—1857 — der wird gewiss
die am Schluss des Wcrkchens ausgesprochenen Wünsche und
Forderungen für die Wiederherstellung des Domes zu Mainz
unterschreiben und denselben entscheidenden Ortes Anerken-
und den Erfolg wünschen, das* die Krypta wiederherge-
werdc und der herrliche Dom in Zukunft wieder unver-
nun«
stellt
kürzt und mit aller Pracht alter Zeit das
Mainz ziere.')
D. T.
•) Die Fr.«. h»t tiafh «lr.tr MIUb.Ui»« d.r „Auf.bg. AUru. Zt«." In J60«.
•L.r Zelt .1» b..ri.di|»i.,t« (.fand». Bl.rhof und l*-.m..plul »tbtn
•Ith »toll«» für WMrrlmMlui d«r Krjpu, und «w.r .u( Grund d*r Back
«ar&ndllf hea bfdrutertile« Rt.lt il«* tlltn Hau»*, .nltcMtd.il, to dut nuninebr
turk dl« B«ib.h»llnnii der urtpränllirhtii Alil.lt und lli»btt<iud«r« d«r«n H4b«o.
[ d.r urtprünflifhni Auing« uod lii»btt<iud«r«
Eauwiescn schaftliche Litteratur.
Januar, Februar, März 1872-
Albreeht, K u. 7. Biefhabcr, Skizzenhefte. Samml. v. Original-
Entwürfen zum prakt. Gebrauche f. Bau- u Möbeltischler etc.
1. Jahrg. 1. Heft. Fol. Leipzig. Jedes lieft 12 Sgr.
Altenaorf, H , über die kirchliche Baukunst d. 19. Jahrhunderts.
Vortrag. 8*. Leipzig. 10 Sgr.
Arthiv f. ornamentale Kunst. Red. v. Gropius, Text von Lohde.
5. Heft. Fol. Berlin. 1 Thlr. 6 Sgr.
Dflü, C-, das öffentliche Bauweisen des preuss, Staates. Ein
Handbuch für Verwaltung«- und Baubeamte etc. 8». Cassel.
2 Thlr.
DöUiMer, 0., Archit. Reiseskizzen aus Deutschland, Frankreich
und Italien. 3. u. 4. Heft. Folio. Stuttgart. Jedes Heft
24 Sgr.
Grueber, B. , Die Kunst des Mittelalters in Böhmen. 1. 1hl.
3. Lief. 4«. Wien. 90 Sgr.
Hag«n, 0., über das Gesetz, wonach die Geschwindigkeit des
strömenden Wassers m. d. Entfernung vom Boden sich ver-
grössert 4». Berlin. 14 Sgr.
Hitt*nkoftT, das Entwerfen von Facadcn. 4«. Leipzig. 3 Thlr.
- Holz -Architektur -Ornamente. 3. Lief. Fol. Leipzig.
1»/, Thlr.
HoUaey, X., Vortrage über Baumechanik. 1. Lief. 8«. Wien
1 Thlr. 20 Sgr.
Krag, A. u. A. Pertwl, Ornamentik f. Schlosser und Architekten.
4. (Schluss} Heft. 4«. Gera. 2 Thlr.
Lanreys, F., Kursus der klassischen Baukunst. Eine vollständige
Zerl egung der 5 Ordnungen auf Grundlage des Dezimal-
systems. 8« m. Atlas v. 70Tafcln in Folio. Lüttich. 8% Thlr.
Loeüoi. f., Die Licbfrauenkirche zu Ualberstadt, deren Ge-
schichte, Architektur, Kunstwerke u. Denkmale. Fol. Ualber-
stadt. 15 Sgr.
M::t. <•:. '.würfe, herausgegeben vom Gewerbeverein in Hamburg
unter Mitwirkung namhafter hamburgischer Architekten und
Bildhauer. Heft 1. Fol. Hamburg. 25 Sgr.
If orthoff, Vorbilder f. d. Kunstgewerbe. 2. Lief. Folio. Le'PfV
Ott, K. E. v., Vortrage über Baumechanik. 2. TM. 1. Lief. 8«. Prag.
1 Thlr. 10 Sgr.
Paolo», a., der Eiscnbahnoborbau lin seiner Durchführung auf
den Linien der k. k. priv. Südbahn- Gesellschaft. 8«. Wien.
3 Thlr.
Henri, Album der Archäologie. Abth. A— D: Indien — Me-
dien — Persien — Assyrien. 4*. Lüttich. Jede Abth. •/« Thlr.
— dasselbe Abth. G: Italien. 4«. Ebend. 2',', Thlr.
Schüller, y., Der praktische Hochbau. Eine Sammlung von pro-
jektirten und ausgefuhrteu Wohn- u. anderen Gebäuden etc.
1. Jahrg. (in 12 Heften). 8«. St. Gallen. Jedes Heft 9 Sgr.
ck, H., DekoraÜonsmotive. 1. Heft Fol. Leipzig. % Thlr.
IU, 7., Der Dom zu Köln. 13. u. 14. Lief. Fol. Jede Lief.
2 Thlr.
Vereiaharatnea, technische, d. Vereins deutscher Eisenbahn-Ver-
waltungen über den Bau und die Betriebs-Einrichtungen der
Eisenbahnen. 8*. Wiesbaden. 12. Sgr.
Vortrag« über Eisenbahnbau, begonnen von F. Winkler. 3. Hefte
Schiebebühnen und Drehscheiben, bearb. v. W. Fränkel. 8».
Prag.
fäUerstorf, B. v.,
bahn von Triest
2 Thlr. 4 Sgr.
speziell über eine Eisen-
Pola. 8«. Wien. 16 Sgr. 16 Sgr.
Ueber die Konkurrenz für Entwürfe zu einem Kur-
hause in Langen -Sohwolbach theilt uns ein Wiesbadener
Fachgennsse in RrgSnzung der von uns in No. 10 gebrachten
Notiz mit, das« die mit dem orsten Preise bedachten Münchener
Architekten, Herren Kafka und Schulze, gemeinsam ge-
arbeitet und ein wahrhaft grossartiges und schönes Projekt ge-
liefert haben. Der zweite Preis ist dem Entwürfe des Architekten
Hrn. Seitz aus Heidelberg, z. Z. in Wiesbaden, der dritte Preis
dem Entwürfe des Architekten Hrn. W. Bog ler zu Wiesbaden
zu Theil geworden. Dass über den Ausfall so vieler Konkurren-
zen erst so spät etwas Authentisches bekannt wird } ist leider
noch ein grosser Uebelstand, der nur dadurch gründlich gehoben
werden kann, dass auf jene Bestimmung unserer „Grundsätze*,
wonach ein motivirtea Gutachten der Preisrichter veröffentlicht
werden soll, ein stärkeres Gewicht gelegt wird. Immerhin wird
noch eine geraume Zeit vergehen, ehe dieser Grundsatz so all-
gemeine Regel geworden ist, wie jetzt bereits die öffentliche
Ausstellung der zu einer Konkurrenz eingegangenen Entwürfe,
und sind wir daher nach wie vor auf die freundliche Unter-
stützung der Fachgenossen angewiesen, denen wir wiederholt die
Bitte ans Herz legen, uns, soviel in ihren Kräften steht, be-
treffende Nachrichten möglichst schnell
Personal - Nachrichten.
Preusscn.
Ernanut: Der Baumeister Sendlcr zu Berlin zum Eisen-
bahn-Baumeister. Der Bau-Inspektor Kranz zu Lüneburg zum
Ober-Bau-Inspektor bei der Landdrostei in Uildesheim. Die
Eisenbahn -Baumeister Siecke zu Thorn und Baumert zu
Schueideinühl zu Eisenbahn-Bau-Inspcktoren bei der Königlichen
Ostbahn. Der Laudbauuicister Wagner zu Köln zum Bau-In-
spektor in Hanau. Der Baumeister Ui rubel zu Berlin zum
Eisenhahnbaumeister im technischen Eisenbahn-Bureau des Mi-
nisteriums für öffentl. Arbeiten in Berlin. Der Eisenbahn- Bau-
inspektor Wilde zu Harburg zum 1 Hier Betriebs- Inspektor bei
der Hannoverschen Staats-Kiscnbahu in Hannover.
Versetzt: Der Eiseubahn- Bau -Inspektor Oberbeck zu
Breslau in das technische Eisenbahn -Büreau des Ministeriums
für öffentliche Arbeiten zu Berlin. Der Eisenbahn-Bau-Inspektor
Lademann zu Königsberg i. Pr. nach Bromberg. Der Eisenbahu-
Bauinspektor Tasch in Schueideinühl an die Kgl. Ostbahn nach
Königsberg i. Pr. Der Eisenbahn-Baumeister Bachmann zu
Königsberg nach Schneidemühl. Der Eisenbahn- Bauinspektor
Hinüber zu Hannover nach Harburg.
Das Baumeister -Examen nahen bestanden; Georg
Bockelberg aus Hannover; August Hesse aus Verden.
Der Professor Dr. Heye am Polytechnikum zu Aachec
hat einen Ruf an die Universität Strassburg erhalten und an-
genommen.
Der KreiBbaumeister Kromrey zu Templin tritt am 1. Apri.
in den Ruhestand.
Brief- und Fragekasten.
Hrn. 0. in Wartenberg. Die Gebühren der Sachver-
ständigen und Zeugen vor Gericht bemessen sich nach der
Verordnung vom 29. März 1844 und zahlreichen zu ihrer Aus-
legung erlassenen Verfügungen der Oberrechnungskammer.
Die Kenntniss der Letzteren ist um so schwieriger, als sie nicht
immer von gleichen Anschauungen ausgehen, und daher ist die
Auslegung jener Verordnung oft bei ein und demselben Gerichte
eine sehr verschiedene. Die Gebühren für Sachverständige
sind in § 1 und speziell für Beamte in § 2 No. 6 festgesetzt
Zeugen erhalten nach § 7 im Allgemeinen keine Entschädigung.
Eine frühere Verfügung (ob der Oberrechnungskammer oder des
Justiz-Ministeriums kann nicht angegeben werden) bestimmte,
wahrscheinlich in Verwechselung der Begriffe Zeugen und Sach-
verständige, dass Beamte eine Entschädigung für Wahrnehmung
gerichtlicher Termine als Sachverständige überhaupt nicht zu
fordern haben, wenn ihnen daraus kein Zeitverlust erwachsen
ist, wie dies vorkommen kann bei solchen Beamten, welche ihren
Dienst nur in bestimmten Stunden zu verrichten haben und
während derselben durch andere Beamte vertreten werden kön-
nen. Wie weit diese Bestimmung noch Gültigkeit hat. wisseu
wir nicht; thatsächlich wird inaessen ganz allgemein bei Bau-
beamten ein solcher Zeitverlust ohne Weiteres als erwiesen an-
gesehen, und wir halten Sie daher zur Forderung der Gebühren
für unbedingt berechtigt, gleichviel ob Sie Ihrer augenblicklichen
Stellung nach als Beamter anzusehen sind, oder nicht. — Uebri-
gens dürfte die Frage einer zeitgemässeren Festsetzung der ge-
richtlichen Gebühren in nächster Zeit von dem Verband deut-
scher Architekten- und Ingenieur-Vereine in die Hand genom-
men werden.
Hrn. Ü. T. in Karlsruhe. Nichts für ungut, dass die
Veröffentlichung aus Mangel an Raum erst so spät erfolgen
konnte. Die Disposition Hess sich leider nicht anders treffen.
Beiträge mit Dank erhalten von Hrn. F. in Hameln, R.
in Cassel, M. in Berlin.
KounMtionattrlt« »oo Carl Bcclil. in Bttlin.
Druck »« litbrad.r FUktri In B*rlln.
Digitized by Google
Jahrg. TL M 13.
DEUTSCHE BAUZEITUNG
l.i.ktl«. .. 1 1 y.i .1,0.:
Icrtla. Oraalraitn*. 101.
>bern«k»a. Ulf P«unit>l
Organ des Verbandes
- deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine. "5
Redakteur K. £. 0. Fritich.
Ii. .rat.
für aW Ltier «<r d.gtHkca
S..I»U.n< Saften A.fB.hmr
SraH.-t.ilue:
»', »P. Pt.
Pr«ii I Thaler pr» Qaartal.
Berlin, den 28. März 1872.
Erscheint jeden ■•■■erstag.
. VL - R.I«
I III, - MUth.llona.a . u. v „,,„,,:■ Aiahlt.kl.n-
V«
lUUratari
1 — J. — F.r.oaal.Naehrl.hl.a «u.
.- Au. «tr F.ek-
Terband deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine.
I. Innere Angelegenheiten.
Nach dem Beschlasse des Architekten -Vereins zu Berlin vom 4. November 1871 soll der jedesmalige Vorsitzende
des Vereins zugleich den Vorsitz im Vorstande des Verbandes deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine fuhren. Nach-
dem daher bei der im Februar d. J. erfolgten Neuwahl des Vorstandes zum Vorsitzenden des Architekten-Vereins der
Eisenbahn -Direktor, Baurath Quassowski gewählt worden ist, hat derselbe zugleich den Vorsitz im Verbands-
Voratande statt des bisherigen stellvertretenden Vorsitzenden übernommen. — In der Besetzung der übrigen Aemter ist
Vor-
II. Angelegenheit der Wiener Welt-Ausstellung.
Von der königl. preussischen Landes- Kommission für die Wiener Welt- Ausstell u
stände nachstehendes Schreiben zugegangen:
„Auf der Wiener Weltausstellung des nächsten Jahres wird nach Inhalt des Programms (Gruppe 18 und 25) das Bau-
und Ingeuieurwesen einen hervorragenden Platz einnehmen. Die ergebenst unterzeichnete Kommission hegt daher den dringenden
Wunsch, dasa auch die Architekten und Ingenieure unseres Vaterlande» der Ausstellung ihr Interesse zuwenden und auf eine
ehrenvolle Vertretung der deutschen Kunst und Technik — vornehmlich durch die Einsendung von Planen und Modellen hervor-
ragender Bauwerke aus der neuesten Zeit — Bedacht nehmen uiögeu. Dem Vorstund ist mehr wie irgend einem anderen Organe
die Gelegenheit geboten, in dieser Richtung mit Erfolg zu wirken, namentlich auch die hervorragenderen Architekten und
Ingenieure zu einer Einsendung von Modellen und Planen ihrer neueren Schöpfungen anzuregen. In der Voraussicht, dass der
' gern bereit sein wird, der für das Ansehen unserer vaterländischen Kunst und Technik bedeutungsvollen Angelegenheit
mühungen zu widmen, gestattet sich die Kommission, eine Anzahl von Exemplaren der von ihr veröffentlichten, auf die
Ausstellung bezüglichen Bestimmungen zur gefälligen Benutzung und Verbreitung anbei ergebenst zu übersenden. Die Kommission
wird gern bereit sein, auf etwaige die
wird gern bereit sein, au
zu ertheilen, sowie auf etwaigen Wunsch
Berlin, den 14. Marz 1872.
betreffende mündliche oder schriftliche Anfragen die ihr mögliche Auskunft
wir zugleich die
Architekten und ln-
ein möglich»,
Reiche geben
für die
(gez.) Moser.*
Indem wir
Hoffnung aus, dass die erst kürzlich durch ein
werden. Auch der leider
kurz bemessene "Termin für die Anmeldung (15. April d. J.) darf von der Beteiligung
nicht abschrecken, da es zunächst nur darauf ankommt, das Raumbedürfniss im Ganzen anzugeben. Derselbe macht es
aber unthunlich, dass der Verbands-Vorstand die Anmeldungen sammelt nnd der etwa für die
deutschen Reichs-Kommission übermittelt, vielmehr wird es am zweckmässigsten Bein, wenn di
zum Verbände gehörigen Vereine die Anmeldungen direkt ihrer bezüglichen Landes-Kommission zugehen lassen. Die Sorge,
dass die ans dem deutschen Reiche eingehenden gleichartigen Gegenstande vereinigt und übersichtlich ausgestellt werden,
wird Sache der Reichs -Kommission sein.
Von den in dem vorstehendem Schreiben der preussischen Landes-Kommission erwähnten Bestimmungen, nämlich
1. Programm für die Wiener Welt- Ausstellung,
2. Bestimmungen wr Gruppe 25 des Programms (bildende Kunst),
3. Aufforderung der preussischen Landes-Kommission, die Welt-Ausstellung
4. Allgemeiner Anmeldungsbogen,
5. Anmeldungsbogen für Gruppe 25 des Programms,
enigen Vereine, welchen dieselben nicht bereits direkt zugegangen sind, Exemplare durch den Verbands-Vorstand
zugesandt erhalten. Anmeldungsbogen zur Gruppe 18 (Bau- und Zivil- Ingenieur -Wesen), 19 (das bürgerliche Wohnhaus)
hoffen wir von der Landes-Kommission noch zu erhalten
Berlin, den 25. Marz 1872.
Der Vorstand des Verbände« deutscher Architekten* und Ingenieur -Vereine.
Quassowski Roeder Blankenstein
Vorsitzender Sackelmeister Schriftführer
Franzius Gercke Roemer Streckert.
(Schln.i).
Die im Vorstehenden mitgetheilte Beschreibung des Ar-
nold 'sehen Ofens setzt voraus, dass die Angaben der Herren
Arnold nnd Konsorten durchaus korrekt nnd die Auffassung
des Untersuchung»- Protokolls, sowie diejenige der Patent-
kommission bezüglich der vorliegenden Thatsachen unanfecht-
bar sei; es sind aber leider die Zeugenaussagen so unvoll-
ständig nnd im Widerspruch mit einander, dass die zur
Aufhebung des Ringofenpatentes nöthige Beweisführung als
verfehlt angesehen werden kann.
Nach der Kabinets-Ordre vom Jahre 1815 und den Ver-
einbarungen zwischen den ehemaligen Zollvereinsstaaten vom
Jahre 1842, welche das Patentwesen regeln und auch für
Prcussen heute noch güllig sind, soll ein Patent zurück-
genommen werden, wenn
Digitized by Google
- 102 —
der patentirte Gegenstand schon vor der Patent-
ertheütrag bereits ausgeführt, gangbar oder auf
irgend ein« Weise I» ek sinnt gewesen.
Der Erteilung des Ringofenpatentes iui .lahre 1858
liegt eine vom Antragsteller verfaßte Beschreibung uiitl
Zeichnung, sowie ein Berieht der Pateutkommission an das
Königliche Handelsministerium zu Grunde. In diesem Be-
richte sind ausdrücklich vier Hinrichtungen, welche zum Be-
stände des Ringofens gehören, sds neu und eigentümlich
bezeichnet, nämlich:
1) der ununterbrochene ringförmige Ofenkanal,
->) der das ganze Profil scb liessend« Schieber,
.'S) die Anordnung von Feuerlöchern in der Decke des
Ofens und in kurzen Entfernungen von einander, zum Ein-
streuen <les Brennmaterials zwischen die ulüheuden Steine
ohne feststehenden Heerd,
4) der Verschluss dieser Löcher und der RauchkaiisHe
durch in Sand tauchende Glocken.
{Es ist von vorn herein ein sehr grosser Mangel dieses
Patentberichtes, dass der wesentliche, durch den Ringofen
erreichte Fortschritt, nämlich das kont inuirlich fort-
schreitende Feuer, nicht klar hervorgehoben worden ist.)
Zur Patentaufliebung ist nun nach den oben bezeich-
neten Vorschriften der Beweis erforderlich, dass jene vier
Eigentümlichkeiten der patenlirtcn Erfindung schon vorher
zur Anwendung gebracht worden, und ferner, dass deren
Anwendung auch bekannt gewesen sei.
Der Hauptzeuge für diese Beweisführung ist Herr Ar-
nold, der Besitzer des in Rede stehenden Ofens bei Fürsten-
walde. Einerseits ist derselbe Partei und deshalb auch nicht
vereidigt, andrerseits sind seine Aussagen so schwankend
und ungenau, dass man zu denjenigen seiner Behauptungen,
die man nicht bestreiten kann, um Ii nicht viel Vertrauen
gewinnt. Wie schon erwähnt, behauptet Arnold in einem
zur Veröffentlichung bestimmten und benutzten Briefe, dass
Hoffmann von seiner (Arnold**) Erfindung Keuntuiss ge-
habt und diese missbraucht habe, zieht aber, als er anderen
Zeugen gegenüber gestellt wird, seine Beschuldigung mit dem
Bemerken zurück, .er wisse das nicht mehr genau*.
In jenem Briefe (d. d. 12. Januar 1870 an Dr. Matern
in Rothenslein bei Königsberg) ist gesagt, der Betrieb des
Ofens s< i nach zwei Jahren wegen Mangel an Thon einge-
stellt; im Protokoll giebt Arnold an, er habe bis 1S42
(von lS.'l'J an, also ,'{ Jahre) Ziegel in demselbeu gebrannt,
während der Umstand, dass die Gewölbe, namentlich die
angeblichen Schieberschlitze durchaus unverletzt vorgefunden
sind, zu der Annahme berechtigt, der Ofen sei nur zu Ver-
suchshranden gelangt und dann 1842 umgebaut. Auch der
Grund, dass Maugel an Thon zum Verlassen des neu erfun-
denen Prinzip« geführt habe, ist mindestens unwahr-
scheinlich.
Nach Wortlaut jenes Briefes hatte der Ofen in jeder
Abtheilung zwei Gewölbe-Oeffniingen, nach Befragen giebt
Arnold zu Protokoll, er wisse nicht mehr, ob zwei oder
drei Löcher vorhanden gewesen seien. Jedermann, der eine
Idee vom Ringofenbetriebe hat, weiss aber, dass gerade von
der Verteilung und Anzahl dieser Fenerungslöcher die Mög-
lichkeit abhängt, den Ofen in der charakteristischen Weise
des Ringofeiilwtriebes zu liefeuern.
Arnold hat ferner genau ausgesprochen, dass „kurz
vor dem Schieberstand in jeder Abteilung ein Rauch-
kanal von unten angelegt gewesen sei; der Kommissar der
Rogieniug in Frankfurt hat zwar die Spuren des Schiehcr-
falzes. aber keinen Rauchabzug au dieser Stelle gefunden.
Lud dennoch stimmt die Patent -Kommission indirekt der
allgemein ausgedrückten Behauptung Arnold'», dass der
Betrieb seines ( Ifens mit dem des Ringofens übereinstimme, bei
her zweite Hauntzeuge ist ein Kommissions-Rath Kessel,
welcher — im direkten Widerspruch mit dem Thatbestand
und allen anderen Zeugen — ganz genau weiss, dass die
feststehende Feuerung neben der Einkarrthür völlig aufge-
geben uud ausschliesslich von oben gefeuert worden sei!
Von den 4 charakteristischen Bestandteilen des Ring-
ofens hat der ununterbrochene Ofenkanal die meiste Wahr-
scheinlichkeit für sich; den eisernen Schieber, der das ganze
üfenprofil schloss, hat aber Niemand von den Zeugen ge-
sehen, nur Einer erinnert sich, gehört zu haben, dass
Blechstücke von 47 z< °. (18 Zoll) Höhe und Breite, welche
ls44 oder 1H4Ö auf dem Hofe gelegen haben, von Schiebern
herrühren sollten. Regierungsrath Wiehe hat Seliiolier-
schlitze konstatirt und Stellen, wo Falze gewesen und ab-
gehauen sein können, gefunden; es ist aber ebenso gut die
Annahme zulässig, dass hier gemauerte Wände, etwa ans
ungebrannten Steinen, aufgeführt wurden. (?)
Der Verschluss der Kanäle durch Glocken in Sand ist
nicht behauptet worden.
Wie schon angedeutet, ist der Beweis, dass eine Feue-
rung von oben in der Weise wie beim Ringofen-
betriebe stattgefunden habe, für durchaus verfehlt zu er-
achten, zumal nirgend von der Aussparung von Heizschslch-
ten die Rede ist und in Löcher von 4* und lÖ.'j mm oder
selbst 60 und 120°"" Weite keine „Holzscheite" eingeführt
werden können.
Es kam nun noch darauf an, nachzuweisen, dass die
..Erfindung" des Herrn *Vrnold schon vor Erteilung des
Ringofenpatentes bekannt gewesen sei. Nachdem die Be-
hauptung, II offmann selbst, sowie der Mühlenbaumeister
Büsscher in Neustadt-Eberswalde habe Kenntniss von dem
Arnold'schen Ofen gehabt, widerlegt worden, bleibt (ausser
Arnolds Bruder uud seineu eigenen Leuten) nur ein ein-
ziger Zeuge, der KoUiuiissiotis-Rath Kessel übrig, derselbe,
welcher sich mit seiner sonstigen Aussage, wie oben erwähnt.
IftMHnru aiii »lein Orient.
m
Gerade vor uns und westlich vom Stadion erhebt sich auf
einer hi ben, an den Ecken abgerundeten und durch gewaltige
Blöcke gestützten Terrasse eine aus dem Kelsen gehauene Platt-
form von jo™ Durchmesser. Durch sechszehu in diese zentrale
Kelskuppc derb uud roh hiiieingeschuittene Nischen siud. deu
Zahnen eines Zahnrades vergleichbar, sechszehn strehepfeilerar
tige Vorspränge gebildet worden, von denen die vier nach den
Haupt riclitunpen der Windrose gestellten beträchtlich breiter
als die übrigen sind. Dass die Oricutirung des Fclseuplatzcs
WtstStitlicfa war. beweiscu die in «lein Westpfeiler eingeschnit-
tenen l'elsst ufeii, welche die Verbindung zwischen dein weitge-
dehuteu Terrassenplatze und der zentralen Plattform vermittel-
ten. Durchschreitet mau iu westlicher Richtung die Terrasse,
so stösst man au ihrem Wcstabhange auf eine lange, über dem
schroffen Abstürze eines Steinbruches schwebende und mit Po-
desten und Sitzplätzen ausgestattet« Felsentreppe, welche von
unten, d. i. vom alten Mecresstrandc zur Terrasse und zur Platt-
form eiiiporfulirtc- Ks kann keinem Zweifel unterliegen, dass
in dieser altertümlich ungefügen aber echt monumentalen
und kostbaren Anlage ein hoclialtes Heiligtum er! alte-. ist,
welches an den merkwürdigen von W eicker und Curtius als eiu
ZeuS- Heiligtum erkannten FcIseupiaU (der fälschlich soge-
nannten Pnyx) zu Athen iu überraschender Weise erinnert. Nicht
zu übersehen ist die sorgfältig gewählte Lage dieses Platzes,
genau halbweges auf einer geraden Linie zwischen dem Kara-
sus-Sattel um St. Paul's ticlängniss, wo unzweifelhaft die Au-
sheilung der unter Audroclus eingewanderten Athener zu suchen
ist, und dem Arteniisioti; deuu sie begiuudet die naheliegende
Vermutung, dass Iiier schon in vorgeschichtlicher Zeit ein reli-
giöser Mittelpunkt für (iciiieinde-Kiiltus geschaffen «erden ist,
der eine vermittelnde Krücke zwischen dem attischen Bürger-
staate und dem asiatischen Priesterstaate bilden sollte. Auf-
fallender Weise ist diese höchst eigentümliche Bauanlage zwar
von älteren Reisenden erwähnt aber uie nach ihrer lokalen wie
struktiven Bedeutung gewürdigt worden. Kalkeuer's Bezeich-
nung dieses Felsenheiligthums als Serapeion schwebt völlig in
der Luft uud bedarf keiner Widerlegung.
l>as Stadion ist trotz aller Zerstörung und Ausplünderung
noch wohl erkeuubar. Eiuu auf Stylobaten ruhende Säulenar-
kade von i > N «; Säulen zwischen Auteu uud Pfeilern bildete den
Eingang. Die aus der Verschattung hervorgezogenen Reste
(asseii durch ihre Kunstformen sowie durch die flüchtige Tech-
nik eine späte Bauzeit, etwa vom Ende des I. Jahrb." u. Chr.
Gebort erkennen. Die Säulenschäfte fehlen, die Basen waren
attisch-ionisch gestaltet, auf deu korinthischen Kapitellen ruhten
arehitravirtc Hugen. ähnlich denen der Wasserleitung vom 1L>-
rulogiou des Aiidronicus zu Athen, uud ein mit Ueiaonfnssen
versehenes (ieison bildete die Krönung. Die Läng« der Reuu-
bahu betrug •£2:\'i[) m , die Breite rund M ». Am oberen Ende ist
wie am panatheuäischeu Stadion zu Athen durch eine niedrige,
nach innen wie nach aussen gekrümmte Mauer mit kleinen Eck-
räuiuen ein besonderer 4II« 1 langer Raum abgetrennt worden,
der allerdings als eine spätere Herstellung erkennbar ist. alter
doch die Erneuerung einer älteren und nur zeitweis beseitigten Ein-
richtung gewesen sein kanu. Es liegt nahe, diese Kautnabthei-
lung als die Stelle des Kiug- und Faustkainpfplatzes im Pent-
athlon aufzufassen. Nach Ab/.ug dieses Baumes mit 40 • von
der Tutallinge von •2t.* J M m ergiebt sich das genaue Stadion-
maass mit BW». Von den Sitzplätzen sind noch einige wenige
vom oberen Ende am Platze; ulle übrigen fehlen. Die rechte
Hälfte der Sitzreihen ruht auf dem geschickt benutzten Priou-
abliatige, die linke wird durch grosse, aus quergelegten Tonnen-
gewölben in üusswerk hergestellte Substruktionen getragen.
An der rechten Schenkeluiuuer steht als Abschluß der Stufen-
reihen ein grosser Marmorbogeu auf simirteti und zabuachnittbe-
setzten Kämpfern, der wegen seiner Zusammeufügung aus älte-
ren, iuscliriltieiehen Prachtquadern, sowie wegen seiner charak-
teristischen Käinpicrformen der altchri-dlicheu Epoche eutstau.-
men muss uud den Zugaug zu einer alten mit rclsgräbern be-
setzten Strasse auf den Prion eröffnete.
Parallel mit dem Stadion sind noch auf künstlich geschaffe-
Digitized by Google
— 103 -
mit dem Tbatbestand in völligem Widersprach befinde».
Eine Erfindung von Bedeutung wäre doch wühl in einer
kleinen Stadt wie Fürstenwalde bald bekannt gewordeu ; aber
die Nachbarn. Freunde uud Bekannten Arnold» wissen nur.
dass er selbst oft von seinen Ideen gesprochen, halten aber
von seinen werthvollen AusfühiUQgen keine Ahnung gehabt.
Ob nun eine derartige Sachlage der Anforderung der
Patent-Vereinbarungen, dass die Erfindung ..bekannt" ge-
wesen «ein müsse, entspricht oder nicht, will ich dem Ur-
theil des Lesers hiermit unterbreiten, auch noch hinzufügen,
dass in jenen Bestimmungen der Passus steht:
„in solchen Fullen, wo der patentirte Gegenstand zwar
Einzelnen schon früher bekannt gewesen, von diesen jedoch
geheim gehalten worden ist. bleibt das Patent, soweit dessen
Aufhebung nicht etwa durch andere Umstände bedingt wird,
zwar bei Kräften, jedoch gegen die gedachten Personen ohne
Wirkung."'
Die Patent - Konimission, welche die l'ebereiiistimmung
des Hoffmann'schen und Arnold'schen Ofens angenom-
men, hat von diesem Auswege keinen Gebranch gemacht,
obwohl er nahe genug lag.
Eine solche Entscheidung hätte zwar den Antragstellern
iiis Iii genügt, aber den Erfiuder Hoffmann, der nach lang-
jähriger unermüdlicher Arbeit einen Apparat von ausseror-
dentlichem Werth geschaffen hat. während der Arnold'-
sche Ofen ein unbrauchbares Werk geblieben ist, vor den
maasslosen Beschimpfungen und Ansprüchen im In- und
Auslande bewahrt, von denen ich hier noch kurz das Wich-
tigste berichten will.
Vorher ist aber noch eines Umstandcs zu erwähnen, für
welchen jegliche Erklärung fehlt. Maurermeister Arnold be-
hauptet nämlich, dass er beabsichtigt habe, seine Erfindung
patentiren zu lassen, er habe diese Sache mündlich dem
Herrn Geheimen Oberbaurath Wedding (schon damals
Mitglied der Patent-Kommission) vorgetrauen, aber den Be-
scheid erhalten, sein Ofen sei uieht patentfähig. I m so
mehr habe er sich gewundert, dass wenige Jahre später die
Herren H of f mann uud Licht auf diescl bc Einrich-
tung ein Patent erhalten hätten.
Arnold hat 12 Jahre laug diese ihm wiederfahrene Un-
gerechtigkeit verschwiegen: jetzt erst tritt er damit vor die
Patent-Kommission zn einer Zeit, da Herr Geh. Rath Wed-
diug noch lebte, und dieser schweren Beschuldigung wird
weder von Seiten des Herrn llandelsministers noch der Pa-
tent-Kommission mit einer Sillie gedacht.
Ibhü war der Hoffmann'sche Kingofen patentfähig,
der Arnold'sche aber nicht, und 1N70. d. i. 2« Jahre, nach-
dem der unbrauchbare Arnold'sche Ofen umgebaut worden,
wird Arnold als der wahre Erfinder proklamirt und Hoff-
mann, dessen Konstruktion in 7ltO Ausführungen brillante
Erfolge zeigt, als Plagiator an den Pranger Bestellt.
Wie .schon in der Einleitung erwähnt, sind die gegen
Hoff manu verfassten Schmähschriften in fremde Sprachen
übersetzt und haben den Nachahmern den Stoff zu gleichen
Augriffen Regen die ausländischen Ringofctipateiite geliefert.
In Oesterreich kamen nun diese Streitigkeiten damit
zum Austraue, dass eine von dem K. K. Handelsministerium
zu Wien niedergesetzte Kommission von Sachverständigen
die Neuheit der Ringofen- Konstruktion aufrecht erhielt. In
Italien dagegen, wo die Parteien mit grösseren Hülfsmittelu
auftraten und die Patentgesetze derartige Angelegenheiten
vor die Schrankeu der Gerichte verweisen, nahm der Kampf
ganz enorme Dimensionen an; in gleicher Weise bedeutungs-
voll ist aber auch die daraus hervorgegangene Expertise,
aus welcher einige Stellen, welche sich speziell anf den Ar-
nold' scheu Ofen beziehen, in wortgetreuer Uebersetzung
folgen:
„Die Experten sind über tlie.se Angelegenheit unterrichtet
durch eine legalisirtc Kopie des oben genannten Annullirungs-
Dekretes, durch die Verhandlungen, die dem ministeriellen
Entscheide vom !t. August 1*70 vorausgingen und durch
einen Artikel aus Dingler's polytechnischem Journal
(Band CXCVII. Heft 2, No. 85, von Seite 157—145, Jahr-
gang 1*7(>), in welchem ein Herr Paid Loeff aus Berlin
einige Notizeu über die Geschichte der koutiuuirlieh bren-
nenden Offen zu bringen vorgiebt und dabei gleichzeitig als
Gegner des Herrn lloffmann auftritt.
Es wird durchaus keine regelrechte und klare Be-
schreibung des sogenannten Arnold'schen Ofens gegeben,
man erfährt in keiner Weise etwas über die Hauptsache,
d. h. über die Zusammenstellung der einzelnen Ofenorgaue
selbst, worauf Alles ankommt; kein Wort wird gesagt über
die Art und Weise, wie denn eigentlich dieser soge-
nannte Arnold'sche Ofen fnnktionirt haben soll?
Die von Herrn Paul Loeff publizirte lithographirte
Zeichnung dieses sogenannten Arnold'schen 'Mens steht
im Widerspruche mit verschiedenen Einzelheiten der Ver-
handlungen; ausserdem zeigt es sich, dass dieser sogenannte
Arnold sehe Ofen sehr grosse Verschiedenheiten in seiner
Konstruktion im Vergleich mit dem Hoffman'sehen auf-
zuweisen gehabt, und was die Hauptsache ist, es stellt »ich
heraus, das» der frühere, im Jahre ISü'J erbaute Arnold-
sehe Ofen feste, gewöhnliche Rost feue ru n gen in der
äusseren Ofeuwand licsass, dass er im Siebeneck gebaut war
und für jede Seile des siebeneckigen Bauwerkes mit solchem
feststehenden gewöhnlichen Feuerheerde ausgestattet war.
In Folge der gewissenhaften Untersuchungen, welche die
Experten über diesen Gegenstand anzustellen veranlasst
wurden, erklären dieselben einstimmig, dass die Umstände:
„dass nichts sich herausgestellt hat ül>er die Art und
Weise, wie dieser sogenannte Arnold'sche Ofen funktiouirt
haben soll; dass in der Publikation des Herrn Paul Loeff
nem Terrasseuuuterhau diu stark reduzirten Reste eine» statt-
lichen Gebäudes erhalten, welches, aus grossen gewölbteu Sälen,
kleineren Ncbengemäehern uud sehr breiten Korridoren beste-
hend, bald für einen Palast, bald für eiu Gymnasium gehalten
worden ist. Die bevorzugte Lage längs der Nordseite der Stadt-
mauer uud direkt auf derselben aufgesattelt, mit den schönsten
Aussichten auf das Meer, die Häfen, den l-'luss uud das Arte-
mision, sowie die gesicherte Existenz einer \ou Portiken um-
gebenen Gartenterras.se au der lliuterseite sprechen für die Ver-
mutbuug, dass hier der Amtssitz eines höheren römischen
Verwaltungsbeaintcu zu suchen ist.
Wenden wir uu» zum Stadion zurück, so führt uns die gut
gepflasterte antike Strasse an dem westlichen Abhänge des Prion
entlang und gestattet zur Rechten den deutlichen Ueberblick
über diu am Stadthafeu belegenen Ruiueugruppen, einer sehr
grossen Agora mit zwei Gymnasien, einer Doppelkirche, meh-
ren Stoeu und Tcmpcltcrrassen, während zur Linken das in die
südliche Prioukuppc eingeschnittene Theater von der Höhe uns
entgegenwinkt. Es ist eine der mächtigsten Anlagen dieser
Denkmälerklasse, aber stark verschüttet. Der Durchmesser des
Theatrou beträgt über 200 01 ; zwei Umgänge und eine Oherhallo
sind erkennbar, aber die Treppenzahl ist ohne Aufgrabung nicht
zu ermitteln. Woblcrluiltcn stehen die Schcnkelmaueru aus
grossen, schwarz gewordenen Marmorquadcru über ;ö '» hoch
aufrecht; dagegeu ruht eiu Sehuttberg über dem aus edelstem
Materiale erbaut gewesenen Skeueugebäude. Seit Mr. Woods ge-
machten über keineswegs erschöpfenden Ausgrabungen, welche
Reliefs uud Statuen geliefert haben, ist hier ein unbeschreibliches
Chaos von Baustücken entstanden, zu dessen kunstwissenschaft-
licher Bewältigung behufs einer zuverlässigen Aufnahme mehr
Zeit und Hülfsmittel gehörten, als wir besaaseu. Die umher lie-
genden Trümmer lassen zwei Bauepochcu. eiue hellenistische uud
eine römische (hadriauische) erkennen. Schöne Säuienschäfte
von polirtem Grauit, von afrikanischem und synnadiscliem Mar-
mor, zum TheU noch auf ihren Stylobaten stehend, ionische
Kranz- und Kassetteublöcke, sowie I'riesstiicke mit Reliefs uud
mehre Statucutorseu lassen die ehemalige glänze ude, ja überreiche
Hier wäre eine sorgfältige Ausgrabung
sehr am Platze, da die tief verschüttete Orehestra höchstwahr-
scheinlich noch unangetastet liegt uud langerwüuschte Auf-
schlüsse über die Thymele des griechischen Theaters gewähren
würde. Die Lage ist wieder über alle Maassen herrlieb, nach
Westnordwest und auf das Meer gerichtet, rechts die Kavster-
EL'cuc, links die Koressuskctte, zu den Füssen der grosse Markt
uud der Hafen. Die zur alten Hafeneinfahrt genau axiale Stel-
lung des Theatrous scheint nicht ohne Bedeutung und dürfte
hieraus die gleichzeitige Anlage beider bei dem grossartigen
Stadtprojekt« des Lystuiachus sich erweisen lassen. Denn un-
verkennbar hat dieser von dem Pilgerhafen am Arteiuisiori
wohl zu unterscheidende Stadthafeu in alexandriuischer Zeit bis
an den Prionabbaug gereicht und ist erst bei seiner rasch vor-
schreitendeu Verschlammung künstlich durch einen breiten
Damm zurückgedrängt wurden, um die Anlag« einer kolossalen
von Süden nach Norden gerichteten forumurtigeii Agora zu er-
möglichen. Dabei hat mau ein grosses oblonges Bassin, in des-
sen Zentrum eiue kleine Bauaulage stand, in der Mitte der Agora
konservirt uud mit Portiken und öffentlichen Gebäuden um-
ringt.
Zwei Gymnasien begrenzten an der Ost- wie Westseite die-
sen Liebliugümittelpuukt aller ionischen Städte; ein kleineres
in der Nähe' des Theaters, ein zweites, das grösste aller in Ephc-
sus befindlichen Gymnasien dicht am Hafen. Erhebliche Ruinen
sind von beiden erhalten, aber die werthvollsten Baureste, wie
Krauzgesimse und Granitsäulen, liegen noch verschüttet uud
harren der sachgemäßen Erforschung. In technischer Be-
ziehung stimmen beide dariu überein, dass der überwiegende
Theil der aus Sälen uud Hallen zusammengesetzten Anlage mit
Kreuz- und Tonnengewölben vou Backsteinen l>edeckt war, wäh-
rend die Mauern und Pfeiler aus M.irniorquader/f bestanden.
Am grossen Gymnasium iniponiren die Abmessungen. Der
Mittelkorridor, der das oblonge Gebäude in südnördlieher Rich-
tung der Länge nach durchschneidet, ist 155 Meier lang und
17 Meier breit. Links vou demselben liegt in der Mitte di r in
üblicher Weise mit drei Kreuzgewölben auf K Grauitsäulen über-
wölbte Hauptsaal von 37 Meter und 20 Meter. Die acht Wider-
lagspfeiler sind in so kolossalen Maassen (i) Meter tief) uud ohne
Digitized by Google
— 104
fehlerhafte, willkürliche nnd den Verhandlungen wider-
sprechende Angaben enthalten sind; dass der Betrieb mit-
tels fester Feuerheerde an dem früheren Arnold'schen Ofen
als unwiderruflich konstatirt angenommen werden rousa
und dass bei festen Fenerheerden eine Feuerung nach Hoff-
mann'schem Prinzip in vielen gleichmässig vertheil-
ten vertikalen Heizschächten als möglich nicht an-
genommen werden kann (wozu auch die obenerwähnten we-
nigen Öffnungen, welche sich in dem Gewölbe des früheren
Arnold'schen Ofens befunden haben sollen, durchaus kein
Motiv abzugeben geeignet sind)" — den Experten selbst
keine andere Veranlassung geben können, als diejenige:
den früheren, sogenannten Arnold'schen Ofen
hiermit zu bezeichnen als einen der vielen vor
dem Hoffmann'schen System aufgetauchten Appa-
rate ohne Erfolg und ohne irgend welche Beteili-
gung zu nützlicher industrieller Verwendung, wel-
ches sich auch ganz von selbst schon dadurch konstatirt,
dass dieser sogenannte Arnold .« che Ofen aufgegeben nnd ver-
lassen worden ist, lange bevor die Hoffmann'schen Oefen
sich ihre segensreiche Einführung in die Gewerbe errangen.
Turin, 25. November 1871.
Im Original unterschrieben:
Commendatore Ingegnere Candido Borella.
Cavaliere Ingegnere Michele Elia.
Cavaliere Ingegnere Giovanni Curioni."
Ein ausführlicherer Auszug aus dieser an Gründlichkeit
und Sachverständniss hervorragenden Expertise wird mitge-
teilt in eine
Ingenieur Hrn. Carl Reuleaux zu Turin verfassten Brochflre*),
| worin derselbe seinen deutschen Fachgenossen resp. einer
{ nochmals zu veranstaltenden offiziellen deutschen Expertise
folgende Fragen zur Erwägung empfiehlt:
1) Wie ist der Hoffmann'sche Ringofen beschaffen nnd
: wie funktionirt derselbe?
2) Wie war der frühere sogenannte Arnold'sche Ofen
beschaffen und wie fnnktionirte derselbe?
3) War in dem früheren sogenannten Arnold'schen Ofen
der Luftzutritt ein freier und ungehinderter in der ganzen
Querschnittfläche des Beschickungsraumes?
4) Fand in dem früheren sogenannten Arnold'schen
Ofen die Verbrennung direkt ohne alle Zwischenmittel, zwi-
schen den glühenden Hassen selbst statt?
5) War in dem früheren sogenannten Arnold'schen
Ofen alle, die Verbrennung unterhaltende Luft in dem Mo-
mente des Kontaktes mit dem zu oxydirenden Feuernngs-
material bis zur höchsten Temperatur, das heiast, bis zu
derjenigen der glühenden Massen selbst erhitzt?
Es ist im Interesse der Sache nur zn wünschen, dass
diese Fragen von Seiten unserer Fachgenossen einer gründ-
lichen Erwägung unterzogen werden und die vielseitigste
unparteiische öffentliche Beantwortung finden. Möge darum
auch die erwähnte Broschüre, welche mit grosser Wärme
geschrieben, durchaus den Standpunkt des deutschen In-
genieurs vertritt, der Beachtung der gesamraten bautechni-
schen Welt bestens empfohlen seinl
Berlin, im Marz 1872. A. Ummerhirt.
•) Auch «ist Ai.b.un-Fr.g. tu. VirUg tob i
Au der Thfttigkeit der den t sc hrn Fe Idriseu bahn- Abteilungen.
VI. Brückenbanten. Mittheilnng der 2. Sektion
der Feldeisenbahn- Abtbcilung No. IV.
Unter den Arbeiten, welche den Fefdeisenbahnen bei
Wiederinbetriebsetzung der französischen Bahnlinien begeg-
neten, waren die zur Wiederherstellung zerstörter Brücken-
bauwerke die allerhäufigsten. Abgesehen von dem, wohl
nur bei der Feldeisenbahn- Abtheilung No. IV. vorgekomme-
nen Falle eines wirklichen Neubaues (der Moselbrücke bei
Pont-ä-Monsson in der Feldeisenbahnlinie Remilly-Pont-a-
Mousson), hat es sich im Allgemeinen um Restaurirung
gesprengter Brücken gehandelt; der gewöhnlichere Fall war
ausserdem der, dass bei Bauwerken mit mehren Oeffnungen
die eine oder die andere derselben zerstört, seltener dass
sfiranitliche Oeffnungen gesprengt vorgefunden wurden.
Indem angenommen wird, dass es sich hier 'stets nur
um Wiederherstellungsarbeiten in Holz handelt, so lassen
sich die verschiedenen Methoden, nach denen das System
des Wiedcrherstellungsbaues im Allgemeinen gewählt wird,
wie folgt unterscheiden:
a) die vorhandenen Oeffnungen werden durch Ein-
fügung von Holzjochen in solche von kleineren V
zerlegt;
b) die Oeffnungen werden in ihrer vollen Weite
Holzträgerkonstruktionen überdeckt;
c) die Oeffnungen werden sprengwerkartig Überbant
Ad a) Die Methode zeichnet sich durch besondere
Einfachheit aus, wird aber in weit wenigeren Fällen zu-
lässig resp. angänglich sein, als e« den Anschein haben
möchte. Wenn die Ausführung von Rammarbeiten der
Wasserverhältnisse und des Untergrundes wegen leicht mög-
lich, so schreitet die Ausführung allerdings schnell vorwärts,
nnd ist dabei noch möglich, die Joche in Entfernungen von
nicht über 4 bis 5" von einander aufzustellen, so genügen
gewachsene kräftige Stämme zur Ueberdeckung der Oeff-
seitliche Durchbrechung aufgeführt worden, dass die sonst üb-
lichen Seitenschiffe hier nur als 7' , Meter tiefe Nischen er-
scheinen und die ganze Anlage sich als eine bemerkens-
wertbe Vorstufe für die cutsprechenden Riesenanlagen
der Caracalla- und Dioclottans - Thermen zn Rom zu
erkennen riebt An den Ilauptsaal schliessen sich an jeder
Seite drei Parallelräume, alle mit der Aussicht auf den Hafe
Jen,
während zwei andere Hauptsäle rechts vom Korridor mit einer
Palästra von IM"' und 64", die mit der Agoi
in Verbindung stehen.
Merkwürdig, aber ganz rätselhaft ist die durch zwei vier-
eckige mit Podesten versehene Treppen zugängliche Kcllcr-
anlage, welche, grossentheils verschüttet und deshalb unerforscht
einem ausgedehnten und sehr regelmässig gebauten Labyrinthe
gleicht Dieser kostbaren und besonderen Substruktion wegen
hat man in der Ruine häufig Reste des Artemisions zu finden
geglaubt. Doch ist der Oberbau nie etwas anderes als ein
Gymnasium gewesen, und zwar eines im Sinne der älteren
Auffassung des Programms, wonach die Räume zum Baden gegen
die Räume für Leibesübungen noch völlig zurücktreten. Grade
in diesem Punkte zeigt das zweite, am Theater belegene Gym-
nasium durch seine reiche und symmetrische Grundrissbildung
und die entschiedene Betonung der BaderSume, die bereits
auf griechischem Boden sich vollziehende Fortentwickelung von
den ursprünglich nur zur harmonischeu Eutwickelung aller
I-eibes- und Seelcnkräfte der Jugend bestimmten Staatsbauten zu
den spateren, ausschliesslich dem verschwenderischen Müsaiggange
einer genussüchtigen Volksmenge gewidmeten KaiserbSdern zu
Rom,
An de* Nordseite der Agora befindet sich die bereits er-
wähnte und mehrfach (unter Andern bei Hübsch) publizirte
Doppelkirche St. Marcus, ähnlich wie St. Lorenzo ausserhalb
der Mauern zu Rom aus zwei hintereinander gestellten Kirchen
bestehend. Die Vorderkircho war gewölbt, wahrscheinlich mit
einer Kuppel über der Vierung; die llinterkirche war hoch-
schiftig nut Emporen gestaltet und besass auf Arkaden ruhende
Holzdecken. Da eine Aufgrabung bisher noch nicht erfolgt ist,
bleibt die Frage wegen der Krypta unentschieden. Die Hat
sind klein, die Technik ist schlecht — beispielsweise ist die Apsis
der Hinterkirche ganz aus Gussmörtelwera hergestellt und mit
kubischen Quadern bekleidet — die ganze Ausstattung macht
einen dürftigen Eindruck. Da auch diese Kirche unzweifelhaft
der altchristlichen Epoche entstammt, wie ähnliche Schwester-
kirchen zu Sardes und Thyatira, so helfen alle drei die auf-
fallende und bisher viel zu wenig gewürdigte Thatsachc stützen,
dass das Christenthum in dem ersten Jahrhundert seiner staat-
lichen Anerkennung nur sehr bescheidene Schöpfungen, selbst
an so hervorragenden Punkten der ältesten Kirche, wie zu Epheaus,
Sardes und Thyatira, zu Stande gebracht hat
In der Nähe der Doppelkirche, aber mehr östlich am Prion
gelegen, verrathen ganze Reihen von Granitsäulen stumpfen die
Existenz lauger Stoenanlagen, die diesen Stadtteil als einen be-
sonders verkehrsreichen bezeichnen. Vier quadratisch gestellte
Granitsäulen stehen isolirt, als hätten sie ein bevorzugtes Ehren-
dcnkmal getragen. Oestlich von diesem Tctrakionion erbebt sich
das von älteren Reisenden oft erwähnte und unter dem Namen der
St Johannes • Baptista - Schaalc bekannte grosse Springbrunnen-
becken aus rothlich weissem Marmor, 5 m im Durchmesser haltend
und fast l m hoch. Lange Jahre hindurch war dasselbe verschüttet
letzt ist es wieder aufgedeckt. Es ist ein spätes, in redozirten
Kunstformen hergestelltes Werk, nicht vergleichbar mit den
Prachtstücken der vatikanischen Sammlung, — aber lehrreich
durch seine Existenz auf antiker Stelle.
Doch die Zeit ist edel, wir müssen weiter. Unser Zielpunkt
ist das stattliche, weithin sichtbare, aber nicht genau erVenn-
bare Gebäude auf dem letzten Koressus-Vorsprunge, an welchem
seit Jahrhunderten der Name St Paul's Gefängniss haftet Wir
streifen daher nur flüchtig eine grossartige quadratisch«, rings
von Portiken nnd Buden umgebene zweite Harktanlage, südlich
von der Hauptagora und bemerkenswert durch ein im Zentrum
aufgestelltes BrunnengebSude, eilen an dem oft erwähnten korin-
thischen Prostylos-Tempel des Claudius, dessen Front auffallen-
derweise Nordnordost gerichtet ist nnd vier Säulen zwischen
den Anten besass, vorüber und steigen an den schroffen Hangen
des Koressus langsam in die Höhe. Es ist ein beschwerlicher
Ritt auf antiker aber teilweise zerstörter Strasse. Auch hier
Digitized by Goo
— 105 -
innigen und direkten Aufnahme der Schienen and Schwellen. ! die «eh in den verhältnismässig nicht schweren Moselkies
Aber die ganze, sonst höchst einfache Konstruktion verbietet mit einer Zugramme mittlerer Grösse und ohne Anwendung
sich meist aus dem Umstände, dass sie einem kräftigen eiserner Pfahlschuhe 2,2" tief eintreiben Hessen. Einige
Wasserdrucke nicht widersteht; ein plötzlich eintretendes | Joche am rechten Ufer wurden, weil hier die Steinaberreste
n«. 1.
Flg. 1 - L M.i.l.ri.kf ktt ?•■(■!■■•■••«■.
n» t.
Fi». S.
V V
y %
X 1
IT :
Flg. 4 — & Brückl fktr den Armenjon hei Haiti • •a« Iltllfll.
Fl«. 4.
Flg. ».
Fl». «.
Hochwasser, namentlich bei Gcbirgsflfissen, wird den Joch-
bau mit grösster Wahrscheinlichkeit vernichten.
Als Beispiel für diesen Fall sei die Eingangs erwähnte
Moselbrücke bei Pont-a-Mousson angeführt. Dieselbe war
eine einfach konstruirte Jochpfahlbrücke, nach Fig. 1 resn. 3.
waren ans eingerammten Pfählen gebildet,
Die Joche
einer früheren Buhne die Rammarbeiten unmöglich machten,
nach Fig. 2 als Böcke auf feste Steinunterlagen aufgesetzt
und mittels eiserner, in den Steinboden eingetriebener Anker
befestigt Die ganze ca. 85™ lange und auf 22 Jochen
rnhende Brücke wurde in 14 Tagen ausgeführt, nämlich am
2. September 1870 Nachmittags begonnen und am 16. Sep-
treffen wir in missiger Höhe ein altes, künstlich aus dem
Felsen gehauenes Hciligtbum mit Yotivnische und Steinbänken.
Andere, aus dem Felsen gehauene grosse Exedren erheben sich
hoch über uns ? längs einer zweiten parallelen FeUcnatrasse,
welche in klassischer Zeit wegen ihrer schattenreichen und den
Seewinden ausgesetzten, hohen und stillen Lage einen liaupt-
spazierweg der Ephcsier, zumal des Abends, gebildet haben muss.
Endlich erreichen wir den breiten Sattel, mittels deinen
der Koressus mit dem weit vorgeschobenen Hügel, der St. Paul's
Gefängnis» trägt, zusammenhängt Zu unserer Linken kommt
die kolossale Ringmauer, welche mit Thürmen und Thoren den
ganzen Kamm des Koressus krönt, herabgestiegen und senkt sich
noch einige Hügelstufen weiter links abwärts, um alsdann stets
in geschicktem Terrainanschlusse zu unser Rechten zurückzu-
kehren und sich mit der stolzen, thurmartigen Befestigungs-
anlage — als solche erkennen wir jetzt St Tauls Gcfängniss
deutlich, obsebon es noch über 40» über unserem Standpunkte
thront — zu verbinden.
Wir klimmen zu dem nur in den Obergeschossen zerstörten
Bauwerke hinauf und treffen einen 15™ Quadratscite messenden
marmornen Wartthurm, den zwei sich kreuzende Innenmauern
in allen Etagen in vier Räume theilten- Noch stehen andert-
halb Geschosse von diesem ohne Mörtel erbauten Befestigungs-
prachtbau; die Stärke der Mauern beträgt 1,46"»; die technische
Herstellung ist als Kmplecton mit durchgehenden Quaderbindern
erfolgt. Die Aussenquadern zeigen sich als schlichte Buckel-
quaderu ohne Randbeschlag und wuchtiger als die der servischen
Mauer oder des Augustus - Forums zu Rom. Die vier Erdge-
schossräume waren durch schmale spitzbogig überkragte Thören
mit einander verbunden. Der Zugang fand auf der Ostseite
statt mittels einer ebenfalls spitzbogig gezeichneten, aber nicht
überwölbten, sondern durch Ceberkragung formirten Pforte von
1,52* Breite. Die Fussbflden wurden, wie die messbaren Mauer-
löcher beweisen, von Holzbalken getragen. Von Wftlbungs- oder
struktur ist nichts zu sehen. Die Quadcrbfthe beträgt
" ' zu 0,70 -0,90-1,20- Länge. Nach Norden
mit
niedrigeren Klippe stehenden Vorthurme nieder, welcher gleich-
zeitig hergestellt worden ist, um in demselben mittels einer ver-
steckten Treppe den gesicherten Zugang zu einer am Fusse des
ganzen Vorgebirges sprudelnden Quelle zu gewinnen. Die ganze
hochinteressante Anlage erinnert so lebhaft an verwandte Forti-
fikationen ähnlichen Zweckes in den Ordensschlössern zu Marien-
burg, Marienwerder und Thorn, dass man unwillkürlich das ge-
flügelte Wort: „Es ist schon alles dagewesen" rezitirt. Leider
ist es mir nicht gelungen, die Fortsetzung dieser interessanten
Befestigungsanlage, welche mit der ganzen Korcssus-Befestigung
aus einer Bauepoche, der des Lysiniachus, stammt, bis nach dem
Hafen hinunter zu verfolgen. Höchstwahrscheinlich ist sie unten
wegen der leichten Zugänglichknit früh zerstört worden. Der
ganze St. Pauls-Thurm mit seinem zugehörigen Treppen -Vor-
Selbst ein so umsichtiger Reisender wie Chandler ist nicht oben
gewesen. Falkener beschreibt denselben so wenig als Hamilton,
welcher sich doch die Mühe gegeben hat die ganze über 2,60
Kilometer lange Koressus-Mauer mit ihren Thürmen und Thoren
zu besuchen. Da Julius Braun von Gewölben und zwar soge-
nannten Schiebegewölben (?) im Gefängnis* des h. Paulus spricht
so muss ich bemerken, dass er sicherlich ebenfalls nicht an Ort
und Stelle gewesen ist und nur die ziemlich flüchtigen Bemer-
kungen Texiera. der in dem Thurme ein persisches Werk (!)
erkannte, in nicht minder flüchtiger Weise verwerthet. Von
Gewölben ist keine Spur vorbanden. Um sich die zerstörte
obere Hälfte des Thurms zu rekonstruiren , muss man sich des
von Laurent edirten, so wobl erhaltenen antiken Thurm > h auf
der Insel Andres erinnern, obschön derselbe mir etwas jünger
zu sein scheint als der Paulsthurm zu Ephesus. In jedem Falle
verdient diese ganze, aus einem sicher datirbaren Zeiträume
stammende Befestigung* -Anlage von Ephesus, nach ihrer Grösse
und Erhaltung in der Statistik der hei!
fortan eine hervorragende Stelle.
Digitized by Google
106 —
tomber Abends mit der ersten Lokomotive befahren; von
diesen 14 Tagen (ringen noeh 3 wegen heftigen Regenwetters
für die Arbeit fast voollständig verloren. Die Brücke diente
jedoch ihrem Zwecke nur kurze Zeit; das Oktober- Hoch-
wasser der Mosel brachte die Joche zn Falle und trieb die
Brückenbalken ab. Dieses Ereignis« war vorauszusehen;
dennoch enlschloss man sich für die beschriebene Konstruk-
tion wegen der kurzen Bauzeit und der geringen baulichen
Hülfsmittel; vor Allem entschied aber die bei Beginn des
Baues herrschende Ansicht auf eine sehr schnelle Beendigung
des Feldzuges für die Wahl des Joch-Pfahlbaues; dass der-
selbe zur Zeit des Hochwassers noch in Benutzung sein
würde, wurde kaum als möglich angesehen. Der hölzerne
Jochbau dürfte hiernach anwendbar sein bei massig tiefem
Wasser, leichtem Sandboden nnd bei einein Bau, der nur
für die Dauer der vom Hochwasser freien Jahreszeit bestimmt
ist; er empfiehlt sich in diesen Fällen der Schnelligkeit
wegen ganz besonders.
Selbstredend sind hier eingeschlossen die Fälle, in denen
wasserfreie Öffnungen zu überspannen sind; hier wird die
Methode der Theilung in kleinere Öffnungen fast immer
von Vortheil sein, wenn die Höhe d>>r Joche nicht die der
vorräthigen Pfahllängen übersteigt.
Ad b) Die Ueberdeekung der Öffnungen durch Träger-
konstruktionen ;zu denen hier gewöhnliche Balken, verzahnte
oder armirte Balken, zusammengesetzte Balkensysteme und
auch Hängewerkskonstruktionen zu rechnen sind) ist im
vorigen Feldzuge vielfach zur Ausführung gekommen; ob
jedoch überall mit Berechtigung, dürfte fraglich sein. Es
ist hier von so geringen Spannweiten abzusehen, bei denen
einfache oder mit geringen Miltein verstärkte Balken noch
ausreichend sind, also von den Weiten unter 6».
Zu l'eberdecknngen grösserer Spannweiten ist besonders
das Howe'sche System empfohlen und angewandt worden.
Dasselbe erfordert jedoch eiue gute lneinanderarbcitung der
einzelnen Theile. Ein in der Eile des Krieges flüchtig zu-
sammengefügter Träger dieses Systems wird sich bei der
ersteu Belastung sogleich in Bedenken erregender Weise
durchschlagen und zu Repaniturarbeiten Veranlassung geben.
Vortheile bietet dies System, wie überhaupt die zusammen-
gesetzten Balkensvsteme naiunntlich deswegen, weil sie vor-
rüthig gearbeitet ' und für beliebig kleinere, als die her-
gestellten Spanuweiten verwandt werden können; immer
aber wird eine gewisse Zeit behufs sorgfältiger Bearbeitung
erforderlich sein.
Sind so kräftige und lange Hölzer vorhanden, dass die
Gurtungen ohne Stossverbindungen direkt aus den Hölzern
zugelegt werden können, so empfiehlt es sich ganz k-sonders,
die beiden Gurtungsbalken mit gewöhnlichen kreuzweis über-
einander gelegten Brettern gegen einander auszusteifen und die-
selben auf die Gurtungshölzer mit langen Drahtstiften so viel-
fach zn vernageln, als die Kohäsion der Holzfasern zulüsst.
Folgende Reispiele mögen noch zur weiteren Erläute-
rung über die Anwendbarkeit der zusammengesetzten Balken-
Systeme hier Platz finden.
In der letzten Hälfte des Monats November 1870 erhielt
die Sektion den Auftrag, nach dem Eisenbahnknotenpunkte
Nnits-sous-Ravieres vorzurücken und eine dort zerstörte
Öffnung derBrücke überdenFlussArmcncon herzustellen. Am
2G. November traf die Sektion zu dem Zwecke von Blemes
aus in Chanmont ein: der Weitermarsch verbot sich jedoch
einstweilen, da die weiter südlich gelegenen Gegenden in-
zwischen von Truppeu wieder entblöst waren. Es entstand
deshalb ein voraussichtlich mehrtägiger Aufenthalt für die
Sektion. Von der gesprengten Brückenöffnung war ein un-
gefähres Maass nach einer früheren Rckognoszirutig bekannt.
Da Chaumont gleichzeitig ziemlich gute Vorräthe au Bauholz
uud Rundeisen aufwies, so wurde zur Bearbeitung eines zu-
sammengesetzten Trägers geschritten, der. als am 3. Dezeml>er
der Abmarsch möglich war, fertig mitgenommen und mit
Pferden auf der Bahn forttransportirt werden konnte. Die
Wahl des Systemes war also in diesem Falle zweifellos vor-
geschrieben. Zur Vervollständigung des Berichtes ist noch
zu erwähnen, dass die Sektion, als sie in Nuits-sous-Ravicres
eintraf, fand, dass inzwischen auch noch die beiden übrigen
(Jeffnungen der aus drei Bögen gewölbten Brücke zerstört
waren, und der GleichmSssigkeit halber nunmehr sfimmtliehe
3 Oeffnnngen mit Trägern in Art des Howe'schen Systemes
ülwrdevkt wurden.
Als weiteres hierher gehöriges Beispiel möge die in den
Figuren 4 bis G dargestellte Rekonstruktion einer Brücke
über denselben Fluss Armencon in der Nähe der Stadt
Montbard, an der Paris- Lyoner Eisenbahn, dienen. Von
den 6 Offnungen waren 2, wie in Fig. G dargestellt, zer-
stört. Zur UelK-rdeckung der ersten Oeffnung wurde der
Träger Fig. 4 und 5, für die zweite Oeffnung, in welche
durch die Sprengung nur ein Loch geschlagen war, gewöhn-
liche kräftige Holzbalken benutzt. Der bezeichnete Träger
Fig. 4 und 5 war Seitens der Sektion bereits seit einigen
Wochen als Reservetrüger mitgeführt worden und wurde
hier der Kürze halber sofort benutzt. Er war angefertigt
worden, nachdem sämmtliches Bauholz aufgebraucht und
nur noch kieferne und eichene, 4 bis 8"" starke Bohlen,
sowie Schraubenbolzen und Nägel vorräthig waren. Zu den
Gurtungen wurden die kiefernen, zu den Streben die eichenen
Bohlen benutzt; die in der Fig. 4 angegebenen Punkte be-
zeichnen die Verbindung der im Grundriss angedeuteten
Bohlenlagen, sowie der Streben mittels Schrauben bolzen;
die Streben wurden jedoch wegen des geringen Ahseheerungs-
widerstandes des Holzes parallel zu der Faserrichtutig noch
ausserdem vielfach mit den Gurtungen vernagelt. Die in
Fig. G angedeutete Unterstützung des Trägers durch eine
bockförmige Mittelstütze hat folgenden Ursprung. Der Auf-
trag zur Wiederherstellung der genannten Brücke war am
19. Januar 1872 eingegangen; die Arbeiten wurden am 21.
aufgenommen und am 2G. Wendet; am Aln-nd dieses Tages
passirte die Lokomotive die Brücke. Ein Garibaldi'sches
Streifkorps überfiel jedoch noch in derselben Nacht die
Brückenwache. vertrieb dieselbe und setzte zur Wiederzer-
störung der eben fertig gestellten Brücke eine Sprengpatrone
unter das Trägerende bei n; durch die Gewalt der Explosion
ward der Träger an jenem Ende in die Höhe geworfen,
schlug heftig nieder und brach in der Mitte der Gurtung
ein. An weiteren Zerstörungen der Brücke wurde das Streif-
korps durch die Besatzung von Montbard verhindert; es
hatte jedoch der Träger derart gelitten, dass er, wie in der
Figur "angedeutet, unterstützt werden musste.
Ad c) Der Sjirengwerksbau ist im Allgemeinen als das
best.- System für Wiederherstcllungsarbeiten in Holz zu be-
zeichnen. Wenn nicht die Zwischenpfeiler so tief unter
Wasser weggesprengt sind, dass ein gegen Seitenschub
sicherer hölzerner Pfeileranfbau unmöglich herzustellen, soU-
ten die Sprengwerkskonstruktionen jeder anderen unbedingt
vorgezogen werden. Die vorhandenen Reste des Pfeiler-
mauerwerks, also diejenigen festen Theile, auf die sich der
Wiederherstellnngsbau stützt, werden bei der Sprengwerks-
köustruktion vollständiger verwerthet, als beim zusammen-
gesetzten Balken. Letzterer überträgt nur die vertikalen
Kräfte auf den Pfeilerbau, das Sprengwerk nutzt jedoch
den vorhandenen Mauerkörper auch durch Ueliertragung der
horizontalen Kräfte des Systemes aus. Das Sprengwerk
erfordert deshalb weniger Material, die Zulage und Bearbei-
tung ist weit einfacher, als bei den zusammengesetzten
Träger - Systemen ; endlich lässt sich die Konstruktion
leichter aufstellen Tind wenn sie bei der Belastungsprobe
Mängel zeigt, durch einige Aussteifungen oder Klammern
schnell verbessern. Eine mangelhafte und eilige Arbeit an
einem zusammengesetzten Balken führt jedoch zn Unzutrüg-
lichkeiten, die durch einzelne Nacharbeiten selten gehoben
werden.
Diese Verhältnisse sind anscheinend im vorigen Feld-
zuge nicht hinreichend erwogen worden und auch die dies-
seitige Sektion hat nur in einem Fall Sprengwerkskonstruk-
tionen angewendet. Die Vorliebe für die Herstellung ele-
ganter Träger ist eine leicht begreifliche, aber nicht gerecht-
fertigte. Es dürfte sich für die Technik des Feldeisenbahn-
wesens die Aufstellung des Satzes empfehlen:
„So lange Sprengwerkskonstruktionen ausführbar, sind
zusammengesetzte Balkensysteme unzulässig, vorausgesetzt,
dass nicht gut gearbeitete Ueserveträger vorräthig gehalten
werden, die nur überzuschieben sind>
Grüttefien.
Mittheilungen aus Vereinen.
Architekten- nnd Ingenieur- Verein zu Kassel. Mouats-
vcrsamtulung am '27. Februar 167'J. Vorsitzender Hr. Rudolph.
Nach LrleiliKuu« mehrer geseliäftlieheu Angelegenheiten
»Urach Hr. Uindorf über deu vou ihm geleiteten Neubau der
hiesigen Gewerbeschule und der damit verbundenen (Sewerbe-
ldera der Vortragende darauf hingewiesen, das» die
des ehemaligen Polytechnikums, au dessen Stelle die
(■ewerbeschule gutreten ist, der letzteren nicht allein bei den
Laien, sondern selbst unter den luesigen Facligeuossen eine
wenig günstige Aufnahme bereitet hat, hebt derselbe hervor,
dass die Vereinsmitglieder gauz besonders berufen seien, in vor-
urteilsfreier Auffassung die Gründung und Kntwickeluug der
neuen Anstalt zu verfolgen und irrigen Urtheilen ausserhalb
des Vereins entgegenzutreten. Von einer KriÜk der früheren
Digitized by Google
— 107
Verhältnisse and einem Vergleiche derselben mit dein jetzt an-
strebten Ziele sei dabei vorläufig abzusehen, da über die Leis-
tungen der seit Kurzem neu organisirten höheren Gewerbe-
schulen erst Erfahrungen gesammelt werdet! müssen ; der Vor-
tragende beabsichtige daher nur aus den Bauplänen ein Bild
der inneren Einrichtung und der Zwecke der hiesigen Schule
zu geben, »eiche, reicher ausgestattet als andere Gewerbe-
schulen und durch die zweckmässige Vereinigung mit der
Gewerbehallo begünstigt, den wohltätigsten Einfluss auf die in
gänzlicher Umbildung begriffenen gewerblichen Zustände üben
könne.
Unter Vorzeigung der Plaue uud Detailzeicbnuugen wird
die Disposition der Räume besprochen, welche in den Werk-
stätten, Auditorien, Zeichen- uud Modellirsälen, der Bibliothek,
dem Laboratorium und Sälen für physikulischu etc. Sammlungen
den 3 Hauptrichtungen des Unterrichts (für Bautcchuiker, Me-
chaniker uud Chemiker) dienen und welche nicht allein für einen
zahlreicheren Besuch als den gegenwärtigen, sondern auch für
eine über das vorläufige Ziel der Gewerbeschule hiuausgcbcude
Erweiterung der Kachklassen ausreichen würden. Auf demselben
Grundstück, aber als besonderes Gebäude, schliesst sich die
Gewerbehallc au, welche in 2 Geschossen grosse Räume für an-
gekaufte oder vorübergehend ausgestellte Erzeugnisse der Kunst
und Industrie darbietet und im dritten Gcsehoss die Räume für
die gewerbliche Zeichenschuln enthält, in welchen deu Gewerbe-
treibenden Gelegenheit geboten wird, ihre Zeicheufertigkcit und
ihren Geschmack an guten Mustern zu bilden.
Nachdem über die Ausrührung des Ziegelrohbaues (Proben
des ca. 2» hohen, reich ornamentirten Hauptgesimses waren in
einer früheren Versammlung vorgelegt), über die dekorative
Ausstattung des Treppenhauses, die Einrichtung des Labora-
toriums, der Bibliothek etc. im Allgemeinen berichtet, speziellere
Mitteilungen aber für die im llerbst seitens des Vereins vor-
zunehmende Besichtigung des fertigen Gebäudes in Aussicht
gestellt waren, wurden die Heiz- und Ventilatioos-Anlagen aus-
führlicher besprochen.
Kür den Theil des Gebäudes, welcher das Laboratorium
cutliält, ist Luftheizung gewählt worden, um erwärmte, reine
Luft in grosser Menge zuzuleiten und den Aufenthalt dadurch
erträglicher zu machen, als er in Laboratorien, welche nicht
durch Mascbiuenkraft ventilirt werden , zu seiu pflegt. Im
Sommer soll die verdorbene Luft ausser durch eine grosse Zahl
direkt über Dach geführter Veutilationsröhren noch durch einen
im Keller zu heizenden Aspirationsschorustein abgeleitet wer-
den. In dem übrigen grösseren Theile des Gebäudes ist Heiss-
wasserhrizung projektirt. Die in einem grossen Kauale bereits
temperirte frische Luft wird den in den einzelnen Bäumen
aufgestellten Heizkörpern zugeführt und durch dieselben genügend
erwärmt. Die Ableitung der schlechten Luft erfolgt am Kuss-
boden der Zimmer durch den Heizkörpern diagonal gegenülter-
liegendc Oeffnungen, welche durch horizontale Kanäle in den
Korridorgewölben mit den Schornsteinen der Zentralheizung in
I Verbindung stehen. Je nach der Grösse der Bäume sollen
stündlich bis 250 kb™ frische Luft durch die Heizkörper einge-
führt werden, was s. B. in einem Zeichensaale bei der Auf-
stellung von 2 Orten einer stündlichen Erneuerung der Luft
gleichkommt. Im Sommer wird die verdorbene Luft unter
der Decke der Zimmer durch direkt über Dach geführte und
mit Wolpert'scheu Aufsätzen versehene Ventilationsschornsteine
abgeleitet. Die Kosten für den Bau der Gewerbeschule sind
mit 83 2011 Rthlr. veranschlagt und werden einschliesslich des
Grundstücks uud der inneren Einrichtung ca. U40U0 Rthlr.
betragen. Kür die Gewerbehalle sind 34000 Rthlr. bewilligt.
Architekten Verein zu Berlin. Versammlung am 23. März
1872. Vorsitzender Hr. yuassowski, später Hr. Streckort
anwesend Hä Mitglieder und <i Gäste.
Dur Hr. Vorsitzende macht die Mittheilung, du« leider wie-
derum ein Mitglied des Vereins, der Bauführer Wiechmann
zu Potsdam verschieden ist; der Verstorbene ist kurz vor Ab-
schluss seiner Studienzeit einem schnell verlaufenden Leiden
erlegen, das er sich durch die Anstrengungen des Dienstes als
Ingenieur der Keld-Eisenbahu- Abthciluug No. V. während des
vergangenen Krieges zugezogen hatte.
Die Landeskommission für die Betbeiligung Preussens an
der Wiener-Weltausstellung hat an den Vorstand des Verbandes
deutscher Architekten- und lugenieur-Vereiue die Aufforderung
gerichtet, eine möglichst zahlreiche Betbeiligung der betreffen-
den Kreise zu vermitteln, wovon der Hr. Vorsitzende mit dem
Bemerken Kenntnis« giebt, dass die bezüglichen weiteren Maass-
nahmen des Vorstandes durch das Verbands-Organ publizirt wer-
den sollen. Ein Vorschlag des Hrn. Kritsch, dass der Ver-
band eventuell in Wien direkte Schritte thun möge, um ein
Hinausschieben des Tür den 15. April d. J. offenbar zu kurz
gesetzten Auuicldungs-Terniines zu bewirken, wird von mehren
Seiteu als zwecklos und inkorrekt bekämpft. Eine später durch
Hrn. Streckert gestellte Anfrage, ob der Architcktcnverein
als solcher sich mit einer Auswahl aus deu iu seinem Besitz
befindlichen Konkurrenz - Arbeiten an der Ausstellung betheili-
geu solle, wird von der Mehrheit verneint.
Da der angemeldete Vortrag über Judenpch wegeu Nicht-
anwesenheit des Hrn. Neumann leider ausfallen musi, so bc-
eudet Hr. Hac seckc seinen in vuriger Sitzuug begonnenen
Vortrag über die Heizung von Schulgebäuden, indem er eine
grusse Zahl interessanter Details von Luftheizungs -Einrichtun-
I gen, sowie werthvoller Beobachtungen über die Wirksamkeit
\ derselben mittheilt. Er schliesst seinen Vortrag, der uuseren
I Lesern demnächst in extenso vorgelegt werden wird, mit eini-
gen allgemeinen Betrachtungen über dio Ziele, auf welche die
Bestrebungen zu fernerer Verbesserung der Luftheizung sich
zu richten haben werden.
Durch Abstimmung wird der Beschluss der Versammlung
festgestellt, am nächsten (Oster-) Sonnabende keine Sitzung des
Vereins abzuhalten. — F. —
Aus der Fachliteratur.
Zeitschrift für Bauwesen, red. v. G. Erb kam, Jahrg.
1872, Heft 1 — III.
A. Aus dem Gebiete des Ingenieurwesens.
1. Dachkonstruktion zu einem Retortnnhausn der
Imperial-Coutinontal-Gas-Association zu Berlin, von
J. W. Schwcdlor.
Da« betreffende Retortenhaus hat eine lichte Weite von 33 ,n
direkt von deu Hauptbindern aufgenommen. Von letztereu sind
12 vorhanden, die iu einem Abstände von 4,7» von einander
angeordnet sind. Sie sind als Bogeuträgcr koustruirt und be-
stehen aus 2 gleichen Bogeutheilen, die unten ein scharuierar-
tiges Lager haben und, einen Spitzbogen bildend, im- Scheitel
sich gegen einander stemmen. Die beiden Gurtungen sind als
Kreisbogen aus demselben Mittelpunkte konstruirt und haben
einen Schwerpuuktsabstand von 0,y42«". In O.tHj™ Abstand von
einander siud die radial stehenden Vertikalen eiugelegt uud
jedes somit gebildete, nahezu quadratische Feld mit doppelten
Diagonalen ausgefüllt. Die Gurtuugen bestehen aus doppelten
I— Eisen, ebenso die Vertikalen; die Diagonalen sind dagegen
aus Klachstäbeu gebildet. — Die Pfetten sind aus ~1_ Eisen kon-
struirt; sie gehen in einem Stück über je 2 Binder durch uud
sind «o lang, dass sie au beiden Kudcu um a,.'\ m überstehen.
An diesen überstehenden Enden sind mittels 23A"" lauger,
iimm starker Stoseplatten in ovalen Löchern die 2,82"> langen
Pfettenstücke eingehängt Ein Kreuzverband aus l*»"» starkem
Ruudeiscu ist zwischen die Hauptbiuder und zwar iu denjenigen
Kelderu eingelegt, über welche die Pfetten ohne Stoss weggehen.
Die Aufstellung der Träger geschah ohue stehendes Gerüst,
mit Hülfe zweier fester tföcke und ciuiger Stützen. Je zwei
zusammengehörige Bogcnträger wurden in Stücken von etwa
Ulm Länge verbunden, zur Baustelle geschafft, hier fertig ver-
nietet und nun unter Hebung des Scheitels zum Steigen gebracht.
Selten« des Verfassers wird übrigens angeführt, dass einer ste-
henden Rüstung der Vorzug zu geben sei; dass sich dieselbe
jedoch im vorliegenden Kalle deswegen vertrat, weil der innere
Kaum bereits durch die Retortenofen behindert war — Bei der
statischen Berechnung der Konstruktion ist die Schneebulutung
nur als unwesentlich angeschlagen, dagegen besonderes Gewicht
auf den Winddruck gelegt worden; derselbe ist zu rot. 125* pro
Ii m normal zur Dachfläche gerechnet worden , währeud das
Eigengewicht des Daches zu 7j k pro M" 1 angenommen ist Die
Maiinial-lnanspruchuahme der Konstruktion tritt nur ein, wenn
der Wind auf eine Seite des Daches drückt. Dio hieraus sich
ergebenden Spannungen sind injbesonderer Anlage graphisch
dargestellt. — Das Gewicht der Konstruktion an Schmiede- und
Gusseisen zusammen beträgt 45,9 k per Gruudfläche.
2. Neuere Strotnbauten iu denNiedcrl auden. Mit-
theiluug des Herrn Begieruug»- und Baurath A. Wiehe.
Ks wird in diesem Berichte namentlich über die in der Aus-
führung begriffenen »Neuen Merwede" referirt, einer neueu
grossen Ilochfluths- und Schiffalirtsrinuc, welche von Werkeudam
bis zum llollandschu Diep bei Deeueplaat, in einer Gcsammt-
längc. von 17 Kl " angelegt wird, au Stelle der jetzt bestehenden
zahllosen versumpften Wasscrlaufe. Die Ausbildung dieses
(seit l&öU begonnenen) Flusslaufes ist sehr allmälig erfolgt, uud
unter Benutzung der Arbeitskraft des Klusscs selbst, nach Ab-
grabuug einiger Inseln und Vorsprüuge und Ausführung eines
BÖ* langen Durchstiches, ist die wuiterc Verbreiterung und Ver-
tiefuug des Bettes durch die Strouigeschwiudigkeit selbst be-
wirkt worden, wobei mau uur bei Klai- und Torfboden durch
Baggerung nachhalf. Das Profil der neuen Merwede hat sieh
auf diese \Veise bereits soweit ausgebildet, dass sie von Schiffen
bis 3* Tiefgang bei halber Fluth passirt werden kann. — Ein
ähnliches Interesse wie diese Anlage, nimmt gegenwärtig der
Bau der grossen Eiseubahubrücke zwischen Moordijck und Wil-
lemsdorp iu Anspruch, welche der Vollendung nahe ist Die-
selbe hat 14 Oeffnungen ä 100«" lichter Weite, welche mittels
parabolischer eiserner Träger, jedoch nur für ein Geleis, über-
spannt werden, Die Träger werden auf dem Ufer vollständig
fertig zusammengestellt uud alsdann unter Benutzung von Kluth
uud Ebbe auf Schiffen in die betreffenden Oeffnungen transpor-
tirt und sofort in die richtige Lage niedergelassen. Bei den
letzten Oeffnungen hat dieser Transport, einschliesslich des Nie-
derlassens der Träger auf die Pfeiler, uur einen Zeitraum von
1 » , Stunden erfordert. Gr.
Digitized by Google
B- Aus dem Gebiete des Hochbaues.
1) Die neue Straf- Anstalt in Aachen mit Zeichnungen
auf BL 1—6. Mitgetheilt von Herrn Regierung»- und Baurath
Crem er in Aachen.
Für den Entwurf der nahezu vollendeten Anlage, die nach
dem Auburn'schen Systeme (Einzelhaft bei Nacht, Aufenthalt in
Gemeinschaftlichen Arbeitsräumen bei Tage) angeordnet ist, hat
er verstorbene Geh. Ober-Baurath Busse den grösseren Theil
der Gründl iss - Skizzen geliefert, die Ausarbeitung und Ergän-
zung derselben hat dem Verfasser obgelegen.
Die allgemeine Disposition der auf einem unregelmäßigen
Grundstücke ausserhalb der Stadt erbauten Anstalt ist auf bei-
hohen Haupt-
dargestellt. Ausserhalb der 5,70 ■
•t sich an der Vorderfront die Bau
7— i — r— i — i
10 o
Mra
gruppe (A}, bestehend aus dem von 2 Thürmon flankirten Thor-
gebäude mit der Pfortner- UDd Hausvater-Wohnung, sowie einer
Station für 7 Selbstverpfleglinge und den Amtawohnhäusern für
den Direktor, Inspektor und Geistlichen — an der Hinterfront
2 Atntswohnbäuser (G) mit je 6 Wohnungen für Aufseher.
Den Mittelpunktdes Ganzen bildet eine Gruppe von 3 Ge-
bäuden (B, C, D). Von diesen enthält das Vorderhaus (B) im
Kellergeschoss einige Speisesäle, im Erdgeachoss die Bureaus,
im ersten Stocke die Krankenstation, im zweiten Stocke den
Betsaal. Das mittlere Doppelgebfiude (C), mit dem Vorder- und
Hinterhause durch einen bedeckten Gang verbunden, dient zum
Aufentbalte der in gemeinsamer Haft befindlichen männlichen
Gefangenen. Die Schlafzellen, 134 an der Zahl, je 1,57» breit,
2,51 a lang, 3,14 ™ hoch, liegen an der Mittelmauer aneinander-
gereiht, die Korridore, von denen dieselben durch Ocffnungen
in den Thüren Luft und Licht erhalten, an den Fronten- Zu
beiden Seiten des mittleren Verbiodungsgangea liegen die Trep-
pen, an den Giebeln zwischen zwei Werkstätten die Latrinen;
im obersten Stockwerke sind 4 Aufseher-Zimmer und 4 grossere
Arbeits**]« angebracht. Das Hintergebäude (D), welches zur
Isolirhaft dient, enthält in jedem der 3 Stockwerke 14 Zellen
von 2,10X3,77« die zu beiden Seiten eines Mittelkorridors
Getrennt von dem Männergefängniss liegt das Weibergefäng-
niss (E) in unmittelbarer Verbindung mit dem Küchen- und
Wirtschaftsgebäude (F). Das erstere zerfallt in zwei, den ent-
sprechenden Einrichtungen der Männerstation analoge Thcile
und enthält 12 Zellen für Isolirhaft, »owio Arbeitsräume und
Schlafzellon für SO Weiber in gemeinsamer Haft; im Wirth-
schaftsgebäude liegen die Räume für den mittels Dampf be-
wirkten Koch- und Waschbetrieb etc. — Zwischenmauern bou-
dern innerhalb des Grundstücks die für jede Station erforder-
lichen Hofe resp. Gärten von einander ab.
Näher beschrieben und erläutert sind die Ventilation«-,
Leu- und Abtrittseinrichtungen, sowie die Apparate für den
Wirthschaftsbetrieb. Die Ventilation, welche besonders für die
Schlafzellen eine sehr kräftige sein musste, im Uebrigca aber
sich vorzugsweise auf die Abtrittsräumo erstreckt, erfolgt aus-
schliesslich durch Ansaugung der verdorbenen Luft mittels
Aspiratlonsse.hornsteinen, die durch besondere kleine Luft-
heizung*- resp. gewöhnliche eiserne Oefon geheizt werden.*)
Die Abtritte sind mit Rücksicht auf diese Ventilation ohne
Spülung angelegt und entleeren sich durch Rohren von 15,7*0
Durchmesser nach transportablen Kothgefässen. Die Heizung
erfolgt in sämmtiiehen Räumen mit Ausnahme der ohne Hei-
zung gelassenen Sehlafzellen mittels der landesüblichen eiser-
nen Oefen.
Slmmtliche Gebäude sind im Backsteinrohbau mit Sohl-
bänken und Gesimsen von Sandstein ausgeführt und mit Schiefer
gedeckt Sie zeigen einfache mittelalterliche Formen und ist ihre
architektonische Ausbildung mit Zinnen, Eckthürmchen, Giebeln
etc. mit besonderer Rücksicht auf eine malerische Silhouette
des hochbelegenen Etablissements erfolgt. Im Innern sind
särnmtliche Korridore und Gofäugnisszcllen, sowie die Wirth-
schaftsräume überwölbt Die Baukosten waren auf 280 000 Thlr.
veranschlagt
3) Der neue Berliner Viohmarkt nebst Schlacht-
haus-Anlage, mit Zeichnungen auf Bl. 9— 18. Von Hrn. Bmstr.
Orth in Berlin. Wir werden über die Anlage, deren Publi-
kation erst im folgenden Hefte der Zeitschrift
wird, demnächst in selbstständigei
(Schill« folgt.)
Deutsches Reich.
Ernannt: Der kOnigl. preussische Bauinspektor Kirchhof
zum kais. Regierungs- und Baurath in Strassburg; der kOnigl.
bayerische Baur^amje^r eben iru zum kais.^^Re^ierongs-^und
Preussen.
Ernannt: Der Baumeister Freudenberg zu Sterkrada
Ibaumeistcr bei der königl. Regierung zu Köln; der
Distrikts -Aufscher Jacob zu Jensen zum Kreisbau-
in Sonderburg; der Baumeister Ossent zu Bütow zum
Kreisbaumeister daselbst; der Chaussee - Distrikts - Aufseber
Gravenhorst zu Nienburg zum Kreisbaumeisterin Otterndorf;
der Eisenbahnbaumeister Wulff zu Bremen zum Eisenbahubau-
Inspektor bei der kOnigl. Ostbahn in Dirschau.
Versetzt: Der Eisenbahn-Bauinspektor Bock zu Dirschau
zur oberen Leitung des Baues der Linie Arnsdorf- Gassen an
die Niederscblesisch - Märkische Eisenbahn nach Sorau; der
Kreisbaumeister Thordsen zu Sonderburg nach Flensburg: der
Regierungs- und Baurath Grapow zu Hannover an die Ober
schlesiscne Eisenbahn nach Breslau.
Das Baumeister - Examen hat bestanden: Der Bau-
führer Kerp aus Mühlheim a. Rh.
Brief- und Fragekasten.
Hrn. P. in Hamburg. Ob die bei der Konkurrenz
Rcichtagshause eingegangenen Entwürfe unmittelbar nach dem
auf den 16. April festgesetzten Schluss-Termine zur Öffentlichen
Ausstellung kommen werden, oder wie gross die Frist sein
dürfte, die bis dahin vergehen wird, sind wir nicht in der Lage
Ihnen mittheilen zu kOnnen. Bei der Konkurrenz für den Dom -
bau, die von Seiten der preussi sehen Ministerien für Kultus und
öffentliche Arbeiten ausgeschrieben war, lag nahezu ein halbes
Jahr zwischen Einlieferung und Ausstellung der Entwürfe. Daas
die Ent Wickelung der Sache diesmal schneller gefördert werden
wird, dafür bürgt nicht allein die Behörde, welcher die Leitung
derselben obliegt, sondern auch die Sachlage an sich. Es wird
begreiflicherweise danach gestrebt werden, die Entscheidung der
Konkurrenz, bei welcher programnigemäss eine so grosse Zahl
der Bundesraths- u. Reichstagsmitglieder mitzuwirken hat, noch
vor Ablauf der nächsten Reichstags-Session herbeizufuhren, um
in derselben womöglich noch Beschlüsse über die weiteren
Maassnahroen fassen zu lassen. Da nun die Öffentliche Ausstel-
lung der Konkurrenz - Entwürfe vor Zusammentritt der Jury
stattfindet , die nächste Reichstags - Session aber schwerlich
über die Mitte des Sommers hinausgeführt werden dürfte, so
lasst sich die Eröffnung der Ausstellung wohl spätestens zu
Anfang des Monats Mai erwarten. — Dass wir das Interesse,
mit welchem wir allen auf das Haus des deutschen Reichtstages
bezüglichen Fragen bisher gefolgt sind, auch in der Art und
Weise unserer Besprechung der Konkurrenz - Entwürfe betä-
tigen werden, dürfen sie wohl als selbstverständlich voraus-
setzen.
Beiträge mit Dank erhalten von den Hrn. V. in Saar-
brücken, C in Dresden, A. in Oppeln.
•) Leider und Miel» für QrOngnim, limn etc. Mhr beliebt» nn J then-
retlnrh bewlbrt» Elnrlrhlnagen ia Wirkliche Ii dock Uai| afcae J»d»n Erfolg,
da d»r Betrieb dereeltien — wie wir In mehren Killen ia konjuüraa Gelegenheit
hatten — Ten einer Verweilaag, der die Breanmatrial- und ArbeiM-Brtvarulaa
wkhügor tat all die Ventilation, hie 6g »Ifhl Mo« »«mir l.liulgt, eeadara »ogar
gas» »Ingeetellt wird. Wir kalten daher dafür, daai fär aalcbe
eine Zoatralaatiang, mit der die Ventilation In unmittelbarer and
•teht, dm ZweekenuDrecaeadala lu.
kUnmUelonsTtrle* vom Carl Beeilt» Ia
Drsek eaa Oehridar FIckeM Ia Berlia.
Digitized by Google
Jahrg. VI. M 14.
DEUTSCHE BAUZEITUNG
Organ des Verbandes
5%g— deutscher Architekten - und Ingenieur-Vereine.
Redakteur K. E. 0. Fritach.
P>»t<llunf«n
kbcnutuus alle
I»*ratt
tut dU Lttrr 4« dnUchta
iMMttnng fiadm A.ftvt&iae
In der VnlU-lrilftt.:
,B»n- AnMlger"
1% «fr. t>«
Preis I Thaler ara Qaartal. Berlin, den 4. April 1872.
Entkellt jeden Itinentag.
Iahalt: Zur Fraga der MlMMMaTI B*«» gege« die A r bei tieinrte Hungen
d«r Baaliandarcrko-r (Krhluta). — Vfirrhau* dar Norder-Geraeii.de au Altona, —
KelaetAtrten aus dem Orient Xltl. — Die Eiaenbalin ■ Verbindung it rwi*el»an
Badan und EJtaaa. - Hiiltia.laagaa aal Vereisen: Architekten- nnd
In it*nJ<or - Verein in Br^i'au. — Verein für Elacnbahskunde tu Barls rt< — Ans
der Fathiiilara t ur: Zeitschrift für Baoveaea, 1672, lieft 1—3 (ftrhlma).
— K ah k urre a t e n: Monate- Aufgaben fnr den Arrhllekteo -Verei» tu Berlin
mm i. Mal mt. - F#rsot»»l-fraehrirhlei. ate.
Zar Frage der Sehatxaiaassregeln gegen die Arbeitseinstellungen der Banhandwerker.
Arbeifers genau bekannt mach», sondern auch, dass Meister
Gesellen einander vertrauen. Bei der Stellung, die schon
Es dünkt nns ein schwerer und verhängnissvoller Irr-
n, wenn man nnsere deutsehen Maurer und Zimmerer,
weil unter ihnen auch manche rohe und arbeitsscheu« Ele-
mente sich befinden, ohne Weiteres mit der grossen Masse
des Arbeiter- Proletariats auf eine Stufe stellen will, wenn
man vermeint, ihr Streben sei einzig und allein auf eine
Steigerung der Tagelohnsätze gerichtet und die Bemessung
dersellwn die einzige Frage, um die der gegenwärtige Streit
sich dreht.
An wenige unserer Handwerker werden gleiche Anfor-
derungen der Intelligenz und Selbstständigkeit gestellt, wie
an den Bauarbeiter, dem darum von seinen Genossen auch
stets ein hoher Rang eingeräumt worden ist; bei keinem
wird Angesichts der Umwälzungen in politischer uud sozialer
Beziehung, welche unsere Zeit unter dem Einflüsse des
liberalen Prinzips vollbringt, das Streben erklärlicher sein,
neben einer besseren Lebenslage eine freiere und unabhän-
gigere Stellung sich zu erringen. Er will erwerben, vorwärts
kommen, und zwar schneller, als ihm dies bei seiner Tage-
löhnersteiluug diuvli «ub gttiscV-n- und krenterwekes Ab-
darben möglich ist, und ist wohl nur deshalb so häutig ge-
neigt, seine auf die bisherige Grundlage gestützten Forderungen
ins Maasslose zu steigern, weil ihm ein leicht erreichbares,
mässiges Ziel nicht vor Augen liegt. Wohin der geheime
Zug seiner Wünsche geht, das konnte man vor Einführung
der Gewerbefreiheit bereits an der Thatsache sehen, dass
einzelne Gesellen, nnd gerade die relativ tüchtigsten Persön-
lichkeiten , trotz aller ihnen entgegenstehenden Schwierig-
keiten sich von den Meistern unabhängig zu machen suchten
und als Schaarwerker arbeiteten, das konnte man während
des letzten Strikes an den Bemühungen erkennen, welche
die leitenden Komites entwickelten, um das Publikum zur
direkten Uchcrtrugung von Bauarbeiten an die von der
Meisterschaft emauzipirten Gesellen zu vermögen.
Freilich sieht ein grosser Theil der Meisterschaft gerade
diese Bestrebungen im gehässigsten uud feindseligsten Lichte,
weil er dadurch das rumlament seiner bisherigen Stellung
untergraben fühlt Es ist ja doch unseres Erachtens ein be-
reitwilliges Entgegenkommen auf diese Wünsche und Ziele
der Bau werkleute das einzig mögliche Mittel, um sie
zur Zufriedenheit zurückzuführen und wieder gesunde Zu-
stände im Handwerk zu schaffen. Die bisherigen Streitig-
keiten zwischen Meistern und Gesellen werden in demselben
Grade verschwinden, wie die letzteren aufhören, die Tage-
löhner der ersten zu sein, und ihnen als selbstständige
Unternehmer oder gleichberechtigt zur Seite treten.
Dass dies bereits allgemein als richtig anerkannt wird,
geht ja daraus hervor, dass Juan als ideale Lösung der Lohn-
frage die Einführung der Akkordarbeit bezeichnet, bei wel-
cher im Wesentlichen ein solches Verhältniss stattfinden
würde. Unter den gegenwärtigen Zuständen hat, wie er-
wähnt, sellrst der leistungsfähigere Theil der Gesellenschaft,
der bei einer Bezahlung der faktischen Leistung seinen Vor-
theil finden würde, wenig Lust, auf Akkordarbeit einzugehen.
Aber auch die Meisterschaft kann die Schwierigkeiten, die
einer durchgängigen Annahme derselben im Wege stehen.«
gewiss nicht verkennen. Die einzelnen Arbeiten sind je
nach den zufälligen Umständen viel zn verschiedenartig, als
dass für sie allgemein gültige Sätze in grösserem Umfange
sich feststellen Hessen: es bleibt daher nur übrig, den Akkord
für jeden speziellen Fall zu schliessen. Es setzt dies aber
nicht allein voraus, dass der Meister sich mit den Speziali-
taten jeder einzelnen Arbeit, wie mit den Leistungen des
jetzt ein Theil der grossen Bauunternehmer zum Handwerke
einnimmt, geschweige denn später, — bei dem Umfange
ihres Geschäftes ist dies unmöglich und die Vermittelung
von Vertranenspersonen eine Nothweudigkeit; diese aber ist
gewiss nicht ohne Bedenken, da die Poliere, denen sie ob-
liegen müsste. in ihrer Abhängigkeit vom Meister ebenso
selten das volle Vertrauen der Gesellen gemessen würden,
wie es ihnen gelingen möchte, das der Meister beanspruchen
zu können. Dass übrigens der Akkord an sich nicht ein
unfehlbares Mittel gegen Arbeitseinstellungen ist, haben zahl-
reiche Strikes von im Akkord beschäftigten Fabrikarbeitern
genugsam gezeigt.
Soll daher die Einführung der Akkordarbeit in den
Baugewerken ihren segensreichen und heilsamen Einfluss
ausüben, so ist dies einzig möglich, wenn gleichzeitig im
Bctrielie derselben Reformen erfolgen, die dem. seit Tange
sich vollziehende!! und durch die Freigebung der Gewerbe
besrhlenn igten Umschwünge der Verhältnisse entsprechend
Rechnung tragen. Die Kluft, die gegenwärtig zwischen den
Meistern uud ihren Tagelöhnern besteht, ist nur auszufüllen
durch ein selbstständiges Verbindungsglied, das bei-
den Parteien gleich nahe steht und sich mit beiden in
gleichem Masse verständigen kann. Die natürliche Ent-
wicklung der Dinge treibt zu einer solchen Lösung, die
wir bereits bei Einführung der Gewerbefreiheit als not-
wendige Folge der neuen Lage ins Auge fassten. una es
kann sich daher nur darum handeln, durch ein bereitwilliges
Einlenken in diese Bahn die unangenehme Uebergangszeit
nach Möglichkeit abzukürzen.
Es brauchen unseres Erachtens zu diesem Zwecke nur
die bemerkenswerthen Keime, die einerseits in dem alten
Schaarwerkerthume, andererseits in der Vereinigung der ge-
schicktesten Arbeiter zu geschlossenen, gemeinsam auf gemein-
schaftliche Rechnung arbeitenden Kolonnen vorhanden sind,
in angemessener Weise entwickelt zu werden. Zwischen
den grossen Bauunternehmern, die ausschliesslich Kaufleute
und Architekten sind, und den aus der Hand in den Mund
lebenden Bauarbeitern muss ein neuer Stand freier, selbst-
ständiger Werkleute sich einschieben, die durch die Ueber-
nahme grösserer Banarbeiten und durch Ausnutzung der
dabei sich ergebenden Vortheile im Stande sind, einen grös-
seren Gewinn zu erzielen, als dies im Tagelohn möglich ist,
die aber doch andererseits den soliden Boden des eigent-
lichen Handwerks, die persönliche Mitwirkung bei der Arbeit
oder die unmittelbare und direkte Beaufsichtigung derselben,
nicht verlassen. Die Elemente dazu sind vorhanden einmal
in den bisherigen Polieren, wenn dieselben die Ausführung
der Bauten, welche sie früher im Auftrage des Meisters und
im Tagelohn geleitet, nunmehr unter gleicher Thätigkeit, aber
auf eigene Rechnung und Verantwortung übernehmen, also
uns Polieren zu kleinen Werkmeistern werden. Die Ab-
schliessung eines Unterakkords mit ihren Arbeitern dürfte
ihnen in Keinem Falle schwierig werden, Differenzen mit
denselben aber um so weniger zu fürchten sein, als beide
sich stets als Glieder eines durch gemeinsame Arbeit und
gemeinsame Interessen verbundenen Standes fühlen werden
und es selbstverständlich das Bestreben dieser Art von Unter-
nehmern sein wird, einen Stamm der zuverlässigsten und
leistungsfähigsten Arlieiter heranzubilden nnd an ihre Person
zu fesseln. In grossen Städten kann zweitens an Stelle
dieses Modus und neben demselben das Prinzip der freien
— 110 -
von Arbeitern, das in Russland eine so ausser-
ordentliche Entwickelnng erlangt hat, in den Vordergrund
treten, und ist in der That kein Grund vorhanden, warum
an derartige geschlossene Arbeiter-Körperschaften, wie ihnen
schon jetzt einzelne Arbeiten im Gesammt-Akkord übergeben
werdeu, nicht auch die Austührung von Bauten im Ganzen
verdungen werden könnte.
Dass eine solche veränderte Gestallung des Baubetriebes
auf die Möglichkeit von Differenzen zwischen Arbeitnehmern
und Arbeitgebern des Baugewerks und die daraus hervor-
gehenden Arbeitseinstellungen von heilsamstem Einflüsse sein
mässtc, das brauchen wir nach dem Vorhergegangenen wolü
nur kurz zu entwickeln. Bezahlung der Arbeiten im Tage-
lohn, die Hauptquelle der bisherigen Streitigkeiten, könnte
allmälig ganz vermieden oder doch auf vereinzelte Falle ein-
geschränkt werden, bei denen es alsdann nicht darauf an-
kommen kann, höhere Lohnsätze zu bewilligen, als sie bis
jetzt üblich waren. Ein höherer Verdienst der Arbeiter, als
er ihnen bisher zu erringen möglich war, wird ohne dass
dadurch die Preise der Bauarbeiten in naturwidrigem Grade
sich steigern dürften, einerseits dadurch eintreten, dass Ver-
luste an Zeit und Kraft bei Arbeiten auf eigene Rechnung viel
sorgfältiger vermieden worden, als bei solchen auf Gefahr und
Kosten eines Meisters, andererseits aber dadurch, dass bei
allen Ausführungen einfacher Art. die eine höhen? technische
Kenntniss nicht bedingen, das bauende Publikum mit den
wirklichen Bauhandwerkern in direkten Geschäftsverkehr
treten kann. Durch diesen höheren, über die blosse Noth-
durft des Lebens hinausgehenden Verdienst aber wird der
Bauherr seiner bisherigen Proletarier-Stellung enthoben und
ihm die Möglichkeit eines Erwerb«« und Besitzes eröffnet,
den er durch so verzweifelte und gefährliche Mittel einer
Erwerbssteigerung, wie ein Strike es ist, so leicht nicht
mehr aufs Spiel setzen wird. Ebenso wird erreicht, was
wir früher als notwendige Bedingung für die Herstellung
eines dauernden Friedens im Baugewerbe bezeichnet haben,
eine Absonderung der fleissigen und tüchtigen Arbeitskräfte
von den Interessen der rohen Masse und eine allmälige
Hebung der letzteren unter dem Einflüsse ihrer Kameraden,
die in einem auf gemeinsamen Verdienst angewiesenen Ver-
bände keine arbeitsscheuen, unebenbürtigen Elemente dulden
und in dieser Beziehung eine wirksamere Kontrolle aus-
UlM*n werden, als sie die Meisterschaft jemals durchführen
kann.
Die Schwierigkeiten, welche der Einführung einer sol-
chen Reform im Wege stehen, wenn sie sich nicht unmerk-
lich in unbewusstem Entwickelunpsprozesse vollziehen kann,
sondern mit Bewusstsein gefördert werden soll, verkennen
wir gewiss nicht. Es ist ziemlich wahrscheinlich, dass ein
Theil der Gesellenschaft, und vielleicht in erster Linie die-
jenigen, die bei den letzten Arbeitseinstellungen die wort-
führenden waren, ihr nichts weniger als geneigt sein wird,
weil die sozialistischen Theorien, die augenblicklich an der
Tagesordnung sind, damit durchaus nicht übereinstimmen;
der Eiufluss dieser Partei w ürde indessen bei so veränderter
Sachlage wohl nicht allzulange anhalten. Auch das Publikum
dürfte vorläufig die bisherigen Zustände vorziehen, da es
einerseits der Solidität des Meisterthums zu vertrauen ge-
gewohnt ist, andererseits aber in den meisten Fallen gerade
in dem kaufmännischen Betriebe der Baugewerke, wonach
derselbe Unternehmer den Entwurf, die Arbeit und das
Material liefert, schliesslich aber Hypotheken in Zahlung
nimmt, wenn nicht seinen Vortheil, so doch seine Bequem-
lichkeit findet. Veränderte Anschauungen können hier nur all-
mälig, und zwar in dem Grade, als die theilweise zum
Schwindelgeschäfte entartete Bauspekulation wiederum soli-
der wird, Platz greifen, werden indessen unter den Ein-
wirkungen des leider wohl noch lange nicht abgeschlor
Kampfes zwischen den gegenwärtigen Parteien des Bau-
gewerkes nicht ausbleiben. Den heftigsten Widerstand wird
der von uns besprochenen Keform selbstverständlich ein
Theil der gegenwärtigen Meisterschaft entgegensetzen, und
dürfen wir uns von dieser Seite wohl auf erbitterte .
gefasst machen.
Es ist auch durchaus nicht zu läugnen, dass die betref-
fende Aenderung der Verhältnisse einein grossen Theile un-
serer Baugewerksmeister den Boden ihrer bisherigen Stellung
unter den Füssen entziehen würde. Aber
Wendung der Dinge ist nach Einführung der Gewerbefreiheit
schlechterdings unausbleiblich und ;es kann nichts schaden,
wenn sie zu gehöriger Zeit fest in's Auge gefasst wird.
Nachdem der Stand der Baugewerksmeister als ein vom
Staate privilegirtes Institut nicht mehr existirt, sollte man
sich doch endlich einmal der Thatsache bewusst werden,
XIII.
Bei dem langsamen und vorsichtigen Hinabreiten von dem
steilen Vorberge, der St. Pauls Gefängniss trägt, haben wir
Zeit, den zur Linken tief unter uns ruhenden Stadthafen zu
überblicken. Es ist eine grossartige, echt römische Aulaga in
der Form eines oblongen Bassins mit abgestumpften Ecken,
massiv revetirt und an drei Seiten von Waarenhäusern umgeben,
mit einer schmalen Einfahrt an der kurzen Seeseite und mit
breiten Freitreppen und molcneingcfasMen Ländeplätzen an der
entgegengesetzten Landseite. Dichte Kohrwüldcr erfüllen das
gunze Hafenbecken und begleiten die gewundene Wasserstrasse,
deren Zusammenhang mit dem Meere das Auge kaum erkennt.
Hinter dem stattlichen korinthischen Tempel des Claudius er-
reichen wir endlich die letzte Terrasseustufc des Koressus und
reiten nun in östlicher Richtung gerade auf den niedrigen Sattel
los, welcher Prion und Koressus verbindet. Auch hier
sich rechts wie links hohe, mit verdorrten Gräsern
Schutthügel oder noch stehende Denkmalreste.
Ein besonderes Interesse erweckt eine rechts am Wege lie-
gende Quellaulagc, welche den Hintergrund einer kleinen Thal-
schlucht bildet. Sie ist exederartig auf drei Seiten mit Futtcr-
raaunrn aus grossen Quadern eingefasst; die Quellöffnung selbst
von 0,ü0» Breite zu 0,71"» Höhe war schmucklos gestaltet Die
Grösse derQuaderu, ihre sorctältine, aber ohne die Eleganz der
aiexandrinischeu Epoche bewirkte Herstellung, sowie die Struktur
mit theilweis schrägen Stossfugen gestatten die Annahme, dass
die ganze Anlage nicht erst der lysimachisehen Stadtschöpfuug,
sondern schon älteren Zeiten entstammt Von einer unter rö-
mischer Herrschaft bewirkten schmuckreichen Umgestaltung
mittels eine» vorderen abschliessenden Portikus geben spätiom-
schc Kapitelle mit rankenbclegten und kelchfönnig entwickelten
Polsterseiten und zahnschnittheaetzte Geisonblöcke genügende
Kenntniss, doch passen die mit kleinlicher Zierlichkeit herge-
stellten Details sehr weuig zu der schlichten Bedürfnissaolage
der alten Zeit.
Andere hier vorhandene Ruinengruppen sind ohne eine um-
fassende Ausgrabung schwer bestimmbar. Am Fussc des Berg-
sattels steht ein Mauerrest von sehr grossen Quadern , der an-
fangs imponirt, bald aber als Theil eines eilig und nachlässig
errichteten Befestigungswerkes erkannt wird, weil lange Archi-
trave rücksichtslos darin verbaut sind und der ganze Bau quer
durch eine kleine Conchenkirche läuft. Von der letzteren ist
nicht viel zu sagen, da sie sehr zerstört ist und das wenige
1 Erhaltene verschüttet liegt. In der Nähe steigen an ver-
i Punkten nischenbesetzte Futtcrmaucru aus der Erde;
sie scheinen Privathäuser der höheren Stände getragen zu haben,
da dieses gnn2e Stadtviertel nach seiner hohen, gesunden und
kühlen Lage sicherlich in der römischen Epoche der vornehmste
und Besuchteste Stadttheil war.
Zur Hechten tritt uns beim Weitennarsche ein aus 9 hoheu
Quaderschichteu hergestellter Tenipelunterbau entgegen. Leider
ist der nacli Südost oriciitirtc Tempel selbst fast ganz rasirt
doch gestatten die wenigen Reste nneh einigen Aufschluss über
rorui, Grosse und Material. Es war ein im römischen Schema
gebauter achtsäuliger Prostylos, etwa 23» breit und 52» tief,
einschliesslich der dreischiffigen 30» tiefen prostyleu
Vorhalle. Die spätionischen schlichten Basen besteheu aus
Plinthus, Spira, Skotia und Astragal (so dass die obere Spira
fehlt); die nur an der Südseite messbare Axenentfcrnung der
0,54 ■ starken Säulen beträgt 2,40". Auf den mit 24 Kannelnreu
versehenen Schäften ruhten sorgfältig in Mcisselarbcit durch-
geführte Kapitelle theils konipositer, theils ionischer Version;
die letzteren mit einfachen Voluten in der Front, aber mit
weit heraustretenden Kuhköpfen an beiden Seiten. Diese
seltsame und meines Wissens hier zum ersten Male erschei-
nende Komposition ist sehr geschickt durchgeführt, indem
die Thierköpfu mit ihren fleischigen Hälsen zwar sattelholzartig
weit hervorragen, — die Totallänge beträgt 1,46™ bei einer Tiefe
von Ofib" — aber sich an die doppel-kelcnförniig gestalteten Vo-
lutenseiten trefflich auschliessen und nur dieselbe Höhe bean-
spruchen, als das halsloee echt ionische Kapitell. Ks ist Schade,
dass Julius Braun diese interessanten Kapitelle nicht mehr gesehen
hat. Wie glücklich würde er gewesen sein und was hätten wir
für Deklamationen zu hören bekommen!? Weit über Pcrscpolis
hinaus, an assyrischen Palästen vorbei, wäre sein umschauender
Blick zum sagenumscbleierten Vun See hoch in Armeniens
Schneegebirgen vorgedrungen, um uns hier am Sommersitze der
Seinirainis und an einem Urheiligthum der Moudgöttin den Ur-
sprung der kuhköpfigen Doppclkapitellc, den Vorbildern für
die ionischen Volutenkapitelle — zu demonstriren. Da ganz in
der Nähe des Van Sees, am Arara», Noah mit seiner Arche ge-
landet ist, so hätte sich sogar der Fingerzeig geboten, dass viel-
leicht schon die Arche im ionischen Stile hergestellt gewesen
ist und Noah nur als der Träger und Verbreiter eines ursemi-
tisch -ionischen Holzstilcs fortan zu fassen seiu möchte. Da sich
aber vielleicht auch andere noch lebende Forscher des inter-
essanten Fundes gern bemächtigen, um über den Ursprung der
ionischen Bauweise eine neue Hypothese aufzustellen, so be-
schliesse ich meine vorläufige^ Mittheilung mit der Bemerkung,
dass ausser den ionischen Kuhkapitellen hier noch römisch-
kouipusite Kapitelle mit zwei Akanthusblaürciben gefunden
worden sind, die wegen des identischen Maasstabes und der
Tempel angehört haben müssen.
byT7()OgU
dasg das Band, welches ihn zu einer solidarisch verbundenen
Körperschaft machte, vorzugsweise jenes Privilegium war,
dass jedoch im Uebrigen gewaltige Unterschiede zwischen
den einzelnen Elementen des Standes bestehen, die ganz von
selbst zu einem Zerfalle desselben in mehre Abstufungen
führen müssen.
Eine erfreulicherweise nicht geringe Zahl der Meister,
von einem energischen Streben nach Fortschritt beseelt, eint
mit dem Schatze praktischer, auf dein Werkplatze gewonne-
ner Erfahrung das theoretische Verständnis» des Technikers
und nicht selten auch eine beraerkenswerthe Fertigkeit künst-
lerischer Erfindung. Dieselben sind, nachdem die formalen
Schranken der Gewerbe gefallen, persönlich nicht als Hand-
werker, sondern als Architekten zu betrachten; denn es be-
steht zwischen ihnen und denjenigen Architekten, welche
ihre Bildung mit der Theorie begonnen haben, in der That
kein anderer prinzipieller Unterschied, als der eines beider-
seits ungerechtfertigten Vorurthcils. Es werden diese Män-
ner, die sich fortwahrend ans den intelligentesten, tüchtigsten
und strebsamsten Elementen des Handwerks ergänzen, des
fruchtlosen Strebens die grosse Masse ihrer Berufsgcnnssen
zu sich empor und mit sich fort zu ziehen , gar bald müde
werden und dann rückhaltlos zn dem Stande der Architek-
ten, der an ihnen eine von nns schon oft erwünschte Be-
reicherung erfahren wird, übergehen. Sie werden unter den
zur Leitung von Bauten berufenen oder als Unternehmer
schaffenden Baumeistern vorzugsweise jenen Kreis von Auf-
gaben sich wählen, bei denen es weniger auf künstlerisches
Können als auf technische Sorgfalt und Erfahrung ankommt..
An reicher und lohnender Thätigkeit wird es ihnen nicht
fehlen, auch wenn sie nicht mehr in bisheriger Art Gesellen
halten, sondern die Ausführungen an jene kleineren Hand-
werksmeister oder ArlHMter-Kolonnen verdingen; denn der
Umfang der alltäglich vorkommenden Arbeiten, die diesen
selbstständig ohne die Leitung und Aufsicht eines theoretisch
gebildeten Technikers wird übertragen werden, dürfte immer-
hin nur ein begrenzter sein können. Bei einer Reform des
Baubetriebes, wie wir sie im Sinne haben, würde dieser
Theil der bisherigen Baugewerksmeister somit keine wirkliche
Einbusse zu befürchten haben.
Anders freilich jener zahlreichere Theil der Baugewerks-
meister, der den ersteren in jeder Weise unebenbürtig, künst-
lerischen und wissenschaftlichen Strebens bar und in den
gröbsten materiellen Interessen befangen, nur die nothdflrf-
tijfen theoretischen Kenntnisse besitzt, welche ehedem zur
Ablegung der Meisterprüfung erforderlich waren. Ihm ist
durch die Aufhebung des Privilegiums die Hauptbedingung
seiner bisherigen Existenz genommen und wird er dieselbe
gegenülher den berechtigten Ansprüchen der Gesellen in alter
Weise nicht behaupten können. Aber es liegt auch durch-
aus nicht im öffentlichen Interesse, ihm dies zu ermöglichen.
Mag er sich aufraffen zu einer Erweiterung seiner Kenntnisse,
die ihn befähigt, in die Konkurrenz der auf höherer Stufe
stehenden Baumeister resp. in die der vorzugsweise kauf-
männisch operirenden Unternehmer einzutreten, oder mag er
wiederum eine Stufe herabsteigen und unter persönlicher Be-
theiligung an der Arbeit dem Kreise der handwerksmässig
thätigen Bau - Unternehmer sich beigesellen! Unhaltbar ist
seine bisherige Stellung in jedem Falle geworden. —
Es bleibt uns schliesslich nur ciue Erörterung darüber
übrig, in welcher Weise die von uns als nothwendig und
unausbleiblich erachtete Reform der Baugewerbe in ange-
messener Weise gefördert werden könnte. Selbstverständlich
kann dies nur ganz allmälig geschehen, da es sich nicht um
einen durch oktroyirte Maassregeln in bestimmter Zeit er-
reichbaren Erfolg, sondern um Aenderungen handelt, die
der Zustimmung und Eingewöhnung aller Betheiligten be-
dürfen.
Praktisch wird sie Niemand besser zu fördern im Stande
sein, als die grossen Bauunternehmer selbst, wenn sie ein-
sichtig genug sind, das Unhaltbare der gegenwärtigen Zu-
stände anzuerkennen und der Entwicklung der Zukunft
entgegenzukommen. Es wird dabei in ihrer Hand liegen,
die Treue und Zuverlässigkeit ihrer bisherigen Poliere da-
durch zu belohnen, dass sie ihnen den Uebergang zur Selbst-
ständigkeit nach Möglichkeit erleichtern: sie sind in der Lage,
zunächst versuchsweise vorzugehen und den Erfolg derartiger
Maassregeln zu beobachten. IVass derselbe bei der gegen-
wärtigen Erhitzung und Erbitterung der Gemüther ein augen-
blicklicher und radikaler sein könnte, darf natürlich Niemand
erwarten; ebenso selbstverständlich ist es, dass gewisse
Theile der Bauarbeit, so z. B. eine grosse Zahl der auf dem
Zimmerplatze geübten Leistungen, sich mehr zu einem Be-
triebe im Grossen eignen, daher auch entschiedener als bis-
Es ISsst sich sonach vemiuthen, dass die letzteren, die kom-
positen Kapitelle — an den drei äussern Säulenreihen de» Pro-
stylns, die kuhköpfigeu Kapitelle dagegen an den beiden iuneren
Säulenreihen des dreischittigen Prostylos angeordnet gewesen
"sind, ähnlich wie es mit den iem'scben Säulenreihen der
Propyläen zu Athen und Kleusis im Gegensatze zur dorischen
Front geschehen ist Der Ranz« Tempel war im Maasstabe
kleiner als der oben genannte des Cluudius, dessen monolithe
Säulen über 14« Höhe belassen, aber in demselben Matcriale,
in weissem Marmor, erbaut. An der Nordseitc int die antike,
steil ansteigende und mit eingeschnittenen Wagengeleisun und
Qucrrillon hergestellte Falirstrasse mit Fussgäugerwegen uud
Prellsteinen trefflich erhalten vorgefunden worden.
Schräg über von dem Tempel liegen, in den Südabhang des
Prion eingeschnitten, die stattlichen Reste eines bedeckt ge-
wesenen Theaters, welches allgemein als Odeiou bezeichnet wird.
Es ist etwas kleiner als das bekannte, am Südwestfusse der
Akropoü* zu Athen belegene Theater des llerodes Attikos, aber
ähnlich gegliedert und mit gleicher Pracht in weissem Marmor
erbaut. Der Durchmesser betrug sicher über 60", fünf Treppen
theilten die Sitzplätze, alle Stufeubalinen wureu rechts und links
von Löwentatzen cingefasst; oben bildeten korinthische, mit
rothen polirten Granifschäften versehene Säulen eine bedeckte
Stoa. Ein Theil des Skonengebäudes ist aufgegraben ; die da-
durch siel
auffallend hohen Untf
und
die Einrahmungen der Nauptthür lassen attischen Einfluss er-
luptttiur
kennen, so dass die erste Anlage noch mit Sicherheit der lysi-
machischen Epoche angehört, während ein, vielleicht gur zwei
spätrömische Um- und Erweiterungsbauten dem ersten Baue
gefolgt sind. Grosse Bogennischen an den Proskenien mit
architravirten Bögen und kleinlich profilirten dorisirenden
Pfeilerkapitcllen sind hierfür beweisend, ebenso Inschriften aus
der Zeit des Antoninus Pius. Einzelue aus dem Schutte hervor-
gezogene korinthische Akanthus- Kapitelle mit drei Blattreihen
lassen sogar bemerkenswerthe Rohheiten, wie das III. Jahrhun-
dert sie brachte, erkennen.
Dem Odeion gegenüber, auf hoher und jedenfalls künstlich
geschaffener Terrasse steht, wiewohl verschüttet und nur
iheilweis aufgedeckt, ein stattliches autikes Grabmal, ähnlich
dem bekannten Prachtbaue der Via Appia, dem Grabthunue der
('aeeilia Metella. Das hiesige ist grösser — fast •i.'j" im Durch-
messer — aber weniger reich und schön gestaltet. Zwei aus
kleinen Quadern erbaute niedrige Zylinder mit zierlichen Kranz-
gesimsen bekrönt, bilden übereinauderstchend - der obere et-
was schmaler, als der untere — deu Unterbau und ein flacher
Kegelhügel, der wahrscheinlich mit Cypressen bepflanzt war,
bildete den oberen Abschlus*. Zierliche Blattkamteile korin-
thischer Version, die zu dem kleinen einschliessenacn Peribolus
gehört haben, bezeugen die römische Spätzeit Li der Nähe
sind Piedestalc für drei Beiterbilder ausgegraben worden, deren
Front nach der llauptstrasse, auf der wir langsam hinabreiten,
gerichtet war. Gleich hinter dem römischen Maussoleum folgt
ein sehr stark verschüttetes Backsteiugcbäudc, welches mit drei
Tonnengewölben, die auf Marmorpfeilern ruhen, sieb nach einem
Hofe Öffnet, in welchem inschriffsreiche Piedestale aufgerichtet
sind. Eins derselben ist für Vcdiua Antoninus von der Zunft
der lanarii gesetzt worden.
Weiterhin tritt ein dritter Grabesbau, an derselben Seite
des Wege« und immer auf gleicher Terrassenhöhe liegend, uns
entgegen. Er führt den auffallenden Namen Grab des hei-
ligen Lukas und verdient, zumal er hinreichend aufgedeckt
ist, eine nähere Erwähnung. Wir sehen einen mit weissen
Marmorplutten bekleideten zylindrischen Unterbau von 20 "
Durchmesser vor uns, dessen luncuraum mittels eines ringför-
migen Tonnengewölbes, welches einerseits auf einem starken
zylindrischen Mittelpfeiler, andrerseits auf der dicken von II
Fenstern durchbrochenen Aussenraauer aufsattelt überdeckt ist
Diese Struktur stimmt ganz mit der entsprechenden am Gor-
dianer Grabmale (dem sogenannten Torre di Schiavi) und dem
Herouru des Komulus an der Via Appia zu Rom überein, trägt
aber in der künstlerisch feinen Ausstattung der Details, beson-
ders der Rünthe und der Kensterumrahmungen, das Gepräge
einer älteren Epoche, wahrscheinlich der Augusteischen. Die
Vermuthung liegt null«, dass der Oberbau als ein peripteraler
Kreisbau gestaltet war, wie das Gellius Grabmal zu Tivoli
(fälschlich immer Vesta Tempel genannt) und der sogenannte
Vesta Tempel zu Rom. Doch scheint derselbe frühzeitig unter-
gegangen zu sein, denn schon in altchristlicber Zeit ist der
Unterbau von der Südseite her erbrochen worden, um den In-
uenraum aufs Neue zu benutzen. Dabei hat man in schlechter
Technik eine kleine Kapelle eingerichtet und den Eingang mit
zwei marmornen, weit vortretenden Antenpfeiiern geschrauekt
von denen der links stehende, völlig glatte zwar zertrümmert,
aber in seinen Bruchstücken noch erhalten ist und der rechts
stehende noch heut in der Stirnfläche innerhalb seines Rahmen-
werkes eiu schlüukcs altchristliches Kreuz und darunter einen
schreiteudeu Stier, beides noch in echt antiker Behandlung,
zeigt, so dass hierdurch die christliche Herkunft und die tradi-
tionelle Bezeichnung ausser Frage stehen. In derselben Zeit,
d. h. wie ich aus verschiedenen lokulen und geschichtlichen
Gründen vermuthe, am Schlüsse des IV. Jahrhunderts, hat man
eine nordöstlich gegenüber belegene , aber fast zur Formlosig-
keit herabgesunkene römische Basilika zur St I.ukaskirche ein-
gerichtet; denn auch dieser Name bat sich — obschon der Kul-
tus längst erloschen ist — innerhalb der griechischen Bevöl-
kerung erhalten.
Digitized by Google
her und mit Aufwendung aller mechanischen Hülfmittel
fabrikmassig zu gestalten sein möchte.
Nächst den einzelnen Bauunternehmern sind es nament-
lich die augenblicklich in so lebhafter Entwickelung begriffe-
nen Baugesellschaften, deren Initiative »ich zu einer wirksamen
Einwirkung auf die vorgeschlagene Umgestaltung des Bau-
betriebes eignet. Ganz abgesehen von ideellen Motiven mnss
ihr materielles Interesse sie ganz von selbst zu der Erwägung
führen, ob direkte Beziehungen zu den Bauarbeitern ohne
Vermittelung der bisherigen Meister für ihre Zwecke nicht
vorteilhafter und aussichtsvoller sei; — eine Erwägung, die un-
seres Erachtens ganz unbedingt bejaht werden muss, da es
solchen Gesellschaften an der technischen Kontrolle, die als-
dann allerdings in verschärftem Maassce'mtretenmüsste, niemals
fehlen wird. Endlich würden auch grössere Korporationen
und der Staat, die über das nötbige Kapital zur Ausführung
ihrer Bauten verfügen, in der günstigen Lage sein, zu sol-
chen Versuchen die Hand zu bieten und den Regiebau, wie
den Kleinakkord mit Handwerks - Unternehmern neben der
jetzt üblichen Ausführungsweisc nicht blos bei Eisenbahnen,
sondern auch bei Hochbauten anzuwenden. Höchst betner-
kenswerthe und erfolgreiche Unternehmungen dieser Art sind
schon vor geraumer Zeit , u. A. beim Bau des Schweriner
Schlosses unter D emmier und
Müller gemacht worden.
der Bremer Börse unter
Vor allem aber appelliren wir in
dio öffentliche Meinung, zunächst unserer Fachgenossen," so-
dann des gesammten Publikums überhaupt, das ja, wie wir
im Eingänge hervorgehoben haben, Irh einer Lösung der
gegenwärtigen Konflikte nicht zum Geringsten mit iuter-
essirt ist.
Dass die über kurz oder lang wiederum flagrante Frage
der Bauarbeiter- Strikes uubeschadet ihres Zusammenhanges
mit der allgemeinen sozialen Bewegung einer gesonderten
Behandlung wohl fähig und würdig ist, das glauben wir aus
der spezifischen Natur der Baugewerbe nachgewiesen zu haben.
Wir bitten daher, unsere freiinüthig geäusserte Ansicht, die
wir keineswegs als fertiges System proklamiren, sondern mit
der wir lediglich eine bescheidene, weilerer Ueberlegung und
Ausbildung bedürftige Auregung geben wollten, auch von
anderer Seite in Erwägung zu ziehen. Wird ihr eine Be-
rechtigung zuerkannt, so wird ihr schliesslich die Unter-
stützung der öffentlichen Meinung und damit das
wirksamste Mittel, jener Reform schnelleren Eiugang zu ver-
schaffen, gewiss nicht fehlen. —
Unsererseits hegen wir die Ueb Erzeugung, dass, sobald
sie zur Wirklichkeit geworden ist, von einer Gefahr der Ar-
beitseinstellungen im Bauwesen nicht mehr die Rede sein
kann, wohl aber, dass die Blüthe desselben erst dann eine
normale und gesunde sein wird. — F. —
Dem beigefügten Situationsplane entsprechend liegt das-
selbe der Südseite der St. Johanneskirche gegenüber, an dem
Anfang einer neuen Strasse, welche seiner Zeit über den
jetzigen Kirchhof, auf das Südportal der Kirche gerichtet,
fortgeführt werden soll.
Die Grundrissdisposition beabsichtigt die Trennung der
drei Verkehrsarten, die in dem Pfarrhaus© Statt haben, und
zwar:
den Verkehr des Predigers mit der Gemeinde,
den Verkehr mit den Konfirmanden,
3) den Verkehr der Familie und des Hauswesens.
Demgemäss scheidet das gewölbte Vestibül das Vorzim-
mer und Arbeitszimmer des Predigers (links) von den drei
Wohnzimmern (rechts), welche letztere erst hinter der Wind-
fangthüre zugänglich werden, während für die Konfirmanden
ein besonderer Eingang mit einer besonderen Treppe ange-
legt ist. Das Aeussore ist entsprechend der nahe gelegenen
Kirche in rotheu Backsteinen zur Ausführung gelangt, mit
mässiger und vorwiegend dekorativer Anwendung von Gla-
suren.
Der tieferen geistigen und religiösen Bedeutung des im
1. Stock belegeneu Konfirmanden-Saales im Verhältnis* zur
bürgerlichen Wohnung ist durch eine Erhöhung desselben
in das Dach hinein und würdigere strengere Ausbildung der
Neben der römischen Itasilika und links von unserm Wege
hat Mr. Wood die beträchtlichen Reste eines römischen ganz
zusammen gestürzten Tempels aus weissem Marmor aufgedeckt,
dessen glatte Säulenscbäftc von polirteni violett gestreiftem
Marmor hergestellt waren. Die Basen waren attisch, die ko-
rinthischen S>äulen- Kapitelle donnelblattreihig; die Anten-Kapi-
telle in kompositer Version. Diese charakteristischen Eigen-
thümlichkeiten, sowie die zweitbciligen Architruvc mit füllungs-
artiger Unterfläche und die gebauchten Friese entscheiden für
die Herkunft aus der Mitte des II. Jahrb. n. Chr. Koch liegen
hier drei tiewaniltorsen unter den Trümmern, andere und bes-
sere sollen schon fortgeschafft sein. Mr. Sivcy bezeichnete uns
— doch ohne Grundaugabu — die Ruine als einen Apollon-
Tempel.
Iu geringer Entfernung und als Abschluß der in die Ebene
hinabsteigenden Strasse liegt ein ausgegrabene* dreipfortiges,
von zwei starkeu vorspringenden Thürmen flank irtes Thor, wel-
ches rechts nach Magnesia, links und immer längs der Stadt-
mauern einen llauptwcg zum Artemision eröffnete. Zwei Sar-
kophage stehen aussen in der Ecke am rechtsseitig vortretenden
Tburme noch an ihrer alten Stelle. Mit Interesse betrachtet
man ihre schlichten Reliefs und Laubgewinde, denn der eine
derselben, der vorderste, gilt als Sarg des heiligen Polvkarpos.
An den i unereti Seiten der gut gestalteten Antepagmente des
Thors sind in Augenhöhe altchristliche Kreuze verschiedener
Grösse und Form theils eingehauen, theils eingeritzt, als hätten
sie einst den Zweck gehabt, dem hereinkommenden Wanderer
die Existenz einer christlichen Gemeinde zu verkünden. Das
Thor selbst hat zwar in römischer Zeit einen Umbau erlitten,
wodurch es dreinfortig geworden, entstammt aber, wie dio
schönen grossen Huckelquadern des SUdthurmes beweisen, der
lysiinachiscbcn Epoche. Die gut messbare Stärke der als
Emplektou behandelten Ringmauer beträgt 5.Ü0».
Nördlich von der Strasse und innerhalb des Thors und der
Stadtmauer treten uns zuletzt dio imposanten Reste eines Gym-
nasiums entgegen, welches schon lunge mit Sicherheit nach
seiner Lage hinter dem Prion Stadtthcilc, welcher den Namen
Lepre Akte führte, als das Opistholepreische Gymnasium bekannt
ist. Alle älteren Reisenden haben dasselbe beschrieben , da es
immer die besterhaltcnc Ruine von Ephesus gewesen ist; die
Herausgeber der jouischen Alterthümer, sowie Cboiscui Goufficr
und Falkener haben Aufnahmen und Abbildungen geliefert Und
in der That verdient die trotz aller Zerstörung noch heut gross-
artige Ruineugruppc dieses andauernde Interesse im vollen
Maasse. Es ist ein oblonger, durchweg gewölbter Bau von 107»
Frontlänge zu SS » Tiefe. Vor der llauptfront und zwischen
dieser und unserem Wege lag ganz von Hallen umringt dor
buschreiche Xvstus; hinter demselben das Hauptgebäude, an
den beiden Tiefseiten und der Hiuterscitc mit einem 11« brei-
ten gewölbten Korridore, dem sog. Diaulos umgeben. In der
Frontmitte befand sich der mit drei Kreuzgewölben überdeckte
Hauptsaal, das Ephebeion, der Uebungssaal für die Jüng-
linge, etwa 15» breit und 'J8» lang, rechts und links daneben
die tounengewölbten Nebenräume des Konisterion {Staubkammer),
Korykciou" (Speisevorrathskjfuiuicr), Elaeothesiou (Ocls(veicher)
und'Tepidariutn (Erholuugs- und Salbungsraum). Hinter dieser,
die Palästra bildenden Vorderhälfte folgten dann die Baderäume,
nämlich nach hinten zu und in der Mitte ein langes tonoen-
bedvektes Apodytcrium mit Caldarium und Laconicum auf der
eiueu und dem Frigidarium und einigen Nebenräumen auf der
andern Seite. Obscbon die Baderäume eine ziemlich stattliche
Entwickelung zeigen, so sind sie doch noch nicht das L'eberwie-
gende. Auch fehlt es noch an jeder künstlerischen Verknüpfung
zwischen den beiden Momenten des Bauprogramms, den Turu-
sälcn und den Badesälen. Die geschützte Lage und solide Bau-
art des Ganzen, die Anordnung der einzelnen Turnplätze und
Uebungssälc durchweg au der Mittagascite, sowie die in mehren
Räumen noch erkennbaren Luftheizungsrühren begründen die
Vermuthung, dass dieses Gymnasium überwiegend in der win-
terlicheu Jahreszeit benutzt wurde. In technischer Beziehung
lassen sich zwei Bauzeiten unterscheiden, die der hellenistischen
Gründung und die einer in Folge von Erdbeben hervorgerufenen
sehr umfassenden römischen Reparatur. Der hellenistische Bau,
der bereits ein Wölbungsbau gewesen sein muss, wenn auch
jetzt nur Bogen und nicht Gewölbe erhalten sind, war ganz aus
grossen weissen — jetzt schwarzgrau gewordenen — Marmor-
quadern erbaut. Er stand auf hoher Kalksteinbasis, zu der drei
Marmorstufen von 0,29™ Steigung und Auftritt emporführten;
jonische Kunstformen von dreithciligcu Epistylien und Zahn-
schnittgebälken schmückten ihn und nrchitravirte Bögen fehlten
nicht. Mit grosser Wahrscheinlichkeit darf man die erste An-
lage in das III. Jahrb. v. Chr. setzen. Die in römischer Zeit
erfolgte Wiederherstellung hat zwar die Hölienmaasso etwas
gesteigert, aber die Wölbungen in üblicher Weise aus Backstei-
nen und Gussmörtelwerk einfach erneuert.
Unter allen bisher bekannt gewordenen Gymnasiums-Ruinen
ist dies die besterhaltcne und vollständigste. Leider lässt Bich
ohne sorgfältige Ausgrabung der verschütteten Räume auch hier
kein abschliessendes Urtheil gewinnen. Und doch verdient ge-
rade diese Denkmälerklasse das eingehendste Studium von Ar-
chitekten und Archäologen. Denn in der Kingschule empfiug der
hellenische Knabe die eine Hälfte seiner Ausbildung; in ihr ver-
brachte der Jüngling alle Mussestuuden, um mit Freunden und
Altersgenossen in Kraft und Gewandheit zu wetteifern. Zu der
Ringschule wandelte der Manu, um den Vorträgen der Wissen-
schaftslehrer zu lauschen oder durch Spaziergang und Bad für die
Gesuudheit zu sorgen; in dor Ringschule erlabte sich noch der
Greis an der rüstigen Lcibcspfiego oder den heiteren Jugend-
Digitized by Google
- 113 —
Architektur so weit
Harmonie deB Ganzen dies zu
Absicht hat der Verfasser auch
kirchlicher Kunstformen. spe-
ziell der der gegenühcrliegen-
den Johanneskirche, den engen
Zusammenhang anzudeuten
sich bemüht, der in diesem
Falle zwischen Haus und Kir-
che Statt haben soll. Im In-
nern ist eine Einlachheit aller
Theilo bestimmendes Prinzip
gewesen. Treppen, Thftren, so
wie die Deckentüfelnngeu und
alle sonstigen sichtbaren Holz-
arbeiten sind in Naturfarbe
belassen, gefirnisst und mit
Braun dekorirt. Das Souter-
rain ist gewölbt. Ausser drei
Schlafzimmern im ersten Stock
befinden sich zwei Treppen
hoch noch ausgebaute Giebel-
stuben.
Die Baukosten
pptr. 11000 Thalcr.
Rechnung getragen, als die
ertragen vermochte, und mit
im Tebrigen durch Anklänge
Sowohl an der Pfarre wie an der in No. 11 veröffent-
lichten Kirche ist jedes spätere Verstreichen der Fugen ver-
Um indessen bei dem kleinen Format der Steine
den störenden Einfluss der
weissen Fuge zu vermeiden, ist
die Äussere Verblendschicht in
einem Mörtel gemauert, der
durch Caput mortuum roth ge-
färbt war. Wie sich heraus-
gestellt hat, ist das scheinbar
umständliche Verfahren keines-
wegs zeitraubend gewesen; der
Mörtelkasten erhielt 2 Ab-
theilungen, aus welchen die
Maurer nach kurzer Uelmng
mit Leichtigkeit beide Bedürf-
nisse befriedigten. Die Peini-
gung des Mauerwerks gelang
weit leichter als bei Anwen-
rr
— r-
5Ü
dung von weissem Mörtel, und
durch den Zusatz des Eisen-
oxyds hat der Mörtel der Ver-
bleudschiclit eine ganz ausser-
ordentliche Härte angenommen.
J. Otzen.
Die Eisenbaha-Vfrblndiflsen zwischen Buden lad Elsa«.
Wenngleich es eine wenig
würde, in einer Bauzeitung alle
ebnende Danaideu-Arbuit sein
die Eisenbahn-Projekte zu er-
wähnen, welche besonders gegenwärtig zahllos eniporsehiessen,
um grossenthcils eliettso rasch wieder zu vergehen, so dürfte
doch mit den in Aussicht stehenden neuen Verbindungen zwischen
Baden und Elsas« wohl eine Ausnahme zu macheu sein, einmal
weil dieselben das „Gründungs- Stadium" schon überschritten
haben und auf den Hoden amtlicher Behandlung gelangt sind,
sodann weil Aukuüpfuugcn mit dem neuen Rcichslande auch aus
anderen als technischen oder finanziellen Gesichtspunkten In-
teresse gewähren. Schon während der Friedensverhandlungen
vor einem Jahr warf sich die Unternehmungslust auf vorliegen-
des Gebiet, und es wurde von Seiten eines gut fundirten Kon-
sortiums die Konzession erbeten für ein umfassendes Eisenbahn-
netz am Oberrhein mit zwei festen Brücken bet Breisach und
Rastatt. Hierauf erging indessen der prinzipiell nicht unwich-
tige Bescheid des Reichskanzler-Amtes, dass man überhaupt
nicht beabsichtige, Privatgesellschaften zum Bau und Betrieb
neuer Buhnen in Elsass-Lotbriugen zuzulassen. Es wird dahrr
- wie die Klicksiebten auf innere und äussere Sicherheit des
neuen Gebietes allerdings nahe legen — die Keichsregieruug
das bestehende Eisenbahnnetz mit alleu zu wünschenden Er-
weiterungen in unmittelbarer Verwaltung behalten, womit jedoch
wohl das Anknüpfen kurzer Fäden von Seiten der angrenzen-
den Bahnen bis in das Rcichslond hinein nicht ausgeschlossen
ist. Gegenwärtig liegen nun vier dergleichen Projekte vor,
welche nach chronologischer Beihenfolge aufgezählt
mögen.
seiner Kinder und Enkel. Das Gymnasium war von
der Sammelplatz aller bildenden Künstler, weil nirgends
die herrliche Schönheit des menschlichen Leibes in Ruhe wie Be-
wegung so leicht und mühelos («wundert werden konnte, als hier.
Ohne diu griechische Palästra gäbe es keine griechische Plastik.
Und wie dem Altcrthuinsfrcuudc bietet auch dem Architekten
das griechische Gymnasium eine Fülle von Belehrung. Denn
diese Gebäudegattung hat in Verbindung mit dem Tholenbau
der Prytaneien den Gewölbebau schon in früher Zeit als Dek-
keubilduugsprinzip ins Auge gefasst und in stets erneuerten
Versuchen zu jener wunderbar grossartigen Raumgestaltung zu
verwerthen verstanden, wie sie in der Maxentius -Basilika zu
Rom oder zuletzt in der noch höhereu Kombinationsstufe der
Hagia Sofia zu Konstantinopel uns entgegentritt.
Unser Rundritt ist vollendet. Flüchtig besichtigen wir noch
die beiden, von dem aufgeschwemmten Boden völlig begrabenen
Gräberstrassen mit ihren langen Reihen weisiniarinoruer Sarko-
phage, welche sich an der Ostscite des Prion und ausserhalb
der alten Ringmauer entlang ziehen, und erklimmen noch einmal
die höchste nördlich belegene Kuppe dieses schönei
in der Ebene aufragenden Murmorberges. Es will
den; schon neigt sich die Sonne hinter St. Pauls Gcfäuguiss
zum Unterfange, aber noch fehlen die duftig blauen, langen Schlag-
schatten, ein leuchtender Goldton liegt auf der ganzen, uns nun
so vertraut gewordenen Landschaft: der Aether ist rein und durch-
sichtig wie immer. Wir empfinden den ganzen Zauber louiens.
Die feierliche Stille ladet zur Sammlung ein. Indem wir noch
ein Mal die Blicke in die Runde schweifen lassen, vergegenwär-
tigen wir uns beim Abschiede von dieser denkwürdigen Stätte
die so eigenartige, man kann sagen, einzige Stadtgeschichte.
Dort drüben in eiuer Eutfemung von kaum 2000 Sehritten er-
hob sich einst der Riesenbau des Artemisions. Der Artemis-
kult war von aussen her, von der See gekommen. Um ihn
gruppirte sich ein karisch-phönikischer Dienst, von einem stol-
zen Pricsterthumo geleitet Bereitwillig wurde die Verehrung
der alteinheimischeu Göttermutter, der Kybcle, mit der der Ar-
temis verschmolzen und ein früh hervortretender Fremden- und
Pilgerzug durch Asylrecht und Marktverkehr gefördert Den-
noch erfolgte keine städtische Entwicklung auf breiter Volks-
grundiagc; dem priesterlicheu Interesse entsprach besser die
patriarchalische Gaugenossenschaft halbfreier Bauern. Diesen
Verhältnissen machte der Wandertrieb des hellenischen Volkes
eiu Ende. Unter Androklus, einem Sohne des Kodrus. erschie-
nen athenische lleerschaaren und besetzten nach hartem Kampfe
den wartthurmartigen Koressus- Vorsprung bei St. Pauls Gefäng-
nis«. Auf ihm erwuchs unter dem .Schutze der Atheua ein atti-
scher ßürgerstaat. Daher ist die Gestaltung einer Art von Doppel-
stadt das Charakteristische für Ephesus gewesen und geblieben.
Fast immer haben sich die bürgerlichen und kirchlichen Inter-
essen bekämpft, nur zeitweis hat eine noch stärkere Kraft die
streitenden Elemente gebeugt und zusatnniengefasst. Während der
Ivdisehen, noch mehr während der persischen Oberherrschaft fand
das Priesterthum an der Allgewalt der Grosskönige einen Rück-
halt und zwang zuletzt die Einwanderer, vom Koressus und Prion
in die Ebene hinabzusteigen, um in den altgewohnten bäuerlichen
Verhältnissen zu leben. In die lydische Epoche fällt der mit dem
Aufgebote aller theokratischen und monarchischen Kräftu unter-
nommene Kolossalbau des Artemisious. Xenes schonte den
vielbewunderten Prachtbau, nicht Herostiatos. Auch der Neu-
bau erfolgte ohne hellenische nationale Theilnahme. Die Prie-
sterschaft baute aus eigenen Mitteln. Lysimachus war es vor-
behalten, den Hellenismus wieder emporzubriugen. Er begrün-
dete mit alexandrischer Thatkraft ein neues griechisches Ephe-
sus, indem er Prion und Koressus ummauerte und ein Hau-
dels-Emporium ersten Ranges schuf. Diese Erbschaft traten
kleinasiatische Dynasten an, sie fiel dem römischen Volke und
zuletzt den Cäsaren zu. KpliOBUS wurde der Mittelpunkt gross-
artigen Fremdenverkehrs, aber auch die Stätte verschwenderi-
schen Müßigganges. Viele Kulte wurden hier vereinigt, das
hellenische Volksleben fand in Märkten, Theatern, Gymuasien,
Stadion und Hippodrom seine bleibenden und herrlich geschmück-
ten Stätten. Doch den stolzen Bau erschütterte in seinen Grund-
festen das Christenthum. Noch ehe die neue Residenz am Bos-
porus zum Aufsteigen kam, warfen räuberische Gothenschaareu
den Wunderbau des Diauenteinnels in Trümmer. Der Verfall
war nicht mehr aufzuhalten. Gleichwohl verging mehr als ein
Jahrtausend, che die hvzantinisehe Herrschaft fiel und bevor der
Islam die christliche Kirche verdrängte Noch einmal erfolgte
eine kurze Blüthe unter den osmamscheu Sultanen, aber der
leidenschaftliche Eroberungstrieb des türkischen Stammes, und
später seine Indolenz vermochten keine dauernde Kultur mehr
zu pflanzen. Ephesus wurde das ungeheure Ruinenfeld, wie
wir es sehen, ein Stadtgrab, dem keine Auferstehung mehr be-
lcn,
schieden ist.
Im Schatten solcher Gedanken gewahren wir, das die
Sonne fort ist und tiefe Dämmerung uns bereits umgiebt.
An den Bergen lohen wieder die von den Hirten entzündeten
Waldbrände, den wundervollen Sternenhimmel durchleuchtet die
schmale Sichel der Mondgöltin; mit beflügelter Eile streben wir
zu unserer Herberge, um in gemeinschaftlichem Gedankenaus-
tausche alle Tages-Beobachtuugeu noch einmal zu prüfen und zu
angenähert sicherer Erkenntniss der reichen Stadtgeschichtc ab-
zuschließen. Es ist die letzte Nacht, die uns hier zu weilen
vergönnt ist, andern Tages müssen wir nach Smyrua zurück,
um uns zu trennen. Die schönen Tage eines goldnen Herbstes
in Klein -Asien sind vorüber.
(Furt«ct«uiig folgt.)
Digitized by Google
— 114 -
18G9 tasten die Vertreter der Städte Frei bürg und
Colmar an der Landesgrcnze in Breisaeh und schlössen eine
Konvention über den alsbaldigen' gleichzeitigen Bau einer Eiseu-
bahn zwischen den genannten Punkten, und zwar auf Kosteu
jeder der beiden Städte bis au den Ithein, und auf gemein-
schaftliche Bei hnung für eine stehende Brücke über den Strom.
Bei dem obligaten Zweckcsscn wurden schöne Reden gehalten
über Frieden und Verbrüderung; Einander erinnert sich nament-
lich eines in gebrochenen! elsässer Deutseh gehaltenen Toastes
auf die 'erste den Rhein pussireudo Lokomotive: „Cowordia
soll ihr Name sein." Weniger konnten sich die beiderseitigen
Techniker über die Grundzuge für den Brückenbau einigen:
wahrend von deutscher Seite auf ein wirklich stabiles und dauer-
haftes Ucbergangswerk gedrungen wurde, schlugen die lngcuieure
von Colmar eine hölzerne l'fahlbrücke vor, welche in dem
reissenden Strom kaum weniger gekostet, alter vielleicht — ge-
wisse militärische Interessen mehr befriedigt hätte. Dieser Punkt
wurde vorlaufig bis nach dem Erfund sorgfaltiger Sondirungcn
des Rheinbettes ausgesetzt. Da jedoch im Ucbrigen die Geneh-
migung der beiden Regierungen erthcilt und die Ucbernahmc
des Betriebs durch die anschliessenden Hauptbahnen zugesichert
war, so wurde badischer Seits die Konvention alsbald in Vollzug
gesetzt. Wir befanden uns bereits in voller Bauausführung, al»
das Unecwitter des Krieges losbrach. Drüben mas dasselbe
wohl nicht so ganz unerwartet gewesen sein, da die Vorarbeiten
mit auffallender Lässigkeit betrieben wurden und der verab-
redete erste Spatenstich gar nicht erfolgte. Trotz der Nähe des
Kriegsschauplatzes wurde der ßahnbau zwischen Freiburg und
Breisach niemals unterbrochen, nur während der Kanonade
zwischen Alt- und Neu-Breisach wichen die Arbeiter den drohen-
den Granaten aus, und um lj. Seid. 1871 ist die Strecke dem
Betrieb übergeben worden. Zufolge den Bestimmungen des
Friedensvertrages ist das deutsehe Reich Rechtsuachfoluer aller
bei der französischen Ostbahn im Gebiet von Fllsass-Lothringen
schwebende!! ICiscnbahnsacbcu, somit auch des zwischen dieser
Gesellschaft und der Stadt Colmar nach Analogie der übrigeu
elsässischeu Vizinalbahnen abgeschlossenen Hctriebs-Vcitrages.
Allein Colmar hat seine Rechte und Verbindlichkeiten vollständig
aufgegeben und kann auch wohl unter so gänzlich veränderten
Umständen weder dazu angehalten, noch auch füglich mit dem
Interesse der deutschen Regierung verschmolzen werden. Um
nun die Sache wieder in Fluss zu bringen, hat vor Kurzem die
Stadt Freiburg durch Verniittelung des badischen Handelsmini-
steriums eine EingalH» an das Oberpräsidium in Strassbur« gc-
langen lassen und darin das jetzt noch verstärkte Bedürfnis*,
die beiden Rheiuufer hier in Verbiiidung zu bringen, hervorge-
hoben. Vor allem wird deshalb der Bau der ca. 22 langen
Strecke Coltnar-Bieisach auf Reichskosten beantragt, und event.
erbietet sich Freiburg als Besitzerin der Anschlusslinie hierzu
gegen Ziusengarantie. Es steht wohl zu erwarten, das« in Folge
dieses Schrittes ein definitiver Entschluss der deutscheu Ver-
waltung, welche sich von vorn herein für die Sache intercssirt
hat, zu Tage gefördert werden wird und das« dann jener Trink-
spruch, wenngleich in ganz anderer Wein«, wirklich zur Er-
füllung gelangt.
Unmittelbar vor dem Kriege wurde zwischen der badischen
und franzosischen Regierung ein Staatsvertrag verabredet zur
Herstellung einer Eisenbahn zwischen I.eopoldshöhe und St.
Louis, den ersten Stationen der badischen, bez. der elsässischen
Bahn nördlich von Basel. Eine feste Brücke sollte bei Hüningen
deu Rhein kreuzen. Die nur 5 K™ lange Verbinduugsstrecke
würde im beiderseitigen Interesse, besonders ge«enül>er der
Konkurrenz der schweizerischen Eisenbahnen nach
Richtungen, gelegen haben. Gegenwärtig ist der nhn<
nicht perfekt vollzogene Vertrau hinfällig geworden,
badische Regierung ist im Betriff, die Verhandlungen über diesen
Gegenstand zu erneuern, und ausser der kommerziellen ist nun
auch die militärische Rücksicht vou Bedeutung, wenn an der
äussersten Südgrenze ausserhalb dos neutralen Schweizer-
bodens eine durch die Hüningrr Festungswerke geschützte Ver-
bindung über deu Rhein geschaffen würde.
Eine dritte, ebenfalls schon vor dem Kriege geplante Eisen-
hahnverkuüpfung betrifft die Städte Müll heim und Mühl-
hausen. Die erstere hat ein Konzession erbeten und mittels
Beschluss der badischen Kammern vom 15 20 d. 4L erlaugt für
deu Bau der 4"»> langen Strecke von Mullheim nach Neuen-
burg, einem Oertchen am Rhein. Auch ist zugesichert, dass der
i'wnss
ps nn
her (
Betrieb durch die badische Staatsbahn gegen einfachen Ersatt
der Kosten übernommen werden würde. Natürlich hat eine
solche Zweigbahn nur Sinn, wenn die linksrheinische Strecke
bis Mühlhausen. I» k,u lang, gleichzeitig zu Staude kommt, und
es wird nun Aufgabe der Konzessionäre, bezw. der sie vertre-
tenden badischen Regierung sein, diese bei der Verwaltung des
Rciebslandes in irgend einer Weise zu erwirken. Zu dieser
Absicht dürfte besonders das Interesse von Mühlhauscn, wo das
Projekt lebhaften Anklang fiudet, in die Wagschale gelegt wer-
den: denn nicht nur sind die reichen Fabrikanten gewohnt ge-
wesen, ihre Sommerfrische vorzugsweise in Badenweiler bei
Müilheim zu suchen, sondern die zu hoffenden Vcrkchrsbcziehun-
gen zu Altdeutschland machen einen Uebergang direkt von
Mühlhausen auf das rechte Rheiuufer ganz besonders wünschens-
wert h. Die badisch«! Kammer hat indessen durch eine Klausel
die Erlaubnis* zu einer Rheinbrücke bei Neuenburg an die
Sicherung der beiden anderen zu Breisach uud Hüningen ge-
knüpft, und so wird sehr wahrscheinlich das schone Ergebnis*
herbeigeführt werden, dass gleichzeitig durch drei Uebcr-
brückungen Elsas» mit dem badischen Oberland verbunden nnd
damit das Rcwusstscin der geistigen uud wirtschaftlichen Zu-
sammengehörigkeit unter deu allemauuiscbcn Bruderst&mmen
kräftiit gestärkt wird.
Der Rhein besitzt an den drei genannten Brückenstellen
ein bereits ziemlich geordnetes Bett von 800™ Normalbreite.
Dieses Maass wird bei den schon vorbereiteten Entwürfen in
drei gleiche Spannweiten zerfallen. Die Fundirung kann an den
beiden oberen Brücken mittels Pfahlrost in grobem Kies erfol-
gen. In Breisach dagegen ist durch die oben erwähnten Son-
dirungcn festgestellt, dass der Basattfels, an welchen die Stadt
gelehnt ist, sich auch im Fluss bei ca. 15 m unter NW. vorfindet.
Er wird mit Hülfu einer pueumati sehen Fundirung erreicht
werden müssen, weil die Gerolle zwischen ihm und der Fluss-
sohle eine leicht verschiebliche Ablagerung bilden. Beiläufig
gesaut, würde eine Eisenbahnschiffbrücke oder eine Trajektan-
stalt, \ou welchen auch am Oberrhein wohl die Rede gewesen
ist. hier fast unausführbar »ein, weil das Flussbett sich noch in
höchst veränderlichem Zustande befindet, — abgesehen davon,
dass die hohen Betriebskosten eine solche Einrichtung auf die
Dauer ökonomisch unvortheilhaft gestalten.
Endlich ist noch ein vom frankfurter Bankverein unter-
nommenes Projekt zu erwähnen. Dasselbe bestubt in einor di-
rekten Eisenbahnlinie von Strassburg nach Ulm.
Die badische Zweialinic vou Appenweier nach Strassburg,
welche letztere Stadt auf einem bedeutenden Umweg erreicht
und ohnedies mit starkein Verkehr belastet ist, soll umgangen,
vielmehr eine neue feste Rheinbrücke nördlich von Strassburg
hergestellt und die badische Hauptbahn bei Rencheu gekreuzt
werden.
Sodann würde der Schwarzwald durch daa Rem hthal und
den Kniebis auf Freudenstadt zu überschritten, wohin demnächst
das würtembergische F^isenbahnnetz vorgeschoben sein wird
(nach den jüngsten Anträgen der Regierung, welche ohue Zweifel
die Genehmigung der Stände linden wurden). Die würtember-
gische Staatsbalm kann sodann in das Neckartbai und bis Reut-
lingen \erfolgt werden. Von hier niuss man die rauhe Alb in
der Richtung auf Blauheuren uberschieneu, um endlich auf der
ttercits bestehenden Donaubahn Ulm zu erreichen. Die Gründer
dieses Projektes, au welches eventuell noch einige Zweiglinien
angeschlossen werden sollen, betreiben dasselbe gegenwärtig bei
den betheiligten Regierungen und haben in Elsass uud Baden
eine nicht ungünstige Aufnahme gefunden. Dagegen dürfte es
schwer fallen, in Würtemberg eine grosse Privatgesellschaft ein-
zuführen, welche den Stuatsbabnen Konkurrenz macht und noch
dazu zwei Strecken der letzteren kaufen oder in gemeinsamen
Betrieb nehmen mösste. Ob dieser Widerstand durch militä-
rische Gründe, durch moralische Reichshülfe überwunden werden
kann, wird die Zeit lehren.
Wenn man zu den angeführten vier Rheinbrücken noch die
beabsichtigten Verbindungen des Rciebslandes gegen Norden hin
rechnet, so ergiebt sich, dass wir das neue tiebiet bald mit
einer so erheblichen Zahl von friedlichen eisernen Fesseln um-
schlossen halten werdeu, wie nicht leicht eine andere Provinz
des deutschen Heiches an ihren Grenzen besitzt. Mögen die-
selben mit der Pflege der materiellen Interessen auch die gei-
stige Wiedorernberuug der Stammgenossen befördern!
Karlsruhe, März 1872. B,
Mittheilungen
Architekten- nnd Ingenieur-Verein zu Breslau- (Auszug
aus den Protokollen.)
Hauptversammlung am 7. 0k tober 1871. Zur statuten-
mSssiccn Wahl des Vorstandes für das neue Vereinsjahr waren
die Mitglieder zahlreich erschienen. Der Vorsitzende, Herr
Zimmermann, eröffnet die Sitzung mit einem Bericht über
das vergangene Jahr, aus dem Folgendes hervorzuheben ist:
Vou Anfang Oktober 1S70 bis Ende Mai 1871 fanden acht
Hauptversammlungen und 23 Woeheuversammluugen statt, von
denen die meisten durch Vorträge verschiedensten Inhalts aus-
gefüllt wurden, einzelne Vereinsangelegenheiten oder der Gesellig-
keit gewidmet waren. Die Zahl der Vereinsmitglieder belief
sich auf ca. 7t), von denen allerdings nur ein Theil die Vereins-
abende regelmässig besuchte. Im Sommcrsemester des Vor-
jahres sorgte eine Kommission für Exkursionen auf Neubauten
aus Vereinen.
odpr in die Umgegend von Breslau. Die Bibliothek ist um
einige namhafte Werke vermehrt worden, während der Kassei.-
überschuss sich auf 50 Thlr. beläuft.
Sodann wurde zur Wahl eines Vorstandes geschritten und
für das neue Vereinsjahr wieder gewählt: zum Vorsitzenden
Herr Zimmermann, zum Stellvertreter desselben Herr Prom-
nitz, zum Schriftführer Herr Hasenjägcr, zum Bibliothekar
Uerr Zabel, zum Säckelmeister Herr Studt. Ausserdem wur-
den zu Stellvertretern für deu Schriftführer und Bibliothekar
ernannt die Herren v. Schütz und Holzhausen.
Nachdem ferner der Verein seinen Beitritt zum Verbände
deutscher Architekten- und Ingenieur- Vereine beschlossen, wurde
Herr Zimmermann einstimmig zum Vertreter desselben auf
der für den 28. bis 30. Oktober anstehenden Delegirten - Ver-
sammlung in Berlin erwählt.
Digitized by Google
- 115 -
Versammlung am 14. Oktober 1870. Herr Kayser
spricht über Ventilation und unterscheidet dynamische" und
mechanische Ventilation. Er erwähnt hierbei der Verbesserung,
die der Engländer Hui r zuerst einem einfachen Ventilations-
irnstein dadurch gegeben, dass er eine Scheidewand in den-
en eingeführt Während nun in der einen llfijfte des Schorn
steine* die kalte Luft niedersinkt, steigt die warme in der
schneller empor. Eine andere Verbesserung der
icutilation bat der Franzose Pierron de Mon-
andern um so schneller empor. Eine
mechanischen Ventilation bat der Era
desir insofern entdeckt, als er die verbrauchte Luft nicht wie
bisher gewöhnlich, durch einen Veutilatinns-Apparat mit grosser
Geschwindigkeit entweichen, sondern diuse durch ein verhält-
nissmassig kleines Rohr in einen Kanal von grösserem Quer-
schnitt hineinblascn lässt, so da** ein viel bedeutenderes Luft-
quantum, wenn auch mit geringerer Geschwindigkeit, zum Aus-
strömen in Bewegung gesetzt wird.
Versammlung am 11. November 1871. Herr Schmidt
hat sein Konkurrenz-Projekt zum Wiederaufbau des im ver-
gangenen Winter abgebrannten Stadttheaters, das von der Stadt
zur Ausfuhrung gewählt worden ist, im Vereiustokal ausgestellt
und erläutert dasselbe in nachstehender Weise:
Für den Wiederaufbau des Theaters haben sich als Haupt-
aufgaben herausgestellt :
^ V «' l i e8UUK vnn besonders feuergefährlichen Räumen, als
Malcrsaal, Tischlerei etc. aus dem eigentlichen Bühnongcbäude.
2) Anordnung von durchaus massiven Fussboden und Decken
in allen, den Zuschauer- und Bühucnraum umgebenden Korri-
doren und Nebenräumen.
# ... :,) Anf>rdnilu S eines massiven Bühneubogcns (statt des
früheren hölzernen) und Verschluss der Bühnenöffnung durch
einen eisernen Vorhang, der bei ausgebrochenem Feuer ermög-
licht, wenigstem* eine Hälfte des Gebäudes zu retten-
4) Herstellung von neuen Seitcutrepjien zur schnelleren
Entleerung des Zuschauerraumes.
Der \ ortragend
äsende geht nun auf die einzelnen Einrichtungen
cm und bemerkt, dass der Kronleuchter im Züsch juer-
fest aufgehängt und von der obersten Galleric mittels
angezündet werden solle. Vnn anderer Seite wird ein
n des Kronleuchters auf elektrischem Wege empfohlen,
die Verwendung eines Maschenvorbauges gegenüber dem
schwereren und kostspieligeren aus Eisenblech. Die Venti-
lation des Hauses erfolgt durch die Krnnlcuchteröffnung und
wird durch eine Luftheizung wirksam unterstützt.
Das alte Theater war auf 1123 Sitzplätze und 380 Stch-
pätze berechnet, während nach dem neuen Projekt 1380 Sitz-
plätze und 350 Stehplätze geschaffen werden sollen. Was das
Aeussere des wiederhergestellten Gebäudes anbelangt, so wird
die front nach der Schweidnitzer Strasse durch eine in der
Mitte vorgelegte Säulenhalle auf hohem U nterbau eine wesent-
liche Aenderung erfahren. Desgleichen wird der Aufbau des
Ibeaters, die sogeuannte Laterne, sich in Zukunft nur auf den
Iheil über dem Bühnenraum beschränken. Die disponiblen
Baugelder belaufen sich auf 150000 Thlr.
Versammlung am 18. November 1871. Herr Zimmer-
mann berichtet als Delegirter des Vereins über die Verhand-
lungen der Abgeordneten des Verbandes deutscher Architekten-
und Ingenieur-Vereine zu Berlin am 28. bis 30. Oktober d. J.
und leitet die Wahl von Kommissionen ciu zur Berathung der
daselbst aufgestellten Fragen.
Versammlung am 25. November 1871. Herr Studt
spricht ubor die verschiedenen, durch mehrmaliges Nieder-
brennen des Stadttbeaters bereits veranlassten Konkurrenzen.
»crsammlung am 9. Dezember 1K7I. Herr Zimmer-
mann giebt eine Beschreibung von der Konstruktion und Ein-
richtung der von ihm für hiesige Stadt projektiven Baracken
zur Aufnahme von kontagiüsen Kranken. Er erwähnt der in
Berlin und Leipzig zur Ausführung gelangten Baracken, sowie
der in der deutschen Bauzeitung veröffentlichten Musterbaracko
vom Geheimrath Esse. Von der Einrichtung dieser letzteren
ausgehend, unterscheidet sich die vom Vortragenden gewählt»;
Konstruktion im Wesentlichen dadurch, dass behufs der bessereu
hrwärmung ein Stein starke l'nifassungswände mit Luftschicht an-
j?eu<.üimcu sind, ausserdem oVr freie Raum unter dem Fuss-
boden der Baracken weggefallen und Luftheizung statt der
Ofenheizung eiugeführt worden ist.
Versammlung am 1«. Dezember 1871. Der Abend ver-
einigte 40 Mitglieder zu einem Abschiedsessen im Vereinslokal
zu Ehren des schuldenden Vorsitzenden Herrn Stadt-Bauraths
Zimmermann.
- E. IL -
Verein für Eisenbohnkunde zu Berlin. Versammlung am
12. März 1872. Vorsitzender Herr W'cisbaupt, Schriftführer
Uerr Streckert.
Herr Schwabe lenkte die Aufmerksamkeit der Versamm-
lung auf die eingehenden Debatten, welche in der diesjährigen
Session der belgischen Kammer über den Betrieb der belgischen
Eisenbahuen und über die auf denselben seit Jahrusfrist einge-
tretenen Verkehrsstockungen stattgefunden haben. Diese Erör-
terungen gewinnen dadurch ein allgemeines Interesse, dass sie
sich auf Erscheinungen beziehen, welche in dein vom Kriege
unberührt geblielwnen Belgien lediglieh durch die ausserordent-
liche Steigerung des Verkehrs entstanden sind, während ähn-
liche Zustände in Deutschland nicht allein aus diesem Grunde,
sondern in noch höherem Grade aus der gleichzeitigen enormen
Inanspruchnahme der Eisenbahnen in dem Kriege gegen Frank-
reich hervorgerufen wurden. Während mau sich in lieuUchland
auf den Vorwurf beschränkte, dass die Eisenbahnen ausser
Staude seien, gleichzeitig den Anforderungen des Krieges und
des öffentlichen Verkehrs zu entsprechen, ohne von Seiten der
Iudustrie die Hand zur Abhülfe zu bieten, geht das auf ein-
gehenden uud sachgemässeu Erörterungen gestutzte Lrthoil der
Redner in der belgischeu Kammer dahin, dass eiue dem grossen
Vcrkehrsaufschwuiige entsprechende Erhöhung in der Leistungs-
fähigkeit der Eisenbahnen vorzugsweise durch Vermehrung des
Wagenparks, und zwar unter Betheiliguug der Industrie an der
Wageiistidlung. sowie durch schnellere Wiederbenutzung der
Wageu durch" Einrichtungen zum rascheren Entleeren der mit
Kohlen, Erzen etc. beladeuen Wagen zu erreichen sein wird.
Die wichtigsten bei dieser Gelegenheit in der belgischen Kam-
mer gehaltenen Reden sind unter dem Titel erschienen: La
crise des transports des chemins de fer, discours prononce ä la
chambre des Kcprcscutants a Bruxelles par S- D'Audrimont.
Herr Schwabe erwähnt hierbei, das» die bezeichnete Broschüre
sich im Wesentlichen an seine Schrift: „Leber die englischen
Eisenbahnen* auscbliesst.
Der Vorsitzende gab sodann ein kurzes Resume über den
Inhalt der von dem technischen Eisenbahn-Büreau des Handels-
Miiiistcriums herausgegebenen statistischen Nachrichten von deu
preussischeu Eisenbahnen pro 1*70, welche diesmal einen beson-
deren Werth durch die Aufnahme der für das deutsche Reich
erlassenen neuen Bestimmungen für das Eisenbahnwesen haben.
Sic enthalten die Abänderungen des Bahnpolizei-Reglements und
des Betriebs-Reglementa für die Eisenbahncu etc. und mit der
Ausdehnung der Gültigkeit auf Württemberg, Baden, Südhesseu
und Elsass-Lothringen, ferner die technischen Vereinbarungen
des Vereins deutscher Eisenbahn - Verwaltungen über den Bau
uud die Betriebs - Einrichtungen der Eisenbahnen; sodann die
Festsetzungen, betreffend gewisse Hauptabmessuugeu für die
l'utergestcllc und Achsen bei den Wagen verschiedener Kate-
gorien der unter Staatsverwaltung stehenden Eisenbahnen, zur
Erziclung thunlichster Einheitlichkeit auf diesem Gebiete der
Konstruktion. Bezüglich der finanziellen Ergebnisse der preus-
aisehen Eisenbahnen erwähnt der Vorsitzeude. dass dieselben
als günstig zu bezeichnen seien; während die Einnahmen im
Jahre 185Ö pro Meile 58,000 Thlr. und die durchschnittliche
Verzinsung des Gesammtkapitals 5.2 pCt betragen habe, sei
dieselbe im Jahre 1864 auf 70,000 Thlr. und 0 pCt Verzinsung
und im Jahre 1870 auf 80,000 Thlr. bei ebenfalls 6 p(,'t durch-
schnittlicher Verzinsung des Anlagekapitals gestiegen — Dass
die Reute nicht gleichmässig mit gewachsen, habe sein en Grund
in der Ermässigung der Tarife uud in der Erweiterung der
Bahnanlagen nebst besserer Ausrüstung mit Betriebsmaterial
auf dur einen, und der Steigerung der Löhne und Besoldungen
auf der anderen Seite, lu England betrug die durchschnittliche
Verzinsung des Gesammt • Anlagekapitals der Eiseubahueu im
Jahre 1870 etwas über 4 pCt
Am Schlüsse der Sitzung wurden in üblicher Abstimmung
die Regierungs-Assessnren Dr. Frölich, Kapmund und Bre-
feld, Bauinspektor Steuer, Obermaschineiimeister Gust und
Maschinenmeister F. W. Eichholtz als Mitglieder in deu Verein
Aus der Fachliteratur.
ivi* Z u t %W.. aT *P — — ■ rvd. v. G. Erbkam. Jahrg.
187S, Heft I— III. (Scbluss.)
B. Aus dem Gebiete des Hochbaues.
3) Jagdhaus Promnitz des Fürsten zu Pless, mit
Zeichnung auf Bl. 6-8. Von Hrn. Bau-Inspektor Pavelt zu Gold-
berg. l)as inmitten eines oberschlesischen Waldkomplexes be-
, ?L n Srll a * ,st im Ja,lrc ms mit ci " ora Kostenaufwand von
•J.UOO Iblr. auf den Kellerräumen eines älteren, aus Blockhölzern
errichteten Gebäudes erbaut worden und besteht im Erdgeschoss
au» verputztem Ziegelmauermerk, im Ober- und Dachgesclioss aus
verriegeltem Fachwerk, dessen sichtbare, reich ausgebildeten
» erhaudstucke von Lerchenholz augefertigt und geölt sind; die
sehr bedeutenden Dachflächen sind mit Schiefer gedeckt. Der
OrundriM zeigt im Erdgeschoss hinter einer geräumigen, die
Wendeltreppe enthaltenden Halle den ca. 8,5 und 12,25» grossen
Jagdsaal, <fer durch beide Geschosse reicht, zu beiden Seiten
dio Wohnräume des Fürsten und der Fürstin, im Obergeschoss
eine grössere Zahl von Zimmern für die Jagdg&ste, im Dach-
geschoss die Zimmer für Jäger und Bediente, itu Soutetraiu die
W irthschaftsräume.
Die architektonische Ausbildung ist in mittelalterlichen
Können erfolgt und hat für das Aeussere mit seineu Giebeln,
Erkern uud Balkons, das von einem stattlichen Thurau über-
ragt wird, eine sehr malerische Baugruppe ergeben. Das Innere
ist entsprechend durchgebildet und mit Mobiliar versehen. Der
Saal, welchen ein mächtiger Kamin schmückt, ist am unteren
Theil mit einem 2" hüben Panueel versehen, die Wandfläche
darüber, durch ornameutirte Kacln Ifriese getheilt, enthält lustige
Waidiuauiissnrücbe, ein oberer Erics unter der schrägausteigeii-
den Heizdecke dio Wappenschilder der Jagdgäatc. Sämmtliche
Kenster sind in Bleiverglasung ausgeführt, dio des Saales mit
Glasgemälden.
4) Ueber die Wagner'sche Kanalheizung in deu
Kirchen Leipzig», von Herrn Baumspektor Blankenstein
- 1 IG —
in Berlin. Mit 2 Blatt Zeichnnngen im Text Es verdient als
eine für die Stellung mancher Tecbiiikcr zur Oeffeutlichkeit
bemerkenswerthe Thatsaehe hervorgehoben zu werden, das» es
eines Auftruges des preussischen Kultusministers an einen
treussischen Beamten bedurfte, damit durch diesen jene in
einzig von sächsischen Technikern ausgeführten, höchst inter-
essanten und werthvollen Heizanlagen in weiteren Kreisen bekannt
und gewürdigt werden konnten!
Das denselben zu Grunde liegende, für Treibhäuser und
Trockenhäuser schon früher angewendete System ist in der ver-
besserten Gestalt von dem Physiker Wagner in Frankfurt a. M.
angegeben worden und wird von den Fabrikanten Kemy &
Reiffenrath zu Herborn auf Grund der in Leipzig gemachten
Erfahrungen selbstständig zur Anwendung gebracht. Ks besteht
darin, dass die Verbreuuuugsproduktc von einer oder mehren
Feuerstclleu durch lange unter dem Fußboden liegende, theils
gemauerte, theils in Kisenguss hergestellte Kanäle nach einem
Schornstein geleitet werden. Die kalte Luft wird um Fussboden
nach den mit (i Itter platt en abgedeckten Kanülen angesogen und
steigt von dort crwüruit in den Kaum empor. Seit lsti" haben
in Leipzig die Nikolai-, Thomas-, Neue und Johunneskircbe eine
derartige Einrichtung erhalten, von denen der Verfasser die in
der Thomaskirchn zur Ausführung gebrachte detaillirt beschreibt.
Diu Kanäle, zusammen 235«» lang, geben von zwei Hcizkamnicrn
«US und liegen uuter den freien Hängen der Kirc he; 9"U,G"> sind
gemauert. 144,4" von Eisen. Da letztere, die allein Wirme ab-
geben, 1- Umfang haben, so beträgt die Heizfläche 144,4 L ».
was bei einem Kubikinhalte der Kirche von 228UÜkh« pro t ]«
157 ,Ü kb "> zu heizenden Kaum ergiebt. Die grosste Länge eines
Kanals vom Ofen bis zu dem 0,566 " im □ weiten, 4.'1™ hohen
Schornstein betrügt 78,lfi m , weshalb beim Anheizen zuweilen
die Hülfe eines sogenannten Lockofeus erforderlich wird. Die
Reinigung der nicht begehbaren Kauäle erfolgt von mit Klappen
versehenen Ocffuuugeu aus mittels an Drähten befestigter
Bürsten.
Die Erwärmung erfolgt nur langsam, so dass einen Tag vor
Beginn des Gottesdienstes geheizt wird, aber um so nachhaltiger,
weil die Kanäle ein sehr bedeutende« Reservatiousvermögen be-
sitzen. Die vorschriftsuiässige Miuiinal-Temperatur von 10' B.
ist stets leicht zu erreichen gewesen und wirkt dieselbe um so
behaglicher, weil die Schicht unmittelbar über dem Fussbodeu
dabei die wärmst» (','• oder 1« mehr als in Kopfhöhe) ist. Um-
gekehrt ist dies bei der Luftheizung der Fall, für die der Ver-
fasser die uuter sehr analogen Verhältnissen ausgeführte Ein
richtung der Berliner Gamisoukirche in Vergleich gezogen hat.
Hier betrug bei einer Temperatur in Kopfhöhe vou ^ bis 'J'
die am Fussboden nur 8« uud der Autenthalt war durchaus
nicht so angenehm wie durt. Die Kosten der Einrichtung siud
bei der Kanalheizung auf 30,7 Thlr., bei der Luftheizung auf
20 bis 25 Thlr. pro IdOkb«» Heizraurn zu schätzen, die Heiz-
kosten erreichen bei der Kanalheizung fast die doppelte Höhe
von denen der Lufthcizaiig. Letzteres Verhältnis« würde sich
allerdings ändern, wenn die Heizung öfter benutzt wird uud die
in den Kanälen, dem Erdreich etc. reservil te Wärme zur Gel-
tung kommen kann.
5) Die Baudenkmale I mhriens, von Hrn. Architekt
Paul Laspeyres in Korn. I. S. Giustino. II. Gitta di Castello.
Mit Zeichnungen auf Tafel 21 u. 22 und zahlreichen Holzschnitten
im Text.
Der Beginn einer umfassendenlPublikation üher die verhält-
nissmässig noch wenig bekannten Baudenkmale des umbrischeu
Gebietes, an welche der in den Kreisen der Preussischeu Ar-
chitekten wohlbekannte Verfasser mit einer Sorgfalt uud Treue,
mit einer Tiefe der Forschung und mit einer Fertigkeit der Auf-
fassung und Beobachtung herantritt, wie sie jedem, der ein ähn-
liches Unternehmen wagt, wohl zu wünschen wären. L'm das
Ergebnis* seiner Arbeiten nicht zu lange zurückzuhallcu , ver-
zichtet es fürs Erste auf eiue Würdigung der gesammten Um-
brischeu Baukunst nach allgemeinen zusammenfassenden Ge-
sichtspunkten, sondern giebt das von ihm gesammelte Material
in einzelnen. Ortlich gesonderten Monographien; die Denkmale
der Renaissance siud dabei in den Vordergrund gestellt uud am
Ausführlichsten behandelt, die der Antike uud des Mittelalters
in kürzerer Darstellung erwähnt.
Auf ein detaillirte.s Referat über die durch erschöpfende
Vollständigkeit sich auszeichnende Beschreibung der Ortschaften
S. Giustino und Gitta di Castello können wir hier nicht eingehen.
Im ersten Orte ist es einzig die Villa di Bufaliui, in dem zwei-
ten dagegen, dem ehemaligen Sitze der berühmten Vitolli , eiue
bemerkenswerthe Fülle kirchlicher uud profaner Baudenkmate,
die beschrieben, dargestellt und gewürdigt werden. Wir nennen
unter ihnen den aus der Blüthezeit der Renaissance stammenden
Dom St. Florido, die Kirchen Sa. Maria Mapgimc und S. Fran-
cesco und die verschiedenen Paläste der Viteilt und Hufalini.
6) Kirche zu Paarig, Kreis Kasteuburg, mitgeth. von
Hrn. Kreisbaumstr. Kaske, mit Zeichnungen auf BL 2;(. Eine
kleine in Ziegelrohbau ausgeführte Kirche aus der Zeit der Or-
densherrschatt, mit gerader Balkendecke uud einem 22™ hohen,
mit Satteldach versehenem Thurau:. Die Verhältnisse des mit
geputzten Bleuduischen gegliederten Aeusseren sind nicht ohne
Beiz, die Detail* höchst einfach.
7) 61. Bericht aber den Ausbau des Domes zu
Cöln. Wie immer um mehr als ein halbes Jahr verspätet.
8) Untersuchung von Mörtelproben aus der Ber-
liner Gerichtslaube und von der Marienburg, von Hrn.
Dr. Ziurek in Berlin. Das Resultat der durch chemische Ana-
lvse uud soweit dies zugänglich war, durch Festigkeitsprüfungen
untersuchten Mörtelprobcn, mit denen der Verfasser zahlreiche
andere von ihm früher untersuchte alte Mörtel vergleicht, ist
folgendes. Der Mörtel aus dem Mittelnfeiler der Gcrichtslaube
ist ein mittelguter Kalkmörtel von ziemlicher Festigkeit, die drei
übrigen Prolien aus der Gerichtslaube und der Marieuburg sind
höchst vorzüglicher Gipsmörtel. Aus der Beschaffenheit der
letzteren wird hergeleitet, dass ihre ausgezeichnete Qualität
nicht durch Materialien, welche die heute vorhandenen an Güte
übertreffen, sondern durch die Zubereitung herbeigeführt wurde,
indem einerseits, um ein Todbrennen des Gipses zu verhüten,
ein Theil der Gipssteine ungebrannt blieb und andererseits diese
ungebrannten Gipssteiue grob zennahleu dein Gipse beigemischt
wurden, damit derselbe das Wasser laugsamer aufnehmen und
glcichuiässiger binden konnte; demselben Zwecke dient ferner
auch der Zusatz einer geringen Menge von Sand, Ziegelmehl
und (vielleicht von der beim Brande zurückgebliebenen} Holzasche.
In dem Hefte sind ferner die Bestimmungen für die Prü-
fung der Kandidaten des Lehramts nu Gewerbeschulen mitge-
theilt. Auffällig ist, dass in dem offiziellen Organe desjenigen
Preussischeu Ministeriums, das bei Einführung des neuen Maas»-
Systems in erster Linie interessirt ist, unter der Jahreszahl 1872
noch eine Reihe von Abhandlungen und Zeichnungen veröffent-
licht werden konnte, in denen auf das derzeit gültige Laudcs-
inaass keine Rücksicht genommen ist. Wir wissen nicht ob
wir dies ausschliesslich für ein redaktionelles Verseheu halten
können; für einen möglichst schnellen und energischen Uelie.r-
gang in das neue Maassystem dürfte ein solches Beispiel an
solcher Stelle jedenfalls nicht förderlich sein. — F. —
Konkurrenzen.
Monats-Aufgaben für den Architekten-Verein zn Berlin
zum 4- Mai 1872.
I. Entwurf zu einem Pianino.
Maasstab der natürlichen Grösse.
II. Geber eine felsige Thalschlucht von HO Meter Tiefe und
20 Meter oberer Breite soll für eine rechtwinklich kreuzende
Eisenbahn von 2 Geleisen eine schmiedeeiserne Charnierbogen-
hrücke konstruirt werden. Dieselbe soll auf der Thalsohle zu-
sammengenietet und im Ganzen an ihren Ort gehoben werdeu.
Die Rüstungen für die Zusammenstellung, sowie für das Empor-
heben, und die erforderlichen Hebe - Vorrichtungen siud zu ent-
werfen und durch Rechnung zu erläutern.
Alle wichtigen Maassc, Annahmen und Rechnungsresultate
siud in deu Zeichuuugeu au geeigneter Stelle einzutragen.
Personal- Nachrichten.
Preussen.
Ernannt: der Baumeister Leuchtenberg in Elberfeld zum
Eisenbahn-Baumeister bei der Hannoverschen Staats-Eisenbahn
zu Bremen. Der Baumeister Dumreichcr in Saarbrücken
zum Bau- uud Maschinen-Inspektor bei der Bergwerks-Direktion
daselbst. Der Baumeister Daeinicke zu (.'öslin zum Landbau-
meister und technischen Hilfsarbeiter l>ei der Köuigl. Regierung
daselbst. Der Baumeister Friedrich zu Königsberg i. Pr. zum
Kreisbuumeister in Pr. Holland.
Dem Regicruugs und Baurath Redlich zu Saarbrücken
ist an Stelle des aus dem Staatsdienste geschiedenen Regierungs-
Raths Hartnack die Wahrnehmung der Geschäfte des Vor-
sitzenden der Königlichen Eisenbahn -Direktion zu Kassel kom-
missarisch übertragen.
Die Baumeister-Prüfung haben bestanden am 27. und
."'.Ii März er.: Der Bauführer Christian Hildebrandt aus Salz-
kotten. Der Bauführer Alfred Mareks aus Neisse. Der Köuigl.
sächsische Civil-Ingenieur August Kirsten aus Dresden.
Brief- und Fragekasten.
Hrn. F- in W. Nachdem wir auf Seite 223, Jahrgang 71
unserer Zeitung bereits einen dasselbe Thema behandelnden
Artikel aus Ihrer Feder zum Abdruck gebracht haben, liegt
wohl keine Veranlassung vor, nochmals auf denselben Gegenstand
zurückzukommen.
Hru. M. in Baden. Dos Arbeitshaus in Kiel von G. Mar-
tens, im Jahrg. 18ti7 der Allgemeinen Bauzeitung (v. Förster)
puhlizirt, dürfte für Ihre Zwecke die passendste \ orlage bieten.
Neuere Ausführungen dieser Art von bemerkenswerthem Interesse
sind uns sonst nicht bekannt worden.
Hrn. M. in Zwickau. Leider können wir Ihrem Wunsche
nicht genügen, da uns die Techniker, welche durch die Vermitte-
lung unserer Zeitung eine Stelle suchen, durchaus unbekanut
sind. — Hoffentlich erhalten wir von Ihnen recht bald die verspro-
chene Publikation.
Hrn. Stadtbaumstr. M. in E. Dass Ihre Notiz für die
Personalien unseres Architekten-Kalenders nicht benutzt worden
ist, kann nur auf einem Versehen beruhen, desseu Grsachen
wir jetzt nicht mehr ermitteln können. Für die Zukunft soll
dasselbe verbessert werden.
Hierzu eine Holzschnittheilage: Pfarrhaus der Norder- Gemeinde zu Altona, von J. Qtren.
| «o. Carl n In
Druck »Do GebridtT
Jahrg. VI. M 15.
DEUTSCHE BAUZEITUNG
Organ des Verbandes
deutscher Architekten - und Ingenieur-Vereine. TE
Redakteur E. E. 0. Fritsch.
Xaaerat«
ftir dl. Lmct Orr de.tlfk»«
S«t D»
Preis I Tbaler pr» taartil.
Berlin, den 1
1. April 1872. Inebehrt jede« lran«riteg.
Inhalt: Au. <l-r TKitlxk.it der il.uucl,.« F.ldetMnbahn - AutBcilun-
(m VIII. — U.UaaklKen au. de* Orten! XIV. - N.«e F.rtaarunzen in
tf.at Fau.Terlahrcn mit llrhteni|iniidllch«n] Papier. — U Iii k*l 1 ■■ IM au. Var-
el n an: Architekten -Verein tu Berlin. — V ttm 1 .c ht e»i Knienuiing de« Cht/-
Ingeniear» Mr den Bau der UotUiarduahn, - Di. Webl el.e. Stadthaaraih» für
Berlin. — Zu» Schau gegna, dl. ArnelueiiMUlluagen dar Hauhaadwetk... — Aal
dar Faehl iti.ratur: AUgaeaHne Hauicltung, rad. van A. Kieilln. Jahrg. ItTI,
— Parannal-Naebrichtan atc.
Ans der Thäügkeit der deutschen Feldeiseubahn-Abtheiliingen.
vm.
denfang
Zeigten)
n um hi
uiimittel
Vorzüge
Eine Sektion der Feld-Eisenbahn von Re-
milly nach Pont I Mousson.
Hin. n 'dl. Atililldimgrn auf .«"it. 130 mf III.
Zur Umgehung der den wichtigen Eisenhahn- Knoten-
punkt beherrschenden Festung Metz wurde durch die Eison-
bahn-Abtheilungen 1 und 4 nie 4'/i Meilen lange Feldbahn
von Remilly nach Pont ä Mousson neu angelegt, von wel-
cher im Nachfolgenden eine der Sektion 1 der Ahthcilung
4 angehörige Strecke von 1 V« M ilen beschrieben werden
soll.
Bei der um die Mitte August 1870 beginnenden Auf-
suchung der Linien lag ein bereits vorher generell bearbei-
tetes Projekt vor, welche? behufs möglichster Benutzung von
Chausseen und leichterer Ueberschreitung der rechtsseitigen
Mosel -Bergkette die längere Richtung über die Ortschaften
Luppy, Secourt nnd Nomenv verfolgte. Die genauere Ab-
steckung dieser Linie ergab jedoch, besonders für die Was-
s erscheide zwischen den Pnnkten Secourt und Maillv, Stei-
gungen und Gefälle, welche ein fortwährendes Abschwen-
ken von dem Strassenznge sowie in Folge der Lage des
dazu geeigneten Terrains bald lwlwJbälti lecbta. ein wieder-
holtes Durchschneiden des letzteren nöthig gemacht
hätte. In Bezug auf die zum unmittelbaren Auflagern eines
Schienengeleist* geeigneten Chausseestrecken dagegen trat
ferner die Erwägung ein. ob es bei der während der Bela-
gerung von Metz sich entwickelnden enormen Frequenz auf
denselben (indem selbst Strassen 2. und 3. Ordnung durch
doppelte und dreifache Truppen- und Fahr- Kolonnen stun-
">llig in Anspruch genominen und gesperrt sich
überhaupt thunlich sein würde, das Strassenpla-
>lbstzu benutzen, während die Lage ausserhalb und
bar längs dem letzteren keine so schwer wiegenden
darzubieten schien, um die ganze Wahl der Linie
zu bestimmen, aber auch hier durch einzelne Absehwenknn-
gen wiederum Unterbrechungen hätte erleiden müssen. Es
wurde daher nach einem mehr in der Nähe von Pont ä
Mousson gelegenen Uehergangspunktc über die Bergkette
geforscht und nach Auffinden der Möglichkeit, letztere zwi-
schen den Dörfern Morville untl Atton zn überschreiten,
vom Dorfe Luppy ab, nach Einholung höherer Genehmigung,
die direktere Richtung des Strasscnzuges Vigny-Cheminat
eingeschlagen, zn welchem Ende die Sektion I ihre Ab-
steckungen nnd begonnenen Ausführungen auf der erstge-
nannten Strecke nach Mally hin verliess nnd sich nach den
Ortschaften Louvigny und Cheminat umquartirte. Vom letz-
teren Orte ab war die Strasse, welche die Höhe von Pont
ä Mousson in steiler Ansteigung zu erklettern beginnt, nicht
mehr zu verfolgen, vielmehr, im Bogen längs dem Thalrande
der Seille absteigend, die Flussüberschreitung zu erreichen,
um dann mittels Gegenkrümmung in einem Seitenthale wie-
der aufzusteigen und die Höhe der liewaldeten Kuppe süd-
östlich der Burgruine Mousson zu gewinnen. Der l'ehcr-
gang in das Moselthal ergab sich darauf beim genannten
Dorfe Atton, welchem gegenüber der Fluss sowie ein im
Bau begriffener Schiffahrtskanal zn überschreiten und mit-
tel» Einlegen einer Weich«! in die im Betrieb befindliche
Strecke Metz-Frouard die Verbindung nach Pont a Mousson
herzustellen war. Hiernach begann die Thütigkeit der Sek-
tion I. in Bezng auf die definitive Linie am 23. August,
wobei sich als Grenze zwischen beiden Abtheilungen im
Laufe der Ausführung der Chausseeübergang liei Pagny les
Goin ergab. Die Beendigung der Arbeit fiel auf neu 23.
September, an welchem Tago die erste Probefahrt auf der
Feber die Hauptmornente ltei Anlngp einer solchen Feld-
Eisenbahn und die Punkte, welche den hauptsächlichen Un-
terschied gegen die Friedenshahn ausmachen, dürften noch
vielfach unklare Anschauungen herrschen und deshalb die
genauere Darstellung eines Stückes derselben durch Zeich-
nung und Beschreibung nicht ungeeignet sein, manchen Irr-
thum und manches Vornrtheil zu beseitigen. Man hat, aller-
dings wohl mehr scherzweise, die Bahn eine Pacific -Bahn
genannt,*) obwohl derselben ein solcher Charakter eigentlich
durchaus fehlt. Zu einer Bahn, welche hauptsächlich tlas
natürliche oder wenig bearbeitete Terrain zum Auflegen des
Geleises benutzen soll, gehört nothwendig eine Art Prairie,
welche aber in dem Landstriche zwischen Rhein und Mosel
nirgend zu finden sein dürfte. Es wird ferner im Kriege
wohl stets möglich sein, gegen Gewährung von gutem Lohn
und freier Verpflegung Zivil-Arbeitskräfte genug zu lieschaf-
fen. deren Gesammtkostcu bei der Wichtigkeit der Sache
weiter nicht ins Gewicht fallen, und gestaltet sich dann die
Bahnanlage derartig, dass der Schwerpunkt für eine mög-
lichst beschleunigte Herstellung überhaupt nicht in der mög-
lichsten Vermeidung der Erdarbeiten zu suchen ist.
Nach'den Erfahrungen der vorliegenden Feldbahn beruhen
die Hauptschwierigkeiten in der Beschaffung der Oberbau-
Materialien und Herstellung der grösseren Brücken und Via-
dukte, demnächst in dem Mangel an Spezial -Situations-
und Höhenkarten (so dass den ersten Orientirungsarbeiten
gewissermaassen die Abstecknng nnd Bauausführung anf
dem Fusse folgen müssen untl nachträgliche Aeiidemngen
vielfach nöthig machen), dem Mangel an Bettungsmaterial
und dergleichen. Die Erdarbeiten aber, welche wegen Nicht-
beachtung der Kosten, vorzüglich aber auch wegen des er-
laubten rücksichtslosen Schaltens mit dem Grund
und Boden, einen ganz anderen Charakter als im Frieden
erhalten, nehmen in der vorgenannten Reihe der Schwierig-
keiten keineswegs die erste Stelle ein. Da man, wenn irgend
thunlich. das Schütten längerer Bahndämme vermeiden
wird und das Material für die kleineren Dämme durch Sei-
tenentnahme gewinnt, so fällt der Haupttheil der Erdarbei-
ten, das Trausportiren der Einschnittsmassen, eigent-
lich ganz fort und werden letztere durch Schaufelwurf nach
dem Seitenterrain in der Hauptsache zu beseitigen sein.
Dabei wird es erklärlich, wenn z. B. ein Einschnitt von 2">
Tiefe, selbst theilweise in losem Fels gelegen alter möglichst
mit Arbeitskraft besetzt, in unglaublich kurzer Zeit vollenoet
werden kann, wie anch in einzelnen Fällen, wo nachträg-
lich die Möglichkeit einer besseren Lage der Linie sich her-
ausstellt, der Ingenieur unbedenklich eine solche Arbeit durch
seitliches Verschieben abändern oder ganz aufgeben wird,
um eine zweite ähnliche in ebenso kurzer Zeit zu vollenden.
Die Gradiente und Trace der vorliegenden Strecke, welche
mit ihren Gefällen und Krümmungen genan und korrekt so
ausgeführt worden ist, wie sie das Längenprofil und tlas
unterhalb desselben gezeichnete Kurvcnbanu angeben, ist
keineswegs von Anfang an so beabsichtigt worden, weil das
Projekt nicht gleich mit seinen Grenzen des Erreichbaren
hinlänglich klar dem Ausführenden vorschwebte. Die Strecke,
welche nachträglich zwischen ihren festliegenden Haupt-
punkten an keiner Stelle ein verlorenes Gefälle zeigt, hatte
anfänglich eine Menge kleiner schädlicher Kontre-Gefälle,
während die Kurven mehr aus freier Hand und ohne Fest-
•t U.ner aaalreleh«. in dan damaligen Tageblättern and Journalen ergan-
gene Krlag.ucileale, anaiifal di. .«rliegeail. alt ej.it.re Klaeiiualin-Heretellui'gen
betreffend, ru »rltvelgvn, welche vlelf.cn durch Mangel an Haelikciiatnle» and Ueber-
Digitized by Google
stellang der Anfangs- nnd Endpunkte abgesteckt waren,
kleinere Radien (th eilweise ohne Notb) hatten nnd vor allem
stärkere Steigungen und Krümmnngen nicht genug gegen-
seitig auseinander gehalten worden waren. Es ergab sich
jedoch w&hrend der Herstellung der Bauwerke und dem
Heranbringen des Oberbau -Materials, sowie «wischen dem
Legen des letzteren selber noch Zeit genug, um mittels un-
ausgesetzten Nivellirens, Messens und Frobirens die vorge-
en Verbesserungen einzuführen, wobei dann als Grund-
aufgestellt wurde, die Kurvenradien ohne Noth nicht
282™ (75«) zu wählen*), kleinere aber höchstens bis
zu 18h ! " (50*) zu gestatten und nicht mit Gefallen von über
1 : 70 zu verbinden, wahrend das Gefalle in geraden Linien
und flacheren Kurven überhaupt nicht über 1 : 50 gehen
Was die spezielle Tracirung der vorliegenden Sektion
betrifft, so begann letztere an der Uebersehneidung der Pa-
rallel-Chaussee Remillv - Pont ä Mousson in Stat. 433 in der
Nahe des Dorfes Pagny les Goin, von wo ab dieselbe im
Allgemeinen die Richtung der letzteren bis Stat 556 ver-
folgte, auf derselben Seite fsüdlich) verbleibend; (die Ch
Durchschnciduug bei Stat. 452 betrifft eine in die
einmündende Querstrassc). Auf dieser Partie
die mit a b und c d im Ungeuprofil") bezeichneten Strecken
diejenigen Stellen, auf welchen die Richtung parallel der
Strasse sowie deren Höhe im Allgemeinen eingehalten wer-
den konnte, während die Zwischeustrecken <• a und * c grös-
sere seitliche Abschwenkungen bezeichnen, mittels wel-
chen die bei den Stationen 438 resp. 513 eingeschnittenen
Querthälcr überschritten werden mussten, ohne deswegen
kurze Einschnitte nnd Dämme bis zu 3 B Tiefe ganz vermei-
den zu können. Bei Stat. 556, diesseits des Dorfes Chejni-
nat, verlisst, wie anfänglich bereits erwähnt, die Linie die
Chausseerichtung gänzlich, um sich in (langsamer Senkung
dem rechtsseitigen Abhänge des Seillc- Thaies zu nähern,
darauf in grossem Bogen längs demselben fallend und eine
südöstliche Richtnng einschlagend die Thalsohlc zu gewinnen.
Diese zwischen den Stationen 590 bis G14 sich erstreckende,
aus mehren Kurven und zwischen liegendeu Graden zusam-
mengesetzte grosse Krümmung, auf einem Abhänge liegend,
welchem es an Cebersichtlichkeit fehlte, gelang erst unter
Schwierigkeiten und mehrfachem Probiren in der Weise, dass
daran/, daaa dl* AuafUhrung dar BaJbn nut
, macat »a uuUmnUcb, t«l dar Bai*nr«lr.un|s und Uaratallung
auaacliUaailich iln K'lamuiM ti<li i« badiimaii.
-) Di« K.nfarplatta, »«leb» lA»ig«ii.ro*l nnd Kuntoband .«Ul.lt, iat lei-
der noch in Itliler Sund« leraniclückl, f du« wir tu anaarni Badaacrn »••»wiin-
gen .lud, diaaalbe in niahaCar Namntr nacbiali.i.ru. (Ria Bad.)
das ansehnliche Gefälle im Ganzen durch Verlängerung ver-
theilt und demnächst in sich so eingetheilt werden konnte,
dass das stärkere Gefälle mit den flacheren Kurven und
Graden und umgekehrt zusammenfiel. Dabei mnsste hier
sowie auf der nachfolgenden Partie bis Stat 618, wo die
Thalsohle begann, doch etwas vorsichtiger mit der sich er-
gebenden Höhe der Ein- resp. Anschnitte verfahren werden,
da solche theilweUe aus ziemlich festem Kalkstein -Gerölle
bestanden.*)
Die an den Flussübergang führende grössere Kurve,
welche anfänglich mit Radius 188° (50*) und Gefälle 1 : 50
konstruirt war, wurde nachträglich zu 282"» (75«) nnd 1 : 65
abgeändert, unter wesentlicher Vermehrung der Erdarbeiten
und theilweiser Verlegung der bereits fertigen oberen Strecke.
Die Höhenlage der nun folgenden Brücke Fig. II, war be-
dingt durch das Bestreben, die beiderseitig anschliessenden
Dammschüttungen möglichst niedrig zu halten, und senkt
sich am jenseitigen Ufer das Bahnplanuni baldigst bis auf
die Höhe des die Thalsohle bildenden flachen Wiesenterrains,
welches der Länge nach zu durchschneiden war und sich
zur Anlage einer Halte- resp. Aus weichestellc eignete.
Jenseite derselben von Station 640 ab erwuchs die Aufgabe,
in rechtwinkliger Richtung in ein stark ansteigendes enges
Seitenthälchen (dessen obere Ränder nur etwa 150« Breite
zwischen sich fassen mögen) überzugehen, ein Terrain,
welches sich dem anfänglichen Beschauen so ungünstig dar-
stellte, dass die Möglichkeit der Benutzung für die Bahn
überhaupt in Zweifel gezogen wurde. (Man würde es im
ungünstigen Falle mit einem zweiten nachfolgenden ähn-
lichen Cmerthale haben versuchen müssen.) Jedoch gelang
es durch wiederholtes Abstecken einer Kurve von 188- (50«)
Radius, welche, zur Hälfte noch im Hauptthale liegend und
den Bach in Stat. «46 mittels des Durchlasses Fig. III
überschneidend, demnächst mittels stärkerer Steigung sich
bis weit auf den jenseitigen Abhang erstreckte, die Schwie-
rigkeiten zu überwinden. Die obere Partie des Seitenthaies
ergab in Folge dessen sogar schwächere Steigungen al* die
zulässige, jedoch ansehnliche Einschnittsarbeiten, die aber in
der leichteren Bodenart nicht zu scheuen waren, und er-
reichte die Linie nach Durchschneidung eines kurzen wali-
förmigen Rückens bei Stat 663 ein sanft ansteigendes Pla-
teau, welches sich nach dem mit Wald bedeckten Gipfel der
Mosel-Bergkette fortsetzt und woselbst bei dem Wegeüber-
in Stat. C85 die nachfolgende Strecke der Abtheil uug
*Jo tthört dar 1,1a» »ormallon an, Ma »r Kroaaaa
nnd Matal, «II Walch« daa Jura «ablal anhabt.
XIV.
Nach unserer Rückkehr von Ephesus gab es in Sniyrna viel zu
schaffen, um uns znr nah bevorstehenden Abreise vorzubereiten.
Glücklicherweise war ein Theil der Abschiedsbesuche schou
vorher gemacht worden, ihr Schiusa erfolgte nun mit Hast und
Eile. Am schwersten wurde C. und mir der Abschied von dem
deutschen Diakonissenhausc, welches seit 17 Jahren unter der
Leitung der trefflichen Schwester Miua Gr. stehend, nach L'eber-
windung vieler Schwierigkeiten zu seltener Blüthe sich entfaltet
hat Seine musterhafte Einrichtung in den Sälen, Hallen und
Gärten, der ruhige und still geordnete Verkehr zwischen allen
Bewohnern hatte uns vom ersten Augenblicke an wohlthucud
berührt. Mehr als einmal hatten wir nach dem sonntäglichen
Gottesdienste, der in dem alten holländischen Retsaale abgehal-
ten wird, das Diakonissenhaus besucht und an den 32 Waisen-
kindern, in welchen alle Stämme des Orients Griechen, Türken,
Armenier, Araber und Juden vertreten siud, an ihrer Zucht
und Haltung, an ihrem Eifer deutsch zu lernen und deutsche
Kinderspiele zu spielen, unsere aufrichtige Freude gehabt. Mit
Genugthuung hatten wir sodann von den verschiedensten Seiten
gehört, in welch' hoher Achtung bei deu gebildeten Kreisen der
Snivrnaer Gesellschaft unsere Kaiserswerther Schwestern stehen.
Nichts bezeugt dies deutlicher, als die Thatsache, dass vornehme
und reiche Armenier- und Griechen-Familien seit Jahren sich
beeifern, ihre Töchter von jenen in deutscher Weise erziehen zu
lassen. Augenblicklich zahlt die Pcnsiousonstalt ausser den
Tagesschülcnnnen und Waisenkindern 130 Pensionäre, so dass
200 Tischgäste täglich versammelt sind. Neben der Schwester
M. wirken sechszchu andere Schwestern und verbreiten hier
mit frommer Demuth, aber fern von jeder orthodoxen Frommelei
oder Proselytenmacherei, häusliche Tugenden und gute Schul-
kenntuiase unter den lerneifrigen Töchtern des Ostens. Ein
sichtbarer Segen ruht auf diesem echt deutschen Liebeswerke,
wie auf den beideu Schwesteranstaltcn zu Bairut und Jerusalem,
welche letzteren nuten dem Erziehungswesen auch noch der
Krankenpflege sich gewidmet haben. Mit rechter Freude erkennt
man hier — fern von der Heimat — vorhandene gute,
aber in der Vereinzelung immer so leicht brach liegende
Kräfte des Vaterlandes durch eine weise Organisation vereinigt
ohne Druck und Zwang allein dem Gebote der Liebe folgend,
eine segensreiche und innerlich still beglückende Wirksam-
keit ausüben können: eine Wirksamkeit welche den idealen
Absichten unseres Religionsstifters sicherlich mehr entspricht
als jede Dogmenvermehrung oder Fortpflanzung konfessionellen
Haders.
Am letzten Ab«nd vereinigte unser liebenswürdiger Konsul
Dr. L. uns noch einmal bei sich zu „Rundgesang und Reben-
saft", um mit sorgenbrechenden Tropfen und trübsinnscheu-
chenden Strophen einem Jeden einen erfrischenden Hauch aus
der Heimat mit auf den Weg zu geben. Wir hatten einen sol-
wohlklingcnden Abschluss recht nöthig, denn neben dem
dumpfen Missbehagen, sich trennen zu müssen, drückte auf uns
die bttae Aussicht einer längeren Quarantäne in einem der grie-
chischen oder türkischen Lazarcthc, Seit drei Wochen wütbete
die Cholera in Koustantinopcl, grade während des fruchtroicheu
Herbstes und diesmal in der Jahresepoche, wo der grosse Zug
der Mekkapilger, welchen die Türkei, Persien, Armenien und
Klcin-Asicn alljährlich zum Rciramsfestc zu senden pflegen, auf
allen Dampferhnieu bereits im vollen Gange war. Schon hatten
sich Griechenland und Italien gegen den Orient abgesperrt von
Aegypten wurde es als bevorstehend gemeldet über Syrien, wel-
ches mein Zielpunkt war, konnte ich trotz alles Telegraphireus au
Gcsandschaft und Konsulate uichtB Sicheres erfahren. Freund
Curtius, der mit Major R. und den Doktoren II. und ü. nach
Athen wollte, hatte sich mit einer an die Stoa erinnernden Ge-
müthsruhe bereits an den Gedauken gewöhnt, eine sechstägige
Quarantäne in Syra zu machen. Mir wurde es schwerer, da ich
allein weiter musste und mit Sicherheit vorausseheu konnte,
dass das schmutzige Laiareth zu Syra noch ein idealer Pracht-
bau sein würde gegen die Baracke, welche mir in Jaffa auf
irgend einer Sauddüne wiuken würde. Duun Aehnliches hatten
wir in Smyrna selbst erlebt. Die drei ersten Dampfer aus
Starobul, welche unter Quarantäne gestellt wurden, hatten ihre
Passagiere auf einer kleinen aber völlig wüsten Insel im Smvr-
naer Golfe bei Vurla, gegenüber vom alten Klazomenae aus-
schiffen müssen, ohne dass für die Unterkunft der unglücklichen,
zum Theil sehr wohlhabenden Reisenden irgend welche Vorsorge
getroffen gewesen wäre. An den beiden ersten Tagen hatte es
sogar an Lebensmitteln und Wasser gefehlt; erst am dritten
Tage waren auf energische Einsprache der europäischei "
Digitized by Google
Die Herstellung dieser Linie betreffend, so wurde das
Bahnplanurn, welches wegen fehlender Bettung in Höhe der
Schwellenunterkante zu liegen kam, in einer Breite von 3,45"
(11') angelegt nnd durch Grüben auf einer oder beiden Sei-
ten möglichst entwässert.
Wie bereits erwähnt, bildete die Beschaffung der Ober-
bau-Materialien eine Hauptschwierigkeit nnd demnächst, beim
Zusammensetzen und Verlegen des Geleises, die nothwendige
Rücksichtnahme auf den Umstand, dass Schienen, Schwellen
und das Kleineisenzeug von verschiedenen Bahnverwaltungen
resp. Fabriken bezogen werden mussten und in den Maassen
niclit genau zu einander passten. Beispielsweise passten die
meist von der französischen Ostbahn entnommenen IIS"™
(4 ■/•") hohen Schienen nicht ohne Weiteres in die Einkap-
pung der auch bereits mit den Löchern für die Scbrauben-
nägel f Airfonts) versehenen Schwellen, so dass die letzteren
je naen der wechselnden Spurweite nachgearbeitet werden
mussten, während ausserdem die Einklinkungen der Schie-
nenfüsse, für jedes Schwellenauflagcr 2 Stück, auf die Schrau-
benlöcher treffend von den Köpfen der zu weit altstehenden
Schranbennägel nicht hätten gefasst werden können, es also
nöthig war, sämmtliche Schienen symmetrisch zu sortiren
nnd beim Verlegen gegen die normale Ijige umzudrehen.
Weitere Beschwerlichkeit erwuchs durch die für die zahl-
reichen scharfen Kurven erforderlichen kürzeren Schienen,
welche in grösseren Vorräthen durch Abbauen beschafft, in
Nothfällen aber durch Schieflegen der Stosschwellen ersetzt
werden mussten. Die Seitenlaschen wurden zum grössten
Theile aus dem Saarbrücken'schen, von der Burbacher Hütte
bezogen und passten nicht immer genau auf die Schienen-
löcher, während es an Laschcnbolzen oft recht sehr fehlte.
Es wurde deshalb durchweg die nur einmalige Bolzenver-
bindung für den Schienenkopf angeordnet (auch in einzelnen
Fällen, wo vorläufig ein Bolzen überhaupt nicht sich durch-
treiben lassen wollte, der betreffende von dem am andern
Kopfe befestigten Laschenpaare urafasste Schienenkopf durch
um so sorgfältige Nagelung gesichert). Unterlagsplatten wur-
den nicht verwendet, selbstverständlich das Geleise nicht
mit schwebendem Stoss verlegt Was die Schwellenlage im
Allgemeinen betrifft, so dürfte bei der wenig sorgfältigen
und höchstens durch Regenwetter etwas komprimirten Bahn-
krone, sowie bei dem Mangel an Stopfmaterial die Verwen-
dung von einigennassen gleich hohen, mit ebener Auf-
lagerfläche versehenen Schwellen fast unumgänglich
nothwendig, dagegen der Nothbchelf mit runden aus dem
Wald gehanenen Hölzern so lange wie irgend möglich zu
vermeiden sein, da ein sicher fahrbares Geleise auf letzteren
kanm herstellbar erscheint Fast nicht weniger empfindlich
wird der Mangel an Bettungsmaterial empfunden, und dürfte
in Fällen, wo etwa ein zahlreiches Arbeiterkorps schon be-
reit steht, dagegen die Vorarbeiten noch nicht weit genug
gediehen sind, leUteres, anstatt dasselbe ins Ungewisse hin-
ein mit der Erd-Arbeit beginnen zu lassen, lieber tagelang
mit dem Aufsuchen und Zerkleinern von Steinschlag zu be-
schäftigen sein. Die hierzu verwendete Zeit wird schon beim
ersten Auslegen des Oberbaues, welches auf der unbeschüt-
teten Bahnkrone äusserst langwierig ist, noch mehr aber
nach der Betriebseröffnung reichlich wieder eingebracht.
Beim Bau der hier besprochenen Sektion boten sich den
neben den Chausseen liegenden Strecken die geringen zur
Unterhaltung der letzteren bestimmten Vorräthe von Stein-
schlag dar, während auf den benachbarten Feldern der übri-
gen Strecken Steinmatcrial mittels Schürfgruben gewonnen
und zerkleinert wurde. Dieser spärliche Vorrath wurde auf
den Dammschüttungen nnd den im Ackerlande gelegenen
flachen Strecken verwendet, während in den Einschnitten
sowie auf dem sich als ziemlich fest erweisenden Wiesen-
terrain das Material eher entbehrt werden konnte. Die Folge
davon war erklärlicherweise ein starkes Setzen der erstge-
nannten Strecken, welches bei der ersten Probefahrt sich in
der Weise herausstellte, dass das Geleise um V« oder '/• der
Schwellenhöhe einsank, jedoch mit einer solchen Regelmäs-
sigkeit dass Stüsse oder irgend welche Unfälle nicht vor-
kamen. Nach sorgfältig erneuerter Regulirung der Strecke,
besonders an den Ueltergangsstellen vom festeren zum lose-
ren Untergrund, und nach Wiederherstellung der Ueberhö-
hung in den Kurven (die allerdings ganz besonders verloren
gegangen war) zeigte sich bei der eigentlichen Eröffnungs-
fahrt das Geleise hinlänglich konstant liegend, um durchaus
den Eindruck der Sicherheit zu gewähren und eine ziem-
lich grosse Fahrgeschwindigkeit zuzulassen. Es war jedoch
deswegen nicht die Meinung der unmittelbar nachher zu
einer anderen Thätigkeit abberufenen Abtheilung gewesen,
dass nicht nach wie vor die dem Betrieb übergebene Strecke
mit aussergewöhnlichen Arbeitskräften weiter unterhalten
werden müsste, was aber bei der allgemein eintretenden
sofortigen Auflösung der Haupt- Arbeiterkorps nicht überall
geschehen zu sein scheint Wenn nun auf der bei der Ab-
uahme für gut befundenen Strecke nachträglich der eine oder
andere kleine Unfall dem Vernehmen nach vorgefallen ist,
so muss es dahin gestellt bleiben, wie weit letzterer Um-
stand oder etwa ein unvorsichtiges Fahren dazu mitgewirkt
haben mag.
Was die Anfuhr und spezielle Zuteilung der Oberbau-
behüteter Verkehr mit dem Festlaude wegen der Lebensmittel
und Effekten hergestellt worden. Da ich ausserdem die Aussicht
hatte — ich mochte einen Dampfer wählen, welchen ich wollte
— immer ciue sechstägige Reise mit den aus Stambul kommen-
den und nach Mekka pilgernden Türken und Persern, welche
in den schmutzigsten Häns zu logiron pflegen, zu machen, so
war meine etwas gedrückte Stimmung wohl erklärlich. Indessen
scheuchte die heitere Laune unserer aus Wien stammenden edlen
Wirthin bald alle Wolken von der Stinte, die alten Lieder uud
der treffliche Wein thaten ihre Schuldigkeit, wir schieden in
dankbar froher Stimmung, .nur der Krinu'ruog Stachel tief im
Herzen tragend," wie ein Sophokles-Kenner der holden Hausfrau
zum Abschiede versicherte!
Meine Abreise war auf Sonntag den 8. Oktober festgesetzt
worden, da ich mich nach vielfachen Erkundigungen für einen
Lloyd-Dampfer entschieden hatte. Die anderen Freunde und
Gefährten wollten schon Sonnabend Nachmittag nach Syra ab-
fahren, in der sicheren Hoffnung, dort durch den laugerwarteten
„Delphin" erlöst zu werden. Fast wäre mir hiernach das Loos
geworden, als der Letzte meines Stammes sang- und klanglos
fortziehen zu müssen, — doch kam es anders. Eben hatte ich
am Sonnabend Vormittag meine Korrespondenz erledigt und
saus mit Freund Humann rauchend im Zimmer — die Andern
waren säraratlich auf den Bazar gegangen um Geschenke einzu-
kaufen, — da stürzte unser Wirth M. mit der Nachricht herein,
dass das nach Syrien bestimmte Lloydschifl unerwarteter Weise
vor einer Stunde draussen auf der Rhede Anker geworfen habe
und schon Mittags 1 Uhr wieder abfahren wolle, da eine Löschung
der Ladung vom Sanitätsamte nicht gestattet worden sei und
alle für Smyrna bestimmten Passagiere auf der Insel bei Vurla
bereits ausgeschifft wären. Nun galt es, nicht zu säumen.
Rasch wurde bezahlt und gepackt, das Billet gelöst, Wein und
Tuback, Zucker und Kaffee für die in Aussieht stehende Quaran-
täne gekauft — Freund H. half treulich in dieser Sturm- und
Drangperiode, dann wurde allen Freunden, die mich gewohnter
Weise bis zur Hafentreppe begleiteten, ein kurzes Lebewohl ge-
sagt und in die bereit liegende Barke gesprungen. Schmerzlich
empfand ich besonders die jähe unsichtbare Trennung vom
vaterlichen Freunde C. und durchfuhr deshalb in etwas weicher
Waisenkindsstimmung den Hafen bis zur Rhede.
Nach einer halben Stunde war ich am Bord der keuschen
„Vesta" und erhielt trotz meines frühen Kommens den letzten
Platz unter den Kabinen erster Klasse. Ich wurde zu einem
jungen griechischen Arzte, der auf die Quarantäucstation nach
Dsclteddah kommandirt war, einquartiert Dieser, sowie der
Schiffsarzt ein etwas wilder Czecho, versicherten mich gleich
bei dem ersten Begegnen, dass die Aussichten auf eine gesunde
Fahrt nur schwach wären, da die an Bord genommenen per-
sischen Pilger tagelang in den elendesten Hans von Stambul
gehaust hatten und alles Mögliche importirt haben konnten.
Ein kurzer Rundgang bestätigte wenigstens die ausserordent-
liche Mongo von Reisenden. Das Schiff war sauber gehalten,
wie alle Lloyd schiffe, aber es war bis an den Rand gelullt mit
muhamedanischen Pilgern, die vom Bugspriet bis zum Hinterdeck
alle Deckplätze belegt hatten, um in einer für unsere Begriffe
ganz unfaßbaren Weis« so eng zusammengedrängt zu leben, wie
es eben nur Orientalen vermögen. Wenn schon kein Mann ein
Paar Tage durchs Land reisen kann, ohne Waffen, Teppiche,
Futtertaschen und Kocbgeräthe, — selbstverständlich das halbe
Vermögen in Gold im Gürtel — mit sich zu führen, so ver-
mehrt sich dieser Apparat ins Kolossale, wenn er die höchste
Mission seines Lebens, die Pilgerfahrt nach Mekka, antritt und
ausser den nothwendigen Reiseeffekten noch Geschenke für Gast-
freunde oder Waaren zum Verkaufe mitnimmt. En kommt dann
ein Bazsr von Menschen und Dingen zu Stande, so bunt und
leuchtend, so farbeuschimmernd und interessant dass das Auge
sich nicht satt sehen kaun, aber auch ein Gewühl und ein
Sprachengeschwirr, dass das Ohr betäubt wird. Und über dem
Ganzen schwebt ein Duft, der nicht an die Rosengärten von
Schiraa erinnert gegen den auch kein: „Nachbarin, euer Fläsch-
cnen" hilft, sondern' den nur eine steife Nordwestbrise zu
mildern, aber nicht zu scheuchen vermag.
Da diesmal auch reiche Türken und Perser die Pilgerreise
machten, fehlte es selbst nicht an Frauen, Kindern und Skla-
vinnen, welche in einem Seitengange neben dem Salon, aber
ebenfalls unter Gottes freiem Himmel mit Polstern und Decken,
Speisevorräthen und Küchengeräthen sich häuslich eingerichtet
hatten. Wenn man dieses Vmkcrgewoge von der langen Brücke,
welche das Hinterdeck mit dem Offiziersdeck zu verbinden pflegt
überblickte, und die Provenienz, die wegen des eingetretenen
Fastenmonats höchst gesundheitswidrige Ernährung und das
enge Zusammenliegen aller dieser dreihundert Deckpassagiere
erwog und die Möglichkeit überdachte, was werden würde, wenn
die von allen Orientalen ganz entsetzlich gefürchtete Epidemie
Digitized by Google
Materialien, deren Bezugsquellen bereits angegeben worden
sind, betrifft, so galt es, von den beiden Kopfstationen Pont
ä Mousson und Remilly, von ersterer mehr die Schienen
und Schwellen, von letzterer hauptsächlich das Klcincisen-
zeng mittels Strassenfuhrwertc auf die einzelnen Bau-
stellen so zu vcrthcilen, dass keine Stockung des Geleise-
legens entstände, und bildet dieser Theil der Arbeit ein be-
sonders anstrengendes, jedem Betheiligten gewiss unvergess-
liches Kapitel des ganzen Bahnbaues. Der jenseits der
Seille gelegene Theil, von der anderen Seite überhaupt nicht
Versorgung der vielen Arbeitsstellen mit den von
Seiten kommenden Materialien der verschiedensten Art, un-
aufhörlich erneut und ebenso beim Ausbleiben des einen
oder andern Theiles wieder in sich zusammenfallend, hiessen
mauchmal die Hoffnung auf Einhalten eines bestimmt ge-
setzten Termins zur Beendignng der Arbeit gänzlich aufzu-
geben. Nicbtsdesto weniger rückte der Geleisebau, welcher
am 11. September an mehren Pnnktcn gleichzeitig begon
wurde, taglich, einige arge Regentage abgerechnet.
»eilte gelegene Itieil, von der anderen Seite überhaupt nient 70Ü, 1100, ausnahmsweise sogar 150O Meter Gesammtlänge
eher erreichbar, als das fertige Geleise der Sektion II gegen vor, so dass am 23. desselben Mouata , kurz vor Ankunft
Fi«. II. BriWkt S»«r dl« Still* b«l Ch.mln.l la «tat. 6tt.
| — i — l — i — i — | — i — l — i — r-
Ende des Baues ein Heranbringen des Materials vor Kopf
erlaubte, war vor Fertigstellung der Brücke auch von der
Nordseite nicht für Fuhrwerk zugänglich, so dass zunächst
die Arbeit auf die diesseitigen Strecken beschränkt bleiben
musste. Das Strassenfuhrwerk wurde zu jener Zeit durch
die ungeheuren Transport -Kolonnen der Verwundeten und
Gefangenen von Metz und Sedan, die grösstenteils die Ge-
gend passirten, fast gänzlich absorbirt, so dass das Ke<)iii-
riren von Wagen die grössten Sorgen und Enttäuschungen
auferlegte, bis die Verwendung von Ponton -Fuhrwerk aus
Pont a Mousson Abhülfe schaffte.
Die verwickelten Kombinationen und Berechnungen zur
10 IUI«.
der ersten Lokomotive von Pont ä Mousson her, der letzte
Nagel feierlichst eingeschlagen werden konnte.
L'eber die Konstruktion der in Fig. II. dargestellten
Brücke über die Seille, welche an der Einmündung des
Mnince- Baches in der Gegend errichtet wurde, wo gegen-
wärtig beide Gewässer die neue deutsch« Grenze bilden, ist
bereits erwähnt, dass in Bücksiebt auf die anschliessenden
längeren Dammschüttungen eine möglichst niedrige Lage der
Fahrbahn durchaus geboten erschien. Die hieraus folgende
einfache Konstruktion der Träger ohne unterhalb liegende
freitragende Konstruktionen (während solche oberhalb sich
wegen der entstehenden grossen Breite der Brücke nicht
auf dem Schiffe wirklich ausbräche, so kouute mau sich einer
leisen Bcsorgniss nicht erwehren-
Indessen half weder fiesinnen noch Erwägen, noch Bangen.
Das Schiff konnte ich nur wieder verlassen, wenn ich sechs Tage
Quarantäne auf der Insel machen wollte: au der Sehiffstreppe
hockten wie Orhcrussc die mit selben Binden gegürteten Ge-
sundheitswächtcr, über meinem Haupte wehte die gelb« Pest-
flairge; ich war befleckt uud uureiu geworden, trotz der vieleu
Gläubigen und musste mit Leider verzögerte sich unsere Ab-
fahrt, da sehr viel Wasser, Provisionen und Kohlen eingenommen
werden mussten und der Verkehr zwischen den heranrudernden
Boten aus alberner Aengstlichkcit aufs Aeusscrstu erschwert
wurde. Alles, was vom Schiffe kam, Briefe, Packete, selbst die
kleinste Münze wurde ins Meer getaucht uud dauu erst in das
Boot geworfen, angeblich um den Ansteckungsstoff zu über-
winden. Träge verging der Tag. Eine Stunde vor Sonnen-
untergang fuhr in Kanoucnschussweitc das andere nach Syra
bestimmte Lloydschiff, welches meine Freunde trug, an uns vor-
über. Ungesehen prüsste ich sie und sandte jedem ein freund-
liches Lebewohl nach.
Bald hatte ich mich mit der Schiffsgesellschaft der ersten
Kajüte bekannt gemacht. l»ie Kapitüue stammten, wie fast alle
Lloyd-Kapitäne, aus I)almatien und waren zu\orkommeud und
gefällig, wie immer. Signore Lcunbardis, der erste Kapitain, i
hatte bereits den Passugicrcn des ersten Platzes das Ofhziers-
deck eingeräumt, damit sie den fünfmal des Tages für jeden
Pilger vorgeschriebenen Gebeten der Mullamedauer ausweichen
könnten, wenn diese, wie kontraktlich ausbeduiuten, auf dem
Hinterdecke sich in Zügen formirten, um unter der Leitung
eines Vorbeters in den verschiedensten Stellungen, Verbeugungen
uud Kuiefälleu die vorschriftsmässigen tiebete zu erfüllen. Der I
Aufruf zum Gebete erfolgte, wie es in den Städten der Muezzin
von dem Minarct der Moscheen zu thun pflegt, durch einen J
jungen Mollah mit näselnder Stimme von der Strickleiter aus.
Dann stieg ein Jeder zum Decke hinauf und legte, nachdem die
Richtung nach Mekka mittels Konipass und Karte von zwei
Schriftgelehrten hestimmt worden war, seinen Gebetsteppich
ordnungsmäßig in Kcih und Glied, um für die nantoffelbefreiten
Küsse des Gläubigen den nötbigeu heiligen Buden zu gewinnen.
Dann erst konnten die Gebete beginnen.
Zu meinem Erstaunen begrüsstc mich gleich am ersten
Abend ein alter, schöner, reich gekleideter Türke mit wohl ge-
pflegtem schnenweissem Barte, mit den Geberden des achtungs-
vollsten Grusses, er musstu mich kenneu. Mein Kabinengenoss.
Kyri OS Dallas, welcher türkisch sprach, wurde sofort geholt und
bildete freundlichst deu Dolmetscher. Nun ergab es sich, dass
ein ganz besonders hohes Kirchenlicht, der Obermollah der
Moschee Sultan Mehmets aus Stumbul, mich wicdererkauDt und
deshalb gegrüsst hatte. Ich kouute mich seiner nicht erinnern,
obwohl ich im Frühjahre 1870 drei Tage lang unter seinem
Schutze in der von ihm verwalteten kaiserlichen Moschee, der
reichsten und vornehmsten nach der Hagia Sofia, geinosscu und
gezeichnet hatte. Seiu Interesse war noch ganz mit dem deutsch-
französischen Kriege beschäftigt; oft sagte er: .Lob sei deinem
Herrn, dem Glorreichen; seine Macht sei ungetheilt! Lob »ei
Bismarck, der sich auf den Nacken seiner Feiude gestellt hat!
Amdumilluh!" (Gott sei Dank!) Da ich hieriu mit ihm völlig
übereinstimmte, so floss unsere Unterhaltung ohne Streit und
Gegenrede, wie ein friedlicher Paradiesesstrom dahin, bis ihn ein
Dieuer zur Abendmahlzeit bei seiner Frau, — er hatto wie die
meisten Türken von Stambul nur eine — abrief.
Demnächst fesselte eiue englische Familie, die als Plancten-
gruppc von drei Sternen von zwei Satelliten umkreist wurde,
meine Aufmerksamkeit. Sin bestand aus zwei sehr grossen und
schlanken, aber noch sehr hübsch aussehenden blonden Ladies
und ihrem kummervull uud gedrückt erscheinenden Bruder, der
absichtlich oder unabsichtlich an Byron erinnerte. Ein alter
Herr mit seihst geknüpfter aber tadellos sitzender weisser Binde,
der den Geschwistern verwaudschaftlich uaho stehen musste,
war der eine Trabant. Der andere war ein jüngerer Mann, nett
und angenehm im Verkehr, aber höchst komisch in Haltung und
Erscheinung. Seine Toilette war der Gegensatz der Korrektheit,
alles sehlotterte, rutschte und bummelte am Körper. Der Hut
sass im Nacken, die Hosen bis unter die Hacken, selbst die
Backenbarthälfteu schieueu herabgesunken zu sein. Die Gesichts-
züge waren weder schön noch regelmässig und litten noch mehr
unter zu vielem Lächeln nebst Gebissenthüllung. Immer musste
man au eine komische Maske des Maskenballes denken, wenn
man Mr. Archibald unter dun buut gekleideten Arabern, Grie-
chen und Türken sich durch das Gedränge winden sah. Uud
dieser hochkomische, aber sehr unterrichtete und gefällige Mann
war verliebt in die jüngere Schweater von Lord Byron und hat
Digitized by Google
Digitized by Google
— 121 —
Saaill; a»«a r«at-«-Houii«a.
mehr sagen will uud für seine Thatkraft spricht, auch
richtig bis zur Verlobung durchgearbeitet. Bei (Irr Enge üps
uns angewiesenen Offizierdecks sind wir Alle unfreiwillig Zeugen
gewesen, wie eine englische Verlobung uuter herrlichem Sterucu-
liimmel und bei frischem Meeresranschen in 48 Stunden zu
Stunde kam. Ich berühre die kleine Episode nur um deswillen
näher, weil ihre Beobachtung mich von sonstigen schwarzsehen-
den Zukuuftsträuniereien und Aerger über bevorstehenden Zeit-
verlust glücklich und dauernd losgerissen hat.
Eine fernere Freude war für mich die Entdeckung, dass
noch vier Passagiere der ersten Kajüte nach Jerusalem pilger-
ten. Es war ein Reiseuuternehuier, Herr Th. aus Boppard,
welcher zwei Kaufherren aus Amsterdam und einen württem-
bergischen Auditor, Hrn. v. E., durch den Orient führte. Dem
Unternehmer Hrn. Th., der zwanzig Jahre lang in Palästina gelebt
hatte uud deshalb messend arabisch sprach, "waren die verhäng-
ten Quarantäne -Maassrcgeln, deren Ende noch gar nicht abzu-
sehen war, besonders störend gekommen, da sein HeiseprogTatnm
auf Tag und Stunde lautete uud jeder Tag Mehrzeit suinen
kleineu Verdienst zu schmälern drohte. Da uns noch vor Ab-
gang des Schiffes eine fünftägige Quarantäne für Bairut notifi-
zirt wurde, entschloss sich Herr Th., seinen nach Caipha bestell-
ten Dragoman mit allen Pferden schteuuigst nach Bairut kommen
zu lassen, um von dort aus mit seiuer Gesellschaft in uordsüd-
licher Richtung quer durch das heilige Land nach Jerusalem
zu reiten. Eine freundlich gestellte Anfrage, ob ich mich für
diese interessante Tour auschliessen wollte,} abzulehnen, fiel mir
schwer. Ich konnte mich aber nicht eher entscheiden, als bis ich
unseru Generalkonsul, Hrn. Dr. W. in Bairut, bei dem ich schon
angemeldet war, gesprochen hatte. Jedenfalls hoffte ich aber die
deutsch-holländische Reisegesellschaft, mit der sich rasch ein
»ehr angenehmer Verkehr herstellte, in Jerusalem wieder zu
»ehen.
Endlich schlug am Sonntag Vormittag 9 Uhr die ersehnte
Abschiedsstunde. Wir fuhren durch den schon beleuchteten
Golf, setzten bei Klazomeuae die Gesundheitswfichter aus Land,
betrachteten durch das Glas das auf der wüsten Insel inzwischen
entstandene Zeltlager mit sein • Quarantäne machenden Rei-
uden und steuerten, in südliciu Dichtung umbiegend, dicht
der felsigen, herrlich gegliederten nüste hin, grade auf Chios
blinden Sängers, hatte ich schon vor einem Jahre kennen ge-
lernt; doch die sch'me Lage der gartenumringten Stadt zwischen
sauftun Hügeln, während im Hintergründe schluchtenreiche
schroffe Gebirgsketten aufsteigen, fesselten den Blick aufs Neue.
Mehre Stunden ankerten wir auf der Rhede. In der Dunkelheit
rückte, grade noch erkennbar, das stolzgipflige Samog heran;
wir passirten den Kanal zwischen dieser Sagenreichen Insel und
dem unberühmteu Nikuria; dann wurde es tiefe Nacht, die
Lichter erloschen uud jeder ging zur Ruhe.
Als ich am nächsten Morgen kurz vor Snnnenaufpng zu
Deck kam, waren wir in der Inselwelt der Sporaden schon weit
vorgerückt, rechts lag Kalymtin, links die Küste, grade vor uns
die grossartig gezeichnete aber felsig nackte Insel Kos, deren
einstmalige Huuptstadt im Asklepiaden- Heiligthume das ge-
feiertste Bild des Alterthums: die schaumgeboreue ÜBttlu ihres
Mitbürgers Apelles, bewahrt hat. Zur Linken öffnete sich gleich
darauf der schon geschwungene Golf von Boudrone (das alte
Halikarnass) mit seinen Erinnerungen an das Maussoleum; doch
war eiu näherer Einblick trotz aller Sehnsucht nicht gestattet
Nach Umschiffuug von Kap Krio trat das au der kariseheu Küste
auf einer Landzunge und Felsterrasse so merkwürdig belegene
Kridos, wo Newton noch vor Kurzem so schone Statuenfunde
gemacht hatte, sehr deutlich hervor, da wir dicht au der Küste
hinfuhren.
Das Wetter blieb köstlich, die Luft war rein und klar, das
Meer dunkelblau uud mit springenden Dclphiucuschaareu belebt,
selbst die audauernde grosse Hitze (Mittags 2S* R.) milderte
sich durch die frische Fahrt in erwünschtester Weise. Ein
wonniges Gefühl des Ausruhens nach unseru, doch etwas stra-
pazenreicheu Touren überkam mich und lockerte die Spaunkraft
des Geistes.
Nach einem kurzen, den kommenden Halbschlummer nicht
störenden Gespräche mit dein Obermollah vou Sultan Mehmets
Djaini fiel ich wirklich in eiueu tiefen Schlaf und erwachte erst
Nachmittags 2 Uhr. als ich die Anker rasseln hörte. Wir lagaa
bereits im Hafen von Rhodos.
(Schl.M foltt.)
Digitized by Gc
— 122 -
empfehlen), verbunden mit der Rücksicht auf einen erst in
grösserer Tiefe fest werdenden Baugrund, Hessen behufs
möglichster Druckvertheilung die Herstellung mehrer tief
eingerammter Pfahljoche nothwendig erscheinen, zu welchen
das Material aus den benachbarten Wäldern gehauen wurde.
Die grosse Länge der Pfähle im Verhältnis« zu der geringen
Höhe der mit ins Feld geführten Kamine ergab allerlei On-
heuuemlichkeiten, bevor es gelang, die Pfahlköpfe unter den
Rammklotz zu bringen. Da die Brücke auch dem Verkehr
mit Pferdefuhrwerk dienen sollte, so wurden die Tragbalken
mit einer dichten Sehwellenlage bedeckt und die beiderseitige
Verbreiterung der Fahrbahn durch Bohlstücke, auf hochkantig
Sjstellten Halbhölzern aussen ruhend und mit einseitigem
eländer versehen, bewirkt, ferner Anschlussrampen ge-
schüttet und mit Steinschlag befestigt, welche sich in kurzer
Krümmung von der Fahrbahn abzweigten.
Der beim Uebergang in das erwähnt« Seitenthal bei
Station 64t» sich als nothwendig ergebende schiefe Durchlass,
welcher in Fig. III. dargestellt ist, war gebildet aus Stirn-
urid Flügelwänden, welche ebenfalls aus eingerammten ver-
schaaltcn Pfahljochen bestanden und mittels zweier Lang-
schwellcn, die sich in der gezeichneten Weise an die Quer-
schwellenlage anschlössen, behufs Tragens der Schienen
überdeckt wurden.
Ausserdem wurde eine Menge von kleineren Wasser-
durchflüssen oder ynergräben offen gehalten durch Einlegen
von Kastenrinnen oder trocken gemauerten Sickerkanälen,
während für die zahlreich durchkreuzten Feld- resp. Dorf-
wege die Passage ebenfalls beibehalten wurde, ohne überall
Barrieren für uöthig zu erachten. Dahingegen fehlten nicht
Gradientenzeiger und Kurventafeln, um dem Lokomotivführer |
die nöthige Anleitung zur Regulirung seiner Fahrt zu geben, i
sowie einzelne Wärterbuden, während optische Sigualvorrich-
tungen nicht nothwendig erschienen.
Die elektro- telegraphische Verbindung der Strecke an-
langend, so war eine solche beim Beginn des Baues, und
zwar die Richtung der Strasse bis Pont a Mousson beibehal-
tend, bereits durch die Teleeraphen - Aufseher hergestellt .
worden, so das« der Bahnkörper selbst eine Staugenleitung >
nicht erhielt. Die erstere wurde gebildet dadurch, dass ein-
zelne Chausseepappeln unmehauen und seitwärts wieder ein- |
gepflanzt wurden, in der Entfernung vom alten Stande, dass j
die Leitung ausserhalb der Zweige der verbleibenden Baum- ;
reihe zu liegen kam. Eine Telegraphenstation war im Dorfe .
Chcminot aufgeschlagen worden, welche beim Besinn des
BahnlK-triebs in eine als Stationsgebäude der Haltestelle
Seille- Brücke dienende Baracke verlegt und durch Zweig-
leitung mit der Chausseeleitnng verbunden wurde. Letzt-
genannte Hallestelle Instand, abgesehen von etwaigen viel-
leicht später hinzugefügten Anlagen im Uebrigen nur aus
einem nach , beiden Seiten direkt zugänglichen Ausweich-
geleise, sowie einem auf erhöhtem Gerüst stehenden hölzer-
nen Wasser-Reservoir, welches mittels Handpumpe aus dem
unterhalb des Gerüstes gegrabenen Brunnen gespeist werden
sollte. Für den Fall, dass letzterer versagen sollte, wurden
ausserdem noch Feuerspritzen aus den Dörfern requirirt und
an «lern nahe gelegenen Seille-Uebergange aufgestellt, um
nöthigenfalls die Lokomotiven zu versorgen.
Was die Bauleitung und Beaufsichtigung der speziell
hier besprochenen Strecke betrifft, so war durch ein von
Anfang an eingetretenes Konzentriren der gesammten Pionier-
Abtheilung, ebenso der Oberbeamten am Endpunkt Pont a
Mousson, die der Bildung der Feld-Eisenbahn-Abtheilungen
zu Grunde liegende Eiutheilung in 2 Sektionen derartig mo-
difizirt worden, dass dem Berichterstatter nur die Bahn- und
Werkmeister, sowie die Vorarbeiter seiner Sektion verblieben,
während ein besonders engagirtcr Feldmesser hinzukam.
Die Abtheilungs- Pioniere aber wurden ersetzt durch eine
hinzutretende Festung»- Pionier- Kompagnie, welcher beson-
ders die Zimmerarbeiten zur Brückenanlage obliegen sollten,
und wurde letztere nach ihrer baldigst ebenfalls nach Pont
a Monsson erfolgenden Abkommandirung durch eine zweite
Pionier-Kompagnie abgelöst, welche unter ZuhQlfenahmc be-
sonderer Rammarbeiter den Brückenbau ausführt«, auch ein-
zelne Unteroffiziere und Mannschaften zu den Erdarbeiten
stellte. In der Hauptsache wurden letztere, sowie die Über-
bau-Arbeiten bewirkt durch Berufung eines grössern Arbeiter-
korps, meist Bergleute und Eisenbahn -Arbeiter aus dem
Saarbrückenschen und Trierschen, von denen die Erdarbeiter
einen Lohnsatz von 1 Thlr. und freie Verpflegung bezogen,
während die Oberbau -Arbeiter im Dienste eines Unterneh-
mers der Eifelbahn standen, der das Geleiselegen gegen Ak-
kordzahlung bewirkte. Wie viel eigentlich im Durchschnitt
von diesen Arbeitern auf die Sektion täglich verfielen, ist
wegen des fortwährenden Wechsels durch Ab- und Zugehen,
wegen UehergTcifens in die Nachbarstrecken etc. nicht genau
anzugeben, doch mag die Durchschnittszahl 4 — 500 Mann
betragen haben. Die Zahl der Bahnmeister betrug abwech-
selnd 3 und 4, welche die Aufsicht über die Arbeiterschächte
und das Oberbaulegen führten, während der 5. Bahnmeister
einen Theil der geometrischen Arbeiten, der Maschinen-
werkmeister aber die Anfertigung des Eisenzeugs zum
Brückenbau, das Verhauen von Schienen, Beschaffung von
Arbeits- Lowrys u. dgl. besorgten. Die Rechnungsführung
und die Auszahlungen aber gingen von der ihren Sitz in
Pont a Mousson habenden Oberleitung aus, von wo aus auch
die Haupt-Verwaltung der Materialien stattfand.
St. Johann a. Saar. Vieregge.
fteie I rfuhrunjf n Ii den Paurerf
Seit meiner ersten Publikation über den Lichtpausprozcss
in No. i der Deutschen Bauzeitung ist ein nicht unwichtiger
Fortschritt gemacht worden , der die praktisch? Anwendbarkeit
des Verfahrens wesentlich erleichtert. Das ist die Herstellung
einer neuen Art lichtempfindlichen I'apicres. Mas früher im
Ibindel befindliche Lichtpauspapier bedurfte noch eiuer Ammo-
uiakräucherung um lichtempfindlich zu werden, und zu diesem
Zweck musste ein Sack mit Hirschhornsalz in den Kopirrahmen
hinter das Papier gelegt werden. Wenn nun auch auf der Ge-
werbe-Akademie hicrselbst, im lugeuieurkurps des kgl. Geucral-
stabes etc. nach diesem Verfahren treffliche Kopien gemacht
worden sind, so ist doch nicht zu leugnen, dass die gleichtnässigc
Verkeilung des Hirschhornsalzes in dem Kopirrahmen einige
Uebung erfordert und bei Maugel an Vorsieht Fehler veranlasst.
Dieser t'ebelstand ist durch die Einführung des neuen Papieres
Käuzlich beseitigt Dieses neue Papier ist ohne Ammoniak an-
wendbar, es ist für sich allein schon lichtempfindlich und er-
fordert daher keinerlei Vorbereitungen.
Die ersten Bogen dieses neuen Fabrikates, welches ich von
Hrn. Talbot, Wilhelinstrassc 101 hier, erhielt, befriedigten mich
ausserordentlich. Einmal erhielt aber eiuer meiner Schüler
Lichtpausbogen, welche sich fleckig und unempfindlich erwiesen ;
bei genauer Untersuchung stellte sich heraus, dass diese Bogen
in starker Winterkälte dargestellt waren uud dass bei dem lang-
samen Trockuen die emptindlichmachende Lösung „in das Papier
geschlagen" war, wie der Terminus technicus lautet Seitdem
die Ursache des Fehlers erkauut war, ist auch die Qualität des
neuen Tal bot 'sehen Papieres eine tadellose. Ein anderer, nicht
unwesentlicher Fortschritt ist aber die Lieferung grosser
Pausbogeu. Es Var allerdings auch mit den kleinen Bogen
von 41 X M ,m möglich, gross« Zeichnungen zu kopiren, indem
man einen Bogen neben den anderen legte und diu Ränder der
Bogen über einander greifen Hess. Man erhielt so Kopien, die
auf das schärfste an einander passten und die nachher leicht
auf Ellenpapier zusammengeklebt werden konnten. Immerhin
ist es aber bequemer, mit einem Bogen eine grosse Zeichnung
kopiren zu können, und dazu bietet das neue Lichtpausformal
I von 1 18 X M Grösse die Hand. Freilich gehört dazu auch
ein riesiger Kopirrahmen und dito grosse Schauen zum Waschen.
Ein nicht unwichtiger Punkt ist bei Herstellung der Licht-
' kopien die kräftige Pressung im Kopirrahmen. Wenn sich
die Zeichnung und das lichtempfindliche Papier nicht innig
berühren, so kriecht das Licht gleichsam unter die Zeichnung
und färbt den Bogen an den Stellen, wo er weiss bleiben soll;
solche Stellen der Zeichnung kopiren dann unscharf und trübe.
Beim Waschen der fertigen Kopien gsize man nicht mit dem
! Wasser, je vollständiger das Fixirsalz ausgewaschen wird, desto
; sicherer ist man der Unveränderlichkeit der Kopie.
Nach Beobachtungen, die ich hier in Baubürcaus gemacht
habe, muss ich auch noch warnen, die Pausen, wenn sie aus
dem Kopirrahmen genommen sind, an das helle Licht zu bringen,
denn der Pausbogen ist auch nach dem Kopiren noch licht-
empfindlich und daher leidet die Zeichnung am Licht. Erst
wenn der Bogen im Fixirbado gewesen ist, darf er
ohne Schaden an das Licht gebracht werden. Zwielicht
ist unschädlich. —
Dass eine Zeichnung, die durch das Licht kopirt werden
soll, auf durchscheinendem Papier gefertigt und in möglichst
kräftiger Tusche ausgeführt sein muss, versteht sieh wohl von
selbst. Gelbes oder gar braunes Papier ist ungeeignet.
Ein Umstand, der dem Anfanger (ausser der Unscharfe in
Folge mangelhafter Pressung im Kopirrahmen) noch A erger
bereitet, ist das Reissen der Kopien im Waschwasser. Bei einiger
! Uebung ist das sehr leicht zu venueidon.
Wer jedoch ein Schutzmittel dagegen wünscht, dem empfehle
ich, schmale Streifen Pausleinwand an den Rand des Lichtpaua-
bogens mit Gelatine aufzuleimen; diese verhindern das ZerrciBsen.
In dieser Weise schützt man auch die fertigen Kopien. Wenn
I durch Ungeschicklichkeit meines Arbeiters irgend eine Kopie
zerrcisst oder ein Loch bekommt, so vereinige ich die Trcnnunjrs-
stelle nachdem der Bogen fertig ist, durch Paus lein wandstreifen,
die ich anf die Rückseite der trockenen -Kopie klebe. Dieses
geht so leicht, dass die Trennung in keiner Weise mehr stört.
I Neuerdings sind von Hrn. Talbot ein mattes Llchtpaus-
Digitized by Google
— 123
panier und sogar eine Lichtpauslcinewand offerirt worden.
Ich werde darüber Bericht erstatten, so bald ich sie ver-
sucht habe.
Zum Sehluss darf ich nicht unerwähnt lassen, dass das
Licht in der nun bevorstehenden Sommersaison photographisch
bedeutend intensiver wirkt, als das Winterlicht Selbst ein
Regentag im Sommer hat oft eine grossere Lichtstarke als
ein heller Tag im Winter. Die Herstellung der Lichtpausen
geht daher im Sommer bedeutend rascher, und Aufmerksamkeit
ist nöthig, damit die Pausen nicht üborkopiren. lieber alle
übrigen Details des Prozesses giebt diu Gebrauchsanweisung,
welche man mit dem Bogen enthalt, mehr als genügende Auskunft-
Dr. II Vogel,
Berlin. Lehrer der Photographie
an der königl. Gewerbe-Akademie.
Mittheilungen aus Vereinen.
Architekten -Verein zu Berlin. Haupt -Versammlung am
6. April 1872; Vorsitzender Ur. Quassowski, anwesend 81 Mit-
glieder und 1 Gast
P"ji n " r *P? rlicn besuchte Sitzung wird fast ausschliesslich
durch die Erledigung geschäftlicher Angelegenheiten in Anspruch
genommen. Nach einem Berichte über die eingegangenen Zu-
schriften bringt der Hr. Vorsitzende zunächst die Andenken für
dio Sieger der letzten Monatskonkurrenzen, die Herren Daub,
kühn, Luthmcr. Nchrenz, Martiny, Stein und F. Wolff
zur Verthcilung. Es wird darauf die Aufnahme von 6 neuen
Mitgliedern, der Hrn. Brüning, Engisch, Hinkoldeyn,
Löhmann, Martens und Thomsen, sowie die Wahl mehrer
Kommissionen vollzogen.
In die Kommissionen zur Beurthcilung der Monatskonkur-
renzen werden berufen: für den Hochbau die Hrn. Blanken-
stein, Ende, Orth, Stier, Lurac; für das Ingenieurwesen
S? ■»«»»»in«. Grund, Schwedler, Streckort, Franz.
Die Wahl neuer Aufgaben für das nächste Jahr soll erst erfol-
gen , nachdem die betreffenden Kommissionen über Vorschlage
Vermischtes.
Zum Chof Ingenieur des C^Uhard Bahn Unternehmens
ist am 4. April der Badische Bau-Direktor Hr. Gcrwig ge-
wählt worden. Die Beteiligung desselben an den Vorarbeiten
und die Erfahrungen, zu welchen ihm der bisher von ihm ge-
leitete Bau der (inNo. 6. u. Bl. geschilderten) badischen Schwarz-
waidbahn Gelegenheit gaben, lassen die Wahl zweifellos als eine
ebenso naheliegende wie glückliche erscheinen. Durch die poli-
tischen Zeitungen war bekanntlich vor einigen Wochen das ir-
rige Gerücht gegangen, dass ein an hoher Stelle des Preussi-
BCüen hweu bahn -Bauwesens stehender, der eigentlichen Bau-
P™ freilich schon lange entfremdeter Techniker für die
betreffende Aufgabe die einem Ingenieur nicht allein die gün-
Ksten bilanziellen Verhältnisse, sondern wohl ebenso die Aus-
ht auf einen für allo -Zeiten bleibenden Nachruhm sichert
gewonnen worden sei.
Die Wahl eines Stadtbauratha ffir Berlin, die nach
längerem Zögern endlich am 4. April d. J. vollzogen worden
ist bat an diu Spitze des Kommunal-Bauwescns der deutscheu
Hauptstadt den bisherigen Bauinspektor der Kgl. Miuistorial-
Bau-Konimission, Uro. Blankenstein berufen, dem dabei das
Vertrauen der städtischen Vertretung in einer ebenso ehren-
vollen wie für Berlin unerhörten Weise entgegengekommen ist;
Jr u> ,! V0 " m ab K c K L ' be i>eu Stimmen für sich gehabt, während
die warn seines Vorgängers dereinst mit einer Majorität vou
nur einer Stimme erfolgte. Wie verlautet, beabsichtigt mau
von dem bisherigen Usus, die Vertretung des städtischen Bau-
wesens zwei koordinirten Bauräthen anzuvertrauen, von denen der
eine den Hochbau, der andere das Ingenieurwesen repräsontirte,
abzusehen, gedenkt vielmehr unter Durchführung einer voll-
ständigen Reorganisation der Bauverwaltung, dem Stadtbaurathc
künftig zwei Obcr-Bau-Inspektorm als Spezial-Chefs der be-
treffenden r achzweige unterzuordnen. Es würde demnach der
vor einigen Monaten seitens des vorigen Oberbürgermeisters
aufgestellte Plan, jedoch mit der Modifikation durchgeführt wer-
den, dass der an der Spitze stehende Bautechniker als Stadt-
Daurath .Mitglied dos Magistrate-Kollegiums verbleibt während
nach jenem Man der StaJtbaudirektor dem Magistrat nicht
angehören sollte. Wir werden nicht versäumen auf die Fragen
nach einer zweckmassigsten Organisation des kommunalen Bau
wesens demnächst etwas naher einzugehen, wollen jedoch schon
jetzt bemerken, dass wir der Ansicht verschiedener Fachgeuossen.
welche m dem Seydel'scben Orgauisationsplone eine Iferabwür-
digung des raches erblickten, auf das Entschiedenste entgegen-
treten müssen. Die Momente für und widur das Verbleiben des
leitenden Technikers im Magistrate einer grossen Kommune
stehen sich zum Mindesten gleichberechtigt gegenüber; faktisch
zeigt die Wirksamkeit der rheinischen Komwuual-iiaubeium^n
dass jene Bedingung nicht erforderlich ist um dem Stadtbau-
meister die gebührende Stellung und den wünscheuswortheu
™!;Jn S t *p tSfäSfrl fiUls -2 ie 5 er nur diu fQr «<> lcl >'-'" Ponten
gee K nete Persönlichkeit ist. Es dürfte in dieser Beziehung nicht
.Iii fm n n «'Elenderes Beispiel angeführt werden können, als
die Stellung die unter den schwierigsten Verhältnissen Rasch -
• a > *l c $ erriln R < " 1 und die er jetzt wohl nur des-
halb niedergelegt hat, weil ein noch aussichtereicheres Feld des
SPS™" , Vür ™ «ch Öffnet - Die Wirksamkeit des neuen
htadtbauraths von Berlin kann übrigens eine der bedeutsamsten
werden, die sieh denken lässt, da ausser den laufenden Aus-
führungen an Lehranstalten etc. und ausser den grasen Unter-
nehinungeu der Zukunft, welche die "
Die Kommission zur Vorbereitung der Exkursionen des näch-
sten Sommers soll bestehen aus den Hrn. zur Nicdcu, Wiehe,
Lutbmer, Sendler, Stier, Fritsch, Knoblauch.
Die Kommission zur Berathung der auf der Tagesordnung
der nächsten Abgeordneten -Versammlung des Verbandes stehen-
den Frage wegen Aufstellung einer Norm für die llonorirung
der Arbeiten aus dem Gebiete des Ingeuieurwesons wird zusam-
mengesetzt aus den Hrn. Plcssner, Streck ort, Orth, Gill,
Haarbeck.
Ueber die im vorigen Monat eingegangene Arbeit aus dem
Gebiete des Ingenieurwesens (Ucberfünrung eines Bachs uud
einer Strasse) referirt Hr. Schwedlcr. Die Arbeit hat nach
dem Urtheil der Kommission das wesentliche Moment der Auf-
gabe nicht richtig erfosst uud leidet au mehren irrthümlichcu
Annahmen, ist inaessen mit so grosser Sorgfalt uud Gründlich-
keit durchgeführt, dass dem Verfasser, Hrn. Gust. Menget ein
Andenken zugesprochen worden ist Zum laufenden Monat sind
für die Konkurrenz aus dem
genieur -Wesen keiue Lösuug
Hochbau drei, für die aus dem ln-
versorgung der Stadt betreffen, eine radikale Umwälzung des Bis-
herigen Verhältnisses zwischen der polizeilichen und städtischen
Zentnilgowalt und damit der Ucbergang eines grossen Tbeils
der bisher von jener geübten Funktionen, vor Allem die Aus-
übung der gesainmtcu Baupolizei, an diu Stadt in sicherer Aus-
sicht stehen soll.
Zorn Schulau gegen die Arbeitseinstellungen der Bau
handwerker ist uunmehr nach dem Vorbilde der Berliner Zitn-
mermeister auch unter den Maurermeistern Berlius in Verbindung
» Baumeistern ein Bund geschlossen worden, dessen
sich auf Ehrenwort verpflichtet haben, in den zu cr-
•udeu neuen Differenzen mit den Arbeitern zusammenzu-
stehen und den vou der Majorität beschlossenen Maassnahnien
sich zu fügen. Di» lOTi Mitglieder, welche an der Konstituirung
des Bundes Thcil genommen haben, repräsentireu 2143 Gesellen
(nach der Steucrliste sind in Berliu im Ganzen 'J'2S4 beschäftigt)
und soll das Verhältnis« der von den einzelnen Meistern beschäf-
tigten Arbeiter bei allen Abstimmungen den Ausschlag geben.
Eine Ansprache au die Gesellen, worin die Grundsätze der Löh-
nung für die nächste Bauperiode festgesetzt worden — (!•/, bis
l'/i Thlr. für gute und fleissige Gesellen bei löstündiger wirk-
licher Arbeitszeit, danach Berechnung der Ueber- und Minder-
stunden mit Zuschlag vou 1 Sgr. für die Stunde Nachtarbeit;
bei letzterer eine Erholungsstunde, au Sonnabenden und Festvor-
abenden Feierabend um 5 Uhr, an Sonntagen i Stunden früher
als au Wochentagen ohne Lohnabzug; Entlassung resp. Abgang
ohne vorherige Kündigung am Abende jedes Tages) — sollte am
6. April auf allen Kumtoirs vurtheilt werden. Bei partiellen
Arbeitseinstellungen sollen sich die verbundenen Meister zunächst
gegenseitig aushelfen, eventuell ihrerseits mit einer allgemei-
nen Arbeitseinstellung antworten. Demnächst soll eiuu Preis-
liste für Maurerarbeiten nach Analogie der bureits vou deu
Zimmermeistern aufgestellten ausgearbeitet werden.
Anscheinend ist der Wiederausbruch des Kampfes zwischen
Meistern und Arbeitern hiernach wohl in Kürze zu erwarten.
Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die erslereu in Folge ihres
organisirten Zuaammeustehens darin deu Sieg behaupten. Der
Ansicht dass die Gesellen sieb durch solchen Misserfolg vou fer-
neren Strikes abhalten lassen werden und dass der Frieden zwi-
sebeu Arbeitnehmern und Arbeitgebern ausschliesslich auf diese
Weise herzustellen sei, können wir uns jedoch nicht nnschlies-
sen und verweisen in dieser Beziehung auf unsere kiirzlichen
Ausführungen.
Aus der F achlitte ratur.
AUgemeine Ban20itunÄ, redigirt von A. Köstlin, Verlag
von R. v. Wald he im in Wien. Jahrg. 1871.
A. Aus dem Gebiete des Hochbaues.
1) Der Taufsteiu in der Kirche zu Berg bei Stutt-
gart. Mitgetheilt vou Th. Hoffmaiiu.
Eiu Bildhauerwerk der Spütgothik, die Scli3ale verziert mit
mnsizirenden Engelu und dem dürren Ornament welches diesem
Stile eigen ist. Die Mittheilung dieses wirklich nicht sehr be-
deutenden Werkes auf drei lithograiihirten Tafeln dürfte wohl
die noch zulässige Grenze in der Liberalität historischen Denk-
mälern gegenüber bezeichnen, welche wir der Allg. Buuzeitung
in einer früheren Besprechung nachrühmen mussteu.
S) Das „Grand Hotel" in Wien sammt dem daneben
befindlichen „Uötel garni." Vom Architekten K. Tietz.
auf 11 Tllatt dargestellte Gasthof- Anlage ist,
Digitized by Gc
— 124 —
wie der begleitende Text mittheilt, 1 irht narh einheitlichem
Plane entstanden. Das gros»« bei der Wiener Stadterwcitorung
am Kärnthnerrbg errichtete Hauptgebäude, das jetit als „(iraua
Hfltcl" das ganze Quadrat bis zur Mnxiniiliaustrag.se umfangt,
war während der ersten Jahre seines Bestehens dazu bestimmt
als grosse« Miethhaus nebe Rente zu bringen. Heim Umbau
zum Hotel galt es vor Allen, dem als Ladcngcschuss ganz auf
Eisensäulen stehenden Erdgcschoss seinen monumentalen Cha-
rakter wiederzugeben — dann durch den Froutbau in der Maxi-
inilianstrasse das bisherige Hufeisen zu sehlicssen. Der neue
FlQgel war bestimmt, im Erdgcschoss den Speisesaal mit Nebeu-
rfiumen, im Souterrain Küche, Vorraths- und Eiskeller aufzuneh-
men. Der entstehende grosse Mittelhof wurde mit Glas über-
deckt und durch zwei seiner Umfassungswände, welche dicht
unter dem Glas mit einer Fensterreihe versehen sind, die Ven-
tilation ermöglicht —
Ein schon früher erworbener, an der Maximilianstrasse un-
mittelbar anstossender Hauplatz wurde mit einem, ebenso wie
das Grand Ilötel fünfstöckigen Hause bebaut, welches zum Hötcl
garni bestimmt war und also, bis auf die grossen Speise- und
Restaurationsräume, eine gleiche Einrichtung erhielt, wie die
erstgenannte Anlage. Beine Etablissements zustimmen enthal-
ten über 300 Logirzimmer. Sie sind mit allem Komfort ausge-
stattet, den man von einem Höfel ersten Randes zu verlangen
Fliegt: je zwei grosse Treppenhäuser, hydraulische Aufzüge für
ersonen und Gepäck, Telegraph, Stallungen, Sprachrohre, Bäder
etc. Es wird besonders rühmend hervorgehoben, dass auch die
ganze innere Einrichtung, Möbel, Tafelaufsätze etc. nach den
Entwürfen des Architekten beschafft sind.
Ein sehr anziehendes Bild gewährt die innere Perspektive
des Speisesaales Der Raum, der für seine, durch die Etagen
ziemlich vorgeschricliene Hohe viel zu lang geworden sein würde,
vermeidet durch eine Abtrennung zweier EndrSume diesen
Uebelstand in geschicktester Weise. Die farbige Ausstuttuug
des Saales ist narh der Beschreibung in den satten, vollen
Tönen durchgeführt, an welche das Wiener Auge gewohnt ist:
.venetianische", mit Gemälden und Vergoldung geschmückte
Holzdecke, Stuckmarmor in gelb, rot Ii und schwarzer Farbe,
reichliche Vergoldung an Kapitelleu und Hasen und endlich tief-
rothe Draperien bilden einen effektvollen Gegensatz gegen einen
kleineren, im Halbrund geschlossenen Nebensaal, der in der
vornehmen Pracht (imitirten) Carrara -Marmors prangt. Mit
nachahmenswerter Rücksicht sind in der Beschreibung des
Baues die Namen der dabei beschäftigten Künstler und Kunst-
handwerker genannt.
Was die Fassade des Grandhötel betrifft, so vermeidet Bie
b glücklichster Weise die Gefahr des Kasernenstils, dem eine
vielfenstrige Gasthof-Fassade so leicht verfällt, lieber einem
geuuaderten , hohen Erdgeschoss mit Halbkreisabschliiss der
Ocffnungen erheben sich 4 Geschosse mit graden Fenstersrhlüssen,
von denen daa erste als Mezzanin mit sehr schwerer Rustika
behandelt, das zweite durch stattliche gicbclgckröntc Fenster
und Balkons als Hauptgeschoss charakterisirt und die beiden
folgenden wieder ebfacber gehalten sind. Aus der Mitte der
C . f >ti,3™ langen Fassade erhebt sich, eigentlich ohne innere
Motivirung, ein Risalit ca. 3 ra über das Hauptgesims der Flügel-
bauten; dasselbe erhält durch die üruppirung der P'enster zu
mehrgeschossigen Erkern bedeutendere Motive und ruhige Wand-
flächen. Fan mächtiges Hauptgesims mit Konsolen und impo-
santer Balustrade, am Mittelrisalit getragen durch einen mit
Laubgehängen verziorton Fries, krönt das Ganze b wirksam-
ster Weise.
Weniger glücklich konzipirt als die Fassade des Grand Hotel
ist diejenige des Hotel garni in der Maximilianstrasse, die übri-
gens in ihren Hauptabmessungen die Fussade des Grand Ilötel
übertrifft Auch hier ist über dem gequaderten Erdgeschoss
der erste Stock als Mezzanin zwischen zwei starke Gesimse ein-
geschlossen. Die Fenster der beiden folgenden Geschosse, zu einer
sehr schlank gestreckten Gruppe zusammengezogen, wirken nicht
glücklich, — auch ermüdet nie in drei Fragen wiederkehrende
Ausfüllung der F'ensterbrüstungen durch BaTluster. Das Haunt-
gcsiius ist schwächlich, von den drei Risaliten, die noch eine
fünfte Etago in Form mndbogiger Loggien tragen, wirken die
auf den Ecken gar zu thurmartig. Auch hier ist übrigens die
Haupteinfahrt im Mittclrisalit durch einen viersäuligen Portikus
und in den Oberetagen durch eine geschickte Feustcrgruppirung
wirkungsvoll ausgezeichnet
(FortMtiimg hlgt.)
Personal - Nachrichten.
Preussen.
Ernannt: Der Regierung*- und Baurath Bacnsch zu
Berlin zum Geheimen Baurath und vortragenden Rath bei dem
Ministerium für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten.
Am 3. und G. April er. haben die Baumeister-Prüfung
bestanden: Bauführer Hugo Koch aus Oppeln, Bauführer Lud-
wig von NoeT aus Haldem bei Rees.
Brief- und Fragekasten.
Abonnent in Karlsruhe. Eine durch altmSliges Ein-
dringen von Fakalstoffen mit diesen bfizirte Sandstoinmauer
to» C.rl Bt.lit. I. Bull..
durch chemische Mittel zu desinfuiren, dürfte nicht angänglich
sein. Es wird Ihnen kaum etwas übrig bleiben, als das Haus
an der betreffenden Stelle mit neuem Mauerwerk zu unter-
fahren.
Abonnent in Hamburg. „Welches ist das beste und aus-
führlichste Buch zur Vorbereitung für das Bauführer-Examen?"
— Es ist leider ein mit jedem Examenwesen verbundener Uebel-
stand, dass sich das Studium der Aspiranten eines P'achcs fast
ausschliesslich auf die Vorbereitung zu den betreffenden Prü-
fungen zuspitzt; soweit, dass das hierfür erforderliche Material
in einem gedruckten Kompendium zusammengestellt käuflich zu
haben wäre, sind wir indessen in unserem Fache glücklicher-
weise noch nicht gekommen. Sie werden daher eines etwas
weitläuligeren Studiums nuch verschiedenen Quellen wohl nicht
entbehren können.
Abonnent in Darmstadt Eine Anerkennung der vom
Verbände deutscher Architekten- und Ingenieur -Vereine über
die Einführung des Meter - Systems im Hauwesen gefassten Be-
schlüsse von Seiten der Pr'eussischeu Zentral -Behörden ist
nicht erfolgt und nach den Traditionen derselben wühl schwer-
lich zu erwarten; die Annahme des Normal-Ziegelformates war
übrigens schon früher ausgesprochen. Hingegen ist von Seiten
vieler Regierungen, Eisenbahn -Direktionen etc. die Einführung
jener Normen für ihren Bereich verfügt worden und der Gebrauch
derselben entschieden der überwiegende. Wo Abweichungen
vorkommen, beruhen dieselben wohl nur auf individuellem Be-
lieben. Eiu in sich geschlossenes System ist unseres Wissens
dem des Verbandes nicht gegenüber gestellt worden.
Hrn. Baumeister X. in N. „Hat eine Königliche Regie-
rung das Recht, einem diätarisch angestellten Baumeister, der
ohue besoudere Kündigungsfrist, also nach früheren Auslassun-
gen der Redaktion auf Htitgige Küudigung angestellt ist, für
die letzten 14 Tage der Beschäftigung ein gewisses Arbeitsquaji-
tum aufzugeben und für den F'afl, dass diese Arbeit nicht ge-
leistet wird, mit Voreutbaltung der Diäten des letzten Monats
zu drohen ?" — Bestimmungen über solcheu Fall bestehen nicht,
so dass nicht von einem formalen, sondern höchstens von einem
ideellen Unrecht dann die Rede sein könnte, wenn das betref-
fende Arbcitsouantuui über Gebühr gross wäre. Es bliebe Ihnen
dann eventuell nur der Weg der Beschwerde an die höheren
Instanzen übrig.
Die Frage über die Gebühren von Sachverständi-
gen, welche die Notiz in Brief- und Fragekasten der No. 12
behandelt, wird ihre Erledigung Duden durch eine Verfügung
des .Justizministers vom 14. November 1870 (.1. M. Bl. No. 32«,)
durch welche festgesetzt ist, dass remunerirte Staatsbeamte,
wenn sie als gerichtliche Sachverständige in Angelegenheiten,
welche mit ihrem Amte nicht in Verbindung stehen, vernommen
werdeu, unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Vergü-
tung aus der Staatskasse haben, wie alle übrigen Sachverstän-
digen. Es sind hiernach lediglich die Vorschriften der Verordnung
vom 29. März 1844 maassgebend : die nachträglich ergangenen
Verfügungen, welche jene Verordnung auf die Beamten nurtheil-
weise anwenden wollten, (namentlich vom 31. Juli 1855) sind
aufgehoben. 8.
Hrn. II. in Hagen und E. II. in Berlin. Wir bedauern,
für Ihre Mittheilungen, die wohl etwas zu ausschliesslich einem
persönlichen Interesse dienen, gegenwärtig keinen Raum zu
haben.
Hrn. M. in Berlin. Dass wir der augenblicklichen Grün-
dungen und der mit ihnen verbundenen Bauprojekte in Berlin
bisher nicht erwähnt haben, ist allerdings in newusster Absicht
geschehen. Wir wollen eiu Referat über diese Bewegung im
Zusammenhange bringen, glauben aber für die Zwecke unseres
Leserkreises damit so lange warten zu können, bis sich die
tatsächlich gewonnenen sicheren Resultate dieser Epoche mit
etwas grösserer Klarheit übersehen lassen, als dies gegenwärtig
noch der Fall ist.
Abonnent C- B. in Sachsen. Mathematische Lehr-
bücher zum Selbststudium zu empfehlen haben wir schon öfter
ablehnen müssen, da dies ohne die Vorkenntnisse des Frage-
stellers zu kennen, nicht möglich ist; im Allgemeinen können
wir zu einem solchen Selbststudium nicht ratheu. — Dans der
sogenannte Kaiserstiel in einer Thurmpyramide eutbehrlich
ist, dürfte seit Moller's Auseinandersetzungen wohl von keinem
Techniker bestritten werden.
Berichtigung. Der in voriger Nummer abgeschlossene
Aufsatz „Zur Frage der Schutzniaassregeln gegen die Arbeits-
einstellungen der Bauhandwerker ist durch eine Anzahl Druck-
fehler entstellt, die wir — um etwaigen Missverständnissen vor-
zubeugen, berichtigen müssen. Es ist zu lesen:
S. G5 Sp. 2 Z. 31 v. 0. „haben kann" statt „hat"
,101 , 1 „ 36 . . „der" statt „des".
„ 10*J „ 1 „ 38 „ „ Jedoch" statt Ja doch."
„ 110 „ 1 „ 20 „ , „in Folge dessen" statt „dadurch."
„ 110 „ 1 „ 23 1 „ „ „werden" statt „worden."
„ 110 11 1 „ 30 „ , „Bauarbeiter" statt „Bauherr."
j, 110 „ 2 „ 18 „ „ „Baugewerbe" statt „Baugcwerkc."
„ 112 „ 1 „ 11 „ „ „seien" statt „sei."
Ferner ist b No. 14 auf Seite 114 die Breite des Rheins
bei Neuenbürg zu 800» angegeben. Dieselbe betragt dort nur
200 m .
Druck Utbr.d.r ric««ri 1» B.rlln.
Digitized by Google
Jahrg. IL M 16.
DEUTSCHE BAUZEITUNG
Berlin. OrinumtroM 1*1.
■••UUuo-ia
Organ des Verbandes
deutscher Architekten - und Ingenieur-Vereine.
Redakteur E. £. 0. Fritieh.
Im» tritt
luuincu-i Jnflrn A>rul.ma
In tri Grillt -IMtl«:
IM »er. im
Frei» 1 Thaler ir« Uartal.
Berlin, den 18. April 1872.
Erseheint jeden ■•■■erst«-.
Inhalt: Zur Prag* d*r fehuUmaat-re«»-.-. (W» die Arbcit»dB»Uülui)C«n
der HaurünrtwfTkcr. Brennofen für Thon «aar«--, alt CiufenmiTiK und kontiim-
trllchtfB Betrieb*. — fUieeaktf aa n tu dam Orient XV, — Bin Wort uImt Kla«n-
baho-rrnwofB-ViTltfliT. — Ml tthettnnRen aal Vereinen: OatpreuatUacbcT
Ingenieur- uud Areni-ekt*ii-V.-r«-.ii. - AreWtektig. Wreii. im Berlin. — V*r-
ioUc.il*»: An die Architekt*« KorddonNchUnda. - Krueut* Ktreirlgknltmi
xvlaeli«n Arl>< .i^bem und Arbeitnehmern de* Berliner Baogawerbe*. -- Peraa
i j [ N achrlehten et«.
Zar Frage der Sehutmaagsregeia gegen die ArbeitMeiHstrlluBgea der Bauhandwerker.
Der in No. 14 d. Z. erschienene Schluss de« anter vor-
stehendem Titel veröffentlichten Artikels veranlasst den Un-
terzeichneten zu folgenden Bemerkungen, zu denen derselbe
dnreh eigene Erfahrungen auf diesem Felde, namentlich auch
durch den persönlichen Verkehr mit fast allen Baugewerks-
nieistcrn Berlins und der Umgegend nicht allein berechtigt
sondern verpflichtet sein dürfte. l>ie wichtige Frage er-
schöpfend zu Irchandeln ist nicht ' der Zweck dieser Zeilen,
auch soll nur speziell von den Verhältnissen Berlins die
Hede sein.
Die Frage, um die es sich in jenem Artikel handelt,
und namentlich auch das Auskunftsmittel, welches derselbe
vorschlägt, sind Gegenstand von Verhandlungen in «verschie-
denen Zusammenkünften der Meister im Verein mit den be-
treffenden Bau-Industriellen gewesen.
Es hat sich nun zunächst prinzipiell keine Stimme da-
gegen erhoben, dass die Lohnfrage sich bedeutend verein-
fachen würde, wenn es möglich wäre durchgängig die Ak-
kordarbeit einzuführen. Versuche sind von verschiedenen
Seiten gemacht und ist darüber in den Versammlungen berichtet
worden, auch lagen die Mittheilunsen von Meistern vor, die
Ton jeher bestrebt waren den Modns zu finden, wie die
Akkordarbeit, namentlich unter den Maurern, einzuführen
sei. Das Beispiel der Akkordpntzer ist vielfach zitirt wor-
den, — die Bedingungen beim eigentlichen Bau sind aber
von diesem speziellen Zweige grundverschieden; während
dort eine bestimmte Anzahl von Werkleuten ein ziemlich
homogenes Pensum abzuarbeiten bat, wechselt hier das Be-
dürfniss der Anstellung einer grösseren oder geringeren An-
zahl von Arbeitern fortwährend. Soll nun gar ein Bau mög-
lichst schnell vollendet werden, was in Berlin beim Privat-
bau meist der Fall, oder handelt es sich um den Umlmu
eines vorhandenen Gebäudes, bo tritt dieser Umstand noch
stärker hervor; bei Monumentalbauten endlich — man denke
sich die Siegessäule oder die National - Galerie — wird der
Rath des Verfassers des beregten Artikels, dass es die Be-
hörde mit einer Gesellen -Kolonne versuche, wohl kaum be-
folgt werden können.
Wer es auch sei, der an der Spitze einer Vereinigung
von Gesellen steht, heisse er nun Meister, Polier oder Schar-
werker, will er schnell und mit Vortheil arbeiten und die
Konkurrenz bestehen, so darf sich sein Arbeitsfeld in der
Regel nicht anf einen einzigen Bau beschränken, er muss
eine ausgedehnte Praxis haben. Dazu gehören nun al>er
stets Intelligenz und Mittel, und wer solche besitzt, wird
wohl zu keiner Zeit ntit den Gesellen halb Part machen
wollen und denselben besonders näher stehen als die jetzi-
gen Arbeitge"
Gesellen in
gen diese heute.
„Tagelohn- Arbeiten werden sich nie ganz vermeiden
lassen* giebt der Verfasser des Artikels zu; mit Recht darf
hinzugefügt werden „Akkordarbeiten werden sich immer
nur für einzelne gewisse Bauabschnitte einführen lassen, und
zwar auch nur durch Vermitteluug einer Instanz, welche die
Verantwortlichkeit für das Ineinandergreifen und die Güte
and Sicherheit der Ausführung übernimmt. 1 * Diese Instanz
zu bilden dürfte aber weder der akademisch gebildete Ar-
chitekt noch der Führer einer Gesellen-Kolonne berufen sein,
sondern eine vorwiegend praktisch gebildete, mit materiellen
Mitteln ausgestattete Persönlichkeit.
Aus welchem Stande, ob ans dem der Gesellen direkt,
ob aus dem der Poliere oder Meister, in Zukunft diese Per-
sönlichkeiten hervorgehen werden, nachdem durch die Ge-
ueiisuureu iKDiiuuus uuuei 014:111:11 uio uic jewr
reber; gegen jenen werden sich die Strikes der
Zukunft daher so gut in Szene setzen, wie ge-
werbefreibeit die Examina und Privilegien aufgeholfen wur-
den, muss die Zeit lehren, jedenfalls zeichnet aber jener Ar-
tikel von der Haltung der gegenwärtigen Gewerksmeister
dieser Frage gegenüber ein Bild, welches der Wirklichkeit
durchaus nicht mehr entspricht. Es soll nicht bestritten
werden, dass bei Einführung der Ge Werbefreiheit in vielen
Fällen solche Gesinnungen, wie der Verfasser hier schildert,
bestanden, alter mit diesen ist die Meisterschaft im Grossen
und Ganzen längst und über Erwarten schnell und radikal
fertig geworden. Dem Einsender ist auch nicht ein einziges
Mitglied dieser Körperschaft in neuerer Zeit bekannt gewor-
den, welches nicht bereit und gerüstet wäre, heute mit neuen
Faktoren zu rechnen; namentlich kann die Behauptung jenes
Artikels nicht zugegeben werden , „dass ein grosser J'heil
der Meisterschaft die Bestrebungen des Scharwerkerthnms
und der Gesellenkomites, das Publikum zur direkten Ueber-
truguug von Bauart leiten zu veranlassen, im gehässigsten und
feindseligsten Lichte ansieht, weil er dadurch das Funda-
ment seiner bisherigen Stellung untergraben fühlt. 1 *
Das „Scharwerkerthuro" anlangend, so ist die heutige
Meisterschaft längst darüber hinweg, nach der Lccitimatifin.
ob „examinirt 1 * oder .nicht examinirt* zu fragen. Als aie
beiden grossen Verbände gestiftet wurden, welche die Inha-
ber des ZiminergesctiäfLs einerseits und des Maurergeschäfts
andererseits zu einem gemeinsamen Widerstande gegen unbe-
rechtigte und volksunwirthsehaftliche Forderungen der sozial-
demokratischen Gesellenkomites einigte und in welcher die
Arbeitgelier von über »/» der in Berlin lieschäftigten Gesellen,
die Steuerliste zu Grunde gelegt, vertreten sind, (die Stener-
liste macht bekanntlich auch den obigen Unterschied nicht)
ward von keinem der zahlreichen alten Meister auch nnr mit
einer Silbe dieses Unterschiedes als einer trennenden Kluft
gedacht. Gern hat man die Hand jedes Fachgenossen, der
als Ehrenmann bekannt, ergriffen; das Urtheil über seine Leis-
tungs- und Existenzfähigkeit hat man läugst dem Publikum
überlassen.
Etwas anders sind freilich die Bemühungen des Gesel-
lenkomites angesehen worden, das Publikum zur direkten
Uebertragung von Arbeiteu — inmitten der Arbeitsein-
stellung — zu veranlassen, und das wird der Verfasser
doch kaum tadeln können und wollen ! — Es ist dies der
Prüfstein, ob das Publikum im gegebenen Falle für oder
gegen die Meisterschaft bei Gelegenheit einer Arbeitsein-
stellung ist!
„Inmitten des Strikes" betone ich ausdrücklich. Mit
Freuden würde es die Meisterschaft sehen, wenn auch in
ruhigen Zeiten Gesellenvereinigungen Akkordarbeiten anböten,
die Arbeitgeber würden sich in vielen Fällen zuerst dieses
Unterakkordes bedienen. Aber jener Artikel führt ja selbst
an, dass die Führer der Gesellen ausdrücklieh und aufs be-
stimmteste die Akkordarbeit verpönen: Verringerung der Ar-
beitsleistung des Einzelnen unu dadurch Vertheuerang der
Arbeitskraft ist ja einer der Grundsätze, welche diese offen
aussprechen.
Die Reformen, welche dem Verfasser vorschweben und
welche gewiss zum grossen Theil ihre Berechtigung und Zu-
kunft haben, werden sich nicht aus dem Chaos und nach-
dem die bisherige Meisterschaft verschwunden sein wird,
entwickeln. Meines Erachtens ist es im Wesentlichen Auf-
gabe der bisherigen Meisterschaft, verbunden mit ihren mo-
dernen Kollegen die Ordnung aufrecht zu erhalten, dem
Chaos entgegenzuarbeiten und zeitgemässe Reformen einzu-
führen. Betrübend ist es anzusehen, wenn ältere Meister,
müde geworden des fortwährenden Streitens mit den Ge-
Digitized by Google
— 126 —
seilen, auf die Ausübung ihres Gewerbes verzichten. Die
Meisterschaft ist es nicht allein ihrem Fache, sie ist es dem
öffentlichen Wohle schuldig, ruhig die Dinge ins Auge zu
fassen und die neuen Zustände mit bilden zu helfen.
Die Behörden, Fachgenossen und das Publikum können
uns bei dieser Neubildung allerdings wesentlich unterstützen,
jedoch würde es nicht im allgemeinen Interesse liegen, zu
Reform -Experimenten zu drängen. Im Kriegszustande, in
dem wir uns leider jetzt gleichsam befinden, bei dem An-
nblicklich
bei der grossen Mehrheit der Gesellen haben, werden diese
Experimente, wie bereits so viele, sicher verloren j^ün. Ks
wird und muss eine ruhigere ernüchterte PeriodtBaitreten,
welche sehr wahrscheinlich nnr durch eine neue Arbeitsein-
stellung herbeigeführt werden wird. Inzwischen können wir
nur dringend wünschen, dass die Schritte und Gegenscbritte,
wie sie von beiden streitenden Parteien geschehen, verfolgt
and unparteiisch gewürdigt werden.
Montreux, 6. April 1872. W. Böckmann.
Breaaofeft für Thoiwurei. mit Gasfeneraig und U.timirlieben Betriebe. *
Von Georg Mendheim, Ingenieur in Charlottenburg.
Selten hat ein Industriezweig im Verlauf weniger Jahre
eine so grosse Umgestaltung, einen so mächtigen Aufschwung
durch Verbesserung von Betriebs-Einrichtungen erfahren, wie
die Ziegelfabrikation durch Einführung der Ringöfen.
So unzweifelhaft jedoch die Verwendbarkeit und die
Vorzüge dieses Ofensystems zum Brennen gewöhnlicher
Hintermanerungsziegel feststehen, so wenig genügt dasselbe
den Ansprüchen der Technik in denjenigen Fullen, wo die
Erzeugung feinerer Thonwaaren beabsichtigt wird. Selbst
bei Ziegelwaaren, bei welchen es auf das Aeussere ankommt,
wie dies bei feinen Vcrblend-Ziegeln, ja selbst bei besseren
Brettziegeln der Fall ist, oder wo noch besondere Bedingun-
gen, wie bei Klinkern, durch den Brand zn erfüllen sind, da
pflegen sich so grosse Schwierigkeiten bei Benutzung des
Kingofens einzustellen, dass die meisten Fabrikanten es mit
vollem Recht vorziehen, auf. die damit zu erzielende bedeu-
tende Ersparnis» an Brennkosten zu verzichten und lieber
das Dreifache an Brennmaterial aufzuwenden, als durch
Verschlechterang ihres Fabrikats dieses ganz oder zum Theil
in eine geringere Kategorie zu setzen und an Einnahme und
Renommee mehr einzubüßen, als an der in diesem Falle
übel angebrachten Ersparnis» von Brennmaterial gewonnen
werden könnte.
Mit der Einführung der Gasfeuerung in das Poteriefach
erfolgreich beschäftigt, wurde ich unter Hinweis auf die
obigen Verhältnisse von intelligenten Fabrikanten veranlasst,
für diejenigen Zweige der Ziegelfabrikation, für welche der
Ringofen nicht mit Vortheil verwendbar ist, einen Ersatz zu
schatten, und ist es mir nach langjährigem Studium und Ver-
sachsbetrieb gelungen, diesen Ersatz in einem System ring-
förmig zusammenliegender, jedoch durch Zwischenwände von
einander getrennter Ofenkammem zu finden, bei welchem die
Befenerungsweise der gewöhnlichen Ringöfen durch Gas-
feuerung (mittels abgesondert erzeugter Generatorgase) er-
setzt wird.
Umstehende Skizze veranschaulicht diese« Ofen-System im
Fig. 1 stellt den Grundriss des ganzen Ofens dar, wel-
cher aus 2 durch die Kanäle A, und A> verbundenen Reihen
von je 9 Kammern — Nr. 1 bis 18 — besteht. Fig. 2 ist
der (Querschnitt des Ofens und Fig. 3 eine Kammer im
Längenschnitt
Das zum Betriebe des Ofens erforderliche Gas wird in
den Gas-Generatoren a, a erzeugt. Dasselbe ist in seinen
Bestandteilen erheblich abweichend vom Leuchtgase, wel-
ches im Allgemeinen nnr die getrockneten und gereinigten
nicht kondensirenden Produkte der trockenen Destillation
aus dem augewandten Brennmaterial enthält , während der
bei Erzeugung des Leuchtgases in den Gas-Retorten zurück-
bleibende Kohlenstoff als Koaks von den Gay-Anstalten be-
kanntlich theils zur Erhitzung der Retorten verwendet, theils
verkauft wird. Beim Betriebe der Generatoren dagegen wird
Koaks nicht gewonnen, sondern in brennbares Koblenoxyd-
gas verwandelt, welches den Hauptbestandteil der Generator-
gase bildet; ebensowenig findet eine Gewinnung von Theer
statt, dessen Dämpfe bei der hohen Temperatur der nicht
gekühlten Generator-Gase diesen beigemengt bleiben und
ebenso wie das im Generator sich gleichfalls bildende Leucht-
gas dem Heerde der Verbrennung zugeführt und für letztere
nutzbar werden. Dieses Gasgemenge, welches also die ganze
Menge des verwendeten Brennstoffes in Gasform enthält,
ist stets durch Beimengung von Stickstoff aus der atmosphä-
rischen Luft verdünnt, deren Einführung in die Generator-
Rosten zur Umwandlung der festen Brennmaterialien in
brennbare Gase nothwendig ist.
Aus den Generatoren tritt das Gas durch die eisernen
Ventile b b in den gemauerten Kanal c und wird aus die-
sem je nach Bedarf mittels der Ventile tf, resp. d, ent-
weder in den Kanal e, oder in den Kanal <•« geleitet, aus
diesen Hauptkanälen al>er durch Oeffnen des betreffenden
Ventils f in diejenige Ofenkammer, welche befeuert wer-
den soll.
Angenommen, es sei dies Kammer Nr. 8 der Skizze.
Das Gas tritt hinter einer Fenerbrücke in '
Reiseskizie« au itm Orient.
XV.
Schon hier (in Rhodos) begann die verhängte Quarantäne
ihren Druck auszuüben. Gern wären wir All«: während des
mehrstündigen Stilliegens an das Land gegangen, um den ruhm-
vollen und denkmalreichen Sitz des Ordens von St. Johann zu
durchstreifen. Da aber jedes Verlassen des Schiffs verboten
war, blieb nichts als ein Betrachten aus der Ferne. Die flache
Küste zeigte ein neues charakteristisches Kennzeichen des Oriente
in den hochragenden Palmen, die ihre zarten Federkroneu in
dem glänzenden Sonnenlichte badeten. Der grosse Hafen besteht
aus zwei schön geformten Buchten. Die Festungswerke machen
noch immer einen stattlichen Bindruck, obschon ihr Hauptschmuck,
der so oft abgebildete stolze St. Nikolausthurm, seit dem Erd-
beben von 1H*S3 fehlt. Die am Hafen stehenden Häuserreihen
sind «rossen theils zweistöckig, die dahinter belegenen flach und
niedrig. Einzelne Gebäude zeigen schon die echt orientalische
L'eberwölbutur reihenweis geordneter Tonneu und Kuppeln. Trotz
sorgfältigen Suchens war aber eine irgend hervorstechende Archi-
tektur uicht zu entdeckeu; ebensowenig ein sicheres Bild von
der schon im Alterthutuc viel gepriesenen tbeatcrftimiigen Ge-
sammtanlagc zu gewinnen.
Bei einem erfrischenden Nordwinde, der von den karama-
nischen Bergen herabwehte, ging es gegen Abend in östlicher
Richtung fort. Nur kurze Zeit erschienen die schroffen Gipfel
des Atabyris auf der Insel — der höchste fast 2UOO m hoch, —
dann folgte ein schöner Sonnenuntergang und bei funkelndem
Sternenhimmel das immer aufs Neue bewunderte Schauspiel des
Meerlcuclitcns im Schaume der Wogen am Steuerruder.
Der nächste Tag verlief in gleichförmiger Ruhe, da das Land
ausser Sicht blieb und die mächtig steinende Hitze selbst das
Schreiben auf die kühleren Morgen- und Abendstunden be-
schränkte. Erst am Spätnachmittage tauchte ^die Insel^ c )ßcni
die Nacht brach herein, bevor ein genauerer Ueberblick über die
Küste gewonnen werden konnte. In der folgenden Morgendäm-
merung ankerten wir bareita im Hafen voaLaraaka ander Süd-
osteeite der Insel.
Als die Sonne aufgegangen war, erschien der uns gegen-
überliegende Strand flach, kreideartig leuchtend, theil weise saud-
telb, gegen die Formenfülle der griechischen Inselwelt eutsebie-
en poesielos. Die Stadt selbst, — eine vorgeschobene Strand-
besiedlung der hinter einer Hügclwellc verborgenen eigentlichen
Hauptstadt, und deshalb Alikai oder Scala di Larnaka genannt,
— ist ausgedehnt; zwischen vielen I-ehmmauern treten weisse
und gelbe Häuser auf, neben einigen Minarcts sind kleine by-
zantinische Kirchen mit Glockentürmen sichtbar. Selbst eine
Kuppelkirche, von zwei quadratischen Thürmen flankirt, Hagios
Lazarus geweiht, weil hier die Grabstätte dieses Ueibgeu
angenommen wird, fehlt nicht. Am Hafen stehen in langer
Reihe- viele zweistöckige Häuser, mehre durch ihre flatternden
Nationalflaggen als Sitze von Konsuln bezeichnet. Das Grün
der Gürten verschwindet fast gegen die leuchtenden wcissgelben
Töne der Uferfelsen und der verbrannten Ebene; nur wenige
Palmen überragen die Häuser.
Die hinteren Hügel sind flachgestreckt mit steil aufgesetzten
Flachkuppen und Plattformen, echte Kalksteinberge. Ziemlich
in der Mitte des Hildes, aber weit hinter der Stadt erhebt sich
ein höherer cdclgcschwungcncr Berg; der weisslcuchtende Punkt
auf seinem höchsten Gipfel verräth ein griechisches Kloster.
Von dem Olympos ist trotz der durchsichtigen Atmosphäre
nichts zu erkennen.
Da auch hier jede Ausschiffung behindert war, blieb uns
nichts übrig, als die Insel in dem einen uns erreichbaren Punkte
näher kennen zu lernen , iu ihrem altberühmten Weine. Der
Versuch glückte. Schon zur Frühstückszeit überbrachte uns
ein diensteifriges Proviantboot eine kolossale Flasche des edel-
sten Vitm drt VommmdaUff, welche etwa acht bis zehn gewöhn-
liche Weinflaschen fassend, von uns mit dem hier doppelt
berechtigten Liede: „Votu hoh'n Olymp' herab ward uns die
Freude" begrüsst wurde. Der tief dunkelrothe
Digitized by Google
— 127 —
trifft dort auf einen Luftstrom, welcher die bereits fertig
gebrannten kählenclen Kammern Nr. 17, 18, 1, 2 n. s. f.
bis Nr- 7, sowie deren mittels kleiner Oeffhungcn //, y über
der Ofensohle durchbrochene Zwischenwände, zwischen Kam-
mer Nr. 18 und Nr. 1 aber den Kanal Ai paasirt und hier-
bei eine sehr hohe Temperatur angenommen hat, welche so-
fortige Entzündung des Gases und sehr bedeutende Ver-
mehrung der Wärme-Entwickelung beim Verbrennungsprozess
liewirkt Aus Kamminer Nr. 8 gelangt die abgehende
Klamme durch die Oeffhnngen g g der Scheidewand nach
Kammer Nr. 9, von da durch den Kanal /<, nach Kammer
Nr. 10 der anderen Kammer-Reihe und so sukzessive bis
und deren erhitzte Verbrennnngsprodukte zum Vorwarmen
der demnächst zum Brande gelangenden Ofen-Kammer be-
nutzt Ist Nr. 8 gar gebrannt, so wird das za derselben
gehörende Gas-Ventil geschlossen und das der Kammer Nr.
9 geöffnet u. s. f. — Ebenso schreitet auch das Ausnehmen
und Besetzen der Ofenkammern sowie das sukzessive Ein-
fügen derselben in den Betrieb ganz ähnlich wie beim Iting-
ofenhetrielw vorwärts.
Die Vortheile dieses Ofen-Systems dem Ringofen gegen-
über kommen, wie bereits Eingangs bemerkt, desto mehr
zur Geltung, je mehr eine Verunzierung der Oberflächen der
zu brennenden Waaren vermieden werden muss, was selbst-
Brtaaof«* für Tkoi*iuci mit Ob
Pin. 1. GrnnitrlM.
•j
•ft'L
Flg. i. Vw.einiiit.
Fig. 3. L.&agoadur«b»chiillt 'eine Kainm»r.
1 II
» 3 Q
Kammer Nr. 14, welche durch kleine Blechschieber von Kam-
mer Nr. 15 getrennt und durch Oeffhcn de» eisernen Rauch-
ventils i mit dem Rauchkanal * und dem Schornstein / ver-
bunden ist
Es wird demnach ebenso wie beim Ringofen-Betriebe
die in den fertig gebrannten Kammern zurückbleibende
Wärmemenge zur Erhitzung der Verbrennungsluft und die
aus der im Brande befindlichen Kammer abgehende Flamme
verständlich im Ringofen, bei direkter Berührung zwischen
Brennmaterial und Waare kaum möglich ist, zumal bei et-
was höheren Feuergraden. Thcils aus diesem • Grunde,
theils aber auch deshalb, weil bei meiner Ofenkonstruktion
die Flamme ebenso wie in den Mensing'schen, Augustin'schcn
und Boseh'schen Oefen eine mehr von oben nach unten ge-
richtete Bewegung erhält, auch mit Leichtigkeit eine gewisse
Spannnng der Feuergase im Ofen erzengt werden kann, ist
hat — ich gestehe es aufrichtig — uns Allen frohe Stunden be-
reitet Gleich nach seinem Erscheinen wurde in wohlge-
setzter Rede auf das Wohl von Mr. Archibuld und Miss Mary,
deren Verlobung grade hier in der Nahe des l r sitze s der Liebes -
göttin, der kyprischen Göttin vou Paphos, zu Stande gekommen
war, fröhlich getoastet.
Gej?en Abend erfolgte wieder der Aufbruch nach der syri-
schen Küste und schon zwölf Stunden später warfen wir nach
rascher Fahrt im Hafen vou Uairut die Anker. Im hellsten
Fruhsonnenglanze lag der prachtvolle Golf vor unsern Blicken.
Das Meer war Doch dunkelblauer als je und brach sich in sehuee-
weissen Schaumgarben an den zusammengestürzten gruast|uadri-
iien Molenrcsten aus antiker Zeit Die Lage der Stadt ist von
grosser Schönheit, lebhaft an Neapel erinnernd, aber nicht so
weitgedchnt und höber belegen auf einem schroff in's Meer
herabfallenden Felsplateau. Zur Rechten dichtgedrängte lläuser-
inassen im europäischen Charakter, mit zum Tlieil sehr statt-
lichen Häusern (von drei und vier Stockwerken), in der Hafen-
mitte gewaltige Reste trotziger Tbürme und Mauern, zur Linken
viele Landhäuser in üppig grünenden Gärten wie begraben;
das Ganz« von den hochragenden blauschwarz gefärbten Ausläu-
fern des Libanon seitwärts und im Kücken begrenzt Deutlich
erkennt man in dem zwar entwaldeten aber an seinen Westab-
bängen mit zahlreichen Dörfern besetzten Gebirge den Sattel,
über welchen die Strasse nach Damascus führt Das ist die
Pforte zu dem eigentlichen inneren Orient, leider uns verschlus-
sen, wie die des Paradieses.
Noch ganz im Anschauen des durch seine grüne Gartenwelt
wahrhaft anheimelnden Bildes versunken, erreichte uns die frohe
Botschaft, dass dl« Quarantänezeit auf -I Tage festgestellt und
allen Passagieren diu Vergünstigung gewährt worden sei, die-
selbe auf dem Schiffe abzumachen.
Gross war die Freude und allgemein, aber sie äusserte sich
verschieden. Die vornehmen Türken rauchten noch mehr Frie-
denspfeifen als sonst, blieben aber würdig wie immer; von den
ärmeren Muselmännern stürzte sich die eine Hälfte in leiden-
schaftliche Wortgefechte mit den Provisionsbootführern, um
1 unabsehbare Vorräthe von Trauben. Brot und Feigen einzukau-
fen; die andere Hälfte sang hänaeklatschend, spielte Karten
oder schlief. Die Griechen gingen im Rosenkranzbeten und
Zwiebelessen fast unter. Lord Byron ergab sich dem Angeln,
' sein Schwiegervater, der weiasbindige Gentleman, schrieb Briefe
and dickleibige Tagebücher, und Mr. Archibald las seiner rosig
| strahlenden Braut und ihrer schwennuthigen Schwester zahl-
| reiche Kapitel aus englischen Romanen vor. Die Kapitäne schienen
eine Art vou Winterschlaf durchzuiuacheu, nur zum Essen, wenn
die Glocke ertönte, tauchten sie auf, um gleich nach dem Kaffee
wieder zu verschwinden. In Folge dieser nationalen Absonde-
rung fühlten wir Deutschen uns etwas verlassen und suchten
und fanden endlich den richtigen Ausdruck für unsere dank-
bare Freude in einer längeren Sitzung um die Kiesen flusche von
Cypcrn, bei welcher uns die beiden Junger des Asklepios Dr. D.
und Dr. W. bereitwilligst assistirten.
Bei fortdauernd schönem Wetter vergingen die Tage schneller
als ich gedacht Eine gleich uach der Ankunft eingeleitete
Korrespondenz mit unscrni trefflieben Generai ■ Konsul Hrn. W.
ergab als erste hochwillkommene Frucht ein stattliches facket
von deutschen Zeitungen. Mit dieser Lektüre wechselte dann
ununterbrochene schriftliche Arbeit thcils Briefbesorgung nach
Hause, theils Durcharbeitung und Fixiruug aller Notizen und
Zeichnungen, endlich die sich von selbst ergebende Unterhaltung
mit der ganzen, immer mebr sich erscbliessenden Reisegesell-
I Schaft. Und für den schlimmsten Fall boten unsere Mekka-
pilger, deren Gesundheit glücklicherweise keinen Ans tos a erlitt
ein stets anziehendes Bild der Betrachtung. Man hatte wegen
der Enge des Schiffs und der bequemen Uebereichlichkeit viel
besser Gelegenheit, die Lebensgewobnheiten der orientalischen
Stämme mit Müsse zu beobachten, als auf den Bazaren oder in
den Kaffeehäusern der Städte. Von einer absichtlich spröden
Zurückhaltung oder gar dem sprüchwörtlich gewordenen abstos-
| senden Uochmuthe gegen die fränkischen Passagiere war nichts
zu merken; im Gegenthetle beeiferten sich alle, selbst die ein-
geborenen Araber, darunter eine aus Mekka stammende Deputa-
ten, welche dem Sultan die übliche Einladung zum Feste über-
— 128 —
diese Konstruktion ungleich geeigneter auch zur Klinker-
Erzeugung, als jede .andere, zumal dem Ringofen gegenüber.
Die Baukosten stellen sich gegen die des letzteren ver-
hältnissinässig höher durch Hinzutreten der Gasfenerungs-
Anlage und der die einzelnen Kammern von einander tren-
nenden Zwischenwände; in den meisten Fällen, besonders
da, wo für den Ringofen-Betrieb billiger Kohlenstaub zur
Verfügung steht, siud auch die Brennkosten in meinem Ofen-
System etwas grösser. Allen anderen Ofenkonstruktionen
gegenüber werden jedoch in demselben mindestens 50% an
Breunkosten gespart bei Einsatz von Ziegelwaareu, — beim
Brennen von Thonröhren und ähnlichem Einsatz erfahrungs-
massig sogar 75%; bezüglich des Gelingens der Brände steht
dasselbe auch den bestkonstruirten Oefen nicht nach, hat
vielmehr jedenfalls noch den ganz besonderen Vorzug, dass
eine Verunreinigung der Waare durch Aschen-Anflug gar
nicht möglich ist und dass eine Verwendung und Ausnutzung
der in den kühlenden Kammern zurückbleibenden Wärme,
ausser zur Erhitzung der Verbrennungsluft, mit grossem
Vortheil auch für ein Sehmnmh-Verfahren in den Ofenkam-
mern selbst und in den auf diesen anzulegenden Trocken-
räumen ermöglicht wird.
Der Betrieb des Ofens ist ein so einfacher und leicht
zu regulirender, dass selbst ein mässig intelligenter Arbeiter
zur Bedienung desselben genügt; — Nachlässigkeiten in
letzterer strafen sich jedenfalls bei allen anderen Oefen, be-
sonders beim Ringofen, bedeutend härter.
Es ist wohl selbstverständlich, dass bei Aulage derarti-
gen Oefen den besonderen Bedürfnissen der so mannigfalti-
gen Zweige der Thonwaaren-lndustrie und lokalen Erforder-
nissen Rechnung getragen werden ninss, dass demnach die
Bauart und Grösse der Gas-Generatoren ebenso wie der
Ofenkammern, selbst die Lage der Gaskanäle und die Kon-
struktion der Gasventile stets den Zwecken, welchen der
Ofen dienen soll, der Art des zn verwendenden Brennmate-
rials, dem Baugründe und sonst gegebenen Bedingungen
anzupassen ist.
Als Beispiel hierfür möge der Gas-Ringofen der neuen
Kötiigl. Porzellan-Mannfaktur hierselbst dienen, den ich in
Gemeinschaft mit dem Direktor dieses Etablissements, Herrn
Regierungs- und Baurath Möller konstruirtc und mit bestem
Erfolge vor Kurzem in Betrieb setzte; den Bedürfnissen der
! Ziegel-Fabrikation würde eine bedeutend einfachere und bil-
ligere, als diese für Porzellan nothwendige Konstruktion
derartiger Oefen genügen, trotzdem aber für erstere Industrie
gewisse Einrichtungen am Ofen durchaus hinzutreten müssen,
welche beim Brennen von Porzellan gar nicht in Betracht
; kommen.
Ein Wort Orr Ebfikaka-rrrstienTerkehr.
In einer Zeit, wie die jetzige, wo das Eisenbahnwesen in
Deutschland einen früher nicht dagewesenen Aufschwung nimmt
und wo der Personenverkehr auf den Eisenbahnen sieh für die
grossen Städte zu einer Lebensbedingung zu gestalten anfängt,
indem er das wirksamste und auf die Dauer einzig wirksame
Mittel an die Hand gieht, um der Wohnungsnoth zu begegnen,
scheint es nicht unzweckmäßig, die Veränderungen öffentlich
zu besprechen, weltheu der Personenverkehr in seiner ganzen
Handhabung unterworfen werden nius», um den, wie augedeutet,
an ihn zu stellendeu Erwartungen wirklich zu genügen. Dm
solche Veränderungen oder Vervollkommnungen des bisher bei
uns Lieblichen uoihweudig sind, leuchtet uns allerdings am
meisten ein, wenn wir iu verschiedenen Nachbarländern reisen,
«loch halten wir, auch ohne auf das Austand zu blicken, das
Vorhandensein der Iledürfnissfrage durch die Unzufriedenheit
mit den Eisenbahnen, die sich jetzt iu unserem Publikum mehr
als sonst geltend macht, und durch die entschieden bei uns ob-
waltende Abneigung gegen den Ucbrauch derselben als Mittel
für den täglichen kleinen Verkehr, für vollständig erwiesen.
Wir würden es nun deu Eiseubahuverwaltuugeu — zu deren
Rathgeher wir uns nicht berufen fühlen — überlassen, Abhülfe
zu schaffen, da wo Mängel vorhanden sind. Wir glauben jedoch,
dass dies gründlich nicht geschehen kann ohne ganz wesent-
liche Mitwirkung des Publikums. Es ist daher auch der
Zweck dieser Zeilen, eine Anregung zum Nachdenken und zur
Besprechung über den beregten Gegenstand iu weiteren Kreisen
zu geben. Der Güterverkehr soll hier nicht mit in die Diskus-
sion gezogen werden, weil das Publikum im Grossen und Gan-
zen (die öffentliche Meinung) sich hierüber weniger leicht ein
Urtheil bilden und noch weniger selbstthätig zur Besserung un-
I haltbar gewordener Zustände mitwirken kanu, als beim Personen-
I verkehr.
Um nun gleich in media« res vorzudringen, bezeichnen wir
eine gewisse Schwerfälligkeit als denjenigen Charakterzug unse-
res Personenverkehrs, der vor Allem beseitigt werden muss,
und machen für das Vorhandensein derselben nicht allein die
als deutsches Publikum
zwar
doch
ffent-
für
Bahnverwaltungcu soudern uns selbst,
verantwortlich.
So wird die Art der Benutzung der Empfangsgebäud
durch die Verordnungen der Bahuverwaltungen geregelt
stehen diese mehr oder weniger unter dem Einflüsse der
liehen Meinung. Letztere aber ist bei uns gewohnt, au
das nicht reisende Publikum die unbeschränkte Verfügung nicht
allein über die Wartesäle, sondern auch über die Perrons in
Anspruch zu nehmen.
An kleineu Orten macht man den Bahnhof gern zum Ziel
der Spaziergänge und würde sehr unzufrieden sein, wenn mau
mcht auf dem Perron patrouilliren durfte, um bei dem etwaigen
Eintreffen eines Zuges die ankommenden oder durchpassirenden
Reisenden zu mustern. In grossen Städten fällt dies zwar fort,
dagegen fühlt auch hier die Familie oder Freundschaft des ein-
zelnen Abreisenden oder Ankommenden — uud wäre sie noch
so zahlreich — sich berechtigt, den Abschied oder die Begrüs-
sung unmittelbar an der Wagenthür stattfinden zu lassen , uud
von
fort-
braebt hatte, uns aufs Höflichste zu begegnen. Wegen des ruhm-
reichen Krieges unseres Volkes waren wir drei Deutsche häufig
der Gegenstand ihres Gespräches, wie Hr. Th., der »irh viel mit
ihnen unterhielt, uns berichtete. Kurz, — jeglicher Hauch
Laugeweile blieb uns fern, weuu auch die Sehnsucht, bald I
zukommen, nie erlosch.
Als endlich die Erlösungsstunde schlug — es war au einem
Sonntage Mittags, — bestieg ich das mir entgegengeschickte
Konsular-Boot uud fuhr über die Rhede und durch den schma-
len, wegen seiner Brandung arg berüchtigten Hufen. Mit eigener
Empfindung betrat ich den syrischen Boden — es war ein Er-
innerungstag und ich hatte viel nach Hause gedacht — und
folgte dem vorauschreitenden Kawussen durch die stillen, weil
sonntäglich ausgestorbenen Strassen. Unser General- Konsul
Herr W. (ein Ostureusso) ist ein feiner und liebenswür-
diger Manu, der sich um die Stellung der Europäer iu Syrien,
speziell um das merkwürdig rasche Aufblühen von Bairut grosse
\ erdieuste erworben bat. Er wohnt seit 2<> Jahren im Orient,
ist unverheirathet und hat jetzt seine beiden Schwestern aus
der Heimat M sich. Sein kühles uud luftiges Haus, von
schattigen Gärten umringt, war für mich halb gebackeuen, halb
im Schweis* gesottenen Menschen ein wahres Labsal. Die hohe
Lage des Hauses gestattet einen weiten Kundblick über die
anderen Häuser und Gärteu, über den ganzen Golf, die dörfer-
reichc Küste bis zu den gewaltigen, über 2500 ■ Höhe sieh er-
hebenden Vorbergeu des Libanon. Sehnsüchtig stieg der Blick
an dieser Gebirgswelt empor, zumal die Damen, welche so eben
erst von einer kleinen Herbsttour aus Heliopolis (Baalbeek) und
den Zedern des Salmnn zurückgekommen waren, uns von 'der
Grossartigkeit jener Buukunst und der Schönheit der Natur nicht
genug zu erzählen wussten.
Ganz iu der Nähe und in gleich günstiger Lage steht das
Diakonissenhaus, in welchem vierzehn Schwestern unter der
Vorsteherin Luise v. Tr. und der Schwester Amalie R. mit Er-
ziehung und Unterricht beschäftigt sind. 132 Kinder. Araber,
Beduinen, Türken und Maroniten, zählt das Waisenhaus, iO das
Pensionat für die Töchtor aus deu bemittelteren Ständen. Wei-
ter hinauf erhebt sich das nach einer Skizze meines verewigten
Freuudes v. Arnim gebaute Johanniterspital, welches mit 30—40
Kranken ebenfalls der Obhut Kaiserswerther Schweatern anver-
traut ist. Alles dies sind Anstalt™ praktisch christlicher Liebe,
welche besucht zu haben mir eine werthe Erinnerung bleiben
wird. Schwester Luise v. Tr- war 1S70 auf Urlaub in Deutsch-
land gewesen, als der Krieg ausbrach. Sic eilte mit Zustimmung
ihrer Direktion sofort nach dem Kriegsschauplätze und blieb
längen! Zeit in Yionville. Sie kannte deshalb sehr gut meinen
wackereu Kollegen IL, der in der Schiacht schwer verwundet,
von der Hand des treuen Freundes L. gepflegt und von meinem
Schwager Tr. behandelt längere Zeit in V. gelegen hatte. Wie
eigen, dass ich iu Bairut au Yionville erinnert werden musste
und die opferreichen Tage der grossen Zeit noch einmal
im Gespräche vorüberziehen sab. Deutschland dort uud hier!
Nachmittags führte mich der General-Konsul in einer mit
feurigen Pferden bespannten eleganten Chaise durch die Stadt
nach dem sogenannten Piiiienwäldchen und auf die Strasse nach
Damascus hinaus. Iu den Kaffeehäusern herrschte ein reges
Leben, besonders am grossen Marktplatze. Die wohlhabende
Stadt ist — als ein Unicum im Oriente — gut gepflastert, die
Häuser sind alle von Stein mit Bogenhallen, platten Dächern,
Altanen und offenen Oberstuben erbaut. Drausseu liegen trefflich
bewässerte Gärteu, in denen Zuckerrohr, Bananen, Melonen,
Wein uud Feigen gedeihen. Auf der ersten Höhe der von
den Franzosen nach dem furchtbaren Christengemetzcl
im Libanon von 1800 erbauten uud postinässig befahrenen
Chaussee dehnt sich rechts ein grosser Reitplatz, auf dem euro-
päische und arabische Reiter in Gewandtheit und Kühnheit zu
wetteifern strebten. Vor uns lag das weitgedehnte, wie ein un-
ermesslicher Frnchtgarten blühende Thal von Bairut, hinter ihm
in terassenförmigen Hügellehnen emporsteigend das herrliche
Gebirge, mit weissleuchtenden Dörfern wie besäet ; das Ganze ein
bezauberndes Jlild des Orients in seiner strotzenden Fülle und
Fruchtbarkeit. Schwerer als irgendwo anders wurde hier diu
Umkehr, aber die Pflicht rief, ich musste weiter. Von Herrn W.
porsöulich aufs Schiff begleitet fand ich unsere Keisegesell-
Digitized by Google
- 129 —
weiss ihrem Unwillen über cino Eixenbahnvcrwaltung kaum W'Hrte
zu geben, die es wagen sollte, durch Absperren des Perron» sie
in ihrem vermeintlichem Rechte zu beeinträchtigen.
Bisweilen hat eine solche Zurückhaltung nicht mitreisender
Begleiter allerdings praktische Unannehmlichkeiten für Reisende,
des vielen Handgepäcks wegen, welchen sie mitzunehmen für
zweckmässig halten, aber allein vom Wartesaal bis zum Wagen
zu tragen nicht im Stande sind.
Unter der Uoberfüllung der Perrons haben zunächst die
Bctriebsbeamtou zu leiden, Ihre Bewegung wird gehemmt, das
Uebersehen des Zuges gehindert. Die Schaffner sind in Unge-
wissbeit darüber, ob die Leute, die sie in den Koupes sitzen
sehen, sänimtlich mitzufahren beabsichtigen, und haben daher
doppelte Arbeit und manchen Aerger beim Placireu der Rei-
senden. Das« sie unwillig werden, kann man ihnen bisweilen
nicht verdenken und die freilich natürlichen Klagen des Pu-
blikums hierüber sind nicht immer ganz berechtigt Schlimmer
als dies sind aber die Verspätungen im Abgang» der Züge,
welche oft durch dio UcberfüUung der Perrons mit Zuschauern
veranlasst werden.
Es wäre daher zu wünschen, dass dio öffentliche Meinung
solchen Bahnverwaltungen, die hier durch Absperron der Perrons
eine Besserung herbeizuführen streben, nicht nur keinen Wider-
stand entgegenstellte, sondern ihnen ihre vollste Unterstützung
angedeihen Hesse.
Dass die erwähnte Maassregel, dio ausserhalb Deutschlands
fast allgemein ist, auch hier über kurz oder lang mehr und
mehr Eingang finden wird, ist uns nicht zweifelhaft.
Dieselbe würde noch dadurch die Abfertigung der Züge sehr
beschleunigen helfen, dass sio die Möglichkeit gewährt, die
Billetkontfolle an den nach dem Perron führenden Thüren statt-
finden zu lassen und diese Arbeit dem Zugpersonal abzunehmen,
welches dann nur darüber zu wachen hätte, dass die Reisenden
keine höhere Wagcuklasse benutzen als ihnen zukommt.
Das Abnehmen der Billets, d. h. dio Kontrollo darüber, ob
Jemand nicht zu weit mitgefahren ist, würde- am Ausgange aus
den Stationen durch dort statiouirte Beamte stattfinden.
Es bleibt nun noch eine Arbeit, welche das Zugpersonal
vor Abgang des Zuges zu besorgen hat, nämlich das Placiren
der Reisenden. In der Weise, wio dies ausgeführt wird, ist uu-
serm Dafürhalten nach eine Aenderung sehr wümschouswerth
und würde sich auch leicht erreichen lassen, wenn der Anstoss
dazu von der öffentlichen Meinung gegeben würde.
Das Bevormundungssystem, welches zum Schaden unserer
ganzen Entwickelung noch in allen deutschon Verhältnissen
herrscht, tritt auch hier recht deutlieh hervor. Und es will
uns leider bedünken, dass ein grosser, wenn nicht der grooste
Theil des Publikums sich dabei sehr wohl zu befinden scheint.
Die meisten deutschen Reisenden wollen von dem Augenblick,
wo sie den Bahnhof betreten, bis zu dem, wo sie ihn am Ziel
ihrer Reise wieder verlassen, bevormundet sein: zunächst von
dem Gepäckträger, von dem sie sich ihr Gepäck expediren las-
sen — auf die Gefahr hin, es vertauscht zu sehen, — dann von
dem Schaffner, der ihnen ein Coupe — natürlich ein möglichst
' »etztea — anweisen soll endlich wieder vom Schaffner,
die Wagenthür rechtzeitig zu öffnen und sie "
hat, dass es Zeit für sie Bei auszusteigen.
Dass die Schaffner ihr Recht, den Reisenden ihre Plätze an-
I zuweisen, eifersüchtig behaupten, ist abgesehen von dem per-
sönlichen Nutzen, den sie oft daraus zu ziehen, wissen, nicht zu
verwundern, weil ihnen die ganze Billetkontrolle obliegt, welche
ihnen bedeutend erschwert würde, wenn sich die Reisenden ihre
Plätze nach Boliebeu wählten.
Nun scheint es uns aber geradezu unwürdig, sich in nicht
immer zarter Weise zurechtweisen zu lassen, wo man dies gar
nicht ndthig hat, ja sich Verweise wie ein Schulkind zuzuziehen,
wenn man sich untersteht, seinen Platz, den man recht gut zu
finden weiss, einzunehmen, ohuo zuvor um die Erlaubuiss zu
bitten. Wir meinen, das Publikum uiüsstc sich besser dabei
befinden, wenn ihm durch deutliche Bezeichnung der Stationen,
nach welchen die einzelnen Wagen gehen, an niesen selbst der
Weg gewiesen würde und das Zugpersonal auf Anfragen zwar
stets Auskunft zn ertheilen bereit wäre, im Uebrigen aber dem
Reisenden die Wahl seines Platzes überliessc. Um an das rechte
zeitige Aussteigen zu erinnern, dürfte (wenigstens bei Tage) ge-
nügen, wenn auf den Perrons an den Zügen entlang die Namen
der Stationen laut und verständlich gerufen würden. Das auch
jetzt ziemlich allgemein eingeführte deutliche Anschreiben der
Stationsnamen an verschiedenen Stelleu der Perrons wäre natür-
lich beizubehalten.
Schliesslich kommen wir zu einem Vorschlag, den wir kaum
wagen würden, wenn wir nicht den Personenverkehr hauptsäch-
lich in seiner Bedeutung für die grossen Städte, also den Lokal-
verkehr hätten betrachten wollen: wir meinen die Einführung
(vierrädriger) Wagen mit lang durchgehendem Mittelgang nach
amerikanischem oder schweizerischem System. Durch diese
Wagen sind die vorher angedeuteten Verkehrserleichterungen
und Mittel zur schnelleren Abfertigung der Züge erst in ihrer
ganzen Ausdchnuug zu erreichen und auszunutzen. Die Reisen-
den können den Zug sehr schnell an jeder beliebigen Stelle be-
steigen und sieh ihren Platz, wenn es sein muss, während der
Fahrt suchen. Die Kontrolle der richtigen Wa
durch die Schaffner unterwegs leicht und bequem
werden. Das Oeffnen der Thüren zum Aussteigen
Reisenden selbst überlassen bleiben, da eine Gefahr durch
stehende Thüren nicht herbeigeführt wird. —
Hier schliesscn wir und widerstehen der Versuchung, auf
die weiteren Vorzüge des beregten Wagensvstems einzugehen.
Unserer individuellen Ansicht folgend, würden wir dasselbe für
den gesammten Verkehr empfehlen und kannten uns dabei un-
ter Anderm auf die in dem Hcusinger'schen Handbuch für
Eisenbahntechnik ausgesprochene Ansicht doB Herrn Baurath
Sonne berufen. Wir gehen aber so weit hier nicht, weil wir
dann auf sehr grossen Widerstand zu stossen fürchten müssten,
und weil wir auch selbst der Ansicht sind, dasR jenes Wagen-
system noch mancher Veränderungen bedarf, eho es für den
grossen Verkehr in unsern nordischen Gegenden anwend-
bar ist.
Für den kleinen (Lokal-) Verkehr kann das System aber un-
serer Ansicht nach ohne Weiteres angenummen werden. Und
zwar glauben wir, dass die dadurch, sowie durch unsere vorher-
gehenden Vorschläge zu erreichenden Vortheile sich in gleichem
•ublikum wie den Bahnverwaltungen gegenüber
geg£nul.e
Schaft durch mehre Europäer, darunter den mit Familie nach
Deutschland zurückkehrenden österreichischen General-Konsul
vermehrt. Gleich nach einem kurzen dankbaren Abschiede von
Herrn W. ertönte das Abfahrtssignal. Unsere „Vesta" lichtete
die Anker und fuhr bei einem wunderbar grossartigen Sonnen-
untergange an der öden Felsküste Phöuikiens hinab. Leider
brach die Nacht herein, ehe Sidon und Tyrus, diese uralten
Ausgangspunkte des Mittelmeerhandels, erreicht wurden. Da
meine deutschen Reisegefährten und die englische Familie sich
in Kaipha (südlich vom alten Akkon oder St, Jean d'Acre) aus-
schiffen wollten, blieben wir noch lauge bei guten Gesprächen
und noch besserem Weine zusammen sitzen. Um drei Uhr
Nachts trennten wir uns auf baldiges Wiedersehen; ich blieb
auf dem Schiffe, um so rasch als möglich nach Jerusalem zu
kommen.
Nach kurzem aber erquickendem Schlafe war ich wieder
früh auf, um das horannahende Jaffa, meinen Ausschiffungsplatz
kommen zu sehen. Wir fahren dicht an der flachen Küste da-
bin, keine Spur von Lehen war zu sehen, das Land machte den
Eindruck einer Wüste. Ich hatte noch Zeit, alles zum Aufbruch
zu ordnen, mehre Briefe zu expediren, mich von den Kapitäueu,
dem Arzte, meinem Kabinengenossen und dem würdigen Oher-
mollah zu verabschieden. Um 10 Uhr kam das uralte Jaffa in
Sicht, welches, wenn Plinius Recht hat, schon vor der Sündflut
existirt hat Es ist eine echte Hügclstadt, tbeatvrförmig über-
einander gethürmt, nur aus Steinhäusern bestcheud; öffentliche
Gebäude fehlen gänzlich; vorn erheben sich kolossale zertrümmerte
Molenmauern, über welche die Brandung tobt und die Ausschiff-
ung erschwert.
Der betäubende Lärm von heranschicssenden Böten nebst
Barkenführern fehlte auch diesmal nicht. Da ich der einzige
Europäer war, der zu landen beabsichtigte, so bildete ich eine
Zeit lang den Zankapfel zwischen drei Parteien, die mit einem
wahren Fanatismus sich meiner Sachen und meiner Person be-
mächtigten. Glücklich ans Land gesetzt und den lauernden
Douanenwftchtcrn durch Backschiseh entronnen, miethete ich
sofort zwei stämmige Araber als Lastträger, belud sie mit dem
Gepäck und marschirte bei einer tropischen Hitze durch dio
schmutzigen Gassen zum Thorc hinaus, 'um nach der von Wür-
tembergern gegründeten Kolonie und dem daselbst befindlichen
deutschen Gasthofe zu gelangen. Schon auf diesem Wege trat
mir der südliche Orient in Formen und Farben aufs deutlichste
entgegeu. Dicht vor der Stadt lag ein drelröhrigcr Brunnen,
der" von zahlreichem Volke belagert wurde. Dann folgten Kafee-
häuser mit rauchenden Orientalen an einem schattenlosen Platze,
der Begräbnissort und Marktplatz zu gleicher Zeit bildete, denn
um dio Steingräber bockten hraunu Araberinnen in dunkelblaue
Hemden gekleidet und zahlreiche Karawanen mit hellbraunen
uud weissgelbeu Dromedaren zogen hin und her. Dazu tummel-
ten lanzenoewehrte Beduinen ihre Rosse, die Räder der Wasscr-
schöpfmaschinen, von starken Büffeln bewegt, knarrten ihr ein-
töniges Lied, durch den Kalkstaub suchten zahlreiche Blinde
tastend ihreu Weg, bettelnde Negerkinder verfolgten mich
schreiend und eine ganze Reihe unglücklicher Aussätzigen mit
verstümmelten Gliedern hockten am Wege, mit ihren Blech-
büchsen klappernd, um das Erbarmen der rastlos sich drängen-
den Menge anzurufen. Tief athmete ich auf, als wir in eine
schattige Allee von riesigen Kaktusfeigen einbogen; schlanke
Palmen winkten mir einen Gruss entgegen, in wenigen Minuten
war ich in der deutschen Kolonie und dem bescheiden, aber
trefflich eingerichteten Gasthofe des Hrn. Hardcgk.
Ein schattiges Ruheplätzebon war dringend nöthig, denn
die für dio späte Jahreszeit ganz abnorme Hitze und der nach
der mehrtägigen Schiffsfahrt doppelt betäubende Lärm hatten
mich matt gemacht Indessen durfte nicht lange geruht werden.
Gleich nach Tische erschienen die bestellten Mukäri (Pferde-
Verleiher) mit den Mauleseln und Pferden. Ich wählte, da ein
andcrthalbtägigcr Ritt bevorstand, sehr lange unter den Thieren.
Dann akkordirte ich, schickte den einen Eseltreiber mit dem Pack-
pferde nach Ramleh voraus und stieg, von dem älteren beritteneu
Mukäri begleitet, zu Pferde, um noch vor Einbruch der Nacht
einen Abstecher nach Lud (dem alten Lydda) zu machen. Diese
Tour war wünschenswertb, um die Ruine der alten dort befind-
St. Georgs-Kirche zu besichtigen. Von ihr wusste ich,
Digitized by Gc
Mittheilungen aus Vereinen.
Oatprooassis her Ingenieur and Architekten -Verein.
Monats - V er sani nt I u n g am 4. April 1872. Vorsitzender Herr
Herzbruch; anwesend 21 Mitglieder und 10 Gäste.
Nach Erledigung der geschäftlichen Mitteilungen wie« der
Vorsitzende auf die Aufforderung des Vorstände» des Verban-
des deutscher Architekten- uud lügeuieur-Vereiue vom 25. v. M.,
betr. die Wiener Welt- Ausstellung hin. — Dann wurde be-
schlossen, die General-Versammlung mit Exkursion nach dem
Oberländisehcn Kanal aus verschiedenen Gründen erst zu An-
fang des Monats Juli zu berufen — und duren Ballotage der
Ik-triebsinspektorTascb (Königsberg) als Mitglied aufgenommen.
Der Vorsitzende theilte mit, dass wegen Versetzung de«
Kollegen Lademann der Maschinenmeister Wickert hierselbst
das Schatzmeisteram t einstweilen übernommen habe und
übernahm llr. Wolff ;Köuigsb.) die Konvokation für die Kom-
mission tietr. Feststellung der Honorare für Ingenieure.
llr. Steenke (Zölp) hielt einen Vortrag über den Ober-
hen Kanal, gab eine Uebewicht über die Anlage im All-
en und beschrieb und erklärte vornehmlieh die Anlage
und den Betrieb der geneigten Ebenen. Schluss der Vcrsamm-
luug :i I hr Abends.
Nach dem Altendessen referirte Hr. Hesse (Königsberg)
noch über eine bei der neuen städtischeu Wasserleitung vorge-
kommene Zerstörung der tböneruen Kohren. — Es sind näm-
lich iu der ca. 81C0'" laugen Hauptleitung zwischen dein Orte
der Quellen-Sammlung und dem Haupt-Reservoir au der Fuchs-
benger Chaussee auf einer Strecke von ca. 15:18 » glasirter Thon-
röhrcnlcitung von 0fiU"> lichter Weite mit 40— 15""» Wand-
stärke, welche im Frühjahr uud Sommer 1870 gelegt ist, ca.
150 Stück Köhren zersprungen.
Diese Thonrühreulcituug. einstweilen ohne Verband mit der
übrigen Leitung gelegt,
war, um das Einschwiiu-
meu von Uiireinigkciteu
zu verhüten, vorläufig auf
bei das Enden dicht ge-
schlossen. Gedichtet war,
wie die Skizze zeigt, in
folgender Weise: man leg-
te um das Kohrende ein
geflochtenes Uaufseil und
der übrige ca. 26°"" star-
ke und ca. 78»™ tiefe
Zwischenraum in den Muf-
fen wurde mit Zementmörtel gefüllt (englischer Zement von
Kulans * Oomp.}.
Jedes Rohrstück soll auf 2 Ziegelsteine gelegt sein, uud
ilie Oberkante dieser Strecke Kohrleitung liegt 1,8—2,5» tief
im starreu Lehmboden. Die erste Strecke derselben liegt hori-
zontal auf ca. 97:1» Länge, die zweite Strecke derselben auf
ca. 565« Länge steigt ca." 0,1*4™ .
Um statt dieser thönerueu Röhren eiscruc Röhren zu legen,
füllte diese Strecke in diesem Frühjahr aufgenommen werden,
wobei sich fand, dasB auf der ersten Strecke von ca. 1000 Stück
Köhren (ca. H7;i ™ ) zwar auch verschiedene Rohre lädirt waren;
auf der letzten Strecke war jedoch die Leitung auf eine Länge
von ca. 140» von einem Ende bis zum andern gesprungeu, uud
zwar 1 Längenriss oben, 1 da. unten und 1 do. an jeder Seite-
Der Längenriss oben in den Muffen war dicht, meistens nur als
feiner Riss bemerkbar, unmittelbar an den Muffen war der
Riss am Rohr meistens 6 — 12»», am Rohreudo nur
3_|jmm Hturk.
An vielen Stellen war eine Verschiebung der nach dem
Sprung entstandenen 4 Rohrstücke s^^^jrt^
darstellt Bei den Muffen war neben
den feinen Rissen auch meistens die
Glasur abgesprungen oder abge-
blättert. Ist das Zerspringen der
Rohrleitung schon bald nach dem
Legen erfolgt, so könnte diese Ver-
schiebung durch das Feststamp-
fen des wieder eingefüllten Bodens
herbeigeführt sein, wenn nicht der
Erddruck an sich dieselbe herbeige-
führt hat.
Nach Ansicht des Referenten könne eine solche Zerstörung
der Röhrenlcitung, wie hier gefunden, durch einen Erddruck von
1,8—2,5» nicht herbeigeführt sein, auch zeige die ganze Er-
scheinung, dass eine Kraft von Innen heraus diese ca. 140™ lange
Röhrenleitung zersprengt haben müsse. Beim Oeffnen dieser
an den Enden dient verschlossenen Rohrleitung sei dieselbe
vollständig mit Wasser gefüllt vorgefunden worden — das
Wasser müsse aus dem Erdreich durch Undichtigkeiten in den
Muffendichtungen eingedrungen sein (an vielen Stelluu fan-
det! sich Undichtigkeiten, und oft hatte der Zementmörtel mit
den inneren Wänden der Muffen sich nicht verbunden und konnten
gauze Zemeutringestücke herausgenommen werden). Ein Zer-
frieren der Thonröhreu in solcher Tiefe sei unmöglich, Wasser-
druck sei auch nicht vorhanden gewesen, auch auf ciue Gaa-
eutwickelung etc. sei nicht zu schliesaen: es bleibe also nur
übrig, unzuuehmeu, dass auf diese Strecke starker treibender
Zement als auf anderen Strecken verwandt sei und dieser Ze-
ment die Muffen und die Leitung zersprengt habe.
Hierüber entspann sich eine längere, lebhafte Diskussion
ohno zu einem Resultat zu führen. — Genauere Untersuchungen
und späteres Referat wurden zugesagt — H. —
Arhltekten -Verein zn Berlin- Versammlung am 13. April
1872; Vorsitzender Hr. Streckert, anwesend 127 Mitglieder
uud 7 Gäste.
Herr R. Nenmann hält einen Vortrag über den natür-
lichen Asphalt, in welchem ungefähr Folgendes gesagt wird:
Durch trockene Destillation des Steiukohlentheers wird
eiuo Reihe mehr oder weniger flüssiger Produkte gewonnen,
welche in der Technik und im gewöhnlichen Leben mannigfache
Verwendung finden.
Die Natur vollzieht den Destillationsprozess der Steinkohlen
langsamer, unter geringerer Hitze, aber in kolossalem Maasstabe
mit ganzen Steiukohlcnflötzeu, unter Einwirkung der Erdwärme,
wobei die flüchtigen Produkte sich in den darüber liegenden
Gebirgschichtungen vertheilen. Dies mag besonders da statt-
finden, wo Schichtungen der
Erdinnern näher kommen.
Lydda ist von dem
etwas abgelegen und
dass sie ein Kreuzfahrerbau gewesen und theilweis erhalten sei.
Für meine mir aufgetragenen Zwecke in Jerusalem konnte ihre
Kenntnis« aber von Werth sein und so scheute ich weder den
Umweg noch die einsame Strasse, denn
jetzigen Wege nach der heiligen Stadt etwas
wird von Europäern nur noch selten besucht.
Es war wieder ein schöner aber heisscr Ritt in glühender
Nachmittagssonne: der Schweis* rann in Strönieu am Körper
nieder, aber die Fülle von neuen Bildern uud die Gewissheit,
«lern Zielpunkte der Keisc immer näher zu kommen, verscheuchten
doch jede Mattigkeit. Anfangs hielten wir uns auf der breiten
halbchaussirten Strasse, welche durch Karawanen und Reiter
auffüllend belebt war. Das Land war abgeerntet (d. h. zum
zweiten Male im Jahre), nur hohe verdorrte Stengel von Baum-
wolle und Getreide stunden hier und da in dem braunen, durch
die Hitze tief geborstenen Boden. Riesige Kaktushecken heg-
ten die Gärten ein, in denen Palmen mit Zuckerrohrstauden
und herrlich grüneu Orangeubfiumen wechselten. Am Wege
lagen mehre Dörfer, wie Lehmfestungeu aussehend, mit schrägen
Wauden und platten Decken, fensterlos nach aussen, mit hohen
kegelförmig gekneteten Reisig- uud Misthaufen zur Seite, die
als Brennmaterial dienen und der Stolz jedes Besitzers sind,
weil au ihrer Grösse uud Höhe die Zahl des Viehstandes erkannt
wird. Niemals fehlt am Eingänge des Dorfes der etwas tief be-
legene Brunnen, von alten Feigenbäumen beschattet und auf
das malerischste belebt durch die wasserholenden verschleierten
Fellachiunen iu ihren dunkelblauen Heroden, Silbermünzen um
Stirn und Hals, uud Glasringe an den Armen, ich konnte meine
Beobachtungen um so ungestörter macheu, als ich meinem alten
geschwätzigen Mukari nur ab und zu durch Bir (Jawohl) und
Lah (Nein) in beliebiger Auswahl zu antworten brauchte,
meistens es aber vorziehen durfte, ein würdevolles Schweigen
zu behaupten. Von meinen Sprachen verstand er nichts und
seine heilige, schöne uud klangvolle Sprache war mir ein Buch
mit sieben Siegeln. Nichtsdestoweniger stockte die Unterhaltung
nur selten, denn er hatte sehr viel zu
Nach anderthalbstündigem scharfen Ritte bogen wir links
vom Wege ab, grade auf dos rosig beleuchtete, lang gestreckte
Gebirge los. Unser Marsch wurde durch Rinnsale und Erd-
spalten oft behindert; endlich kamen wir in alte Olivenwälder
uud erreichten zwischen kaktusumhegten Garten das festungs-
artig gebaute enggassige Städtchen. Kurz . vor meinem Ziel-
punkte überzeugten mich massenhaft zusammengeschleppte Kalk -
Steinquadern, dass ein grosser Neubau im Gange sei. Meine
Vermutbung war richtig. Dem griechischen Patriarchen war
es nach langjährigen Verhandlungen gelungen, die alte Ruine
zu erwerben uud der seit einem Jahre begonnene Neubau nähert
sich der Vollendung. Glücklicherweise waren die alten Theile
der II. Giorgios - Kirche — der Stamm- und Mutterkirche
oller St. Georgs-Kirchen, weil der in Nicomedien als Märtyrer
gestorbene Ritter Georg aus Lydda gebürtig war — theilweise
konservirt worden, so dass ich meine noth wendigen Notizen
machen und eine Skizze anfertigen konnte. Von schwatzhaften
Griechen und neugierigen Arabern umringt, hatte ich den
Sonnenuntergang nicht bemerkt Erst in tiefer Dunkelheit
wurde ich fertig. Glücklicherweise stand der Mond schon am Him-
mel, als wir zu Pferdo stiegen, und beleuchtete unseren holprigen
Pfad, der sich theils durch stachlichte Kaktushecken, theils
durch gespensterhaft [aussehende Olivenpflanzungen nach Ramleh
hinüberzog. Vor dem kastellartig düstern Franziskaner-Kloster
stiegen wir ab und zogen an der Glocke. Es dauerte eine
geraume Zeit bis das eisenbeschlagene Thor sich öffnete und wir
in den engen Hof einreiten konnten. Bald kam auch des Mukän
Sohn mit dem Packpforde. Ein bleicher, fieberkranker Frate
aus Bologna empfing mich freundlich, führte mich ins Gastzimmer
und erquickte mich mit gewohnter Uospitolität durch Speise
und Trank. Nach einem eingehenden Gespräch mit ihm und
einem älteren Mönche über den Krieg und Kaiser Wilhelm be-
gleiteten mich beide über den Hof in das enge hochgewölbte
Schlafzimmer, in welchem vier saubere mit Moskitonetzen ver-
hangene Betten standen. Vom Ritte und der Hitze todmüde
schlief ich sofort ein.
Digitized by Google
— 131 —
Als Produkte dieses Prozesses treten unter anderen auf das
Erdnl, das Erdwachs und da« Erdpech oder Bitumen. Oestcins-
mossen, in welche diese Produkte eingedrungen sind, und die
deshalb zur Ausscheidung derselben benutzt werden, hcissen
bituminös« Gesteine.
Die öligen bituminösen Stoffe nennt man Naphta, Bcrgöl. Erdiii,
Stciuöl, letzteres, welches an vielen Orten aus der Erde quillt oder
durch artesische Brunnen oder Pumpen gefördert wird, in seiner
hellsten Varietät Petroleum; die wachsartigen, welche bei gerin-
geren Wärmegraden erhärten, heissen Erdwachs, Goudron ; die
festeren, welche erst bei höheren Wärmegraden schmelzen,
Asphalt
Ueber die letzteren soll hier hauptsächlich gesprochen wer-
den. Sie haben schon im Alterthom Anwendung in der Technik
erfahren, wie ja auch die Schriften des Alten Testaments ihrer
bei Beschreibung babylonischer Bauten Erwähnung thun. Da*
älteste bekannte Vorkommen des Asphalt ist das im todten
Meere, 377'" unter dem Spiegel des Mittelmeeres. Von Zeit zu
Zeit erhebt sich vom Boden desselben eine Schicht Asphalt und
schwimmt auf der Oberflache. Es wird Judenpech genannt und
von Schmieden und Schlossern als Eisculack verwendet, wozu
es sich besonders gut eignet
Auch in Mexiko, Peru, Kanada, auf Kuba findet sich As-
phalt. Das merkwürdigste Vorkommen ist jedoch das auf der
Insel Trinidad ; hier befindet sich nicht nur ein See von Asphalt,
25" über dem Meeresspiegel, sondern es bestehen an der Küste
Riffe von Asphalt, von denen oinzelnc Blöcke losgelöst uniher-
schwimmeu und von den Wellen getrieben werden.
Dieser Asphalt enthält, in den Poren fest eingeschlossen,
Wasser bis zu SOpCt Beim Schmelzen verflüchtigt sich dies
Wasser und es bildet sich eine dichtere Masse, die aber nicht
so rein ist, wie der Asphalt vom todten Meere, denn sie enthalt
noch 30 pCt. erdige Stoffe, so dasg also 40pCt. der natürlichen
Masse wirklicher Asphalt sind.
Auch in Europa finden sich an vielen Stellen bituminöse
Produkte, dio aber weniger rein, meist mit Gestein vennengt
sind. So vor Allem ein vielverwcndetor Asphalt in den Gruben
des Val de Travers bei Neufchatel, schon den Römern bekannt,
in Seyssel, Departement Rhone, in der Auvcrgue, in Spanien,
Italien, Dalmaticn, im Elsass, in Hannover und in Braun-
schweig. —
Der Asphalt hat mehre so vorzügliche Eigenschaften, dass
er darin von keinem anderen Natur- oder Kuustprodukt über-
troffen oder selbst erreicht wird.
Er wird zunächst von Säuren ausserordentlich schwer an-
gegriffen und ist daher wetterbeständig; er ist fast gar nicht
porös; also gegen Flüssigkeiten undurchlässig, er besitzt grosse
Zähigkeit, wird, wenn er gut präparirt ist, erst bei hoher Tem-
peratur weich und widersteht der Zusammenziehung in der
Kälte bis zu einem gewissen Grade. Letztere Eigenschaften em-
pfehlen ihn zum Belag für Fussgängerwege, Trottoirs und für
Fahrstrassen.
Hierzu wird der Asphalt
Die Zubereitung des Strasscnbelags durch Stampfen beruht
auf einer neueren Behandlungsweisc des Asphalt, die vor Allem
in Paris Anwendung gefunden hat, auch in London und in Berlin
(in der Oberwallstrasse am Kronprinzlichen Palais).
Man ist durch die Beobachtung, dass die Räder der aus
Asphaltminen kommenden Wogen den herabgefallenen Asphalt
auf den Fahrwegen breit gedrückt und diese mit einem festen
elastischen Ueberzuge versehen hatten, zu der Anwendung auf
Strasseubelag durch Stampfen gekommen.
Ueber die Herstellung im Detail hat schon früher die
Deutsche Bauzeitung eine Abhandlung gebracht. Siehe Jahr-
gang 1868 pag. 5.
Der Asphalt vom Val de Travers eignet sich fast allein zu
gestampften Fahrbahnen.
Zur Herstellung des gegossenen Asphalts wird bituminöses
Gestein, asnhaltisches Gcbirgu verwendet, vorzüglich das von der
Insel Trinidad.
Es wird in Kesseln geschmolzen; das Wasser verdampft,
wobei die Erdmassen sich absetzen, die Thonmassen al>cr in der
Mischung bleiben. Der so gereinigte Asphalt wird mit Tbeer-
olen vermengt, um Goudron zu geben. Hiermit wird Asphalt-
Mastix hergestellt, indem man bituminöse Produkte mit Goudron
vermengt
Aus Asphalt -Mastix, Goudron und feinem gesiebten Kies
wird nun diejenige Masse durch Schmelzen und Umrühren ge-
bildet, mit welcher gemauerte oder gepflasterte Untcrlagsflächen
belegt werden.
Die geschmolzene Masse wird als Brei aufgetragen, ausge-
breitet, nach der Dicke einer Eiseuschiene, welche als Lehr«
dient, geebnet und mittels Sand mit Brettcheu abgerieben.
Hierzu ist fast jeder Asphalt anwendbar, daher die Anwendung
eine unbeschränktere, allgemeinere.
Der Vortragende führt nun an, dass sich Aktiengesellschaf-
ten gebildet haben, welche in den Städten Asphaltbahnen her-
stellen wollen; eine derselben, die sieh .Anglo- Germanische
Felsenhara-Pnasterungs-Gesullsckaft" getuuft und in deu Besitz
der Minen des Val de Travers gesetzt hat, will gestampfte As-
phalt-Strossen ausführen.
Als Vortheile derselben wird vorzugsweise der Wegfall des
Wageugerassels angeführt und dem Kinwande, dass diu Pferde
leicht ausgleiten, durch angestellte Beobachtungen begegnet,
wonach in London weit weniger Pferdo auf Asphalt, als auf Gra-
nitpflaster zum Stürzen gekommen sein sollen. Es bildet sieh
allerdings auf den Asphaltbahnen durch deu Schlick, welcher
aus Nehenstrassen durch Pferde und Wagen mitgeschleppt wird,
so wie durch deu Pferdedung ein glatter Ueberzug, der aber
durch Wasserspülung leicht zu beseitigen ist.
Auch im Winter soll der Erfahrung nach die Eiskruste sich
von der Oberfläche des Asphalts leicht ablesen und das Eis iu
denselben nicht eindringen.
Die Ausbesserung schadhafter Stellen ist bei dem gestampf-
ten Asphalt weit umständlicher als bei dem gegossenen; man
muss mit Meisscln an einer scharfen Kante entlang deu Asphalt
bis auf diu feste Unterlage entfernen und eine neue Einstumpfung
vornehmen.
Dem Asphalt ist die Ausströmung aus Gasröhren schädlich,
da die im Leuchtgase enthaltenen leichten Theeri.le auf ihn
erweichend einwirkeu, worauf bei Neuanlagen Rücksicht zu
nehmen ist.
Den Kostenpunkt betreffend, so verlangt die oben bezeich-
nete Gesellschaft für Herstellung gestampfter Asphalt - Fuhr-
bahnen pro L]Yard G Thlr. d. L pro fj» 7 Thlr. .'» t>gr.; für die
Unterhaltung in gutem Zustande in den ersten zwei .lahren
Um 5 Uhr weckte mich der Sil tierton des Klosterglöckchcns;
eine Viertelstunde später sass ich im Sattel, ein herzlicher
Dank und-Händedruck, welchen Bruder Giuliaoo demüthig entge-
gennahm, und ich trabte mit meinem alten MukAri in die er-
quickende Morgendämmerung hinein. Wohlbcwaffuet waren wir
beide, weniger um mit Räubern zu fechten, als uns der etwaigen
Zudringlichkeiten der türkischen Soldaten, welche in thurm-
artigen Wächterhäusem dio Strasse bewachen, zu erwehren.
Indessen passirte nichts. Der Weg war breit und gut, in zahl-
reichen Krümmungen thalauf, thalabwärts führerd. Nach 3\'i-
stüudigcm Reiten durch völlig menschenleere Distrikte trat ich
bei Bab-el-Waly in das Gebirge Ephraim ein.-
Nach einem kurzen Holte" an einer aus losen Blöcken zu-
sammen gewälzten Kaffeeschenko in der Nähe einer trüben
Zisterne ging es auf zahllosen Windungen zwischen den nack-
ten, sonnendurcbglühten Felsen aufwärts. Rings nichts als
Grabesstille, und Verödung. — Nur grosse schwane
Eidechsen huschten _ über den Weg, hier und da streckte
ein alter Oelbuum seine knorrigen Aeste über deu Abhang oder
verrietben niedrige von Lesesteinen gebildete Terrassen die
frühere bessere Bebauung des Gebirges. Rechts und links stiegen
100 — 200» hohe, horizontal geschichtete Kalksteinfelsen in
die Höhe, nur selten war rückwärts ein Ausblick in die
Ebene gestattet Ein großartiges Felsenlabyrinth begleitete
mich dauernd. In heisser Vonnittagsstunde erreichte ich das oasen-
artige Abu-Goscb, ein liebliches Thal mit einem von Thürmen
vertheidigten Gartendorfe. Hier fesselte und beschäftigte mich
die wohlcrboltene, aus schönen Quadern erbaute altgothische
Kirche mehre Stunden lang, obschon ich sie aus de Vogües
Publikation näher kannte. Es ist eine druischiffigu gewölbte Pfeiler-
basilika in streng reduzirter Behandlung, die an schwerfällige
Baukunst des Ueoergangsatils, wie zu Memlebcn, Riddagshausen,
St Sebaldua u. a. erinnert. Während ich zeichnete schlief mein
Mukiri, quer über die Chaussee gelegt, den Schlaf des
i und liess die Pferde weiden, wo es ihnen beliebte,
r Abu -Gösch stieg die Strasse abermals iu zahllosen
Serpentinen stark in die Höhe und zeigte stets dieselben Bilder.
Immer dio gleiche gelbgraue F'ärbung der horizontalen Kalk-
bänke, immer dio gleiche unheimliche Stille, immer dasselbe
Bild einer todesartigen Erstarrung. Unwillkürlich bemächtigte
sich der Seele eine stille Trauer, die zu den geschichtlichen
Erinnerungen, die diese Bergpfade und Felseinöden umschweben,
vollständig passt. Ich war dem Schicksal dankbar, diese denk-
würdige Strasse allein und ungestört reiten zu kennen.
In älterer Zeit muss der Marsch zwischen Jaffa und Jeru-
salem noch viel beschwerlicher gewesen sein, wenn man die
alten steilen Strassenzüge mit den gowuudeuen Linien des neuen
Weges vergleicht. Nach einem abermaligen Halte von einer
Stunde in Kulonieh während der grössten Mittagshitze brach ich
frühzeitig auf, um die letzteu Bergketten des öden Gebirges zu
überschreiten. Ich strebte bei guter Stunde anzukommen. Tags
vorher hatte ich von Jaffa aus telegraphirt und dem Hausvater
des Johanniter -Hospizes, Herrn G., meiue Ankunft, gemeldet.
In Folge dieser Anmeldung wurde mir die Ehre zu _The.il, dass
drei der Herren des Konsulats und des Hospizes mir über eine
Stunde weit mit ihren Kawassen entgegengerittrn kamen und ich,
da noch andere Herreu unterwegs sich anschlössen, von einer
förmlichen Kavalkade begleitet, nach Jerusalem ziehen musste.
Ich hätte diese Ehre gern entbehrt, denn sin hatte mich
in dem Augenblicke da die Ringmauern d.-r heiligen Stodt auf-
tauchen sollten und meine Gedanken ihre
eigenen Wege ge-
gangen waren, getroffen. Was halfs? Aus meiner Pilgerstim-
mung war ich heraus und der Empfang war so liebenswürdig
und entgegenkommend, dass es mir unmöglich gewesen wärp,
auch nur die kleinste Verstimmung zu zeigen. So erreichte ich
denn unter lebhaften Gesprächen Nachmittags 4 Uhr das thurm-
bewehrtn Jaffa-Thor mit der dankbaren Empfindung, den lang
erstrebten Zielpunkt meiner Reise glücklich und gesund erreicht
zu haben. Alles weitere befahl ich, wie bisher,
des Himmels.
Digitized by Gc
keine Entschädigung, in den folgenden fünfzehn Jahren aber pro I
□ Yard ca. 15 Sgr-, d. L pro Q- 18 Sgr.
Wie hoch sich diesen bedeutenden Kosten gegenüber die
Kosten gegossener Fahrbahnen in Strassen belaufen, kann der
Vortragende zur Zeit nicht anaeben und bittet um betreffende
Mittheüungen, welcher Bitte sich die Redaktion dieser Zeitung an-
schlicsst, um sie als Ergfiiuung zu diesen Mittheilungen zu ver-
öffentlichen.
Gegenüber den vorzüglichen Erfolgen in der Anwendung
des natürlichen Asphalts nahen bisher die Versuche mit ver-
wandten Kunstprodukten . namentlich den aus Steinkohlentheer
gewonnenen, zu keinem günstigen Resultat geführt, ha darf je-
doch die Hoffnung nicht aufgegeben werden, data wie in vielen
anderen Fullen, so auch hier die Naturwissenschaft Mittel und
Wege an die Hand geben wird, des widerstrebenden Materials
Herr zu werden. —
Hierauf folgt noch eine kurze Besprechung über eine auf
Einladung des Sächsischen Ingenieur- und Architekten -Vereins
zu veranstaltende mehrtägige Exkursion nach Dresden.
Es soll hierüber nach einer zu erwartenden Vorlage der
Exkursions -Kommission in der nächsten Sitzung Beschluss ge-
fasst werden.
S.
An die Architekten NorddeutsohJands erlaubt sich das
unterzeichnete, auf Anregung der Königl. Landes -Kommission
für die Wiener Welt-Ausstellung gebildete Spezial-Komite nach-
folgendes ergebenste Ersuchen zu richten.
Auf der Wiener Welt-Ausstellung soll dem Programm ge-
mäss in Gruppe 21 „die nationale Haus-Industrie" ver-
treten sein.
Als zu derselben gehörig werden alle diejenigen gewerb-
lichen Arbeiten angesehen welche unberührt von dem Strom
der jeweilig herrschenden Mode althergebrachte Kunstformen
für bestimmte, eugbegräuzte Kreise der Bevölkerung noch jetzt
bewnhren und wiederholen. Vornehmlich werden es bäuerliche
Töpferarbeiten, Stickereien, Webereien und Schnitzereien, sowie
Schmuckgegenstände mancher Art sein, auf welche zu achten
wäre.
Die im Programm gewählte Bezeichnung „Haus-Industrie"
ist v5llig zutreffend nur für halbzivilisirte Länder, in welchen
derartige theils sclbstständig erfundene, thcils aus alten, häufig
nicht mehr nachweisbaren Traditionen herrührende Muster in
dem Hause und zugleich für das Uaus angefertigt werden.
Innerhalb Deutschlands werden die gemeinten Arbeiten fast
ausschliesslich gewerbsmässig von kleineu bäuerlichen oder
städtischen Handwerkern hergestellt; gelegentlich haben sich
sogar bereits Fabriken der betreffenden Muster bemächtigt, um
dem traditionellen Geschmack eines bestimmten Kreises zu ent-
sprechen.
Diejenige naus-Industrie, welche, wie die sächsische Spitzen-
klöpplerei oder die Berchtesgadener Holzschnitzerei, zwar im
Hause, aber nach grossstädtischen Mustern und für den Weit-
zel betrieben wird, bleibt ganz ausgeschlossen.
Es handelt sich bei der angestrebten Sammlung auch nicht
um das ethnographische Interesse, welches bestimmte Volks-
trachten und Geräthc erwecken. Der einzig maassgebende
Gesichtspunkt soll der sein, dass die betreffenden Gegenstände
künstlerische Eigenschaften haben, die ihnen nicht
durch die modernen Geschmacksströmungen oder durch einzelne
gebildete Künstler gegeben, sondern traditionell aus früheren
Zeiten erhalten sind.
Der künstlerische Werth solcher bäuerlichen Produkte,
wie z. B. der buntbemalten Töpfe, pflegt gewöhnlich nicht der
Art zu sein, dass er dem au moderne Eleganz gewöhnten Auge
sofort auffiele; gewöhnlich stehen auch diese Arbeiten in Erfin-
dung uud Ausfuhrung auf einer sehr niedrigen Stufe. Aber das
Weuigc, was in ihnen von künstlerischer Bildung in Form,
Farbe und Zeichnung noch erhalten ist, pflegt der Rest einer
alten, wohlbegründcten und in ihren Motiven gesunden Kunst
zu ' sein, die sich an abgelegenen Orten trotz aller Maschinen
noch nicht hat ausrotten lassen.
So finden wir in dem bunten Bauerngeschirr den Rest
jener Malerei mit Glasurfarben, die in Deutschland während
des IG. Jahrhunderts in höchster Blüthe stand und nach fast
völligem Erlöschen uns jetzt aus England und Frankreich wie-
der zugeführt wird.
Bei der besonderen Wichtigkeit, die gerade im Kunsthand-
werk der Tradition beizulegen ist, muss uns das Auffinden
solcher, noch versteckt bei uns fortlebenden Kunstübungen,
selbst in halb verwahrloster Form, von zweifachem Wcrthe sein.
Erstens sind immer uoch hier und da brauchbare alte Motive
erhalten: manche bäuerliche Arbeiten haben anderweit längst
vergessene gute Muster des Mittelalters bewahrt; zweitens aber
lässt sich die vorhandene industrielle Geschicklichkeit und
Technik durch Zuführung künstlerischen Materials weiter aus-
bilden, wie dies z. H. durch Castellani mit der italienischen
Goldschmiedekunst geschehen ist.
Ein sorgfältiges Aufsuchen derartiger nationaler Kunst-
übungen ist daher durchaus zu wünschen.
Ausser der bereits mehrfach erwähnten Töpferei, welche am
meisten Material liefern möchte, ist in Norddeutschland auch
wohl noch auf gewisse Webemustcr (wie in Tabarz bei Gotha,
in Schlesien u. s. w.) und auf etwas ländliche Stickerei , beson-
ders in Mecklenburg sowie in den östlichen und nordwestlichen
Provinzen, zu rechnen; ausserdem in letzteren wohl auch noch
auf Holzschnitzerei.
Ferner möchten eigentümlicher Silberschmuck, Kopfhauben
u. s. w. noch Ausbeute geben; auch auf Zierrathen am Pferde-
geschirr, uuf bemalte Laden und Aehnlichcs, sowie auf Zinn-
uud Messinggeschirr wäre zu achten.
Durch diese Aufzählung soll die Zahl der Gattungen keines-
beschränkt werden; im Gegentheil wird der Nachweis noch
anderer Gebiete besonders erwünscht sein.
Es handelt sich jetzt für die Kommission in erster Reibe
darum, sobald als möglich nähere Notizen über das Vor-
kommen solcher Gegenstände aus allen T heilen Norddeutschlands
zu erhalten, und es ergeht deshalb hierdurch an Sie die ergebene
Bitte, das gemeinnützige Unternehmen durch Ihre Bekanntschaft
mit derartigen Erzeugnissen aus Ihrer näheren oder ferneren
Umgebung nach Kräften zu unterstützen, indem Sic die Güte
haben, uns unter der Adresse: »C. Grunow, Direktor des
Deutsehen Gewerbe-Museums, Stallstrasse 7, Berlin" direkte und
möglichst genaue Notizen in nächster Zeit einzusenden, uud
uns ferner Männer Ihrer Bekanntschaft bezeichnen, von denen
weitere Notizen zu erwarten wären, damit das Koniite sich auch
mit diesen, soweit es noch nicht geschehen sein sollte, in Ver-
bindung setzen kann.
Berlin, im April 1872.
Das Spezial-Komite für die G ruppen 21 — 24 der
Wiener Welt- Ausstellung 1873: Fr. Adler. Profei
' II'. I " ' II - ilUBBICUUUi; 1U I U. AI. i\ U I <" I , & 1 »fH-I.^.i|
und Baurath. M. Gropius, Professor, Direktor der kgl. Kunst-
schule. G Grunow, Direktor des deutschen Gewerbe-Museums.
Dr. Jul. Lessing, Dozent an der königl. Gewerbe-Akademie.
Ravenc, Geh. Kommcrzien-Rath. Reuleaux, Geh. Reg -Rath,
Direktor der kgl. Gewerbe-Akademie.
Der Beginn der erneuten Streitigkeiten zwischen den
Arbeitgebern und Arbeitnehmern den Berliner Baugewerbs
ist bereits am 6. April auf der Baustelle des Siegcsdenkmals
erfolgt, wo die mit einem Tagelohne von J»/n bis 1'/« Thlr be-
schäftigten Zimmergesellen die Arbeit eingestellt haben, um
sich das Recht Mtägiger Kündigung zu sichern. Der Versuch,
den von diesem Strike betroffenen Zimmermeister seitens seiner
Kollegen zu unterstützen, ist missglückt, da die von diesen ge-
schickten Arbeiter die Baustelle ebenfalls sehr bald verlasseu
haben. Der Bund der Zimmermeister hat in Folge dessen eine
Bekanntmachung publizirt, in welcher er erklärt, dass Sonn-
abend den 20. April sämmtlicbc Zimmergesellen entlassen wer-
den sollen, falls bis zum 17. April die partiellen Strikes nicht
Preussen.
Ernannt: Der Baumeister Küntzel zn Inowraelaw zum
Kreisbaumeister daselbst Der Bau -Inspektor und Hülfsarbeiter
in der Miuisterial -Abtheilung für das Bauwesen Voiges zum
Ober -Bau -Inspektor beim Regierung* -Kollegium zu Frankfurt.
Dem Bau-Inspektor Uauptucr zu Münster ist der Charakter
als Baurath verliehen worden.
Sachsen.
Ernannt: Der Sektinns - Ingenieur Lasch zum Betriebe-
Ingenieur in Ronneburg. Der Sektious - Ingenieur v. Schoen-
berg zum Betriebs -Ingenieur in Geithain.
Versetzt: Der Betriebs -Ingenieur Claus in die Ingenieur -
Abtheilung II. nach Chemnitz.
Gestorben: Der Betriebs-Ingenieur Fritzschein Ronneburg.
Brief- und Fragekasten.
Hrn. C. in Bochheim. Die »Poren -Ventilation*, unter
diesem Namen bekanntlich das Geheim niss ihres Erfinders, der
noch jüngst beim Preussischen Abgcordnetenhauae gegen dio
Schädigung seiner Interessen durch kritische Besprechung ver-
geblich Klage geführt hat, bezweckt wie die meisten neueren
Veutilations - Systeme in erster Linie die Zuführung frischer
Luft. Es geht hieraus wohl hervor, dass sie für Ventilation
grosser Schmiedewerkstätten, wo es umgekehrt vor allen Dingen
auf die Abführung des Rauches und der verdorbenen Luft an-
kommt, eine besondere Bedeutung nicht haben kann. Wo sie
Details über ausgeführte Ventilations-Anlagen für solche Werk-
stätten veröffentlicht fiuden, sind wir leider nicht in der Lage,
Ihnen mittheilen zu können.
Hrn. Th. Link i. Lyck. Ausser Stande, Ihre Anfragen
beantworten zu können, veröffentlichen wir dieselben hiermit:
1) Ist der augenblickliche Aufenthalt des Amerikaners
Brainard (Erfinder eines Bierkellerei -Systems) bekannt und
wo ist derselbe? Eventuell
2) Ist sein Svstem einem deutschen Techniker aus eigener
Erfahrung bekannt und wer liefert Bauzeichnungen für dasselbe.
Beiträge mit Dank erhalten von Hrn. O. in Königsberg.
; too Carl lu.hu In Btilln.
t»»ek vo. (i.btud.r Kiek. it In
Digitized by Google
Jahrg. TL JK 17
DEUTSCHE BAUZEITUNG
Organ des Verbandes „, «. IZLTl.**.*
Beitilli»!« Iii 1 1 *! 1 J IX • TT • tol«U»n« talM A.taaknir
"".-Ti'^r:^ deutsclier Architekten - und Ingeiueur-Yereme. ^JS? 1
r« toi. to t*««, Eedakteur K. E. 0. Fritteh. """"""HL!* *
Preis 1 Tkaler pro Quartal.
Berlin, den 25. April 1872.
Ersc hebt jeden BtiuersU«.
Inhalt XVI, Vrr.aiiiiiiittus .1. ..)„■ Iut Anliil.ll.» uml logtiiiiure in Karl>-
ruke vom JJ. bi« JJ. September IM3. — Dampf- MrM»«»>li« loa Avollin und
Porter in Korhealer. - IMln« iw V«rb«Mr»n« der OilerarhlllaJirl. — Da» neue
(ierlrhla Aiul.f.l.iimlj an Johann -GeoTKeiialadt. — kl 1 llh.l 1 unican ana Ver-
• inen: A rehiteklea - und Ingenieur -Venia iu Hanno>-r - AreJiltekun-Vtrelu
•■ Berlin. - Vtrulirbtti: Die lUiniituiiit und EnlwÄwruii« rVrllii«. — Znr
\Ytl;au»»l. Ilunj in Wien. Arlii
Au.ieHliuun« KiMtirh Stlimidt».
mtiuiirarntalru Sual«h«iiieu lietUn
Heleb.Utie». - Gebinde da r'iai
riebt.» (M,
lUiiluieiluntt im Ik-il.u.i /.lu.uirrj. »,iku.
- Anblellune. eine» U.bir.lehU|.Un«-l für .He
• — Kiinkurriilnoli: Hau. d.« dMlUrlien
kfuiter Baaik-V.reln.. — l'.r.o n*l - N 11 1 -
XVI. YerMMMling deutscher Architekt» und Ingenieure ta Karlsruhe, 23. bi* 25. Septeaher 1872.
Nachdem die Hindernisse fortgefallen bind, welche sich in den zwei vergangenen Jahren dem Abhalten der XVI.
Versammlung deutscher Architekten und Ingenieure entgegen stellten, hat das Lokal-Komite zu derselben den 23., 24. und
25. September d. J. gewählt. Wir luden somit die Facbgenossen freundlich und ergebenst ein, sich an der Versammlung
zahlreich zu betheiligen , und hoffen, dass dieselbe im Segen des theucr erruttgeuen Friedens einen glücklichen Verlauf
nehmen wird.
Zwar bietet Karlsruhe keine hervorragenden Sehenswürdigkeiten; was aber die Gastfreundschaft vermag, um den
geselligen und wissenschaftlichen Verkehr zu fördern, was die Umgegend an interessanten Naturschöubeitcu enthält, «las
werdet, wir durch unsere Anordnungen zu erreichen sueheu. Es sollen wahrend der genannten Tage Ausflüge nach Baden
und Maxau, nach Schluss der Versammlung solche nach Mannheim, Heidelberg und Strassburg unternommen werden, wozu
die Verwaltung der badischen Staatababueu freie Extrazüge bewilligt hat.
Während der Versammlung wird eine Ausstellung von Zeichnungen und Modellen aus dem Gebiet« der Archi-
tektur und des Ingenieurwesens, sowie von Baumaterialien und dergl. Statt finden. Es ist wünschenswert!!, dass die hierfür
bestimmten Gegenstände unter Angabe des benöthigten Raumes frühzeitig angemeldet werden und bis zum 8. Septbr. hier
eintreffen. Daran knüpfen wir das Ersuchen au diejenigen Hemm, welche durch Vorträge oder aufzustellende Fragen mit-
wirken wollen, solche bis zum 1. Juli anzumelden, damit gemäss einem auf der letzten Versammlung ausgedrückten
Wunsche diese Themata zeitig bekannt gemacht werden können.
Das Lokal-Komite darf hoffen, dass ausser den Gasthöfen auch eine grössere Zahl von Privat -Zimmern theils
unentgeltlich, theils um einen bestimmten Preis angeboten werden kanu. Bestellungen anf Logis, welche bis zum 8. Sep-
tember hier eintreffen und die Zahl der Personen, sowie etwaige besondere Wünsche angeben, sollen soweit möglich ver-
mittelt und die Besteller davon benachrichtigt werden. Auf die Erfüllung später eingebrachter Begehren kann mit Sicher-
heit nicht gerechnet werden.
Der Beitrag für die Thcilnahme an der Versammlung ist, abgesehen von den Exkursionen, auf 4 Thlr. oder
7 Gulden festgesetzt
Alle Zusendungen geschehen unter der Adresse: Lokal-Komite der XVI. Versammlung deutscher Architekten und
uieurc zu Karlsruhe, im Polytechnikum.
Das spezielle Programm wird im Juli durch die deutsche Bauzeitung veröffentlicht werden.
Karlsruhe, April 1872.
Für das Lokal-Komite:
Baumeister. Dürrn.
Dunpf-Strissei -Walxe
von Avcling & Portor in Rochester.
Hierin Abbildungen «uf Seil« 137.
Die vor mehren Jahren von Aveling & Porter erfun- berechnen diese durch die längere Dauer der Strassen er-
denen Dampf-Strassen-Walzen haben sich sehr gut bewährt zielte Ersparniss auf 2<>— iO%.
und sind in England, Amerika und Frankreich allgemein Eine 1,86" ((>' engl.) breite Dampfwalze, welche ca.
in Aufnahme gekommen; besonders in ersteren beiden Län- 300 Zentner wiegt, bearbeitet innerhalb lo Arbeitsstunden
dem haben fast alle grösseren Städte eine solche angeschafft fast 2lKK> l _f u und belaufen sich die Betriebskosten derselben
und es liegt eine Menge von Zeugnissen vor, die sich summt- i während dieser Zeit an Arbeitslöhnen und Kohlen auf ca.
lieh sehr befriedigend darüber aussprechen. I CV» Thaler, so dass 100O" etwa II) Sgr. zu walzen kosten.
Die bisher in Gebrauch stehenden Pferde-Walzen haben I Wird eine solche Walze zeitweilig zum Walzen der Strassen
einerseits den Nachtheil, dass schwerlich mehr als G Pferde | nicht gebraucht, sj lässt sie sich mit ebenso grossem Vor-
im erforderlichen Takt daran ziehen können, wodurch natür- \ theil als stationaire Dampfmaschine verwenden und kann
lieh die Schwere der Walze und ihr Wirkungsgrad l>eschränkt zum Betrieb von Steinbrech- oder anderen Hülfsmaschiueu
wird, andererseits eignen sie sich nicht zum Bane makada- zum Strassenltau dienen.
misirter Strassen, da die Pferde die zu walzende, vorher Die ganze Kollfläche einer Dampf - Strassen - Walze
geebnete Fläche beschädigen, noch ehe die Walze zur Wir- vertheilt sich auf 4 gleich grosse Gusseisen- Walzen; 2 der-
kung kommt; ferner ist ihr Umlenken oder Umspannen um- seilten (.4 A) liegen im vorderen Theil zu beiden Seiten, wäh-
st&mllicli und zeitraubend und stört ausserdem den Strassen- rend die anderen beiden (VC) sich unmittelbar neben einan-
verkehr. Diese Uebelstände werden durch die Dampf-Stras- der im hintereu Rahmen der Maschine befinden. Erstere
sen-Walze vermieden, deren Betriebskosten bei ungleich Walzen sitzen lose auf der Welle B und werden durch die
grösserer Leistung billiger zu stehen kommen, als bei einer lösbaren Keile JJ mit einer auf B festsitzenden Scheibe und
entsprechend grosseu Pferdewalze. Die Praxis hat auch be- dem Kettenrad A" verbunden. Zwischen den VorderwaLteu
reits erwiesen , dass die mit der Dampfwalze bearbeiteten befindet sich der Dampfkessel und auf demselben sitzt der
Strassen bedeutend widerstandsfähiger sind nnd viel länger Dampf- Z> linder E, dessen Dampfmantcl als Eiutiittsrohr
halten, und verschiedene Gutachten von kompetenter Seite I dient. Die Bewegung der Schwungrad -Welle wird durch 2
Digitized by Gc
— 134 —
Herr Kegierungs- unil Baurath a. D. Kessel hat in einer
verdienstvollen Schrift ,die Sdiiffbnrmachung der Oder* (Oppeln
Iteisewitz'sche Buchhandlung 1872) nach einer treffenden Schil-
derung der mangelhaften Beschaffenheit dieser Wasserstrasse
die Aussichtslosigkeit nachgewiesen, durch blosse Rcgulinmg
und Einschränkung des Heltes solche Fahrtiefe zu erzeugen,
dass sich ein mit dem Eisenbahnbetriebe koukurrenzffihiger
Scliiffalirtsbetrieb ausbilden kann, und hat empfohlen, den
Strom wie die Saar und Maas zu kanalisircn, das heisst in
trockenen Jahreszeiten sein Wasser mittels beweglicher Wehre
bis zu einer Fahrtiefe VM lfi m aufzustauen und zum Er-
steigen der Wasserstufen Kammcrsehleuseu in durchschnittlich
1320» langen, durch das Flussthul zu prallenden Kanälen an-
zulegen. Zu dem Zweck sollen auf der Strecke Oderberg-
Rrcslau 50, und auf der Strecke Brcslau-Küstrin III Nadclwchre
nebst Schleusen mit einem Aufwände von 10',i Millionen Thlr.
erbaut werden. Die jährliche!» Austaben für die Kaualisiruug
einschließlich der Verzinsung des Anlagekapitals schlaft Herr
Kessel auf 74 '2(K> Thlr. an und zeigt zugleich, dass bei dem an-
zunehmenden Schiffahrtsverkehr von 25 Millionen Zentner pro
Meile eine Schiffahrtsabgnbe von 0,15 Pfennige pro Zentuernieile
genügen würde, um diese jährlichen Ausglitten zu decken. Auch
berechnet Herr Kessel, dass nach Herstellung einer m-rmanenten
Fahrtiefe von mindestens 1,6'" die gewöhnliche und diu Dampf-
sehleppschiffahrt bei einem Frachtsatz von 0.5 Pfennige pro
Zentnenneile nicht blos jene Alwabe tragen, sondern auch noch
ihre Anlage- und Betriebskapitalien mit 2-1*.« bis 31 »/••/»• ver-
Zinsen konnten, während auf eine erhebliche Ermässigung der
jetzt durchschnittlich 1,8 Pfennige pro Zentuernieile betragenden
Kiscnbuhufracht nicht mehr zu rechnen sei.
Obgleich manche Voraussetzungen in dieser Schrift, und
namentlich solche Annahmen, auf welche die finanziellen Be-
rechnungen gegründet sind, bedenklich erscheinen, so ergiebt
sich doch selbst bei den denkbar ungünstigsten Voraussetzungen,
dass der Schiffahitsverkchr im kanalisirten Oderstrome bei "der
Hälfte der jetzigen Kiscnbahnfrachtsätzc noch reiche Erträge ab-
werfen uncl eine Abgabe zur Verzinsung der Baukosten und
zur Unterhaltung der Werke tragen konnte. Noch viel günsli-
ger würde sieh aber die Sache gestalten, wenn man statt der
Kamnterscldeuse» in gegrabenen Kanälen unmittelbar neben den
Wehren im Flussbette Stromschnellen oder sogenannte Schiffs-
durchlässe uulegeu wollte.
Giebt man solchen Durchlässen '/„„ Gefälle; 5.8 »Sohlen-
breite und einfache Anlagen, dann wird nach den neuen Unter-
suchungen des Herrn Obcrlandesbaudircktor Hagen (dritte Auf-
lage seines Handbuches der Wasserbaukunst II. Seite 313) die
mittlere Geschwindigkeit bei 1,7 -»Tiefe *'
V V « (
Ii für
FiiKsmaass = 5,14, also für Metcrmaass = 2,88;
q .,.».
1.7
5,»-r-a.2,4;
a = >;,„A = I» in der Sekunde oder 3,6 Kilometer in der
Stunde lietrngen. Wird für die Thulfuhrt eine Tiefe von 1,7™
angei meu, dann geniigen für die Bergfahrt 0,'.»"' Fahrtiefe.
Denn kaum der zehnte I heil der ganzen Giiterbewegung würde
stromaufwärts gerichtet sein. Bei einer Tiefe von 0.9™ aber
würde die mittlere Geschwindigkeit in den Durchlässen nur
0,77'» pr. Sekunde oder 3,77 Ku ' in der Stunde betragen. Solche uud
sogar noch stärkere Strömungen komme» in der Oder, nament-
lich in der Umfahrt (Winske) bei tippeln, jetzt schon vor uud
»erden in engen Krümmungen Helten sehr unvollkommenen Lein-
pfaden von den Kähnen mit doppelter Bemannung ohne anderen
Vorspann itassiit. indem sich die Mannschaften \oii 2 Kähnen
zusammeutnun. Deshalb kann es keinem Zweifel unterliegen,
dass wenig gekrümmte Schiffsdutchliisse der angedeuteten Art
mit guten Leinpfaden zur Seite nicht einmal gewöhnlichen Fahr-
zeugen, geschweige denn der Dauipfschleppschiffuhrt auf der
Bergfahrt erhebliche Hindernisse bereiten würden. Und noch
weniger würden Unfälle heikler Thalfahrt zu befürchten sein,
wenn in den Durchlässen zu beiden Seilen I.eitbalken an ein-
gerammten Pfählen so bcfos'igt würden, das» deren vorstehende
Köpfe als Handhaben zur Zügelung der Geschwindigkeit benutzt
werden könne». Es kommt also nur darauf an, zu untersuchen,
Stirnräder anf die Arbcits-Welle G ültertragen, welche eben-
falls ein Kettenrad trägt; letzteres treibt durch eine starke
Kette auch das Kettenrad X der Vorderwelle B und erzeugt
so die fortschreitende Bewegung der Maselline. Die Welle
G ist vermöge einer einfachen Vorrichtung verstellbar, um
so die Möglichkeit zu haben, die Ketteiispannung regulären
zu können; die Kette selbst läuft in einer äusseren Umhül-
lung (A").
Das Schwungrad F ist zugleich als Riemenscheibe aus-
geführt und dient bei stutinnairorn Betrieb der Maschine
zum Abtrieb. Das Bremsen erfolgt vom Handrad P aus
durch die Breinsschoibe M, welche mit einer der Vorder-
walzcn verbunden ist. Zur Steuerung der Maschine dient
der bewegliche Kähmen I). der die beiden mittleren Walzen
C V trägt, welche derartig auf Friktionswellen ansbalanzirt
werden/ dass die Möglichkeit geboten ist, auch konvexe |
Strass?noberfl5chen zn walzen; die Steuerung Belbst wird
mittels des Handrades 0 durch Ketten und ein Schrauben-
radvorgelege bewirkt. Mittels dieser Einrichtung ist mau
im Stande die Maschine innerhalb eines Hauines zu drehen,
der wenig grösser als ihre eigene Länge ist; ja, man kann
sie nöthigeiifalls inmitten ihrer eigenen Länge drehen durch
einfaches Herausnehmen eines der Keile '/'.
Die Maschine kann ebenso gut rückwärts wie vorwärts
walztn und braucht nicht umgedreht zu werden.
Das ganze Gewicht ist so vertheilt, dass alle Walzen
gleichmässig belastet sind; za ihrer Herstellung ist nur das
beste Material verwendet.
Weitere Auskunft ertheilen die deutschen Vertreter der
Hrn. Aveling & Porter, Jacob k. Becker in Leipzig, Plauen-
Platz 0.
der Oder zur
der Durchlasse
ob die
genügt.
Einfache Durchlässe von den angedeuteten Abmessungen
verbrachen in der Stunde bei L7 Meter Tiefe 45 900 Kubik-
meter, bei 0,9 Meter Tiefe 1(1715 Kubikmeter Wasser. Werden
solche Durchlässe 8 Stunden 1,7 Meter tief und die übrige
Tageszeit nur O.ü Meter tief gefüllt, dann verbrauchen sie in
24 Stunden 634 464 Kubikmeter Wasser. Hierzu genügt eine
durchschnittliche Wassemienge von 7,34 Kubikmeter in der Se-
kunde, während bei Kosel die geringste Wassemienge schon auf
7 Kubikmeter geschätzt wird. Die Beschränkung der Fahrzeit
fiir die befatdeaen Kähne auf 8 Stunden wird nicht unzulässig
erscheinen, wenn die Durchlässe nicht gleichzeitig, sondern
hintereinander in solchen Zwischenräumen tiefer gefüllt werden,
welche durchschnittlich zum Pussiren der Zwischeustrcckcn
erforderlich sind. Die r'ahrtiefee. der Durchlässe aber köuneu
durch Einschränkung oder Erweiterung ihrer oberen trichterftir-
gen Mündungen beliebig geregelt werden.
Wo grössere Wassermengen zur Verfügung stehen, können
nach folgendem Profil Durchlässe für die Berg- uud Thalfahrt
neben einander angelegt werden, lu diesen Doppeldurchlässen
erhöhen sich wegen des verhältnissmässig geringeren benetzten
7.1.
Umfanges die mittleren Geschwindigkeiten auf 1,048™ uud be-
ziehungsweise 0,81s" 1 in der Sekunde. Zur Speisung derselben
sind nro Sekunde I8,2kh» erforderlich , welche Wassermenge
der Sin im von Breslau abwärts jederzeit enthält. Man kann
diese Dop|teldurchlä»se alter auch schon weiter aufwärts bei
einer Kernigeren Wassermenge, auweudeu, wenn man sie in den
für jeden Schiffahrtsbetrieb nöthigen Ruhestunden schliesst und
in den oberen Strecken das Wasser aufsammelt. In 15 Stunden
verbraucht eiu Dopncldurrhlass 982800 kb">. Eine solche An-
lage ist also schon dort möglich, wo der Strom 1 1,38 kb™ Wasser
pro Sekunde liefert, also etwa von Oppelu abwärts. Der 1,0»
aufgestaute Wasserspiegel oberhalb Oppeln würde durchschnitt-
lich 110™ breit sein. Es würde also ein Aufstau von 0,3™ auf
etwa 11 Kilometer Länge, oder nach den Fessel'schen Vorschlä-
gen iu 3 Stromabtliciluügcu geuügeu, um die in 9 Nachtstunden
zufliessenden 369 000 kb™ Wasser aufzunehmen.
Folgt man den Vorschlägen des Herrn Fessel hinsichtlich
der Zahl und Höhe der Stauwerke, dann ergiebt sich nach dem
Vorhergehenden, dass
1) zwischen Kosel und Oppeln 11 einfache Durchlässe mit
Vorrichtungen zur Reguliruug des Wasserstandes -
sein würden, von denen die drei letzten nächst 0|
mit Abschlussthoren versehen sein müssten; ferne», »»■
2) zwischen Oppeln und Breslau 23 Doppeldurchläsao mit
Thoren; uud dass
3) zwischen Breslau und Küstrin C4 Doppcldurchlässe ohuc
Thore erbaut werden müssten.
Sänimtliche Durchlässe würden durchschnittlich 1,26™ Niveau-
differenz zu vermitteln haben. Ohne Rücksicht auf die zu-
lässigen Abkürzungen beider Enden wird hier angenommen,
dass die Durchlässe je 1260™ lang werden müssen und dass
dieselben zum Theil in ein Stromufer eingegraben und vom
Flussbette durch Dämme geschieden werden. Die Dämme wür-
den 1,5™ in der Krone breit, mit einfachen Aulagen, bis 0,3«
Höhe über dem Wasserspiegel wie gewöhnliche Buhnen aus
Steinschüttiingen oder Packwerk zu erbauen sein. Die Böschun-
gen müssten mit Steinen gepflastert, die Sohlen müssten an den
Oberhäuptern mit Heerdmauern versehen, auch hinter den Eiu-
schräiiknngs- und Absehlussvorrichtuiigeu gepflastert, im Uebri-
gen aber durch Schüttungen von grobem gereinigten Kies be-
festigt werden. Zu periodischen Einschränkungen der oberen
trichterförmigen Mündungen müssten Schützen in festen Gries-
werken erbaut werden, uud zum vollständigen Abschlusa würdeu
sich die in Hageu's Handbuch der W asserbaukuust 11. 2, Seite
89 beschriebenen und Fig. 202 uud 203 dargestellten Thore eig-
nen. Hiernach würden sich folgende Baukosten ergeben:
Digitized by Google
135
A. für die einfachen Durchlässe ohne Thoro xwbchcn Kasel
und Oppeln:
1) 10"> Herdmaucr und 3»' Grieswerkc . . 6000 Thlr.
4600 kb« Erdarbeit ;> 5 Sgr W ,
14175 kb» Steindamm » 1 Thlr 14175 ,
4194 □«» Pnusteruugeu a U Sgr 1258 „
CSfiorl" Bckiesung der Sohle « 6 Sgr. . I3H2 ,
fi) 12GO Pfähle nebst Bolzen » 4',, Thlr. . . r.<;70 „
7) 2520" Führungsbalkcn u 1'/» Thlr. . . . 3301) „
8) generelle Kosten abrundend .... . . 1878 ,
Summa A 34O0O Thlr.
B. für die einfachen Durchlässe mit Thoren
oberhalb Oppeln 400(10 Thlr.
C. für die Doppeldurchlässc zwischen Breslau und Küstrin:
11 21 kb"» Herdmauer » 19 Thlr 702 Thlr.
9) 10558 kb" Erdarbeit ä 5 Sgr 1760 .
3) 14175 kb™ Stein- oder Packwerksdamm
k Vk TUf ikxh» .
3780 n» Pnastcruugeu a 15 Sgr. . . . IV.iO ,
1(»38 T3 - Bckiesung » G Sgr 3388 ,
1260 PfShle nebst Bolzen k 5 Thlr. . . . 6300 „
2560» Führungsbalken a 1'/, Thlr. . . . 3840 ,
generelle Konten ■ . 1130 ._
Summa C 38OO0 Thlr.
I). für die Üoppeldurchlässe mit Drehthoreu zwischen Op-
peln und Breslau:
1) Der Durchlas« nach 0 ohne, Herdmauer bei niedrigeren
Material preisen 354MK) Thlr.
2) ein einarmiges Drehthor . 15000 „
Snmma D 500O0 Thlr.
Die ganzen KanalLsirungskosteu der Strecke ergeben sich
wie folgt:
I) 34 Nadelwehre zwischen Kosel und Breslau nach Fessel
a 18000 Thlr
2) 64 Nadelwehre unterhalb Breslau ebenso
a 33600 Thlr
3) 8 einfache Durchlässe laut Ueborschlag
A zq 34000 Thlr
einfache Durchlasse B zu 40000 Thlr. .
Doppeldurchlässo I) , 50000 . .
Doppoldurchlüssc 0 . 38000 „
34 Warteretablissenients oberhalb Breslau
nach Hrn. Fessel * 2800 Thlr. . . .
8) 64 desgl. unterhalb Breslau a :iO00 Thlr.
A I
4) 3 einf
5) 23 Do
C) G4 Do
7) 34 WH
618000 Thlr.
2150400
279000
120000
Ii- >
2432000
95300
Dagegen
iusen für
7023600 Thlr.
Schleusen 'für die Strecke Kosel- Küstrin nach Hrn. Fessel auf
0420880 Thlr. Hierbei sind aber noch nicht die Kosten der
von ihm in Aussicht genommenen und wohl dringend nöthigea
Flossdurchlasse berücksichtigt
Die jährlichen lteparatur- und Betriebskosten der Wehre
und Durchlässe würden betragen:
1) Beitaraturkosten nach Hrn. Fessel 1'**« von 7023000
Tl.lr. Baukosten 87800 Thlr.
2) Gehalt für !« Wärter ä 300 Thlr. . . . >.»'.! 100 ,
3} Gehalt für 20 stäudige llülfsarbeiter bei
den mit Thoren versehenen Durchlässen
ä 150 Thlr 31W0 ,
4) Für llülfsarbeiter zum Aufrichten und Nie-
derlegen der übrigen 72 Wehre a 10 Thlr. 720 «
SunrnTaTl 2 ISToTKIr
Dagegen stellen sich für die genannte Strecke die jähr-
lichen Reparatur- und Betriebskosten bei Anwendung von
Schleusen nach Hrn. Fessel auf 157 050 Thlr.
Ausser den Ersparnisse au Bau- und Unterhaltungskosten
würden die Schiffsdurchlässc aber auch namhafte Vortheile für
den SchifluhrtstH» trieb gewähren. Es darf angenommen werden,
das« Dampfsehleoper am versenkten Tau mit ihren angehängten
Lastkähnen auf dem aufgestaubin Stroms in jeder Stande 5
Kilometer zurücklegen und bei der Bergfahrt die Durchlasse
mindestens mit der Hälfte dieser Geschwindigkeit durchfahren
weiden. Alsdann ergeben sieh für die 2 . 532.5 Kilometer
weite Heise von Kosel bis Kiistrin und zurück 238,5 Stunden
oder ungefähr 16 Tage Fahrzeit. Werden dagegei
augelegt, dann brauchen die Schleppzügc:
1) zur blossen Fahrt hin und zurück 213
2) Mir und in den t>8 Schleusen auf der Hin- und
Rückfahrt, selbst wenn die Züge immer in 2
Abteilungen geschleust werden können, min-
destens noch 1 17 Stunden
zusammen 300 Stunde. i
oder 24 Taue. Die Schleppzügc könnten also bei Anwendung
von Durchlassen in derselben Zeit 3 Iteisen machen, welche bei
Anwendung von Schleusen zwei Reisen erfordern. Der Aufent-
halt gewöhnlicher Fahrzeuge vor und in den Schleusen pllegt
durchschnittlich grosser zu sein, als soeben für Schleppzügc an-
genommen war. Es mag dieser Aufenthalt aber nur elwu so
gross gerechnet und dabei angenommen werden, dass die Kähne
zum Passiren der Durchlässe auf der Bergfahrt Vorspann be-
nutzen, so dass sie au ihrer sonstigen Fahrgeschwindigkeit nichts
eiubü.ssen. Dann erspart jeder Kahn auf jeder Heise 147 Stun-
den, oiler bei einer täglichen Fahrzeit von 12 Stunden 12 Tage,
welche nach Herrn Fessel auf 2' , Thlr. für den Tag oder auf
30 Thlr. Unkosten zu veranschlagen sind. Ein Vorspanngeschüft
müsste schon bei einem Tarif von durchschnittlich 7'/, Thlr.
für den Kahn und Durchlas» günstige Erträge liefen« Den-
nach würden für gewöhnliche Kähne die Kosten des Vorspannen
in den Durchlässen durch die Zeitersparnisse mindestens auf-
gewogen werden. Es wird aber jeder Schiffahrtsbetrieb um so
mehr Nutzen von der Anlage der Durchlässe statt der Schleusen
ziehen können, je grösser .-eine Fahrgeschwindigkeit, das hebst
j« vollkommener er ist. Albrccht.
Von Laudbauiueister
Einer der bescheideneren, in neuerer Zeit im Königreiche
Sachsen ausgeführten Staütsbautcn ist das Gerichtsamts-
Gehöfte zu Johanngeorgenstadt , welches an Stelle des hei
dem grossen Brande am 20. August 1S«>7 eingeäscherten
dergleichen Gebäudes in den Jahren 1868 und lsitü* erbaut
wurde. Die durch Zukauf vergrößerte Baustelle hat eine
Länge von ca. 30,40'" und eine Tiefe von 32.50™ und besitzt
mit dem Nachbargehöfte eine gemeinschaftliche Einfuhrt,
deren Ueberbauung vertragsmfissig dem Staate zustand.
Die ungünstige Lage des Bauplatzes an der unteren
Seite des sehr abhängigen Marktplatzes und das steil ab-
fallende Terrain des erstcren, sowie die erforderte Anlage
eines Nebengebäudes, eines Gefangenen hofes und eines Gürt-
ehen* für den Beamten machten die Aufgabe insofern
schwieriger, als bei den geringen Dimensionen der Baustelle
Bäume der verschiedensten Art unter einem Dache ver-
einigt werden mnssten und die hohen Preise aller Bau-
materialien, sowie deren bedeutende Anfuhrkosten die grösste
Sparsamkeit geboten.
Das Hauptgebäude bestellt aus einem nach dem Hofe
freiliegenden Kellergeschoss, einem erhöhten Erdgeschoss und
erstem Stock. Es enthfdt im Kellergeschoss die Keller-,
Wasch- und Baderänme, einen Kaum für abgepfündete
Sachen und das Archiv mit eingebauter Heizkammer, im
Erdgeschoss rechts des Einganges die Expeditionsräume
des kleinen Gerichtsamtes, links des Einganges die Woh-
nung des A ni -Wachtmeisters und ein paar Gefangenenzellen.
Im oberen Stock befinden sich die Wohnungen des Ge-
richtsbeamten und des Beidieners, sowie diu übrigen Arrest-
lokalitaten. Die Zellen lur die Gefangenen, sowie die Woh-
nungen des Amtswachtmeisters und des Beidieners sind um
einen, durch beide Stockwerke gehenden Kaum grupnirt,
ton welchem ans sowohl nach dem Kellergeschoss und Hof,
iem im ersten Stock umlaufenden massiven
Wanckel zu Zwickau.
Gange eine Nebentreppe führt. Diese Anordnung ist getrof-
fen worden, damit jedes Geräusch in den Zellen sofort von
dem Aufsichtspersonal vernommen werde und dieses auf
kürzestem Wege nach den betreffenden Lokalitäten gelangen
kann, ohne die Haupttreppe betreten zu müssen. — Di«
Verbindungsthüre nach dem Korridore im ersten Stock ist
nur für etwaige Feuersgelahr bestimmt.
Das Aeussere des Gebäudes ist mit Rücksicht auf die
klimatischen Verhältnisse des ca. 755"' (2300 Pariser Fuss)
über dem Meeresspiegel an steilem Berghange gelegenen
Städtchens einfach gestaltet und mit steiler Dachuug ver-
sehen. Die vier Eckvorlagen sind durch Giebel hervor-
| gehoben, kleinere Mittelgiebel sind als Schutz der Hausein-
' gauge vor Schneemtsch motivirt. Die Ausführung der Um-
I fassungeu erfolgte von Granit- und bezüglich Schieferbrueh-
steinen mit innerlichem Ziegelfutter, und /war im Keller-
geschoss in Rohbau (au der Vorderfronte als (Juadermauer,
an der Hinterfronte als Kvklopenmaucrwerk) , wogegen die
oberen Stockwerke mit Spritzwurf von gleichgroßem Korn
und Putzstreifen versehen wurden.
Alle Simse und Fenstereinfassungen sind von rothem
Rochlitzer Porphyr ausgeführt und dabei längere Stücken,
des weiten Transportes und der dadurch vermehrten Zer-
brechlichkeit wegen, thuulichst vermieden worden. Die
Dachrinnen sind zur Sicherung gegen Beschädigung dnreh
Sclmeerutsch in den Sims eingearbeitet und mit Blei ausge-
schlagen. Die Stdksfugen der Simsplatten sowie die in die
Stossflächen eingespitzten Nullit u sind mit Zement ausge-
gossen und die Stösse selbst durch Tragsteine unterstützt
In letzteren sind an der Oberseite Kinnen eingearbeitet,
welche etwa durch die Fugen der Simsplatten dringendes
Wasser aufnehmen und ausgiesseu. Vorspringende Sammel-
becken leiten das Begenwasser ans den Rinnen nach den
Abfallruhren, welche zur r '
Digitized by Google
— 136 —
zahlreich angebracht sind. Has Dach ixt mit englischem
rechteckigen Sehabloneiischiefcr auf deutsche Art eingedeckt
und der r'orstkamm von Zeinentguss hergestellt. Hie Fries-
Tenderaagea, sowie die Inschrift nebst Wappen inussten
aus Ersparnissrürksichten in Scraffito ausgeführt werden.
Die vorerwähnte I^ago nnd «las rauhe Klima erheischten
namentlich für Herstellung des Archivs die grßssto Vorsicht.
Zn dem Ende wurde der südliche Flügel unter den Expo-
ditionsrfiumcn, welcher die Anbringung von Fenstern au drei
I lieh mit besonderen Schiebern versehen wurden, nm nament-
lich an sehr kalten Tagen das unnöthige Entweichen der
Wärme verhindern zu können. Diese Einrichtung, welche
eine kräftige Somraerventilalien, auf die es hier auch nicht
abgesehen war, allerdings nicht gestattet, hat vor dem von
Kelling vervollkommneten Systeme, nach welchem die
Heizkanäle im Dache münden, auch ihre Vorzüge, indem
dabei das fortwährende Schmelzen des auf dem Dache liegen-
den Schnees und das Ausfrieren der Dachrinnen vermieden
pERICHTS-pEBÄUDE IN jlOHANN - pEORGENSTADT.
Flg. 1. Xrdfii<k»s. Fl*, 1. Itaokwark.
m-
10
- r-
»0
— r~
ti
.4. Vorhalte.
B,
e.
Ann' «l'»lni*H' T.
Kl" II - !'. T f ■ ' 1 ! ! M 'II
0. KriminalstutK 1 .
K. Ilranttcnilinmf-r.
r. Zl«ll ■ Rspntkilon.
G. L'trbtlllt nraum.
tf. Vör|il«ls.
J. J. 7M\tn für G«ranir*n#,
*— r. W.ihnanit doi AnU-VuVtiili'tnl,
K. Vor»»nl.
L. W.>lni»lul>«.
M. Vhlafclub*.
V Kammer.
o. k„
P, Sj.rl^lummer,
f. Durriinfert.
A, Cia«.
B-K. WnHnimc iIm flcrlcSuVamtan.
0. VunuK s
C. Stlon.
O. />, W'ihiulwra*r.
K. Fi»m<l»nliiBmcr.
r. flrhUfHiiba.
«. Oirdcroli».
Fix. 1*. Oefingnli».0f«n. Piln-tuftei tt-
Fi(. *. Otting aiai-Naebtatokl.
II. KSfk*.
Je. MWr4i«-nknfnm»r,
L, L, IHrinTilinwior.
Jf. LVntlllenraani.
.V. V. ZWI*n f*r GsCmirM
O.'Hlrilori'.ub».
Fi:- J *b«.*9>ckrina*.
Fi«. 9k.
Qofiac ni«f - Ott * ;;,„ „;....
Fl«. 4. FinU.mi,
MuKltti in Fi«, i aml «.
tt — i — i — i — T
IQ 0
Seiten gestattete, zn dessen Aufnahme verwendet, die Mauern
uiil boltnchicfat und, soweit sie in dem Terrain stehen, mit
einer grösseren Isolirmauer versehen, und überdem nicht nur
hinter letzterer eine Drainage angelegt, sondern das Archiv
auch heizbar gemacht.
Die Bebeiz OltS des Gebäudes erfolgt theils mit erwärmter
Luft, theils mittels Oefen. Mit Luft werden die Expeditions-
lokalien, das Schlafzimmer des Beamten und das Archiv
geheizt, in welches letztere zu mehrer Trockcnhaltnng, sowie
zu thunlichstcr Verkürzung der Heizkanäle die Heizkammer
eingebaut ward. Es ist hierbei das Helling' sehe System
nach der früheren einfacheren Weise zur Auwendung ge-
kommen. Hiernach sind ilie Heizkanäle nur bis an die
/immerdecken geführt und daselbst abgedeckt, so dass nur
die Ventilat ionskanülc im Hache münden, wo sie nachträg-
—
1 1
100 Zmtinrttr.
wird, welches in Folge der durch die Heizkanäle entweichen-
den Wärme stattfindet und schliesslich das Herablaufen des
Schneewassers an den Umfassungen des Gebäudes mit sich
bringt. Her Kaltluftkanal konnte de« in dortiger Gegend
vorkommenden starken Schneefalles wegen nicht direkt ins
Freie geführt werden nnd mündet daher in Brüstungshöhe
unmittelbar am mittleren Archivfenster, das von dem Heiz-
raume aus beliebig geöffnet und geschlossen werden kann.
Hie ganze Anlage, welche ausschliesslich der in den
.Mauern liegenden Kanäle, jedoch einschliesslich des Kaltlnft-
kanals etc. einen Aufwand von GH4 Thlr. erforderte, beheizt
einen Gesammtraura von Mlkb" (2813 Kubikellen) Inhalt
Es kommen daher auf je 100 kb m erwärmten Kaum circa
133'/» Thlr. Anlagekosten. Her Heizanfwand ist trotz der
Ventilation, unter Berücksichtigung der höheren Brenn-
Digitized by Google
138 —
materialienpreisc, pro Raumeinheit nicht höher, als bei der
Ofenheizung iu den früheren Lokalitaten, und würde sieh
jedenfalls günstiger herausstellen, wenn die Bedienung nicht
'durch den Beidiener, sondern durch einen besonders einge-
übten Heizer erfolgte.
Die Gefangenenzellen, welche gewölbt und mit Venti-
lationskanülen versehen sind, werden zur Vermeidung von
Kollisionen durch gnsseiserne runde Gefängnissöfen nach
Figur 5 erwärmt, welche mit der Balkenlage versehraubt
und deren Kästen mit dem gusseisernen Rühmen der mit
Dornvcrschluss versehenen Vorgelegethür fest verbunden
sind, so dass eine Abtragung des Ofens .Seitens der Ge-
fangenen und deren Entweichen durch das Vorgelege ver-
hindert wird. l>ie zur Aufnahme der Auswurfstoffe dienen-
den Blechkübel stehen in einem hölzernen, in der Mauer
nach Innen verschiebbaren Nachtstuhl, Figur (i. und können
nach Aussen entfernt werden, ohne dass die Zelle betreten
zu werden braucht, während der Gefangene den Kübel nicht
von seinem Platze zu nehmen vermag. Der Verschluss er-
folgt beiderseits mittels eiserner Thilren, von denen die
äussere nur vom Wärter mittels Schraubenschlüssel geöffnet
werden kann. Die sich entwickelnden Gase werden durch
in der Mauer liegende Schamotterohre nach dem nahen
Schornstein geleitet und so jeder Genach vermieden-
Die Aborte werden durch trichterförmige, in den Decken
angebrachte Abzüge und Holzschlotte, und die Grube durch
einen 0,35™ und 0,-13CJ nl grossen gemauerten Dunstkanal
ventitirt.
In der Kaasenexpcdition, von welcher aus ein Hörrohr
nach dem im ersten Stock gelegenen Schlafzimmer des
Gerichts- Vorstandes geht, befindet sich ein Feuer- und Diebes-
sicherer Kassen schrank mit eiserner Rückwand und Thören
mit Aschefüllung.
Der Bau des Hauptgebäudes hat einschliesslich des
Durchfahrtsgebäudes, der vorbeschriebenen Einrichtungen
und der Winterfenster einen Aufwand von ca. 22570 Tnlr.
und der der ganzen Anlage sammt Schuppengebäude, Ein-
friedigung und Schleusen etc., cinci
24 500 Thlr. erfordert.
Mittheilungen aus Vereinen.
Architekten- und Ingenieur- Verein zu Hannover Haupt-
versammlung am 10, März IS72. Vorsitzender Hr. Baurnth Hase.
Nach erfüllter Abstimmung Ober die Aufnahme eines neuen
Mitgliedes stattet Baurath Hagen als Vorsitzender der Kom-
mission für Begutachtung der vom Verbände der deutschen Ar-
chitekten- und Ingenieur-Vereine angeregten Feststellung einer
llonorsrtaxc für Bau - Ingenieure Bericht über die Thütigkeit
dieser Kommission ab. Die von Professor Baumeister aufge-
stellten Grundsätze für die Houorartiixe der Bau -Ingenieure
sind im Wesentlichen angenommen worden: eine von der Kom-
mission verfasste Denkschrift giebt über die Motive der wenigen
vorgenommenen Acmleruugeu vollkommenen Aufschlug«. Da
die Verhandlungen über die. wie allseitig anerkannt wurde,
überaus schwierige Materie viel mehr Zeit in Anspruch genom-
men hatten, als vorauszusehen geweseu war, so hatte sich der
Druck der Denkschrift verzögert und es war dieselbe nur einem
Theilo der Mitglieder
«teilt werden: die V.
noch im Laufe des Sitzungstages zuge-
Sammlung beschloss daher auf Antrag des
Bauratlis Hägen, die Abstimmung über die Vorschläge der Kom-
mission bis zur nächsten Hauptversammlung am 1. Mai zu ver-
schielten.
Hierauf hielt Herr Professor Launhardt einen Vortrag
über die kommerzielle Traciruug der Verkehrswege.
Bei Anfertigung der Vorarbeiten zum Bau eines Weges,
gleichviel ob Kanal, Eisenbahn oder Chaussee, macht mau meist
eine genaue Aufnahme der Tcrrainverbältnisse, begnügt sich
aber mit einer oberflächlichen Schätzung der Verkehrsverhält-
nisse. Bei der grossen Wichtigkeit, welche die letzteren für die
einem Wege zu gebende Richtung haben, empfiehlt es sich, die-
selben mit gleicher Genauigkeit wie die Terrainverhältnisse zu
berücksichtigen. Werden also bei Tracimng eines Verkehrs-
weges zunächst die Terrainverhältnisse ausser Acht gelassen
und wird ein gleichartiges, horizontales Terrain vorausgesetzt,
so kann auf Grund ihr Verkehrsverhältnisse die beste Tracu
gesucht werden; mau erhält hierdurch die Verkehrs- oder
kommerzielle Trace, deren weitere Ausbildung zur techni-
schen Trace dann auf Grund der Terrainverhältnisse zu ent-
wickeln ist. Bei der Traciruug muss als Ziel festgehalten wer-
den, die Gesummt kosten des Verkehres auf dem ganzen Wege-
zuge du einem Minimum zu machen.
Die Feststellung der kommerziellen Trace stützt sich auf
das Problem des Knotenpunktes, durch welches eine Entschei-
dung darüber gewonnen wird, ob der Verkehr zwischen drei in
den Ecken eines Dreiecks liegenden Punkten zweckmässiger
durch Ausbau der Dreiecksseiten (Hier durch Anlage eines Kno-
tenpunktes inmitten des Dreiecks bewirkt wird, von welchem
aus Strahlen nach allen drei Orten gelegt werden. Die Lösung
des Problem« des Knotenpunktes stellt die günstigste Lage des
letzteren zunächst durch die Bedingung fest, das die Sinus der
(Jabelungswinkel um Knotenpunkte sich verhalten müssen
wie die kilometrischen Verkehrskosten der zu gabeln-
den Strahlen. Um diese Bedingung erfüllen zu können bedient
man sich einer vom Vortragenden mitgetheilten geometrischen
Konstruktion, durch welche zunächst für zwei der gegebenen
Orte ein Verkehrspol gefunden wird, von dem aus nach dem
dritten Orte der Strahl geradlinig geführt werden muss.
Die Feststellung der kommerziellen Trace in ibrer Gcsammt-
heit beruht auf der wiederholten Anwendung des Problems vom
Knotenpunkte: von der gegebenen Anzahl von Verkehrspunkten,
welche der neuanzulegeude Verkehrsweg zu berücksichtigen hat,
werden zunächst zwei derselben durch ihren Verkehrspol ersetzt,
dann für den erhaltenen Verkehrs|H>l und den dritten Ort ein
neuer Verkehrspol gesucht, und so fort bis nur ein Verkehrs-
ort und an Stelle aller übrigen nur ein Verkehrspol vorhanden
bleibt. — oe — |
Architekten -Verein zu Berlin. Versammlung am 20. April
IS"'.': Vorsitzender Ur. Quassowski, anwesend 151 Mitglieder
und «.) (iäste.
Nachdem Hr. Kendler im Namen der Exkursious-Kouuuis-
siou für den lirojektirten Ausflug nach Dresden die letzte Hälfte
des Juni in Vorschlag gebracht und dieser Vorschlag die Ge-
nehmigung der Versammlung gefunden hat, richtet Ilr. Adler
unter der Mittheilung, dass der angemeldete Vortrag wiederum
ausfallen muss, au die Vereiusgeuossen die dringende Mahnung,
sich eifriger au den Vorträgen betheiligen und darauf halten zu
wollen, dass die einmal festgesetzte Reihenfolge derselben nicht
gestört werde.
In die diesmalige Lücke ist Hr. Franiius eingetreten, der
über die Kettensehiffuhrt auf der sächsischen Ober-Elbe spricht
Voraugcschickt werden einige Bemerkungen über die Be-
schaffenheit der etwa 15 Meilen langen, innerhalb des König-
reichs Snchsen liegenden Strömst recke und die Wirkung der
seit 1W!I daselbst ausgeführten Korrektionen. Das Gefalle ist
ein ziemlich gleiehmässigcs vou 1 : 3000, das Bett ein sehr grober,
schotterartiger Kies mit Kieseln bis zu Eigrösso. Nachdem man
bis zum Jahre ISG1 Versuche einer Korrektion mittels Buhnen,
aber mit äusserst geringem Erfolge unternommen hatte, ist man
seit jener Zeit zu dem Svstejne. kontinuirlicher Parallelwcrko
übergegangen. Die Noruialbreite des Stroms ist zu U3"> ange-
nommen. Die Ausführung der Parallelwerke geschieht in der
Weise, dass bei Niedrigwasser zunächst zwei kleine Dämme von
Steinbrocken geschüttet werden, welche dje Wurzel des Werks
begrenzen; der Zwischenraum wird mit Kies ausgefüllt Nach
Jahresfrist, wenn diese Anlage sich etwas gesetzt hat, wird dar-
auf der eigentliche Damm von Kies mit l'/i resp. lfacher Bö-
schung angeschüttet und mit einem regelrechten Pflaster von
Sandsteinstücken befestigt Der Erfolg dieser mit grosser
Energie ins Werk gesetzten Korrektion (von 1Ö61 bis 68 waren
über 7 Meilen Parallelwerke mit einem Kostenaufwande von
2,6 Millionen Thaler gebaut) ist ein sehr bedeutender; es ist
ein« grosse Gleichmäßigkeit der Fahrrinne erzielt, deren Tiefe
auf 3,3™ bei Mittelwasser und 1,3" bei Niedrigwasser angestrebt
wird. Andererseits ist freilich der l'ebelstanä vorhanden, dass
die Wasserflächen hinter den kontinuirlichen Werken zu langsam
verlanden und daher stagniren. Obwohl das Hochwasser 9 bis
1 1 »• über die Dammkroue steigt , so ist doch das Geschiebe des
Flusses zu schwer, als dass ein bedeutender Niederschlag er-
folgen könnte; es ist die Verlandung daher fast ausschliesslich
auf das Kiesmaterial angewiesen, das die in fortwährender
Thütigkeit begriffenen 4 grossen Dampfbagger fördern. Ferner
genügt eine Korrektion für Mittelwasser noch nicht allen An-
sprüchen, da sich bei kleinstem Wasser durch die von Grebenau
nachgewieseneu Kiesverschiebuugen doch wieder eine serpentini-
rende Fahrrinne bildet.
Die Kettenschiffahrt auf der sächsischen Oberolbe, von einer
in Dresden gegründeten Aktien-Gesellschaft 1869 zunächst auf
einer kurzen Strecke eingerichtet erstreckt sich jetzt auf der
ganzen, 4.ä Meilen laugen Strecke vou Schandau bis Magdeburg,
uud ist es Absicht die Kette demnächst sowohl mit der ober-
halb liegenden Kette im böhmischen Gebiete wie mit der unter-
halb nach Hamburg führendeu zu verknüpfen. Die Stärke der
sächsischen Kette beträgt 23 »">, auf einzelnen Strecken sogar
2ü mm UII (i das Gewicht pro Meile etwa 1700 Zentner; sie verlegt
sich iu Folge dieser Schwere seltener und verschiebt sich we-
niger leicht durch Zufälligkeiten. Erprobt ist die Kette auf ca.
500* Zug, wobei jedoch schon boi 380* eine Ausdehnung merk-
bar war: die wirkliche Anstrengeng überschreitet gewöhnlich
nicht 1U0 Z . Wenn trotzdem Brüche vorgekommen siud, so ist
dies meist dadurch geschehen, das» beiin Emporbeben von
Korpern aus dem Flussbette die Kette sich klemmte und einen
plötzlichen Ruck auszuhalten huttc. Das Zusammenfügen der
zerrissenen Kette mittels eines neuen Kettenschlosses ist übri-
gens eine leicht und schnell auszuführende Operation, die zeit-
weilig auch ohne solche zufällige Veranlassung erfolgt, wenn bei
aussergewöhnlich hohem oder niedrigem Wasserstande eine Verlän-
gerung resp. Verkürzung der Kette nothwendig wird. Die ße-
türebtungen wegen einer Versandung der Kette haben sich nicht
l«-stätigt: dieselbe wird während eines Winters '
etwa 1,5» eingebettet, der erste im Frühjahr
Digitized by Google
— 139 —
Dampfer hebt sie jedoch ohne Anstrengung wieder empor. Als I
Karioram int tu erwähnen, dass die Kette im Winter durch
Ansatz von Grandel« zuweilen auf dem Wasser treibt; eine
Verschiebung in der Lfiugeurichtung ist dabei jedoch n<>eh nicht
vorgekommen. Die Entfernung der Kette vuu dem au ihr ge-
henden Schiffe, in welcher eine Bewegung zunächst merkbar
wird ist auf 300 bis 400" beobachtet worden.
Das Prinzip der Kettenschiffahrt und die Einrichtung der
Ketteudampfer dürfte den Leeern dieser Zeitung aus früheren
Mittheilungen so weit bekannt nein, dass wir die Beschreibung
derselben, welche der Vortragende gab, hier übergehen können.
Der Dienst auf der betreffenden Strecke wird gegenwärtig von
a Damufern versehen, deren jeder 50 lang, 7"' breit ist und
0,5"> Tiefgang hat Die beiden Steuer werden von je einem
Steuermann Dedient, die_ an schwierigen Stellen durch den
Kapitain , unter dessen Kommando der Maschinist mit seineu
Heizern steht, resp. durch den das Oberkommando über das
ganze Konvoi führenden Zugführer unterstützt werden. Die
Kettentrommeln haben 1,20 » Durchmesser und machen '27 Um-
drehungen pro Minute, was eine Umfangs- rcsp.Scliiffggcschwiudig-
koit von 1,(0" giebt, die gegen eine Strömung von L50» erzielt
wird. Die Maschinen haben nominell i;o bis 80 Pferdekraft.
Der Dampfer zieht hierbei entweder 20 leere Fahrzeuge, welche
unter den lokalen Verhältnissen die Hauptfrucht bilden oder
8 Stück bcladene Schiffe von der Durchschuittsgrüssc einer
Tragfähigkeit von 3000« oder endlich 3 lieladene Schiffe von
7 bis 8000* Tragfähigkeit; letztere 57— CO» lang, 7» breit, sind
erst seit Einführung der Kettenschiffahrt in Anwendung. Die
tagliche] Fahrt eines Dampfers zu Berg ist auf durchschnittlich
11 Meilen zu veranschlagen, da leider durch die Flösserei zahl-
reiche Unterbrechungen cutstcheu; die Vohernalime des Konvois
durch einen Dampfer von dem anderen, die bei jeder Begegnung
zwischen einem zu Thal und einem zu Berg fahrenden Dumpfer
erfolgen niuss, da es nicht thunlich ist, die Schiffe von der Kette
zu losen, nimmt hingegen nur etwa eine hallte Stunde in An-
spruch. — Der Preis für das Schleppen eines leeren Fahrzeugs
beträgt für Schiffe gewöhnlicher Dimension 1 Thlr. pro Meile,
für die grössten 2.4C7 Thlr. pro Meile; für die Ladung werden
pro 100 Zentner und Meile U,l Thlr. entrichtet- Die Fracht-
kosten betragen daher für ein Schiff von 3000 2 Tragfähigkeit
incl. Amortisation, Unterhaltung und Betrieb ü,Cl! Pfennige pro
Zentncrmcile. Innerhalb der 3 Jahre seit Eröffnung der Kettcn-
schiffahrt hat sich die Masse der transportirteu Güter bereits
vordoppelt.
Auf einige technisch besonders interessante Punkte naher
eingehend, erörtert der Vortragende zunächst die Steuerfähig-
keit der an der Kette geschleppten Züge. Dieselbe ist eine
durchaus befriedigende, setzt aber allerdings voraus, das« die
gehörige Sorgfalt und Vorsicht angewendet wird und dass nicht
allein der Schlepper, sondern auch jedes einzelne geschleppte
Schiff gesteuert wird. Der Zug wird derartig rangirt, dass zu-
nächst dem Dampfer die grössten und schwersten Fahrzeuge
folgen; besteht derselbe aus mehr als C Schiffeu, so werdeu
dieselben paarweise gekuppelt Am Vordertheil des Dampfers
sind 1 bis 2 Mann mit Bundstaakcu postirt, die demselben im
Nothfall schnell eine seitliche Bewegung geben können; ebenso
sind die Schiffer instruirt bei etwaigem Rehmen der Kette auf j
ein Nothsigual des Zugführers ihre Fahrzeuge während der mo-
mentanen Fortdauer der Bewegung so zu verdrücken, dass ein
schädlicher Zusatntncnstoss nicht erfolgen kann Für die nötbige
Sorgfalt dos Einzelnen sorgt ain Besten die Kontrolle der mit-
intcicssiiton übrigen Schiffer. In der erteu Zeit bediente mau
sich iu einer sehr schatten Kurve bei Meissen des Hülfsmittels
eiues um Lande befindlichen Leitseils, au welchem das Schiff
mittels entsprechender Querseile geführt wurde, doch ist diese
Vorrichtung überflüssig geworden; der beste Beweis für die
grosse Stcucrfühigkcit der Schleppzüge wird jedenfalls Iteim
Pussircu der alten Dresdener Elbbrürke geliefert, deren Öffnun-
gen nur la» betragen, während die Richtung der Fahrt auf die-
selbe unter einem Winkel von 30 Grad trifft.
Eine Stillung durch die mit der Strömung zu Thal fahren-
den Schiffe findet nicht statt, da dieselben leicht ausweiche»
können; sie sind hierbei seit Einführung der Kettenschiffahrt
iii grossem Vortheil, da eiu Ausweichen seltener erforderlich
ist als früher, wo jede» Schiff einzeln seine Fahrt machte.
Ebenso bilden die Führen kein wesentliches Hindernis*, nachdem
dieselben unter Beihülfe der Gesellschaft sämmtlich iu fliegende
f ähren verwandelt worden sind; es ist hierbei gleichzeitig die
Verbesserung angebracht worden, dass die Fährseile auf den
zum Tragen des Seils dienenden Tonnen nicht mehr aufliegen,
sondern unterhalb derselben befestigt, soweit ins Wasser herab-
hängen, duss einzelne Schiffe über das Seil passiren können.
Der schlimmste Feind der Kettenschiffahrt auf der Oberelbe
sind hiugcgeu die. zahlreichen Flösse, die nicht anders passiren
können, als, indem die Schleppzüge seitlich ausbiegen und stdl
liegen.
Der Redner schlicsst mit einem Vergleiche zwischen der
Ketten- und Scilschiffuhrt Die letztere gewährt ausser dem
Vorzüge grösserer Billigkeit auch den Vortueil, dass sich das
Seil leicht von dem Scliiffe abwerfen liisst. sowie dass iu einem
Wasserluufe 1 Seile gelegt werden können, was bei der Anweu»
duug von Ketteu wegen der Möglichkeit einer Vcrsehliuguug
nicht leicht zulässig ist Für Kanüle verdient daher die An-
wendung des Seils deu entschiedenen Vorzug, während dir
Flüsse mit stark wechselnden Wasserstauden die Wahl einer
Kette deshalb sehr wesentlich in Betracht kommt, weil nur sie
die Möglichkeit zeitweiliger Verlängerung resp. Verkürzung zu-
In Beantwortung einer im Fragekasten enthaltenen Frage
erörtert Hr. Schwedler die Bedeutung der Ellipse eines Träg-
heitsmomentes. Hr. Plathner berichtigt eine Augabe, da-<s
die von dem Mechanikus G reiner fabrizirten llcbcrburoincter sich
bei deu Vorarbeiten zur schlesischen Gebirgsbahn als Messin-
strumente sehr bewährt hätten; dieselben sind hauptsächlich zu
meteorologischen Beobachtungen benutzt wurden, während einige
durch Hr. Geh. Keg.-Rth. Malberg angestellten Messungsver-
suche mit denselben nicht sehr günstig ausgefallen sind. Hin-
gegen tlieilt Hr. Köder mit, dass er sich bei den generellen
Vorarbeiten für die projektirte.Bcrliri-Drcsduer Bahn mit grossem
Vortheile eines Annroidfl bedient und mit Hilfe dieses, im Wa-
gen sitzend und theilweise sogar die Nacht zu Hülfe nehmend,
innerhalb 3 Tagen 30 Meilen uivellirt habe. Die Fngenauig-
keiten des Nivellement* hüben nicht mehr als 0,.'jO bis 1» be-
| tragen. — F.—
Die Reinigung und Entwässerung Berlins lautet der
Titel eines Aufsatzes, den Hr. Geh. Reg.- und Brth. Opper-
mann zu Königsberg unter dem Datum des ö- April d. J. ver-
öffentlicht bat Ausgehend von dem Hobrecbt'schen Projekte
der Entwässerung der Dorotheenstadt, der Friedriebstadt und
Alt- Cöllns, das den städtischen Bcbördeu im Detail vorliegt
und in einer Beilage der N. Pr. Ztg. ausführlich besprochen
worden ist, äussert der Verfasser seine Bedenken gegen die da-
rin vorgeschlagene Art der Reinigung und Entwässerung. Die-
selben betreffen theils die Schwierigkeiten, sieh die für die Be-
rieselung mit Kanalwasscr erforderlichen Ackerflächen zu \ er-
schaffen, theils die Berieselung im Winter, theils die Verwendung
glasirter Thonröhren, theils endlich die sanitäre Seite des Pro-
jekte«, die dem Verfasser mindestens ebenso fraglich erscheint,
wie die des älteren Wiebe'scheu Entwurfs, dessen Ausführung
im Wesentlichen dieselben Anlagekosten von ca. 5,4 Millionen
Thlr., hingegen um ■/. geringere Betriebskosten erfordert! würde.
Will man auf das Wiebesche Projekt, dem Hr. Geh. Ruth
Oppcrmann aus verschiedenen Gründen vor dem Hobrecht'
sehen den Vorzug giebt .wegen sauilfitlicher Bedenken, aus öko-
nomischeu Rücksichten und zur Förderung der Landeskultur"
nicht eingeben, so muss die Abfuhr der Auswurfstoffe in's
Auge gefasst werden, für welche in dem vorliegenden Aufsätze
eine neue Idee angegeben wird.
Es »oll die Reinigung der Stadt lediglich auf die Abführung
des eigentlichen Klo.setwassers beschräukt werden, dessen Quan-
tum für deu Bezirk innerhalb der früheren Ringmauer, der hier-
bei dem Vorschlage zu Grunde gelegt wird, auf täglich 11p.
1500 kb» (50 000 kV), d. h. auf ie «/,. kb' für jeden der 5OU0OO
Einwohner veranschlagt wird. Zur Ansammlung dieser Waaser
sollen unterirdische, vollständig geschlossene Zisternen die-
nen, die in gehöriger Vertheiluug auf Strassen, Plätzen und
Grundstücken angebracht werden und mit der äusseren Luft
Mf durch kleine eiserne Schornsteine kommuuiziren sollen.
Die Entleerung derselben soll mittels eines, durch eine statio-
näre Dampfpumpe in einer eisernen unterirdischen Röhreutnur
herzustellenden Vacuunis in Abl'ubrwägcn geschehen, die aus
zvlindrischen eisernen Kesseln bestehen und mit der Röhreutour
einerseits, dein Zistcrueuw-.isscr andererseits durch Schläuche
efc. in entsprechende Verbindung gesetzt werdeu, Der Verfas-
ser bezeichnet sein System, das jedoch die anderweitige Ablci-
tuug sämmtlicher übrigen Hauswasscr voraussetzt als durch
keinerlei lokale Verhältnisse oder technische Umstände erschwert
und den Betrieb desselben als nicht belästigend. Die Anlage-
kosten werden von ihm für deu obengenannten Bezirk auf
WlOOUO Thlr., die Brutto -Betriebskosten auf 17t; WO Thlr. pro
Jahr berechnet; bei Annahme einer pro Person zu erhebenden
jährlichen Abgabe von 12 Sgr. und eines Erlöses von täglich
100 Thli. aus dem Verkauf des abgeführten Klosetwassers er-
geben sich jedoch pro Jahr 23b 500 Thlr. Einnahmen, also ein
Ueberscbuss von 00500 Thlr-, der einer 10 pruzeutigen Verzin-
sung des Anlage-Kapitals gleichkommt.
Eine Kritik des Vorschlages glauben wir jedenfalls berufe-
ncreu Kräften überlassen zu müssen.
Zur Weltausstellung in Wien. Unsere Zeitung hat in No. 13
vom 2S. März lö72 eine Aufforderung des Verbands -Vorstandes
gebracht , durch welche die Mitglieder der deutschen Architek-
ten- und Ingenieur-Vereine aufgefordert wurden, uu der bevor-
stehenden Weltausstellung in Wien, bei welcher dem Bauwesen
eine ganz besondere Berücksichtigung zu Theil werden soll, aufs
Kräftigste sich zu betheiligeu. Diese Aufforderung geschah uuf
Grund eines vom 14. März datirten Auftrages der Prcussiseheu
I.andeskommission, deren erste allgemeine Bekanntmachung im
Deutschen Reichs- Anzeiger vom 7. März erschienen ist, wäh-
reud der Termin, bis zu welchem die Anmeldungen spätestens
erfolgen sollten, auf den 15. April angesetzt war.
Wir haben unseren Bedenken gegen die Kürze dieses Ter-
mins, der uns von gewichtiger Seite als unabänderlich bezeichnet
wurde, nicht Worte geliehen, um jedes störenden Einflusses auf
die Entschlüsse unserer Fachgeuossen uns zu enthalten. Nach-
dem der Termin nunmehr abgelaufen und für die deutsche
Digitized by Google
— 140 —
Hauptstadt das Resultat feststeht, dass auf Grund joner Auf-
forderung bot dem Architekten-Verein« zu Berlin eine ein zigo
Meldung eingegangen ist, «rollen wir mit der Ansicht nicht
zurück halten, dornt man seitens der leitenden Behörden nicht
gut ander« hatte verfahren können, wenn man ohne direkte Ab-
mahnung die Betheiligung der deutlichen Architekten und In-
genieure auf das denkbar geringste Man»« herabdrücken wollte,
nährend man zur Dis|>oniruug über die angemeldeten Einsen-
dungen mehr als ein volles Jahr für nothwendig erachtet, wird
den Interessenten — in diesem Falle den gerade in jetziger Zeit
ruhelos beschäftigten deutschen Bautechnikerp — die Zumutbung
gestellt, sich in einer Frist von 2 Vi Wochen über das Ob und
Wie der Thciluahme klar zu werden; durch eine nicht ganz auf-
geklärte Auslassung wird dabei sogar noch die Zweideutigkeit
erregt, als ob für jenen Zweck nur Zeichnungen in einem ganz
bestimmten Maasstabe zugelassen würden.
Selbstverständlich sind wir weit davon entfernt in Jener
Anordnung, deren Ursprung uns nicht einmal bekannt ist, irgend
welche Absicht zu erblicken: sie dürfte lediglich einer am grü-
nen Tische leider nicht gar so seltenen Hintansetzung der
faktischen Verhältnisse zuzuschreiben sein; aber wir müssen das
Resultat, das sich aus ihr zu ergeben scheint, um so mehr be-
klagen, als es gewiss das lebhafteste Interesse aller Facbgeuossen
ist, dass die Leistungen deutscher Architekten und Ingenieure
bei dieser Gelegenheit den Wettkampf mit dem Auslände, vor
Allem mit den hochentwickelten Leistungen am Ausstellungsort«
selbst, mit Ehr:n bestehen. Barum richten wir an die öffeut-
liche Meinung unserer Fachkreise, zunächst aber au alle die-
jenigen Fachgeuossen, welchen eine Mitwirkung au den Vorbe-
reitungen zur Wieuer Ausstellung obliegt, die dringendste Ritte,
Alles was iu ihren Kräften steht aufzubieten, um eine nach-
trägliche Aeuderung jener Bestimmung und uiue augemesseue
Hinausschiebung des Anmelduugs-Tertuius 'zu erlangen. Die
Möglichkeit die» durchzusetzen scheint uns ausser Zweifel, falls
nur der Wille vorhandcu ist. Wir würden jedoch, falls betref-
fende Versuche gemacht werden, empfehlen, sich uicht mit eiuer
Frist bis zum SO. April, von der gerüchtweise iu politischen
Blättern verlautet, zu begnügen, sondern deu neuen Termin zur
Anmeldung der Ausstellungsgegenstände auf frühestens deu
1. Juli d. J.
Arbeitseinstellung im Berliner Zimmergewerke. Im
Verfolge der in unserer letzten No. erwähnten Vorgänge sind
Sonnabend^ den 20. April Seitens der dem Bunde der Bau- und
Zimmermeister ungehörigen Arbeitgeber Berlins sämmtliche
Zimmergesellen entlassen worden, nachdem die Versuche einer
Einigung zwischen Meistern und Gesellen fruchtlos geblieben
Lutzterc machten eine Zurückziehung der von deu Mei-
stern einseitig festgesetzten Arbeits - Bestimmungen zur Vor-
bedingung einer Unterhandlung resn. des Aufhorcus der par-
tiellen StrikeB. Eine auf Montag den 22. April festgesetzte
General - Versammlung der Meister soll eine Vereinigung des
Baues der Zimmer- mit dem der Maurermeister zu einem Bunde
der Gcwerbtreibendeu und in Konsequenz davun eine eventuelle
Entlassung auch der Maurergesellen in Aussicht nehmen. Bio
Wiederaufnahme der Arbeit soll jedenfalls erst dann erfolgen,
sobald durch ein Eiuiguugsaiut die künftigen Arbeitsbedin-
gungen mit deu Gesellen vereinbart
in Berlin drohen übrigens auch iu dei
ten Deutschlands, namentlich in Hamburg
der Bauhandwerker.
ier
Sta-
llungen
Eine Auszeichnung Friedrich Schmidt's ist dem Wiener
Meister kürzlich dadurch zu Theil geworden, dass das Royal
Institute of British Architects die grosse goldene Medaille, welche
es an hervorragende Architekten des In- und Auslandes zu ver-
theilen das Recht besitzt, ihm verliehen hat.
Die Aufstellung- eines Uebersiohtsplanea der für die
monumentalen Staatsbauten Berlins disponiblen, im Staats-
besitze befindlichen Baustellen ist, wie uns nütgethcilt wird
bei Gelegenheit einer jüngst für die Auswahl niehrer solchur
Bauplätze eingeleiteten Untersuchung in Anregung gekommen.
Unstreitig hätte man Ursache eine so wesentliche Verbesserung
der bisherigen Zustande zu begrüsseu, wenn auch freilich diese
fast unbegreiflich erscheinen. Bis jetzt verfährt jede Behörde
setbststäudig über die von ihr verwalteten Grundstücke und
sind auf diese Weise Baustellen, die für daB Bedürfnis« anderer
Verwaltungen von grosstem Werthe gewesen wären, rücksichts-
los verkauft wordeu. Das Bedürfnis* die meisten der älteren
Staatsbauten, die für die Gegenwart längst nicht mehr aus-
reichen durch Neubauteu, zu ersetzen, sowie für eine gauze
Anzahl neuerdings hervorgetretener Zwecke die entsprechen-
den lokale zu schaffen, ist in Berlin ein so dringendes,
dass es die höchste Zeit sein dürfte planmässig an die Auswahl
und Reserviruug der betreffeudeu Bauplätze zu gehen, wie dies
in anderen Städten, namentlich bei der Stadtcrweiteruug iu
Wien mit so grossem Vortheil geschehen ist
worden ist, hat ein quantitativ ausserordentlich reiches Resultat
geliefert. Leider sind wir noch nicht in der Loge, unsern Lesern
Genaueres über die Betheiligung liefern zu können, hoffen jedoch
in der nächsten Nummer eine Liste der Konkurrenten zu brin-
gen. Bis jetzt existirt eine solche nur über diejenigen , welche
ihre Arbeiten mittels eines Ausclireibens an das Reicbskaiizler-
Anit eingesandt haben, während eine grosse Anzahl von Kollis
ohne ein solches noch nicht zur Auspackung gelangt ist. Jene
Liste umfasst CA Namen aus fast allen Theilen Deutschlands,
aus England, Frankreich, Belgien, Italien, Russland, Nord-
Amerika u. s. w. ; im Ganzen dürfte die Zahl der Entwürfe um
eiuige mehr als 100 betragen und über 1000 Blatt Zeichnuugeu
umfassen, also einen Wertkampf darstellen, wie er auf diesem
Gebiete wohl noch nicht stattgefunden hat Die Ausstellung
erfolgt in den bekannten Räumen der Kunst -Akademie aus
welcher die Wagner'sche Gemälde -Gallcrie bereits in gewohnter
Weise ausgeräumt wird, lieber ihren Beginn verlaute) Zuver
lässiges noch nicht ; wenn wir bei der energischen Hand, welche
über dieser Angelegenheit waltet, auch einen möglichst kurzen
Tennin annehmen, so halten wir es doch geradezu für nicht
wahrscheinlich, dass die schwierigen Vorarbeiten, wie eine Notiz
der Voss. Zeitung meldet, schon in dieser Woche beendet sein
seilen. Wir venuutheu vielmehr, dass uusere Annahme iu
No. 13, welche den Beginn der Ausstellung auf Anfang Mai
veranschlagte, sich bestätigen wird.
Dio Konkurrenz für Entwürfe zu einem Gebäude des
Frankfurter Bankvereins, welche bereits iu letzter Nummer
unseres Bau-Anzeigers angekündigt wurde, scheint uns die Auf-
merksamkeit der Pacltgenossen so sehr zu verdienen, dass wir
auch an dieser Stelle ausdrücklich derselben Erwähnung thun
wollen. Wenn bereits dio Höhe der Preise — 6b'ii>'» resp.
333 Vi Thlr. für blosse Planskizzen ohne Anschlug — eine aus-
sergewohnliche ist, so können wir nach Einsicht des Programms
und der Konkurrenz-Bedingungen versichern, dass augenschein-
lich die Absicht vorliegt, aio Konkurrenz nach jeder Seite in
würdigster und deu Interessen der Architekten entgegenkom-
mendster Weise einzuleiten, wie dies durch Berufung auf die
Grundsätze etc. des Verbandes auch ausgedrückt wird. Die
kleinen Abweichungen gegen diese Grundsätze (nicht völlig
genaue Festsetzung des Maasstabes uud uur 8tägige öffentliche
Ausstellung) sind demgegenüber geringfügiger Natur. Der Grad
der architektonischen Ausbildung soll der Klasse III in der
Norm für architektonisches Honorar entsprechen; aus dem Pro-
Sramni ist ersichtlich, dass der Schwerpunkt der Aufgabe iu
er geschickten Disposition der Geschäfts-Räuinlichkeiteu liegt.
Als Preisrichter fungiren die Hrn. Bankier F. Borgnis, Ar-
chitekt IL Burnitz und Ober-Ing. P. Schmick.
Personal- Nachrichten.
Prcussen.
Ernannt: Der Baumeister Lorenz zu Liegnitz zum Land-
baumeister uud technischen Hülfscrbeitcr bei der Köuigl. Re-
gierung daselbst . •
Versetzt: Der Eisenbahn-Bauiuspektor Ben der in Han-
nover au die Dircktiou der Oberscb lesischen Eisenbahn nach
Breslau.
Die Baumeister-Prüfung hat bestanden: Der Bauführer
Heinrich Rudolph Rauch aus Lindau bei Culni.
Bayern.
Ernanut: Der Baubeamte bei der obersten Baubehörde,
Fr. Seidel, z. Z. Kreisbau - Assessor bei der Regieruzg von
Oberbayeru, zum Bezirksingeuieur bei der General - Direktion
der Königl. Verkchrs-Anstalten. Der Oberiueenieur Gyssling
bei der Bauabtheilung der Königl. General - Direktion der Ver-
kehr» - Anstalten zum Oberingenieur bei der Betriebsabtheilung
kehr» - Aus
derselben.
Brief- und Frage kästen.
Konkurrenzen.
Die Konkurrenz für Entwürfe zum Hause deB dout-
aohen Ret .-hatag-ea , welche am l'>. April d. .1. geschlossen
Hrn. M. in Cmz. Wir verweisen Sie auf unsere Erör-
terung in dieser Nummer. Das» in irgend welcher Weise nach-
träglich eine Verbesserung de» begangenen Fehlers erfolgt, hof-
fen wir. Die Anmeldungen geschehen entweder direkt an die
Ijimles-Kommission f. d. W. Welt-Ausstellung oder durch Ver-
mittclung eines der deutschen Architekten- und Ingenieur-
Vereine.
Ilm- M. Kahn Söhne in Mannheim. Wir bedauern
Ihrem in so allgemeiner Form ausgesprochenen Wunsche nicht
entsprechen zu können.
Ilm. L. iu Lyck. Wie uns mitgctheilt wird, führt das
Ingenieur-Bureau von Nehtiich A Comp, iu Frankfurt a. M., das
die Berechtigung zur Auwendung des Brainard- Patentes vom
Erfinder selbst erworben hat, derartige Eiskeller-Anlagen aus.
Hrn. W. Sch. in Altona, Wir legen Ihr« Frage: „Welche
Fabrik liefert die leistungsfähigsten Maschinen zum Schneiden
von Steinplatten?' unserem Leserkreise vor.
Beiträge mit Dank erhalten von den Hrn. V. in Saarbrücken,
P. in Magdeburg (iu No. 14 Quittung zufällig weggebliebeu), M-
in Hamburg. _______
toh Carl U.elili i>
Utk. »o«. Ctbfud.r Pick. Mi.
Digitized by Google
Jahrg. VI. M 18.
DEUTSCHE BAUZEITUNG
R*iUktion n. Expedition:
U*rtin, Oriatraitra**« 10t.
Organ des Verbandes
deutscher Architekten - und Ingenieur-Vereine.
Rodakteur K. E. 0. Fritich.
Intar.tfl
1 dir Lnct der tmatheu
„B*a-Anwlgi-T"
urrJawpreu: Jfi StfL
Preis 1 Tkaler pr« Qiartal.
Berlin, den
2. Mai 1872.
1 TM'fn int jrilcn PftHUtratag.
Inb.lt: l>lc Konkarreai für Kniwürfe tum Hanar 'd». dralanh«. R*kh«-
Ugta !, — Die KuniialMnrn KlaHili.nnru. - Zur Kliithrllunit der Balken mit
IreUI.^-eiiden Stuui.uiiklfii. - MIlth.llunR.n au. Vrrri.i.: Artaitekten-
V»r.ln ... f«'^- Vw J» M«..»»nkuiKi. ta "«"J^- ^V,™'"" h, " :
«artigen BauthätlKkelt Horum. - Au. der Fuc Ii 1 1 1 teral n r; AUgtai.ine Baa-
leitunir, Janr*. UM. — Konkurre.itn- Monata-Aufiralien für ilen Architekten-
Verein in Berlin tun l. Jaul 1*1». - Konkurrei.» für Schrift über die Pateat-
fraa*. - Entwürfe um B.a einer Kirche In Bach. — l'.r.on al- Nachriohlan etc.
Die Konkurrenz für Entwürfe zun Baase des Deutschen Reichstages.
I.
Kaum ist mehr als ein Jahr vergangen, seit zuerst der
von allen Seiten mit freudigem Einverständnisse aufgenom-
mene Gedanke ausgesprochen wurde, in dem Hause für die
Vertreter des geeinigten dentschen Volkes ein würdiges Denk-
mal dieser Einigung auf/.urirhten durch die geraeinsame That
und im Wettstreite der besten künstlerischen Kriifte dt>r Na-
tion. Schneller, als wir dies unter früheren Verhältnissen
hatten erwarten können, hat der als frommer Wunsch ge-
äusserte Vorschlag durch die Zustimmung von Reichstag und
Keichsregierung feste Form und Gestalt gewonnen und schon
sehen wir in dem Abschlüsse der allgemeinen und öffent-
lichen Konkurrenz, aus welcher der Entwurf des Werkes
hervorgehen soll, den ersten bedeutsamen Schritt zu seiner
Verwirklichung gethan.
Nach alledem, was wir in den einzelnen Entwicklungs-
stufen der Angelegenheit bereit« für und über diese Konkur-
renz Beschrieben haben, halten wir es für überflüssig, gegen-
wärtig noch einmal auf die allgemeine Bedeutung derselben
Soweit dies nothwendig ist, werden wir es
r und nutebringender thnn können, wenn wir
Wie
ihre
nicht allein in den Kreisen der
im Volke selbst gewürdigt wird:
dafür ist wohl ein sprechendes Zeugniss idas außergewöhn-
liche Interesse, das sich schon jetzt für sie kund giebt, be-
vor noch die öffentliche Ausstellung der Entwürfe ihren
Anfang nehmen konnte. Wenn die Vorbereitungen für diese
Ausstellung auch beschleunigt worden sind, so bringen es
die bekannten traurigen Zustünde der öffentlichen Kunst-
titute Berlins, welche ein einziges Lokal für solche Zwecke
Disposition haben, doch immerhin mit sich, dass einige
Es ist schwer gewesen
l zn zügeln, welche
begierig waren, bereite einen verstohlenen Einblick in das
vorliegende Material zu gewinnen, noch schwerer die sehr
berechtigten Wünsche aller derer zu vertrösten, welche auf
das Schleunigste nach Nachrichten über das Ergebniss der
Konkurrenz verlangten. Haben doch diese Verhältnisse es
veranlasst, dass die Berichterstatter der politischen Presse
in der Unmöglichkeit, genauere und authentische Mitthei-
lungen zn machen, sich mit Gerüchten und Phantasien —
vor Allem über die Bedeutung der aus England eingelaufe-
nen Arbeiten — haben genügen lassen, die einer starken
Berichtigung bedürfen werden.
Als Termin für die Eröffnung der Ausstellung, deren
Dauer programmgemäss 4 Wochen betragen soll, ist nun-
mehr Donnerstag der 2. Mai offiziell festgesetzt worden, und
zwar mit der speziellen Bestimmung, dass die Vormittags-
stunden den Reichstegs-Mitgliedern und der Jury, die Nach-
mittagsstunden dem grossen Publikum gehören sollen. Der
direkten Erlaubnis* des Reichskanzler-Amtes und dem frennd-
lichen Entgegenkommen der bei den Vorbereitnngsarbeiten
igten Fachgenossen verdanken wir es, dass uns schon
le flüchtige Kenntnissnahme der Entwür
mit der Eröffnung der
Deutschland. D i«i
1. Strack 4 nerrmann, Berlin «'
2. Ende 4 Beckmann, Berlin 9
3. Uropius & Schmieden, Berlin 16
4. v. d. Hude 4 Uennicke, Berlin 9
5. Kayser 4 von Grossheim,
Berlin 8
C. Ebe & Benda, Berlin 11
7. Fr. Schwechten 4 M. Hellwig,
Berlin 8
8. Fricbus 4 Lange, Berlin 11
9. Triescthau 4 Schäfer, Berlin 9
10. Wuttke 4 Enders, Berlin 13
11. Aug. Orth, Berlin 10
12. Horm. Spielburg, Berlin 9
13. T. Milczewskv Berlin 8
14. August Tiede, Berlin 8
15. E. Haeseke, Berlin 11
16. Hubert Stier, Berlin 8
17. Herrn. Eggert, Berlin 11
18. .1. Merzenich, Berlin 10
19. P. Fingerling, Berlin 10
20. G. Uildobrandt, Berlin 9
21. Gorgolewski, Berlin 9
22. von Delden, Berlin 8
23. Schumann, Berlin (z. Z. Galatz) 5
24. R. Scholtze, Berlin (z. Z. Cairo) 9
25. R Berlin 10
26. Reichert 4 Kirchhoff,
27.
2«.
29.
30.
31.
32.
83.
34
35.
3«.
37.
38.
39.
40.
41.
42.
48.
44.
45.
46.
•17.
48.
49-
50.
51.
52.
53.
54.
55.
theiligten bringen
Die gross« Zahl der Arbeiten, die
Zeichnungen umfassen, hat es
allein sammtlielie Ausstellungsräume der
in Anspruch zn ne
gebaute niedrige Zwischenwände noch zu vergrftssern. Die
Anordnung der Entwürfe ist bei der Schwierigkeit und Ver-
antwortlichkeit, die mit jedem anderen System verbunden
nen derart erfolgt, dass die Ent-
der demselben Lande oder derselben Provinz nngehö-
Architekten nach Möglichkeit vereinigt wurden. Wir
bei Aufstellung des nachstehenden Verzeichnisse* das
zu Grunde gelegt.
56. Lampe, Zwickau 0
57. L. Bohnstedt, Gotha 15
58. 11. Becker. Bernburg 8
59. Lang« 4 Bühlmann, München Iii
60. Lorenz Bauer, München 8
61. Mezger, München 7
62. G. Eber lein, Nürnberg
63. 11. Nisle, Stuttgart 5
64- Haas 4 Wo lfr, Württemberg 8
65. Dürrn 4 Lang, Carlsruhe 9
66. Rud. Recltenb ach er, Carlsruhe 7
87. Weinbrenner, Mannheim 7
68. W. II am au u, Ueilbronn 9
69. Horst (fraglich) 6
70. Prcusor (fraglich) 6
Ruckert, Glogau
Hntzeii, Goslar
Pflaume, Cöln
R Cremer, Aachen
Tochtermann, Aachen
Gebr. Frings, Crefeld
Fuchs, Boppard
A. Güldenpfennig, Paderborn
Scharrath, Bielefeld
Mylius, Frankfurt a. M.
8
9
10
1
9
9
5
6
5
10
Oskar Sommer, Frankfurt a. M. 11
H. Moritz, Frankfurt a. M. 6
Jordan 4 Hoim, Hamburg 7
Eggera, Bremen 11
E. Klingenberg, Oldenburg u.
Berlin 10
G. A. Demmlcr, Schwerin 7
C. Luckow, Schwerin 10
Grell, Schwerin 5
C. Dümmler, Schwerin 8
Krüger, Dömitz
F. A. Wanstrat, Braunsohweig 7
Gösling, Pyrmont 8
A. Pieper, Dresden 8
W. Rettig, Dresden 6
Alfred Hauschild, Dresden 8
P. Weidner und O. Jummel,
Dresden und Leipzig 7
Const. Lipsius, Leipzig 10
R Weber, Leipzig 8
G. Ehrig, Chemnitz. 8
71. Alois Wurm, Wien
72. F. Iloal, Wien
73. A. Lange, Wien
74. Philipp teideufrost, Wien
75. Otto Oirard, Wien
76. Jos. Benischek, Wien
77. E. Steindl, Post
Niederlande und Belgien.
78. Gugcl. Delfft nnd Emmerich
79. II. J. Morro
80. C Muyskon, Holland
81. „Elk zyn gedacht., Gent
C
6
9
4
7
6
15
6
8
7
8
Digitized by Google
Grossbrittannicu.
82. W. J. Green, Loodoo
Kl. Edward El Iis, London
84. Philipp E. Masey, "
85- Kerr, London
8C. William Emerson, London
87. J. H. Spanton, London
S8. Friedrich Sang, London
89. Geo. Gilbert Scott & John
Scott, Lon(
90. John Toner,
8
6
8
9
12
8
II
IS
7
91. Edward W. Godwin A Robert
W. Edis, I-ondon 7
92. Thomas Turner, Dublin und
Belfast 7
93. L. Dcville, London 8
94. Walter W. Robertson. London 8
95. R. Stark W ilkinson, London &
Torquay 3
9G. J. B. Waring, London 10
Frankreich .
97. Francoia Roux 4 Christ Blaue,
Paris und Berlin. 9
98. C. Junk, Paris 9
99. Heiur. v. Geymüllcr, Paria 7
Italien.
1U0. Francesco VeBpignani, Pietro
dclk Vallc* RodolfeA. Lau-
ciani, Rom 9
101. Pio Benignctti, Rom 2
Amerika.
102. S. West, Washington 4
K
on-
Ueberblieken wir das äusserliche Ergebnis» der
knrrenz, wie os zunächst in dieser Liste sich darstellt —
und auf Weiteres kann die vorliegende Einleitung unseres
Berichtes sich wohl kaum erstrecken — so darf leider nicht
verschwiegen werden, dass die weitgehenden Erwartungen
und W'ünsche in Betreff einer allgemeinen Betheiligung der
deutschen Architektouschaft an dieser Aufgabe sich nicht
erfüllt sehen.
Es hat keinen sonderlichen Werth zu untersuchen, welche
Ursachen hierfür verantwortlich zn machen sind. Vielleicht
ist die in weiten Kreisen getheilte Verstimmung, dass man
uns dieser Konkurrenz um eine nationale Aufgabe ohne Noth
eine internationale gemacht hat, nicht ohne Einfluss geblie-
ben; ebenso mögen die Unbekanntschaft mit den materiellen
Erfordernissen des Programms, dem leider die von uns em-
pfohlene Erläuterung nicht geworden ist, — die angewöhnte
Karze der Zeit und die Anforderungen, welche der Zwang
des für Skizzen entschieden zu gross gewählten Maasstaltes
stellten, theilweise das Ihrige gethan haben. Noch grössere
Bedeutung messen wir dem Umstände bei, dass augenblick-
lich fast aller Orten eine Fülle direkter und drängender
Bauaufträge so manche Kraft ausschliesslich in Anspruch
nimmt, während wir nns nur schwer der Ansicht anschliesscn
können, dass viele Architekten von Ruf nur dann auch auf
eine Konkurrenz von dieser nationalen Bedeutung sich ein-
lassen, wenn ihnen mit einer direkten Aufforderung die Be-
zahlung ihrer Arbeiten zugesichert wird. — Thatsache ist es
jedenfalls, dass wir mit Ausnahme Berlins unter den Kon-
kurrenten eine namhafte Zahl von Männern vermissen, die
wir als treffliche Vertreter deutscher Baukunst verehren und
von denen wir zum Mindesten einigen zu begegnen hofften.
Ohne Nflmen zu nennen, konstatiren wir doch, dass die
grosse hannoversche Schule, das» die zahlreiche Architek-
tenschaft Hamburgs und Württembergs fast unvertreten ge-
blieben ist, dass Hessin ganz fehlt und auch die Betheiligung
Bayerns weitaus unter der Bedeutung dieses Landes steht
El>en so schwach ist der Antheil der preussischen Provinzen,
während Sachsen und namentlich Mecklenburg ein regeres
Interesse entfaltet haben. Dass von den Architekten Oester-
reichs, wo die architektonische Thätigkeit gegenwärtig in
grösserer Blüthe steht, als irgendwo im deutschen Reiche,
nur so wenige mitkonknrrirt haben und dass unter diesen
bekannte Namen fehlen, mag allerdings wohl noch anderen
Gründen zuzuschreiben sein.
Demgegenüber ist es eine erfreuliche Thatsache, dass
die Berliner Architektenschaft in desto grösserer Vollzählig-
keit auf dem Kampfplätze erschienen ist Kaum 4 bis G
Namen ans der Reihe derjenigen, welche zu einer solchen
Konkurrenz berufen erscheinen, werden vemiisst und auch
diese hat zum Tbeil nur der Zwang äusserer Verhältnisse
fern gehalten. Wohl ist die Stellung der Berliner Architek-
ten zu dieser Aufgal>e, wie früher bereits zu der des Dome», eine
andere als die ihrer deutschen Fachgenossen; denn neben dem
kleinen Versprenge, den ihnen die Kentniss der lokalen Ver-
hältnisse gewährt, ist es Ehrensache für sie, an dem
Wettstreite, der einem Bauwerke ihrer Stadt gilt, sich zu
hetheiligen. Aber immerhin scheint es uns der wärmsten
Anerkennung würdig zn sein, dass sie dieser Verpflichtung
sich hewusst geworden sind und die Opfer nicht gescheut
habm. welche ihnen dieselbe auferlegte. l)enn mit wenigen
Ausnahmen sind es auch diesmal nicht etwa die Beamten,
welchen der Staat die Leitung seines Bauwesens anvertraut
hat, sondern die augenblicklich mit einer fast erdrückenden
Last der dankbarsten Aufträge beschäftigten Privat-
Architekten, welche in erster Linie für die Ehre der heimi-
schen Architekturschule eingetreten sind.
Leidet unter diesen Verhältnissen die Konkurrenz an
einer gewissen Einseitigkeit, welche es nicht gestattet, ihr
Ergehniss als ein anch nur annähernd getreues Bild der
architektonischen Leistungen und Bestrebungen in den ver-
schiedenen Gauen Deutschlands zu betrachten, so ist es hin-
gegen ein eigentümliches Interesse derselben, dass sie in
höherem Grade als wohl je eine frühere deutsche Preisbe-
werbung, eine internationale genannt werden kann.
Vor Allem ergiebt sich Gelegenheit zu einem Wettkampfe
zwischen deutscher und englischer Kunst. Nicht weniger als
15 Entwürfe, darunter solche von bekannten und bedeuten-
den Architekten, sind aus'England eingetroffen und wir er-
wähnten oben bereits der ziemlich voreiligen Bewunderung,
die denselben im Voraus entgegengetragen worden ist. —
Wäre Frankreich es nicht gewesen, dessen Niederlage der
Aasgangspunkt für die Errichtung des deutschen Reiches
geworden ist, so möchten wir, nach dem Vorgange der Wiener
Rathhaus- Konkurrenzen, anch wohl auf eine ebenso starke
Betheiligung national-französischer Architekten rechnen kön-
neu. Sie ist in taktvoller Weise unterblieben; denn unter
den 3 Pariser Namen sind zwei bekannte Deutsche und auch
der dritte ist mit einem Deutschen kombinirt. — Mehre Ent-
würfe haben die Niederlande und Italien, einen Amerika ge-
liefert, von wo dem Vernehmen nach noch mehr» andere
angemeldet und unterwegs sind, aber wohl schwerlich noch
an der Konkurrenz Theil nehmen dürften. Hingegen hat
sich das, was über den Antheil russischer Architekten ver-
lautete, als ein lrrthum erwiesen. (F«uwinng fei*.)
Die Rumänischen Eisenbahnen.
Mit Abbildungen tat 8*it< 145.
Nachdem durch Gründung einer Aktien-Gesellschaft der
Rumänischen Eisenbahnen die unerquickliche Angelegenheit
einen, wenn auch nicht überall In-friedigenden, so-
i allen Theilen angenommenen Ausgleich gefunden
hat und somit auf schwebende Verhandlungen in keiner
Weise mehr eingewirkt werden kann, dürfte es an der Zeit
und immer noch von Interesse sein, wenn auch in diesem
Blatte einige Mittheilungen über die genannten Bahnen ver-
öffentlicht werden.
Es kann in einem technischen Organ sich selbstver-
ständlich nur um den technischen Theil der Angelegenheit
handeln und soll daher die Frage nicht weiter ventilirt wer-
den, wo und an wem die Schuld lag, dass das von vorn
herein entschieden aussichtsreiche Unternehmen nicht reus-
sirte nnd nicht reussiren konnte. Nur soviel sei hier be-
merkt, dass es während des ganzen Baues an einer Persön-
lichkeit fehlte, welche das Unternehmen sowohl dem Pub-
likum wie den Behörden gegenüber in geeigneter W r eise re-
prüsentiren konnte. Die Ansprüche, welche in dieser Be-
ziehung der an den Schliff französischer Umgangsformen
gewöhnte gebildete Rumäne stellt, sind nicht leicht zu be-
friedigen und eine völlige Sicherheit des Auftretens ihm
gegenüber notwendiges Erfordernisa. Für den rein tech-
nischen Theil des Unternehmens hätte einem solchen Re-
präsentanten ein gewiegter Bau- Ingenieur, mit den ausge-
dehntesten Vollmachten ausgestattet, zur Seite gestellt wer-
den müssen. —
Der interessanteste Theil des ganzen Baues war un-
streitig die Zweigbahn von Barbosc nach Galatz 20 K " lang.
Während die Hauptlinic von Roman über Galbini 20"™, Ba-
kau 24 Km , Phantom 14 Kn ", Racaciune 12 K «\ SaskutlS Km , Adjuil
14 K », Pnfesti 8 K », Maracesti 18*» Teeueiu 20 K », Ivesti 20*-,
Preval 20 Kra , Serbesti 17 K » Barbosc 13«", Braila 20 K '°,
Muftia 21 Km , Janca 19«», Fureni 20 K », Cilibia 20"», Bu-
ceo 20 K », Ulmeui IS*», Mezilu 16 K ", Albesti 17 K -, Plo-
jesti 18"" Crivina 20«», Peris 1 1 K "', Ruft» 11""», Chitilla
8"™, Bukarest 11 K - erreicht und somit 468 K «' lang ist,
zweigen sich von dieser Hauptbahn folgende Zweigbahnen
ab: in Teeueiu über Ghidigeni 25«"' nach Berlad 24 K -, so-
mit in Summa 49 Km lang; von derselben Station Tecuciu
nach dem stehenden Lager von Forczeni wenige Kilometer
lang; in Barbosc die Zweigbahn nach dem Haupthafenplatz
der unteren Donau, Galatz 20 K ™ lang; in Braila die nur kurze
Hafenbahn; sowie endlich in Chitalla über Preseaca 19«»,
Digitized by Google
- 143
Tltu 22*- Gaesti 18*™, Moara 21 K ™, die Zweigbahn nach
Pitesti 16 K ™ in einer Gesammtlänge von !>«"« ah. Diene
letztere Zweighahn ist bestimmt bis zur österreichischen
Grenze bei Turn Severin fortgesetzt zu werden. Von diesen
Bahnen sind nur die beiden Strecken Barbosc- Galatz und
Bukarest -Chitilla zweigeleisig, alle übrigen eingeleisig pro-
jektirt und ausgeführt.
Während das Terrain aui der Strecke Tecuciu-Bukarest
im Allgemeinen günstig ist und keine stärkeren Steigungen
als 1 : 200 vorkommen, hat der Theil Tecuciu-Roman schon
mit grösseren Terrain - Schwierigkeiten zu kämpfen, da die
Ueberschreitung einer Anzahl ansehnlicher Wasserlaufe be-
deutende Brückenbantcn mit anschliessenden ansehnlichen
Dämmen, und die zwischen den Flussthälera liegenden Was-
serscheiden grosse Einschnitte nöthig inachen. Die bedeu-
tendsten Schwierigkeiten waren aber auf dVr Strecke Galatz-
Barbosc zu überwinden. Die direkte Entfernung der beiden
Bahnhöfe beträgt etwa 7 bis8 Km , musste aber in Folge der
zu überschreitenden Wasserscheide zwischen der Donau und
ihrem bedeutendsten Nebenflüsse im unteren Theile ihres
Laufes, dem Sereth, bis auf 20 K ™ entwickelt werden, wobei
dennoch Gradienten von 1 : 100 bis 1 : 90 angewendet wur-
den. Es ist dieses ein um so ungünstigeres Verhältnis*, als
alle von und nach dem Haupthafen Rumäniens spedirten
Frachten diese ungünstigen Steigungen und Kurven passiren
müssen. Die unter Fig. 1 gegebene Situations-Skizze ver-
anschaulicht dieses besser, als eine Beschreibung es vermag.
Es ist eine eigentbüinliche Terrain -Formation, welche
die Bahn gleich nachdem sie den Bahnhof Galatz verlassen,
passirt; 20 bis 30™ hohe steile Wände, durch zahlreiche nicht
minder tiefe und steile Schluchten unterbrochen, fallen fast
senkrecht mit geringem Vorlande nach dem Bratis-Seo ab.
Aus einiger Entfernung glaubt man kahle Felswände, ähn-
lich denen der Sächsischen Schweiz vor sich zu haben, und
doch bestehen diese Bildungen nur aus einem äusserst fei-
nen, in den steilsten Böschungen stehenden sehr fruchtbaren
Lehmboden. Die meisten Keller in Galatz sind nur in die-
sen Boden gegrabene Gänge und Löcher, ohne die geringste
Auszimmerung weder an den Wänden uoch der Decke. Es
giebt in Galatz Weinkeller, die sich unter mehren Häusern
und der Strasse in weitverzweigten Gängen ausdehnen, ohne
dass dieselben irgendwie abgesteift oder ausgemauert wären. I
Diese Terrainbildung kehrt übrigens in Rumänien vielfach I
wieder. Die hohen Ufer des Sereth, des Prath, der Briada,
die Rebenhügel des berühmten Weinortes Odobesti bei Fok-
sani bestehen aus dem gleichen feinen Lehm; in einem am
Sereth ausgeführten ca. 20"" tiefen Einschnitt ist auch nicht
die geringste Veränderung des Materials wahrgenommen
worden, kein Stein wurde in dem ganzen Einschnitt gefun-
den und die Arbeiter gruben sich in den fast senkrechten
Wänden Höhlen und Lagerstellen, ohne das Abbruche oder
Kut*chungen eingetreten wären. Derselbe Stoff ist es auch,
ans dem ein grosser Thcil der Strassen in Galatz besteht,
der im Winter von der Nässe erweicht ohne Abzugsgräben
derartig bodenlos wird, dass die Droschken (Birja) bis an
ilie Axen der Räder im Kothe fahren und der Verkehr nur
zu Wagen oder in langen Wasserstiefeln bewerkstelligt wer-
den kann. Im Sommer durch die Hitze getrocknet erfüllt
dasselbe Material, durch den geringsten Luftzug bewegt, als
dichter Staub alle Strassen und dringt durch Thüren und
Fenster in die Wohnungen, alle Gegenstände mit einer gelb-
lichen Schmutzschicht überziehend. Die Fähigkeit dieses
Bodens, in sehr steilen Böschungen zu stehen, Hess es an-
gänglich erscheinen, das Normalprofil mit Abtragsböschun-
gen von 1 : '/i zu wählen, und habe ich nicht gehört, dass
dasselbe zu irgend welchen Klagen Veranlassung gegeben
hätte.
Die kleineren Bauwerke. Durchlässe und Brücken von
geringeren Spannweiten, sind in ganz ähnlicher Weise, wie
solche bei deutschen Bahnen üblich sind, aus Backsteinen
ausgeführt. Das Ziegelmaterial liess natürlich manches zu
wünschen übrig, da die Steine in der einfachsten Weise
bearbeitet und eigentlich mehr gebacken als gebrannt werden.
Das Feuerungsmaterial ist sehr thener und wird also nach
Möglichkeit gespart, dabei erfolgt das Brennen lediglich
in Feldöfen primitivster Konstruktion und kanu demnach
die Qualität eben keine vorzügliche sein. Dieses ist auch
der Grund, weshalb alle Hochbauten in Putzbau ausgeführt
wurden. Die zahlreichen grösseren Brücken, fast ausschliess-
lich mit eisernem Ueberbau verschiedener Systeme — eng- und
weitmaschige Balkenträger, Schwedler'sc'he Parabel träger,
lieide Formen mit Fahrbahn oben oder unten — bieten auch
keine wesentlichen Unterschiede von ähnlichen Bauwerken
in Deutschland. Die Pfeiler, meistens aus einem eigentüm-
lichen, in den Irans) Ivanischen Alpen bei Piatra und Okua
gebrochenen Sandstein ausgeführt, sehen recht ansprechend
aus und passen mit ihrem ranhen Aensseren gut in die oft
wilde Umgebung. Um wenigstens eine Probe davon zu ge-
ben ist in Figur 5, 6 und 7 die Sabraus - Brücke in einem
Grundriss und Querschnitt des Landpfeilers, sowie einer An-
sicht skizzirt. Die Fundirung mit hölzernem Brunnenkranze
wnrde nur bei Wasserzudrang angewendet, während sonst ge-
wöhnliche durchgehende Fundamente, durch einige Bankets
verbreitert, ausgeführt wurden.
Die Bahn folgt von Bukarest bis Barbosc dem weiten
Donauthale, während sie von Barbosc bis Roman sich in
dem ziemlich engen Sereth-Thale hinzieht Es waren dem-
nach alle Seitenzuflüsse dieser beiden Hauptströme zu über-
schreiten, wie denn auch das Ufer des Sereth zweimal ge-
wechselt wird, und erforderten diese zum Theil recht be-
deutenden Wasserläufe die Anlage von mehr als 20 grösseren
Brücken, deren Oeffnungen von einer bis zu neun, mit Spann-
weiten von 7,5 bis 47™ wechseln.
Dass so viele verschiedene Spannweiten oft ohne trifti-
gen Grund, und so viele von einander abweichende Ueber-
bau- Konstruktionen gewählt worden waren, erwies sich lei-
der als ein sehr grosser Uebelstand. Als nämlich diese Ue-
berbau- Konstruktionen aus Seraing in Belgien, wo dieselben
gefertigt worden waren, nach und nach in Galatz eintrafen,
stellte es sieh heraus, dass dieselben nicht, wie die einzelnen
Theile zusammengehörten, in die Schiffe verladen worden wa-
ren, sondern jedes Schiff brachte Theile von mehren Brük-
ken bunt durcheinander, während fehlende Stücke violleicht
erst nach Monaten eintrafen. Nicht allein, dass dieses Ver-
fahren ein endloses, mühseliges Suchen verursachte, so kam
es anch vor, dass Theile nach falschen Bauplätzen geschafft
wurden. Fast kein Ueberbau konnte daher fertig gestellt und
so die Brücke zum Transport anderer Materialien benutzt wer-
den; die Monteure mnssten bald bei dieser, bald bei jener
Brücke arbeiten, und es entstand so eine ganz unnütze Zeit-
versäumniss. So rationell es natürlich in kultivirten Ländern
ist, für jedes grössere Bauwerk ein sorgfältig durchgearbeite-
tes Spezial- Projekt aufzustellen, so wenig empfiehlt sich die-
ses in einem an Kommunikationen und Werkstätten armen
Lande, wie Rumänien. Eine Ueberbau - Konstruktion für
10"', eine solche für 20™ und endlich eine für 40™ Weite würde
ausgereicht haben, um durch Wiederholung und Kombination
der verschiedenen Konstraktionen allen \ erhaltnissen genü-
gen zu können.
Die englische Gesellschaft, welche die Ausführung vou
10 grossen Chaussee -Brücken übernommen hatte, schlug hier-
bei ein überaus praktisches Verfahren ein. Die entsprechen-
den Theile dieser, mit Ausnahme der gemauerten Landpfei-
ler ganz ans Eisen konstrairten Brücken stimmten bei allen
Bauwerken genau überein und war es somit ganz gleich, ob
dieser oder jener Träger, diese oder jene Strebe etc. nach
dem Milkow- oder dem Rymnik- oder jedem anderen Bau-
platze transportirt wurden, die einzelnen Theile mussten im-
mer passen, und uur durch häufigere oder seltenere Wieder-
holung der einzelnen Konstraktions -Theile wurden die Ver-
schiedenheiten in Höhe und Länge der einzelnen Brücken
bewirkt. Ich habe in dieser Weise ausgeführte Brücken von
3™ und von 15" 1 Höhe gesehen. Die Pfeiler bestehen aus.
eisernen Röhren in Längen von ca. 2™, von welchen die er-
ste mit einem Schraubengewinde in den Boden geschraubt
ist, während die anderen in erforderlicher Anzahl bis zur ge-
wünschten Höhe durch Flansche mit Schraubenbolzen ver-
bunden sind. Um bei grösseren Höhen die Schwankungen
zu vermeiden, sind die zu einem Joch gehörigen Röhren durch
Krenzverstrebungen in erforderlicher Anzahl verbunden. Je
nach der erforderlichen Länge der Brücke wurde die An-
zahl dieser Joche vermehrt. Die Joche tragen Längs- und
Querträger, auf welchen die Fahrbahn durch Wellcnbleche
und Kiesbettung hergestellt ist.
Die meisten Abweichungen von deutschen Anlagen zei-
gen die rumänischen Bahnhöfe; dieselben sind bis auf ei-
nige Ausnahmen durchgängig 800™ lang und 100™ breit an-
gelegt, haben an jeder Seite einen 15™ breiten Parallelweg
und an jedem Ende einen 10™ breiten Niveau -Uehergaug.
Die ganze Anlage eines solchen Normal - Bahnhofes zeigt Fig.
g. Man darf nun nicht glauben, dass die gauze ausgedehnte
Fläche eines solchen Bahnhofes nun auch wirklich als Bahn-
hofs- Planum hergestellt wurde; im Gegentheil, es wurden
nur die Geleise in der notwendigen Breite, sowie der Raum
für die Gebäude auf Planums -Höhe hergestellt. Eine Was-
serstation ist fast für jeden Bahnhof vorgesehen, was bei
den dortigen klimatischen Verhältnissen, wo während der
im Sommer herrschenden Trockenheit viele Brunnen ganz
versiegen, auch dringend geboten ist. Ferner ist jeder Bahn-
hof in der Nähe der Yichrampe und von dieser aus zugäng-
Digitized by Google
— 144 —
lieh mit einem eingefriedigten Hofe verselten, uiu da« voraus-
sichtlich viel zum Transport gelangende Vieh bis zur Verla-
dung unterbringen zu können. Das» natürlich für die gros-
sen Bahnhöfe Galatz, Bukarest. K oman, sowie für die Statio-
nen Chitilla, Barbosc und Tecuciu Spezial-Prtdekte bearbei-
tet wurden, ist selbstverständlich, und ist in Flg. 2 die be-
deutenste und eigentümlichste dieser Anlagen, Bahnhof Ga-
latz, dargestellt Eine Erleutcrung bedarf diese Skizze nicht,
dieselbe lässt ihre Vorzüge und Mängel deutlich erkennen;
nur eines, auf der Situation nicht darstellbaren Uebelstandes
sei erwähnt: der Bahnhof ist nämlich nicht Hochwasser frei,
wie denn derselbe im Frühjahr 1871 auch faktisch unter
Wasser gestanden hat.
Sind schon die Bahnhöfe der Linie Bukarest -Roman,
abgesehen von der Grundfläche, nicht gerade splendid aus-
gestattet, so sind diese Anlagen auf der von einer englischen
Gesellschaft erbauten Linie Giurgewo- Bukarest doch noch
um Vieles einfacher ausgeführt. 1 >ie Fig. 4 giebt eine Skizze
dieser Bahnhofsanlagen; übrigens gleichen sich dieselben
auf allen fünf Zwiscnenstationen, Fratesti, Baneasa, Comana,
Vidra und Gilava, dieser G7 Km langen Balm so genau, das»
man ohne die Namen -Tafeln nnd die wechselnde Umge-
bung die Stationen füglich verwechseln könnte. Selbst die
Station Comana, auf welcher die Kreuzung der Züge statt-
findet, weicht in Nichts von dem Typus ab, und ist der zu-
erst einfahrende Zug gezwungen vor den Güterschuppen zu
fahren, um den anderen Zug passiren zu lassen. Zur Fig.
4 bemerke ich noch, dass dieselbe nur nach den gelegentlich
einer Reise auf dieser Bahn gemachten Bemerkungen skiz-
zirt ist und daher keinen Anspruch auf absolute Richtigkeit
machen kann, dieselbe soll auch nur eiue Vorstellung von
der Einfachheit dieser Anlagen geben, und dazu reicht sie
wohl aus. Die Endstationen dieser Bahn, beide* Kopfstatio-
nen, sind geschmackvoll, ja selbst elegant ausgeführte An-
i, nur reicht der Bahnhof Giurgewo schon jetzt nicht
für den Verkehr aus.
Der Oberbau der rumänischen Bahnen weicht von der
gewöhnlichen Konstruktion nicht ab, nur ist derselbe in
Schienen und Schwellen wesentlich leichter, als der jetzt bei
Neubauten auf deutschen Bahnen übliche. Weichen und Herz-
stücke kommen nur mit einer einheitlichen Neigung von 1 : 10
zur Verwendung.
Die meisten Bahnhöfe liegen in Horizontalen, doch muss-
ten einige Ausnahmen, wie z. B. die Bahnhöfe Sascut und
Bacan, die in Steigungen von 1 : 900 nnd 1 : 750 liegen, zu-
gelassen werden. Der Bahnhof Pitesti ist Kopfstation.
An besonderen eigenartigen Anlagen haben die rumä-
nischen Bahnen nichts besonders Wesentliches aufzuweisen.
Das Einzige wären die beiden Hafenhahnen in Galatz und
Braila, die aber als Muster für derartige Anlagen nicht füg-
lich gelten können, da beide im rechten Winkel auf den
Strom treffen und somit alle Wagen, die längs des Kais
verwendet werden sollen , erst eine Drehscheibe passiren müs-
sen. Die ähnlichen Anlagen in Giurgewo und Rustscbuik
sind ungleich zweckmässiger, da hier die Hafenbahnen pa-
rallel dem Stromlauf liegen; bei Rustschuck vermöge der
ganzen Bahnhofslage, bei Giurgewo durch weite Y-Kurven,
von denen die eine den Verkehr mit der Kopfstation, die
ander«! in der Richtung nach Bukarest direkt vermittelt.
Wie die Hafenbahnanlage in Varna situirt ist, kann ich nicht
mit Bestimmtheit angeben, da ich dieselbe nur aus der Ent-
fernung in der Dämmerung gesehen habe.
Die Ausführung der Arlwiten erfolgte, wenigstens die der
Erdarbeiten, fast ausschliesslich durch einheimische Arbei-
ter unter Leitung von deutschen Schachtmeistern und Vor-
arbeitern. Es zeichneten sich hierbei die Rumänen durch
Anstelligkeit und Gewandtheit, die Russen dagegen durch
Fleiss und Unermüdlichkeit aus. Die Bewegung der Boden-
massen geschah theils durch Handkarren, theils durch ge-
wöhnliche mit Pferden oder Ochsen bes]Minnte Wagen, sowie
endlich bei Galatz Maschinen - Betrieb eingerichtet war.
E. F.
Um für elnou Balken mit freillegcuden Stützpunkten, bei
Anwendung gleichförmigen Gurtungsuuerscbuittes in allen Thei-
len desnelben, das Minimum an Materialaufwand zu erhalten,
ist der Balken so einzutheilen, dass sSrnrntlichc Maximal -Bie-
gungsmomente gleich gross werden. Die Lösung dieser Auf-
gabe, wiewohl einfach, ist vielleicht nicht ohne allgemeines
Interesse.
Betrachtet man einen Balken über 3 Oeffnungen mit zwei
freiliegenden Stützpunkten in der Mittelöffnung, und
Zar F.lntbtiliig der lalkei «it frelllegeDden Mütjpunkkn.
Aus (1) ergiebt sich
x= V V\ =y. 0,7071,
9.
I
massige a
einheit = 1
Es ist aber
7. so kann man diese für die Länccn-
Man hat (Fig. 1.) die "
V 0 =
Jf. = Jf.=ifV
1"
Af, -
wenn A der EudauflaRerdruck ist
Setzt mau für letzteren
A='~ 9 -
oder da M, = X.
seiueu Werth:
M,
1-9'
x*
so ist U:
2 L 2 XI- y)J
Indem man nun M, zuerst = Mi und dann = Jfi setzt, er-
hält man die beiden Gleichungen
W<,-*)-t-<!L-*>'
■ni-v)
(i)
(2)
dies in (2) einsetzt, folgt aus (2)
= /. 0,3634.
x_
V
y - 1 i+v*
Mau sieht,
Einfluss auf Af, hat und dass
von dem Verhältnis« -S- ist
Zu den für j" uud jr berechneten Werthen gelangt man auch,
wenn man drei gleiche, mit ihren Axeu in gleichen '
ciuführcn und fiudet
p die bleibende,
vertikal nebeneinander RCBtellte Parabeln, deren Scheitel in einer
Horizontalen liegen (Fig. 2), durch eine andere Horizontale in
halber Höhe schneidet —
Ist bewegliche Belastung zu berücksichtigen, so muss mau
den Fall mit in Rechnung ziehen, wo die Aunseuöffnuug allein
belastet ist, da dann it, am grttesten wird, während II, und J/,
bei voller Belastung der Mittelüffnung oder der ganzen Brücke
ihr Maximum erreichen.
Man kann hier für x sogleich den vorhin berechneten Werth
l/r
x — v v y
g die bewegliche Belasten« für die Längeneinheit ist. mit Rück-
sicht auf Fig. 1 für volle Belastung der Mittelüffnung oder
der ganzen Brück«
Af. = M^ £ (,+,>
Es ist aber für allein
_ A*
2 +
und A-(l~y) ( p ±tf pp,
Digitized by Google
145 —
*•=[
(l-P)(p + 4)
1
PV* 1*
2 {p + V)
Setzt man diesen Werth gleich dem vorhin fiir M, und
:, so kommt, wenn man beiderseits die Wurzel zieht.
</-»> (J» + »> PP* _ f f _ .
ä — 4cP«- y i ^ + 9) '
woraus dann folgt
»=/-
p
Hp+«)
Hier ist nan das Zahlenverhältnias zwischen p und q ein-
ist zum Beispiel ij = 'ip, so wird
+ JK2- Vi.
t V. + K2
» = 0,4.
Um den Materialaufwand für die Balkcngurtungen wirklich
zu einem Minimum zu machen, muss man freilich verschiedene
Gurtuugsqucrschuitto in den einzelnen Theilcn des Balkens zu-
lassen und die Laugen dieser Theile mit berücksichtigen. Man
muas dann den von Ritter (elem. Theorie der eis. Dach- und
Brückcn-Konstr., Aufl. II, pag. 230) eingeschlagenen Weg »er-
folgen, auf welchem Bich dag Verhältnis — = 0,6076 ergiebt,
statt 0,7071, wie hipr berechnet wurde. Unter Benutzung dieses
Werthea und Berücksichtigung der beweglichen Lost würde
man, wie vorhin, il», M, und M, auszudrücken, jedes derselben
mit der Lange des zugehörigen Balkentheils zu multipliziren
und die Summe der Produkte zu einem Minimum zu macheu
haben. Hierdurch würde sich dann der Werth der Variabein
y bestimmen. W. Houssello.
Mittheilungen
Arohltekten -Verein zu Berlin. Versammlung am 27. April
187:!; Vorsitzeuder Ilr. Strcckert, anwesend lCt Mitglieder
und 5 Gäste.
Nach einigen Mittheilungen des Hrn. Vorsitzenden legte zu-
^nächst Hr. Fritsch einige Publikationen verwandter ausländi-
scher Vereine vor: den fünften Jahresbericht des Amerikanischen
Architekten-Vereins (über den wir uns Bericht vorbehalten) uud
die heidr'ii ersten Hefte eines von dem Architekten- Vereine in
St. Petersburg herausge''cbrnen*J neuen Fach-Journals. Der letzt-
nantitc Verein, der mit dem hiesigen demnächst noch in weiteren
schriftlichen Verkehr uud in nähere Beziehung treten dürfte, ver-
tritt bei der strengen Trennung, welche die einzelnen Zweige des
Bauwesens in Russland sondert, ganz ausschliesslich die Archi-
tektur, die daher in der betreffenden Zeitschrift allein berück-
sichtigt ist. Die niitgetheilteu Bauwerke sind mit einer einzigen
Ausnahme im Holzbau, und zwar vorwiegend in der charakteristi-
schen national-rassischen Bauweise ausgeführt, deren Pflege dort
neuerdings eine erneute Aufmerksamkeit gewidmet wird und die
allerdings für die Verbältnisse des Landes wohl eine eben so gutu
Berechtigung besitzt, wie die lange Zeit hindurch in Szene gesetzten
Versuche, die antike Schablone auch dort zu importiren. Wäh-
rend die erneute Ausbildung der russischen Bauweise und ihre
Verwendung für moderne Zwecke namentlich in der früheren
akademischen Lebrthätigkeit des jetzt in Berlin lebenden Prof.
A. von Petzolt eine Basis besass, der sie eine Fülle brauch-
barer Motive verdankt, ist mau gegenwärtig auch damit beschäf-
tigt, die noch ziemlich dunkle Geschichte des sogenannten
nissischen Stils nach Möglichkeit aufzuhellen; die in den Kunst-
geschichtsbüchern übliche Auffassung desselben aU einer blossen
barbarischen Verwilderung byzantinischer Traditionen wird als
nicht baltbar angesehen, und ist mau nach dem Resultatu der
bisherigen Forschungen viel mehr geneigt, die direkte Einwir-
kung asiatischer, namentlich hindostanischer Einflüsse anzu-
nehmen. In den vorliegenden Heften dient der Beginn einer
Zusammenstellung von alten Uobzkirchon der verschiedensten
Länder gleichfalls diesen Studicuzwcckcn ; die modernen Bauten
sind durch einen Zirkus und ein Bade -Etablissement, eine
Irrenhaus-Anlage, ein Gestüt und ein Wohnhaus vertreten. Die
Zeichnungen sind in sauberer Lithographie hergestellt; der Text,
der ursprünglich in drei Sprachen beabsichtigt war, ist aus
Sparsuuikeitsrücksichten leider auf die russische Sprache be-
schränkt geblieben, so duss er nur für einen kleinen Kreis aus-
wärtiger Fachgenossen zugänglich sein dürfte. — (Weitere Mit-
theilungen über die Zeitschrift werden wir später unter den Re-
feraten aus der Fachliteratur bringen. D. Red.)
Es folgt der Vortrag des Hrn. E. Wiehe II. über Reinigung
und Entwässerung der Städte mit besonderer Berücksichtigung
des gegenwärtigen Standpunkte« dieser Frage in England und
der binnen Kurzem vollendeten Kanalisiruug Dauzigs. Der
Vortrag, der unsereu Lesern später in einer für unser Blatt be-
stimmten Bearbeitung bekannt werden wird, konnte für diesen
Abend nicht ganz zum Abschluss gelangen uud soll demnächst
fortgesetzt werden.
Einige im Fragckastun enthaltene Fragen werden durch die
Hrn. Schw edler und Aasmann beantwortet
- F. -
Verein für Elsonbahnkundo zu Berlin- Versammlung
am 9. April 1872. Vorsitzender Herr 11 artwich, Schriftführer
Herr Streckert.
Herr Rock machte Mittheilung über die seit einer Reihe
von Jahren betriebenen Restaurationsarbeiteu der Weichselbrücke,
im Zuge der Königl. Ostbahn bei Hirschau. Vorwiegend waren
die Beschädigungen im Iuucru der Landpfeiler, an den äussc-
ruu Flächen der Schildmaueru uud an den Thurmbekrouungen
bemerkbar. — Anfänglich machte sich die Meinung geltend,
das« die Ursache der vielfachen Abblätterungeu der Ziegel
dem Material, aus welchem dio Ziegel gefertigt, zuzuschreiben
sei; im Laufe der Zeit stellte sich durch geuauere Beobachtun-
•) Man «r»l. Jahrg.,,« 1871 S. *S I, Di.
gen jedoch heraus, duss der zum Mauerwerk verwandte Mörtel
als die hauptsächlichste Ursache der Zerstörung betrachtet wer-
den musste. Das Abspringen der Ecken und Kanten, sowie die
kartenblattartig hintereinander liegenden Abblätterungon der
äusseren Stirnfläche einzelner Steine, welche, noch mit der Mör-
telfuge zusammenhängend, aus der Front des Bauwerks um
mehre Millimeter herausgedrückt waren, dann das vollstän-
dige Herausdrücken der Steine aus dem Mörtcllager uud ferner
das Verengen der Mauerschlitze in der Mitte der Höhe dersel-
ben etc, deutete darauf hin, dass der Mörtel die treibende Ur-
sache und dass das einzige Mittel, dem Uebelstandn möglichst
abzuhelfen, darin zu finden sei, den Mörtel im Mauerwerk vor
Zutritt der Luft und Feuchtigkeit zu schützeu. — Es wurden
deshalb die Laudpfeilcr mit grossen Granitplatten abgedeckt
und die Widerlagsmaucrn der Kappengewölbe 1 bezw. >,.', Stein
stark mit bestem Ziegelmaterial verblendet und später, da die
GranitplattenalNleckung, wegen der Ausdehnung uud fortwäh-
renden Bewegung des darunter liegenden Mauerwerks :n den
Fugen nicht dient verbleibeu konnte, letztere noch mit Blei-
rippen, welche eine Ausdehnung der Fugen gestatteten, gedich-
tet; hierdurch wurde der beabsichtigte Zweck fast vollständig
erreicht, auch zeigen die neu verblendeten Mauern, welche zur
besseren Beobachtung der Bewegungen der ganzen Länge nach
mit Zementbäudern verschen sind, au keiner Stelle Trennungen
oder Risse und sind vollständig trocken. — Die Schildmauern,
welche auf der inneren Seite mit gutem Material verblendet
sind, zeigen ebenfalls auf der äusseren Risse; die Befürchtung,
dass dieselben durch ein Setzen der Fundamente veranlasst
seiu könnton, widerlegte sich dadurch, dass die innere Verblen-
dung keine Risse zeigte, während in der äusseren Fläche fort-
während Bewegung herrscht, also die Ursache auch hier in der
Ausdehnung des Mörtels zu suchen ist; ausserdem sind die
Schildmauern durch eine Verlängerung der Widerlagsmaucrn im
Inneren der Landpfeiler um rot lOO»" nach Aussen gedrängt
und dadurch aus ihrer vertikalen Stellung gekommen. Dieselbe
Erscheinung zeigte sich bei den Pfeilern der Brücke, welche in
ihren oberen Theilen breiter geworden sind. Die Zinnen der
Thurmbekrönungen, welche nur aus kleinen Mauerwerkskörperu
bestehen, sind vollständig zerstört und werden unter Benutzung
von Formsteinen aus der Fabrik von March in Charlottcnburg
nunmehr erneuert; dieselbe Zerstörung durch den Frost zeigen
die unter den Zinnen befindlichen, aus Thon hergestellten gla-
sirten Thurmgesimse, da die im Innern der Ziegel befindliche
Feuchtigkeit wegen der Glasur derselben nicht austreten konnte ;
die Erneuerung dieses Thcilcs des Bauwerks wird durch Hau-
steine bewirkt Die Kappengewölbe im Innern der beidcu Land-
pfeiler, welche von Aussen sehr zertrümmert erschienen, zeigten
bei näherer Untersuchung nur den untersten Ring schadhaft,
weshalb die Erneuerung derselben einstweilen noch beanstandet
wurde. Die Konsolen der Rundgänge aus Sandstein, welche
durch die Profilirang sehr geschwächt waren, sind sämmtlich
gerissen und werden durch Granit erneuert Die Ursachen der
Mörtelausdebnuug dürften hauptsächlich im Vorhandensein nicht
genügend gclösenter Kolktheuchcn und in der allzu vorzüg-
licheu Zusammenarbeitung der Mörtelmasse zu suchen sein, so
das» bei der stattgefundenen Anwendung dicker Mörtelfugen
keine Zwischenräume in denselben verblieben, welche eine Aus-
dehnung der sich durch den Zutritt der Feuchtigkeit der äusse-
ren Luft nach und nach löschenden Kalktheilchen in den Fugen
gestatteten, ohne einen grösseren Raum einzunehmen. An der
Eisenkonstruktion der Brücke siud Restaurationaarbeiten nicht
nothwendig geworden, dagegen musste eine Auswechselung der
hölzernen Langschwellen vorgenommen werden, an deren Stelle
gekuppelte eiserne Träger mit Querschwelion darauf eingelegt
wurden. —
An der hicrauschliessendeu weitereu Besprechung bethei-
ligten sich der Vorsitzende und Herr Meilin, welcher letztere
die ausserordentlich vorsichtige und allzuvorzügliche Mörtelbe-
reitung bei der Ausführung dieses Bauwerks twstätigte und be-
sonders hervorhub. dass wahrend die Herstellung des Mörtels
i an der Nogatbrücke uuter Verwendung desselben Materials, je-
Digitized by Google
— 147 —
doch in anderer Weise der Mischungsmaninulation ausgeführt
sei, derartige Erscheinungen an diesem Bauwerk nicht lum
Vorschein gekommen.
Herr Maresch referirtc sodann im Auftrage des Reise-
Koniites Ober die in Vorschlag gebrachten, im Laute dieses Som-
mers auszuführenden Reiseprojekte. Nach sehr eingehender
Diskussion über die unterbreiteten Vorschläge wurde das von
Herrn Plcssner befürwortet« Projekt einer Bercisung der
das Reisc-Komit« mit den weiteren Arrangements für die Aus-
führung derselben im Monat Jnni zu beauftragen.
In üblicher Abstimmung wurden hierauf der Geheime Re-
gierungsRath a. D. Üülberg, der Obcrbetriebs-Iiisnektor Bo-
fenius, der Eisenbahn-Bauinspektor Sehulzo, der Regierung*-
Assessor Erler, der Banmeister Bahlckc und der Eiscnbahn-
Bauiuspektor Fischer als eiuheimischc ordentliche Mitglieder
in den Verein aufgenommen.
Vermischtes.
Agitation für Trennung- des Baufaches in Preussen.
Uic Aufmerksamkeit, welche man neuerdings in weiteren Krei-
sen, namentlich in denen des Abgeordnetenhauses, den Zustan-
den unseres Faches zu schenken auffingt, verfehlt nicht inner-
halb desselben seine Wirkung zu Süssem- Als der Kern- und
Ausgangspunkt aller Uebelstfinde ist von jeher die Forderung
betrachtet worden, dass die Ausbildung der liaulteamten auf alle
Zweige des Bauwesens sich erstrecken soll. Die gegenwärtige Agi-
tation, als dereu Symptome sich ein auf die Tagesordnung der
nächsten Versammlung des Berliner Architektenvereius gesetzter
Antrag einer Vorstellung an das Handelsministerium und der in den
Kreisen der Studircmlen auf der Bau-Akademie zu Berlin und
der Polytechnischen Schulen zu Hannover und Aachen ange-
regte Vorschlag einer Petition an das Abgeordnetenhaus dar-
stellen, hat sich daher auch vorwiegend arf diesen Punkt ge-
richtet. — Unsrerseits haben wir schon so lange für das gleiche
Prinzip gekämpft, dass wir uns dieser Unterstützung nur
niehtHllc\n 8 auf 8 di« *iau^G<werbe i^freckin^'sondern erheblich
grossere Dimensionen anzunehmen drohen, sind in der letzten
Aprilwoche in Hamburg und Königsberg ausgehrochen.
Die Arbeitseinstellung' der Maurermeister Berlins ist,
wie beabsichtigt war, am Sonnabend, den 27. April, erfolgt, nach-
dem der Bund der Bau- und Maurermeister seinerseits seine
Vereinigung mit dem der Zinmiermeister zu einem .Bund
der Baugewerbe" beschlossen hat. Nach den vorliegenden An-
nähen sollen etwa % der in Berlin beschäftigten Maurergesellen
iu Folge dieser Arbeitseinstellung entlassen worden sein. In
einer Publikation: An jeden vernünftig denkenden Maurerge-
sellen, und in einer Ansprache an das Publikum motivirt der
Bund der Maurermeister seine Maassregel als einen unvermeid-
lichen Schritt des Kampfes gegen die sozial-demokratische Dik-
tatur und appellirt au die Unterstützung der Bauherren, welche
gewarnt werden, die Arbeit unter den gegenwSrtigen Verhält-
nissen nicht etwa direkt an die Gesellen zu Übertrag«
Zu der gegenwärtigen Bautätigkeit Berlins. Der Auf-
schwung, den Berlin in den letzten .lahrer. genommen hat, und
der dadurch eingetretene Mangel an Wohnungen befordert selbst-
verständlich die Hnulust im höchsten Grade. Nicht blos am
Rande der Stadt entwickeln Aktiengesellschaften und einzelne
Unternehmer eine rege Bauthätigkcit ; auch im Innern derselben
werden ältere Gebäude niedergerissen, um grosseren Neubauten
Platz zu machen , neue Strassen werden durchgelegt, um Hau-
fronten zu gewinnen. — Das Resultat dieser Unternehmungen
ist zunächst eine weitere Verdichtung der Bevölkerung und so-
mit für die Gesundheit der Stadt nicht grade vorteilhaft Man
könnte indessen damit zufrieden sein, wenn diese Veränderungen
zugleich eine wirkliche Verschönerung der Stadt oder eine Ver-
besserung der Verkehrswege zur Folge hätte. Leider ist dies
nicht immer der Fall.
Eine der unerfreulichsten Partien Berlins bilden bekannt-
lich die dem Wasser zugekehrten Hintergebäude der Scblossfroi-
heit und der älteren Werderscb.cn Mühlen. Letztere, dem Kö-
niglichen Fiskus gehörig, sollen veräussert werden, um modernen
Spekulationsbauten Platz zu machen. Wenngleich zu hoffen ist,
dass dem Ban derselben in die Höhe gewisse Schranken werden
auferlegt werden, und sie dem gegenüber liegenden sogenannten
rothen Sehloss au Pracht gewiss nicht nachstehen werden, so
verschwindet doch mit ihrem Bau jede Aussicht auf eine Um-
gestaltung der Schlossfreiheit in einer der neuen Kaiserstadt
würdigen Weise.
Eine grössere Umwälzung vollzieht sich am Wilhelmsplatz.
Hier hat eine Aktiengesellschaft für eine enorme Summe das
Voss'sche Palais (Wilhelmstrasse No. 78) angekauft, um es ab-
zubrechen und eine Strasse bis zur Königgrätzerstrasse durch-
zulesen. Jeraehr der Abbruch des Hauses vorschreitet, desto
deutlicher lässt sich erkennen, wie sehr der Platz — bisher
einer der schönsten Berlins — verunstaltet wird. Die geschlos-
sene Front an der Wilhelmstrasse wird gegenüber dem Zicthen-
ulatz nnd der Mohrenstrasse durchbrochen, und der Platz ver-
liert die behagliche Abgeschlossenheit, welche nebst dem gärt-
nerischen Schmuck seinen Hauptreiz bildeten. Für den Verkehr
wird hierdurch wenig gewonnen, weil die Mohrenstrasse nicht
zu den Hauptverkehrsadern gehört und ihre Verlängerung sich
an der Königgrätzerstrasse todt läuft, l'eberdies musa die
Strasse deu Umweg um den Platt machen, denn man wird hof-
fentlich nicht so weit gehen, die Garteuanlagen zu kassiren und
die Statuen Ziethens und des alten Dessauers bei Seite zu
schieben. Wohl aber wird hierdurch der Hoffnung auf Durehleguug
der Jägcrstraase uach der Leuuestrasse, welche den Mittelpunkt
der Stadt in die bequemste Verbindung mit dem Westcu bringen
würde, in weite Fernen gerückt — Hiermit soll aber die Um-
gestaltung des Wilhelmsplatzes noch nicht abgeschlossen sein,
vielmehr steht ihm eine fernere Durchlöcherung bevor, und zwar
au der Südostecke, wo eine Gesellschaft von Spekulanten eine
Gruppe von Häusern angekauft hat, um einen Durchbruch nach
der Mauerstras.se anzulegen, welcher in diese zwischen der Drei-
faltigkeitskirche und der Kronenstrasse einmünden, von letzterer
also eine sehr unvollkommene Fortsetzung bilden würde. Hier-
durch würdeu allerdings wieder einige Strasseufronteti, für deu
Verkehr aber so gut wie nichts gewonnen und der Wilhelmsplalz
noch gründlicher verdorben werden- Ob die Unternehmer zu
diesem Durchbruch bereits die Konzession erhalten haben, ist
nicht bekaunt. Ohne sichere Aussicht auf dieselbe dürften sie
aber die Ankäufe wohl nicht gewagt haben. —
Es ist in hohem Grade zu bedauern, dass eine so rege Un-
ternehmungslust ihre Kräfte in vereinzelten Projekten planlos
verzettelt
Aus der Fachliteratur.
Allgemeine Bauzeitung, redigirt von A. Köstlin, Verlag
von R. Waldheim in Wien. Jahrg. ,1871.
A. Aus dem Gebiete des Hochbaus.
1) Sa. Maria dei Miracoli zu Venedig. (Neu aufge-
nommen vou deu Schülern der Wiener Akademie unter Leitung
Th. Hanseu's.)
Aus dem beschreibenden Texte von C. v. Lützow erfahren
wir zunächst die Veranlassung, welcher diese Publikation von
seltener Vollkommenheit ihre Entstehung verdankt. Sie ist das
Resultat einer im Studienplauc der Wiener Akademie liegenden
Exkursion, welche Professor Hansen mit seinen Schülern Beill,
Machytka, Mojsisovics, Prostorfer, Schubert und
Wagner si.oziell zur Aufnahme dieses „Schatzkästchens venetia-
uiseher Früh-Reuaissaiice" machte, und bei welcher sie durch
die behufs der Restauration errichteten Baugerüste wesentlich
begünstigt wurden. Interessant ist es, zu erfahren, dass die
Aufnahuiezuichnungcn in demselben sehr kleinen Maasstabe, wie
die Stiche ausgeführt waren- Bescheidenes Bedenken sei jedoch
erlaubt gegenüber der Erwähnung der Pietät, mit welcher diu
Formen „vor jener kalligraphischen Verallgemeinerung bewahrt
seien, unter der so unzählige Publikationen antiker und italie-
nischer Kunst bis auf den heutigen Tag zu leiden hallen."
Diesem lieblich-koketten Ornament gegenüber, will uns bedünken,
ist der Grubstichel so machtlos, wenn er sich, wie hier nament-
lich bei dem ornamentalen Detail, auf nüchternen Kontourstich be-
schränkt sieht, dass man gerne etwas von dem geistreicheren
Effekt der Radirnadel mit in den Kauf nehmen möchte. Auch
wäre bei Tafeln, die, so wie hier, ins kleinste Detail ausgearbeitet
sind, der sorgfältige Druck sehr zu wünschen, durch den die
Franzosen ihre Publikationen so sehr zu heben \ erstehen.
Die 12 Tafeln enthalten, wie erwähnt, in ungewöhnlicher
Vollständigkeit die Darstellung des kleinen Bauwerks in Grund-
rissen, Ansichten, Durchschnitten und Details. C. v. Lützow's
Text führt uns mit eingehender Sachkenntuiss in demselben
umher, hier und da diu wenigen feststehenden historischen
Daten einstreuend- Mit Recht nennt er das kleine Kunstwerk,
dessen einschiffiger Innenraum nicht mehr als 10,.')*° Breite und
bis zum erhöhten Chor 20,8™ Länge besitzt, ein Schatzkästchen;
bei keinem anderen Bau der Lagunenstadt findet sich das reiz-
volle Ornament der Frührcuaissance , das sich für Venedig au
dioNanieuder Lombardi knüpft auf so kleinem Räume mit so
vollendetem Geschmack angewandt. Auch in dem figürlichen
Schmuck, der ausser dem Pietro und Tullio Lombardo noch
den Venetianer Pyrgotcles (um 1500) zum Autor hat, findet
Lützow das höchste geleistet, was in der dekorativen Skulptur
überhaupt erreichbar ist. Den Mangel einer farbigen Darstellung des
Innern sucht eine eingehende Heschreibung der Farbenwirkung
zu ersetzen, die, aus dem einfacheren Langschiffe zu dem mit
verschwenderischem Reichthum ausgestatteten Chore fortschrei-
tend, sich wesentlich aus Inkrustationen der Wände mit gelb-
lichem Marmor (pavonazzetto) und schwärzlichem (bardiglio) zu-
sammensetzt, während die reirh kassetirte Decke, durch die
Hand des Giovanni dei Pennacchi aus Treviso mit den Brust-
bildern der Propheten und Sibyllen geschmückt und in buntem
und goldenem Ornament prangend dem Raum einen reichen
Gcwölbeabschluss giebt.
Drei Tafeln im Text geben einen Rcstaurationsvorschlag
Hansen'* für cinu Treppe, welche das durch die Restauration
unzugänglich gewordene Nonnenchor im Westen der Kirche
wieder mit derselben in Verbindung setzen soll. Der Schluss
des Aufsatzes ist der Betrachtung der Stellung gewidmet, welche
die kleine Kirche iu der Arcbitekturgeschiclite Venedig'« ein-
nimmt , wobei dieselbe namentlich mit dem, ebenfalls der
Digitized by Gc
Schule der Loiubardi angehörigen Palast Vcndramin-Calergi iu
Parallele gestellt wird.
4) Da» Pädagogium zu Petrinja, vnn W. Dodcrcr,
fcssor der Architektur am Wiener Polytechnikum.
Der an sich ziemlich anspruchslose Kau erweckt besonderes
presse als Vorposten der Kultur in einem Theite des Öster-
reichischen Kaiserstaates, der unter einem ausschliesslichen,
absoluten Militairregiment von den Segnungen der letzteren
noch nicht allzuviel erfahren hat. In einem interessanten Ex-
kurs führt der Verfasser in die Verhältnisse der Militairgrenze
ein, die neuerdings von der rein soldatischen Verwaltung erlöst
worden ist, nachdem diese als letztes Werk noch die Errichtung
dieses Instituts veranlasst hat Die Anlage hat die grösstc
Aehnlichkeit mit den bekannten preussischeu Seminaricu, auf-
fallender Weise auch in der Entstehung des Entwurfs insofern,
als die Anfertigung desselben nicht den zuständigen Kompeten-
zen, in diesem Kalle Militair-Ingenieurs, sondern einem Wiener
Architekten übertragen ist, mit dem Verlangen, dass die Fas-
sude .ein nachahraungswürdigea Muster für die baulustige Grenz-
weit bilden solle." Es sei gleich vorweg bemerkt, dass mit die-
ser ruhigen, in griechischen Architekturformen gehaltenen Fas-
sade mit Axcn von 3,4™ dem Verlangen entschieden entsprochen
ist Die AufgalHj verlangte ausser Lehrer- und Trätcurwoh-
uungeu, Lchrräume für 1GÜ Schüler und Wohnräume für 50 Alum-
nen. Ebenso wie dies Programm unterscheiden sich auch die
Grundrisse nicht wesentlich von der bei uns üblichen Verlegung
der Wohnungen ins Krdgeschoss zur Ersparung mehrer Trep-
pen; Trennung derselben unter sich und gegen die Alumnen
durch besondere Eingänge; im ersten Stock Anlage der Lehr-
säie, von denen einer als Aula zu dienen hat und daher die
doppelte Grosse erhält; sämmtlicho Säle von einem breiten Kor-
ridor aus zugänglich, der bei ungünstigem Wetter als Spazier-
gang dieut Im zweiten Stock endlich die grossen Studir-,
Schlaf- und Waschsäle der Alumnen, deren Speisesaal von die-
ser Gruppe getrennt im Erdgeschosse nächst der Wohnung des
Traitcurs liegt Die Einrichtung der Studirpulte, Waschtische
ete. ist eingehend beschrieben. Bemerkenswert!! erscheint, dass
die Fensterbrüstungshöbe in allen von den Alumnen bewohnten
Räumen \JtO" (4'/»') beträgt, um den zerstreuenden Anblick
der Strasse von Studirenden fernzuhalten und um in der Stel-
lung der Betten, Waschtische etc. von den Fcusteraxen unab-
hängig zu sein. Für Klosets ist reichlich in jedem Stockwerk
gesorgt; Ventilation und Zcntral-Hcizung sind mit
der Wohnräume im Erdgeschoss überall
deu durch 4 im Souterraiu aufgestellte Boyei
geleistet.
5) Oesterreichisches Museum für Kunst und Indu-
strie, von Architekt Heinrich R. v. Ferste).
Wir verweisen auf die eingehende Besprechung, welche die-
ses Bauwerk bereits im vor. Jahrgang d. Iii. gefunden hat
6) Landwirtschaftliche Gebäudeanlagen, von Ar-
chi tekt Moritz Ilinträger.
Bericht über die Anlage von fünf Maiereien auf der Herr-
schaft Colin in Böhmen, bei welchen, da es sich um eine schleu-
nige Steigerung der Krtnu£sftlhigkeit der Herrschaft handelte,
mit möglichster Sparsamkeit gebaut wurde. So schwankt der
Preis bei Ausführung in Bruch- und Backsteinen zwischen 96
und 72 B. per □ Klafter (2fi.G~20fl. per (J») und 38, 50 fl. pro
Vr.-Klft. (Ii;, 9011. pro Ür.-Meter) bei Ausführung in Pisebau
mit Strohdächern. Das auf den Colin'schen Gütern durchge-
führte Prinzip der Stalldüngorbercitung, welches sich sehr be-
währt hat machte eine Reihe besonderer Anlagen nöthig, welche
eingehend beschrieben und durch Zeichnungen veranschaulicht
werden; eine Vogelperspektive giebt ein Bila von der Gesammt-
auordnung einer der 5 Maicreien. — Dia Ausfuhrung des Erd-
stampfmauerwerks, welches in Böhmen bisher nicht eingeführt
wurde, wird genau beschrieben. Das Verfahren unterscheidet
sich nicht von dem gebräuchlichen; zur Befestiguug desMörter-
bewurfes werden alle 5 — (!" halbzoliigc Schichten von Dachstein-
brocken eingelegt. j>or Verfasser empfiehlt das Verfahren, das
er mehrfach auch in Ungarn angewendet hat, als vorzüglich
billig und expeditiv, doch hält er es für Vichställe, der scharfen
Ausdünstungen wegen, nicht für geeignet. Der
mit einer Reihe X
schaftliche Anlagen.
Konkurrenzen.
Monatsaufgaben für den
Zum 1. Juni 1872.
I. Entwurf zu einer Musiktribünc für 100 Musiker,
stab %• der natürlichen Grosse.
II. Eine Baugrube, deren Sohle 2,6 »> unter dem Unterwasscr-
spiegel eines benachbarten Baches liegt und iu welcher sich pro
Sekunde O.OJI kb" Wasser ansammelt, soll mittels der Wasserkraft
jenes Baches, der 1,(5 Meter Gefälle und hinreichendes Wasser
liesitzt nach dem Priiizipc des Aussaugen* entwässert werden.
Diu Zeichnung der gesammten Anordnung, des Gerinnes etc.,
sowie eine annähernde Effektberechnung sind zu liefern.
Alle wichtigen Muasse, Annahmen und Rechnungsresultate
sind in deu Zeichuungcu an geeigneter Stelle einzutragen.
Eine Konkurrenz für Schriften über die Patentfiroge
wird vom Kölner Bezirksverein deutscher Ingenieure ausge-
schrieben. Die bis zum 8. Juli einzuliefernden Arlx'iten sollen
womöglich einen Umfang nicht überschreiten, der sie zui
drucke in einer grosseren Zeitung geeignet macht Für die
Beurtheilung soll lediglich der objektiv-wissenschaftliche Gehalt
nicht der Partoistatidpuukt für oder wider das Patentwesen
maassgebend sein. Das Honorar für Arbeiten, die sich zur Ver-
breitung durch die Presse eignen, ist auf 50 bis 250 Thlr. fest-
gesetzt, wobei es jedoch den Verfassern vorbehalten bleibt, ob
sio ihr Werk für den angebotenen Preis zur Disposition stellen
Konkurrenz ffir Entwürfe zum Bau einer Kirche zu
Esoh a. d. A (GroBsherzogthum Luxemburg.) Dos vom Bür-
germeister der Gemeiudo Esch erlassene Preisausschreiben setzt
fest dass das Kirchengebände 60 bis 63" lang sein, im drei-
schiftigen Kirchenraum mindestens 900[ f, auf den Tribünen
100 bis 150 ( ,"• Grundfläche enthalten, und dass der Kostenan-
schlag 180000 bis 200000 Frcs. nicht übersteigen soll. Der
Baustil ist .ganz dem guten Geschmacke des Architekten über-
lassen", doch wird die Gothik bevorzugt werden. Eine Jury Ist.
nicht namhaft gemacht. Au die Urheber der vier besten, als
der Belohnung würdig bezeichneten Projekte sollen Preise im
Betrage von 2000, 500, 200 und 200 Frcs. ertheilt werden; falls
jedoch einer der Sieger mit der Ausführung betraut wird, soll
ihm der erhaltene Preis von seinem Honorare in Abzug gebracht
werden. Schlusstermin ist der 31. Juli d. J.
Wir sind mit den Verhältnissen des Landes Luxemburg
nicht genug bekannt, um beurtbeilen zu können, ob die Be-
theiligung deutscher Architekten an einer dortigen Konkurrenz
sich überhaupt empfiehlt ; nach den Bedingungen der Konkurrenz,
die in mehrfacher Beziehung von unsern Grundsätzen abweichen
uud der Willkür Spielraum gewähren, dürfte dies kaum der
Fall sein.
Personal- Nachlichten.
Preu Bsen.
Ernannt: Der Baumeister Bocthke zu Berlin zum Kreis-
baumeister in Weissenfeis. Der Wasserbau -Inspektor Schoen-
wald in (Vndin zum Meliorationshau-Inspektor der Provinz Pom-
mern. Der Bau-Kommissar Mergard zu Marburg zum Kreis-
baumeister in Jülich. Der Wasserbuumeister W i I berg in Lenzen
zum Wasserbau-Inspektor daselbst
Versetzt: Der Kreisbaumeister Friedr. Wilh. Joh. Schulze
zu Jülich mich Templiii.
Die Bauführer- Prüfung haben abgelegt am 22.. 23. uud
27. April er.: Ernst Kathanael Kummer aus Breslau, Carl Otto
Rhode aus Stolp i. Pom., August Morgenstern aus Frank-
furt a. M., Wilhelm Schellenherg aus Herborn, Reg.-Bezirk
Wiesbaden.
Die Baumeister-Prüfung haben bestanden am 17., 20.,
25. uud 27. April er.: Herrmann Giese aus Wiesbaden. Wie-
nand Eduard Maria Müller aus Uckenrath im Siegkreise,
Friedrich Wilhelm Otto Freyer aus Berlin, Franz Lucas aus
Münster.
Brief- und Fragekaaten.
Hrn. C. in Uochheim. Hr. Ingenieur Arnold in Berlin,
Waldemarstrassc 59, der bereits mehre Ventilations- Anlagen
für Schmiedewerk stätton mit bestem Erfolge ausgeführt hat,
stellt Ihnen anheim, sich dicserhalb an ihn zu wenden.
Hrn. W. Sch. in Altona. Wie uns mitgetheilt wird,
bauen die Herren Nestler und Breitfeld, Maschinenfabrik Erla
bei Schwarzenberg iu Sachsen, sehr empfehlenswarthö Maschinen
zum Schneiden von Sandstein- und Marmorplatten.
Hrn. A. N. in P. Wie wir erst nach weitläufigen Erkun-
digungen von kompetenter Stelle erfahren konnten, ist i
Usus, den gebrannten Kalk mit gehäuftem Maass zu verl
so dass 1 UI Rüdersdorfer Kalk 1,80 bis 2 Zentner wiegt Ge-
wöhnlich wird der Kolk jedoch in gelöschtem Zustande gekauft.
Hrn. G. in Dresden. Eine Autwort auf die Frago, ob
in neuerer Zeit (seit Duchemin) vielleicht Theorien des Wider-
standes von konvexen Körpern, wenn sie dem Stesse bewegter
Wassermassen ausgesetzt sind, veröffentlicht wurden, und ob
etwas darüber bekannt ist: „diejenige Körperform zu finden,
welche dem StoBse Iwwegter Wassermassen ausgesetzt unter
allen Formen von derselben Länge und demselben grftssten
Durchmesser die des kleinsten Widerstandes ist", bedauern wir,
Ihnen unsererseits nicht geben zu können.
Hrn. L. in Meeranc. Wir erfahren, dass die Ausstellung
der Konkurrenz-Entwürfe zum deutschen Rcichstagshausc Don-
nerstag den 2. Mai, also gleichzeitig mit dem Erscheinen dieser
Nummer eröffnet werden soll.
Beiträge mit Dank erhalten von Hrn. F. in Hameln.
In dem Artikel: „Beitrag zur Verbesserung der Oderschif-
fahrt" iu No. 17 d. Bl. H ind leider die folgenden Druckfehler
stehen geblieben, welche wir zu verbessern bitten:
Seite 134 des Aufsatzes lies:
Zeile 19 742 000 Thlr. statt 74 200 Thlr.
Zeile 55 2,77 K.n statt 3,77
Zeile 78 Ü34,G40 kb» statt 634 4G0 kb» •
Zeile 81 7.7 kb» statt 7 kb".
Zeile 137 Seite 221) statt Seite 89.
Seite 135 Zeile 233 7»/, Sgr. statt 7>/, Thlr.
| T»n C»rl H.olltt In
Duck »»» U.fcrliJ.r Flc*.rt In |
Digitized by Google
Jahrg. VI. M 1».
DEUTSCHE BAUZEITUNG
Organ des Verbandes
deutscher Architekten- und Ingenieur- Vereine.
Redakteur K. E. 0. Fritich.
K.d.kti.. Btaaditin:
IcrlLo. OranleortraM« ML
B.tUllUBf«!
bbrrurh.ua .11* PmUuitallra
lat.rat»
fbr 41. Uirr Irr deutora»
in« «adeo Aifru-hrae
f.t fcwiim J:« ll^dllMB.
Zell«.
IM Sit im
Pr«ll 1 Thaler pro Qaartal.
Berlin, den
9. Mai 1872.
Erirhelat jedea laaaerttag.
lOb^lt: 1>I» Wiener Well -A«MI>llnP|i u»« J.bri» 1SU. - Mieiin..!«« I»
Thoawaaiim Bit (Juf.u.runic und koinin»lr1trh»m H. t.-I. bc. — M 1 II h . 1 1 a u 1 • n
nu. V.r. In. Bi Oe»[prrelrbltcher Arefcltebteii- anil Ingenieur .Verein. — ludl-
Kh« Teehnlk.r-V.ieln. — O.tpreataltthrr Iniealour- und Ar«k.ltek»ea-V»r»lii
— AacBU-rh'r Ingenieur- und Arcbilekle« -Verein. — ArrMl.klwi Vcr.in m Ber-
lln. — Der praj.ktlrt« Aarfu« dr. H.mbarxer irrhil.-kfcial.ohen Verein« n.rli
IW-ttlil. — V «r in »*r ht e.; l'i.mien EnaellulliE an pren.,w lie Hmitu'irer. — All*
der F.rklilt.r.lar: 1'euhold, Fabrikation I'ru/aajc and 1'cb-rn.hn.e ton Ei
..■r.tJliii-M.le.1.1. — Konkurrenten: U.a. de. deatarhrn Relehnue.. — Bin*
ia Pr.nl. -, - Anl««. eine, mm Muduk.il. in MaBnheln.. - P.r.on.l ■ Ka« h -
rlclu.n etc.
Die Wieaer YYelt-AnHstellBBff, de« Jahres 1873.
(Iliertu die AbMIdaBgeu auf Seil« IM.)
Während die
iten der im nüchgten Jahre
Angelegenheit
iener Welt -Ausstellung in manchen ände-
rte eine stehende Rubrik geworden sind,
könute es auffallen, dass wir uns bisher verhältnissmussig
nur selten mit ihr beschäftigt nnd keinen Werth darauf ge-
Nachrichten über das Unternehmen
legt haben, mit u
dem Gange seiner
Ks ist durch
zu folgen,
oder gar
Bedeu-
Denn
Entwickelung auf
durchaus nicht Mangel an
UnterschüUiing der dieser Ausstellung
tung gewesen, welche unser Verhalten
wenn wir auch der in England durchgedrungenen Ansicht
uns anscbliesseu müssen, dass die Htm. der bisherigen
grossen Welt-Ausstellungeu die zweck massigste nicht ist und
dass ihr Erfolg dem dafür erforderlichen Kraftaufwande nie-
mals entsprechen kann, so haben wir doch nur mit gegeb-
nen Faktoren zu rechnen, und sicherlich wird das in der
österreichischen Hauptstadt vorbereitete Unternehmen eiue so
ausserordentliche Fülle des Sehens- und Wissenswürdigen
bieten und auch für unser Fach iu so hohem Grade den
Rang eines hervorragenden Ereignisses behaupten, dass wir
unsere Pflicht versäumen würden, wenn wir ihm nicht die
eingehendste Aufmerksamkeit widmen.
Gern hätten wir diese Aufmerksamkeit zunächst dadurch
betbätigt dass wir für unseren Theil daran mitgewirkt hätten,
in den Kreisen unserer Leser und Fachgcnosseu . der deut-
schen Architekten nnd Ingenieure, zu einer möglichst zahl-
reichen und eifrigen Betheiligung auf den unser Fach be-
treffenden Gebieten der Ausstellung anzuregen. Es ist uns
dies leider nicht vergöuut gewesen, da alle einleitenden
Maassnahmen hierfür ausschliesslich den Händen offizieller
Kommissionen anvertraut sind, welche eine selbetständige
Mitwirkung und Unterstützung Seitens der Fachpresse an-
scheinend für ebenso überflüssig angesehen haben, wie sie es
für überflüssig hielten, den zur Betheiligung an der Ausstel-
lung Berufenen eine etwas längere Frist für ihre Entschlüsse
zur Verfügung zu stellen. Wir können das Bedauern, dass
dieses Verfahren dem Vernehmen nach gerade auf dem Ge-
biete unseres Faches zu so schlechten Resultaten geführt hat,
nnd unsere Hoffnung, dass hier eine nachträgliche Abhülfe
erfolgen möge, nur wiederholen; gleichzeitig wollen wir je-
doch im Voraus dagegen nrotestiren, wenn aus der voraus-
sichtlich ungenügenden Betheilignng der deutschen Archi-
tekten und Ingenieure falsche Schlüsse, auf den Grad ihres
Interesses an der Wiener Welt-Ausstellung oder gar auf den
Grad ihrer Leistungen gezogen werden sollten.
Was andererseits die Mittheilung von Nachrichten über
die Ausstellung anbetrifft, so glauben wir im Sinn«' unserer
Leser zu handeln, wenn wir dieselben nach Möglichkeit kon-
zentriren nnd ausschliesslich auf das Tbatsächliche und Fer-
tige beschränken. Von jeder einzelnen Phase des Werdens
und Entstehens, von jedem heut auftauchenden und morgen
schon modifizir.cn Projekte, von jeder Persoualfrage Notiz
zu nehmen, mag am Orte der Ausstellung selbst die Ge-
müther beschäftigen, dünkt uns aber nicht Sache unseres
Blattes. Wir beabsichtigen daher fürs Erste vor Eröffnung
der Ausstellung nur wenige Berichte zum Zwecke allgemeiner
Orientirung zu bringen, das Hauptgewicht hingegen darauf
zu legen, dass unsere Zeitung während ihrer Daner über
sie nicht nur in eingehender Weise, sondern auch in einem
Sinne berichtet, welcher mit den für uns leitenden Prinzipien
in strengem Einklänge steht.
Nachdem wir bereits im vorigen Jahre einige allgemeine
Notizen über das Programm der Ausstellung und über die
Haiiptmomente, welche hei Aufstellung des Planes für die
Anlage derselben maassgebend waren, gebracht halten, wollen
wir unsern Lesern nunmehr eine etwas detaillirte DarstellniiK
dieses Plaues geben. Derselbe ist in theilweise von einander
abweichenden Versionen bereits in mehren Blättern ver-
öffentlicht worden; für unsere Mittheilung haben wir das
Erscheinen der für diesen Zweck als offiziell zu erachtenden
Publikation in der Zeilschrift des Oesterreichischen Ingenieur-
und Architekten-Vereins abgewartet und diese zur Grundlage
der Urningen gemacht.
Die Wahl des AnsstellungsplaUes im Prater konnte für
Wien kaum einem Zweifel unterliegen, da in der That ein
anderes, so günstiges und so günstig gelegenes Terraiu in
der Nähe der Stadt nicht vorhanden ist Man liebt es zu-
weilen, ohne Kenntniss der Verhältnisse den Wiener Prater
mit dem Berliner Thiergarten in Parallele zu stellen, und
sind wir in Folge
dass das Opfer
dem Bedenken
Parktheiles, wie er
et,
die
Gebäude der Ausstellung erforderlich wird, doch wohl ein
allzu Irirhtfertie <Wi,r a rhtes sei. Es ist <
dies jedoch nicht
da der Prater nicht wie der Thierirartcu ein
mit Lichtungen durchsetzter Wald, sondern eine mit Baum-
en, ppen bestandene Wiesenflüche ist, das Opfer an unersetz-
lichen Baumen daher durchaus nicht in gleicher Weise in s
Gewicht fällt.
Von den beiden Hälften des Praters, der in seiner gan-
zen Länge zwischen Donau und Donaukanal von der als
Korso Wiens berühmten , Haupt -Allee 1 - (&') durchschnitten
wird, ist für die Ausstellung die nördliche wohl um deshalb
gewählt worden, weil hier am besten für die erforderlichen
Kommunikationen gesorgt werden konnte. Der der Stadt
zunächst belegene dreieckige Theil zwischen der Haupt- und
Feuerwerks- Allee (0), der mit einer Unzahl kleiner Ver-
gnügung» -Etablissements besetzte Volks-Tummelplatz „Wur-
stel-Prater-, mnsste selbstverständlich unberührt bleiben, so
dass erst im Anschlüsse an ihn der Ausstellungsplatz ge-
wonnen werden konnte. Mit einer Fläche von nicht weniger
als 2'S.i Hektaren übertrifft derselbe den der letzten Pariser
Ausstellung von 1867, der nur 44.2 ,u umfasste, um mehr als
das Fünffache, den der Londoner Ausstellung von lHtii' um
mehr als das Dreizelmfache. Eine natürliche Theilung dieser
Fläche ergab sich durch das Heustadel -Wasser, einen toilteu
Seitenarm der Donau; westlich desselben werden die Haupt-
gebäude der Ausstellung errichtet, während der östliche Theil
bis zu den Geleisen der neuen, nach der Stadelauer Brücke
führenden Staatsbahn als Park der landwirtschaftlichen und
Pferde -Ausstellung dient. Für die letztere wird zum Theil
auch die grosse sanft geböschte Fläche verwendet, welche
zwischen dem Prater und dem neuen Bette der regnlirten
Donau liegt; ausserdem sollen auf diesem sogenannten
„Donaudamm' die hydraulischen Maschinen und Apparate
aufgestellt werden nnd wird auf ihm der nördliche der beiden
grossen, für je 1000 Fuhrwerke bestimmten Wagenhalteplätze
hegt noch jenseits der Haupt -
Der südliche Ii
(W) etablirt.
Allee.
Für Zugänge zur Ausstellung ist in ausreichendster Weise
gesorgt; der \erkelir der Wagen und Fussgänger, welcher
aus der Stadt strömen wird, kann sich am Praterstem zu-
nächst in die Haupt- nnd Feuerwerks-Allee vertheilen und
von dort nach den zahlreich angelegten Eingäugen verzwei-
gen. Neben der Feuerwerks-Allee soll eine Drahtseilbahn
angelegt werden, welche Personen vom Praterstem nach
Digitized by Google
150 —
einem besonderen, am Seiten-Eingänge für die Maschiuen-
Ausstcllung belegenen Bahnhofe (V) befördert. Nördlich,
zunächst dem Donaudamm ist hingegen der Personen Bahn-
hoffür den Dienst der Lokomotiv-Bahn (.V) etablirt, die sich
zunächst von den Geleisen der Nordhahn (5) einerseits, der
Stnatshahn (7") andrerseits abzweigt, selbstverständlich je-
doch vermittels der bis zum Beginn der Ausstellung fertig
zu stellenden Ringbahn auch mit den anderen Bahnhöfen in
Verbindung gesetzt werden wird. Zum Transport der Aus-
stellungsgegenstände sind innerhalb des Parkes und längs
der Hauptgebäude-Fronten Geleise mit Drehscheiben ange-
bracht. Eine weitere, voraussichtlich jedoch wohl am We-
nigsten nutzbare Verbindung soll der Darapfschiffsverkehr
auf der Donau vermitteln, wahrend endlich die Pferdebahn
ihr Netz dem Ausstellungsparkc von verschiedenen Seiten
nähern wird.
Gehen wir nunmehr auf den bedeutsamsten Haupttheil
der Anlage, den unsere Sitnations- Skizze vollständig dar-
stellt, etwas näher ein, so fallen demjenigen, der die Pläne
der früheren Ausstellungen von London und Paris kennt,
wohl ohne Weiteres die bemerkenswertheu Abweichungen
gegen das dort ausgebildete System in die Augen. Während
jene früheren Ausstellungen sich in einem einzigen kolossalen
Gebäude konzentrirten und neben demselben nur untergeord-
nete Pa\illons vorhanden waren, sind hier zunächst aus der
grossen Ausstellung diejenigen beiden Gebiete, deren Aus-
stellungsräume eine eigenartige Ansbildung erfordern, das der
Maschinen und das der Kunstwerke, abgesondert und in
selbstständige Etablissements verwiesen worden. Es ergeben
sieh daher statt eines einzigen, drei Hauptgebäude, der In-
dustrie - Pallast (AK die Maschinenhalle (Ü) und das Kunst-
ausstellungs-Gebäude (6").
Noch stärker tritt der Gegensatz in den Grundideen her-
vor, nach welchen die Form der früheren und die des Wiener
Industrie -Pallastes bestimmt ist. In dem letzteren ist aller-
dings auf dasjenige Moment, welches der Ausgangspunkt für
das System der letzten Pariser Ausstellung war, auf die Ver-
einigung der Ausstellungs-Gegenstände gleichzeitig nach
Nationalitäten und nach Klassen, vollständig verzichtet
und jeder Nation in der Reihenfolge, wie diese von Osten nach
Westen ihren Wohnsitz haben, ein bestimmt abgegrenztes
Raumgebiet zugewiesen worden, auf welchem sie sich selhst-
stäudig einrichten kann. Inwieweit dies Abweichen von dem
starren, bis zur äussersten Konsequenz gesteigerten Schema-
tismus ein prinzipieller Mangel ist, wagen wir jetzt noch
nicht zu beurtheileu; unverkennbar sind" jedoch die ausser-
ordentlichen Vorzüge, welche sich hieraus für die Anlage
des Gebäudes ergeben haben-
Die Grundidee für dasselbe wird als das sogenannte
Fischgräten-Svstem bezeichnet. In einfachster Form, wie es
liereits im Jahre 1K44 von van der Nflll und Sic.cards-
burg für eine in Wien projektirte Gewerbe- Ausstellung be-
absichtigt war, besteht es aus einer Mittelgallerie, von der
sich in regelmässigen Abständen kurze tyuergallerien abzwei-
gen. Für grössere Dimensionen würde ans einer solchen ein-
fachen Anordnung die Gefahr einer ähnlichen Monotonie
entstehen, wie sie in anderem Sinne dem Pallaste der letzten
Pariser Ausstellung anhaftete. Dieselbe ist hier beseitigt,
indem inmitten des Komplexes eine grosse kuppelbedeckte
Rotunde eingefügt wurde und indem die beiden t,hiergallerien
seitlich derselben und an beiden Enden durch vorgesetzte
Frontgallerien zu einem dominirenden Mittelbau nnd zwei
Seitenbauten geschlossen wurden. Es ist auf diese Weise
möglich geworden, auf Oberlichtheleuehtung, welche bei den
früheren Ausstellungsgeb&uden das Eindringen des Regens
und eine ungleichmässige Vertheilung des Lichtes zur rolge
hatte, gänzlich zu verzichten und durchweg hohes Seilen-
licht einzuführen. Die Möglichkeit einer guten Lüftung und
die leichte Zugftnglichkeit des Gebäudes, das ausser den
Hauptportalen in der Mitte der 4 Fronten noch 32 Neben-
eingänge je in den Stirnen der 16 yucrgallerieu besitzt, sind
zwei weitere Vortheile, von denen der letztere namentlich in
der Zeit unmittelbar vor der Eröffnung sich fühlbar machen
wird. Während in London und Paris die Heranschaffung
und Aufstellung der Ausstellungs-Gegenst-ände, die durch das
Gebiet anderer Nationalitäten hindurch transportirt werden
mussteu, oft in lästigster Weise sich staute, ist dies hier,
wo für jede Abtheilung besondere Eingänge vorhanden sind,
nicht zn fürchten. Sollte eine derselben im der Eröffnung
der Ausstellung noch nicht ganz fertig sein, so kann sie mit
Leichtigkeit provisorisch ausgeschlossen werden, wie anderer-
seits iu der Möglichkeit einer theilweisen Ueberdecknng der
zwischen den Quergallerien belegenen Höfe ein leichtes
Mittel vorhanden ist, um bei etwaigem Bedarfe die Ausstel-
sehnell um ein Namhafte» zu vergrössern. — Die
Anordnung erhöhter Emporen innerhalb des Gebäudes, welche
bei den älteren Industrie -Pal (ästen stets zu allerhand Ein-
träglichkeiten geführt haben und dabei verhältuissmSssig sehr
wenig besucht wurden, ist durchweg vermieden.
Die Dimensionen des Ausstellungsgebäudes, das in seineu
wesentlichen Koustruktionstheilen von Eisen errichtet und
mit Zinkblech eingedeckt wird, sind sehr bedeutende. Die
Hauptgallerie misst bei 25 m Breite 905™ Länge, jede der
16 0\iergallerien 15 m Breite und ca. 70'" Länge, jeder Zwi-
schenhof 35 Breite und 70"* Länge. Die mittlere, nach
einer Idee des bekannten englischen Ingenieurs Mr. Scott
Rüssel konstruirte Kuppel, deren Durchschnitt nebenstehend
skizzirt ist, hat die aus-
T serordentliche, den Dom
von St. Peter um das
Doppelte übertreffende
Spannweite von 108 ■
und steigt mit der Spitze
ihrer ohersten Laterne
bis zu 84,1 m Höhe. Ge-
tragen wird dieselbe von
82 aus Blech undWiukel-
eisen zusammengesetzten
Pfeilern von 3,uö' u X 1,22*" Querschnitt und 24,38™ Höh«,
die auf Beton -Fundamenten ruhen. Eine schmale Gallen«
umzieht die Kuppel unmittelbar unter dem Saum des ersten
kegelförmigen Daches in 23 m Höhe; Treppen führen von
dort nach einer zweiten und dritten Gallerte, welche im
Aeusseren und Inneren den Fuss der beiden Laternen um-
gürten. Gelingt es nach Beendigung der Ausstellung nicht
mehr von den Anlagen derselben zu retten, so soll zum
Mindesten dieser Kuppelbau als ein Wintergarten für Wien
erhalten werden.
Die übrigen Gebäude der Ausstellung können sich mit
dem Haupt- l'allasto allerdings nicht messen und mögen
daher vorläufig nur flüchtig erwähnt werden. Die Maschinen-
halle (Ä), deren Absonderung wohl entschieden zu den
glücklichsten Neuerungen der Wiener Ausstellung gehört, ist
ein dreischiffiger luftiger Bau von ca. 54 r 5 » Tiefe und 785'°
Länge. Der zwischen ihr und dem Hauptgebäude, sowie
nordöstlich von ihr belegene Theil des Parks (Q) ist zur
Errichtung industrieller Etablissements nnd zur Aufstellung
aller baulichen Ausstellungs-Obickte bestimmt. Das Kunst-
ansstellnngsuebäudo (C), im Aeusseren durch eine Mittel-
kuppel und 2 Eckpavillons ausgezeichnet, enthält 4 Schiffe,
von denen die beiden mittleren durch Oberlicht, die Süsse-
ren - in Kabinete getheilt — durch Seitenlicht beleuchtet
werden, und entspricht in Dimension und Ouerscbnitts-An-
ordnung der durch Versuche für die neuen Wiener Museen
festgestellten Anlage. Der Raum zwischen ihm und dem
Hauptgebäude wird zu einem durch Aufstellung von Statuen
etc. geschmückten Kunsthofe ausgebildet
Auf der entgegengesetzten Seite liegen zwei kleinere
Gebäude (ü), die für die „ Exposition des amatcurs" bestimmt
sind, — etne Einrichtung, durch welche man auch die Schätze
der Privat-Kunstsammluugen für die Ausstellung hofft heran-
ziehen zu können. Nordöstlich liegt ein grösseres Gewächs-
haus (A'J, mit dem südöstlich ein Aquarium korrespondirt.
— Eine besondere Gruppe von Gebäuden ist in jenem Theile
des Parkes vereinigt, der zwischeu der südwestlichen Haupt-
front« des Industrie-PaUastes und der Haupt-Allee des Pra-
ters liegt. Hier öffnet sich nach der letzteren eine grosse
Portal-Anlage (//), welche den als solchen eharakterisirten
Haupt-Eingang bildet; links von demselben liegt der Pavillon
der Kommission (/), rechts das Gebäude für den Post- und
Telegraphendienst (A"), weiterhin in schräger Stellung der
mit besonderer Pracht ausgestattete Pavillon des Kaisers (L)
und mit ihm korrespondirend der Pavillon der Jury (iQ>
Bedeckte Gänge (A), die von den beiden zunächst des Haupt-
portals liegenden Seiteneingängen ausgehen, ermöglichen es
auch bei schlechtem Wetter trockenen Fusses zu dem grossen
Indnstriepallaste zu gelangen, der in gleicher Weise mit den
wichtigsten der übrigen Gebäude in Verbindung steht Der
Restaurationen (/f) und der Wachthäuser (/•), die an den
verschiedensten Stellen des Parkes zweckmässig vertheilt
sind, ebenso der einzelnen Eingänge (F) braucht wohl nicht
besonderer Erwähnung zu gesehenen, wie es ebensowenig
Sache dieses ersten Berichtes sein kann, auf das Detail der
architektonischen Ausbildung, welche den Gebäuden der
Weltausstellung geworden ist resp. werden soll, näher ein-
zugehen.
Mögen znm Schlüsse noch die Namen der Männer ge-
nannt werden, deren schwierige Aufgabe es ist, zur Seite
des rastlos thätigen General-Direktors der Ausstellung, Frei-
herrn Wilhelm von Schwarz - Senborn, den architekto-
Digitized by Google
— 151 —
ni&chen und technischen Theil der Vorbereitnngsarbciton zn
leiten. Der erstere ist dem Architekten Carl Hasenauer,
nach dessen Plänen sämmtliche Gebäude errichtet werden,
Unterstützung der Architekten Gugitz und Korom-
pay anvertraut; Chef-Ingenieur ist Hofrath R. von Engerth,
unter dem als Maschinen-Ingenieur Professor R. von Grim-
burg, als Bau-Ingenieur Inspektor Heinrich Schmidt fun-
giren. — F. —
für Thomaartu
mit Gasfeuerung
Von Dr. II
In Xo. lfi dieser Zeitung findet sich ein Aufsatz unter
dem obigen Titel aus der Feder des Herrn Mendheim,
des ausfahrenden Ingenieurs bei Errichtung des neuen Gas-
ofens der königlirhen Porzellanmanufaktur zu Charlottejiburg,
in welchem derselbe einige Vergleiche zwischen diesem und
dem Ringofen zieht, mit denen ich mich nicht ganz befreun-
de« kann und die ich deshalb, um eine Klärung hierüber im
Interesse der Thonwaaren -Jndustrie herbeizuführen, einer
weiteren Erörterung unterwerfen möchte.
Es steht unbestritten da, dass der Hoffmann'sche Hing-
ofen in einer kurzen Reihe von Jahren in der Thonwaaren-
Industrie und namentlich in der Ziegelfabrikation einen
epochemachenden Umschwung herbeigeführt hat und dass er
deshalb zu den bedeutsamsten Erfindungen der Neuzeit in
volkswirtschaftlicher Beziehung zu zählen ist und dein Er-
geachteten Namen weit über die Grenzen des
Hinaus verschafft hat. Nicht allein seine weite
Verbreitung in HOO Exemplaren für alle Zweige der Thon-
waaren - Industrie legt bierfür Zeugnis* ab. sondern auch
das Faktum, dass alle diejenigen Ofenformeu für Poterie-
zwecke, welche in neuerer Zeit auftauchten und auf eine
Ersparniss von Brennmaterial hinarbeiten, sich der Grund-
idee des Hoffmann'schen Ofens — dem kontinuirlich in einem
geschlossenen Ringe fortschreitenden Feuer, mit höchster Ab-
kühlung der abziehenden Feuergase und Benutzung der in den
gebrannten Objekten aufgespeicherten Wärme zur Erhitzung
der Feuerluft — mehr oder weniger anschliessen, wenn auch
in der Art der Befeuerung und der Gestalt der Brennräume
oft grosse Abweichungen sich finden, die durch die Natur
der zu brennenden Objekte oder besonderer zu erreichender
Ziele geboten erscheinen. Der neue Gasringofen ge-
hört auf den ersten Blick in diese Kategorie von
Brennapparaten.
Der Ringofen theilte das Schicksal aller grossen Erfin-
dungen — er wurde Anfangs von Laien und technischen
Autoritäten für unpraktisch und unausführbar erklärt und
als der Erfinder nach rastlosen Studien und unter grossen
Opfern den Beweis geliefert hatte, dass er trotz der erhobe-
nen technischen Bedenken dennoch zu den besten Resultaten
führen mü.oe. wenn er richtig gehandhabt wird, fanden sich
Itald — auf der einen Seite begeisterte Bewunderer, auf der
anderen Ignoranten und Neider ein, welche ihn in der nie-
drigsten Weise anfeindeten, und sich bemühten, mit Hülfe
einer eigeuthümlichen Auffassung des Streites Seitens der
preussischen Patentkommission den Erfinder nicht allein
um die Ehre der Erfindung zu bringen, sondern ihn auch
als eines der verabscheuungswürdigsten Beispiele eines Pla-
giators der Welt zu zeigen. — Dafür, dass ich Herrn
Mendheim nicht in diese Kategorie von Widersachern des
Ringofens setze — denn für diese besitz« ich keine Diute —
mag ihm zum Beweise dienen, dass ich es unternehme, einige
in seinem Aufsatze ausgesprochene irrige Ansichten zu
widerlegen. Herr Mendheim hat sich durch seine Studien
bei Errichtung der neuen Anlagen der königlichen Porzellan-
manufaktur ein unzweifelhaftes Verdieust um die Industrie
der Thonwaaren erworben und können demnach seine An-
sichten, weil sie für die iuteressirten Industriellen schwer-
wiegend sind, nicht übergangen werden.
Im Eingange seines Aufsatzes erkennt Herr Mendheim
die grossen Vortheilt: an, welche der Hoffmann'sche Ring-
ofen für die Erzeugung gewöhnlicher Ziegelwaaren bietet,
spricht demselben jedoch jede Brauchbarkeit bei Benutzung
für bessere Produkte, feinere Thonwaaren, Verblendziegel,
ja selbst für bessere Brettziegel und Klinker ab und räth,
denselben für solche Fabrikate durch einen Ringofen mit
Gasfeuerung mutatis mutandis nach dem System des Char-
lottenburger Porzellanofens zu ersetzen. Thatsachen sprechen
am lautesten und ich hätte hier, um Herrn Mendheim's An-
schauungen zu widerlegen, nur nöthig, ihm eine lange Reihe
von Anlagen vorzuführen, in welchen gute Brettziegel und
Verblend steine im Ringofen erzeugt werden; ich möchte hier
aber noch weiter gehen und ihn darauf aufmerksam inachen,
dass auch die weltberühmten Oldenburger Klinker*) in etwa
einem halben Dutzend Oefen erzeugt werden, dass die Stein-
Töpfer- mil Zitgltr
1S7» Wo. J,
Seger.
zeugfabriken in Ziesar, Belgern, Görzke, Oberglauche und
Krnminnussbauin sich desselben Systems für glasirte Pro-
dukte bedienen, dass englische Fabriken darin Produkte mit
Salzglasuren aus feuerfestem Thon erzielen und dass eine
der bedeutendsten lothringischen Steinzeug- und Fayence-
fabriken augenblicklich einen Kingofen erbaut, um darin ihre
Produkte, in Kapseln eingeschlossen, zu brennen, nachdem
in einem anderen Ofen angestellte Versuche ein günstiges
Resultat geliefert haben, — zum Beweise dessen, dass es nicht
immer nöthig erscheint, auf die erzielten grossen Brenn-
material-Ersparnisse aus Rücksicht auf die Güte der Pro-
dukte zu verzichten.
Allerdings haben alle diese Fabrikeu, wie dies ja bei
neuen Anlagen natürlich, Anfangs mit grossen Schwierig-
keiten zu kämpfen gehabt, Schwierigkeiten, welche auch
dem Gasringofen bei seiner Ueberführuug aus der Por-
zellan- in die Ziegelfabrikation nicht erspart bleiben
dürften uud an denen heute noch eine grosse Anzahl von
Ziegeleien krankt, die nicht einmal im Stande sind,
brauchbaren HintermaueruuRsstein zu liefern; aber
den Fabrikanten besserer Produkte gelungen ist,
überwinden und sie nach richtiger Erkenntnis« der Eii
lichkeiten ihres Brennapnarates die Wege gefui
um Ersparnisse und Herstellung guter Produkte
vereinigen, so lässt sich auch erwarten, wenn erst ei
eine bisher sehr zu vermissende Intelligenz unter den
übenden der keramischen Industrie Platz gegriffen hat,
auch Andere mit ihren geringeren Produkten zu demselben
Resultat gelangen werden; jedenfalls erscheint es aber nicht
gerechtfertigt, jetzt, wo unsere Industrie erst im Beginn des
Aufschwunges begriffen ist, ein so scharf gefälltes Unheil,
wie es Herr Mendheim hinstellt, auszusprechen.
Der Vorwurf, welcher von vielen Seiten dem Ringofen
gemacht wird und den auch Hr. Mendheim ganz besonders
betont, ist der, dass es angeblich unmöglich sein soll, solche
Produkte im Ringofen zu brennen, welche eine gleich -
mässig gefärbte Oberfläche zeigen sollen, und dass man
aus diesem Grunde vielfach auf die durch das System des
kontinuirlichen Brandes und direkter Befeuerung gegebenen
Vortheile verzichten müsse, um nicht seine Fabrikate in eine
geringere Kategorie zu bringen. — Für glasirte Waaren bei
Anwendung sehr asclienreichen Brennmaterials mag dies
zutreffen, dieser Uebelstand greift aber nicht in dem Maasse
Platz, wie sich Hr. Mendheim vielleicht vorstellt, denn ein
intelligenter Fabrikant wird nicht zürn offenen Brennen von
glasirten Waaren — gleichviel bei welcher Konstruktion der
Oefen — Torf, sondern ein« reine Steinkohle oder Holz ver-
wenden. Nur in dem Falle trifft jener Vorwurf zu, wenn,
wie vielfach geschieht, an den Ringofen die unbillige Anfor-
derung gestellt wird, er solle mit dem möglichst schlech-
testen, nur aufzutreibenden Brennmaterial die besten Pro-
dukte hervorbringen; ich glaube, Hr. Mendheim würde sol-
chen Forderungen gegenüber auch mit dem Gasofen in Ver-
legenheit, wenn auch nicht in eine so empfindliche als beim
Ringofen, gerathen.
Alle Verunreinigungen der Oberflächen bei Ziegelwaaren,
die im Ringofen gebrannt sind, werden ganz ungerechtfer-
tigter Weise der Asche zugeschrieben, und wenn dies auch
der Fall ist bei den Objekten, welche unmittelbar als Auf-
lager des Brennstoffes dienen, so ist dies noch nicht der
Gmnd für alle Missfärbungen, sondern die Ursachen hierfür
sind zum Theil ganz wo anders zu suchen. Es ist unschwer
nachzuweisen, dass die überwiegende Zahl der Verfärbungen
bei unglasirten Produkten bedingt ist durch die Natur der
r'euergase und die Art und Weise, wie die erzeugte Wärme
bis in s Extrem ausgenutzt wird, uud dass dieselben Erschei-
nungen sich auch bei Benutzung des Gasringofens zeigen
müssen, wenn nicht dieselben Vorsichtsroaassregeln getroffen
werden, welche beim gewöhnlichen Ringofen zu ihrer Ver-
hC uii nöthig sind und deren Ausserachtlassung sich in der
von "Crn. Mendheim als dem System anhaftend angesehenen
Weise rächt. Mit der Vergasung des Brennmaterials wird zwar
die Asche aus dem Brennraume verbannt, nicht aber alle die
übrigen viel schwerer wiegenden Einflüsse; es wird weder
die chemische Wirkung der Flamme geändert, noch werden
die bei allen Feuerungsanlagen auftretenden luftförmigen
er Feuerungsgase entfernt, da aus
Digitized by Google
- 152 —
liegenden praktischen Rücksichten eine Reinigung derselben
nicht statthaben kann.
Wer sich die Mühe geben will, mittels Loupe und Mi-
kroskop die Flächen von Steinen zu untersuchen, wird ohne
Schwierigkeiten erkennen können, welche Verunreinigungen
durch Asche hervorgebracht sind und welche anderen
Ursachen zugeschrieben werden müssen; er wird finden,
dass alle Aschenanflüge, welche nicht gerade auf einem bis
zur glasigen Schmelzung gebrachten Klinker sitzen,' also
hier durch Einschmelzung ihr»? Form verloren haben, sich
leicht durch ihre zellulare, oder wenn von Steinkohlen her-
rührend, durch ihre schiefrige oder splittrige oder angeschmol-
zene Beschaffenheit zu erkennen geben und sich mehr oder
weniger leicht durch Reiben oder Waschen entfernen lassen.
Dem Beobachter wird es ferner auffallen, dass nicht entfern-
bare Anflüge mit besonderer Vorliebe sich an solchen
Produkten zeigen, welche eine glatte und gedichtete
Oberfläche halten, bei welchen die Oherflächenbeschaffenheit
einem Anhaften der Asche ungünstig ist, also ganz beson-
ders bei Maschinensteinen und mit Wasser gestrichenen ge-
wöhnlicheu und Verblendsteinen, dass sie dagegen selten
oder nie bei in Sand geformter rauhflüchiger Ziegelwaare
anzutreffen sind; ich bitte Herrn Mendheim sein Augenmerk
darauf zu richten, dass Maschinensteine häufig auf ihren
glatten Flächen starke Anflüge zeigen, während sie auf den
durch den Drahtschuitt gerauhten Tehlen oder schwächer
sind. Es zwingen diese Erscheinungen zu einem weiteren
Nachdenken, sie geben aber jedenfalls die Gewissheit, dass
die Asche in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle an diesen
Erscheinungen unschuldig ist. Selbst die in Form und Halt-
barkeit so elenden Produkte der flämischen und niederrhei-
nischen Ziegelfabrikation, die in Meilern unter unmittelbar-
ster Berührung mit dem Brennmaterial erzielt werden, zeigen
nicht die streifigen Missfärbungeu, selbst nicht l>ci zufällig
erzeugten Klinkern, wie wir" sie häufig bei vollkommeneren
Rrenueinrichtungcn finden, und liefern den Beweis, welche
unbedeutende Rolle die Asche auf die Färbung der Über-
fläche Ihm uuglasirten Produkten ausübt. Dagegen kann man
sich in Oefeu jeder Konstruktion, in welchen missfarbig oder
rein gebrannte Vcrhlendsteine stehen, davon überzeugen, dass
die Steinflächen mit der feinsten Flugasche bestäubt sind,
(dine in ihrer Färbung Kinbusse zu erleiden.
Wenn es nun auch gewagt erscheint, einen Apparat, hei
welchem die Möglichkeit zu guten Resultaten zu gelangeu,
durch eine grosse Anzahl von Beispielen dargelegt ist, einem
solchen gegenüberausteilen, der. soviel mir bekannt erst in
einem Exemplar betriebsfähig ausgeführt ist, so ist man um
so mehr gezwungen, für den letzteren weitere Beweise ab-
zuwarten, als derselbe bisher nur für die Erzeugung der
höchsten in der Technik überhaupt erreichbaren Tempe-
raturen angewendet wurde. Dal>ci sind aber sehr begrün-
dete Bedenken zulässig, ob mit derselben Sicherheit und
Gleichförmigkeit die verhältnissmässig geringen Tempera-
turen in andern Zweigen der Thouindustrie sich auf den
ganzen Ofenraurn vertheilen lassen; es frfigt sich, ob denn
nicht dieselben L'ebelstände der ungleichmäßigen Erhitzung,
wie sie den älteren Üfenkonstruktionen eigen sind, sich hier
nicht in noch potenzirterem Maasse zeigen werden. Doch
abgesehen von diesen Bedenken, welche erst durch die
Praxis widerlegt oder bestätigt werden müssen, ist es nicht
schwer, den Nachweis zu führen, dass alle die Erscheinun-
gen der Misüfärbungen bei der Benutzung des Gases mit
derselben Notwendigkeit auftreten müssen, wie sie beim
Hoffmann'scheu Ringofen gerügt werden, sofern das Prinzip
der üussersten Ausnutzung der Wärme beibehalten wird und
die Vorsichtsmaassregelu verabsäumt werden, welche auch
der Betrieb des Ringofens erheischt.
Jedenfalls muss zugegeben werden, dass der ungleich
komplizirtere Gasofen in der Handhabung und Regulirung
seiner Funktionen schwerer zu behandeln ist, als der ge-
wöhnliche Ringofen, und dieser bietet wahrlich schon Schwie-
rigkeiten genug und stellt die Intelligenz der Arbeiter den
nicht kontinuirlich arbeitenden Ofeneinrichtungen gegenüber
auf eine harte Probe.
Wenn sich Herr Mendheim bei Fabrikanten gelber
Ziegelsteine darnach erkundigt, ob jedes Brennmaterial für
die Herstellung derselben benutzt werden kann, so wird
er erfahren, dass die Wahl desselben bei allen Ofenkon-
stmktionen von dem grössten Einfluss auf die Färbung ist,
und dass es hier zufällig - -- wenn wir das Holz als Brenn-
material überhanpt ausschlicssen — die aschenreichsten
Brennstoffe, Torf und Braunkohle, sind, welche sich vorzugs-
weise geiguet zeigen, während Steinkohle selten gleichartige
Steine erzielen läast, sondern an den freien Flächen rothe
Färbungen hervorruft, die häufig mehre Millimeter tief in
die Thonmasse eindringen. Wenn es nicht schon die rothe
Färbung allein tbäte, so schliefst sicher die Stärke der
gefärbten Schicht den Einfluss der Asche a priori aus und
es bleibt als einzige Erklärung der Erscheinung eine chemi-
sche Einwirkung einzelner Bestandteile der Feuerluft auf
den Thon. Die Chemie lehrt uns nun, dass alle stark eisen-
haltigen Thone, welche in einem gewissen Stadium der Sin-
terung durch das Brennen eine gelbe oder weisse Farbe an-
«nehmen. stets einen in einem gewissen Verhältnis* zum Eisen
stehenden Gehalt von kohlensaurem Kalk enthalten müssen
und dass durch die Bildung eines hellfarbigen Eisen-Kalk-
haltigen Silikats die sonst durch das Eisenoxyd verursachte
rothe Steinfärbung verdeckt wird. Nehmen wir also in irgend
einer Weise an der Steinoberfläche (den Kalk anderweit in
Anspruch, so dass er in die erwähnte hellfarbige Verbindung
nicht eintreten kann, so wird die tingirende Kraft des Eisen-
gehaltes in ihrer ganzen Starke hervortreten müssen. Dieser
Fall kann in der Praxis sehr häufig eintreten, und wird sich
immer dann durch eine Rothfarbnng kennzeichnen, wenn
dem Kalk eine stärkere Säure, als die Kieselsäure es ist,
während des Brennprozesses zugeführt wird uud dies ge-
schieht am leichtesten dann, wennn im Beginn des Erhitzens
sich gleichzeitig Waascrdflmpfc auf den Steinflächen konden-
siren können. Nun fehlt in den bei Anwendung von Stein-
kohle gebildeten Feuergasen niemals schwefelige Säure,
welche, unter Mitwirkung von Wasser und Sauerstoff, du-
ebenfalls stets im Bereich der zu brennenden Objekte vor-
handen sind, an der Oberfläche den kohlensauren in schwe-
felsauren Kalk (Gips) verwandelt und dadurch dem Kalk die
Möglichkeit raubt oder diese in eine höhere Temperatur
verlegt, als aus andern Gründen für die Fabrikation statt-
haft ist, in eine hellfarbige Kalk-Eisen-Kiesel-saure Verbin-
dung einzutreten.
Nun ist doch das Gas nicht als ein selbststandig da-
stehendes Brennmaterial mit bestimmten chemischen Eigen-
schaften zu betrachten, sondern seine Zusammensetzung ist
in erster Reihe abhängig von der Natur des festen
Brennmaterials, aus "welchem es erzeugt wurde, und es
wird stets in chemischer Beziehung ein Unterschied zwischen
Steinkohlen-, Braunkohlen-, Torfgas etc. nachweisbar blei-
ben, da dasselbe nach Ausschluss aller festen Substanzen
alle flüchtigen Stoffe des festen Brennmaterials enthält; zu
diesen flüchtigen Stoffen gehört aber neben Kohlenstoff,
Wasserstoff, Sauerstoff und Stickstoff auch Schwefel, und
wird demnach bei allen den Prozessen, wo der letztere eine
schädliche Wirkung ausüben kann, er es ebenso bei Ver-
wendung von Gas thun müssen, als wenn das entsprechende
Brennmaterial ohne den Umweg der Vergasung angewen-
det wird. (Bct.iu» Mgt >
Mittheilungen ans Vereinen.
Oestorrelohlschor Ingenieur- und Architekten - Verein
zu Wien.
Munatsversanimlung am "J. Dezember 1871 ; Vorsitzender
llr. Ober-Buurath Fr. Schmidt, anweseud HM Mitglieder.
Der Geschäftsbericht für die Zeit vom 5. November bis L>.
Dezember ergiebt, duss in den Verein 4 l .» neue Mitglieder ein-
getreten, 3 Mitglieder aus demselben geschieden siud. Zahl-
reiche Auffnrderuugeu zu (tutachten, sowohl vou Behörden wie
vou Privaten liegen vor.
Nach Schlusä der geschäftlichen Verhandlungen spricht zu-
nächst Herr Ingenieur Rottmavcr über die Ausführung der
schmalspurigen Eisenbahn Lamhach-Breitcnscbütziiig. Für die
Lambach - Gmundner Bahn, eineu der ältesten schmalspurigen
Schienenwegs! mit Lukomotiv- Betrieb, bildet die llauptfracht die
für die Ebenseer Suliuen erforderliche Braunkohle, welche in
der Station BreiteDschützing der breitspurigen Ilauntbahn 1 Meile
vor Lambach zur Aufgabe gelangt und zum Zwecke des Ucbcr-
gangs auf die Zweigbahn bisher in Lambach umgeladen werden
musste. Um diesen Uebelstaud zu beseitigen, hat man die
schraalspurigu Bahn bis nach Breitenschützing dadurch in ein-
fachster Weise verlängert, dass man zwischen die beiden Ge-
leise der Hauptbahn ein drittes einfügte und so auch hier eine
Spurweite von 1,106" (3' 6") herstellte. Dasselbe ist durchweg
aus alten Schienen koustruirt — die Stösae zum Theil freischwe-
bend, zum Theil auf den Schwellen. Die Abzweigung in Lam-
bach ist als gewöhnliche Kreuzung zu b*, ein halber Wechsel
mit nur einer Zungenschiene ausgeführt; in Breiteuschützing
war bei der geringen Differenz von 0,32t) Meter zwischen den
Schienensträngen eine Kreuzung mit Herzstücken nicht mehr
anzubringen uud ist eine solche mit 2 halben Wechseln , deren
Zungenschienen gekuppelt sind, ausgeführt. Die Kosten der
ganzen Anlage haben nur 35 000 fl. betragen. — Herr Professor
Grueber aus Prag hält hierauf einen Vortrag über die künst-
lerische Anschauung.
Digitized by Google
- 153 —
— 154 —
Wochenversatumlung am 9. Dezember 1871;
der Herr Ober-Baurath F. Schmidt, anwesend 327 Mitglieder.
Herr Ingenieur A- F ö I s c h spricht über den Bau und Be-
trieb amerikanischer Eisenbahnen, die er auf einer größeren
technischen Reine des vergangenen Sommers, welche sich auf
nordatucrikanischem Gebiete über 34» liM) Kilometer erstreckte,
eingehend studirt hat. Die Dichtigkeit de« Eisenbahnnetzes in
den Vereinigten Staaten ist eine sehr verschiedene; die Gesammt-
lönge desselben betrug Anfangs 1871 87 858 Kilometer, von de-
nen in den beiden Vorjahren 8222 resp. 18 092 Kilometer (also
etwa so viel, als die Gcsainmtläugc der österreichischen Bahnen
betragt), ueu eröffnet wurden. Bau und Betrieb der Eisenbahnen
sind ein ganz freies Geschäft; die Erlangung der Konzession
zum Bau einer Bahn ist zwar an {einige leichte Formalitäten
gebunden, eine Kontrolle der Regierung füllt jedoch in der Ke-
gel gauz fort, so dass der Schutz des Publikums gegen Miss-
bräuche allein in der persönlichen Haftung und in der strengen
Strafe sowie dem hohen Schaden-Ersätze besteht, welche bei
Unglücksfällen verhängt werden.
Was den Bau betrifft, so wird auf die Traciniug der Bahnen
durchgehend» eine ausserordentliche Sorgfalt verweudet: aller-
dings wird hei Anlage von Kontre-Kurven und Gegensteiguugen
etwas freier verfahren, als hier erlaubt ist. Bei Gebirgsbahnen
finden sich Steigungen von 1:50. ja selbst einzelne von 1:40,
sowie Kurven von 1!H) bis 200'" Radius, in offenem Terrain Stei-
gungen bis 1:100 und Kurven von 405 bis 633 "R. In dicht
bevölkerten Gegenden wird sofort definitiv, mit Dämmen und
eisernen Brücken gebaut, wShrend in wenig oder ganz unbe-
wohnten Territorien, wo ein Verkehr erst geschaffen werden
soll, die Anlage so wohlfeil wie möglich gemacht wird, so dass
nur ein Geleise hergestellt wird. Brücken und Viadukte aus
Holz bestehen und statt der Dämme vorläufig nur Gerüste
(Tratet vin-kj errichtet werden. Die bis zu einer I. Kuge von
'.',') ■" gewalzten Schienen, welche pro lf. Meter 30" und darüber
wiegen, werdeu in üblicher Weise mit Laschen, Platten und
Hakennägeln befestigt, sind jedoch bei der Wohlfeilbeit des
Holzes in durchschnittlich je O.tit»™ Entfernunc unterschwellt.
Alle Gebäude, sowie auch die Nebenanlagen, Wasserreservoirs,
Drehscheiben etc. werden zunächst gleichfalls in einfachster
Weise aus Holz konstruirt; — VYjfchterhäuser, Barrieren, Ein-
zäunungen existiren bekanntlich nicht. Ebenso ökonomisch wird
hei der Unterhaltung der Bahn verfahren, die auf das unent-
behrlich Notwendigste beschränkt wird.
Was den amerikanischen Bahnen trotzalledem eine Sicherheit
verleiht, die der der uusrigen wenig nachstellt, — Unglücksfälle
geschehen äusserst selten durch eine Entgleisung, sondern fast
ausschliesslich durch grobe Fuhrlässigkeiten im lietriclie — ist
die vorzügliche Konstruktion der Fahrbetriebsmittel, welche mit
Recht als der Hauptbestandteil der Bahn gelten und die
unsrigen weit übertreffen. Die Lokomotiven haben meist 2 Paar
nahe aneinander gerückto Triebräder und ausserdem vorn 2
Paar kleinere Laufräder anf einem beweglichen und verschieb-
baren Druckgestelle ; auf eben solchen mit je 3 Räderpaaren
ruhen vorn und hinten die oft 15 bis IS™ langen Personenwagen.
Hin Fahrgeschwindigkeit ist übrigens keineswegs so gross, als
oft geglaubt wird; sie beträgt iucl. aller Aufenthalte hei Post-
zflgeti 22.25 bis 27,SOKm , bei Expresszügcu 33,40 bis 35.25 K=>
per Stunde und steigt nur in außergewöhnlichen Fällen, wo
eine sehr scharfe Konkurrenz vorliegt, auf 40 ja selbst 50"».
Um trotz des Mangels an genügendem Personal möglichste
Sicherheit zu gewähren, sind die vuu der Hauptbahn abgehen-
den Weichen mittels Vorleu-esehlCsscrn festgestellt.
Die Statistik der Bahnen ist zum Theil noch ziemlich
lückenhaft. Im Allgemeinen gehen die von Ost nach West ge-
henden Bahnen bessere Erträgnisse als die von Nord nach Süd
gehenden, mit welchen die See- und Fluss-Dampfschiffahrt kon-
kurrirt. Die Betriebs • Einnahmen aller uordamerikauischen
Buhnen betrugen 1S70 etwa 450 Millionen Dollars, d. i. pro
Kopf der Bevölkerung etwa 2'/, Thlr., pro K«, etwa 7000 Thlr.
Die Höhe der Tarife ist nur theilweise, und zwar in den dicht-
bevölkertsten Staaten, durch regierungsseitig aufgestellte Maximai-
Tarife beschrankt, sonst ein freies Ergebuiss der Sjiekulation
und Konkurrenz.
In Bezug auf den Personenverkehr sind die amerikanischen
Einrichtungen ausserordentlich beipuem. Namentlich gilt dies
für die Behandlung des Gepäcks, welches mittels sogenannter
Cheks bezeichnet wird, für die Einführung von Stadt-Burcaux zur
Lösung von Fahrbillets, für die massenhafte und unentgeltliche
Verbreitung von Fahrplänen, endlich insbesondere für die Ein-
richtung der Züge, bei welchen als grösstc Annehmlichkeit die
Einführung der Pullmanu'schen Scblafwauguns zu betrachten ist.
Der Redner schliefst mit einer eingebenden Beschreibung der
letzteren. <K<.rt«*u«ns folgt.)
Badiaohor Techniker- Verein. Am 28. April fand die dies-
jährige General- Versammlung des badischeu Techniker-Vereins
zu Lahr Statt. In Folge der ungünstigen Form des Landes
pflegt eine solche Versammlung nicht gerade zahlreich besucht
zu sein (diesmal von '.. der Mitttlieder) und das V<
sich mehr in den 4 Bezirksverbänden zu entwickeln,
diesmal durch die Anwesenheit einer Anzahl Gäste i
bürg eine höchst willkommene Ergänzung und der Auhiss zu
schöner kollegial i scher Geselligkeit geboten.
Von den wichtigeren Verhandlungs - Gegenständen nennen
wir die Stellung der badischeu Baubeamten. Von einem posi-
tiven Erfolg der in No. 2 der Bauzeitung erwähnten Eingabe
konnte zwar wenig bemerkt werden: ein direkter Bescheid anf
dieselbe ist bis jetzt nicht erfolgt, doch sind wohl in der allge-
meinen Gehaltserhöhung, in der festen Besetzung einiger pro-
visorisch verwalteter Stellen, in der Anstellung einiger Prakti-
kanten schwache Anfänge von einer Berücksichtigung der vor-
getragenen Beschwerden zu erkennen. Vor Allem wird wohl
auf den moralischen Eindruck des Mangels an Bautechnikern
im Staatsdienst zu rechnen sein, welcher auch im Landtage be-
sprochen ist und sich ohne Zweifel durch den Bau der Gott-
hardhahn noch steigern wird. In der Organisation des
badischen Bauwesens steht die längst als Bedürfnis« er-
kannte Vereinigung des Eiseubahnbaues und Betriebs in einer
Zentralbehörde vor der Thür, doch ist kaum zu erwarten, dasg
in Folge dessen die Techniker besser bezahlt oder würdiger ge-
stellt werden — enthält doch beispielsweise die oberste Instanz
in technischen Angelegenheiten, das Handels-Ministeriuin, keineu
einzigen Fachmann!
Der badische Techniker-Verein hat bislang die Leistungen
seiner Mitglieder noch nicht zu Publikationen benutzt, wie es
doch zur Anregung und Belehrung wünschenswert!» und nach
der Erfahrung anderer Vereine nützlich ist. Es wurde nun be-
schlossen, hiermit einen Versuch zu unternehmen, und werden
die vorbereitenden Schritte wahrscheinlich zur Hcrauagalm
zwangloser, nach Bedürfnis« erscheinender Hefte führen. Bei
der geographischen Maunichfaltigkeit des Landes und den be-
deutenden Mitteln, welche auf öffentliche Bauten _ verwendet
werden, bietet sich eine reiche Fundgrube zu technischen Mit-
tbeilungen dar. Zuvörderst gab sich der Wunsch zu erkennen,
eine statistische Uebersicbt der Gcsaiumtleistungen im
Strosseubau, Strombau, Eiseubahubau, Hochbau u. s. w. seit
mehren Jahrzehnten zu schaffen, besonders auch in der Ab-
sicht, um die Bedeutung des Baufaches und die Verdienste
seiner Vertreter im ganzen Staatshaushalt ziffermfissig zu be-
legen.
Ferner wurden einige der von der Abgeordneten-Versamm-
lung im Oktober v. J. gestellten Fragen liesprochen und die
engeren Geschäfte des 'Vereins erledigt.
In den Vorstand wurden für das nächste Vereiusjahr ge-
wählt, bez. wiedergewählt die Herren Baumeister, Delisle,
Dürrn. Die Versammlung schloss mit dem oblipten Festmahl
und einer Spazierfahrt auf die im herrlichsten Frühlingsscbmuck
prangenden Anhöhen des Schwarzwaldes.
Ostpreussisoher Ingenieur - und Architekten -Verein.
Mouatsversammluug am 2. Mai zu Königsberg; Vorsitzender Hr.
Uerzhruch, anwesend 14 Mitglieder.
Nach Vorlesung des Protokolls und Mittheiluug eines Pro-
gramm-Entwurfs für diu Exkursion noch dem Oberländischen
Kanal thcilte Ur. Wolff mit, dass die Kommission, welche zur
Berathung über Norniirung des Honorars für Ingenieure gewählt
sei, bis jetzt noch keine \ orlage macheu könne.
Hr. Wiehert referirte über die Zerdrückungs -Versuche
mit den eingelieferten Kopenhageucr Kunststeinen wie folgt:
1. Gelber Kunststein, anscheinend härter und spröder
beim Zersägen.
Gedrückte Fläche 15.7 X 15,7 »•» (6" X C") = 246,5a»«'
(3ti'~i"). Höhe 17>'» («',").
Vollständig zerdrückt bei 33250 — 43225", also per
126—168", resp. per |j" 1800 — 2400 Pfd.
Die ersten Sprünge bei 500 — 75Q k .
2. Weisser Kunststein, leicht zu zersägen, wie Kreide
aussehend und ähnlich im Bruch.
Gedrückte Fläche K>.« X 20,19 = 409,64G»">, resp. 7'/,
X 8" = 6ürj". Höhe 26.1«™, resp. 10".
Vollständig zerdrückt bei 33250 bis 36575*, also pcrQ««
77 — 85,4", resp. per p" 1109 — 1220 Pfd.
Die ersten Sprünge bei 300 — 400".
3. Maricnburger Ziegelsteine.
Gedrückte Fläche 12.5 X 26,1 = 324.25a«' (4«4 X
10" = 47,5 □"), Höhe 2 X «,5 = 13» (2 X 2'V
= 5").
Vollständig zerdrückt bei 20000 — 27500", also per □«•-
58,8 — 77,0", resp. per Q" 840 — 1100 Pfd.
Die ersten Sprünge bei 350 — 400".
Hiernach seien die Festigkeitsproben günstig ausgefallen, es
•oge, wie dieso Kunststeine sich gegen die
stehe nur noch in Fr
Witterung halten würden.
Es wird die Frage aufgeworfelt, woher der weisse Ausschlag
bei Ziegelsteinen an verschiedenen hiesigen Gebäuden herrühre.
Nach mehrfachen Aeusserungen hierüber übernahm Hr. Hü-
ter die Beantwortung derselben in nächster Sitzung.
Schliesslich wurde beschlossen, mit nächster Munatsvcrsatnni-
luug eine Exkursion nach der Fabrik von Ostendorff etc. zu
verbinden.
Sächsischer Ingenieur- nnd Architekten-Verein- 76. or-
dentliche Hauptversammlung, am 28. April abgehalten zu Dres-
den im Lokalu der Harmonie-Gesellschaft.
Der Hauptversammlung voraus gingen in gewohnter Weise
die Sitzungeu der verschiedenen Sektionen des Vereins.
In der Sektinn I machte der Sektionsvorstand, Hcn-Obcrin-
geuieur Schmidt, Mittheilung über die Bauausführung des
Tunnels in t'amenz für die Radcbcrg-Camenzcr Staatseisenbahn.
Die Herstellung des Tunnels in saudigem und lehmigem Boden
war von besonderer Schwierigkeit, da die fast dicht darüber bo-
nicht gestatteten, dos» der Einschnitt als
Digitized by Google
— 155 —
offener hergestellt und dann überwölbt wurde; während ciue
Ausführung durch Stolleubetrieb wegen de» starken Wasserzu-
dranges, in Folge dessen die angeschnittenen Thonschichteo
schnell erweichten, sehr gefährlich gewesen wäre. Die ange-
wendeten Schachtteufungen gestatteten nur langsamen Vorgang,
da die Kommunikation auf den gerade über dem Tunnel
sich kreuzenden städtischen Strossen nicht gestört werden
durfte.
Man senkte 15 Schächte über die Breite des Tunnels und
an den Seiten bis zur Tiefe des Widerlagers, das auf Beton und
Quaderschicht fundirt wurde, stellte von diesen Schächten aus
Gewölberinge von 5— 8 m Breite ohne Verband unter sich her
und wendete an den gefährlichsten Stellen Sohlenbögen an; der
nach dem Bahnhof zu in Grünsteinfclsen gelegene Tunneltheil
von 13"" I-änge wurde durch 3 Stollen, von denen einer im
Bahnmittel, zwei an den Widerlagern vorgetrieben wurden, her-
gestellt Die Bauzeit für die gesamnite Tunnellängc von ca.
100™ betrug 14 Monate, da die örtlichen Verhältnisse die Arbeit
ungemein erschwerten. — Ueber die Bauausführung waren ge-
naue Detailzcicbnungen vorgelegt.
IJr. Prof. Dr. Pränjkelgabhicraufeincn Ueberblick über den
ueuesten Stand der Erbauung eiserner Brücken, insbesondere
für Eisenbahnbetrieb; er beschrieb und charakterisirte einige
von ihm besuchte Ausführungen, von denen er Zeichnungen
und Photographien zur Ansicht vorlegte; so die Frauz-Joseiilis-
Kettenbrücke zu Prag (Ondish Lefebrc), die Stadelaucrbrückc
bei Wien, welche ohne Gerüst mit Schnabelvorrnllung aufgestellt
wurde, uud mehre Brücken in Ungarn. Der Vortragende
knüpfte hieran eine kurze Ucbcrsicbt der bisher in Gebrauch
gekommenen Methoden für Aufstellung der Kiscukoustruktioueu
von Brücken und bezeichnet als solche:
Vollständiges Stundgerüst zum Aufzug oder Zutransport der
einzelnen Theile (seit 1864 in Auwendung); Aufzug der ganzen
Träger auf ein festes Gerüst (bei der Brittauia Rührenbrückc
in Anwendung) ; l'eberschiebcn der einzelnen Tragwäudc auf ein
festes Standgerüst (seit 1854 in Anwendung); Ueberschieben der
gesammten Eiseiikoustruktion auf ein festes Standgenist. Seit
1865 ist versucht, von der über einer tk'ffuung auf festem Ge-
rüst montirten Konstruktion die Hauptträger der nächsten Oeff-
nungen vorzutransportircu, seit 18545 ist versucht, ganz ohne
Gerüst einzelne Träger, und seit 1857 ohne Gerüst die ganze
Konstruktiou durch Vorschieben resp. Vorrollen aufzustellen.
In der Sitzung der zweiten Sektion gab Hr. Prof. Falckc
in Chemnitz Mittheilungen üher Indikatorversuohc an einer
rorliss-Maschinc, sowie Hr. Prof. Dr. H artig über Geschwindig-
keitsdiagTamme des Kurbelgetriebes.
Die Diskussion der Frage : Welcher Bildungsgang ist juncen
Leuten, die sich dem Maschinenbau widmen wollen, zu empfeh-
len, wurde unter dem Referate des Herrn Regierungsrath Prof.
Dr. Schneider fortgesetzt.
In der III. Sektion sprach Hr. Ingenieur Kellin g in sehr
eingehender Weise über die Verwendbarkeit der verschiedenen
Heizsysteme, Hr. Stadtbaudirektor Friedrich in Dresden über
die Ausführung einer besonderen Grundverstärkung.
In der Sitzung der IV. Sektion macht Herr Kunstmeister
Stollenfaktor Bo ruemann Mittheilung üher die von ihm ausge-
führten Versuche, betreffend die Grösse der Kolbenreibung. Hr.
Ingenieur Oberstlicutenaut Andree sprach über den neuesten
Stand der Anwendungen von Nitroverbindungen in der Technik
und gab Bericht über die neuerdings Mmihtn angestellten Ver-
suche, welche Herr Artilleriehauntmann Kahle schon früher
begonnen und dem Verein vorgeführt hatte.
(Scilla»» folgt.)
Architekten -Voretn zu Berlin. Haupt -Versammlung am
4. Mai 1872; Vorsitzender Hr. Quassowski, anwesend lilf Mit-
glieder und 9 Gäste.
Von Seiten des Architektonischen Vereins in Hamburg ist
die Nachricht eingegangen, dass derselbe die bereits im vorigen
Jahre beabsichtigte Exkursion nach Berlin im Laufe dieses Mo-
nats (voraussichtlich am 25. bis 27. Mai) zur Ausführung bringen
will. Der hiesige Verein wird um seine Beihülfo bei diesem
Vorhaben und namentlich darum ersucht, den Hamburger Gästen
die gemeinschaftliche Besichtigung der Konkurrenz -Eutwürfe
zum Reichstagshause während einer Zeit, in welcher die Aus-
stellung dem Publikum verschlossen ist. zu erwirken. Der Hr.
Vorsitzende begrüsst mit Freude die Aussicht dieses Besuchs
und schlägt vor, die nöthigen Veranstaltungen und Vereinba-
rungen einer besonderen Kommission anzuvertrauen. Zu Mit-
gliedern derselben mit dem Rechte der Kooptation werden die
Hrn. Fritsch, Housselle uud Mellin gewählt
Es folgen einige Mitteilungen des Ober-Bibliothekars, Hrn.
Franzius über anzuschaffende Werke und eine Aufforderung zur
schleunigen Berichtigung des im Drucke befindlichen neueu Mit-
gliedcnerzeichnisses. Die Beurtheilung der letzten Mnnatskon-
kurrenzen hat wegen augenblicklicher Unvollständigkeit der
Kommission unterbleiben müssen; für den diesmaligen Termin
sind Arbeiten nicht eingelaufen.
Hr. Assmann erläutert hierauf den von ihm gestellten
Antrag, bei dem Hrn. Minister für Handel pp. wegen einer ver-
änderten Organisation des Studiums und der Verwaltung im
Staatsbauwesen vorstellig zu werden. Die Veranlassung hierzu
hat ihm die Acusserung des Hrn. Ministers auf dem letzten
Schinkelfest gegeben, die — wenn auch in wohlwollendster
Weise — in unserem Fache den Mangel an über die Mlttclwäs-
sigkeit hervorragenden Kräften bedauerte. Ist dieses Bedauern
iu der That gerechtfertigt, wie wohl Jeder anerkennen muss
so legt eine Acusserung von solcher Stelle dem Vereine die
entschiedene Pflicht auf, mit seiner Meinung über die Ursachen
dieser Erscheinnng und über die Mittel zu einer Besserung der
bisherigen Zustände nicht zurückzuhalten. Der Redner verliest
den Entwurf zu einer solchen Vorstellung, wie er nach einer
von ihm verfassten Vorlage durch die Berathuug und Amendi-
ruug des Vorstandes festgestellt worden ist In eingehendster
Weise wird in derselben als Ursache jeuer Mittelmäßigkeit die
noch immer festgehaltene Forderung eines gleichzeitig auf die
Architektur uud dus Iugenieurweseu gerichteten, daher uoth-
wendig ungenügenden und oberflächlichen Studiums, als Mittel
zur Abhülfe die Trennung der Fächer, welche höchstens bis
zum ersten Abschnitt der Ausbildung gemeinsam betrieben
werden können, bezeichnet. Detaillirte Vorschläge, wie ciue
solche Reorganisation zu bewirken sein möchte, mussten selbst-
verständlich unterbleiben und konnten hierül>cr nur Andeutun-
gen gemacht werden. Als Kernpunkte der von Seiten des Ar-
chitekten-Vereins im Interesse einer wirksamen Hebung des
Preussischcn Staatsliauwescns geltend zu machenden Wünsche
werden schliesslich hevorgeboben : für das Studium — gemein-
same Vorbildung bis zur Bauführer- Prüfung — getrennte theo-
retische uud praktische Vorbildung bis zur Baumeister-Prüfung.
Für die Verwaltung eine möglichst durchgeführte Trennung der
beiden, sich gegenüberstehenden Fachgebiete.
Dem mit lautem, sympathischen Beifall aufgenommenen Vor-
trage fügt Hr. F'ranzius im Namen des Vorstandes einige Er-
läuterungen über die Art uud Weise hinzu, in welcher der be-
treffende Antrag in vier, zum Theil mehrstündigen Sitzungen des
Vorstandes erörtert worden ist. Die Natur des Gegenstaude»
empfehle es, auf eine abermalige Diskussion im Vereiue zu ver-
zichten und eine Abstimmung ou bloc zu veranstalten, zumal
der Antrag ja lediglich eine erneute Anregung einer schon
oft ventilirten Sache sei.
Der Verein schliefst sich dieser Auffassung an und nimmt
hierauf mit Einstimmigkeit an, dass das verlesene Schrift-
stück iu seinem Namen dem Herrn Minister überreicht werde.
Die Kommission zur Berathuug einer Norm für das llonurur
der Bau -Ingenieure hat ihre Arbeiten noch nicht ganz abge-
schlossen, wird dieselben jedoch zur nächsten Hauptversamm-
lung vorlegen.
Zum Schluss berichtet Hr. zur Nieden im Namen der Ex-
kursions-Kommission über den für die diesmalige Sommer-Saison
aufgestellten Plan. Der augenblickliche Stand "der Berliner Bau-
Ausführungen »teilt hier eine verhält nissnifissig geringere Zahl
der Besichtigungs- Objekte, als iu früheren Jahren zur Verfü-
gung, nöthigt daher einen Theil der Ausflüge nach ausserhalb
zu richten. Für den Begiun derselben ist auf Sonnabend, deu
18. Mai eine Tour nach Brandenburg, später eine (schon durch
mehre Jahre beabsichtigte) nach Stendal und Tangcrmündn in
Aussicht genommen. Für die mehrtägige Reise nach Dresden
etc. ist Sonnabend der 29. Juui als erster Tag, für das unter
Theilnalime der Damen zu begehende Sommerfest Sonnabend
der 13. Juli festgesetzt worden.
Von den im l'ragekasteu enthaltenen Fragen beantwortet
Hr. Lucae die über die Zulässigkeit eines Prediger - Klosets in
einer protestantischen Kirche dahin, dass darüber_ das von der
Gemeinde aufzustellende Programm entscheiden müsse. In vie-
len Fällen werde dieselbe eine solche Anordnung wohl für un-
bedenklich halten und eventuell sogar fordern, während eine
derartige Bereicherung des Programme«, die vom Architekten
ohne direkte Veranlassung getroffen würde, allerdings anstössig
erscheiuen möchte. Die Frage, ob eine Mauer durch Wasser-
glas gegen Regen gedichtet werden könne, wird von Hrn. Ass-
mann verneint, da angestellte Versuche ergeben haben, dass
ein Wasserglasüberzug wasserdurchlässig ist
In den Verein werden aufgenommen die Herren Blum,
Georg, Hasse und Stölting. — F. —
Der projektlrto Ansiflug des Hamburger architekto
nlschen Vereins nach Berlin, dessen iu dem Berichte über
die letzte Sitzung des Berliner Architektenvereins erwähnt wird,
giebt den erfreulichen Beweis, dass die für eine Pflege enger
lachgenossenschaftlicher Beziehungen unter den Architekten und
Ingenieuren Deutschlands so bedeutsame Sitte derartiger Besuche
von Verein zu Verein, die zunächst vou dem Sächsischen Inge-
nieur-Vereine angeregt, von dem Berliner Architekten -Vereine
aber adoptirt worden ist, in entschiedene Aufnahme kommt. Es
ist der Zweck dieser Zeilen, nicht blos eine wiederholte allge-
meine Propaganda für sin zu machen, sondern unseren übrigen
Nachbar-Vereinen, die sich wohl gleichfalls längst mit dem Ge-
danken eiuer gemeinschaftlichen F'ach- Exkursion nach Berlin
getnuten Ubeti , Zill freundlichen Erwägung vorzulegen, ob sie
ein solches Vorhaben nicht vielleicht in denselben Tagen, wie
die Hamburger Fachgenossen zur Ausführung bringen wollen.
Nicht allein die Gelegenheit zu einer Besichtigung der Konkur-
renz-Entwürfe für das Reichstagshaus spricht dafür, soudern
wohl noch mehr die Aussicht auf das anregende Zusammen-
treffen von Fachgenossen aus den verschiedensten Gaueu Deutsch-
lands; denn sicherlich würden, wenn unsere Anregung aufgenom-
men wird, neben den geschlossenen Vereinen noch viele einzelne
Mitglieder von solcheu uud namentlich viele auswärtige Mitglie-
der des Berliner Vereins gern diescD Anlass zu einem Besuche
der Hauptstadt benutzen und so ein zwang- und anspruchsloser,
aber gewiss desto fröhlicherer Kongress deutscher Architekten
und Ingenieure sich iniprovisircn. — Allerdings wäre bei der
Digitized by Gc
- 156
Kürze der Zeit, die noch zur Verfügung steht, ein schneller I liner Architektenverein bi
Entschluss nothwendig, da es wünschcnswerth ist, dass der Ber- | in den Besitz vorläufiger
jiner Architektenverein bis zu «einer nächsten Sitzung am 1 L Mai
VenuischtcB.
Prämien -Erthcilnng an Preusslsohe Bauführer.
In Anerkennung der bei den Bauführer-Prüfungen im Jahre
1871 dargelegten Keuntnis.se und Leistungen sind von dem Mi-
nisterium für Handel zwei Prämien von je dreihundert Thalern
zu dem Zwecke einer Studienreise, sowie drei silberne Preis-
Medaillen tiewilligt worden und zwar:
die Heise - Prämien den Bauführern Carl Theodor Richard
Bohn aus Perlin und Carl Adolph Hinckeldeyn aus Lübeck;
die Medaillen den Bauführern Theodor Bbhin aus Cleve,
Max Reinhold Volkmann aus Sylbitz bei Halle ... S. ..ud Hela-
rien Klutmann aus Witten.
Aua der Fachliteratur,
Fabrikation. Prüfung- und Uebernahme von Eisenbahn-
Material. Ein Hand- und Hilfsbuch für Eisenbahn-Ingenieure,
Maschinen- und Hütten - Techniker. Von Alpbous Petzholdt
Mit Vorwort von E. Ueusingcr von Waldegg. Wiesbaden,
f. W. Kreidels Verlag. 1872.
Wenn schon jedes Werk, welches die dem Konstrukteur so
nothwendige, aber ohne praktische Tbätigkcit in Hütten oder
Maschinenfabriken nicht leicht erreichbare gründliche Kenntnis»
der Natur und Eigenschaften des Eisens und Stahls zugänglicher
macht, mit Freuden begrünst werden muss, so gilt dies wohl
besonders von der vorliegenden Arbeit, welche für die Beurtbei-
luug der besagten Materialien bestimmte Anhaltspunkte giebt
una darauf hindeutet, worauf es bei ihrer Fabrikation und
Bearbeitung hauptsächlich ankommt- Der Verfasser war eine
Reihe von Jahren (wie es scheint, ausschliesslich im Auftrage
russischer Eisenbahnverwaltuugcu) mit der Prüfung undL'cber-
uahme von Eisenbahnmaterial auf belgischen, englischen und
deutschen Hütten betraut und ülurgiebt seine Erfahrungen
nunmehr dem Publikum. Dieselben bezieben sich auf Eisen-
babuaebieneu, Profileiacu, Schieucuvcrbinduugs- und Befestigungs-
mittel, Telegrapheudraht , Bleche und sonstiges Material zu
Lokomotivkesseln, Rahmen, eiserne Brücken, Wasserstationen,
Eisenbahnwagen, schmiedeeiserne Räder, Bandagen, Achsen,
Tragfedern und sonstige Lokomotivtheile aus Bessemerstahl,
Herzstücke, Ausweichungen u. s. w., umfassen also so ziemlich
das ganze Gebiet der Eisenbabntechnik. wie es in dem Werke
von Heusinger von Waldegg behandelt wird. Als eine Fort-
setzung und Vervollständigung des letzteren, dessen Format und
Ausstattung es auch Süsser lieh angenommen hat, kann das Buch
des Herrn Petzholdt in der That angesehen werden. Es gilt
dies namentlich mit Rücksicht auf den im ersten Bande des
Heusinger'scheu Werkes enthaltenen Aufsatz von Paulus über
Material und Fabrikation der Schienen, und wird sich voraus-
lea dritten Bandes (des Lokomotiv-
r, dass das vorliegende Werk iedem Tech-
und Stahl zu thun hat, von Nutzen sein
X.
Konkurrenzen.
Die Konkurrenz für Entwürfe zum Hanse des Deutschen
Reichstages. Die Ueberzahl der eingegangenen Entwürfe und
der Andrang der Besucher, welche die Ausstellungsräume vom
ersten Tage der Eröffnung an erfüllten, machen die Arbeit der
Berichterstattung über diese Konkurrenz zu einer so schwieri-
gen, dass wir unsere Artikel für diesmal leider noch nicht fort-
setzen knuneu, wenn wir unserer Aufgabe in gewissenhafter
Weise gerecht werden wollen. Wir benutzen diese Unterbrechung
um einige Irrtbüiucr in dem von una in voriger Nummer ge-
brachten Verzeichnisse der Konkurrenten, das wir abschlicsson
muasten, bevor eine Uebersicht der Arbeiten möglich war, zu
berichtigeu.
Es fehlten in dem Verzeichnisse die Arbeiten der Herren:
R. D ah man ii. Berlin und Daniel. Parchim, letztere weil un-
vollständig als „hors eoncours" bezeichnet, entere vermutlich
identisch mit dem Entwürfe Nr. 2">. Hingegen sind die in der
Liste verzeichneten Entwürfe der Hrn. Horst (8!*) und H. J.
Morre (79) von uns in der Ausstellung nicht gesehen wnrden.
Falsch oder irrig sind folgende Nameusangaben:
27. Ruckert statt Rickert. 36. Mylius statt Myliuer &
Bluutschli. Till. Lumpe statt Zumpe. 7U. Preuser statt
Preusser. 78. Lunge statt Laug. bO. Muvsken statt Muvkcu.
Unrichtig datirt sind die Arbeiten der Hrn. Rettig (SO),
die aus Karlsruhe und Haas & Wahl, die aus Wien einge-
liefert ist. Bei der unter 1 verzeichneten Arlnnt der Hrn.
Strack und Herrmann ist die Blattzabl auf G statt auf IC
Somit glauben wt
uiker, der mit Eisen
wird.
14. Juli d. J. wird vom Vorstände derselben ausgeschrieben.
Es sollen 2 Preise von 500 resn. 300 Thlr. zur Vertheilang kom-
men und eine Jury, bestehend aus den Herren Prof. Nicolai,
Baumeister Eberhard, Stadtbaudircktor Friedrich, Banquier
Boudi und Konsul Knoop funkttouiren. Die Konkurrenz -Be-
dingungen schliessen sich eng au die Grundsitze des Verbandes
an, nur dass in Betreff einer eventuellen Veröffentlichung des
Jury- Gutachtens eine Bestimmung getroffen igt, welche vennu-
then lägst dass diese Grundsätze dem Verfasser zufälliger Weise
nicht in der in Hamburg beschlossenen Fassung, sondern in der
eines früheren Entwurfes vorgelegen haben. Die Baubedin-
gungen sind in erwünschter Detaiflirung angegeben und ist es
sicherlich nicht zum Schaden der Sache, dass die Bauherren
ihr Verlangen, dass das Gebäude im Renaissancestil errichtet
werde und der Börsensaal dasselbe nach Aussen charakterisiren
solle, klar und offen ausgesprochen haben. Es gereicht uns
auch in diesem Falle zur besonderen Befriedigung konstatiren
zu können, wie bemerkenswertbc Vorzüge viele der neuerding;»
erlassenen Preisausschreiben gegen solche aus früheren Jahren
zeigen und wie deutlich sich hierin das Bestreben, aber auch
die Macht der als Rathgeber der Bauherren befragten Archi-
tekten zeigt, für die Interessen ihrer Facbgcnossen wirksam ein-
zutreten.
Die Entscheidung der Konkurrenz für Entwürfe zur
Anlage eines neuen StadttheUs In Mannhelm (vid. No. 3
des lld. Jhrg. u. BI.) hat uuter 24 eingegangenen Arbciteu der
von Professor Baumeister in Carlsruhe verfassten den Sieg
zugesprochen.
Personal - Nachrichten.
Preusscn.
Die Bauführer- Prüfung haben bestanden: Carl Wilhel m
Assmann aus Osnabrück; Joseph Anton Waldhausen aus
Cöln; Otto Paul Küster aus Perlin.
Die Baumeister-Prüfung haben bestanden: Bauführer
Tacke aus Oelde i. Westfalen; Bauführer Treibich aus Ef-
felder bei Sonneberg, Herzogtb. Sachsen -Meiningen.
Ernannt: Der Eisenbahn - Baumeister Dieckmann in
Breslau zum Eisenbahn -Bau-Inspektor bei der Oberschlesischen
Bahn daselbst. Der Eisenbahn - Baumeister Grüttefien zu
Kettwig u- Ruhr kommissarisch zum Vorsteher des technischem
Büreaus der Königlichen Eisenbahn-Direktion in Hannover. Der
Eisenbahn - Baumeister Schilling in Uelzen zum Eisenbahn-
Bau - Inspektor bei der Bebra - Hanauer Bahn in Fulda. Der
Eisenbahn -Bau- Inspektor Behreud zu Schlüchtern zum tech-
nischen Uülfsarbeiter bei der Königlichen Eisenbahn- Direktion
in Cassel.
Gestorben: Der Kreis-Baumeister Laessig in Dramburg.
Sachsen.
Ernannt: Der Strassen bau - Kondukteur Peters zum
Chanssee -Inspektor in Löbau. Der Betriebs -Ingenieur Engel-
hardt in Chemnitz zum Betriebs - Oberingenieur bei der Kgl.
General -Direktion der sächs. Staats -Eiseubahnen in Dresden.
Der Sektionsingenieur Helmer zum Betriebs-Ingenieur bei der-
selben Behörde. Der prädizirte Betriebs -Ingenieur Becker in
Geithain zum Betriebs - Ingenieur in Chemnitz (Abth. I). Der
Sektions-Ingenieur Sarras in Penig zum Betriebs-Ingenieur in
Flnha. Der Sektions-Ingenieur Hartenstein zum Betriebs-tn-
genieur an der Plauen -Oelsnitzer Staats - Eisenbahn. Der Sek-
tions-Ingenieur Bartholomaeus in Chemnitz zum Betriebs-
Ingenieur in Aunaberg. Die Ingenieur -Assistenten Flach,
Reiche und Eisenstuck zu Sektions -Ingenieuren beim Bau
der Südlausitzcr Staatsbahn. Die Ingenieur-Assistenten Poege
und Pfeiffer zu Sektions -Ingenieuren beim Bau der Pirna-
Radeberger Staatsbahu.
Versetzt: Der Betriebs-Ingenieur Richard zu Anuaberg
nach Dresden (Abth. II).
Schweiz.
Zum amtlichen Inspektor der Gotthardbahn -Bauten ist Sei-
tens des Schweizerischen Bundesrat hs der Ingenieur Koller zu
für die Börse in
mit dem Schlusstermine des
Abonnent in Zörbig. Von einer Veröffentlichung dei
erwähnten Martens'schen Projekte ist uns nichts bekannt, hin-
gegen ist es nicht unmöglich, dass Sie bei dem betreffenden
Kieler Phntngraphcn noch Photographien derselben erhalten
können. Die Adresse desselben ist uns leider unbekannt
Hrn. R. in Ellerbeck und Hrn. Scb. Friedenfels.
Wir haben Ihre Offerten dem Hrn. Fragesteller übersandt
Beiträge uud Sendungen mit Dank erhalten von den
Hrn. IL in Berlin, M. in Hannover, B. in Gotha, v. W. in Bautzen,
A. in Oppeln.
Kon
; »•» C«rl BttliM in I
Uli 1
Digitized by Google
Pfarrhaus im Vorder - |<irchspiel zu ^Altona.
Digitized by Google
Digitized by Googl
Jahrg. n M 20.
DEUTSCHE BAUZEITUNG
Organ des Verbandes
deutscher Architekten - und Ingenieur-Vereine.
Redakteur X. E. 0. Fritwh.
K.4»ktl.a . Bi P .dlU«u
l. Orinifwlmw
S«Ullunt»a
In .« «r.lli- »«Im«:
.Bau- Anaelger"
v, SP pr.
Preis 1 Tbaler pro Qaartal.
Herl in, den
15. Mai 1872.
Erscheint je de n Douni-r -u;.
lotllt: D.c Ki.ak.irr»-,« Im» Kntwiiri.- mm II«.« .1.« d.iuarli.a B.lrh..
t«t« II. ^ Br«.»n.-.f--n fu^T<*.»w».rr-li mil OMf.»»rnng ««,1 knBtin.IrlklwpJ.-
■itthaSnt*" ShmSÄS nf aaSatataa* InVuirar" und Arrhitektan-Vania
fscWu«.!. - Ar.hlu-kirn- and luinaHMir- V.rH« <a flannov.r. - Arrnli.kfa-
V.r.ln .«(W.U.. - VtralKhni: Dl. batf« d~ an»ltori»rh.a U'biwl«. für
.l-ti di.uu--r.-ti H.ichala« tu Barllu. — P.tUtoi. il«r Modiraolan Uularhmwhrr
BoafcllhalM - Au. it.r F.rl,llit.,.i„, All«<-a»cii» B«..ritunic. Jahrmr.|r
l»7l (Fn.M.tHunn). — ParK.ii.l-Na.Thrirril.il .lr.
II.
Wie schwierig es hei dem massenhaften Material? dieser
Konkurrenz ist, einen objektiven Vergleich der einzelnen
Entwürfe zu gewinnen, das wir<l Jeder empfunden haben,
der die Ausstellung auch zn wiederholten Malen besucht und
nirlit blos flüchtig gemustert, sondern eingehend studirt hat.
Bei der Vielseitigkeit der Auffassung, welche die Aufgabe
zuliess, dürfte ein solcher Vergleich sogar nahezu unmöglich
sein, w»>nn nicht die Einhaltung bestimmter Maasstäbc, wie
nie das Programm vorgeschrieben hatte, zum Mindesten eine
gewisse äussere Gleichartigkeit hervorgebracht hätte, welche
das Studium wesentlich erleichtert. Einzelne Konkurrenten,
die ihre Grundrisse nicht mit den eingeschriebenen Namen
der Räume, sondern mit Ziffern oder Buchstaben bezeichne-
ten, wie es der Nothbebelf einer Publikation in kleinem
Maasstabe ist, haben freilich das Ihrige dazu gethan, um
ein müheloses Verständnis» ihrer Entwürfe zn verhüten; —
wie wir fürchten, sehr zu eigenem Sehaden.
Um zu einer Sichtung des Stoffes zn gelangen, ist es
ein wichtiges Erfordernis«, die vorhandenen Entwürfe nach
bestimmten Prinzipien zu gruppiren. Eine Nebeneinander-
stollung nach den Wohnorten der Verfasser, wie sie in der
Ausstellung versucht und iu dem von uns niitgctheilteu Ver-
zeichnisse*) durchgeführt ist, kann für eine sachliche Be-
sprechung selbstverständlich nicht beibehalten werden, aber
wir sind in entschiedener Verlegenheit, durch welches andere
System wir sie crs.«tzen sollen. Es ist nach unserer Ueber-
zeugnng ganz unmöglich ein Svstem zu finden, . nach welchem
die Entwürfe dieser Konkurrenz in zufriedenstellender und
konsequenter Weise sich ordnen Hessen; denn zu verschie-
denartige Gesichtspunkte stehen sich hier gleichberech-
tigt gegenüber und Arbeiten, welche nach dem einen die
engste Verwandschaft zeigen, erscheinen nach dem anderen
als die äusserst en Gegensätze. Wir glauben unserer Auf-
gabe daher am Besten gerecht werden zu können, wenn wir
vor allen Dingen eine l .ebtnfch. der Entwürfe nach allge-
meinen Beziehungen geben und dabei zur Feststellung eini-
ger Prinzipienfragen zu gelangen versuchen, während wir
die Wahl der Ordnung, in welcher die Besprechung der
zelnen Arbeiten erfolgen soll, uns bis auf Weiteres
vorbehalten.
Die zunächst in die Augen fallende Cnterscheidnng der
Entwürfe ist für den Fachmann jedenfalls die nach ihrem
durchschnittlichen Wertbe. nnd verliältnissmässig schnell bildet
wohl Jeder sich ein vorläufiges Urtheil hierüber. Eine Son-
dernng nach diesem Gesichtspunkte und die Ausscheidung
aller, ein gewisses Niveau nicht erreichenden Arbeiten ist
ia die Operation, durch welche die Preisrichter ihre Thätig-
lfeit zu
ki der Regel
einer so
alle Werthabstufungen vertreten sind, welche nach
und Geschick der Verfasser möglich waren. Neben
einigen Arbeiten, die den unverkennbaren Stempel des Genies
tragen, wenn sie auch nicht in allen Theilen gelungen sind,
— neben einer nicht geringen Zahl sehr tüchtiger und be-
achten* werther Ia-istungen vertritt die Mehrheit, wie" fast
immer, jenes Mittelgut, das trotz allen Flcisses und trotz ein-
zelner glücklicher Gedanken im Ganzen doch eines künst-
lerischen Schwunges entbehrt, wie er für die Lr.suug einer
■J In IMC llerklitlgruiig itriMll..a, w.lrn. alr In vuriftrr Natutn.r trati.a, »lud
Irld.r Mcdcr .«r.l DiuokMiInr — Myli«*r »an W % lim und Muylirn .Uli
Mav-k.u - «uiti.lL.il. Au.ur.rdnn l.l far dl* Arlrrit aal.r ;» d*r Namo llaat
11 . ' ladara.
noch
vereinfachen pflegen und mit welcher sie dieselbe
tegel beginnen. — Es ist selbstverständlich, dass bei
i zahlreich beschickten Konkurrenz, wie die vorlie-
gende, alle Wertlmbstufungen
Talent und Geschick der Verl
solchen Aufgabe erforderlich ist. Nicht klein ist ferner die
Zahl derjenigen Entwürfe, welche sogar noch nnter diesen
Rang herabgehen und deren Verfasser leider nicht Selbst-
kritik genug übten, um einzusehen, dass ihre mit redlichem
Eifer al>er schwachen Kräften unternommenen Projektir-
Uebungen in die Heimlichkeit privater Mappen, aber nicht
in die Oeffentlichkeit einer solchen Konkurrenz gehören.
Es fehlt endlich auch hier nicht an mehren Entwürfen, die
gradezu als Kuriosa bezeichnet werden müssen — seltsame
Erzeugnisse eines ganz absonderlichen und einseitigen Geistes-
lebens, wenn nicht in dem eklatantesten Fall« die Annahme
Platz greifen darf, dass ein leichtfertiger oder übelwollender
Humorist sich einen unwürdigen Scherz erlaubt bat.
Sehr verschieden ist auch der Grad der Durcharbeitung,
welche den einzelnen Entwürfen zu Theil geworden ist, je
nachdem deu Konkurrenten der Born der Erfindung schneller
»der langsamer flu**, beziehungsweise eine grössere oder ge-
ringere Zahl von Hülfsarbeitern zur Verfügung stand. Die
einen haben sich mit flüchtigen Bleistiftzeichnungen begnügt
und zum Theil nicht einmal alle im Programm geforderten
lVarslcllungen geliefert, während andere weit über dieses
Maass hinausgegangen sind und ihre Entwürfe durch zahl-
reiche innere und äussere Perspektiven, ja sogar durch minutiös
gemalte önd detaillirte Dekorationsblätter erläutert hfefieu.
Wesentlicher als diese, doch nur für den inkompetenten
Theil des Publikums maassgebenden Aeusserlichkeiten ist es, .
welchen Grad der Vollendung die eigentliche Lösung der
Aufgabe erreicht hat Auch in dieser Beziehung stehen
völlig geschlossene und abgerundete Entwürfe solchen gegen-
über, die entschieden unfertig und lückenhaft sind; sei es,
dass ihre Verfasser nur die eine Seite der Aufgabe mit Vor-
liebe bearbeitet, die andere hingegen über das Knie gebrochen
haben; sei es, dass sie einzelner Schwierigkeiten, die bei
weiterer Durcharbeitung ihre liefricdigeude Lösung wohl ge-
funden hätten, in der Kürze der Zeil nicht Herr zu werden
vermochten.
Das Programm verlangt bekanntlich nicht vollständig
ausgearbeitete Entwürfe, sondern nur Skizzen nml wird es
uiue der ersten Aufgaben der Jury sein müssen, bündig fest-
zustellen, in welchem Sinne und bis zu welcher Ausdehnung
aie diesen Begriff der „ Skizze* verstehen will. Es kann
unseres Enichtens kaum zweifelhaft sein, dass derselbe nicht
auf die Manier der Darstellung, sondern lediglich auf den
Grad der Lösung zu bezieben ist, so dass z. B. auf Fehler
und Mängel eines Entwurfes, die sich beseitigen lassen ohne
den Grundgedanken und die Vorzüge desselben zu beein-
trächtigen, ein entscheidendes Gewicht nicht gelegt werden
kann. Ob freilich diese Auffassung noch zulässig ist, wenn
ein Entwurf mit ausgezeichneter, zu monumentaler und
schöner Ausbildung sehr wohl fähiger Grund riss- Disposition
eine durchaus nüchterne und unbedeutende Facadengestal-
tung zeigt, möchte schwierig zu entscheiden seiu und ledig-
lich von dem individuellen Ermesseu der Preisrichter ab-
hängen. Jedenfalls ist es bei etwaiger Erwägung solcher
Fragen als ein Vorzug zu betrachten, dass das Unheil der
Jury ein völlig freies und nicht durch die Rücksicht heein-
flusst ist dass dem Verfasser des mit dem ersten Preise ge-
krönten Entwurfes unter allen Umständen die Ausführung
des Baues übertragen werden muss.
Als der wichtigste Gesichtspunkt für eine Beurtlieilnng
der Entwürfe und als dasjenige Moment, das in Wahrheit
darüber entscheiden wird, welcher von ihnen mit dem
ersten Preise ausgezeichnet und welcher sodann der Aus-
führung zu Grunde gelegt werden soll, muss ohne Zweifel
Digitized by Goo
158
die grundsätzliche Auffassung: in Betracht kommen , ans der
die Konkurrenten den Gesammtcharakter des Bauwerks
abgeleitet haben. In Betreff des thatsAcblichen Raumbedürf-
uisses enthielt das Programm sehr vollständige und klare
Angaben. Heber die zweckmässigste Lage der einzelnen
Uiiume zn einander gab dasselbe zwar nur einige Andeu-
tungen: indessen hätten so grobe Verstösse, wie sie in dieser
Beziehung vorliegen, trotz der unendlichen Variationen, die
für jene Raumanordnung möglich sind, doch nicht vorkom-
men kennen, wenn die Konkurrenten sich Qber die Art und
Weise des parlamentarischen Verkehrs, wie er in Deutsch-
land sich entwickelt hat, besser iostruirt hätten, wozu ihnen
Mittel und Wege immerhin zn Gebote standen. Hingegen
lies.« die Bestimmung des Programms, .dass die Konkurrenz-
Projekte nicht nur die zweckmassigste Lösung der vor-
liegenden Aufgabe versuchen, sondern zugleich die Idee eines
Parlameut&gehäudes für Deutschland in monumentalem Sinne
verkörpern sollten" der individuellen Auffassung jedes Ein-
zelnen soviel Spielraum, dass die Auslegung derselben den
wesentlichsten Gegenstand der Konkurrenz bildet.
Wie es für jeden der Konkurrenten der Fall war, so ist es
auch für jeden, der als Preisrichter oder Berichterstatter der
Presse zn einem Urtheile über die Entwürfe gelangen will,
uuerlässliches Bedürfniss, sich vor allen Dingen über diesen
Kernpunkt völlig klar zn werden.
Zweckmässigkeit — Schönheit — Monumentalität! Es
siud die drei Grundbedingungen, deren harmonische Verei-
nigung ein Bauwerk zum Range des Kunstwerkes erhebt
und daher für je<le architektonische Schöpfung erstrebt
werden soll, welche höheren Zwecken als denen der Speku-
lation und denen des vorübergehenden Bedürfnisses zu die-
nen berufen ist. Für jede einzelne Aufgabe aber bildet es
ein besonderes, durch die näheren Umstände des Bauherrn,
des Bauortes und der Erbauungszeit beeinflusstes Problem,
das richtige Verhältnis« zu finden, in welchem jene drei
Momente zu einander stehen müssen, um den Charakter des
Baues zum wahren und treuen Ausdrucke zn bringen.
Sicherlich dringt sich in dem gegebenen Falle zunächst
die Erwägung auf, dass es geboten ist, die monumentale
Bedeutung des Gebäudes in würdiger Weise zu betonen. Ist
es doch eine der edelsten und erhabensten Aufgaben, die
hier zur Lösung gestellt ist Das Hans, in welchem die Ver-
treter des geeinigten deutschen Volkes ihren dauernden Sitz
haben sollen, errichtet an dem grössten und schönsten Platze
der Reichshauptstadt als das erste Werk von künstlerischer
Bedeutsamkeit, das der Reichsgewalt seine Entstehung ver-
dankt — es muss zugleich errichtet werden als ein nationa-
les Denkmal, das allem Volke als solches verständlich, die
Würde und Macht des deutschen Reiches repräsentirt und
den fernsten Nachkommen noch die Bedeutung anschaulich
machen kann, welche wir dem Gewinn unserer Einigung
beilegen.
Oeffnet sich so der künstlerischen Erfindung eine Bahn,
auf welcher sie berechtigt ist, nach dem Grossartigsten zu
streben, was innerhalb der durch anderweite Bedingungen
gesogenen Grenzen sich erreichen lässt, und ist die drückende
Fessel, welche den Schwung der Phantasie sonst in erster
Linie zu hemmen pflegt — der Zwang lästiger Rücksicht auf
eine zur Verfügung stehende bestimmte Geldsumme — hier
nicht vorhanden, so sind jene Grenzen doch eben gegeben
durch die einfache Rücksicht auf die nicht minder wünschens-
werte Zweckmässigkeit.
Zunächst Zweckmässigkeit im niederen, alltäglichen
Sinne, wie sie die praktische Benutzung des Gebäudes er-
heischt und wie sie namentlich die Gestaltung des Innern
beeinflussen wird. Selbst bei der höchsten Auffassang von
der Bedeutung des Reichtagshanses als eines nationalen
Denkmale» wird man der Thatsache Rechnung tragen müssen,
dass es nicht blos ein idealer Repräsentativ - Bau, dass es
vielmehr in erster Linie ein Geschäftshaus ist, welches
dem täglichen Verkehr der Abgeordneten zu dienen hat.
Möglichste Bequemlichkeit und Uebersichtlichkeit sind hier-
für ein unbedingtes Erfordernis» und jedenfalls wird nach
dieser Hinsicht diejenige Anlage als die beste zn bezeichnen
sein, in welcher die notwendigen Räume so nahe wie mög-
lich zusammengedrängt sind und in bequemster Verbindung
! stehen. Sind diese praktischen Rücksichten nm der Gross-
artigkeit willen vernachlässigt, so ist dies fast ein schlim-
merer Fehler, als wenn das Umgekehrte der Fall wäre.
Weder die Mitglieder und Beamten des Reichstages, noch
Reichskanzler und Bundesrath werden das Bewusstsein, in
einem möglichst grossartigen Monumentalbau zu verkehren,
I mit der Notwendigkeit erkanfen wollen, um deshalb in
[ diesem Hause taglich einige Kilometer mehr anf Hallen nnd
Korridoren zurücklegen zu müssen, Hunderte von Stufen
treppauf und treppab zn steigen und in Räumen arbeiten zu
solfen, die nach Dimension nnd Form von ihren gewohnten
I Arbeitsräumen so weit abweichen, dass sie ihnen notwen-
digerweise unbehaglich sein müssen.
Demnächst aber auch noch die höhere Zweckmässigkeit
des Vernünftigen an sich, die vor Allem das Maass der Be-
schränkung bestimmen wird, das bei Ausbildung der äusse-
ren Erscheinung des Gebäudes einzuhalten ist. Wenn das-
selbe im Innern trotz aller monumentalen Grossartigkeit das
Geschäftshaas nicht verleugnen darf, so kann es unmöglich
richtig sein, dem Aeusseren einen Charakter aufzuprägen,
der dieser Bestimmung ganz und gar widerspricht Wir
können die positiven Momente, deren Ausbildung wir für die
Facaden-Gestaltung am Geeignetsten halten, hier noch nicht
entwickeln, da uns zunächst eine Erörterung der für den
Grundriss maassgebenden Haupt- Motive obliegt Jedenfalls
aber scheint es uns im Sinne der Aufgabe nicht za liegen,
erscheint es ung als ein Verfehlen des künstlerischen Ziels,
ja geradezu als eine dilettantist ische Uebertreibung, wenn das
Gebäude, um es nach Form and Masse zu einem Monumente
ersten Ranges zu erheben, in seinen Höhendimensionen
zwecklos und gewaltsam gesteigert und mit einem hohlen
Schaugepränge drastischer Zutaten — Säulen- und Arka-
denreihen, Thürme und Knppeln — ausstaffirt wird, die trotz
ihrer robusten Massenhaftiglceit doch nur die Bedeutung de-
korativer Scheinarchitektur haben.
Ein solches Bauwerk, das zu unserer ganzen, das Ein-
fache, Natürliche und Wahre erstrebenden Zeitrichtung im
geraden Gegensatze stehen würde, dünkt uns am Wenigsten
möglich in einer Stadt wie Berlin, die als der Sitz des ge-
sunden praktischen Verstandes bekannt ist. dem solche
Theater-Effekte entschieden widerstreben. Mag man diesen
Sinn immerhin nüchtern schelten, so hat er trotzalledem
doch seine gute Berechtigung, gerade in dieser Frage gehört
zu werden; denn nicht zum Letzten ist es wahrlich der
preussische Geist weisen Maassbaltens gewesen, der dem an
die Spitze des neuen Deutschlands berufenen Staate die in-
nere Kraft gegeben hat, die ihn zn dieser Stellung befähigte.
Das Grosse und Prunkende ist dämm noch nicht das
Grossartige und gern wollen wir bei der Erscheinung des
Hauses für den deutschen Reichstag mit bescheidenen Massen
nnd einer schlichten Gesammtform nns begnügen, wenn eine
Steigerang dieser Wirkung nur durch bedeutungslose Schein-
architektur erreicht werden kann. Dafür erheben wir an
diesen Bau die höchsten Ansprüche, die an ein architektoni-
sches Kunstwerk dieses Ranges erhoben werden können —
harmonische Durchbildung des Innern und Auessern, Wahr-
heit nnd Gediegenheit in allen Theilen, gleiche Bedeutsamkeit
in der Macht seiner Gesammterscheinung, wie im Adel seines
Details — endlich eine Verbindung mit den für seinen
Schmuck bestimmten Werken der Plastik nnd Malerei,
welche dieselben als organische Theile des Ganzen, nicht
als willkürlichen Zierrath erscheinen lässt.
Es ist leider nicht zu leugnen, dass weitaus die meisten
der Konkurrenten, vor Allem die englischen Architekten,
diesen Standpunkt nicht zu dem ihrigen gemacht haben,
sondern ihrer Phantasie in Erfindung einer möglichst gross-
artigen und malerischen Facadenaufbaus rücksichtslos die
Zügel schiessen Hessen, während nur wenige Entwerfe vor-
liegen, deren Verfasser man den Vorwurf machen kann, dass
ihre Komposition hinter den Ansprüchen anf Monumentalität
zurückbleibt, welche die Aufgabe bedingte. Hingegen sind
es unstreitig gerade die besten, nach jeder Hinsicht künst-
lerisch bedeutendsten Entwürfe, die der von uns entwickelten
Auffassung gehuldigt haben.
(PtlltMtlBDg M|t)
is--),:.,».;.
Ein sehr wesentlicher Unterschied besteht zwischen den in ihrem letzten Stadium zum Austrocknen der frisch in
Ofenkonstrnktionen mit kontinuirlichem Betrieb, die ja aoeh den Ofen eingeführten Brennobjekte dient, während bei den
den Gasringofen in sich seh Hessen, und den Oefen älterer letzteren die Feuergase nach einem kurzen Wege mit sehr
Konstruktion darin, dass in den enteren die einmal ent- , hoher Temperatur ins Freie gelangen und das Austrocknen
wickelte Wärme bis aufs Aeusserste ausgenutzt wird nnd I oder Schmauchen als eine selbstständige Operation bei Be-
Digitized by Google
— 159 —
de« Brennprozesses anzusehen ist. Diese ökonomische
düng der verlorenen HiUe bringt aber — und dies
lässt sich nicht durch eine veränderte Ofenforra oder durch
Anwendung eines anderen Brennmaterials, auch nicht durch die
des Gases, umgehen — für den Schroauchprozess Schwierig-
keiten mit sieb, die besondere Voreichtsinaassregeln erhei-
schen, deren Nichtbeachtung beim Gasofen dieselben Folgen
haben muas, wie sie sich bei dem Hoffmann'schen Ringofen
und allen den sich ihm anschliessenden Ofenformen zeigen,
Bei den Oefen älterer Konstruktion
Objekte im ersten
-L l * 1 1 ' [ I , J I J 1 1 L I [ 1 I [ L ^
die
also
grossen Volumen massig er-
troc kener Luft in Berührung, welche die hygroa-
scr Leichtigkeit entfernt; bei
ist die Luft-
durch den Brennprozess ausgetrieben wird.
Abkühlung der feuchten Feuerluft nur bis zu
ten Grenze gehen können, ohne dem Ofenein-
kopische Feuchtigkeit mit grosser U
den konünuirlich arbeitenden Oefen
menge beschränkt auf das Quantum, welches gerade zur
Unterhaltung des Vollfeuers erforderlich ist, ist auch nicht
trocken, sondern enthalt in Dampfform das ganze beträcht-
liche, an die Thonsubstanz chemisch gebundene Wasserquan-
tum, welches
Nun wird die
einer bestimmten
satz Schaden zu thnn; Ist bei immer weiter gehender
Abkühlung dnreh die Berührung mit den frisch eingesetzten
Steinen und durch die Wärmebindung, welche durch die
fortschreitende Verdampfung bedingt ist, der Sättigungs-
punkt der Luft mit Wasserdämpfen erreicht oder über-
schritten, so wird schliesslich eine zeitweise Wasserkonden-
sation eintreten müssen, und diese tritt ja unter für diesen
Fall günstigen Umständen bis zur theilweisen Erweichung
des Einsatzes ein.
Ist die möglichst grösste Ersparniss an Brennstoff das
einzig Maassgebende für den Betneb, so wird eine solche
zeitweise Kondensation im Gas- wie allen andern Ringöfen
die Regel bilden, d. h. die frisch eingesetzten kalten Steine
werden in der feuchten, mit Wasserdämpfen gesättigten Atmos-
phäre der schmauchenden Abtheilung schwitzen, und welche
Folgen die« hat, weiss jeder Ziegler: es entsteht auf der
Oberfläche eine weisslichc, fest anhaftende Haut, und aus dem
oben Gesagten geht zur Genüge hervor, warum dieselbe bei
den älteren Oefen seltener erscheint, als bei Ringöfen. Geben
wir auf die Natar dieser Leberzüge näher ein, so werden
wir nicht allein die Gründe erkennen können, warum die-
selben an der dichten Steinfläche der Verblendsteine, wie ich
vorher anführte, leichter entstehen, als an den rauhen der
gemeinsten in Sand geformten Steine, sondern wir werden
auch leicht die Mittel finden können, um sie zu vermeiden,
sofern sie nicht schon während des Trocknens auf den
Steinflächen, wie dies sehr häufig der Fall ist, entstanden
sind und in diesem Falle natürlich durch das Brennen allein
in keinem Falle entfernt werden können-
Betrachtet man die erwähnten Anflüge mit bewaffnetem
Auge, so erkennt man dieselben als warzenförmige oder
schuppige oder blasige Massen, im Aussehen ganz denen
ähnlich, welche sich sowohl schon anf lufttrockenen als auf
ganz schwach gebrannten wie auf ganz harten Steinen zei-
gen und deren Charakter erst mehr und mehr verschwindet,
wenn die Unterlage in den klinkerartigen, also in partielle
Schmelzung übergegangenen Zustand getreten ist Welcher
Natur dieselben sind hat wohl bei der Schwierigkeit, reines
Material in genügender Menge zu erhalten, die Chemie bis-
her noch nicht festgestellt; soviel erweist jedoch die mikros-
kopische Untersuchung, dass es nicht Aschenanflüge sind,
die wenn zugleich auch, vorhanden, mit Bestimmtheit zu er-
kennen bleiben, sondern dass sie Uebcrreste. zum Tbeil kris-
tallische sind, welche vorher in Wasser gelöst, sich bei der
Verdunstung desselben auf der Steinoberfläche in fester Form
niedergelegt haben, oder bei einer Kondensation von Wasser
anf der Steinfläche während des Schmauchens aus dem Thon
extrahirt sind und sich aussen wieder abgesetzt haben. Nach
Salzen, welche eine derartige Wirkung ausüben können und
während des Brennprozesses eine Zerstörung derart erleiden,
dass die Rückstände nachher vom Wasser nicht mehr ab-
gelöst werden, brauchen wir nicht lange zu suchen. Kohlen-
saurer Kalk und Gyps sind in den meisten Thonen in so
reichem Maasse vorhanden, dass man das Wasser, welches
im geformten Stein sich befindet, sich als eine gesättigte
Lösung dieser Salze vorstellen kann; Chlorverbindungen,
namentlich Kochsalz, fehlen selten. Schwefelkies ist ein sehr
häufiger Bestandteil des Thones, der während des Trock-
verwittert und mit den übrigen unlöslichen Beimen-
n dabei zur Bildung von schwefelsaurem Eisenoxydul,
ifelsaurer Thon- und Bittererde Veranlassung giebt.
Dazu kommt, dass bei einer Wasseraufnahme im ersten Sta-
s aus der Feuerluft sich nebenbei Am-
Alkalisalze, schweflige Säure nud Schwefelsäure
und, wenn nicht Vorsichtsmaassregeln gegen
londensation getroffen werden, noch im Ofen
eine beträchtliche Zuführung löslicher Stoffe auf die Stei-
des Wassers müssen natürlich alle
darin gelösten Stoffe sich in fester Form absetzen, und wo
dies geschieht, das wird einzig von der Beschaffenheit der
verdunstenden Flächen und der Art, wie das Wasser ent-
die
stattfinden, die
immer nach dem
grösseren Salzgehalt von
inneren Flüssigkeit i
Austrocknen die Poren
enthaltene Flüssigkeit wird aber
, und ihren
im geringeren der
, bis bei weiterem
d eine Verdunstung
und schliessliche Ablagerung der Salze auch innerhalb der
Thonmasse stattfindet; bei magerem Material oder bei poröser
Oberfläche wird dieses Verdunsten im Thon schon früher
eintreten müssen und darum zeigen rauhflächige
weniger leicht Anfluge. Geschieht die Wasserverdi
dagegen schnell, oder gar werden durch Kondensation
der Oberfläche die Poren hier wieder mit Flüssigkeit gefüllt,
so kann in der kurzen Zeit eine Diffusion bei dem Nach-
drängen von Flüssigkeit und Dämpfen ans dem Innern nicht
stattfinden und alle im Wasser gelösten Stoffe müssen sich
auf der Oberfläche ablagern, um so mehr, je dichter diese ist.
Man sieht also, dass die hierdurch hervorgerufenen Miss-
färbungen — und diese bilden die überwiegend auftretende
Zahl von Erscheinungen dieser Art — beim Trocknen und
Schmauchen auftreten, aber mit dem eigentlichen Brenn-
prozess gar nichts zu thun haben; und wenn hier nicht die-
selben günstigeren Bedingungen geschaffen werden, wie sie
bei den älteren Ofenkonstruktionen vorhanden sind, so bietet
auch die Verwendung von Gas, und wäre es gereinigtes,
kein Schutzmittel.
Beim Ringofen sind diese Wege theilweise eingeschlagen
worden und haben dann auch zu den besten Resultaten ge-
führt und die Uebelstände beseitigt, über die man znerst zu
klagen Grnnd hatte. Wenn Herr Mendheim Gelegenheit ge-
habt hat, den englischen Robbau zu studiren nnd die Fabri-
kation von Verblendsteinen in Mittelengland in York-, Chester-
und Lciccstershire kennen lernte, mit ihren Ringofenanlagen
ohne alle Trockeneinrichtungen, wo die Steine aus halb-
feuebtem Thonpulver gepresst und sofort von der Maschiue
in den Ringofen eingekarrt werden und dennoch reine Farben
geben, ich glaube kaum, dass er sich dann hätte verleiten
lassen, solche Behauptungen aufzustellen, wie er es in seinem
Aufsatze gethan.
Es liegt mir fern, hier eine Vergleichung zwischen dem
Hoffmann'schen und dem Gasringofen nach allen Seiten
aufzustellen; eine solche Diskussion gehört wohl eher an
einen, anderen Ort, und die Erfahrungen, die mit Gasfeuerung
gemacht sind, sind noch zu wenig durchsichtig, um ein Ur-
theil fällen zu können; aber das kann ich nicht verhehlen,
dass der Anwendbarkeit des Gases für verhältnissmassig ge-
ringe Hitzegrade schwerwiegende theoretische Bedenken ent-
gegen stehen, und die Praxis muss erst weiterhin zeigen, wie
sich diese überwinden lassen.
Jedem das Seine. Der Gasringofen hat sicher für die
Porzellanfabrikation und die ihm nahe stehenden Zweige der
Keramik eine grosse Zukunft und wir müssen es der könig-
lichen Porzellanmanufaktur und speziell Herrn Mendheim als
deren Organ Dank wissen, dass sie hierin für die Privat-
industrie eine Gasse gemacht haben; aber der Abstand zwi-
schen dem Porzellanbrennen mit seiner Alles nivellirenden
Schmelzung und der Fabrikation solcher Produkte mit einem
porösen Scherben ist doch ein so grosser, dass man nur mit
der grössten Vorsicht die hier gewonnenen Erfahrungen auf
andere Zweige der Thonwaaren -Industrie übertragen darf.
Bis auch hier weitere Resultate gewonnen sind, wird aber
der Hoffinann'sche Ringofen, namentlich in der Ziegelfabri-
kation, den Platz, den er sich erworben hat, auch behalten.
Digitized by Google
1G0 —
Denkmäler für Gefalleie des deutsciei Heeres.
Au den verschiedensten Orten, sowohl auf den Schlacht-
feldern des letzten wider Frankreich geführten Krieges, wie
auf den Kirchhofen und Öffentlichen Plätzen Deutschlands
ist die Errichtung von Deukmälern theils beabsichtigt, theils
schon erfolgt, welche der Erinnerung an die für das Vater-
land gefallenen Krieger dienen sollen.
Die Erfindung derartiger Freimnnumente. welche unter
den gewöhnlich obwaltenden Verhältnissen, meint nur einen
bescheidenen Maasstab erhalten können, gehört bekanntlich
zu den schwierigsten architektonischen Aufgaben, da die Zahl
der Motive, welche hierfür verwendet werden können, eine
sehr beschränkte ist. Es verspricht daher von nicht gewöhn-
lichem Interesse zu werden, in welcher Art dieselbe unter
wesentlich gleichartigen Bedingungen vom Standpunkte
der verschiedenen Architektur-Schulen aus ihre Lösung finden
wird.
Wir glauben iin Sinne unserer Leser zu handeln, wenn
Metz gewonnene feine Sandstein; die drei den Hauptkörper
umgürtenden Streifen sind von dunklem Syenit aus dem
Fiehtelgebirge hergestellt nnd enthalten in vertiefter Gold-
I schrift die Namen der Gefallenen.
Das zweite Denkmal, den am 18. August 1870 bei St.
Privat gefallenen Soldaten des IV. Garde-Grenadier- Kogi-
1 raents Königin Augusta gewidmet und gleichfalls auf dem
Schlachtfelde selbst gesetzt, ist von dem Naurath Vinzenz
Statz zu Cöln. nach einer von der Kaiserin Augusta selbst
angegebenen Idee entworfen worden. Der Stufen -Cnlerbau
liesteht aus Niedermendigcr Basalt- Lava, Sockel und (»ber-
theil aus Udelfanger Sandstein. Die im Sockel eingelassene
Widmungsplatte ist aus weissein Marmor, das oben einge-
fügt« eiserne Kreuz aus weissem und schwarzen Marmor,
während die 4 grossen Platten mit den Namen der Gefal-
lenen aus bestem Granit hergestellt und mit weissen Mar-
inoretreifen eiugefasst sind.
TOB V. 8t. I..
tob C. Dolli nr.tr.
| M I I 1 1 | I I |
1 0
D.akatl in 4»m Sckltcktf.U. 8t. Frlrtt
für di« f»N.T..-u d>« IV, (Jtnia - Orfiuttinr - U*gi»«ilU K'iaifiB AugutU.
wir versuchen ihnen eine Auzald von Monumenten, die zu
solchen Vergleichen Gelegenheit giebt, im Hilde vorzuführen,
und beginnen mit der Publikation dreier, in annähernd glei-
chen Grössenverhältnissen ausgeführten Denkmäler.
Das erste derselben, dessen Entwurf aus einer im Ber-
liner Architiktenverein eröffneten Konkurrenz hervorgegangen
ist. hat zum Verfasser den Baumeister Eduard Jacobsthal
zu Berlin und wird auf dein Seblaehtfeldc von Vionville vom
Offizierkorps des 20. Infauterie- Regiments dem Andenken
der au dem blutigen Tage des Iii. August 1H70 gefallenen
Regimeutsgenossen errichtet. Als Material dient der bei
1 1
» a
Dt.kB.tl tu Blb.r.cb la Wurttemb.r»
rur 4t« im lAitrvln durllMt T*frtoibem-n drul»rb«n Krircvr,
Vertreten diese beiden Schöpfungen einerseits die hel-
lenische Tradition der Berliner Schule und andererseits die
Kölner Gothik, so ist das dritte Werk eine Probe der in
Süddeutschland gepflegten Renaissance. Autor des Entwur-
fes, der gleichfalls aus einer kleinen Konkurrenz hervor-
gegangen, ist Professor Conrad Dollinger zu Stuttgart.
Das auf dem Kirchhofe zu Biberach iu Oberschwaben dem
Andenken der im dortigen Laznrcth verschiedenen deutschen
Soldaten und der im Kriege gefalleneu Gemeinde - Angehö-
rigen gewidmete Denkmal, das nahezu vollendet ist, besteht
aus Stuttgarter Sandstein.
9k» lihfiacssen «Ittels des ■•U»terlqne-Barosiet(n.
In dem Bericht über die Sitzung des Architekten - Vereins trugen haben, scheint mir geeignet, zu grosse Erwartungen von
vom 21. April (Deutsche Bauzeitung No. 17) finde ich eine Mit- ' den Angaben dieses Instruments zu erwecken, welche dasselbe
theilung des Herrn Baurath Röder über die Resultate eines I nun und nimmer leisteu kann. Das Aueroid. oder wie die
mittels Aueroid - Barometers ausgeführten Nivellements für die neueste vcrliesserto Konstruktion genannt ist , Holosteri.iuo-Ba-
Berliu-Dresdener Bahn. Diu dortige Angabe, das« die Uifterenzeu rouieter, verdient ein« weit grossere Beachtung des tracirendeu
mit dem späteren Nivellement nie uichr als O,!»™ bis 1,0™ be- lugcuicurs, uls dasselbe bisher, namentlich, iu Norddeutschland
Digitized by Googl
Deutsche Bauzeitung;.
Jahrgang VI.
Krf 'Mi Ed. Jic obtt Ii n I N A von I'. Mimrtr. Itcrlln.
Penkmal auf dem ^chlachtfelde von Yionville
für die (Scfkllrnea Am III. Bnutltib. Intknterle-RfKimHitii Nr. 20.
Digitized by Google
161
. jedoch ist dasselbe seiner ganzen Einrichtung
nicht geeignet. Angaben zu liefern, welche dem Grade der
angegebenen Genauigkeit entsprechen. Ist diese« schon nicht
möglich, wenn mit zwei Instrumenten ein sogenanntes Staffel-
Nivellement ausgeführt wird, so ist eine derartige Uehereiustim-
mung uueh weniger zu erwurtcu, wenn, wie es der Kuli gewesen
zu Hin scheint, nur mit einem Instrument munipnlirt wird, du
dann den l'ngenauigkeiten des Holosderiquc auch mich diejenigen
jeder barometrischen Höheiibcstimmung hinzutreten*}. Sind nichts-
destoweniger dennoch die angegebenen Itesultate erzielt worden,
so kann dieses nur einem günstigen Zufall zugeschrieben wer-
ben. Der Limbus eines llolostcrique ist gewöhnlich derartig
getheilt, dass jeder Tbcilstrich einer Schwankung von 0.5""der
Quecksilber - Säule eines solchen Barometers entspricht. Die
wirkliche Breite eines solchen Tbeiles ist c. 1 Du es nun
uueh einiger Uebuug nicht schwer ist, den b. Theil dieser Ent-
fernung noch sicher zu schützen, so kann also der Barometerstand
bis auf 0,1'»"» noch fast genau abgelesen werden. Wenn behauptet
wird, dass der Barometerstand noch bis auf 0,05 oder gar 0,025
Millimeter sieher abgelesen werden karm, so erfordert dieses
entweder ein sehr scharfes Auge und besondere l'ebung im
Schätzen kleiner Differenzen, die bei dem Umstände, dass Zeiger
und Limbus sich nicht wie bei dem Theodoliten berühren, son-
dern der Zeiger über dem Limbus liegt, also eine<kleiue Parun-
lage desselben schwer zu vermeiden ist, stets ihr Missliche« haben
wird, oder beruht auf Einbildung.
Nimmt niuu also die sichere Ablesung einer Differenz von
0,1""» des Barometerstandes als erreichbare (ienauigkeitsgrenze
an und berücksichtigt man. dass eine solche Differenz der Queck-
silbersäule einem Höhenunterschiede von c. 1 ■ entspricht, so ist
hiermit die Grenze der durch ein llolostcrique zu erreichenden
Genauigkeit gegeben. Zu dieser Differenz treten nun aber noch
folgende Fehlerquellen hinzu. Die Thcilung des Limbus wird
für alle Instrumente einer Fabrik auf einer Theilmaschiue her-
gestellt ; da nun aber der Druck, welchen die Süssere Luft auf
den Buden der Dose des llolosteriquc ausübt, durch eine Feder
übertragen wird, so müssen sich aus dem Umstände, dass diese
Feder je nach dem stärkeren oder schwächereu Druck, dem sie
ausgesetzt ist, sich nicht gleichmüssig ausdehnt, auch die Federn
in den einzelnen Instrumenten verschiedene Kraft besitzen, l'n-
geiiauigkeiteu ergeben. Die llau|itfeblerquelle aber bilden die
täglichen Schwankungen des Luftdrucks: diese siml es auch,
welche das Nivelliren mit tiur einem Barometer zu einem durch-
aus unzuverlässigen machen und bei gelingen Höhendifferenzen
sogar die Ursache zu der Wirklichkeit gerade entgegengesetzten
Resultaten sein können. Die täglichen Schwankungen erreichen
bis 10""». entsprechen also einer Höhendifferenz von mehr als
100'«. Es ; criügt also diese einfache Zahl, um die vorige Be-
hauptung zu beweisen. Ein Anderes ist es. wenn mit zwei In-
strumenten maniputirt und nun die Differenz im Stande der
beiden iu Rechnung gezogen wird. Doch auch hierbei ist die
Vorsieht anzuwenden, dass die beiden Instrumente, das auf sei-
nen Standort verbleibende und das auf dem zu ni\cllirenden
Terrain wandernde, in nicht zu grosser horizontaler Entfernung
sieb befinden. 4 Kilometer dürfen kaum ülH>ntehrittcu werden,
da Höhenzüge, ja einzelne Bcrgkuopeii, schon eine wesentliche
Verschiedenheit in dem Grade des Luftdrucks hervorbringen
kö! neii. |;, j,t somit oothwendig, dass beide l'erhnikei »ich
vorher verständigen, bis wann ein bestimmter Punkt erreicht
sein wiid. Während nun der eine den Weg dahiu zurücklegt
und an allen geeigneten Stellen Beobachtungen voriiimuit. notitt
der Buden 1 alle 10 Minuten etwa den Stand seines Instruments.
Nachdem die verabredete Zeit verflossen, bleibt A auf dem er-
wähnten Punkte stehen und notirt jetzt alle 10 Minuten den
Stand des lustrutucuts. während B. die Wanderung antritt und
zur Kontrolle die wichtigsten von A. aufgenommenen Punkte
nochmals beobachtet, endlieh A. erreicht, mit diesem zusammen
den Stand beider Instrumente prüft und die fast stets vorhan-
dene konstante Abweichung ermittelt, und nun weiter wundert,
Beide Techuikcr wechseln somit die Köllen so oft. bis das Ziel
erreicht ist.
Es war mein Bestreben im Vorstehenden vor zu hohen Er-
wartungen von den Leistungen eines llolostcrique zu warnen,
die. wenn sie schliesslich den erzielten Erfolgen nicht entspre-
chen, leicht detu.sotist sehr zweckmässigen lustrument zur Last
gelegt werden konnten, während doch nur die Art und der Zweck
seiner Verwendung die Schuld trauen würden. Das HolosleriquJ
ist im hügeligen Terrain und im Gebirge zu generellen Ar-
beiten ein vorzügliches Instrument Namentlich zu Aufnahmen
von Horizontafldäiicn ist dasselbe ausgezeichnet geeignet, erspart
Zeit und Geld und macht seineu Preis von -»7 ff. oder *27 bis
•2» Thlr. bald bezahlt. Für die Kollegen, welche dieses lustru-
ment benutzen um) den Gebrauch desselben kennen lernen
wollen, empfehle ich das Werkelten „llöltschl. Ilöhenmesscn
mit Metallbaromctern." (Preis IC> Sgr.) Diesem Werkchen sind
verschiedene Angaben der vorstehenden Mittheilung entnommen.
Dos mechanische Atelier von Feig I stock in Wien, verlängerte
Kärtnerstnisse No. öl, Palais Todesco liefert die Instrumenta zu
obigem Preise
E. F.
Die RuMÜnlnehrn EUriibahuri.
Durch den Aufsatz über die Rumänischen Eisenbahnen in
No. 18 der Deutschen Bauzeituug veranlasst, erlaubt »ich Ver-
fasser dieser Zeilen die nachfolgenden Notizen über denselben
Gegenstand nachzutragen.
Die Böschungen der Einschnitte, welche allerdings mit Aus-
nahme einiger weniger mit einhulhfacher Böschung ausgeführt
wareu, haben nicht allein zu Klagen sehr ernste Veranlassung
gegeben, sie sind sogar bereits nach dem nassen Winter 1*70—
1S71 fast total ruinirt, derart dass überall die Aenderung
in P/ifarhe Böschungen vorgenommen werden muss. Die Ein-
schnitte der Rumänischen Eisenbahnen sind eben Einschnitte
in iLehmbodcn, genau wie sie Deuz in seiner Anleitung zum
Enlbai, beschreibt, und die Vernachlässigung der für solche Ein-
schnitte bestehenden Regeln hat nicht verfehlt sich zu rächen.
Ein Einschnitt in die hohen Argesufer bei Pitestc von 4'" Tiefe,
der mit I» , fachen Böschungen und den erforderlichen Entwässe-
rungsgräben angelegt wurde, hat sich dagegen vorzüglich gehal-
ten. \Vo »', fache Böschungen ausgeführt sind, hat sieh auch
nirgend eine schützende Vegetation verbreitet, die sonst iu liu-
inänieu sich überall mit grosser Leichtigkeit in merkwürdiger
l'eppigkeit bildet.
Die Erdarbeiten w urden übrigens auf der ganzen Bahn durch
Seitenentnahme resn Seitenaussatz hergestellt, und zwar wurde
so konsequent dabei verfahren, dass sehr oft dem beim deutschen
Bahnbau ausgebildeten Ingenieur diese so weit getriebene Kon-
scpieuz von recht problematischem Nutzen erschien. Den Er-
fahrungen des Herrn E. F. über die Tauglichkeit der ItumSui-
schen Arbeiter stehen die meinen diametral gegeuülrer. Auf
der Strecke Bukarest ■ Pitestc wurden fast nur Bulgaren und
Serben verwandt, weil die rumänischen Leute theils. zu wenig
kräftig und willig waren, theils auch zu wenig zuverlässig. Den j
slavischen Arbeitern wurde pro Tag H bis '.' lei vereine fil. h.
24 bis 27 Silbergroscheu) und 1 Bind gegeben. Bei Akkordarlieit
bekamen sie tH) bis !H) Centimes pro kb«, je nach der Bodeu-
beschaffeuheit und der Jahreszeit.
Zu den Brücken, bei welchen Fuudirung auf Senkbrunnen
in ausgedehnter Weise angewandt wurde, gehört unter anderen
die grosse Argesbrücke bei Pitestc: hier kamen ausschliesslich
Brunnen von rechteckigem Querschnitt zur Anwendung, diesel-
ben wurden 4 bis .> unter die Flussohle gesenkt, wo sich eine
sehr tragfähige. mächtige Thouschicht faml. Dag Senken ge-
schah iu der Weise, dass man den Brunnen mirch fortwähren-
des Piitnneii (mittels Dampfkraft) wasserfrei hielt und den Bo-
den durch Arbeiter direkt ausgraben liess.
Mehrfach kam es vor, dass sich Beste von Treibholz im Bo-
den fanden, aufweiche der Bruuuciikraiiz sich aufsetzte; in sol-
c eu Fallen -.- ■ ■ 1 1 1 r : • -M- -in schrägen Abstemmen des Holzes
mit schwelen versti'ililten und meisselartig geschärften Eisen-
stangen, um weiter n uten zu können. Die Pfeiler wurden mit
Saudstciuquudcrblciiduug aufgemaueit, doch sind auch mehre
Brücken in Ziegelrohbau ausgeführt, so z- B. die SeretbJbrfiek«
bei Bjrbose, welche mit Marseiller Ziegeln verblendet wurde,
und die gewölbte Brücke über die (iealuina micu bei Pitestc,
welche mit einheimischen, aber von Italienern angefertigten Zie-
geln ausgeführt den Beweis lieferte, dass es sein- wühl möglich
sei, auch rumänische Ziegel befriedigend herzustellen. Die von
Inländern, meistens Zigeunern, angefertigten Ziegel wurden
nach Wissen des Verfassers überhaupt nur bei Buhiiwärterhäu-
seru angewandt. L»ie bei Pitestc verwandten hatten ungefähr
20X10>'4«« Seite und waren fast nie gar gebrannt.
Die von Engländern erbauten moldauischen fhaussccbrüekcu,
welche der Artikel iu No. IM erwähnt, sind übrigens im letzten
und vorletzten Winter zum Theil fortgespült. Die einzelnen
Schraubeilpfähle der Pfeiler begünstigen Wirbelbildungen, welche
den Boden in wenigen Stunden um viele Meter auskolken köu
neu, und sind lu'i dem beschriebenen rumänischen Lehmboden
nur haltbar, wenn mau den Gruud durch Steiiipaekung etc.
sichert, ein Mittel welches allerdings die Billigkeit der Schruu-
henpfähle illusorisch macht Sonne.
Architekten - Verein.
(Sehl uss. )
In der Plenarvursainmlung, welche nach einer Erho-
lungspause den Sektionssitzungeu folgte, theilte der Verciusvor-
sitzendu, Hr. Uofrath Schlöinilch. zunächst den Verlust von
2 Vcreiusmitgliedern, Herrn Bozirksbaumeister Haase und Hrn.
Betriebsingenieur Knoss. mit und ehrte der Verein diu Ver- i
■torbenen durch Erbeben von den Sitzen. i
Mittheilungen aus Vereinen.
Die Mittheilung des Berliner Architekten- Vereins, dass der-
selbe den bei Gelegenheit der Exkursiou des sächsischen
Ingenieur-Vereins iu Aussicht gestellten Gegenbesuch gegen
Ende Juni in eiuer Anzahl von 30 bis 100 Mitgliedern ausführen
werde, fand allseitig freudigste Zustimmung, und mir die wohl-
gemeinte Erwägung, d.rss Fuhrungen in grosser Anzahl sehr
schwierig und für deu Eiuzolueu ohne grossen Vortheil zu sein
pflegen, liess den Autrag. mit diesem Besuche eine Versammlung
Digitized by Google
— 162 —
des Vereins, die gewöhnliche Sommerveraammlung tu verbinden,
nicht Annahme finden. Ks wurde die Tbeilnahme in jedes Ein-
zelnen Ermessen gestellt, dem Gcsamrot vorstund dagegen aufge-
geben, sich durch Zuziehung von ortskundigen Mitgliedern iu
einem Vcrgnflgungskomite iu verstärken und das Programm
der zu unternehmenden Führungen, Festfahrten etc. baldthun-
lichst zu veröffentlichen.
Nachdem der Chef des Eisenbahnwesens im Ministerium der
Finanzen, Herr Abtheilungsdirektor Geb. Rath v. Thümmel als
Ebrenmitgl ied einstimmige Aufnahme gefunden, fand statuten-
gemäß die Befürwortung von 15 aufzunehmenden Mitgliedern
statt, darunter von Männern, welchen nur wegen der beschräuk-
ten Mitgliederzahl dem Verein bisher leider fern gestanden hat-
ten. Die grosse Anzahl von Anmeldungen, welche nach der
diesmaligen Aufnahme die Zahl der unerledigten Geaucho auf
46 erhöhte, bewies, da« die Aufhebung jener Beschränkung dem
Verein sowie den Technikern nnd Architekten Sachsens sehr
erwünscht gekommen ist.
Die Prüfungskommission hatte die Rechnung des Kaasirers
pro 1870—71 genehmigt, jedoch in Betreff der Recbnungsauf-
stellung einige Wünsche ausgesprochen, deren Erledigung dem
Vcrwaltungsrathe zur Erwägung anheim gegeben wurde; die
eingegangenen Bücher und Schriften waren ausgelegt und wur-
den durch Zirkular den Mitgliedern mitgcthcilt.
In GemSssheit des Beschlusses der letzten Hauptversamm-
lung hatte der Verwaltungsrath am 22. November v. J. an da«
Königl. Ministerium des Innern eine Vorstellung eingereicht,
welche^ bezwecken sollte, die Verordnung vom 21. März 1870,
sc der früheren Bauordnung auf Meter-
naeh welcher die Mt
maass einfach umgerechnet werden, aufzuheben und die in
der Bauordnung vorgeschriebenen Dimensionen von Ge-
bäuden etc. nach den vom Verband deutscher Architek-
ten- nnd Ingenieurvereine angenommenen Normen für das Zie-
gelformat und die metrischen Abmessungen festzustellen. Gleich-
zeitig wurde auch das Ministerium der Finanzen ersucht, diesen
Normen beizutreten, doch ist bis z. Z. eine Antwort hierauf
nicht erfolgt. Durch Verordnung vom 22. Januar a. c. ist aller-
dings die altere Verordnung vom 9. Jauuar 1833, durch welcho
das bisherige Ziegelformat eingeführt
, aufgehoben
worden, ohne dass jedoch das Seitens des Verbandes unbenommene
neue formal zur Anwendung vorgeschrieben worden ist. Ebenso
z. Z. noch ohne Erfolg hat der Verwaltungsrath am 20. Februar
a. c diejenigen Normirungon über die Abmessung der Bauma-
terialien nach Metermaass, welche hauptsächlich auf Anregung
der Herren Baumeister Glöckner undf Stadtbaudirektor Frie-
drich am 9. Januar a. c. Hol zh Jodler und Baumeister für Holz-
material, und am 8- Februar a. c Steinliefcranten und Bauge-
werken für Sandsteinmaterial vereinbart, den Ministerien des
Innern, der Finanzen und des Krieges mit dem Ersuchen um
Einführung mitgetheilt. Es wurde erkannt, dass ein weiterer
Schritt jetzt kaum gethan werden könne. Auf Vorschlag des
Herrn Baumeister Glöckner wurde in derselben Angelegenheit
beschlossen, die wenigen Maasse welche noch zu ergänzen sein
dürften, durch die bereits gewählte Kommission feststellen zu
lassen (t. B. für Essenziecel und einige Sorten Dachziegel etc)
und zu erwarten, ob die Umarbeitung des Baugesetzes, welche
gerüchtweise als nahe bevorstehend bezeichnet wurde, die ge-
wünschte Berücksichtigung der vom Verein aufgestellten Nbr-
' ingen bringen werde.
Der Antrag de« Dresdener Lokalvereins, dabin gehend, dass
zur grösseren Verbreitung wichtige bautechnische Verordnungen
und Gesetze aus dem Gesetz- und Verordnungsblatt des König-
reichs Sachsen, beziehentlich aus dem Reichsgesetzblatt, in den
Protokollen des Vereins Aufnahme finden möchten, wurde vom
Verwaltungsrath befürwortet und fand Annahme, nachdem der
Wunsch ausgesprochen worden war, diese Abdrücke uls selbät-
ständige Anliämrc der eiuzelnen Hefte zu gestalten.
Betreffs der in der ersten Abgeordneten -Versammlung des
Verbände« der deutschen Architekten- und Ingenieur - Vereine
unerledigt gebliebenen und den Einzelvereincu zur Beratbung
übergebenen Gegenstande referirte der Vorsitzeudo, Hr. Hofrath
Schlömilch, welcher nebst dem früheren Vorsitzenden Herrn
Oberbaurath Sorge von dem Verein zur Tbeilnahme an dieser
Versammlung delegirt gewesen war, dass der Verwaltuugsrath
am 12. Januar d. J. die drei Lokalvereine zu Zwickau, Lö-
bau und Dresden veranlasst habe, über die 3 restirenden
Fragen Gutachten abzustatten; der Lokalverein zu Zwickau ist
am 25. Januar, der Lokalverein zu Löbau am 18. M5rz dieser
Veranlassung nachgekommen, der Lokalvereiu zu Dresden end-
lich hat am 22. April das Referat in Betreff der über diesen
Gegenstand gepflogenen Verhandlungen übersendet.
Betreffs des erstes Gegenstandes: Aufstellung einer Norm
für das Honorar der Bau -Ingenieure, hatte der Lokalverein zu
Zwickau eine vollständige Tabelle eingesandt, der Löbauer Ver-
ein die Baumeister'schen Grundsätze anerkannt, doch empfohlen
vor Aufstellung einer festen Norm erst weitere Erfahrungen
abzuwarten.
Der Verwaltungsrath hatte in diesem Sinne sich dem Vor-
stand des Vefbandes gegenüber ausgesprochen und fand in der
Hauptversammlung dies ebenso Billigung, als der Wunsch, wel-
cher auf Anregung der Lokalvereine verlautbart worden war,
dass unter Vernehmung mit dem Ve rein deutscher Ingenieure
die Frage betreffs einer Reform des Prozessverfahrens bei bau-
technischen Streitigkeiten durch Einführung bautechniacher
Spezialgerichte erweitert werde zur Reform des Verfahrens bei
allen technischen Streitigkeiten durch Einführung techni-
scher Spezialgerichte. Betreffs der Konkurrenz bei Arbeiten im
Gebiete des Ingenicurwesens wurden die Grundsätze adoptirt,
welche in Hamburg für das Hochbauwesen aufgestellt worden
sind.
Der Verwaltungsrath tbeilte endlich noch mit, dass die in
früheren Sitzungen zum Vortrag gelangten Referate der Kom-
mission zur Begutachtung des Antrages auf Wiederbewaldung
der Sammclgebietc von deutschen Flüssen den landwirtbschaft-
licbenKreisvereineo und hervorragenden Forstmännern zur Kennt-
nissnahme mitgetheilt worden sind.
Der von Herrn Regierungsrath Gutwasser in Aussicht
gestellte Vortrag: Ucber die Blitzschläge auf Gebäude im König-
reich Sachsen (Fortsetzung und Schluss) musste der vorge-
schrittenen Zeit wegen aasfallen.
Am 29. April früh erfolgte unter Führung des Herrn Inge-
nieur Oberstlieutenant Andre« die Besichtigung der auf
prächtiger Höbe westlich von Dresden erbauten ueucn und
grossen Kaserne für das Scbützenregimcnt No. 108. Die ganze
Anlage, welche mit bedeutenden Planirungsarbeiten verbunden
gewesen, ist, zeigt im Vestibül sowie in dem mittleren, für die Offi-
ziere bestimmten Thcilc eine sehr opulente Anlage , in den Flü-
geln für die Mannschaften der beiden Bataillone praktische und
solide Ausführung.
Nachmittags vereinigte sich eine grössere Anzahl von Mit-
gliedern zu einer Exkursion nach Bodeubach, insbesondere zur
1 Besichtigung der dortigen neuen Bahnhofsanlagen sowie der
daselbst erbauten Eisenbahn - Elbbrücke nach Schiffkorn's
SU
Versammlung am 1. Mai 1872; Vorsitzender Herr Baurath Hase.
Nach Verlesung des Protokolle« der letzten Hauptversamm-
lung und Erledigung geschäftlicher Mittheilungen fand die Auf-
nahme von 14 neuen Mitgliedern statt.
Hierauf kam der von einer Kommission ausgearbeitete Ent-
wurf einer Tabelle für die Berechnung des Honorars der Ar-
beiten der Bau-Ingenieure zur ßeratliung; nach längerer Dis-
kussion beschlosa man, den Entwurf in der vorliegenden Fass-
ung dem Verbände der deutschen Architekten und Ingenieure
zu unterbreiten, einige wünschenswerthe Verbesserungen und
Zusätze aber in dem von dem Vereinsvorstande und der Kom-
mission gemeinschaftlich auszuarbeitenden Begleitschreiben zur
Kcnntniss des Verbandes zu bringen.
Sodann hielt Herr Baumeister 11 Besnier aus Berlin einen
eingehenden Vortrag über die Konstruktion und Berechnung
von Stützmauern. Redner zeigte zunächst, dass im Allgemei-
nen jede Stütz- oder Futterinauor, nachdem sie hinterfüllt ist,
eine kleine Drehbewegung um eine A\e ausführt, welche in der
Ebene der Fundamentbasis liegt und parallel zur Vorderkante
derselben gerichtet ist, und das« demgemäss der Erddruck mit
der Normalen zur Hinterfläcbe der Mauer den Reibuugswinkcl
zwischen Erde und Mauerwerk einschliesst. Alsdann führte
der Vortragende die wichtigsten Sätze aus der Theorie de« Erd-
drucks an und benutzte dieselben, um den Erddruck graphisch
darzustellen. Es folgte hierauf die graphische Darstellung der
Drucklinie für eine Stützmauer von beliebigem Profil und der
Nachweis über die Beanspruchung des Mauerwerkes sowie des
tragenden Boden». Der Hedner bewies, das« nur dann im gan-
zen Querschnitte einer Stützmauer Druckspannungen vorhan-
den sind, wenn die Drucklinie innerhalb des inneren Drittels
des Querschnittes liegt Um diese Grundbedingung einer guten
Mauerwerks • Konstruktion mit möglichst wenig Material tu er-
reichen, empfahl Redner, dem Profile einer Stützmauer unten
in der Vonlerfläche eine stark geneigte Schräge zu geben und
dasselbe hinten zu unterschneiden, jedoch so, das« der Schwer-
punkt unterstützt bleibt. Es wurde sodann gezeigt, das« «ich
derartige Profile für Brückenflügel «ehr gut eignen und das
Abreis»en derselben von den Stirnmauern wirksam verhindern,
wenn man den unteren Theil des Flügelprofiles so weit vor-
schiebt, dass die Drucklinie in der Mitte der Basis austritt
Schliesslich legte der Vortragende einige Zeichnungen vor
von Bauwerken der jetzt im Bau begriffenen Zweigbahn Witten-
berge-Geestemünde (Berlin-H ambarger Eisenbahn), welche nach
den erörterten Prinzipien konstruirt waren. E. Seh.
Arohltekten- Verein zu Berlin. Versammlung am 11. Mai
1872; Vorsitzender Hr. Quassowski, anwesend 166 Mitglieder
und 10 Gäste.
Hr. Fritsch berichtet im Namen der in voriger Versamm-
lung gewählten Kommission über das vorläufig aufgestellte und
von dem architektonischen Vereine zu Hamburg genehmigte
Programm für den Besuch desselben in Berlin, per erste
Abend (25. Mai) soll einem Zusammensein auf Tivoli, der
darauf folgende (Sonntag) Vormittag (26.) dem Besuche der
Ausstellung und einiger Monumentalbauten, der Nachmittag
einem Ausfluge nach Potsdam gewidmet sein; Montag (27.)
sollen sich an die Besichtigung der Konkurrenz -Entwürfe klei-
nere Fach -Exkursionen anschucssen, die «ich am Nachmittage
im zoologischen Garten vereinigen. Der Referent bittet um
eine möglichst zahlreiche Betheiligung der Vercinsmitgliedcr,
denen das definitive Programm noch mitgetheilt werden wird,
und um die Befugniss die für alle gemeinschaftlichen Fahrgele-
genheiten etc. erforderlichen Kosten auf die Vereinskasse über-
nehmen zn dürfen; letztere Befugniss wird der Kommission
ertheilt
Zur Vorbereitung auf den für nächsten Donnerstag den
Digitized by Google
— 163 —
16. Mal projektiven Vereins-Ausflug Rieht Hr. Adler hierauf im
Anschlüsse an sein bekanntes Werk .Backsteindenkmale der
Mark Brandenburg* und unter Vorzeigung der bezüglichen Ta-
feln desselben eine Uebersicht der topographischen Physiog-
nomie und Geschichte der Stadt Brandenburg, sowie eine kurze
Charakteristik ihrer bedeutendsten Baudcnkmalc.
Hr. Knoblauch theilt zum Schluss die Resultate einer
Festigkeitsprobe mit, der eine Anzahl von Ziegelsteinen au» der
bekannten Kunheira'schen Fabrik in Freienwalde auf der Ver-
Vermischtes.
Diel
i Gebäudes für den dent-
rlia, das wir in No. 39 des vergangenen
_ i unserer Zeitung eingehend beschrieben haben, Getragen
uach 'einer amtliehen Vorlage 451 304 Tblr., während der erste
Ueberschlog dieselben zu 170000 Thlr. geschätzt hatte, — jeden-
falls wohl eine der stärksten Anschlags -Ueberschrcitungen, die
so bald vorgekommen sind. Neben den ausserordentlichen Kosten,
welche die Anstrengungen zur Ucberwindung des durch die Ar-
beitseinstellungen der ßauhandwerker verursachten Zeitverlustes
erforderten, sind es wobl die während des Baues gesteigerten
Ansprüche an den Komfort des Hauses gewesen, welche iu erster
Linie dieses Resultat herbeigeführt
Vom Ausschüsse der
geht uns das nachstehende Schreiben zu.
.Die Mittheilung Ihres Blattes vom 2. d. M-, dass unter den
Studirendcn der Bau-Akademie zu Berlin nnd der Polytechniken
zu Hannover und Aachen eine Petition um Trennung der Fächer
zirkulire, bat vielfach zu irrthümlichen Auffassungen Veranlas-
so dasa der Unterzeichnete, leider zu spät darauf
aufmerksam gemacht, Sie bittet, obige Nachricht dahin zu be-
richtigen, daaa die augenblicklich von den Studirenden beschlos-
sene Petition:
1) Die Eintheilung der zum Bauführer-Examen erforderlichen
Prüfungs -Gegenstände in 3 selbstständige Gruppen: eine
bauwissenschaftliche , mathematische und naturwissen-
schaftliche, von denen nur diejenigen zu wiederholen sind,
in denen der Kandidat die Prüfung nicht bestanden hat;
2) die Festsetzung einer Minimalfrist von 8 Wochen für die
Wiederholung der Prüfung
bezweckt Im Auftrage
H. Tcchow.«
Wir veröffentlichen diese Mittheilung sehr gern, obwohl wir
dieselbe nicht als eine Berichtigung unserer durchaus korrekten
Nachricht, dass in den Kreisen der Studirenden zu Berlin,
Aachen und Hannover der Vorschlag einer Petition wegen
Trennung der Fächer angeregt worden sei, anerkennen können.
Ans der Fachliteratur.
Allgemeine Bauzeituag, redigirt von A. Kostlin, Verlag
von R. Waldheim in Wien. Jahrg. 1871.
A. Aus dem Gebiete des Hochbaas. (Schluss).
7. Ueber Bedeutung und Entwickelang des joni-
schen Kapitals', von Dr. T. F. Krell.
Ein ästhetisch-historisches Essai über das Voluten-Kapital
der alten Kunst, welches der bei derartigen Studien anscheinend
unerläßlichen Dunkelheit des Vortrags nicht ganz entbehrt.
Der erste Theil enthalt nach kritischer Würdigung einiger früherer
Erklärungsversuche eine Paraphrase der schönen Scmpcr'schen
Beschreibung von der Funktion der jonischen Doppelspirale:
.Sie erscheint als abstrakter Ausdruck schmiegsam elastischer
Kraft, die ohne Gewalt Widerstand leistet, die nachgiobt iund
wiederkehrt, aber stets emporhält, in mehrmaliger Wiederholung
in und neben einander geordnet. Passender als das früher ge-
bräuchliche Bild des aufgerollt hervorquellenden Polsters er-
scheint dem Verfasser das Bild der Uhrfeder, man kann damit
nur einverstanden sein, wird jedoch die Vorstellung des in
weiterer Konsequenz eingeführten Z Trägers, der in der Ebene
■eines senkrechten Steges aufgerollt ist, der Phantasie des Verf.
überlassen müssen. Ein Mangel in der Komposition des joni-
schen Kapitals gegenüber dem dorischen liegt im Ucbergreifcn
der im Grundrus viereckigen Voluten über das runde Kymo,
so dass der entstehende dunkle Winkel durch eine Pal-
mette gefüllt werden muss- Das erklärt sich aus der histori-
schen Herleitung aus dem Anten-Kapital, welcher der zweite
grossere Theil des Aufsatzes gewidmet ist Die erste Spur des
Voluten-Kapitäls findet der Verf. in Assyrischen Anten-Kapi-
tiUcn, welche, der Pracht- und Phrasenliebe des Orients entspre-
chend, zwei Voluten übereinander mit übergelegter Deckplatte
zeigen. Dem Durchgang dieser Form durch die Persische Ar-
chitektur, wo der Verf. sie in den bekannten Pferde-Kapitalen
mit aufrecht stehenden, vierseitig entwickelten Spiralen wieder-
findet, dürfte schwer zu folgen sein. Deutlich tritt jedoch die
Form wieder in den lykischen Felsengräbern Kleinasiens hervor,
wo nun auch schon die zweite Volute der Assyrer gespart wird,
so dass die ums Jahr 1000 übersiedelnden Jonier die Form
bereits ziemlich fertig vorfanden, welche die charakteristische
Kapitälform des nach ihnen genannten Stils werden sollte. Es
folgt eine längere Zurückweisung der Semper'schen Ansicht, als
sei der jonisebe Stil ähnlich dem dorischen aus einer Mischung
gleichwerthiger hellenischer und asiatischer Elemente hervor-
den ist Das Durchschnitts -Resultat der an 25 verschiedenen
Steinen unternommenen Proben ergiebt, dass die ersten Hisse
bei einem Drucke von 103,78" per □«", die Zerstörung bei
einem solchen von 103,84* per [J« M eintrat; die Festigkeit der
wegen ihrer schönen Farbe und ihres sauberen Aussehens
neuerdings immer mehr in Aufnahme kommenden Steine über-
trifft also die der gewöhnlichen sogenannten Rathenower. Hr.
Lämmerhirt fügt hinzu, dass die Festigkeit des Materials
- dasselbe schärfer ge-
— F. —
Ver- eine noch grössere sein könnte,
wor- brannt würde.
gegangen. Der Verf. konstatirt bei den Joniern Vorderasiens
nur ein ziemlich unsicheres
Architekt Th.
vorgefundenen lykischen Urformen, wobei die Verwendung der-
selben auf Möbeln und Geräthcn, sowie auf freistehenden Stelen
nicht ohne verwirrende Rückwirkung geblieben sein mag. In-
dem der Verf. in historischer Folge zuerst durch die Beispiele
usiutisch-jonischer Bauten, den Tempel der Artemis Limuatis,
dos tieroou des Empcdoklcs, den Tempel des Apollo zu Bassae,
den Heratenipel zu Sainos, den Athenetempcl zu Priene, den
schönsten auf asiatischem Boden — das Mausoleum zu Hali-
karuass und die späten, schon charakterlosen Beispiele zu Milet,
Tcos, Aphrodisias und Aizani — dann durch die spärlichen
Beispiele auf hellenischem Boden führt findet er die höchste
Vollendung des Stils im Tempel der Athene polias. In diesem
Kapital, welches genau zergliedert wird, lfisst sich eine bemerken*-
werthe Rückkehr zu den altassyrischen Urmotiven wahrnehmen.
Nicht allein weist der Anthemieuschmuck des Halses auf Assy-
rien — auch die doppelte Spiralo tritt hier wieder auf, doch
nunmehr die einzelnen Voluten nicht auf einander lastend, son-
dern in einander geschlungen. Zum Schluss wird noch ein
Blick auf die Wandlungen geworfen, welche das jonische Kapi-
tal iu der Römischen Kunst bis zum Ueberwucbern des Pflanzen-
Ornamentes und gttnzlicher Nüchternheit erlitt
8) Palais Epstein in Wien, von A:
Hansen.
Die Bezeichnung Palais bezieht sich hier wohl mehr auf die
Architektur und Ausstattung, als auf die Bestimmung des auf
6 Blatt sehr eingehend initgetheilten Privatbaucs, da derselbe
im Erdgeschosa Läden und Komptoire, im ersten Stock die Woh-
nung des Besitzers, in den beiden folgenden Etagen aber Mieths-
wohnungen enthält Die letzteren haben die Anlage zweier
Haupttreppen nöthig gemacht. Im Uebrigen sehen wir in dem
Haoptgesehoss des nach drei Seiten freiliegenden, um einen glas-
bedeckten Zierbof gruppirten Gebäudes die vollen Anforderungen
einer hoch-herrschaftlichen Wohnung erfüllt. Der Trakt an der
Hauptfacadc enthält nur Uesellschaftsräumc, Wohn- und Schlaf-
zimmer nehmen die kürzeren Flügel nach den Seitenstrassea
ein, die sämmtlichen Nebenräume liegen an der vierten Seite
vom Hofe aus beleuchtet. Der zweite Stock enthält dieselbe
Einrichtung, ebenfalls nur für eine Familie berechnet. Die
dritte Etage dagegen ist in drei Mieth Wohnungen zerlegt
Das Aeussere imponirt durch stattliche Etagenhöhen und
durch eine reiche Architektur im Sinne römischer Spät-Renai-
sance. Ueber dem derb gequaderten, rundbogigen Erdgeschoss
erbeben sieh zwei ziemlich gleichwertige rflasteratellungen.
In etwas seltsamer Weise ist der dritte Stock zu dem Hauptgesims
gezogen; seine Fenster sitzen zwischen sehr eng gestellten Stützen,
die zwischen Hermen und langgestreckten Konsolen die Mitte
haltend, mit dem verkröpften Architravc, den Konsolen und
Löwenköpfen des Hauptgesimses ein sehr unruhiges Ensemble
geben. Vielleicht wirkt aas Gesims in der Ausführung weniger
ungünstig. Der Hof hat ebenfalls eine reiche Gliederung durch
vierfache Pflasterstcllung. Dos Innere, wenigstens des ersten
Stocks, ist von der Hand des Arcbitekteu bis ins kleinste Detail
reich und künstlerisch durchgeführt, namhafte Maler haben zum
Schmuck der Gesellschaftssäle beigesteuert L.
B. Aus dem Gebiet des Ingenieurwesens.
1) Ueber Eisenbahnen im Kriege 1 , von Moritz
Morawitz.
Der Verfasser hat seine im Jahre 1866 auf der Reicbenberg-
Pardubitzer Bahn gesammelten Erfahrungen zu einer Abhand-
lung benutzt, welche inzwischen durch die Ereignisse der Jahre
1870/71 überholt ist und Bich demnach als antiquirt der Be-
nrthcilung entzieht
2) Der Rhein-Marne Kanal, vom Bauinspektor
Hess.
Der Kanal, welcher die Marne (bei Vitry le Francais) mit
dem Rhein (bei Strassburg) verbindet hat eine Länge von 315*«,
und überschreitet 2 bedeutende Wasserscheiden: zwischen Marne
und Maas und zwischen Saar und Rhein (die Vogesen). Die
entere ersteigt er durch 73 Schleusen mit einer Gesommt-
steigung von 187 Dann folgen absteigend zur Mosel (bei
Nancy) 30 Schleusen mit 84™ Gefälle. Weiter bis zum Kamme
der Vogesen finden sich 26 Schleusen mit 63« Steigung. Den
Schluss bildet die Rhein -Treppe mit 51 Schleusen und 131 «
Gefälle. Die Lage des Kanals ist also eine höchst ungünstige,
da für jede Stunde Fahrzeit etwa eine halbe Stunde mit Durch-
schleusen verloren gebt. In gleichem Maasse ist die Speisung
wegen des durch die kurzeu Haltungen veranlassten Wasser-
verlustes ungünstig. Auch kostet der Kaual an Zinsen des An-
lagekapitals und Unterhaltungskosten dem Staat jährlich 2".
Millionen Franken, was bei den t. B. im Jahre 1864 stattge-
habten Transporten 0,07 Franken auf die Kilometertonne be-
Digitized by Gc
164 —
trügt. Indessen dürfte nicht zu ltczwcifeln sein, dass die durch
den Kanul und seine niedrigen Frachtsätze bewirkte enorme
Vermehrung des Niitiotialwohlstuudcs, wiewohl sie sich in Zuh-
len nicht leicht ausdrücken lürtst, einen Kreutz für die aufge-
wendeten Kosten bietet. Was die technischen Einzclnhciten de«
Kunals betrifft, so ist du* grösste Bauwerk, n.lmlich der unweit
Zabern, dicht neben dem Tunnel der Strasshurg-Pariser Eisen-
bahn Megeno Vogescn-Scheitel-Tunticl ITOD :?:i07"> Länge, wel-
cher hier detaillirt dargestellt ist, bereits aus andern Beschrei-
bungen ziemlich iH-kannt- Wir verzichten daher auf eine solche,
wie denn überhaupt ein näheres Eingehen auf die niitgctheilten
Spezialitäten (Kuualprofile, Brüekenkanäle, Schleusen, .Brücken
u. s. w.) hier zu weit führen würde. Insbesondere Wullen wir
jedoch auf ilie ausführlichen Angaben über die Dichtung
den Kanals hinweisen, zu welcher hauptsächlich Beton, doch
stellenweise auch Thon und sogar Sand verwendet wurde. Um-
fangreiche Tabellen, welche die finanzielle und technische Lage
des Kanals klar machen, bilden den Schiusa des Aufsatzes.
ö ) Theorie des k out i nuir 1 ic he n Träger« konstan-
ten Querschnittes. Elementare Darstellung der von
Clapeyron und Mohr begründeten analytischen und
graphischen Methoden und ihres Zusammenhanges,
von Professor Ferdinand Lippich.
Die elementare Behandlung des kontinuirlichen Trägers
stützt sich auf das Prinzip, dass koniplizirtere hierbei vorkom-
mende Aufgaben stets in einfachere zerlegt werden können,
weil die Steigungen und Senkungen der elastischen l.iuie, wenn
mehre Belastung«- und Befestigungsweisen gleichzeitig au
einem Träger angebracht werden, gleich der .Summe der Sen-
kungen und Steigungen sind, die durch die einzelnen Be-
lastung«- und Befestigungsweisen hervorgebracht werden. Es
werden dem entsprechend zunächst die Einflüsse der Belastun-
gen einzelner Felder des Trägers auf die übrigen unbelasteten
untersucht. Wenn von den am Träger vorhandenen Belastun-
gen nach rechts oder links bis zum Ende de« Trügers mir un-
belastete Oeffuungeu vorhanden sind, so hüben die Wendepunkte
der elastischen Linie in diesen eine bestimmte Luge, welche nur
von dem Verhältnis« der Öffnungen unter einander, nicht aber
von den Belastungen ubhäugt Liese Punkte, welche mau ihrer
Natur nach Fixpunkte oder Fundameutulpuiikte nennt, bilden
den Schlüssel zur Entwickelung der Momente u. s. w. unterein-
ander und fuhren zuletzt auch auf die Clupoyruuseheu (Weichlin-
gen. Die gründliche Durchführung dieser Entwickelung, bei
welcher alle sich ergebenden Aufgaben sowohl graphisch als
rechnend gelöst sind, ist lür diu Benutzung in der Praxis des
Ingenieurs fast zu umfangreich. Es ist daher dankbar anzuer-
kennen, dass um Sehluss ein Beispiel (die Kiseubrücke über die
Saar bei Freiburg) Dach beiden Methoden durchgearbeitet ist.
•I) Ueber diu wechselseitige Beziehung zwischen
der Konfiguration des Flusslaufes und der Wasser-
tiefe in Flüssen mit beweglicher Sohle. Vuu Fargue,
Ingenieur in Bordeaux. Deutsch bearbeitet vum In-
genieur M. II on seil.
Im Juhrgaug 1SHS der hannoverschen Ilauzoitiing fpag. 4!'."»)
findet sich ein ausführliches Beferat über die Abhandlung des
Beim Fargue nach dem in den Auuales des pouts et chaussees
von lsiiS enthaltenen Original. Wir können also darauf wegen
der Kiuzeliiheiten verweisen und uns hier auf die Angabe des
der Arbeit zum (»runde liegenden Prinzip«« beschränken.
In jedem verschiedentlich gekrümmten l lusslaufe finden
sich bekanntlich die tiefsten Stellen in den Krümmungen, und
zwar nahe dem konkaven Ufer, währeud um Uebergumge zweier
entgegengesetzten Krümmungen untiefe Stellen vorhanden sind.
Das LängcnpruhT eines Flusses mit beweglicher Sohle ist also
von seiner Grundrissforni abhängig. Das tiesetz, welches diese
Beziehung legelt, sucht Herr Fargue, gestützt auf sorgfältige
Beobachtungen au der Garonue, zu ermitteln. Er giebl sodann
bei Flusskorrektionen deu Krümmungeu diejenige Form, welche
deu gefundenen Gesetzen nach die geeignetste ist, um das für
die Schiffahrt güustigMe I.ftnuenprotil des Flusses zu erzeugen.
Der von Berrn Fargue eingeschlagene Weg der Behandlung
der Flussläufe ist neu. "Er betrachtet daher selbst seine Theorie
nicht als allgeschlossen und fordert zu ähnlichen Studien an
andern schiffbaren Flüssen mit der Garonne analogen Verhält-
nissen auf, um seiue Beobachtungen zu ergänzen und seine
Folgerungen zu vervollständigen.
In einem Vorwort riebt Herr Honscll einigu Notizen über
die Art wie die Korrektionen der Garonne ausgeführt werden.
Es werden neu« Uferliuien durch Parallelwerke hergestellt, die
zur Unterstützung ihrer Wirkung und zur Beförderung der
Verlanduug in Zwischenräumen von SU bis liHM" , bei starkem
Gefälle auch wohl von 4U'» , mit dem natürlichen Ufer verbun-
den werden. Die Parallelwerke bestehen aus einer Beihe von
C— 7™ langen, i — Ü..V" in die Flussohle eingetriebenen, LS 1 » von
einander entfernten und :!"> über Niedrigwusser hervorr geiideu
Pfählen, welche durch ein bis mindestens 1» unter Niedrig-
wasser herabgetriebencs Flechtwerk und ein bündig mit deu
Pfahlköpfen angenageltes Längsholz verbunden weiden. Am Fuss
der Pfahlreihe wird eine Schüttung von Bruchsteinen angebracht.
Um die Geschwindigkeit des überströmenden Wassers zu min-
dern wird in die Zwischenräume des Flechtwerks ein Zaun von
Weidenzweigen von oben eingesteckt. Diese Bauart, welche sich
überall empfehlen dürfte, wo die Geschwindigkeit der Sti'nuuui;
nicht sehr gross igt, wo der Fluss reichlich Sand und Schlamm
führt und Zorstörumicn durch Eisgang nicht zu befürchten sind,
soll sich erheblic h billiger stellen als die am Rhein angewende-
te:! Paachinenhouten.
'•) Her Leska-Viadnkt bei Znaim, von Obcririge-
nieur Ludwig.
Die Flügelbahn (irussbach - Znaim der österreichischen
Staut shahn überfetzt dicht bei Znaim das Thal des Lesku-Baches
mittelst eines rot. "Jii™ hohen, !!()"• langen, halbkreisförmig ee-
wölbten zweiycleisiaen Viaduktes mit I Oeffnungen von I I," 1 "
Spannweite. Die Fundamente und Sockel bestehen aus Bruch-
steinmauerwerk, die Bekleidung der Sockel, die Kämpfersteine,
Deckplatten u. s w. aus Gneis oder Granit, das übrige
Mauerwerk sowie die Gewölbe aus Backsteinen. Da das letztere,
an Ort und Stelle verfertigte Material hinsichtlich seiner Trag-
fähigkeit nicht genau bekunut war, hat man absichtlich und be-
wu-st etwas stark konstruirt. Die Gewölbe wurden mit einem
Beton guai aus Kufsteiner hydraulischem Kalk und Kiessteiuehcu
nebst einem Lehmschlag überdeckt. Die Entwässerung findet
durch die Gewölbeschenkel in der Nähe der Kämpfer statt.
Sogar die auf den Eudwiderlugspfeilern sich sammelnde Nässe
wird auf diese Weise durch die Gewölbe geführt. Die Ab-
deekung und Entwässerung entspricht wenig den hei uus jetzt
im Allgemeinen vorherrschenden Anschauungen, und wenn sie
sich, wie der Verfasser angiebt, bei dem Leska-Viadukt bis nun
aufs Beste' bewährt hat, so dürfte dies wohl mehr der vorzüg-
Ihh sorgfältigen Ausführung, die dem ganzen Bau nachgerühmt
wird, vielleicht auch dem verhultnissuiässig milden Klima
Znaim«, als dem Prinzip, nach welchem die Entwässerung ange-
legt ist, zuzuschreiben sein. Auch ist abzuwarten wie sie sich
auf die Dauer hält.
(Sehl«»» feint.)
Personal - Nachrichten.
Preusscn.
Ernannt: Der Eisenbahn - Baumeister Schnlenburg in
Hannover zum Eiseubidiu-Bau-Iusprklor bei der Hannoverechen
Slaatshuhn duselbst. Der Landbaumeister und llüifsarbeiter in
der Bau-Abtheilung des Königl. Ministeriums für Haudel und
Gewerbe, En, nierich zum Bau-Inspektor bei der K<"<nigl. Miui-
sterial-BaukouiiuUsjon zu Berlin. Der Baumeister Kischke zu
Heydekni!; zum Kreisbaumeister daselbst. Der Eisenbahn-Bau-
meister Di sse I hof in Breslau zum Eisenbalm-Hau-liispekt« r und
Vorsteher des technischen Zeutralbureaus bei der Westphälischen
Eisenbahn zu Münster.
Versetzt: Bit Eisenbahn-Hauinspektor Suche zu Thum
zur Leitung der I. Bauabthoilung der tilsit-Memeler Eisenbahn
nach Tilsit. Der Eisenbahn Bau- und Betriebs Inspektor Dulk
Hl Elberfeld nach Kassel und der Eisenbahu-Bau- und Betriebs-
lns[M'ktor Kriehel dorff, dessen Versetzung von Aachen nach
Kassel nicht zur Ausführung gelangt ist, nach Elberfeld.
Dem Ei-enbahn-Bau-lnspektor Plathuer zu Berlin ist der
Charakter als Baurath Verlieben worden.
Gestorben: Der Kreisbaumeister Zick in Heydekrug,
Beg.-Bez. Gumbinneti.
" Die Baut' ührer-Prüfutig haben am <;.. 7. und S. Mai er-
bestanden: Wilhelm Nott Hügel aus Helba im lbrzogth. Sachsen-
Meiniimeu: Karl Frieilrieh Oskar Baske ausTupiau; Friedrich
Leopold Richard Komeiss aus Magdeburg; Karl Kot h aus
LauueriRchwalliach.
Die Baumeister-Prüfung halwn abgelegt um 8. und
11. Mai er.: Bauführer Friedr. Willi. Ferdinand Bei man Ii
aus Breslau. Bauführer Moritz Lierseh aus Cottbus.
Brief- und Fragekasten.
Abonnent N. in C. Alle seit Erlas« des Gewerbegesetzes
vom Jahre lSHS in Preusscn vollzogenen Privathaumeister-Prü-
fuugr-n sind von Kandidaten abgelegt, welche sich vor Erlau«.«
jenes Gesetzes zu derselben gemeldet und sie durch F^mpfaug-
nahuie der 1'roln'arbeiten bereits angetreten hatten. Duss es
für andere Techniker nicht mehr möglich ist jenen Titel, nach
dem Sie Sehnsucht tragen, zu erlungen — es sei denn, dass sie
ihn sich selbst beilegen, was einem gesetzlichen Hindernisse
ebensowenig unterliegt, wie beispielsweise die Annahme des
Titels Zivil -Ingenieur — haben wir des Oefteren auseinander-
gesetzt.
Hrn. F. München. Ihn« Anfraae. ob bei der Konkurrenz
für Entwürfe zum Nut ionableukmal auf dem Niederwald die
Beschränkung auf genaue Zeichnungen in dem .verlangten Maass-
stabe erlaubt sei, ist nach alin. 4 des Preisausschreibens, das
wir in No. '.! u. Bl. mittheilten, auf das Unzweifelhafteste zu
bejahen, sobald der Entwurf rein oder doch vorwiegend archi
tcktoiiisch ist.
Ih n. J. H. Hamburg. Der Ausdruck .Plan - Skizze" in
dem Preisausschreiben für Entwürfe zu einem Bankgebäude in
Frankfurt a. M., den wir aus dem Original-Programm übernom-
men haben, ist zweifellos auf vollständige Entwurf-Skizzen incl.
Fueadeu und Durchschnitte, nicht auf blosse Grundrisse zu be-
ziehen. Man ideutilizirt die Worte Entwurf und Plan jedenfalls
viel häufiger, als die Worte Plan und Grundriss: wo das letz-
tere geschieht, ist dies wohl nur auf die laxe Gewohnheit, das
Wort Gnnid|ilan in Plan abzukürzen, zurückzuführen.
Hierzu eine Holzschnitt - Beilage : Denkmal zu ViouviHo für die Gefallenen des Infanterie- Regim ent.«.
Kommli.feuM.rl«« C.rl Uceliti In U<rllu. 1>im.-« roo Uebrudt! l'iclcrlia «tri!«
Dl
gitized by Google
Jahrg. Tl. M 21.
DEUTSCHE BAUZEITUNG
lUtUktUn u. Xip»ditiaa:
IltwnubiMn Ulf )"»*t»D)U»JWo
Organ des Verbandes
deutscher Architekten - und Ingenieur-Vereine. "»■*•
Redakteur K. E. 0. Fritich.
„B»a- AnwL»cr-
SV, Mt pr.
Prell 1 Thaler pro Isartal.
Berlin, den 23. Mai 1872.
Erieheiat Jede ■ »»dient«*.
Inhalt: DU Koakumoi Ar Batwirf« tum lUu** dut deutfchen Reicht-
taftt II. (F«r1a*tti»»f ). — Au« d*r Tkltl(k*U Art d«ut#elwm F*l4e^«ab*ho -Ali-
Uitlluugtii IX. — Zar V«rk«Mrai| der Od*r*cbiff*)ut. — Ml tth«l 1 u o f «n tut
Vtrtlutn: OMtcrreiehlMawr Ingenieur- und ArchilcAtea-Verviii. - Arealukuo-
Verein m Berlin. — V erin i te kt.a: Di« Arbelu.liutt'llauiieo in Berliner B>uc<--
werkt. — Au. der Faehlltt.r.lnr: AltgamUc. Bauleitung, redl». von A. ».
K.V.ills Jatrrf.ac 1*71. - Kanknrroni.a: NnN S«»ul»eba«de In Oielt. —
P.r.aB.I-Haehriekl.a ete.
für Entwürfe zum
(ForUetian«.)
auf 8.IU 16» I
Die Konkurrenz
geringen Werth haben die Konkurrenten auf die
Art und Weine gelegt, in der sie den gegebenen Bauplatz
ausnutzten. Wir meinen hiermit zunächst die Benutzung der
Flache an sich und die allgemeine Anordnung des Gebäudes
auf derselben. Für die meisten ist es genügend gewesen,
sich innerhalb der gegebenen Grenzen von 115 X 150" zu
halten, obue dass sie darauf gesehen haben, ob das Gebäude
in der gewählten Grundform und Stellung sich möglichst
vortheilhaft an die Umgebungen anschlicsst und mit den-
selben in einen gewissen organischen Zusammenhang gebracht
werden kann; andererseits tritt die entschiedene Berücksich-
tigung dieses Momentes bei einem, in dieser Beziehung wahr-
haft genial konzipirten Entwürfe aufs Günstigste hervor.
Einige der Konkurrenten haben sich die Freiheit genommen,
den Bauplatz um ein Namhaftes zu ü bersch reiten , so dass
ein Abbruch der Sommerstrasse bis zur Dorotheenstrasse
noth wendig würde, nur einigen wenigen ist es dagegen —
freilich nicht ohne wesentliche Nachtheile — gelungen, dem
in der Bekanntmachung des Programms ausgesprochenen
Wunsche zu entsprechen und die Front des Reichstagshauses
von dem Siegesdenkmal in dem AI «.stände des Kroll'schen
Etablissements zu halten. Dabei ist das an zweiter Stelle-
vorgeschriebene Mittel, die Symmetrie des Königsplatzes
durch Neubauten auf der Westseite desselben herzustellen,
grossentheils unbeachtet geblieben, wie es wohl auch in der
That mit dem vorliegenden Entwürfe nur lose zusammen-
hängt. Als die glücklichste Idee für eine solche Losung,
wenn dieselbe für unentbehrlich gehalten wird, ist zweifellos
die von mehren Konkurrenten vorgeschlagene Erbauung einer
mit der Front des Keichstagshauses korrespondirenden Kuh-
meshalle zu bezeichnen, für welche der langgestreckte schmale
Bauplatz noch am Meisten sich eignet, während das gleich-
falls vorgeschlagene Auskunftsmittel einer entsprechenden
Vergrtisserung des Kroll'schen Etablissements, wodurch wohl
nun nnd nimmermehr ein des deutschen Keichstagshuur.es
würdiges Pendant geschafTen werden könnte, ab völlig ver-
fehlt erscheinen muss.
In anderer, höchst wesentlicher Weise beeinflusst die
Situation des Gebäudes die Disposition desselben sowohl in
Betreff der Grundrissanordnung wie in Betreff des Faeadcn-
aufbaues. Wir haben es vorläufig nur mit der enteren zu
thun.
Wenn als die Hauptfront eines freistehenden Gebäudes
diejenige zu betrachten ist, in welcher der Haupteingang
liegt, und wenn als Haupteingang des deutschen Reichstags-
hauses jedenfalls derjenige ausgebildet werden muss, der
in direkter Linie zu dem Hauptraume des Hauses, dem
Sitzungssaale der Abgeordneten , und durch den zu
gehörigen Vorsaal führt, so boten sich hier aus der S
einige nicht unerhebliche Schwierigkeiten. Die Rücksicht
anf die monumentale Bedeutung des Gebäudes fordert ge-
bieterisch, dass die Hauptfront desselben nach dem Königs-
platze gerichtet sei, während es aus praktischen Rücksichten
sehr bedenklich erscheint, den Abgeordneten, welche grossen-
theils zu Fuss nach dem Hause sich begeben, die Zurauthung
zu stellen, dass sie auf ihrem Wege aus der Stadt jedesmal
erst um das Gebäude herumgehen sollen, um in dasselbe zu
f;elangen. Nicht wenige der Konkurrenten haben die«en
etzten Gesichtspunkt für so wichtig gehalten ^ dass sie den
Haupteingang rar die Abgeordneten in der That nach der
ren Theile die Front nach dem Königsplatze um so vieles
stattlicher auszubilden versuchten, dass dieselbe trutzulledem
als Hauptfront erscheint; noch andere haben den kühnen
Versuch gemacht, die Hauptaxe des Gebäudes den Längs-
fronten parallel und den Hauptciugang auf die Südseite zu
legen. Die Mehrzahl der Konkurrenten hat sich freilich für
jene erste Anordnung entschieden , wobei sie zum Theil das
Gewicht des Haupteinganges noch dadurch verstärkten, dass
sie ihn nicht allein auf den Sitzungssaal, sondern gleichzeitig
auch auf die Festlokalitäteu bezogen. Wir glauben diese Lö-
sung iu dem eineu wie in dem audern Falle uubedingt als
die beste bezeichnen zu können, falls den praktischen Rück-
sichten gleichzeitig dadurch Rechnung getragen wird, dass
die Abgeordneten nicht auf jenen einzigen Eingang be-
schränkt sind, sondern Gelegenheit haben auch von den an-
deren Fronten aus einen bequemen Zugang zu ihreu Garde-
roben nnd Vorsälen zu gewinnen. Es ist dies bei allen
besseren Grundrisslösungen entweder schon in trefflicher
Weise vorgesehen oder doch leicht zu erzielen, uuji»juötbteu
wir in dieser Beziehung namentlich jenen Entwürfen das
Wort reden, die neben der kurzen Hauptaxe noch eine aus-
geprägte Queraxe durchgeführt und hier ihre Haupt -Neben-
Eingängc angenommen haben.
Andere Rücksichten auf die Situation, welche sich zum
Theil auf die .Yertheilung der übrigen Eingänge, zum Theil
anf die Läge einzelner Räumlichkelten beziehen, sind unter-
geordneterer Art. Obgleich es wünschenswert)! erscheint, dass
dem Umstände, dass die Mitglieder des Bundesrathes, sowie
alle Logenbesucher vorwiegend vom Brandenburger Thor
herkommen werden, insoweit Rechnung getragen wird, als die
Eingänge für dieselben nicht gerade auf der entlegensten
Nordseite angebracht sind, als den Räumen, welche nicht
zur Arbeit, sondern zur Erholung bestimmt sind, ebenso wie
den Dienstwohnungen eine Lage angewiesen ist, in der sie
der günstigsten Aussicht theilhaftig werden, u. a. m., so sind
dies Punkte, welche wohl zu den Vorzügen eines Entwurfes
beitragen, jedoch nicht den Ausschlag geben können.
Es führt uns diese Beziehung der Gnindrisscintheiluug
zur Situation jedoch bereits in ein Detail, das wir füglich
nicht weiter verfolgen können, bevor wir nicht einige Fragen
erörtert haben, die für die Auffassung der einzelnen Grund-
risslösungen, wie für ihre Beurtheilung von allgemeiner Be-
deutung sind.
Fast wären wir versucht, hier zunächst eine akademische
Studie einzufügen, in welcher die prinzipiellen Anforderun-
gen entwickelt würden, denen ein guter Grundriss in Betreff
praktischer Zweckmässigkeit, wie in Betreff monumentaler
Schönheit zu genügen hat. Denn leider ergiebt das Resultat
dieser Konkurrenz, dass die Ansprüche, welche die einzelnen
Verfasser in dieser Beziehung an ihre Arbeiten gestellt haben,
nicht nur ausserordentlich abweichende, sondern zum grösse-
ren Theil sogar ungenügende waren, so dass nur wenige
Entwürfe vorliegen, deren Grundriss-Disposition als eine be-
friedigende Lösung der Aufgabe betrachtet werden kann.
Während auf der einen Seite die Räume so an- und durch-
einander geschachtelt sind, dass es eines eingeweihten Füh-
rers in diesem Labyrinthe bedürfen würde, ist von Anderen
ein akademisches Axensystem mit so ausschliesslicher Rück-
sichtslosigkeit durchgeführt, dass der nothwendige Zusammen-
hang der Räume und damit ihre praktische Nutzbarkeit
gänzlich verloren gegangen ist. Die Frage der Beleuchtung
ist zum Theil so oberflächlich behandelt,
nicht allein
Digitized by Google
— 166 —
mit Oberlichten ein entschiedener Missbrauch getrieben wor-
den ist, sondern dass es auch an Räumen nicht fehlt, die
nur sekundäre Beleuchtung erhalten, ja sogar des Tagi-s-
lichtes ganz entbehren — und dies in ganz hervorragenden,
künstlerisch bedeutenden Entwürfen. Eine einheitliche or-
ganische Ent wickelung, welche Grösse und Form der ein-
zelnen Räume nach Zweck und Bedeutung derselben sorg-
sam erwogen und in ein harmonisches Verhältnis^ gebracht
hat, ist höchst selten, entschiedenes Missvcrhältniss oder eine
ermüdende Monotonie ziemlich häutig. — Doch so nützlich
es vielleicht sein möchte, den prinzipiellen Standpunkt zn
klfireu, auf den unsere Rcurtbeilnng sich stellen will, so
drängt doch die Zeit, es zu unterlassen und das Xöthige
bei Besprechung einzelner Entwürfe nachzuholen.
In Betracht zu ziehen ist vorerst die Frage der allge-
meinen Gruppirung des Grundrisses, die selbstverständ-
lich im engsten Zusammenbange steht und nur gemeinschaft-
lich zu lösen ist mit der Frage der Facaden-Disposition.
Es stehen sich in dieser Hinsicht unter den Konkurrenz-
Entwürfen zwei verschiedene Auffassungen gegenüber —
beide in extremer Ausbildung vertreten, beide aber auch ein-
ander angenähert und in einander übergeführt. Die eine
derselben sucht die Bedeutsamkeit der äusseren Erscheinung
des Gebäudes in seiner Einheit. Sie bat sich daher nur
weniger architektonischer Motive bedient und vor Altem nach
der Wirkung ruhiger geschlossener Massen gestrebt; die aus
dem rechteckigen Bauplatz altgeleitetete Grundform zeigt auf
allen Seiten grosse Fronten, die nur durch Eck- resp. Mittel-
bauten mehr oder weniger gegliedert werden. Wir verhehlen
nicht und werden dies später noch weiter begründen, dass I
nns dieses Prinzip in seiner einseitigsten Ausbildung nicht
völlig geeignet erscheint, die Uestiminuug des Gebäudes zum |
charakteristischen Ausdruck zu bringeu. Es sind in dem-
selben Bäume von so verschiedenartiger Form und Bedeutung
enthalten, dass eine solche äusserliehe Einheit nothwendig
als aufgezwungene Schablone erscheinen muss. Viel grössere
Berechtigung hat jedenfalls das in mehren Entwürfen nicht
ohne Glück durchgeführte entgegengesetzte Prinzip, die ihrer
Bestimmung nach zusammengehörigen Räume des Gebäudes
zu einzelnen Gruppen zusammenzufassen und diese selbst-
ständig auszubilden, das Gebäude also zu indi vidual isiren.
Die Wahrheit dürfte, wie immer, in der Mitte liegen und
hat sich die Ansicht der Konkurrenten jedenfalls dafür ent-
schieden; denn überwiegt auch beiden meisten Arlieiten die
dem Bauplatz entsprechende Form des geschlossenen Recht-
ecks, so sind doch die mannigfachsten Versuche gemacht,
die daraus hervorgehende Gefahr starrer Monotonie nach
Möglichkeit zu vermeiden.
Das Vorstehende bezieht sich hauptsächlich auf die äus-
sere Form des Grundrisses; auf seine innere Eintheilung
ist ein anderes, gleichfalls mit der Facadengestaltung, aber
auch mit der praktischen Zweckmässigkeit des Gebäudes
eng zusammenhängendes Moment von uoch grösserem Ein-
flüsse, die Zahl der gewählten Stockwerke. Obwohl
es au Entwürfen mit :t und i Stockwerken unter den vor-
liegenden Arbeiten keineswegs fehlt, so scheint uns als ein
Resultat der Konkurrenz doch bereits festzustehen, dass die
genannten Rücksichten die beste Lösung nur in einem Ge-
bäude finden können, das in seinen Haupttheilen ülwr dem
Kellergeschoss nicht mehr als zwei Stockwerke enthält Kur
auf diese Weise lässt sich ein dieses Monumentalbaues ganz
unwürdiger Wohuhauscharakter vermeiden, nur auf diese
Weise ist es möglich, alle Räume, die während der Plenar-
sitzungen des Reichstages gebraucht werden, in eine zugleich
würdige und bequeme Verbindung zu bringen. In welches
Geschoss dabei der Sitzungssaal u-rlegt werden loll, d. Ii.
ob es angemessener ist, das Erd-Gescboss oder das erste
Stockwerk als Hauptgeschoss auszubilden, ist eine Frage,
deren Entscheidung ausserordentlich schwierig ist. So
grosse praktische Vorzüge die erste Anordnung auch hat
und so angemessen es immerhin erscheinen mag, das un-
nöthige Ersteigen yon Treppen nach Möglichkeit iü ver-
meiden, so lässt sich nach Maassgabe eiuzelner Lösungen
allerdings nicht verkennen, dass die Unbequemlichkeit einer
Ersteigung des ersten Stockwerks sich durch eine geschickte
Anlage der Treppen wesentlich mildern lässt und dass so-
wohl für den inneren Zusammenhang der Räume, wie na-
mentlich für die äussere Krscheinung des Gebäudes wichtige
Vortheile gewonnen werden können, wenn man das Haupt-
geschoss nach Oben verlegt.
Je nachdem die Konkurrenten sich für die eine oder
die andere Lösung dieser Hauptfragen entschieden — je
nachdem sie sodann die Räume disponirten, welche als
Mittelpunkte des inneren Verkehrs nicht nur eine bevorzugte
Lage und Ausbildung erhalten mussten, sondern sich auch
I dazu eigneten, in der äusseren Erscheinung des Gebäudes zur
entsprechenden Geltung gebracht zu werden — je nachdem
sie endlich Gewicht auf die Art der Beleuchtung und die
Form und Grösse der innerhalb des Gebäude -Komplexes
nöthigen Höfe legten': hat sich eine grosse Zahl von Varia-
tionen der Grundriss-Gesammtform ergeben, die wir im All-
gemeinen nicht zu cliarakterisiren brauchen, da diese Formen
an sich von keiner prinzipiellen Bedeutung sind und nicht
wenige derselben gleiche Berechtigung haben. Eine Anzahl
der hervorragendsten resp. für bestimmte Auffassungen der
Aufgabe charakteristischen Grundrisse beabsichtigen wir im
weitereu Verlaufe unserer Besprechung im Abbilde vorzu-
führen.')
Wünschenswert h ist es hingegen, dass die Motive, welche
die Disposition und Ausbildung der Uaupträume des Hauses
im Einzelnen bestimmen, etwas näher erörtert werden. Das
Programm Hess hierin einen nicht unbedeutenden Spielraum
und blieb es dem persönlichen Ermessen der Konkurrenten
überlassen, was sie aus den einzelneu Lokalitäten machen
wollten. Bei dem Mangel einer zuverlässigen litterarisehen
(Quelle, ans der Rath zu erholen war — unsere Publikation
einer Skizze des provisorischen Reichstagshauses scheint für
nicht Wenige den Haupt-Anhaltspunkt gegeben zu haben —
und der von uns schon beklagten Unkenntnis«, welche über
die Formen des parlamentarischen Geschäftsverkehrs ver-
breitet zu sein scheint, sind die abweichendsten Auffassungen
hervorgetreten, wenn einzelne besonders auffällige Verstösse
allerdings wohl als Nothbehelfe einer in der ganzen Anlage
verfehlten Disposition zu betrachten sein mögen.
Wir glauben hierbei ein Wort über die im Programm
nicht anfzählbaren , zur Kommunikation erforderlichen
Räume, Eingangs — Vestibüle. Durch- und Vorfahrten, Ver-
bindungshallen und Foyers, Vorplätze und Treppenhäuser —
vorausschicken zu müssen, da die Art und Weise ihrer An-
ordnung, sowie das für sie in Anspruch genommene Raum-
bedürfniss für den Werth der einzelnen Grundrisse in die-
sem Falle eine mehr als gewöhnliche Bedeutung besitzt. Es
ist selbstverständlich, dass eine monumentale und schöne
Ausbildung dieser Räume, die ja in erster Linie den Cha-
rakter eines öffentlichen Gebäudes irn Innern bestimmen,
ebenso geboten ist, wie die Anordnung derselben in einer
Zahl und Grösse, die über das für die blosse Kommunika-
tion erforderliche Raumbedürfniss hinaus, vor allen Dingen
nach möglichster Klarheit uud Uebersichtlichkeit, nach leich-
tester Zugänglichkeit der Anlage strebt. Aber es scheint
für die von uns entwickelte Auffassung des deutschen Reichs-
tagshauses ein sehr entschiedener Fehler, wenn diese Räume
in so prononcirter Weise zum dominirenden Hauptmotive
der ganzen Aulage gemacht werden, wie das in nicht
wenigen Entwürfen geschehen ist Wir lasseu gern die
Rücksieht auf die nationale Bedeutung des Hauses und die
gerechtfertigte Erwägung gelten, dass der bildnerische und
malerische Schmuck, welcher diese Bedeutung in einer dem
Volksgemüthe verständlichen Weise aussprechen soll, auf
den zum Warten und Promeniren bestimmten Vorplätzen
seine schicklichste Stelle findet. Aber wenn wir denselben
aus diesen Gründen auch eine höhere Stellung einräumen
wollen, als bei jedem anderen öffentlichen Gebäude, so sind
und bleiben sie nach unsrer Ansicht trotz alledem immer-
hin nur Nebenriiume, welche die Wirkung der Haupträume,
in denen das geistige Leben des Hauses sich koiizentrirt,
ästhetisch ebensowenig beeinträchtigen dürfen, wie die prak-
tische Zweckmässigkeit seiner auf kürzeste und bequemste
Verbindungen angewiesenen Benutzung. Bei der maasslosen
Verschwendung, mit der einzelne Konkurrenten in dieser
Beziehung verfahren sind, ist unverkennbar Beides der Fall,
während uns die Möglichkeit einer gleichzeitig monumen-
talen und praktischen Grundrisslösung in jenen Entwürfen
am Besten gewonnen zu sein scheint deren Repräsentation»-
Vestibüle und Treppenaufgänge so augelegt sind, dass sie
gleichzeitig mehren mit einander wohl vereinbaren
Zwecken dienen. Es fehlt freilich auch nicht an Ent-
würfen, die in Bemessung der Kommunikationen unter das
für diesen Fall Würdige hinabgegangen sind. — Einzelheiten
*) Es ist wesentlich die Rücksicht auf diese Skizzen,
durch deren Mittheilung unsere Besprechung für die Fach-
genossen erst ihren eigentlichen Werth erhält , welche uns ver-
anlasst, diesen Artikel langsamer als uns selbst erwünscht ist,
zu fördern. Soweit wir Grundrisse publiziren wollen, können
wir mit dem Bericht und der Kritik über die betreffenden Ent-
würfe nicht wohl vorauseilen. Die Herstellung der betreffenden
Holzschnitte ist jedoch eine so schwierige und zeitraubende,
dass wir für diesmal erst 2 Grundrisse bringen können. Wir
hoffen, den Zeitverlust demnächst durch mehre ausserordent-
liche Beilagen wieder einzubringen.
Digitized by Google
müssen wir an dieser Stelle vermeiden, doch wollen wir
nicht verfehlen, auf das seltsame Missverhältniss aufmerk-
sam zu machen, in welchem bei vielen Entwürfeu die Aus-
bildung des Zuganges für die Loge des kaiserlichen Hofes
zu derjenigen steht, welche den Zugängen für das Publikum
geworden ist. Als Zeugen eines im neuen deutschen Reiche
wir dort
Prachttreppen nnd Vestibül -Anlagen , die den Raum eines
ganzen Gebäudeflügels beanspruchen, wahrend das Volk, das
an der Arbeit seiner Vertreter Thcil nehmen will, sich auf
Kellerkorridore uud Wendeltreppen angewiesen sieht, wie sie
zum Olymp eines kleinen Theaters führen.
(ForUcuung folgt.)
Aas der Thätiglteit der
EL
Allgemeines über Znsammensetzung und Ausrüstung
der Abtheilnngen und über Balm -Zerstörungen.
Die Erfahrungen des letzten Krieges dürften gezeigt
haben, dass bei einer möglichst kleinen Anzahl der Hand-
werker- resp. Arbeiter-Kategorien, aus welchen eine selbst-
ständig agirende Abtheiluug zusammengesetzt ist, die in den
ineisten Fällen nothwendig werdende weitere l'ntertheilung
in Sektionen oder Detachements für bestimmte Einzelarbeiten
sich am Besten bewirken lässt, ohne die anfängliche gleich-
massige Vertheilung der ersteren nach nnd nach aufzuheben.
Es erscheint daher zweckdienlich, alle Handwerker- und
Arbeiter-Klassen ganz auszulassen, für welche nicht dau-
ernde Beschäftigung, sondern nur etwa die Möglichkeit
einer ausnahmsweisen Verwendung in Aussicht steht, dagegen
die unentbehrlichen Klassen so weit untereinander zu Kom-
biniren, als es die Aehnlichkeit der Beschäftigung und die
daraus folgende Befähigung für ein 2. oder 3. verwandtes
Fach zu erlauben scheint. Es weiss dann jedes Mitglied
beim Beginn der verschiedenen Arbeiten gleich, wohin es
gehört, und sind die Offiziere mit den Ingenieuren nicht ge-
nöthigt, bei jedem Abkommandiren langwierige Namens-
listen durchzustudiren, um eine richtige Einteilung der
Mannschaften zu treffen. Das Bestreben, alle denkbaren Ar-
beitsfficher, die an die Hauptthätigkeit der Abteilungen
grenzen, bei der Einstellung zu berücksichtigen, würde als
eine zu weit gehende, die wahre Stärke der letzteren beein-
trächtigende Vorsicht erscheinen.
Hiernach dürften b Handwerker- resp. Arbeiterklassen
sich als nothwendig und genügend ergeben und bei Zugrunde-
legen der Erfahrungen des letzten Krieges etwa nach folgen-
den Stärkeverhältnissen eingestellt werden. Zimmerleute
'/»bis Vt. Maurer, Eisenarbeiter (Schlosser u. Schmiede),
Tunnelarbeiter und Oberba u-Arheiter, jede Klasse zu
etc. ■/. bis Vi der ganzen Truppe, (ilie Modinkation in der
Anzahl je nach dieser oder jener speziellen Voraussichtnahme
näher zu bestimmen).
Von diesen Klassen nehmen vor allem die Zimmer-
leutc in sofern eine geschlossene, nach Aussen mehr unab-
hängige Stellung ein, als sie, wenn mit Hundwerkzeug nnd
Holzmaterial hinreichend versehen, für sich allein im Stande
sind, jede Art von Arbeit ihres Faches ohne Weiteres zu
beginnen, und als sie der Augmentation, sei es durch Heran-
ziehen fremder Kräfte oder der andern Klassen der Abthei-
lung (wenn letztere in eigenen Sachen zur Zeit unbeschäftigt
sind) nur behufs der Handlangerdienste bedürfen werden.
Aehnlich verhält es sich mit dein Maurergdwerk, welches
aber we^en der Nafur der Arbeiten in der Regel in wesent-
lich geringerer Anzahl als erstgenanntes Fach aufzutreten
haben wird. Anders dagegen steht es mit dem Schmiede-
und Schlossergewerk, welchem die mitgeführten Geräthe
(Feldschmieden) nur bei kleineren Arberwh genügen können,
während es beim Herantreten jeder grösseren Leistung (wo-
zu schon die Anfertigung der zahlreichen Schraubenbolzen
etc. für eine Sprengwerks-Konstruktion, noch mehr des Eisen-
zeugs für einen taehwerkträger, ferner die Herstellung der
Weichen, Wasserstationen, Arbeits-Lowrys, Unterhaltung von
Handwerksgeräthen und Werkzeugen etc. gehört) auf die In-
beschlagnahme der Privatwerkstätten in den umliegen-
den Ortschaften wird angewiesen sein. Die Folge davon ist
das Hinzutreten von Zivil-Meistern und Gesellen zur Arbeit,
(mit welchen ersteren über die Vergütung der Arbeitsleistung
ein akkordliches Verhältnis* einzugehen rathsam erscheint),
sowie die daraus folgende Möglichkeit, die Abtheilungs-
Schlosser und Schmiede in geringerer Anzahl und mehr in
einer leitenden und beaufsichtigenden Stellung zur erwähnten
eigentlichen Bauarbeit zu verwenden, den anderen Theil da-
gegen zu dem bei der Feld -Eisenbahn vorkommenden Ma-
schinendienste zu designiren. Derselbe besteht in der
Bedienung der Arbeits -Lokomotiven nnd der Wasserstations-
Puropen, für welche die Abtheilung die Führer und Heizer
zu stellen hat (für letztere jedoch nur in der Zwischenzeit
vor Beginn des eigentlichen Betriebs), und erscheint es da-
her entbehrlich, eine besondere Klasse von Mechanikern
in den Abtheilungslisten zu führen. Unnöthig erscheint fer-
I ner die Einstellung sonstiger Metallarbeiter, als Kupfer-
schmiede, Klempner etc., da deren nur ausnahmsweise
und sehr vereinzelt vorkommende Arbeiten doch in den
Werkstätten der Ortschaften gefertigt werden müssten,
(während für die Arbeit an der Tejegraphenleitung lieson-
dere später zu besprechende Begleiter der betreffenden Be-
amten vorhanden sind.) Was die dem Zimraergewerk ver-
wandten sonstigen Fächer betrifft, so ist bekanntlich jeder
Zimmermann professionsmässig zu den gröberen Schreiner-
Arbeiten befähigt uud daher nicht einzusehen, was die Ein-
stellung besonderer Tischler noch bezwecken sollte, wäh-
rend in ähnlicher Weise durch hinzukommende Stellma-
cher, Böttcher und dergleichen eine unnöthige weitere
Zersplitterung des Hauptfaches eintreten würde. Die Mei-
nung, dass dergleichen für gewöhnlich nicht beschäftigte
Handwerker mit Erfolg in einem andern Fache, mit welchem
sie gleiches Rohmaterial bearbeiten, eintreten könnten, dürfte
nur in wenigen Fällen zutreffen. Zum Zimrnergewerk im
Kriege gehören selbstverständlich die Schiffszimmerleute,
nicht aber, wie es vielfach angenommen worden zu sein
schien, deswegen auch die Schiffsleute, während bei dem
Manrergewerk, welches im Feldzuge in Folge der vielen
gesprengten Brückeupfeiler mehr als wohl anfänglich gedacht
in Tkätigkcit gekommen ist, besondere Steinsetzer, Brun-
nenarbeiter und dergl. ausser Betracht kommen können.
Einer näheren Erwägung bedarf auch die zn wählende
Stärke des Oberbau-Arbeiterkorps, indem letzteres
ganz besonders verschiedene Verhältnisse in Felde antreffen
und mehre Arlteit.sfächer in sich vereinigen kann. Zu-
nächst ist diese Arbeiterklasse dazu bestimmt, das Kontin-
gent für den interimistischen Fahr- und Bahnhofsbetrieb,
bestehend in Weichenstellern, Bahnwärtern, Hülfs-
bremsern etc. zu stellen, da die in der Friedenszeit mit
der Bahnunterhaltung beschäftigten sogenannten Rottenar-
beiter nebst ihren Füiirern in Folge Bedienens der Arbeits-
züge, Vertretens des Wärterpersonais in Krankheitsfällen, so-
wie in Folge ihrer Verwendung als Reserve-llülfsbremser bei
den planmässigeu Zügen selbst etc., durchaus uualifizirt zu
diesem Dienst erscheinen müssen. Demnach bedarf es nicht
] der Einstellung zahlreicherer wirklicher Weichensteller,
I Bahnwärter und Bremser, welche durch ihren Dienst bereits
l längere Zeit von der Handhabung von Schaufel und Stopf-
hacke entwöhnt, nicht immer zur Stärkung der Abtheiluug
bezüglich der Hauptaufgabe, der Herstellung des Oberbaues,
I beitragen würdeu. Noch weniger braucht Bedacht genom-
men zu werden auf Kangirer oder dergleichen Bahnhofs-
! Arbeiter, aus gleichen Gründen wie vorstehend. Wäh-
rend also ein Theil dieser Klasse den vorgenannten Betriebs-
dienst leistet, wird der übrige Theil zu den laufenden
Oberbau-Arbeiten, bestehend in Herstellung aufgerisse-
ner Geleise, Umlegen von Weichen aus den Nebensträngen
in die Hauptgeleise, (wo solche fehlen), Anlage von Lade-
geleisen u. dergl. zu verwenden sein. Hierbei bedarf es zu
den einzelnen Facharbeiten, als das Auslegen der Schwellen
und Schienen, das Anlaschen und Nageln, das Ausrichten des
Stranges etc.. nicht so sehr der grossenAnzahl als vielmehr
der Geschicklichkeit der betreffenden Arbeiter, während die
grössere übrige Zahl der Mannschaften hierbei mehr Hand-
langerdienst, als Aufreissen der Bettung, Heranbringen des
Geleisematerials, Stopfen etc., verrichtet.
Anders natürlich stellen sich die Verhältnisse, wenn die
Aufgabe der Herstellung ganz neuer grösserer B ahn-
strecken gestellt wird, wobei eventuell ein Kombiniren
mehrer AMneilungen, jedenfalls ein Heranziehen grösserer
Arbeitermassen stattfinden muss. Für diesen Fall wird die
Feld-Eisenbahn-Truppe unter Voraussichtnahme einer derar-
tigen grösseren Augmentation auch bezüglich der Ingenieure
und Bahnmeister etc. ihre ständige Friedens- Organisation
wohl nur so weit gehend bemessen können, dass sie im
Stande sein wird, den zukünftigen Kern der erforderlichen
Arl>eitskräfte zu bilden.
Eine sehr schwierige Aufgabe liegt ferner dem zuletzt
erwähnten Fache, den Tunnelarbeitern ob. Es werden
beim Durchfahren eines auf eine längere Strecke verschütte-
ten und von oben nachstürzenden Tunnels Fälle eintreten,
Digitized by Google
- 168 —
wo die Berechnung des Ingenieurs, das Kommando des Offi-
ziers am Ende ihrer Wirkung angelangt sind und wo es
lediglich auf die Erfahrung und Kühnheit einiger weniger
Facharbeiter ankommt, welche im Stande sind, den un-
mittelbaren Erfolg jeder einzelnen versuchten Anordnung
zum Unterstützen furchtbar drohender Felsmassen zu über-
sehen. Hierbei kann es vorkommen, dass von einer mehr
oder weniger geschickten Manipulation, von einem einzigen
Handgriff das Gelingen des ganzen Werks, das Leben einer
Anzahl von Arbeitern und Ingenieuren abhängt, welche sicli
oder wie solche etwa künftig genannt werden sollten, in
noch kleinere, den Kern weiterer Augmentationen bildende
Gruppen stets nach Bedürfniss der einzelnen Baustellen zu
bewirken, so ist doch durch die nothwendigen militärischen
Rücksichten darin eine gewisse Grenze gesetzt, so dass es
z. B. nicht angänglich erachtet wurde, 2 oder 3 Mann oder
gar den einzelnen Soldaten ohne Führung durch einen Unter-
offizier auf längere Zeit und weitere Entfernung zu detachiren.
Nichtsdestoweniger aber« tritt das Erforderniss zu letzteren
heran für die Arbeiter, einzelne Aufseher oder Werkmeister,
j^ARLAMENTS -pEBÄUDE FÜR DEN pEUTSCHEN REICHSTAG.
Entwurf von Strack und Herrmann in Berlin.
Oraadrla« dea Brdg «aekoiaaa.
S«mincr«lra>ee,
Koaigrplata.
~r
w
-r
50
Ti:
Vartkellaag der Emmi.
1 Trnane.
V Haupt VrMibül.
l Kebna-Veatlbal*.
4 Einfahrt».
» Vorhall«.
Ii -17. Itäume für die Mitglieder
des Kolckatagea.
Voraaal.
7 Hlrmnga«aal.
H I'r4.-iil- 1.1 dt« Kolehatagca.
Vortimroer
Hl Kpref-hnmmrr
II «ehriftführer.
Ii' Leartaal.
U KifM.chungalokal» für dl* Abgaord-
nelim.
14 Sprechals
lä Garderoben,
lg Toiletten.
17 KIomu.
18 - 33 Banaa Lokale dea
rletefeilagea.
18 Voralamer.
19 Bureaa - Direktor.
SU Reglatiatur.
»I Kxpadltloa.
» Kanal«!.
13 Karten -Auagabe.
24 Stenographen - Zimmer.
S» Korrcktarenelmmer,
»6 - SS Kaum« für dl* Mitglieder
riet Bandeiralkca.
26 Vorzimmer.
im Vertrauen auf die vorerwähnte Geschicklichkeit Einzelner
in den gefahrlichen Schlund begeben haben. Ob es. stets
gelingen wird, hierzu geeignete militairpflichtige Tunnel-
arbeiter oder dem Bergfache angehörige Beamte aufzufinden
und bei der Trappe einstellen zu können, ist zweifelhaft, und
wird man andernfalls gut thun, solche besonders zu enga-
giren und als Vorarbeiter resp. werkführendc Beamte anzu-
stellen.
Wenn auf vorbeschriebene Weise es nun auch möglich
wird, die weitere Zertheilung der Abtheilungen, '
ST Hitaungaiaal diu Bundeerallii»,
ÄS Oeaeharurlueoa dMeelbea.
Vi Prkaldaat d*f Kai
30 Relchakaniler.
31 Spreckain
33 Toiletten.
90 100
33 KloMta.
34 Zar Wokaaag dea Praaideaten,
Ii Po«.
36 Telegrapk.
37 Portler.
Uebar ». ». 10. 1«. 17. 30 -Vi: K«i»erlkli«
11. U. 13. 1» - », J4 - »9: A
, ». ». 3J — SB: FeatlokaJltätrn.
. 3. 14 aad Mi Zi
Im Oetdügel: Bibliothek.
, Nudarejtnugel : Wohnung dea Flureau - Dirigent«».
, fiordoatdugel : Zur Wohnung de« Präsidenten.
. übrigen Thell: Kommiaaionaiimmer und Arrbie.
welche in letzterwähnter Weise ausgesendet werden und etwa
zweier ständiger Hülfsarbeitcr und Begleiter bedür-
fen. Hierbei kommen vor allen in Betracht die Telegraphen-
Aufseher, welche der Abtheilung oft weit vorauseilen müssen,
um nach Herstellung der elektrischen Leitungen auf der
Baustrecke selber, letztere über die (mit Ansnahmc des
Telegraphen) nicht zerstörten Zw i sehen st recke n hinweg mit
den in Betrieb befindlichen Bahnen in Verbindung zu setzen.
Diesen Beamten ein vollständiges kleines militainsches Kom-
würde nnnöthig die Abtheilung schwa-
Digitized by Google
— 169 —
eben und die Beweglichkeit der enteren dnrek Erschwerung
de« Fortkommens, des Quartiermachens und der Verpflegung
etc. vermindern. Es war daher neben der ständigen mili-
tairischen Arbeitskraft noch das Institut der Vorarbei-
ter gebildet worden, welche die (mit Uniform als Zivilar-
beiter versehenen) ständigen Gehälfen der Bahn- und Werk-
meister sowie der Aufseher sein sollten und dementsprechend
für die 6 Bahnmeister, 7 Maschinen - Werkmeister. 2 Tele-
graphen- und 2 Bauaufseher der Abtheilung bestehen sollten
aus: 12 Schachtmeistern, Rottenführern event Vorarbeitern
gemacht werden können, welche auch einem besseren Bil-
dungsgrade angehören können, (im l'ebrigen selbstverständ-
lich sich als Soldaten betrachten müssen nnd auch dem ge-
wöhnlichsten Handwerks- oder Arbeitsgcschfift sich nicht
entziehen dürften.)
Ul i Auswahl und Einstellung der zur Kompagnie selbst
gehörigen Mannschaften dürften die nicht zu umgebenden
militairischen Rücksichten möglichst in Vereinbarung gebracht
werden mit der Haupt-Anforderung, welche an die Leute als
Arbe iter gestellt wird, beispielsweise bezüglich der 8us-
J'ARLAMENTS-pEBAUDE FÜR DEN JDETJTSCHEN REICHSTAG.
Entwurf von L. Hohnstedt in Gotha.
Oruninil ▼ • B erlten Stockwerk.
Boenmerttrnsee.
KrmlpfiUtl.
| in hui i |
10 0
ll>
4«
ii)
«0
10
I
»0
M
HXi M
V«rth«Hung dar Klima.
1-77 Kaum» Ml die Mitglieder
dt« Reichstage«.
1 Offene VofkllJ« and Haupttreppe.
* Rreter '.'ort ...
3 Gardaroben.
4 Abgeeebloeeeaar Vcrual f. 4. Mit
glleder du KelehlUgei,
i MlM*|MUl.
« VerbindnBgnhalle.
7 Hillen mit Ruheplitirn
5 Sprechiimmer f. it. Belnhiiminnt-
glleder.
9 KrfrlKhor>fMO»J.
10 Büffet,
11 Hallt.
Ii EitKlBogirätict
11 Balkon.
U Leaeaaal
IS FaMag*.
I« Sil« f»r Friküonuiuang«n.
17 Hallen.
18 Alilh.lloegatAle.
I* Kcnr«rpn»lnni>T de* PralldeBtaci.
SO Sprecbllmiaer deeeelbea.
91 Vonirnmer.
K Sehrlfi/uhrrr.
73 Voralmmer.
74 KoramUalonulinaer.
T3 Hall«.
T6 Korridor.
77 Kloeete.
TS 79 B & raau- Lokale de« Rate h»-
tage«.
TS Stenographen.
39 Korrektonlranier. •
SO-II Raum« für die Mitglieder
d«» bnndesralhe«.
30 Siitungaual.
31 Voralmmer.
37 Sprerliiimmer dt« Keichtkaailen.
33 Konferentaimaier da.
34 Vorlimmer do.
33 OeeehaSutimater für den Praejdenlon
da« Kelchekaotlorarata.
XG Vonirnmer de««elben.
37. GeachLfttrlmmer für dl« Buode«-
rath« - Mitglieder.
3S Vorelramer dertelben.
39 fl[iree*i«lmmer Ihr dloaelbon.
40 Vonimaaer da.
41 raaeace.
47—34 Wohnung d«« Pratldeatan
de« Ralcbatagca.
4T Haapttreppe.
43 Voraimeaer.
44 Salon«.
43 Orneaer Feataaal.
46 Hallo tu demeelben,
«7 Balkon.
43 SpeUeeael.
49 Anri"bletlmraer.
3l> Bibliothek oder Blllardilmmer.
31 Kabinet
37 vVohniimmer d«« Praeldenun.
33 Vanablectene rlrhlaf - und Woharturar..
34 Dlanertlmmer.
93—39 Anderweitige Kaum«.
33 Journali«teDzimiuer.
3t! roetbiirean.
37 Telegraphenbüreaa.
3tt Heierre ■ Poetbureau.
37 . Telcirraphenlmrea«.
£0 Hauptkorrloure
61 Treppe f. d balwrl. Hof.
fj . f. d, BundetraUi.
63 Burean- Treppen.
64 llauprreppe an den Silerr
63 Treppen in den Tribun« n.
66 Heilbare Treppen.
87 IJerithöle. '
vntergeacaoaa.
Unter IS. IC. 37 — 3« nnd 36: Arebie und
Büraaut.
. M. !.V 76. 37-41: Wohnung dea
Hareau - Dirigenten.
. 43. 44 4« -34: Znr Wohnung die
Praaldenteta
7 — 17: Leaeteal nnd Ribllathak.
, 1B: KommluiunMlmnirr.
und Cnterbeamten des Bergbaues, 4 Vorarbeitern oder Gesellen
des Schlosser- und Scbmiedegewerks resp. des Maschinen-
baues, 4 Telegraphen- Vorarbeitern und 4 Polirern des Zimmer-
und Maurerge werkes , an wische sich 1 Gehülfe für den
Materialien-Verwalter anschloss.*)
Sollte das Institut im Allgemeinen künftig in beschrie-
bener Weise beibehalten werden, so würde solches durch
eine sorgfältige Auswahl der in jedem Fache tüchtigen Kräfte
weiter gehoben und für den Eintritt von Elementen geeignet
", Kj wird* nicht« im Wege iteben, auch Handwcrkirneister hier elnia-
Mallen, da uroudera. data dla aoaaare Ntellaag ulebt überall dem Blldnngiitaado
da* Klnaelneo entspricht, dl« Krerhtiaurtg dt« lel«l«a Kriege« Im Allgemeinen
«Inen Zadrang tack «• tvlrhrn Stallen ergehen hak
seren körperlichen Erscheinung. Die Erfahrungen des Krie-
ges haben ebenso wie tagtäglich, die Kiinplät7.e des Friedens
gezeigt, dass /.. B. kleine rtfliinüclilige Zimmerleute sieh oft
tlureh Gewandtheit, Ausdauer und Kühnheit auf den Bauge-
rüsten auszeichnen und gerade durch die erwähnte Leibes-
beschaffenheil im Stande sind, in entscheidenden Momenten
wichtige Dienst« zu leisten. Auch für den Tunnelarbeiter
erscheint mit Hinblick auf die im Kriechen oder Liegen aus-
zuführende Kichtstollen-Arlroit die grosse Statur uiclil immer
als ein Vorzug, daher in beiden Fällen von einem prinzip-
tnässigen Zurückweisen derartiger Leute wohl Abstaud ge-
nommen werden möchte. (schj««a folgt.)
Der Artikel .Beitrag zur Verbesserung der Oderschiffuhrt"
in No. 17 dieser Zeitung sollte zeigen, dass es zulässig und etn-
pfehlenswerth «ein würde, bei einer etwa beabsichtigten Kana-
lifirung der Oder statt der Schleusen zum Ersteigen der Wasser-
stufen Stromschnellen anzuwenden. Um die Vorzüge der letz-
teren vor den Schleusen möglichst deutlich zu zeigen, tind dort
durch Vergleiche mit den Berechnungen des Herrn Fessel die
muthmaasslichen Ersparnisse an Bau- und Unterhaltungskosten
und dicZeitersparuisse beim Schiffahrtsbctriube für die Strecke
Cosel - Küstrin ermittelt worden. Es würde aber keineswegs
nöthig sein, dieses kostspielige und den Schiffahrtsbetrieb immer
noch belästigende System auf jener ganzen Strecke zur Aus-
führung zu bringen, sondern etwa von Steinau abwärt« konnte
der Strom wohl auf weniger kostspieligo Weise für die Schiff-
fahrt nutzbar gemacht werden.
Bei Steinau liefert derselbe (Zeitschrift für Bauwesen
1868 Seite 8fi) beim niedrigsten Wasserstand und bei einer mitt-
leren Geschwindigkeit von U.-tT" 1 in der Sekunde "22,4 kb m Wasser.
Das Gefälle betrügt dort ungefähr ',»•••• Vnter diesen Umstän-
den wird die Minimal -Wassermenge bei Steinau schon genügen,
folgendes Profil zu füllen:
«2.13 m 11,4 RU7 HE.M
Denn es führen ab:
1. die Rinne .4 nach der Formel
JP = 2,88 V J t \ lV a . yl = g !95Ub ,„
-'• der Abschnitt B nach der Formel
If'i = 2,425 V 7H Va.jn - «4, ,
3. der Abschnitt C
MM = 2,425 KJ™ V~«- = 5,23 .
4. die Untiefe I)
lf'v = 2,425 KT"- Va.JVi:
Profil
1,70
der
Die Rinne .4 genügt für die zu Thal fahrenden schwer bela-
1 denen Kähne. Die Untiefe D kann für die Flosserei dienen.
Auf .4 und B können sich die zu Berg fahrenden leicht belade-
nen Kähne mit genügender Freiheit bewegen. Endlich hatten
die leer ström aufwärts fahrenden Kähne auf ABC Raum genug
weuu auch nicht zum Laviren, wohl aber mit halbem Winde zu
segeln, auch mit Hülfe der Untiefe D umzudrehen. Obiges Profil
genügt hiernach massigen Ansprüchen und kann natürlich bei
jedem weiteren Wasserzufluss bequemer gemacht werden. Es
kommt also nur darauf an, dem Bette diese Form zu geben.
Zu diesem Zweck dürfen natürlich nicht Buhnen angewendet
werden. Denn durch Buhnen würde bei so bedeutender Ein-
schränkung nur eine Kette von kleineu, durch Wasserfälle ver-
bundeneu Teichen geschaffen werden, welche eben so schwierig
zu befahren als zu unterhalten sein würde. Der Fluss muss
vielmehr durch ein starkes Parallelwerk in eine Fahrt und in
eine Flut h rinne gestalten, in der ersten muss das oben an-
gedeutete Profil künstlich geschaffen und erhalten, die Fluthrinne
aber muss bei niedrigen Wasserständen In der Nähe grosserer
Ortschaften und in Entfernungen von 20 bis 30 Kilometern durch
Nadelwchre abgeschlossen werden. Vor den Webren muss in
dem Parallelwerk jedesmal eine Lücke gelassen werden, um die
inzwischen aufgesammelten Seitenzuflüsse aufzunehmen und um
für die Schiffahrt erweiterte Hafenplätze zu beschaffen. Bei
diesem gemischten Kanalisirungs- und Regulirunga-Svstcm wird
unzweifelhaft die Unterhaltung der Fahrt mehr Schwierigkeiten
verursachen, als der Bau derselben.
Zar Erleichterung der Unterhaltung muss das Bette der
Fuhrt theilweise befestigt werden durch Kies- oder Steinschüt-
tuiieen, durch Steinptlasterungen oder durch Schwellen von
Seukfaschincn. Hauptsächlich aber muss bei der Anlage dahin
gewirkt werden, dass von den durch das Hochwasser in Bewe-
gung geratheueii Siukstoffen möglichst wenig in der Fahrt ab-
gelagert werden kann. Geschieht dies und wird bei dennoch
eintretenden Versandungen der Fahrt rationell nach der Ursache
geforsrht und dem entsprechend Abhülfe geschafft, dann wird
es wohl gelingen, Baggerarbeiten, welche Anfangs unvermeidlich
sein werden, nach und nach entbehrlich zu machen. Ueber die
vorzüglichsten Maassregeln, welche die Unterhaltung der Fahrt
zu erleichtern geeignet sein würden, und über die Kosten des
hier empfohlenen Systems später vielleicht ein Mehreres.
22,32 kb"
Oppeln, Mai 1872.
Albrecht
Mitteilungen
OeatcrrelohiBoher Ingenieur- und Architekten -Verein
eu Wien.
Wochen Versammlung am 9. Dezember 1871. (Schluss.)
Herr Architekt und Diuzesan -Baurath A. Prokop spricht
über den Rechtsbestand des Hof fmann'scheu Ringofen-Privile-
gtums. Nach einer historischen Einleitung über die Ziegelfa-
brikation im Allgemeinen und die Veränderungen, welche die-
selbe durch den Maschinenbetrieb und die Erfindung von Oefen
mit koutinuirlicher Feuerung und kcmtiiiuirlichom Betriebe er-
fahren hat, erörtert derselbe eiugeheud die Bedeutung, welche
die durchgängige Einführung der letzteren speziell für die Um-
gegend Wiens haben würde. Die gegenwärtige Jahreg-Produktiou
dieses Gebietes ist auf c. 400 Millionen Stück zu veranschlagen,
wovon jedoch nur 130 Millionen in Ringöfen gebrannt werden;
es werden daher allein hier alljährlich 1 •/« bis 2 Millioneu Ztr.
Kohlen, im Werthe von mindestens l'i Millionen Gulden nutzlos
vergeudet, — eine ungleich grössere Summe selbstverständlich
im ganzen Umfange der Monarchie.
Der Vortragende folgert daraus, dass es eine direkte Pflicht
des Staates gewesen wäre, eine nationalökonomisch so wichtige
Erfindung zum Gemeingute zu machen, anstatt sie zum Monopol
werden zu lassen, dem man freiwillig eine Verlängerung ge-
währte.
Er giebt sodann eine Uebcrsicht der verschiedenen Ziegel-
ofensysteme, die sich wie folgt gruppiren lassen.
1) In Bezug auf die Brenndauer in intermittireude und
koutiiiuirliche.
2) In Bezug auf die Bewegung des Feuers in solche mit
Fix- und in solche mit Wanderfeuer.
3) In Bezug auf die bauliche Anlage resp. Grundform des
Ofen kanals in einzelne Oefen, in Schlauch- oder Kanal-
öfen und in eigentliche Ringöfen, welche letztere sich
wiederum in solche mit Kammern und in solche mit un-
geteiltem Ofeokanal unterscheiden.
4) In Bezug auf die Art der Feuerung in solche mit
Unter-, Seiten- oder Oberfeueruug.
Der erste Rang unter allen wird unbedingt dem Hoffmanu-
r-ehen Ringofen zugesprochen, Hoffmann selbst das Verdienst,
il-n in den vierziger Jahren «leichzeitig in Deutschland, England
und Frankreich erfundenen Ringöfen in den sechsziger .'ahren
allgemeinen Eingang verschafft und sie zu besonderer Vollen-
dung gebracht zu babeu. Denn dass Hoffmann in der That als
der .erste, einzige und wirkliche Erfinder* der Ringöfen zu be-
trachten sei, bestreitet der Vortragende im Anschlüsse an die
Krörterungen von Gottgetreu und Matern nicht allein mit
Rücksicht auf die Entscheidung der Preußischen Patent -Kom-
mission, die dem Arnold'schcn Ofen die Priorität zuerkannt hat,
aus Vereinen.
sondern auch durch den Versuch des Nachweises, das» alle
Wesenheiten des Ringofens schon vor der Patenterteilung durch
öffentliche Druckwerke- bekannt gewesen seien. (Dass
letzteres nicht der Fall sei und die Erfindung im Inlaudc
nicht in Ausübung stehe, ist die prinzipielle Vorbedingung für
Patent-Ertheilungen in Oesterreich) Dieser Versuch wird in
eingehendster Weise unter wörtlicher Zitirung der betreffenden
Zeitschriften oder Werke und unter spezieller Vorführung der-
jenigen Oefen mit knntinuirlicbem Betnebe unternommen, welche
schon vor Uoffmann's Patent bekannt waren; es sind die Oefen
von Arnold (1S39), Weberling (1840), Gibbs (1840 resp. 56),
Pt-clet (1843), Broguiart (1844) und der Maüle'&chc Ofen zu
Villencuve le <Roi (1857), welche neben dem Uoffmann'schen
Riugofen in seiner ältesten und neueren Fora hierbei erörtert
und dargestellt werden.*)
') Wir können auf diese Beweisführung, die den Spezialisten
zum Theil schon aus den vom Vortragenden benutzten (Ji.elleu
resp. aus dem Abdrucke des Vortrages in der Vereinszeitschrift
bekannt sein dürfte, hier nicht näher tingehen, wollen jedoch —
trotz strengster Unparteilichkeit in der Sache — nicht verhehlen,
dass wir sie als überzeugend nicht anerkennen können, weil da-
bei völlig ausser Acht gelassen ist, ob die betreffenden Ideen
auch ausgeführt sind und wie sie sich bewährt haben. Wenn
tH-ispielswvise schon die einfache Aeusserung jener älteren Druck-
schriften, da*s der Ofen von Weberling .eine sehr vorteilhafte
Ausnutzung des Brennmaterials gestattet." oder dass bei dem
Ofen von Demiuuid .die Wärme bestmöglichst benutzt wird"
aU einer der Beweise dafür gelten soll, dass die im Hoffmann'-
schen Ofen erreichte Wärmeausnutzung nicht neu sei, so ist die«
sicherlich ziemlich schwach. ^Dass die Erfindung des Uoffmann'-
schen Ringofens nicht aus dem Nichts entstanden ist, sondern
auf die parallelen Bestrebungen nach Möglichkeit »ich gestützt
hat und durch dieselben angeregt wurde, kann wohl als selbst-
verständlich angenommen werden, aber so lange Patente beste-
hen, wild deren Nutzen unter vielen Glcichstrebenden doch
immer nur dem Glücklichen zu Theil werden können, dem es
gelingt, das Ziel ihres gemeinsamen Trachtens und Strebens als
Erster zu erreichen und über Ideen und Vorschläge hinaus zu
wirklichen Erfolgen zu gelangen. Eine sprechende Kritik der
erwähnten Beweisführung ist übrigens darin enthalten, dass die
Petition, in welcher der Oesterreichischo Ingenieur- und Archi-
tekten-Verein demnächst die Aufhebung des UoffmaDn'schen
Patents für Oesterreich beantragt hat, dieselbe gänzlich unbe-
rücksichtigt lässt und sich ausschliesslich auf die formellen
Gründe der Ungültigkeit jenes Patents stützt. Die Aufhebung
des Patentes aus diesen Gründen ist, wie wir hier antizipireud
Digitized by Google
— 171
Folgert der Vortragende hieraus, dass einerseits die llaupt-
bestandtheile des Riugofens — der endlose in sich wiederkeh-
rende Ofenkanal — die Absnerrbarkeit dessclbeu — der Rauch -
alwugsapparat, — endlich die ganze Art und Weise des konti-
nuiruchen Betriebs schon vor der Patent-Ertbeilung an llofTtnann
bekannt gewesen seien und erklärt er demzufolge die letztere
als ungerechtfertigt, so führt er neben diesen technischen Grün-
den gegen die Gültigkeit des Privilegiums noch mehre formelle
an. l>as Patent ist gegen die Bestimmung des Gesetzes, dass
eine im Auslande gemachte Erfindung zunächst im Auslände
patentirt sein müsse, («reits früher ort heilt worden, als das
Gleiche in Preussen geschah: jedenfalls muss nach diesem Zu-
sammenhange die Aufhebung des preussischen Patentes auch
das österreichische alteriren. Der nothwendige Beweis, dass
das Privilegium innerhalb des ersten Jahres nach seiner Er-
theilung in Ausübung gebracht sei, stützt sich lediglich auf
eine unbestimmte Zeugenaussage. Dasselbe wurde nach Ab*
lauf einer Frist von 2 Jahren bereits für erloschen erklärt
und igt erst nach einem fünfjährigen Zwischenraum erneuert
worden. Die den beiden Privilegien zu Grunde liegende Be-
schreibung ist mangelhaft, d. h. nicht so klar abgefasst, dass der
eigentliche Gegenstand des Privilegiums deutlich erkennbar
wird. Endlich ist die Voraussetzung erfüllt, dass ein Privile-
gium aufgehoben werden soll, wenn dessen Ausübung mit öffent-
lichen Rücksichten in Widerstreit tritt. Der Redner schlieft
damit, dass es bei diesem Thatbestande Ehrensache sei, mit
allen Kräften gegeu den Rechtsbestand des Hoffmann'schen Pri-
vilegiums iu Oesterreich zu wirken.
W ochenversammlung am in. Dezember 1872; Vorsitzen-
der Hr. Oberbrtb. Fr. Schmidt, anwesend 226 Mitglieder.
Hr. Ingenieur Fr. Bömches hält unter Vorlage zahlreicher
Pläne einen Vortrag über die Steingewinnung für die unter
seiner Leitung stehenden Hafcnbauten zu Triest (Wir werden
bemerken, bereits entschieden. Desgleichen ist dieselbe durch
das Urtheil letzter Instanz auch für Italien unumstößlich ge-
worden, letzteres unter der charakteristischen, jedoch leider nahe-
liegenden und unter den obwaltenden Verhältnissen nicht ganz
ungerechtfertigten Motiviruug, dass lloffmann um deshalb als
der Erfinder des Ringofens nicht zu betrachten «ei, weil er auf
alle gegen ihn erhobenen Beschuldigungen still geschwiegen
habe.
Vermischtes,
Die Arbeitseinstellungen im Berliner Ba.ugewe.rko sind
im Wesentlichen als beendigt anzusehen, und zwar ist dies gün-
stige Resultat schneller erreicht worden, als man zu hoffen
wagte. Wenn das Vorgehen der Meister auch nicht von Seiten
aller Bauherrn Billigung fand, so war die Stimmung des Publi-
kums demselben doch im Allgemeinen günstig. Wichtiger noch
war es. dass die Mitglieder der den Schnlze-Dolitz'sehcu Prinzi-
pien anhängenden Ortovoroine der Maurer und Zimmerer es dies-
mal wagten, sich von der Masse ihrer unter sozial-demokratischpr
Führung stehenden Kameraden zu trennen. Verhandlungen, die
zwischen ihnen und dem Bunde der Meister eingeleitet wurden,
führten zur Bildung eines provisorischen Einigungsamtes, von
dem demnächst neue Arbeitsbedingungen (im Wesentlichen iden-
tisch mit den bereits von der Meisterschaft aufgestellten) fest-
gesetzt wurden, und sodann zu dem Beschlüsse der Wiederauf-
nahme der Arbeit mit soleheu Gesellen, welche diese Bedingun-
gen anerkennen würden. Die Zahl der Gesellen, die demzufolge
im Laufe der vorigen Woche wieder in Arbeit getreten sind,
wird auf 2300 geschätzt.
Berathungen, die in einer grösseren Versammlung des
Bundes der Meister und mchrer Bauherrn und Bauiutcresscnteu
gepflogen wurden, haben Priuzipien aufgestellt, nach denen nun-
mehr ein definitives Einigungsamt gebildet werden soll. Das-
selbe soll zerfallen in zwei Delegationen, von denen die eine
aus 10 bis 18 zu gleichen Theilen von Arbeitgebern und Arbeit-
nehmern gewählten Vertrauensmännern besteht und den eigent-
lichen Parteienstand des Einigungsamts darstellt, während diu
andero, aus zweiStadträthcn und drei Stadtverordneten besteheud,
die von den städtischen Behörden ernannt werden, das Schied»-
amt im Einigungsamte bildet. Die zu gleichen Theilen aus Ar-
beitern und Arbeitgebern bestehenden Vertrauensmänner be-
rathen die jedesmalige Streitfrage unter einfacher Assistenz der
Mitglieder des Schiedsamtes und führen die angestrebte Eini-
gung — wenn möglich — selbstständig herbei. Kur für den
Fall, dass eine Einigung zwischen beideu Parteien uicht erzielt
werden kann, tritt das Schiedsamt iu Berathung und entscheidet
endgiltig als Obmann. Alle durch die Einigungsämter verein-
barten Normativbestimmungen bezüglich der Lohntarife und der
Arbeitsverhältnisse sind für beide Theile so lange maassgebend,
bis sie vom Eiuiguugsamte aufgehoben, atigeändert oder ergänzt
werden; sie bilden daher den zwischen Arbeitgebern und Arbeit-
nehmern allein giltigen Arbeitsvertrag und werden zu diesem
Zweck öffentlich zur allgemeinen Kenutniss gebracht
Wir wollen aufrichtig wünschen und hoffen, dass der er-
rungene Erfolg, den die Meisterschaft der glücklich erzielten
Spaltung unter dun Gesellen verdankt, der Anfang einer Wieder-
kehr friedlicher und geordneter Zustände im Berliner Bauge-
werke sein möge und dass es duu Anstrengungen der bisher
tonangebenden Partei, die sich selbstverständlich nunmehr noch
steigern werden, nicht gelinge denselben nichtig zu machen.
auf denselben in unseren Referaten aus der Fachliteratur zu-
rückkommen.)
Hr. Zivil -Ingenieur Tb. Obach spricht über den Rohren-
Damplkessel von Faukach & Freund in Landaber« a. d. W.
vi o c h e n v e r s a m ni I u n g am 23. Dezember 1 872. Vorsitzen-
der Hr. Oberbrth. Schmidt, anwesend Uj'J Mitglieder.
Die augesetztu Monatsversammlung muss ausfallen, da diu
statutenmäßig erforderliche Mitgliederzahl fehlt. Hr. Direktor
Stammer, K. von TraunfeU spricht über die von ihm ge-
machte Erfindung des Hämmerns res«. Fressens von flüssigem
Stahl. Es bilden sich bei der Fabrikation von Gusstahl stets
innere Blasen, welche nnzusammenhängende Stellen erzeugen;
das bishur übliche Verfahren, die Fabrikate, namentlich Bleche,
nach dem Erkalten uuter abermaliger Erwärmung zu schmieden,
hat sich nicht bewährt, da die im Innern der Blasen gebildete
I Oxydschicht ein Zusammeuschweissen unmöglich macht; wohl
aber ist dieses durch die betreffende Erfindung möglich geworden.
Beim Pressen von Kanonenrohren ergiebt sich dos Resultat, dass
sämmtlicho Gussblasen im Innern des Blocks sich zusammen-
I drängen, was für die spätere Bohrung von grossem Vortheil ist.
Hr. Architekt Prokop beginnt sodann einen Vortrag über
die Baugesellschaftcu des Mittelalters nnd der Gegenwart, der
in einer späteren Sitzung fortgesetzt werden soll.
Ein von 17 Vercinsmitgliedern eingebrachter Antrag regt
die Bildung eines Konnte« zur Bcrathuog der Frage an, ilurrh
; welche Mittel uud Wege der Verein die Beseitigung des ge-
meiuschädliehcu Hoffmann'schen Ringofen -Privilegiums austre-
beu könne.
Architekten verein zu Berlin. Die erste Sommer-Exkursion
des Vereins, welche Donnerstag, den lü. Mai, uach Brandenburg
a. d. Havel gerichtet wurde und vorzugsweise der Besichtigung
der dortigeu Backstein-Baudcnkmale galt, wurde leider schon
durch den Hindus* des nahen Pfingstfestes beeinträchtigt Nur
33 Mitglieder nahmen an derselben Theil. Unter der trefflichen
I Führung der Brandenburger Fachgenossen wurden am Vor-
' mittags das Steinthor, die Katharinenkirche, das Rathhaus, das
Mühlthur, der Dom mit der Peterskapelle und das Rathenower
Thor besichtigt, am Nachmittage der altberühmte Marienberg
erstiegen und die Nikolai-, Johannes- und Paulskirche besucht ;
letztere allerdings nur von einem kleinen Theile der durch die
] Anstrengungen des Tages ermüdeten Gusellschaft
Es wird dies um so eher der Fall sein und das Vertrauen
zwischen Arbeitgehern und dem soliden Theile der Bauarbeiter
I wird um so schneller sich befestigen, wenn diu ersteren ihren
I Sieg mit Mässiguug benutzen und bedacht sind, in welcher Weise
sie die Interessen ihrer Arbeiter fernerhin noch enger au die
ihrigen fesseln können. Vielleicht bleibt in dieser Beziehung
die Anregung, zu welcher wir vor Kurzem uns verpflichtet
fühlten, doch nicht ganz vergeblich.
Aus der Fachliteratur.
Allgemeine Banzettung, redigirt von A. Köstlin, Verlag
von R. Waldheim iu Wien. Jahrg. 1871.
B. Aus dem Gebiet des Ingeuieurwesens.
6. Historische Uebersicht über die technische
] Entwickelung der Brücken in Stein und Holz uud
deren Ergebnisse für die Wahl ihres Konstruktion*-
systems und Baumaterials, von Dr. F. Heinzerling.
Dieser Aufsatz, welcher als Ergänzung der Abhandlung:
.Historisohe Uebersicht über die Anwendung des Eisens zu
Brückcnbauteu- (im Jahrg. 18W9 der allgemeinen Bauzeitung)
dienen soll, könnte mit letzterer zusammen als eine Geschichte
des Brückenbaues bezeichnet werden, und ist, da er eine bisher
wenig jbearbeitete Aufgabe mit Gründlichkeit zu lösen bemüht
ist, eine verdienstliche Arbeit. Zu bedauern ist nur, d*ss es
nicht möglich war, die beschriebenen Konstruktionen durch —
wenn aucn noch so einfach» — Skizzen anschaulich zu machen.
7. Theoretische und praktische Anleitung zum
Entwürfe und zur Ausführung schiefer Ziegel- und
Quaderbrücken-Gewölbe, einschliesslich der für dieselben
durchzuführenden Konstruktion ,der Anlaufsteine. Von Ober-
inspektor Ferdinand lloffmann.
Der Verfasser hatte mehrfach Gelegenheit, schiefe Brücken
aus Ziegeln und Quadern auszuführen, und fand dabei, dass die
' diesen Gegenstandtbehandelnden technischen Schrifteu nicht cr-
i schöpfend seien. Seine eigenen weitergehenden Studien über
] schiefe Ziegelgewölbe veröffentlichte er bereits im Jahre 1845.
[ Die Studien über schiefe Quadergewölbe konnten aus verschie-
denen äusseren Veranlassungen erst jetzt erscheinen. Dabei
' sind mit Benutzung der inzwischen geniachteu Erfahrungen auch
die Ziegclgcwölbc einer nochmaligen Bearbeitung unterworfen,
und so eine vollständige sehr umfangreiche Arbeit über schiefe
Gewölbe entstanden.
8. TJeber den Bau der definitiven Waagbrücke
nächst Tornocz in Ungarn. Von Ober - Ingenieur Heinrich
Schmidt.
Bei dem in den Jahren 1847 und 48 erfolgten Bau der
Eisenbahn von Pressburg nach Pest wurde diu Waag mit einer
' hölzernen Brücke versehen. Diese wurde jedoch noch vor Er-
t Öffnung der Bahn, im ungarischen Kriege, am 21. Juni 184!)
I niedergebrannt Nach Herstellung des Friedens baute man, in
{ der Absicht, eine massive Konstruktion zu errichten, zunächst
| von Neuem eine provisorische Uolzbrücke 12" stromabwärts vou
Digitized by Google
tivc
3 mit der A
erst im Oktober
konnte.
Bich über die Durchflussweite nicht hatte einigen
können, wurde die Brücke nur in der von der Eisenbahngcsell-
scbaft für nöthig erkannten Weite aus Stein und Eisen herge-
stellt, und erhielt in dienern Thcil 8 Oeffnungen a 30,03 m Lirht-
weite. Hieran schloss man, mit der Aussicht, nach erfolgter
Regulirung der Waag einen Erddamm an die Stelle setzen zu
können, einstweilen eine hölzerne Fluthbrücke von 18 Oeffnungen
mit zusammen 177 ■ Lichtweite.
Der Baugrund bestand aus «ehr feinem Sand, der weiter
unten mit blauem Tegel gemischt war und in einer Tiefe von
13 bis 15" auf reinem Thon lagerte. Zur Fundirung der mas-
siven Pfeiler wurden innerhalb uniBChliessendor Spundwände
Pfähle gerammt, auf dieselben (ohne Anwendung eines Rostes)
eine Belonschüttung gebracht, darüber die Baugrube ausgepumpt
und die Pfeiler autgemauert
Der Beton wurde aus Granitschlägelschotter mit hydrauli-
schem Kalk von Kuffstein in Tirol und Sand aus dem V lussbett
hergestellt Das Mischungsverhältnis* war dem Volumen nach:
1U 1 heile Sand, *J Thcilo hydraulischer Kalk und ,3t> Theilo
Schlägelschotter.
Der Fuss der Strompfcilcr wurde durch eine Steiusehüttung
gesichert. Das Mauerwerk bestand aus lagerhaften Grauitbrucbstei-
nen. Die Verklcidungsquadern sind thcils Sandsteine, theils ver-
schiedene Sorten von Kalksteinen, welche sich auf der Strecke
Marchegg-Pest bereits im Besitze der Bahn vorfanden.
Der, nur eingelcisig ausgeführt« 1 L'eberbau wird durch zwei
schmiedeeiserne Träger gebildet, auf deren oberen Gurtungon
die hölzernen Querschwcllcn unmittelbar aufliegen- Auf die
ganze Lange der Brücke kommen drei kontinuirliche Träger-
paare, und zwar so, das» zweimal drei und einmal zwei Oeff-
uungen zusamiueiigefasst werden. Die Gurtungen haben Tför-
migen Querschnitt, die Gitterstäbe sind _f\_ Eisen. Bei der
Anordnung der Querschnitte hat das lobenswerthe Streben nach
Einfachheit vorgewaltet Doch ist man darin wohl ein wenig
zu weit gegangen, da an einzelnen Stellen unbeschadet der
Sicherheit hätte gespart werdeu können. Auch entspricht es
dem hierzulande lieblichen nicht ganz, dass die Träger sowohl
bei den losen als den festen Auflagern in der ganzen Breite der
2,20" starken Pfeiler unmittelbar auf den Unterlansplatten liegen
und bei Temperaturwechsel darauf gleiten.
Die Kreuzungsstellen der Gitterstübe wurden kalt genietet.
Der L'eberbau wurde an einem L'fer zusammengenietet und
nicht nur über die Pfeiler, sondern auch über sämmtliche Joche
der hölzernen Fluthbrücke hinweggezogen. Dabei kuppelte man,
um bei den nur über zwei Oeffnungen reichenden Trägern kein
Gegongewicht anbringen zu müssen, dieselben interimistisch mit
der einen dreifeldrigeu Abtheilung des Uebcrbaues zusammen.
Nach Vollendung de« Bauwerks wurden sorgfältige Belastungs-
proben angestellt und die Resultate mit den theoretisch ermit-
telten Durchbiegungen verglichen. Die hierauf bezüglichen No-
tizen werden ausführlich mitgetheilt
Ueberhaupt geht der Aufsatz, sowohl was Beschreibung der
Brücke als was Baugcscbichte anbelangt, sehr ins Detail und
bietet manche interessante und lehrreiche Einzelnheiten für das
Spezialstudium.
9. Regulirung der VTildbfiche und Wasserrissc
auf der Wasserscheide der lglava. Von Ingenieur M. Pollitrc.
Die Linie Brünn-Grussbach-Wicii der österreichischen Staats«
cisenbahu- Gesellschaft durchschneidet, wo sio in das Thal der
lglava hinabsteigt, ein lehmiges, von tief eingerissenen W'asser-
läufen durchzogenes Gelände. Auf eine Strecke von fast 600"
fiel die günstigste Bahntrace sogar mit einer der im Sommer
allerdings trockenen Wasserrinnen zusammen- Es waren also
zwei zur Bahn parallele Kanäle herzustellen, die seitlichen Zu-
flüsse durch Sperrmauern gegen das Bahnplanum abzusc bliessen
und die neuen Kanäle schliesslich mit sehr steilem Gefälle dem
weiteren Verlauf der ursprünglichen Wasserrinno wieder zuzu-
führen. Die zum Schutz gegen das Wasser auszuführenden Ar-
beiten waren nach der Beschaffenheit des Bodens i-ehr verschie-
den. Einfaches 0,15» starkes Trockenpflaster wechselt daher
mit ca. 1 ■ starken Mauern in Zement Auch mussten an ein-
zelnen Stellen noch eingerammte Pfahlrcihen und starke Herd-
mauern zur lJülfo genommen werden.
10. Die Korrektion der Mündung des Neckars in
den Rhein. Vun Ingenieur M. Honsel!.
Mannheim, einer der wichtigsten süddeutschen Handelsplätze,
bietet für den Ingenieur ein hervorragendes Interesse durch eine
Menge badeutender Bauanlagen, die theils vollendet sind, theils
für die nächsten Jahre bevorstehen. Zu den ersteren gehören
die im Jahre 18CU ausgeführte Korrektion der Neckar-Mündung
und der dieser Arbeit vorhergegangene Durchstich für den
Rhein unterhalb Mannheim (der sogenannte Friesenheimer
Durchstich). Der Khein sorpentinirt auf der Strecke, wo er die
Grenz« zwischen Baden und Baiern bildet, ganz ausserordentlich.
Dies hatte nicht allein enorme Verheerungen durch Hochwasser,
sondern auch eine progressiv zunehmende Erhöbung des Strom-
bettes von Jahr zu Jahr zur Folge, welche die anliegenden Orte
in Zukunft ernstlich zu gefährden drohte. Es wurde daher 1825
eine Konvention zwischen Baden und Baiern geschlossen, um
den Lauf des Rheines zu rektitiziren und so dem Hochwasser
Gelegenheit zum schnelleren Abfliesscn zu geben. Eine Anzahl
grosserer und kleinerer Stromkrümmen wurde mittels Durch-
Die
ausbiegung unmittelbar unterhalb Mannheim. Hier
Lei tk anal von 18™ Breite ausgehoben, welchen der demnächst
hlncingeleitete Strom erweitern sollte. Dies misslang indes«,
und erst 1838 wurde ein zweiter Versuch gemacht, welchen man
durch theilweise Einengung der Einmündung des alten Rhein-
armes mittels einer Sackfaachincuschwelle unterstützte. Im Jahre
1601 kam es endlich so weit, da->s der Durchstich den Thalweg
des Rheines aufnahm. Den alten Rhein nun verlanden zu lassen,
war nicht anfänglich, weil in ihn an seinem oberen Ende der
Neckar mündete Auch konnte man ihn ans verschiedenen
Gründen nicht als eine Fortsetzung des Neckarlaufe* beibehal-
ten. Mau musste sich vielmehr entschliessen , den Neckar mit-
tels zweier kleinerer Durchstiche, zweimaliger Durchdunuuuug
des alten Rheins und einmaliger der alten Neckarmündnng auf
möglichst kurzem Wege in den neuen Rhein hineinzuführen.
Der alte Rhein soll fortan als Flosshafen dienen und an seinem
oberen Ende vom Neckar aus durch eine Flosssrhleuse zugäng-
lich sein, wahrend er am unteren Ende nach dem Rhein zu
natürlich offen bleibt.
Die Durchdämmungen wurden als Faschinenbaue ausgeführt
Ihre Herstellung war der Heftigkeit der beiden in Frage kom-
menden Ströme wegen eine schwierige und gefahrvolle. Die
sehr
Auf gaben
eii ötröme wegen eine schwierige und geianrvone. ine
gemachten Erfahrungen sind in der vorliegenden Arbeit
sorgfältig aufgezeichnet, und werden bei Lösung ähnlicher
iben mit grossem Nutzen zu venrertben sein. W. IL
Eine Konkurrenz für Entwürfe zu einem Schulgebäude
in Greiz wird vom dortigen Gemciudcvorstand, durch welchen
auch das Spezialprogramm zu beziehen ist, bis zum 1. August
<L J. eröffnet Ausgesetzt sind zwei Preise im Betrage vou 400
resp. 200 Thlr.; als Preisrichter werden die Hrn. Professor
Lurae (Berlin), Architekt L'ipsius (Leipz.) und Laudbaumeister
Oberländer (Greiz) fungiren. Die Bedingungen entsprechen
Nachrichten.
Deutsches Reich.
Ernanut: Zu Wasserbau -Bezirks -Ingenieuren in
Lothringen: der Königl. picu&s. Marine -Ober -Ingenieur a. D.
Deymann zu Mühlbausen für den Wasserbau - Bezirk Mühl
hausen; der Königl. preuss. Baumeister Kessler zu Dieuze für
den Wasserbau-Bezirk Saargemüud; der Kgl. preuss. Baumeister
Schlichting in Metz für den Wasserbau -Bezirk Metz; der
Grossherzoglicb badische Ingenieur Eberbach in Colmar für
den Wasserbau -Bezirk Neu -Breisach: der Kgl. preuss. Bau-
meister Thiem in Strasburg für den Wasserbau- bezirk Stras-
burg (Rhein); der preuss. Kreis-Kommunal-Baumeister Doell
in Saarburg für den Wasserbau- Bezirk in Saarburg.
Der Ingenieur Köhren in Straesburg ist zum kommissari-
schen Uülfsarbeiter des Wasserbaudirektors und zum Wasserbau-
Bezirks -Ingenieur für den Wasserbau-Bezirk Strasburg (Ka-
näle) bestellt.
Preussen.
Ernannt: Der Eisenbahn -Baumeister Lex zu Brilon zum
Eisenbahn - Bau- uud Betriebs- Inspektor an der Ruhrthalbahu.
Der Baumeister Güntzcr zu Hillesheim in der Eifel zum Ei-
senbahn-Baumeister bei der Hannoverschen Staatsbahn in Uelzen.
Verliehen: Dem Wasserbau - Inspektor Hermann zu
Hanau der Charakter als Bauratb.
Die Bauführer-Prüfung haben bestanden: Philipp Luy-
ken aus Arnsberg; Theodor Oehmcke aus Liebmühl; Alexander
Benedict Pelizaeus aus Rietberg; Rudolph Spindlcr aus
Weimar.
Die Baumeister-Prüfung hat bestanden: Paul Hofmann
aus Peitz.
Brief- und Fragekasten.
Herrn R. F. in G. 1) Einen dauerhaften Oelfarben- An-
strich auf Zink erlangt man, wenn man die anzustreichende
Oberfläche mit verdünnter Salzsäure so weit ätzt, dass sie die
ursprüngliche Glätte verliert ; dies gilt besonders bei dem unter
der Walze sehr glatt hervorgegangenen Zinkblech, während der
Zinkguss meist eine solche Oberfläche besitzt, auf welcher der
Farbenanstrich ohne künstliche Mittel haftet Nach dem Aetzen
muss die Säure mit vielem Wasser sorgfälti
— 2) Dass die Moll'sche Metallpappe in
gekommen sei, ist uns nicht bekannt.
Berichtigung. In Xo. 15 u. Bl. ist in dem Artikel:
.Neue Erfahrungen in dem Pausverfabren mit lichtempfindlichem
Papier* die frühere Mittheilung des Hrn. Dr. Vogel, an welche
dieser Nachtrag anknüpft, als in No. 2 anstatt in No. 3 befind-
lich angegeben. Wir berichtigen diesen Druckfehler nachträg-
lich, weil er zu einem höchst komischen Irrthum Veranlassung
gegeben hat. Die „Dinskurcn" des Herrn Dr. Max Schasler
drucken nämlich unter dem Titel „Ein neues Pauspapier" mit
jenem Artikel in No. 15 und als zu demselben gehörig, die in
No. 2 enthaltene, lediglich buchbinderische Manipulationen be-
handelnde Notiz „Leber das Aufziehen von Pausen" ab, ohne
seltsamer Weise zu merken, dass beide Schriftstücke auch nicht
den entferntesten Zusammenhang haben.
HC ton C.rl Hol.lt Ig ;
tob Q.brüa.r Fl.k.rl la
Digitized by Google
Jahrg. Tl. M 22.
DEUTSCHE BAUZEITUNG
Ealaktiaa a. XsptdiU«:
SarUn. OnafcMl/WM Kl.
BaataUuagaa
»bmich««» ilM r*iltn>U]Ua
Organ des Verbandes
deutscher Architekten - und Ingenieur-Vereine. T
Eedakteur K. £. 0. Fritscb.
In. «rata
fkr 41« Inn dir dnUchaa
laatrllaof. flaa«« Aafnakiaa
ttj CraUi-StUata:
!Uo- Anzeiger"
nprrl«: S'/t
Preis 1 Thaler pro Uuar t iL
Berlin, den 30. Mai 1872.
Erstheiat Jeden Baaaentag.
Inhalt: Bakaaataoacliani: d«a VarnaiiU«. dtuUrh.r Architekten- bbi! In-
t*altar-V«rHM. — Au» aar Thaluik.lt dar dauUchaa FaldcUaabaJin-Abthallun
tan IX. (Wlua) - Dia K.oiafr.i.. lar KatwAtfa .um ILuaa da. dauuck«.
Halehaugaa. (Fortaatiung.) — Zur Barllnar V«rk*hr»fr*gt>. — mithallaag.n
■H Vnralnan: Oeatarrniehl»ch.> Inganiaar- und Arcbltakua-Varaia. - Areal
t.kua-V.reln ib Barlin. — Paraonal-Kaehrtebtan atc.
Verband dentseher Architekten- and Ingenienr-Yereine.
Den Statuten des Verbandes entsprechend, wird unmittelbar vor der auf den 23. bis 25. September d. J. anbe-
raumten Versammlung deutscher Architekten und Ingenieure zu Karlsruhe die Versammlung der Abgeordneten des Ver-
bandes deutscher Architekten- und Ingenieur- Vereine Statt finden, für welche zunächst die Tagesordnung festzustellen und
zwei Monate vorher bekannt zu machen ist. — Die dem Verbände angehangen Vereine werden daher hierdurch aufge-
fordert, diejenigen Gegenstände, dereu Berathnng durch die Abgeordneten -Versammlung sie für nöthig halten, baldmöglichst
beim unterzeichneten Vorstande anzumelden.
Als Gegenstände der Berathung liegen bereits ausser geschäftlichen Angelegenheiten und der Aufnahme neuer
Vereine vor: ein Antrag des Architekten- und Ingenieur -Vereins zn Hamburg auf Abänderung von §§. 23 und 24 des
Statuts; Feststellung der Geschäfts-Ordnuug für die Abgeordneten -Versammlungen; Antrag an die Versammlung zn Karls-
ruhe, in Zukunft die Wauder-Veraammlungen als General-Versammlungen des Verbandes abzuhalten; die Angelegenheit
wegen Schutzes des geistigen Eigenthums und des Musterschutzes, wegen Einführung bautechnischer Spezial- Gerichte und
die Aufstellung von Normen für die Honorirung der Arbeiten im Gebiete des Iugenieurfachs. Es wird endlich Beschluß
zu fassen sein über die Grebenau - v. Wagnerschen Vorschläge zur einheitlichen Bezeichnung der in der Hydrometrie
vorkommenden Grössen, (vergl. Deutsche Bauzeitung, Jahrg. 1871, No. IG), wozu ein Antrag des Bauraths Koeder einge-
gangen ist, diese Berathung auf alle Gebiete des Bauwesens auszudehnen, um die Unsicherheit in der Anwendung zahl-
reicher Ausdrücke zu beseitigen, wie z. B. „Schleuse, Siehl, Untiefe, Geschoss, Stockwerk etc. Die Vereine wollen daher
auch diese Frage in Erwägung ziehen-
den 28. Mai 1872. Der Vorstand des Verbandes- deutscher Architekten- und Ingenieur- Vereine.
QuasBowski. Blankenstein.
Ais der Thätigkeit der
IX.
Allgemeines über Zusammensetzung und Ausrüstung
der Abtheilungen und über Bahn-Zerstörungen.
Die Organisation der Abtheilungs - Beamten ltetreflVnd,
so sind die Anfsichts - Beamten vorstehend ihrer Zahl nach
bereite angeführt worden, und blieb etwa zu bemerken, das»
für die Zeiten, wo die Oberbau- Arbeiten gegen die Brücken-
und Tunnelbauten etc. zurückstehen, die Zahl der Bahn-
meister etwas zu überwiegend gegen die der Bau-Auf-
seher erscheint und zu Gunsten der letzteren eine Vermin-
derung erleiden dürfte.
Das Rechnungswesen, bestehend in der Verwaltung
besonderer Baukassen, Bezahlung der Zulagen an die Pioniere,
der Löhne an die Zivilarbeiter, der Gehälter an die Beam-
ten, der Baar-Vergütungen für Arbeiten nnd kleine Liefe-
rungen, Ausstellung von Requisitionsscheinen nnd Bons
für grössere Rohmaterialien - Lieferungen, späterhin auch
Einrichtung eines vollständigen eigenen Verpfle-
gungs - Wesens etc. , erleidet in den Fällen der
weiteren vollständigen Trennung einer Abtheilung die
Modifikation, das« jeder Theil zeitweise eine besondere
Kasse zu führen hat. Das Verpflegungswesen wurde bei
längerem Aufenthalte in kleinen Ortschaften schliesslich da-
hin eingerichtet, dass die nach bestimmtem Plane in der Um-
gegend requirirten Vorrftthe in Pausch und Bogen den Maires
der letzteren zur Vertheilung direkt an die mit Einquartie-
rung belegten Einwohner übergeben wurden, wodurch
eine Menge sonst zur Vertheilung oder gar Zubereitung der
Speisen zu verwendenden militärischen nnd Arbeiterkrüfte
der Bauarbeit erhalten blieb.
Die baulcitenden Oberbeamten betreffend, so erschien
ein Assistenzbaumeister für jeden der beiden die Sektion
leister nicht ausreichend und
auf 2, also für die Abtheilung
als 5. zeitweise der Ober-
sein wird (bei Hcrstellungs-
wurde die Zahl
im Ganzen auf 4
arbeiten, wo derselbe durch sein Fach nicht völlig be-
schäftigt wird).
Eine gründliche Erwägnng, unter Berücksichtigung der
voraussichtlich an zutreffenden Verhältnisse, wird beim Aus-
bruche eines Krieges jedesmal die Ausrüstung der Feld-
eisenbahn-Truppe mit Geräthen und Materialien
erfordern, da der Erfolg oft wesentlich davon abhängt und
das nachträgliche Ergänzen der Vorräthe nicht immer hin-
reichend möglich ist. So dürfte sich zunächst die Versor-
gung einer jeden getrennt und für sich agirenden Sektion
mit einer ständigen Lokomotive als nothwendig her-
ausgestellt haben, und zwar von einer Art, dass dieselbe
sich womöglich zum Transportireu auf der Landstrasse eiguet
und noch einige andere Vorrichtungen zum Feldgebrauch
aufnehmen kann. Es wäre wünschetiswerth, wenn die jetzt
viel verbreiteten kleinen Tender - Rangir - Maschinen zum
Uel>ertransportiren auf eine abgeschnittene Bahnst recke
Bedürfnis« eingerichtet werden könnten, da das eigens
Transport von Maschinen über Land erfundene Fuhrwerk au
und für sich zu beschwerlich sein wird, um noch besonders
mitgeführt werden zu können. Für eine solche Lokomotive
würde der Fall, das« zeitweise mit Holz gefeuert werden
müsste, vorzusehen sein, da beim Vordringen der Abtei-
lungen auf Vorfinden von Steinkohlenvorräthcn nicht immer
gerechnet werden kann, während wohl auch die Vorrichtungen,
das Einfrieren bei Winterkälte wenigstens so lange wie
möglich zu verhindern, vervollkommnet werden möchten,
da eine solche Maschine oft längere Zeit auf kleinereu Sta-
tionen oder offener Strecke übernachten muss. Aber auch
für den Fall, dass unter günstigen Verhältnissen und auf
ununterbrochener Schieuciibahn vorgedrungen werden kann,
erscheint die Mitnahme gut gebauter nicht benutzter Ma-
schinen von vornherein dringend nothwendig, da durch das
Entlehnen derselben von den Betriebs -Verwaltungen — wenn
solches überhaupt von Erfolg — öfter nur alte unbrauchbare
Exemplare erzielt werden, welche eine allen Zufallen
gesetzte, der Mittel zu Reparaturen fast ganz entbehi
ganz entbehrende
Digitized by Google
— 174 -
Feld-Eisenbahn-Abtheiluug gewiss am allerwenigsten gebrau-
chen kann. Einen Artikel oer häufigsten Nachfrage bildeten
im letzten Kriege femer die elektrischen Apparate, da
die Feld-Eisenbahnen genüthigt waren, die Hauptstationen
ihrer Strecke bereits mit solchen zu versehen, und erscheint
die Mitnahme einer grossen Zahl Exemplare von vornherein
geboten und thunlich, da dieselben keinen grossen Kaum
einnehmen, die ansehnlichen Kosten aber von den Betriebs-
verwaltungen, welche die Apparate behalten, übernommen
werden müssen.
Dahingegen wird in dem Mitführen aller grösseren und
schwereren Materialien, besonders was Oberbausachen
Itetrifft, mit Vorsicht verfahren werden müssen, da der Train
für eine halbe Abtheilung, besteilend aus den Hölingen
Personen-, Pferde- und Equipage- Wagen, dem gewöhnlichen
Depot und einigen Wagen für Holzmaterial, einer Kamme,
Kprcngpulver u. dergl., Itcreits eine Lange erreicht, dass der-
selbe auf Gebirgsstreckcn ohne Vorspann nicht mehr fort-
gebracht werden kann, (ausserdem auf zwisehentlichen Land-
marsch gerechnet werden muss). Man wird daher die Mit-
nahme von Oberbau - Material auf einiges Kleineisenzeug
So sehr nun auch den meisten dieser Anforderungen,
beispielsweise durch einen eisernen, aus kleineren Längen
zusammenzuschraubenden Träger würde genügt werden kön-
nen, so wird letzterer doch schwerlich die Bedingung ad 2
erfüllen, denselben oder seine Theile mit den einfachsten,
dem Bahngebiete zu Gebott? stehenden Mitteln jederzeit in
Feindesland herstellen zu können, wenn der Vorrath zu
Ende geht.
Als ein Versuch, welcher besonders jener letzteren An-
forderung galt, möge der in der nachfolgenden Zeichnung
dargestellte Träger hier aufgeführt werden, welcher in ähn-
licher Weise (die Zeichnung enthält einige nachträglich für
gut erachtete Abänderungen) als Vorrathsstück von der
Sektion I der Abtheilung 4 in Chaumont angefertigt worden
ist- Zu den Diagonalstreben nnd vertikalen Hängeeisen sind
gewöhnliche Bahnschwellen und alte Schienen
(lelzere symmetrischen Profils behufs Durchstecken» durch
die 30 breiten Geleiseschwellen-Köpfe) benutzt, während
die Gurtungen aus 31 X -'> "" starken Balken in Stücken
nicht über L3J25" lang, die Querkreuze und unteren Zangen
ebenfalls aus Bahnschwellen bestanden. Jedoch würde
Gitterträger für Ftldoiienbahnbrüeken.
-- ij,isi»(c»jstü:k)
•--i-u» ry*(MimiSTücn)
Tt w .rl.u' ne\
beschränken (z.B. die überall brauchbaren Hakennägel) und
besonders auch auf Weichentheile , Zungen, Herzstücke um-
soniehr verzichten, als dieselben in der Kegel doch an Ort
und Stelle nicht einzupassen sein werden. Die Herstellung
der herausgenommenen oder zerstörten Weichenstränge in
den Bahnhofs-Hnuptgeleiseii kann durch Entnahme der Stücke
aus den Kuhengelf isen geschehen, während gewöhnliche
Schienen und Schwellen, auch das Kleineisenzeug überall
vorlindlirh ein werden (letzteres nöthigenfalls durch Theile
eines anderen Systems zu ersetzen). Eine fernere Frage ist,
welche fertig vorgerichtete Brückenträger- Konstruktio-
nen*) mitzunehmen sein würden, wobei folgende Anforde-
rungen zu stellen wären: 1. Leichtigkeit, Zerlegbar-
keit und einfache Verladuugsweise. 2- Möglichkeit, den
Träger verlängern und verkürzen und auch mit einfach-
sten Mitteln im Felde ganz neu uud schnell herstellen zu
können. 3. Schnelle und möglichst gefahrlose Auf-
stellung.
•l E* t..-<Urf <ttr IJin»ci>une k»om, d«i »iit*r für »i>r»rhi«H»»(i VrrliiltniM«
il*r Hv. n r.|i;-m»i* annipaucuilrn fri-llm»''»'!» VwrirhlMj nur durrh ring
horijonUl» K». -rc, rl. K»ii»truktli>a wird gemuTt »rrdrn krumta. Ab«fwli»B vo«i
diwra V„ t ,, ljC , ,„ii durcli Obru»t*lMlul« «In |>rlmi|iMk-r Vo.»i»(. Mw. iir«rniiber
4« m.rroricfrki.Ki.u.iMiktU.M!!. dir cr»l«i«B lil.rd.rch Dicht iu ( nproebe»
bei der Vorausanfertigung sowie im Falle, wo im Felde die
Materialien nicht so äusserst beschränkt sind, die Diagonalen
aus besonderem Halbholz und Bohlstücken, die Hängestaugen
aus Kund- oder Bandeisen (welches Material in Ortschaften
mittlerer Grösse überall leicht zu halten sein wird) fertigen,
wodurch die ganze Konstruktion leichter zu machen ist. Die
Versatzungen für die Druckstreben waren Itehufs der Zerle«-
barkeit ohne Verzapfung und so angeordnet, das« letztere nach-
träglich von den Stirnseiten aus zwischen die einzeln aufge-
brachten Gurtbalken eingescholten werden konnten, während
es zwar nicht unbedingt uöthig aber unbedenklich erschien,
die Schwelleuköpfe behufs leichteren Einsetzens der äusseren
Hängeschieuen aufzuschlitzen. Mit Rücksicht auf leichtere
Aufstellung, etwa noch mit Hülfe einfacher längerer Rüst-
bäume, wie solches in No. 10 dies. Blattes l>esehrieben wor-
den ist, dürfte die bei Bemessung der Höhe zu Grunde
gelegte freitragende Maximalweite für derartige Normalträger
auf IS— DJ- beschränkt werden, da darüberhinaus kompli-
ziere Rüstungen wohl nicht mehr zu entbehren sem
werden.
Hat man es mit grösseren Spannweiten von 22— 2j"'
zu thun, so zeigteu viele Fülle zerstörter, nicht hergestellter
Brücken, dass es auch hier nicht so schwer gewesen wäre.
Digitized by Google
diese Weiten durch neu zu schaffende Stützpunkte einzu-
schränken, wie z. B. bei zerstörten Landöffnnngen mit
Hülfe von Ufermanern der Leinpfade, innerhalb von Strom-
Oeffnungen aber unter Benutzung von Mnuertrümmera oder
besonders einzurammenden Pfahljoehen u. dergl. (wodurch
jfdoch einzelnen besonders ungünstigen Baustellen der Vorzug
der Anwendung grösserer Spannweiten nicht abgesprochen
werden soll). Ein solcher Tragpfeiler 1 , wie er ebenfalls in
der Zeichnung dargestellt ist, wird daranf einzurichten sein,
durch nachträgliche Auskragung die freitragende Weite noch
beschränken zu kennen, ja nach dem Maasse, als bei der
Probebelastung die Durchbiegung sich herausstellt. Wegen
des möglichen Eintrittes einer grösseren derartigen Senkung,
welche selbst bei den einzelnen Oeffnnngen ein und derselben
Brücke ganz verschieden ausfallen kann, wird stets die Vor-
aussicht nachträglicher Verstärkungen stattfinden müssen.
Nachdem im Vorstehenden sowie in den vorausgegangenen
Artikeln verschiedener Arten jvon Bahnzerstörnngen speziell
Erwähnung gethan worden, möge es noch vergönnt sein,
einige allgemeine Erfahrungen über letztere hinzuzufügen,
sowie ferner über das zweite, bisher noch nicht besprochene
Kampfmittel des Feindos, die Bahnstrecken durch bauliche
Zurüstungen in Verteidigungszustand zu setzen. Die
Brückenzerstörungen dürften wohl überall, wo die nöthigen
Minenkammern vorhanden waren, durch Sprengung der
Tragpfeiler, nicht derGewölhe- oder Eisenkonstruktionen
bewirkt worden sein, wodurch die'doppelte Wirkung erwuchs,
das« auch die Widerlagspunkte für die künftige Frsatzkou-
struktion vernichtet und die auf Vorhandensein der letzteren
basirenden leichten und zweckmässigen Sprengwerks - Kon-
struktionen (wie solche in den bei Beginn des Krieges den Ab-
iheilungen mitgegebenen Normalien vorgesehen waren) leider
nur seltener angewendet werden konnten.*)
Bei grösseren Eisenbahn - Brücken mit kontinuirlichen
Trägem genügt die Sprengung eines der Mittelpfeiler, um
den ganzen Oberbau ins Wasser zu werfen, da letzterer sich
nach beiden Ufern hin hebt und dabei, oder beim Herunter-
fallen! durch Anstossen auch die nicht gesprengten übrigen
Mittelpfeiler in weitere Stücke zerbricht. Noch einfacher
ist begreiflich die Zerstörung von Hängebrücken, deren einige
(Wegebrücken über einen Strom und Schiffabrtskanal) zu rekog-
nosziren ebenfalls Gelegenheit gegeben war. Die aufgefun-
denen Minenkammem der gewölbten und eisernen Brücken
waren auf ihren Dockelsteinen mit dem Zeichen G. M. (genie
militaire) und der Angabe der zu verwendenden Sprengla-
dung bezeichnet, und wiederholte sich einige Male ein und
dieselbe Grösse der letzteren, z. B. 150 obschon die Di-
mensionen der Bauwerke sehr verschieden waren. Ueber die
Zerstörungen in den Bahneinschnitten (gesprengte Damm-
schüttungen, die hauptsächlich wohl nur in Moorgegenden
zur Wirkung treten würden, sind wohl nicht vorgekommen),
der freien und Bahnhofsgelcise, der Telegraphenleitungen ist
betreffenden Orts bereits gesprochen worden ; mit den Wasser-
Klations-Maschincn war man gelinde verfahren und hatte ge-
wöhnlich nur einen kleineren Maschinentheil, etwa ein
kupfernes Ventil oder dergl. herausgenommen.**)
Dabei hatte man meistenteils in der Eile des Rück-
zugs noch nicht einmal daran gedacht, die kolossalen, an
beiden Bahnhofsenden befindlichen zylindrischen Wasser-
reservoire oder diejenigen der Lokomotivschuppen leer laufen
zu lassen, so dass bei dem zahlreichen Vorhandensein solcher
Stationen und der sehr bald ermöglichsten Herstellung der
Pumpen es den Lokomotiven wohl seltener an Wasser ge-
fehlt haben wird.
Als das wirkungsvollste Zerstörungsraittel hat sich, wie
bereits mehrfach besprochen, das Sprengen einzelner
1 tiunols gezeigt, und war allerdings das okknpirte Land mit
seinen den Flötzformationen und jüngeren Gesteinsbildungen
angehörigen Bergen das richtige Terrain, um solches in um-
fassender Weise zur Anwendung zu bringen. Nicht überall
würde das Mittel in gleicher Weise zuverlässigen Erfolg er-
warten lassen, da es z. B. in festeren Eruptiv-Gestcinen und
den älteren sedimentären Bildungen zwar ähnlich gelingen
könnte, das Tunnelprofil mit gesprengten Felsmassen auszu-
füllen, jedoch der Erfolg trotzdem nur ein geringer und nicht
*) Del d«n fraatütipehen Cba uaeee b r ü c k * n ecbclncn im Allgemeinen
ill« Minenkamrncrn «u fehlen: beobachtet wurde eine derartige brücke, bei weither
die Gcwolbcacneitel dnreh Aufgraben Wo. gelegt (glclebiolll* Barrikade) und mit
einer Reih« von Bohrlöcher« für die Ladung Teraebaa eich fanden. Warn» nicht
Anwendung von Dynamit?
-) Kln aolch*. Stück wnrde einmal von einer glücklichen B|>umaa* der
Kompagnie tief Im Brunnen eeritMkt wieder aufgefeinden, eingewickelt in ein
Paar mächtige, ebenfalla dorthin getuchtei* Wa..er,tlefel.
: nachhaltiger sein würde, wenn nicht gleichzeitig das han-
gende Gestein im Scheitel bis in grössere Bergestiefe hinein
in seiner Schichtung gelockert und zum permanenten Nach-
rutschen gebracht worden wäre. Es würden sich dem ent-
sprechend für die verschiedenen Eisenbahnen oder, wo ein
und dieselbe Bahn sehr verschiedene Gebirgsformationcn
durchschneidet, für die einzelnen Tunnels derselben verschie-
dene Klassen der nachhaltigen Zerstörbarkeit im Voraus auf-
stellen lassen.
Was die auf okkupirten Bahnen 'entgegenstehenden
passiven Widerstände betrifft, (von welchen der nachhal-
tigste eine verschiedene Spurweite der Geleise sein würde
und bekanntlich nicht Statt hatte) so ist beispielsweise in
einem früheren Artikel d. BL in No. 12 des vorigen Jahrg..
die Schwierigkeit beschrieben worden, welche das bedeutend
niedrigere Tunnelprofil für die Aufstellung von (Hilfskon-
struktionen in denselben hatte. Ein anderes Erschwernis»
bildete das geringe Muass vieler französischen Wagen-Dreh-
scheiben, welches die letzteren für eiueu grossen Theil der
mit längerem Kadstande versehenen deutschen Güterwagen
unbenutzbar machte und die Notwendigkeit hervorrief, neue
Ladevorrichtungen anzulegen.
Aber auch für das zweite Widerstandsmittel des Feindes,
eine Eisenbahn nicht nur zu zerstören sondern auch dieselbe
zu vertheidige n, war Gelegenheit geboten, die dazu ge-
troffenen Zurüstungen genauer in Augenschein zu nehmen.
Hierbei dürften die zahlreichen Fälle, wo Bahndämme als
Vertheidungsliniengedient haben oder wo in umgekehrter Weise
die einen Festungs-Rayon durchschneidende Dammschüttung
sich vollständig kasemattirt fand nnd dem Belagerer zum
Angriff gedient hatte u. dergl., nicht mehr in das Gebiet der
vorliegenden Besprechung gehören, dahingegen zu erwähnen
sein, wie Bahnhöfe mittlerer Grösse in kleine Forts ver-
wandelt worden waren. Beispielsweise fand sich das Sta-
tionshaus mit dem auf dersellien IVrronseite liegenden
Güterschuppen durch vollständige Pallisaden-Reihen (aus
Bahnschwellen bestehend) verbunden, welche mit gedeckten
Eingängen versehen waren. Die Fenster de« ersteren waren
zugemauert, die Thoröffuungen des Güterschuppens ebenfalls
nochmals mit Bahnschwellen verrammelt, beides unter Be-
lassung von Schiesscharten, während die Innenräume mit
ringsherum laufenden erhöhten Pritschen, zum Fenern aus
den Schiesscharten (auch zum Schlafen) dienend, versehen,
im L'ebrigen alle Stockwerke, auch die Dienstwohnungen,
ausgeräumt resp. ausgeraubt waren. Die Umgegend der Sta-
tion zeigte ähnlich behandelte oder gänzlich demolirte Privat-
gebäude nnd umgehauene Baumreihen, welche über die An-
fahrtsstrassen hingestreckt, die Passage hemmen sollten, im
Verein mit zwischendurch angebrachten, aus aufgeworfener
Erde bestehenden und mit aufgerissenen Pflastersteinen be-
kleideten Barrikaden. Der sich wiederholende Anblick sol-
cher Bahnhöfe war somit ein kläglicher und mit der ge-
wohnten Zierlichkeit und Sauberkeit, wie sie die französischen
Stationen sonst zu zeigen pflegen , iu all zu argem Wider-
spruche stehender, und musste derselbe um so mehr Bedauern
erregen, als aus der näheren Betrachtung, sowie aus einge-
zogenen Erkundigungen meist zu entnehmen war, dass die
beschriebenen weitläufigen Zurüstungen beim Herrunnahen
unserer Truppen gar nicht vertheidigt worden waren. —
Hiermit möge eine Reihe von Darstellungen geschlossen
werden, die von der Thätigkeit eines bestimmten Theiles der
Feld-Eisenbaho-AbtheLungen, welchem der Berichterstatter
durch ununterbrochene neunmonatliche spezielle Leitung an-
gehört hat, ein Bild entwerfen und aus den gemachten
Beobachtungen die Erfahrungen für die Zukunft schöpfen
sollten. Es bedarf wohl kaum des Hinzufügens, dass letz-
tere nicht den Anspruch der Allgemein - Gültigkeit überall
erheben sollen, da die bis an die äusserste Grenze eines aus-
gedehnten Okkupationsbezirks zerstreuten Abtheilungen viel-
fältig sehr verschiedene Verhältnisse ihres Wirkens angetroffen
haben müssen. Sollten daher einzelne Darstellungen dieses
oder der vorausgegangenen Artikel nicht durchweg in glei-
cher Weise zutreffend befunden werden, so würde es um so
Wünschenswerther erscheinen, wenn die Reihe der sämmt-
lichen seit Beendigung des Krieges ergangenen Veröffent-
lichungen von betreffender Seite, wo solche noch fehlen,
fortgesetzt und zu einem derartigen Abschluss gebracht
würde, dass schliesslich ein allgemein gültiges Gesammt-Kc-
sultat der für die Zukunft zu Grunde zu legenden Erfah-
rungen gewonnen werden könnte.
St. Johann a. d. Saar.
Vieregge.
Digitized by Google
Die Konkurrenz für Entwürfe zum
Reichstages.
|F .M.f'n.i:.; }
Von entscheidender Wichtigkeit für die ganze Grund-
rissgestaltnng int jedenfalls die Ausbildung des grossen
Sitzungssaales. Da die Mehrzahl der übrigen Räume mit
ihm in organischer Beziehung stehen rouss, so ist für die
Disposition derselben nicht allein die Lage, sondern auch die
Form des Saales von Einfluss. Letztere aber darf, wie
dies bei allen Räumen, die für bestimmte, durch die Tradi-
tion geregelte Handlungen benutzt werden — bei Kirchen,
wie bei Theatern — der Fall ist, keineswegs willkürlich ge-
wählt werden, sondern soll das charakteristische F.rgebniss
dieser Benutzungsart sein. Leider ist die parlamentarische
Tradition noch eine so junge, die Anfgabe eines monumen-
talen Parlamentshauses eine so selten gestellte und je nach
Zusammensetzung der verschiedenen Repräsentativ -Körper-
schaften eine so vage, dass eine typische Saalform als die
anerkaunt zweckmässigstc sich noi-h nicht behauptet. Aus
der Art und Weise der parlamentarischen Vorgänge eine
solche zu entwickeln, ist wohl Sache des Architekten und
darf von Seiten der Volksvertreter, denen die Beziehungen
zwischen Idee und Form nicht eben geläufig zu sein pflegen,
schwerlich ein Vorschlag hierfür erwartet werden. Es ist
zu bedauern, dass die Konkurrenten fast ausnahmslos auf
einen solchen Versuch verzichtet halten. Wohl finden sich
die lnaunigfaltifisten Variationen der Grundform des Saales
vor — neben dem Oblong und Quadrat verschiedene Poly-
gone, der Halbkreis mit gerader Verlängerung, der Kreis und
die Ellipse — aber diese Variationen sind zumeist ganz äus-
serlicher Natur und hervorgegangen aus der Idee des archi-
tektonischen Aufbaues, nicht ans der durch die Benutzung
bedingten inneren Einrichtung des Saales. Für die letztere
ist einfach die im provisorischen Reichtagsgebäude getroffene
Anordnung, wonach der Bundesrath zu beiden Seiten des
Präsidiums seiue Sitze erhält, adoptirt worden: denn die
unseres Wissens ciuziee Ausnahme, wonach die Tribüne des-
selben an der einen Seitenwand angebracht ist, und die ver-
einzelten Fälle, in denen die Plätze des Bundesrates ganz
und gar vergessen, in denen sie vor oder hinter die Sitze
der Abgeordneten oder endlich gar in eine der Logen ver-
legt siud, können der überwältigenden Majorität gegenüber
kaum in Betracht kommen, l ud doch ist nach unserer
Ueberzeugmig jene provisorische Anordnung durchaus nicht
als die beste anzuerkennen, verbindet vielmehr mit ihren
Vorzügen so viele Nachtheile und ist so wenie geeignet,
einen charakteristischen Ausdruck für die Verhältnisse des
deutschen Reichstages zu geben, das« wir sie ungern in mo-
numentaler Weise verewigt sehen möchten. Dt eine einge-
hende Erörterung der schwierigen Frage jedoch kaum in
den Rabmeu dieser auf das vorliegende Material der Kon-
kurrenz angewiesenen Besprechung gehört, so müssen wir
uns vorbehalten, auf dieselbe späterhin selbststündig zurück-
zukommen.
Einen ziemlich verschiedenartigen Charakter haben die
einzelnen Saal- Anordnungen trotz dieser L'ebereinstimmung
im Grundprinzip einerseits durch die Disposition der Sitte,
andererseits durch die Art der Logenbildnng erhalten. In
räumlicher Bemessung der ersten sind eiuige Konkurrenten
wohl zu weit gegangen, so dass ihre Säle Dimensionen er-
hielten, die den im Programm verlaugten Flächeninhalt und
die Grenzen praktischer Zweckmässigkeit entschieden über-
schreiten. In mehren Entwürfen ist der Saalfussboden an-
nähernd horizontal, was eine Uebersicht beschwerlich macht
und den Eindruck erweckt, als solle zeitweise auch eine an-
dere Beuutzung des Saales ermöglicht werden, in anderen
steigt dersellte mit hohen Staffeln auf, wie in einem Zirkus.
Die Logen sind zum Theil frei in den Saal hineingebaut,
so dass die räumliche Wirkung des letzteren um ein Nam-
haftes sich steigert, 2um Theil durch Stützenreihen von ihm
geschieden , zum Theil eudlich treten sie als üeffnungen in
geschlossenen Wandflächen zur Erscheinung. Der theater-
artige Eindruck , den solche Anordnungen mehrfach zeigen,
ist selbstverständlich ein um so stärkerer, wenn nicht nur
eine, sondern zwei über einander liegende Logenreihen den
Saal umziehen, was wir für eben so unstatthaft wie über-
flüssig halten. In der Ausbildung der für den kaiserlichen
Hof und die verbündeten Fürsten bestimmten Loge ist wohl
ebenso häutig ein Zuviel wie ein Zuwenig- zu konstatiren.
Abgesehen von der. deutscher Sitte ganz fremden, in den
meisten englischen Entwürfen auftretenden Disposition dieser
Loge im unteren Saalge.sc hosse hinter der Tribüne des Prä-
sidenten finden wir das Erste in Entwürfen, die derselben
einen Raum angewiesen haben, der die Entwicklung der
übrigen, regelmässig benutzten Zuhörerräume benachteiligt,
während das Letzte wohl dann der Eall sein möchte, wenn
dieselbe sich zwischen den anderen Logen ganz und gar ver-
steckt und nicht einmal durch die Lage in einer der
Haupt axen ausgezeichnet ist. Wenn wir hierbei sofort
der zu den Logen gehörigen Nebenräume gedenken,
so besteht in dieser Beziehung zwischen der Berücksichti-
gung, welche den Hofkreisen und Diplomaten etc. und in
der, welche dem „Publikum* geworden ist, dasselbe Miss-
verhältniss, welches wir schon bei Erwähnung der Zugänge
rügten, doch haben andere Konkurrenten in würdigster und
angemessenster Weise auch für die Bequemlichkeit der
grossen Zuhörerschaft gesorgt, Dass die Zimmer der Jour-
nalisten sehr häufig ganz ausser Verbindung mit deren
Loge liegen, ist wohl durch das Programm verschuldet, das
dieselben in einer Verbindung aufführt, welche die Notwen-
digkeit dieses Zusammenhangs weniger klar erkennen lässt.
In einer anderen Beziehung steht die Anlage der Logen
zu der Ausbildung der Gänge, welche den Sitzungssaal zu
umgeben halben, um die Kommunikation der in demselben
beschäftigten Personen, Abgeordnete, Bundesrathsmitglieder,
Stenographen, Huissiers etc., nach allen Seiten hin zu er-
möglichen. Freilich ist die Nothwendigkeit eines solchen
Umgangs nicht von allen Konkurrenten anerkannt worden
und liegen hierin merkwürdige lrrthümer vor. — Die monu-
mentale Stattlichkeit des Hanses bedingt es, den Korridor
konform mit den anderen Räumen, also in voller Geschosshöhe
auszubilden, während die praktische Brauchbarkeit der Tri-
bünen eine sehr viel niedrigere Ij»gc derselben wünschens-
wert macht. Die beste Lösung dieses Konfliktes haben
jedenfalls diejenigen Konkurrenten erreicht, welche den Raum
uuter den Tribünen anderweitig (zur Anlage der Garderoben
etc. oder als zum Saal gehörigen inneren Umgang) benutzt
und jenen Korridor um eine Zone hinausgerückt haben,
Weitaus die Meisten haben ohne Bedenken entweder die
Tribünen zu hoch oder jeden Korridor zu niedrig angelegt,
während der letztere zugleich in sehr vielen Fällen dem
Schicksale höchst mangelhafter Beleuchtung verfallen ist.
Von den zum Saal gehörigen Nebenränmen erwähnen
wir zunächst die Geschäftsräume für den Bundesrat und
das Präsidium des Hauses. Für die Disposition derselben
ist die Anordnung der Bundesraths- und Präsidenten-Tribüne
anf einer und derselben Seite des Saales entschieden nicht
sehr günstig nnd vermögen wir demzufolge nicht eine einzige
der vorliegenden Lösungen als völlig gelungen anzuerkennen.
Es liegt sehr nahe und ist mehrfach versacht worden, die
Geschäftsräume des Bundesrates, welcher auch bei voll-
kommener Harmonie der gesetzgebenden Faktoren eine vom
Reichstage scharf gesonderte, ihm gegenüberstehende Körper-
schaft bleibt, zu einer in sich geschlossenen und begrenzten
Baugruppe zn vereinigen. Eben so nothwendig ist es jedoch,
diese Räume in allemnmittelbarste Nähe des Sitzungssaales
zu verlegen: ja wenn die Ausbildung der Kommunikationen
in einem Monumentalbau und die der Tribünen es nicht ver-
böte, so möchte den betheiligten Persönlichkeiten, nament-
lich denjenigen ßnndesrathsmitgliedem, welche nicht eigene
Geschäftszimmer haben, sondern auf die gemeinsamen Räume
angewiesen sind, eine Verbindung Wand an Wand, wie im
alten Ahgeordnetenhause zn Berlin, die erwünschteste sein.
Beides zu vereinigen ist unmöglich, wenn das Präsidium des
Hanses, das selbstverständlich ganz gleiche Berechtigung
hat, die gleiche Berücksichtigung finden soll; es ist daher
das Etablissement des Bnndesrathes nnd ebenso das des
Präsidiums in viel zu weiter Entfernung vom Saale angelegt
oder die erwünschte Geschlossenheit des ersteren ist aufge-
geben worden und sind die einzelnen Zimmer — einige
natürlich auch in viel zu grossen Entfernungen — im Grund-
rissvsteme vertheilt worden, so gut es eben ging. In keiner
Beziehung sind übrigens so unglaubliche Irrtümer vorge-
kommen, wie in der Anordnung dieser Räume; es liegen
Entwürfe vor, bei denen dieselben nicht allein vom Saale,
sondern auch von einander weitab in die verschiedenen
Stockwerke zerstreut worden sind. Nicht minder übel ist
es dem Stenographensaale und den Sprechzimmern der Ab-
geordneten gegangen , die zum Theil höchst unzweckmässig
liegen, während die letzteren doch notwendigerweise Annexe
des Vorsaales sein müssen.
Was den letzteren anbetrifft, so gehört er sicherlich zn
denjenigen Räumen des Hauses, die zu einer architektonisch
bevorzugten Ausbildung und zur Anwendung reichen künst-
lerischen Schmuckes besonders auffordern. Er soll nicht
allein den Eindruck des Saales in angemessener Weise vor-
Digitized by Google
— 177
bereiten und einen Ruhepunkt vor dem Betreten desselben
gewähren, sondern ist auch derjenige Raum, der während der
itzungen zunächst zur Erholung und geistigen Sammlung,
zum zwanglosen Gespräch oder zu schleunigen Verabredungen
benntzt wird. Wird später doch einmal der bisher noch
nicht beliebte Gebrauch eingeführt, dass bei namentlichen Ab-
stimmungen die eine der dissentirenden Parteien den Sitzungs-
saal verlässt, so wird er die annähernde Hälfte der Abgeord-
neten aufzunehmen haben. Dies Alles, wie nicht minder die
Lage, welche der Vorsaal in seiner Beziehung zum Haupt-
eingange nnd den Hauptaxen erhält, weisen ihm ganz natnr-
gemäss die Stellung als Zentralraum des Hauses an. Es
ist die Bedeutung, welche er hierdurch im Organismus des- I
selben erhält, in mehren Entwürfen, die durch diese An-
ordnung an Grossartigkeit wie an fibersichtlicher Kompen-
diosität der Anlage allen andern überlegen sind, noch
gesteigert worden, indem der Vorsaal nicht allein zu dem
Sitzungssaale, sondern auch zu dem diesen an Bedeutung zu-
nächst stehenden Räumen, dem Festsaale, der Restauration,
dem Lesesaale, der Bibliothek etc., in ausgeprägte Beziehung
gesetzt ist. Andererseits ist die Bedeutung des Vorsaales
recht hänfig nicht zum genügenden Ausdruck gekommen.
Es fehlt ihm die nothwendige Abgeschlossenheit, so dass er
nur als ein erweiterter Rorndor oder als Yreppenvestibul er-
scheint, nnd ist die geforderte Verbindung mit den Garde-
roben und Klosets eine solche, die den architektonischen
Rang des Raumes stark beeinträchtigt; auch ist die Höhen-
entwickelung eine im Verhältnisse zur Grundfläche nicht
immer genügende.
Aehnliches gilt von der Restauration, dem Lesesaale
(für Zeitungen) und der Bibliothek, welche Räume in den
durch Plenar-, Abtheilungs-, Kommissions- und Fraktions-
Sitzungen nicht beanspruchten Stunden und Tagen die Mittel-
punkte des Verkehrs rar die grosse Mehrzahl der Reichstags-
mitglieder bilden. Die Disposition der beiden erstgenannten
wird durch die im Programm hervorgehobene Rücksicht auf
möglichste Nähe des Sitzungssaales beeinflusst, was leider
wiederum in nicht wenigen Entwürfen unbeachtet geblieben
ist, doch erscheint es erwünscht, wenn auch die Bibliothek
nicht allzu entlegen ist; möglichst leichte Zugänglichkeit von
Aussen ist jedenfalls nicht minder willkommen. Die ver-
hältnissmassig günstigste Anordnung für die Restauration
würde eine solche sein, die sie allen Plätzen des Saales
möglichst gleich nahe legte, also in der Hauptaxe desselben,
doch ist nur in wenigen Entwürfen eine derartige Anordnung
geglückt. Als die zunächst in Betracht kommende Lösung
wird wohl die anzusehen sein, nach welcher Restauration
und Lesesaal als Pendants symmetrisch zur Seite der Axe
vertheilt sind und mit dem Vorsaale in schöner Verbindung
stehen. Sie ist von mehren Konkurrenten in reizvoller Aus-
bildung gegeben worden, üebersehen darf auch der bereite
angedeutete Umstand nicht werden, dass von Seiten der Ab-
geordneten des vorläufig zumeist im Sommer tagenden Reichs-
tags ein nicht kleiner Werth darauf gelegt werden dürfte,
ihre Erfrischungs- Lokalitäten mit dem Freien in angenehme
Verbindung gesetzt zu sehen — sei es, dass dieselben nach
einem im Innern des Gebäudes gewonnenen Garten, sei es,
dass sie nach den Park- Anlagen der Umgebung sich öffnen.
Unter den übrigen Geschäfte-Räumen des Hauses treten
die Bureaulokalitäten nicht besonders hervor; in ihrer An-
lage sind grosse Vorzüge ebensowenig zu entwickeln wie be-
deutende Fehler. Dass die Zimmer für die Post- und Tele-
graphen-Expedition nicht in allen Entwürfen an der von
selbst gegebenen Stelle, d. h. neben dem Eingange sich be-
finden, gehört zu den Unbegreiflichkeiten dieser Konkurrenz.
Eigentümlich sind die in ihrer Gesammtzahl höchst impo-
santen und einen verhältnissmässig nicht geringen Theil de«
Raumbedürfnisses beanspruchenden, zu Abtheilungs-, Frak-
tion«- und Kommissionssitzungen bestimmten Säle behandelt
worden, die ihrer Natur nach zusammen gehören oder doch
mindestens zu einigen grossen, mit einander korrespondirenden
Gruppen, sei es in verschiedenen Gebäudeflügeln oder Stock-
werken, vereinigt werden mussten. Sie sind das Aschenbrödel
geworden, das mit jedem, auch dem schlechtesten Platze zu-
frieden sein musste, und ist es ohne Rücksicht auf geschäft-
liche Brauchbarkeit und architektonische Klarheit den meisten
Konkurrenten, die ihren Grnndriss nach einem bestimmten
äusserlichen System gebildet haben, ganz augenscheinlich
sehr willkommen gewesen, in diesen Räumen ein Material
zu finden, mit dem sie die einzelnen Lücken des Systems
ausstopfen konnten.
Nicht viel anders ist es mit der Anordnung der Dienst-
wohnungen gegangen. Freilich ist es längst als eine ausser-
ordentliche, fast unlösbare Schwierigkeit anerkannt worden,
Wohnungen, die in sieh zu einer gewissen Selbstständigkeit I
und wohnlichen Behaglichkeit entwickelt sind, mit den gauz
anders gestalteten, ganz andere Höhenverhältnisse bedingen-
den Räumen eines öffentlichen Gebäudes in eine organische
Verbindung zu bringen. Nimmt das Gebäude einen Rang
ein, wie im vorliegenden Falle, so ist eine annähernde Mög-
lichkeit, das Missverhältniss zu mildem, jedenfalls nur dann
vorhanden, wenn den einzelnen Theilen der Anlage ein ge-
wisses selbstständiges Leben verliehen worden ist; in die
Schablone künstlicher Einheit werden sich Wohnungen wohl
schwerlich in befriedigender Weise einfügen lassen. Es mag
als ein Fehler des Programms und nicht als ein Verschulden
der Konkurrenten angesehen werden, wenn ihre Arbeiten in
dieser Beziehung Mängel zeigen; allerdings war es immerhin
möglich, unter verschiedenen Uebeln ein kleineres zu wäh-
len, und ist beispielsweise eine Anordnung, welche die Woh-
nung des Präsidenten in verschiedene Geschosse verlegt —
was bei einer Villa oder einem kleinen städtischen Privat-
hause sehr wohl angeht — in einem Gebäude, das Stock-
werkshöhen bis zu 10 Meter enthält, wobl in keinem Falle
zu rechtfertigen.
Für den Schluss unserer der Grundrissausbildung der
Konkurrenzentwürfe gewidmeten Erörterung haben wir ans
diejenige Frage vorbehalten, welche nächst der des Sitzungs-
saales die grösste Bedentang besitzt und für die charakte-
ristische Gestaltung der einzelnen Entwürfe von grösstem
Einflüsse gewesen ist — die Frage über Anordnung der
Festlokalitäten. Das Programm Hess in dieser Beziehung
einen weiten Spielraum; ein Anhalt an thatsächlicbe Vor-
gnge war nicht möglich, da unseres Wissens analoge Fest-
hkeiten von deutschen parlamentarischen Körperschaften
noch nicht begangen worden sind: der Architekt war daher
auch in dieser Beziehung genötbigt, mit seiner Phantasie der
Wirklichkeit vorauszueilen und in der Disposition dieser
Räume Vorschläge über Umfang und Charakter der künfti-
gen Feste zu machen. Als nicht sehr glücklich kann wohl
die Wahl bezeichnet werden, nach welcher der im Programm
geforderte Festeaal als gleichsam zur Dienstwohnung des
Präsidenten gehörig angeführt wurde. Die Verbindung mit
den Salons derselben hat wohl wesentlich nur die Bedeu-
tung, dem Festsaale einige kleinere Nebenräume beizugesellen;
der Rang, welcher diesem Räume innerhalb des baulichen
Organismus zukommt wird jedenfalls durch die weitere Be-
merkung bestimmt dass derselbe gleichzeitig zu ausseror-
dentlichen geschäftlichen oder festlichen Versammlungen der
Reichstagsmitglieder benutzt werden soll.
Was unter solchen geschäftlichen Versammlungen ver-
standen werden solL ist nns unklar geblieben; wenn nicht
etwa die Möglichkeit einer zeitweisen Vereinigung von meh-
ren grossen Fraktionen zu gemeinschaftlichen Berathungen
vorgesehen werden sollte, so bleibt nur die einzige Annahme
übrig, dass man in diese Räume die Eröffnungsfeierlichkeiten
des Reichstages, zu welchen die spätere Sitte statt des jet-
zigen klanglosen vielleicht einen ebenso feierlichen Schluss
gesellt, verlegen will and in der That scheint die Auffassung,
welche die beiden bei Abfassung dee Programms betheiligtcn
Konkurrenten gewählt haben, direkt dafür zn sprechen.
Dies wären jedoch keine einfachen Versammlungen der
Reichstagsmitglieder mehr, sondern Staateaktionen, die ein-
zigen, bei welchen das Oberhaupt des Reiches zn den Ver-
tretern des deutschen Volkes in unmittelbare persönliche
Beziehung tritt. Ebenso können Feste, welche die Gesammt-
heit der Reichstagsmitglieder feiert, wohl unmöglich in dem
Charakter einfacher geselliger Vergnügungen aufgefasst wer-
den, sondern würden nur dann eine innere Bedeutung und
Berechtigung haben, wenn dabei sämmtlicbe Faktoren der
Reichsgewalt — der Kaiser, die Fürsten nnd ihre Bevoll-
mächtigten mit den Vertretern des deutschen Volkes — auf
einem gemeinsamen Boden sich zusammenfänden, um der
Eintracht ihres Wirkens für das gemeinsame Vaterland einen
festlichen Ausdruck zu geben.
Unter solcher Auffassung, der offenbar mehre der Kon-
kurrenten gehuldigt haben, gewinnt das Festlokal des deut-
schen Reiehstagshause.H einen Rang, nach dem es dem Sit-
zungssaale nur wenig nachsteht und zu ganz hervorragender
künstlerischer Ausbildung fähig erscheint. In jener schon
mehrfach anerkennend hervorgehobenen, zugleich grossarti-
gen und komnandiösen Anordnung, nach welcher die Haupt-
räume des Hauses in unmittelbaren Zusammenhang und in
ein Geschoss gebracht worden sind, hat vor allen anderen
einer der hervorragendsten Entwürfe einen wahrhaft impo-
santen, wohl für die grössten Festlichkeiten genügenden
Komplex geschaffen, ohne dass hierdurch das im Programm
vorgeschriebene Raumbedürfniss überschritten worden wäre;
die Grossartigkeit der Zugänge, welche zu den Festlokali-
Uten führen, ist in mehren Entwürfen wohl gleichfalls auf
Digitized by Google
- 17S —
ähnliche Erwägungen zurückzuführen. Andererseits wird
»ine wesentlich bescheidenere Auffassung, welche in den im
Reichstagshanse zn feiernden Festen im Wesentlichen nnr
gesellige Vereinigungen der Keichstagsitiitglieder sieht, durch
welche nnter dem vermittelnden Einflasse des Präsidenten
die Schärfe der in der Debatte auf einander platzenden Ge-
gensätze gemildert werden soll, nicht minder berechtigt sein,
zur Entfaltung so bedeutender architektonischer Mittel je-
desto behaglichere und »nnnithige Ausbildung der hetreren-
den Festlokalitäten am Platze sein.
Wir haben nnnrnehr noch die allgemeinen Gesichts-
punkte zu erörtern, welche sich uns ans einem vergleichen-
den Studium der Konkurrenz-Entwürfe fQr die Beurtheilung
des architektonischen Aufbaus, und zwar vornehmlich
der Faeadengestaltung ergeben haben. Er ist um so
notwendiger in dieser Beziehung zu einigen festen Prinzipien
Parlaments- Pebäude für den Peitschen Reichstag.
Entwurf von Hermann Eggert in Berlin.
Omndrltl Tom aratea Stockwerk.
purp
Erste» Stockvark ,
I :M Tiäum* für di« M>i(liedcr
dc> Itt tcb>ta(e>.
t TrvnrieiibAaj.
i V t»ataio>luuga»Aal der At-^curdnctca.
i Garderoben.
• > i -
3 V»i biuduopn'alleric.
Lrac»aa:.
I BlblMbek.
*■ Ziaoauer «Im ülbLiolliekara.
■ FiHl.ujui.1.
IU Ablhellaaiiaaaia-
I I kusfcrenixiBiiaer.
1- Votaimmr-r.
. : Tre|>p« tu den AUIitlluug»»alcu Im
j.. j^, -v
14 Ktfrl*cbutut»r.al.
IJj l.rJM..!.' .-:.ui.*.
i<; buii«i.
r
IM
I
Yartkeilaat; d«r Riara«.
l* \ ■■■
IH <.if.i Minwjtnmrr für den Praiideaten.
1:» s. Iitirtfulirer.
IW Vurilroraer.
?1 Spre.r.. Immer rär di« ailljllrder Uei
lUieb.t»;*.
23 Toiletten.
»3 KIomU.
L'4 Zimmer der Stenoarrnrih« o.
2j da. für Korrekturen.
36 dt», für Journalist« n.
17 — 31 Ii Ii ii mo für die II 1 1 gl (cd ai-
de* KiifidMirath**.
II Tr-vpe au" dtiu Krd*,e*choae-
SS Sllinairtwal.
Iti Vor- and Le-aeftranaer.
MI l'ruidaut des Itelclnkaailrraanta.
31 Rl-Ieh»kaniler.
» Bunin du litiiidearalke».
U Toilette.
II Kluseta.
doch .schwerlich heransfordern. Immerhin wird indessen
verlangt werden können, dass der Festsaal als einer der
Haupt räume des Hauses behandelt und zur Gelting gebracht
werde, was jedenfalls nicht der Fall ist, wenn lediglich eine
Anzahl von Zimmern an beliebiger Stelle zu einem Baume
von dem erforderlichen Flächeninhalte zusammengezogen
w. rden ist; auch wird nnter diesem Gesichtspunkte eine
35 — 4C Wohninc de» P r äi I d en t« n
de» Raicliatage*,
35 HaariHrrppt.
M (iellerle.
37 Vurxlnraer.
31 KniptÄugiimintr.
SS l..'l..,
411 Mulle.
41 Ittuntenhall«.
47 Wolnuauate.
43 ScfalafilnotBer.
41 Kablnit.
44 Arjrlehterlmsif r.
4b Korridor.
47 — il Wehnuig i'.r* llureau-
Pir-ktor».
47 Trerilie.
4s Salus.
4'J Wi-hn- uad ScIiUfiiaurjer.
so Küchr.
"1
31 Speisekammer.
Vi aladcncnkainrn'-e.
.'3 Telecrranble,
51 Trupii« in» Mollole.
r.5 <to. . i ■ in .,„-..,, ,
Sil dn. ih den Lnarn f. d. l'abllkcira.
'." Baikon«.
.'•ii Korridore.
Erda; eichoia.
Unter 7, 17. aoarle unter 9 (im S*i:ni£i|.
Rel) aad »S: Vortlbute.
, 4 and 3: l'nrebfahrleu mit tl-'ia
Aufgang* tut Molloate.
, II». 7i, SV l'uft und T»l»g».i|.1iie.
31: Archiv.
. S-H, M. 30: Ablliellons». ur.il
KntnrniMalons - Zimmer.
. 37, SS, 43 Wohnaug des K»teUa»a
und Prcradentlinmer da« l'i:..iit,
. 4» -4*: Uurrau- Lokalität. ..
zn gelangen, je wichtiger die Bolle ist, welche dieses Moment
der Lösung für die faktische Entscheidung der Konkurrenz
spielen dürfte, Da« grosse Publikum bezieht seine Ansicht
über den Werth architektonischer Entwürfe stets ganz aus-
schliesslich anf die äussere Erscheinung des Gebäudes, auch
wenn die Gmiidrissgesfaltung desselben bei Weitem nicht
so komplizirt, so schwer verständlich ist, wie in dem vor-
— 179 —
liegenden Falle, und wir sind weit davon entfernt, dieser
naiven .Volkes Stimme", worunter wir jedoch keineswegs
die zum grossen Thcile gewagten Urtheilo seichter Feuil-
letonisten mit einbegreifen, ihre Berechtigung abzuspre-
chen. Wo es sich um die Wahl zwischen Werken handelt,
deren Vorzüge und Mängel in den Augen der Fachmänner
einander fast gleichstehen, da mag unliedenklich demjenigen
der Treis Regelten werden, dem es gelungen ist das vorur-
stücke soweit blanden lassen könnten, um darüber eine graile-
zu stümperhafte, praktisch uumüglicbe Grund-Anlage zu über-
sehen, können wir vorläufig uuu und nimmermehr glauben.
Ueber einige der allgemeinen Momente, welche den ar-
chitektonischen Aufbau des R?ichstagshau*es in den verschie-
denen Entwürfen der Konkurrenz beeinflusst haben, mussten
wir uns schon bei Besprechung der Grundrissentwickelnng
äussern und wollen wir dieselben daher nur beiläufig wieder
Parlaments- pEBÄUDE für den pE u tsc h e n Reichstag.
Entwurf von (Jropius nnd Schmieden in Berlin.
Orundrm 4*1 Erda; richotaea.
SoanmerelTMee.
K*nl««r.lat».
50
to
to
rU
I
HO Mrtrr.
VerthaiUa
t Getchlifi»- und Suraelialmmer ä"
Priaidenlen.
7 Schriftführer.
H Millu ililUKAtile.
9 Frakllofiataal.
10 f- i.r.- In immer der fanhi:«! Xil-
gliedar.
11 Leeevaal.
12 ReetaaratinaerftmD*.
13 Zimmer für menuitiaiiNra um! Kor-
rektoren.
14 Kloaete.
Ii tiartea.
Ird|«toh«ll.
1 — l!> Itänme für 41« XiiglUio
daa Itei rk. I a( - • .
1 II» >i i K»n-»n<.
i N«l ril Km««o« , (tlelellKiUg KlIKariS
in den Wohauapti Im «hUm Htnek<
wrk and über doli Huf tu dru
!.ocmi für Jo«rMli*(rn und l'u«
.1 V.MUll.
4 (lardetvben.
Sil •■>■>(*••*■.
t beilslose Volksgemüth am Meisten zu packen; ist es Joch
Zweck des architektonischen Schaffens, für das Volk zu
bauen, und das letzte und höchste Ziel aller auf Förderung
unserer Kunst gerichteten Bestrebungen, dass die leider ver-
loren gegangenen Zeiten wiederkehren möchten, in denen
das Volk seine Bau kiin stier und diese ihr Volk verstanden.
Allerdings aber darf ein solcher Erfolg der äusseren Er-
scheinung nicht etwa allein bestimmen und Aufgabe der Sach-
verständigen, deren Urthcil man anruft, ist es, in erster Linie
dufür einzustehen, dass nur bauliche Organismen, nicht aber
hohle Dekorationen in Frage kommen können. Eine Gefahr,
die nach der Ansicht Vieler bei der Zusammensetzung der
für die Entscheidung dieser Konkurrenz berufenen Jury, in
der daa Laienelement so entschieden überwiegt, nicht ganz
ausgeschlossen ist, uns jedoch kaum bedenklich erscheint.
Denn in der That ragen die bis zu einem gewissen Grade
harmonischer und grossartiger Fa<,-adengestaltung entwickel-
ten Projekte auch in der praktischen Lösung der Aufgabe
am Meisten hervor, und dass in den parlamentarischen Bc-
dürfnissen erfahrene Männer sich durch äasserliche Effekt-
f dir ftiiuma.
H-Iu Blume für 41« Mitglieder
dee Buadaarataea.
IC Kuxen*, I»>irh!*lll3 F.iliftaiiit für den
kaiaerllrhea Hof u. d. Diplomaten.
17 GearbMU- und Sprecbiiramer da*
Biindeekanalere.
Ii* Präsident de* Kekh,km Irramten.
19 Sittnncraaal des Bstidcirarn«*.
SU Getchaitaummer d« Bunde^ratbet
VI Poet, Telegraph!« «ad Bureau Lukeli-
latoa dee Kelchiugee.
U Pnjrer«.
•Ii staillmf.
Erat«! Iteakwerk.
Ueber 1 und t: Ureeuer Fe. t. Lei neUt
Vorawl.
, C-IO, I? (Im Sritpnilüu«!). H, 17.
I«, Iii Abtkrllungaatla und
Kutnmleeionexlaeaeer.
. 10 (am Küaii:.|i1au|: l.eenimme-.
, II and 11 laSaeul,): Bibliothek.
. ISi Nt-ui de» BundeereUl'e.
, 10: Wtihanna; d Hm au IHrticetit- ii.
a 1*1 1 WohnanK dea Prlrldeatea.
. 1t (im mittleren Tliell); llofeaji.u..
hineinziehen. , Neben denselben ist vor allen anderen Punkten
maassgebend, in welcher Weise die Konkurrenten den gros-
sen Sitzungssaal entwickelt haben. Nach unserer Auffassung
der Aufgabe dürfen wir nicht verhehlen, dass wir nur die-
jenigen Entwürfe als künstlerische Lösunueu im höheren
Sinne anzuerkennen vermöuen, in denen die Bedeutung des
Sitzungssaales in der architektonischen Ausbildung zur an-
gemessenen Geltung gelangt ist. Wenn die Wahrheit des
Wesens es ist, die wir zunächst von einem monumentalen
Kunstwerke dieses Hanges verlangen müssen, »o darf der
Hauptraum des Hauses in seiner inneren Wirkung ebenso-
wenig jemals von einem der ihm untergeordneten Neben-
räum ■ beeinträchtigt werden, wie eine für das Parlaments-
hans charakteristische äussere KrschriiHiug jemals zu errei-
chen ist, wenn der Sitzungssaal in derselben fehlt. Wir
bedauern es aufrichtig, uns hiermit priuzipiell gvgen eine
ganze Reihe hervorragender und bedeutender Arbeiten aus-
sprechen zu müssen, aber der Maasstab, den wir au das
nana des rtoatschen Reichstages anlegen zu müssen glauben,
schliesst ieden anderen Standpunkt aus.
Digitized by Google
Digitized by Google
— 181 —
Was in weitaus^ den ^««.u ^»uw™^ ^
gewesen ist, war der Konflikt, in welchen für die
desselben die Rücksichten der Monumentalität
mit denen der Zweckmässigkeit treten; anf keiner anderen
Seite der Aufgabe stehen sich dieselben so scharf und
schneidig gegenüber. Sehen wir von denjenigen Lesungen
ab, welche den Saal dadurch zur Geltung zu bringen ver-
suchten, dass sie ihn an eine der Fronten verlegten — nirht
eine einzige derselben ist geglückt nnd schwerlich dürfte
dies überhaupt möglich sein — so war eine architektonisch
bedeutende Wirkung des Saales im Aeusseren nicht anders
zu erzielen, als durch eine bedeutende Höhenentwickelung
desselben- Ihm eiae solche zu geben, zumal wenn sie die
Ueberzeugung hatten, dass er unter allen Umständen im
Erdgeschoss liegen müsse, hielten sehr viele der Konkurren-
ten ans praktischen Rücksichten für unzulässig und jeden-
falls stehen die Entwürfe derjenigen, die aus solcher Erwä-
gung zu einem ehrlichen Verzicht anf dies Fncadenmoment
sich entschlossen, ungleich höher an absolutem Werth als die
Jener, die trotz derselben ein Heraustreten des Sitzungs-
saales aus der Baumasse zu erreichen versuchten, indem sie
auf ihn einen ganz bedeutungslosen, häufig sogar die Beleuch-
tung erheblich beeinträchtigenden, aber desto anspruchsvol-
leren Anfbau stülpten.
Es sind vor allen Dingen Rücksichten anf eine mög-
lichst vorteilhafte Akustik des Saales gewesen, die hier in
Frage gekommeu sind. Mehre Konkurrenten sprechen es
in ihren Erläuterungsberichten als eine völlig feststehende
nnd erwiesene Thatsache aus, dass nur Räume, die ein ge-
wisses HCbenmaass (von höchstens t .'>'") nicht überschreiten,
womöglich auch nur solche mit flacher gerader Decke eine
befriedigende Akustik erwarten lassen. Demgegenüber hat
ein anderer Konkurrent, der durch langjährige Spezialstudien
auf diesem, leider so wenig durchforschten Gebiete sich wohl
das Recht eines selbstständigen Urtheils erworben hat, zur
Motivirung des von ihm gewählten Aufbau* geltend gemacht,
dass abgesehen von vortheilhaften Flächenhildungen ein mög-
lichst hoher Raum die beste Garantie dafür gewährt, um
Störungen durch reflektirte Schallwellen — die bis jetzt
einzig erkannte Ursache mangelhafter Akustik — zu be-
seitigen. Wir messen uns in einer Frage, die allein wissen-
schaftliche Forschung, nicht aber subjektives Ermessen ent-
scheiden kann, kein Urtheil zu, glauben aber allerdings, dass
blosse Erfahrnngsresultate, die einer wissenschaftlichen Kritik
nicht unterworfen worden sind, in dieser Beziehung niemals
Autorität beanspruchen dürfen, da hier wohl nichts näher liegt
als die Gefahr, sich über die Ursachen einer ziemlich rät-
selhaften Erscheinung zu täuschen. Für die zweitgenannte
Anschauung spricht jedenfalls die Thatsache, dass es bei
vollkommener Windstille und bei Fernhaltung jedes Geräu-
sches unter freiem Himmel durchaus nicht schwer ist. sich
ohne Anstrengung auf weite Entfernungen bin vernehmlich
zu machen. Wenn wir daher durchaus nicht als erwiesen
anzuerkennen vermögen, dass Gründe der Akustik eine so
mässige Höhe des Saales, wie einige Konkurrenten ange-
nommen haben, zur conditio sine qua non machen, so möch-
ten wir für eine gewisse Beschränkung der letzteren eine
andere praktische Rücksicht, die der Heizbarkeit des
Saales, allerdings für maassgebender halten; wir bezweifeln,
dass es möglich Ist, in einem Räume, von dem die ganze
obere Hälfte oder gar noch ein grösserer Theil der direkten
Abkühlung durch die äussere Luft ausgesetzt ist, eine be-
lagliche Temperatur herzustellen und. Zngstörungen zu ver-
in der unteren Region durch eine
i Fussbodens auch annähernd
so grosse Tempe-
unteren Luftschichten vor-
., dass fortwährend intensive Luftströmungen
stattfinden müssen.
Das Maass für eine Höhenentwickelung des Sitzungs-
lässt sich jedenfalls auch ans ästhetischen Erwägungen
a. Bei einer Uebertreibung derselben wird der Charak-
ter des Sitzungssaales als Geschäftsraum, wenn auch
dieser Raum für die wichtigsten und entscheidensten Ge-
schäfte der Nation den höchsten Rang behaupten mag, sich
nimmermehr erhalten lassen. Es scheint uns die zulässige
Grenze hier schon einfach in dem Worte „Saal" angedeu-
tet zu sein und möchten wir diese Bezeichnung für ausge-
schlossen halten, wenn die Höhe des Raums über die kleinste
Brettenaxe desselben hinausgeht. Ebenso wird für das Aeus-
sere ein charakteristischer Ausdruck wohl niemals gewonnen
werden können, wenn hier der Aufbau des Saales in so aus-
schliesslicher Weise dominirt, dass kein einziges anderes Mo-
tiv, zu denen die Viclgestaltigkeit des Grundrisses doch ent- |
deizung des ganzen i usst
sein, so wird doch stets
js der oberen und untei
schieden herausfordert, neben seiner erdrückenden Wncht
zu einer selbstständigen Geltung gelangen kann.
Die einzelnen Lösungen für die äussere Erscheinung
dieses Aufbaues — eine Aufgabe, die bei maassvoller Hal-
tung natürlich um ein Wesentliches leichter war, sobald der
Saal mit seinen Nebenränmen in das obere Stockwerk ver-
legt wurde — differiren auf das Mannigfaltigste nicht nur
nach der Höhenentwickelung, sondern auch je nach der Form
des Saales und der gewählten Beleuchtung. Es finden sich
flache Aufsätze in der Grundform des Quadrats oder Recht-
ecks, theils niedrige Umwandungen des inneren Oberlichts,
theils soweit emporgeführt, dass der Aufbau mit einem
festen Dach versehen und das Licht durch Seitenfenster
eingeführt werden konnte — theils abgewaltnt (häufig mit
gebogenen Dächern, so dass die Bildung des Kloslergewölbes
entsteht) theils mit Satteldach und 2 Tempelgiebeln. Am
Häufigsten sind Kuppelbildnngen versucht, eye in der That
hier, wo es sich wirklich darum baudelt das Zentrum eines
komplizirten Bauorganismus in angemessener Weise zu be-
leuchten und zu charakterisiren, eine unverkennbare Berech-
tigung haben. Dekorative Nachahmungen bekannter Kuppel-
formen, namentlich der Paulskirche in London, des Pariser
Pantheons und der Berliner Gensdarmenmarktsthürme, stehen
neben höchst originellen, zum Theil sehr gelungenen Neubil-
dungen; in mehren Entwürfen wird die Kuppel von Thür-
men, die auf den Hauptwiderlagspfeilern stehen, flankirt.
Selbstverständlich ist es fast ausschliesslich nicht die
Deckenform des Saales, sondern die selbstständige einer
Schutzkuppel, die zur Erscheinung tritt. In dem gewissen-
haften Strelien, die letztere der Form des Inneren anzupas-
sen, haben einzelne der Konkurrenten, die für den Saal die
Form des verlängerten Halbkreises wählten, den Versuch
gemacht, dieselbe auch im Aeusseren zu zeigen ; leider lässt
sich nicht behaupten, dass hierbei befriedigende Bildungen
erzielt worden sind, wie wohl ebenso für die Wirkung des
Inneren nicht leicht eine unvorteilhaftere Form sich den-
ken lässt. — Es soll übrigens nicht verschwiegen werden,
dass ein nicht geringer Theil der über dem Sitzungssaal
projektirten Knppelaufbauten sich anf den ersten Bliclc als
Konstruktiv unmöglich erweist, so dass in dieser Beziehung
sogar das Blendwerk von Formen vorliegt, die mit denen
des Grundrisses überhaupt nicht- in Uebereinstimmung zu
bringen sind.
Neben einer angemessenen Hervorhebung des Sitzungs-
saales scheint uns eine richtige Wahl der Stockwerkszahl
und eine richtige Abwägung der einzelnen Geschosse unter
einander dasjenige Moment zu sein, durch welches mehre Kon-
kurrenten ihren Entwürfen eine entschiedene Ueberlegenheit
gesichert haben. Wir haben bereits angedeutet, dass uns bei
Anordnung eines Gebäudes von mehr als zwei Stockwerken
über dem Kellergesrhoss eine dieses Monumentalbaues würdige
Haltung zu erzielen unmöglich scheint. Wenn wir den
Wohnhanscharakter als die Klippe bezeichneten, welche
hierbei Gefahr droht, so ist dieser Ausdruck selbstverständ-
lich nicht im engsten Wortsinne aufzufassen. Es ist der
Eindruck eines Gebäudes, das eine grosse Anzahl zu glei-
cher Benutzung liestimmter Räume enthält und daher im
Aeusseren wesentlich durch vielfache Wiederholung eines
und desselben Motivs seinen Charakter empfängt, welchen
wir meinten ; neben dem gewöhnlichen Wohnhause zeigt
ihn nicht minder das Schloss, ja auch das moderne Amts-
haus mit seiner Fülle paralleler Schreibstulven wird sich
ihm nicht ganz entziehen können, wenn auch die Steigerung
der Maasse das öffentliche Gebäude kennzeichnet. Keine
noch so reiche Grupnining, keine noch so verschwenderische
Detailhildnng wird daran ändern können, ja selbst eine de-
korative Scheinarchitektur vermag doch nur eine flüchtige
Täuschung hervorzubringen. Es sind leider auch einige,
sonst sehr tüchtig angelegte Projekte diesem Irrthume ver-
fallen, der einerseits wohl durch eine gewisse Verschwen-
dung in der Grundrissbildung, beziehungsweise den Wunsch
an der Tiefe des Hanses zu sparen, andererseits aber auch
wohl dnreh die Absicht hervorgerufen sein mag, die abso-
lute Höhe der Gchäudemasse zu einer mögliehst ansehnlichen
zu machen, ohne die Stockwerkshöhen in gewaltsamer Weise
zu steigern — ein Moment das wir sogleich noch erörtern.
Aber selbst bei der Annahme zweigeschossiger Gebäude ist
es allen denjenigen Konkurrenten nicht gelungen, die äussere
Erscheinung des Gebäudes zu einem Range, der den des
monumentalen Dikasterialgebäudes übertrifft, zu erheben, die
ihre Stockwerke zu gleich» erthig ausgebildet haben. Die
praktische Benutzung des Gebäudes bedingt es mit solcher
Entschiedenheit, die Mehrzahl seiner Haupträume (vielleicht
nnr mit Ausnahme des Festsaales) in ein einziges Geschoss
zu legen, dass dieses hierdurch ganz von selbst zum Haupt-
Digitized by Google
Beschösse wird und als solches auch zur äusseren Geltring
kommen niuss. Hierbei liat sich der grosse Vorzug ergehen,
den die Anlag« des Sitzungssaales im oberen Stockwerke,
das eine derartige Ausbildung selbstverständlich viel leichter
zulässt, für die Facadcnhilduug gewährt; nur einem einzigen
der Konkurrenten, der den Saal ins Erdgeschoss vi-rlegte,
ist es gelungen trotzdem zu einer in jenem Siune befriedi-
genden IXisung der Facade zu gelangen. Freilich lässt sich
nicht verkennen, dass im entgegengesetzten "Falle das Unter-
geschoss auch leicht zu euer Unbedeutendheit herahgedrückt
wird, die dem Werthe der Ränme, die es enthält und von
denen selbstverständlich nicht wenige mit solchen des ersten
Stocks gleich stehen, nicht mehr entspricht.
Uelier die beiden Gesichtspunkte, die Hauptwirkung des
Gebäudes entweder in seiner Einheit oder in seiner Groppi-
rung zu suchen, haben wir uns schon bei Erörterung der
Grundrissbildung ausgesprochen. Eine Uebertrcibung nach
der ersten Richtung musste die Gefahr, welche die zu
gleichwertige Stockwerksausbildung erzeugte, bis zur Ge-
fahr monotoner Charakterlosigkeit steigern und sind ihr
mehre Konkurrenten erlegen. Eine Uebertreibung nach der
/.weiten Richtung bin hat bei sehr vielen Entwürfen zu
Baugruppen geführt, welche zn unruhig und phantastisch
wirken, der monumentalen Würde zu sehr cuthehren. Es
ist im ersten Falle eine Vernachlässigung, im zweiten eine
zu einseitige Betonung des malerischen Elementes, wie es
vor Allem in der Silhouette des Gebäudes, demnächst aber I
auch in der anziehenden Vertheilung von Licht uud Schat-
ten sich geltend macht. Ueber die Mittel, mit denen eine
Gruppirung — abgesehen von der schon besprochenen und
der mit mehr oder weniger Glück versuchten Zerlegung des
Gebäudes in mehre Baumassen — versucht ist, können wir
hier selbstverständlich nicht im Einzelnen uns auslassen.
Neben der Gliederung durch Risalite und Pavillons, deren
Fronten zuweilen mit Glück die Gestaltung der in ihnen
liegenden Innenräume zu charaktcrisiren versuchen und deren
l>ücher sich nicht selten zu kleinen Kuppel- oder Thurm-
bildungen gestalten — neben der Theilung langer Fronten
durch kräftig entwickelte Pfeiler-Systeme oder die theilweise
Auflösung derselben in offene Hallen, ist es vor Allern die
Hinzufiigung selbstständiger, nicht gerade unmittelbar aus
dem Zwecke des Gebäudes abzuleitenderMotive, durchweiche
viele der Konkurrenten die Wirkung ihrer Gebäude zu stei-
gern versuchten. Wir rechnen hierzu nicht den unentbehr-
lichen Schmuck an selbstständigen Kunstwerken, mit denen
häufig wohl zu sehr gegeizt, häufig aber auch bedeutungs-
lose Verschwendung getrieben wordeu ist, auch nicht die Um-
gebung des Gebäudes mit Terrassen-Anlagen etc., Monumenten '
oder Brunnen, sondern nur die Hinzufiigung von bedeuten-
deren Bautheilen, wie von grossen Kuppeln oder Thürmen,
von freien Säulen- oder Bogenhallen. Es wäre zu hart und
würde in seiner Konsequenz die Architektur bis zur rohesten
Nüchternheit herabsetzen, wollte man derartige Zuthaten, die
im Grunde doch auch nur jenem Ucberschuss an Kraft ent-
springen, die jede künstlerische Bildung zeigen muss, prin-
zipiell ansschliessen- Im Wesentlichen ist es eine nicht allge-
mein zu beantwortende, sondern nur in jedem einzelnen
Falle zu losende Frage des künstlerischen Taktes und nicht
selten abhängig von traditionellen Anschauungen und Ge-
wohnheiten, iu wie weit dieselben erlaubt sind. Selbstver-
ständlich ist es allerdings, dass der bauliche Organismus von
ihnen niemals überwuchert oder beeinträchtigt werden darf,
dass es der Fehler eines noch nicht aus dem Dilettantismus
losgelösten Architekten ist, wenn derartiges Beiwerk zum
Hauptmotive der Facadengestaltung gemacht wird, wie es
leider in so vielen, dämm völlig verfehlten Entwürfen die-
ser Konkurrenz der Fall ist.
Legen wir uns die Frage vor, welche Motive neben
einer angemessenen Ausbildung des Sitzungssaals im Aeusse-
ren und der Ausprägung eines Hauptgeschosses, die wir be-
reits aus der Aufgabe entwickelt haben, am Meisten geeignet
sind, den Charakter eines Parlamentshauses zum Ausdruck
zn bringen, so würden wir dieselbe in der Abstraktion zu
beantworten uns nicht getrauen. Es ist leichter zu sagen,
was hierfür nicht passt, weil es für andere Gebäudegattun-
gon charakteristisch geworden ist, als was in Wirklichkeit
n:isst. Als dasjenige Motiv, welches in den vorliegenden
Entwürfen als der weitaus glücklichste Wurf erscheint, darf
sicherlich eine besonders ausgezeichnete Betonung des Haupt-
einganges gelten; für kein anderes Gebäude ist ein solcher
so angebracht, wie für das, in welches täglich die Mitglieder
der Repräsentativ-Körperschaft einer Nation einziehen. Das |
Haus dos deutschen Reichstages zum Ausdrucke zu briu-
gen, wird neben den Beziehungen, die sich von selbst aus ;
Ort und Zeit der Erbauung ergeben, vor Allem Sache des I
Schmuckes sein, mit dem die Schwesterkünste, Bildnerei und
Malerei den architektonischen Organismus zieren sollen. Es
liegen in einzelnen Entwürfen hierfür reizvolle und bedeu-
tende Gedanken vor, während andere über die konventionelle
Schablono nicht hinaus gekommen sind. Wir können leider
nicht näher anf diesen Theil der Aufgabe eingehen. Eines
nnr möchten wir hervorheben — unsere Verwunderung, dass
nur zwei der Konkurrenten es versucht haben, auch im
Aeusseren des Gebäudes malerischen Schmuck anzubringen,
und dass ihre Bestrebungen so wenig verstanden werden.
Für uns steht es seit dem Berliner Siegcscinzugc des vorigen
Jahn« als eine unumstößliche Wahrheit da, dass es eine
der seltensten Ausnahmen ist, wenn es dem glücklichen
Wurfe eines Genies gelingt, sich dem Volksgemüthc durch
ein Werk der Plastik verständlich zu machen, während
Malerei, wenn möglich unterstützt durch die Inschrift —
beide freilich von akademisch-klassischer Steifheit losgerun-
gen — in ihrer farbigen Fröhlichkeit die Herzen im Sturme
erobert und fesselt Will man das Haus des deutschen
Reichstages zu einem populären National-Denkmale machen,
will man seinem Verständnisse eine Brücke eröffnen für das
ganze Volk, so kann es unserer Ansicht nach jedenfalls nicht
besser geschehen, als wenn man die Malerei, welche hier
die beste Helferin ist, nicht auf die schwer zugänglichen, im
grösseren Theile des Jahres geschlossenen Räume des
Inneren beschränkt, sondern ihr auch am Aeusseren eine ge-
eignete Stelle anweist, wo sie ihr Schaffen frei entfalten
kann. Geschieht es in richtiger Weise, so wird die monu-
mentale Haltung des Gebäudes dadurch wahrlich nicht beein-
trächtigt werden.
Wir hak»! ferner noch des Maasstabes zu erwähnen,
in welchem die Konkurrenten ihr Gebäude sich gedacht
haben; er ist in doppelter Weise — einmal in sich, anderer-
seits im Verhältnisse zn der Umgebung des Bauplatzes —
zu berücksichtigen. Kaum ist . in irgend einer anderen Be-
ziehung der Abstand zwischen den einzelnen Entwürfen ein
so ausserordentlicher als grade in dieser, es macht sich je-
doch gerade hier der werthvolle Vorzog der im Programm
vorgeschriebenen Darstellung in gleicher Grösse geltend,
durch welche es verhältnissmässig leicht wird, sich hierüber
zu orientiren. Gewiss steht es ausser Frage, dass die mo-
numentale Würde für das Haus des deutschen Reichstages
einen Maasstab erheischt, der es über das Gewöhnliche er-
hebt, indessen sind viele der Konkurrenten doch wohl zu
weit gegangen und haben geirrt, wenn sie — um dem Ge-
bäude eine möglichst grosse Masse zu geben — entweder eine
vielgeschossigc Anlage wählten oder die absoluten Dimen-
sionen in einer Weise steigerten, die theilweise zu wahrhaft
ägyptischen Proportionen! geführt hat. Es ist in letzter
Linie ja doch niemals die absolute Grösse allein, sondern
noch mehr die Grossartigkeit der Motive, durch welche ein
wahrhaft mächtiger Eindruck erzielt wird, und die Besorg-
niss, dass das Reichstagshaus als solches nicht zur Geltung
kommen könne, wenn seine Höhe die des üblichen fünfgeschos-
sigen Mietbhauses nicht um ein Namhaftes überschreitet,
scheint uns ebenso grundlos wie die Behauptung, da» die
Verhältnisse des Königsplatzes nothwendig ein Gebäude
von ausgesprochenem Vertikalismus und bedeutender Höhe
bedingen. Die Grenzen vernünftiger Zweckmässigkeit brau-
chen aus solchen Rücksichten gewiss nicht überschritten zu
werden. Ebenso wenig ist es, wenn nur das Kleinliche aus-
geschlossen wird, nothwendig, den Maasstab des Details in
so ausserordentlicher Weise zu steigern, wie dies mehre der
Konkurrenten gethan haben — nach unserer Ueberzengnng
sehr znra Schaden ihres Werkes — das bei einer Gliederung
in mehre feiner detnillirte Baumassen an Macht der Er-
scheinung wesentlich gewonnen hätte. — Neben derartigen
Uebertreibuugen wirkt es seltsam, dass das Bestreben nach
einer möglichst reichen und malerischen Gruppirnng in an-
deren Entwürfen zur Wahl eines Maasstabes geführt bat,
der noch unter den des gewöhnlichen Wohnhauses hinab-
geht. Es ist ein Umstand, der unsern Respekt vor der künst-
lerischen Kapazität englischer Architekten, denen wir sonst
gern die Differenz der grundsätzlichen Anschauungen an-
rechnen, wesentlich vermindert hat, dass eine namhafte
Zahl der von ihnen gelieferten Entwürfe in dieser Beziehung
so kolossale Missgriffe zeigt; die von ihnen gezeichneten
Baugruppen, die uns in ihrem phantastischen Aufbau höchst
fremdartig, aber doch in gewissem Sinne talentvoll anmuthen,
würden in wirklicher Ausführung theilweise als ein klein-
licher Puppenkram erscheinen. — Dass viele der Entwürfe
in sich selbst grobe Maasstabsdifferenzen zeigen, ist ein
Mangel architektonischer Durchbildung, der prinzipiell jedoch
nicht in Betracht kommt.
Zum Schlüsse hätten wir endlich noch die Stil frage
Digitized by Google
- 183 -
zn erörtern. Dass wir anf dieselben einen maassgehenden
Werth nicht legen können, geht wohl schon von selbst dar-
aus hervor, dass diejenigen Momente, welche wir als die
wichtigsten vorangestellt haben, unabhängig von der Stilauf-
fassung sind. In der That ist es unsere Ueberzcugung, dass
die Aufgabe des deutschen Reichstagshauses ebensowohl in
den Formen der Renaissance gelöst werden kann, wie in
solchen, welche die mittelalterliche Bauweise znm Ausgangs-
punkte nehmen. Ein hellenischer Epistylienbau und alle
jene sogenannten Stile, die allein auf einer spielend dekora-
tiven Laune beruheu, sind freilich ausgeschlossen, ebenso
mnssten alle jene Architekten an der Aufgabe scheitern,
welchen die rücksichtslose Durchführung einer bestimmten
historischen Stilauffassung die Hauptsache, eine Vereinigung
derselben mit den Zwecken der Aufgabe aber die Nebensache
war. Es ist indessen für unsere Anschauung über die Stil-
frage eiue nicht kleine Genugthuung, dass es Verhältnis»-
massig doch nur wenige, uud darunter durchaus nicht bedeu-
tende Entwürfe sind, denen man diesen Vorwurf machen
kauu, während die Mehrzahl der Konkurrenten — mochten
dieselben von noch so entgegengesetzten Auffassungen aus-
gehen — sich doch des Zieles bewusst geblieben ist, das?
wir nicht um eines Stiles willen bauen, sondern mittels eines
Stiles moderne Gebäude zu schaffen haben. — Einen Ein-
fluss des Baunlatzes auf die Wahl des Stiles können wir
gleichfalls nicht anerkennen. Wenn schon innerhalb einer
Stadt die .Harmonie architektonischer Erscheinung viel we-
niger durch die stilistische Uchereinstimmung der einzelnen,
zu einem Gesammtbildc sich vereinigenden Gebäude bedingt
wird, als durch ein gewisses Vcrhältniss in Maasstab und
Gruppirung^, so nimmt ein Gebäude auf diesem isolirteu, vou
mehren Seiten durch Bäume abgegrenzten Bauplatze eine so
selbstständige Stellung ein, dass jene Rücksicht gar nicht in
Frage kommen kann. Das einzige Bedenken, welches man
erheben könnte, dürfte sich auf das inmitten des Königs-
platzes errichtete Siegesdenkmal beziehen, indessen ist dieses
in seiner Form so originell, dass es zwar durch die Wucht
der Baumasaen des Reichstagshauses, nimmermehr aber durch
eine Differenz mit dem Stile desselben beeinträchtigt werden
kann.
Weiteres versparen wir uns auf die Besprechung der
einzelnen Entwürfe. Wir führen hier nur an, dass weitaus
die meisten der Konkurrenten Renaissanceformen, allerdings
in sehr verschiedener Auffassung — in der Läuterung hel-
lenischer Detailbildung, wie in der üppigen Fracht römisch-
italienischer Entwicklung — in der 1 ersion nordischer Bau-
weise wie im späteren französischen Rokokko — gewählt
haben. Eine verhältiiissmässig geringe Anzahl von Ent-
würfen, im Ganzen 15, fusst auf mittelalterlicher Tradition
— gleichfalls in verschiedenster Durchbildung. Der Rest
setzt sich ans gänzlich stillosen Produktionen zusammen.
Als Baumaterial ist fast ausschliesslich der Haustein, zum
Theil in den kostbarsten Arten, gedacht und kann diese Wahl
wohl nur gebilligt werden. Ein Entwurf zeigt eine ausser-
ordentlich reich entwickelte Terrakotten -Architektur, zwei
einen einfachen Backsteinbau, ein anderer eine Mischung vou
Haustein und Ziegeln. Bei mehren andern bleibt es zweifel-
haft, ob die Verfasser sich Schnittstein- oder Terrakotten-
Architektur gedacht haben, doch scheinen die Bauformen
für letztere z
Nach einer Mittheilung der Zeitung des Vereins deutscher
Eisenbahnverwaltungen (Na 37 d. J.) hat die grosse Berliner
Pferde-Eisenbahn-Aktien-Gcsellschaft die Konzession zu folgen-
den Linien erhalten, mit deren Bnu demnächst begonnen werden
soll: 1) vom Rnscnthaler Thor nach dem Gesundbrunnen, 2) vom
.Schönhauser Thor nach Pankow, 3) vom Landsberger Thor nach
Lichtenberg und Friedrichsfelde. 4) von der Marianncnstrasse
nach Treptow, 5) von der Kottbuser Brücke nach Rudorf, C)
vom Ilallesehen Thor nach Tempelhof, 7) vom Potsdamer Thor
nach Schöneberg. 8) vom Oranienburger Thor nach Moabit und
Charlottenburg, 9) vom Oranienburger Thor nach dem Tegeler
Schiessplatz, 10) Gürtelbahn um die ganze innere Stadt mit
Ausnahme deB Stückes zwischen Potsdamer und Brandenburger
Thor.
Der Gedanke, die innere Stadt mit einer Gürtelbahn zu
umgeben und von dieser andere Bahnlinien strahlenförmig nach
den Vorstädten oder Vororten zu führen, ist ein so natürlicher,
dass wir kaum anzunehmen brauchen, das beschriebene Projekt
für Berlin sei nach einem bestimmten Vorbilde aufgestellt.
Dennoch drängt sich der Gedanke an eine andere, bereits aus-
geführte Anlage auf, die sehr ähnlich ist In Wien nämlich
beschreibt ebenfalls die Pferdebahn, der Riugstrasse und dem
Kranz- Josephs -Quai folgend, einen Kreis um die innere Stadt
uud verzweigt sich von da aus einerseits nach dem Prater, an-
dererseits nach Dornbach, Mietling, Döbling.
Betrachtet man die Verhältnisse aber näher, so ist die
Aebnlichkeit mit dem hiesigen Projekt nur eine äusserliche:
der wesentliche Unterschied liegt in der Grösse der Flächen,
welche von den Ringbahnen umschlossen werden. Die innere
Stadt Wien deckt ungefähr den Theil von Berlin, welcher sich
von den Linden bis zur Puttkammer- und Besselstrasse einer-
seits und von der Königgrätzer Strasse bis zur Oberwall- und
Lindenstrasse andererseits erstrockt In Wien kann also Jeder,
der in der inneren Stadt Geschäfte hat, in wenigen Minuten zu
Fuss die Ringbahn erreichen und, da die Wagen für jede der
strahlenförmig sich abzweigenden Linien in kurzen Intervallen
hier vorbeipaasiren , bequem und mit geringem Zeitverlust der
Enge der Stadt entfliehen und einem der schönen Punkte, an
denen die Umgegend Wiens so reich ist, zueilen.
In Berlin wird man vom Mittelpunkt der Stadt aus — man
denke sich etwa den Molkeumarkt oder die Rosstrasse — min-
destens 30 bis 30 Minuten zu gehen haben, um an den nächst-
liegenden Punkt der Ringbahn zu gelangen. Befindet man sieh
aber etwa beispielsweise m der Nähe des nördlichen Theilcs dieser
letzteren und wiH nach Tempelhof oder Schöucbcrg fahren, so
erreicht man zwar bald den Wagen, hat dann aber in demselben
einen so unverhältnissmässigen Umweg zu machen , dass der
Vortheil der Nähe der Bann ganz öder theilweise illusorisch
wird. Solitc sich die — freilich kaum begreifliche — Angabe
bewahrheiten, dass in der Ringbahn zwischen Potsdamer uud
Brandenburger Thor eine Lücke bleiben wird, so würde das
Pferdebahnnetz vollends untauglich, den Verkehr zwischen dem
Nordwesten uud dem Süden Berlins zu vermitteln. Aber selbst
uach Schluss dieser Lücke kann das in Aussicht gestellte Netz
nur als ein sehr unvollkommenes Mittel zur Verbesserung un-
serer Verkehrs- und der damit eng zusammenhängenden Woh-
nungs -Verhältnisse gelten: denn gerade im Gegensatz zu Wien
ässt es den wichtigsten und schwierigsten Theil der Aufgabe,
Verkehrs frage.
' nämlich die Beförderung des Publikums aus der Mitte
bis an deren Grenze, ungelöst.
Nun ist freilich Wien in dieser Beziehung, wie in
anderen, glücklicher als Berlin.
Eiue so schön und günstig gelegene Ringritrasse haben wir
hier einmal nicht, uud werden sie voraussichtlich auch niemals
bekommen.
Dennoch kann unserer Ansicht nach die hiesige Verkehrs-
frage einer vollkommeneren Lögung J '>aJs das Eingangs l>eschric-
bene Projekt sie bietet, entgegengefübrt werden, uud zwar ein-
fach dadurch, dass man die radialen Pferdebahnlinien von aussen
her nicht an der Ringbahn aufhören lässt, sondern sie möglichst
weit nach dem Mittelpunkt der Stadt hinein fortführt.
Hier wird man uns einwerfen, dass dies in vielen Fällen
wegen der geringen Breite der in Frage kommenden Strassen
ganz unmöglich sei, und dass es auch im Allgemeinen eine un-
zulässige Beeinträchtigung, ja Gefahr für den gewöhnlichen
Fuhrwerks -Verkehr herbeiführen müsse.
Wir bestreiten Beides und glauben — um mit dem letzteren
Einwurf anzufangen — nur darauf hinweisen zu sollen, dass
wohl eine Uindcrung der Pferdebahnwagen durch das gewöhn-
liche Fuhrwerk eintreten mag, da ersterc nicht ausweichen und
einem langsam vor ihnen herfahrenden Gefährte nicht vorbei-
fahren können, dass aber umgekehrt letzteres sich durch die
Pferdebahnwagen durchaus nicht hindern zu lassen braucht, da
ganz genau feststeht, welchen Weg diese nehmen müssen.
Vtas die Breite der Strassen betrifft, so halten wir diese
schon jetzt für genügend, um eine Menge von Pferdebahnen
durch die Stadt zu führen. In noch höherem Grade würde
dies der Fall sein, wenn es durch eine rationelle Kanalisation
gelingen sollte, die offenen Rinnsteine, diesen Krebsschaden
unseres Strassenverkehrs zu beseitigen. Die meisten unserer
Strassendämmo haben eine Breite von 1 1 ■ oder mehr. II»
sind aber, unserer Ansicht nach, ausreichend, um unbeschadet
des Strassenverkehrs eine eingeleisige Pferdebahn mit Auswei-
chungen aufzunehmen.
Nach Beseitigung der offenen Rinnsteine würde sogar eine
zweigeleisigc Bahn an die Stolle tretcu können. Eine eingelei-
sige Bahn ohne Ausweichungen würde schon auf 8" breitem
Strassendamm herzustellen sein. Sie würde aber in vielen
Fällen mit Vortheil Auwendung finden, wo die Umstände ge-
statten, das zweite zu der Linie gehörige Geleise in der neben-
liegenden Parallelstrasse zu führen.
Eine Bestätigung finden die vorstehenden Behauptungen
durch die Ausführungen in den Städten Nordamerikas, welche
in dem Reisebericht von A. Bendel im Jahrgang 1SÖ0 der Zeit-
schrift für Bauwesen ausführlich beschrieben sind.
Ein Nachtheil für das Publikum kann also aus der Einfüh
rung von Pferdebahnen in das Innere Berlins in keiner Welse
entstehen. Dio Vortheile, die daraus erwachsen müssen, sind
unberechenbar. Zu wünschen ist nur. dass man sich möglichst
bald cntschlicssen möge, sie herbeizuführen. Denn ein andcrcH
Mittel zur definitiven Beseitigung der mit dem rapiden Wacbs-
" • Bewohner verbundenen Kalamitäten
thum grosser Städte für die
dürfte es nicht geben, als
öffentlichen Verkehrsmittel
Hebung und Verbesserung der
chen (Ter Stadt und den Vor-
X.
Digitized by Google
- 184 —
Mittheilungen
Oesterreiohiaohor Ingenieur- und Architekten -Verein
zn Wien.
Mouatsversaniinl ung am 13. Januar 1872; Vorsitzender
lir. Oberbrth. Fr. Schmidt, anwesend 2ü4 Miiglieder.
Die Verlesung: des Geschäftsberichts ergiebt. dass 35 Mit-
glieder in den \erein neu aufgenommen, 4 Mitglieder ausge-
treten sind. Mehre Aufforderungen zur Abgabe von Gutachten
Bind au den Verein gelangt. Die zur Prüfung der Vereinsrech-
uuug pro 1870, zur Aufstellung eines neuen Bibliothek -Kata-
loges und zur Revision der Geschäftsordnung eingesetzten Ko-
nnte» haben ihre Arbeit beendet; ein anderes ist zur Revision
der Schiedsgerichts -Ordnung eingesetzt worden. In Folge des
in letzter Versammlung eingebrachten Antrages wird zur Prü-
fung des Ringofen - Privilegiums ein Komitü von 9 Vercina-Mit-
gliedero durch Stimmzettel gewühlt.
Wochen versamm lung am 20. Januar 1872; Vorsitzender
Ur. Ingenieur A. Folsch, anwesend 257 Mitglieder.
Nach dem Geschäftsbericht sind wiederum 12 Mitglieder
neu aufgenommen, IG hingegen statutenmäßig als ausgetreten
erklärt worden. Der vorgelegte Eutwurf einer neuen Geschäfts-
ordnung wird en bloc einstimmig genehmigt.
Ur. Ingenieure. Kohn spricht über das Problem der Lenk-
barkeit von Luftschiffen, da« in neuester Zeit wieder an Inte-
resse gewonnen hat, nachdem seit Einführung der bald nach
Erfindung der Montgollieren benutzten Gasfülfuug ein wesent-
licher Fortschritt der Luftschiffahrt, trotz der G4 Werke in
240 Bänden, welche über dieselbe geschrieben sind, nicht ge-
macht worden ist. Interessant sina die Resultate, die ein ge-
nialer Wiener Uhrmacher Jacob Degen zu Anfang dieses Jahrhun-
derts erreicht bat. Er fertigte zunächst einen zur Unterstützung
eines ( barlier- Ballons bestimmten Flug-Apparat mit zwei Flü-
geln von Schilfrohr und Seide, mittels dessen es ihm gelang,
auch ohne Ballon bis zu einer gewissen Höhe aufzusteigen und
rieh laugsam herabzulassen. Eine Probe mit Ballon gelang
gleichfalls sehr gut, eine spätere in Paria wurde durch den
Neid der Franzosen in schmählicher Weise vereitelt Eine im
Jahre 1817 von Degen konstruirte neue Flugmaschine, bestehend
aus einer leichten Gondel mit horizontaler zweiflügeliger Luft-
schraube, hob sich, durch ein Uhrwerk in Bewegung Besetzt, ohne
Ballon bis zu T.V" Höhe und gelangte mittels eines Fallschirmes
unversehrt zur Erde; das interessante Modell ist später in der
Sammlung des polytechnischen Institutes verloren gegangen.
Von Seiten hervorragender Autoritäten ist die Möglichkeit einer
Lenkbarkeit von Gasballons, möge die Form derselben sein wie
sie wolle, prinzipiell bestritten worden, weil eine selbstständige
Bewegung der Gondel, durch welche der Ballon ins Schlepptau
genommen würde, denselben nothweudig zerreisseu niüsste; der
Vortragende bezweifelt jedoch die apodiktische Richtigkeit dieser
Behauptung und vindizirt der neuerding» wiederum versuchten
Einführung der Luftschraube eine entschiedene Zukunft. Die
Erfolge eines jüngst erprobten kleinen Luftschiffes mit Propeller,
das au einem langgestrekten zylindrischen, vorn zugespitzten,
hinten abgerundeten Ballon hängt und als Motor einer Lenoir > -
sich bedient.
zu Berlin. Aus Mangel an Raum, der
durch den Artikel über die Kcichstagshaus - Konkurrenzen in
ausserordentlicher Weise beansprucht wurde, sind wir geuöthigt,
unseren Bericht über die am 25. Mai stattgefundene zweite dies-
malige Sommer-Exkursion de.» Vereines bis zur nächsten Kum-
mer zu vertagen uud wollen an dieser Stelle nur in aller Kürze
des Besuches gedenken, mit welchem der Hamburger Architek-
ten- und Ingenieur -Verein die Fachgenossen unserer Stadt er-
freute.
Unsere Hoffnung, dass es die Architekten und Ingenieure
Hamburgs nicht allein sein mochten, welche sich durch die Aus-
stellung der Reichstagshaus -Konkurrenzen zu einer Exkursion
nach Berlin anregen liessen, hat sich in glänzender Weise er-
füllt Neben DO Mitgliedern des Hamburger Vereins begrüssten
wir 20 Facbgenosseu aus Hannover, 6 aus Schwerin, 7 aus
Lübeck, etwa 10 aus Sachsen; auswärtige Mitglieder des Ber-
liner Architekten -Vereins waren bis vom Rheine und aus Thü-
ringen her herbeigeeilt. Die Zahl unserer Gäste, die allerdings
während der Tage des Besuchs nicht ganz konstant blieb, belief
«ich hiernach im Ganzen auf mehr als 100. Freilich musste
der Umstand, dass dieser erfreuliche Zuwachs zu mehr als einem
Drittheil erst am letzten Tage angemeldet worden war, ja zum
Theil noch später sich einfand, während die Vorbereitungen nur
auf die Zahl der früher Angemeldeten sich hatten erstrecken
können, mehre Uuzuträglichkeitcu erzeugen, die unsere Gäste
uns in wohlwollender Würdigung dieses Sachverhaltes hoffent-
lich nicht als Mangel an Aufmerksamkeit anrechnen werden.
Der erst« Abend, am Sonnabend, den 25. Mai war einem
zwanglosen Zusammensein im Leipziger Garten, dem Lokale, in
dem die vorhergehende Vereins -Exkursion ihren Abschluss ge-
funden hatte, bestimmt; leider wurde dasselbe durch die Ungunst
des Wetters, da» einen Aufenthalt im Freien nicht gestattete,
sowie durch dun Umstand, das» der llauptthcil unserer Gäste
allzuspfit aus Hamburg eintraf, etwas beeinträchtigt.
Sonntag den 26. Mai begann die Exkursion, wie auch am
nächsten Tage, mit der Besichtigung der Reichstagshaus-Ent-
würfe, die sich von 8 bis 10 Uhr eistreckte. Ein Gang unter
den Linden und durch d as Brandenburger Thür führte die Ge-
auß Vereinen.
Seilschaft alsdann nach dem Königsplatze, wo die künftige Bau-
stelle des Parlaments und die Ausführung des Siegesdenkmals
besichtigt wurden. Nach einem Besuche de» Lehrter Bahnhofs-
Enipfaugsgebäudes , der neben einer Würdigung des Bauwerks
auch der physischen Stärkung galt, ging es nach der jüngsten
und opulentesten unserer grossen Bahnhofa-Anlagcn, dem der
Potsdamer Bahn, von dort in direktem Anschlüsse um 2 Uhr
Nachmittags nach Potsdam, der in Berlin einzig möglichen Zu-
flucht einer grosseren Gesellschaft an dem Nachmittage eines
Sommer - Sonntags. Von der Wildpark - Stution au» wurde ein
Spaziergang durch den Sanssouci - Park und die Stadt ge-
macht, von wo ein Daropfer die Exkursionsgenossen stromauf-
wärts in die lieblichste Gegend der Havclsecu, die der Pfaucnin-
sel führte. Bei Nikolskoe! wurde gelandet, um den Park von
Glienecke mit seinen Anlagen zu besichtigen. Ein gemeinsames
Abendessen in Klein-Glienecke beschlosa den Ausflug, von dem
Dampfer und Eisenbahn noch zu guter Zeit nach Berlin zurück-
führten. —
War dieser Tag der allgemeinen Geselligkeit und den Ver-
gnügungen gewidmet, so sollte Montag, der 27. Mai nach dem
Besuche der Ausstellung dem Spezialstudium in getrennten
Fach - Exkursionen bestimmt sein. Bei der Wahl, sich für eine
derselben zu entscheiden, bekannte die ungeheure Mehrzahl sich
zur architektonischen Fahne. Nur ein kleines Häuflein von In-
genieuren, kaumein einziger Wagen, fand sich zusammen, um
die grossartige Telegraphenbau- Anstalt von Siemens & Ualske,
das neue Retortenhaus der euglischeu Gas -Anstalt in der Git-
schiner Strasse, die Bahnhöfe der Berlin -Görlitzer, Niederscble-
siscb-Märkisehen und Ostbabn, den Viehhof und die interessan-
testen Strecken der Verbindungsbahn zu besichtigen; andere
Theile des Programms blieben unerledigt In sechs grossen
Kremsern vertheilt, besuchte dagegen die Architektenschaft da»
provisorische Reichstagsgebäude, sowie zum Vergleiche einer
älteren Auffassung parlamentarischer Anlagen daa Preussiscbe
Abgeordnetenhaus, das Meudelsohn'sche Wohnhaus in der Jäger-
strasse, die Gratwcil'schen Bierhallen, die Zentralstrasse, das
Raveue'sche Wohnhaus in der Wallstrasse, die Thomaskirche,
die Vorstadthäuser von Meyerbeer in der Bellevue-, L. Gerson
in der Viktoria-Strasse, die'Villen-Anlage auf dem Kielgan'schen
Terrain und die Villa Geber — eine Auswahl von Bauten, bei
der mit Absicht hauptsächlich neuere Wobnungs- Einrichtungen
berücksichtigt, öffentliche Bauwerke, die jedem Touristen zu-
gänglich sind, hingegen fortgelassen waren.
In den Abendstunden vereinigten die getrennten Fächer sich
wieder zu fröhlicher Geselligkeit in der Restauration des Zoolo
gischen Gartens, dessen neue Anlagen vorher besichtigt wurden.
Eine namhafte Zahl von Mitgliedern des Berliner Vereins, von
denen nur wenige als Führer an den Exkursionen sich betbei-
ligt hatten, und unter ihnen in erfreulicher Weise die Spitzen
des Faches, schlosa sich hier der gemeinsamen Festtafel an,
in welcher die Exkursion zum Abschluss kam. Es fehlten nicht
Rede und Gegenrede, in denen die erhöhte Stimmung ihren
Ausdruck fand und das neue Band, welches in diesen Tagen
wiederum zwischen so vielen Farhgenossen verschiedener deut-
scher Gauen sich enger befestigt hatte, gerühmt wurde.
Dass ein solches Band, dass eine Fachgenossenschaft deut-
scher Architekten und Ingenieure besteht, die als eine einheit-
liche Körnerschaft sich fühlt — das hat diese Vereinigung um
so mehr bestätigt, je zwangloser sio sich zusammengefunden
hatte. Möge diese Errungenschaft unserer Zeit, auf die wir
stolz zu sein wahrhafte Ursache haben, durch sie noch mehr
gefördert worden sein! — F. —
Personal • Nachrichten.
PreuBsen.
Ernannt; Der Baumeister Friese zu Poln. Wartenberg
zum Kreisbaumcister in Gr. Strehlitx (Reg -Bez. Oppeln.)
Die Bauführer-Prüfung haben am 21., 22. und 23. Mai er.
bestanden; August Heinrich Herrmann aus Altdorf, Kreis
Plcss; Gustav Heuner aus Elberfeld, Arthur von Knobloch
aus Drengfurth in Ostpr.
Die Baumeist er- Prüfung haben abgelegt am 22. und
25. Mai er.: Bauführer Egon Altstaedt aus Herdringen, Kreis
U Carl Alken aus Bergheim, Reg.-Bez. Cöln.
Brief- und Fragekasten.
Hrn. N. in n. Die uns von mehren Seiten zugegangene
Klage, dass die Gehalts-Verbesserung der Preussischen Bau-
beamten noch nicht näher bestimmt sei, während alle anderen
Klassen von Staatsbeamten sich bereits im Besitz der ihnen
bewilligten Gehalts-Zulagen befinden, ist in den letzten Tageu
gegenständes geworden; wir würden soust gern Ihren Artikel
benutzt haben.
Hrn. B. iu Cöln. Die Ausstellung der Konkurrenz-Ent-
würfe zum Keichstagshause wird mit Mittwoch, den 29. Mai, de-
finitiv geschlossen. Soviel uns bekannt geworden ist, tritt die
Jury bereits Freitag
Beiträge mit
lierg, F. in Hameln.
Jury bereits Freitag, den 31. Mai zusammen.
Beiträge mit Dank erhalten von den Hrn. H. in
Kernt
| .«n C»rl Bf.lll. m 1
'«« Utkr«dtr Fl.k.rt i.
Digitized by Google
Jahrg. VI.
Xi 23.
DEUTSCHE BAUZEITUNG
Saaaktiaa «. Ex;...l U«!
OttlltoMtTUM 101.
Imnat.
faj ci. Lewr «fr d.ol« 1 ea
Organ des Verbandes
deutscher Architekten - und Ingenieur- Vereine.
Redakteur K. E. 0. FriUch.
IN H'. P«
Preis 1 Thaler pro tiartal.
Berlin, den
6. Juni 1872. Erscheint Jeaea Daaaerstag.
Inhalt: DI. • "«a« Iii Ealnrfa
of AicoiiMU. - 0™rr.lthi.rh.i ln«.n!«r-
b.yci,cb«f ArthH.kt.a- und Ii,^nl«r-V.r.ln
■n.l An
n MIM
u» dn iHJNhM B.lrk.-
UwkM V.r.lB - Ob.r-
i.H. - Ar.h WHfTnk
■■ Barlia. - Vcrnf .ehlai: Dl. Rnrajataah.n ElMBbilui»», - Promtn» für
d.B Bau uci»r Schulkaa.tr in Wl»n. - Gm. .Inn Oloea. für a.a Dam .u KJIn.
Ar.BlwktMi.VM.lii iu B.tlln. - F.M« aai - Kaa krlcht.n ate.
Die K«nk«rrrBi für Entwürfe nun Hanse des Dentaehen Reichstages.
III.
Während wir in unserer vorangegangenen Studie be-
müht waren, der erdrückenden Fülle des von dieser Konkur-
renz gelieferten Stoffes zunächst dadurch Herr zu werden,
dass wir über die verwirrende Mannigfaltigkeit der einzelnen
Formen hinaus Iiis zu einzelnen maassgebenden Ideen zu
gelangen versuchten, ist diu äusserliche Entwickelnng der
Angelegenheit mittlerweile nicht unerheblich vorgeschritten.
Bereits ist die Öffentliche Ausstellung der Entwürfe geschlos-
sen und die Arbeit der Jury, welche dieselben J»eurtbeilen
und über die zuzuerkennenden Preise entscheiden* soll, hat
begonnen; nicht unmöglich erscheint es, das» ihr Spruch
schon gefallt ist, bevor wir unseren nächsten Artikel (»ringen
kennen. Noch schneller ist die Feuilleton - Kritik der politi-
schen Presse mit ihrer Aufgabe fertig geworden, die sie
zum grossen Theil freilich leicht genug genommen hat. —
Ein willkürliches Herausgreifen von Details, bei dem einige
Entwürfe unter bengalisches Feuer gesetzt, andere mit der
Theaterkeule zu Boden geschmettert und unter die Füsse
treten, die übrigen verschwiegen werden: es Ist «He ah» 1 ,
qneme, so oft schon geübte Praxis!
Wenn unsere Zeitung dem gegenüber mit einer Bespre-
chung der einzelnen Entwürfe erst jetzt beginnt, so sind wir
uns, ohne dass es direkter Aeusserungen des l'nmuths bedurft
hätte, sehr wohl bewosat, das« dies dem Wunsche der meis-
ten Konkurrenten durchaus nicht entsprochen hat. Aber
ihr Interesse an der Angelegenheit ist eben ein vorwiegend
persönliches, während es unser Bestreben war, einzig und
allein der Sache zn dienen. So oberflächlich unsere Arbeit
auch sein musste und so wenig sie nns selbst genügt, so
hoffen wir doch immerhin in dieser Beziehung Einiges ge-
nützt zu haben. Denn die Bedeutung dieser Konkurrenz
gipfelt ihrer ganzen Anlage nach vor Allem darin, dasB
durch diesellie fruchtbare Ideen für den Bau eines deutschen
Reichstagshauses gewonnen werden sollten, während es nur
in einem ausserordentlichen Glücksfalle wahrscheinlich war,
dass aus ihr ein zur Ausführung fähiger Entwurf hervorgetien
konnte. Ein solcher liegt in derThat unter dem ge-
sammten eingelieferten Materialc nicht vor, so
dass wir unsererseits als die sachgemässeste Lösung der
Frage von Vorne herein nur auf das Dringendste empfehlen
, von dem schon früher vorgeschlagenen Auskunfts-
einer zweiten Konkurrenz auf Grund der nunmehr
gewonnenen Resultate Gebrauch zu machen. Es wird frei-
lich an erbitterten Stimmen nicht fehlen, die sich aus allen
Kräften dagegen stemmen werden, dass „auch diese Kon-
kurrenz* erfolglos im Sande verlaufe. Aber
mo-miiii— haben, und hoffen wir, dass an ..
Phrase wirkungslos abprallen wird. Denn es liegt nahe, dass
man diesen Wettkarapf mit einer extemporirten General
um guten Glück
die darüber zu
eine solche
über einen plötzlich eingebrachten Antrag ver-
gleicht, auf Grund deren ein Parlament trotz einzelner glück-
licher Reden wohl leitende Gesichtspunkte, aber nun und
nimmermehr einen fertigen, etwa nur der Redaktion bedürf-
tigen Gesetzentwurf zn erlangen wird hoffen können. Möge
man der nicht minder schwierigen Arbeit, die hier so plötz-
lich den Architekten geworden ist, dieselbe Rücksicht be-
willigen, aber auch versichert sein, dass nach der jetzt ge-
wonnenen Klärung und Läuterung des Stoffes eine neue, in
Ruhe vorbereitete Behandlung der Sache einen wesentlich
anderen, wirklich zufriedenstellenden Erfolg liefern wird.
Es wird das von uns befürwortete Verfahren sich übri-
)
gens um so mehr empfehlen, wenn sich bestätigt, was vor-
läufig als Gerücht verlautet — dass nämlich die Jury mit
eiserner Strenge alle jene Entwürfe von der Preisertheilung
auszuschließen beabsichtigt, welche formell wider das Pro-
gramm Verstössen. Eine nicht geringe Zahl soll den fest-
gesetzten Ablieferungstermin nicht eingehalten haben ; rechnet
man hierzu noch die Entwürfe, die zum Theil in falschem
Maasstab gezeichnet sind, denen eine oder mehre der vor-
geschriebenen Darstellungen oder gar der Erläuterungsbericbt
fehlen, s»» dürfte mehr als die Hälfte der Arbeiten, und
unter ihnen eine Anzahl der hervorragendsten, ausscheiden,
das Ergebnis« der Preisertheilung mit dem thatsächlichen
Ergebnis« der Konkurrenz aber in starkem Widerspruche
stehen.
Für unsere Besprechung, die wir nach den voraus-
geschickten Auseinandersetzungen ziemlich kurz halten kön-
nen, dürfen wir eine solche Unterscheidung selbstverständ-
lich nicht treffen, sondern müssen im Prinzipe alle Arbeiten,
welche an der Ausstellung Theil genommen haben, als
gleich berechtigt i-u». I.ieu. Allerdings vermögen wir nicht
allen die gleiche Würdigung zu widmen, und können näher
nur auf die liedeutenderen Arbeiten eingehen, doch wollen wir
zum Mindesten versuchen, jeder einzelnen gerecht zu werden.
Für Irrthümer — denn wer könnte solche vermeiden —
bitten wir die leider sehr reizbare Empfindlichkeit unserer
Fachgenossen im Voraus um Verzeihung. Es wird uns
hoffentlich Niemand vorwerfen, dass sie absichtlich begangen
oder aus Mangel an Ernst verschuldet sind.
Ein System für die Anordnung des Stoffes, soweit ein
solches überhaupt möglich ist hat sich uns mittlerweile von
selbst ergeben. Wir theilen die Gesammtzahl der Entwürfe
in zwei grosse Hauptgruppen und zwar einerseits in solche,
die in ihrer Grnndauffassung das nach unserer Ceberzeugung
erforderliche künstlerische Maass einhalten, andererseits
in solche, bei denen uns diese Grenze zu Gunsten des
änsserlichen Effektes überschritten zu sein scheint.
Für eine weitere Unterscheidung mögen in jeder der beiden
Hauptgruppen die Arbeiten, in welch» n der grosse Sitzungs-
saal zu einem Motiv des Facaden- Auf bans benutzt worden
ist, von denjenigen gesondert werden, in welchen dies nicht
der Fall ist. Mag es bei einigen wenigen Arbeiten auch
zweifelhaft sein, welcher der beiden Hauptgruppen sie
rechnet werden sollen, so hoffen wir doch, dass es uns auf
diese Weise noch am Leichtesten gelingen wird, die chaoti-
sche Masse zu gliedern.
Wir beginnen mit denjenigen Entwürfen, in
völligem Verzicht auf einen architektonisch
entwickelten Anfbau des grossen Sitzungssaales die äussere
Eiscbeinung des Gebändes am Einfachsten und Schlich-
testen sich darstellt. Sie zeigen dasselbe als eine ein-
heitliche oblonge Baumasse mit horizontalem Gesimsab-
schluss, deren Facaden lediglich durch Eck- und Mittelpa-
villons gegliedert werden. Je nachdem die letzteren mehr
oder weniger kräftig vorspringen, je nachdem sie in ihrer
Höhe gesteigert und zuweilen mit s«
versehen sind, je nachdem die Fenster- Ausbildung für die
dorthin verlegten Räume von grösserer 1
[anatmen endlich — hat sich ein verschiedenartiger
druck ergeben. Es ist indessen mit solchen Motiven über
die Wirkung eines Palazzo oder eines Dikasterialgebäudes
nicht hinauszukommen und nimmermehr kann es gelingen,
Digitized by Google
— 18G —
das Haus des Deutschen Reichstages durch sie in in ange-
messener Weise zu charakterisiren. So vollendet und in
sich abgeschlossen ein solcher Entwurf auch sein mag, so
ist er in diesem Sinne doch direkt unter der Aufgabe ge-
blieben und kann als Losung Oberhaupt nicht in Betracht
gezogen werden.
Es verfällt diesem Schicksale zunächst ein Entwurf, der
unter allen auf der Konkurrenz vertretenen am Wenigsten
Skizze ist, sondern fast als völlig fertig, zur Ausführung reif
Freilich darf auch nicht verhehlt werden, dass in der künst-
lerischen Entwickelung des Grundrisses und der durch sie
bedingten Gestaltung und Aufeinanderfolge der Räume ein
Mangel an Phantasie und eine Nüchternheit sich geltend
macht, die wohl gleichfalls unter der Aufgabe stehen. Die
zweigeschossige Facade in hellenischen Formen, die sich
nicht ohne Glück aus der tektonischen Zwangsjacke losge-
rungen halben, zeigt in Relief. Maasstab und Verbältnissen
eine im hohen Grade gelungene Haltung; wir wünschten
PARLAMENTS-pEBÄUDE FÜR DEN JÜEUTSCHEN REICHSTAG.
Entwurf von Kaysor und von Grossbeim in Berlin.
Oruadriaa Tom (ilUn Jto[kwiik.
K*mlg»pl»U.
SommTitrui«.
pn7TTTTir
I
1»
I
i-j
T
40
I
so
«0
T
70
CO
V«rth «iluEf äcr liint.
Brat*« flUikwirk.
I-S«. Rlura« für dl» Mitgliedtr dri
Helcbtlagto
I Vastibvl.
3 Trappenhau».
3 Garderoben.
4 V.T^mmhTi.'uiil.
3 SitiangasaaJ.
Ii I'UMlra.
7 LoftnuX
» Hlbllalhtk.
9 Zimmer de« Bibliothekar*.
10 Fraktion«*)«.
11 KommiMlonsiintrner.
13 AbthrilnngBKimraeT.
13 Sprerbrimmpr.
14 KrfriftrhanirwuJ-
1*. Krholtuigaranme.
lfi Büffet.
1? Vontramer.
18 Korridor*.
19 Klowu.
10 ArbeUssiraaier des Prkstdenttn.
2t SprechtimoMr do.
SS Koajftrt.niiktD.mer da.
S3 Vorlimmer da.
34 8ehrlflnjhr*r.
35 Zirnrai'r der Stenegrtphen.
V) Zimmer für Korrekturen.
37 Flar.
2*. Treppe für die Journalisten.
3» — 3» Räume für dl« Ultglle-
der dpi BfJ adeirathea.
39 Treppe.
30 Vonimmer.
31 Kltisnmual.
33 xprpchiiRim>>r da* RelrtiBk»ok[*r».
33 KonferanriltoBtr lUi.
34 Voeilmraer da.
33 Sprecbiiraeaer dtt rHktidentepi de*
Reich»k*nsler*mte*.
Sri Yorslraaner deaeelben.
3T SprecbiLmmeT far die Mitglieder da*
Bundeeraihr..
3« Korridore.
39 Kloact.
40 - 47 Wohnung dea Priaiden-
ten daa KeTcfaatage»,
40 Haunttrepp*.
4t VoraiBaeaer.
43 Salm».
43 Gallert«, aueli S|i«L*«»ul.
44 <J rosaer Fesuaal.
43 Vorptati.
4li K lotet
47 Lkhthof.
4« tM.
49 Tolagraphle.
50 Tr*pp*n tu dea Logen für den kalaer-
llcbtn Hof.
tl Veitibul d.sgl.
33 Treppen su daa reaervirten Logen.
33 Treppen aa den Logen f. d. Publikum.
34 Portika».
WO Meter.
Brdg neb*«».
Unter 30. II, 43. 43. 44: Wobnung de*
Präsidenten de* Reichstage».
. 33: Einfahrt iu derselben.
. 31, 33: Zufahrten für den kaiaer-
tleh*n Haf.
14. Ii: HLaUaag.
Link» eoan Klngartg:
Ual-r 11. 13, 13, 17, 1«: Bureau« det
lleichotage» In Verbindung aoll
dem Vertllial (1).
• 10: Darcbfalirt and Eingang tu
denselben.
Rechts vom Eingang:
Unter II. 12. 13. 17. Irl: Wohnung dea
Dirkgenua.
a 10: IrurebEahK nnd Klngang tu
derselben.
, fl, II, 17: Ka««*llan«rnfcnung.
, i. 4, S. 7: Disponibel für Helinngl-
und VelitllaÜousTurriebtangea
sich darstellt; die Arbeit von Gropius & Schmieden in
Berlin. Wir haben den Grundriss derselben auf Seite 17!)
Bnblizirt nnd können uns daher direkt auf ihn beziehen,
•ass die Geschäftsräume des Präsidiums und BiindesratliB
in zu weiter Entfernung vom Sitzungssaal liegen, ist ein
iiriiizipieller Fehler, der fast allen Entwürfen gemeinsam ist
Im Uebrigeii ist die Klarheit und Uebersichtlichkeit der
Disposition, die angemessene Vertheilnng der Eingänge, vor
Allem aber die bei aller Einfachheit und Gemessenheit doch
wahrhaft monumentale Ausbildung des Sitzungssaales, dessen
architektonische Erscheinung der des Saales im provisori-
schen Reichstagshause sehr angenähert ist, anzuerkennen.
I wohl, dass sie vorkommenden Falls für eines unserer neu
zu erbauenden Ministerien verwendet werden könnte, wofür
sie auch in ihrer anf einige Wappenmotive beschränkten
Schmucklosigkeit sich eignen möchte. Dass sie für die vor-
liegende Aufgabe nicht genügt, konnten die Verfasser selbst
nicht schlagender beweisen, als indem sie neben diesem Ent-
würfe noch eine Version derselben lieferten, in welchem sie
an Stelle des Mittelpavillons der Hauptfaeadc eine mächtige
kuppclgekröntc Vorhalle einfügten, die sich mit drei grossen
Bogenöffnungen aufschlics.it und einen bedeutsamen Schmuck
durch Aufstellung dreier Kolossal-Statuen erhalten hat So
schön aber diese Halle an sich sein mag, so völlig fällt sie aus
Digitized by LjOOQic
— 187 —
dem architektonischen Rythmus des Ucbrigen heraus; auch welchem der im ErdgcBchoss liegende Saal die Form eine»
die Veränderungen, welche der Grundriss erleiden musste, verlängerten halben Achtecks erhalten hat. giebt einige gute
indem der Festsaal im oberen Stockwerke nunmehr nach Motive, namentlich in der Disposition der Eingänge zum
der Mitte der Hinterfront verlegt wurde, sind an sich keine Festsaal, zur kaiserlichen Loge und zu den Tribünen des
Verbesseningen. Im Ganzen ist die Arbeit trotz jenes prin- Publikums; daneben bestehen leider auch mehre bedenkliche
zipiellen Irrtbums eine sehr tüchtige und beaebtenswerthe, Schwächen — so die Spaltung des bundesrüthlichen Etah-
steht jedoch — wenn von dem Grade der Durcharbeitung lissements in zwei Geschosse nnd vor Allem die durchaus
und dem Reize der Darstellung abgesehen wird — auf einem ungenügende Beleuchtung der meisten Korridore.
Range, den nicht wenige andere mit ihr theilen. Es musste Den geschlossensten Ban hat Hasecke in Berlin pro-
PARLAMENTS-pEBAUDE FÜR DEN pEUTSCHEN REICHSTAG.
Entwurf von Hubert Stier iu Berlin.
Oruniri»» da* E r i f e ■ c hei ■ e i .
fioTnnjorttr»kJio.
kiintgaplau.
" I " ' 1
n
w
3D
40
so
CO
i
TO
—7—
SO
Er J» «lf hon.
1-1« Klan« rfir 41« Miiill«d«r
d«a fttlcuatair.««.
I Ha«plRln«;en|.
3 Voraaal.
3 Garderoben.
4 Mimiii .-,<«»!
i Foftr.
6 Lefeaiaaaaer.
7 Keataurarlou.
H n&ffetilmmer.
9 lllbllothek.
10 IjmhI mmer.
11 NprMhalmBer for die RekhitMimk-
Utilit.
1» Prteklmi .!«» Reich»!««,*».
Varthallaaf dar E.""'t
13 Sprfdi«!mraer duirelbau.
14 Voralmmer
I» Seh rill fuhr«.
1« Netfen-Kiniunr. f. d. Mit,;!, d. Releh«-
tagea und au den nareau-LiikAliaten.
II — SS Bureau-Lokale d. Reicha-
lag«».
17 Hureaa-Dlrigmt.
10 Vorxlaaaw d«a»e)ben.
1!* Botenmei»t«r.
20 Kaiiilriilitmr.
91 Eipedition,
31 Kanzlei und R«f iitramr.
2'J ArehiT
24 /Immer drr Stenographen.
2A Zimmer für Korrekturen.
K-3t Räume für diu Mitglied]
dea Bandeerataoa.
IE Veallliala.
37 Rrlehakanilcr.
W Spttrlulmmor deaaeluea.
V,,rr immer.
30 Prialdeat d«a KeleliitanaJeramtei.
31 Vorzimmer <l*««ellt«rt.
33 Geachiftaaianmer f, il. Hitulicder.
33 Sltrunipmaal.
34 Vonlmmer.
:r, i'mt.
36 Telegraphla.
37 Vonlmmer.
36 Auffahrt f. d. hazmilehen Hof «IC,
33 Vorhalle.
100
r 40 Trepp« zur kaieerlielira Loire.
41 Treppe sur PiploroatenloRe.
41 ITllllagl (ür d- Tublikam «o Soat.)
43 Treppen au den I .-• - i deaaelben.
44 ' ■ epen.
41 Treppen 10 den Ablhellanpeaatai.
44 Treppe au den PeatlokarllAun.
43 Troppe aur Wohnung I. PraaidenKn
46 iiraw offene Hall«.
Britta Stockwerk,
lieber 10,26— IS: Woh 11 11 n« d.iYäiidenteo.
m 9 ; Gruner FeaUaal.
. 35 — 37 : EmpfanaasilD und Vor-
almoaor au dcaaaelben,
. lt-3*: AtilheUungiaale, Frakduaa-
»äl«, Kofneolaaloniilmmer etc.
daher für diejenigen, welche Aehnliches nach den Vorgängen
bei der Dom-Konkurrenz nicht schon mit Sicherheit voraus-
setzten, ein gewisses peinliches Aufsehen erregen, dass einige
Kritiker sich die vergebliche Mühe gegeben haben, den Ent-
wurf trotzalledem zu einem der hervorragendsten und preis-
würdigsten zu stempeln.
Alfred Hauscliild in Dresden hat seinen gleichfalls
zweigeschossigen Bau nur an -der Hauptfront durch einen
energisch vorspringenden, mit einem Bogcndach gekrönten
Vorbau — im Uebrigen mit flacheren Risaliten und einer
durchgeführten Pilaster • x\rchitektur in etwas barocken Re-
il aissanceformen gegliedert. Die Detailbehandlung der Ar-
chitektur, namentlich aber die Ausbildung der Innenraume
zeigt eine künstlerisch gewandte Hand. Der Grundriss, in
ji'ktirt, dessen schwach reliefirte Risalite die Gesimshöhe der
Facaden nicht Alierschreiten. Im Grundrisse, der vier regel-
mäßige Höfe enthält, ist der Haupteingang von der Sommer-
strasse angenommen, der Sitzungssaal liingegen soweit nach
I Westen gerückt, dass zwischen ihm und der Facade nur die
Eingänge zur Hoflogc und deren Ncbenraume liegen. Die
Vestibül- und Foyer -Räume für den rechteckig geformten,
im Erdgeschoss liegenden Sitzungssaal sind wohl zu reich
entwickelt, während die Restauration in einem der Seiteu-
| flügel zu sehr entlegen ist. Der inmitten der einen Seiten-
I front angeordnete Festsaal, mit dem Haupt-Foyer durch eine
Galleric verbunden, hat entschieden zu wenig Zugänge. Die
architektonische Ausbildung ist im Ganzen eine einfache.
Dem in Renaissance - Formen entwickelten Aeusseren, das
Digitized by Google
— 188 —
durchweg Bogendäeher wigt, merkt man — obwohl ein Hau-
steinbau beabsichtigt ist — dennoch ganz unverkennbar an,
dass der Künstler vorwiegend im Backsteinbau geschult ist.
Einen etwas trockenen, akademischen Eindruck macht
der Entwurf von Haas und Wahl in Wien. Das Oberge-
»choss des Baues ist mit einer Säulenstellung in typischen
Renaissanceformen, die Miltolrisalitc sind mit Tcmpelgieheln
dekorirt; noch weniger bemerkenswert!! ist die Ausbildung
des Inneren. In praktischer Beziehung hat der Grundriss
einige Vorzüge; die Vertheilung der Räume ist übersichtlich
und klar und sind in der Anordnung derselben auffällige
Fehler vermieden.
Reichert und Kirchhof in Mnrienwerder haben eine
etwas gesuchte, im Uebrigen mit gewissenhafter Sorgfalt
durchgearbeitete Grundriss - Disposition gewählt Der im
Schwerpunkte des Ganzen liegende Sitzungssaal hangt durch
vier Verbindungsbauten, von denen drei glasgedeckte Winter-
garten unischliessen, mit dem äusseren, an den Ecken durch
bedeutende Rundbauten verstärkten Oblong zusammen; so an-
genehm aber der Besitz eines Wintergartens in einem Privat-
hanse sein mag, so passt eine solche Anordnung doch kaum
in ein monumentales Gebäude. Der oblonge Sitzungssaal
hat die abweichende, nicht gerade praktische Anordnung
der Präsidenten - Tribüne auf der schmalen Seite. — Das
Aeussere, in einem Gemisch von Backstei.-flächen mit Werk-
stein - Details gedacht, zeigt eine dreigeschossige Anlage —
das obere Geschoss allerdings in eine Arkadenstellung auf-
gelöst — und eine Stilfassung, welche die Verfasser als ro-
manisch bezeichnen, die jedoch ihren Zusammenhang mit
den Berliner Traditionen aus vergangenen Jahrzehnten nicht
verläugnet.
Noch origineller in der Grundriss - Idee ist der Entwurf
von Rickert in Gross - Glogau, der sich dafür entschieden
hat, die schmale dem Brandenburger Thor zugekehrte Süd-
seite zur Hanptfaeade zu machen und hier seinen Hauptein-
gang anzuordnen. Aus dem grossen Vestibül führeu eine
imposante Treppe zu dem darüber liegenden Festsaale, Kor-
ridore zu dem Vor- und Sitzungssaale — deren Längsaxen
in folgerechter Weise vertikal zu der grossen Hnupt-Ouer-
axe stehen. Trotz einzelner Fehler — beispielsweise befin-
den sich die Räume für den Bundesrath im oberen Stock-
werke — war diese Anlage einer beaehtungswerthen Aus-
bildung wohl fähig, wenn der künstlerische Schwung, den
der Verfasser für die Aufgabe aufwenden konnte, ein grös-
serer gewesen wäre. Auch an den F'acaden, die in drei
ziemlich kleinlich behandelten Stockwerken eine trockene
und magere Renaissance-Architektur und nicht eben schöne
Verhältnisse zeigen, macht sich ein derartiger Mangel an
Gestaltungskraft geltend. Die Eck- und Mittelbauten sind
mit steilen Mansarde-Dächern bekrönt.
Noch mehr überwiegt die Erscheinung solcher steilen
Dachformen in der Fa^ade von R. Cremer in Aachen, wo
die mit ihnen bekrönten Eckvorlagen der auffallend breiten
Flügel- und Mittel-Pavillons fast zu Tliürraen werden. Der
im Sinne nordischer Renaissance detaillirte Entwurf, der
jedoch bestenfalls nur ein Schloss, niemals ein Parlaments-
nans reprfisentiren könnte, ist im Uebrigen unvollendet.
In der Gruppirung verwandt ist den vorerwähnten Ent-
würfen endlich noch die Arbeit von Preusser — * in den
Facaden ein dreistöckiges Dikasterialgebände von leidlich
guten Verhältnissen. Der Grundriss, der namentlich an einer
höchst unschönen und unmonumentalen Anordnung der
Treppen leidet, zeigt den oblongen Sitzungssaal im oberen
Stockwerke. Derselbe hat eine sehr bedeutende Grösse er-
halten, weil ausser den für das Publikum bestimmten, um
Geschosshöhe erhöhten Tribünen in ihm noch eine un-
mittelbar hinter den Sitzreihen der Abgeordneten aufstei-
gende Estrade sich befindet, auf welcher die eximirten Zu-
hörer, mit denen seltsamer Weise auch der Bundesrath
gleichgestellt ist, Platz finden sollen. — Die Pläne von
Moritz in Frankfurt a. M-, Benignetti in Rom und die
kaum über die erste Anlage hinausgeführte Skizze „Elk zyn
gedacht" aus Holland, die gleichfalls hier zu erwähnen
wären, sind mit so absolut ungenügenden Kräften unter-
nommen, dass es sich nicht verlohnt, ihrer weiter zu ge-
denken.
Eine Anzahl von Konkurrenten, die in ihrer Grund-
auffassuug derjenigen der bisher besprochenen Entwürfe sehr
nahe steht, hat sich mit den dort aufgewendeten Mitteln
nicht ganz genügen lassen, sondern ist bestrebt gewesen,
für die Gestaltung ihrer Baukörper Motive heranzuziehen,
welche denselben ein etwas originelleres Gepräge sicherten.
Wir haben es als eine Frage des künstlerischen Taktes be-
zeichnet, in wie weit eine solche Betonung nebensächlicher
Momente noch ihre Berechtigung hat, und müssen freilich
feststellen, dass nnr Wenige hierbei in den Grenzen geblie-
ben sind, welche echtes künstlerisches Empfinden von di*
lettantistischer Effekthascherei scheidet.
Höhere Bedeutung können wir unter den hierhergehöri-
gen Arbeiten, wie unter den in erster Reihe erwähnten,
wiederum nur einem einzigen Entwürfe beimessen — dem
von Strack und Herrtnann in Berlin. Mit einer ver-
letzenden Absichtlichkeit hat man an anderer Stelle seinen
Werth nicht nur herabgesetzt, sondern einen solchen über-
haupt geleugnet, wobei dann Anspielungen auf die persön-
liche Stellung der beiden Verfasser unter den Spitzen der
Berliner Baubeamten die wohlfeile Würze der Kritik bildeten.
Was das Letztere betrifft, so wollen wir nicht verfehlen, im
Gegensätze hierzu unsere, und wohl aller Fachgenossen leb-
hafte Freude darüber auszusprechen, dass jene beiden Meister
frisch und unbefangen genug gedacht haben, um an diesem
Wettkampfe sich zu betheiligen, ohne in der Möglichkeit,
von der aufstrebenden jüngeren Generation überflügelt zu
werden, eine ihrer Würde gefährliche Zumuthung zu erblicken.
Leider bildet in dieser Beziehung eine vornehme Zurück-
haltung so sehr die Regel, dass wir alle Ursache haben, den
wahrhaft bescheidenen Sinn, der sich hier bekundet hat,
und der wohl am Besten beweist, wie weit jene Männer
davon entfernt sind, sich als Träger einer „Baubierarehie*
zu fühlen, dankbar anzuerkennen. Viel eher haben die Ein-
flüsse einer solchen Hierarchie seinerzeit vor und nach der
letzten Dom-Konkurrenz sich geltend gemacht.
Was den sachlichen Werth des Entwurfes von Strack
und Herrinann betrifft, so sind wir weit davon entfernt,
bestreiten zu wollen, dass derselbe in mehrfacher Beziehung
angreifbar ist nnd in der That hinter einigen anderen Ar-
heiten zurücksteht. Bei einem aufmerksamen Studium des
auf Seite 1(58 publizirten Gruudrisscs w ird man nicht zweifel-
haft darüber sein, dass die mit allzugrosser Vorliebe, ja mit
einer gewissen Einseitigkeit bewirkte monumentale Ausbil-
dung desselben die Ursache dieser Schwächen ist. Eine
solche Übersichtlichkeit nnd Zngängliehkeit des baulichen
Organismus — eine so stattliche Entwicklung und eine so
gute Beleuchtung der Kommunikationen ist in keiner anderen
Arbeit erreicht worden; namentlich ist die Anordnung der
(^ueraxe mit ihren imposanten Treppen, von denen die eine
dem Publikum den einzig würdigen Aufgang zu seinen Tri-
bünen gewährt, als ein grosser Vorzug rühmend hervorzu-
heben. Aber es fällt auch auf, dass der Flächeninhalt der
thatsächlich benutzten Räume zu dem der bebauten Grund-
fläche anderen Entwürfen gegenüber in einem so grossen
Miss Verhältnisse steht, dass die Konkurrenten trotz Aus-
nutzung des gesammten Bauplatzes einerseits manche
ihrer Bestimmung nach zusammengehörige Lokale weiter
von einander entfernen mussten, als wünschenswerth war,
nnd dass sie andererseits zur Anlage von drei Geschossen
genöthigt wurden, um die verlangten Räume unterzubringen.
Da sich auch das Untergesehoss in ganzer Höhe aus
der Erde hebt und die Pavillons um ein volles Stockwerk
über das Hanptgesims der Langfronten emporgeführt sind,
so ergiebt sich in einzelnen Partien namentlich an der Hin-
terfront und den beiden Seiten sogar eine fünfgeschossige
Anlage — für ein monumentales Bauwerk dieses Ranges
jedenfalls ein künstlerischer Irrthum, der in keiner Weise
vertheidigt werden kann, zumal wenn diese Anordnung mit
der Ausbildung derein Geschoss weniger zählenden Haupt-
facade in so unlösbaren Konflikt tritt, wie dies hier in den
beiden Eckpavillons der Westfront der Fall ist
In diesem Sinne und bei dem Mangel einer charakte-
ristischen Hervorhebung des Sitzungssaales ist die Lösung
der Aufgabe allerdings wohl als verfehlt zu erachten; auch
den Vorwurf, dass der grosse Vorsaal der Abgeordneten in
der gewählten Ausbildung an Grossartigkeit der Raumwir-
kung zu sehr hinter dem Vestibül und namentlich hinter
dem Treppenhause zurückbleiben würde, müssen wir als
berechtigt anerkennen. Man darf indessen hier wie in an-
deren Fällen durchaus nicht übersehen, dass keine einzige
Arbeit von Mängeln frei ist und dass es bei der Kürze der
Zeit, in welcher das Werk geschafft werden mnsste, so sehr
Glückssache war, ob der erste Wurf gelang, dass ein theil-
weiser Misserfolg durchaus noch nicht ein völlig absprechen-
des Urtheil über die Leistungsfähigkeit der betreffenden Ar-
chitekten gestattet, namentlich wenn ihren Irrthümern so
grosse Schönheiten gegenüberstehen, wie bei dem in Rede
stehenden Entwürfe. Neben den schon erwähnten Vorzü-
gen der Grundriss-Disposition machen sich dieselben nament-
lich in der Entwickelung der Festlokalitäten geltend, w<*l<-he
einerseits durch die doppelte Haupt-Prachttreppe Zugang. .
andererseits mit der Wohnung des Präsidenten und den
Südflügel liegenden Geschäftsräumen verbunden, das ganze
Digitized by Google
— 189 -
obere Stockwerk des westlichen Hanptflügels einnehmen und
aus einem grossen, durch Säulenstellungon getheilten Saal
nebst zwei kleineren Nebensälen, sowie einer entsprechend
langen Flucht monumentaler Gallerien bestehen. Offenbar
liegt hier die von uns motivirte höhere Auffassung der Fest-
räume, als eines Lokales für die wichtigsten Reprüsentations-
Feierlichkeiten des Reiches zu Grunde und rechtfertigt sich
hieraus auch die Wichtigkeit, welche die Künstler bei ihrem
Verzichte auf eine monumentale Ausbildung des Sitzungs-
saales diesen Räumen dadurch zu Theil werden Hessen, dass
sie aus ihnen das Hauptmotiv ihrer ganzen Facadengestal-
tung ableiteten. Während die Nebenfronten eine eiufncbe
Gliederung in den für die Berliner Schule typischen Formen
hellenischer Renaissance zeigen und nur durch die mit grös-
seren grnppirten Fensteröffnungen durchbrochenen Mittel- nnd
Eckbauten belebt werden, entfaltet sich der mittlere Theil
der Hauptfacade zu einem impouirenden Eindrucke festlicher
Pracht. In ganzer Höbe der oberen Stockwerke öffnet sich
zwischen 2 breiten Eckpfeilern eine dreibogige Portalhalle,
welche die Hauptaxe des Gebäudes charakterisirt; von einer
mit Statuen geschmückten Terrasse steigt man zu derselben
empor. Seitlich ist die FronthChe über dem Erdgeschosse
zu einem einzigen Stockwerke zusammengefaßt, das ganz
in eine luftige Arkadenreihe von grossartigen Verhältnissen
aufgelöst ist. Ein Fries von 3 Meter Höbe, zwischen die
Arkaden und das Huuptgesims eingeschoben, steigert auch
den künstlerischen Schmuck des Gebäudes an dieser Stelle
zu seiner höchsten Wirkung. Ihren eigentlich repräsentativen
Charakter aber erhält diese Front dadurch, dass über dem
Mittelbau, das ist also auch über dem Zentrum der Festsäle,
wo man sich den Thronscsscl des Kaisers bei einer feierlichen
Eröffnung des Reichstages aufgestellt denken mag, und wo
eine Steigerung der Raum- und Lichtwirknng durch Anord-
nung einer Kuppelwölbung mit Oberlicht wünschenswert!»
erschien, ein von einem Rogengange umgebener Aufbau sich
erhebt, dessen vergoldete Schutzkuppel von einem Adler-
kranze umgürtet und mit der Kaiserkrone gekrönt wird.
Die Verhältnisse dieses Kuppelaufltaues zu den der Gesammt-
faeaden, die dadurch erreichte Silhouette des ganzen Baues,
die Ausbildung der Details — sind meisterlich geglückt und
verleihen dem Entwürfe, trotz des grundsätzlichen Irrthumes,
dem die Verfasser nach unserer Ansicht unterlegen sind, doch
immerhin einen Knnstwerth, den abzuleugnen eine Unge-
rechtigkeit wäre.
Die wenigen Entwürfe, deren dekorative Zuthaten wir
innerhall
Mittheilungen
und Architekten - Verein
zu Wien
Wocbenrersammlung am 27. Januar 1572; Vorsitzeuder
Herr Obcrbaurath Kr. Schmidt.
Im Anschlüsse an seine früheren allgemeinen Mitteilungen
über die Eisenbahnen Nordamerikas spricht Hr. Ingenieur A.
Kölsch über die l'ucific-Babu von Omuliu nach San Francisco.
Unter Uebcrgehuug der Angaben über Richtung. Länge und
Höhenlage der Hahn, die im Jahrgang 1845H, S. i03 d. Bl. notirt
sind, heben wir aus dem interessanten Vortrage hervor, dass
die IUupthindcrnih.se des Buhubaues durchaus nicht etwa darin
beruhten, dass das Terrain für die Anlage ungünstig; war, son-
dern dass es zum «rossen Theile noch eine Wüste ist und
aller natürlichen ilülfsmittel entbehrt. Dm den kalifornischen
Theil, die Central - Pacificbahn, dem anderen entgegen-
treiben zu können , niusstcu dazu tust alle zum Hau
erforderlichen Eisentheile und Maschinen vom Westen aus auf
Schiffe verladen und um das Cap Horn herum nach dem ost-
lichen Ausgangspunkte geschafft werden. Das Terrain ist trotz
der zu passirenden Hochgebirge so günstig, dass auf dem gröss-
ten Theile der Bahn die Kurven nicht unter ,".15"> Uadius. die
Steigungen nicht über 1:60 hinausgehen ; nur ö-llieh der Sierra
Nevada sind auf grossere Längen Steigunseu von 1:45 auge-
wandt. Hier finden sich auch 15 kurze Tunnels und mehre
imposante hölzerne Viadukt«' bis zu o<) n ' Hohe, im l'elirigen
sind die Hauptbauwerke der Mahn die oft auf mcilenweile Ent-
fernung geführten, aus starken Hölzern koustruirteu Sclmec-
gallerien zum Schutze gegen Lawinensturz. In Sau Francisco
soll die Hahn später auf einer mitten in der Blicht geschaffenen
künstlichen Insel enden ; du die Schüttung derselben von Seifen
<!>•- Kongresses mich beanstainicl wird, so sind dir Geleise vor-
läufig auf Holz-gerfislcu bis zu dieser Stelle geführt. — Aua der
Geschichte des Baues, dessen Vollendung iu der Konzession erst
zum Jahre 1<S7C> vorgesehen war, der jedoch — um die hohen
Staats - Subventionen zu erhalten — seh >n im Jahre 1H6'J be-
triebsfähig war. sind v ö le Momente bemerkenswert!]. Ohne die
Hülfe der zur Disposition stehenden chinesischen Arbeiter wäre
ein solches Kcsultat. trotz aller sinnreichen llülfsmasehincn
Exkavatoren etc. wohl niemals möglich gewesen: unter den ori-
ginellen Mitteln der liaulteschleuuigung ist beispielsweise auch
eine \ e. :.ii*." ,.iu <l,'-. M .rt. • inh <..!/. thi« tu ll.l des Kalkvu-
hUHM) zu erwähnen, mittels welcher es möglich war, selbst
: ' »trengsten Froste Mauerwerk auszuführen. Bei der Ver-
.egtiiig des Oberbaus ist das Maximum der täglichen Leist u.g
oiS zu der enormen Strecke von 16,7« Km gesteigert worden.
Für den Betrieb, der gegenwärtig mit drei Zügen pro Tag nach
.all» des künstlerischen Maasses liegend, an-
nehmen können, erreichen einen solchen Rang bei Weitem
nicht. Es ist einmal die Arbeit von Weidner und Jum-
mel in Dresden und Leipzig, ein Entwurf in argem, un-
erfreulichem Zopfstil, aber trotzalledem in seiner äusseren,
durch sehr reiche monumentale Schmuckanlagen belebten
Erscheinung nicht ohne flüssige Eleganz, von angenehmen
Verhältnissen und guter Silhouette. Die Architektur des
Inneren steht bei Weitem nicht so hoch. Im Grnndriss,
der den halbkreisförmigen Sitzungssaal im hohen Erdgeschoss
annimmt, sind sehr grosse praktische Unzuträglichkeiten da-
durch entstanden, dass der Ranm hinter dem Präsidium
resp. den Bundesraths-Sitzen — das kostbarte, auf das
Sparsamste zu benutzende Terrain für eine gute Lösung —
zu einer kolossalen, zum Festsaal gehörigen Vestibül-Anlage
verschwendet worden ist. Das originellste Moment der Lö-
sung bildet die Art und Weise, wie der inmitten der Haupt-
facade angeordnete Kuppelaufbau zu dem Grundrisse in Be-
ziehung gesetzt ist, indem derselbe im oberen Stockwerke
den mittleren Verbindungsbau der Bibliothek überdeckt,
ausserdem aber durch einen kleineren Mittelschacht noch
Licht in das untere Vestibül führt. Das künstlerische Detail
dieser Anordnung ist freilich nicht glücklich.
Ebenso ist dem Entwürfe von Oscar Sommer in Frank-
furt a. M., der für seine Fanden eine an die Auffassung des
18. Jahrhunderts erinnernde, ernste Mansarden - Renaissance
mit durchweg horizontalen Uebcrdcekungen gewählt hat,
nachzurühmen, dass er die Wirkung einer einheitlichen ar-
chitektonischen Komposition — freilich nimmermehr die
eines Parlamentshauses — erreicht hat. Das schlanke Knppel-
thürmchen seines Entwurfes erhebt sich über einem inneren
Treppenvestibül - - für eine nähere Ansicht der Facade wohl
etwas zu unmotivirt. Weniger gelungen ist der Grnndriss
nnd das Innere. In dem oblongen Sitzungssaal, der hier im
ersten Stockwerk liegt und nicht nur Oberlicht, sondern
auch hohes Seitenlicht erhalt, sind die Tribünen der Zuhörer
in einer ganz unzulässigen Höhe angeordnet, während die
Foyer- Anlagen allzu bescheiden sind.
(Fortwuun« folgt.)
aus Vereinen.
jeder Richtung regelmässig eingerichtet ist und naturgemäß
vorläufig mehr auf Personen- als auf Güterbeförderung sich er-
streckt, bildet die Hauptschwierigkeit die Wasserbeschafluug.
Das Klima ist durchweg äusserst trocken, der Kegcnfall auf
Monate unterbrochen uud sehr gering, un manchen Stellen das
vorhandene Wasser durch Salze ganz unbrauchbar. Das letztere
wird zum Theil iu besonderen Anstalten destillirt, anderwärts
sind aus dem Gebirge auf weite Strecken Zuleitungen geführt
und Wasserliebewerke eingerichtet, die durch Windmühlen be-
trieben «erden; uueh artesische. Brunnen bis auf IM)«« Tiefe
gebohrt, sind mehrfach mit Erfolg angewendet. Kohlen sind au
mehren Stellen dicht liehen der Bahn iu grosser Menge uud
bester Qualität vorhanden und tür die Zwecke derselben in Ab-
bau genommen.
Neben seinen Mittbeilungen über den eigentlichen Gegen-
stand seines Vortrage!! giebt der mit reichem Beifall belohnte
Kcilner noch eine Beihe anziehender Schilderungen ilber einzelne
Verhältnisse der von der Pacificbahn durchschnittenen Ge-
biete — über den Mornwncnstaat am Salzsee — das Verfahren
der Goldgewinnung in Kalifornien (dus sog. Hydraulic Mining)
— die bisherige Eutwiekeluug und Zukunft dieses Landes —
endlich über den grossen llafcuplatz de Bleiben, die aufblüheudo
Weltstadt San Francisco.
Der oberbayerische Architekten- und Ingcnieur-Voroin
zn Künoben hat iu seiner Generalversammlung vom •!. Mai be-
züglich des Honorars für Bau- Ingenieure folgende Beschlüsse
gefasst :
1. Normen für die Turifirung von Bau - Ingenieurarbeiten
erteil einen im Allgemeinen als wünschenswert!), jedoch nur als
Anhaltspunkte zu der für jeden einzelnen Fall vor dem Beginn
ih r Leistung festzustellenden Grundlage der Houorarlierechuuug.
2. Eine förmliche allgemeine Tarifirung der Bau-Ingenieur-
Arbeiten ist nicht praktisch durchführbar; nur für einzelne Fach-
zweige und Spezialitäten erscheinen besondere Tarife als
zweckmässig.
3. Die llonnrirung nach Prozenten der Anschlugssumnie
kann bei den geiiMrelien und speziellen Vorarbeiten nirgends
als angemessen erachtet werden.
4. Für diese Vorarbeiten eignet sich iu der Regel mir der
Zeittarif, iu besonderen Fällen die Honorirung nach Maassgabe
der räumliehen Ausdehnung der Arlieit.
X Iii" Bauleitung (Bauführiing) kann iu der Hegel nach
Prozenten der Baukosten, unter Umständen in Verbindung mit
Krsparungsprätuicu, houorirt werden.
Digitized by Google
— 190 —
Eine ausführliche Motivirung wird demnächst in der bayc- I
rischen Verein.s2eitscbrift erscheinen. Iii der Hauptsache war
die Anschauung maassgebend, dass einen richtigen Maasstab
für die Ilonorirung namentlich geistiger Arbeiten neben An-
eebut und Nachfrage mir die Qualität der Leistung und die
darauf verwendete Zeit gewähren, dass aber die Grosse der ins
Spiel kommenden Geldiutcressen nie aus inneren, sondern ledig-
lich au« äusseren, rein praktischen Gründen in Betracht kom-
men kann. Von diesem Standpunkt aus haben sieh die Normen
für architektonische Arbeiten bewährt, der analogen Behand-
lung der Ingenieurarbeitcn stehen aber wesentliehe Bedenken
entgegen. Bei Hochhauprojcktcn ist Seitens des Bestellers in
der Kegel die Bausumme tlxirt, mittels welcher derselbe einen
bestimmten nütilichen Zweck in möglichst «irksamer Ausstat-
tung erreichen will; der Ingenieur hat dagegen die Aufgabe,
einen bestimmten, oder möglichst grossen Nutzeffekt mit mög-
lichst geringem Geldaufwand zu erzielen, (ienaues Studium
uud geuiale Ausnutzung der LokalvcrhSItnisse werden hier das
Höchste leisten, aber, wenn die Prozent-Tarifirung angenommen
wird, sehr zum Schaden gerade der besten und gewissenhafte-
sten Arbeiter, namentlich wenn der Ingenieur auch die Kosten '
für Hülfspersonal u. dgl. selbst zu bestreiten hat. Der Gedanke,
das Honorar für generelle Vorarbeiten nach der vom In-
genieur selbst in hohem Grade abhängigen uud \ou ihm allein
zu entwickelnden Anschlagssumme zu beuiessen, wird daher um
so mehr als eiu verfehlter, ja geradezu korrumpirender zu be-
zeichnen seiu, als der Besteller iu der Regel diese Arbeiten
rücksichtlieh des von ihrer Ausführung zu erwartenden Nutz-
effekts weit weniger zu beurtheilcn vermag, als die Bearbeitung
architektonischer Aufgaben.
Nicht viel anders verhält es sich mit den Detailprojekten.
Soll etwa z. B. nach den Kosten der Schienenbeschaffung hono-
rirt werden, wenn einfach ein bestellendes Oberbausystem auf
eine neu proiektiite längere Bahnlinie ausgedehnt wird? Soll
der Konstrukteur und Berechner einer eisernen Brücke mit
4 gleichen Oeffnungen nahezu das Vierfache der Summe er-
halten, welche ihm für eine Oeffnung zufallen wurde? Be-
merkenswerther Weise erhob sich bei der Berathung auch nicht
eine einzige Stimme für das leitende 1'riuzip der Baumeister-
schen Vorschläge!
Schliesslich wurden noch die 18<>8 in Hamburg angenommc- ,
neu „Grundsätze für das Verfahren bei öffentlichen Konkurren-
zen" nach Modifikation des §. 5. auch als verwendbar für In-
genieur-Konkurrenzen auerkannt
Der bayerische Land es verein hat über die obigen Fragen
noch keine Beschlüsse gefasst.
Architekten-Verein zu Berlin. Zweite Sommer-Ex-
kursion am 25. Mai 1872.
In einer Zahl von III Personen versammelten sich Mitglie-
der und Gäste des Vereins auf dem nach jahrelangem Provi-
sorium endlich wieder zu einer angemessenen Anlage umgestal-
teten Lustgarten, um zunächst den alten Dom zu besichtigen.
Der Ausdruck „alt" bezieht sich freilich mehr auf die zu
verschiedenen Malen in Anlauf genommene, aber noch stets
vertagte Absicht an dieser Stelle einen „neuen Dom* zu gründen,
als auf das tbatsächliche Alter des Gebäudes, das bekanntlich erst j
122 Jahr« beträft. Friedrich der Grosse Hess es in den Jahren
1747 bis 50 als Ersatz für die zum Abbruch bestimmte, auf dem
Schlossplatz befindliche Dom- (früher Duminikaner-) Kirche er-
richten. Als Architekt "fungirte der Holländer Bouniaun, der als
Knobolsdorff, der geniale Freund des Königs, in Ungnade fiel,
vom Schloss- Kastellan in Potsdam zum Ober- Baudirektor in
Berlin befördert worden war und in diesem Amte sich ebenso-
sehr durch eine eifrige, pflichttreue Thätigkcit, wie leider auch
durch die Phanta&ielosigkeit seiner Bauten bemerklich gemacht
hat. Ein sprechendes Zeugnis* für die letztere ist dieser Dom,
ein einfaches Oblong von 72'" Länge und 42 01 Breite, inmitten
der langen , nach dem Lustgarten gekehrten Vorderfront mit
einem Kuppelthurme deWirt ; im Innern ein Saal, in welchem
durch koriuthischo Säulen ein Mittelschiff von den mit Emporen
versehenen Seitenschiffen sich sondert. Soweit der Bau in seiner
gegenwärtigen Gestalt ein wenn auch schwaches architekto-
nisches Interesse zu erwecken vermag, ist dies einzig und allein
das Verdienst Schinkel'*, der ihn in den Jahren 1819 bis 21
einer gründlichen Reuovation unterzog, bei der nicht nur das
Aeussere etwas bessere Verhältnisse und Formen erhielt, sondern
auch das Innere durch Freilegung resp. Vervollständigung der
Säulenstellung, Ersatz der flachen Mittelschiffs- Decke durch ein
kussetlrtcs Tonnengewölbe, künstlerische Ausbildung von Altar
und Kanzel in dem erhöhten Südtheil des Mittelschiffs, endlich
durch die F'reileguug der Vorhalle, im Thurm — einen Anhauch
künstlerischer Gestaltung gewann. Die Orgel steht hinter dem
Altar auf der Emnore: die Königliche Loge liegt seitlich des-
selben gegenüber der Kanzel. Ein schöneB Bronce- Abschluss-
gitter, ein Altarbild von Begas, ein Mannor-Taufstcin von Rauch,
Tragen zur Erhöhung des Gcsammteindrucks bei, doch ist dieser !
trotxal ledern ein so ausserordentlich bescheidener, das» die
Kirche nicht sowohl streng und einfach, was aui dem reformir-
ten Kultus, für den sie errichtet wurde, abgeleitet werden
könnte, als vielmehr geradezu nüchtern und dürftig erscheint.
In noch höherem Grade ist dies iu Betreff des Aeusseren der
Fall und kann das Bild, welches dasselbe im Verein mit der
Campo-Santo-Ruine gewährt, nicht oft genug als einer der häss- :
lichsten und unwürdigsten Flecken in dem Pracht -Gewände der
Residenz bezeichnet werden.
Neben ihrer Bestimmung für den Gottesdienst des Hofes
hat die Berliner Domkireho seit Kurfürst Joachim IL.Jdcr sie
1535 zu diesem Range erhob, auch uls Grabstätte für das Herr-
scherhaus Hohenzolleru gedient. Von J«haun Cicero und
Joachim I., deren irdische l'eberreste aus Kloster Lehnin, der
Begräbnisskirrhe für die Markgrafen aus askanischem Stamme,
nach Berlin zurückgeführt wurden, bis auf König Friedrich I.,
haben die Kurfürsten der Mark Brandenburg und ihr Gescbl echt
in ununterbrochener Reihenfolge im Dome ihrer Hauptstadt die
letzte Ruhe gefunden; ihre Denkmäler und Särge sind aus dem
mittelalterlichen Bau in den des vorigen Jahrhunderts überge-
gangen. Von den späteren Königen Preussens ist nur Friedrich
Wilhelm II. hier bestattet, während Friedrich Wilhelm I. und
Friedrich II. in der Garnison -Kirche vou Potsdam, Friedrich
Wilhelm III. und die Königin Louise im Mausoleum des Char-
lottenburger Scblossparks. Friedrich Wilhelm IV. in der F'riedeus-
Kirehc von Sanssouci ruhen.
Es war die Absicht des letzten Königs, in dem neben dem
neuen Dom zu errichtenden Campo-Sauto eine würdige Grab-
stätte für sein Geschlecht zu schaffen, denn leider ist die gegen-
wärtige Gruft desselben unterhalb des Domes als solche wohl
nicht zu K-trachten. Sio wird, soviel wir wissen, nur selten
gezeigt uud war daher noch keinem der rjxkursious-Ge.sellschaft
bekannt, alter etneu so niedrigeu, kellerartigen und finsteren
Raum, eine so auf Ausnutzung des Flächeninhalts angewiesene
Anordnung der Särge, eine so unberührte Anhäufung von St aub
uud Moder hatte wohl Keiner erwartet. Zu eiuem genauen
Studium der Säruc bot sich mit Rücksicht auf den Mangel an
Zeit, die für solchen Zweck nicht ausreichende Beleuchtung und
das in den schmalen Gängen wogende Menschengedränge keine
günstige Gelegenheit. Wir glauben jedoch, dass dasselbe nicht
ohne künstlerisches Interesse sein würde, da sich unter den
Särgen so ziemlich alle Formen uud Typen der letzt vergan-
genen drei Jahrhunderte vorhuden. Von "den ältesten, noch aus
dem 15. Jahrhundert stammenden Särgen in einfacher Kasten-
form mit dein Kruzifix geschmückt, von dem mit dem zierlichen
Flachoruament der naiven Renaissance bedeckten Metullsarkopha-
i;en des Ifi., und den mit Rokokko - Dekorationen aufgeputzten
Prachtsärgen des 17. Jahrhunderts, bis zu den aus kostbaren
Hölzern verfertigten, mit Metall -Ornamenten, Sammetstreifen,
Goldborten und Troddeln verzierten Schreinen, iu denen das
vorige Jahrhundert seine fürstlichen Tollten beisetzte; da-
zwischen auch einzelne Särge aus edlem Steiumaterial. Als die
schönsten unter ihnen sind uns jene Särge des Iii. Jahrhunderts
er ihieuen, die es wohl werth wären, von Künstlerhand aufge-
nommen zu werden; von den Rokokko- Sarkophagen, die zum
grössten Theil der Meisterhand Schlüter'» ihre Entstehung ver-
danken sollen, hat uns der in älteren Notizen gerühmte Sarko-
phag des Prinzen Friedrich Ludwig (1708) nicht so angezogen, wie
der mit dem Johauniter-Schwert geschmückte des Priuzcn Carl
Philipp f?), der dem letzten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts auge-
hört. Eben so wenig sind wir in der Lage, die vou Schlüter für
Köniir Friedrich I. und die Königin Sophie Charlotte tnodcllir-
ten Prachtsarkophage für mehr als blosse handwerksmäßige
Dekorationsstücke ansehen zu können. Die letzteren stehen mit
den Sargen des grossen Kurfürsten uud dessen Gemahlin Doro-
thea — nicht in der unteren Gruft, sondern oben im Dome,
wo sie am nördlichen Ende der Seitein-chiffe iu Verschlägen
geborgen sind, die gleichzeitig zur Aufbewahrung überflüssig
gewordenen Kisenzcugs zu dienen scheinen. Zwischen ihnen
steht im Mittelschiff das Denkmal des Kurfürsten Johann Cicero,
ein Erzguss in der bekannten Auorduung einer auf Pfeiler-
füssen erhöhten Platte, auf welcher die Figur des Verstorbenen
ruht, 1540 von dem Stückgiesser Mathias Dieterich aus Rnrgund
verfertigt; übrigens eine künstlerisch nicht gerade besonders
hervorragende Arbeit, an welcher die Zeitgenossen wohl am
Meisten die auffallende Aehnlichkeit iuteressiren möchte, welche
die Gesichtszüge des 1419 verstorbeneu Hohenzollern mit denen
des gegenwärtigen deutschen Kaisers, noch mehr aber mit
denen seines ihm an Alter zunächst stehenden Bruders zeigen.
Künstlerisch werthvoller ist die unterhalb des Denkmals in den
Boden eingelassene Metallplatte mit dem Flachrelief seines
Nachfolgers Joachim I., die einige Jahre früher aus der Werk-
statt der Vischer in Nürnberg hervorgegangen ist und noch
gotliisches Architektur- Detail zeigt.
Aus dem Dome begab die Exkursionsgenosscnscbaft sich
zur Besichtigung der Konkurrenz - Entwürfe für das in Berlin
zu errichtende Göthe - Denkmal nach der Rotunde des alten
Museums. Ist die Ausstellung derselben auch eine öffentliche,
so gewährte es doch einen allseitig anerkannten Vorzog, das
Resultat dieses Wettkampfes im ausschliesslichen Kreise von
F'achverwaudten mustern und mit diesen seine Ansichten austau-
schen zu können. Ziemlich einstimmig lenkten diese sich dahin,
dass von den eingelieferten 50 Skizzen, so Anerkennenswerthes
im Einzelnen unter mehren derselben enthalten ist, doch nur
zwei, die der Bildhauer Siem er ing undSchapor, zur engeren
Wahl kommen können. Der Entwurf des Enteren zeigt eine
imposante Gesammtanlage — «in um mehre Stufen erhöhtes
halbkreisförmiges Plateau, mit einer an den Stirnen durch
Kandelaller abgeschlossenen hohen Rückwand, die über einer
monumentalen Bank Relief - Darstellungen aus Gothe's Dich-
tungen enthält. Iu der Mitte des Halbkreises der deutsche
Dichterfürst in der Haltung eines jugendlichen Olympiers auf
einem Sessel thronend, der von einem eigonthümlicb gebildeten
Postament getragen wird. Dasselbe »eigr nach hinten, soweit
es die volle Breite des stattlichen Sessels erfordert, gleichfalls
Digitized by Google
— 191 -
einen halbkreisförmigen Grundriss, während der vordere Theil,
auf dem die Füsse der Figur ruhen, von einem erheblieh
fehmaleren Oblong gebildet wird. In den auf diese Weise sieh
ergebenden Ecken stehen die ldealgcstalteu der Naturforschung
und der Poesie, in leichter Haltung auf die Platte des Sockels
gestützt. Die Vorderseite des Postaments zeigt, im Flachrelief
einen Eros, der seine Pfeile wählt. Vollendete Anmuth der
Gesammtvcrhältnisse, wie der einzelnen Figuren zeichnen die
Arbeit nicht minder aus, wie die wesentlich einfachere von
Schaper. Hier steht die jugendlich schlanke Figur Göthe's
auf einem sechsseitigen Postament. Drei Seiten desselben wer-
den von Gruppen eingenommen, die je aus einer weiblichen
Figur und einem Genius gebildet und auf halbrund vortreten-
den Sockeln stehend — die lyrische und dramatische Poesie,
sowie die Wissenschaft darstellen sollen; aus den drei anderen
Sockel flachen ergiesst sich ein Wasserstrahl in entsprechende
halbrunde Becken. — Die Wahl zwischen beiden Entwürfen
wird keine leichte sein: die Ausführung des Sicracring'scheu
Entwurfes, in dem die Bank - Idee anfechtbar und die in den
Sessel ergossene Majestät des Dichters vielleicht doch etwas
zu stark betont ist, dürfte die bis jetzt vorhandene Summe
überschreiten. Bei Schaper ist die Wahl der Altersstufe für
den Dichter wohl um ein Jahrzehnt vergriffen. — Es fehlt
übrigens im Gegensatz zu diesen beiden hervorragenden Ar-
beit, denen die Ankes' wohl am nächsten kommt, nicht an Lei-
stungen, die an unfreiwilliger Komik du Möglichste vorführen.
Im Grossen und Ganzen braucht das Resultat unserer Reichs-
tagshaus-Konkurrenz vor dieser der Schwesterkunst ungehörigen
durchaus nicht zurückzustehen.
Letztes Ziel der Exkursion war die Bau -Ausführung der
■ National-Gallerie. Wie schou in früheren Jahren versparen wir
uns eine Besprechung des Gebäudes bis zu seiner Vollendung;
wie wir glauben, wird die Grundidee desselben ebenso ange-
fochten werden, wie die musterhafte Sorgfalt der Ausführung,
namentlich die von Seiten des leitenden Künstlers erstrebte Aus-
bildung der architektonischen Details bewundernde Anerkennung
finden dürfte. Das Gebäude ist gegenwärtig fast vollständig un-
ter Dach und dürfte — abgesehen von der Treppenanlagc an der
Uuuptfront — seiner Vollendung im Aeussern nunmehr rasch ent-
gcgcuschrciten; im Inneren wird mit Ausführung der Einwei-
hungen begonnen.
Haupt Versammlung am 1. Juni 1872: Vorsitzender Herr
Quassowski. anwesend 60 Mitglieder und 3 Gäste.
Im Vcreinslokale ist eine Sammlung von Photographien
nach ausgeführten und in Ausführung begriffenen Bauten, Lei-
stungen des Photographen Albert Schwarz, ausgestellt. Vor-
behaltlich etwaigen Widerrufs wird demselben auf seinen Au-
trag bewilligt, einen massigen Theil der in der Bibliothek vor-
handenen Ausstellungsnächc ständig benutzen zu dürfen.
Nach Erledigung mehrer kleiner Geschäfts- Angelegenheiten
berichtet Hr. IMessner im Namen der betreffenden Kommission
über die Vorberathungeu zum Zwecke der Aufstellung einer
Norm für das Honorar der Ingenieure. Dieselben haben bereits
zu einem erfreulichen Resultat geführt; die Kommission ersucht
jedoch, ihre Arbeit noch zurückhalten zu dürfen, um sie weiter
zu vollenden. Vor der nächsten Hauptversammlung, in der der
Verein über die Vorlage schlüssig werden soll, wird das Wesent-
lichste aus dem Entwürfe durch die deutsche Bauzeitung mit-
getheilt werden.
Eine Beurtheilung der Monats - Konkurrenzen ist leider
wiederum nicht möglich, da die Kommission noch unvollständig
ist; die diesmal fällige Konkurrenz bat kein Resultat ergeben.
Nach Beantwortung einiger Fragen durch die Hrn. (Juas-
sowski, Büsing (schriftlich), Seydcl uud Uäseckc wird
die spärlich besuchte Versammlung früher als gewöhnlich ge-
schlossen. — F. —
Vermischtes.
Ii den Rimänisrhen Klsenhahncn.
Anlässlich des zweiten Artikels über die Rumänischen
Eisenbahnen in der Deutscheu Bauzcitung Nr. 20 bemerke ich,
dass meine Erfahrungen über die Haltbarkeit der steilen Eiu-
schnitts-Böschungen allerdings nur bis zum Frühjahre 1870
reichen, da ich in Folge des französischen Krieges nach Deutsch-
land zurückkehrte. Bis zu dieser Zeit hatten sich diese
Böschungen gut gehalten und auch den Winter 1S(!<»,1K70 über-
dauert. Bei den steilen Wänden, in welchen dieser Boden au
vielen Orten Rumäniens steht, glaube ich auch annehmen zu
können, dass bei guter Entwässerung und sorgfältiger Pflege
der Böschungen, wenn jeder Wasserriss im Entstehen beseitigt
worden wäre, dieselben sich ganz wohl gehalten hätten. Womit
ich allerdings nicht behaupten will, dass die so hergestellten
Einschnitte dem Paragrapheu der Konzession entsprochen hätten,
nach welchem die Bahnen nach deu besten pruussischen Mustern
ausgeführt werden sollten. Was die übermässige Anwendung
von Seitenentnahme und Aussatz anbelangt, so ist dieses eine
Eigentümlichkeit fast aller Strousberg'schen
und kommt daher, dass die Abrechnung mit den Sub-
unternehmern immer, oft auch mit dem Generalunternehmer
nach geförderten Schachtrutheu erfolgt, wobei ein Durchschnitts-
preis zu Grunde gelegt, auf Transportweiten aber keine Rück-
sicht genommen wird. Es ist mithin im Interesse der Sub- resp.
des General - Unternehmers, möglichst viele Schachtruthen auf
möglichst geringe Entfernungen zu bewegen. Gerade in Rumänien
Hess sich diese Art und Weise durch den weniger werthvolleu
Grund und Boden und die tbeuren Lohnsätze noch am meisten
rechtfertigen. Betreffond die Tauglichkeit der verschiedenen iu
Rumänien anzutreffenden Nationalitäten, so dürften die Ansich-
ten nach den einzelnen Arbeitsstelleu sehr verschieden sein.
Ich glaube aussprechen zu dürfen, dass dort, wo der rumänische
Arbeiter vernünftig und ordentlich behandelt worden ist, der-
selbe sich auch willig und brauchbar gezeigt hat. Meine
speziellen Erfahrungen mit meinem Hausgesinde sprechen ent-
schieden hierfür. Dasselbe zeigte mir und meiner Familie grosse
Anhänglichkeit und schied unter Thrfineu von uns, als wir die
Reise _ nach Deutschland antraten. Es schloss diesses jedoch
allerdings nicht aus, dass in der Woche nach Ostern, der soge-
nannten Bntterwoche (septamana de untu), wo Alles berauscht
ist, meine Frau sich mit dem Revolver iu der Hand Autorität
Terschaffen musste.
Bezüglich der von mir gelobten eiserneu Chaussee-Brücken
reichen meine Erfahrungen natürlich auch nur bis zum Früh-
jahre 1870, jedoch glaube ich, dass nicht die Konstruktion mit
Schraubenpfählen die Schuld des ungünstigen Erfolges trägt,
sondern die zu wenig tiefe Einbohrung derselben und der lcicht-
heweglicbe Boden der rumänischen Ströme; dass auch mit breiten
Fundamenten, resp. auf Brunnen, gemauerte Pfeiler unterspült
and zu Falle gebracht werden können, zeigt die Sereth-Eisenbahn-
Brücke bei Barbosc, deren einer schon über Wasser gebrachter
Pfeiler während des Frühjahrs- Hochwassers 1870 fortgerissen
wurde.
Das« es aus den in Rumänien reichlich vorhandenen Lehm-
material nicht möglich sei gute Ziegel herzustellen, habe ich
durchaus nicht behauptet, es geschieht nur eben ganlicht, oder
doch nur ausnahmsweise. Während meines Aufenthaltes in
Bukarest hatte einer der Herrn Bahntechniker die Absicht, in
Verbindung mit zwei Kapitalisten '
.-in iv« iji». kimoovi uufiuuuKiu eun Ijoim^., Ulli ua;
lieh festgesetzte Maximum der Scbülerzabl zweckentsprechend
aufnehmen zu können. Die Zimmerßäche ist in eine solche geo-
anzulegen, doch scheint sich dieses Projekt wieder
zu haben. E,
Ein Programm für den Ban neuer Sohulhänaer in
Wien, das neuerdings vom Gemeiuderathc als Richtschnur für
das Stadtbauamt beim Entwerfen von Plänen und für jene Kom-
missionen, welche mit der Gewinnung von Grundstücken zum
Baue neuer Schulhäuser beauftragt werden, aufgestellt worden
und einen Vergleich mit deu im Jahrgang 1S"0 u. Z. No. 11
u. l.'i besprochenen, in Kerlin und Köln angenommenen Grund-
sätzen gewährt, hat folgenden Wortlaut:
6 L In neu zu erbauenden Schulhäusern soll jede Volks-
schule, sie sei eine Knaben- oder Mädchenschule, nie weniger
als acht Lohrzimmer, jede Bürger- oder Töchterschule aber min-
destens 10 Lehrzimmer erhalten. § 2. Wo zur Raumgewinnung
ein drittes Stockwerk augelegt werden muss, ist es zur Unter-
bringung der Obcrlehrerwofiuuug, des Zeichensaales, und der
übrig bleibende Raum zu Lehrzimmeru zu verwenden. Anlage
der Lebrzimwer gegen eine geräuschvolle Gasse ist thunlichst
zu vermeideu. Auch Boll mit dem Schulhause iu der Regel
kein Zinshaus in Verbindung gebracht werden. § 3. Die Lehr-
zimmer sind nie grösser anzutragen als nöthig, um das geaetz-
itsnr
solcl
metrische Form zu bringen, dass jeder Schüler den Unterricht
bequem hören, den Lehrer uud die Schultafel deutlich sehen
kann. § I. Zu ebener Erde ist stets für Anlage eines Turnsaales
zu sorgen, der mindestens eiue Boduufläche von 21 Quadrat-
klaftern (»fi.4C'[j"»( und eine Höhe von 14 Fuss (4,42'°) erhalten
soll. § 6. Die Lehrzimmer sollen niemals unter 12 und nicht,
über 13 Fuss (resp. 3,7LI— 4,1 1 ra ), gehörig lirht uud entsprechend
ventilirt sein. § ti. Der nicht verbaute Theil der Bau-Area soll
wo möglich die Anlage eines geräumigen Sommerturnplatzes
gestatten und dieser darf nicht vor die Fenster ebenerdiger
I. ein /immer zu liegen kommen. § 7 In jedem neu zu erbauen-
den Schulhausc ist für Anlage eines Zeichensaales Sorge zu
tragen, der die Grösse zweier Lehrzimmer erhalten soll. § 8.
In jeder Schule ist für ein Lokal von der Grösse eines gerau-
migen Wohnzimmers zu sorgen, welches als Kanzlei, Konferenz-
zimmer uud zur Aufbewahrung der vorhandeueu Lehrmittel
dienen soll. Dieses Zimmer ist in der Nähe der Stiege anzu-
bringen, um Eltern und Angehörigen der Schüler leicht zugäng-
lich zu sein. § !>. Die Wohnung für den Oberlehrer, aus zwei
Zimmern, Kabinet, Vorzimmer nnd Küche bestehend, ist von
den Lehrzimmern möglichst abgeschieden anzulegen. § 10. Die
Stiegenhäuser und Verbindungsgänge sollen luftig und licht, die
Stiegen und Gänge mindestens fünf Schuh (1,58 ■) breit sein,
und erstere nie mit Spitzstufeu konstruirt werden. J 11. Diu
Aborte sind jedesmal unter doppeltem Abschlüsse und so anzu-
legen, dass die Stiegen, Gänge und Schullokalitäten von dort
aus nicht belästigt werden. Sie sind daher abgesondert anzu-
bringen, und sollen licht und luftig sein, f 12. Die Zahl der
Aborte richtet sich in jedem Stockwerke nach der Anzahl der
daselbst befindlichen Lehrzimmer, und soll nie weniger als diese
betragen. 6 13. Für die Oberlehrerwohnung und für den Be-
darf der Lehrer sind eigene Aborte, entfernt von denen für die
Schüler, in der Nähe der OberlehrerwohnuDg anzulegen. § 14.
Zur Unterbringung eines Hausmeisters, dem das Schulgebäude
rein zu halten obliegt, soll in jedem Schulhause eine kleine
Wohnung aus Zimmer, Kabinet uud Küche bestehend, angelegt
ist mit dem uöthigen Trink-
§ 15- Jedes
Digitized by Google
— 192 —
UDd Nutzwasger und mit den nBthigcn Wasserleitungsrohren für
erstens zu versehen.
Gass einer Glocke für den Kölner Dom. Kino der in-
teressantesten und jedenfalls die grösste Aufgabe, die in neuerer
Zeit der Glockcngicsserei gestellt worden sind, bildet der Guss
der grossen für den Kölner Dom bestimmten „Kaiserglncko",
welche am 27. d. M. in Submission vergeben werden soll. Als
Material für dieselbe sind von dem kaiserlichen Protektor des
Baues 22 Stück eroberte französische Broncegeschützo zum Ge-
schenk überwiesen worden und bereits in Köln eingetroffen.
Die Glocke erhält enorme Dimensionen, nämlich am sogenann-
ten Schlagringe — dem unteren Rande — einen Durchmesser
von 7 ■ und dem vcrhältuissmässig entsprechend eine Hohe von
5 ; 33 ■ (einschliesslich der Krone). In diesen Abmessungen wird
sie von allen Glocken Europa*«, die gelautet werden, die grösste
und schwerste sein; denn die berühmte Glocke in Moskau und
jene in Peking sind zwar grosser, werden aber nicht geläutet,
sondern es wird mit einem Klünfel geschlagen. Der Guss der
.Kuiserglockc - ' muss, weil sowohl wegen der Dimensionen als
wegen eines Gewichtes von 50 Zentner ein Transport von
ausserhalb her überaus schwierig, wenn nicht ganz unthunlich
sein würde, innerhalb der Stadt vorgenommen werden, wie denn
auch die jetzigen Glocken des Dornen innerhalb Kölns gegossen
worden sind, 'ihre Stelle wird die Kaiserglocke mit den Leiden
anderen nüchstgrossen Domglocken in dem dritten Geschoss des
südlichen Thurmes finden, während die fünf kleineren Domglocken
«war in demselben Thurau-,
— angebracht werden sollen. Interessant ist es. das Gewicht
des Glocken -Kolosses mit dem anderer grossen Glocken zu ver-
gleichen- Von den zwei bisherigen Hauptglocken des Domes,
beide gegossen um die Mitte des l.'i. Jahrhunderts und sonach
die ältesten von allen ihren berühmten Schwestern in Kuropa,
wiegt die kleinere. 12,0 Zentner, die grössere 22,4 Zentner. Das
Gewicht der Kaiserglocke wird demnach die grosse Domgluek«
um mehr als das Doppelte übertreffen. Die grosse Glocke in
Wien wird zu 35,95*, jene zu Olmütz zu 96,0*, die llauptgtocke
in der Peterskirche zu Rom zu .'W,0 !! , die von Nntre - Dame in
Paris zu .14,(1*, die Glocke des Westminster- Palastes zu 323,4"
und die oft genannte grosse (Hocke üi Krfurt zu 279,36* ange-
geben. Der Metallwerth der für den Dom gescheukteu Kanonen
ist auf 25000 Thaler anzuschlagen.
Konkurrenzen.
Eine Konkurrenz für Entwürfe za einem Gesellschaft -j
hause ta Essen wird von der dortigen Gesellschaft .Verein"
ausgeschrieben. Unter Hinweis auf das Inserat in der heutigen
Nummer u. B.-Auzeigcrs bemerken wir, «las* 2 Preise von 400
resp. 200 Tlilr. ausgesetzt s-ind und dass der Termin zur Kinlie-
feruug der Entwürfe zum H. September angenommen ist. Als
Preisrichter fungiren die Herren Genzmer in Dortmund,
Fischer in Barmen, Pflaume in Köln und Rasch in Essen.
Weitere Mittheilungeu geben wir erforderlichen Falls nach Kiu-
sieht des Programms.
Monnta Aufgaben für den Architekten Verein zu Berlin
zum 6 Juli 1872
I. Für eine zweigleisige Eisenbahiigitterbrüike ist eiu mo-
numentales Portal in llnusteiu auszuführen. Jede (fcffnuug ist
zwischen den Gitterwänden 4.00-» breit und 5,40 rj im Lichten
hoch. Die ganze Konstruktion ist O.tu™ breit, ohne die uach
MUMM vorgelegten Fusswcüe \.« l,IO«i Breite. Das Portal ist
in (iruüdriss und Ansicht, letztere im Misstube von 'i» *u
zeichnen.
II. Für einen Brückenpfeiler von 10-« Länge und 7"° Hielte
soll Ihm starker Strömung, einer Was.sertiefe von '»>» und felsi-
gem Unter-runde ein Betonfundament hergestellt werden. Die
Anordnung de--etben utnl nameutüch die Konstruktion dcrUm-
schliessung des Fundaments und des über Wasser reichenden
Dammes i>t darzustellen.
Alle wichtigen Maasse, Annahmen und Reehnungsresultate
sind in den Zeichnungen an geeigneter Stelle einzutragen.
Personal - Nachrichten.
Prcussen.
Ernannt: Der Regierung»« und Benrath Siiauuagc! zu
Liegnitz zum Kaiserlichen Regierung*- und Baurath in der Ver-
waltung von Klsass- Lotlirinsen ; der It.iuinspektor Lauge zu
F'raukfurt a. M. zum Ober-lfauinspektor.
Gestorben: Der Biaenhulin-Baumcistcr KD-ckner zu
Elberfeld.
Die Bauführer -Prüfung haben abgelegt: Hcrrmaan Baue-
mann aus Horn in Lip|Kvl>ctmnh|; lluuo llerfeldt aus K • ti: -
dm: Feldmesser Peter Schmitz aus Wulbrek, Kreis Geldern;
Paul Becker an^ Landnbern; a. W.; Gerhard Frings aus Eus-
kirchen.
Die Baumcistcr-Prüfan,; haben abgelegt: der Bauführer
Heinrich Tiemann aus Halle i. Westpfaleu.
Brief- und Fragekasten.
Abonnent in C. Wir können Ihre Vertheidigung der
von uns heiläufig gerügten Anordnung, wonach die Grund-
risse mehrer Konkurrenz - Eutwürfe zum Reichstagshause nur
mit Buchstuben und Ziffern bezeichnet siud, nicht für glück-
lich halten und bedauern hierin die Autorität des nach Ihrer
Mittheilung bei der Wiener Rathhaus-Konkurrenz gefällten Ur-
theils nicht anerkennen zu können. Der von Ihnen geltend ge-
machte Vorzug, dass hei einer systematischen Bezeichnungs-
weise, die sich streug an das Programm auschliesst, ein sicherer
Leitfaden für das Verständnis« des Planes und zugleich eine
leichte und bequeme Kontrole. ob das verlangte Käumbedürf-
niss erfüllt ist, gewonnen werden, ist doch wohl nur ein theo-
retischer. Uns dünkt es beispielsweise bequemer und leichter,
die Kommissionszimmer unter dieser mit vollen Buchstaben
ausgeschriebenen Bezeichnung aufzusuchen , als unter der
Chiffre V 3, und möchten wir jeden unparteiischen Beschauer
zum Zeugen darüber aufrufen, oh die Notwendigkeit, sich aus
dem Gewirr der I I bis 5, II 1 bis 11, III 1 bis 15, IV 1 bis G,
V 1 bis 8 herauszufinden, nicht ein höchst mühseliges Stück
Arbeit ist, der sich das Publikum, auf welches für die öffent-
liche Ausstellung der Entwürfe doch auch Rücksicht zu nehmen
ist, niemals unterziehen wird und für das wohl auch nicht jede
Jury dankbar empfänglich sein dürfte. Uebrigens ist es ein ein-
ziger Entwurf, welcher jenes oben erwähnte System angenommen
hat und damit ausschliesslich auf die Würdigung Saldier Werth
lest, die ein Exemplar des gedruckten Programms bei sich
führen: die anderen mit abgekürzten Bezeichnungen versehenen
Entwürfe haben durch eine Erklärung neben dem Grundrisse
zum Wenigsten die Möglichkeit gewährt, dass man mit Aufwen-
dung einiger Geduld und vielfacher Kopfbewegungen auch ohne
ienes Aktenstück zu einem Verständnisse der Zeichnungen ge-
langen kann. Hoffentlich dient diese Erörterung, der wir nur
aus diesem Grunde soviel Raum gewidmet haben, dazu, dass bei
künftigen Konkurrenzen auf die licqucmlirhkcit derer, welche
die Eutwürfe nicht blos iu Betreff der Facaden würdigen wollen,
etwas mehr Rücksicht genommen wird.
Hrn. W. iu Elberfeld. Die baupolizeilichen Bestimmun-
gen über die für Wohuhausuiauern erforderliche Stärk« diffe-
riren in einzelnen Orten so sehr, dass wir Ihre Frage ohne An-
gabe der Stadt, auf welche sich dieselbe bezieht, unmöglich
beantworten können. In Berlin, WO keine bestimmten Stein-
stärken vorgeschrieben siud, sondern dio Bemessung derselben
für jeden Fall vorbehalten ist, würden Mauerstärkcu von O.-'W
für die balkentrageodoti Umfassungsmauern eines dreigeschossi-
gen Hauses wohl nicht gestattet werden.
Hrn. II. L. in W ien. Der Wohnort von Hrn. Schinx,
Verfasser der Wäriucmesskunst, ist uns nicht bekannt. Falls
diese Notiz uns nicht Auskunft verschafft, wenden Sic sich wohl
am Betten an den Verleger.
Hrn. M. in Berlin. Es überschreitet wohl die Grenzen
der au uns zu richtenden Anforderungen, wenn Sie von uns an
dieser Stelle ein Gutachten über den Werth eines bestimmten
Berliner Grundstücks beanspruchen. Ebensowenig sind wir ohne
weitläufige Ermittelungen, die wir demnächst erst im Laufe des
Sommers anstellen werden, in der Lage angeben zu können, um
welchen Prozentsatz die augenblicklich lür Herlin «ültigen Ar-
beits- und Materialien-Preise die im Architekteukalei "
gebenen übersteigen.
Abonnent in Wien. Nachrichten über den Ausfall der
Theater-Konkurrenz in Genf sind uns bis jetzt nicht zugegangen.
Dass Sie nach Verlauf von 5 Monaten nach Eitiliefornug Ihrer
Arbeit weder im Besitze einer Anzeige über das Kraebniss der
Konkurrenz, noch in dem <|es FCntwurfcs sind, ist leider nichts
Atissergewölinliehes, kann indessen auch dadurch verschuldet
sein, dass das Preisgericht noch gar nicht zusammengetreten
ist- Wir würden Ihnen ratl-.en, sieh an das ronseil administratif
der Stadt Genf, von dem die Konkurrenz- Aufforderung ausge-
gangen ist, mit der Bitte um Benachrichtigung zu wenden und
dien» Behörde, falls Sie Ihren Namen noch nicht nennen oder
gleichzeitig dem Interesse der übrigen Konkurrenten dienen
»olb n, dazu aufzufordern, eine Bekanntmachung über den Stand
der Angelegenheit in al'en den Blättern zu veröffentlichen, in
welchen seinerzeit das Preisausschreiben mitgetheilt wurde.
Hrn. R. <1. in L. Lesen Sie gefälligst in einem Werke
über Seeuferbau nach. Wir empfehlen Ihnen Ilagen: der Seebau.
Hrn. II. K. in B. Dadurch, da-ss Sie iu dem Wassert*'
hälter für e inen GaFOtnetcr einen zylindrin-hen ruassi\en Mauer-
körper aufführen, können Sie den Wasserdruck auf die Wan-
dungen des Behälters nicht vermindern: derselbe ist abhängig
von der Höhe des Widerstandes über der gedrückten Fläche.
Die Herstellung eines Mauerkörp- ts im Innern würde Ver-
schwendung sein und noch zur Folge haben, das* da die G.iso-
nieterglneke in eine geringere Wassel meine eintaucht, die Ver-
änderung der Wasserstaudshöhe bei geringen Bewegungen dgr
Glocke auf- oder abwärts noch erheblicher ausfallen würde.
Dem inneren Wasserdruck begegnet mau hier am sichersten
und billigsten durch äusseren Erddruck.
Ilm. A. in Berlin. Wir veröffentlichen Ihre Frage, da
wir selbst keine Au-kunft darüber geben können: — . Ist ein
Piae-Bau bekannt, liei welchem die Mischung des Pise aus
gepulverter Schlacke, Sand und Zement besteht? —
Wir.l. wenn nicht diese Mischungsart, eine ähnliche angewandt
und wie ist dereu Verhältnis» iu der Zusammensetzung?
ImMwn ■ »« <«« i"»>l Ii. 'Uli Iu n.ii.n.
lnurk von <i «üi Uder Kit k tri In »trllo.
Digitized by Google
Jahrg. Tl. M 24.
DEUTSCHE BAUZEITUNG
Organ des Verbandes
deutscher Architekten - und Ingenieur- Vereine. "355
Redakteur K. E. 0. F ritsch.
H.d.kti.» >. IiaaalUaa:
■«IIa. OruIrntlrUM l«L
itn ille PirfUaitaltra
Xaiarat«
ftr d!t Lact da <««Uch»n
lliutui £n.fti A.Rwkaw
»•IUI'
■«Hapi
Prell 1 Thaler pro Quartal.
Berlin, den
13. Juni 1872.
Erscheint Jeden Donnerst»-;,
Inhalt: Di. Knakerrras für Km.urf« »an fluu da» d.oUck.n K*ich»-
tat;rt. (yortatuaag.) — Da. rcibiaiHUwaruigjiüirig. aufhing.!*«.! dm MeiiT. —
llillh.lluug.il am V.r.ia.B: Aca.rlcaa-In.titut* ol° ArrkilreU. — (.hnpmiMi
of«Bl Im ,,-lf-tri'if hi.rh.n lugeal«
aehuuiaiukau la Zvabgaa. —
riflil.a .Ic
UtaiwhM lt.le(uug>kauiu f.r.oaat - Nar k -
Die Konturrf nz für Kattwürfe zum Haue des Deutschen Reichstages.
(Vorueuim
wir nunmehr zu jenen Arbeiten übergehen, iu
mit der Einhaltung künstlerischen Maasses zugleich
der von uns motivirten Hauptforderung Genüge geschehen
ist, dass der wichtigste Raum der ganzen Anlüge auch zu
einer seiner Bedeutung angemessenen architektonischen F.nt-
wickelung gelange, so versteht es sich von selbst, dass wir
es nnter ihnen mit den bedeutendsten, vorab in Frage kom-
menden Entwürfen der Konkurrenz zu tbnn haben. Der
mittlerweile erfolgte Urtheilssprnch der Jury hat in der That
vier der ausgesetzten Preise an Arbeiten vertheilt, welche
dieser Klasse angehören, wahrend die Entscheidung über
den fünften Preis eia Ereigniss ist, das wohl schwerlich
durch sachliche Motive erklärt
Das Interesse des grosseren Publikums sowohl, wie die
Gunst aller Kritiker hat swh vom ersten Tage der Aus-
stellung an ganz überwiegend dem Entwürfe Ludwig Bohn-
stedt's in Gotha zugewendet, und der Beschluss der Richter,
«eiche ihm den ersten Lorbeer zuerkannten , hat dieses
Urtheil bestätigt Es verlautet freilich, dass
gegen die in dieser Frage geschlossen« architektonische
Minorität der Jury gefasst sein soll, und können auch wir
bei Abwägung aller Vorzüge und Mangel des Entwurfes,
dessen Besprechung wir unter den vorliegenden Verhültnissen
einen etwas grösseren Raum widmen müssen, eine unbe-
dingte Ueberlegenheit desselben über die zunächst Btehenden
Arbeiten nicht anerkennen.
Nur in einem, allerdings in einem der wichtigsten Punkte
ist eine solche Ueberlegenheit wirklich vorhanden — in dem
genialen Wurfe, mittels dessen es dem Künstler gelungen
ist, das Aenssere seines Baues in der Hauptfacade zu einer
architektonischen Konzeption zn gestalten, in welcher sich
der Charakter eines Parlamentshauses glücklicher nnd ent-
schiedener ausprägt, als es in irgend einem der anderen
Entwürfe der Fall ist. Alle Momente, welche wir in un-
serer allgemeinen Erörterung als hierfür unerlässlich oder
besonders geeignet bezeichnen mussten, wir finden sie bei
dieser in einer freien Auffassung römischer Renaissance-
Formen behandelten Facade auf das Ansprechendste ver-
einigt. Mit Entschiedenheit macht über dem niedrigen, als
gequaderten Cntcrban behandelten Erdgeschoss der erste
Stock als Hauptgeschäfts sieh geltend. Obwohl die Höhen-
dimension des Gebäude«, wie das Maass der Axentheilung
ziemlich bescheiden sind — erstere beträgt etwa 20"*, letz-
tere gar nur 4™ — so ist der Eindruck imponirender Pracht
und Würde doch erreicht, indem die Gliederung der Facade
auf wenige einfache, aber desto grossartigere Motive beschränkt
ist Kräftig vorspringende, mit Flachkuppeln gedeckte Pa-
villons, die sich jedoch nicht über die durchgehende Gesims-
höhe erheben, bezeichnen die abschliessenden Ecken, in de-
nen durch Zusammenziehung der Fenster in eine Gruppe
möglichst grosse ruhige Massen gewonnen sind. Zwischen
ihnen und dem Mittelbau ist die ganze Front des Oberge-
schosses in zwei offene Säulenhallen von je 11 Axen aufge-
löst; der Künstler hat es jedorh verstanden dieseB an Wir-
kung niemals zu übertreffende Grundmotiv antiker Baukunst,
das leider so oft zu bedeutungsloser Dekoration missbraucht
wird, hier aus der Aufgabe selbst organisch zn entwickeln,
indem er diese in ihrem mittleren Theile bis zu doppelter
Axentiefe erweiterten Säulenhallen als Vorräume der Rcstau-
rations- und Festlokalitäten anordnete nnd so diesen beiden,
dem Sitzungssaale an architektonischem Range zunächst
stehenden nnd vorzugsweise zu behaglichem Aufenthalte be-
lli eine Bereicherung gewann, die
Mitgliedern des zumeist im Sommer tagenden Reichstages
sehr dankbar gewürdigt werden dürfte. Zu ihrer höchsten
Bedeutung steigert sich endlich die Front in dem mittleren
Portall.au. Um den Aufgang zu dem wichtigsten Räume des
Hauses, dem grossem Sitzungssaale, schon von aussen als
einen mtcgrircndeu Theil des Hatiptgeschosses kenntlich zu
machen, ist das erste Vestibül als eine hohe offene Halle
ausgebildet worden, in der die H 1 " breite Haupttreppe in
einem geraden Laufe zu jenem emporfülirt. Als eine ge-
waltige Baurnasse überragt diese mit. einem einzigen Bogen
geöffnete, mit einer Quadriga gekrönte Halle, die dadurch
einem Trinraphthore .sehr ähnlich geworden ist und
Aeusseren nnd Inneren deu reichsten plastische n und male-
rischen Schmuck enthält, die Facade und ist doch auf die
einfachste Weise organisch mit ihr verbunden, indem das
Hauptgesims der Scitentheile hier zum Kämpfergesimse wird.
Die Höhe der Halle aber hat wiederum das Maass gegelMn
für den Interliau, aus welchem inmitten des ganzen Ban-
körpers. ohne Tambour und nur durch vorspringende Atti-
ken mit jenem vermittelt die Flachkuppel sich erhebt, welche
den Sitzungssaal als den ilusserliehen und innerlichen Mittel-
punkt des Hauses zur donaiiiironden Wirkung bringt. — So
glücklich wie diese Facadcnidee. so glücklich und mit
höchster künstlerischer Feinhe it al-gestimmt sind auch die
Verhältnisse derselben; in Einzelheiten, namentlich in der
dekorativen Anordnung des Figurenschmucks vor den Säu-
len der beiden Hallen und in der scheniatiseh-zopfigen Aus-
bildung der Strebepfeiler an der Vorhalle, die als Doppel-
säulen mit verkröpftem Gebälke erscheinen, sind Aendertmgeu
diese Facadencntwiekelung, die wir um ihrer für
das Resultat der Konkurrenz entscheidenden Bedeutung so
ausführlich beschrieben haben, nnd die wir demnächst un-
sere Lesern auch noch im Bilde hoffen vorführen zu können,
den hervorragendsten Glanzpunkt des Bohnstedt'schen
Entwurfs, so enthält doch ebenso die innere Gestaltung des
Gebäudes, dessen Grundriss auf Seite Hill publizirt ist aus-
serordentliche Schönheiten, Der glücklichen Anordnung der
Restaurations- und Festlokalitäten, als symmetrischer ^Kom-
plexe zu beiden Seiten der Hauptaxe, und ihrer Beziehung
zu der die freieste und schönste Aussicht geniessenden West-
front haben wir bereits gedacht; es mag hervorgehoben wer-
den, dass sie auch auf der entgegengesetzten Seite nach
Hallen sich öffnen, die sie in unmittelbarste Verbindung mit
dem Vorsaale bringen und nach den in monumentaler Schön-
heit durchgebildeten Höfen sehen. Das Festlokal als solches
ist dabei nur in der bescheideneren Auffassung entwickelt
doch würde es erforderlichen F'alles leicht sein, anch den
Vorsaal und die Restanration für festliche Zwecke mitzube-
nutzen und damit Räume von gewalligster Ausdehnung zu
gewinnen. Der Zusammenbang des Festsaales einerseits mit
den Geschäftsräumen des Reichstages, andererseits mit der
Wohnung des Präsidenten kann besser wohl nicht gedacht
werden. — Vor Allem aber ist es die Abwechselung und
Steigerung in der Reihenfolge der Räume, die von dem Por-
tal bis in den grossen Sitzungssaal führen, welche als das Werk
einer künstlerischen Gestaltungskraft allerersten Ranges sich
darstellen. Vorab die offene, von der Treppe durchschnittene
und mit drei Gewölbefeldern überdeckte Vorhalle, die in
ihrer vom hellsten Lichte bis zu den tiefsten Schatten wech-
selnden , durch den Portalbogen eingeführten Beleuchtung
und ihrer höchst malerischen perspektivischen Wirkung —
in ihren imposanten Verhältnissen nnd mit -
Digitized by Google
— 194 —
Schmuck eine höchst glückliche Yerniitlelung zwischen
dem Aeusseren and Inneren des Baues ist und den Hang
des letzteren anfs Würdigste repräsentirt. Es folgt ein ge-
gcsehlosscnes Vestibül, in das seitlich die neben dem Haupt-
eingange emporgeführten Nebentreppen, sowie die Eingänge
tiach den Garderoheu münden; der in massigen Dimensionen
gehaltene quadratische Raum empfängt sein Licht durch hohe
Seitenfenster aus zwei über die niedrig gehaltenen Garderoben
und Klosets vergrößerten Lichthöfen. Diesem endlich
folgt der halbrund abgeschlossene, langgestreckte nnd zum
Ergehen auffordernde Vorsaal mit seiner Fülle ruhigen
Uberlichtes. — So mächtig die Wirkung desselben bei einer
Längendimension von mehr als 50 01 sein muss, so ist sie
doch lediglich eine Vorbereitung auf den noch mächtigeren
Eindruck des Sitzungssaales selbst, den der Künstler in sei-
nem inneren Räume als ein (Quadrat von 24,5 m Seite ange-
nommen hat, das sich jedoch oberhalb der nach allen vier
Seiten frei geöffneten Tribünen zu einem Krenz mit kurzen
Flügeln von 35 ra änsserster Dimension erweitert. Schlicht
und einfach ist die innere Vorderwand der Tribünen gestal-
tet ; über einem Sockel, in dem die Thüren liegen, ein breiter
Fries mit den gitterartig ausgebildeten OcfFnungcn, welche
dem Saal - U ingange ein sekundäres Licht zuführen sollen,
und eine mit Kandelabern bekrönte Brüstung. Reicher er-
scheint der Theil oberhalb der Tribünen - Nischen, deren
Hinterwände durch sehr stark vorspringende Strebepfeiler
gegliedert werden, aus denen Bügen entspringen, die sich als
(inrte einer grossen mit Stichkappen durchbrochenen Voute
an die 4 grossen Balkentriiger anlehnen, die in der Decke
das innere Quadrat wieder herstellen. Ein reicher Orna-
mentenfries, der im Kämpfergesims der Voute den ganzen
Saal umsäumt, zeigt in der Stirn jedes der :!5 Pfeiler das
Wappen eines deutschen Ganes oder einer Hauptstadt, wäh-
rend Marmorstatuen, die auf einem unteren Vorsprunge des
l'feilers stehen, eine künstlerische Personifikation derselben
darstellen sollen. Bunte Marmortäfelung der Wandflächen,
farbiges auf Goldgrund gemaltes Ornament in der Voute,
endlich farbige Verglasung des Oberlichtes, das fast die ganze
Fläche der ausserordentlich reich nnd schön gegliederten
Decke einnimmt, sind bestimmt, den wahrhaft prachtvollen
Eindruck des Saales, der vielleicht etwas über den für diesen
Zweck üblichen Ernst hinausgeht, jedoch durchaus inner-
halb monumentaler Würde sich hält, zu vervollständigen.
Eine ihm völlig ebenbürtige Schöpfung ist unter deu Ent-
würfen der übrigen Konkurrenten, von denen die meisten
auf eine anspruchsvollere Ausbildung des Saales absichtlich
verzichtet, andere hingegen, wie früher schon erwähnt, über
den Charakter eines Saales hinausgegangen sind, wohl
gleichfalls nicht vorhanden, mag die Ausbildung der kaiser-
lichen I,oge, die sich in der unteren Tribünenwand einerseits
etwas zurückzieht, andererseits iedocl
etwas vorspringt, auch noch nicht völlig geglückt sein, son-
dern mit den allgemeinen Kaumverhältnissen in einen gewissen
Konflikt gerathen.
Es ist eine im hohen Grade undankbare Aufgabe, einer
so glänzenden Leistung gegenüber auch die Schatten und
I Mängel aufsuchen zu müssen, und doch können wir uns
dieser Pflicht nicht entziehen. Wir dürfen schon aus Ge-
I rechtigkeit gegen die übrigen Konkurrenten , unter denen
i nicht wenige ihre Phantasie gewiss nur mit Widerstreben
in engere Schranken gebannt haben, nicht verschweigen,
dass jene Vorzüge zum Theil nur erlangt werden konnten,
indem andere wichtige Rücksichten geringere Beachtung
fanden- Selbstverständlich kann es uns nicht einfallen an
Kleinigkeiten mäkeln zu wollen, die unter den von uns ent-
wickelten Begriff der „ Skizze ■ fallen und die eine Gestal-
tungskraft wie die des Verfassers bei weiterer Bearbeitung
mit Leichtigkeit überwinden könnte. Wir rechnen hierzu u.
A. die gegen die Hauptfa^ade erheblich zurückstehende,
ziemlich konventionelle Behandlung der Seiten- und Hinter-
fronten , mit ihrem im Maasstahe verfehlten Fignrenfriese,
den Mangel eines Aufgangs für die Abgeordneten an der
Südseite, sowie die sehr unschöne, viermal die Kichtnng
wechselnde Anlage der Nebentreppen in der Hauptfront,
die Vernachlässigung der neben den beiden Hauptaxen des
Saales und des Vorsaales noch wünschenswerten Qucraxcn,
die starke Spaltung der Abtheilungs- nnd Komrnissions-
Zimmer, sowie die nicht sehr günstige Anordnung der Bi-
bliothek. Es sind dies Kleinigkeiten, die kaum der Rede
werth sind, während hingegen einige andere Mängel als
organische desto schwerer ins Gewicht fallen.
In erster Linie machen sich die gewichtigsten Bedenken
in Betreff der Beleuchtung der Räume geltend; die Kom-
pendiosität des Grundrisses, welche die Mehrzahl der Räume
im Ilauptgeschoss vereinigt, ist leider nicht erreicht worden,
ohne dass einerseits eine sehr bedeutende Anwendung von
Oberlicht gemacht, andererseits aber vielen Zimmern ein
unseres Erachtens ungenügendes Licht-Quantum zugemessen
ist. Dass Oberlichte für unser Klima nnd für ein monumen-
tales Gebäude nach Möglichkeit zn vermeiden sind, ist wohl
allseitig anerkannt So wenig dieselben bei der vorliegenden
Aufgabe für den grossen Sitzungssaal und den Vorsaal zu
entbehren sein möchten, so wenig wünschenswert!! erscheint
es, dass hier auch die Restauration und der Festsaal eines
solchen bedürfen, dass fast sämmtliche Treppen nnd Vor-
zimmer darauf angewiesen sind- Der mangelhaften Beleuch-
tung des Umgangs um den Sitzungssaal, der sein sekundäres
Licht aus dem letzteren erhalten soll, ist bereits gedacht;
wir glauben aber auch, dass die Tiefe der Fraktions- und
Abtheilungssäle zu gross ist, als dass ihre Fenster sie in
Das funruadiwanilgjalirl^c Stlftangsfr&t des lethr.
In den Tageu vom 4. bis 6. Juni feierte der unter den Stu-
direnden der Mauakademie zu Berlin hestehendo Verein .Motiv*
sein fiinfundzwanzigjährigrs Stiftungsfest.
Wenn wir nun auch für die Begebnisse mehr lokaler und
nicht technischer Natur, wie Feste es sind, kein allgemeineres
Interesse beanspruchen können, da unser Leserkreis alltnählig
ein wesentlich anderer nie im Anfange unseres Bestehens ge-
worden ist, wir daher unsere Mittheilungen über Derartiges
neuerdings stets nur kürzer gefasst haben, so mag hiervon doch
in diesem Falle abgesehen werden. Ein fünfuudzwanzigjähriges
Stiftungsfest eiues Vereins, dem die Mehrzahl der auf der Bau-
Akademie Immatrikulirten während ihrer Studienzeit angehört
hat. dessen weiteres Bestehen die ehemaligen Mitglieder stets,
wenn auch nicht mehr in aktiver Theilnahme, doch in werthem
Gedächtnis* und in froher Erinnerung verfolgt haben, bedarf
schon einer etwas ausführlicheren Erwähnung, namentlich auch
für Diejenigen, welche verhindert waren, der Feier in Person
beizuwohnen. Nicht auf die Zahl der gegenwärtig aktiven Mit-
glieder nämlich sollte das Fest sich Iteschränken, es war darauf
berechnet, die Dinglichst grosste Zahl Derjenigen wieder einmal
zu vereinigen, welche einstmals dem Verein angehört, die als
Studiengenossen daselbst gemeinsam Stunden jugendlicher Lust
und Freude zugebracht hatten. Als solch ein Fest des Wieder-
sehens war es bereits seit .lahren in Aussicht geuomruen und
fast «'in Jeder hatte beim Abschiede aus dem Verein, beim ent-
scheidenden Uebergange aus dem frohen Studium zur ernsten
Lebenspraxis den bleibenden Freunden zugerufen: Auf Wieder-
sehn beim fünfundzwanzigjährigen Stiftungsfest !
Und doch waren — wir Wullen es nicht verhehlen — ver-
hältnissmüssig nur Wenige auf die wiederholteu Einladungen
erschienen. Der Kreis ist sehr gross, über welchen die alten
Mitglieder zerstreut sind, und in der Praxis des Lebens ver-
wischen sich die Jugi ndcriunprungen. Trotzdem
gehoben werden, dass gerade aus den ersten
verliültuissiiiässi; die meisten Theilnchmer «ekommen waren,
vier der acht muh lebenden Stifter und eine grosse Zahl von
Namen berühmten Klanges in der Geschichte des Motiv. Der
Verein war damals noch weuig hervorragend, seine Mitglieder-
zahl klein; wie lebendig aber das Vcrcinsgefübl dazumal ge-
wesen sein muss, sprach sich am deutlichsten in dieser regen
Theilnahme aus. Am schwächsten waren die mittleren Jahr-
gänge vertreten. An Zahl überwog doch schliesslich die jüngere
Generatiou, der naturgemäss die Aufgabe des Festarrangements
zugefallen war; sie bestimmte in Folge dessen auch im Allge-
meinen den Charakter der Feier.
Am Nachmittage des ersten Tages, dem 4. Juni, war in
dem Lokale der Norddeutscheu Brauerei ein Gartenfest veran-
staltet, vorzugsweise berechnet auf die Theilnahme auch aller
derjenigen Freunde, die sich der Verein ausserhalb der Zahl
seiner Mitglieder erworben, und vor Allem die der Damen.
Der im Laufe der Jahre stets gestiegene und wohlerworbene
Ruf der Vereinsfeste bestätigte sich auch hier; gegen 800 Theil-
nchmer waren erschienen, fast der gesammte auserlesene Damen-
flor der hiesigen Architekteukreisc.
Ein Festzug. der sich durch die Baumre'ihcu des Gartens
zu einer im Freien errichteteten Bühne bewerte, eröffnete die
Feier. Iii komischen Masken, mit den betreffenden Attributen
versehen, von einem Gefolge begleitet, schritten die Amtsper-
sonen im Vereine: Liedervater, Schriftführer, Säckler, Musik-
meister und als fünfte neugeschaffene der Thcspiskärrner mit
der Üorge um die dramatischen Vorträge einher, sonstige Typen
des motivischen Lehens, Mitglieder des Ordenskapitels, Freunde
der nicht mehr gezügeltcn lleitcrkeit (des sogenannten dritten
Basses), Zweckesser," (Juartettsänger und andere folgten. Sie
sammelten sich auf der Bühne zu einem kurzen Festspiele, iu
welchem zunächst die Einzelnen in einem Wettstreite über ihre
Thätigkeitru und drren Wichtigkeit für den Verein entbrannten,
bis die Erscheinung der Göttin Motivia selbst den Streit schlich-
tete, indem sie alle je nach ihren Kräften zu ijcmeiusamer Wirk-
samkeit für den Verein aufforderte und auf sein ferneres Blühen
und Gedeihen aus dem ihr dargereichten Ehrenpokale kräftig
trank.
Der weitere Verlauf der Feier wurde in etwas durch Regen
beeinträchtigt. Der Tanz, bei Anwesenheit der Damen nicht
statt im Freien im Saale stattfinden; an
Digitized by Google
— 195 —
dem für die praktische Benutzung notwendigen Grade er-
hellen können. — Wie alter, wenn man neben dem Grund-
risse des ersten Stockwerks noch den des Erdgeschossen in
Betracht zieht, wo die Möglichkeit einer Oberlicht-Anordnung
ganz ausgeschlossen ist, die Seiten fenster hingegen, welche
die hinter ihnen liegenden Räume bis auf Tiefen von 20 und
■2S m zu erleuchten haben, auf die Abmessungen gewöhn-
licher WohnbauBfenstcr herabgesetzt sind! Es bildet die
Ausbildung dieses Untergeschosses, in welchem immerhin
noch wichtige und bedeutende Räume liegen, einen so grellen
Gegensatz zn der monumentalen Pracht der Facade und des
Obergeschosses, dass wohl schon aus diesem Grunde allein
niemals daran gedacht werden kaun, den Entwurf Bohn-
stedt's der Ausführung zu Grunde zu legen.
Inwieweit auch bei dem Glanzpunkte der Faeaden-Idee,
dem offenen Treppen-Portale, den sehr naheliegenden prak-
tischen Bedenken entscheidendes Gewicht beigelegt werden
kann, wolleu wir dahin gestellt sein lassen. Stände es fest,
dass anch für alle künftigen Zeiten die Mitzungen des Reichs-
tage« vorzugsweise in die Sommermonate fallen werden, so
möchten wir um der Schönheit uud Grossartigkeit des ar-
chitektonischen Gedankens willen gern vergessen, dass diese
auf der Westseite geöffnete Treppenballe den Unbilden fast
aller in unserem Klima tobenden Sturm-, Regen- und Schnee-
wetter in unmittelbarster Weise ausgesetzt ist; die als Re-
serve dienenden geschützten Nebentreppen , deren architek-
tonische Ausbildung nur zu verbessern wäre, würden alsdann
doch nicht in der Regel, sondern nur als Ausnahme benutzt.
Mass, wie wahrscheinlich, auf künftige Winter-Sessionen ge-
rechnet werden, wodurch sich das Verhflltniss umkehren
würde, so ist es allerdings mehr als zweifelhaft, ob mau die
Zahl der in Berlin schon so reichlich vertretenen Monumeutal-
ihhiwii] deren Freitreppen-Anlage nur dekorativer Repräsen-
tation dient, noch um einen neuen vermehren soll. —
Indem wir in unserer Besprechung zunächst einige andere
Arbeiten folgen lassen, in welchen der Sitzungssaal im
äusseren Aufbau als Kuppel erscheint, müssen wir unter
diesen wohl denjenigen Entwurf voranstellen, welcher mit
dem Bohnstedf sehen um die Palme gerungen uud ihm bei
sämmtlichen Architekten der Jury sogar den Vorzug streitig
r. -macht hat — den Entwurf von Kayser») & von Gross-
ei in in Berlin. Ein Vergleich seines auf Seite 18G niitge-
theilten Grundrisses mit dem Bohnstedt'schen stellt die
Ueberlegenheit des ersteren allerdings wohl ausser Frage und
auch die dem Facadenaufbau zu Grunde liegende Idee, welche
danach gestrebt hat, den ganzen ßaukörper zu einem mög-
lichst einheitlichen Organismus zu gestalten, ist unerreicht.
Leider ist die Entwicklung derselben trotz eines höchst
beachteuswerthen Anlaufes uoch nicht bis zu dem erforder-
lichen, aber auch sicherlich erreichbaren Grade der Keife ge-
dieheu.
Nur mit der einfachen Grossartigkeit römischer Thermen-
Anlagen, welche den Künstlern auch wohl ganz direkt vor-
geschwebt haben, ist das geniale Hauptmotiv zu vergleichen.
I welches den Ausgangspunkt der ganzen Konzeption gebildet
hat: die hervorragendsten Räume des Hauses in den beiden
Hauptaxen desselben uud in einem einzigen Geschosse so an-
einander zu reihen; dass sich im Innern ohne uuuützen
Raumaufwand der möglichst imposanteste Komplex zusammen-
hängender Pracht-Lokale, im Aeusseren eine den Gcsamint-
I körper dominirende rythmisch gegliederte Gruppe bedeutender
Bautheile ergiebt welche dem Hause von allen Seiten
den Eindruck würdigster Monumentalität sichert, ohne dass
einem einzigen dieser Bautheile eine über seine innere Be-
1 deutung" hinausgehende Ausbildung aufgezwungen werden
darf. Wie kläglich erscheinen gegenüber einem so einfachen,
aber aus dem Streben nach dem höchsten Ziele aller echten
Kunst, nach organischer Wahrheit, geborenen Gedanken die
Kunststücke des aus dem Handgelenke schaffenden Virtuosen-
tbiniis mit ihrem Aufwände hohlen Phrasenwerks!
Auf eine Beschreibung des Grundrisses, der in Konse-
quenz jener Idee das Erdgeschoss gleichfalls als untergeord-
neten Unterbau des oberen Hauptgeschosses behandelt hat.
müssen wir unter Hiuweis auf unsere Skizze verzichten.
Die Bebauung der disponiblen Grundfläche und die Kompcu-
diositut der Anlage ist wohl bis zu der überhaupt uoch mög-
lichen Grenze gesteigert. Dabei entbehrt dieselbe jedoch
weder der Klarheit, noch ist die architektonische Durchbildung
auf jene Reihe von Prachtlokalen beschränkt worden, son-
dern sie erstreckt sich gleichmSssig auf alle Theile des
Baues und ist fast durchweg befriedigend gelöst Die schwie-
rige Frage, welche Ausdehnung und Anordnung den Fest-
raumen zn geben sei, ist aufs Glücklichste umgangen; der
*J Ol, »»M wir ?■ Im Allgemeinen vermelden, »i>ii J<
«l reden, m können wir die für un««t« klieren l<«««r Intrreeaaiite Soili nlrhi
■■lerdrürke«, du der «ine der beiden VrtlroUr di«»er liier » elirrnroll debätl-
r-nden Arcliiicklen-Fü-M. Hr. Kny.tr. e. in, dem Im J»Ur» 18C7 die im. i
Autaeh n erregende Zuf uck«eiiun« Ton der Konkurrent bei der Köni|
1 Akademie mit widerfuhr.
liebigen Theil der Geschäftsräume des Reichstages für die-
sen Zweck zu verwenden. Die Anlage der letzteren in zwei
symmetrischen Gruppen neben dem, iu diesem Entwürfe nach
der östlichen (Sommerstrassen-) Seite verlegten Hanptein-
gange, in unmittelbarster Verbindung mit den für die Plenar-
sitzungen benutzten Nebenräumen des Sitzungssaales ist eine
ausserordentlich geschickte, und glauben wir, dass bei der-
selben die meisten der angebrachten Vorzimmer noch erspart
kleineren Vorstellungen sei insbesondere uoch eines Turniers [
erwähnt, welches Repräsentanten der verschiedenen Richtungen
des Faches, Uochbauer und Ingenieur, Tektone und Gothiker,
mit irdenen Tellern gepanzert und mit Lauipcnglocken behelmt,
gegen einander ritten und in welchem diese Schutzwaffen mit
sehr natürlicher Nachahmung wirklicher Rittcrkämpfe zer-
paukt wurden.
Wesentlich anderer Natur war der zweite Tag. der 5. Juni,
der eigentliche Stiftuugstag des Vereins. Nur gefeiert vou den
Mitgliedern oder besonders geladenen Ehrengästen, gipfelte in
ihm die eigentliche ernste Bedeutung des Tages. Er ward am
frühen Morgen eröffnet durch eine Feier am Grabe Wilh. Stior's
auf dem Schönberger Kirchhofe. Da* Motiv betrachtet Wilh.
Stier mit Recht als seiueu geistigeu Begründer; es hat die
Feier seines Geburtstages in die Reihe seiner stehenden F'este
aufgenommen. Es konnte seinen Stiftungstag nicht schöner '
beginnen, als mit dem Gedächtnisse an den Messtor, traten doch j
heute Viele zu dem Grabhügel, denen dies Gedächtnis« nicht
blos wie den Jüngeren als Tradition überkommen war, die viel-
mehr den Verstorbenen noch in lebeudiger Wirksamkeit gesehen,
die Erinnerung an seine Person in treuem Herzen bewahrt
hatten.
Es folgte um zwölf Uhr der feierliche Akt in dem grossen
Saale der Bauakademie, wie er statutenmäßig vorgesehen war.
In bereitwilligster Weise hatte das Direktorium den Saal zu
diesem Zwecke zur Verfügung gestellt ; freilich war es erforder-
lich gewesen ihn erst herzurichten und zu dekoriren, denn ein
zu solchen Zwecken bereits bestimmtes Lokal, wie jedes Gymna-
sium es in seiner Aula besitzt, hat die Bauukademie leider so
wenig aufzuweisen, wie ein selbstständiges Lehrerkollegium,
und diese Feier dürfte denn auch seit dem Bestehen des Ge-
bäudes die erste derartige in ihren Mauern abgehaltene sein.
Ein Hymnus für Chor uud Orchester kompouirt und aus-
geführt von Mitgliedein des Vereins eröffnete den Akt. dann
sprach der Stifter und zugleich erste Liedervater des Vereins,
Natu», die Festrede, der wir das Nachfolgende entnehmen; die
Anlässe uud die Bedeutung des Festes finden sich in ihr am
Klarsten ausgesprochen. Nach einem einleitenden Gruss an die
Lehrer der Akademie, vou denen allerdings nur sehr wenige
erschienen waren, an die filteren und jüngeren Motiver, fuhr der
Redner fort wie folgt
.Das Motiv feiert heute, abweichend von seiner bisherigen
Gewohnheit, das Stiftungsfest durch einen Fest-Akt iu diesen
— soust ernstem Studium geweihten — Räumen; es hat dies
zunächst eine äussere Veranlassung. Als wir alte Motiver
am 5. Juni 18-18, in dieser wild bewegten Zeit das erste Stif-
tungsfest feierten, als wir uns zu diesem Zwecke aus den hoch-
schäumenden Wogen des jüngst erwachten öffentlichen Lehens,
das auch uns in mancherlei Gestalt ergriffen, nach dem lieb-
lichen Spreedorfe Treptow zurückzogen, um für kurze Stunden
den Pflichten als Bürgerwehrmauu, den drückenden Sorgen um
das leidige Examen zu entsagen, als wir uns recht froh uud
glücklich fühlten; — da gaben wir uns — mit festem Vertrauen
in die Zukunft — das Wort nach Jahren uns in Berlin wie-
der zu vereinigen; hier in dicscu Räumen zusammen zutreten,
um zunächst der alma mater — der Bau-Akademie — und un-
sern Lehrern den Zoll der Dankbarkeit darzubringen und dann
in Frohsinn und Heiterkeit das Jubelfest zu feiern: gemeinsam
an unserer Seele noch ein Mal die Bilder vorüber ziehen zu
lassen, weK-he Erinuerung an die frohe Studienzeit mit leuch-
teudeu Farben malt — Dies Versprechen wurde Veranlassung,
die 'iigährige F*estfeier in der heute zur Ausführung gelangen-
den Weise auch für dio später eingetretenen Motiver dadurch
verbindlich zu macheu, dass in die Gesellschaftsgesetze des Ver-
eins eine entsprechende Bestimmung aufgenommen w;urde.
Leider können nicht alle einstigen und jetzigen Motiver dieser
Verpflichtung nachkommen; Viele sind durch dringende Berufs-
geschäfte, Andere durch herbe Schicksale am heutigen Erschei-
nen gehindert; gar Manchen ereilte auf seiner hoffnungsreichen
Bahn ein frühzeitiger Tod; es wurden ja auch aus diesen Rei-
hen vom Vaterlaude bei seinem Ringen nach laugersehnter
Selbstständigkeit theure Opfer abgefordert! Wir vermissen
schmerzbewegt maucheu lieben Freund, manchen theuren Ge-
nossen. — Bewahren wir ihnen ein treues Gedeiikcu. —
Es hat aber die Bestimmung, welche die heutige Festesfeier
in diesen Räumen anorduet, auch noch eiue andere Bedeutung.
— Wir wollen dadurch ausdrücken, dass das Motiv, welches ja
seine Mitglieder fast alle aus den Jüngern der Baukunst wählte,
Digitized by Google
- 196 -
werden könnten; die allerdings ganz wünschen* werthe Ver-
bindung der beiden Ahthoilungcn über da« im Erdgeschosse
liegende kleine Vestibül hinweg beeinträchtigt die Wirkung
des Eingangs jedenfalls zu sehr, als das* sie aufrecht zu
erhalten wäre. Ungelöst ist im Grundrisse der am Königs-
platz liegende Theil hinter dem grossen Sitzungssaale, wo
man den Saal des Bundesrates und die Geschäftszimmer
desselben erwartet, während der dort angebrachte Portikus
mit seiner wohl nur durch die Grenze des Bauplatzes nach
der Seite gedrängten Freitreppen-Anlage als ein äusserlicher
Nothbehelf erscheint, um für die Faeade ein bedeutenderes
Motiv zu gewinnen. Weitere Schwächen des Grundrisses
sind es, dass eine äussere Kommunikation um den Sitzungs-
saal nicht völlig durchgeführt ist und dass einzelnen Neben-
räumen, vor allen den Klosets und Garderoben, eine ziemlich
ungeeignete Lage und eine nicht ganz genügende Anordnung
geworden ist. Mit dem Grundrisse Bohnstedt's theilt endlich
auch dieser den Nachtheil, dass eine verbältnissmässig grosse
Anzahl von Bäumen auf Oberlichtbelenchtung angewiesen ist,
andere nur spärliches oder gar sekundäres Licht erhalten;
doch ist das letztere hier reichlicher bemessen als dort und
hat das Erdgeschoss in Folge der hier getroffenen Verkei-
lung der Lichthöfe eine entschieden günstigere Beleuchtung
gewonnen. Kleinlich ist hingegen die Anordnung der Durch-
fahrten zu nennnen.
Was die architektonische Gestaltung des inneren und
äusseren Aufbaus betrifft, so lehnt diese in Details und Ver-
hältnissen an die edelsten Beispiele italienischer Hoch-Renais-
sance sich an ; das überall durchgehende Hauptmotiv ist das
einer Fl&chengliederung durch frei vorgesetzte, mit Bundbö-
gen verbundene Säulenstellungen. — Im Grade der Lösung
steht unzweifelhaft das Innere voran, von dessen grossartiger
Hanmwirkung zwei Durchschnitte ein wahrhaft prächtiges
Bild geben, das wir in einem seiner Theile unseren Lesern
gleichfalls vorzuführen gedenken. Allerdings ist die Frage,
ob eine Ausbildung der Vorräume, wie sie hier dem Treppen -
hause und dem Versammlungssaal geworden, für ein Geschäfts-
haus nicht doch zu grossartig sei nnd den Eindruck des
Sitzungssaales beein "ächtige, nicht wohl zu verneinen; eiqe
etwas bescheidenere Gestaltung derselben ist jedoch, wenn
gleichzeitig der Sitzungssaal geändert wird, unschwer zu er-
reichen. Ebenso ist Kaum in Abrede zu stellen, dass die
durchgängige Anordnung von Oberlicht in Treppenhaus, Vor-
saal, Sitzungssaal, Kestauration und Lesesaal den Eindruck
der Monotonie befürchten lässt und für die letztgenannten
Bäume schwerlich erwünscht ist — Das Aeussere, obwohl
um Vieles unfertiger und skizzenhafter, übertrifft das Innere
an Originalität der Erfindung noch bei Weitem. Leber dem
tief geräderten Unterbau erhebt sich das Obcrgesehoss als
eine Baumasse, deren Wirkung um so mächtiger ist, als auf
jede vertikale Gliederung der eigentlichen Wandfllchen Ver-
zicht geleistet ist nnd die architektonische Umrahranng der
Oeffnungen denselben durchweg vorgesetzt erscheint; nur in
dem Portikus am Königsplatz, den wir auch im Grundrisse
als wundesten Punkt bezeichnen mussten, ist dieses Prinzip
sehr zum Schaden der Sache verletzt worden. Ein ausser-
ordentlich schön und kräftig gezeichnetes Hanptgesims mit
einer Attika krönt die breiten Flächen oberhalb der in zu-
sammenhängenden Gruppen verbundenen Oeffnungen; durch
Erhöhnng der Attika und die Einfügung grösserer, mit den
Mittelbauten identischer Fenrtermotive sind die Ecknavillous
ausgezeichnet. Schwer nnd ernst überragen die in derselben
Architektur gehaltenen, völlig undurchbrochenen Massen der
mittleren Kreuzflügel die niedrigeren Seitenfronten und
I schliessen in diesen mit je einem uominirenden Flachkuppel-
I ban. Leider ist hierbei eine sehr bedauerliche Lücke in dem
Entwürfe geblieben, welche die Verfasser mit einem Blend-
werk verhüllt haben, dessen Heranziehung unter den obwal-
■ tenden Verhältnissen zwar entschuldbar, aber immerhin ihrer
Künstlerschaft nicht ganz würdig ist. Die über dem Sitzungs-
saal gezeichnete, übrigens in ausserordentlich schönen For-
men und einer vortrefflichen Silhouette erfundene Flachkuppel
ist mit der Form des Saales nicht in Zusammenhang zu
I bringen; selbst ob eine Konstruktion in Metall, die jedoch
j bestenfalls dem Kuppelaufsatze den Charakter eines ge-
I künstelten Dekorationsstückes gäbe, möglich ist, möchten
wir bezweifeln.
Eine wirkliche Lösung, die übrigens auch an der Ost-
front noch nicht ersichtlich ist, kann nur durch eine Aende-
derung der Saalform erreicht werden, müsste aber daun eine
so totale Umgestaltung des Projekt* zur Folge haben, dass
von einer Ausführbarkeit desselben vorläufig gleichfalls nicht
die Bede sein kann. —
Als ein drittes, an künstlerischem Range den beiden
vorher besprochenen ebenbürtiges Projekt haben wir das von
Hubert Stier zn erwähnen. Während jenen jedoch von
fast allen Seiten offenes Verständni&s und bereitwillige, zum
I Theil sogar eine enthusiastische Huldigung geworden ist, hat
kaum eine andere Arbeit dieser Konkurrenz das Schicksal
gehabt, so wenig verstanden und nach ihrer wahren Bedeu-
tung gewürdigt zu werden, als gerade diese. Nicht dass es
an Bewunderern der künstlerischen Gestaltungskraft, die selbst
den Gegnern eine respektvolle Anerkennung abnöthigte, gefehlt
hätte; aber was an ihr gefiel, waren fast gerade die unwesent-
lichen Aeusserlichkeiten, während die einfachen Grundgedan-
ken des Entwurfs selbst unter den Fachgenossen nur wenigen
klar geworden sind und vielen als „spielende Laune der Phan-
tasie" 1 erschien, was in der That das Ergebniss eines mit
Ernst erfassten künstlerischen Prinzips ist.
Wir haben den Grundriss des Stier*schen Entwurfs,
und du* sich beständig aus den Studirenden der Bau-Akademie
rekrutirte, stets eng verbuudeu gewescu sei mit den Bestrebun-
gen dieser Anstalt; dass der Motiver in den Stunden gemein-
samer KrholuDg, bei seinen Festen, bei hochgehouden Wellen
der Lust sich doch immer bewusst bleiben müsse, dass er in
den heiligen Bullen der Kunst geweiht sei, dass er an der Band
der Muscu wandle. — — —
Bevor wir dem Motiv zu seinem Geburtsfeste unsere Glück-
wünsche darbringen, lassen Sie uus noch ein Mal auf seinen
Ursprung zurückschallen, nach seinem Zwecke fragen, nach
seinen Beziehungen zu Wilhelm Stier, mit dein das Motiv ja zu
allen Zeiten iu inniger Verbindung gelebt bat: — ich will Ihnen
Autwort geben auf die oft von Gästen, von "den jungen Motiveru
so häutig gestellte Krage nach der Veranlassung zur Stiftung
dic-cs \ ei eines.
Wer den leider zu früh heimgegangeneu" Professor Wilhelm
Stier gekannt, wer in sein liebevolles Auge gebückt, wer die be-
redte Sprache diese* für die Kunst so hochbegeisterten Meisters
gehört, wer ihm, dem ächten deutschen Manne, die biedere Kecbte
gedrückt, der wird es begreiflich linden, dass seine Schüler gern
zu Füssen ihres Vater Stier sasseu und ihm in inniger Lielw
zugethun waren; dass die hergebrachte Sitte, den 8. Mai, Wil-
helm Stiers Geburtstag, mit ihm gemeinsam zu feiern, gern von
ihnen geübt wurde. — Dieser schonen Sitte huldigten auch wir,
nachdem wir im Frühjahr 1M7 diese I.ehrstätte U-zogen hatten;
es wurde dem Meister Stier von Sängern uns unserer Mitte ein
Morgeuständchen als Festgruss gebracht, eine gemeinschaftlich
nach dem ländlichen Tegel — dem einstigen Landsitze Wil-
helm v. Humboldts — unternommene Fahrt gab mannigfache
Veranlassung, dem geliebten Lehrer unsere Anhänglichkeit aus-
zudrücken. — Dem Feste fehlte aber die höhere Weihe das
Können war weit hinter dem Wollen zurückgeblieben, und wir
empfanden, dass wo Gemeinsames wirkungsvoll geschafft werden
solle, dies nicht regellos geschehen dürfe, unu dass nur eine
Vereinigung, in der man nach bestimmten Gesetzen lebe, stark
und geschickt zur Erreichung des angestrebten Zieles mache.
Es wurde uns klar, dass dieser allgemeine Grundsatz auch auf
unser Studium anzuwenden sei, und dass die erstrebte Meister-
schaft leichter erreicht werden müsse, wenn wir uns enger an
einauder schlössen, und dass der Segen, den gemeinsames Stu-
dium bringt, reicher auf uns herabniessen müsse, wenn auch
unsere Erholungen gemeinsam genossen würden. —
Ein geselliger Verein — so meinten wir — der ausschliess-
lich der Erholung diene, in welchem die Mitglieder nach den
Anstrengungen des Studiums Buhe und Sammlung finden könn-
ten iu welchem von ihnen Musik geübt, die Dichtkunst gepflegt,
und auch den Musen eine Stätte gegönnt werde müsse bei sei-
nen Mitgliedern nicht nur Frohsinn und Benagen erzeugen,
sondern er müsse auch auf Läuterung und Befestigung ihres
Charakters, auf Veredelung ihrer Sitten hinwirken, er müsse
s-ic kräftigen zur Tragung der durch das Studium aufgelegten
schweren Last. —
Und so vereinigten wir uns denn U Gleichgesinnte, und
gaben dem Vereine am 5. Juni 1847 die Üescllschaftsgesctze,
welche dem Motive im Wesentlichen noch heute zur Bichtschnur
dienen. —
Unser Verein wurde uns bald werth, trotz Sturm und
Wogendruug der hocherregten Zeit, trotz mancher l'ugunst der
äusseren Verhältnisse wuchs das Motiv an Mitgliederzabi und
befestigte sich nach Innen: bald wurden die Musen im bunten
Fcsteszug, froh begrüsst vom Motiv, in den Verein eingeführt.
- Der Bekauutschuft der Genossen gesellte sich Zuneigung Ihm,
und es wurden der Freundschaft Altäre errichtet, deueu noch
heute erwärmende und wohlthuende Opferfeuer cutsteigen.
Wie Vater Stier Veranlassung zur Hildung des Motivs ge-
geben, wie er ihm seinen Numeu verliehen, so förderte er auch
gern seine Bestrebungen, er weilte gern im Kreise der Motiver,
er blieb dem Motiv treu zugethan und waltete als sein Schulz-
geist über ihm. —
Darum erinnert sich das Motiv dankbar des heitngegangenen
Meisters, deshalb legt es an jedem 8. Mai auf dem Bügel, der
seine irdische Hülle birgt, Kränze lieber Erinnerung nieder. —
Es hat auch heute Seiner nicht vergessen. —
W ie nun das- Motiv in den abgelaufenen 'ih Jahren gewach-
sen, duvon legt die Stammrolle des Vereins Zeugniss ab, die
mehr denu 1200 Motiver verzeichnet hat; von seinem Thun und
Treiben meldet die Chronik des Vereine», es zeugen von ihm
(Forueinof ««r S*U« m )
Digitized by Google
— 198 —
zu den letzterwähnten dem Sitzungssaale
der im
die
Aufbau schwerer zu lösende Stellung im Erdgeschosse des
Gebäudes anweist, auf Seite 187 u. Bl. mitgetheilt. Kaum
sind die akademischen Bedingungen eines guten Grundrisses
hei einer anderen Arbeit in gleichem Grade erfüllt. Eine
musterhafte Klarheit nnd t'ebereichtlichkeit der Disposition,
eine bequeme Lage der Eingänge, leichteste Zugänglichkeit
nach allen Richtungen, eine Falle von Licht mit fast völliger
Ausschliessung von Oberlichtbeleucbtung und ein Grad ar-
chitektonischer Durchbildung, der nirgends einen Zwang oder
eine Lücke erkennen lässt Wenn wir von dem allgemeinen
Irrthum absehen, dass die Geschäftszimmer des Bundesraths
und des Reichstags-Präsidiums vom Sitzungssaale zu weit ent-
fernt sind, ist die Anordnung der einzelnen Räume im Uebri-
pen eine für ihre Benutzung ausserordentlich praktische.
Nirgends sind Lokale, diu ihrer Bestimmung nach zusammen
gehören, getrennt; ja eine Anordnung der Abtheilungs- und
Kommissionssäle in einem so zusammenhängenden Komplex,
eine so günstige Anlage der beiden grösseren Dienstwohnun-
gen in einem einzigen Geschosse, eine so zweckmässige Ver-
bindung des Yorsaals mit der Restauration, dem Lesesaale
und den Garderoben sind unseres Kruchtens von keinem
anderen Konkurrenten erreicht. In der Gestaltung und Auf-
einanderfolge der Bäume, die zu einer Itedeutenderen archi-
tektonischen Ausbildung herausforderten, namentlich in der
von dem llaupteingange nach dem grossen Sitzungssaal
führenden Axe, ist eine höchst bemerkenswerthe Abwechse-
lung und Steigerung, sowie ein Itcichthum reizvollster Per-
spektiven entwickelt, während andererseits diese Pracht räume
doch wiederum nicht eine so exklusive Ausbildung erhalten
haben, dass zwischen ihnen und den übrigen Theilen des
Hause« nicht noch ein wohlthuend harmonisches Verhältnis
bestände. Als besonders gelungen kann endlich noch die
Anordnung der Höfe gerühmt werden, die von allen Seilen
einen freien Einblick gestatten und von denen zwei in einer
Grösse von etwa -ib m im Quadrat in willkommener Verbin-
dung mit den Erholungsräutnen stehen, während als ein
sehwacher Punkt die Anordnung der Zugänge zu den für
das Publikum bestimmten Tribünen gerügt werdeu muss.
Eines Momentes und zwar gerade desjenigen, das von an-
derer Seite einem völlig absprechenden Tadel unterworfen
worden ist — der Anlage einer grossen, offenen, mit Gemäl-
den und Skulpturen geschmückten Halle an der dem Köuigs-
platze zugekehrten Hauptfront — haben wir dabei noch nicht
gedacht. Zweifellos ist dieselbe eine ans dem praktischen
Bedürfnisse der Benutzung des Hauses nicht abzuleitende
Zuthat, aber wir haben in unserer allgemeinen Erörterung
schon angedeutet, was den Künstler veranlasst hat, das Pro-
gramm durch sie zu bereichern. L'm dem Volke die ideale
Bedeutung des Gebäudes verständlich zu machen, nicht aber
um gelegentliche Lücken der architektonischen Dekoration
auszufüllen, soll doch wohl die Mitwirkung der beiden
Schwesterknnste Malerei und Plastik angerufen werden.
Will man aber dies Ziel erreichen, will man von den Malern
und Bildnern verlangen, dass sie ihre beste Kraft einer solchen
Aufgabe widmen sollen, so ist es vor Allem
innerhalb des architektonischen Organismns
zuweisen, wo sie ihr Schaffen frei entfalten
die Früchte desselben auch »irklich gewürdigt werden. Nichts
ist uns stets als eine abscheulichere Kunst-Barbarei erschie-
nen, als einem Maler oder Bildhauer zuzumuthen, seine
Künstlerkraft an einem Werke zu vergeuden, das in der
Idee bereits todtgeboreu, weil nach seinem Aufstellungsorte
nngeniessbar ist. Nicht in hohe dunkle Bogenfelder, nicht
an die Wände des für ein ruhiges und beschauliches Stehen-
bleiben höchst unbehaglichen Treppenhauses gehören die
Werke monumentaler Malerei, nicht auf Attiken und in
Friese, die nur mit dem Fernrohr zu Rehen sind, die Lei-
stungen monumentaler Plastik, wenn man an beide höhere,
als blos handwerksmässige Ansprüche stellen, will. Dicldee
des Stier'schen Entwurfes, dem Schaffen deutscher Kunst
im deutschen Reichstagshause eine selbstständige Stelle ein-
zuräumen, wo ihre Werke im hellen Lichte des Tages, jeder-
zeit uud Jedermann zugänglich, an das Verständniss des
Volkes sich wenden können, erscheint uns daher nichts we-
niger als verfehlt, sondern sogar besonders glücklich. Dass
uns bierl>ei in erster Linie Rücksicht auf die populärste aller
Künste, die Malerei, geboten erscheint, haben wir bereits
früher auseinandergesetzt: dass diese Rücksicht in unserem
Klima nicht wohl anders als durch Anlage einer Halle zu
erfüllen ist, dürfte wohl kaum bestritten sein. Ist es doch der-
selbe Gedankengang, welcher zur Anlage de« Portikus an
Schinkels Museum geführt hat, nur dass die Eingeschossig-
keit der Halle hier mit der Architektur des übrigeu Baues
in einen weniger herben Konflikt tritt und dass die Anord-
nung so getroffen ist. dass man ihres malerischen Schmuckes
auch innerhalb derselben froh werden kann.
Noch weniger freilich, wie in Betreff dieser Plan -Dis-
position ist Stier in Bezug auf die von ihm versuchte sti-
listische Ausbildung seines Entwurfes verstanden worden. Es
ist die einzige Arbeit di ser Konkurrenz, bei welcher die
vielberufeue „Stilfrage* wieder einmal in den Vordergrund
tritt und daran mahnt, dass ihre Lösung auf architektoni-
schem Gebiete noch immer ebenso sehr das drängendste
Problem der Zukunft ist, wie die Lösung der sozialen Frage
auf dem des politischen Lehens.
Raum und Zeit verbieten uns an dieser Stelle ein Glau-
bensbekenntniss zu entwickeln, das architektonischen Freun-
den unter unseren Lesern nicht unbekannt ist, und mit dem
die Mappen, das Album, dessen 3. Theil soeben die Presse ver-
lassen, es tiezeuget vor Allem die immer rege Theilnahnie, deren
sich die Vereinsfeste zu erfreuen halten. Die Versuche, dem
Motiv eine andere Richtung zu geheu, es auf wissenschaftlicher
Basis zu gründen, die wiederholt gewacht, sind stets gescheitert ;
sie müssen scheitern, denn das Studium gehört der Akademie,
dem Architekten -Verein, dem Motiv gehört die Zeit der Erho-
lung. Und so hat das Motiv während seines '-''»jährigen Beste-
hens auf Einzelne, auf die Gcsammtheit segensreich eiugewirkt.
so dass wir Stifter mit Befriedigung auf unsere Stiftung blicken
können. — Möge das Motiv sich auch ferner treu bleiben! —
Die Zeit ist ernster geworden, das Leben buntbewegter, die Be-
strebungen materieller, da gilt es, sich enger an einander zu
schliessen, damit die Ideale in unserer genusasüchtigen Zeit
nicht verloren gehen. — Möge das Motiv auch ferner der Ver-
ciuigungspunkt der Studireudeu der Bau - Akademie bleiben,
möge iu seinen Versammlungen echter Frohsinn, echte Freude
die Herrschaft führen, möge der Verein noch lange, lauge Jahre
bestehen und auf Veredlung von Herz und Charakter seiner
Mitglieder einwirken , dann wird er Bich dauernd die achtungs-
volle Stellung erhalten, die er unter den Berufsgenossen einzu-
nehmen bestimmt ist." —
Kin Hoch auf deu Vorein uud sciue Fortdauer schloss die Rede.
Der Nachmittag vereinigte die Festtheilnehmer zur Fahrt
nach Treptow, wo am Ffer der Spree seit dem liesteheu des
Vereines die Stiftungsfeste in einer im Laufe der Jahr« fest-
gewordenen typischen Weise gefeiert worden sind. Auch heute
wurde hiervon im Wesentlichen nicht ubgewichen.
An Stelle der feierlichen Begrüssuug war diesmal ein kleines
Drama getreten, als dessen Hauptperson der Wussergott Trep-
touius und sein Töchterlein Hilantas, die bisherige Beschützern!
des Vereins, erschienen. Letztere sollte von der Oberwelt, wo
sie bisher unter den Motivern geweilt, scheiden; alle dagegen
angewendeten Beschwörungen und Hülfsniittel. selbst Lebens
vergeblich uud erst diu Intervention der Gott-
heiten, die bisher im Vereine gepflegt. Dichtkunst, Malerei uud
Musik, rettete Ililaritas für den Verein, worüber danu das gc-
sammte Gefolge des Wassergottes, Seegeister und Nixen, in ein
Freudenballet ausbrachen. Es folgten dann die Wettrudcr-
kämpfe, die kindlichen Spiele, Wurstspringen und Sacklaufen,
sowie das Ordenskapitel iu hergebrachter Weise, und nur bei
letzterem entwickelte »ich ein bedeutsamer Moment, als die an-
wesenden vier Stifter, Natus, Treuhaupt, Walther und Spiel -
hagen vorgerufen wurden und unter dem Tusch der Musik und
dem jubelnden Zuruf der Versammelten den Ritterschlag und
den Stiftungsnrden erhielten.
Den Schluss des inhaltreichen Tages bildete ein Kommers
im Kuuzcrthause, bei welchem das Bedürfnis», mit den alten
Freunden in hergebrachter Weise sich an der Kueiptafel zu
vereinen, seine volle Befriedigung fand. Angeregt durch die
Krinnening betrat mancher der alten Herreu die Bühne, um
die Versammlung durch Vorstellungen aus früheren Tagen zu
erheitern, und Morgen war es, ehe die letzten den Saal mit
einem .Wiedersehen am fünfzigsten Stiftungslage- vertiessen.
Der 6. Juni vereinigte noch einmal eine Anzahl der Fest-
theilnehmer mit ihren Damen im Zoologischen Garten.
Ks seien zum Schlüsse noch die Festgaben erwähnt: eine
Chronik des Vereins, die leider nur die erste bekanntere Hälfte
der Geschichte dcssclbcu ausführlicher behandelt; der dritte
Theil des Motiv- Albums, iu welchem sich die dichterischen Pro-
duktionen seit 1802 linden, ein stattlicher Band mit manchem
sehr aehtungswerthen und allgemein verständlichen Produkte
der eigenthümlich deutschen Bummelpoesie; eine Festkarte für
den ersten Tag, ein Bilderbuch aus mehre u Blättern, die Vor-
bereitungen des Süftungstagcs darstellend, für den zweiten ;
Lieder uud Motivzeitung nicht zu vergessen.
Wir sch Hessen unseren Bericht mit dem während des Festes
so oft ausgesprochenen Wunsche eines ferneren glücklichen Ge-
deihens des \ civilis. Auch für ihn halten sich neue Zustände
ergeben, durch die stets wachsende Zahl seiner Mitglieder hat
sich sein innerer Charakter als der ciues gemeinsam zusammen-
halten I :: Freundeskreises zum Theil geändert. Mit der Grösse
der Feste und der FVsttheiluehmer habeu Arbeit und Ansprüche
nach dieser Kichtung sich vermehrt. Möge es dem Vereine auch
iu diesem neuen Stadium gelingen, sein Wesen als ein Hort für
alle diejenigen, die "
und Jugendfreude
Digitized by Google
— 199
wir unter der gegenwärtigen Generation zum Glück nickt
mehr allein stehen. Es ist Verblendung, wenn eine einzelne
Kraft Fragen jenes Ranges, die überhaupt niemals endgültig
gelfist, sondern nur weitergeführt werden kennen, zu bewäl-
tigen sich verminst — eine um so grössere Verblendung,
wenn die Kraft so schwach ist, wie dies vor .'{() Jahren bei
nicht wenigen Architekten, welche sich eines Eingehens auf
die „Stilfrage-' erkühnten, der Fall war. Aber es ist ein
noch stärkeres Ignoriren des lebendigen Entwickelungstriebes
der Menschheit, wenn man eine solche Lösung überhaupt
für unmöglich erklärt und jeden ehrlichen Versuch an ihr
mitzuarbeiten, als phantastischen Unsinn verketzert. Einen
solchen Versuch, solche ..Stilexperimente", wie sie logischer
Weise doch jeder St ilent wickelung vorausgegangen sein müssen,
macht aber jeder Architekt, der sich müht, über die zum
grossen Theil sehematisch gewordenen Formen der Ver-
gangenheit hinaus im lösten Sinne modern, d. h. aus den
Bedingungen der Aufgabe, der Konstruktion, des Baumntc-
terials, ans dem seiner Zeit geläufigen Anschanungskreise
heraus zu bauen.
Einem solchen ernsten und ehrlichen Versuche
wir auch in diesem Entwürfe. Wie ein Blick
Grundriss lehrt, ist es das Streben des Verfassers BV w«w,
einen Gewölbebau zu schaffen, weil er in einem solchen
die Forderung einer möglichst feuersicheren und monumen-
talen, d. h. nicht nur möglichst unvergänglichen, sondern
auch einer echten ästhetischen Ausbitdung fähigen Kon-
struktion am Besten erfüllen zu können glaubte. Das Be-
dürfnis*, auch reichere und komplizirtere Gewölbe-Anlagen,
wie sie namentlich in der Decke de» Sitzungssaales sich
finden, in organischer Weise lösen zu können, ergab natur-
gemäßer Weise die Wahl des Spitzbogens, dem sich im
Inneren zuweilen der flache Segmentbogen zugesellt, — der
durchgebildete Gewölbebau an sich die Wahl des Strebe-
pfeilers. Daraus mnssten Formen entstehen, die man nach
der gebräuchlichen Bezeichnungsweise „gothische- nennen
mag, wenn auch der Künstler bemüht war. jede für eine
bestimmte mittelalterliche Epoche charakteristischen Eigen-
tümlichkeiten zu vermeiden und die Erscheinung des Baues
dem durch die 400 jährige Einwirkung der Renaissance ent-
wickelten Forrngefühl anznschliessen. Der letzteren gehört
durchweg die Detail-Anffassnng an, wie auch die Fortlassnng
der steilen Dächer und der Abschluss des Baues mit einer
Attika, in welcher sich die Strebepfeiler auflösen, an die-
selbe mahnt; in den SnitzlKigenformen ist die steile Linie
vermieden und ein Verhältnis» beobachtet, wie es in ähn-
licher Empfindung bereite die italienische Gothik angenom-
men hat.
Die allgemeine Facaden -'Disposition konnte nach der
gewählten Grundriss -Anlage allerdings nicht die grossartige
Einheit des Kavser- von Grossheim'schen Entwurfes errei-
chen; sie hat jedoch vor d r Bohnstedt'schen, mit der sie
in mancher Beziehung verwandt ist, den Vortheil, dass die
Vorderfront nicht so einseitig entwickelt ist, sondern die
Kuppel über dem Sitzungssaale als ein bedeutsames Motiv
für die Hinterfront zur Geltung gelangt. Die Seitenfronten
sind allerdings wohl noch nicht ganz gelöst. In der Haupt-
facade dominirt ein im mittleren Theile angeordneter drei-
teiliger Portalbau, über den mächtigen Ueffnungen mit
Loggien gekrönt; vor den Pfeilern desselben sind die Reiter-
standbilder von 4 Kaisern gedacht. Neben dem Portal öffnet
sich mit je fünf 8™ weiten Bogen die Halle,- seitlich bilden
die höher emporgeführten Bauten des Festsaales und der
Frnktionssäle, mit grossen reich getheilten Fenstern und Bal-
kons ausgezeichnet, den Abschluss. Das System der langen
Seiten und Hinterfronten, — Theilung durch im Gesims auf-
gelöste Strebepfeiler, Anordnung von je 2 kleinen Fenstern
im Obergeschoss und einem grösseren im" Untergeschoss —
mag nur um deshalb erwähnt werden, weil es hier, wo das
Hauptgesims auf die ganze Front bezogen werden konnte,
gelungen ist, das l'ntergeschoss als Hauptgeseboss zu cha-
rakterisiren. Die Kuppel , welche sich über 4 kreuzförmig
angeordneten Baumassen erhebt, ist im Tambour durch 2t»
schräg ansteigende, mit Figuren gekrönte Strebepfeiler geglie-
dert; eine untere Fensterreihe dient zur Erleuchtung des
Saales, darüber ist ein Triforiennmgang angelegt. Der flach-
geschwungene Helm endigt in einer metallenen, als Kaiser-
krone ausgebildeten Laterne. Von der Ausbildung des In-
neren sei nur die des Sitzungssaales erwähnt, in welchem
die 4 grossen Nischen durch Flachbogen geschlossen sind,
die Decke aber durch ein auf Konsolen vorgekragtes reiches
Rippengewölbe gebildet wird.
Ein l'rtheil, in wie weit der von Stier
Versuch der stilistischen Durchbildung seines
ist, wollen wir nicht unternehmen; der wahre Werth
in der Gegenwart niemals gewür-
rsönlichen Verhältnisse
Unbefangenheit. Dass
sein Werk ein in sich einheitliches und organisches ist, dass
die Gesammtverhältnisse durchweg schöne, die Detail-Gestal-
tungen reizvolle, die Herrschaft, sowohl über Gothik wie
Renaissance bekundende sind, ist auch von Gegnern aner-
kannt worden, die sich achselzuckend über die seltsame Ver-
irrnn« wunderten, dass Jemand nach einem Phantome gegen
den Strom der öffentlichen Meinung schwimmen könne. Uns
kam es wesentlich darauf an, dieses Streben zu erklären —
wenn man will, in gewissem Sinne dafür Partei zu neh-
men. Ein eigenes l'rtheil wollen wir den Fachgenossen
später noch dadurch ermöglichen, dass wir ihnen auch die
racade StieFs im Bilde vorführen. Dass jene Bestrebungen
in einer Zeit , die noch immer am Liebsten durch den mit
einem Vorrath allzeit fertiger Floskeln arbeitenden Prediger
sich rühren lässt, nur wenig Anklang gefunden halten, ist
uns ebensowenig befremdend, wie dass sie von einer Jury
nicht gewürdigt worden sind, die einen Scott prämiircü
Hl. 11.11,-11 1.7,11, P|'IUII£ IWHIU III »l'J \J\
digt werden und fehlt uns bei dem
zu dem Verfasser hierfür ohnehin (
American Institute of Arohitects. — Der Bericht über
die fünfte jährliche Zusammenkunft des Verbandes Amerikani-
scher Architekten, welche zu Hoston am 14. und 15. November
1871 stattfand, enthält einige nicht uninteressante Notixen über
da* junge Vereinslcben unseres Faches in Amerika.
Der erste Versuch, ein solches zu gründen, wurde 1836 in
New- York gemacht Dieser misslang jedoch. Von Neuem trat
man der Sache näher im Jahre 18T>7. Der Architekten-Verein,
welcher damals in New- York gegründet wurde, scheint ununter-
brochen fortbestünde!! zu haben, blieb aber ausschliesslich auf
jene Stadt beschränkt Erst 18KG ging man daran, aus demsel-
ben einen über die ganzen Vereinigten Staaten sich erstrecken-
den Verband zu machen und in den einzelnen Städten Zweig-
vereine (ckapters) zu errichten. Dergleichen bestehen jetzt 6,
und zwar in Ncw-York, Philadelphia, Chicago, Cineinnati, Bal-
timore und Boston. In Baltimore enthält der Architektenverein
auch Zivil-Ingenieure (als höh professional memhrrs), da dort
kein besonderer Ingenieur verein existirt
Der Verband hat jährlich im November eine Zusammenkunft.
Während der übrigen Zeit des Jahres werden die laufenden Ge-
schäfte durch den Vorstand (boartl of trustes) erledigt. Der
Sekretair für auswärtige Korrespondenz bemüht sich, mit den
bedeutendsten Fachvereinen Europas Beziehungen zu unter-
halten. Er hat solche bekanntlich auch mit dem Berliner Ar-
chitekten-Verein angeknüpft. Auch ist letzterer durch die Er-
nennung seines früheren Vorsitzenden, Herrn Böckmann, zum
Ebrenmitgliede des American Institute of Arrhitects ausgezeich-
net worden.
Der Amerikanische Verband hat ein weites Feld derThätig-
keit, da er es sich ausser der Pflege allgemeiner Yereinsinter-
esaen unter Andern zur Aufgabe stellt, für die Organisation
von Architekturschulen, Anlage von Bibliotheken und Pboto-
grapbicnsammlungen, mit einem Wort für die sachliche Erzie-
Mittheilungen aus Vereinen.
hung junger Architekten, und nicht allein für diese, s<
auch für die Verbreitung des Sinnes für architektonische Schön-
heit im Volke, Sorge zu tragen.
Wenu auch eiuzelne der Hoffnungen, welche der Bericht in
letzterer Beziehung ausspricht, mit Rücksicht uuf amerikanische
Verhältnisse etwas sanguinisch klingen, scheinen sich doch an-
dererseits die Herren der Schwierigkeit ihrer Aufgabe wohl be-
wusst zu sein. Jedenfalls müssen wir ehrend anerkennen, dass
dort eiu Anfang zur Besserung bisher wenig erfreulicher Zu-
stände gemacht ist, und können den Fachgenossen jenseits des
Ozeans nur von Herzen den besten Erfolg in ihren Bestrebungen
wünschen. X.
Oatprenssisoher Ingenieur- und Architekten - Verein.
Monatsversammluug am Ii. Juni c. Anwesend 12 Mitglieder.
Nachdem bei der heutigen Exkursion die Maschinenfabriken:
Union -Gicsserei von Ostendorf, die Steinforthsche Fabrik und
die Aktienfabrik „Vulcan" besichtigt waren, wurde beschlossen,
die Exkursion nach dem Oberländiscbcn Kaual am 20. und
21. Juli zu machen, und der Entwurf des Programms für diese
Exkursion im Allgemeinen genehmigt
Ein Antrag auf Aussetzung der Monatsversammlungen wäh-
rend der Sommermonate wurde abgelehnt.
Die Kritik des Hoffmann'schen Ringofens Im
reiohischen Ingenieur- und Architekten -Verein. Wir
öffentlichen gern das folgende uns zugegangene Schreiben.
.Mit Bezug auf die in No. 21 der Deutschen Bauzeitung
S. 170 unter den Mittheilungen aus Vereinen üImt meinen Vor-
trag gebrachte Notiz ersuche ich E. W. folgende Entgegnung
resp. tatsächliche Berichtigung im selben Blatte gef. aufzu-
nehmen.
Nie ist es mir bcigefallen, den Erfolg Hoffmann's auch nur
Digitized by Google
im Geringsten zu schmälern , oder einen früheren oder späteren
Ofen über den Hoffmann'schen Ofen zu setzen: ich habe, wie
es aus der von dem Hrn. Kritiker ungezogenen Beweisführung
klar hervorgeht, nur gegen den "Rechtsbestand de» lloffniann'
sehen Ringofen» vom Standpunkte de» österreichischen
PrivilegieDgesetzes gesprochen; von der Erfindung und dem
Werthe derselben dagegen erwähnt: .Den ersten Hang unter
allen Oefen nimmt unbedingt der Huffinann'sche Kingofen ein,
und zwur bezüglich seiner konstruktiven Einrichtung, sowie auch
Betreffs des durch ihn zu erzielenden Effekte»*; weiter:
„Der Hoffmann'sche Ofen zeigt eine seltene Vollendung in An-
lage und Ausführung"; weiter: Hoffmann gebührt, mag ihm
sonst auch alles streitig gemacht werden, das Verdienst, den
Ringöfen allgemeinen Kingaug verschafft und sie zu be-
sonderer Vollendung gebracht zu haben" etc.
Betreffs des angezogenen Beispiels meiner Beweisführung:
.einer sehr vortheilhaften Ausnutzung des Brennmaterials* im
Öfen von Weberling und „ der bestmöglichsten Benutzung der
Warme" im Ofen von Denünuid — glaube ich nichts weiter
erwähnen zu dürfen , als auf meine Beweisführung überhaupt
hinzuweisen, woraus erhellt: dass ich nur auf konforme Be tre-
bungen vor Hoffmann gewiesen, keinesfalls aber behauptet habe,
dass diese von gleichem Erfolge, nie die Bestrebungen Hoff-
mann's begleitet waren.
Man darf eben Sätze nicht aus dem Zusammenhange reissen.
Was aber eine weitere absprechende Kritik betrifft, als
wäre der österreichische Ingenieur- und Architekten-Verein
über meine Beweisführung hinweggegangen, gereicht es mir
zum besonderen Vergnügen, Folgendes koustutireu zu können
(Zcitschr. des österr. Ingen.- und Archit.-Ver., II. Heft, 1. und
2. Spalte): L'eber meinen Vortrag wurde ein besonderes Komitc
gewählt, dem ich ebenfalls angehörte. — In Berücksichtigung
des Umstände», das die Wiener Ballgesellschaft bereits früher
ein Gesuch um Aufhebung des Privilegiums beim hohen Han-
delsministerium (mit meiner Motivirung) überreicht — und in
der getroffenen ministeriellen Vorentscheidung das Gesuch
günstig erledigt erhalten hatte — und die kaiserl. österr.
Allg. Baugesellschaft ein ähnliches Gesuch beim hohen Ministe-
rium in Vorlage hatte, bcschloss dieses Komite mit Hinweis auf
diese beiden und andere Gesuche in seiner Eingabe vor Allem
den Punkt des ungesetzlichen Bestandes zu betonen — uud auf
Grundlage dieses einen Punktes allein schon die Aufhebung zu
cm Handels-
gleicbfalls in diese
Dieses Gesuch wurde durch
Minister überreicht, und hatte ich die
Deputation gewählt zu werden.
Im Weiteren wurde ich, nach geschehener Aufhebung des
ersten Privilegiums, im Verein aufgefordert, meine Ansicht über
den Weiterbestand des zweiten Privilegrums zu äussern und
erlaube ich mir E. W. nur auf die Seite IC dieses Gutachtens
wo es lautet: „Der Hoffmann'sche King-
er Konkurrenz für den Sohulh&ns-
in Zofingen bat, "wie eine Bekanntmachung in der heuti-
gen No. unseres Bananzeigers meldet, das Resultat ergeben,
«lass unter 54 eingegangenen Planen kein einziger dem Pro-
gramme soweit entsprochen hat, dass ihm der erste Preis hätte
ertheilt werden können. Man hat unter diesen Umständen den
üblichen Ausweg ergriffen, die für Preise ausgesetzte Summe
von 4000 Eres, unter eine grössere Anzahl von Entwürfen zu
vertheilcn. Es sind Entschädigungen von 1000 bis 200 Frcs.
an Ü Konkurrenten, die Herren Kub Ii in St Gallen — Reichen-
bach i Gerster in Bern — Wolff, Sohn in Zürich — Bär in
Zofingen — Otto Weber — .los. Weidmann — II. & H. Reut-
linger (sämmtlich in Zürich) — Rost in Oschatz — Schmidt
uud Thierichens in Frankfurt uud Berlin zu vertheilen.
Die Konkurrenz rar Entwürfe zum Hause des deutschen
Reichstages hat am 7. Juni d. J. durch Ertheilung der fünf
ausgesetzten Preise ihren vorläufigen Abschluss gefunden. Der
erste Preis von 1000 Friedrichsd'or ist dem Entwürfe Ludwig
Bohnstedt's in Gotha, die vier anderen von je 200 Friedrichs-
d'or sind den Arbeiten von Endc&Boeckraann in Berlin,
Kuvser & von Grossheim in Berlin, Mylius & Bluutschli
in Frankfurt a. M., G. G. Scott und J. Scott in London zu-
erkannt worden. Wir behalten uns ausser der Erörterung,
welche wir deu betreffenden Entwürfen in unserem grösseren
Artikel widmen, eine weitere Bespre
cliung uoer diese
Entschei-
dung noch so lange vor, bis das motivirtc Gutachten der Jury,
das man hei einer so eminent öffentlichen Angelegenheit doch
wohl mit Sicherheit erwarten darf, publizirt sein wird, stehen
jedoch nicht an, schon jetzt zu erklären, dass die Ertheilung
eines Preises an den Entwurf des Hrn. Scott als ein Skauda-
losuxn erscheint, wie es in der uns geläufigen Geschichte deut-
scher Konkurrenzen bisher noch nicht dagewesen ist.
Ueber die weitere Entwickelung der Angelegenheit verlauten
zwar sehr verschiedene Gerüchte, aber noch keine iiositivcu
Nachrichten. Von den der Jury angehörigen Mitgliedern des
Reichstages ist bei diesem folgender Antrag eingebracht, über
den Mittwoch den 12. Juni Besehluss gefasst werden sollte.
„Der Reichstag wolle besehlicsseu: Sieben Delegirte des
Reichstages zu ernennen, welche in Gemeinschaft mit dem Hrn.
Präsidenten des Hauses und Mitgliedern des Bundesrathes sowie
ofeu steht einzig iu seiner Art da und ist das Vollendetste und
Beste, was überhaupt für Zwecke der Ziegelfabrikation bisher
erfunden wurde; wenngleich der Hoffmann'sche Ofen Vorläufer
hatte, so bleibt er doch der vollendetste und brauchbarste nach
jeder Richtung hin" etc.
Ich glaube somit bewiesen zu haben, dass ich nie der Er-
findung — sondern nur dem Rechtsbestande der Hoffmanu'scheu
Ringofen -Privilegien entgegen getreten bin, und ebenso, dass
man nicht so absprechend über meine Beweisführung im öster-
reichischen Ingenieur- und Architekten -Verein hinwegging, wie
es der unparteiische Kritiker gethan hat
Meine Eingangs gestellte Bitte wiederholend, glaube ich um
so mehr auf deren Erfüllung hoffen zu dürfen, als die Deutsche
Bauzeitung nicht das Blatt einer Partei, sondern das Organ der
deutschen Architekten und Ingenieure ist"
Wien, den 8. Juni 1872. Prokop.
Eine „ Berichtigung " unserer in No. 21 ausgesprocheneu
Auffassung vermögen wir in dieser Erklärung nur in sofern zu
erblicken, als darin die Gründe näher ausgeführt sind, warum
in der Vorstellung des Oesterreicbischcn Ingenieur- und Archi-
tekten-Vereins die Bitte um Aufhebung ucs Hoffmann'scheu
Patentes ausschliesslich vom formalen Standpunkte des öster-
reichischen Patentrechts motivirt worden ist In der Zeitschrift
des Vereins ist der einfache Wortlaut jener Vorstellung abge-
druckt, und haben uns andere Materialien nicht vorgelegen.
Wenn darin auf die in dem Vortrage des Herrn. Prokop be-
sonders eingehend versuchte Beweisführung, duss der Hoffmann*-
sehe Ofeu schon vor der Pateutertheilung durch öffentliche
Druckwerke bekannt gewesen sei, nicht einmal andeutungsweise
Bezug genommen ist. so war die Vennuthung wohl verzeihlich,
dass der Verein von jener Beweisführung ebensowenig überzeugt
worden sei , als wir dies bekennen mussteu und hier wiederholt
bekennen. Mag ein Jeder den betreffenden Vortrag nachlesen
und prüfen, ob unsere durch jene Zitate unterstützteKritik oder
die oben ausgesprochene Ansicht des Hrn. Prokop, dass er
nie der Erfindung des Hnffmann'schen Hingofens entgegen ge-
treten sei, dem Tliatbcstando entspricht
Dass wir ausschliesslich der Sache zu dienen streben und
nichts weniger als Partei- oder gar Personen - Interessen ver-
treten, möge daraus hervorgehen, dass wir Hrn. Prokon keinen
Vorwurf daraus gemacht haben, dass er in seinem Vortrag«
nicht blos die Neuheit der Hoffmann scheu Erfindung für Oester-
reich bestritten, sondern auch die Person des Erfinders verdäch-
tigt hat indem er die Angaben über dessen vorherige Kenntnis»
des Arnold'schen Ofens ohne Weiteres als erwiesen annahm.
Bei dem räthselhaftcu Schweigen, das Hoffmann jenen öffent-
lichen Angriffen gegenüber behauptet hat, ist es leider nur zu
erklärlich, dass solcher Verdacht auch bei Männern entstehen
musste, die geneigt waren, ihm volle Gerechtigkeit widerfahren
zu lassen.
unter Zuziehung von Sachverständigen die ferneren Vorberei-
tungen zur Herstellung eines in Gemässheit des Beschlusses des
Reichstages vom 1!). April 1871 zu errichtenden Reichstags-
hauses zu treffen haben. Insonderheit soll es Aufgabe derselben
sein, sich mit dem Reichskanzler- Amte über den zu diesem
Zwecke erforderlichen Bauplatz und dessen Erwerbung für das
Reich zu verständigen, und sodann diu Herstellung eines defi-
nitiven Bauplanes incl. Kostenanschlag zu bewirken. Dieselben
werden beauftragt, ihre Arbeiten derartig zu beschleunigen,
dass die Vorlage wegen der Erwerbung des Grund und Bodens
und der hierzu uud dem Zwecke des Baues erforderlichen Gelder
womöglich schon in der Session des nächsten Jahres von Seiten
der verbündeten Regierungen an den Reichstag gelangen kanu.-
Hoffentlich sind wir in der Lage, bereits schon in nächster
Nummer etwas Genaueres melden zu können. Eine schnelle Ent-
Üingo scheint noch dorn vorstehenden Antrage
Personal - Nachrichten.
Deutsches Reich.
Ernannt: Der Baumeister Wolff zu Strassburg zum
- Assistenten des Vorstehers im baut '
bahn-Baurocister u.
Bürcau der General-Direktion der Verwaltung der 1
bahn für Elsass-Lothringen in Strassburg.
Preussen.
Ernannt: Die vortragenden Käthe beim Ministerium für
Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten, Gebeimen Baurätbe
Flamiuius, Lüddecke und Uerrmann zu Gebeimen Ober-
Haurätheu: der Baumeister Ruttkowskl iu Breslau zum Eisen-
bahn-Baumeister bei der Oberschicsischen Eisenbahn daselbst :
der Kreis-Baumeister Germer in Landesbut zum Bau-Inspektor
in Prenzlau; der Bau-Inspektor Kühne in Prcnzlau zum Ober-
Bau -Inspektor bei der Königlichen Regierung in Liegnitz; der
Baumeister Schmidts in Meschede zum Eisenbahn - Baumeister
bei der Bergisch-Märkischcn Eisenbahn in Elberfeld.
Die Bauführer-Prüfung haben bestanden: OttoTechow
aus Brandenburg a, II. Carl K on n aus Siegen. Otto Kahrstedt
ausllüselitz bei Tangermünde. Bolcslaus Gorpe aus Labischin.
Die Baumeister - Prüfung hat bestanden: Richard
Hermann aus Züllichau.
In den RuhcBtand ist getreten: Der
Baurath Sezckorn in "
KommiMio
| To« Cirl Bullli In 1
l>ti«-k nm Oibrldit FUktrll.
Digitized by Google
Jahrg. VI. M 25.
DEUTSCHE BAUZEITUNG
R«d»ktie» i, B»|.«ditt<m:
»rrila, Oraunutna« 101.
Beile Hungen
eWrnrhm* alle •Mun.taltra
«nd eocfchindluneen,
fai Bvrltn 4M Itnediuea.
Organ des Verbandes
deutscher Architekten - und Ingenieur-Vereine.
Redakteur K. E. 0. FriUch.
Iaierate
In der !■ r »i > - Rollur i
„Bau- Amnl^nr"
laerrUeaeareU: >'., S«r nre
frei* l Thaler pro Quartal.
Berlin, den 20. Juni 1872.
Ersrbelat jede ■ Dennerstag.
iDhfttt: Die Konkurrena fiir Ketwurfe tarn Hun du deutecken Heich'-
leg*\ (FotUtunnp. i — Ucter Peckwerkttager doppelten ijrtnmetf Urlitii Hy*!#«i
mit Vertikalen. — Id Itlhei Inngen im Vereinen: Verein für F.l«eiieakn»nnde
n BerUa. -A« 4er Fechlitteraturi Or*en fir die ForueoHlle des Bleea.
belinweeen*. — Konkurrenten: l>le Koukorrrm für Kntatirfe tum Heu«« de»
peeterlien Reiclistacej. — Ein Knnknrreai.Au»ae)if<ill>cii für Kntwürle iura Heu
eine. Aktie*. B*Ub ia Pm». - Per.eael-Naekrlekten etc.
Neben Arbeiten, wie die von Sohnstedt, Kayser- von
Grossheim und Stier, müssen die Entwürfe, welche wir den-
selben nach der von uns gewählten Anordnung zunächst
anzureihen haben, erheblich zurücktreten, obwohl sich unter
ihnen sehr bemerkenswerthe Leistungen befinden.
Als eine solche ist uns z. ß. die von Guido Ehrig in
Chemnitz erschienen. Der Grundriss zeigt hei zweigeschossi-
ger Anlage eine so kompendiöse Anordnung der Räume, dass
an der Tiefe des Banplatzes namhaft gespart werden konnte;
das schmale Oblong des Baues wird durch einen breiten
Mittelban so getheilt, dass zwei Höfe von quadratischer
Form sich ergeben. Im Zentrum des Mittelliaues liegt im
Erdgeschoss der achteckige Sitzungssaal, an den Fronten
desselben im oberen Geschosse der Festsaal und die Biblio-
thek. Die Disposition ist trotz einzelner Schwächen sehr
klar und in allen Theilen mit künstlerischer Sorgfalt und
nicht gewöhnlichem Geschick durchgearbeitet. Dasselbe Ifisst
sich vou der Architektur rühmen, die etwas barocKc Re-
naissanceformen zeigt; die Eckpavillons und die den Mittel-
bau flankirenden Thflrme sind mit Hauben in Bogcnforni
abgedeckt und hat auch die mit einem s»>hr grossen Ober-
licm versehene, daher sehr flache Kuppel des Sitzungssaales
eine Ähnliche Dachbildting. Im Innern ist die Erscheinung
des Saales leider dadurch beeinträchtigt worden, dass die
Logen für die Zuhörer in zwei Rängen angeordnet sind.
Auch die Arbeit von Alois Wurm in Wien ist an sich
von künstlerischem' Reize, wenn auch die Facade des in
reichem, dekorativen Barockstile und in guten Verhältnissen
erfundenen Baues weit mehr auf ein Theater, als auf ein
Parlamentshaus sehliessen lässt. Der halbkreisförmige, im
ersten Stock dispouirte Sitzungssaal tritt nämlich nicht allein
mit einer die ganze Baumasse dominirenden Flachkuppel,
unter der sich die Fenster eines oberen, den Saal noch mit
sekundärem Seitenlichte versorgenden Umganges befinden, zur
äusseren Erscheinung, sondern zeigt seine Ruudform auch
in der dem Königsplatze zugekehrten Front; dass hier eine
zweigeschossige nach beiden Seiten offene Halle, die in den
Ecken und der Mitte durch Pavillons gegliedert wird, als
eine äusserst«, die rechteckige Form wiederherstellende Zone
hinzugefügt worden ist, verstärkt nnr noch mehr den für
ein Theater wohl angemessenen, festlich heiteren Eindruck.
Im Inneren ist der untere Saal-Umgang als Restauration ge-
dacht; derselbe mündet nach der geraden Seite nicht in
einen, sondern in zwei eiuander parallele Vorsäle, während
in der Axe das grosse, durch ein Vestibül von der Sommer-
strasse her zugängliche Haupt-Treppenhaus liegt. Dass eine
solche Anordnung, soviel Bestechendes sie auch hat, nicht
möglich war, ohne andere Unzuträglichkeiten hervorzurufen,
die den praktischen Werth des Entwurfs sehr beeinträchti-
gen, erhellt wohl ohne Weiteres.
Der Entwurf von H. Nisle in Stuttgart, in dem die
Flachkuppel des Saales eine an byzantinische Vorbilder er-
innernde Form zeigt — an Stelle des horizontalen Gesiras-
abschlusses ist die Bogenreihe der grossen Rundfenster mar-
kirt — ist als architektonische Leistung ohne Bedeutung;
die in einem viel zu grossen Maasstabe detaillirte Renaissance-
Architektur lässt künstlerische Reife noch entschieden ver-
missen. Hingegen ist die Grundrissidee, der wirspüter auch in
einer anderen, höher stehenden Arbeit begegnen werden,
durchaus bemerkenswert!). Im Gegensatze zu den bisher
besprochenen Entwürfen, in welchen der Bau als geschlossene
Einheit nufgefasst war, begegnen wir hier zum erstenroale
dem Versuche einer Grnppirung desselben nach dem Zwecke
e ran Hause des
(FortaeUung.)
der einzelnen Räume. Der Mittelbau enthält sämmtliche
Lokale, die für die Plenar-Sitzungen des Reichstages resp.
Bundesrathes noth wendig sind, ein Klügelbau die Dienst-
wohnungen und den Festsaal, ein zweiter die Fraktions-,
Abtheilungs- und Kommissions-Säle.
In dem Entwürfe von A. Dahmann in Berlin, der deu
runden Sitzungssaal in der Mitte des Gebäudes annimmt,
liegt ein Versuch vor, den Haupteingang der Al>genrdneteu
von der Südseite her einzuführen. Die architektonische Aus-
bildung in Renaissanceformen, aber in sehr schweren Ver-
hältnissen und kleinen Axen, erinnert mit ihrer Flachkupptl
und den zahlreichen Thürmchcn, deren stark eingezogenes
Kegeldach sich über einem offenen Säulonuragangc erhebt,
durchaus an muhaminedanische Bauten. Auch die aus Galatz
eingesandte Arbeit von Schumann aus Berlin, ein schmaler
dreigeschossiger Renaissancebau mit Eckpavillons und zwei
Thürmchen an dem Mittelbau der Vorderfront — Bbei dein
oblongen Sitzungssaale mit einem kleinen, konstruktiv wohl
kaum zu lösenden Kuppelaufbau versehen, ist ein wenig er-
freuliches Werlte
.Tu nie in Paris hat seinem Saale, der inmitten des durch
4 Höfe gethf'ilten Baues liegt, eine quadratische Grundform
gegeben und die Sitze des Bundesrathes in eine Nische gegen-
über der Tribüne des Präsidenten gelegt. Abgesehen jedoch,
dass die Details dieser Anordnung nicht gelöst sind, liate>cr
die Vortheile, welche dieselbe für die Grundrissbildung ge-
währt, gänzlich unbenutzt gelassen, die Räume des Rundes-
raths vielmehr fast noch stärker zerstreut, als dies in anderen
Entwürfen geschehen ist. Die Architektur ist ein seltsames
Gemisch barocker Renaiesanceformen mit Motiven, die in
ihrer Verwendung des Flach- resp. Rundbogens dem einfachen
Barksteinbau entlehnt zu sein scheinen. Die originell ge-
formte, mit einer Kolossalfigur gekrönte Flachkuppcl dürfte
unkonstruirbar sein.
Die erst in den letzten Tagen der Ausstellung zwischen
den leeren Kisten der übrigen aufgefundene Arbeit von
H. J. Morre in Delfft zeigt den achteckigen, im ersten Stock
liegenden Sitzungssaal von einem quadratischem Umgänge
umgeben. In der Oueroxc liegen der Festsaal, resp. die
Fraktionssäle, in der Hnuptaxe die Geschäftsräume des Reichs-
kanzlers etc. resp. die Restauration und Garderobe, letztere
in einem sehr kräftig vortretenden, höher emporgeführten und
mit Thürmchen ausgezeichneten Bautheile, welcher die Vor-
derfront dominirt, während die auf Seitenlicht angelegte Kup-
pel für die Hinterfront zur Geltung kommt. Die in Re-
naissanceformen durchgebildete Architektur leidet an ziem-
lich groben Maasstabsdifferenzen.
Endlich gehört an diese Stelle der unter den Arbeiten
seiner Landsleute ebenso vereinzelt wie ehrenvoll dastehende
Entwurf von Walter W. Robertson in London. Leider ist
die künstlerische Behandlung desselben in einer höchst ma-
geren und trockenen Renaissauce-Architektur keine sehr vor-
teilhafte und talentvolle, anch die Durcharbeitung des Grund-
risses lässt in dieser Beziehung viel zu wünschen übrig.
Aber desto angenehmer berührt es im Gegensatze zu der
phantastischen Effekthascherei der übrigen Engländer, dass
der Verfasser die praktischen Bedingungen der Aufgabe sich
klar gemacht untf in deren Erfüllung den Ausgangspunkt
und die Grundlage seiner Arbeit gesucht hat. Das Oblong
des Bauplatzes ist durch 4 Höfe getheilt. Inmitten liegt im
ersten Stockwerk, das mit Entschiedenheit als Hanptgeschoss
ausgeprägt ist, der Sitzungssaal, dessen kreisförmiger Grund-
riss hinter der Prüsideiiteutribüne durch einen segmentför-
Digitized by Google
migen Einbau, der unten eine Passage, oben die Journalisten-
tribüne enthalt, moditizirt wird. Der Versammlungssaal der
Abgeordneten ist zum Zwecke direkter Beleuchtung an die
Mitte der Vorderfront, über das untere Vestibül gelegt wor-
den und wird vom Hauptsaale durch das Treppenhaus ge-
trennt Wenn es zur Verbindung mit dem Umgange dessel-
ben zweier Passagen bedurfte, so ist dieser Nachtheil doch
reichlich dadurch aufgewogen, dass es bei der gewählten
Anordnung möglich war, dem Vorsaale einerseits die Restau-
ration und den Festsaal, andererseits den Lesesaal und die
Bibliothek anzuschliessen, also in der Vorderfront dieselbe
Folge bedeutender Räume zu gewinnen, welche die Oueraxe
des Kayser- von Grossheim'schen Entwurfes zeigt. In den
Seitenfronten schliessen sich der Bibliothek die Abtheilungs-
säle, dem Festsaale die Prasidentenwohnung an. Eine wei-
tere Beschreibung des Grundrisses ist wohl nicht erforder-
lich; es mag nur noch die sehr klare und zweckmassige Ver-
keilung der Eingänge rühmend hervorgehoben werden. Das
Innere des Saales ist mit einer sehr flachen Kuppel ge-
schlossen, das Licht wird jedoch nicht durch eine obere
Oeffnung, sondern durch einen Kranz runder Seitenfenster
gewonnen. Im Aeusseren steigt die von vier kleinen kuppel-
gekrönten Thürmen flankirte, im Verhältnis» zu ihrer Höhen-
erhebung und zum ganzen Bau zu massige Schutzkuppel
mit einem steileren Kontur empor.
Aehnlich, aber wesentlich reicher ist der Aufbau des
Sitzungssaales in dem Entwürfe von T. Milczcwsky in
Berlin gestaltet. Der Künstler hat sich an den Wunsch, die
strenge Symmetrie des Königsplalzes festzuhalten, gebunden
und seinem Bau demzufolge eine so geringe Tiefe gegeben,
dass er die Räume in drei Stockwerken vertheilen musste,
was um so mehr za bedauern ist, als der Grundriss im
Uebrigen zu den klarsten und einfachsten gehört Im Erd-
geschosse liegen die Böreaus mit der Wohnung des Dirigen-
ten, sowie die eine Hälfte der Abtheilungs- und Kommissions-
säle, im ersten Stockwerk sind sammtliche für die Plenar-
sitzungen erforderlichen Räume und die Bibliothek, im zwei-
ten die andere Hälfte die Abtheilangssäle und die Präsi-
denten-Wohnung mit dem Festsaale angeordnet Der Haupt- |
eingang führt von der Sommerstrasse durch ein Vestibül zu
dem Vorsaul empor, während die Front am Königsplatz dnreh
einen Mittelbau mit Portiken in 2 Geschossen ausgezeichnet
ist. Die Ecken des Baues werden von schlanken Thürmen
gebildet, deren Entwickelung in zahlreichen, stark zurückge-
setzten Geschossen an die Renaissancebauten Danzigs erinnert.
Vier entsprechende Thürme umgeben den in Glas konstrnirten
Kuppelaufbau über dem quadratischen Sitzungssaale. Die
architektonische Ausbildung in Renaissanceformen wird einer-
seits durch die Gleichwertbigkeit der Geschosse beeinträch-
tigt, ist jedoch andererseits an sich etwas zu schwer und
zeigt nicht immer glückliche Verhältnisse. *
Wir schliessen hieran zunächst einige Projekt«, in denen
die Kuppel des Sitzungssaales nicht die typische Rnnd- oder
Polygonform hat, sondern in einfacher Weise über einem
rechteckigen Räume entwickelt ist, also dem Körper inner-
halb eines Kloster- oder Spiegelgewölbes entspricht
Als das hervorragendste unter denselben, gleichzeitig
als eine der am Einheitlichsten durchgeführten Arbeiten der
ganzen Konkurrenz, ist das Projekt von August Tiede in
Berlin zu nennen. Der Grundriss zeigt einen streng sym-
metrisch angeordneten geschlossenen Bau mit 2 grösseren
Höfen, im Schnittpunkte der beiden Hanptaxen den recht-
eckigen Sitzungssaal. Als Hauptgeschoss ist das Erdgeseboss
angenommen worden. Der Eingang für die Abgeordneten
führt von der Soramerstrasse durch 2 Portale in den durch
Oberlicht erleuchteten Vorsaal — eine Anordnung, durch die
es möglich wurde der Restauration die günstige Lage in der
Axe des Saals zu geben: es schliessen sich auf der anderen
Seite dieser Eingänge die Räume für die Bibliothek resp.
die Büreans an. An der entgegengesetzten Front des Königs-
die durch einen breit vortretenden Mittelbau mit
mächtigen Portikus ausgezeichnet ist, beflodet sich ein
t Eingang, der vorzugsweise für den Bundesrath nnd
kaiserlichen Hof bestimmt ist und zunächst in ein als
aasgebildetes Foyer führt; zur Seite liegen die Räume
des Bundesrates resp. die des Präsidiums nnd die Wohnung
des Bureau -Dirigenten. Die Mitten der Seitenfronten werden
durch sehr stattlich ausgebildete Durchfahrten bezeichnet Im
oberen Geschosse liegt über der Restauration der Festsaal,
an den sich südlich die Wohnnng des Präsidenten anschliesst ;
der übrige Raum der äusseren Flügel wird von den Fraktion*-,
Abtheilungs- und KomraUsionss&len eingenommen. Falls
man sich mit der grundsätzlichen Auffassung des Verfassers,
der den Rang des Gebäudes um einen Grad herabgestimmt
hat und in demselben das Moment des Geschäftshauses vor
dem des nationalen Monumentalbans betont befreunden kann,
so erscheint nicht allein der Grundgedanke der Disposition
glücklich, sondern auch die Durchführung desselben im Ein-
zelnen kann als fast durchweg gelungen angesehen werden.
Schwache Punkte sind die Anlage der kaiserlichen Loge,
die hier wohl unter dem Angemessenen steht, sowie die
Anordnung des Festsaals, der eines guten Zusammenhangs
mit den Nebenräumen, sowie eines würdigen Aufgangs ent-
behrt; überhaupt ist die Ausbildung der Treppen etwas ver-
nachlässigt.
Fast das Gleiche gilt von der Architektur, die in feinen
hellenischen Formen detaillirt ist, jedoch durchaus über die
konventionelle Schablone hinausgeht nnd zu einer Facaden-
ausbildung geführt hat, die nach Maasstab und Verhältnissen
im hoben Grade anziehend und harmonisch ist, wenn sie
auch für das Hans des deutschen Reichstages gar zu schlicht
und einfach erscheint und gleichfalls unter dem Fehler
leidet, dass der Rang des Hauptgeschosses in ihr nicht zur
Geltung kommt Das charakteristische Motiv der Facaden-
architektur ist die Säumung der Fensterpfeiler mit bis zum
Gesims durchgehenden Anten. Die Eckpavillons sind mit
feinen Flachkuppeln, der oblonge Aufbau über dem Sitzungs-
saale, der ganz analog dem oberen Stockwerke ausgebildet
und mit Fenstern durchbrochen ist, mit einem Kuppeldach
der oben erwähnten Form gedeckt Der Schmuck der Fa-
hnden ist dabei auf ein Minimum reduzirt und beschränkt
sich fast allein auf die breiten Flächen , die in dein Mittel-
bau der Hanptfront neben dem Portikus verbleiben ; hier
sind Nischen mit Figuren nnd einige Reliefs angebracht.
Nicht ganz so hoch steht der Entwurf von A. Lang in
Wien, der bei bemerkenswerthen Einzelheiten doch noch
keineswegs gelöst ist. Ein oblonger, zweigeschossiger Bau
mit vorspringenden Flügeln, in dem die Eingänge seitlich
und vorn, der Sitzungssaal im ersten Stock, hinter demselben
die Restauration, in der Queraxe Festsaal und Bibliothek an-
geordnet sind; der Aufbau des quadratischen Sitzungssaales
mit einem mächtigen Kuppeldach in ziemlich steil ansteigen-
der Linie gekrönt Als besonders gelungen kann die ein
feines Gefühl für Formen und Verhältnisse bekundende Aus-
bildung der Architektur in den Formen italienischer Renais-
sance gerühmt werden. Hingegen müssen wir in der Arbeit
von J. Merzenich in Berlin das unglückliche Ergebniss
allzu hartnäckigen Festhaltens an einer Grundidee bedauern,
deren Bewältigung wohl auch der besten Künstlerkraft nicht
gelingen könnte. Aus der Baumasse ist in der Vorderfront
ein Vorbof in Form eines halben Achtecks ausgespart, die
Verbindung der Eckbauten mit den Mittelbauten daher durch
schräge Flügel bewirkt. Es scheinen lediglich Rücksichten
auf die perspektivische Wirkung gewesen zu seiu, welche
den Verfasser zu dieser rein äusserlicben Anordnung geführt
haben; im Grundrisse ist ein Motiv dafür nicht nur nicht zu
entdecken, sondern eine organische Entwickelung und Ver-
keilung der Räume ist dadurch sogar direkt unmöglich ge-
worden. Zu diesem Irrthum hat sich der zweite gesellt ein
Bauwerk dieses Ranges als einen verhältnissmässig einfachen
Backsteinbau behandeln zu können. Das Gesammtresultat
konnte daher trotz einiger Details, die des künstlerischen
Interesses nicht unwürdig sind, nur lin'im höchsten Grade
unbefriedigendes sein.
Dass wir den Versuch, die Saalform des verlängerten
Halbkreises auch im äusseren Aufbau zu zeigen, um deshalb
als einen an Bich verfehl, en betrachten müssen, weil uns die
künstlerische Bewältigung einer so durchaus unorganischen
Form geradezu unmöglich erscheint, haben wir bereits in
unserer allgemeinen Erörterung ausgeführt Nichts destowe-
niger zeugt das Streben nach einer Lösung dieses Problems
immerhin von nicht geringem künstlerischen Ernste und
sind es in der That durchweg Arbeiten von Bedeutung, in de-
nen jener Versuch gewagt ist
Wir stellen
Eggert in Berlin,
Gruudriss wir auf Seite 128
te 128 pn-
behaupten,
nicht mehr Skizze, sondern in sich vollendet und
abgeschlossen ist, und kaum wüssten wir eine Arbeit zu
nennen, die mit gleicher Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit
durchgeführt ist
Als allgemeine Vorzüge des Grundrisses, der in ähn-
licher Weise, wie dies bei Sohnstedt und Kayser &. von Gross-
heim der Fall ist die Mehrzahl der Räume in einem oberen
Hauptgeschosse anordnet, sind die klare Uebersichtlichkeit
nnd Zugänglichkeit der Anlage, die gute Vertheilung und
die durchweg monumentale Ausbildung der Räume zu rüh-
men. Eine häufige Anwendung von Oberlicht und das
Hülfsmittel zahlreicher Lichtschachte war selbstverständlich
auch hier nicht zu umgehen und halten wir dies unter allen
Digitized by Google
- 203 -
Umständen für einen prinzipiellen Mangel; doch ist wenig-
dass bei den gewählten Dispositionen
1er für das Bedürfniss ausreicben-
ntbehrt Besondere Vorzüge sind
die Ausbildung der stattlichen Durchfahrt in der Queraxe,
welche mit den Haupt-Kommunikationen des Hauses in guter
Verbindung steht, die Anlage des grossen Prachthofes, der
in ähnlichen Dimensionen in keinem anderen Entwürfe sich
lern ruht, des
Nicht als "der
mit dem In-
ls der Ansdrnck eines inneren Gewölbebans
aof, sondern sie sind eingestandenerraasssen
dnet, um eine kräftigere Relief -Wirkung zu
ao der Vorderfront, wo sie offenen Hallen
durch die unbedeutende Tiefe dieser
findet — endlich als Glanzpunkt der Arbeit die Anordnung
■ an Rang zui
der dem Sitzungssaal an Rang zunächst stehenden Neben-
lokale: des Vorsaals, der Restauration, des Lesesaales und
der Bibliothek, die als ein zusammenhängender Komplex um
das grosse, als Ruhmeshalle gedachte Haupt -Treppeahans
sich gruppiren. Bei der Beziehung des Vorsaals sowohl auf
Sitzungs- wie Festsaal würde es leicht sein, jenen ganzen
Komplex für grössere Feste mit zu verwenden. Als Haupt-
mängel in der Ausbildung des Inneren müssen wir es hin-
gegen betrachten, dass eine jener Innenräume würdige
Vestibül-Anlage, für deren Entwickelung unter der Bibliothek
nicht Höhe genug vorhanden ist, fehlt und dass der ans
akustischen Rücksichten so niedrig und einfach wie möglich
gestaltete Sitzungssaal in architektonischer Wirkung hinter
das Treppenhaus, das wir eines solchen Ranges durchaus
nicht für würdig erachten, zurücktritt; andererseits will uns
in diesem Falle ein Brechen des Treppenlaufes nicht wohl
zulässig erscheinen. An Kleinigkeiten mäkeln zn wollen,
wozu sich mehrfach Gelegenheit böte , fällt uns natürlich
nicht ein.
Weniger glücklich ist der Künstler in der Konzeption
seiner Facaden gewesen , für deren Detail-Gestaltung das
Streben einer Forroenbildung im Sinne hellenischer Tektonik
maassgebend war. Im hohen Grade gelungen ist an derselben
die allgemeine Gruppirnng nnd Massenvertheilung , die in
ihrer Anordnung ungemein an den Entwurf Bohnstedt's er-
innert und sehr wohl einer ebenbürtigen künstlerischen Ausbil-
dung fähig gewesen wäre. Auf einer mit Kandelabern umhegten
Terrasse, an deren Ecken wirkungsvolle Reitergruppen auf-
gestellt werden sollen, erhebt sich der breitgelagerte Bau, in
ein einfaches üntergeschoss und ein mit honen Arkaden
gegliedertes Obergeschoss getheilt ; die Ecken bezeichnen Pa-
villons mit Flachkuppeln, die Mitten Portalbauten, von denen
der in der Hauptfront einen mit einem reichen Fignrenschmuck | Gruppen von Provinzen nnd Städten, deren Wappen in den
lediglich
erzielen; auch
angehören, ist durch die unbedeutende Tiefe
Hallen und die sehr geringe Beziehung, welche diesel-
ben zu dem Zwecke der hinter ihnen liegenden Räume
zeigen, der dekorative Charakter der Arkadenstellung
nicht ganz aufgehoben. Mit dem Rundbogenstil, den
der Verfasser in Folge derselben nnd mit Rücksicht auf die
Anwendung von Rundbögen in den Haupträumeu des Inne-
ren seinem Bau vindizirt stehen ferner die scheitrechten
Ueberdeckungen| sämmtlicher Oeffnungen in den Facaden-
wänden — mit der stattlichen Ausbildung des vorderen
Mittelbaus die mehr als einfache Anordnung der Eingangs-
thüren — mit dem weit über den Zweck der Beleuchtung
gesteigerten Aufbau des Sitzungssaales die innere Schlicht-
heit desselben in unlösbarem Widersprach — Widersprüche
und Inkonsequenzen, die um so fühlbarer werden, ie mehr
das tektonische Glaubensbekenntniss, zu dem der Künstler
sich bekennt, das strengste Festhalten an Prinzipien fordert
Sollen wir dieses Resultat als einen neuen Beweis dafür an-
ziehen, dass jene Prinzipien zwar eine werthvolle Grundlage
der Kritik sind, dass es aber ein Irrthum ist, wenn man sie
zu positiven Schöpfungen für genügend hält? Wir glauben
kaum, dass es erforderlich ist
Zur Ergänzung unserer Beschreibung des Baues bemer-
ken wir noch, dass jener Aufbau über dem Saale in der
Weise angeordnet ist dass über der geraden Seite ein flach-
bogiger, mit einem inneren Relief, einer kolossalen Adler-
Akroterie nnd zwei seitlichen Figuren-Gruppen geschmückter
Giebel sich befindet an den sich das Dach als flache Halb-
kuppel anschlieast. In den Bogenfcldern der Arkaden des
ersten Stockes sind Relief-Darstellungen gedacht, von denen
der Künstler mit Recht annimmt, dass sie in ihrer Verein-
zelung geniessbarer sein werden, als ein fortlaufender Fries,
die jedoch durch den Schatten der Arkaden wohl etwas be-
einträchtigt werden möchten. In den Zwickeln über den
Bogen sind Portraitköpfe in Medaillons gedacht, auf den
Attiken der Mittel- und Eckbauten allegorische Figuren-
gekrönten triumphbogenartigen Aufbau trägt Das Ganze
wird von dem Aufbau des Sitzungssaales überragt nnd giebt
eine sehr schön abgestimminte Silhouette.
Aber dieser gelungenen Gesammt-Anordnung entspricht
leider nicht das Detail. Nicht allein, dass der Maasstab
desselben unseres Erachtens ein viel zu grosser ist, was sich
namentlich in dem Gegensätze der Fenster- Einfassungen zn
t?em figürlichen Skulpturenschmnck sehr auffällig geltend
macht, so entbehrt vor Allem das Hauptmotiv des ganzen
Facadensystems, jene Arkadenstellung, die an der Vorder-
front auf* freien Säulen, an den Nebenfronten auf Wandpfei-
Frie8 des Hauptgesimses verwebt werden sollen. Wohl
keiner der Konkurrenten hat in dieser Beziehung die durch
den plastischen Schmuck des Aeusseren zu lösende Aufgabe
so reiflich durchdacht Nicht lebhaft genug können wir auch
in diesem Falle bedauern, dass eine so ernste nnd tüchtige
künstlerische Kraft durch einen unglücklichen Missgriff in
der Wahl ihrer architektonischen Mittel sich den Weg zu
einem Ziele verschloss, das sie sonst sicher erreicht hätte.
Trotzalledem bleibt die Arbeit unbeschadet ihrer Mängel eine
allzuweit zurücksteht.
iForlseUunf folgt )
lieber Fachwerkträger doppelten symmetrischen Systems mit Tertikaien.
In den folgenden Entwicklungen wird angenommen, die ein-
zelnen Konstruktionsthcile (Stäbe) seien in den Knotenpunkten
durch Gelenke verbunden , so dass in denselben blos LäDgcu-
spannungen vorkommen können.
Zur Berechnung der Stabgpannungen in einem Felde dienen
vorerst die 3 atatischen Gleichungen, welche ausdrücken, dass
für einen Vertikalscbnitt die 4 Stabspannunjren mit deu Süsseren
Kräften sich im Gleichgewicht beBaden, Ks bleibt sonach eine
Stahspanuung unbestimmt »••Ida- L'uü-stiuimtheit mm nwttfut-
lieh dadurch zu heben suebt dass man annimmt, die 2 Kreuz-
strebun theilton sich gleichmassig in die Belastung.
Die Berechnung wird vorgenommen, als bestehe der Träger
aus 2 Einzelträgeru, deren jeder die halbe Belastung zu tragen
bat; die Spannungen in den Stäben des wirklichen Trägers er-
geben sich dann als Summen der Spannungen in den aufeinan-
derfallcndon Stäben der Einzeltriger.
Diese Theilung des Trägers in 2 Einzeltriger ist jedoch
willkürlich und entspricht nur dann annähernd der Wirklich-
keit, wenn keine Vertikalen vorhanden sind; sie führt bei ge-
krümmten Gurten sogar zu merklich unrichtigen Resultaten,
besonders für die Kreuzstreben der Endfclder.
Das einzige Mittel, die 4. Bestimmungsgleichung zu erhalten,
liegt in der Betrachtung der elastischen Deformationen des
Trägers, wobei die Langen und Querschnitte der Stäbe von we-
sentlichem Einflüsse sind.
Durch Aufstellung dieser elastischen Beziehungen erhält
man eine Gleichung zwischen den Stabl&ogen und ihren elasti-
schen Ausdehnungen, oder da die Ausdehnungen Funktionen
der Querschnitte und Spannungen sind, eine Gleichung zwischen
den btablüngen, den Querschnitten und den Spannungen.
Eliminirt man aus den 3 statischen Gleichungen und
4. elastischen, 3 Spannungen, so erhält man schliesslich eine
Spannung resp. einen Querschnitt als Funktion der übrigen
Querschnitte. Letztere sind innerhalb der Bedingungen der ge-
gebenen Gleichungen beliebig wählbar.
Die vollständig genaue Aufstellung der elastischen Bezie-
hungen ist äusserst komplizirt und weitläufig, sie wird ver-
einfacht wenn man die Annahme macht, die Deformationen der
Vertikalen seien gegenüber denjenigen der übrigen Stäbe zu
vernachlässigen, eine Annahme, die nahe mit der Wirklichkeit
übereinstimmt, da die Vertikalen meistens viel zu stark für die
in ihnen wirkenden Kräfte konstruirt sind.
Jedenfalls erhält man aber auf diesem Wene eine 2. Grenze
für die Stabspannungen, wenn man die Werths der gewöhn-
lichen Berechnumrsmethode als 1. Grenze betrachtet, denn das
eine Mal ist der Querschnitt der Vertikalen unendlich gross, das
andere Hai = 0 angenommen.
Die wirklich auftretenden Spannungen werden je nach der
Stärke der Vertikalen sich mehr der einen oder anderen Grenze
nähern. Ganz sicher gebt man jedenfalls, wenn man den Quer-
schnitt jeweils für den grösseren der beiden Grenzwerthe kon-
struirt.
Um nun die oben genannten Gleichungen aufzustellen sei
als Trägerfortn ein sogenannter abgestumpfter Parabelträger
Vif. i.
Für ein beliebiges Feld seien (Fig. 2)
Digitized by Google
ab c de f die StabUngen,
ABCDEF die entsprechenden Span
M 1 uuugeu,
s a ß f 3 t if die entsprechenden Quer-
schnitte,
M u. if; die bei /? and 5 wirkenden 5us-
serou Kruft momeuto.
Die statischen Bedingungen ergeben:
.W+B d a->rE d . « = 0
4 e
,W- Da -f|«=0
M - Dc-F.'L.c = 0
t
wobei Zugspannungen positiv, Druckspannungen
dttht sind.
Aus 1, 2, 3 folgt durch Umformung:
1
1.
2.
5.
v go-
1'
2'
3'
jr * _ F b
d.c f
Um dio elastische Bedingungsgleichung zu entwickeln, sind
die geometrischen Verhältnisse vor und nach der Deformation
aufzustellen.
Vor der Deformation ist t* = a' -f- d'
Nach der Deformation ist
(e + J f)' = a* + (d -f J d)> 4- 2 J n {d -f J d) a
wo J a die Aenderung des Winkels B T V\ hierbei sind dio
Ausdehnungen positiv, die Zusammendrückungen negativ vor-
ausgesetzt.
Durch Subtraktion uud nach Vernachlässigung kleiner
Grössen hliherer Ordnung folgt:
eJe=dJd+daJa I.
auf ähnliche Weise erhält man
fJf=dJd + dcJr II.
wo J x die Aenderung des Winkels S 0 T.
Vor der Deformation war *» = </»-+- {c — «)"
Nach der Deformation ist
(* + J «)» (d + J d + c J r + n J «)« + t< — «)'
Durch Subt. "ition uud Vernachlässigung kleiner Grössen
höherer Ordnung dpj:
b J b — d(J d + r J r + a Ja) Dl
Aus I, II, III erln'ilt mau nach Kliiuiuatiou von Ja und
•J r
fJci/'J/'=« JHrf-J'/ 4.
Nun ist E= £. Je .€,F=E Jf . p etc., wobei E =
r <?' . Ffi_ß b> ,ßd>
Bebt man jetzt dio Werlho von E, />, B aus 1", 2', 3' in 4'
ein, so erhalt man:
F P-l f " -^l «" r *4 /■ <" r *-
*% + U a)d T + F 7
_ V 6 #' . * , J/ rf» _ rf rf«
r d 3 f ß r 7/ » 7
resp. von f ,5 <J
Für fl uud u sind nun passeude Annahmen zu machen. Am
besten bestimmt man die Gurtquerschnitte in der Mittu aus
dem Muximnlmoraerit und IJUst dann die Querschnitte stufen-
weise nach den Auflagern hin abnehmen; ß und ■> sind dann in
jedem Felde liek;iuut.
c und ip sind gegenseitig so anzunehmen, daas sie gleich-
zeitig 7 uud 8 erfüllen, ohne dass a" uud a" ein erlaubtes Maass
überschreiten.
Hierbei kann im Allgemeinen a" nie = a" werden, d. h.
also: der eine Stab wird nur unvollständig ausgenützt; um dies
auf einfache Weise zu zeigen, sollen mit Hülfe kleiner Vernach-
gen die Gleichungen 4', 8, 7 umgestaltet wc
4' läsat sich ohne grossen Fehler
Elustizitatsmudul: hierdurch erhalt Gleichung 4 folgende Gestalt:
4
( ,1 - /.;,/. I -
oder
f\f "** e " r ß ^ ä) cdß T a 4 Kc a) dt
Statt /" liisst sich setzen y . <r', wo tr' die spezifiseho Spannung
im Stab f, wodurch die Gleichung 6 folgende (iestalt eruSlt:
9*_(f± i , *» , #1 ** i AT ^JT* J/"**-» 7.
/" l P 1 « T ,* Vj " frf/S" t " a ä \c a)de
Auf ihnjldie Weise erhält mau, wenn man statt E, F elimiuirt :
E*"(f>,e*,b*,d>\_lf'd> Mb>,t» M\r
Aus 7 und 8 lassen sich p und £ als Funktion von e ß d
oder
aefason, da beide Glieder nahezu gleich gross und von entgegen-
gesetztem Vorzeichen sind.
Die Gleichung 4' wird dann:
£ "-F^ = Q 0.
t r
In Verbindung mit V erhalt man:
<t f \ c a)a f
F (0* .«LT) = -(*!.-*}*
lt man für den Stab e
Aus 10 und 11 folgt durch Division
5=
Das heisst: die spezifischen Spannungen pro Quadrateinheit
halten sich umgekehrt wie die Quadrate der Stablängen, sie
werden nur im Parallelträger einander gleich, sonst ist immer
die flachere Strebe {Zugstrebe) pro Quadruteinheit stärker an-
gestrengt als die steilere (Druckstrebe), der 1'aralleltrSger zeigt
sich also auch in diesem Punkte vortbcilhafter als die Trager
mit gekrümmten Gurten.
Will man dio oben entwickelten Formeln auf unsymme-
trische Träger einfachen Svstems mit Vertikalen anwenden, so
hat man blos In 10 uud 1 i t resp. f so 0 zu setzen.
10 ergiebt dann:
r ~U a)d
oder da a 1 . <f = F ist
II.
12.
F=- l M '-*\ r
V c n) d
Ebenso folgt
Ii:
-(f-ÖS
beides bekannte Formeln.
Bei der uumerischeu Berechnung wäre nun folgendcrmassen
vorzugehen :
Man berechnet vorerst unter der Annahme zweier K : nzel-
Systeme die Gurtquerschnitte und Strebenquerschnitte, erstere
bleibeu definitiv, letztere sind mittels der Gleichungen 7, 8 oder
10, 11 zu prüfeu, ob für «" uud t' passendu Werthc sieh erge
ben, andernfalls sind die Querschnitte entsprechend abzuändern.
Sollten die Vertikalen verhältnissmässig geringe Querschnitte
haben, so liegen die richtigen Querschnitte der Streben zwischeu
den nach der alten "und neuen Methode berechneten; ganz
sicher geht man iu diesem Falle, weuu mau für diu Druck stre-
ben deu Werth nach der alten Methode, für die Zugstreben nach
der neuen Methode berechnet. Für Parallelträger geuügt die
alte Methode vollständig.
Will man der Vollständigkeit wegen auch die in den Verti-
kalen wirkenden Spannungen berechnen, so gelaugt man am
sehne] Uten zum Ziele, weuu mau die Gleichgewichtsbediugung
für die an eiuem unteren Knotenpunkte wirkenden Vertikal-
komponenten der Stabapanuuugcn und Lasten aufstellt
Beispiel Fig. 1.
Ein Träger von 13 Feldern sei pro Knotenpunkt mit der
konstanten Last P = 44*0 und der variablen « = 9140 be-
lastet.
Dio Länge der 2 Endfelder beträgt 1,S!>«, die der übrigen
228,4—, die theoreüscho Trägerlänge wurde zu 2830«» ange-
nommen.
Für die Streben des Eudfeldea ergiebt sich sodann nach
der alten Methode:
£=411000« E -
_ 41)000 _
700*
70G*
F= . r >3. r j23 *
Der Gurtquerschnitt beträgt im Endfeld ot = 183^"».
Um die Beteclinuug nach der neuen Methode vorzunehmen,
sind vorerst die Stablängen zu ermitteln:
a = 153,5 '=> e = 177,1«- d = 150
* = 100,1 . e = 221 „ /"= 238 ,
Sodann ist:
M = 0
M = 18994000
Gleichung 10 und 11 ergeben dann:
221«. 238 1 r V ) 177,1.159
Digitized by Google
— 205 —
"'• * + 1 = 461
221 T m)
Für <t" = 700, $» = 76,5 folgt aus der 2. Gleichung:
Will man « = y> machen und wählt <r" = 700, sr» hat mau
In diesem Falle ist also c- -f- t = 2 . 80,!)= 161,8; im vorherge
"€1,1 also dm
< + =7,
. ;orherRi
henden <p + r = 76,5 -f 64,6 = 161,1 also nahezu gleich*
Materialverbrauch
er
Wählt man <f und o" , so
— T = 700, so is», da
_ 238» _ . ,,
2,16^= 1400; o> = 648; <r" = 752.
Für p = 76,5 iat dann t = 221 - 7G ' 5 "| = 74,3.
Vi 52 276 )
Man sieht in diesem Falle, wo der mittlere Austrengungskoefii-
licut gleich dem in der gewöhnlichen Metbode angewendeten
= 700 ist, sind auch die Querschnitte nach beiden Berechnun-
gen ziemlich gleich.
Die gewöhnliche Methode liefert demnach die Strebenquer-
schnitte für einen Anstrengnngskoeffiiienten, der das Mittel zwi-
schen den wirklich auftretenden Anstrcuguugskoeft]zienten igt.
Letztere können sehr bedeutend vom Mittel abweichen, wie
aus dem gerechneten Ilcispiel ersichtlich ist, obwohl hier die
LSngendiffcrenz zwischen den beiden Streben noch nicht bedeu-
tend ist.
Wählt man Gleichung 7 oder 8 statt wie oben 10 und II,
so hat mau für <r' — 600, 9 = «*)
129940001-160,7* ,221»-,
177,1.1591 183 *?
600/238» , 221» , 160.7' . 159»
23sl v <P 183 r 183
24275133
) = :
+ 44770
j = 41795
)240 +
197851438
44770 <f l + 20095893 = 197851438
v t .4. 449 v = 44193
9> = 83
ein Werth, der mit dem nach Formel 10 gerechneten (80,9) fast
vollständig stimmt; es genügt also, die einfacheren Formeln 10
und 11 anzuwenden-
Homberg, im Februar 1872. Engesscr, Ingenieur.
*) a' — 600 cutspricht a" = ca. 700, wie oben angenommen,
da ?'=£i*.
«• 888'
fARLAMENTS-pEBÄÜDE FÜR DEN pEUTSCHEN JlEICHSTAG.
Entwurf von Gilbert Scott und John O. Scott iu London.
Orundrias vera Erdgescbosa.
Soumeratraea*.
könlcsplati.
|i,l-|llirr
I
N
30
T-
Sl)
40
Irdgesehosa.
1-17 Kiumf für die Mitglieder dt»
Keichstagoa.
1 Vestibül,
t firower Voraaal.
1 Garderoben,
4 rltuungMeaJ.
i l.«*eslmflier.
C Spreehtiaainer dea Präsidenten.
7 Pri»»uliDinrr deeaejben.
8 Abthellungaeile nebat Vorzimmern.
9 Frakttnassäle deact,
10 Sprechzimmer d. Hwkhatagifnitgllcdcr.
1 1 Sunograpbeasimnefr.
13 Zimmer lur Korrektami.
13—17 B«reau-Lokala de«
Kelebelagea.
13 BoUatlitlater.
Vertheilang
14 Kupedlihiu.
15 KaiisJnl.
16 (Jf-*rhftfUalmonrr de« Plttgeatra.
Ii Id'KUtraliar.
18-34 TUurno fir dl* Mitglieder
dea rtundearathe«.
IS SlUuncsuul aelxt Vursimiuerll.
I!r fiesebAfts- und Sprechzimmer der
Hui, .Inrath«.
30 liparhlAssIrniner des RelchakansJera
nebet Yoraimmer.
71 Konrercaialmmer drsgl.
73 gprcchtlmmer desgl.
2.1 Wlratilmrncr.
34 l'ri>ldaiii de« Reichahr sleraotu.
— i 1 1 r
so m » so
der liumi.
K I.,,,«,.- Festaaaf;
f€ Hersirslfnnier.
77 Kmohlogssale.
2S lialierie.
30 .s, Maltimmer für Wohnung dea Hu
rrau > Dirigenten.
30 Garderobe detfl.
31. K loset«.
33. Badestaben.
33. Treppe ru den kaiserlichen Lorten.
34. Treppe in den Loge« für dar Publiken.
35. Treppe aur Präsidenten - Wohnung.
36. Treppe für die Mitglieder dea Hunden,
ratha*.
Kntci Sterkwerk,
Heber 8. 0, I«, 17, TO, 70: Koaanalealvna-
jininier.
.. 3, I», 35, 31: Ablhejluujwilo.
10
1U0 Metrr.
Debarll: Bibliothek,
»l Leaeaaal.
13: Zimmer dea Bibliothekar«.
., 31.73. JJ: Zimmer der Journalisten.
„ 37: Schlaiiünmer aur Wohnang den
Präsidenten.
„ 10: KIom-u.
8*atarr*lsi
Unter 16. I»: Arcbir.
, 17: Bibliothek, Salon and Speise-
saal aar Wohnung dea Fresidesttea.
. 10: Küche und Wlrthaebsilarhame
desgl.
. 3,«, 7, 34: ReataaratloBidokalitalen.
. 31, 33: Kaeb* dea KotMarateiir*. -
. 13-17, 3», 30: Wohnung de« Bu-
reau-Dirigenten.
Zur Balte tob 1: Port und Talegraphie.
gitized by Google
— 206 —
Mitthoilung-en aus Vereinen.
Verein für Eiaenoahnkunde zu Berlin. Versammlung
am 14. Mai 1872. Vorsitzender Herr Weishaupt, Scbrift-
fübrer Herr Quenscll.
Herr Stappenbeek hielt einen Vortrag über die Reform
dea Eisenbahn -Tarif -Wesen». Der Vortragende erläuterte zu-
nächst, in welcher Weise sich das Tarifwesen, in speeie das
Güter-Tarifwcsen, auf das er seine Darstellung beschränkte, bei
den deutschen Eisenbahnen historisch entwickelt bat. Als die
ersten deutschen Eiseubahncn dem Betriebe übergeben wurden,
seien die Tarife für den Gütertransport nicht sowohl nach festen
national-ökonomischen oder eisenbahn betriebstechnischen Prin-
zipien, als vielmehr mit Rücksicht auf die Bedürfnisse des Han-
dels, der Industrie uud der Landwirtschaft der von den Bah-
nen berührten Gegenden, die hauptsächlichsten Transport-Artikel
und die bisher für deren Beförderung gezahlten Fuhrlbhne in
wesentlich kaufmännischer Weise gebildet worden. Mit den in
solcher Weise systemlos gebildeten Frachtsätzen und Klassifi-
kationen der Transportgegenstfinde hStte jede Verwaltung nicht
minder systemlos weiter experimentirt . je nachdem wirkliche
oder vermeintliche, allgemeine oder lokale Handels -Interessen
oder später auch Konkurrenzrücksichten eine von der bisherigen
abweichende Behandlung einzelner Artikel zu erheischen schie-
nen. Allmählig sei in diese Entwicklung eine Art von Prinzip
hineingekommen, indem die Eisenbahnen in Übereinstimmung
mit den Motiven, durch welche die unaufhörlichen Antrüge auf
Frachter» iissiguugen begründet zu werden pflegten, dem «Verth
des Gutes bei der Tarifirung eine besondere Bedeutung beimessen
und hochwerthige Güter in höheren, geringwertige in niedrigere
Klassen einreihen zu müssen glaubten. Insbesondere sei all-
mShlig der Gruudsalz zu unbeschränkter Geltung gelangt, das*
fertige Fabrikate mit hohen, Halbfabrikate mit geringeren, Roh-
stoffe und Rohprodukte mit den niedrigen Frachten zu belegen
seien.
Die Frachtermässigungen, auf welche das Publikum fort-
während hindrängte, hätten sich nun aber bei allgemeiner Be-
achtung dieses Werthpriuzips nicht nur in der Art vollzogen,
dass einzelne Artikel aus einer eine grosse Menge von Gegen-
ständen umfassenden llauptk lasse in eine niedrigere derartige
Klasse versetzt wurden. Man hätte häufig gefunden, dass ein-
zelne Artikel, für welche die Fracht einer bestimmten Klasse
zu hoch erschien, doch immerhin eine noch etwas höhere Fracht,
als die der näcbetniedrrgeren Klasse zu ertragen im Stande
wären, und dann für solche Artikel Spexialtarife unter Zugrunde-
legung von Einheitssätzen gebildet, welche zwischen denen zweier
Hauptklassen in der Mitte lagen. Da nun die Belastungsfähig-
keit der einzelnen Artikel in deu verschiedenen Gegenden
Deutschlands je nach deren Entfernung von den Produktious-
oder Konsumtions-Orteu oder sonstigen lokalen Verhältnissen
verschieden aufgefasst wurde, dazu auch die Konkurrenz, sei es
von Wasserstrassen oder Schienenwegen, und zwar überall in
verschiedenartiger Weise sich geltend machte, sei da« Bild der
Tarife ein ausserordentlich buntes und verworrenes geworden.
In den Lokaltarifen der einzelnen Bahnen, wie in den immer
zahlreicher werdenden, eiueu Komplex von mehren Bahnen
umfassenden Verbandstarifen beständen die verschiedenartigsten
Klassifikationen, und sei es allmählig so weit gekommen, dass
dem Publikum die Uebcrsicht über die bestehenden Tarife und
die Berechnung der billigsten Frachten auf das Aeusserstc er-
schwert würde, andererseits aber auch die Eiscnbahneu kaum
Güter -Expedienten finden konnten, welche die enorme
der bestehenden Tarife zu übersehen und in jedem ein-
Fall richtig anzuwenden im Stande wäreu. Es trete
deshalb an die Eisenbahnen in dringlichster Weise die Aufgabe
heran, auf Mittel und Wege zur Beseitigung der vorhandenen
L ehel stände zu sinnen. Vielleicht sei es möglich, für alle Bah-
nen des deutschen Eisenhahn- Vereins eine gemeinschaftliche
Klassifikation mit bindender Kraft für alle Vereinsmitglieder
einzuführen, deren Forteutwickelung einem mit festen Befugnis-
Ken ausgestatteten Organ dos Vereins zu übertragen wäre. Eine
.solche Klassifikation würde aber bei Anlehnung an dio jetzigen
Verhältnisse eine ausserordentlich komplizirte werden und die
Bildung von Speztaltarifen für eine grosse Menge wichtiger Ver-
kehrsartikel dem Ermessen der einzelnen Bahnen überlassen
müssen. Es frage sieh deshalb, ob nicht eine solche Maassregel
als eine nur halbe zu verwerfen und zu einem von dem bisheri-
gen ganz abweichenden Prinzip der Tarifkonstruktion überzu-
gehen sei.
In der That sei das jetzige Prinzip, für Güter von grossem
Werth hohe, für Güter von geringem Werth niedrigere Frachten
zu erhaben, sowohl vom volkswirtschaftlichen wie vom eisen-
bahnteebnischen Standpunkte aus zu verwerfen. Vuin volks-
wirtschaftlichen Standpunkt aus sei geltend zu machen, dass
der Werth der Güter im Wesentlichen durch die auf die Her-
stellung oder auf die Ermoglichung eines Verbrauchs derselben
verwendete Arbeit bedingt werde. Zu dieser Arbeit gehöre aber
auch der Transport, der sogar in ganz eminentem Sinn ein
wcrthbildcnder Faktor sei, wie sich dies z. B. bei Erzen, Kohlen
etc. klar zeige. Es sei deshalb unlogisch, zu behaupten, dass
Güter, die wesentlich und jedenfalls zum Theil durch die darauf
verwendeten Transportkosten einen hohen Werth erlangt haben,
bei weiterem Transport eine höhere Fracht ertragen konnten,
als Güter von niedrigem Werth, dessen geringe Höhe wesentlich
oder doch zum Theil auf das geringe Maass der darauf v
deten Transportkosten zurückzuführen ist Auch vom
hahntechnischen Standpunkte aus lasse sich die Rücksichtnahme
auf den Werth der Güter bei der Tarifbilduns nicht rechtferti-
gen, weil dieser Werth auf die Hohe der Betriebskosten keinerlei
Eitifluwt ausübe. Das jetzige Tarifsystem. insl>esondere die ver-
schiedenartige Tarifirung der Güter nach der Unterscheidung
von Rohprodukten. Halb- und Gauz- Fabrikaten sei auch häufig
der Industrie direkt schädlich, indem durch die höhere Tarifirung
der Fabrikate die naturgemäße Entwickelung der Fabrikation
an den Produktionsorten verhindert werde.
Rationell und den Interessen des Publikums wie der Eisen-
bahnen gleirhmässig entsprechend sei allein die den Werth der
Güter ganz ignorirende gleichartige Behandlung aller Transport-
Artikel, so dass für jedes Collo Stückgut der gleiche, lediglich
nach dem Gewicht zu br messende Satz, für alle Wagenladungs-
güter der gleiche, nach der Tragfähigkeit der Wagen zu berech-
nende Satz erhoben werde. Für die Wagenladungsgüter möge
mau 2 verschiedene Tarifsätze festsetzen, je nachdem sie in
bedeckten oder offenen Wagen gefahren werden. Denn wenn
auch der Unterschied in den Selbstkosten der Beförderung bei
den beiden Arten von Wagen nur unerheblich sei, so lasse sich
doch eine derartige Unterscheidung sehr wohl mit Rücksicht
darauf rechtfertigen, dass nach den Bestimmungen des Handels-
gesetzbuches, resp. des Betriebsreelemeuts iür die Eisenbahnen
Deutschlands die Haftpflicht der Eisenbahnen für die nach Ver-
einbarung mit dem Versender in offenem Wagen zu befördernden
Güter eine geringere ist. Die Beibehaltung einer derartigen
Unterscheidung biete auch den praktischen Vortheil, dass sie
den Uebergang von dem bisherigen Klassifikationsprinzip zu
dem Gewichts- und Wagenraum-System dem Publikum wie den
Eisenbahnen selbst erheblich erleichtert, indem tatsächlich der
Regel nach die zur Zeit höher tarifirtcu werthvollen Güter in
bedeckten Wagen, die niedriger tarifirten geringwertigen Güter
in offenen Wagen gefahren zu werden pflegten.
Ein völlig unvermittelter Uebergang von dem bisherigen
System zu dem Gewichts- und Wagenraiim- System werde sich
überhaupt kaum ermöglichen lassen. Insbesondere würden alle
die Rohprodukte, deren bisherige vorugsweisc billige Beförderung
so erheblich zur Förderung und Hebung des nationalen Wohlstandes
beigetragen habe, auch bei Einführung des neuen Systems einst-
weilen noch in ihrer jetzigen Ausnahmestellung zu belassen sein.
Denn währeud einerseits die Erhöhung der zur Zeit für diese
Massen-Artikel bestehenden Sätze ohne die grtteste Schädigung
der Industrie durchaus unmöglich sei, könne es andererseits
deu Eisenbahnen nicht zugemutet werden, sufort, und unver-
mittelt die Frachtsätze für alle in offenen Wagen zu befördern-
den Güter den so niedrigen Frachtsätzen für die Massenartikel
gleichzustellen und dadurch wenigstens für die nächste Zukunft
eine erhebliche Verminderung ihrer Einnahmen herbeizuführen.
Ks möchte auch keinem Bedenken unterliegen, das reiue Ge-
wichts- und WagenraumJ- Priuzin vorläufig noch mit Bezug auf
cht ige und
vorzuusweise Konjunkturen un-
terworfene Artikel der jetzigen höheren Tarifklassen,
wie z. B. Getreide, Melil, Eisenwaaren, Eisenbahnscl
Wolle etc , zu durchbrechen, deren jetzige Frachtsätze
wesentlich erhöht noch erheblich ermässigt werden dürfen, weun
nicht die finanziellen Interessen des Publikums oder der Eisen-
bahnen in empfindlicher Weise geschädigt werden sollen. Immer-
hin würde schon etwas Grosses damit gewonnen sein, wenn das
Gewichts- und Wagenraum-Svstem von allen deutschen Eisen-
bahn-Verwaltungen ihren Tarifidlduugen als das eigentlich mass-
gebende zu Grunde gelegt würde. Die Anzahl der einstweilen
noch beizubehaltenden Spezialtarife werde sich mit der Zeit,
wenn sich erst Handel und Industrie in die neue Anschauung
hineingelebt , ihre Kalkulationen uud Spekulationen derselben
akkomudirt hätten, immer mehr vermindern und jedenfalls werde
die erste, wenn auch noch so sehr inodifizirte Einführung des
neuen Systems gegenüber der jetzigen Verworrenheit des Tarif-
wesens einen grossen, für das Publikum wio für die Eisenbahnen
gleich segensreichen Fortschritt darstellen.
In Betreff der eigentlichen Preisbildung im Tarifwesen
herrsche bei den deutschen Eisenbahnen eine ebenso grosse
Verschiedenheit, wie in der Klassifikation der einzelnen Artikel.
Gleich sei Dur das Prinzip der Berechnung der F'racht nach
dem Gewicht der Güter einerseits und nach der Länge der
Transportstrecke andererseits: nach der Zentnermeile. Durch-
aus verschieden dagegen seien die bei den einzelnen Bahnen
innerhalb der verschiodeneu Klassen pro Zentner und Meile zur
Erhebung gelangenden Einheitssätze, die Berechnung besonderer
Expeditionsgebühren, die Normirung der Tarife nach einer
fallenden Skala etc. Diese Verschiedenheit wirke aber keines-
wegs so schädlich, wio das jetzige Klassifikationswesen, und
finde in der Verschiedenheit der Bau- und Betriebskosten der
einzelnen Bahnen sowie in der Mannigfaltigkeit der Konkurrenz-
verhältnisse ihre Rechtfertigung. Eine gleichmäasige Normirung
der Zentnermeilensätze sie bei der Gestaltung des deutseben
Eisenbahnwesens eine absolute Unmöglichkeit. Das Publikum
habe aber auch an eiuer so weit gehenden Nivellirung kein In-
teresse; es habe ein solches nur an der Cebersichtlicnkeit und
an der Billigkeit der Tarife. In letzterer Beziehung bilde aber
die Konkurrenz den besten Regulator, einen besseren jedenfalls,
als eine zu weit gehende Gleichmacherei. Die
würduu, wenn sie an die Einführung des Gewichts- und Wagen-
raum-Systems herangingen, die Sätze für die Stückgut- und dio
Digitized by Google
- 207 -
mit deu Sätzen der höheren Klassen ihrer jetzigen Tarife zu
bildco haben. Da diese Sätze uutcr Berücksichtigung wie der
Selbstkosten so der übrigen mautnigehenden Momente gebildet
und als im Wesentlichen ausreichend erkannt seien, su würden
die Bahnen bei der Uehertrajrung derselben auf das neue System
aller Wahrscheinlichkeit uacfi koinc finanzielle Einbu&sc irgend-
wie erheblicher Art erleiden, hu Grossen und Gaiuen werde
dies sicherlich auch bei der Laudwirthschaft, dem Handel und
der Industrie der Fall sein. Bei den Elsass-Lotbringischeu
Bahnen sei ein auf dem Gewichts- und Wagenraum- Prinzip be-
ruhender Tarif bereits eingeführt und seien der Handel- und
üewerbestand der wiedergewonnenen Lande durchaus damit zu-
frieden. Auch einige grosse Verbinde des alten Deutschlands
hätten im Verkehr mit Stationen dieser Bahnen das gleiche
Svstem angenommen. Dieses Beispiel würde wahrscheinlich
vielfach Nachfolge Huden, und wenn, wie zu erwarten, auch die
Preussischen Staatsbahueu zur Einführung des neuen Systems
ermächtigt werden sollteu, so werde sicherlich das Gewichts-
und Wagcurauni-System allmählig bei allen Eisenbahnen Deutsch-
lands zur Einführung gelangen, zum Vortbcil des Publikums wie
der Eisenbahnen selbst.
Herr Dr. Wedding sprach über deu Einflu&s des mecha-
nisches Puddelns auf die Fabrikationskosten der Eisenbahn-
schienen. Die stetige Steigerung der Lohne beim Puddeln habe
seit langer Zeit zu Versuchen geführt, die Handarbeit des
Kratzeng und Luppenmachens durch mechanische Hülfsmittcl
zu ersetzen. Zunächst versuchte man, die Kratzen durch Ma-
zu bewegen, und in der That habe sieh die Methode da,
i ein sehr gleicbniässiges, laug andauerndes Kratzen er-
forudes Roheisen verbraucht, bewährt Auf den meisten Werken
sei aber eine Ersparnis« dadurch nicht gewonnen, weil die Kratze
zwar durch die Maschine geführt, aber dennoch mit der Uaud
geleitet werden inusstc, um Ausätze, Ungleichniässigkeiten etc.
sofort entdecken und ausgleichen zu können, und weil die un-
gleich menr Kraftaufwand erfordernde Arbeit dos Luppenmachens
nicht durch die Maschine verrichtet werden konnte. Der Vortra-
derartiger Vorrichtungen und
Apparaten über,
Aus der Fachliteratur.
Jahr-
Organ für die Fortschritte des
gang l»7i. Heft I— III.
L eher Dampfkesselexplosioncn linden wir mehre in-
teressante Mittbeifungen. Maschinenmeister Grosse in Poltawa
und Maschinendirektor Kirchweger in Hannover verbreiten
sich in längeren Aufsätzeu über die Ursachen jener Unglücks-
falle. Letzterer tritt mit Entschiedenheit der Ansicht gegen-
über, das«, ohne durch nachlässige Behandlung oder schlechte
Konstruktion der Kessel veranlasst zu sein, gelegentlich im Iu-
uern derselben momentan wirkende Kräfte thätig werden, welche
die Wirkungen des normalen Dampfdruckes weit übersteigen
und die Kessel zerstören. Als Quellen solcher Kräfte hat man
die unter dem Namen des Leideufmst'schen Versuches bekannte
Erscheinung aufgestellt, dass Wassertropfeu, die auf eiue glühende
Metallplatte sehr hoher Temperatur gegossen werdcu, sich an-
fangs in flüssigem Zustande darauf balteu und erst bei Ab-
nahme der Hitze, dann aber ganz plötzlich in Dampf übergehen;
ferner den sogen. Siedeverzug, welcher (nach Professor Dufour
in Lausaune) darin bestehen soll, dass das Kesselwasser, weun
es möglichst frei von beigemeugter atmosphärischer Luft ist
und der Kessel sieb längere Zeit in Hube befindet, eine bis
30* C. höhere Temperatur annimmt, als dem vorhandenen Dampf-
druck entspricht. Wird dieser Zustand durch eine äussere Ur-
sache gestört, so wird der im Wasser gerammelte Ueberschuss
von gebundener Wärme plötzlich zur Dauipfcutwickelung ver-
wendet, und es entsteht der den Kessel sprengende Dampfdruck.
Hr. Kirchweger stellt also die Mitwirkung dieser und ähn-
licher mysteriöser Vorgänge bei den Kesselexplusiouen in Ab-
rede uud sucht die Erklärung der letzteren in ungenügender
Stärke des Kesselmaterials, in koustruktiousmüugelu der Dampf-
erzeuger und in vernachlässigter Bedienung der Kessel.
Die allerdings beunruhigende Thatsache, dass Kessel, bei
denen augenblickliche Fehler in der Bedienung nicht nachge-
wiesen werden konnten, explodirt sind, obgleich sie kurz vorher
einer offiziellen Druckprobe mit ungleich höherer Pressung unter-
zogen waren, wird darauf zurückgeführt, dass Blech durch häu-
figes, wenn auch geringes Hin- uud Herbiegen seiue Festigkeit
aliuiäblig verliert, bis ein plötzlicher Bruch eintritt. Solchen
Biegungen sind die Kesselwandungeu bei Aeuderungeu der
Dampfspannung je nach dem Grade der Vollkommenheit ihrer
Konstruktion mehr oder weniger unterworfen.
Um die Kessclexplosioucn auf ein Minimum zurückzuführen,
bleibt also nichts übrig, als einerseits die grösste Sorgfalt auf
sachgeniasse , solide Konstruktion zu verwenden und anderer-
seits für unausgesetzt gewissenhafte und gute Bedienung der
Kessel zu sorgen.
lu einem andern Aufsatz der vorliegenden Hefte wird die
durch Wassermangel herbeigeführte Explosion eines Lokomotiv-
kessels auf der Moskau-Kursk-Bahn beschrieben uud durch Ab-
bildungen erläutert.
Auch finden wir eine Angabe über Kcsselexplosiooen in Eng-
land im Jahre 1870. Unter der Gesammtzahl von 70 Fällen,
wobei 85 Personen getödtet und 138 verwundet wurdsn, waren
welche sowohl das Rühren als das Luppenmachen auf me-
chanische Weise ausführen.
Diese Apparate bestehen in rotirenden Gelassen. Hervor-
zuheben sei insbesondere ein von dem Amerikaner Danks an-
gewandter Ofen. Eiue Kommission des englischen lr>m and
Srerl Institute habe in diesem Jahre die l>istung eines solchen
Ofens untersucht, denselben brauchbar befunden und die An-
wendung für England empfohlen, wo der Erfinder nunmehr den
Bau von '200 Apparaten gegen eine Prämie von MOOOLst. und
'1 Shilling per tonn Eisen (333 300Thlr. resp. l'.>,7Sgr. per Tonne)
gestatte. An Arbeitslöhnen könne bei diesem Verfahren jedoch
nur gespart werden, wenn es gelinge, von der zur Bedienung
eines Ofens erforderlichen Zahl Arbeiter gleichzeitig mehre
Oefeu bedienen zu lassen uud sei die im .Berggeist" von Tappe
angestellte Berechnung, wonach in Wostphalen aas Handpuddeln
gegenwärtig noch billiger sei, für einen einzelnen Ofen gewiss
zutreffend. Der Vortragende hielt es für empfehlenswcrth, auch
in Deutschland schon jetzt mit Versuchen bezüglich dieses Ofens
vorzugehen, um im F'allc unverhättnissmissiger Lohnforderungen
bereits Resultate an der Haud zu haben.
Schliesslich sprach der Vortragende seine persönliche An-
sicht dahin aus, dass der Weg: „durch das mechanische Puddeln
einen allgemeinen Eortschritt tu machen," überhaupt ein falscher
sei, dass vielmehr der Bessemcrprozcss berufen sei, das Puddeln
ganz zu verdrängen. Wenn dies gegenwärtig noch nicht geschehen
sei, so liege das daran, dass man für den Bessemerprozess ein
phosphorfreies Roheisen brauche, solches aber nicht in hinrei-
chenden Quantitäten zu beschaffen sei. So lange es nicht ge-
lungen sei, den Phosphor beim Bossemern zu entfernen, könne
allerdings Tunner's Ansicht, nach welcher der Danks'sche Prozess
eine Ergänzung des Bessemerns sein würde, als richtig bezeich-
net werden; aber es müsse vor allen Dingen das Bestreben auf
die Unschädlichmachung des Phosphors beim Bessemern gerichtet
sein uud dazu gebe allerdings der Danks'sche Ofen einen Finger-
zeig. Es wäre wünschenswerth, wenn die Bessemer-Fabrikanten
den Versuch machten, an Stelle des gegenwärtig gebrauchten
kiesclsäurereichen Futters der Bessemer-Blrnen eiu auf ähnliche
Weise aus Eisenoxyd und metallischem Eisen hergestelltes (ba-
sisches) Futter zu '
nur 3 Lokoraotivkesselexplosionen. 33 Explosionen, also beinahe
die Hälfte, wurden durch Mangel an sorgsamer Pflege des Kessels
veranlasst.
Da bisweilen Kesselstein die Ursache einer Explosion werden
kann, müssen wir noch auf die Beschreibung eines von Albert
Zipser (Krakauer Königsmühle) erfundenen Apparats zur Ver-
hinderung der Kcsselstelnbildung hinweisen.
Aus dem Rest des mannigfachen Inhaltes der Hefte möchten
wir neben einigen mehr oder weniger umfangreichen Aufsätzen
über russische Eisenbahnen (derselben siud 1430 deutsche Meilen
im vollen Betriebe und 771 Meilen im Bau), über den Betrieb
auf okkupirten französischen Bahnen und über französische
Bahnen im Allgemeinen, sowie über die gegenwärtigen Lokomo-
tivsystemc und deren Abarten — zwei für die Konstruktion der
Weichen interessante Mittheilungcu hervorheben: nämlich Pou-
let's bewegliches Herzstück und ein (englisches) Sicherhc itsschtoss
an Ausweichen. Das letztere dürfte seiner Einfachheit wegen
zu beachten und zur weiteren Verarbeitung zu empfehlen sein.
A. —
Konkurrenzen.
Die Konkurrenz für Entwürfe zum Hanse dea deut-
schen Reichstages. Im Anschlüsse an unsere Mittheilung in
voriger Nummer berichten wir, dass der Reichstag in seiner
Sitzung vom VI. Juni d. J. den dort zitirten Antrag auf Ein-
setzung einer neuen Kommission zur weiteren Förderung der
Angelegenheit genehmigt und seinerseits zu Mitgliedern dersel-
ben die bisherigen Delegirten des Hauses ernannt hat. Das
Interesse unserer Leser wird jedenfalls vorzugsweise von dem
Berichte in Anspruch genommen werden, der zur Einleitung
der betreffenden Berathung durch deu Abgeordneten Duncker
im Namen uud Auftrage der Jury, welche über die abgelaufene
Konkurrenz entschieden hatte, erstattet wurde.
Der Redner gab zunächst ein kurzes Rcsume über die Vor-
gänge bis zur Einberufung des Preisgerichts, aus dem wir als
noch nicht bekannt nur des Faktums zu erwähnen haben, dass
der aus Gesundheitsrücksichten ausgeschiedene Abg. von Un-
ruh (Magdeburg! durch den Abg. Thomas (München) ersetzt
worden ist- Ueber die Thätigkmt der Jury theilte er sodann
mit, dass dieselbe nach ihrer ersten, wesentlich durch Formalieti
beanspruchten Sitzung am 31. Mai, in welcher eine (aus säninit-
lichen Architekten und je einem MitgHede des Bundesraths und
Reichstages bestehende) Subkommission zur Vorberathung ein-
gesetzt wurde, überhaupt noch an 4 weiteren Tagen zusammen-
getreten ist. Bei der Entscheidung über die Preise hat eine
Abstimmung nur iu Betreff des ersten Preises stattgefunden,
während ein Rangunterschied zwischen den übrigen 4 prämiirten
Entwürfen, die in alphabetischer Reihenfolge angeführt worden
sind, nicht festgestellt wurde. Die Jury hat zugleich beschlos-
sen, in dem Protokolle lediglich das Resultat ihres aus der
Ucberzeugung und dem besten Wissen der Mitglieder geschöpf-
ten Votums niederzulegen, auf eine Motivirung desselben jedoch
zu verzichten. Eine Notwendigkeit, die nach dem festgesetzten
Einlieferungstermbe des 15. April eingegangenen Entwürfe von
Digitized by Google
— 208 —
der Preisvertheilune auszuschlicssen, lag insofern nicht vor, als
keine der hiervon betroffenen Arbeiten zur enteren Wahl ge-
langt isf).
AU einstimmige Uebcrzeugung der Jury sprach der Redner
es au», dass man von dem Resultate der Konkurrenz, sowohl
wag Zahl, wie was Werth der eingegangenen Entwürfe betreffe,
befriedigt sein könne. In letzter Beziehung «ei es hervorzifbe-
ben, dass zum Mindesten über gewisse Grundprinzipien und
Anordnungen Klarheit erzielt worden sei, wcdh auch kein zur
unveränderten Ausführung geeignetes Projekt gewonnen worden
Vorschläge, wie man demnächst zu einem solchen gelangen
e, hat die Jury nicht gemacht, doch hat man sich inucr-
derselben zn der Ansicht geneigt, dass eine zweite be-
schränkte Konkurrenz unter den Siegern mit Heranziehung
mehrer bestimmter hervorragender Künstler Deutschlands resp.
des Auslandes, denen man Bezahlung ihrer Arbeit zuzusichern
haben würde, der beste Weg zum Ziele sei.
Neben weiterer Erwägung dieser Krago resp. Vorbereitung
■ ifgabe der
der neuen Konkurrenz soll die Aufg
den Kommission sein, die nöthigen Maassregeln zur Gewinnung
des Bauplatzes für das Reichstagsbaus zu betreiben. Die Aus-
sicht, den der Konkurrenz zu Grunde liegenden Platz erwerben
zu können, ist seit vorigem Jahre noch nicht vorgerückt. Da
mittlerweile' in der Jury auch Bedenken gegen die Zweckmässig-
keit des PlatzeB lant geworden sind, weil dieser einerseits Zwei-
fel über die Wahl der Uauptfacade offen lässt, andererseits aber
iu der Tiefe zu sehr beschrankt ist, so ist nunmehr die Frage,
ob eine andere Stelle am Kftnigsplatze nicht
ernstliche Erwägung gezogen worden.
Wenn unser persönliches Empfinden sich von dem unserer
Leser nicht allzusehr unterscheidet, so müssen wir annehmen,
dass der thatslchliche Inhalt dieses Referates nicht verfehlen
wird, die allgemeinste und tiefste Entrüstung zn erregen.
Wir wollen der unsrigen kurze Worte verleihen, ohne auf die
Hoffnung zu verzichten, dass ein Weg gefunden werden möge,
auf welchem die gesammte deutsche Architcktcuschuft gegen aas
bei dieser Konkurrent um das erste nationale Werk des ge-
ciuigten Deutschlands eingeschlagene Verfahren energischen
Protest einlegen kann.
Sehen wir an dieser Stelle von jenen Mängeln des Programms
ab, gegen die der Vorstand unseres Verbandes seinerzeit ver-
geblich gekämpft hat und die schon oft genug erörtert worden
sind. Dass die Befürchtungen, welche wir aas jenen Bestim-
mungen herleiteten, nicht überflüssige waren, es ist durch das
Ergebnis» der Konkurrenz leider nur zu sehr bestätigt worden. —
Sehen wir ab davon, dass der Hinweis, wie wenig bekannt die
Verhältnisse des parlamentarischen Verkehrs seien und wie
nothwendig daher eine bezügliche Information der Konkurrenz
zu Grunde gelegt werden müsse, völlig unbeachtet geblieben ist ;
mindestens drei Viertheile der Konkurrenten sind zunächst au
dieser Unkenutniss der praktischen Bedingungen gescheitert, es
lag iedoch in ihrer Hand, sich aus Anlass derselben vou der
Konkurrenz zurückzuhalten.
Aber ist es uicht eine der Würde der Sache und der be-
theiligten Personen wenig entsprechende Thatsachc, wenn sich
nunmehr herausstellt, dass die orste und notwendigste Grund-
lage jedes nicht ausschliesslich idealen Entwurfs, der Bauplatz,
bei Erlass der Konkurrenz durchaus noch nicht Besichert war.
ia nunmehr sogar wahrscheinlich aufgegeben werden soll? Man
bat also, um nur in beliebter Eile vorwärts zu kommen, der
deutschen Architektenschaft, welche zu nicht geringem Theile
die Bethciligung an dieser Konkurrenz als nationale Pflicht
auffasste, die Zumuthung gestellt, ihre Kraft an ein Phan-
tom zu setzen. Denn dass die Wahl einer anderen Baustelle,
mag dieselbe auch an einer anderen Seite des Königsplatzes
liegen, sofort ganz veränderte Momente der Lösung ergiebt,
brauchen wir wohl nicht mehr auszuführen. Und ob ohnehin
keines der eingegangenen Projekte sich zur Verwirklichung eig-
net, kann an dieser Zumuthung Nichts andern!
Und endlich das Letzte — der Beschluss der Jury eine
Motivirung ihres Urthcilsspruchea nicht erst zu versuchen, ge-
schweige denn eine solche zu veröffentlichen! Es steht uns
nicht an, Muthmaassungen darüber aufzustellen, warum jener
Beschluss gefasst worden ist Genügt es doch, dass er gefasst
wurde, um das Verfahren der Jury als eine rücksichtslose und
unwürdige Behandlung der Konkurrenten, als eine Nichterfüllung
ihres Auftrages, endlich als eine Verletzung des Prinzips iu
kennzeichnen, das dem Parlamentarismus zu Grunde liegt.
Eine rücksichtslose und unwürdige Behandlung der Kon-
kurrenten, die ihre Kraft und Zeit der Aufgabe gewidmet ha-
ben und wenn sie nicht zu den Glücklichen gehören, denen der
Sieg zu Theil geworden ist, doch zum Mindesten fordern können,
dass sie erfahren, warum sie unterlegen sind. Wir wollen uns
nicht darauf berufen, dass die vom Verbände deutscher Arcbitek-
*) Wie hiii ane glaubwürdiger Quelle privatim mitgethellt worden lat, »oll da«
Verfahren folgendea geweeen eein: Zunitttit Wardan *©n dar Snbknmmiuion etwa
'• . r.nlwurfe ala aar nah* ran Prüfung berechtigt anerkannt. Dirne »lud detnnächit
In kleinere (6 oder 6 y ) Gruppen gelbellt und Jede deraelbcn eisern Architekten ala
lUte-?ntcu und einem Klehtteehnlkcr ala Korreferenten ubarwie»on wurden, nm
au. ihnen dla au einer engeren Konhurrena geeigneten Plaue auveanählen. Hier*
bei ' et aleb ala Keaullet ergeben, daaa nur i Pleno «brlg blieben, van denen dureh
Ab.'li.itnung mit Slimmaetleln dar BahitetedtWhe aU de« eraten Preiaea würdig
aneikannt wurde, wahrend den übrigen die 4 Nebec--
der Veten über
■Leg n un kein« Geeammt-KontrolU
aller.li.in Manche« erklären kann!
Den
teu- und Ingenieur -Vereine angenommenen Grundsätze für das
Verfahren bei öffentlichen Konkurrenzen ein solches Verfahren
fordern, denn wir wissen leider aus Erfahrung, dass diese Grund-
sätze selbst von Architekten, denen die Ehre einem Preisgerichte
anzugehören, geworden int. nicht selten mißachtet werden. Aber
wir meinen, dass es nach den ausserordentlichen Anstrengun-
gen und Opfern, wekhe die Architckteiischalt für diene Kon-
kurrenz aufgewendet bat. selbstverständlich erscheinen muoste
ihr diese Rücksicht zu Theil werden zu lassen.*!
Eine Nichterfüllung des der .lurv gewordenen Auftrages,
der sich nach dem Wortlaute des Programms ausdrücklich dar-
auf bezog, die Entwürfe zu „beu r t hei loa" und über die zu
zuerkennenden Preise zu entscheiden. Eine solche Beurtheilung
kann nach dem zunächst liegenden Sinne doch unmöglich dahin
gedeutet werden, dass sich die einzelnen Personen ein Crtbeil
bilden und dies ihrer Abstimmung bei der Preisertheilung zu
Grunde legen, sondern sie setzt voraus, dass die Jurv als Gan-
zem das l rlheil über den absoluten und relativen Werth jedes
inzelnen Projektes feststellt. Freilich eine mühevolle Arbeit,
die sich nicht iu 4 Tagen erledigen lässt, aber doch durchaus
nicht ausser Verhfiltniss zu der Arbeit, welche jedem einzelnen
Konkurrenten zugemuthet worden war.
Eine Verletzung des Grundprinzips des Parlamentarismus
welches verlangt, dass Alles, was im Namen und Auftrage des
Volkes geschieht, entweder öffentlich vor dem Volke geschehe
oder demselben iu anderer Weise soweit bekannt werde, das«
es beurtheilen kann, ob seine Vertreter ihren Auftrag im Sinne
der Auftraggeber erledigt haben und ihres Vertrauens würdig
sind. Hierzu genügt nicht das einfache Resultat der Berathuntr
sondern es ist uötbig, dass man auch die Gründe anführt, welche
dieses Resultat bedingt haben. Doch was berufen wir uus auf
den Parlamentarismus, da die Analogie des einfachen Gerichte-
Verfahrens, das jedem Vemrtheilten oder Abgewiesenen die
Rücksicht eines motivirtcu Spruches zu Theil werden lässt, noch
näher liegt!
Es ist uns wahrlich nicht leicht geworden ein so hartes
Irtheil, das zwar allein der Sache gilt, aber in solchem Falle
des Zusammenhangs mit den Personen nicht ganz entkleidet
werden kann, so rücksichtslos auszusprechen. Angesichts der
Bedeutuug. die diese Konkurrenz an sieh, wie durch die ausser-
ordentliche Betheiligung der deutschen Architekten beanspruchen
darf, glaubten wir unsere Pflicht zu verletzen, wenn wir damit
zurückhielten. f\
Ein KonkuiTenz-Auasohreiben für Entwürfe zum Bau
eines Aktien-Hotels In Prag fordert die Einsendung von
Plänen bis zum 31. August d. J. und setzt dafür 3 Preise von
4uOÜ, 2000 und 1000 fl. ö. W. uus. Situationspläue und detaillirte
Prograinnibedinguugen sind vom Bureau des Verwaltuugsratlies.
Ober- Ingenieur Georg Solch, Prag Brenategasse No. 20 zu er-
halten. Sobald wir in den Besitz der letzteren gelaugt sind,
- wir nicht verfehlen das Weitere miUutheilen.
Personal - Nachrichten.
Preusson.
Ernannt: Der Baumeister Jacobsthal zu Berlin zum
Landbaumeister und technischen Ilülfsarbritcr bei der Königl.
Miuisterial-llaukomniissiou; der Eisenbahn-Baumeister C lernen h
in Düsseldorf zum Eisenbahnbau- und Betriebs-Iuspektnr bei der
Königl. Ostbahn in Königsberg; der Kreisbaunieister Ulrich iu
Stettin zum Wasserbau- Inspektor daselbst. Dem Wasserbau. -
Inspektor Pralle zu Burgdorf (Haunoverl ist die Funktion eines
Mcliorations-Bau-lnsiiektüis der Provinz Schleswig-Holstein kom-
missarisrh übertragen worden.
Versetzt: Der Eisenbahn -Buu- und Betriebs-Inspektor
Nenderoth zu Königsberg in Preussen zur Stargard-Posener
Eisenbahu nach Stargard i. P.
Der Charakter als Baurath ist verliehen worden-
(lern Bau-Inspektor Blankenborn zu Brieg und dem Wasser-
Bau-Iuepektor Versen zu Steinau a. O.
Die Bauführer-Prüfung haben bestanden: Hugo Du-
blanski aus Freyhau, Kreis Militsch; Axel Löwe ausPollnow;
Oscar Heuuig aus Laudsuerg a. W-; Hermann Verworu aun
Berlin.
Die Baumeister-Prüfung haben abgelegt: Bauführer
Oscar Loebell aus Elbing; Bauführer Heinrioli Möllmann aus
Cassel; Bauführer Albert Bocke aus Hannover; Bauführer
Friedrich Wiehe aus Rotenburg. Prov. Hannover.
Brief- und Fragekasten.
Hrn. R. iu Dittersbach: Die Publikationen der Monats-
konkurrenzen des Architektenvereins zu Berlin sind nicht kfiuf-
lieh, sondern nur für Mitglieder liestimmt Auf Arbeiten aus
dem Gebiete des Ingeuieurwesens erstrecken sich dieselben bis-
her noch nicht.
E. i^Aacffeu" 1 " I>aDk CrhaUen dc ° Um - Wl to Fraukfurt -
m '' 7 r "' e " rh iLrl «"» die Sieger einer über daa (JeechiiUiebo
iiliiaii.renendcii ltürkeiclit au erfreuen hatten, mag darauf hervorhoben, daaa man
ein« «ofortliie Benachriehlignug deraelben fur rMig überllnaalg (ehalten bat. So-
WHIMn daa Reenltat nlehl durch Z»i>ebenpenonrn erfahren konnten, waren dle-
ae ben entweder anf die betretende Jiotii Im , Vertuleehten* der lUw-Jiaten Morgen-
«eltungen «der anf daa amtliche, naeb S Tagen elulrefende Schreiben augewieeeo!
KomtniealooeeerUc eon Carl Btellta In Berlin.
Urne* «an Gebrüder Fielen in Berlin.
gitized by Google
Jahrg. IL JI2 26.
DEUTSCHE BAUZEITUNG
B*»tc liu n jea
Ülwrnf hm*n «II« P<HtM«t4lI*B
und Ö«hk*ndl«nrri.,
Organ des Verbandes
deutscher Architekten - und Ingenieur-Vereine.
Redakteur K. E. 0. Pritich.
Ia..rat.
ir dl« Uwr 4er d..
aaieU.a« Inden A.ri
In d.r tratla-Bellaf.:
I» IV» Hr. [
Preil 1 Thaler pro Quartal.
Berlin, den 27. Juni 1872.
Ertraeiat jeden Donnerst»?.
Inhalt' DI. Kwaknrren. ttr Knlaürfe tat» Hau*, de. deaurnen Reicht
tag*.. ( PortM..a»g. J — Mltla.llutig.il au. V.r.la.n; Arealteklen* Verein tu
Bari Lb. — Verani.ehte.: Die Kitaiglleh* polytechni.rh* Schul, tm Hannoeer.
— Dan Aafiiaatn »an Paaaen. — Kommunikation iwiaohen +:»i:«rnl und dem
Kontinent - An» der F ach III I ml or i C. M. Bau
Brtkkenbaakund. mit «rliulerndecn Text. — Baa'ai.wnxaallllrhe Litleralar :
April, klai, Juni IS72. — Konkurrenten: Zur Konkurrenz fär Entwürfe tum
Hau*, de. Irenurhen Keirh.tagM. — Zu der Konkurrenz für Entwürfe ru einen
Denk.».!.- far die Gefallenen de. PreuatUelwn Ingenieur-Korn*. — P.r.on al -
Nachrteht.n.
Di« Konkurrenz für Entwürfe zum Ilausr den Deutschen Reichstages.
)
Umgebung in engster Beziehung steht —
für eine monumentale Bade-Anlage sich besser
ten als für ein Parlament; auch ist eine organische Ver-
bindung dieses Bautheils mit dem Hauptgebäude durchaus
nicht geglückt. — Dans die Anordnung des plastischen
Schmuckes über das Konventionelle nicht hinaus geht, wollen
wir gern mit der Rücksicht auf die „Skizze 1 *, die mangel-
hafte Anordnung der Geschäftsräume für Bundesrath und
Präsidium als einen fast allseitigen Irrthum entschuldigen,
obwohl bei der akademischen Gebundenheit des Grundrisses
eine Abhülfe für letzteren Mangel nicht eheu leicht wäre.
In Betreff der Beleuchtung haben die Künstler in anerken-
nenswerter Weise darnach gestrebt, Oberlicht so viel als
möglich zu vermeiden; nach unserer Auffassung des für ein
monumentales Gebäude Gebotenen müssen wir jedoch die
Art, in welcher hier viele Xebenräiime durch Lichthöfe klein-
ster Dimension, fast alle Vorzimmer aber durch sekundäres
Licht erhellt werden, als unangemessen tadeln, mag dem
notwendigsten praktischen Bedürfnisse damit auch genügt
sein.
Den beiden vorhergehenden Entwürfen ist im Aufbau
des Sitzungssaal«* noch verwandt die Arbeit von Sc hw ech-
ten & Hellwig in Berlin. Die Vorderfront des in streng-
ster Geschlossenheit, sogar mit Verzicht auf die üblichen
Eckpavillons konzipirten zweigeschossigen BauN ist nach
dem Königsplatze gekehrt, der Sitzungssaal im Erdgeschoss
angeordnet. Die Enge der einzelnen Räume zu einander ist
als eine sehr glückliche zu bezeichnen, noch mehr muss die
ausserordentlich klare und zweckmässige Vertheilung der
Eingänge, auf deren Sonderung und monumentale Ausbildung
grosses Gewicht gelegt ist, gerühmt werden ; tadeln möchten
wir indessen, dass einzelne Gebäudetheile, die . sich nach
ihren Zwecken sondern, unorganisch und ohne jede Verbin-
dung aneinander geschlossen sind. Der Hauptmangel der
in den hellenischen Formen der Berliner Schule detaillirten
Facaden-Architektur ist ihre allzugrossc Einfachheit und
Schlichtheit, wie sich dieselbe namentlich in dem mit Seiten-
fenstern durchbrochenen Aufbau des Hauptsaals uud der
fast auf die reine Konstrnktinnsform reduzirten Kuppel über
dem vorderen Fest&aal geltend macht; im Widerspruche steht
hierzu, dass das einzige reichere Motiv, die im oberen Ge-
schoss der Hauptfront durchgeführte Säulenhalle, wesentlich
nur dekorative Bedeutung hat. Im Uebrigen zeugen Formeu
und Verhältnisse dafür, dass es nicht Armuth war, welche
die Verfasser dazu bestimmte, sich bei der künstlerischeu
Entwickclung ihres Baus auf ein so knappes Maas« zu be-
schränken.
Bei zwei anderen hierher gehörigen Entwürfen tritt die
Halbkreisform des Sitzungssaales zwar in einem die Faeade
dominirenden Hautheile zur Erscheinung, doch umfasst dieser
nicht allein den Saal, sondern es sind in einer nach strenger
Auffassung nicht ganz gerechtfertigten Weise auch die Vor-
räume desselben in gleicher Weise ausgezeichnet worden.
Für die äussere Ansicht wird eine solche langgestreckte Bau-
masse allerdings um vieles befriedigender.
Der eine dieser Entwürfe ist von drei römischen Archi-
tekten — Francesco Vespignani (dem bekannten Hofarchi-
tckten des Papstes). Pietro della Valle nnd Rodolfo A. Lan-
ciani in Gemeinschaft bearbeitet worden — das einzige,
trotzdem in sich sehr einheitliche Werk, das einer aus raclir
als den üblichen zwei Personen bestehenden Künstler- Kom-
pagnie seine Entstehung verdankt. Der oblonge zweigeschos-
sige Bau enthält 4 innere JHjfe, Zu* de» im Erdgeschosse
Ein durchaus originelles Gepräge trägt die Arbeit von
Mylina & Bluntsehli in Frankfurt a. M. Wie schon der
Grundriss auf Seite 197 zeigt, ist die Bauraasse hier in zwei
Haupttheile zerlegt. Der Stadt zunächst liegt in ganzer
Breite der Baustelle ein geschlossenes zweigeschossiges Ge-
bäude in der Form eines ichmalen Rechtecks, die Ecken
durch Pavillons, die Hauptfront in der Sommerstrasse durch
einen Mittelbau gegliedert, die im Gegensatz zu der einfachen
Renaissance-Architektur der Zwischentheilc durch Säulenstel-
lungen und grossartige Fenstermotive ausgezeichnet sind. Auf
der Seite des Königsplatzes entspringt aus diesem Bau die
eingeschossige Gruppe der zum Sitznngssaale gehörigen Ne-
bcnsfile, die in der Faeade als eine mächtige Bogenhalle aus-
gebildet sind, in der Weise, dass das Gurtgesims des Haupt-
gebäudes sich hier als Kämpfer und horizontales Zwischen-
gebälk der durch je zwei Säulenpaare geteilten Bögen fort-
setzt, l'eberragt wird diese Halle durch den von ihr um-
schlossenen Rundbau des Sitzungssaales, dessen Bogenumgang
der Höhe des Hauptgebäudes entspricht, während der innere
Halbkreis und das den Saalhan abschliessende, innerhalb des
Hauptgebäudes liegende Oblong um ein Geschoss höher empor-
geführt sind — letzteres mit einem kurzen Satteldach, exste-
rer mit einem flachen, an den Hintergiebel des»elben sich
anschmiegenden Halbkegel gedeckt.
Unzweifelhaft hat der Entwurf Vorzüge, welche die Aus-
zeichnung desselben durch die Jury nicht ungerechtfertigt
erscheinen lassen, mag individuelles Ermessen andere Ar-
beiten auch höher stellen. In akademischem Sinne, und zwar
in des Wortes bester Bedentung, gehört der Grundriss zu den
korrektesten, welche die Konkurrenz aufzuweisen hat; künst-
lerische Phantasie nnd das Streiten nach einer für den prak-
tischen Gebrauch geeigneten und aus diesem abgeleiteten
Lösung stehen überall in wohlthnender Harmonie. Ebenso
bekundet die architektonische Ausbildung der Faeade und
de* Innern eine Herrschaft über Formen nnd Verhältnisse,
die virtuos genannt werden kann.
Andererseits sind bedeutende Mängel nicht zu verkennen.
So originell nnd reizvoll die Anlage der um den Sitzungs-
saal gruppirten Nebensäle auch für den ersten Blick erscheint,
so ist sie doch die schwächste Stelle des Entwurfs. Dass
hierher das durch eine grossartige Rampen- und Treppen-
Anlage zugängliche Haupt-Portal des Hauses verlegt ist, dass
dieses jedoch in der Architektur keineswegs genügend aus-
gezeichnet ist und von der Terrasse ohne jede Verraittelung
direkt in den als Vestibulum bezeichneten Vorsaal der Reichs-
tagsmitglieder fuhrt, wird von vielen Fachgenossen mit Recht
als unverzeihlich getadelt, ist trotzdem aber nebensächlicher
Natur. Denn in Wirklichkeit ist hier ein F^ingang durchaus
nicht nothwendig und. wie die Anordnung der Garderolren
andeutet, scheint derselbe ursprünglich auch nicht beabsich-
tigt worden zu seien; nur die allerdings ganz gerechtfertigte
Erwägung, dass deu drei für das praktische Bedürfniss aus-
reichenden und sehr bequem gelegenen Eingängen auf der
Nord-, Ost- und Südseite ein»? künstlerische Beziehung zum
Sitzungssaals fehlt, scheint die Verfasser dazu bestimmt zu
haben, an jener Stelle, wo nach der Idee des Entwurfs ledig-
lich ein Ausgang nach einer dem Publikum verschlossenen,
zum Promeniren der Reiebstagsmitglieder bestimmten Ter-
rasse am Platze wäre, einen repräsentativen Eingang anzu-
legen. Angreifbarer dünkt uns jedenfalls noch die ganze
architektonische Ausbildung dieser Saalbauten, die in ihrer
hallenartigen Erscheinung den Charakter eines Bauwerks
das der öffentlichen Benutzung offen und zu der freien
■*»-*••***
Digitized by Google
belegenen, mit zwei Logenreihen versehenen Sitzungssaale j
führen zwei Haupteingänge, der eine von der Sommerstrasse
auf die den Halbkreis umgehenden Korridore, der andere
vom Königsplatze in den auf der geraden Seite de« Saal» an-
geschlossenen Vorsaal. Dass der erstere der für die Abge-
ordneten bestimmt« ist, während der zweite sehr viel statt-
licher aasgebildete seiner Anordnung nach hauptsächlich
Prarhtvestibül für den Aufgang zur Hofloge ist, muss als
grosser Mangel bezeichnet werden, der seihst dann kaum
entschuldigt werden könnte, wenn dieses Vestibül gleichzei-
tig zu dem Festsaal in Beziehung stände. In anderen Punk-
ten zeigt die Grundrissanordnung Irrthümer, die augenschein- !
lieh aus der L'nkenntniss entsprungen sind, welche die Ver-
fasser von den in Betracht kommenden Verhältnissen besitzen
mussten. Aber trotzalledem ist die Disposition immerhin
eine künstlerische und künstlerisch durchgebildete, und hat
zu einer höchst stattlichen Raumfolge geführt, von der die
sorgfältig behandelten Durchschnitte ein anziehendes Bild ge- .
währen. Einen über das Gewöhnliche hinausgehenden Rang
und den Vorzug vor fast allen englischen Leistungen muss
man trotz der etwas trockenen nnd akademischen Renais-
sance-Architektur auch der Ausbildung der Favade einräumen,
in der aus dem Aufbau des Mittelbaus die Oberlichte des ,
Saales und des grossen Vestibüls als erhöhte Laternen her-
vortreten.
Die andere Arbeit ist die von Otto Girard in Wicu.
Sie tlieilt mit der früher besprochenen von Alois Wurm den
Versuch, den eigentümlichen Aufbau des Sitzungssaales mit
seinen Zuhörer- Tribünen dadurch zu einem noch prägnan-
teren Ausdruck zu bringen, dass derselbe an die Front ver-
legt ist. Der Kuudbau des ausschliesslich durch hohes
Seitenlicht erhellten Saales springt hier nach der Sommer-
strassen - Seite vor; er wird vou zwei Zoneu umgürtet, die
oben eiue Doppelreihe von Logen, im Erdgeschoss den leider
nur sekundär beleuchteten l mgang und eine Anzahl der
Geschäftszimmer des Bundesrates etc. enthalten. In der
Axe ist hier die Restauration als ein knrzer oblonger Bau
von der Höhe des Erdgeschosses vorgelegt; offene Hallen,
die zur Anbringung reichen mouumentalen Schmucks benutzt
sind, verbinden denselben mit den schmalen Flügeln, welche
seitlich dem Hauptkörper des Hauses eutspriugeu, und stellen
so äusserlich das Oblong des Bauplatzes wieder her. Am
Königsplatz liegen in dem bis zur Höhe des Sitzungssaales
emporgeführteu, mit einem Giebel gekrönten Mittelbau unten
das Vestibül, obeu der Feslsaal; der Vorsaal der Abgeord-
neten steht mit der Treppen -Anlage für letzleren in un-
mittelbarem Zusammenhange, was jedenfalls unzulässig ist.
Der Grundriss leidet im llebrigen noch an anderen, teil-
weise sehr bedeutenden Irrthümern nnd ist keineswegs ganz
gelöst, ol»gleich das Streben nach organischer Ausbildung,
das in der Grundidee desselben sich offenbart, Anerkennung
verdient. Dieselbe Anerkennung müssen wir der architek-
tonischen Gestaltung der Facaden zollen, die in eleganten
Verhältnissen und in flüssiger Verwendung der Formen
hellenischer Renaissance, im Sinne der I lansen'schen Schule
komponirt sind.
Als ein mit Tempelgiebeln geschmückter einfacher Auf-
bau, nuch Art des von Schinkel für das Berliner Schauspiel-
haus angeordneten, erscheint der Sitzungssaal in dem Ent-
wurf von von der Hude & Hennicke in Berlin. Der
sehr klar disponirte Grundriss zeigt einen schmalen Haupt-
körper mit 2 inneren Höfen, aus dem in der Mitte der Lang-
fronten Vorbauten, nach der Sommerstrasse zu aber 2 Seiten-
flügel entspringen. Hier, in nächster Verbindung mit der
Stadt haben die Künstler ihren Haupteingang angenommen,
der durch eine Vorhalle, ein Vestibül und den Vorsaal in den
oblongen, rings von Ko-ridoren umgebenen Sitzungssaal führt.
Hinter demselben liegt in der ,\\<- an der dem Königsplatze j
zugekehrten Front die Restauration, zu der ein direkter Ein-
gang angelegt ist, neben derselben auf einer Seite das
Etablissemcut des Bundesrates, auf der anderen das des
Präsidiums, sowie in der Ecke der mit dem Sitzungssaal i
des Bundesrates korrespondirende Lesesaal. In der süd-
lichen Seitenfront ist eine grosse Durchfahrt für den Hof, j
in der nördlichen der Zugang in den Wohnräumen des Prä
sideuten und dem Festsaale angeordnet, der übrige Raum j
wird wesentlich durch die Abtheilungs- nnd Kommissious-
zinimer eingenommen. Im oberen Geschosse liegen über
dem Vestibül der Festsaal , über der Restauration ein
grosser Fraktionssaal, im südlichen Flügel die Bibliotek
und der Rest der Geschäftszimmer, im nördlichen die sehr
reichlich bemessenen Wohnungen. Die ganze Anordnung
des Grundrisses kann praktisch als durchaus gelungen be-
zeichnet werden und zählt in dieser Hinsicht zu den besten
xler Konkurrenz, entehrt jedoch in ähnlicher Weise, wie
wir dies bei dem Entwürfe von Gropius & Schmieden her-
vorheben mussten, xu sehr der höheren künstlerischen Mo-
mente, die für einen Bau dieses Ranges verlangt werden
müssen, und ist zu arm an grossartigen Motiven. Als Belag
dafür kann die Art und Weise dienen, in welcher die Gar-
deroben in den Vorsaal eingeschaltet worden sind. — Die
Architektur des Aeusseren, in guten Verhältnissen und in
den Formen einer sehr edlen und schönen Renaissance mit
ruudbogigen Oeffnungen zwischen Säulenstellungen durch-
gebildet, ist an sich ''in treffliches, einheitliches Werk, hjidtt
jedoch mit so vielen anderen au der Gleichwertigkeit der
beiden Geschosse, die einen eigenartigen, das Parlamentahaus
bezeichnenden Charakter nicht wohl aufkommen lässt» und
ist in Bezug auf sclbststamligeu plastischen Schmuck zu
stiefmütterlich Miandclt Nicht ganz dem Stile der Facaden
entsprechend, jedoch in reizvoller Art ist das Innere des
Sitzungssaales in Rundbogen - Architektur gestaltet, doch ist
der Anordnung desselben der Vorwurf zu machen, dass die
Tribünen für die praktische Benutzung um ein Namhaftes
zu hoch liegen.
Dem soeben besprochenen Entwürfe in einigen Bezie-
hungen verwandt, jedoch an Werth keineswegs ebenbürtig
ist die Arln>it von Hermann Spielberg in Berlin, die von
Anhängern der strengen Schinkel'schen Richtung um deshalb
auf den Schild gehoben worden ist, weil die architektonische
Ausbildung unter allen Entwürfen der Konkurrenz die am
Meisten griechische ist. Wir sind übrigens weit entfernt da-
von zu verkennen, dass die Gesamraterscheinung des reich
gruppirteu Baues, wie viele Einzelheiten desselben in der
That von hohem künstlerischen Reize sind; zu bedauern ist
nur, dass es dem Verfasser nicht gelungen ist, einen überall
einheitlichen und klar gegliederten Organismus zu schaffen.
Der ziemlich komplizirte Grundriss besteht aus einem durch
4 kleine Höfe geteilten Hauptkörper, aus dem auf der Seite
des Kölligsplatzes zwei schmale Flügelbauten entspringen,
die durch eine im mittleren Theile elliptisch erweiterte offeue
Säulen-Halle verbunden werden: kräftige Risalite bezeichnen
die Ecken, vorspringende Portiken die Mitten aller 4 Fron-
ten. Der als überhöhter Halbkreis gestaltete Sitzungssaal
liegt im Erdgeschoss, vor ihm ein langgestrecktes Foyer;
hinter ihm sind die Räume des Bundesrates, dessen Sitzungs-
saal jedoch im ersten Stocke sich beiludet, seitlich die des
Präsidiums ungeordnet. Bibliothek und Restauration liegeu
in den Flügeln, letztere daher viel zu entlegen vom Saal.
Schlimmer als diese praktischen l'uzuträglicbkeitcii ist es,
dass die architektonische Lösung des Grundrisses zu wenig
übersichtlich und stellenweise sogar sehr kleinlieh ist In
der Favade steht die kolossale Architektur der durch beide
Geschosse reichenden Portiken mit der sonstigen Gliederung
des Baues in argem Widersprach; ebenso ist es nicht zu
rechtfertigen, dass der mit einem t flachen Zeltdache abge-
deckte quadratische Aufbau, unter welchem der Sitzungssaal
liegt, in unmotivirter Weise ausser diesem noch eiue Anzahl
anderer Räume umfasst, so dass im Innern desselben ein
ebenso zweckloser wie kolossaler Hohlraum geschaffen ist,
in der äusseren Erscheinung aber jede Beziehung zu der
Form der durch jenen Aufbau ausgezeichneten Räume fehlt.
In ähnlicher Weise hat sich Rudolf Redtenbacher in
Karlsruhe verleiten lassen, in dem anerkennenswerten Stre-
ben nach eigenartiger Durchbildung des Grundrisses von der
ersten Bedingung einer guten Lösung, einfacher Klarheit, ab-
zulenken; die einzelnen Räume des Hauses sind in seinem
Entwürfe derartig durcheinander geschachtelt, dass von einer
l.'ebersichtlichkeit nicht mehr die Rede ist Der Hauptein-
gang für die Abgeordneten ist von der Sommerstrasse, der
für den Bundesrath und Hof vom Köaigsplatze her ange-
nommen. Das Etablissement des letzteren ist in der Favade
big zur Höhe des Sitzungssaales emporgeführt und mit ihm
unter einem langen Bogendache, das in der Front von Thür-
men flankirt wird, vereiuigt. Entsprechende vierseilige Kup-
peldacher haben die Eckpavillons und die Mittelbauten 'er-
halten. Die Stilauffassung ist eine durch die konsequente
Durchführung des Hundbogens individualisirte Renaissance.
Wegen der sehr bescheidenen Ausbildung des uur bis
zu massiger Höhe aufgebauten Sitzungssaales, der lediglich
auf der in der Hauptfacade zur Geltung kommenden Schatt-
seite mit einem Giebel geschmückt ist, während die für die
Ansicht versteckte Hinterfront sich einfach abwalmt, kön-
nen wir nach der von uns angenommenen Reihenfolge d.-u
Entwurf von Ende & Boeclcmann in Berlin erst hier
einschalten, während die höchst originelle Konzeption dessel-
ben ihm einen Rang vor vielen der vorher gewürdigten Ar-
beiten anweist
Unübertroffen ist er in der genialen Ausnutzung und
Ausbildung der Situation, wie dies ein Vergleich des auf
Digitized by Google
-211 —
8eite 180 publizirten Grundrisses mit dem auf Seit«! 41« und
417 den vorigen Jahrgangs in dem Konkurrenz-Programm
mitgeteilten Situutionsplane wenigstens annähernd ersicht-
lich macht. Die auffällige Unsymmetrie der Nord- und Ost-
front, an welcher je ein Eckpavillon, resp. noch ein ansehn-
licher Garten vorspringen, dient dazu um das schräge Ein-
schneiden der betreffenden Strassenflucbten auf die Gebäude-
fronten zu verdecken, und ftbei windet so in glücklicher Weise
einen Nachtheil des Bauplatze», der die Erscheinung der
meisten anderen Bauten auf das Empfindlichst»- schädigen
würde. Ebenso ist das dreieckige Stück des Thiergartens,
das zwischen der neuen, diagonal anf den Königsplatz ge-
führten Allee nnd der Südfront verbleibt, in äusserst geschick-
ter Weise an das Haus angeschlossen und zu einem Garten
ausgebildet worden, der im Zusammenhange mit der anf
dieser Seite liegenden, leicht in noch besserer Weise zu er-
schliessenden Restauration den Abgeordneten ein willkom-
mener Erholungsort sein würde. Bunde* rat Ii und Präsident
haben in den Gartenanlagen der an die Krönt des Königs-
platzes angeschlossenen |Terrassen eine ebenso angenehme
Zugabe zu ihren Räumen, wie das Haus selbst einen durch
andere Mittel nicht zu ersetzenden Schmuck erhalten. Von
ausgezeichneter Wirkung würde endlich die Anlage des Mo-
numentes vor der Hauptfront, sowie die in Vorschlag ge-
brachte Ausbildung des Königsplatzcs sein.
Bildet diese einzig dastehende Berücksichtigung der Si-
tuation den entschiedenen Glanzpunkt der Arbeit, so gewährt
ilie Entwicklung des Grundrisses nicht minder ein hohes
Interesse. Ohne die Baumassen in einer die Einheit des
Baues zerstörenden \Vei>c zu spalten, ist es den Künstlern
gelungen, denselben dadurch zu individnalisiren. dass die zu-
sammengehörigen und zusammen benutzten Räume, unbe-
schadet der Verbindung zwischen den einzelnen Gruppen,
fast nlterall in kleinen, für sich geschlossenen Etablissements
vereinigt sind — eine Anordnung die am Meisten den Dienst-
wohnungen zu (inte kommt, dem ganzen Hanse aber den
Charakter behaglicher Wohnlichkeit verleiht, wie er in glei-
cher Weise in Keinem anderen Entwürfe erreicht ist. AVir
glauben freilich, dass in dieser Beziehung die Grenze, welche
den Monumentalbau von dem Privatbau unterscheiden soll,
hier bereits überschritten ist- Grossartige Motive und eine
der Bedeutung des Hauses entsprechende Raumfolge werden I
etwas zu sehr vermisst, auch ist bei aller Anerkennung des I
Raffinements, mit welchem die an die Schwierigkeiten des
Privatbaus gewöhnten Künstler einzelne Fragen der Beleuch-
tung nnd Verbindung der Räume gelöst haben, nicht zu ver-
hehlen, dass die erstere nicht überall so reichlich und schön,
die letztere nicht überall so einfach und klar ist. wie dies
in einem Monumentalbau sein muss. Doch in dem kompli-
zirten Organismus dieses Hauses zurecht zu finden, dürfte
jedenfalls eine nicht geringe Uebung erfordern. Als der
schwächste Theil des Grundrisses erscheint die gekünstelte
Anlage des Aufgangs zur Hofloge im Mittelbau der Front
nach dem Königsplatz, der wir eine reiche perspektivische ■
Wirkung nicht bestreiten wollen, deren Form jedoch jeder
Motivirung entbehrt und für die ein Raum verschwendet ist, !
der sehr viel zweckmässiger dazu benutzt werden könnte,
um das viel zu weit vom Sitzungssaal entlegene Etablisse-
ment des Bundesrates diesem näher zu bringen.
Auch in der Facade wirkt dieser runde Vorbau mit
seiner im oberen Stockwerke offenen Gallerie nichts weniger
als glücklich; er entspringt wrder in schöner Weise aus den
I-angfronteo, noch kommt er in seiner ziemlich unruhigen,
dekorativen Erscheinung mit den darüber aufsteigenden
ernsten Massen des Sitzungssaales in Einklang. Im l'ebrigen
überrascht die architektonische Ausbildung des in zwei ganz
gleichwertigen Geschossen disponirten, mit den Oberlichten
angepassten Mansarde- Dächern gedeckten Baus durch die
ausserordentliche Schlichtheit und Einfachheit ihrer Renais-
sance- Architektur, die zwar gute Verhältnisse zeigt, jedoch
in keiner Weise über das Konventionelle hinausgeht. An-
scheinend haben die Künstler sich absichtlich eine solche
Beschränkung auferlegt, die indessen bei dieser Aufgabe
wohl nicht am Platze war. Auch das Innere ist keineswegs
reich ausgebildet, die Decke des sonst sehr hübsch erfnnde-
nen, mit einem Bilderfries und zwei grösseren Wandgemäl-
den neben der Hofloge geschmückten Sitzungssaales sogar
entschieden zu einfach. Wenn die Zuerkennung eines der
Nebenpreise an den Entwurf auch nicht unverdient war, so
ist es sicherlich nicht die architektonische Entwickelung der
Grundidee, welche sie rechtfertigt.
Sowohl in dem Versuche, die Umgebung des Bauwerks
an dieses organisch anzuschliesaen, wie in der äusseren Aus-
bildung des Saalbaus, der sich mit einem Giebel in der
Facade markirt, im L'ebrigen hier jedoch ganz eingebaut ist,
erinnert an diese Arbeit der Entwurf von Philipp Leiden-
frost in Wien, doch steht derselbe um sehr viel tiefer. Der
Grundriss zeigt das mehrfach erwähnte Motiv eines oblon-
gen Hauptlmucs mit vorspringenden Seitenflügeln, also die
Form eines langgestreckten Hufeisens. Der halbkreisförmige
Sitzungssaal liegt im ersten Stock, was zur Anlage eines
kolossalen Foyers in beiden Geschossen Veranlassung ge-
geben hat. Auch für die zur Hofloge gehörigen Zugänge
und Nebenräume ist sehr viel Raum verschwendet, während
andere Bedürfnisse vernachlässigt sind und namentlich ganz
schmale enge Korridore sich finden. Wie wenig der Ver-
fasser sich in Verkehr innerhalh der Räume eines Parla-
ments klar gemacht hat, beweist wohl am Besten die An-
ordnung des Sitzungssaales, in dem die Bankreihen um etwa
4ä Grad ansteigen und sich unmittelbar mit den Zuhörer-
Tribünen verbinden, während die Sitze des Bundesrats
hinter dem Präsidenten angebracht sind. Die Renaissance-
Architektur der Facaden trägt einen etwas zopfigen Charak-
ter und ist mehrfach mit originellen Flachbogen -Moliven
vermischt
Bis auf das denkbar einfachste Minimum ist die Er-
«cheinung des Sitzungssaales in der Facade des von W. Ret tig
in Karlsruhe eingesandten Entwurfs herabgesetzt. Die vier
Mauern desselben sind als kahle Attikeu hochgeführt und
überragen um ein Weniges die Baumasse. EIhmiso nüchtern
nnd schwer erscheint die Hauptfneade des zweigeschossigen,
in den einfachsten Rennaissancefonnen detaillirten Gebäudes;
eine riesige Attika und ein Mittelbau in den Verhältnissen
eines römischen Triumphbogens, jedoch im Wesentlichen
ohne andere Oeffnungen als drei verhältnissmüssig kleine
Thören nnd nur mit Reliefs dekorirt Etwas belebter sind
die Seitenfronten, in denen das Erdgeschoss durch offene
Hallen durchbrochen ist. welche die Höfe erscbliessen. Die
Anordnuug des Grundrisses bietet nichts Bemerkeite wertes.
Endlich ist eine Anzahl von Entwürfen zu erwähnen,
in denen ein besonderer, über die Höbe der übrigen Bau-
teile hinausgeführter Aufbau des Sitzungssaales nicht vor-
liegt, der letztere vielmehr nur in der Front enarakteri-
sirt ist.
Die relativ bedeutendste Arbeit unter denselben ist noch
die von Francis Roux in Paris — das einzige Werk eines
Architekten französischer Nationalität, das an der Konkur-
renz Theil genommen hat. Gern wollen wir dte Faktum
dieser Beteiligung als Kundgebung einer über blindem Völ-
kerbasse stehenden unbefangenen und versöhnlichen Gesin-
nung betrachten, vermögen jedoch leider nicht dem Entwürfe
bemerkenswerte Seiten abzugewinnen. Die Grundrissanord-
nung leidet unter den allorgröbsten Irrthümern ülfcr die Be-
nutzung der einzelnen Räume nnd auch die architektonische
Ausbildung des dreigeschossigen Baues, dessen duWigehendes
Facadensystein ziemlich kleine Verbältnisse und trockene
Renaissanceformen zeigt, während der Mittelbau vor dem
„ Forsaal * als ein kolossaler, ganz aus dem Maasstab fallen-
der korinthischer Portikus erscheint, ist wenig erfreulich.
Eigentümlich ist in dem halbkreisförmigen bitzungssaale
die Anordnung der Logen, die in flachbogig ausgebauchten
Nischen liegen.
Noch tief unter dieser französischen Arbeit steht der
Entwurf ron Metzger in München, ein zweigeschossiger Re-
naissancebau, dessen einem Festsaalc ähnlicher Sitzungssaal
in einer Lücke des Bans mit einem Giebel an die Front
tritt, sowie das gothische Projekfvon Eberlein in Nürn-
berg, eine kaum über die erste Idee hinausgeführte, der
Durchschnitte entbehrende Skizze, mit Facaden im Sinne
der HeidelofFschen Richtung und einem Grundrisse, den mau
versucht ist nicht ernst zu nehmen; so liegt der Sitzungs-
saal ganz an der Front und der Präsident sitzt mit dem
Rücken an einem Fenster, unter demselben aber befindet
sich der Festsaal. Auch der Entwurf von C. Dümmler in
Schwerin, ein dreigeschossiger Backsteinlmu mit einem ellip-
tischen, von zwei Treppenhäusern llankirten Saale, ist im
Ganzen eine höchst unreife Arbeit, in der eine Darstellung
der Erscheinung <lcs Saales übrigens ganz fehlt.
Es ist 'nicht ganz die Hälfte der Konkurrenten, deren
Arbeiten wir zu den ersten der von uns angenommenen
beiden Hauptgruppen rechnen durften, weil in ihnen das
künstlerische Maass nicht überschritten erscheint So wenig
bei dieser Klassifikation vermieden werden konnte, dass
unter den bisher besprochenen Arbeiten sich solche befinden
mnssten, die man als künstlerische Leistungen überhaupt
wohl nicht anerkennen kann, so wenig soll durch dieselbe
gesagt sein, dass unter den noch zu besprechenden Ent-
würfen, deren Verfasser nach unserer Ansicht ein zn starkes
Gewicht auf den äusserlichen Effekt gelegt haben, nicht noch
Digitized by Google
— 212 —
solche von bedeutendem Kunstwerfhe sind. Allerdings ge-
hört die Mehrzahl der hervorragenden Arbeiten jener ersten
Gruppe an, wahrend hier der architektonische Dilettantismus
überwuchert: es fehlt indessen keineswegs an ernsten und
betnerkenswertben, künstlerisch gedachten Entwürfen, die
wir anf Grund 'einzelner Uebertreibungen — sei es in der
Hinzufügung dekorativer Elemente, sei es im Maasstabe de»
Baues — erst an dieser Stelle erwähnen können.
ihr durch das Urtheil des Preisgerichts geworden ist, vor-
anstellen müssen, ist der Entwurf von Geo. Gilbert Scott
und John 0. Scott in London, von dessen Grundriss wir
anf Seite 205 eine Skizze gebracht haben. Wir standen, als
wir die Entscheidung der .Inn mittheilten, bereife* nicht au,
die Auszeichnung dieser Arbeit als ein durch sachlich.-»
Gründe schwerlich zu erklärendes Skandalosum zu bezeich-
nen, und es liegt ums an dieser Stelle ob, das harte Ur-
PARLAMENTS-pEBAUDE FÜR DEN pEUTSCHEN REICHSTAG.
Entwurf von August Orth in Berlin.
Orundriii Ten eratea Stockwerk.
8oumi«ntr«M«.
KCuigeplau.
pmpnf]
i
10
—
I
M
"T -
W
Vartaeiluag dar liini,
Cratae Stockwerk, I] Hrhrlfifü
l- Ii RKuatf fü ' <l i« M it K 1 leder d«e 14 Zinu»
I Vorhalle.
Jt Vc.tlbuL
;i Ilt&Nwr Vor^eaL
4 üetdoriiL«.
Ii Sit«ung»«aJ.
rierhu.g.,
d , i rü-
Sleuograpliea.
15 Zimmer fiir Korrektur«».
145-19 Kin m» für >■■ ■■* Mitglieder
itei Bundearathee.
16 Voraaal.
1 7 &uiungiaaal.
IS Vor-, Kpreea-, Geschäfte* und Koofo
rearrlmtaer der Uelchekanelera.
Iii 4 i oer-huita* u. Kprerhiluimer für dl«
Mitglieder dp« Buudetratfcea,
SO — Si Wob nur.« de» Keirhatago-
Präni de nK n.
«I Ve.liüil und Vonaal.
Sl Ki
JJ Sp i»e>an!,
14 Bibliothek
Grotecr
16 8pel«e»aal bei
: u 1 1 rf
57 Dan«
38 Glubor.
St Llehth&fe.
Xrdg eackoae
Unter IX. Nordw«»teeke:
lianner,
» 4: AbUieilutigMaal.
. 8: Bibliothek.
. tl
„ Mi
*: Areale.
12, Mord und Nordeat: Bureau. Lo-
kalitäten, Killf Paul uad Tele-
graphi«,
Sl— 23: Zar rri»ld«aic«-WohouB. s .
IS. 1», 29: Wohnung dea Bureau-
Dirigenten.
10, II, 24: Wohnung dea Boten -
mrleters.
1: Einfang für daa Publikum.
3: Veeiibül für daaaelba.
1), II. »i Zugang au den Logen.
treppen für daaoelbe.
'!'-■ Durchfahrt und VeaUaäl f. dea
Hot* uad die Di
Wir beginnen wiederum mit jenen Arbeiten, in denen
auf eine architektonische Ausbildung des Sitzungssaales in
der Fa'cade verzichtet ist. Da eine für das I'arlamentshaus
charakteristische Erscheinung unter diesen Imstanden nicht
wohl zu erzielen war, das Streben nach effektvoller Aus-
bildung des Baues sich daher auf Motive angewiesen sah.
deren architektonische Betonung bereits für andere Gebäude-
gattungen traditionell geworden ist, so finden wir gerade
unter den hierher gehörigen Entwürfen solche, die sich auf
den ersten Mick uuter einen bestimmten baulichen Typus
einreihen lassen. In der That sind mit einer einzigen Aus-
nahme alle diese Entwürfe uuter drei Gattungen zu bringen,
die wir nach ihrer architektonischen Erscheinung als An-
lehnungen an das Renaissance -Schloss, das mittelalterliche
lutthhaus und das amerikanische Kapitol bezeichnen können.
Jene Ausnahme, die wir nicht allein wegen ihrer Eigcn-
artigkeit. sondern noch mehr wegen der Bedeutung, welche
theil etwas näher zu erläutern.
Dass die Arbeit des englischen Architcktenpaares in Be-
zug anf die erste und unentbehrlichste Grundlage jedes
architektonischen Werkes, die Erfüllung der praktischen
Bedingungen der Aufgabe, so gut wie Alles zu wünschen
übrig lässt, wird unsern Lesern, selbst bei einem flüchtigen
Studium des Grundrisses, mit wachsendem Erstaunen klar
geworden sein. Nicht, dass nicht sammtliche im Programm
verlangten Räume in der verlangten Grösse in dem aus
einem zu ebener Erde liegenden L'ntergeschoss, dem als
Erdgeseboss bezeichneten, in unserer Skizze dargestellten
Hauptstockwerke, einem . (bergeschoss und einem ausgebau-
ten Dachgeschoss bestehenden, also 4 stöckigen Gebäude ent-
halten seien! — Aber in welcher Anordnung sind sie ge-
geben! Die Anlage des kolossalen Vestibüls und Yorsaals,
die Rücksicht auf die Symmetrie des architektonischen Auf-
baus spaltet und zerreissl das ganze Gebäude, macht eine
Digitized by Google
— 213 —
eigenartige Ausbildung und eine zweckentsprechende An-
einanderreihung und Verbindung der einzelnen Räume völlig
unmöglich. So sind die Fraktion*-, Abtheilungs- und Kom-
mission« -Sfile, wie nicht minder die Geschäftsräume des
Bundesrathes im ganzen Hause zerstreut, die Wohnung des
Präsidenten in 4, die des Bureau -Dirigenten in 3 Geschosse
vertheilt; die Restauration liegt ein Geschoss tiefer als der
Sitzungssaal, der Festsaal und die Bureaus liegen isolirt und
| dem empfindlichsten Zug zu bewahrender Raum fein wurde.
' dass die Tribünen des Sitzungssaales bei der gewählten An-
ordnung eine für den Gebrauch völlig unzulässige Hohe er-
halten müssen — sei nur beiläufig bemerkt.
Mit noch grosserem Erstaunen mustert man den Grund-
riß in Bezug auf die Anforderungen monumentaler Würde
and Schönheit, auf die Anforderungen organischer und har-
| monischer Entwicklung, die man an das Gebäude zu
F^ARLAMENTS-pEBAUDE FÜR DEN pEUTSCHEN ^EICHSTAG,
Entwurf von Constantin Lipsius in Leipzig.
Oiundiin T e ■ Hiuptf eichou.
BMMMMMIMb
15
JIIIIIINII
1»
H«upt( nchon
Ii:. Blum« tut die Mliflieaar de»
Belfhelaf».
I VMWk
5 Hanpttreaa*.
3 1.1..!. ...Ii. -ii.
« Voraul.
:• SiUaoCMMl.
6 OeeaMfbl- and SprerbiitniDcr de»
l'rüldeaua.
7 Schrlftfakrar.
* Zlmaeer der SteuotTrapben.
■f Zimmer für Korrekturen.
10 Spreehilmtnar dar Abseordaoten.
11 Leaealmaner.
1} ReauaraUaneraune.
13 Koenmiahlanaiiraraer.
14 Ablhrllanireeel*.
Ii Fraktion***!«.
T
10
~r-
»0
T
40
SO
OJ
70
1« — » Rluioe far die Mltgllo
dar daa B U Ii 41 e»r Alke*.
U Auffahrt.
17 Vutlbäl und Treppe.
18 VoriaaJ.
19 KluaaeaMal.
SO UaaehAfU- und Spreehilnimef daa
Reli'hkkaiiilrrt.
21 d««fl«ick«n da* PrAtldenten da*
Retchekanelerarjileit,
99 Geecliift*iia.mer der Bandeeriltie.
33—33 Wohnung, dea Praaideu
tan daa Reichstage*.
33 Trapp«.
34 Vurclmtaar.
75 Kuiplaiigwalori«.
34 Cr« »aar Fetuaal.
17 AtbfiUaimaiar.
34 W«nualo.a**r.
39 flpalaeaiaiBreT.
?0 Schlafataoasr.
Tarthailaaf dar Sittmi.
31 Tollella und Badail»oior.
33 Diakar.
33 Trappe rar den Kaiser and tla»
drploaoatiftche Korpa,
34 Trappa lur du Publikum and dl«
.1 1. ut nii l
35 Trappa für dl* Krirtut*jr.Millg)tedcr.
96 Ueburdaekier Kiiilaogaug.
37 Vorhöf« »Ii OarUBj-Aalaian, Sil*.
plil*eti, Springbruaaea.
Ohtrat Stockwerk.
Uaber 6 und 7: Vorslotnar, Salon und
Toilrtle für d>l> Kaller.
„ 0 aad 9 : JournaJIitenilminer.
, 91—33: Freabdcntlmmer cte. lur
Wahnoag daa Prialdantaiu
TJntarf aaohon.
Uiitar 10, II: Kagittratur.
l.-v Meter.
ünter T | Kam lei (turaaur Im Bootarreln
Archir).
p f>: Expedition und Zimmer daa
Bureau - Ulrtfrenien-
, S, 9: Poet und Telegraphie.
. 13: B»lenm«lil*r.
. 14: Bibliothek, BiblloUiakar and
Zimmer für *(cnn|fr*pk. Hariebta.
13: Qroaaea Veetibäl und l.eeeaaal.
S4. 97. 3S, 99. 31. 31: Wotmung
daa Bare*u-l>lrtK*ntco.
„ SO, 31 : Wohaaag dea ItoleDmeltter*.
, S3: Portier aad Bill«i-Au»«abe.
. 13: Neben 33 Auffahrt far den kal-
aerllehaa H..r. aaben 34 Ein-
cat.it für da> Publikum, nebau 33
Auffahrt für die Reicheutpin.it ■
glieder.
p 19: Durchfahrt aar Wohaang den
erialdeaten.
, 90: Vet.UI.ul tu doraetbea.
aus den übrigen Gebäudethcilen schwer zugänglich in den
vorspringenden Flügeln. Eine nicht geringe Anzahl der Korri-
dore ist finster oder doch aufs Dürftigste beleurhtet! Dass
der Vor*aal der im Programm ausdrücklich betonten Abge-
schlossenheit entbehrt, dass er ein für seinen Zweck höchst
unbehaglicher, schwer zu heizender nnd noch schwerer vor
stellen berechtigt ist. Nur zwei Räume des ganzen Hauses,
die Vestibül- und Vonaal-Anlage, sowie die Gallerte auf der
Südseite, haben eine künstlerische Durchbildung erhalten,
alier der Gegensatz, namentlich zwischen der ersten Partie
nnd den übrigen Theilen des Hauses ist dadnreh nur ein um
so krasserer geworden. Was soll man dazu sagen, wenn die
by Google
Queraxe de» Kuppelraums der Vorsaal- Anlage, welche in der
Ausseuarcbitektur mit einem riesigen Aufwände von Mitteln
hervorgehoben ist, im Innern sirn todt rauft resp. in das
Pissoir führt; was soll man sagen zu der gänzlichen Ver-
nachlässigung aller übrigen Axen, zu den gebrocheneu Korri-
doren , deren schönstes Beispiel die Passage aus dein Vor-
saal in den Festsaal ist, was zu der Form der einzelnen
RSume!
Man sollte meinen, «las» eine solche Armseligkeit archi-
tektonischer Gestaltung jedem Laien nicht minder auffällig
sein müsste. als die UnZweckmässigkeit der Anlage, dass
auch der mit einem noch so schwachen Hauche künstleri-
scher Empfindung Begabte sich von so grellen Dissonanzen
abgestossen fühlen müsste.
Die grellste Dissonanz ergieht sich freilich erst, wenn
man diese Gmiidrissentwickelung mit der architektonischen
Ausbildung vergleicht, welche den wenigen bevorzugten Innen-
räumett. in erster Linie aber dem Facadenaufbau geworden
ist. Alle Kraft der Architekten, ihr ganzes Denken und
Trachten ist ausschliesslich darauf gerichtet gewesen, die
äussere Erscheinung ihres Bauwerks zu eiuer möglichst glän-
zenden und reichen zu machen, und auch die ganz nnver-
hältnissmässige Betonung, welche im Inneren der Vorsaal-
Anlage geworden ist, hat wohl lediglich den Zweck gehabt,
ein doiuftirendes Motiv für die Facade zu gewinnen. Hier
erhebt sich in derselben eine riesige arhtseitige Kuppel, vor
welche sich das Vestibül in Form eines Kirchenschiffs mit
zweithünniger Giebelfacade legt. Mit ähnlichen, jedoch ho-
rizontal getheilten Giebelfronten, neben denen höhere mit
Helmen gedeckte Thttrme aufsteigen, die wiederum an der
Hinterfront ihr Scitenslflek haben, schliefen die Seitenflügel,
die im Untergesehoss durch Hullen mit dem Mittelban ver-
knüpft sind. In der Queraxe der Kuppel sind auch die
Mitten der Seitenfronten durch zweithürmige Portalbauten
bezeichnet, hinter denen über den Treppenhäusern mächtige,
mit kleineren Kuppeln gekrönte Thfirme sich erheben. Die
Milte der Hinterfront endlich bezeichnet ein Vorbau, der mit
7 kleinen Giebeln zwischen Fialenthürmeii ahschliesst. Für
die stilistische Ausbildung dieses Komplexes sind die Formen
des deat*-hen Uebergangsstiles unter buntester Verwendung
der mannigfaltigen, jener Epoche eigenthümlichen Motive
und durchgängig spitzbogiger Bildung gewählt — wo sie für die
moderneren Strukturen nicht ausreichen wollten, jedoch auch
mit spezifisch gothischen. ja sogar bei Ueber'führung der
Hauptkuppel ins Achteck mit Elementen der Renaissance
verbunden worden.
Dass die beiden Scott ein so ausserordentlic hes Gewicht
auf äusserliehen Effekt gelegt haben, wollen wir ihnen nicht
zum per*6nlich(*n Vorwurf machen. Sie haben in dieser Be-
ziehung ifs echte Engländer gehandelt; denn die Eigenart
englischer Architektur, namentlich aber englischer Gothik
ist es, dass erst in zweiter Linie oder sogar überhaupt nicht
nach einem Zusammenhange zwischen Inhalt und Form ge-
fragt wird, während man von der letzten verlangt, dass sie
möglichst prunkvoll, vor Allem aber unter allen Umständen
möglichst malerisch sei. .la wir wollen sogar gern anerken-
nen, dass den Architekten in der Thal ein Aufbau geglückt
ist, der als Bild einen originellen, malerisch -phantastischen
Reiz gewährt, und dass die Mittel zur Erreichung dieses Er-
folges um sehr vieles organischer entwickelt sind, als in
den meisten anderen englischen Entwürfen, indem die Thürnic
hier doch zum Mindesten Treppen enthalten und die Kuppel
über einem bedeutenden inneren Hohlraum sich erhebt.
Aber diese Anerkennung kann unmöglich das Urtheil
über den Grad der Lösung der Aufgabe beeinflussen, mit
der diese lediglich dekorative I-eistung nicht den geringsten
Zusammenhang hat, und unser deutsches künstlerisches Ge-
fühl wendet sich Meidigt von einem so durch und durch
hohlen Effekte ab, der statt gesunder Gedanken zur Sache
nur einen Schwall blendender Phrasen vorzubringen weiss,
hinter denen sich die äusserst«' Dürftigkeit versteckt Selbst
abgesehen von der Forderung, dass das Aeussere der orga-
nische Ausdruck der inneren Disposition und Struktur sei,
müssen wir aber auch der Favaden-Architektur an sich durch-
aus den Rang bestreiten, der ihr von verschiedenen Seiten
eingeräumt worden ist Die Wahl des Stiles ist hier in der
That die Wahl reiner Laune, die Ausbildung desselben bei
aller Virtuosität der Mache stark beeinträchtigt durch Will-
kürüchkeiten und direkte l'nschönheiten. der gewählte Maass-
stab ein entschieden zu kleiner — endlich der ganze Cha-
rakter des Baues mit einziger Ausnahme des Mittelbaues in
der Hinterfront ein so ausgesprochen kirchlicher, dass
man die Perspektive desselben ganz direkt als Theater-Deko-
ration zur Darstellung einer Abtei benutzen könnte. Nicht
höher steht die Ausbildung der bevorzugten Innenräume.
Während das im Maasstab zu gross gegriffene Vestibül wie-
derum einen völlig kirchlichen Eiudruck macht gleicht der
Silzungssal, dem jede Beziehung der architektonischen Aus-
bildung zu der durch die Benutzung bedingten Ausstattung
fehlt, einem Lokale für öffentliche Festlichkeiten.
Sollen wir unser Urtheil über den auch mit einem
grossen Aufwände äusserer Mittel in Wirkung gesetzten Ent-
wurf nochmals zusammenfassen, so ist es das, dass er als
Studie in dekorativer Verwendung der architektonischen
Formen des Uebergangsstils und als malerische Leistung
nicht uninteressant ist, das« er hingegen nicht ein ein-
ziges Moment für eine wirkliche Lösung der Auf-
gabe des deutschen Reichstagshanses enthält. —
Wenn sich Hr. Gilbert Scott im Eingange seines Krläute-
rungsberichtes unter wörtlicher Anführung der Phrase eines
französischen Kritikers, der seine auf der Pariser Ausstel-
lung zur Schau gestellten Werke lobpreist, mit Stolz darauf
beruft, dass er bereits aus zwei deutscheu Konkurrenzen
(zur Nikolaikirche und zum Kathhause in Hamburg) als
Sieger hervorgegangen sei, so hätten wir unter den vor-
liegende«! Verhältnissen nicht für möglich gehalten,
diesem Stolze dadurch neue Nahrung zugeführt
würde, dass man seinen Entwurf als einen unter de«
auszeichnete, welche unter 103 Arbeiten die Aufgabe am
Besten gelöst haben sollen. Ein ähnliches Faktum ist
uns, wie erwähnt, trotz des unglückseligen und unbefriedi-
genden Ausgangs, den namentlich viele älteren Konkurrenzen
genommen haben, nicht bekannt
Dass ein solches Votum der Jury mflfclieh war, ist «»in
ebenso schlagender wie niederschlagender Beweis für «lie
Gefahren einer Konkurrenz, deren faktische Entscheidung in
die Hände anspruchsvoller Laien gelegt ist. Dass jedoch
Architekten, wie Semper und Ncureuther, wie Hitzig
und Lucae, noch mehr, «lass die noch in viel höherem
Grade interessirten Vertreter einer organischen, nach künst-
lerischer Gesundheit strebendeu Gothik, wie Friedr. Schmidt
und Statz, es dulden konnten, dass ihre Namen mit jenem
Votum verknüpft sind, ist eine Tbatsache, die wir gern in
Vergessenheit tauchen möchten, die jedoch leider zu öffent-
lich ist, als dass sie vergessen werden dürfte, so lange die
gegenwärtige architektonische Generation lebt.
MfU
Architekten -Verein zu Berlin. Zu der fünften Exkur-
sion am 22. Juni 1872 hatte sich eine kleinere Anzahl von nur
jüngeren Vereinsgeuosson versammelt, um einen 1 ubrikations-
zweig, dessen Produkt zwar den bauküustleriscben Kreisen nicht
allzu nahe steht, dessen einzelne Abtheilungen jedoch für den
Techniker de« Interessanten sehr viel bieten, eine Kattundrucke-
rei, etwas näher keimen zu lernen. Es war dazu die in der
Köpenicker Strasse belegeue Dauucubcrg'schc Fabrik (I.ieber-
niaun & Co.) zugänglich gemacht, deren freundlicher Dirigent
»ich den Anstrengungen einer Führung durch alle Räume des
Etablissement« nach der Reihenfolge der Fabrikation und gleich-
zeitiger eingehender KrlSuteruug mit besonderer Licbcnswürdig-
keit unterzog.
Er kann hier nicht der Ort sein diesen Gang durch die
Fabrikr&ume beschreibend wiederzugeben, da zum Verständnis«
der Sache eigene Anschauung unerlässlich ist. Es sei nur im
Kurzen der hauptsächlichsten Tbeilc der Arbeit Erwähnung ge-
than: Die Herstellung des zu druckenden Musters auf kupfernen
Drnckwnhen geschieht entweder durch Prägung mittels einer
stählernen Patrize, Molette genannt, wobei die in häufiger Wie-
derkebr iu langen Reihen angewandten einfachen Elemente des
Musters einzeln eingepresst oder bei zusammengesetzteren
Mustern mittels des Pautogrupb, einer Maschine, welche ähnlich
wie der Storchschnabel arbeitend, eiu im Grossen gezeichnetes
Muster in vervielfachter Anzahl im kleinen Maasstabe auf den
mit Aetzgrund versehenen kupfernen Walzen mittels Diamant-
spitzen einritzt. Der aus anderen, namentlich in Baden bele-
ecneu Fabriken bezogene rohe Baumwollenstoff muss, ehe er
bedruckt werden kann, einer sehr umständlichen Prozedur un-
terworfen werden, die mit dem Absengen der Fasern über Gas-
Hammen beginnt, demnächst und hauptsächlich im Bleichen
und wiederholten Waschen besteht und mit dem Scheeren der
Waare endet. Die Farben werden entweder unmittelbar durch
Aufdrucken allein — hier durch 17 Maschinen mit 1 bis 8 Farbe-
walzen, jede mit eigenem kleinen Motor versehen — auf den Stoff
übertragen, oder unter Einwirkung von Dampf- und nassen
Rädern durch mechanische oder chemische Prozesse an den
Stoff gebunden, oder in ihm erst erzeugt. Zu den mechanischen
lüudeniittelu ist l-esondors das durch Einwirkung von Dampf
koaguliiende hiwcUs zu rechnen, welches die Farbentheilcben
Digitized by Google
215 —
schützend umhüllt uud am Stoff festhält, weshalb diese Farben
ebenso als Seht bezeichnet »erden, wie es vor Allem die nach
dem Bedrucken mit gewissen l'alzauflösungcn iu nassen Bädern
entwickelten Farben sind. Die fast wunderbare Genauigkeit,
mit welcher an einer Maschine bis zu acht Walzen auf den
doch immerhin dehnbaren Stoff die Farben genau zum Muster
an einander schliessend übertragen, war der Gegenstand län-
gerer Betrachtung. Auch die im Gange vorzüglichen grüneren
Umtriebsmasehinen fanden volle Anerkennung.
Vermischtes.
Die Königliche polytechnische Sotaule za Kannover
wurde im Studienjahre 1871/72 von 425 Studirenden besucht,
unter denen 374 aus Deutschland und 51 aus dem Auslände
waren. Von den Ausländern waren 4 aus Oesterreich, 3 aus
Norwegen, 4 aus Russland, 1 aus Polen, 2 aus Finnland, 5 aus
den russischen deutschen Ostsee pruvinzeu, 2 aus England, 1 aus
Dänemark, it aus den Niederlanden, 1 aus der Schweiz, 1 aus
Spanien, 18 aus Amerika.
Von 25 Lehrern wurden 55 LehrfScher behandelt, von denen l
der erste Kursus der höheren Mathematik mit 122 Hörern und
der erste Kursus der Mechanik mit 115 Hörern die stärkste j
Botheiligung fanden^Durchscbnittlich waren für jedes Fach ;
Das Aarziehen von Pansen. Ein in No. 2 des laufenden
Jahrgangs unter obigem Titel enthaltener Artikel, .das Aufspan-
nen von Pausen" l«tr., veranlasst mich, inj Folgenden ein Verfahren
darzustellen, welches, seit Jahreu in den königl. säebs. Staats-
eisenbahn-Baubüreaus im Gebrauch, sich ganz vorzüglich be-
währt hat und vor den im obcucrw&huteu Aufsatze erläuterten
Methoden sich dadurch auszeichnet, dass es selbst uugefihtcn
Händen nur geringe Schwierigkeiten bietet
Das Verfahren ist. soviel ich weiss, nicht sehr bekannt und
es sollte mich daher freuen, wenn ich durch Vcröfleutichuug
dieser Zeilen meinen Fachgeuosseu einen kleiuen Dieust erweisen
könnte. m
Ein reines Keissbrett wird möglichst genau horizontal auf
einen Tisch gelegt und auf dasselbe vorsichtig Wasser gegossen,
so dass das letztere eine etwa l""* 1 hohe Schicht bildet, welche
sich ungefähr in der Grösse der aufzuspauuenden Pause — etwas
gTösser oder kleiner schadet Nichts — ausbreitet. Auf diese
W'asserschicht wird die Pause, »eiche aber noch nicht koloriit
sein darf und mit guter, nicht zu dicker Tusche gezeichnet sein
muss, mit derjenigen Seite, auf welcher die Zeichnung sich be-
findet, vorsichtig aufgelegt, so dass dieselbe auf dem Wasser
schwimmt Dann wird mittels eines weichen, Schwamiues das
Pauspapier in der Mitte aufgedrückt, dasselbe mit den Fingern
festgehalten uud durch Ausstreichen nach den Seiten durch
den Schwamm das Wasser möglichst unter dem Papier hervor-
gedrückt, aufgesaugt uud entfernt. Die Pause liegt nun voll-
ständig glatt ohne Knitter und Falten auf dem Brett, durch die
zurückbleibende Feuchtigkeit festgehalten und am Verschieben
verhindert Die freiliegende Rückseite der Pause wird nunmehr
mittels eines breiten Piuseis mit dem Klebemittel, gewöhnlichem,
nicht zu steifen Bucbbiuderkleister. dünn überstrichen; sollte
man dabei über den Rand der Pause hinausgestrichen haben,
so wird das Ucberflüssige mit Hülfe des Schwämme* entfernt.
Das Unterpapier wird nun auf die bestrichene Pause gelegt
und mit Hülfe eines Handtuches, einer Bürste oder dergt. fest
aufgedrückt durch Ausstreichen von der Mitte aus befestigt und
dann Rammt der Pause leicht vom Brett abgehoben.
Das ganze Blatt ist natürlich in Folge der Feuchtigkeit
wellig und wird, um es zu glätten, in gewöhnlicher Weise auf
ein Keissbrett aufgespannt und wenn dies geschehen, der etwa
über den Rand des Pauspapiers hervorgetretene Kleister mittels
des Schwammes oder eines grossen Pinsels abgewaschen. Die
Pause kann nunmehr noch kolorirt werden und ist dann zum
Abschneiden fertig,
Dresden am 14. Juni 1872.
Adolph Krantz, KgL Chaussee -Inspektor.
Kommunikation zwischen Sogland und dem Kontinent
Aus eintr Mittheilung der Zivil-Ingenieure Allen und King iu
der Times vom 21. Mai entnehmen wir Folgendes über die ver-
schiedenen Projekte zur Verbesserung der Kommunikatiou zwi-
schen England und Frankreich:
Das Projekt, welches zur Zeit am meisten Aussicht auf
Verwirklichung zu haben scheint, ist von dem bekannten Inge-
nieur Fowler, dem Erbauer der londoner unterirdischen (Metro-
politan) Bahn, aufgestellt Derselbe beabsichtigt grosse Führ
boote, welche ganze Eisenbahuzüge tragen sollen, zwischen
Dover und einem neuen Hafen, der zu Andreselles an der
FsnnaUsischcn Küste erbaut werden soll, in Fahrt zu setzen,
da die Häfen von Calais und Boulogne für diesen Zweck keine
genügende Wassertiefe haben. Die Aulagekoston dieses Projek-
tes sind im Ganzen auf 2 bis 3 Millioueu veranschlagt, mit
Einrechnung der erforderlichen Aenderungen des Hafens von
Dover, der Anlage von hydraulischen Hebevorrichtungen und
des Baues der uöthigen Anschlussbahnen an beiden Ufern. Die
Bauzeit ist dabei zu 3 Jubreu angenommen.
Ein zweites Projekt von Murray uud Hall aufgestellt be-
schränkt sich auf eine Verbesserung der Häfen von Newhaveu
und Dieppe und auf Einführung grosser Dampfer für diese
Der während der Besichtigung eingetretene anhaltende Re-
gen Hess die Gesellschaft vom Weiterwandern nach dem benach-
barten Treptow Abstand nehmen, sie blieb vielmehr noch mehre
Stunden in heiterer Geselligkeit beisammen. Dorthin aber
hatten sich trotz der Unguust des Wetters von Berlin aus direkt
einige Vereinsmitglieder mit ihren Damen begeben, so dass an
diesem Tage der Architektenverein an zwei Orten vertreteu
war.
Route, wobei auf eine Ueberführung der Eisenbahnwagen nicht
zu rechnen ist. Bisher kamen von dem Gesammtverkehr zwi-
schen England und Frankreich kaum 15 Prozeut anf diese Route,
dagegen auf die kürzesten Routen über Dover und Folkestone
resp. 45 und 35 Prozent, indem die übrigen 5 Prozent auf die
Route Southauiptou - Havre entfallen. Es scheint nun kein ge-
nügender Grund vorzuliegen, die längere Route Newhaven-
Dieppe jenen kürzeren uud weit frequenteron Routen vorzu-
ziehen.
Mehr Beachtung verdient ein drittes Projekt von Low und
Hawksbaw aufgestellt, das bekannte Kanal -Tunnelprojokt, wel-
ches natürlicherweise unabhängig von den bestehenden Häfen
von Dover, Folkestone. und Newhaven ist Die Anlagekosteu
sind zu 10 Millionen Sf veranschlagt und dl« Rentabilität»- Be-
rechnung ergiebt für dieses hohe Anlagekapital nur eine sehr
magere Verzinsung, selbst unter der Voraussetzung, dass die
Betriebskasten verhältuissiuässig geringer wie auf gewöhnlichen
Bahnen sein und dass die Zahl der Passagiere sich vervierfachen
würde.
Ein viertes Projekt , das Projekt einer Brücke zwischen
Dover und Kap Gri.mcz, hat noch weniger Aussichten, weil die
auf 30 Millionen if veranschlagten Anlagekoaten so übertrieben
hoch werden, dass an eine Rentabilität des Unternehmens gar
nicht mehr zu denken sein würde.
Wenn uuu auch vielleicht da« Tunnelprojekt zur Ausführung
kommen sollte, so müssen, da die Bauzeit für dieseu Tunnel
auf 10 bis 15 Jahre zu veranschlagen ist, einstweilen schon
Verbesserungen in den bisherigen, sehr unvollkommenen Kom-
munikatious-Einrichtungen eingeführt werdeu.
In neuester Zeit ist nun vom Ingenieur Karl Pieper in
Dresden ein fünftes Projekt aufgestellt welches in eiufacher und
praktischer Weise eine solche verbesserte Kommunikation er-
strebt. Nach diesem Plan sollen grosse, aber nachgebaute Schiffe
von höchstens (i Fuss Tiefgang mittels Dampfkraft an einem
oder mehren Paaren von Drahtseilen entlang gezogen werdeu.
welche quer durch den Kanal, von Hafon zu Hafen, gelegt sind.
Durch die Führung an dieseu Drahtseilen soll auch die Bewe-
gung der Schiffe bei stürmischem Wetter eine verhältnissiuässig
ruhige werden. Auf solche Weise hofft man die t'eberfahrt
zwischen Folkestone und Boulogne in 1 1 , Stunden oder weniger
Zeit bewerkstelligen zu können. Die Aulagekosten für dieses
Projekt sind nur auf 100 000 oder 200 000 if veranschlagt,
je nachdem man die Anlage einfach oder doppelt machen, d. h.
• gleichzeitig nur in einer Richtung oder in beiden Richtungen
| fahren will. Herr Pieper hat sich bei Ausarbeitung dieses Pro-
I jektea auf die Erfahrungen gestützt welche man mit der ausgc-
1 dehnten Kcttcndampfschiffahrt auf der Elbe und auf anderen
Flüsseu des europäischen Kontinente gemacht hat
(Aus der Ztg. d. V. deutscher ELscnb.-Verw.)
- •
Aua der Facklitteratur.
O. HL Bauernfeinds Vorlegeblätter zur Brückenbau-
; knnde mit erläuterndem Text In zweiter Annage neu bear-
beitet vou A. Döhlemann und W. Frauenholz, Professoren an
der k. polvtechnischcu Schule iu München. — Stuttgart Verlag
der J. G. potta'schen Buchhandlung. 1872.
Die Neubearbeitung des verdienstvollen Bauernfeindlichen
Werkes war ein Bedürfnis«. Denn bei allem bleibenden Werth,
welchen die darin enthaltenen Regeln und Vorbilder für die
älteren Brückenbausysteme (Stein und Holz) haben, war es auf
dem Gebiet der Eisentechnik durch die erhebliche, in den lett-
: ten zwei Jahrzehnten hier eingetretene Entwickclung und Ver-
vollkommnung weit überholt worden. Auf dieseu letzteren
Zweig des Brückenbaues bezieht sich denn auch hauptsächlich
die mit Geschick und ganz im Sinne des ursprünglichen Werkes
durchgeführte Erweiterung, welche, um dessen Umfang nicht
unverhältiiissmassig zu vergTössern, andrerseits einige Kürzun-
gen zur Folge gehabt hat R* sind z. B. die Blätter, »eiche
vom Steinverband, vom Steinschnitt, den Holz- und Eisenver-
bindungen und den Gründungskonstruktionen handeln, fortge-
lassen worden.
Dass die Beispiele der eisernen Brücken grösstenteils aus
Süddeutechland herrühren, ist naturgemäss. Auch werden wir
Norddeutsche dies besonders dankbar anerkennen müssen, weil
uns die Keuutuiss jener Konstruktionen im Allgemeinen schwe-
rer zugänglich ist, als der hier zur Ausführung gekommenen.
Dass aber, wenn überhaupt Beispiele aus dem Norden gegebou
I werden sollten, neben einer kleinen Blechtragerbrueko der hau-
növemchen Bahnen einzig und ausschliesslich die Brücke über
die Saale bei Bernburg mitgethcilt wird, mag zwar durch den
bereits I8C8 erfolgten Abschluss der Dispositionen für die zweite
Auflage der Vorlegeblätter »eine theilwetse Erklärung finden,
kann aber nicht als geeignetes Mittel bezeichnet werden, um
i von der Hauptrichtung der norddeutschen Eisentechnik ein«
Digitized by Google
- 216 —
Vorstellung zu gewähren. Ebenso bitte sich wohl für die be-
weglichen Brucken ein zeitgemäßerer Repräsentant finden lau-
sen, als die kleine (gussciserne) Drehbrücke bei Mechelu,
Was das Aeusserc des Werkes betrifft, so ist als zweck-
massige Aenderung gegen die erste Autlage hervorzuheben, dass
der Text von den Tafeln getreuut und in einem besonderen
ist X.
Bauwiiientohaftliche Litteratar.
April, Mai, Juni 1872.
.■■■■in i C. M., Vorlegeblatter zur Brückeubaukunde mit er-
lauf. Texte. In 2. Aufl. neu bearb. von A. Dohlemann und
W. Fraucnholz. 2 Bde. mit M Taf. 4. Stuttgart. 8 Thlr.
r, B., die Kunst im Handwerk. Vademeeum für Besucher
kunstgewerblicher Museen, Ausstellungen ete. 8. Weimar.
Kart , 1 Thlr.
Daly, Cesar, l'architecture funeraire. Speeiraens de tombeaux
mausolees , cbapelles funüraires etc. 120 Tafeln. Fol. Paris.
4:» Thlr.
et MUlsr, Album de Scrrurcrlo. 100 Tafeln. 4. Paris.
4',, Tblr.
a, architektonische, aus dem Atelier des Professor Herrn.
Nicolai in Dresden. Heraus«, von A. Niess. Lief. 1 und 2.
mit 19 lith. Tuf. Fol. Berlin. 4',» Thlr.
Staat, P., der Bautischler. Tabellen zur Berechnung der
Kosten für die Bauarbeiten des Tischlers nach dem Meter-
maass. 8- Leipzig. lä Sgr.
— der Maurer. Tabellen zur Berechnung der Baukosten und
Baumaterialien f. d. Maurer auf Grund des Metersvstenis u.
mit Berücksichtigung des neuen ZiegelformaU. 8.' Leipzig,
kart 24 Sgr.
Flak, C, Konstruktion der Kolben- und Gentrifugalpumpen, Ven-
tilatoren und Exhaustoren. 8. Berlin. 1», Thlr.
Sank u. C. Wiatur, die Gcorgs-Marien-Uütte bei Osuabrück. Mit
Uolzschu. u. 17 lith. Taf. 4. Hannover. 5 Thlr.
die Kegulirung der Flüsse Böhmens. Mit Beilage: Was-
serkarte Böhmens mit dessen Buhunctz. FoL Prag, l'i Thlr.
Georg und Waadarlrj, der Metallbau. Ein Hand- und Hülfsbuch
für Architekten etc. 1. Theil. Mit 400 Uolzschn. 8. Halle.
1» , Thlr.
MUiuirUck» Grabiuia« und Monumente für gefallene Krieger.
2 Hefte mit 12 Taf. 4. Carlsruhe. IV, Thlr.
Grapow, IL. Anleitung zur Aufsicht bei Bauten. Ein Hand-
buch: für Hülfsbeamte im Bauwesen zur Belehrung über die
verschiedensten gewohnlichen Bauausführungen und ihre
Kosten. 2. nach Metermaass bearb. Aufl. 8. Berlin. IV« Thlr.
Oraihof, F., theoretische Maschinenlehre. 1. Bd., 1. Liefr 8.
Berlin. P,', Thlr.
Handbuch für spezielle Eisenbahn - Technik. Heraus«, von E.
Heusinger v. Waldegg. 4. Bd. : enth. die Technik des Eisen-
bahnbetriebes mit Signalwesen und Werkstätten-Einrichtung.
1. Hälfte. Mit 32 Taf. 8. Leipzig. 4 Thlr.
Hart, J., die Werkzeugmaschinen für den Maschinenbau zur
Metall- und Holzbearbeitung. 1. Liefr. 8. Mit Atl. von
15 Taf. in FoL Heidelberg. 3 Thlr.
. C. W., Sammlung von Zeichnungen ausgeführter Kirchen,
Scbulhäuser und Privatbauten in Backstein und Haustein.
Vollständig in 10 Heften mit »>u Taf. Heft 1 u. 2. Fol. Han-
nover. 2'/» Thlr.
— das Volkaschulhaus. Eine Anleitung zum Bau u. zur inne-
ren Einrichtung desselben, namentlich in Bezug auf die Ge-
sundheitspflege in den Schulzimmern. Mit 10 Taf. 8. Ebcnd.
10 Sgr.
Heiaemaan, H., die Rational-Thcorio der Bewegung des Wassers
als Lehrbuch der Hydrodynamik. 8. Hagen. 2 Vi Tblr.
Hardtls, Flachen - Verzierungen des Mittelalters und der Re-
naissance. Liefr. 1 — 3. (Flüchen -Ornamente — Fliesse).
Mit je 12 Taf. in Farbendr. Fol. Stuttgart. Jede Liefr. 5 Tblr.
Hoffmaaa, F., theoret. und prakt. Anleitung zur Ausführung
schiefer Ziegel- und^Quaderbrücken-GewöIbc, Mit 7 Taf. £
Wien. 1 Thlr.
HölUeal, J., die Aneroi'dc von Naudet und Goldschmid, ihre
Einrichtung und Theorie, ihr Gebrauch und ihre Leistungs-
fähigkeit beim llnhenmeseen u. Nivelliren. 8. Wien. 2 Thlr.
iraaka, H. F.. Deutschlands bisherige Maasse und Gewichte
umgewandelt in die neuen metrischen Maassc und Gewichtc-
8. Berlin. 12 Sgr.
Kliagtntwrg, L., die ornamentale Baukunst des Mittelalters.
Nach eigenen Aufnahmen bearb. Liefr. 1—16 mit je 6 lith.
Taf. Fol. Lüttich.. 8 Thlr.
inig, H., polychrome Meisterwerke der monumentalen ;Kunst
in Italien vom 5. — Jahrb., dargestellt durch 12 perspekt
Ansichten in Farbendr. Liefr. I: Inneres der Stanze „Ca-
della Segnatura" in Korn, gemalt von Rafacl, und lnne-
les St. Peter in Rom. Fol. Leipzig. 10 Thlr.
(fehlu* («Igt.)
sionszimmer, ist zu setzen: unter 12 (an der Kordwestseite) Vor-
zimmer: unter 13 (soweit die Doppelhalle geht) Lesezimmer;
unter 14. 16, 18 (westlich von der Tborfahrt) Bibliothek und
Bibliothekar: unter 18, 04 und 60 (in der Mitte) Durchfahrt.
Es sind demnach die Räume unter 9, 10, II und unter 12 (neben
Konkurrenzen.
Zur Konkurrenz rar Entwürfe zum Hanse doa Deut-
schen Reichstages. Auf Wunsch des Verfassers und nach sei-
ner Angabe spezifizircu wir die bei unserer Publikation des
Bohnstedt'scheu Grundrisses auf Seite 169 etwas summarisch
gehaltene Bezeichnung der Räume im l'ntergeschoss wie folgt:
„Statt unter 9—17 Lesesaal und Bibliothek, unter 18 "
zimmer."
Mit Bezug auf unsere Auslassung in letzter Nummer ist
uns anonym, anscheinend von einem Mitgliede, der Jury, das
nachstehend wörtlich mitgetheilte Schreiben zugegangen. Wir
verzichten vorläufig auf eine Replik, werden unfern Staudpunkt
zur Sache jedoch noch einmal am Schlüsse unseres Haupt-Arti-
kels erläutern und dabei zugleich auf einige Angriffe erwidern,
die uns in der politischen Presse zu Theil geworden sind.
„Auf Seite 208 Ihres heutigen Blattes, alinea 2, stellen Sie
au die Beurtbeilung der Konkurrenz-Projekte zum Parlaments-
gebäude die Anforderung, dass die Jury als Ganzes das Urtheil
über den absoluten uud relativen Werth jedes einzelnen Projek-
tiv feststellt Sie haben hiermit vollkommen Recht. Glücklieber
oder vielmehr natürlicher Weise hat die Jury denn auch auf
das Gewissenhafteste nach diesem Grundsatz verfahren. Wenn
Ihre Quelle Anspruch auf Glaubwürdigkeit macht, wird sie dies
bestätigen müssen. Dass eine gruppenweise Vorprüfung durch
einzelne Referenten paare vorherging, verstund sich bei derMassen-
haftigkeit des Materials von selbst. Die Nachprüfung und spe-
zielle Erörterung erfolgte in gleicher Weise wie die Abstimmung
im Plenum.
Ich bemerke ferner, dass die Annahme, der den Konkurrenz-
Projekten zu Grunde gelegte Bauplatz sei uufgegeben, unrichtig
ist. Der Platz wird vielmehr in erster Reihe festgehalten, was
nicht ausschliesst, im Falle unübersteiglicber Hindernisse sieb
nach einem anderen umzusehen.
Dass die Jury keinen motivirten Bericht entartet bat, nen-
nen Sie eine Verletzung des Grundprinzips des Parlamentaris-
mus. Ich meine, Herr Redakteur, die Jary habe mit dem Par-
lamentarismus Nichts zu thuu. Die Mitglieder, Geschworene,
haben sorgfältigst zu prüfen und sodann nach pBichttnässigstem
Ermessen zu urthcilen. l'eber die Motive ihres Urtheils sind
sie keinem Dritten Rechenschaft schuldig. Glauben Sie denn
auch, dass die Motive bei allen Jurors dieselben sind? Soll die
Ansicht der Minorität welche im vorliegenden Fall beim ersten
Preis bekanntlich sehr stark war, unberücksichtigt bleiben?
Wie soll sie aber zum Ausdruck kommen? Soll sich die Jury
in den Kampf mit den 98 nicht prämiirten Konkurrenten ein-
lassen, welche den Bericht, mag darin stehen was da wolle, mehr
oder weniger heftig angreifen würden? — Von ihrer so oft be-
währten Gerechtigkeitäliebe darf ich annehmen, dass Sie nach
nochmaliger Erwägung den Männern, welche mit Hingebung,
Fleiss und Mühe ihrem Mandat sich gewidmet haben, dies nicht
zumuthen. Ich sehe hierbei ganz davon ab, dass es thatsächlich
an der nfftblgcn Zeit zu einem gründlichen Berichte fehlte, wenn
die Angelegenheit noch in den versammelten Reichstag gebracht
und wie jetzt geschehen, weiter gefordert werden sollte.
In aufrichtigster Hochachtung uud vollster Anerkennung
Ihrer für das Baufach segensreichen Bestrebungen Ihr ergebener
N.*
Nach Mittheilungen der politischen Presse sind zu Mitglie-
dern der Kommission Tür die Reichstagshaus -Angelegenheiten
seitens des Bundesraths die alten Vertreter — die Hrn. Weis-
haupt, Pergier von Perglas, von Bülow und Krüger —
gewählt worden. Als architektonische Mitglieder der Kommis-
sion, jedoch nur mit berathender Stimme nahen die Vertreter
des Reichstages nnd Bundesrates die Hrn. Hitzig und Lucae
— erstcren einstimmig, letzteren mit 6 gegen <"> Stimmen koop-
tirt so dass die neue Kommission sämmtliche Personen, welche
die Jury in der abgelaufenen Konkurrenz gebildet haben —
mit alleiniger Ausnahme der Architekten, welche von ausser-
halb berufen w
Zu der Konkurrenz für Entwürfe zu einem Denkmale
für die Gefallenen des Preusslsohen Ingenieur - Korps,
welche unter den Mitgliedern des Berliner Architekten -Vereius
ausgeschrieben war, siud 8 Entwürfe eingegangen, die bis ine).
Sonnabend den 29. d. M. in der Bibliothek des Vereines ausge-
stellt sind.
Personal - Nachrichten.
Preussen.
Ernannt: der Baumeister Roth zu Jüb
bahn -Baumeister bei der Breslau - Mittelwalder
Münsterberg.
Die B Anführer - Prüfung haben am 17., IS. und 19
Juni er. abgelegt : Gustav Michaelsen aus Barth, Jacob
Gas pari aus ünppart, Kreis St Goar.
Die Baumeister - Prüfung haben am 19. u. 22. Juni er.
bestanden: diu Bauführer Leo Franken aus Mühlheim a. d. R.,
Ludwig Schwcring aus Hannover und Herrn. Rose aus Wals-
rode, Provinz Hannover.
K«mmln4oiMT«rUg »ob C«rl llctliti !■ Httttn.
Drutk »,., (J.Ur.d.r Fl«k»rt I« Bwtl«.
Digitized by Google
Jahrg. Tl. M 27.
DEUTSCHE BAUZEITUNG
Eeda-ktion o. Expedition:
Bertis, ti ;i : ■ : M-.r 141.
S*>t>llunf*a
aamrfcm.n .11«
.litt V4.hb1ndt.n1rn,
fkc MI. d.« tlatdiUeev
Organ des Verbandes
Er*" deutscher Architekten - und Ingenieur-Vereine.
Redakteur E. £. 0. Fritsch.
Iaa. rate
für dk Leaer der deatocben
BanleMuac Ind.. A.rnaaatr
Ii der tr.üi- Hein«»:
.B»n-Amel»er-
Iaeretioa»er.b: 1% Sil. fr.
ZeUe.
Preis I Thaler pro Quartal.
Berlin, den 4. Juli 1872.
Krsrhriat jede« Banatrslaft.
Xoba.lt: DI. k uttkxrr.a. far Kniaurf« .um U.U.. Am deui*rh-fi B.Ich.
uiH- f FnrtMt.unf , ) — Kln. gerichtliche Katari** littina* über Honor» für archf*
teklovifrcbe Arbeiten. — Srhl.it». mit Jalc aei« ■ K I »i pe für gering* Gefall*. —
Bfclfcn'l Patcnl-Steinb«eh-llBi.-biae. — 21 1 11 h .1 1 n o ■ . a an» V.relnoa- OMlrf-
rrlehucher Ingenieur und Arrhlt«k1eo*Verein tu Wim. — Au. der Parhlltte-
ralur: Zeiuchrln für Bauanaen. r«d t. r.rbkam, Jhrjc. luT», llefl IV— Vit. —
Bauvr»en»'ha/Ulrhr l.nwt.lur April, Xl.l, Joni (Sellin», l — Konkurr.aien
Za dar Kaukarmi. für Kniaurfe >u einem Aktien II I la Frag. — Zu der Kon-
ka.r.a. riu Kmauif» >u d.ai Denkmal auf dam Niederwald. — Konkorrani für
Knrwurfe m eia.ai Reelecholgebaiide la Bremen und eln.m Denkmal, auf deon
U.tlruli.Tt;,. t>rl llr.u .lenburtr a. d. II. — Anrcl.ijriihru.u für Knivurfe iura Hau..
■Ix. denterhen Keicb.ta ga». — Maa ata-AajaajaajLj- ArTblt .k.cn V- r. i.. «» Kerlln.
Die Kunkurnnz für Entwürfe ran Hanse des Deutschen ReickstngeK.
(FortaetauDy.)
Dem Typus des Ronaissan hl. - ist die äussere Er-
Kheinuiig des Reithstagshauses in einer Anzahl von Ent-
würfen angenähert, ilii' den im Anfange unserer Detail-Be-
sprechung erwähnten Arbeiten nahe verwandt, geschlossene
Baumnssen mit Eck- und Mittelpavillons zeigen, sich jedoch
von ihnen durch einen grösseren Reichthum aufwandvoller
dekorativer Zuthaten unterscheiden. F.* fehlen in keinem
derselben Thurm. "ildungrn, auch ist tlie dekorativ« Ausbil-
dung des Details durchweg über das Maas* hinaus gesteigert,
das bei Amtsgebäuden üblich ist.
Am Ehesten hätten wir noch den Eutwurf von Triese-
thau und Schäfer in Berlin jener ersten Gruppe zuzählen
können. Der zweistöckige Bau in üblicher Pilastcrglicdcrung
stellt sich als «-in geschlossenes Oblong mit 2 inneren Höfen
dar. Eck- und Mittelpavillous sind um ein Gcschoss erhöht.
Der Sitzungssaal liegt im Erdgeschoss, zur Seite des Vnr-
der Lesesaal und der des Bundesrathes, während die
Geschäftsräume desselben in der Vorderfront und die Re-
stauration in einer hinteren Ei ke sieh befinden. Schlimmer
als diese Fehirr im Grundrisse ist es, dass der Festsaal im
Aeitsseren ohne jede Auszeichnung geblieben ist. Für den
Werth, den die Verfasser selbst ihrer Lösung Wimessen,
spricht es nicht gerade, dass sie es völlig freistellen, ob man
die Hauptfrout der Sommerstrassc oder dem Königsplatze
Parlaments- pEBÄUDE für den Peutschen Reichstag.
Entwurf vou Jordan und Heim in Hamburg.
Oraadriat vom Xrdg ...hon
Aou.m«r»traaeo.
Ii.
t.'.-J
Köulir,»p!«i«.
T"
10
20
—r
30
40
so
T
■
Tfl
Brdg e.ob». .
I - la Ulaeae i-j, die ajltgiied.r
dei Rolcb.iagai.
I Unterfahrt.
I Vorhalle.
.1 l#ru«fe. Veatibul,
* tlarderob*.
Sttiaagaia-i.
*> l/nt%XMl mit Vurrinm'*;.
1 Lee.ilmm.r.
I fllbllolh.kriuiur
t Er'r.tcbung.riama.
IQ S|irrrh.imm->r d.r Abgeiirdn.t.ti.
II ti'lrhklL- nud Sprech. Immer .1.«
eri.id.ii teil.
Verth. iluag dar Baum».
12 Schriftführer.
13 Steoogcapbea.
14 KIomK.
Ii Treppe m dra AHhi-llun|.»älen »«4
dem Xeataaal,
15 Trapp« ■« den Praktlolt^al.n.
II Aufgang tu deu Koninil»el»>n»»lmroern
16 Aufgang .u d.n AhtbeUnncMelRa.
1»— 31 Bareaa-Lokale d. Kelcbi-
lag»«.
19 Kapedlilnn. Rrgi.ln.t-ir, Kauilel etc.
80 K.n.Mdiea.r.
i'l Wohaand d>» Uur.an DiriK.uun.
8! - 31 Hin in» für dl. Hitgll.der
da. Band e.ratae..
ü aeacbänailmmer de. K.lchikan.l.ra
and dea Prä.ldentan de« Reith.*
kauiteramt..
21 (Lacliall.. Immer der ßunileeräth«.
il llalerfahrL
ti Dnrcb/abrt.
3« Trappe tur Wohnung d. Pri»id.ftf.n.
77 Treppe lin Pcl.aal.
SR Joarnalletea,
V) Po.t,
SO T.learaphla.
11 Aalf.nl >nr Kalarrlage.
28 Trepne .u ilen i. ,i i, ifteu Lugen.
11 l'nu'r rar da« l'ubllkaa.
14 Treppe in deu Loden deaarlbep,
Vj UfT.se Hallen.
Sritea Sto.kw.rk:
Utbar 4, .:. I. H. 12, 82. la: Abthrllunaa
»ile, FraktJ«n^äJn und Kummli
.loammmrr
83 : Journalietenilmmer,
m II: Kal.erUrb. Salon».
., 1», 2(1,11: Wohnung de. rräsldru
Un de» Reteh.ug...
M »: Groat.r Faatiaal.
- 218 —
zukehren and ob man die ülier dem Eingangs-Vestibül tnd
den I Ecken gezeichneten, sehr ansehnlichen Kuppeln weg-
lasse will oder nicht.
In der Arbeit der Gebrüder Frings in Crefcld, die
gleichfalls einen zweistöckigen Bau Ober einem hohen Unter-
geschosse zehrt, ist die Queraxe unter dem Vorsaal durch
eine grosse Durchfahrt betont; das erste mit einer Kappel
ausgezeichnete Vestibül soll als Ruhmeshalle dienen. Die
Grundrissentwickelung zeigt manche Schwachen, obwohl sich
die Verfasser dieselbe dadurch leicht gemacht haben, dass
sie Räume, wie den Vorsaal, iu der Höhe des Erdgeschosse*
abschlössen und darüber andere Räume, hier die Kaiserloge
mit ihren Salons, anlegten. Neben der Kuppel über dem
Vestibül ist das Gebäude auf der Hinterfront und den Seiten
mit Thnrmchen geschmückt Die Behandlung der Facade
in Renaissanceformen ist eine künstlerisch gewandt«, ob-
wohl theilweise in den Verhältnissen verunglückt; viel
schwächer ist das Innere, wo die Kuppel als Schacht und
der Sitzungssaal mit seinen zwei Logenreihen theatermässig
wirkt.
G. Hildebrandt in Berlin ist von einem höchst eigen -
thümlichen Facaden- resp. Grundrissmotive ausgegangen.
Zwischen den Mittel- und Eckbauten seiner zweigeschossigen
Fronten springen je zwei resp. drei einaxige Zimmer als
strebepfeilerartige, mit Thürmchen gekrönte Kauten vor,
mächtige Bögen verbinden dieselben. In den Ecken sind
grössere Thürme, in der Mitte der Hauptfront ein von zwei
Thürraen flankirter Portal bogen — leider mit sehr klein-
lichen Thüren — angebracht, hinter dem über dem Vesti-
bül eine Kuppel sich erhebt Es erhellt wohl ohne nähere
Begründang, dass liei einer so gesuchten und gekünstelten
Disposition, wie die oben erwähnte, ein befriedigendes Re-
sultat unmöglich war. Auch die Grundrissentwickelung
musste durch jenen Zwang beeinträchtigt werden, obwohl
anzuerkennen ist, dass die Ueberwindnng dieser selbstge-
schaffenen Schwierigkeit nicht ungeschickt und die ganze
Anordnung, wonach in der Axe der Seitenfronten der Fest-
saal resp. die beiden grossen Fraktionssäle, in der Axe der
Hinterfront der Saal des Bundesraths liegen, wohl überlegt
ist. .Sehr viel über der Facaden -Ausbildung steht die Ar-
chitektur des Inneren, die theilweise reizvolle Motive zeigt;
namentlich verdient die Entwickelung der Ecklogen in dem
als Quadrat mit abgestumpften Ecken gestalteten Sitzungs-
saale rühmende Erwähnung.
In noch höherem Grade scblossartig wird die Erschei-
nung des Baus, wenn bei ähnlichem Reichthum des archi-
tektonischen Beiwerks die Anzahl der Geschosse sich ver-
mehrt und dadurch jener von uns erwähnte Wohnhaus-
Charakter sich ergieht Es ist dies bei dem vom Laien-
publikum vielfach bewanderten Entwürfe von Pflaume in
Cöln der Fall, dessen Facade über einem Keller drei voll-
ständig ausgebildete Geschosse und in dem hohen Dache
noch eine durchlaufende Reihe von grossen Mansarden-
fenstern zeigt, die auf ein ausgebautes Dachgeschoss schliessen
lässt. Leider vermögen wir in jene Bewunderung noch
weniger einzustimmen, als wir dies dem Seott'schen Entwürfe
gegenüber konnten, mit dem diese Arbeit annähernd parallel
steht. Der Grundriss zeigt fast dieselben Mängel wie jener.
Die Kommunikationen sind ungenügend und zum Theil
unterbrochen, eine Entwickelung nach Axen sehr vernach-
lässigt, die Anordnung der Räume eine zum Theil völlig
verfehlte. So steht der oblonge, nach Art des provisorischen
eingerichtete Sitzungssaal mit seiner kurzen Hauptaxe senk-
recht zu der Axe des Zugangs — die Geschäftszimmer des
Reichskanzlers nnd seines Stellvertreters liegen im ersten
Stock neben dem Vorsaal, die der übrigen Mitglieder des
Bundesraths und deren Saal in einer vorderen Ecke des
Hauses, beide durch eine doppelläufige Treppe getrennt, von
der die einzige Verbindung jener Räume mit dem Sitzungs-
saale auf einem langen und mehrfach die Richtung wechseln-
den Wege durch das Vestibül und den Vorsaal der Abgeord-
neten führt. Der Raum gestattet es nicht, auf weitere Einzel-
heiten einzugehen; als das Sonderbarste muss jedoch erwähnt
werden, dass das ganze dritte Gcschoss, von dem ein Grund-
riss nicht gegeben ist, ausserhalb jener Thcile, welche von
den aus dem zweiten Stockwerk durchreichenden Sälen ein-
genommen werden, anscheinend nur Räume enthält, die im
Programm nicht verlangt, also willkürliche Zugabe sind,
während die nach Aussen so stattlich auftretenden Erker-
fenster ausschliesslich den Dachboden erleuchten.
Das Hauptgewicht ist eben einzig nnd allein auf die
Facade gelegt, i leren Schlos.s-Charakter um so stärker hervor-
tritt, als für dieselbe die Bauweise nordischer Renaissance
im üppigsten Reicht Imme dekorativer Entwickelung durch-
geführt ist. Dem Mittelbau der Vorderfront stehen zwei
Thürme zur Seite, ein grösserer Kuppelthurm ragt hinter
demselben über dem Treppen-Vestibül empor; Pavillons mit
Kuppeldächern, auf jeder Front von zwei spitzen Pfeiler-
thürmen gesäumt, bilden die Ecken des Baus, der im ersten
Gcschoss der Hauntfront mit offenen Gallerien durchbrochen
ist und dessen Flächen über dem Erdgeschoss in ein von
reichstem plastischen Fignrenschinuck und Pflanzenornament
strotzendes Mosaik von Pilastern, Nischen, Friesen, Bogen-
zwickeln etc. aufgelöst sind. Einzelheiten dieses Architektur-
bildes, das in virtuos vorgetragenen Zeichnungen dargestellt
ist, sind in der That von grossem künstlerischen Reize, an-
dere beweisen, dass dem Künstler diese Stilrichtimg eine
rein äusserliche und nicht das Resultat einer sowohl in der
Antike wie im Mittelalter fussenden Kunstübung ist. — Da»
Ganze ist jedenfalls im hohen Grade unruhig.
Leider darf jedoch eine solche Leistung nicht blos als
Ril.l betrachtet werden, sondern sie will als organisches
Kuustwerk beurtheilt sein. In dieser Beziehung gehört die
Arbeit zu den unerfreulichsten der ganzen Konkurrenz und
zeugt von einer künstlerischen Leichtfertigkeit, die glück-
licherweise zu den Ausnahmen gehört. Anf das Missver-
hältniss, in welchem dieses einseitige und üppige UeW-
wuchern dekorativer Elemente zu der Aufgabe steht, brau-
chen wir nach unseren allgemeinen Erörterungen nicht noch-
mals zurückzukommen, auch jener dekorativen Hinzufügung
zweier lediglich für die Facadenwirkung bestimmter Ge-
schosse, die allein schon genügt um den Entwurf zu
richten, ist bereits Erwähnung geschehen. Aber ebeuso ver-
letzend sind die Widersprüche, die sieh bei der architekto-
nischen Ausbildung dieses Baues im Einzelnen zeigen. So
führt der Haupteingang in dieses, eine der kolossalsten
Vestibül- und Vorsaal -Aulagen enthaltende Gebäude durch
eine einzige, hauBthttrartige Pforte, so schmiegen sich in der
Hinterfront die Nebenräume der Dienstwohnungen in dieselbe
Pavillon-Architektur, welche vorn der prachtvolle Ausdruck
für den Festsaal und Bundesraths - Saat sein soll, nur dass
dort die Mittelfenster vermauert sind, weil Scheidewände
dagegen stossen; zwei der Volksmänner, welche die Linke
aufs Herz gelegt, die Rechte zur Betheuerung ausgestreckt
den Schmuck der Hauptpfeiler im ersten Stock bilden, sind
hei dieser Anordnung dazu verurtheilt, vor den Badewannen
des Präsidenten und Bureau-Dirigenten Posten zu stehen. —
I Ausschliesslich auf malerischen Effekt berechnet sind auch
i die beiden Schmnckhof- Anlagen des Hauses, zwei an sich
sehr anziehende Bilder; die Architektur des Innern, na-
■ mentlich des Sitzungssaales ist überladen. — Wir können
> von diesem unseres Erachtens ganz verfehlten Entwürfe, dem
wir wegen der Beachtung, die er in einflussreichen Kreisen
] gtfnnden hat, eine etwas längere Besprechung widmen muss-
ten, nicht scheiden, ohne unser aufrichtigstes Bedauern dar-
über auszusprechen, dass ein Künstler, dessen Werk so deut-
lich dafür spricht, wie viel er kann, bei einer solchen Auf-
gabe so wenig ernstes Wollen aufgewendet hat.
Um Vieles höher stellen wir unbedingt den Entwurf von
Krüger in Dömitz, dessen Aensseres gleichfalls als drei-
geschossige Schloss-Anlage mit einem Kuppelthunne in den
Formen deutscher Renaissance, jedoch in jener namentlich
Mecklenburg eigentümlichen, dem Terrakottenbau ange-
passten Version erscheint. Die sehr ungünstig aufgehängte
und daher wenig beachtete Arbeit dokumentirt sich nicht
nur in ihrer flüchtigen aber gewandten Bleistift- Darstelluug,
sondern auch im Grade der Durcharbeitung als Skizze. Der
höchst koraplizirte Grundriss, komplizirt namentlich dadurch,
weil die einzelnen Geschosse vielfach in einander übergTeifeu,
leidet an mannigfaltigen Schwächen und konnte zn einer
befriedigenden Lösung ebensowenig führen, wie die Facaden-
Architcktur jemals für die Aufgabe passen konnte. Hin-
gegen wäre es Unrecht, nicht anzuerkennen, dass diese
Architektur an sich sehr reizvoll nnd einheitlich, in vortreff-
lichen Verhältnissen nnd mit künstlerischem Takte ausge-
bildet ist und zu der Gestaltung des Inneren in angemessener
Beziehung steht
An das mittelalterliche Rathhaus in der reichen Ent-
wicklung, welche dasselbe namentlich in den Niederlanden
gefunden hat, resp. an die aus diesem Typus abgeleiteten
englischen Parlamentshäuser lehnen sich diejenigen Ent-
würfe an, die bei geschlossener Baumasse als dominirendi
Facadcnmotiv einen aus der Front entspringenden
Hauptthurm angeordnet haben. Spricht selbst bei
häusern nur die Tradition für ein so kostspieliges, praktisch
völlig zweckloses Dekorationsstück, so lässt sich dasselbe
mit der Aufgabe des Parlaraentehauses selbstverständlich
noch weniger in Zusammenhang bringen, und es ist jeden-
falls ein grober künstlerischer Irrthum, wenn man vermeint,
das seiner Disposition nach hieran nicht berechtigte Gebäude
Digitized by Google
219 —
«buch eine solche Zittliut zu einem Monumente ersten Kanin s
erheben zu können.
Da die llaiiptidcc der hierher gehörigen Entwürfe eine
mittelalterliche ist, so erklärt es sieh, das vorzugsweise Ver-
treter der gothischen Bauweise sich ihr zugewandt haben.
Wir nennen unter ihnen zunächst den Entwurf von
Tochtermann in Aachen, obwohl die Anlage des Sitzungs-
saales in einem aus der Hinterfront des Hauses sieh hcraus-
hebendaa, seillich mit zwei Giebeln schllessenden Hautheile
gestatten wünle, denselben auch zu der letzten Gruppe zu
rechnen. Oer Grundriss zeigt ein Oblong mit 3 Höfen,
deren mittlerer auf zwei seitlichen Freitreppen (!) den Zu-
gang zu dem im oberen Geschosse liegenden Sitzuugssaalc
enthält; die Anordnung der Räume lässt praktisch und noch
mehr an künstlerischer Phantasie Manches zu wünschen
übrig. In der Facadc dominirt mit Entschiedenheit das
pben, mit grossen dreitheiligen Fenstern durchbrochene Stock-
werk, während das Erdgesehoss der beiden l.angfronten zu
offenen Arkaden sich auflöst, deren Rückwand Rildenwhmuck
enthalten soll. Es sind diese Arkaden jedoch wohl etwas
zu untergeordnet behandelt und namentlich von der Strasse
zu weuig abgeschlossen, so das» sie in dem falschen Cha-
rakter sogenannter .Lauben" erscheinen. Zur Unterbrechung
«ler langen Fronten sind in symmetrischer, leider durchaus
nicht aus dem Grundrisse und" dem Zwecke der betreffenden
Rlaa» abgeleiteter Vertlieilung Erker ausgekragt. Die interes-
santeste and originellste Eutwickelung in der zwar nicht
gerade bedeutenden, kIkt doch immerhin anerkennenswerthen
L-'acade. an welcher jedes Anklingen an kirchliche Baukunst
B^Ockuxfa vermieden ist und ein entschieden profaner Cha-
i ;ik!er sich geltend macht, zeigt jedenfalls der grosse, in die
Mitte der Hauptfront verlegte Thurm. Sehr unerquicklich
ist hingegen die architektonische Gestaltung der lnucurämne,
namentlich des Saales, dessen im Maasstabe viel zu gross
gegriffene Architektur zu den schlimmeren Leistungen der
Konkurrenz gehört.
Min älinliches Verhältnis* liegt in der Arbeit von Jor-
dan \ Heim in Hamburg vor, bei welcher der Dnrch-
schnitt allerdings kaum über die erste Anlage gefördert ist
indessen von der architektonischen Ausbildung des Inneren
jedenfalls ein sehr unbefriedigendes Bild gewährt. Das
Aenssere des Baues, obwohl etwas schemutisch und nüch-
tern, wirkt ungleich besser und zeigt namentlich recht gute
Verhältnisse. Die beiden Hanptstockwerke und das in der
Facade als Steck werk behandelte L>aehgeschoss erscheinen
in den langen Fronttheilen als zusammenhangende Reihen
snitzbogiger Fenster resp. Arkaden. Eckpavillons, deren
llclmdächer in Thürme übergehen, Giebelrisalite in den Ne-
ben fronten und ein grosser Mittelbau in der Vorderfront, be-
stehend aus zwei kleineren Seilenthünnen und einem grossen
llauptthurm. zwischen denen Giebel eingefügt sind, beleben
die Baumasse. Am Interessantesten in der Arbeit ist der
Grundriss, den wir als letzten unserer Publikation auf
Seit« 21" mittheilen. Höhere künstlerische Ansprüche darf
i " i in :m ihn freilich nicht stellen, schöne Kaiimbildungen,
interessante und grnssartige Motive zeichnen ihn keineswegs
ans und in der Bemessung der l>iraensionen sind die Ver-
tnsser bis auf das zulässige Minimum herabgegangen. Aber
es ist ihnen unter diesem Verzicht und bei Beschränkung
auf eine Gebäudetiefe, udt welcher die vom Buudesrathc gc-
w Duschte Einhaltung der Symmetrie des Königsplaues noch
prögtieh ist, gelungen, eine Anlage zu schaffen, die man als
eine höchst verständige nnd praktische Lösung der im I'ro-
gr.imui gestellten materiellen Ifedinguugen anerkennen mnsi
und die in Betreff einer zweckgemässen Anordnung und
Vertlieilung der Räume wenige ihres Gleichen hat.
Auch bei der Arbeit vonGugel in Delfft ist der Grund-
riss weitaus das Gelungenste. Der schmale oblonge Bau ist
dnrch I Höfe getheilt, von denen die beiden mittleren inner-
halb des die Gevehäftsräumc des Reichstages umfassenden
llauptkörpera liegen, während die äusseren von demselben
die etwas niedriger gehaltenen Seitenbauten scheiden, in
welche die Dienstwohnungen verlegt sind. Der halbkreis-
förmig!' Sitzungssaal liegt im ersten Stockwerk nnd ist so-
wohl von der Vorder-, wie von der Hinterfront durch ein
Vestibül mit origineller Trcppcnanlage zugänglich. Im All-
gemeinen ist Dicht allein die Grundidee, sondern auch die
Durchführung derselben im Grundrisse bemerkenswert!].
Weniger lässt sich dies von der Architektur sagen, die in
.•iiier etwas akademisch zopfigen Renaissance, mit durchge-
führter Halbsänleii-Dekoration gestaltet ist. Nur der grosse
llauptthurm. der etwas von der Facadc zurückgesetzt ist und
über dem Mittelbau der Haupttreppe bis zu sehr bedeuten-
der Höhe sieh aufbaut, zeigt originellere Motive.
Unter den englischen Arbeiten, welche hier anzufülireu
lind, bat der Entwarf VOU Philipp E. Masey in London
eine gleiche Anordnung des Hauptthurms in der Ale der
Hauptfront nnd über den) Eingangs -Vestibül. Zwei andere
Thürme. welche das Aeussere des- in englisch gothischen
Formen, feiu aber etwas zu schablonenhaft gegliederten Baues
schmücken, erheben sich über Treppenhäusern. Das Innere
zeigt eine praktisch und künstlerisch ziemlich mangelhafte
R*QJH -Disposition, entbehrt jedoch nicht ganz einer nüch-
ternen Klarheil, die zwar an einen Kasernenbau erinnert,
aber immerhin einem Labyriuthe vorzuziehen ist — Fried-
rich Sang in London, ein aus Offenbach gebürtiger, aber
durchaus in die Anschauungen der englischen Architekten-
welt eingelebter Deutscher, bat seinen völlig kirchlich ge-
haltenen Hauptthurm an eine der Ecken des Baues gestellt,
i während er sich bei Gliederimg seiner gleichfalls in eng-
lischer Gothik und gleichfalls ziemlich nüchtern komponirten
Facaden auf Giebel- und r'ialcnthürrae beschränkte. Es ist
nicht zu verkennen, dass der Entwurf mit Liebe und Sorg-
falt bearbeitet ist, doch steht weder die künstlerische, noch
die an vielen Irrtbümern und grosser Unkenutniss der that-
I sächlichen Voraussetzungen leidende praktische Lösung auf
der Höhe der Aufgabe. Ein Hauptmotiv des Grundrisses,
der die Räume in drei, mehrfach aber in fünf Stockwerken
anordnet, ist die Anlage einer imposanten Durchfahrt and
entsprechender Vestibüle, die den Bau nach den beiden Mit-
telaxen durchkreuzen.
Originell und phantasievoll — oder vielmehr schon
phantastisch ist der Entwurf von J. B. Waring in London,
Ott einen l'ebergang zu den demnächst zu besprechenden
kapitolartigen Bauten bildet. Die Phantasie des Künstlers
hat nicht allein nach Erzielung eines möglichst malerischen
Aussenbaos, sondern ebenso nach grossartigen Raumwirkun-
gen im Innern gestrebt. In der That ist es ihm gelungen,
lieselben in seiner Vestibül -Anlage in einer Weise zu schaf-
fen, wie kaum ein anderer. Eine mit Tonnengewölben über-
deckte, etwa 15™ breite, 30™ hohe Halle durchschneidet den
Bau in der Axe von West nach Ost, eine zweite ist in der
Axe von Süd nach Nord bis zu derselben geführt und ver-
einigt sich mit ihr im Zentrum des Baues unter einer
Kuppel. Kleinere Kuppeln erheben sich an den drei für deo
Kaiser, das Volk una die Abgeordneten bestimmten Ein-
gängen dieser mit Gemälden und Skulpturen geschmückten
.Ruhmeshalle*; eine vierte symmetrische Kuppel iat auf
der Kordseite angebracht, während in der Noruosteoke ein
I schlanker Thurm emporsteigt, der die ganze Baumasse be-
herrscht Obwohl diese Idee nicht ohne künstlerisches
Interesse ist, so brauchen wir wohl nicht näher zu begrün-
den, dass sie weder ästhetisch als Hauptmotiv der Disposi-
tion berechtigt ist, noch dass sie eine gute Anordnung des auf
diese Weise in drei Theile zerspaltenen Gebäudes unmöglich
macht Trotz vieler Irrthümer hat der offenbar hoch be-
gabte Künstler in letzter Beziehung übrigens noch das Er-
reichbare geleistet Der Sitzungssaal konnte selbstverständ-
lich keine andere Lage erhalten, ab) in der nordlichen Hälfte
des Gebäudes und sind '2 Lösungen ihrer Anordnung, unter
Annahme eines balbkreis- und eines kreisförmigen Saales
.ersucht worden. Die stilistische Ausbildung des Baues
zeigt im Inneren Renaissanceformen, im Aeusseren, dessen
; schön abgestimmte Silhouette hervorzuheben ist, eine Ver-
dickung von romanischen und Renaissance • Motiven, zu
denen sich die Anwendung von Strebepfeilern gesellt
Diesem Entwürfe anzuschliessen ist noch der von L. De-
ville in London, ein Renaissancebau mit grossem Maasstab«
des Details, in dem die beiden Stockwerke über dem Keller-
geschoss zu einer Saulenstellung zusammengefasst sind. Der
kreisförmige Sitzungssaal liegt im ersten Stockwerk, in der
Axe des Vorsaals der Festsaal und der Saal des Bundes-
rathes. Ueber dem Vorsaale ist ein mächtiger Kuppelthunn
angeordnet ein zweiter schlanker Thurm erhebt sich an der
Sudosteeke über dem Aufgange zu der Hofloge, für die sehr
viel kaum verschwendet ist Die Architektur ist nicht be-
dentend, ebensowenig der Grundriss, obwohl derselbe unter den
englischen immerhin zu den besseren gehört. Der Verfasser
scheint vorzugsweise Spezialist für Heizung und Ventilation
zu sein, die in wenigen anderen Arbeiten so eingehend be-
handelt sind. Als Kuriosum mag erwähnt werden, dass
auch der Kuppelschacht über dein im Innern ziemlich nie-
drig abgeschlossenen Vorsaal, das Hauptmotiv der ganzen
Anlage, als g Ventilator* bezeichnet ist.
Erinnerten schon die beiden letzterwähnten Arbeiten
in Ihrer äusseren Erscheinung durch die Zentralkuppel an
das Vorbild der nordamerikanischeu Kapitolbauten, so tritt
die Aehnlichkeit mit denselben in jenen Entwürfen noch un-
verkennbarer hervor, l>ei welchen dieses Facaden-Motiv aus-
schliesslich dominirt und nicht durch Thürme au der Front
220
beeinträchtigt wird. Die Koppel- resp. Thurm - Dekoration 1
hat dabei ihre Anordnung fast durchweg über dem Vorsaal
erhalten und sind es ausschliesslich Renaissancebauten, die
liier in Betracht kommen.
Als der imposanteste derselben erscheint der von W.
J.Green in London projektirte — ein zweigeschossiges Ge-
bäude mit Eckpavillons, die Vorderfront mit einer maasstab-
losen Säulenhalle dekorirt. Die Kuppel über dem acht-
eckigen Voreaale, zu dem man von einer grossen Freitreppe
von Aussen direkt emporsteigt, bat hier wahrhaft kolossale
Dimensionen und an sich sehr gute, freilich dem Vorbilde
der Paulskirche sehr getreu nachgebildete Verhältnisse er-
halten. Hinter diesem riesigen Räume verschwiudet der
halbkreisförmige, ringsum von Foyers umgebene Saal um so
mehr, als er auffallend einfach gestaltet ist. Die Disposition
des Grundrisses ist durch sehr viele Irrthümcr beeinträchtigt
worden.
Künstlerisch werthvoller ist jedenfalls die Arbeit von
Kerr in London. Der Grundriss zeigt ein Oblong mit vier
Eckpavillons, zwischen deuen in der Hinterfront ein Bau-
teil vorspringt, während sich die durch einen teropelartigen
Vorbau ausgezeichnete Hauptfront in einem Segmentbogen
einzieht. Es ist anzuerkennen, dass die Haupträume des
Hauses an die architektonisch bedeutendsten Mellen, d. h.
in die Axen und die Eckpavillons gelegt sind, obwohl die
Vertheilung derselben keineswegs eine glückliche, die Ver-
bindung ziemlich mangelhaft ist und dfe Möglichkeit einer
angenehmen und einfachen Beleuchtung und Lüftung dadurch
sehr beeinträchtigt wird, dass fast die ganze Grundfläche
bis auf wenige kleine Höfe bebaut ist. Im Aeusseren er-
scheint das Gebände als eingeschossiger Säulenban über
einem hohen Untergeschoss; Maasstab und Verhältnisse der
ganzen harmonisch und einheitlich wirkenden Gruppe, na-
mentlich das Verhältnis« der Kuppel zu dem übrigen Bau-
körper sind ausserordentlich gelungen und ist die Arbeit in
dieser Beziehung ohne Frage unter allen englischen Arbeiten,
die in Renaissanceformen entworfen sind, die hervorragendste.
Ein weiter Abstand trennt von ihr den Entwurf von
Edward El Iis, der ihr in den Dispositionen sonst verwandt
ist; in der Grundrissbildung ist derselbe nahezu Karrikatur,
da die Grundfläche bis auf zwei ganz kleine Höfe ganz über-
baut und daher fast sämmtliche, oft sehr sonderbar geform-
ten lünenräume mit Oberlicht erleuchtet sind — der prak-
tisch ganz verkehrten Anordnung nicht zu gedenken. Auch
der Entwurf von Thomas Turner in Dublin und Belfast
zeigt ähnliche Absonderlichkeiten und eine prinzipielle Ab-
neigung gegen die Lage eines der Haupträume an der Facade.
Ueber dem im Zentrum des Komplexes liegenden Vorsaale
erhebt sich hier ein hoher quadratischer Thurm, von dem
anzuerkennen ist, dass die für ihn projektirten Mauerstärken
konstruktiv ausreichen würden, was bei den Thunnbildungen
der meisten anderen Konkurrenten leider nicht immer der
Fall ist, wenn wir es auch nicht immer hervorheben konn-
ten. Der Entwurf des Amerikaners W. West aus Washing-
ton, der gleichfalls hierher gezählt werden muss, ist uns
nicht völlig klar geworden; er gehört, was Grundriss -Ent-
wickelung und architektonische Ausbildung betrifft, zu den
bei einer so zahlreich beschickten Konkarrenz unvermeidlichen
Schöpfungen, die man nicht anders denn als architektonische
Kuriosa bezeichnen kann.
Elie gerichtliche EntscbeUing Iber
Wir berichteten in Nn. 5 u . Hl. über die Entscheidung
eiues in Berlin anhängigen Prozesses in Streitigkeiten über
architektonisches Honorar, der uns deshalb von Wichtig-
keit schien, weil die Appcllutions-In stanz, das Königliche Kam-
mergericht zu Herlin, im Gegensatze zu den Anschauungen
des ersten Richters das von den Sachverständigen angewendete
Prinzip unserer „Nonn", die Berechnung den" liotiururs nach
Prozenten der Anschlagssumnie, als richtig und massgebend an-
erkannt hatte. Die günstigen Aussichten, welche sich hiernach
für die künftige Behandlung ähnlicher Fälle vor dem Rcchta-
forum der deutschen Hauptstadt ergeben, sind mittlerweile noch
dadurch verstärkt worden, dass auch die höchste Heehts-Iustanz
des Prcussiseheu Staates, das Königliche Obertribuual, bei der
in jenem Pro/esse anhängig gemachten Revisions-Beschwerde ein
analoges Erkenntniss gelallt hat.
Das Ohcr-Tribunal weist in demselben den vom Verklagten
erhobenen Einwand, dass das Kammergericht den Versuch einer
Vermitteluug zwischen den Anschauungen des Sachverständigen
erster und denen zweiter Instanz verabsäumt habe, als unbe-
gründet zurück, indem einerseits ein solcher Vcruiittclungsver-
such durch Konfrontation der Sachverständigen keineswegs ob-
ligatorisch sei, andererseits aber auch ein solcher bei der prin-
zipiellen, den Sachverständigen zweiter Instanz wohl bewusston
Differenz der beiderseitigen Anschauungen erfolglos hätte bleiben
müssen- Es köune kein Zweifel darüber bestehen, dass dieser
Umstand bei dem zweiten Erkenntnis* erwogen worden sei. —
Es heisst darauf wörtlich, wie folgt:
„Es muss aber dem zweiten Richter auch darin beigetreten
werden, dass die gutachtlichen Bekundungen des t!r. und Z. (der
Sachverständigen 2. Instanz) den Vorzug vor dem des S. (des
Sachverständigen I. Instanz) verdienen. Die Arbeiten des Klä-
gers sind nicht blos mechanische, sondern aus geistiger Thätig-
keit und Kunstkeuntniss hervorgegangen, und haben aus die-
sem Grunde die gedachten Sachverständigen den Zeitaufwaud,
welchen S. zum Slaasstabe der Werthbestiinniuug der Arbeiten
genommen hat, nicht für geeignet erachtet. Verklagter wendet
ein, dass dann auch nicht ersichtlich sei, warum die Festset-
zung des Honorars nach gewisseu Prozentsätzen der Anschlags-
summc an sich angemessen sei, und muss zugegeben werden,
dass es hier einen absoluten Werthmesser nicht giebt Allein
in einem solchen Falle sind diejenigen Daten entscheidend,
weiche bei der Werthbestimmuug der in Rede stehenden Arbeit
in crfahmngsmäshigpm Gebrauch sind, und einen solchen Usus
haben Gr. und Z. bekundet, indem sie sagen, dass der von
ihnen angegebene Maasstab bei den hiesigen Architekten all-
gemeiner Brauch sei. Der Preis, den die Sachverstäudigen an-
geben, ist al
hier gewöhnlicher, und den gewöhnlichen
Lohn ist Kläger nach § 873 Th. 1. Tit. 11. des AHgcm. Land-
rechts zu fordern berechtigt.
Wenn nun der zweite Richter die Höhe der Forderung des
Klägers nur nach dem Gutachten des Sachverständigen ZT, wo-
nach die Gesammtsumrae sich niedriger herausstellt, als nach
dem des Gr. festsetzt, so hat der Verklagt« um so weniger
Grund zur Beschwerde, als er selbst und allein deu Z. in Vor-
schlag gebracht und somit den Sachverständigen anerkannt hat*
Zum Schtuss erörtert dos Ober-Tribunul noch die Beschwerde,
dass das Gericht zweiter Iustauz nicht einen Beweis darüber er-
die „architektonischen Arbeiten", deren Be-
Honorar fir architektonische Arbeiten.
i Stellung der Verklagte eidlich iu Abrede gestellt habe, not-
wendig gewesen seien. Es wird darauf hingewiesen, dass die
Abnahme und Leistung eines Eides über die Bestellung dieser
Arbeiten offenbar auf einer unrichtigen Auffassung des Be-
griffs derselben Seitens des klägerischen Mandatars, des Ver-
i klagten und des ersten Richters beruhe, da die architektonische.
Erfindung selbstverständlich die Vorbedingung zur Anfertigung
eiues vollständigen Bauprojekts und somit ein notwendiger Be-
standteil desselben sei'). Es sei somit dem Kläger Nichts zu-
gesprochen, was sich als der Preis einer von den Sachverständi-
gen für nicht notwendig erklärten Arbeit dargestellt hätte.
Indem wir unserer Freude über die Wendung dieses Pro-
zesses der unmöglich ohne Einfluss aiff künftige Entscheidungen
ähnlicher Streitfragen sein kann, Ausdruck geben, können wir
unsere frühere Mannung nur erneuern, sich durch die Erfah-
rungen desselben zu um so energischerer Agitation für die Ein-
führung technischer Spezial-Gerichte anspornen zu lassen. Denn
schwerer als die unserem Fache günstige schliessliche Entschei-
dung der Sache wiegt diu durch das Erkenntuiss erster Instanz
bewiesene Möglichkeit, welchen Irrthümeru iu Beurtheiluug
technischer Angelegenheiten eiu Richter verfallen kann, und
von welchem Einflüsse das individuelle Ermessen des zufällig
gehörten Sachverständigen ist
*) Durch mündliche Aeusscrungen von Fachgenossen ist uns
bewiesen worden , dass wir in unserer ersten Mittheilung über
den Prozess den humoristischen Irrthum, der jener Eides -Ab-
nahme über die Bestellung der architektonischen Arbeiten zu
Grunde lag, nicht so klar gelegt haben, wie es zum allseitigen
Verständnisse wünschenswerth war. Wir wollen daher den\or-
gang, wie solcher wahrscheinlich zu denken ist, nochmals in
etwas drastischerer Weise auseinandersetzen.
Der Sachverständige erster Instanz, der bei Abschätzung
der Arbeit des Architekten von dem Maasstabe der dazu erfor-
derlich geweseneu Zeit ausgegangen war, hatte sich anscheinend
des Gefühls dennoch nicht ganz eutschlagen können, dass dieser
Maasstab als ein genügender nicht angesehen werden könne.
Er hatte daher den beiden Positionen, iu denen er für die An-
fertigung der Zeichnungen und des Kosten-Anschlages je eine
Auaahl von Arbeitstagen ä 3 Thlr. Diäten berechnete, eine dritte
Position hinzugefügt, in der er für die von dem Kläger aufge-
wendete „architektonische Erfindung", d. h. also für den nach
Tagelohn nicht schätzbaren künstlerischen Gehalt des Projekts
einen Zuschlag von 20pCt. des vorher berechneten Honorars
hinzusetzte. Man hat sich nun wohl zu deuken, dass der Rich-
ter, dem dieser Gedankengang, wonach die Honorarberechnuug
nur als Einheit aufgefasst werden konnte, nicht ganz klar ge-
worden war, an den verklagten Bäckermeister und Bauherrn
zunächst diu Frage gerichtet hat, ob er die Anfertigung der
Zeichnungen bestellt habe, was jeuer ebenso bejahen musste,
wie die folgende Frage, ob er einen Kostenanschlag bestellt
habe. Hingegen ist es wohl erklärlich, dass er die dritte Frage,
ob er auch die architektonische Erfindung — (der Ausdruck
(.architektonische Arbeiten" findet sich unseres Wissens nicht
in dem Gutachten des Sachverständigen und hat sich erst spä-
ter eingeschlichen) — bestellt habe, mit einem entschiedenen
„Nein" beantwortete und hierüber aus bestem Gewissen und
voller Ueberzeugung einen Eid leistete.
Digitized by Google
Srhloüsr mit Jalousie -klappe fir geringe befällt.
Auf einer Reine durch dk Niederlande halte ich Gclegcu-
heit, die beistehend skizzirte eigenartige Schleusen-Konstruktion
kennen zu lernen, welche, wie ich später gehört habe, auch
»eben in der Bonner Genend verschiedentlich Anwendung ge-
funden hat Da diese kleinen Bauwerke zur l'ebcrwiudung ge-
ringer Gefälle außerordentlich praktisch und billig «Lud", im
übrigen Dcutach-
land aber, soweit Fig. i. Grutdriu.
mir bekannt, noch
nicht Anwendung
uefunden hüben, so
dürfte die kurze Be-
schreibung dcrsel-
bon für manchen
Fachgenossen nicht
pam ohne Interesse
sein.
Wio schon er-
wähnt, Bind diese
Schleusen nur zur
l eberwindung ganz
geringer Gefalle bis
etwa 0,5 m geeignet,
also namentlich- für
kleine Kanäle der
norddeutschen Tief-
ebene. Moorkanälc
und ähnliche Was-
serlinie mit ge-
ringem Gefälle eni-
pfeblenswerth. Na-
mentlich bieten die
selben auch in Ka-
nülen, welche neben
der .Schiffahrt zu-
gleich der Kut- und
Bewässerung die-
nen und dadurch
• ine grössere An-
zahl kurzer aber in
der Höhenlage we-
nig verschiedener
Haltungen nrfor- I 0
dem , weil jeder
Kahn die jalousieartigc Klappe nur in dem Muasse heraMrückt,
als «ein eigener Tiefgang erfordert
Der eigenartigste Theil dieser kleinen Schleusen ist eben
dieso jalousieartige Klappe (in Fig. 2 in etwas grosserem Maass-
stabc dargestellt) die aus einzelnen Leisten besteht, welehc
Fig. S. Oorncboltl.
durch Charnire, oder noch besser weil haltbarer, mittels durch
die Leisten gezogener Lederriemen verbunden sind, und durch
Lederstreifen, welche längs der Fugen angenagelt siud. grossere
Dichtigkeit erlangen. An dem unteren Lude ist die Klappe an
eine starke Schwelle befestigt, welche durch zwei g e bo g ene
Hölzer, gegen welche sich zugleich die Klappenleisten stützen,
auf die Sohle der
Tit. i. IVuii. Schleuse niederge-
drückt wird. M«M
llfilzer werden
t^rJiC^- durch zwei eiserne
in die Seitenwinde
der Schleuse einge-
lassene Bolzen iu
ihrer Lage erhalten.
Eine etwaige Re-
paratur einer sol-
chen Klappe oder
die Auswechselung
gegen eine neue ist
ungemein leicht. Ks
braucht hierzu nur
der obere lose ein-
gesteckte Bolzen (rt)
nerausgcz-igen und
das otierc.Eude der
gebogenen Hölzer
niedergedrückt zu
werden, so kann die
ganze Klappe ohne
Stühe herausgenom-
men und die neue
ebenso leicht einge-
setzt werden. Die
Kosten einer derar-
tigen Schleuse mit
einer Klappe (Fig.
1) betragen circa
H00 Gulden hollän-
disch uder rund 30U
Thaler , diejenigen
I I eiuer Schleuse mit
s 3 iie««r. zwei Klappen (Fig.
3) 1000 Gulden hol-
ländisch oder rund 500 Thaler.
Einer weiteren Erläuterung der Figuren bedarf es wohl nicht,
da mit Ausnahme der Jalousie - Kluppe und deren Befestigung
die übrige Anlage ja doch den ortlichen Verhältnissen ange-
passt werdeu muss. F.- F.
Make'» Patent. .Stelnbreck-IaschiBr.
Als Hülfs-Maicliinc für Strassen- und Eisenbahnbau findet
der .Stone-Breaker" nach Blake's Patent, welcher zur beliebigen
Zerkleinerung aller Steinarten dient, seit Jahren schon mit dem
betten Erfolg besonders iu England Anwendung. Derselbe ver-
meidet bei grosser Leistungsfähigkeit alle schädlichen Stoss-
wirkungen, indem die das Brechen bewirkenden Theile nur einen
das Exzenter K. Jede l'mdrehuug der Welle bewirkt durch das
Exzenter einen Hub des Hebels F. welcher dann durch die Stoß-
stangen 0', 0', deu um h drehbaren Brechbacken J in eine
schwingende Bewegung gegen den festen Backen // versetzt, und
so du Zerbrechen des zwischen den beiden Backen befindlichen
Materials veranlasst. Die Schwingung des beweglichen Backeus
-•■hi geringen Arbeitsweg, dagegen eine grosse Geschwindigkeit ha-
llen (200—260 Touren [ht Minute). Die Konstruktion der Maschine
ist sehr stark und kompakt, so dass keine besondere Fundumen-
tirung gebraucht wird, und kann dieselbe leicht mit Rädern ver-
ehen uud transportabel gemacht worden. Der Betrieb kann
'Iii! i Ii Dampf- oder Thierkraft erfolgen, und ist die Bedienung
selbst sehr eiufach und leicht.
Iu Fig. 1 und 2 ist .4 das (iestell der Maschine, auf dem-
selben ist die .Schwungradwelle fl gelagert, und es sitzen auf
dies« die beiden Schwungräder BB, die Betriebsscheibe V und
gegen den festen lieträgt circa Ii«"», und bestimmt der untere
Abstand zwischen denselben die Grosse des zu brechenden Ma-
terials. Zur Regtillrung desselben dienen die mittels Schraube Jf
verstellhureu Keile .V O. durch welche der Stützpunkt der Stoss-
stange Gi verändert und die Durchfallsoffnuug vergrössert odei
verkleinert wird. Die Maschine kann leicht mit einem Sortir-
eieb versehen werden, um mehre Sorten des gebrochenen Ma-
terials zu unterscheiden, oder es Ifisst sieh für denselben Zweck
ein rotirendor Tisch anbringen.
- 222 -
Oesterrei obi Hoher
Wien.
Ingenieur - und
Mittheilungen
Ai chttekten Verein
Beim Kornliren unserer No. 23, in welcher der letzte Aus-
zug aus den Protokollen den Ocstcrreichischen Verein» Regelten
ist, musste der letzte Absatz aus dem Ueferato über den Vor-
trag des Hm- Kölsch der uuerbittlieheu Notwendigkeit zum
Opfer fallen. Da die betreffenden Mittheilungen üher Iugenieur-
bniten in S. Krancisco an sich jedoch interessant sind, so fügen
wir den fortgefallenen Passus hier nachträglich an.
Unter den grossen Bau-Ausfuhrungen,
die dort vollendet oder im Gange sind, ragen mehre Werke des
deutschen Ingenieurs von Schmidt hervor; ein grosses Trocken-
dock von 1 35"" Länge und 28™ Thorweite, das durch zwei Zentri-
fugulnurapen von 2,5 m Durchmesser mit Zuleitungsröhrcu von
I Weite entleert wird (Baukosten S00.O0O Dollars Gold) — die
Abaprengurig eines Felsenriffs in der Bucht von San Francisco,
das mittels eines Netzwerks von Minen mit 460 Z Pulvergehalt
durchsetzt, mit einem Schlage bis auf 11 ■» Wasseltiefe abgekappt
vurde — die Ableitung eines Sees von 63,000» a FlächeninSÄ
mittels eineB durch die Sierra Nevada geführten Tunnels. Der
letztere 4,7 K " lang, soll so geführt werden, dass er zugleich von
der Pacincbabn benutzt werden kann, deren östlicher Scheitel
dadurch um 3Q0 m sich senken, und eine grosse Anzahl von
Srhneegallerien demnächst wird entbehren können. Das Wasser,
dessen täglich disponibles Quantum auf mindestens GOOOÜOkb"
geschätzt wird, soll iu ! schmiedeeisernen Kohren von 1,25 bis
1,50» Durchmesser neben den Bahngeleisen durch den Tunnel
geleitet werden und theilweise dem Bergwerksbetriebe, theilweise
der Berieselung von Ackerbauflächen, theilweise der Wasserver-
sorgung des 182 K " entfernten Sau Fraucisco dienen. Das durch
eine Gesellschaft aufgebrachte Anlage-Kapital beträgt 10 Millionen
Dollurs.
Monats Versammlung am 3. Februar 1872. Vorsitzender
Mr. Oberbaurath Fr. Schmidt: anwesend 2-15 Mitglieder.
Der Gcschäftsliericht ergiebt, dass 20 neue Mitglieder auf-
genommen sind, 1 ausgeschieden ist Zur Berathuug einer Vor-
lage über schmalspurige Bahnen und Faiilie's Lokomutivsvstem
ist. einKoniite von 7 Mitgliedern eingesetzt wordeu; ein anderes
Komite zur Begutachtung mehrer vom Ackerbau - Ministerium
zu erlassender WaBserrcchts-Verordnuugen hat seine Arbeit be-
reits vollendet. Die Redaktion der Vereins -Zeitschrift, welche
Hr. Professor Edm. Stix in Folge veränderter Berufsgeschäfte
niedergelegt hat. ist von Hrn. Professor Wilhelm Tiuter über-
nommen wordeu.
Nach Erledigung der Geschäfte spricht Herr Inspektor
llohenegger „über Verbesserung der Kreuzungen und
Weichen."
Monats - Versammlung am 10. Februar 1872. Vor-
sitzender Herr Ober- Baurath Fr. Schmidt; anwesend 241
Mitglieder.
Nach dem Geschäftslwricht sind wiederum 5 neue Mitglieder
aufgenommen, 2 ausgeschieden. Für die bevorstehende General-
Versammlung wird vom Verwaltungsrathe eine Rcihu von Anträgen
auf Abfinrlerunsen des Vereins- Statuts eingebracht. Kin Komite
zur Berathung und Feststellung vun Normalien für Berechnun-
gen wird eingesetzt.
Im Namen des Komites zur Prüfung des Bingofeu - Privile-
giums legt Herr Zivil-Ingenieur F'r. Stach den Entwurf zu einer
Hingabe an das K.K. Handelsministerium vor. In demselben wird
klar und bündig nachgewiesen, daas das ursprünglich unterm 17.
April 1858 an Hoffmann verliehene Privilegium den Bestim-
mungen des Oesterrcichisehen Patentgesetzes gemäss bereits er-
loschen und zum Gemeingut« für Alle geworden war, als es im
Jahre 1808 aufs Neue in Kruft gesetzt wurde. Da eine solche
Heaktivirung eines erloschenen Privilegiums durch besondere
Bestimmungen ausdrücklich ausgeschlossen worden ist, so steht
die an lloffmann gewährte Vergünstigung mit dem Gesetze in
offenbarem Widerspruch und ist als ungiltig zu erachten. Mit
Rücksieht auf die Bedeutung der Angelegenheit erachtet sich
der Österreichisch« Ingenieur- und Architekten-Verein demzu-
folge für verpflichtet zu beantragen , dass jene Erneuerung des
lloffmann'schen Privilegiums aufgehoben werde. — Fast mit
Einstimmigkeit genehmigt der Verein diesen Entwurf und bc-
schliesst, dass die Eingabe durch eine besondere Deputation
<b m Herrn Minister überreicht, gleichzeitig aber auch der üe-
verbeverein, die Handels- und (iewerbekammer, der Gemeinde-
rath und die Weltausstellung^ -Kommission aufgefordert werden
sollen, sich dem Schritte des Vereins, anzuscnliessen.
Zum Sehlnss trägt Herr Ingenieur Bachmayr «über dio
unterseeischen Sprengungen im Hafen von New-York vor."
Monats vursammlung am 17. Februar 1872; Vorsitzender
Hr. Olierbaurath Fr. Schmidt, anwesend 253 Mitglieder.
Nach geschäftlichen Mittheiluugeu de* Vorsitzenden, aus
denen hervorgehoben sei, dass dem Verein in der letzten Woche
abermals 15 neue Mitglieder beigetreten sind und dass um bei
der gegenwärtigen Personenzahl eine Uebersicht zu gewähren,
eine Riiitheilune der Vereinsniitglieder iu gesonderte Fachgrup-
pen erfolgen soll — erstattet Hr. Inspektor Morawitz im Na-
men des zur Berathung über eiu den schmalspurigen Buhnen
und Faiilie's-I.'ikomotiv-System gewidmetes Elaliorat des Hrn.
Klemensiewicz eingesetzten Komites Bericht ab. Jenes Ela-
borat hatte die über jene Frage vorhandenen Materialien zu dem
Zwecke zusammengetragen, dass der Verein über dieselben in
einer Weise Beschlusa fassen solle, die geeignet wäre Tür dio
I Wasen
worden,
aus Vereinen.
Anwendung schmalspuriger Bahnen iu Oesterreich eine syste-
matische Grundlage zu bilden. Das Komite hat seine einhellig
geäusserten Ansichten in einer Anzahl von Resolutionen nieder-
gelegt, in denen Folgendes ausgeführt ist.
1) Di« Anlage schmulspuriger Bahnen ist wegen ihrer billi-
geren Herstellung und ihres billigeren Betriebes für solche Rou-
ten, auf welchen voraussichtlich kein Masscutransjjort stattfinden
wird und der Verkehr mit geringer Fahrgeschwindigkeit zuläs-
sig ist, warm zu empfehlen.
2) Hingegen ist es ein Irrthum, wenn man um jener Vor-
theile willen empfiehlt, filtere Normalbahnen in schmalspurige
umzuwandeln und künftig ausschliesslich letztere zu bauen. Kur
bestimmte Verhältnisse überwiegen die Vorzüge der Normal -
bahnen, vor Allem die zulässige grosser« Geschwindigkeit und
der direkte Anschluss an die Nachbarbahnen, so dass die Frage,
welches System zu wählen sei, nur für jeden einzelnen Fall zu
entscheiden ist.
3) Ebensowenig ist eine Fixirung für das Maas« der schma-
len Spur jetzt schon möglich; es empfiehlt «ich weitere Erfah-
rungen abzuwarteu, vorläufig aber an den vom Verein deutscher
Eisenbahn -Verwaltungen in's Auge gefassten Weiten von 1 m
und 0.75« festzuhalten, von denen der ersteren für Personen-
Verkehr vermuthlich der Vorzug wird gugeben werden.
4) Zwischen dem Fairlie- System namentlich der Fairlie-
Lokomotive und den schmalspurigen Bahnen existirt keineswegs
ein solcher Nexus, wie vielfach behauptet wird. Letztere hat
für schmalspurige Bahnen allerdings ihre Berechtigung, doch
keineswegs eine ausschliessliche, da sehr wohl auch andere Kon-
struktionen denkbar sind, während die Prinzipien derselben für
Normulbahuon bisher noch nicht erprobt sind. Lieber die Wi
des Fairlie- Systems kann ein Urtheit nicht abgegi
bevor dieselben angewendet worden sind.
5. Es kann in Erwägung des Stadiums, in welchem die
Entwicklung schmalspuriger Bahnsystcmo gegenwärtig noch
begriffen ist, überhaupt nicht empfohlen werdeu, schon jetzt
Prinzipien aufzustellen, nach dunen die Anlage derselben ge-
regelt werdeu sull. Elienso wie solche Prinzipieu für Normal-
bahnen erst allmälig gewonnen worden sind, ja noch weiter sich
ändern, ist deren Oewinn auch hier der Zeit zu überlassen.
Die Entwicklung wird gefordert werden, wenn man bei Erthei-
lang der Konzession für schmalspurige Bahnen nur den Zweck
und die Lokalverhfiltiiiss« prüft, sonst aber möglichste Freiheit
und im Vergleiche mit den für Nortnalbahuen gültigen Vorschrif-
ten möglichste Erleichterungen gewährt, also von dem ßetriebs-
imlizeigesetze Abstand nimmt, die Bestimmung des Tarifs ganz
der Konkurrenz übcrlässt, nicht mehr als 2 Personenklassen
obligatorisch macht. Ausserdem ist den Regierungen jedenfalls
zu empfehlen, die Aulage solcher Bahnen durch Einfluss auf die
Adiazeuteii auch positiv zu unterstützen, während die Sorge des
technischen Publikums sich darauf richten inuss, alle Erfahrun-
geu über schmalspurige Bahnen möglichst vollständig zu sam-
meln und allseitig bekannt zu gehen.
Das Komite ersucht den Verein diese Anschauungen zu den
seinigen zu machen und durch Einfügung des betreffenden Be-
richtes iu das Vereins -Orgau iu letzter Beziehung den Reigen
zu eröffnen. Der Verein genehmigt diesen Antrag mit überwie-
gender Majorität und beschliesst zugleich Einreichung des Be-
richtes an das K. K. Handelsministerium.
Zum Schluss spricht Hr. Professor Dr. E. Winkler über
den Nutzen der Auweudung von Konstruktion zur Lösung von
Problemen der Statik mit besonderer Auweudung auf den Brük-
kenbuu, wie sie wissenschaftlich unter dem Namen graphische
Statik zuerst von t'ulinann ausgebildet worden ist Als Vor-
theile der Konstruktion gegenüber der Rechnung bezeichnet der
Redner, dass man eine grössere Uebersicbtlichkeit und daher
leichtere Kontrolle erreicht, in vielen Fällen (namentlich bei
Behandlung des Erddrucks, der Futtermauern, der kontinuir-
lidien und Bogeutrüger) wesentlich schneller zum Ziele kommt,
endlich weniger leicht Fehler macht. Uingegeu lässt sieh durch
Rechnung eiue grössere Genauigkeit erreichen und ist dieselbe,
schneller, wenn man nicht gleichzeitig viele Resultate nfithig
hat Auch ist sie vorzuziehen, wenn man bei Lampenlicht zu
arbeiten genöthigt ist, und entspricht zuweilen der Individualität
des Technikers besser. — An alle diejenigen filteren Techniker,
welche mit der Auwendung graphischer Behandlung der stati-
schen Probleme uiebt vertraut sind, richtet der Redner die
Bitte, der Einführung des Verfahrens zum Mindesten nicht
hinderlich zu sein, wie das leider öfters vorkommt
General -Versammlung am 24. Februar 1872. Vor-
sitzender Hr. Ober -Baurath Fr. Schmidt, anwesend 335 Mit-
glieder.
Nach Erledigung der geschäftlichen Formalitäten erstattet
der Vorsitzende den Jahresbericht des VerwaltuDgsrathes für
das Jahr 1871. Die Mitgliederzahl ist während desselben von
1266 wirklichen -und 32 knrrespondirenden, zusammen 1298 Mit-
gliedern auf 1438 resp. 31, zusammen auf 1469 Mitglieder — bis
zum Tage der Berichterstattung sogar auf 1525 Mitglieder ge-
stiegen. Von den wirklichen Mitgliedern wohnen 1022 innerhalb,
472 ausserhalb Wiens. Die Vereinsbibliothek ist auf 3500 Bände
und 477 einzelne Blätter, die Bausteiusammlung auf 1281» Num-
mern gestiegen. So lebhaft die Theilnahme an den wissenschaft-
lichen Wochenversammlungen war, so hat der Schwerpunkt der
Vereinsthätigkeit doch in der ernsten Arbeit der Komites ge-
legen, von deneu 5 »tändig, 25 zur Behandlung spezieller rra-
igitized by Google
gen iu Wirksamkeit waren. Ausserdem waren Seitens de« Ver-
ein« iHK'b mehrfach Delcgirte zu auswärtigen Berathungen ab-
geordnet. Dur Hedner schliesst seinen mit Beifall begrüssten
Vortrag mit der Ucberzeugung. dass der Verein in erfreulichem
lortsehritt befindlich »ei und mit der sicheren Hoffnung . duas
dieser Fortschritt auch die Thätigkeit desselben in dem dem-
nächst zu beziehenden eigeuen Hause auszeichnen werde.
(Jeher den Stand, in welchem der Bau dieses Hauses zur
Zeit angelangt ist, erstattet Hr. Hofratb R, von Eugcrth erfreu
liehen Bericht, aus dem hervorgeht, dass der Verein sein neues
Heim voraussichtlich schon wahrend des Sommers wird beziehen
können. Hie Kosten sind bis auf eine durch eine bereits offe-
rirte Anleihe zu beschaffende Summe von 120 000 Fl. gedeckt —
Eine noch nachzuholende Formalität, welche das Eigentbunis-
recht des Gruudstückes von dem Vereinsvorstehor au? den Ver-
ein übertragt, wird erledigt.
Der Kassenbericht, von dem Kassonverwalter Hrn. E. Seyhel
vorgetragen, weist eine Jahreseinnahme von 22,480 Fl. (darunter
I6.S43 H. an Beitragen) gegen eine Ausgabo von 1 7,20(5 Fl.
(2341 für Miethe, 4272 für Gehalte, 7545 Fl. für die Zeitschrift,
11(8 für Druckkosten, 573 für Bücher und Zeitschriften u. 8. w.)
also einen Ucberschuss von 5213 Fl. nach. Das Präliminare für
1872 nimmt die Einnahmen zu 25,833 FL, die Ausgaben zu
1K.710 Fl. an. Der Ghega-Stiftungsfouds ist auf einen Buar-
Aus der Fachliteratur.
^?, ,tac }*f} fl rar Bauwesen, red. von Erbkam. Jahrg 1872,
Heft IV. — VII. enthält aus dem Gebiet« des lngenieurwescua
folgende Mittbeilungen:
1. Baitrag zur Ventilationsfrage, ron L. Pinzger,
Assistent bei der polytechnischen Schule zu Aachen. — Die
Frage, wie gross die Menge der zur Ventilation eines gegebenen
Raumes einzuführenden reinen Luft bemessen werden muss
wird im vorliegenden Artikel anulrtisch unter der Voraus-
setzung abgehandelt, dass ein Mensch pro Minute 0,005kb- Luft
|»>j ,4% Kohlensäuregehalt ausathmet, dass die ausgeathmete
Kohlensäure den betreffenden Raum in allen seinen Theilen
gleichmässig durchdringt, und dass endlich die in den Raum
eingeführte reine Luft sich in jedem Augenblicke mit der inne-
ren unreinen Luft wieder zu einer homogenen Massu vermischt
Unter dieser Gestalt lässt sich die Frage, wie stark der Knhlen-
säurcgehalt eines Raumes nach ciuer bestimmten Zeit gestiegen
sein wird, in dem sich 2 Personen aufhalten und zu dessen
V eiitilation eine bestimmte Menge reiner Luft regelmässig zuge-
führt wird, unschwer ableiten. In ihrer Umkehrung bietet diese
Trage alsdann leicht die l.i.sung. wie gr»s* die Menge der zu-
gefuhrten reinen Luft sein muss, damit die Verschlechterung
nach einer bestimmten Zeit ein gewisses Maas* nicht überschreite.
Nach Herstellung der ersten Grundformeln wird der Einfluss,
den die Temperaturunterschiede zwischen der äusseren und in-
neren Luft zur Folge haben, nach Maassgahe de* Gav Lussae'seheri
<--<etze« eingeführt, und siud die scbliesslichen Ergebnisse die
in der nachstehenden, der Mittheilung entlehnten Tabelle ent-
haltenen :
Erforderliche Luftmenge pro 1 Person uud 1 Stunde
tWttsttn >n
■all «»J«*t Lad
Im Winter.
CO 70
100
150
40
60
100
SO
40
40
60
30
20- 25
VtnllltUua
M
LafttM-lsung.
Kai
80 -90
120
180 - 200
50-55
80
120
40
50
50
80
40
25-30
1. In Hospitälern
a. für gewöhnliche Kranke . .« .
b. für Verwundete u.Wöchnerinucu
c während einer Epidemie . .
2. In Gefängnissen
3. In Werkstätten
a. gewöhnlicher Art
b. mit verdorbeucr Luft . . • ,
4. In Kasernen
a. bei Tage
b. bei Nacht
5. In Theatern
C In Sälen, bei lauge andauernder
Benutzung
7. In Sälen, bei kürzerer Benutzung
8. In Schulsälen
Endlich wird angeführt, dass die Wirkung einer mittleren
Gasflamme == der einer Anzahl von y Personen zu setzen sei.
I. Die Verbindungsbahn zwischen Düaseldorfund
Neuss, mit Ucbcrbruck uug dos Rheinstromes ober-
i?.. /.*. e,dorf - Mittheilung de« Keg.- und Baurath Piehier
zu Elberfeld. — Die zur ErläutcniBg des Aufsatzes gehörigen
Mgurou und Zeichnungen siud anscheinend vollständig mitge-
o Li D \ del Tcjtt j^och erst in der nächsten Lieferung zum
bchluss gebracht wird, so erscheint es zweckmässig, das Referat
demnächst im Zusammenhange zu bringen.
3. Der Werder-Steg über die Murg in Gernsbach,
T 2 U J: * k ' r Baumeister 'n Karlsruhe. — Der genanutc Steg
überbrückt die beideu Murg -Arme in der Nähe des Städtchens
Gernsbach und ist nur für Fussgänger und leichte Karren be- 1
stimmt Von den 2 Ocffnungeu i 24" resp Si;'» Weite ist die
letztere durch Zeichnung mitgetheilt Die Konstruktion zeichnet
sich ihrer Leichtigkeit und Gefälligkeit wegeu aus. Wie es bei 1
so leichter Konstruktion und derart weiter Theiluug des hori-
zontalen Kreuzvrrtiandes vorauszusehen, ist eine Steifigkeit der
bestand von c 40.000 Fl. das Stammkapital des Vereins auf
3508 Fl. gestiegen.
Nach Abänderung einiger Statutbostinmiungeu. wonach statt
eines künftig zwei Stellvertreter des Vorstehers gewählt werden
sollen, bündige Bestimmungen über die Vertretung des Vereins
in Rechtsangelegeuheiten getroffen »erden, endlich die Zahl der
zur Fa»sung gültiger Beschlüsse erforderlichen Stimuiou auf
200 für die General-Versamml , 150 für die Mouatsversamniluu-
gen festgi-M-tzt wird, schreitet der Verein zur Wahl des neuen
Vorstandes. Ks werden: zum Vorsteher Hr. Hofrath R. von Eu-
gerth, zum ersten Stellvertreter Hr. Obrbrth. Fr. Sehm idt, zum
zweiten Stellvertreter Hr. Fabrikdirektor Matscheko, zum
Kassenverwaltcr Hr. E. Seyhel gewählt Ausserdem .»erden
7 neue Mitglieder des Verwaltuugsrathes und die 32 Mitglieder
des Schiedsgerichts neu gewählt. Ein begeisterter Ausdruck
des Dankes au den aos seiner .Stellung scheideudcD bisherigen
Vi reinsvorsteher veranlasst diesen zu einer ebenso begei-terteli,
mit stürmischem Beifalle aufgenommenen Erwiderung.
Vorher wird noch beschlossen, das« das Koniite, welches don
Bericht über die Anlage schmalspuriger Bah neu verfasst hat, in
nächster Zeit Bericht darüber erstatten solle, ob für die neu
anzulegende Gürtelbahn Wiens eine schmalspurige Lokomntiv-
oder eine Pferde-Eisenbahn anzulegen sei.
Brücke gegen seitliche Schwankungen nur Uieilwcis« erreicht
worden. Seiten« <!<>- \ .-i f i>s rs wird •!i.->--r Umstand selbst
hervorgehoben, jedoch weniger dem Einflüsse des Windes, (wel-
cher als gering veranschlagt wird), als vielmehr dem absicht-
lichen Schaukeln von Seiten der passirendcii Personen zuge-
schrieben.
4. Das Pumprad, eine neue Wassorhebuogsma-
schinc, mitgetheilt vom Reg.- und Baurath Wiebc zu Frank-
furt a/O. — Der Ingenieur II. Ovcruiors zu Rotterdam hat vor
wenigen Jahren eine neuo Wasserbebuugsmaschine, das Pump-
rad, erfunden, welches bei der eminenten Wichtigkeit, die diese
Maschinen überhaupt für die Entwässerung der holländischen
Niederungen haben, das grösste Aufsehen erregte. Das Pump-
rad vereinigt, nach den gegenwärtig bereits gesammelt. -u Erfah-
rungen, fast alle Vortheile der bisher bekannten Maschinen in
sich, ohne jedoch die Nachtheilc jeuer wesentlich zu tbeileu.
Die meiste Verwandt-
schaft hat dasselbe mit
dem in seiner Konstruk-
tion bekannten Schöpf-
rade. Der Vorzug aea
Pumprades liestebt je-
doch darin dass der
Abschluss des Ausseu-
wossers nicht mehr
durch die Radschaufeln
allein, vielmehr haupt-
sächlich durch eine
grussc, den eigentli-
chen Radkor|M>r bil-
dende Trommel be-
wirkt wird. Au dem Umfange dieser Trommel liegen nur
6 Schaufeln, während das Schopfrad meist mit 24 bis 28 der-
selben konstruirt wurde: jene 6 Schaufeln legen sich scharf
gebogen und stark exzentrisch an dun Tronimelumfang so
an, dass nie sich nicht uur aD diesen, souderu auch au das
untere Mauerwerk (den Kropf) nahezu tangential anschliesseu.
Die wichtigste Bedingung ist, dass der Troinmeldurchuiesser
grösser ist, als die Differenz zwischen Ober- und Uuterwosser,
ferner, das« ein dichter Anschluss un die umgehenden Waugen-
uud Aufleitungsmaueru erreicht wird. Indem nun die Umfangs-
ftäche der Trommel den zu förderndeu Wasaerkörper auch von
ulien begrenzt, wird erreicht, dass die Schaufeln nicht blos
mechanisch das Wasser weiter schieben, sondern vielmehr eine
saugende, der Arbeit des Pum|>eukolbeus analoge Wirkung her-
vorbringen. Durch Messungen an vorhandenen gut konstruirt' n
Pumprädeni ist festgestellt worden, dass dicselbeu eineu NuU-
effekt von «.Ml*, gewahren. Meist wird das Pumprad au- Eis n
konstruirt, jedoch ist auch die Ausführung in Holz nicht uoge-
wöbulicb. Was die oben erwähnte Dichtung des Wasseran-
schlusses betrifft, so wird dieselbe durch Bohlen aus hartem
Holze erzielt, welche als Riug an der Peripherie des Rades und
als Verkleidung der Schaufellianteu angebracht werden; endlich
ist das Mauerwerk der Waugeu und des Kropfes, soweit os sich
an jene Holzt heile onschliesst, mit Zement zu verputzen, wobei
während der Zement noch weich ist, das Rad iu langsame Um-
drehung versetzt wird. Mit Recht macht Verfasser darauf auf-
merksam, dass die Vorzüge des Pumprades auch für das Eut-
wässerungswesen Deutschlands von Einfluss sein werden und
diese Erfindung daher die Aufmerksamkeit aller Fach-Ingenieure,
verdient
5. Kreuzungen d er II a 1 1 e - Sorau - G ubeuer Eisen-
bahn mit der Herl iu-A utialter- Rah n bei Delitzsch
und Fat keu berg, mitgetheilt vom Baumeister llaarbcck.
Bei den Städten Delitzsch und FaJkenbcrg liegen Uebvrkreuzun-
gen ausser Niveau der beiden vorerwähnten Bahnlinien unter
einem Winkel von .s3« 34' resp. 67« 30'. Um unter diesen Ver-
hältnissen eine Zusammengehörigkeit des Personen- und Güter-
verkehres beider Buhnverwaltungen herzustelleu, sind an den
Kreazungspunkten gemeinsame Empfougsgebäude in 2GeschoB«eu
*
- 224 -
angelegt, wahrend zur Verbindung der gesonderten Güterbahn-
höfe blondere Verbindung*- und Uebergabogeleise in dem
stumpfen Winkel beider Bahnrichtungen angeordnet sind. PH
Lokalität bedingte die Ausführung einer Reihe interessanter
Bauwerke, bestehend hauptsächlich in Brücken und l nterfüh-
runeeu unter denen namentlich die beiden Bahnunterführungen
selbst 'sowie die zweigeschossigen Empfangsgebäude hervorzu-
heben sind. Die sehr sorgfältig bearbeiteten Projekte werden
einen werthvollen Anhalt bei Autstellung der Entwürfe für ähn-
liche Anlagen bieten. .
f.. Die schwuiierischen See- und Hussbenbach-
tuugen, mitgetheilt vom Ingenieur Lauterburg. - Die schwei-
zerische naturforschende Gesellschaft hat »ich seit inubren
Jahren die Beobachtung der sumurtlicheu schweizerischen Ge- i
wasser zur Aufgabe gemacht und steht im Begriffe, eiuen aus- i
führlicben Bericht über die bisher gewonnenen hydronietnschen
Resultate zu veröffentlichen- Ein Auszug aus diesem Berichte
Ut der .Zeitschrift für Bauwesen" zur vorläufigen Vcröffeiit-
lichuug zugegangen. Die Redaktion genannter Zeitschrift bringt
diesen Auszug tbeilweise zum Abdrucke und theilt namentlich
eine tabellarische l>bersicht der Abflusstnassen des Rheines
mit. Br-
Bauwissenschaftliohe Litteratur.
April, Mai, Juni 1872. (Schluss.)
Soiak G Katechismus der speziellen darstellenden (ieometrie.
Mit 1G5 Holzschn und 2 Tnf. 8. Wien. I Thlr.
— Katechismus der Einrichtung und des Betriebes der Loko-
mobilen und transportablen Dampfmaschinen im Allgemeinen.
Mit vielen Holzschn. und 3 Inf. 8. Wien. 1 Thlr
Xabiktab«Ucn für den Inhalt runder und vierkantiger Hölzer
nach Metermaass. Herausg. vom Berliner Holz-Komtoir. 8.
Berlin. Eleg. geb. mit Neusillierlieschlag. 1% Thlr.
Lqeun«. traite pratique de la coupe des pierres etc. a ''»sag"
des architeetes, des ingenieurs etc. 8- Mit Atl. von 5'.* Taf.
in 4. l'ari». W Thlr.
Läbke, W., die moderne französische Kunst. Vortrag. 8. Stuttgart.
— Geschichte der deutseben Renaissance. Mit 300 Illustr.
I. u. 2. Abtbl. 8. 1872. 4 Thlr.
(Vollständig in 4 Abtheil, bis Ende 1872.)
Magnus E. , die Polychromie vom künstlerischen Standpunkte.
Vortrag. 8. Bonn. , .18 Sgr.
IUsmI, C. A., der Bau des Eiskellers sowohl in wie über der
Erde vermittels Torf. Stroh oder Rohr. 3. umgearb. Aufl.
Mit Holzschn. und il Taf. 8- Ualle. 1 Thlr.
— das Dach in »einer Konstruktion, seinem Verband in Holz
u Eisen und seiner Bedachung. Mit 250 Holzschn. 8. Halle
2 Thlr.
Nash, Jos., Mansion» of England in the olden time. A scries
«f 104 exterior and iuterior views of celebrated existing edi-
fices. Neue Ausg. 4 Bde. Imp. 4. London. Sarscnetband.
6 i£ 6 sh.
Prtibddt , A., Fabrikation, Prüfung und Uebernahme von
Eisenbahn - Material. Ein Hand- und Uülfsbuch für Eisen-
bahn- Djgenieure, Maschinen- u. Hütten-Techniker. Mit >or-
wort von E. Heusinger von Waldogg. Mit 254 Holzschn. u.
27 Taf. AbbUd. 4. Wiesbaden. . 4 Thlr.
Pohlke. K., darstellende Geometrie. 1. Abth. mit Kpfrtfln. 3.
Ann. 8. Berlin. „ J »'/• Thlr.
Koglemeat f. d. Ausbildung, Prüfung und Anstellung derjenigen,
welche sich dem Baufache im Staatsdienste widmen wollen.
8. Berlin. . , „. ?' » Sgr.
Hönns. L. von, die Baupolizei des preussischon Staates, dar-
gestellt unter Benutzung der Archive der Ministerien. 3. um-
gearb. und auf die neuen Landcstheile ausgedehnte Ausg.
§. Breslau. „ 4 Thlr.
Roth L., die Kesselsteinbildung und die Mittel zur Verhütung
derselben. Mit 1 Taf. 8. Berlin. 12 Sgr.
Rfinlminn, M., allgemeine Maschinenlehre. 4. Bd., 1. Abtlil. 8.
Braunschweig. , 1 '.'» .T,
Kuha F., I-ehrbuch der gesammten TunnelbaukunBt. G. Lieft.
4. Berlin. 3 Thlr.
Barnnünng von Hochbauten der Badischen Eisenbahn, von r.
Eiseulohr, Keller u- A. Fol. 3. AbUi. Hochbauten der
Tauberthalbahn. 16 Doppclblättcr. Carlsruhe. 2'/, Thlr.
Skk«l, 0. A., die Grubenzimmerung. 1. Abth. Allgemeiner
Theil u. Streckenzimmcning. Mit 6 Taf. 8. Freiberg. 2», Thlr.
Tachniichet Tajenenwörtorbnch für Industrie, und Handel. Deutsch-
engl. -französisch. 3 Thlc. IG. Wiesbaden. 2»/, Thlr.
Teiriob, V., Ornamente aus der Blüthezcit italienischer Re-
naissance (Intarsien). Original-Aufnahmen. Liefr. 1—3 mit
Fol. Wien
Wien. Jede Liefr.
Theorie des Erddruckes und der hierüber angestellten Ver-
suche. Mit 47 Holzschn. 8. Wien. 24 Sgr.
Winkler. Bau, Einrichtung und Verwaltung des Köuigl. Zellenge-
fängnisses in Moabit bei Berliu. 8. Berlin. 1»/, Thlr.
Wirf, J., Studien über ausgeführte Wiener Baukonstruktionen.
40 autograph. Tafeln mit Text. Imp.-Fol. Wien. 7'/» Thlr.
Konkurrenzen.
Zu dor Konkurrenz für Entwürfe zu einem Aktien
Hotel In Frag, die wir in Nr. 25 u. Bl. ankündigten, können
wir nach nunmehriger Einsicht der Programmbedingungen die
Fachgenossen nicht ermuntern. Es fehlen sämmtliche Bedin-
gungen, welche zur Sicherung der Konkurrenten nothwendig
sind, und erscheint es nach den Erfahrungen, die bei anderen
österreichischen Konkurrenzen gemacht worden sind, nicht eben
räthlich, sich in dieser Hinsicht eiuem bliuden Vertrauen hiu-
Zu der Konkurrenz für Entwürfe zu da
dem Niederwald wird uns mitgetheilt, dass die derselben zu
Grunde zu legenden Situatiouspläne erst Li einigen Wochen aus
der Druckerei von C. Adelmann in Frankfurt a. M. zu be-
ziehen sein werden. Wir haben in unserer Ankündigung der
Konkurrenz bereits darauf hingewiesen, wie unentbehrlich jedem
mit Ernst schaffenden Künstler ein solcher Situationsplan ist.
und können daher nur dringend befürworten, den Schlusstermin
der Konkurrenz um mindestens 3 Monate hinauszuschieben.
je 5 Taf. Fol. Wien. Jeäe Liefr. 2»/» Thlr.
TrzMcbäk, L., Katechismus der Farbenharmonik. Mit 2 Far-
beutaf. 8. Wien. \ Thlr.
Wandert«, G., Handbuch der Bauknnstruktionslchre. 2. Bd.:
Die Treppen, der innere Ausbau und die Gründungen. Mit
500 Holzschn. u. 8 Taf. 8. Halle. 2 Thlr.
Wertheün, O., das Röhrennetz der Wiener Hochquellen -Wasser-
leitung. 8. Leipzig. } % k Thlr
Winkl«, E., Vorträge über Eisenbahnbau. 3. Heft. Schiebebüh-
nen und Drehscheiben. Mit 14« Holzschn. und S lith. Taf.
8. Wien. 2 Thlr 4 Sgr.
Geschichte der
Konkurrenzen für Entwürfe zu einem Realscüulgcbäudo
In Bremen und einem Denkmale auf dem Marlenberge bei
Brandenburg a. d- H. werden in heutiger Nr. 27 unseres Bau-
Anzeigers aunoncirt- Weiteres nach Einsicht der Spexial-
Programme.
In Angelegenheiten für Entwürfe zum Hanse des deut-
schen Reichstages werden wir ersucht, die Konkurrenten dar-
auf aufmerksam zu machen, dass eine möglichst baldige Ab-
holung ihrer Arbeiten aus dem Ausstellungslokal im Interesse
derselben erwünscht ist.
Monat»- Aufgaben für des Arohitekton- Verein zu Berlin.
Zum 3. August 1872.
I. Für ein gross«»« Wohnzimmer ist ein Tapetenmuster mit
höchstens 4 Farben zur Stückbreite von 0,50 m passend zu ent-
werfen. Verlangt wird eine Ansicht in natürlicher Grösse und
in Farben soweit ausgeführt, dass die Wiederkehr des Musters
zu erkennen ist.
II. Am Ende eines Bahnhofes befindet sich ein Chaussce-
Uebergang im Niveau; derselbe soll durch eine Ueberführung
ersetzt werden. Es sind 3 Geleise zu überbrücken, die je eine
Entfernung von G m von Mitte zu Mitte haben. Bio Chaussee
soll auf der Ueberführung eine Fahrbahn von 5™ Breite und 2
Fusswege von je 1 ,5 m Breite erhalten. Es ist dazu ein Entwurf
unter möglichster Einschränkung der Konstruktionshöhe zu
fertigen.
Alle wichtigen Maasse, Ana ahmen und Rechnungsresultate
sind in den Zeichnungen an geeigneter Stelle einzutragen.
Personal • Nachrichten.
Preussen.
Ernannt: Der Ober -Bau -Inspektor Cuno zu Düsseldorf
zum Regierung»- und Baurath daselbst. Die Kreisbaumeister
Grün zu Stallupönen und Noering zu Tilsit zu Bau-Inspek-
toren. Der Baumeister Krone zu Bitburg zum Krcisbaumeister
daselbst.
Versetzt: Der Bau-Inspektor Pavelt zu Kiel nach Frank-
furt a-/M.
Dem stadtischen Baurath Licht zu Dan zig und dem stän-
dischen Baumeister von Schuckmann zu Stralsund ist der
Charakter als Baurath verliehen worden.
Die Bauführer-Prüfung haben am 24-, 25. und 2t>. Juni er.
abgelegt: Johann Peter Albert aus Hamburg, Eduard Happe
aus Bromberg, Paul Carl Adolph Donath aus Uausburg bei
Soldau, Justus Conring aus Emden.
Die Baumeister-Prüfung haben am 2G. und 29. Juni er.
bestanden: die Bauführer Engelbert Hegemann aus Münster,
Edmund Hilgers aus Cleve, Otto Sarrazin aus Bocholt,
Kricschc aus Stettin, Gustav Heinric hsen aus Rcichen-
bach VScul.
Brief- und Fragekasten.
Wir bitten die Fachgenossen, deren in letzter Zeit einge-
sandte Fragen unbeantwortet geblieben sind, dies freundlichst
I dadurch entschuldigen zu wollen, dass die Redaktion augenblick-
lich ziemlich stark in Anspruch genommen, mehre Personen,
an welche sie Bich behufs Beantwortung einzelner Fragen ge-
wendet hatte, aber verreist sind. Das Vcrsäumniss wird in kur-
zer Zeit nachgeholt werden.
Beiträge mit Dank erhalten von den Hrn. D. in New- York.
St. in Teplitz, St- in Lauban.
; toa Carl B««IU» la
Utbradtr Ki.a.rl lo Barita.
Digitized by Google
Jahrg. VI. M 28.
DEUTSCHE BAUZEITUNG
Organ des Verbandes
deutscher Architekten - und Ingenieur-Vereine.
Redakteur X. E. 0. Fritioh.
RfUHnn Brpa4iU«a:
»«IIa, Orta«*n.tr*»« 101.
Xn.cra.ta
fcr tk lern *n 4».urkf s
IM »p. pw
Preis 1 Tkaler pr« «aartal.
Berlin, den 11. Juli 1872.
Erscheint Jeden laanentag.
Inhalt: I». Koakurrwt Mr Kataarf« «Hin Hirn <l.a dcuuchen l:
lagc ( PortaeUnog. ) - Dl* H*«tauriraag da. Thurm*, der kathall.chcn HoY
kircfcc iu Dreadea. — Da» aaiarbllchc Vorbild d*» lina'inun'.cheri KincoCnia, der
ArchltcktcaVcriln >a Berlin. - Vermi.rhte.: 8cklcn.ni mit Jarauaie-KJap-
pcn. — Koiikurrcn.cn Pretrauinchrelben der Wiener Ünlon-Bau-Gncllnchan.
— Die Batachcldung der Konkurrent lur Kntararr* ru einem Bankgeti.tnli tu
Frankfurt a. M.
•
Die Konkurrenz fär Entwürfe xuni Hause de» Deutschen
Die letzte, der Zahl nach grösste Gruppe von Entwürfen,
deren Besprechung uns nunmehr noch obliegt — die Ge-
saumitheit derjenigen Arbeiten, hei denen, trotz einer auf
äusseren Effekt berechneten Uebertreilmng in der Wahl der
architektonischen Mittel anerkannt werden muss, das» dem
Sitzungssaal des Reichstags ein entsprechender Ausdruck iu
der äusseren Erscheinung des Gebäudes geworden ist —
umfasst bei den vielen Variationen, die für jedes der beiden
obengenannten Moment« möglich waren, selbstverständlich
die heterogensten Werke.
Vorab zu nennen sind hier diejenigen Entwürfe, bei
welchen der Sitzungssaal in Form eines doininirendeu Kup-
pelbaues aus der Baumasse sich erhebt. Es ist dies eine an
sich naheliegende und sicher berechtigte Lösung, die in nicht
wenigen der von uns bereits gewürdigten, und unter diesen
gerade in den hervorragendsten Arbeiten versucht ist. Der
Unterschied zwischen jenen und den noch zu besprechenden
liegt nur darin, dass das Verhältniss des Kuppclaufhaues zu
dem Gebäude an sich und zu dem Inueren des Saales dort
noch ein mehr oder weniger harnionisches war, dass die
Saalkuppel dort uoch als der Haupttheil eines grösseren
Gauzen erschien, währeud ihr hier Dimensionen gegeben
wurden , die alles Uebrigc erdrücken oder doch zum Min-
desten um so viel über das für den praktischen Zweck Er-
forderliche gesteigert worden sind, dass die organische Be-
deutung dieses Buutheils mit seiner Erscheinung in ästhe-
tischem Widerspruche steht. Wo die Grenze liegt, welche
eine solche Ueberschreitung gestattet, ist mit mathematischer
Präzision nicht anzugeben, sondern lediglich Sache persön-
licher Auffassung, und nichts liegt uns ferner als die unsrige
für unfehlbar zu halten.
Eine gewisse Berechtigung in sich selbst hat die Anord-
nung eines mächtigen Kuppelbaues über dem Sitzungssaale
in den drei Arbeiten von Orth, Benischek und Gorgo-
lewski insofern, als er hier nicht allein der dekorative Re-
präsentant des diesem Räume zukommenden Ranges ist, son-
dern in der That der ausserordentlichen Höhendimension,
welche demselben auch im Innern gegeben ist, entspricht-
Wir haben in unserer allgemeinen Erörterung ausgeführt,
dass nicht sowohl die praktischen Bedenken, unter denen
uns die der Heizbarkeit gewichtiger scheinen als die der
Akustik, sondern noch mehr die Rücksicht auf den ästhe-
tischen Charakter des Saales als eines Geschäftsraumes eine
das kleinste Broitenmaass überschreitende Höhe desselben
unthunlich machen, müssen jedoch immerhin anerkenueii,
dass uns die Konsequenz jener Arbeiten künstlerisch höher
steht als ein Effekt, bei dem ausschliesslich die unwesent-
liche Aussenform einer zu entsprechender Höhe gesteigerten
Schutzkuppel zur Erscheinung tritt.
Der Grundriss des Entwurfes von Aug. Orth in Berlin
ist von uns auf S. 212 mitgetheilt worden. Er kann als
Beispiel eines besonders reich und einheitlich entwickelten
Gruppenbaus gelten, doch zeigt eine nähere Prüfung, dxss
diese Gruppirung weniger aus dem Zwecke der Räume als
mit Rücksicht auf die Facadengestaltung erfolgt ist. Die
Anordnung der Räume, sowohl in Bezug auf möglichst prak-
tische Benutzung, wie in Bezug auf Schönheit der architek-
tonischen Disposition, wird zwar in anderen Arlreiten über-
troffen, ist aber jedenfalls uuter die gelungeneren zu rechnen.
Namentlich ist hervorzuheben, dass liei Vereinigung der wich-
tigsten Räume in dem als Hauptgeschoss ausgeprägten oberen
Stockwerke die Beleuchtung derselben eine glücklichere und
die Anwendung von Oberlicht seltener ist. als in den pa-
rallel stehenden Arbeiten; freilich ist das für den Saalum-
gang und die Logentreppen disponible Licbtquantnm eiu
nicht ganz genügendes. Als besondere Vorzüge sind auch
die Anlage des Bundesrathssaales mit seinem Vorzimmer
die für die an den Plenar- Sitzungen des Reichstages theil-
nehmenden Mitglieder desselben ein sehr passender Vereini-
gung»- und Rüekzugsort sind — sowie die Kombination des
Treppenaufganges zur Hofloge mit der Treppe zum Fest-
saale zu nennen-'
Die Gestaltung des im Grundriss kreisförmigen Sitzungs-
saales ist unter den Arbeiten, welchen überhaupt architek-
tonische Bedeutung zugebilligt werdeu kann, wohl die eigen -
thümlichstc. Da der Fussboden entsprechend den Sitzreihen
der Abgeordneten stark vertieft ist und die zum luueiiraum
gezogenen, etwas vorgekragt en Tribünen ziemlich steil an-
steigen, während die oberen Wände über einer mit Bildern
geschmückten Arkadenreihe sich wiederum einziehen, so er-
scheint das O^ieqimHl des im grössten Durchmesser etwa
41™ breiten , über 50 IU hohen Saales annähernd eiförmig.
Im Aeusseren erhebt sich die riesenhafte Fahnenstange der
Saalkuppel in der auf ausschliessliches Seitenlicht berech-
neten Version derselben sogar bis auf 10O m , in einer andern
mit direktem Oberlicht ist die Höhe des Baus auf etwa 70 m .
ermässigt. Der Saalaufbau wächst übrigens achteckig aus
der quadratischen Masse des mittleren Baukomplexes her-
vor, über einer Reihe von Roscufeustern einen mächtigen
Säulcnumgang, darüber unterhalb der stark eingezogenen
Kuppel noch eine Reihe niedriger Fenster zeigend. Jener
Mittelbau enthält über dem gleichmä-ssig durchgeheudeu
Untergeschoss ein hohes und ein niedriges Gest- hos»; bei
den mit kleinen Kuppeln gedeckten Eckpavillons fehlt das
letztere, während in den Zwischentheilen <bs Hauptgeschoss
in zwei Stockwerke zerlegt ist Wenn man davon absieht,
dass der Portikus des Vestibül -Vorbaus ausser Beziehung
zu den durchgehenden Haupt -Horizontal -Gliederungen steht
und dass die denselben mit den Seitenbauten verknüpfende
Kolonuade etwas zu kleinlich im Maasstabe ist, so kann nicht
nur ilie ganze Gruppirung des Faeadenaufbaus, sondern
ebenso die in sehr strengen Renaissanceformeu mit rund-
um! flachbogigen Ueherdeckuugcn bewirkte Detailbildung als
ausserordentlich einheitlich gerühmt werden. Die lnneu-
Architektur dünkt uns im Allgemeinen etwas zu schwer.
Weniger gelungen ist die äussere Erscheinung des Baues
in dem Entwürfe von Gorgolewski in Berlin, der Beineu
dreigeschossigen, als regelmässiges Oblong mit 4 Höfen ge-
stalteten Bau, der neben der grossen Hauptkuppel die üblichen,
gleichfalls kuppelgedeckten Eck- und Mittel - Pavillons zeigt,
in den Formen hellenischer Renaissance mit Anklängen an
tektonische Versuche gegliedert hat. Dieser tektonischeu
Richtung widerspricht es, dass die Portiken der Pavillons
durch zwei Stockwerke reichen, während sehr unangenehm
die Kleinlichkeit der nur auf das Untergeschoss bezogenen
Eingänge auffällt. Nichtsdestoweniger verdient der Entwurf
ganz cutschieden Beachtung, namentlich wegen seiner inter-
essanten Grundrisside«, in welcher der an sich durchaus
nicht unberechtigte Gedanke, den Haupteingang der Reichs-
tagsmitglieder im Süden anzunehmen, mit vielem Glück
durchgeführt ist Entsprechend sind im Norden das Vesti-
bül und der Aufgang für die Kaiserliche Loge sowie für
den Bundesrath, in der Axe der Langfronten diejenigen für
41« Logen angeordnet Ueber dem SQdvestibül in guter
Verbindung mit der Haupttreppe liegt der Festsaal, im Osten
und Westen durch je ein grosses Foyer mit dem achteckigen
Digitized by Google
226 —
Sitzungssaal!' vorbanden die Restauration and der Lesesaal.
Leider sind die Geschäftszimmer auch hier zu weit vom
Sitzungssaal entlegen. — Aehnlieli ist im Aeusseren der
zweigeschossige Bau von Beuischok in Wien angelegt,
dessen Architektur recht gute Verhältnisse aufweist, wäh-
rend der akademisch, aber nicht eben schön durchgebildete
Grundriss vielfach an praktischen Unzuträgliohkeiton leidet;
die Treppen zu den Zuhörer -Tribünen des an Höhe dem
Orth'scnen wenig nachgebenden Saales, die in beiden F.nt-
würfeu io zwei Rängen angeordnet sind, haben hier wohl
die kleinsten nnd unwürdigsten Abmessungen erhalten.
Unter den vielen Entwürfen, Ihm deneu die imposante
Gestaltung des Knppelanfbaus über dem Saale lediglich eine
dekorative Ausbildung der über dem Oberlichte desselben
errichteten Schntzkuppel ist, steht in BetrefT dieses wich-
tigsten Momentes die Arbeit von Weinbrenner in Mann-
heim am Höchsten. Der achteckige von vier kleineu Eck-
baldachinen begleitete Kuppelbau, der sich über dem mit
gerader Decke geschlossenen, als Quadrat mit abgestumpften
Ecken gestalteten Sitzungssaalo erhebt, ist nämlich nach allen
Seiten geöffnet und prägt sich daher auch im Aeusseren als
ein lediglich den Zwecken monumentaler Repräsentation ge-
widmeter Bautheil aus. Der streng symmetrische Grundriss
zeigt einen Mittelhau, ans dem nach "Westen wie Osten je
drei Flügel entspringen, die in der Mitte ihrer Tiefe durch
Hallen verbunden sind. Sowohl in praktischer wie architek-
tonischer Beziehung würde die Entwicklung desselben eine
der anziehendsten unter sämratlichen Entwürfen sein, wenn
nicht dagegen der Umstand, dass fast alle Korridore im
Innern der Flügel liegen, also auf sekundäre oder künst-
liche Beleuchtung angewiesen sind, so schwer ins Gewicht
fiele, dass ein näheres Eingehen auf die Arbeit überhaupt
nicht lohnt. Es ist dies um so sc hmerzlicher zu bedanern,
als ebenso die architektonische Ausbildung der zweigeschos-
sigen Faeaden und der Innenräume — in Reuaissauceformen,
welche etwas an das Barocke streifen, bewirkt — nach Ge-
sammt -Verhältnissen und Einzelheiten bekunden, dass die
künstlerische Gestaltungskraft des Verfassers ihn befähigt
hätte, unter den Ersten um den Treis zu ringen, wenn er
nicht einem ebenso unglücklichen wie unbegreiflichen Miss-
griffe verfallen wäre.
Eiu ahnliches Bedauern hat in uns der Entwurf von
Coustautin Lipsius in Leipzig erweckt, dessen Grundriss
wir auf Seite 211! publizirt haben. Wie in dem Ortb'schen
Plaue liegt der Disposition desselben der Gedanke eines ein-
• heitlich gestalteten Grunpenbaus zu Grunde, aber die Lösung
ist hier ungleich organischer, da die einzelnen Glieder des
Baukörpers nicht blos mit Rücksicht auf den äusseren Effekt,
sondern zugleich mit Rücksicht auf ihre Bestimmung grup-
pirt worden sind. Wir finden hier die schon in dem Nisle-
sehen Entwürfe erwähnte Theiluug in einen Mittelbau, der
den Sitzungssaal und die im Zusammenhange mit diesem
benutzten Räumlichkeiten enthält, und in zwei Seitenflügel,
in denen einmal die beiden grösseren Dienstwohnungen und
die Festräume, andererseits die Fraktion»-, Abtheilungs- und
Kommissionssäle liegen. Im äusseren Aufbau erscheint das
Gebäude im Wesentlichen als zweigeschossig, nur im Zen-
trum der Gruppe hebt sich der von vier Eektlinrmen ge-
säumte quadratische Saalhan um das Logen-Stockwerk, aus
diesem endlich über dem inneren Saalrauine die achteckige,
mit schlanken Lichtöffnungen durchbrochene Kuppel empor.
So wenig wir behaupten wollen, dass die Entwickebing des
Grundrisses vollkommen gelöst, namentlich, dass die Beleuch-
tung eine überall zureichende, die Form und der Zusammen-
hang der Räume überall glückliche seien, so dünkt uns doch
der hier angebahnte Versuch als einer der heaohtenswerthe-
sten, die in der Konkurrenz überhaupt vorliegen, und möchten
wir glauben, dass eine Gruppirung der Räume in diesem
Sinne nicht allein praktisch sehr verwendbar. Mindern auch
besser als jede andere geeignet ist, für die aussen' Erschei-
nung des Gebäudes eigenartige und charakteristische Mo-
mente zu gewinnen. In erster Beziehung wollen wir nur
auf die Anordnung des buudesräthlichen Etablissements, die
wir im Prinzip für die beste der vorhandenen Lösungen hal-
ten, sowie auf den Vorzug aufmerksam machen, dass zu
allen übrigen Haupttheilen des Hauses neben den von Aussen
sich öffnenden Aufgängen ein zweites System von Verbin-
dungen aus den beiden, zu Durchfahrten gestalteten Höfen
in beiiuemer Weise emporführt. Was das Zweite betrifft, so
sind die Hauptmassen des Baues in dem Entwürfe des Ver-
fassers in der That zu einer einheitlich , grossartig und ori-
ginell wirkenden Gruppe zusammengestimmt, in der der
Kiippelauf bau übrigens ein immerhin so massiges Ueber-
gewicht behauptet, dass hierin eine Übertreibung noch nicht
gefunden zu werden brauchte. Diese Uebertreibung liegt
vielmehr lediglich in der Detail -Ausbildung, vorzugsweise
aber in dem plastischen Schmucke der Architektur, die zu
der künstlerischen Reife der Grundidee im unerquicklich-
sten Gegensatze stehen und welche — da sie deu Beschauern
zunächst ins Auge fallen mussten — Veranlassung gewesen
sind, dass die Meisten derselben von jedem Kingehen auf
die Arlieit abgeschreckt wordpn sind. Bei stark barocken
Details sind die Verhältnisse der Architektur fast durchweg
unschön, namentlich das Hauptgeschoss viel zu gereckt, der
Maasstab ungleichartig, jedoch meist zu gross. Wahrhaft un-
geheuerlich erscheint in dieser Beziehung die Entwickelang
der Eckthürme des Saalbaus und ihre Bekrönnng mit Adlern.
Um sehr Vieles besser, obgleich ebenfalls etwas gesucht und
barock, ist die architektonische Gestaltung des Inneren.
Bei dem Entwürfe von Ehe & Benda in Berlin ist der
künstlerische Misserfolg des in mehr als einer Hinsicht ver-
dienstvollen Werkes durch die unglückliche Anwendung eines
Motivs herbeigeführt worden, das wir als an sich für durch-
aus berechtigt bei Besprechung einer anderen Arbeit bereits
anerkannt haben, der Anbringung offener Hallen an der
Facade, iu denen Gelegenheit zur Anbringung reichen Bilder-
schmucks geschaffen ist. Die Hallen umziehen hier in Form
von 7* breiten Arkaden, die auch uoter den auf allen
vier Seiten kräftig vorspringenden Mitteilmuten durchgehen,
das ganze, als einfaches Oblong mit i grossen symmetrischen
Höfen gestaltete Gebäude. Der Grundriss des oberen Haupt-
geschosses ist von einfacher Klarheit und in einigen Haupt-
momenten, namentlich in der Anordnung des Komplexes von
Fest- und Vorsaal resp. Itestauration und Lesesaal, welche
das imposante Treppenhaus einschliessen, sowie in der Aus-
bildung der Hauptkorridore, welche als künstlerisch gestal-
tete Gallcricn die beiden Höfe umgeben, unleugbar von an-
ziehender Schönheit; sein Fehler ist nur die allzu grosse
Zerstreutheit und Entlegenheit der Zimmer des Buudcsrathes.
Dagegen konnte die Anordnung des Mozxauius und Erd-
geschosses, in welchen die Anbringung von Fenstern der
äusseren Halle wegen sehr beschränkt, zum Theil sogar ganz
unthunlich war, nicht anders als im höchsten Grade un-
erfreulich sich gestalten und musste zu der des lichten und
hohen Obergeschosses in einen künstlerisch nicht zu bewäl-
tigenden Konflikt treten. Umgekehrt wird durch
Hallen die äussere Erscheinung des Obergeschosses, da
ihnen für jeden nicht ganz entfernten Standpunk
weniger verdeckt wird, derart beeinträchtigt, dass die Künstler
wohlweislich vorgezogen haben, statt der verlaugten Perspek-
tive eine über Eck gesehene geometrische Ansicht zu liefern.
Das Festhalten an ei i so ungünstigen Motive lässt sich
wohl nur dadurch erklären, dass die Zeit zu kurz war, um
das bereits über ein gewisses Stadium geförderte Projekt
neu zu beginnen. Die Gruppirung des oberen Theils der
Baumasse, aus welcher die mit einer luftigen Laterne ge-
krönte, für den lnnenranra allzu massive Kuppel als eiu
Sechszehnseit hervortritt, sowie die Detailgestaltung der
Architektur in einer auf die reichste Anwendung des Terra-
kottenbaues berechneten edlen uud feinen Renaissance ist
fast durchweg sehr gelungen.
Albin Zumpe in Zwickau hat seinem Grundrisse die
Form eines gedrungenen X gegeben. In dem nach dem
Königsplatze gekehrten kurzen Arm liegt im oberen Ge-
schosse der achteckige Sitzungssaal mit seinen Nebenräumen,
in der Axe des durch acht kleine Höfe getheilten Langbaus
der Festsaal, seitlich Wohnungen resp. Abtheilungssäle. Die
Anordnung der Räume ist nicht frei von Irrthüinem, die
Losung jedoch durchaus originell und interessant; zn be-
merken ist uamentlich die Anlage der Logentreppen in der
Seite des Vorderbaus, sowie die Anordnung des \orzimmers
zur kaiserlicheu Loge, das ebensowohl mit dem Festsaale
wie mit der Loge in Verbindung steht. Das Aeussere, das
durch die wahrhaft kolossale, mit vier stark vorspringenden
Ecken und einer Laterne versehene Kuppel beherrscht wird,
hat thejlweise ziemlich unschöne Verhältnisse uud sehr ba-
rocke Details, entbehrt jedoch andererseits nicht origineller
Gedanken und zeigt künstlerische Gewandtheit. Die Gestal-
tung des Inneren ist ihm nicht ganz ebenbürtig.
Interessant durch origiuelle Auffassung und bemerkens-
wert)! durch eine sehr gewissenhafte Durcharbeitung ist auch
der Entwurf von A. Pieper in Dresdeu, der in den Formen
deutscher Renaissance, jedoch augenscheinlich in der Auf-
fassung eines in gothischer Schule gebildeten Architekten
kompouirt ist. Der Grundriss zeigt zwei breite Eckbauten,
zwischen denen der deu Saal enthaltende Mittelbau derartig
eingefügt ist, dass sich hinter demselben ein einspringender
Hof ergiebt. Ein Hauptvorsaal vor dem Sitzungssaal fehlt,
vielmehr ist der letztere, dereine eigentümliche auf zwei Sei-
ten durch Segmeutbögen begrenzte Grundform erhalten hat,
Digitized by Google
227 —
ringsum von Foyers umgelien. Di»» Lösung ist weder prak-
tisch noch künstlerisch ganz geglückt, jedoch im Allgemeinen
klar. Der zweigeschossige Atissenbau mit einem ausgebil-
telen Mansardedach ist durch zahlreiche, mit Hauhendächern
bekrönte Pavillons reich belebt; die Hnnptkiippel über dem
in massiger Höhe geschlossenen Sitzungssaal zeigt sehr be-
deutende Dimensionen. Bemerkenswerth ist das Streben des
Verfassers, im Inneren möglichst viele Räume mit gewölbten
Decken zu versehen.
Bei dem von Durm & Lang in Carlsrnhe projektirten
Gebäude schliesst der mächtige Aufbau über dem Sitzungs-
saale mit einem vierseitigen Bogendachc. Abgesehen davon,
das» die Konstruktion dies«« Auf baus, von dessen vier Wänden
zwei frei über dem Saale schweben, im hohen Grade be-
denklich ist, steht die massige Erscheinung desselben zu
den feinen und zierlichen Renaissanceformen , in denen das
Gebäude gegliedert ist, in befremdlichem Widerspruch. In
der Grundrisslösung hat die Entwickelung eines grossartigeu
Axensystems, die Ausbildung ausgedehnter Vorräume und
schöner Höfe die praktische Brauchbarkeit der Anlage leider
stark beeinträchtigt. Ebenso ist die Anordnung der Korn-
munikationen um den Sitzungssaal dadurch eine nichts we-
niger als bequeme und glückliche geworden, dass die Zu-
gänge zu demselben nicht in das Niveau eines der beiden
Geschosse, sondern in die Höhe eines dazwischen eingescho-
benen Mezzanins verlegt sind. Das interessanteste uud mit
besonderer Vorliebe behandelte Grundrissmotiv ist die An-
lage der Festlokalität im ersten Stockwerke der Vorderfront,
die an Grossartigkeit mit der des Strack -Herrmann'schen
Entwurfes welteifert.
Der Bau von W. Hamann in Heilbronn, entworfen in
den Detailformen französischer Renaissance, zeigt zwischen
dem Erdgesehoss und dem obersten Stockwerke ein im Aeus-
seren ausgeprägtes Mezzanin, das im Innern jedoch nur wenn?
zur selbststäudigen Geltung gelangt. Die Eck- und Mittel-
pavillons haben steile Haubendächer, die Schutzkuppel über
dem niedrig mit einem grossen Olierlicht schliessenden Saale
hat Höhendimensionon erhalten, die es gestatten, sie als
Kunpelthnrm zn bezeichnen. In dem ziemlich klaren, jedoch
nicht gerade hervorragenden Grundrisse ist die Anlage dop-
pelter, symmetrisch liegender Eingänge zum Sitzungssaale,
wie sie ähnlich in der Arbeit Tiede's versucht ist, bemer-
kenswert«.
in
iswerth. — Aehnliche Höhenverhältnisse hat die Kuppel
den Entwürfei] von F. Hödl in Wien und Friebus &
Lange in Berlin, die beide als zweigeschossige Renaissance-
bauten erscheinen, erhalten. Bei ersterem liegt der kreisför-
mige, mit sehr Indien, durch eine Säulenstellung geöffneten
Logen versehene Sitzungssaal im oberen Stockwerke, zu dem
eine völlig frei vorgelagerte breite Treppe emporführt. Bei
letzterem ist der im Grundriss achteckige Sitzungssaal im
Erdgesehoss angenommen; der Kuppelanfbaii ist eine getreue
Nachbildung eines der Gensdarmenmarktsthürme iu vergrös-
seitem Maasstabe, ebenso verräth die innere Perspektive des
Festsaals ziemlich deutlich ein bestimmtes Vorbild.
Als Entwürfe in Renaissanceformen, bei denen der
Sitzungssaal mit einer mächtigen Kuppel bedeckt erscheint,
sind ferner noch zu erwähnen die unvollendete Skizze von
Daniel in Güstrow, ein zweigeschossiger Bau in der nor-
dischen Auffassung des Stils mit sehr steiler Form der aebt-
seitigen Kuppel — der Entwurf des Holländers C. Muycken,
eine quadratische Anlage, die in der (Jucraxe mit zwei run-
den, im Aufbau jedoch horizontal allgeschlossenen Pavillons
— Restauration und Festsaal — endigt, — die Arbeiten von
Fuchs in Boppard und H. Weber in Leipzig, von denen
der erste seine Seitenflügel mit Tempelgiebeln krönt und im
Innern Ueberwölbung durchzuführen versucht, der zweite eine
grosse Freitreppen -Anlage vor dem Mittel- Portikus annimmt
— endlich das Projekt von Eggers in Bremen, der bei sehr
komplizirter und ziemlich unklarer Entwickelung des Grund-
risses seinen Fa^aden -Aufbau aus einer Anzahl deutlich er-
kennbarer Motive ScliinkePKcher Monumente zusammengesetzt
hat nnd die Nikolaikirche in Potsdam mit dem Mnseum und
dem Schauspielhanse zu vereinigen bemüht war.
Interessanter sind mehre, an den bekannten Herrenhaus-
Entwurf Fr. Schmidts in Wien ankliugeude Arbeiten, bei
denen die Gestaltung des Koppelaufhaues über dem Sitznngs-
saale in gothischen Formen versucht ist.
In dem einen derselben, von Arnold Guide np fennig
in Paderborn, ist der achteckige, von doppelten Umgängen
umgebene Saal in das Zentrum eines grossen quadratischen
Innenraums gelegt, der durch zwei breite Seitenflügel, die
an den Langfronten durch schmalere Trakte verknüpft sind,
gebildet und durch die Verbindiingsbauten des Saales mit
den Flügeln in vier kleinen- Höfe getheilt wird. Die Arbeit
iBt in allen Theilen mit grosser Sorgfall und Gewissenhaf-
tigkeit durchgearbeitet, beweist jedoch, dass der Verfasser,
wie so viele andere, mit den praktischen Bedingungen der
Aufgabe leider nicht genügend vertraut war. Das Aeusscre
des zweigeschossigen Baues zeigt eine sehr korrekte und
tüchtige gothische Profan -Architektur und würde, ohne die
hinter den Fronten aufragende, von Eckth firmchen begleitete
Kuppel, die über der horizontalen Holzdecke des mit hohem
Seitenlicht erleuchteten Saales errichtet ist, treffliche Motive
für ein deutsches Rathhaus abgeben.
Der andere Entwurf von E. Steindl in Pest, der un-
verkennbar die Schmidt'sche Schule verräth uud an dem
der ausserordentliche Fleiss der Durcharbeitung nicht minder
zu rühmen ist, hat den im oberen Geschwss belegenen scehs-
zchnseitigen Sitzungssaal mehr nach der Ostfront verlegt, um
vor demselben Raum zur Entwickelung einer grossartigeu
Treii|ieii - Anlage zu gewinnen. Der Grundriss ist, von den
praktischen Schwächen abgesehen, auch nicht ganz so klar
wie zu wünschen ist, enthält jedoch einzelne recht originelle
Motive. Die Facaden, aus Backsteinflächen mit Wertstem -
Details hergestellt gedacht, sind ihrem Grundsysteme nach
ausserordentlich einfach und maassvoll und vermeiden ge-
flissentlich jede überflüssige Vertikaltheilung; leider wird die
gute Wirkung derselben dadurch beeinträchtigt, dass die Eck-
und Mittelpavillons mit steileu Zeltdächern der kolossalsten
Dimension gekrönt sind. Ebenso ins Maasslose gesteigert
sind die Dimensionen der Schutzkuppel, die über dem mit
einem Sterngewölbe geschlossenen, durch Seitenlicht erleuch-
teten Sitzungssaal aufgethürmt ist. Die architektonische
Ausbildung des luneren ist harmonischer nnd besser; ein-
zelne Partien, namentlich die Ausbildung der Bibliothek, sind
von hohem künstlerischen Reize.
Nicht zu vergleichen mit diesen beiden, wenn auch nicht
gelungenen, so doch durchaus lieachtenswcrthen Arbeiten
sind zwei andere gothische Kuppelbauten von F. A. W to-
ttrat in Bruuiisehweig — im Grundriss durch viele Irr-
thütner beeinträchtigt (beispielsweise ist der Zugang der Ali-
geordneten im Norden, also dem Brandenburger Thor ent-
gegengesetzt angenommen), in der Facade eine unerfreuliche
Mischung gothischer und romanischer Motive — und von
Grell in Schwerin, letzterer erst in flüchtiger Anlage
Wir sehliossen an diese Kuppelbauten zunächst zwei
Entwürfe an, in denen der Sitzungssaal als ein horizontal
geschlossener viereckiger Aufbau mit Eckthürmen hochge-
führt ist. Bei der Arbeit von C. Luckow in Schwerin ist
dieser Aufbau, soweit er zur Erscheinung tritt, ganz deko-
rativ behandelt, da die Verbindung der betreffenden, mit
kleinen Kuppeln gedeckten Eckthürme durch offene Galle-
rien bewirkt ist. Ihr sehr reich entwickelte Grundriss dieses
in Renaissanceformen, mit Hervorhebung grosser Rundbögen
ausgebildeten Entwurfs zeigt ein nicht uninteressantes Haupt-
motiv; dem schmalen Hauptkörper, der im ersten Stock den
etwas zu isolirten Sitzungssaal und die Geschäftsräume ent-
hält, ist nämlich ein J. formiger Bau vorgelegt, in dem unten
die Vestibül -Anlage und die ßüreaus, oben die Präsidial-
Wohnung mit dem Festsaale angeordnet sind. Wuttke «&
Enders in Berlin haben dagegen einen geschlossenen, regel-
mässigen Bau mit vier symmetrischen Höfen angenommen.
Die Hauptidee des Grundrisses ist einfach und klar. In
dem sehr breiten Mitteltrakte liegen vor dem oblongen, mit
gerader Decke geschlossenen Saale, iu dem der Präsident
seinen Sitz auffälliger Weise an der Schmalseite haben soll,
die Vestibül- und Vorsaal- Anlagen, hinter demselben Lese-
saal und Restauration. Diu Axeu der Seiten fronteu nehmen
den Bundesrath- und Festsaal, die Eckpavillons die beiden
grossen Fraktionssäle, die Kibliothek und die Treppe zur
Präsidentenwohnung ein. Leider entspricht die Durcharbei-
tung nicht dieser Klarheit, so dass der Grundriss nichts we-
niger als gelungen genannt werden kann. Anstatt auf eine
möglichst vollkommene Entwickelung desselben haben diu
Verfasser ihre Sorgfalt auf eine eingehende, durch mehre
farbige Dekorationsblätter erläuterte Darstellung der einzel-
nen Decken gerichtet. Auch die iu einer hellenisches Detail
zeigenden, aber möglichst prunkvollen Renaissance ausgebil-
deten, in drei Geschosse zerlegten Fucaden, mit ihren deko-
rativen Gallerieu und in ihrer ziemlich rohen polychromen
Behandlung, haben uns ein höheres künstlerisches Interesse
zu erweckeu nicht vermocht Die Eckpavillons sind mit
kleinen Kuppeln geschlossen, deren Konstruktion über den
geraden Decken der darunter liegenden Räume znm Minde-
sten gekünstelt sein müsste; das Dach des Saales, das hier
bis zur Höhe des Aufbaus geführt ist, tritt nicht znr Er-
scheinung.
Völlig vereinzelt und seibstständig steht der Entwurf
des Seniors uuter den Konkurrenten, G. A. Demmler's in
Digitized by Google
— 228 —
Schwerin da, der den Sitzungssaal in die Höhe des zweiten
Stockwerks verlegt bat. Der Saal und die mit ihm gemein-
schaftlich benutzten, ihn in zwei Geschossen umgebenden
Nebenräume sind in einen quadratischen Bau zusammen-
gefasst, der Susserl ich als ein auf drei Seiten mit Giebeln
geschmückter korinthischer Peripternl -Tempel erscheint. In
zwei Seitenflügeln, die unterhall) dieses Tempel -Auf baus mit
flachen Dächern abschliessen , liegen einerseits die Abthei-
lungs- etc. Säle nnd die Bibliothek, andererseits die Dienst-
wohnungen mit «lern durch die ganze Höhe des Unterhaus
reichenden Festsaale nnd die Bureaus. An der Vorder-
front aber führt eine mit Statuen geschmückte halbkreis-
förmige Rampe kolossalster Dimension, die das im Maasstab
um ein Mehrfaches gesteigerte Brunnen -Monument Schinkels
mit der Borussia- resp. Germauia-Figur umschliesst, bis zur
Höhe des Saalbaues empor. — Man wird der Originalität
und phantastischen Kühnheit dieser Idee ein gewisses Inter-
esse nicht versagen können, ohne das Erstannen zu ver-
hehlen, dass sie einem für die Ausführung gedachten Ent-
würfe zu Grunde gelegt werden konnte. Das» die Mitglieder
des Reichstages eine Höhe von mindestens 12 1 *, sei es auf
einer offenen Rampe zu Wagen, »ei es auf den inneren
Treppen zu Fuss ersteigen sollen, nm zn ihrem Saale zn
gelangen, während das Logenpubliknm sogar die volle Höhe
eines vierstöckigen Wohnhauses zu erklettern hat, ist doch
wohl im Ernst nicht vorzuschlagen. Aber abgesehen hier-
von musste die Anordnung der Räume, die unterhalb des
oberen Tempelbaus liegen, trotz der grossen Durchfahrt,
welche diesen Unterbau durchsehneidet, selbstverständlich
eine so unerfreuliche, der Gegensat* zwischen ihnen und den
auf ihre Kosten emporgehobenen Räumen ein so grosser sein,
das« von einer gesunden organischen Lösung der Aufgabe
hier noch weniger die Rede sein kann, als in mehren Ent-
würfen, bei denen lediglich das obere Hauptgeschoss die
Anordnung und Beleuchtung der unteren Räume beeinträch-
tigt. Denn das Wesen eines gesunden Organismus, wie wir
ihn für das Repräsentanten-Haus des deutschen Staatswesens
als unentbehrlich erachten, setzt eben Gesundheit und ein
harmonisches Verhältniss aller einzelnen T heile voraus,
während eine einseitige Hervorhebung und Auszeichnung der
Hanpttheile, die auf Kosten anderer Glieder erfolgt und
auf die Unterdrückung derselben sich stützt — sit venia verbo
— etwas vom Wesen des asiatischen Despotenstaates an sich
trägt.
Ebensowenig können wir den im hohen Grade skizzen-
haften Entwurf von Richard Schnitze in Cairo mit anderen
znsammenreihen. Der von einer deppelten Zone von Foyer
und Sprechzimmern umgebene halbkreisförmige Saal, zu dem
eine sehr aufwandvoll entwickelte Treppen -Anlage fuhrt,
mit seiner Rundung in der Hinterfront vor, während
ade Vorderfront von zwei Treppenthürmen flankirt
Die Höhenabmessungen wetteifern mit den extremsten
Beispielen.
Dominirte in allen bisher besprochenen Arbeiten dieser
Gruppe ausschliesslich der Aufbau des Sitzungssaales, so
tritt derselbe in einer Anzahl anderer Entwürfe vor dem
dekorativen Beiwerke, mit dem die Facadeu sonst noch ge-
schmückt sind, zurück; es ähneln dieselben daher mehr
oder weniger jenen Lösuugen, die wir in der vorhergehenden
Abtheiluug zusammen gefasst hatten, und sie klingen, wie
jene an bestimmte bauliche Typen au.
So erinnern die Arbeiten von Lange & Rühlmann in
München und F. Fingerling in Berlin, die ihren halbkreis-
förmigen Saal als einen in der Front vorspringenden Rund-
bau zur Erscheinung gebracht haben, während als Haupt-
motiv des Aussenbaus ein über dem Vestibül errichteter
Kuppelthurm sich geltend macht, wiederum unverkennbar
un amerikanische Kapitolbauten. Der prinzipielle Grund-
fehler, der dieser Auffassung zu Grunde liegt, ist namentlich
bei der ersteren zu bedauern, da dieselbe im Uebrigen eine
/.war etwas zu sehr akademische aber doch höchst einheit-
liche und bemerkenswertbe Lösung zeigt. Der von zwei vor-
springenden Seiteuflügeln geschlossene schmale Hauptkörper,
;ms welchem vorn ein Vestibül-, hinten der Saalbau heraus-
tritt , ist im Inneren durch vier schmale symmetrische Höfe
getheilt. zwischen denen in der (/tteraxe seitlich des zen-
tralen Vorsaals nördlich die Restauration, südlich eine irnpn-
sante Treppenaulage für den im Südflügel liegenden Festsaal
sich befindet- Hie architektonische Ausbildung in feinen,
durch die französische Schule beeinflussten Renaissanceformen
ist im Inneren, wo vorzugsweise der kuppelgekrönte Vorsaal
ein prachtvoll gestalteter Raum ist, glücklicher als im Aeiisse-
ren, wo zwar die Silhouette des zweigeschossigen Baues sehr
schön abgestimmt i«t, das System der Langfronten aber
doch zu nüchtern wirkt. — Auch der Fingerling sehe
Entwurf, der in sehr viel höherem Grade auf den Effekt
hingearbeitet ist, bietet viele ganz interessante Momente.
Der Rundbau des Saals wird hier durch eine Kolonnade mit
den vorspringenden Seitenflügeln verknüpft, die äussere Zone
derselben enthält im oberen Stockwerke das Foyer, im Erd-
geschoss die Restauration, was freilich etwas auffällig an
Theater - Typen erinnert. Neben der durch bekannte Vor-
bilder sehr stark beeinflussten Hauptkuppel auf dein Vorsaal
erheben sich kleinere Kuppeln an den vier Ecken des drei-
geschossigen Gebäudes, über der Bibliothek, dem Festsaal
und zwei Abtheilungssälen. Freitreppen führen in der Vorder-
front zu den Portiken der Eckeingänge und des Mittelportals
empor. Die einzelneu Schwächen der Grandrisslösung wol-
len wir hier nicht näher erörtern; die architektonische Be-
handlung der Facaden ist eine ganz gewandte, wenn auch
eben vorzugsweise dekorative. Der Eindruck des Ganzen
ist jedenfalls nicht würdevoll und ruhig genug, der Maasstab
in einzelnen Theileu, z. B. der- Kolonnade und den Portiken,
ein viel zu kleiner.
Zahlreicher sind die Entwürfe, welche sich an den Rath-
haus-Typus anschliessen. Die Arbeit von John Toner in
London, ein dreigeschossiger gothischer Ban mit einem sehr
grossen Uhrthnnn und vielen kleineren Thürinen, aus dem
sich der oblonge Sitzungssaal mit einem hohen, durch einen
Dachreiter gekrönten Zeltdach hervorhebt, erinnert stark an
die englischen Parlamentshäuser, ist jedoch im Ganzen ziem-
lich nüchtern nnd im Inneren, das von kleinen Höfen und
sehr zahlreichen und langweiligen Korridoren durchsetzt ist,
ganz unausgebildet. Noch einfacher ist der Entwurf von
H. Becker in Bernburg, in welchem der Sitzungssaal als
schlichtes Vierseit mit Eckthürmcn emporgeführt, die Mitte
der Hauptfront mit einem Thurm l>ezeichnet ist; die Stil-
auffassung ist die sogenannte romanische der älteren Münche-
ner Schule.
Einer der am Reichsten und Malerischsten, freilich auch
am Willkürlichsten gestalteten Facadenbildungen liegt in dem
Plane von William Emerson in London vor, der einen
Komplex von Thürmcn geliefert hat, der dem des Scott' -
schen Entwurfes der Zahl nach noch den Vorrang abgewinnt.
Ueberlegen ist er dem letzteren sehr entschieden in der Dis-
position des Grundrisses, der die Räume in zwei Geschossen
eines oblongen, durch 4 Höfe gegliederten Baukörpers ver-
theilt, dessen Zentrum der Sitzungssaal bildet ; die Eingänge,
unter denen der für den kaiserlichen Hof besonders pracht-
voll gedacht ist, sind klar gesondert, die Anordnung und
Ausbildung der einzelnen Räume ist trotz der unvermeid-
lichen Irrtuüroer doch immerbin mit Berücksichtigung ihrer
praktischen Nutzbarkeit, mit dem ersichtlichen Streben nach
schonen, monumentalen Wirktuigcu und in einer gewissen
Harmonie erfolgt. Ebenso ist es ein Vorzug der Emerson'-
schen Arbeit, dass die in ihrer phantastischen Yielgeataltig-
keit doch sehr einheitliche Erscheinung des in den üppigen
Formen der englischen Spätgothik erfundenen Aeussern, in
dem der mit einem System von Strebepfeilern nnd Strebe-
bögen umgebene Saalanfbau mit einem offenen Thürmchen
schliesst, einen ausgeprägt profanen Charakter trägt. Hin-
gegen ist es ein Nachtheil derselben, dass der Künstler of-
fenbar keine Ahnung davon besitzt, dass man von einem
wahren Kunstwerke verlangt, dass die
nirenden Motive zu der Bedeutung der durch
neten Innenräume in einiger Beziehung stehen sollen. Liegt
eine solche in dem Scott'schen Plane wenigstens insofern
vor, als die Thürme über Treppenhäusern errichtet und in
ein gewisses System gebracht sind, so ist deren Anordnung
und Entwicklung hier lediglich nach den Bedürfnissen des
Architekturbildes erfolgt und es ist beii
Hauptthurm über einem Räume der
dirigeutcu errichtet. Dass der Sitzungssaal
gezeichnet ist, müssen wir lediglich als einen Zufall be-
trachten.
Sehr ähnlich diesem Plane , obwohl anscheinend orga-
nischer und in einer gothischen Detailbildung, der auch wir
unter allen in der Konkurrenz vertretenen gothischen Ent-
würfen deu ersten Rang einräumen müssen, erscheinen die
erst während der licrathung der Jury eingetroffenen F'acaden
eines von zwei Deutsch-Amerikanern, Paul Schulze & Paul
Schön in Newvork gelieferten Entwurfes. Grundrisse und
Durchschnitte fehlen seltsamer Weise, so dass ein weiteres
Urtheil nicht möglich ist.
Auch den Entwurf von E. Klingenberg in Oldenburg
und Berlin müssen wir hier einreihen, da er an phantasti-
scher Gestaltung des Aufbans den englischen Arbeiten Nichts
uachgiebt. Der Grundriss ist allerdings um Vieles organi-
scher und an sich nicht uninteressant disponirt, auch die
dort vermisste Auszeichnung der bedeutenden
Digitized by Google
- 229
an sieh sehr
zw ar einer
wir hier, wo der als riesiger Rundthurm eroporgeführte
Vorsaal, der Sitzungssaal, der Festsaal besondere Baugruppen
bilden, beobachtet. Wir kennen indessen, da man einem
deutschen Architekten nicht wohl verzeihen kann, was für
den Engländer als Landesbrauch entschuldbar ist, keines-
wegs behaupten, dost* der Eindruck des Entwurfes darum
befriedigender sei. Ebensowenig vermag die stilistische Be-
handlung desselben in de» auf mittelalterliche Motive über-
tragenen Details der Renaissance, die hier als willkürliche
uud äusserliche Stilvermischung erscheint, uns jenes In-
teresse einzuflössen, das wir gern jedem in modernem Geiste
und mit echter künstlerischer Kraft unternommenen Ver-
suche einer Verschmelzung jener Gegensätze, wie er sei-
nerzeit auch in dem Domentwurfe des Verfassers vorlag,
zollten.
Ein anderer, noch weniger gelungener, an
eigentümlicher Versuch der Stilvermischung, und
Kombination der Elemente altfranzösischer romanii
mit denen der Renaissance, ist in dem Entwürfe der Archi-
tekten Edward W. Godwin & Robert W. Edis in London
gegeben. Der Grundriss ist au sich unbedeutend, aber doch
immerhin überlegt Der viereckige Saal steigt als schlanke
Kuppel, neben ihr über den Eckpavillons etc. eine Anzahl
von Tbürmen mit steilen Zeltdächern empor.
Der Gipfelpnnkt phantastischer Effekthascherei wird in
den Entwürfen der beiden Engländer R. Stark Wilkinson
und J. H. Span ton erreicht, von denen wir nicht allein
mit Rücksicht auf ihre meisterhaft behandelten Milder, son-
dern nach Ausweis ihrer Arbeiten glauben annehmen zu
können, dass sie lediglich Architektur-Maler, nicht aber Ar-
chitekten sind. Beide Entwürfe sind so verwandt, dass es
scheint, als ob die Verfasser in Uebereinstimmung gearbeitet
haben. So zeigen beide das bei enclischen Gerichtshöfen
tvpische Grnndmotiv, den Saalbau inmitten des durch die
vier äusseren Flügel gebildeten grossen Hofes, in den Hanpt-
axen durch Verhindungsgänge mit jenen verknüpft — nur
dass in dem Spanton'schen Entwürfe die Vorderfront sich
öffnet und dass die Ecken des Baues mit Rücksicht anf die
darüber aufgethürmten Pagoden verstärkt sind. So hat der
Saal bei beiden dieselbe langgestreckte, auf den Schmal-
seiten bogenförmig geschlossene Grundform und dieselbe
Anordnung, wonach Präsidenten- und Redner- Tribüne auf
einer dieser Sehmalseiten, zwischen ihr nnd den Abgeord-
neten aber die erhöhte Tribüne des Bundesrathes liegen,
so dass — wie dies der Durchschnitt in der That bestätigt
— höchstens die in letzter Reihe Sitzenden etwas mehr er-
blicken würden als die Kehrseite des Bundesrathes. So
zeigen endlich bei vollständiger Vernachlässigung aller kon-
struktiven l'eberlegung beide Entwürfe dasselbe Gewirr von
Kuppeln. Thürmen. min a retartigen Schornsteinen und anderem
Beiwerk in den phantastischsten Kombinationen eines wilden
Zopfstiles, nur mit dem schon erwähnten Unterschiede, dass
in dem einen mehr das Vorbild mittelalterlicher Thnrm-
Kombinationen. in dem anderen hingegen deutlich das Vor-
bild indischer Pagodenbauten vorliegt. Der Maasstab ist in
beiden Entw ürfen auf ein Minimum herabgesunken; es kom-
Portiken mit Axen von 2"
Dem Reste der Entwürfe glauben wir eine Besprechung
ebensowenig widmen zu dürfen, wie bereits mehren, früher
erwähnten Arbeiten. Wir betrachten dieselben als Resultate
ganz individueller uud höchst absonderlicher Neignnuen. an
deren Ernst wir mit einer einzigen Ausnahme nicht zwei-
feln, die aber ihrer Grundauffassung nach M isolirt stehen
und ein so geringes künstlerisches Gestaltungs -Vermögen
zeigen, dass sie auf eine Würdigung im Interesse der Sache
nicht wohl Anspruch erheben können. Es sind die Arbeiten
von Holzen in Goslar. Lorenz Bauer in München, von
Delden in Berlin, IL von Geymüller in Paris, Scharrath
in Bielefeld und Gösling in Pyrmont.
Die Rfstaarirmg des Thirmes der
Ausgeführt von dem K. S. Laudbauincister Canzler
Der aus pirnaischem Sandstein in reiner Arbeit herge-
stellte Thurm der katholischen Hofkirche war durch Un-
bilden der Witterung an den Aussenseiten vielfach schad-
haft geworden; es zeigten sich von den Stellen aus, wo der
Thurm zugänglich war, massenhaft ausgewitterte Flächen
im Steinwerk, und die Anzeigen und Beschwerden wieder-
holten sich, dass grössere und kleinere Steinbrocken von
Architekturtheilen und Statuen herabgefallen waren, glück-
licher Weise ohne bis dahin irgend Jemand auf dem sehr
belebten Schlossplatze zu beschädigen. Die Beobachtung,
dass bei der Ausführung des oberen Theiles des Thurmes,
welche zum Theil in die Zeit des siebenjährigen Krieges
Hfl. nicht allenthalben eine glückliche Auswahl des in der
Wetterbeständigkeit äusserst verschiedenen Elbsandsteins
getroffen worden war, und dass die vielfache Anwendung
von Eisenklammem nnd Eisendübeln, verbunden mit unge-
nügender Abwässerung und Abdeckung der vortretenden
Gesimstheile, der Festigkeit des Steinwerks nachtheilig ge-
worden war, endlich die Ueberzeugung, dass in früherer
Zeit vorgenommene partielle und nicht mit grosser Sorgfalt
ausgeführte Reparaturen eher Nachtheil als Nutzen gebracht
hatten, da die hierbei neu eingesetzten Führungsstücke ver-
witterter als die älteren Bestandteile erschienen, veran-
lasste mich im Jahre 1HI>7 hei der zuständigen Behörde, dem
Ministerium des Kultus nnd öffentlichen Unterrichts eine
gründliche Instandsetzung des Thurmes und die Gewährung
der Mittel zu dieser Arbeit, sowie zu der für sie erforder-
lichen Rüstung zu beantragen.
Bevor ich znr Beschreibung der hierdurch veranlassten
Herstellungen übergehe, halte ich es für passend eine kurze
geschichtliche Notiz über dieses monumentale, im Detail
wohl nicht meisterhaft zu nennende, aber durch gute Ver-
hältnisse und durch noble Ausstattung nnd die dadurch er-
zielte Gesammtwirknng berühmt gewordene Bauwerk einzu-
schalten. Es sollen dies nur Andeutungen sein und behalte
ich mir vor, bei der beabsichtigten besonderen Veröffent-
lichung der sorgfältigst ausgemessenen, im grossen Maasstabe
aufgetragenen Grundrisse, Profile und Ansichten dieser Kirche,
für welche der statthafte Maasstab der Bauzeitung zu klein
sein und der Deutlichkeit Eintrag thun würde, genauere Be-
schreibungen und Erklärungen abzugeben.
Die Anfertigung des Planes zu dieser Kirche wurde im
Jahre 1733 von Kurfürst August II dem Architekten Gae-
tano Chiaveri aus Rom übertragen, der auch die Ausfüh-
rung der Kirche nnd des Untertheils vom Tluirme in der
Zeit von 1738—1746 geleitet hat. Im letzterwähnten Jahre.
in welchem bereits die Auflegung des Knpferdaches auf dein
Mittelschiff erfolgte, trat jedoch plötzlich ein Stillstand im
Bau ein durch das allgemein verbreitete Gerücht, dass die
kühne Wölbung über dem Mittelschiff unhaltbar sei; in
Folge dessen hörten alle Arbeiten anf und der Bau blieb
ca. drei Jahre ganz liegen. Trotz der später dargelegten
Grundlosigkeit dieses Gerüchtes hatten die erlittenen Krän-
kungen und Schmähungen Chiaveri dermaassen verletzt, dass
er 17P.1 Dresden verliess und die Ausführung des noch rück-
ständigen Thurmobertheils und des inneren Ausbaues aufgab.
Die Kirche selbst wurde im Jahre 1751 eingeweiht, trotzdem
im luneru ihm Ii Altarbild und Orgel und der reiche Kapel-
lenausbau fehlten. Der Thurmobertheil wurde sodann unter
Leitung des Uberlandbanmeister Schwarze bis 1756 durch
Aufsetzung des Thunnkrenzes vollendet und in diesem Jahre
mit der Abrüstung des Thurmes begonnen. Im Jahre 1757
stürzte bei einem Gewitter das Kreuz nebst einem darunter
befindlichen, aus Kupfer getriebenen und mit Blei ausgegossenen
Palmbaum herab und ward noch in diesem Jahre, wohl
nicht gerade zum Nachtheil, durch deu jetzigen Knopf mit
Kreuz darüber — beide in Kupfer getrieben und im Feuer
stark vergoldet, über die H Ztr. schwere eiserne Spille ge-
steckt — ersetzt. Per Knopf von beiläufig 1,32" Durchmesser
soll 10 Scheffel und % altes Dresdner Maass halten. Der
eingetretene siebenjährige Krieg und speziell die Belagerung
von Dresden, durch welche Kirche und Thurm mehrfache Be-
schädigungen erlitten, hemmten die vollständige Beendigung
des Baues, dessen wirkliches Schlussjahr auf 1772 festge-
stellt werden kann, woraus die Dauer desselben auf 34 Jahre
sich ergiebt.
Was die letzten Restaurirungsarbeiten anlangt, so waren
bereits im Jahre 1X»I'> durch Rollgerüste, angebracht auf den
das Mittelschiff der Kirche in der Höhe der Seitenschiffe
umgebenden 3 breiten sandsteinernen Stufen, die Schadhaf-
tigkeiten an den Hauptgesimsen der Kirche und der darüber
befindlichen Balustrade ergänzt, auch die Bleiahdec kung über
den vorerwähnten Stufen, welche zeither mit dem sogenann-
ten Berliner Oelzemeut überzogen und nur durch ununter-
brochene Reparaturen nothdürftig dicht zn erhalten waren,
in der früheren soliden Weise wieder erneuert worden.
Die Schadhaftigkeiten am Thurme begannen in gleicher
Höhe mit der Kirche an den Gesimsen des 2. Thurm-Stock-
werks, direkt über dem Glockenboden, nahmen nach Oben
immer mehr zu und liessen erst hei der birnenförmigen
Spitze nach, welche mit Ausnahme der 4 übereck gestellten
Rippen mit Kupfer überkleidet ist und durch
Digitized by Google
— 230 —
öfteren, mittels Fahrzeug bewerkstelligten Oelfarhenanstrich
besser konservirt war, als die übrigi-n Theile. Die Restau-
ration dieses Theiles und die Erneuerung des Oclfarbenan-
strichs war jedoch ebenfalls nfithig, sowie die Untersuchung
des Knopfes und Kreuzes in Bezug auf trsten Stand und
wegen der Beschaffenheit der Vergoldung derselben.
Für die Anbringung des ans den Zeichnungen*) deutlich
zu ersehenden fliegenden Gerüstes, welches demnach bis zur
KreuzesspiUe reichen musste, konnte der erste oder Glorken-
hoden nicht benutzt werden, da er nicht genug durchbrochen
und überdies dnreh die (»locken, welche ritualgemäss in täg-
lichen Gebrauch kommen, vollständig ausgefüllt und nicht
zugänglich war. Pas darüber befindliche Stockwerk dage-
gen, mit welchem die eigentlichen Durchsichten heginnen
und welches gegen das untere Stockwerk stark zurück-
tritt und vermöge der ringsumgehenden Steinbalustrade,
über welcher die Verbindung«- und Traghölzer einzulegen
waren, passende Höhe und Stützung für die nach Aussen
gerichteten Winkelstrehen gewahrt, erschien hierzu vorzüg-
lich geeignet und wurde deshalb als Grundlage der
•) Aiulfhl ■•<! r
»!»«e K» » vrfolirrn
ten Rüstung benutzt, während die Restaurimng der Ge-
simse, Voluten und Statuen unterhalb dieser Balustrade mit-
tels transportablen Hangerüstes, dessen Konstruktion in
Grundriss und Ansicht angegebeu ist, erfolgte.
Das besonders abgebundene, aus beschlagenem resp. ge-
trenntem Holz bestehende Gerüst beanspruchte durchaus
solide Konstruktion, da dasselbe DI Stockwerke hoch und
bis zum Thunnkreuz reichend 85" hoch über das Strassen-
pflaster aufgeführt werden musste, den im Elbthal vorherr-
schenden scharfen Ost- und Westwinden stark preisgegeben
war, zur Aufforderung schweren Steinwerks und anderer
Materialien dienen und den Arbeitern zngleich sicheren Stand
gewähren sollte. Die durchsichtige Beschaffenheit des Thurmes
gewährte günstige Gelegenheit zur Anbringung zahlreicher
innerlicher horizontaler Durchkreuzungen, wie die mit No. 1
bis 5 bezeichneten verschiedenen Rüstböden in Gmndplänen,
Profilen und Ansichten erkennen lassen, und es hat sich in
Folge dessen die Rüstuug, welche ziemlich l'.'i Jahr gestan-
den und den orkanartigen Sturm des Winters 1K67 — 186H
überstanden hat, ohne dass nur 1 Brett gelockert worden
den wäre, ganz vortrefflich bewährt.
Gerint.li*« So. 3.
1
* *
K 1
*
J( A
Bau anschliche Icrblld its
Rineofrns , der
lrnnM\rhr «frn in
Im Verfolge der Artikel über den Hoffmann'sehen Ringofen
in No. II, 12, 13 der Deutschen Bauzeitung und nachdem nun
auch die fachwissenschaftlichen Vereine de« Auslandes beginnen,
sich mit der am 9. August 1870 vom Handelsministerium ver-
fügten Aufhebung des den Herren Friedrich Hoffraann und l.icht
unter dem 27. Mai 1858 ertheilten und bis zum 27. Mai 187.1
verlängerten Patentes auf den später „Ringofen" genannten
Apparat zu beschäftigen, wird es Allen denen, welchen an Auf-
klärung in dem Dunkel dieser Patentaufhpbung gelegen ist, von
Interesse sein, eine Aufnahme des sogenannten Arnold'achen
Ofens in Fürstenwalde zu erhalten, welche nicht mit einer übel
angewendeten Phantasie für einen besonderen Zweck bearbeitet
wurde, sondern welche einfach und wahr hinstellt, was wirklich
vorhauden ist.
Fig. 1 uns 2 giebt Grundriss und Durchschnitt des Arnold'-
schen Ofens, wie solche nach einer Zeichnung des Ilm. Baumeis-
ter Paul Locff in Berlin in Dingler's polytechnischem Journal
Rand 107 publizirt sind. Fig. 3 zeigt den Grundriss dieses
Ofens wie er wirklich vorhanden ist, Fig. 4 und 5 diejenigen
Profile desselben, welche tür den vorliegenden Fall überhaupt
von Werth sein können, nach einer möglichst genauen und ge-
wissenhaften Aufmessung, welche am 11. Juni 1870 vorgenommen
wurde.
Die erste rohe Aufzeichnung des Grundrisses nach dieser
Aufnahme wurde am 12. Juni 1870 zu dem Protokolle des in
Fürstenwalde angestandenen Lokaltermins, eine spätere Aufzeich-
nung des Grundrisses und der Profile bei einem weiteren Ter-
min zu deu Akten der Preussiiichen Patent
reicht, woselbst sie zu finden sein müssen. Bei der stattge-
habten Entscheidung scheint jedoch die durch diese
Aufnahme ermittelte Thatsachc keine besondere Be-
rücksichtigung erfahren zu haben.
Die vorliegenden drei Figuren sind zum Zwecke der direk-
ten Vergleichung in demselben Maasstabe wie die nach dem Ding-
ter'scben Journal gegebene Aufnahme aufgetragen, woraus sich
auch das beibehaltene alte Maass erklärt.
Ein einziger Blick zeigt die Verschiedenheit der beiden
Grundrisse, welche eben nur die äussere Form des Siebenecks
und in den beiden Kompartimenteu 1 und 3 die Strebepfeiler
zu beiden Seiten der Tbure nebst der rechts daneben liegenden
Hcizöffnung gemein haben.
Wäre jene Aufnahme und Rekonstruirung eine richtige, so
müsste sich im Kompartiment l, welches den alten Querschnitt
des Ofens (.4 im Profile) in unveränderter Gestalt mit beiden
Seitenwftnden und dem nahezu halbkreisförmigen Gewölbe gegen-
wärtig noch zeigt, diu OcfTuuug des Rauchabzugskanals am
Boden, ungefähr gegenüber der bingangsthüre und nahe _an der
Thüre
ofen.
i
Töpfer-
Ee findet sich an diesem Punkte, dem einzigen
wo es überhaupt direkt möglich wäre, Nichts von
einem Rauc ha bz uge, trotzdem dass die Einbauten in da«
alte Werk durchaus und überall mit barmlosester llngenirtbcit
eben nur dem Zwecke entsprechend ausgeführt sind uud
»cheinlich kein Werth auf sorgfältige Ycrmauc
Digitized by Google
- 231 —
gewesener Oeffuungen und verbandmässigen Anschluss de* neuen
Mauerwerkes an Ha.-, alte gelegt worden ist.
Im Kompartiment 3 (/) im Profile) kann vermöge der nie-
drigen Ocffuung über dem dort eingebauten Schmelzofen aller-
dings wohl nachgewiesen werdeu, aas» der ursprüngliche Bau
auch hier die Form und Abmessungen wie bei dem frei zugäng-
lich erhaltenen Knnipartimuut 1 hatte, da aber der Schmelzofen
mit eigenen Wunden zwischen die alten Mauern hineingeschoben
ist, die alte Ucizöffuuug neben dem Strebepfeiler jetzt die Heiz-
thüre zur Feuerung unter der Sohle des Schmelzofens abgiebt,
dieser Feuerungsraum alter ebenfalls seine eigenen Wände hat
und unzugänglich ist, du kanu au dieser Stelle der in der
Rekonstruktion des Ofens augegebene Rauchabzugs-
kanal ebenfalls nicht nachgewiesen werden.
Ausser in den Konipartimentcn 1 und ist nirgendwo bis
auf Kopfhöhe ein Stück des alten innereu siebeneckigen Kerns
erhalten, denn in die übrigen fünf Theile sind gewöhnliche
T.'ipfenifeu hiueingebaut, welche mit der Stirnfläche der uiuth-
uiusslichen alten Strebepfeiler beginnen und über die FlSche
der früheren Innenwand hinaus in den Keru des Bauwerkes
eingreifen; über den Gewölben der Töpferofen sind dagegen
noch au einigeu anderen Stellen ausser in I und 3 die alten
Flachen der lnnenwaud und das alte Gewölbe sichtbar und in-
direkt messbar.
Flg. I. Graartrl».
Alle fünf Töpferofen haben, wie B und C im Profile zeigen,
ihre Ruuchubzügc um hinteren Ende, über der Höbe du* Ge-
wölberückens besinnend und in beliebiger schräger Richtung
nach dem Schornsteine aufsteigend; also auch in den Ab-
theilungen 2, 4, 5, fi und 7 findet sich Nichts von
Rauchabzügen am Boden des alten Ofens.
Oer Kern des Ofeus und die Subatruktionen des Schorn-
teins sind unzugänglich uud werden wohl auch dem Autor jener
Rekonstruktion unzugänglich gewesen sein, denn sonst hätte der
Brennermeister , welcher mit Beharrlichkeit und ungefragt von
Schieberfalzcn uud deren Spuren sprach, sicherlich die dazu
uöthig gewesenen Aufbrechuugcn in gebührender Weise betont
und hervorgehoben.
Die Zugänge zu den Kompartimenten 4 und 5 können die
früheren Hciziiffnungen gewesen sein, ihre lichten Weiten stim-
men mit denen der Heizlöchcr bei 1 und 3 überein; bei G und 7
findet sich Nichts von solcher Anlage, auch würde es am erfor-
derlichen Raum dazu fehlen, und bei Abtheilung 2 ist neben
dem Strebepfeiler ein kleiner Ofen zur Herstellung der Blei-
uud Zinn-Asche — der sogenannte Aesclier — angelegt. Die
Rauchubzüge des Schmelzofens und des Aeschers wareu nicht
zu ermitteln und zu verfolgen.
Herr Regierung*- und Bau -Rath Wiebe hat die schwarze
Reise in den über den jetzigen Töpferöfen befindlichen Räumen
Flg. 1 and t: Dor ArnaldK-h« Ofen nun LttC» Publikation.
Fl«. I. Psrrhtrhiilii.
FIk- 3 -i: Um Arnolanclkii Uf«n ntrh u«i Aataabair toii SKinbarl.
Fi|t 4. Dgirnjchnlll.
Fi«. 3. Urgndriu.
M
_J_
uuter den altcu Gewölben gemacht; was er dort entdeckt hat
ist pag, 'J3 ds. Ztg. mitgetheilt uud skizzirt, im Kompartiment I
existirt weiter Nichts als ein Paar ausgebrochene Steine loth-
recht übereinander, welche vom Brennermeister, wie bereit«
oben erwähnt, als Reste der Srhieberfalzc bezeichnet wurden.
Eines der wesentlichen Merkmale des lloffmann'm-hen Ring-
ofens, der Abzug der Rauchgase am Hoden der Kam-
mern, kann, nach vorliegender Aufnahme, bei demArnold'-
scheu Ofen nicht nachgewiesen werden, und dieser
Mangel wird mit Rücksicht durauf, dass Befeuerung von unten
nachgewiesen und zugegeben ist, dass ferner die Locher im Ge-
wölbe zum Einbringen des Feueruugstnateriuls viel zu klein und
auch durchaus zu wenige waren, ganz entschieden darauf hin-
wirken müssen, dem Arnold'scbeu Ofen die Möglichkeit einer
ausschliesslichen Befeuerung von oben mit dem wirklichen
Nutzeffekt des Garbrennens der Steine abzusprechen, weuu
beide Ofeukonstruktionen neben einander gehalten, verglichen,
in ihrer Wesenheit praktisch geprüft und vorurtheilslos beur-
theilt werden, so das« schon aus diesem einen Grund» allein,
ganz abgesehen von tbatsächlich nachzuweisenden auderen Un-
möglichkeiten, als feststehend zu erachten ist:
der Arnold'sche Ofen kann nie das Vorbild des
Hoffmann'schen Ringofens gewesen sein.
Lauhan, den I. Juli 1872. Steinhart
Mittheilungen aus Vereinen.
Architektenverein zu Berlin. Hauptversammlung am
5. Juli 1879; Vorsitzender Herr Röder, anwesend I7. r » Mitglie-
der und 8 Gäste.
Nach einigen Mittheilungen des Hm. Vorsitzenden über die
an den Verein gelaugten Zusendungen referirt Hr. Blanken-
stein im Namen der betreffenden ßcurtheiluugs - Kommission
über den Ausfall der Konkurrenz für Entwürfe zu einem Denk-
male für die Gefallenen des Preussischen Ingeuieura-Korps.
Als Hauptgesichtspnnkt für die Rcurthciluiig der eingegan-
genen Arbeiten musste t»ei der vorhandenen Sachlage die Ein-
haltung der als Grenze vorgeschriebenen Kostensumme von
1500 '1 linier gelten und mussten daher sämmtliche Entwürfe,
welche dieselben überschritten, unnachsichtlich ausgeschlossen
werden. Es sind diesem Schicksal zunächst drei aus Bremeu
eingesandte gothische Entwürfe verfallen, die an sich recht ge-
lungcu waren und höchstens eine nähere Beziehung zu der
Digitized by Google
— 232 —
Idee des Denkmals vermissen Hessen — ebenso ein Entwurf
mit dem Motto .Zum Rhein, überm Rhein, 4 * dessen Grundidee
bei einer eventuellen Umarbeitung wohl ein brauchbares Projekt
hätte liefern können. Unter den '• übrigen Entwürfen hat die
Kommission dem mit dem Motto „Erwin* bezeichneten, als dessen
Verfasser Ur. Hermann Eggert ermittelt worden ist, den Preis
ertheilt. vornehmlich wegen der originellen und geschickten
Form, die auf einem dreiseitigen Unterbau, dessen Flächen den
Emblemen der drei Abtbeilungen des Ingenieur- Korps gewidmet
sind, einen sechsseitigen mit Spitzbogen in deu Flüchen endigenden
Schaft für die Inschriften, darüber endlich über einem runden
Friese einen mit einer Eichel gekrönten Kuppelschluss zeigt:
einzelne Details, so die Ecklosungen des Unterbaues, der Ueber-
gang des Schafts in den Fries wurden dagegen streng getadelt.
Neben diesem Entwürfe hat die Kommission auch den oben an
zweiter Stelle genannten an das Denkmal -Komite eingesandt;
eine Bestimmung über die Ausführung eines derselben ist noch
nicht getroffen worden.
Vor Eintritt in die übrige Tagesordnung hielt demuächst
Ur. Lucae einen Vortrag über die Angelegenheit der Reichs-
tagshaus-Konkurrenz. Auf Wunsch des Hrn. Vortragenden wer-
den wir denselben nach stenographischer Aufzeichnung (die bis
zum Schlüsse dieser Nummer leider nicht mehr druckfahig her-
zustellen wart wortgetreu veröffentlichen und wollen daher hier
vorläufig nichts weiter mittheilen, als dass der Redner nach
einer Rechtfertigung und RrlSuterung des Verhaltens der Jury,
welche bei der nunmehr beendigten ersten Konkurrenz fungirt
hat, auch auf die Aussichten für die weitere Entwickelung der
Angelegenheit einging und au den Verein den Antrag richtete,
derselbe möge in der schwierigen Auswahl der Personen, welche
zu der \nm Reichstage beschlossenen enteren Konkurrenz zu-
gezogen werden sollen, seine Hülfe zur Disposition stellen.
Nachdem von Hrn. Blankenstein der demnächst akzep-
tirte Vorschlag gemacht worden war, der Verein möge, bevor er
irgend welchen anderen Beschluss in dieser Angelegenheit fasse,
zunächst eine Kommissinn wählen , welche in Erwägung ziehe,
ob und in welcher Weise ein Eingreifen des Vereins überhaupt
opportun sei, erwidert Ur. Fritsch auf die gegeu die Redak-
tion der Deutschen Bauzeitung gerichteten Ausführungen des
Hrn. Lucae, dass der Ort einer Diskussion über das Verfahren
bei dieser Konkurrenz zunächst nur die Öffentliche Presse, dem-
nächst aber die im Herbste bevorstehende allgemeine Versamm-
lung der Deutschen Architekten und Ingenieure sein könne.
Er bemerkt zugleich, dass ihm bei einer über die fünf zufälligen
Sieger der letzten Konkurrenz hinau sgehenden Zuziehung von
Architekteu zu einem zweiten beschränkten Wettkampfe eine
gerechte Auswahl der Thciluehmer nicht nur schwierig, sondern
direkt unmöglich erscheine und dass die einzig befriedigende
Lösung der I' rage, die überhaupt möglich sei, wohl nur der Er-
lass einer zweite:, öffentlichen Preisbewegung sein könne,
bei der den Interessen derjenigen, welche au der ersten Kun-
I genoi
Rechnung getragen werden müsse, dass man ihnen für die Be-
arbeitung des zweiten Entwurfes eiu angemessenes Honorar
zahle. Eine solche Lösung der Frage sei aber keineswegs aus-
geschlossen, da die Annahme des Herrn Vortragenden, der
Reichstag habe über die weitere Behandlung der Sache im Sinne
einer beschränkten Konkurrenz bereits einen bindenden Beschluss
gefasst, irrthümlich ist.
Zu Mitgliedern der auf Grund des vorerwähnten Antrages
einzusetzenden Kommission wurden demnächst durch Stimm-
zettel die Hrn. Blankenstein, Adler, Schwedler, Fran-
zius, Lucae, Fritsch, Ende, Quassowski und Jacobs-
thal — als Ersatzmann Hr. Stier gewählt.
Hr. E. Wiebe II. macht Mittheilungen über die für Sonn-
abend, den 13. Juli projektirte Landparthie mit Damen. Dass
die beabsichtigte Vereinsreise nach Dresden, für welche seitens
der dortigen Hchgeuosscn bereits in umfassendster und liebens-
würdigster Weise Vorbereitungen getroffen waren, wegen unge-
nügender Betheiligung (es hatten sich leider nur 15 Mitglieder
gemeldet) nicht zu Stande gekommen ist, findet bei dieser Ver-
anlassung den mehrseitigen Ausdruck Uefsten Bedauerns und
wird auf die mannigfachste Weise - durch die Kollision mit
der Reise des Eisenbahn -Vereins, die augenblickliche Arbeits-
überhäufung der Techniker etc. — zu erklären und zu entschul-
digen versucht
Ur. Blankenstein referirt demnächst noch über die Be-
urtbeilung der bereits seit mehren Monaten vorliegenden drei
Konkurrenz - Entwürfe für deu Bau einer Grabkapclle in Back-
stein-Rohbau. Alle drei Arbeiten sind nicht ohne Werth; als
die gelungenste ist die mit dem Motto „Kuppel" unerkannt
worden, bei der die durch Seitentreppen zugängliche, allerdings
nur schwach erleuchtete Gruft unter dem Innenraum der Ka-
pelle liegt, während ein anderer Konkurrent den interessanten
Versuch gemacht hatte , die Anlage doppelräumig zu gestalten.
Für den nrämiirtcn Entwurf, als dessen Verfasser sich Hr. Thür
herausstellt, hat in erster Reihe die ausserordentlich glückliebe
Behandlung der lrinen-Arcbitektur entschieden; auch die Aussen-
Architektur, bei der nur einige Details zu ändern wären, ist
fast durchweg hübsch und wirkt namentlich lin der Perspektive
sehr gut.
Zum Schlüsse werden einige Geschäftsangelegenheiten er-
ledigt Für die Kosten des diesjährigen Schinkelfestes wird eiu
Etats -Zuschuss von 112Thlrn., für die des Besuches des Ham-
burger Architekten- und Ingenieur -Vereins ein Betrag von
138 Thlrn. bewilligt Ebenso wird der Kommission für die Her-
ausgabe der Monatskonkurrenzen, in deren Namen Ur. Stier
das für 1671 fällige, nunmehr endlich fertige Heft vorlegt, dafür
Indemnität ertheilt dass sie iu demselben auch eine der alteren
Scbinkelfestkonkurrenzen, den im Jahre 18(32 von Wietliase
augefertigten Entwurf eines prinzlichen Schlosses auf dem Brau-
hausberge bei Potsdam, mit publizirt hat — Fr. —
SeUeascn mit JaUasle- klappen.
Die sinnreiche Einrichtung der für Kanäle mit geringem
Wasserbedarf dienenden Schleusen, welche auf S. 221 <L Bl. be-
schrieben und abgebildet worden, ist durch den etwa 1858 zu
Bremervörde verstorbenen Ober - Moor - Kommissär Witte au
dem, die Ostsee mit der Uamme verbindenden Moorkanalo viel-
fach ausgeführt und im Augusthefte des Jahrgangs 1842 des
Gewerbeblattes für das Königreich Uannover S. 20« ausführlich
beschrieben. *J
Daselbst ist nachgewiesen, wie die zur Kanalisirung der
ausgedehnton Moore Im Uerzogtbum Bremen vor hundert Jahren
gemachten Anlogen, denen zahlreiche Moorkolonien ein gün-
stiges Bestehen verdanken, der angestrebten Schiffahrtsverbin-
dung zwischen Elbe und Weser noch entbehren mussten, weil
der Wasserzufluss auH dem auf der Wasserscheide belegenen
Moore zur Speisung des Kanals nicht ausgereicht haben würde.
Die im Jahre 1825 wieder aufgenommenen Untersuchungen
ergaben die Entfernung der beiden Endpunkte des Guurren-
burger Moores, welche an der Elbseite durch die Ostc und au
der Weserseite durch die Hamme und den Kolbeck mit Kähnen
erreicht werden konnten, zu 15% Kilometer (3352 Ruthen), von
denen die mittleren 7' , Km im Niveau liegeu, dass nach der
Oste zu aber auf 8*/, Km ein Gefälle von 5,84'» (20 hannov. Fuss),
nach der Hamme auf 5V. Kra von 5,20'» (IS") stattfindet Der
aus dem Moore und zwei kleinen Seen zu erwartende Zulloss
■ward auf reichlich 750 000 kb'« (3 Milllouen Kubikfuss), der
Wasserbedarf im Jahre dagegen auf das doppelte Ouantura be-
rechnet, wenn den anzulegenden Schleusen 0,584"" (2') Gefälle
gegeben würde; es musste also, wenn die Kanal Verbindung er-
reicht werden sollte, etwas Anderes ersonnen werden, und ge-
lang dies durch diu oben bezeichnete Vorrichtung, welcher der
Name Klappstau gegeben wurde.
Bis zum Jahre 1830 sind in der Oste -Abtheilung des Ka-
nals 20 Boicher Klappstaue von je 0,'£>2'» (1') Gefälle und 2,34-
(8') Weite mit einem gesummten Kostenaufwande von 2,100 Thlr.
angelegt, und wird der Kanal mit Kähnen von 14,50™ I<änge,
•) Wla una Iwntrllt «onlnn Ut, Smlttl »ich Mlttbelltlni
ding» auch lim Bftwwalj anftaxildetea Srhkn.rn •<
KonatrukUoii dürft* d«iin»rti nicht
2,05» Breite und bei einer Ladung von lb\000 Pfd. gegen 0,58-
tief gehend befahren. Die Einrichtung ist so getroffen, dass
der Kahn bei der Fahrt aufwärts wie abwärts, so viel thunlich
zunächst auf das oberste Bohleustück der Klappe trifft das nur
geringen Widerstand leistet da die Klappe mit dem Eisen-
beschlage nur wenig spezilisch leichter ist als dos Wasser. Es
folgt das zweite, dritte Bohlcnstück u. s. w. und wie gering die
Reibung ist, welche die Stauklappe unter dem Boden der Schiffe
erleidet erqiebt sich daraus dass erst nach 5 Jahren bei jähr-
lichen Passiren von durchschnittlich 5000 Kähnen, es einer Er-
neuerung der 4 bis 5 obersten Bohlen bedurft hat.
Der ausserordentlich geringe Wasserverbrauch dieser 20
Klappstaue machte es möglich, für die Hatume-Ahtheilung etwa«
grössere Schleusen anzulegen, welche die Bergfahrt für beladeue
Fahrzeuge erleichtern, da diese bei der angegebenen Grösse An-
strengung erfordert, die man später zu vermeiden gelernt hat.
Es ist gelungen, dem Kanäle aus Gegenden Wasser zuzuleiten,
welchen im natürlichen Verlaufe eine andere Richtung der Ab-
wässerung angehört, und konnte deshalb schon 1842 der Bau
der Klappstaue als ein für deu Oste-llamme Kanal überwunde-
ner Standpunkt angesehen werden.
Immerhin aber behält die dort vor mehr als 40 Jahren von
Witte ausgeführte Anlage für Gegenden, denen nur ein geringer
Wasserzufluss zu Gebote steht, ihre Bedeutuug. — O. —
Konkurrenzen.
Ein Preisausschreiben der Wiener Unlon-Ban-Oe'aeU-
sohaft fordert zu einer Konkurrenz für den Situationsplan dei
auf dem Kahlen- und Leopoldsberge zu errichtende Villen- und
Gartenanlage auf. Das Programm und die Materialien sind von
der Direktion zu beziehen; Einliefcrungstermin für die Pläne,
von denen drei mit Preisen von 500, 300 und 200 fl. Oe.-W.
prämiirt werden sollen, ist bereits der 30. Juli.
Die Entscheidung der Konkurrenz für Entwürfe zt»
einem Bankgebäude für Frankfurt a M hat mit dem ersten
Preise deu Entwurf der Hrn. Linnemann & Strieglcr In
Maiuz (Motto „Lux"), mit dem zweiten Preise den Entwurf des
Hrn. J. Litzcumayer in Aalen Wrtmbg. (Motto „Mercuriua*)
bedacht
; »n Carl B..IIL la
.0« (1 •
a»rt In
Digitized by Google
Jahrg. IL
J*2 2ft
DEUTSCHE BAUZEITUNG
K.daktioa *. BxpiJition:
BeitiUufiftn
itorathuM* alle f**i«niU)Un
tnd B.üt*.h*ndJun|cn,
f*r Berlin die lipUiVm.
Organ des Verbandes
deutscher Architekten - und Ingenieur-Yereine.
Redakteur K. E. 0. Fritieh.
tit dir Lttet d.r drabch.a
Baaxntaag flndra Auftiakme
In der t-raln - ll'ttur ;
„Ban- Anntfar"
tarertWarprrH S', Str. V"
Preis 1 Thaler »r. (uartal.
Berlin, den 18. Juli 1872.
Ersrheint jedea DanaenUg.
Inhalt: l'rottranin) di*r XVI. V#tunnlun^ aVuturhfr Archit.klcn ond In-
|.al«.r. su KarUrub*. — Ueter di* Knakurr.ru für Katwiirfo tan Haau* d.i
deatarnrft Rrdea.laflaa. — Di. Ktataarfraax de* Ttiarm-f* dar kBlAnlisch.n llof-
klrrli. sa LHaeden. — M itthellanKen auf Vereinen: Arrlii1.kuuvar.la ta
Barila. — V.rrnl.t hl«»: Ueber GeeckalndigkeiteiaeaMiniieti am Hli.fa btt 0«r-
ra.rslwlm (Im Jahr. 1*71) ■■■ Vtrciei.h d« WciltmaaaVrh.ri HrdrorafUr«, d.r
TabeDarr» and d« Oh.rtarheiMchvIliimrr.. - K o II k ar r . Ii > » B : Za der Knn-
kurren« für Katwurf, la eiaem lMakmaL aar d.ra Mari.iilH.rv. »a Hr.».
a. d. H. - r-fr.naalKaeariar.ta>.. - Brief- uad Fraiieki.ten
in
Dentscher Architekten nnd Ingen. enre
in
Karlsruhe 1872.
Sonntag, 22. September:
5 Uhr Abends. Gesellige Zusammenkunft im Garten der
Gesellschaft „Eintracht", bei ungünstiger Witterung
im Saale.
Montag, 23. September:
9 Uhr Gesammtsilznng im grossen Saale der Musenms-
Gesellschaft: Begrüssungen der Versammlung.
10 „ Abtheilnngs- Sitzungen in Hörsälen des Polytech-
cums für
1. Architektur, 4. Marinetechnik,
2. fiauingeuieurwenen, 5. Hüttenwesen,
3. Maschinenbau, 6. Technische Chemie.
12 . Gänge durch die Stadt vom Polytechniewn ab, in
Abtheilungen, welche durch verschieden farbige Fah-
nen kenntlich gemacht werden:
1. Architekten (roth): Residenzschloss, Wintergärten,
Lehrerseminar, Turnhalle, Sammlungsgebäude.
2. Bauingenieure ( blau ) : Kiseubahnwerkstätten ,
Städtisches Wasserwerk, Badeanstalt.
3. Maschinentechniker (gelb): Maschinenfabrik,
Eisenbahnwagenfabrik.
3 „ Kurzes Mittagessen in verschiedenen Lokalen der
Stadt.
•1 « Abfahrt vom Haupthahnhof nach Maxau.
4*> , Ankunft in Maxau. Besichtigung der Eisenbahn-
schiffbrücke, Anstellung von Beobachtungen über
die Bewegung des Wassers.
Rückfahrt von Maxau.
Ankunft am Bahnhof, Mühlburger Thor.
„ - Hauptbahnhof.
Festvorstellung im Hoftheater (freier Eintritt). Nach
Beschluss derselben gesellige Zusammenkunft in
einer Bierhalle.
Diu s tag, 24. September:
Abtheilungs-Sitzungen im Polytechnicum.
Abfahrt vom Hanptbahnhof nach Baden.
Ankunft in Baden. Empfang der Gäste.
Festlicher Zug durch einen Theil der Stadt.
Einnahme eines durch die Stadt Baden angebotenen
Frühstücks in der Trinkhalle.
1 M - Spaziergang auf das alte Schloss (bei günstiger Wit-
terune). Während des Aufenthaltes daselbst wer-
den die Gesangvereine der Stadt Baden und eine
Musikbande vortragen.
Von 2 — G Uhr stehen zur Besichtigung geöffnet: Die
neue evangelische Kirche, Stiftskirche, griechische
Kirche, das neue Schloss, Dampfbad, neue Kirche
und Klosterkirche in Lichtenthai, die neuen Säle
im Konvcrsationshause.
G „ Mittagessen im KonversaUonsbause.
9 , Beleuchtung und Musik vor dem Konversationshause
(bei günstiger Witterung).
11» , Abfahrt vom Bahnhof in Baden.
PKOGRAMM.
12 Uhr Ankunft in Karlsruhe.
Mittwoch, 25. September:
5" .
C „
7 .
8 Uhr
10« ,
II" .
12 ,
1 090
a* «
9
12
10"»
Uhr Abtheilungs-Sitzungen im Polytechnicum.
„ Gesammtsitzung im grossen Saale der Museums-Ge-
sellschaft: Referat« aus den Abtheilungen. Berathnng
über die künftigen Beziehungen der Wanderver-
sammlung zum Verband deutscher Architekten- und
Ingenieur-Vereine, Schluss der Versammlung.
3 « Festliches Mittagessen in verschiedenen Lokaleu
der Stadt —
7 , Festvorstellung im Hoftheater (freier Eintritt.) Nach
Beschluss derselben gesellige Zusammeukuuft in
einer Bierhalle.
Donnerstag, 26. September:
Ausflug nach Mannheim - Heidelberg.
8 45 Uhr Abfahrt vom Hauptbahnhof in Karlsruhe auf der
Kheinlrahn.
Ankunft in Mannheim. Gang durch den Schloss-
garten zur Rheinbrücke und zum oberen Theil de«
neuen Hafens. Dampfbootfahrt längs der Mühlau
bis zur Xeckarspitze und die Neckar- Korrektion
aufwärts. Ausschiffung an der Keltenbrücke.
Einnahme eines durch die Stadt Mannheim ange-
botenen Frühstücks.
Abfuhrt von Mannheim.
Ankunft in Heidelberg. Empfang am Bahnhof.
Gang nach der Peterskirche, Jesuitenkirclie, Xevkar-
brücke und zu den Alterthums - Sammliitigeu des
Herrn Metz. Aufgang durch den Hausuckerweg
zum Schloss und Besichtigung desselben.
Mittagessen iu der Restaurationshalle am Schloss.
Bengalische Beleuchtung des ganzen östlichen Theils
der Schlossniine nebst Waldparthic.
Rückfahrt vom Bahnhof Heidelberg.
Ankunft in Karlsruhe.
Ausflug uach Strassburg.
8 50 Uhr Abfahrt vom Hauptbahnhof in Karlsruhe.
2»
240
8
10
UM
10»
11
ll>o
12
3
6»
8»
11»
Ankunft in Kehl. Passiren der Eisenbahnbrücke
zu Fuss. Begrüssnng der Gäste im Elsass. Besich-
tigung der Uferbauten.
Frühstück im Lokal der Rheinlust am linken
Rheinufer.
Abfahrt von da auf der Eisenbahn.
Ankunft im Hauptbahnhof zu Strassburg. Tlieilnng
in Gruppen, welche durch verschieden farbige Kar-
ten und Fahnen kenntlich gemacht sind. Die
Gruppen schlagen verschiedene Wege ein zur Be-
sichtigung des Münsters, des Frauenhauses, der
Thomaskirche, des Theaterbaucs, der Kanalanlagen,
eines Theils der Festungswerke.
Gemeinschaftliches Mittagessen-
Gartenfest in den Contaden.
Abfahrt vom Hauptbahnhof in !
Ankunft in Karlsruhe.
Digitized by Google
- 234 -.
Bemerkungen.
1. Unterstützungen. Ausser den Fahrpreis-]
guugcu auf 42 deutschen und österreichischen Eisenbahnen wer-
den die Zwecke der Versammlung durch folgende Unterstützun-
gen gefördert:
Die beiden Festvorstellungen im Hoftheatcr werden durch
die Muuifizeuz Sr. Königlichen Hoheit des Gmssherzogs von
Baden dargeboten. Zufolge höchster EntSchliessung sind ferner
die der Grossb. Hofverwaltung unterstellten Gebäude uud Samm-
lungen in den näher angeführten Stunden zur Besichtigung
geöffnet.
Sfinimtliche im Programme aufgezählten Ausflüge erfüllten
mittels freier Eitrazüge, welche vom Grossh. Handelsministerium
zu Gunsten der Versammlung Iwwilligt worden siud.
Die badische Regierung uud die Stadt Karlsruhe übernehmen
bis zu einer gewissen Höhe die Deckung eines etwaigen Aus-
falle« iu den Kosten der Versammlung.
Die Städte liaden uud Mannheim geben Frühstücke auf den
Ausflügen dahin; die Stadt Heidelberg veranstaltet die Beleuch-
tung des Schlosses.
Die Lesezimmer und sonstigen Lokalitäten der Gesellschaf-
ten Museum und Eintracht stehen den Mitgliedern der Ver-
sammlung als Gästen offen.
2. Ue achftfti lokale. Dis Geschäftszimmer befinden
sich im Gebäude der Gesellschaft Eintracht, am Hauptcingatig«
aus dem Bahnhof iu die Stadt. Sie sind geöffnet am '_'!., 22.
und 23. September vou 8 bis o', am 24. und 25. September von
S bis 10 Uhr; und findet hier das Einschreiben, Verkaufen der
Karten, Vertheilen des Programme*, Festzeichens u. s. w., und
Anweisen von Wohnungen Statt.
Das schwarze Brett im Polytcchuicum dient zu Bekannt-
machungen des Lokalkomites au die Mitglieder, zu etwaigen An-
zeigen der letzteren, endlich- zum Anheften von eintreffenden
Briefen, wenn solche mit der Bezeichnung des Adressaten als
Mitglied der Versammlung, oder mit der Adresse Pol) techuicum
versehen sind.
3. Karten. Es werden ausgegeben: Allgemeine Mitglieds-
Karten zum Preis von 4 Tblr. = 1 fl., Karte zum Mittagessen
in Karlsruhe am 23. September, desgleichen am 2.'>. September.
Karten für die Ausflüge nach Batten, Maiiuhciui-Heidcltterg und
Strassburg, zum Preist- von je 3 Tblr. = 5 II. Ii) kr. (incl. Essen
ohne Wein}. Für theiluehmeudu Damen fällt die Losung einer
Mitgliedskarte weg.
Es wird dringend ersucht, alle guwüuschtcu Kar-
ten alsbald nachdem Eintreffen in Karlsruhe zu kau-
fen; nach dem 23. September Mittags kann ein Platz bei den
mittels Karte zugänglichen Veranstaltungen nicht mehr garan-
tirt werden.
Dia beiden Ausflüge nach Mannheim -Heidelberg uud
Tag gelegt,
»der nicht ol
irg siud auf den gleichen
lieh die GesammUahl al l er Mitglieder nicht ohne grosse Schwie-
rigkeiten an einem Punkt untergebracht werden könnte, und
muss aus demselben Grunde die Wahl für eine der beiden
Richtungen in einem gewisscu Grade beschränkt werden.
4. Sammlungen. Es können besehen werden : Die
Ausstellung von Zeichnungen, Modellen und Baumaterialien im
Polytee.hnicuin am 23., 24. und 25. September vou 8 bis 12 Uhr;
die Modellsanimlungen der Bauschule und der Maschineuhau-
schule, dio naturwissenschaftlichen Sammlungen, sowie eine
Ausstellung vou Arbeiten der Studireudeu der Bauschule, im
Polyteehnicum am 23., 24. uud 25. September von 8 bis 12 Uhr :
die Kunsthalle (Gemälde und Gypse) am 23. und 25. September
von 1 bis (1 Uhr; die Landes-GewenM>halle und eine Ausstellung
von Arbeiten aus dem kunstgewerblichen Unterricht in dieser
Anstalt, am 23. uud 25. September von 8 bis 12 uud 2 bis t; Uhr.
Ferner können auf Wunsch besichtigt werden: die Alter-
thumshalle, Kunstschule, Hofbibliothek, das Uof-Naturalieukabinet
und Münzenkabinet-
5. Weitere Exkursionen. An den Ausflug nach
Strasburg können folgende technische Exkursionen angeschlossen
werden, zu deren näherer Leitung die betreffenden Fachgenossen
gern bereit sind:
Wagenfahrt nach Wolfisheini, über die Uausberge. bis zum
Rhein-Marue-Kanal bei Höhnheim, zur Besichtigung der Forts-
bauten, der diese verbindenden Eisenbahn und der
Strasse. '/, Tag.
Besichtigung des Khcin-Khone-Kunals, der Kirche in ,
und der Maschinenfabrik (irafeustadeu. Tag.
Eisenbaliufahrt nach Zabern, von da über die Zaberner
Steige (Karlssprung) nach Pfalzburg, Besichtigung des Abbruches
der Festungswerke, ins Zornthal hinab nach Lützelburg und am
Kanal bis zum Berzweiler Tunnel, Eisenbahn fahrt von Lützel-
burg nach Strassburg. 1 Tag.
Eisenbaliufahrt Appcnwcier-Offenburg-Hausach, Wagen vou
Hausach nach Hornberg. Begehen der Schwarzwaldbabu Hom-
berg -Triburg -St. Georgen, zurück mit der Post- 2 Tage.
<>. A n m e 1 d u n g e n. Wiederholt wird um Anmel-
dung bei dem Lokalkomi te (Adresse Pulytuch nicum )
mittel s Brief oder Post karte vor dem 8. Seht ersucht,
namentlich, wenn die Besorgung eines Logis, die Ueberscuduug
einer Einladungskarte behufs Fahrpreis - Ermässigungen , oder
Kaum in der Ausstellung gewünscht wird. Aber auch ohne
diese besonderen Anliegen dürfte es sehr im Interesse dei
Fachgenossen liegen, ihre Mitgliedschaft im Voraus anzukündi-
gen, weil alle Einrichtungen um so praktischer getroffen werden
können, je früher die Zahl der Theilnehmer abzuschätzen ist.
teber die Konkurrenz für Entwürfe zum Hanse des deutschen Reichstages.
Vortrag des Herrn Professor R. Lucae in der Hauptversammlung des Architekten -Vereins zu Berlin am C.Juli 1872.
Meine Herren! Erwarten Sie von mir nicht, dass ich diesem Fall aber nicht mögliche Kenntnis« der Verhand-
das l'rtbeil, welches die Jury über die Parlamentsidäne ge- lungen zu besitzen, als Vertreter eines öffentlichen Blattes
sprachen hat, hier vor Ihnen vertheidigen oder rechtfertigen die Verdammung einer Jurv proklamirt, schadet der Sache
werde. Ich unterlasse es, nicht etwa in einem altmodischen mehr, als er ihr nützt, denn obwohl sein Verdammungs-
Infehlharkeitsdüukel, weil ich mich für zu gut halte, auf urtheil nur die Meinung eines Einzelnen repräsentirt, hat es
einen öffentlichen Angriff auch öffentlich zu antworten, son- doch moruentau durch die Stelle, an welcher es steht, auf
dem weil ich in diesem Kall zu einer solchen Verteidigung die Menge einen grösseren Einfluss, als jedes andere ge-
oder Rechtfertigung weder die Pflicht noch ein Recht habe, sprochene Wort, und darum will ein solcher Ausspruch vor-
her wohl uud doppelt überlegt sein, ehe er iu alle Welt
geht und eine Körperschaft zu diskreditireu sucht, von der
jeder Einzelne zu stolz sein muss, um sich gegen den Vor-
wurf der Gewissenlosigkeit zu vertbeidigeu.
M. II.! Das clK>n Gesagte hält mich aber nicht al>,
durch eine historische Darlegung der ganzen ParlamenLshaus-
angelegenheU Manches, worüber falsche Berichte ins Publi-
kum und in deu Kreis unserer Fachgenossen gedrungen sind,
thatsächlich aufzuklären und dadurch eine vielleicht weniger
einseitige Auffassung des vielbesprochenen Gegenstandes in
weiter«! Kreise zu trugen.
Als im vergangenen Sommer eine Kommission nieder-
gesetzt wurde, um ein Programm für ein deutliches Reichs-
tagsgebäude auszuarbeiten und die Bedingungen, unter welchen
die Konkurrenz dazu vorgenommen werden sollte, festzu-
stellen, wurde ich von Ihnen in diese Kommission gewählt
und musste später den Vorwurf hören, dass der Delcgirte
des Architekten -Vereins die vom Verbände deutscher Archi-
tekten und Ingenieure adoptirten Grundsätze missaebtet
hätte, wonach iu jeder Jury vorwiegend Fachgenossen oder
Sachverständige vertreten Nein sollen. M. H.! Abgesehen
davon, dass ich mein Mandat von Ihnen bedingungslos
bekommen und auch bedingungslos angenommen habe, uud
obgleich ich selbst sehr wohl weiss, dass es für uns ein
zu erstrebendes Ideal sein muss, in unseren Arbeiten auch
vorwiegend von Architekten beurtheilt zu werden, so
würde jeder Andere iu jener Kommission ebenso bald wie
sich aus dem Folgenden überzeugen, m. IL,
ich, wie immer, so auch jetzt bereit bin, vor dem
Forum meiner Fachgenossen, die mich nun schon so oft mit
ihrem Vertrauen beehrt haben, mein persönliche» Verhalten
in einer allgemeinen Sache, soweit es mir erlaubt ist, offen
darzulegen, aber was das Urtheil der Parlamentsjury betrifft,
so halte ich mich da nur für den Theil eines Ganzen, in
welchem der Einzelne, vorausgesetzt dass die Moral ihm dies
erlaubt, mit seiner persönlichen Meinung aufzugehen hat.
wenn die Würde eines Preisgerichts und vor allen Dingen,
wenn der Zweck eines solchen Preisgerichtes aufrecht er-
halten werden »oll. Dieser Zweck bestellt nach meiner An-
sicht aber gerade darin, dass aus den subjektiven Mei-
nungen einer gewissen Anzahl zu verlässiger.Mäuuer
ein objektiverMeinungsniederschlag gebildet wird,
nnd dass die oft verletzende und leicht irrende
persönliche Beurtheilung auf diese Weise in ein
unpersönliches und wirkliches Urtheil verwandelt
wird. Dass bei der Unvollkommenheit aller unserer mensch-
lichen Einrichtungen auch hier ein Ideal nicht erreicht wird,
verstellt sich von selbst, und warum es bei den Mängeln
unserer Natur anch meist nicht erreicht werden kann, das.
glauben Sie mir, m. IL, würdigen die wenig Bencidcns-
werthen, welche die sc.hwcrvernntwortliehe Pflicht eines
Richteramtes auszuüben haben, selber in gerechterer Weise
als jeder Andere. Derjenige aber — ohne jeden Groll sei
es hier gesagt, m. IL — welcher, ohne die dazu nötliige, in
Digitized by Google
- 235
irh sich davon überzeugt habeu . dass der seltene Moment,
in welchem alle Parteien des deutschen Reichstags wie ein
Mann zusammen stehen, derjenige ist, in welchem von irgend
einer Seite auch nur der Versuch gemacht würde, die
Souverainetat dieser hohen Versammlung anzutasten- Als
einen solchen Versuch betrachten es aber die Mitglieder des
Parlaments, wenn dasselbe durch jenes Prinzip, nach welchem
die Jury überwiegend aus Sachverständigen bestehen soll,
von vornherein majorisirt und in der Freiheit seiner Ent-
schlüsse beeinträchtigt würde, und, m. H., faktisch liegt die
Sache ja auch so, dass sechs ad hoc gewählte Sach verstän-
dige in einer Kommission von zusammen l'J Personen durch
die überzeugenden Gründe, mit welchen sie ihre Mei-
nung den Uebrigen ans Herz legen können, immer mehr oder
weniger die Führerschaft übernehmen, so dass auch in dem
vorliegenden Falle der Ausspruch der Jurv, welcher die
grössteu Gegensätze aller architektonischen Glauliensbekeiint-
uisse in sich zu vereinigen scheint, viel weniger in dem Ver-
hältnis* der Laien zu den Architekten, als in dem Umstand
zu suchen ist, dass in den letzteren die verschiedensten
Architekturschulen innerhalb der Jury ihre bewussten Ver-
treter fanden.
Wenn die Architekten aber eine Gefahr für ihre Sache
in der erfolgten Zusammensetzung der Jury erkannten, dann
wäre es damals am ( Irte gewesen , nach der missglückten
Petition au den Reichstag die besten Namen in unserer
Kunst zu einer Erklärung zu veranlassen, dass sie unter
diesen Umständen an einem Kampfe nicht theilnehmen
wurden. M- IL! Es mag von mancher Seite bezweifelt
werden, ob ein solcher Schritt Erfolg gehabt hätte; ich
glaube, dass er von grossem Gewicht gewesen wäre. Jeden-
falls würde er praktischer und korrekter gewesen sein als
jetzt die nachträgliche Verwunderung über das l'rtheil einer
Jur>, deren Zusammensetzung man nicht allein dem Prinzip
nach gekannt hat, sondern bei der man von jedem ein-
zelnen Manne — so zu sagen — sein Glauliensbekcnntuiss
vorher wusste.
Viel wichtiger erschien es mir damals, im Interesse un-
serer Fachgenossen einen Grundsatz zur Geltung zu bringen,
welchen der Verband der vereinten Architekten und Inge-
nieure leider nicht auf seine Fahne geschrieben hat, näm-
lich den Grundsatz, die Bestimmung im Programm aufge-
nommen zu sehen, dass jeder, der bei eiuer architek-
tonischen Konkurrenz den ersten Preis gewinnt,
mindestens auch mit der Bearbeitung der definiti-
ven Pläne beauftragt werden muss. Dies ist der
Kernnunkt des ganzen Kouknrrenzthums. und ich behaupte,
in. H., so lange ihm diese ideale und zugleich eiuzig prak-
tische Grundlage fehlt, fordern diese öffentlichen Kampf-
spiele die Kräfte der Architekten nur zu einer Lotterie her-
aus, in welcher der Gewinn für den Einzelnen und für das
Allgemeine nicht im Verhältnis» zur Höhe der Einsätze steht.
Ich komme nun zu den einzelnen Puukteu, die beson-
ders in öffentlichen Blättern besprochen worden sind. Es
ist der Staatsregierung daraus ein Vorwurf gemacht worden,
dass sie. bevor sie die Konkurrenz ausgeschrieben, sieh nicht
vollständig darüber vergewissert hatte, ob dieser Platz auch
wirklieh zu haben wäre, und dass sie so die besten Kräfte
unserer Nation, die bona fide für die Erreichung eines prak-
tischen Zieles in die Schranken traten, veranlasst hätte, uur
um ein Phantom zu kämpfen. M. H.! ich glaube, der Name
Bismarck bürgt wohl dafür, dass es sich hier nicht nur um
ein Phantom handelte und dass die Staatsregierung, indem
sie die Konkurrenz ausschrieb, vollkommen die Ueberzen-
gung balle, dass sie diesen Platz für den Bau eines Reichs-
tagsgebäudes bekommen würde. Und sie steht auch heut
noch auf diesem Standpunkt, diesen Bauplatz festzuhalten.
Die Kommission hat neulich beschlossen, in erster Linie bei
diesem Platz als dem relativ «loch allerbesten zu bleiben und
den KroU'schcn Platz als den allerdings eventuell zweitbesten
im Auge zu Multen.
Aber ich kann mich mit dem oben erwähnten Vorwurf
auch prinzipiell nicht einverstanden erklären. Wenn die
Staatsregierung nach dem Abschlüsse der Konkurrenz, die
den wichtigen Zweck hatte, die ganze Angelegenheit zu klä-
ren und zu reifen, jetzt zu der Ueherzeugnng gekommen sein
sollte, den ursprünglichen Platz ■ — selbst wenn er schon
käuflich in ihren Besitz übergegangen wäre — wieder zu
verlassen, dann würde ich durchaus nicht glauben, den Kon-
kurrenten sei dadurch eine unwürdige Behandlung zu Theil
geworden, dass man sich thatsächlich durch ihre Arbeiten
ilie Gewissheit verschafft hätte, dass dieser Platz für ein
Gebäude, welches bestimmt ist, Jahrhunderte zu stehen, nicht
passend wäre.
Ich wurde es in diesem Falle nicht allein für recht und
, erlaubt, sondern ge/ndezu für eine Pflicht der Staatsregierung
halten, sich nach einem anderen Platze umzusehen, und diese
Krwägung ist in der That auch der einzige Grund, aus wel-
chem bei den betreffenden Behörden vielleicht geschwankt
wurde, ob man nach dem gewonnenen Resultate der Kon-
kurrenz nicht lieber einen anderen Platz in's Auge fasseu
sollte. Sie wissen m. IL, dass ein Dualismus dadurch in die
meisten Lösungen der Projekte gekommen ist, dass die Kon-
kurrenten nicht recht wussten, ob sie den Haupteingang nach
i der Seite der Stadt legen, oder gegen das Nationaldenkmal
J kehren sollten. Das Natürlichste für den Geschäftsverkehr
I des Hauses ist ja, dass man den Hanpteingang sofort sieht
und findet, wenn man aus der Stadt kommt, dagegen fordert
die ganze Disposition des Platzes architektonisch unbedingt
, dazu auf, die Hauptfront des Parlamentsgebändes in eine di-
; rekte Beziehung zum Siegesdenkmal zu setzen und sie als
solche durch den Haupteingang auch zu charaktcrisiren.
Ein weiteres Bedenken, welches von vielen Seiten in
der Jury gegen die definitive Wahl des bisherigen Platzes
laut wurde, bestand dariu, dass man nach den aus der Kon-
kurrenz gewonnenen Erfahrungen den disponiblen Raum in
der That für kaum ausreichend halten konnte, wenn auf
demselben die sämintlicben Bedingungen des Programms
wirklich erfüllt werden sollten.
Ein dritter Umstand endlich, der zwar nicht erst nach
der Konkurrenz, sondern schon vor derselben einen gewissen
Zweifel in Bezug auf die Angemessenheit des Platzes übrig
liess. war der, dass trotz der notwendigen Expropriationen
nicht allein des Raczynski'schen Gebäudes, sondern auch der
beiden Kasernen und eines Theiles der Freund'scheu Fabrik,
die wüuschetiswerthe Parallelität der Sommerstrasse mit
dem Parlamciitsgebaude nicht erreicht werden kann. Trotz-
dem hat man sich aber doch sagen müssen, dass Alles in
Allem erwogen, der in Rede stehende Platz von allen erreich-
baren Grundstücken das erreichbarste ist, wenn man sich
eben nicht blos mit Phantomen abgeben will.
Was nun die geschäftliche Behandlung der Arbeiten der
Jurv betrifft, so möchte ich mir auch darüber einige Worte
erlauben, obwohl Manches an Gerüchten untergelaufen ist.
was kaum der Mühe Verth wäre widerlegt zn werden, wenn
nicht gerade die ungereimtesten Dinge am liebsten geglaubt
würden. Dahin gehört z. B. die hier und da aufgetauchte
Itehauptung. dass vor der eigentlichen Beurtheilung der Pro-
jekte ein diplomatisches Abkommen dahin getroffen worden
wäre, dass höchstens zwei Berliner Architekten mit Preisen
bedacht werden sollten, ausserdem aber jedenfalls ein eng-
lisches, ein süddeutsches und ein nicht-preussiseh-nnrddeut-
sches zu prämiiren wäre. Es ist dies eine ebenso müssige
| Erfindung, als der Vorwurf thatsächlich unbegründet, dass
! die Jury ihrer wichtigen Aufgabe nur vier kurze Sitzungen
gewidmet hatte. M. H. der Verlauf unserer Thätigkcit ist
folgender gewesen.
In der ersten Sitzung, in welcher festgestellt wurde, wie
die ganze Sache überhaupt behandelt werden sollte, ist nach
ziemlichem Kampfe der Vorschlag durchgedrungen, dass zu-
nächst eine Kommission aus vier Architekten und zwei Nicht-
Architekten — einem Mitgliede des Bundesrates und einem
Reichstagsabgeordueten — eiue Sichtung der Pläne vorneh-
men sollte, um diejenigen Arbeiten zunächst auszuscheiden,
auf die in der rSciirthcilung nicht weiter einzugehen wäre.
! Diese Kommission erstattete nun, nachdem sie ihre Arbeil
beendet hatte, vor jedem Projekte dem Plenum der Jury
Bericht und beantragte nach kürzerer oder längerer Motivi-
rung. entweder den betreffenden Entwurf anf die engere
Wahl zu setzen, »der nicht. Auf diese Weise blieben für
I eine eingehendere Beurtheiluug 2S Projekte übrig. Jedes
derselben wurde nun zur Berichterstattung an einen der sechs
Architekten der Jury verloost und darauf jedem technischen
Heferenten entweder ein Mitglied des Bundesrates oder des
Reichstages ebenfalls durch das Loos zuertheilt Es haben
dann diese so zusammengesetzten kleinen Subkommissionen
in der darauf folgenden Woche täglich von Morgens acht Uhr
Iiis zum Abend so lange es hell war, vor den Plänen ge-
sessen, sie studirt, darüber debattirt und sich ihr l'rtheil
gebildet, nachdem vorher von vier vereideten Bauführern
(Mitglieder unseres Vereines) sämmtliche Entwürfe mit dem
Zirkel genau darauf hin geprüft worden waren, ob sie äusser-
lich das Programm erfüllt nach Zahl und Grösse die ver-
langten Räume untergebracht und im Wesentlichen die Bau-
platzbediugungen innegehalten hätten. Dies, meine Herren,
ist der Geschäftsgang gewesen und nachdem die Subkom-
missionen ihren mühevollen Auftrag erfüllt hatten, ist von
den betreffenden Referenten und Korreferenten wieder der
Gesamratkommission an Ort und Stelle über jedes Projekt
eine ausführliche Beschreibung und eingehende Kritik gege-
Uigitiz ed by Google
23G —
u uud nach darauf stattgehabter Debatte. ein Beichluss da-
, über herbeigeführt worden, ob die betreffende. Arbeit für
geeignet zu erachten sei, auf die engste Wahl gesetzt zu
werden oder nicht. Aus diesen Debatten gingen schliesslich
die fünf bekannten Projekte als die preisgekrönten hervor
Und es blieb endlich nur noch die schwierigste Aufgabe,
nämlich die Zuerkennung eines ersten Preises unter den fünf
Ausgewählten, übrig. Abgesehen davon, das* es einem Mit -
gliede der Jury am allerwenigsten anstehen würde, an einer
öffentlichen Stelle auf die Einieelnheiten jenes Sclilnssakte*
einzugehen, wäre ex auch schon um deswillen überflüssig,
weil der ganze Vorgang bereits im Munde von Jedermann
lebt.
Ich komme nun zu dem Hauptvorwurf, welcher der Jurv
daraus gemacht worden ist, dass sie kein motivütes UrtheU
gegeben und besonders den Unterlegenen nicht gesagt hat,
warum sie >qlcrlcgm sind. M. U., ich gestehe ftinen ganz
offen, dass ich in der Kommission für eine schriftliche Be-
gründung unseres l'rtheils war. dass ich mich aber nach
einer kurzen Debatte über diesen Gegenstand von der mate-
riellen Unmöglichkeit dieses Unternehmens überzeugt habe.
Denken sie sich 1!< Mänuer aus den verschiedensten Lebens-
stellungen und Bvruf>.k reisen, alle von dem besten Willen,
aber auch von den allerverschiedeasten Meinungen erfüllt,
die sie entweder mitgebracht oder in der Debatte gewonnen
haben und die bei dem babylonischen Anbitektursprachen-
gewirre unserer Zeit diametrrrt auseinanderlaufen! Ja. m. H .
wie wäre es da wohl möglich gewesen für die Beurtbeilnng
irgend eines Projektes — vielleicht mit alleiniger Ausnahme
de» Pyrmonters — eine Fassung zu finden, welche von der
Kommission als solcher unterzeichnet wurden wäre? Die
Jury hätte sich in jedem einzelnen Falle in ihre Theile auf-
gelöst. Und zwar würde es sich neben dem Ausschlag geben-
den Votum nicht etwa nur um ein Separatvotum gehandelt
haben! Denn, m. H., wenu es schon schwierig gewesen
wäre, bei dieser Zusammensetzung der Jury Diejenigen in
Bezug auf ihre Motive zu vereinigen, welche aus den ver-
schiedensten Gründen für ein Projekt stimmten, so hätten
sich Diejenigen, welche in der Minorität geblieben, noch viel
weniger zu einem Gesammtvotuui herbeigelassen, da < bei
ihnen nicht einmal die Nötbigung zu einem Kom-
promisse, wie bei jenen, vorlag. Ks wäre eine wahre
Fluth von Separatvoten zu Tage gefördert worden, und darum
habe ich mich aus vollster Ueberzeiigung denen nilOlliliciltl)
müssen, die ein motivirtes Urtlicil in diesem Falle für niebl
möglich hielten. Nur aus diesen augeführten Gründen ist
dasselbe unterblieben und also nicht etwa, wie behauptet
worden ist, weil die Herren so eilig gewesen wären und Alles
in die kürzeste Zeit hätte zusammengepresst werden müssen,
um schnell dem Reichstage die Entscheidung vorzulegen.
Bei dein Ernst, mit welchem die Jury die von ihr übernom-
mene Pflicht zu erfüllen suchte, konnte selbstverständlich
eine solche Auffassung nicht Kaum gewinuen.
Auf die Frage nun, warum denn aber trotz des unrao-
tivirten UrtliciU der Jury nicht einzelne Architekten gegen
gewisse Preisertheilungeu protestirt und auf diese Weise ihr
architektonisches Gewissen salvirt hätten, muss ich antwor-
ten, dass dieselben Architekten, welche in diesem oder jenem
Kalle es für ihre Pflicht gehalten haben würden, gegen eine
Preisertheilnng zu protesliren, in 12 oder 14 anderen Fällen
dieselbe Pflicht gefühlt hätten, für eine Preisertiieilung ihre
Privatlanzen einzulegen. Es wäre in der That — wenn ich
darin recht habe, dass ein Preisgericht sich nicht in sub-
jektive Meinungen auflösen, sondern ein objektiver Meinungs-
niederschlag sein soll — diese Aufgabe durch eine solche
Behandlung der Sache völlig unmöglich geworden zu erfüllen.
M. H. Bisher habe ich von Dingen gesprochen, die ge-
schehen und nicht mehr zu ändern sind. Nun aber handelt
es sich darum, was sollen wir thun und wie sollen wir die
Erfahrungen, die wir gemacht haben, benutzen. Ich bin der
Meinung, dass man vorher erreicht, was zu erreichen ist,
statt nachher mit wirkungslosen Protesten zn kommen.
Sie wissen, m. H , das» der Reichstag den Beschluss ge-
fasst hat. ausser den Siegern noch eine Anzahl von bekann-
ten Architekten des In- und Auslandes zu einer engeren Kon-
kurrenz aufzufordern, und dass eine Kommission niedergesetzt
worden ist, nm die weiteren Sehritte zu berathen, die nun
vorgenommen werden sollen. M. H., was für eine schwie-
rige Aufgabe es ist, die dieser Kommission bevorsteht, dass
werden Sie mir nachempfinden, und ich brauche Ihnen nicht
auseinander zu setzen, dass Alles, was sie bisher schon hat
auf sich nehmen müssen, verhältnissmässig noch gering ist
gegen diese neue Verantwortlichkeit, die ihr bevorsteht
Eb sollen diejenigen Architekten genannt werden, welche
ausser den Siegern an dein neuen Wettkampfe Thcil zu neh-
men haben. M. H., ich bitte Sie, uennen Sie diejenigen,
die Sie für würdig oder vielmehr vor Anderen für berech-
tigt halten, nunmehr weiter mitzukämpfen. Entweder machen
Sie direkte Vorschläge oder bringen Sie die Sache vor den
deutschen Architektentag in Karlsruhe. Lassen Sie uns die
Angelegenheit aus unserer Mitte weiter betreiben und zwar
so, dass man an roaassgebender Stelle nicht den Eindruck
einer blossen Parteisache gewinnt, sondern in dein, was wir
thun, einen wohlüberlegten und nothwendigen Schritt der
gesummten Architektenschaft erkennen muss. Nur dann,
m. H-, haben wir Aussicht auf Erfolg, und was meine Person
betrifft, so verspreche ich Ihnen, dass ich Ihre Vorschlage,
wenn sie sich mit meinen eigenen Grundsätzen vereinigen
lassen, auf die wärmste Weise befürworten werde.
K. Lucae.
Der vorstehend abgedruckte Vortrag beansprucht einen
so grossen Raum, dass wir den Schluss unseres eigenen,
dieser Angelegenheit gewidmeten Artikels um eine Woche
vertagen mflnon. wenn wir anders diese Nummer nicht aus-
schliesslich mit Erörterungen über die uu. Konkurrenz füllen
wnllen. Ks ergiebt sich hierdurch gleichzeitig die erwünschte
Gelegenheit, die Aulwort auf die wider uns erhobenen Vor-
würfe in dieselbe entflechten zu können. Die Red.
Die ResUuriruig de» Thurnies der katholischen lloflirchc n Dresden.
(NrliliiM.y
Ohne in eine spezielle Beschreibung des Verlaufs der
Herstellung eingehen zu wollen, welche besonderes Interesse
nicht erwecken möchte, „ . .
erwähne ich hierzu, dus-s
sich diese auf Erneuerung
eines grossen Theils der
Süulcnkapitülc und Küsse,
soweit sie nuch Aussen
geri< htet waren, auf Er-
neuerung mindestens des
dritten Theils der Gesims-
glieder, der aus Stein ge-
fertigten Kehlen, Balu-
straden etc., durch Aus-
spitzunglockererund ver-
witterlerBestaudtheile bis
znm festen Stein und de-
ren Ersetzung durch neue
Sandsteintheile, welche
allenthalben unter Ver-
meidung des Eisens durch
Bronce- resp. Messing-
dübel befestigt und mit
Zement vergossen worden
sind, erstreckt bat. An den Näolensehäften. sowie an den
glatten von Profilen nicht unterbrochenen Wandtlächeu, wo
-r
zumeist die äussere Schale abgewittert war und wo die tiefe
Ausspitzung der Flächen nachtheilig für den Zusammenhang
und Bestand des Thurmes
geworden wäre, ist die
Ergänzung in sorgfältiger
Weise durch Zementputz
mit Vi Sandbeimischung
erfolgt Durch starke vor-
herige und nachtragliche
Aufeuchtung de» Mauer-
werks und Putzes mit-
tels übergebreiteter an-
gefeuchteter Tücher und
durch Imitation des
Scharirschlage» auf dem
Sandstein etc.. durch Ue-
herst reichen des fertigen
Putzes mittels ausgeziuk-
ter Blechstreifen, Nach-
ziehen der Steinfugen etc.
und durch Nachfärben de»
Putzes nach vorheriger
Ueberstreichung dessel-
ben mit sehr verdünnter
Essigsäure, wodurch die Farbe innig mit dem Bewurf ver-
bunden wurde, ist es geglückt, dass Putz und Farbe sich bis
ioogle
238
jetzt äusserst fest uud haltbar bewiesen haben und noch
in der Nahe vom wirklichen Sandstein uur sehr schwer
xu unterscheiden sind. An» grössten war die Verwitte-
rung an der Stelle des Thurmes, wo die elliptische
Grundform in den Kreis übergeht und dieser l'cbergang
durch zwei hrüstungsartige Kreisabschnitte vennittelt wird;
diese oben offenen Ahtheilungen, welche die Heger von
Schnee und Reuen gewesen waren, da genügender Abiaul
fehlte, hatten Aulass zu ziemlich vollständiger Verwitterung
der Bekleidungsplatten, I ebcrgangskohleri etc. in diesem
Stockwerk gegeben und veranlassten die umfänglichsten Er-
neuerungen mittels starker bearbeiteter Werkstücke. Hier
ist nnnmehr durch Abdeckung der Kreisahsehnitte mit star-
kem Gussglas behufs Erhellung der dahinter liegenden Räume,
und durch Abdeckung der Kehlen und schrügeu Bekl. id.IL—
platten resp. Uebergangsstiifen mit Bloiblochen, in haltbar-
ster Weise Schutz und Deckung für das Sandsteinwerk ge-
wonnen uud beschafft worden. Die Vorsprünge der Siras-
•.berglieder waren seither zwar mit Kupfer abgedeckt, jedoch
in leichtfertiger Weise ohne Ahwässcrung und nur mit Holz-
dübeln im Stein befestigt; sie hatten sieh daher abgehoben
und waren dadurch um so nachtheiliger für das Sioiuw erk
geworden, als sie die Feuchtigkeit gehegt und deren Ab-
fluss verhindert hatten. Dieselben sind bei der Restaura-
tionsarbeit mit Sorgsainkeit diesen Einwirkungen entzogen
worden, und zwar durch Beschaffung eines angemessenen
Gefälles für die (Iberflachen, durch Ergänzung der Kupfer-
ahdeckung mit einer gehörigen Traufkauto und Anbringung
VOH im Stein befestigten Bleidübeln. Wo dagegen die Ab-
deckung noch inangelte, ist solche allenthalben mit Blei-
blechen erfolgt, da diese sich am alten Theil vorzüglich gut
und dauerhaft bewährt hatten.
Die Schadhaftigkeit der Statuen und liegenden Figuren,
welche ziemlich umfänglich war, wurde durch Künstlerhand
nach vorheriger Ergänzung der fehlenden Bestandtheile mit-
tels Thonmodells, welches in Gyps abgeformt und darnach
in Stein gearbeitet und mittels Broneedühcl in Zement be-
festigt wurde, in ltester Weise ergänzt und die samiutlichen
Figuren sodann mit guter Firnissfarbe gestrichen.
Was speziell das Gerüst anlangt, so wurde die, ein un-
gleichseitiges Achteck bildende untere Hauptgerüstwand ,
welche in glcichmässigcr Breite durch 7 Strickwerke bis zum
l'usslioden der 2. Durchsicht reichte, durch untergestellte,
auf den Hauptsims festaufstehende, mit Zangen verstärkte
Streben und durch nach dem Innern des Thurmes wirkende
Zugeisen gehalten, welche letztere durch Hölzer, die in die
Zwischenräume zwischen Thurmmauern uud vorspringende
Säulen eingespannt waren, fest uud unvcrsehieblieli gemacht
worden waren. Angebrachte horizontale Durchkreuzungen,
■ »weit dies die Durchsichten gestatteten, sicherten den Zu-
sammenhalt der Wände und auf- und angeschraubte Kreuz-
bänder vervollständigten die Verbindung.
Die Ausführung und Wiederabtragung dieser schwieri-
gen Rüstung ist ohne allen Unfall zu iH-werkstelligeu ni"g-
lich gewesen, und zwar unter meiner Leitung uud Angabe
durch den jetzigen Bezirk shamneist er Nauck in (.'heiunilz
als Hauführer, unter Assistenz des llülfsarchitekten Stock -
liardt aus Weimar, durch den mit derartigen Arbeiten sehr
vertrauten Ziminerineister Victor Richter uud dessen sorg-
samen und zuverlässigen Polier Eöser. Die Maurerarbeiten
hat der Maurermeister Glöckner in durchaus solider und
zweckentsprechender Weise besorgt.
Zum Schluss füge ich noch einige Notizen über den
Kostenaufwand dieser Herstellung bei, welche nicht ohne
Interesse sein dürften.
Das Abbinden des Gerüstes im Zimmerhof erfolgte im
Akkord nach vorher bekandelten Sätzen, glcichermaasseu die
Darleihung der erforderlichen Hölzer, Bolzen, Klammern, des
Seil werks, der Aufzugsuiaschiiic etc.; die Aufstellung und Wie-
derabtragung desselben, sowie die Aufförderung der Hölzer,
das Heraufziehen der Steine, des Zemeuts, des Wassers, des
Kalks und Sandes und das Herablassen der Latriucnfässcr,
des Schuttes etc. im Tagelohu, wobei der Aufzug in 2
l chersctxungcn vom f.. und vom U. Gerüsthoden erfolgen
musste. da die vorhandenen Seile für die ganze Höhe nicht
ausreichten.
Der Akkordabschluss mit dem Zimmermeister erfolgte
unter folgenden Bedingungen:
a. für Darleihung der erforderlichen Hölzer auf die Dauer
des Baues, einschliesslich des Verschnitts, jedoch aus-
schliesslich des Fuhrlohns vom Zimmerhol bis zur
Baustelle erhielt derselbe:
für 1 Elle oder 0,50" beschlagenes Holz
8" u. 9" = 18,8 u. 21,3» stark = 3 Ngr. 5 Pf.
8" n. 8" = 18.8 u. 18,8 «» , =3,5,
7" n. 8" = ir,,. r ) u. l.s,s«« , = 3 , — ,
«"u. 7" = 14,2 n. 16,5« „ =2,2,
5"u. ß" = 11,8 u. 14,2"» r - 1 „ 5 -
3" u. 7" — 7 u. H.,:.™ „ =1 „ — ,
3"u. 6" = 7 u. 14,2- , =1 „ - ,
b. für Darleihung und Unterhaltung des Eisouwcrks
für 1 Bolzen bis IS" = 35'» lang - 3 Ngr. 5 Ff.
do. . DH" = 75.5»« . = 7 „ — „
, 1 Küstklaminer = 1 „ 8 „
c. für Darleihung der Hebevorrichtungen
für einen Haspel für den Tag der wirklichen Benut-
zung Thlr. 5 Ngr. — Pf.
„ 1 langes starkes Seil desgl. • - „ 5 „ — .
„ dieselben auf die
Dauer des ganzen Baues 21 > „ — * — .
d. für Darleihung einer Leiter. . — „ 12 , 5 .
e. lür das Abbinden des Rüstholzes
ohne Rücksicht auf die Stärke
für 1* oder o.M* — , 1„ 4 „
f. der Unternehmer hat allein für die Güte uud Brauch-
barkeit der von ihm gelieferten Seile, Rlistbretter etc.
zu haften, ebenso hat er für die Solidität der Kon-
striktion und der Ausführung zu stehen, über die
Sicherheit der Arbeiter uud der Passanten an und
unter dem Gerüste zu wachen und alle Vorkehrungen
zu treffen, als Anbringung und Befestigung von Barrie-
ren, Versehlägen etc., welche diese Sicherheit bedingt.
In Verwendung gekommen sind zu diesem Gerüste:
ca. 13000 Ellen oder 7.'><J<>" beschlageues Holz,
I.'.iim schmiedeeiserne Bolzen,
1500 eiserne Klammern,
25 Schock in Vorrath befindliche Rüstbretter,
Iii Schock Verschlag- und Zollbretter zu Verschla-
gen und zur Verschwerterung,
300 Schock Nägel,
5 Stück Leitern,
32 Stränge,
2 Seile für die Aufzüge bis zu 70 Ellen oder ca
40 Meter,
4 Schwungleinen und
2 Aufzngsiuasehinen.
Die Gesammtkosten der Rüstung einschliesslich der Ab-
'""^^A^K-italSne™" 2455 Thlr.
für Darleihung der Hölzer, eines Theils der
Bretter. Bolzen, Klammern, einschliesslich
des Betrags für Darleihung der Hebema-
sohinen, Seile etc 1575 ,
Die Kosten der übrigen Herstellungen da-
gegen :
für liaskb' oder ca. 314 kb m guter wetter-
beständiger postelwitzer Sandstein pro 1 kb'
bis zur Stelle 4 Ngr. G Pf. 170 .
für die gesammteu Maurer- und Handlan-
gerarbeiten nebst Insgemein 1450 ■
für 50 Tonnen Portland-Zemeut 234 B
für die gesummte SteinmeUariH-it HNO .
für die Bildliauerarbeit 700 „
für Kupfer und Knpferschmiedearbeit zur
Simsabdeckung 470 .
für Blei und Klempnerarbeit zur Abdeckung
von Mauerflächeu resp. Gesimsen 700 *
für Firnis*, Farben, Pinsel etc. zum An-
strich der Thurmspilze und der Statuen,
während die Arbeit durch die Zimmerleute
besorgt worden ist 100 ,
Eisenarmaturen zur Stützung der freiste-
henden Statuen in Verbindung mit ßronce-
ilühcln 68 „
Vergoldung der in Stein erhaben gearbei-
teten Inschrift in der Füllung zwischen den
freistehenden Figuren 80 »
für Sand-, Schutt- und Holzfuhren 150 .
Nebenausgaben. Gratifikationen für Aufsicht
und Ausmessung der Kirche . . 500 „
des Gesammtaufwands . . !fs;52 Thlr.
Canzlcr.
Digitized by Google
— 239 —
Mittheilungen aus Vereinen.
Archltektenvoroln zu Berlin Ks int einer Anzahl un-
serer Leser, die uns diescrhalb interpellirt haben, aufgefallen,
das« Qber mehre der diesjährigen VereinB-Exkursinnen nicht in
gewohnter Weise l»erichtct worden ist. Wir verfehlen daher
nicht, die» nachträglich dadurch zu erläutern, dass einerseits
der durch andere Mitlhciluugeii stark iu Anspruch geuommene
Kaum unseres Blatten eine eingehendere Schilderung und Erör-
terung der hei jenen Exkursionen in Augenschein genommenen
Anlagen nicht erlaubte, wahrend wir andererseits ülier mehre
derselben einen besonderen Bericht für später uns vorbehalten
haben.
Um wenigstem* die historische Ucliersicht über die Vereins»
Unternehmungen dieses S-muuers. welche unter Umstünden ftucli
fiir künftige Jahre eiuen gewissen Werth behalten kann, wieder-
herzustellen, wollen wir daher an dieser Stelle die Notiz nach-
holen, dass die dritte der diesmaligen Exkursionen, Sonnabend,
den 8. Juni d. J. der Besichtigung- der seit dem letztun ihr vom
Verein im Jahre 18*56 gewidmeten Besuche wiederum erheblich
vergrößerten Aktienbrauerei Tivoli, die vierte am 15. Juni
der seit Beendigung des letzten Krieges rüstig aufblühenden
Villen-Kolonie I.ichterfelde. galt. Ueber die fünfte Exkursion
ist iu No. 26 kurz berichtet worden; die sechste, welche au
Stelle der leider nicht zu Stande gekommenen Vereinsreise
nach Dresden eingeschoben wurde, war am 29. Juni nach eini-
gen Neubauten im Innern der Stadt, dem in seinen Anfängen
schon im vergangenen Sommer besichtigten Hause der Prcussi-
schen Bodetikredit- Aktien -Gesellschaft nehen der katholischen
Kirche und deu grossen städtischen Schulbauten in der Doro-
theenstraseo gerichtet. Sonnabend, den 13. Juli endlich hat die
beabsichtigte Exkursion mit Damen, deren Ziel diesmal die lla-
velparthie unterhalb Potsdams, Baumgartenbrück und jTcmpliu
waren, unter glänzender Bethciligung und mit glücklichstem
Verlaufe stattgefunden.
Fir. i.
Vermischtes.
leber Gesrhwiadl'ktltsMf&sMigeii an Khcin bei weracrsieia
(Im Jahre 1871) m »rglrirh des WcBauanVrhrn Rydro-
■eters, der Tabe-Barry «ad des •torffarhrnsrawiamers.
Vom Wasserbau-Inspektor v. Wagner in Bautzen, geprüfter
Civilingenieiir.
Wem es bekannt ist, in welcher Unzahl experimcutale Was
sergeschwindigkeitsmessungou schon ausgeführt worden sind,
dem dürfte es zum Mindesten überflüssig erscheinen, wenn diese
nochmals auf's Tapet gebracht und eingehender behandelt wer-
den. Jedoch unterscheiden sich in neuerer Zeit vorgenom-
mene Messungen
wesentlich von de-
nen alteren Datums,
sowohl in ihrer Art,
als auch iu ihren
Bcsul taten. Als Vor-
zug der jetzigen
Messungen — und
ich spreche hier
vorwiegend von deu
Baseler Messungen
im Jahre 1867, von
den eingehenden
Untersuchungen
Grebenaus, den For-
schungen von Darcy,
Bazin etc — ist zu-
nächst der wichtige
Umstund hervorzu-
heben, dass mau
bei Benutzung des
Woltmana'schcn
Klügeis mit verän-
derlichem Knr-
rektions-Kueffizien-
ten gearbeitet hat,
»Ährend man frü-
her und zum Theil
noch jetzt (neueste
Auflage von Bauern-
feind's Vermess-
ungskunde) den Ko-
effizienten als kon-
stant annahm, resp.
noch annimmt. Dass
dies ein Irrthum ist,
welcher zu bedeu-
tenden Differenzen
bei Ausrechnung
des Werthes für
die, Geschwindigkeit und somit auch der Wassermenge führen
kann, beweisen die neueren Untersuchungen Grebenau'»*). Wie
bedeutend aber die Werthe des Koeffizienten (*) je nach der
Grosse der Geschwindigkeit (r) von einander abweichen, zeigt
z. B. Grebenau's „Woltmann'schcr Hydrometer":
bei r = 0,173 0,200 0,210 0,250 0,400* 0,500 1,000 1,500 2,000'"
istA= ~ 1,9891 1,5480 0,04 1 1 0,G 1 48 0,5730 0,.V3 II 0.5288 0,526; i
Bei Geschwindigkeiten von über 2,00"' au ergab sich der
Koeffizient konstant — 0..V263.
Ein zweiter Vorzug der neueren Messungen (am Rhein)
besteht darin, dass die erhalteneu Resultate durch die versrhie-
dentlichstcn Instrumente kontrolirt worden sind uud dass man
— die Wasserspiegel- Geschwindigkeiten uulangend ausser
dem Woltmann'scheu Flügel stets auch vergleichsweise mit dein
Oberflächensch wimmer**) operirt hat.
*J Orebtnan fand darch Experiment, djuii dl* Kurv« der Utndreliunfi»,-
uhJealUeachwindt-krilen: Abulaieu, L'mdtehuiiit-ii : Ordinai.nl eine t'»i«b-l kl,
wm akw ilwrrb die aaf rata analytlsebcua Weg» fteilrne de* Iogenlt.ni Urabaer
(L«i|ig|g) Toncrrvonnffifl pVtifaltg bwaüUitfl.
"» Die TUMn>rbaiaa»ir «rwirfl Urebrou (ebenso Prof. llaiirnbarb in
Haael) und wem In »einem lalelr.i.nt'a .Elaborat aber die Banaler liliein Mm-
»anfea*, welcbea aeineT Zeit ia Drack erecbelann wird, naeb, du Jene falMbe
Menke liefern.
Flu.
Fiir. 3
Endlich ist noch zu ihrem Vortheile hervorzuheben, dass
die von Darcy wesentlich verbesserte Pitot'sche Rubre (die so-
genauute Tube- Darcy) als drittes zur Kuntrule dienendes In-
strument benutzt worden ist und dass die mit demselben er-
reichten Resultate hinlänglich genau mit denen des Woltmann'-
schen Flügels und des Oberflächenschwimmers übereinstimmen.
Von dieser l'cbcrciustimmung der Resultate aus der Mess-
uug mit dem Woltmauu, der Tube -Darcy und dem Schwimmer
hatte ich im Sommer vorigen Jahres Gelegenheit, mich selbst
zu überzeugen und tlaltei die Tube -Darcy näher keunen zu
lernen.
In Gemeinschaft mit Herrn Grelsmau hatte ich iu rOrce-
nauuter Zeit unter Anderen folgende Vcrgleit-hsmcssungen auf
dem Rhein bei Gcr-
mersheim vorge-
nolulueu:
Vergleichs-
messu ugen lui t
dem Woltmanu
und der Tube-
Darcy .
In einer Entfer-
nung von 2t i» ton
linken (huvrischen)
Ul'cr wurden zwei
zusammeugekopiiel-
te Boote mit dem
darauf befestigten
Podium auf dem
Rheine reraukert.
In der Mitte war
dicTuhc-Darcv pos-
tirl: 0,70 t» davnn
entfernt wurde links
(H'i ) und rechts
(Wf) der Welt-
mann *) i>,2-jn tief
eingehalten. Dauer
der einzelnen Be-
obachtung je 2 Mi-
nuten. Es ergab
sich zunächst für
den Woltmann:
bei M', : Umdre-
hungszahl =4<Jil, 7.'.:
Geschwindigkeit r
= 1,788m,
bei H't ! Umdre-
hungszahl =405,00:
Geschwindigkeit r
es 1,780™
Im Mittel also: r, = 1.7H4« pro Sekunde.
An der Tube -Darcy wurden die Wusserspiegelstflnde 00
Mal abgelesen und erhielt man im Mittel: 0.1612™ Differenz
Hube. Dieser entspricht nach der unter Berücksichtigung des
Korrektion* - Koeffizienten aufgestellten Tabelle die Geschwin-
digkeit
r, - 1,777™ pro Sekunde.
Es weichen daher die Resultate nur um 0.007* von einan-
der ab.
Vergleichsmeggungen zwischen dem Woltmann, der
Tube-Darcy und dem Schwimmer.
Die Verankerung der Boote erfolgte bei 37™ Entfernung vom
linken Ufer. Die Axen der Instrumente wurden (1,25«« unter
dem Wasserspiegel eingehalten und ergab sieh zunächst Iteiin
Woltmann :
Aus 00 Beobachtungen an der Tubc-Darcy ergab sich
r, sä 1,940'«
•) Von Ertel and Sobn la Munrhen. FlageldurrkraoMcr r.irm.
Uigitized
by Google
- 240 -
Die Schwimmer (Holzstäbe von 0,.V» Länge, 5 big 10««» Durch-
messer, ca. ü, im Wasser und durch Beschwerung mit Steinen
vertikal laufend) — im Ganzen 15 Stück — wurden in der
Wegiäuge von 200™' bei genau abgesteckten Querprofilen beob-
achtet, nachdem durch Einwerfen von Probeschwimmeru aus
dem oberhalb postirten Nachen ersichtlich geworden, das* jene
denselben Ort berührten, an dem mit den vorerwihuten Inatru-
menten gearbeitet worden war. Der Weg wurde während des
Schwimmeng durch Messtischaufnahme hxirt Aus Zeit und
Weg ergab sich hierbei im Mittel
r. = 1,9€1.
Das Mittel von r, r, r, betragt tonach:
f = 1,957,
und sehen wir hieraus, das» die Abweichung von
Mittel-
beim Woltmann ca. 0,7 Prozent
bei der Tube-Darcy 0,S6 „
beim Schwimmer „ 0,2 „
beträgt; im Durchschnitt: O.fia Prozent vom Mittelwerthe.
Dies« Resultate können unstreitig als zufriedenstellend be-
zeichnet werden und sprechen zugleich für die richtige und
sorgfaltige Bestimmung der Grebenau'schen Koeffizientenreihen.
Die Tube-Darcy.
Die Tube-Darcy, welche wir bei den vorerwähnten Messun-
gen benoteten, war nach Angaben von Bazin in Dijou vom
Optiker Bouvalot gebaut worden, enthielt aber manches IV-
berflüssige, zum Theil Nachteilige, nach dessen Beseitigung das
Instrument folgende Konstruktion hat: In einem schmalen höl-
zernen Gehäuse (oberer Theil in Fig. 1.) befinden sich
zwei Glasrohren, welche oben und unten in Messingkapseln gut
«ingedichtet sein müssen. Au dieses schliesst sich der Stiefel
CB au recbtwiuklig mit dem Ausatzrohre ß A. Dieser enthält
die Fortsetzung der Kohren. An der Spitze bei A ist eine feine
Ocffnung von kaum 2""" Durchmesser, durch welche das stos-
b endo Wasser aufgenommen und über dxs Niveau des Fluss-
wasserspiegels iu die linke Röhre getrieben wird. Bei der seit-
lichen üeffuiuig A' tritt das Wasser in die rechte Röhre bis zur
Höhe des Flusswasserspiegels. Mittels eines Gummiscblauchs
G, resp. einer Säugpumpe saugt man die beiden Wassersäulen
gleichzeitig iu die Hohe, um deren Differenz bequem und genau
ablesen zu können, schliesst durch Drehung des Hahnes r oben
die Luft ab und beobachtet die so frei hängenden Wassersäulen
nach ihrem Steigen oder Fallen und ihrer Oberflächend ifferenz.
Zum Ablesen der letzteren dient ein verschiebbarer Maasstab
von ca. 50*" Länge (bis zu Millimetern eingetheilt), dessen Null-
punkt man an dem höheren Wasserspiegel (untere Tangeute)
einstellt. Am unteren Ende der Glasröhren ist eine Kammer
£, welche einen durch den Hebel Uli' (in Fig. 2 der Seitenan-
sicht) zu verstellenden Hahn enthält, der das Nachdringen des
Wassers verhindert, sobald man BW in die Lage bringt wie in
Fig. 2.
Bei der Beobachtung bleibt zunächst F und E geöffnet,
nach dem Aufsaugen wird F und — sobald die Wassersäulen
beharren — auch E geschlossen, worauf man abliest, F. wieder
offnen lässt, den Beharrungszustand abwartet, darauf E schlins-
sen lässt und die zweite Aulesung notirt etc. An einem Be-
obachtungspunkt licsst man gewöhnlich 30 oder 00 Mal ab und
nimmt, nachdem mau die Ablesungen je nach dem schwachen
Fallen oder Steigen — vor dem Eintritt der Beharrung; — zu-
sammengestellt, das Mittel. Aus der Formel r — <l\ 2 g . A
oder für Meter: r = 3 , 4,429 V A, worin « der Koeffizient des
Instrumentes und A die abgelesene Höhendifferenz ist, ergicht
sich die hierzu gehörige Geschwindigkeit. *) Diu ganze Manipu-
lation: Einstellen, Aufsaugen, 30 walige Ablesung etc. dauert
circa 10 Minuten. Hierbei muss mau stets zweierlei beobachten:
erstens, das* das Instrument genau rechtwinklig steht und
zweitens, dass man die linke Wassersäule stets auf dieselbe
Höhe aufsaugt, damit die hierdurch im Köhra entstehende Luft-
verdünuung bei allen Bcobachtuugspunktcu nabuzu dieselbe
bleibe. Saugt mau in verschiedene Höhen, so ändert sich die
Differenz A, welche in der Mitte der Köhren anders (grösser)
ist, als am oberen Ende.
Der Nachtheil der französischen Konstruktion, von dem vor-
her die Kede war, besteht namentlich darin, dass dur obere
Hahn F die beiden Glasrohren auch einseitig absperren kann.
In Stellung a (Fig- 3) sind beide Köhren verschlossen: bei //
linkes Kohr offen, rechtes zu: bei c beide Röhren offen und bei
d links zu, rechts offen. Die Stellungen b und d sind ganz
überflüssig und können schädlich wirken, wenn man die Stell-
ung a schnell nach c versetzen will, weil sodann die Stellung
6 — bei welcher die Luft nur in die linke Köhre driugt —
allemal mit berührt werden muss. Die Vorrichtung in der Kam-
mer /' muss daher so getroffen sein, das* der Hann nur bei a
(beide Köhren zu) und bei b (beide offen) einwirkt.*)
Die Tube-Darcy leistet, wie keiu Instrument, namentlich
bei der Messung von Geschwindigkeiten hart am benetzten
Umfang vortreffliche Dienste (ebenso für die Wasserspiegelgeschwin-
M.t»n U at, »bald i g.t i
dl. Owchwlndlgkclten b.1
r 0 „ j. :
"> rii.» und udere Sutti,»!!« •lud J.m BnrhaniMhra ...
u. Soha I. München Ifrul.. H.i<l,-»Url,WI,« l.,t.), «,kl>»
to> KrUI
dl« Tuü*.1>»kt
digkeit), welche man mit dem Woltmann wegen des den Flügeln
tu belassenden Spielraumes nie genau ermitteln kann. Bei
grossen Strömen kann man zwar die Tube-Darcy nur am Was-
serspiegel und kleineren Tiefen, wegen ihrer geringen und kon-
stanten Gesammtlängo (ca. 2<"), aber nicht zur Messung der Ge-
schwindigkeiten an der Sohle verwenden; doch kommt es bei
Strömen auf diese überhaupt weniger an; die mit dem Wolt-
mann angenähert gefundene Geschwindigkeit an der Sohlo
wird hierbei ausreichend genau sein. Jedoch bei Flüssen und
Bächen, in denen die Tube-Darcy allseitig verwendbar ist uuu
in welchen die Geschwindigkeit an den Waudungeu das Gesamut -
result.it weit mehr beeinflusst, dürfte jener Vortheil der Tube-
Darcv sehr und zwar um so mehr in's Gewicht fallen, als man
gerade solche kleinere Wasserläufe grösstenteils zu industri-
ellen Triebwerken benutzt und daher in der Ermittelung der
Wassermenge mit grösstcr Vorsicht und Genauigkeit zu Werke
gehen muss.
Wie genau mit der Tube-Darcy gearbeitet werden kann,
zeigt die in Fig. 4 dargestellte vertikale Geschwindigkeitskurve,
aus welcher ersichtlich ist, dass sogar die Geschwindigkeit des
Im über der Suhle befindlichen Wusserfadeus bestimmt werden
konnte. Eine ganz ähuliche Vertikalparabel ergab sich durch
die Versuchsmessungen, welche ich in Gemeinschaft mit Gre-
benau am Khein hei Germersheim im vorigen Sommer vornahm.
Die vorstehende Kurve wurde vou Herrn Grebenau im Juli lSTtt
im Bcisvin der Herren Baurath Lavale und Kreisbaubeamter
von Güuther aus Speyer über der Kheinsheimcr Kiesbank am
Rhein gemessen, und geht aus der Gestalt auch dieser "
zugleich die Gleichmässigkeit des Wasserabflusses hervor, i
der Rbcinstrom nach seiner Kegulirung angenommen hat
Konkurrenzen.
Zu der Konkurrenz für Entwürfe zu einem Denkmale
auf dem Karlenberge zu Brandenbarg a. d H., der wir be-
reits in No. 27 u Bl. erwähnten, wollen wir ebenso im Inter-
esse der Sache wie mit Rücksicht auf die in hohem Grade dank-
bare Aufgabe nicht verfehlen, utsere Fachgenossen aufs Wärmste
aufzufordern. Nach den Erfolgen, welche ähnliche Konkurren-
zen bereits gehabt haben, trotzdem der Preis des Siegers we-
sentlich in Oer Ehre des Sieges und in dem Bewusstsem, seine
Kräfte einem würdigen Zwecke gelieben zu haben, bestand,
glauben wir übrigens, dass es einer solchen Aufforderung zu
reger Theilnabmc Iiier, wo auch die äusseren Bedingungen der
Konkurrenz in günstigster Weise geregelt sind, kaum bedurft
hätte. Andererseits möchten wir — gerade weil wir eine über
den Kreis der märkischen Architekten hinausgehende Theil nähme
erwarten — dorn VcrwaltungB - Aussc husse empfehlen, das von
ihm aufgestellte Programm noch durch einige Notizen zu er-
gänzen, ohne die es einem mit den Lokal-Verhältnissen nicht
ganz vertrauten Künstler schwer sein wird, eine sorgfältige
Arbeit zu liefern. Da eine bestimmte Kostensumme normirt
ist, scheinen uns nämlich einige Preisangaben, und da für die
Form des Denkmals wesentlich die Silhouette, wie dieselbe sich
in der Ansicht aus der Ebene ergiebt, entscheidend ist — eine
Skizze von der Gesummt - Silhouette des Berges (am Besten iu
pbotographischcr Aufnahme) unbedingtes Krforderuiss.
Personal - Nachrichten.
Preuasen.
Ernannt: Der Ingenieur - Assistent Ellenbcrger iu
Schlüchtern zum Eisenbahn -Baumeister an der Hannoverschen
Staats-Eisenbahn in Hannover. Der Baumeister Allraenrödcr
zu Malberg i. d. Kifel zum Eisenbahn -Baumeister hei der Nas-
sauischen Staats - Eisenbahn iu Büdesheim. Der Baumeister
Schröder in Magdeburg zum Eisenbahn - Baumeister bei der
Bergisch -Märkischen Eisenbahn in Düsseldorf. Der Baumeister
Knebel in Bebra zum Eisenbahn - Baumeister an der Bcbra-
Friedländer Eisenbahn.
Versetzt: Der Ober - Bauiuspcktor Muyachcl zu Gum-
binnen an die Küuigl. Regierung zu Bromberg. Die Kreisbau-
meister Thiele in bensburg und Kischke in Heydekrug nach
Lötzen und Sensburg. Der Landbaumeister Rapitzke zu
Gumbinnen als Kreishaumeistcr nach Ragnit Der Eisenbahn-
Baumeister Petersen zu Ratibor zur kommissarischen Ver-
waltung der Eisenbahn - Bauinspektorstellc an der Ostbahn
nach Bromberg.
Brief- und Fragekasten.
Hrn. J. in Dortmund. Die technische Hochschule Wien*
ist das dortige „Polytechnieum", dessen Programm Sie aufVer
langen sicher von der Direktion beziehen können. Auf eine Em-
pfehlung von Unterrichts -Anstalten, die uns sämmUich mehr
oder weniger doch nur oberflächlich bekannt sind, können wir
uns selbstverständlich nicht einlassen. Architekten studiren in
Wien auch an der Akademie der Künste, an der Hansen und
Fr- Schmidt Lehrer sind, während Kerstol am Polytccbnicum
wirkt Der Besuch des letzteren wird indessen unseres Wissen*
als Vorbercitungszcit für das preussische Staatsexamen nicht
gerechnet.
Hrn. W. P. in Leipzig. Dass es jedem sclbststäudigen
Bautechniker völlig freisteht, sich Baumeister zu nennen, haben
wir des Oeftercn schon angegeben.
t» Carl H r u i i 1 1 i. ;
TM Ol
•.«nie 1
Digitized by Google
«
tu
a
-
1
i
j
z
u
I
o
s s
ÜJ -
ü
Z S
£ |
O i
u I
Q 3
3 -
M
B
Uigitized
by Google
DEUTSCHE BAUZEITUNG*
Organ des Verbandes ,
deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine.
Em i rat»
Redakteur K. E. 0. Fritsch.
Preli 1 Thaler pro Quortsi. Berlin, den
25. Juli 1872.
Erscheint jeden Hanne rstmg.
Inhalt; Verbund dauUchar Architekten- und Ingen l*«r -Vereine. -- XVI.
V«r*«ainiJnn|t denlecber Architekten und Ingenieure. — Di« Konkurrent für
Km» urfi- mm Slanae de« deutacben Helena tage«. — Ein Beitrag snr Konarraktiun
dar FuttTmtu#rn mit Intbrahter Varderfllene. — FeullJeton; G. L. Marten»,
— Mlttfaellungen im Vereinen: Arenftekteaveroln tu Berlin. — V er -
at achtel: Er<MTii*K» Bahiutrerken Im Gebiete de« Verein« Deniafhor Eisenbahn-
Verwaltungen in 1. SaoMiwr 187». — Konk arrcnien: Konkurrent«» für Em
wurf« » nnm HMlarJmlirtiiade und rintni NiTlwtlonwbkudf In Hnata —
Xuiuimi für Entwarf« tum Niaban nnr« (i«wlU*ti«A«h«iJ»i>i dar (lo»rllKliift
fr»iwilll|r*r Ara>«nfrrund« In Klrl. - Konkarr*«! rur Entwürfe tum Naubau <Ur
Kor An.'.U tarn Hinte, bof In B&du (tkawrii). — P»r «011* 1 • »«eh ri r h tf n .
— Brlaf- and rnrikiitrB.
Verband deutscher Architekten- und Ingenieur -Vereine.
Die statutenmäßige Versammlung <k»r Abgeordneten des Verbandes deutscher Architekten- und Ingenieur -Vereine
wird hiermit auf
Sonnabend, den 21. September d. J. Morgens 9 Uhr
In dmn Polytechnikum zu Karlsruhe
eingeladen.
Gegenstünde der Tagesordnung gind folgende:
L Innere Angelegenheiten des Verbandes.
1. Feststellung der Geschäftsordnung für die Abgeordneten -Versammlungen,
2. Geschäfts- und Kassenbericht für das abgelaufene und Feststellung des Etats für das folgende Jahr.
3. Aufnahme neuer Vereine in den Verband.
'4. Antrag des Architekten- und Ingenieur-Vereines zu Hamburg auf Acndening der §§. 23 und 24 des Statuts,
Zusatz zu §. 23.
g. Erledigung von technischen und kollegialen Fragen allgemeiner Natur.
§• 24.
Die Abgeordneten -Versammlung wird vom Vorstände einberufen; die bezügliche Aufforderung muss
mindestens 14 Tage vorher im Verbandsorgan veröffentlicht werden.
Jede statutenmässig einberufene Abgeordneten-Versammlung ist, unabhängig von der Zahl der Anwe-
senden, beschlussfähig.
Die Gegenstand« der Tagesordnung müssen den Kiuzelvereinen zwei Monate vorher mitgetheilt werden.
Einfache \ Vrualtungssacben können auch ohne diese Frist von der Abgeordneten -Versammlung sofort
erledigt werden. - -'
Alle anderen Gegensttnde'iWftsKen von >', der^'ti
um noch nachträglich auf die Tagesordnung g^angen zu kennen.
Derart etwa getaaste Beschlüsse sind nur Beschlüsse der Abgeordneten, nicht der Abgeordneten -Ver-
sammlung, sie bedürfen um als Verbandsbeschlnsse zu gelten, einer nachträglichen Genehmigung einer zweiten
Abgeordneten -Versammlung, respective einer schriftlichen Abstimmung (siehe § 21).
Abänderungsvorschläge der Statuten müssen unter allen Umständen den Einzelvereinen zwei Monate
vorher mitgetheilt werden.
5. Antrag des Verbandes an die XVI. Versammlung deutscher Architekten und Ingenieure zu Karlsruhe, in Zukunft
an Stelle der Waudcrversammlungen General -Versammlungen des Verbandes deutscher Architekten- und In-
genieur -Vereine abzuhalten.
II. Technische und soziale Angelegenheiten.
6. Schutz des geistigen Eigentbums an Werken der Architektur und des Ingenieurwesens, insbesondere an kunst-
gewerblichen Erfindungen (Musterschutz).
7. Reform des Prozessverfahrens bei bautechnischen Streitigkeiten durch Einführung bauteebnischer Spezial-Gerichte.
8. Aufstellung einer Norm für die Honorirung der Arbeiten im Gebiete des Ingenieur-Faches.
9- Vorschlage der Herren Grebenau und v. W agner zur einheitlichen Bezeichnung der i
inenden Grössen (vergl. Deutsche Bauzeitung Jahrgang 1871, No. 4G) und Zusatz-
diese Berathungen auf alle Gebiete des Bauwesens auszudehnen.
10. Antrag des permamenten Polytechniker-Ausscbusses zn Dresden auf Einführung eines allgemeinen durch ganz
Deutschland giltigen Staatsexamens (Reichsexamen) für Techniker.
11. Angelegenheit der Konkurrenz zum Bau des deutschen Reichstagsgebäudes.
12. Aufstellung von technischen Fragen, deren Behandlung durch die Einzelvereine als Vorbereitung für die folgende
Abgeordneten -Versammlung erwünscht ist.
Der Vorstand des Verbandes deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine.
Quassowski, Roeder, Blankenstein,
Vorsitzender. Säckelmeister. Schriftführer.
Franzius. Gercke. Roemer. Streckert.
;
III. Versammlung Deutscher Architekten und Ingenieure.
Da bis jetzt erst vier Vorträge, und zwar in der Abtheilung für Bauingenieurwesen, angemeldet worden sind, so
sehen wir uns veranlasst, die geehrten Facbgenossen um thunlicbste Mitwirkung auf diesem Felde wiederholt zu ersuchen.
Ausser der Ausstellung fördern die Vortrage in den Abtheilungen am fruchtbarsten den wissenschaftlichen Nutzen der
Wanderversammlungen. Gewiss giebt es ausser theoretischen Thematen eine reiche Auswahl von Gegenständen, nament-
lich Bauausführungen der neuesten Zeit, welche das Interesse der Fachgenossen fesseln würden, und sind auch kurze, an-
spruchlose Mittheilungen ganz willkommen. Wir bitten insbesondere auch die Vorstände der technischen Vereine, bestimmte
in ihrem Kreise liegende Aufgaben dieser Art bei ihren Mitgliedern
Karlsruh,-, Mitte Juli 1872.
Das Lokal-Komite.
Baumeister. Dürrn.
Digitized by Google
— 242 —
Die Konkurreil für KntwürfV
Hause des Deutschen Reichstages.
(Vor«wl«uiij .utt SthJaM )
IV.
Nach einer Erörterung der allgemeinen Moment«*, welche
in den Entw&rfen dieser Konkurrenz vorliegen und in sich
den Gehalt an Ideen repräsentiren , der durch sie für eine
Lösung der Aufgabe gewonnen worden ist, — nach einer
Besprechung der einzelnen Entwürfe, durch welche wir dem
nicht minder berechtigten individuellen Elemente Rechnung
zu tragen versuchten, stehen wir nunmehr vor dem Schlüsse
unserer Arbeit, die sich zu grösserer Länge ausgedehnt hat,
als wir dies bei Beginn derselben annahmen und beabsich-
tigten. Wir müßten furchten, in dieser Beziehung das durch
den Charakter unseres Blattes vorgeschriebene Maass auf
Kosten anderer Pflichten überschritten zn haben, wenn nicht
die Angelegenheit, um die es sich hier handelt, von so
ausserordentlicher Bedeutung wäre und wenn nicht in der
That Alles dafür spräche, dass durch dieselbe das Interesse
der gesammten deutschen Kachgenossenschaft in tieferer
Weise erregt worden ist, als durch irgend eine andere Frage,
die, so lange wir denken können, an sie herangetreten ist.
Und zwar ist die Bedeutung dieser Konkurrenz für unser
Fach eine doppelte. Sie wird einmal durch die Aufgabe be-
dingt, welche ihr zu Grunde lag, und ist in dieser Beziehung
eine sachliche und ideale: ein Gebäude dieses nationalen
Ranges ist in Deutschland noch nicht errichtet worden und
wird wohl ebensowenig zum zweiten Male errichtet werden.
Sie ist jedoch andererseits auch eine materielle oder viel-
mehr persönliche, indem sie die eigensten Interessen unseres
Faches unmittelbar berührt. Für das Selbstbewußtsein des-
selben und für seine Stellung zur öffentlichen Meinung der
Nation dürfte nicht leicht eiu anderes Ereigniss so einfluss-
reich werden können, als die bisherige und zukünftige Ent-
wicklung gerade dieser Konkurrenz. Denn wenn fast alle
I'rinzipienfragen. die für die Auffassung und Handhabung
des öffentlichen Konkurrenz -Verfahrens, des Palladiums un-
serer Kunst, in Betracht kommen, hier aufs Neue angeregt
worden sind und durchgefochten werden müssen, so scheint
uns die allseitig gespannte Aufmerksamkeit, die allseitige
Betheiligung, mit der dies geschieht, dafür zu bürgen, dass
die Prinzipien, über die man in diesem konkreten Falle einig
wird, fortan unbestrittenes, zur festen Sitte erhöbe
nes Gemeingut Aller werden, wie dies den
einer ausschliesslich theoretischen, von der Mehizabl
praktischen Techniker als doktrinär
so leicht nicht vergönnt ist.
Es ist unsere Aufgabe, nach beiden Richtungen hin de»
Versuch einer Klärung zu unternehmen, die Resultate der
Konkurrenz in ihrem bisherigen Verlauf zusammenzufassen
und Maassregeln in Vorschlag zu bringen, welche zor wei-
teren Förderung der Sache dienlich erscheinen. Selbstver-
ständlich haben wir es nicht vermeiden können, unsere Au-
sicht über einzelne der in Betracht kommenden Momente,
je nachdem die bekannt werdenden Ereignisse dazu heraus-
forderten, schon früher* anzudeuten oder in selbstetandiger
Form nebenher auszuführen. Wir sind deshalb in der poli-
tischen Presse, in öffentlichem Vortrage, wie in privaten Zu-
schriften mit mehr oder weniger Heftigkeit angegriffen, zum
Theil sogar verdächtigt worden. Indem wir unsern Stand-
punkt zur Sache hier in einheitlichem Znsammenhange ent-
wickeln, wird sich auch Gelegenheit finden, auf das zu ant-
worten, was einer Antwort überhaupt werth ist
Wie man über den sachlichen Erfolg der Konkurrenz
urtheilen soll und wie man die weitere Förderung der Reichs-
tagshaus-Angelegenheit betrieben zn sehen wünscht, hängt
wesentlich von der Auffassung ab, in der man Ziel nnd Zweck
des Konkurrenzwesens überhaupt betrachtet. Nach den zahl-
reichen Erörterungen, die hierüber innerhalb der deutschen
Architektenschaft bereits gepflogen worden sind, als es sich
darum handelte, unsere .Grundsätze für das Verfahren bt>i
öffentlichen Konkurrenzen" aufzustellen, hofften wir, dass die
Anschauungen sich mittlerweile wesentlich geklärt hätten,
aber wir müssen bekennen, dass wir hierin stark enttäuscht
worden sind.
Wiederum ist die Behauptung aufgestellt worden, dass
der Kernpunkt des ganzen Konkurrenzthums, die ideale und
praktische Seite desselben es sei, dass der
zugleich
Sieger in einer architektonischen Konkurrenz zum Mindesten
mit der Bearbeitung der definitiven Pläne, wenn möglich mit
der Ausführung des
müsse, falls nicht die Konkurrenzen blosse
sollen, in denen der Gewinn für den Einzelnen und für das
Allgemeine nicht im Verhältnis» zur Höhe der Emsätze stellt.
Dass wir uns bereite gegen einen derartigen Abschluss resp.
eine derartige Konsequenz des vorliegenden Konkurreuz-Ver-
derartige Konsequenz
und dabei an die Einsicht der paria-
O. L. Martens *)
Der Landstrich zwischen Elbe und Königsau ist vou den
historischen Zeiten bis zur Gegenwart eiu Waffenkampfplatz
gewesen, die Kunst hat auf diesem schwankenden Boden nur
spärlich Wurzel schlagen knunen und die genügen Leistungen
derselben sind au den Meuseliengesflilf. lit. ru, welche für deutsche
Art und Sitte Alles einsetzten, last wirkungslos vorübergegangen.
Ileerd und Altar, diese Grundsteine deutscher Gesittung, haben
hier zwar monumentale Bituteu, wie die Michaelis -Kirche, das
Johannis-Kloster und den Dom zu Schleswig, entstehen lassen,
aus denen der Volkscharakter, die zähe Festigkeit, hervortritt;
aber die Baukunst, im rechten Sinne des Wortes, ist in den-
selben nur aLi unentwickeltes Element zu finden. Gerade die-
sem Kunstzweige jedoch haftet die Eigentümlichkeit an, sich
nach den klimatischen Verhältnissen, den Landes -Materialien
und den zeitlichen uud örtlichen Bedürfnissen des Volkes zu
bilden und der Vollendung entgegen zu gehen, wofern die leben-
dige Theilnahme des Einzelnen und der Gesaminthcit unter-
stützend mitwirkt Dieses Letztere vermochten die Stämme
nordwärts der Elbe Jahrhunderte laug der Kunst nicht ent-
Der BoJeu lieferte zwar Barksteinmaterial in seltener Güte;
der harte Granit lag haufenweise als Findling auf den Aeekcru,
die Buchten der Ostsee waren dicht mit Eichen- und Buchen-
wäldern eiugefasat; das Klima drängte uuf Bauten monumen-
talen Charakters hin, erfahrene Werkmeister butteu in den
nahen Hansestädten ihre Tüchtigkeit und Kunstfertigkeit be-
wiesen; — und trotz dieser günstigen Umstände suchen wir
dort vergeblich nach stattlichen Wuhngebäuden, Hathhäuscru
und Kirchen, wie sie zum Beispiel Lübeck besitzt aus der
BIDthezeit norddeutscher Baukunst, dem Mittelalter. Die Man-
*l Wir eutaetman den nacblteaendea Nekrolog der Juli Nuniocr de«
.Cl.ri-.tli.hen Kunetblattei*. Wenn der Ort. für arelehca dereelbe biolimul »»r,
dir- Darstellung aooh stellenweise beeiaDaM.1 h«l und dasjenige ssuiaeut, arelcbee
für ein«! ■ . r . Ionischen Loserkreie da» interessantere geaeaen »irr. — Hu*
Würdigung d»r Werk« de» eeraturbanen Kanülen Im Verglnlihe satt den II.-. Ire
Hungen d.r übrige» gothlMhen Subtilen Deutschlands, nansenUirh der auf gleichen
Fundamente bastrendca hanooiererbcu schule - gani unberücksichtigt geblieben
.... M gla.it- n arlr In den mit wohlthueanVr Wann», Jedoch in dairhaas objek
llror Haltaag gesebriebeuen Lebenebllde eine« Uacmea, ilnwa Tod aacb vir als
ichmerillchea V'^ 1 ""' f*r die^deuueh« Kunst beblacl babea. uaeero Laaern Ina-
wlllkooman.. Beitrag .. bringe«. ^ M
draussen für das
Felde Rath, um Rocht uud
solche leibliche und geistige Kräfte nicht dem Kriege, sondern
dem Friedenswerke, der Kunst, zn Gute gekommen, dieselben
hätten Grosses schaffen müssen; die Holstentraue mit ihren glän-
zenden Thaten füllt in dem Buche der Geschichte mauebe Blät-
ter, während die kunsthistorischen Denkmale um so kleinlicher
erscheinen. — Die Gegenwart hat einen Abschluss der Kämpfe
für deutsches Recht und Sitte gebracht und es steht zu boffeu.
dass mit dem inneren Frieden auch der Kunstsinn jenseits der
Elbe mehr und mehr gepflegt werde. Der naturgemässe Weg,
welchen die Baukuust durt einzuschlagen hat, um zum Ziel zu
gelangen, ist in den wenigen Worten über Klima und Material
angedeutet worden; zwar sind die Granitfindlinge nach uud
nach von den Feldern fortgeschafft und benutzt und die Eichen
wie Buchen bilden nur noch einen spärlichen Laubkranz an der
Ostsee; aber der Erdboden selbst ist noch unerschöpft und bie-
tet vorzügliche Backsteine zum Bauen dar. —
Eine feste Grundlage für den architektonisch gegliederte!!
Rohbau ist seit kaum zwei Jahrzehnten durch das unermüdliche
Streben weniger Männer in Schleswig-Holstein gewonnen worden,
und es hat der gothische Backsteinstil, trotz der grossen Vor-
urtheile, besonders in der sogenannten gebildeten Klasse, nicht
nur seine Lebensfähigkeit für die Neuzeit bewiesen, sondern auch
durch seine Kraft und Pracht aus manchen Gegnern F'reuude
geworben. Sieht man vou der formalen Seite dieser Errungen-
schaft ab, so darf nicht unerwähnt bleiben, dass das konstruk-
tive Prinzip des Backsteinrohbaucs hier theils einen günstigen,
theils einen schwer zugänglichen Boden vorfand. Während näm
lieh im Volke jene niedersächsiebe Bauweise mit den beschei-
densten Anfängen einer künstlerischen Ausbildung Jahrhunderte
lang fortgelebt hatte, war in den kunstverständigen Kreisen die
Theilnahme hierfür erloschen und das Strebeu nach antiken
Formen ohne Rücksicht auf Klima und Material an deren Stelle
getreten; dort hielt der Bauer am unverputzten Hack stein für
die Mauern seiner Wirthscbaftagobäude, seines Schul- und Pfarr-
hauses, sowie seiner Kirche fest; die Pferdeköpfe am Dach-
sparren, die Eisenanker in Jahreszahlenform oder Initialen, die
runden Bleivcrglasuugen der Fenster und die geschweiften Aus-
schnitte am Holzwerk waren eben so wie die gemalten Leinen-
truheu, wie die bäurische Tracht und die platte Sprache ehr-
würdige Familien -Erbstücke, über welche mit ächter "
Zähigkeit gewacht wurde; hier dagegen seufzte der Städter un-
ter dem trüben nordischen Himmel nach den vollendet
Digitized by Google
mentarischen Kreise apellirt haben, ist vou anderer Seite als
ein „Verrath an der Sache, für welche ein Blatt wie die
Deutsche Bauzeitung eigentlich einzutreten hätte*, gebrand-
markt worden, als ein Schacbzug, dessen Zweck kein anderer
sein könne, als .die Sache wieder in die Hände, der Bau-
hureankratie zurückzuspielen, welcher sie durch Erlass des
Preisausschreibens aus den Händen gewunden wurde." Ji
selbst zum Range eines „ offiziösen" Blattes sind wir bei
dieser Gelegenheit wiederum*) erhoben worden — Annah-
men, die für jeden unserer faclurenossenschaftlichen Leser so
einfach lächerlich sind, dass wir darüber kein Wort weiter
zn verlieren brauchen.
Was jene Behauptung anlangt, so hat sie für eine obcr-
rachtung der Dinge in der That etwas Ver-
ind ist früher vielfach getheilt worden, aber
wir haben es schon mehr als einmal nachgewiesen, dass die
Ceberwindung dieses Standpunktes der wesentlichste Fort-
schritt der durch das Nachdenken Vieler gereiften An-
schauungen über das Konkurrenzwesen und die wesentlichste
Bedingung für die Möglichkeit ist, eine Konkurrenz mit
strengster Korrektheit, mit gleicher Rücksicht auf die
Interessen der Kunst und die Interessen der Künstler ent-
scheiden zu können. Nur weil unser Leserkreis sich seitdem
erweitert hat und wir hier gleichzeitig noch zu anderen
Faktoren sprechen, wiederholen wir in Kürze den Nachweis,
dass eine prinzipielle Beziehung des Sieges in einer Kon-
kurrenz zu der späteren Ausführung des Baues nur unter
den günstigsten Voraussetzungen als segensreich sich er-
weisen kann, sonst aber die grössten Unzuträglichkeiten
und Konflikte befürchten lässt. War beispielsweise das
Programm gut, die eingelieferten Arbeiten hingegen nur
raittelmässig, so bindet jene Bestimmung den Bauherrn ent-
weder an eiue unzureichende Kraft oder sie verführt zu dem
schlimmen Missbrauche, gar kein« Preise zu ertheilen. War
das Programm, wie in so vielen Fällen, mangelliuft und
stammt daher das Unzureichende der progruiiiiiiKeniässen
Projekte, während ein genialer Konkurrent ohne Rücksicht
auf dasselbe eiue gute Lösung gefunden hat, so nöthigt jenes
Prinzip entweder zu einer wissentlichen Unterdrückung der
•I AnnKkuuR. Dm «raui 11*1 wtdrrtutir an» darcli dieartb« Polet (UfmIIui
Kbr*. wrll «Ir b«d*u»rt hatten, il**a tnr kuiiitlrrUfhrn Va-rb«rt*«tuitg der vi>rjfch-
ilpin KlnragalXarlirkkaltau t.ii. In Jahtu l*«S hhrrftu hrv. ihrtc, Paraaullrk-
Wlun nur ill* II». Oroiilu» und L«r»l. ltlchl ab»r dW, Hrn. Strick und
Adlar ilux»H|i«n w«rd«n »arm. Braannllir-h fahrt von «liwn der Er»t« d«u
.Otoarborbaurath*-. <t*r ta-rilr- den »Banrath* -Titel . daher «narr angeblich offl-
i in.,» latereaae fnr «Heaelbrnl
guten Idee und ihres Autors oder zu einer Verletzung des
formalen Rechte« derjenigen Konkurrenten, welche sich
streng an das Programm gehalten haben. Nur in Ausnahme-
fällen werden sich überdies Bauherren finden, die sich in
dieser Weise schon vor Erlass einer Konkurrenz die Hände
binden lassen. Folgt hieraus wohl ohne Weiteres, dass es
unmöglich ist, die besprochene Forderung zu einer obliga-
torischen Bestimmung aller Konkurrenz-Programme zu
machen, so haben wir andererseits auch schon ausgeführt,
dass es bei dem ganzen Stande des Konkurrenzwesens , das
vorläufig kein Recht der Architektenschaft, sondern eine von
der Einsicht der Bauherren abhängige Konzession ist, unbe-
denklich erscheint, dieser Einsicht soweit zu vertrauen, dass
sie in Fällen, wo jene Lösung sich von selbst ergiebt, die-
selbe auch wirklich wählt, d. h. die Ausarbeitung der defi-
nitiven Pläne und die künstlerische Leitung eines Baues
demjenigen Architekten überträgt, dessen Entwurf in der
vorhergegangenen Konkurrenz die seiner Mitbewerber nicht
nur in den Schatten gestellt, soudern auch als eine so reife
und glückliche Irösung der Aufgabe sich erwiesen bat, dass
er der Ausführung zu Grunde gelegt werden konnte. Als
eine Sicherung dessen, die vielleicht einen Zusatz zu unseren
„Grundsätzen* bilden könnte, schlugen wir eventuell die
Bestimmung vor, dass für den Fall, in welchem ein aus einer
Konkurrenz hervorgegangenes Projekt auch wirklich zur
Ausführung gewählt wird, die spezielle Bearbeitung desselben
und der künstlerische Antheil an der Bauleitung dem Ver-
fasser desselben gewahrt bleiben müsse.
Bei Konkurrenzen zweiten oder noch niedrigeren Ran-
ge» — zumal wenn bei deren Vorbereitung erst durchweg
mit der erforderlichen Sorgfalt verfahren wird — werden
solche Fälle häufiger vorkommen. Bei Konkurrenzen ersten
Ranges, bei Konkurrenzen um Aufgaben, die bei Erlass des
Preisausschreibens sich .in vollem Umfange, in allen Be-
ziehungen noch keineswegs klar übersehen lassen, wird ein
derartiges Ergebnis« eine um so seltenere, ja geradezu uu-
wahrsclieinliche Ansnahme bilden, je zahlreicher und tüch-
tiger die künstlerischen Kräfte sind, die an diesem Wett-
kampfe Theil genommen haben. Das gewöhnliche Resultat,
wie es in der That auch bei dieser Konkurrenz vorlag, ist,
dass eine mehr oder minder grosse Zahl tüchtiger Arbeiten
sich als im Wesentlichen gleichberechtigt gegenüber
steht, von denen eine jede in ihrer Art die Lösung der Auf-
halte um ein gutes Stück gefördert, keine einzige aber in so
vollkommener Weise gefunden hat, dass der Entwurf ohue
Stuüifurwun der antiken sonnenhellen Welt, ohne zu beachten,
dass die Vorsehung der ciuibrischen Halbinsel jene durchsichtige
Luft versagt und statt der griechischen Steinbrüche Lehmgruben
zugetheilt hat
Aus dieser Lage der Dinge '
die Einführung des mittelalterl
, vor zwei Jahrzehnten folgt, das«
Einführung des mittelalterlichen Backsteinrobbaues in dun
Elbherzogthümeru nur das Anknüpfen an einen zarten Faden
sein konnte, und dass hierdurch ein harter Kampf bedingt ward.
Der Mann, welchem die Ehre gebührt, unermüdlich und sieg-
reich bahnbrechend für die deutsche Baukunst im Norden ge-
wirkt zu haben, ist der am 7. Januar d- J. zu Kiel verstorbene
Stadtbaumeister Gustav Hartens; von der konstruktiven
Wahrheit und der formalen Schönheit des mittelalterlichen Stiles
durchdrungen, bat derselbe in seinen zahlreichen ausgeführten
Entwürfen und in der Bewältigung vieler technischen Schwierig-
keiten bei der Herstellung und Verwendung des heimischen
Steinmaterials für die kirchliche Kunst insonderheit oin festes
Fundament gelebt, auf welchem' er selbst freilich nur in sehr
bescheidener Weise weiterzuschaffen berufen ward, weil das seit
langer Zeit ertönende Mahnwort: „Lieb Holstein, musst mehr
Kirchen bauen" trotz der schreiendsten Noth unbeachtet geblie-
ben ist. Angesichts der Thatsache aber, dass das Streben jenes
Mannes zunächst der Profan - Architektur hat gelten und auf
diesem Gebiete den Weg zur monumentalen kirchlichen Bau-
weise hat ebnen müssen, wird das Verdienstvolle seiner Arbeiten
nur um so gewichtiger hervortreten und ein kurzer Rückblick
auf den Lebensweg und die Kämpfe des Verstorbenen als ehren-
der Gedenkstein vielleicht theilnehmende Beachtung finden. —
Gustav Ludolnh Martens wurde geboren am 20. Oktober
1818 zu Wismar. Unter günstigen Familienverhältnissen, welche
besonders eine gründliche Schulbildung ermöglichten, durchlief
er alle Klassen des dortigen Gymnasiums. Während nun der
Vater das Studium der Theologie als Fortsetzung dieser elemen-
taren Wissenschaften angesehen und seinen Sohn dereinst in
würdevoller Amtstracht auf der Kanzel zu erblicken gehofft
hatte, war der Letztere schon früh durch den ihm innewohnen-
den Formensinn zu dem Wunsche geführt worden, sich dem
Baufache zu widmen und für die Kanzel das monumentale
Gotteshaus zu schaffen. Unter solchen sich schroff entgegen-
tretenden Zukunftsplänen hatte der mit Festigkeit begabte
Charakter des Jünglings die erste und vielleicht härteste Probe
zu bestehen; es galt dem Vater zu erklären, dass der Sohn un-
widerruflich entschlossen sei, den von ihm als allein richtig er-
kannten Weg der Arbeit zu betreten, selbst auf die Gefahr hin,
des so nötbigen Anhaltes vom Vaterhause her beraubt zu wer-
den. Und Angesichts dieser, vom opferwilligen Ernste durch-
wehten Darlegung verstummte der väterliche Mund, welcher
erst nach etwa 6 Jahren sich völlig zufrieden mit dem eigen-
mächtigen Vorgehen des Sohnes bekannte. Bis dahin suchte
Martens praktische und theoretische Kenntnisse zu erwerben;
er ging zunächst bei Zimmermeistern in Schwerin und Kopen-
hagen in die Lehre und sodann nach München an die dortige
technische Anstalt; da auf die Wahl der ersten Lehrherren der
Vater besch Messenden Einfluss ausübte, so darf man annehmen,
dass dieselben weder durch Liebenswürdigkeit noch Milde dem
zünftig Lernenden die Praxis erleichtert haben. Vou den auf
antiker Grundlage ruhenden Arbeiten in Süddeutschland wissen
wir, dass dieselben vom besten Erfolge begleitet waren, aber
trotzdem ein noch ungeklärtes Sehnen, nämlich das Streben '
nach konstruktivem Ernst und Wahrheit, im Innern des Jüng-
lings unbefriedigt Hessen. Zunächst stand 1842 eine Reise nach
Italien in Aussicht, und obwohl hierzu der Vater seine Zustim-
mung durch hinreichende Geldmittel bewiesen hatte, wandte sich
der Sohn in Folge des grossen Brandes in Hamburg nach Nor-
den zu; in der verwüsteten Hansestadt reichte ihm der Vater
die Uand mit den Worten : „Mein Sohn, wenn Du Etwas gelernt
hast, findest Du hier ein Feld der Thätigkcit - zeige, was Du
kannst.*
In den nachfolgenden G Jahren war Martens hier im Verein
mit G.G.Unge witter bei solbsUtändken Privatbauten thätig ;
und wenn auch in späterer Zeit beide Baumeister oft lächelud
auf diese Erstlingsversuche zurückblickten, so ist doch in und
neben denselben das Saatkorn gefunden worden, welches jene
Männer als Vorkämpfer mittelalterlicher Bauweise von dort nach
Nord und Süd zu tragen bestimmt waren.
Der leider schon 1864 verstorbene Architekt Ungewitter hat
sich durch seine gothische Konstruktion» - und Formenlehre,
sowie durch viele andere litterarische Veröffentlichungen und
kleine kirchliche Ausführungen in den weitesten Kreisen einen
bedeutenden Namen erworben; damals war er die anregende
Seele dieses Zusammenlebens und Wirkens.
Martens erlangte durch seines Mitarbeiters Streben, an jene
Blüthenzeit deutscher Baukunst wieder anzuknüpfen und Neues
zu schaffen, den Fingerzeig für den von ihm einzuschlagenden
Weg, um nordwärts der Elbe bahnbrechend aufzutreten.
Vorher aber sehen wir 1848 den Mann friedlicher Kunst-
bestrebuugeu in den Reihen des tapferen von der IWWkli
Freikorps die unglücklichen Kämpfe Schleswig -Holsteins gegen
Digitized by Google
wesentliche Modifikationen als zur Ausführung reif bezeich-
net werden könnte. Individuelles Ermessen der Preisrichter
wird — zuweilen nicht ohne die grös&te Schwierigkeit —
eine Rangordnung feststellen können, nach der die ausgesetz-
ten Preise zur Vertheilung gelangen. Eine offenbare Unge-
rechtigkeit gegen die dein Sieger so nahe stehenden übrigen
Konkurrenten und, was noch schwerer wiegt, eine offenbare
Inkonsequenz im Prinzip des zur Lösung der Aufgabe ein-
geschlagenen Verfahrens wäre es jedoch, wenn nach solchem
Ergebnis», das nur als ein vorläufig erreichtes Stadium
betrachtet werden kann, die weitere Bearbeitung der Auf-
gabe dem zufälligen Sieger allein übertragen und hierfür
nicht abermalR der schon beschritten« Weg eingeschlagen,
d. Ii. eine nochmalige Konkurrenz auf Grund der bisher
erlangten, positiven Resultate eingeleitet würde.
Seit Jahren sind wir bemüht nachzuweisen, dass dieser
Weg einer Doppel-Konkurrenz der einzig würdige und prak-
tische sei, um unseren Mouumcntalbauten ersten Ranges die
Wahrscheinlichkeit der möglichst besten Lösung zu sichern.
Unsere Bestrebungen scheineu in gewissen Kreisen so wenig
verstanden oder vielmehr beachtet worden zu sein, dass man
es dort noch gegenwärtig als eine Art von Ungeheuerlich-
keit ansieht, wenn wir die angebliche Erfolglosigkeit einer
Konkurreuz mit dem Resultate der diesmaligen entschieden
bestreiten und als den im vollen Maasse erreichten Haupt-
zweck derselben den Gewinn von Ideen für die Lösung der
Aufgabe bezeichnen.
Der Gewinn von Ideen ist es allerdings, den
wir unsererseits als den Kernpunkt des Konkur-
renzwesens betrachten, wenn wir vorläufig allein die
sachliche Bedeutung desselben ins Auge fassen. Kann
man eine Konkurrenz denn wirklich nur als Lotterie, sei
es auch mit Gewinnen, die den Einsätzen entsprechen, oder
wohl noch zutreffender als eine Submission mit Probestücken
ansehen, bei welcher dem Mindestfonkrnden resp. Meistver-
sprechenden der Zuschlag ertheilt wird, andere ein Schmer-
zensgeld erhalten, die Mehrzahl der Submittenten aber ent-
täuscht und mit dem Bewusstsein, völlig zwecklos gearbeitet
zu haben, abzieht? — Wir haben oben nachgewiesen, dass
die aus dieser Anschauung gefolgerten Konsequenzen nichts
weniger als praktisch sind: uns dünkt ebenso, dass eine
solche Auffassung des Konkurrenzwesens auch nichts weniger
als „id. al- genannt werden kann.
Will man das Konknrrenzwesen von seiner idealen Seite
auffassen — nnd dies ist allerdings erste Bedingung, wenn man
seine wahre Bedeutung verstehen und von dem Wüste un-
klarer Vorstellungen sich frei machen will, die der bisherigen
Entwickelung desselben fast noch mehr geschadet haben als
die Verlfinmdungen der Gegner, so kann dies nicht anders
geschehen, als dass man es mit Rücksicht auf den ganzen
Charakter unseres Zeitalters nnd im Zusammenhange mit
den Ideeu betrachtet, welche für dasselbe die bewegenden
und treibenden sind.
Man liebt es in schwächlicher Wehmuth unser Zeitalter
das der Epigonen zu nennen, weil Geistes - Heroen ersten
Ranges, die weit über ihre Zeitgenossen hervorragen, in der
That seltener geworden sind als in früheren Epochen, wäh-
rend eine grosse Anzahl gleich werthiger Kräfte vorhanden
ist. Das oben erw&bute Resultat der meisten Konkurrenzen,
das sich durchaus nicht ändert und auch in dem letzten
uns hier vorliegenden Falle sich schwerlich geändert haben
würde, wenn sämmtliche Autoritäten des Faches an dem
Wettkampfe Theil genommen hätten, ist ja auf unserem
Gebiete ein sprechendes Zeugnis« für die Richtigkeit jener
Erkenntniss. Die Ursachen dieses Verhältnisses zu erörtern
gehört nicht hierher; jedenfalls sind wir weit davon entfernt
es zu beklagen, sondern blicken mit freudigem Stolz auf
unser Zeitalter, das gelernt hat, die häufiger unheilvolle als
segenbringende Abhängigkeit von einzelnen Führern zu ent-
behren und für die Tbätigkeit von Individuen mit der Tbätig-
keit der denkenden Gesammtheit einzutreten. Sind nicht
die Leistungen unserer Epigonenzeit auf allen jenen Gebieten
unvergleichlich grösser als die der Vergangenheit, auf denen
man es versteht, an die zur Lösung gestellten Aufgaben die
Summe der vorhandenen Kräfte zu setzen, die
Summe der vorhandenen Ideen sich nutzbar zu machen?
Das Mittel zu diesem Zwecke, es ist kein anderes als die
freie Oeffentlichkeit, und als ein Recht, nicht als eine
Gunst verlangt die zweite Hälfte des neunzehnten Jahrhun-
derts, dass an den Angelegenheiten, welche die Interessen
der Gesammtheit berühren, die Gesammtheit mitrathen und
mitthaten kann. Ein allgemeiner Vermittler hierfür ist zu-
nächst die Presse - für die Aufgaben des politischen Le-
bens sind es im engeren Sinne die Parlamente, für die Auf-
gaben der monumentalen Kunst, zumal für die konkreten
Aufgaben der Baukunst können und müssen es die Konkur-
! renzen werden. Und wie man jene als das Palladium un-
seres politischen Fortschrittes betrachtet, so haben wir diese
das Palladium unserer Kunst genannt.
die dänischen Uebergriffe und Gewaltmaassregelu mitmachen ;
am Schlüsse derselben liess er sich in der Festung Rendsburg
nieder und würde von hier aus, namentlich auf Schleswig- llof-
steinschem Gebiete, einen grossen Wirkungskreis gewonnen
haben, weuu nicht sein Tagebuch des v. d. Tauu'scben Freikorps
der wieder zur Alleinherrschaft gelangten dänischen Regierung
Anläse gegeben hätte, troU alleemeiucr Amnestie dem Ver-
fasser bei schwerer Strafe das Uebersch reiten des Eidcrflusses ,
nach Norden biu zu verbinten. In Folge dieser hemmenden
Fessel wandte Martens sieh 1853 nach Kiel, wo aus kleinen An- !
fängeu sich Bedeutsames entwickeln sollte.
In Wort und Werk ging das unermüdliche Strebou dieses I
Mannes dahin, den naturgeinässeu Gesetzen der Kuastruktiou
unter Verwendung des heimischen Zicgeltnaterials uud uutcr
Zugrundelegung mittelalterlicher Formen Anerkennung zu ver-
schaffen. Au» vielen Privatbauten der ersten Jahre tritt der
Widerstreit mit ungünstigen Verhältnissen jeder Art hervor;
deu Bauherren inusstou aus Sparsamkeitsrücksichten oder auf
besonderen Wuusch Zugeständnisse gemacht werden, welche ge-
rade das angestrebte Ziel in den Hintergrund drängten uud die
beabsichtigt« architektonische Gesammtwirkung theilweise zer-
störten; die mangelhafte, vernachlässigte Ziegeltechnik führte
vielfach auf die Notwendigkeit, reichere Gliederungen aus
Sandstein zu bilden und dadurch den einheitlichen Charakter
abzuschwächen; endlich befand »ich der Baumeister selbst in
einer Periode des Ringens, namentlich hinsichtlich der Formen-
gebung, so dass mancher schon ersonnene Gedanke durch einen
allzugewaltsamen derben Ausdruck für ein feineres Auge an
Anziehungskraft eiubüssfe. Die Zeit voll werthvoller Erfah-
rungen uud Studien, der wachsende Einnuss auf die Ziegeleien
und weitere Anregungen von Seiten Ungßwitter's durch dessen
Schüler, welche iu Martens' Bureau arbeiteten, boten dem Meister
immer reichere Mittel dar, um durch dieselben höhere Ziele zu
erreichen.
Die äussere Anerkennung in weitereu Kreisen, ohne welche
ein Künstler nur aus Ueberzeugungstreue vorwärts zu streben
vermag, hatte den Arbeiten der ersten Jahre gefehlt; aber der
feste Charakter bethätiglc hierin theils seine ganze Kraft, theils
auch seine Härte uud Schroffheit. Damals ward mancher schnei-
dige Gegensatz hervorgerufen, desseu feindliche Spitze erst nach
und nach fortschreitend gebrochen wurde, je mehr sich das mit
seltener Ausdauer verfolgte Ziel des Künstlers als richtig er-
wies. Neben der Privatpraxis, welche sich über Schleswig-Hol-
stein, Dänemark, Schweden und Kugland erstreckte, erlangte
Martens 1865 einen grösseren Wirkungskreis in Kiel selbst als
Sladtbaumeister. Jedes Jahr sah mehr als ein grösseres öffent-
liches Gebäude, besonders Schulen, nach den Plänen desselben
in monumentaler Weise entstehen; während zugleich mehre
bedeutende Entwürfe, wie z. B. für ein neues UniversitStsge-
bäude, für durchgreifende Restaurationsarbeiten an der bau-
fälligen Nicolai- und Klosterkirche, sowie für eine Friedhofa-
kapelle unausgeführt bleiben mussten. — 18ß5 ward auch der
Grundstein zur Kirche in Elmschenhagen, einem Dorfe in näch-
ster Nähe der Stadt Kiel, gelegt und 1866 der Bau vollendet;
diese bescheidene Aufgabe, welche ein Gotteshaus mit etwa 500
Sitzplätzen bezweckte, ist in mustergültiger Weise gelöst wor-
den; vom festgefügten Umfassung*- und Gewölbemauerwerk bis
zu den geschmiedeten Zierbändern der Thüren und bis zur
Thurmbckrönung tritt dem Beschauer fast aus allen Arbeiten
der verschiedensten Geworke neben dem einheitlich schönen
Gedanken des Baumeisters das beste Streben der Ausführenden
entgegen. Gerade in solcher Richtung, welche von innen her-
aus die Schaffenskraft der Handwerker neu zu beleben und
zu entwickeln suchte, hat Martens gleichfalls segensreich ge-
wirkt; es war dies eine, fast aus der Natur der Sache mit Noth-
wendigkeit sich ergebende Folge; die Kunst des Mittelalters
nämlich hat trotz der weit verbreiteten, irrthümlichen Ansicht
von geistiger Fiusterniss und leiblichen Beschränkungen freiere
und selbstständigcre Wcrkleutc gebildet als jene spätere Zeit,
welche bis zum Schablonenthum der ersten Hälfte unseres Jahr-
hunderts zu entarten vermochte.
Das Anknüpfen an die mittelalterliche Bauweise schloss die
Aufgabe in sich, dem Handwerkerstande durch den Unterricht
die Wege zu jener längstvcrgessenon persönlichen Theilnahme
und Liebe an der Arbeit zu eröffnen; ein Anhaltspunkt bierfür
lag in einem städtischen Gewerbevereine von geringer Lebens-
kraft und schwachen Mitteln vor; dadurch dass Martens zunächst
unter seinen Mitbürgern diese unbeachtete Pflauzachule der
Handwerker als bedeutsamen Hebel für die Baukunst allgemei-
ner Beachtung und Unterstützung zu empfehlen wnsste, schuf
er eine feste Grundlage für die Anstalt, welcher er »elbBt als
Direktor bis zu seinem Tode mit treuer Fürsorge sich widmete;
aus diesem Streben ist auch die Veröffentlichung einiger Hefte
Möbelzeichnungen hervorgegangen.
Das äussere Bild der Stadt Kiel hat durch Martens manche
Umgestaltungen erfahren; in den letzten Jahren ist ein neuer
städtischer Bauplan nach Ueberwindung vieler Schwierigkeiten
zur Ausführung angenommen und begonnen worden, welcher
Digitized by Google
— 245 —
notwendigen Verfahrens gewinnt in der Thal über-
I an Klarheit, wenn man das Letztere mit den For-
des Parlamentarismus in vergleichende Beziehung bringt
— eine Analogie, die sich selbstverständlich ebensowenig
in allen Einzelheiten durchführen lässt, wie irgend eine andere.
An das Verständnis« der parlamentarischen Mitglieder
der Jury, über [deren Berechtigung, in dieser Sache einen
solchen Einflnss auszuüben, wir im Uebrigen auch heute
ebenso denken wie jemals vorher, und an den Reichstag
überhaupt wendeten wir uns daher — und wie wir glauben,
nicht ganz vergeblich — wenn wir empfahlen, diese erste
Konkurrenz für Entwürfe zum Hanse des deutschen Reichs-
tages wie eine extemporirte parlamentarische General -Dis-
kussion zu betrachten, die nur in den seltensten Fällen zu
einem fertigen und reifen Beschlüsse führen wird, während
ihr wesentlichster und wahrlich nicht gering anzuschlagender
Zweck eben kein anderer ist, als die Summe der vorläufig
vorhandenen Ideen an die Oeffentlichkeit zu ziehen, sie zu
sichten und aus denselben leitende Gesichtspunkte für die
weitere Behandlung der Sache zu gewinnen. So wenig es
einem Vernünftigen einfallen wird, eine solche Debatte re-
sultatlos zn nennen, oder dem relativ besten Redner nun-
mehr das Weitere anheim zn gebeu, ebensowenig wird das
Letztere bei einer Konkurrenz mit mehren gleichwertigen
Entwürfen der Fall sein dürfen, aber ebensowenig wird man
trotzdem ein positives Resultat derselben ableugnen können.
Bei einer solchen ideellen Auffassung kann von der Erfolg-
losigkeit einer Konkurrenz, von der Zwecklosigkeit der dafür
aufgewendeten Arbeit überhaupt nicht mehr die Rede sein;
ein jeder Thcilnehmer, auch wenn ihm das Glück einen
Preis versagt, darf das Bewusstsein hegen, seinerseits nach
Kräften zur Lösung der Aufgabe beigetragen und sie in der
That gefördert zu haben; ja selbst die völlig verfehlten Ent-
würfe, welche die Untauglichkeit mancher Ideen besser bewei-
sen , als blosse Erwägung es könnte , sind in diesem Sinne
nicht ganz überflüssig gewesen. Soll freilich ein derartiger
geistiger Gewinn einer Konkurrenz ganz gehoben und nicht
allein für die vorliegende Aufgabe, sondern für die Allge-
meinheit nutzbar gemacht werden, so ist es erforderlich,
dass die Beurtheilung der Entwürfe nicht nur eine sorg-
faltigere, als bisher meist geschehen, sondern vor allen Din-
gen eine absolut Öffentliche ist — ein Moment, auf das wir
demnächst \m Besprechung des zweiten Hauptgesichtspunktes,
aus dem wir das Ergebniss dieser Konkurrenz betrachten,
ausführlicher zurückkommen.
freilich die verschiedenartigste Beurtheilung hinsichtlich
Sünstlerischen und praktischen Wertbes erfahren hat; aber
iesen in die Augen spriugenden Werken, welche als monumen-
tale Leistungen das Gedächtnis* des Meisters lebendig erhalten,
bat die Gewerbeschule eine geistige Saat ausgestreut , deren
Früchte nicht weniger für das anregende uudf :
Wir dürfen eine Vergleichung der Arbeit in Konkur-
renzen und der in Parlamenten nicht zn weit durchführen,
wenn wir den Faden unseres eigentlichen Thenns nicht ver-
lieren wollen. Aber das. sei uns noch gestattet hervorzu-
heben, dass wir auf Grund derselben den Vorzug allgemeiner
vor beschränkten Konkurrenzen auch sachlich für leicht zu
erweisen halten. Ist doch die Wahrscheinlichkeit unleugbar,
dass die Summe von Ideen bei jenen grösser sein wird, als
bei diesen. Wo dies in Wirklichkeit nicht der Fall gewesen,
wo die durch eine allgemeine Konkurrenz geförderten Ideen
faktisch dennoch unnutzbar gewesen sind, liegt dies ebenso,
wie hei den Beispielen, auf die man sich beruft, um den
Parlamentarismus durch den Parlamentarismus todt zn
machen, nicht im Wesen der Sache, sondern in dem ver-
kehrten, sorglosen und missbräuchlichen Verfahren. Be-
schränkt« Konkurrenzen sind in der Regel nicht nur mit
sehr viel grösserer Sorgfalt vorlwreitet ', sondern werden
auch unter geringeren Ansprüchen beurtheilt als allgemeine.
Die Auswahl der Persönlichkeiten für sie ist hingegen vom
Zufalle und von persönlichen Einflüssen abhängig, die Ga-
rantie, dass bewährte Autoritäten unter allen Umständen
auch gute Entwürfe einliefern werden, eine sehr geringe;
auch Hr. Gilbert Scott ist ja eine solche „ Autorität! 4 Der
Abstand, der die anf dem Gebiete praktischer Erfahrung
und an Sicherheit ihren jüngeren Fachgenossen weit voraus-
stehenden Meister auf dem Gebiete der Erfindnng von die-
sen trennt, ist überdies nicht immer ein sehr grosser — ja es
fehlt nicht an Beispielen, dass Künstler sich in einer langen
nnd ruhmvollen Laufbahn niemals zu jener Höhe künst-
lerischen Gestaltnngs-Verrnögens wieder aufschwingen
ten, die sie in ihrem Erstlingswerke erreichten.
Es ist unseres Erachtens auch durchaus nicht zu
gen, dass die Autoritäten unseres Faches sich von allgemei-
nen und öffentlichen Konkurrenzen so spröde zurückhalten
werden, wie sie es bisher allerdings in der Mehrzahl getban
haben, und es dünkt uns keineswegs nothwendig den un-
würdigen Vorschlag zu befolgen, sie durch die Garantie
einer Bezahlung ihrer Arbeit hierzu zu veranlassen. Wenn
die Bearbeitung der Aufgaben monumentaler Baukunst im
Wege der Konkurrenz nicht mehr Ausnahme, sondern Regel,
wenn die Form dieses Verfahrens von den bisherigen
Schlacken und Missbränchen gereinigt sein wird — und
Beides muss das Ziel unausgesetzten Strebens sein, — so
werden die besten Geister der Nation an der Arbeit der
Konkurrenzen ebenso freiwillig Theil nehmen, wie sie im
fende Talent des Verstorbeneu reden.
Der früher erwähnte Restaurationsentwurf für die Kieler
Nikolaikirche fällt in das Jahr 1867; sodann betheiligt« Martens
sich 1868 an der Konkurrent für die St. Jobanniskircbe in Al-
tona und trug deu zweiten Preis davon; bald darauf wurde er
durch die Ehre ausgezeichnet, zum wirklichen Mitgliede der
k. k. Akademie der bildenden Künste in Wien ernannt zu
werden.
Nur wenige Jahre jedoch sollte Martens in diesem Sinn mit
ungeschwüchter Kraft weiter schaffen; 1869 arbeitete er ein
Projekt für die Kirchenkonkurrenz zu Orefcld aus und erhielt
eine lobende Erwähnung. Die Verhältnis* tu ässig geringen Er-
folge bei solchen Prcisbowerbungen sind grösstenteils dem
schroffen Charakter des Künstlers zuzuschreiben, indem derselbe
nd als schön erkannten Gedanken nicht
5, selbst wo von Freunden gewichtige Bo-
denken geäussert und eine strengere Beobachtung der Tradition
des Kirchonbaues befürwortet wurden. Aus der malerischen,
nach Unsymmetrie strebenden mittelalterlichen Bauweise Eng-
lands hatte Martens viele fruchtbare, aber uns Deutschen fremde
Motive geschöpft, und in Folge dessen entstanden für den durch-
greifenden Erfolg einzelner Entwürfe die gefahrbringenden
Klippen.
eigene geistige Bedürfniss, durch ein Studium des zar-
teren, mehr dekorativen als konstruktiven Backsteinbaucs in
Norditalien nene Anschauungen zu gewinnen und zugleich die
klassischen Werke des Alterthums jenseits der Alpen mit eige-
nen Augen kennen zu lernen, hatte ihn im Winter und Früh-
jahr 1868 — G9 nach Ober- uud Mittelitalien geführt. Ein an-
regend geschriebenes Tagebuch . in Briefform an einen Freund
gerichtet, legt von der Unermüdlichkeit im Besichtigen und Er-
forschen der Kunstschätze Zeugniss ab, und einige Neubauten
der letzten Jahre in der Heimath lassen den mildernden und
läuternden Einfluss des südlichen liinimelsstriches nicht ver-
Leider sollte der
Früchte
Der
Erfahrung die
und Kämpfe nicht reifen
Vollendung nahe und von
erfüllt, warf ihu ein schweres Leiden im Mai
1871 auf das Krankenlager, an welches nach acht langen 1
ten der erlösende Todesengel trat. —
Eine fast wunderbare Uebereinstimmung findet im Gr
und Ganzen in den Lebensschicksalen der durch Zufall mitein-
ander zusammengeführten Vorkämpfer deutscher Bauweise, Mar-
tens und L'ngewitter, statt. Beide Männer haben seit der Zeit
ihrer gemeinsamen Thätigkeit zu Hamburg nur den einen Ge-
danken verfolgt, die Kunst des Mittelalters selbst zu erforschen,
durch eigene* Schaffen wieder zur Belebung und Anerkennung
zu bringen; die Arbeiten Ungewitter's und seine in Hunderten
von Schülern angelegte Baunchtung beweisen das Emporringen
des phantasievollen Geistes aus den übertriebenen Formen der
letzten Verfall -Periode des goth lachen Stiles bis zu den klaren
und schönen Gestaltungen des ersten jugendfrischen Zeitraums;
dort angelangt und erfüllt von weittragenden Plänen, nament-
lich auf litterarischem Gebiete, wurde l'ngewitter von einer
schleichenden Krankheit befallen, mit welcher er unverzagt
kämpfte, bis Stift und Zirkel den todeskalteu Händen entglitten
sind; seine letzte grössere auf das Papier gebrachte Arbeit war
die polychrome Wiederherstellung der frühgothischen herrlichen
Kirche 'zu Gelnhausen.
Auch Martens hat bis zum letzten Augenblick in geistiger
Klarheit, selbst auf dem Krankenbette, sich mit künstlerischen
Arbeiten , und besonders mit dem Entwürfe zum Ausbau der
Klosterkirche in Kiel beschäftigt; und so sind von beiden Män-
nern geistige Vermächtnisse hinterlassen worden, welche der
Beachtung in weiteren Kreisen empfohlen zu werden verdienen.
Die grossen Ereignisse des vorigen Jahres haben unserem
Vaterlande die langersehnte Einheit im Innern und die ver-
diente Achtung nach aussen hin errungen; den Helden, welche
in diesem blutigen Kampfe gefallen sind, werden an allen Orten,
wo dankbare und treue Herzen schlagen, zur Verewigung ihrer
Thaten Gedenkzeichen errichtet und frische Kranze auf das
Grab gelegt; die gleiche ehrenvolle Anerkennung verdienen aber
auch die Männer, welche auf dem friedlichen Gebiete der deut-
schen Kunst für die Einigung vorleuchtend gestrebt und ge-
litten haben. Und in diesem Sinne möchten die vorstehenden
Zeilen den kaum geschlossenen Grabhügel am Ostscestrande au
Kiel mit einem Erinncrungsblatte schmücken.
Hermanu Steindorf.
Digitized by Google
— 246 —
politischen Leben an der Arbeit der Parlamente »ich bethei-
ligen; das von ihnen erforderte Opfer an Zeit und Geld ist
dort jedenfalls kein grösseres als hier. Und wenn in dieser
Oeffentlichkeit so mancher trügerische Nimbus nicht aufrecht
erhalten werden könnte, so würde der Sache dadurch wohl
kein Schaden geschehen.
|Si hin- foigl.)
Eli Beitrag lar fctastraktiei der htkrMKra mit Utkrtekttr V»rdtr««che.
Beim Entwerfen der Widerlager für die Brücken mit ei-
sernem Oberbau, wie dieselben bei Eisenbahnhauten häufig zur
l'nterffihruiig kleinerer WasserlSufe und Wen erforderlich sind,
wird in der Regel so verfahren, dass man die mittlere Mauer-
stärke zu '» bis *f M der Hohe bestimmt und nuu die Hinter
flfiche der Mauer in gleich hohen und gleich weit vorspringeu-
Absätzen abtreppt in der Weise, dass die berechnete mittlere
Mauerstfirke etwa in der Hebe des unteren Drittels wirklieb
vorhanden ist. Dus bis heute für derartige Mauern gebräuch-
licbe Profil zeigt Figur I, welches der Wirklichkeit entnom-
men ist.
Wie wenig rationell das-
selbe konstruirt worden, wird
folgende Betrachtang zeigen.
Bezeichnet A die Höh« ei-
ner Kuttermauur uud zugleich
der Erdschüttung , welche mit '
der Oberkante der erstereu
horizontal abgeglichen ist, so
ist bekanntlich, die Länge des
betrachteten Mauertheiles
gleich der Einheit gesetzt, der
Erddruck:
A' J Kubikeinheiten,
wobei .4 eiue von der Boschaf-
feuhe.it der lliutcrfülluugserde
abhängige Koostante bezeich-
net, welche bei Bodenarten mit
steilem Kuhcwinkel sich 0 nä-
hert, im Mittel 0,25 betragt
uud bei ganz durchweichten
und schwimmenden Erdarteu
bis auf 1 steigt
Die oben skizzirte Futter-
inauer ist in Ziegelmaucrwerk
ausgeführt wurden, dessen spe-
zifischea üewiebt demjenigen
der HinterfUllungserde gleich
tat. Bei Untersuchung der-
selben wird feruer im An-
schlüsse au die gemachten Be-
obachtungen angenommen, dass
bei etwaigem Umstürzen der einzelnen Absätze die Trennungs-
fugen (durch — — • — - — bezeichnet) fussige Böschungen
zeigen, wenn sie, wie bei Punkt /, dio Stirnfläche noch treffen,
sonst aber wie bei den übrigen Punkten // bis V, durch den
Fusspunkt der VorderflSche gehen.
Der bequemeren Rechnung wegen sind die Drehpunkte in
der Stirnfläche selbst angenommen, während sie in Wirklichkeit
so weit in die Mauer hioeinrücken, dass durch die Resultante
aus dem Gewichte der Mauer und dem Erddrucke das Mauer-
werk in der Stirnfläche gerade bis zur Elastizitätsgrenze bean-
sprucht wird.
Unter obigen Annahmen ergiebt sich für
Punkt / die Konstaute .4 zu 0,91
, // . 0,50
. /// . 0,45
. IV .. 0,53
1 1 1, wie die fernere Untersuchung zeigen wird, das Maximum
der Mauerstärke in einer Tiefe von 0,84>ti der Gesammthöhe er-
forderlich ist, hier also bei 13,35 Tiefe, so ist für diesen Punkt
V die Konstante .4 ebenfalls berechnet und zu 0,51 gefunden.
Die Schlüsse, welche aus diesen Resultaten zu ziehen, sind
1) findet ein Einsturz der Mauer statt, so wird sich eine
Trennungsfuge bilden, welche durch den Punkt /// geht, da
hier der Werth von .4 uud damit die Stabilität der Mauer am
geringsten ist.
2) Erweist sich dagegen, wie anderweitig zu vermuthen,
die Mauer als stabil, so ist dieselbe, da alsdann der für die
Konstante .4 gefundene "geringste Werth von 0,45 ausreichend
ist, nur in dem über Punkt /// belegenen Theile genügend, in
den übrigen Theilen dagegen überflüssig stark.
Da es aber Zweck einer rationellen Konstruktion ist, den
Baukörperu in allen ihren Theilen möglichst gleich grosse In-
»nspruennabme zuzuertheilen, dieselben nicht in einigen Thei-
len vollkommen, in anderen dagegen nur unvollkommen auszu-
nutzen, so erscheint der gegen das in Figur 1 gezeichnete Profil
gerichtete Vorwurf einer nicht rationellen Konstruktion gerecht-
fertigt.
Zur Veranschaulichung des Maasses der Stabilität in den
verschiedenen Theilen der Mauer dient die Kurve ade der
Figur 2, worin die Wcrthe von A, welcher Grösse die Stabilität
proportional ist, als Ordi nuten für die verschiedenen Tiefen als
Alszisson aufgetragen sind.
Fl*- s
Im Folgenden Holl der Weg angegeben wer-
den, derartige h'uttermauern rationell, d. h. so zu
konstruireu, dass die Stabilität im Ganzen, wie
in den einzelnen Theilen möglichst dieselbe ist.
Letzteres lässt sich nur durch "die Form der Hio-
terfläcbe erreichen, da die Vorderfläche aus an-
deren Gründen Henkrecht bleiben muss.
Die hinten 1 ßegrenzimgslimr des Profils ist.
wie leicht Hinzusehen . auf zwei verschiedenen
Kunen zusammengesetzt (cfr. Figur 3). Ffir die
obere Kurve B G sind die Trennungsfugcu simmt-
licb ' fiissig gnbfischt und schueidou die 8tirn-
H
fläche in verschiedener Höhe; für die untere Kurve C E ändert
sich diese Neigung stetig, da hier alle Trennungsfugen durch
den Punkt D gehen.
Fi». ».
II J
I
t
\
.1
»
Vorausgesetzt wird noch, dass die Drehpunkte in der Stirn-
fläche selbst liegen und Mauerwerk und Uinterfüllungserdc
gleiches spezifisches Gewicht haben.
Bestimmung der Gleichung der Kurve B 6.
Nach Figur 3 ergiebt Bich für einen Punkt /*, derselben
durch Gleichsetzung des Erddruckmomentes mit der Stabilität
des betreffenden Mauertheiles, wobei das Gewicht der über der
Kurve B Pi liegenden Erde mit in Rechnung gestellt wird, die
Gleichung :
4 .. (h . .\ Ab' . «4»
oder nach den Potenzen von 6 geordnet:
*»+ 3 /,->/, — ;i Wi A" — -
N »
A» = 0.
1)
Dieses ist die Gleichung einer geraden Linie; dividirt man
nämlich dieselbe durch b l , so erhält man:
d. h. das Verhältnis , dessen Werth durch Auflösung obiger
Gleichung dritten Grades bestimmt werden kann, ist konstant
Die Kurve B G ist demnach eiue durch den Punkt B ge-
hende gerade Linie.
Um ihre Richtung zu bestimmen, ist es am iN-qucmstcr, die
Koordinaten A, und A, des Punktes G zu berechnen, indem man
in Gleichung 1 A, // — nb, setzt Nach den nöthigen Um-
formungen erhält man dann folgende Gleichung dritten Grades :
*' *' 2« + 2«<l + J t».) = 0 2)
wozu noch gehört:
Google
— 247 —
4, = H — nt>,
Hieraua läast sieb b, annähernd ziemlich bequem berechnen.
Bestimmung der Gleichuug der Kurve C E.
Für einen Punkt /', derselben erhält man die Gleichuug
und nach den nfttbigen Umformungen folgende relu quadrati-
sche, also leicht zu inaende Gleichung:
W+tt
Für den Punkt (J erhilt mau durch Einsetzen von k, =
II — nb, in obige Gleichung wieder deu unter 2 angegebenen
Ausdruck.
Für deu Punkt E wird b = H, also nach Gleichung 3 die
uutere Breite der Mauer:
6, = H V A 4)
3
Diese untere Breite ist aber nicht das Maximum von b. Setzt
man nämlich die aus Gleichuug 3 gebildet« Ableitung ^ = 0,
so erhält man für den Punkt M der Kurve, für welcbcu b viu
Maximum wird, die Abszisse:
A-i. m H 1/ S m 0,86« H 5)
4
und die Ordinate, das Maximum der Breite:
=r 0.5H H VX.
Lhu Maximum der Breite liegt also bei allen Futtermauern,
vorausgesetzt, das* das Mauerwerk und die liinterfüllungserde
gleiches spezifisches Gewicht haben, auf Ö.Stiti der Uöbe von der
Oberkante gerechnet').
Aus Gleichung 1 ersieht man, dass die Neigung des oberen
Theilcs der llinterflächenkurve nur vou .1 und « abhängig, von
der Hob« der Futterroauer aber unabhängig ist.
Die Neigung der Trennuugsfugcu ist vA jedem Materiale
etwa Vi füssig, 3. h. diese bilden mit den Vertikalen cineu Win-
kel von etwa 30*. Die Konstante .4 ist dagegen für die ver-
schiedenen Kidarten verschieden, bei Dammschüttungen aus
sandigem Boden, welcher meist zur Uinterfüllung der Kutter-
mauern verwendet wird, dagegen wie iu dem untersuchten spe-
ziellen Falle auf 0,46 anzunehmen. Man hat daher das Verhält-
nis» nur für jede Erdart zu berechnen.
Die Form der unteren Kurve ist verhältnissniäasig leicht
und betjuem aufzutragen, da ausser den Punkten V und E, nur
noch vielleicht zwei bis drei Punkte zu -bestiuinieu sind, am
die Kurve mit hinlänglicher Genauigkeit zeichnen iu können.
Auch diese letzteren Rechnungen sind zu vermeiden, wenn man
die am Schlüsse dieser Abhandlung gegebene Tabelle benutzt,
in welcher die Werthe von f für verschiedene Verhältnisse -g
II H
zusammengestellt sind.
Die oben entwickelten Gleichungen sind nun auf die in Fi-
gur 1 dargestellte Futter-
mauer angewendet und die
Resultate in Figur 4 gra-
phisch dargestellt In der-
selben Figur ist ein punktirt
gezeichnete* Profil entworfen,
welches mit Ausnahme des
oberen Theiles, dessen Breite
wegen des Auflagers der Ei-
senkonstruktion sowie einer
Bahnschwelle auf 3,5 anee-
nnmmen werden musste,
möglichst gleiche Stabilität
besitzt, dem bisher üblichen
Zicgelformate angepaast ist
und daher bei der prakti-
schen Ausführung nicht mehr
Schwierigkeiten bietet, wie
das in Figur 1 dargestellte.
Iu Figur 2 bezeichnet
die senkrechte Linie de die
Stabilitäte-Kurvc des idealen,
die — . — . — .— punktirtc
Linie f ph diejenige des für
die Ausführung entworfenen
Profile« der Figur 4.
Man ersieht daraus, wie-
viel inniger sich die Stobili-
tätskurve des Profils in Fi-
gur 4 an die ideale Stabili-
tlttskurvo anschmiegt, als die-
jenige des gebräuchlichen iu
Fig. 1 dargestellten Profiles.
•( In Fol*.- dun», daa« du M»i. .1« Breit« auf n.««c der H&h« >•» der
Utjerkaala , n umekntt liegt, der Tkall M K der Kur«», «Tie In Fl«. « dar»»-
xoUt «ad wie er »Irl, „ach Gleickuna; t erfleht, utckl «.an«, rlaatla. Er kruinral
«M'h Mirker 1,1,1, der Ktirnfl.fi,-. etwa wie — . - . — Bunkilrt, dock erektilen IM
•niau« Ueulmonun« doeeelben entbehrlich, da far die rraxU nur dar Maximal-
wert k aan t lotereeatrL K* wird In Folgn oklear Annalnandereeliang dakar aarb
»• I" Wlrkllekkrll larlnaar. ata GIHehuae, 4 anirifkl.
Nach spezieller Berechnung enthalt daa ideale Profil einen
Querschnitt von 65.02Q Einheiten, daa in Figur 4 für die Aus-
führung entworfene Profil 74,11 N Einheiten und daa in Fig. I
dargestellte Profil 84.85 p Einheiten.
Die Kosten -Ersparniss bei Anwendung des in Fig. 4 ent-
worfenen Profiles gegenüber dem bisher üblichen, ersterem gleich
stabilen beträgt daher 10,74 auf 84,85 F] Einheiten oder circa
l'iS'a, ist demnach so bedeutend, dass aie geringe Mehrarbeit
beim Projektiren und Veranschlagen etc. nicht in Frage kom-
men kann.
Bei dem untersuchten Falle hatte sich der kleinste Werth
voo .4 zu 0,45 ergeben. Da .4 aber in Wirklichkeit nur etwa
0 45
auf 0,25 anzunehmen, so ist die Stabilität der Mauer oder
etwa 1,8 des Erddruckmomentes, welches Verhältnis« sich bei
genügender Zurücklegung der Drehpunkte in die Mauer etwa
auf 1,5 erm&asigen wird.
Ungleich kumplizirter gestaltet sich die Rechnung, wenn
das spezifische Gewicht des Mauerwerks verschieden ist vou
demjenigen der HinterfülluDgserde. Man verfährt dann am
besten tolgendermaassen: Die obere Breite der Mauer wird deu
Umstünden gemäss mindestens zu 0,6 bis 0,8" bestimmt und
die grilsste zulässige Uohe dieses Absatzes, ähnlich wie vorher
berechnet. Daun vergrüssert mau »diese Breit« (bei Ziegeln um
eine Steinbreite, bei natürlichen Steinen um ein rundes, beque-
mes und nicht zu grosses Maas«) und berechnet wieder die
grnsste zulassige Hone u. s. f., wobei man die auf deu Ab-
treppungen ruhende Erde mit dem betreffenden spezifischen
Gewichte in Rechnung stellt Es ist auch hier wieder zu unter-
scheiden, ob die Trenuungsfugon die Stirnfläche schneiden oder
durch deu F'usspunkt derselben gehen. Welcher von beideu
Fällen eintritt ist vorher abzuschätzen, wobei die in Figur 4
dargestellte oder eine nach der am Schlüsse des Aufsatzes ge-
gebenen Tabelle darzustellende Begrenzungskurve als Anhalt
dienen kann.
In vorstehender Untersuchung ist auf die zur Verhütung
des Gleitens erforderliche Mauerstärke keine Rücksicht genom-
men. Man überzeugt sich aber leicht, dass die durch die obeu
aufgestellten Gleichungen ermittelten Breiten genügend sind, eiu
Abgleiten der einzelnen Mauertbeile zu verhindern.
Zur Abkürzung der verschiedenen Rechnungen ist die nach-
stehende Tabelle entworfen, welche für verschiedene Werthe von
.4 und das Verhältnis« der entsprechenden Breite zur Gc-
sammthGhe * enthält, wobei vorausgesetzt ist, dass das Mau-
er
erwerk und die Hinterfüllungserde gleiches spezifisches Gewicht
haben.
Tabelle der Werthe von
«
•
*
4
4
1
■1
1
4
4
H
ff
ff
ff
ff
H
H
ff
ff
II
= 0.3
= 0,9
= 0.4
-U..V
= 0.6
= 0,7
= 0,S
-0.S6A
= 0.»
B 1,0
.1 - o.>
-
-
0,14»
0,1344
0.KS4
u.3ill>
0.J635
A-0.1
0,»?1
0JI30
0JZ14
0,3t»
0.3»;
o.sita
* = o,t
:
0,310
0,34«
0.3614
0^71*
0,373t
0JTJ7
0,3641
alsOrfl
0,T»«.V
0,.UM
0,1«40
0.3 »34
0,193.«
0,SS4S
0,1*42
0.3H71
A=0fi
■ ' U '.' '
V,»3C
0.381S
0.4O4S
0.4151
0,417t
0.4166
JO,40SJ
.1 =0,6
«,14»
«Jrti
0,4303
0.44ZI
0.444«
0,4470
0,446}
0,447t
a -it.:
0.3101
0,4 IM
0,4341
0.47«!
0,4911
ml. i:
0,4 Hg
!■
.1=0,1!
0.3ÜJS
<I,44JJ
0.4HS4
0^1 II
>M*i
0,4^7
0,4169
A 0.»
0.34S4
0,411«
0.4144
0,314«
0,44»
fl,33«S
0,4497
0.S4SU
,0,4477
A 1,0
: I
i>,3«74
0,44*7
e.100«
0,.S4fJ
ajrti
0.4S70
0,4900
0.4S9J
0,4774
A 1.« 0,36^6
0.4»»
0.1*33
0.6 :oc
e.TlHl
11.7667
0.7*74
0.7SI5
0,7904
0,774«
Um für die verschiedenen Erdarten die Grosse der Kon-
stanten .4 beurlheilen zu können, diene folgende Tabelle, iu
welcher sowohl der wirkliehe Werth von 4, als auch derjenige
angegeben ist, welcher bei deu Rechnungen einzuführen, damit
ein genügender Ueberschusa au Stabilität vorhanden. Letzterer
ist zu 1,8 des wahren Wertbcs (vergl- die obige Elitwickelung)
angenommen-
Tabelle der Werthe von 4.
Brdartac.
In Wirk
Bei
laehkait.
BaeaBaat**.
ananaahaiek.
0.20
0,3«;
0,28
0,50
0,11
0,20
bis 1,00
bis 1,80
0,14
0,25
bis 1,00
bis 1,80
0,16
0.30
0,25
0,45
Zerbst, im März l»7-i.
Nowack.
Digitized by LjOOQic
— 248 —
Mittheüungen aus Vereinen.
Arobitektenvereln zu Berlin. Die achte Sommer-Exkur-
sion de« Vereins am Sonnabend, den 20. Juli d. J-, war nach
der Baustelle des Siegcsdenkmala auf dem Kiwigsplatze und
dem Bahnhofe der Berlin - Hannoverschen (Lehrter) Eisenbahn
gerichtet. Wir haben beiden Bauten in den letzten Jahrgängen
unseres Blattes ausführliche Beschreibungen gewidmet und sind
daher auch in diesem Falle eines Berichtes überhoben. Das
Haupt- Interesse auf der Baustelle des Siegcsdenkmals, dessen
Vollendung im Oktober des nächsten Jahre« erwartet wird, ge-
währt seit geraumer Zeit die dort etablirte Granit-Schleiferei;
ähnliche Arbeiten gleichen Umfange* sind an einem deutschen
Bauwerke wohl noch nicht zur Ausführung gekommen. Mit der
Versetzung der Granit- Bekleidung dea Unterbaus ist übrigens
bereits begonnen worden, während die Säule selbst bis zur Höhe
des Kapitals gefordert ist Die Geblude des Lehrter Bahnhofes,
der bei seiner letzten Besichtigung durch den Verein noch iu
Toller Herstellung begriffen war, sind seither durchweg vollendet
Vermisch tes.
Im I. Semester 1872 eröffnete Bahnstrecken im Ge-
biete dea Vereins Deutscher Eisenbahn -Verwaltungen.
In dem soeben abgelaufenen Halbjahre 1872 sind nach der Zei-
tung des Vereins in chronologischer Reihenfolge innerhalb des
Vereinsgebiets folgende Bahnstrecken zur Eröffnung gekommen:
Berliner Verbindungsbahn (auch für den
Personen- und Lokal-Güter-Verkehr) .
Zwaluwe- Dortrecht (Niederland. Staats-
Eisenbahn)
sekundäre Zweigbahn Stolberg - Alsdorf
(Rheinische E.)
Sator Alja - Ujhely — Legcnye - Mihulyi
(Ungar. Nordostbahn) 2,n
für Personen- und Eilgutverkehr und am
12. Februar für Frachtverkehr Mühl-
heim a/Rh. - Deutz ( Bergisch - Mär-
kische E.) 0. M
Flügelbahn Absdurf-Krems (Kaiser
Josef- Bahn)
Crefeld-Kreis Kempener lndustrie-Eisen-
L
1.
5.
7.
8.
3,,» M.
1.
10.
15.
bahn (Sücbteln-kempen-Crefeld-Süch-
n- Grefrath einer- und Viersen an-
teln
dererseits) 6,,,
28. , Pilsen -Eger (Kaiser Kranz- Josef bahn) 13.,
1, Februar für Personenverkehr, am 12. Februar für
Eilgut- und Frachtgut-Verkehr: untere
RuhrthalbahnstreckeDüsseldorf-Kupfer-
dreh (Bergisch -Markische E.) ... 4,,,
1. März Goes-Middelburg (Niederländische Staats-
bahnj 18»,, Kilom. =
1. , Poln. Wartenbcrg-Kenipen (B'-eslau-War-
sebauer Eisenbahn) 2,,,
l , Cottbus - Forst (Halle - Sorau - Gubener
Eisenb.) 2»,
13. . Arcnshauseu-Müuden(Magdeburg-Cöthen-
Ualle-Casscter Eisenbahn) .... 0,»4
18. , Iglo-Abos (Kaschau-Odcrberger Eisenbahn 8»,
1. April Zweigbahn Ehrang - Quint (Rheinische
Eisenbahn) 0,„
1. » Karf-Beutben O/S. (Oberachlcs. Eisenb) 0»,
s. , Chemnitz -Borna M.l mit den Zweig-
bahnen Narsdorf-RochRtz [l.„ M.j Nars-
dorf -Penig [1», M i und Wittgensdorf-
Limbach [0„ M.J (SOcbsiche Staats-
bahnen) 10,,,
13- . Hannover - Ilamelu (Hannover - Alten-
bekener Eisenbahn) 6«
1. Mai Pcuziug-Kaisereborsdorf (.Kaiserin Elisa-
beth-Bahn 2».
1. . Falkenberg-Eilenburg (Uallc-Surau-Gube-
ner Eisenbahn) ......... 6,,«
1. „ Deister-Zweigbahn Weetzen-Barsinghau-
sen (Hannover- Altenbekener E.) . . . 1»
1. „ Zweigbahn Friedrich Wilhclmshütte-Sieg-
burg (Rheinische Eisenbahn) . . . . 0„i
6. . Zweigbahn Elm- Gemünden (Bebra- Ha-
nauer E.) 6,i,
6. „ Tövis-Mediasch (Ungar. Ostbahn) . . . 8,i,
8. , Przemysl-Chyrow (Erste Ungarisch -Gali-
zische Eisenbahn) 4,.,
Heudeber -Wernigerode (Magdeburg - Hal-
berstädter Eisenbahn) 1,„
Komotau-Weipert (Buschtehrader Eisen-
bahn) ca. 7^.
Landau-Germersheim (Pfälzische Eisen-
bahn) 2,,,
Leoben-Vordcruberger Eisenbahn (im Be-
trieb der Oesterr. Südbahn-Ges.) . . 2*i
Siegelsdorf-Langenzenn (Baver. Staatsb.) 0.,,
Kempen - WilheTmsbrück [Podzamcze]
(Breslau-Warschauer E-) l,u
26. . Posen-Bromberg (Oberschlesische E.) • • 20,,,
Koa«U«ioMr»,UK »od Ctrl Bull I, U B<rll>.
11.
12.
16.
18-
25.
26.
1. Juni
1.
10.
16.
19.
30.
Braunschweig-Ki'migslutter (Braunschwei-
gische Eisenbahn: 3*,
Altenessen-Essen (Köln-Mindcuer Eisen-
bahn) 0,.i
Wien-Jedlesee (Oesterr. Nordwestbahn) . 0,»»
Rubrthalbahnstrecke (Meschede- Bestwig-
Nuttlsr für Güterverkehr (Bergisch-
Märkische Eisenbahn) l, la
Szathmar - Bustyahaza (Ungar. Nordost-
bahn) 10,.,
Altenburg-Zeitzer Eisenbahn (in Betrieb
der Sächs. Staatsbahn) 3*,
Weil die Stadt-Nagold (Württemb. Staats-
bahn) 5,,
Eilenburg-Halle [fi Jt M.J und Forst-Sorau
[4„, MO (Ilalle-Sorau-Gubener K.) . . 11*.
Sa. 179*. M.
Ausserdem wurden von der leipziger Pferdebahn- Gesell-
schaft am 16. Mai die Ringhahn um die innere Stadt, die Strecken
Leipzig-Reudnitz, Lcipzig-Counewitz und Leipzig-Schwimmanstalt,
am 5. Juni von da bis Plagwitz dem Verkehr übergeben.
Konkurrenzen.
Konkurrenzen für Entwürfe zn einem Realaohulgebäude
und einem NuvigationssohaUjebaude in Bremen sind in deu
vorhergegangenen resp. iu dieser Nummer uns. Bau - Anzeigers
angekündigt worden. Als Preisrichter fungiren in beiden Fäl-
len die Hrn. Baumeister J. Wetzel und Carl Poppe, sowie Hr.
Oberbaurath Schröder als Architekten, im Verein mit zwei
Mitgliedern der Baudenutation: ebenso ist der Schlusstcrmin
<:W. September) bei beiden gemeinschaftlich. Die ausgesetzten
Preise von 1000 und 500 Mark im ersten, von 1000 Mark im
zweiteu Falle erscheinen den Verhältnissen und Anforderungen
im Allgemeinen augemessen, ebenso stehen die uns vorliegenden
Programm-Bedingungen mit den Grundsätzen unseres Verbandes
im Einklänge. Wenn wir den Fachgennssen demgemäss die Be-
theiligung an diesen Konkurrenzen nur empfehlen können, so
verfehlen wir gleichzeitig nicht unsere Freude über dieses un-
seres Wissens erste Beispiel einer Anwendung des Konkurrenz-
Verfahrens bei einem Staatsbau Bremens Ausdruck zu geben.
Eine Konkurrenz für Entwürfe zum Neubau eines Ge-
sellschaftahauses der Gesellschaft freiwilliger Armes-
freunde in Kiel, mit dem Endtermine des 10. September d. J-,
ist von genannter Gesellschaft ausgeschrieben worden. Das in
dankenswerther Vollständigkeit ausgearbeitete Programm macht
die Einhaltung einer Kostensumme von 18000 Thlrn. sowie eine
in technischer und künstlerischer Beziehung würdige Lösung
der Aufgabe zur Bedingung. Ausgesetzt sind zwei Preise von
250 resp. 200 Thlrn. und ist dem Verfasser des für die Ausfüh-
rung bestimmten Planes zugesichert, dass vor derselben eine
Vereinbarung und Verständigung mit ihm erfolgt Ali einziger
lerr Architekt Rosengarten in Hamburg
otivirtes Gutachten seinerzeit sämmtlichen
Konkurrenten zugestellt werden soll.
Eine Konkurrenz für Entwürfe zum Neubau der Kur-
Anstalt zum Hinterhof in Baden (Schweiz) ist zum 15. Ok-
tober d. J. eröffnet Als Preisrichter fungiren die Hrn. Simon
iSt Gallen) Wanner (Zürich) und Saloisberg (Bern); die
'reise sind in der Höhe von 2500 Fres., 1500 Free, und 1000
Frcs. ausgesetzt
Personal - Nachrichten.
Preussen:
Ernannt: Der Baumeister Sperl zu Elberfeld zum Eisen-
bahn-Baumeister in Bochum. Der Baumeister Louis Müller
zu Torgau zum Eisenbahn-Baumeister der Berg'isch-Märkischen
Eisenbahn in Dortmund. Der Ober-Betriebs -Inspektor Früh
zu Saarbrücken zum Baurath und technischen Mitglied der Kgl.
Eisenbahn-Direktion daselbst.
Versetzt: Der Eisenbahn - Baumeister Fischbach zu
Bochum nach Essen-
In den Ruhestand tritt der Baurath Weise in Neuss.
Gestorben: Der Baurath Kayser zu Ruhrort und der
Wasser-Bauinspektor Willich z
Brief- und Fragekasten.
Hrn. G. T. Ueber die Höhe der Gehaltssätze für die
Hilfs-Ingenieure der Gotthardbahn ist uns Nichts bekannt Wir
?;lauben nicht, dass in dieser Beziehung bestimmte Normen
estgesetzt sind.
Hrn. E. L. in Hannover. In welcher Zeitschrift die vom
Kölner Bezirks -Vereine deutscher Ingenieure veranlasste Preis-
sehrift über die Patentfrage erscheinen soll, ist uns ebensowenig
bekannt wie, ob die betreffende Konkurrenz überhaupt ein geeig-
netes Resultat gehabt hat. Auf einen Abdruck der betreffenden
.Schrift in unserer Zeitung ist nicht zu rechnen, eventuell jedoch
auf eine Besprechung derselben.
Hrn. A. in Berlin. Hr. Architekt Klette in Holzminden
bittet Sic mit Bezugnahme auf ihre Anfrage in No. 23 mit ihm
in Verbindung zu treten.
Draek foe U ,br<ia*r ruktrl la Barila.
Digitized by Google
Jahrg. VI. M 31.
DEUTSCHE BAUZEITUNG
Organ des Verbandes
deutscher Architekten - und Ingenieur-Vereine. ™£
Ia..rat>
für tu Lmr dn
Hauzrit.BK Bnd.n AutaakaK
Redakteur X. £. 0. Fritich.
v , J«x V».
Prell I Thaler pr« Qaartal.
Berlin, den 1. August 1872.
Erirheiat jedea
Inhalt: CH< Koakarraat für Kntvärfa mm Rmw de. dtataehra H.lclu
tag«. — B»it>tse mr Tti»«rie der Fitkverk.trigar. - Da. Wa.»»rtla« und »«1».
V.rw.ndon« in dar B.ut«hnik. - P.alll.laa: Di. .Satlaunr' k*i Bad Ho«
kurf, - Mltthkllaai.a an. Varaln.n: OaatanalekkKliar Init.nlaur- and
Arck.takua-Vtrala la Wl«. - V.rajl.tht»: XVI. Vtriatamlnng deutacber
Archlu U. n und Iag.nltut* i
mit SunnloJicnind. - Konk urr.na.n: i ._
RrtUrkiil- aad t)Tin u a.ial-O.Uud« la « t.iwr Mandat». -
ata Archlt.kl.a-V.r.l« tu Htrlla. — Pcnoaal- Naekria
and Fiag.ka.t.a.
- Bri.f-
Dic Konkurrenz für R-twürfe zum Ibas« des Deutschen Reichstages.
Kehren wir nach dieser langen, aber mit Rücksicht
anf den Standpunkt unserer Gegner nicht wohl zu Hinge-
henden Abschweifung zur Beantwortung der Frage zurück,
ob wir den sachlichen Erfolg der nunmehr abgeschlos-
senen Ronkurrenz för Entwürfe zum Hause des deutschen
Reichstages als befriedigend nnd erfreulich betrachten, so
können wir selbetverstindliah nicht anstehen, dasselbe zu
bejahen.
Waa unter den gegebenen Voraussetzungen für eine For-
derung der Aufgabe erwartet werden konnte, ist v/f vollen
Maasse erreicht worden. Dass eine der eingelieferten Skiz-
zen sich dazu eignen würde, ohne Weiteres- dem für die
Ausführung zu bearbeitenden Entwürfe zu Grunde gelegt zu
werden, war von Vorne herein unwahrscheinlich; es Kann
daher als kein Misserfolg der Konkurrenz betrachtet werden,
wenn dieser Fall wirklich nicht eingetreten ist. Freilich
wird dies«? Thatsache aufs Lebhafteste bestritten, ja es ist
sogar mit grosser Sicherheit als das „klare und erfreuliche"
Ergebnis« der Konkurrenz hingestellt worden, dass diesmal
die Preisrichter, die sachverständigen Stimmen und das
Publikum einstimmig darüber seien, den rechten Künstler
und den rechten architektonischen Gedanken ermittelt zu
haben; wir brauchen jedoch gegen eine solche Behauptung
nicht weiter anzukämpfen, da wir einerseits die Gründe,
warum uns keiner der vorliegenden Entwürfe ohne wesent-
liche Aenderungen für die Ausführung geeignet scheint,
ausführlich genug entwickelt Italien und da andererseits jene
Einstimmigkeit faktisch durchaus nicht besteht Hiugegen
liegt es offenkundig zu Tage, dass durch diesen grossartigen
Wettkampf der zur Lösung der Aufgabe beigesteuerten Ideen
und durch die Tiefung und Vergleichung derselben eine
ausserordentliche, aber auch im hohen Grade nothwendige
Klärung der Sachlage, eine ungeahnte Erkenntniss der
für eine wirkliche Lösung entscheidenden Momente gewonnen
worden ist. Obwohl ein Gutachten der Jury, als deren wich-
tigstes Amt bei jeder Konkurrenz wir es betrachten, das
geistige Resultat derselben zu ziehen und festzustellen, in
diesem Fülle nicht erstattet oder zum Mindesten nicht ver-
öffentlicht worden ist, so wird doch Jeder, welcher die 103
Entwürfe zum Hause des deutschen Reichstages in der Aus-
stellung gesehen, ja selbst Jeder, der sie nur aus uuserer
Beurtheilung kennen gelernt hat, darüber nicht zweifelhaft
sein, dass eine nochmalige Bearbeitung der Aufgabe ganz
andere, wesentlich reifere Entwürfe erwarten lässt und dass
das Ergebnis» der von uns vorgeschlagenen zweiten Konkur-
renz, sie möge eine Form erhalten wie sie wolle, in jedem
Falle um Vieles „klarer und erfreulicher" sein wird, als das
der ersten.
Der aachliche Erfolg einer Konkurrenz kommt nebenher
noch in Betreff des absoluten Werthes der durch sie hervor-
gerufenen Entwürfe in Frage, und auch in dieser Beziehung
haben wir vollauf Ursache uns des hier Erzielten zu freuen.
Wenn uns und nicht wenigen Fachgenossen, welche die
Konkurrenz spezieller studirt haben, der erst« Eindruck ein
weniger bedeutender war und zunächst wohl Keiner anstand,
den Gesain mtwerth derselben unter den der Dom-Konknrrenz
von 1869 zu setzen, die einen naheliegenden Vergleich dar-
bietet, so hat sich unsere Ansicht im Verlaufe des Studiums
doch wesentlich günstiger gestaltet. Man darf nicht ausser
Acht lassen, das* es sich in jenem Falle um eine verhält-
nissmässig einfache, fast ausschliesslich ideale Aufgabe und
um Entwürfe handelte, zu deren Bearbeitung eine einjährige
Frist gegeben war, während die diesmalige Aufgabe in ihrer
Vereinigung idealer und praktischer Momente eine der denk-
bar schwierigsten, das Material ein durchaus nicht genügen-
des, die Frist zur Bearbeitung der Skizzen aufs Knappste
zugemessen war. Unter dieser Erwägung neigt sich der
Vorzug entschieden auf die Seite der letzten Konkurrenz,
deren Ideen-Reichthum ein ehrenvolles ZeugnisB für das ar-
chitektonische Gestaltungsvermögen der Gegenwart abgiebt.
— Allgemeine Schlüsse mit Rücksicht auf einzelne Entwürfe
zu ziehen halten wir für unstatthaft Wenn die Arbeiten
einiger Konkurrenten den Erwartungen, die sich an ihren
Namen knüpften, nicht ganz entsprochen haben, wenn da-
gegen das Debüt Anderer ein überraschend glänzendes ge-
wesen ist, so ist es doch um so misslicher hieraus Folge-
rungen abzuleiten, als bei der in diesem Falle geboteneu
Hast des Schaffens, die lediglich ein Improvisiren zuliess, der
glückliche Zufall das Gelingen der einzelnen Arbeiten
gar zu sehr beeinflussen musste. Eben so wenig ist es mög-
lich, nach dem Ergebnis* dieser Konkurrenz über die Lei-
stungen der einzelnen Architekturschulen Deutschlands oder
gar über das Verhältnis« derselben zu einander abzuurthei-
len. Man ist sehr eifrig bemüht gewesen, dies namentlich
der Berliner Schule, der einzigen, welche annähernd voll-
ständig vertreten war, zu Gemüttie zn führen, und man hat ge-
glaubt sie vor einer UebersebUtzung der hier, wie bei der Dom-
konkurrenz unleugbar erzielten Erfolge warnen zu müssen.
Das letztere ist kaum zu befürchten und sind wir gewiss
sehr weit entfernt davon, aus jenen Erfolgen eine Ueberlegen-
heit der Berliner Architekturschnle abzuleiten; möge mau
Angesichts derselben aber auch die Gerechtigkeit üben,
mit den beliebten Behauptungen über die Hohlheit Nichtig-
keit und Inferiorität alles dessen, was von den Baukünstleru
Berlins geleistet wird, so lautre etwas zurückhaltender zu
sein, bis die Vertreter anderer Schulen in einem solchen
allgemeinen Wettkampfe die nunmehr schon zweimal verab-
säumte Gelegenheit wahrgenommen haben, das ihnen vindi-
zirte Uebergewicht thatsächlich geltend zu machen. — Was
endlich das Verhältniss deutscher Kunst zu der des Aus-
landes, das internationale Ergebnisa dieser Konkurrenz be-
trifft, so ist auch hierüber, trotz der nicht unerheblicheu Zahl
der ausländischen Konkurrenten, das Urtheil nicht spruchreif.
Von einem wirklichen internationalen Wetlkampfe auf archi-
tektonischem Gebiete konnte und kann nicht die Rede sein,
wenn die Künstler derjenigen Nation, in welcher der moder-
nen Kunst unbestritten die eifrigste Pflege zu Theil geworden
ist, wenn die Künstler Frankreichs fehlen. Ein Vergleich
zwischen deutscher und englischer Kunst, wie er hier aus-
schliesslich möglich war, kann zu einem objektiven Urtheil
nicht wohl fuhren, da das architektonische Ideal beider Na-
tionen ein durchaus verschiedenes ist. — —
Gebt« die Maassregeln, welche weiterhin einzuschlagen
sind, um einen definitiven Entwurf für den Bau des deut-
schen Reichstagshause« zu erlangen, können unseres Erach-
tens nur formale, nicht prinzipielle Zweifel obwalten —
d. h. es erscheint unzweifelhaft, dass derselbe in logischer
Konsequenz des bereits begonnenen Verfahrens, im Wege
einer nochmaligen Konkurrenz zu gewinnen ist, während in
Frage steht, welche Form und Ausdehnung dieser zu geben
ist Obwohl in dieser Hinsicht weder von Seiten des Reichs-
tages, noch von der auf seine Anregung neugebildeten Kom-
mission bestimmte Beschlüsse gefa&st worden sind , ™ ist
über doch völlig einig. Die sehr begreiflichen uud von einem
' 'terlich gerechtfertigten
Digitized by Google
- 250 -
Versucht', «lern Verfasser des mit dem ersten Preise gekrön-
ten Projektes, der von seinen Freunden bereit« als „des
Reiches erster Baumeister" und von der Buchhändler-Reklame
(tar als .der grösstc lebende Architekt" proklamirt worden
ist, schon jetzt den definitiven Bau- Auftrag zu verschaffen,
sind daher eben so aussichtslos, wie es die in diesem Falle
nicht zu befürchtenden Versuche, den Bau in die Hände der
Bureaukratie zu spielen, sein würden. Das grosse Publikum,
welches das Ergebnis* der Konkarrenz mit dem Ergebnis»
der Preisertheilung identifizirt, mnss jene erste Lösung aller-
dings um so eher als die natürlichste ansehen , als der Ab-
stand des ersten Preises von den Nebenpreisen scheinbar
auf ein ebenso grosses Ueltcrgewiebt des betreffenden Ent-
wurfes schliessen lässt. Es zeigt sich in dieser Hinsicht,
dass der von ans (in No. 34 d. vorigen Jahrgangs) über die
AnseUung der Preise gemachte Vorschlag, wonach wir
riethen, eine ausserordentliche Belohnung des Siegers nur
für den Fall offen zu halten, dass sein Entwurf sofort der
Ausführung zu Grunde gelegt werden könne, ebenso seine
Berechtigung hatte, wie der Vorschlag, dass die Möglichkeit
einer zweiten Konkurrenz, nnd daher als eine neben den
Geldpreisen bestehende Auszeichnung hervorragender Pro-
jekte die Eventualität einer Zuziehung zu derselben, in
Aussicht genommen werden möge.
Dass Letzteres im Programm nicht geschehen ist, wäh-
rend die Jury sich nicht für berufen gefühlt hat, diesen
- eigener Initiative zu ersetzen, bildet gegenwärtig
iwierigkeit bei Berathung der Frage, wie die
urrenz am Zweckmäßigsten einzuleiten sei.
Es ist selbstverständlich der natürlichste, von uns in
allen Erörterungen über das Verfahren hei einer Doppel-
Konkurrenz vorausgesetzte Weg, die zweite Konkurrenz in
Sler Weise als eine aus der ersten hervorgegangene zu
handeln, daher auf solche Künstler zu beschränken,
die bereits mit Auszeichnung an jener Theil genommen
haben. Es würde dies in formaler Konsequenz der Preis-
ertheilung dazu führen, hier die fünf mit Preisen bedachten
Architekten, resp. Architekten-Firmen zu einer engeren Kon-
kurrenz aufzufordern. Anscheinend ist man jedoch inner-
halb der leitenden Kommission entweder zu der von uns
getheilten Ansicht gelangt, dass ein solches Verfahren eine
ungerechtfertigte Härte gegen mebro der Konkurrenten wäre,
deren Entwürfe den prämiirten so nahe stehen, dass nur
individuelle Auffassung nnd die beschränkte Zahl der Preise
jenen den Vorrang verschafft hat, oder man hegt den Wunsch
für die weitere Bearbeitung der Aufgabe noch Kräfte zu ge-
winnen, die der ersten Konkurrenz fern geblieben sind;
jedenfalls hat von der Alntieht eines Verfahrens in jenem
Sinne noch Nichts verlautet.
Welcher andere Weg einzuschlagen sei, hat in den Krei
sen der Berliner, wahrscheinlich wohl auch in
die
gesammten deutschen Faehgenossen während der letzten
Wochen einen Gegenstand lebhafter Erörterung gebildet und
voraussichtlich wird nicht nur in der Abgeordneten-Versamm-
lung des Verbandes deutscher Architekten- nnd Ingenieur-
Vereine, sondern auch in der Carlsruher Wanderversamm-
lung die Frage zur Verhandlung kommen, ob und welche
Vorschläge hierfür die deutsche Architektenschaft ihrerseits
machen will. Die Entscheidung derselben wird in ersterer
Hinsicht davon abhängen, ob man es der Würde des Faches
für angemessen hält, sich der Möglichkeit einer einfachen
Zurückweisung auszusetzen; in Bezog auf den zweiten Punkt,
dessen Erörterung wir hier nicht vermeiden können, wird
eventuell das Bestreben raaassgebeud sein müssen, dasjenige
Kompromiss zu finden, bei welchem, wie dies ein gutes Kon-
kurrenz-Verfahren immer erheischt, gleichzeitig den Interessen
der Kunst, wie denen der betbe "
getragen wird.
Das Letztere würde wohl dann in ausgesprochenster
Weise geschehen, wenn ausser den fünf Siegern anch alle
diejenigen Tbeilnehmer der ersten Konkurrenz zu dem zwei-
ten Wettkampfe aufgefordert würden, die durch den Werth
ihrer Arbeiten zwar nicht ein formales, wohl alter ein mo-
ralisches Recht darauf erworben haben, von der Mitwirkung
an einer weiteren Entwickelung der Angelegenheit nicht aus-
geschlossen zu werden. Wir schätzen die Zahl derselben auf
mindestens 10; — ihre Auswahl müsste, nachdem die Jury
als solche nicht mehr besteht und da an einen Wieder-
znsammentritt derselben schwerlich gedacht werden kaun,
der leitenden Kommission überlassen bleiben — wenn mau,
um den Bedenklichkeiten einer derartigen nachträglichen
Wahl zu entgehen, die Zulassung za der zweiten Konkurrenz
nicht etwa auf alle 28 Entwürfe ausdehnen will, die auf die
engere Liste der Jury gelangt sind.
Es lässt sich freilich nicht leugnen, dass in letzterein
Falle nicht wenige Konkurrenten au die weitere Bearbeitung
der Aufgabe gesetzt würden, deren Mitwirkung an derselben
im Interesse der Sache und im Interesse der Kunst nicht so
wünschenswert Ist, als die einer Anzahl anderer Künstler,
die an der ersten Konkurrenz nicht Theil genommen haltet,
vielfach sogar nicht Theil nehmen konnten. Diese für die
zweite Konkurrenz zu gewinnen, ist der Zweck jenes
ren Vorschlages, den der Referent der Jury im Reic
erwähnte und für den in der Kommission vorläufig
neben den fünf Siegera
„bestimmte hervorragende Baukünittler
des Auslandes"
zu einer zweiten,
der ersten mehr
Deutschlands resn. des Auslandes" zugexogen werden. — Es
versteht sich wohl von selbst, dass wir einen solchen Aus-
weg wegen der Verletzung, die hierdurch dem Interesse der
nicht prämiirten Konkurrenten widerfährt, vor Allem aber
— der Willkür, die bei der Auswahl jener hervorragen-
de „Saalburg" bei Bad HomW;
Die hohe Bedeutung des Römer-Kastel!» Saalburg bei Uom-
burg v. d. Uöhe für die Wissenschaft und insbesondere für die
Alterthumskuude ist von hervorragenden Gelehrten anerkannt;
es finden sich daselbst die historisch merkwürdigsten,
Protisten und best erhaltenen Ueberreste der Römer-
Niederlassungen in Deutschland vor.
Die Zeit der ersten Erbauung der Saalburg durch dio Rö-
mer während ihrer Kriege iu Deutschland ist bis jetzt nicht
festgestellt, doch lässt sich mit grosser Wahrscheinlichkeit das
von Drusus erbaute und im Jahre i» vor Chr. wieder zerstörte
Pfahlgraben-Kastell, worüber nähere Augaben fehlen, hier ver-
muthen. Im Jahro 15 nach Chr. abermals errichtet und wie-
der zerstört, erlebte die Saalburg noch zu verschiedenen Malen
das gleiche Schicksal. Der mehrmalige Wiederaufbau des Kas-
tell« durch die Köroer, nachdem es die siegreichen Germanen
erstürmt und dem Erdboden gleich gemacht, lässt sich aus sei-
ner für die kriegerischen Unternehmungen jener Eroberer un-
gemein günstigen Lage erklären, indem die Saalburghöhe der
einzige Ucborgang ist, um von dem grossen Waffcnplatze Mainz
mit nur einmaligem Ansteigen direkt über den Taunus in das
feindliche Uebict zu gelangen. Zur Sicherung der hier münden-
den Ilcerstrassc, wie als bequeme Ausfallpforte und feste Stütze
im Falle eines Rückzuges hatten diese Befestigungen i schon
hohen Werth; die ausserordentliche Wichtigkeit des Kastells
beruhte indess darin, dass es den Schlüssel zum römischen wie
'zum Germanischen Gebiet bildete.
Durch Jahrhunderte tobten hier die Vernichtungskämpfe
der Germanen gegen ihre Unterdrücker, abwechselnd mit Zeiten
friedlicher Ruhe; — wohl 14 Jahrhunderte Bind (seitdem ver-
flossen, in welchen der Saalburg wenig oder gar keine Beach-
tung geschenkt wurde. Ein in den zwanziger Jahren des vorigen
Jahrhunderts zufällig aufgefundener Votivstein, welchen Land-
gral Friedrieb Jakob in den weissen Thurm einmauern "
und der heute noch dort zu sehen, gab den
Nachforschungen. Eine
den zu Tage gebracht, als Urnen, Lampen, Waffenstücke, Mün-
zen etc cta, doch erat 181(5 und 17, bei Anlage der Chaussee
nach Ufingen, stiess man auf deutliche Spuren einer ausgedehn-
teren Niederlassung und ward hierbei namentlich eine Urne mit
circa 500 römischen Münzen aus dem ersten und zweiten Jahr»
hundert nach Chr. aufgefunden. In den Jahren 1855 bis 57
wurde der Saalburg eine grössere Aufmerksamkeit als seither
gewidmet Die freigebige Unterstützung des Landgrafen Ferdi-
nand machte es möglich, durch nlanmässige Nachgrabungen die
Kiugniauern so wie zahlreiche Ueberreste interessanter Gebäude
offen zu legen. Das Resultat dieser ersten grösseren und der
vorhergehenden Ausgrabungen lässt sich kurz im Folgenden zu-
sammenfassen.
Das Kastell Saalburg gehörte zu den Befestigungen jener
ausgedehnten verschanzten Grenzlinie, welche, unter dem Namen
Pfuhlgraben bekannt, die römischen Eroberungen gegen die krie-
gerischen Germanen zu schützen bestimmt waren. Zu beiden
Seiten deckten dasselbe die Pfahlgrabcn-Kastcllc bei Reifenberg
und die Kapesburg, während es sich im Kücken durch die Vor-
schanzungen bei Heddernheim, ilofheini und Kastell auf den
Waffcuulatz Mainz stützte. Das Kastell Saalburg selbst ist ein
längliches Viereck von 221" Läuge und Mir" Breite, mit abge-
rundeten Ecken und mit zwei tiefen Grüben umgeben. Vier
Thore, jedes mit zwei viereckigen Thürinen zu beiden Seiten,
bildeten den Eingang durch die ca. 1,75™ dicken Ringmauern.
Unter den aufgedeckten Trümmern sind jene eines in der Mitte
des Kastells belegenen Gebäude-Komplexes besonders merkwür-
dig: Fünf Eingänge fuhren aus einem von der Hauptatrasse
durchschnittenen, mit Mauern umgebenen, 12,.V» breiten Vor-
platz in das Innere dieses 60™ langen und 41'" breiten Raumes
Praetorium). Man bemerkt hier noch die Fundamente und
Sandstein -Unterlagen einer vormaligen Säulenhalle. In der
ersten Abtheilung sieht man auf der rechten Seite die Ueber-
reste eines kleinen Gebäudes, zur Aufbewahrung der Fahnen
etc. bestimmt. v>r welchem Säuleulrümmcr gefunden wurden;
in der zweiten sind zwei mächtige Saudstcinuuader bloßgelegt
die einer Bronce-Statue, von welcher nur wenige Trümmer ent-
Digitized by Google
— 251 —
den Architekten noth wendig eintreten uiüsste, für den un-
glücklichsten halten, der gewählt werden kannte, ganz ab-
gesehen davon, dass wir die unter solchen Verhältnissen er-
folgte Zuziehung ausserdeutscher Architekten für eine direkte
Beleidigung der deutschen Architektenschaft halten müssteu.
Bekanntlich ist der Versuch gemacht worden, für jene Aus-
wahl die freiwillige Mithülfe der architektonischen Vereine
Deutschlands resp. deren Gcsamrntvertrctung anzurufen, doch
bezweifeln wir ernstlich, dass eine unserer Fachkörperschaf-
ten einem solchen Verlangen entsprechen würde, selbst wenn
es als offizielle Aufforderung an sie heranträte.
Als das unseres Erachtens einzig mögliche Kompromias
haben wir vielmehr schon anderweit den Erlass einer zweiten
öffentlichen und allgemeinen Konkurrenz vorgeschlagen, bei
welcher das Vorrecht, welches den hervorragendsten Theil-
nehmern der ersten Konkurrenz gebührt, insofern zu berück-
sichtigen wäre, als sie unter Zusicherung einer bestimmten
Entschädigungssumme zu der Arbeit direkt eingeladen wer-
den müssten, während es jedem Anderen überlassen bliebe,
sich ohne eine solche Entschädigung, ausschliesslich mit der
Hoffnung auf den Preis an dem Wettkampfe zu betbeiligen;
ob dabei eine engere Auswahl unter den ersten Konkurren-
ten erfolgen oder alle 28 Bevorzugten einzuladen wären,
lassen wir dahingestellt. Dass wir den Vorschlag nicht für
absolut vollkommen halten, ist wohl schon durch seine Be-
zeichnung als Kompromiss ausgedrückt Wir glauben jedoch,
dass dabei den Interessen der an der ersten Konkurrenz "bethei-
ligten Künstler eine Anerkennung zn Theil würde, mit der
sie sich begnügen können; keiner derselben würde von der
weiteren Mitwirkung ausgeschlossen und denen, welche be-
reits etwas Tüchtiges geschaffen haben, bliebe ein weiteres
materielles Opfer erspart. Auf das in einem an uns gerich-
teten sehr energischen Schreiben*) für sie in Anspruch ge-
nommene ausschliessliche Anrecht an der Sache
würden nie allerdings verzichten müssen, indessen glauben
wir, dass sie im Interesse der Kunst gern sich gefallen
lassen werden, dass der Nutzen ihrer Vorarbeiten eventuell
einem Anderen zn Theil wird, wenn dieser Andere in der
That etwas Besseres geleistet haben sollte, als sie. Die
Möglichkeit, dass dieses geschehen, dass für diesen Bau
wirklich der beste Entwurf gewonnen wird, ist durch eine
öffentliche Konkurrenz jedenfalls am Vollkommensten ge-
wahrt, ohne dass man sich den Schwierigkeiten und un-
vermeidlichen' Ungerechtigkeiten einer Auswahl ' nnter den
Architekten auszusetzen braucht — die Wahrscheinlichkeit
des Erfolges mindestens dieselbe wie bei jeder engeren Kon-
kurrenz. Ein grösserer Aufwand an Zeit, die bis zum nächst-
*) Ba Ist dlaear Punkt, den wir nie«! ao •■u*cblteMli«h nach pmöalieh«*,
sondern tbeuwl» nach allcetaeinen Rückrichlcs n«t>rth«.en. der eiailct, dar
nnsere A nschaaunKen ron den in Janen ftchrelbaa entwickelten trennt. Wir nta-
tnen an dlaarr Stellt Varaalauvag, d*tn anonjnvrn VtrfaiMT far »«In Internat
jährigen Zusammentritt des Reichstages übrigens in reichlichem
Maasse vorhanden ist, kommt gleichfalls nicht in Betracht
— die grössere Schwierigkeit der Beurtheilung darf billiger-
weise nicht in Betracht Kommen. —
Mag die Entscheidung in dieser Frage übrigens erfolgen,
wie sie wolle — und wir sind nach den bisherigen Erfah-
rungen durchaus nicht zu überschwäoglichen Hoffnungen ge-
neigt — so sind für die Vorbereitung einer zweiten Kon-
kurrenz in sachlicher Beziehung einige Forderungen zu
stellen, die unter allen Umständen Geltung beanspruchen
können.
Die erste derselben betrifft die Bauplatz-Frage. Wir
haben es als ein der Würde der Sache nicht entsprechendes
Vorgehen gerügt, dass man die erste Konkurrenz eingeleitet
hat, ohne der Erwerbung des Bauplatzes, der gerade in die-
sem Falle die Grund -Disposition der Entwürfe so ausser-
gewöhnlich beeinflusste, gewiss zu sein, und es dünkt uns,
dass wir durch die gegen uns geltend gemachten Argumente
nichts weniger als widerlegt sind. Dass an den Bauplatz
an der Ostseite des Königsplatzes noch heute „in erster
Linie" gedacht wird, dass erst durch die Konkurrenz die
Mängel desselben ins helle Licht getreten sind, ändert an
der Thatsache Nichts, dass man 10.1 auf diesen Platz be-
rechnete Arbeiten hervorgerufen hat, während man für die
Möglichkeit seines Erwerbes keine andere Garantie
hatte, als das unerschütterliche Vertrauen auf den „Namen
Bismarck*; denn es ist allgemein bekannt, dass es persön-
liche Schwierigkeiten von derzeit unüberwindlicher Art
sind, welche den Erwerb des Bauplatzes verhindern. Es ist
wohl keine unbillige Forderung, sondern allerdings nur der
Würde gemäss, dass man den Künstlern, die ihre Kräfte
ohne die Sicherheit einer Entschädigung zur Verfügung stellen,
ttte Gewähr giebt, dass das Resultat ihrer Arbeil zum Min-
desten nicht durch solche Hindernisse illusorisch gemacht
werden kann, die der Bauherr vor Erlass des Preisausschrei-
bens zn übersehen in der Lage war. Wir fordern daher,
dass bei Erlass einer neuen Konkurrenz nur eiu Bauplatz in
Aussicht genommen wird, der bereits zur Disposition des
deutschen Reiches steht. Der vom Reichstage angenommene
Antrag seiner Delegirten, in welchem die Mitwirkung bei
Erwerbung eines Bauplatzes als die erste und wichtigste
Aufgabe der nenen Kommission bezeichnet ist, verspricht
übrigens nicht nur, dass jener Forderung Geniige geschieht,
sondern beweist auch, dass man sich in den parlamentari-
schen Kreisen des bei Erlass der ersten Konkurrenz began-
genen Fehlers wohl bewusst ist.
Unsere zweite Forderung betrifft das eigentliche Bau-
programm. Nach unserer Auffassung des Zweckes einer
ersten Konkurrenz um eine Aufgabe dieser Art konnten wir
uns nur damit einverstanden erklären, dass das Programm
derselben in mehren Punkten einigen Spielraum gewährte
deckt wurden, als Unterlago dienten. An verschiedenen Punk-
ten des inneren Kastcllraumes fand man gemauerte Brunnen
von beträchtlicher Tiefe in der Nähe von Strassen und Woh-
nungen.
In den Gebäuden selbst haben sich mitunter Ueizcinrich-
tungen von ganz eigentbümlicher Form erhalteu; mehre Heiz-
kümmern gind besonders bemerkenswerth. Nicht allein die
Wohnungen wareu vermittels irdener Röhren in den Wänden,
sondern auch ein grosser Theil der bürgerlichen Niederlassung
wurde unterirdisch geheizt Mit dem Kastell war nämlich eine
bürgerliche Ansiedlung von bedeutender Ausdehnung verbunden,
welche vermuthlich als Wohnsitz für Veteranen, wohl auch zu
Zwecken des Handels und Verkehrs gedient haben mag. Von
dieser Veteranen-Niederlassung haben sich auf der östlichen und
westlichen und hauptsächlich auf der südlichen Seite des Kas-
tells nach Homburg tu viele bauliche Spuren vorgefunden, die
auf einen sechs- bis achtmal grösseren Flächenraum, als das
Kastell selbst, schlieasen lassen. Hier wurden auch die höchst
merkwürdigen Grabstätten und der Vcrbrennungsplats der Lei-
chen aufgefunden. Die bisher offen gelegten Gräber feigen
durchaus nur den Gebrauch des Verbrennen! der Leichname.
Die Asche der verbrannten Gebeine befindet sich zum Theil
mit der Beigabe einer thönernen Lampe als Symbol des er-
loschenen Lebens in einer runden irdenen Urne, tun die sich
HcnkclkrÜKe CThränenkrügc), Teller. Münzen, Trinkgefässe und
dcrgl. anlehnen. Alle diese Mitgaben sind mit einer fctligen
Asche, dem Ucberrcste des verbraunten Leichnams, bedeckt
Dr. J. v. Hefer sagt hierüber: leb muss gestehen, dass mit Aus-
nahme der Griberstrasse in Pompeji, die ich mit webmüthigen
Gefühlen auf und abwaudeltc, kein Ueberbleibsel des Alter-
thums auf mich einen so ergreifenden Eindruck machte, als
diese in wenig Quadratschuhe eingezwängten UcberreBte von
Kriegern des welterobernden Römerreichs!
Westlich des Süd-Thores ausserhalb des Kastelig ist eine
Gruppe von Gebäuden aufgedeckt worden, welche mit förmlichen
Bade-Einrichtungen versehen sind. Diese .Bäder* bestehen aus
1» durch Lufthcizuugskanäle
auch die Abflusskanälc, zur Fortscbaffuog des benutzten Was-
sers, haben sich vorgefunden Eine Menge kleinerer Objekte
wurde ausgegraben, welche theils auf der Saalburg selbst auf-
bewahrt werden. In letzterer Zeit sind die Nachforschungen
wieder aufgenommen und hierbei unter Anderem b gemauerte
Keller links vor dem Südthore blosgelcgt worden, wobei sich
verschiedene interessante Gegenstände (Glasgefässe) vorfanden.
Die bürgerlichen Niederlassungen so wie ein Theil des Kastells
selbst sind bewaldet und nahezu unerforscht, daher bei der-
einstigen Nachsuchungen noch reichhaltige Funde in Aussicht
stehen.
Der erfreuliebe Anthcil, welchon der Kaiser den Saalburg-
Bauten widmet geht aus einem bewilligten namhaften Beitrage
zur Fortführung der Ausgrabungen hervor, wie auch der Kron-
prinz dieser Angelegenheit die grösste Theilnahme bezeigt. Zur
Förderung der Saalburg-Bauten bat sich in Homburg ein Ver-
ein gebildet, welcher zunächst unter Oberleitung des königlichen
Konservators Herrn Oberst von Cohansen zu Wiesbaden ein
Gräberhaus zum Schutze der oben angeführten Grabstätten in
damaligem Stile und auf dem ehemaligen Platze zu errichten
beabsichtigt Hiernach ist der Wiederaufbau des Haupt -Eln-
gangsthores der (Porta decumana) mit Räumlichkeiten für das
anzulegende Museum projektirt Die Saalburg ist l'i Weg-
stunden von Homburg entfernt und schon ihrer prachtvollen
Lage und hohen landschaftlichen Schönheit wegen als lohnender
Ausflug zu betrachten. Eine gute Restauration befiodet sich in
dem nahe gelegenen, eine reizeude Fernsicht bietenden Förster-
hause, dessen freundlicher Garten als angenehmer Aufenthalt
und Ruhepunkt von den zahlreichen Besuchern gern benutzt
wird. Der Förster besitzt die Schlüssel zu dem auf der Saal-
bürg befindlichen, einen Theil der ausgegrabenen Alterthümcr
enthaltenden Hause und dient auf. Verlangen als F'übrer. Ver-
mittels Wagen gelangt man in circa 50 Minuten auf der gut
gehaltenen Chaussee von Homburg nach der Saalburg; es em-
pfiehlt sich, bei Rückkehr den oberen König -Wilhelmsweg ein-
en, bei Rückkehr den uberen König -vulhelniswegcin-
n. welcher, längs des Taunus hinführend, hübsche
das Thal bietet. (Köln. Ztg.)
Digitized by Google l
— 252 —
und so den Konkurrenten Gelegenheit gab, über die zweck-
rnässigste Lösung prinzipieller Grundfrageu ihrerseits Vor-
schläge zu machen. Bei einer zweiten Konkurrenz darf eine
solche Unbestimmtheit nicht wohl stattfinden, vielmehr wird
eine am so grössere Aussicht vorhanden sein, den möglichst
besten Entwurf zu erhalten, wenn unsere Forderang Annahme
findet, dass alle Fragen dieser Art im Prinzipe bereits be-
antwortet sein müssen. Wir rechnen .hierzu — namentlich
wenn der früher in Aussicht genommene Bauplatz festge-
halten und bis dahin erworben werden kann — die Frage
des Hanpteinganges, die Frage der Grundform and der
Höhenlage des Sitzungssaales, die Frage des Festsaales, end-
lich auch die der Dienstwohnungen. Letztere ist zwar im
Programm der ersten Konkurrenz durchaus nicht offen ge-
lassen; wir glauben indessen, dass das Resultat dersellwn
die nochmalige reifliche Erwägung recht nahe legt, ob der
praktische Vortheil, dass Präsident und Bureaudirigent im
Hause wohnen, die architektonischen Unzutrfiglirhkciten auf-
wiegt, welche die Anordnung solcher Wohnungen, zumal mit
Pferdestall und Remise, innerhalb eines solchen Hauses not-
wendig mit sich bringt. Unsererseits sind wir über die Be-
antwortung dieser Frage nicht einen Augenblick zweifelhaft
und würden es, wiederum für den früheren Baunlatz, als
einen naheliegenden Ausweg erachten, jene beiden Woh-
nungen in einem dem Parlamentshause gegenüberliegenden
Gebäude der zurückgelegten Sommerstrasse anzuordnen.
Für die Lösung dieser Prinzipien fragen würde ein Gut-
achten der Jury, wie wir es als unbedingt erforderlich bezeich-
neten, ein Gutachten, in welchem das geistige Resultat der Kon-
kurrenz, der durch dieselbe erzielte Gewinn an Ideen sachlich
zusammengestellt and erörtert wäre, den besten und unmit-
telbarsten Anhalt geben. Da dasselbe aber leider fehlt, so
fällt der neuen Kommission, welche die nichtarchitektonischen
Mitglieder der Jury umfasst, die Aufgabe zu, ihre weiteren
Berathungen auf jene Punkte zu erstrecken. Wir fordern
im Interesse der Sache nur noch, dass sie alsdann bei Auf-
stellung des neuen Programmes die Motive, welche für die
einzelnen Entscheidungen maassgebend waren, nicht ver-
schweigen, sondern in geeigneter Form znr Kenntnis* der
Konkurrenten bringen möge. Die Auffassung derselben wird
eine ungleich fruchtbarere sein, als wenn nur die einfachen
Resultate jener Erwägungen bekannt geworden sind. Am
Vollkommensten freilich würde der Zweck, den wir dabei
im Auge haben, dann erreicht werden, wenn es möglich
wäre, dass jene von der Jury unterlassene Arbeit von kom-
petenter Seite nachgeholt und das Programm der zweiten
Konkurrenz mit einer Denkschrift begleitet würde, welche
über die Auffassung der sachlichen Momente der Angelegen-
heit innerhalb der leitenden Kreise Aufklärung verbreitete.
(Scbluw i
leidige w Theorie der Faclwe rkjträgf r.
Von E. G
Seit Anwendung der Faehwcrksträger ist man bestrebt ge-
wesen, dieselben aus einer gewissen ursprünglichen Gestaltung
heraus zu solchen Formen überzuführen, welche eine Minder-
anordnung von Eisenmasse zulassen.
Diese Bestrebungen haben ohne Zweifel eine praktische
Bedeutung; der Werth des Schmiedeeisens in verbundenen Kon-
struktionen steht immerhin so hoch, daas jede nicht unwesent-
liche Gewichtsverminderung Berücksichtigung verdient. Läge
aber dieser materielle Grund gar nicht vor und könnte den
Umständen nach ein gewisser Mehraufwand au Material und
Arbeitslohn füglich ganz ausser Betracht gelassen werden,
immerhin müsste die Frage, wie die Form eines Fachwerks-
trägora zu wählen sei, damit sein Gcaammtgewicht ein Minimum
ergebe, als wichtige Aufgabe in der Theorie der Brücken-
konstruktionen angesehen werden.
Alle in dieser Richtung ausgebildeten Trägerformen gehen
zunächst gemeinschaftlich von dem Gedanken aus, dass die
Gurtungen von der Mitte des Trägers aus einander zu nähern
und an den Endeu womöglich in einem Punkte zusammen-
zuführen seien. Dass Gründe für diese Annahme nahe liegen,
leuchtet ein; die Vertikalen und Diagonalen, welche nach den
Trägerenden zu immer grössere Querscboittsdimensionen erfor-
dern, werden bei dieser Anordnung in ihrer Länge verkürzt;
endlich fällt sogar diu Enddiagonale mit dem letzten Gliede der
unteren Gurtung zusammen, weun diese mit der oberen über
dem Auflager direkt zusammengeführt ist.
Von dieser zuerst erwähnten, gemeinschaftlichen Idee abge-
sehen, wird der Träger bei den bekannt gewordenen Systemen
nunmehr je nach verschiedenen Gesichtspunkten weiter ausge-
bildet. Dem Parabclträger liegt die Idee zu Grunde, das«
die eine oder andere Gurtung, welche geradlinig angeordnet
wird, einen konstanten Querschnitt behält, ein Vortheil, der bei
der praktischen Konstruktion immerhin einigen Werth hat;
ferner, dass seine Diagonalen bei gleichmässiger Belastung die
Spannung Null haben. Ein weiterhin alicemein bekanntes,
hierher gehöriges System ist das von v. Pauli- Hier wird
der Gedanke, einen konstanten Querschnitt zu erreichen, auf
heide Gurtungen ausgedehnt uud denselben demnach eine be-
stimmte, durch Rechnung unschwer zu ermittelnde polygonale
Gestalt gegeben. Verweilen wir noch kurz bei diesem Systeme,
so lässt sich gerade hier in geeigneter Weise die Frage ein-
schalten, in wieweit durch diese Trägerform etwa der Lösung
einer Minimalform nahe getreten ist. Die Trägerform ist auf-
gefunden, indem man eine gewisse Bedingung, jedoch lediglich
bezÜKllch der Gurtungen aufstellte; es fehlt der Nachweis, ob
die Vortheile, die man zu Gunsten der Gurtungen anstrebte,
nicht eine gewisse Benachteiligung der übrigen Glieder des
Systems, d. h. der Diagonalen und Vertikalen zur Folge haben.
Diese Andeutung wird ersichtlich machen, wie die Auf-
gabe, einen Fachwerksträger so anzuordnen, dass sein Gewicht
sich einem Minimum nähere, za behandeln ist. Um diese Auf-
gabe erschöpfend zu lösen, müssen sftmmtliche Glieder des
Systems in die Betrachtung hineingezogen werden; man darf
nicht Bedingungen für einen Theil aufstellen, deren Einwirkung
auf den übrigen nicht erkeuubar ist Wird die Durchführung
der Aufgabe in dem Sinne, dass sämmtliche Glieder des
Systems als Funktionen der zu suchenden Trägerform eingeführt
werden, zu schwierig, so muss mindestens für diejenigen Glieder,
»eiche aus der Betrachtung ausscheiden, der Nachweis geführt
werden, dass sie innerhalb gewisser Grenzen keinen für das
Schlussresultat ungünstigen Einfluss erleiden.
In diesem Sinne muss die vod J. W. Sch wedle r zuerst rait-
rüttefien.
getheilte und vielfach zur Anwendung gekommene Trägcrfonn
als der bezeichneten Aufgabe besonders entsprechend angeführt
werden. Bei dieser Form werden gerade diejenigen Theile des
Systems, bei denen sich nicht beachtete Einflüsse vorzugsweise
uucbtheiUg äussern würden, d. h. die Diagonalen, vorweg in
Betracht gezogen; der Vortheil, die Diagonalen weder doppelt,
noch auch für Druck anordnen zu müssen , liegt hinreichend
nahe, und ist deshalb die Gestalt der oberen Gurtung so ge-
wählt, dass jener Vortheil unter allen Umständen gesichert
bleibt
Im Folgenden soll ein Versuch zur weiteren Behandlung
dieses Gegenstandes gemacht werden, einmal, um zu untersuchen,
in wie weit sich der absoluten Minimal -Form für Fachwerks-
träger überhaupt nahe treten lässt, andererseits, weil sieb aas
dieser Aufgabe gleichzeitig eine Reihe wichtiger' Resultate be-
züglich des relativen Minimums gleichartiger Trägerformen ab-
leiten lässt-
Sollte die Behandlung in strenger Form, d. h. sofort allge-
mein gültig für einen Träger mit « Fachen aufgestellt werden,
so wurde sich eine derart weitläufige Entwicklung ergeben,
daas die Aufmerksamkeit des Praktikers hierfür nicht mehr
beansprucht werden könnte; os ist deshalb vorgezogen, die
Durchführung an einem bestimmt gewählten Beispiele zu zeigen
und wo augänglich, allgemeine Beziehungen nachzutragen.
Zusammenstellung der Spannungswe rthe.
Die in der Praxis vorkommenden Fachwerksträger sind der
Mehrzahl räch solche mit gerader unterer Gurtung; denn bei
Flussübergängen wird man Fahrbahn und Konstruktionsunter-
kaute gemeinschaftlich so wenig wie möglich über ein tos den
Uochwassorständen oder den Schiffahrtsinteressen sich ergeben-
des Maass erheben, und auch bei Trägern mit obeoliegender
Fahrbahn würde im Allgemeinen eine Verschwendung im Pfeilcr-
werk vorliegen, jweun nicht die untere Gurtung geradlinig an-
geordnet wäre.
Es sei deshalb
in Figur 1 die
Hälfte eine« Fach-
werk strägera ge-
wählt , dessen un-
tere Gurtung gerad-
linig ist und dessen
B, 8 Fache sämmllich
I die Breite 6 haben.
I Die obere Gurtung
HH^^BcHvl Polygon.
■rgHWlfl dessen Eckpunkte
I durch die Verti-
I kalen r, «r, x, y, »
festgelegt sind.
Diese Vertikalen bilden nun 5 urvariable Grössen, deren
Werth so zu bestimmen ist, dass das Gesammtge wicht des Trä-
gers sieh als Minimum ergiebt Um das Gewicht in algebrai-
scher Form kurz auszudrücken, kann der Gewichtsfaktor für
die Kubikeinhcit des Materials = 1 gesetzt werden. Ein Glei-
ches gilt aber auch bezüglich des Festigkeitskoeffizienten, da
man nie Zug- und Druckfestigkeit des Schmiedeeisens einander
Gleich zu setzen pflegt- Sieht man nun von Stoss Verbindungen,
ülfsstücken und Nieten ab. so lässt sich das Gewicht des Trä-
gers ausdrücken durch die Summe der Produkte aus den Stab-
längen und den in ihnen auftretenden Spannungen.
Die Aufstellung der hiernach erforderlichen Gleichungen ist
Fi«. I.
Digitized by Google
— 253 —
einfach, und wird deren llerleitung als bekannt vorausgesetzt
Es sei nur noch Folgendes vorausgeschickt Die Stahlängen
sind mit kleinen Buchetaben bezeichnet; die entsprechenden
grossen Buchstaben mögen (mit Ausnahme der unteren Gur-
tung, wo besondere Bezeichnungen erforderlich werden) die in
den betreffenden Stäben auftretenden Spannungen bezeichnen.
Die Belastung wirke am unteren Ende der Vertikalen und be-
trage pro Knotenpunkt an Eigengewicht und fester Belastung p
an mobiler Belastung ». In dem Falle, wo es sich um Belastung
von Eisenbahubrüekon handelt, ist dieser Werth * in gewissem
Haasse als veränderlich anzusehen. Je mehr der auffahrende
Zug die Brücke überdeckt, um so mehr kann von einer glelch-
mässigen Verkeilung der mobilen Belastung die Rede sein; in
dem r alle jedoch, wo nur das erste Feld neben dem Auflager
durch die auffahrende Lokomotive belastet wird, wirken die
beiden Vorderachsen derselben als lokale Einzelbelastung, die
gÄjgJJ« «d» der obige Werth * zu bemessen ist. Von
Wichtigkeit ist dieser Umstand bei Bestimmung der unteren
bpannungsgrenze der Diagonale 0, und der Vertikale W; bei
Berechnung dieser Wcrthc in Gleichung X* und XV b igt des-
halb n- durch den der lokalen Belastung entsprechenden höheren
werth_!T| zu ersetzen.
. ..JWg die 4 gezogenen Stäbe der unteren Gurtung der Träger-
nälfte ergeben sich nun, unter der Annahme einer vollen Be-
lastung der Knotenpunkte, folgende Wcrthe als Produkte aus
Spannung und Länge:
I) 7i . I = 0
II) 71 . b = V, (p + x) .
III) 71 . t = 6 {p + w) .
iv) r«. i!
'r
x
V
In gleicher Weise ergiebt sich für die gedrückten Stfibe der
oberen Gurtung:
V) S, . t, = >/, (;f t).
*« + (r-i>)>
VF) *,
VU) S»
«. = « (P + w) ■
6> + (x- r)'
IX«)
Xa) 0,
XIa) O t
XII i o.
w
VUI) s, .Miss 8 (p + *) . Ü ±ÄT *L
Bei den Diagonalen findet sich die obere und untere Span-
mingsgrenze bekanntlich unter einer derartigen Verschiebung
der mobilen Belastung, dass dieselbe vom Kopfe der Diagonale
nezielientlich bis zum weiteren resp. nSheren Auflager reicht
(jegendiagonalen können ifl den iwei ersten Feldern nicht erfor-
derlich werden, weil T, beständig = Null bleibt, also den Werth
von T, nicht überschreiten kann. Uebrigens soll das Verhält-
nis» zwischen p und « zunächst noch so gedacht sein, dass auch
i 5 ii e i ID S Go $ oudia «on«de nicht erfordert. Schreibt man nun
DezUgUcU der Vorzeichen derart, dass Zug positiv erscheint, so
Fügendes- oberen Spanuiingswerthe der Diagonalen
o. -= (*• + ,.). •'• <"+ *>
IT
«j» + 3 «
~z
*=(*. + x').p^t"' T
XIHa) 0, . o> = (#» + »•).( "*£±_&I
Für die untere Spannungsgrenz« der Diagonalen ergiebt
»ich, wiederum so geschrieben, dass Zog positiv ist:
IXb) o, o, = (*» r«) . % äjt
Xb) O, .«, = (». + «■») . (_ fi * .+ * •
- 0, + . r "»p + y. » _ 6* + ■.. m
<. f x )
Xlllb) //. . o. = <«• + . f w &£±*£ _ + 4 « i
Endlich zu den Vertikalen übergehend, findet sich die obere
^pannungsgrenze derselben, so verstanden, dass Druck positiv
erscheint:
XlVa) V . r = Vi {p + 9} , 9
XVa) w. ir = (•/, p + t) , r - (j, -f *,;). »•
XV Ja) .V .x = {6p + ir) . ir - {% p + »;, *> . x
X\üa) Y v = (»»/, p + » ,. *) . x - (7 /> + «»/. r) , «
XVUIa) Z.» = (8p + 4»). r - (••/,„ + V.ir).l
IT
x
' •./'.+
y
s
)
)
Xlb)
XHb) 0, . o,
und die untere Spannungsgrcnze, wiederum dorart bezeichnet,
dass Druck positiv ist :
xi vb) f.p = •/■ p t
XVb) W. tr = ('/, p + V.. f.) . p - (/> + | ) . *
XVII») .V . x = (6 p -f- «/t ir) . » — (•/, p + »/ 4 ») . x
XVlIb) 7 p = ('V, p + •»„ n).j-(7g+ •>.', >r) . v
XVIIIb; Z.» = {6p + 4 s).w - (»/,p 4- 5ir).»
Aus vorstehenden Gleichungen soll nun s- fort folgende
höchst einfache Anwendung gezogen werden.
§•
Relatives Minimum der Fach werkstrSger mit paralle-
len geraden Gurtungen.
Es sei ein FachwerkstrSger mit parallelen geraden Gurtun-
gen gedacht, dessen Höhe = a, so reduzireu- sich die 5 Urva-
riablen des vorigen Paragraphen auf die einzige Variable s. —
Hatte man den hiernach bezeichneten Träger praktisch zu kon-
struiren, so wäre man zu einigen Abweichungen von den be-
rechneten Formeln genöthigt. Diese betreffen zunächst das
letzte Feld der unteren Gurtung, dessen Spannung sich theore-
tisch = Null ergiebt; bei der Konstruktion würde mau minde-
stens T, = ' , r, machen, und soll dieses Verhältnis« nachstehend
beibehalten werden. Ferner ist anzuführen, dass die Vertikalen
Bich nach der Mitte zu theoretisch M verschwftchen, dass auch
ihnen ein Zuschuss gegeben werden niuss, damit sie gegen Aus-
biegung hinreichend stark werden uud als Aussteifung der oberen
Gurtung dienen können. Das bierfür erforderliche Plus soll in
der Weise berücksichtig werden, dass Z=7 = Z nach Glei-
chung XVIa) genommen wird. Bezüglich der Diagonalen ist
noch zu bemerken, dass deren untere Spannungsgreuze bei einem
Träger mit parallelen geraden Gurtungen und bei richtiger An-
ordnung der Gegendiagonalen nicht iu Druck übergehen kann;
es treten deshalb nur die betreffenden Gleichungen ad a in
Kraft
Hiernach ergeben sich für die Trfgcrhälfte, unter Berück-
sichtigung, dass der Werth Z . * halb für die andere Trägersoite
rechnet:
die untere Gurtung = 18»/, (/»+ir). '
die obere Gurtung
= 25 (/> + *). £
t'4-t'
= «OV.y+ iQ'A.w)
die Diagonalen
die Vertikalen _
Summa Gewicht „ ,
des halben Trägers - - , ( 5l l P + M i f) + • ("1 P + I9JJ r)
oder mit einiger, hier füglich wohl zulässiger Abruudung
1) Z = ^ (51 p 4- 58 >r) + s (17 V. P + 19»/. *)
Es wird nun - ein Minimum, wenn
^7= ~ % ] (51 P + 53 n) -f- 17'/. p + Wft * = 0
oder
t = 6 V^P + ■>■>*
\1':,P + 19»/.«
Setzt man p = Null, so wird *= 1,724
setzt man >r=Null, so wird tsa 1,644
im Mittel also % — Vi *; d. h- das theoretisch günstigste Höhon-
verhältniss des vorliegenden Trägers ist = Vi. der Spannweite.
Ein derartiges theoretisches Resultat darf nicht für die
Praxis übernommen werden, ohne dass alle etwa noch in Be-
tracht kommenden Nebeneinfliisse vorher gründlich abgewogen
wären- Zunächst ist nun bekannt, dass dor Grad der Steige-
rung stetiger Funktionen in der Nähe eines Kulminationspunk-
tes bedeutend abnimmt; dies wäre im vorliegenden Falle von
der allergrössten Bedeutung, damit man nicht das Höhen Ver-
hältnis* des Trägers übertrieben steigert, ohne einen reellen
Gewinn bezüglich des Gewichtes zu erzielen. Konstruirt man
zu dem Zwecke die vorstehende
Gleichung 1 in der Weise, dass
das Pfcilverhältniss zwischen
Höhe und Spannweite als
Abszisse, die Gewichte als
Ordinalen aufgetragen wer-
den , so findet sich gemäss
Figur 1, dass der Grad der
Veränderlichkeit von 2' inner-
halb der Pfeilverhältnisse
■/»• bis %i gering ist Es
kann deshalb kaum zweifel-
haft sein, dass mit Rücksicht
aufdie Vertikalen das Höhen-
verhältniss auf '« der
Spannweite zu beschrän-
ken sein wird. Dass jedoch
andererseits eine Materialver-
schwendung eintreten muss,
wenu man diesen Werth über-
schreitet, d. h. die Trager-
höhe geringer als 1 , der
•Spannweite annimmt, lässt
Bich, wie folgt, nachweisen. Ein Bedenken gegen das bezeich-
igitEeöTby Google
\„l W..i,
- 254 -
n*tc Höhenverhältniss könnte bezüglich der Vertikalen ent-
stehen, insofern als die angenommenen Querschnitte derselben
bei so betrachtlicher Konstruktionshöhe verstärkt werden niüss-
ten. Es soll deshalb der Fall vorgesehen werden, wo eine Stei-
gerung der Vertikalem) uembnitte auf das Doppelte des oben
neuen erforderlich werden könnte; in
anstatt 1 die Gleichung:
Kalle
(^ + ..3*) + 9(27/, + 30*)
also p rund = r gesetzt und wie oben verfahren,
9 = b V *~ = rot v» * = */• Spannweite
Ol
d. b. selbst die schwerste Vertikalcnanordnung würde da«
Maas* Tür die günstigste Ilöhcnanorduung nicht unter '., der
Spannweite herabdrücken können.
I
Im Wasserglas «nd .eiae Vcrweadaag ia der
Wasserglas wurde im Jahre 1823 von Jon. Nep. v. Fuchs
zuerst dargestellt. F.r verwendete es hauptsächlich zur Wand-
malerei und nannte diese neue Malart Stereochromio. Laugere
Zeit blieb es nur bei vereinzelten Versuchen, bis Herr Direktor
v. Kaulbach im neuen Museum zu Berlin mehre Wandgemälde
ausführte, welche keiuen Zweifel mehr darüber aufkommen
Hessen, dass diese neue Malart mit der Freskomalerei in jeder
Weise in Konkurrenz treten könne.
Man bitte glauben sollen, d;iss sich nun auch die Bautech-
nik sofort dieser beachtonswerthen Erfahrung bemächtigte, da
ihr ja jetzt Gelegenheit geboten, ihren Monumenten und Bau-
werken eine Widerstandsfähigkeit gegen die zerstörenden Witte-
rungseinflüsso zu geben, wie sie bisher in solchem Grade noch
it gewesen,
jedoch die
steht — mit einer Wasserglaslösung zu einem feig
Dieser erhärtet nun an der Luft nach und nach zu
festen Körper, dass er die frühere Natur der Kreide
mehr erkennen lässt.
Aber auch fast allen Gegenständen von gebranntem Thon,
wie Thonplatten, Backsteinen, Dachziegeln etc., sowie auch den
meisten porösen, leicht verwitterbaren Sandsteinen, von welchen
das Wasserglas mit grosser Begierde eingesogen wird, theilt es
eine ausserordentliche Festigkeit mit. Es sind Beispiele be-
kannt, dass ganz mürbe Thonplatten, nachdem sie mit Wasser-
glas getränkt, über die Feuerung eines Abdampfufens gelegt,
in welchem auch häufig saure Dämpfe entwickelt wurden, nach
einem Zeitraum von 1z Jahren ganz unverändert blieben.
Es dürfte daher bei der Ausführung von Neubauten, welche
nicht verputzt werden sollen, — mögen siu nun aus Back- oder
Sandsteinen bestehen, — ein Wasnerglasaustricb stets zu em-
pfehlen sein.
Man verwendet 4 Arten von Wasserglas, feber die Art
ihrer Bereitung will ich hinweggehen, als zu weitführend, und
nur bemerken, dass das Kaliwasserglas, wie dies schon der Name
mit sich briugt, eine Verbindung von Kali mit Kieselerde, das
Natronwasserglas aber als eine Verbindung gedacht werden
muss, welche gleiche Aequivalcute von Kali und Natrium mit
Kieselerde verbunden enthält Boim technischen Gebrauche
des Letzteren mischt man 3 Maasstheile konzentrirtes Kali-
wa&serglas mit 2 Maasstheilen kotizentrirtem Natronwasserglas
und es reicht die so erhaltene Lösung zu allen Zwecken aas.
Dasselbe, vereinigt die guten Eigenschaften des Kali- und Na-
nicht erreicht
Mag es jedoch die Macht der Gewohnheit, die Vorliebe für's
Altherkömmliche, welche bei allem Neuen ihren hindernden Ein-
fluss üben, mögen es einzelne, nicht mit erforderlicher Sach-
kenntuiss ausgeführte Versuche gewesen Bein, welche einer
grösseren Auwendung des Wasserglases entgegentraten, lange
Blieb ihm eine geschätzte Anerkennung versagt.*)
Seit mehren Jahren ist jedoch ein erheblicher Umschwung
zu seinen Gunsten eingetreten und seitdem Herr Prof. V. Liebig
auf eine Heihe neuer werthvoller Eigenschaften aufmerksam
machte, entstanden grosse Fabriken, die sich ausschliesslich mit
der Darstellung dieses Artikels befassen, und ist dem Wasser-
glas nun eine V erwendung im grossen Maasse zur Verbesserung
des Mörtels und zu dauerhaften, abwaschbaren Anstrichen ge-
sichert.
Seiner chemischen ZusammenHetiung nach aus einer Ver-
bindung der Kieselerde mit Kali oder Natron bestehend, ver-
dankt das Wasserglas seine Verwendung in der Bautecbnik
hauptsächlich dem Umstände, dass es mit dem kohlensauren
Kalke und Actzkalke eines Mauerverputzes eine chemische Ver-
bindung in der Art eingeht dass es Beide in kieselsauren Kalk
verwandelt, welcher im Stande ist, den Einflüssen von Luft und
Feuchtigkeit in viel höherem Grade zu widerstehen, als dies
vorher der Fall war. Leicht kann man sich hiervon überzeugen,
wenn man etwas gepulverte Kreide — die ihrer chemischen Zu-
sammensetzung nacti ja ebenfalls aus kohlensaurem Kalke be-
aurührt.
einem so
gar nicht
•J Wir flicht» diu twtiten Grund für »llrhbiltlger sli du erstell. Ni-
ittialllch 1d Berlin hit es in dem IniereiM für die neue Brnnduug und in din
luiuulgMlIgtum Verwehen dlesell». rirskUeeh tu verwenden, nicht gefehlt. Wenn
«lice* Versuch« den gehegten KrwnrtuDgrn [ist durchweg nicht inuprwebin wi-
llen, dibel iiier unter lieh die ultereeruehiedenirtlgstin Keaulliti irgiton und
rlidnrch weit uneluiudirgehende Meinungen Hier diu Werth des. Witwiiluei
für die Biutechnlk sruugt haben, no IM dl» wohl in KlnnvrJüten diduich fu
ciklüren, diu eli gewteserraisssrn dilcttenUstlicu, d. b. run Technikern, dl« iu
wenig chemische, oder ron Chemiker», die in wenig technisch« Kenntet» und
Fertigkeit l>e«i*»cn, nnternoBnae» worden ilnd, l>er vorliegende, Ton Ulkt dem
.HwsJirhen Gewerbe > hUtli a intnoeuineue Artikel beweist indessen wohl «tu
Beeten, wie rtel Schwierigkeiten eine Verwendung dei Wisserglssee für technische
Zwecke uuterliegt, mit wie groseer SncJtkenntntse und Krfihinng, all wii sorg-
filtiger Ucberlegung und Vorsicht sie unternommen werden musi. Unsere An-
sieht geht daher mit Entschiedenheit dihln, dies diu Verwendung dei Wsliei-
giiiti nur dünn eine illgeiwelnere werten und eine merkliche Zukunft hiben
wird, wenn iich Spe liiliiten für dicMlbi bilden, welche betreffend! Atuclten
"icJcViT^'u^mgen^iof^d' 1 ^'"t''»!' Wi, j ) , "j"' ta Jj" JJj,**"
C der bereitwilligsten Niehl, ig. be M n« wurde.
tronwasserglascs und ist in den meisten Fällen vorzuziehen.
Das Fixirungswasserglas endlich ist ein mit Kieselerde vollstän-
dig gesättigtes Kaliwasserglas, dem eine Portion Natriuni-Kie-
seifeuchtigkeit beigegeben wird, und zwar auf 3 Maasstheilen
konz. Kali Wasserglas 1 Maasathcil Natrium - Kiesclfeuchtigkeit.
Letztere wird dargestellt, indem man 3 Theile reines wasser-
freies kohlensaure» Natron mit 2 Theilen Quarzpulver zusam-
menschmilzt und hieraus eine konzentrirte Lösung macht Das
Fixirungswasserglas bat die vorteilhafte Eigenschaft, dass bei
seiner Anwendung keine Auswitterungen von kohlensaurem Na-
tron stattfinden und der Anstrich nicht unrein und fleckig wird,
weshalb es bei der Ornament- und Zimmermalerei beliebt ist.
Bei allen Wosserglasanstrichen kommt es sehr auf den Grad
seiner Verdünnung an und dürfen die hier gegebenen Verhält-
nisse nicht unberücksichtigt bleiben, wenn die Ausführung ge-
lingen soll.
Welche Art von Wasserglas nun auch verwendet werden
soll, immer wird dos 33grädigu beim ersten Anstrich mit seiner
2 fachen Gewichtsmenge, beim zweiten und dritten Anstriche
aber mit der gleichen Gewichtsmenge Regen- oder Flusswasser
verdünnt
fit! grädige.« wird beim ersten Anstrich mit 5 Gewichtsthei-
len, beim zweiten und dritten mit 2' ■ Gewichtstheilen verdünnt.
Auch beim einfachen Tränken von Sand- und Baeksteinarbeiten
bleiben diese Verhältnisse
Auf eine Fläche von 100
etwa:
Zum I. Anstrich 4 Pfd. Wasserglas von 33« und 12 Pfd.
Wasser. Zum 2. Anstrich 4 Pfd. Wasserglas von 33« und
8 Pfd. W asser. Zum 3. Anstrich 3 Pfd. Wasserglas von
33« und U Pfd. Wasser.
Wenn mau nun auf einer Mauer» .i:id eine Wasferglasfarbe
schön und dauerhaft anbringen will, dann bat man vorzüglich
auf den Verputz Bedacht zu nehmen. Die Hauptaufgabe ist
demselben durch uud durch eine gleiche steinartige Festigkeit
zu geben und ihn gleichsam mit der Mauer zu verschmelzen,
zugleich aber auch dabei zu erzielen, dass er das Wasserglas
gut und an allen Stellen gleichniässig einsaugt Um dies xu
erreichen muss der Bewurf mehr mager als fett sein; xu 'kalk-
haltiger Mörtel würde das Wasserglas nur schwer eindringen
lassen und auch Sprünge verursachen, die wohl zu vermeiden
sind. Derselbe muss gut ausgetrocknet und längere Zeit der
Luft ausgesetzt sein, damit er sich in kalbkohlensaurcn Kalk
verwandeln kann, weil im anderen Falle der Aetzkalk das
Wasserglas zum Theile zersetzen würde.
Ist die Mauer nun in diesem Sinne vorbereitet, dann wird
sie mit 33grädigcm Natron- oder Doppelwasserglas getränkt und
zwar wird bei der Verdünnung des Wasserglases bei den ver-
schiedenen Anstrichen stets verfahren, wie dies oben angegeben
wurde. Bei grösseren Flächen bedient man sich vortheilhal't
kleiner Kegenspritzen, deren Strahl in Form eines feinen Regent
vertheilt wird, indem man ihn durch eine mit feinen Oeffnungen
versehene Siebplatte treibt Man kann diese Operation wohl
2 bis 3 mal wiederholen, jedoch ist sehr darauf zu achten, dass
die Poren der Wand nicht durch zu häufiges Auftragen oder
auch zu konzentrirte Lösungcu geschlossen und zur Aufnahme
der hierauf folgenden Farben untauglich gemacht werden.
Um ganz sicher zu geben und einen bis ins Innere gleicb-
mässigen Grund herzustellen, bereitet man sich aber am besten
einen Waascrglasmörtel , der in folgender Art dargestellt wird:
10 Theile scharfer trockener Sand und 3 Theile an der
Luft zerfallener Aetzkalk (deu man am leichtesten erhält, wenn
man frischgebrannten Kalk mit so viel Wasser bespritzt und
häufig umarbeitet, bis er zu einem feinen Pulver zerfallen) wer-
den mit 2 Theilen Kreide oder Kalksteinpulver gleichmässig
trocken gemengt und durch ein mittelfeines Sieb geschlagen,
alsdann wird diese Mischung mit einer 33grädigen Natron-
wasserglaslösung, die mit 2 Gewichtstheilen W asser verdünnt,
derart zu einem plastischen Teige verarbeitet, dass er wie ge-
wöhnlicher Mörtel zum Verputze verwendet werden kann.
Dieser Mörtel leistet auch beim Ausfugen von Backstein-
mauern und überall da, wo es gilt gegen Luit und Feuchtigkeit
zu schützen, gute Dienste. Je nachdem man etwas mehr band
oder Kreide zusetzt in manchen Fällen auch die Wasserglas-
lösung etwas konzentrirtcr anwendet, wird seine Natur dem ent-
sprechend verschieden sein.
Nach dem Austrocknen , was in wenigen Tagen stattfindet,
wird er steinhart und soll mit einer .Natronwasserglaslösung
(ist billiger als Kaliwasserglas und zu diesem Zwecke vollstän-
dig ausreichend' 1 in der Art wie schon weiter oben beschrieben,
wiederholt getränkt werden.
Ist nun der Untergrund auf die eine oder andere der I
angegebenen Arten hergestellt, dann kann man nach
trocknen zum sofortigen Farbanstrich übergehen.
Oigitized by Google
Die zu verwendenden Karben werden, bevor sie mit Wasscr-
C» in Berührung kommen, mit so viel Regen- oder Flusswasscr
etat, dass sie von diesem vollständig durchdrungen sind,
ohne dabei flüssig zu werden. Je plastischer und gleichroässiger
dieser Farbeteig, desto besser vermischt er sich nachher mit
dem Wasserglase und um so weniger ist ein Gerinnen der Farbe
zu befürchten.
Auch hier werden die verschiedenen Anstriche so ausgeführt,
wie schon angegeben wurde, nur verwendet man hier gerne
Doppel Wasserglas. Je nach 24 Stunden kann ein neuer Anstrich
erfolgen und wenn ein Auawittern von kohlensaurem Natron
befürchtet wird, dann ist es rathsam, den letzten Anstrich mit
Fixirungswasscrglas auszuführen.
einen gewissen Glau, der demjenigen der
dann überfahre man den letzten Anstrich
en mit einer recht verdünnten Lösung von
Fixiruugswaaserglas, sorge aber dafür, dass so gut wie möglich
verzogen wird, um bei Mellon, die vielleicht weniger gut auf-
saugen, eine Gleichmässigkeit herzustellen.
Was nun die Wahl der verschiedenen Farben anbelangt, so
ist diese keineswegs gleichgültig, da viele derselben zu dem
Wasserglase so grosse Verwandscbaft haben, daas sie, kaum mit
ihm in Berührung, sofort iu einer unbrauchbaren Masse ge
rinnen, — wie dies beim Caput mortuum des ilaiidets oft
ben gleicht, da
dem Trocknen
kommt, wenn es von seiner Bereitung her noch freie Schwefel-
säure cuthalt.
Andere Farben werden in ihren Tönen wesentlich verändert ;
aus diesem Grunde sind z. B. keine aus dem organischen Reiche
stammenden Farben zu verwenden, weil sie früher oder später
verbleichen. Nichtsdestoweniger bleibt aber die Wahl der zweck-
dienlichen Farben noch eine so ausserordentlich mannichfaltige,
dass mau nicht leicht in Verlegenheit kommen kaun.
Verfasser beschäftigt sich seit langer Zeit eingehend mit
Versuchen aller Art, sowie mit der Erzeugung der geeigneten Far-
ben und ist erbötig, jede nähere Auskunft zu geben,
bei ihm Proboaiistrieho eingesehen werden könneu.
II. Wagner in
Mittheilungen
Oesterreich! scher Ingenieur und Architekten -Verein
in Wien.
Fortsetzung der General- Versammlung am 2. Marz 1
1872; Vorsitzender Hr. Hofrath R. von Engerth, anwesend 277
Mitglieder.
Der geschäftliche Theil der General - Versammlung wird
hauptsächlich durch Wahlen ausgefüllt, welche dadurch notwen-
dig geworden sind, dass mehre in den Verwaltungsrath und das
Schiedsgericht gewählte Mitglieder die Wahl nicht angenommen
haben, resp. nicht die erforderliche Anzahl absoluter Stimmen-
mehrheiten erreicht wurde. Seit der letzten Sitzung sind 15 Mit-
glieder in den Verein aufgenommen worden, 1 durch den Tod
ausgeschieden. Am Schlüsse der Versammlung spricht Hr. Di-
rektor J. Jähnl über den Bauhof der allgemeinen österreichi-
schen Ballgesellschaft.
Monutsversainmluug am it. März 1872. Vorsitzender
Hr. Hofrath R. von Engerth, anwesend 235 Mitglieder.
Im Namen des zur Beratbuug der Frage „ob auf der neu
anzulegenden Gürtelstras6e in Wicu die Anlage eiuer schmal-
spurigen Lokomotiv- oder Pferde -Eisenbahn den Vorzug ver-
diene" erwählten Konnten erstattet Hr. Inspektor M. Morawitz
Bericht Das aus 8 Mitgliedern bestehende Komite hat die ihm
vorgelegt* Frage dahin erörtert, dass ai zunächst I.okomotiv-
Bahneu gegen Pferde - Bahnen . alsdann uurmalspurige gegen
schmalspurige Pferdebahnen in Vergleich stellte. Unter der Vor-
aussetzung, dass die Anlage der betreffenden Bahn jedenfalls im
Niveau der Gürte Istrasse erfolgen werde, weil dies bei langsamer
Fahrgeschwindigkeit gefahrlos, jedoch jedenfalls nothwendig ist,
um den Zweck möglichst vieler bequemer Statiuusortc, zu errei-
chen und die Bebauung der Strasse nicht zu hindern, hat sich
das Komite zunächst einstimmig für eine Lokomotivbahn gegen
eine Pferdebahn entschieden, weil nur hierdurch die wünschens-
werthe Kegelmassigkeit der Personenzüge und ein Güter-Massen-
trausport, wie er voraussichtlich bei läge und bei Nacht sich
entwickeln wird, ermöglicht werden kann.
In der Beantwortung der Frage, ob normale oder schmale
Spur, hat sich das Komite iu eine Majorität und eine Minorität
gespalten. Die Majorität, welcher der Berichterstatter angehört,
plädirt Tür eine normal spurige Bahn mit sekundärer Oberbau-
und Fahrparks -Konstruktion Die Kosten derselben wdrden von
denen einer schmalspurigen Bahn nur unwesentlich abweichen,
zumal bei der Vorausgesetzen langsamen Fahrgeschwindigkeit
ebenso scharfe Krümmungen gestattet seien. Als ein ganz
ausserordentlicher Vortheil komme es hingegen in Betracht, dass
bei Anwendung der normalen Spur eine direkte Verbindung mit
den Bahnhöfen einerseits, mit der in gleicher Spurweite ange-
legten Pferde •Ringbatiu andererseits sich herstellen lasse, wo-
durch erst der wahre Nutzen der Gürtelbahn als eines Mittels,
um Krachten in leichtester Weise nach allen Punkten der Stadt
schaffen zu können, sich verwirklichen werde.
Für die aus drei Personen bestehende Minorität berichtet
Hr. Professor Winkler Das Votum derselben wendet gegen
die Ansichten der Majorität ein, dass die fast genau vorgeschrie-
bene Trace der Gürtelbuhu Kurven und Steigungen Bedinge,
welche durch eine normalspurige Bahn mit sekundärem Ober-
bau und leichtem Fahrpark sich schwerlich überwinden lassen.
Bei der letzteren falle die Beschaffung eines Fahrparks, wie er
erforderlich ist, wenn mindestens jede Viertelstunde ein Zug
abgebcu soll, finanziell auch erheblich mehr ins Gewicht; ebenso
bedinge sie grössere Verkehrsstörungen und Belästigungen der
Umwohner, als eine schmalspurige Bahn. Der Vortheil, dass die
Gürtelbahn mit den Bahnhöfen iu direkte Verbindung gesetzt
werden kann, lädst sich bei schmaler Spur allerdings nicht er-
reichen. Es kommt jedoch in Betracht, dass das Bcdürfniss
sekundärer Bahnen bereits vortreffliche Ümlade-Vorrichtungen
hat eutsteheu lassen, deren Benutzung oft nicht mehr kosten
würde, als diu Wagenmictbe für den lebergang auf die Gürtcl-
srhalb der Vororte liegende Vt
aus Vereinen.
für den Durchgangsverkehr zwischen den Bahnhöfen werde
ohnehin stets nebeu der Gürtelbahn nothwendig bleiben und
Hessen sich von dieser nach einzelnen grossen Depotplätzen
eventuell Seitenbahnen abzweigen. Die Verbindung zwischen
den Hauptbahnen, einer normalspurigcn Gürtelbahn und der
Pferdebahn lässt sich übrigens durchaus nicht genügend aus-
nutzen, weil der Transport von Gutern. auf den es hierbei einzig
ankommt, des Tags auf der Pferdebahn nicht möglich ist und
auch in einer Nacht nicht immer durchführbar sein dürfte, vor
Allem aber, weil ein Uebcrgang der mit zu hohen und breiten
Radkränzen und zu grossem Radstandc konstruirten, Wagen der
Hauptbahn auf die Pferdebahn ebenso uuthunlich ist, wie ein
Uebcrgang der für eine Verbindung mit dieser konstruirten
Gürtelbahn -Wagen auf die Hauptbahnen es wäre. Als der we-
sentlichste, von der Majorität zu wenig gewürdigte Vortheil einer
sekundären Gürtelbahn ist hingegen anzuführen, dass bei dieser
eine bei Weitem leichtere Möglichkeit vorliegt, sie durch Radial-
len Etablissements im In-
bahnen einerseits mit möglichst
nern der Stadt, andererseits aber vor Allem mit den Vororten
in Verbindung zu setzen und durch diese Saugadern erst wirk-
lich lebensfähig zu machen.
In der darauf folgenden lebhaften Debatte wurden die von
beiden Seiten angeführten Gründe und Gegengründe weiter aus-
geführt und der Standpunkt der Majorität, die auf die Verbin-
dung mit den Bahuhöfen. wie der der Minorität, die auf die
Anlage möglichst vieler Zweigbahnen das Hauptgewicht legt,
noch schärfer entwickelt; gegen den letzteren wird namentlich
geltend gemacht, dass der Betrieb aller dieser Zweigbahnen
voraussichtlich durch Pferde erfolgen werde, daher in dieser Be-
ziehung die Frage der Spurweite weniger ins Gewicht falle.
Die Versammlung adoptirt schliesslich die Ansicht, dass die An-
gelegenheit zur Abstimmung noch nicht reif sei, und verweist
dieselbe zur nochmaligen Berathuog in das zu diesem Zwecke
durch 5 weitere Mitglieder zu verstärkende Komite zurück. Ein
Antrag, dass dieselbe auch die Anlage von Seilbahnen in der
Gürlefstrasse in Erwägung ziehen solle, wird abgelohnt.
An die Versammlung schlnss sich ein vou nahezu 400 Mit-
gliedern besuchtes Bankett im grossen Saale des Grand-Hotel,
in welchem nach der erregten Debatte der fachwissenscbaftlichi-n
Sitzung festliche Heiterkeit uud einträchtliche freundschaftliche
Gesinnung einen ebenso beredten Ausdruck fanden. Die Reihe
der in der Vereins -Zeitschrift abgedruckten Toaste auf den
Kaiser, die Würdenträger und Stützen des Vereins, auf dieseu
selbst und die Einheit seines Strebens, auf Wien und die Wiene-
rinnen, auf die Wahrheit u. s. w. giebt ein anziehendes Bild
österreichischer Gcselligkeit-
Wochenversammlung^ am 10. März 1872; Vorsitzender
Hr. Ministerialrat» A. von Kit tinger: anwesend 253 Mitglieder.
Nach geschäftlichen Mittheilungen des Hrn. Vorsitzenden
und einem vortrage des Hrn. Hofraths G- Wex über die Schiff-
bar machnag des Donaustromes am eisernen Thor und den
sieben Felscubäuken oberhalb Orsowa bespricht zum Schlüsse
Hr. P. Lippert drei Thesen über die Hülfsmittcl der Ai'ronautik.
Tendenz der Erörterungen des Vortragenden ist es im Gegen-
sätze zu der angestrebten Ausrüstung der Charliere mit einer
durch Dampf-, Gas- oder Handbetriebs -Kraft zu bewegenden,
jedoch gegen den Wind ganz nutzlosen Schraube, auf das dem
bekannten Knaben -Spielzeuge, dem Drachen zu Grunde liegende
Steigeprinzip aufmerksam zu machen und dessen Ausnutzung
für die Ai-ri «antik zu empfehlen. Er glaubt, dass die Steueruugs-
fähigkeit eines Ballons dadurch sich erreichen lasse, dass man
zwischen Gondel und Ballon zwei vertikal ausgespanirte Segel
anbringt, die durch drei lange Dräthe derart mit einander zu
verbinden sind, dass man durch Anspannen oder Nachlassen
derselben jede beliebige Schragstellung der Segel erreichen kann.
Allen Freunden des Themas stellt sich Hr. Lippert zu »ei-
terer Auskunft persönlich gern zur Verfügung.
XVX
Fahrpreis -Ermässigungen.
1. Freie Rückfahrt gegen einfache Billets zur Hin-
fahrt: Altona-Kiel; Badische Eisenbahnen; Berlin- Anhalt; Berlin-
Görlitz; Berlin -Hamburg; Berlin- Potsdam-Magdeburg; Berlin-
Digitized by Google
Stettin (excl. I. Kl.) ; Frankfurt -Hanau; Hessische Ludwigsbahn;
Leipzig -Dresden (excl. Schnellzüge); Cottbus -Grosseohaiu; Lü-
beck -Büchon; Magdeburg-Leipzig; Magdeburg-Halberstadt; Main-
Neckar-Bahn; Nordhausen -Erfurt; Oberhessiscbe Eisenbahnen;
Pfälzische Eisenbahnen (nach Maxau oder Ludwigshafen); Rechte
Odcrufer- Eisenbahn; Rheinische Eisenbahn; Sächsische Staats-
bahncn (excl. Schnellzüge).
2. Halber Preis für die Hinfahrt, halber Preis für
die Rückfahrt, giltig in II. und III. Kl. Aussig -Teplitz;
Breslau -Schweidnitz -Freiburg; Böhmische Nordbahn; Böhmische
Westhahn; Galizische Carl-Ludwigs-Bahn; Elisabethbahn (excl.
Linz-Budweis, excl. Schnell- und gemischte Züge); Kaiser Franz-
Jos-ef-Bahn (excl. Schnellzüge); Kaiser Ferdinands -Nurdbahu;
Kronprinz Rudolf-Bahn; Lemberg- Czernowitz-Jassy ; Oesterr.
Staats -Eisenbahn-Gesellschaft (excl. Schnellzüge); Oesterr. Süd-
bahn (excl. Schnellzüge)' Theiss- Eisenbahn; Turnau-Kralup-
Prag; Ungarische Staats -Eisenbahn (auch in I. Kl.); Donau-
Dampfschiffahrt (Dampfschiffe und Buhn).
3. Fahrt in II. Kl. zu Bidets der III. Kl., in
III. Kl. zu Billets der IV. Kl. Cöln-Minden: Niederschlesi-
sche Zweigbahn: Oesterreichische Nordwcstbahu ; Süd -Nord-
deutsche Verbindungsbahn.
4. Verlängerte Giltigkcit der gewöhnlichen Rc-
tourbillets. Württembergischc Staats-Eisenbahncn (nach Mer-
gentheim, Jagtsfcld, Bruchsal oder Mühlacker); OldenburgUchc
Eisenbahnen; Thüringische und Wcrra-Bahn (uach Eisenach und
Lichtenfels, excl. Schnellzüge und I. Kl.)
Die angeführten Bewilligungen beziehen sich auf sämii'tliche
von der betreffenden Verwaltung betriebenen Linien und auf
die Zeit vom 19. September bis C. Oktober incl. Wer von den-
selben Gebrauch machen will, hat von dem Lokalkomite im Po-
lytechnikum zu Carlsruhe eine auf Namen ausgefertigte und ge-
stempelte Einladungs-Karte anzufordern, welche als Legi-
timation beim Billetkauf und während der Fahrt dient.
Auf durchgehende Billets haben die vorstehenden Bewil-
ligungen keine Anwendung, vielmehr muss der Reisende beim
Betreten jedes neuen Bahngebietes, also auf jeder Uebergangs-
Station, ein neues Lokalbillet lOsen.
Vorträge:
Bis zum 10. Juli waren bei dem Lokalko-nite nur Vorträge
für die Abtheilung Bauingenieurwesen angemeldet und zwar:
Grebenau, Wasserbaudirektor in Strassburg: Ueber die
Gesetze der Bewegung des Wassers, der Kiesbänke und des Thal-
weges in gesebiebführenden Flüssen, nach den hierüber am
Rhein angestellten neueren Untersuchungen, und deren Anwen-
dung auf den Wasserbau — zugleich als Vorbereitung zu den
Wassermessungen im Rhein bei dem Ausfluge nach Maxau am
23- September.
Gerstner, Ingenieur iu Karlsruhe: Erläuterungen über das
Btädtisehc und das Hof-Wasserwerk in Karlsruhe.
Steinau», Eisenbahn- Inspektor iu Manuheim: Erläuterun-
gen über die neuen Eisenbahn - und Hafonaulagcn in Mannheim.
Launhardt, Professor in Hannover: Ueber
zielle Traeirung der Verkehrswege.
und Ve
nach O.
Man nimmt möglichst dünnes und zugleich sehr biegsames
Stanniol und breitet dasselbe auf «iwr harten und glatten
Untertage , z. B. einer, Spiegelglas- oder einer andern dicken
Glasplatte aus, nachdem man dieselbe nass gemacht hat, um
die Ausbreitung des Stanniols zu erleichtern und das Festlegen
desselben zu befördern. Die ganz glatte Fläche des Stanniols
wird darauf in gleicher Weise wie Mauerwerk oder Getäfel mit
Oelfarbc angestrichen oder bemalt, entweder einfach oder deko-
rativ. Man lässt die Farbe trocknen und lackirt, worauf das
bemalte Stanniolblatt von der Glasplatte abgenommen wird und
Dieses neue Dekorationsmittel wird aufgerollt versendet,
wie Papiertapeten; es unterscheidet sich aber von diesen we-
sentlich dadurch, dass die Verzierung mit Oelfnrbe und mit
allen Mitteln des Dekorationsmalers ausgeführt ist. Das Stan-
niol bildet eine wasserdichte Fläche und schmiegt sich wegen
seiner ausnehmenden Biegsamkeit allen erhabenen Verzierungen
und den mannigfachsten Kontouren an.
Bei der Anbringung des bemalten Stanniols (peinture-etain)
breitet man auf der Mauer, dem Getäfel, dem Gegenstand oder
der Fläche, welche man verzieren will, eine die Feuchtigkeit
abhaltende Mischung aus; dann schneidet man von dem bemal-
ten Stanniol passende Stücke ab und überzieht die Gegenstände
damit, indem man das Stanniol allenthalben andrückt , so dass
es sich an alle Erhabenheiten und Vertiefungen der Gegenstände,
inügon diese durch Abformen (Gyps) oder durch Bildhauerarbeit
(Stein, Holz) hervorgebracht sein, dicht und glatt anlegt.
Mit Blattgold überzogene* Stanniol (dorure-etaln) kann man
zum Vergolden anwenden. Man bringt das Blattgold mittels
des gewöhnlichen Goldgrundes (appret) auf dem Stanuiol an,
liisst trocknen und überzieht dann die Gegenstände, nachdem
man zuvor eine die Feuchtigkeit abhaltende Mischung darauf
ausgebreitet hat, mit dem so vergoldeten Stanuiol. Diese Art
zu vergolden bietet vor der gewöhnlichen Vergoldung auf Me-
tallen den Vortheil dar. dass sie jeder Oxydation widersteht.
Die gewöhnliche Vergoldung auf Metallen und besonders auf
Zink wird bekanntlich rasch fleckig
Proben von bemaltem Stanniol, welche der Paris«
niie vorgelegt wurden, erregten grosses Interesse. Die _
wenden bekanntlich schon seit langer Zeit das Stanniol iu
licher, wenn auch etwas anderer Weise an und bringen Im
ders durch mit einem durchsichtigen gelben Firnis* überzogene»
Stanniol da* Ansehen von Vergoldung hervor.
(Compt rend., t. 74 p. 1229 d. Polyt Zentralblatt)
Konkurrenzen.
Eine Konkurrenz für Skizzen zu einem Realaohol- und
Oymnaaial-Qebäude In Wiener Newrtadt ist vom dortigen
Stadtrath ausgeschrieben worden. Schlusstennin ist der 29. Sep-
tember; die beiden Preise betragen 600 und 400 Fl. Oe*terr.
Währung.
Zum
ür den Arohitektenveretn zo Berlin-
September 1672.
I. Entwurf zu einem Schiesstande für drei Scheiben mit
Gewchrständen und Ladetisch. In Verbindung damit stehe ein
Restaurationszimmer mit kleinem Büffet Der Bau ist in Holz
auszuführen und in Grundrias, Ansicht uud Durchschnitt dar-
zustellen.
Maasstab 1 : IM) resp. 1 :75.
II. Entwurf zu einer Kanalschleuse für Schiffe von 40 ■
Läuge, 7™ Breite und 2,5 m Tiefgang. Die Kosten der Ausfüh-
rung sollen möglichst gering sein, die Wahl der Materialien
bleibt freigestellt. Das Schleusengefälle betragt 2,5», der Unter-
grund ist bis auf 5" unter dem Uuterwasser Moor, dann folgt
sind in den
htigen
Zeiehr
Stelle
Personal - Nachrichten.
Preussen:
Ernannt: der Baumeister Haeger zu Berlin zum Land-
baumeister bei der Miuisterial-Bau-Kommission. Der Baumeister
Andres zu Schlawe zum Kreisbaumeiater das.
Versetzt: der Landbaumeistcr Jacobsthal zu Berlin.
1 bisher technischer Hülfsarbeiter bei der Konigl. Ministerial-Bau-
Kommissiou, in gleicher Eigenschaft an die Abtheilung für da*
Bauwesen im Ministerium für Handel, Gewerbe und Öffentliche
Arbeiten.
Beschwerden. Von mehren Architekten, die an der Kon-
kurrenz für Entwürfe zum Gebäude des Bankvereins zu Frank-
furt a. M. Theil genommen haben, wird uns mitgetheilt, dass
die im § 5 des Preisausschreibens ausdrücklich versprochene
Motivirung des Urteilsspruche* bis jetzt nicht erschienen ist.
Mehre Wiener Theilnebmer an der Reichstagsbaus • Konkurrenz
fübreu Beschwerde darüber, das* das deutsche Reich ihnen ihre
Arbeiten nnfrankirt zurückgestellt hat Wir konstatiren beide
Fakten.
Hrn. L. in Rheydt. Die Syenitlieferung zu dem in N-.
20 u. Ztg. publizirten Denkmale bei Vionville ist von Herrn
Ackermann in Weisscnstadt (Bayern) bewirkt Eine Bezugs-
quelle für sächsischen (angeblich nicht ganz gleichstehenden)
Syenit ist die Finna Gierisch zu Camenz C S. Ueber die
Fahrnerscbe Lehre später in einem Briefe.
Hrn. F. II. in W. Steinschlag -Maschinen sind uns aus
eigener Erfahrung nicht so weit bekannt, dass wir ein Urtheil
darüber abgeben konnten. Vielleicht genügt die in No. 27 pub-
lizirte Maschine, die Sie von Jacob u. Becker in Leipzig bezie-
hen kOnnen, Ihrem Zwecke.
Berichtigung. Durch ein Korrektur- Versehen iet im
Briefkasten der No. 29 unsere Ansicht, das* wohl ein Besuch
des Wiener- Polytechnikums, nicht aber der dortigen Kunstaka-
demie als einjährige Vorbereitungszeit für das Preussische Bau-
führer- Examen gerechnet werde, in das Entgegengesetxte
kehrt worden.
Für die Bedaktioo
vom t Oktober 117« ab. Mae
Bedingung i* ne
allgemein« und fachliche Ausbildung, welche letzter« sieh voriugiwei»
aaf das Gebiet de« Ingenieurweeens ««trecken ioU ; den Vortag werden
solche Bewerber erhaLten, welche der neueren Sprechen mächtig und.
Fachgenoocen , welche geneigt lind diese Stellang aniunehraen,
Walles sieh unter Darlegung ihres bisherigen Ausbildungigangee mit
den Hedekteur unterer Zeitung, Herrn K B. O. Fritich in schrift-
liche Verbindung eeLien und weiden von diesem mit den näheren Be-
Bauieitnng.
Berlin, im Jnli 1*72.
Die Hermasgeber der
II
lerzu eine
Holzschnitt-Beilage: Entwurf zu einem Parlamentsgebäude für den Deutschen Reichstag von Hubert Stier.
Facade nach dem Königsplatz.
•erleg C*rl Beeliti In I
tm f. cbmder riekert im 1
Digitized by Google
Jahrg. TL
JI2 32.
DEUTSCHE BAUZEITUNG
Ke4.kt:.n ..
fivtHo, Ortnipiw<iVM« 10|.
BMtftUunftn
ubrni^Knin alle Pnitan-ialten
Organ des Verbandes
deutscher Architekten - und Ingenieur-Vereine.
Redakteur K. £. 0. FriUch.
Im erat*
««rrtluni Inden AufniMsr
■U: 1% Ni. Pt»
Zeit..
Preis 1 TiaJer pre Quart»!.
Berlin, den 8. August 1872. J Krsckelit jeden leiamtag.
Inhalt: Dl« KiroVurmii für Ki.lwürf. tum Huh d.» d*ut»cb..n R.klH- Verrin ia Brrlln. — Vtrmiirhln: DI« W««iii>i;hoinc'«li.- Uft BnnK. —
Xttn. (Sriili».) — Nwirt Brück» Inn »,l*m Wrtl« M l.ihax». — B.itrlje «ur i Rriluktlon von Kltuatla»l|>lin«i »Tjfpho4ojr.phls.elM-inW.fr.- P.r.onal- Nach -
-MHth.lliii.grr.au. V.reln.n: Arrhitakwn- riahl.n.
Die Konkurrenz für Eatwfirfe /um Hanse des DentMiea Reichstages.
((.VhlOM.)
Es bleibt uns endlich noch übrig das Resultat dieser die Aussicht dessen. Schon die Einleitung der Konkurrenz
Konkurrenz nach der von uns als „ persönlich* bezeichneten , und die Art und Weise, in welcher der Reichstag über die
Auffassung, als ein Beispiel des für öffentliche Konkurrenzen für eine sachverständige Majorität der Jury und gegen die
derzeit gebräuchlichen Verfahrens zu erörtern — zu unter- Interuationalität der Preisbewerbung plaidirende Petition des
suchen, welche Würdigung den Rechten und Interessen un- | Verbandes deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine zur
seres Faches in diesem für die gegenwärtigen Zustände wohl i Tagesordnung überging, zerstörten diese Hoffnung, aber im-
als maassgebend zu erachtenden Falle zu Theil geworden ' raerhin erwarteten wir, dass bei Entscheidung der Konkur-
ist, und auf welchem Wege wir danach zu ringen haben, renz. für welche zu den bisher leitenden Elementen ganz
neue Faktoren hinzutraten, anders und besser verfahren wer-
den würde, als dies in .Wirklichkeit geschehen ist. Wie
schon früher der Reichstag und die von ihm hervorgerufene
Kommission, so hat auch das Preisrichter-Kollegium den In-
teressen unseres Faches so weuig Rücksicht gezollt, dass wir
das Ergebniss der Konkurrenz nach diesem Gesichtspunkte
als ebenso unerfreulich und unbefriedigend bezeichnen müssen.
uestimmten rau ein möglichst gutes l'
verehren, empfehlen und vertbeidigen
nigster Überzeugung: es ist uns nicht
Palladium unserer Kunst, weil wir keii
densellien weitere Geltung und Anerkennung zu
Die sachliche Bedeutung des Konkurrenzwesens, auf
welche wir uns in dem Vorangegangenen allein stützen zu
müssen glaubten, ist von ihm ja nur die eine und kanm die
wichtigere .Seite. Nicht nur als ein Mittel, um für einen
bestimmten Fall ein möglichst gutes Projekt hervorzurufen,
-~i wir dasselbe ans in-
ht minder deshalb ein
kein wirksameres Mittel
für eine ideale Förderung derselben, keinen besseren Weg
kennen, auf welchem das aufstrebende Talent gegen .den
Widerstand der stumpfen Welt* zu der ersten Stoffel einer
fruchtbaren künstlerischen Laufbahn, zu Ruf and Anerken-
nung sich durchzukämpfen vermöchte. Wie unentwickelt
und unverstanden das Konkurrenzwesen auch noch ist, wie
viele Missbräuche ihm noch immer anhaften und wie ge-
ring aus diesen Ursachen sein sachlicher Erfolg in vielen
Fällen gewesen ist, so stehen wir doch nicht an, eineu
grossen Theil des Verdienstes um die erfreuliche Entwicke-
lung, in der unsere Kunst unverkennbar begriffen ist, der
Anregung und Einwirkung der öffentlichen Konkurrenzen zu-
zuschreiben, und können nur wiederholt an die Thatsachc
erinnern, dass einige unserer hervorragendsten Baukünstler
den Ruf, auf den sie ihre glänzende Laufbahn begründeten,
einer öffentlichen Konkurrenz verdanken.
Diese Beziehungen weiter auszuführen, ist wohl nicht
erforderlich, zumal die letzterwähnten Vorzüge des Konkur-
renzwesens — wenn sich auch Bauherren weniger für sie
zn erwärmen vermögen — in fachgenossenschaftlichen Krei-
sen um vieles unbestrittener sind, als die sachlichen Vor-
theile desselben. Unbestritten ist wohl auch die Annahme,
dass der Zweck einer Konkurrenz nach der einen, wie nach
der anderen Seite nnr daun mit einer gewissen Garantie des
Erfolges erreicht werden kann, wenn das Verfahren bei der-
selben so sorgfältig und korrekt wie möglich ist. Um dies
zu fördern sind ja nach langer Vorbereitung und reiflichster
vielseitiger Erwägung als ein Werk der deutschen Fach-
genosseasekaft im Jahre 18<3H die „Grundsätze für das Ver-
fahren bei öffentlichen Konkurrenzen 1 ' aufgestellt worden,
deren Festhaltnng man nach den bisherigen Erfahrungen als
Grundlage jeder Konkurrenz für nothwendig erachtete. Der
erfreuliche Einfluss dieser Arbeit ist in nicht wenigen Kon-
kurrenzen der letzten Jahre dentlich zu Tage getreten. Lei-
der hat man sich in anderen Fällen eben so leicht und
gleichgültig über sie hinweggesetzt und es ist unbeachtet ge-
blieben, dass jene Grundsätze eben nur die unentbehrlichen
Bestimmungen enthalten, welche namentlich die Korrektheit
des Konkurrenz-Verfahrens sichern sollen, während jeder
einzelne Fall wohl erwogen sein will, um neben dem Noth-
wendigen auch noch das Zweckgemässeste zu finden.
Wenn jemals ein Konkurrenz-Verfahren dazu angethan
war, durch sein Beispiel für die Behandlung derartiger An-
gelegenheiten ein Muster abzugehen, welches von nachhal-
tigster Wirkung für alle Zukunft sein konnte, so war es
dieses, und in voreiliger Hoffnung begrüssten wir seinerzeit
wie wir es sachlich für günstig ha
Als wir in No. 25 u. Bl. den Bericht, welchen der Ab-
geordnete Hr. Duncker im Namen und Auftrage der Jurv
über deren Thätigkeit in der Reichstagssitzung vom 12. Juni
d. .1. erstattet hatte, auszugsweise mitthcilten, konnten wir
nicht umhin, der Entrüstung, welche mehre der durch diese
offiziellen Angaben bekannt gewordenen Tliatsaciien in nus
erweckten, bereite einen vorläufigen Ausdruck zu verleihen.
Dass wir damit auf einigen Seiten anstossen mussten, war
natürlich, und es ist uns im hohen Grade willkommen, dass
ein Mitglied der Jury aus unserem Angriffe Veranlassung
genommen hat, sich seinerseits über die Angelegenheit zu
äussern und über die Auflassung, welche mehre der von
uns angeregten Punkte innerhalb jener Körperschaft gefun-
den haben, Aufklärung zu ertheilen. Das Material für eine
nochmalige, etwas eingehendere Besprechung des Verfahrens
bei dieser Konkurrenz ist dadurch wesentlich bereichert
worden und dieselbe kann nunmehr ungleich fruchtbringen-
der werden.»)
*) Wir kOnnen es nicht vermeiden, dem in No. 29 abge-
druckten Vortrage des Hrn. Professor Lucae neben der sach-
lichen Würdigung au dieser Stelle auch ein persönliches Wort
der Abwehr entgegenzusetzen. Er hat die öffentlichen Blätter
zwar nicht geuanut, welche er beschuldigt, ohne die nötbige, in
diesem Falle aber nicht mögliche Keuntuiss der Verhandlungen
das Verfahren der Jury in wenig überlegter Weise angegriffen
und über dasselbe falsche, einseitig aufgefasste Nachricbteu ver-
breitet zo haben; doch ist es - zumal unseres Wissens kein
anderes Blatt die Thätigkeit der Jury kritisirt hat - wohl kei-
nem Zweifel unterworfen, dass jene Vorwürfe auf die Deutsche
Bauznitupg gemünzt sein sollten.
Es liegt alsdann leider die Vennuthung nahe, dass der Herr
Vortrageudo seinerseits ein Urtheil über Aeusserunßcn gefällt
hat, von denen er nur in flüchtigster Weise Kenntmss genom-
men haben kaun. Es scheint ihm nämlich einmal entgangen zu
sein, dass unsere Mittheilungen über das Verfahren der Jury,
soweit wir dieselben zur Grundlage eines Angriffs machten,
ausschliesslich dem offiziellen und öffentlichen Berichte des
Abgeordneten Duncker entnommen waren, während er anderer-
seits auf Behauptungen Bezug nimmt, die weder von uns, noch
unseres Wissens von anderen Blättern erhoben worden sind.
Wir fordern jeden unserer Leser auf, dasjenige, was wir über
das Verfahren der Jury berichtet haben, mit der von Herrn
Lucae gegebeneu Darstellung zu vergleichen: er wird sich über-
zeugen, dass nicht eine einzige unrichtige Thatsache
als solche von uns mitgethcilt worden ist. Das Einzige, was
wir Angesichts der für uns zunächst völlig unerklärlichen Prä-
miirung des Scott' sehen PI. ins nicht als Thatsache, sondern als
eventuelle Vermuthung andeuteten, dass nämlich eine Uesommt-
kontrolle der Jury über das Votum der C Beferentcnpaarc unter-
Digitized by Google
258 —
Es wird vorab die Frage gestattet werden dürfen, oh und '
welchen Einfluss unseren .Grundsätzen für du* Verfahren
bei öffentlichen Konkurrenzen' 1 hier auszuüben vergönnt war.
Wir glauben nicht zu irren, wenn wir ohne weitere Begrün- I
düng annehmen, dass ein solcher Einfluss. das* irgend welche
Berücksichtigung jener Norm in dem ganzen Verlaufe des
Verfahrens niemals stattgefunden hat. Dieselbe ist von allen I
bautechnischen Vereinen Deutschlands, wie von deren Ver-
bände anerkannt und angenommen, doch verpflichtet dies
selbstverständlich weder den Reichstag nnd Bundesrath, noch
die durch deren Vertrauen zu Preisrichtern berufenen
Sachverständigen, sie zu Rathe zu ziehen, geschweige denn
sich an sie zu binden. Man mag in dem eingeschlagenen
Verfahren eine Geringschätznng des betreffenden Kanons
linden nnd sich dadurch verletzt fühlen: jedenfalls fehlt uns
die Berechtigung, die Nichtbeachtung desselben an sich schon
zum Gegenstande eines Vorwurfs zu machen, wie dies aller-
dings geschehen ist, als in der vorberathenden Kommission
ein durch das Vertrauen des Berliner Architektenvereins,
wenn auch ohne imperatives Mandat in dieselbe entsendetes
Mitglied sich über die .Grundsätze' 1 hinwegsetzte. Es ist
daher wohl nur angemessen, dass wir uns bei einer Kritik
des Verfahrens' in der Reichstagshaus-Konkurrenz nicht blos
einfach auf sie berufen, sondern unser l'rtheil in jedem ein-
zelnen Punkte durch selbstständige Ausführungen motiviren.
Die Gesanimtheit der Forderungen, welche man an den
Verlauf einer freieu und öffentlichen Konkurrenz zn stellen
berechtigt ist, Iflsst sich in drei Hauptfordernnecn zusammen-
fassen: Sorgfalt in der Vorbereitung und Einleitung der Kon-
kurrenz — Sorgfalt und strenge Korrektheit bei der Beurtei-
lung und Preisertheilung — absolute Oeffcntlichkeit.
Wir verzichten darauf, noch einmal zu erörtern, in wie
weit in Betreff der ersten gefehlt worden ist; da die Ein-
wirkung solcher Fehler zunächst den sachlichen Erfolg einer
Konkurrenz trifft, so haben wir nnsere Ansicht hierüber im
Wesentlichen schon früher aussprechen müssen. Line Ver-
letzung unserer allgemeinen Fachintercsseu erblicken wir
aber in der mangelhaften und ungenügenden Vorbereitung
einer Konkurrenz insofern, als sie einmal eine Herabsetzung
der zu einem Kampfspiel mit hölzernen Waffen genöthigten
Künstler ist und diesen für spätere Fälle die Freudigkeit
des Schaffens raubt, andererseits aber in jener Beeinträchti-
gung des sachlichen Erfolges für alle oberflächlich nrtheilen-
den Köpfe erneute Veranlassung zu einer Missachtung und
Unterschätzung des Konkurrenzwesens überhaupt giebt.
Ueber die Sorgfalt, mit welcher das Kollegium der Preis-
richter bei der Beurtbeilung von Konkurrenz- Eutwürfen zu
Werke gegangen ist, wird sich nicht leicht ein Urtheil aus-
sprechen lassen — es sei denn von einem der Richter selbst.
Es ist uns nicht eingefallen und es liegt uns heut« noch
fern, der sittlichen Würde der Männer, welche in dem vor-
liegenden Falle das Preisgericht gebildet haben, am Wenig-
sten der architektonischen Mitglieder desselben, dadurch zu
nahe zu treten, dass wir an dem Ernste ihrer mühevollen
Arbeit zu zweifeln wagten. Sicherlich war es nur so or-
theilsgewandten Meistern und nur durch den hingehendsten
und aufopfernden Eifer und einen unermüdlichen Fleiss mög-
lich, die Summe der Thätigkeit. welche sich ans der Vor-
prüfung und dem Bericht der ersten Snbkommission, der
eingehenden Prüfung der G Referentenpaare und dem dem-
nächstigen Bericht derselben, sowie der Debatte im Plenum
der .lurv zusammensetzte, innerhalb einer Gesammtzcit von
nur 7 Tagen zu erledigen; aber die Möglichkeit dessen soll
unbestritten sein und gern wird Jeder glauben, dass die
Preisrichter nach ihrer Auffassung des ihnen erteilten Auf-
trages im vollsten Maasse ihrer Pflicht genügt haben. Wenn
wir (in Xo. 2:>) die Ansicht äusserten, dass ein Urteil über
die [OS einzelnen Entwürfe durch die .Inn als Ganzes nicht
in 4 Tagen fan denen sie nach dem Dunck'er'schen offiziellen
Berichte zu diesem Zwecke zusammengetreten ist) festgestellt
werden könne, so bezog sich dies, nach dem für einen nicht
blieben sein könne, haben wir in der nächsten Nummer durch
Abdruck eines bezüglichen Schreibens zu berichtigen uns tweilt.
Von dem durch Hrn. Lucae erwähnten Gerüchte eines diploma-
tischen Abkommens über die zu prämiireudeu Pläne, von der
Behauptung, dass die Jury ihre Thätigkeit in vier kurzen
Sitzungen erledigt habe, veiu einem wider sie erhobenen Vor-
wurfe der Gewissenlosigkeit findet sich in unserem Blatte
keine Spur!
Wir wollen uns damit begnügen, dies konstatirt zu hoben,
und verzichten darauf, von der Vertheidigung zum Angriffe
überzugehen, obwohl uns durch den Wortlaut des Lucae'sehen
Vortrages dazu Gelegenheit gegeben wäre. Unsere Fncbgeuosscu
werden auch ohne dies darüber entscheiden können, auf welcher
Seite eine vorsichtigere Erwägung des Urteils zu wünschen ge-
wesen wäre.
ganz flüchtigen Leser nicht wohl misszuverstehenden
Zusammenhange lediglich auf eine zur Veröffentlichung be-
stimmte, also notwendigerweise schriftlich abgefasste
Beurtheilung. und wir glauben nicht, dass Jemand uns
hierin Unrecht geben wird.
Was die Korrektheit der von einer Jury gefällten Ent-
scheidung betrifft, so wird die Kritik, wenn nicht eine offen-
bare Verletzung der Konkurrenzbedingungen vorliegt -- wie
leider nicht selten vorgekommen ist — auch bierülier die
vorsichtigste Zurückhaltung beobachten müssen. Andererseits
darf sie aus persönlichen Rücksichten sieht nicht scheuen,
offen ihren Widerspruch geltend zu machen, wenn sie die
feste und wohlerwogene Ueberzengung gewonnen hat, dass
der Spruch einer Jury so entschieden falsch ist, wie wir
dies bei dieser Konkurrenz von dem Spruche, welcher den
Scott'schen Entwurf als eine der fünf besten Lösungen der
Aufgabe erklärte, überzeugt sind. Niemand wird ja hierbei
an eine Fälschung, sondern lediglich an einen Irrthum den-
ken, dem jedes menschliche l'rtheil unterworfen ist.
In dem vorliegenden Falle lag die Vermuthung nahe,
dass der betreffende Irrthnm — denn noch habeu wir keine
Stimme gehört, welche die Prämiinmg des Scott'schen Ent-
wurfs zu verteidigen gewagt hätte — die direkte Konse-
quenz einer prinzipiellen Inkorrektheit dieses ganzen Konkur-
renz-Verfahrens sei, dass die nichtarchitektonische Majorität
der Jury, durch die glänzende Aussenseite des Entwurfs ge-
blendet." die architektonische Minorität in dieser Frage ebenso
überstimmt habe, wie dies bei der Entscheidung über die
Zuerkennung des ersten Preises geschehen ist, welcher Vor-
gang .bereits im Munde von Jedermann lebt.* 1 Die Andeu-
tungen, welche Hr. Prof. Lucae in seinem Vortrage über
das Zustandekommen der Preisertheilungcn gab, waren nicht
ganz dazu geeignet, die Vermuthung zu beseitigen, dass
zum Mindesten die Majorität der sechs Architekten in jener
Frage unterlegen sei. Jedenfalls gegen die Absicht des Hrn.
Vortragenden; denn wie jener andere Vorgang, so ist es
auch nicht unbekannt geblieben, dass mit der überwältigenden
Majorität der Anderen auch die sechs Architekten der Jury,
die Hrn. Hitzig und Lucae. Semper und Neu reut her,
Schmidt und Statz, trotz ihrer verschiedenen Glaubens-
Iwkenntnisse wie ein Mann und ohne jeden Widerspruch f 0 r
die Prämiirung des Scott'schen Entwurfs gestimmt haben,
während es eine einzige Laien -Stimme (Senator Römer
aus Hildesheim, der seinerzeit schon im Reichstage einzeln
und vergeblich für eine sachverständige Majorität des Preis-
gerichts und gegen die Intemationalität der Konkurrenz in
die Schranken trat) gewagt hat. gegen jene Preisertheilung
zu sprechen und zu stimmen.
Ja es ist uns sogar geäussert worden, dass ein anderes
Mitglied der Jury, dein die unpraktische Grundriss-Disposition
des Scott'schen Entwurfs durchaus nicht entgangen war.
sich mir durch das Votum der Architekten dazu bestimmen
Hess, denselben wegen seiner vermeintlichen architektonischen
Vorzüge zu prämiiren.
Wenn man das nummerische Uehergcwicht des Laien-
Elementes in der Jury aber auch nicht für jene Entschei-
dung verantwortlich machen kann, so wird man nach den
gegebenen Andeutungen immerhin doch nicht zweifelhaft dar-
über sein dürfen, dass es in der Thal einen nicht gerade
günstigen Einfluss ausgeübt hat — ganz abgesehen davon,
dass eine zufallige Nichtbestätigung gehegter Befürchtungen
in einem einzelnen Falle noch keineswegs beweist, dass die-
selben im Prinzipe grundlos waren. Mit der Ansicht, dass
' es einer architektonischen Minorität durch ihre überzeugen-
den Gründe fast immer gelingen werde, die Führerschaft der
Majorität zu Überehmen, steht in direktem Widerspruche,
was von dem Souveraiuetiitsgefühl der Reichstags-Mitglieder
mitgetheilt worden ist; ein Gefühl übrigens, das durch ein
ihm entgegengesetztes, eben so starres künstlerisches Sou-
verainetätsgefühl . das lieber seine Mithülfe versagte, ehe es
sich in Fragen der Kunst majorisiren liesse, wohl zu bezwin
gen sein dürfte. Hätte das letztere in entsprechendem Grade
obgewaltet, so wäre ein solcher Fall wohl nicht vorgekom-
men: es hätte alsdann unter den ad hoc gewählten sachver-
ständigen Mitgliedern des Preisgerichts resp. der Tor-Kom-
mission und den nach Fraktionen bestimmten Delegirten des
Reichstages, sowie den Vertretern des Bundesrates anch
nicht das Gefühl einer so vollständig gleichen Urtheils-Be-
rechtigung und Urlheilsfähigkeit Platz greifen köunen, dass
die ersteren anscheinend den Hanptwerth darauf legten, ihre
Ansichten in einen aus der Gesammtzahl der Voten sich er-
gebenden Meinungsniederschlag aufgehen zu lassen, während
sie weniger darau gedacht haben, dass sie an jener Stelle
auch als Vertreter ihres Faches standen, und es wohl nicht
ohne Werth gewesen wäre, wenn sie auch mit den An-
Digitized by Google
schauungen ihrer Facbgeuossen Fühlung behalten hätten.
Selbstverständlich liegt es uns auch hier fem, ihnen dies
als Pflicht oktroyiren und aus ihrem Verhalten — leider
eine sehr häufige Erscheinung bei Technikern, die in ge-
mischten Kollegien sitzen — einen Vorwurf wider sie er-
heben zu wollen. Wir würdeu sonst die Frage, warum man
nach der missglückten Petition des Verbandes an den Reichs-
tag nicht die besten Namen unserer Kunst zu der Erklärung
veranlasst habe, dass sie an einer Konkurrenz, die von einer
nicht sachverständigen Majorität der Preisrichter entschieden
werden solle, nicht Theil nehmen würden, mit der Frage be-
antworten können, wamm die erwählten sachverständigen
Preisrichter nicht lieber ihrerseits eine Aenderung jener
Feststellung zur Bedingung ihrer Mitwirkung gemacht haben.
Jedenfalls glauben wir, dass die Richtigkeit unseres Grund-
satzes, dass unter den Preisrichtern einer Konkurrenz vor-
wiegend Fachmänner vertreten sein müssen, durch das
Resultat der Konkurrenz für Entwürfe zum Hause des deut-
schen Reichstages nicht erschüttert worden ist.
Im Uebrigen haben wir gegen die Korrektheit des hei
ihr beobachteten formalen Verfahrens — da wir die Frage
der Öffentlichkeit für sich behandeln — Einwendungen nicht
weiter zu erheben. Die schwierige Frage, ob und welche
Entwürfe von der Preisertheilung auszuschliessen seien, und
ob hierbei nur die verspätete Einlieferung oder auch Fehler
im Maasstabe und Differenzen in der Zahl der geforderten
Zeichnungen etc. zu berücksichtigen seien, hat die erwartete
Rolle nicht gespielt, da überhaupt kein Entwurf der Be-
urtheilnng entzogen worden ist.
Alle Vorwürfe, die man dein Verfahren \m dieser Kon-
kurrenz machen kann, verschwinden allerdings und treten
als völlig nebensächlich zurück vor dem Hauptvorwurfe,
dass sich das Urtheil der Jury in seinen Motiven der Oef-
fentlichkeit entzogen hat. Absolute Oeffentlichkeit in allen
Beziehungen ist nach unserer Auffassung des Konkurrenz-
wesens das erste und wesentlichste Grunderforderniss des-
selben, das für sich allein alle Bedingungen, welche man an
ein gutes Verfahren sonst noch zu stellen hat, aufwiegt nnd
sie eventuell eutliehrlich machen kann, während eine Ver-
letzung dieses Lebensprinzipes einer öffentlichen Kokurrenz
zu den Sünden gegen den Geist gehört, welche nimmer ver-
geben werden können.
' Die allgemeine Bedeutting der Oeffentlichkeit für das Kon-
kurrenzwesen sowohl, wie für jedes andere Gebiet, auf wel-
chem die Interessen der modernen Gesellschaft ihre Vertretung
finden, brauchen wir kaum zu erörtern. Sie ist das reinigende,
klärende nnd belebende Prinzip, das die Willkür eindämmt,
dem Vertretenen die Kontrolle über seine Vertreter, der All-
gemeinheit die Anregung zum Nachdenken über allgemeine
Fragen giebt. Und nicht im Sinne eines Misstranens
nur wird jene Kontrolle geübt. Es greife jeder in seine Brust
und frage sich, ob er sein Urtheil, ob er seine Handlungen
nicht nnbewusst vorsichtiger und objektiver überlegt, ob er
nicht besser urtheilt und handelt, wenn er mit voller Ver-
antwortlichkeit vor der Oeffentlichkeit dafür einstehen ranss.
Die unbedingte Oeffentlichkeit, und vor Allein die Oef-
fentlichkeit des Urtheils hat jedoch für das Konkurrenzwesen
noch eine andere, eigene Bedeutung — als nothwendiges
Gegengewicht gegen den Hauptnachtheil, den dasselbe andern-
valls mit sich bringt — gegen den Nachtheil, dass so un-
ferhältnissmässig viele Kräfte dazu verfuhrt werden, sich in
überflüssiger und nutzloser Weise anzustrengen. Wir er-
innern wiederholt an den Vergleich mit einer Lotterie, der
für eine Konkurrenz nach dem alten, missbränchlichen Ver-
fahren in der That einige Analogien bietet. Aber wird denn
vom sittlichen nnd volkswirtbschaftlichen Standpunkte aus
eine Lotterie darum weniger verwerflich oder gar annehm-
bar, wenn die Höhe der Gewinne steigt? Gewiss nicht, und
wenn der für das Allgemeine nnd den Einzelnen zu erzie-
lende Erfolg nur durch die Projekte der Sieger und nur
für die Sieger gewonnen werden Könnte, alle anderen Ent-
würfe aber nnr die Bedeutung von Makulatur hätten, so
würden wir das Konkurrenzwesen in der That für prinzipiell
verwerflich erachten und gegen dasselbe mit dem gleichen
Nachdrucke eifern, den wir jetzt seiner Verteidigung nnd
Empfehlung widmen.
Dass der Gewinn einer Konkurrenz für die betreffende
Aufgabe wesentlich in der Summe der durch alle Projekte
beigesteuerten Ideen besteht, haben wir früher schon nach-
gewiesen. Ihn für das Allgemeine und für alle betheiligten
Künstler zu heben, giebt es kein anderes und besseres
Mittel, als eben die möglichste Vollständigkeit und Oeffent-
lichkeit des Urtheils. Wir halten es für eine Pflicht des
Bauherrn, hierfür zu sorgen, weil er damit für den Vortheil,
den er seinerseits aus der Konkurrenz gezogen hat, die beste
und würdigste Gegenleistung gewähren kann. Für das
Allgemeine besteht er in jener von uns gerühmten idealen
Förderung der Kunst, für die betheiligten Künstler in der
| Anerkennung nnd dem Rufe, den sie dnreh eine tüchtige
Leistung immerhin sich erringen können, selbst wenn ihnen
das Glück keinen der Preise geschenkt hat, eventuell in der
ernsten Mahnung zur Selbsterkenntnis.*, wenn sie ihre Kräfte
gar zu sehr überschätzt haben. Die öffentlichen Konkurren-
zen würden nicht mehr lange mit vielen völlig ungenügen-
: den Arbeiten überschwemmt werden, wenn eine Rangordnung
der Entwürfe festgestellt und neben der besten auch die
schlechteste Arlieit öffentlich genannt würde. Selbstver-
ständlich ist es hierfür nothwendige Voraussetzung, dass die
Anonymität der Entwürfe, deren vermeintliche Vorzüge bei
j einer Oeffentlichkeit des Urtheils nicht mehr ins Gewicht
■ fallen, nnd die wir daher schon lange bekämpfen, gänzlich
aufgegeben würde, wie es in dem uns vorliegenden Falle
anerkennenswerther Weise auch geschehen ist.
Es könnte als ein Einwand gegen unsere Ausführungen
erhoben werden, dass die Oeffentlichkeit der Konkurrenz ja
schon durch die öffentliche Ausstellung der Entwürfe ge-
I wahrt werde, und in der That trägt diese dazu bei nnd war
in den meisten der bisherigen Konkurrenzen das einzige
Mittel, um wenigstens einen kleinen Theil jener Vorzüge
des Verfahrens zur Geltung zu bringen. Dass sie hierfür
nicht genügt, ist jedoch wohl einleuchtend. Immerhin ist
dieselbe doch nur einem kleinen Bruchtheile der Interessen-
ten zugänglich und es können die Mittheilnngen, mit welchen
eventuell die Presse diesem Mangel abzuhelfen sucht —
ganz abgesehen davon, dass auf sie nicht immer zu rechnen
ist — weder an Vollständigkeit und Gründlichkeit, noch
weniger an Reife und Autorität des Urtheils mit den Aeusse-
rungen eines für diesen bestimmten Zweck eingesetzten
Preisgerichtes wetteifern wollen. Unsererseits wenigstens
sind wir uns unserer ehrlichen Ohnmacht sehr wohl bewusst
und es ist ja bekannt, dass ein unbequemes Urtheil der Presse
gern als die „ Meinung eines Einzelnen u diskreditirt wird.
Für die grosse Masse , vor Allem für das ganze nichtfach-
mänuische Publikum wird und kann kein anderes Urtheil
maassgebend sein, als das der Preisrichter, für dessen
Verbreitung alsdann die Presse schon sorgen wird. Darum for-
dern wir nnter allen Umständen die Publikation eines in seinen
Motiven ersichtlichen Urtheils derselben über alle Projekte,
darum bezeichnen wir den ein solches Urtheil ablehnenden
Beschluss der Jury, welche über die Konkurrenz für Ent-
würfe zum Hanse des deutschen Reichstages entschieden
hat, als den grössten und bedauerlichsten Verstoss, den das
Verfahren in dieser Konkurrenz aufweist.
Man hat unsere Forderung als zwecklos, man hat sie
I als ungerechtfertigt, man hat sie endlich als unerfüllbar
zurückgewiesen.
Ihren Zweck glauben wir denen, welchen die neueren
Bestrebungen zur Hebung des Konknrrenzwesens innerhalb
der deutschen Fachgenossenschaft unbekannnt geblieben sind,
im Vorstehenden auseinandergesetzt zu haben. Es ist das Wort
gefallen, dass die architektonischen Preisrichter in einer
Konkurrenz doch nicht etwa beanspruchen können, Fachge-
nossen belehren zu wollen, die hente ihrem Urtheil unter-
worfen sind, morgen aber selbst ihre Richter sein können.
Die empfindliche Auffassung jeder Kritik als eines anmaass-
lichen Belehrnngs -Versuches ist uns allerdings auch schon
begegnet, doch ist sie glücklicherweise keine allgemeine; es
sei uns gestattet an den Spruch alter Lebensweisheit zu er-
innern, dass Niemand zu alt ist um zu lernen, und Niemand
so gering, dass man nicht von ihm lernen könne.
Ungerechtfertigt soll unser Verlangen sein, weil das
Programm der Konkurrenz eine Veröffentlichung des Urtheils
; der Preisrichter nicht vorschreibt und weil die Jury für das-
! selbe keinem Dritten verantwortlich sei. Im Programm ist
; ebensowenig gesagt, dass die Entscheidung über die Prcisver-
theilung öffentlich mitgetheilt werden solle; es liegt dies eben
1 im Prinzip« einer ö ffentl ich en Konkurrenz und hängt in letz-
ter Linie auch nicht von der Jury, sondern von ihrem Auf-
! traggeber, dem Bauherrn ab. Dass der Auftrag, ein Urtheil
! abzufassen, hier vorlag, haben wir ans der Stelle des Pro-
gramms gefolgert, in der es heisst, dass die Entwürfe einer
Jury „zur Benrtheilung und Entscheidung über die zuzuerken-
nenden Preise* überwiesen werden sollen, womit uns ganz
entschieden auf eine andere Art der Beurtheilung hingewie-
sen zu sein scheint, als anf jene, die eben nothwendige und
selbstverständliche Vorbedingung der Preisertheilung
ist. Wir halten an dieser Auffassung fest, wenn wir auch
zugeben, dass sie nicht unbedingte Geltuns: beanspruchen
kann. — Was eudlich die NichtVerantwortlichkeit der Jury
betrifft, so scheint uns dies ein Missverständniss zu sein,
Digitized by Google
- 260 —
welches sich lediglich auf die ihrer Kürze wegen üblichen,
sonst aber durchaus nicht zutreffenden Namen „ Jury 4 und
.Jurors" und die vermeintliche Analogie mit den Schwur-
gerichten stützt. Wir glaubeu nicht, dass einer der Hicbter
im Ernste seine Verantwortlichkeit abweisen, oder gar die
Anfechtung seines Unheils seitens der nichtprümiirten Kon-
kurrenten scheuen wird. Per bestrittene Zusammenhang mit
dem Prinzipc des Parlamentarismus, das wir in unserem
ersten kurzen Artikel angerufen hatten, ist in diesem Falle
übrigens nicht nnr der ideelle, von dem wir vor Kurzem
gesprochen, sondern auch ein ganz direkter und positiver.
Die Konkurrenz um ein grosses monumentales Staatsgebäude
in einem Verfassnngsstante ist keine Privat- sondern eine
Staats - Angelegenheit ; Mitglieder des deutschen Parlaments
bildeten als solche die relative Majorität in der Jury und
üben den leitenden Einfluss in der Angelegenheit aus. Venn
man sich an das selbstbewusste Wort von den Bauherren
und den Baumeistern erinnert, das seinerzeit bei der Be-
ratung über die Konkurrenz im Heichstage gefallen ist, so
könnte man allerdings zu der Vermuthung geführt werden,
dass unsere Abgeordneten im Gefühle ihrer Würde und ihrer
langjährigen ununterbrochenen parlamentarischen Thätigkeil
zuweilen wohl nicht entschieden genug daran denken, dass
sie in Allem, was sie als Abgeordnete thun, die auf eine
bestimmte Zeit gewählten Vertreter des Volkes sind,
und dass dieses allerdings verlangen kann, von ihrem
Thun Kenntnis» zu erhalten.
ünd endlich das Letzte — die für diesen Fall bebaun-
tete Unmöglichkeit eines in seinen Motiven ersichtlichen Ur-
theilsspruches der Jury über alle einzelnen Entwürfe. Wir
freuen uns um der Würde der Sache willen, dass der Ein-
wand des Zeitmangels bereits von anderer Seite zurück-
gewiesen worden ist, aber wir verstehen nicht, wie man in
Betreff der Form, welche unter den obwaltenden Verhält-
nissen dem von uns geforderten Votum der Jury zu gelten
war, so rathlos sein konnte. Es kann selbstverständlich nicht
davon die Rede sein, dass unter den 15) Mitgliedern dieser
Jurv ein einheitliches Urtheil über irgend ein Projekt zu ver-
einbaren war; dass es nicht möglich gewesen wäre, dasselbe
in weitaus den meisten Fälleu unter den 6 Architekten zu
Stande zu bringen, d. h. also, dass diese zu fanatische An-
hänger bestimmter Schulprinzipien wären, um die ausserhalb
der hier wirklich nebensächlichen Stilfrage liegenden Vor-
züge und Mängel eines Entwurfes von einem gemeinschaft-
lichen Gesichtspunkte aus würdigen zu können, wie dies die
Richter eines juristischen Kollegiums jederzeit thun müssen,
können und wollen wir nicht glauben. Aber es kommt auf
ein solches einheitliches Votum auch gar nicht an, um den-
noch Klarheit über die Motive zu geben, welche ein Urtheil
herbeigeführt haben; werden dieselben bei parlamentarischen
Abstimmungen, die mit Ja und Nein erfolgen, doch auch
nicht zusammengefaßt, sondern ergeben sich einfach aus der
vorhergehenden Debatte. Das Einfachste uud Närhstlie-
geudste wäre es also gewesen, ein stenographisches Protokoll
über die Plenar-Verhandluugen der Jury aufzunehmen und
zu veröffentlichen; wollte man dieses "nicht, so blieb der
Ausweg übrig, den jeder Referent gebraucht, der das Resul-
tat einer Debatte summarisch zusammenfassen will — ein-
fache Gegenüberstellung derjenigen Momente, welche als
Vorzüge und Mängel eines jeden Entwurfes überhaupt ange-
führt worden sind, und Angäbe der Abstimmung, welche über
den Rang desselben entschieden hat, eventuell unter Mitthei-
lung der Namen der Abstimmenden. Um zu einem Gut-
achten zu gelangen, welches die sachlichen Ergehnisse einer
Konkurrenz zusammenfassen! soll, würde derselbe Weg viel-
leicht nicht so zweckmässig sein, obwohl der Vortrag des
betreffenden Referenten und die daran angeknüpfte Debatte
eventuell auch genügenden Aufschluss geben würden. Wir
halten es in dieser Beziehung jedoch für weniger schwer, ein
gemeinschaftliches Votum zu Stande zu bringen ; anderenfalls
würden hier ein oder mehre Separatvoten nicht zu scheuen
sein. — Jedenfalls glauben wir nachgewiesen zu haben, dass
sich der von uus angestrebte Zweck sehr wohl erreichen
lässt; wir wiederholen, dass uns die Mühe und Arbeit, welche
dafür aufgewendet werden niüsste', durchaus nicht ausser
Verbältniss weder zu dem Werthe der Sache noch zu der
Arbeit der Konkurrenten erscheint. — Warum, wenn Voten
der Jury, wie wir sie verlangen, fehlten, nicht wenigstens
die Protokolle derselben veröffentlicht worden sind, welche
einen authentischen Einblick in die formale Seite des Ver-
fahrens geben und immerhin auch die für alle Konkurrenten
interessante Thatsaehe mittheilen würden, welche ~2H Ent-
würfe zur engeren Wahl gelangt sind, ist uns unerfindlich ;
vielleicht kann es noch nachträglich erfolgen.
Wir schliessen hiermit die Erörterungen, die wir auch
dieser Seite der Konkurrenz widmen mussten. Wenn sie
nichts weniger als das Muster einer solchen war, wenn sich
bei ihr in klarster Weise gezeigt hat, wie wenig. anerkannt
noch die Rechte, wie unverstanden noch die Interessen
der deutschen Architektenschaft sind — denn an eine Ab-
sicht sie zu schädigen wird wohl Niemand denken — so
bleibt nns nichts Anderes als der leidige Trost, dass sie da-
für das Bewusstsein der Fachgenossenschaft in um so stär-
kerer Weise aufgerüttelt und ihr gezeigt hat, wie viel no«:h
zu thun, wie energisch noch zu kämpfen ist, bis wir das
angestrebte Ziel erreichen können.
Ueber die Mittel, mit denen wir für unser Ziel zu
kämpfen haben, kann ein Zweifel kaum bestehen. Wir sind
es der Würde unseres Fachs schuldig, da nicht als Bittende
aufzutreten, wo wir fordern zu können glauben. Unterlassen
wir es daher Vorschläge zu machen, die man nicht von uns
verlangt, und Petitionen einzureichen, die kaum gelesen wer-
den! Fordern wir auch nicht, dass die künstlerischen Per-
sönlichkeiten, welche als Berather und Richter zur Vorberei-
tung und Entscheidung von Konkurrenzen berufen werden,
unsere Sache führen und vertreten; erkennen wir es danl.-
bar an, wenn sie es thun, aber verlassen wir uns nicht dar-
auf, dass sie es thun! Machen doch nicht wenige von ihnen
kein Hehl daraus, dass sie persönlich keine Freunde des
Konkurrenzwesens sind, und von Niemand ist zu erwarten,
dass er gegen seine Ueberzeugung bandle. Wirke auch hier
die Gesammtheit für die Gesammtheit, die Oeffentlichkeit
für die Oeffentlichkeit! Benutze jeder, der gleich uns die
allgemeine Einführung und Anwendung eines rationellen
Konkurrenz-Verfahrens für die Entwürfe zu allen öffentlichen
Monumentalbauten als die Grundbedingung einer zukünftigen
Blütbe unserer Kunst betrachtet, jede Gelegenheit, um ener-
gisch für diese seine Ueberzeugung einzutreten und die von
einem falschen, missbräuchlichen Konkurrenz -Verfahren her-
rührenden Vorurtheile zu zerstreuen, so wird der Erfolg,
uud hoffentlich ein nicht gar zu entfernter Erfolg nicht aus-
bleiben. Ob uns die Gegenwart unser Recht noch vorent-
hält: die Zukunft wird dennoch unser sein! —
Sei es dem Verfasser gestattet, einer Arbeit, die ihn
und seine Leser ein Vierteljahr lang Iwwehäftigt hat, einen
persönlichen Schluss zu geben. Wie viele Mängel und Lücken
dieselbe hat, wie sehr sie der Umschmelzung und Feile be-
dürfte, um ein Ganzes zu werden, fühlt Niemand besser als
er; seine Kraft ist der Schwierigkeit der Aufgabe leider
nicht ganz gewachsen gewesen, wenn es ihm auch an ehr-
lichem Willen nicht gefehlt hat. Für Irrthümcr — und wer
könnte solche ganz vermeiden — hat er im Voraus um Nach-
sicht gebeten. Er erbittet solche auch, wenn er in dem
Bestreben, der Sache zu dienen, der von der Sache untrenn-
baren Person, wenn er um der Gesammtheit willen dem Ein-
zelnen zu nahe getreten ist Nach seiner Auffassung der
Dinge handelte es sich hier darum, eine Pflicht uud wahr-
lich keiue leichte und angenehme Pflicht zu erfüllen. Muss
doch auch für unser Fach der Wahrspruch gelten:
„Heilig achten wir die Geister,
Aber Kamen sind nns Dunst;
Würdig ehren wir die Meister,
Aber höher steht die Kunst!"
K. E. 0. Fritsch.
Rauhe Brücke t.q 8,16- Weile bei Lübars.
Im Anschluss an meine Veröffentlichungen im Jahrg. 1870
Seite 320 und 328 d- Z. folgt hier ein den dort vertretenen An-
schauungen entsprechender Entwurf einer massiven Brücke in
den Fig. 1— G, der seine Entstehung dem Umstände zu verdan-
ken hat, dass die Kosten desselben sich gcrinßer stellten, als
die einer Bollbrücke, deren Ausführung nach den in Fig. 7 dar-
gestellten Abmessungen von 3.76™ Weite beabsichtigt war.
Der Baugrund, ein tief liegendes Wiesenterram, welches
vom Bohrer leicht auf grössere Tiefe durchsuuken, sich bis in
diese Tiefen als ein leicht bewegliches, flüssiges Material zeigte,
schien, abgesehen von der Meinung über die hohen Kosten einer
massiven Brücke selbst auf festem Boden, ohne künstliche Bc- . (oder ca. 17'")
festigung des Grundes nur die Erbauung ciuer hölzernen Brücke
\ zuzulassen, und auch für diese erheblich lange Jochnfäblc zu bo-
[ dingen. Ich stellte eine entgegengesetzte Ansicht dahin auf,
dass der Boden zwar im Bohrloch flüssig, aber tragfahig sei,
wenn er unberührt, wie die Natur ihn geschaffen, bliebe und
nicht durch künstliche Manipulationen verdorben würde, und
dass eine massive Brücke unter den ortlichen Verhältnissen, ob-
schon solche nicht ungünstig für Ilolzbauteu, billiger als eioc
| Bollbrücke sei, und hatte die Genugthuung diese Aeusseruug
nicht unbeachtet verhallen zu sehen. Unter sechs demnächst,
simmtlich für die Druckfestigkeit des Gewölbes g — 150' rhl.
Entwürfen war der hie/ dar-
Digitized by Google
261 -
gestellte der billigste und um eüi ganz Erhebliches billiger als
die Holzbrücke, deren Kosten sich zu mehr denn 800 Thlr. 1ms-
rechneten. — Da« Material für säninitlichc Entwürfe war Konkret.
Die Preise sind pro Kub.' Rundholz 3'/, Sgl'.; für das Mille
eut gebrannter Ziegel steine, einschliesslich jedoch eines grossen
Prozentsatzes für Bruch LS Thlr., für die Tonne Portland-Zement
4 Thlr., für die Sch.-K. Saud und Kies l'/i Thlr., sowie für die
Sch.-R. Scherben, Ziegelstücke oder kleine Feldsteine 5 Thlr.
j Hiernach wurden die Kosten des massiven Bauwerks fol-
Thl. Sg. vi.
13 8 4
Transport 012 25 10
157 4 i
1. 19«*.», Sch.-R. Erdarbeit li 20 S«r
2. 1 1 »/.. Sch.-R. Konkret für Fundament, ^
aufgehendes und Geländer- Mauer-
werk a 7 Tbl.
3. 3"„ Sch.-R. Konkret für Gewölbe . . ä 4
4. 1 Sch.-R. Pflaster 3" stark a 6
5. 2 Sch-R. Kieaübcrfüllung ä | "
fi. 63 lfd.' Hauptgesims ä 1 ".
7. 98 lfd.' Geländergesims » { ,
8. HO CT Geläuderfüllungeu ä A .
9. 10^' Füllungen der Pfeiler a I '
10. Für Rund Verzierungen in der Stirn-
übermauerung
11. 13 Sch.-R. scharfer Grand a 11
12. 89 Tonnen Zement a 4
13. 2'; Sch.-R. Steinstücke, kleine Feld-
steine a 5
14. Für das Lehrgerüst einschliesslich
Material und Arbeitslohn, bei Rück-
nahme des Materials die Hälfte des
zu 101 Thlr. 29 Sgr. 11 Pf. berech-
neten Neuwerths mit
Transport
^°>»»chD. *>t- *- 9«r«*tiUl
= 79 25 -
= 14 10-
S Izz
= 10 15-
- 24 15 -
- 14 20 —
6
- 19 15 —
= SM
= 117 6
50
612 25 10
Rechnet man hierzu noch für Unvorher-
gesehenes u. s. w. sehr hoch . . .
so ergiebt sich eine Summe von
I)ie Arbeitsleistungen in pos. 2—10 wurden zu den benann-
ten Preisen an den Maurermeister Herrn Bussee iu Berlin ver-
dungen und hatte derselbe die Fundamente beziehentlich Wider-
lager bereits in der vorgeschriebenen Weise in Konkret voll-
endet, als eine Wahrnehrauug des an anderer Stelle gleichfalls
verwendeten Konkrets dessen Anwendung für das Gewölbe nicht
rt Ü» cl1 . el ' 8t : ne " len ,ics »< der Zement (natürlich nur in Ein-
zelfällen) trieb. — So vereinzelt dies auch vorkommen und »>
unerheblich dies zu Zeiten sein mag, so bestimmte es mich doch,
iu vorliegendem Kalle zu rathen, das Gelingen einer freitragen-
den Konstruktion davon nicht abhängig zu machen.*)
Es ist demnächst das Bauwerk unter Belassung des Kon-
kretwiderlagcrs weiterhin in Ziegeln nach Fig. 8 vollendet.
Das» hierhin einige Veränderungen iu der Konstruktion beliebt
sind, welche Verbesserungen leider nicht genannt werden kön-
nen, weiss der Leser aus Früherem.
Noch darf wohl, von den Kosten abgesehen, auf die grössere
Zweckmässigkeit des massiven Bauwerks, welches das Kanal-
profil nicht wie die llolzbrQcke auf den Querschnitt eines Pa-
rallelogramms von der Sohlenbroite und Wassertiefe beengt, so
wie auf seiuu bessere Erscheinung hinzuweisen gestattet sein.
Berlin. 1. August 1872.
E. II. Hoffmann, Kreisbaumeister a. D.
•) Ohne Ulf Detail« hier «eiler eingehen I« »ollen, tet als«
Koiikreth«|*, anKeatellten Ver.uetu -rw&bul.
Kln kleiner Bogen t.,u »u Stärke. ü,a4Km Weil», 7* mm
Br.iie, «urte im Laufe eine« •■
»reit», «urde im Lauf« eine. Monat. allmihlieii mit 9*0 Pfd., dann
endlich mit »iXI Pfd. hel..let. nhue .Um eine Kinheim,; m,„t„r
nehmhar wurde. Kine r<.rl«unn K der Bel..tnn« <»r untlmi.llet,. wei
parkten Maueraleinr bU .ur I>eeke de. It.nrn.. In welchem der Ve
mit «lue»
I.OOl'fd..
und vahr.
die innre
hatte, reichten. Die
Ver».eh. not ■
«•«1 tf.
F.*. T.
Fht. I. Aluicht.
Pi«. «.
I I I ' I I I
1 0
to
■J.
SO Vuu.
leltrig« ur Ticrle 4er h-ckwerlutriger.
(Fortottiang).
Allgei
gefübrl
Träger
| 3.
eine Behandlung der Fach werkstrfiger mit
geraden Gurtungen.
Die Lösung der im vorigen § für einen speziellen Fall durch-
führten Aufgab« läset sich annähernd genau auch für einen
mit « F'achen von der Breite * wie folgt geben:
Fi*, s. Ist / die Spannweite , s die Höhe und q
die Totalbelastung des Trägers (Fig. 3), so
ist der Werth der Gurtungsspannuug allge-
mein = S- (Ix — x»), mithin das Pro-
dukt aus Spannung mal Länge für beide
Gurtungen der Trägerhälfte
Weniger einfach gestaltet sich die Herleitung des betreffen-
den werthes für die Diagonaleu und Vertikalen, da hier der
Eiufluss der mobilen Belastung und das Verhältnis.*; dieser ztm
Eigengewichte in Betracht gezogen werden muss.
Erinnert man sich aber, dass, wie Figur 2 darstellte, der
Grad der Veränderlichkeit von 2* in der Nähe der Kulminatiou
gering ist und dass es weniger darauf ankommt, die Lage der-
selben absolut genau zu bestimmen, als vielmehr sich ihr ent-
sprechend zu nähern, so wird mau übersehen, dass bezüglich
der Vertikalen und Diagonalen die Einführung von Näherungs-
werthen wohl statthaft erscheint. Wichtig ist nur, dass diese
Näherungswerthe eher zu gross als zu klein bemessen werden,
damit nicht eine Trägerhöha resultirt, bei welcher der für die
Vertikalen vorgesehene Querschnitt nicht genügt Vertikalen
und Diagonalen sollen deshalb zunächst unter Vernachlässigung
aller schiefen Lastvcrtheilung berechnet und das sich ergebende
Resultat darnach mit einem Faktor multiplizirt werden, welcher
die ausser Acht gelasseneu Verhältnisse möglichst stark berück-
sichtigt
Die Vertikalkraft in jeder Trägerholfte ist im Mittel =
Digitized by Google
— 262 —
H W "f* 1
j (/» + »). die Anzahl der Vertikalen = — 5 — , die Höhe
derselben = s, mithin das theoretische Gewicht denselben, im
n n + 1
Siune des §. 1 verstanden, = ^ [p 4- *0 ■ ■ a
Nimmt man an. da*« Kar wirklichen Konstruktion der Ver-
tikalen dieser Werth « mal erforderlich wird, so erhalt man
ileren Gewicht pro Trägerhälfte
2> 0, =- 8 - «.« (• -f 1) (|C + *)••
In ähnlicher Weise berechnet sich das theoretische Gewicht
der Diagonalen, UDter Berücksichtigung, dass bei glcichniässigcr
Belastung Gegen - Diagonalen zunächst nicht erforderlich »lud,
= 4 (/- + «>• a • ,
also, wenn mau deu Kiulluss der schiefen Belastung und der
Gegen -Diagonalen durch Multiplikation mit dem Kastor ß in
Anschlag bringt:
3) G, =1 ß + *). ** + *'
Das Gewicht der Trfigerbfilftu ist demnach uus I, 2 und 3:
4) r=s<jr+ + |^«'}+ (/» + «J».J(« (« +1)
Um uun 2' zu einem Minimum zu machen, um--
■f = o
<M,er 5) * = 1/' > '* "
sein. Da n b — t, so l&sst sich auch setzen:
6) • = 1 1/'" »' +
' » a (n + \) + ß n
Die Koeffizienten « uud £ können je mit der Spannweite
yarilrt werden, sind aber jedenfalls bei Trägern ciufacheu System«
im Durchschnitte reichlich geschätzt, wenn " = */» um» <* = '■
gesetzt wird; in diesem Falle ist
7) - = 1 ]/i »' ±JJL
1 » 16 » + 'J
Beispielsweise ist al M >. wenn
« = 4 so * = 0,281 und * = rot IV,
= 5 = 0,246 = „ iy,
= c — = 0.222 = „ I«/.
= 8 .... = 0,188 = , iy,
= 10 .... = 0,167 = - IV,
= 12 - 0,151 = , 1%
= 16 .... = 0.12D = „ 2
d. h. je grösser die Anzahl der Fache (im einfachen
Systeme), um so geringer ist das Pfeilverhältniss des
Träger* zu wählen.
§. 4.
Die zusammengesetzten Systeme.
Der Werth /• int praktisch so zu bemessen, das» einerseits
das Gewicht der Querverbindungen uud Schicucnträger mog-
licbst gering ausfallt, andererseits eiue gewisse, Beziehung zu
den disponiblen Schicneiilüugcu erreicht wird. Bei der Kon-
struktion in preußischem Fussinaassc stellten sich beispiels-
weise die Werths für t> von 12 resp. t» Fuss als besonders
günstig heraus. Ilieruach wird also b iuucrhalb gewisser Gren-
zen liegen müssen, die ohne Nacbtheil nicht überschritten wer-
den dürfen.
Vergleicht man nun die am Schlüsse des vorigen § fur "
ermittelten Werthe, so findet man, dass sich die Hohe der ein-
zelnen Facha im Verhältnisse zu ihrer Breite mit wachsendem
h vergrössert, also beispielsweise die Fach -Hube eines Trägers
mit 16 Fachen = der doppelten Fachbreite_ wird Bei diesem
Verhältnisse erhalten die Diagonalen bereits eine steile und
unvorteilhafte Lage; denn um die günstigste Neigung derselben
zu bestimmen, müsste gemäss §. 2:
b' + »' ... •
- — — = Minimum
a
d. i.: % — b sein.
Um eine möglichst günstige Diagooalcn-RichtUDg zu sichern
andererseits jedoch die v.irtbeilhafteste Trägerhohe nicht aufzu-
geben, kann man in bokanuter Weise die vielfachen Systeme
zur Auwcuduug bringen.
Die Ermittelung der günstigsten Trägerhöhe wird hier mit
hinreichender Genauigkeit nach
«. den Formeln des vorigen § er-
folgen können : denn wenn bezüg-
lich der Vertikalen und Diago-
nalon eine Vertheilung der öpau-
uuugen über mehre einzelne
Glieder der Breite nach statt-
gefunden hat, so schliessen sich
die Gurlungeu um so vollständi-
ger der durch das Integral er-
mittelten Summe an. Selbstredend ist, dass der Werth b nun-
mehr nicht die Entfernung der Querträger bedeutet, sondern der
durch Fig. -I bezeichneten Breite der Sysfemtheilung entsprechend
Folgendes Beispiel möge hier Platz finden.
Bei einem Träger von M™ Spannweite sull mit Rücksicht
auf die Theilung der Querträger eine Fintheilung in 16 Fache
erfolgen; es ist zu vergleichen, wie sich die Anordnung im ein-
fachen Systeme gegen die im doppelten stellen würde.
Im einfachen Systeme wäre II = 16, daher % =J 0.129 . 50
= 6,45 n> uud £ gemäss Gleichung 4, §. 3, wenn man noch
p +■ c = 1 setzt,
also - = 1 143
Im doppelten Systeme wäre n — 8, daher * = etwa - > r »0
ss 8,38" und - unter Berücksichtigung, dass uuumehr p -f- sr =
2 zu setzen ist,
also 1' = BGB.
Das zweifache System würde sich also ungleich billiger stellen
al* das einfache, selbst wenn die Vertikalen etwas schwerer kon-
struirt werden müssten, als durch den Werth <z = *'» vorge-
sehen.
Jedenfalls kann man zur Sicherheit, um nicht zu grosse
Höhe bei vielfachen Systemen zu erhalten, für die Bestimmung
des Wcrthes * «ählen:
bei 2 fachen Systemen « = 1»,',, ß = !•/•
bei 3 . , a = 1«/.. ß = 1%.
Es möge hier noch folgende Kritik der vielfachen Systeme
Platz finden.
Die ältesten gegliederten Systeme eiserner Brücken zeigten
ein ougiuaschigcs System, in welchem flache Stäbe, sehr nahe
au einander gelegt* und sich gegenseitig überkreuzend, ange-
ordnet waren; aber so gross auch die Eisenmasse war, die auf
die gesäumten Gitterstäbe verwendet wurde, so genügte sie
nicht, um eine hinreichend steife Trag wand zu bilden; es müss-
ten vielmehr an gewissen Punkten, namentlich den Angriffs-
punkten der Last, noch besondere Aussteifungen für die Gur-
tungen angebracht werden.
In der Beschreibung zur Weichsel-Brücke bei Dirschau er-
scheinen diese, ein beträchtliches Gewicht konsumirenden Ver-
tikalstützen unter der richtigen 1i- gründuug, dass sie zur .meh-
ren Steifigkeit" der Gurlungeu augeordnet seien. Mau er-
kannte deu Fehler, der dieseu engmaschigen Gitterbrücken
anhaftete, sehr bald dabin, dass die zur Verbindung und Aus-
steifung der beiden Gurlungeu eingelegten Glieder m zu viele
einzelne Tbeile aufgelöst svieu, von denen, trotz des bedeuten-
den Gcsammtgewiclites , keiner mehr kräftig genug war, um
überhaupt als Steife dienen zu köuuen. Naturgemäss wurde
man darauf hingewiesen, dass es weit zweckmässiger sein müsse,
die Verbindung beider Gurtuugeu mit einander weniger oft,
aber dafür durch um so kräftigere Glieder zu vermitteln. Durch
Anwendung der weitmaschigen und reiuen Fachwerkssysteuic
erreichte man demnach, dass nicht nur uu Eisenmassu erspart,
sondern überdies Zwischenglieder gebildet wurdeu, die etueu zu
ihrer Länge im Verhältnisse stehenden Querschnitt erhalten uud
somit als wirksame Aussteifungen für die gedrückte Gurtung
fuuktinniren konnten.
Der hierdurch eingenommene Standpunkt wird durch die.
Fachwerksträger vielfachen Systems cinigcruiaasscu wieder auf-
gegeben. Während das einfache Fachwerkssystem den Träger
in Fache zerlegt, deren Breite iu günstigem Verhältnisse zur
Hobe steht, werden bei den vielfachen Systemen die Hauptfache
wiederum gctheilt und die kräftigen Hauptglieder in einzelne
weniger steife Glieder geringerer Ordnung aufgelöst Als maass-
gebender Grund für diese Anordnung wird die Entfernung der
Querträger von cinunder angesehen und je aus dem Verhältnisse
dieser Weite zur Weite der Hauptfache das Vielfache des Systems
bestimmt. Wennschon es unerlässliche Bedingung, dass jeder
I^istpnukt auch als l ' n terst ü t zungspuukt aufzufassen ist, so
folgt doch keinesfalls, dass jeder Angriffspunkt eines Quer-
trägers als ein Koustruktionspunkt erster Ordnung gelteu musa :
jene Lastpuukte können gauz wohl als Koustruktionspunkt«*
zweiter Ordnung aufgefasst werden, die abwechselnd auch mit
denen der ersten Ordnung zusammenfallen mögen- Hiernach
läast sich «ler Charakter des reinen Fachwerks und dessen Vor-
züge beibehalten, wenu mau wie iu Fig. 5 statt des zweifachen,
Fi». J.
und wie in Fig. C anstatt des dreifachen Systems konstruirt-
Die zum Hauptsystem gehörigen Linien sind dabei stark, die zu
den Koustruktionsgliedera zweiter Ordnung gehörigen dünner
bezeichnet.
Digitized by Google
- 263 -
FS(t. «.
Die Vorzüge einer derartigen Anordnung mischten wohl
darin bestehen , dass der grossen Gurtungsspannnng ent-
sprechend, zwar weniger häufig, aber um so kräftigere Ausstei-
fungen augeordnet sind; das* ferner diese Aussteifungen im
Allgemeinen mit ihrem theoretischen Querschnitte vollständig
genügen und nicht der theils boträchtli<'heu Zuschüsse bedür-
fen, welche man den mittleren Vertikalen vielfarher Systeme
gemeinhin gebcu muss.
Eine gewisse Anwendung ohigen Prinzipcs findet sich in der
unter Kig. 7 dargestellten Eisenbahnbrückc über den Juniata-
Fl«. 7.
fluss in Pensylvanicii, mit «bell liegender Fahrbahn, konstruirt
von den Ingenieuren JL Wilson & II. Peltit (siehe Nouvcllea
Annale* de la Oonstruetion, Mai I87'2). Das System ist indessen
hier nur iu kleineren Verhältnissen (etwa für J7" Spannweite)
angewandt, und dürfte auf den febleudeu Abschluss der Gegen
Diagoualcu aufmerksam zu machen sein. (Foriieuang foi«t.)
Mittheilungen aus Vereinen.
Architektenverein zu Berlin. Die fl. Exkursion des Ver-
eins, au der etwa 70 bis HO Mitglieder sich betheiligten, war
Sonnabend den 27. Juli zunächst nach der Kirche der Dorotheen-
städtischen Gemeinde zwischen Mittel- und Dorotheenslrasse
gerichtet. Aus einer einfachen . aber iu guten Verhältnissen
errichteten gewölbten Krouzkirchc des 17. Jahrhunderts ist in
den Jahren 18-ü! und 60 durch einen unter dem Einflüsse des
Kathszimniernieister» uud Stadtverordneten Otto von dem ver-
storbenen Baumeister Kabelt ausgeführten Umbau eine drei-
schiftke, romanisirende Laughauskircbe mit llolzderken gemacht
worden, die nach Verhältnissen und Details zu den unglück-
lichsten Kirchen-Neubauten Berlins gehört und an künstlerischem
Werth«' weit unter dem alten srhlichten Gebäude der Zopfzeit
steht Auch das berühmte Kunstwerk, welches das lunere der
Kirche schmückt, das herrliche Grabmal des jungen Grafen von
der Mark, das Schadow als 24 jähriger junger Künstler aus-
führte und das seinerzeit in einer der 4 Kreuzkapellen einen
vorzüglichen Aufstellungsort hatte, ist jetzt an der Ostwand des
südlichen Seitenschiffs, wo es zum Theil unter einen ausgekrag-
ten Wandpfeiler eingeschoben ist, ganz erheblich ungünstiger
situirt-
Als zweites Ziel der Exkursion war der von den Baumeistern
Kyllmauu 4 Heyden ausgeführte Neubau der grossen Pas-
sage, die von den Linden nach der Behren- und Friedrich-
Strossen-Ecke führt, gewählt worden, und wurde derselbe unter
der Leitung und Erläuterung der beiden Architekten, sowie
ihrer Hülfsarheiter in allen Thcilen aufs Eingehendste besich-
tigt. Einen durch Zeichnungen erläuterten Bericht über die im
Oktober dem Verkehr zu eröffnende Anlage, die zu den interes-
santesten und grossartigsten der augenblicklich hier im Bau
begriffenen zählt, werden unsere Leser iu kurzer Zeit erhalten.
Hauptversammlung am U.August: Vorsitzender Herr
St recke rt. später Hr. Quassowski, auweseud .Vi Mitglieder.
Die Zahl der anwesenden Mitglieder genügte nicht, um Be-
schlüsse, wie sie der Hauptversammlung vorbehalten sind, fassen
Vermischtes.
Sie Westing-houae'eohe Luft -Bremse. Die Zeitschrift
.Engineering* vom 24. Mai d. J. enthalt eine ausführliche Be-
schreibung mit Zeichnungen der Westinghouse'schen Luft-Bremse,
welche iu Nordamerika bereits auf Hj Bahnen, und zwar auf
iusgesammt 20000 engl. Meilen Bahnen mit 1200 Lokomotiven
und 4000 Wagen im Gebrauch und neuerdings auch auf einigen
Englischen Bahnen, nämlich der London and Nord Western- und
der Calcdouiau- Bahn, versuchsweise eingeführt ist. Diese Brems-
vorrichtung zerfallt in 3 Theile, nämlich erstens den Theil, wo-
rin die Luft komprimirt wird, zweitens den Theil, worin die
komprimirte Luft am Zuge entlang geführt wird, und drittens
den 1 heil, der gleichzeitig als Zug-Siguul dient. Der erste Theil
besteht in der Hauptsache aus einer Luftpumpe, welche an einer
Seite der Lokomotiv- Feuerbüchsc angebracht ist. nämlich aus
einem Dampfzyliuder und einem Luftzyliuder, deren Kolben
durch eine gemeinsame Kolbenstange verbunden sind. Diese
Kolben können nötigenfalls per Minute 100 Hübe machen, aber
e* genügt in der Kegel, sie nur 30— 40 Hübe machen zu lassen.
Die Steuerung ist in sinnreicher Weise so aogeorduet, dass
durch einen starken Widerstand der komprimirten Luft die Be-
wegung langsam gemacht wird. Demnach sind die beiden Kol-
ben während der Fahrt, so lange die Bremsen nicht angezogen
sind, stets in langsamer Bewegung begriffen, um den durch
Undichtigkeit der Stopf büchsen etc. bewirkten Verlust an kom-
primirter Luft auszugleichen. Sobald die Bremsen angezogen
werden, also die komprimirte Luft nach den Wagen hin ab-
strömt, wird der Gegendruck derselben in der Luftpumpe ge-
ringer uud in Folge dessen durch die selhstwirkende Steuerung
die Bewegung der' Kolben schneller.
Von der Luftpumpe aus wird die komprimirte Luft zu-
nächst in ein Luft- Reservoir geführt, welches sich unter der
Fussplatte des Führerstaudes befindet. Von dort aus kann die
komprimirte Luft mittels eines üreiweghahiies entweder in 2
Rohrleitungen, welche unter sämmt liehen Wagen des Zuges, so-
wie unter dem Tender entlang geführt sind, eiugelassen oder
in die freie Luft abgeblasen werden. Die genannten beiden
Rohrleitungen, welche von einander völlig unabhängig sind, be-
stehen in der Hauptsache aus Gasrohren von l,90«", die Kup-
zu konten. Der Hr. Vorsitzende erstattete zunächst Bericht
über die eingegangenen Schreiben, uuter deueu wir die Anzeige,
dass von deu Entwürfen zu dem Ingenieur-Denkmal hei St «Mis-
burg keiner ausgeführt werden soll, sowie eine Aufforderung
vom Vorstande des Vereins deutscher Ingenieure, sich einer au
die Reichsgewalt gerichteten Petition desselben in Sachen der
Patentgesetzgchung anzusch Hessen, erwähnen. Dem letzteren
soll geantwortet werden, dass nach Gründung des Verbandes
deutscher Architekten- und Ingenieur- Vereine derartige Ange-
legenheiten dem einseitigen Vorgehen eines einzelnen Vereines
entzogen seien.
Im Namen der Kommission zur Berathung einer Norm für
das Honorar der Bau-Ingenieure referirte Kr. Streckert. Der
bereits vor zwei Monaten in seinen Grundzügen vorgetragene
Entwurf ist von der Kommission durchaus beibehalten worden
und findet en bloc die Zustimmung des Vereines. (Eine vor-
herige Mittheilung desselben durch unsere Zeitung ist leider
unterblieben, doch hoffen wir ein Referat über das Gesummt -
ergebniss der für die Frage vorgeschlageneu Losungen bringen
zu können.)
Hr. Blankenstein berichtet über die Berathungen der
Kommission, welche die durch den Antrag des Ilm. Lucae an-
geregte Frage eventueller Schritte des Vereins in Sachen der
keielistagshuus- Konkurrenz prüfen sollte. Die Kommission ist
zur Ansicht gelangt, dass die Angelegenheit als eine deutsche
vor das Forum des Verbandes gehöre, und empfiehlt, die Dele-
gaten des Berliner Vereins dahin zu instruiren, dass sie sich
eventuell für eine zweite Öffentliche Konkurrenz (ohne Bezeich-
nung von Modalitäten), jedenfalls aber gegen Nennung von Per-
sönlichkeiten für eine zweite beschränkte Konkurrenz aussprechen
sollen. Auch diese Anträge werden einstimmig genehmigt.
Einige Fragen beantworten die Hrn. Quassowski, Blan-
kenstein, Seudler und Streckert. Eingegangen ist dies-
mal eine Monats-Koukurrcnzarbcit aus dem Gebiete des Ingenieur-
wesena. F.
pelungen derselben zwischen den Wagen aus Gummi -Röhren
von 2..'i0'« Weite. Man kann mit ieder von beiden Rohrleituu-
?:en die Bremsen anziehen, wodurch also die Sicherheit wesent-
ich erhöht wird. Ausserdem wird die Kuppelung der Rohreu,
welche man wegen Zug haken. Zugstangen etc. nicht gut in der
Mittellinie der Wagen anbringen kann, wesentlich dadurch ver-
einfacht, dass man 2 Rohrleitungen zu beiden Seiten in gleichem
Abstand von der Mittellinie anordnet- Man erreicht dadurch,
dass auch dann , wenn die Wagen auf Drehscheiben gedreht
sind, dieselben stets mit den übrigen Wagen gekuppelt werden
können und dass die entsprechenden Theile der Köhrcnkuppe-
luiigen stets zusammen passen.
Unter dem Tender und jedem mit Bremsen versehenen Wa-
Een ist ein Luft-Zylinder vun 20"« Durchmesser und SO.ri""
lolbenhub angebracht. Die verlängerte Kolbenstange stellt in
unmittelbarer Verbindung mit der Hcbelwellc der Bremsvor-
richtung. Das Anziehen der Bremsen erfolgt durch Einlassen
der komprimirten Luft in die Kohrleitungen, da diese Luft dann
in die Luft-Zylinder eintritt uud den darin befindlichen Kolben
vorwärts treibt. Bei der Einmündung der beiden Rohrleitun-
gen in die Luft-Zylinder ist ein Ventilkasten angebracht, worin
aas Ventil sich hin und her bewegen und entweder die Mün-
dung des Zuleitungsrohres aus der ersten oder diejenige der
zweiten Leituug sclbstwirkend durch deu Druck der einströ-
menden komprimirten Luft abschlicssen kann, je nachdem man
die komprimirte Luft nur in die eine dieser Leitungen hat ein-
strömen lassen. Auch dann, wenn ohne Vorwissen des Loko-
motivführers eine jener beiden Leitungen undicht geworden
sein sollte, wird dieselbe durch iene sclbstthätigen Veutile von
den Luft-Zvlindern unter den Wagen abgeschlossen, weil der
Druck der Luft in der schadhaften Leitung danu nicht mehr
im Stande ist, den Gegendruck der komprimirten Luft, welche
aus der anderen Leitung in den Zylinder einströmt, im Gleich-
gewichte zn halten, wodurch also das Ventil nach der einen
Seite hin geschlossen wird. Das Losen der angezogenen Brem-
sen wird dadurch bewirkt, dass mau die komprimirte Luft aus
deu beideu Rohrleitungen und deu damit in Verbindung stehen-
den Luft-Zylindern iu die freie Luft hinaus ausströmen lässt,
wobei durch eine Spiralfeder, welche an der Hebelwelle der
Bremsvorrichtung angreift, der Rückgang des Kolbens im Luft -
Digitized by Google
Zylinder bewirkt wird. Damit die verschiedenen Bremsklötze,
auch hei uugleichtnässiger Abnutzung derselben, die einzelnen
Wagenräder möglichst gleichtnässig stark bremsen, empfiehlt es
sich, die Hebelwelle der liremsvorrichtnng in schwingenden
Lagern anzubringen.
Der Luftdruck hl dem Reservoir betrügt gewöhnlich 4,2Ti
bis 5,ö k pro M"", in den Luft-Zylindern unter deu Wagen aber
0,7 bis 1 K Mittels des oben erwähntet! Drciwegtmhiies kann
der Lokomotivführer mit der grössten Genauigkeit den Luft-
druck in jenen Zylindern regulircu, sei es dass er die Bremsen
uur sanft anziehen und bald wieder lösen will (z. Ii. beim Her-
abfahren auf einer.stark geneigten Bahnstrecke), oder sei es,
dang er die Bremsen rasch und I
lir anzubringen, um für den Fall,
ssen sollte, den letzten Theil des
will, um den
Zug schnell zum Stehen zu bringen, Ein Manometer zeigt dem
Führer an, wie gross der Luftdruck im Reservoir ist. rür den
Fall, dass die Luftpumpe versagen sollte, enthält das Reservoir
noch genügend Lutt um zwei Mal die Bremsen anzuziehen. Hr.
Westiugbouse schlägt überdies vor, am letzten Wagen des Zuges
noch ein zweites Luft-Reservoir
ditsa der Zug auseinanderrei«
Zuges bremsen zu können.
Nach den Berichten der Amerikanischen Eisenbahn-Verwal-
tungen scheint diese Luft - Bremse sich in vorzüglicher Weise
zu bewahren. Bei einem am 18. September 18*;u angestellten
Versuch auf der Pennsylvania-Bahn wurde ein Zug vou G Wa-
gen, der mit einer Geschwindigkeit von 48 Km per Stunde auf
einem Gelalle 1 ; .'»,"> abwärts lief, auf 138" Länge zum Stebeu
gebracht. Auf der Londou aud North Western -Bahn wurde
eine grössere Zahl vou Versuchen augestellt, und zwar wurde
ein Zug, der mit 80 bis 'JjK" Geschwindigkeit fuhr, in Zeit von
16 bis 28 Sekunden und auf ciue Lauge vou 238 bis 402™ zum
Stehen gebracht. Diese Lange ist freilich noch reichlich gross.
Günstiger fielen Versuche aus, welche am 21. März 1872 auf
der L'aledonian-Bahn zwischen Glasgow und Wemyss-Bay ange-
j wurde u. A. ein Zug, der
schwiudigkeit auf einem Gefalle 1 ;
fuhr, in Zeit von
33 Sekunden und auf 28D" Länge zum Stehen gebracht. Bei
allen dieseu Versuchen zeigte es sich, dass das plötzliche An-
ziehuu der Bremsen doch keinen unangenehmen Ruck verur-
sachte, weil die komprituirte Luft, welche auf die Bremsen wirkt,
vollständig elastisch ist
Das Zugsignal, welches mit der Luftbremse verbunden ist,
besteht aus je einem Zeiger oder kleinen Semaphnren über
jedem Coupee der Personenwagen. Dieser Zeiger stellt sich
aufwärts, sobald an einer im Innern des Coupees angebrachten
Schnur durch einen Passagier gezogen wird, und gleichzeitig
wird durch das Anziehen jener Schnur bewirkt, dass die koni-
primirte Luft aus einem kleinen, uutcr dem Wageubodcu ange-
brachten Reservoir, welches mit den beiden Leitungsrohren in
Verbindung steht, entweicht, wodurch eine Luftpfeife auf der
Lokomotive und auch nötigenfalls eine zweite im Zugführer-
Coupee zum Ertönen veranlasst wird. Der kleine Semaphor
Uber dem Coupee, von wo aus das Nothzeichen gegeben ist,
kann nur durch den Zugführer vermittels eines besonderen
Schlüssels zurückgestellt werden. Die Signalpfeifen ertönen
also auch dann jedesmal, wenn die komprimirte Luft vom Lo-
komotivführer in die Rohrleitungen eingelassen wird, um die
Bremsen anzuziehen, indessen ist durch eine besondere Vor-
richtung dafür gesorgt, dass dieses Pfeifen nicht von langer
Dauer sein kann.
Mau erkennt ans der vorstehenden Beschreibung zur Ge-
niige, dass die ganze Konstruktion sorgfältig ausgebildet _ ist
und besondere Beachtung verdient, zumal da sich diese Kon-
struktion ohne Schwierigkeit auch bei alten Bremswagen mit
verschiedenartiger Anordnung der Bremsen nachträglich an-
(Ztg. d. Vereins deutsch. Eisenbahn-Verw.)
Redaktion von Situationsplänen auf photogr&phisohem
Wege. Nach der Instruktion des Ministeriums sinu die Vor-
lagen der einzureichenden Eisenbahn -Vorarbeiten im Maasstabe
von 1 : 1000U für die generellen, resp. 1 : 2ÖU0 für die speziellen
Arbeiten anzufertigen, und wird daher bei Benutzung vorhau-
dener Kataster-, Separation»- oder Verkoppelungskarteu für die
generellen Arbeiten stets eine Reduktion der Blätter erforder-
lich sein, um dieselben für die Miuisterial-Vorlagou nutzbar zu
machen. Aber auch für die speziellen Arboitcu wird sich eine
solche Reduktion oft nothweudig erweisen, weun die Blätter, wie
solches namentlich in deu neuen Provinzen oft der Fall ist, in
einem anderen Maasstabe als 1 : 350U aufgetragen sind. In Han-
nover ist zum Beispiel der wunderbare Maasstab vou 1 : 2133,33 . . .
üblich.
Wer nun je eine solche Reduktion ausgeführt hat, keuut die
unendliche Mühe und Arbeit, welche dieses undankbare Geschäft
erfordert, selbst wenn alle Hülfsmittel, die der Mechaniker in
Reduküons -Zirkeln, Reduktious-Maasstäbeu und Pantographeu
bietet, herbei gelogen werden. Da stellt «ich denn der Photo-
graph als Helfer eiu und überhebt uns des grössteu Thcils der
Mühe und Arbeit Die Situation 1 : 1UOUO kauu immer uur ein
Bild der Bahnlage geben, ohne bei der Kleiuheit des Maasstabes
die Möglichkeit zu gewähreu, mit Genauigkeit Maasse abgreifen
zu können ; es wird daher eiu photographisches Bild der Karte
stets als Grundlage für die Situutions-Zeichnuug deu genügenden
Grad von Genauigkeit bieteu. Mit einer guten aplauatischen
Linse ist aber auch für den Maasslab vou 1 : 2300 die für die
Situation erforderliche Genauigkeit zu erreichen, eine Genauig-
keit die solange vollkommen genügt, als es sich nicht um Mein
und Dein, das heisbt, um den Gruuderwerb bandelt; diesem
müssen natürlich die Original-Karten zum Grunde gelegt werden.
Das Verfahren bei der photographischen Reduktion ist uuu
folgendes.*) In einen Kopfhalter gewöhnlicher Konstruktion
wird ein Reissbrett von der Grösse der angefertigten Karten-
kopien (am besten ganzer Whatmann) gespannt und nachdem
dasselbe mittel* eines [.othes genau senkrecht gestellt ist, durch
Anziehen der Schrauben des Kopfhalters definitiv befestigt Au
dieses Brett wird nun eine der zu nhotographirenden Karten so
glatt als möglich angeheftet, nachdem zuvor die Linie mit der
Stationirung eingetragen worden, oder doch eine Linie von be-
stimmter genau gemessener und scharfltegrenzter Länge einge-
zeichnet worden ist. Auf einem Papierstreifen muss die genau
reduzirte Länge einer Anzahl Stationen oder der gezeichneten
Linie aufgetragen und bezeichnet werden. Nachdem nun noch
das Reissbrctt geuau parallel dem Apparate gegenüber aufge-
stellt wurde, was durch Messuugen von der Linse nach den
Ecken des Reissbrettes ermittelt wird, kommt nun das müh-
samste Geschäft, nämlich die Ermittelung der Heutigen Ent-
fernung des Instruments von der Karte. Es bleibt dem Tech-
niker nichts übrk als sein Haupt mit dem Tuche des Photo-
graphen zu unihüllen und durch Vergleicbung des Bildes auf
der geschliffeneu Glasplatte mit dem reduzirteu Maasse in der
Hand, durch einfaches Anhalten desselben an die Glasplatte die
richtige Entfernung zu ermitteln. Da die photographischeu
Apparate, soweit mir dieselben bekannt, keine Mikrometer-Be-
wegung haben, so ist dieses Geschäft ziemlich langweilig, doch
hilft ein glücklicher Zufall wohl auch bisweilen schnell zum Ziel.
Ist dieses erreicht und die senkrechte resp. parallele Stellung
des Reissbrettes nochmals kontrollirt, so kann die Photographi-
en^ beginnen, dst die nöthige Anzahl Platten vorbereitet,
so sind in kurzer Zeit alle erforderlichen Blätter von demselben
Maasstal«? hergestellt Sollten sich unter den Karten Blätter
mit verschiedenen Maasstäben befinden, so muss natürlich für
diese dieselbe Manipulation vorgenommen werden. Die einzel-
nen photo^rapbischen Kopien lassen sich nun leicht auf einem
Bogen Zeicheupapier zusammensetzen (ich habe deren bis 14
Stück zusammengesetzt) und von diesem Blatte dann mittelst
Durchstechen die verlaugte Situation anfertigen. Die Herstellung
der erwähnten 14 Blatt, in den Originalen sämmtlich ganzer W hat-
mann, erforderte vom Anfange der Aufstellung bis zum Fertig-
stellen der Situation in Blei etwa 8 bis 10 Tage, wobei der
Photograph natürlich noch seine gewöhnlichen Geschäfte besorgte.
Der Preis stellte sich auf circa 1 Thlr. 5 Sgr. für jedes Blatt.
Ich habe der Redaktion der Deutschen Bauzeitung zwei dieser
Blätter «ur Probe eingesandt uud wird dieselbe mir gewiss be-
stätigen, dass dieselben vollkommuu ihrem Zwecke entsprechen,
und die Blätter auf Wunsch geru zur Eiusicht mittheilen.*«) Ich
bemerke noch, dass dieselben in einer Stadt vou circa 9000 Ein-
wohnern von einem jungen, aber strebsamen Photographen her-
gestellt sind, mithin wohl auch in jeder anderen mittleren Pro-
vinzialstadt angefertigt werden können. E. F.
•) Idi habe dabei »In kMnae Alellar in einer l'ro.imiaMadt . daa nur all
**• «n»awlKli.i-ii Klurleniunerii renteh« IM, In Aom und gebe «id.- atiafuhr
licht Beachrtibune; der Manipulation hier veacntlieh am dam (Ii und«, wall ea dem
Techniker, dar die Arbeit aehnell und ao korrekt »In möglich gefördert unnerht,
unuv allen l:m»tio.l>-n anrurallien IM, alch Ihr »«■In»! ■■ unleriiehrn and
•Irr Axietetit .1-, PhoHittraphen elclt au ln.ili-.i-n
••) So.eit eine aokhe Uotätieun t ohne dl« Müttllrhkelt einer Kontrolle dar
über, ob der Maaaatab dar Keduklloa In der Thai der baah.l. htlitc tat, tc n Warth
xiu kaiin. gab«» «Ir dlaaelb» gern. D. Kad.
Personal - Nachrichten.
Preussen:
Ernannt: Dez Eisenbahn • Bau - Inspektor Bormann zu
Saarbrück zum Ober - Betriebs - Inspektor bei der Saarbrücker
Eisenbahn das. Der Lokal - Baubeamte der Militair - Verwaltung
zu Potsdam, Baumeister Hauptmann zum Landbaumeister. Die
Baumeister Matth * uud Backe zu Kreisbaumeistern in Kempen
uud Wreschen.
Versetzt: Der Kreisbaumeister Klein von Wreschen nach
Schroda.
Dem kommissarischen Vorsteher des technischen Eisenbahn-
Bureaus im Ministerium für Handel, Gewerbe und öffentliche
Arbeiteu, Eisenbahubau Inspektor Quensell zu Berlin ist der
Charakter als Baurath verliehen worden.
Sachsen:
Ernannt: Die Landbau-Assistenten: Hülle zwo Landbau-
Inspektor in Dresden, Rost zum Landhau - Assistent in Oschatz,
Seidel zum Laudbau- Assistent in Plauen, Hurtig zum Hülfs-
arbeiter in Chemnitz, Loewe zum Hülfsarbeiter iu Zwickau.
Versetzt: Der Chaussee -Inspektor Kran tz in Löbau nach
Pirna. Der Chaussee - Inspektor B. Lehmann II. in Schnee-
berg nach Löbau. Der Chaussee -Inspektor Fritzsche in Pirna
nach Sehneeberg.
Den Staatsdienst haben verlassen: Der Strassenbau-
Kommissar, (»H-rbaurath Sorge zu Dresden. Der Lamlhau-
Assisteut Haupt zu Oschatz. Die Hülfsarbeiter Tramm er zu
Zwickau, Grosser uud Martin in Chemnitz.
Gestorben: Der Wasserbau -Inspektor, gepr. Civil- Ingen-
Kreit ag iu Zwickau.
Carl Ue.lt t< .,, bVM,,,.
uruek ran Ii r
Digitized by Go
Jahrg. VI. Jt£ 33.
DEUTSCHE BAUZEITUNG
x«fekti» . xmp.uti« Orcrun Hp<? Vprhan Hp<j Usstwti
%nüm. »r.n*a.trt** HL WrgHU UtJ& VtjrUailUet» n,«lLMtd«4«M«
„ ££S£ZT deutscher Architekten - und Ingenieur-Vereine. J&ÄS» 8
Redakteur K. E, 0. Prit.cH. ' " ri ü fcfc* *
Preis 1 Tbaler »re Quartal.
Berlin, den 15. August 1872.
Fr sr hf int jeden ■•■■entag.
Inhal«: XVI. V«*M»laag d.ol..l„, Arehluktea »n4 Ia«raJ*»ra in
*»r F.cbarrk.tr*|.r (FlUKl— S> - F. .11 l.loo | Vom Dom «u Cöla. -• V.r-
•»MWlIunct PaiaMM In Wl.a. - Aa< d.r r.cblUtaratar: Dt* Abrollt.
t« K.ud.t «»-I Oold«hol<l. - Krbkam'. ZtlUekrlft rär l««*.. - Raa
ittnr.W. - l'-fr.oa.lN.rhriotat.r.
XVI. Versammlug deutscher Architekten und ingenienre zu Karlsruhe.
Bei dem lebhaften Interesse, welches die Angelegenheit der Konkurrenz für das Haas des Deutschen Reichstags
vor Allem in den Kreisen der Bautechniker findet, von denen es nur einer verhältnissmässig kleinen Zahl vergönnt gewesen
ist, die Ausstellung der Entwürfe in Berlin za besuchen, ist es in hohem Grade erwünscht, wenigstens die hervorragenderen
der Konkurrenzarbeiten auf der mit der Versammlung zu Karlsruhe verbundenen Ausstellung architektonischer Arbeiten
vereinigt zu sehen. Die geeigneten Schritte zur Erlangung der preisgekrönten Entwürfe sind geschehen, und es ist zu
hoffen, dass dieselben zur Ausstellung kommen werden. Es werden aber auch die nicht prümiirten Theilnehmer an der
Konkurrenz hiermit dringend ersucht, ihre Entwürfe behufs der Ausstellung bis spätestens den 15. k. M. an das lokale
Komite für die genannte Versammlung z. H. des Vorsitzenden, Herrn Professor Baumeister nach Karlsruhe einzusenden.
Dass für eine sorgfältige Behandlung bei der Ausstellung und vorsichtige Verpackung der Arbeiten bei der Rücksendung
Sorge getragen werden wird, bedarf wohl kaum der Versicherung.
Berlin, den 13. August 1872.
Der Vorstand des Verbandes deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine.
Pir Erlau eiies -entgehe. Pate nt^esetzes.
wird auf verschiedenem Wege, wenn
anders durch die Verhandlongen in der letzten Haupt-
Versammlung des Architekten -Vereins zu Berlin, bekannt
geworden sem, dass der Verein deutscher Ingenieur«» seinen
seit 10 Jahren fortgesetzten Bestrebungen für Regelung des
Patentwesens in Deutschland nunmehr dadurch einen vor-
laufigen Ahse bloss gegeben hat, dass er dieaerhalb in Form
einer Petition mit bestimmt formt
Keichsgewalt sich gewendet bat.
Die Angelegenheit ist für die grosse Mehrzahl unseres
eigentlichen Leserkreises, die deutschen Architekten und
Bau - Ingenieure . nicht in demselben Grade wichtig, wie für
die Vertreter der Maschinen -Technik, die in ihr mit Recht
eine der Lebensfragen ihres Faches erblicken. Nichts desto-
weniger müssen auch wir ihr eine hervorragende Bedeutung
zuerkennen und sind verpflichtet ihr voll« Beachtung zu
widmen. Denn nicht allein, daas inuerbalb des Verbandes
deutscher Architekten- und Ingenieur -Vereine, dessen In-
teressen wir dienen, eine namhafte Anzahl von Maschinen-
ingenieuren vertreten ist, die es mit Recht verlangen können,
dass der Verband auch ihre Sache führe und fördere, soweit
er es vermag; es berühren sich die Interessen der einzelnen
technischen Zweige viel zu nahe, als dass der eine gegen
die des anderen sich gleichgültig verhalten dürfte — mag
immerhin Jeder in einer selbstständigen Behandlung
seiner Angelegenheiten das wirksamste Mittel ihrer Förde-
rung betrachten. So zweifeln wir nicht daran, dass auch
unsere Fachgenossen im engeren Sinne einer sach- und zeit-
gemassen Feststellung des Patentrechts ihre Theilnahme und
Mitwirkung zollen werden. Von einem erfolgreichen Auf-
schwünge der vaterländischen Industrie, den man auf Grund
desselben erwartet, wird ein nicht geringer Antheil auch
unserem Fache zu Gute kommen, ganz abgesehen davon,
dass nicht wenige. Erfindungen ihm direkt angehören; auch
hangen die Fragen des Patentrechtes mit den Fragen des
» für die Erfindungen der Kunst und des Knustge-
die noch immer ihrer Erledigung harren, so eng
neu. dass eine Lösung derselben kaum anders als ge-
meinschaftlich erfolgen kann.
Wenn hiemach die deutschen Maschinen-Ingenieure sehr
wohl berechtigt sind, für ihre Bestrebungen zur Regelung des
Patentwesens die Unterstützung der Bautechniker anzurufen,
und wenn wir glauben, dass diese gewiss nicht werthlos
und unwirksam sein würde, so ist um so mehr zu bedauern,
dass der richtige Weg, um sie in der formell geeignetsten
Weise herbeizuführen, eine Aufforderung an den Vorstand
des Verbandes deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine,
die Angelegenheit auf die Tagesordnung der diesjährigen
Abgeordneten -VersammhinK des Verbandes zu setzen, nicht
eingeschlagen worden ist. Leider ist die Zeit zo einer "Tör-
beratbung derselben innerhalb der einzelnen Vereine jetzt
wohl nicht mehr ausreichend und es ist unwahrscheinlich,
dass sie auch ohne eine solche als dringlich und zu sofor-
tiger Beschlussfassung geeignet erkannt werden dürfte.
Soweit es in unserer Macht steht, wollen wir wenigstens
dem Vorwurfe begegnen, dass es in den Kreisen der deut-
scheu Bautechniker an Interesse für das Vorgehen des Ver-
eins deutscher Ingenieure und an dem Verständniss, dass
eine zeitgemässe Feststellung des Patentrechtes eine gemein-
same Angelegenheit aller Techniker ist, gefehlt habe — ein
Vorwurf, der leicht dazu geeignet sein möchte, die bei ein-
zelnen Vertretern der Maschinen -Technik noch immer vor-
handene Missümmung gegen unser Fach, die wir nicht auf-
richtig genug beklagen können, aufs Neue zu schüren. Indem
wir daher unseren Lesern von der dem Bundesrath des
deutschen Reiches gemachten Vorlage Kenntniss geben, ver-
weisen wir sie zugleich 'auf frühere Erörterungen im Jahrg.
1867, S. 389 und im Jahrg. 18G9, S. 144 und 155 unseres
Blattes, in denen wir mit Anlehnung an die älteren Arbei-
ten, die der Verein deutscher Ingenieure den Fragen des
Patentrechtes gewidmet hatte, schon damals bemüht wa-
ren, nm die Aufmerksamkeit unserer Fachgenossen für jene
Angelegenheit zu werben. Die Ausführlichkeit, mit der
der Verfasser des zuletzt erwähnten Artikels die prinzipielle
Grundlage der Frage bearbeitet hat, gestattet uns auf eine
ausführliche Mittheilung der Petition, die im Wesentlichen
keine neuen Momente hierfür beibringen konnte, zu verzich-
ten, während wir den von der Kommission des Vereins*)
aufgestellten „Entwurf eines Patentgesetzes für das deutsche
Reich* mit den zu diesem gehörigen Erläuterungen (jedoch
ohne die ausführlichen, die Patentgesetzgebung in anderen
Ländern zum Vergleiche heranziehenden Motive, welche
jeder, der spezielleres Interesse an der Sache hat, in Heft V
der Zeitschrift d. V. d. Ing. nachlesen mag) seinem Wort-
laute nach mittheilen. Dass wir unsererseits auf eine Be-
sprechung der einzelnen in Frage stehenden Punkte nicht
eingehen, findet unter den obwaltenden Ve
seine ausreichende Erklärung.
•) Dl.wlb« bMl.ud .im o>a Hro. P.bilkaat C. Girln.r (BuckM
barf). Omni • Direktor Wlut.t <G*orf -Mari.aki.ti. «"> Oraabrück). »ja
Dr. Andr* lö«a.btatk). Dr. W. M.a.a. aa<l Zi.il- lagt«.« Zt.barth
Parts).
Digitized by Google
- 26G -
Entwurf eine« Patentgesetzes für da« deutsche Reich.
Der vorliegende Entwurf eines einheitlichen Patentgesetz««
für diu. deutsche Reich geht davon au«, dass es nicht Mos
darum »ich handelt, gleiche Grundsätze für die Ertheilung von
Erfind uugspatenten in den einzelnen deutschen Staaten aufzu-
stellen. Der Natur der Sache nach inuss die Ertheilung von
Erfiudungspatenten für das deutsche Reich einheitlich und un-
mittelbar durch eine Reichsbehörde erfolgen. Wollte man, wie
bisher, in einzelneu Staaten besondere Erfindungspateute er-
theilen, welche nur für den Umfang des betreffenden Bundes-
staates Gültigkeit haben, su würde man damit uunothige Schwierig-
keiten schaffen und deu Erfolg vereiteln. Der Entwurf schreibt
daher vor, das« die Erfindungspateute von einer Behörde für
das ganze Reich ertheilt werden sollen.
Der dem Patentinhaber gewährte Patentschutz ist eine Lei-
stung des Staates, welcher die Veröffentlichung der Erfindung
als Gegenleistung gegenüber steht. Der Nutzen der Patente
besteht wesentlich darin, das* der Patentschutz die Veröffent-
lichung neuer Erfindungen befördert Der Entwurf giebt diesem
Gedanken nach verschiedenen Richtungen Ausdruck. Er schreibt
vor allen Dingen die vollständige Veröffentlichung aller Erfin-
dungen vor, für welche ein Patent nachgesucht wird, und ver-
pflichtet das Patentamt, dafür zu sorgen, dass neue Erfindungen
in möglichst weiten Kreisen bekannt werden. Er bekämpft die
Geheimhaltung der Erfindungen durch die Voraussetzungen, an
welche die Ertheilung von Patenten geknüpft ist (<j 2).
Wenn aber die \ eröffeutlichune eiuer Erfindung als Gegen
leistung erscheint, durch welche sieh der Erfinder den Patent-
schutz erkauft, so niuss andererseits der Patentschutz so wirk-
sam sein, dass ein genügender Antrieb zum Nachsuchen van
Pateuten vorliegt- Dazu reicht der bisher in Deutschland ge-
währte Patentschutz nicht aus. Um ihn wirksam zu machen,
braucht man zwar nicht die Einfuhr patentirter Gegenstände
unmittelbar zu verbieten, wohl aber muss der Handel mit pa-
teutirteu Gegenständen untersagt sein. Ist der gewerbsmässige
Vertrieb auswärts angefertigter Sachen erlaubt, die Fabrikation
im lnlande aber an die Erlaubnis« des Patentinhabers geknüpft,
so würde darin eine Begünstigung der ausländischen Fabrikation
liegen. Auch aus diesem Grunde ist das bisherige System, deu
Handel mit patentirlen Gegenständen freizugeben, unhaltbar.
Em gutes Patentgesetz muss dafür sorgen, dass die Erthei-
lung von Patenten nicht unbillig erschwert werde, wie es jetzt
in Preussen tatsächlich der Fall ist, dass aber andererseits
das Publikum uicht durch ein Uebormaass von Patenten be-
lästigt wird.
Der Entwurf schliesst, um diesen doppelten Zweck zu er-
reichen,
1) bei Ertheilung »der Patente jede Rücksicht auf die Nütz-
lichkeit der Erfindung aus. Der Nutzen einer Erfindung lässl
sich im Voraus nicht Vurtbeilen; ist der Gegenstand überhaupt
zur Patentirung geeignet, so mag der Patentinhaber selbst er-
messen, ob die Erfindung Zeit und Kosten lohnt
Der Entwurf verpflichtet jedoch — um von vornherein eine
Ueberzahl nutzloser Patente zu vermeiden — das Patentamt, vor
der Bekanntmachung des Gesuches und der Beschreibung (i 23)
demjenigen, dessen Gesuch voraussichtlich zu keinem Resultate
führt, den Rath zu ertheilcu, dass er davon Abstand nehme
(§ 24). Dieser Rath wird iu vielen Fällen befolgt werden ;
wird er nicht befolgt, so erfolgt zwar die Bekanntmachung und
das weiteru Verfahren. Da aber bei der Bekanntmachung die
Bemerkung veröffentlicht wird, dass das Patentamt den Rath
ertheilt habe, das Gesuch nicht zu verfolgen, und solche Patent-
gesuche, welche trotzdem verfolgt werden, äusserlich sofort er-
kennbar sind, so ist, wer kein Interesse findet, alle Gesuche
durchzusehen, in der Lage, seine Aufmerksamkeit auf diejeni-
gen zu richten, welche das Patentamt ohne weitere Bemerkung
veröffentlicht Das Nachsuchen von Patenten behufs der Re-
klame wird dadurch uuthunlirh. Der Staat aber wird durch
die etwaige Bekanntmachung nutzloser Patentgesuche nicht be-
schädigt, weil die Bekanntmachung in allen Fällen auf Kosten
des Antragstellers erfolgt
2) Der Entwurf ertheilt die Patente nicht abgabenfrei, (dies
ist jetzt in Preussen der Fall), sondern verlangt die Zahlung
einer Abgälte. Diese Abgabe ist im Anfange sehr mässig und
steigert sich alltnälig. Die Erfahrung anderer Länder lehrt,
dass durch ein solches System steigender Abgaben viele werth-
lose Pateute bald nach der Ertheilung beseitigt werden.
3 ) Ufr Entwurf Ifisst der Entscheidung des Patentamtes
über das Patentgesuch ein Verfahren vorangehen, durch welches
das grössere Publikum mit der Sache bekannt wird und Gele-
genheit gewinnt, Einwendungen zu erhebeu. Er erleichtert diese
Entscheidung hierdurch unif durch die Vorschrift, dass der Ge-
genstand des Patentes ausgeführt sein muss, bevor das Patent
ertheilt wird. Er gestattet dem Patentamte, wenn das Gesuch
unbegründet ist, das Patent abzuschlagen, weil eine Behörde
nach der Auffassung des Entwurfes nicht gezwungen werden
kann, ein von ihr als unhaltbar erkanntes Gesuch zu gewähreu,
ieht aber andererseits dem Erfinder ein Recht auf Ertheilung
»s Patentes, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen "
tigt Die konsultative Thätigkeit des Patentamtes vor der Be-
kanntmachung ist weder schwierig noch allzu verantwortlich ;
die endliche Entscheidung aber ist erleichtert durch die Aus-
scheidung einer grossen Menge von nutzlosen Gesuchen, die
nicht so weit gelangen, durch die Mitwirkung des Publikums
und dadurch, dass die Entscheidung keine definitive ist
Es ist möglich, dass in der Praxis das Patentamt nach dem
System des Entwurfes bei der Entscheidung über das Patent-
gesuch — sobald die Sache in dieses Stadium gekommen ist —
j. 26 — nicht allzu strenge vesfehren wird, wie man denn in
der That in Amerika und England, wo das Patentamt keine
geringeren Befugnisse hat, bei Ertheilung von Patenten nicht
sonderlich strenge ist ludessen würde man ohne Grund von
einer minderen Strenge ein Uebermaass von Patenten fürchten,
weil einestheils eine grosse Zahl vuu Patcutgeauchen, vermuth-
lich mehr als die Hälfte, bis zu diesem Stadium gar nicht ge-
langt auch die Notwendigkeit nachzuweisen, dass der Gegen-
stand des Patents ausgeführt und in Gebrauch gekommen ist,
eine Menge von Uuzuträglichkcitvn beseitigt, — auderuthc-ils die
nachträgliche Aufhebung ortheilter Pateute durch gerichtliche
Entscheidung nach jeder Seite hin offeu gelassen ist und die
steigeude Abgabenskala werthlose Patente rasch beseitigt
Der Entwurf schliesst sich hiernach au keine der bestehen-
den Gesetzgebungen genau an, sucht vielmehr die guten und
brauchbaren Bestimmungen der verschiedenen Gesetzgebungen
zu vereinigen und das lubrauchbare zu vermeiden, sucht über-
haupt die praktische Seite zu betonen und scheut sich nicht,
hier und da Neues zu empfehlen. Da aber in der That ein
fsnaues Kopiren der einen oder anderen Gesetzgebung nicht am
latze ist, so wird man daraus keinen Vorwurf erheben wollen.
Gegenstand des Patentschutzes.
§ 1- Gegenstand des Patentschutzes sind: I) Erzeugnisse
der Industrie. 2) Methoden, solche herzustellen, 3) Maschinen,
Geräthe oder Werkzeuge, vorausgesetzt, dass dieselben neu ent-
deckt oder erfunden und ihrer Aatur nach überhaupt patent-
fähig sind. Die Nützlichkeit kommt dabei nicht in Betracht
Für Veränderungen solcher Gegenstände werden, vorausgesetzt,
dass sie sich als selbststäudige neue Entdeckungen oder Erfindun-
gen darstellen, Verbesserungspatente ertheilt, und zwar als selbst-
stäudige Patente oder als Zusatzpatente. Für Gegenstände,
welche als zusammengehörige T heile einer Erfindung nicht zu
betrachten sind, können nur getrennte Patente ertheilt werden.
§ 2. Eine Entdeckung oder Erfindung, welche durch den
Druck in einer europäischen Sprache, oder im deutschen Reiche,
sei es durch offenen Betrieb oder anderweitig vor der Anmeldung
des Pateutgesuclies iu solcher Weise bekannt geworden ist, das«
dieselbe danach vollständig ausgeführt werden kanu, gilt nicht
als neu- Die geheime Benutzung eiuer Entdeckung oder Erfin-
dung ist dagegen kein Patenthindernias, gewährt aber das Recht,
die bisherige Benutzung in früherer We - se fortzuführen (vergl.
§ 28). Auf Vorgänge ausserhalb des deutschen Reiches von
Amtswegen Rücksicht zu nehmen Bind die Patentbehörden nicht
verpflichtet
§ 3. Ein Patent kann nicht ertheilt werden: 1) auf Nah-
rungsmittel, Getränke oder Arzeneien, 2) auf Alles, was unter
das Gesetz vom 11. Juni 1870, betreffend das Urheberrecht an
Schriftwerken, Abbildungen, musikalischen Kompositionen fällt,
sowie auf Formen der äusseren Gestalt (Muster und Formen;:
3) auf Entdeckungen oder Erfindungen, deren Ausübung gegen
ilie guten Sitten oder die Gesetze Verstössen würde.
Berechtigung
md Fähigkeit zum Erwi
Patenten.
rb von
und gestattet daher eine Klage auf Ertheilung des Patcntesl
Vergleicht man die Thätigkeit der Patentbehörde nach d
vorliegenden Eutwurf mit dem jetzigen preussischen Verfahren,
so ist der gegen das letztere erhobene Einwand, dass die dem
Patentamte zugemuthete Thätigkeit unausführbar sei und die
§ 4. Anspruch auf ein Patent hat der Entdecker oder Er-
?r, welcher zuerst um ein Patcut ordnungsmäßig i
Er kann Dritten überlassen, diesen Anspruch geltend zu i
Einen besonderen Nachweis, das er der Eutdecker oder Erfinder,
oder von diesem der Anspruch ihm überlassen sei, braucht er
jedoch nicht zu führen, vorausgesetzt, dass die Erfindung oder
Entdeckung überhaupt neu ist.
§ 5. Patente können erworben werden sowohl von physi-
schen , als von juristischen Personen und überhaupt von ledern
zur Erwerbung von Rechten befugten Rechtssubjekte. Ausländer
müssen zu diesem Behuf ein Domizil im deutschen Reiche
wählen ; auch kann der Bundesrath aus Gründen der Reziprozität
ein Anderes bestimmen.
§ & Erthcilte Patente können unter Lebenden oder von
Todes wegen gänzlich oder theilweise übertragen werden. Der
Uebergang des Patentes auf einen Andern als den beim Patent-
amte verzeichneten Inhaber hat indess Dritten gegenüber erst
dann Wirksamkeit, wenn er in öffentlich beweisender Form dem
Patentamte urkundlich nachgewiesen ist und dieses in Folge
dieser Nachweisung die Umschreibung in dem zu dem Ende an-
zulegenden Register bewirkt hat.
§ 7. Mitglieder oder Beamte der Patentbehörden können
Pateute anders als von Todes wegen nicht erwerben.
Ertheilung und Erlöschung der Patente.
§ 8. Die Ertheilung der Pateute erfolgt durch das Patent-
amt mittels Bakanntmachung im amtlichen Blatte des Patent-
amtes. Das Patent tritt in Kraft mit dem vierzehnten Tage
nach dem Ablauf desjenigen Tages, an welchem das betreffende
Stück des amtlicbdn Blattes am Sitz des Patentamtes ausge-
ist
Digitized by Google
— 267 —
§ 9. Patente, welch«- das Patentamt ertbeilt, haben Gültig-
keit für fünfzehn Jahre, Zusatzpatente für die Dauer des Haupt-
patentes.
§ 10. Für den Patentschutz ist eine Abgabe zu entrichten.
Diese betragt ausser der bei der Anmeldung tu entrichtenden
Gebühr für das erste Jahr 10 Thlr. Vor Ablauf des ersten
Jahres ist für das zweite Jahr eine Abgabe von 20 Thlr. zu
entrichten, vor Ablauf jedes folgenden Jahres eine jährlich um
10 Thlr. wachsende Abgabe für das nächstfolgende Jahr. Die
Bezahlung der Abgälte früher als sechs Monate vor Beginn des
Jahres, für welches die Abgabe den Patentschutz siebern soll,
ist unzulässig. Für Zusatzpatente wird eine einmalige Gebühr
von 10 Thlru. . ausserdem aber neben der Abgabe für das
llauptpateut keine besondere Abgabe erhoben
§ II. Ein Patent erlischt: 1. durch ein dasselbe aufheben-
des gerichtliches Erkenntnis« (§ 28): ■>. mit Ablauf des Zeit-
raumes, für welchen es Gültigkeit hat; 3. mit Ablauf der Zeit,
für welche die Patentabgabc bezahlt ist. falls die Altgabe für
das nächste Jahr nicht rechtzeitig eingezahlt wird; 4. durch
Verzichtleistung mittels schriftlicher Anzeige beim Patentamte;
6. durch Verfügung des Patentamtes, wenn die Entdeckung oder
Erfindung nach Ertbeilung des Patentes im deutschen Reiche
zwei auf" einander folgende Jahre ausser Anwendung geblie-
ben ist.
Patentbcbörden.
S 12. Die Patentbehorden sind das Patentamt und das
Reichs- Oberhandelsgericht Das Patentamt hat seinen Sitz am
Sitze deR Reichs-Oberhandelsgerichtes.
$ 13. Die Mitglieder des Patentamtes ernennt der Kaiser
auf Vorschlag des Buudesrathes, die Ernennung der übriguu
erforderlichen Subaltern - oder Vnterbeainten erfolgt durch den
Präsidenten des Patentamtes. Die Mitglieder des Patentamtes
sollen mindestens zur Hälfte in dem einen oder anderen Zweige
der Industrie sachverständig sein.
§ 14. Der für die Patenthehfirdeu erforderliche Aufwand
wild aus der Reichskasse bestritten. Insbesondere werden alle
bei denselben angestellten Beamten aus der Reichskasse be-
soldet Die Gebühren und Abgaben in Patontsachen fliesseu
zur Reichskasse.
5 IV Das Patentamt bat: 1 ) in Bezug auf die Ertbeilung
von Patenten und deren Aufhebung nach näherer Vorschrift
dieses Gesetzes zu entscheiden, das öffentliche Interesse in allen ,
Patentungelegeuheitcii wahrzunehmen und vor dem Reichs-
oberhandelsgerichte zu vertreten; -') über die Anmeldung von I
Patentgesuchen; die Ertbeilung und den Fortbestand derselben
die enorderlicheu Register zu führen ; 3) die im Privatinteresse
erforderlichen Bescheinigungen auf Grund seiner amtlichen
Kenntnis» mit der Wirkuug auszustellen, dass dieselben ^gleiche
Beweiskraft haben wie Öffentliche Urkunden; 4) für die Auf- |
bcwohruug sämmtlicher das Patentwesen betreffenden Urkunden,
Beschreibungen, Zeichnungen, Modelle, Akten u. s. w. zu sorgen, '
auch die Kenntnis* der Beschreibungen, Zeichnungen und Mo-
delle für das Publikum zu vermitteln.
§ 16. Das Patentamt erlässt alle Bekanntmachungen in
dem amtlichen Blatte des Patentamtes. Jährlich soll dem
amtlichen Blatte ein Verzeichnis der noch gültigen Patente,
in welchem der Inhalt kurz bezeichnet and du Datum der Kr-
theilung angegeben ist, beigefügt werden. Das Erlöschen von
Patenten ist im amtlichen Blatte' baldtbunlichst anzuzeigeu.
§ 17. Das Pateutumt ist befugt, sobald ihm das erforder-
lich scheint, Sachverstäudige zuzuziebeu, ohne jedoch an deren
Gutochteu gebunden zu sein.
4 18. Der Bundesrath ist befugt, den Geschäftsgang und
das Verfahren vor dem Patentamte unter Begutachtung der
Vorschriften dieses Gesetzes näher zu regeln.
§ 19. Das Reichs-Oberhandelsgcricht entscheidet: l) über
Streitigkeiten iu Bezug auf die Ertbeilung von Patenten, deren
Ungültigkeit und Erloschen; 2) über Streitigkeiten zwischen den
Inhabern verschiedener Patente bezüglich des L'mfanges ihrer
gegenseitigen Rechte; 3) im Falle des § 31. über die zuzubilli-
gende Entschädigung; ferner als oberste« Gericht 4) in allen
Streitigkeiten, welche den Patentschutz zum Gegenstände haben,
mit der durch die 12 und 13 des Ges. v. 12. Juni 1869, be-
treffend die Einrichtung eines obersten Gerichtshofes für Han-
delssachen , bei diesem begründeten Zuständigkeit als oberster
Gerichtshot.
§ 20. Für die Fälle des § 19, 1, 2, 3 gelten für das Ver-
fahren vor dem Reichs - Oberhaudelagerichte folgende besondere
Vorschriften: 1. die Parteien müssen sich durch einen bei dem-
selben zur Praxis befugten, am Orte des Gericht« wohnhaften
Rechtsanwalt oder Advokaten, das Patentamt kann sich auch
durch eines seiner Mitglieder vertreten lassen; 2. das Verfahren
ist öffentlich und mündlich; 3. das Gericht ist befugt, alle solche
Beweismittel selbst durch eines seiner Mitglieder oder durch
Requisition der ordentlichen Gerichte aufzunehmen, welche ihm
zur Aufklärung der Sache dienlich erscheinen. An das Gut-
achten von Sachverständigen, welche das Gericht zuzieht und
nach seinem Ermessen zuzuziehen befugt ist ist das Gericht
nicht gebunden; 4. das Gericht stellt den That bestand nach
seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlungen ßcnchnnften
Ueberzeugung fest, ohne an positive Regeln über die Wirkung
der Beweismittel gebunden zu sein; 5. das Gerieht ist befugt,
jede Partei, welche unterliegt, mit Ausnahme des Patentamtes,
zu Gunsten der Gegenpartei in die Kosten des Verfahrens ganz
oder theil weise undf zum Schadenersatz zu verurtheilen; 6- die
etwa erforderliche öffentliche Ladung der Parteien zu den Ver-
handlungen vor dem Gerichte erfolgt gültig durch das amtliche
Blutt des Patentamtes. Doch kann das Gericht daneben Ver-
öffentlichung der Ladung auch in anderen Blättern anordnen;
7. im Uebrigen wird das Verfahren durch ein Regulativ geord-
net, welches der Gerichtshof zu entwerfen und dem Bundesrath
zur Bestätigung vorzulegen bat
(Schlau folgt.)
§ 6-
Faehwerksträg er mit gekrümmter oberer Gurtung
und Po rtalabschlüssen an den Enden-
Vorstehend bezeichnete Trägerarten sind in der neueren
Zeit namentlich wohl deshalb sehr vielfach zur Anwendung ge-
kommen, weil sie die Durchführung des oberen horizontalen
Kreuzverbandes bis zu den Enden hin gestatten und eine lelxm-
digere Wirkung bietcu, als die Träger mit gerader oberer Gur-
tung. Die der oberen Gurtung zu gebende Krümmung wird
gewöhnlich als Kreislinie oder auch als Parabel gewählt- Im
Nachstehenden soll, um die ohnehin etwas umfangreiche Rech-
nung nicht noch zu vermehren, der letztere Fall zu Grunde
gelegt werden.
(Flg. >.)
Beitrage zur Theorie der rarhwf rksträjrr.
(FvrtMUiwg).
Es soll nun zunächst mit der Bestimmung des Gewichtes
für die untere Gurtung begonnen werden-
Die Gurtungsspannung im Punkte H ist, wenn g die totale
Belastung de» Trägers pro Längeneinheit bezeichnet,
= 2 ««-«') . j
mitbin das Gewicht der unteren Gurtung für die Trägerhälfte
q A« (/« — «*) .
ft = 2 \ k du
oder wenn man den Werth h aus Gleichung 3 einsetzt,
«7 /Vi (Iu - W) du
• *-t/..- ( ,-).
Die Auflösung des vorstehenden Integrales, welches Schwie-
rigkeiten nicht bietet, ergiebt
5J <»i
4 Vm*
4 m
log. uat
v % +
m
Stellt Fig. 8 die Hälfte eines derartigen Trägers vor, so
lässt sich die Gleichung für den parabolischen oberen Bogen
nach den 3 Wertheu r, a und der Spannweite / des Trägers
ermitteln: sind nämlich K die Ordinate und « die Abszisse eines
beliebigen Punktes .4 der oberen Gurtung, so findet sich un-
schwer die Gleichung:
» ""-'VMS-")'
oder wenn man zur Abkürzung
O
2) ia:
= m
setzt, so 3) h
Aehnlich ist bezüglich der oberen Gurtung zu verfahren.
Die Spannung in einem beliebigen Punkte A derselben ist, wenn
ds das Boge ndiffe reu tial bezeichnet,
_ 2 A ' du'
also das Gewicht der oberen Gurtung für die Trägerhälfte:
«) c- ' f J t
Es ist nun
idi)' = (dM)>
du du
und nach Gleichung 3:
(rfA)' = 4«' - »y du'
du
+ du
Digitized by Google
- 268 —
* - »» ( f, - *)'
iuch die Auflösung dieses Integrales hat kein« Schwierigkeiten
ind liefert dasselbe den Werth
8 ) ff ,= ff /(, + 4 1 w - w
und
_f» -(r\.V .+_«?•*. log. n at.
1/
1/ » _ '
Die Bestimmung des Gewichtes der Vertikalen folgt den
Werthen der Vertikalkraft. Dieselbe ist in einem beliebigen
Schnitte 4 B des Tragers = f fy — « j Bezeichnet nun *
die Breite der Feldtheilung im Hauptsysteme (also beispiels-
weise beim dreifachen Systeme die Breite dreier Felder), a wie
früher einen gewiasenKoeffizienten , so ist das Gewicht
Vertikalen
der Trägerhälfto
ff, = af 'g^j - *) * 'In
-V>T(t-){— (t -')■}'•
01 c. =.,...».£(.-»|)
Für die Diagonalen ermittelt sich schliesslich in
lieber Weise, wenn ß als Koeffizient die frühere Bede
behält:
»der da nach Gleichung 3:
dh
A.6
du
IT = 2*
d. L:
ff. = ß f '/
u
-f *•
2«
10) C. =
Das Gesammtgewicht der Trägerhälfte ist demnach aus Gleichung
5, B, 9 und 10:
Z = ff, + ff, + ff, + ff.
d. i.
/ 5 /»\ 1 + 2 *«
M
+4
8« IM.
l/ 4 -
m
ßb
log. uat
in
8 1 »-P
Die Anwendung vorstehender Gleichung würde
allgemeinster Form wie folgt aussprechen:
Die Trägerhöhen r am Ende und % in der Mitte sind als
2 urvariable Grössen aufzufassen, die nach einer parabolischen
Linie mit einander verbunden sind; es sind solche Wertbe für
beide Urvariable iu ermitteln, dass sich - einem Minimalwerthe
nähert
Die streng mathematische Entwickelung des Werthes 2 »1»
würde erforderlich machen, dass die Ableitungen der Gleichung
11 sowohl nach r als nach a gesucht und dieselben zu Null
ht würden. Es leuchtet aber ein, dass man als Abgi-
ngen transzendente Gleichungen erhalten würde, deren Lösung
nur auf dem Wege des Versuches möglich ist. Da also das in-
direkte Verfahren so wie so augezeigt ist, würde es nur eine
Weiterung sein , wenn man die zutreffenden Werthe von p und
% vermittels der Ableitungen aufsuchen wollte. Es wird im
Allgemeinen kürzer sein, direkt mit Versuchswerthen in
Gleichung 11 selbst zu operiren.
Die Anwendung der in Rode stehenden Trägerform ist
gegenwärtig eine häufige: namentlich wird sie bei grossen
Spannweiten ganz besonders beliebt Im Folgenden soll des-
halb noch ein spezielles Beispiel bebandelt werden, welches aus-
weisen wird, dass in den meisten ausgeführten Fällen ein ganz
befriedigendes Resultat in Bezug auf ein zu erstrebendes Minimal-
gewicht nicht vorliegt
Die Lichtweite der grosseren deutschen Strombrücken be-
trägt im Mittel 100 m : es sei deshalb ein Träger von ähnlicher
Spannweite näher betrachtet. Die nachstehenden, in rhuinl.
Fussmaass angegebenen Maasse sind nahezu der König Wilhelma-
Rheinbrücke bei Düsseldorf (Erbkam's Zeitschrift für Bauwesen,
Jahrgang 1872) entlehnt, während der bequemeren Rechnung
wegen einige Abrundungen eingeführt sind.
Hiernach sei / = 336; » = 42; r = 20; * = '/,./.
Setzt man den Werth q in vorstehender Gleichung, welcher
;lbst lediglich als Verhältnisszahl auftritt, = 1 und läast
ferner «■ = •/,, ß= 1 l * werden, so findet man
1= 139 770.
Um den Minimalwerth für - zu finden, müssen, wie schon
augedeutet, streng geuommen die beiden Ableitungen nach r
und 3 zu Null gemacht werden. Man wird aber auf kürzerem
Wege ein Bild von dem Grade der Veränderlichkeit von - er-
halten, wenn man das eine Mal nur s, das andere Mal nur r
als veränderlich ansieht.
Belässt man zu dem Zwecke r in dem festen Werthe = 20
und variirt mit den Werthen von *, so ergeben sich folgende
Resultate:
a = 36 so 1 = U9700 » = 72 so i' = 121530
= 42
= 48 ,
= 66
Der
= 139770
= 132870
= 128080
= 124830
= 122730
für r liegt
= 111080
= 121070
— 121610
= 122510
au der Stelle, wo
: 0,232 ist Nach §. 3 wäre
= 78
= 84
= 90
= 96
s = 78 oder das Pfeilverhältniss ^
für einen Träger mit gerader oberer Gurtung und für den Fall,
dass * = /„. das günstigste Pfeilverhältniss = 0,167, mithin
weit geringer als im vorliegenden Falle, gewesen. Es lässt sich
also hieraus folgern, dass ein Träger mit gekrümmter
oberer Gurtung, um seinen relativen Minimalwerth
zu erreichen, einer grösseren HOhenentwickolung be-
darf, als ein solcher mit gerader oberer Gurtung.
Nimmt man nun zweitens a auf 42 fest hegend und va.
die Werthe von r, so findet sich:
p= 0 so .£=190340
= 8 „ = 151240
n „ = 139770
■
= 24
= 28
= 137 880
= 136 GW
r = 32 so i = 135910
= 36 „ = 135490
= 40 , 135420
= 42 , = 138270
des Trägers eine möglichst gr
lung, die Zwischenglieder (Vi
Aus diesen Resultaten lassen sich folgende Schlüsse ziehen.
Die in Rede stehenden Träger werden meist so stark gekrümmt,
dass über den Trägerenden nur das lichte Maass des Normal -
erofiles unter dem oberen horizontalen Kreuzverbande verbleibt
>ie*c Annahme ist irrig, sobald es sich um Materialersparnis*
handelt; denn mit wachsendem r hätten sich für den vorliegen-
den Träger noch etwa 3% Ersparnis* erzielen lassen; ja selbst
ein Träger, dessen Gurtungen geradlinig und parallel im Ab-
stände von 42 Fuss angeordnet wären, würde dem letzten Werthe
vorstehender Tabelle entsprechend, nicht schwerer geworden sein,
als der im Beispiel gewählte.
Noch erheblicher werden die Differenzen, wenn man die
Werthe von r verfolgt, welche unter 20 liegen, und schliesslich
bis zu r = 0, d. h. zum eigentlichen Parabeltr&ger über-
geht. Die Verbältnisszahl des Gewichte- würde hier bis auf rot.
190 000 anwachsen. Hält man diesem Resultate noch das der
vorstehenden Tabelle entgegen, wonach das Minimum von -
etwa für r = 40, also bei nur sehr geringer Krümmung der
obercu Gurtung eintritt so wird schon jetzt folgender Satz, der
übrigens in den Schlussparagraphen seine weitere Begründung
erhält als einleuchtend aufgestellt werden können:
Die beiden Gurtungen erfordern an jeder Stelle
:roase Höhenontwieke-
'ertikalen und Diago-
nalen) eine möglichst geringe. Bei der Zusammen-
wirkung beider Verhältnisse behalten die Gurtungen
ho entschieden das Ucbergewicht über die Zwischen-
glieder, dass die in der Mitte des Trägers angenom-
mene Höhe nach den Enden zu verhältnissmässig
wenig aufgegeben werden darf. Erst nahe am Trägcr-
eude wird eine plötzliche Umbiegung der oberen Gur-
tung nach der unteren hin erfolgen dürfen.
Träger, deren obere Gurtung sich sofort von der
Mitte aus stark zur unteren Gurtung herabkrümmt
(Parabelträger, System von Pauli), entfernen sicher-
sichtlich von der Minitnalform.
§. 6.
Die Veränderlichkeit der Zwischenglieder.
Durch den Schlussatz des vorigen §. ist eine weitgehende
Folgerung gezogen worden, die zunächst durch nicht« Weiteres,
als einige Zahlcubeispiele belegt werden konnte. Wir sind den
weiteren Beweis hierfür schuldig und haben die theilweise Vor-
ausschickuug jenes wichtigen Satzes hauptsächlich deshalb ge-
wählt um den Zweck der weiteren Entwickelung von vorn her-
ein möglichst klar zu stellen.
Ebenso waren die in den §f 2 — "» dargelegten Verhältnisse
Zwischenbetrachtungen, die zur besseren Einführung in die nun
rden. Es ist
Verbältnissen
zurückzukehren.
Nach den Gleichungen I bis XV 1 1 1 daselbst lässt sich das
Gewicht jedes einzelnen Gliedes, mithin das Gewicht - der Trfi-
folgendeu Erörterungen passend vor
nunmehr erforderlich, zu den im §. 1
Digitized by Google
- 269 —
gerhälfte berechnen; da In der Gleichung für - 5 Urvariable
auftreten, so würde also nur erübrigen, die Ableitungen nach
jeder dieser 5 veränderlichen Grossen für sich zu Kuli zu
machen. Die hiernach sich ergebenden Werthe für die Verti-
kalen-Höhen würden die Form eines Tragers fest legen, welcher
als absoluter Minimalträgcr gelten könnte.
Wenn schon an und für sich die angedeutete Aufgabe nicht |
ohne einige Schwierigkeiten ist, so verwickeln sich die Verhalt- |
nisse noch aus folgenden Gründen.
Es sollen für den vorliegenden Fall die analytischen Gesetze
über die Auffindung kleinster Werthe in Anwendung gebracht
werden. Dabei muss vor Allem im Auge behalten werden, das«
diese Gesetze nur für stetige Funktionen Gültigkeit haben.
Wenn nun die Stetigkeit der Beziehungen auch bezüglich der
Gurtungen vorliegt, insofern als die obere bestfindig im Druck,
die untere beständig in Zogwirkung bleibt, so trifft dies keines-
wegs bezüglich der Zwischenglieder zu. Die Stetigkeit würde
verlangen, da es sich bei - nur um absolute Zahleusuuiuicu
bandelt, dass ein Vorzeichenwechsel während der ganzen Betrach-
tung nicht eintritt; es ist aber bekannt, dass ie nach der Tra-
gerform und je nach der Lastvertheilung ein U ebergang der Ver-
tikalen resp. Diagonalen aus Druck in Zug oder umgekehrt ein-
treten kann, Hiernach ist unerläßlich, ein Bild derjenigen
Grenzen, an denen die Stetigkeit unterbrochen wird, von vorn
herein festzustellen.
Nach den Gleichungen des §. 1 findet diese Unterbrechung
der Stetigkeit 4 Mal statt, insofern als sich für die Diagonalen
und Vertikalen je 2 Gruppen von Werthen aufstellen lieasen.
Die Gleichungen jeder dieser 4 Gruppen würden sich nun
äs Null setzen und daraus die 4'StetigKeitsgrenzen berechnen
und zeichnen lassen. Da es im Folgenden wesentlich auf eine
Darstellung der Verhältnisse durch Zeichnung ankommt, so soll
der spezielle Fall vorgesehen werden, wo di
in dem Verhaltnisse zu einander stehen:
P*= 1; « = 2; >ü = 3.
Macht man nun unter Eintragung dieser Werthe
jede Gleichung der Gruppe Xa bis XIII a zu Null, so
die Hohen derjenigen Grenze, bei welcher die oberen Span-
nungswerthe der Diagonalen = 0 werden, also dieselben in allen
Verhaltnissen in Druckspannung bleiben würden:
1)
a =
! ■
135
156 '
Wird ebenso mit der Gruppe Xb bis XI II b verfahren, so
ermitteln sich die Werthe, bei deuen die untere Spannungsgrenze
der Diagonalen = Null wird, dieselben also unter allen Yerhält-
3)
77
114
9
* = 10 «
105
100
Aus Gruppe XVa bis XVIlIa findet sich diejc
bis zu welcher die Vertikalen nur Zugwirkung
haben:
— IS»
— 32
und aus Gruppe XV b bis XVIII b diejenigen
denen die Vertikalen nur Druck erleiden :
4)
r =
v = , v
x =
40
"77
8
9
110
105
37
32
Vom Dome zu Coln.
(Nach dem 62. Bauberichte des Dombaumeisters,
Baurath Voigtei.)
Die Stockungen, welche der Fortbau des Domes zu Cfiln
durch die Kriegsereignisse des Jahres 1870/71 erlitten hatte,
-sind im letzten Baujahre einer erhöhten Thätigkoit gewichen.'
Bei Konze.ntrirung des Baubetriebes auf den südlichen Thurm
ist im Jahre 1871, der Behr reichen Ornamentik der Fenster und
Wimpergs-Anlageu ungeachtet, die Thurmmauer- Arbeit bis zur
Höhe von ca. 63 10 (200') über der Fussbodenplattung der Kirche
gefördert wurden. Am Schlüsse des Jahres waren sämmt-
ßche Fenstermaasswerke und Ueberwölbungen der vier Fenster
der dritten Thurmetage, so wie die Gewölbeanfänge in den Bau-
hütten vollendet und hemmte der so früh eintretende Frost
allein deren Aufstellung und Einwölbung auf der Höhe des
Thurmes. Mit Beginn des Frühjahres 1872 ist der südliche
Thurm von den Kapitalen der Fenster aufwärts, nebst den da-
selbst beginnenden Ueberkragungs-Bogen zur Anlage des Acht-
ecks im Innern der Thürme, stetig fortgebaut und nat derselbe
die Höhe des dritten Hauptgesimses, 69 B (220') über dem Fubb-
boden der Kirche, am Schlüsse des Monats Juni erreicht
Die ThStigkeit in den Bauhütten hat sich seit dem Früh-
jahr ausschliesslich der Bearbeitung der Werkstücke des nörd-
lichen Thurmes zugewendet und wird seit Juli d. J. dieser Bau-
theil mit gleicher Beschleunigung bis zur Höhe des dritten
Hauptgesimses emporgeführt. Sobald deninüehst zu Ende des
Jahres 1872 beide Thürme die Höbe von 69 m erreicht haben,
wird der Aushau der Mittelhalle nebst Wimperg und Dachgiebel
die alleinige Bauaufgabe der ersten Hälfte des Jahres 1872 sein.
Nach erfolgter Eindeckudg der Mittelhalle zwischen den Thür
men und der Einwölbung der dritten Etage des südlichen Thur-
mes, in welcher die grossen Glocken ihre definitive Aufstellung
finden werden, bleibt demnach nur der fehlende Mittelpfeiler
der zweiten Etage mit seinen Gurt- und Gratbogen zu ergänzen,
nachdem zuvor der alte hölzerne Glockenstuhl beseitigt ist
Neben diesen Ausführungen bleibt die Bearbeitung der Werk-
stücke zur vierten Etage der Thürme, dem Oktogon, der haupt-
sächlichste Gegenstand der Beschäftigung In den Bauhütten und
1872
Die Restauration» -Arbeiten an der nördlichen Wand des
südlichen Thurmes sind im Laufe des Jahres 1871 auf die
Sockel und Pfeiler des Erdgeschosses ausgedehnt, die durch
Verwitterung und mechanische Zerstörung so vollständig aller
Details und Profilirungen beraubt waren, dass eine vollständig
neue Umkleidung der Sockel am Fussboden der Kirche not-
wendig erschien.
Durch Aufstellung der dritten Gerüstetage im Bereiche des
südlichen Thurmes ist die Anlage der Hülfsbauten für die Vol-
ler dritten Etage der Thürme beendet und werden im
Jahres 1873 sftmmtliche Konstruktionstheile des vor-
bescitigt werdeu bchufa Anlage
neuen Baugerüstes, das seine Stützen um 25» höher in
Mauerwerke des Oktogons findet und zur Aufführung
bis zum Fusse des grossen Steinhelms dienen wird.
Sobald beide Thürme bis zur Oberkante der dritten Etage
aufgeführt sind, muas auch die Dampf-Förder-Maschine im nörd-
lichen Thurme auf gleiche Höhe gehoben werdeu , um dann bis
zur Vollendung der Steinhelme, resp. bis zum Aufziehen der
grossen Kreuzblume daselbst in Thätigkcit zu bleiben.
In Betreff des Skulpturenschmucks ist nunmehr auch der
Zvklus von Heiligenfiguren und Reliefs für die Portalhallen im
Westen und Norden festgestellt- Für das Innere de* Domes
sind im Jahre 1871 die letzten fehlenden Figuren der Vorhalle,
für das Aeussere fünf der unter den grossen Baldachinen der
dritten Thurmetage aufzustellenden Kolossalfiguren durch deu
Dombildhauer Fuchs vollendet worden.
Eine grössere Zahl von Qlasgemäldcn, für deren Stiftung sich
Geber gefunden haben, ist vollendet und harrt der Einsetzung.
Die Fenster der fertigen Thurmhallen im zweiten Stockwerke
werden zum Schutze gegen die Einflüsse der Witterung mit
bunter Glasmosaik versehen. Endlich soll demnächst auch mit
einer sorgfältigen Restauration der Fenster im nördlichen Seiten-
schiffe des Langschiffes der Anfang gemacht werden. Diese
kunsthistorisch berühmten und mit so hoher technischer Vollen-
dung ausgeführten Glasgemälde wurden in Folge der Zerstörun-
gen, welche der Dom unter französischer Herrschaft erlitten, zu
Anfang des Jahrhunderts oberflächlich restaurirt und die feh-
lenden Theile mit weissen Gläsern ergänzt, auf denen die Zeich-
nungen theilweise mit Oelfarben aufgetragen sind, so dass die-
selben in ihrem jetzigen Zustande kaum einen Anhalt für die
frühere Farbenpracht und Feinheit der Zeichnung geben, welche
durch eine kunstgerechte und durchgreifende Restauration nun-
mehr vollständig wieder hergestellt werden soll.
Des bedeutsamen Geschenkes, welches dem Domhau gleich-
sam als Ersatz für die Nachtheile des letzten Krieges mit 22 in
demselben eroberten, zum Gusse der Uauptglocke bestimmten
Geschützen von Seiten des deutschen Kaisers zu Theil geworden
ist, wurde bereits in No. 23 dieser Zeitung gedacht.') Die
grosse Domglocke, im Gewichte von 500 Zentnern, wird neben
den beiden grössten Glocken des bisherigen Geläuts im dritten
Stockwerke des südlichen Thurmes ihren Platz finden, während
die übrigen kleineren Glocken, in einem Glockenstuhle vereinigt,
ini vierten Geschosse aufgestellt werden. Eine Entscheidung
über den Meister, welchem der Guss der » Kaiserglocke " über-
tragen werden soll, ist unseres Wissens noch nicht erfolgt.
Der im Jahre 1871 für den Dombau verwendete Geldauf-
wand beträgt 199282 Thlr., wodurch der Gesammtkostenaufwand,
der seit dem Jahre 1864 verbaut ist, auf 1064205 Thlr. steigt.
•) Wir hib» oh .11... U»|,g.nh.ii rorMuüMn, am «Iura irftrtlc*«». Druck-
fehler In J-ner No»lt •■ b«riciitl(*n. Durch «in- teilen« Komklar in du Komm«
In mehren der dort «nitenebeiitu Ge«ic«u»hlen <na eine Stell« uch links TBirirltt
w«rd«r,, •« .!... -litt 400, ljü. IUZ u .. w. 40,0 - Xifi - U.4Z «. .. w. ■■ I
war. MbM>«iil«IIM .. rJ.n wähl nur vent«« Um* tbtr rftia I
: «ein.
Digitized by Google
- 270 —
Trägt man diese 4 Verhältnisse so gegen einander auf, das»
die lt' enteil Warthe jeder Gruppe = */ t d werden, also in 1
und 3: », in 2: y und in 4: T — '.'»*, so ergebt sich die Zu-
sammenstellung Fig. U. Dieselbe lltsst Folgeudes erkennen:
K l * ».
a. entspricht die obere Gurtuni? der gebrochenen Linie (1)
■ ider bleibt noch unter derselben, M haben die Diagonalen nur
Druck-, diu Vertikalen nur Zugspannung:
b. hebt sieh die obere Gurtung bis <:i>. so verbleiben die
Vertikalen noch ganz in Zugspaunuug, die Diagonalen dagegen
haben Druck und Zug. Ueber (3) hinaus beginnt zum ersten
Male Druckspannung in den Vertikalen:
c. mit (2) beginnt diejenige Grenze, vou der ab die Dia-
gonalen nnr noch Zugspannung aufnehmen (System Schwedler},
und endlich ist
d mit (4) diejenige Grenze erreicht, bei der auch der letzte
Rest von Zugspannung aus den Vertikalen verschwunden, mithin
die Vertikalen nur noch Druck, die Diagonalen nur Zug
empfangen.
Von (1) bis (41 hat somit eine vollständige Umkebrung der
VerhStnisse bezüglich der Zwischenglieder stattgefunden.
D» nun von vorn herein nicht ersichtlich, welche Lage die
obere Gurtung bei Annaherang an deu Werth - mu. einnehmen
und welche der Grenzwert he für die Zwischenglieder sie passireu
wird, ob dieselben also entweder positiv oder negativ oder beides
zugleich werden, so ist die in Ii 1 gewählte Form zur Bezeich-
nung des Gewichtes der Diagonalen lind Vertikalen für eine
analytische Aufsuchung des Mmitnalwerthes von — nicht brauch-
bar, es muss vielmehr eine derartige Feststellung der Spau-
nungswerthe vorausgehen, dass dieselben vou einem Vorzeichen
unabhängig werden und als absolute Zahlenwerth«, wie die
GurtungssnaiiDuncen, eingeführt werden können.
Da» einzige Verfahren, welches hier zum Ziele Führen kann,
ist die Aufsuchung der Differenzen zwischen den oberen und
unteren Spannungswerthen, d. h. also derjenigen Werthe, welche
sich durch Subtraktion der b
Hg. i". Gleichungen von den a Gleichun-
gen des §_ 1 ergeben- Man führt
dadurch nicht denhfichsteuWertb
selbst, sondern die Differenz zwi-
schen dem obersten und unter-
sten Spannungswerthe in die
Rechnung ein, und in der That
ist man den wirklichen Verbält-
nissen dadurch nur um einen
Schritt nähe: getreten. Ein Stab,
welcher als oberen Spannungs-
werth 100 Ztr. Zug, als unteren 50 Ztr. Druck aufzunehmen hat,
durchläuft (namentlich bei einer Eisenbahnbrücke) in ver-
schwindend kurzer Zeit einen Spannungsweg von 150 Ztrn.; e«
muss ali ein Fehler unserer heutigen Berechnungsweise be-
zeichnet werden, dass wir lediglich den grösseren Werth der
einen oder anderen Reite in Betracht ziehen.
Bezüglich der Diagonalen konnten sich die Werthe so ge-
stalten, dass die obere Gurtung
die Spanuungsgrenze (2) der
Fig. Qberschreitet, dass also
der obere und untere Spon-
uuugswerth beide auf der + Seite
liegen. Wäre (wie in Flg. 11)
der obere Werth beispielsweise
= 100, der untere = 20 Ztr.,
so würde nur der Spannungsworth 80 in Rechnung kommen.
Auch hierdurch wäre ein eigentlicher Fehler nicht begangen
wordeu, da alle neueren Untersuchungen bestätigen, MM
weniger die Spannungen bd ruhender Belastung, als vielmehr
die Spannung» -Unterschiede bei mobiler Belastung in Betracht
kommen. Uebrigens kann auch, sobald sich ergeben sollte, dass
dii- obere Gurtung in diejenige Grenze fällt, wo die angedeu-
teten Verhältnisse statt haben, leicht eine nachträgliche Kor-
rektur eingeführt werden. Die Hauptsache bleibt vorläufig, dass
eine Klarheit bezüglich derjenigen Stellen eingetreten ist, wo-
selbst dopix lto Vorzeichen eintreten. Subtrahirt man die Glei-
chunKcn Ab bis XIII b von den Gleichungen Xa Ins XIII a und
oben« XVb bis XVlUb von XVa bis XVllIa, so können, so
lange als die obere Gurtung konkav zur unteren liegt (und
dieser Fall kommt hier lediglich in Betracht) diese Differenzen
nur mit positivem Vorzeichen d. h. als absolute Werthe er-
scheinen.
Bezüglich der End-Vertikale und Diagonale treten die ange-
deuteteu Verhältnisse nicht ein, und wird deshalb, entsprechend
den Gurtuugen, deren grösste Spannung in Rechnung gebracht.
Die GleiehuDgen IX bis XVIll stellen sich deshalb für die.
weitere Rechnung wie folgt:
7 /, i _i_ r i
IX)
X) <>,.#,= <*• + *••) [
xi) tu.o, = (*> + *') (*!
♦V. * — ».! T|
X
3r»
"/h *— Vi.
XII) [O t .«4 — (/*» + *')
las
xui) = (*•+»') . y
- *
ferner:
XIV) l.r = J (/> + «).r
8yj
xv)
ig ') r + i
3 it. ir — it. x
15
XVI) X.x
XVII) >.y mjn.z-
XVIH) Z.% = te.m
(Sehl»» («Igt.)
Vermischtes.
Die MontirungHorbotten des grossen eisernen Mittel
bauoa dee Weltausatellun^s-Palaatea In Wien.
Viele Fachgenossen interessiren sich für die Moutirungsar-
beiten <Jes grossen eisernen Mittelbaues des Weltausstelluugs-
Palastes. Bei der Besichtigung dieser Arbeiten wurde schon
häufig die Frage aufgeworfen, warum man deu Dachring mit den
Säulenausätzen zu ebener Erde montirt habe und nun genöthigt
sei, die bedeutende Last auf eine Höhe vou 22 Meter zu heben,
anstatt die Säulen je für sich aufzustellen und' dann den Ring
auf festen Ocrüstcu zu uiontircu. Die jetzt in Ausführung be-
griffene Moutiruiigsart wurde aus ökonomischen Rücksichten ge-
wählt. Die Montirung ist im Allgemeinen dem Bauunternehmer
überlassen, doch hat er die Genehmigung der Bauleitung einzu-
holen. Ausführliche Studien über die verschiedenen Arten der
Aufstellung dieses Riesenbaues haben aber — besonders auch we-
gen der vielen dem Unternehmer zu Gebote gestandenen _Ge-
räthschaften, namentlich Ilebeschraubcu — dargethau, dass diese
Montirungsart die billigste ist und uoch den Vortheil gewährt,
dass der Hing auf festem Boden ohne Schwierigkeit ganz rund
zusammengelegt werden kann, während dies auf 80 Fuss hohen
mehr oder minder elastischen Gerüsteu weniger leicht zu l>e-
werkstelligen ist.
Indem wir uns vorbehalten, über die Konstruktion und Auf-
stellung der eisernen Rotunde in dieser Zeitschrift noch eine
nähere Beschreibung mit Zeichnungen zu geben, erwähnen wir
hier nur kurz, dass die Gewichte sämmtlicher beim ersten Sta-
dium der Hebung montirten Theile rund circa 13000 Ztr. be-
tragen. Der bis jetzt nicht vollständig montirte untere Dach-
ring mit den 32 Säulcnköpfen ist bereits 6,30™ gehoben. Hie-
zu wurden 64 Schraubenspindeln von 100""» Durchmesser und
33"»» Ganghöhe verwendet (bei jeder Säule 2 Stück). Diese
Schrauben werden mit Ratschen, an welchen 4,2" lauge Hebel
befestigt sind, zu gleicher Zeit gedreht. An jedem nebel waren
1 Mann, zusammen also 192 Mann in Thltigkeit.
Nachdem die Arbeiter eingeübt waren, wurde die ganze
Last in je einer Stunde 280 bis 300»» gehoben : alle 150 bis
200»» wurden genaue Messungen vorgenommen und etwaige
Ungleichheiten regulirt, so dass der ganze Ring innerhalb der
Grenzen von \0«"» bis höchstens 15»» stets horizontal steht
Zur Zeit werden unter jede Säule Stücke von 6,080» Höhe
untersetzt und mit den oberen Theilen vernietet Dos Gesammt-
gewicht wächst dadurch auf rund 180O0 Ztr. und an jedem He-
bel müssen dann 4 Mann, zusammen 256 Mann arbeiten.
Nachdem diese Gesammtlast auf 7*30» gehoben sein wird,
kann der Dachring, der dann über das Ilebegerüstc hervorsteht,
erst vollständig hergestellt werden, woduren ein weiterer Ge-
wichtszuwachs von rund 3000 Ztr. entsteht. Diese 21 000 Ztr.
werden dann auf eine Höhe von 12,40» geholten. Demnächst
werden wiederum Säulenstücke von 6,08» Höhe untergesetzt
und die Last von 26500 Ztr. auf 18,50» gehoben, mit 5 Mann
an jedem Hebel, zusammen 320 Mann; sind hierauf die dritten
Sliulenstücke von 6,08» Höhe untersetzt und vernietet uud
ist die Last von rund 28000 Ztr. auf 21.80» gehoben, so kön-
| nen die Fusstücke der Säulen, welche noch 3,35» hoch sind,
unterstellt, uud die nun fertigen Säulen in ihre Futiplatten
eingestellt werden. Diese sämratlichen Operationen dürfU-u
imch eine Zeit von 6 Wochen in Anspruch nehmen. Während
dieser Zeit wird das Mittclgerüste, welches ciue Höbe von 48»
erhält fertig, auf demselben wird der Druckring dei Haupt-
daches montirt, uud während die 30 Stück Radial sparrou zwi-
schen Druck und Zugring des Uauptduches eingesetzt werden,
kann gleichzeitig mit der Montirung der Laterne, welche 18,t> m
hoch wird uud einen Durchmesser von 32,4» erhält vorgegan-
gen werden.
(Aus der Zeitscbr. d. Oestcrr. Ingen.- u. Archit-Vcr. No. IX.)
Digitized by Google
— 271 -
Aus der Fachliteratur.
Die Anerolde von Naudet und Ctoldsohmid. Ihn- Ein-
richtung uud Theorie, ihr Gebrauch und ihre Leistungsfähigkeit
beim Höbenmesscii und Nivcllireu. Von Jos. llbltschl. Wien
1872. 2 Thür.
In dem Artikel «Ueber das Höhenraessen mit dem Holoste-
rique- Barometer* in der Bauzeitung No. 20 empfahl ich das
Werkeben .Das Höheninessen mit Metall - Karometern von Pro-
fessor J. Höltschl". Der Herr Verfasser dieses Buches machte
mich nun auf Rein neueres umfassenderes Werk über diesen
Gegenstand »Di« Aueroi'de von Naudet und von Goldschinid"
aufmerksam, und will ich nicht unterlassen, den Fachgenossen,
welche diese Art der lliibcumessuug kultiviren, dasselbe ange-
legentlichst zu empfehlen. Das Buch bildet eine weitere uud
umfassendere Ausführung der frühereu Schrift, bietet jedoch
ausserdem eine reiche Fülle neuerer Erfahrungen uud Studien,
auch ist die beigegebene Barometrische Uöhcntafel durch Be-
rechnung der Differenzen für 0,1 """ Buroiueterstaud wesentlich
bequemer geworden. Uanz neu ist dasjenige, was der Verfasser
über das Ooldschmid'sche Aueroid bringt. Die anscheinend so
glückliche Idee, die Bewegungen des DoseudeckeU durch eine
Mikrometerschraube zu messen, bat sich leider in der Ausfüh-
rung nicht bewahrt, wie wiederholte Nivellements mit einem
solchen Instrumente gezeigt haben.
Besonders lehrreich für den praktischen Vorgang beim Ni-
vellireu mit Uolosteriques ist das auf Seite 1ÜS ff. vollständig
dargestellte Beispiel eines wirklich ausgeführten Nivellements.
Der Verfasser unternahm dasselbe zum Zwecke einer Eisenbabn-
Tracirung, uud wühlt in seinem Buche denjenigen Theil des
IS Meilen langen Nivellements, welches die europäische Wasser-
scheide zwischen Donau und Elbe zu überschreiten hatte, wel-
cher in einem Nebenflüsschen der Tbaya liegend ein sehr all-
uiäligca Gefälle hat und daher für die Lotirung mittels Aueroid
besouderc Schwierigkeiten darbietet. Dieselben sind jedoch
glücklich überwunden und sogar geringe Gefalle von 8 und
ü Wicuur Fuss, welche fast allein iu zwei Mühlwchrcn liegeu,
ganz richtig ermittelt wurden.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich noch einiger Momente er-
wähnen, welche ich einer brieflichen Mittheilung des Herrn Pro-
fessor Höltschl verdanke uud deren Berücksichtigung sich bei
deu Arbeiten mit dem llolostcriquc sehr empfehk-n dürfte. Bei
geringen Höheu uud wenn nur einige wenige Puukte iu nicht
zu grosser Entfernung zu machen sind, empfiehlt es sich, das
lnstrumeut fort und fort im ganz geschlossenen Etuis zu tragen,
damit Fehler in der Temperatur des Instruments unmöglich ge-
macht werden können. Das Instrument wird nämlich in dem
uus Leder gefertigten, mit Sammet ausgelegten Etuis ziemlich
lange eine ganz konstante Temperatur behalten.
Die Lufttemperatur muss duun durch dus besonders bei-
gegebene Thermometer bestimmt werden. Wird zu diesem
/wecke das Thermometer au einen Stock befestigt und dieser
einige Male rasch durch die Luft geschwenkt, so nimmt das
Thermometer recht bald die Temperatur der umgebenden Luft
an. Bei geringen Höhendifferenzen kann man die Bestimmung
der Lufttemperatur auch ganz bei Seite lassen, da die Korrek-
tion des Fehlers für dieselbe nur '/.»« der gemessenen Höhe
für 1« Celsius ist, mithiu für 100- erst 0,2 ■ erreicht. Bei um-
fassenden Aufnahmen empfiehlt es Bich jedoch dringend, das
Instrument ausserhalb des Etuis an seinem Ringe zu tragen, da
dann Instrumenten- und Lufttemperatur dieselbe sein wird,
mithin die Bestimmung der letzteren nicht gesondert vorgenom-
men zu werden braucht. Es ist dabei natürlich vorausgesetzt,
dass das Instrument weder den direkten Sonnenstrahlen noch
dem Einfluss des kalten Bodens, Steins etc. ausgesetzt wird,
liegen Erste re schützt ein Schirm, gegen den Andern das Unter-
legen des Etuis.
Um zu zeigen, welche Genauigkeit mit einem Holosterique
zu erreichen ist, theile ich einige der eigenen Praxis entnommene
Angaben mit. Die Höhen wurden sowohl bei Gelegenheit all-
liner Terrainstudieu durch barometrisches als auch durch
.tes Nivellement mit einem Fernrohr-Libelleu-Iustrumeut er-
der |
Grenzstein 2
Durch lass
Stat 44
Grenzstein 3
Stat. 42
Stat. 40
Stat. 28
Die Uebereinstimmung ist eine solche
des Aueeroid- Nivellements wohl in allen
Aueroid ,
70,4
70,4
71,0
08,0
84.»
fei
73,»
80,2
87,7
84,5
83,5
91,4
82.Ü
Direkte »Ittlltmtul.
J 70.C7
«j,ü7
84,23
79,23
74,12
79,16
S5,»2
83,54
»3.28
91,22
83,2;»
dass die Richtigkeit
Fällen für generelle
Terrainstudien, wo es nur darauf ankommt, Bich für diese oder
jene Trace zu entscheiden, genügen wird.
Für diejenigen Kollegen, welche auch die Leistungen des
instrumenta in rein wissenschaftlicher Beziehung keuneu zu
lernen wünschen, wird die akademische Schrift des Vicc-Adnii-
rals Wüllerstorf-Urbair von Interesse sein. Derselbe hat darin
Expedition niedergelegt und zieht daraus deu Schluss, dass,
weil das Quecksilber-Barometer den Einwirkungen der Schwere
auf das Quecksilber nicht entzogen werden kann, das Aneroid
aber, vermöge seiner luftleeren Büchse, dieser Erwirkung nicht
unterworfen ist, es möglich sein müsse, durch vergleichende
Beobachtungen an diesen Instrumenten die Abplattung der
t Erde und die Eblie und Fluth des Luftozeans, oder mit andern
Worten die Einwirkung der Anziehungskraft der Sonne und des
Mondes auf denselben zu messen. E. F.
Zeitschrift für Bauwesen, redüzirt von Erbkam. Jahn;.
1872. Heft IV bis VII. ^ K
B. Aus dem Gebiet des Hochbaues.
) 1) Der neue Berliner Viehmarkt nebst Schlacht-
, haus-Anlage. Mit Zeichn. auf Kl. !»— 18 und 1 Tafel im Text,
von Hrn. Haumeister A. Orth in Berliu. Schluss der im ersteu
Hefte dieses Jahrgangs begonneneu umfangreichen Publikation,
ül>er die wir demnächst gesondert berichten.
2) Die luhalationshalle des Militair-Kurhauses
Wilhelms-Heilanstalt zu Wiesbaden, mit Zeichnung auf
Bl. 27, von Hrn. Reg.- und Baurath A. Cremer in Wiesbaden.
Das kleine zwischen Wohu- und Badehaus eingezwängte, mit
beiden durch bedeckte Flure verbundene Bauwerk, eine Halle
von 3,00 »> Weite uud 16,32™ Lauge ist zum Einathrueu der
heisseu Dämpfe des unter dem Fusst.oden eingeleiteten Tbertnul-
wassers, sowie als Wandelbahu für die Kraukeu der Anstalt be-
stimmt. Pfeiler und Gesims sind von Sandstein, die Füllungen
der Felder, soweit dieselben nicht verglast sind, von rotheni
Bleudsteiumauerwerk errichtet, die Decke mit Hülfe ornameu-
tirter Anker nachlNigie gewölbt. Ob die architektonische uud
technische Bedeutung des Bauwerks eine Veröffentlichung iu so
grossem Muasstabe rechtfertigt, wollen wir dahingestellt sein
lassen.
3) Die Akustik grosser Räume mit speziellem Be-
zug auf Kirchen, mit 5 Bl. Zeichnungen im Text, von Hrn.
Baumeister A. Orth iu Berlin.
Die Abhandlung ist ein erweiterter und mit erläuternden
graphischen Darstellungen versehener Abdruck des Vortrages,
welchen der Herr Verfasser — einer der wenigen Architekten,'
die dem schwierigen Studium der Akustik mit Ernst näher ge-
treten sind — am ». Dezember v. J. im Architekteuvereiue zu
Berlin gehalten hat. Wir gaben damals eine kurze Notiz über
die von ihm gefundeneu Resultate, die wir au dieser Stelle ver-
vollständigen. Zu einer eingehenderen Bearbeitung des Themas
für dieses Blatt empfiehlt es sich, das Ergebnis« der Unter-
suchungen abzuwarten, welche von Seiten der Akademie der
Wissenschaften in Berlin eingeleitet Bind.
Die Studien uud Forschungen des Verfassers fussen im
Weseutlicheu auf der von C. F. Laughans in seiner 1810 er-
schienenen Schrift »Ueber Theater oder Bemerkungen über
Katakustik- gegebeneu Grundlage — einer Grundlage, die Lang-
haus selbst nach weiteren 50jährigen Beobachtungen uud Erfah-
rungen als unverändert richtig und zutreffend anerkennen
konnte. Die Methode desselben ist die. dass mit Berücksichti-
gung der wissenschaftlichen Gesetze des Schalls Untersuchungen
über die Ursachen schlechter, beziehungsweise guter Akustik
vorhandener Räume angestellt werden, auf (iruud deren es als-
dann möglich ist, ein l rtheil über die Akustik anderer Räume
nicht nur in diesen selbst, sondern bereits aus den Zeichnungen,
also dem Projekte, zu gewinnen uud dieses demgemäss zu ge-
stalten oder abzuändern.
Die physikalischen Gesetze, welche hierbei in Betracht kom-
men, sind vorzugsweise das über die Reflexion des Schalls, wo-
nach die sogenannten Schallstrahleu, d. h. einzelne in Betracht
gezogene Richtungen des Fortschritts der Schallwellen, von
einer Mache unter dem Einfallswinkel zurückgeworfen werden,
und das über die Intensität des Schalls, wonach der Schall bei
cerade fortschreitenden Schallwellen nach dem Quadrate der
Entfernungen abnimmt, beziehungsweise auf eine cutsprechend
grössere Fluche sich vertheilt. Hiernach lassen sieh in der
Zeichnung eines Raumes von einem bestimmten Punkte aus die
Ueflexiouen der Schallstrahleu graphisch konstruiren, während
die Stärke derselben nach den zurückgelegten Wegen zu be-
rechnen ist. Unter der Annahme eines realen Maasstubes, den
der Verfasser nach seineu Erfahrungen so bemisst, dass für eiue
Entfernung von 10» vom Schallcrzeugungspunkte eiue Fläche
von 0,1«' tan oder 0,01 n» als normal in Betracht gezogen
wird I , stellt derselbe jedoch auch die luteusität de« Schalles au
bestimmten Punkten anschaulich derart dar, dass er die nach
obiger Annahme crinittelteu Flächeu graphisch aufträgt.
Es ist dabei angenommen, dass Schallwellen, welche sieh
schneiden, ihn? Bewegung über den Durchschuittspuukt fort-
setzen, so dass nicht etwa eine Konzentration verschiedener
Schallstrahleu iu einem sogenannten Brennpunkte dort eiue neue
Schallquelle erzeugen kann. Interfereuzerscheinungen iu Be-
tracht zu ziehen, hält der Verfasser für praktisch überflüssig,
da sie durch einen eiureln Sprechenden kaum und höchstens
für einen einzelnen Punkt erzeugt werden können. Hingegen
ist die Diffusion der Schallstrahleu durch rauhe reflektirende
Oberflächen, welche eine grössere oder geringere Abschwächuug
derselben bewirkt, sehr bedeutend zu berücksichtigen da sie
in einzelnen Fällen das nächstliegende Mittel an di'e Hand
giebt, akustische Störungen zu beseitigen.
Dj? einzige in Betracht zu ziehende Ursache schlechter
Akustik eines Raumes ist uach den Untersuchungen von Land-
haus und denen des Verfassers eine Reflexion von Schallwellen,
Digitized by Google
diu innerhalb eines bestimmten Zeitunterschiedes nach den
direkten ScbaUstrahlen das Ohr des Hörers treffen uud von
diesem als Nachhall oder Echo vernommen werden ; anstatt des
Zeitunterschiedes fuhrt man Jedoch für die graphische Ermitte-
lung zweckmässiger die Differenz des in der entsprechenden
Zeit von dem direkten und dem reflektirten Schallstrafalo von
dem Schallerzeugungs- bis zu dem Beobachtungspunkte zurück-
gelegten Weges ein. Die Aufgabe der praktischen Akustik
fusat weseDtueh auf einer Kenntniss der Urenicn, in welchen
eine solche Differenz schädlich und störend wirkt. Dieselben
sind nach den Beobachtungen des Verfassers, der in dieser Be-
ziehung von Langhans etwas abweicht, so anzunehmen, das*
eine Wegdifferenz von b bis 7m nicht nur keine Störung, sondern
unter Umstanden sogar eine günstige Verstärkung der direkten
durch die reflektirten ScbaUstrahlen bewirkt; bei geriuger In-
tensität kann die Differenz noch etwas grösser sein, doch ist
ein Maass von 10" unbedingt zu vermeiden. Andererseits ist
als die Grenze, über welche hinaus die Intensität der reflektirten
Scbalistrablen so gering wird, da*» dieselben unberücksichtigt
bleiben können, eine Wegdifferenz von 60 bis 70 ^su betrachten.
eintretenden akustischen Verhältnisse erläutert der Verfasser:
a) Die Akustik der Decken, die bei Theatern die Scball-
wirkung für die oberen Hänge noch unterstützen können, wäh-
rend sie bei Kirchen meist so hoch liegen, dass von einer sol-
chen Wirkung nicht die Hede sein kann, während die üefabr
eines Nachhalls oder gar Echos droht; es kommt also darauf
an die von der Decke reflektirten Schallstrahh-n, mittels welcher
auch nur der ober« Theil der Wände einen störenden Einfluss
ausüben kann, möglichst zu zerstreuen und unschädlich zu
machen. Eine Vergleichung verschiedener Deckenformen durch
Konstruktion der Schallstrahlcu ergiebt, dass Decken in Form
eines Segmentbogens , bei welchen die reflektirten Strahlen am
Direktesten in den Kaum zurückgeführt werden, am Ungünstig-
sten und zwar um so ungünstiger sind, je annähernder der Ge-
wölbemittelpunkt in der Höhe des Fussbodens liegt Gerade
Decken sind günstiger, jedoch durchaus nicht so vortheilhaft
wie Tonnengewölbe; sie wirken meist weniger schädlich wegen
ihres den Schall abschwächenden Heizmaterials und der grossen,
beziehungsweise geringen Höhe der Räume. Auch spiubogige
Gewölbe können sich mit dem Tonnengewölbe nicht messen,
werden jedoch meist durch das Relief der Gurte und Kippen,
sowie durch die Busenwölbung der Kappen, welche aussordent-
lich vortheilhaft wirkt, verbessert Bei Kuppeln ist im Allge-
meinen anzunehmen, dass sie akustisch um so günstiger wirken,
je kleiner der Kadius ihrer Wölbung ist, doch kommt bei ihnen
die Anordnung des Tambours, dem ein den Schall stark zer-
streuendes Relief zu geben ist, wesentlicher in Betracht Kas-
setten, zumal wenn sie senkrecht eingeschnitten sind, sind weder
bei einem Kuppel- noch bei einem Tonnengewölbe akustisch
vortheilhaft; es empfiehlt sich, sie durch relieflerte Verzierun-
gen unschädlich zu machen.
b) Die Aku stik der Wände erfordert eine nicht minder
sorgfältige Untersuchung wie die der Decken , denn es sind in
vielen Fällen die akustischen Störungen innerhalb eines Raumes
mehr dem Einflüsse der Wände als dem der Decke zuzuschrei-
ben. Da die allgemeine Anordnung der Wände mit besonderer
Kücksicht auf akustische Wirkung selten wird erfolgen können,
so bandelt es sich praktisch meist darum , diejenigen Thcile
derselben, von denen schädliche Schallstrahleu redektirt werden
können, durch eine entsprechende Gestaltung der Uberfläche
unschädlich zu machen. Wesentlich ist hierbei die Höhenlage
der Schallquelle. Die Theile oberhalb derselben sind weniger
zu berücksichtigen, da es selten vorkommt, dass sie akustische
Störungen verursachen können, doch ist zuweilen ein Streifen
oberhalb der Emporenbrüstung, sowie im Interesse des Kanzel-
redners die in gleicher Höhe mit diesem liegende Brüstung
selbst mit starkem Relief oder durchbrochen herzustellen. Am
Gefährlichsten ist diejenige Wandzone, welche unterhalb der
Schallquelle und zwar über dem Ohr der Hörer bis etwa zur
Hälfte der Höhe von diesem bis zur Schallquelle liegt; dieselbe
ist durch Reliefbekleidung und starke Prohlirung, etwa durch
Nischen mit kleinerem Halbmesser, möglichst unschädlich zu
machen, eine kassettenartige Profilirung jedoch zu vermeiden.
Besonders vorsichtig muss man bei Grundrissformen von bogen-
förmiger Gestalt sein. Gerade Flächen an Pfeilern sind gleich-
falls möglichst zu beseitigen.
c) Einwirkungen der Fläche und des Materials auf
die Sehallzorstreuung. Dieselben sind oben schon theil-
weise berührt doch kommen noch die Einwirkungen in Betracht
welche ein Material, das durch den Schall in elastische Schwin-
gungen versetzt wird, also z. B. Holz- oder dünne Metall- und
Marmorplatten, auszuüben im Stande ist. Solche Schwingungen
entziehen dem Sehallstrahle, der sie erzeugte, einen Theil seiner
Stärke, werden jedoch selbst zur Schallquelle und sind, wenn
sie in unmittelbarer Nähe der Hauptquelle erzeugt werden, im
Stande, diese in günstiger Weise zu verstärken. Es sind gerade
diese Verbältnisse diejenigen, über welche am Wenigsten Erfah-
rungen vorliegen und die daher am Meisten einer Feststellung
durch wissenschaftliche Untersuchungen bedürften, für welche
der Verfasser einige Fingerzeige giebt.
d) Den Schalldec kel. Derselbe ist als Mittel zur Ver-
besserung der Akustik schon lange im Gebrauch, jedoch meist
rein empirisch uud ohne nähere Ueberlegung angewendet
worden, während seine Grösse und Form in jedem einzelnen
Falle durch Konstruktion genau für die Verhältnisse des betref-
fenden Raumes zu ermitteln sind und auch bei Auswahl de«
Materials eine sorgfältige Ueberlegung stattfinden muss. Der
Verfasser, der in letzter Beziehung namentlieh einer Anwen-
dung des polirten Marmors das Wort redet, giebt für die Ver-
stärkung des Schalls mittels eines Deckels einige interessante
Beispiele.
Die praktische Anwendung seiner theoretischen Unter-
suchungen für bestimmte Fälle Führt derselbe schliesslich vor,
indem er einmal die akustischen Verhältnisse der von ihm ent-
worfenen und erbauten Ziouskircbe in Berlin, welcher er eine
sehr günstige akustische Wirkung vindizirt, sodann die der
Nikolaikirche in Potsdam, von der das Gcgentheil bekannt ist,
einer speziellen Erörterung unterwirft Eine Beobachtung der
faktisch erreichten Erfolge wird nach Vollendung der Zionskirche
eine interessante Gelegenheit bieten, den Werth jeuer Erörter-
ungen auf die Probe zu stellen. Jedenfalls steht wohl auch ohne
dieselbe fest, dass Uro. Orth für die Hingabe, mit welcher er
sich diesem so wenig gepflegten und doch so überaus wichtigen
Gebiete gewidmet bat, der lebhafte Dank aller Fachgenossen
gebührt. Ein grosser Erfolg, den er bereite jetzt erreicht hat,
iRt mindestens der, die Erkenntnis« desselben in wirksamerer
Weise gefördert zu haben, als dies die Vertreter der abstrakten
Wissenschaft, welche nach weitläufigen theoretischen Erörter-
ungen schliesslich doch nur die roheste Empirie empfehlen, ver-
mochten. Möge sein Vorgehen die Anregung dazu geben, dass
forthin recht viele Kräfte an der LöBung der Aufgabe sich be-
theiligen.
4) Die Baudenkmalo Umbriens. in. Assisi, mit Zeich-
nungen auf Bl. .19 bis 41 : von Hrn. Architekt Paul Laspeyres.
Her zweite Abschnitt der verdienstvollen Arbeit, deren
Werth und Bedeutung wir bei Besprechung des Anfangs bereits
gewürdigt haben, ist der berühmten Staut des heiligen Pran-
ciscus und der heiligen Clara gewidmet — unter den italienischen
Städten eine derjenigen, die äusserlich den Typus des Mittel-
alters am Unverfälschtesten sich bewahrt hat Neben den Resten
des Alterthums, unter denen die Vorhalle des Minerva- Tempels
die besterhalteudstc Tempelfront aus dem Alterthum in ganz
Italien ist, werden die wichtigsten kirchlichen Bauwerke de*
Mittelalters, der Dom S. Rufiero, Sa. Maria Maggiore, S. Stefano,
Pietro, Francesco uud Sa. Chiara, sowie einige Profanbauten der-
selben Zeit eingehend beschrieben und theil«
Konkurrenzen.
Konkurrenz für Entwürfe zu einem Nationaldenkma\
auf dem Niederwald. Der geschäftsführende Ausscbuss des
zur Errichtung des Denkmals gebildeten Komites hat unter
dem Datum des 6. August d. J. eine Bekanntmachung erlassen,
in der als die nach dem Preisausschreiben (No. 9, S. 7i u. Ztg.
alin. 5) noch näher zu bezeichnende Adresse, an welche bis zum
1. September d. J. die konkurrirenden Modelle oder Zeichnun-
gen einzuschicken sind, die Königliche Akademie der
Künste zu Berlin genannt wird, in deren Räumen demnächst
die öffentliche Ausstellung stattfinden soll. Die Kosten für die
Hin- und Rückfracht aller bis zum 1. September unter der Be-
zeichnung .Konkurrenz-Entwurf zum National-Denlunal auf dem
srwald- e
Nieder
fonds
Der von uns im Namen einiger Facbgenossen geäusserte
Wünsch, dass der Schlusstennin der Konkurrenz mit Rücksicht
auf die verspätete Lieferung eines Situationsplans hinausge-
schoben werden möge, hat demnach keine Berücksichtigung ge-
funden; soviel uns bekannt ist haben allerdings mehre Künstler
es sich angelegen sein lassen für ihren Entwurf spezielle Stu-
dien an Ort und Stelle zu machen, und dürfen wir also immer-
hin auf ein erfreuliches Resultat der Konkurrenz rechnen.
Dem deprimirenden Gerüchte gegenüber, dass zur Errich-
tung des Denkmals bis jetzt kaum so viel Gelder beigesteuert
seien, als zur Deckung der Kosten der Konkurrenz erforderlich
werden, und dass daher das ganze Projekt voraussichtlich eben
so scheitern würde, wie es anscheinend mit dem Projekte des
Scblossplatz-Monumentes für Berlin der Fall Ut, wird die An-
zeige des Komites befriedigen, dass der bis jetzt
Fonds bereiU liOOOO Thlr. beträgt Es ist dies alle
nicht der vierte Theil der in Aussicht
von 250000 Thlr., es darf Indessen wohl erwartet werden, dass
nach Feststellung eines bestimmten Planes für die Form des
zq errichtenden Denkmals die Sammlungen erst ihren eigent-
Personal - Nachrichten.
Preuasan.
Ernannt: Der Wasserbaumeister Hartmann zu Coblenz
zum Wasserbau-Inspektor in Wesel. Der Bau-Inspektor Alsen
zu Swinemünde zum Ober-Bau-Inspektor bei der Königl. Regie-
rung in Danzig. Der Bau • Inspektor Benoit
Hafenbau-In spektor in Swiu emüude.
Hierzu eine Holzschnitt -Beilage:
Entwarf zu einem ParlatnenUgebäude für
Facade nach dem KOnigsplatze.
Reich von L. Bohnstedt.
■C TM Ctrl B..1IH Ii
od Oibr<4ir Flek.rlt. 1
Digitized by Google
Google
Jahrg. IL JE 34.
DEUTSCHE BAUZEITUNG
Organ des Verbandes
deutscher Architekten - und Ingenieur-Vereine.
Redakteur X. E. 0. FriUch.
iU4iktloa o. Xxpeditim
Berlin, »«, «... I»l.
Bettelluafen
»nd BurSahniLiliiai.s,
tur UrrlM) .1 « k.p-Mmn
Inierate
f»r Mt Lrirr »er •«■Uchea
Hu»IHn( Bnrtpn AiifnihM
in der «irMI- - HrlU.r :
„B»u- Anzeiger"
ttNMMWfM »Vi »«* pr»
Preis 1 Tkaler »ro tiarlal.
Berlin, den 22. Anglist 1872.
Rrtrhf lat Jedem Dannrrsta*.
In tibi t: Für Krlu* eineti deu Uchea Piunl^rttti««. — Au» Kopmha,tTU
und der nordischen Induetne und Km) • Aiuatellratag. — M i tt heil un fi« n tu*
Vereinen; OesterreichUcfaer Ingenieur* und Architekten • Verein tu Wien. —
OatprennLcher Inu-mrar • und A
rntur: Die fteverteha'le. - l'erl
kam n.
rchileHen -Verein. - A« der F.rhlUte-
onnl-Nlchrieliteii, Brief- und Fr.go-
Für Brlat» eiaes deutschen Pateatgeseües.
(Schlot*.)
Patentgesuche und Verfahren darübor.
jji 21. Wer um eiu Patent nachsuchen will, muss dies
schriftlich in deutscher Sprache bei dein Patentamt« thun und
da» Gesuch in doppelter Ausfertigung überreichen. Die eine
Augfertigung wird mit der Beachoinigung über die Zeit der
Kinreichung versehen zurückgegeben. Das Patentgesetz muss
den Gegenstand des Patentes möglichst genau, aber kurz
bezeichnen. Daneben niuss eine Gebühr von 5 Thlr. für die
Trüfuug des Gesuches eingezahlt werden. Sodann muss dem
Pateutgcsucbe in deutscher Sprache eine Beschreibung beigefügt
werden, welche den Gegenstand, für welchen der Patentschutz
begehrt wird, vollständig und deutlich dergestalt darlegt, dass
danach von jndem Sachverständigen die Ausführung erfolgen kann,
auch die Punkte, die als neu in Anspruch genommen »erden,
bestimmt hervorhebt. Soweit dies zur Deutlichkeit niithig ist,
siud der Beschreibung Abbildungen, Modelle oder Probestücke
beizufügen.
§22. Entspricht das Patentgesuch den formellen Vor-
schriften nicht, so ertheilt das Patentamt einen Bescheid, worin
auf die Mängel aufmerksam gemacht und deren Erledigung in
bestimmter trist vorgeschrieben wird. Erfolgt die Erledigung
der Mingel in der vorgeschriebenen Frist, so bleibt die Prio-
rität des ursprünglichen Gesuches gewahrt.
§ 23. Das formell richtige Patentgesuch wird von dem
Pateutamto in dem Amtsblatte des Patentamtes abgedruckt.
Dancbeu ist die dem Gesuche als Anlage beigefügte Beschrei-
bung uebst Zeichnungen ebenfalls abzudrucken und als Anlage
des amtlichen Blattes an die dazu bestimmten Behörden zu ver-
Diese sind gehalten. Jedermann die Einsicht kostenfrei
tteu. Auch kann Jedermann eiu Exemplar gegen Er-
_ der Druckkosten, soweit der Vorrath reicht, andern-
falls gegen Erstattung der Kopialien erhalten- Die Kosteu für
den Druck des Patentgesucbes und der amtlich zu verfliegenden
Anlagen hat der Patentsucher nach näherer reglementarischer
Bestimmung zu tragen.
$ 24. Das Patentamt ist verpflichtet, wenn da« Patent-
gesuch nach der Ansicht des Patentamtes zur weiteren Verfol-
gung sich nicht eignet, vor der Bekanntmachung (§ 30) dorn
Antragsteller den Rath zu erthoilen, dass er das Gesuch fallen
lasse, und eine Frist vorzuschreiben, innerhalb deren der An-
tragsteller sich zu erklären hat, ob er den Autrag verfolgen
will. Erklärt der Antragsteller Innerhalb dieser Frist, dass er
seinen Antrag aufrecht erhalte, so wird das weitere Verfahren
nach $ 28 eingeleitet, jedoch bei der Bekanntmachung des Pa-
tentgesucbes zugleich veröffentlicht, dass dem Antragsteller die
Verfolgung des Gesuches widerrathon sei.
§ 25. Dom Patentsucher ist gestattet , bei Eiureichung
Heines Gesuches zu beantragen, dass die Veröffentlichung drei
Monate lang ausgesetzt bleibe. Das Alter des Patentgesuches
richtet sich nichtsdestoweniger nach der Zeit der Ueberreichung.
§ 2ti. Frühestens drei und spätestens sechs Monate naen
der Bekanntmachung des Pateutgesuchs im amtlichen Platte hat
der Pateutsucher das Recht, unter Einzahlung einer Abgabe von
zehn Thalern auf die Bewilligung des Patentes anzutragen. <Er
muss dabei dem Patentamte den Nachweis führen, dass der
Gegenstand des Pateutes im deutschen Reiche ausgeführt und
in Gebrauch gekommen ist. Das Patentamt kann die Frist von
sechs Monaten in besonderen Fällen um längstens eiu Jahr ver-
längern. Ueber den Antrag auf Krtheilung des Pateutes hat
das Patentamt (vergl. jedoch § 28) zu entscheiden und das Pa-
tent entweder abzuschlagen oder zu bewilligen. Jedermann hat
das Recht, dem Pateutamtc Grüude gegen die Zulässigkeit der
Patcntertheilung behufs Berücksichtigung bei dieser Entschei-
dung vorzulegen. Das Patentamt kann die behufs seiner Ent-
scheidung ihm erforderlich scheinenden Untersuchungen anord-
nen oder dem Pateutsucher die Beibringung von Nachweisen
oder Abstellung von Mängelu aufgeben.
§ 27. Der Patentinhaber ist verpflichtet, dem Patentamte
die für die fortdauernde Gültigkeit seines Patentes geforderten
zu liefern.
Klagen anf Erthciluug und Aufhebung von Patenten*
§ 28. Gegen das Patentamt findet eine Klage Statt, wenn
dasselbe ohne rechtmässigen Grund die Ertheilungdes Patentes
abschlägt oder den Patentschutz entzieht. Du Patentamt ist
betugt, im öffentlichen Interesse auf Aufhebung eines ertheilten
Pateutes Klage zu erheben. Endlich kann Jedermann durch
Klage ein crtheiltes Patent anfechten. Zu Gunsten der Kläger
wird in diesem Falle entschieden, wenn sich herausstellt, dass
das Patent überhaupt^ nicht hätte ertheilt werden sollen, oder
dass der Kläger die Erfindung oder Entdeckung, für welche das
Patent ertheilt wurde, gleichzeitig oder früher gemacht hat.
Diese Eutscbeidung hat zur Folge, dass das Patent dem Kläger
gegenüber unwirksam bleibt. Das Patentamt kann der Klage
eines Dritten beitreten und in demselben Verfahren die allge-
meine Aufhebung des Patentes beantragen.
Patentschutz.
§ '£). Der Patentschutz erstreckt sich auf die ausschliess-
liche Anfertigung oder Ausführung des Patentgegenstandes und
auf den Handel mit demselben; bei Maschinell, Werkzeugen und
Gerät hen, sowie bei Fabrikatiousuictbodcn iiiduBtriellerEwug-
nisse auch auf die ausschliessliche Anwendung zu gewerblichen
Zwecken. Den Patentschutz nach Maassgabe dieses Gesetzes
geltend zu machen, ist lediglieh Sache des Patentinhabers: er
kann, was er zu verhindern befugt wäre, beschränkt oder unbe-
schränkt gestatten und dazu im Voraus verpflichten.
§ 30. Patente, welche auf Verbesserungen an bereits paten-
tirt*n Gegenständen ausgestellt werden, schlicssen die Befugni**
auf Ausübung des bereits Pateutirteu nicht iu sieh.
§ 31. Der Inhaber eines Patentes hat 1) gegenüber der
deutseben Kriegs- und Marine-Verwaltung nicht das Rocht, der-
selben die Benutzung seiner Erfindung zu verbieten; letztere
ist jodoeb verpflichtet, nachträglich eine angemessene, vom Pa-
teutgerichte nach billigem Ermessen festzusetzende Vergütiguug
für die Benutzung der patentirten Erfindung »u zahlen. 2) Auf
fremde Schiffe, welche sich in Gewässern deutscher Herrschaft
betiuden, erstreckt sich das Recht des Patontinhalwrs auf Pa-
tentschutz nur insofern, als die Erfindung oder Entdeckung auf
denselben für Zwecke des Absatzes im deutschen Reiche ange-
wird.
Eingriffe in dag Patentrecht.
§. 32. Wer das Recht des Patentinhabers oder
Rechtsnachfolgers auf Patentschutz verletzt, ist dieselben zu ent-
schädigen verpflichtet. Der Beschädigte kann vorlangen, dass
anstatt auf Entschädigung auf eine ihm zu entrichtende Gcld-
busse bis zu 2<)(M) Thlrn. erkannt werde. Die erkannte Geld-
busse schliesst die Geltendmachung eines weiteren Entschädi-
gungsanspruches aus. Wenn derjenige, welcher das Patentrecht
verletzt hat, auf Grund entschuldbaren thatsächtichen Irrthums
in gutem Glauben hundelte, so haftet er für den entstandenen
Schaden nur bis zur Höhe der Bereicherung.
§ 38, Der Anspruch auf Entschädigung, Geldbusse oder
wegen Bereicherung kann mit keinem anderen Klageanspruch
in demselben Verfahren kombiuirt und auch nicht als Wider-
klage oder im Wege der Einrede geltend gemacht werden.
§ 34. Darüber, ob ein Schaden entstanden ist und wie
hoch sich derselbe beläuft, desgleichen über den Bestand und
die Höhe der Bereicherung entscheidet das Gericht unter Würdi-
gung aller Umstände naen freier Ueberzeugung.
§ 3ö. Das Gericht kann auf Antrag des Klägers die geeig-
neten Maassregeln treffen, um weitere Beschädigung des kläge-
rischen Patentinhabers durch den Beklagten zu verhüten; diese
Maassregeln können iu Androhung von Strafen und in der Ver-
nichtung solcher Sachen und Vorrichtungen bestehen, deren
Besitz bei dem Beklagten eine fernere Verletzung des Patent-
rechts besorgen lässt.
§ 36. Die Klage auf Entschädigung, Gcldbussc oder wegen
Bereicherung verjährt rücksichtlich jeder einzelnen die Klage
begründenden Verletzung des Patentrechtes in drei Jahren.
§ 37. Wenn in dem Verfahren über diese Klage eine Frage
Digitized by Gopgl
274 —
zu entscheiden ist, welche iu erster Instanz vor das Reichs-
oberhandelsgericht gehört, so hat das Gericht, sofern nach Lupe
der Sache die Krage vorab entschieden werden muss, die Sache
auszusetzen und zur Anbringung der Sache bei dem Reichs-
oberhandelsgerichte der einen oder anderen Partei eine ange-
messene Frist zu bestimmen.
6 IIS. Sind technische Fragen, von welchen die Frage, ob
der Verklagte wegen Verletzung des Patentrechtes zu verur-
theileu sei, oder der Betrag des Schadens oder der Bereicherun«
abbangt, zweifelhaft oder streitig, so ist der Richter befugt, das
Gutachten Sachverständiger einzuholen.
Schlussbestimmung.
§ 39. Der Bundesrath wird mit Ausführung dieses Ge-
setzes beauftragt.
Von der Petition selbst ist am Interessantesten die Ein-
leitung, welche eine Kritik der gegenwärtig bestehenden
deutschen Patentgesetzgebung enthält. Wir tbeilen dieselbe
wörtlich mit:
„Die Reiehsverfassnng führt im Artikel 4 das Patent-
wesen als Gegenstand der Reichsgesety.gebung auf; sie ver-
heisst damit die einheitliche gesetzliche Regelung des Pa-
tentwesens für das ganze deutsche Reich. Ein längerer
Fortliestand der in den verschiedenen deutschen Einzelstaa-
ten gegenwärtig bestehenden Normen, welche — ohne Zu-
sammenhang und Prinzip — der Entwicklung der Gewer-
bethatigkeit im deutschen Reiche den grössten Nachtheil zn-
fügen, ist in der That uuthunlicb. Die in den deutschen
Einzelstaaten nach den verschiedensten Grundsätzen er-
theilten Patente gewähren nur in seltenen Fällen den be-
treffenden Erfindern einen persönlichen Nutzen, spornen also
die Erfindungsthätigkeit nicht an. Die grösstenteils: will-
kürlich bemessene Patentdauer ist zu kurz; auch hat das
Patent nur innerhalb der Grenzen des Patent ertheilenden
Staates und nicht im ganzen Reiche Gültigkeit. Zur Ver-
breitung nener technischer Gedanken tragen die Patente
Nichts bei, weil die Patentbesch reibnngen in der Regel ge-
heim gehalten werden, sie wirken also nicht befruchtend
und anregend anf den technischen Fortschritt, sondern hem-
men denselben in hohem Grade, weil Niemand weiss, was
eigentlich patentirt ist und was nicht. Die Gewerbetreiben-
den sind dadurch in einen ganz unerträglichen Zustand der
Unsicherheit versetzt, welcher seinerseits wieder lähmend
auf den allgemeinen Verkehr zurückwirkt. Es ist natürlich,
dass dieser schlechte Zustand der deutschen Patentgesetz-
gebung eine allgemeine Abneigung gegen die Ertindungspa-
tente überhaupt herbeiführt und dass diese Abneigung sich
besonders lebhaft in Preussen zeigt, dessen Pateutgesetz£e-
hnng wohl unbestritten die schlechteste von allen ist.
Der Verein deutscher Ingenieure schliesst sich deshalb
mit voller Ucherzeugung dem weit] und namentlich in Preus-
sen verbreiteten Wunsche an, die bestehende Patentgesetz -
gebung baldmöglichst aufzuheben. Andererseits tritt er aber
dem weitergehenden Verlangen, die Erlindungspatente über-
haupt als gemeinschädlich und den Prinzipieu einer gesun-
den Volkswirtschaft widersprechend gänzlich zu beseitigen,
auf das Entschiedenste entgegen. "
Nach kurzer Anführung der von den Volkswirthen der
Manchester -Schule gegen die Patente erhobenen Vorwürfe,
nach welchen diese allgemein schädlicher Natur, dem Er-
linder selbst nicht nützlich, die Normen ihrer Ertheilnng
aber in befriedigender Weise unmöglich gesetzlich zu regn-
lircn sein sollen, geht die Petition dazu ül M -r, die Gründe
für die unabweisbare Notwendigkeit der Erfindungs-Patente
klarzulegen, und zitirt zu diesem Zwecke namentlich die
Ausführungen eines Gutachtens, welches das Aeltesten-Kolle-
gium der Berliner Kaufmannschaft im Jahre l*»>:i in dieser
Frage abgegeben hat. Das Hauptgewicht wird in diesem
wie in den darauf folgenden Erörterungen der Petition auf
den Nutzen einer Veröffentlichung der Patentbeschreibungen
gelegt. Zum Schlnss werden sodann die Nachtheile nach-
gewiesen, welche der deutschen Industrie daraus erwachseu
müssten, wenn in Deutschland dem Verlangen nach Auf-
hebung der Erfindungspatente nachgegeben würde, während
dieselben in anderen Staaten Europas, vor allen in Frank-
reich und England erhalten bleiben. Den Schluss der Pe-
tition geben wir wiederum nach seinein Wortlaute.
„Die Konsequenz der bestehenden deutschen Gesetz-
ter Mrdlscken
tntdugi
4ie StMaMpa Ml MM SIT.
Wenige Länder sind in der Kenntnis» ihrer neueren archi-
tektonischen Leistungen und Bestrebungen uns so fremd ge-
blieben als die nordischen: Dänemark, Schweden. Norwegen,
und doch sind die aus gemeinsamen Wurzeln eutsurosseuen und
darauf zurückweisenden Lebensbedingungen und Gewohnheiten,
sowie fast alle auderen die Bauweise bedingenden Umstände in
vielen Punkten so verwandt mit den unsrigen, dass nach län-
gerem Auseinandergehen es wohl im Interesse beider Theile
läge von einander Notiz zu nehmen. — Politische Rücksichten
haben wohl auf diesem Gebiete wie auf litterarisehem und wissen-
schaftlichem die Entfremdung genährt und selbst einen fach-
lichen Zusammenhang nicht aufkommen lassen, der gegründet
auf gegenseitigen Besuch der Bildungsanstalten oft fernerstehende
Länder zu verknüpfen im Stande ist.
In diesem wenig fordernden Zustande muss daher die in
diesem Jahre stattfindende nordische Ausstellung in Kopenha-
gen als die Anregung eines besseren Einvernehmens angesehen
werden, und wenn auch keine Einladung an das Ausland er-
gangen ist, dieselbe zu beschicken, da sie nur die Thätigkeit
der drei Reiche repräsentiren sollte, so wird der Besuch schon
allein so viel zur Beseitigung mancher Unebenheiten beitragen,
wie die Gastlichkeit und Annehmlichkeit Kopenhagens es auf
einem anderen Gebiete mit manchem Vorurteil tliut; denn in
allen Situationen erhält man den günstigsten Eindruck iu Betreff
des Kulturzustandes der Bevölkerung, der wesentlich durch eine
Menge Gesellschaften und Vereine, die bereits iu geregel-
ten Verhältnissen lebend sich dem Allgemeinen widmen kön-
nen, nicht bloss auf der Höhe, sondern in stetem Fortschritt er-
halten wird.
Es ist selbstverständlich, dass bei einer kurzen Schilderung
der Eindrücke während eines flüchtigen Aufenthalts in Kopenhagen
an dieser Stelle und vom Standpunkt des Verfassers das Archi-
tektonische vorangeht: mit der Anregung zu selbstständigem
Anschauen wird die Aufgabe erfüllt sein, ebenso werden die
kurzen Bemerkungen über einzelne Zweige der auf der Ausstel-
lung vertretenen Kunstindustrie nur denselben Zweck haben kön-
nen, da das Schöne gesehen und nicht beschrieben werden will.
Was zunächst die Gesammtdisposition der Stadt betrifft,
so bat sich letztere aus kleinen Anfängen entwickelt. Uu- j
mittelbar am Sunde und dem Kallebostrom , einem Arme des-
selben gelegen, wurde sie aus einem Fischerdorf früh zugleich
od nach den auch i
des Königs, wel-
. gettian), datirt die jetzige
Gestalt der Stadt, die eine glückliche, durch Natur und Men-
schenarbeit hergestellte Gruppirung der einzelnen Theile zu 1
- der übewjchUiclisten macht. Nicht nur, dass die vielen ,
seiueu gelegen, wurde sie aus einem riscuerdi
Handelsstadt, 14411 Residenz: seit 1G1S (und
späterhin ausgeführten Plänen Christian IV.,
eher am meisten für die Baukunst gethan), <
schimmernden Häfen und Seen schon eine angenehme Gliede-
rung herstellen, so hat sich auch im Innern eine sehr ausge-
sprochene Gruppirung der Verkehrswege und verschiedenen Vier-
tel gebildet; mer die Gebäude für Kuustinteressen und für
Sammlungen, dort ein Geheimrathsviertel oder Studentenquar-
lier, alle in bequemer Verbindung mit den beiden sich reeht-
winklich im Kongers Nitorp schneidenden Hauptverkehrsadern.
Die innere Stadt nmschliessen augenblicklich noch die un-
schätzbaren Festungswerke, welche die Kommune angekauft hat
und zu öffentlichen Gärten und kleinen Stadtteilen umwandelt:
dann folgeu in anmutigem allmätigen l'ebergang die Vorstädte,
einerseits und namentlich am Meeresstrande die Villen, (wenn
man die bescheidenen Häuschen der Reichen so nennen will),
die Anfänge eines Arbeiterviertels, luftig und übersichtlich an-
gelegt, andererseits nach Friedrichsberg hinaus grössere länd-
liche Wohnhäuser für mehre Familien mitten im Grünen,
kleine Gärtner-Etablissements etc., überall im bewussten Streben
und fast immer mit sichtbar «elungenem Erfolg, die Ausdeh-
nung der Grosstadt auch den Bewohnern zu Gute kommen zu
lassen. Die zuerst erwähnten Villen sind, namentlich in weite-
rer Entfernung, nieist nur für den Sommer- und Badeaufenthalt
berechnet; ihre Lage — auf der einen Seite unmittelbar am Sund,
der hier keine Dunen hat, sondern die Gärten und Felder be-
spült, auf der anderen im Zusammenhang mit den tiefgrünen Bu-
chenwäldern — kann nicht günstiger gedacht werden. Die archi-
tektonische Gestaltung ist die allereinfachste. — Für bequeme Ver-
bindungen ist durch alle zu Gebote stebeudeu Mittel zu Wasser
uud zu Lande gesorgt, namentlich stellen in den vorhin er-
wähnten Hauptstrasscn und am Bahnhof den Verkehr vermit-
telnde Pferdebahnen eine immer bequeme Verbindung zwi-
schen den entferntesten Puiiktcn her. Die Wagen siud kleiner
als die Berliner, folgen sehr schnell auf einander, haben daher
zu viel Weichen zu passireu um ein Maximum der Leistung v.u
erreichen, und müssen bei dem auch sonst zu Tage tretenden
Rechte des Individiums, welches zwar seine Befugnisse selten
überschreitet, zu oft anhalten um Passagiere aufzunehmen.
Mit der Einfachheit uud Plauuiässigkcit des Grundrisses
der Stndt steht ihre architektonische Erscheinung im Zusam-
menhang. Auch diese zeigt durchgeheuds Ordnung, Strenge
und Einfachheit und eine gewisse Anspruchslosigkeit der Ge-
staltung. Da die meisten älteren Gebäude durch die vielen
Brände und Blokadcn zerstört sind, so hat die Stadt ein wesent-
lich modernes Ausehen; die bisher sehr einfach erbauten Privat-
gebäude tragen nicht dazu bei, ihr in dieser Beziehung archi-
tektonisches Interesse zu verleihen, das sich mehr den Monu-
mentalbauten zuwendet.
Auch in diesen Gebäuden treten die wenigen älteren erhal-
tenen Gebäude vor denen in diesem Jahrhundert erbauten zu-
rück; sie harmoniren in ihrem meist etwas schweren klassischen
Stil durchaus mit der eiufachen Umgebung und geben selbst
für die neuesten Erscheinungen deu Grundton an, indem sie
das Eindringen banaler Formen bindern, ohne dennoch gesunden
Digitized by Google
gebung nötigt in der Tbat zum Krluss eines Pateutgesetzes.
Durch das Gesetz über den Schutz des litterarischen Eigen-
tliuius und der Produktionen der Kunst ist im Prinzip der
.Schutz des sogenannten geistigen Eigentums im deutschen
(teiche anerkannt. Es ist kaum denkbar, dass iu einem
Staate die Produktionen des Schriftstellers, des Künstlers
gesetzlich gegen Nachahmung geschützt würden, während
geistige Produktionen auf technischem Gebiete vollständig
preisgegeben wären. Schon jetzt beklagen die Erfinder mit
Hecht es als eine grosse Ungerechtigkeit, dass ihre Erfin-
dungen — gewöhnlich das Produkt nicht nur langer geistiger
Arbeit, suudern auch grosser Opfer au Zeit nud Geld —
einen weit unvollkommeneren Schutz geniesseu als die geisti-
gen Produktionen des Schriftstellers und des Künstlers; dass
ihnen der Schutz willkürlich und nur selten zu Tbeil wird.
Wollte man die technischen Erfindungen schutzlos machen,
so würde die Konsequenz und der Grundsatz der Gloicb-
mässigkeit des Rechtsschutzes verlangen, dass das geistige
Eigentum in keinem Falle geschützt werde. Eine volks-
wirtschaftliche Partei, welche den Patenten feindselig ist,
führt als Grund dieser Anomalie an, dass bei einer Druck-
schrift und einem Kunstwerk das Eigenthumsrecht leichter
allgemein
behaupten: auch bei einer Druckschrift und einem Kunst-
werk ist es häufig schwer zu entscheiden, ob eine strafbare
Nachahmung vorliegt; diese grössere Schwierigkeit wurde
alier auch die gänzliche Entziehung des Schutzes nicht zur
Folge haben können, sondern könnte nur auf die Art der
gesetzlichen Regelung von Einflnss sein. Die volkswirt-
schaftliche Partei, welche sich die Befreiung des Verkehrs
von allen ihn drückendeu Fesselu zum Ziele gesetzt hat,
übersieht im Eifer des Kampfes • — vielleicht uubewusst
durch den Namen der Patente verleitet — dass sie mit der
Befreiung des materiellen Verkehrs von den Patentschranken
den freien Verkehr der Gedanken fesselt —
Wenn wir uns der Hoffnung gern hingeben, dass der
Hohe Bundesrat!! die wirtschaftlichen und politischen Mo-
tive, welche für den Erlass eines befriedigenden Patentge-
setzes sprechen, iu ihrer weittragenden Bedeutung würdigen
wird, so verkennen wir doch selbst die grossen Schwierig-
keiten nicht, welche einer gesetzlichen Regelung entgegen-
stehen. Wir erkeunen selbst an, dass sämmtliche bestehende
Gesetzgebungen nicht befriedigen, in der That steht in allen
Ländern die Verbesserung der Patentgesetzgebung auf der
Tagesordnung. Wir können aber nicht zugelwn, dass die
Schwierigkeit, die Interessen des freien Verkehrs mit
denen des Erfinders zu versöhnen, das Verlangen rechtfer-
tigen könne, die Erfindungspatente ganz zu beseitigen. Es
wäre dies einem anerkannten Bedürfnisse gegenüber gleich-
sam eiue gesetzgeberische Baukerotterklärung. Solche würde
man gewiss erst aussprechen dürfen, nachdem alle berufenen
Kräfte nach eingehendem Studium der Sache die l'uuiög-
lichkeit anerkannt hätten, eine befriedigende Lösung der
Frage zu finden. Da die Schwierigkeiten der Sache grossen-
theils darin bestehen, dass den Gesetzgebern die technische
Seite der zu regelnden Frageu nicht bekannt ist, so hat der
Verein deutscher Ingenieure geglaubt, dadurch die Sache zu
forden), dass er eine Kommission beauftragt hat, unter Bei-
stand befreundeter Juristen eiuen Patent-Gesetzentwurf aus-
zuarbeiten. Das Resultat ist der dieser gehorsamsten Peti-
tion beigefügte Entwurf nebst Motiven. Man hat dabei
gesucht, möglichst objektiv zwischen den Interessen des ge-
werbtreibenden und des konsumirenden Publikums und dem
nothweudig deu Erfindern zu gewährenden Schutze zu ver-
mitteln , den letzteren auf das zulässige Maass zu beschrän-
ken und eine den Verkehr hindernde Ueberzahl werthloser
Patente möglichst zu verringern.
Wir scnliessen mit der Hoffnung, dass es dem Hohen
Bundesrathe gefallen möge, der Industrie des deutschen
Vaterlandes recht bald die Woblthat der durch die Bundes-
verfassung verheissenen gesetzlichen Regelung des Patent-
wesens zu gewähren, und mit der gehorsamsten Bitte, den
in dem beiliegenden Gesetzent würfe niedergelegten Grund-
lagen eines solchen Gesetzes eine wohlwollende Berücksich-
tigung zuwenden zu wollen. *
Fortschritt zu hemmen. — Die in den letzten Jahren erbauten
öffentlichen Gebäude wie Privathäuser zeigen daher mit wenig
Ausnahmen würdige Formen, aus gesunder Konstruktion entspros-
sen, namentlich die neuen Ziegelrohbauten in ihrer Anlehnung
au italienischen Backsteinstil; die Privatbauten haben fast
immer eine anspruchslose Gestaltung beibehalten. Auf die Phy-
siognomie der Geschäftsstrassen haben dio Loden und Schau-
fenster einen grossen Einfluss, letztere sind iu den verkehr-
reichsten Strassen sowohl für die Souterrain-Läden, wie für die
im Erdgeseboss befindlichen angeordnet und nur durch eine
schmale Zwischentbcilung getrennt Die Soutcrraiuläden stehen
oft denen des Erdgeschosses an Eleganz nicht nach. Die meisten
Häuser besitzen Schaufenster iu den gewöhnlichen Fensterdiuicn-
siuuen.so dasn die leider bei uns kaum mehr auffallende Rücksichts-
losigkeit in der Verwendung eiserner Stützen und Träger nicht
zu findeu ist Wo solche angeordnet sind, ist ihre Theilung für
die ganze Gestaltung der Facadc maassgebend gewesen und hat
ansprechende Bauten bewirkt.
Das Hauptbaumaterial ist neuerdings wieder Backstein, meist
iu kleinstem Format Die iiitesten Gebäude wie die uuter Chri-
stian IV., dem bauenden Könige entstandene Rosenborg, die Börse,
iu der Architektur dem bekannten Frederiksborger Schloss ent-
sprechend, zeigen die in jener Zeit übliche reiche Verbindung
der aus Ziegelsteinen hergestellten Flfichenkompartlincntu mit
den vielen vertikalen und horizontalen Hausteiugliederungen.
Dann folgen die, an holländische Bauten erinnernden einfach-
sten Ziegelsteinfacaden, ohne Architektur. Die Schlösser und
grossen Gebäude aus dem vorigen Jahrhundert haben jedoch
wesentlich Haustein verwendet und dio Flächen geputzt Ebenso
sind die monumentalen Gebäude aus der ersten Hälfte dieses
Jahrhunderts konstruirt. Erst in neueren Bauwerken tritt die
Ziegelarchitektur wieder auf, entweder iu vollständiger Ausbildung
durch Glasur und Formsteine etc. (Universitätsbibliothek, Natur-
historisches Museum), in einfacher Gestaltung, wie bei den neue-
ren Kirchen und Wohnhäusern, oder in Verbindung mit Hau-
stein (Nationalbank). Die meisten Privatgebäude werden in sehr
haltbarem Kalk- und Zement-Putzbau hergestellt. Ich mnss hier
noch einiger Eigentümlichkeiten der Herstellung des Aenasern
der Ziegeifaraden erwähnen. Die Ziegelsteine sind meist von
rauher Oberfläche, die Kanten der Verblendsteine nicht über-
mässig sauber. In richtiger Erkenntnis, wie namentlich bei
kleineren Bauwerken durch eine grosse Fuge jedes architekto-
nische Detail illusorisch wird, hat man immer nach dem Ver-
streichen der Fuee mit einem Ziegelstein die ganze Fläche glatt
abgerieben und dann diu Fuge mit einem Rundstab verseilen,
ja oft diesen Rundstab in Relief aufgesetzt, in meist sehr un-
haltbarer, und unangenehm ins Auge fallender Weise. Der Rund-
stab der Fuge, und wohl auch hie und da das Abreiben der
Flächen vererbt sich auf alle neuern Ziegelrohbauten und ver-
leiht ihnen eine feinem Erscheinung, die mit den meist auge-
weudeten feineren Gliederungen (diu Steine werden häufiger als
bei uns der Dicke nach prolilirt) durchaus zusammengeht Den-
noch zeigen viele iu neuester Zeit aufgeführte Privathäuser in
dem rühmenswerthen Bestreben der Einführung eines einfachen
Backsteinbaucs einige nicht zu billigende Eigentümlichkeiten,
die zum Tbeil jedoch noch aus älterer Zeit herübergenommeu
sind; namentlich siud oft direkt dem Stcinbalkcnbau entnom-
mene Formen, horizontale Architrave aus kleinen Ziegelsteinen
aufwendet und wenig geschickt mit der meist rundbogigen
übrigen Architektur verknüpft. Ja, bei dem gleich zu besprechen-
nden neuesten Bauwerk, dem Industrie- Ausstellung. 1 ! • Gebäude,
sind sogar die Quaderuugen des Unterbaues in Ziegelstein her-
gestellt Aehnliche Anomalien finden sich hei vielen Gebäuden.
Gehen wir uach diesen allgemeinen Bemerkungen zur kur-
zen Betrachtung einzelner Bauwerke über, so müssen wir die
schätzbare Grundlage anerkeunen. die iu der Kunstabtheiluug
derAusstellung durch die Entwürfe älterer und neuerer Meister
gegeben ist.
Wir finden dort zuerst die Christiansborg- Schlossanlageu von
Hausen (175H—1845), sowie das Rathaus von demselben, Ge-
bäude von grossen ernsten Formen und wenig freien Details.
Die lebenskräftige Behandlung der Antike, wie sie Thorwaldsen
von seinem Gebiete aus auf die eesammte dänische Kunstbe-
strebung verbreitet hat, suchen wir darin vergeblich. Es sei
hier auch des Thorwaldsen-Museums erwähnt, erbant von Binds-
boll (1800 — 56); dies Gebäude hat von jeher scharfen Tadel zu
erdulden gehabt, und in der That steht es in der äusseren schwe-
ren, düsteren Erscheinung mit seinem Zwecke, der Beherbergung
anmutiger Kunstwerke, im Widerspruch. Manches trägt die miss-
lungene Färbung dazu bei, noch mehr die gutgemeinte, aber in
der grossen Ausdehnung langweilige Dekoration mit Sgraffittos,
die an architektonisch ungünstigster Stelle, weil durch die Vertika-
len-Gliederung nicht geteilt sondern unterbrochen, das Gebäude
umgeben. Der Gegenstand der Darstelluug ist dio Ankunft Thor-
waldsens iu Kopenhagen, Begrüssung durch dos Volk, die An-
kunft seiner Werke- Für eine kleinere Ausdehnung und in klei-
nerem Maasstatie würde diese Dekoration, die in ihren einzelnen
Genrebildern oft sehr charakteristisch gezeichnete Gruppen auf-
weist, nicht blos volkstümlich, sondern auch strengeren Anfor-
derungen gerecht geworden »ein. Es kommt hinzu, dass die
Technik der Herstellung in 3—4 Farben (die bis jetzt in 24 Jah-
ren wem« gelitten haben) eine sehr beachtenswerte Leistung ist.
Noch mehr zeigt diu Dekoration des Hofes, in derselben Tech-
no
nik , braun und weiss auf schwarzem Grund, in schön gezeich-
netem und stilisirtem aufsteigenden Laubwerk die Lebensfähig-
keit derselben. Im Innern, welches die Kunstwerke Thorwaldsens
in guter Beleuchtung und angemessener Aufstellung enthält, stö-
ren ebenfalls wieder die Farben; jedoch finden wir liier auch den
Versuch, die ganz flachen Reliefs der Antike und der früheren
Renaissance (wie Villa Madama) in Verbindung mit Farbe in die
Dekoration einzuführen, wenn auch etwas unvollkommen gelöst,
doch immerhin interessant und die Weiterbildung anregend.
Von der Ausstellung älterer Werke wäre ferner das von
Hetsch (1788-64) herrührende stoif klossiche, nicht ausgeführte
Digitized by G(
Die Oder als Schiffahrtsstrassf.
Er Riebt vielleicht wenig Themata, über welche so viel
gescuricben und debattirt worden ist, als über die Schiffbar-
inarhung der Oder, und darf man wohl dreist behaupteu,
dass aus der hierüber vorhandenen I.itteratur einige recht
stattliche Buhnen erbaut werden könnten. Dessenungeachtet
scheint die im Allgemeinen geltende Ansicht, dass Projekte,
welche viele Jahrzehnte alt werden ohne zur Ausführung zu
kommen, überhaupt niemals realisirt werden, im vorliegen-
den Falle nicht bestätigt zu werden; denn es ist noch nie
grössere Aussicht zur Erfüllung der in dieser Beziehung ob-
waltenden dringenden Wünsche vorhanden gewesen als ge-
genwärtig, iusofern einerseits der preussische .Staat jetzt in
der Lage ist, namhafte Summen für diesen Zweck zn ver-
wenden, andererseits durch das der Ausführung uahe Pro-
jekt der Herstellung einer schiffbaren Verbindung zwischen
'der Donau und der Oder die Schiff barmarhung der letzteren
gewissermassen zur Notwendigkeit gemacht wird, wenn der
preussische Staat von Oesterreich nicht überflügelt werden
soll. Hierzu tritt noch der Umstand, das» der in ungeahnter
Weise gewachsene Gütertransport aus Oberschlesien durch
die vorhandenen Eisenbahnen kaum noch bewältigt wer-
den und dass auch bei der Anlage neuer Konkurrenzbahnen
eine erhebliche Ermässigung des hohen Eisenbahntarifs für
Massengüter nicht erwartet werden kann, während derselbe
durch die Schiff bannaehung der Oder auf den dritten Theil
des gegenwärtigen Frachtsatzes reduzirt werden könnte.
Wenn hiernach die Schiff barmachung der Oder zu einer
dringenden und nnaufschieblicheii Notwendigkeit geworden
ist, so dürfte es nicht überflüssig erscheinen, zwei Fragen
nochmals einer kurzen Erwägung zu unterziehen, nämlich
folgende:
1. in welcher Weise dieses Projekt am zweckmässig-
sten, am raschesten und am erfolgreichsten realisirt
werden könnte;
2. ob es gerathon sein dürfte, die Ausführung dessel-
ben einer Aktiengesellschaft zu überlassen, oder ob
es nicht besser sein würde, wenn der Staat selbst
die Kealisirung und Ausnutzung desselben in Hän-
den behielte.
Für die Beantwortung der ersten Frage muss das Er-
scheinen der Brochüre «die Schiff barmachung der Oder" von
C. Fessel als ein Glück bezeichnet werden, da dieselbe un-
streitig das gediegendste und beste Werk ist, welches bisher
über den in Rede stehenden Gegenstand geschrieben wurde.
Dieselbe beschränkt sich in anerkennungswerther Weise nicht
darauf, Räsoniiements über den in Heile stehenden Gegen-
stand zu geben, sondern beweist ihre Behauptungen durch
Zahlen und Daten und gewährt demnach ganz vorzügliche
Anhaltspunkte für die Ausführung des Projektes. Man darf
hiernach die folgenden Behauptungen als unbedingt begrün-
det annehmen.
a. dass die Schiffharmachung der oberen Oder. d. h.
der Oder oberhalb Breslau durch blosse Einschränkung mit-
tels Buhnen nicht erreicht werden kann, wenn die not-
wendige Herstellung einer durchgängigen Wassertiefe von
mindestens 1,40" bei k I ei nem Wasserstande erzielt werden
soll, selbst' wenn man die vorhandenen Regulirungswerke bis
zu der überhaupt zulässigen Grenze verlängern wollte ;
b. dass die schon häufig vorgeschlagene Anlage eines
schiffbaren und durch die Oder zn speisenden Kanals neln-n
derselben zwar ausführbar wäre, jedoch einerseits weit mehr
kosten würde, als die Schiffbarmuehung des Stroms durch
bewegliche Wehre, andererseits nicht so zweckmässig
sein würde, weil dieser Kanal kürzere Zeit eisfrei sein würde
als der Strom selbst, ferner weil hierdurch zahlreiche am
Strome selbst gelegene Orte und Etablissements beeinträch-
tigt werden würden, weil der Kanal sehr kostspielige Schutz-
anlugen in Rücksicht auf die Hochgewässer erforderlich
machen und beträchtliche Landflächen der Kultur entziehen
würde, endlich weil hierdurch die Benutzung des Segels ganz
unmöglich gemacht und die Schiffahrt durch die unvermeid-
Projekt zum Umbau der großartigen und malerischen Räume
eines im vorigen Jahrhundert begonnenen Pracht -Kuppelbaues,
der Marmorkirche gegeuüber dem Amalicuplatz, iu eiu Museum,
sowie die Entwürfe zur Kirche in Nerrebro in schlichtem stil-
vollen Backsteinbau von Sorenseu (1825—07) zu erwähnen.
Die Mehrzahl der von lebenden Architekten zur Ausstellung
gesandten Werke besteht in fleis-sigeu und schönen Studieu
nach einheimischen und italienischen Bauwerken ; ich muss auf
ein näheres Eingeben verzichten, dagegen die Zeichnungen zu
dem vorhin berührten Universität*- Bibliothek - Gebäudu, einem
tüchtig durchgeführten , reichen Backstciubuu \on Herholdt,
hervorheben , dem nur die beabsichtigte Verwandtschaft mit der
daranstossenden Universität schadet. Dieses von Mailing 1831
— 36 iu einer unnennbaren Bauweise errichtete Gebäude ist
nächst dem bekannten Dracheuthurm der Börse, so wie dem der
Kreiser Kirche wohl die einzige architektonische Extravaganz
Kopenhagens, namentlich im Gegensatze zu der edlen Erschei-
nung der daneben befindlichen , mit Recht berühmten Frauen-
kirche von Hausen, welche die Erlöser- und Apostelstatuen
Thorwaldseus enthält.
Im Uebrigen ist von neueren Gebäuden zu erwähnen: das
zoologische Museum, in schöner Backstein-Architektur von Han-
sen, von dem der ausgestellte Entwurf zur Universität in Athen
herrührt und dem wohl hauptsächlich der Fortschritt iu der Archi-
tektur zu danken, das grossartige Gebäude der Ugc, in Backstein
und Sandstein iu antiker Form, sowie die Nationalbank, letztere,
die grossartigeu Verhältnisse römischer Paläste mit tüchtiger
lombardischer Backste'marchitektur vereinigend und von grosser
ruhiger Wirkung, zumal die bei unseren Bauken übliche Be-
nutzung des Erdgeschosses zu hell zu erleuchtenden Geschäfts-
Lokalitäten, die eine starke Durchbrechung der Mauerma<seu
verlangen, dort nicht Statt hat. Die Geschäftsräume befmdeu
sich eine Treppe hoch, und das Erdgeschoss — Tresore und un-
tergeordnete Bäume enthaltend, in Grauitipiader aufgeführt, mit
kleinen Fenstern durchbrochen, bildet den grossartigen Uuter-
bau. Ferner der in der Ausführung der Fuudirung begriffene
Theaterbnu nach den in der Ausstellung befindlichen
von Dahlenip und Petersen, ein Bau in einfachen
Rpnaissance-rormeu, der nach dem geschickten Grund-
zu urtheilen, das Beste hoffen läast.
Fassen wir noch einmal den Gesaniiut<indruck der modernen
Bauausführungen zusammen, so tritt uns aus allen das Bestreben
solider Ausführung entgegen; die Formen sind häufig typisch,
und die Abgeschlossenheit der Bestrebungen ist auch hier er-
kennbar. Mit Ausnahme von Italien hat kein anderes Land,
zum Glück auch noch nicht Frankreich, es vermocht, die
Architektur zu beeinflussen. Eine grosse Harmonie der Ge-
summt -Erscheinungen ist das Resultat-
Ich komme nun zum Ausstellungsgelände, dem jüngsten
Bauwerke Kopenhagens. Erwähnt war schon, wie erfolgreich die
alle Richtungen wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Strö-
hens fördernden Vereine wirkten. Auch die Ausstellung
ist der Arbeit eines solchen entsprossen. Sie ist wesentlich
dem Vorgehen des Kopenhagener Industrie- und Handwerker-
Vereins zu danken, der ein schon vor etwa 10 Jahren beabsich-
tigtes Unternehmen hierdurch realisirte. Die Kommune hat zu
derselben ein sehr günstig belegenes Terrain dem ebengenann-
ten Verein für den Zeitraum von 28 Janren zu massigem Preise
verpachtet. Der Vereiu gründete rine Aktiengesellschaft und
diese baute ein Ausstellungsgehäude, welches auch für spä-
tere ähnliche Zwecke dieneu und namentlich auch bazarartige
Ausstellungen aufnehmen soll. — Wie aus der dargestellten Situ-
ation zu ersehen, liegt das Hauptgebäude an der Hauptver-
kehisstrassc Kopenhagen», dem Vcstcrbro: sehr geschickt sind
die kleineren Gebäude auf einer gartenarttg terrassirtcu Bastion
angeordnet und auch noch durch eine Brücke über den Wall-
graben mit dem Hauptgebäude verbunden.
Es bedurfte iu der That dieser günstigen Lage, weil die
Anziehungskraft der Stadt, der Umgegend, der Museen viel-
leicht mauchen Fremden zu sehr gefesselt hätte.
Das umfangreiche Haupt-Gebäude, ein Werk des Architekteu
Klein, bildet in der Gruudform ein Rechteck, welches einen
glasbedeckten Hof umscbliesst. Die Form ist einfach, da das Ge-
bäude später mannichfachen anderen Zwecken dienstbar «ein
soll und daher besonders ausgebildete einzelne Räumlichkeiten
nicht enthält; es ist in drei Stockwerke gegliedert, wovon zwei
nur an der Vorderfront in die Erscheinung treten. Da man.
um zu dem Ausstellungsraum zu gelangen, eine Treppe
hinabzusteigen hat, hat man gleich beim Eintritt eine freie
Uebersicht über den schönsten Theil der Ausstellung. Die Süs-
sere Erscheinung ist eine sehr günstige; gute Verhältnisse von
Eck- und Mittelbauten gliedern den Bau, nach der Stadtseite
bildet des im dritten GeschosH aus Eisen und Glas hergestellt!
Cafe eine ansprechende Unterbrechung. Das Material des Ge-
bäudes ist ein unverputzter Backstein, die Kapitale und G i-sin.se
sind Zement resp. Sandstein, der kleine Sockel Granit. Die
Backsteinform ist, wie schon oben bemerkt, in manchen Punk-
ten mehr traditionell klassisch, wie dem Stile des Materials
entsprechend. Die arkadenartige Llofarchitektur ist ebenfalls
Ziegelrohbau, aber hellgefärbt und von schöner Wirkung, di'
in Etwas durch die von 'grossen eisernen Säulen gestützte Ei-
seukoustruktion des Daches beeinträchtigt wird
Die kleineren Gebäude, soweit sie Ausstellungsobjekte bil-
den, sind iu malerischer Anordnung gruppirte Holzbauten, die
in angenehmer Abwechselung nordische einfache und reiche Be-
handlung des Holzes (meist Nadelholz) darstellen, wie nament-
lich das Haus, welches die Schwedische Kuustabtheiluug enthält,
als ein reizvolles kleines Bauwerk bezeichnet werden muss.
Wir sind hieniit bereits dem Gebiete der Kunstindustrie nahe
gekommen, welches ein Hauptelement der Ausstellung bildet, der
Verarbeitung des Holzes. Daher vorher einige allgemeine Be-
merkungen.
<*<-hl«M fe'r )
Digitized by Google
lirhen Reparaturen au den Schleusen häutig unterbrochen
werden würde u. s. w.
c, dass die Schiffharmachung der oberen Oder durch
bewegliche Wehre nicht nur die Erzielung der obener-
wähnten notwendigen Wasscrliefe ganz sicher verspricht
-sondern auch in verhältuissiiiässig kurzer Zeit ausführbar
ist und nicht allzu bedeutende (Geldmittel in Anspruch neh-
men würde, welche durch eine sehr massige Schiffahrtsall-
gabe vollständig verzinst werden könnten.
l'uter diesen Verhältnissen wäre es nicht rathsam, für
die Schiffbarmachung der Oder oberhalb Breslau eine
andere Methode zu wählen , als die mittel» beweglicher
Wehre. Ob hierbei anstatt der von Herrn Fessel pn.jcktir-
ten Schleusen <lie in dem Artikel T Beitrag zur Verbesserung
der Oderschiffahrt'* in No. 17 der Deutschen Bauzeitung pro
1872 vorgeschlagenen Schiffsduichlässe mit Vortheil ange-
wendet werden möchten, dürfte noch näher zu erwägen sein.
Wenngleich hierdurch die Ausführungskosten vermindert
werden würden, so darf nicht übersehen werden, da.vs die
züglich ihrer Zahl zu vervollständigen und in ihrer gegen-
wärtigen mit dem Mittelwasserstande nahezu über-
einstimmenden Hohe zu verlängern, weil hierdurch
das Mittelwasser- und Hochwasscrprotil zu stark, das Klein-
wasserprofil dagegen zu wenig eingeschränkt werden würde.
Es dürfte vielmehr rathsam sein, das Mittelwasserprofil
in der vor längerer Zeit festgestellten und bei deu bisheri-
gen Kegulinings- Arbeiten festgehaltenen Normalbreite un-
verändert zu belassen resp. durch Herstellung der noch
fehlenden Buhnen zu vervollständigen, dagegen ein neues
Profil für die kleinen Wasserstände durch Anlage von
langen Vorlagen vor deu vorhandenen Werken, sogenannter
Kauschbuhnen, herzustellen, welche aus Sinkstücken oder
Senkfaschinen anzufertigen und in ihrer Krone auf den ge-
wöhnlich niedrigsten Wasserstand zu legen sein wurden.
Das ganze Stromprofil würde hierdurch die nachstehend
dargestellte Form erhalten, in welcher zur besseret! Verdeut-
lichung die Höhen in weit grösserem Maasstabe aufgetragen
siud, als die Längen.
Schiffahrt durch die Anlage derartiger Durchlässe, zwar eini-
beschleunigt aber aucli
werden würde.
i'h erschwert und gefährdet
Was nunmehr die Schiffbarmachuug der unteren Oder,
d. h. der Oder unterhalb Breslau anbelangt, so walten hier
unstreitig wesentlich verschiedene Verhältnisse ob, welche
die Frage nahelegen, ob hier nicht eine andere Methode der
Schiffbarmachuug zweckmässiger sein würde, als die mittels
beweglicher Wehre. Einerseits hat die Oder hier schon un-
mittelbar unterhalb Breslau bei kleinem W asserstande eine
nahezu doppelt so grosse Wassennenge als oberhalb Cosel,
ferner ein geringeres Gefalle und gleichmässigere Wasser-
stände; sie enthält hier gar keine festen Wehre und ein
sandiges Bett ohne Biffe. Die Schiffbarmachuug derselben
bis zu der notwendigen Wasseltiefe von 1,4»» bei kleinem
Wasser durch weitere Einschränkung ist jedenfalls
möglich und würde gegenüber der durch Stauanlagen fol-
gende sehr schwerwiegende Vorzüge haben:
a. den der Ik-schleunigung der Fahrt, da die Verzöge-
rung durch die I'assiruug von Schleusen oder Schiffsdurch-
lässen wegfällt;
1). den der grösseren Billigkeit des Trans]K>rts, insofern
die Strömung und der Segelwind benutzt werden können;
c. den der unbegrenzten Vermehrung des Verkehrs, wuh-
derselbe bei der I'assiruug von Schleusen gewisse Grenzen
nicht übersteigen darf:
«1. deu der geringeren Anlagekosten, da die bereits vor-
handenen und mit bedeutenden Kosteu verknüpft geweseneu
Kegulinings - Arbeiten hierbei vollständig benutzt werden
können, was bei der SchitTbarmachung durch Wehre nicht
der Fall sein würde;
e. den Vorzug, dass die Entwässerung der niedrigen
I-ändereien längs der Ufer nicht erschwert oder ganz be-
hindert werdeu würde, was bei der Anlage von Stauanlagen
zu befürchten sein würde.
Bezüglich des Mittels zur Einschränkung des Stromes
w urde mau zwischen Uarallelwerkcu und dem Buhnensvstcm
zu wählen haben. Es ist nicht zu leugnen, dass durcli Pa-
rallelwerke mit Hülfe von Baggerungeu eine sehr gleichmäs-
sige Wasscrliefe erzeugt werden kann und dass die Scliiff-
falirt hierdurch ausserordentlich erleichtert wird. Anderer-
seits darf nicht unerwähnt bleiben, dass mau bei Anlaue
um Parallel werken für alle Zeiten an die von vornherein
festgestellte Profilbreite gebunden ist, auch wenn dicscll>c
sich im Laute der Zeit als zu weit oder zu eng herausstellen
sollte, ferner dass die Bäume zwischen den Parallelwerketi
und den lleru bei Weitem schwieriger verlanden, als bei
dem Buhueusystem, wodurch die Unterhaltungskosten der-
selben sich wesentlich steigern, endlich auch, dass die erste
Anlage der Parallelwerke bedeutend kostspieliger sein
würde, als die der Buhnen, da dieselben mit Steinen gehörig
befestigt werdeu müssten. welche gerade au der unteren
Oder ausserordentlich theuer sind.
Es würde hiernach wohl geratheu sein, zur Einschrän-
kung des Stromes das Buhnensystem zu verwenden; jedoch
würde es nicht zwec kmässig sein, behufs Erzeugung der
uöthigeu Sehiffahrtstiefe die bereits vorhandenen Buhnen be-
Die durch ein derartiges Einschränkungssystem zu er-
zielenden Vortheile sind vorzugsweise folgende:
a. dass die bereits vorhandenen Hauptbühnen, insoweit
dieselben zweckmässig liegen und solide koustruirt sind,
uanz unverändert bleiben, und die vorhandenen Vorlagen
derselben zur Herstellung der Kauschbuhnen mit benutzt
werden köunen;
ß. dass die Einschränkung des Kleinwasserproßls nicht
von vornherein bis zu der durch Berechnung festzustellenden
Grenze getrieben werden muss, ."Mindern ohne jede Schwie-
rigkeit vervollständigt werdeu kann, wenn sich das Bedürf-
niss hierzu im Laufe der Zeit herausstellen sollte;
X. dass die notwendige Wassertiefe von 1,40" für den
gewöhnlich niedrigsten Wasserstand unzweifelhaft erzielt
werden kann, da selbst durch eine bedeutende Einschrän-
kung des Kleimvasserprolils der Abflugs der Mittel- und
Hochgewässer nicht erheblich hehiudert wird;
ii. dass die höchst w ünschenswerte Verlandung zwischen
den Haupt buhneii durch die langen Vorlagen wesentlich ge-
fördert werden wird;
s. dass die Schiffbunuachung des Stromes durch die
vorstehend beschriebene Einschränkungsmetode jedenfalls
in kürzerer Zeit und mit geringeren Kosten auszuführen sein
würde, als durch bewegliche Wehre oder durch Parallel-
werke;
C. dass die Vorfluthsverhältuisse der längs des Stromes
gelegenen Bindereien hierdurch gar nicht alterirt und die
für die Schiffahrt benutzbare eisfreie Zeit durch die Verstär-
kung der Strömung zwischen den Rauschbuhnen jedenfalls
verlängert werden würde, während dem I litttritt von Eisver-
setzungen durch die Gleichmässigkeit der Strömung nach
Vollendung des ganzen Werkes vorgebeugt werden dürfte etc.
Nachdem in Vorstehendem der Versuch gemacht worden
ist darzulegen, dass die zweck massigste Methode der Schiff-
barmachuug der unteren Oder die Einschränkung
des Stromes durch ein Buhnensystem sein würde, welches
auch bei sehr niedrigen Wasserständen die nötige Wasser-
tiefe erzeugen kann, ohne das Mittelwasser- und Hochwas-
serprotil in nachtheiliger Weis« zu beschränken, während
unzweifelhaft für die obere Oder die Anlegung beweg-
licher Wehre der richtigste und geeignetste Weg zur Er-
zielung der nötigen Schiffahrtstiefe ist so soll nunmehr
noch die überaus wichtige Frage erwogen werden, ob es ge-
raten sein würde, die Ausführung der Schiffbarmachuug
der ganzen Oder einer Aktiengesellschaft zu überlassen,
oder ob der Staat nicht besser tun würde, die Realisirung
und Ausnutzung dieses grossartigen Unternehmens in seiner
Hand zu behalten.
Herr Fessel hat iu seiner wertvollen Brochüre die An-
lagekosten der Schiffharmachung der Oder oberhalb Bres-
lau zu 4 IlKHHKt 'Uli lr. und die Unterhaltungskosten incl.
der Verzinsung des Anlagekapitals pro Jahr zu 2.SS.'i7. r > Thlr.
berechnet und hat nachgewiesen, dass bei dem in sicherer
Aussicht stehenden Wasserverkeltr von 2ä Millionen Zentner
der überaus massige Zoll von 0,15 Pfennigen pro Zentner-
meile eine Einnahme von .'51 2 'KH) Thlr. herbeiführen würde,
wodurch selbst dann die Unterhaltungskosten gedeckt wer-
Digitized by Google
- 279 -
den würden, wenn dieselben in Folge unvorhergesehener
F.reignisse sich etwas liölior stellen »Ilten, als dieselben
veranschlagt wurden.
Die Kosten der Schiffbarmachung der unteren Oder
dnrch das in Vorschlag gebrachte Buhnensvstem sind
jjro Meile durchschnittlich zu 120000 Thlr.. also fiir 4H>. Mei-
len zu 5 850 000 Thlr. zu veranschlagen. Hiervon ist der
Werth der bereits vorhandenen und hierbei zu benutzenden
Regulirungswerke mit mindestens 20OO00O Thlr. in Abzug
zu bringen, so dass nur noch höchstens 4O00OOO Thlr. für
diesen Zweck zu verausgaben sein würden. Die Unterhal-
tungskosten dieser ]{egulirungsw r erke hat Herr Fessel zu
hoch veranschlagt, insofern er vorausgesetzt hat. dass all-
jährlich der Ii». Theil der Buhnen vollständig erneuert wer-
den müs.ste. Diese Annahme mag bei unsolide erbauten und
nicht gehörig unterhaltenen Werken zutreffen; dagegen lässt
sich behaupten, dass zweckmässig und solide erbaute
Regulirungswerke bei sorgfältiger Unterhaltung nur in
seltenen Füllen eine vollständige Erneuerung milbig
machen werden, zumal dann, wenn auf die Festhaltung der
Verlandungen zwischen densellven möglichst hingewirkt wird.
Hiernach dürften sich die Kosten der Unterhaltung "pro Jahr
in folgender Weise ermitteln:
1. Zinsen des Anlagekapitals, 5% von
4000000 Thlr , 2<X»(KK» Thlr.
2. für die nötbigen Erneuerungen und
Wiederherstellungen an den Werken
bei sorgfältiger Unterhaltung, und
für die Räumung des .Strombetts, pro
Meile 4000 Thlr. also für 48% Meilen 195000 „
3. für die Beaufsichtigung etc 1511)0 .
im Ganzen .... 410000 Thlr.
Nimmt man nun den ungünstigsten Fall an, das.s der
Wassel verkehr auf der unteren Uder nicht bedeutender werde
als der auf der oberen tider mit Sicherheit zu erwartende
von 25 Millionen Zentner, und dass hier ebenfalls nur der
sehr massige Zoll von 0,15 Pfennig, pro Zentnermeile er-
hoben werde, so ergiebt sich eine jährliche Einnahme von
rot. 50*000 Thlr., also ein Ueberschusa von nahezu 100,000
Thlr. über die Unterhaltungskosten.
Nach Vorstehendem würjtie die Ausführung der Schiff-
barmachung der ganzen Oder ein gut rentirendes Unter-
nehmen sein, selbst wenn der Wasserverkehr sich auch
in Zukunft nicht höher steigern sollte, als dies im Vorste-
henden angenommen ist. Wenn man jedoch erwägt, bis zu
welcher ungeahnten Höhe der Gütertransport auf der ober-
schlesischen Eisenbahn sich in verhältnissmässig kurzer Zeit
gehoben hat, und dass nach erfolgter Schiffbarmachung der
Uder der TransjKtrt der Massengüter unzweifelhaft zum weit
überwiegenden Theile dem Wasserverkehr zufallen muss, so
erscheint die Annahme nicht waghalsig, dass der Güter-
transport auf der Oder sich im Laufe der Zeit vielleicht zur
doppelten Höhe des den Berechnungen zu Grunde gelegten
Quantums von 25 Millionen Zentner erheben dürfte, wodurch
gleichzeitig auch die Zolleinnahme sich verdoppeln würde,
wenn man es nicht vorziehen sollte, in diesem Falle den
Zollsatz zu ermässigen. Dass es unter diesen Umständen
nicht klug sein würde, wenn der Staat die Ausnutzung die-
ses Unternehmens einer Aktiengesellschaft ülwrliesse. lieft
auf der Hand, selltst wenn in letzterem Falle nicht auch an-
derweitige Schwierigkeiten herlteigeführt werden sollten, in-
sofern bei der Ausführung des in Rede stehenden Unter-
nehmens sehr zahlreiche Interessen der adjazirenden Ort-
schaften tangirt werden, für welche jedenfalls in mehr zu-
friedenstellender Weis«; Sorge getragen werden würde, wenn
der Staat selbst, die Schiffbarmachung ausführte, als weiui
dies durch eine lediglich ihr eigenes Interesse im Auge be-
haltende Aktiengesellschaft geschehen sollte.
In vorstehendem Artikel ist bisher unerwähnt geblieben,
dass die Schiffbarmachung der Oder ihren Zweck nur dann
vollständig erfüllen würde, wenn gleichzeitig der vorhandene
Kloduitzkanal zwischen Cosel und Gloiwitz erweitert und
vertieft, und von Gleiwitz aus einige Zweigkanäle nach den
Bergwerksdislrikten sowie nach der Weichsel hin angelegt
werden sollten, um die Hauptprodukte Oberschlesiens mit
geringen Frachtkosten der Oder zuzuführen nud eine schiff-
bare Verbindung zwischen letzterer und der Weichsel her-
zustellen. Die Kosten dieser Anlagen veranschlagt Herr
Fessel zu 4505000 Thlr. und beweist, dass bei der Voraus-
setzung einer Gilterbewegung von 25 Millionen Zentner nud
einem Zollsatz von 0,2 Ff. uro Zeutnermeile die Unterhal-
tungskosten einschliesslich der Verzinsung des Anlagekapi-
tals gedeckt werden würden. Wenngleich nun also der
Staat, wenn er alle diese Bauten selbst ausführte, pekuniäre
Opfer nicht bringen würde, so dürfte es doch in mancher
Hinsicht zweckmässig sein, wenn derselbe sich hier darauf
beschränkte, den Klodnitzkanal umzubauen ; dagegen die
Ausführung sammtlicher Zweigkanäle dem Privatkapital über-
liesse, um rascher nnd ohne allzu bedeutende Ausgaben das
angestrebte Ziel zu erreichen. Dass sich Gesellschaften zur
Ausrührung dieser Zweigkanäle finden würden, vorausgesetzt,
dass die vollständige Schiffbarmachung der ganzen Oder
vorher gesichert sein sollte, steht ausser Zweifel, zumal dann,
wenn der Staat eine gewisse Zinsgarantie übernehmen, oder
einen Kostenzuschuss bewilligen sollte, was derselbe im In-
teresse der stärkeren Fre<|Uentiruiut der schiffbar gemach-
ten Oder und in dem der Hebung des obersehlesischen
Bergbaues wohl thuu könnte und gewiss auch thun würde.
Graeve.
Mittheilungen aus Vereinen.
Oeaterrelchlaoher Ingenieur • nnd Architekten -Verein
zn Wien.
Wochcnversainnilung am 23. März 1872: Vorsitzender
Hr. Oberbaurath Fr. Schmidt.
Hr. Professor Doderer spricht über seinen, von ihm zur
Ansicht ausgestellten Entwurf zu dem Gebäude des General-
Kommandos in Wien. Das vierstöckige Gebäude bildet ein von
4 Strassen umgebenes Viertel von 53, II™ Breite und 78,05**
Tiefe. Die Hobe desselben bis zum Hauptgcsiiuse betragt 2t>,87 ro .
Der sehr regelmässige, auf möglichste Ausnutzung des knappen
Baums berechnete Grundriss ist derart disponirt, dass im Un-
tergeschoss Aktensäle, Räume für das Dienstpersonal und die
Zentralheizung, im Krdgescboss und Mezzanin Kanzleien und
eine llauptmauuswohuung, in dem 5,0H m hohen 1 Stock die
Dienstwohnung des kommandireuden Generals von Wien, im
zweiten und dritten Stock die Bureaus der Armee - Intendanz
und der Militär- Baudirektion. sowie der obersten Militär-Ge-
richtshöfe untergebracht sind. Zwei Haupt- und drei Neben-
treppen vermitteln die Kommunikation. — Im Innern hahen die
beiden überwölbten Vestibüle, der 144n iB grosse Repräsenta-
tionssaal des Generals und der 34, 13"" lange, 22.71"« breite Hof
eine bevorzugte architektonische Ausbildung erhalten. Die Ka-
cade ist durch Zusammenfassen des Erdgeschosses und Mezza-
nins zu einem tief gewunderten Unterbau, und des ersten und
zweiten Stockwerks zu einer korinthischen Säulen- resp. Rilaster-
Architektur im Wesentlichen dreigliedrig gestaltet. In der
llauptfrout bildet sich zwischen den Eckrisalitou eine offene
Kolonnade von 4 Axen, auf deren Gebälk sich Brouce-Trophäeu
erbeben. Eine Dachbailustrade uud eine durch die Regelmäs-
aigkeit des Grundrisses ermöglichte architektonische Ausbil-
dung des Dachlirstes geben den oberen Abschluss. Die Gesimse
werden von Haustein angefertigt, der Flächenschrauck und die '
Skulpturen bestehen aus Terrakotta; im Uebrigen kommt ver- |
putztes Ziegelmaucrwerk in Anwendung. Vullondungstermin 1
Ur. Ingenieur C. Kohn spricht über die Schulbildung im
Mittelalter uud das Sehmiedehandwerk. Kr theilt in erster Hin-
sicht u. A. mit, dass in Deutschland die erste bürgerliche, ohne
Mitwirkung der Geistlichkeit gestiftete Schule 1257 zu Wien,
die zweite 1252 zu Lübeck, die erste technische Lehranstalt für
junge Handwerker im Anfange des 15. .Jahrhunderts zu Nürn-
berg errichtet wurde: in zweiter Hinsicht erzählt er von dem
hohen Bange, den die Schmiede seit Meister Tubalkain bei allen
Völkern eingenommen haben, und verweist auf die künstlerische
Bedeutung der mittelalterlichen Schmiedearbeiten.
M onats-Versammlung am April 1S72; Vorsitzender
Hr. Hofrath R. v. Enger th, anwesend 182 Mitglieder,
Nach Verlesung des Geschäfts!
,ut welchem seit
dem 3. März 3li neue Mitglieder in den Verein eingetreten, 2
ausgeschieden sind, werden verschiedene Wahlen zur Ergänzung
des Schiedsgerichtes, für das Vortrags- und Redaktions-Komite
u. s. w. veranstaltet. Für die Aufhebung des Hoffmann'^chen
Ringofen-Privilegiums wird dem Hrn. Handelsmiiiistcr der Dank
des Vereins votirt.
Hr. Ingenieur W. Kanter, der seinerzeit unter dem Bau-
direktor Presse! einen Theil der Vorarbeiten für die bosnische
und rumelische Linie der türkischen Eisenbahnen geleitet uud
dabei auch Land und I/eute eingehend studirt hat, spricht über
Baudenkmale und Bauhandwerke in der europäischen Türkei,
speziell auf dem Boden des alten Thraziens. Von Werken aus
der Römerzeit und der byzantinischen Herrschaft sind fast
nur Befestigungs -Anlagen und einige Grabmale erhalten; desto
imposanter sind hingegen die Baudenkmale, welche seit der
Besitznahme des Landes durch die Osmanen, namentlich zu
Adrianopel, der Residenz der Sultane vor dem Falle Konstan-
tino|K'ls, errichtet worden sind. Die prachtvollen Reste des
alten Serails werden leider gänzlich vernachlässigt und drohen
den Verfall, ebenso die grossartigeu Kaufhallen, das „Pesostan*
und ,das Haus der Wechsler* ; d
der Sultane Seiini, Mahmud 1.
; dagegen sind die groaseu Moscheen
1. uud Achmet vorzüglich erhalten.
Digitized by Google
Letztore drei Bauwerke, die der Ilerr Vortragende näher
beschreibt,*) gehören tu dem Grossartigsten und Edelsten, was
die arabische Baukunst überhaupt geschaffen hat Erwähnens-
werth sind auch die grossen von Sultan Amurad angelegten
Janitscharen - Khane an der Balkan -Strasse, sowie die trefflich
ausgeführten, meist im Spitzbogen gewölbten massiven Brücken.
Einen jj/rellcn Gegensatz zu der vortrefflichen Technik dieser
alten türkischen Bauten bildet die Verkommenheit der der-
nialigen Werkmeister des Landes. Nur die Steinmetzen, welche
ausschliesslich Muhamedaner sind, haben sich einen Best der
alten Tradition bewahrt, wenn sie auch meist nur Grabsteine,
sowie Brunnen- und lud Einrichtungen anfertigen; dafür stehen
die übrigen Bauhandwerker, meist bulgarische oder armenische
Christen uud in eiuer Person Maurer, Zimmermann und Tischler,
auf einer desto tieferen Stufe.
Zum Schlüsse trügt Hr. J. G. Hai dy. Ingenieur-Assistent
der Südbahn, über ciue von ihm erfundene Methode der Bebei- 1
zung von Eisenbahnwagen mittels präparirter Kohle (sogen.
Briqunttc-Kohlc) vor. Es ist diese Beheizung prinzipiell als die
beste der gegenwärtig üblichen anerkannt worden , doch ist die
in Norddcutschland eingeführte Anordnung, wonach die glü-
henden Kohlen unterhalb der Sitze augebracht werden, sowohl
bei Wagen III. und IV- Klasse wie bei Salonwagen und solchen
mit Langsitzen nicht wohl anwendbar. Der Vortragende hat für
diese Zwecke einen Vertikal -Ofen konstruirt, in welchem die
Kohle mit einem von Oben nach Unten gerichteten Luftzuge
verglimmt; für gewöhnliche Personenwagen wird das Heizma-
terial von Oben, für Salonwagen jedoch von Unten eingebracht.
Angestellte Versuche haben ein günstiges Resultat ergeben.
(Schlott folgt.)
Ostprenssisoher Ingenieur- und Arohltekten -Verein.
Die Monatsversammlung am Donnerstag den -t. Juli wurde
durch das Erscheinen der Damen in einen gemüthlichon Aus-
flug nach Sanssouci verwandelt.
Exkursion und 4. Generalversammlung am 20. und
'21. Juli. Dem Programm gemäss trafen die Tbeilnchmer an
der Exkursion am Sonnabend den 20. Juli, Mittags 12 Uhr in
(iütdenboden zusammen, von wo man nach eingenommenem
Frühstück über Pr. Holland noch Zölp fuhr. Das Mittagessen
war im Garten arrangirt, wobei zugleich dem Kollegen, Baurath
Steeuke, welcher am 15. Juli sein bO jähriges Dieustjubiläum ge-
•) Vit nnchrclbeng In
AbdriKka daa Vartnc» M '««dar Btetit » klar, da» ea rieh lohnte
dat'rlbrn >u «aban. Ortrn dl« Maanaiifabci» . dl« allcrdlngi nur ahgnrhrmru
»l»r abtataliäut «lud, hab*n wir «liii««. Wiwlrauan. Wann i. M. b*h»u|>ut wird,
daaa dl» »!• Wunderwerke kühner und (rafSkliar K..n»ltiiktlotl bekannten tlliiaral«
der Salin -ItaarhM mit Ihran dreifachen Trappen 90m H'die bal Um Uurrhmeaiar
in dar Baals roeaaen, lo llatrt wohl doch ein lrrthum oder ein Druckfehler in
Grunde; In dan Briefen an> der Türkei, die dar gtireu wärtla* acneralfeldmarKhaJI
(traf V. alollko Im Jahre 1*41 TeiüffeaUtcat hat, werden }rar Dimensionen in über
iOV «im alwa Um für dla Hüne, uad tu 11' = 3,in für de» uolarau. tu »• =
a.in für d<
Ans der Fachlitteratur
Die Qewerbehalle, welche bei EDgelhorn in Stuttgart seit
1863 erscheint, hat seit langer Zeit, besonders unter der tüch-
tigen Leitung des bekanntlich von der Redaktion abgetretenen
Professors Bäumer, eine grosse Verbreitung sowohl unter den
Architekten als auch in den Handwerkerschulen Deutschlands
erlangt. So erfreulich es nun einestheils ist, wenn gute Muster
von Architekturtheilen, Möbeln, Schmuckgegenständeu etc., lehr-
reiche Untersuchungen über den Zusammenhang von Konstruk-
tion und Form ersterer, über das Vorkommen gewisser Orna-
meuteutheile (wie z. B. im diesjährigen 5. u. C Heft über den
„ Löwen in der Kunst" von C. Uhdu) etc., begleitet von meist
trefflichen Illustrationen, durch die „Gcwerbetialle" in grossen
Kreisen bekannt und benutzt werden, so dringend nothwendig
muss es nndcrntheils erscheinen, dass die Redaktion eines der-
artigen Blattes ganz besonders vorsichtig in der Aufnahm o der
betreffenden Muster sei, dass sie niemals deren bringe, welche
sich wie Lückenbüsscr ausnehmen oder welch« etwa aufgenom-
men werden, weil sie in Paria zur Welt gekommen sind, und
dass endlich niemals eine Darstellung darin Platz finde, bei
welcher keinerlei Maasstab befindlich, bezw. kein Vcr-
hfiltniss zur wirklichen Grösse angegeben ist. Ist letz-
teres doch bekanntlich erste Bedingung für die Brauchbarkeit
des Dargestellten im Kreise der Facbgenossen und besonders in
dem des Kunsthandwerkes.
Wir enthalten uns vorerst, des Näheren speziell darzuthun,
in welcher Weise, namentlich im letzten Jahrgang der „Gewer-
behallr" gegen diese Bedingungen gesündigt worden ist, und
wünschen, dass die Redaktion derselben diese Bemerkungen
lediglich als in ihrem eigenen Interesse liegend ansehen und
baldmöglichst berücksichtigen möge. — Bei dieser Gelegenheit
sei uns noch gestattet sie darauf aufmerksam zu machen, dass
sie ihren „Detailbogen" eine weit grössere Brauchbarkeit für
die Schüler geben könnte, wenn sie wiche nur auf einer Seite
bedrucken lassen wollte, damit sie als Zeichen -Vorlagen aufge-
zogen und besser benutzt werden könnten. ß.
Personal - Nachrichten.
Prcussen.
In den Ruhestand treten am 1. Oktober:
feiert hatte, vom Verein ein silberner Tafelaufsatz überreicht
wurde. Nach fröhlichem Mittagsmahl dann General Versamm-
lung; Vorsitzender Uerzbruch, anwesend 30 Mitglieder und mehre
Gäste.
Statt des verstorbenen Vorstandsmitgliedes Rosenkranz und
des ausgetretenen Vorstandsmitgliedes Muyschcl wurden gewählt
in den Vorstand: Maschinenmeister Wiehert und Schlossbau-
inspektor Wolff (Königsberg). Als Mitglieder wurden aufgenom-
men: Eiseubabnbauinspektor Massalsky (Mcmel), Ingenieur
W. Müller (Königsberg), Ingeuieur J. Müller (F
Wasserbauinspektor Krah (Tilsit), Vermcssungs-R
(Sapunen).
Hierauf: Dampfschiffsfahrt auf dem Röthlofsee und nach der
Rückkehr Abbrennen von Theertonnen, Feuerwerk und Abend-
brot im Garten. Um 11 Uhr wurde zur Nacht geblasen und
nahm man die gastlich bereiteten Lager beim Kollegen Steenke ein.
Am Sonntag den 21. Juli Fahrt per Dampfboot auf dem
Oberländischen Kanal mit Besichtigung und Befahren der ge-
neigten Ebenen von Zölp nach Elhing.
M- • il - Versammlung am Donnerstag den 1. August,
Abends 8 Uhr: Vorsitzender Herzbruch, anwesend 1'2 Mitglieder.
In Betreff der auf der Exkursion nach dem Oberländischen
Kanal bemerkten starken Abnutzung der Zähne in den Karom-
rädern des Triebwerkes u. s. w. sprach Wiehert (Königsberg)
sich dahin aus, dass diese starke Abnutzung wohl durch die
ungleichmäßige fast stossweise Inanspruchnahme des Trieb-
werks entstanden sei. In Veranlassung der vielfachen Verwen-
dung von Zement zu ollen möglichen Zwecken, welche Steenke
(Zölp) gezeigt hatte, bemerkten Hesse (Königsberg), dass für
die Herstellung von Fussbüdcu, Estrichen in Pferdeställen und
Maschinenwerkstätten Zement zu empfehlen sei. Die Haltbar-
keit für letztere wurde bestritten und behauptet, dass solcher
Estrich starke Stössc darauf fallender schwerer Körper nicht
vertragen könne. Der Vorsitzende führte uu , dass der Wasser-
gang auf den Decks der eisernen Schiffe aus Zement hergestellt
werde und starke Stössc aushalte; es würde ferner an denjeni-
gen Stellen im Schiff, wohin man mit Farbenanstrich schwer
gelangen könne, Zementguss angebracht, um das Kosten des
Eisens von Innen zu vermeiden. — Hesse (Königsberg) referirt
danu über Anwendung von Sandpfählen im Moorboden zur Her-
stellung eines Treideldammes am Oberländischen Kanal, sowie
dass dieser Versuch dort gelungen sei. Derselbe besprach dann
die zweckmässige Bedachung in hiesiger Gegend. — Für Städte,
wo tüchtige Schieferdecker vorhanden seien, empfehle sich aller-
dings Schieferdach, auf dem Lande dagegen das verschalte Dach
mit holländischen Pfannen — Biberschwanzdächer hätten sieh
hier nirgend bewährt. Letzteres wurde von verschiedener Seite
bestätigt, jedoch andererseits angeführt, dass man das Eindecken
der Biberschwanzdächer hier nicht verstehe, weil es hier au
tüchtigen Dachdeckern fehle, während in anderen Proviuzeu
sich solche Dächer vortrefflich bewährt hätten.
Schluss-Sitzung um 9«/. Uhr.
Kreis
Schmidt
Der Baurath
Schonen zu Cöln und der
Rotenburg (Rcg.-Bez. Cassel).
Gestorben: Der Wasserbau-Inspektor Königk in Danzig
Brief- und Fragekasten.
Hrn. D. in Crefeld. Hrn. M. in Berlin. Ihre Anfrage
ist in No. 33 d. Ztg. durch die unter dem Rubrum „Konkur-
renzen* enthaltene Notiz beantwortet.
Hrn. II. in Cöln. Ob Feldmesser zur Reserve des Eisen-
bahn-Bataillons sich versetzen lassen können, ohne als Pionier
gedient zu haben, werden Sie wohl nur durch Anfrage bei dem
Frctreffcnden Bataillons - Kommando erfahren können.
Hrn. A. B. H. in Liegnitz. Zu Spezialbriefen fehlt uns
die Zeit. Vergleichen Sie. die Antwort im Fragekasten von
No. 47, Jahrg. 71 u. Bl.
Hrn. Sch. in Altena. Die Fabriken von H. Berg in Düssel
dorf und J. U. Ueckert in Halle a. S. zeigen in unserem Bau-
Anzeiger derartiges Glas an.
H"rn- R. Sch. in Gotha. Wir wollten Ihrem Wunsche
durch einen Aufsatz über Füll- uud Regulir-Ocfen entsprechen,
können denselben jedoch leider iweh nicht erholten. Als der
beste Füllofen ist der von Professor Meidiugor anerkannt.
Hrn. L. in Schwerin, F. iu Crefeld. Es ist wohl genus
der Beschwerden über die Rücksendung der Rcichstagshaus-
Entwürfe an die Konkurrenten. Wenn bei derselben eine Mappe
abhanden gekommen ist, so verschuldet dies nur das beim Eiti-
Sacken beschäftigte Personal , während die unfronkirte Absen-
ung der Behörde zur Last fällt.
Hrn. L. in Berlin. Besten Dank für Ihre freundlichen
Mittheilungen, die uns lebhaft interessirten. in unserer Ansicht,
dass Dienstwobuuegen dieses Ranges nicht in ein monumentales
Gebäude wie dos Reichstagshaus gehören, jedoch nicht wankend
gemacht haben. Ihre Skizze bitten wir Sie in unserer Expe-
dition wieder in Empfang nehmen zu wollen.
Hrn. E. S. in Berlin. Publikationen über nötel-Anlagen
finden Sie sowohl in der Ztschr. f. Bauwesen, wie in der Wiener
Allgeni. Bauzeitung. Dass man Tanzsälo nach einem
Fläeheneiuheitsatze pro tanzende Person bemisst,
unbekannt
I .... Carl Stallt, la I
Druck i*a Uebrudar FiekaM La Batlla.
Digitized by Google
Jahrg. TL M 35.
DEUTSCHE BAUZEITUNG
■nun, Orulnutniui 101.
Beit.llnnfH
IhtrnehanHi «lle P«unn(
•nd III : n-— r 1
Organ des Verbandes
deutscher Architekten - und Ingenieur-Vereine.
in .ernte
Tar di. Imi«
BtiiUUant nnitn jUnuh»
Redakteur K. E- 0. Fritscn.
In der 6r.tit-Rell.re:
„B»n- AaMignr"
1% Nr. >
Preis 1 Thaler pr» tiartal.
Berlin, den 29. August 1872.
Erscheint jeden Bsaaerstag.
Inhalt: xvi.
Karl.rnhe 1*1?. — Beitrag
Knpcnhairefi und der nord
chcti litdttttrt
tr Architekten iiih! lanenl.iirit In
Firliw rk'turf f 'SrlifnMl. — Aul
imd Xuniit-AuHUlliuii: <Srhl»>). —
rv"|" uua^rii uti'i uti iiviiiiwiicii inuimii« utm - r» »»«■■■■••»••■»» i i
Mitthellunzen »■■ Vereinen: OMtecreichlKher Ingenieur- und Architekten. Fragcka.
Ver.ln »u Wl.ii. Vermochte.: Znr angeküriten Beteirlinui»*; der m.trl-
»eilen liuau und Gewichte. — Holihahnen. — B.u w I .ov ha 1 t Ii che I/It-
l.ratur: Juli und Aufu.t 1RT2. - Kolikorr-men: Monat»- Aufgaben für den
Arrhitekteu. Verein <tt Berlin. - Vr r.on »1 • N »ehr loh t en . - Brief- und
I**.
XVI. VenuuM.nBg Itatsraer Architekten und Ingenieure in Karlsrahe 1872.
- -.4-»--* •
PH (.GRAMM.
5 Uhr
9 Uhr
10 ,
12 .
Sonntag, 22. September:
Abend«. Gesellige Zusammenkunft im Garten der
GesellschaR .Eintracht", bei ungünstiger Witteruug
im Saale.
Montag, 23. September:
Gesammtsitzung im grossen Saale der Museums-
Gesellscbaft: Begrüssuiigen der Versammhing.
Abtheilunga-Sil
cums für
1. Architektur,
2. Bauinget '
3. Maschin.
Gänge durch die
iu Hörsälen des Polvtechni-
a
4
4»
5«
7
4. Marinetechnik.
Hüttenwesen,
6. Technische Chemie,
n Polvtechnicum ab, in
Abteilungen, welche durch verschieden farbige Fah-
nen kenntlich gemacht werden:
1. Architekten (roth): Besidenzsehloss. Wintergärten.
Lehrerseminar, Tiiriilmllu, Saiiimluogsgebaudc.
2. Bauingenieure (.bUo^ ^toeubtjhnwerkstaitei..
3. Maseliiuentediniker (gelb): Maschinenfabrik,
Eisenbahnwagenfabrik.
Kurzes Mittagessen in verschiedenen Lokalen der
Stadt.
Abfahrt vom Hauptbahnhof nach Maxan.
Ankunft in Maxau. Besichtigung der Eiscnbahn-
schiffbrücke, Anstellung von Beobachtungen über
die Bewegung de* Wassers.
Rückfahrt von Maxau.
Ankunft am Bahnhof, Mühlburger Thor.
, | Hauptbahnhof.
Festvorstcllung im Hoftheater (freier Eintritt). Nach
8 Chr
II 40 .
12 ,
12» „
gesellige
September
Zusammenkunft iu
9
H J p
12 Ihr
9 Uhr
12 ,
Bcschluss derselben
einer Bierhalle.
Dinstag, 24.
Abtlieilnngs-Sitzungen im Polvtechnicum.
Abfahrt vom Hauptbühnhof nach Baden.
Ankunft in Batten. Empfang der Gäste.
Festlicher Zug durch einen Theil der Stadt.
Einnahme eines durch die Stadt
Frühstücks in der Trinkhalle.
Spaziergang auf das alte Schloss (bei günstiger Wit-
terung. Während des Aufenthaltes daselbst wer-
den die Gesangvereine der Stadt Baden und eine
Musikbande vortragen.
Von 2 — <i Uhr stehen zur Besichtigung geöffnet: Die
neue evangelische Kirche, Stiftskirche, griechische
Kirche, das neue Schloss, Dampfbad, neue Kirche
und Klosterkirche in Lichtenthai, die neuen Säle
im Konversationshanse.
Mittagessen im Konversationshausc.
Beleuchtung und Musik vor dem Konversationshause
(bei günstiger Witterung). '
Abfahrt vom Bahnhof in Baden.
Ankunft iu Karlsruhe.
Mittwoch, 25. September:
Abtheilnngs- Sitzungen im Polytcchnicnm.
Gesammtsitzung im grossen Saale der Museums-Ge-
Lhr
101«
£8
h
10
II in
Seilschaft: Referate aus den Abtheilungen, Berathnng
Bher die künftigen Beziehungen der Wanderver-
summlung zum Verband deutscher Architekten- und
Ingenieur -Vereine. Schluss der Versammlung.
Festliches Mittagessen in verschiedenen Lokalen
der Stadt.
Festvorstellung im Hoftheater (freier Eintritt.) Nach
Bcschluss derselben gesellige Zusammenkunft in
eiuer Bierhalle.
Donnerstag, 26. September:
Ausflug nach Mannheim-Heidelberg.
Abfahrt vom Hauptbahnhof in Karlsruhe auf der
Rheinbahn.
Ankunft in Maunheim. Gang durch den Schloss-
garten zur Rheinbrücke und zum oberen Theil des
neuen Hafens. Dampfbootfahrt längs der Mühlau
bis zur Neckarspitze und die Neckar -Kor
aufwart». Ausschiffung an der Kettenbrücke.
Eiunahme eines durch die Stadt
botenen Frühstücks.
Abfahrt von Mannheim. .
Ankunft in Heidelberg. Empfang am Bahnhof.
Gang nach der Peterskirche, Jesuitenkirche, Neckar-
brücke und zu den Alterthums -Sammlungen des
Herrn Metz. Aufgang dureh den Hausse!
zum Schloss und Besichtigung desselben
Mittagessen in der Restaurationshalle am Schloss.
Bengalische Beleuchtung des ganzen östlichen Theils
der Schlossruine nebst Waldnarthie.
Rückfahrt vom Bahnhof Heidelberg.
Ankunft in Karlsruhe
Ausflug nach Strassburg
S* J Uhr Abfahrt vom Hauptbahnhof in Karlsruhe.
1(1»
II
11*'
12
3
.SS»
11**
Ankunft in Kehl. Pasairen der Eisenbahnbrücke
zu Fuss. Begrüssung der Gäste im Elsass. Besich-
tigung der Uferbauten.
Frühstück im Lokal der Rheinlust am linken
Rheinufer.
Abfahrt von da auf der Eisenbahn.
Ankunft im Hauptbahnhof zu Strassburg. Theilung
in Gruppen, welche durch verschieden farbige Kar-
ten und Fahnen kenntlich gemacht sind. Die
Gruppen schlagen verschiedene Wege ein xur Be-
sichtigung des Münsters, des Fraueahauses, der
Thomaskirche, des Theaterbaues, der Kanalanlagen,
eines Theils der Festungswerke.
Gemeinschaftliches Mittagessen.
Gartenfest in den Ctmtatlen.
Abfahrt vom Hauptbahnhof in Strassburg.
Ankunft in Karlsruhe.
In Bezug auf die weiteren Details vervrciscu wir auf die
Bemerkungen auf Seite 234 (No- 29) uns. Ztg. und fügen ala
Nachtrag zu der in No. 31 gesehenen Liste der von deutschen
Eisenbahn - Verwaltungen bewilligten Fahrpreis - Ermässigungen
noch hinzu, dass die IHrektiou dur Main- Neckar • Bahn (Frank-
furt a. M. — Heidelberg und Friedricbsfeld- Mannheim) den Be-
suchern der Wanderversammlung freie Hinfahrt und freie
Rückfahrt gewährt hat.
Digitized by Google
— 282
Beiträge zur Tieerle der Feehwf rkitrigr r.
(Set
§. 7. GPSetZ dPS KlldfcllleS.
Von den .'> UrvariaMen soll nun zunächst die Höhe r der
Eudvertikale und deren Einfluss auf die Minimalform iu Betracht
gezogen werden. Der Werth r ist enthalten iu Gleichuug V
des £ I und in iIpi» (ileichungen IX, XIV und XV des vorigen
Paragraphen. Man prliält also
dS 7 , . . S.fjr- rl , 7 2r
Fl«. 15.
ganz symmetrische für beide Gurtungcn nicht
Wird, tat bereit» aus Gleichung 2 erkennbar.
Setzt
4H 7
TT; " ~ i«
man, zur Gewinnung bestimmter Verhältnisse,
+ -., (/» + -) +
die
schon iui vorigen §. verwandten Beziehungen
p = 1 ; tat] und "i ~ 3
ein, so wird:
I) r = l:!
d. h. : die Hohe der Endvertikale muss mehr als 7 mal geringer
als die der Vertikale «r »ein.
In Fig. 12 ist dies Verhältnis* aufgetragen, und es ist er-
sichtlich, das» für die Praxis die Bedeutung der Gleichung I
vis. 1°. Vis. II. Fi«. 14.
Die vorstehenden Beziehungen sind zwar
zunächst uur gültig für da« gewählte Bei-
spiel: indessen ist eine allgemeinu Unter-
suchung dcrscllten folgendermaasseu ohne
Mühe augäuglich.
Die Glieder des Trägers, auf welche r von
Eiuflusa ist, Bind nämlich S, — tf, — I' und
W. Der Werth für die«« Grossen drückt sich, korrespoudirend
mit den Werthen in §- 1 und §. «, bei einem Träger mit n
Fachen durch die Gleichungen aus:
»-1 , . , b » 4- ftr - Q'
» - 1 (p + ")
2 ' u-
3)
0,
Y
<>, = (*■ -f F*) .
ff - I
(P + ")
«r =
I (» - l)' _
I in •'■
». - 1
r +
keine andere «ein kann, als dass die obere (iurtuug nach Fig. 13
direkt mit der unteren zusammengeführt wird. Dem Sinne der
Gleichung 1 mehr entsprechend würde zwar die Anordnung nach
Fig. 1-1 sein; indessen muss hier der AuAagcrpunkt um so viel
höher gelegt werdeu , wodurch «ich die Kosten des Pfeilerwerkps
verhält nissmässig vergrößern.
Ist die Wcglassuiig der Endvertikale einmal ausgesprochen,
also Gleichung XIV §. 6 = Null geworden, so wird sich der
(I —
Werth l r entsprechend modifiziren, und zwar
werdeu.
Hiermit wäre (Fig. 15) das Endfeld eines Fachwerksträgers
festgelegt, hei dem sowohl die untere, als auch die obere Gur-
tuog eine polygonale Form erhalten sollen. Dass die Form eine
Nimmt man nun die Ableitung der Gruppe '■< nach r und
si-Ut dieselbe = Null, So erhält man:
.. r » (p + s) — (ff — l f M -f -i
' r ~ 4 « (p + s»
Hetzt mau. um überschläglich zu beurtheilen, in wie weit
Gleichung 4 mit n veränderlich ist. p — ff = *i, so erhält man :
r « -}- j
ir ' ~
Mit fallendem « wird allerdings etwas kleiner als ' , :
rechnet mau indessi-u hinzu, dass iu solchen Fallen auch >r > p.
also der Nenner de« Bruches wieder wesentlich vergn'tssprt wird,
so kann für alle Fälle die praktische Regel festge-
halten werden, dass r gegen tr verschwindet, d. b.
beide Gurtungen ohne End vertikale zusammengeführt
werden müssen.
§. 8.
Theoretische Ann&herungsfnrm für Träger kleinsten
Gewichtes.
Nach dem in f. 7 gewählten Vorgänge würde nunmehr noch
erforderlich sein, die Ableitungen des Gcsaiumtgcwichtes der
•2- Iudustrie-Abthl.:
Als kepeifaagen ai4 der nordisrbrn ladistrie- u«d hui^t-
Aiutrllunc;.
Bei Besprechung dpr Ausstellung für Industrie und Kungt
muss hier ebenso von der reinen Industrie wie von der Kunst
abgesehen werden, nur die Kunstinilustrie, »"weit sie auf der
Ausstellung durch anregende chIit gediegene Leistungen Gelegen-
heit dazu bietet, kann in Betracht kouimcu.
Wie schon erwähnt, ist das Ausland zur Beschickung nicht
eingeladen worden, ohne dass eine solche für hervorragende
ueue Leistungen gerade ausgeschlossen war. Es hat den Wink
verstanden uud unter ca. 3700 Ausstellern sind nur -'s Aus-
länder (6 Deutsche), die, wo sie bemerkbar sind, hei der aus-
gesprochenen national • nordischen Tendenz sieb sonderbar genug
ausnehmen.
Es gruppiren sich die Zahlen wie folgt:
I. Kuust-Abtheilung: Dänemark . . . 61'2 Nummern,
Schwedcu . . . 18'J .
Nurwegen ... 124
Dänemark . . 2237 Nummern,
Schweden . . . 9<>4 »
Norwegen - . - 480
Ausland .... 28
Aus der Fngleirhmässigkeit dieser Zahlen ist schon ersicht-
lich, wie schwer, fast unmöglich es ist, einen vergleichenden
Uehprhlick der (iesammtleistungen jedes eintelnen Staats zu er-
halten , wie beispielsweise Norwegen kaum den vierten Theil
der dänischen Ausstellung zählt. r>s wäre bedauerlieh, wenn
ein derartiges Zurückhalten dieses Staates auch auf die Wiener
Ausstellung sich erstreckte. {Einer Nachricht der neuesten Num-
mer der illustrirtc n Weltausstellungs-Zeitung zufolge «oll die Sub-
vention eines für die Beschickung Derselben orgauisirten Komites
im Storthing nicht bewilligt worden sein, während für die Be-
theiligung Schwedens die Aussichten besser sind.)
Diese Ungleichheit der Bethi-iliguug majz auch mit einen
Grund abgeben, weshalb die Urieutirung auf der Ausstellung
so schwierig ist: der Hauptgrund liegt aber im Arrangement.
Dasselbe versucht, die Objekte aus den 3 Keiehen nach diesen
zu sondern, sowie ciuigcrmassen die dem Materiale nach zusam-
men gehörigen Gegenstände zusammen tu bringen. Es ist aber
mit sehr wenig Konsequenz darin verfuhren und der Mannig-
faltigkeit eine für das Studium nothwendige Zusammenstellung
des Gleichartigen geopfert; in vielen Fällen wird ein solches
nicht nur sehr erschwert, sondern fast unmöglich gemacht.
Auch der Katalog, iu hier wenig ttcrochtigteni Nationalgcfühl
nur Dänisch gedruckt, ist ein wenig erfreuliche« Opus, da er
blos Namen und Wohnort der Aussteller angiebt. Kr enthält die
2 Abtheiluugen : 1. Kunstabtheilung Klasse 1. II. Induatric-
Abtheituug Klasse 2—14, für jedes Königreich gesondert. Iu
der Dänischen Abtheilmig sind wenigstens am Anfange jeder
Klasse eiuigu magern statistische Angaben über die betreffende
Fabrikation uud den Vertrieb derselben gemacht; sonst aber
keine einzige Erläuterung gegeben. Es muss dies namentlich
im Vergleich mit den in 3 Sprachen vorhaudeneu vortrefflichen
Katalogen der Nordischen Alterthumssammluug u. a- in Kopen-
hagen sehr bedauert werden. Befriedigt iu diesen Punkten die
Ausstellung wenig, so muss sie im Ucbrigen aber als eine ge-
lungene bezeichuet werden, und namentlich macht auch die
ruhige Erscheinung derselben gegenüber dem sonst so häufig
verwirrenden bunten Keklame-Aufputz den günstigsten Eindruck.
Nichts dergleichen zeigt sich hier. Man gewinnt wieder den
Eindruck rüstigen Strebens, welches hier durch den Abschluss
von den Bestrebungen anderer Länder gefördert, dort gehemmt
wird. Dass die durch die romantische Epoche versuchte Ein-
führung der noch immer nicht populär gewordenen nordischen
Heldensagen als spezifisch nationale Vorwürfe für die Litteratur
und Kunst keine neuen Ausgangspunkte für die Kunstindustrie
eröffnet hat, ist selbstverständlich, wenn auch unbewusst viel-
leicht einzelne Zweige davon Nutzen gezogen halten , wie die
Kopcuhagciier Gnldscnmuckgegeustände bezeugen. Thorwaldseu's
Kunstrichtung bleibt wenigstens in Dänemark immer noch die-
jenige, an welcher die Kunstindustrie, häufig in ungeeigneter
neisc, meist in guter Weiterbildung hängt und vielfach vor
schädlichen Einflüssen der modernen Auswüchse impotouter
Nachahmung des Kokkoko oder brutaler Naturalis ik bewahrt
wird. Leider zeigt aber auch diese Ausstellung, wie alle anderen
— und ich bezeichne namentlich die im vorigen Jahre iu Berlin
angeordnete Ausstellung eines Theils der aus London stammen-
den englischen Fayaneen und Porzellane — eine wenig ermuthi-
gende Thatsache: wo auch immer nur ein Muster von tilge
schmück und elender Komposition da« Auge frappirte, man
konnte sicher sein, das Wort »verkauft" darauf zu Huden. Sollte
das Kopenhageuer Publikum sich stark bei diesen Ankäufen
betheiligt haben?
Aus der sehr interessanten Kunstabtheilung der 3 Reiche
verlangt die Architektur uoch einige Worte. Die dänische ist
Digitized by Google
— 283 —
Trägorhälfte (-) iiacli duu 4 übrigen Urvariablen zu ermitteln
und jeden dieser Wort he für «ich zu Null zu machen. Es würde
dadurch diejenige Trägcrforoi festgelegt sein , welche nicht nur
vermöge ihrer Gestaltung, sondern auch gleichzeitig wegen ihres
Höhen Verhältnisses die geriugste Eiscninasse erfordern würde.
Die Lösung der hiernach sich ergebenden 4 Gleichungen
liietet einige Schwierigkeiten und ist jedenfalls nur auf dem
Wege des Versuches und der allniäligeu Annäherung möglich.
Zu dem Zwecke setzt man für irgend eine der Vertikalen
ein bestimmtes Ilohenmaass ein und verändert dasselbe so lange,
bis eine genügende l'ebercuistimmung unter den Werthen sämmt-
lishcr 4 Gleichungen erreicht ist. Am günstigsten stellt es
sich für die Berechnung, wenn eine bestimmt« Annahme für x
femaebt wird; dem §■ - entsprechend, wi.nach die Hohe eines
rfigers mit 8 Fachen mindestens = 1 . der Spannweite sein
soll, möge deshalb für x zunächst der Werth = Vi b genommen
und nach Bedürfnis* demnach gesteigert werden.
Aus den Gleichungen I bis VIII des §. 1 und IX bis XVIII
iles <j. 6 sind nun die Ableitungen nach ir, mjt herzuleiten und
jede derselben Null zu setzen. Man erhän alsdann:
• ,33 . 1 , f - .
0 x * 4 4 f - 'S ->) 4 - 7 u» t -)
- *V (*' p -i T'/m «4 -.) - • p - -»'.. -
i) J (16/, 1 23 4 - v. *.** - *| ilÄj, 4 b»i b)
— ('Vi P + ■*•/« ~) - Ä'.i - * = 0
• : *) 3 * J -JJ w>— : J.0> + «3
+ 8 P + i'V'i t = 0
Da eine weitere Verfolgung dieser Gleichungen höheren
tirades überhaupt nur dann im'tglich ist, wenn mau denselben
bestimmte Zahlenwerthe zu Grunde legt, so sei, wie früher,
p es 1; 7t ss i und Ti — .'( genommen ; ebenso r gemäss den
Resultaten des vorigen § = 0 und x — ♦/» b. Es ergebeu sich
aldaun aus l bis ö die nachfolgenden Gleichungen:
9 9* t* ,
* s * *»
Die Lösung der Gluichung 4, welche als Unbekannte nur
den Werth <r enthält, ist auf indirektem Wege leicht ausführbar
und liefert die Beziehung
ir = 1,0'.» b
Um nun ferner die im Zusammenhange stebeude Gruppe
5 und ti zu behandeln, setze man für das Verhältnis» -'- , wei-
ft '
dies ein echtor Bruch mit Annäherung au die Zahl I sein wird,
einen Versuchswerth ein und leise Gleichung ü nach y und Glei-
chung l! nach % auf Der Quotient aus den für y und 3 gofuu-
deuen Werthen iuuss nuu dem uiigeuonimenen Versuchs wert ho
gleich sein, und kuuu mau auf diesem Wege mit fortschreitender
Korrektur der Anfaugswerthe bald eine genügende Lösuug für
// und 3 erzi<-leu. In dieser Art der Behandlung ist gefuudeu
I 9 — HS h
\ % — 2,26 b
In Fig. 16 sind nun die 5 Werth« 1
r = 0; ir = 1,0!» i»; x = 1.33 b; y — 2,12 b . = 2.26 t>
Fiit. IS.
zusammenstellt, und liefert ihre Verbindung die gebrochene Linie I.
Aus dem tiefen Einfallen der oberen Gurtung an der Vertikale
X schliesst mau, dass der Werth für letztere mit Vi b zu
klein gewählt ist.
Es ist hiernach das Verfahren zu wiederholen und der
Werth für x ullmälig zu vergrößern. Die weitereu bei der ge-
genwärtigen Berechnung benutzten Versuchsreihen sollen nicht
| säuitutlicli aufgeführt und nur noch der Fall, wo x = 2,22 b
wird, besprochen werden. Setzt mau in die Gleichungen I bis
I 3 diesen Werth für x ein. so erhalt man:
7) i+i*-™'-* 1 * ■■-•«".■..-»».. = u
u z ' b 1
») \ e*--»J.-*,vW - *****
9) C 5 -:»*' -31*' .1-27 = 0
uud nach Auflösung in der früheren Art
I 9 = 0; W m 1,4"» b; x = 2,22 b; y = 2,81 6; S = 2, k >7 b.
bereits besprochen. Die Ausstellung von Schweden ist zu
schwach lieschickt um einen weiteren Gesichtspunkt zu ge-
währen; die von Norwegen gar nicht. Nur der Kestuuratious-
bmn der Mctronolitankirche zu Lund in Schweden vom Archi-
tekten Zette.rval, welcher in einem vortrefflichen grossen Modell
dargestellt ist, muss hier aufgeführt werden. Der frühere Zu-
stand des Domes ist durch Photographien veranschaulicht. Der
Architekt hat durch sehr verständnisvolle, künstlerisch durch-
geführte Anordnung eines Zentralauf baus über der Vierung,
zweier kleiner Treppenthürme, so wie durch die Ilöhcrführung
und den Abschluss der beiden Westthürme die grossartige ro-
manische Anlage erst zu ihrer wahren Bedeutung erhoben. Ob
bei dem Bestreben einer einheitlichen Totalansicht nicht zu viel
im Beseitigen späterer Anbauten, wie Strebepfeiler etc. geschehen
ist, muss dahin gestellt bleiben; auch würde die Neugestaltung
des Motivs der Chorbckrönuiig: kleine, 2 Arkaden der Zwerg-
galleric breite Giebel, die der Photographie nach zu urtheilen,
allerdings nur aus Holz mit Blechbeklcidung hergestellt waren,
der Anlage eine origielle, historisch berechtigte, wenn auch nicht
gerade typisch-rumänische Erscheinung belassen haben, während
jetzt das feine Gesims fast zu einfach erscheint
Unter Klasse 3 der Industrie -Abtheilung sind Schüler-
Arbeiten ausgestellt, namentlich von Zcichcnsciiuleii, die leider
in unglücklicher Weise im Gebäude zerstreut augeordnet sind.
Hier ragten unter guten Arbeiten aus Kopenhagen, Stockholm
und Bergen die Arbeiten der öffentlichen Zeichonschulo ("hri-
stiania's hervor, in der allein uns eiu kräftig durchgeführtes
Sjstcm eutgegen tritt. In richtiger Stufenfolge der Vorberei-
tuugsktasscn, namentlich durch vortreffliche Zeichnungen nach
Körpern , sowie in ornamentalen Kompositionen, die häufig in be-
scheidenen guten gothischen Formen von den Schülern nach dem
Beruf, ohne unnützen Aufwand als Werkzcichuuugcu gefertigt
sind, hat die Schule Vortreffliches geleistet; der Architekt Tbrap-
Mever ist fast auf allen guten Arbeiten als Lehrer bezeichnet
und sein Kinflusa scheint sich nicht hierauf zu beschränken.
Es fehlte nicht an Schülerarbeiten, die im bessteu Falle mehr
Manier als Methode und Verständnis*, oft auch diese nicht ein-
mal zeigten.
Sehr enttäuscht wird derjenige, welcher die 4. Klasse zu
studireu gedenkt: es gehört hierher die sogenannte Geschichte
der Arbeit, sowie die Hausarbeiten (schön und bezeichnend „lluus-
fleiss* genannt), denn abgesehen von der sehr unglücklichen
Zerstreuuug und geringen Anzahl der archäologischen Gegen-
stände, sind die Hausarbeiten ebenso unvollütäudig uud getrennt,
und nur hie und da wird der uaeb solchen, durch Jahrhunderte
geübten uud dadurch in sich tust vollkommenen Kunstfertigkeiten
Suchende belohnt- Es kommt hinzu, dass in diesen Ausstel-
lungen meistens die Arbeiten aus wohllhätigeu Austaiten, Minden-
und Taubstummen - Instituten, mit hitieiugefügt sind, die ein
schönes Zeugniss ablegen für die Bemühungen der Länder
um ihre Unglücklichen, aber ohne allen Eiufluss für die Ent-
wickelung und diu Geschichte der Kunstiudustrie bleiben.
Als hierher gehörend uud in sich vnrtrefllich muss ich
noch der Ausstellung von Fischereigerätheu aller 3 Stauten er-
I wähnen, die durch die mannigfachen Arten der zur Anschauung
gebrachten Technik auch dein Fernsteheudeu grosses Interesse
gewährt.
Näher einzugehen ist nur auf d u llulzarbeiteu, Thouarbei-
ten uud Metallarbeiter, während sowohl die in Betracht kom-
menden Gewebe, Teppiche, Stickereien etc., wie die Tapeten
weder in Farben noch Zeichnung Interesse beanspruchen, (aus-
genommen einige in der Hausarbeit vertretene Gegenstäude der
erstercu Gattung: nur einige Pelzmosaikdccken etc., namentlich
aus Schweden, müssen wegen ihrer hübschen Komposition uud
Farbe erwähnt werden; die Kopeubugener, namentlich die auch
in der Stadt in den Schaufeustern befindlichen leiden durch
die zu häutig angewandten geradliuigteu Motive, wie ich sogar
maurische I.inieuiiiusler weiss auf dunklem Grunde bemerkte:
während die schwedischen in ruudlicben, flockigen Formen schone
Wirkungen erzielten.
Wi nden wir uns daher deu für uus interessantesten Aus-
stellungsobjekten zu und begiuueu mit deu Ibdzorbeiten. In
architektonischer Ausbildung linden wir sie in mehren Häus-
chen, sowie in dem schon erwähnten schwedischen Kunst-
ausstellung!! - Gebäude vertreten. Das Uolz ist Nadelbolz,
uud fast alle sind in stilvollen Formeu ausgeführt. Leider ist
unser hnlzannes Land kaum mehr in der Lage, derartige Ge-
bäude mit Vortheil za erbauen, wenngleich überall die Dekoration
sich in den gemessensten Schranken hält. — Die Bautischler ar-
beiten sind gut; i'igenthümlich den nordischen Ländern sind noch
die nach aussen aufschlagenden Fenster, daher besondere neue
Fenster- Konstruktionen nicht vorhanden. Von kleineren, mehr
dekorativen Arbeiten fallen vor Allem die Ausstelluugs-Schräuke
auf, und namentlich zeigen viele der Norwegischen und SchwB-
< dischen eine tüchtige lluud. Es sind hier meist kielerue
Schränke in Naturfarbe, einfach profilirt und mit «ehr schönen
Ornamenten bemalt: aber auch die Kopenhagener zeigen die ge-
sundeste Konstruktion und Formen, die bei grossen (iououstäu-
Digitized by Google
Die Beziehung dieser Werthe zu einander ist durch die ge-
brochene Linie II angezeigt.
Diese Linie lSa»t eine befriedigende Stetigkeit erkennen,
und erübrigt jetzt nur noch diu schliesslichc Prüfung, ob die
gefundenen Werthe nun auch die Ableitung nach x, welche einst-
weilen ganz ausser Acht blieb, annähernd geuuu zu Null machen.
Koustruirt man zu dum Zwecke, ähnlich wie es in Gleichung
1 bis 3 geschehen, die Ableituug nach X und setzt für p, ~ uud
~i die betreffenden Werthe ein, so erhält man
10) 6b J - £ . 40V, - — - 28'/. - 31 '/. = 0
und wenn man hierin die zuletzt aufgeführten Zahlen eintragt:
2,22 40',. ( 1,45 y
65 • 2,81 ~ (2,22}. - 1 2,2 J ' * » " 61 " ~ °
51,32 — 8,14 - 1 1,99 — 31,25 = 0
d. h. die Korrektur der Werthe ist, wenn auch noch nicht ganz
scharf, HO diich immerhin soweit vorgeschritten als erforderlich,
um die Linie II als annähernde Losung der gesuchten Minimal-
form gelten lassen zu können.
§. 9.
Schlussfolgerungen: Minimalformen für die
praktische Anwendung.
Im Vorstehenden ist das Verfahren erläutert worden, wie
für einen gegebenen Fall die Minimalform des Gewichtes theo-
retisch ermittelt werden kann. Eine allgemeine Losung der
Aufgab« ist damit noch nicht erzielt; aber es wird einleuchteu,
dass, wie auch sonst die Beiast un gs verhält u issc uud diu Anzahl
der Fache gedacht sein mögen, immerhin sich eine der Linie 11
ähnliche Form für die Gestalt der oberen Gurtuug ergebcu
muss; d. h. eine gebrochene Linie, welche au den Auflager-
punkten sieh mit der Linie der unteren Gurtuug verbindet,
dann aber in polygonaler Form sieh bis zu bede ute nder H öh e
über der Grundlinie erhebt. Diese Hohe ist so beträchtlich, dass
sie für die praktische Anwendung nieht mehr brauchbar er-
scheint; im vorliegenden Beispiele würde die Pfeilhohe noch
etwas mehr als ', » der Spannweite betragen. Bei solchen Kon-
struktionsbehen würden soviel Zuschüsse für die genügende
Aussteifung des Trägers gegeben werden müssen, dass die an-
gestrebte Verminderung des Gewichtes dadurch vollständig illu-
sorisch wird.
Denkt man sich nun, diejenige Hohe, bis zu welcher man
konstruiren wollte oder konnte, sei durch eine parallel der un
teren Gurtung geführte gerade Linie A H (Fig. 1<>) dargestellt,
so ergiebt sich, dass alle oberhalb dieser Linie gelegeucu 1» unkte
aufgegeben uud eiue neue, der geringeren Pfeilbohe entsprechende
relative Minimalform aufgesucht werden muss.
Diese Aufgabe ist ungleich einfacher, als diu im vorigen
Paragraphen behandelte uud kann in theils indirekter Behand-
lung wie folgt gelbst werden.
Sei die praktische Maximalbohe des Trägers in der Mitte
s = V« *i so ist wegen dieser Voraussetzung * keine variable
Grosse mehr uud die Ableitung nach a scheidet aus der Be-
trachtung aus- Stellt man sich nun die Ableitung nach y aus
Gleichung 2 des vorigen Paragraphen in der Weise her, da««
a = Vi ä gesetzt wird, so eihält mau
46V. £ - 59 Vi. J, - M14 *" - 29V. = 0.
Es ist nun zu zeigen, dass y nicht kleiner, als vi * werden
kann; gesetzt, x wäre selbst = Kuli, so hätte mau noch
46'/. - 59'/,. *' - 29»/. = 0
o y •
und y = '/• * gesetzt
-f 62 - 63,27 = 0,
d. h- y müsste, selbst wenn x = 0, noch etwas grosser als • » b
werden. Selbstredend ist hieraus der Schiusa zu ziehen, dass
y = »=»'• * *u nehmen ist
Geht man nun weiter zur Ableitung nuch x über, wie nie
in Gleichung 10 des vorigen Paragraphen bereits dargestellt
worden, so soll auch hier gezeigt werden, dass x nicht kleiner
als V. 6 werden kann.
Wäre x = *i b, so hätte man gemäss Gleichung 4 des
vorigen Paragraphen ar = 1 ,09 f> uud somit aus 10:
~ 73,53 *;-Sl>,«ss0
also x — ' %b gesetzt,
-f 65 - 72,61 = 0,
d. Ii. x müsste den Werth vou V. 6 noch übersteigen, um die
Gleichung zu Null zu macheu.
Ks folgt demnach, dass somit auch x noch es Vi * zu neh-
men ist, worauf sich alsdann die Werthe
r = 1,09*
r = 0
dem vorigen Paragraphen entsprechend anschlichen.
Der für die Praxis aus «lern theoretischen Minimalträgrr
reduzirte würde also der in Fig. 17 sein.
Fi*. 17.
den in die richtige Mitte zwischen feiner Möbeltischlerei und ein-
fach konstruktiver Bewältigung des Materials fällt. Ein grosser
Theil der würdigen Erscheinung der Ausstellung beruht auf
der richtigen Ausstattung der Schränke. Die Möbel, die einen
grossen Kaum im Gebäude einnehmen, sind von vortrefflicher Ar-
beit und schönen Formen. Die Motive derselben sind die auch
bei uns üblichen, der Komfort auch der einfachen englischer
Ausstattung ist nicht darin zu linden; mit Vorliebe sind polirte
einheimische Hölzer, oft Maserholz verwandt (Mahagoni ist fast
gur nicht vertreten), auch Intarsien bilden häufig eine schöne
Dekoration. Die Kopenhagener Mbbel beherrschen die Ausstel-
lung, aus Schweden ist wenig und in mehr von Frankreich be-
einflusster Gestaltung eingesandt Die Formen der erstem sind
jedoch von einer merkwürdigen Reinheit und Einfachheit selbst
bei den kostbareren Gegenständen. Fast überall entsprechen sie
den Forderungen der F onnenbilduug wie denen des schonen Ma-
terials und zeigen, dass man Extreme nach beiden Richtungen wohl
vermeiden kann. Die Ornamente sind fast überall geschickt
und bescheiden angebracht und schon ausgeführt, wie nament-
lich bei den ausgestellten Pianinos zu sehen, die viele gelungene
Leistungen repräsent iren. Die Intarsien haben in der Zeich-
nung häufig etwas von der steifen Zeichnung der Antike im
Anfang dieses Jahrhundert« beibehalten. Die einfuchsten Möbel
zeigen, wie auch in deu Läden Kopenhagens, eine sehr tüchtige
Konstruktion; im Preis wird diese Waare jedoch kaum für gc-
uinnreichen Export mit der uusrigen koukurriren können, bei
der Billigkeit ohne Rücksicht auf gute Konstruktion und gutes
Material das erste Erfordernis« ist. Es kanu hier nicht darüber
gesprochen werden, ob das eine oder das andere uatiotiulöko-
niisch vortlipilhafter sei; was für die Entwicklung eines gesunden
Verständnisses kunstindustriellcr Erzeugnisse und das Ansehen
der Fabrikanten fordernder ist, liegt auf der llaud, ist doch
der Name „german wäre" für viele unserer Export gegenstände lei-
der keiue ehrende Bezeichnung für dieselben geworden. — Ausser
den Gcbrauchsmftbeln sind noch einige Prachtstücke ausgestellt,
die aber wegen der grösseren Ansprüche, die man an sie als
Kunstwerke machen muss, den meisten anderen nicht gleich-
werthig zu erachten sind, wenngleich eins darunter die vollen-
detsten Intarsien und diu feinsten Schnitzarbeiten zeigt.
Nicht zahlreich vertreten sind diu modernen gewöhnlichen
Holzarbciteu, Kähmen, kleinere Gegenstände etc.: sie stehen hier
auf dem tiefen Niveau des l'ngcscbtnacks, dpr fast überall die-
sen Zweig beherrscht Es ist dies um so befremdlicher, als siu
in direktem Gegensätze zu der edlen Erscheinung der Möbel,
wie zu deu traditionellen Formen der alten Holzschnitzereien, die
eiuen interessanten Theil der Ausstellung bilden, stehen. Letztere
sind meist Hausarbeiten, ihre einfachen Formen in ruhiger Ur*
namentatiou — (namentlich das Flächenoruumeut zeigt eine merk-
würdige Ausbildung alt nordischer Linien -Verschliugungen in
vegetabilischem, flechtcuartigem Wachsthum) — eigneten sich
wohl zu einem Anknüpfungspunkt für diu Hebung dieser gesun-
kenen modernen Industrie. — Einen sehr günstigen Eindruck
machen die soliden rohrgeflochtcueu Möbel, in deren Linien-
führung die Einflüsse alter Traditionen ebenfalls zu erken-
nen sind.
Die Arbeiten in Thou, Porzellan etc. stehen nicht auf der
Höhe der oben besprochenen, namentlich die Bauarbeiten in
gebranntem Thon. Weder in Kopenhagen selbst, noch auf der
Ausstellung siud in sich so vollendete Sachen zu sehen. Ein im
Gurten aufgestelltes Portal in gebranntem Thon zeigt sowohl
einen sehr geringen Grad der Technik wie der Formgebung.
Majoliken und Faynncen sind spärlich vertreten, die interessan-
testen Sachen, worunter ein bunter, in ruhigem, etwas violetten
Gesammtthon gehaltener Kachelofen aus Stockholm. Die sehr
reiche, deu unteren Ausstellungsraum fast beherrschende Por-
zellauiudustrie zeigt in Betreff der Formen den strengen Ein-
lluss der Antike fast durchweg, und nur hie und da ist ein Ver-
such gemacht, auf Grund älterer Arbeiten die Eigcuthüinlich-
keiten des Materials auch mitwirken zu hissen. Hervorzuheben
sind viele gute uud billige Gebrauchsgegenstände namentlich aus
der Köuigl. Porzellan-Manufaktur, sowiu die bekannten vortreff-
lichen Darstellungen Thorwaldscn'scher Bildwerke iu Porzellan.
In der feineren Tlmuwaarcuindustrie hat die direkte Nahahtuuug
antiker ThougeflUsc noch mehr eiuen eigentbümlicben konscr-
virendea Eiulluss ausgeübt: besonders hervorragende neue
Schöpfungen sind auch hier nicht zu verzeichnen, allein der
fortwährende Umgang mit guten Formen behütete die neuen
vor Ausschreitungen. Unangenehm fallen die in ähnlicher Weise
auch in Deutschland fabrizirteu Nachbildungen antiker Gefässe
mit naturalistischen bunten Blumen auf.
Ich komme zu den Metallen. Der Werth der grösseren
Ausstellungsobjekte in Guss- und Schmiedeeisen beruht wesent-
lich auf der Güte des Materials und guter Bearbeitung für tech-
nische Zwecke. Die Kunstindustrie ist fast leer ausgegangen,
wenn man etwa einige gut ornamentirtc geschliffene, schwer
gegossene Ocfen abrechnet Weder von der iu Kopenhagen
häufig auftretenden schönen Eisengussarbeit in Kandelabern,
Gittern ist etwas zu finden, noch hat die hohe Ausbildung der
Es möchte fast überraschen, dass nachdem mau seit mehr '
als einem Dezennium gestrebt hat, die Gurtungen möglichst
zu krümmen, in der Absieht, in der einen oder anderen
Weise an Gewicht dadurch zu sparen, dennoch sich ergehen
sollte, dass alle diese Annahmen nicht, zutreffend waren und
der Fachwerksträger mit parallelen geraden Gurtungen, dessen
Endfelder wie in Figur 17 abgeschnitten sind, als günstigste
Form Qbrig bliebe. Dennoch dürfte die Lage keine andere sein.
Der Irrthum, durch deu man geleitet worden ist, mag in Fol-
gendem liegen:
Es ist richtig, dass die theoretische Minimalform eine ähn-
lirhe polygonale Gestaltung hat wie diejenige, nach der man
die obere Gurtung zu krQmmen bemüht gewesen ist; aber es
muss beachtet werden, dass die erzielte Linie II (Fig. 16)
wieder ihre ganze Bedeutung verliert, sobald man bic
von ihren absoluten Höhenverhältnisscn, welche die Figur dar-
stellt, unabhängig macht und etwa in ähnlicher Form auf ge-
ringere Höhcnverhältnisse übertrogen will. Die 5 Unbekannten
r bis : sind urvarlnble Grössen, von denen jede für sich
zu möglichst vorteilhafter Höhe anwuchst: die gebrochene Linie 1
(Fig. 16) lässt deutlich erkennen, dass, als man t zu klein bc-
maass, sich nicht eine stetige Gestalt der oberen Gurtung ergab,
sondern die übrigen Vertikalen sich frei zu grosserer Höhe ent-
wickelten und eiue scharfe Einbiegung bei x zurückliessen. Die
theoretische Miuimalfonu ist nicht unähnlich einer Parabel; es
scheint, als sei mau der Ansicht gewesen, dass nach Verände-
rung der ^efundeneu llöho man nur nöthig halte, wiederum eine
solche Linie zu konstruiren, um die dieser neuen Höhe ent-
sprechende Minimalform dumit zu erhalten. Indessen die Verti-
kulcnhiihen stehen nicht in dem Abhängigkeitsverhältnisse zu ein-
ander, wie die Ordinaten einer gegebenen Kurve; und gerade im
Gcgcntheile, da sich die mittleren Vertikalen aus praktischen
Gründen nicht bis zu ihrer vortheilhaftestpn llöheneutwickelung
ausbeuten lassen, so muss dies um so mehr bei den Endvertikalen
nachgeholt werden.
Hiernach muss zunächst der Parabelträger als ungeeig-
nete Form bezeichnet werden, wenn der Gesichtspunkt der
Kostenersparniss in Frage kommt: es ist fast nie möglich, das
llöhcnverfiältniss dieses Tragers soweit zu steigern, dass »eine
Entwickelung als angenäherte Minimalform eintreten konnte.
Ganz ähnlich liegen die Beziehungen beim .Systeme
v. Pauli. Auch hier würde erst bei grosser Höheuentwicke-
lung eine L'cbcreinslimmuiig mit der Minimalform eintreten,
ohne diese Hohe jedoch die Trägerenden zu sehr in ihrer gün-
stigsten Entwickelung beinträchtigt sein.
In dem Systeme von J. W. Schwedler zeigt sieb dagegen
zum ersten Male wieder der Versuch, aus der flachen Neigung, mit
der die obere Gurluug am Auflugerpunkte von der unteren ab-
zweigt, herauszugehen, die Gurtung steiler uufsutzen zu lassen
und dadurch den letzten Vertikalen eiue Höhe zu geben, bei
der die Endfelder einer vortheilhaftercu Entwickelung fähig sind.
Aber auch in diesem Systeme ist die Höhenentwickelung noch
nicht erreicht, welche der Träger kleinsten Gewichtes erfordert-
In Fig. V ist dargestellt worden, dass im Systeme Scbwcdlcr die
obere Gurtung mit derjenigen Grenze zusammenfällt, an der die
unteren Spannungswerthe der Diagonalen zu Null werden. Wenn
nun auch die vorigen Betrachtungen zeigen, dass der Begriff
der Minimalform ein fester nicht ist, dass diese Form sich
vielmehr je mit abnehmender Trägerhöhe verändern
muss, so lässt sie sich doch unter Annahme eines bestimmten,
für die Praxis noch brauchbaren Hohenmaasses, wie in Fig. 1?
geschoben, fixiren. Trägt man die Form der oberen Gurtung
(natürlich uuter Beachtung des veränderten Höhenmaasstabes)
aus Fig. 17 in Fig. i> über, so findet man, dass an der entschei-
denden Stelle, nämlich in der Vertikale r, die obpre Gurtung
nahe mit der Grenze 4 zusammenfällt, also mit derjenigeu
Hi>he, in der die Vertikalen nur noch Druck, die Diagonalen
nur noch Zug empfangen.
Für die praktische Konstruktion der Trägerform
kleinsten Gewichtes wird es hiernach unbedingt ge-
nügen, durch Aufsuchung jener Grenze die Form der
oberen Gurtung zu bestimmen.
Verbindet man noch den Träger Fig. 17 mit dem Endfelde
Flg. 18.
Fig. lr>. sn ist in Fig. 18 die Minimalform eines Trägers mit
polygonaler oberer und unterer Gurtung festgelegt.
" Wir haben zum Schlüsse noch hervorzuheben, dass jeder
Nützlichkeitsbau in gewissem Grade auch eine ideale Aufgabe
erfüllen soll. Dieser Forderung vermögen wir jedoch nur ein
Resultat der Rechnung entgegenzustellen, und der Ingenieur
mag entscheiden, ob oder in welchen Fällen er die Formen
kleinsten Gewichtes dem Auge darzubieten entschlossen ist.
Im Uobrigcn wird einleuchten, dass beim Ucbergang zum
gewöhnlichen Tacbwerksträger mit geraden und parallelen Gur-
tungen leicht eine Form gefunden ist, welche eine gewiss« Har-
monie der äusseren Erscheinung ohne zu erhebliche Gewichts-
vermehrung gewährleistet. Endlich lasse mau nicht ausser
Acht, dass besonders mit dem Träger Fig. 8 meist eine noch
befriedigendere Wirkung zu erreichen ist und man nur darauf
bedacht sein muss, wie auch in § 5 dos Weiteren entwickelt,
dem Träger ein genügendes Hfilienverhältniss, aber auch nur
soviel Krümmung in der oberen <iurtung zu geben, dass das
Gewicht nicht mehr als nothwendig gesteigert wird.
Bearbeitung des Schmiedeeisens in Schweden auf diesem Gebiet
etwas hervorgebracht. In den kleineren Gegenständen steht
djo Form meist unter der Güte des Materials. Dagegen sind
einige erfreuliche Beispiele zwar theurer jodoch solider einfacher
Gegenstände in gegossener und polirter Bronze und Messing vor-
handen, die wie bei Leuchtern etc. durch schöne Formen und
gutes Material sich sehr vortheilhaft von unseren überfeinen
zerbrechlichen, modernen aber mit altersgrüner Bronze -Patina
gestrichenen Zinkgegenständen auszeichnen. Von Kronleuchtern
ist fast Nichts vorhanden. — Die Freude an der schönen Er-
scheinung des Materials zeigt sich aber auch an Gegenständen der
Klempnerei, die vortrefflich und schön geformte Kupfer- und
Mossinggeräthe {meist grosse Kaffeemaschinen) ausgestellt hat,
wie auch [die lackirten Blcchwasxen in Zeichnung und Technik
hervorragen.
Den Glanzpunkt der Ausstellung bilden jedoch die Arbeiten
in edlen Metallen, namentlich die Schmuckgegenstände. Selbst
die so häutig formlosen Tafelaufsätze und grösseren Gegenstände
sind hier fast durchgängig mit grossem Geschick und organisch
koniponirt, halten sich innerhalb einfacher Formen ohne steif
zu sein und vermeiden unnützen Prunk. Sie haben meist antike
Formenbildung, hie und da mittelalterliche. Nur ein Beispiel
der Naturalismus findet sich in einem Tafelaufsatz in Form
eines Koseustockes. Das Metall ist in entsprechender Abwech-
selung polirt und muttirt. letzteres in zu grossem Maasse, so
das» die Oberflächr zu viel metallischen Glanzes verliert. Als
ausgezeichnetste Leistungen müssen die Norwegischen Silber-
arbeiten erwähnt werden, die auch für kleinere Gefässe etc. die
lechnik der Filigranarbeiten in Verbindung mit massivem
Metall verwandt haben, meist in vollendeter Grazie. Die For-
men sind sehr elegant und schliessen sich den besten Mustern
des Mittelalters an, ohne deshalb an Originalität einzulassen;
der vorhin erwähnte Architekt Thrap -Meyer scheint nicht ohne
Hindus» auf die Form dieser Gerfithe gewesen zu sein. Die
künstlerische Gestaltungskraft aber gipfelt in den Schmuckgegen-
stäuden, einerseits in den Koponnagenrr Goldarbeiten, dann
aber namentlich in norwegischen Filigranarbriten. Diese wahr-
scheinlich aus dem Orient (Beirut) eingeführte und seit Jahr-
hunderten eingebürgerte Technik hat hier ein© höhere Ausbil-
dung erhalten als irgendwo anders, vielleicht durch diu Berüh-
rung mit altnordischen Kunstformen. Einige fadenscheinig«
Nachahmungen von Blumen und Schmetterlingen abgerechnet, be-
wegen sieb alle Formen innerhalb Btreuger Stflgesctze und
bringen, namentlich wenn konkave Goldfolie den Reiz der
dar übergespannten schönen I.inienornamente noch mehr hervor-
hebt, die reichste und edelste Wirkung hervor. Auch die
silbernen Ketten mit schön stilisirten Gehängen von kleinen
Blättchen und Scheiben an eleganten Kettengliedern sind von
bester Komposition und deuten auf alte Kunstübung.
Wieviel bei der Schönheit der Kopenhagener Goldarbeiten
(es werden übrigens auch hier Filigranarbeiten gefertigt) auf
eine ähnliche Tradition zurückzuführen ist, lässt sich mit
Gewissheit nicht bestimmen, da wohl namentlich seit mehren
Dezennien das nordisch nationale Interesse die Nachahmung
von Schmuckgegenstäudeu aus den llüucngr&bern hervorgerufen
und dadurch deu Sinn für stilvolle Formen empfänglich gemacht
hat. Das berühmte nordische Musccum iu Kopenhagen bietet
eine Fülle der schönsten alten Schmuckgegonstäude, zum Theil
antiken, meist nordischen Ursprungs, und sein guter Einflnss ist
nicht zu verkennen, wenn auch hie und da unverstandene direkte
Nachahmung unangenehm berührt. Andererseits bewahrt das
nicht minder wichtige ethnographische Museum, voll von den
schönsten Erzeugnissen aller Völker und Zeitepochen, vor Ein-
seitigkeit. Es konnte nicht fehlen, dass die besten Früchte sol-
chem Studium entspriessen mussten, und so finden wir denn,
dass in Zeichnung, Behandlung der Oberfläche des Goldes, in
schönen Linien deB aufgesetzten Filigrans, in der Farbenzusam-
menstellung der Edelsteine die hervorragendsten Arbeiten ent-
standen sind. Es zeigen auch diese Arbeiten wieder und gehen
zu der Schlusshemerkung Veranlassung, wie ein Zurückgehen
auf die Anfänge einer jeden Kunst allein eine schöpferische
Ausübung derselben ermöglicht, weil in jenen die Bildung»- und
Weiter-Hildungsgesetze erkannt werden können, die in späteren
Erzeugnissen, seien sie vollendeter oder verdorbener, meist
verwischt sind. Es kann dadurch allein der oberflächlichen
Richtung entgegengetreten werden, welche durch missver-
st andene Nachahmung von Formen, die ihre Namen nach
der Regierungszeit Louis XIII., XIV. oder eines anderen fran-
zösischen Despoten erhalten haben, alles Mögliche gethan zu
haben glaubt und unsere Kunstindustrie so uuhcilvoll beciunusst
und leider noch lange beeinflussen wird. Die nordische Ausstel-
lung hat deu festen Willen der drei Reiche dargethan, auf
soliden Pfaden weiter zu gehen und so das Beste zu errei-
chen. Der Erfolg ist nicht plötzlich zu erwarten, denn das
Schöue ist schwer, aber desto sicherer.
- 286
Mittheilungen au» Vereinen.
Oentcrroichi scher Ingenieur und Architekten -Verein
zu Wien.
Monats Versammlung am P.April 1872 1 Vorsitzender
Hr. Ilofralh U. v. Engorth: anwesend 198 Mitglieder.
Der Geschäftsbericht erglebt;, da*» seit der letzten Vm «mim
Inns wiederum 10 Mitglieder neu aufgenommen, - ge*torl>cii
Kind. Zur Berathung über die Beziehungen, in wiche der Ver-
ein zu der nächstjährigen Weltausstellung in Wien treten Hüll,
wird auf Antrag des Verwaltungsruthes ein aus so Pcreonoo
bestehendes Konnte gewählt. AM Gesichtspunkte für diese Be-
rutliunp werden bereits hervorgehoben : 1) Stellung des Verein»
zur Weltausstellung im Allgemeinen. 2) Thätigkcit desselben
während der Ausstellung. Ii) Hat der Verein als »oh-her nus/u-
«teilen'/ Was und wie? I) Ist es enipfehleii-werth Kollektiv-
Ausstellungen der Verciii.-rmitplieder anzuregen ? 5) Förderung
der Ausstellung von Werken der Fachgenosseu. i!) Organisation
einer möglichst vollständigen Berichterstattung an den Verein
ülier Alle*, was in den Kähmen der Vcrcinsthütigkeit füllt. T)
Enterbung von geeigneten Werken. Vervielfältigungen, Modellen
etc 8) Stellung zu auswärtigen Vereinen verwandter Tendenz
und zu ausserhalb des Vereins stehenden FachgeuossMi im All-
gemeinen. Erwirkung von Begünstigungen betreffs Besuch
der Ausstellung für die Mitglieder des Verein».
Zum Schlüsse hält llr. Ober-lmnektor M. Mornwili einen
Vortrag Bfcet die Donaubrückc der UetternMehuwlHM Nordwest-
liahu. Die Veröffentlichung desselben durch die Zeitschrift steht
In Aussieht.
Wiiclienversamniluiig am '20. April IS72; Vorsitzender
llr. Hfrth. K- v. Engcrth.
Nach geschalt liehe a Mittheilungen Seitens des Hrn. Vor-
sitzenden und einem Vortlage de» Hrn. Major Th. Kadarz über
eine auf das Prinzip der MsssenbeschleuiUeutig baeirle Variante
des Schrauheuprnpcllcrs spricht llr. Ober- Ingenieur <'. Maader
über eine mui dem Eisenbahn ■ Ingenieur Lazar Po poviez er-
fundene, von ihm „Glorine- genannte (ieleis- Anlage, durch
»eiche es ermöglicht werden soll, an jeder beliebigen Stelle
pMttftM* lUmp'll fs* S .I'ii-hiUiIi,
hl. iiü.ülojdrru. /. II, »III, IV,
I', 17 Kaum Im i> Zii^.-,
einer Eisenhahn mit möglichst geringem Zeitaufwande eine grosse
Anzahl von Zügen zu expediren. Die beigefügte Holzschnitt-
Skizze macht «bis System seinem Grundgedanken nach ausrei-
chend klar. Der Erfinder ist der Ansicht, das« sich die betref-
fende Anlage allerwSrt« leicht wird verlegen lassen, ohne da»*
es mit Rücksiebt auf die geringe einzuhaltende Fahrgeschwin-
digkeit nutbwendig wäic, den üblichen festen Unterbau zu schaffen,
wenn nur für den eisernen Oberhau ein entsprechend günstige»
System iKostliu A Battig) gewfihlt wird- Sind alle Garnitur-
1 heile in guter Beschaffenheit und vollständig vorhandeu und
ist die Mannschaft in dem Auf- und Abladen, Zusammenfügen
und Abreissen derselben gehörig eingeübt, so hofft er die lter-
stclliiiig einer (iluriue in den bezeichneten Abmessungen, von
[».(). 3800" GeleiaUngc innerhalb _M Stunden bewirken zu können.
Wird für Verladen und Rangireu je eines Zuges durchschnitt-
lich das Maas» von 2 Stunden angenommen, so können mittels
der Glorine innerhalb 24 Stunden 72 Züge von einem Punkte
aus expedirt »erden. lier Vortragende halt das System aller-
dings noch für verbesserungs- und vcrvollkouimuungsfühig, be-
zweifelt jedoch nicht, das» dasselbe sowohl für das Verkehrs-
wesen im Frieden, wie namentlich für militärische Zwecke eine
Zukunft haben wird.
Wochen Versammlung am "27. April |S72; Vorsitzender
llr. Hberbaurath Fr. Schmidt.
Nach einem Vortrage des Hrn. Professor J. Wist über den
Hau di s Observatoriums am k. k. pnlvtechliisclien lu-titute zu
Wien spricht llr. Architekt A. Prokop auf Grund besonderen
Ansuchen» über deu Bestand und Werth de» lloffmanusclicu
Kingofen -Privilegiums vorn Jahre IKTiH. Der llr. Vortragende
weist — soweit wir die mehr juristische als technische Frage
zu beurtheileu vermögen, mit überzeugender Gewalt — nach,
dass von anderen formellen Ursachen abgesehen, die Aufhebung
des frühereu lloffmanirschen Privilegiums gleichzeitig die des
späteren um deshalb bedinge, weil die im Jahre ItHi.'i (taten tirte
Ei fiml ung ihrer Wesenheit nach mit der früheren durchaus
identisch ist. Hinzugefügt sind in der Beschreibung desselben
nur eine grosse Zahl von Varianten und Details: die Handha-
bung des Privilegiums während seines Bestandes beweist jedoch
ganz unwiderleglich, dass das Patent als nicht Mos auf diese
Verbesserungen, sondern als auf das Prinzip ertheilt aufgefas&t
wurde. Da es sonach eine einfache, wenn auch ungesetzliche
Heaktivirung de» älteren Privilegiums war, so ist es als mit
diesen beseitigt anzusehen. Am Schlüsse seiner Ausführungen
V'erstehert der Redner, dass er nie gegen deu lioffmann'schru
Ringofen an sich, sondern nur gegen den gesetzwidrigen Bestand
der Privilegien gestritten habe, die als Verbesserung» -Privile-
gien »ehr wohl berechtigt gewesen wären, nicht aber als Mono-
pole, wozu sie in Oesterreich, wenn auch ohne Huffuiaiiu's per-
sönliche Schuld, gemacht worden sind. AI» Apparat der Zie-
getfabrikation sei der lloffmanu'sche Ofen jedenfalls das Voll-
kommenste, was für diesen Zweck erfunden sei, und könne er
jeden, der einen guten Ringofen haben wolle ohne die Kosten
zu scheuen, nur rathen, auch heute noch an lloffmann und »eine
Vertreter »ich zu weuden und deren Erfahrungen zu benutzen.
Monatsversatumlung am 4. Mai 1872: Vorsitzender Hr.
Hufrath R. v. Engerth, anwesend 1CJ Mitglieder
Seit dem 14. April sind 14 Mitglieder neu eingetreten, 6
ausgeschieden. Zur Berathung mehrer neu eingegangener Fra-
gen resp. Antrüge werden Komites gebildet, während mehre der
früheren Koniites Bericht erstatten.
Bei nochmaliger Erwägung der Frage, welches System sieh
für die künftige Gürtelstrasseu-Eisenbahii in Wien am Meisten
empfehle, hat das neu eingesetzte verstärkte Komitc sich im
Prinzip wiederum für eine unrmalspurige Lokoluotivbahu ent-
schieden. Da jedoch die mittlerweile bekannt gewordenen Pläne
der Gürtelstrasse Gefälle von 1 : 2!) und Kurven von 60™ Radius
ergeben, uud da sich herausgestellt hat, dass für die betreffende
Balm das Grundeigentum zu erwerben und ein vollständiger
Unterbau herzustellen sein wird, so ist leider anzunehmen, dass
die Anlage einer uoruialspurigeu Lokotuotivbahn bei dem gegen-
wärtigen Staude der Verhältnisse nicht mehr durchzusetzen ist.
Unter diesen Umständen empfiehlt das Körnitz, wenigstens der
Anlage einer schmalspurigen Lokoniotivbahu vor jener einer
Pferdebahn den Vorzug zu geben.
Ihis Konnte, welches über die Zulässigkei» vierrädriger Lo-
komotiven zu hcrathen hatte, spricht »ich für dieselbe — welche
mittlerweile auch vom Ministerium gestattet worden ist — aus.
falls derartige Maschinen entsprechend solide koustruirt sind.
Ein von Hrn. Professor Winkler gestellter Antrag, der Ver-
ein möge Können für Einführung des Mctermaasscs im Bau-
wesen in ähnlicher Weise in Berathung ziehen und vorbereiten,
wie die» in Deutschland geschehen sei, wiril auf Vorschlag des
Verwallungsrathes bis zum Herbst vertagt.
Zum Schluss »jtrirht llr. Ministerialrath G. VVex über die
durch hundertjährige Betrachtungen knustatirtc Vcrmiuderung
der Menge des Wassers in Quellen uud Flüsscu uud über die
Ursachen dieser Abnahme.
Wochen vcriammlwng am II. Mai 1872-, Vorsitzender
llr. Oberbaurath Fr. Schmidt.
Da die Versammlung der Wahrscheinlichkeit nach die letzte
ist, welche der Verein in seinem bisherigen Eukal« abhält, so
eröffnet der Hr. Vorsitzentie dieselbe mit einer Ansprache, in
welcher er auf die glänzende Entwicklung des Vereins zurück-
blickt und die Hoffnung äussert, dass seine Zukunft unter den
neuen, äussc rlich um »o Viele» günstigeren Verhältnissen, denen
er im Besitze eines eigenen Hause» entgegen geht, nicht minder
gedeihlich sein möge.
Eine Fülle ron Vorträgen beschliesst diese letzte Sitzung
der Saison.
Hr. Prof. Dr. E. Winkler spricht über die neue Augart en-
brüeke in Wieu. Der Musterkarte der verschiedenartigsten
Brückensvstenie. welche Wien darbietet, geht mit der bisherigen
Augartenitrücke. einer sogenannten Beutelholz- Ivulgo Knüppel-)
Brücke, eine mehr merkwürdige als werthvolle Spezies verloren;
dafür wird sie um eine neue, das dem französischen Hütten-
werke der Hrn. Eive & Lille eigentümliche System einer
Hängebrücke mit Spannripgel, bereichert- Der Redner charak-
terisirt in allgemeiner Weise das neue Svstem und vergleicht
dassellte in_ Bezug auf ökonomischen Werth mit einem Gitter-
träger — ein Vergleich, der nicht zu Gunsten der Hängebrücke
ausfällt.
A H Kpamtrl'RH. * Slr»«M»*Kw, A F, lt K v..,m,«loul»rii. A II r E B Z.^.l
«lllfT Zu||4trf1sfii.
llr. Robert L llaswell, Ingenieur - Assistent der öster-
reichischen Staatsltahnen. behandelt in eingehender Weise das
Verfahren beim Proben von Bessern er Stahlaxen und das Ver-
halten von Besscnier Stahlblechen. Er entwickelt, das» die
Proben, welche die einzelnen Eisenbahn - Gesellschaften Oester-
reichs für Besscnier Stahlaxen verlangen, in ungerechtfertigter
Weise von einander abweichen und zum Theil Forderungen
stellen, welche der Natur des Materials keineswegs entsprechen.
Er beantragt daher, dass der Verein sowohl im Interesse der
Eisenbahnen wie in dem der Stahl - Industrie Oesterreichs ein
Konnte bilden möge, welches die Frage, in welcher Weise hier-
für eine neue einheitliche und sachgemässe Norm geschaffen
werden könne, untersuche. In Betreff der Bessemer-Stalilblechc
weist der Hr. Vortragende nach, dass die ungünstigen Resultate,
Digitized by Google
- _ 287 —
welche die Verwendung derselben zu Dampfkesseln mehrfach
ergeben hat, weniger dem Matcrialc zur Last fallcu, das bei
normaler Beschaffenheit unbedingt homogener, fester und besser
ist als das lieste Eisen, Mindern lediglich der unverständigen
Anwendung desselben. Kr eiupliehlt, dass mati die Blechdicke
nicht allzu gering bemesse. nur besten Stahl und unter gewissen-
hafter Sorti rung der Bleche verwende, die Platten nach dem
Bohren oder Lochen sorgfältig ausglühe, vorsichtig niete, beim
Biegen nur hölzerner Hammer sich bediene und unter keinen
l'iustäudcn eiu Versteumicu uuter honein Wasserdruck zulasse.
Nachdem Hr. Photograph M. .laffe unter Hinweis auf eine
von ihm veranstaltete bezügliche Ausstellung ül>er die photn-
graphische Aufnahme von Gegenständen aus dem Gebiete des
InRenieurweseus und der Architektur gesprochen hat, trägt zum
Schluss Doch Hr. Ingenieur K. von llnanen über Anwendung
von Beton zur Herstellung von Wohnhäusern vor. Nach einge-
• Erfolge, die man hierbei in Frankreich
und England, namentlich seit Einführung der eisernen emaillirten
Können von Gebr. l)rake in London erzielt hat, theilt er Näheres
über die Versuche mit, welche eiu österreichischer Techniker,
Hr. Freistiitter in Salzburg, aus eigener Initiative unternom-
men hat. Auch diese sind sehr zufriedenstellend ausgefallen
und haben sowohl technisch wie finanziell bedeutende Vortheile
ergeben. Obwohl das anderwärts angewendete /.emeutmaterial
in Oesterreich verhältnissmässig noch zu theuer ist und hier
vorläufig durch hydraulischen Kalk ersetzt werden muss, so
glaubt der Redner doch, dass diese Bauweise namentlich für
die Verhältnisse Wiens, das aus der Hönau unerschöpfliche
Massen von Schotter und Saud gewinnen kann, eine grosse Be-
deutung besitzt, und in der Möglichkeit, die Baukosten eines
einfachen Wohnhauses um mindestens die Hälfte zu enufissigen,
ein werthvolles Mittel abgiebt, um zur Lösung der brennenden
Wohnungsfrage beizutragen.
Vermischtes.
Zur abgekürzten Bezeichnung der motrlsohon Mauaso
und Gewiohto. Nachdem das vom Verbände deutscher Archi-
tekten- und Ingenieur-Vereine angenommene System zur abge-
kürzten Bezeichnung der metrischen Maasse und Gewichte bin-
nen kurzer Zeit von so vielen Stellen bereitwilligst akzeptirt
worden war, dass sich die überwiegende Mehrzahl der deutschen
Techniker und der deutschen Behörden sich seiner bedient —
nachdem durch den Kntschluss des Reichskanzler-AmteN, ange-
sichts dieser Feststellung des Verbandes auf die von ihm beab-
sichtigten Vorschläge zu verzichten , das einzig zu befürchtende
formale Hindernis* einer ullgemeii.cn Annahme unseres Systems
beseitigt war, schien gegründete Hoffnung vorhanden zu sein,
dass die gesammte technische Welt Deutschlands in dieser Frage
zu einer schnellen und glücklichen Einigung gelangen werde.
Leider scheint diese Hoffnung dennoch vereitelt zu werden.
Gleichzeitig mit unserem Verbände hatten sich noch andere Fak-
toren mit derselben Angelegenheit beschäftigt, die von unseren
Beschlüssen überholt, trntzalledem keineswegs gewillt sind, auf
die Geltendmachung ihrer Ansichten zu verzichten. Es sind
dies die kaiserliche Normal -Kichungs- Kommission, welcher
seinerzeit von Seiten des Reichskanzler-Amts der Auftrag zur
Aufstellung bezüglicher Vorschläge ertheilt worden war, und die
deutschen Maschinen -Ingenieur -Vereine, welche die Normal-
EichuDgs -Kommission mit Umgehung der spezifisch bautech-
uischen Körperschaften (z. B. des Architektenvereins zu Berlin)
zu gutachtlichen Aeusseruugcn in der Frage aufgefordert hatte.
Die erwähnte Reich sbehörde, über deren frühere Thätigkeit
auf diesem Gebiete wir in No. 43 .Ihrg. 71 u. Hl. berichtet haben,
hat ihre Vorschläge zu abgekürzten Bezeichuuugeu, nachdem
sich das Reichskanzler -Amt dieselben nicht angeeignet hat. als
diejenigen mitgetheilt, „welcher sich die kaiserliche Normal-
Kichuugs- Kommission fortan in ihren Publikationen bedienen
wird." Als leitende Gesichtspunkte für die Wahl der Abkür-
zungen werden folgende angeführt:
.1) Der blossen Kürze der Bezeichnung soll die möglichst
deutliche Anknüpfung an die volle Bezeichnung nicht geopfert
werden; vielmehr sollen insbesondere die Kürzungen der Be-
zeichnungen der einzelnen Grössenabstufungen so beschaffen sein,
dass sie zwar ein gewisses System befolgen, aber doch nur ein
solches . welches ohnu Iwsondcre Erläuterung durch die An-
knüpfung an den vollen Namen verständlich ist."
„2) Die abgekürzten Bezeichnungen, welchen eiu besonders
exakter und allgemein gültiger t'harakter, gewissenuaasseu der
von mathemathischeu Zeichen zu verleihen ist, sollen möglichst
geeiguet sein, eiu Gemeingut der. Literaturen ulier derjenigen Na-
tionen zu werden, welche das metrische System anwenden."
Die Bezeichnungen, für welche durchweg kleine lateinische
Buchstaben angewendet sind uud entgegen "dem Wortlaut des
Reichsgesetzes die romanische Schreibart c in deci resp. centi
und eubik festgehalten ist, während für die Stellung derselben
keine Nonnen angegebeu werden, sind in einer Anordnung nach
ansteigender Grösse folgende:
A. Längenmaasse: km. dkm. m. dem. cm. mm.
B. Flächenmaasse: ha. o. um. oder □«»• qdem. oder □ <■">>-
«jan. oder [ >». qnnn. oder (.;]<■»•
C. körpermaasse : cbm. hl. I. ebem. cbmm.
D. Gewichte: kg. dkg. g. dcg. cg. mg.
Auf eine nochmalige Erörterung des Für nnd Wider glauben
wir nachgerade verzichten zu können. Es wäre eine Differenz
in der Schreibweise der Normal -Eichungs- Kommission uud der
unseres Verbandes, ganz abgesehen davon, dass die Publikationen
jeuer Behörde in Wirklichkeit durchaus keine Rolle spielen, im
Allgemeinen so bedenklich nicht gewesen, da die von ihr ge-
brauchten Zeichen immerhin noch jedem, der uuseres Systems
sich bedent, verständlich sein werden. Die technische Welt
würde von dieser Differenz jedenfalls nicht berührt worden sein.
Auders freilich, wenn die deutschen Maschinen- Ingenieure,
wie es nach den Beschlüssen einzelner Zweigvereine des Vereins,
deutscher Ingenieure, sowie nach den in der Zeitschrift d. V.
und dem Prallt Maschinen-Knnstr. abgegebenen Erklärungen den
Anschein hat, sich der betreffenden Rczcichnuiigsweise, nls der
angeblich .offiziellen" anschlicssen. Obwohl das nunimeiische
Uebergewicht der Hautechniker über die Maschinen - Ingenieure
ein so grosse« ist, dass kein Zweifel darüber obwalten kann,
wer in einem Kampfe der beiden Systeme den Sieg davon traget!
würde, zumal der im Maschinenfache üblichen Maassuugaben
nur sehr wenige sind und die abgekürzten Bezeichnungen für
diese im Wesentlichen durchaus mit den unsrigeii übereinstim-
men , So wäre eine dauernde Spaltung der Techniker in dieser
F'rage doch sicherlich ein beklagciiswcrthe» Ereignis* , das nur
dazu beitragen würde, das Gefühl der Zusammengehörigkeit noch
mehr zu unterdrücken.
Obwohl es uiis selbstverständlich völlig fem liegt, dem Ver-
eine deutscher Ingenieure, der an der Berathuug jener Krage
von Seiten unseres Verbundes nicht Theil genommen hat, einen
Anschluss an unsere Festsetzungen ohne Weiteres zumuthen zu
wollen, so hoffen wir doch, duss seine nächste General-Versamm-
lung, die über die endgültige Wendung der Sache zu entscheiden
hat, bei ihren Ber.ithuugeu das Moment einer Einigkeit der deut-
schen Technik nicht nanz unberücksichtigt hissen wird. Der
Verein von (Jas- und Wasserfachuifinneru Deutschlands, der auf
seiner General -Versammlung iu Würzburg das System des Ver-
bandes deutscher Architekten- uud Ingenieur-Vereine haupt-
sächlich aus diesem Gesichtspunkte adoptirt hat. ist darin ein
rühmliches Vorbild gewesen.
Holzbahnen. In Canada sind in den letzten Jahren durch
den Amerikanischen Ingenieur J. B. Hulbert Holzbahnen zur
Anwendung gekommen, nachdem man dieselben während des
grussen Bürgerkrieges in den Vereinigten Staaten vielfach für
temporäre Zwecke konstruirt und dabei als sehr brauchbar er-
probt hatte. In Folge dessen wurde im Jahr 186H eine Holz-
bahn von ca. iüi Kl " Länge, zwischen Carthagu (Staut New-
York) uud Harris vi lle erbaut, nachdem früher schon eine
kurze, uur 10*- lange Holzbahn angelegt und in Betrieb gesetzt
war. Als dritte Holzbahn kam sodann die 42*"' lauge Quebec
and Gosford Bahn iu Canada (Provinz Quebec) hinzu, welche
im nächsten Jahr noch um 160 verlängert werden soll. Die
Sorpel, Drummond and Arthabasca Ouinties Holz-
bahn von_ !MJKi» Länge ist ebenfalls schon vollendet und im
uüchsteu Frühjahr sollen noch mehre kurze Zweigbahnen der-
selben erbaut werden Die ebenso lange Levis and Kenuebec
Holzbahn in der Provinz Quebec ist noch in der Ausführung
begriffeu und für die Zukunft ist eine weitere Verlängerung der-
selben um H4 K|B in Aussicht genommen.
Der Verkehr auf allen diesen Bahnen ist sehr schwach und
würde nicht genügen, um selbst die billigste Eisenbahn als ren-
tabel erscheinen zu lassen. Es gehen indessen täglich im Durch-
schnitt 3 Züge in jeder Richtung auf diesen Holzbahnen und die
Tarife für Personen und Güter sind dort nicht wesentlich höher
wie auf manchen freipienten Eisenbahnen. Mau kauu die Per-
sonenzuge mit 99 bis 32 die Güterzüge mit 19 bis 26 K™ Ge-
schwindigkeit per Stunde auf den Holzbahnen befördern uud
die Adhäsion der Maschinen von 600 z Gewicht auf den starken
Steigungen der Holzbahnen ist genügend, um jede Last zu be-
fördern, welche die Maschinen überhaupt zu ziehen im Stande
sind. Maschinell von IUI) z Gewicht können auf Steigungen 1:60
einen Zug von 1200 bis liiOU* hiuauffuhreu und Maschinen von
300 2 ziehen auf Steiguugeu 1:21 Züge vou 400 * Im Winter
halten sich die Holzbahnen mindestens ebenso gut wie Eisen-
bahnen, auch köuneu sie- bei Schnecwctter durch Auwendung
vou Schueepflügeu fahrbar erhalten werden, selbst dann wenn
der Schuee 1 bis l.iiÄ» hoch liegt.
Auf der Levis and Kenuebec Bahn ist der Oberbau
etwas stärker koustruirt als auf den älteren Holzbahnen. Die
obere Breite des Baliuplanums in den Dämmen ist nirgends
unter 4,:!iji», in den Einschnitten zwischen 4.10 und 6,70 ra . Die
Erdarbeiten sind bei den Holzbahnen verhältnissmässig unbe-
deutend, weil starke Steigungen und scharve Kurven dabei zur
Auwendung gekommen sind. Der Oberbau der Bahn besteht
aus hölzerneu Querschwelleu auf einer 0,3« dicken, 3« breiten
Unterlage von Bettungsuinterial. Die Querschwellen siud 2,. r )0"'
jung und haben 20«« Durchmesser am dünnen Kudu. Sie liegen
iu 60««> Abstand uud sind an der oberen Seite mit Einschnitten
versehen, worin die nls Schienen dienenden Laugschwelleu lie-
gen und mit Hol/keilen befestigt sind. Die Langschwelleu siud
lS lm breit, 36"» hoch, aus Stücken von 4,30 ra Länge zusammen-
gesetzt und an ihrer oberen Fläche sanft abgerundet
Sowohl in der Konstruktion der Bahn wie auch durch die
Ausnutzung der Betriebsmittel wird bei den Holzbahnen die
grösste Sparsamkeit erzielt Auf der Levis and Kenuebec
Bahn sollen nur 2 Lokomotiven von je 600 z Gewicht vorläufig
Digitized by Google
in Gebrauch genommen werden, nebst 2 Personenwagen erster
Klasse zu je 40, und 2 desgl. zweiter Klause zu GÖ Platzen,
ausserdem 2 Gepickwagen, 4 Viehwagen, 10 bedeckte und 30
offene Guterwagen, 2 Schneepflüge und einig« kleine Arbeits-
wagen. Hit Errechnung dieses gesammten Betriebs- Materials
wird die genannte Bahn nur 4100 Canadische Dollars uro Kilo-
meter kosten. Das Holz zum Oberbau kostet MW Dollars pro
Kilometer, nämlich 472 Schienen oder Luugschwellen incl.
Trausport und Bearbeitung ä HO Cts., 2050 Querschwellen desgl.
h 12' , Cts. und 6000 Holzkeile desgl. a 1 Ct Der Transport
des Bettungsmaterials und das Legen des Oberbaus kostete pro
Kilometer 485 D., die durchschnittlichen Kosten der Einfriedi-
gungen, Brücken, Stationen, Weichen, Drehscheiben etc. betrugen
uro Kilometer 770 D., für Erdarbeiten, Durchlasse 1430 D., für
Insgemeinkosten 2M) D. pro Kilometer Bahn.
Jede Lokomotive kostete 10 000 D., jeder Personenwo
I. Kl. 2000 D., jeder Personenwagen II. Kl. 1000 IX, ji
Gepäckwagen 600 D., jeder bedeckte Güterwagen 500 D., jeder
jeder offene Güter-
Ber kleine Arbeits-
Viehwagen MX) D., jeder Postwagen 600 D., jeder offene Güter-
wagen 320 D., jeder Schneepflug 1000 D-, jede '
wagen 120 D.
Die Arbeitslöhne beim Bau der Bahn betrugen etwa 90 Cts.
pro Tag bei zehnstündiger Arbeitszeit, die Erdarbeit kostete
durchschnittlich 4i) Cts.. aber in Felseinschnitten 6,5 bis 11,7 D.
pro Kubikmeter. Baubolz in Stücken von 3,60" Lauge, 36"°
Durchmesser kostete 25 bis 43 Cts.
Die Betriebskosten mit Einschluss der Buhnunterhaltung
betragen etwa 25 Cts. pro Kilometer. Die Quebec and Gos-
ford IJahn ist an eine Gesellschaft veqiacbtet, welche das An-
lagekapital mit 6% verzinst. Die Dauer der als Schienen die-
nenden Langsehwellen kann bei dem schwachen Verkehr solcher
Holzbahnen zu etwa 8 Jahren angenommen werden. Indessen
sind auf den ältereu Bahnen noch Langschwellen vorhanden,
lahreti im Gebrauch und noch ziemlich
welche schon seit !2
gut erhalten sind.
Das in Canada gegebene Beispiel wird vielleicht in anderen
dünn bevölkerten Landern, wo das Holz sehr billig, Eisen aber
sehr theuer ist, befolgt werden, zunächst wahrscheinlich in N e u-
seeland, wofür Herr Uulbert neuerdings berufen ist, Pro-
jekte zu Holzbahnen für den Lokalverkehr auszuarbeiten.
(Ztg. d. V. dUchr. Eisenb-Verw. nach d. Engineering.)
Bfiu wisse mehäftiiehe I*ittc r st ur
Juli und August 1S72.
Adler, F., ausgeführte Bauwerke. I. Die St Tbomaskircho zu
Berliu. 12 Kuufertafeln. Fol. Berlin. i'., Thlr.
Atlas kirchlicher Denkmäler des Mittelalters im österreichischen
Kaiscrstaate und im ehemaligen lombard. - veuetiauischen
Königreich. Heft 1 — IG mit je 6 Taf. Fol. Wien. Jedes Heft
20 Sgr.
Mitutal tätliche Bondenkmale aus Schwaben. Die ehemalige freie
Reichsstadt Ulm. Heft G. Fol. Stuttgart. 2 Thlr. 12 Sgr.
Bittet. F., neue allgemeine Bauordnung für das Königreich
Württemberg. LiefT 1 — 8. 8. Stuttgart. 2 Thlr. 4 Sgr.
oek, F., Rheinland'« Baudenkmale des Mittelalters. 3,
Mit zahlr. llolzschn. In 12 Lieferungen. 8. Köln. 2
Buschmann, H. B., Beitrage zur Theorie der kombinirten Gitter-
und Hängebrücken. 8. Wien. 16 S. mit 1 Taf.
Bracht, P. R., die innere Ausstattung der Kirchen. Entwürfe
von Orgeln, Altären, Kanzeln, Taufsteinen, Kirchenstühleu
etc. Heft 1. Fol. IV« Thlr.
Taubcnder, F., die Anlage von Bierbrauereien mit spezieller Be-
rücksichtigung der Wiener Bauart Mit 29 llolzschn. u. 6 lith.
Taf. 8. Leipzig. 1 Thlr.
ouhl, E., u. W. Koner, das Leben der Griechen und Römer, nach
antiken Bildwerken dargestellt 3. verb. Aufl. 8. Berhn. In
12 Lieferungen ä 10 Sgr.
Hartif, E., Tafeln der Umfangsgeschwindigkeiten pro Sekunde,
berechnet aus Durchmesser und Umdrehungszahl pro Minute.
8, Weimar. 15 Sgr.
Hartncr, F.. Handbuch der niederen Geodäsie. 4. Aufl. Mit zahl-
reichen Holrschn. 8. Wien. 5'i Tblr.
Hittcnkofcr, das Entwerfen der Gesimse. Eine populäre Vorfüh-
rung aller beim Facadenbau vorkommenden Gesimse in Schnitt
und Ansicht In 5 Lief, mit 25 lith. Taf. 4. Leipzig. Jede
Lieferung 24 Sgr.
Kette, K., Die periodische Littcrutur der Hautechnik des letzten
Jahrzehnts 1862-71 8. Halle. 10 Sgr.
König, F., Der praktische Köhremueister. Anweisung zur Fabri-
kation und Konstruktion der Röhrculeitungen und Röhren-
verbinduugeu zu Wasser-, Gas- und Dampf leitungen. Mit
77 Uolzschn. 8. Jena. 2Vt Thlr.
Kopkn, C. Die Baumechauik. Lehrbuch für praktische Bau-
gewerks- uud Maschinenmeister. 8. Leinzig. 2 Thlr. 23 Sgr.
Kokett, K., Flächentafeln zur Kubatur-Berecnnung bei Eisenbahn-
Projekten. 8- Wien. 20 Sgr.
Licbold, B , Die Uolzarchitektur des Mittelalters. Heft 1 mit
8 Taf. Fol. Stuttgart 1 Thlr.
Manch. .1. M. von, die architektonischen Ordnungen der Griechen
und Römer. 6. Aufl. 62 Kpfrtfln. mit Text von L. Lohde. 4.
Berlin. 4';. Thlr.
Heyn, L , der Asphalt und seine Bedeutung für den Strasscubau
grosser Städte. 8. 12 Sgr.
Nordling, W. von, der Lioran- Tunnel, zum Netz der Orleaus-
machiues. Tri
edleia. f., Anweisung zur
der am häutigsten vorkonn
Zentralbahuen gehörig, auf der Linie von Arvant zum Lot.
Mit 14 Taf. Fol. Wien. 2 Thlr.
Orth, .V, die Akustik grosser Räume mit speziellem Bezug auf
Kirchen. Mit 5 Kpfrtfln. Fol. Berliu. 1»/, Thlr.
Orth, A., und K. Bicbeadt, die neue Viehmarkt - und Schlachthau«-
Anlag« zu Berlin. Mit 10 Kpfrtfln. Fol. Berlin. 4«/» Thlr
Bedtenbacoar, F., principe* de la «mstruetion des Organen des
•aduit de Pallemand. 8. Heidelberg. 5'/, Thlr.
Berechnung des Mauerwerks und
Dachstühle. 16. München.
15 Sgr.
Kosd, G. B. de, Musaici christiani o saggi dei pavimenti delle
chiese di Roma auteriori al secolo XV. lu 25 Liefr. Imp. Fol.
Rom. Jede Lieferung 13\« Thlr.
Buh», F., der englische Einschnittsbetrieb. Ein Beitrag zum Erd-
bau. Mit 1 Taf. 8 Berlin. 20 Sgr.
Sammlung gothischer Initialen aus dem 14. und 15. Jahrhundert.
34 Bl. in Farbendr. Fol. Wien. 1 Tblr. 16 Sgr.
Bcheffert, A., Bauformen zur ornamentalen und dekorativen Auh-
bildung des Innern, nebst Auwendung von Farben am Aeuss«-
ren. 2. Aufl. 8. Leipzig. 3 vi Thlr.
Schuck, n., Dekorationsmotivo für Zimmcrmaler, Ornamentisten,
Stuckateure etc. In Heften von je 3 Taf. Fol. Leipzig.
Jedes Heft 25 Sgr.
Schiadler, E., Theorie des Modellbaues, oder Feststellung der
Beziehungen zwischen Modell uud der in einem bestimmten
Verhältnis« vergrfisserten Maschine. 8. Weimar. 27 Sgr.
Schinkel, K. F., Dekorationen innerer Räume. Uerausg. von
M. Gropius. 2. Heft. 4 Taf. in Farbeudr. Fol. Berliu. SV, Thlr.
Sflhmi, C., Studien über den Hochofen zur Darstellung von Roh-
eisen. 8. ' 18 Sgr.
Schublct, A , über Eisenbahnen von lokalem Interesse, insbeson-
dere Viziual- und Industrie -Bahnen. 8. Stuttgart 1 Thlr.
StauofT, W., rornetneut russe national. Sect I: Broderies, tissus.
deutelles. 75 Taf. in Farbendr. mit Text. Fol. Wien. 14 Tblr-
Suu, V., Auch Etwas über den Dom zu Köln am Rhein. Fünf
Skizzen. 4. Ems. 20 Sgr.
Architektonische Studien, hcrausg. vom Architekten-Verein am Po-
lytechnikum zu Stuttgart Heft 13. Fol. Stuttgart 24 Sgr.
Stoicr, A., Anlagen von Brunnen und Fontinen für Berlin und
Potsdam. 6 Taf.' in Tondr. Fol. Berlin. 2« , Thlr.
Tieti, Ch über den Bau und die Einrichtung von Bierbrauereien.
2. Aufl. Mit 7 Zeicbn. 8. Wien. 20 Sgr.
Waidl, F., Handbuch über Administration und Leitung des Zug-
förderuugs- und Werkstättendieustes bei Eisenbahnen. «.
Wien. ■ 2»; Thlr.
Wieb«. F. K. IL, die neuen Berliner Wasserwerke. 24 Taf. mit
Text. Fol. Berlin. 5% Thlr.
Konkurrenzen.
Monats- Aufgaben für den Architekten- Verein zu Berlin
zum 6. Oktober 1672.
I. Entwurf zu einem Buffetschrank in Eichenholz für ein
elegantes Speisezimmer. Maasstab '/,. der Natur.
II. Ucber einen Kanal soll eine Brücke für massigen Ver-
kehr in 3 Oeffnungen ä 6 » Weite so angelegt werden, dass beim
höchsten Wasser beladene Kähne unter deu festliegenden Fum-
weg-Konstruktiouen noch frei possiren. Die 1™ tiefer liegende,
b m breite Fahrbahn soll indessen in der Mittelöffnung 1 ■ hoch
in ihrer ganzen Ausdehnung mit Leichtigkeit gehoben
können. Eiu entsprechender Entwurf ist zu fertigen.
Alle wichtigen Maosse, Annahmen und Rechnungs- Resultate
sind in den Zeichnungen an geeigneter Stelle einzutragen.
Personal - Nachrichten.
Preussen.
Ernannt: Der Kreis-Baumeiäter Böttehe r zu Cöln zum
Bau - Inspektor daselbst. Der Eisenbahn - Bau - und Betriebs-
luspektor Steltzer in Wiesbaden zum Eisenbahn - Betriebs-
Inspektor der Reichs-Eisenbahnen in Elsass-Lothringen in Col-
mar. Der Baumeister Satt ig in Lehrte zum Eisenbahn - Bau-
meister der oberen Ruhrthalhalm in Stadtberge. Der Baumeister
Del tue s zu Cassel zum Eisenbahn -Baumeister und Vorsteher
des technischen Büroaus der Hessischen Nordbahn daselbst
Der Land -Baumeister Kluge zu Merseburg zum Wasser- Bau-
meister und technischen Hülfsarbeiter bei der Rbeiustrom-Bau-
verwaltuug in Coblcne.
Dem als technischen Hülfsarbeiter bei der Königlichen
Ministerial-Baukommission angestellten Land-Baumeister r riu-
keu zu Berliu ist der Charakter als Bauratli verliehen wurden.
Brief- und Fragekaiten
Hrn. L. in G. Als Anstrich für ein Schindeldach, um
demselben ein schiefcrähnliches Aussehen zu geben, dürfte sich
vielleicht die russische Farbe eignen; Erfahrungen darübor, ob
auf einer deu Witterungseinflüssen derart ausgesetzten Fläche,
wie ein Schindeldach ist, dieser Anstrirh lange haften wird,
besitzen wir freilich nicht.
Hrn. L. K. in Schwiebus. Eine Mittheilung über Draht-
seilbahnen findet sich in No. 32 u. 33 Jbrg. 71 u. Hl. Das Bureau
des Baumeisters F. Uoffmaun, Kesselstr. 7 lu Berlin, ist die
Stelle, an der Sie weitere Auskunft erhalteu können.
KemaU«l«Mr«rlaf «>■ C«tl littlitl in Bttlin.
Umck »o« «.«brucUr Flektttln
Digitized by Google
Jahrg. H M 36.
DEUTSCHE BAUZEITUNG
Organ des Verbandes
deutscher Architekten - und Ingenieur-Vereine. ^H?
ReiUktian *. IiBtditia«:
1*1.
In. .rat.
f.r dl» Lner «er
iUairU.iv.tn4.il
Eedakteur K. E. 0. FriUch.
Preii 1 Thalcr pra Qsartil.
Berlin, den 5. September 1872. J Erscheint Jeden lainerstag«
Inhalt: XVI. V.iMMuilun« Itanuelier Arelillrkten nnd ln«e»irare. -
Da» Frraa»i»rlie SUal»l>»ii»e»eu. Kine MiMler-Sitiiinairreke für uydf..irehm
■ehr Stadien. - Der Trie.ter Hafenbau. — Iii« E«k«r»l<i» .1»« Hcrlln-r ArtM-
takten V. reift, nach Stendal und Taiitirraiündr H i II he ilnn t* » Hl Ver-
»loaa: Architekten - Verein .« Berlin. Vernolcrlite»: IVber rti" L'-Utangen
4»r Parkier Daojpf- Slrawenaalien. - Neu» llaiidkair.« für El dtran.port«. —
Verarariftea fär die Verdi»*».»*, »ob Uefer»n«.n u. Atb.M«i fnr l'ie»«. staauDau-
teil. — Vetlndrniun de» Bra>K»UHr< in der Nike dal Klreiiliofe. ~ Abgekumr
beteietiuunt; iler titetft»<lien Maas.« nud CawJrhte. - Auh.<< j im^ allerer kuuat-
g«*«rtilirlieT lje?t»u»t&iidt.. - P a r hll l ter at u r : Ka:al<K< dar ersten Wanderau«.
»tellunu; de» navrrt»ohen f ieaernemiiatnini tu Närnbent. — Ken k n r re ni cn:
Knnk uirrnl für Km* mfe mm Haine de. deaUrhen Kelch>Uure4. — Knnknrren.
für Kutniiife ru .lo.m B."r»eiisoliäude In Ureaden. Konkurrent für Kataüif«
«ii einen, Sil|<„i*l . Ileiikmal auf dem Niederwald. — I'er.oaal-Narhrlrhlea.
XII. Vemnmlung Deutscher Architekten and ImWurr.
Zu den in No. 31. der Deutschen Bauzeitung angezeigten Vortragen sind bis 31. August noch folgende angemeldet :
l. Architektur.
Tochtermann, Lehrer am Polytechnikum r.u Aachen: Leber mittelalterliche Bestrebungen der neueren BaukuuM.
2. Bau ingenieu rw esen.
Kessler, Bezirksingenieur in Saarbrücken : Ueber einige Bauwerke des Saarkohlen • Kanals.
Sasse, Hegierungs- uud Baurath in Merseburg: Ueber die Entstehung der lnundatious- Flusstbäler.
Derselbe: Ueber die Stromgesetee im Mississippi und in der Saale.
3. Maschinenbau.
Arntgen, Ingenieur der Zcntral-Aktien-Gesellschaft für Tauerei in Köln: Ueber Innerei.
Bockholtz, Genernlinapektor der österreichischen Staatsliahngesellschaft in Wien: Wasserhaltung»- Maschinen mit
spezieller Bezugnahme auf den Kraft-Regenerator.
4. Technische Chemie.
Hasenclever, Direktor in Stollberg: Ueber Röstöfen zur Schwefelsäure- Fabrikation.
Das Lokal -Koniite erlaubt sich von Neuem die geehrten Fachgenossen an vorherige Anmeldung ihrer vor-
aussichtlichen Theilnahme an der Versammlung zu erinnern, da nur hierdurch die Einrichtungen im Interesse der Mitglieder
selbst möglichst praktisch zu gestalten sind. Dabei wolle femer angegeben werden, ob die Besorgung eines Logis, die
Uebersendung einer Legitimatioiukarte für Fahrpreis -Kruiiissiguageiw \itum in dar Au*ü4*>lliHkg oder Zeit zu einem Vor-
gewünscht wird.
Karlsruhe, 31. August 1872.
Das Lokal-Komite
Polytechnikum.
Das Preußische Staats- Bannest*.
Inhalt. Ueu.r.lelu.
IV.
Zu.ünde In der Yerwaltaa« de,
III.
1. Einleitung.
Eine tiefe Unzufriedenheit mit den Zuständen des Preus-
siebeu Staatsbauwesens hat sich nachgerade nicht nur der
Kreise bemächtigt, die zu ihm iu näherer Beziehung stehen:
sie hat auch bereits jenseits derselben Wurzel geschlagen
und macht sich in deutlicher Weise bemerkbar. Wahrend
die Studirenden der technischen Hochschulen, die Architek-
ten- nnd Ingenieur -Vereine und die ad hoc zusammentre-
tenden Baulrcamten einzelner Regierungsbezirke und Provinzen
über die Mängel der bestehenden Einrichtungen diskutiren
und sie zum Gegenstände von Vorstellungen und Bitt-
schriften an die leitenden Behörden machen, wird von offi-
zieller Stelle, in der Presse und im Volke immer häufiger
und allgemeiner darüber Klage geführt, dass die Leistungen
der Staatsbaubeamten nicht mehr in gleichem Grade wie
früher die Höhe dessen repräsentiren , was vaterländische
Baukunst und Technik überhaupt zu leisten vermögen. Die
Misstände in den Unterrichts- und Vcrwaltungs-Einrichtun-
gen des Preussischeu Bauwesens beginnen sogar schon die
Aufmerksamkeit der Staatsmänner zu erregen und es scheint
die Meinung zum Durchbruch zu koinmeu, dass es sich hier
um einen Kranken Theil des Staats- Organismus handelt,
welchem im Interesse des Landes eine eingehende Unter-
suchung nnd nach Erkenntniss der Krankheits- Ursachen
gründliche Heilung entschieden Noth thut.
Die zunächst und am Empfindlichsten Leidenden sind
freilich die Angehörigen des Staatsbauwesens selbst, zu denen
wir nicht alleiu die gegenwärtig ungestellten nnd die für die
Staatsprüfungen sich vorbereitenden Bautechniker, sondern
V. Ideen für eine Urform de» Au>liildnnic*i»n«r<» der
VI. Ideen fär eine Keforas der UauxervaUnng.
VII. Kehluaawnrt.
in zweiter Linie auch fast alle nicht im Staatsdienste ste-
heuden, aus den acht älteren Provinzcu stammenden Archi-
tekten und Ingenieure rechnen müssen, die bei der Eigcu-
thümtichkeit der bis vor wenigen Jahren bestehenden. Ver-
hältnisse gezwungen waren, sich dem für die Staatsbau -
bearaten vorgeschriebenen Ausbilduugsgange gleichfalls zn
unterwerfen.
Ein Aushildungsgaug, der an Schwierigkeit uud wie die
Dinge in Wirklichkeit sich zu gestalten pflegen, an Länge
seines Gleichen sucht; der nach einem ans der Blüthezeil
des bureaukratischen Schablonismus herübergenommenen
Schema gestaltet, als normales Resultat die Erziclung einer
in allen Sätteln gerechten Mittelmüssigkeit zur notwendigen
Folge haben rauss, oder wenn ein selbstständiger Kopf diese
Norm durchbricht, doch immerhin deu Verlust einiger Jahre
voll liester Kraft und Frische bedeutet. Ein Ausbildungs-
gaug, der die ineisten der angehenden Staatsbaubeamten in
einem Alter, welches ihre frühereu Studiengeuossen anderer
Fächer schon in angesehener und selbstständiger Lclicns-
stellung sieht, noch zum Schultische, wo sie das geforderte
theoretische Pensum in möglichst kornpendiöscr und mund-
gerechter Form sich anzueignen suchen, sowie zu einer Prü-
fung nöthigt, deren theilweise Modalitäten für die sittliche
Würde des Mannes in diesen Lebensjahren nur nieder-
drückend sein können!
Seitdem durch die Gewerbefreiheit das Bestehen der
Baumeister-Prüfung nicht mehr obligatorische Bedingung für
alle diejenigen ist, welche eine selbstständige Bauthütigkeit
ausüben wollen, ohne doch durch die Schule des Handwerks
Digitized by Google
gefangen zn sein, and in dem Maasse, wie der Nim Iran, i
welcher bisher mit der sorgfältig betonten Bezeichnung als
„Königlicher" Baumeister verbunden war, seine Anziehungs-
kraft auf das bauende Publikum verliert, hat diese Seite
des Staatsbauwesens einen Theil ihrer Härte cingebüsst Sie ]
besteht trotz einiger in den letzten Jahren getroffenen Pal-
liativ-Maassregeln unverändert fort für alle diejenigen, welche |
diesen Ausbildungsgang nicht Um um eines Titels willen,
sondern zum Zwecke des wirklichen Eintritts in den Staats-
dienst eingeschlagen halben. Für diese ist die Härte aller-
dings um so empfindlicher, wenn sie den Anforderungen,
welche an sie gestellt wurden, den Lohn entgegenhalten,
welchen ihr späteres Amt ihnen gewährt, und beides mit
der Lage derjenigen Staatsbeamten anderer Verwaltungs-
zweige vergleichen, mit welchen sie dienstlich zunächst in
Berührung Kommen.
Nach ihrer dienstlichen Beschäftigung nicht etwa blos
technische Konsulenten . sondern auch mit wichtigen Verwal-
tuiigsfnnktionen betraut, sind sie trotzalledetn im Hange und
in allen für den Staatsbeamten aus seinem Rangverhfdtnissc
resultirenden Momenten auf eine für sie beschämend«- Weise
gegen die juristisch gebildeten, um Vieles jüngeren Vcrwal-
tungsheamten zurückgesetzt. Wahrend diese über ein zahl-
reiches, gut geschultes Bureaupersonal verfügen, so dass
ihnen in Wahrheit nur der höhere, geistige Theil der Arbeit
verbleibt, ist der Kreisbatibeamte in isolirter Stellung allein
auf sich und die von ihm zu Im schaffenden . jedoch für die
amtlich gewährte Entschädigung nirgends disponiblen Hülfs-
kräfte angewiesen, so dass er gleichzeitig den Kehlherrn wie
den Soldaten spielen muss. Während jenen zumeist nur ein
äusserst geringes Arheitsquantmn obliegt, ist der Baubeamte
mit einem Wüste von Arbeit, und zwar zum Theil der lang-
weiligsten und geisttötendsten, leider auch häufig der zweck-
losesten Art überhäuft und zu rastloser Thätigkeit ge-
nöthigt. Will er zudem sein kärgliches Einkommen, das zur
Besoldung der diätarisch beschäftigten und der im Privat-
dienst stehenden Techniker in schreiendem Missverhältnisse
steht, durch einige Nebenarbeiten — nicht immer zum Vor-
theil des Dienstes — erhöhen, so gilt es für ihn. alle Kräfte
bis aufs Letzte anzustrengen. Wahrlich nnter den nicht be-
neidenswerthen Stellungen Preußischer Beamten eine der un-
glückseligsten und traurigsten, in welcher auch die frischeste
Kraft Gefahr länft, aufgerieben zu werden oder zu verkümmern.
Und was für Viele, die es ernst mit sich und ihrem Be-
rufe meinen, das Bitterste ist, — bitterer noch als das un-
muthige tiefühl dessen, der in der Misere eines kleinlichen
Dienstes keine Gelegenheit findet, sein Wissen und Können
angemessen zu verwert hen: nicht wenige Baubeamte fühlen,
dass die Bcurtheilung, welche ihren Leistungen seitens der
Vorgesetzten oder durch das Publikum zn Theil wird, nicht
immer ungerechtfertigt ist. Sie fühlen, dass ihre Kraft und
Teilung zuweilen nicht ganz ausreicht, um höhere künst-
lerische oder technische Aufgaben in einer den höchsten
Ansprüchen genügenden Weise zu lösen; sie fühlen — zumal
im Anfange ihrer selbstständigen Stellung — dass sie die Rou-
tine und Erfahrung, welche zur Verwaltung derselben gehört,
erst zn erwerben hatten. Sie fühlen aber auch, dass die
Schuld dessen nicht ihnen selbst zur Last fällt, dass sie
unter der unvermeidlichen Konsequenz ihres Ausbildungs-
ganges und einer Organisation leiden, welche von ihnen Un-
mögliches verlangt. —
Was Wunder, das» für alle diejenigen, welche die Kraft
zn einer anderen Thätigkeit in sich fühlen, die Lust in den
Staatsdienst zu treten oder in demselben zu bleiben eine
äusserst geringe geworden ist. Der Bedarf an Architekten
und Ingenieuren ist augenblicklich ein so ausserordentlicher,
die ihnen von dem Luxus oder der Spekulation der Priva-
ten gestellten Aufgaben gewähren eine so interessante und
verlockende Thätigkeit, der Werth, nach dein ihre Arbeit
geschätzt und bezahlt wird, ist ein so hoher, dass es eine That
sich selbstaufopfernder Kntsagung oder besondere Neigung
für die Formen amtlicher Thätigkeit ist, wenn ein Techniker
die Gelegenheit ausschlägt, seine Fähigkeit ausserhalb des
Staatsdienstes verwerthen zu können. Schon für die ver-
bältnissmässig nicht so ungünstig bezahlten diätarischen
Stellen ist ein entschiedener Mangel an Bewerbern einge-
treten. Dass die künstlerisch begabtesten Baumeister sich
der Anstellung im Staatsdienste entziehen und sich sofort
ganz dem Privatbau widmen, ist so ziemlich zur stehenden
Regel geworden, während die Techniker des Eisenbahnfachs
es lieben, die ersten Stadien der Beamtenlaufbahn durchzu-
machen, um alsdann mit gesteigerten Ansprüchen in den
Dienst einer Privatgesellschaft übertreten zu können. Er-
schreckende Ausdehnung hat dieses Ausscheiden aus dem
Staatsdienst namentlich in der jüngsten Zeit angenommen, wo
so viele technische Unternehmungen neu gegründet worden
sind, die an ihre Spitze Beamte der Staatsbauverwaltung,
und zwar bis zu den höchsten Stellen hinauf, berufen haben.
Die Einbusse, die der Staat hierdurch gerade an seinen
tüchtigsten und erfahrensten Kräften erlitten hat, dürfte
so leicht nicht zu verschmerzen sein!
Dass solche Zustände unhaltbar sind, dass sie Gefahren
in sieh bergen, die das öffentliche Wohl ernstlich bedrohen,
darüber können Zweifel wohl schwerlich bestehen. Das
Preussische Staatsbauwesen ist nicht nur ein zu wichtiger
Faktor im Staatsleben: es beeinflnsst auch, was für unser
Theil vorerst in's Gewicht fallt, in viel zn hohem Grade die
Lebensfähigkeit und ßlüthe der gesammteu deutschen Bau-
kunst und Technik, als dass seine Schäden nicht zugleich
Schäden des Ganzen sein müsslen.
Es war der schlimmste Fluch des alten Polizei- nnd
Bureaukraten-Staates, das« sich allmftlig im Volke die Mei-
nung festgesetzt hatte, es sei der Staat etwas ihm Fremdes,
wenn uiclit gar Feindseliges, um das man sich am Besten
und Bequemsten gar nicht kümmere. Ein nicht geringer
Theil derer, denen der Fortschritt der Menschheit am Her-
zen lag, hatte sich daran gewöhnt, auf die Mitwirkung des
Staates mehr oder weniger zu verzichten und hielt sich für
befähigt, auch ohne ihn. aus eigener Kraft, dasselbe Ziel zu
erreichen. Ja diese Anschauung hat sich mit den Formr-u
des alten Staatswesens, die freilich schon ein verzweifelt
hippokratisebes Gesicht zeigen, bis heutigen Tages erhalten,
wenn es auch die grösste nnd dauerndste geistige Errun-
genschaft der iüngsten politischen Umwälzungen sein möchte,
dass sie durchbrochen und bis in ihre Grundvesten erschüt-
tert ist.
So konnte auch der Glaube entstehen, dass der Fort-
schritt eines Landes in Kunst und Technik des Bauens un-
abhängig sei von dem Zustande seines öffentlichen Bau-
wesens; ja es hatte sich sogar ein gewisser Pessimismus
entwickelt, der über Misserfolge desselben eine Art von
Schadenfreude empfand. Mit der zum Bewusstsein erwach-
ten Ueberzeugung. dass der Staat .wir alle" sind, ist so
etwas unmöglich geworden. Ist und bleibt der Staat bei
allem Wechsel der Verhältnisse doch nicht allein der grösste
und bedeutendste Bauherr, sondern auch derjenige, dessen Bau-
thätigkeit unabhängig von der zufälligen Konjunktur, unabhän-
gig von blosser Spekulation undvon individueller Laune bleibt,
also vorzugsweise fähig ist, den idealen Interessen vmi
Kunst und Wissenschaft zu dienen. Ist er doch noth wendig
dazu berufen, das Vorbild für die Bauthätigkeit der Pri-
vaten abzugeben, gleichwie der Ausbildungsgang seiner Bau-
beamten unfehlbar stets einen Kinflnss ausülien wird auf die
Ausbildung, nach welcher die in unabhängiger Stellung oder
im Privatdienste stehenden Architekten und Ingenieure stre-
ben werden.
Dass bei der Stellung, welche der Preussische Staat ge-
genwärtig in Deutschland behauptet, seine Einrichtungen
aber nicht blos innerhalb der schwarzweissen Grenzpfähle
von Wichtigkeit sind, dass — selbst auf einem nach ge-
wöhnlichem Wortsinne so unpolitischen Gebiete, wie das
unsere — ganz Deutschland zu Schaden oder Nutzen daran
Theil nimmt, ob die Verhältnisse des leitenden Staates ge-
sunde und gedeihliche sind, das brauchen wir kaum näher
zu begründen.
Es sind daher nicht die im Preussiscben Staate ange-
■ Rleljten oder auf eine Anstellung rechnenden Baubeamten
allein, es ist vielmehr die Gesammtzahl der deutschen Ar-
chitekten und Ingenieure, welche liei den Zuständen des
Preussischen Staats- Bauwesens intereSsirt ist und von der
wir hoffen, dass sie die Forderung einer gründlichen Re-
form desselben, sowie den Versuch eine solche Reform an-
zubahnen, mit ihren Sympathien und, soweit wie möglich,
durch ihre thätige Mitwirkung unterstützen wird.
Soweit die Zeitverhältnisse dieser Reform günstig sein
I können, wird dies schwerlich zu einem anderen Zeitpunkte
in höherem Maasse der Fall sein, als gerade gegenwärtig.
Was noch vor wenigen Jahren ein Hinderniss hätte sein
können, das Bedenken, an den altgewohnten Zuständen einer
liebgewordenen Vergangenheit zu rütteln, ist jetzt völlig ge-
genstandslos geworden. Um- und Neubildungen sind auf
allen Gebieten des Staatswesens an der Tagesordnung und
überall ist man bemüht, mit den künstlich konservirteu
Resten der Vorzeit rücksichtslos aufzuräumen und der neueu
Zeit ein neues passendes Gewand zn gelten. Ebenso spielt das
finanzielle Moment heut glücklicherweise nicht mehr dieselbe
Rolle, wie im alten Preussen, wo jeder Umgestaltungsplan,
dessen Ausführung grössere Kosten' erfordert hätte, als die
bisherige Organisation, von vornherein vollkommen aus-
sichtslos war.
Digitized by Google
- 291 —
Das Wichtigste ist freilich die erfreuliche Uebereinstim-
inung, die in allen hetheiligteu Kreisen in Betreff der Not-
wendigkeit einer Reform herrscht. Fanden vor nicht langer
Zeit die alten Einrichtungen noch eifrige und einflnssreiche
Lobredner und Verthcidiger, die sich jeder Neuerung wider-
setzten , so ist die Uehcrzeugung von der Unhaltharlteit der
bisherigen Zustände, wie wir glauben, jetzt fast überall durch-
gedrungen; ja selbst über einige prinzipielle Grundfragen
dürften die l eberzeugungen nicht allzusehr differiren. Ebenso
lassen die vom Ministertische und der Tribüne des Landtags
gefallenen Aeusserungen darauf schliesseri, das.« man von
.Seiten der gesetzgebenden Faktoren den berechtigten Wün-
schen auf eine Neugestaltung des Staatsbauwesens gern ent-
gegenkommen wird.
Es handelt sich also wohl nicht mehr darum , die ver-
langte Reform einem widerwilligen Gegner abzuringen, son-
dern nur darum, diejenige Form zu Huden, in welcher die-
selbe am Zweekmässigsten zur Ausführung gelangen kann.
Bei der verwickelten Beschaffenheit der Verhältnisse, die
hierbei in Betracht kommen, ist allerding» auch dies*« Auf-
gabe so schwierig, das» alle Stimmen, welche sich in neuerer
Zeit über diese Frage geäussert haben, über allgemeine Ge-
sichtspunkte nicht hinausgegangen sind.
Nach unserer Auffassung der Dinge genügt eine solche
Behandlung der Sache um so weniger, als die Neugestaltung
des Preussischen Staats -Bauwesens, wie wir sie im Sinne
haben, nur dann eiue wirklich gedeihliche werden kann,
wenn sie nicht blos. wie die früheren, im Schosse des Han-
dels-Ministeriuins und der technischen Baudeputation bera-
then und beschlossen wird, sondern unter Betheiligung aller
Interessenten erfolgt und öffentlich vor demjenigen Forum
verhandelt wird, vor welches Staats- Angelegenheiten von die-
ser Tragweite und Wichtigkeit gehören, vor dem Preussischen
Landtage. Es kann ein solcher Weg diesmal in keinem
Falle umgangen werden, da einmal wohl schwerlich ohne
Bewilligung höherer Kosten auszukommen ist und da es
zweitens nicht allein darauf ankommt, innerhalb der Bauver-
waltung, sondern auch die Stellung derselben im ganzen
StaaU-Organismus zu reformiren. Der beste und sicherste
Erfolg aber wird hierbei jedenfalls erreicht werden, je klarer
und erschöpfender die Vorarbeiten sind, je vollständiger das
Material ist, welches eine Beratbung der bisherigen Zustände
und dessen was künftig Noth thut, ermöglicht
Dieses Material zu liefern ist zunächst Aufgabe der Presse
und unter ihren ürganen in erster Linie die unsrige. Wir
sind uns derselben seit Jahren mit völliger Klarheit bewusst
gewesen und haben nicht verabsäumt, uns auf sie nach Mög-
lichkeit vorzubereiten. Zahlreiche, im Laufe dieser Jahre
eingegangene Zusendungen verschiedener Fachgenossen haben
uns dabei wesentlich unterstützt und sind nicht verloren ge-
wesen, wenn wir sie in dem Bestreben, die Angelegenheit
in gründlichster Weise und nach umfassenden Gesichts-
punkten zu bearbeiten, auch zurücklegen mussten. Ist die-
ses Bestreben doch Veranlassung geweseu, dass wir die
bereits mehrmals angekündigte Absicht unsere Arbeit zu
beginnen, bisher stets wiederum auf eine günstigere Zeit
vertagt haben. Wie wir hoffen, nicht zum Schaden der
Sache.
Es ist selbstverständlich, dass uuserc Besprechung aufs
Strengste bemüht sein wird, sich so objektiv wie möglich
/.u halten. Wenn die bisherigen Zustände des Preussischen
Staats-Bauwesens zum grossen Theile mangelhafte sind, so
ist dies wahrlich im geringsten Grade die Schuld der Per-
sonen , welchen die Leitung desselben obliegt, sondern die
Konsequenz von Verhältnissen, gegen die der Einzelne, zu-
mal der einzelne Beamte, machtlos ist. Andererseits soll
uns auch keine kleinliche Rücksicht davon abhalten, die
vorhandenen Zustände zu schildern, wie sie wirklich sind.
(Koiwouuog folgt.)
Wem es bekannt ist, wie sehr man in der Hydro-
technik zu laboriren hat. um die Gesetze der Bewegung des
Wassers in Flüssen nur einigennaassen zu präzisiren und
sie allgemeingiltig zu machen, der dürfte es nicht für über-
flüssig halten, wenn wieder und wieder auf denjenigen regu-
lirten Strom Europa s aufmerksam gemacht wird, an welchem
sowohl hinsichtlich seiner Baulichkeiten, als auch seiner Be-
wegungsgesetze die umfassendsten Erfahrungen und Studien
gemacht worden sind. Es ist dies der nun vollständig
kaualisirte Rhein von der elsässischen Grenze bis
(i ermershei in . dessen gründliches Studium nach allen
Seiten hin als das Verdienst des königl. bayerischen Bau-
mspekturs Grebenau (jetzt kaiserlich deutscher Wasser-
baudirektor in Strassburg) zu bezeichnen ist.*)
Grebenau hat zunächst interessante Vergleiche 'aufgestellt
/.wischen dem Rhein vor und nach seiner Rcgulirnng, zu-
rückgehend Iiis auf die Zeit der Existeuz des Rheinsee-
beckens, welches zwischen dem Schwarzwald, Vogesen etc.
bestanden und sich schliesslich in einen geschieheführenden
Strom umgewandelt hat. Ferner liegen an genannter Rhein-
>trecke die vollendetsten Untersuchungen vor über die Ge-
setze der G eseh windigkeit s vertheilung nach Breite
und Tiefe, welche zu einein grossen Theile das bestätigen,
was Humphrcvs und Abbot am Mississippi fanden. Von
besonderer Wichtigkeit sind auch die Gesetze der Bewe-
gung der Kiesbänke und des Thaiweges, welche am
kanalisirtt-n Rhein als unzweifelhaft sicher festgestellt wor-
den sind. Sie erstrecken sich auf die Lage der Kiesbänke und
des Thalweges, das sich stets (mit Ausnahme der Richtung)
gleichbleibende LiMgennrofil des letzteren, auf ihr geregel-
tes Vorrücken, auf die Menge und Art des Geschiebes, wel-
ches der Rhein dem Ozean zuzuführen hat u. s. w. Ebenso
ist die Regelmässigkeit der Verlandungen des Alt -Rheins
bemerkenswerth, sowie die Art der Uferhauten und Weiden-
pflanzungen, welche die Absonderung des Rheinschlicks be-
fördern. Ganz besonderes Interesse bieten endlich die Resul-
tate dar, welche Grcbt-nau aus dem Studium der seit 28
Jahren alltäglich mehrmals aufgezeichneten Pegelbeobach-
tungen gewonnen hat Er bestimmt hierans auch auf gra-
phischem Wege den Vorfuss und die Höhe der Krone der
*) Hu v»rgl. den Artikel über Grebenau'» Schrift: .Dar Übeln Tor und
aetn-er Keaulirun«- ■ in Xo. 4M Jahrg. «1 d. Hl., Ii welchem Miner Unter-
ige» bereite euafuhrllrh nvdaeht llt, I>»r vorliegende erneate Hlawela aoll
« mÖKlicb Li, den Krfola haben, die 8peiialfachintere.»ntau iMChmila
darauf aufmirkaam 1a machen , data ein Vortrag Grabenaus nnd die V«
lang ro. tarobacl.tuB.en über die Hewegsng 5t Wa
Programm dar beziehend«*! XVI. Wi
für hydrotechnische Studien.
P^rallelbauten,") den mittleren Wassermassenstand,
den mittleren Sommerwasserstand, sowie den, welcher der
mittleren Arbeitskraft des Rheins entspricht
Schreiber dieses hat zu wiederholten Malen Gelegenheit
gehabt, die vorerwähnten Verhältnisse am kanalisirteu Rhein
i genau Kennen zu lernen, durch Betheiligung an mannigfachen
ilirekten Messungen (mit dem Woltmann sehen Flügel, der
l'nbe -Darcy und_Oberflächeuschwimmcr-Gruppen) die Gleich-
"dismus der Wasser-
Grebenau'g
öllig üherein,
er in seiner Brochüre über den kanalisirten Rhein
sagt: Die genannte Rheinstrecke ist faktisch die einzig
bestehende vollutaudijc korrlglrte Strecke eines grös-
seren geschiebeführenden Flusses und — im Hinblick
hierauf — geradezu die einzige Schule, in welcher der Hy-
drotekt lernen kann, was man bei der Korrektion von gc-
schiebeführeuden Flüssen zu erwarten hat
Dass man bei der Vielseitigkeit und Genauigkeit der
am Rhein gewonnenen Unterlagen gerade mit diesen eine
zuverlässige Prüfung der neuesten Formeln für die mittlere
Flussgesehwiudigkeit vornehmen kann (von Grebenau bereits
geschehen), ist selbstredend.
Die Vortheile, welche die rationelle Regulirung des Rheins
und deren günstige Resultate, vor Allem aber die Produk-
tivität Grebenan's für die Hydrotechnik im Allgemeinen und
mittelbar für die Schiffahrt, Industrie und Landwirtschaft
darbieten, haben die königl. sächs. Ministerien des Innern
und der Finanzen bestimmt das Gesuch der sächsischen
Hydrotekten um Gewährung von Mitteln zu umfassenden
Untersuchungen sofort zu genehmigen. Diese hydrotechni-
schen Untersuchungen in Sachsen, welche die Prüfung der
neuesten Erscheinungen auf dem Gebiete hydrotechnischer
Wissenschaften zum Zwecke haben, sind bereits in vollem
Gange und zunächst an drei verschiedenen Punkten der Elbe
angestellt nachdem man sich zuvor einer richtigen Be-
stimmung (nicht des, sondern) der Koeffizienten für den
Woltmann' sehen Flügel (für jede Geschwindigkeit verschieden)
als der wichtigsten Grundlage für dergleichen Untersuchun-
gen versichert hatte. Sie werden sich aber ebenso auf kleine
Flüsse und Bäche erstrecken, wobei die in No. 25> beschrie-
bene Tube- Darcy gute Dienste leisten wird. Hoffentlich
werden im volkswirtschaftlichen (und wissenschaftlichen)
Interesse auch andere Regierungen Deutschlands dem Bei-
spiele der kgl. sächsischen Ministerien folgen.
••) D>o Anwendung der Buhnen bat man In Barem (el
Sachsen) -
Digitized by Google
- 292 -
Ein Besuch des knunlisirtcii Rheines zum Zwecke des
Studiums darf nicht in der Zeit der Monate Juni und Jnli
vorgenommen werden, da in denselben der dürr h die schmel-
zenden AltK'ti-Gletscher der Schweiz gespeiste Rhein »einen
höchsten Wasserstand hat- Der günstigste Zeitpunkt ist An-
fang Frühjahr oder im Herbst, wenn man nicht vorziehen
sollte, den" hierzu noch geeigneteren Februar zu benutzen.
Bautzen. v. Wagner
Wasserbau- Inspektor.
Der Triester Hafenbau.
Ueber den Stand der interessanten und grossartigen Hafcn-
arheiten zu Triest (cfr. Jahrg. 1870 d. Ztg. pag. IM) enthält die
Neue freie Presse einen Bericht des bauleiteuden Ingenieurs, Hrn.
Fr. Bömchcs, eingeleitet durch eine klare Beschreibung der
ganzen Anlage. Vir entnehmen demselben Folgendes:
Diu neue Haft-nanlaue in Triest umfasst die nordostliche
Hälfte der alten Rhede, iL h. die zwischen dem früheren La/.arethe
und dem Salzmoli. gelegene Strecke. Die gradlinige Verbindung
der Süssendell l'uuklu der geduchteu Objekte hat eine Länge
vuu 1200'° und bezeichnet die küuftige L'fcruiaucr des neuen lla-
feus. Aus dieser Linie treten vier Moli hervor und bilden drei
geräumige Bassins, welche nach Aussen durch ciuen im offenen
Meere stehenden und parallel mit der Kaimauer laufenden
Damm oder Wellenbrecher geschlossen werden, au dessen nörd-
lichem Ende die Einfahrt in den Hafen geschieht.
Dieser bietet nun der Schiffahrt folgende Elemente zur Be-
nützung dar: Ausgedehnte Lagerflächen längs der Uferliuie auf
den vier Moli und dem Hafendamme, welche zusammen •„".>6,100[ I»
betragen, eine Kai-Entwickelung längs der gedachten Objekte mit
einer (icsammt- Ausdehnung von 3940», drei grosse Bassins,
welche für die Manipulation von wenigstens 154) der nahezu
grössten Handelsschiffe (beispielsweise der Lloydschiffe) genügen-
den Kaum bieten, und endlich eine Wassertiefe von wenigstens 6">.
Die bis zu einer Tiefe von II!"» geführten Bohrungen stiessen
überall auf Schlamm, welcher, aus aufgelöstem Thorimergel l>e-
stehend, eine variable, jedoch mit der Tiefe zunehmende Konsi-
stenz besitzt, von dem flüssigen und breiartigen Zustande in den
oberen, bis zu dem plastischen und kompakten in den untersten
Schichten. Es ist selbstverständlich, das* diese für den Bau
höchst ungünstigen BauverhSltuLisc ausschliesslich die Anwen-
dung eines solchen Konstruktions- Systems gestatten, welche» den
aus der Natur des Schlammes entspringenden l'ebelständeu das
Gleichgewicht zu halten im Stande ist.
Pfahl roste sind unter den obwaltenden Umständen ausge-
schlossen, da sie einerseits l>ei grösseren Wassertiefen gar nicht
in Auwendung kommen können und andererseits bei der Mäch-
tigkeit der »cblunuuschicht eine stete, wenn auch erst nach
Jahren eintretende Alterirung der Stabilitäts-Verhältnisse be-
fürchten lasseu. Es bleibt demnach, da die pneumatische Fun-
damentirung bei der bedeutenden Tiefe, welche bis zur Errei-
chung des festen Grundes durchstossen werden müsste, den
Kostenpunkt in einem ausserordentlichen Grade erhöhen würde,
als einziges Mittel übrig, die Unterlage des Baues durch Ein-
führen bedeutender Massen von solidem Füllmaterial zu verbes-
sern und so die zur Aufnahme der Kaimauern dienende Grund-
lage von grösserer Widerstandsfähigkeit zu schaffen.
Anschüttungen im Meere bei elastischem Untergründe, wie
der Schlammboden der Triester Rhede, rufen jedoch unter allen
Umständen- und bei aller Vorsicht Bewegungen hervor, die sich
Weise auch den auf den Anschüttungen erbauten
Kai- und Molenmauern mittheilen. Diese
Systeme koustruirt werden, welches
dereu Solidität, unbeschadet der sie alterirenden Bewegungen,
garautirt- Dieses System besteht iu dem sogenannten Zyklo-
penbau, d- h. iu der Herstellung einer trockenen Mauer mit-
tels grosser küustlich erzeugter Blöcke (500 Zentner Gewicht
von gleicher Grösse und Form, welche ohne Mörtel, voll auf Fun
gelegt werden. Der Mangel der Verbindung unter einander
sichert, dieser Mauer eine gewisse Elastizität und gestattet ihr,
ohne zu bersten, den Bewegungen der sie trügenden Steinwürfe
zu folgen. Es wird nun zunächst durch den Bagger ein ebenes
Bett in den Schluiuuibodcu eingeschnitten. Hierauf wird ein
Steinwurf aus dem vorzüglichen Material des Karstgebirges her-
gestellt, dessen Produkte iu verschiedener Grösse zur Verwen-
dung kommen. Bruchstein und Kleiumaterial bilden die Basis
und duu Kern des Prolila, während dessen Böschungen, beson-
ders nach Aussen, zum Schutze gegen den Wellenschlag mit
Blöcken \on verschiedener Grösse (6—80 Zentner Gewicht) ver-
sichert werden- Den Steinwürfen wird geraume Zeit zum Setzen
Seiassen, daun wurden bei dem ersten Molo und dem ersten K;ii
ie Mauern ausgeführt und endlich der Raum dahinter mit Erd<?
und Steinabfällen ausgefüllt. Die hier gemachten Erfahrunger,
haben jedoch dazu geführt, später die Anschüttungen schon m
Ausfuhrung der Mauern zu machen..
Das zu den Arbeiten erforderliche Material beträgt nie: r
denn fünf Millionen Kubikmeter, wuvun l' i Million für Stein-
würfe und Mauerungen, der Rest auf Anschüttungen entfällt
Zur Erzeugung dieses Quantums sind zehn Steinbrüche uml
Materialgrulien im Betriebe und schaffen das mittels verschie-
dener Prozeduren gewonueue Material per Bahn uud zur See
nach Triest. Von diesen üewiunungsorten befinden sich fünf
iu der unmittelbaren Nähe des Hafens, während die übrigen suf
den Höhen des Karstgebirges uud in den Buchten von Miigvti
Sistiaua und Monfalcoue in Entfernungen von 7 bis 22 K » tu
suchen sind. Während die Umgebung von Triest und die in
dem Meerbusen von Monfalcoue ausgeführten Baggerungen da»
Auschüttungsmaterial vorzugsweise liefern, fördern die grossen
Steinbrüche iu Sistiana und die Fundgruben des Karstes den
vorzüglichen Kalkst-in zu Tage, welcher zur Herstellung der
Steinwürfe und zur Mauerung der zu den Kaimauern vewende-
ten künstlichen Blöcke dient.
Unter den genanutcu Bezugsurteu bieten diu Steinbrüche
iu Sistiaua für den Fachmann das grösste Interesse, in der
Bucht gleichen Namens gelegen, werden sie von den letzten
Ausläufern des Karstgebirges gebildet und zeichnen sich durch
eine grösstenteils kompakte Gesteinsmasse aus. welche bei
einer durchschnittlichen Höhe von 40"' eine Angriffsfläche von
720» Länge besitzt. Die günstige Lage am Meere, sowie die
bedeutende Entwicklung der Brüche machen sie daher vorzugs-
weise geeignet zur Gewinnung des Materials im Grossen, wozu
übrigens der betreffende Unternehmer durch die kontraktliche
Uebernahme der in dem Zeiträume von 5«4 Jahren zu effektui
renden Lieferung von 900000 kb'» schon von vornherein ge-
zwungen war.
es Berliner ArehlleatenTereias aarh Stendal
und Taaser münde.
War es bei der Fülle der Arbeit, welche iu diesem Jahre
fast alle Jünger der Technik an den Atelier -Tisch oder Bau-
platz fesselte, leider nicht möglich geweseu, zu der beabsich-
tigten mehrtägigen Reiso des Vereins nach Dresden eine genü-
gende Anzahl von Theilnehmern zu gewinnen, so blieb die klei-
nere eintägige Exkursion nach den altmarkischen Städten Stendal
uud Tangermünde vor ähnlichem Missliugen glücklicherweise be-
wahrt. Der 24. August sah etwa 30 F'achgeuossen vereinigt,
ilie vom schöustcn Wetter begünstigt, mit dem Morgenzuge der
Berlin-Lehrter Bahn Berlin verliessen.
Das erste Ziel war die nach J. W. Schwedlers Berech-
nungen ausgeführte eiserne Elb -Brücke bei I Linierten, deren
Drenvorrichtung , uur von einem Manne bedient, vorgeführt
wurde. Als bemerkenswerthes Motiv an dem im Uebrigen auf
jede ästhetische Wirkung verzichtenden Hauwerke möchte gelten,
dass bei den steinernen Pfeilern die Ausmauerung zwischen den
Auflagern der beiden Längsträser nicht bis ganz hinaufgeführt
ist, so dass die beiden Pendellager jedes Pfeilers äusserst leicht
auf zwei isolirten Mauerklötzen aufruhen.
Auf dem Bahnhof zu Stendal wurde die Reisegesellschaft
von mehren der dortigen Fuchgeuossen empfangen uud zunächst
tlas neugebaute Stationshaus besichtigt, welches iu seiner äus-
seren Erscheinung Motive uus Stendals Bucksteiubau entlehnt,
während das Innere von Baumeister Heidelberg mit kräftiger
Färbung und reichlicher Verwendung von Naturholz im Sinne
der Hannoverschen Schule sehr ansprechend durchgeführt ist.
Die historischeu Baudctikmale Stendals sind im L>etail aus
dem Adler'schen Werke hinlänglich bekannt, so dass hier nur
einige Worte über deu Gesamiut-Eiudruck der Stadt
mögen- Die alten Befestigungsmauern mit ihren Tborthürmen,
sowie die kirchlichen Monumente des Innern sind das Einzige,
das noch ein Bild von der Bedeutung des Platzes vor dem
dreissigjährigen Kriege gtebt, da Stendal noch Hauptstatiou au
der Hansast ras sc von Magdeburg nach den Klbhcrzogthüincni
war. Der ganze jetzige Charakter der Stadt, mit ihren breiten,
überaus sclilecht gepflasterten Strassen, den meist ärmlichi-L.
einstöckigen Holzhäusern, dem Mangel an Verkaufslädcn und
lebendigem Verkehr, spricht nur zu beredt vou vernichtendem
Kriegsiinglück. das den einstigen Wohlstand der Stadt dauernd
zerstört hat. Dennoch aber — uud vielleicht durch die Aenn-
lichkcit des Uebrigen gehuben, erscheinen die erhaltenen Monu-
mente als Werke ersten Ranges.
Besonders das Uenglinger Thor dürfte als ein für die spä-
teren Bucksteinbauten der Mark geradezu klassischer Masterbau
bezeichnet werden. Das Thor, vou einem Thurm überragt, der
zuerst viereckig, mit überaus graziösen runden Eckthürmchcu
oben ins Kund übergeht uud mit einem Backsteinkegel scbliess*.
ist bekanntlich nur der Innenthurm einer vollständigen, jeül
zerstörten Doppeltbor-Anlage — daher auch bei ihm die eigent-
lichen Vertheidigungs -Vorkehrungen, als Wurfschlitze (Machi
coulis), Pechuaseu etc. kaum ausgebildet sind. Dasselbe gilt
von dem derselben Zeit entstammenden, nur mit weniger Auf-
wand an Schmuck erbauten Tangermünder Thorthurm. Der
Dom von Stendal — an der Nordfront mit seiner herrlichen Linde
vor dem reichgeschmückten Kreuzgiebel , wie au der Ostfront
mit seinem sonnig stillen Kreuzgang anziehende Arcbitcktur-
bilder gewährend — ist eine weiträumige Hallenkirche von edel-
sten Verhältnissen: das Innere, mit unverputzten Pfeilern und
Bogeurippeu vortrefflich wirkeud, doch ohne den Reiz der um
das Chor-Achteck herumgeführten Setteuschiffe, wie sie die Haupt
kirehe zu Tangermünde und St. Marien zu Stendal hat. Die
letztere zeigt als ungewöhnlichen Schmuck des Chors
Digitized by Google
- 293 —
Unter solchen Umstündet! verlangt der Betrieb nicht nur
diu Anwendung vervollkommneter Hilfsmittel für d,cn Trans-
port und die Verladung des Materials im Bruche, tiondern auch
die Adoptirung desjenigen Siircrigsystcma, welches die Massen-
gewinuung des Materials gestattet. Dieses System kennzeichnet
»ich durch die vorzugsweise Anwendung von grossen, sogenann-
ten Kiesenminen, welche den Zweck haben, ganze Bergpartien
von dem anliegenden Felsgebirge loszubrechen und somit durch
eine einzige Operation ein großes Quantum Material zu er-
zeugen. Die Zerkleinerung der zu grossen und daher nicht
ladefähigen Blocke und Felsstucke geschieht mit Hille kleinerer
Minen. AU Sprengznittel wird ausschliesslich ärarisches Pulver
verwendet, und erhalten die grossen Minen, je nach der Mäch-
tigkeit des loszulösenden Steinkörpers, eine Ladung, welche von
30 bis 600 z variirt. Der PulvrrvcrUrauch hat in den nun ab-
gelaufenen 4 »/i Bctricbsjahrcu bereits die Höhe von 7500 z er-
reicht, und beträgt die monatliche Leistungsfähigkeit der Stein-
brüche im Durchschnitte 25 DUO kb».
Der zwischen der Staatsverwaltung und der Südbalm ge-
schlossene Vertrag vom 13. April 1807 übergiebt der letzteren
den Bau des neuen Hafens um den Pauschalbetrag von 13 Vi Mil-
lionen Gulden und setzt als Sehlusstermiu der Arbeiten Ende
1873 fest. Die Wahl des Systems, verbunden mit den Erfah-
rungen, welche in Triest bei den früheren ebenfalls auf An-
schüttungen fundirten Seehaiiteii gemacht worden sind, uiusste
von vornherein die für den Bau bestimmte Epoche als zu kurz
erscheinen lassen. Bei früheren Seetrauten in Triest hatte man
die Steiuwürfe mehre Jahre ruhen und sich setzen lassen.
Der im Jahre 1869 bei dem ersten Molo. gemachte Versuch, mit
Außerachtlassung dieser durch den Schlammboden bedingten
Rücksicht vorzugehen und im Interesse der beschleunigten Ar
beit die Mauern auf den kaum fertigen Steinwurf zu setzen,
hatte die Alterirung der ursprünglichen Dimensionen des Ob-
jektes und eine so gründliche Verschlimmerung von dessen Zu-
stand zur Folge, das» es bis heute nicht möglich war, den-
selben dem Schiffahrtsverkelire zu übergeben. Diese wichtige,
in den ersten Baujahren erhaltene Lehre zwang somit im Inter-
esse der soliden Ausführung r.u langsamerem Vorgehen und zur
sorgfältigen Beobachtung der durch die obwaltenden Umstände
gebotenen Rücksichten. Man wird daher vollen Grund haben,
mit dem Erfolge der Arbeiten zufrieden zu sein, wenn es den
Anstrengungen der Südbahn gelingt, den ganzen Hafen im Jahre
1875 fertig zu stellen. Dies schliesst jedoch die Möglichkeit
nicht aus, einen Theil desselben schon früher dem Schiffahrt» •
verkehre zu übergeben.
Dies vorausgeschickt, gehen wir zu der Entwicklung der
Arbeiten in der abgelaufenen Bauperiode über. Das Jahr IStjT
weist eine unwesentliche Leistung nach uud diente vielmehr
zur Einleitung der zu dem grossartigen Baue notwendigen
Vorbereitungen, als: Eröffnung der Materialgrubeu und Stein-
brüche, llcrbeischaffnng der Betriebsmittel für den 8m* uud
Bahntransport u. s. w. Wir haben demnach vier Baujahre zu
verzeichnen, in denen sich die Bautätigkeit in steter Zuuahmc
befand, so dass, wenn man die verwendeten Materialmengcn be-
rücksichtigt, sich die Leistungen der vier Jahre verhalten wie
I : '2.3: 4,6: 5,9.
Sehen wir uuu, in welcher Weise die Material-Massen jähr-
lich zur Verwendung gekommen sind uud rufen wir uns die
herzustellenden Objekte ins Gedächtnis«. Diese sind: der Hafen-
dumm, vier Moli, drei Kaimauern und die Anschüttung hinter
demselben im Gesnnimt-Fiächeuräumc von 278 000,H"' Zu die-
sen Objekten gesellen sich noch zwei Kanäle, Bestimmt die
Wässer der sich in die Rhede ergiessenden Wildbächc Klutsch
und Martcsin aufzunehmen.
Beginnen wir mit der vom Lande aus besorgten Anschüt-
tung, so finden wir, dass sie heute bis nahezu an das Endo
des zweiten Bassins reicht und bereits 70 Prozent der gesamm-
ten Fläche einnimmt Sie wird von dem Eisenbahnmolo, der
Eisenbahnriva, dem Lazarcthbassin und ungefähr zwei Dritteln
der Kaimauer des neuen Hafens eingeschlossen.
Von den vier Moli ist der erste (seine Fläche übertrifft
um 12 Prozent die der übrigen und beträgt 215X 9; >*) s0 * eit
gediehen, um an die Herstellung der Kaimauern über Wasser
schreiten zu können. Die noch restirende Anschüttung wird
gleichen Schritt mit der geuannten Arbeit halten, so dass das
ganze Objekt in längstens zwei Monaten als fertig zu betrachten
sein wird.
Bei dem zweiten Molo (derselbe hat 315* Länge und BO«
Breite) wurde die umgekehrte Reihenfolge der Arbeiteu wie bei
dem ersten Molo beobachtet Während hier nach der Herstel-
lung der Steinwürfe die Blockmauern errichtet und als letzte
Arbeit die Ausfüllung des durch dieselben gebildeten Rahmens
vollführt wurde, erscheint dort die Aufführung der Kaimauern
in letzter Linie, und zwar aus dem Grunde, um dieselben un-
U'helligt von den bereits zum grössten Thcile stattgefundenen
Bewegungen des Molokörpcrs ausführen zu können. Die im
Jahre 1870 begonnenen Arbeiteu sind das Jahr darauf mit ver-
doppelter Thätigkoit forlgesetzt worden und zeigen heute ausser
dem gesammten Unterbaue die 2™ über Wasser reichende An-
schüttung auf drei Viertel der ganzen Fläche hergestellt Der
Moment ist somit gekommen, um an die Versetzung der künst-
lichen Blöcke, das" heisst au die Herstellung der Knimauern
unter Wasser zu schreiten. Die Ausführung dieser Arbeit wird
in ihrem Fortgange wesentlich von dem Wetter beeiuflusst and
kaun bei günstiger Witterung in sechs Monaten beendigt werdeu.
Der dritte Molo ist bis jetzt noch unsichtbar und tnuss
das Senkblei zu Hilfe genommen werden, um sich von dem Vor-
handensein des theilweisen Unterbaues zu überzeugen. Die im
verflossenen November begonnene Arbeit wurde so eifrig fort-
gesetzt, das« nahezu ein Drittel des nöthigou Stein wurfmatcrials
bereits eingebettet ist, trotz der Schwierigkeiten lokaler Natur,
welche der Ausführung des Objekts entgegenstehen. Diese
Schwierigkeiten werden durch den Umstand geboten, dass der
zu bauende Molo sich unmittelbar vor der Einfahrt in das Eisen-
bahnbassin befindet, welches von den grössten englischen Dam-
pfern benutzt wird. Die Maassrcgeln sind getroffen, um diesen
Molo noch vor Ende dos Jahres über Wasser zu bringen. Der
vierte Molo ist noch nicht begonnen worden.
Von den drei Kaimauern besitzt jede eine Länge von 300"'.
Von denselben befindet sich die des ersten Bassins schon
seit einem Jahre über Wasser, mit Ausnahme einer Oeffnung
von 50»; diese diente als Einfahrt in das Lazarcthbassin, wel-
ches während zweier Jahre theils als Blockplatz, theils als
Schiffswerfte verwendet wurde. Nachdem nun das Lazareth-
bassin schon längst zugeschüttet ist, wird ungesäumt an den
Schiusa der Oeffnung und an die theilweise Rekonstruktion der
aus den bei dem ersten Molo erwähnten Ursachen altcrirten
Kaimauer geschritten werden -- eine Arbeit, welche wegen ihres
schwierigen und heiklen Charakters wenigstens fünf Monat«« in
j Anspruch nehmen wird. Die zweite Kaimauer befindet sich
in dem gluicheu Stadium der Entwicklung wie der zweite Molo,
und gesfuttet demnach der vollendete Unterbau an die Auffüh-
rung der Blockmaueru zu schreiten. Die dritte Kaimauer
1 ist uoch nicht begonnen worden.
anz, der vom Uenglinger Thor herüber genommen
Das Rathhaus, total verbaut, aber trotzdem mit dem
steinernen Roland und der dahinter aufsteigeudeu Marienkirche
zu einem hübschen Bilde vereinigt, erweckt den lebhaften Wunsch,
wenigstens das Innere in der alten Raumwirkung wiederherge-
stellt zu sehen. Sicherlich würde der jetzt allerhand profanen
Zwecken dienende Rathskeller — ein zweischiftiges , auf Back-
Steinpfeilern ruhendes Spitzbogengewölbe — sich zu einem statt-
lichen Räume mit nicht allzugrosscm Aufwände herstcllcu lassen.
Kinc gute spätmittelalterliche, in einem oberen Saale befindliche
holzgescbnitzte Wand trägt die Jahreszahl 14452.
Nachdem die Sehenswürdigkeiten Stendals genonsen und
bei einem vortrefflichen Diner im schwarzen Adler alte Bezie-
hungen zu den Stendaler Kollegen aufgefrischt, neue geknüpft
waren, führten zwei Wagen die ganze Tischgesellschaft nach
dem eine Fahrstunde Elbaufwärts belegenen Tangermünde. Auch
hier überhebt Adlers Werk der Verpflichtung ausführlicher über
die Monumente zu sprechen. Der Eiudruck des Ganzen war
ein überaus gunstiger. Das stets malerische Ensemble mittel-
alterlicher Befestigungen mit Thunneu, Laufgäugcn, Thoren,
Futterniuucrn, Alles überragt von der stolzen Domkirche — im
vollen Glänze der Abendsonne, die auf den alteu weissgefugten
Kegeln und auf dem Moos, den Flechten, die sie überwuchern,
die wunderbarsten Time malt — darüber hinaus der Blick auf
die fruchtbare Elbniederung und das aus Obstwildern aufragende
Jericbow, so bot das Ganze ein überraschendes Bild, dos die
Meinten in der .sandigen Mark" nicht gesucht hätten.
Eine Vergletchung der beiden Städte dürfte bei den Be-
suchern dalier ausnahmslos zu Gunsten von Tangermüude aus-
gefallen sein. Ohne Zweifel ist es die Lage an dem belebenden
grossen Strome, einer Verkehrsader, die keiner Beeinträchtigung
durch die Veränderung der Zeiten unterworfen ist, was der
Stadt den Charakter frischen, blühenden Lebens giebt
Und zu dem anmutbigen Bild, welches die malerischen Strassen
mit ihren ragenden Mauerthürmen. das Rathhaus, ein kleines
Juwel mit den filigran-zarten Giebeldekorationen der Branden-
burger Katharinenkirche, endlich die bunte Stadtbevölkerung
bietet, die neugierig die Wagen der Ankömmlinge umsteht —
zu all dem kommt auf dem weiten, ziemlich verödeten King das
Sehloss, die Erinnerung an den deutschen König Karl IV., der
mit seiner Gemalin Elisabeth von Pomiueru sich gerade diese
liebliehe Elb-Landschaft zum dauernden Aufentbalte in seinen
märkischen Besitzungen erlesen. Ein heiteres, elcgautes Uth-
leben mag sich unter dem gebildeten, den Künsten und huma-
nen Studien gleich ergebenen König an dieser Stelle entwickelt
habon, wo seit dem Schwodcubraude von 1640 nur noch zwei
Vertheidigungsthürme und ein scheunenartiges Burghaus, alles
im schlichten Backateinbau des 15. Jahrhunderts, von der alten
Kultur zeugen. —
Als bemerkenswert her Rest aus einer iüugorn Zeit als die
ßackstc'mbautcn ist in der Taugertuüuder Kirche das Orgelge-
häuse zu erwähnen, ein Holzschnitzwcrk in graziösen früheren
Renaissance-Fornieu. das bei der «rossen Seltenheit derartiger
Bauten die höchste Beachtung verdient.
Nach Stendal zurückgekehrt, beuutzte der grössere Theil
der Reise -Genossen den Abeudzug zur Rückkehr nach Berlin.
Nur etwa zehn derselben dehnteu nach einem in fröhlicher Ge-
selligkeit mit den Steudaler Kollegen zugebrachten Abend am
nächsten Morgen die Exkursion nach Magdeburg aus, wo unter
der liebenswürdigen Führung dortiger 1 achgenossen der Dom
und namentlich die, durch die Erweiterung der Hefeatigung*-
linie im Westen der Stadt zu der grossartigen Zeiitral-Bahnhofs-
Aulage gewonnenen Territorien Gegenstand der Besichtigung
waren. L.
Digitized by Google
- 294 -
Wir gelangen nun zu dem im offenen Meere stehenden
Hafcndamm, als demjenigen Bau-Objekte, welches in der
grösatcu Wassertiefe (1b 1 ») ausgeführt wird und das grösste
Material ■ Quantum erheischt (. r >2 Prozent des Steiuwurfs - Mate-
rials). Bestimmt, die drei Bassins gegen den Wellenschlag von
Aussen zu schützen, zieht sich der Damm in einer Entfernung
von 170™ von den Moloköpfeu parallel mit der Ufermauer hin
und hat eine Gcsaninit-Entwickluug von lU'JO™, nicht gerechnet
die gegen den ersten Molo gekehrte Traverse von 75™ Länge,
welche die zur Einfahrt der Schiffe dienende Ooffnuug von 95 '»
bildet Der Damin, welcher ein 12 ■» breites Plateau besitzt,
bietet nach Innen die zum Anlanden der Schiffe nothige Tiefe
und wird nach Aussen durch eine Mauer abgeschlossen, welche
durch eiuen Wurf von grossen Blöcken auf die ganze Länge
gegen den Wellenschlag geschützt wird. Mit Ausnahme der
ihr ganzes Profil zeigenden Traverse präsentirt sich noch kein
Theil des_ Dammes in seinem fortigen Zustande, und die Block-
"bat zeichnet sich nur als schwache Linie in dem Was-
auf eine Lange von 400 m . Alles Andere ist unter
Der Unterbau ist indesa auf die ganze Länge ausgeführt.
Das Profil des Steinwurfkörpers ist mit wenigen Ausnahmen
bereits auf die Höhe von 7 ■ unter Wasser gediehen und er-
reicht gegenüber dem zweiten Bassin bereits die normalen Ver-
hältnisse- Von hier an trägt dasselbe auf seinem mächtigen
Rücken die nach Innen gekehrte vierreihige Blockmaucr, hinter
welcher das über Wasser reichende Plateau auf eine Länge von
300 m ausgeführt iBt
So weit als das letztere urstreckt sich auch die Versiche-
rung nach Aussen mittels grosser Blöcke, und sind alle Vor-
kehrungen getroffen, um an das ebengeuaunte Stück die letzte
Hand anzulegen, d. Ii. die Bekröuuug der Kaimauer über Wasser
zu beginnen. Mau hofft bis Ende des Jahres mit Steinwurf
uud Anschüttung de« Dammes ganz fertig zu werden, so da**
für das nächste Jahr die Herstellung der noch rückatäudigeu
Kaimauer auf die Länge von ca. 500 » übrig bliebe.
Wir schliessen die Zahl der Bau-Obiekte mit den zwei zur
Regulirun«; der Wildbäche Klutsch und Martesin dienenden Ka-
nälen. Während der erste aus lokalen Gründen noch nicht
begonnen werden konnte, befindet sich der zweito schon seit
anderthalb Jahren im Bau und ist beinahe auf die ganze Länge
von 700» eingewölbt.
Mittheilungen aus Vereinen.
Architekten -Verein zu Berlin.
Die beiden Exkursionen des Vereins am 17. und 24. Au-
gust d. J., von denen die. erste ( 10.) nach dem Empfungs-
gebäude des neuen Berliner Bahnhofes der Berlin- Potsdam-
Magdeburger Eisenbahn -Gesellschaft , die zweite (11.) nach
Stendal uud Tungermünde gerichtet wur, brauchen wir au
dieser Stelle nur flüchtig zu erwähnen, da wir dem erstge-
nannten Gebäude, das in diesen Tagen dem Betriebe zuerst
sich geöffnet hut, als einem der hervorragendsten Neubauten
Berlins eiue besondere und ausführliche Besprechung widmen
müssen, während die Schilderung des zweiten Ausfluges iu die-
ser Nummer unter selbststäudiger Form gegeben ist.
Die im Vergleiche zu frühereu Jahreu nur geringfügige
Thcilnahme, welche die Vcreins-Exkursioueu dieses Sommers
finden, zeigte sich auch bei der 12. derselben, die am 31. August,
allerdings unter Ungunst de» Wetters, bei einer Betheiligung
von etwa 30 Mitgliedern stattfand Nach verschiedenen Besich-
tigung« -Objekten vorzugsweise architektonischer Art war dies-
mal wiederum der industriellen Technik Berücksichtigung zu
Theil geworden; es wurdeu zunächst die grosse Nähmaschinen- .
Fabrik der Hrn. Frister 4 Rossmann in der Skalitzer-, so- i
dann das Etablissement der Städ t i sehen Gas- A n stalt in der
Gitschiucr Strasse besucht und unter der zuvorkommenden
Führung und Erläuterung der leitenden Techniker aufs Einge-
hendste besichtigt.
Die Frister 4 Rosamaun'schc Fabrik ist mit ihrem Personal
von 3H0 bis 400 Arbeitern uud ihrer Produktion von etwa 400
bis 500 fertiger Maschinen pro Woche ein sprechendes Bei-
spiel für die Blüthe, bis zu welcher sich dieser Industrie-Zweig
bereits gehoben hut; die für Herstellung der einzelnen Theile
thätigen, zum Theil ausserordentlich sinnreichen und kotnpli-
zirteu Maschinen mussten das lebhafteste Interesse auch bei
jenen Hesucbern erregen, denen dieses technische Gebiet fern
liegt. — Die städtische Gas -Anstalt zwischen der Gitschiner
Strasse und dem Kohlen-Ufer steht unter den drei grossen
städtischen Etablissements gegenwärtig an zweiter Stelle, wird
jedoch, wenn die neun und grösste Anstalt vor dem Köuigsthor
fertig sein wird, in die drittu Stelle rücken. Dem gewaltigen
Guskonsum der deutschen Hauptstadt entspricht die Ausdehnung
der betreffenden Werke, die für »ich pro Tag etwa 250000 kb™,
im Verein mit den beiden Anstalten der Englischen Kontinen-
tal Gas-Akticu-Gesellschaft aber fast 400000 kb» Gas zu liefern
haben. Das besichtigte Etablissement hat im Laufe der letzteu
Jahre seinen drei älteren Retortenhäusern ein neues von circa
28 ,u lichter Weite, sowie seiueu drei älteren Gasbehältern, vou
denen der kleinste der gegenwärtig noch stehenden bei 15,25'"
Glockeudurchniesser 2500 kb'" enthält, zwei neue hinzugefügt,
deren grösserer circa 40" 1 Glockendurchmesser und 18700 kb"
l'assuugsraum bat: allerdings stellt auch dieser wiederum er-
heblich gegen einen vor dem Königsthor zu erbauenden Behälter
von 53,5 ra Durchmesser und .'IH iOOkb« Inhalt zurück. Der
grösste der drei vorhandenen Zählapparate tuisst pro Stunde
3000 kb m ; die beiden Hauptrohre, welche das Gas von der An-
stalt in das Strasscnnetz führen, haben eiuen lichten Durch-
messer von 1,07'". — Auf Details der Fabrikation einzugehen,
vermögen wir selbstverständlich nicht, hingegen sei es uns ge-
stattet die grossen Vorzüge, welche die neuerbauten Gebäude
architektonisch und technisch gegen die älteren auszeichnen,
hervorzuheben.
Um die beiden letzten Gegenstände des Programms, an
deren Besichtigung jedoch nur noch eiue wesentlich reduzirtc
Zahl von Exkursion»- Genossen Theil nahm, das von Hrn. Ar-
chitekt H. Schäffer pioiektirtc Denkmal für die Gefallenen
des Kaiser Franz Garde-Grenadier-Regiments auf dem Käser
nenhofe desselben, sowie die Baulichkeiten der Unious-Brauerei
in der Hasenhaide, würdigen zu können, war die Tageszeit leider
zu weit vorgeschritten. O
Ueber die Leistungen der
veröffentlicht ein vor Kurzem erschienener Bericht
Folgendes.
Schon im Jahre 18G0 wurden in Paris Verbuche mit Dampf-
Strasseuwulzeu getüncht. Im Jahre lsu4 wurdeu dieselben von
den Herreu Gcllcrat ui<d Kompagnie wieder aufgenommen, und
im Jahre 1 S(55 schloss die Stadtverwaltung von Paris einen
Kontrakt mit der genannten Gesellschaft ab, durch welchen sich
dieselbe verpflichtete, fortwährend sieben Datnpf-Strassenwalzen
nach ihrem Patente zum Gebrauche der Stadt zu erhalten. In
diesem wurden auch die grössteu uud kleinsten Durchmesser
der zwei Walzen jeder Maschine, sowie die grösste Breite der
Maschinen, deren Geschwindigkeit und Gewicht pro Meter Walzen-
länge festgesetzt.
Die ausgeführte Arlieit wird nach dem bei derselben zu-
rückgelegten Wege, der durch einen Zählapparat an der Maschine
angegeben wird, multiplizirt mit dein Gewichte der Maschine,
berechnet. Die Einheit ist die kilometrisch« Tonne ( KmT ), das
ist 1000 Kilogramm Maschiuengewicht durch eine Distanz von
100O™ geführt. Für diese Arbeitseinheit werden 0,», Francs
während der Nacht-, uud (),„ Francs während der Tageszeit
vergütet.
Bei den iu Paris verwendeten Maschinen ist die ganze Last
als Adhäsion« -Gewicht verwendet. Die vorderen und hinteren
Theile sind gleichartig, so dass die Maschine vor- oder rück-
wärts geführt werden kann, ohne umgekehrt werden zu müssen.
Beide Walzen sind Triebwalzcn und werden iu gleicher Weise,
aber gesondert von der Dampfmaschine bewegt. Die Maschinen
können sich in Kurven von einem Radius vou 10 bis 15™ be-
wegen, und es ist daher möglich, mit denselben in ganz engen
Strassen um scharfe Ecken herumzuarbeiteu. Das Gewicht der
Maschine im dienstbereiten Zustande ist beziehungsweise 17, 24
und 30' 1 '. Das Gewicht pro Meter Walzeulänge ist b*' 1 ' bei der
kleineren und 8 T bei den zwei grösseren Maschinengattungen.
Die leichten Maschinen sind besonders geeignet für Anlage
neuer Strassen, die schweren Walzen, welche übrigens auch für
Neuherstelluugeu verwendet werden können, dienen speziell für
die Erhaltung älterer Strassen. Die Maximal -Geschwindigkeit
wurde mit 4 *.™ pro Stunde festgesetzt.
Seit dem Jahre lt><>6 wurde in Paris die Gesatumtmenge
von 320OO kb™ Scbottermaterial verschiedener Gattung mit jenen
Maschinen gewalzt. Im Durchschnitt ist eine Arbeit von 8 RmT
I zum Ausrollen eines Kubikmeters Schottermaterial erforderlich.
I Bei gut geleisteter Arbeit und unter gewöhnlichen Verhältnissen
ist es jedoch möglich, dies mit 4 bis 5 KmT zu leisten. Bei Be-
urtheilung der Arbeit ist ein Unterschied zwischen neu ange-
i legten und alten Strassen zu machen. Erstere, besonders wenn
sie, wie dies in Paris oft geschieht, nach Niederzissen ganzer
Quartiere durch diese hindurchgeführt werden, uuf theflweise
frisch aufgeschüttetem Grund, sind schwierig zu rollen. Hier
besonders werden die kleinen Maschinen verwendet. Sie pressen
mit geringem Gewicht auf den Grund und laufen weniger Ge-
fahr einzusinken. Der Vorgang bei der Herstellung solcher
neuer Strassen bezüglich des Bewässern* , Besamten» uud Wal-
zen« unterscheidet sich nicht viel von dem bei der frischen Be-
schotterung alter Strassen lieobachtoteu. Iu diesem Falle wird,
' wenn nicht ohnehin nasses Wetter ist, zuerst die Strasse reich-
lich mit Wasser begossen, sodann wird die gauze obere Kruste
aufgehauen, damit sich der frische Schotter mit dem alten Ma-
terial gut verbinden könne; das neue Material wird in Karren
herbeigeführt und gleichförmig ausgebreitet. Häufig wird dann
die Strasse noch vor dem Wulzen abermals bewässert. Die
Bewässerung während der Operation, die Abwechselung mit dem
Besanden wird je nach dem Wetter und der Gattung des Ma-
terials verschieden ausgeführt. Hauptsache ist, dass man, be-
sonders beim Beginn, nur so viel Wasser giebt, als zur Benetzung
des Schotters und Sande« hinreicht. Erst gegen Ende, wenn
i die Steine gut verbunden sind und die Feuchtigkeit nur auf
Digitized by Google
- 295 -
der Oberfläche bleibt, vrird die Strange reichlich bewässert und
der überflüssige Sand von der Oberflache weggeschwemmt.
Bs erübrigt noch, die Arbeit mit der Maschine zu be-
sprechen. Dieselbe wird unter allen Umständen an der Seite der
Strasse begonnen. Die Wahle wird mehremale über eine der
Kanten des Macadams geführt- Wenn die Steine etwas zusam-
mengedrückt sind, werden sie mit Wasser begossen und mit
Sand bestreut. Bei jeder Passage wird die Walze näher gegen
die Strassenkrone geführt. Wenn so die eine Hälfte der Strasse
bearbeitet ist, so wird mit der andern iu gleicher Weis« be-
gonnen. Der mittlere Theil wird zuletzt uusgefiihrt Gcgeu
das Ende der Operation bleibt das Wasser an der Oberfläche,
die Walzen machen keinen Eindruck mehr. Die Strasse wird
noch mit einem Ueberscbuss von Wasser abgewaschen und ist
sodann fertig.
Seit dem Gebrauche der Dampfwalzen haben sich die
Strassen in Paris wesentlich verbessert und die Dauer der
Oberfläche derselben hat sich bedeutend verlängert. Ausserdem
wird die Arbeit mit Maschinen schneller durchgeführt und der
Vorkehr weniger gebindert, als bei der Handarbeit. Nach den
gegebenen Andeutungen ist es leicht, die Leistungsfähigkeit
einer Maschine zu berechnen. Da die durchschnittliche Ge
Bindigkeit drei Kilometer ist und die Zahl der pro Kubik-
meter erforderlichen kilometrischen Tonnen vier beträgt, so ist
der Kubik- Inhalt Schotter, der von einer Maschine per Stunde
gerollt werden kann, gleich dreiviertelmal dem Gewichte der
Maschine; sonach beträgt die Leistung der Maschine von
17 TonDen Gewicht 12.,» Kubikmeter pro Stunde
24 . „ lS.o» , • a
30 „ , 2-2.»» p
Nene Handkarre für Erdtransporte. Hei den Erdarbeiten
für die Hannover-Altciihekencr Eiscubahn sind mehrfach Ver-
suche mit verschieden konstruirten Transportgcräthen für Erd-
massen angestellt worden, und hat sich die nachstehend darge-
stellte Handkarre während Ifiugeren Gebrauchs in grösserer
Anzahl, namentlich für trockenen, nicht bindenden Boden be-
währt. Durch die Lage des Schwerpunktes, welcher Ihm gela-
dener Karre sich fast seukrecht über der Axe des Rades be-
findet, erleichtert dieselbe die Arbeit ganz wesentlich, denn
" bei einer Laduugsfähigkeit von 0,12 kb» (1 Kuh. Fuss
nr-r-r > t
c,s i
Preuss.) der Arbeiter bei der alten Konstruktion circa 70 Pfd.
zu tragen hat. beträgt dies« Last bei der vorliegenden Karre
nur ca. 40 Pfd.
Ein kleiner Uebelstaud bei schwerem bindenden Boden ist,
dass sich die schmalen Räume zwischen den Seitenwänden der
Karre und der Raddecke leicht vollsetzen und die Karre nicht
rein ausschüttet Wie mir mitgctheilt wurde, ist Herr Bau-
meister Becherer der Erfinder dieser Konstruktion. Dieselbe
ist wie erwähnt, bei dem llabnbau der Hannover -Altenbckener
Bahn vielfach in Anwendung und wird von dem Stellmacher-
Meister Verclas in Hameln für 4 Thlr. 20 Gr. geliefert E. F.
Vorschriften für die Verdingung von Lieferangen und
Arbeiten für Prenssisohe Staate bauten.
An sämmtliche Behörden ist unterm l'.i. August 1872 folgender
Ministerial-Erlass ergangen. Gegeuüber den bisherigen Auslän-
den ist die durch ihn eingeführte neue Ordnung der betreffen-
den Verhältnisse als ein entschiedener Fortschritt zu begrüs&en.
„Die bei der Verdingung von Lieferungen und Arbeiten
für Staatsbauten von den verschiedenen Provinzialbehörden zu
Grunde gelegten allgemeinen Bedingungen weichen in vielen
Punkten von einander ab. Wenn es auch nicht für angemessen
zu erachten ist, eine durchgängige Gleichmässigkeit hierfür vor-
zuschreiben, da die wirtschaftlichen und gewerblichen Verhält-
nisse, so wie auch die Abweichungen der gesetzlichen Vorschrif-
ten in den verschiedenen Landesthcilen besondern Berücksichti
Provinzialbehörden zusteht, so geben doch einzelne, in den hier
zur Vorlage gekommeneu allgemeinen Bedingungen z
bau-Entreprisen stets wiederkehrende Bestimmungen,
nicht zu billigen Bind, mir Veranlassung, die betreffenden Pro-
vinzialbehörden auf die desfallsigen Mängel hinzuweisen.
1) Die Grundsätze, welche in der Zirkular -Verfügung des
Herrn Finanz -Ministers vom 8. März 18G8, das Verfahren bei
Verdingung von Lieferungen uud Bau -Ausführungen betreffend,
(Ministerialblatt für die innere Verwaltung, 1868, Seite 145*)
unter Nu. I. in den ersten fünf Abschnitten aufgestellt sind für
das öffentliche Ausgebet im Wege des Submission*- oder Lizi-
tationsverfahrens und für die dabei zu beobachtenden Formen,
sind auch in dem Ressort der Bauverwaltung zu beachten. Ins-
besondere ist bei Ertheilung des Zuschlags der Gesichtspunkt
festzuhalten, dass eine willkürliche Begünstigung Einzelner, mit
Zurücksetzung anderer solider und Befähigter Konkurrenten
schlechterdings nicht stattfinden darf.
Die Gründe gegen die mehrfach noch vorkommende Be-
stimmung, dass bei Lizitationen oder Submissionen eine will-
kürliche Auswahl unter den Bietern vorbehalten wird, sind be-
reits in der gedachten Zirkular-Verfügung angegeben. Es em-
pfiehlt sich, in Fällen, wo eine Auswahl unter den Lizitanten
überhaupt nothwendig oder zweckmässig erscheint, diese Aus-
wahl auf die drei Miudcstfordoruden zu beschränken, gleich-
zeitig aber die. Befugniss vorzubehalten, alle Gebote abzulehnen,
wenn dieselben nicht für annehmbar befunden werden.
2) Für die Bedingung, iu welcher Weise die Vergütung der
von dem Unternehmer ausgeführten Mehrleistung, oder der Ab-
zug für eine Minderleistung berechnet werden soll, giebt bereits
die Zirkular-Verfügung vom 26. Mai 1866 (Ministerialblatt 1866,
Seite 108) festen Anhalt. Es ist jedoch darauf zu achten, dass
in den Bedingungen zu den Lieferungsverträgen den Lieferan-
ten nicht unbegrenzte Verpflichtungen hinsichtlich des Lieferungs-
iiuantums bei etwaigem Mehrbedarf auferlegt werden. Je unbe-
stimnitcr der Umfang der Lieferungsverpflichtung ist, desto er-
heblicher ist das von dem Lieferanten zu übernehmende Risiko,
was leicht nachtheilig auf die Lieferungspreise einwirken kann.
Abgesehen von einzelnen Fällen, wo ein Abweichen nothwendig
erscheint und motivirt werden kann, empfiehlt es sich daher,
ein bestimmtes Maximum, welches der Lieferant zu dem verab-
redeten Preise herzugeben, und ciu Minimum, welches die Ver-
waltung abzunehmen verpflichtet ist, im Voraus festzustellen.
Dies wird unter verständiger Würdigung der Verhältnisse, welche
auf einen Mehr- oder Minderbedarf einwirken können, in jedem
Falle besonders zu arbitriren sein, in der Regel aber ein plus
oder minus von 10 Prozent gegen das Anschlagsquantum nicht
überschreiten dürfen.
3) Zuweit gehende Bestimmungen über Kantionsbestellung
und Konventionalstrafen sind geeignet, einen ungünstigen Ein-
fluss auf die I'reisforderungen auszuüben. Die Ib'ibc, zu welcher
Konventionalstrafen anschwellen, besonders wenn sie mit jedem
Tage der Verspätung steigen, giebt jetzt schon häutig den Pro-
vinzialbehörden Veranlassung, eine Ermässigung oder auch den
gänzlichen Erlas» verwirkter Konventionalstrafen, weil durch die
verspätete Lieferung ein Nachtheil nicht erwachsen sei, selbst
zu beantragen, .le mehr ein solches Verfahren zur Regel wird,
um so eher werden leichtsinnige Kontrahenten bei Uebernahme
von Lieferungen auf Nachsicht sich Rechnung machen, während
gewissenhaftere Lieferanten dadurch abgeschreckt werden. Es
sind daher sowohl in Beziehung auf Konventionalstrafen, wie
auf diu Höhe der Kautionsbestellung die Festsetzungen genauer
als bisher, dem obwaltenden Interesse entsprechend abzuwägen
und den konkreten Umständen anzupassen. Auch sind die
Termine nicht ohne Noth zu kurz zu bemessen.
4) Es ist darauf zu achten, dass der bereits in der Zir-
kularverfügung vom 20. Februar 1870 empfohlene Vorbehalt in
den Kontrakten Aufnahme linde, wonach, wenn die iu Folge
einer Säumigkeit des Unternehmers vorbedungeue anderweit«
Verdiogung der Lieferungen oder Leistungen auf Gefahr uud
Kosten des Unternehmers zur Ausführung kommt und hierbei
geringere, als die kontraktlich vereinbarten Preise erzielt wer-
den, dem säumigen Unternehmer ein Anspruch auf die Diffe-
renz nicht zusteht.
5) Iu den Bedingungen finden sich häufig Bestimmungen,
welche entweder direkt oder indirekt für Dinerenzen über die
Erfüllung von kontraktlichen Bedingungen, oder über anschlag-
mässige Anfertigung der Arbeiten, beziehungsweise über die uu-
tadelhafte Beschaffenheit der Materialien, den Rechtsweg aus-
schliessen. Dieses erscheint den bestehenden Gesetzen gegeu-
über nicht haltbar, und es kann namentlich nicht, wie bisweilen
vorgekommen, unter solcher Ausschliessung die alteinige Ent-
scheidung des Regieruugs- und Bauraths ausbedungen werden,
zumal derselbe von dem Unternehmer in der Regel als Partei
angesehen werden wird. Zur Vermeidung prozessualischer Wei-
terungen wird es genügen, weuu — ohne Erwähnung des Rechts-
weges überhaupt — die Entscheidung hervorgetretener Diffe-
renzen einem schiedsrichterlichen Spruche zugewiesen, oder für
bestimmte Punkte das Erachten von Sachverständigen, welche
in dem Vertrage speziell zu bezeichueu sind, als sachlich mass-
gebend bezeichnet wird.
Die Königliche Regierung hat die vorstehende
gen bei Aufstellung der allgemeinen Lieferung«- etc.
gen und der Entroprise-Kontrakte zu beachten.
:htl- ') M«n rtnsl. Dcuuch« Bwultun«. 1M8. No. tt p»i|. 157.
den
Digitized by Google
In Bezug auf die Veränderungen des
in der Nähe der Kirchhöfe enthalten die »Annale» de la socictu
de med. de Gaad" die Beschreibung einer interessanten, in St.
Didier (Allier) von Lefurt angestellten Wasseranalyse des ein-
zigen dort befindlichen, AO» vom Kirehbofe entfernten Brunnens.
Da« Wasser hat einen Nüsslichen Geschmack, erregt kein Er-
breeben, hinterläßt jedoch eiuen fötiden Geschmack. Keim
Eindampfen bleibt eine dicke, graue Masse zurück, die «ich unter
weiterer Erhitzung schwarzbraun färbt und einen empyreunia-
tischen Geruch verbreitet. Ein Theil des Residuums wurde mit
diluirter Salzsäure gemischt, wobei sich Kohlensäure und eiu
Geruch nach starkem Leim entwickelte; eih anderer wurde mit
Kalkhydrat versetzt und mau bemerkte eine bedeutende Masse
Amnioniakgalze. — Lefort glaubt daher aus dem Vorkommen
organischer Substanzen den Scliluss ziehen zu müssen, da**
selbst eine Entfernung von 100« von jeder menschlichen Woh-
nung für die Anlage des Kirchhofes uicht genügend sei. dass
neue Kirchhöfe erst dann an einem Orte augelegt werden dürfen,
wenn man die Gewissheit erlangt hat, dass keine Filtration des
Khrhhofwassers in die 'ür menschliche Nahrung bestimmten
Brunnen Statt findet, und dass es uothweudig sei, in der Nähe
der vorhandenen Kirchhofe, so wie aller zur Beseitigung von
thierischen Kadavern bestimmten Plätze Draiuröhreu auzulegen,
welche das von solchen Orten kommende Wasser anderweitig
fortschaffen, dass es überhaupt sich empfehlen dürfte, von Zeit
zu Zeit das Trinkwasser einer genauen Analyse zu unterwerfen,
wodurch bisweilen das Vorhandensein gesundheitsgefährlicher
Stoffe, zumal iu quellenarmen Gegenden, nachgewiesen würde. —
Für die Bewohner grosser Städte, deren hettautes Gebiet mehr
als einen Kirchhof umfasst, der bis vor Kurzem noch im Ge-
brauch war. ja auf dem noch immer einzelne Beerdigungen statt-
finden, sind diese Mittheilungen nicht eben erfreulich. W'eun
wir erst Behörden für Gesundheitspflege besitzen, so wird zu
deren Funktionen zweifellos auch die Vornahme von Unter-
suchungen gehören, welche über derartige Verhältnisse klares
Licht verbreiten.
Abgekürzte Bezeichnung der metrischen Maasse nnd
Qewiohte Im Auschluss au unsere Mittbeilung iu voriger
Nummer geht uns die Nachricht zu, das noch dem neuerdings
erfolgten Bekanntwerden der von der Normal-Eichungs-Kommis-
sioti aufgestellten Abkürzungen die Kgl. Eisenbahn- Direktion
zu Elberfeld, welche seinerzeit ihren Technikern eine Beachtung
der Beschlüsse unseres Verbandes empfohlen hatte, dies»! nun-
mehr zur Befolgung jener Vorschläge in dienstlichen Angelegen-
heiten angewiesen hat. Wir hoffen, dass diese Maassregel, welche
anscheinend auf dem lrrthume beruht, jene BckauuUnacbuug der
Normal-Eichungs-Kommissiou als einen offiziellen Erlas» der
lteichsbehörde zu betrachten, nur vereinzelt dasteht, und weisen
wiederholt auf das in No. 4 u. diesjährigen Zeitung abgedruckte
Schreiben des Reichskanzler- Amtes an den Vorstand unseres
Verbandes hin, wonach auf einen solchen offiziellen Erlass aus-
drücklieb verzichtet wird. Es dürfte vielleicht angemessen sein,
wenn Seitens de* Verbaudes geeignete Schritte getroffen wür-
den, um jenen Irrtlium aufzuklären.
Gegen-
stände ist am 1. September d. J. im Zeughause zu Berlin er-
oftnet worden. Die Dauer derselben ist auf zwei Monate fest-
gesetzt. Wir machen unsere Leser vorläufig auf diese ebenso
reichhaltige wie werthvolle Ausstellung aufmerksam, in der
sehr viele sonst nicht zugängliche Kunstwerke vertreten sind.
In den nächsten Nummern beabsichtigen wir ausführlicher dar-
über zu berichten.
Aus der Fachliteratur.
Katalog der ernten Wanderausstellung des Bayrischen
Gewerbemuseums zu Nürnberg, veranstaltet gelegentlieh der
pfälzischen lndustrie-Ausstelluug zu Kaiserslautern. I'r. 9 Kr. —
Unter diesem Titel liegt uns ein Werkchen vor, das trotz seiner
unscheinbaren Gestalt eine Schätzens - und nachahmungswerthe
Leistung für die Forderung der Kunstindustrie repräsentirt und
in seinem Bestreben, das Verständnis» für dieses Gebiet im
Volke anzubahnen, den Nagel geradezu auf den Kopf trifft.
Der Werth der Ausstellungen, namentlich älterer Kunst-
werke für die Bildung des Geschmacks und für die direkte In-
struktion ist zwar ein unbestreitbarer, besonders wenn durch
eiu oder das andere System in der Aufstellung der Eutwicke-
luugsgang einzelner Kunstzweige besser veranschaulicht und
\ er» irrenden Kuriositäten kein Platz eingeräumt wird: aber den
eigentlichen Nutzen davon werden fast immer nur die Spezia-
listen des Faches, oder die ihm Näherstehenden haben, denen
Kenutuiss uud Uebuug das Sehen und Auffassen et möglichen
Wo es sich um Belehrung der Massen handelt, kann dies kaum
anders geschehen, als indem mittels eines Katalogs die Aus-
heilung durch geeignete Erklärungen erst zugänglich gemacht
wird, wie die» der vorliegende in gelungener Weise zeigt.
Das bayerische Gewerbemuscum, welchem das Verdienst ge-
bührt, dies iu richtiger Weise erkannt zu haben, ist. neben dem
germanischen Museum in Nürnberg und dem sogenannten .Na-
tional" -Museum in München die dritte grosse Sammlung des
Landes, in welcher Erzeugnisse der Kunstthätigkeit zu Studien-
zwecken vereiuigt sind, nährend die beiden älteren vorzugs-
weise historischen Zwecken dienen und deutsches sowie bave-
risebes Kulturleben der verschiedenen Epochen veranschaulichen
sollen, ist diese jüngste Sammlung direkt zur Forderung uud
Hebung des Kunstgewerbes bestimmt und enthält daher auch
lehrreiche ueuere Erzeugnisse. Die Veranstaltung von Wander-
ausstellungen iu verschiedenen Theileu des Landes ist zweifellos
geeiguet, seine Erfolge für die künstlerische Belehrung des
Volkes, die Vorbedingung jeder gedeihlichen Weiterentwickeluitg
der Kunstindustrie, erheblich zu steigern, und es bietet die in-
struktive Anordnung der diesjährigen Ausstellung bereits einen
erfreulichen Beweis, wie richtig uud energisch die er»t in die-
sem Jahre zur Thätigkeit gelaugte Anstalt ihrem Ziele nach-
strebt. Nach dem Kataloge enthält die Ausstellung in Kaisers-
lautern nur Arbeiten in Thon und in Metall, so wie eine Folge
von Ornamenten in Zeichnungen und Stichen etc. Ergänzungen
in der Darstellung der Entwirkelung sind durch Leihgaben des
germanischen Museums iu Nürnberg uud einiger Privatsamtu
lungeu bewirkt; was dann noch im Zusammenhange fehlte, ist
durch Abbildungen ersetzt.
Der illustrirte Katalog selbst, zweifellos ein Werk des Di-
rektors dej bayrischen Gewerbeiuuseutns Dr. Stegmann, ist,
wie schon erwähnt, sehr zweckmäßig angeordnet Vor jeder
Abtheiluug theilt er das Wissenswerteste über Entstehung und
Ausbildung der betreffenden Technik iu kurzen aber klaren
Worten mit, beleuchtet jeden einzelnen Gegenstand in seinen
Eigctitliümlichkeiten noch besonders, vielfach durch Zeichnung,
und schliesst in anregender Abwechslung noch den Unterab-
theilungen wieder einige allgemeine Bemerkungen un Hiermit
wird dem durch mangelhatte Erziehung des Nutzens der An-
schauung verlustig gegangenen, daher immer mehr wisseusdursli-
geu als schaulustigen Besucher entgegengekommen. In kurzer
Zeit, auf die bequemste Art mit den bemerk enswertbesteu Ei-
genschaften der Werke bekannt cemacht, gewinnt er Interesse,
Verständnis», endlich Gefühl für das Wahre und Falsche, Schöne
und Hässliche. — Eiu llauptwertli des Katalogs beruht aber
in den freilich sparsamen Illustrationen eiuiger hevorragender
Werke, Marken etc. in guten Holzschnitten. Diese nicht hoch
genug zu schätzende Ausstattung der Kataloge durch Illustra-
tionen, wodurch die auf der Ausstellung gewonnenen Eindrücke
für längere Zeit wirksam wieder in die Erinnerung zurückge-
rufen werden, sind in England, Frankreich — auch Dänemark
lauge üblich, bei uns kaum vorhanden, daher dieser Versuch
um so anerkennenswerther ist. Eine allgemeine Einführung
würde den Nutzen der Museen und Ausstellungen um ein Be-
deutendes erhohen. E. Jacobsthal.
Ueber die neue Konkurrenz für Entwürfe zum
des deutschen Roionstagea sind in den letzten Wochen
fach Gerüchte durch eiuen Theil der politischen Press« ge-
gangen, von deneuwir, da ihre Irrthümlichkeit offen zu Tage
lag, nicht weiter Noitz geuomnien haben; dieselben meldeten
nämlich, dass bereits eine neue und zwar beschränkte Konkur-
renz zwischen den vier deutscheu Siegern des ersten allge-
meinen Wettkampfes (also mit Ausschluss von Sir Gilbert Scott)
und mit Zugrundelegung des Bauplutzcs auf der Westseite des
KfmigsplaUes (Krolfsches Grundstück) eingeleitet worden sei.
Auf die direkte Anfrage einiger Fachgcuo<»sen konstatireu wir
ausdrücklich die Grundlosigkeit der betreffenden Gerüchte, die
wohl dadurch entstanden sinn, dass man Maassuahmen, die von
eiuzelucn Personen als vorläufige Vorsehläge geäussert worden
sind, als vollendete Thatsachen aufgefasst hat Beschlüsse
in der Angelegenheit sind vor Mitte Oktober, zu welchem Ter-
min der erste Wiederzusammentritt der leiteuden Kommission
in Aussicht genommen ist, überhaupt nicht zu erwarten. Die
in Berlin wohnenden Mitglieder derselben, von denen der gros-
sere Theil übrigens auch auf Reisen abwesend war, haben bis
dahin lediglich den Auftrag, Voruntersuchungen anzustellen,
auf Grund deren sie dem Plenum demnächst bestimmte Vor-
schläge über die Wahl eines Bauplatzes unterbreiten können.
Die Konkurrenz für Entwürfe zu einem Börsengebäude
in Dresden bat nach der Anzeige de» Vereins -Vorstandes das
Resultat ergeben, dass unter :il eingegangenen Arbeiten durch
den Spruch der Preisrichter der erste Preis dem Eutwurfc des
Architekten Albin Zumpe iu Zwickau und Guido Ehrig in
Chemnitz, der zweite Preis dem Entwürfe des Baumeisters
Riffart in COln zuerkannt worden ist. Weitere Details sind
un» bis jetzt
In der Konkurrenz für Entwürfe zu einem
Denkmal auf dem Niederwald sind eingegangen: 12 Modelle,
uud zwar H architektonische und 4 in's Bereich der Skulptur
gehörige, sowie 17 Entwürfe iu Zeichnungen, welche ausschliess-
lich architektonisch gehalten sind. — Die Ausstellung im Lokale
der Königl. Akademie der Künste zu Berlin beginnt wahrschein-
lich am H- September und dauert 4 Wochen.
Personal • Nachrichten.
Preusscn.
Ernannt: Der Baumeister Heibig in Wilhelmshaven zum
Landbaumeister und technischen Hülfsarbeiter bei der Köuigl.
Regierung zu Trier. Der Kreisbaunieistcr Richrath zu Aurich
zum Landbaumeister uud technischen Hülfsarbeiter bei der
I Kouigl. Regierung zu Merseburg.
I TM C»rl Dnlin In 1
*M !. - Wider fiek.MIo I
Digitized by Google
Jahrg. Tl. M 37.
DEUTSCHE BAUZEITUNG
Organ des Verbandes
deutscher Architekten - und Ingenieur-Vereine.
Redakteur Z. B. 0. Fritich.
Rr.l«k'.icin ■. Etpt4iti.il
Berlin, flnrirriitr.il/- 101.
B..t.Uni>(«
ahernrhaMit alle
«od Hurhrtaadlunrrn,
flu Bcittn <lx
ImtHli
Rr dir Im in dealiehrn
kaairit.n« linden A.inahaM
In nee *.fJti» - Hcllacr :
UwrUMKprcli: »'., P»
Prek 1 Vha
lal. Berlin, den 12.
September 1872.
Frirkt iat jedea Daaaeritaj;.
1er pr« |aar
Inhalt: Du
>n>l de. r.hr«M<
UltMl II«». (roru.t«.r...) - Zar Vrrb»-
*.. — Di. Aulsr.taBl.» In der Krrpla der
■Im • Papier. — Verml.chtea; U.bnr «in*
■rne Idee an Lwn-Iirrirrlchnioiteii
Brlaf- ond Pr.g.eat t.n .
Ar Tk
taler. - Per.en.l-Nacnricbtcn,
(Por<
der
II. Die Vorschriften für den Ausbildnngsgang
Staats-Baubeamten und die Einrichtungen der Bau
Verwaltung in ihrer historischen Entwickelnng.
Ein Verständniss der gegenwärtigen Zustünde des Preus-
sischen Stnatsliauwesens ist nicht wohl möglich ohne einige
Kenntnis» der verschiedenen Phasen, welche seine Einrich-
tungen bereits durchlaufen haben. Anordnungen, welche auf
den Zustanden und Anschauungen längst vergangener Epochen
beruhen und nur aus diesen heraus erklärlich sind, bestehen
ja leider noch in allzugrosser Zahl und noch ist es der sche-
menhafte Geist der Vergangenheit, welcher in offiziellen
Kreisen ganz unwillkürlich den Maasstab aar, Beurtlieilung
der Gegenwart abgiebt.
Man muss diese Thatsacha wohl daraus ableiten, dass
eine Organisation des Preußischen Bauwesens nach grossen,
einheitlichen Gesichtspunkten zu keiner Zeit versucht
worden ist, die verschiedenen I! nin-n desselben vielmehr
einzeln und stückweis — je nachdem ein Bedürfnis« nach
dieser oder jener Seite stell geltend zu machen schien —
erfolgten; über nicht wenige, zum Theil ganz wesentliche
Momente, welche die Stellung der Baubeamten betreffen,
wurden ailgewuiutj o«f»ni<*töri»che Verordnungen Überhaupt
nie erlassen, sondern es sind die betreffendenBestimmungen
gelegentlich dnreh Zirkular -Reskripte des Ressort -Min isters
festgesetzt worden. Wcnu man dies nur aufrichtig bedau-
ern kann, so muss man andererseits billig erstaunen über
den Grad der Unsicherheit und des Schwankens, der sich
in der grossen Zahl von Aenderungen kundgiebt, welchen
die Bestimmungen über den Ausbildungsgang der Bau-
beamteu und das hierzu dienende Unterrichts -Institut aus-
gesetzt waren. Man wird nicht zu viel sagen, wenn man
behauptet, dass die Anordnungen auf diesem für die prin-
zipielle Auffassung der von uns zu erörternden Fragen wich-
tigsten und entscheidenden Gebiete den Charakter fortwäh-
renden Experimentirens tragen — ein Moment jeden-
falls, welches die Forderung einer abermaligen , diesmal
jedoch nicht blos im einseitigen Verwaltungswege herbei-
geführten, sondern Öffentlich diskutirten und von der öffent-
lichen Meinung des ganzen Volkes sanktionirten Reform
nicht unwesentlich unterstützt
Bei dem engen Zusammenhange, den nach ihrer allge-
meinen Tendenz die Vorschriften für den Ausbildungsgang
der Staatsbaubearaten mit denen über die spatere dienstliche
Stellung derselben haben, dürfen wir die Darstellung ihrer
historischen Entwickelnng nicht wohl trennen. Es ist selbst-
verständlich, dass wir dieselbe nur kurz halten können und
uns vorbehalten müssen, auf einzelne interessante Details
bei der späteren Besprechung der gegenwärtigen Zustände
auf beiden Gebieten zurückzukommen. — Ebenso selbstver-
ständlich ist es, dass wir M einer Arbeit, die nicht sowohl
wissenschaftliche als vielmehr praktische Zwecke hat, auf
eine historische Untersuchung der ersten Keime und Anfänge
des Preussischen Staats -Bauwesens unter dem letzten Kur-
fürsten und ersten Königen Brandenburg -Preussens verzich-
ten und mit einer Zeit beginnen, zu welcher dasselbe bereits
zu einer gewissen Ent Wickelung gelangt war.
Man kann diese Zeit um etwa hundert Jahre zurück-
datiren und wird als den ersten Schritt zu eiuer einheitlichen
Organisation des Preussischen Staats- Bauwesens die durch
König Friedrich II. im Jahre 1770 verfügte Errichtung eines
„Ober-Bau-Departements 1 * bezeichnen müssen. Dasselbe war
ein Tbeü des .General -Ober -Finanz-, Kriegs- und Domainen-
Direktoriums" und bestand aus Geheimen Finanz- und Ober-
Unter diesem waren bei den Kriegs- und Domai-
neu-Kammern (den heutigen Regierungen) als Mitglieder der-
selben Baudirektoren — unter diesen wieder Bauinspektoren
(für die Städte) und Landbaumeister (für das flache Land) an-
gestellt. Später ( 1 798 ) erfolgte die Errichtung liesondercr
.Immediat-, Forst- und Bau Kommissionen" zur Leitung des
Forst- und Bauwesens der Provinzen; unter ihren Hülfsbeam-
ten werden, zur „Adbihirutig bei Lokal- Bau -Recherchen
r ein ganz zuverlässiger Baubediente" und „ein fleissiger Kon-
dukteur" angeführt. Der Geschäftskreis der Baubeamten
scheint im V cscntlichcn bereits der heutige gewesen zn sein.
Wenig oder nichts ist über den daaials vorgeschriebenen
oder üblichen Ausbildungsgang dieser Baubeamten des vori-
gen Jahrhunderts bekannt, vor deren wissenschaftlicher und
technischer Bildung, wie sie zun Mindesten bei Einzelnen
bestand, wir indessen eine hohe Achtung gewinnen müssen,
wenn wir bedenken, dass ein Eytelwein und David Gill y,
deren Leistungen bis heute unerreicht sind, zu ihnen gehör-
ten. "Wir können nur vermnthen, dass sie ihr Fach ebeuBo
erlernten, wie noch beute die Feldmesser es thun; durch
die Beschäftigung und den Unterricht bei einem einzelnen
Meister ihres Faches, in dessen Bureau sie gleichzeitig ihre
praktische und theoretische Vorbereitung gewannen. Als
Prüfuugsbehördc für angehende Feldmesser und Baubcamten
— eine Bewährung als Feldmesser war jedenfalls schon
Vorbedingung für eine Laufbahn im Staatsbauwesen — fun-
girte das Ober-Bau-Departement zu Berlin. Welche Anforde-
rungen bei dieser Prüfung gestellt wurden, wissen wir leider
gleichfalls nicht genau, doch scheint soviel festzustehen, dass
die Vorbildung der Baubearaten schon damals eine auf alle
Zweige des Bauwesens gerichtete, universelle war. So
wenig dies bei dem damaligen Stande und Umfang des
Faches zu bedeuten haben mochte, so ist doch schon damals
so eindringlich dagegen gewarnt und geeifert worden, wie dies
beute nur geschehen kann, und bekannt ist das schon früher
von uns zitirte Wort des Geheimen Ober- Baurath Riedel,
wie man Stndirende des Baufaches nicht zeitig genug darauf
aufmerksam inachen könne, dass das Bestreben in allen
Richtungen desselben Gleiches zn leisten, die Gefahr in sich
berge, ein polyhistorischer Stümper zu bleiben und sich
selbst unglücklich zu machen.
Der Schluss dieser Periode brachte durch die Stiftung
eines besonderen Unterrichts -Instituts Einheit und Methode
in den Ausbildnngsgang der Preussischen Baubcamten. Nach-
dem zu Berlin bereits seit 1775 einzelne öffentliche Vor-
lesungen über bauwissenschaftliche Disziplinen gehalten wor-
den waren, zn denen sich seit 17!K> ästhetische Vorträge au
der Königlichen Akademie der Künste gesellt hatten, folgte
am Vi. April 1799 die Errichtung der Königlichen Bau-
Akademie, die bis auf die jüngste Zeit einzige und aus-
schliessliche alma mater aller Angehörigen des Preussischen
Staatsbauwesens geblieben ist. Als Kuratorium derselben fun-
girten gemeinschaftlich die Kunst -Akademie und das Ober-
Bau -Departement; das mit sehr weitgehenden Befugnissen
ausgerüstete Direktorium bestand ans Mitgliedern der letz-
teren Behörde. Als Vorbedingung für den Eintritt in die
Anstalt, deren Charakter trotzalledem im Wesentlichen als
akademischer bezeichnet werden muss, wurde ein Alter von
15 Jahren, leserliche und orthographische Handschrift, sowie
die Grundlage des Lateinischen nnd Französischen verlangt.
Die Gesammtdauer des im Sommer durch praktische Be-
schäftigung unterbrochenen, ab ovo anlangenden Unterrichts
betrug vier Jahre, konnte jedoch je nach den Vorkenntnissen
des Stndirenden auf kürzere Zeit ermässigt werden. Mau
kann nach diesen Daten leicht ermessen, dass die Anfordc-
Digitized by Google
rangen, welche in einer späteren Prüfung an die Baubcaiiitcu
gestellt wurden, nur höchst massige gewesen sein können;
auch wird man annehraeu dürfen, dass der Grad allgemeiner
Bildung, nach welcher die Ansprüche auf Geltung in der
Gesellschaft bemessen zu werden pflegen, bei den aus die-
sem Ausbildungsgange hervorgegangenen Beamten im Durch-
schnitte wohl nicht ganz dem entsprochen haben wird,
dessen die durch ein Universität« -Studium vorgebildeten
Staatsbeamten sich rühmen konnten.
Wesentliche Umgestaltungen erfuhr die Organisation der
Bauverwaltung zugleich mit der des gesammten Staatswesens
durch die Veränderungen, mit welcher nach der Zertrüm-
«ng des alten, morschen Preussens im Jahre 1808 ein
tr lebenskräftiger Staat auf neuer Grundlage aufgebaut
"(j doch betrafen diese Umgestaltungen mehr die ftusser-
lichen Ressortverhältnisse, als die eigentliche Praxis der
Verwaltung. Wichtiger ist für das innere Leben des preussi-
schen Staatsbauwesens in dieser zweiten, von 1808 bis 1848
reichenden Periode einerseits die Bedeutung, welcher der
künstlerischen Seite des Faches unter dem Kinflusse eines
Schinkel zu Theil wurde, andererseits aber die Bedeutung,
welche zu dieser Zeit der bisher stark vernachlässigte, nun-
mehr aber mit allem Eifer aufgenommene Chaussee-Bau er-
laugte.
An Stelle der früheren Kriegs- und Doinainenkammern
traten als Vereinigungspunkte der gesammten inneren Ver-
waltung der Provinzen nunmehr die Hegierungen, denen
bautechnische Mitglieder, Regierung»- und Banräthe, zuge-
theilt wurden. Im Ressort der Regierungen wurde die Ver-
waltung des öffentlichen Bauwesens im Einzelnen besonderen
Land-, Wasser- und Wege -Baubeamten überwiesen. Den
ersteren, (Landbau- Inspektoren und Laudbaumeistern) wurde
das gesammte Hochbauwesen des Staates, die Sorge für
nnehanssirte Wege und kleinere (nicht schiffbare) Flüsse,
die baupolizeilichen Angelegenheiten und die Prüfung der
Bauhandwerker übertragen; die Wasser-Baubeamten erhielten
die Bauten an den schiffbaren Strömen und Kanälen, dir
Küsten und Häfen zugewiesen; den Beamten des Wegebaus
endlich, Wegebau-Inspektoren und Wegebaumeistern, denen
später als eine Zwischen -Instanz noch die Ober-Wege-Bauin-
spektoren vorgesetzt wurden, lag der Bau und die Unter-
haltung der Staats-Uhansseen ob. Als Regel wurde festge-
halten, dass die Anstellung als Wegebaumeister die erste
Stufe der Laufbahn jedes Baubeamten bilden müsse. Aus-
geschlossen von der Verwaltung des übrigen Bauwesens blie-
ben die unter die geschäftliche Leitung der betreffenden Hof-
Charucn gestellten Bauten an den Königlichen Schlössern um)
Palais. — Es kann für unseren Zweck nicht von Interesse
sein, näher darzulegen, welchen einzelnen Veränderungen und
Entwickelungen die betreffenden Einrichtungen des Provin-
zial-Bauwescns in dem erwähnten 40jährigen Zeiträume un-
terlegen sind. Die vorstehenden Angaben gelten allerdings
vorzugsweise für den Sellins* der Periode, doch sind die
Verhältnisse, soweit sie vou prinzipieller Bedeutung sind,
fast durchaus stabil geblieben.
Ausserordentlich schwankend waren hiugegen die Res-
sort-Verhältnisse des Bauwesens in Bezug auf die oberste
Zentralbehörde, der es unterstellt wurde. Das frühere Ober-
Bau-Departement ward im Jahre 1808 aufgehoben und in eine
technische Bau -Deputation, welche bei einer abermaligen
Aenderung im Jahre 1810 den Namen Technische Oher-Bau-
Deputation erhielt, umgewandelt; die Funktion dieser Be-
hörde wurde jedoch nicht als administrative, sondern ledig-
lich als konsultative, zur Kontrole und Revision der öffent-
lichen Bauten bestimmt, so dass ihre Thätigkeit im Wesent-
lichen auf die Abgabe von Gutachten , die Revision der
Kostenanschläge, die Prüfung der Feldmesser und Baukon-
dukteure sich beschränkte. Die administrative Spitze des
Preussischen Bauwesens hat bei den fortlaufenden Versuchen,
welchen die Organisation der obersten Staatsbehörden wäh-
rend der Regierungszeit Friedrich Wilhelm III. unterworfen
war, wohl ein Dntzendmal gewechselt und ist unter verschie-
denen Kombinationen bald von dem .Ministerium des Innern,
bald von dem der Finanzen, bald von dem für einige Zeit
errichteten .Ministerium des Handels gebildet worden. Ein
uäheres Eingehen auf diese Verhältnisse ist wohl gleichfalls
ohne Werth.
Um Vieles wichtiger sind die Veränderungen, welche
während dieser Zeit die Einrichtungen der Bau -Akademie
und mit diesen die Vorschriften für den Ausbildungsgang
der Preussischen Baubeamten unterzogen
Von der Umgestaltung der Bauverwaltung im Jahre
1808 blieb dieses Institut zunächst unberührt; nur dass es
dem Ressort des Departements für den Kultus uud öffent-
liehen Unterricht in Mmserium des Innern zutre thei t und .i«.» .<».!.«.•■ v m m «(.«»«h^iiich« und *u»,u«rt«i.«r -vnd.« teuu«w*.
der Einwirkung der an die Stelle des Ober-Bau-DepartemeDts
getretenen technischen Ober-Bau-Deputation entzogen wurde.
Unter dieser Anordnung, namentlich aber unter dem Ein-
flüsse und der Nachwirkung der Kriegsjahre konnten die
Zustände der Bau -Akademie nicht eben gewinnen und die
Schilderung, welcher ein damaliger Schüler der Akademie,
Wilhelm Stier, später von ihr entworfen hat, lässt auf eine
arge Verwahrlosung schliesscn. Bereits im Jahre 1817 wurde
daher zwischen den verschiedenen Staats - Ministerien über
eine Reorganisation der Anstalt verhandelt, jedoch erst im
Jahre 1823 seitens der Ministerien für Handel und Kultus
ein gemeinschaftlicher Bericht an den König erstattet. Der
Bauakademie wird in demselben vorgeworfen, dass nach der
Richtung, die sie genommen habe, die Bildung tüchtiger Bau-
hedienten nicht mehr als ihr ausschliesslicher und Haupt-
zweck erscheine, dass sie vielmehr zu vorwiegend die all-
gemeinen Interessen der Kunst berücksichtige. Es wird vor-
geschlagen, dass eine Theilung des Instituts vorgenommr-n
werde, derart, dass die eine Abtheilung, deren Zweck die
Ausbildung von Baukünstlern sein solle, mit der Kgl. Aka-
demie der Künste zu vereinigen und dem Ministerium des
Unterrichts zu unterstellen sei, während die zweite Abtei-
lung, welche vorwiegend technischen Gesichtspunkten hul-
digen und sich die Bildung von angehenden Provinzial-Ban-
meistern und Feldmessern zum Ziele setzen solle, vom Mi-
nisterium des Handels zu ressortiren habe.
Die Genehmigung dieser Vorschläge und die selbststän-
dige Konstitiiirung der beiden Abteilungen, von denen di«
erste in zwei Kollegien an der Königlichen Akademie der
Künste noch heute kümmerlich vegetirt, während die zweite in
der heutigen Bauakademie sich fortsetzt, erfolgte im Jahre
18l'4, doch blieb die Einrichtung des neuen, unter die Lei-
tung von Beuth gestellten Instituts zur Ausbildung der
Staats - Baubeamteu nur von kurzem Bestände.*)
Bereits im Jahre lH.'tO wurde der Minister des Inneren
für Handel und Gewerbe ermächtig, der Bauakademie eine
ueue, den Anforderungen der Zeit entsprechende Urganisati>>u
zu geben, welche demnächst im Laufe des Jahres 1831 unter
gleichzeitiger Veränderung der Vorschriften über die Prüfann
der Staatsbaubeamten mit der ausdrücklich ausgesprochenen
Absicht eingeführt wurde, .in einer ruhigeren Zeit und nach-
dem jene Vorschriften wirksam geworden sind, der Gesrhäfts-
Vertheilung der Baubeamten und ihren Personal -Etat« eine
andere (testalt zu geben". Der neuen Einrichtung lag «-in
Prinzip zu Gründl-, das gegenüber der bisherigen an jenen
Baubeamten gestellten Anforderung universeller Ausbildung
unzweifelhaft einen Fortschritt repräsentirt. Es wnrde
nämlich für unbillig erklärt, von allen Haubeamten gleiche
(^ualitikatiou zu fordern, während doch nicht alle für
ihre Stellung gleicher Kenntnisse bedürfen und der Ver-
such gemacht, eiuen Ausbildungsgang einzuführen, auf dem
sich jeder stufenweise die für einzelne Stellungen erforder-
lichen Kenntnisse erwerben könne. Die Bedingung einer
gleichen Befähigung für den Land- und Sehönbau wie für
den Wasserbau, wurde hierbei lediglich für die Anwartschaft
auf die höheren uud höchsten Stellen des Fachs gestellt.
In der Ausführung war dieser Ausbilduugsgaug aller-
dings im hohen Grade schwerfällig und umständlich. Für
die Aulnahrae in die Bau-Akademie, die gemäss ihrer nnn-
mehr noch schärfer ausgeprägten Bestimmung als Untcrrichtv
Anstalt für künftige Baubeamte den Namen „Allgemeine
Bauschule" erhielt, wurde wie bisher die Oualifikation als
Feldmesser, sowie ein Zeugniss der Reife der Sekunda eines
Gymnasiums oder einer parallelen Anstalt gefordert. Nach
einem zweijährigen, noch immer ziemlich schulmässig ge-
stalteten Kursus erhielt der Studirende die Erlaubniss, sich
zur Vorprüfung als Baumeister zu melden, doch war für dir
Zulassung zu derselben der Besuch der Bauschule nicht un-
bedingt obligatorisch. Das Bestehen dieser ersten, öffentlich
abgehaltenen Prüfung berechtigte den Aspiranten zu dem
Titel „Bauzögling* uud zu diätarischer Beschäftigung al.«
Aufseher bei Staatsbauten. Nach zweijähriger Beschäfti-
gung bei Bauausführungen durfte der Bauzögling sich «He
Probearbeiten zur Baumeister-Nachprüfung erbitten, die ihm
den Titel Baumeister (Kondukteur), sowie die Berechtiguns
zur Anstellung als Wege- und Landbaumeister einbrachte.
Wer eine Anstellung als Bau-Inspektor erlangen wollte, wo-
für Bedingung war, dass er als Baumeister „vorzüglich" bo-
*) Für «in«n g;icM**n Thi-il tin»i»rer \j**t hat dia Itanr-RanlMtin-n der llau-
•kademie itu Jahre |K?4 tt •<-!) < in »-»fiirlle» Inter weil »i« den *-iJa*a t«r Ä*Mf-
tun* d-"* alle»t*n tiaulcrhniBRhFll Vereins in I »mtM Ii I »nd, de» Ar<biCektrli-V*Tr>»*
tu Berlin tC'ifueii hat. Eft war nämlich u>r Vernurh (t ernannt worden . ntt 4ee
neuen KitirichtunKeu gleichmliij auch ein* *<*;iuiia»nfti|i» l>i*»ipliu unter den Sit-
direnden cimuluhren , di« *irh bis tu l*ri*eni- und Kundnheti - I.taten w*tfst*
Der L'nwiUe, d«-n di*** Nvaerung hervorrief, verband eint Anialil dar Studiraa-
Digitized by GoogU
- 299 —
standen sei, musste in der Regel nach einem abermaligen
einjährigen Kursus auf der Bau-Akademie Bich einer zwei-
ten Vor- und Nachprüfun« entweder im Land- oder Wasser-
l>au unterwerfen, doch war es gestattet, diese Prüfungen I
(die Nachprüfung unter Voraussetzung einer dreijährigen 1
praktischen Beschäftigung), gleichzeitig mit der Vor- und
Nachprüfung als Baumeister abzulegen. Wer endlich bis
zum Regierung«- und Baurath und darüber hinaus befördert |
seiu wollte, rousste gleichzeitig als Land- und als Wasserbau-
Inspektor geprüft sein. — Gewiss das Muster einer am grü-
nen Tische ausgedachten Organisation. Konnte doch der
Fall eintreten, dass ein Aspirant, der die Vor- und Nach-
prüfungen als Baumeister und Bau-Inspektor ebenso wie die
beiden Modiiikationen der letzteren getrennt bestand, im
Ganzen nicht weniger als sieben Prüfungen sich unterwerfen
musste.
des Fahrwassers in Oderslrome.
Herr Graeve räth in No. 34 dieser Zeitung von der
durch Herrn Fessel empfohlenen Kanalisirung des Oder-
stromes auf der Strecke Breslau - Küstrin ab und empfiehlt
hier nur dem Flusshotte eine andere Gestalt zu geben, um
die für einen leistungsfähigen Schiffahrtsverkebr nöthige
Fahrtiefe zn erzielen. Dem kann beigepflichtet werden. Die-
selbe Ansicht ist schon in No. 21 dieser Zeitung von mir
geäussert, auch ist dort durch Rechnung nachgewiesen wor-
den, dass die Wassermenge der Oder in den trockensten
Zeiten wenigstens von Steinau abwärts genügt, um ein regel-
mässiges Bett für die Thalfahrt bis zu 1,7" Tiefe zn füllen
und daneben noch für die Bergfahrt nnd für die Flösserei
ein ausreichend breites Fahrwasser von 0,5 m bis 0,9" Tiefe
zu bilden. Wenn aber Herr Graeve in dem durch höchst
unvollkommen verlandete Buhnen schon stark eingeschränkten
•Strome durch blosse Verlängerung dieser Einbauten die Fahr-
tiefe noch auf mehr als das Doppelte zu bringen hofft (nach
einer bisher nicht widerlegten Klage in No. 363 der schle-
sischen Zeitung haben die zwischen Stettin und Frankfurt
fahrenden Dampfschiffe trota ihres geringen Tiefganges von
0.63» letzteren Platz nicht erreichen können, sondern ihre
Tour in Küstrin abkürzen müssen), so stehen dieser Hoffnung
alle Erfahrungen an den seit mehr als 50 Jahren im Oder-
strome ausgeführten Buhnenbaiiten und die Ansichten der
gewiegtesten Wasserbaumeister entgegen. Wäre es wirklich
möglich, eine solche Vertiefung des Fahrwassers durch blosse
Buhnenbauten zu erreichen, dann verdienten ja diejenigen
Techniker, welche so lange an der Oder herumregulirt'habeu,
ohne die Fahrtiefe zu vergrössern, Schande über Schande.
Es ist aber die Vertiefung auf so einfache Weise nicht mög-
lich und es ist zu hoffen, dass die Staatsregierung Herrn
Graeves Rath nicht befolgen, vielmehr die für die Ent-
wicklung des Schiffahrtsverkehrs bisher nutzlos gebliebenen
und aussichtslosen Buhnenbauten endlich ganz aufgeben
wird, um zu einem wirksameren Bausvsteme überzugehen.
Auf welche andere Weise die dem Zweck entsprechende
Umformung des Flussbettes herbeigeführt werden könnte,
war in dem erwähnten Artikel in No. 21 dieser Zeitung
kurz angedeutet, und es ist zu bedauern, dass Herr Graeve
diesen Vorschlag keiner Erörterung gewürdigt und mit allem
l'ebrigen, was ausser der Fessel'schen Schrift über die Ver-
besserung der Oder- Schiffahrt geschrieben ist, in ziemlich
unliebsamer Weise abgethan hat. Der Gedauke, welcher
jenem Vorschlage zu Grunde liegt, ist meines Wissens ganz
neu und verdient fruchtbar gemacht zu werden. Deshalb
soll dieser Gedanke im Folgenden noch etwas weiter aus-
geführt werden.
Das empfohlene, auf S. 300 dargestellte System zur Er-
zeugung der durchgängigen Fahrtiefe von I,li m ist folgendes:
In gewissen Entfernungen werden <|ucr durch den Strom
Nadelwehre gebaut, welche zur Unterscheidung von andern
die Stauwehre genannt werden sollen. Die Stauwehre
werden untercinauder durch ein bis zum Mittel Wasserstande
reichendes Parallelwerk verbunden, dessen Krone zum Lein-
pfad ausgebildet wird. In dem Parallelwerk wird nahe vor
jedem Stauwehr eine 18" breite Oeffnung angelegt und durch
ein nach beiden Seiten verschliessbares Nadelwehr geschlos-
sen, welches letztere Theilungswehr genannt werden soll.
Eine Seite des Flussbettes neben dem Parallelwerk, die
Fahrt, wird für die Thalfahrt mit einer vertieften Rinne
versehen, ferner wird das zweite Ufer der Fahrt gleichlau-
fend mit dem Parallelwerk nnd so weit von demselben ent-
fernt, dass die Minimalwassermenge den Zwischenraum l»is
zum Normalwasserstande zu füllen vermag, eingeebnet und
befestigt, endlich wird der übrige Theil des Bettes in der
Fahrt planirt. Auf der anderen Seite des Parallelwerks liegt
dann die Fl uth rinne, deren Bett und Ufer nicht weiter
ausgebildet werden. Bei niedrigen Wasserstanden wird die
Flutbrinne durch die Stauwehre abgeschlossen und die ganze
Wassermenge des Flusses in die Fahrt gewiesen. Vor den
Stauwehren werden in der Flutbrinne '
und so weit es nöthig ist vertieft Nach
solcher Häfen und nach den Mündungen der Nebenflüsse
richtet sich die Entfernung der Stauwehre.
Wo die Minimalwassermenge nicht mehr ausreicht, eine
Fahrt von genügender Breite zu speisen, wird das während
der Nacht zufliessende Wasser in den oberen Strecken mittels
einiger Nadel wehre aufgesammelt und am Tage zur Füllung
der Fahrt abgelassen. Beim Eintritt höherer Wasserstände
wird die Fluthriune für die Schiffahrt benutzt. In solchen
Zeiten hat man es auch in der Hand, die Fahrt ganz abzu-
sperren und zur Ausführung von Reparaturen oder zur Ab-
hülfe von Fehlgriffen in der Profilweite ganz trocken zu
legen.
Vor Eintritt von Hochwasser und vor der Eisbildung
werden sämmtliche Wehre beseitigt. Das Parallelwerk bildet
dann eine Kette langgestreckter niedriger Inseln und wird,
weil es nicht wie die Buhnen der Strömung entgegensteht,
von der Strömung und vom Eisgange nur wenig angegriffen.
Bei der Ausführung werden zuerst die Wehre und ein
schwaches Parallelwerk aus Packwerk oder Steinschüttungen
erbaut. Hiermit kann schon eine ansehnliche Fahrtiefe er-
zeugt werden, welche gestattet, im regelmässigen Schiffahrts-
betriebu die zur Befestigung des Parallelwerks und der Ufer
nöthigen Materialien aus billigen Gegenden heranzuschaffen.
Ausserdem ist dann die Möglichkeit gegeben, die Fahrt
trocken zu legen, um die Rinne für die Thalfahrt auszuheben,
mit der ansgehobenen Erde das Parallelwerk auf der kon-
vexen Seite zu verstärken, die nicht verlandeten Buhnen-
köpfe abzutragen, das zweite Ufer der Fahrt regelmässig
auszubilden und das Strombett einzuebnen. Als Minimal-
profil der Fahrt für 5 m breite Kähne mag das umstehend
skizzirte angenommen werden.
In diesem Profil ist für die Thalfahrt eine schmale Rinne
projektirt. weil die zu Berg fahrenden Kähne viel weniger
tief beladen nnd gern die flachere Seite der Fahrt aufsuchen
werden, um der starken Strömung im tieferen Theil des
Profils zu entgehen.
Bei der Anwendung eines so kleinen Profils, welches
zwar immer noch für die 0,8"' tief gehenden Kähne eine
den meisten Kanälen entsprechende Breite hat, müssen von
Viertelmeile zu Viertelmeile Ausweichestellen für die zu Thal
fahrenden Kähne und vor den Theilungswehren bequeme
Wendeplätze zur Einfahrt in die Sommerhäfen angelegt werden.
Das Gefälle der oberen Oder betragt durchschnittlich
1 : 3000. Das Minimal-Profil führt pro Sekunde ab
» = 2,88 . V~ n ■ V « J'= 10,76 kb«
V = 2,435 . V j '' ■ V « • J- = «,57
Zusammen 17,3;.! !il>™
Soll nach dem angedeuteten Bau-Systeme bis Koscl aufwärts
verfahren werden, wo die Minimalwassermenge auf 7,7 kb™
anzuschlagen ist, dann muss oberhalb Kosel das zufliessende
Wasser täglich 14 Stunden hindurch aufgesammelt werden.
Es bleiben alsdann noch 10 Stunden tägliche Fahrzeit übrig.
Wenn diese Fahrzeit nur kurz ist, so tritt eine solche Be-
schränkung des Sehiffahrtsbetriebes doch nur in der schlimm-
sten Jahreszeit ein und dürfte viel weniger hinderlich sein,
als das Passiren von vielen Schleusen während des ganzen
Jahres. Ein Aufstau des Wassere zwischen den hohen Ufern
oberhalb Kosel ist bis zu einer Stauhöhe von 1,5" leicht
auszuführen. Die Breite zwischen den Ufern kann dort auf
ungefähr 75™ geschätzt werden. Demnach genügt ein Stau
von ungefähr 3450" Länge, nm die anzusammelnde Wasser-
menge aufzunehmen. Dieser Stau dürfte durch 8 Nadel-
wehre im Abstände von % Meile zu bewirken sein. Unter-
halb Cosel gestatten die hinzutretenden Wassermengen der
Nebenflüsse die tägliche Fahrzeit nach und nach zn verlän-
gern. Bei Breslau wird die Minimal- Wassermenge schon
hinreichen, um eine Fahrt von hinreichender Weite dauernd
auch die Nacht hindurch zu speisen.
Das Parallelwerk wird nach der Oertlichkeit entweder
ganz aus Steinen erbaut oder aus Packwerk gebildet, durch
einen Erddamm gedichtet und durch Spreutiagen, Ranch-
wehren, starke Kiesschüttun^en und Steinschüttungen be-
festigt. Die Kosten dürften sich wie folgt herausstellen.
Digitized by Google
- 300 -
A. Die Wehr«.
1. 2 Nadelwebro oberhalb Cosel je 34 m lang
ä 15000 Thlr 30000 Tblr.
2. H Stauwehre zwischen Cosel und Breslau,
durchschnittlich 48» lang ä 2tKJ00 Thlr. . IGOooo „
3. 17 Nadelwehre uuterhallj Breslau durch-
schnittlich 00'» lang ä 40WX) Thlr Ü801MI0 „
4. 2'» Stück je 15" lange, nach lieiden Seiten
brauchbare Theiluugswehre nebst Lauf-
hrikkeu für Zngthiere, incl. Vertiefung
eines Wendeplatzes vor diesen Wehren
a KKKHI Thlr 250000 „
5. 27 Wärter- Etablissements ä 4000 Thlr. . 108000 „
A. Summa Wehre 1228000 Thlr.
0,23 „ Knie zu Aut>weie.he«tclleu für
die Thalfahrt ä «JO- lang, 7»
breit. 0,7- tief, = 441 kb»
4 solche Gruben auf 7500»
4 441
macht pro Meter Fahrt
= 0,23 kb".
5,9 kb 1 " Erde theils auszubaggern, theils
aus dem trocken gelegten Bette auszu-
karren und zur Verstärkung des Pack-
werks oder Steindammes zu verwenden
ä 5 Sgr
Das Ufer der Fahrt auf der Landseite
in regelmässigen Kurven mit zweifachen
— 20. Ii
riUTHmilNl Pr, - Ä5 0£,, s ... «»
" «»«S* -<t«6t . . • - PACKWERK
f.lAMLH
STtlNSCMÖlTUICO
CAMRT
RORMALVWSStRSTANO
hMMH 1'wfmi« <ltJ _r s 9, -.3
Olill* '» :
I
Ii mV
G
- 3. -
- 3. 6
- 1. —
9
- 1. —
- 22. 6
- 5. -
- 2. 6.
B. Das Parallelwerk.
Im Oppelner Baukreise gelten jetzt folgende Preise:
1 kb" 1 Faschinen anzuliefern und auf-
zusetzen Tblr. — 12,
1000 Prahle desgl
1 kb™ Kiessand anzufahren und aufzu-
brineen
1 kb m Packwerk anzufertigen und ab-
rann» cn
1 [ J" Sprentlase desgl
l t1m Baiidwürstc desgl
1 n™ Uferrauchwehr desgl
1 kb" Kalkbnichsteine anzuliefern . . .
dieselben zu verwenden
1 C™ pflasterartige Versteinerung der
Krone anzufertigen
Hieraach kosten durchschnittlich
1 kb« Packwerk incl. Material 10.0 Sgr.
12. 1 □ Sprcutlage „ , 3,«» ,
Die Anfuhr von l kb m Steine bis Küstrin würde nach
Herstellung der Fahrtiefe für IV» Thlr. zu bewirken sein.
Demnach würden durchschnittlich 24 Sgr. Transportkosten
zu dem Preise ad 8 hinzukommen.
Hiernach werden die Kosten des Parallelwerks wie folgt
gesell ätzt:
1. Den Stein- oder Pnckwerksdamm 3" in
der Krone breit, 1,.!'" hoch, mit einfachen
Anlagen, also 5,G ra in der Sohle breit
im Wasser zu erbauen pro lfd. Meter
5,6 kb m a 25 Sgr
2. 5,67 kb™ Erde zur Hinne für die Tbal-
fabrt G" in der Solde breit,
0,7 m tief mit dreifachen An-
Ingcn;
I.
2.
fi.
7.
8.
9.
10.
11.
Thlr. 4 20.
4.
W».»ritii,Biw Ucr TlialMut -V
' = wn. *- ■= o.mi.
L IT
Anlagen abzugleichen und die vorste-
henden, nicht verlandeten Buhnenköpfe
abzutragen, auch sonstige erhebliche Un-
ebenheiten in der Fahrt zu beseitigen,
durchschnittlich pro Meter
Für den Steinwnrf zur Befestigung der
konkaven Böschungen . welcher wahr-
scheinlich nur auf '/« der Länge nöthig
sein wird; für die ganze Lance durch-
schnittlich 1 kb"
5 [j™ Sp reut lagen zur Befestigung der
übrigen Da
S.
und Uferböschungen
a 4 Sgr
.1 pflasterartige Versteinung der
Krone zu beiden Seiten der Kiessehüt-
tung auszuführen incl. Material ä 10 Sgr.
3 n™ Krone 20 *"» stark mit grobem
gesiebtem Kies zu beschütten und den
Kies mit aufgestreutem Lehm zu be-
festigen a (> Sgr
Für andere unvorhergesehene Ausgaben
abrundend
15. -
1 22. *;
- 20. -
1 — . —
- 18. -
- 25. -
Meter . . Thlr. 11 — . —
Summa pro
mithin pro Meile 82501) Thlr.
Die Strecke Cosel -Küstrin wird rund 70 Meilen lang,
mithin
B. Kosten des Parallelwerks ... 5775000 Thlr.
Hierzu A. Kosten der Wehre 1228000 .
«rieht (icsammtbaukosten . . 7003000 Thlr.
oder rund 7 Millionen Thaler.
Die jährlichen Ausgaben für Unterhaltung dieser Werke
würden betragen:
Digitized by Google
IfcuU d. r Wiiiiliiii.-hrii Iti der Kr>|H» Im Miwiib« roo 1 1 I«,
Durcliwhi.ill .irr Kty|il» null A, II.
(GninilriH vnd Duirlwrlinlll liu Mwoutw vvo I : ßfi.)
TiruudriM ilrr Krypta.
III»- K a fsrabungeii in irr Krypta der Schiasskirche zu Que d llnb 11 rs .
Die im Jahre isiv.i in der Krypta der Schlosskirchc zu
Quedlinburg ausgeführte Ausgrabung, deren bereits im Jahrg.
tSC'.t Seite . r «;:i d. Bl. Erwähnung geschehe u. ist vou mir einer
genaueren Aufnahme unterzogen, und gebe ich in beistehenden
Skizzen das zu näherein Verständnis» Erforderliche.
Indem ich hierbei im Allgemeinen auf den oben angeführten
Aufsatz verweise, mochte ich nur auf einige Umstände aufmerk-
sam machen, welche die dort ausgesprochenen Ansichten zum
Thcil als unhaltbar erscheinen lassen, zugleich aber geeignet
sind, über das Alter der neu entdeckten Anlage Auskunft zu
geben.
Der Quedlinburger Chronist erzählt nämlich*), das* der
ursprüngliche, von Heinrich I- ausgeführte und im Juli 936
vollendete Bau .im Jahre 997 auf Befehl der Kaiserstochter,
Aebtissin Mathilde, mit allem Eifer erneuert wurde. Da sie
sah, dass die Kirche, wie sie ihr Grossvatcr und ihre Gross-
mutter, Heinrich und Mathilde, erbaut hatten, enger war, als
es so grosse Erhabenheit erforderte, Hess sie wegen der Menge
des daselbst zusammenströmenden Volkes aus angestammter und
angeborener Güte zur Vcrgrösserung der Kirche zur Ehre des
heiligen Servatius ein Gebäude von höherem und breiterem
Bau aufführen , welches der Bischof Arnulf im Beisein anderer
Prälaten und Bischöfe am 10. März des genannten Jahres weihen
musste."
Schon durch diese Nachricht wird e» sehr wahrscheinlich,
dass die neu ausgegrabenen Reste dein alten, im Jahre 93C vol-
lendeten Bau angehören, also älter sind als die jetzige Krypta,
welche aus den Jahren 997 bis 10*21 stammt.
Zur Gewissheit wird diese Ansicht aber, wenn man das
Fundament der Kryptasäule a betrachtet. Dasselbe ist nach
vorhergegangener Beseitigung des nicht sehr fest gewachsenen
Sandstcinfclsens, aus welchem die übrigen Wände des neu aus-
| gegrabenen Theiles grosstentheils bestehen, vom Kussbodeu
desselben und aus der Seiteuwand hervortretend, mit unbear-
beiteten Feldsteinen roh empor geführt und gegvu den die
Wandfläche bekleidenden Gypsstuck gegeugetuauert,
! bei welcher Gelegenheit Sogar zwei kleinu, in der Ecke befind-
' liehe, aus Stuck hergestellte Wumlsäulcn mit vermauert wurden.
Gleichzeitig ergieht sieh hieraus aber auch, dass nicht nur
der ausgegrabene Kaum selbst, sondern auch die aus Stuck her-
gestellten Ornamente desselben älter sind, als die Fundamente
der Krypta, also ebenfalls dem Bau vou '»36 augehören müssen.
Die ganz ungewöhnliche Bildung der Säulcubaseu uud «leren
Abweichung von den ciufachen Formen der in derselben Zeit
oder schon früher erbauten, benachbarten Wipertikirchc hat den
Verfasser des oben angeführten Aufsätze« verleitet die Herstel-
lung dieser Stuckuruauientc einer weit späteren Zeit zuzu-
schreiben; allein abgesehen davon, dass in den Kapitalen und
Bogen die früheste romanische Auffassung sich geltend macht,
so ist auch der Ueichthum der Ornamentik kein Hiuderuiss,
derselben ein hohes Alter zuzusprechen, wenn man annimmt,
dass der Kaiser diesem unter seinen Augen entstehenden und
zu seiner Grabstätte bestimmten Bau jedenfalls uiu besonderes
Interesse gewidmet uud die besten Kräfte zu dessen Ausführung
herangezogen haben wird.
Wenn dessenuDungcachtet eine gewisse Kohheit in der Aus-
führung der einzelnen Theile sich kundgiebt, so tuuss mau be-
denken, dass diese Formen in den vorher gegen die Wand
geworfenen Gyps mit Stäbchen und mit dem Messer eingear-
beitet worden sind, und wenn andererseits eine mathematische
Genauigkeit überall vennisst wird, so ist diese Eigenschaft allen
Bauwerken damaliger Zeit gemein und zeugt uoch mehr als
alles Ucbrige für das hoho Alter unserer Anlage.
R. Theune.
*> BcKhrri bong und Uearhklil« dar 'SrWiinUich« tu QuedUnburg Ton
Kugltf und Kuck«. Ui'rlln ISüS bei Gropiui.
Digitized by Google
1. Zinsen und Reparaturkosten T/, des An-
lagekapitals 490000 Tlilr.
2. Für Ausbaggern, beziehungsweise Auskarren
des eingetriebenen Sandes jährlich pro Meile
10O0 Thlr. oder 70000 „
3. Gehalt für 27 Wehranfseher mit Rücksicht
aaf deren zu anderen Arbeiten verwendbar»
freie Zeit, besonders im Winter a 800 Thlr. 8100 .
4. Lohn für 27 pennanente Hilfs -Arbeiter
ä 150 Thlr 405t) .
5. Für extraordinaire Hilfe beim Aufrichten
und Niederlegen der Wehre abrundend . . 850
Summa Ausgaben . . . 573UtKTThhT
Die Oberechlesiscbe Eisenbahn von 36,15 Meilen Länge
hat im vorigen Jahre 1092,7 Millionen Zentnermcilen, oder
pro Meile rund 30 Millionen Zentner Güter befördert. Die
Fracht hat durchschnittlich 1,73 Pf. pro Zentnermeile, im
Minimum für Roheisen 1 Pf., für Steinkohlen 1,49 Pf. be-
tragen. Wie im Folgenden gezeigt werden wird, kann die
Schiffahrt bei einer durchschnittlichen Fracht von 0,0 Pf.
pro Zentnermeile noch sehr reiche Erträge gewähren. Es
ist also anzunehmen, dass ein Theil der Frachten von der
Oberschlesischen Eisenbahn auf die OderschifTahrt übergehen
würde. Hinzukommen würden Kohlen nach Stettin und Um-
gegend. Steine, Ziegel, Holz etc. in grossen Massen. Von
merkantilischen Autoritäten wird angenommen, dass der
Schiffahrtsverkehr unterhalb Breslau noch bedeutender als
oberhalb dieser Stadt sein würde. Hiernach wird die An-
nahme eines Schiffahrtaverkehrs von 20 Millionen Zentnern
pro Meile auf dem vertieften Oderstronic uicht zu hoch ge-
griffen erscheinen. Es ergiebt sich also, dass eine Schiff-
falirtsabgahc von 0,15 Pf. pro Meilenzentner genügen würde,
das Anlagekapital zu verzinsen und die Unterhaltungskosten
zu decken.
Es soll nun untersucht werden, in wie weit der Scbiff-
fahrtsbetrieb im Stande sein würde, bei dem angenommenen
Frachtsatz von 0,6 Pf- pro Zentnermeile die Abgälte von
0,15 Pf. zu tragen. Selbstredend kann dabei nur ein auf
der Höhe der Zeit stehender Schiffahrtslietrich, also derjenige
mit Dampfsebleppcrn am versenkten Tau, in Betracht gezo-
gen werden.
Es wird angenommen, dass von den 20 Millionen Zent-
nern Güter 2 Millionen Zentner durch gewöhnliche Oder-
kähne und 18 Millionen durch eine regelmässig betriebene
Tauschleppschiffalirt befördert werden. Ferner wird ange-
nommen, dass dieser Schiffahrtsbetrieb von Cosel bis Stettin
ausgedehnt wird, also auf rund 90 Meilen Länge staltfindet.
Jede Hin- und Rückreise eines Schleppzuges wird ungefähr
18 Fahrtage in Anspruch nehmen. Im Jahre können aus-
schliesslich der Sonn- und Feiertage 220 eisfreie Fahrtage
gerechnet werdeu. Mithin kann jeder Schleppzug im Jahre
12 Reisen maehen. Werden Schleppschiffe beschafft, welche
7 mit je 5lX)0 Zentnern beladene Kähne ziehen können, und
wird angenommen, dass die Lastkähne durchschnittlich auf
der Thalfahrt zu »>, auf der Bergfahrt zu ihrer Trag-
fähigkeit beladen sind, dass also ein Schleppzug auf der
Birg- und Thalfahrt zusammen 35000 Zentner befördert,
dann ergiebt sich, dass 43 Schleppzüge von je 7 Lastkähnen
erforderlich sind, um die angegebene Gütermasse fortzu-
schaffen. Werden noch ausserdem 35 Lastkähne beschafft,
welche, während die übrigen unterwegs sind, beladen und
entladen werden, und werden endlich zur Reserve noch 7
Schlepper und 64 Lastkähne gerechnet, so sind im Ganzen
anzuschaffen und zu unterhalten:
50 Dampfschiffe und
400 Lastkähne.
Hiernach ergeben sich folgende Anlage -Kosten:
A. Fahrzeuge:
50 Dampfschiffe a |. r HHK> Tlilr. - . 750000 Thlr.
400 Lastkähne a 2500 Thlr 1000000 ,
B. 180 Meilen Drahtseil ä 6000 Thlr. . Iohoooo .
C. Betriebsgebäude, Aiilagestellen,
Krahne. Pateruosterwerke, Winter-
häfen und Reparaturwerkstätten für
abrundend . . 1 170000 .
Summa Anlagekosten . . . 4000000 Thlr.
Dazu Betriebs -Kapital ■ . . 5 0t KHK) „_
Summa . . . 4500000 Thlr.
Es werden betragen:
1 Die jährlichen Einnahmen:
1. Fracht nach Abzug der Stromgefälle und
ohne Ladekosten und Speditionsgeliühren
(welche nach den Selbstkosten besonders
erhoben werden), von 18 . 90 — 1620
Millionen Zentnermeilen ä 0,45 Pf. .... 2025000 Thlr.
2. Für Srhleppen fremder Kähne 500 Reisen
ä 90 Thlr . . 45000 »
Summa . . . 207lHXKrThlr.
II. Die jährlichen Ausgaben:
1. Unterhaltung und Erneuerung der Fahr-
zeuge 8V. von 1750000 Thlr 140000 Thlr.
2. Unterhaltung und Erneuerung der Draht-
seile 15t; von 1080000 Thlr 162000 „
3. Unterhaltung der Betriebsgebäude, Be-
triehsvorrichtungen, Häfen etc. 1 % von
1170000 Tlilr 11700 „
4. Gehälter:
a. 1 Oberingenieur 5000 Thlr.
b. 3 Betriebsinspektoren . 1MKK) „
c. 1 Obermaschinenmeister 3000 „
d. 1 Maschinenmeister . . 20O0 r
e. 50Scliiffsführera400thl. 20000 .
f. 50 Maschinisten ä 300 , 15000 _
g. 800 Matrosen ä 200 „ 1CO0OO , 214000 „
5. Kohlen und Schmieröl für 45 . 220 = 9900
Fahrtage ä 5 Thlr 49500 „
6. Versicherung 12000 „
7. Abgaben ^ 40000 B
8. Direktion und Verwaltung der Stationen 70000 „
9. Insgemein für Unfälle etc ■ ■ 70800 „
Summa Ausgaben . . . 770000 Thlr.
Die Einnahmen betragen . . 2070000 „
Bleiben Ueberschuss 1300000 Thlr.
Dies giebt für 4,5 Millionen Anlage- und Betriebs -Kapital
beinahe 29*,; Dividende. Die Abgabe von 0,15 Pf. pro
Zentnenneile kann also von der Schiffahrt sehr leicht ge-
tragen werden.
Wollte eine Gesellschaft nicht darauf warten, dass der
Staat das Fahrwasser ausbaut, sondern selbst diesen Aus-
bau in die Hand nehmen unter der Bedingung, dass ihr ge-
stattet würde, von fremden Schiffern die berechnete Sehiff-
fahrtsabgalK; von 0,15 Pf. pro Zentnermeile zu erheben, danu
würde sich auch hierbei norh ein sehr hübscher Ertrag
herausstellen. Das erforderliche Kapital würde 1 1 '. » Millio-
nen Thaler betragen. Hiervon könnten 3',» Millionen als
fünfprozentige Prioritäts- Aktien ausgegeben werden, so ilasw
das Gesellsehafts-Kapital 8 Millionen 1 haier betragen würde.
Dann ergeben sich:
I. Einnahmen.
1. Wie vorher berechnet 2070000 Thlr.
2. Gefälle für 20 . 90= 1800 Millionen
Zentnerraeilen von eigenen und frem-
den Schiffen u 0,15 Pf. 750000
Summa Einnahmen 2820000 Thlr.
II. Ausgaben.
1. Für Unterhaltung der Wasserwerke
excl. Verzinsung des Anlagekapitals 223000 Thlr.
2. Betriebsausgaben 770000 „
3. Zinsen für 3' s Millionen Thaler Prio-
ritäts-Aktien ä 5% _. 175000 -
Summa Ausgaben \ 168000 Thlr.
giebt Ueberschuss 1652000 Thlr.
oder für 8 Millionen Gesellschaft -Kapital 20,6 % Dividende.
Obwohl dies mehr ist. als die meisten der grösseren,
neu gegründeten Unternehmungen liefern, wird sich doch
schwerlich eine Gesellschaft finden, welche die erforderlichen
grossen Summen an die Schiffharmachung der Oder wagt,
weil ein solches Unternehmen dnreh die Nutzlosigkeit der
bisherigen Rcgulirtingshauten gar zu «ehr in Misskredit ge-
kommen ist. Herr Graeve hätte sich deshalb die Mühe
sparen können, in dem erwähnten Aufsatze die Frage zu
erörtern, ob der Staat den Ausbau des Fahrwassers einer
Privatgesellschaft überlassen darf oder selbst ausführen muss.
Diese Frage wird nicht sobald nn den Staat herantreten.
Wie unzweckmässig aber die prinzipielle Verweigerung der
Konzession zur Vertiefung des Fahrwassers sein würde, er-
giebt sich ans der Erwägung, dass nicht leicht mehr als
einer Gesellschaft die Tauschleppschiffahrt gestattet werden
könnte und dass die Ausgabe von 7 Millionen Thalern für
den auf Staatskosten bewirkten Ausbau des Fahrwassers
hauptsächlich dieser Gesellschaft zu Gute kommen würde,
weil der Staat nach volkswirtschaftlichen Grundsätzen an
dem möglichen grossen Gewinn des Wasser -Transportge-
schäftes durch Erhebung hoher Schiffahrtsgefälle nicht Theil
nehmen darf. Der Staat würde also jedenfalls klüger thun,
jene Ausgabe einer Privatgesellschaft zu überlassen, wenn
sich eine solche zur Ausbeutung des Transportgeschäftes
Digitized by Gock
— 303 —
wider Erwarten dennoch bilden und um die Konzession dazu
bewerben sollte. Uebrigens möchte unter allen Umstünden
der Nutzen, welcher dem Staate aus der Vertiefung des
Fahrwassers durch den Aufschwung vieler Gewerbe in Folge
der bedeutenden Frachtermässigung erwachsen müsste, sehr
gross sein. Ausserdem würde der Staat jährlich die grossen
Summen ersparen, welche jetzt für die Unterhaltung de«
Fahrwassers ausgegeben werden. Deshalb dürfte ein auf
den Ausbau des Fahrwassers gerichtetes Unternehmen nicht
nur anstandslos zn gestatten, sondern sogar möglichst zu
fördern und durch Gewährung einer Prämie zu unterstützen
sein, damit der Frachtsatz noch mehr ermässigt werden kann,
als oben berechnet war.
Möchten diese Zeilen dazu beitragen, das nützliche Un-
ternehmen auf ein oder die andere Weise ins Leben zu
rufen.
Oppeln, Ende August 1872.
Albrecht.
Die Anwendung des Papiers für technische Zwecke, obwohl
seit Einführung der Dachpappe und Asphaltpapier- Präparat*
Bchon längst eingebürgert und vorgeschritten, hat bei uus noch
nicht die Ausdehnung erreicht, die sie in Amerika genommen
hat, wo mau Kiseubahnwageurfider aus Papiermasse, die in Stahl-
reifen eingepresst wird, hergestellt bat — geschweige denn, dass
wir in dieser Beziehung auf der Hübe von China und Japan
stehen, wo das Papier bekanntlich eine geradezu universelle
Verwendung findet Vielleicht ist eine neue Erfindung, über
welche wir den nachstehenden Bericht der technischen Beilage
der Wiener N. fr. Presse entnehmen, dazu bestimmt, in dieser
Beziehung Umwälzungen anzubahuen; jedenfalls halten wir den
Gegenstand für interessant genug, um unsere Leser von ihm
Notiz zu geben.
.Der täglich wachsende Bedarf an Papier hat bekanntlich
schon seit längerer Zeit zur Verwendung von Ersatzstoffen für
Lumpen geführt, wie sie in diesem Maasse früher nicht vorge-
kommen war. Stroh, welches soust nur zu Packpapier gebraucht
worden, wird gegenwärtig selbst für bessere Papiersorten ver-
wendet, und England, das sich vorzug«wcise auf das dort durch
billige Fracht zugängliche Espaitogras warf, hat schon iniJahre
nahezu l' i Millionen Zentner und im Jahre 1S70 über 2
Millionen Zentner von diesem eingeführt. Das wichtigste Er-
satzmittel der Lumpen ist aber in neuerer Zeit das Holz gewor-
den, seitdem es durch die von Völler in Heilbronn konstruirte
Molzschlcifmaschiue möglich geworden, es in seine feinsten Fa-
sern zu zerlegen. Zahlreiche Fabriken sind seitdem entstanden,
wei he nur Holzstoff für die Papierfabriken erzeugen und eine
groi a Erleichterung für alle papierverbrauchendc Geschäfte, ja
für das ganze Volk bilden.
Die Verwandlung des Holzes in seine Fasern auf mechani-
schem Wege erfordert viul Kraft, der Zeug muss ausserdem
durch Mahlen vollends klein gemacht werden, wodurch er aher sehr
au Haltbarkeit verliert; es sind deshalb schon seit mehren
Jahren wiederholte Versuche gemacht, dus Holz auf chemischem
Wege zu zerlegen, und war hiebe i das Verfahren von Sinclair
und Tessie du Mothay auch vun praktischem Erfolge begleitet.
Dieses Verfahren beruht auf der Anwendung uines sehr hohen
Druckes — bis M Atmosphären — unter Einwirkung einer
starken Sodalauge. Das bleichen geschieht wie bisher durch
Chlorkalk. Mau gewinnt uus Nadelholz von 20 Prozent Wasser-
gehalt ungefähr ein Drittel Stoff, hat also zwei Drittel Abgang
an Holz; von Laubholz hat man weniger Abfall und braurht
auch weniger Soda und Chlor, namentlich bei Espen, die den
weissesten Holzstoff liefern. Das Misslichc bei diesem Verfah-
ren ist, dass ein bedenklich bober Druck nothweudig ist und
dass der Zeug doch noch gemahlen werden muss, also immer
nicht die Festigkeit von Lunipenzeug hat: auch reicht der
Druck doch nicht aus, um die Fasern vollständig zu losen und
unversehrt zu erhalten. Letzteres scheint uuu dem deutschen
Chemiker Ungercr gelungen zu sein, welcher, der Struktur
und dem Verhalten der Fasern den genannten Mitteln gegen-
über näher nachforschend, endlich das Gesetz gefunden hat,
nach dem die Auflösung vor sich gehen muss. Derselbe braucht
in Folge dessen nur 5 bis t> Atmosphären Ueberdruck, die
Hälfte Soda und nur den fünften 'I heil Chlor, letzteres aus dem
Grunde, weil die Inkrustationen des Holzes besser gelöst wer-
den und dasselbe deshalb leichter zu bleichen ist.
Eine für !>0 Zentner tägliche Produktion eingerichtete Fa-
brik lür Ccllulosc- Papier nach Ungerer's Verfahren ist bereits
im Bau und soll in ürei Monaten eröffnet, zwei andere sollen
demnächst in Angriff genommen werden. Welche Bedeutung
diese Erfindungen haben, ist daraus zu erkennen, dass nach
den bisher vorliegenden Angaben die Herstellungskosten nach
dem Verfahren von Sinclair und Tessi£ um fast ein Drittel, nach
jenem von Ungerer sogar um die Hälfte gegen die mechanische
Bereitung vermindert werden. Der Wettbewerb von Fabriken,
welche nach Ersteren arbeiten, fängt deswegen schon an, sich
geltend zu machen. So haben beispielsweise belgiscbo Fabriken
trotz eines ZoIIcb von zwei Gulden die Panierpreise am Bhcin
schon bedeutend gedrückt. Die einheimischen Anstalten werden
daher suchen müssen, möglichst rasch nachzukommen, um nicht
dauernd Schaden zu leiden, und es ist namentlich wünschens-
wert)), dass diese an sich vortreffliche Erfindung nicht unter
dem Grüudungbllcber unserer Zeit begraben, sondern von guten
Unternehmern gehörig ausgenützt werde.
Das Verfahren Ungerer's gewinnt dadurch noch an Bedeu-
tung, dass es nicht beim Papier stehen bleibt, sondern über-
haupt alle Pflanzenfasern , auch die zum Spinnen geeigneten,
löst. Mao dürfte deshalb künftig Flachs oder Hanf kaum mehr
brechen, rösten, schwingen etc., sondern ihn mittels des Uu-
gerer'scben Verfahrens in so feine Fasern zertheilen, wie es auf
mechanischem Wege nicht möglich ist. und zwar ohne weitere
Zurichtung als in einem Mischhollänucr. Ebenso braucht Un-
gerer's Holzzeug nicht gemahlen zu werden; es wird daher nicht
blos die dafür nöthige kraft gespart, sondern auch die Haltbar-
keit des Papieres erhöht. Der Zeug ist so fest, dass eine Bei-
mengung von Haderuzcug unnöthig ist. Es leuchtet ein, dass
diese Erzeugungs-Methode einen gewaltigen Einfluss auf die
ganze Papier-Fabrikation, namentlich aber auf den Lumpenhau-
del äussern muss.
Ein weiteres beachtenswerthes Interesse für die Industrie
bietet die Cellulose dadurch, dass sie von Kupferoxyd-Amniouiak-
Flüssigkeit mit grosser Leichtigkeit aufgelöst und hierdurch ge-
eignet wird, verschiedene Produkte zu liefern, die vielfache
praktische Verwendung finden können. Dur Eugineer giebt
hierüber folgende Angaben: Lässt man leinene Lumpen oder
Holzsägemchl in Kupfcroxyd-Amnioniak vollständig auflösen und
sodauu die Flüssigkeit gänzlich austrocknen, so erhält man ein
halbdurchsichtiges Ulas, welches bis jetzt keine Verwendung ge-
fundi'ii. Bei theilweiser Aullösung jedoch , wo den Fasern ihre
Form und ursprüngliche Anordnung noch belassen wird, und
wobei sin blos zusammengekittet werden, erhält mau eigenthüm-
lichc Produkte. Wenn man beispielsweise ein Papierblatt blos
einen Augenblick in die Kupferoxyd-Ammoniak-Flüssigkeit ein-
taucht, dann zwischen zwei Walzen bringt und trockuet, so wird
es für Wasser vollkommen undurchdringlich; ja es verliert so-
gar bei der Siedu - Temperatur seinen Zusammenhang nicht.
Zwei Papierblättcr ebeuso behandelt und zusauinicngcwalzt haften
vollständig an einander und bilden nur Eiueu Körper; durch
ähnliche Behandlung von einer grösseren Anzahl von Papier-
blättern kann mau Uolztafelu bis zur Dicke eines Brettes er-
zeugen. Mit Geweben, Leinwand in Stücken, welche in der
Breite aufeinander gelegt sind, erhält man sehr dehnbare Ge-
genstände von grosser Kohäsiouskraft; man kann auch Lein-
wand und Papier abwechselnd aufeinander legen und erhält so
Gegenstände, welchen bei gleicher Dicke keiu Holz an Festig-
keit gleichkommen kann.
Eine Dachdeckung mit solchen Blättern wäre für Wasser
und Wind undurchdringlich; sogar eine aus sechs Doppelbogen
grauen Papiers hergestellte und dann mittels des Walzwerkes
zusammengepreßte Probe erwies sich als Bedachungsmaterial
hinreichend zäh und fest und widerstand allen Einflüssen der
Witterung. Dieses so erzeugte Material lässt sich wie Töpfer-
thon formen und zur Fabrikation von vielerlei Gegenständen,
als^tungsröhren für Wasser, Gas, ,« Hüten. Kleidungsstücken,
I flirr eine neue Idee » Lösfhrtrrichtingea für Theater.
Unter dem vorstehenden Titel veröffentlicht Hr. Architekt
Joh. K. von Schruädel zu Müucheu in No. 18 bis 21 der in Stutt-
gart erscheinenden Deutschen Feuerwehrzeitung einen inter-
essanten Aufsatz. Gern entsprechen wir dem Ersuchen, unserem
Leserkreise über den betreffenden Vorschlag Bericht abzustatten
uud ihn auf die Wichtigkeit des Gegenstandes hinzuweisen.
Der Verfasser entwickelt im Anschlüsse an die bekannte,
durch den Wiener Ingenieur Hrn. Aug. Fölsch herausgegebene
Brochüre: „Ucber Tucaterbrände etc., dasH die baulichen Vor-
kehrungen gegen eine Fcucrsgcfahr in Theatern, wie sie in um-
fassendster Weise beim Bau des neuen Opernhauses in Wien
augewendet worden sind, zwar einen hohen Grad der Voll-
l, dass hingegen die eigentlichen
Löschvorrichtungen, durch welche ein eiumnl ausgebrochener
Brand bewältigt werden soll, noch immer so mangelhaft sind,
dass mit der Entstehung uines solchen das Schicksal eines
Theaters so ziemlich besiegelt ist. Auch die Löschvorrichtungen
des Wiener Opernhauses, obwohl in ihrer Art noch immer die
vollkommensten, sind als durchaus uugenügend zu bezeichnen.
Sie besteben uämlich darin, dass zu beiden Seiten des Bühuen-
raums je neun übereinanderliegende feuersicher überwölbte Kor-
ridore angeordnet sind, aus denen schiessschartenartige, für ge-
wöhnlich mit eisernen Klappen versehene Oeffoungen nach dem
Bühuenraume münden; ein System von Bohrleitungen und
Feuerwechseln, an welche ein Schlauch mit entsprechendem
Mundstücke angeschraubt ist, ermöglicht es, die Bühne durch
jene Oeffnungen aus dem Vorrat he der drei grossen, unter Dach
angebrachten Löschreservoirs, welcher eventuell aus den vier
kleineren Nutzreservoirs von 200 auf 3840»' gebracht
Digitized by Google
r>04 —
kann, mit kräftigen Wasserstrahlen zu Wut reichen. Das Mangel-
hafte dieser Einrichtung wird darin gefunden, das« für gewöhn-
lich wohl die Hälfte dieser Löschscharten durch Versetzstücko
u. s. w. vollständig verstellt ist. Die Anfüllung des gefährdeten
Räumen durch die an der Decke aufgehängten, höchstens (>,. r > ra
von einander entfernten Vorhänge macht denselben in dem
obersten und gerade gefährlichsten Theilo für einen aus der
Loschscharte operirenden Feuermann auch so unübersichtlich,
clans es fast ein Zufall sein müsste, wenn es diesem gelingt,
sofort, ehe der ganze Kaum mit dichtem yualni gefüllt ist, den
Entstchungsort des Feuers zu eutdeckeu und diesen mit einem
Wasserstrahle zu treffen.
Sehr viel schlimmer ist jedoch noch die Lage der meisten
anderen Theater, in denen sich eiue Löschvorrichtung, wie die
des Wiener Opernhauses, nicht beiludet und nachträglich wohl
auch nicht anbringen Besse. Die ganze Sicherung gegen Feuers-
gefahr besteht hier gewöhnlich in einigen gegen das K-uer selbst
nicht geschützten Feuerwechseln, an weirhe Schläuche ange-
schraubt werden können, und in den betreffenden Handspritzen;
die Möglichkeit der Lhschung eines Urämie* setzt eine Opfer-
willigkeit des Löschpersonals voraus, die von Menschen nicht
verlangt werden kann.
Die gefährlichen Zustände, welche in dieser Beziehung auch
im Münchener Hoftheater obwalten, haben den Inspektor des-
selben, Hrn. Stehle, schon vor längerer Zeit veranlasst, über
ein anderes Prinzip nachzudenken, durch dessen Anwendung es
möglich wäre, den ganzen Uühuenraum mit einem entsprechen-
den W'asserquautum zu übergiesseu , ohne dass hierfür die im
Momente der Gefahr nicht immer sofort disponible Thätigkeit
einer bedeutenden Löschmannschaft uothwendig wird. Der
letzte Brand des Hoftheaters iu Darmstadt ist Ursache gewesen,
dass der Verwirklichung dieser Idee näher gerieten und Herr
von Schmädcl ersucht worden ist, Vorschläge über die prak-
tische Ausführung derselben zu machen.
Das betreffende Prinzip, welches darauf basirt, dass das
Material, mit welchem die Bühuenräume angefüllt sind, fast
durchweg aus dünnen vertikalen Körpern von grosser Breite,
(Vorhänge, Prospekte, Koulissen etc ) besteht, ist einfach folgen-
des: tn drei verschiedenen Höhenlagen, nämlich obeu über dem
Schnürboden, unter dem Schnürboden und unter dem Podium,
ein System horizontaler parallellaufender Köhren, die iu der un-
teren Hälfte siebartig durchlöchert sind, derart auzuordiien,
dass sie mit den Reservoirs in Verbindung gesetzt, im gauzeu
Kaum einen gleichmässig starken Ouss erzeugen müssen- Aehn-
liches iu Form von Krausen wird bereits bei Malzdarren auge-
wendet; das ganze System ist vor kurzer Zeit von Amerika aus
als Löschvorrichtung'für Wohnhäuser und Magazine, jedoch lange
nachdem Hr. Stehle seinen Plan sich abgedacht hatte, in
Vorschlag gebracht worden. Versuche mit Röhren von 5««
Weite, deren Durchlochuugcn 4""" im Durchmesser hatten, erga-
ben bei einer Höhenlage des Reservoirs über der Rohre vou
ü,30» und der Röhre über dem Fussbodeu vou l,. r >» einen Guss-
regen von nahezu 4™ Breite: k-i 2» Kohrlänue wurde iu der
Minute ein Wasserverbrauch von etwas mehr als 1'" erforderlich.
Es ergiebt sich hieraus, dass Röhren in etwa 3™ Entfernung
von einander und unter dem Schnürboden in etwa 2» Höhe über
flen Stricken der Vorhänge und Prospekte angebracht, vollkom-
men genügen würden, um den ganzen Bühneuraum mit einem
gleicbmässigen Regen zu übergiessen und dass bei den Dimen-
sionen des Münchener HoftheaterR der Inhalt der gegenwärtig
vorhandenen Reservoirs im Betrage von etwa 200U HI bei gleich-
zeitigem Arbeiten des Pumpwerks genügen würde, diesen Regen
eine Viertelstunde andauern zu lassen, was sicherlich ausreichen
würde, um einen nicht allzuweit vorgeschrittenen Uraud voll-
ständig zu loschen.
Die speziellen durch eine Anzahl von Holzschnitten erläu-
terten Untersuchungen des Hrn. Verfassers beziehen sich auf
die Detail-Anordnung der betreffenden Röhrcnsysteiue, nament-
lich auf die Frage, von welchem Punkte des Theaters aus und
wie dieselben iu Thätigkeit zu setzen wären. Er entscheidet
sich dafür, dass dieses vom Niveau des Bühueupodiums, als
dem für die Löschmannschaft praktikabelsten, durch einfaches
Oeffuen von Wechseln geschehen müsse, so dass nach Belieben
der ganze oder nur ein Thcil des gefährdeten Kühnenraums
unter Wasser gesetzt werden kann; das Wasser muss zu diesem
Rehufo durch Fallrohre aus den Reservoirs in ein im Niveau
des Bühnenpodiums liegendes Sammelrohr und von diesem durch
Slcigerohrc in da* oberhalb liegende Löschrnhr-Systeni geleitet
werden. Auf dieses Detail, das je nach Beschaffenheit des Thea-
teis und je nach Vorhandensein einer disponiblen städtischen
Wasserleitung von entsprechender Druckkraft Modifikationen
unterliegen wird, brauchen wir näher wohl nicht eiuzugehen.
Jeder Techniker dürfte eiue solche Anordnung, die sich auch
an den meisten vorhandenen älteren Theatern wird
einrichten lassen, mit Leichtigkeit treffen können. Da der
Wasserdruck der im Dach untergebrachten Reservoire wohl für
die Löschröhren unter dem Schnürboden und unter dem Podium,
schwerlich aber für die oberhalb des Schnürbodens ausreichen
dürfte, da es sich ferner schon als eiu verhängnisvoller l'ebel-
stand herausgestellt hat, dass der Zugang zu deu im Dachboden
eines Theaters befindlichen Wasser- Reservoirs während eines
Brandes gesperrt war, so empfiehlt Hr. v. Schmädel, neu anzu-
legende Theater, wenn irgend möglich, mit einer Art von Was-
selthurm zu versehen, der von de
hoch genug ist, um einen für alle Theile des Hauses genügen-
den Wasserdruck zu ermöglichen. Ein Uautheil übrigens,^ der
für die schon gegenwärtig so komplizirte äussere Erscheinung
eines Theaters ein neues originelles Monument hinzufügen
würde.
Das« die erörterten Vorschläge bei den so zahlreich beste-
henden und noch mehr bei den im Kau begriffenen deutschen
Theatern volle Beachtung verdienen, dürfte wobl ausser Frage
stehen : der Verfasser, welcher das System vorläufig noch keines-
weges als ein fertig abgeschlossenes betrachtet, sondern nur
die Grundlage zu weiteren Versuchen gegeben haben will, erbittet
für dasselbe die Mitwirkung und Unterstützung aller Fach-
männer. Möge ihm dieselbe zu Theil
Personal - Nachrichten.
Preus sen.
Ernannt: Der Baumeister II ottenrott zu Magdeburg; zum
Eiseiibahn-Kaumeister an der Kergisch-Märkischen Eisenbahn in
Elherfeld. Der Kreisbaumeister Sioumann in Deutsch -Crom»
zum Hau-Iuspektor in Frankfurt a. M.
Versetzt: Der Kreis-Kaumeister Zacher in Lötzeu nach
Marggrabowa. Der Bau-Inspektor Pavelt vou Kiel nach Frank-
furt a. M.
Brief- und Fragekasten.
Hrn. H. in Köln. In Betreff der von Ihnen gestellten
Frage, in wie weit Techniker sich zur Reserve des Eisenbahn-
Bataillons versetzen lassen können, sind erst neuerdings Be-
stimmungen erlassen worden. Da der Gegenstand für nicht
wenige Fachgenossen , die sich noch im Militär-Verhältnis« Ih>-
fiuden, von grossem Werth ist, so geben wir nachstehend einen
Auszug aus der betreffenden Kabiuetsordre de* deutschen Kai-
sers- Durch dieselbe wird genehmigt, dass bis auf Weiteres
sfimmtliche Mannschaften des Ueurlaubtcnstandcs, welche, be-
ziehungsweise so lauge sie bei Staats- oder Privat-Eiseubahuen
im Bau- resp. Betriebsdienst angestellt sind oder als ständige
Erofessionellc Arbeiter desselben fungiren, zur Reserve resp.
.andwehr des Eisenbahn -Bataillons übergeführt werden. Den
Anträgen des Chefs des Generalstabs der Armee, bezüglich Ver-
setzung geeigneter Offiziere des Beurlaubtenstandes von an 'ereu
Waffen zur Reserve, beziehungsweise Landwehr zum Eisenbahn-
Bataillon wird entgegengesehen werden. Gleichzeitig ist bestimmt
worden, dass die Befugnis« zur Anerkennung der für den Mobil-
machungsfall als unabkömmlich bezeichneten Beamten und stän-
digen Arbeiter, sowie die Entscheidung auf etwaige Reklama-
tionen gegen die Einberufung von Offizieren und Mannschaften
des BcurluubteustandoH des Eisenbahn -Bataillons zu Uebunga-
zweckeu auf deu Chef des Gencralstabs der Armee übergeht.
In Ausführung dieser Ordre hat der Kriegs-Minister angeordnet,
dass die Ueberfübrung der betreffenden Mannschaften zur Reserve
und Landwehr des Eisenbahn - Bataillons zum I. Oktober d. J.
erfolgt. Ausgenommen siud die Eisenbahn- Beamten der be-
diensteten Kategorien, Gepäckträger, Kanzleidicner etc., sowie
die Erdarbeiter, welche nach wie vor dem Ueurlaubtcnstande
ihrer Waffen angehören. Die Beurlaubten des Eisenbahn-Batail-
lons sollen in den Stammlisten besonders, und zwar nach Maass-
übe ihrer früheren Waffen in leicht übersichtlichen Unterabthei-
ungen geführt werden. Scheidet ein Beamter oder ständiger
professioneller Arbeiter aus dem Eisenbahndienste aus, so wird
er in der gedachten Stammliste gebucht nnd derjenigen seiner
früheren Waffe zugeschrieben. Ferner sind die Modalitäten ge-
ordnet, unter denen dem Chef des Gennralstabs der Armee Nach-
üher die Offizien» des Hnnrlauhtenstandea zu liefern
welche im Eisenbahndiensto sich befinden. Die Bestim-
mungen über die Uniform der Offiziere sind vorbehalten. Die
Zahl der Reserve- und der Landwehr- Offiziere des Eisenbahu-
Kataillons wird durch den Offizierbedarf Tür den Mobilmachuugs-
fall begränzt. Der Chef des Gencralstabs der Armee bat auch
die Entscheidung über die Reklamationen der nicht zum Bcur-
laubteDStandc des Eisenbahn- Bataillons gehörigen Offiziere an-
derer Waffen, sofern und solange dieselben im Eisenbahndienste
angestellt sind. Ebenso siud diejenigen zu den Mannschaften
des Keurlaubtcnstaudes des Eisenbahn-Bataillons gehörigen Eisen-
hahnbeamten, welche für die Zwecke der Feld-Eis
tion keine Verwendung linden, beziehungsweise nicht für
kömmlich erklärt werden, nach Befinden des Generalstabs-Cbefs
der Armee, den beimathlichen General-Commandos Behufs even-
tueller Verwendung als F'eldbeamten zu überweisen.
Hrn. K. in R. Das betreffende Gutachten wäre zunächst
wohl direkt bei der von Ihnen in Aussicht genommenen Persöu-
lichkeit zu erbitten. Auf welchem Wege es als offizielle Aeus-
serung zu erlangen wäre, können wir nicht beurtheilen, da wir
nicht wissen, ob die Verhältnisse so liegen, dass anders als im
Wege des Prozesses überhaupt eine weitere sachverständige In-
stanz angerufen werden kann.
Abonnent E. W. Die Luftexpansions- Maschinen nach
W. Lehmann'* Patent sind uns von Maschinentechnikern warm
empfohlen worden. Ob Bie für einen bestimmten Fall einer
Dampfmaschine vorzuziehen sind, kann ohne Kenntnis» der nä-
heren Verhältnisse nicht wohl hcurtheilt werden und werden
Sie wohl thun, sich dicserhalb an einen Spezial • Fachmann zu
Ii— lnlmuwm MM C>fl Vr«llu im Dir»».
Digitized by Google
Jahrg. IL X. 38.
DEUTSCHE BAUZEITUNG
Organ des Verbandes
deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine.
Redaktion u. Iir editiwi*.
Berlin. OruienMru» 101.
ikmiehaMo Hl. rmuniialtra
«nd Buchkuidrtngrn,
tut Ucrtin die KifcdiUM.
Redakteur Z. £. 0. Frisch.
Inierlt»
tu dir Lricr der «nUch.li
H tu irllüaj Inden Aufnth.nr
im arr l,r«|i»-Hrl:nr:
_Btn- Anxeljror"
InurHoairnU: SV, »•»■ l>ro
Frei* 1 Thaler pra Quartal.
Berlin, den 19. September 1872. Ers*
hf int jeden BannrrstaR.
rem für ilM N»llon.l ■ lHnkmtl auf <l<m Siede
i. (Fort.««.»»«.) - Di. Konkur-
rnl(L - LufiMtuuiten in »er-
InK*ri.e«r.Vrr*iD zu lUnuoVcr. — Architekt
»AiaDDluug d*uUch«r Arcfattfllu»* und ln Ä «n
rnV,„,|l. .n Htrlln. - XVI. Ver
Lur. tu CtrUruhc. - PeriontI-
Wesentliche Umgestaltungen auf
Preussisehen Stantsbauweseus, nnd mit ihnen die dritte, Iiis
zur Gegenwart reichende Entwickelungs-Periode desselben,
wurden durch die politische Bewegung des Jahn« 1H4S ein-
geleitet Leider entbehrten dieselben nur allzusehr eines
inneren Zusammenhanges und einheitlichen Plans, so das*,
was in bester Absicht, zum Segen und zur Hebung des
Faches angestrebt worden war, theilweise in das gerade
Gegentheil umschlug.
Die Reform beganu mit einer veränderten Organisation
der Zentral -Behörden. Mit der im April 1848 crfol«tcn
Bildung eines Ministeriums für Handel, Gewerbe und offen t-
liche Arbeiten ging die Leitung des Staats - Bauwesens auf
dieses über und wurde demnächst in einer «Abtheilutig für
das Bauweseu und die Eisenbahn-Angelegenheiten* fest kou-
stituirt. Es war ein nicht zu unterschätzendes Zugeständ-
nis« an die Preussisehen „Banbedienten", dass die Direktion
dieser Abtheilung, welche seither bei der wachsenden Bedeu-
tung des Eisenbahnwesens in zwei selbststäudige Theile zer-
legt worden ist, einein Baulicamtcn, dein Uberbaudirektor
Müllin aiivurlcaut wurde; zum -traten Male wurde hiuruul
einem Techniker ein Amt verliehen, wie es vordem aus-
schliesslich den juristisch gebildeten Verwaltungsbeainten
vorbehalten war, wie es weder Schinkel noch Eytelwein
hatten erreichen können. Als technische Käthe der betref-
fenden Ministerial - Abtheilung wurden die bisherigen Mit-
Slieder der Über-Bau-l>cputatirm berufen, die in ihrer frü-
eren Gestalt, weil der Verwaltung und dem praktischen
Wirken zu sehr entfremdet , aufgelöst wurde. Soweit ihre
Funktionen idealer Natur waren, Repräsentation und För-
derung des Bauwesens in künstlerischer und wissenschaft-
licher Beziehung bezweckten und daher auch die Leitung
des Ausbildungsganges und die Prüfung der Staats -Bau-
beamten nmfassten, gingen dieselben auf eiüe neugcbildete
Korporation, die „technische Baudeputation " ttWr,
deren Mitgliedschaft neben den Ministerial -Baurätben, die
ihr als solche angehören, noch anderen küustlerisch oder
wissenschaftlich sich auszeichnenden Preussischen Baumeis-
tern als Ehrenamt verliehen werden kann.
Während diese erst im Dezember 1849 zum Absehluss
e brachten Aenderungen in der obersten Leitung des Staatü-
uwesens sich vorbereiteten, blieb es nicht unbeachtet dass
auch die Organisation der Bauverwullung in den Provinzen,
sowie die Einrichtungen des für die Baubeamten vorgeschrie-
benen AusbildiingKgangcs einer Itcform bedürftig seien. Mit
einer gewissen Hingabe an den Zug der Zeit, welche die
Mitwirkung des Volkes bei Berathung der für sein Heil zu
treffenden Maassregeln forderte, rief das Ministerium den
Architcktenverein zu Berlin sowie die Lehrer der Bauschule
zu gutachtlichen Aensserungen über die letztgenannte Frage
auf. Die Vorschläge des ersteren, aufgestellt vou einer Kom-
mission, der nehen den ersten Autoritäten auf ausdrücklichen
Wunsch des Ministeriums auch einige Studirende der Bau-
schule angehörten, Stellten sich auf einen ziemlich radikalen
Standpunkt; sie verlangten Aufhebung jedes Studienzwanges
und wollteu die Zulassung zur ersten Prüfung von einer
zweijährigen Vorbereitung unter Leitung eines Baumeisters
abhangig gemacht wissen; in Beireff der zweiten Prüfung
und der dciuniichstigcn Verwendung im Staatsdienst bezweck-
ten sie eine Trennung der Stnatshaubeamten nach drei
verschiedenen Fächern — in Laudbaumeister (Architekten).
Fabrikbaumeister (Maschinentechniken und Wasser- und
Wegebaumeistcr (Bauingenieure). Die Lehrer der Bauschule,
Das Preussisehe Staats -Bauwesen.
(Kor (Mtiung.)
allen Gebieten des ] welche für Studirende des Baufaches eine Realschulbildung
befürworteten, schlugen vor, an Stelle jener Vorbereitung bei
einem Baumeister den Besuch einer Vorschule als Bedingung
für Zulassung zu den akademischen Studien einzusetzen.
Die am 1. August 18 II* erlassenen „ Vorschriften für die
Ausbildung und Prüfung derjenigen, welche sich dem Bau-
)';n he widmen w , suchten augenscheinlich zwischen diesen
Anschauungen und den bisher gültigen Zuständen zu ver-
mitteln — wie es scheint nicht ohne die Absicht, damit
eine vorläufige L'ebergaugsstufe zu späteren weitergehenden
Reformen zu gewinnen. Die wesentlichsten Prinzipien der
Organisation von blieben hierbei unangetastet nnd nur
die Ausführung derselben wurde zeitgemäss modifizirt; gäuz-
lich verändert wurden allein die für den Eintritt in die
Staatsbaubeainten-Laufbabn gestellten Vorbedingungen.
Jedenfalls um damit die Grundlage für eine Gleichstel-
lung der Baubeamten mit den übrigen Staatsbeamten zu
schaffen, wurde ein entsprechendes .Maas* der allgemeinen
Schulbildung, die Reife aus der ersten Klasse eines Gym-
nasiums oder einer Realschule erster Ordnung, miuniehr
auch Sur diu Aspiranten des Itaulachx vorcesehrieben. Eine
vorherige Ausbildung und Prüfung als Feldmesser, die his-
torische Vorstufe des bautechnischen Fachstudiums, ward als
nothwendig nicht mehr angesehen; an Stelle derselben trat
die Forderung einer mindestens einjährigen praktischen
Thätigkeit unter Leitung eines oder mehrer geprüfter Bau-
meister.
Der bisherige schwerfällige Prüfungsmodus erfuhr eine
angemessene Vereinfachung. Eine erste Prüfung als Bau-
führer, welcher Titel bereits im Januar 1818 au Stelle der
unerfreulichen Bezeichnung .Bauzögling'* getreten war, sollte
sich .auf die gesummte wissenschaftliche und technische
Ausbildung, welche von den Baubeflissenen aller Richtungen
als die gemeinsame Grundlage der weiteren Studien zu for-
dern ist", sowie auf die Kenntnisse der Feldmesskunst er-
strecken ; für die Zulassung zu derelhcn war neben den
vorerwähnten Vorbedingungen noch der Nachweis eines min-
destens zweijährigen Fachstudiums erforderlich. Die zweit«
Prüfung als „Baumeister" blieb in eine Prüfung für den
Land- nnd Schönbau und in eine solche für den W r ege- und
Wasserbau gutheilt und bedingte für jede derselben eine vor-
hergehende zweijährige praktische Thätigkeit als Bauführer
nnd ein weiteres einjähriges Studium. Allerdings blieb auch
die Vorschrift bestehen, dass die Prüfung als Land- und
Wasserbaumeister für die Besetzung derjenigen Stellen erfor-
derlich sei, deren Verwaltung umfassende Kenntnisse vom
I,aud- und Wasserbau bedinge, ohne data jedoch wie früher
ausgesprochen war, dass dies auf alle Stellen vom Regic-
rungs- und Baurath aufwärts zu beziehen sei; für die Zulas-
sung zu dieser Doppelprüfung ward eine dreijährige prak-
tische Thätiirkeit als Bauführer und ein mindestens zwei-
jähriees Spezialstudium vorgeschrieben.
Eine gleichzeitige Reorganisation ward selbst verständlich
auch dem Unterrichts -Institute für die Staatsbanbeatnten zu
Theil. dessen Lehrplan dem veränderten Ausbildungsgange an-
gepasst wurde. Da das Studium auf demscllwn für dioZnlassuii';
zu den Staats-I'rüfungen nicht obligatorisch war und die frü-
here Nöthigung hierzu nicht mehr in gleichem Grade bestand,
so entschloss man sich, den vor 18 Jahren beseitigten alten
Namen „ Ba uakademic - * wieder aufzunehmen und definirte
als ihre Bestimmung, „denen, welche sich dem Banfache
widmen wolleu, Gelegenheit zur Ausbildung darzubieten.- 4
Zur Leitung der Austalt wurde eiu Direktorium eiugesetzt,
Digitized by Google
- 306
welchem neben dem vom Ministerium für Handel etc. er-
nannten Direktor zwei Mitglieder der Technischen (Ober-)
Bau -Deputation als Repräsentanten des Land- und Schön-
bau einerseits, des Wege-, Eisenbahn- und Wasserbaues
andererseits angehören sollen. —
Längere Zeit verzögerten sich die Reformen auf dem
Gebiete der Bau Verwaltung, wahrend es doch im Interesse
der Sache gelegen hätte, dieselben entweder gleichzeitig mit
der nenen Organisation de« Ausbildungsganges der Bau-
beamten oder sogar noch vor derselben zur Ausführung zu
bringen. Lebhaft war im Kreise der Baubeamten über die
zur Entscheidung kommenden Fragen diskntirt worden;
auch damals fanden zum Zwecke gemeinsamer Besprechung
und Verständigung über zu äussernde Wünsche und Forde-
rungen mehrfache Versammlungen der Beamten einzelner
Regierungsbezirke statt. Demselben Zwecke diente eine
Brochüren-Litteratur, in welcher vornehmlich eine even-
tuelle Trennung der beiden Zweige des Bauwesens verhan-
delt wurde. Mit sehr schwachen Gründen vertheidigte der
Wasscr-Bau-Inspektor Gärtner zu Stettin deren bestehende
Vereinigung im Studium und befürwortete dieselbe auch in
der Verwaltung durchzuführen, indem an Stelle der bis-
herigen Kiuzelbeamten für die getrennten Geschäfte des
Land-, Wasser- und Wegebaus Bauämter (bestehend aus
einem Baubeamten , einem Aktuar und dem nöthigen Auf-
seher-Personal) einzuführen seien, denen die gemeinsame
Verwaltung aller drei Angelegenheiten, jedoch in kleiueren
Baukreisen übertragen werde. Ihm entgegen befürwortete
der Land -Bau-Inspektor Manger zu Berlin im Interesse der
Baukunst die entschiedenste Trennung der Architektur
vom Ingenieurwesen; er schlug vor, die Angelegenheiten
des Hochbaus künftig überhaupt nicht mehr durch fest an-
gestellte Staatsbeamte bearbeiten zu lassen, sondern hier-
über je nach Bedürfnis? ein bestimmtes Abkommen mit
Privat- Architekten zu schlicsseu, jlencn er durch Erlass
einer Vorschrift, dass jeder Entwurf zu einem Neubau der
Unterschrift eines geprüften Baumeisters bedürfe, die Mög-
lichkeit einer Existenz zu schaffen gedachte. Für die An-
gelegenheiten der Baupolizei, des Wasser- und Wegebaus
wollte er die Verwaltung durch als Ingenieure geprüfte
Staats-Baubeamtc beibehalten und gleichfalls Bauämter ein-
geführt wissen, jedoch mit der Modifikation, dass einem
solchen neben dem älteren Baubeamten stets noch mehre
jüngere Baumeister zuzuweisen seien. — Alle Stimmen ver-
einigten sich jedenfalls dahin, dass die materielle Lage der
Baubeamten einer Aufbesserung dringend bedürfe.
Zu einer durchgreifenden Reform im Sinne der Manger'
Sehen Vorschläge und in weiterer Elitwickelung der seit
1831 durch die veränderte Studien- Einrichtung angebahnten
Zustände war es unter den politischen Verhältnissen, die
mittlerweile eingetreten waren, nicht mehr Zeit; als lähmen-
des Hinderniss für eine gründliche Besserung der vorhan-
denen Zustände stellte sich zudem die Notwendigkeit in
den Weg, mit dem für die Verwaltung des Staatsbauwesen*
bisher erforderlich gewesenen Kostcnaufwande auch weiter-
hin auszukommen. So kam es dahin, dass die im Laufe
des Jahres 1*52 durchgeführte neue Organisation der Bau-
Verwaltung in geraden Gegensatz zu jenen Bestrebungen
und im Wesentlichen auf den Standpunkt der GärtnerVficn
Vorschläge sich stellte. Die bisherige Trennung der Beamte
der Landbau-, Wasserbau- und Wegebau -Verwalturg wurde
aufgehoben. Wenn auch in den grösseren Städten, au den
schiffbaren Strömen und den Küsten, sowie in einzelnen Be-
zirken noch Stellen belassen wurden, deren Geschäftskreis
ausschliesslich oder doch ganz überwiegend einen dieser
Zweige des Fachs umfasste, so ward doch als Regel einge-
führt, dass die im Ressort einer Regierung für bestimmte
Bauhezirke angestellten Bau- Inspektoren oder „Kreishau-
m eist er- mit sämmtlichen Bau -Angelegenheiten ihres
Bezirks betraut wurden. Eine grosse Anzahl solcher Stel-
len wurde zu diesem Behüte neu kreirt. Ihre Besetzung
erfolgte, da ausschliesslich die theoretische, seinerzeit durch
eine Prüfung nachgewiesene Befähigung beachtet wurde, vor
Allem aber, da die bereits angestellten Persönlichkeiten doch
eine Verwendung finden mussten, zum grossen Theil durch
Beamte, die vordem — oft durch 20 bis 30 Jahre — alk in
dem Wegebau angehört hatten; mit welchem Erfolge soll
später noch erörtert werden. Von der Errichtung der vor-
geschlagenen . Bauämter *, welche die Anstellung ständiger
I Hülfskräfte und damit eiuige Mehrkosten erfordert hätten,
konute selbstverständlich keine Rede sein. — Für die Staats-
Eisenbahnen, die zu damaliger Zeit erst in den Anfang ihrer
seither so glänzenden Entwickelung getreten waren, wurde
eine gesonderte Verwaltung unter einzelnen dem Ministerium
für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten direkt unter-
stellten Direktionen eingeführt.
Dass neben einer solchen Organisation die für den Aus-
bildungsgang der Baubcaintcn getroffenen Einrichtuugen nicht
aufrecht erhalten werden konnten, dass vielmehr die alte,
noch in vielen Köpfen mit Vorliebe gehegte Vorstellung vou
der Notwendigkeit universeller Ausbildung für alle Bau-
beamten hierdurch einen wirksameren Schein der Berechti-
gung erhalten musste als jemals vorher, ist wohl selbstver-
ständlich. In der That hat sie nicht nur die Beseitigung
aller bisher errungenen Fortschritte zur Folge gehabt, son-
dern ist auch der Riegel gewesen, der allen ueueren Refomi-
Bestrebungen den Eingang gewehrt hat.
Nachdem bereits im Jahre 1852 die Vorschriften für die
Prüfung der Bauführer einen — wie später gezeigt werden
wird, sehr verhängnissvollen — Zusatz erhalten hatten,
welcher Art und Anzahl der bei der Meldung zur Prüfung
einzureichenden Zeichnungen, der sogenannten „Pcnsums-
blätter", auf das Genaueste bestimmte, wurde unterm 18. März
1855 ein verändertes Reglement für die Ausbildung und
Prüfung der Bautechniker des Staates erlassen.
In Betreff der Vorschriften für die Ausbildung bis zur
Bauführer-Prüfung stimmte dasselbe annähernd mit den bis-
herigen Bestimmungen überein; die zur völligen Gleich-
stellung mit den Aspiranten der alten Fakultäts-Wissenschatt
gestellte Forderung der Reife des Abgangs zur Universität
Die
Siedfrw.U.
Als unmittelbare Folge der grossen Zeit, welche wir
vor Kurzem durchlebten, ist den künstlerischen Kreisen des
Vaterlandes eine Fülle verwandter Aufgaben gestellt worden,
dereu gemeinsamer Grundgedanke es ist, in dauernder Form
an die Opfer die gebracht, an die Thaten die geschehen sind,
zu erinnern. Auf den Schlachtfeldern des Krieges, wie da-
heim in den Städten sind zu diesem Zwecke Denkmale be-
reits errichtet, oder noch in Ausführung begriffen, hergestellt
aus den Mitteln einzelner Truppentheilc, Stadtgemeinden oder
Provinzial -Verbfinde. Allerdings erheben sich diese Monu-
mente mit wenigen Ausnahmen nicht über ein bescheideneres
Maass, wie dies in der Art ihres Zustandekommens aus ver-
einzelter privater Initiative begründet liegt. Die für diesel-
ben disponiblen Mittel überschreiten selten die Summe von
2— 3000 Thalern und bei aller Theilnahme, welche man
diesen in der That allseitigen Bestrebungen offenbar nicht
versagen kann, lässt sich doch auch dariilier ein Bedauern
nicht unterdrücken, dass jene zahlreichen klein zertheilten
Mittel in einzelnen Fällen, wie z. B. auf dem Schlachtfelde
von Vionville, das nun wohl schon mit einem Dutzend der-
artiger Monumente bedacht ist, nicht zu einem grösseren,
imposanteren und darum auch dauerhafteren Ganzen zusam-
mengefügt worden sind.
Der Gedanke, der allerdings gleichfalls zunächst privater
Initiative entsprungen ist, in einem grossen, von der gc-
sammten Nation zu errichtenden Denkmale jene Ereignisse,
die Sicherung des deutschen Landes vor dem angreifenden
Feinde, die Errichtung des geein'gten Deutschen Reiches zu
verewigen, fand daher wohl allgemeine Zustimmung und An-
erkennung. Aui'h die Stelle, auf welcher das Denkmal sich
erheben soll, die prachtvolle Höhe des Niederwaldes am
Rhein, gegenüber dem Einflüsse der Nahe in denselben,
konnte nicht wohl glücklicher und bedeutsamer gewählt
werden und trug nicht wenig zur Popularität der Idee bei.
Ein Konkurrenz -Ausschreiben forderte die sämmtlichen
Deutschen Künstler zur Theilnahme auf. Hinsichtlich der
Bestimmungen über Idee und Form des Monumentes ganz
allgemein gehalten, beide ganz dem Ermessen der Konkur-
renten anheim stellend, wie dies füglich nicht anders sein
konnte, enthielt es nur eine Beschränkung, nämlich die
Höhe einer innezuhaltenden Kostensumme von 250000 Thlr.
Ich will von vornherein über diesen letzten Punkt meine
Ansicht aussprechen. Das Ergebniss der Konkurrenz zeigt
nämlich , dass der Bedeutung der Aufgabe, wie den Anteil-
forderungen, welche der Bauplatz stellt, gegenüber diese
Summe offenbar zu niedrig gegriffen ist Wenn sie auch
wohl die Höhe der Beiträge bezeichnen mag, welche durch
Sammlungen zusammenzubringen sind, so dünkt es mich,
dass gerade in diesem Falle es weniger dem Linzeinen als
der Repräsentation der ganzen Nation, dem Staate nämlich,
zukommt, ein derartiges Unternehmen zu fördern. Der Staat
allein — darüber mache man sich keine Illusionen und
denke an deutsche Flottensammlungen — besitzt zu solchen
Werken die ausreichenden Mittel. Er besitzt dazu auch
Digitized by Google
- 307 -
d. h. die Ausschliessung der bisher für zulässig erachteten
Rcalschnlbildung konnte gegen die vom Hause der Abgeord-
neten als berechtigt anerkannten Beschwerden der Real-
schulen nicht lange aufrecht erhalten werden. Eine nicht
unwesentliche Aenderung war es allerdings, dass für das
zweijährige Studium vor der Bauführer-Prüfung der Besuch
der Bauakademie obligatorisch wurde und nur durch be-
sonderen Dispens des Ministers umgangen werden konnte;
auch wurde der Nachweis über dieses Studium von einer
regelmässigen Benutzung des Unterrichts, d. h. von dem
Besuche oder doch der Bescheinigung über den Besuch be-
stimmter, in bestimmter Reihenfolge zu hörender Kollegien,
der sogenannten „Zwangskollegien* abhängig gemacht. Als
der Zweck der hiernach abermals umgestalteten Bauakademie
wurde bezeichnet, „denen, welche sich zu Baubeamten für
den Staatsdienst oder zu Privathaumeistern ausbilden wol-
len, die erforderliche Gelegenheit zu gewähren" ; der im Laufe
des Jahres 185U vom Direktorium unternommene Versuch,
nach dem Vorbilde einiger dem französischen Untcrrichts-
modus entnommenen Einrichtungen weitere, etwas schul-
mässige Anordnungen einzuführen, stiess auf den energi-
schen Widerstand der Studirendcn und wurde baldigst auf-
gegeben.
Wichtiger und einschneidender waren jedenfalls die
Aenderungen, welche in Betreff der Baumeister -Prüfung ge-
troffen wurden. Bestand eine Nötbiguug, dieselbe nach beiden
Richtungen des Bauwesens hin abzulegen, bisher nur für die
Aspiranten höherer Stellen und warjlie Möglichkeit eines
n-
ler
BUg
man jetzt auf den vor ix;tl mnassgeliendcn Standpunkt zu-
rück und schrieb vor, dass jeder Baumeister ohne Unter-
schied eine Prüfung ablegen müsse, welche die Architektur
und das Ingen ieurwesen in ihrem ganzen Umfange zu
umfassen habe. Bei den qualitativ gesteigerten Ansprüchen,
welche unter dem Einflüsse der neueren Bauthütigkeit für
beide Fachrichtungen sich von selbst ergaben, und bei der
ausserordentlichen Erweiterung, welche der Technik durch
die mittlerweile in immer allgemeinere Aufnahme kommende
Anwendung der Eisenkonstruktionen zu Theil geworden war,
entstand hierdurch eine Prüfung von einem Umfange und
einer Schwierigkeit, an welche keine der für andere Fächer
vorgeschriebenen Staatsprüfungen heranreicht — um so
schwieriger namentlich, weil neben den speziellen Fach-
disziplinen gleichzeitig auch in den Hülfswissenschaften, so
in der Theorie der höheren Mathematik, geprüft wurde.
Eine andere, seltsame Neuerung war die, dass die Ab-
stufung für die verschiedenen Grade der späteren Amts-
tätigkeit, welche früher eben nach dem grösseren oder
geringeren Umfange der Prüfung sich richtete, nunmehr
nach dem qualitativen Ausfall derselben bestimmt wurde, so
dass sogenannte „A-, B- und C- Baumeister* entstanden, je
nachdem sie: „A. für die Verwaltung jeder Staats-Baube-
amten-Stelle, oder B. nur für die Verwaltung einer Bau-
Inspektoratelle, und zwar a) einer solchen, mit welcher
vorzugsweise Land- nnd Schöubau, oder b) einer solchen,
mit welcher vorzugsweise Wasser-, Wege- nnd Eisenbahn-
bau verbunden ist, oder endlich C. nur für die Verwaltung
einer Kreisbaumeister-Stellc" als qualifizirt befunden
wurden. Zur Ermittelung dieser Abstufungen diente ein
scharfsinniges System, wonach die einzelnen, nach ihrem
Werthe mit bestimmten „Points* bezeichneten Zensuren #in-
fach addirt zu werden brauchten, nm aus der Summe das
für die Lebensstellung des Examinanden maassgebende Resul-
tat zu finden. — \\ er jemals eine Prüfung liestanden hat
und weiss, von welchen Zufälligkeiten jede derselben ab-
hängt, wird die Bedeutung der ganzen, fär die Auffassung
der damals leitenden Persönlichkeiten im höchsten Grade
charakteristischen Einrichtung zu würdigen verstehen.
Anzuführen ist noch, dass gleichzeitig die Oeffentlichkeit
der mündlichen Prüfungen aufgehoben wurde, sowie dass
als erster Schritt, um das bisher ziemlich lose Verhfiltniss
der Bauführer und der noch nicht zur Anstellung gelangten
Baumeister zur Staats -Verwaltung zu einem festeren und
geregelten zu machen, die Vorschrift erfolgte, dass alle für
den Staatsdienst geprüften Bautechniker verpflichtet seien,
alljährlich eine Nachweisung ihrer Beschäftigung an den
Minister für Handel etc. einzureichen und jeder Aufforderung
desselben zur Uebernahme einer Beschäftigung oder zur An-
stellung im Staatsdienste Folge zu leisten, widrigenfalls sie
von der Prüfung als Baumeister zurückgewiesen oder von
Anstellung ausgeschlossen werden sollten. —
Die Vorschriften von 185. r > sind ihrem wesentlichen In-
halte nach 13 Jahre lang in Wirksamkeit geblieben. Wenn
es seinerzeit nicht Wenige gab, welche in dieser Organisation
den Gipfel der Vollkommenheit erblickten und von ihren,
in vielen pointsreichen Prüfungen sich darlegenden Erfolgen
eine Blüthe des Faches erwarteten, so hat es allerdings auch
nie an einigen Weiterblickenden gefehlt, welche das Gegen-
theil voraussahen und der festen t'eberzengung waren, dass
derartige auf das Unmögliche gerichtete Forderungen
noth wendig ein hohles Scheinwesen zur Folge haben
müssten, während die wirklichen Leistungen nicht anders
als sinken konnten. Keiner hat sich in letzter Beziehung
schärfer ausgesprochen , als der Altmeister des Faches , der
seit fast einem Menschenalter in Preussen an der Spitze der
Bauwissenschaft nnd seit einer Reihe von Jahren an der
Spitze der über diese Verhältnise entscheidenden Korporation
steht. Zu einer Aenderung derselben fehlte jedoch der
äussere Anstoss, fehlte vor allen Dingen die Unterstützung
des öffentlichen Interesses, das sich in jener Periode zu aus-
schliesslich auf andere Gebiete konzentrirte. So war neben
kleineren unwesentlichen Modifikationen der Verzicht auf
eine dreifache Abstufung der Baumeister-Prüfung — die Aus-
scheidung des ominösen C, unter Beibehaltung von A und B
— die einzige gegen den Schlnss des erwähnten Zeitraums
eingeführte Aenderung. Auch diese erfolgte jedoch nicht
etwa als Konzession an den Geist der Zeit, sondern sollte
der Vorläufer einer in der Verwaltung beabsichtigten Reform
noch um soniehr die Verpflichtung, wenn man bedenkt, dass
er sich nach dieser Richtung hin bisher eigentlich thcil-
nahmlos verhalten hat; denn mit den Aenderungen. welche an
dem ursprünglich für ilie Feldzüge von 18t'»4 und »>ii bestimm-
ten Denkmale zu Berlin vorgenommen werden sollen — Weg-
lassung eines anstössigen Reliefs auf die deutschen Süd-
staaten und Verwendung französischer Kanonen anstatt öster-
reichischer als Triumphalschmnck — ist es doch unmöglich
abgethan.
Jedenfalls wäre dieser Kostenpunkt, wie bei so vielen
anderen Konkurrenzen, kein Hinderuiss zur Darlegung künst-
lerischer Ideen in Entwürfen gewesen, und bei der lebhaften
Theilnahme, welche die Sache auch anfänglich unter den
Künstlern selbst fand, konnte man wohl auf ein höchst
interessantes Ergebniss hoffen. Das in etwa 30 Arl»eiten
nunmehr vorliegende, in einem höchst unwürdigen Parterre-
lokale der Kunstakademie aufgestellte Resultat dürfte diesen
Erwartungen gegenüber freilich bei Vielen eine gewisse Ent-
täuschung hervorrufen. Kaum die Hälfte der Konkurrenz-
Arbeiten besitzt so viel künstlerischen Werth, um sie nur
überhaupt in solchem Falle als zulässig erscheinen zu lassen,
und auch unter den wenigen Entwürfen von hervorragender
Bedeutung ist wohl keiner von jener durchschlagenden, un-
bedingt fesselnden Gestaltung, welche ihm ohne jede Modi-
fikation den Anspruch auf Ausführung sichern könnte.
Das wäre also wieder einmal eine resultatlose Konkur-
renz! so werden wir gewiss demnächst von den veschieden-
sten Seiten zu hören bekommen. Ich glaube dennoch das
Gegentheil beweisen zu können.
Was zunächst den Wettstreit zwischen den Schwester-
küusten der Bildhauerei und Architektur anlangt, so ist er
wohl nnbediugt zu Gunsten der letzteren entschieden. Nur
ein architcktonische^Bau von charakteristischer Silhouette —
das ergiebt die Konkurrenz deutlich — vermag sich an der ge-
wählten Baustelle den gewaltigen Formen der Natur gegen-
über zu behaupten. Nur er kann auch soweit für die Ferne
wirken, wie (lies Erforderniss ist. Die Skulptur kann sich
dem architektonischem Gerüste allein als ein für die Be-
trachtung aus der Nähe wirksamer Schinuck anfügen. Es
ist mir bekannt, dass mehr als ein begabter Bildhauer in
der richtigen Erkenntniss dieser Thatsachc von der Konkur-
renz zurückgetreten ist, und es ist wohl nicht zu viel gesagt,
wenn man die Mehrzahl der eingelieferten Arbeiten aus die-
sem Kunslgebiet nur als Mittelgut bezeichnet, bei welchen
vor Allem eine sorgfältige Erwägung dessen , was an jener
Stelle bezüglich der Gesammtgestaltung das Richtige ist,
nicht angestellt wurde. Die Schönheit einzelner Details in
jenen Arbeiten kann nicht bestritten werden, den Grundfeh-
ler der Auffassung vermag sie aber nicht wieder gut zu
machen.
Betrachtet man die Entwürfe aus dem Gebiete der Ar-
chitektur, die überhaupt auf eingehendere Würdigung An-
spruch machen können — es sind etwa acht — etwas näher,
so muss abermals das Faktum konstatirt werden, dass man der
Berliner Schule das Terrain fast ausschliesslich ül»crlasscn hat.
Nur zwei Arbeiten, jene von Vinzenz Statz in Cöln und
diejenige mit dem Motto: „dem deutschen Volke sei's ge-
bracht*, sind aus anderem Boden als auf dem berliner ent-
Digitized by Google
— 308 —
«•in, wonach die Kreisbaumeister- Stellen ausnahmslos zu
Bau-Inspoktor-Stellen erhoben werden sollten.
Dl« beabsichtigte Reform ist, wie wir sofort ergänzend
bemerken können, bis jetzt nicht zur Ausführung gelangt
Als einzige Aenderung,' welche seit der Reorganisation von
1852 in der Bauverwaltung eingetreten ist, haben wir viel-
mehr nur einen, nicht im Wege öffentlicher Verordnung, aber
tbatsüchlich eingeführten Modus im Avancement der Baube-
amten zu verzeichnen. Wahrend früher nur bei einigen we-
nigen Regierungen r Ober-Ban-Inspektoren* fungirten — unseres
Wissens Beamte, die aus der Wegebau-Verwaltung entnom-
men waren und auch später fast ausschliesslich das Ressort
des Wegebaus bearbeiteten — tritt nunmehr eine Beförderung
vom Bau-Inspektor zum Regierungs- und Banrath nur in
höchst vereinzelten Ausnahmefällen ein; Regel ist es viel-
mehr, dass gegenwärtig jeder in höhere Stellen beförderte
Beamte der Bauverwaltung die Skala: Kreis- (resp. Land-
oder Wasser-) Baumeister, Bau-Inspektor, Oher-Bau-lnspek-
(or, Bnurutb, Regierungs- und Baurnth etc. durchzumachen
hat, wahrend in der Eisenbahn-Verwaltung dem Ober-Bau-
Inspektor der Ober-Betriebs-Inspektor entspricht.
Der äussere Anstoss zu einer abermaligen Umgestaltung
des prenssischen Staats-Bauwesens schien im Jahre 18i'>(> ge-
kommen zu seiu, als zu den alten Landestheilen mehre bis-
her selbstständige Staaten als neue Provinzen hinzutraten,
in denen durchweg eine von den Prenssischen Einrichtungen
verschiedene Organisation sowohl der Bauverwaltung wie
des Ausbildnngsganges der Baubeamten bestand. Und zwar
fast durchweg auf der Grundlage einer Trennung der Archi-
tektur vom Ingenieurwesen, wie sie nach der neuerdings er-
folgten Reorganisation des Bayrischen Bauwesens gegen-
wärtig in allen Staaten Europas mit Ausschluss von
Preussen durchgeführt ist. Es trat damit an die Zen-
tral-Behördcn des Preussisehen Bauwesens die Frage heran,
ob — bei der notwendigerweise durchzuführenden Einheit
der Einrichtungen — die Preußischen Verhältnisse unter
Vernichtung der dort selbstständig entwickelten Elemente
auf die neuen Provinzen einfach zu übertragen seien, oder
ob unter einer Verschmelzung und Vermittelung der bishe-
rigen Gegensätze für alle Theile des Staates neue Einrich-
tungen geschaffen werden sollten.
In Betreff der Verwaltungs- Institutionen hat man nach
einem mehrjährigen Provisorium sich zu dem ersten Ver-
fahren entschlossen; es kann dahin gestellt bleiben, ob die
Ueberzeugnng von der ausreichenden und bewahrten Brauch-
barkeit der Preussisehen Organisation oder die Rücksicht
auf den geringeren Kostenbedarf derselben den Ausschlag
gegeben hat. Selbstverständlich mussten sich hierbei nicht
nur ähnliche, sondern noch stärkere Inkonvenienzen erge-
ben, als dies bei Besetzung der Baubeamten -Stellen im
Jahre 1852 der Fall war. Man hat die Verwaltung von
Aemtern, deren Geschäftskreis Ban- Angelegenheiten ans
allen Fachrichtungen umfasst, Technikern übertragen müssen^
die nicht nur nach ihrer bisherigen Beschäftigung, sondern
auch nach ihrer einstigen theoretischen, durch eine Prüfung
nachgewiesenen Ausbildung einzelnen der von ihnen ver-
tretenen Fachzweige völlig fremd waren. Man hat jedoch
diesen zu dem Prinzipe der Prenssischen Einrichtungen in
schreiendem Widerspruche stehenden Nachtheil lieber ver-
sehmerzt, als dass man sich zu einer anch für die Zukunft
gültigen Konzession in diesem Prinzipe entschlossen hätte.
Es ergiebt sich als selbstredend, dass hiernach ebenso
eine radikale Reform im Ausbildungsgange der Staats-Bau-
beamten ausgeschlossen bleiben mnsste, obwohl bei einer
Abstimmung über die eventuelle .Trennung der Fächer" im
Schoosse der technischen Bau -Deputation eine sehr starke
und bedeutsame Minorität für dieselbe sich ausgesprochen
hatte. Doch waren — wohl mit vorwiegender Rücksicht
auf Hannover und sein blühendes Polytechnikum — Aende-
rungen nicht zu vermeiden, die wir von unserem Standpunkt.-
aus allerdings nur als Palliative betrachten können, die aber
/.weifellos im Prinzip einen nicht unerheblichen Fortschritt
gegen die früheren Zustände repräsentiren.
Die n/uesten, noch gegenwärtig gültigen .Vorschriften
für die Ausbildung und Prüfung derjenigen, welche sich
dem Banfacbe im Staatsdienste widmen*, (die Befreiung
der übrigen Techniker von dem Zwange einer gleichen Aus-
bildung ist, wie Eingangs erwähnt, der durch den Nord-
deutschen Bund herbeigeführten Gewerbefreiheit zu danken;
datiren vom .'i. September 18(58. Als wichtige Aendcnins
dersellien ist zunäclist zu bezeichnen, dass znr Vorbereitung
für die Bauführer- Prüfung nunmehr ein dreijähriges Sta-
dium*) auf einer höheren technischen Lehr-Ansialt vor-
geschrieben ist, dafür aber auch in dieser Prfüfung sämmt-
liche Hilfswissenschaften absolvirt und höhere Anforderungen
in Betreff der Elemente der Ingenieurwissenschaften gestellt
werden, als bisher der Fall war. Der Nachweis eines Stu-
diums als Vorbereitung für die Baumeister- Prüfung wird
nicht mehr gefordert, sondern lediglich der einer zweijäh-
rigen praktischen Bese. tftigung. In der Prüfuug selbst ist
es dem Examinanden fr« gestellt, .mit Rücksicht auf seine
hervorragende Ausbildung in einer der beiden Hauptrich-
tungeu der Bautechnik" den Wunsch auszusprechen, vor-
zugsweise nur in dieser strengen Anforderungen unterwürfen
zu werden; es soll diesem Wunsche nicht nur bei Erthei-
Inng der häuslichen Probeaufgaben, sondern nach der neuesten
Bestimmung des Ministers auch bei Ertheilung der Klausur-
Aufgaben und in der mündlichen Prüfung entsprochen wer-
den^ so dass bei wirklich hervorragenden Kenntnissen und
Fähigkeiten in der einen Richtung nothdürftige Kennt-
nisse in der anderen, ja schon der ungeschmälerte Besitz der
bei der Bauführer- Prüfung nachgewiesenen Kenntuisse ein
Bestehen der Prüfung möglich machen. Eine Abstufung der
in der Prüfung nachgewiesenen Qualifikation ist gänzlich
aufgehoben.
Entsprechend diesen Vorschriften sind auch die Ein-
richtungen der Bauakademie, welche nunmehr in
•) 3 .Imtiro <l»*»n »itf <1»r lUuAkftd«!»!« tu
KU Hannover, u?ai-r<Jmtl* «ach auf dvfii Polytcrbni
bin 1. Okiober lf71, »nrh iaf ilrm zu Carlfruhe.
standen. Ich glaube wohl hier an öffentlicher Stelle im
Namen meiner heimischen Kollegen versichern zu können,
dass uns diese Zurückhaltung, zumal bei einer Aufgabe von
so ganz allgemein nationalem Interesse, nicht eben erfreut.
Die Berliner Bestrebungen werden von so vielen Seiten her
einer dauernd angreifenden Kritik unterworfen, warum blei-
ben die Herren von Hannover und Hamburg, von Dresden
und Cöln. München und Stuttgart bei solchen Veranlassun-
gen, die Richtigkeit ihrer anders gearteten Prinzipien sieg-
reich zn dokumentiren. denn so hartnäckig zu Hause?
Indem ich auf die Cbnrakterisiruug der einzelnen, und
zwar der architektonischen Arbeiten übergehe, nenne ich
zunächst zwei derselben. Die erste mit der leicht zu entrSth-
selnden Bezeichnung .Aoiiila-, die andere mit dein Motto
.FiVs heilige deutsche, Reich". — Beide sind verwandt in
Rücksicht auf ihre Gesammtgcstaltung und treffen in dieser
Hinsieht soweit das Richtige, dass die Preisentschciduug
wohl zwischen ihnen schwanken wird; sie sind verwandt
in ihrer ganzen, der strengeren Berliner Richtung eigentüm-
lichen Formengebung, welche sich an antike Kalifornien
anlehnt. — sie sind endlich auch verwandt in jener Blässe des
Gedankens und der Reflexion, mit der sie die ursprüngliche
Farbe der schönen künstlerischen Grundidee nicht eben zum
Vortheil derselben angekränkelt haben.
Der Verfasser des Entwurfes . Aijuila " legt als Basis
seines Monumentes eine geräumige Terrasse an, zu welcher
eine Fahrstrasse längs der Bergwand hinaufführt. Auf dieser
Terrasse erhebt sich das eigentliche Denkmal in Form eines
- Rnndthurmes von m m Höhe. Den Fuss des Thur-
mes bildet zunächst ein ansehnlicher undurchbrochener Sockel,
zu welchem man auf vier gleichgebildeten Treppenanlagen vua
der erstgenannten Terrasse- emporsteigt Auf dem Sockel,
den eigentlichen Kern des Thnrmes umgebend, erheben sich
zwei als kreisrunde Bogenhallen ausgebildete Geschosse, von
denen das obere kleiner im Maasstab gehalten ist und wei-
ter zurücktritt ; die Hanptaxen sind ausgezeichnet durch vier
portalartige Vorbauten, welche sich in beiden Geschossen
ähnlich wiederholen. Aus dieser vorbereitenden Baumus*
erhebt sich der Thurm selbst, stark verjüngt, durch vortre-
tende J.iscncn einfach aber kräftig gegliedert und in seinem
oberen Theile durch einen ringsum laufenden Balkon, so»»
durch eine offene Loge als Aussichtsturm eharakterisirt
Ein kuppelartiges, aus Steinschichten gebildetes Dach, wel-
ches eine Viktoria mit der Kaiserkrone trägt, bildet den
Absehluss.
Der künstlerische Schmuck, in Trophäen und Gruppen
über den Pfeilern und Giebeln der unteren Halle, in Wap-
penschildern an dem Thurine bestehend, ist angemessen spar-
sam zur Anwendung gebracht das einfache, streng architek-
tonische Detail entspricht dem Maasstab und dem erforder-
lichen Charakter der Anlage; die Wirkung des Gesammt-
gan/.en, für welche der Verfasser zwei vortrefflich aus-
geführte perspektivische Darstellungen sowohl von unten,
vom gegenüberliegenden Ufer des Rheines, wie von der
Berghöhe oberhalb des Denkmals her gegeben hat, i>t
gleichfalls schön und charakteristisch, bis auf die berührte
obere Bogenhalle. Jene zweite Halle wirkt schon nicht
günstig als kleinere und gedrücktere Wiederholung des un-
Digitized by Google
- 309 -
jährigen Lehrgang für künftige Bauführer und in einen
höheren akademischen Kursus gctheilt ist, modifixirt worden.
Der trotz der Konkurrenz von drei anderen Anstalten einge-
tretene Andrang von Stndirenden hat jedoch Uebclstände her-
vorgebracht, deren Besprechung im Abgeordnetenhaus« die
Veranlassung zu einem Plane für Neugestaltung des Instituts
gegeben hat, bei der seine ganze Verfassung wichtigen or-
ganisatorischen Aendernngen unterworfen werden soll. Ober
die Details dieses, wohl noch nicht ganz festgestellten Plans
verlauten vorläufig nur Gerüchte.
Als eine Anordnung von prinzipieller Wichtigkeit haben
wir schliesslich noch zu erwähnen, das» die seit ein-
geführten Maassregeln, nm der Staatsregierung eine grossere
Disposition über ihre Bauführer und die noch nicht zur An-
stellung gelangten Baumeister zu sichern, in neuester Zeit
nicht unerheblich verschärft worden sind. Jene, vordem nur
im Reglement enthaltene Verpflichtung wird nunmehr jedem
Emmen- Kandidaten besonders in Erinnerung gebracht, wie
auch der Staat sich die Vorhand in Betreff der Beschäftigung
der namittelbaraus den Prüfungen hervorgegangenen Bauführer
und Baumeister vorbehält und diese durch Vorenthaltung
des Zeugnisses und Patentes zur Geltung bringt. Für eine
Anstellung im Staatsdienste ist als Bedingung hinzugetreten,
dass der betreffende Baumeister in dem unmittelbar vorher-
gehenden Jahre in der entsprechenden Verwaltung des Land-,
Wasser- und Wegebaus resp. der Staats-Eisenbabnen diäta-
risch beschäftigt gewesen ist.
[III] r.i»u
in Berliner
Von E. Häseckc.
Beim Bau grösserer, namentlich Öffentlicher Gebäude dass manches gegen die Luftheizung gehegte Vornrtheil C3-
ist heutigen Tages den Heiz- und Ventilations-Einrichtnngen
besondere Aufmerksamkeit zu widmen und, sofern darüber
uicht schon im Programm entschieden ist, hat in der Hegel
der Architekt Vorschläge über das anzuwendende System zu
machen, wobei es sich in den meisten Fällen um eine Zen-
tralheizung, also nm die verschiedenen Arten der Wasser-
heizung einerseits und die Luftheizung andererseits bandeln
wird; die Anlage einer Dampfheizung hat so wesentliche
Bedingungen znr Voraussetzung, dass hier verzichtet werden
kann, näher darauf einzugehen.
Während die Wasserheizung zeitweise fast ausschliess-
lich zur Anwendung kam, hat sich ergeben, dass sie neben
ihren grossen Vorzügen auch Mängel haben kann und dass
sie für manche Zwecke überhaupt nicht anwendbar ist. Es
wurde sonach der durch fehlerhafte Konstruktion in Miss-
kredit gerathenen Luftheizung wieder grössere Beachtung zu
Theil, die sie in der That verdient, da sie unstreitig die ein-
fachste, billigste nnd rationellste der Zentralheizungen ist.
Die Verbesserungen der Luftheizung gingen zunächst
von den wenigen Fabrikanten aus, die eine Spezialität ans
deren Herstellung machten nnd daher fast ausschliesslich
eine genauere Kenntniss aller die Heizwirkung bedingenden
Einzelheiten besassen. Diese Verliesserongen bestehen im
Gegensatz zu den früheren l'ebelstSnden im Wesentlichen
darin, dass durch Herstellung grösserer Heizflächen und
anderweitige Vorkehrungen ein zu starkes Erhitzen der Luft
und namentlich ein Glühendwerden eiserner Apparate ver-
wurde; dass die engen Heizkanäle, aus denen die
f.uft mit grosser Heftigkeit in die Zimmer ausströmte,
nmsomebr erweitert werden mussten, mit je massigerer
Temperatur nnd Geschwindigkeit der Anstritt der Luft statt-
finden sollte; dass ferner dieses Ausströmen nicht mehr an
so ungeeigneten Stellen wie am Fussboden oder in halber
Körperhöhe erfolgte; dass endlich für angemessene Ventila-
tion Sorge getragen wurde.
Wenn nun auch thatsächlich der Beweis geliefert ist,
begründet war und sie immer grössere Verbreitung gewinnt,
so werden doch weitere Verbesserungen, deren diese Heiz-
methode sowohl noch bedarf als fähig ist, gegenüber der
Wasserheizung, die in ihrer Entwicklung als nahezu abge-
schlossen angesehen werden kann, nur dadurch zu ermög-
lichen sein, dass ein grösserer Kreis von Fachgenossen sich
dafür intercssirt und an der Hand der praktischen Erfah-
rung theoretisch die Bedingungen zu ermitteln sucht, welche
zur Frzielung von Verbesserungen zu erfüllen sind. Bei
dem innigen Znsammenhange, in dem die Anlage einer Luft-
heizung mit der Konstruktion des Gebäudes steht, dürften
hierzu nicht am wenigsten die Architekten berufen sein.
Aus diesem Grnnde ist es vielleicht nicht unerwünscht, an
dieser Stelle weitere Mittheilungen über die Anwendung
dieser Heizmethode unter verschiedeneu Verhältnissen und
über deren Bewährung zu erhalten.
Es erhellt aus dem Vortrag, dem sich diese Zeilen an-
schliessen. und geht aus dem eben Gesagten hervor, dass es
nicht in der Alisicht liegeu kann, der einen Heizinethode
unbedingt den Vorrang vor der anderen einzuräumen, son-
dern das Interesse für die erst in den letzten Jahren wieder
mehr in Aufnahme gekommene Luftheizung anzuregen und
weitere Anhaltspunkte für deren Vergleichung mit anderen
Zentralheizungen zu geben.
Indem auf das Referat in No. 12 die es Jahrgangs der
Zeitschrift verwiesen wird, soll auf die allgemeinen und
prinzipiellen Verschiedenheiten beider Systeme nicht wieder-
holt eingegangen werden. Die Ansichten hierin sind auch
grösstenteils so weit geklärt, dass es in vielen Fällen nicht
zweifelhaft sein kann, welcher Heizmethode der Vorzug zu
geben nnd wieweit die Zentralheizung überhaupt auszuschlies-
sen ist. Bisweilen wirken der spezielle Bauzweck
Zufälligkeiten und äussere Umstände dabei so '
ein. dass eine Wahl überhaupt nicht mehr übrig bleibt oder
doch leicht zu treffen ist, während diese andrerseits vielleicht
nur nach der eingehendsten Erwägnng aller Vorzüge und
teren Motives, sie nimmt dem Fusse des eigentlichen Thur-
mes die erforderliche Kraft, sie stört aber vor Allem die har-
monische Ruhe dt* Ganzen. Eine anderweitige Lösung er-
scheint an dieser Stelle unbedingt geboten und würde bei
einer Verwirklichung des Entwurfes unter die ersten, auch
des Kostenpunktes halber erforderlichen Reduktionen gehö-
ren müssen. Ebensowenig kann ich mich einverstanden er-
klären mit der intendirten Aufstellung eines Reiterstand-
bildes des Kaisers Wilhelm auf der Terrasse hinter dem
Denkmal und ohne jede architektonische Verbindung mit
demselben. Wenn auch ein Standbild für die Fernsichten
dem Gesammtbau gegenüber kaum zur Wirkung gelangen
kann, so war es trotzdem wohl möglich und schicklich, es
zu demselben in eine engere Beziehung zu setzen, als ge-
schehen.
Der Verfasser ist indessen bei der äusseren Form des
Denkmals nicht stehen geblieben; er hat auch das Innere,
welches bei der erforderlichen Grösse des Ganzen schon
Platz für ansehnliche Räume bietet, künstlerisch im Zu-
sammenhange mit der Grundidee durchgebildet und hier
zweckentsprechend dem Bildnisschmnck eine weitere Ent-
faltung, als am Aeusseren möglich war, gegeben.
Ein krypteuartiger Kuppelsaal ist in dem Sockel des
Thnrmes angelegt In romanischen Kunst formen, mit den
sitzenden Statuen der früheren Kaiser in einer rings um-
laufenden Nischenreihe geschmückt, soll er der Vergangen
heit gewidmet sein. Ein zweiter Saal darüber mit Fresko-
bildern, welche die Ereignisse des letzten Krieges darstellen,
reprfisentirt die Gegen wart, wie dies auch seine aus Eisen-
säulen und Glas hergestellte durchaus moderne Konstruktion
andeutet. Auf die Zukunft weist die auf der Spitze des
Ganzen angebrachte Viktoria mit der Kaiserkrone.
Ich gestehe offen, dass ich dieser Anordnung, in welcher
s'ch jene schon in der Einleitung bemerkte Reflexion allzu
grell wiederspiegelt, kein erhebliches Interesse abzugewinnen
vermag, noch weniger freilich der durch jene Reflexion aller-
dings motivirten, aber mit dem Formencharakter des Ganzen
sehr in Widerspruch stehenden Gestaltung der beiden Säle.
Auch die Beleuchtung der .Räume, des oberen indirekt durch
eine Glasdecke, welche ihr Licht aus seitlich innerhalb der
zweiten Boceuhalle angebrachten Fenstern erhalten soll, die
des unteren, welcher nur durch eine Öffnung im Fussboden
des Übersaales erhellt wird, erscheint als nicht ausreichend.
Der Werth und die Bedeutung der Arbeit liegen, wie
erwähnt, in der äusseren Gestaltung des Gesamintganzen, in
der charakteristischen Silhouette, sowie in der richtigen
Wahl der Detailformen. Für das Ergebniss der Konkurrenz
ist der Entwurf aber vor Allem um deshalb wichtig, weil
der Verfasser mit einer Sorgfalt, wie es kein anderer Be-
arbeiter gethan, und mit einem Ernste, der nicht genug
hervorzuheben ist. in treuer auf Studien vor der Natur
basirten Wiedergabe der Situation den Beweis geliefert hat,
welcher Art das Denkmal sein muss, das an jene Stelle ge-
hört. Ich stehe nicht an es auszusprechen, dass er nach
dieser Hinsicht das Richtige getroffen zn haben scheint.
(Sthlan fol,ct.)
Digitized by Google
- 310 —
Nachtheile jeder Heizmethode möglich ist, was natürlich
eine ebenso genaue Kenntnis« derselben voraussetzt.
Luftheizungen sind in neuester Zeit so vielfach ausgeführt,
tlass im Allgemeinen weniger etwas Neues darüber beizu-
bringen, als vielmehr das Ausgeführte — namentlich hinsicht-
lich seiner Bewährung bekannter zu machen ist, was. dem-
jenigen, welcher der Sache zuerst näher tritt, zum sicheren
Anhalt dienen kann. Nicht selten rührt ein erklärliches
Misstrauen gegen eine Sache ans der Unbekanntscbaft mit
derselben her.
Obwohl die Luftheizung dem Prinzip nach sowohl im
Alti'iihum als im Mittelalter bekannt war und zur Anwen-
dung kam, so hat sie doch erst zn Anfang dieses Jahrhun-
derts grossere Bedeutung erlangt. Wenn die ersten Versuche
von Misserfolg begleitet waren und daher die Wasserheizung
um so wfirmere Anerkennung fand, so scheint es doch wenig
bekannt zu sein, dass auch ältere Luftheizungen vorhanden
sind, die alle Anforderungen erfüllt nnd sieh bewährt haben,
Als zunächstliegendes Beispiel wird das Königliche Palais
zu Berlin „Unter den Linden* angeführt, in dem vor etwa
•in Jahren beim Bau durchweg Luftheizung angelegt wurde,
die bis heut im Gebrauch gewesen ist, obwohl die Einrich-
tung vom jetzigen Standpunkt aus nicht als vollkommen be-
zeichnet werden kann.
Ks ist femer zu erwähnen, dass in Kussland und Nord-
amerika diese Heizmethode aueh in Privathäusern seit lange
um) ziemlich häutig in Gebrauch ist und dass sie in Süd-
deutschland in grösseren öffentlichen Gebäuden fast aus-
schliesslich in Anwendung kommt. Ks war hiernach kein
zweifelhafter Versuch, als vor einigen Jahren Verfasser dieses
gelegentlich der Vorlage des Projekts zu einem Schulhause
den Komruuualbt'hörden die Ausführung der Luftheizung in
demselben empfahl, nachdem bis dahin über 20 neue Schul-
gebäude ausschliesslich mit Warmwasserheizung versehen
worden waren, gegen deren fernere Anwendung aber wegen
mancherlei Uebelstände, die sich gezeigt, theilweise Abnei-
gung sich kundgab. Es sei beiläufig bemerkt, dass diese
Lebelstände zum Theil dem System mit Rücksicht auf den
speziellen Zweck, zum Theil aber mangelhafter Anordnung
und namentlich mangelhafter Bedienung der Heizung zuzu-
schreiben sind. Da indess ein Zurückgehen von der Zentral-
zur Lokalheizung nur als Nothbehelf zu betrachten war und
Widerstreiten fand, so bedurfte es keiner zu weit gebenden
Fürsprache, um die Genehmigung zur Luftheizung zu er-
langen.
Weshalb diese speziell für Schulen besonders und mehr
als Wasserheizuug geeignet erscheiut, folgt aus der tempo-
rären Benutzung der Räume und den spezifischen Eigen-
schaften der Luftheizung, wie diese mehrfach erörtert siud,
und soll hier nicht näher darauf eingegangen werden.
Verfasser hat seit dieser Zeit stets nur Luftheizung in
neuen Schulen projektiit und dazu die Zustimmung der Kom-
munalltehörden erhalten. Von fünf zur Ausführung gekom-
menen Schulen mit Luftheizung sind drei bereits einen Winter
hindurch in Benutzung gewesen und liegen für dieselben
Erfahrungen vor; eine grössere Anzahl ist in der Ausführung
begriffen, resp. wird für dieselbe vorbereitet. Ks sollen nun
an einem Beispiel die Einzelheiten einer solchen Heizanlage
erläutert und daran weitere Bemerkungen geknüpft werden.
• Es wird hierzu eine Anlage gewählt, welche in gewisser
Beziehung als Normtilunlugc eines Gemeiudescliulhauses gel-
ten kann, wie es jetzt meist zur Ausführung kommt, sofern
nicht beschränkende Verhältnisse im Bauplatz vorhanden
sind. Für höhere Lehranstalten ergcln-n sich natürlich an-
dere Anordnungen. Die bezügliche Anstalt wird als .'(.'». Ge-
meindeschule bezeichnet und liegt in der Beraauerstrasse.
(ienau dieselbe Anlage ist auf dem sehr grossen Grundstück
und mit der Front nach der zukünftigen Stralsunderstrasse
sofort noch einmal als ßl. Schule zur Ausführung gekommen,
nur mit dem Unterschiede, das* dort die im II. Stock des
Mittelbaues vorhandenen zwei Klassen zu einer Aula mit
entsprechend grösserer Höhe vereinigt sind.
Im Gegensätze zu den in No. 47 d. Jahrg. 1170 mitge-
teilten Heizanlagen des Niedcrschlesisch - Märkischen Bahn-
hofes hierselbst, wo der für Einrichtung einer Luftheizung
ungünstige Fall vorlag, eine lange Reihe von Räumen eines
einzigen Geschosses mit derselben zu versehen, ist hier die
Längenausdebnung des Gebäudes (3r>,G2">) eine geringe und
bei dem Vorhandensein von drei übereinanderliegenden beiz-
bnren Ktagen die Zentralheizanlage eine möglichst konzen-
trirte und daher vortheilhaftc. Dagegen macht gerade der
l'mstand, mehre Etagen gleicbmässig zn erwärmen, die Be-
obachtung besonderer Vorschriften nöthig, wie andererseits
durch die Anlage besonderer Ventilatiooskanäle ein
zirterer Mechanismus vorhanden ist als dort.
Die Anordnung der Klassenräume etc. geht zur Genüge
aus den beigegebenen Grundrissen*) hervor und bleibt nur
zu bemerken, dass die im Erdgeseho«* liegende Lehrerwoh-
nung, die Schuldienerwohnung im Keller und die als Amts-
zimmer, Bibliothek etc. dienenden kleinen Zimmer in den
beiden Stockwerken selbstverständlich von der Wirkung der
Zentralheizung ausgeschlossen sind und gewöhnliche Zini-
meröfeii haben, da hier andere Bedingungen zu erfüllen sind,
als in den Klassenzimmern.
Es kommt zunächst darauf an, die Lage nnd Zahl der
Heizkammeni und damit der Heizapparate zu bestimmen,
wobei etwa folgende Rücksichten zu beobachten sind :
Die durch die Zentralheizung erstrebten Vortheile be-
dingen eine Beschränkung der Zahl der Feuerstellen , wenn
irgend möglich auf eine einzige. Daliei dürfen die Heiz-
kanäle nicht zu weit horizontal verzweigt werden nnd w
wird in jedem einzelnen Fall unschwer zu bestimmen sein,
wo eine Trennung der Feuerstellen in zwei oder mehre
stattfinden muss. Es giebt indess Fälle, wo Heizkanile
direkt von der Heizkammer aus bis auf 8» horizontal ver-
zweigt werden mussten, ohne dass ein Nachtheil in dei
Würme-Vertbeilung bemerkt worden ist Dies wird jedoch
nur dann der Fall sein, wenn dieselben mit entsprechend
hohen vertikalen Röhren in Ve '
dass je höher das
seine horizontale Ent
Die Heizröhren für das
möglichst senkrecht geführt werden müssen, da sie sehr
kurz ausfallen, während in höheren Kanälen nach statischen
Gesetzen eine grössere Kraft zur l'ebcrwindung der Wider-
stünde in horizontalen Strecken derselben unter ütrigens
gleichen Umständen vorhanden ist. Welches Vernäunu*
zwischen horizontaler und vertikaler Führung eines solchen
Heizkauais zu betrachten ist, darüber fehlt es ebenso an zu-
verlässigen Ermittelungen, wie es schwer sein wird, ein
solches, bei den wechselnden lokalen Verhältnissen aufzu-
stellen. Unter Berücksichtigung dersellHMi wird sich empfeh-
len, den Winkel, welchen eine Verbindungslinie zwischen
der Ein- nnd Ausströmungsöffnung des Kanals mit der Hori-
zontalen macht, vorausgesetzt, dass die horizontale Strecke
in gerader Linie liegt, jedenfalls nicht unter 45*, Iwsser
nicht unter HO" zu nehmen, und diu günstigste Anordnung
hierbei würde wiederum sein, den Kanal nach jener Ver-
bindungslinie selbst zn führen, was indess bei längeren Ka-
nälen selten möglich sein wird. Am besten ist immer die
Disposition so zu treffen, dass die Kanäle möglichst senk-
recht geführt werden können. Daneben tritt andrerseits die
Rücksicht auf, dieselben möglichst in nicht balkentragenden
Wänden, also namentlich in Scheidewänden anzuordnen.
Bisweilen sind dabei, wie in vorliegendem Fall. Thüröffnungen
hinderlich und es bleibt dann die Wahl, entweder die Bal-
ken nach anderer Richtung zu legen oder, falls sowohl
Scheide- als Mittelwünde Heizkanale enthalten müssen, die
letzteren so." weit von einander zu legen resp. zu ziehen,
dass möglichst keine oder nur kleinere Auswechselungen der
Balken nöthig werden, sondern die Kanäle zwischen den
Balken hindurchgehen. (Fotu*u»g („v
liren in Verbindung stehen, der Art.
beheizende Zimmer liegt, um so grösser
ernung von der Heizkammer sein kann.
•I Di dl« Dbpotllli» dft Muff-, für dl»
A\r l «rl.ruhvr V> an<Urv*u*raialuH« d<murh»r
Mitteilungen ans Vereinen.
Architekten- nnd Ingenieur-Verein zn Hannover. Haupt-
versammlung am 4. September 1872. Vorsitzender Hr. Baurath
II agen.
Der Vorsitzende eröffnete die Versammlung mit dem Hin-
weise darauf, dass durch die gegenwärtige Sitzung des Vereines
die Wintersai.nm eingeleitet werde, und sprach zugleich die
Hoffnung aus, dass der Verein mit gutem Erfolge die an ihn
herantretenden Aufgaben lfisen werde, wenn dieselben auch, wie
wohl anzunehmen sei, durch den erfolgten Auscbluss des Ver-
eines au den Verband deutscher Architekten- uud
Vereine an Umfang und Schwierigkeiten zunehmen sollten. So-
dann richtete der Vorsitzende an die Versammlung die Bitte,
durch möglichst zahlreiche Anmeldung von Vorträgen die In-
teressen des Vereins zu fördern. — Hr. Prof. Lauuhardl
theilte hierauf mit, dass für die bevorstehende Versammlung
deutscher Architekten und Ingenieure zu Karlsruhe der Archi-
tekten- und Ingenieur-Verein zu llanuover vom Vorstände de«
Verbaudes mit dem Referat über No. 8 der Tages- Ordnung
.Aufstellung einer Norm für die llonorirung dur Arbeiten im
Gebiete des Ingenieur -Fache»- und mit dem Korcfemt über
Digitized by Google
- 311 -
No. 10 „Antra« des permanenten Folytechnikcr-Ausschusses zu
Dresden auf Einführung eines in ganz Deutschland gültigen
Staatsexamens für Techniker" beauftragt worden ist
Nach erfolgter Aufnahme von 1»'. neuen Mitgliedern in den |
Verein wurden durch Akklamatiou die schon für die erste Vcr- I
Sammlung von Vcrbauds- Abgeordneten in Berlin erwählten Hrn.
Baurath Hase, Baurath Hägen, Professor Launhardt und
Oberbaurath Funk als Dele*irte für Karlsruhe wiedergewählt
und ihnen 4 Ersatzmänner beigegeben.
Hierauf folgte ein Vortrag des Herrn Heusinger von
Wald egg über Verbesserungen im Eisenbahnwagenbau. Jahr-
zehnte hindurch haben sich die deutschen Eisenbahn -Verwal-
tungen dagegen gesträubt, gewisse für Erhöhung der Bequem-
lichkeit und für den Schutz der Gesundheit des reisenden
Publikums als notbwendig erkannte Verbesserungen in den
Waggons vorzunehmen, weil durch deren Einführung nicht un-
erhebliche Einrichtungskosten und zugleich eine biubusse au
Plätzen bedingt wurde; endlich sind sie aber doch durch die
Konkurrenz und durch die neuerdings eingeführten Jagdzüge
gezwungen worden, ihren Widerstand aufzugeben und, angeregt
durch den bekannten Erlass des Herrn Handels-Ministcrs über
Heizung der Waggons genothigt worden, zunächst für Erwär-
mung sämmtlichcr Waggons in den kältesten Monaten zu sorgen.
Die ersten Versuche zur Erwärmuug wurden mit Wärm-
flaschen gemacht, von denen die mit Sand gefüllten in je 4
Stunden, die mit Wasser gefüllten in noch kürzerer Zeit ge-
wechselt werden mussten. Dieser schnelleren Erkaltung wegen
versuchte man zweitens die Dampfheizung und erreichte j
damit den Vortheil, dass von einer Zentralstelle ausgehend,
die ununterbrochene Heizung der Waggons für die ganze Dauer
der Fahrt bewirkt werden konnte; es stellte sich aber bald als
ein empfindlicher L'ebclstand heraus, dass das knndensirte Wasser I
in den Leitungsrohren leicht fror und dass in Folge schwieriger
Regulirung dieser Heizung die Waggons leicht zu warm wur-
den. Man versuchte es deshalb drittens mit der Ofenheizung,
welche indess nur für Salonwagen und Wagen der III. und IV.
Klasse anwendbar ist Es wurde mit Regulir- und mit Füll-
öfen geheizt, von denen sich aber nur die ersteren so gut be-
währt naben, dass ihre allgemeine Einführung zu wünschen ist-
Die Beschaffung und Einrichtung eines Regulirofens kostet ca.
80 Thlr., die Kosten der Heizung betragen pro Wagen und
Stuude Pfennig. — Als neueste Erfindung auf diesem Ge-
biete ist viertens die Heizung mit chemisch präparirter
und komprimirter Kohle zu erwähnen. Der Preis dieser
in Form von Ziegelsteinen gefertigten Kohle ist gegenwärtig
4 Thlr. 10 Sgr. pro Zeuüicr. Die Heizung geschieht derart,
dass mehre Kohlenstucke angezündet in einen durchlöcherten
Kupferblccbkastcn eingesetzt werden, welcher von aussen in
einen unter einem Koupeaitz befindlichen hermetisch verschlos-
senen eisernen Kasten geschoben wird. Jedes einzelne Kaufte
bedarf eines solchen Kastens und wird dadurch die Heizung so
kostspielig, dass sie nur für Wagen I. und IL Klasse anwend-
bar ist Die Einrichtungskasten betragen ca- 40 Thlr. pro
Kou|>e und die Heizkosten 1'/» Sgr. pro Koupe und Stunde.
Die durch diese Heizung erzeugte Temperatur ist sehr gleich-
massig und leicht zu reguliren. —
ifiusichUich der Verbesserungen in der Ventilation der Wa-
gen ist nur zu erwähnen, dass statt der bisher gebräuchlichen 1
einfachen Schieber über den Thürcn ebenda Rosettenschiebcr
angewandt worden sind; sie bestehen aus kleinen durch die
Wagenwand durchgehenden Kohren mit trichterförmigen An- >
sätzen, durch welche die schlechte Luft aus- und die frische
Luft eingeführt wird, auch sind ringförmige Ventilationsschicber
in der Mitte der Wagendecke augeordnet worden. — Umfassen-
der sind die Versuche, welche mit den Ketiradenverbcsserungeu
vorgenommen wurden. Das zuerst angewandte System bestand
in der Einrichtung von besonderen Rctiraden in Gepäckwagen;
da indess die Rciseuden genötigt waren, von einer Station bis
zur nächsten sich in den vor den Rctiraden liegenden Wärter-
räumen aufhalten zu müssen, so gab man diese Einrichtung
wieder auf und führte das Koupcsysteni ein. Dieses hat Re-
tiraden, welche mit den Koupes iu direkter Verbindung stehen
und mit Toiletteeinrichtung versehen sind; es lassen sich aber j
nur ein bis zwei Koupes mit ie einer Retirade verbinden, und
deshalb nahm man das Interkommunikations-System an,
bei welchem für mehre Wagen mit durchgehender oder ausf-
liegender Passage je eine Retirade mit Warteraum und Toilette
genügt. Dieses System verdient vor allen übrigen ganz ent-
schieden den Vorzug. — Die Frage, welche Mittel am geeignet-
sten sind, um die Reisenden in Stand zn setzen, sich bei Un-
fällen während der Fahrt beim Bedienungspersonal Hülfe zu
verschaffen, ist noch nicht gelöst; die Luftdrucktelegraphen
haben sich nicht bewährt, mit elektrischen Telegraphen werden
gegenwärtig Versuche gemacht, so z. B. von der Hannoverschen
htautshahn auf der Strecke Northeim-Nordhausen.
Als Schlafvorrichtungen sind von einigen Verwaltun-
gen ausziehbare Sitzplätze oder auch bewegliche Schlafsessel
eingeführt doch erfüllen beide Vorrichtungen nur sphr unvoll-
kommen ihren Zweck und es wird früher oder später zur Ein-
richtung von besonderen Schlafkoupes geschritten werden
müssen. —
Zum Schluss beschrieb der Vortragende noch eine neue
Art von Viehtransportwagen, welche uach Art der Ställe reit
Raufe und Krippe vorsehen sind. —
An den Vortrag knüpfte sich eine allgemeine Diskussion
über die Heizung mit komprimirter Kohle, welche dem Ober-
Betriebs -Inspektor Göring Veranlassung gab, seine bei der
Ostbahn gemachten hierauf bezüglichen Erfahrungen mitzu-
theilen. — oc —
ArohitektenYerein zn Berlin. Hauptversammlung am 14.
September 1H72; Vorsitzender Hr. Streckert, anwesend GS
Mitglieder und 3 Gäste.
Da die statutengemäße Hauptversammlung am 7. September
unter der Ungunst der Verhältnisse, welche zu gleicher Stunde
den zu Ehren der Drei - Kaiser - Zusammenkunft veranstalteten
Zapfenstreich und eine Illumination der Stadt stattfinden Hessen,
nicht beschlussföhig gewesen war, während einige unaufschieb-
bare Verwaltungs-Angelegenheiten ihrer Erledigung harren, so
war an Stelle der beabsichtigten Exkursion eine abermalige
ausserordentliche Hauptversammlung eingeschoben worden.
Der Hr. Vorsitzende berichtete zunächst über die zahlreich
eingegangenen Zuschriften. Als die wichtigste derselben er-
scheint jedenfalls die Antwort welche Se. Exzcllpnz der Herr
Minister für Handel etc. auf die im Frühjahr dieses Jahres au
ihn gerichtete Vorstellung über die Notwendigkeit einer Tren-
nung der Architektur vom lugeuicurwesen ertheilt hat.
Berlin, den 5. September 1872.
Dem Vorstande des Architektenvereius erwidere ich auf
die Vorstellung vom 17. Mai er., dass die Frage, ob in der
Staatsbauverwaltung die seit 20 Jahren als Regel eingeführte
Vereinigung der Geschäfte für den Landbau, den Wegebau und
den Wasserbau iu der Hand von Kreisbaubeatuten beizubehalten
oder zu einer Trennung dieser Gebiete zurückzukehren sei,
neuerdings wiederholt in Erwägung gezogeu ist- Das Interesse
der Staatsverwaltung hat es jedoch als angemessen erscheinen
lassen, bei der durch eine längere Reihe von Jahren in Preus-
sen bewährten Einrichtung, als für die Bedürfnisse des Staats-
dienstes genügend, stehen zu bleiben, und es ist dieselbe dem-
nach auch in denjenigen seit 18GC neu erworbenen Landestheilen,
in welchem mit einem uuverhältuissmässig grösseren Kosten-
aufwand« der Dienst bis dahin durch besondere, nur für den
Wege-, Wasser- oder Landbau einseitig ausgebildete Baubeamte
verrichtet wurde, in den letzten Jahren allgemein durchgeführt
worden. Demnach ist auch eine vollständige Trennung der
theoretischen und praktischen Fortbildung der Bauführer bis
zum Baunieister-Examcu. um dieses nur entweder für den In-
genieurbau oder für den Landbau ablegen zu dürfen, . nicht
statthaft.
Im Uebrigen befinde ich mich mit den von dem \ orstande
dargelegten Ansichten im Wesentlichen im klänge, insbeson-
dere in der Beziehung, dass es nothwendig ist, dem Uebelstande
vorzubeugen, dass nicht durch zu hoch gesteigerte Anforderun-
gen an eine gleich massige Ausbildung in allen Zweigen der
Kaukunst und Bauwissenschaft eine Verflachung des Wissens an
Stelle eiuer Vertiefung der Studien beordert würde, und dass
diejenigen, welche durch Anlage und Neigung in einer oder der
anderen Richtung etwas Hervorragenderes zu leisten berufen
gein könnten, daran nicht durch ein nothgedrungeucs Streben
nach Vielwisscrci behindert werden.
Von diesem Gesichtspunkte aus habe ich bereits bei Erlass
der Prüfungsvorschriftcn vom 3. Sentcmber 18ö8 Bestimmungen
getroffen, wonach die individuelle Begabung uud Neigung der
zu Prüfendeu für die eine oder andere Richtung der Bautätig-
keit besonders berücksichtigt werden soll, und durch den beige-
fügten Erlass vom 31. Mai er. die Prüfungsbehörde für Bau-
meister noch mit weiterer Anweisung verschen um die Er-
reichung des Bezweckten zu sichern. Daneben habe ich An-
ordnung getroffen, dass auf der Bau-Akademie in einem erwei-
terten Lehrplanc eine grössere Freiheit der Bewegung den
Studirenden gestattet werde, indem die Zahl der bisher für
Alle obligatorischen Unterrichts - Gegenstände angemessen be-
schränkt wird.
Bei diesen Anordnungen, zu welchen eine in Aussicht ge-
nommene wesentliche Umgestaltung in der Organisation der
hiesigen Königlichen Bau- Akademie hinzutritt, muss es für
jetzt sein Bewenden behalten, uud ich darf annehmen, dass da-
mit auch den Iterechtigten Wünschen des Vorstandes, soweit sie
mit den Rücksichten auf die Bedürfnisse der Staats- Bau Ver-
waltung im Einklänge stehen, Genüge geschehen wordeu.
Der Minister für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten,
gez. Graf von Itzenplitz."
Der an die technische Bau - Deputation gerichtete Erlass
vom 31. Mai d. J., auf welchen in dem Schreibeu des Uerrn
Miuisters Bezug genommen wird, hat folgenden Wortlaut:
„In den Vorschriften für die Ausbildung und Prüfuug der-
jenigen, welche sich dem Baufache Jm Staatsdienste widmen,
i vom 3. September 18458, ist in i. 13 bestimmt: dass es den zur
| Baumeisterprüfling sich meldenden Bauführern freistehen
solle, mit Rücksicht auf hervorragendere Ausbildung in einer
der beiden Hauptriclituugen der Bautechnik — Land- unil
Schönbau oder Wasser-, Wege-, Eisenbahn- und Maschinenbau
— den Wunsch auszusprechen, dass die ihnen zu ertheilendeu
Aufgaben nicht gleichmässig den beiden bezeichneten Gebieten,
sondern vorzugsweise einem derselben entnommen werden, und
I in §. 14: dass die Prüfungsbehörden dem Kandidaten Auf-
gaben zu Entwürfen unter Berücksichtigung der von ihm
in seinem Gesuche hinsichtlich der Richtung ausgesprochenen
Wünsche zu ertheilcu haben.
Diesen Vorschriften liegt die Absicht zu Grunde, solchen
Bautechnikern, welchen die Neigung oder die Begabung und
Digitized by Google
- 312 —
Mittel fehlcu, um in allen Richtungen eine gründliche Durch-
bildung zu gewinnen, eine Anregung dazu zu geben, das« sie
ihre Bestrebungen darauf konzentriren , in einem oder iu dem
andren, ihrer Befähigung mehr zufügenden und für ihren künf-
tigen Beruf in Aussicht genommenen Fache vorzugsweise etwas
Tüchtiees zu leisten, Blatt ihre Kenntnisse und Leistungen nach
allen Richtungen hin gleichniässig zu verflachen.
Um diesen Zweck mit mehr Sicherheit zu erreichen, bestimme
ich in Ergänzung jener Vorschriften:
1. dass diejenigen, welche zur Bauineistcrprüfung flieh mel-
den , ohne von der iu §. Iii nachgelassenen Befuguiss I
Gebrauch zu macheu, vor Ertheiluug der Prüfungs -Auf-
gaben zu ciuer ausdrücklichen Erklärung darüber
aufgefordert werden: ob sie vorzugsweise in einer oder
der anderen Richtung — als Architekten oder Ingenieure
— und in welcher von beiden die Prüfung vorgenommen
zu sehen wünschen,
•2. das«, soweit solche Wünsche ausgesprochen werden, die-
selben uicht blos bei Ertheilung der Arbeiten zu Ent-
würfen, sondern auch bei den Klausurarbeiten und
bei der mündlichen Prüfung zu berücksichtigen sind.
Neben der strengeren Prüfung in der von den Kandidaten
bezeichneten Richtung muss aber die beschränktere Prüfung
in den übrigen Fächern jedenfalls die Ueberxeugung gewahren, 1
dass dasjenige Maass einer gleichmässigen technischen Vorbil- ;
dung, welches in der Bauführerprüfung nachzuweisen ge-
wesen ist, mindestens ungeschmälert erhalten ist. Kandidaten,
welche neben guten Arbeiten und Kenntnissen in der von ihnen j
vorzugsweise verfolgten Richtung des Land- und Schönhaues
oder des Wasser-, Wege-, Eisenbahn- und Maschinenbaues dar-
thun, dass sie in den übrigen Fächern den an einen guten
Bauführer zu stellenden Anforderungen noch entsprechen,
haben, auch ohne in den letzteren Beziehungen die tür Bau-
meister vorgesehene Stufe der Ausbildung zu erreichen, das
Qualifikatiouszcuguiss als Baumeister ohne weitere Beschrän-
kung zu erhalten. Es bleibt vorbehalten, die bessere Ausbil-
dung nach der einen oder anderen Richtung hin demnächst bei
ihrer Verwendung im Staatsdienst und bei der Anstellung in
für sie geeigneten Baubeamteustelleu zu berücksichtigen.
Die Königliche technische Baudeputatiou wolle hiernach
verfahren, und insbesondere die Herren Prüfuugs-Kouumssarieu,
sowie ihre mit dem Vorsitz bei den Prüfungen betrauten Mit-
glieder über das Maass der hiernach an die zur Baumeister-
prüfung zugelassenen Bauführer zu stellenden Anforderungen
verständigen."
Hr. von Haselberg, Stadtbaumeister zu Stralsund, theilt
mit, dass das ehrwürdig« Hauptbnudenknial der Stadt, die
Marienkirche — bekanntlich eine der grossartigsten Haekstein-
kirebeu des deutscheu Nordens — ein neues Portul erhalten i
soll und das» es Absicht sei, für den Entwurf desselben eine
Konkurrenz auszuschreiben, bei der als Preisrichter neben dem
Oberbürgermeister der Stadt zwei von dem Architcktouv ereilte
zu Berlin gewählte Mitglieder desselben fuugireu sollen. Der
Preis des Siegers, dem jedenfalls auch die Ausführung des Baues
übertrageu werden soll, dürfte nach der Houoraruorm des Ver-
bandes auf etwa 100 Thlr. sich bemessen. Der Verein besebliesst,
die Herreu Adler uud Blankenstein zu ersuchen, das Preis-
richtcramt zu übernehmen; es soll denselben empfohlen werden,
dahin zu wirken, dass iu dem unter ihrer Betheiligung auszu-
arbeitenden Programme neben der Rücksicht auf die allgemeinen
vom Verbände anerkannten Grundsätze jedenfalls auch die Be-
stimmung Platz finde, dass die Einhaltung einer bestimmten
Kostensumme nicht zur Grundbedingung der Konkurrenz ge-
macht werde.
Hr. Franz Mertens bittet um Subskription auf den von
ihm in einer i.cuen Bearbeitung herausgegebenen Text zu seiner
Denkmalkarte des Abendlandes; der Ertrag dieses Werkes ist
bekanntlieh leider fast die einzige Quelle, aus welcher der For-
seher, welchem die wichtigsten Entdeckungen der Architektur-
geschichte au danken sind, Hein Leben fristet.
Es findet hierauf die Wahl von fünf Dclegirten Statt, weicht !
den Verein bei der auf den '21. September nach Carlsruhe ein-
berufenen Abgeordneten-Versammlung des Verbandes deutscher
Architekten- uud Ingenieur-Vereine vertreten sollen. Neben den
dem Verbands -Vorstände ungehörigen Herreu Blankenstein,
Gcrcke uud Römer werdeu die früheren Delegirten des Ver-
eins Hrn. Höckmann uud Fritsch zu diesem Amte berufen;
auf die 5 Delegirten wird zugleich das Wahlrecht des Vereins
übertrugen, falls die plötzliche Verbindet ung eines derselben
seine Ersetzung durch ein anderes Vereiusmitglied uothweudig
macheu sollte.
Das von Hrn. Schwcdlcr erstattete Referat über die als
ciuzigc Lösung der Ingenieur-Aufgabe pro August eingegangene
Arbeit (Chaus&ee'Ueberführung am Ende eines Bahnhofes) rühmte
die gründliche uud tüchtige Behandlung derselben; als Verfasser
ergab sich Hr. Moritz v. den Bercken. Zu dem diesmaligen
Termine ist wiederum eine einzige Arbeit aus dem Gebiete des
Ingenieurwcseus, hingegen keine Lösung der architektonischen
Aufgabe eingegangen.
Neben einigen Bemerkungen über die bevorstehende Curls-
ruher Wanderversanimlung deutscher Architekten und Ingenieure
Versammlung ein Vortrug des Hrn. Stier über den Bau des
Etablissements „Flora" in Charlotteuburg, welches für das nächste
Mal das Ziel der Vereius-Exkursion bilden soll.
- F. -
XVI. Versammlung deutscher Architekten und Inge-
nieure zu Carlsruhe. Seitens des Lokal -Komites geht uns
die Mittheilung zu, dass auf Grund der Einladungskarte an die
Besucher der Versammlung von der Direktion der Berlin-Pots-
dam -Magdeburger Eisenbahn direkte Billets für Schnell- und
Personenzüge von Berlin bis Kreiensen ausgegeben werden, welche
zu freier Rückfahrt bis incl. Ii. Oktober berechtigen. Für Faeh-
geuossen aus dem deutschen Osten, welche mit dem Besuch»
der Versammlung eine Rhciufalirt verbinden wollen, wird diese
Nachricht sicher sehr erwünscht sein.
Personal - Nachrichten.
Deutsches Reich.
Ernannt: Der Eisenbahn -Baumeister Hering in Stras-
burg zum Eisenbahn-Betricbs-Insnoktor bei der Verwaltung der
Reichs-Eisenbahnen iu Elsass-Lotn ringen, und ist demselben die
Verwaltung der Betriebs -Inspektion in Luxemburg kommis-
sarisch übertragen worden.
Preussen.
Ernannt: Der Landhaumeister Fritze in Berlin zum
Bau -Inspektor in Magdeburg. Der Baumeister Siber zu Bres-
lau zum Wasserbaumeister und technischen Hülfsarbcitcr bei d> r
Kgl. Klbstrom-Buu-Direktion in Magdeburg. Der Bau-Akzessist
Wagner zu I.angenscbwalbach zum Kreisbaumeister in Lennep.
Versetzt: Der Wasserbau - Inspektor Degner zu Stral-
sund nach üanzig.
Brief- und Fragekaaten.
Hrn. C. Sehr, in G. Die Mitglieder der Technischen
Bau -Imputation sind in den alljährlichen Verzeichnissen der
Zeitschrift für Bauwesen, sowie unseres Architekten -Kalenders
namentlich verzeichnet.
Hrn. F. W. in Berlin. Die Beschäftigung auf den Bü-
reaus eines Zimmernieistcrs und eines Baumeisters kann wob!
schwerlich als die .Ausübung eines Bauhandwerks" aufgefaßt
werdeu und würde Sie demnach zur Immatrikulation als Studi-
render der Königlichen Bau -Akademie zu Berlin nicht berech-
tigen. Ein Besuch der Anstalt ols Hospitant würde Ihnen niciit
verwehrt sein, doch zweifeln wir daran, dass Sie bei der gegen-
wärtigen l'eberfüllung derselben durch immatrikulirte Studireode
Annahme finden werden. Suchen Sie lediglich künstieriscie
Ausbildung, so würde Ihnen in Berlin noch der Besuch der
Kuustgewerbeschule oder des Gewerbe -Museum», suchen Sic
technische Fortbildung, der Besuch der Baugewerkschule dci
Handwerker-Vereins, sowie der Gewerbe-Akademie oöon stehen.
Hrn. K. in Köln. Die Baugewerken -Vereine haben es
zur Bedingung gemacht, nur solche Techniker als Mitglieder
aufzunehmen, welche ein gewisses Maass von Kenntnissen nach-
gewiesen haben und daher iu Aussicht genommen, für die-
jenigen, welche vor Einführung der Gewerltefreiheit eine Meister-
Prüfung noch nicht bestanden hatten, ihrerseits Prüfungen «u
veranstalten. Ob Kommissionen für solche Prüfungen Bereits
in Thätigkeit sind, ist uns unbekannt und wenden Sie sich mit
einer Anfrage dieserhalb am Besten an den Vorstand des
Zentral -Vereins der deutschen Baugewerken -Vereine, die .Bau-
bude" zu Berlin.
Hrn. S. in G. Aus welcher Holzart der Oberbau der be-
treffenden Bahnen hergestellt' ist, giebt unsere Quelle leider
uicht au.
Hrn. M. in Bingen. Leider ist der von Ihnen gerügte
Uebeisland, dass die besonderen lllustrations-Beilagen u. Ztg.,
welche oft längere Zeit im Voraus gedruckt werden müssen,
und zuweilen nicht anders als vor oder nach dem betreffenden
zugehörigen Texte geliefert werden können, nicht mit Nummer
und Seiteuzahl bezeichnet sind, nicht zu vermeiden. Einige
Intelligenz des Buchbinders und der besondere Hinweis auf dir
Angaben am Schlüsse des dem Jahrgange beigefügten Inhalt.-
Verzeichnisses werdeu ihn jedoch wohl überwinden lassen.
Hrn. K. L. in Berlin. Der .Oberbaudirektor T.", den
die von ihm gebildete Bau- Gesellschaft nunmehr entsetzt bat,
ist allerdings identisch mit der Persönlichkeit, vor der — »1»
sie noch wegen Blödsinus unter gerichtlicher Kuratel sich be-
fand -- in unserem Bau- Anzeiger mehrfach gewarnt wurde,
Hrn. II. M. in München. Näheres über die Pflasterung;
mit prismatischen Holzklötzen, insbesondere «über die it;«'^
dem Heutigen Stande der Wissenschaft und in lieziehunc su
dem Bindemittel geeignetste Form der Holzklötze" ist uns ni"h".
bekannt uud wissen wir auch keine Adresse, von welcher spe-
zielle Auskunft zu erhalten wäre. Derartige Pflastcrungeu sind
unseres Wissens vorzugsweise iu den grossen Städten bolzrei-
eher Länder, Russlands, Nord-Amerika's, Schwedens angewendet
I worden. Wir würdeu es dankbar begrüssen, wenn einer unser
| dortigen Leser über die neuesten Erfahrungen in Bezug auf
i jene Konstruktion uns Mittheilung geben wollte.
I Beiträge mit Dank erhalten von den Hrn. F. in IHrschberj!.
II. und .1. in Berlin. F. in Dresden. H. in Berlin.
Hierzu eine Ulustrations- Beilage: Entwurf zu einem Parlamentsgebäude für den Deutscheu Reichstag von Kayser und
vo u ' i ru' s hei in
lU.i.Mn.wlH C./l Bo.llti iu Borlla. Ot.ck .„» UtU.ud.t rtekeriin B.H..
Digitized by Google
)eutsche Bauzeitung.
Jahrgang VI.
Parlaments- pEBÄuDE für den deutschen Reichstag.
Eutwurf von Kaysor und vuu Gross heim.
I I I I I I I I I I I 1 1 1 1 1
"> 0 10 SC 40 SO H«t«r.
Thtil dt, südlichen S.lt.nf.od«.
Jahrg. fl JI2 39.
DEUTSCHE BAUZEITUNG
Organ des Verbandes
deutscher Architekten- und Ingenieur- Vereine. *35
Bedakteur K. £. 0. Fritsch.
**dtktion ■>. »mp.diti«:
Ini.nt.
fit <k tn» Ufr 4?l1«hro
finden AafoahaM
l.ntl« Ui-l'Mr:
l« m *•
Preis 1 Haler pro Isartal.
Berlin, den 26.
September 1872.
Ersehe
■t Jeden Donnerstag.
Inhalt: v«rb»„u dam«*
KMkarraaa Mr du N.li.n.l-D.
ktiinnt» "> B«rll»ar G«ca«i«d»c
ir Arakluktau und | a|t .iit«iir-Varail». - Dl.
.kani Ml da. MltBMH (8okl. M .) - Uli-
holen. (roru«li.»g ) - klltlk.lluDI.il »ua
— Verwendung tob Drn.ea.lt n
Kilenb.hnw.u-u- -T.r.eaal-
Man rar
MbtahM -Varato. — Vrrmiith-
Verband deutscher Arekitekten- nid Ingenieur-Yen ine
Verhandlungen der zweiten Abgeordneten-Versammlung zu Carlsruhe.
Sitzung am 21. September 1872.
Die Sitzung wurde durch Herrn Blankenstein, als Ver-
treter des Vororts, um Uhr im Polytechnikum zu Curlsruho
eröffnet und von demselben zunächst festgestellt, mit welcher
Stimmenzahl und durch welche Abgeordneten die dem Verbände
angehörenden Vereint» in der Versammlung vertreten waren.
Es waren vertreten:
1. Der Architekten -Verein zu Berlin durch die Herren:
Blankenstein, Stadt - Baurath , Gercke, Geh. Baurath, Ed.
Römer, Baurath, K. E. 0. Fritsch, Architekt, W. Böck-
mann, Baumeister; B&rnnitlich zu Berlin. (10 Stimmen.)
2. Der Bayerische Architekten- uud Ingenieur -Verein
durch die Herren: C. Basler. Ober -Ingenieur der Pfälzischen
Bahnen zu Ludwigsbafon; J. Henle, k Eisenbahn -Betriebs-
Ingenieur zu Müncheu; G. J. Seidel, K. Bezirks- Ingenieur bei
der General - Direktion der Verkehrsanstalten zu München;
Schmidt, Bauamtmann zu Deggendorf. (8 Stimmen.)
3. Der Architekten- und Ingenieur-Verein zu Hannover
durch die Herren: Funk, Oberbaurath zu Osnabrück: Hase,
Baurath, Launhardt, Professor, Kock, Ingenieur, zu Hannover.
(8 Stimmen.)
4. Der Sächsische Ingenieur- und Architekten -Verein
durch die Herren: SclilCmilch, Hofrath, Sorge, Oberbaurath,
zu Dresden. (4 Stimmen.) .
5. Der Hamburger Architekten- und Ingenieur -Verein
durch Uerrn R. 11. Kaemp, Ingenieur in Hamburg. (2 Stimmen.)
6. Der Badische Techniker-Verein durch die Herren:
Baumeister, Professor, D e I i s 1 e, Eiscnbahu-Iuspektor, zu Carls-
rube. (4 Stimmen.)
7. Der Verein für Baukunde in Stuttgart durch die Herren:
J vonEgle, Oberbaurath, K. Hof Baumeister; J. Schlierholz,
Oberbaurath, Ober-Ing. der K. Eisenbahn - Baukommission , zu
Stuttgart. (2 Stimmen.)
8. Der Scbleswig-Holsteinsche Ingenieur- und Archi-
tekten-Verein durch Herrn L. Bargum, Bau - Inspektor zu
Schleswig. (2 Stimmen.)
9. Der Techniker -Verein zu Lübeck durch Herrn Bau-
direktor Dr. Krieg zu Lübeck. (1 Stimme.)
10. Der Techniker -Verein zu Osnabrück durch Herrn
Ober-Baurath Funk, aber ohne Stimme.
11. Die Architekten- und Ingenieur -Vereine zu Kassel, in
Ostpreussen und Breslau, sowie der Technische Verein zu
Oldenburg waren ohne Vertretung geblieben.
Von den 47 Stimmen der vertretenen 10 Vereine wurden
somit 37 Stimmen durch 20 Abgeordnete geführt, von denen 3
je eine Stimme und 17 je 2 Stimmen abzugeben haben. En
fehlten von den angemeldeten Abgeordneten bei Beginn der
Sitzung die Herren Beckmann und Delisle. Mau schritt darauf
zur WahP de» Vorstandes. Die mit einer Mehrheit von 23 bezw.
25» Stimmen gewählten Herren Blankenstein undLauuhardt
erklärten die Wahl annehmen zu wollen und übernahmen sofort
die Geschäftsführung der Versammlung.
Nach der in No. 30 des laufenden Jahrgangs der Deutschen
Bauzeitung veröffentlichten Tagesordnung gjng mau zur Fest-
stellung der Geschäftsordnung für die Abgeordneten-
Versammlungen über, wofür der Berliner Verein das Referat
übernommen hatte. Herr Blankenstein brachte zu der im
Vorjahre durch Herrn Baumeister gelieferten Vorlage einige
Abänderungs-Vorsculäge in Antrag, mit welchen der Entwurf
einstimmig die Genehmigung der \ersammlung fand.
Der Vorsitzende erstattet darauf im Namen des Vorstandes
den Geschäfts- und Kassenbericht für das abgelaufene
Jahr. Der Vorort hat die in der Abgeordneten -Versammlung
zu Berlin im Oktober 1871 beschlossenen Petitionen über die
Münzgesetzgebung und über die Beseitigung der Meile als Längen-
niaass redigirt und an den Bundesrath befördert, kann jedoch
über einen Erfolg dieser Schritte nicht berichten. Leider ist
auch eine dritte, an den Bundesrat h und Reichstag gerichtete
Petition in Betreff der Konkurrenz für Erbauung eines Gebäudes
für den deuUchen Reichstag ohne Erfolg geblieben.
Die Grundsätze Tür eine einheitliche Bezeichnung der metri-
schen Maasse und Gewichte sind vom Vororte in einer sehr
grossen Anzahl von Abdrücken verbreitet und an zahlreichen
Stellen bereitwillig angenommen worden, ohne dass dadurch die
jetzt in dieser Hczeichuungsweiso herrschende Verwirrung hätte
vermieden werden können. Sowohl dieser Gegenstand, wie auch
die Konkurrenz für- das Reichstagsgebäude werden deshalb in
der ietzt tagenden Abgeordneten -Versammlung des Verbandes
von Neuem in Rerathung gezogen werden müssen.
Der Geldhaushult des Verbandes weist bei einer Ein-
nahme von 24.» Thlr. und einer Ausgabe von 249 Thlr. 2fi Gr.
ein kleines Defizit von 4 Thlr. 26 Gr. auf; trotz dieses Defizits
beantragt der Vorort für das nächste Jahr keine Erhöhung des
auf 3 Thlr. für je SO Mitglieder festgestellten Beitrages, weil
mapehe Kosten des ersten Jahres, wie z. B. die für den Druck
der Statuten, sich in dem nächsten Jahre nicht wiederholen
werden. Die Herren Seidel und Krieg worden ersucht, die
Prüfung der Rechnung des Verbandes zu übernehmen , und er-
klärten sich dazu bereit
Es gelangt darauf die Aufnahme neuer Mitglieder in
den Verband zur Verhandlung. Es liegen Anträge zur Auf-
nahme von drei Vereinen vor, des Architekten- und Ingenieur-
Vereins zu Davis, des Architekten- und Ingenieur -Vereins zu
Frankfurt und des Verein» geprüfter Maurer- und Zimmer-
meistcr sowie Architekten zu Dresden. Die Aufnahme des
Vereins zu Danzig, »elcher etwa 30 Mitglieder zählt, erfolgt auf
Befürwortung des Vorsitzenden einstimmig; in gleicherweise
wird der Frankfurter, zur Zeit 54 Mitglieder zählende neu ge-
gründete Verein auf Empfehlung des darüber referirenden Stutt-
garter Vereins einstimmig aufgenommen. — Die Aufnahme des
Dresdener Vereins geprüfter Maurer- und Ziramermeister sowie
Architekten wird hingegen einstimmig abgelehnt, weil jener Ver-
ein sowohl seinem Titel als seinen Statuten nach sich mehr mit
der Wahrung der materiellen Interessen seiner Mitglieder als
mit der wissenschaftlichen Förderung der Architektur und des
Ingeuicurwcscns zu beschäftigen scheint
Ueber die vom Hamburger Architekten- und Ingenieur-
Verein beantragte Aendoruug der §§.23 und 24 der Ver-
baudsstatuteu erstattet Herr Seidel das vom Müncbener Ver-
ein übernommene Referat. Im §. 23 soll danach als Obliegen-
heit der Abgeordneten -Versammlung noch die Erledigung von
technischen uud kollegialen Fragen allgemeiner Natur genannt
werden, während durch eine andere Fassung von § 24 die Not-
wendigkeit einer */, Majorität für Statutenänderungen beseitigt,
für nachträglich auf die Tagesordnung gesetzte Beschlüsse der
Abgeordneten in dringlichen Angelegenheiten hingegen die Ge-
nehmigung einer zweiten Abgeordneten-Versammlung resp. die
Genehmigung im Wege schriftlicher Abstimmung eingeführt
werden soll. Der Referent ist prinzipiell gegen jede Statuteu-
Acnderung nach so kurzer Frist, hält den zu §. 23 beantragten
Zusatz für unwesentlich, will dagegen die zu §. 24 beantragten
Aenderungen zur Berücksichtigung für spätere Zeit empfohlen
wissen. Der Vertreter des koreferirenden Schleswig -Holstein-
scheu Verein, Herr Bargum, ist gegen die beantragte Statuten-
änderung, weil sie unnöthig und einen neuen Druck der
Statuten erforderlich machen würde.
Namcus des antragstcllenden Vereins hebt Herr Kaemp
die Notwendigkeit hervor, die Statuten eines neuen Vereins
beweglich uud damit entwicklungsfähig zuhalten; er bezeichnet
die seinerzeit gepflogene Berathung der bestehenden Statuten
als eine forcirto und hält es für erforderlich, dafür zu sorgen,
dass nicht noch einmal übereilte Beschlüsse, wie beispielsweise
in der Münzfragc, im Namen des Verbandes gefasst werden.
Hr. Fritsch weist darauf hin, dass der §. 23 der Statuten
lediglich die Befugnisse der Abgeordneten -Versammlung dem
Verbands -Vorstaude gegenüber regeln solle, dass aber der Zweck
des Verbandes durch die §§. 1 und 2 der Statuten ausge-
sprochen werde, wonach der zu §. 23 beantragte Zusatz hin-
fällig sei. Hr. Baumeister hebt auch hervor, dass allgemein
stets die Acnderung einer Verfassung oder eines Statuts durch
Digitized by Google
- 314 —
eine erschwerte Beschlussfassuug zu vermeiden gesucht werde.
— Ur. Blaukcusteiu erinnert daran, dass die Verbaudssta-
tuten sehr «rundlich in Kassel berathen und in Berlin darauf redi-
girt worden seien, dass man also von einer forcirten Berathung
derselben nicht wohl redeu könne; auch seien die Abgeordneten
nioht, wie Hr. Kaemp bei Begründung seine» Antrages be-
hauptet«, verbunden, bei den Abstimmungen unbeugsam den
Ansichten der von ihnen vertretenen Vereine zu folgen, sondern
hätten ihrer persönlichen . im Laufe der Debatte festgehaltenen
oder gewonnenen Ueberzeugung gemäss abzustimmen.
Nachdem darauf ein Antrag auf Schluss angenommen wor-
den war, wurde der Antrag des Hamburger \ereins zur Ab-
stimmung gebracht und mit allen gegen die beiden Stimmen
des Antragstellers verworfen.
Der im Beginn der Diskussion von Hrn. Seidel gestellte
Autrag, die Anträge des Hamburger Vereins in das Protokoll
zur zuküuftigen Berücksichtigung aufzunehmen, wurde, von
demselben jetzt zurückgezogen.
L'eber den fünften Gegenstand der Tagesordnung, den Sei-
tens des Verbandes an die XVI. Wandervcrsamniluug deutscher
Architekteu und Ingenieure zu richtenden Antrag, au Stelle der
Wandcrversammluugeu von jetzt ab Generalversammlungen des
Verbandes deutscher Architekteu- und Ingenieur-Vereine abzuhal-
ten, berichtet Namens des Lühecker Vereins Hr. Krieg und
Namens des Stuttgarter Vereins Hr. von Egle. Man ist über
die Zweckmässigkeit und Notwendigkeit dieses Autrages allge-
mein einverstanden und ersucht Hrn. von Egle, den erwähnten
Antrag in der Wauderversammlung im Namen des Verbandes
zu stellen.
Der Vorsitzende crtheilt hierauf Hrn. Baumeister das
Wort, um die Dringlichkeit eines von ihm eingebrachten An-
trages zu begründen, nach welchem die einheitliche Bezeichnung
der metrischen Maasse und Gewichte von Neuem in Erwägung
gezugeu werden soll. Zur Motivirung der Dringlichkeit wird
auf die zur Zeit in der Bezeichnung der metrischen Maasse und
Gewichte noch herrschende Verwirrung hingewiesen, welche in
einer den Mitgliedern mitgetheiltcn Nummer der hadiseheu Ge-
werbezeitung ausführlich erörtert wird, und bemerkt, da*s die
Hoflnung auf einen Ausgleich sich jetzt, wo auch der Verein
deutscher Ingenieure hier tage, vielleicht werde verwirklichen
lassen.
Nachdem die Dringlichkeit einstimmig angenommen worden,
wird nach weiterer Diskussion beschlossen, eine Kommission
von drei Mitgliedern zu eruenneu. welche noch an demselben Tage
mit dem Vorstande des Vereius deutscher Iugenieure verhandeln
in der Versammlung des genannten Vereins das vom Ver-
deutschcr Architekten- und Ingenieur-Vereine angenom-
mene System der Bezeichnungen zu erläutern habe. Die Hrn
und S
sen Auftrag zu übernehmen
Blankenstein, Fritscb
Schmidt wurden ersucht, die-
Man ging sodann zurBerathung der Reform des Pro-
zessverfahrens bei bautechuischen Streitigkeiten
durch Einführung bautechnischcr Spezialgerichte
über, wofür der Verein zu Breslau, welcher aber nicht vertreten
ist, und der zu Stuttgart das Referat übernommen hatten.
In der betreffenden AngeleRenheit sind bekanntlich vom
Baugewerkentag, welcher in Berlin im .lahre 1S70 geta«t hat,
und vom Berliner Architektenvereiu Petitionen an den Bundes-
rath gerichtet worden, llr. von Egle verliest das Gutachten
des Stuttgarter Vereius, wonach die Petition des Baugewerken-
tages nicht zu vertreten ist, die in der Petition des Berliner Archi-
tekten-Vereins gegebenen Gruudzüge im Allgemeinen als zweck-
mässig bezeichnet werden, obwohl nicht als wahrscheinlich
angenommen wird, dass das darin enthaltene WünscbenswertLc
auch erreichbar sei.
Es entspinnt sich über den Gegenstand eine längere Dis-
kussion, deren Ergebnis? der Vorsitzende schliesslich in Folgen-
dem zusammenfasst : Man scheine einig darüber zu sein, dass
die Sachverständigen schon bei der Instruktion der Sache von
den Gerichten hinzu zu ziehen seien, das« eine grosso Vorsicht
in der Auswahl der Sachverständigen stattfinden müsse, welche
nicht durch die Parteien, sondern durch den Richter nach An-
hörung geeigneter Körperschaften oder Behörden zu eruenneu
seien. Da ein eigentlicher Autrag nicht vorliege, die Sache auch
nicht eilig erscheine, weil die neue Zivilprozessorduung für dos
deutsche Heich so bald wohl nicht festgestellt werden würde,
so schlage er vor, die Angelegenheit in den Einzel Vereines
nochmals in Erwägung zu ziehen uud zu dem Zwecke dos von
dem Stuttgarter Verein ausgearbeitete Gutachten in dem Ver-
baudsorgaue abdrucken zu lassen. Der Vorsitzende bemerkt
dabei noch, dass es sich nicht um Aufstellung eines Gesetzent-
wurfes handele, sondern nur um die Feststellung von Gesichts-
punkten, welche für die Gesetzgebung zur Berücksichtigung zu
empfehlen seien.
lu Vertretuug des sächsischen Vereins schlägt der als Er-
satzmann für Hrn. Sorge anwesende Hr. Prof. Hartig noch
vor, mau möge in deu Einzelvcreincn besonders bemerkens-
werthe gerichtliche Entscheidungen, welche die Reform des Pro-
zessverfuhrens in bautechuischen Streitigkeiten recht schlagend
als nothweudig kennzeichnen, sammeln und dem Vororte mit-
theilen, ein Vorschlag, welcher durch Hrn. Fuuk lebhaft unter-
stützt und dann gleichzeitig mit dem vorher erwähnten
Antrage des Vorsitzenden einstimmig zum Beschluss erhoben
wird. Der Zeitpunkt für die Einlicferuug der Ausarbeitungen
der Einzelvereine wird auf den 1. Febr. 1873 festgestellt.
Nachdem die Sitzung für die Dauer von l'/i Stunden un-
terbrochen worden war, wurden die Verhandlungen um 2 Ihr
Nachmittags durch den Vorsitzenden wieder eröffnet. Ausser
d-'u am Vormittag Anwesenden, sowie deu Hrn. Böckmann uud
Delisle war in Person des Hrn. Bauinspektor Queissner xu
Hohenstein nunmehr ein Vertreter des Ostpreussischen Vcreiw
(1 Stimme) hinzugetreten, so dass jetzt 11 Vereine durch 23 Ab-
geordnete mit zusammen 42 Stimmen vertreten waren.
Es gelaugte zunächst die Aufstellung einer Norm für
die Houorirung für Arbeiten aus dem Bauingenieur-
weseu zur Berathuug, worüber Namens des Hannoverschen
Vereius Herr Launhardt referirte.
Vom Referenten wurde nach kurzer Einleitung darauf auf-
merksam gemacht, dass die Berechnung des Honorars nach stu-
fenweise abnehmenden Prozentsätzen zu dem llel>elstande führe,
dass der Honorarbetrag im Beginne einer neuen Stufe niedriger
ausfalle als am Ende der vorhergehenden Stufe. Dieser l'cbcl-
staud ist in einem Gutachten des Stuttgarter Vereius seboo
hervorgehoben und durch die Bestimmung zu beseitigen gesucht,
dass im Anfange einer neuen Stufe so lange der höchste Uoiw-
rarbetrag der vorhergehenden Stufe beizubehalten sei, bis auch
innerhalb der neueu Stufe dieser Betrag erreicht werde. Zu
einer korrekten Berechnung des Honorars führt dieser Vorschlag
aber auch noch nicht, weshalb vom Hannoverschen Verein vor-
geschlagen wurde, das Honorar nach einem stufenweise abneh-
mendeu Prozentsätze zu berechnen uuter Hinzufügung eines für
jede Stufe festzustellenden konstanten Werthcs.
Obgleich allgemein zugestanden wurde, dass diese Art der
durchaus korrekt sei, *
für das >iti»nal-Drnkmal auf
Niederwald.
Die
Unter dem Motto: .Fürs heilige deutsche Reich" hat
derselbe. Verfasser zwei verschiedene Entwürfe eingesandt,
welche sich aber vornehmlich nur in der Anordnung der
unteren Parthieu des Monuments unterscheiden. Der obere
Tlieil des Denkmals ist in beiden Arbeiten fast gleich, ein
Kuiidthurm. wie ihn ühnlich auch der vorher besprochene
Entwurf .Aquila* zeigt. Der Verfasser bestimmt für die
beiden Variationen auch verschiedene Bauplätze; für den
einen schlägt er den vom Konkurrenz-Ausschreiben gewähl-
ten Leinegipfel, für den andern den sogenannten Raminstein,
etwas weiter stromaufwärts gegen Büdesheim belegen, vor.
Ich kann au dieser Stelle den Gedanken nicht verhehlen,
welcher mir solchen Doppelarbeiten desselben Verfassers ge-
genüber fast stets ankommt, dass derselbe nämlich besser
gethan hätte, es bei einer Arbeit zu belassen. Die richtige
Wahl unter verschiedenen, namentlich bei einer so freien
Aufgabe unbedingt höchst mannigfaltigen Grnndmotiven zu
treffen, ist zunächst Sache des erfindenden Künstlers und
gehören die Studien dazu in sein Atelier. Dem Publikum
eine Wahl anheimzustellen ist stets insofern misslich, als
mau darin vielleicht selbst da eine Unsicherheit des Künst-
lers vermuthen wird, wo derselbe, wie wahrscheinlich im
vorliegenden Falle, nur lediglich zu grossen Eifer in Bear-
beitung der wichtigen Aufgabe gezeigt hat. Beide Enwürfe
beeinträchtigen sich gegenseitig. Der eine — übrigens iener
für den Kammstein — obgleich in derselben Ausführlichkeit
dargestellt, steht dennoch entschieden gegen den anderen
zurück. Ich habe sonach vornehmlich nur über den letz-
teren zu berichten.
Die Kundfonii des oberen Thnrmes ist hier von unten
auf vorbereitet. Schon die erste Terrasse, anf welcher sich
das Denkmal erhebt, ist kreisrund gebildet und mit tiefen
Nischen, welche sich aus der Anlage stützender Strebepfeiler
naturgetnäss ergeben, gegliedert. Die Terrasse ist bereits
in bestimmte Beziehung zu dem oberen Bau gesetzt, als
kräftiger Sockel desselben, nicht wie bei der vorigen Arbeit
nur als breitbasiges Podium. Eine Säulenhalle von gedrun-
genen Verhältnissen bildet eine zweite Abstufung in der Sil-
houette des Ganzen, aus welcher sich dann der eigentliche
Thurm erhebt, ebenfalls ziemlich kurz und stark verjüngt,
aber entsprechend kräftig gestaltet und in seiner Bekrönuni
in einer offenen Halle die Form der Kaiserkrone nach-
ahmend. So gern ich die Gediegenheit in der künstleri-
schen Anlage der unteren Bautheile anerkenne, welche in
ihrer Einfachheit diesem Entwürfe sogar noch den Yorztu:
vor der erstlM-schriebenen Arbeit zn sichern scheinen, so
wenig kann ich — und gewiss viele Beschauer mit mir —
die sonderbare Idee guthoissen. eine Kniserkrone zn mauern,
mit Diamantquadern anstatt Edelsteinen /.u verzieren und
sie schliesslich noch als Aussichtsloge benutzen zu wollen.
Diese Idee uud ihre Ausführung sind einfach zopfig, denn
der Zopf dokumentirt »ich nicht blos in der Anwendung
gewisser unschöner Formen, sondern vornehmlich auch in
Digitized by Google
315
dass die Hinzufügung eines konstanten Warthes zu dem Prozent-
sätze von Seiten des bauenden Publikums als eine ungerecht-
fertigte Erhöhung des Honorars aufgefasst werden würde. Hr.
von Ejtle schlug aus dem Grunde vor, dieselbe Art der Berech-
nung in anderer Form festzustellen, der Art, dass man den für
die erste Stufe festgestellten Prozentsatz für den Thoil der
Koston, welcher dem Orenzbetrago der ersten Kostenstufe
gleichkommt, auch für höhere Kostenbeträge beibehält und nur
den Theil der Kosten, welcher den Grenzbetrag der ersten Stufe
überschreitet nach einem geringereu Prozentsätze bemessen
solle. Ein Honorar für eine Bau- Ausführung, deren Kosten
innerhalb der dritten Stufe liegen, würde demnach für drei
TbeilbetrSge nach drei verschiedenen Prozentsätzen zu berech-
nen sein. Der Referent für den hannoverschen Verein scbloss
sich diesem Vorschlage im Allgemeinen an, hielt es aber für
wünschenswert!], die Prozentslitze der auf einander folgenden
in, dass jeder Kostenbetrag stets nur in
cerlcgen ist, von dem der eine dem Grenz-
zwei Theilbetrfigc zu zerlegen
werthe der vorhergehenden Stufe entspricht. Im Laufe der De-
batte über diese Frage wurde von den Vertretern des bayeri-
schen Vereins die Meinung ausgesprochen, dass im Prinzip die
prozentuale Ermittelung des Honorars für die generellen Vor-
arbeiten und die Bearbeitung des Projekts bei Arbeiten aus
dem Bau-Iugnnieurwesun nicht durchführbar »ei: Hr. Funk un-
terstützte diese Ansieht und hob ausserdem hervor, dass das
Unzutreffende der Anwenduug von Prozentsätzen sich auch bei
sehr grossen Ausführungen herausstellen wird. Die weitere
Erörterung dieser Prinzipieufrage führte zu der Ansicht, dass
der Gegenstand zu eiuer Berathung überhaupt wohl noch nicht
völlig reif sei und bis zur nächsten Abgeordnctenversammlung
vertagt werden müsse. Eiu in diesem Sinne gestellter Autrag
wurde jedoch abgelehnt und zunächst beschlossen, die Berathung
des Gegenstandes vorläufig nur bis zur Sitzung des nächsten
Tages zu verschieben.
Man ging darauf zu den unter No. 9 der Tagesordnung auf-
geführten Vorschlägen der Hrn. Grebenau uml von Wagner
zur einheitlichen Bezeichnung der in der Hydrometrie vorKotn-
menden Grossen, und dem Zusatzantrage des Hm Boeder, diese
Berathungen auf alle tiebiete des Bauwesens auszudehnen, über.
Die über diesen Gegenstand reforirenden Vereine zu München
und zu Osnabrück halten denselben für eine Berathung noch
nicht geeignet, da Aeusscruogeu der Emzclvereiuc bis jetzt
nicht vorliegen, auch diu für die Eiulicfcruug dieser Aeusse-
ruugen festgesetzte Frist noch nicht abgelaufen sei. Es wird
beschlossen, die Eiuzelvereiuc aufzufordern , über den betreffen-
den Gegenstand bis zum 1. Februar 1873 sich zu äussern.
Der Antrag des permanenten Polytechuiker- Ausschusses zu
Dresden auf Einführung eines Reichs-Examens für Tech-
niker, über welchcu im Namen des sachsischen Vereins Herr
Schlöniilch referirt, führt zu einer weitgehenden Diskussion
über die Ausbildung der Bautecbniker und die Organisation des
Staatsbauweseus in den verschiedenen deutschen Ländern. Hr.
Kaenip spricht sich im Namen des Hamburger Vereins für
Abschaffung aller Staatsprüfungen aus, während von auderer
Seite die Nützlichkeit der technischen Staatsprüfungen betont
wird, wobei Hr. Blankenstein bemerkt, dass man sogar in
England daran denke, solche Prüfungen einzuführen. Aus
dieser Delmtte geht wenigstens klar hervor, dass der Antrug
der Dresdener Polytecbuikcr nur im Zusammenhange mit ein-
heitlichen und sehr eingreifenden Acnderungen in dem Aus-
bildungsgange der Techniker und in der Organisation des Bau-
wesens aller deutscher Staaten durchzuführen ist Mau bc-
schlicsst, den permanenten Ausschuss der Techniker zu Dresden
zu antworten, dass man zwar ihrem Antrage im Prinzips voll-
ständig beistimme, zur Zeit aber an der Durchführbarkeit des-
selben zweifle, wobei denselben die Motive des Beschlusses mit-
getheilt werden sollen.
Es gelaugt sudann die Angelegenheit der Konkurrenz für
den Bau des deutschen Beichstagsgebäudes zur Sprache, für
welche die Vereine zu Hamburg und zu Berlin das Referat über-
nommen habeu.
Hr. Kaenip berichtet, dass der Hamburger Verein der An-
sicht sei, 1) dass es wünschenswert Ii sei, den preisgekröuteu
Eutwurf zur Ausführung zu bringen, falls die in Frage gezo-
gene Veränderung des Bauplatzes dies irgend gestatte; 2) sonst
von Neuem eine freie Konkurrenz auszuschreiben. 3) Sollte in-
dessen eine beschränkte Konkurrenz beliebt werden, so möchten
zu derselben nur Diejenigen aufgefordert werden, welche bei der
ersten Konkurrenz auf der engeren Wahl für die Prämiirung
gestunden haben.
An der Debatte über diesen Gegenstand betheiligt sich eine
grössere Anzahl der anwesenden Abgeordneten. Es wird be-
klagt, dasB liei der ersten Konkurrenz die Vorschlag des Ver-
baudsvorstandes keine Berücksichtigung getuudeu haben, und
der geschichtliche Hergang der ersten Konkurrenz dargestellt.
Mau ist allgemein der Ansicht, das mit neueu Petitionen nicht
vorzugehen, sondern an die Wallderversammlung der Autrag zu
stellen sei, sich in Form einer Resolution über den Gegenstand
zu äussern.
Weitere Besehlussfassungen über den wichtigen Gegenstand
glaubt mau bis zur nächsten Sitzung, welche auf Souutag den
'2i. Septbr., Morgens 9 Uhr mihi räumt wird, verschiebeu zu
müssen.
Darauf erfolgt um h Uhr Nachmittag der Schluss der
Blaukenstein. Launhardt.
(SCW.B folgt.)
Luftheixungei in Berliner Geneindesekulea.
(ForUFtsuiii.)
Für das in Rede stehende Schulgebäude ergab sich so-
gleich die Zweckmässigkeit zweier Ifeizkaiiinieru, die kor-
respondirend mit den Fluren liegen, so dass jede derselben
ohne Schwierigkeit mit den vier um diese gruppirten Klassen
jetler Etage durch einen lleizkuual verbunden werden konnte.
Da die Keller mit Ausnahrae der Wohnung im mittleren
Theil überwölbt sind, so war, obwohl je 4 Heizkanäle in
der Mittelwand liegen, doch keine Auswechselung der Balken
nöthig, da ja zwei bereits im Erdgeschoss münden und die
andern einzeln zwischen je zwei Balken hindurch geführt
sind.
Für jede Heizkammer war bei einer Breite von 2,3"
eine Länge von (i,'l m disponibel, während der Apparat selbst
nur 3,3 m Länge erfordert. Die eine Heizkammer ist daher
in dieser Länge mit einer Wand abgeschlossen, wobei für
zwei Kanäle die Anbringung horizontaler Verbindungsstrecken
dem eklatauten Widerspruche, in dem eine Idee zu der Art
uud Weise steht, dureri welche dieselbe in die Erscheinung
tritt. Wir haben heutzutage nach dieser Richtung manche
Abarteu zu verzeichnen, neugriechischen wie neugothisdien
Zopf, nelien denen der alte sogenannte des 18. Jahrhunderts
noch keinesweges der verwerflichste ist.
Das Dekoration* -Detail ist in diesem Entwürfe zwar
reicher, aber bei kleinem Maasstahe und grosser Häufung
nicht in demselben angemessenen strengen Sinne behandelt,
wie in dem ersten Entwürfe. Statuenreihen, Reihen von
Reliefköpfen, Wappenschildern und Festons schmücken den
oberen Thurm, die kaum in nächster Nähe geniesshar sein
können und deren Reduktion schon die architektonische
Oekonomie fordert. Der vier Nischen, welche bei ihren ge-
ringen Maassen nur zu den Pferdesehwäuzen der vor ihnen
stehenden Reiterstatuen in engere Beziehung zu setzen sind,
sei hier insbesondere gedacht.
Auch in dieser Arbeit enthält das UntergesehosR des
Baues eine kuppelgewölbte Ruhmeshalle ; sie harmonirt in ihrer
architektonischen Form mit dem Aeusseren und ist an sich
künstlerisch geschickt behandelt. Ob indessen eine solche
Halle, die in dieser Anordnung nur geringes Licht und
schwere Formen erhalten kann, gerade eine Ruhmeshalle,
nicht vielmehr eine Grabkirche darstellen wird, möchte ich
bezweifeln. Das wesentlichste Verdienst auch dieses Ent-
bleibt die bis auf die Bekrönung höchst gelungene Ge-
der gesammten äusseren Form, für welche der Ver-
eider keine Perspektive beigefügt hat.
Die zweite Arbeit ist hier nur kurz zu erwähnen. Der
Obertheil des ersten Entwurfes erhebt sich aus einem brei-
ten quadratischen Bau, dessen Ecken mit vier kleinen kup-
pelgelcrönten Aufsätzen bezeichnet sind und der nach Aussen
an vier Seiten offene Hallen; im Innern abermals eine soge-
nannte Ruhmeshalle enthält. An der Vorderseite gegen den
Rhein ist eine vortretende Terrasse angeordnet. Das Ganze,
in einer Perspektive dargestellt, welche aber den lokalen
Verhältnissen nicht entspricht, bietet durch die auch hier
wiederholte Bekrönung des Thurms durch eine Kaiserkrone
und durch die vier Ecklösüngen in etwas den Charakter
eines indischen Grabtempels. Für alle Ansichten vom Thal
aus würde die vorgelegte Terrasse sehr verdeckend wirken.
Den erwähnten Arbeiten ähnlich in derGesammtform. wenn
auch durchaus verschieden im Detail — denn er ist im got bi-
schen Stile durchgeführt — zeigt sich der Haupttheil des Ent-
wurfes mit dem Motto: T Dera Deutschen Volke sei's gebracht."
Ueher einem Unterbau in Kreuzform, mit vier Giebeln ab-
geschlossen, der abermals eine Ruhmeshalle enthält, deren
Form sich hier iudessen den Fordeningen einer solchen noch
am Günstigsten anschliesst, erhebt sieh eine schlanke Sfinle,
welche am Fuss und an der Spitze mit gothischen Arkaden
umgeben, als Bekrönung die Statue einer Germania trägt.
Die Slilformen sind mit vielem Geschick in derjenigen Ver-
einfachung und Massenhaftigkeit behandelt, wie sie die Auf-
gabe erfordert. Das Herauswachsen der Mule aus dem kreuz-
förmigen Unterbau ist allerdings nicht geschickt gelöst, die
Dekoration der vier Giebel wenig anziehend. Immerhin
könnte dem Verfasser eine entschiedene Anerkennung nicht
versagt werden, hätte derselbe nicht durch die Anlage eines
Digitized by Google
316 —
auf Eisenscbienen nötbig wurde, bei der andern Kammer
ist diese Trennungsmaner, obwohl der Fabrikant davon für
jene beiden entfernt liegenden Kanäle eine Beeinträchtigung
der Heizwirknng befürchtete, fortgeblieben, so dass sie direkt
mit der Heizkammer in Verbindung stehen. Es hat sich
ein Unterschied der einen gegen die andere Anordnung hin-
sichtlich der Heizwirkung nicht ergeben, dagegen bietet die
letztere den grossen Vortbeil, dass die Heizkammer mittels
einer eisernen Thür vom Keller ans jederzeit betreten, der
Apparat selbst während des Heizens Icontrolirt nnd etwaige
Nachhülfe sehr leicht ausgeführt werden kann. Auch zur
Anstellung von Beobachtungen ist eine solche Anordnung
sehr zweckmässig, wie sich später ergeben wird. Die Heiz-
kammern sind doppelt überwölbt mit einem Zwischenraum
von ca. \'2"° der zweckmässig nicht hohl bleibt sondern
mit Asche aasgefüllt wird.
Die Klassen haben mit geringer Abweichung eine Länge
von B,68", eine Breite von 6"\ eine Höhe von tfii m und
einen Kubikinhalt von 204 kb», so dasR jeder Apparat ca.
1700kb» Zimmerraum zu heizen hat. Bei dieser Grösse der
Klassen war je ein 'Heizkanal für jede Kl;
dem ebenso ein Yentilationsrohr entspricht.
Aus bekannten Gründen werden die Heizkanäle um so
weiter gemacht, je kürzer dieselben sind, und haben sie nach
dem Erdgeschoss eine Grösse von 2ß.39* m , nach dein 1.
Stock von 2G . 31*" und nach dem 2. Stock von 26 . 26*™
erhalten. Die Breite ist überall gleich und entspricht der
Mauerstärke, während die grössere Dimension in der Längs-
richtung derselben liegt. Um Vorsprünge und über 2 Stein
starke Maueru zu vermeiden, wird über 26 ,B> breite Kanäle
selten hinausgegangen werden.
Die Heizkanälc stehen mit den Heizkammem durch
kleine Sticbgewülbe dergestalt in Verbindung, dass die Kin-
strömungsöftuungen mindestens bis zum Gewölbescheitel rei-
chen. Die Ausströmungsöffnungen in den Klassen liegen
1,75™ über dem Fnssboden und endigen hier die Kanäle, so
dass deren Zahl von Etage zu Ftage abnimmt. Ein- und
Ausströmungs- Öffnung werden zweckmässig ' » grösser ge-
macht als der Kanalquerschnitt. Um den Eintritt der war-
men Luft zu reguliren, resp. ganz abzuschließen, dienen
eiserne Jalousieklappen oder Schieber mit entsprechenden
Handhaben, die vor der Ausströmungsöffnung angebracht
sind, so dass die Lehrer die etwa nöthige Kegnlirung selbst
vornehmen können. Um Unfug Seitens der Schüler zu ver-
hüten, werden diese Verschlüsse so eingerichtet, dass sie nur
mittels besonderen Schlüssels stellbar sind, anch wird zur
Verhinderung des Einwerfens von irgend welchen Gegen-
ständen in den Kanal ein Drahtgitter hinter dein Verschluss
anzubringen sein.
Die Yentilationskanäle dienen ausser der Abführung der
schlechten Luft zur Verstärkung der Heizwirkung und kön-
nen gewissermassen als Fortsetzung der Heizkanäle gelten
unter Einschaltung der Zimmer. Sie erhalten daher im All-
gemeinen dieselben Querschnitte wie diese letzteren; es ge-
nügt jedoch meist, ihnen allen die gleiche und zwar durch-
schnittliche Grösse der Heizkanäle zu geben. Zwar ist wegen
der geringeren Temperatur die Geschwindigkeit in den Ven-
tilationskanälen eine geringere, dagegen ist zu beachten,
dass anch das abzuführende Luftquantum wegen der niedri-
geren Temperatur kleiner ist und dass sich Heiz- und Ven-
tilationskanäle in der Weise ergänzen, dass ihre Gesammt-
höhe überall dieselbe ist, wodurch eine gewisse Gleichmässig-
keit der Heizwirkung herbeigeführt wird. Es ist aber an-
dererseits nur vortheilhaft , wenn ein geringeres Luft-
quantnm durch die Ventilationskanäle abgeführt wird, als
durch die Heizkanäle eintritt, indem dadurch eine grössere
Ruhe der Luftschichten in den Zimmern, eine gleichförmigere
und nachhaltigere Erwärmung derselben und eine schwache
Luftpressung bewirkt wird, welche eher ein Entweichen der
Luft nach Aussen durch Thür- und Fensterspalten zur Folge
hat als das Umgekehrte, was gleichbedeutend mit Abhaltung
der Zugluft ist. Noch mehr treten diese Umstände durch
die Art der Abführung ein. Jeder Ventilationskanal steht
nämlich sowohl über dem Fussboden als unter der Decke
mit dem betreffenden Zimmer in Verbindung. Selbstredend
bleibt die obere Mündung während der Heizperiode für ge-
wöhnlich geschlossen und nur die untere ist stets offen.
Die warme Luft, welche bei ihrem Eintritt sich erhebt und
an der Decke ausbreitet, wird theils durch Abkühlung, theils
durch die Pressung der nachfolgenden Luft niedersinken,
bis sie schliesslich an die untere Mündung des Ventilations-
kanals gelangt und dort abzieht. Diese Kanäle werden nicht
über Dach geführt, weil die äusseren Luftströmungen die
Regelmässigkeit der Bewegung in denselben beeinträchtigen
würden, sondern münden im Dachboden, wenn möglich in
Kopfhöhe und seitlich, und werden hier ebenfalls mit einem
Drahtgitter abgeschlossen- Sie werden meist erst von dem
zugehörigen Zimmer ans angelegt, sind aber in vorliegendem
Fall, wie in mehren andern mit Luftheizung versehenen
Schulen sümmtlich auch abwärts bis unter den Kellerfass-
boden geführt und mittels horizontaler Strecken mit der
Heizkammer verbunden, wie dies die Grundrisse andeuten.
Es ist zulässig, diese horizontalen Kanäle soweit anfänglich
zu einem grösseren Kanal zu vereinigen, der zweckmässig
jrösser ist als die Querschnitte der einzelnen Kanäle zusammen.
[>a indess diese unter der Kellersohle liegenden Kanäle leicht
feucht nnd dumpf werden oder wohl gar Grundwasser ent-
halten können, so müssen sie entweder wasserdicht herge-
stellt oder besser an der Decke des Kellers als Thonröhren
oder Zinkkasten angelegt, an der Heizkammer herabgeführt
werden und über dem Boden in dieselbe ausmünden. Der
Zweck der Führung dieser Kanäle bis zur Heizkammer ist
ein doppelter. Einmal kann dadurch die Zimmerluft nach
der Heizkammer zurückgeführt und also mit Zirkulation ge-
heizt werden, andererseits dienen sie zur Sommer- Ventilation,
wovon später die Rede sein wird. Bei der Zuriickführung
der bereits erwärmten Luft nach der Heizkammer wird na-
türlich eine schnellere Erwärmung resp. eine Ersparniss an
Brennstoff erzielt und diese Zirkulation ist zulässig, sofern
eine Ventilation nicht verlangt wird oder erforderlich ist
grossen Vorhofes und eines zu demselben führenden drei-
bogigen Triumphthores seine Anlage für die gewählte Stelle
völlig unbrauchbar gemacht. Die Vorhalle wird das eigent-
liche Monument in den meisten Ansichten völlig decken und
die Bedeutung desselben herabdrücken, wie dies auch schon
aus der durchaus nicht etwa der Situation entsprechenden
Perspektive hervorgeht. Der vortrefflichen Darstellung dieser
Perspektive, wie der fleissigen Ausarbeitung der Zeichnungen,
in welcher sich die Arbeit den vorgenannten völlig zur Seite
stellt, sei übrigens rühmend erwähnt.
Einen gothischen Thurm hat auch Vinzenz Statz*)
als Denkmal entworfen, aber damit kein erfreuliches Werk
geleistet. Der achteckige Thurm, unten mit Freitreppen und
vier vorgebauten Lauben versehen, im oberen Theif ein Mit-
telding zwischen Kirche und Yertheidigungsthurm , giebt
weder in seiner unruhigen Silhouette noch in seinen nüch-
ternen Detailformen das Bild eines Denkmals. Unerfindlich
bleibt es namentlich, wie ein geborener Rheinländer die
des Niederwaldes zu solcher Wolfschluchttheaterde-
Szenerie
koration
spektive
nahe! —
Erwähnenswerth ist ferner die Arbeit mit dem Motto
Uli» »»und. Wenn nachträglich - d. h. 8 Ti
■et i.t nnd Jed.r dl. Naan.» *.lMtn - dl. Ai
wi. in el.lit.n andern! Fall.n 41. Nara«i mit
da. in der Th«t e.n*
auf »eich.
konnte, als es in der beigefügten Per-
Hierzu freilich passt der Thurm bei-
1 Ith bat* in di«wm Kall, den Kanten d»a Vnrtaaaara angeführt, well Inn
' ohne Motto unter ••Ine Zelfanuiigen fetetit Int, ein Kernt, da* ihn» Jert*n-
" Tue nachdem die Anstellung »e»ir-
,Otto w . Das Denkmal ist nicht als Thurm, sondern als
Gebäude aufgefasst, dessen Form freilich im vorliegenden
Falle keineswegs der Aufgabe, sondern mehr einer Grab-
kapellc entspricht. Ein achtseitiger Bau liegt auf der äus-
serten Spitze iles Felsens, zu dem eine Brücke von der
Felswand hinüberführt, am Anfange derselben ist als Brük-
kenthor ein ziemlich winziger Triumphbogen errichtet
Nischen mit Figuren schmücken die Seiten des eigent-
lichen Denkmals, dessen Spitze als achtseitige Pyramide ge-
bildet ist, welche abermals die Kaiserkrone trägt, die zwar
diesmal aus Metall gedacht ist, aber durch ihre Form und
namentlich durch die Füsse, auf welchen sie ruht, sich ent-
schieden als ein tragbares Gefäss darstellt. Das Innere ent-
hält eine Ruhmeshalle in der Form einer schlanken acht-
seitigen Kapelle. Die Kunstformen, streng an Säulenordnung
gebundene Renaissance, erheben sich namentlich in diesem
Innern durchaus nicht über das Gewöhnliche.
Zum völligen Kasino in einem italienischen Park ge-
staltet der Verfasser der in einem . grossen Gipsmodell dar-
gestellten Arbeit mit dem Motto ? Am freien deutschen Rhein*
sein Denkmal. Achtseitig, mit einem oberen zurücktretenden
Geschoss, Vorbauten an den vier Seiteu, Fontainenanlagen
u. s. w. entspricht es in eleganten Renaissanceformen völlig
jenem Zwecke, indess durchaus nicht der gestellten Aufgabe.
Wird hier noch die Arbeit mit dem Motto -Concordia",
eine antike hohe Säule mit Halle dahinter, ähnlich der bai-
rischen Ruhmeshalle, ferner jene mit dem Motto „Reichs-
adler" erwähnt, ein quadratischer als Triumphbogen mit vier
Oeffnnngen gestalteter Bau in
Digitized by Google
- 317 -
Digitized by Google
- 318 —
unteren
letztere
I >i. S.
Dies ist in Schulzimmern vor Beginn des Unterriehts und
nach Schluss desselben der Fall, oder dann, wenn einzelne
Zimmer Unregelmässigkeiten in der Beheizung bei Ventila-
tion zeigen. Da Ventilation und Zirkulation sieh gegenseitig
ausschliessen, so kommt es darauf an, die Verschlüsse der
unteren Kanalmüudnng so zu konstruiren, dass durch Auf-
hellung der einen Strömung gleichzeitig die andere in Wirk-
samkeit treten katin. Am geeignetsten hierzu ist die Ver-
scblussklappe (Fig. 1.) welche sich um eiue hori-
zontale Achse gegenüber der Oeffuung des Kanals
bewegt. In der mit a bezeichneten Stellung ist der
Kanal nach unten geschlossen, also Ventilation
vorhanden, in der mit b bezeichneten Stellung
erfolgt Zirkulation. Bei dieser Anordnung kann
weder der Ventilationskanal vollständig gegen das
Zimmer abgeschlossen, noch der obere mit dem
I'heil in direkte Verbindung gesetzt werden. Das
ässt sich zwar in leichter Weise erzielen, das erstere
kann nur durch Anbringung eines besonderen Schiebers vor
der Oeffnung bewirkt werden. Bei der 35. Schule ist zur
Erreichung der verschiedenen Zwecke
der \ erschluss mit 2 Klappen angewen-
det (Fig. 2). welcher allerdings weniger
be<mem ist. Beide Klappen drehen sich
um horizontale von aussen stellbare Ach-
sen, die eine liegt unmittelbar über, die
andere unter der Kanalmündung: es ist
l< i' ht ■ rsii htlicli . wie dun Ii horizon-
tale resp. vertikale Stellung der einen oder anderen resp.
beider Klappen Alles etwa Angeführte erreicht wird. Ks
lassen sich wohl noch andere F.inrichtnngen treffen, doch
wird immer einfachste Konstruktion mit leichtester Hand-
habung vereint sein müssen. Selbstredend muss auch vor
der unteren Ventilationsöffnung ausser dem Verschluss ein
Drahteitter angebracht sein. Die obere Oeffnung, welche
nur für die Soinmerventilation in Funktion tritt oder wenn
beim Heizen eine zu hohe Temperatur
vorhanden ist, erhält als Verschluss
eine einfache Jalousieklappe oder einen
Schieber.
Zur Erzielung der Ventilation nnd
selbst zur Beförderung der Zirkulation
gehört die Zuführung frischer Luft zur
Heizkammer. Der hierzu dienende Ka-
^ IL nu ' i ' n (UM Fensternische abwärts,
j dann unter der Kellersohle auf möglichst
kurzem Wege direkt nnter den Apparat
Ig, jjäl Int, s'. Ii! also durch die Fetistcr-
,! j Öffnung mit der äusseren Luft in Verbin-
' r -* dun«. I>a der Kellcrruurn an dieser
Stelle sowohl erleuchtet als nach aussen
abgeschlossen sein muss, so ist ein Fen-
______ stl '' 1 ' '^'* < ' l ' rar t angebracht, dass es
™ sich um eine obere horizontale Achse
dreht, die mitten über dem Luftschacht
liegt. Das Fenster ist für gewöhnlich nach innen gestellt,
so dass die Luft von aussen in den Kanal treten kann. Bei
stürmischem Wetter indess. wo beträchtliche Störungen in
der Beheizung eintreten können, wird das Fenster nach
aussen gestellt und die Luft aus dem Innern des Souterrains
entnommen, das natürlich in der Nähe mit der Anssenluft
in Verbindung stehen mnss. Der Znführungskanal erhält
einen um '/i grösseren Querschnitt, als die von der Heiz-
kammer abgehenden Heizkanäle zusammen haben, und ist
am Anlang mit einem Drahtgitter und einer Drosselklappe
versehen, durch welche der Finlass der Luft sowohl regu-
lirt als auch ganz gehemmt werden kann.
Um die Reibung der Luit in den Kanälen möglichst zn
verringern, sind die Innenflächen derselben so glatt wie
möglich und soweit es die Zuführungs- und Heizkanäle be-
trifft, ohne Verputz mit fehlerhaften Verblendsteinen sauber
im Rohbau hergestellt, um Staubbildung durch abfallenden
Kalk zu verhindern. Auch die Heizkammer sollte stets in
gleicher Weise hergestellt werden. Bei einer in Ausführung
begriffenen Schule werden besonders geformte viereckige
0,ß5~ lange Thonröhren von entsprechendem Querschnitt zur
Bildung der Heizkanäle verwendet, indem sie einfach stumpf
anf einander gesetzt und vem. uert werden, was sowohl hin-
sichtlich der Kosten als der Arbeit mit bestem Erfolg ge-
schieht. Diese Thonröhren gewähren gleichzeitig ein Mittel,
selbst in schwächeren Wänden noch 0,2»;™ weite Kanäle an-
zulegen und bei Einführung der Luftheizung in alten Ge-
bäuden mit geringeren Stemroarhciten auszukommen.
Die Heizap|>arate in der 35. Schule sind von Heckmann
& Zeltender in Mainz geliefert und denen vollkommen gleich,
welche nach der Mittheilung in No. 47 des Jahrgangs 1870
dieser Zeitschrift für Jie Luftheizung im Niederschlesischen
Bahnhof hierselbst verwendet sind. Für die 55. Schule in
der f'horinerstrasse und die 31. Schule in Moabit hat die
Firma Kniebandel und Wegner, für die öl. Schule in der
Stralsnnderstrasse .1. Laporte bierselbst die Apparate geliefert.
Diese in der Hauptsache ans Eisen konstruirten Apparate
sind äusserlich ganz verschieden, im Wesentlichen aber nach
dem Prinzip konstruirt, die zuströmende Luft entgegen dem
Feuerstrom zu führen, eine möglichst grosse Heizfläche her-
zustellen bei möglichster Konzentrirnng des Apparates, und
diesen soweit mit Chamotte auszukleiden oder ganz massiv
aus Stein zu errichten, als die direkte Einwirkung der Stich-
flamme ein tilühendwerden des Eisens befürchten lässt.
Es verdienen hierbei diejenigen Apparate den Vorzug,
welche so konstruirt sind, dass sie jederzeit ein Betreten der
Heizkammer, die zu diesem Zweck mittels einer gut schlies-
senden eisernen Thür vom Keller zugänglich gemacht ist,
gestatten, wie es in der 35. Schule der Fall ist. Jede Heiz-
kammer ist ferner mit einein langen, flachen, von aussen
zu füllenden Gcfäss zur Wasserverdunstung versehen.
l'm den Lieferanten der Heizapparate die volle Verant-
wortlichkeit für die gehörige Wirksamkeit derselben aufzu-
erlegen, sind sie kontraktlich verpflichtet worden, den ersten
Winter hindurch die Heizung selbst zu besorgen, dazu die
Kohlen zu liefeni. den Heizer und die Hoizgeräthscha/ten
zu stellen und vorkommende Reparaturen zu besorgen. Es
war dabei Bedingung, dass die Klassen bei allen äusseren
Temperaturen bis — !<>• zu jeder Zeit von Morgens H bis
Nachmittags 4 Uhr eine Temperatur von 14 — 17« R. bei
voller Wirksamkeit der Ventilation haben müssten. Bei der
sen Mitte eine p> ramideufönnige Spitze sich erhebt, so sind
eigentlich diejenigen Arbeiten genannt, bei denen Auffassung
und Fonnenbehandlung doch noch cinigermaassen der Auf-
gabe entsprechen. Bei den übrigen Arbeiten können höch-
stens die Grnnduiotive angeführt werden, nach denen sie
gedacht sind. Man begegnet unter ihnen der bekanuten ma-
geren gotbischen Spitzsäule, ferner kapellenartigen gothischen
Bauten, bei denen die schematisch dekorative Verwendung
des Stiles ebenso unerfreulich wie die (iesammtsilhonette
erscheint, und im Gegensatz dazu griechischen Rundtempeln
mit antiken Säulenordnungen in verschiedenen Geschossen,
langgestreckten an der Bergwand sich hinziehenden Hallen
im Charakter von Kurhallen, endlich auch jener Gattung von
Kutwürfen, die sich als rüthselhafte Produkte einer ganz ab-
normen Phantasie dokumeutiren.
Mit wenigen Worten sei endlich noch der Bildhauer-
werke gedacht. Fast noch als architektonisches Werk ist
die Arbeit .Ehre Vaterland und Kaiser* zu bezeichnen, eine
kolossale kandelaberartige Säule, zu welcher endlos breite,
an der Baustelle gar nicht anzulegende Stufenreihcn hinauf-
führen, deren Podeste mit Relieftafeln und Fignrengruppen
geschmückt sind. Auch die Arbeit „Meissel und Schwert-
nimmt ilie Architektur entschieden zu Hülfe, indem sie eine
quadratische baldai hinartige Säulenhalle grössten Maasstabes
aufhaut und dahinter sowie davor auf den Ecken Reiter-
statueu uud Figurengmppen anorduet. denn Maasstab in-
dessen der Architektur gegenüber fast winzig erscheint. Der
sehr breit gelagerte Sockel würde jede perspektivische Wir-
kung lM-eintriichtigen.
Ausschliesslich als Bildhanerwerk, doch immerhin mit
Verständniss für die Situation komponirt und auch in üb-
riger Hinsicht entschieden die hervorragendste nnter den
Arbeiten dieses Gebietes zeigt sich der Entwurf mit dem
Motto: r Im Kriege stark, im Frieden gross*. Eine jugend-
liche Germania, sich selbst kröuend, thront auf einem mäch-
tigen Postament, zu dem Terrassen und Treppenarme hinauf-
führen; Krieg und Frieden als zwei Jünglingsgestalten stehen
zu den Seiten. Für eine andere Stelle, wo sie nicht mit
der Natur an Bedeutsamkeit zu wetteifern hätte, wäre die
Arbeit als wohlgelungen und ausführbar zu bezeichnen.
Die anderen Arbeiten zeigen meist die bekannten Typen
einer Mittelfigur mit Eckgruppen, einer statueutragenden
Säule mit fignrenreichem Postament, in mehr oder weniger
geschickter Ausführung. Eines Entwurfes aber muss noch
gedacht werden, jenes mit dem Motto: „Dein deutschen Geist
der Sieg", weil er. obgleich mit vieler Virtuosität vorgetra-
gen, doch wie kein anderer dem Sinne der Aufgabe dia-
metral entgegensteht. Eine Germania thront auf einem
Postamente mit vier Eckgnippen, die durchaus in der Art
eines jener Brunnen der Zopfzeit mit ühermüthiger Frivo-
lität behandelt sind. Es lohnte sich wahrlich nicht, dem
gegenüber den „deutschen Geist* anzurufen.
Digitized by Google
— 319
.15. Schule erhielt der Fabrikant für die Heizung täglich
7 Pf. pro 30,!> kb m (l(XX)kb') geheizten Raums und eine
Entschädigung für Stellung des Heizers. Bezahlt wurden
dabei nur die Tage, an denen wirklich eine Heizung statt-
gefunden hatte. Dieser Preis erscheint mit Rücksicht auf
die erste Heizperiode, die ausfallenden Tage, welche eine j
starke Abkühlung der Räume zur Folge haben inussten, und
in Anbetracht der jedenfalls stärkeren Ventilation als bei j
andern Heizungen, nicht hoch, wenn ausserdem berücksich- i
tigt wird, dass der Unternehmer, um vor Verlnsten gesichert i
zu sein, einen möglichst ungünstigen Winter voraussetzen )
musstc.
Die Heizung in der 35. Schule begann in der Regel
nicht vor 5 Uhr früh und war um 7, 7'/. Uhr, an kälteren
Tagen um 8 Vi Uhr beendet. Die Ventilationsklappen waren
meist TagB zuvor nach Schluss des Unterrichts bereits auf
Zirkulation eingestellt und verblieben bis kurz vor Beginn
de« Unterrichts, also auch beim Feuern, in dieser Stellung.
Dabei musste der Zuführungsschacht für die frische Luft
zum Theil geöffnet werden, da sonst bisweilen die Erschei-
nung eintrat, dass die Zimmerluft sowohl durch den Zirku-
lationskanal als durch den Heizkanal nach der Heizkammer
abströmte; es erklärt sich dies dadurch, dass die Luft in
den höheren Kanälen stärker aufwärts strömte als in den
kurzen und dass dieselbe sich auf kürzestem Wege in der
Kammer zu ersetzen strebte. Konnte der theil weise Zufluss
der Luft zur Kammer auf kürzerem Wege als durch die
kürzesten Rückleitungskanäle, d. h. durch den Hanptznfüh-
rungskanal erfolgen, so trat sofort der normale Zustand ein,
d. h. es erfolgte in allen Zimmern die Zirkulation gleich-
müssig. Zeigte sich, dass einzelne Klassen in der Erwär-
mung zurückblieben, so wurden diese erst allein geheizt und
dann allmälig die HeizöfTnungeu der anderen Klassen ge-
ötfnct.
Um Abweichungen von der normalen Temperatur sofort
beseitigen zu können und Störungen des Unterrichts zu ver-
meiden, hatte während desselben nicht der Heizer die Klap-
pen für den Ein- und Austritt der Luft in den Klassen zu
reguliren, sondern die sammtlichen Lehrer wurden mit der
Einrichtung des Heizsystems und der Handhabung und Be-
deutung der Verschlüsse vertraut gemacht, so dass sie deren
Regulirung selbst vornehmen konnten; ausserdem hatten sie
den ganzen Winter hindurch stündlich die betreffenden Zim-
mertemperaturen zu notiren, zu welchem Zweck jede Klasse
mit einem Thermometer versehen ist. Diese Heiztabellen, in
denen ausserdem die äusseren Temperaturen an den entge-
gengesetzten Fronten des Gebäudes, die Windrichtung, das
Wetter und der tägliche Kohlcuverhraucli notirt wurden,
hatten den Zweck, sowohl den Effekt der Heizung beurthei-
len zu können als um festzustellen, wieweit der Unterneh-
mer der Heizanlage seinen kontraktlichen Verpflichtungen
nachgekommen sei. Da wohl selten Gelegenheit sein dürfte,
derartige Heiztabellen in solcher Genauigkeit und Vollstän-
digkeit aufzustellen, indem für jede der lf> Klassen ein be-
sonderer Beobachter vorhanden war und die Notirungen mit
dem Schlagen der Srhuluhr erfolgten, so verdienen sie auch
eine entscheidende Bedeutung. Es geht aus ihnen hervor,
dass mit seltenen Ausuahmcn und geringen Abweichungen
um H Uhr Morgens eine Temperatur von 13— 14« R. in allen
Klassen vorhanden war und bis 4 Uhr Nachmittags an-
dauerte. In der Regel stieg die Temperatur gegen Mittag
um etwas durch die Anwesenheit der od bis 70 Kinder jeder
Klasse und mit dem Steigen der üussereu Temperatur. In
den der Wirkung der direkten Sonnenstrahlen ausgesetzten
Klassen erhöhte sich die Wurme bisweilen bis auf 1!»« und
20*, so dass das Oeffnen der oberen Veutilationsöffhung resp.
eines Fensterflügels oder der Thür uöthig wurde, um Ab-
kühlung zu bewirken.
Die kältesten Tage des Winters zeigten zur Schulzeit
— Ii' äussere Temperatur, hatten jedoch keinen andern
Einfluss auf die Beheizung als einen grösseren Brennmate-
rialverbrauch pro Tag.
(Sohliua folgt.)
Mittheilungen aus Vereinen.
Ostprensslsoher Ingenieur- und Architekten - Verein.
Monatsversammlung am Donnerstag den
Nachmittage wurde von den Mitgliedern in
a. September 1K72.
tgliedern in Begleitung
ihrer Damen der von der hiesigen Maschinenbau- Aktien-Ge-
sellschaft Vulcan bei dauernder Lieferung solcher Apparate für
die Bernsteingräberei am Ostscestrande verbesserte Taucher-
apparat besichtigt und gleichzeitig ein Taucher in den Pregel
geschickt. Die Fabrik hat das anerkannt beste System: Koux-
quayrol-Denayroux als Grundlage adoptirt Die Verbesserungen
bestehen vornehmlich in Folgend
1. eine solidere und angeme
reservoirs, welches mit Entleer
sich in demselben schmutziges Wasser ansammelt.
2. Verbesserung des Ziehbandes, wcIcIicb das Kalottenventil
am Tornister befestigt, und des Ziehbandes, mit welchen der
mianzug an den Helm angedrückt wird, wodurch eine grös-
Sichcrheit für den Taucher erreicht ist.
Konstruktion des Luft-
aube versehen ist, da
3. Die sämmtlichen Schlaucbausatzstücke an Pumpe, Belm
und Tornister werden aus ganz zäbein Metall voll gegossen
und gebohrt.
Der Preis eines Taucherapparats mit 2 Taucheranzügen
stellt sich auf 750 Thlr.
Gleichzeitig wurde der in den Spanten stehende und zum
Lootsendienst für Pillau bestimmte eiserne Schraubendampf-
Schooner besichtigt, da» erste eiserne Seeschiff, welches hier ge-
baut wird.
In der wegen Anwesenheit der Damen kurzen Abendver-
ung wurde Bauinspektor Queisner (Hohenstein) als Ver-
des Vereins lür di
die Karlsruher Versammlung gewählt
und referirte der Vorsitzende Herzbruch über einen Versuch,
den er in Pillau mit eiuem von M. Holmes erfundenen unaus-
löschlichen Signalfeuer gemacht habe. In eiuer dicht ver-
nchlossencn lauglichen Blechbüchse haben sich circa 900 Gramm
Phosphor Calcium befunden, und sei dieselbe durch ein Brett-
stück auf dem Wasser schwimmend erhalten. Bevor die Büchse
ins Wasser gesetzt wurde, sei unten am Boden ein Loch in die*
selbe zum Einströmen des Wassers gemacht, und oben die
Spitze abgeschnitten, wodurch sich selbst entzündendes Phos-
phor-Wasscrstoffgas entwickelt sei. Die 0,1 — 0,15 m starke und
circa 0,6"> hohe Flamme habe das Dampfboot und das Lootscn-
boot, mit welchem man V» — 1 Meile in See gegangen war, so
hell erleuchtet, dass man vom Leuchtthurm Schiff und Menschen
deutlich unterscheiden konnte. In ziemlich starker Schwellung
erhielt sich das Feuer circa Stunden und erschien in ■/» bis
Vi Meile Entfernung als ein starkes Blickfeuer. In der Nähe
konnte Jede Arbeit deutlich verrichtet werden in einem erleuch-
teten Kreise von circa 20 —25"'. Für den Lootsen- und Rettungs-
dienst müsse dieses Signalfcuer besonders empfohlen werden
und würde dort vielfache und zweckentsprechende Verwendung
Vermischtes.
Ueber den Ettling - oberliindischon Kanal liegt uns der
von seinein Erbauer, Hrn. Baurath Stceukc, im ostpreussischen
Ingenieur- und Architektenverein als Vorbereitung zu einer
Vereiusexkursinn*) gehaltene Vortrag vor. Wir entnehmen dem-
selben (unter Hinweis auf die im Jahrgang 18451 der Zeitschrift
für Bauwesen enthaltene Publikation über den Kanal) folgende
Notizen.
Als Beweis für die Wichtigkeit und den Nutzen des Kanals
ist die sehr viel bessere Verwerthuug des Holzreichthums der
oberlfindischcn Waldungen, die er ermöglicht, anzuführen. An-
fangs der vierziger Jahre wurden in der Gegend von Osterode
mehre 100 Klafter schönes Kiofcrriklobcnholz zu 5 Sgr. die
Klafter verkauft, 1845 galt dasselbe Holz 14 Sgr., 1872 175 Sgr.
Durch Erweiterungen de» Kanalgebietes wird der Verkehr noch
gehoben werden. Die erste der Art ist in Angriff genommen :
die Verbindung des Dreweuz- und Schillingsecs bei Osterode,
ein Bau. der etwa 110000 Thlr. kostet.
Leider lässt die Taritiruug des freilich sehr massig bemes-
senen Kanalzollcs zu wünschen übrig. Die Skala regulirt sich
von 5 zu 5 Last ä 2000 k - Für 5 Last werden im Ganzen (auf
der 26 Meilen langen Wasserstrasse) 20 Sgr. bezahlt. Die
Schiffe sind in grossen Differenzen gemessen. Es giebt Schiffe
von 14 und von 27 Last, während die wahre Differenz vielleicht
4 Last beträgt. Ungerecht und höchst nachtheilig ist die Beur-
thcilung, ob das Schiff leer (dann zahlt es nur V. des Kanal-
zolles) oder beladen. Bei 10 Ztr. Laduug passirt das Fahrzeug
als leer, bei 11 Ztr wird es als voll beladen berechnet. Die
Folge ist, dass kleine Ladungsposten von 50 bis 100 Ztr. nicht
mitgenommen werden, sondern warten müssen, bis der Schiffer
lohnende Fracht erhält. Der Vorschlag des Hrn. Steenke, den
Zoll nach dem Maass der Eintauchung zu berechnen, hat leider
noch immer keine Beachtung gefunden.
Ein zweiter Uebelstand und grosser Nachtheil ist der Mangel
an Treidelstatinnen, welche — bei 10 bis 12 Schiffen täglich —
alle Viertel Meilen errichtet werden müssten.
In Betreff der geneigten Ebenen (1:12) ist zu erwähnen,
dass, wiewohl sie darauf eingerichtet sind, ein aufwärts gehen-
des mit einem abwärts gehenden Schiff gleichzeitig zu beför-
dern, dennoch jedes einzelne Schiff auch allein sofort befördert
wird, wenn nicht gerade nur einige Minuten zu warten sind,
bis das zweite Schiff den Waguii befahreu hat. Eiue Fahrt
währt in der Regel 10 Dia 12 Minuten, zuweilen auch nur
8 Minuten. An einem Tage sind schon 72 Fahrten auf der ge-
neigten Ebene No, 3, welche 24,5"» Höhe hat, gemacht worden.
Die 35 •< pr. lfd. Meter wiegenden Schieueu der geneigten
Ebenen ruhen bisher auf eichenen "n ,m starken Langschwellen,
welche wiederum auf Querschwelleu lagern. Seit 5 Jahren hat
Hr. Steenke angefangen, die schon schadhaften Schwellen durch
Betoukörpcr — abgestumpfte Pyramiden von 52 •■■> Höhe, obere
cd. pm. i»o o. 2*0 d. lfd. .
d. z H .
Digitized by Google
- 320 —
Fliehe G8«", untere 52"» im Quadrat, mit abgestumpften Kan-
ten m ersetzen, und findet, das« sich diese Konstruktion sehr
gut bewährt. Ein grosser V ortheil liegt darin, dass bei ihr das
Entgleisen der Wagen nicht mehr vorkommt, ein Ucbclstand,
der sich sonst doch jährlich 3 bis 5 Mal ereignet und gewöhn-
lich einen halben Tag Aufenthalt veranlasst bat Die Kosten
des Betons stellen sich auf 0,36 von denen der eichenen Schwel-
len. Letztere waren nach 8 und 9 Jahren zu verwerfen, wäh-
rend die Betons eine unabsehbare Dauer versprechen. Das
Mischungsverhältnis? ist 1:2:3 oder auch 1:3:4 Zement,
Grand und Granitbrocken. Ziegelbrocken bewährten sich nicht
Diese Betons erhalten hölzerne Dübel für die Hakennägel und
werden in 39 Zwischenraum, diagonal, in Rio? gelegt- Be-
dineung ist eine angemessene Zeit zum Erhärten- Ein Beton
enthält ca. 0,19 kb», eine Masse, die nicht leicht durch und
durch bindet, selbst bei den schönsten schnell bindenden und
erhärtenden Zementen.
Verwendung tn Drnanlt ia Ets-Spmjrnigei.
Die anhaltende strenge Kälte des letzten Winters hatte an
einigen Stellen der Khone, wo diese Lyon durchfliegst, Anhäu-
fungen von Eismasken hervorgebracht , welche die zahlreichen
schwimmenden Etablissement« auf diesem Strome ernstlich be-
drohten und beim Eisgänge schwere Unfälle vcranlassn konnten,
wenn plötzlich eintretendes Tbauwctler mit einem geringen
Steigen des Flusses zusammentraf. Der Brücken- und Stras-
senbau -Ingenieur Gobin, vou Besorgnis« über diese Sachlage
erfüllt, führte am 16. und 17. Dezember v. J. Versuche über
die Anwendung des Dinamyts zum Sprengen des Eises und zum
Enteisen des Fahrwassers aus. Diese Versuche wurden strom-
abwärts bei der Lafayette-Brücke unternommen und waren von
ausserordentlichen Resultaten begleitet
Die Verwendung des Dynamits zu diesen Zwecken bedarf
jedoch einiger spezieller Vorkehrungen. Die Explosion einer
auf das EU gelegten und mit einer Lage Sand oder Thonmörtel
bedeckten Dynamitpatrone erzeugt blos ein Loch, ohne dass
längere von demselben ausgehende Spalten entstehen, selbst
nicht nach der Richtung des geringsten Widerstandes; ein Effekt,
welcher übrigens mit der sonst bekannten Wirkungsweise dieses
Explosivstoffes durchaus übereinstimmt. Um von einer, eine
bedeutende Fläche eiunebmenden Eismasse grosse Blöcke loszu-
sprengen, muss man einen nach der Seite ihres Randes gerich-
teten , fast horizontalen Druck hervorbringen ; dieser Zweck
wurde nun in folgender Weise erreicht:
Auf 14™ Entfernung von dem freien Rande des 18 bis 20»«"
starken Eises wurde mit dem Eisbeile parallel zu jenem Rande
ein Einschnitt vou 1» Länge und 4 bis 5»» Tiefe hergestellt,
welcher im Schnitt die Form eines V hatte, und zwar so, dass
seine dem Rande am nächsten befindliche Fläche vertikal war,
die andere eine sehr sanfte Böschung bildete. Das Dynamit
wurde in eine Zündwurst von 80*» bis 1° Länge geladen, diese
wurde, um da« Gefrieren zu vermeiden, mit Sägespänen und
Wachspapier umgeben. Nachdem die Patrone in dieser Weise
vorgerichtet und mit einem Zünder versehen war, wurde sie in
den Einschnitt, gegen die vertikale Fläche desselben gelegt und
dann etwas stärker auf der abgebuchten Seite mit einer 3 bis
4'» dicken Sandschicht bedeckt, um die Explosivkraft auf die
vertikale Fläche zu richten.
In Folge der Explosion entstanden mehre, im Allgemeinen
dem Rande des Eises parallele Spalten, welche auf jeder Seite
40 bis 50™ Länge hatten. Bei einer Explosion entstand sogar
eine Spalte, welche an der einen Seite 58™ und an der anderen
Seite 160" Länge hatte. Jede Zündwurst war mit nur 210s
Dynamit geladen. Auf diese Weise wurden Eisblöcke von
enormer Grösse loggesprengt, denn sie ergaben in drei bis vier
Stücken eine Fläche von 100 bis 200 □».
Um diese Blöcke mehr zu zerthcilen, hatte sich nach-
stehendes Verfahren mit dem besten Erfolge bewährt. Man
bohrte in der Mitte des Eisblockes in ungefähr 8« Entfernung
von dessen Rändern ein Loch von 8 bis 10 •■ Durchmesser und
führte in dasselbe eine gewöhnliche, in einem dichten Gutta-
percha-Zünder befestigte Dvnamit-Patronc ein, an der ein Holz-
stück angebracht war, welches sich in der Querricbtung des
Loches auf das Eis stützte und das Ganze im Wasser schwe-
bend erhielt; hierbei kann man das Ende des Zünders mittels
eines Eisstückes am Rande des Loches festklemmen. Die Länge
des Zünders wird so berechnet, dass sich die Patrone ungefähr
in 70 Tiefe unter der unteren Fläche des Eises befindet;
nach den hierbei gewonnenen Erfahrungen ist dies die geeig-
netste Distanz. Bei grosserer Stärke des Eises muss man diese
Tiefe vermindern und umgekehrt. Die Patronen erhalten nur
17 bis 35* Dynamit; durch ihre Explosion wird das Eis gehoben,
wobei strahlenförmige Spalten von 10 bis 30" Länge entstehen.
Diese submarine Minensystem kann nur in 7 bis 8» Ent-
fernung vom Rande der zu sprengenden Eismasse angewendet
werden; den günstigsten Erfolg hat es bei schon losgelösten
und nach allen Richtungen beschränkten Eisschollen. Es ist
unbedingt nothwendig, die Patrouen vor ihrer Anwendung auf-
zudornen und durch rasches Opcrircn ein Gefrieren des Dyna-
mits zu verhüten; dasselbe erhärtet nämlich bei einer Tempe-
ratur unter 7* C. uud cxplodirt in diesem Zustande nicht, des-
halb ist es zu empfehlen, die in das Wasser einzusenkenden Pa-
tronen mit Sägespänen zu umgeben und sie in derselben Weise
wie die Zündwurstc mit einer zweiten Hülle von Wachspapier
zu versehen. Die Anwendung von Zündwüraten hat keinen so
guten Erfolg, wenn das Eis dünner oder weniger fest ist, man
muss alsdann die Ladung vermindern und das Dynamit mit
etwas Sägespänen mengen, um seine Wirkung abzuschwächen.
Mittels dieses Verfahrens war man im Stande, au einem
Tage 50000 n» Eis zu entfernen, welche« da« Bett der Rhone
zwischen zwei Brücken verstopfte; zu dieser Arbeit waren vier
Männer hinreichend und betrug der ganze Kostenaufwand nicht
über 40 Francs.
Abstürze
lür
Um die
Entladung der offenen Eisenbahnwagen zu erleichtern, bat der
Fabrikant John Fowler in neuester Zeit einige sinnreich kon-
struirt« Abstürzvorrichtungen für Eisenbahnwagen angefertigt,
welche für die Egyptischcn Bahnen bestimmt eind. Diese Vor-
richtungen bestehen im Wesentlichen aus einer starken eisernen
Plattform, welche ein Gleisstück von etwa der Länge eines vier-
räderigen Güterwagens trägt und um eine feste Drehachse, die
in der Läugenrichtung des Gleises in etwas grösserer Röhe als
die Schienen -Oberkante, liegt drehbar ist. Ferner ist diese
Plattform durch starke Gegengewichte, welche darunter hängen,
so balancirt, daas der gemeinsame Schwerpunkt der Plattform
und des darauf stehenden Eisenbahnwagens, wenn der letztere
beladen ist, über und wenn derselbe leer ist, unter der festen
Drehachse liegt Die Querträger der Plattform stützen «ich
mit dem einen Ende, wenn die Plattform horizontal liegt, mit
dem andern Ende, wenn dieselbe seitwärts geneigt ist, auf kreis-
runde elastische Auflager, welche ähnlich wie Wagenbuffer kou-
struirt sind, um die Stösse bei Bewegung der Plattform abzu-
schwächen. Zu gleichem Zweck dient eine Bremse, die gegen
ein gusseisernes Kreissegment wirkt, welches quer zur GlcLs-
richtung unter der Plattform befestigt ist. Durch eine beson-
dere llebelvorriehtung wird die Plattform in horizontaler La»e
festgestellt oder, falls der auf die Plattform geschobene Wagen
gekippt und entladen werden soll, so wird jene llebelvorrieh-
tung ausgelöst, uud man kann dann mit leichter Mühe die Platt-
form mit dem daraufstehenden beladenen Wagen kippen.
Ebenso ist e« nach beschaffter Entleerung des Wagens sehr
leicht, die Plattform mit dem leeren Wagen wieder in die an-
fängliche horizontale Stellung zurückzuführen. Damit der Wagen
I bei dieser Bewegung nicht ganz umkippt, wird er in der schrä-
gen Stellung, welche er bei der geneigten Lage der Plattform
annimmt, durch Ketten, welche seitwärts neben dem Gleis an
Pfählen befestigt und von dort aus nach den Scitenbords des
Wagens geführt sind, gehalten, auch durch eine Kette mit
Schraubenkuppelung an der Seite der Plattform, welche beim
Kippen sich aufwärt« dreht, mit der Plattform fe«t verbunden.
Neben der Gleisschinne auf derselben Seite der Plattform sind
2 Winkcleisen angebracht, zwischen deren senkrechten Kippen
die Wagenräder nicht seitwärts gleiten können. Diese Winkcl-
eisen dienen als Zwangsschiencn zur Sicherung de« Waeens
beim Abstürzen. Damit das Abstürzen erleichtert wird, liegt
die Drehachse Im Grundriss nicht genau in der Läugenachsc
der Plattform und des Gleises, sondern etwas seitwärts.
(Ztg. d. Vor- dtaebr. Eiscnb.-Vcrw.;
Personal - Nachrichten.
Preussen.
Ernannt: Der Kreisbaumeister Ilartmann in Worbis
zum Bau - Inspektor in Arnsberg. Der Baumeister Schorn in
Wilhelmshaven zum Kreisbaumeister in Burgdorf. Der Eisen-
bahn-Baumeister Scotti in Eschweiler zum Eisenbahn - Bau-
Inspektor und Vorsteher des technischen Bureaus der Nieder-
«chle«isch-Märkischen Eisenbahn in Berlin. Die Baumeister
Scbwedlcr und Jungnickel zu Eisenbahn -Baumeistern |in
Ratibor nud Breslau. Der Bauinspektor Döbbel in Belgard
zum Ober -Bauinspektor bei der Königl. Regierung in Cöslin.
Den Charakter als Baurath hat erhalten: Der Bau-
inspektor Regenbogen in Marburg.
Gestorben: Der Baumeister Buchholz in
Brief- und Fragekasten.
Hrn. H K. in Glessen. Quellen, aus denen wir nähere
Information über die Frage einziehen könnten, stehen uns
nicht zu Gebote. Doch scheint es ebenso zweifellos, dass nach
der betreffenden KabineUordrc Offiziere der Infanterie . welche
beim Bau oder Betriebe von Eisenbahnen angestellt sind, sich
eventuell zur Reserve des Eisenbahn-Bataillons versetzen lassen
können, wie dass dos Studium an einer Polytechnischen Schule
unmöglich als eine Beschäftigung im Eisenbahndienste ange-
sehen werden kann.
Hrn. St. in Berlin. Wir rathen Ihnen, sich vorläufig
noch einmal an den Vorstand der Dresdener Börse zu wenden.
Die Nichtbeantwortung Ihrer an ein einzelnes Mitglied de« Vor-
standes gerichteten Briefe kaun anderen Ursachen zuzuschrei-
ben sein.
Hrn. B. F. M- in München. Eine gedruckte Norm über
da« für die Anfertigung von Bahnhof« -Geleise -Plänen zu zah-
lende Honorar existirt unseres Wissens nicht. Falls auf der
bevorstehenden Abgeordneten -Versammlung des Verbandes deut-
scher Architekten- und Ingenieur-Vereine eine allgemeine Norm
für da« Ingenieur -Honorar vereinbart wird, würden Sie viel-
leicht an dieser einen Anhalt finden.
Kommiuio
•« too C«rl B..IUI In
tm G.brid.r rickttlU 1
Digitized by Google
Jahrg. VI. M40.
DEUTSCHE BAUZEITUNG
KadtkUaa i. Ii»*aitio«:
feerUa, Ofiatf ttitm I 191.
B« 1 1« 11 OB (Ml
Organ des Verbandes
deutscher Architekten- ind Ingenieir-Yereine.
Rodakteur X. E 0. Fr i 1 1 ch.
Innrate
f«r die l/»r rtrf IreUchen
HuielUar Inden Aufnahme
In der 6r»lh-B«tU«:
Pr.
Preis 1 Thaler pr« Quartal.
Berlin, den 5.
Oktober 1872.
Kr^fhfiHt jf de n Stl . .1 ml
Xnbalt: Verband deu Ue bor Architekten und Ingenieur -Verein« (Scillase).
— Die XVI. Wnndrfreruintnlunc, dvut»e.|wr Architekten und Ingenieur« in fcUrle-
rahe. — Die Aiuaielluna; allerer kuiiet|r«w.'rMicn*r tiat»»etänite In K."i«il,llrlMin
Zeuctiaueo ,u Berlin. - l-uflheieiir.r.en in Berliner Geeneindeachuleei (gchlina.)
V er m lach t*a: Cnl*T»ti**nun|t*:« .Irr »lid tttditn Hrunntn, — K oiikur r *n **> n ;
UonntM ■ Aufnitl'fn für d*u Arelilt**ktaa -Verein *u RrrMn. — Konkurrent für ttett
Hau einer nenen BnnccrachuJe In Gotha. — Konkurrent für ein Krim! ha tu in
b*n«a. — F»r»oaal-Naenrl«tu«n, Brlaf- and Pr..«akaat«n.
Architektfn-
(rlehluse).
Sitzung am 22- September 1872.
Nach der um 9'/« Ohl erfolgten Eröffnung der Sitzung
wurde da» Protokoll der Sitzung vom 21. September d. J. durch
den Schriftführer Hrn. Lauuhardt verlesen und nach einigen
licrichtigendeu Bemerkungen genehmigt Es wurde beschlossen,
die Protokolle der jetzt tagenden Angeordneten -Versammlung
allein in den Spalten de» Verbandsorgans zu veröffentlichen,
ferner anf den Antrag de« Ilm Kaemp, die nun festgestellte
Geschäftsordnung durch Ueberdruck zu vervielfältigen.
Hr. F ritsch berichtet sodann Uber die mit dem Vorstände
des Vereins deutscher Ingenicure gepflogenen Verhandlungen
in Betreff einer einheitlichen Bezeichnung der metri scheu Maasse
und Gewichte. Der Vorstand des genannten Vereins ist davon
Überzeugt worden, dass durch die von Seiten unseres Verbandes
vorgenommene Feststellung eine Uebergehung des Vereins deut-
scher Ingenieure nicht stattgefunden hat und dass die einmal
von uns angenommene ßezeichnungsweise nicht aufgegeben werden
kann, wenn nicht die Aufstellung eines anderen und besseren
Systems gelingt, dessen allgemeine Annahme erwartet werden
kann. Der Vorstand des Vereins deutscher Ingenieure hat
darauf die Zusage ertheilt, die Angelegenheit in der jetzt tagen-
den General -Versammlung nochmals zur Sprache zu bringen i
und ü i is Krkläruiife't , !j der einzelnen Bezirkavcreuie bja pxw ^
nürh ni j U l i l I | i i i i ' ■ Ja M n I 1 1 1 m g rt nzufHl d r Wll*) . ' ***' efc' M» ^
Auf den Vorschlag des Vorsitzenden besnhliesst die Ve.r- I
samnilung, dass die Motivirung der vom Verbände angenomme-
oeu Bozeichnungsweise noch einmal näher auseinandergesetzt und
der betreffende Aufsatz den Redaktionen der deutschen techni-
schen Zeitschriften mit dem Ersuchen mitgetheilt werde, den-
selben zum Abdruck zu bringen.
Es wird darauf die in der letzten Sitzung nicht beendete
Verhandlung über das Verfahren bei der Konkurrenz zum deut-
schen Reicbstogsgcbäude wieder aufgenommen. Nach längerer
Debatte gelangt ein von den Hrn. Kaemp und Baumeister
eingebrachter Antrag zu einstimmiger Annahme, wonach der
Wanderversammlung, und zwar zuniieh.it der Sektion der Archi-
tekten, von Seiten des Verbandes die folgende Resolution zur
Annahme empfohlen werden soll:
„Wir erkennen noch heute die Grundsätze bei dem Verfahren
für öffentliche Konkurrenzen nach den Beschlüssen der XV. Ver-
sammlung deutscher Architekten und Ingenicure in Hamburg
und des Verbandes deutscher Arckitektcn- und Ingenieur -Ver-
eine als die richtigen an; wir bedauern, dass bei der Konkur-
rena für Entwürfe zum deutschen Reichstags - Gebäude diese
Grundsätze nicht inne gehalten worden sind, und wir hoffen,
dass späterhin bei allen öffentlichen Konkurrenzen und insbe-
sondere für eine eventuelle weitere Konkurrenz zum Keichstags-
gebäude jene Grundsätze befolgt werden." Hr. Hase übernimmt
es auf Ersuchen der Versammlung, diesen Antrag in der Sektion
für Architektur bei der XVI. Wandcrversammlung einzubringen
und zu begründen.
Man nimmt dann die in der Sitzung vom 21. d. Mts. bis
beute ausgesetzte Verhandlung über das Honorar für Arbeiten
aus dem Gebiete des Bauingenieurwesens wieder auf und kommt
im Laufe der Debatte immer mehr zu der Ansieht, dass man
sich in der diesjährigen Abgeordneten -Versammlung lediglich
auf einen Meinungsaustausch in dieser Angelegenheit beschran-
ken müsse. Man ersucht den Schriftführer, unter Berücksich-
tigung aller verschiedenen über die Uonoriruug der Bauin-
genieur-Arbeiten in der Versammlung oder in den Gutachten
der Einzelvereine hervorgetretenen Meinungeu und Prinzipien
eine Ausarbeitung zusammenzustellen, welche für die Einzcl-
vereine eine genugende Grundlage zu neuen eingehenden Be-
rathungen bilden könne- Bei solcher Lage der Sache wird eine
Beschlussfassung über die eingebrachten Antrage nicht für
zweckmässig gehalten und lediglich deren Aufnahme in das
Protokoll befürwortet.
jj- y C ^T J^.® n ' c heantragt: ^Im Bau -Ingenieurwesen ist für
dein Arbeitaaufwande des Ingenieurs oder nach der räumlichen
Ausdehnung des Baues, nicht aber nach der Bausumm« zu be-
rechnen", wogegen die Hrn. Baumeister, Schlierholz und
Launhardt für alle Einzelbauwerke die prozentuale Abmes-
sung des Honorars nach dem Kostenbeträge des Bauwerkes für
ausführbar halten und nur bei den Vorarbeiten für bedeutende
Gesammt -Ausführungen von Eisenbahnen uud dergl. die Be-
stimmung des Honorars nach den Baukosten für unstatthaft
anerkennen.
Herr Funk bfilt bei grosseren, eine gewisse Grcuze über-
schreitenden Anlagen überhaupt die Normirung nach Prozenten,
sowohl für die Vorarbeiten wie fjr die Ausführung nicht für
anwendbar und will die Feststellung der Kosten für jeden ein-
zelnen Fall einer besonderen Erwägung überlassen.
Bei Fortführung der Debatte zeigt Bich noch eine Meinungs-
verschiedenheit darüber, ob die Honorarbeträge im Anschluss
an den Baumeister'schen Entwurf nur für generelle Vorarbeiten,
spezielle Vorarbeiten und Ausführung zu tbeilen sind oder ob
das Gesammt-Honorar nach den aufeinander folgenden Arbeiteu
in f> Thcilbeträgc zu zerlegen ist, wie von don Hrn. Sehl i er -e
holz und Keck befürwortet wird.
Die Trennuug der Bauwerke nach dem Baumateriale, welche
in dem Gutachten des Stuttgarter und Berliner Vereins aufge-
(rMvcn worden- ist. wird, twrhoVm sich auch Herr Baumeister
dafür ausgesprochen hat, dass er dieselbe gern aufgebe, all-
seitig als unzweckmäßig unerkannt
Geber Punkt b der Tagesordnung: „Schutz des geistigen
Eigenthums an Werken der Architektur uud des lugenieur-
wesens* haben die Vereine zu München und Berlin das Referat
übernommen. Der letztere hat eine von seinem Mitglied« Hm.
Jacobsthal verfasste Denkschrift vorgelegt welche in ausführ-
licher Weise auf die Notwendigkeit des Schutzes für kunst-
gewerbliche Erfindungen, insbesondere des Musterschutzes
eingeht
Herr Heule als Vertreter des bayerischen Vereins bedauert
die etwas zu einseitig auf diesen einen Punkt gerichtete Teudcnz.
sowie die späte Einiieferung der Vorlage, in Folge deren wohl
nur wenige Abgeordnete in der Frage ausreichend informirt
seien. Er vernusst in der betreffenden Schrift den überzeugen-
den Nachweis dafür, dass gerade der Verband für den von den
deutschen Fabrikanten abgelehnten Musterschutz einzutreten
habe, beantragt jedoch, dass derselbe eventuell geeignete Schritte
thun möge, um bei Feststellung der in Aussicht genommenen
Reichtgesetze über den Schutz der Werke bildeuder Kunst uud
über das Patentwesen auch deu Werken der Kunstiudustrie die
nöthige Berücksichtigung angedeiheu zu lassen.
Hr. F ritsch erklärt den Standpunkt der Denkschrift da-
hin, dass der Verband ersucht werde, als Organ der deutscheu
Architcktcnschaft sich der Förderung einer Sache anzunehmen,
welche trotz ihrer Bcdeutuug für die nationale Industrie vor-
läufig leider von keiner anderen Körperschaft aufgenommen
werde- Bei dem Mangel an Künstlern, welche sich speziell
diesem Zweige widmen, seien bisher fast allein die durch ihre
Vorbildung am Meisten dazu befähigten Architekten die Erfinder
von Mustern gewesen und daher vorläufig fast allein in der Lage,
die Bedeutung der Sache und den Werth der künstlerischen
Erfindung auf diesem Gebiete zu würdigen. Sie, und in ihrer
Vertretung der Verbund, seien daher auch berufen und ver-
pflichtet die Bestrebungen einzelner weitblickender Männer der
Wissenschaft, welche die Erfindung von Mustern der Kunst-
industrie durch Schutz gegen uubefugte Nachahmung lieben und
fördern wollen, zu unterstützen, während diu Fabrikanten
läufig leider noch ihr Interesse darin erblicken, sich kostenlos
in deu Besitz von Mustern setzen zu können.
In einer längeren hieran geschlossenen Diskussion bezwei-
felt Hr. Hase einen wirklichen Erfolg dos Musterschutzes für
die Förderung der Kunst, welcher durch die völlige Freiheit
das Schöne nachzuahmen, am Meisten gedient werde.
Hr. Blankenstein entwickelt dagegen in ausführlicher
Weise die Bedeutung des Musterschutzes, mit welchem nicht
am Wenigsten deu Architekten,
Digitized by Google
- 322
iler vaterländischen Industrie geholfen worden soll, dem vor-
geschrittene Vertreter schon Einsicht iu die Notwendigkeit
einer solchen Maussregel zu gewinnen anfangen. Die grösste,
aber jedenfalls cüic nicht unüberwindliche Schwierigkeit sei die
Abneigung der Regierungen, welche sich vor Durchführung der-
selben scheuen.
Von Seiten der Hrn. Ronier und Sehl Jini i Ich wird auf
das Verhältnis« tu Frankreich, dessen Muster auch in Deutsch-
land geschützt seien, und die aus diesem Verhältnisse hervor-
gehende traurige Lage der Industrie in Elsas» und Lothringen
hingewiesen.
Als Resultat der Diskussion ergiebt sich, dass die Versamm-
lung augenscheinlich nicht abgeneigt ist, der Krage des Muster-
schutzes das Interesse des Verbandes zuzuwenden, dass sie je-
doch die Vorberathung derselben tür noch nicht so weit gediehen
erachtet, um bestimmte Beschlüsse in dieser Hinsieht fassen zu
kOnncn. Auch wird hervorgehoben, dass jedenfalls nicht dieser
einielne Punkt, sondern die Frage des Schutzes für die Erfin-
dungen der Kunst und Technik iu ihrem ganzen, nach der Tages-
ordnung bezeichneten Umfange erfirtert werden müsse. Der
Vorort wird beauftragt, eine Denkschrift iu diesem Siuue auf-
stellen zu lassen und au die Vereine zu versenden, die alsdann
ihrerseits mit der Frage sich beschäftigen sollen.
Nach einer halbstündigen Pause wird die Versammlung
um 1»,.'« Uhr wieder eröffnet; anwesend sind alle Abgeordneten
mit Ausnahme der Jim. Schlierholz, Delislc und Römer.
Hr. Funk erhält das Wort, um als eine technische Frage,
deren liehandluug durch die Einzelvereine als Vorbereitung tür
die folgende Abgeordneten -Versammlung erwünscht ist, die fol-
gende von ihm schon iu der ersten Versammlung angeregte
in Vorschlag zu bringen; .Welche Bestimmungen und Einrich-
tungen bestehen in den einzelnen Staaten Deutschlands über die
Ausbildung der Bau-Techniker, und welche Erfahrungen haben
sich dabei herausgestellt? Man erkennt die grosse Nützlichkeit,
welch« eine gründliche Bearbeitung dieser Frage, haben würde,
allgemein an und setzt den Tennin für die Eiulieferuug der
Arbeiten auf den 1. Mai 187:5 fest.
Der Vorsitzende Herr Blankenstein stellt zur Erwägung,
iu welcher Weise die Forderungen für ein Preisausschreiben für
Schriften über Heizung uud Ventilation wohl am besten fest-
zustellen seieu, worauf Hr. Kaenip der Versammlung mittheilt,
dass im Hamburger Vereine für diesen Gegenstand eine
dere Sektion gebildet worden sei, welche gern bereit sein wurde,
sich in, der gewünschten Weise ausxuSprpehen. Man nahm die-
sen Vorschlag des Hrn. Kaomp 'dankend; an.
Hr. von Egle verlas sodann folgenden von ihm nnd Hrn.
Krieg redigirten und von einer ausführlichen Motivirung be-
gleiteten Antrag wegen veränderter Einrichtung der Wander-
versammlungen , weichen derselbe in der Scldnssitzung d<-r
XVI. Wauderversamnriung deutscher Architekten und Ingenieure
Namens des Verbandes einbringen wird, nachdem der Antr.ui
die ungetheilte Zustimmung der Abgeordiieteuversanimluug ge-
fuuden hat.
„Die XVI. Wanderversammlung deutscher Architekten un.l
Ingenieure wolle (iu Erwägung der vorausgeschickten Motive
ruug) beschließen, dass künftighin an Stelle der Wanderver-
sammluugeu bisheriger Art die Wunde rversam m 1 unge.!
deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine narh
Maassgabe des Abschnittes III des Verbands-Statuts treten sollen *
Schliesslich brachte Hr. Höckmann zur Sprache, wie wich-
tig uud nothwendig es sei, dass alle Fachgenossen sich über d>
grosse Gefahr klar machten, die in den immer mehr um sich
greifenden Strikes der Baugewerke liege, und über die Mittel
nachdichten, durch welche diese Gefahren zu bekämpfen seien:
er legte zu diesem Zwecke eine Denkschrift des Bundes der
vereinigten Baugewerke Berlins zur Einsichtnahme aus. Eilte
längere Diskussion über diesen Gegenstand lies« erkennen, wie
alle Abgeordneten von der eingreifenden Wichtigkeit die*-*
Gegenstandes durchdrungen waren. Mau hielt es zur Zeit für
zweckmässig, den Gegenstand iu der Pleiiarversammlung «Vr
Wanderversammlung zur Sprache zu bringen uud richtete an
Hin. Ii Heitmann das Ersuchen, dies übernehmen zu Wullen.
Nachdem diu anwesenden Vertreter der Vereine deu Wuuscli
ausgesprochen hatten, dass die nächstjährige Abgcorduetenver-
samiulung im Anfang August nach Eisenach einzuberufeu vi.
und nachdetu noch Hr. bunk dem Vorsitzenden und Schrift-
führer den Dank für ihre Gesehäftsleituug ausgesprochen hatte,
wurde die Versammlung durch deu Vorsitzenden um 3',, Ihr
geschlossen.
Der Vorsitzende Der Schriftführer
Blankenstein. Launhardt.
Oie XVI.
deutscher Archilektea und
Vom 22. bis 26. September 1872.
I. Allgemeines. Die Vorbereitungen. Das Fest-
a Ilm in und die Ausstellung.
Wie die im Jahre lHtit» zu Hamburg angesetzte XV.
Wanderversammlung deutscher Architekten und Ingenieure
i-ii i-i Ii den Krieg um die Führerschaft Deutschlands zwei
Jahre lang hinausgeschoben worden war, so hat auch die
für 1*70 nach Karlsruhe einberufene Versammlung durch die
Ereignisse des Krieges wider Frankreich eine gleiche Ver-
zögerung erlitten. Schon war seinerzeit der grössere Theil
der Vorbereitungen beendigt, schon das in seinen Einzel-
heiten ausgearbeitete Programm öffentlich bekannt gemacht
worden, als der Huf zu den Waffen ertönte, welcher unser
Vorhaben ins Ungewisse vertagte. Den siegreichen Erfolgen
der deut-scheu Waffen, die das Vaterland vor dem drohenden
Einbrüche des Feindes /n wahren wusslen, haben wir es zu
verdanken , dass es nicht für immer vereitelt worden ist,
zum Miudesten doch, dass der Schauplatz unserer XVI. Ver-
sammlung in der Hauptstadt des badischen Landes bleiben
konnte.
So erging im Sommer dieses Jahres aufs Neue eine
Einladung au die gesammte deutsche Faehgeuossenschati
uud bereitwillig ist ihr entsprochen worden — bereitwilliger
fast, als es bei der späten Jahreszeit, der entlegenen l-age
des Ortes und der gegenwärtigen rastlosen Thätigkeit der
deutschen Architekten und Ingenieure erwartet werden
konnte. Eintausend und fünfzig Namen, also ungefähr einc-
gleiehe Zahl, wie die Hamburger Versammlung, weist die
am 2.'i. September Mittags geschlossene Liste der Festtheil-
Die Angstellnitg ftlterer kunstgewerblicher Gegen-
stände im König!. Zengknuse H Berlin.
Die letzten Weltausstellungen haben ausser ihrem unmit-
telbaren Erfolge: der Verbreitung von Wissen und vor allem
von Selbsterkenntnis« unter den zusammenströmenden Na-
tionen, auch noch den gehabt, das Ausstellungswesen in
richtige Bahnen zu lenken und demselben diejenige Stelle
unter den Hildungsiiiitteln des Volkes anzuweisen, welche
ihm gebührt.
Da auf wenigen anderen Gebieten die Anschauung so
wesentlich von Einfluss auf die Belehrung ist, so machte sich
die allgemeiner gewordene Einsicht iu die Macht der
Kunstindustrie vor allein in der Begründung von Museen
und Ausstellungen geltend. Es Ii an
durum, die Künstler und Handwerker zu
vor allem auch das Publikum empfänglich
der Kuustindustrie zu machen ; eine Aufgabt
unausgesetzt daran gearbeitet wird, ihre L
Zukunft erwarten kann.
So haben, nach vielen Richtungen gmppirt, in neuerer Zeit
fast überall kleinere Ausstellungen ihn- segensreiche Wirksam-
keit entfaltet, sei es dass sich iu den Verkehrsmittelpniikton
ständige Museen dem eingebenden Studium öffneten uud durch
Wanderausstellungen ihre Schätze noch weiter verbreiteten,
sei es dass Provinzini -Ausstellungen die Bewohner engerer
Bezirke zum Schauen und Lernen herbeiriefen, oder Fach-
Ausstellungen bestimmte Berufsgenossen zn gedeihlichem Zu-
sammenwirken vereinten.
lte sich nicht allein
bilden, sondern
für die Produkte
die selbst, wenn
isung erst in der
England, Frankreich, Süddeutschland und vor allem
Oesterreich sind bereits seit einer Reihe von Jahren
thfitig; bei uns ist, trotzdem die unter Schinkel uud
Beut Ii bereits begonnenen Vorarbeiten älter sind als alle
anderen, erst wieder nach der Niederlage auf der Pariser
Weltausstellung von 1H67 durch Gründung des deutschen
Gewerbemtiseums versucht worden, durch Ausstellung uwi
Unterricht vereint die Kunstindustrie zu fördern. Die Schil-
ler zahl der Unterrichtsanstalt stieg zwar, aber das Intercs»'
des Publikums für die Ausstellung konnte, wie die Besuchs-
ziffern ergeben, nicht in wunsehenswerther Weise erweck;
werden. Mannigfache Ursachen, deren Aufzählung hier zu
weit führen würde, vor allem die pekuniären Verhältnisse de»
Instituts mussteii dieses Resultat herbeiführen. Wer kann e»
ausserdem dem Publikum zumntheii, sieh für liebung des
Kunstgewerbes zu interessiren , wenn es nach wie vor von
ausländischen Erzeugnissen oder Kopien nach solchen ülterflu
thet wird und, danach urthcilend. die vereinzelten eigenen Be-
strebungen doch für resultatlos halt? — Wenn irgend etwas ge-
eignet erscheint, dieses geschwundene Iuteresse einigermaassen
anzuregen, so ist es die Ausstellung kunstgewerblicher Gegen-
stände im Zeughause, sowohl ihrer selbst als der Hoffnungen
wegen, welche ein derartig gefördertes Unternehmen für
die gesammte Angelegenheit des Kunstgewerbes erweckt.
Der Protektor der Kunstanstalten in Prenssen selbst, der
Kronprinz, im Verein mit seiner hoben Gemahlin schon seit
langer Zeit «liesein Gebiete der Kunstthätigkeit stetig fördernd
und unmittelbar nahe stehend, hat auch diese Ausstellung
ins Leben gerufen und durch unmittelbare eingehendste
Digitized by Google
— 323 —
nehmer nach, wobei freilich zu berücksichtigen ist, dass da-
mals die gleichzeitig, aber an anderen Orten tagenden General-
versammlungen des Verein» deutscher Ingenieure und der
deutschen Kunstgenossensehaft uns manchen Abbruch gethan
hatten, wahrend die ersten* diesmal mit unserer Wanderver-
sammlnng zusammen liel und fast nach ihrem vollen Bestände
in sie anfging.
So interessant eiue statistische Gruppirung dieser 10.W
Personen nach verschiedenen Gesichtspunkten sich durch-
führen Hesse, so ist das in der Liste vorliegende Material
doch leider zu unvollständig und ungenau, als da>s ein sol-
cher Versuch sich lohnte. Nicht einmal ein sicherer Schlnss,
wie viele unter ihnen den Architekten, wie viele den Bau-
oder Maschinen -Ingenieuren ancehören, lüsst sich bei der
schwankenden Bezeichnungsweise oder Titulatur ziehen, und
nur so viel möchte sich ergeben, dass infolge des oljen an-
geführten Umstandes die Zahl der anwesenden Maschinen-
Ingenieure eine namhaft gröss.-re war als jemals vorher. So
bleibt mir keine andere t.iuppirung möglich, als die nach
der Heimathsang. hörigkeit der Theilnehmer, jwic solche in
einer früheren Mittheilung dieser Blätter (No. ."St. Jhrg. «8
der Deutschen Bauzcitiing) auch für die Mehrzahl der älteren
Versammlungen ermittelt worden ist. Preussen als der
grösste deutsche Staat hat auch die absolut grösste Zahl an
Mitgliedern der Versammlung gestellt; von den 417 seiner
l.nndesangehörigcn, welche die Liste aufweist, fällt der
grössere Theil selltstverständlich auf die westlichen Provin-
zen. Ä5 Namen gehören Berlin an. Die relativ grösste Zahl
an Theilnehmern lieferte, wie in allen früheren Fällen, das
Land, in welchem die Versammlung ihren Sitz hatte; ich
zähle (wenn meine Scheidung zwischen der Fülle kleinerer
„ineeu* immer die richtige ist) 2Hi> Namen aus badischen
< 'rten. Nächst Baden ragt das Königreich Sachsen, wie seit
alter Zeit, durch eine sehr bedeutende Zahl von Mitgliedern
hervor — es bat deren nicht weniger als IN), das Densen-
harte Württemberg hingegen nur . r >5. das grosse Bavern 49,
Hessen 20 gestellt Letztere beiden Staaten werden von den
Hansestädten, aus denen im Ganzen 44 Techniker anwesend
waren, übertroffen. Hie Gcsnmmthcit der übrigen norddeut-
schen Kleinstaaten war mit 2'.», das Rcichsland Klsass-Loth-
ringen mit l!l Mitgliedern vertreten. Oesterreich, das in
der Mi bezahl seiner Söhne an allen I)ingeu, die .drnussen
im Reich* verhandelt werden, nur schwaches Interesse nimmt
und daher zu allen auf nichtösterreichischein Boden tagen-
den Wander -Versammlungen deutscher Architekten und In-
genieure stets nur eine kleine Zahl von Mitgliedern geliefert
hat, war dies mal etwas stärker, aber doch nur mit 2'.t, die
deutsche Schweiz mit X, Skandinavien mit .1, Nord-Amerika
mit 1 Namen betheiligt. — Es entspricht dieses Resultat im
Wesentlichen durchaus den früheren Erfahrungen, und wird
der mit den Verhältnissen der einzelnen Landestheile Ver-
traute aus ihm ohne Weiteres die bei der Gründung des Ver-
bandes deutscher Architekten- nnd Ingenieur-Vereine ausge-
sprochene Ansicht bestätigt finden, dass ein Interesse an den
bisherigen, nach freier Wahl zusammentretenden Wander-
versammlungen vorwiegend, ja fast ausschliesslich unter den
Fachgenossen jener Gegenden sich geltend gemacht hat, in
denen ein zu ständiger Wirksamkeit orgunisirtes Vereinsleben
in kräftiger Blüthe steht.
Nicht gering waren die Schwierigkeiten, welche den mit
I der Vorbereitung der Versammlung beauftragten Karlsruher
I Fachgenossen aus dieser freudig übernommenen Pflicht er-
wuchsen. Mit den an Zahl nur geringen Kräften einer klei-
neren Stadt, iM ziehungsweise eines kleineren Landes, inner-
halb räumlich beschränkter Verhältnisse sollten sie leisten,
was vor ihnen aus der Fülle der in Wien und Hamburg vor-
handenen Kräfte und Mittel geleistet worden war, und als
Ehrensache galt es ihnen, hinter diesen Erwartungen nicht
zurückzustehen. Wohl als einrnüthige dankbare IVherzeu-
gung aller Fachgenossen darf ich es aussprechen, dass ihnen
inte in vollstem Maasse geluugen ist. Hie Minderzahl der
Kräfte ist durch die hingebende Anspannung, die ausdauernde
opferwillige Thätigkeit der vorhandenen reichlich ersetzt, die
Differenz «D Mitteln durch eine wohl ülierlegte und glück-
lich disponirle Organisining ausgeglichen worden. Unter dem
Vorsitze von Professor Reinhard Baumeister, der an die
Stelle des in Hainburg zur Leitung der XVI. Wanderver-
sammlung berufeneu Oberbauraths Gerwig getreten war,
tagten nnd schafften t! verschiedene Ausschüsse — der Em-
pfangs-. Dekorations-. Wohnungs-, Exkursions-, Ausstellungs-
, und Wirtlischafts-Ausschuss — zusammen 57 Karlsruher
Techniker, denen sich zur Vorbereitung der nach ausserhalb
| gerichteten Ausflüge noch die Techniker der verschiedenen
Zielpunkte zugesellten. In nicht geringem Grade wurde ihr
Werk freilich dadurch unterstützt, dass auch ausserhalb der
technischen Kreise des Landes und der Stadt die Durch-
führung dieser Versammlung als eine Ehrensache empfun-
den wurde und auf das Bereitwilligste Unterstützung fand
— eine Gunst der Verbältnisse und ein Vorschub, dessen
sich wohl keine Fachgenossenschaft grösserer Staaten und
I Städte — am Wenigsten vielleicht die der zum Sitze der
nächsten Versammlung berufenen Reichshauptstadt • — in glei-
chein Grade erfreuen kann. Der Fürst des Landes und
seine Regierung — die Vertretungen der Städte Uarlsruhe,
Raden und Mannheim, wie nicht minder die Einwohnerschaft
derselben waren nicht nur jedem an sie gerichtetem Wunsche
entgpgeu gekommen, sondern hatten sich sogar nicht neh-
men lassen, ihrerseits zur Förderung der Versammlung bei-
zutragen*); dass die Stadtbehörde Heidelberg anderen Sinnes
war wurde ihr arg verdacht. Ueberall grüsste festlicher
Schmuck der Häuser und fröhliches Willkommen die Gäste
und die für eine Stadt wie Carlsrulle so schwierige Woh-
nungsfrage hatte ihre Lösung in leichter Weise dadurch ge-
•) Wenig« fco-k anirueMagen l.t die FUrderun«;. «relobe denelben durch
die vnc den dunueheii Kiienbehn - Verwaltungen bewilligten Fahrerei« - Emliil-
Kungen in Theil gewurden «er. Da dir ineUlen Verwaltungen eine II in - und
HurkfuJirt auf Ihrer Halm zur Bedingung machten und dl« VergünetlKung (»elbet
ohne dlea f»rfaer bekannt in gehe») nur ul Pereuuna- nlrht aber auf BatatlMfl
lM-»o*«m, im duillen nicht alliuvlele im au« weiten Kiilferaungin berbeigtreWlea
Mitglieder dir TlHMiftflMg »011 dii'«cr Vofiailiguiig Vertlieil gelogen haben.
persönliche Einwirkung auf den Standpunkt gebracht, wel-
cher sie von ähnlichen Unternehmungen unterscheidet. — Der
leitende Gedanke war zunächst, die in den Königlichen Schlös-
sern von Berlin und Potsdam zerstreut befindlichen alteren
kunstgewerblichen Gegenstände in einer instruktiven Zusam-
menstellung der Oeffentlichkeit für einige Zeit zugänglich zu
machen, und zur Vervollständigung der Sammlung die könig-
lichen Museen, das Gewerbemnseuin. die vom Staate erwor-
benen, aber seit Jahren fast unzugänglichen Minutoli*schen und
Hanemann'schen Sammlungen heranzuziehen, vor Allem aber
die in Berlin vorhandenen Besitzer von Sammlungen zu veran-
lassen, ihre Schätze eine Zeit lang dem allgemeinen Besten
zu Liebe zn entbehren. Das Prinzip derartiger Ausstellungen
ist namentlich in England lange gebräuchlich, in Deutschland
bot die Holbein-Ausstellung ein Beispiel. ■ —
Die eigentliche I^eitung des Unternehmens wurde in
die Hand einer Kommission gelegt, welche aus dem Vorstande
und dem Direktor des Gewerbemnseums. so wie mehren
den Bestrebungen nahestehenden Persönlichkeiten zusammen-
gesetzt war, und die dem Dr. Jul. Lessing die Ausführung
der Ausstellung übertrug; die spätere architektonische und
künstlerische Anordnung derselben ist namentlich dem Ar-
chitekten Lnthmer sowie dem Historienmaler A. v. Hey-
den zn danken. Die Geldmittel waren gesichert, da der
Staat 20,000, die Kommune 5000 Thlr. zur Bestreitung der
Kosten bewilligten, und es schien nur die Zeit für die In-
standsetzung zu kurz zu sein; jedoch die Arbeitskraft der
Betheiligten überwand die Schwierigkeiten, so dass am
1. September die Eröffnung erfolgen konnte.
Als Ausstellnngslokal dient ein Theil der grossartigen
Räumlichkeiten des Königlichen Zeughauses, und zwar um-
fasst es die nach den drei Hauptfronten desselben belege-
nen Kompartimente des oberen Stockwerks. Leider war es
nicht möglich, den prachtvollen Hof als Zugang zur Aus-
stellung zu benutzen, da er znm Theil von provisorischen
Baulichkeiten eingenommen wird und auch bei dem Mangel
genügender Treppen ein besonderes Treppenhaus hinein ge-
baut werden iuusste. Der Besucher wird sich dennoch des
Wunsches nicht entschlagen, dieses monumentale Gebäude
dereinst nicht mehr als Stapelplatz von Waffen, sondern als
erhebende und belehrende Waffensammlnng zu sehen, für
• welche die architektonische Gestaltung des Zeughauses wie
berechnet erscheint.
Man gelangt jetzt von den Linden aus durch das Erd-
geschoss in das genannte, höchst gelnngen und einfach de-
korirte Treppenhaus (dein man nur eine etwas weniger steile
Treppe wünschen möchte) und von diesem nach dem Mit-
telraum der Ausstellung. Diese nicht zn umgehende An-
ordnung hatte leider den Uehclstand, dass ein ununterbro-
chener Umgang durch die Ausstellung nicht zu ermöglichen
war, weil die Verbindung der Flügel an der Hinterfront fehlt.
Nichts desto weniger hat die übersichtliche Anord-
nung eine leichte Orientirung ermöglicht und den Gang der
Besichtigung einigermaassen geregelt. Sie gliedert die Aus-
stellung in drei Theile, 1) eine Waffensammlung, welche
den Mittelraum einnimmt sowie die Abschlusswand des in-
neren Raumes nach den Linden zu bedeckt; 2) eine Samrn-
i hing kunstgewerblicher Gegenstände nach dem Materialc ge-
Digitized by Google
— 324 -
funiii'it, dass eine gross«' Zahl der Bewohner deu Fremden
gern ihr gastliches Haus geöffnet hatte.
Es kann der Zweck dieses Berichtes nicht sein, eine
gewissenhaft ausgearbeitete Detail -Schilderung alles dessen
z i geben, was in den Tagen der Versammlung zu sehen und
zu hören war; er kann nichts anderes Bein, als eine kurze
und flüchtige Skizze dessen, was von den Theilnehmern
selbst Ja gleichfalls nur flüchtig genossen werden konute, und
seine Treue muss er einzig nnd allein darin suchen, die Re-
sultate des Ganzen, die allgemeinen Eindrücke, welche jeder
der Versammelten als einen Schatz der Anregung und Er-
frischung sich gewonnen hat und nach Hause trägt, treu
und richtig wieder zu gelten. Nebenbei darf er vielleicht
einzig diese oder jene Erfahrung verzeichnen, die den zur
Leitung und Vorbereitung künftiger Versammlungen Berufe-
nen sich nützlich erweisen konnte.
So verzichte ich darauf, von den trefflichen, fast durch-
weg wohl gelungenen Veranstaltungen des Lokal- Komites
des Näheren zu reden, und erwähne nur zweier Momente von
allgemeinem Interesse, welche in der Erinnerung an diese
Versammlung bei vielen der Theilnebmer an erster Stelle
dürften — des Festalbums und der Ausstellung.
Mit grossem Geschick hat es das Komite, welchem die
Zusammenstellung und Redaktion des Festalbnms oblag,
verstanden, trotz des spärlichen Stoffes, welcher ihm im
Vergleiche mit den Verhältnissen Hannovers, Wiens und
Hamburgs zur Verfügung stand, ans den bausgeschichtlichen
und ingenieurwissenschaftlichen Mittheilungen über Karls-
ruhe und Baden im Jahre 157U dennoch ein Werk zu gestal-
ten, das jenen bei Gelegenheit früherer Versammlungen ge-
lieferten Arbeiten ebenbürtig an die Seite treten darf. Ist
Karlsruhe ärmer au Werken der schönen Baukunst als jene
Städte, ist seine Geschichte eine noch junge, kaum durch
IVi Jahrhunderte reichende, so sind dafür einerseits die
beiden Nachbarstädte Baden und Heidelberg in den Kreis
der Schilderung gezogen worden, andererseits aber sind in
den Mittheilungen über den Rhein und seine Korrektion,
die budischen Eisenbahnen und insbesondere die Eisenbahn-
brücken, in den Notizen über die Karlsruher Wasserwerke
und die Fabriken des Landes — Reitrüge aus dein Gebiet«;
der Ingenieurwissenschaft gegeben, wie sie in dieser Art
noch keine frühere Festschrift enthielt, wie sie aber auch
freilich eine auf grössere Verhältnisse gerichtete Schilderung,
ohne über Ziel und Zweck einer solchen Festschrift hinaus-
zugehen, nicht wohl bringen kann. In besonderem Gradu
ist anzuerkennen, in wie einheitlichem Sinne, trotz der Mit-
wirkung verschiedener Verfasser und trotz der Theilung in
verschiedene mit einander nur lose zusammenhängende Ab-
schnitte, die ganze Schrift wirkt. Eine grössere Anzahl von
Illustrationen, von denen wir die Abbildungen einiger für die
ältere Monumental- und die neuere Privat-Architektnr Karls-
ruhe^ charakteristischen Gebäude in nächster No. u. Bl. repro-
duzireu werden, drei Pläne und eine Karte schmücken das an-
ziehende Werk, das nel>en seiner Bestimmnug für die Mit-
glieder der Versammlung sicherlich noch eine weite buch-
händlerische Verbreitung finden wird und allen denen, die
sich über die Entwickelung nnd den gegenwartigen Stand
des badischen Bauwesens unterrichten wollen, wann empfoh-
len werden mag. Eine angenehme Zugabe für die Festgaste,
deren Zeit während der Yersammlungstage ein Studium der
umfangreichen Schrift selbstverständlich nicht zulässt, war
ein neben dem Festalbum vertheilter „Führer durch Karls-
ruhe", der im Westentaschenformate gedruckt, alle für den
Fremden erwünschten Notizen in kurzer, praktischer Zu-
sammenstellung enthielt.
Was der diesmaligen Ausstellung ihren Reiz und
Werth verlieh nnd ihr das lebhafteste Interesse zuführte,
war, dass eine Anzahl der hervorragenderen Arbeiten ans
der Konkurrenz für Entwürfe zum Hause des deutschen
Reichstages an ihr Theil nahm und so zur Anschauung
zahlreicher Architekten gelangen konnte, denen es nicht
vergönnt war, sie in Berlin zu sehen. Wichtig war es vor
allen Dingen, dass unter ihnen die fünf von der Jury prä-
miirten Entwürfe sich befanden, deren Darleihung — vom
Reichskanzleramte mit Rücksicht auf den baldigen Wieder-
zusammentritt der Kommission bereite abgeschlagen — durch
die dankenswerthe Vermittelnng des Präsidenten dieser Kom-
mission noch in letzter Stunde bewilligt wurde; neben ihnen
waren die Arbeiten von Hubert Stier, Gropius & Schmieden,
Weinbrenner, Dürrn & Lang, Ebe & Bends, Rettig, Trie»e-
thau & Schäfer — im Ganzen also zwölf der betreffenden
Entwürfe vertreten. Nach der ausführlichen Besprechung,
welche die Konkurrenz in diesen Blättern gefunden bnt,
könnte es überflüssig erscheinen, ein weiteres Wort über sie
zu sagen; ich will es jedoch nicht unterlassen, an dieser
Stelle mit einiger Freude zu konstatiren, dass das Unheil
fast aller Fachgenossen, mit denen ich Gelegenheit hatte
über die Angelegenheit zu sprechen, mit dem von mir ver-
tretenen iu Uebereinstimmung sieh befand. Auch in dieser
so zahlreichen Versammlung, in welcher die verschieden-
artigsten, weit auseinandergehenden Richtungen sich aus-
prägten, ist mir keine Stimme bekannt geworden, weiche
den Scott'schen Entwurf als eine Lösung der Aufgabe ver-
theidigt hätte, vielmehr sprachen entgegen einigen wenigen
Gothikern, die um der stilistischen Durchführung der ge-
wählten Architektur willen Milderungsgründe geltend zu
machen suchten, nicht wenige namhafte Architekten über
ihn fast noch schärfer sich aus, als seinerzeit hier geschehen.
Unter dem überwiegenden Interesse, das diesen — ein
gewichtiges Ereignisa im architektonischen Fachleben Dcntech-
lands repräsentirenden Entwürfen zu Theil wurde, hatten die
übrigen Ausstellungsgegenstände der architektonischen Ab-
theiluug einen schweren Stand und doch befand sieb unter
ihnen so manche tüchtige Arbeit, die eingehende Würdigung
verdient hätte. Zu solcher fehlte es freilich vor Allem an
Zeit, die nur in kurzen Fristen vor nnd nach den Abtbei-
lungssiteungen gewonnen werden konnte. So muss auch ich
nach so flüchtiger Besichtigung, die jedes Studinra ausschloss,
den Versuch eines Unheils ablehnen und beg
ordnet, iu 40 Schränken an der Lindenfront; 3) eine histo-
risch geordnete Reihe von Mölw-In und grösseren Gegen-
ständen in zehn einzelnen Abtheilungen an den andern beiden
Fronten, der sich zwei Abtheilungen orientalischer Kunst
auschliesseu.
Die bereits erwähnte Fülle der zur Verfügung gestellten
Gegenstände hat dadurch eine angemessene Verwerthung
gefunden; den Grundsatz: Wer Vieles bringt, wird Manchem
Etwas bringen, können wir sogar im Prinzip«; der Anord-
nung wieder finden, denn die überhaupt möglichen Prin-
zipe sind zur Anwendung gekommen. Das idealste, nach
der Form der Gegenstände, in der Waffeusammlung; das
zweite, nach dem Materiale, in der stattlichen und ruhi-
gen Reihe der Schränke; das dritte, nach Zeit und Ort,
iu der seit der Ausstellung von Dublin und der jüngsten
londoner in Aufnahme gekommenen Anlage in Form
einzelner in sich abgeschlossener zimmerartiger Abthei-
lungen, iu welchen ausserdem kleinere Gegenstände in Glas-
schränken Plate gefunden haben. Diese Abtheilungen boten
Gelegenheit, auch weniger I ungehörige Gegenstände, wie reine
Kunstwerke, zur Erläuteruug der „ Geschichte des moder-
nen Geschmacks * wie zur lebensvolleren Dekoration hin-
zuzufügen, und nehmen vor Allem das Interesse di'S weniger
fitchwisseuschaftlicheii Publikums in Anspruch.
Die Ausstellungsobjekte selbst sind durchschnittlich von
höherem Werthe, als «lie sonst iu Ausstellungen befindlichen,
<la das Beste aus Staats- uud Privat- Besitz gegeben worden
ist; es ist selbstverständlich, dass dadurch eine Menge reiner
Luxuserzeugnisse, wie sie namentlich das Zeitalter der Re-
naissance hervorbrachte, die Höhenpunkte bildet, deren eigent-
licher Kunst werth oft nicht mit dem Werthe selbst auf glei-
cher Stufe steht, die andererseits aber als Kunstwerke für sich
vielfach das Gebiet des Kunstgewerbes überschreiten. Im
Allgemeinen muss jedoch die Auswahl anerkannt werden,
um so mehr als in derartigen Fällen das Erlangen der Ob-
jekte ja oft weniger schwierig ist, als das Zurückweisen ein-
zelner. Hier kommen ausserdem die (.'«'beistände hinzu, die
das bis zum letzten Tage der Vorarbeiten noch eintreffende
Material verursachte. Indessen macht bis auf Einzelnheiten die
Ausstellung einen einheitlichen, in Folge der dekorativ-histo-
rischen Abtheilung aber vielleicht einen etwas zu reichen
Eindruck, der jedoch das Publikum, dessen Kunstgefnhl
in diesem Zweige (wie in manchem anderen) um so stär-
kere Mittel zur Anregung verlangt, je ferner es ihm steht,
um so mehr fesseln dürfte. Dem guten Willen des Volkes
ist es nicht znr Last zu legen, sondern der mangelnden
Ausbildung jenes Gefühls in demselben, wenn es in seinen
GeschmacKsaiiscbauungen zurückgekommen ist. Namentlich
ist die Harmonie der Farbe, die es im Gemälde bereits
oft würdigt, in der Wirklichkeit ihm vollständig zuwider;
nur «lie heftigsten Auilinfarhcndissonanzen vermögen das
überreizte Auge noch zu iuteresaireu. Wenn in diesem
Punkte die Ausstellung in ihren meist musterhaften orienta-
lischen Stoffen, in der Zusammenstellung so reicher nnd in
der Farbe meist doch so harmonischer Zimmerdekorationen
ihren Zweck der Belehrung erfüllt, so hat sie viel erreicht. —
Doch gehen wir r cl
(SthlUM folgt.)
Digitized by Google
- 325 —
Der Zahl nach ragen unter denselben die Entwürfe zu
den neuen Hochbauten der badischen Eisenbahnen, meint«
Wissens durchweg Erfindungen des Banralhs Helbling,
hervor, als deren hedeutendste das nene Bahnhof-K rapfangs-
gebäude zu Mannheim und das in Karlsruhe in Ausfuhrung
begriffene Dienstgeb&ude für die General-Direktion der Ver-
kehrs -Anstalten erscheinen. Nächst ihm möchte Baurath
Lang, der die Originalzeichnungen der Turnhalle und des
Lehrerseminars zu Karlsruhe, der Bürgerschule in Freiburg
und der nach einer Skizze von Eisenlohr umgearbeiteten
Kirche in Baden ausgestellt hatte, zu nennen sein. Von
Kirche in Baden ausgestellt hatte, zu nennen sein. Von
anderen Badischen Architekten hatten Oberbaurath Berck-
müller die Zeichnungen zu dem Gebäude für die vereinig-
ten Sammlungen, Baurath Hochstetter einen Kasernen-
entwurf und zwei Monumente zur Erinnerung an den letzt-
vergangenen Krieg, Architekt Warth einen Konkurrenz-Ent-
wurf zum Bankgebäude in Frankfurt am Main geliefert. Das
Hofhauamt unter Bauinspektor Dyckerhoff war durch die
Aufnahmen der Schlösser Karlsruh und Baden; Professor
Durm, Kirchenbau - Inspektor Diem er und Maler Weyser
durch architektonische Reiseskizzen und Studien vertreten.
Von süddeutschen Architekten ausserhalb Badens traten
Seidel in München mit einigeu blättern seiner von Eduard
Obermayer in Kupfer gestocheneu Aufnahme der Münchener
Residenz, Mecklenburg in München mit einem Konkurrenz-
Entwurf für den Tenipfe neuf in Strassburg und einer für
New-York projektirten Grabkapelle auf. Claus & Gross
in Wien hatten einen Entwurf zu einer Hotel-Anlage und
einem Römischen Bade daselbst, Hanberrisser in Gratz die
Photographien seines nunmehr vollendeten Rathhauses in
München und seiner Konkurrenz-Entwürfe für die Universität
und das Polytechnikum in Gratz ausgestellt, während von
Dombaumeister Wessiken in Mainz die Photographie eines
Kirchen -Entwurfes und von Lonhold in Frankfurt a. M.
ein grosses Schloss-Proickt herrührten.
Norddeutsche Architekten hatten sich im Verhältniss
hierzu nur in geringerer Anzahl betheiligt. Ich nenne vor
Allem Baurath Hase in Hannover mit den Zeichnungen zu
der Restauration der Nikolaikirche in Lüneburg, zur Kirche
in Calcfeld und zum Gymnasium in Hildesheim, sowie den
ersten Heften der Publikation seiner ausgeführten Werke, —
Otzen in Lichterfelde mit den Zeichnungen seiner dortigen
Bauten, des Pfarrhausbaues in Altona und den Skizzen zur
Flora in Charlottenburg, — Luthmer in Berlin mit zwei
Entwürfen zu dem Marktbrunnen in Lübeck und dem in
Ausführung begriffenen Sicgcsdcnkmal zu Altona, — Plage
in Wiesbaden mit den Entwürfen zu der umfassenden
Krankenhaus- Anlage daselbst, — H ertel in Crefeld mit seiner
dortigen Kirche. — Riffart in Köln hatte neben einer An-
zahl von Reiseskizzen mehre, anscheinend akademische Ent-
würfe ausgestellt, während aus dem Nachlasse von Gust.
Martens in Kiel eine Anzahl zum Zwecke einer Publikation
zusammengestellter Entwürfe vorlag.
Ein zum Mindesten ebenso zahlreiches Material wie in
den genannten Arbeiten war unter den von mehren photo-
graphischen Firmen, die sich speziell mit der Aufnahme
architektonischer Werke beschäftigen — Rückwardt und
Panckow in Berlin, Böttger in München u. a. — ein-
gesandten Photographien enthalten. Ich muss unter den
obwaltenden Verhältnissen selbst auf eine einfache Aufzäh-
lung desselben ebenso verzichten, wie ich dies in Betreff
der von mehren buchh&ndlerischen Firmen ausgestellten
Verlagsobjekte thun mnss. Der rühmlichst bekannte Glas-
maler Swertschkoff in Schiensheim hatte neben den Kar-
tons mehrer von ihm ausgeführter Glasgemfilde einige Pro-
ben seiner Kunst, Professor Uhde in Braunschweig eine von
ihm zusammengestellte instruktive Auswahl von Modellen
nach antiken Architektur- Details, Lönhold in Frankfurt
Muster eiserner nach seinen Zeichnungen ausgeführter Trep-
penpfosten ausgestellt. Nenne ich noch das bekannte See-
mann'sche Modell des Strassburger Münsters, so dürfte der
Umfang der diesmaligen architektonischen Auastellung an-
nähernd vollständig angegeben sein. So reich die Fülle des
in ihr Gebotenen jedoch immerhin sein mochte, so erhellt
doch wohl schon ans dieser Aufzählung, dass sie eines eigen-
artigen', sofort in die Augen springenden Charakters, aus dem
sich Folgerungen von prinzipieller Bedeutung ziehen Hessen,
ermangelte.
Bei Weitem nicht so reich wie die Ausstellung aus dem
Gebiete der Architektur war diejenige des Ingeriieurwesens,
an welcher sich fast ausschliesslich badische Techniker be-
theiligt hatten. W&re Zeit zu gründlichem Studium vorhanden
gewesen, so möchten die dort ausgestellten Gegenstände durch
die systematische Vollstfindigkeit ihres Materials allerdings
wohl eine reichere nnd interessantere Fundgrube gewesen
sein, als die mannigfaltigere Sammlung der anderen Abthei-
lung. Haupt-Aussteller waren hier nämlich die Grossherzog-
lich Badischen Zentral - Behörden des Wasser-, Wege- und
Eisenbahn-Baues, die in trefflich geordneten Karten, Profilen
und Tabellen ein vollständiges Bild der Rhein - Korrektions-
bauten, der interessantesten Strassen- und Eisenbahn-Ausfüh-
rungen, sowie eine Sammlung aller neueren grösseren Bahn-
hofsbauten des Landes, unter denen der unter Leitung von
Eisenbahn - Inspektor Steinum in Ausführung begriffene
Bahnhof zu Mannheim besonders hervorragt, geliefert hatten.
Als einzelner Aussteller ist meines Wissens neben ihnen nur
Professor Baumeister mit seinem preisgekrönten Entwürfe
für die Stadterweiterung in Mannheim, sowie einem Entwürfe
zu der Rheinbrücke zwischen Alt- und Neu -Breisach auf-
getreten. Ein bedeutendes Interesse für die Spezial -Tech-
niker des Hafenbaues und des Marine-Ingenicurwcsens erregte
die von den Oesterreichischen Marinebehörden zu Triest dar-
geliehene Sammlung betreffender Modelle, Zeichnungen und
Photographien, unter denen namentlich Boien und Schiffs-
maschinen zahlreich vertreten waren.
Die beabsichtigte Ausstellung von Baumaterialien hatte
nicht die gehoffte Ausdehnung erlangt Neben Proben des
badischen Hausteins und der einheimischen Ziegelfabrikation
waren es wesentlich nur die Zement -Arbeiten von Dycker-
hoff & Widmann, welche hier zu nennen sind. Einige auf
dem Bahnhof ausgestellte, auf dem Wege nach Constenz be-
griffene Glocken von Bochumei
nicht unerwähnt bleiben.
luftheminjcfti in Beriiier Ceaeiadeschilea.
(SchliiH).
Weniger deutlich ist ein Bild zu geben von der statt-
gehabten Ventilation. Dass dieselbe indes wirksamer ge-
wesen ist als bei Zimmeröfen und Wasserheizung geht aus
dem übereinstimmenden Urtheil der Lehrer hervor, von
denen einige, welche früher in Schulen mit Wasserheizung
unterrichtet hatten, versicherten, sich dort nicht so wohl
befunden zu haben; es war dort oft ein Mangel genügender
Temperatur nnd namentlich fehlte es an gehöriger Venti-
lation.
Die Wirksamkeit der Ventilation in der 35. Schule geht
am deutlichsten daraos hervor, dass die Luft in den Klassen
wenig oder uichte von dem Gerüche wahrnehmen Hess, der
sonst Schulzimmern eigen ist, nnd sie folgt mit Notwen-
digkeit daraus, dass bei der fortwährenden Zuführung von
frischer warmer Luft — und diese ist mindestens so lange als
die Temperatur sich konstant erhält, vorhanden — notwen-
digerweise ebensoviel Luft abgeführt worden ist. Dass dies
aber nicht die eben eingeführte, sondern die verdorbene Luft
ist, ergiebt sich aus der oben angedeuteten Art der Luftbe-
wegung im" Zimmer. Dieser Luftwechsel hört aber auch
bei sinkender Temperatur nicht auf, wenn er auch schwächer
wird. In den verschiedenen Kanälen findet selbst bei ge-
i — und diese werden im Winter
— stets eine Bewegung, d. h. eine
eine Zuführung frischer Luft statt
Wenn bezweifelt wird, dass der Heizapparat, der der
schnellen Heizung und Einfachheit wegen im Wesentlichen
aus Eisen bestehen muss, noch viele Stunden nach dem Er-
löschen des Feuere im Stande sein sollte, der zuströmenden
kalten Luft den nöthigen Wärmegrad zu geben, so darf doch
nicht ausser Acht gelassen werden, dass die Wände der
Heizkammer, sowie die sehr ausgedehnten Flachen der Heiz-
kan&le eine sehr grosse Menge von Wärme aufzunehmen im
Stande sind, dass dadurch allerdings eine gewisse Nachhal-
tigkeit der Erwärmung erzielt wird. Selbst wenn wegen zu
hoher Temperatur in einem Zimmer die Heizöffnung zum
Theil oder ganz geschlossen werden musste , hörte die Ven-
tilation nicht auf, da wegen der Temperatur- Differenz eine
Abströmung der Luft und ein Zuströmen durch Thür- und
Fensterspalten, in verstärktem Maasse durch ein geöffnetes
Fenster, stattfand, bis die Temperatur sich erniedrigt hatte
nnd die Heizöffnung wieder geöffnet werden konnte.
Eine Trockenheit der Luft ist
staubige oder brenzlich riechende Luft Klagen laut gewor-
n. Da in jeder Heizkammer täglich 1—2 Eimer Wasser
was etwa 1 kb» Dampf von 15— 17* R.
Digitized by Google
— 826 —
auf jedeu kb™ Zimmerrauin triebt, welch« 1 » Dampfuuau-
tura dem Rewohnlichen Feuchtigkeitsgebalt der Luft in F olge
der Temperaturerhöhung hinzugetreteu ist, so musste in der
Thal die J.ufl weniger trocken sein als bei anderen Heiz-
methoden, bei denen in der Kegel eine solche Verdunstung
nicht stattfindet.
Für jeden Apparat wurden täglich durchschnittlich
I — 1 V, Ml Steinkohlen verbraucht; es steht zu erwarten,
dass künftig ein geringerer Verbrauch stattfinden wird; in-
direkt wird die Heizung dadurch billig, das» fast alle Repa-
raturen fortfallen und sich im Wesentlichen auf Erneuerung
der Koststabe und der Chnmottcausklcidung beschränken.
Die Anlagekosten, d. h. die Herstellung sämmtlicher
Kanäle im Mauerwerk und unter der Kellerstdde, die Liefe-
rung und Einrnaueruug der Heizapparate und der verschie-
denen Kluppcnverschlussc, haben sich gestellt: 1
1. bei der 55. (i. -Schule (3700 kb" zu heizender Raum)
auf 2974 Thlr. oder pro 100 kb- auf ca. HO'', Thlr.
2. bei der 85. G. -Schule (34(X) kb» zu heizender'Kaum)
auf 2301 Thlr. oder pro 100 kb« auf ca. 67»/. Thlr.
8. bei der Gl. (i. -Schule (3600 kb» zu heizender Raum)
auf 2l«0 Thlr. oder pro 100 kb m auf ca. 60 Thlr.
Ein sehr wesentliches Moment bei Einrichtum; jeder
Heizanlage ist das Verhältnis» zwischen dem Inhalt des zu
heizenden Ranmes und der Grösse der Heizfläche. Je grösser
die letztere ist, um so geringer ist das Wänncipiantum,
welches zur Erzielnng eines bestimmten Temperaturgrades
in gleichen Zeiträumen an die Luft zu übertragen ist, d. h.
um so weniger heiss braucht die Heizfläche zu werden; in
gleichem Verhältnis* wächst in der Regel die Nachhaltigkeit
des Heizapparats. Während bei Kachelofenheizung gewöhn-
lich auf 1!» - - 24! kb°" Zimmerraum IG'" Heizfläche kommt,
fand bei den früheren Luftheizungen ein Verhältnis» von
180 — 190 kb™ zu 1 □'" statt. Jetzt wird bei letzteren auf
88 bis 52 kb™ Zimmerraum 1 O™ Heizfläche gerechnet und
dem entsprechend der Heizapparat konstruirt. Rei der 85.
Gcmcindcschulc findet ein Nerhältniss von 4b' : 1 , bei der
55. Gemeindeschule von etwa 8<> : 1 statt.
Der Fabrikant Heckmann in Mainz hat für die von ihm
ausgeführten Luftheizungen folgende Verhältnisse beobachtet,
die ich mit seiner Genehmigung hier raittheile:
Mg tat 1 □m.
Zentralfeiertagsschnle in München 53.
Schule in Fürth 5(5 n. 51.
Schule in Regeosburg 53 — 45.
Polvteehnische Schul« in München (12 Apparate) 03*)— 44.
Höhere Töchterschule in Baden 44 n. 3«.
Mädchenschule in Hcilhronn 57 — 49.
Bnmersehule in Kassel 47 u. 44.
Realschule in Weimar 59 u. 53.
Schule in Sachsenhausen 60 u. 54.
Lorcnzschulc in Lübeck 33.
Schule in Hanau 46.
Nikolaischule in Leipzig 48 — 32.
Es wird hierzu bemerkt, dass die Einrichtung dieser
Heizungen, namentlich auch hinsichtlich der Ventilationska-
näle, im Allgemeinen der oben beschriebenen Anlage ent-
spricht, mit dem Unterschiede, dass diese Kanäle nicht nach
der Heizkammer zurückgeleitet sind. Rei der polytechni-
schen Schule in München sind besondere Rückzüge aus den
Zimmern unter den Rost, was jedoch verwerflich ist und
" nicht bewährt hat.
Kl«. 4.
En
Rei der Schule in Hanau
sind die Ventilation»- Kanäle
nach Skizze 4 in einen den
blechernen Schornstein umge-
benden Aspirationsmantel ge-
leitet, der über Dach ausmün-
det. Hierdurch kann eine stär-
kere Veutilatiou erzielt und
namentlich die Sommerventilation sehr befördert werden.
Rei der nach Kelling' schein System eingerichteten Luft-
heizung in der Anncnrcalschule zu Dresden kommt auf
42 kb 1 " Raum 1D" 1 Heizfläche. Die Grösse der Heizappa-
rate bewegt sich zwischen 10 nnd 50[J'" Heizfläche, darun-
ter ist eine Zentralheizung nicht mehr vorteilhaft, darüber
wird der Heizapparat zu gross.
Der Rost, dessen Grösse von Einflnss auf den Nutz-
effekt ist, erhält Vi. bis V«.o, am meisten wohl. 1 im der
Grösse der Heizfläche. Sind hiernach die Dimensionen des
Heizapparat» bestimmt, so ersieht »ich die Grösse der Heiz-
kammer von selbst ans dem Erfordernis*, dass ersterer mit
digkeit in
•) Ol« liotirl« V»rhSltntM»»M»ii KrllMi f*r dl.J»»!«»« A|.|<nrili-, »<"»
Korri<l«r< etc. «ibetil «fiikn mit gering«» Tcmpriaturrn, u.Ut lUum« mil »<
d*n«n
Ausnahme der Seite wo gefeuert wird, umgangen werden
kann und 0,7 — 1'" von der Decke entfernt bleibt.
Der (Querschnitt der Heizkanäle lässt sich zwar ans den
in Folge der Transmission der Wärme durch die L'mschlies-
sungen der Räume in der Zeiteinheit zuzuführenden Wärme-
mengen und au» der voraussichtlich eintretenden Geschwin-
\ZigTl(T-t)
den Kanälen r = 0,5 r ■ I , (wo a der
« + ■
Ausdehnungskoeffizient der Luft - 0,0036« ist) berechne!,
wobei übrigens r mir zwischen den engen Grenzen 1™ Ins
1,5" sich bewegen soll, indessen wird man wegen mög-
licher Fälle, die nicht in Rechnung gezogen werden köuucn,
nicht allein die ungünstigsten Voraussetzungen machen und
den grössten hiernach sich ergebenden Querschnitt wählen,
sondern diesen noch tun ein gewisses Maas» vergrössern,
zumal diese Vcrgrössening keine Kosten' verursacht um!
jedenfalls nicht tiaehtheilig ist, da eine beliebige Regulinim:
mittels des Klappenverschlusses möglich ist. Man kann
sich daher sehr wohl an Erfahnmgssätze halten und als
solche können die Eingangs erwähnten Verhältnisse der
Heizkanäle und der Zimmergrössen gelten.
Um über die in den einzelnen Theilen der Heizanlage
stattfindenden Temperaturen und die Rewegting der Luft,
gleichbedeutend mit Ventilation, nähere Aufschlüsse zu er-
langen, wurde eine besondere Probeheizung bei der in Redt
stehenden Schule veranstaltet. In Erwartung besonders kalter
Tage, die indes» nicht eintraten, wurde der nachfolgende
Versuch erst am 19. März d. J. gemacht, bei einer äusseren
Temperatur von «'/•• R. Die Schule wurde dabei nicht
ausgesetzt. Wegen der milden Temperatur war jeder Ap-
parat Morgens « Uhr nur mit 1 Schffl. Kohlen gefieizt wer-
den. Um 9 Uhr Vormittags wurde die Temperatur inner-
halb der Heizkammer, die wie Obel erwähnt, vermittels
einer eisernen Thür jederzeit zugänglich ist. in Hübe der
Abströmungsöffnungen zu 29» R. gemessen, während die Klas-
sen bis IS" hatten. Es wurde nun abermals mit 1 Schffl.
Steinkohlen gefeuert und stieg die Temperatur in der Heiz-
kammer bald auf 35° (immer an demselben Ort gemessen),
gleich darauf, etwa gegen 10 Uhr wurde in zwei Klassen
des ersten Stocks die Temperatur gemessen und ergab sich
in Klasse 8 in halber Zimmerhöhe zu 2u\ in der Ausströ-
mung des Heizkanals zu 3,s» und in der Abströmnn^fnuus
am Fussboden 20«, in Klasse 9 waren die resp. TemiKra-
turen 21», 56« und 21'.
Mittels eines Flügel - Anemometers wurde gleichzeitig
die Geschwindigkeit der ein- und abströmenden Luft ge-
messen und ergab sich in Klasse S für die einströmende
Luft innerhalb der Heizöffnung 1,80", für die abströmende
Luft innerhalb der Oeffuung am Fussboden 1" Geschwindig-
keit, in Klasse 9 die resp. Geschwindigkeiten von 2" und 1"
Es entspricht dies einer Lnftzusfrömnng per Stunde in Klasse
S von 54« kb» und in Klasse 9 von 534 kb" (reduzirt
auf die resp. Zimmertemperaturen von 20* nnd 21*), oder
Itei 74 Kindern jeder Klasse von bezw. 7,3« und 7,20 kb" pro
Kind und Stunde.
Die Luftabströmung in jeder Klasse betrug hiernach
392 kb", es muss also ein Tneil der Luft durch Thür- und
Fensterspalten entwichen sein. Eine hierauf in der Heiz-
kammer vorgenommene Messung ergab 31* und in dem
Hauplkanal, welcher die frische Lnft direkt zum Heizappa-
rat führt, 10', sowie" eine Geschwindigkeit dersellien von
1,18". Dieser Kanal hat 1,41" und 0,42"' lichte Weite uad
führte daher 2500 kb" Luft per Stunde zu, oder — da sich
diese Menge auf s Klassen vertheilt — 313kl>" pro Klasse
und Stunde ln>i 10«, oder .131 kb" von 80*. Nach einer
anderen Bestimmung der Geschwindigkeit mittels der Zeit,
in welcher eingeblasener Ranch eine gewisse Kanallänce
zurücklegte, ergab sich eine Geschwindigkeit von 1.4™, welche
einer Luftzuführung von 470 kb" bei 10* entspricht Gegen
Vi 12 Uhr war in Klasse 9 eine Temperatur von 20', in der
Heizöffnung dieses Zimmers von 30" nnd eine Ausströmung-
gesehwindigkeit von 1 ln . In der Oeffnung am Fussboden
hatte die abziehende Luft 20* und 0,63" Geschwindigkeit In
den Dachboden strömte die Luft ans diesem Ventilationsb-
nal mit einer Temperatur von 1«« und 0,47" Geschwindigkeit.
Um 'AI Uhr waren in der Heizkammer 21".
Die Messungen mit dem Hygrometer, «las 71'/. zeigte,
ergabeu in den Klassen keine hemerkenswerthen Abweichun-
gen des Feuchtigkeitsgehalts gegen die äussere Luft.
So wenig zuverlässig diese Messungen, namentlich be-
züiriich der Geschwindigkeiten sein mögen, wegen der Schwie-
rigkeit der Geschwindigkeitsmessung an sich nnd der Er-
mittelung der richtigen mittleren Geschwindigkeit eines »Quer-
schnitts, wegeii der Komplizität des Svstems und der Vt-r-
Digitized by Google
— 327 —
änderlichkeit «kr Verhältnisse, so geht doch Folgendes da-
raus hervor:
1. Die Abgabe der Wärme im Apparat erfolgt ent-
sprechend dein Material desselben ziemlich schnell.
2. Die Zimmertemperatur verändert sich nicht in dem-
selben Verhältnis* sondern erhält sich längere Zeit konstant,
wächst und fallt nur nlliuälig, da wie ölten bemerkt, die
Wände der Heizkammer und der Heizkanäle einen grossen
Theil der Wärme anfangs absorhiren, den sie später wieder
aligeben.
3. Selbst bei einer Temperaturdifferenz der äusseren
und der Zimraerluft von nur !(>• erfolgte eine ausreichende
und jedenfalls grössere Ventilation, als bei anderen Heizungen
ohne mechanische Hült'smittel.
• 4. Die Temperaturen in der Heizkammcr sind nicht so
hoch als man sie sich gewöhnlich vorzustellen pflegt Es
ist weiter zu bemerken, dass
5. die einströmende Luft sich selbst in der Nähe nicht
unangenehm bemerkbar machte. Die Luftschichten im Zim-
mer waren derartig in Rnhe, dass selbst Zigarrenrauch keine
oder nur ganz geringe Bewegung anzeigte.
Was die Nachhaltigkeit der Wärmewirkung betrifft, so
sind in dieser Beziehung einige Beobachtungen Morgens 4
Uhr vor Beginn der Heizung gemacht, zur Ermittelung wie
weit bis dahin die Zinuner-Temperatnr gesunken sein würde,
die wie angeführt, Nachmittags 4 Uhr in der Regel noch
13 bis 14* betrug.
Es ergab sich einmal bei 4*äuss. Temp. 12-14» in den Klassen
ein anderes Mal bei — 1« „ „ 7-11« „ „ „
ferner bei 0« . „ M2« , „ „
Die Schwierigkeit bei jeder Heizung besieht bekanntlich
darin, die bei der Verbrennung schnell erzeugte und daher
sehr iutensive Wärme gewissermassen aufzuspeichern und
dieselbe nur in dem Maasse an die Zimmer abzusetzen, dass
»leren Temperatur möglichst lange auf gleicher Höhe erhalten
wird, fall» dies speziell erforderlieh ist. Es gilt daher die
Feuerzüge mit einem Körper zu umgeben, der eine grosse
Wännc - Kapazität besitzt. Besonders geeignet hierzu ist
Wasser. Man ist daher darauf bedacht gewesen, da, wo
die Hiiume nicht nur einen Theil des Tages, wie in Schulen,
sondern bis zur Nacht gleichmässig wann sein sollen, die
Vorzüge der Luftheizung mit denen der Wasserheizung zu
vereinen, d. h. den gewöhnlichen Luftheiz- Apparat durch
einen Wasserkessel zu ersetzen. Man gewinnt hierbei aus-
serdem den Vortheil, in langen Gebäuden mit vielen Hciz-
kainniern die Zahl der Feuerstellen beschränken zu können,
indem die Wasserheizung von einer Kammer auf mehrere
andere verzweigt werden kann, um die Luft in denselben
indirekt zu erwärmen. Eine derartige Anlage, welche für
eine jetzt im Bau begriffene höhere städtische Lehranstalt
ausgeführt wird, auch sonst schon namentlich für Privat-
häuser ausgeführt ist. wird nicht allein erheblich kostspie-
liger als die reine Luftheizung, sondern ist auch wieder den
verschiedenen Wechselfällen einer Wasserheizung ausgesetzt,
und es sollte daher vor der Anlage geuau erwogen werden,
ob die Benutzung der Räume eine über 8 — 10 Stunden
liinausgeheude gleichmässige Erwänunng nothwendig oder
wünschenswerth macht; im Verneiuungsfall wird stets eine
gewöhnliche Luftheizung zweckmässiger sein.
Um schliesslich noch der Sommer-Ventilation zu er-
wähnen, so versteht sich von selbst, dass eine Ventilation,
die lediglich durch die Heizung bedingt ist, ohne diese nur
verlangt und vorhanden sein kann, wenn sie auf andere
Weise erzielt wird, wie dies allen Heizungen gemeinsam ist
Meist begnügt mau sich mit dem Oeffneu der oberen Fenster-
flügel resp. Anwendung einer geringeren Anzahl von Lnft-
klappen; es hat sich jedoch herausgestellt, dass eine ziem-
lich wirksame Ventilation durch die Kanäle der Luftheizung
auch im Sommer vorhanden ist. Vergegenwärtigt man sich
die Anlage des Kanal- und Rohrsystems, so ergiebt sich,
dass für jedes Zimmer eine Art kommunizirender Röhren
vorhanden ist, mit Luft von verschiedenem spezifischen
Gewicht gefüllt. Es ist ^tatsächlich, dass in den in starken
Mauern liegenden Kanälen, namentlich im Keller und in der
Heizknminer, im Sommer eine kühle Luft vorhaudeu und
dass die Temperatur -Differenz gegen aussen um so grösser
ist, je wärmer es draussen ist. indem diese kühle Luft
ans der Heizöffnung und der unteren Ventilationsöffnung
in das Zimmer und gleichzeitig die warme Luft in demsel-
ben an der Decke nach ölten strömt, so entsteht eine Ven-
tijation ähnlich der im Winter, mit dem Unterschied, dass
die Luft kühl eintritt, sich daher senkt, allmählig erwärmt
und als warme Luft abzieht Und in der That, aus den
offen gehaltenen Heiz- und unteren Ventilatioiisöffnuugeii
strömt im Sommer die Luft stets mehr oder weniger stark
in die Klassen, bisweilen mit solcher Heftigkeit, dass man
genöthigt war, die Klappen zu schliessen.
Für die seltneren Fülle, wo selbst bei kleineren Tem-
peratur-Differenzen eine starke Ventilation ohne Ueffnen von
Fenstern verlangt wird, empfiehlt sich eine Anordnung, die
oben bei einer Schule in Hanau erwähnt ist, welche aller-
dings eine Sommerfeuerung im Heizschornstein voraussetzt,
die indess sehr geringe Kosten verursacht.
Wenn aus dem Vorstehenden vielleicht Mancher die
Ueberzeugung gewonnen hat, dass die Luftheizung dennoch
nicht so verwerflich erscheint, als sie von mancher Seite
dargestellt ist, so ist schon Eingangs erwähnt, dass sie noch
mancher Verbesserung bedürftig alter auch wohl fähig ist
Wie diese zu bewirken und wie namentlich in alten Gebäu-
den, wo die Anlage von vielen und weiten Kanälen in den
Mauern grosse, vielleicht unüberwindliche Schwierigkeiten
haben würde, dennoch Luftheizung einzurichten wäre, möge
einer späteren Besprechung vorbehalten bleiben. Es sei nur
zum S< hluss einer kleinen Brorhüre Erwähnung gethau, die
der Beachtung der Kollegen, die sich für den Gegenstand
interessiren, empfohlen wird. Sie gehört der „ Sammlung
gemeinnütziger naturwissenschaftlicher Vorträge von Holtzen-
dorff und Virchow" an und ist betitelt: „Moderne und
antike Heizungs- und Vcntilationsmethoden" von
Dr. F. Berger in Frankfurt a. M. (Berlin 1K70.)
Der Verfasser geht davon aus, dass die jetzigen Heiz-
methoden die Wärme an die Decke des Zimmers liefern und
dass die warme Luft durch die Ventilation entweder dort
abgeführt wird oder in Folge Abkühlung allmählig herab-
sinkt, geschwängert mit den Produkten der Verdunstung,
Ausathmung und Verbrennung, die sich im Zimmer erzeugen;
ersten:« entgegen dem Grundsatz: „den Kopf halt kalt,
die Füsse warm" 1 , letzteres entgegen den Anforderungen der
Gesundheitspflege an Besc haffung reiner Luft, — Umstände, die
bei der eben beschriebenen Luftheizung allerdings wesentlich
gemildert erscheinen. • Er giebt dann eine eingehende Be-
schreibung der unter römischer Herrschaft in Deutschland,
Frankreich und Italien ausgeführten Badeanlagen, von denen
sowohl gut erhaltene Ueberreste als Abbildungen vorhanden
sind, und beginnt mit dem Winteraufenthalt der Villa Tus-
culana, dessen Beschreibung Winkelmann mit den Worten
einleitet: „die wohlhabenden Leute unter den Alten ....
waren . . besser wider die Kälte verwahrt als wir. Ihre
Ocfun . . . heizten die Stube, ohne dass die Hitze dem Kopf
beschwerlich fiel." 4
Im Wesentlichen bestanden diese Heizanlagen darin,
dass der steinerne Fassboden nnd die Wände durchweg mit
Kanälen versehen waren, die von warmer Luft resp. von Rauch
durchzogen nnd erwärmt wurden. Andererseits war für Ein-
führung frischer Luft in der Weise gesorgt, dass dieselbe in
vielen feinen Strahlen und durch die Wände vorgewärmt
eintrat und in Folge ihrer niedrigen Temperatur auf den
Boden sank. Die wärmste nnd best« Luft war hiernach im
unteren Theil des Zimmers vorhanden; es bildete sich ein
im ganzen Zimmer gleichmäßig aufsteigender Luftstrom,
der die Produkte der Aspiration und Perspiration mit fort-
führte, wobei diese weder mit neuer frischer Luft vermischt,
noch abermals nach unten zurückgeführt wurden, da an der
Decke für Abzug der Luft gesorgt war. Der Hauittnnter-
schied beider Heizungsarten wird durch folgenden Versuch
klar gemacht:
Wird in einem grossen Muffelofen aus Thon mit einer
unteren und oberen Üeftnnng in der Nähe des Fussbodcns
eine Flamme angebracht , so bildet sich in dem Ofen ein
heftiger, zunächst nach oben gerichteter Luftstrom; Wände
nnd Fussboden bleiben kalt, während an der Decke die
heisse Luft sich ansammelt resp. entweicht, und unten
die Luft heftig einströmt Bringt man die Wärmequelle
ausserhalb unter dem Boden des Muffelofens an, der das
Zimmer darstellt, so wird der Boden am wärmsten, und in-
dem unten kalte Luft allmählig eintritt entsteht ein sanfter,
gleichmässig im ganzen Raum sich erhebender Luftstrom,
der auch dann noch längere Zeit fortdauert, wenn die Wär-
mequelle erloschen ist. Das Hauptsächlichste ist daher, dass
nicht die bewegliche Luft zum Träger der Wärme gemacht
wird, sondern die Umfassungen des Zimmers; während dort
die Zimmerluft durch die Wände abgekühlt wird und her-
absinkt, geben hier die Wände Wärme an die Ziramerluft ab
und diese ist nicht genöthigt zum Boden zurückzukehren.
Die Ventilation ist unabhängig von der Heizung, zugfrei und
bewirkt in vollkommenster Weise die Abführung der ver-
dorbeneu Luft. —
Ob uud wie weit diese Prinzipien, deren Anwendung
Dr. Berger zunächst und ganz besonders für Schulen em-
pfiehlt, bei der jetzigen Konstruktion der Decken und Fnss-
Digitized by Google
böden und dem koniplizirten Organismus der Bauwerke aus-
führbar sind, bleibt einstweilen dahin gestellt und bedarf
Xund eingehender Beschäftigung mit der Sache. Ein
damit Ist gemacht in der in einigen Kirchen Leip-
zigs ausgeführten Zentralheizung,
Beheizung sehr
tung verdient.
organg, der für die
Is besondere Beach-
Haeseeke.
Mittheilungen aus Vereinen.
Verein für Eisenbahnkunde zu Berlin. Versammlung
am 10. September IST-». Vorsitzender Hr. Hart wich', Schrift-
führer llr. Streckert
Herr Wiedenfeld machte Mittheilung über zwei kurz hin-
tereinander erfolgte Entgleisungen auf der Station Landsberg
der Berlin- Anhaltischen Eisenbahn. — Am 14. August d. J.,
Nachmittags .">• , Uhr entgleiste der '28 Achsen starke Tages-
schnellzug auf der erwähnten Station nach dem Passiren einer
Weiche, welche nicht gegen die Spitze befahren wurde, mit der
Hinterachse der Personenzugmasehine und sätnmtlichen übrigen
Es gelang den Zug auf eine Entfernung von 260™ zum
d zu bringen, wobei sich ergab, dasa die Räder der
Zugseite auf den Schwellen standen; die Schienen dieser
waren aus den Nageln herausgedrückt, wahrend die der
anderen in der Kinne der umgekanteteu Schienen spurten. Die
sofort angestellte Untersuchung stellte fest, dass auf der 260«
langen demolirten Bahnstrecke 27 Schwellen nicht ganz neu,
13 Schwellen etwas angefault und nur eine als schlecht zu be-
zeichnen war; dieselbe lag jedoch nicht an der Entglcisuugs-
stelle, denn an dieser waren überhaupt keine schlechten Schwel-
len. Das Geleis wurde sofort wieder hergestellt und den fol-
genden Tag durch zwei Züge ohne Unfall befahren, wShrend der
dritte Zug Nachmittags an derselben Stelle, an welcher der
Unfall des Tags vorher stattgefunden hatte, entgleiste; die Un-
tersuchung ergab auch jetzt, dass das Geleise und die Weiche
richtig lagen, nur die Schiene vor der Mutternchienc der Weiche
zeigte eine unbedeutende, 5"» starke Einbiegung, welche wahr-
scheinlich durch die Ausdehnung der Schienen bei nicht genü-
gendem Tempcraturspielraum herbeigeführt worden war. Da
au dum Tage der ersten Entgleisung Vormittags 8 Uhr eine
Vermischtes.
der städtischen Brunnen, wie wir sie
vor Kurzem anlasslich eines Kalles der Brunnenverunreinbrung
durch Kirchhofswasser empfahlen, sind in den letzten Jahren
zu Dresden erfolgt. Der dortige Stadtrath hat jüngst den Stadt-
verordneten einen 53 Druckseiten enthaltenden Hauptbericht der
zur Prüfung der Brunneu der Stadt niedergesetzten gemischten
Deputation zur vorläufigen Kenntnissnahme mit dem Hinzufügen
übermittelt, dass die von ihm in der Sache z. Z. noch zu fas-
senden Beschlüsse Gegenstand spaterer Mittheilungen sein wür-
den. Nach jenem Hauptberichte sind in der Zeit vom Mai 1870
bis 2a. Marz 1871, mit Aussetzung der vier Wintermonate,
sämmtliche Brunnen der Stadt, an der Zahl 3627. einer gleich-
massigen Prüfung unterzogen worden. Von diesen haben sich
bei der stattgefundenen Prüfung tü'l als solche ergeben, in Be-
ziehung auf deren Wasserbeschaffeuheit keine Veranlassung zu
einer Ausstellung zu finden gewesen, während 2684 Brunnen
im Allgemeinen nicht tadelloses Wasser, 48 Brunnen aber so
schlechtes Waaser enthielten, dass dieselben sofort entweder
völlig ausser Gebrauch gesetzt, oder wenigstens als ungeniesa-
bares Waaser enthaltend gekennzeichnet werden mussten;
204 Brunnen gaben gar kein Wasser und stellten sich s. Z. als
' ar heraus. Im Uebrigen verbreitet sich der Bericht
erm-hopfender Weise und mit ziffermüssigeu Belegen
ttet auch über die Beschaffenheit des Baues der ein-
Brunnen, sowie über die lokalen Verhältnisse dersel-
ben, und schliesslich über die Grundsatze und Vorschriften,
welche bei Herstellung und Instandhaltung der Brunnen zu be-
obachten sind.
Konkurrenzen.
Xona.ts-Aufga.ben für den Architekten-Verein zu
lln zum 2. November 1872.
I. Entwurf zu einem stadtischen Wohnhause.
Dasselbe soll auf einer rechteckigen Baustelle von 20« Front
und 35» Tiefe erbaut werden und im Erdgeseboss Laden mit
grossen Schaufenstern, in den drei Stockwerken je eine herr-
schaftliche Wohnung enthalten. Das Gebäude ist in Backstein,
die Facade unter Anwendung reicher Terrakotten auszuführen.
Es werden Grundrisskizzen vom Erdgcschoss und dem ersten
Stockwerk, und die Zeichnung der Facade im Maasstabe von
1 : 200, bezüglich 1 : 75 verlangt
II. Ein fester Uandkrahn mit Hnrizontaldrchung von 20 Ton-
nen Tragkraft zur Entladung grosser Seeschiffe von IG» Breite
und 7,5» Tiefgang, ist auf dem Kai eines Dockhafens zu er-
bauen, hinter welchem Eisenbahngeleise liegen. Der Untergrund
ist 8 m unter dem konstanten Wasserstande des Docks erst Moor
und in 10 " Tiefe reiner Sand. Die Konstruktion des Krahus
ist im Allgemeinen , die Befestigung iu der Mauer , rowie die
Mauer selbst speziell zu projcktiren und statisch zu berechnen.
Alle wichtigen Maasse, Annahmen und Rcchnungs-Rcsultate
sind in den Zeichnungen an geeigneter Stelle einzutragen.
neue Mutterschiene in die Weiche eingelegt worden war und
13 Züge ohne Unfall an diesem Tage die Strecke passirt hatten,
so kann auch nur als Grund der Entgleisung des 14 Zuges die
durch die höhe Taseatemperatur herbeigeführte Ausdehnung
der Schienen und die dadurch entstandene Veränderung der
Spurweite angesehen werden.
Hierauf sprach Herr Dr. Wedtling über die Eisenbahn
Materialien auf der diesjährigen Ausstellung zu Moskau; zu-
nächst schilderte derselbe die Grundlagen der Eisenindustrie
in Kussland überhaupt und insbesondere die Erz- und Stein-
koblenlagerstätten (Finnland, Polen, Ural, Moskauer Bezirk und
Donez-Gebiet), beschrieb sodann den Hochofenbetrieb, die Dar-
stellung von Schmiedeeisen und Stahl, wobei der eigenthüm-
lieben Methode, die Schienen in kaltes Wasser zu werfen, be-
sonders Erwähnung gethan wurde, und führte alsdann an, ia
welcher ausgedehnten Weise man in Kussland von der Kohleu-
oxydgaafeuerung Gebrauch mache. Ferner schilderte der Vor-
trägende den Betrieb einiger Hüttenwerke (Raiwola, Obuchov,
Kolpina, Sorroova), erwähnte des interessanten Marktes von
Niscbni-Nowgorod und schloss seine
mit der Beschreibung der Lokomotiv- und Wagenbau-,
zu Kolomna.
Am Schlüsse der Sitzung wurden die Herren Baumeister
Wäcbter, Kegierunga- Assessor a. D. Windhorst, Dr. II am -
mach er, Eisenbahn - Bauinspektor H. Oberberk und Eisen-
bahn-Bau- und Betriebs- Inspektor Schultze bierselbst durch
übliche Abstimmung als ordentliche einheimische Mitglieder,
sowie AbtbcUungsbaumeister Müller zu Torgau als auswärtige*
Mitglied in den Verein
Ffir den Bau einer neuen Bürgerschule in Gotha wird
Seitens des Stadtraths eine Konkurrenz zur Einreichuog voo
Plänen eröffnet (vergl. Bau-Anzeiger No. 40). Der Schlusstermiii
ist der 1. Februar 1873. Die Gesammtkosten dürfen die Summe
von 50000 Thalern nicht überschreiten. Für die beiden besten
Entwürfe wird ein erster Preis von 1200 Mark und ei
Preis von 600 Mark ertheiit
In der Konkurrenz für ein Sohulhaus in Greiz sind 14
Pläne eingegangen, von welchen indessen keiner die Aufgabe
dem Programm entsprechend vollständig löst. Ks ist deshalb
die GesammtKumrae der bewilligten Preise (650 Thlr.) unter die
besten Arbeiten gleichmäßig vertheilt und sind als solche von
den Preisrichtern — Arch. Lipslus in Leipzig, Prof. Giese
in Dresden und Landbaumcister Oberländer in Greiz — be-
zeichnet worden die Entwürfe mit den Mottos: .Minerva" (Ver-
fasser Hr. Ehr ig in Chemnitz), .Vorwärts " ( Verfasser Hr.
Gotthoiner in TJcrlia) und „rothe Marke" (Verfasser Ur.
Küster in Berlin).
Ein Preisausschreiben zur Einrcichung von Plänen für eis
in der Stadt Gleiwitz zu errichtendes Denkmal für die ia
letzten Kriege Gebliebenen wird von dem Konnte für
dasselbe erlassen (vide Bau- Anzeiger No. 40). Die disponible
Bausumme beträgt 2500 Thlr., die Preise für die beiden besten
Entwürfe sind auf 100 resp. 50 Thlr. festgesetzt Die Pils«
müssen bis zum 1. Januar 1873 bei dem Landraths - Amt in
Gleiwitz
Personal - Nachrichten.
Ernannt: Der Eisenbahn - Baumeister Karl Friedrich Ji-
lius Müller in Potsdam zum Eisenbahn- Bau- und Betrieb*-!»-
spektor daselbst Der Baumeister Monschcur in lnowrad««
zum Eisenbahn - Baumeister bei der Posen -Thorn-Bromberpr
Eisenbahn. Der Baumeister Mappe* in Harburg zum E.**-
bahn-Baumeister bei der Kai. Ostuahn in Bromberg. Der Krti*
baumoister SchOnenbergfn Samter zum Bau-Inspektor in Lissa
Versetzt: Der Kreisbaumeister Arnold in Gersfcld bz«
Rosenburg und der Eisenbahn - Baumeister Middeldorfs
Posen zur Oberschlesischcn Eisenbahn nach Breslau.
Das Baumeister - Examen haben abgelegt am 25. uw
28. September er.: Bauführer Max Caspar aus llalbersbm
Bauführer Wilhelm Wer res aus Düren. Bauführer Ludtu
Büchting ans Cassel.
Hrn. V. in Gotha. Die beiden Werke: .Die Kalk-, Ziegee
und Röhrenbrennerei" von E. Heusinger von Waiden, aiw
.Die hydraulischen Mörtel, insbesondere der Portland-Zenx.-if
von W. Michaelis werden Ihrem Zwecke am Beaten dienen.
Hrn. S. in Berlin. Unter den Füll- oder Regulin*"
eignet Bich für gewöhnliche Zimmer am besten die von
dinger angegebene Konstruktion. Zu beziehen sind derartig
Oefen von Cohn, Hausvoigteiplatz 14 bierselbst.
ug C*il Hullti u
TM Ol
Digitized by Google
Jahrg. fl.
DEUTSCHE BAUZEITUNG
Radaküea * iTj.td.tiaa:
berlln, tnilwUM 101
Ea.LUttafan
iWraHim«n alt. PwUruanltrn
and nnttiluuidl.ru.n,
> M
Organ des Verbandes
deutscher Architekten - und Ingenieur-Vereine.
Eedakteur K. E. 0. Fritach.
Xtiarata
fnr Dt. Iwt der daatacaea
Preis 1 Thaler pra Quartal.
Berlin, den 12. Oktober 1872.
Erscheint Jede» Ssnnabend.
Inhalt: !>!. XVI. Waaderr.raaaalaaf d.atachar Architekten und lt>(.-
uleare in K.rl.rufc«. — DI. AlaauUluig allerer kaJialaanrarWMwr UeiteiuUrjd. la
KGr.Uli.-'i"n Zeuitriaiue u Berlin. — Die Be.llmrnuii« der Dirnro- und Ein-
ichnltunnip.cn ratit.l» d«. rlanlmetera direkt man den Län«ennl«clllmenti<pl>nen,
- DI. Buuoruian «f. Mi»Cer. iu Hameln. — Mlllh.il. mm ... V.r.l-
n.n: Ortar.aultch.r Ini.nl.ur- «nd Architekten Verein. — Architekten -Vcr.lu
iu Berlin. — A«. d.r F.chll tter.tur: Zeitschrift da Architekten- und In.
g.al.ttr-V.r.1». so Hnnnev.r. Jahrg. 71, Heft 1 u.a. — Koakarr «n a ent Koa-
klirren, für Katvurf. sa einem Katliiaalderjkrael auf den Nlad.rwald. — Kankur-
reai für Entwurf, in einem GeeellM-hafUbeuee Ar dl. (ie.oll.ch.fi .Verein" la
B»en. - Km- Koukurr.ni für Entwurf, taa Baa «ioer [naueo Böra. la Frank-
furt .v Vi. - r er. nn.l - Sack richten. Brief a r. d Frij.li.ltc.
XVI.
11. Der äussere Verlauf der Versammlung
samint-Sitzungen. Die Exkursionen und Ausflüge
Der 22. und 23. September.
Nachdem die ersten ans weiterer Ferne eintreffenden
Gäste der Versammlung bereits durch die Abgeordneten-
Konferenz des Verbandes deutscher Architekten- und In-
genieur-Vereine zugeführt worden waren, begann Sonntag
den 22. September die Massenzuströmung der Fremden,
deren Verthoilung durch die geschmückte Stadt bald ein
ungewohntes Leben in derselben hervorbrachte. Leider
machte die herbstlich rauhe Witterung es unmöglich, die
erste gesellige Vorversammlung am Abend des 22. September,
wie beabsichtigt war, im Garten der Gesellschaft Eintracht
abzulialten. Es musste hierfür der für eine solche Menschen-
fülle nicht ganz ausreichende Saal gewählt werden — ein
Tausch, der den praktischen Zweck einer solchen ersten
Zusammenkunft , das Aufsuchen und Regrüssen Bekannter,
allerdings erleichterte, den festlich poetischen Charakter der-
selben hingegen abschwächen musste.
Als Lokal für diu tieiden zu Anfang und Schluss der
V grt tam m Itmg abzuhaltenden Gc s a mm tsitznngen war die aus
der Publikation in Breymann'sBaukonstniktionslebre bekannte,
von Baurath Lang erbaute Turnhalle bestimmt, deren weite,
mit buntem Farbenschmuck dekorirte Bäume völlig erfüllt
schienen, als Professor Baumeister am Morgen des 22. Sep-
tember die Versammlung mit festlichem Grosse eröffnete.
Hatten manche der früheren Versammlungen und zumal
die letzte in Hamburg abgehaltene etwas darunter gelitten,
dass die Einleitung derselben in allzu geschäftlichem Sinne
erfolgte, so bildete das ideale Moment, welches diese Feier
diesmal durchleuchtete, einen nicht gering anzuschlagenden
Vorzug des Karlsruher Festes.
In warmer, jedes rhetorischen Aufputzes entbehrender
und doch an alle Herzen klingender Rede erörterte zunächst
der Vorsitzende Stellung und Bedeutung dieser XVI. Wander-
versammlung deutscher Architekten und Ingenieure im Ver-
gleiche mit den früheren. Wenn derselben einerseits schon
durch die Anwesenheit und Theilnabme so zahlreicher Ma-
schinen - Ingenieure , wie sie wohl nie zuvor einer solchen
Versammlung angehört halten, ein eigenartiger Charakter
aufgeprägt wurde, der zn der Hoffnung eines steten innigen
Zusammenwirkens aller technischen Elemente Veranlassung
giebt, so seien die Verhältnisse, auf welche die diesmalige
Vereinigung der deutschen Fachgenossenschaft sich stützt,
überhaupt wesentlich andere und günstigere geworden. Die
seit den letzten Jahren eingetretene erfreuliche Entwickelung
des Vereinslebens, welche in der Gründung des Verbandes
deutscher Architekten- und Ingenieur- Vereine zu einer or-
ganischen Verbindung der bisher zersplitterten Kräfte geführt
hat, ist auf die Hebung eines berechtigten Standesbewnsst-
seins von grösstem Einfluss gewesen und hat bereits zu nam-
haften Erfolgen geführt Vor Allem aber ist diese XVI. Wan-
derversammlung die erste, welche innerhalb des neuen deut-
"eiches tagt, das unsern Bestrebungen nicht allein
>n im Vertrauen auf eine gesicherte Zukunft einge-
ausserordentlichen Aufschwung der Technik einen
Vorschub leistet, sondern auch für die Lösung
Stellung unseres Faches betreffenden schwierigeren
Fragen eine solidere Grundlage bildet als die alten Zustände.
So sei es das Hochgefühl dos Anfangs einer neuen Blütheperiode
für Baukunst und Bau Wissenschaft, in welchem die deutschen
Architekten und Ingenieure sich diesmal vereinigen können.
i V
(Fnrt*at»nJlg,
Die Ge- i der Redner auf den ihr im Namen der einheimischen Fach-
genossen dargebrachten Gross zugleich die Bitte um Nach-
sicht aussprechen zn müssen, wenn die Stadt Carlsruhe, jung
in ihrer Entwicklung, schlicht und schmucklos in ihrer Ge-
staltung, nur eine bescheidene Stätte für sie gewähren könne.
Was sie trotz alledem ihrer Gäste nicht unwürdig mache,
sei ihre Lage inmitten einer Landschaft, welche mit Recht
der Garten Deutschlands genannt wird, und ihre Eigenschaft
als Sitz eines Fürsten und einer Regierung, als Hauptstadt
eines Volksstatnmes, in welchem der nunmehr siegreich
durchgedrungene nationale Gedanke zuerst zu klarem Bewußt-
sein und zu folgerechtem Handeln sich aufgeschwungen habe.
Ein von der ganzen Versammlung freudig verstärkter Dank
an die wohlwollenden Gönner und Förderer derselben, den
Grossherzog und seine Ruthe, an die Stadtvertretung Carls-
rahes und ihre gastlichen Einwohnerschaft bildete den
Schluss dieser Eroffnungsworte, denen seitens der grossher-
zoglich badischen Regierung Staatsminister Dr. Jolly, sei-
tens der Stadt Carlsruhe Oberbürgi'nueister Lauter ebenso
herzliche, wie sinnige Worte des Willkommens hinzufügten.
Beide erwähnten mit freudigem Stolze derjenigen Anstalt,
in welcher unter den ersten in Deutschland zu Carlsruhe
ein Tempel des denkenden and forschenden, Wissen und
Können vereinigenden Geistes, eine Pflanzstätte der jüngsten
aber für unsere Zeit wichtigsten Wissenschaft, der Technik,
errichtet wurde. Jener im idealen Sinne als eines Bandes,
das die Ziele der Versammlung mit den in Baden gehegten
Bestrebungen enger verknüpft, daher in direktem Sinne als
einer Quelle zahlreicher persönlicher Beziehungen, welche
nicht wenige der Anwesenden als alte Jünger der Carlsruher
Schule in Treue und Freundschaft an die Bewohner Carls-
ruhes bindet
Eine Pflicht dankbarer Pietät gegen einen der eifrigsten
Freunde und Förderer unserer Wandervereinigungen, den
leider nicht mehr unter den Lebenden weilenden Präsi-
denten der letzten Hamburger Versammlung, Architekt Franz
Georg Stammann, war es, dass die Anwesenden sich in
ehrender Erinnerung seiner Verdienste erhoben. Von den
ausser ihm gewählten Vorstandsmitgliedern sind die Herren
Baudirektor Gerwig (Zürich) und Direktor Karmarsch
(Hannover) zu ihrem Bedanern verhindert worden an der
Versammlung Tbeil zu nehmen, wahrend von Hrn. Ober-
baurath Fr. Schmidt (Wien), wie schon 1»68, jede Nachricht
fehlte. Acht Vertreter des Vorstandes, die Hrn. Oberbaurath
von Egle (Stuttgart! Oberst de Paradis (Wien), Oberhof-
baurath Strack (Berlin), Professor Baumeister (Carls-
rohe), Oberbaurath Funk (Osnabrück), Professor Durra
(Carlsrohc), Baumeister Boeekmann (Berlin) und Professor
Dr. von Ritgen (Giessen) sind hingegen zur Stelle.
Die kleineren geschäftlichen Notizen, welche nach dieser
Mittheilung den Schluss der ersten Gesammtsitzung bilde-
ten, sind der Erwähnung nicht werth, während ein kurzer
Bericht über die Willigkeit der 4 Abtheilungen, welche in
unmittelbarem Anschlüsse an dieselbe in den Räumen des
Polytechnikums zusammentraten, späterhin im Znsammenhang
gebracht werden wird.
Den betreffenden Abtheilungs-Sitznngen folgten um 12 Uhr
die zur Besichtigung einiger Sehenswürdigkeiten von Carls-
rohe veranstalteten Exkursionen. Die Architekten, zn deren
Fahne sich, wie in solchen Fällen gewöhnlich ist, weitaus
die Mehrzahl der Thcilnehmer bekannt hatte, besuchten zu-
nächst das grossherzogliche Residenzschloss, an welchem
der in ansprechender Einheitlichkeit, fasi
Digitized by Google
Sinne des vorigen Jahrhunderte durchgeführten Einrichtung
vornehmlich die herrliche Lage zwischen den lichten Garten-
anlagen des Schlossplatze* und dem prachtvollen Hardt-
walde entzückte, welche nicht wenige der Besucher von der
Höhe des iin Zentrum der liekannten facherartigen Stadt-
anlage sich erhebenden Scblossthurme» in vollem Umfange
zu würdigen Gelegenheit nahmen. In dem Hoftbeater, den
Wintergarten und der Kunsthallc wurden die drei Haupt-
werke, welche Heinrich Hübsch ausser dem Polytechnikum
in Carlsruhe selbst geschaffen hat, in dem I-ehrerseminar
und der Turnhalle von Baurath H. Lang, sowie dem im
inneren Ausbau noch unvollendeten Sammlungsgebäude von
Oberbaurath Berckmüllcr die Leistungen der jüngsten
monumentalen Bautätigkeit des Staates in Augenschein ge-
nommen. Nicht das geringere Interesse erregten freilich die
Sammlungen, welche in dem grossen Kuppelraum der Winter-
gürten, sowie in der Kunsthalle geborgen sind. Das Pro-
gramm der Bau -Ingenieure umfasste die Besichtigung der
namentlich durch ihre ausgezeichnete Beleuchtung interessan-
ten, im Bau fast vollendeten Zentral -Werkstätten der Badi-
schen Staatscisenbabn, das städtische Wasserwerk im Rüp-
purrer Walde, dessen Anlage an Ort und Stelle durch Herrn
Ingenieur G er stn er erläutert wurde, sowie die neue, binnen
einigen Monaten zu eröffnende städtische Bade -Anstalt —
letztere in ihrer von Professor Josef Dürrn herrührenden
Erscheinung allerdings ein Objekt, das wohl mit noch
grösserem Rechte das Interesse der Architekten beanspruchen
darf. Am Kleinsten, obwohl nicht weniger dankbar, war
das den Maschinen-Ingenieuren zugewiesene Feld ; dieselben
besichtigten die grosse, ehemals Kessler'sche Maschinenfabrik,
sowie die hauptsächlich für den Eisenbahnbedarf arbeitende
Wagenfabrik von Schmieder & Mayer.
Selbstverständlich verbietet ebensowohl der nnr für eine ]
kurze chronikalische Darstellung disponible Raum, wie die I
einfache Pflicht der Gewissenhaftigkeit, da 1h*i so flüchtigem
Schauen ein zuverlässiges Lrtheil nicht zu gewinnen ist, ein
Eingehen anf weitere Details. Soweit es dem Verfasser
möglich war, sein durch litterarische Studien vorbereitetes
Urtheil über die Leistungen und Bestrebungen der Karls-
ruhrr architektonischen Schule im Anschauen ihrer Werke
zu vervollständigen, wird er es vielleicht später in selbst-
ständiger Form zu verwerthen suchen.
Der Nachmittag vereinigte wiederum die ganze Fach-
genossensebaft zu dem ersten der gemeinschaftlich zu unter-
nehmenden Ausflüge, als dessen Ziel die nach einem Ent-
würfe des Ober- Ingenieurs C. Basler zu Ludwigshafen
konstruirte Eisenbahnschiffbrücke über den Rhein bei Maxau
in Aussicht genommen war. Die Besichtigung des interes-
santen Bauwerkes, das im Festalbnm eine kurze Beschrei-
bung gefunden hat, gestaltete sich um so instruktiver, als
das Verhalten desselben beim Uebergange kürzerer und län-
gerer Bahnzüge, sowie die Möglichkeit, einen Ponton in kür-
zester Zeit auslösen und wieder einfügen zu können, zu Ebreu
der Besucher praktisch erprobt wurde. Weniger glücklich
als diese Experimente gelangen die Geschwindigkeit»- Mes-
sungen, welche Herr Wasserbaudirektor Grebenau im An-
schlüsse an seinen zuvor in der Sektion für "
gehaltenen Vortrag im Rheinstrom veranstaltete;
wissenschaftliche Untersuchungen wollen eben in
Müsse vollzogen sein und ent
Ein trefflicher Imbiss auf der Maxaner Brücke hatte
den deutschen Architekten und Ingenieuren die Gastfreund-
schaft der Stadt Carlsruhe bewiesen; die Gastfreundschaft
des Landesherren eröffnete ihnen und den von ihnen hierzu
eingeladenen Carlsruher Damen am Abende das Grossher-
zogliche Hoftheater, in welchem die Meyerbeersche T Afri-
kanerin tt gegeben wurde, zu ausschliesslichem und freiem
Besuche. Die naheliegende Voraussetzung, dass die Bezie-
hung der Festvorstcllung zu unserer Versammlung zum Min-
desten durch einige Prologworte angedeutet werden würde,
was den Werth dieser fürstlichen Mnnifizenz in den Augen
aller Feinfühlenden nicht wenig gesteigert haben würde,
ging leider nicht in Erfüllung.
Der 24. September. Ausflug nach Baden.
Als der gelungenste Theil der in allen festlichen Ver-
anstaltungen durchweg gelungenen Versammlung wird von
der Mehrzahl ihrer Mitglieder der Ausflug nach Baden-Baden
angesehen werden, zu dem am Morgen des zweiten Festtages
nach Beendigung der Abtheilungssitzungen und unter erfreu-
licher Betheiligung der Damen die Gesammthcit sich ver-
einigte. Von einer Gunst des Wetters beglückt, welches die
Reize der lieblichen Rheingegend zwischen Carlsruhe nnd
Oos, wie die Pracht des gesegneten Schwarzwaldthals Ba-
dens mit ihrem höchsten poetischen Zauber verklärte, em-
pfingen die Festgenossen einen Eindruck von den Natur-
schönheiten des badischen Gaues, der ihre Stimmung augen-
scheinlich so überwältigend beeinflusste, dass die Werke der
Kunst, au welchen die alte, in ewiger Verjüngung begriffene
Thermenstadt wohl reicher ist als irgend eine ihrer Schwes-
tern, kaum gebührend gewürdigt worden sind.
Ein am Bahnhof Baden, dessen Empfangsgebäude zu
Die Austeilung älterer kunstgewerblicher Gegen-
stände in Köaigl. Zeughause zb Berlin, »•»•»•)
Es kann hier nicht beabsichtigt werden, eine die ein-
zelnen Gegenstände würdigende Beschreibung der Ausstel-
lung zu geben, wie dies an anderen Orten geschehen ist,
vielmehr müssen sich die Bemerkungen darauf beschränken,
,das zu berühren, was in architektonischer oder ornamen-
taler Beziehung Anknüpfungspunkte für die neuere Kunst
bilden könnte, deren Grundbedingungen ja in deu meisten
Fällen andere sind als diejenigen, aus denen die ausgestell-
ten Gegenstände entstehen konnten.
Es gilt dies namentlich für die Waffensammlung,
welche in ihren Hauptstücken, den Harnischen, Schilden,
Hellebarden, fast ganz dem modernen Standpunkt entrückt
ist; dennoch ist gerade diese Sammlung um so lehrreicher
durch das gute Beispiel, welches die Waffenschmiedekunst
anderen Kunstzweigen darbietet, in ihr zeigt sich fast dureh-
f&ngig der gute Einflnss rationeller Durchbildung des
weckes auf die Gestaltung, welcher mit dem Allernoth-
wendigsten genügt werden muss; selbst die Ornamentirung
wird dadurch vor dem Verfall bewahrt. Die Reihenfolge
der Schiessgewehre bietet hierzu eine Fülle von tektonisch
mehr oder weniger gelungenen Beispielen, die sich bis auf
die neuesten Produktionen verfolgen lassen. Die Sammlung
der Hellebarden, Partisanen etc. fesselt durch die kühnen
und schwungvollen Umrisslinien, die der Degen durch die
Mannigfaltigkeit und Handlichkeit der Griffe. In ornamen-
taler Beziehung bieten die auf den Harnischen, den Helle-
barden und Schilden eingravirten, geätzten, tauschirten Ver-
zierungen in ihrer richtigen Disposition und klaren Einthei-,
lung einen bemerkenswerthen Gegensatz zu den gleichzeitig
in anderen Gebieten herrschenden Formen. Dieser dem
Zeugbause gehörigen, von dem Hauptmann Ising geordneten 1
Sammlung schliessen sich 2 Schränke mit Prachtstücken
aus dem Besitz des Prinzen Karl an. Sie enthalten eine j
Anzahl Waffen und Gelasse, Prunkschilder, denen meistens
die hohe Kunst die Weibe ertheilt hat, welche die Kunst- ,
Industrie, in dem Bestreben die Form dem
sprechend zu gestalten, ihnen versagen muss. Denn wenn
ein Helm als ein Konglomerat noch so schöner und kunst-
voll gearbeiteter menschlicher Figuren sich zeigt, hört der
Begriff desselben, sogar die malerische Wirkung auf. Einige
Gegenstände daraus, wie überhaupt aus der genannten Samm-
lung, finden wir bereits in den „Vorbildern für Fabrikanten
und Handwerkern" veröffentlicht.
In der Sammlung der nach dem Materiale geordneten
kunstgewerblichen Gegenstände bilden besonders die Thon-
arbeiten die Abtheilung, welcher eine direkte Einwirkung auf
die moderne Kunst zu wünschen wäre. Namentlich ist die
Behandlung der Glasur, der Farben in den Fayencen in
reichlichen Beispielen vorgeführt, eine richtige und stil-
geraässe Ornameutation in sehr vielen vertreten. Die in
neuester Zeit in England wieder aufgenommene Herstellung
der metallShnlichen Schillerfarben auf den Erzeugnissen der
Keramik, die namentlich auf den älteren Majoliken selbst
leuchtende Farbenkontrastc durch den goldigen Hauch zu-
sammenbringt, oder ihnen mindestens einen harmonischen
Hintergrund verleiht, wird, in richtiger* Weise verwendet, ihre
Wirkung nie verfehlen. Als besonders interessant muss hier
< ;i:o kleine Sammlung von persischen Arcbitekturstücken
iu farbigen Glasuren mit der Persien eigentümlichen schö-
nen Stilisirung der Flora erwähnt werden. Wenn unser
strenges Klima bisher allgemeiner Verwendung der Glasur
in den Werken der Baukunst entgegen war, so muss von
der Ausbildung der Technik verlangt werden, diese Schwie-
rigkeit zu überwinden, um auch einfacheren Gebäuden deu
Farbenschmuck zu ersetzen, den hier und da bei reichereu
Mitteln die Glasmosaik gewährt. Die nach Norden hin be-
legenen plastisch ornamentirten Faeaden werden gelten zur
Wirkung gelangen; hier wäre die Farbe Erfordern iss, um
die notwendige Klarheit zu gewähren.
Die harten Thonwaaren sind in den übrigens meist
reizvollen Hauptformen den heutigen Bedürfnissen kaum
mehr entsprechend; umsomehr muss das Ornament der-
selben gewürdigt werden, was sowohl in der plastischen
Digitized by Google
- 331 —
den anmuthigsten Schöpfungen E isenloh r's gehört, impro-
visirter Festzug führte die Gäste — denn als solche be-
trachtete die Stadt unsere Versammlung — durch den un-
teren Theil des Orts empor zum Mittelpunkte desselben.
Die Arkaden der von Hübsch erbauten Trinkhalle, eines
der früheren, aber zweifellos das schönste Werk dieses Meisters,
bildete den Festplatz, auf welchem einer herzlichen Begrüs-
sung der Gesellschaft eine wahrhaft solenne Bewirthung der-
selben folgte. Abermals im festlichen Zuge, der freilich bald
genug sich auflöste, wurde sodann der obere Theil der Stadt
durchmessen und der Berg erstiegen, auf welchem der Glanz-
punkt der Umgebungen Badens, das alte Schloss weit hinaus
in die Lande sieht. Fröhliches Getümmel, belebt durch die
Vorträge eines Musikkorps und der Badenschen Gesangver-
rine, erfüllte lange die alten Ruinen, denn schwer war es
von dieser Stelle sich zu trennen. In einzelnen kleinen
Gruppen, leider meist ohne die nöthige Führung, besichtigte
die wissbegierige Minderheit auf der Rückkehr zur Stadt die
einzelnen architektonischen Sehenswürdigkeiten derselben.
Ohne mich auch hier, und hier noch weniger als ander-
wärts, auf eine eingehende Schilderung und Würdigung der-
selben einlassen zu können, nenne ich unter ihnen in erster
Linie das nene Schloss, die von dem verstorbenen Oberbau-
direktor Fischer unter Mithülfe der genialen Schwaben
Beheim und Wirth im Innern prachtvoll restaurirte
Sommer- Residenz des Grossherzogs. Unter der namhaften
Zahl kirchlicher Gebäude ist das älteste die vom Architekt
L. Lang stilvoll restaurirte katholische Stiftskirche; neueren
und neuesten Ursprungs sind die neue cvaugelische Kirche,
nach Eisenlobr's Plan von Baurath H. Lang erbaut, die
nene Kirche in Lichtenthai von Bau - Inspektor Dernfeld,
die kleine englische Kirche und die dem Schlosse gegenüber
leuchtende, im Innern sehr gelungene griechische Kapelle,
das letzt« Werk, das Leo von Klenze geschaffen. Den
Zwecken des Bades dient gegenwärtig noch ein älteres ziem-
lich schlichtes Gebäude von Hübsch, während eine nene
grossartige Dampfbad -Anlage nach den Plänen von Bau-
Inspektor Dernfeld im Bau begriffen ist; der Trinkballe
von Hübsch ward oben bereits gedacht. Neben derselben
hildet das Konversationshaus , in seinen Räumen zum Theil
noch einem alten Weinbrenncr'schcn Bau angehörig, in sei-
nen Dekorationen jedoch ein Produkt echten Pariser Ge-
schmackes, den Mittelpunkt der Geselligkeit, welche bis zum
1. Januar k. .1. bekanntlich noch in dem Spielsaale sich
konzentrirt. Französischen Ursprungs, ein Werk des Archi-
tekten Conteaux, ist auch das Theater, während die ele-
ganten in Eisen und Glas konstruirten Verkaufsbuden wiederum
Dernfeld angehören. Eine ausserordentliche Mannigfaltig-
keit, zum Theil eine nicht gewöhnliche Eleganz zeigt selbst-
verständlich auch der Privathau, für welchen neben den
meisten der genannten und nicht wenigen fremden, speziell
Pariser Künstlern namentlich die Architekten Knoderer
und Haunz thälig gewesen sind.
Den Vereinigungspunkt für den Abend gab das in den
Räumen des Konversationshauses gerüstete Festmahl, bei
welchem Reden und Sprüche in üblicher Fülle sich entfal-
teten. Ein wahrhaft prachtvolles Schauspiel, wie es in die-
ser Vollkommenheit wohl noch von Wenigen der Versam-
melten gesehen worden war, bot 'nach Schluss des Fest-
mahls die Beleuchtung des Platzes vor dem Konversations-
hause, auf welchem inmitten einer wogenden Menge ein
Musikkorps seine Weisen ertönen Hess, und das zn Ehren
der Versammlung in Szene gesetzte, in einzelnen Theilen
bis zn künstlerischer Vollendung reichende Feuerwerk. Hier-
mit konnte die Beleuchtung des Karlsruher Bades, welche*
die zu später Nachtstunde Heimkehrenden begrüsste, an
Reichthum und Glanz freilich nicht wetteifern; als Zeichen
freundlicher und sinniger Aufmerksamkeit wird sie uns allen
gewiss nicht minder in angenehmer Erinnerung verbleiben.
»Ic Bestlnmng der
und Einsrhnittü-Husei mittel»
Die Massenberechnungen zu Dämmen und Einschnitten
unter der Annahme horizontalen Terrainlaufcs normal zur aus-
Rosteckten Axe erfolgen bekanntlich in zeitraubeuder, schwer-
fälliger und giÜRttftdtender Weise mit Hilfe gegebener Massen-
berechnungstabellen durch Ermittelung der Kubikinhalte von
Station, mit Berücksichtigung der erforderlichen
tionen, aus den mittleren Bönen der Damme resp.
den mittleren Tiefen der Einschnitte von Station tu Station,
zugehörige Massen pro Stationsläoge aus den oben
des Plaalaeter« direkt ms den Län;enBlTellenentspl»ta.
erwähnten Massenberechnungstabellcn einzeln entnommen wer-
den; die respektiven Summen liefern dann schliesslich die
Gesammtmassen der Dämme, resp. Einschnitte.
Ebenso genau, aber in einem geringen Bruchtheil der Zeit,
welche zur Vollendung der Massenberechnungen bei der seither
üblichen Manier erforderlich ist, können diu Massen der Dämme
und Einschnitte durch -Flächenermittclung der Damm-
und Einschnittslängenprofile aus den in ungleichem
Maasstabe der Langen und Ilöhcn aufgetragenen Längen-
Arbeit, als in der Zeichnung einfacher, meist einfarbiger
Flachmuster vielfacher Verwendung fähig ist. Die Ueber-
fülie fast gleicher Gegenstände in den Schränken (meist
der Hanemann- Sammlung angehörig) erschwert etwas die
Uebcrsicht, die in der Ausstellung der Porzellane durch die
Sonderung derselben nach den Fabrikorten in anerkennens-
werthem Maasse gewahrt ist. Anch die Ausstellung der
Gläser bietet, namentlich in den mannigfaltigen Gefässfonnen
und Farben, ein reiches Bild der Entwickelung, deren Ur-
sprung aus der antiken Glasindustrie hier leider nicht ver-
folgt werden kann.
Weniger umfassend, dafür aber durch die Verschieden-
heit der Gegenstände fesselnder, sind die folgenden Abtei-
lungen der Holz- und Elfenbeinschnitzerei, sowie der Metall-
arbeiten. In ersterer ist es nicht vermieden worden, einer-
seits die hier so häufigen, reinen Kunstwerke, andererseits
Spielereien nnd technische Kunststücke, wie hobelspahnar-
tige Kelchfüsse etc.*), dem unbefangenen Publikum darzu-
bieten. Die letztere giebt jedoch um so mehr ein pracht-
volles nnd im Ganzen richtiges Bild hoher Vollendung dieser
Kunsttecbnik , die vielleicht nnr bei einigen geschnittenen
Eisenarbeiten zu weit geht. Eine kleine Uebersicht der
Emailtechnik, die bei dem Reichthnm der Ausstellung in
diesem Zweige hier wohl ihre Stelle hätte finden können,
vermisst man, durch die neueren Bestrebungen darin angeregt,
ungern.
Die einzelnen Zweige dieser Abtheilnng werden durch
höhere Schränke gesondert, in denen Gewebe, Spitzenarbei-
ten, Stickereien sich entfalten. Es befinden sieb darunter 1
einige sehr werthvolle Arbeiten.
Als ausserhalb der erwähnten drei grossen Abtheilungen
stehend muss die Ausstellung der orientalischen Gegenstände
betrachtet werden. Die kleinere, Persien, Indien umfassend,
ist besonders reich an edlen vollendeten Werken, während
die chinesische und japanesische durch die Ausstellung von
nn harmonischen bnnten Stoffen (die Museen besitzen bessere)
rt'itw» «h»i»l n««rillne« «ntfcrnt worden vi u.
den guten Eindruck der harmonischen Porzellan - Deko-
ration, der vollendeten Metalltechnik zerstört und den
für unsere moderne Kunstindustrie so wünschenswerthen
Hinweis auf diejenige dieser Länder nicht zur volleu Gel-
tung kommen lässt.
Wenden wir uns zur Betrachtung der sogenannten histo-
rischen Abtheilnng. Sie enthält ausser den erwähnten grös-
seren Stücken, Möbeln etc. auch eine nicht unerhebliche Anzahl
kleinerer Gegenstände, namentlich feiner Metall waan n und
Scbrauckgegenstände. Das Mittelalter ist nur in einem ein-
zigen kleinen Raum vertreten, während die Renaissance,
mehr noch das vorige Jahrhundert, entsprechend grösseren
Raum ausfüllen, wie die kulturgeschichtliche Stellung Berlins
nnd Preussens überhaupt es nicht anders voraussehen liess.
Die werthvollsten Gegenstände, namentlich dem Mittelalter
nnd der Renaissancezeit angehörig, sind bereits seit langer
Zeit im Besitz der sogenannten Kunstkammer des königl.
Museums und dem Studium zugänglich, die späteren in dem
der königlichen Schlösser. Mehr als in den anderen Ab-
theilungen finden wir hier die für die Entwickelnng der
modernen Kunstindnstrie nnr indirekt wirksamen Pracht-
stücke vertreten. In der mittelalterlichen Ausstellung fesseln
namentlich die alten Metall- und Emailarbeiten die Auf-
merksamkeit; die Möbel sind hier spärlich vorhanden; als
historisch merkwürdig muss der Kaiserstuhl von Goslar er-
wähnt werden.
Die der Renaissance eingeräumten Zimmer besitzen als
Hnnpthestandtheile der Sammlung Möbel und Holzarbeiten,
welche die Behandlung des Holzes allein nnd in Ver-
bindung mit anderen Stoffen, Elfenhein, Metall, in dekora-
tiver Weise veranschaulichen. Der Reichthum und die
malerische Behandlung lassen trotzdem die Mängel an
durchdachten strnktiven Formen nicht verschwinden.
Die freien und launenhaften, aber meist in sich organischen
Möbelformen der späteren Epochen, selbst des Rokkoko,
wirken daher meist harmonischer nnd richtiger, weil die
s, wenn anch malerisch geschickte Verwendung
in Holz, namentlich in der
Digitized by Google
— 332
Google
^335
nivellcmentsplänen direkt mit Hilfe dea Planimeter»
bestimmt werden.
Sind die Höhen eine» beliebigen I.äflgpnprofil* im » fachen
Moasstabe der Längen aufgetragen, so wird durch Ermittelung
der Flache de» Längenprofils eines Dammes oder Einschnitte«
mit Benutzung des Planimeters ein Flächeninhalt ermittelt,
welcher genau das n fache des wirklichen Profils ist. also des-
jenigen Profils, welches im gleichen Maasstabe der Höhen und
Längen aufgetragen wurden.
Es ergiebt sich also durch Division des ermittelten Flächen-
inhalts durch n die wirkliche Fläche des betreffenden Längen-
profils des Dammes, reep. Einschnittes.
Ist nun im LäDgenprofil die ganze Länge eines solchen
Dammes oder Einschnittes von Nullpunkt zu Nullpunkt /,
so ergiebt sieb durch Division der wirklichen Längenprofil-
fläche, welche also 1 der durch den Planimcter bestimmten
Fläche tat, durch / genau die mittlere Höhe des ganzen
Einschnittes — k bis Plonumshühe.
Für dieses h aber liefern die auch bei den alten Methoden
f gebräuchlichen Erdmassenberechnungstabellen den pro Stations-
änge zugehörigen Kubikinhalt. Stehen solche im Voraus berech-
nete Tabellen nicht zur Verfügung, so ist pro Damm resp-
Einschnitt je eine Profilflächenberechnung für diese mittlere
Höhe A nach dum gegebenen Normalprofil de» Erdktirpers tu
leisten, eine Arbeit also, die in wenigen Augenblicken geschehen
ist Durch Multiplikation dieser Massen pro Station mit der
ganzen Länge des Dammes, resp. Einschnittes von Nullpunkt
zu Nullpunkt, also /, in Stationen ausgedrückt, ergiebt sich
demnach sofort die Gesammtmasse des betreffenden Dammes,
resp. Einschnittes. Selbstverständlich lässt sich diese Art der
Maasenberechnung zur Kubikinhalts bestiuiniuug jeder Art von
Auf- und Abträgen in Anwendung bringen, also zur Massen-
berechnung oller Ei sen Min- and Strossenkorper. der Graben-
anlagen längs der letzteren, Flussverlegungen. Deicbanlagen etc.,
wenn über ein Längenprofil der genannten Werke verfugt wer-
den kann-
Diese Massenberechuungsniethodü lässt sich auch benutzen,
wenn das Terrain normal zur ausgesteckten Axc
geneigt ist, wobei selbstverständlich die Annahme gemacht
werden muss, dass diese Neigung des Terrains in der ganzen
Länge de» Dammes resp. Einschnittes gleichmässig ist, oder so
vermittelt werden kann, dass eine solche gleichmässige Neigung
vorausgesetzt werden darf.
Ist diese Terrainneigung durch das Verhältnis* 1 i :• uud
dos Boschungsverhfiltuiss der Dämme resp Einschnitte durch
1 : in bestimmt, ist die Planumsbreite der Dämme = p, die
Einscbnittsweite in Planumsböhe = t", die mittler« Höhe des
betreffenden Dammes resp. die mittlere Tiefe des Einschnittes
nach der obigen Bestimmung = 4, an welcher letzteren nicht
dos Mindeste durch die Terrainneiguug geändert wird, weil die
mittlere Höhe h in der ausgesteckten Aie bei horizontalem
oder quergennigtem Terrain genau dieselbe bleibt, so ist die
buh der Terrainneigung rcsulnrende Mehrmasse durch Berück-
sichtigung der Differenz zwischen dem grosseren, auf der Thol-
soilo hinzutretenden , uud dem kleineren, auf der Bergseite in
Wegfall kommenden Dreieck der Protilfläche für die ganze
Länge des Dammes resp Einschnitte* von Nullpunkt zu Null-
punkt = /. in Stationen ausgedrückt, zu bestimmen:
I>ie Flächeudifferenz dieser Dreiecke ist eben bei den an-
genommenen Bezeichnungen folgende:
Für das mittlere Dammprofil:
ß — m
2 m
Für das mittlere Eiuschuittsprofil:
(P l V - fff
Demnach die durch geneigtes Terrain resultirende Mehr-
masse:
pro Damm =01
„ Einschnitt = 0'/.
welche einfach zu den vorerst ermittelten Massen addirt werden-
Dies einfache, schnell zum Schlussresultate führende neuere,
dem älteren, seither gebräuchlichsten an Genauigkeit vollständig
gleiche uud ebenbürtige Verfahren (weil in beiden Fällen mit
vermittelten Auftragshöhen, resp. Abtragstiefen ge-
rechnet wird) zur Bestimmung der Massrninhalte der Dämme
und Einschnitte mit Hilfe des Planimeters wird sich jedenfalls
einer allseitigen Anwendung bei überschläglichen Massenberech-
nungen seitens der Fachgenossen erfreuen und die ältere
Methode stellenweise ganz verdrängen.
Stade, im September 1872.
G. Mengel, Ing.
späteren Zeit der Renaissance in ihnen verschwanden ist,
wie sie später in ähnlicher Weise durch den Einfluss der
Kenntnis» griechischer Kunst wiederkehrt. Von bedeuten-
derem Kuustwerthe sind durchgehend* die kleineren Arbeiten,
namentlich die Goldschuiiedearbeiten.
Wenn die der Renaissance eingeräumte Hälfte der Korn-
partimente mehr einen internationalen Charakter trägt, so
wird der heimische durch die zweite Reihe gewahrt, welche
die Zeit des vorigen Jahrhunderts darstellt. Sie beginnt
mit einzelnen wenigen Werken des grossen Schlüter, der
die beginnende Aasartung des Geschmackes in anderen
Ländern durch höchste künstlerische Kraft und eine für
die Epoche seltene Reinheit uud Klarheit des Ornament*
von Berlin eine Zeit lang entfernt hielt Unter Friedrich
dem Grossen sehen wir Rokkoko- Gegenstände hier in
reicher Vertretung, den Aasklang der in dekorativer Bezie-
hung immer noch schöpferischen grossen Rcnaissanceperiode.
Das nun folgende, durch die entstehende Kenntuiss des grie-
chischen AlterthuniM charakteristirte Zeitalter des Geschmack*
beginnt in vielen Beziehungen den Weg des lernbegierigen
zaghaften Schülers, wenn auch die ausgebildete Technik
seihst eine Zeit lang vorhält, um den Produkten ia dieser
Beziehung eine gewisse Meisterschaft zu sichern. Dann ver-
fällt auch diese nnd der ganze Vorrath an künstlerischen
Ideen beschränkt sich auf die Formen, welche gute oder
schlechte Stiche nach alten Vasengemälden dem Publikum
liefern. Eine Ausnahme macht die hohe Kunst, die dnreh
Carstens, Schadow einen anderen Standpunkt gewinnt An
diese Epoche knüpft die Wirksamkeit Schinkels in erwei-
terter and tieferer Kenntnis» des Alterthams die Herausbil-
dung des bisherigen griechischen Schemas zur lebensfä-
higen Kunstform; es beginnt, wenn auch nur erst in ähn-
licher äusserlicher Weise wie einige Jahrzehnte vorher, das
Stadium des Mittelalters. Auf dem Gebiete der Technik
verrückt die sich Bahn brechende Gewalt der Maschine den
früheren Standpunkt des Kunstgewerbes. Ferner sehen wir
bei der Armutn des Staates verschiedene billige und ge-
brechliche Materialien in Aufnahme kommen, um eine wenn
auch nur geringe künstlerische Aasbildung der Gegenstaude
anzustreben; es missglückt meistens nnd nach kurzem Dasein
zieht das schlechte Material die schöne Form za Grabe.
Erst später wird dem Materials wieder mehr Rechnnag ge-
tragen, so dass einzelne Gegenstände in künstlerischer wie
technischer Beziehung zn den Meisterstücken gezählt werden
müssen. Das Beste was der neueren Eotwickelung ans
dieser Zeit gegeben worden ist. ist das Beispiel Schinkels
und seiner Zeitgenossen, das* Streben nach wahrer Ent-
wickelung • der Form auf der Grandlage möglichster Kennt-
uiss und rationellen Denkens.
Die diesen Bestrebungen im Anfange der neuen Zeit ge-
währte Abtheilung bietet leider fast nur ein Bild der Ar-
muth, nicht das des bezeichneten Strebens. Mag vieles in
schlechtem Materiale Ausgeführte verschwunden sein, oder
nicht Ausgeführtes in dem Laien unverständlichen Zeichnun-
gen der Auferstehung harren, so ist doch noch genng vor-
handen, um dem heutigen Kunsthandwerk einen Spiegel vor-
zuhalten. Hat doch vor mehren Jahren der Architekten-
Verein eine beträchtliche Sammlung von Silbergeschirren
nach Schinkels Zeichnungen als Festschmuck aufweisen kön-
nen; das Schinkelmuseum bewahrt wahrlich für diesen Zweck
lehrreichere Zeichnungen, als die unsrheinbar dargestellte
Dekoration zur Armide oder die gothiBche Kirche. Die gross-
artige Tapete des alten Museums ist neuerdings bei Herstel-
lung eines Saales wieder angefertigt worden und wäre dem
Räume wohl zu Statten gekommen; auch wäre die mit einge-
legtem und tauschirtem Silber und Goldornamenten nach
G. Stier s Zeichnungen geschmückt«, in der Ornamentik za
den vollendetsten Blüthen der Schinkel'schen Schule zählende
Bronze-Statue Friedrich Wilhelms DL hier wohl passender
gewesen, als '2 Napoleonsbüsten und der König von Rom in
! an sich für diese Zwecke verwerflichem Porzellanmaterial.
Selbst der Schrank kleinerer Kunstwerke enthält eine befrem-
' dende Zusammenstellung aller möglichen Gegenstände, unter
denen auch mehr als mittelmässige antike Thonwaaren nicht
fehlen.
Die Tagesmode verlangt, wie vor HO Jahren griechische, vor
25 Jahren gothische. heute nur Gegenstände im Renaissancestil,
einem vielversprechenden Namen. Letalerer soll der Kultur
Digitized by Google
— 336 —
Dir ResUaratlaa des ■aasten 11 laairln.
Die ältesten schriftlichen Nachrichten, welche über den
Münster in Hameln aufzufinden sind, enthalten die Nachricht
von dem Brande desselben im Jahre 1300. Wenige übrig ge-
bliebene Reste bildeten die Grundlage für deu im Anfange des
13. Jahrhunderts erfolgten, im Wesentlichen auf die Gegenwart
gekommenen Wiederaufbau. Im Jahre 1540 wurde die dem heili-
gen Bonifacius geweihte Kirche für den protestantischen Kultus
zuerst benutzt. Wiederholt traten in den Jahren 1660 und 1744
am Vierungsthurme Beschädigungen ein; im Jahre 178*2 drohte
das nördliche Seitenschiff einzustürzen, und wurden zur Erhal-
tung desselben seine Giebelaufsitze abgetragen, hingegen mehre
sehr unschöne Strebepfeiler aufgeführt Von 1603 bis 1810
diente die Kirche wiederholt den franzosischen Kolonnen als
Pferdestall und Pourage-Magazin. Die reichen Altargeräthe. die
beiden werthvollen Orgeln etc. wurden theils gestohlen, theils
detnolirt, nur ein Gelaute von 5 bis 30 Zentner schweren
Glocken ist erhalten geblieben und wird dcmnSchst seiner Be-
„ zurückgegeben werden. Im Jahre 1840 wurde durch
Verein die erste Anregung zur Rcstauriruug des der Be-
nutzung entzogenen Münsters gegeben. Nachdem dieser Verein
eine kleine Summe zusammengebracht, bot auch die Konigin
Maria von Hannover die Hand zur Unterstützung des Werkes;
einige Vermächtnisse vermehrten den so gebildeten Fonds, auch
Stadt und Regierung Hinten das Ihrige, um die benothigte
Summe zusammenzubringen , und so konnte endlich im Jahre
1870 an die Ausführung des lange vorbereiteten Werkes gegan-
gen werden.
Unter verschiedenen für die Restaurirungs - Arbeiten auf-
gestellten Entwürfen erhielt der des Baurath IIa sc- in Han-
nover den Vorzug und wurde der Ausführung des Werkes zu
Grunde gelegt Nach den Intentionen dieses Meisters und unter
spezieller Leitung des Bauführers Dreher ist der Bau, unge-
achtet der Kriegsercignissc rüstig weitergeführt und nunmehr
seiner Vollendung nahe gebracht worden, so dass die auf 3 Jahre
berechnete Bauzeit voraussichtlich eingehalten werden wird.
Der Kostenanschlag für die reinen Bauarbeiten, ohne die auf
25000 Thlr- berechnete innere Einrichtung der Kirche, betragt
43000 Thlr.
Nach den Forschungen Uase's ist der erste, wie erwähnt
1200 abgebrannte Bau eine Basilika mit Querschiff, zwei schmalen
Seitenschiffen, Krypta und zweigeschossigem Vicrungsthurm ge-
wesen. Jetzt sind davon nur noch die Krypta, der Vierungs-
thurm, und einige Mauerreste im südlichen 'Kreuzarme und der
daran liegenden Kapelle erhalten.
Bei dem Wiederaufbau im 13. Jahrhundert wurde die Kirche
in einen Hallenhau mit zwei allerdings sehr ungleich bemesse-
nen Seitenschiffen umgewandelt Die architektonischen Formen
des ältesten Thelles sind sehr einfach. Sowohl die Säulcnka-
r Krypta als
einfache romanische Würfelformen, ein ebenso einfacher Bogen-
fries schmückt den südlichen Giebel und die Kapelle. Schön
sind besonders die Uebergänge aus romanischen in gotbische
Formen, interessant sind dagegen die dem Anfange des 13. Jahr-
hunderts angehörenden Theile. Das Masswerk der Fenster be-
steht fast ausschliesslich aus der Wiederholung eines schönge-
formten Dreipasses, die Fenster selbst sind mit kräftigen Rund-
stab • Profileu eingerahmt Die Pfeiler mit ihren Diensten, die
Arkaden an der Innenseite des nördlichen Seitenschiffes, die
Konsolen etc. zeigen die mannigfaltigste Behandlungswcise und
die reichsten Steinmotzarbeiten, in theils rein gotbiachen, theils
mehr oder weniger romanisirenden Formen. Vor allen aber sind
die beiden Portale der Nordseite herrliche Beispiele gothischer
Architektur. Der westliche Hauptthurm gehört wohl dem Ende
der Bauzeit, der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts an. Dieser
überaus schmucklose Thurm macht mit seinem nach zwei Seiten
abgewalmtcn Dache einen entschieden dürftigen, unfertigen Ein-
druck und hat jedenfalls das Schicksal so vieler Kirchonthürme
getheilt indem er wohl grossartiger projektirt, in Folge allmä-
ligeu Versiegens der Geldmittel seine jetzige Gestalt erhalten
hat. Derselben Zeit dürfte auch ein Theil des südliehen Seiten-
schiffs angehören; die mannigfaltigere Behandlung des Maass-
werks der Fenster dieses Theiles der Kirche, sowie die Formen
desselben deuten auf diese Zeit Eine eigenthümliebc Anord-
nung: bietet die Dachkonstruktion; dieselbe folgt nämlich nicht
der Längenaxe des Gebäudes, sondern besteht aus mehren den
Pfeiler-Jochen entsprechenden, rechtwinklig zur Längenaxe an-
geordneten Dächern, welche nach den Umfassungsmauern ab-
gewalmt sind. Die Entwässerung geschah durch steinerne, nach
den Aussenwänden etwas geneigte Rinnen. Diese wenig Dich-
tigkeit gewährende Abwässerung hat neben der Aufhängung
des Geläutes im Vierungsthurm wohl hauptsächlich zum Ruin
des Bauwerks beigetragen.
Als die Restauration in Angriff genommen wurde, zeigte
sich das nördliche Seitenschiff in einem Zustande, welcher eine
Erhaltung desselben unmöglich machte. Was nicht bereit« ein-
gestürzt war, niusste abgebrochen werden , doch ist mit grosser
Pietät dafür Sorge getragen worden, dass alle architektonischen
Formen, soweit sie noch vorhanden waren, erhalten und wo eine
Ergänzung noth wendig, dieselben treu nach den gesammelten
Fragmenten ausgeführt wurden; selbst der grösste Theil des
Quader -Materials hat wieder seine Verwendung gefunden.
Die grOsste Schwierigkeit und Gefahr, aber auch das meiste
Interesse bot die glückliche Erhaltung des Vierungsthurmes.
Von oben bis unten geborsten, war derselbe in unausgesetzter
Bewegung, ungeachtet an allen möglichen Stellen starke eiserne
Anker mit Schraubenbolzen durchgezogen wurden. Diese räth-
selhafte Erscheinung fand ihre Erklärung, als endlich der in
grossen Haufen auf den Gewölben un '
der Neuzeit am nächsten stehen und bietet ja oft, ohne dass
man nöthig hätte in die Formensprache der alten Welt ein-
zudringen, oder sich um die konstruktiven Bestrebungendes
Mittelalters zu bekümmern, ja ohne die von ihr selbst be-
folgten Gesetze kritisch anzurühren, auf die bequemste Weise
den Stoff zur direkten Nachahmung, je nach dem verlang-
ten Dezennium. Wie lange aber diese Richtung vorhalten
wird, ist nicht vorherzubestimmen, jedoch bei dem immer
schnelleren Kreislauf, den Geschmack und Mode vollführen,
wohl zu ahnen; wird sie ja vorzugsweise (bei uns, wie in
Frankreich) darum gepriesen, weil man hier bei dem noch
nicht verarbeiteten Material das kritische Denken und Wis-
sen in der tektonischen Kunst auf das geringste Maass
herabzusetzen im Stande ist ■ — Und doch hat namentlich die
Kunstindustrio beides so nöthig, wen* sie ihre Stellung in
der modernen Zeit wahren will, denn auch die äusseren Ver-
hältnisse sind heute vollkommen andere, als vor ein- oder
zweihundert Jahren. Während vom Alterthum bis auf die
moderne Zeit zuerst der Kultus, dann der Herrscher oder
mindestens der reiche Kunstliebhaber der Hort der Kunst-
industrie gewesen ist, verlangt die Neuzeit, dass sie dem
Volke mehr als früher bildende und erfrischende Geistes-
nahrung bieten soll. Fromme Aufopferung, sklavische Ab-
hängigkeit und schlechte Bezahlung der Künstler werden da-
her beute nicht mehr die Faktoren sein, mit denen früher
bei Hervorbringung der Erzeugnisse der Kunstindastrie ge-
rechnet werden konnte. Dafür ist die Maschine als Ver-
aufgetreten, hat einen grossen Theil der früher dem
Last fallenden Thätigkeit auf sich genommen
und es so möglich gemacht, dass die Industrie die billige
und schnelle Produktion im Kunstgewerbe als ein vortheil-
haftes und ergiebige« Feld sich erobert und dem Volke zu-
gänglich gemacht hat. was sonst nur dem Begüterten zustand.
Aber mit der meist übermässigen Billigkeit und Schnelligkeit
der Produktion hielt die Schönheit der Form nicht Schritt,
nicht einmal die Zweckmässigkeit; unbequeme Stühle, un-
ffe, unzweckmässige Ausgüsse der Ge fasse
gang und gäbe, namentlich wenn leicht zu
die Fehler zu Tugenden tu
indgriffe
noch ga
stempeln bestrebt ist. Die vom Menschen immer zu ver-
richtende Hauptarbeit die Erfindung in der Gestaltung, bat
der Vervollkommnung neuer Maschinen nicht folgen kön-
nen und unreife Produkte zu Tausenden haben die Welt
überschwemmt Jene schöpferische Arbeit muss heute in
schnellerer Zeit, aber in konzentrirter und überlegterer Weise
geschehen, weil jeder Mangel in der Vollendung sich ver-
tausendfacht Was in der Renaissance namentlich oft den
Reiz einzelner Kuustwerke erhöht, die kleinen Erscheinun-
gen der individuellen Eigcnthümlichkeiten der Künstler, die
sich bis zur Aeusserung der Laune im Rokkoko fortsetzen,
wird heute bei der Maschinenproduktion vermieden und auch
hier eine ähnliche Objektivität angestrebt werden müssen,
wie sie in anderer Weise die höchsten Spitzen der bilden-
den Kunst überhaupt zeigen. Dass auch dieses die blosse
Nachahmung nachahmender Kunst nicht leisten wird, liegt
uuf der Hand.
Dass das Schaffen auf dem Gebiete der Kunstindustrie von
einem solchen objektivmi Standpunkte aus noch keineswegs
geübt wird (der Orient bildet aus, anderen Gründen etwa eine
Ausnahme), ja dnreh die materialistische Richtung der Kul-
tur, die erniedrigenden Anforderungen der Mode immer we-
niger Aussicht auf Wirksamkeit hat, ist Schuld daran, wenn
die Massenproduktion, ohne Halt in der Tradition, verlassen
von der bildenden Idee des Künstlers, von dem tüchtigen
Können des Handwerkes, ihren ruhmlosen Weg unaufhaltsam
verfolgt.
Dagegen kann nur wirken: Rechtssicherheit der
künstlerischen Produktion im Kunstgewerbe, damit die mehr
als je nothwendigen ausdauernden Studien überhaupt mög-
lich gemacht werden, ferner unausgesetzter allgemeiner und
spezieller Kunst-Unterricht des Volkes, für den leider bia
heute bei uns die Geldmittel gefehlt haben. Hoffen wir.
dass Beides bald in hinreichendem Maasse uns zu Theil
werde. Wenn dereinst der Boden des Recht« geschaffen sein
wird, wenn der ernährende Born der Belehrung fliesst wird
der Sonnenstrahl erst im Sunde sein, die Entwicklung
der Blüthe der Kunstindustrie auch bei uns wahrhaft zu
befördern. E. Jacobsthal.
Digitized by Googl
- 337 -
Es zeigte sich nun, dann bei einer früheren
Restauration der leitende Techniker auf die Idee gekommen
war, um den wohl damals schon defekten Vicrungspfeiler zu ent-
lasten, einen Theil dieses Druckes auf den Scbildbogen des Mit-
telschiffes zu übertrafen. Zu diesem Zwecke war ein kompli-
zirtes System von Bogen augelegt, welches aber den beabsich-
tigten Zweck durchaus nicht erfüllte, sondern das Entgegenge-
setzte verursacht hatte. Der Schildbogen mit seiner nur
schwachen Hintermauerung konnte der ihm aufgebürdeten Last
nicht Stand halten und wich unausgesetzt immer mehr und mehr
aus. Bei der Restaurirung blieb nur übrig, den Vicrungsthunn
entweder ganz abzutragen, oder zu unterfangen und das zer-
störte Mauerwerk durch neues zu ergänzen. Es wurde das
Letztere gewählt und Dank der umsichtigen und sorgfältigen
Leitung ist die Ausführung dieses nicht ungefährlichen Unter-
nehmens ohne Unfall glücklich von Statten gegangen. Die
übrigen Theile der Kirche bedürfen nur kleinerer Reparaturen,
mit Ausnahme sämmtlicber Dächer, welche neu mit Schieferbe-
kleidung und kupfernen Wasserrinnpn hergestellt worden; auch
hat der westliche Thurm, welcher nun die früher im Vierungs-
thurm befindlichen Glocken aufnehmen soll, ein dem ganzen
Bau entsprechendes Hauptgcsinrt mit Bogonfries erhalten.
Leider liegt in Folge jahrelanger Anhäufung von Schutt
und der Erhöhung der Strasseut'ahi bahn beim Bau der Ketten-
brücke der früher über das umliegende Terrain erhöhte Fuss-
boden des Münsters nunmehr wohl 1™ unter demselben. Ks
dürfte sich empfehlen wenigstens die nächste Umgebung der
Ingenieur- und
General-Versammlung in lnsterburg am 3. Oktober
1872. Vorsitzender Uerzbruch, anwesend 19 Mitglieder und
6 Gaste.
Nachdem die Stadt, die Kirche und die dortige Aktien-Spin-
nerei besichtigt war, wurde Abends 7 Uhr .die Versammlung er-
öffnet und nach Verlesen des Protokolls beschlossen: 1) der Vor-
stand wird ermächtigt , soweit nicht freiwillige Vorträge ange-
meldet sind, die Vereinsmitglieder der Reihe nach obligatorisch
zu Vortragen, Mittheilungen etc. aufzufordern. 2) das Winter-
Familienfest ist in der zweiten Hälfte des Februar 1873 in Kö-
Durch Ballotage wurden als Mitglieder aufgenommen: Eisen-
babnbauinspektor Clemens (Königsberg), Baumeister Hein-
rich (Königsberg), Ingenieur Radock (Königsberg}, Kreisbau-
meister Ruttkowsky (Angerburg), Eisen bahnbaumeister Mat-
thies (lnsterburg). Dann folgten folgende Vorträge:
Simony (Königsberg) beschrieb unter Vorzeigung dos Ap-
parats die Einrichtung der vou der Maschinenfabrik Vulcan
verbesserten Taucherapparate, namentlich die bei derselben an-
gewendete Luftzuführung u. s. w. und setzte hinzu, die Sicher-
et des Apparats sei jetzt so gross und derselbe so zweck-
mässig konstruirt, dass die Taucher bei Brüsterort ohne Gefahr
und Beschwerde 6 Stunden unter Wasser bleiben könnten.
Die Fabrik liefere auch jetzt Apimrate ohne Anzüge für Bei
werke, um die Bergleute gegen das Einathmen schlechter Li
etc. zu schützen.
Mohr (Hemel) beschrieb unter Vorlegung der Zeichnungen
die Einrichtung einer in Memel gebauten Schwefelsäure-, Salpe-
tersäure- und Superphosphat- Fabrik.
W. Müller (Königsberg) beschreibt die Konstruktion des
auf der Maschinenfabrik Vulcan in Königsberg im Bau begriffe-
nen eisernen Lootsen- und Bugsir -Schrauben -Dampf- Schooners
für den Pillaucr Hafen. Das Schiff, das erste eiserne Seeschiff,
welches in Königsberg gebaut werde, habe eine Kiellänge von
25,108™, im Mittelspannt eine obere Breite von 5,179 m , und werde,
da dasselbe vornehmlich auch im Winter im Eise gebraucht wer-
den solle, besonders stark konstruirt, bekomme vorno am Bug
und in der Wasserlinie eine gepanzerte 0,026 unter Waaser
eine 0,013" and über Wasser eine 0,010" starke Haut Der Tief-
gang des Schiffes werde hinten 3,14 m , vorne 2,67 ■ betragen und
nahe derselbe eine Auswässerung von durchschnittlich 2,04 ■.
Wenn das Schiff im Allgemeinen nun sehr scharf gebaut werde,
so sei der Schnitt am Bug über Wasser doch voller angeordnet,
damit das Schiff beim Stampfen in See nicht zu tief mit dem
Bug, der überdies zum Abschieben des Eises überfallend kon-
struirt sei, durchsetze. Das Schiff erhält ein ganzes Sturmdeck,
zwei sogenannte Pfahl-Masten ohne Stengen und eine Wölpsche
Maschine von 50 Pferdekraft mit Oberflächen-Kondensation. Die
Geschwindigkeit des Schiffes werde voraussichtlich 12 Knoten pr.
Stunde betragen, wobei der Kohlenverbrauch ca. 10 Pfund pr.
Stunde und Pferdekraft sein werde.
Becker (lnsterburg) referirt über die am Nachmittage be-
sichtigten in diesem Jahre mit Konkrct-Mauern ausgeführten
Gebäude; die ihm gestellten Anforderungen: „schnelles Austrock-
nen, Schutz gegen Kälte in diesem Winter» seien erreicht, da
die in diesem Sommer gebauten Gebäude bereits bewohnt seien,
und zugleich sei der Bau billiger, als mit Ziegelsteinen ausge-
führt Die Kosten für Ziegelmauerwerk bei Ziegelstein preisen
von 15 Thlr. pro Mille würden sich auf 7 Thlr. 21 Sgr. pr. kb<»
stellen, während 1 kb« Konkret-Masse nur 4 Thlr. 26 Sgr- ge-
kostet habe. Für ein zweistöckiges Gebäude betrage der Preis
- Konkrethäuser pr. □» = 30 Thlr., für ei
Kirche, etwa bis zum Trottoir der Strasse, auf das Niveau des
Fussbodens zu senken, das Trottoir mit einem einfachen Gelän-
der zu versehen und den Eingängen gegenüber breite Freitrep-
Een anzulegen. Irre ich nicht, so ist eine ähnliche Anlage am
[ildesheimor Dome ausgeführt Ebenso ist im Laufe der Zeit
der westliche Theil des Münsters durch Privathäuser verbaut
worden. Nicht allein ist der Kirche dadurch ihr Haupteingang
entzogen, sondern auch die ganze Ansicht des schönen Baues
leidet dadurch. Es wäre wohl eines Opfers seitens der Stadt werth,
durch Ankauf und Abbruch der betreffenden Gebäude einen
Platz zu schaffen, wie ihn kaum eine Stadt gleicher Grösse auf-
zuweisen haben würde- Der frei am Ufer der Weser aufstre-
bende Bau des Münsters, die Kettenbrücke, die bewaldeten
Berge des gegenüber liegenden Ufers mit ihren Villen und dem
Aussicbtsthurm auf dem Klüt bilden ein Panorama, so reizend
wie es nur gedacht werden kann, Natur und Kunst alte und
neuo Zeit vereinigen sieh um den Münsterplatz Hamelns mit
ihrem reichsten Blüthenkranzc zu schmücken. Zu bedauern ist
noch, dass der Vierungsthurm keinen anderen Abschluss erhal-
ten kann als seinen alten Zwiebelhelm und die dazu wenig pas-
sende flache Kuppel, doch sollen weder die vorhandenen Mittel
noch die Tragfähigkeit des Mauerwerks etwas Anderes erlauben.
Durch die Munifizenz einer Anzahl wohlhabender Bürger ist
jedoch dem Münster ein besonderer Schmuck in der Form far-
biger Fenster geaichert, indem die Herstellung je eines solchen
von den betreffenden Bürgern als Stiftung übernommen wor-
den ist E. F.
Gebäude = 17 Thlr. und für Stallungen = 7 Thlr. Die Mischung
der Konkret-Masse bestehe aus 1 Theil Portland-Zemcnt, 4 Thei-
len Kalk , 15 Theilen Kies und 10 Theilen geschlagenen Ziegel-
steinbrocken. Im Ganzen sei für 6 Gebäude 674 kb« feste Masse
verwandt worden. Die Umfassungsmauern seien im Erdgeseboss
2 Stein, oben l'> Stein stark, die Mittelwände, auch die tragen-
den, dagegen 1 Stein stark; unter den Balkenlagen seien die
Mauern mit Ziegelsteinen abgeglichen, auch zwischen den Balken
Ziegclsteinmaucrwerk eingefügt Bei der Ausführung seien die
Materialien trocken gemengt, dann in 0,10 — 0.16" Höhe ausge-
breitet und Kalkmilch darüber gegossen. Die fertige Masse sei
in Lagen von 8«" eingebracht und so lange gestampft, bis die
Masse feucht geworden sei (schwitze).
Schluss der Versammlung gegen 10 Uhr.
Arohltekton-Voroin zn Berlin. Da die vorletzte der dies-
jährigen Sommer-Exkursionen des Vereins Sonnabend den 21. Sep-
tember nach dem Bau der Flora in Charlottenburg gerichtet
war, über den wir ungern Lesern bereits eine ausführlichere
Mittheilung in Aussiebt gestellt haben, die letzte Vercins-
Ezkursion. Sonnabend den 28. September d. J. aber die Aus-
stellung älterer kunstgewerblicher Gegenstände im Zeughause
zum Ziele hatte, über die an einer anderen Stelle unseres
Blattes berichtet ist, so bleibt uns nur übrig, über die Haupt-
versammlung am 5. Oktober, mit welcher die neue Winter-
saisou des Vereins begann, zu referircu. Den Vorsitz in der-
selben führte Ur. Streckert, anwesend waren 87 Mitglieder
und 10 Gäste.
Nach den üblichen geschäftlichen Mittheilungen des Herrn
Vorsitzenden berichtet zunächst Hr. Franzius über die Beur-
theilung der in der letzten Monatskonkurreni als einzigen ein-
gegangenen Arbeit aus dem Gebiete des Ingenieurwesens. Das
Programm der Aufgabe (Entwurf einer Kanalschleuse) ist nicht
ganz korrekt eingehalten, auch in der Fundirung und der Wahl
des Betonfangedamnis ist gefehlt. Gut ist hingegen die Kon-
igedamnis
struktion der Thore nach neuestem französischem Prinzipe, sowie
die Berechnung das Mauerwerks, der Thore und der Füllzeit.
Die Kommission hat dem Verfasser, Hrn. Friedrich Bauer, ein
Andenkon ertheilt Für die fälligen Moiiatskonkurrenzen ist
leider keine Lösung eingegangen.
In ausführlicher Darstellung berichtet Hr. Blankenstein
über die diesmaligen Verhandlungen der in Karlsruhe zusam-
mengetretenen Abgeordneten-Versammlung des Verbandes deut-
scher Architekten- und Ingenieur -Vereine und geht hierbei na-
mentlich auf einzelne Punkte, welche in dem durch das Ver-
bandsorgan mitgetheilten Protokolle nur geringe Berücksich-
tigung gefunden haben, näher ein. Eine Schilderung des Ver-
laufes der an die Abgeordneten -Versammlung angeschlossenen
XVI. Wander • Versammlung deutscher Architekten und Inge-
nieure gipfelt in dem Urtheile, dass bei dieser Versammlung
zu ausschliesslich der Charakter des Festes vorgewogen habe
und dass es — zumal bei der Ungunst welche die Verhältnisse
Berlins einem solchen Unternehmen bieten — ernste Anstren-
gungen erfordern werde, um der für 1874 nach Berlin angesetz-
ten Versammlung ein anderes, eigenartiges Gepräge zu geben.
Nach einer Ansprache, in welcher Hr. Adler zu einer leb-
haften Bethciligung bei den Vorträgen und Moi
dieses Winters auffordert, erfolgen Fragebeaufc
die Herren Franzius, Blankenstein, Boeckmann und
Streckert.
Zur Aufnahme in den Verein gelangen die Herren Dehn-
hardt und Beymann, in der letzten Hauptversammlung (wie
nachträglich hinzugefügt wird), Hr. Zaar. O
Digitized by Google
- 338 -
Jahrg. 1872, Heft 1 und 2.
A. Aug dem Gebiete des Ingeniourwesens.
1. Die vorteilhaftesten Konstruktions-Verhält-
nisse der Was serräder; von Dr. Th. Weins, Prof. am
Polytecb.uik.un) iu Dresden.
Wenn mau die Dimensionen der Wasserräder mit Hülfe der
Theorie s<> bestimmt, das* die Effcktvcrlustc möglichst gering
werden, so kommt man theilweise zu kostspieligen uud ihrer
hohen Anlagekosten wegen finanziell nicht mehr vort heilhaften
Konstruktionen. In der Regel hilft man sich hier durch erfah-
rungsmassige Schätzung. Herr Weiss hingegen ermittelt mathe-
matisch das Minimum der Kosten für den GcsaminterTekt, wel-
chen ein Werk als Betriebskraft erfordert, indem er die Her-
stellungskosten für die eveuU. als Aushülfe für das Wasserrad
anzulegende Dampfmaschine, die jährlichen Unterhaltung*- uud
Betriebskosten für diese, den jährlichen Zinsfuss eiuscbliesslieh
der gemeiuen Interessen und der Amortisation für das Hcr-
stcllungskapital des Wasserrades u. s. w. mit in Betracht zieht
und die Gleichung für die Gesammtkosten des Effekts nach den
verschiedenen, sich so ergebenden VariaMu differentiirt
Diese (gewiss rationelle Methode, welche Herr Weiss bereits
früher zur Bestimmung der vortheilhaftesteu .relativen Grosse*
der Zahnräder und der vortheilhaftesteu Geschwindigkeit des in
Köhren zu leitenden Wassers (Civil -Ingenieur Band AU nag.
439), sowie zur Bestimmung der vortheilhaftesteu Mauerstärke
der Wohnungeu und der vortheilhaftesteu Dimensionen der
Dampf- und Wasserheizungsanlagen (Allg. Bauz. ltKjy.W) ange-
wandt hat, gedenkt er iu einem späteren Aufsatze für die Was-
serräder an eiuem bestimmten Beispiele durchzuführen und
näher zu erläutern.
2. Gebläseniaschine der Georgs-Maricnbütto bei
Osnabrück; vom Generaldirektor Wintzer.
Die 5 Gebläsemaschinen der genannten Hütte sind sämnit-
lich liegend. Die neueste und vollkommenste derselben mit:
Durchmesser des Dampfzvlinders .... 1,334»
Durchmesser des Windzylinders 2,825™
Hub des Dampf- uud Windkolbens . . . 2,197™
wird in ausführlichen Zeichnungen mitgetheilt und beschrieben.
3. Erbauung eines Forts auf dem Laugt ütjeusandc
iu der Weser; vom Wasserbau-Inspektor Ruude.
Zur Verteidigung der Wesermünduug siud neuerdings zwei
Forts erbaut, von denen das eine am rechten Weserufer belegen,
in der Ausführung nichts von besonderem Interesse darbot,
während beim Bau dos andern, dessen Lage auf dem Langlüt-
jeusande, eiuem ausgedehnten Watt nordwestlich von Bremer-
hafen, links vom rahrwasscr der Weser bestimmt war, die
grösstcu Schwierigkeiten uud Drangsale bekämpft werdeu
mus9ten.
Das an der Baustelle aus weichem Schlamm, darunter aus
feinstem Schlick und feinstem nach unten allm&lig zunehmen-
dem Sande bestehende Watt wird von der gewöhnlichen Fluth
überströmt, wie aus folgenden Höheuangaben spezieller hervor-
geht:
iO = gewöhnliche Ebbe (niedriges Wasser),
-f 1,2 bis -f 1,9» = Lühe des Baunlatzes, also halb Fluthhöhe,
-4- 3,5» = gewöhnliche Fluthhöhe,
-f- 7,2" = grosstc Sturmfluthhöhe,
4- 5,33'" = gewöhnliche Sturnifluth bei stürmischer
Witterung.
Bei diesen Verbältnissen war zunächst eine Erdenveloppc
für das Fort auszuführen, welche nach aussen his -f- 6,28™ zwei-
fache, darüber bis zu der auf +- 9,75» liegenden Krone acht-
fache Anlage erhalten sollte. Die zweifach angelegte Böschung
wurde mit ü,47 m starken möglichst grossen Sandstcimjuadern
auf einer Unterlage von Backsteinbrocken abgedeckt. Die Üua-
dern wurden mit Zement vergossen. Der Fuss der Quaderlage
lehnt sich gegen eine Pfahlreihe mit beiderseitigen Kabmhöl-
zern, welche aussen durch Schrägpfähle gestützt wird, während
sie nach innen mittels 11,3» laugen Ketten an Ankerpfählen
verankert ist Zur weiteren Sicherung der Steiuböschung gegen
Ausrutschen und Unterspülung ist unter ihrem Fuss eine 7,5»
breite, (»,'.)4 n > im Mittel starke Faschinenlagc in einem hierzu
ausgehobenen Graben, mit der Oberfläche des Watts bündig an-
gelegt. Vier von dem Werk auslaufende Buhnen verhindern die
Abüpülung des Sandes um dasselbe und befordern die Auf-
schliekung. Eine derselben, welche bis an den Ebberand des
llauptfahrwassers der Weser reicht, diente als Unterlage einer
Trausportbrücke, welche bei weiterem Fortschreiten des Baues
zum Loschen der Sandsteine gebraucht wurde.
Für den Erdtransport wurde vom linken Weserufer bei
Blexen aus eine Eisenbahu mit 0.&57» Spurweite auf einem
3,75™ breiten Buschdamm und mit Ueberbrückung des Fedder-
warder Fuhrwassers hergestellt.
Der Bau begann im Sommer 1869 und war bei Ausbruch
des französischen Krieges schon so weit vollendet, dass die Bat-
terie in vertheidigungsfähigen Zustand gesetzt werden konnte.
4. Zur Theorie des Erddrucks; von Baurath Mohr.
Herr Möhr beabsichtigt die Bemerkungen, welche Herr
Winkler im Jahrg. 1*71 der Zeitschrift gegen seine Theorie des
Erddrucks veröffentlicht hat, zu widerlegen.
5. Berechnung der Flügel massiver Brücken vom
Baumeister E. Häseler.
Der Verfasser verfolgt den von Censidere und Winkler ein-
geschlagenen Weg, wonach, wie sich iu der Festigkeitslehre die
Grösse und Richtung der Kraft, welche auf ein beliebigest
Flächenelemeut wirkt, aus dem Spannung*- bezw. Stellungseltip-
soide ergiebt, beim Eindruck ganz dieselben Beziehungen statt -
6. Sprengungen zur Verbesserung des Fahrwas-
sers im East River bei New-York; von C. 0. Gleim.
Der östliche Zugang zu dem Hafen von New-York, aus dem
Long -Island -Sund, der sogen. East River, enthält eine Menge
von relariffen, welche die Schiffahrt im höchsten Grade gefähr-
den und ihr jährlich grosse Verluste zufügen. Seit dem Jahre
1845 sind viele Versuche gemacht, diese Riffe zu beseitigen;
doch scheint der Weg zu gründlicher Abhülfe erst jetzt ge-
funden- Seit 1869 arbeitet man daran, HalletB Point, einen von
Long- Island -Ufer aus 90™ weit in den Strom vorspringenden
Felsrücken zu beseitigen. Im Schutz eines an das Ufer ange-
schlossenen Fangdammes hut man einen sehr jgwäumigeu
Schacht abgeteuft. Von diesem aus werdeu fächerförmig zehn
Stollen, deren Sohle 9» unter Niedrigwasser angelegt ist, in
den Fels getrieben. Sie werden durch Querstollen verbunden ,
und nur soviel bleibt stehen, als zum Tragen der Decke nöthig
ist Schliesslich soll die Decke gesprengt und diu Felstrümmer
entweder in der Unterhöhlung begraoen oder nachträglich durch
Hebeklauen aus dem Wasser gehoben werden. Nach demselben
Systeme gedenkt man später die Sprengung der anderen Felsen
auszuführen und so eiu bequemes Fahrwasser von 360» Breite
für die tiefsten Schiffe zu erzielen. im fofct.)
Konkurrenzen.
Die Konkurrenz Mir Entwürfe zn einem Nationaldenk-
mal auf dem Niederwald hat durch den Spruch des Preisge-
richtes, aus welchem die Hrn. Professor Eggers t und Prof.
von Lübke ausgeschieden uud durch Herrn Geh. Reg.-Rath
Hitzig ersetzt worden waren, eine Entscheidung dabin gefun-
den, dass von den 37 eingelieferten Entwürfen 7, und zwar die
mit dem Motto: 1. „Concordia". 4. „Aquila". 5. „Otto". 7. „Für
das heilige deutsche Reich". 13. .Dem deutschen Volke sei's
gebracht". 27. .Im Kriege stark, im Frieden gross". 29. .Ein
einig Deutschland gross und frei." zur engeren Wohl gestellt
und von dieseu die Entwürfe No. 7, Verfasser Architekt Her-
mauu Eggert in Berliu — No. 27, Verf. Jobannes Schilling
iu Dresden — und No. 13, Verf. Architekt Pieper in Dresden
als die besten erklärt worden sind. Einen dieser Entwürfe zur
Ausführung zu empfehlen hat die Jury indessen beanstandet,
da ihres Erachtens keiner vollständig der Aufgobo genast hat
und jeder die iu Aussicht geuommenen Kosten um ein Mehr-
faches überschreitet: aus letzterem Grunde hat sie auch von
ihrem formellen Rechte gar keinen Preis zu erthcilen Gebrauch
gemacht, dem Konnte jedoch anheimgestellt, in wieweit es im
Interesse der Kunst auf dieses formelle Recht verzichten wolle.
Es sind in Folge dieses Schiedsspruches den genannten 3 Künst-
lern Ehrenpreise im Betrage von 1500, 1000 und 500 Thlr. zu-
erkannt worden. Die weitere Entwicklung der Angelegenheit
soll nach Mittheilung des Ausschusses wahrscheinlich im Wege
einer zweiten Konkurrenz angestrebt werden.
Bei der Konkurrenz für Entwürfe zn einem Gesell-
sohaftshause für die Oesellschaft .Verein" In Essen ist
nach einer Mittheilung der Direktion der erste Preis dem Ent-
würfe des .Architekten J. Grotjan in Hamburg, der zweit«-
Preis dem Entwürfe des Architekten L. Schreiber in Zwickau
zu Theil geworden- Die Entscheidung der Preisrichter ist deu
Grundsätzen des Verbandes gemäss iu einem Protokoll ver-
öffentlicht
Eine Konkurrenz für Entwürfe zum Ban einer neuen
Börse In Prankfurt a. H. mit dem Schlusstermin des 1. Fe-
bruar 1H73 ist laut Bekanntmachung in unserem B
eröffnet. Nähere Mittheilungen behalten wir uns bis
sieht des Spezial- Programms vor.
Personal - Nachrichten.
Preussen.
Ernannt: Der Kreisbaumeister Gcnth in Solingen (am
Wasserbau-Inspektor iu Kuhrort: der Kreisbaumeister Franz
Meyer in Nienburg zum Bau - Inspektor das.; der Baumeister
Julius v. Hausen zu Stendal zum Kreisbaumeister in Solingen.
Diu Baumeister-Prüfung haben am 2. und 5. Oktober c
bestanden: der Bauführer Richard la Piurrc aus Berlin, der
Bauführer Carl August Robert Beutler
Kreis Koseuberg.
Abonnent Sch. in L. Methodischer Unterrieht im Aqua-
relliren zum Selbststudium erhalten Sie am Besten durch die
Werke von Mai Schmidt, Berlin 1868, und von Hohe, prakt
Aimarellschule für Anfänger, M. Gladbach 1857.
Beiträge mit Dank erhalten von den Hrn. F. In Wann-
brunn, W. in Berlin, G. in Winzig, K. in Berlin, B. in Berlin.
S. in Brandenburg.
: T« C.rl U.ei.u In
T»a ü.bmdtr Flok.rt I«
Digitized by Google
Jahrg. TL X 42.
DEUTSCHE BAUZEITUNG
m^mST 1 Organ des Verbandes 41 , "VL-h..
lnt.llunf.il j IT • tr • IMHHMllMlfeM
deutscher Architekten - und Ingenieur- Vereine.
Redakteur K, E. 0. Fritsch. mm
Preis I Thaler ftm Quartal. Berlin, den 19. Oktober 1872. Erscheint jeden Sonnabend.
Inhalt: Die XVI. Wandrrrrr*aiamJuitf! di-uueSer Aretmelacii uml Info- ' i»n».*f. - Vcrwrndonu Älter ElJcnUthittfhlrnrii hrim Wehrbau. -- lluAonbfrc-oh-
nirurp m K»rl.rohf. — lUf AJbfft. Hrurkr Vi — l>r»lil»usti«rti;.r» nlm- nun* railtel» d.-i l'Untfueler«. Au. der Fa.hl t Itcrat l» r: ZaitMhrift d«
KuntrwKirht, mit »rhtis.l.li«u.l.'r Well». — Mit lb«ll« ■■*!! im V.r.l» »n : Airl.il.kmi.. »u.l in£.>nl*»r- Ven-in« »u IUiiiwu.-t. .Tanr*. H, IM I u. » (Srhluil.
Areliit..kien. uml lii*.nl.ur-V..rein ivi Hannover. — Arrhileklen Verein l« Her Schulder librr Ki».'i>fc»hiwn »mi lokalem Inler..-. — v. W.l.rr. Di. Traxl» de»
tili — Vrrminehte«: UrsanitaUna des l.aud»lra*»eiibauei in d.r 1'roTtiu Hau Baue, und Belri»lw» der Sekundärt-almen. - rer.nnal-Naehrtrht.n .te.
Die MI.
deutscher Architekten und Inge.iei.re im Karlsruhe.
(Furt.eUuiin)
Der 25. September.
Nach einer letzten mehrstündigen Thätigkeit der ein-
liim
!
Abtheilungen ward am Mittag des dritten Versamm-
le« die Gemeinschaftliche »Schlussitzung unter dem Prä-
des Professor Baumeister mit dem Referate der
Abtheilungs-Vorsitzenden eröffnet. Für die architektonische
Ablhcilung erstattete dasselbe Hr. Baumeister BOckmrinn
Berlin), für die der Bau-Ingenieure Hr. ü!>erbanrath Sorge
Dresden), für die der Maschinen -Ingenieure Hr. Direktor
Grashof fCarlsruhe), für die der Marinetechniker Hr. Oberst
Libert de Paradis (Wien).
Kleiuere geschäftliche Mittheilungen bildeten den Ueber-
gang zu einigen Verhandlungs-Gegeustäuden von allgemei-
ncrem Interesse, welche auf Antrag der Abgeordneten des
Verbandes deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine, be-
ziehungsweise der Ahtheilungcn dem Beschlüsse der Plenar-
Versarnmlung vorbehalten worden waren.
Mit kurzen Worten leitete zunächst Hr. ßaurath Hase
Namens der architektonischen Abthcilung den Antrag ein,
dass die Versammlung sich mit der dort anf Anregung tttfs
Abgeordneten-Tages gefassten Resolution iu Betreff der Kon-
kurrenz für Entwürfe zum Hause des deutschen Reichstages
einverstanden erklären möge. Die (bereits auf Seite 321 mit-
getheilte) Resolution lautet:
„Wir erkennen noch heute die Grundsätze bei dem
Verfahren für öffentliche Konkurrenzen nach den Beschlüs-
sen der XV. Versammlung deutscher Architekten und In-
genieure in Hamburg und des Verbandes deutscher Ar-
chitekten- und Ingenieur- Vereine als die richtigen ati; wir
bedauern, dass bei der Konkurrenz für Entwürfe zum
deutschen Reichstags-Gebäude tliese Grundsätze nicht inne
gehalten worden sind, und wir hoffen, dass späterhin l>ei
allen öffentlichen Konkurrenzen und insbesondere für eine
eventuelle weitere Konkurrenz zum Reichstags -Gebäude
jene Grundsätze befolgt werden."
Aus der beifälligen Aufnahme dieser Resolution und
dem Mangel jedes Widerspruches konnte der Vorsitzende
konstatiren, dass die Gesammtheit der deutschen Architekten
und Ingenieure, soweit sie auf dieser Versammlung vertreten
war, iu dieser Frage einstimmig und cininüthig sei.
Einen Zusatz erhielt diese Resolution auf Antrag des
Architekten Hrn. Kayaer (Elberfeld), der unter lebhaftem
Beffall die Notwendigkeit ausführte, die Adresse jenes Be-
schlusses in erster Linie nicht au die Behörden, die für eine
Durchführung unserer Grundsätze doch nicht direkt in An-
spruch genommen werden können, sondern an uns selbst,
an die deutsche Fachgenossenschaft zu richten. Ein von
ihm vorgeschlagener Zusatz:
„Die Versammlung spricht die feste Erwartung' aus.
dass künftighin Architekten sich sowohl als Konkurrenten,
wie als Preisrichter nur an solchen Konkurrenzen bethei-
ligen werden, deren Programm mit den Grundsätzen un-
seres Verbandes in l'ebereinstimmung sich befindet»
fand gleichfalls einstimmige Annahme Seitens der Versamm-
lung. Möge diese Erwartung ebenso einstimmige Annahme
in Wirklichkeit finden!
Im Auftrage der Abgeordneten -Versammlung des Ver-
bandes sprach Hr. Baumeister Böckmnnn sodann über die
Bedeutung der Arbeiterfrage, vorwiegend in dem Sinne, es
der Gesammtheit aller deutschen Architekten nnd Ingenieure
zur Ueberzeuguug zu bringen, dass es für sie Pflicht sei, bei
dem gegenwärtigen Stande der Frage auch ihrerseits Stel-
lung zu derselben zu nehmen. Er erläuterte die Ursachen,
warum gerade das Bangewerbe, an welchem einerseits so
grosse und zwar die empfindlichsten Kapitalien betheiligt
seien, in dem es andererseil« so schwer sei eine Einigung
der Arbeitgeber zu Stande zu bringen, zum Hauptfelde der
iso*( inli^t iHc licn j^^i «at& t-i oo t] fitrt). r (1 v j i j^ rbcitc ro _ * 1 1 • r 1 . . . .
und gielyt eine historische Darstellung, in welcher Art «ich
die Verhältnisse in dieser Beziehung zu Berlin, dem Zentral-
punkte jener Agitation, seit den letzten drei Jahren ent-
wickelt haben. Als einziges Mittel, um der Willkür der
Arbeiter widerstehen zu können, hat die Meisterschaft, welche
in jedem der bisher geführten Kämpfe mehr oder weniger auf-
fällig unterlegen ist, es erkannt, der trefflichen Organisation
der Arbeiter eine ebenso straffe und entschlossene Organi-
sation der Arbeitgeber entgegen zu setzen. Der Bund der
Baugewerbe Berlins, welcher sich uub dieser Ueberzeugung
| heraus gebildet hat, ict daher Angesichts der Verzweigung.
| iu welcher die Gesellenverbände sich über die verschiedensten
deutschen Orte erstrecken , im Begriffe, sich gleichfalls zu
, einem Verbände sämmtlicjier Arbeitgeber des deutschen Bau-
gewerbes zu erweitern.
Dass es für die deutschen Architekten und Ingenieure
I nicht wohl thunlich ist, sich zu diesen Konflikten innerhalb
des Baugewerbes iudiffereut zu verhalten, folgert schon dar-
. aus, dass l»ei dem fortdauernden Versagen der technischen
I Hülfskräftc uud der hieraus zu befürchtenden Lahmlegung
' der Bauthätigkeit auch ihr Interesse gefährdet ist und die
Wichtigkeit einer gedeihlichen Fortexistenz nicht Wenigen
von ihnen direkt untergraben wird. Dass ihnen vermöge
ihrer Stellung zu beiden Parteien ein bedeutender Einfluss
auf Beileguug des Konfliktes zustehe, versuchte der Redner
in eingehender Weise zu entwickeln. Kraft dieser »Stellung
seien es gerade die Architekten und Ingenieure, welche am
Leichtesten uud Erfolgreichsten die Vermittlerrolle überneh-
men könnten. »Seien die Forderungen der Arl>eiter gerecht,
wie dies bei der im Jahr lHiiy durchgeführten Arbeitsein-
stellung der Berliner Bauhandwerker der Fall war, so wertle
der Gewerksmeister einer Unterstützung derselben von dieser
Seite schwerlich widerstehen — seien dieselben hingegen
willkürlich und frivol, so werde die Meisterschaft gegenüber
dem gefährlichen Drängen der Bauherren und Behörden,
welche letzteren in der Frage noch keine bestimmte Stellung
genommen haben, keinen besseren Anwalt finden können
als die Architekten und Ingenieure, deren Pflicht es in sol-
chem Falle gewiss sei, für die Sache der Arbeitgeber Partei
zu nehmen. Wenn dies geschehe, so werde auch dem eng-
herzigen Treiben derjenigen Minorität der Meisterschaft ein
Ziel gesetzt werden, welche in ausschliesslicher Verfolgung
ihres persönlichen Interesses auf die Strike spekulirt uml
jeder Forderung der Arbeiter nachgiebt, wenn sie hierdurch
einen Vorsprnng vor ihren Konkurrenten gewinnen kann.
Die gegenwärtig tagende Versammlung deutscher Archi-
tekten und Ingenieure wird ersucht ihr Einverständniss mit
diesen Darlegungen durch die Annahme folgender Resolution
auszusprechen :
„Ks ist Pflicht jedes Architekten nnd Ingenieurs
sich in seinem Bereiche über den »Stand der Frage der
Arbeitseinstellungen zu orientiren und etwaigen unge-
rechtfertigten Bestrebungen und Forderungen der Ar-
beiterpartei mit seinem ganzen Einflüsse entgegenzutreten."
Herr Bezirks- Ingenieur Kessler (Saargemünd) fühlte
sich in der Befürchtung, dass die einfache Annahme dieser
Resolution als ausschliessliche Parteinahme für die Anschau-
ungen der Meisterschaft gedeutet werden könne,
Digitized by Google
- 340 —
anlasst. auf Grund seiner jahrelangen Erfahrungen als Lehrer
im Berliner Handwerker-Verein aueh ein Wort für die Be-
strebungen desjenigen Theils uutcr den Arbeitern einzulegen,
dem es ernstlieh um Fortschritt und Fortbildung zu thnn
ist. der jedoch unter den früheren Zustanden unmöglich
hierzu gelangen konnte. Dass sieb die Meisterschaft deu
gerechten Fordeningen dieses strebsamen Theils der Arbei-
terschaft zu lange widersetzt habe, sei die llanptnrsache,
dass die gegenwärtige Agitation einen so krankhafteu und
bedauerlichen Charakter angenommen habe. Der Redner
bat daher die vorgeschlagene Resolution nur in dem Sinne
eines gleichen Wohlwollens für Arbeitnehmer und Arbeit-
geber des Baugewerks anzunehmen, in der Praxis aber jeder
Parteinahme nach der einen oder anderen Seite eine mög-
lichst streune und unbefangene Prüfung des Sachverhaltes
im Einzelnen vorausgehen zu lassen, damit die gegenwärtige
hohe Stellung der Architekten und Ingenieure über den
Parteien keine Kitihussc erleide.
Nach einigen Gegenbemerkungen der Hrn. Böckmann
uud Felisch (Berlin), von denen der Letztere ausführt, dass
es sich augenblicklich nicht mehr um die je nach Bedürf-
niss oder Belieben in den \ ordergruud vorgeschobenen De-
tailfragcn, sondern lediglich um die Maehtfrage handele,
wurde die angeführte Resolution demgemäss einstimmig an-
genommen.
Ks folgte schliesslich auf Antra« des Verbandes deut-
scher Architekten- und Inuenienr-Yereine die Berathung und
Beschlussfassung über die künftige Stellung der bisherigen
Wanderversammlnng zu unserem Verbände.
In längerem Vortrage erläuterte Hr. Oberbanrath von
Egle (Stuttgart), anknüpfend an die Geschichte der vor MO
Jahren ins Leben gerufenen Wanden crsaiunilnngcu und de-
ren allmälige Knt Wickelung, die Motive, welche ans den bei
diesen gewonnenen Erfahrungen zur Gründung des Verbände*
geführt haben, dem heute alle IG bis jetzt bekannten Archi-
tekten- und Ingenieur-Vereine des deutschen Reiches und
durch diese wohl weitaus die meisten der hier Versammelten
angehören. Wahrend die Wirksamkeit des Verbandes als
einer organisirten ständigen Körperschaft wohl zweifellos
grössere Aussichten auf Krfolg habe, a | R die der bisherigen,
unregelmässig zusammentretenden und in ihrer Zusammen-
setzung vom Zufall abhängigen Wanderversammlungeti, werde
am Wesen der letzteren so gut wie Nicht* geändert, her
Zutritt zu denselben sei nach wie vor auch allen Tech-
nikern, die keinem der verbundenen Vereine angehöien, als
willkommenen Gästen ermöglicht: — dass der Ort der Ver-
sammlung und der Vorstand ferner nicht mehr von dem
Plenum, sondern von den Altgeordneten der Vereine gewählt
Weiden, sei sicher als eine Verbesserung anzusehen.
Der hiernach formulirte Antrag: „Die XVI. Wanderver-
sammlung deutscher Architekten und Ingenieure wolle in
Erwägung des vorher Gesagten beschliesseu, dass künftighin
an Stelle der Wanderversammlungen bisheriger Art Wander-
versamnilungen des Verbandes deutscher Architekten- und
Ingenieur-Vereine nach Maassgabe des Alischnitts II des Ver-
bands-Statuts treten sollen*, wurde, du Niemand das Wort
zu demselben nahm, zur Abstimmung gestellt und mit grosser
Majorität genehmigt. Im Namen des von der Abgeordneten-
Versammlung des Verbandes zum Schauplatze der nächsten
Wanderversammlung erwühlten Vorortes lud Hr. Baurath
Blankenstein die Anwesenden zum Besuche der 1H74 in
Berlin beabsichtigten Zusammenkunft ein, indem er jedoch
vorab darauf aufmerksam machte, dass diese Versammlung
wegen der Schwierigkeiten, die sich einem Feste der bis-
herigen Art dort entgegenstellen würden, einen wesentlich
anderen Charakter tragen müsse.
Nachdem Hr. Professor Dr. von Ritgen (Glessen ) als
Ausdruck des Dankes für die Aufnahme, welche der Ver-
sammlung in Karlsruhe geworden war. ein donnerndes Hoch
auf alle Förderer derselben ausgebracht hatte und nachdem
auf Antrag des Hrn. Vorsitzenden bestimmt worden war.
dass dem in Mainau verweilenden Landesfürsten dieser Dank
telegraphisch auszusprechen sei. w urde der Schluss der Ver-
sammlung proklumirt.
Der ernsten Sitzung folgte um :i Uhr ein heiteres Fest-
mahl, das unter den lokalen Verhältnissen der Stadt leider
in zwei getrennten Räumen abgehalten werden musste. Die
hiernach unvermeidliche Scheidung der Gesellschaft war in
der Weise erfolgt, dass im Saale der Gesellschaft , Ein-
tracht- vorzugsweise die Architekten und Bau -Ingenieure,
im Saale de» „Museum" vorzugsweise die Maschinen -Inge-
nieure tafelten. Die vom Lokal -Komite geladenen Ehren-
zn denen neben den Ministem und Stadtvorstätidcn
gefeierte Führer des XIV. Armeekorps. General von
Werder, sowie der treffliche Dichter J. V. Scheffel ge-
hörten, hatten sich dementsprechend vertheilt. Dass die fest-
liche Stimmung der Versammlungstage in diesen Stunden
ihren Höhepunkt erreichte . sprach sich in zahlreichen
Toasten aus. Warmen Anklang fanden unter denselben
namentlich der Kinleitiingsspnich Professor Baumeister"«
auf Kaiser und Reich, sowie der Toast. Minister Jolly's auf
die Versammlung; den ungemessensten Jubel hingegen erregte
das Hoch auf den als Hauiit und Seele des Ganzen so hoch
verdienten Vorsitzenden. Professor Baumeister, und seine
Erwiderung, in welcher er den Sieger von Beifort als Facb-
genossen zu reklamiren versuchte.
Der Abend schloss mit einer zweiten Festvorstellung im
Hoftheater, für welche .Götz von Berlichingen* gewählt war.
Während einer Zwischenpause kam das in herzlichen Wor-
ten abgefasste Antwort-Telegramm des Grossherzogs zur Ver-
lesung.
Der 26. September. Die Ausflüge nach Strassburg
und nach Mannheim - Heidelberg.
Mit Rücksicht auf die bedeutende Zahl der Theilnehmer
und die Schwierigkeiten, welche die Unterbringung derselben
an einem einzigen Orte mit sich geführt haben würde, waren
für den grösseren Ausflug, mit welchem die Versammlung
ihren Abschluss rinden sollte, zwei verschiedene Ziele zur
Wahl gestellt worden: Strassburg und Heidelberg ■ — eine
schwierige Wahl für alle die Vielen, welche noch keine der
beiden Städte kannten und nach jeder dersellten sich hin-
gezogen fühlten. Die Entscheidung erfolgte schliesslich in
der Weise, dass die Mehrzahl der Norddeutschen und mit
ihnen der grössere Theil der Versammlung Strassburg den
Vorzug gab. während die Mehrzahl der Süddeutschen, zumal
der Einheimischen sich durch das in Aussicht gestellte Schau-
spiel einer Beleuchtung der Schlossruine für Heidelberg l»e-
stimmen liess.
Etwa IHK» Personen mochte der Extrazug enthalten,
welcher südwärts gewandt, noch einmal an den vor zwei
Tagen genossenen Landscliaftsbildcni des Schwarzwalds vor-
über, zunächst bis nach Kehl führte, wo die Fachgenosseu
ans Strassburg ihre Gäste bereits erwarteten. Jenscit* der
Rheiubrücke auf dem wiedergewonnenen deutschen Boden
brachte in ihrem Namen Hr. Wasserbaudirektor Grebenau
den Fachgenosseu der alten deutschen Gauen ein herzliches
Willkommen, dem deutschen Vaterlande aber ein mit brau-
sendem Jubel aufgenommenes Lebehoch aus. Die über die
Pontonbrücke zu kurzer Rest nach Kehl Zurückgekehrten
führte sodann der Eisenbahnzug weiter nach der Hauptstadt
des Reichslandes, deren wechselnde, jedoch überall von der
gewaltigen Masse des Münsters beherrschte Ansicht bei der
1 Umfahrt auf der Verbindungsbahn gut gewonnen werden
konnte.
In drei Gruppen vertheilt durchstreifte die Gesellschaft
! unter ortskundiger Führung die Stadt und besichtigte deren
architektonische Sehenswürdigkeiten — das Münster, das
Frauenhaus mit seiner als Meisterwerk der Steinmetzknnst
berühmten Trenne, die mehr interessante als schöne Tho-
inaskirche mit ihren Kuriositäten, die alten noch ganz den
reichsstädtischen Typus tragenden und an Frankfurt erin-
nernden Privalhänser und die aus französischer Zeit stam-
menden öffentlichen Gebäude, endlich auch die leitler noch
sehr zahlreichen Spuren der Beschiessung in den nördlichen
Stadttheilen und die Neubauten der S'tcinstrasse, unter denen
die seltsamsten Auswüchse wilder architektonischer Phan-
tasie sich befinden. Kin Eingehen auf Details mnss ich mir
auch hier versagen ; nur kann ich nach diesem ersten Sehen
j des Münsters mein Erstaunen nicht unterdrücken, dass in
I allen mir Itekannten Beschreibungen und Schilderungen- des-
selben netten dem spezifisch baugeschichtlich interessanten,
anatomischen Detail fast nur der künstlerische Eindruck des
Aeusseren gewürdigt wird, nirgends aber die grossartice
Raumwirkung des Innern. Während jener für mein
Empfinden durch die in allen gothischen Theilen sich gel-
tend machende Künstelei bedeutend abgeschwächt wird,
scheint mir gerade diese in ihrer durch die weiten Span-
nungen bewirkten Einheitlichkeit und in dem harmonischen
Verhältnisse, das sich durch die im Anschluss an den alten
romanischen Bau bedingten massigen Höhendimensionen er-
geben hat. unter allen deutschen Kathedralen nicht ihres
Gleichen zu besitzen. Am Nächsten kommt dem Strass-
burger Münster in dieser Beziehung wohl das Innere des
St. Stephan zu Wien, doch entbehrt dieses ebensowohl den
lieiz der Hochschifflieleuchtung wie den der vollständig er-
haltenen allen Glasbilder.
Neben dem Architektonischen interessiren den deut-
schen Besucher Strassburgs gegenwärtig nicht minder die
ihm entgegentretenden allgemeinen Kultlirmomente, und bil-
dete der Austau i bezüglicher Beobachtungen einen Haupt-
Digitized by Google
gegenständ des Gespräches unter unserer Gesellschaft Mei-
nerseits war ich ebensosehr wie von dem deutsehen
Typus der alten Stadttheile, von dem echt deutschen Typus
der Einwohner und von der Tbatsache überrascht, das*
ich erst am späteu Abend einige französische Worte erhaschen
konnte. Diese Unversehrtheit des deutschen Elementes,
welche ein völliges Aufgehen desselben in das deutsch-natio-
nale Bcwusstsein für nicht allzufcrne Zukunft verbürgt, lässt
es leicht verschmerzen, dass die ehrliche Zähigkeit desselben
ihre Sympathien gegenwärtig noch nicht zu wechseln und
ihre Antipathien nicht zurückzuhalten vermag. Die blicke,
mit welchen eine nächste Generation den Besuch deutscher
Architekten uud InHcnieure in Strassburg empfaugen wird,
sind sicherlich weniger gleichgültig und feindselig, und die
für französische .Feinheit* nicht gerade sprechende Sitte,
dass Damen der höheren Stünde vor deutscheu Besuchern
ausspucken . wird bis dahin deutscher Gesittung wohl ge-
wichen sein. Der Magistrat wird es dann — selbst am Vor-
abende des Kapitulationstages — gestatten, dass die Mnn-
sterpvratnide zu Ehren der Gäste in hellem Lichte er-
stralilen darf, und auch der künftige Münsterwerkmeister
wird sicher nicht mehr ein Mr. Klotz sein, der dem Be-
suche seiner Eachgenossen aus dem Wege geht und die
Pergamente der alten deutschen Bauhütte vor ihnen ver-
schliesst.
Tin so freundlicher trat gegenüber diesen harmlosen
Aeusserungen eines in seinen ehrenwerthenGrundmotiven leicht
erklärlichen und daher entschuldbaren Grolls die Herzlich-
keit hervor, mit welcher die aus allen Theilen Deutschlands
zusammengesetzte, erfreulicherweise auch schon durch einige
Elsasser verstärkte Eachgenossenschaft der deutschen Reichs-
behürden den Gästen entgegenkam. Auch nicht wenige von
den nichttcchuischcn Spitzen dieser Behörden, voran der
als Gönner und Förderer unseres Fachs schon aus seiner
früheren Amtsthätiekcit bekannte Oberpräsident v. Möller,
waren an der Festtafel erschienen, zu welcher nach Been-
digung der Exkursionen die ganze Gesellschaft sich in deu
Bäumen des englischen Hofes vereinigte, und betheiligten
sich mit ihr an dem Gartenfeste, das am Abend in einem
Vergnügungslokale der vor dem Judenthor belegenen Kon-
taden stattfand. Durch eine Dekoration von bunten Lampions,
verbunden mit bengalischer Erleuchtung der entfernten Gar-
tenpartien in wechselnden Farben, ward hier im Verein mit
der Musik und dem fröhlichen Wogen der Menge ein in der
That festliches Treiben hervorgebracht, dem nur die Gunst
eines wärmeren Tages zu wünschen gewesen wäre.
Zu der Fahrt nach Mannheim und Heidelberg hatten
etwa 3<>0 bis 4(H> Theilnehmer, darunter wie erwähnt, die
Mehrzahl der einheimischen Faehgenosscn mit ihren Damen
sich vereinigt. Für den Weg nach Mannheim war die im
Jahre 1X70 vollendete direkte Bahn über Graben, Waghäusel
und Schwetzingen gewählt worden. Firste Station ward auf
der Kbeinbrücke zwischen Mann! ■ im und Ludwigshafen ge-
macht, wo das Lokal- Komite der Gesellschaft ein durch
Böllerschüsse, Musik und festlichen Schmuck der Häuser
und Schiffe wirksam verstärktes Willkommen entgegen-
brachte. In grösster Beschleunigung wurde das neue Zen-
trum des regen Mannheimer Verkehrslebens, die grossartige
Hafen-Kanal- und Bahnhofs- Anlage besichtigt; die von einem
erhöhten Aussichtspunkte gewonnene und durch den dort
ausgestellten Originalplan, dessen photographisehes Abbild
jeder Theilneliiner empfangen hatte, wesentlich unterstützte
L'ebersicht wurde sodann durch eine Dainpfhootfahrt rhein-
abwärts bis zur Neckarspitze und von da neckaraufwärts
bis zur Kettenbrücke vervollständigt.
Nachdem ein von der Stadt Mannheim dargebotenes
Frühstück Wirthe und Gäste in heiterer Geselligkeit vereint
hatte, wurde am Nachmittage die Fahrt uach Heidelberg
angetreten. War diu Stimmung des dortigen Stadtsäckels
gegen die Versammlung etwas kühler gewesen als die von
Carlsruhe, Baden und Mannheim, so Hess der freiwillige
Empfang, der ihr seitens der Einwohnerschaft zu Theil
wurde, an herzlicher Wärme doch gleichfalls nichts zu wün-
schen übrig. Vom Bahnhofe, dessen Hauptgebäude neben
dem Oarlsruher und Freiburger wobt der bedeutendste der
Eisenlohr'scheu Bahnhofsbauten ist, ging der Zug durch die
Stadt, von deren Gebäuden die neu dekorirte Jesuiteukirehe
und die mittelalterliche Peterskirche im Innern besichtigt
wurden, zunächst nach der Neckarbrücke — dann, nach
kurzem Verweilen bei den Alterthums - Sammlungen des
Herrn Metz, empor zu dem Zielpunkte des Tages, der viel-
gepriesenen Ruine des weiland kurpfälzischen Residenz-
en losses.
Ueber die Herrlichkeiten dieser Stätte, an welcher die
I Schönheiten der Natur mit Schöpfungen der Kunst wett-
eifern, die zu dem Edelsten gehören, was jemals auf deut-
schem Boden geschaffen wurde, ist so viel geschrieben uud
gesagt worden, dass es überflüssig erseheineu möchte, ein
Wort hinzuzufügen. Und doch müssen gerade den Archi-
tekten, der sie offenen Auges und warmen Herzens betritt,
so manche Gedanken bewegen, die anzudeuten hier wohl
der richtige Ort ist. Wenn es ein Gefühl der Beschämung
erwecken kann, dass es den Franzosen, die einst dieses
Denkmal der Kunst zerstört haben, vorbehalten war. durch
eine würdige Publikation zuerst wieder das volle künst-
lerische Verständniss der erhaltenen Reste herbeizuführen,
so dürfen wir mit vollem Rechte stolz darauf sein, dass
deutscher Geist es war, der einst hier gewaltet und ge-
schaffen hat. Mag der Meister des Otto Heinrich -Baues un-
bekannt bleiben, so darf es heute einem Zweifel wohl nicht
I mehr unterliegen, dass er aus deutschem, nicht aus welschem
Geiste schöpfte, als er den Ballast des pfälzischen Chur-
fürsten in die reichen Formen der aus Italien nach dein
Norden vordringenden Bauweise kleidete; — als das Klei-
nod deutscher Renaissance gilt uns diese Facade, wie
das gesummte Schloss ein Kleinod unter den Fürsteusitzen
Deutschlands war, mit dem au Bedeutung nur die um
einige Jahrhunderte ältere Residenz des Hochmeisters an der
Nogat sich messen konnte.
Jene nordische Burg, vor dem Untergänge gerettet, soll,
wenu die Kunde sich bestätigt, aus Anlass der jüngst in ihr
begangenen Säkularfeier eine künstlerische Wiederherstellung
zu vollem Glänze erfahren. Das Schloss zu Heidelberg ist
eine Ruine, die trotz ihres festen Gi ftiges, trotz der Pflege, die
ihr zu Theil wird, ulliiiäligem Untergänge entgegen gehen
muss, wenn nicht umfassende Hülfe naht. Sollte sie ihr
versagt, werden? — Ich halte es kaum für Werth auf den
Einwurf derer zu antworten, welche einer Wiederherstellung
des Heidelberger Schlosses sich entgegensetzen werden, weil
es als Ruine viel malerischer in der Landschaft stehe. Ein
Blick auf Merian's Abbildung dürfte sie belehren, dass die
Erscheinung des alten unversehrt eu Baues an malerischem
Reize wahrlich noch höher stand; zudem würde der gegen-
wärtige Charakter durch eine Restauration, die sich allein
auf die Schlossgebäude erstreckte, die Ruinen der Festung
alier unberührt Hesse, nur unwesentlich alterirt werden.
Gewichtiger ist die Frage, welchem Zwecke neben dem der
Erhaltung des alten Baus die Wiederherstellung zu dienen
hätte und aus welchen Mitteln sie bewirkt werden könnte.
Aber auch ihre Beantwortung scheint mir einfach und
selbstverständlich. Wiegt, jener Zweck der Erhaltung des
i Denkmals, der Wiederherstellung des glanzvollsten Beispiels
deutscher Kunst aus der Blüthezeit vergangener deutscher
Kultur an sich nicht .schon schwer genug, so Hegt es wohl
nahe, den Bau zu einer Sammelstättc für die Reste jener
Kultur, zu einem Museum deutscher Reuaissauce zu
I bestimmen, für deren Wichtigkeit gegenwärtig ja allerwärts
die Augen sich öffnen. Nachdem unsere Zeit so viele
Denkmale mittelalterlicher Religiousanschauung vom Unter-
gange gerettet hat, nni sie als glänzenden Sitz denjenigen
zu überliefern , die jetzt eudlich wiederum als die schlimm-
sten Feinde deutschen Geistes erkannt worden sind, wird
, sie hoffentlich auch für einen solchen Bau und für einen
solchen Zweck das nöthige Interesse besitzen. Nachdem
das deutsche Volk Millionen dazu hergegeben hat, um den
I Dom von Köln zu vollenden, wird es gewiss nicht minder
eine Ehrenpflicht darin sehen , die um Vieles geringeren
Kosten einer Wiederherstellung des Schlosses von Heidel-
InTg zu tragen.
Eine weitere Ausführung dieser Gedanken Hegt ausser
der Absicht dieser Zeilen. Vielleicht geben dieselben einem
unter den Berufeneren — ich zähle zu diesen in erster
Linie die Künstler uud Kunstfreunde des deutschen Süd-
westens — die Anrcuung zu ernstlicher Verfolgung der
Sache. An Sympathien und thätiger Unterstützung wird es
ihnen sicher nicht fehlen.
Sicher haben auch nicht Wenige unter den am 26. Septem-
ber im Schlosse zu Heideiberg Versammelten gleichen oder
ähnlichen Gedanken nachgehangen. Ob sie zur Aussprache
gekommen sind, meldet mein Gewährsmann nicht. Desto
begeisterter ist die Schilderung, welche alle, die au dem Aus-
fluge Theil genommen haben, von der Festfröhlichkeit ent-
werfen, die sich in der zum Zwecke dieses Besuches eigens
en ' diteten, mit sinnigen Bildern und Emblemen , sowie hu-
moristischen Kernsprüchen geschmückten Halle entfaltete.
Zu dem Schönsten aber, was jemals gesehen werden kann,
zählen sie den Eindruck, den die am Schlüsse des Abends
veranstaltete Beleuchtung der Schlossraine gewährte, ein
I magisches Schauspiel, dass die Rlusion geben konnte, als
Digitized by G(
ständen die Mit Jahrhuudcrten ausgebrannten Gebäude noch
einmal in vollen Flammen.
, Obwohl die zum Zwecke dieser Ausflüge gestellten Ex-
trazfige einen grossen Theil der Fachgeuossen um Abend
nochmals nach Carlsruhe zurückführten, so war eine Zusam-
menkunft dort nicht mehr möglich; seihst die in demselben
Zuge befindlichen Bekannten verloren sich in dem Gewirr
der Menge und mussten »ich ohne ein Wort des Abschieds
trennen. Sei es mir gestattet dasselbe im eigenen nnd im
Namen aller derer, die in gleicher Lage sind, den Freunden
hier nachträglich zuzurufen. Auf ein fröhliches Wiedersehen
an anderer Statte!
III. Die Abtheilungssitzungen.
Eine eigentümlich« und charakteristische Erscheinung,
welche die diesmalige Wanderversaminlung von den letzt-
vorhergegangenen unterschied, war die Abnahme des Stoffs
für die Verhandlungen der Abtheilungen. Während in diesen
vordem der Schwerpunkt der ganzen Versammlung lag und
sie lediglich mit einer l'ehcrfülle von Verhandlungs-Material
zu kämpfen hatten, war an Stelle dessen nunmehr eine
Armut getreten, die es gestattet den Bericht über diesen
Theil der Versammlung in Kürze zu erledigen,
a. Die Sitzungen der Abtheilung für Architektur.
Unter dein Vorsitze der auf Vorschlag des Uikalkomites
zum Präsidium berufenen Herren Baumeister Bocckmaun
(Berlin) und Baurath Hase (Hannover) begannen die Ver-
handlungen am ersten Versamiulungstage mit einem Vortrage
des Lehrers am Polytechnikum zu Aachen, Hrn. Architekt
Tochtermann .über mittelalterliche Bestrebungen
der neueren Baukunst. 1 "
Angesichts der Heerlager, die sich auf dem Gebiete der
xVrchitektur noch immer gegenüberstehen, obwohl der Wunsch
nach Einheit ein auf allen Seiten empfundener ist, biete sich
das Moment solcher Einignng in der Lesung der Aufgaben
unserer Zeit. Bereits sei in einer dem XIX. Jahrhundert
eigentümlichen Entwickeln« von Maass und Proportion
etwas Gemeinsames gewonnen — für die desto verschieden-
artigere Gestaltung im Einzelnen sei die Einheit noch zu
erstreben. Der Weg, auf welchem dies möglich sei, könne
lediglich gefunden werden durch die Erforschung der Wan-
delungen, welche das Gesetz architektonischer Erfindung im
Verlaufe der Zeit erlitten hat.
In einem an blühenden Wendungen reichen Exkurse
über die Entwickelung des architektonischen Gedankens seit
der Antike charakterisirt der Redner die nach dem Verfall
der antiken Bankuust eingetretene, noch heute nicht abge-
schlossene Bewegung als die Folge der neuen geistigen Ge-
burt durch das Christenthum. Freigeworden von dem Dienste
des Vergänglichen habe die altchristliche Kunst die Bau-
steine der versunkenen Vergangenheit im Glauben an den
lebendigen Gott neu zusammengefügt und Werke geschaffen,
deren Zentrum nicht im Diesseits, sondern im Jenseits zu
suchen sei. Die Begeisterung und Kraft des Schaffens habe
sich alsdann gesteigert zu der mittelalterlichen Kunst, deren
Faden bis zur neuesten Zeit zu verfolgen ist. Das Gesetz
der antiken Ordnung sei hierbei nicht verloren gegangen;
nur im Verfall der Gothik sei es verwischt, währeud es in
der Blüthezeit mittelalterlicher Kunst noch durchschimmert,
aber vergeistigt ist, so dass allein eine vergeistigte Auffas-
sung Klarheit des Verständnisses herbeiführen kann. So sei
der Begriff des Daches im durchbrochenen Thurmhelm schein-
bar freilich aufgehoben, dafür aber eine symbolische Bedeu-
tung desselben, etwa als die zum Himmel führende Jakobs-
leiter, gew-onnen.
Als auf dem Gipfel der Festfreude, welche das künst-
lerische Schaffen des vom Geiste des Christentums durch-
drungenen Mittelalters bezeichnet, notwendiger Weise eine
Zeit der Ermüdung eintreten musste. hälfe mit der Wieder-
aufnahme des antiken Systems ein neuer Akt des kunstge-
schichtlichen Dramas begonnen, der bis in die Gegenwart hin-
einreicht. Während der Freiheit in der Verwendung dieses
Systems hohe Auerkennung nicht zu versagen sei, währerid
von den Künstlern des XV. und XVI. Jahrhunderts noch ge-
rühmt werden könne, dass sie auf dem Boden mittelalter-
lichen Empfindens standen und Audacht des Schaffens be-
sassen, entstehe doch die Frage, ob die Grundansehannngen,
auf denen diese Bauweise beruht, sich mit dem uutersteu
Grunde des sittlichen Lebens vereinigen lassen.
Dem gegenüber seien nunmehr auch Bestrebungen auf-
getreten, die ein neues Aufblühen der mittelalterlichen Herr-
lichkeit herbeiführen möchten. In dem hierdurch entstan-
denen Dilemma sei es Pflicht Gerechtigkeit auf beiden Seiten
zu üben und mit scharfer Untersuchung auf die historische
Grundlage einzugehen. Ein schroffes Aufeinanderplatzen der
Gegensätze erfolge meist nur da, wo eine tiefere Kenntnis»
der Vergangenheit fehlt, währeud das Bestreben, die Gesetze
mittelalterlichen Schaffens kennen zu lernen, auf der entge-
genstehenden Seite bereits eine grössere Beachtung der Wahr-
heit in konstruktivem, wie ästhetischem Sinne herbeigeführt
habe. Es lasse sich hoffen, dass von dieser Wicderbeack-
tung mittelalterlicher Kunst der dritte Akt der Kunstge-
schichte datiren werde.
W r ie die Entwickelung der architektonischen Bestrebun-
gen in der Neuzeit sich vollzogen habe, versuchte der Red-
ner an dem Beispiele der Männer nachzuweisen, die seit
Beginn dieses Jahrhunderts in Carlsruhe wirkten. — Wein-
brenner als der Schöpfer einer ernsten tüchtigen Architel-
turschule, ans der Moller, Andrea der Begründer der Han-
noverschen Schule, und Hübsch hervorgingen — Hübsch
als Meister, Lehrer und Schriftsteller ausgezei- hnet, der streif
Forscher, welcher dem Mittelalter nicht hold, in dem durti
ihn angebahnten Verständniss altchristlicher Kunst doch die
Quellen der Erkenntniss für den Ursprung mittelalterlichen
Schaffens öffnete — Eisenlohr endlich, dessen liebliche
Schöpfungen, von einem Strahle dessen angelacht, der «I» ist
der Weg, die Wahrheit und das Leben, in Wahrheit die
Harmonie des Lebens repräsentirten.
Durch das Wirken dieser Männer sei ein Streben in-
geregt, dass nicht mehr auf die Erscheinung, sondern aut
, das Wesen sich richte, nicht dem Strome folge, soudern auf
| den Quell zurückzugehen sich bemühe — eiu Streiten, da.»
seither schon vieles Neue, wenn auch noch Lückenhaftes
geschaffen habe. Neue Anregung zu rüstigem Fortstrebe
— wenn auch auf verschiedenem Wege, so doch nach dem-
selben Ziele • — • erwartet der Hedner von dieser Versammlung!
Eine Diskussion im Anschlüsse an den Vortrag, den der
Heferent nrn der Gerechtigkeit willen möglichst eingehend
nnd objektiv darzustellen bemüht war, wurde von keitier
Seite beliebt — eine erklärliche Erscheinung, wenn man be-
1 rücksichtigt, dass derselbe einen praktischen Gedanken, an
den sich eine fruchtbare Erörterung und AnseinaudcrM'tmni;
hätte knüpfen lassen, überhaupt nicht enthielt, während ein
Angriff auf die dem Redner eigentümliche GrundanffiKvmng
den Andersgesinnten kaum lohnend dünken kuimle.
Wesentlich realerer Natur war der Stoff MI weiten
| Vortrages, in welchem Herr Professor Meidingei (Carls-
ruhe) seine Versuche über die Ursachen der _ Zugstürungcu
in Kaminen" (Rauchrohren) vorführte. Da die betreffen-
den Experimente bereits in mehren Zeitschriften (zuletzt in
No. !• der Haarmann'schcu Zeitschrift für Bauhandwerker;
ausführlich beschrieben worden siud und das praktische
Hauptresultat derselben, dass man Oefen aus verschiedenen
Geschossen nicht in ein und dasselbe Rauchrohr münden
lassen soll, ein seit Gillv für jeden norddeutschen Techniker
geläufiges ist, so kann von einer näheren Mitteilung hier
wohl Abstand genommen werden. Weniger bekannt dürften
die von Hrn. Meidinger gegebenen Erörterungen ül*r den
Einfluss des Wiudes auf den Zug in Kaminen und die hier-
nach Itediugtc Form der Schornsteinköpfe sein. Die betref-
fenden Experimente wiesen schlagend nach, dass jeder Wiml-
stoss, der eine Schorusteinöffnung unter einem flacheren
Winkel als l. r >* über der Horizontale trifft, den Zujr verstärkt,
und zwar um so mehr, wenn er auf den Schornsteinkopf auf-
prallend eine Richtung nach aufwärts annimmt und hierdurch
die im Rauchrohr befindliche Luft fortreissen kann. Es folgt
hieraus, dass alle horizontal ausladenden Gliederungen eines
Sehonisteinkopfes. welche fliese aufwärts gerichtete Luftbc-
wegung wieder aufheben, zu verwerfen sind. Gegen abwärt'
gerichtete Windstösse, wie gegen Regen und Schnee gewährt
eine Deckplatte von dem doppelten Durchmesser des Rauch-
rohrs, in einer Höhe von zwei Drittel dieses Durchmessers
über der Mündung angebracht, vollkommenen Schutz.
Die elegante Sicherheit, mit welcher der Vortragende
seine Experimente ausführte, und die Präzision der aus den-
1 selbcu gezogeueti Schlußfolgerungen fanden allgemeinen Bei-
, fall. Sicherlich wird die Einführung des von ihm konstru-
I irteu Versuch-Apparates l>eiin Unterrichte, auf polytechnischen
| und Hängewerk -Schulen gute Dienste leisten und wesentlich
dazu beitragen, die noch immer ziemlich verworrenen An
Khauungeu über dieses Kapitel der Feuerungskuude zu
klären.
(Mrlll.M folgt.)
Digitized by Google
- 343 —
■ic Albert -Blicke bei Chrhra.
Dein Eughlceriug entnehmen wir einige Notizen über die
ihrer baldigen Vollendung entgegensehende Alberlbrücke über
die Thanns bei Chelsea. deren System und Hauptmaass« fol-
gende, nach der Beschreibung und einer malerischen Perspek-
tive koustruirte Skizze veranschaulichen möge. Sie 7eigt das
». g. System Ordish, nach welchem unter andern die Frauz-Jo-
Brücke hingespannten, ti,\bt m starken Drahtseileu aufgehängt.
Diu Thürme stehen, um die Brückenbahn nicht einzuengen,
ausserhalb der llauptträgcr. Sie bestehen au* einem 1,2-2'»
Durchmesser haltenden gussciseruen Zylinder, um welchen acht
achteckige 0,305'» starke l'fciler iu 0,305'" Abstand vom Kern
gruppirt sind. Am Aufluger der Ketten (18,*)«» Über der Brük-
sepha-Hrücke in Prag ausgeführt ist. Die zu beiden Seiten der
Fahrbahn liegenden Haupttrliger sind mittels gerader, geneigter
Ketten oder Zugbänder an den Spitzen der Thünne aufgehängt.
Die Knden der Trager am Lande sind vertikal
ankert. Da sich lauter Dreiecke bilden, in denen die Thürmn
und die Haupttrliger die gedrückten Stäbe, die geneigten Ketten
die gezogenen sind, so können Schwankungen in Folge schiefer
Belastung nicht eintreten, so lange (bei 3 Oeffnungcn) die
Aussenoffnungen nicht das Uebergewicht über die Mittelüffuung
gewinnen, oder soferu die Stabilität der Zwischcupfeilcr es ver-
hindert. Oh und event. welche Vorrichtungen zur Unschädlich-
machung der Tcuiperaturveräudcrungeu gctroBcu sind, wird
leider nicht mitgetheilt.
Die Querträger sind iu 2.44"" Abstand angebracht Sie
tragen eiue 12,4'J- breite Hrückeubahn, die iu einen 8,23« brei-
ten Fahrweg und zwei je 2.13"' breite Fusswege zerfällt. Die
Tragekctteu bestehen aus je 2 nebeneinander liegenden gewalz-
ten Bandeisen, welche die Haupttrliger zwiseheu sieh fassen-
Im sie gegen Durchbiegung zu sichern sind sie iu Abständen
von je 0.1'" mittels eiserner Zugstangen an zwei über die ganze
kenbahn) sind die Iteidcu sich gpgenüberstehendeu Thürme durch
einen gusseisernen Flachbogon verbunden.
Jeder Thurm steht auf einen zylindrischen gusseiseruen
Pfeiler, der Ml auf den Lomb.nclay hinabgesenkt und mit Kon-
kret ausgefüllt ist. Derselbe hat in seinem Haupttlieil ijü"
Durchmesser: nur der unterste 1,37™ hohe Theil ist ii,4"> weit,
der darauf folgende I..V2™ hohe ist konisch und bildet so den
Uebergang zu dem Haupttlieil den Pfeilers. Die Verankeruug
der Trägereuden erfolgt mittels (t,2'» m hoher, O.'JH 01 weiter, be-
steigbarer Zylinder, welche sich unten zu einer Kammer mit
1,.V2"> Durchmesser erweitern. Sie stehen senkrecht, mit dem
Bodeu 7.'J3" unter der Fahrbahn und sind mit einer Beton-
mas.se umhüllt, welche das für die Verankerung erforderliche
Gewicht hat.
Die Brücke, sChon vor vielen Jahren durch den Prinzen
Albert in Atiregung gebracht, erlangte erst 18C4 ihre. Parla-
meutsakte. Durch das Dazwischentreten des Thames-Embauk-
meut-Projckte* wurde der Bau bis 1870 hinausgeschoben. Man
hofft die Brücke bis Eude des laufenden Jahres zu vollenden.
Digitized by Google
— 344 —
Von allen Drathzugbarrieren mit Schlagbaum haben bislang
diu nach Kirchweger'schcm System konstruirteu den meisten
Auklang gefunden, da sie den erhöhten Anforderungen der Be-
hörden für die Sicherung de« Betriebes am besten entsprechen,
und doch leiden sie, wio alle ähnlichen Konstruktionen, uoch
an drei erheblichen Mängeln:
J. Durch das Kontregewicbt wird der Schlagbaum doppelt
so schwer gemacht, als er zu sein brauchte, und in Folge
davon sind auch alle übrigen Konstruktioustheile. Dnith-
zug, Windetrommel, Rollen, Welle doppelt so stark zu
konstruiren.
2. Die Kraft wirkt stets an dem kleineren Hebelarm, der
ca ' .— 1 it des grosseren, je nach der Breite des zu sper-
renden Weges beträgt.
3. Die zum Schliessen der Barriere zu verwendende Kraft
wird dadurch so gross, das« ein Ruck beim ersten An-
ziehen unvermeidlich ist und in Folge davon das Rdaaan
des Drathzuges immer im Moment des Schlicst-eus, also
gerade wenn die Barriere ihren Dienst thun soll, erfolgt.
Alle diese Uehelstände sind durch die nachfolgend beschrie-
bene und skiz/irte Konstruktion vermieden worden, denn:
1. durch den Wegfall des Kontregewichtes werden alle Kon-
struktionstheile auf das richtige Maass zurückgeführt;
2. die Kraft wirkt stets am 2 Vi- bis 4 fachen liebelarm;
3. beim Schliessen ist überhaupt keine Kraft zu verwenden,
sondern nur beim Offnen, zu wiener Zeit ein H<-issen
des Drathes die Sicherheit des Bahnbetriebes nicht ge-
fährdet.
Die in Rede stehende Konstruktion beruht auf dem Prinzip
des Falles eines materiellen Punktes auf einer geneigten Ebene.
Durch die schräge Lage der Drehaxe ist zu gleicher Zeit die
senkrecht auf ihr stehende geneigte Ebene hergestellt, in wel-
cher der Schwerpunkt der Barriere alle Lagen bis zu seinem
tiefsten Punkt zu durchlaufen bestrebt ist. Den tiefsten Puukt
(Ruhelage) erreicht der Schwerpunkt bei geschlossener Barriere.
Beim Oeffuen wird der Schwerpunkt im Kreisbogen auf der ge-
neigten Ebene hinaufgezogen. Ist sie um geschwenkt (of-
fene Barriere), so muss sie in dieser Lag« durch das Sperrad
der Windetrommel erhalten werden. Der Leituugsdrath ist für
diese Lage stets gespannt, doch nur massig — mit 5 — 10 k .
Das geringste Nachlassen des Leitungsdrathes lässt die Barriere
zur Bewegung kommen; die Bewegung ist sanft und gleich-
Ulässig.
Zu bemerken ist noch, dass ein zwischen den Barrieren
eingeschlossener Fuhrmai>n sich und sein Fuhrwerk durch Auf-
drehen der Barriere leicht befreien kaun, indem er die Kette
am Kopfende der Barriere in den Daumen r (am ersten Leit-
rollenpfahl) einhakt und die Barriere damit feststellt. Sollte
der Fuhrmaun das Abhaken und Schliessen der Barriere ver-
gessen, so besorgt dieses der Wärter mit Leichtigkeit dadurch,
dass er den Kopf der Barriere bis hart an den ersten Leitrol-
lenpfahl heranzieht; dadurch gleitet die Ketle von selbst von
dem Daumen c herunter. Von jeder Bewegung der Barriere
wird der Wärter durch ein Läutewerk tienachriclitigt, dass sich
in unmittelbarer Verbindung mit der Drehaxe befindet und aus
einem gezahnten Rade besteht, das einen Hebel in Bewegung
setzt. Das Läuten beim Schliessen und Oeffnen der Barriere
ist also nicht der Willkuhr des Wärters überlassen.
Der Kloben c zwischen der ersten und zweiten I-eitrolle hat
zwei Funktionen zu erfüllen; er dient als Fangvorrichtung des
zerrissenen Drathes, indem er beim zu schnellen Durchlaufen der
Kette dieselbe mit seinen äusseren Rändern klemmt. Zu gleicher
Zeit dient er in Verbindung mit dem zwischen den I/eitrollen
f und g befindlichen Kettenstück als Kontregewicht gegen das
zwischen dem Kopf der Barriere und der ersten Leitrofle befind-
liche Kettenstück. Wenn nämlich vom Wege aus die Barriere
geöffnet mird (etwa durch einen Fuhrmann), so sinkt der Klo-
ben laugsam zu Boden und zieht das oben erwähnte Ketten-
stück nach sich , so dass es nicht auf dem Fahrdamm liegen
bleiben kann. Alles übrige ergiebt und zeigt die Skizze.
Es kann wohl nicht geleugnet werden, dass die neue Kon-
struktion wesentliche Vortheile gegen die früheren bietet, beson-
ders auch deshalb noch, weil die Kosten derselben nur die
Hälfte von denen der früheren Konstruktion betragen.
Berlin im Oktober U>72.
A. Eichhorn,
Baufahrer an der Berlin - Dresdener Flisenbahn.
Mattheilungen aus Vereinen.
Architekten- und Ingenieur-Verein zu Hannover. Haupt-
versammlung am 9. OktotH-r. Vorsitzender Hr. Baurath Hase.
Nach Erledigung geschäftlicher Angelegenheiten statteten
die Herren Prof. Launhardt und Ingenieur Keck über die
Verhandlungen der Abgeordneten des Verbandes deutscher Ar-
chitekten- und Ingenieur- Vereine zu Karlsruhr Bericht ab,
dessen Wiedergabe wir uns hier versagen kiiuueu, da den Lesern
der deutschen Bauzuitung das offizielle Programm dieser Ver-
sammlung bekannt ist. Ks verdient indes* erwähnt zu werden,
dass sich an die Mittheiluugeu des Hrn. Prof. Lu miliar dt
über den Baumeisterschen Autrag, betreffend die einheitliche
Bezeichnung der metrischen Maassc und Gewichte, eine Debatte
schloss, aus der die Schwierigkeiten zu erkennen waren, welche
einer Einigung im Grossen über die Gleichförmigkeit genannter
Bezeich n uti gen entgegenstehen, indem über einzeln« Punkte in
der von ca. 10 Personen besuchten Versammlung eine über-
raschende Menge von einander abweichender Ansichten hervor-
trat und eine Ucberciustiinmuug nur darüber vorhanden zu sein
schien, dass es zweckmässig sei, die für den Zentimeter ange-
nommene Bezeichnung «■ in cn > umzuwandeln.
Auch der Bericht über die Bcratüuug des Musterschutzuu-
trages gab Veranlassung zu einer kurzen L>iskussion, bei wel-
cher der Vorsitzende und Hr. Baurath Köhler dem gänzlichen
F'ortfall jeder Art von Musterschutz energische Fürsprache zu
Thell werden Hessen. Für diese sowie die übrigen wichtigeren
Fragen der Karlsruher Verhandlungen wurde eine eingehendere
Besprechung an einer der nächsten llaupt-Versammtuiigeu in
Aussicht genommen.
Nach Beendigung des Berichtes wurden durch Abstimmung
■I Bewerber als Mitglieder des Vereins aufgenommen, worauf
Herr Baurath Hagen noch einen Vortrag über den Stund der
Vorarbeiten hielt, welche für das Projekt einer Wasserversor-
gung Hannovers gemacht sind. — oe —
Are bitekten- Verein zu Berlin. Versammlung am 12. Ok-
tober 1872; Vorsitzender Hr. Quassowsk i, auweseud 174 Mit-
glieder und U Gäste.
Unter den Mittheilungen, mit denen der Hr. Vorsitzende die
Versammlung eröffnete, ist leider die Nachricht von dem Tode
eines Vereins-Mitgliedes, des Ober-Betriebs-Insp. d. Berlifl-Pots-
dam-Magdeb. Kisenb., Hrn. Klewitz zu verzeichnen. Hr. Ar-
chitekt Victor Schröter zu St Petersburg hat 3
phien nach den Zeichnungen einer von ihm erbauten ]
llolzkircliu eingesandt.
Hr. Adler berichtet über die bis jetzt für diesen Winter
angemeldeten Vorträg« und regt au, dass uuter diesen womög-
lich auch einige Fragen behandelt werdeu möchten, die geeignet
sind iu einer vielseitigen und fruchtbringenden Diskussion er-
örtert zu werden. Als eine solche Frage beabsichtigt er seiner-
seits das für Berlin gegenwärtig so wichtige Thema der «Woh-
nungsfrage" vor das Forum des Vereins zu ziehen.
Unter Auslegung einiger Photographien vou der Mont-Cenis
Eisenbahn äussert sich Hr. Mackeuthuu über die durch den
neuerdings gemeldeten Uufull wahrscheinlich wieder in das Ta-
gesgespräch tretenden Befürchtungen, welchu in Betreff des Be-
triebes durch den Mont- Ccuis-Tunnel gehegt werdeu. Nach
seiuer Ansicht ist derselbe im Verhältnisse durchaus ebenso
gefahrlos und mit ebensowenig Belästigungen für die Reisenden
verbunden, wie die Fahrt in jedem andern Tunnel. Die einzige
Möglichkeit einer Belästigung könnte durch den Rauch der Lo-
komotive herbeigeführt werden, dies jedoch bei dem Ouer-
schnitte des Tunnels auch nur in dem gewiss sehr seltenen
Falle, dass eine bestimmte ungünstige Windrichtung die sonst
sehr kräftige Ventilation für einige Stunden ganz verhinderte
und somit Veranlassung gäbe, dass der Rauch aller inzwischen
durch den Tunnel passirenden Züge in demselben sich auf-
speicherte. Auch in diesem Falle würden jedoch nur die Ma-
schinisten etc. betroffen werden, kaum aber die Passagiere.
Der weitaus grösste Theil des Sitzungsabends wird durch
einen Vortrag des Hrn. .1. W. Schwedler ausgefüllt, in wel-
chem derselbe über das Ergebniss seiner, im Vereine mit meh-
ren anderen der ersten wissenschaftlichen Autoritäten Berlin'*
(Ilagen, Helmholz. Dove) unternommenen Studien und Versuche
über Akustik einige Mittheilungen geben will. Das Thema an
und für sich, zumal jedoch der vorläufig behandelte Theil des-
selben, der sich ausschliesslich auf die Theorie des Schalles in
ihrer wissenschaftlichen Begründung erstreckte, lässt ein Referat
au dieser Stelle nicht zu. — F. —
• Vermischtes.
Organisation des Landstrassenbaues In der
Hannover. In der gegenwärtigen Sitzungsperiode des Hanno-
verschen Proviiizial-Laiidtages finden Verhandlungen wegen
L'ebcrnahme der technischen Leitung des Landstrasseubaues,
mit Ausnahme der Staatsschausseen, auf die Provinz statt.
Bisher war der finanzielle Theil des Ausbaues der Laudstrasacn
auf den der Provinz überwiesenen Proviuzialfouds angewiesen,
während die technische Leitung durch die von Seiten des
Staates angestellten Kreis - Baubeamteu besorgt wurde. Huttc
diese Zweitheilung an sich schon ihre Uuzutiäglichkeiteu, so
wurden dieselben doch bei der grossen Ausdehnung, welche
der Laudstrusscubau iu den letzten Jahren annahm, und der
dadurch den Kreis-Baubeamtcu auferlegten Arbeitsüberbürdung
wesentlich gesteigert, so daas bei dem notorischen Mangel
technischer Kräfte eine Stockung in den Bauausführungen zu
befürchten war. Der Proviuzial-Laudtag erbot sich, diu Kosten
der technischen Leitung dieser Bauten auf den Proviuzialfouds
zu übernehmen und ein eigenes Personal vou Wejjebautech-
uikerti anzustellen. Die Staatsregieruug ist diesem Vorschlage
bereitwillig entgegengekommen und finden wie erwähnt, gegen-
wärtig die Verhandlungen hierüber statt. Es wird beabsichtigt
in der Provinz 12 Laudstrasseu- Baubezirke mit den Hauptorten
Digitized by GooqI
— 345 —
Hannover. Bassum, Ilildcshcini, Northeim, ('olle, Uelzen. Lüne-
burg, Verden, Stade, Osnabrück, Luigcti, Aurich zu errichten
und go incl. einer Stelle heim Landesdirektnrium 13 Wegebau-
Inspektor-Stellen mit HOO bis 1500 Thlr. Gehalt, -200 Thlr. Bu-
reankosteneelder und Pensionsberechtigung zu besetzen. Neben
diesen Inspektor-Stellen sollen noch 7 Wegebau-Kondukteure
mit durchschnittlich 1000 Thlr. Gehalt angestellt werden. Für
die ganze Verwaltung ist incl. der Reisekosten-Entschädigungen
etc. ein Betrag von 36000 Thlr. in Aussicht genommen.
Die anzustellenden Beamten haben, sofern sie nicht die
staatliche Qualifikation als Baumeister besitzen, ein eigenes
Examen beim Landesdirektorium, dessen Spezialitäten noch nä-
her zu bestimmen sind, abzulegen.
In welchem Aufschwünge sich der Laudstrassenbau in der
Proviuz Hannover befindet, zeigt der Umstand, das» im Jahre
1869 18 Meilen. 1870 21 Meilen, 1871 26',', Meilen Strassen an-
schlagmässig ausgebaut worden sind. Von wesentlichem Ein-
flüsse auf dieses günstige Resultat sind die im Jahre 1869 auf-
gestellten Nonnen für die aus dem Provinzialfonds zu bewilli-
genden Beihülfen zum Landstrassenbau gewesen- Nach diesen
Normen steigen die zu gewährenden Bcihülferi
en Fällen allgemeiner Nützlichkeit der Anlage, oder
besonderer Bedürftigkeit des Verbandes, mit den Anstrengungen,
welche die einzelnen Wegcverbände aus eigener Initiative
machen, und zwar derartig, dass bei Aufbringung von 4 Umla-
gen 30"',, bei S Umlagen 35%, bei (> Umlagen •10%. bei 7 Um-
lagen 45%, bei H Umlagen 50% und ferner für jede weitere
Umlage 10% mehr bis zu 90% bei 12 Umlagen gewährt wird.
Eiue solche Umlage wird nach der zu entrichtenden Grund-
und Gebäude-Steuer, sowie der Hälfte der personlichen Abga-
ben bemessen, und zwar so. dass vom ersten Thaler der Summe
dieser Abgaben 4 Gr. und von jedem ferneren 10 Gr. 4 Bf. zu
zahlen sind, ein System, welches mit Rücksicht darauf, dass der
hoher Besteuerte "die Strassen mehr benutzt als der niedriger
Besteuerte, allerdings nicht ganz gerechtfertigt sein dürfte,
E. F.
Verwendung alter Eisenbahnschienen beim Wehrhau.
Bei dem Reparaturhau eines Wehres in der Weser ist es mit
günstigem Erfolge versucht worden, das Holzwerk, welches
früher durch den Eisgang viel
zu leiden hatte, durch An-
bringung alter Eisenbahn-
schienen gegen diese Be-
schädigungen zu schützen.
Wie die Skizze zeigt, sind
die alten Schienen auf dem
oberen Bohlenbelage in der
Richtung des Stromes ange-
bracht. Die Länge der ein-
zelnen Streck«' ist gleich einer
haltton Scbieuenlfiugc, also
gleich circa 3™. Die Ent-
fernung der einzelnen Schie-
nen beträgt circa 2,5"; be-
festigt sind dieselben an dem
Bruchende durch einen star-
ken Schrauhcnholzcn und in der Mitte durch zwei Schienennägel.
Der Erfolg ist im vorigen Winter ein sehr günstiger gewesen,
die Eisschollen gleiten auf den Schienen entlang und Iteschädi-
gen das Holzwerk fast gar nicht. E. F.
Aufsatz in Nu- 41 diene* Blattes über Massenberechnuugeu mit-
tels des Piaiiimeters direkt aus den Längcnnivclleuientspläuen
hat der Verfasser übersehen, dass die Querprofile von Dämmen
und Einschnitten nicht im einfachen Verhältnis* der Hohen,
sondern im Quadrat der Hohen zunehmen, dass mithin die aller-
dings richtig bestimmte mittlere Hoho für die Berechnung von
Massen auf eine grossere Länge in der angegebenen Weise nicht
benutzt werden kann. Wenn auch diese, immerhin unrichtige
Berechnungsweise mit gemittelten Höhen für kurze Damm- (Hier
Einschnittsabschnitte eingeführt und zulässig ist, so darf man
sie doch nicht auf grossere Längen , wo die Höhenunterschiede
zwischen je 2 Qucrprofilen bedeutender werden, anwenden, weil
wie gesagt der Fehler mit dem Quadrat der Hohe wächst.
Will man die Massen direkt auf den Längen -Nivellements
mittels des Planimeters bestimmen, so kannte man auf folgende
Weine verfahren :
Man trägt von einer Horizontalen aus in gleichen Entfer-
nungen nach unten resp. oben die Damnihohen resp. Einschnitts
tiefen von 0 — A glcichmässig zunehmend in dem Hohenuiaass-
stabe des Nivellements als Ordinaten auf und über resp. unter
der Horizontalen die zu jeder Profilhohe gehörenden Flächen-
inhalte, durch vertikale Linien dargestellt, im beliebigen Maass-
stalw auf. Die Profilhohen werden dann durch eine gerade
Linie, die durch Linien dargestellten Flächen durch eine Kurve
begrenzt. Trägt man nun mittels einer solchen etwa auf Pans-
leiuwand gezeichneten Figur in jedem Punkte des Längen-
Nivellements die den betreffenden Profilhoheu entsprechenden
Flächeninhalte vom Planum aus nach oben resp. unten hin auf,
so repräseulirt dio dadurch erhaltene Fläche den Kubikinhalt
zwischen beliebigen Prulilen- Diesen Flächeninhalt wird man
am schnellsten mittels des Planimeters unter Berücksichtigung
des für die Darstellung der Flächeninhalte gewählten Maasstabes
' b. - Wenn mau die den Flächeninhalt der Profile darstel-
lenden Vertikalen nicht polvgonartig durch gerade Linien, son-
dern durch Kurven, die sich mit ziemlicher Richtigkeit werden
zeichnen lassen, verbindet, so würde man durch diese Methode
die Massen noch richtiger bestimmen können, als es die gewöhn-
liche Berechnungsweise mit gemittelten Hohen oder Profilen ge-
stattet R.
Aus der Fachlitteratur.
Zeitschrift des Architekten- und Ingenieur-Vereins zu
Hannover. Jahrg. 1872, Heft 1 und 2.
A. Aus dem Gebiete des Ingen ieurweseus.
7. Die Anlage eiues Produkten- und eines Ran-
&irbahnhofca in Verbindung mit der Zentralstation
annover; von Baumeister Mchrtcus und Ingenieur
Arntzun.
Von dem Umwandlungsprozess, in welchem sich sümmtliche
einigermaasseu bedeutende Bahnhofe der älteren Bahnen jetzt
mehr oder weniger heliuden, stellt der Bahnhof llanuover eiu
höchst interessantes und lehrreiches Beispiel dar.
Da eiue Erweiterung des Bahnhofes an seiner alten Stelle
nicht möglich war, musste die Trennung der einzelnen für Per-
sonen-, Güter-, Produkten- und Rangirverkehr erforderlichen
Anlagen ins Auge gefasst werden. In unveränderter Lage konnte
fast nur der Personenbahnhof erhalteu werden, während die
Produkten- und Rangirgelcise, (letztere zu einem vollständigen
Rangirbahnhof erweitert) nach Westen hinausgeschoben werden
mussten. Die Richtung dieser Verschiebung war, abgesehen
von andereu Gründen, dadurch bedingt, dass östlich von dem
alten Bahnhof die Einmündung der Bahnen vou i asscl und
Hameln in die Hauptbahn (vou Lehrte) stattfindet.
Der Raugirbahiihof, welcher mit dem Zeutrulbahubof ausser
durch die Hauptgeleise noch durch zwei seitlich, rechts und
links von diesem liegende Geleise, die s. g. Gütcrgelcise ver-
bunden ist, besteht aus 4 von einander getrennten Systemen
von Raugirgeleiseu, 2 nOrdlich, 2 südlich der Balm nach' Minden
belegen. Zur Verbindung der beiderseitigen Systeme dient eiu
Geleise, welche* die Hauptgelcise mit der Neigung 1 : 5 kreuzt.
Diese Spaltung des Rangirbahnhofes durch die Hauptgeleise hat
sich indess als nicht zweckmässig erwiesen.
Auf die übrigen Einzelnheiten der Bahnhofsanlage, welche
in erwünschter Ausführlichkeit beschrieben werdeu, und zu
welcher auch eine Strassenüberfuhrung mit eisernem und eine
Fusswegüberführung mit hölzernem Leber bau gehören , näher
einzugehen, würde hier zu weit fuhren. Es sei nur noch auf
deu Produkteubahuhof hingewiesen, welcher den gegebenen
Platz recht gut ausnutzt, und — wo es sich um Minima von
Abständen zwischen Ladegeleisen handelt — als Beispiel heran-
gezogen werden dürfte. Die Länge der Produkteugeleise reicht
jedoch schon jetzt nicht mehr aus.
Sehr bedeutende und durchgreifende Aenderungen und Er-
weiterungen müssen demnach nuch in'« 1-elien treten, ehe der
Umbau des Bahnhofes Hannover als vollendet zu betrachten ist.
8. Die Eiseubahnbrücke über den Georgs vehn-
Kanal in der Oldenburg-Leerer Eisenbahn: von Ober-
Baurath Buresch.
Für den 6,05™ im Lichten weiten Schiffsdurchlass der
Brücke ist das in Holland schon mehrfach ausgeführte Krahn-
priuzip gewählt wordeu, welches bekanntlich darin besteht, dass
die beiden um eine Wendesflule drehbaren, je eine Schiene des
Bahngeleises tragenden Brückenträger nicht in feste Verbindung
miteinander gebracht, sondern mittels beweglicher Staugen,
ähnlich den Lenkschienen einer Weiche, so miteinander gekup-
pelt sind, dass sie beim Aufdrehen sich vor dem Widerlager
unmittelbar nebeneinander legen.
Zum Anheben der freien Trägerenden behufs Feststellung
der Brücke, wozu bisher meist Excentrics verwendet sind, dient
hier ein Keilmechauismus, der sich vollständig bewährt hat.
Der Aufsatz, welcher mehrfach auf Verbesserungen hin-
deutet, deren die im vorlicgeu/leii Falle gewählte Konstruktion
noch fähig ist, dürfte dazu dienen, dem Ökonomisch unzweifel-
haft empfehlenswertheu Krahnprinzip in Deutschland mehr Ein-
gang zu verschaffen.
9. Zur Theorie des Erddrucks; von Baurath Mohr.
Nachtrag zu desseu Aufsatz Uber denselben Gegenstand im
Jahrg. 1871 der Zeitschrift
B. Aus dem Gebiete des Hochhaus.
Villa Cahn in Plittersdorf hei Godesberg am
Rhein; von Baurath Oppler zu Hannover.
Der einzige architektonische Beitrag, welchen das erste
Semester der Zeitschrift diesmal enthält, giebt in vortrefflicher
Photolithographie von Lneillot in Berlin das Bild einer in deu
Jahren 1808 bin 1S72 errichteten Villen-Anlage, deren äussere,
reich gruppirte Firscheinung den malerischen Charakter der
mittelalterlich rheinischen Bauten mit Glück festzuhalten ver-
sucht. Die Ausführung ist in verschiedenfarbigem trefflichen
Steinmaterial mit steiler Schieferbedachung bewirkt, das Innere
unter durchgängiger Anwendung von Hol z-Paonoeleii und echten
Holzdecken bis aufs Kleinste in gotbischeui Stile durchgeführt.
Die Baukasten des Hauses haben pro Ii™ Grundfläche etwa
100 Thlr., die der Terrasse, welche die Villa mit dem Rhein-
ufer verbindet, für sich etwa 6500 Thlr. betragen.
Unter den kleineren Mittheiluugcu der Zeitschrift, die unter
der Redaktion von Professor Launhardt ersichtlich einen
neuen Aufschwung nimmt, sind die Referate aus der Fach-
Digitized by Google
- 346 -
littcratur zu erwähnen, die in ihrer gegenwärtigen Vollständig-
keit und bei der übersichtlichen Anordnung iu uueh dem Stoffe
verschiedenen Gruppen ein Gesaiuintbild des iu den Haupt-
fachzeitschriften gelieferten Materials geben, wie es in ähn-
licher Gediegenheit wohl nirgend anders zu finden ist.
Von den lieiden bisherigen Supplementen des Blattes „Bei-
träge zur Förderung der Kunst in den Gowerken" und .die mit-
telalterlichen Baudenkmäler Niedersachscns - ' ist das erste, in den
letzten Jahren ins Stocken gcrathenc Unternehmen von der
Zeitschrift uuutnehr ganz getrennt und erscheint unter dem
Titel „Die Kunst im Gewerbe" von Baurath Oppler redigirt
in Vierteljahreshctteu. Wir behalten uns vor, spater auf das-
selbe zurückzukommen.
Die Publikation der mittelalterlichen Baudenkmäler Nicder-
sachsens wird mit je einem Jahreshefte durch Baurath Hase
fortgeführt nie beiden letzten Hefte (pro 1870 und 71) ent-
halten die Darstellung und Beschreibung der Stiftskirche
iu Gandersheim von K. Honrici, Stadtbaumeister zur Har-
burg, der St. Martinikirche zu Moringen und der Ka-
pellen zu Nienhagen und Oldenrode von Hauralh Hase,
und des Doms zu Minden von Architekt P. Tornow — leider
mit lithographischen Darstellungen, die an Korrektheit viel zu
wünseheu übrig lassen. Eine Darstellung im Wege der Auto-
graphic, beziehungsweise der Gravirung auf Stein, wie sie Franz
Schmitz in Colli für sein Dorowerk anwendet, würde sicher
Kesultaten führen. — X —
„Sohbblor über Eisenbahnen von lokalem Interesse.
Stuttgart. 1 Thlr." — „v. Weber, Die Praxis des Baues und
Betriebes der Sekundär bahnen, Weimar. 1 Thlr."
Seitdem Plessucr seine Brocbürc über .Herstellung billi-
ger Lokal- und Nebenbahnen • im Juhre 1870 veröffentlichte,
hat sich üt>er dieses Thema eine eigene Littcratur gebildet
(Weber zählt allein 45 No, in seiner Littcratur -Nachweisung
auf, wobei allerdings eine An/ahl brieflicher Mitteilungen ein-
gerechnet ist), unii wahrend bisher nur Stimmen für den Ge-
genstand laut wurden, sehen wir in den vorliegenden beiden
Werkchen die entgegengesetzte Ansicht, wenn auch in verschie-
dener Schärfe, vertreten.
Schübler räumt noch den sekundären Eisenbahnen eine,
wenn aucli beschränkte Wichtigkeit für das Verkebrsleben ein,
v. Weber dagegen spricht denselben bis auf engbegrenzte Aus-
nahmen jede Berechtigung ab. Wie so oft, dürfte auch hier die
Wahrheit in der Mitte liegen, und scheint dem Referenten das
Schübler'schc Buch den richtigsten Standpunkt in dieser Be-
ziehung einzunehmen. Es ist durchaus nicht zu läugnen, dass
in einzelnen Fällen theils wegen der Neuheit, theils aber auch
aus persönlichen, bisweilen sogar nicht ganz lauteren Motiven
die Bedeutung eines Netzes von Sekuudfir-Eiscuhahucu wesent-
lich vergrössert dargestellt worden ist (mau vergleiche die Re-
klame, welche gegenwärtig für das Unternehmen der Schweize-
rischen Sekundärbahuen in der Tageslitteratur gemacht wird).
Andererseits beisst es aber auch die Augen absichtlich ver-
schliessen, wenn man nicht die wesentlichen Vortheile anerken-
nen will, welche ein System von Sekundärbahnen den von ihnen
durchzogenen Gegenden und den benachbarten Hauptbahnen
als Zubringer gewähren würde.
Mag es immerhin wahr sein, dass eine Sekundärbahn
schneller in ihrer Leistungsfähigkeit, als in ihren Anlage- und
Betriebskosten im Vergleich zu einer Hauptbahn abnimmt, so
bietet eine Sekundärbalin doch wieder eine ganze Reihe von
Vortheilen, welche durch eine Hauptbahn nicht zu erreichen
sind. Die Leichtigkeit, mit welcher eine Sekundärbann der
Tcrraiuformation folgen kann, gestattet derselben eine Menge
industrieller Etablissements auf ihrem Wege direkt zu berühren,
ja sogar solche Etablissements aufzusuchen, welche bei Anlage
einer Hauptbahn nur mit unverhältnissmässigcn Kosten durch
Schienenstränge mit derselben in Verbindung zu bringen wären.
Eine Sekundärbahn kann leichter vorhandenen Wegen, Dämmen,
Grenzen folgen. Wenn auch diqsn Objekte nicht als üahnkörper
beuutzt werden, so wird doch durch das Anschliessen an den-
selben die Entstehung von Trcnustückmi vermieden. Da mithin
den Besitzern hierdurch weniger Unzuträglichkeiten bereitet
werden, so wird der Grunderwerb leichter und billiger zu be-
wirken sein, denn das neue Expropriationsgcsctz wird den
Plessncr' sehen Wunsch wohl unberücksichtigt lassen, nach wel-
chem bei Berechnung der Entschädigungssumme auch der durch
die Anlage der Bahn gesteigerte Werth des Reststückes in An-
rechnung anf die zu zahlende Summe gebracht werden soll.
Freiherr von Weber würde übrigens zu einem wesentlich
anderen Urtheil über die Zweckmässigkeit der Sekundärbahuen
gelangt sein, wenn er au diese Bahnen nicht dieselben Anfor-
derungen in Betreff der Fahrgeschwindigkeit und Bequemlich-
keit wie au eine Hauptbahn gestellt hätte; Anforderungen, deren
Berechtigung und Erforderniss nicht recht einleuchten will
Für Gegenden, welche bisher auf die Transportmittel der Fahr-
post und des Lastfuhrwerks augewiesen waren, ist es bcIhiii ein
wesentlicher Gewinn, wenn auf einer Sekundärbalin Personen
und Güter mit einer Geschwindigkeit von 2'/i bis :s Meilen oder
lö bis 23 i n f | nr Stunde befördert werden können.
In beiden Werken sind eine Anzahl älterer deutscher Bah-
nen in ihren Anlage- und Betriebskosten zur Verglcicbung mit
Sckundärbalinen neueren Datum? herangezogen worden, und
nimmt es uns Wunder, in Ix-ideu Zusammenstellungen die Cott-
bus-Grosseuhainer Eiseubahu nicht zu finden, da dieselbe wegen
Billigkeit des Baues, sowie der Geldbeschaffung unbedingt al-
mustergiltig aufgestellt werden kann und das betreffende Mate-
rial durch die Broschüre des Baurath Boeder über diese Eiseu-
bahu leicht zur Hand war. Ganz unzutreffend zur Vergleichung
dürfte dagegen die Heranziehung der Uiesluu-Scliweidniti- Frei-
linger Eisenbahn sein, einer Bahn ersteu Ranges, was deu
Verkehr anbelangt, welche die bedeuteudeu uicdorschlcsischeii
Kohlenreviere mit Breslau, der zweiten Stadt Prcusscus, und
der Regierungsbezirks-! lauptstadt Liegnitz verbindet, dabei (ie-
gendeu und Badeorte berührt, welche in jedem Sommer einen
btrom von Reisenden der Bahn zuführen. E. F.
Personal - Nachrichten.
Deutsches Reich.
Ernannt: Der Königl. bayrische Ingenieur - Assistent
Schneidt zum Eisenbahn-Baumeister bei den" Keichs-Eiseubah-
nen in Elsass-Lothringen iu Met*.
Preusson.
Ernannt: Der Baumeister Garcke zu Magdeburg «um
Eisenbahn- Baumeister bei der Bergisch - Märkischen Eisenbahn
iu Esweiler: der Baumeister Schönrock zu Kiel zum KreL*-
baumeister in Deutsch- Grone; der Wegebau -Kondukteur Bor-
chers iu Hannover zum Kreisbaumeister iu Köln; der Kreil -
baumeister Herschenz zu Gnesen zum Bauinspektor daselbst;
der Kreisbaumeister Fftlschc in Bartensteiu zum Bauinspektuf
in Belgard; die Ober-Bauinspektoren Peters iu Oppclu, Hau-
stein iu Posen und Muyschel iu Broniberg zu Rcgierungs-
und Baurätheu iu Op|telu, Posen und Bromberg; der Bauiuspek-
tor Blut Ii zu Neu-Rupptu zum Wasserhau-Iusjtektor iu Stralsund
Versetzt: Der Eiseubahu- Baumeister Kahle vou Arns-
berg nach Elberfeld; der Eiseubuhn-Iiaumeister Schmidt« von
Elberfeld nach Arnsberg; der Eisenbahn -Baumeister Salti;
von Stadtberge nach Meschede; der Eimibahn-Baumeister Kot-
tenhof von Stadtberge uach Nicdcr-Marsberg.
Die Baumeister -Prüfung haben um a. und 12. Oktober
c. ubgelegt: Bauführer Carl Gamper aus Marklissa; Bauführ«
Paul Gustav Bischof aus Ei nen bei Schönebeck.
Brief- und Fragekasten.
Konkurrent zum Arndt-Denkmal. Ihr Schreiben ist
nach Ihrem Wunsche dem Komite in Bergen übermittelt wor-
den. Worin der Grund der ullerdiugs unverantwortlichen Nach-
lässigkeit liegt, dass die Konkurrenten noch nicht wieder im
Besitz ihrer Pläne sind, ist uns unerfindlich.
Hrn. Gt. in Guben. Die von der Berliner Abfuhrgesell-
schuft tienutzten Tonnenwageu siud vou Eckert oder von dir
Firma Schneitier 4 Andre« (Mullerstr. 17'JbA welche die zuge-
hörigen Pumpen liefert, gebaut; doch siud die KckcrtVk-u
Wagou mit eisernem Tonuengefäss vorzuziehen. Eine Puuiin»
und die entsprechenden 2 Tonueuwageu kosten etwa lfiOO Thlr-
Hrn. J. iu Cöln. Auf deu hiesigen grösseren Ateliers
haben sich zur Aufbewahrung vou Zeichnungen Schubladen mit
uiederzuklappeuden Stirnbrettern am Meisten bewährt
Abonnent iu Hamburg. Gute Stellungen für Tech-
niker im Auslände werden wohl selten auf Angebot, sondere
eher durch Meldung auf Nachfrage zu erlangen sein. Da dV
deutsche Bauzeituug Leser in allen Welttheileu hat, so ist ein«
Offerte in derselbeu vielleicht nicht ganz aussichtslos; für dir
Gegenden, welche Sie speziell im Auge haben — Südaroerika
oder die englischen Kolonien dürfte eine Annonce in den Tim**
am Zweckentsprechcuditeu sein.
Hrn. P. in Bcrliu. Es ist uns nicht bekannt dass du
im Laufe der letzten Jahre mehrfach ventilirte Projekt, die Häu-
ser der Schlossfreiheit iu Berlin entweder ganz zu rasiren, «der
durch einheitliche niedrige Bauten zu ersetzen ernstliche Aus-
gichten auf Durchführung hätte, und wir haben in Folge de*s<s
vermieden dasselbe zum Gegeustaudc einer Besprechung ■
macheu, die sich mit demselben Rechte auf 100 andere PhauUfl''-
Gebildc erstrecken könnte. Dass der gegenwärtige Zustaod
dieses Theiles unserer Stadt ästhetisch befriedige, kann aller-
dings Niemand behaupten, im Gegentheilc giebt es wohl kein
schlimmeres Beispiel für die Kohlieit uud Lächerlichkeit eimr
Facadendekoration in antikem Stile iu Verbindung mit dor
polizeilich vorgeschriebenen Brandgiebel - Bauart Andererscfc
können wir auch keineswegs der Ansicht beipflichten, dass ein
freier Quai oder eiii niedriger Trakt von Restaurations-Ilalin
aus Glas und Eisen hier das Wünscheuswertbe wäre. Die im-
[sisante Erscheinung der Schlosskuppel beruht nicht zum 8*
ringsten darauf, dass sie über den Häusern der Sclilüäsfreilirit
hervorschaut und nach dem Maasstals- derselben beurtheilt wird
wir möchten ernstlich bezweifeln, dass der freie Blick auf du
als Unterbau dieser Kuppel benutzte Triumphbogen - Portal
Eosauders von Göthe ein bcfriedigcrciidea Arcliitekturbild ge-
währte.
Mehre Leser. Nur uugeru haben wir die Fortsetiur.c
des Artikels über das Prcussische StaaUhauwesen ausgesetzt
doch Hess sieh ein Nebeueiuaudergehen desselben mit unsere
Berichten über die Carlsruher Versammlungen leider nicht er-
möglichen.
Beiträge mit Dank erhalten vou den Herren K. in Alten
bürg, E. in Börnberg.
: »0« C.rl Hr.llt. In B-rlln.
Digitized by Google
Jahrg. ?|. M 43.
DEUTSCHE BAUZEITUNG
101.
B«it«l)iir>f*n
uth-rn" »ifn.n »II«* K.».(arnlaltrn
Ilj.-lili»iii1a,n<i-n,
Organ des Verbandes
deutscher Architekten - und Ingenieur-Vereine.
Redakteur X. E. 0. Fritsch.
Icurat«
für dl» Int der dr.Uta«
kls|.|liir.f Und.« Aafnanin.
In d.r Srtlli - »nlut :
.B»n-An«!l(tor"
»% Ur pr.
Preis I Thaler pr« Quartal.
Berlin, den 26. Oktober 1872.
Erscheint jeden S«nnahend.
Tnhalt: XVI. Wt»,
Ar.lm.kl.n
In«.-
•KSmMMI
, tu K»rl»ry»o. (Kchla«.} - Dm II««,«.
»Irunii ioii Städten. - Millh.lluiiit.il in V.r. Inen:
Der A»ch.n«u«pf ir.nilrin)-
iibrr die Kinwlrkui
NirhrldKlrl. Brief- uml F ra Kek »»I r •
Die XVI. Wand«
rrrrsanmlung deutscher Architekt™ und Ingenieure zu hur Km he.
ISrlilii»«).
lila.
1> i e Sitzungen der Alitlieilung für
Architektur. (Sehlnss.)
Die Verhandlungen des zweiten Versammluiigstages be-
gänne! mit einem Vortrage, durch welchen Hr. Bau rat h
Hase (Hannover) die von ihm Namens der Abgeordneten-
Versammlung des Verbandes eingebrachte Resolution in Be-
treff des Verfahrens bei der Konkurrenz zum deutsrhen
Ueichstagshansc ltegriindeti». Sicherlich mnsste es den Werth
dieser Kundgebung nicht wenig erhöhen, dass sie von einem
Manne vertreten wurde, der unter den Architekten Deutsch-
lands eine so hervorragende Stellung einnimmt und durch
eine so oftmalige Beteiligung an Konkurrenzen — sei es
als Konkurrent oder als Freisrichter — Gelegenheit zu
reichster persönlicher l'rfahruug auf diesem Gebiete ge-
habt hat.
Der Redner bezeichnete als die Hauptfehler, welche bei
bei der Einleitung und Durchführung von Konkurrenzen
gemacht zu werden pflegen, die zu wenig sorgfältige und
«rundliche Vorbereitung des Programms, die Zusammen-
setzung des Schiedsgericht.* mit einer überwiegenden Zahl
von Laien, endlieh die Versrhweigimg der Gründe, welche
die Entscheidung des Schiedsgerichts herbeigeführt halten.
In Betreff der Erfahrungen, welche bei internationalen Kon-
kurrenzen gemacht zu werden pflegen, erinnerte er au die
weiland Hamburger Rathhaus-Konkurreuz, an welcher Archi-
tekten von 4 Nationalitäten sich Itethciligt hatten, aus denen
demnächst je einer, ein Engländer, ein Franzose, ein Russe
und ein Deutscher prämiirt wurde.*)
Nach einer kurzen historischen Darlegung über die Be-
strebungen zur Besserung des Konkurrenzverfahrens, welche
auf der XV. Wanderversammlung in Hamburg zur Aufstel-
lung unserer .Grundsätze für das Verfahren bei öffentlichen
Konkurrenzen" geführt halten, konstatirte der Redner deren
Nichtberücksichtigung Itei der letzten grossen Konkurrenz für
Entwürfe zum Hause des deutschen Reichstages und erläu-
terte die Notwendigkeit, dass die Vertretung der deutschen
Architcktcnschaft — nicht zum Schutze einzelner Fersonen.
sondern zum Schutze der Kunst ■ — gegenüber einem solchen
Verfahren ihre Stellung wahre.
Die Annahme der Resolution erfolgte ohne jeden Wider-
spruch mit einmüthiger Zustimmung; nur dass Hr. Kayser
( Elberfeld ) im Sinne des später von ihm in der Gesammt-
sitzung eingebrachten Zusatz -Antrags sich äusserte und Hr.
Tochtermann (Aachen) sich beklagte, dass die Fachpresse
bei Besprechung neu eröffneter Konkurrenzen nicht immer
ihre Schuldigkeit Ihne, ** )
Da das Frogramm der Abtheilung hiermit bereits erle-
digt war. so forderte der Vorsitzende die Versammlung auf,
ans ihrer Mitte heraus Fragen zur Erörterung zu stellen.
Hr. Bauamtmann Streiter (Aschaffenburg) schlug als eine
solche Frage die der Entstehung und Beseitigung, beziehungs-
weise Verhütung des Haussehwarames vor, der in seiner
Heimath neuerdings eine erschreckende Ausdehnung gewon-
nen halte, seitdem die Forstwirtschaft im FiehteUrehirge
und Frankenwaldo sich an die Forderungen der Bautechnik
nicht mehr kehre, sondern Bau- und Brennholz gleichzeitig,
d. h. im Saft sehlagen lasse. Die Ansichten des Redners,
dass die Haiiptursache des Schwämme« in der Beschaffen-
heit des Holzes zu suchen sei, welches in den geschlossenen
Bestanden der Forsten seine .lahrringe zu schnell ansetzt
und nicht völlig reif wird, dass man daher zur Verhütung
des Schwamines vorzugsweise auf die Herkunft und 'Beschaf-
fenheit des Bauholzes zu achten halte, wurden von anderer
Seite durch Mittheilung der Erfahrung bekämpft, dass völlig
Irisches, im Safte geschlagenes Holz sich mehrfach unver-
sehrt erhalten halte, wo altes trockenes Holz ganz zerstört
wurde. Es wurde darauf hingewiesen, dass der Schwamm
nach den vielseitigsten ültereinstimmenden Erfahrungen nie-
mals im Holze selbst entsteht, sondern meist aus der Auf-
füllung oder dem Mauerwerk, nach anderer Ansicht stets
;ms dem Untergrunde emporwächst, und dass als bestes
Mittel zur Verhütung und Beseitigung des Schwamines sich
noch immer die Anordnung einer entsprechenden Ventilation
bewährt habe.
Da die Meinungen der verschiedenen Redner weit aus-
einandergingen, so wurde auf Antrag von Hrn. Banrath Hase
beschlossen, die Besprechung abzubrechen und die Frage
erforderlichen Falls wohl vorbereitet in wissenschaft-
licher Behandlung vor die nächste Versammlung zu bringen.
Kine gleichfalls von Hrn. Streiter angeregte Erörterung
über die Einführung des einheitlichen Ziegelformats wurde
von dem Vorsitzenden Hrn. Boeekmann durch die Mit-
teilung abgeschnitten, dass diese Frage in dem hierbei vor-
zugsweise betheiligteii Norden von Deutschland fast völlig
gelöst sei. Es folgten schliesslich einige an den Vortrag des
Hrn. Frofessor Meidinger angeknüpfte Fragen und Erör-
terungen, nach deren Erledigung in Krmangclung weiteren
Stoffes die Verhandlungen der Abtheilung geschlossen wurden.
Die durch diesen unerwartet zeitigen Abschluss der Be-
rathungen frei gewordenen Morgenstunden des dritten Ver-
samraluugstages wurden von den Mitgliedern der Abtheilung
theils zum Besuche der Ausstellungen im Polvtechniknin be-
nutzt, Iiifils einein Besuche der unter Hrn. Frofessor Mei-
dinger stehenden Landesgewerbehalle, einer, permanenten
Ausstellung bemerkenswerter Industriegegenstilnde, sowie
des von Hm. Professor Ratzel geleiteten kunstgewerblichen
Unterrichts -Instituts gewidmet. Die in letzterem veranstal-
tete Ausstellung von Schülerarbeiten wies bereits die erfreu-
lichsten Erfolge dieses erst vor Kurzem durch den Staat ins
Leben gerufenen Unternehmens auf.
M.i.km.1 ul d.-.n NMt.,1.1 »cl™ ,„.„„.,
aber »9 Architekten rer-
Konkurreiitrnrahl )•
d.-r (lollilk. «.ml» rl» Hildliau.r
'"■> Khrrnpnk« b-nloliiat »llrd«, vl.lWf In aurn »I, HoU|iM »ur Kni"sun<t
K.rahrunc b.raiif.totr,.ii ».rd»n können.
") Um (.tat- MU.lr»u»n»...UMu mllte anleinend »n nnvre Adr.w. »r-
il.lil.t «.in. Wir «anVo «ern darauf «enntworl.« haken od.r oorli antworte»,
»eun dm asulriarklirh, unter «enau.r Angab, d.r Halen, aarxetprochen «ar.
o.l.r no.lt («.»ab.. I). It.d. d. l>. K.lg.
b. Die Sitzungen der Abtheilung für Bauingenieur-
wesen.
Unter der Theilnahme von etwa ISO bis 2tH) Mitgliedern
konstituirte sieh die Abtheilung für Bauingenieurwesen am
ersten Versammlungstage, indem sie auf Vorschlag des Lo-
kalkomihs Herrn Oherbanrath Sorge (Dresden) znm ersten,
Herrn Oberbaurath Schlierholz (Stuttgart) zum zweiten
Vorsitzenden berief.
Die Reihe der Vorträge begann mit dem des Hrn. Was-
serhandirektor Grebenau (Strassburg) T über die Gesetze
der Bewegung des Wassers, der Kiesbänke und des Thal-
weges in geschiebföhrenden Flüssen, nach den hierüber am
Rhein angestellten neueren Untersuchungen, und deren An-
wendung auf den Wasserbau.
Hr. Grebenau erörterte zunächst den Werth statisti-
scher Beobachtungen über Flusswasserstände. Die von ihm
dargelegten graphischen Resultate langjähriger Beobarhtnn-
Digitized by Google
gen am Rhein, der Elbe, der Lahn, dem Neckar, der Ga-
r..uDe, dem Mississippi, der < »der etc. beweisen in ihrer l ebcr-
eiustimmnng, dass weder die Kenntniss des jemals beobnch-
teten Maximal- noch die des Minimal -Wasserstandes von
namhaftem praktischen Werth« ist; einen solchen hat hin-
gegen die Feststellung von füuf anderen Fixpunkt«, welche
ilnrch langjährige Beobachtungen der mittleren .Monatswas-
serstände zn erreichen ist, und zwar des mittleren Wasser-
standes: 1} im .Januar. 2) im Jnui, 3) nach den 12 Monats-
mitteln, 4) nach den i'< Sommermonatsmitteln, 5) nach den
0 NViutennonatsinitteln. — Die Kenntniss dieser Fixpunkte
sei sowohl wichtig für die Anordnung der Wasserbauten,
wie für die hierauf bezügliche Gesetzgebung. So hat sich
beispielsweise ergeben, dass die empirisch als bewährt be-
fundene Höhe, der Parallelwerke am Rhein, der Elbe und
der Salzach mit dem mittleren .luniwasserstaiide dieser Flüsse
übereinstimmte; an der Garonne hingegen genügte diese
Höhe nicht ganz und musste nach und nach vermehrt werden.
Fin Bericht über deu nunmehr folgenden Hanpttheil des
Vortrages, der zur Vorln-rcitiing für die Exkursion des Nach-
mittags nach Maxau dienen sollte und die ganze erste Sitzung
ausfüllte, dürfte an dieser Stelle durch einen Hinweis auf
die Mittheiltiugen der Deutschen Bauzeitung in No- .Vi, .Ihrg.
lHiJ'.t und in No. 4K, .Ihrg. 1*71 ersetzt werden können.
Die Spezialisten lies betreffenden Kachgebietes haben von
den Ermittelungen Grebenaus ohnehin ausführlichere Kennt-
nis». —
Die Sitzungen des zweiten Versammlungstages begannen
— da die Hrn. Ingenieur Gerstner (Carlsruhe) uud Eisen-
bahn-Inspektor Stei nant (Mannheim) zu Gunsten der au-
derweit angemeldeten Vorträge auf ihre .Mittheilungen über
die Carlsruher Wasserwerke uud die Mannheimer Bahnhofs-
uud Hafen-Anlagen verzichteten und sieh entsprechende Er-
läuterungen für die Besichtigung dieser Bauten vorbehielten
— mit dem Vortrage des Hrn. Professor Launhardt (Han-
nover) „über die kommerzielle Tracirung der Ver-
kehrswege*. Auch dieses Thema ist von dem Hrn. Vor-
tragenden bereits in mehrfacher Weise lilterarisch behandelt
worden. Es mag daher hier lediglich daran erinnert wer-
den, dass Hr. Launhardt die Projektirung der Eisen-
bahnen und Strassen abhängig macht von dem zu erwarten-
den Verkehr der einzelnen zu verbindenden Puuktc und auf
Grund dessen, lediglich durch Konstruktion auf horizontal
und eben gedachtem Terrain, die Richtung der Bahntrace,
die Anschlnsspunkte von Seitenbahnen, sowie aus den kilo-
metrischen Verkehrskosteu der einzeluen Linien die Ge-
sammtverkehrskosten herleitet; erst auf Grund der hierdurch
gewonnenen Resultate werden die durch das Terrain gebo-
tenen Abweichungen in Rechnung gezogen, beziehungsweise
die Tracirung dem vorhandenen Terrain angepasst.
Da nach einem weitereu Vortrage des Hrn. Bezirksin-
genieur Kessler (Saargemünd) .über einige Bauwerke
des Saarkohlenkanals- (insbesondere Schleusenkammern
mit eigentümlichen Hebevorrichtungen) die Zeit zu einer
längeren Mittheilung nicht mehr ausreichte, so gab Hr. Ober-
bau rat Ii Funk einige kurze Notizen über die Ihm den Han-
noverschen Eisenbahnen durch das linprägniren der
Schwellen mit Zinkchlorid erzielten Resultate. Das Irn-
pragniren der Schwellen ist derart geschehen, dass eine
Mischung von 1 Theil Zinkchlorid mit :Ut Theilen Wasser
nach Anpumpen der Luft unter einem Druck von 7 Atmos-
phären eingepresst wurde, was nach Ermittelung des Pro-
fessor Wöhler in Göttingen ein vollständiges Durchdringen
der Schwelle mit Zinkchlorid zur Folge hat. Die erzielten
Erfolge sind in der That überrasc hend und cutheben dieses
Verful ireii durchaus aus dem Bereiche blosser Versuche. Bei
den von 1*02 bis 1H.V> (im Mittel 1. Juli lsjt) verlegten
lü 1 000 kiefernen (Jner-Senwellcn der Bahnstrecke von Rheine
nach Emden betrug die Auswechselung:
nach t; 7 8 9 10 11 12 IS 14- 15 16 17 Jahren
0,2 0,4 o,ü o,s~i,i 1,4 1,'J l'J .»,'J t;,l tt Prozent
Die Erhöhung des Prozentsatzes in den letzten Jahren ist
jedoch wesentlich entstanden durch die Notwendigkeit einer
Umlegung und Auswechselung defekt gewordener Schienen.
Die hi-rbei ausgewechselten Schwellen waren zu Einfriedi-
gungen und für Nebengeleis«- noch branchbar, und zeigte ein
von Hrn. Funk vorgewiesenes Prolwstück, welches I7Vi Jahr
im Erdboden gelegen hatte, in der That noch einen voll-
ständigen Zusammenhang der Holzfasern. Die Kosten des
Verfahrens lietragen pro Schwelle 2% bis 3 Sgr., während
eine Imprägnirung der Schwellen mit Kreosot !> — l<> Sgr.
erfordert, Die ('öln-M indener Bahn hat daher in Folge der
mitgeteilten Resultate auch bereits den Kntsi hluss gefasst
von der linprägnimng mit Kreosot ab- und zu der mit Zink-
chlorid überzugehen.
Am dritten Versamtnlungstage trug zunächst Hr. Ra-
gieruugs- und Baurath Sasse (Merseburg; .über die Ent-
stehung der Inundations-Flussthäler- vor. Die von
ihm durch meteorologische, geologische und physikalische
Schlüsse begründete Ansicht, dass die meist mehr oder we-
niger tief eingeschnittenen Flussthäler nicht das Resultat der
gegenwärtigen, eher auf Erhöhung ihres Bette* hinwirken-
den Wasserläufe, sondern das Ergebnis* früherer unterge-
gangener Ströme wien, ist in dem bereits zitirten Aufsätze
des Hrn. Sasse .Ihrg. 71. No. IX d. dtschn. Bauztg. gleich-
falls schon augedeutet. Eine Diskussion musste hier, wie
bei allen anderen Vorträgen aus Maugel an Zeit unterbleiben.
Hr. Wasserbauinspektor Hipp (Ehrenbreitenstein) be-
richtete hierauf .über die Felsensprengungen im
Rhein bett- besonders iu der Strecke von Bingen los St.
Goar. Die von frühesten Zeiten her bekannten Arbeiten
haben bis 1K-J0 eine Vertiefung des Binger Lochs auf .'iO, in
den Jahren \s->s bis 34 eine solche auf 200 F'uss Breite er-
zielt, sind jedoch bekanntlich mit grösserem Erfolge erst
seit 1H.V.I wieder aufgenommen worden. Den hierüber im
Jahrg. IHM der Zeitschrift für Bauwesen veröffentlichten
Mittheilungen schlnss der Hr. Vortragende hier weitere An
gaben an. Die seit in Jahren iu Anweuduug befindliche
Hipp'sche Fallbohrmaschine mit Handsteuerung hat sich
besser bewährt als die früher angewendete Sehwarlzkopfselic
Bohrmaschine; dieselbe besitzt o,.'t | - Fallhöhe, kann 12h Ins
150 Schläge pro Minute ausüben und liohrt Löcher von
0.OX«» Durchmesser in (,«uarzit und Kieselschiefer, obwohl die.«.«-
Gesteine sehr grosse Festigki-it und Zähigkeit besitz« n un l
ungünstig geneigt anstehen. Die 1.5 — 2 m tiefen Bohrlöcher
werden zugestöpselt nnd nenn gleichzeitig mit Blecfepatro-
ni-n, worin 5 Pfd. Pulver uud die erforderliche Länge vmi
Cölu bezogener Zündschnuren, unter Saiidfüllung besetzt nn I
entzündet; bis l.'i m unter \\ asser werden hierauf die Spreue-
stücke durch Tancherschiffe. von denen z. Z. drei vorhanden
sind, mittels (»..">■" hoher, 0.7. r > m weiter Tanrherschachte von
Eisenblech unter Benutzung knmprimirter Luft gehoben iiml
beseitigt. Pro Schicht von '»Tag werden 2,5 kb™, pro Jahr
ca. 25i«okb m gefördert, und dürften noch ti Jahre erforder-
lieh sein um die jetzt verlangte Fahrtiefe von 2..V" herzu-
stellen; früher kostete die Sprengung und Beseitigung eines
Kubikmeters: 180 Thlr. (1H30), 70 Thlr. (l.S, r iO— 5t»), 33 Thlr.
(ISiiCO, ls Thlr. (IHCT). in Thlr. (lSi.Sj, im Jahre l»70 da-
gegen nur noch C». Thlr. .
Zum Schlüsse sprach Herr Regicrungs- und Banralh
Sasse noch .über die Strom gesetzi- im Mississippi
und der Saale-, ohne dass es ihm jedoch möglich war
seinen Vortrag zu vollenden.
f. Die Sitzungen der Abtheilungen für Maschinen-
bau ii ml Marinetechnik.
Da das Interesse der Leser dieser Zeitung sich im Wi -
sentlichen wohl lediglich auf die Verhandlungen der Ahtbri-
hingen für Architektur und Bauingenieiirweseii konzeutriM.
so wird über die Thätigkeit der übrigen Abtheilungen ein
kurzer Bericht im Sinne der hierüber in der Gesamml-
schliissitziing gegebenen Referate genügen.
Die Abtheibiiig für Maschinenbau nahm unter Hein
Vorsitze der Herren Ober - Maschinenmeister L'hlenhnt
(Hannover) und Direktor Grashof (Carlsruhe) am ersten
Versaminlungstage einen \ r ortrag des Herrn Ingenieur Pie-
per (Cöln) .über die geschichtliche Entwickelnnu
des Si-hiffspropellers-: sodann des Herrn Hechnung-
niths Baumann (Berlin) .über die Schraube ohue
Ende- entgegen. Der zweite Tag brachte einen interes-
santen Bericht des General - Inspektors der Ocsterrcicbisrhiii
Siaatsbahn-Gescllsehaft iu Wien, Herrn Bochk oltz .über
Wasserhaltungsmasi-h inen mit spezieller Bezns:-
nnhme auf den Kraft - Regenerator'*, der dritte lag
einen solchen des Herrn Ingenieur Gebauer (Wien) .über
den Bolzano - Patent-Treppenrost". Die Bethcilignni:
an den Verhandlungen wurde als eine sehr rege und lel«-
hafle gescliildert.
Auch die .Sektion für Marinetech nik". die dies-
mal zum zweiten Male, unter dem Vorsitze ihres Begrün
der», Herrn Oberst Libert de Paradis (Wien) tagte iithl
einen Vortrag desselben .über das Tulegraphenkal"
zwischen Triest und Alexandria" anhörte, war vmi
dem Resnltate ihrer Thätigkeit, die durch die offizielle Thei -
nähme der deutschen wie österreichischen Marinebehörden
eine wünschenswerthe L'nterstütznng erhielt, befriedigt Die
ihr angehörenden Techniker hallen indessen die Febcrzen-
gung gewonnen, dass zur Fördernng ihrer Ziele nicht allein
eine noch weitere Gliederung nothwendig sei, Maden* da»
die Sektion sich anch gleichsam in Permanenz erklären
Digitized by GoogU
— 34!) —
müsse. Für künftige Ycisaiumluugcu soll »-in dctuillirtcs
Programm eutworfeti und zeitig versendet werden; es wird
gehofft, dass Itei der Wahl des Orte» für diescllicn aueli den
Interessen dieser Sektion zeitweilig Rechnung getragen werde.
Seitens der im Programm vorgesehenen Abteilungen
für Hüttenwesen und technische Chemie wurde ein
Berieht Dicht erstattet. Es ist dem Referenten nicht be-
kannt, ob dieselben überhaupt am Stande gckomineu sind.
IV. Das Ergebnis* der Versammlung.
Nach der vorangegangenen Darstellung der Einzelheiten
scheint mir /.um Schlüsse auch der Versuch geboten, da»
Gesammtergebniss der Versammlung /u ziehen.
Wenn ich dasselbe — trotz der fröhlichen Erinnerung,
die wohl jeder Theilnehmer den in Karlsruhe verlebten
Tagen bewahren, troU der dankbaren Anerkennung, die er
den ausgezeichneten, unter der Gunst der ausseien Verhält-
nisse so glücklich gelungenen Veranstaltungen der dortigen
Festordner zollen wird — als ein durchweg befriedigendes
nicht bezeichnen kann, so ist wohl selbstverständlich, dass
hierin kein Vorwurf gegen Diejenigen cnthalteu ist, welchen
die Vorbereitung und" Leitung der Versammlung oblag. Das*
dieselbe bei ihrem Susserlich glänzenden Verlaufe an gei-
stigern Gehalte das nicht bot, was sie bieten sollte und
konnte, scheint mir vielmehr das Ergebnis» einer durch Tradi-
tion entwickelten Form, welche für die Wauderversammliingen
einer altereu Zeit wohl genügte, unseren heutigen Verhält-
nissen alier nicht mehr in gleicher Weise entspricht.
Sollte dies, wie ich ans den übereinstimmenden Aeus-
serungen Vieler, unter ihnen nicht weniger Mitglieder des
\ orstandes und des Lokul-Komitcs, zu hotfell wage, zur all-
gemeinen l'cbcrzcugnng werden, sollte hiernach diese XVI.
und letzte der nach bisherigem Brauch und ans freier Wahl
zusammentretenden Wunder Versammlungen der deutschet!
rachgcnossriischaft den Austoss dazu gegeben haben, dass
tür die Gestaltung der künftigen allgemeinen Versammlungen
unseres Verbandes neue, zweckentsprechendere Formen ge-
funden werden, so wäre dieses Ergebnis* freilich auch ein
werthvolles.
Klagen über die Üesultatlosigkeit der Wauderversamm-
lungen nicht blos unserer, sondern auch derjenigen anderer
Iterufsgcnosseii werden fast so lange geführt, wie diese
überhaupt existiren. Soweit sie sich auf jene älteren Ver-
sammlungen bezogen, zu denen vor der neueren Eutwicke-
lung uuserer Verkehrs- und Verständigungsmittel der nach
idealen Zielen strebende Theil der Fachgenossenschaft in
anspruchsloser Geselligkeit sich zusammenfand, wnreu sie
entschieden falsch und unberechtigt. Nicht schwerwiegende
1,'esultate wissenschaftlicher Erkenntnis«, sondern Aureguug
und Erfrischung, Erweiterung seines Gesichtskreises im
Sehen neuer Werke, im Hören fremder Ansichten, im leben-
digen Austausche der Gedanken: das waren für den Theil-
nehiner Ziel und Frucht jener Versammlungen. Und wie
sie hierdurch in einer stillen, äusserlieh noch arg beschränk-
ten Zeit zum Fortschritte des Faches nicht wenig mit-
wirkten, soll ihnen nicht minder der Antheil unvergessen
sein, den sie gleichzeitig zur Förderung und zum emilichen
Siege des nationalen Gedankens beigetragen haben.
Kiner realeren und anspruchsvolleren Zeit konnte jene
Schlichtheit nicht mehr genügen. Mit Recht forderte man
von unseren Wanderversammluugen auch praktische Resul-
tate und machte hierzu nicht ohne Glück den Versuch, eine
grössere Zahl der Theilnehmer zu aktiver Thätigkeit zu
bringen, indem mau neben den Vorträgen auch Berathnngen
und Beschlüsse veranlasste und neben den allgemeinen
Sitzungen die Verhandlung in getrennten Fachsektionen ein-
führte. Gleichzeitig erhielt mit der wachsenden Zahl der
Theilnehmer auch der übrige Theil des Programms eine Er-
weiterung, bei der gewetteifert wurde, eine immer reichere
und glänzendere Fülle des Stoffes in ihm zu vereinigen.
Unbeachtet aber blieb, ob bei einer Mitglicdcrzahl, wie sie
ilie letzten vier Versammlungen aufwiesen, ob bei einer sol-
chen Fülle des Stoffes der beabsichtigte Zweck überhaupt
noch erreicht werden konnte, ob bei dieser anspruchsvolleren
Form nicht selbst ein Theil jener idealen Erfolge der älteren
Versammlungen verloren gehen musste.
Anregung und Erfrischung, sowie eine Fülle neuer An-
schauungen, es wird sie zwar noch immer ein Jeder davon-
getragen haben, der rechten Sinnes und empfänglichen Ge-
müthes eine dieser Versammlungen besuchte; darf man doch
sagen, dass ihr Effekt in dieser Beziehung ein geradezu un-
verwüstlicher ist. Ob dies aber in «lern wirklich erreichbaren
Grade geschieht, ob der für das Ganze und die Einzelnen er-
zielte Nutzen dem Aufwände von Kraft und Mitteln ent-
spricht, der hierbei erfordert wird, ist allerdings eine Frage,
die man aufrichtiger Weise nicht wohl bejahen kann.
Wenden wir uns zunächst zu der ernsten geschäftlichen
Seite des Programms, zu der Arbeit, welche in den Ge-
summt- und Ahtheilutigssitzungen geleistet wird.
Der bedeutsamste und wichtigste Theil derselben ist
jedenfalls- in den dort gepflogenen Berathungen und den
hieraus hervorgegangenen Beschlüssen enthalten. Es ist
jedoch eine anerkannte Thatsache. deren offene und klare
Auseinandersetzung seinerzeit das Verdienst Professor Bau-
meister's war, dass eine solche grosse Wanderversammlung
zu ernsten und eingehenden Berathnngen nichts weniger als
geeignet, dass es sogar gefährlich ist, die Entscheidung
wichtiger Fuchfragcn dem Zufalle, der bei ihrer Zusammen
Heizung waltet, zu überlassen. Gerade diese Erwägung ist
ja der Ausgangspunkt für den Vorschlag gewesen, zum
Zwecke solcher Berathungen und Beschlüsse eine organisirte,
ständig arbeitende Körperschaft, den Verbund deutscher Ar-
chitekten- und Ingenieur -Vereine ins Lehen zu rufen. Und
ohne dass die Verbindung desselben mit der diesmaligen
Wanderversammlung bereits eine offizielle gewesen wäre,
sind in der Thal schon die von ihr — fast ohne jede Be-
rathung gefassten Beschlüsse durch die vorhergehende Ab-
geordneten - Versammlung des Verbandes vorbereitet uud
eingebracht worden. Ihre Bestätigung durch das Plenum
hat wesentli -Ii nur ihren Einfluss auf die öffentliche Mei-
nuug verstärkt, wie denn dieses Ergebnis» unseres Thuns
fast das einzige gewesen ist, von dem die politische Presse
Notiz genommen hat.
Sollte cs nicht nützlich sein , die Kritik, welche die
Thätigkeit der Wanden crsaminlungen in Bezug auf jenen
Punkt bereits auf ein angemessen licschränktes Maas» her-
abgesetzt hat, an eh auf den zweiten und grösseren Theil des
geschäftlichen Programms, die Vorträge und Diskussionen
in den Ahtheiluiigssitzungeti anzuwenden? Mit einer ein-
zigen, von bestem Erfolge gekrönten Ausnahme — der Ver-
sammlung in Hannover, bei welcher das 1/okalkomitc durch
vorherige Bekanntmachung eine Reihe bestimmter tech-
nischer Fragen zur Diskussion vorgeschlagen hatte — ist es
dem Zufalle überlassen worden, von wem und über welche
Stoffe Vorträge angemeldet wurden. Ich möchte nicht gern
Jemandem zu nahe treten, aber es ist Pflicht, rückhaltlos
auszusprechen, das* hierbei — diesmal wie früher — starke
lrrthümer begangen worden sind, welche wohl veranlassen
können, dass die Bedeutung unserer Wanderversammlungen
sowidd in den Augen der Faehgenosseu sinkt, wie in denen
des Publikum* , welches leicht geneigt ist. nach deren Er-
gebnis* den augenblicklichen Stand unseres Fache* über-
haupt zu beurtheilen. Nicht allein, dass ein grosser Theil
der Vorträge, der auf jenen älteren Versammlungen wohl
angebracht war, bei der heutigen Entwickelung unserer viel-
seitigen Fachpresse einen besseren Platz in dieser fände und
dort sogar zu grösserer Wirkung gelangen würde — nicht
allein dass • — wie diesmal in der Abtheiluug für Bauinge-
nieure ■ — die Gefahr eines ermüdenden Parallelismus der
Stoffe eintreten kann: es werden auch Vorträge angemeldet
und gehalten, die der Ausdruck eines in seinem Ueber-
zeugungsmuthe gewiss ehrenwerthen , aber doch so einseiti-
gen, vom Denken und Fühlen der grossen Mehrheit so iso-
lirteu Geisteslebens sind, dass deren Geduld eine harte
Probe auferlegt wird. Eine Diskussion ist selbst in deu
Fällen, wo sie erspriesslich wirken könnte, ineist nicht mög-
lich, weil die Mitglieder, unvorbereitet auf eine solche, das
erforderliche thatsächliche Material nicht zur Hand haben —
häutig auch, weil bei der Courtoisie möglichst alle Redner
zum Worte kommen zu lassen, die erforderliche Zeit fehlt.
— So ist es, bei aller Anerkennung von Einzelheiten, wohl
nicht möglich zu behaupten, dass der Gesammtgehalt des
in den Abtheilungs - Verhandlungen der letzten Versamm-
lungen gebotenen Stoffes es Werth gewesen wäre, hierzu
die Gesammthcit der deutschen Fachgenossen auf-
zubieten und einzuladen; denn dieser Gesichtspunkt
allein ist es, nach welchem im Interesse der Würde un-
serer Versammlungen geurtheilt werden darf. Die kompeten-
teste Kritik ist jedenfalls bereits durch die in Karlsruhe ge-
wonnenen Erfahrungen geliefert. Die Armuth an Stoff, wie
sie namentlich in der Abtheiluug für Architektur hervortrat,
die verhältnissmässig geringe Betheiligung an den Abthei-
lungssitzungen, die bestenfalls kaum die Hälfte der Ver-
sammlung in sich vereinten, beweisen eine Abnahme des
Interesses an diesem Theile des Programms, die jedenfalls
kein Zeichen innerer Gesundheit ist.
Liegen die Mängel, welche wir in dieser Beziehung an
unsern Wanderversammlungen beklagen, auf dem Gebiete
ihrer inneren Organisation, so ist der verhältnissmässig zu
Digitized by Googl
- 3.V
geringe Nutzen, den sie in anderer Beziehung erzielen, eine
einfache Folge der von mir schon hervorgehobenen allzu-
grossen Reichhaltigkeit des Programms nnd der Ueberzahl
an Theilnehinern.
Die Verwerlhung der gesummten in den Vcrsamnilungs-
tageu disponiblen Zeit, sei es zu Sitzungen, Ausflügen, Fest-
vorstelluugen oder Festmahlzeiten, inuss notwendigerweise
eine gewis.se ruhelose Hast hervorbringen, die einerseits leicht
zur Ermüdung führt, andererseits aber auch Veranlassung
ist, dass alle diejenigen, welche erklärlicher Weise keinen
Theil des Programms versäumen möchten, seihst das für sie
Wichtigste und Werthvollste in einer Flüchtigkeit gemessen,
hei der von einer nutzbringenden Würdigung nicht mehr
die Rede sein kann. Am l ngünstigsten geht es in dieser
Beziehung der Ausstellung, zu deren Betrachtung mau dies-
mal nur durrh den Verzicht auf eine Sitzung oder einen der !
Ausflüge gelangen konnte; es kann nicht Wunder nehmen,
dass sich uuter diesen Umstünden verhältuissmässig nur so
wenige Faehgenosscn finden, die sich an ihr betheiligen.
Aber auch die r^xkursioueri und Ausflüge, soweit sie auf
Objekte künstlerischen und technischen Studiums sich be-
ziehen, leiden unter der Kürze der für sie disponiblen Zeit —
noch mehr freilich unter der gewaltigen Masse der Theil-
nehmer, welche bei Besichtigung der meisten Jnnenräume
ebenso störend ist, wie sie es unmöglich macht, die erfor-
derliche Anzahl von Führern zu ätelleu. welche nicht blos
den Weg zu dem Bauwerke zeigen, sondern auch dem
wirklichen Verständnisse desselben erläuternd entgegeulei-
ten. Eine in Karlsruhe allgemein gehörte und sicher
berechtigte Klage war es endlich, dass unter diesen Verhält-
nissen selbst ein Hauptzweck und Hauptgewinn früherer
Versammlungen, die Möglichkeit neuer persönlicher Bekannt-
schaften, die Anknüpfung neuer wüuschetiswerther Bezie-
hungen, meist nur in oberflächlichster, bedeutungsloser Weise
erreicht werden konnte. —
Wohl Niemand wird in der von mir versuchten offenen
Darlegung dieser Manuel eine Herabsetzung des Karlsruher
Festes erblicken. Eben so wenig soll dieselbe ein Angriff
auf das Prinzip unserer Wanderversammlungen sein, deren
Werth und Bedeutung für die Gegenwart unseres Faches
nicht minder gross ist, als vor .'»> Jahren, wenn auch viel-
leicht in anderer Weis»'. Einem Zweifel wird es aber wohl
nicht unterliegen, dass der Apparat ihrer Thätigkeit den
Bedingungen und dem Bedürfnisse unserer Tage nicht mehr
genügt, dass er einer Reform dringend bedarf.
Eine solche Reform wird sich gegenwärtig leichter und
günstiger ins Werk setzen lassen, als jemals vorher, da ja
die Wanderversammlungen alter Traditon in Karlsruhe ihren
Ahse hl uss gefunden haben und der Verband deutscher Ar-
chitekten- und Ingenieur-Vereine es ist. der sie künftig be-
rufen und leiten soll. Es wird für ihn uud den augenblick-
lich an seiner .Spitze stehenden Verein, der im Jahre 1S74
die erste Generalversammlung zu empfangen hat. sicher den
tiegenstand ernster uud eingehendster Erwägung bilden,
durch welche Mittel das praktische und ideale Ergebnis*
derselben auf die überhaupt erreichbare Höhe gebracht wer-
den kann: wahrhaft Erspriessliches wird aber am Leichte-
sten dann erreicht werden, wenn die Gesammtheit der deut-
schen Fachgenossen — sei es in den Einzelvereinen, sei es
in der Presse an der I>ösung dieser schwierigen Frage Theil
Es sei mir bei der Anregung derselben an dieser Stelle
gestattet, hierzu durch die Andentung einiger Gedanken bei-
zutragen, die als reif und vollständig zu gelten keiuen An-
spruch raachen, aber als Ergänzung der vorangegangenen
kritischen Betrachtungen wohl am Platze sind.
Als das schwierigste aber wichtigste der zu lösenden
Probleme scheint mir die Verringerung der Theilnehmerzahl.
l)io Beschränkung der Thcilnahmebcreehtigung auf Mitglieder
der verbundenen Vereine und eingeführte Gäste wird voraus-
sichtlich in etwas darauf hinwirken aber noch nicht genü-
gen; jedenfalls dürfte sich die Mitgliederzahl der nächsten
Versammlung in Berlin unter allen Umständen grösser stellen,
als die irgend einer früheren. Abhülfe für die Zukunft
scheint mir einzig möglich durch Annahme des Vorschlages,
welchen der Architektenverein zu Berlin bereits IK7D liei
Berathung des Verbandsstatutes gemacht hatte: Einführung
jährlicher Versammlungen, aber Theilung des Stoffes in der
Weise, dass das Programm in einem Jahre ausschliesslich
auf das Interesse der Architekten, im nächsten ausschliesslich
auf das der Ingenicure berechnet ist — selbstverständlich
ohne die Theilnabme eines Jeden an jeder Versammlung zu
beschranken.
Leichter ist es selbstverständlich das Programm in Be-
treff der Ausflüge und festlichen Veranstaltungen zu verein- I
fachen, so das« für Jeden einige Stuudeu der Müsse sich
hnden, die er nach eigenem Ermessen anwenden kann, so-
wie den geselligen Versammlungen, die vorzugsweise zur
Pflege neuer Bekanntschaften geeignet sind, etwas grösseren
Spielraum zu gewähren. Die Ausstellung, deren Zusammen-
setzung durch einen bestimmten Plan, nach welchem beson-
dere Eiuladungeii zu erlassen wäreu, vielleicht beeinflusst
werden könnte, darf jedenfalls nicht blos in den Tagen der
Versammlung geöffnet, sein, sondern muss einige Zeit vor
und nach derselben allen denen, welche sie zum Gegenstände
des Studiums zu machen wünschen, sowie dem Publikum
offen stehen.
Was endlich den Stoff für die Vorträge und Dbkussio-
ueu betrifft, so scheint es mir bei den Versammlungen lies
Verbandes ebensowohl Recht als Pflicht der leitenden Fak-
toren zu sein, dem Zufalle 1m-i Aufstellung des betreffenden
Programms einen möglichst geringen Spielraum zu iil>erla>-
sen, sondern dafür zu sorgen, dass bis zn einem gewissen
Maassc nur solche Stoffe behandelt werden, die ihrer Natur
nach vorzugsweise dazu geeignet sind, gerade von den Theil-
nehinern einer solchen Wanderversammlung gewürdigt und
nutzbringend verwerthet zu werden.
Ohne dass Fragen allgemeinen Inhalts, die augenblick-
lich im Mittelpunkte des Tagesinteresses stehen, ausgeschlo*
MD zu werden brauchten, stellt sich in dieser Beziehung für
die Vorträge doch das lokale Moment als in erster Linie
beachteiiswerth dar. Ein Hauptreiz und ein Hauptvorlheil
der Wanderversammlungen ist es ja gerade, dass mit dem
jedesmaligen Wechsel des Ortes jedesmal neue, in sich t\-
pische uud charakteristische Verhältnisse «lern Theilnehmer
sich aufthun und ihn zum Studium auffordern. Und doch,
wie wenig können dieselben — vielleicht aus allzugrosscr
Bescheidenheit der Ortsgenosseu — gewürdigt werden, wie
viel entgeht trotz der Besichtigung dem Verständnisse. Es
isi in dieser Beziehung nur ein äusserlicher Fortschritt, iu
Wirklichkeit aber ein Rückschritt der neueren gegen ilie äl-
teren Wanderversammlungen, dass seit Einführung der um-
fangreichen Festschriften, die notorisch erst nach der Heim-
reise gelesen werden, der einleitende Vortrag über die Fest-
orte weggefallen ist. Ich meine, dass der Nutzen und Erfolg
der Wanderversanuulnngen trefflich gesteigert werden könnte,
wenn «lieser Vortrag nicht allein wieder eingeführt, son-
dern auch in der Weise erweitert würde, dass in jeder der
Abtheiluugeu weitere spezialisirte Erläuterungen über die zu
besichtigenden Objekte gegeben werden. Ein Abdruck die-
ser Mittheiluugen mit den nöthigen Illustrationen würde als-
dann nicht wie jetzt im Vorrath hergestellt zu werden brau-
chen, sondern zur wesentlichen Erleichterung des gegen-
wärtig über Gebühr belasteten Lokalkomites dem Berichte
über die Versammlung einverleibt werden können.
Wichtiger als Vorträge, in denen aus dem ihnen Dar-
gebotenen die Zuhörer Anregung uud Belehrung empfangen
können, sind freilich noch Diskussionen über Gegenstände,
zu denen die Theilnehmer aus dem Schatze ihres eigenen
Nachdenkens und ihrer eigenen Erfahrung beizutragen ver-
mögen. Wenn jemals, so werden dieselben bei Gelegenheit
solcher Wanderversanuulnngen sich vielseitig und nutzbrin-
gend entwickeln können, falls s'e nur in wirksamer und ge-
eigneter Weise vorbereitet worden sind. Hierfür scheint mir
der \H&2 von dem Lokalkotnite in Hannover vorgeschlagene
Weg ein sehr gutes Vorbild abzugeben, zumal der Verband
zur Durchführung desselben sehr viel grössere Mittel U'sitzt.
Es wird der auf die Gesammtheit der einzelneu Vereine ge-
stützten Abgeordneten-Versammlung weder schwer fallen,
eiue Auswahl zur Diskussion geeigneter Fragen zu treffen,
noch für jede derselben einen Referenten zu bestellen, der
sie in zweckentsprechender Weise einzuleiten im Stande ist.
Ein Moment endlich, dessen Berücksichtigung unserei
Wanderversammlung vielleicht noch erhöhtes Interesse zu-
führen könnte, wäre die Ermöglichung oder vielmehr Be-
günstigung einer theilweisen Scheidung iu noch engere Fach-
gruppen, so dass auch den Vertretern bestimmter Spezial-
Interessen zum Austausche ihrer Ansichten und Erfahrungen
Gelegenheit geboten würde. Sollten beispielsweise die Bau-
bcamten der einzelnen Kommunen Deutschlands nicht reichen
Stoff zu einem solchen Austausche haben und diese Gelegen-
heit gern benutzen? Ks bedürfte in diesem Falle nur einer
Anregung durch mehre Vertreter der betreffenden Gruppen
und rechtzeitiger Aufforderung zur Theilnabme-
Mag es einstweilen mit diesen Andeutungen genug sein.
Andere werden Anderes und Besseres beizutragen haben.
Möge in jedem Falle ineine Hoffnung sich verwirklichen:
dass es dem gemeinsamen Nachdenken und den gemeinsamen
Anstrengungen Aller gelingen werde, den Versammlungen
des Verbandes deutscher Architekten- und Ingenieur- Vereine
Digitized by Google
3:>1 —
unter den Wanderversammlungen der verschiedenen dent- I zn sichern,
sehen Berufsgenossen denselben Rang und dieselbe Bedeutung behauptet.
die unser Fach in der Reihe der übrigen Fächer
Dm Hülster zu Strtssbnrg.
Nachtrag II.
In No. 23 des Jahrganges IK71 dieser Zeitschrift habe
ich von einem Berichte des Münster- Baumeisters Klotz,
welcher sich auf die rasch und glücklich bewirkte Gradrich-
tnng und Sicherung des Steinkreuzes auf der Thurmspitze
bezog, Mittheilung gemacht. Vor einigen Wochen ist ein
zweiter Bericht desselben Meisters veröffentlicht worden, der
weil er den ersten genauen Nachweis über die durch das
Bombardement verursachten Schäden liefert und mit einer
summarischen Ermittelung der notwendigen Reparaturkosten
abschließt, wieder geeignet ist, die deutschen Farhgenossen
zu interessiren. ,
Auch dieser vom 15. Februar 1h72 datirte Bericht trägt
den charakteristischen Titel: 1*~0. Cathedrale de Stra**-
ho«r<). Reparation ijeaerale tU* deyat* eawr* par le Horn-
hardemmt. Rapport präsente ä M. E. l.autti . Maire de la
Ville, par j»/. G. Klotz, ArMlett,: de FOeurre Kutte-Dame,
Ap. 5 Pkutographit*. Strai>*>>«>ir</. CA. Winter, Editeur-
Plmtonraphe. 1872. Er zerfällt in drei Abschnitte; der
erste giebt eine geschichtliche und beschreibende Uobersicht
der eutstandenen Schäden; der zweite behandelt die Schätz-
ung der Reparaturkosteu und der dritte die zu ergreifenden
Maassregeln.
Bekanntlich ist das Müuster au vielen I'uuktcn beschä-
digt worden, doch ist der Grad dieser Schäden sehr ver-
schieden. Die Nordseite und ganz besonders die Nordwest-
ecke des Thunnes haben am Meisten zu leiden gehabt, weil
die Breschbatterieu bei Schiltigheiin und Waeken zahl-
reiche Geschosse grade nach dieser Richtung geworfen haben.
Weniger beschädigt erscheinen die audereu Facaden, weil nur
fliegende Batterien an der Süd- und Südostseite der Stadt
die Kathedrale zum Ziel (tunkte (so behauptet der Verfas-
ser) genommen haben. L>ie Beschädigungen der Steinspitze
waren die gefährlichsten, die des Schiffes werden wegen
ihres Umfangcs und Wertlies den grössten Kostenaufwand
erheischen. Der Unterbau des Nordthurraes in einer Höhe
von ti™ über dem Strasseiipflaster bis zur Plattform ist der-
jenige Bautheil, welcher in seinem reichen Steindetnil am
schwersten beschädigt worden ist. Der Verfasser erklärt zu
begreifen, dass die auf der Plattform befindliche Observa-
tions- Station diese nachdrückliche Beschiessung veranlasst
hat. fährt dann aber fort: „mai* >/uel motij pourrait-on aroir
rie prodigver le* prujeetile* au.r etaije* injerieur* et de le*
battre en breehe eomme an vulgaire batlionf Oh ne
pouvait ignorer au'il* elaient Fveuere *i nmnue iF Erwin de Stein-
hacli, du plu* celebre maitre de F Alltmmjne au mögen wje et lr
premier arehitecte taic de notre eatln'drale! q«e dirait Göthe,
ll paar um mummt U pOUVOtt »urtir de *a tombe et roir tont ce»
detattre*. Im am en 1770 te lamentait de ne pas trourer la
tuiube de Fd/iittre maitre et ,/ui en a exprime le* reoret* en de
*i belle* et tournante* paroletl Et aurtk »mit la douleur du
di;/nr are/,iteete du dix-huitieme *iäte, um a teuu pour une teile
•■normite t'innoeent bautet aue le* Mflfafl de Creuui ont lauer
eontre Ii entltAlrale, qn'il a vru deeoir eomtater le /ait par une
inscription lapidairet'
Diese Stelle ist so bezeichnend für den Standpunkt des
Verfassers in der Gegenwart, dass ich nicht zweifle, dass
sie von zahlreichen französischen Journalen als ein evidentes
Zeugniss für die deutsche Barbarei bereits verwerthet wor-
den ist. Da aber jeder von uns die eigenartige und schwie-
rige Stellung unserer neuen Landsleute in vollem Maasse zu
würdigen weiss und ich speziell vor dem innigen, ich könnte
fast sagen zärtlichen Verhältnisse des Münsterbaumeisters
zu dem seiner Obhut und Pflege seit mehr als einem Men-
schenalter anvertrauten Werke die aufrichtigste Hochachtung
hege, so beschränke ich mich, mit Unterdrückung jeder spe-
zielleren Kritik auf die berichtigende Bemerkung, dass von
eiuer beabsichtigten Breschelegung in den Unterbau lies
Thurnies auch unter Laien nicht die Rede sein kann. Hätte
aus irgend welchen kriegstechnischen Gründen die Absiebt
bestanden, das Münster zu demolireu, so wäre dies bei der
Leistungsfähigkeit der preussischen Artillerie, bei der mas-
sigen Entfernung (ca. 2(MHI'" ) und der hervorragenden Stel
lung des Münsters eine leichte That gewesen. Aber grade
die bei einem so lange dauernden (fast f. Wochen) nnd so
sicher geleiteten Bombardement doch noch unverhältniss-
inässig geringe Beschädigung des Münsters beweist besser
als jedes Räsonnement, dass deutscher Seits das Möglichste
erstrebt worden ist, um das wolbekannte und in Deutsch-
land mehr als in Frankreich gewürdigte Meisterwerk der
mittelalterlichen Baukunst zu retten. Wenn die Heranzie-
hung des .rinuocent buu/ef die Kriegführung unter Louis
le Grand verherrlichen soll, so wirkt (lies nicht für deutsche
Leser, denen die befohlenen Mordbrennereien zu Heidelberg
und Speier in ihren Resultaten ganz oder theilweis noch
heut vor Augen stehen.
Indessen ist es wahr, dass die erfolgten Beschädigungen
immer noch umfangreich und intensiv genug gewesen sind,
um das theilnehmende Bedanern jedes Gebildeten zu er-
wecken. Die ersten Kugeln erreichten das Müuster schon
in der Nacht vorn 18 bis 19. August, die letzten am Tage
der Uebergalie am 27. September: in der Nacht vom 2« bis
27. August geriethen die Dächer des Schiffes nnd Chores in
Brand; am l. r >. September wurde das Kreuz zum Sinken ge-
bracht, nachdem die Spitze schon durch mehr als 13 Ge-
schosse getroffen worden war.
Line spezielle Aufzählung aller einzelnen getroffenen
und mehr oder weniger beschädigten Bautheile würde hier
zu weit führen. Der Verfasser thut es, indem er mit dem
untersten Stockwerke des Nordthurraes beginnt nnd allmäh-
lich in passenden Rundgängen alle Thefle der Westfront
streifend, bis zur Spitze emporsteigt. Drei Photographien
nach der Natur und zwei nach Zeichnungen augefertigt, er-
läutern diese Aufzählung und geben auch dem Fernstehenden
Gelegenheit, von der Art der Zerstörung au einzelnen Haupt-
punkten eine Vorstellung zu gewinnen. Sodanu zur Auf-
zählung der Beschädigungen am Schiffe, Kreuzschiffe und
Chore übergehend, hebt der Verfasser die Thatsache hervor,
dass die hier erfolgten Zerstörungen am Steinbau noch in-
tensiver gewesen und vielleicht noch schwieriger wiederher-
zustellen sind, als die am Westbau erwähnten. Dies bezieht
sich sowohl auf die immer sehr thetire Anfertigung grösserer
Stab- und Maasswerks-Einsätzc, als auf die Erneuerung be-
trächlicher Längen der herabgestürzten Balustraden. Durch
Zufall sind die Strebepfeiler und Strebebögen, (deren Er-
bauung Klotz — irrthümlicber Weise — den Vorgängern
Erwin'« zuschreibt) unbeschädigt geblieben. Die bange Sorge,
welche an dieser Stelle mit den Worten: .En efet, uuet
aiirnit ete /■• dfoattre *i un ou pluxieur* ares-boutaut» araient
ete detmih't' ausgesprochen wird, kann ich nicht theilen,
da zahlreiche Kathedralen mir auf Reisen bekannt geworden
sind, deren Strebebögen ganz oder theilweise fehlten, oder
— wenn noch erhalten — in einem so ruinösen Zustande sich
befanden, dass von einer struktiven Wirksamkeit nicht mehr
die Rede seiu konnte.
Für die Solidität der Gewölbe des Schiffes spricht die
Thatsache, dass bei dem Dschbraude ülter ilirer Oberfläche
sich ein Feuerheerd von 60" Länge zn 15« Breite bildete,
in welchem mehr als (MM) Stereu Holz (an Dachverbaud
nnd Schalnng) verbrannten und die Kupferbedachung von
12U(I0' (einschliesslich des Eisens in den Verbindungen etc.)
Üieilweis zum Schmelzen brachte.
Glücklicherweise sind die Klappen in der Oeffnung des
obersten Mittelgeschosses zwischen den beiden Thürraen
rechtzeitig geschlossen nnd dadurch das Eindringen des
Feuers zu den Glockerislühlen behindert worden. Auch die
Dächer der Kreuzflügel sind verschont geblieben. Der zer-
störte Dachverbnnd stammte von 17ti»; eine hierauf bezüg-
liche eingravirte Gedenktafel hat sich unter den geretteten
Kupferplatten vorgefunden und ist dem Münsterarchive ein-
verleibt worden. Von der ursprünglichen Blcibcdachung.
welche im Mittelaller das Münster deckte, sind jetzt nur
noch ülter der St. Katharinen Kapelle von 1331 einige Plat-
tenstücke vorhanden.
Der Verfasser widmet sodann den Beschädigungen und
Zerstörungen, welche die Glasgeraaldc betroffen haben, eine
eingehende Betrachtung. In kunstgeschichtlicher Beziehung
haben diese Bilder einen hohen Werth, zunächst eine kleinere
Zahl durch ihr selten hohes Alter, sodann die Mehrzahl
durch die Wahl der Gegenstände und durch ihre künstle-
rische Behandlung. Die ältesteu und deshalb interessan-
testen befinden sich in der Apsis und den Kreuzflügeln.
Sie stammen theilweis noch aus dem Schlüsse des XII. Jahrh.
und sind für Kostümgeschichte etc. augenblicklich um so
wichtiger und werthvoller geworden, als der berühmte gleich-
zeitige Codex der Herrad von Landsperg, dieses Juwel der
Strasshtirgor Stadtbibliothek, durch eine nie zn rechtfertigende
Fahrlässigkeit seiner Hüter untergegangen ist. Des Ver-
fassers Sorgfalt und Liebe zu seinem Gegenstaude veranlasst
Digitized by Google
S53
iliu xii einer dctaillirtcn Aufzählung iiiler dargestellten Vor-
würfe, mif iIiTt-ii Wiedergabe ich verzichten rnass. Alle
Glasmalereien i-nt halt«>it 1112 grosse Figuren, mehr als SO
Medaillons mit Büsten und 300 Fächer mit Szenen legen-
darischen Stils. Auf 4»><K) Fächer vertheilt und mehr als
f>4H),000 Glusstüeke urnschliossend, beträgt die Gesammtobcr-
flärhe etwa l.*>00 Quadratmeter. Von diesen 4<>00 Fächern
sind vor dein Beginn der Beschiessung (170 herausgenommen
und in der Krypta geborgen wurden; die am Platze geblie-
beneu mussten allen Zufällen der Zerstörung preisgegeben
(Verden. Zürn guten Glü k ist die wirklich erfolgte Beschädi-
gung weder so umfangreich, noch so unersetzlich gewesen,
als Anfangs zu erwarten war. Noch nicht ein Drittel ih r
au ihrem Platze gelassenen Fächer ist beschädigt worden
und die Wiederherstellung derselben kann, Dank der seit
dem grossen Sturme von 1S42 Seitens der Bauverwaltung
veranstalteten Sammlung aller Glasmalereien im verkleinerten
.Maasstabe, und der vieljährigen Praxis geschickter Lokal-
glasmaler mit Genauigkeit wieder erfolgen.
Am geringsten ist der Verlust auf statuarischem Gebiete;
„MM lintont «»«* — sagt der Verfasser — <l< le <lirr, et
*V*f pa*. gräet ä une attention tlelirate dt* projectile*,
mtiü parve r/ue, ilu cute Sur<l ilt In lour, il «'.y arait pa* t/e
r tittut*, <lant It* plmtM ,/ni leur tont iltttinee« rt iju'it n'y en a
/iWIH ru."
Zuletzt sind noch einige zur Kirehenausstattung gehö-
rige Gegenstände als mehr oder weniger beschädigt anzu-
führen. In erster Linie das 148!) erbaute Orgelgehäuse au
der Nordseite des Olpergadens, von welchem noch der Per-
gameutriss im Münsterarchivo aufbewahrt wird; sodann einige
Bänke unter der Vierung. Oer Taufstein von 1453 und
ebenso die reiche Stciukuuzcl von 14H(i sind ebenso unver-
letzt gelilieben, als die liekaunte, einen unverdienten W'olt-
ruf geuiessende astronomische I hr im Südkreuzflügel.
Der Kosten -Anschlag zerfällt in: 1- Kosten für Stein-
metzarbeiten iucl. Material — 240.t>00 Fr.; II. Kosten für
Zimmerarbeiten und Dachdeekcnirheitcu an den Dächern,
iucl. Materialliefening von Kupfer, Zink. Schiefer und Ziegel
- 187000 Fr.; III. Wiederherstellung und Erneuerung der
Glasgemälde = 80383 Fr.; IV. Restauration der Orgel ss
i'iOOOO Fr.; V. Reparatur von Chorstühlcn, Bänken, Ihren
und Thiiren - 274. r > Fr.; VI. Erneuerung des verbrannten
Tauwerks, Leitern, Rüstungen etc., ferner für Errichtung
provisorischer 1 lächer und ähnlicher Arbeiten an der Orgel
- 27872 Fr. Alles zusammen 6i>8000 Francs oder rund
100 000 Thaler.
Wenn man erwägt, dass dieser Anschlag einerseits auf
genauester dreißigjähriger Erfahrung beruht, andrerseits wegen
Geltendmachung der vom Reiche zugestandenen Entschädi-
gungen sicherlich nicht niedrig bemessen worden ist, so
wird rnan sich wohl allseitig überzeugen, dass die früher
und bis in die neueste Zeit hin gesungenen Klagelieder über
die unersetzlichen Beschädigungen am Münster sehr über-
trieben gewesen sind und besser unterblieben wären. Eine
mittelgrosse französische Kathedrale zu restauriren kostet
mindestens das Doppelte, in der Regel <las Drei- uud Vier-
fache, und zwar sehr zum eigenen Schaden des Werkes, da
die restaurireuden Architekten mit Rücksicht auf die in Pro-
zenten von der Bausumme vereinbarte Tantieme die Restau-
ration so weit als irgend möglich auszudehnen pflegen. In
dieser Beziehung werden die edelsten Denkmäler häutig
mehr Iwschädigt, als durch eine Beschiessung oder einen
Brand, nur nimmt die Presse, da das Thema nicht pikaot
genug ist, keine Notiz davon.
Seit der l'ebeigabe der Stadt und Festunu ist das Stein-
kreuz der Spitze gefestigt und sind die Gewölbe durch pro-
visorische Dächer, sowie gefahrdrohende schwebcndc.Sclimuck-
theilc durch Streben und Stützen gesichert worden. Ferner
haben zahlreiche Ausbesserungen an Treppen uud Fenstern
stattgefunden. Eine nicht geringe Arbeit iimfasste die Auf-
räumung und Fortschaffung der Trümmer uud Splitter. Mehr
als 34)0 Wagen fuhren siud zu dieser Arbeit erforderlich ge-
wesen.
Die Ergänzung der Glasmalereien ist bereits weit vor-
geschritten; noch während des Winters erfolgte die Erneue-
rung uud Ausbesserimg der Bänke und Chorstühle. Zum
Schlüsse giebt der Verfasser noch einige Andeutungen über
bereits geplante Verbesserungen uud Vervollständigungen,
namentlich die Freileitung und Wicdcrausschmückuug des
Viernugslhiirincs. der Erneuerung der alten in Messing gegos-
senen lluuptpnrtalflügcl etc. Mit grosser Wahrscheinlichkeit
winl die umfassende liestauration in drei bis vier Baujahren
beendigt seiu und zwar wie wir mit voller Zuversicht zu der
Sachkenntuiss uud Liebe des Herrn Verfassers aussprechen
können, in sorgsamster und gediegenster Weise. Es stände
besser um die Schöpfung n der Baukunst, wenn jedes archi-
tektonische Denkmal erster Ordnung einen .solchen treueu
und gewissenhaften Hüter uud Pfleger besässe, als das
Münster zu Strassburg.
Berlin, Oktober 1872. F. Adler.
Vortrag, gehalten
Allgemein ist bekannt, wie sehr sich die Bevölkerung in
den Kulturstaatcn Europa'« seit Beginn dieses Jahrhunderts ge-
hnbefl hat. Legen wir x. B. nur die acht alten Provinzen
Preusseus unserer Vergleichung zu Grunde, so ergiebt sich eine
Verdoppelung der Einwohnerzahl für die letzten .Ml Jahre. Die
l mache ii dieser Erscheinung werden allgemein in den verbes-
serten Verkehrs- und Produktionsverhältnissen gesucht, uud den
Beweis für diese Anschauung liefert die Tliatsache, duss die
Bevölkerung auf dem flachen Laude fast konstant geblieben ist.
während lieh dieselbe in den Breuu|>unkteu des Verkehrs und
der Fabrikation, also den grossen Städten, in wissender Pro-
gression vermehrt hat. Beispiele sind die Bergwerksgegenden
und Industriestädte Westphalens, Schlesiens etc., in noch höhe-
rem Maasse die grossen Fabrikstädte Englands, wie Lecds,
I eher Kaimli-iruiig taa Städten.
April 1872 im Architekten-Verein zu Berlin von Baumeister Eduard Wiehe.
Exkremente sofort in Thonrohrlcitungen resn. Kanüle führen,
die obigen Forderungen, uud sie bürgern sich in den Häusern
der wohlhabenderen Klassen auch rasch ein. Nur hat man bis-
her bei ihrer Anlage gewöhnlich nicht genügende Vorsicht an-
gewendet; die Ruhrleitungen wtfren häufig nicht gut angelegt,
so dass Verschlammungen des Bohrs entstanden; auch müude-
C. ä ..1....^ 1 „ rt .. rt l,,..., 1 .4 ! .. W" i. ...... ..1 Jt +*u iiiiiarliillri II III
Sheffield, Manchester, Ncwc.istle u|sm Tyne, vor allen aber Ber-
lin, welches ia seinen Aufschwung wie bekannt, mehr seiner
Eigenschaft als Industrie- und Handelsstadt, als den hier ver-
sammelten Militair- und Zivilbehörden verdankt.
Noch 1830, ulso vor 4t) Jahren, fehlte vieles au der Ein-
wohnerzahl von 200 Tausenden; jetzt haben wir das Vierfache
dieser Zahl erreicht und denken in kurzer Frist die erste Mil-
lion vollzählig zu machen. Wenn wir uns auch üImt diese Fort-
schritte uud den mit ihnen verbundenen Aufschwung des Wohl-
standes einem gerechten Gefühl von Freude und Stolz hingeben
dürfen, so wird dumu-lbe doch je länger je mehr durch Miss-
ständc verschiedener Art gedämpft, die sich bei uus wie in
allen solchen Ansiedluugen vieler Menschen geltend machen.
Etwas Neues über diesen so oft besprochenen Punkt zu
sagen, kauu hier nicht nieine Absiebt sein. Es inug genügen,
in ganz kurzen Worten den Stand der Dinge in Berlin zu reka-
pituliren, um ein Bild von den Zuständen der meisten grossen
Städte I leutschlands zu neben. Die ll.iuptschwierigkeit ist die
Fortschuffung der menschlichen Exkremente. Vom Standpunkt
der Gesundheitspflege ist es erforderlich, dieselben sobald wie
möglich — am besten sofort nach ihrer Ahsonderuug — zu ent-
fernen und aus dem Bereiche der Stadt zu bringen.
Dies wird jedoch selten erreicht. Die Senkgruben und
.leren vierteljährliche oder gar nur jährliche Reinigung, die .Mi-
ete, siud in ihrer Unvollkommenhcit
fahr- Ton bcd resp. Eimer
genügend bekannt- Am h
teu sie fust ohne Ausnahme in die Wasserläufe innerhalb und
ausserhalb der Stadt, so dass dieselben arg verpestet wurden
Ks stellte sich heraus, dass mau die gefürchteten l'cbclstänüV
nicht vermieden, sondern nur au einen andern Ort versetzt
hatte, und es wurden Zweifel an der Zulässigkoit uud dem
Werth dieser Einrichtung laut. Dazu kam der sosjeiiauute volks-
wirthschaftlichc, eigentlich aber nur landwirtschaftliche Staad
punkt. Die Vertreter desselben rcklanürteu diese Stoffe bei
ihrem unleugbaren Dungwerthe tür die Aecker uud prophezeiten
üble Folgen aus der Nichtbcfolgung ihrer Rath schlüge, luiwi
scheu hemficht'mte sich die Spekulation dieser Angelegenheit:
es bildeten sich Fabriken für fubrikation sogenannter Poudrettc
Al-'i.li l - li-'li.iften md die verschiedeusten Systeme der S
fuhr uud Düngcrbereituiig wurden empfohlen. Die Litteratu:
war nicht müssig und dir- Menge von guten und schlechten
Schriften über dieses Thema ist staunenerregend.
Angeregt ist dieser unter deu Namen: „Kanalisation oder
Abfuhr" geführte Streit für Berlin durch den Bericht einer w
12 Jahren vom hiesigen Handelsministerium ausgesaudteu K^m
mission. Die Verhältnisse Berlins hatten schon lange die Aut
merksumkeit der Regierung, welche hier sehr bedeutende Inter-
essen als Hausbesitzer hat, in Anspruch genommen. Im Jahre
I8H1 nun unternahm die erwähnte Kommission, welche aus deru
Geh. Ober-Bau-Rath Wiehe, dem damaligen Baumeister, jetzi-
gen Baurath llobrccht uud dem Ingenieur V« itmeyer bc
stand, zum Studium dieser Frage eine Reise nach England un-.i
einigen Stüdteu des Koutiuenta. Sic legte ihre Beobachtungen
und zugleich ein Projekt für Berlin — welches im Wesentlich«,
auf den in London befolgten Prinzipien basirte, in einem au>
fuhrlichen Reiseberichte vor.
Seitdem ist in Berlin viel gesagt, viel geschrieben und prv
jektirt, aber nichts Durchgreifeudes ausgeführt worden. Deel;
kann man insofern mit Befriedigung aut diese Zeit zurück
besten erfüllen Waterk loset», welche die sehen, als die Grundsätze, welche zu berücksichtigen siud, *■
Digitized by Google
allen Seiten beleuchtet und fcsl gestellt wurden uud als viele
Gegner diene« System» bei näherer Prüfung sich für dasselbe
ausgesprochen haben. Allgemein wird jetzt zugegeben, das*
zur Abführung des Verbrauchs- uud Kegenwassers ein Net« von
uuterirdiseheu Entwässerungsröhren erforderlich sei, wenn auch
vielfach muh der Standpunkt festgehalten wird, dass die Ein-
leitung der Exkremente in diese Leitungen, also die Anlage von
Waterklosets überhaupt, durchaus unzulässig sei. So ist die
ursprüngliche ungerechtfertigte Fragestellung «Kanalisation oder
Abfuhr' zu der korrekteren: Kanalisation mit Abfuhr oder Ka-
nalisation ohne Abfuhr gewurdeu uud die zur Lösung derselben
versuchten Schritte haben in ganz Deutschland ein lebhaftes
Interesse «ach gerufeu. Zum beweise dafür erwähne ich die
seit einer Reihe von Jahren in allmäliger Ausführung begriffene
Kanalisirung von Frankfurt a- M , die kürzlich vollendete Ka-
iiulirung Danzigs, welche ich heute noch spezieller besprechen
werde, die Vereine, welche sich zur Forderung Oer öffentlichen
Gesundheitspflege in Berlin, in der Rheinprovinz gebildet haben,
sowie eine bereits im V. .lahrgang stehende Vierteljahrsschrift
für öffentliche Gesundheitspflege. ' Letztere ist das Organ von
Mäuueru der Wissenschaft und Technik, welche sich uuf den
regelmässigen Wauderversainiuluugeu der Naturforscher uud
Aerzte zu einer besonderen Sektion für Öffentliche Gesundheits-
pflege zusammen gefundeu haben.
Wenn nun auch durch die geistige Arbeit von Vertretern
aller Bcrufszwc^ige, von Aerzten, Ingenieuren, Chemikern und
Vcrwaltungs-Ücamtcn im Laufe der Diskussion Vieles gewonnen
worden ist, so lässt sieh ein Uebelstand doch nicht leugneu:
der grossen Mehrzahl des betheiligten Publikums fehlt es an
eigener Anschauung ausgeführter Hinrichtungen uud au der
Gelegenheit, die aufgestellteu Behauptungen und Theorien an
der Hand der Erfahrung selbst zu prüfen. Wohl sagt mau. das-»
die Litterutur uus ül»er Vieles unterrichten kann, es hält aber
sehr schwer, falls es nicht unmöglich ist, aus den widersprechen-
den Nachrichten das Richtige herauszuerkeunen. So nahm ich
doiiu im vorigen Sommer die mir gebotene Gelegenheit wahr,
diese Verhältnisse in England selbst eingehend zu studireu
Kanu man durch eine solche Reise auch nicht dasjenige lernen,
was eine thälige Mitwirkung an derartigen Bauausführungen
bietet, so gewiuut man doch einen Ucborblick, welcher dem-
jenigen leicht verloren geht, der nur das gerade in der Aus-
luhrung begriffene Projekt bearbeitet, und man kann durch Ver-
gleichen ein klares Urtheil über den Werth des Prinzips, über
die Kehler, welche au einzelnen Orten gemacht sind, sowie —
worauf es mir besonders ankam — iiber den gegenwärtigen
Stand der Wissenschaft uud Technik und über die Fortschritte
der letzten Jahre erwerben. Auf diese Reise habe ich fast
■4 Monate verwendet , uud ich muss anerkennen, dass ich des
Interessanten viel gefunden habe. Ich besuchte alle Orte, von
welchen ich etwas erwarten durfte, und überzeugt« mich, dass
die -überwiegeude Mehrzahl der Städte mit Kanalisirung aus-
gerüstet ist und dass die öffentliche Meinung in England, sowie
die Stimme der Autoritäten mit Entschiedenheit fordert, dies
System beizubehalten, und mir die bisher gemachten Fehler zu
vermeiden. Dies schlicsst nicht aus, dass einzelne Stadtverwal-
tungen anderer Meinung sind und es immer noch mit Abfuhr
versuchen, oder dass sich Unternehmer finden, welche mit irgend
einem Pateut ausgerüstet, in allen Zeitungen Reklame machen.
Namentlich den letztgenannten Aufsätzeu gegenüber ist selbst
sehen und — selbst riechen — der beste Prüfstein.
Zugleich aber glaube ich gegenteiligen Auffassungen gegen-
über die Bemerkung schuldig zu sein, dass ich im Allgemeinen
den englischen Ingenieur weder, was Kühnheit der Projekte,
noch was Geschick der Ausführung, noch weniger aber, was
theoretisches Verstäuduiss anlangt, üt>cr den deutscheu stellen
kann: allerdings hat der Engländer vor uus voraus die Ver-
fügung über einen Reichthum des Landes au materiellen Schätzen,
an Kohle, Erzen und vorzüglichen Baumaterialien, sowie an dis-
poniblen Geldmitteln, so dass dadurch sich die grösseren I.ci-
stungen erklären. Was speziell die Kanalisirung und Beriese-
lung betrifft, so ist in England viel zu lernen, weil dort elien
bereits seit langer Zeit Erfahrungen an ausgeführten Aulagen
gesammelt siud: es sind aber keine Schwierigkeiten vorhanden,
welche die Herstellung derartiger Bauten in Deutschland uud
durch deutsche Ingenieure irgend hindern oder zweifelhaft
machen könnten — immer vorausgesetzt, das» man die bereits
gemachten Erfahrungen kennt und anwendet.
In den maassgebendeu Kreisen, d. h. in den Gesundheits-
ämtern der englischen Städte, betrachtet man die in Rede
stehenden baulichen Anlagen nicht als einzelne und selbststän-
dige Einrichtungen, sondern als Glieder einer Kette, welche
durch die vielseitige Thätigkeit dieser Behörden gebildet wird,
uud welche Vieles vou dem einschliesst, was man hier einer-
seits als Aufgatte der Polizei, andererseits als Aufgabe privater
Wohlthätigkeit auffasst. Zu dieser Aufgabe der Gesundheits-
ämter gehört Wasserversorgung, Entwässerung, Reinigung der
Strassen, Anlage vou Kirchhöfen, Bau von Hospitälern, Beauf-
sichtigung von Fabriken, Arbeiterwohnungcn, Schulhäusern, Ge-
fängnissen, Bau von Schlachthäusern etc. etc. Als Haupt-
bediuguug zum geistigen und moralischen Wohle der Menschen
gilt es, auch körperlich die menschenwürdige Existenz zu er-
möglichen, uud diese erfordert in erster Linie, wie man ge-
wöhnlich sagt: reines Wasser, reine Luft, reinen Boden.
Die letzte Forderung, nämlich die Reinheit des Bodens ist
eigentlich in den erstgenannten schon inbegriffen, da der durch
Abfälle der verschiedensten Art und durch das Einsickern ver-
unreinigten Wassers impräguirte Boden Zersetzungsprodukte
bildet, welche die Luft und das Brunnenwasser verderben. Ge-
rade der letztgenannte, durch die allgemeine Erfahrung be-
stätigte Umstand führte auf die Errichtung vou Wasserwerken,
und der hierdurch erleichterte Bezug von reinem Wasser zu
einem in seiner Quantität früher unmöglichen Verbrauch desselben.
Die Annehmlichkeit und der Nutzen unbeschränkter Wasser-
versorgung soll nicht im Mindesten bestritten werden, wenn man
im Stande ist, das durch d- ; , Ge* .rauch verunreinigte. Wasser
auch ohue Uebelstände wieder los zu werden. Die Abführung
dieses Hauswassers in offenen Rinnsteinen ist das nächstliegende:
wir alle kennen alter aus Erfahrung die Nachtheile, welche
dieses Vorgehen im Winter wegen der Eisbildung, im Sommer
wegen der Zersetzung und des Gestankes hat — ganz abgesehen
vou den tiefen Rinnsteinen, welche sich in der Regel wegen des
uöthigeu Gefälles ergeben. Man wurde also auf unterirdische
Ableitung hingewiesen. Ein Thonrohr bis zum nächsten Wasser
ist bald gelegt und der Hausbesitzer wäre aller Unl»ei|uemlich-
keiteu los und ledig, wenn es die Andern nicht auch so machten
und zuletzt die Wassrrläufe so weit verunreinigt wurden, das«
mau auf Abhülfe sinnen muss. Das zunächst vorgeschlagene
Mittel ist gewöhnlich die l eberwölhung des betreffenden Gra-
bens, wenn derselbe nicht etwa zu breit dazu ist. Dies Mittel
ist selten ausgeführt und zwar mit gutem Grunde. Es ist sehr
kostspielig, den Kanal so gross zu machen, dass er die grössten
Zufliis
zur Zeit der Schneeschmelze uder heftiger Ii
geiigusso
abfuhrt : und hat mau ihm die hierfür geeigneten Dimensionen
gegeben, so ist er für die trockene Zeit viel zu gross, die Nieder-
schläge bleiben liegen und gehen in Zersetzung über. Ausser-
dem zeigt sich in allen Fällen an den Ausmüuduugeu des Ku-
nals der unangenehmste Geruch. Giebt mau dem Kanal da-
gegen zu geringe Dimensionen, so veranlasst er bei bedeutendem
Zuflüsse das Zurücktreten der SchmutzHüssigkeit in die Däuser.
Aus diesen Gründen kam man nach und nach darauf, Kauäle
entweder den Wasscrläufeu parallel oder ganz unabhängig von
deren Richtung zu erbauen, welche nur das unreine Wasser der
Thonrohrleitungeu ubführeu sollten, während die natürlichen
Wasserbetten vor Verunreinigung bewahrt blieben. Hiermit ist
eigentlich schon der Begriff der Kanalisirung gegeben: ihn uus
führlich zu präzisiren. ist es nöthig, noch manche andere Fragen
zu betrachten.
Zuerst handelt es sich um Form und Material der Ka-
uäle und natürlich stehen diese im innigsten Zusammenhang.
Während früher unterirdische Abzugskauäle häutig mit senk-
rechten Wänden und geradem oder nur flach gekrümmtem Boden
ausgeführt wurden, sind jetzt nur der kreisförmige uud der ei-
förmige Querschnitt in Anwendung. Die vortheilhaftestc Form
eines Kanals für eine konstante Wassermenge wäre natürlich
die Kreisform, da hierbei das Verhältnis* zwischen benetztem
Umfang und Querschnitt, wodurch die Geschwindigkeit bestimmt
wird, sowie die erforderliche Mauermasse am günstigsten wird.
Die Aufgabe ist aber gewöhnlich nicht die, für eine konstante
Wassermenge Vorsorge zu tieften, sondern einen Kanal zu kon-
struiren, welcher zwar iiöthigeufalls grosse Regenmengen ab-
führen kann, in trockener Zeit uud bei geringen Zuflüssen aber
möglichste Vnrtheile bietet, und den Strom so zusammenhält,
das* dem Niederschlagen und Antrocknen der mitgeführteu
Stoffe entgegengewirkt wird Dies wird durch die Eiform er-
reicht, l>ci welcher der Boden nach einem kleineu Radius ge-
formt ist, uud welche ausserdem bei demselben Querschnitt der
Kanäle eine grössere Höhe gewährt, also das Begehen erleichtert.
Die Kauäle werden aus Ziegeln konstruirt und erhalten bis-
weilen Sohlstücke aus Sandstein oder gebranntem Thon. Hart
gebrannte Steine, guter Zementmörtel und sorgfältige Arbeit
sichern denselben eine grosse Dauer — wie ich im Jahre IM7
bei der Begehung der 3.'> Jahre alten Hamburger Kanäle kon-
statirt habe — und verringern die Arbeit für Reparaturen und
Unterhaltung bis fast auf Null. Die kleinsten derartigen Ka-
näle sind etwa U.öO"» breit und 0,!'. r >™ hoch, so dass sie, wenn
auch nicht zu begehen, so doch immer noch durch Kriechen zu-
gänglich sind- Eine obere Grenze giebt es aus konstruktiven
Rücksichten nicht, doch pflegt man die ganz grossen Sammel-
kauäle, vou 3« uud mehr Breite, kreisrund zu machen, da diese
Sammelkanäle stets eine bedeutende Wassermenge führen.
Häufig ist es allerdings, schon mit Rücksicht auf die dis-
ponible Höhe, vortheilhafter, zwei oder mehre kleinere Kanäle
herzustellen, als eineu ganz grossen zu koustruiren. So führt man
auf der Nordseite Londons durch 3, auf der Südseite durch 3
parallele Kanäle das Kanalwasser der Themse tu.
Mittheilungen aus Vereinen.
Axchltcktenvereio zu Berlin. Versammlung am 19. Ok-
tober 1873; Vorsitzender Hr. Quassowski.
I»em Verein ist die traurige Mittheilung zugegangen, dass
wiederum eines seiner auswärtigen Mitglieder, diesmal einer
seiner Stifter, der Baurath Orth mann in Breslau, verschieden
ist. Von den IS Architekten, die den Verein im Jahre 1834
begründeten, siud gegenwärtig noch 5 am Leben.
Den grösseren Theil des Abends füllte wiede
Digitized by Google
welche vom
diesmal noch uiclit zum Abschlüsse gelangende Vortrag über
die Theorie des Schalles vou Hrn. J- W. Schwedler. Den
Schluss der Versammlung bildete die Beantwortung einiger
Frageu durch die Hrn. guassowski, Wiehe, Hartwich und
Streckert. O
Vennischtes.
24. September bis Ii. Oktober in Pari» getagt hat'
ist in Bezug auf die künftige internationale Organisation der
üruudlageu des metrischen Maass- und Gewichtswesens zu einer
benicrkensm'erthen Einigung gelangt. Es ist nämlich in den
letzten Sitzungen f nachdem die ersten Wochen der Verhandlungen
der neuen Einrichtung des künftigen gemeinsamen Urmaasses und
Urgewichtes aller Nationen gewidmet waren, fast einstimmig
der Beschluss get'usst worden, die Regierungen sammt lieber auf
der Konferenz vertretenen Staaten, d. h- fast aller Kulturvölker
der Erde, zu ersuchen, ein internationale« Bureau für Maasse
und Gewichte zu errichten, welchem unter der Leitung eine*
permanenten internationalen Koruite's übertragen werden soll
1) die definitive Feststellung des neuen gemeinsamen Urmaasses
und Urgewichtes, 2) die definitive Ausgabe der an die einzelnen
Nationen zu verabfolgenden, möglichst identischen Kopien dieses
neuen Urmaasses und Urgewichtes, 3) die Aufbewahrung des ge-
meinsamen Urmaasses und l'rgewichtes, 4) die in gewissen Zeit-
räumen zu wiederholende Vergleichung aller den einzelnen Staa-
ten zu übergebenden Kopien des Urmaasses uud l'rgewichtes
untereinander und mit den Originalen, 5) die fernere Ausgabe
genauer Kopien uu Staatsrcgierungeu , sowie au Interessenten
jeder Art, (»die Ausführung aller derjenigen gemeinsamen Ar-
beiten uud Untersuchungen auf dem Gebiete des internationalen
Maus- uud Gewichtswesens, welche im Interesse der F.nt-
wickelung und Befestigung seiner Grundlagen und der Ausbrei-
tung seiner Geltung erforderlich sein werden.
Das zur Leitung dieser internationalen Institution, d. h. zur
Ernennung und Ueberwachung ihrer Beamten, berufene perma-
nente Komite wird aus 12 Mitgliedern bestehen, und als Sitz der
ganzen Institution ist zunächst Poris iu's Auge gefasst
Die Versammlung hat ihr Präsidium beauftragt, bei der
französischen Regierung zu beantragen, dass dieselbe nunmehr
das ganze Projekt auf diplomatischem Wege den betheiligten
Regierungen vorlege und dieselben auffordere, zum Zwecke der
gemeinsamen Unterhaltung der vorgeschlagenen internationalen
Organisation einen Vertrag zu schliessen, durch welchen zugleich
das internationale Bureau für Maass und Gewicht in oder bei
Paris als eine neutrale Institution unter den Schutz aller Re-
gierungen zu stellen sein würde.
Der Aschen stampf (Cendrin)-Baa und die Wohnunga-
noth. Unter obigem Titel versendet, der Medizinal-Rath Küchen-
meister in Dresden eine 10 Seiten umfassende, als Manuskript
gedruckte Broschüre. Wenn der Verfasser, der in der Ein-
leitung die Ursachen der Wohnungsnoth bespricht und die-
selben namentlich in der Theueruug des Grund uud Bodens, sowie
aller bisher üblichen Baumaterialien findet, zur Abhülfe der-
selben die Anlage eigener Arbeiter-Kolonien empfiehlt, so kann
man ihm hierin wohl kaum beipflichteu. Es heisst für die
gegenwartigen sozialistischen Bestrehungen geradezu Brenn-
punkte schaffen und den Führern derselben Kasernen für
ihre Arbeiter-Bataillone hauen, wenn man die Arbeiter in ei-
gene Quartiere, gleichsam in ein Ghetto verweisen will. Im
weiteren Verfolge des Schriftchens theilt der Verfasser seine
eigenen, sowie die Erfahrungen des Herrn Berudt, Besitzer
einer Patent-Sammett'abrik in Deubeu bei Dresden, betreff* des
Cendrin-Baues mit. Herr Bern dt hat seiu Fabrikgebäude in
dieser Weise ausführen lassen, uud dasselbe soll allen Er-
schütterungen einer Dampfmaschine, einer Transmissinnswelle
und eines Stampfwerks vou 8 Stampfen ohne jeden Sehaden
widerstanden haben. Eine Platte aus Cendrin, welche einen
ganzen Winter im Wasser gelegen , soll unbeschädigt vorge-
funden sein. Die Zusammensetzung des Cendriu erfolgt aus
5 Theilen Steinkohlenasche und I Theil Staubkalk : welche zu-
sammen 0.00« Theile fertige Ccndriuwand liefern. Die Preise
sollen sich iu folgender Weise stellen: Pise 1. Cendrin 1,8,
Bruchstein 3,5, Ziegelstein S,0. Die schwache Seite bei dieser, wie
bei allen Stampfbäuten, scheint die äussere Form der davon
hergestellten Bauten zu sein, da die Art der Herstellung jede
gesebmack- und stilvolle Behandlung sehr schwierig machen
dürfte. Der Umstand, dass gerade dort, wo der griisste Woh-
uungsmangel zu herrschen pflegt — in der Nähe grosserer Fabrik-
anlagen , das empfohlene Baumaterial Steinkohlenascho meistens
im Uebernuss vorhanden, und fast werthlos, ja bisweilen
eine Last wird, dürfte immerhin empfehlen, weitere Versuche
mit dem Verfahren vorzunebmeu , uud glaubte ich somit die
Aufmerksamkeit der betreffenden Fachgenossen auf dasselbe
lenken zu sollcu. E. F.
Die Untersuchungen über die Einwirkung dos Leucht-
gases auf das Gedeihen der Bäume, welche auf Veranlassung
der Stadtbehorden in Berlin im Iranischen Garten und in der
städtischen Baumschule seit zwei Jahren betrieben wurden , siud
nunmehr abgeschlossen. Das Resultat derselben lüsst sich in
dem Satze zusammenfassen: „dass selbst die geringe Menge
Leuchtgas von 0,772 kb- täglich auf 17,8 kb'» Boden vertheilt,
die mit dem Gas iu Berühruug kommenden Wurzelspitzen der
Bäume jeder Art iu kurzer Zeit todtet und dass dieses uui
so früher geschieht, je fester die Bodenoberfläche ist." Ein-
zelne Baumarten (wie Gotterhaum, Gleditschie, Rüster und
Kugelakazie) geben eine solche Vergiftung früher, andere (wie
Ahorn und Linde) später äusserlich zu erkennen. Ferner ist
durch die Untersuchungen ausser Zweifel gestellt, dass das
Leuchtgas auf die Wurzeln der Bäume im Winter weniger zer-
störend wirkt, als während der Wachsthumspcriode derselben,
und dass selbst ein höchst geriuges, aber anhaltend auf die
Wurzelspitzen wirkendes 0"i">tum Leuchtgas die Erkrankung
und endlich deu Tod der Bäume sicher hert>cifiihrt. Erholen
knuuen dergleichen erkrankte Bäume sich nur dann, wenn die
Einwirkung des Leuchtgases nur gering und von kurzer Dauer
ist und jedenfalls nur die Zeit einer Hbrillen- (Faser-) hildnng,
nicht aber eine ganze jährliche Wachsthumsperiode umfasst.
Nach den Erfahrungen der Gasaustaltsbeamten machen sich
aber undichte Stellen in den Leitungsrohren mit einer Ausströ-
mung von etwa 0,20 Kubikmeter Gas täglich weder durch den
Geruch noch soiist wie an der Bodenoberflächc bemerklich, und
da ohne Zweifel eine Menge solcher unbedeutender undichter
Stellen vorhanden sind, so sind die Baunianpflanzungen nicht
nur in unmittelbarer Nähe der Gasleitungen, sondern auch in
weiterer Entfernung iu steter Gefahr, als erfahrungsmüssig das
entwichene (las in deu unteren lockeren Schichten oft bis 10»
weit vordringt, bevor es sich durch die Oberfläche verflüchtigt.
Durch die augestellten Untersuchungen ist daher konststirt
wordeu. dass Baumpflanzungen auf Strassen mit Gasbeleuchtung,
selbst in verhältnissmässig weiter Eutferuuug von den Rolir^n-
leitungen, der Gefahr der Erkrankung uud des Absterbens aus-
gesetzt sind, so lange es nicht gelingt, einen durchaus luft-
dichten Verschluss für die Muffenverbindungeu der Kötrcn iu
Anwendung zu briniccn oder eine Vorrichtung zu treffen, mittels
welcher das Leuchtgas unbehindert aus der Tiefe entweichen
Preussen.
Ernannt: Der Eisenbahn -Bau- und Betriebs -Inspektor
Bensen Essen zum über- Betriebs- Inspektor bei der Nicder-
sehlesisch-Murkischen Eisenbahn zu Berlin.
In den Ruhestand tritt: Der Kreis - Baumeister Stahl
in Minden:
Gestorben: Der Regierungs- und Baurath Peters in Op-
peln. Der Baumeister Eichhorn in Celle.
Die Baumeister-Prüfung halten bestandeu am 10 und
19. Oktober er.: Beruhard Schelten aus Esens; Wilhelm R»it-
uiaun aus Celle.
Brief- and Fragekaeten.
Hrn. B. in Berlin. Amtliche Bestimmungen für die Ausfüh-
rung von Vorarbeiten zu Schiffahrtskanälen nach Analogie der in
Betreff der Eisenbahnen erlassenen, bestehen in Preussen nicht.
Die letzteren, sowie die unterm 15. August d. J. vom Ministerium
für landwirtschaftliche Angelegenheiten erlassene Anweisung
für die Ausführung der technischen Vorarbeiten bei Ijmdes-
Meliorationen dürften einigen Anhalt geben. Die grasartigsten
in letzter Zeit gemachten Vorarbeiten für Kanal-Anlagen möch-
ten die für den Rhein-Weser uud Weser-Elb-Kanal von Baurath
Michaelis iu Münster, sowie die für deu Elb-Spree-Kaual von
den Ingenieuren Thiel * Knoch in Breslau sein.
Ilm. M. C. Cassel. Die Finnische Farbe oder besser ge-
sagt, der Finnische Anstrich beruht auf der Anwendung des
Ziukosvds zum Beizen des Holzes, um die Würmer davon abzu
halten. Das Zilikoxvd wird hierbei als Zusatz zu einem Ge-
menge von Kolophonium, Thran und Roggeumehl genommen,
dessen Rezept im Speziellen uus nicht bekannt ist. Mit diesem
Anstrich verwandt ist der Russische, welcher wie folgt tiereitel
wird: In 12' Wasser werden 0,33* Eisenvitriol gelost, hierzu
0,'25k Harz (Kolophonium':, 1,5k Caput mortuum: ferner werden
D Roggenmehl mit 0.38 1 Wasser zusammen gerührt uud das
Ganze gemengt. Vor dem Auftragen auf das Holz wird die«*
Gemenge frisch bereitet und eignet es sich nicht zur Aufbe-
wahrung.
Hru. H. in Berlin. Ob für das Glasdach einas Vorbaue*
farbiges Glas zu empfehlen ist, wird von dem Geschmacke dt*
Besitzers abhäugeu, jedenfalls empfiehlt sich für diesen Zweck
mattes Glas, wie es /,. B. iu der neuen Hülle des hiesigen Pots-
damer Bahnhofes angewendet ist.
Hrn. F. in Bremberg. Die Verhältnisse der betreffenden
Baugenossenschaft sind uns vollständig unbekannt. Wäre dir»
aber auch nicht der Fall, so müssten wir es dennoch völlig ab-
lehnen, uns üImt deren Zuverlässigkeit und Solidität ein Urtheil
zu gestatten.
Beiträge mit Dank erhalten von den Herrn T. zu Berlin.
F. in Warmbruun. B. iu Deutz, M. in Hannover, EL iu KOtt,
M. in Stade.
Hierzu eine Holzschnitt-Beilage: Faende der Villa March in Charlotten bürg, erfunden vou C. Hense. Grundrisse und TW
folgen in nächster Nummer.
Kt>«ah«i»»««rli« t»n Carl Imüo >• B.eliu.
Digitized by
Google
Jahrg. VI. M 44.
DEUTSCHE BAUZEITUNG
tot.
iiWnifhm*!* «IU pMtanMaltrn
. im! I- ■ ■ Iiäo«! i u i ,
ftor Merlin di* Espe41ÜoD.
Organ des Verbandes
deutscher Architekten - und Ingenieur-Vereine. ™
Prri<i 1 Tbalrr pro Quartal.
ße
Redakteur K. £. 0. Fritsch.
November 1872.
Inttrit.
für «I* l<rw. dir drotirtfii
Hunrttam *a*n Aafuhau
in «r«l»-»rllw:
Bau - Ann: licet- ••
lM<-m«..prrl»: V, Sp t».
n ,
Sonnulicuil.
Inhalt: Di» SrKI«h»fW»cll»m tt> <ld«r. - Our K««iüb.u. »I. MnM tur
H.l.u.in <1.« »MU-w.rk«.. - Uob«r K»iwli.lrtti.jc toi. SlidUo «Schill«»). Mit-
ih.lUaK.u «»« Vor.lnon: Arrhll»kl.»-Vcr.ln » H.rlt». - VtralMbtaai
Zu dr» UDUnsclmnxrn ober dl. RI»«irko»« d.. I^ürht«..o auf du 0<-d«b-ii
tu Hrrlin. — Vf fo» «, I - N»r,h r I eh l. n , Brl.f- und Fnirklilr .
Die Sehiffharnarhung der Oder.
In No. 34, Jahrg. 1 872 der Deutschen Bauzeitung liat Hr.
Graeve einen sehr dankenswertben Beitrag über die Oder
als Seh iffahrtsRtras.se veröffentlicht, der um so willkommener
ist, da er auf Orts- und Sachkenntnis* beruht und Veran-
lassung zur weiteren Beleuchtung des betreffenden Gegen-
standes und zur Aensserung entgegenstehender Ansichten
bietet.
Herr Graeve tritt unter Bezugnahme auf die Schrift
.dl« Schiffharii.achung der Oder, 1*72, Oppeln bei Reisewitz*
>ler Ansicht bei. dass zur Schiffbarroaehung der oberen Oder
bis Breslau die Kanalisirung mittels beweglicher Wehre ein
geeignetes Mittel sei, giebt aber für die untere Oder von
Breslau bis Küstrin der Einengung des Bettes durch niedrige
Rausc hhuhnen den Vorzug. In der genannten Schrift ist die
Schiffharmaehung der Oder von Breslau nach Küstrin zwar
nur beiläufig behandelt, indessen sind Seite 38 die bei Kü-
strin im Jahre 1S<;ö zur Beseitigung lokaler Versandung des
Flussbettes ausgeführten Uaiischhuhnen bereits besprochen,
alier zur allgemeinen Anwendung auf der Oder oberhalb
Küstrin nicht für zweckmässig angesehen. Diese Ansicht
soll nachstehend weiter begründet und hier gleich bemerkt
werden, dass die bei Küstrin erbauten Ranschbuhuen nicht
allgemein maassgehend sein können, weil hier neben dein
alten Strombett norli ein Vorfluthkanal besteht, so das» das
llochwasserprotil zn gross bemessen und eine Einschränkung
durchaus zulässig ist.
Jeder Strom hat das Betrehen, das seinem Hochwasser
angemessene natürliche (Juerprnhi, das sogenannte Norinal-
protil herzustellen. Hat er daher in Folge L'fer- Abbruchs
eine zu gross«» Breite angenommen, so wird er passende
Einschränkungswerke und insbesondere inklinante Buhnen
wenigstens an geraden und konvexen Ufern verlanden. Ist
jedoch die Einengung über das natürliche Profil hinaus ge-
trieben, so führt der Strom einen fortwährenden Kampf
gegen die ihm aufgezwungenen Schranken und bewirkt die
Zerstörung der künstlichen Bauwerke in längerer oder kür-
zerer Frist, je nachdem dieselben mehr oder weniger solide
hergestellt sind. An der Przemsa, einem Grenzflusse zwi-
schen Oesterreich und Prenssen am Krakauer Gebiet, der
vollständig verwildert ist. bei mittleren Wasserständen nur
0,3™ hohe Ufer, stellenweise eine Breite von 100 — 120"'
hat, während 30« ausreichend sind, zeigt sich eine Verlan-
dung der leicht gebauten inklinanten Buhnen, häufig bei ge-
wöhnlichen Wasserständen, wenige Stunden nach deren Her-
stellung. Die Oder hat elvenfalls Verlandungen erzeugt, an
der oberen Oder z. B. bei Krappitz, Döhem. In der letzten
Zeit jedoch , wo die Einschränkung weiter ausgedehnt ist,
haben Verlandungen zwischen den Buhnen nur in äusserst
geringem Maasse Statt gefunden. Es dürfte demnach bereits
an vielen Orten die Grenze der Einschränkung überschritten
sein, welche durch die natürlichen Stromverhältuisse bedingt
wird. Der Strom wirkt jetzt, mehr auf Zerstörung als Unter-
stützung der Werke, so' dass nach jedem Hochwasser und
Eisgänge erhebliche Reparaturen erforderlich werden. Die
stärkere oder geringere Ansteigung der Buhnenkrone nach
dem Ufer zn. also die Beschränkung des Profile» nach der
Höhe, hat einen wesentlichen Einfluss auf diese Verhältnisse,
aber doch einen geringeren, als die Länge der Werke, also
die Einschränkung des Profils nach der Breite. Verlanden
die Buhnen nicht, so äussern sie anf Räumung des Bettes
eher einen schädlichen als nützlichen Einfluss, weil sich
beim 1'eln rsturze des Hochwassers Auskolkungen und seit-
liche Wirbelbewegungen bilden, welche die Stosskraft des
' i der Mitte des Strombettes brechen und nnregel-
mässige Ablagerungen des Geschiebes veranlassen. Der Ge-
heime Ober-Baurath Becker, welcher die oderhauten längere
Zeit in der obersten Instanz leitet«' und dessen langjährige
Erfahrungen gewiss von Bedeutung sind, hält die Buhnen
an der Oder für sehr uachtheilig. sowohl in Bezug auf Ufer-
Unterhaltung als Räumung des Bettes.*) In der Denkschrift
vom 15. November 1*07, welche von der Königlichen Staats-
Regicmug dein Abgeordnetenhause vorgelegt ist, wird der
Fall angeführt, dass oberhalb Neusalz in einer auf 105,45"
(28 Rothen) Breite eingeschränkten Flugstrecke eine glekh-
mltxise Wjuwerticfe von 1,10—1,25" (SV. — 4 Fuss) vor-
gefunden wurde, während sich bei sonst gleichen Stromvcr-
hältuissen in der angrenzenden auf *4.74™ (22V, Rutlieu)
eingeschränkten Strecke zwar direkt zwischen zwei einander
gegenüberliegenden Buhnen eine Wnssertiefe von 1,57 »
(5 Fuss), aber in der Mitte des Stromfeldes nur eine
Wassertiefe von 0,47— 0,G3« (IV. — 2 Fuss) gebildet hatte.
Hier war also wahrscheinlich eine seitliche Theilung und
Bewegung des Stromstrichs zwischen den Buhnen am Ufer
entlang eingetreten, so dass in der Mitte des Stromfeldes
Konvexen des Stromstrichs entstehen mussten, welche die
Ablagerung des Geschiebes in der Fahrstrasse begünstigten.
Die Seitenlieweguug. il des Stroiustriclis entstehen fast immer,
wenn die flachen Kopfhöschungcn beschädigt werden und
sich an deu steilen Böschungen Auskolkungen bilden.
Die geringe Neigung der Oder, Verlandungen zu bilden,
mag auch durch die Beschaffenheit des Bettes veranlasst
werden, welches besonders an der oberen Oder sehr tief ein-
geschnitten ist und deshalb den grössten Theil des Hoch-
wassers abführen muss. Bei dem starken Längengefälle von
V».». '/»... und bei der grossen Wassertiefe wird die Boden-
geschwiudigkeit bei Hochwassern zu gross, als dass das Ge-
schiebe zur Ruhe uud Ablagerung kommeu könnte. Ober-
halb des festen Wehres bei Kosel hat die Oder ziemlich auf
eine Meile Länge sehr bedeutende Wassertiefen. Der Ober-
Kanal der Koseler Schleuse, die Winske, ein offener Neben-
kunal der Oder Itei Oppeln, obwohl mehrfach von der Rich-
tung des Hochwassers gekreuzt, unterliegen nicht der Ver-
sandung, welche an ähnlichen Orten an anderen Flüssen mit
niedrigen Ufern fast immer einzutreten pflegt. Die Oder
führt bis Küstrin bei einem sehr schmalen, gebirgigen Regen-
gebiet bei Hochwasser ungefähr 150 — ISO Mal so viel Wasser
als bei Niederwasser. Es dürfte*, daher einleuchtend sein,
dass die Regulirung des Flusses, welche die Herstellung
eines beharrlichen Hochwasserprofils bezweckt, und die
Schiffharmaehung, welche eine lohnende Wassertiefe für die
niedrigsten Wasserstände beschaffen lull, sich nicht mit den-
selben Mitteln erreichen lassen, weil beide Zwecke einander
widerstreiten.
Nach diesen allgemeinen Erörterungen möge es gestattet
sein, spezieller anf das Projekt einzugehen, die Schiffhar-
maehung der Oder von Breslau bis Küstrin durch Einengung
des Bettes mittels Rauschbuhncii zu bewirken. Da die Oder
bei Breslau etwa nur 20 kh"°, bei Küstrin 50 kb« Wasser in
der Sekunde bei niedrigen Wasserständen abführt, so inüssten
bei dem Gefälle von 1:31.00- 1:3200 zur Gewinnung einer
Wassertiefe von 1,4™ die niedrigen Rauschbuhnen so lang
gebaut werden, dass das Flussbett hei Breslau ungefähr auf
1!> ™, bei Küstrin ungefähr auf 40 « eingeengt würde. Hier-
durch wird der Strom für Strom und Eisgang wenn nicht
der Höhe, doch der Breite nach ganz erheblich eingeschränkt
und an der natürlichen Ausbildung des Bettes Umdeutend
') Zmr KtaataU. *-r Od.r C. Il«Ur. Berlin. I»«.. H.ft I. S.U. K.
Digitized by Google
mehr behindert, als durch die bisherigen Bnhnenbauten.
Die Rauschbuhueu werden daher einem sehr starken An-
griffe nnd einer baldigen Zerstörung ausgesetzt sein. Im
Jahre 1853 wurden anf Veranlassung des Geheimen Oher-
Bau-Rath Becker dergleichen Kauschbuhnen in grosser Zahl
an der oberen Oder ausgeführt, um durch die niedrige Lage
derselben die Verlandutig zu beschleunigen. So richtig dies
Prinzip bei Buhnen ist, welche nicht über die Nonnalbreite
hinausgehen, so wenig bewährte sich dasselbe im vorliegen-
den Falle, weil die Werke zu weit in das Bett hervortraten.
Die Buhnen wurden zum grössten Theile schon vom näch-
sten Hochwasser fortgerissen, die Senkfaschinen im ganzen
Strombett verstreut, so dass eine arge Verwilderung des
Fahrwassers entstand. Nach den früheren Erörterungen ist
zu bezweifeln, dass die Rauschbuhnen bei der unnatürlichen
Einschränkung des Bettes eine Verlandung erzeugen sollten.
Höchstens dürften sich, wie dies bei zu langen Buhnen ge-
wöhnlich beobachtet werden kann, zunächst hinter den
Köpfen, vorausgesetzt dass dieselben sehr flach gebaut und
erhalten werden, lange Barren bilden, welche gerade die
uaturgemässe Verlandung zunächst der Ufer verllindern und
wie künstliche Parallelwerke zu Auskolkungen an den Ufern
Veranlassung geben. Es kann also nicht darauf gerechnet
werden, dass die Buhnen durch die Verlandungen einen
Schutz und eine längere Dauer gewinnen sollten. Nach den
Erfahrungen, welche an der oberen Oder gemacht sind, und
welche auch mit den Angaben in Hagen's Wasserbau § 75
übereinstimmen, haben Buhnen aus Faschinenpackwerk nur
eine Dauer von 10 — 15 .Iniiren, oder erfordern bedeutende
Unterhaltung!)- nnd Reparatnrbanten. welche mindestens so
viel Kosten als der periodische Neubau veranlassen. In der
Schwierigkeit oder vielmehr in der Unmöglichkeit, die er- |
forderlichen Unterhaltung«- und Rcpnraturhautcn in der 1
richtigen Zeit in ausreichendem Maasse zu bewirken, liegt
das hauptsächlichste Hinderniss des sogenannten Regnlinings-
baues mit Buhnen aus Faschinen, und ist hierdurch gewiss
viel mehr als durch Anwendung eines falschen Konstrnktions-
Systetns die geringe Dauer der bisher üblichen Regulirungs-
werke veranlasst worden, weil niemals ein Beharrnngszustand
eintreten konnte. Die bei Hochwasser und Eisgang einge-
tretenen Beschädigungen lassen sich nur bei niedrigem
Wasserstand erkennen . so dass also rechtzeitige richtige
Dispositionen zur Beschaffung des erforderlichen Materials
niemals getroffen werden können. Die Reparaturen selbst
sind ebenfalls nur bei niedrigen Wasserständen auszuführen,
welche häufig durch kurze Anschwellungen des Flusses unter-
brochen werden. Die Arbeitszeit ist eine sehr beschränkte
und fällt meistens in die Zeit der Ernte, wo unter den
jetzigen Verhältnissen auf kurze Zeit Arbeiter in genügender
Zahl gar nicht zu beschaffen sein werden. Wenn diese
Schwierigkeiten sich bisher bereits fühlbar gemacht haben. !
welche Noth soll erst entstehen, wenn man die Oder von
Breslau bis Schwedt auf ßO Meilen Länge von der natür- ;
liehen Breite von 200 — 3O0 m auf 20 — 50"» einschränken und
daher das Faschinenwerk sehr erheblich vermehren wollte. I
Dieselben Schwierigkeiten, welche der Herstellung und
Unterhaltung der Faschinenbauten entgegenstehen, insbesondere
die Beschränkung der Arbeitszeit auf die niedrigen Wasser-
stände, machen sehr zweifelhaft, ob die Einschränkung des
Bettes theils durch Itauschbuhnen für das Schiffahrtsprofil,
theils durch gewöhnliche Buhnen für das Hoi-hwasserprotil
in einer kürzeren Zeit hergestellt werden kann, als die
Kanalisirung mit beweglichen Wehren. Nach der Becker'schen
Denkschrift von 181,7 hatte die Königliche Regierung in
Oppeln zur Vollendung der Einschränkung des Bettes bis
zur Normalbreite, also zu der sogenannten Oder-Kegulirang
nach dem bisher üblichen System, in dem betreffenden Bezirke
einen Zeitraum von 3 Jahren, in Breslau von <!— 8 Jahren,
in Liegnitz von 4 Jahren, in Frankfurt von 8 Jahren für
uöthig erachtet. Die weitere Einschränkung mittels Rausch-
buhnen dürfte neben Reparatur der älteren Werke doch min-
destens eine gleiche Zeit beanspruchen. Dagegen lässt sich
die Kanalisirung mit beweglichen Wehren beijuem in einem
Zeitraum von 2- -3 Jahren herstellen , da dabei geringere
Bauten erforderlich werden, als jetzt alltäglich bei Eisen-
bahnen vorkommen. Das Nadelwehr bei Oppeln ist in 3
Herbstmonaten vollendet, obwohl eine Unterbrechung durch
Hochwasser eintrat und unerwartete Hindernisse durch
Reste eines alten Wehres veranlasst wurden. Die Schlensen-
I muten können durch niedrige Erddäinrne gegen Hochwasser
geschützt und Winter und Sommer betrieben werden.
Darin beruht ein hauptsächlicher Vorzug der guten 1
Wasserstrassen, besonders der Sehiffahrtsknnäle und der
kanalisirten Flüsse, dass zu ihrer Unterhaltung verhältniss- ,
massig geringe Arbeitskräfte erforderlich sind. Die Eisen-
bahnen haben in erstaunlichem Maasse die Konsumtion aller
Güter befördert, aber gewiss nicht unwesentlich die ent-
sprechende Produktion behindert und vertheuert , weil sie
ganz bedeutende Arbeitskräfte nicht blos zum Bau, soudern
auch znr Unterhaltung und zum Betriebe in Anspruch
nehmen, also anderen Arbeitszweigen entziehen.
Dass bei der Schiffharmaehung durch Rauschbuhnen die
bereits vorhandenen Regiilimngsarbeiten beibehalten und
benutzt werden können, hat auf den Kostenpunkt keinen
wesentlichen Einfluss, weil die Kostspieligkeit des Faschinen-
banes mehr aus der NoÜiwendigkeit der öfteren Erneuerung
oder bedeutender Reparaturen, als aus der ersten Anlage
hervorgeht. Die vorhandenen Buhnen würden übrigens bei
Kanalisirung der Oder vorläufig beibehalten werden Können
Wenn überhaupt eine Verlandung derselben möglich ist, so
wird sich eine solche zeigen, wenn die in der Schrift .die
Schiffbarmachung der Oder* vorgeschlagene Geradelegung
des Hochwasser-Stromstrichs, und zwar in der Weise er-
folgt, dass man die in den Sehnen der Stromkrütnmungen
angelegten Scbleusenkanäle bei Hochwasser als Vorfluthkanäle
benutzt Wenn der Stromstrich sich in der Mitte des Strom-
bettes bewegt so wird die Geschwindigkeit des Wassers an
den Ufern ermässigt und die Ablagerung des Geschiebes
begünstigt. Tritt keine Verlandung der Buhnen ein, so ist
dies ein Zeichen, dass sie mindestens ntwöthig, wenn nicht
schädlich sind. Man kann sie dann allmählich verfallen
lassen und den Uferschutz richtiger durch Uferdeekwerke.
Abflachung der Böschungeu, Weiden- und Rohrpflanzungeti
bewirken. Wird die Schiffbannachuiig der Oder durcli
Kanalisirung erzielt und die bisherige Art der Reguliruni:
aufgegeben, wonach die Buhnen zugleich zur Einschränkung
des Fahrwassers und zum Schutz der Ufer dienen sollten,
so muss natürlich den Adjazenten, welche den Besitz un«
die Nutzung beanspruchen, die Unterhaltung der Ufer allein
znr Last fallen. Zur Vermeidung von Weiteningen wäre es
allerdings am vorteilhaftesten, dass dem Staat die Ufer auf
eine gewisse Ausdehnung als Eigenthum zugewiesen würden,
wobei den Adjazenten das Zugangsrecht an geeigneten Orte«
vorbehalten bliebe nnd der Staat die Unterhaltung entweder
gegen eine Ablösungssumme oder gegen die Nutzung, wenn
dieselbe der Unterhaltnngslast entspricht übernehmen müsste.
Die Besorgnis«, dass au der Oderstrecke von Breslau
bis Küstrin durch den von den beweglichen Wehren veran-
lassten Aufstau des Wasserspiegels die Entwässerung anlie-
gender Grundstücke behindert werden sollte, ist wohl nur iu
einzelnen Fällen begründet, weil zunächst unterhalb der
Schleusen nur ein Aufstau von 0,3 — 0,7i m über dem niedrig-
sten Wasserspiegel nothwendig ist, die Oder und das dane-
ben liegende Terrain aber durchschnittlich ein Gefälle von
2,2 m pro Meile hat, so dass also durch Legung der Schleu-
sen dicht oberhalb der Entwässerungsgräben oder durch Zie-
hen von Entwässerungsgräben bis unterhalb der Sehleuseu
bei noch disponiblem Gefalle von 1,4 — 1,8'» für die Meile
hinreichende Vorfluth geschaffen werden kann. Muss doch
für das Odergebiet unterhalb Küstrin bis Stettin ein Gefälle
von 0,3— 0,6" pro Meile und noch ein geringeres genügen-
Für Ausnahmefälle dürfte man indessen den Aufstau nur so
weit steigern, dass der Rückstau unterhalb der Schleusen
ausläuft, so dass eine Erhöhung des Wasserspiegels hier gsr
nicht eintritt. Die Austiefung des Bettes zunächst unterhall'
der Schleusen Hesse sich in diesem Falle durch Parallelwerk»'
von entsprechender Länge erzielen, welche den Schiffahrtsbe-
trieb nicht wesentlich hindern würden, weil die Strömuut;
durch den noch stattfindenden Aufstau gemässigt ist
Die Verzögerung der Schiffahrt, welche bei dem kana-
lisirten Flusse durch Passiren der Schleusen und engeu
Schiensenkanäle entsteht, kann durch eine um so rascher*
Fahrt auf den offenen Stromstrecken ausgeglichen werden,
wo nach Aufhebung der Strömung durch rasche Bewegung
des Schiffes kein den l'fern schädlicher Wellenschlag nai
kein erheblicher Aufstau, wie in einem engen Profile verur-
sacht wird. Der letztere Uebelstand würde die Bergfahrt
auf Stromschnellen, welchen an der Oder für niedrige Wasser-
stände l>ei der vorhandenen geringen Wassermenge nur eis
so enges Profil gegeben werden könnte, dass dasselbe von
dem beladenen Fahrzeuge fast ganz ausgefüllt werden müsste,
ganz unmöglich machen, aber auch schon auf dem offenen,
durch Kauschhuhnen bis auf Ii» — l<i n eingeschränkten Strome,
besonders zwischen zwei einander gegenüberliegenden Buhnru
erschweren und verzögern. Der Zeitverlust, welcher durch
Passiren einer Schleuse entsteht, ist mit einer Viertelstande
reichlich bemessen, wenn das Gefälle nur l,3 m beträgt und
grosse Einlass- und Auslassöffnuugen für das Füllen und
Leeren der Schleusenkammer angebracht werden. Die \er-
zögerung, welche anf dem offenen Strome die starke Strö-
Digitized by Google
- 357 -
mann veranlasst, ist jedenfalls viel bedeutender. Auf dem
kanalisirten Flusse lüsst sich die Thalfahrt mindestens so
rasch zurücklegen als auf dem offeuen Strome, weil die Zug-
kräfte, welche hei der Bergfahrt gewirkt haben, auch heider
Thalfahrt zur Ausnutzung kommen können, während diesel-
ben bei der Stromschiffahrt unbeschäftigt zurückgehen. Wenn
eine regelmässige Schiffahrt und die Einhaltung bestimmter
Lieferungsfristen erzielt werden soll, so kann auf den Segel-
wind nur als eine zufällige Beihülfe gerechnet werden, da er
selten in der günstigen Richtung lange Zeit auhält, auch in
den starken Knrven nicht zu benutzen ist. Von der Anwen-
dung eines Leinpfades wird bei der Einschränkung des Bet-
tes durch Rauschbuhnen ganz abgesehen werden müssen,
weil der Leinenzng bei der grossen Entfernung des Fahr-
wassers vom Ufer zu schräg ausfällt. Als einzig mögliches
Betriebsmittel wären also nur die Dampfschleppschiffe anzu-
Damit diese ihre Rechnung fänden, müssten sie einen
n Tarif stellen, das» ihnen auch die Thalfahrt bezahlt
Die Räderdampfschleppschiffe auf dem Rheine lassen
sich pro Zentnenneile eine Fracht von 0,7- 0,« Pfennigen,
die Kettenschlepper auf der oberen Elbe 0,fi6 Pfennige, dage-
gen Schleppschiffe auf Binnenseen nur 0,1 — 0,2 Pfennige
bezahlen. Uebrigens ist es eine längst anerkannte Thatsache,
dass im Ganzen genommen der Transport auf einem Kanal
oder kanalisirten Fluss billiger ausfällt, als auf offenem
Strome, wenn auf letzterem die Thalfabrt auch ohne Zug-
kraft zurückgelegt werden kann. Siehe Hägen s Wasserbau
§ 117, Seite 4Ö1, — Lamarle, du conemir* de* ranaux et de»
rlteminx de fer. Annale' der /«mt» et rhauMett. lH. r )!). Nach
dem Tarif der lociete de tnuage kostet der Transport der
Schleppschiffe auf der Seine bei Benutzung der Schiensen
nur ein Drittel bis ein Viertel so viel, als bei niedergelegten
Wehren, wo die natürliche Strömung wieder eintritt. (Deutsche
Hauzeitnng lS»i!t, Nr. 44.) Es ist übrigens fraglich, ob man
die jetzt bestehende Schiffahrt durch den Ausbau eines öffent-
lichen Stromes zwingen darf, sich eines bestimmten Trans-
portmittels, im vorliegenden Falle der Dampfschiffe, zu be-
dienen. Die Kanalisirung durch bewegliche Wehre bietet
den ausserordentlichen Vortheil, dass bei höheren Wasser-
ständen, bei welchen früher ein lohnender Verkehr allein
möglich war, welche aber nur durchschnittlich SO Tage im
.lahre anhielten, die Schiffahrt nach wie vor auf offenem
Strome betrieben werden kann, dass aber die Möglichkeit
geschaffen, dieselbe bei niedrigen Wasserständen mit noch
grösserem Vortheil und grösserer Sicherheit zur Ausführung
zu bringen. Wer die Schleusen nicht benutzen will, mag
wie früher warten, bis Hochwasser eintritt.
Dass der offene, durch Rauschbuhnen eingeengte Strom
ÖM grössere Leistungsfähigkeit besitze, als der kanalisirte,
dürfte sehr zu bezweifeln sein. Da bekanntlich die zu Thal
fahrenden Schiffe und Flösse nicht scharf gesteuert werden
können, entsteht bei einer Einengung des Fahrwassers bis
auf 19 — IG" 1 , besonders wenn die Flusskrümmungen beibe-
halten werden sollen, die Gefahr, dass die zu Thal gehenden
Fahrzeuge mit den zn Berg fahrenden Schiffen zusamtnen-
stossen und häufig auf die Bahnenköpfe geworfen werden.
Auf der oberen Oder, wo bereits eine Einengung des Bettes
bis auf 33,7"» vorgenommen ist, machte sich schon bei dem
jetzigen sehr schwachen Verkehr dieser Uebelstand in so
starkem Maasse fühlbar, dass Verordnungen erlassen werden
mussten, welche die Breite und Länge der Flösse beschränk-
ten. In Folge davon ist der Transport der Bauhölzer fast
ganz auf die Eisenbahn übergegangen. Auf der oberen Elbe
im Königreich Sachsen, wo eine Einschränkung des Bettes
durch Parallel werke nur auf Ii:!™ stattgefunden hat, wird
die eingeführte Kettenschleppschiffahrt ganz wesentlich durch
die Flösse behindert*), und ist aus dieser Thatsache zn ent-
nehmen, dass wenn die Kettensehleppsehiffahrt auf der Oder
zur Ausführung kommen sollte, wenigstens die Flösserei ganz
eingestellt werden muss. Aber auch die Kettenschleppschiff-
fahrt und die Segelschiffahrt werden wahrscheinlich in dem
engen Fahrwasser und den starken Krümmungen unüber-
windliche Erschwernisse finden. Hat doch die auf der unteren
Brahe von Bromberg bis zur Weichsel bereits eingeführte
Tauschleppschiffahrt wegen zu starker Flusskrümmungen
wieder eingestellt werden müssen. Auf dem kanalisirten
Flusse kann nach Aufhebung der starken Strömung zu Berg
und Thal, zur Tages- und Nachtzeit ein Verkehr der ver-
schiedensten Fahrzeuge mit Sicherheit neben einander statt-
finden und auf den breiten Stromstrecken auch vom Segel
Gebrauch gemacht werden. Eine Fahrstrasse hat dann die
grösste Leistungsfähigkeit, wenn sie den Verkehr nach beiden
Richtungen mit möglichst gleichen Betriebsmitteln ermöglicht,
weil nur in diesem Falle Veranlassung zur Anlage von in-
dustriellen Etablissements und zur Entwiekelung des Lokal-
verkehrs gegeben wird, der in volkswirtschaftlicher Bezie-
hnng eine viel grössere Bedeutung hat, als der durchgehende
und internationale Verkehr.
Gewinnt man eine Fahrtiefe von 1,4" und gieht den
Schleusenhäuptern eine Weite von 7,5"", so können Schiffe
von 7000 Ztr. Ladungsfähigkait zur Verwendung kommen.
Rechnet man für 300 Tage bei dem geringen Schleusengcfällc
von 1,3™ für den Tag tiO Schleusungen — an der Ruhr
werden hei stärkerem Schleusengefälle in den Sommertagen
häufig 70 Schleusungen vorgenommen — so ergäbe sich pro
Jahr, nnd zwar nnr nach der einen Rjchtung, eine Leistungs-
fähigkeit der Schleusen von 121! Millionen Zentner, also die
Möglichkeit eines Verkehrs, wie er jetzt auf dem Rhein
besteht. Sollte sich dersellte noch mehr steigern, so liegt
kein Hinderniss vor, noch eine zweite, eine dritte Schleuse
anzulegen, da der Wasservorrath nicht in Frage kommt
Die Schiff! >armachung der Oder durch Rauschbuhnen ist
viel weniger als die Kanalisirung zu einem Aktienunterneh-
men geeignet, weil erstere eine unendliche Zersplitterung der
Arbeitskräfte bei der Herstellung und Unterhaltung bedingt,
auch nach den jetzt bestehenden Gesetzen zur Erhebung
eines Schiffahrtszolles nicht berechtigt. Bei der Kanalisirung
könnte die Herstellung und Unterhaltung der Schleusen.
Schleusenkanäle, beweglichen Wehre sehr wohl einer Privat-
gesellschaft überlassen werden, wenn nur der Staat die Ver-
pflichtung übernimmt, die Unterhaltung der Ufer entweder
durch die UferhesiUer bewirken zu
Fessel.
187», No. 1J, 8. 1*S.
Der Regiebau, als Nittel zur Hebung des Baagewerkes.*)
Nach dem nunmehr eingetretenen Abschluss eines so
vielfach bewegten Bausommers wäre es wohl geeignet, recht-
zeitig vor dem Beginn der nächsten Bauperiode auf Mittel
und Wege zu sinnen, wie den so verderblichen Störungen
der Bauthätigkeit Seitens der Arbeiter wirksam zu begegnen
sei. Leider ist der darauf hinzielende Aufsatz in No. 9
bis 14 der deutschen Bauzeitnng, welcher so manches Be-
herzigenswerthe darüber brachte, ohne ein Eingehen der
Fachgenossen hervorzurufen vorübergegangen. Man möchte
fast einen Indifferentisraus derselben voraussetzen, wenn nicht
die Bequemlichkeit, den Nationalökonomen von Profession
diese Frage zu überlassen, die Schuld daran trüge, dass
solchen Fragen so geringe Aufmerksamkeit geschenkt wird.
Dagegen steht aber zu befürchten, dass die spätere Zeit
dung treffen und
rächen
ohne uns gehört zu haben, ihre Entscheidung treff
die Theilnahmlosigkeit der Banbeaniten sich alsdann
Ohne auf die historische Entwickelang unserer heutigen
Gewerbegesetzgcbnng einzngehen. welche sich seit noch kei-
nem Dezennium aas den Zunftgesetzen entwickelte, nachdem
bekanntlich — und wie ich überzeugt bin, mit Recht — fast
die gesammte Presse und die meisten kompetenten Stimmen
sich für Aufhebung des Zunftzwanges ausgesprochen und
die heutigen Einrichtungen mit Freuden begrünst hatten, ist
es mir doch zur Darlegung des Vorschlages über die Ein-
führung des Regiebaues als Mittel zur Hebnng der im Sinken
begriffenen Baugewerke, wie sie auch schon in dem oben
zitirten Aufsatz berührt worden ist, nöthig, die heutigen
Bauverhaltnis.se im Allgemeinen zu besprechen.
Seit Einführung der Gewerbefreiheit ist das äussere An-
sehen des Baugewerks wenig verändert; auch jetzt noch ar-
beiten darin Meister, Gesellen und Lehrlinge, dennoch aber
hat sich die Stellung dieser drei Kategorien zu einander
vollständig verschoben.
Zuerst die Meister! Wohl keine Stimme mehr wird sich
gegen das freie, durch keinen Prüfungszwang behinderte
Emporsteigen ans dem Gesellen- und I^ehrlingsstande znm
Meistertliume erheben. Die heutige Wohnungsnoth würde
ohne jene freiheitliche Entwiekelung und wenn das bauende
Publikum nur auf die privilegirten Meister beschränkt gewesen
wäre, aus Mangel an Unternehmern einen noch grösseren
Umfang angenommen haben; ja wir danken die grossartigen
•) Bei der durch dl* Beschlüsse der Karlaraber WanderterMiaiatunf wohl
noch starker anirereirten Antmerksasnkeilt, welch* man In den Kreisen der deut-
schen Architekten und lnireniear« neuerdings der Arbeiterfrage iiuu »enden be-
ginnt, glauben wir iu einer Hrfpreehnng derselben von Seiten der ausserhalb der
Parteien eteheadeu FsWlgenoseen wiederholt auffnrdern tu müssen. Wir eröffnen
dieselbe mit einem Anfeatsi', der ein« anseree Wissens noch nicht vernarbt* Be-
leuchtung derselben rom Standpunkte des Daubeamteo bringt, D. Kod.
Digitized by Google
358 -
Anstrengungen zur Erweiterung der Städte zumeist der (ie- I
Werbefreiheit Auch hat sich durch die neuen unzüuftigcn
Meister die Sicherheit des Baues nicht, wie Viele fürchteten,
vermindert, da eine vollauf mit Kompetenz ausgestattete
Baupolizei, welcher vielleicht nur in den ländlichen Bau-
kreisen die vollziehenden Polizeiorgaue fehlen, jede gefähr-
dende Bauanlage rechtzeitig unterdrücken kann. — Besorg-
nis« erhebt sich erst bei der zweiten Frage, wie die Stellung
des Gesellen sich seit der neuen Ordnung entwickelt hat.
Wenn viele alte Anhänger der vollen Gewerbefreiheit jetzt
dieselbe als zu weit gehend bezeichnen, so ist es nur die
eingetretene Verwilderung uud Demoralisation der Gesellen,
welche diese Besorgnis» erzeugt und entschieden einen Rück-
schritt des Bauhandwerks dokumentirt.
Das* der unzünftige Meister die moralische uud tech-
nische Ausbildung seiner Arbeiter mit grösserem Leichtsinn
vernachlässigt habe als der frühere geprüfte Meister, an
welchen der Geselle immerhin durch ein patriarchalisches
Band geknüpft war, folgt daraus noch nicht; unleugbar sind
alter die so häufig aufeinanderfolgenden Strike der Bauhand-
werker ein Beweis dafür, dass faktisch das alte Vertranens-
vcrhältniss zerrissen ist, dass .Missgunst, Misstrauen und ein
kleinlicher Interesseukrieg beiden Theilen das Leben nur
mit Bitterkeit erfüllt, ja wohl für lange Zeit das gedeihliche
Zusammenarbeiten derselben verhindern wird. l)er Gewer-
befreiheit würde die Verschuldung hierin nur ungereehter-
weise zugeschoben werden, da der Beginn der jetzigen Zu-
stünde schon in der Zeit der Zunftgesctzgebung w urzelt, wo
insbesondere der grosstädtische Bauhandwerker seit der ge-
steigerten Bautätigkeit und aufgeregt durch die überhand-
nehmende Spekulation grösseren Lohn verlangte und durch
Koalition wirklich in die günstige Lage kam, Vorschriften
seinerseits macheu zu können,.
Es möchte schwer sein, mit einfacher Prozeutsatzbestiin-
mung des gebührenden Antheils am Verdienst, sowohl für
den Unternehmer wie für den Arbeiter, zu beurtheilen, ob
wirklich, wie das Schlagwort lautet, eine wucherische Aus-
nutzung der Arbeitskraft stattgefunden habe; es ist auch un-
thunlich, aus den zumeist allerdings brillanten ökonomischen ,
Verhältnissen der älteren Gewerksmeister auf die Art des
Erwerbes zu seh Messen: gewiss ist es im Gegenthcil vielseitig
Undank gewesen, mit welchem die Gesellen lohnten, als sie
beim Strike ihren alten Urodhcrrn auch nach jahrelangem,
befreundeten Zusammenarbeiten verliessen. Allein, so wie
sich die Verhältnisse seit diesem mehrjährigen Kampfe her-
ausgebildet haben, können wir zwar unsere Sympathien jenen
alten Gewerksmeistern nicht versagen, aber dürfen ihret-
wegen und für sie auch nicht ohne Weiteres in den Kampf
eintreten. Auch ein Zwang Seitens der Regierung, diese
gleichsam getrennte Ehe wieder mit engeren Banden zu
schliessen, würde nur zu grösserer Verbitterung führen; nur
die volle Freiheit nene Verbindungen einzugehen, kann hier
helfen. Das schlimmste uud gefährlichste Moment in der
heutigen Verwilderung des Bauhandwerks liegt aln-r nicht
sowohl in der immer unverschämter sich steigernden Lohn-
forderung, sondern in der Verschlechterung der Arbeit. Es
ist nicht zu verwundem, wenn alte Gewerksmeister, welche
ihren ehrenwerthen Arbeitsstolz besitzeu, ihr Geschäft auf-
gehen, da sie es nicht ertragen können, exorbitante Lohn-
sätze zahlen, den Arbeiter so zart wie ein rohes Ei behan-
deln und dennoch mit der schlechtesten Arln-it vorlieb nehmen
zu müssen. Es ist ferner wahr, was insbesondere die Steiu-
inetzmeister beklagen, dass der Lehrling nach kurzer Lehr-
zeit, kaum mit den Handgriffen, geschweige denn mit den
Feinheiten des Handwerks bekannt, bereits als Geselle arbei-
ten will und in der Werkstatt Itci seiner Forderung unter-
stützt wird, denselben Lohn zu erhalten wie der Geschick-
testes denn daraufhin kann ja der letztere durch einfache
Vergleichnng die Lobnschraube zu seinem Vortheil neu an-
ziehen. —
Als man bei Einführung der Gewerbefreiheit die Schwie-
rigkeit voraussah, den Lehrling im Bilduugszwang zu erhal-
ten, glaubte man, dass nunmehr in der freien Konkurrenz
die Geschickten und Fleissigcn mit um so grösserer Strenge
die Untauglichen aus ihrer Mitte selbst entfernen und dass
letztere um so eifriger ihnen gleichzukommen suchen würden.
Dass in der plötzlich durch politische Ereignisse herbeige-
führten Steigerung der Bauthätigkeit bis zur Ausnutzung
eines Jeden, der nur arbeiten will, eiue Scheidung der
Leistungen nicht möglich werden, dass also die Preisregelung
der Arbeitsqualität durch übergrosse Nachfrage verhindert
werden würde, konnte mau nicht voraussehen; natürlich ist
aber auf diesem Wege, auch ohne die sozialistische Erregnng
der Gemüther in Betracht zu ziehen, der gute Arbeiter de-
moralisirt worden. Wiederum kann man also die Verschul- |
dung hierin nicht der (iewerbefreiheit zuschieben, wo für den
langsamen Uebergang iu die neuen freiheitlichen Zustände
keine Entwiekelungszeit übrig blieb. Wiederum wird man
also auch nicht nach der Seite der Beschränkung unserer
Gewerbefreiheit ein Heilmittel suchen könuen, ebensowenig
wie man allein durch Einrichtung von Gewerkssehulen.
Gewerltemtiseen etc., soviel Gutes sie auch anderwärts wirken
werden, die Bildung des Arbeiters heben wird. Ks bleibt
allein übrig, den Bildungstrieh des Arbeiters dadurch wieder
zu beleben, dass man ein neues Vertraueusverhältniss zwi-
schen Arbeiter und Meister herstellt, in welchem der letztere
nicht als Spekulant, sondern als werkthätiger Künstler
seiue Mitarbeiter zu sich heraufzieht.
Die Zeit, in welcher die ewig bewunderungswürdigen
gothischen Dome ausgeführt wurden.- sah in der Bauhütte
den Architekten zugleich als Werkmeister; derselbe Mann,
der den riesigen Plan erfand, staud auch seineu Lehrlingen
und Gesellen so nahe, dass Jeder im Verkehr mit ihm er-
messen konnte, welche Stelle im Bau der geistigen Bildung
gegenüber der rohen Arlteitskraft gebührt; es musste sich
zum müdesten das Gefühl der Achtung und Ehrfurcht dar-
aus entwickeln. Heutigen Tages ist aber der die Arl>eit in
der Werkstatt vertheilende Meister nur in seltenen Fällen
auch ihr Erfinder, und es gehört keine allzugrosse Ueber-
hebung Seitens des Arbeiters dazu, um sieh für befähigt zu
erachten, des Meisters Stelle auch seinerseits ausfüllen zu
können; die Person des Meisters imponirt ihm nicht mehr
Wohl hat sich die Kemedur, welche durch die (iewerbefrei-
heit hierin zu hoffen war, bereits faktisch angebahnt: es
haben sich auch wissenschaftlich und artistisch gebildete
Männer als Unternehmer etablirt, welche die schwierigen und
kostbaren höheren Studien des Faches persönlich durchge-
macht haben und Bedeuteudes in der Erfindung zu leisten
im Staude sind. Aber auch diese neuen Elemente können
sich dem materialistischen Strebeu der Zeit nicht so ent-
ziehen, wie vielleicht es Männer thun können, für deren
sichere Existenz der Bauherr in fester Besoldung sorgt: auch
bei derartigen Unternehmern wird der Arbeiter meistens al>
das Werkzeug zum raschen Erwerb angesehen und die
Heilighaltung der Arbeit kann Ihm ihnen keine volle Pflege
linden. Anderseits kann nur interessenlose Hingabe und
ideales Streben des Meisters bei seinen Arlieitern Ehrfurcht
und Hingal>e, Begeisterung und Nacheiferung erwecken; der
Arbeiter muss. um iu seine alte Stelle treuer Mitarbeit wie-
der einzutreten, Beispiele von Männern halten, für die es noch
etwas Höheres giebt, als der materielle Gewinn. Wenn auch
Talent, Kunstfertigkeit und ideales Strebeu gewiss eine gross»-
Zahl der jetzt angegriffenen Meister auszeichnet, so lange sie
nicht die Person des Arbeiters durch nähere Berührung
gewinnen, durch Hingabe für ihr geistiges und leibliches
Wohl sein Vertrauen wieder erwerben, ihm durch Heilig-
hallting der Arbeil bis zur Verleugnung ihrer eigenen Iuter-
essen Achtung einflössen, wird von dieser Seite für die
Hebung der Bauhandwerker wenig zu erwarten sein.
Viel eher wird sich eine gedeihliche Entwickeliing an
die Person der Baubeniuten anknüpfen lassen, denen, trotz
mancher Verkümmerung, Schinkels Vorbild betreffs der Mit-
arbeit des Architekten an der Bildung der Nation in reinem
Andenken stets vor Augen gestanden hat, welche allein
durch die Zugehörigkeit zu den Organen eines, ohne ideale
Zwecke gar nicht denkbaren Staates mehr Vertrauen vom
Arbeiter verlangen können als der Spekulant, Ihm welchem
meistentheils jeder Mehrverdienst des Arbeiters mit einer
Verringerung des eigenen Verdienstes zusammenhängt. In
solcher Lage befindet sich natürlich jeder angestellte Baube-
amte .lein Arbeiter gegenüber, möge er vom Staate oder von
der Kommune, oder von grösseren Ballgesellschaften, bezie-
hungsweise Bauherren etc. engagirt sein.
Ich wünschte nun. dass alle von diesen Baubeamten
geleiteten Bauten iu Regie ausgeführt würden, dass also ohne
die Mittelsperson des submittirenden Unternehmers alle Bau-
arbeiten, vielleicht mit geringen Ausnahmen, von eigenen
Bauarbeitern, nicht in grösseren oder kleineren Akkorden,
sondern nur in Tagelohn ausgeführt würdeu, dass in einem
Arbeitsverhällniss, in welchem das Leben nicht allein in der
Arbeitsstrapaze gipfelt, die Arbeiter durch den ihnen nahe-
stehenden Meister Zeit und Anregung erhielteu, um sich nichf
blos als Arbeiter, sondern auch als Menschen zu fühlen.
Zeit und Gelegenheit zu ihrer Weiterbildung fanden und in
dieser Schule gebildet, eventuell auch mit Bewährungsattesten
versehen, den Sauerteig abgäben zur Durchsäueruug des im
Privatbau beschäftigten Gewerkes. — Eine solche Arbeits-
verbindung, welche bei den fiskalischen Bauten einfach im
Verordnungswege statt des jetzigen beschränkten oder öffent-
lichen Submissiousverfalirens verfügt werden kann, scheint
Digitized by Google
mir die segensreichste Krönung der Gewerhefreiheit zn sein,
da in der Freiheit des Baubcaiuten, sieh mit dem Arbeiter
direkt wieder zu verbinden, der alte verherbesprochene Zu-
stand der Bauhütten wiederhergestellt würde.
Es bliebe nur zu beweisen, dass bei der gegen die Pri-
vathauthätigkeit geringen Auzahl der in Regie auszuführenden
•Staats- oder Koiumuualhauten sich eine solche Schule des
Arbeiterstandes, wie ich sie wünschte, herstellen Hesse. —
Wenn auch wirklich au Zahl geringer, so werden doch an- 1
sere Staats- und Kommunalbauten fast durchweg in dem
Sinne künstlerischer .Monumentalbauten entworfen, welche
die Würde und Solidität, und gleichsam die Ewigkeit des
staatlichen b-bens vor Augen stellen sollen. Wie einst auch
die Hellenen nicht nach der Rentabilität ihrer Staatsbauten
saheu, sondern das monumentalste und edelste Gestein, die
eleganteste Arbeit, die bis zum Nagel durchdachte Form der
Repräsentation ihres Staates allein für würdig hielten, so hat
auch unsere Zeit entschieden Front gemacht gegen die dürf-
tige Auffassung jüngst vergangener Dezennien, l ud wie sich
an die Arbeiten der Akropolis von Athen, wie sich in
neuerer Zeit an die Restauration des Kölner Domes blühende
Steinmetzschulcn angeschlossen haben, so werden sich im
Kegiebau durch alle Provinzen unseres Staates Bauhütten
bilden, die Zucht und Sitte, Kuustgeschick und Arbeitsfreude
verbreiten sollen.
.Man könnte auch einwenden, dass der heutige Privatbau
in grossen Städten monumentaler und daher lehrreicher ist,
als der Staatsbau, und es ist allerdings nicht zu leugnen,
dass in Betreff eines luxuriösen Baumaterials die Konkurrenz
des Privatbaues bis ins l'unatürlichc gesteigert worden ist.
Aber nicht im Material allein, mehr noch in der künstleri-
schen Durchbildung liegt die Monumentalität, und in der
Achtung auch vor der geringsten Bauarbeit liegt das zu be-
tonende Bildungsiiioment. Darum muss gerade für deu Re-
giebau die ausschliessliche Tagelohnleistung. die Fernhaltung
zu Hast und Eile und damit auch zu unsolider Arbeit auf-
fordernder Akkordarbeiten verlangt werden. Dass dadurch
eine VertheuiTuug des Baues eintreten müsse, folgt noch
keinesfalls und müssle immerhin durch Versuche erst koii-
statirt werdeu. Es existiren im Gegeiitheil mehre Fälle, wo
für Hochbauten, wie z. B. in Breslau, die Behörde den Weg
des Regiebaues aus Sparsatnkeitsrücksichten beschritten hat
und die besten Erfahrungen bereits erzielt sind-
Nur allein der Gesichtspunkt, deu l'ebertheueruugen der
Handwerksmeister in der Submission durch den Regiebau
ein Paroli zu bieten, dürfte gar nicht betont werden, und
wäre nur geeignet auf Seiten jener der Behörde so lange
verbundenen .Männer Aufregung hervorzurufen; es verbleibt
für den Staat die Pflicht, wenn der Regiebau als «las einzige
Kettuugsmittel zur Hebung des gesunkenen Baugewerkes an-
erkannt wird, für die Erziehung desselben auch Ausgaben
zu machen, welche sich nicht nur in der höheren Solidität
der Ausführungen, sondern in der Beruhigung des jetzt so
hoch erregten Arbeiterstandes rentabel genug angelegt bezei-
gen werden. Gegen die Uebwtheuerung können auch noch
andere Auswege vorgeschlagen werdeu, welche die Normimng
des Meisterverdienstes auch bei variablem Arbeiterlohn ins
Auge fassen: allein in dem Gesichtspunkt der Beruhigung
des Handwerkers durch Eröffnung neuer Arbeitsverbindun-
gen muss der Regiebau angeordnet werden, mit der offen
ausgesprochenen Absicht, den Arbeiter nicht als rohe Kraft
auszunutzen, sondern ihn in der Arbeit weiterzubilden. Daun
erst schützt sich die Behörde vor dem Vorwurf, in dem Streit
zwischen Meister und Gesellen Partei ergriffen zu haben,
und sie zwingt auch ih n Privatunternehmer durch ihr Bei-
spiel, dem sinkenden, mehr und mehr verwildernden Ban-
handwerke neue moralische Anker zuzuwerfen. • -
Lichterfelde im Oktober 1H72.
W. Tuck ermann,
kgl. Baumeister.
lebrr hanalUirun-; von Städte«.
(ScIllUM).
Ausser den gemauerten Kanälen kommen noch Thninohren in einen Klus« kein Hedenken entgegensteht. Mau entlehrt
in Anwendung. Dass man diese auch eiförmig macht, halte ich daher durch sogenannte Regenauslässe oder Rc geu überfäl I e
für eine Spielerei: in London sah ich auf der vorjährigen Aus- an geeigneten Stellen die Kanüle. Diese l' überfülle- sind wie
Stellung in iler Albert -Hall eiförmige Kohren von O.t'O'» Höhe, ein Wehr konstruirt, und treten in Funktion, sobald die nor-
atier auch kreisrunde von 0.10" 1 Durchmesser bis zu O.'.'O" hin- i male Füllung — bis zum Kämpfer des DcckengewOlhes — P r-
auf. Hervorzuheben ist, duss mau feste gute Steiiigutrohren, reicht ist.
welche innen und uusseu glasirt sind, verwenden muss, nicht Die Rücksicht auf diese gauz unentbehrlichen Regenaustässe
lockeres i>oröses Material, welches in der Fabrikation den Drain- | bedingt daher, genau die Wasserstände der zur Entlastung iu
röhren ähnlich ist und sich als durchaus nicht haltbar ge- Aussicht genommenen Wasserläufe zu studiren , um etwaiges
zeigt hat. Hücktreten des Flusswassers in die Kanäle zu verhüten und
Die zu wählenden Dimensionen sind in Verbindung mit versichert zu sein, duss die Auslässe hei allen Wasserständen
dem Gefälle zu betrachten. Als Miniuialdinicusioncu würde ich fuuktionircu können.
für Strasscnröhrcn 0,20™ Durchmesser, für gemauerte Kanäle Wirken diese Erwäguugeu, ebenso sehr wie die Rücksicht
1,2" Hohe zu 0,s» Breite empfehlen, auch wenn die nach deu auf die Baukosten uud auf ungehinderten Ausfluss des Sammel-
l'ckaimtcn Formeln gefundenen theoretischen Abmessungen be- kauals iu seinem unteren Ende — mag dieser nun in einen
deutend geringer wären. Die grössten Dimensionen für Kanäle Flus*, in einen Pumpeusumpf. oder über Rieselfelder erfolgen
habe ich mit 3,.'>" Durchmesser in London gefundeu, doch — darauf hiu, die Kanäle möglichst hoch zu legen, so siud zwei
sehliesst keine technische Rücksicht eine Vergrösscrung des audere Momente vorhauden. welche für die M i ui mal tief e
Durchmessers aus. Dagegen möchte ich für Röhreudurchmesser maassgebend sind. Das wichtigste ist. die Entwässerung der
nicht über 0,-I.tO bis 0,')2.'i m hinausgehen, da mir die grösseren Keller. Hierfür wird im Allgemeinen eine Tiefe von etwa 3 ■
Stücke bis jetzt in der Fabrikation zu schwielig erscheineu und unter Pflaster, also von etwa 1,3«' unter Kellersohle genügen,
zu vielen Zufälligkeiten ausgesetzt sind. Was das tiefälle be- Bei dieser Tiefeulage der Rohren kann aus Waschkellern etc.
trifft, so thut man gut, zu steile Führung der Röhren und Ka- die Ableitung direkt iu den Strassenkanal erfolgeu, ohne dass
nälu zu vermeiden, um eben dem Trockenlaufen der Leitungen man hei der üblichen Tiefe der Kellersohle von etwa 1,.V" unter
und dem Festtrocknen etwaiger Siukstoffe entgegen zu treten: der Strasse befürchten dürfte, dass Itei hoher Füllung der Ku-
duch hängt dieses ganz von lokalen Verhältnissen ab. Als Mi- ■ nälc eine Ueberschwemmung des Kellers stattfindet. Der an-
nimalgefälle für Hausrohru mag mau 1 : M>, für Rohrleitungen dere Funkt ist die Einwirkung, welche die Kanäle auf das
ohue besondere Vorrichtung zum Spülen 1 : 300, für Rohre mit Grundwasser haben. In unsern flachen (legenden sind die Ver-
Spttlbetrieb 1:600 betrachten uud uur im äussersten Nothfall hßltnisse der Kellertiefe und des Gruudwasscrstandcs gewöhn-
noch flachere Neigung anwenden. Für Kanäle geht man je nach lieh derart, dass bei Heb Igung der obengeuauuten Regel die
der Grösse von 1 : *„'l)0 bis zu 1 : 2400. Kanäle mit ihrer Sohle in das (irundwasser tauchen: der er-
Hei der Abmessung des Querschnittes ist die abzuführende leichterte Abfluss des Wassers in der Baugrube senkt deu Was-
Maximul-Wasseruieuge maassgebend. Die Quantität des gewöhn- «erstand auf den Itenachhartcn Grundstücken uud diese Wir-
liehen Verbrauchswassers verschwindet hierbei fast vollständig kung wird auch nach Heendicuug des Kauals nicht aufgehoben-
gegeu die Regenmenge, welche bei uussergewöhulich heftigen Kinerseits die h.ckere llinterfüllung und ilie Wasserfäden, welche
Regengüssen in die Kanäle gelaugt. Wenn auch der Regenfall sich an den Außenseiten des Kanals hinziehen, andererseits
für Berlin z. B. durchschnittlich 0,602™ pro Jahr beträgt, so die Unmöglichkeit, die Kanäle absolut wasserdicht herzustellen
giebt es doch Tage, an welchen 0,013 bis 0,020" Regen binnen und das Kinsickern von Aussen her zu verhindern, bewirken
einer Stunde fällt, und es ist daher Vorsorge zu treffen, dass ein Hcrahgchcu des Grundwassers, wie sich dies am besten an
der Theil des Regens, welcher wirklich iu die Kanäle kommt, dem Austrocknen der Keller und Hruuueu nachweisen lässt.
und nicht vorher durch Verdunsten, Eiusiekcru etc. verloren Eine Senkung des (iruudwassers ist aber nach den umfang-
geht, ohne IJeberfüllung der Leituugeu abgeführt wird. Für reichen Ermittelungen des berühmten Arztes Dr. M. v. Petten-
diejeuigen Kanäle, welche einzelne Stadttheile entwässern, kofer iu München von ganz direkter und segensreicher Wirkung
kommt man hierdurch auf keine außergewöhnlichen Dirnen- auf die Verminderung einer Reihe von Krankheiten, uuter wel-
sionen, wohl aber für die Hauptsammelkauäle, und der Hau der- cheu Cholera, Typhus uud Lungcukrankhcitcn obenan stehen,
selben würde sich ungemein vertheuern, wenn mau nicht auf an- Der L'mfaug* dieser Mitthciluug erlaubt es nicht, die zuletzt
derweite Abführung des Regcuwassers bedacht wäre. Tritt uäiu- erwäbute Frage eingehender zu erörtern oder die anderen Punkte,
lieb eiu solcher Regeufall ein, so spült, falls das Gefälle eut- welche noch zu berücksichtigen sind, in einer allgemeinen Dar-
sprechend gewählt ist, die durch die grosse Wassermenge in Stellung zu besprechen. Ich ziehe daher vor, an Stelle dessen das
den Kanälen und Röhren erzeugte Geschwindigkeit alle etwaigen für die Stadt Danzig ausgeführte Kanalisiruugs-Projekt in seinen
Sinkstoffe sofort wea und verdünnt das in den Kanälen flies- Stadien der Berathung. Ausführung. Geldbeschaffung und Wir-
sende Uauswasser in einem solchen Grade, dass seinem Eintritt kung durchzugehen, und hoffe an diesem konkreten Beispiele
Digitized by Google
- 360 -
dasjenige klar stellen zu können, was allgemein gefasst zu weit-
läufig ausfallen würde. —
Danzig hatte einem dringenden Bedürfnisse Rechuung ge-
tragen, als es sich zum Hau einer Wasserleitung entschloss.
Bisher war das nöthige Trink- und Gebrauchswasser entweder
aus dem Itadaunenbach und aus zahlreichen Brunnen, welche
nber durch die bestehenden Senkgruben rtc. stark verunreinigt
waren, oder aus den von Hausirern in fahrbaren Tonneu feilge-
botenem Quellwasser der näheren Umgebung entnommen wor-
den. Ein glücklicher Griff Hess zwei Meilern von Danzig ent-
fernt ein Quellengebiet entdecken, welches reines Wasser in ge-
nügender Menge und in einer solchen Höhenlage bot, dass es
ohne Anwendung von Pumpen die Stadt zu versorgen geeignet
war. Während man damit beschäftigt war, diese Quellen durch
••in System von Saugedrains zu fassen und die Kohren zum
llochrescrvoir und zur Stadt zu legen, wurde Seitons des Ober-
bürgermeisters von Winter, der von seiner Amtstätigkeit als
Polizei-Präsident auch hier gekannt und geschätzt ist, auch die
Krage nach dem Verbleib der so in die Stadt zu führenden und
durch den Gebrauch verunreinigten Wassermeugen in Angriff
genommen.
Auf Grund seiner Bekanntschaft mit dem bereits erwähnten
Projekte für Berlin wandte er sieh au den Geh. Ober-Bau- Rath
Wiehe mit der Aufforderung zur Projektirung eines Entwässe-
rungssystems für Danzig, und dieses Projekt, au dessen Ausar-
beitung auch der Zivihngenieur Vuitmeyer thätigeu Antheil
genommen hat, ist der Ausführung zu Grunde gelegt worden.
Einen wesentlichen Theil an der sofortigen Inangriffnahme hat
auch die hiesige Firma J. «i A. Aird, welche sich bereit er-
klärte, 70000 Thlr. unter dem Anschlüge das Projekt auszu-
führen, falls sie die Arbeiten gleichzeitig mit der von ihr über-
nommenen Legung der Wasserrohren ausführen kannte, und
welche ausserdem die Reparatur- und Betriebs -Kostet! Tür die
nächsten 30 Jahre übernahm, wogegeu ihr das Kanalwasser
und das erforderliche Düueulaud zur Auiage einer Rieselfurm
zur Verfügung gestellt wurde. Diese Farm ist bereits in er-
folgreichem Betriebe. Es wurde bei der Aufbringung des Buu-
kapitals der Grundsatz festgehalten, dass solche Aulagen nicht
allein der gegenwärtigen Generation zum Vortheil gereichen,
daher auch nicht aus den laufenden Einnahmen zu nestreiten
sind, sondern dass eine Anleihe, welche durch allmälige Amor-
tisation die Last auf eine Reihe von Jahren vertheilt, sowohl
gerechter ist, als auch die Mittel zu einer energischeren und er-
spriesslichereu Förderung des Baues bietet. — In der That ist
die Kanalisirung Danzigs, welche im Herbst 18t;;» in Angriff ge-
nommen wurde, bereits im Dezember 1871, also nach 2 V« jäh-
riger Bautätigkeit, in dauernden Betrieb gesetzt worden.
Ehu ich nun zu einer kurzen Beschreibung des Kanalsvstcms
übergehe, milchte ich noch in Kürze eine Darlegung erwähnen,
welche der Stadverordnete Dr. Lievin bei Gelegenheit der Geld-
bewilligung vortrug s
„Nachdem die Betriebskosten durch den Vertrag mit J. &
A. Aird in Wegfall gekommen sind, repräsentirt die Verzinsung
und Amortisation des Anlage- Kapitals von H000Ö0 Thlr., a'so
rund 300OÜ Thlr., die jährliche Ausgabe für das Kanal netz.
Wenn B. Latham (in seinem Gutachten über das Projekt der
Kanalisation) auch vielleicht zu hoch greift, indem er auf die
Reduktion der Sterblichkoitsziffer von 37 auf SO pro Mille, also
bei 70000 Einwohnern auf die Erhaltung von jährlich 1200
Menschenleben rechnet, so würde schon eine Reduktion um 3
pro Mille, also um rund 200 Todesfälle jährlich, das Resultat
ergeben, dass die Rettung eines Menschenlebens pro Jahr dem
Zinscnbetragc von 150 Tnalern gegenübersteht. Da ferner auf
jeden Todesfall durchschnittlich '25 Erkrankungen kommen, so
hat mau pro Jahr 5000 Kranke weniger zu erwarten.' Noch
wurde kurz auf die Erleichterung des Armen-Etats hingewiesen,
die ausser diesen Erfolgen noch direkte Ersparungen erwarten
lasse.*)
Die lokalen Verhältnisse der Stadt Danzig schienen die
Ausführung eines Kanalnetzes bedeutend zu erschweren, wo
nicht unmöglich zu machen. Die Stadt liegt in der Niederung,
von hohen Festungswällen und einem wassergefüllten Graben
umgeben, so wie von dem Mottlau -Flusse in 2 Armen durch-
zogen- Die Mottlau ist ein fast still jstehendes Gewässer, wel-
ches von der Stadt bis zur Ostsee, d. h. auf etwa eine Meile,
durchschnittlich nur 52"»» Gefälle hat. Bei Stauwind fliesst
das Wasser sogar rückwärts aus der See bis zur Stadt Unter
diesen Umständen war au natürliche Vorfluth nicht zu denken,
und war es unerlässlich, zur Entleerung der Kanäle eine Dampf-
pumpe aufzustellen. Dieselbe hat ihren Platz auf einer Mottlau-
Insel — der Kümpe — gefunden und wird durch eiserne, unter
dem Flussbett durchgelegte Rohre, sogenannte Dücker, von den
Kanälen aus erreicht. Die Strassenroiirleituugen sind entweder
so gelegt^ dass sie von ihrem oberen Ende von der Itadaune
aus gespült werden können, oder stehen unter einander derart
*| Klne Intereanaute- Anerkenuuuir il-j »folge« il-r in Danilg durchgeführten
Kanalitienng hat jiingtt ein Mitglied der Bct liner Stadtverordneten - Vcrtammlunr
.ii öffentlichem Vortrage gegeben. Denelb* bekannt», «I« «in heftig»« Oefawr d«r
Kaaaltdrung nach Dann« gereiit in acln, dir dortige Anlaut mit dein lebhaft«'«!
Hernühen. Mantal und Kaehthclle der«elb«n in entdecken, eingehend gemildert in
n, durch da» An»rhaawn der betreffenden Klnriehtuiigrn aber ao gründlich van
Irrihüment und Vorurtheilcn geheilt worden in «In, da«» «r vrm einen»
In »Inen^Paul«. «ich Terwanditlt habe. Da wir glekhe Intelligen« und «l«kj>e
<■»> daa empfehlen«»
dee V«,
iu Verbindung, dass man einen Spülstrom durch jeden Theil
des Kohrstranges leiten kann, die „todten Enden" also durch-
gehends vermieden sind. Um das Wasser aus den Strassen-
röbreu der ganzen Stadt aufzunehmen und abzuleiten, sind Sam-
melkauäle erforderlich; dieselben haben ein Gefälle von 1 : 1500
bis 1 : 2400, eiförmigen Querschnitt und sind ganz aus Ziegel-
steinen hergestellt.
Die oben erwähnten Regenausläase sind an verschiedenen
Punkten angebracht, wo die Kanäle eben der Mottlau nahe ge-
nug kamen.
Auf die Art der Hausanschlüsse brauche ich hier nicht
näher einzugehen; diese Methoden sind in Berlin so gut durch-
gebildet und so bekannt, dass etwas Neues darüber hier nicht
zu sagen ist. Ebenso sind die Kasten, durch welche das Regen-
wasser aus den Rinnsteinen in die Kanäle eingeführt wird, seit
einigen Jahren in Berlin im Gebrauch. Das, wag als das Wesent-
lichste an den Anschlüssen der Kücbcu, Kloaets, Höfe, Rinn-
steine etc. zu betrachten ist, sind die Wasserverschlüsse, welche
den Austritt der Kanalgase hindern, und welche bei den Klosets
und Küchen bis zu '•>•»•» Wasserdruck stark sind, während auf
den Strassen
9mm angewendet werden. Dieser Unter-
Inteilage iu geben, da« in «ein. für du l'lettam dar
»ine Kxknninn nach -
schied hat den Zweck, das Entweichen der Kanalgase in die
Häuser unter allen Umständen zu verhindern , iu den Strassen
möglichst zu vermeiden. Innerhalb der Häuser ist das Abfall-
rohr — wenn auch nur durch ein Luftrobr von 20«"" — bis
über das Dach hinaus zu verlängern, damit die Luft aus dem-
selben frei und ohne Spaunuug entweichen kann, wenn das ein-
tretende Wasser sie verdrängt, eine Einrichtung, welche kürz-
lich durch polizeiliche Vorschrift auch für Berlin obligatorisch
gemacht worden ist
Was vorhin als etwas dem Danziger Projekt Eigentüm-
liches erwähnt wurde, dass nämlich das untere Ende des Kaual-
netzes durch einen Dücker geschlossen wird, verhindert das
Eintreten des Wiudes in das System. Ein derartiger Abschluss
ist durchaus nöthig, da anderenfalls alle Waaservcrseblussc
durch einen anhaltend auf die Ausmündung des Kanals gerich-
teten Luftstrom gesprengt und die Kanalgase in die Häuser ge-
drückt werden würden. Man erreicht bei Austnüuduugcu iu
Wasserläufe die Sicherheit gegen solche Vorkommnisse dadurch,
dass man den Kanal bis in den Stroinstrich und zwar bis unter
Nicdrigwas*er führt — bisweilen schlichst man das in freier
Luft ausmündende Ende des Kanals durch eine Kluppe, welche
von der Flüssigkeit nach Bedarf geöffnet wird- Ausserdem sind
nach dem Vorhergesagten alle EinlasMiffuuugeu durch Wasser-
verschlusse gesperrt-
So lange nun der Abfluss des Wassers mit dem Zuflüsse
gleichen Schritt hält, hat dies keinen Nachtheil, füllt sich »ber
der Kanal bei heftigem Regen plötzlich an seinem oberen Ende,
so wird die eingeschlossene Luft sich einen Ausgang erzwingen
und trotz aller Vorsichtsmassregeln in die Häuser entweichen,
wenn man ihr nicht anderweitig einen bequemen Ausweg ge-
stattet. Die Vorrichtung nun zu einer solchen Ausgleichung der
Luftspannung versteht man unter der Ventilation der Kanäle.
Hierzu dienen bisweilen die Regenrinnen, welche ohne Wasser-
verschluss mit dem Scheitel der Kanäle verbunden werden,
besser aber eigens an den Häusern hinaufgeführte Röhren, weil
das in den Regenröhren herabströmonde Wasser eine. Menge
Luft in die Kanäle herabreisst und bisweilen den Austritt der
Luft vollständig unterbrechen köuntc. Gewöhnlicher sind Oeff-
nungeu, welche direckt in deu Strassendamm münden und in
welcheu die austretende Luft durch ein Filter von Kohle des-
infizirt wird. —
Noch sind einige Worte über den Spülbetrieb zu sagen. An
allen Strassenkreuzungen befinden sich Eiusteigebrunncn , in
welche die Röhren münden. Durch Klappen wird es ermöglicht,
das Wasser in den Brunnen anzustauen und plötzlich durch die
Röhren (Hessen zu lassen. Der heftige Strom würdo genügen,
sogar Ziegelbrocken etc., falls diese sich in die Röhren verirren,
fortzutreiben. In dieser Weise ist eine vollständige Sicherheit
gegen Verstopfen resp. Verschlammen der Röhren gewonnen,
falls die Aufsicht genügend gehaudhabt wird.
Bei den Kanälen lässt sieh diese Aufsicht durch regel-
mässige Begehungen leicht erzielen, für die Röhren ist dieselbe
dadurch ermöglicht, dass zwischen je zwei Einsteigeöffnungen
sich ein Lampenloch befindet. Sowohl im Grundnss wie im
Längenschnitt gehen die Röhren zwischen diesen Punkten ganz
geradlinig, so dass von deu Einsteigeschächten das Licht einer
in daa Lampenloch herabgelassenen Laterne wahrzunehmen ist. '
Werden nun Verschlammungen bemerkt, so sind dieselben durch
wiederholte Spülung leicht zu beseitigen. Man hat sogar für
ganz arge Vernachlässigung des Rohrnetzes, wenn nämlich sich
lehmige Niederschläge gebildet hatten und festgetrocknet waren,
Mittel gefunden, ohne zum Aufgraben der betreffenden Stelle
zu greifen. Man kann nämlich von einem Einsteigebrunnen
bis zum anderen leicht einen Bindfaden durchflössen, vermittels
dessen mau eine eiserne Kette durchzieht, und durch deren Hin-
und Herbewegung lassen sich dann auch diese Verunreinigungen
des Querschnitts beseitigen.
Mag mau nun die erforderliche Vorfluth iu einem Flusse
finden, oder durch Pumpen künstlich schaffen, oder endlich die
Hauswasscr direkt zum Rieseln verwenden, immerhin ist es
wünschenswert!!, zur Vermeidung von Verschlammungen die Sink-
stoffe, d. h. die Stoffe, welche sich niederzuschlagen geneigt sin '
und die schwimmenden Massen, welche in Korken, Papie
stücken, bisweilen auch in unzertheilten f
D. R«d.
Digitized by Google
- 361
bei welchen eine Verbreiterung de» Kanal profilea Veranlagung
wird, dass das llauswasser die gröberen von den suspendirten
Stoffen fallen läast. Diese Schlamm fange werden meist paar-
weise angeordnet, so das* sie abwechselnd geräumt werden
kennen. In Daniig haben dieselben vor den DQckern ihren
Platz gefunden. Das Auffangen der schwimmenden Massen ge-
schieht in London durch eine Art Käfig von Eise/istäbcn, durch
welche das llauswasser passiren muss. Bevor dieser Apparat
behufs der Reinigung aufgezogen wird, lässt man eineu anderen
hinter resp. vor demselben herab, damit nichts Schädliches in
die Pumpen gelangen kann. Dies ist in London um so mehr
geboteu, als wegen des Einführens noch nicht rcgulirter Bliche
in das Kanalnetz bisweilen junge Hunde, Ratten, die bei den
zeitweise bis oben gefüllten Kanälen ertrunken sind, etc. sieb
im Hauswasser mit vorfinden. Um Uebertreibungen entgegen-
zutreten , bemerke ich noch , dass bis jetzt auch zweimal eine
Kinderleiche angeschwemmt ist — in Zeitungsartikeln klingt, es
so, als ob dies täglich vorkäme. In Danzig hat man zum Durch-
seihen des Hauswassers den von B. Latham erfundenen Srtrage
rrtractor angewendet. Dcrscllw ist ein vertikal stehendes kreis-
förmiges Sieb , durch welches die Pumpmaschine fortwahrend lang-
sam gedreht wird. Ein Wasserstrahl, welcher von hinten den jedes-
mal üben befindlichen Thcil des Siebes trifft, reinigt denselben
und bewirkt, dass die aufgefangenen Stoffe in eine Rinne fallen,
von wo sie durch eine archimedische Schraube fortgeführt wer-
den. Von da gelangt das Hauswasser iu den Pumpeusumpf und
wird durch ein 57""» Durchmesser haltendes Druckrohr nach
dem Dünenterrain hinaufgedrückt. Eine Reservepumpe ist vor-
banden, welche bei Reparaturen der ersten und bei ausserge-
wöhnlichen Regengüssen in Funktion tritt. Wenn ich die Be-
rechnung der Durchschnittsleistung sowie des Maximalkraftbe-
darfs der Pumpen hier nicht vorführe, so bitte ich mich mit
der Kürze der Zeit entschuldigen zu wollen. Dieselbe Entschul-
digung mache ich dafür geltend, dass ich. ohne weitere Er-
klSruug auf die Wichtigkeit hinweise, welche die Kanalisirung
für die Pflasterfrage, d. h. für Keguiirung der Rinnsteintiefen
und Riunstcingcfülle, für Furt Schaffung der Rinnsteinbrücken,
für Anlage und Unterhaltung eines guten StrasRcnpflasters hat.
In Bezug auf die bauliche Ausführung wird es genügen, Ihre
Aufmerksamkeit auf die Bauzeichnungen von Frankfurt a. M. zu
lenken. Die Herstellung dieser Kanüle erfolgte derart, dass diu
Baugrube genau iu der nöthigen Breite ausgehoben und aus-
' i die Steifen (oder Spriesscn) immer vertikal
lagen. Bei tiefeu Baugruben wurde die Förde-
rung des Bodens durch einen Zwillingskrahn bewirkt, der auf
einem Geleise von 9,\\ m Spurweite stand. Der Krahn trug an
jedem Arm einen Eimer von ca. 0,:iOkh m Inhalt, welcher gekippt
werden konnte; diesem fuhrenden Krahn fulgto daun auf dem-
selben Geleise eine kleine Dampfmaschine zur Wasserbewältiguug,
sowie 5 — 6 auf Lowry's laufende Handwinden zum Herablassen
des Baumaterials, wie Sandsteinsohlstücke, Ziegel, Mörtel und
Wasser. Die Ziegel wurden in grossen Bottichen erst 1 . Stunde
unter Wasser gesetzt, ehe sie herunter gegeben werden durfteu,
" für den damit beauftragten Arbeiter die Strafe so-
fortiger Entlassung auf etwaiges Zuwiderhandeln gegen diese
Anordnung. Dio nierbei bewiesene Sorgfalt wnrde auch auf
alle Einzelnheiteu der Ausführung, von der Absteckung und
dem Nivellcmeut an bis zu der Herstellung des Mörtels und der
Dicke der Lagorfuge ausgedehnt, erscheint aber auch als drin-
gend geboten, da später etwa uothwendige Reparaturen nur mit
uuverliältnissrnässigen Schwierigkeiten und Kosten ausgeführt
werden können. Von diesen Kanälen — 1,88"» hoch , wurden täg-
lich an jeder Arbeitsstelle bis 10 laufende Meter fertig gestellt.
Bedeutend leichter und rascher geht das Legen der Thon-
rohren vor sich. Die Dichtung erfolgt wie bekannt, durch Thon
und dies ist auch maassgebenu für die Langen -Abmessung der
Rohren. Es ist nämlich erforderlich, dass der Arbeiter nach
dem Verlegen des Rohres mit der Band hineingreift, um den
Stoss zu kontrolliren resp. gut auszuschmieren; man darf daher
die Rohre nicht über 0,»>-'l m lang machen , wenn sie niebt etwa
ho weit sind, dass der Arbeiter mit Kopf und Schultern hinein
kann. F-ino Dichtung mit Zementmörtel ist anderweitig ver-
sucht worden, man ist aber davon abgekommen, da es bei Haus-
ausrhlüsscn öfter uöthig wird, einzelne Röhren herauszunehmen
um Zweigstüeke einzusetzen, und Thondichtung dies gestattet,
bei Zement aber stets ein Zerbrechen eines oder mehrer Rohre
(da man dio Muffen nicht leicht rein machen kann) nöthig wird.
Uni die jeweilige Arbeitsstelle bequem wasserfrei zu halten,
arbeitet man am liebsten von uuteti nach oben, also gegen das
Gefalle, Dies gestattet auch das leichte Einsetzen des Visir-
kreuzes auf die Sohle des Rohrs Auch bei steilen Gefällen
stellt man die Fluehtb<icke so, dass der Sehstrahl dem zu legen-
den Thonrohr parallel ist, man also in einfachster Weise stets
ohne Rechnung und mit demselben Visirkreuz arbeitet! kann.
Wenn es mir schliesslich gestattet ist, noch eine Rekapitu-
lation des über die Kanalisirung Gesagten beizufügen, so liegt
nach dem bisherigen der wesentliche I ntersebied zwischen den
hei uns bestehenden und den rationellen Kanälen, deren Bau
wir erstreben, vor allem in der Form, welche einen möglichst
geringen Widerstand neuen dio Bewegung des Wassers bietet,
in der Abmessung des Querschnitt«, welche ebensowohl
l'eberfüllung vermeidet, als auch für geringe WaRsermengeu
Vorsorge trifft, und iu der sorgfältigen Verthuilung de« Ge-
fälles, welche Senkungen und daher rührende Verschlam-
mungen, d. h. Verringerung des uöthigen Querprofils, eben so-
wohl als auch ungenügende Ausfüllung des Querprofils ver-
hindert. Wird das Material ausserdem mit Sorgfalt ausge-
wählt und behandelt, so sind die Vorbedingungen gegeben, den
Lauf des Wassers au der Hand der Theorie zu verfolgen, und
eingehende Beobachtungen haben deren l'ebcreinstimmuug mit
der Praxis über allen Zweifel erhobeu.
Wüuschenswerth ist es zur Fortspülung etwaiger Ablage-
rungen, dass die Geschwindigkeit des Kanalwassers bei voll-
fliessenden Röhren, also beim Spülbetrieb oder bei Regenwetter,
0,<>0 bis 0,90'» pro Sekunde betragt. Dies wird bei Beobachtung
der oben angegebenen Gefällsrerhältnisse sich erreichen lassen.
Daun legt das Kuualwasser 2, I<> bis 3.24 Kn » pro Stunde zurück.
Bei weniger, t. B. nur auf ' , der Höbe gefüllten Röhren ist die
Geschwindigkeit nicht bedeutend geringer, die Abfallstoffe aller
Art, namentlich aber die Fäkalstoffe, werden also noch frisch,
ehe sie in Zersetzung übergehen können, aus der Stadt beför-
dert. Hierin liegt der Gegensatz zu den leider hier vorzugs-
weise bekannten Kanälen, welche bei unzureichenden Quer-
schnitten und Gefällen eigentlich nur verlängerte Senkgruben
sind, deren Inhalt in Gähruug begriffen ist. Der Umstand.
man stets an derartige Anlagen denkt, wenn von Kauali-
sation die Rede ist, hat den grössten Theil der Angriffe gegen
rationelle "
Mittheilungen aus Vereinen.
Architektenverein zu Berlin. Versammlung am 26. Ok-
1872; Vorsitzender Hr. Quassowski, anwesend 181 Mit-
glieder und 23 Gäste.
Nach Erledigung der laufenden Geschäfts - Angelegenheiten,
welche diesmal die Vorstellung einer sehr bedeutenden Zahl
von F'achgenossen, die sich zur Aufnahme in den Verein gemel-
det hoben, umfassten, trägt Hr. Giersberg über einige von
ihm besichtigte Heizung»- und Vcntilatious-Aulagen vor.
In eingehender Beschreibung und unter Darstellung der
wichtigsten Grundrisse und Durchschnitte führt der Hr. Vor-
tragende zunächst dos von dem früheren Stadtbaumeister Hrn.
Marx zu Magdeburg daselbst erbaute städtische Krankenhaus
als Muster einer iu dieser Hinsicht gelungenen Ausführung vor.
Das grosse, aus einem Kellergeschoß und drei Stockwerken
bestehende Gebäude ist einflüglig nach einem sehr ciufachen
Grundrissystcm entworfen, indem die für 12 Betten bestimmten
Krankensäle von «,28» Breite, 10,ti7- Tiefe und 5,02'» Höhe
je durch ein Wärterzimmer, eine Theeküche und die entspre-
chenden Kloscts getrennt, längs eines grossen Korridors an
einander gereiht sind; nur an dem einen Haupte des Gebäudes
sind eine Anzahl kleinerer durch einen Querkorridor zugäng-
licher Krankenzimmer angeordnet worden.
Heizung und Ventilation sind mit einander verbunden und
erfolgt deren Betrieb durch Pulsion und Aspiration mittels konse-
quenter Ausnutzung einer in einem Anbau errichteten Dampfkes-
sel-Anlage. Die aus dem Garten entnommene frische Luft wird in
einem unter der Kellersohlc liegenden Kanal von 1.57XLK8 1 »
Querschnitt in das Haus geführt und durch den von der Dampf-
maschine betriebenen grossen Flügelventilator in den unterhalb
des grossen Korridors befindlichen Hauptkaual gedrückt Von
hier aus tritt dieselbe durch verschiedene Abzweigungen in die
Heizkammern, woselbst sie sich an grossen mit "durch Dampf
Wasser gefüllten Trommeln erwärmt, aus diesen In
einen parallel dem Hauptkanal unmittelbar unter dem Fuss-
boden des Erdgeschosses entlang geführten Warmluftkanal, und
von da endlich mittels der einzelnen möglichst geukrecht empor-
getuhrten Röhren in die Zimmer. Die Äbsaugung der schlech-
ten Luft erfolgt durch ein System von Röhren, welche in einen
auf der Hinterseite des Hauses angelegten Kanal münden; dieser
steht mit dem 47 ra hohen Schornstein der Kessel-Anlage, in
dem die eisernen Rauchröhren bis zu halber Höhe emporgeführt
sind und mittels dessen auch die Küchen auf das Kräftigste
ventilirt werden, in Verbindung. Der Eintritt der frischei/
Luft erfolgt während der Heizperiode durch Oeffnungen unter
der Decke, die Absaugung der schlechten Luft durch Oeffnungen
um F'ussboden der Zimmer. Im Summer wird durch Verstel-
lung der betreffenden Klappen das umgekehrte Verhältnis.« ein-
geführt; die frische Luft kann alsdanu mittels besonderer Ver-
bindungskanäle aus dem Hauptkaual direkt in die obere Zulei-
tung und aus dieser iu die Zimmer tretuu, doch ist mit bestem
Erfolge (18* Zimmerteniperiitur bei 24« Wärme der äusseren
Luft) der Versuch gemaent worden, sie auch im Sommer durch
die Heizkammern zu führen und dort in deu mit kaltem Was-
ser gefüllten Trommeln sich abkühlen zu lassen.
Der Effekt der Einrichtung, an welcher der Hr. Vortragende
besonders die vorsorgliche Opulenz hervorhebt, diu sich in den
bedeutenden, eine Begehbarkeit und Reviaiou so sehr erleichtern-
den Dimensionen der Kanäle, in der doppelten, jederzeit eine
Ausschaltung und Reparatur ermöglichenden Anordnung sfimrat-
licher Apparate u. s. w. äussert, wird als ein (vorzüglicher ge-
schildert. Bei einer Eintrittsgeschwindigkeit der frischen Luft
von nur I m ist auch nicht eine Spur von Zug vorhanden, ebenso-
ist die Absaugung der verdorbenen Luft eine vollkommene.
Ueber die Bau- und Betriebskosten der Anlage, die ansehe inend
allerdings aussergewöhnlichc sein dürften, konnte Auskuuft nicht
Digitized by Google
- 362 —
Hr. Giersbcrg bespricht sodann noch einige Beispiele neue-
rer Luftheizungs-Anlagcn, insbesondere die Konstruktion der
betreffenden Heizapparate. Als die gelungenste dieser Ausfüh-
rungen wird von ihm die im Gymnasium zu Bielefeld von den
Fabrikanten Reinhard ii Hlüiulein aus V ürzburg gelieferte Hciz-
Einrichtung bezeichnet. Der Effekt ist ein zufriedenstellender,
doch würde die Ventilation wohl noch eine vollkommenere sein,
wenn zur Abführung der verdorbenen Luft statt eines grossen
Zentral-Schorusteius deren mehre au verschiedenen Stellen an-
gelegt uud mit einer Heizeinrichtung versehen worden wären.
Der Heizapparat besteht aus Gusseisen mit Chamottc-Austutte-
ruug uud beruht im Prinzip auf der bekannten Zusammen-
setzung von Rijbreu , die das Feuer unter entsprechendem
Wechsel seiner Richtung durchstreicht. Der Werth desselben
beruht namentlich auf der vorzüglichen Dichtung und der sach-
geuiässcn Auordnung der Rubren, die gegen ein Glübeudwerdeu
vollkommen geschützt sind. Die Fabrikanten legen grosses
Gewicht auf das Verdampfen einer grossen Wasser<,uantität
in der Heizkammer {hier etwa 3U Eimer pru Tag), empfehlen
alier, die Zuführung dieses Wasscro,uaiitums unabhängig von dem
Dienste des Heizers zu machen
Nicht ganz so gute Erfolge sind bei den Luftheizungs-Anta-
cen der Töchterschule uud der Realschule in Essen er/felt wor-
den, wo die Erwärmuug einzelner Zimmer sowie die Hube der
überhaupt zu erreichenden Temperatur zu wünschen übrig las-
sen. Der Apparat in jener ist ein dem vorher erwähnten ähn-
licher Köhreuofcu: in dieser wird das Feuer der* Ofens durch
mehre Bänke von Chamottniauerwexi zurückgehalten, die Heiz-
kammer selbst wird durch zwei gusseiserne Platten, zwischen
denen mit Sand gedichtete Vcrbinduiigsrobren sich befinden,
getheilt. Ein anderer von dem
vorgeführter, gleichfalls in Ess
?rrn Vortragenden im Abbilde
aufgestellter Ofen zeigt ein
der Anordnung eines Lokomotivkessels ähnliches Röhrensystem.
Der als Gast anweseude, durch den Hrn. Vorsitzenden als
eines der ältesten Vereinsraitglicder vorgestellte Baurath Hr.
Steenke giebt hierauf in Folge der an ihn gerichteten Auffor-
derung eine kurze Schilderung des von ihm erbauten und ver-
walteten Elbing-Oberländischen Kanals mit seinen geneigten
Ebenen. Er erörterte hierbei die interessantesten technischen
Momente des einen berechtigten Huf in der technischen Welt
geuiesseudeu Werkes, namentlich die Erfahrungen, welche sich
während des seitherigen Betriebes herausgestellt, halten (vid.
Nr. 3'.i S. 31lt d. öl.), in ebenso anschaulicher und klarer, wie
durch die Frische der Darstellung anziehender und anregender
Weise. S'iuer Ansicht, dass die Einführung der geneigten
Ebenen au Stelle der Schiffsschleusen sich nicht allein in diesem
einzelnen Falle bewährt habe, sondern dass sie bei den unzu-
reichenden Wasseruieugen unserer Flüsse das überhaupt einzw
mögliehe Mittel sei. um viele der als nothweudig erkannten
Kanal-Anlagen ausführen zu können, worden sicher nicht wenige
Techniker beistimmen.
Den Schluss der Versammlung bildete die Beantwortung
einiger Fragen durch die Herren Ende, Streckert uud
Ouassowski. Heiterkeit erregte unter diesen Frageu die eine,
welche zu wissen wünschte, welche technische Persönlichkeit iu
Breslau dem Metermaasse noch immer so hartnäckig die An-
erkennung verweigere, dass die dortigen Wasserstandsbeobaeli-
tuugeu nach wie vor im Fussmaass veröffentlicht werden.
- F. —
i für den Architekten- Verein In Berlin
7. Dezember 1872.
I. Entwurf zn einer Reitbahn von •20"' uud 3.V" Länge.
Das unten sichtbare hölzerne Dach soll von eisernen architek-
tonisch durchgebildcteu Bindern getragen werden. Die anzu-
ordnenden Tribünen sollen 100 Zuschauer fassen.
An Zeichnungen werden verlangt: ein Grundriss im Maass-
stab vou 1 : 200, Facade und zwei Durchschnitte im Maasstabe
von 1 : 100.
II. Auf einer Sandbank an der Seeküste ist ein I.eucht-
thurm vou 50™ Höhe zu erbauen. Die Höhenlage der Sandbank
ist 1 "° über gewöhnlichem Niedrigwasser. ■>•» unter gewöhn-
lichem Hochwasser und 4°' unter den höchsten Fluthen, abge-
sehen von der Höhe der einzelnen Wollen. Der Uutergrund
ist reiner Saud. Die Wabl des Materials ist freigestellt. Der
Leuchtapparat ist gar nicht, die Konstruktion des Thurnica nur
im Prinzip, die Fundirang aber speziell darzustellen.
Alle wichtigen Maass«, Annahmen und Kcchnuugs-Rosultate
sind iu den Zeichnungen an geeigneter Stelle einzutragen.
Personal - Nachrichten.
Preussen.
Ernannt: Der Kreis -Baumeister Arend zu Hofgeismar
zum Bau-Inspektor daselbst Der Bau-Eleve Heller jn Fulda
zum Kreis- Baumeister in Worbis. Der Baumeister Funk zu
Dramburg zum Kreis • Baumeister daselbst. Der Bau -Eleve
Soff in Marburg zum Kreisbaumeister in Prümin.
Die Bau meist er- Prü fu ng haben am 23. und 2<>. Okto-
ber er. abgelegt: der Baufülirer und Feldmesser Johann Carl
Vermischtes.
Zu den Untersuchungen Aber die Einwirkung des
Leuchtgases auf das Gedeihen der bäume werden wir er-
sucht nntzutheilen, dass die in No. V.', erwähnten Resultate der
neuerdings durch die Stadtbehörden Berlins veranlassten Er-
mittelungen durchaus mit denjenigen übereinstimmen, welche
der Ingenieur T. L. Wcstpha'leu zu Hamburg bereits vor 20
Jahren angestellt uud im Jahrgang II der Zeitschrift f. Bwsn.
p. :t:t»— 41 veröffentlicht hat
Frequenz des Polytechnikums in Wien. Nach der durch
den Rektor des Instituts gegebenen Rückschau auf das ver-
flossene Lehrjahr betrug die Zahl der inskribirten Schüler i*72,
wovon H.'»0 ordentliche, 122 ausserordentliche Hörer. li:!2 Schüler
gehörten der Ingenieurschule, 42 der Bau-, 7» der Maschiucti-
bauschule au, öl hatten sich der chemisch-technischen Schule,
IU der allgemeinen Abtheilung (Lehramts-Kaudidaten) zugewen-
det. — Dass die unter Professor R- von Ferste! stehende
Bauschule einen verbältnissroassig geringen Umfang besitzt, ist
eiue Thatsache, die uns überrascht hat
Konkurrenzen.
Die Konkurrenz für Entwürfe zum Bau eines GeBell-
sohaft8hauses der Gesellschaft freiwilliger Armenfreunde
in Klei ist durch das Preisgericht dahin entschieden, dass dem
Entwürfe mit dem Motto .Diana" (Verfasser Architekt Fitscheii
in Hamburg) der erste Preis, dem Entwurf mit dem Motto
.Vorwärts", (Verfasser Architekt Moldeiischardt iu Kiel) der
zweite Preis zuerkannt wurde.
Ottuiaun aus Pr. Holland. Der Bauführer und Feldmesser
Heinrich Schmitz aus Dortmund. Der Bauführer und Feld-
mc>ser August de Groote aus Durtmund.
Die Bauführer-Prüfung haben bestanden am 21.. 22.
und S3. Oktober er.: Andreas Wien hol dt aus Pillau. Pa-jl
Göttlich Böttger aus lleiligenstadt. Gustav Tolkmitt aus
Wohlau, Kreis Ileiligenbeil. '
Gestorben: Der Bau-Inspektor Buchterkirch zu Star-
ganl i Pom.
Brief- und Fragekasten.
Abonnent in B. Warum werden von der Breslaucr Bau-
bank keiue Architekten der Hannoverschen Schule engagirt:-
Jedeufalls aus persönlichem Gesckmack. Rücksichten, über die
in einem so ausschliesslich privaten Verhältnisse wohl Nieman-
dem ein Irtheil zusteht. Un der Thatsache selbst ist pn-
ührigens Nichts bekannt.
Hrn. II. in Hannover. B. iu Deutz. Wir halten die
Frage einer Verwendung des Piaiiimeters zur Bestimmung der
Damm- und Eiuschnittsmassen aus dein Läugcnprotilc durch die
dem Aufsatze in Nr. 41 u. Bl. in Nr. 42 seitens des Hru. R. zu
Theil gewordene Ktitik für vollständig erledigt und glauben
daher auf einen Abdruck Ihrer Artikel unter bestem Danke für
dieselben verzichten zu müssen.
Hrn. F. N. in Lauen bürg a/E. Der Hauptwerth der
Kubiktabellen des Berliuer Ilolz-Komptoirs beruht darin, das.-
die prinzipiellen Annahmen derselben auf Beschlüssen der Ver-
treter des Berliner Holzhandels beruhen. Iu Gegenden, in denen
diese Beschlüsse nicht anerkannt worden sind, dürfte auch ein
anderes der vielen ähnlichen Werke, über deren Richtigkeit unc,
Zuverlässigkeit wir im Einzelnen kein Urtheil haben, dieselben
Dienste thun.
Hrn. C. B. iu Hamburg. Ein Werk oder eine ausge-
dehnte Abhandlung über die Ursachen des Feuchtwerdens äußerer
und innerer Mauern aus gebrannten Ziegeln ist uns nicht bekannt
Insofern Wände wegen mangelhafter Isolining nicht von aufsteigen-
der Erdfenchtigkeit durchzogen werden, kann ein Feuchtwerdf i.
derselben selbstverständlich nur eine Folge atmosphärischer Nie-
derschläge sein. Es ist eine vielfach gemachte Erfahrung, dass das
Vorhandensein gewisser chemischer Bestandtheile (Salpeter, Sali
|ip.), sei es in den Ziegelsteinen oder im Mörtel, den daraus herge-
stellten Mauern die Eigenschaft giebt, Feuchtigkeit aus der At
mosphäro anzusaugen; an Seeküsten will mau in dieser Bezie-
hung namentlich einen höchst schädlichen Eiufluss des zur Mör-
telbereituug benutzten Seewassers beobachtet haben.
Konkurrent für das Vereinshaus-Projekt in Essen.
Der uns vou Ihnen übersandte Auszug aus dem Protokoll der
Jury enthält allerdings keine Beurtheilung der Entwürfe im
Einzelnen. Da dieselbe indessen von vornherein kon Statut
dass wegen Nichteinhaltung der vorgeschriebenen Kostensumme
eigentlich kein einziger der Entwürfe konkurrenzfähig sei . so
wird eine Einsprache hiergegen »ich nicht erheben lassen. Die
Form der Abschrift lässt ohuehiu darauf schliessen, dass die
Beurtheilung der 8 Entwürfe, welche bei Ertheiluug der Preise
zur engeren Wahl gelangten, uur ausgelassen ist Wahrscheii.
lieh wird sie den betreffenden S Verfassern vollständig mitge-
theilt sein; ebenso hat das Protokoll der Anzeige nach tn Essen
öffentlich ausgelesen.
Beiträge mit Dank erhalten vou den Herrn K. iu St. Jo
bann, IL in Berlin.
C.rl ■••litt In B'Mt».
Digitized by Google
■
Jahrg. H.
JI2 45.
DEUTSCHE BAUZEITUNG
Kedaktioa u T.ifti lion:
BVrtia, <ir*ni»n»1nuM 10t.
Beat«Uunc*n
ubn-n-nm« n all» PutanUalleO
und Huchkandi.mrn.
Organ des Verbandes
deutscher Architekten - und Ingenieur-Vereine.
Redakteur K. E. 0. Fritsch.
In. .rat«
für 41» Lese? d«f deolirheo
laden A.fn.haM
Preis I Tbaler pra Quartal.
Herlin, den 9. November 1872.
ErsVbf lat Jf de n
Inhalt: IM» l>>Tllloiibul»o Im SiaililtranlipiiliaiiHi in Dr.iil.li, — Zur
sutiMItht»- rnttnurrnmit d«r (iewulb*. - M 1 1 1 li»l I u n I »w au. V»r*in*>it; Ar-
rMMaan Vrr.ln in IttiUa - Vtraln rur KUi'BlohakniiiJy tu H Min. - V»r-
mlifhl.i: ln«»nkfiirt>.utm m Ararrlka. IIa. T»i.-tim>tni>l»r. — li-l-r dl»
Sl-hrrh-lt tu Ki<»nbalmb»lrirlMi. in.l , l -■ ilw Haluatfaal. - Uafca» ala H»
handln»« iwu-r Wohnraum». — Aus d»r Facht UUraiur: Zaludirlft tat
Barnim, rwtl*lrt «na ii. Krtik.n. Jahr*. IH», Haft V1U — X. r.raonal-
Na-liri thlrn, llrfof- und Frag.kaatan.
die
Wie mit dein Waehsthum der Bevölkerung einer Stadt
allgemeine wohlluhrtliche Institute in verhältnissmässig kur-
zer Zeit unzureichend werden, so ist es auch gekommen,
dass die Stadtgemeinde Dresden vnr etwa zwei Jahren zur
Krweiterung ihres Sladtkrankenhauses zu schreiten hatte.
In Erwägung, dass das bestehende Gebäude in seiner
grossen Ausdehnuug vor etwa 2i! Jahren als ein altes. Wohn-
zwecken dienendes Palais von der Stadlgemeinde erworben
Der Unterzeichnete gieht die Planung eines solchen '.
und gestattet sich hierüber Folgendes zu bemerken.
Situation, Um ein in H Form gehaltenes, mit der
Hauptfront nach Süden gerichtetes dreistockiges Mutterhaus
schbessen sich im Projekt beiderseits je sechs, unter sich
verbundene Pavillons an. wovon die nach Westen gelegene
Hilft« vorerst zur Ausführung empfohlen und wie das Be-
dürfnis* es erheischt, nach und nach errichtet werden soll.
mit
T
u t
und damals für die Zwecke der Krankenpflege so gut als
möglich gewesen, eingerichtet resp. umgebaut worden ist,
konnte weder von technischer, noch ärztlicher Seite die in
Frage tretende Erweiterung als ein An- <Mler Aufbau behan-
delt, sondern nur als ein Neubau empfohlen werden.
Für diesen Neubau rausste natürlich das Bedürfnis«
maassgebend sein, und fand sich nach vielseitiger Erörterung,
dass demselben vorerst durch den Bau eines Hanpthauses
(Mutterhauses), an welches eine Reihe von Pavillons sich
anzuschliessen hat. entsprochen werden könnte.
Nachdem über diese Baufrage von dem Unterzeichneten voll-
standige Plane vorgelegt, entschied man sich zunächst für den
r Pavillons zur Erweiterung der chirurgischen Station.
Der Verbindungsgang umschliesst in der Mitte einen
freien Baum, welcher als (iarten für Rekonvaleszenten dient.
Die Intervallen zwischen je i Pavillons messen 17.1 2™ und
werden ebenfalls als Gürten behandelt und benutzt!
Die Längenaxe der Pavillons ist von Süden nach Nordon
gerichtet, so dass die Krankensäle besonders der Morgen-
und Abendsonne ausgesetzt sind.
Konstruktion. Die Pavillons sind] durchgehend massiv,
im Unterbau von Sandstein, im Oberhan von Ziegeln herge-
stellt und derartig konstruirt, dass ersterer zur Abhaltung
der Grnndfenchte resp. Bodenluft bei 2,75" Höhe vollstän-
dig isolirt und vollständig überwölbt ist.
Im (»berbau besteht der Fussboden bis auf die Flächen
Digitized by Google
— hCA
I
Über den Heizkammern aus Holz und ist zur Konservirung
die Lagerung desselben in Schlacken und Salz bewirkt
Die Deekenfläche des Krankensaales ist nach Maassgabe
des Durchschnittes, insbesondere zur Verminderung der Ab-
kühlungsflächen doppelt und im Ganzen als Hängewerk kon-
struirt.
Die im Rauin sichtbare Decke zwischen je zwei Uänge-
werksstreben ist durch aufgelegte Leersparren in 5 Felder
getheilt, welche im Räume mit 'i mm starker Pappe verkleidet
sind. Letztere ist auf der sichtbaren Seite mit Gel, auf der
Rückseite mit Asphaltlack überstrichen. Die Befestigung
dieser Papptafeln ist durch Deckleisten auf dicht schliessen-
dem Holzeinschub erfolgt.
Die obere Fläche der untersten Sparrenreihe ist abge-
schalt und mit Dachpappe abgedeckt. Unter Belassung eines
20»" hohen leeren Raumes, welcher wie später dargelegt,
zur Unterstützung der Ventilation mit in \crwendung ge-
nommen, ist die oberste Sparrenreihe aufgebracht.
Diese Süsseren Sparren sind H— von der Oberkante ab
mit einem Fehlboden verseben, auf welchem ein I.ehmes-
strich von 4'» Stärke aufgetragen ist. Die Sparrenober-
fläche deckt eine genuthete Dacbschalune, auf welcher der
englische Schiefer befestigt ist.
Die eingezogene Decke des Dachreiters ist ganz so. wie
die beschriebene äussere Dachfläche behandelt. Die Felder
des Dachreiters sind, soweit dieselben nicht zu Ventilations-
resp. Beleuchtungszwecken dienen, mit Hohlziegeln ausge-
artet.
Räumlichkeiten. Der Unterbau enthält
zwei Heizkammern,
den Raum, in welchem der Apparat zur Bereitung des
heissen Wassers aufgestellt ist,
eine Heizerstnbe,
eine Garderobe für Eigenthumskleider der Kranken,
eine Wäschkamraer,
je zwei Holz- und Kohlenräume und
in der Mitte einen freien Luftraum.
Der Oberhau enthält einen grosseu Kraukfnsaal für 2S
bis 32 Kranke, in dessen 4 Ecken mittels Bretterwand ein
Wärterraum, eine Theeküehe mit Gaskocheinrichtung. ein
Baderann), ein Raum für Schwerkranke und zwei Klosets
abgeschnitten sind.
Hierüber befinden sieh ausserhalb des Saales an einem
Ende desselben und im Anschluss an den Verbindungsgang
ein verglaster Raum zur Aufnahme der Rekonvaleszenten
und ebenso am andern Ende ein solcher zum Einlegeu der
Kranken während der Sommerzeit.
Heizung. Die Heizung eines jeden Pavillons erfolgt
im Unterhau mittels zweier Caloriferes' nach Kelling's System.
Frische von Aussen gesaugte Luft gelangt an den Man-
telflächen eiserner, tbeilweis mit Chamotte ausgefütterter
Röhren zur Erwärmung und wird mittels eines im Scheitel der
Heizkammer aufgesetzten Kaehelschlottes in den Kranken-
saal geleitet. Der Kachelschlot selbst hat das Ansehen eines
mitti r ii Ofens und sind die Ausströmnngsöffnungen
der Wärme in ca. 2» Höhe, vom Fussboden gerechnet, ange-
bracht.
Die Wärme ist regnlirbar und kann, wie ans dem Län-
gendurchschnitt ersichtlich, vor Einströmung in den Kran-
kensaal durch die Klappe .1' mit frischer Luft gemischt,
ebenso der einströmenden Wärmemenge ein beliebiger Feueh-
tigkeitsgrad gegeben werden, je nachdem man in den zwi-
schen je zwei Wärmeröhren eingehängten Kupferrinnen
mehr oder weniger Wasser verdampfen lässt.
Die Beschaffenheit der hierdurch erzeugten warmen Luft-
mischung ist nach Ausspruch der Aerzte und nach Ausweis
speziell angestellter Untersuchungen durchaus befriedigend.
Ebenso ist der Brennmaterialverbrauch ein verhältnissmüssig
sehr geringer, insofern, als während der kältesten Winter-
tage von 70,71 und 71/72 beide Caloriferes eines Pavillons I
pro Tag nicht mehr als 4 Hektoliter Kohlen erfordert haben, |
um im Krankensaale eine Wärme von 1 1> — 17' aufrecht zu
erhalten. Bei — 3» war es nicht nöthig, beide Oefen zu
heizen, es wurde mit nur einem Ofen derselbe Effekt er-
reicht und der Kohlen verbrauch auf täglich 2% Hektoliter
herabgesetzt, dabei aber der Raum mit ventilirt.
Ventilation. Zum Abzug der verdorbenen Luft die-
nen 4 Ventilationskanäle, wovon je 2 in den Giebelwäuden
des Pavillons angelegt sich vorfinden. Diese Kanäle, mit
ff und 8 bezeichnet, fangen im Oberbau an der Decke an,
gehen bis nach dem Souterrain herunter, wo dieselben eines-
theils mit 4 Aspirationsschornsteinen, anderntheils mit 4
Zirkulationskanälen kommuniziren. Die Saugessen sind über
das Dach geführt und haben in ihrem Innern gusseiserne
Rauchröhren. Durch die Rauchröbren zweier Sangessen geht
der Rauch der beiden Caloriferes, durch die dritte der Ranch
von dem Ofen zur Wassererwärmung. Die vierte Saugesse
wird durch einen kleinen Treppenrost direkt geheizt. An
den beiden Saugessen, deren Rauchröbren mit den Caloriferes
verbunden sind, befinden sich elienso wie bei der zuletzt
erwähnten, Treppenroste, auf welchen zu der Zeit, wo die
Caloriferes nicht mehr im Betriebe sind, Feuer unterhalten
I wird.
Im Winter werden die unteren OefTnungen der mit den
! Saugessen kommunizirenden vertikalen Ventilationskanäle H
geöffnet, dagegen im Sommer die oberen OefTnungen S die-
ser Kanäle.
An jeder Langwand sind in den mittelsten Schäften 4
i Kanäle angebracht, welche auf dem Fusslmden des Ober-
baues anfangen und in dem bereits beschriebenen Luftraum
der Dachkonstruktion ausmünden.
Dieser zwischen der oberen und unteren Dachfläche
eingeschlossene Luftraum kommunizirt andererseits durch 12
Rohrstutzen mit der Anssenluft. Im Sommer bewirkt die
Erwärmung der Dachfläche durch die Sonne ein Ansangen
der Luft aus dem Pavillon, im Winter dagegen wird nur
eine schwache Zirkulation von Aussen znr Abwendung von
Verstockungen unterhalten.
Die erforderliche frische Luft erhalten die Pavillons im
Sommer durch dieselben OefTnungen des Kachelschlotes zu-
geführt, durch welche im Winter warme Luft einströmt, und
wird dieselbe ans dem freien, im Mittel des Unterbaues ge-
legeneu Luftraum durch die Klappenöffnung X direkt ent-
nommen. Dieser Luft -Kühlraum ist mit Zementfussboden
i versehen und verträgt daher ohne Schaden Wasserspren-
gnngen. welche, um die Luft zu kühlen, bei ganz heissen
Tagen daselbst unterhalten werden.
Ausser der beschriebenen Aspirations- Ventilation befin-
den sich in dem Dachreiter 10 Stück gleichzeitig zu öffnende
Jalousie -Fenster, welche im Sommer, namentlich wäh-
rend der Nacht, aufgehalten werden.
Durch die Konstruktion der Pavillons in Verbindung mit
der beschriebenen Ventilationsanlage ist es möglich gewesen,
im vorigen und dem jetzigen Sommer an den heissesteu
Tagen die Temperatur im Krankenraum auf 4- IS bis höch-
i stens 4- 19° R. zu halten.
Die Luft im Krankeuraume ist durchgehends eine reine,
j Nach den im vergangenen Frühjahr angestellten offiziellen
Untersuchungen des Bezirksamtes T)r. Niedner hat sich er-
geben, dass bei einer Temperatur von 17* R. in 1230 Tbei-
len Luft nur 1 Theil Kohlensäure enthalten ist. und wird
hierbei bemerkt, dass die Fenster des Pavillons nicht ge-
öffnet (es waren sogar noch Doppelfenster vorhanden) und
das Zimmer von HI Kranken und einer Wartefran bewohnt
war.
Zahlenangaben über den Erfolg der Ventilation müssen
vorläufig noch zurückgehalten werden, da die sehr eingehen-
den Untersuchungen, welche zur Frmitteluug der Ventilations-
grösse angestellt werden, noch nicht völlig zum Abschlüsse
gelangt sind.
Bewässerung. Die Versorgung mit kaltem und war-
mem Wasser erfolgt zur Zeit durch interimistische Vorkeh-
rungen, wird aber nach Vollendung des Hauptgebäudes, der
städtischen Wasserleitung und der allgemeinen Betriebsan-
lagen in rationeller Weise vermittelt werden.
Entwässerung. Zur Vermeidung von Nachtheilen für
die Gesundheit der Krankenhausbewohner und für die der
Anwohner des Kanals, welcher die abgehenden Wässer wei-
ter führt, ist die Süwern'sche Desinfoktionsmethode angenom-
men und vorläufig in kleinem Maas-stabe seit ca. IV» Jahren
in Thätigkeit unterhalten. Diese interimistische Anlage be-
steht in gewissen Vorkehrungen, durch welche die Oesin-
fektion aller Abgangstoffe und Wässer noch innerhalb des
Raumes erfolgt. Die Absonderung der festen von den flüssigen
Steffen geht in einer ausserhalb der Gebäude befindlichen
wasserdichten Grnbe vor sich. Die hier geklärte Flüssigkeit
tritt in die Schleuse, während die gesenkten festen Stoffe
durch Abfuhr ( welche bis jetzt nur ein Mal stattgefunden)
beseitigt werden.
Die Einrichtung ist von Herrn Ingenieur R. Röber aus
Leipzig, demselben, welcher die Desinfektionsanlage im Leip-
ziger Stadlkraukenhaus hergestellt, getroffen worden und ist
bis jetzt nach dem Urtheil der Krankenhausärzte hierüber
der l>este Erfolg zu berichten.
Kosten. Die Baukosten eines Pavillons betragen inet.
Gangantheil, Gas- und Wasserleitung, Bade- Einrichtung.
Ofen und Ventilation, aber excl. Kanalisalious- und Desin-
fektionsantheil. 13454 Thlr. \b Sgr.
In einem Pavillon können bei|iiein 30 Kranke unterge-
bracht werden, es kostet demnach ein Bett 448,4 Thlr.
Digitized by Google
- 365 —
In dem gleichzeitig hier zu erbauenden Hauptgebäude,
welches 14 grosse Krankensäle und 22 kleinere Kranken-
zimmer, sonst nur einen Sektionssaal , 2 Wohnungen für
Assistenzärzte und 2 dergl- für Oberkrankenwärter enthält
und zusammen 150 Betten fassen wird, kostet die Anlage
für ein Bett jedoch 761 Thlr. und sind hierbei die Kosten
für Gas-, Kalt- und Warmwasser- Leitung sowie Desinfek-
tion nicht mit eingerechnet.
Dieser letzte Umstand, der technisch sehr wohl erklär-
lich, lehrt, dass der Pavillonbau, da wo der Grund und Bo-
den nicht zu theuer, unbedingt der billigste Ban ist.
Es ist zwar nicht möglich, dass ein Pavillonsystem ohne
Haupt- oder Betriebsgebäude bestehen kann, weil die An-
lage kleinerer und abgesonderter Krankeuzimmer unvermeid-
lich, ebenso gewisse Betriebsbedürfuisse lieh nur in ein sol-
ches Haupthaus einlegen lassen, jedoch meine ich, dass,
wenn billig gebaut werden soll, bei einer grösseren Anlage
die Ausdehnung dieses Hauptgebäudes möglichst zu redt zi-
ren und dafür die Zahl der Pavillons zu vergrößern sein
dürfte.
Werden die Baukosten grösserer Krankenhausanlagen
zusammengezogen, so stellt sich heraus, dass der Aufwand
für ein Bett da am billigsten zu stehen kommen wird, wo
die grösstc Anzahl Pavillons vorhanden, wie dies sehr deut-
lich durch die Leipziger Bauten nachzuweisen ist.
Dresden, atn 8. September 1872.
Th. Friedrich, Stadtbaudirektor.
Zar Stabilität! •Interxichuns; der Gewölbe.
Man sieht nicht selten, dass Ingenieure bei der Stubilitäts-
untersuchuug vun Gewölben zwar die Drucklinie in der Weise
verzeiebuen, dass sie den iloriznntulsrhub mit den die Belastung
des Gewölbes repräscutirendeu Kräften der Reihe nach graphisch
zusammensetzen, dass sie jedoch die Grösse des Horizontal -
schubes zuvor durch Rechnung ermitteln. Wenn nun auch iu
sehr vi eleu anderen Fällen eine zweckmässige Kombination der
Rechnung und der graphischen Methoden am raschesten uud
sichersten zum Ziele führt, so wird doch Jeder, dem die Kon-
struktionen der graphischen Statik nur ciuigcrmaasscn geläufig
geworden sind, nicht darüber im Zweifel sein, dass im vor-
liegenden Falle das rein graphische Verfuhren entschieden deu
Vorzug verdient, und dass daher Diejenigen , welche in der eben
angedeuteten Weise zu Werke gehen, sich dadurch eines nicht
unbedeutenden Yortheils, den die graphische Statik gewährt,
begeben. Es scheint somit das Verfahren , die Grösse des Ho-
rizontalschubes, resp. den Pol des dem Seilpolygon der Druck-
linie zugehörigen Kräftepolygons graphisch zu bestimmen, we-
niger bekannt zu sein als es verdient, weshalb es gerechtfertigt
erscheinen^ mag, dass dasselbe, unter Zugrundelegung der be-
kannten Werke von Culmann und Bauschinger, au dieser Stelle
in Kürze erörtert wird, um so mehr, als auch die erwähnten
Werke auf den allgemeineren Fall, nämlich Gewölbe von un-
symmetrischer Form oder mit unsymmetrischer Belastung, nicht
näher eingehen und Culmann auf Seite 491 seiner .Graphischen
Statik* den Pol des Kräftepolygons für den einseitig belastetcu
eisernen Bogen durch Probiren bestimmt.
Zum Verständnis» des Folgenden ist es zunächst erforderlich,
eiuen Sutz der graphischen Statik anzuführen , welcher lautet:
.Sind zwei Seilpolygone aus zwei verschiedenen Polen ein
und desselbeu Kräftepolygons verzeichnet worden, so schneiden
sich die gleichnamigen' Seiten dieser beiden Seilpolygone auf
ein und derselben geraden Linie, welche der Verbindungslinie
der beiden Pole des Kräfte|K>lygons parallel ist Es seien bei-
p,_ j, spielsweise in dem Kräfte-
polygon Figur Ui die vier
Kräfte 1 , 2, 3,4 nach Grösse
und Richtung an einander
getragen und sodann aus
dem Pol C das Seilpolygon
0 l II III IV K Fig. 1£, so-
wie aus dem Poi i \ das Seil-
polygon 0, I, ll t IlhlVt Vi be-
schrieben worden ; dann
schneiden sich je zwei gleich-
namige Seiten dieser beiden
Seilpol vgone, z. Ii. 0 I und
tf, /, ,'odcr / // und /, //,
oder /// IV uud ///, /»', u. s."
w. in deu Puukteu a, b, d u.
s. w. ein und derselben ge-
raden Linie c </, welche zu der
Verbindungslinie C Ci im
Kräftepolygon parallel ist Der Beweis hierfür ist in Bau-
schioger's „Elementen der graphischen Statik", §29 nachzusehen.
Soll nun eine Mittellinie des Druckes in ein Gewölbe ein-
gezeichnet werdeu, so hat nun vorerst über die Lage derselben
gewisse Annahmen zu machen. Gewöhnlich stellt mau in der
Praxis die Anforderung, dass diese Linie im Scheitel dis
äussere und in deu Bruchfugen das innere Drittel der G^wölb-
stärke berühre: liegt sie dabei überall im inneren Drittel des
Gewölbes und überschreitet die Maximalpressung nicht die zu-
lässige Belastung des Materials, so hat man auf alle Fälle mit
hinreichender Sicherheit konstruirt, man mag nun der Schettler '-
sehen Ansicht , der zufolge diejenige Mittellinie des Drucks
die wahre ist, welche den geringsten llorizontalschub ergiebt
und sich demnach im Scheitel und in den Bruchfugen den
Gewölbkanten soweit nähert, als die Festigkeit des Materials
gestattet, — oder der Culmann'scbeu Ansicht, der zufolge die wahre
1 Mittellinie des Drucks sich der Achse des Gewölbes in der Art
am meisten nähert, dass der Druck iu deu am stärksten kom-
primirten Fugenkauten ein Minimum ist, beipflichten.
Ein Maximum von Stabilität erhält man bekanntlich dann,
wenn man die Form des Gewölbes so anordnet, dass sich eine
durch die Mitten sänimtlicber Fugen gehende Mittellinie des
Drucks dariu verzeichnen lässt, und es ist diese letztere nach
Culmuuu dann auch die wahre Mittellinie des Drucks. Nach
Schettler jedoch tritt letztere auch in solchem Falle, zufolge
| des ein Minimum des Horizoutalschuhes bedingendem Prinzips
vom kleinsten Widerstande, im Scheitel und in den Bruchfugen
| so nahe an die Gewölbkanten heran, als die Festigkeit des Ma-
terials gestattet, und fällt nur dann mit der Mittellinie des
Gewölbes zusammen, wenn die Bruchfestigkeit des Materials
. nur unter diesen Umständen noch eben hinreicht, die sich er-
gebende Maximalfugcnpressung auszuhalten. Die Meinungen
3er ausübenden Ingenicure scheinen getheilt darüber zu sein,
ob die Scheffler'schc oder die Culmann'sche Theorie als die
; richtige zu betrachten sei; die bei ausgeführten Gewölben sich
zeigenden Erscheinungen, u. A. auch die Art und Weise der
Druckübertragung in schiefen Gewölben, dürften wohl im All-
gemeinen zu Gunsten der auf das Prinzip des kleinsten Wider-
standes basirten Schefflcr'schen Theorie sprechen.
Ob man indess die obenerwähnte oder eine andere Anfor-
derung in Betreff der Lage der Mittellinie des Drucks im Ge-
wölbe stellt, ist gleichgültig, stets läuft das Verfahren darauf
hinaus, für ein gegebenes System von Kräften eine Drucklinie,
resp. ein Seilpolygon zu verzeichnen, welches durch drei zum
Voraus bestimmte Punkte geht, von denen zwei in den beiden
Bruchragen, der dritte im Gewölbescheitel oder in der Nähe
desselben liegt Wie diese Aufgabe ganz allgemein gelöst wer-
den kann, ist weiter unten zu ersehen; hier soll zunächst der
einfachere Fall eines Gewölbes von symmetrischer Form und
symmetrischer Belastung in Betracht gezogen und an einem
Beispiel erläutert werden.
1. Beispiel: Gegeben das in Fig. 'lb dargestellte Gewölbe
von symmetrischer Form und symmetrischer Belastung; die
Drucklinie soll, vorläufig ohne Rücksicht auf den Erddruck, so
eingezeichnet werden, dass sie im Scheitel das äussere, in den
Bruchfugen das innere Drittel der Gewölbstärke berührt. — Es
genügt in diesem Falle natürlich, nur eine Hälfte des Bauwerks
zu untersuchen, da die Drucklinie ebenfalls eine symmetrische
Gestalt erhält. Hat dos Mauerwerk gleiches spezifisches Gewicht
wie das Hinterfällungsmaterial, was bei Ziegelmauerwerk un-
gefähr zutrifft, so bildet die obere Begrenzung des Hinter-
füllungsmaterials zugleich die Belastungslinie; besteht dagegen
das Bauwerk aus Bruchsteinmauerwerk , so erhält man die Be-
lastungslinie, indem man die Höhe des Hinterfüllungsmuteriala
im Vernältniss der spezifischen Gewichte, also etwa wie 5:4 oder
3:2, auf die Höhe einer gleich schweren Mauerwerk smasse re-
duzirt. Die ßclastungsflächc theilt man durch vertikale Linien
in Lamellen von gleicher Breite, worauf die Länge der Mittel-
linie einer jeden Lamelle als Repräsentant des Gewichtes der-
selben gedacht werden kann; kommen einzelne Lamellen von
abweichender Breite vor, so ist deren Fläche zunächst auf die
Normalbreitc zu reduziren. In Figur 24 sind die Lamcllen-
grenzen puuktirt, ihre Mittellinien ausgezogen. Die Längen der
letzteren, odur einen bestimmten Tbeil dieser Längen, trägt man
der Reihe nach aneinander uud erhält so das Kräftepolygon ; in
Fig. '2a wurde der vierte Theil der Länge der Lamellen -Mittel-
linien aufgetragen. Gewöhnlich kann man die letzteren mit ge-
nügender Genauigkeit zugleich als die Schwerpunktslinien der
Lamellen betrachten, somit erübrigt nur noen, den Pol des
Kräftepolygons zu bestimmen, um das Seilpolygon der Druck -
liuie verzeichnen zu können. Zu diesem Zweck ist zunächst
der noch unbekannte Punkt der Bruchfuge , in welchem die
Drucklinie das innere Gewölbdrittel berührt, nach bestem Er-
messen anzunehmen; es sei dies z. B. der Punkt b , so dass als
Digitized by Google
— 366 -
Belaatungsfläebo der vorläufig angenommenen Bruchfuge *Iir>
Lamellen 1 bis b in Betracht kommen. Der Punkt e im Scheitel
ist durch die Forderung, das» daselbst die Drucklinie durch da*
Fl«, »b.
Fiir- Si.
äussere Drittel der Gewölbstärke gehen soll , gegeben. Denkt
man sich nun die Drucklinie, vorerst schätzungsweise uach vor-
läufiger Annahme, durch die Punkte r und b gehend verzeichnet
und im Pnukte h eine Tangente an dieselbe gezogeu, und zieht
man durch den Punkt Ii des Kräfte|iolygi>ns eine Parallele zu
dieser Tangente, so giebt der Schnittpuukt C derselben mit
einer durch den Punkt 0 gezogenen Horizontalen die approxi-
mative Lage des Poles au und es bezeichnet zugleich die Länge
0 C die approximative Grosse des bei symmetrischer Belastung
und symmetrischer Gewölbeforiu natürlich horizontal gerichteten
Scbeitelscbubes. Verzeichnet mau nun aus dem Pole C das in
Fig. 16 puuktirt angegebene Seilpolygon der Drucklinie, so wird
man im Allgemeinen finden, dass dasselbe noch nicht der An-
forderung, in der Bruchfuge das innere Gewölbdrittel zu be-
rühren, genügt, indem der in der Bruchfuge belegene Punkt a
dieses Polygons etwa ans dem inneren Gewolbdrittel hinausfällt:
aus dem Verlauf des gezeichneten Seilpolygons wird sich aber
jetzt mit hinreichender Genauigkeit die bisher unkekauute Lage
des Punkte» 6 beurtheilcn lassen und es ist demnach nunmehr
eine neue Druekliuio zu konstruiren, welche durch den Punkt c
und den jetzt genauer ermittelten Punkt b geht. Es ist leicht
zu ersehen, dass die gerade Linie, auf welcher sich die gleich-
ii am iura Seiten des bereits gezeichneten und des neuen, ge-
suchten Seilpolygons (resp. Drucklinie) schneiden, eino durch
den Punkt r des Scheitels gehende Horizontale sein muss, denn
der beiden Polygonen gemeinschaftliche Punkt r liegt auf dieser
Linie; letztere muss aber ausserdem der Verbindungslinie des
Poles C mit dem noch zu bestimmenden Pole, t\ parallel »ein:
diese Verbindungslinie aber kann nur horizontal sein, duuu wäre
sie es nicht, so ISge der Pol (\ nicht auf der durch den Punkt
0 gezogenen Horizontalen 0 C, es könnte mithin der Scheitclschub
nicht horizontal gerichtet und die Drucklinie in ihren den beiden
Gewölbebälften entsprechenden Zweigen nicht symmetrisch sein,
was doch vorausgesetzt wurde. Verlängert man daher die Seite
' , des puuktirt. oi Seilpolygons bis zu ihrem Schnittpunkt ä mit
der durch den Punkt c gezogenen Horizontalen und zieht darauf
// b, so erhält man sofort die Seite *'. des gesuchten Polygons
und eine durch den Punkt 5 des Krüftepolvgons parallel zu // />
gezogene Linie ergiebt in C t den richtigen P>>1 fiir das gesuchte
Scilitolygon und in der Länge UV, den richtigen llorizoulalschub.
In Fig. '2b ist das neue Seilpolygon ausgezogen und mit den
Uuchstabeu rhgr bezeichnet. Da dasselbe die Druckliuic «der
Kiehtuugsliuie des Drucks, aber nicht die Stützliuie oder Mittel
liuio des Drucks, d. h. die Verbindungslinie der Angriffspunkte
des Drucks in dun aufeinander folgenden Fugen darstellt . - 1
ist der Punkt g. in welchem es die F'undamentsohle schneidet,
keineswegs der Angriffspunkt des Drucks daselbst Als letzteren
erhält uj.m vielmehr den Punkt f, indem man durch den Schnitt-
punkt c der Polygonseite mit der Schwerpuuktslinie der La-
melle ü eine Parallele zu der Linie 9 l\ des Kräftepolygons
zieht , denn dann giebt e f die Richtung der Resultireadeu
sämmtlieher auf die Fundamentsohle wirkenden Kräfte an, und
es bezeichnet die Lange a C, im Kräftepolygon die Grosse dieser
llesiiltirenden. Der Punkt f ist also maossgebend hinsichtlich
der Stabilität des Widerlagers gegen Kanten; fällt derselbe in
das innere Drittel der Widerlagsstärke , was man möglichst iu
erreichen suchen wird, so nimmt der ganze Mauenjucrschnitt
an der Druckübertragung Theil, was auch stillschweigend vor-
ausgesetzt war, indem die ersten Lamellen (i und 7 des Wider-
lagers mit ihrer vollen Hohe im Krfiftc|>ulygoii in Rechnung
gebracht wurden.
(FortMUaag Mgl.)
Mittheilungen
Architekten - Verein zu Berlin. Hauptversammlung am
'2. Nuvembcr 1872; Vorsitzender Herr Streckert, später Herr
Boeckmanu, anwesend 88 Mitglieder und l> Gäste.
Als einzige Geschäfts - Angelegenheiten kommen zunächst
die Auswahl der fiir das nächste Vereinsjahr zu haltenden Jour-
nale und die Aufnahme neuer Mitglieder zur Erledigung. Die
erste bleibt'uuf den Vortrag des Oberbibliothekars Hrn. V ranzius
im Wesentlichen die bisherige: es wird ein Journal abgeschafft,
4 neue werdeu hinzugefügt, so dass die Anzahl der in der Bi-
bliothek aufliegenden technischen Zeitschriften nunmehr 89 be-
trägt Zur Aufnahme in den Verein gelangen die Um. Aunecke,
Beckmann, Hessel, Blau. Bleich. Bohne, Coerper, Fuhrenholtz,
B. Fischer, Fuhrberg, Gotter, Macseier, Uoeft, Kachel, Küster,
Lorck, Nienhausen, Posch. Schwieger, Seeliger, Steeubock, Stol-
terfoth, Thierichens und Wentzel in Berlin, sowie als auswärti-
ges Mitglied Herr Baurath Merckel in Detmold.
In dem dritten Theile seines Vortrages über die Theorie
des Schalles entwickelte Hr. J. W. Schwedler sodann die Be-
dingungen für die Rejektion des Schalles von gekrümmten Flä-
chen; ein praktisches Beispiel für die Anwendung dieser Theurio
führte er schliesslich durch MitUieilung einiger über die Akustik
der Thomaskirche zu Berlin angestellter Untersuchungen vor.
Wenn der Referent wiederholt bedauern muss, dass die Natur
des in diesen Vorträgen gebotenen Stoffes, die es den meisten
Zuhörern wohl nur unter angestrengter Spannung möglich machte,
dem Redner zu folgen, einen Bericht an dieser Stelle völlig aus-
sehliesst, so glaubt er dafür im Namen Aller den lebhaften
Wunsch aussprechen zu können, dass recht bald eine ausführ-
liche, mit den uöthigen graphischen Darstellungen versehene
litterarische Bearbeitung des Gegenstandes erscheinen möge.
Den grössteu Nutzen würde eine solche namentlich dann stif-
ten, wenn sie neben der Kutwickclung des für akustische Un-
tersuchungen erforderlichen theoretischen Apparates eine mög-
lichst grosse Zahl von direkten Untersuchungen in Betreff be-
kannter Räume vorführen wollte, deren akustische Zweckmässigkeit
oder Unzweckmässigkeit feststeht. Das Resultat solcher Studien
praktisch zu verwertheu und iu allgemein gültigen Grundsätzen
für die Gestaltung der zu akustischen Zweckeu benutzten Innen-
räume auszuprägen, ist eine Aufgabe der Zukunft, un deren Lo-
sung die gesarnmte Fachgenossenschaft Theil nehmen muss. Wie
derselben bereits durch die in Nr. 33 d. Bl. besprochene, gleich-
falls zunächst im Architektenvercine zu Berlin vorgeführte Pu-
blikation Ort h's eine dankenswerthe Anregung wurde, so würde
sie sicher die wirksamste Forderung erhalten, wenn erst die be-
treffenden Arbeiten J. W. Schwedlcr's zum Gemeingute Aller
geworden sein werden.
Die im Fragekasten enthaltenen Fragen wurden durch die
Hrn. Schwedler and HSsecke beantwortet. — F. —
aus Vereinen.
Verein für Etsonbahnknnde zu Berlin. Versammlung am
S.Oktober 1872. Vorsitzender llerr Weishaupt, Schriftführer
Herr Streckert.
Herr Oberbeck theilt ein von Herrn Garcke in Hanno
eingegangenes Schreiben mit, worin derselbe, veranlasst durch
den :n ,1er vorhergehenden \ crsaimuluug des \ ereins gehalten, i
Vortrag über zwei Entgleisungen auf dem Bahnhofe Landsberg
der Rerlin-Anhallischeii Hahn, die seinerseits gemachten Beob-
achtungen und angestellten Untersuchungen über zwei unter
ähnlichen Umständen stattgehabte Entgleisungen, bei welch-,
gleichfalls die Züge aus der Weiche, also mit der Richtung d-r
Spitze gefahren waren, ausführlich bespricht. Die Entgleisungen
haben gleichfalls kurze Zeit nach einander stattgefunden, die
erste au einem Sonnabend, die zweite an dem darauf folgendeu
Montag; bei beiden zeigte sich an dem an die Weiche anschlies-
senden Sebiencnpaar eine Spurerweiterung von 4 bis 5*°>; welche
als eine Folg« der Entgleisung betrachtet werden musste. Die
angestellte Untersuchung ergab, dass die Schienen und Schwellen
in einem guten, untadelhaftcn Zustande sich befanden, dass
jedoch die Mutterschiene der Weiche an der Stelle, wo die Zunge
beginnt an dio Schienen sich anzuschmiegen, durch den Rail-
, reifen frisch angegriffen war, sowie dass zwischen der Oberfläche
der Zunge und der Fahrschiene eine Höhendifferenz von
4rom vorhanden war. In diesem Höhenunterschiede hatte das
Rad einen Widerstand gefunden und wurde iu der Richtung der
Bewegung abgelenkt Das Fahrzeug wurde gegen die gegenüber-
liegende Schiene gedrückt, welche hierdurch aus den Befesti-
gungsniittelu gelöst, eine Spurerweiteruug zeigte; die* halte
schliesslich ein Umkanten der Schienen zur FoIge ( da der Wider-
stand der Nägel zu gering ist, um in diesem Falle, wenn der
seitliche Druck, beziehungsweise der schiefe Stögs grösser wie
der senkrechte (die Belastung) ist, das Umkanten der Schieneu
zu verhindern (wie dies v. Weber in seinem Werkchen r dio Sta-
bilität lies Eisanbahugestäuges" au Beispielen so richtig nach-
gewiesen hat). Zwei Tage vor der ersten Eutglcisung war auch
liier eine neue Mutterschieue eingelegt worden und ist dieser
Umstand als die Ursache der Entgleisung zu betrachten; die
Schienen sind fast durchgängig aus weicherem Material wie die
Zungen hergestellt, so dass eine raschere Abnutzung der ersle-
reu stattfindet: die Zungen, welche beim Auswechseln der Mutter-
sebieuen noch brauchbar, aber schon etwas abgenutzt sind,
schlicssoii dann nach dem Einlegen einer neuen Schiene gewöhn-
lich nicht ganz genau an die Mutterschiene an, federn u. s. w.,
so dass es sich ouipGehlt, jedesmal beim nothwendigen Einlegen
einer neuen Schiene die ganzo Weiche herauszunehmen, in der
Werkstatt nachsehen zu lassen und statt derselben eine andere
vollständig revidirte Weiche einzulegen.
Der Vorsitzende knüpft hieran einige Mittue düngen über
Digitized by Google
Digitized by Google
— 3f»8 —
die erwähnt«- Schrift v. Weber' s und Sprach &odanu eingehen-
der das von demselben Verfasser herausgegebene Werk „die
Prasis des Iiaues und Betriebes der sekundären Eisenbahnen",
welches sich, wie alle Schriften v. Weber's. durch vorzügliche
Behandlung des Stoffes, grosse Gründlichkeit und treffende
Kritik auszeichne, daher zum Studium warm empfohlen werden
köunc.
Herr Piesauer gab hierauf unter Beschreibung der einzel-
nen Metboden du» Arbeitsbetriebos in Einschnitten eine solche
über den englischen Eiuschnittsbotrieb bei Eisenbahnen unter
Bezugnahme auf dir' diesen Gegenstand behandelnde Broschüre
von Rziha, — beschrieb die in derselben erwähnten Arbeits-
den Logen-, Strosseu-, Seiten-, Röschenbau und zeigte
daraus unter Erwähnung verschiedener Beispiele, dass bei An-
wendung des englischen TSinschnittbetriebes bei einem Einschnitt
von 16 1,1 Tiefe und 500'» Länge in mildem gebrächen Gebirge
bei 208,000 kb™ Masse die LobnersparnisB 40 V., einem gleich -
gestaltete:! Einschnitte in leicht schiessbarem Gestein 20% und
in festem Gestein 14*.. und die Zeitersparnis« in allen vorer-
wähnten Fällen 20 bis 30» . betragt.
Am Schlüsse der Sitzung wurden in üblicher Abstimmung
Herr Bauiuspektor Krüger als einheimisches Mitglied und die
Herren Berghauptmann Serlo und Stcrnke, Oberingenieur der
Ostpr. Südbahn, als auswärtige Mitglieder in den Verein auf-
genommen.
Vermischtes.
In Amerika.
Die Bauujjternehmungen in Amerika verfolgen wir zunächst
wohl deshalb mit allgemeinem Interesse, weil sie uns durch ihre
Großartigkeit, ihre Dimensionen impouircu- Die Berichte von
dort weisen aber noch einen anderen Zug auf. der uus Anregung
zu gewähren geeignet ist. Da* ist die Frische und Uuverdros-
seuheit, mit der uusere Kollegen jenseits des Ozeans an die Lö-
suug schwieriger, ia bedenklicher Aufgaben herantreten — oder
heranzutreten in der glücklichen Luge sind-
Von diesem Gesichtspunkt aus sei uns vergfiuut, zunächst
kleineu Unternehmens (technischen Kunststückes) zu er-
wähnen, welches immerhin seiner eleganten Durchführung wegen
bemerkenswerth ist. Es ist die Verschiebung eines Fa-
brikschnrnsteins. Die Cabot Company zu Brunswick fand
es nöthij, wegen Vergrößerung ihrer Baumwolleufabrik den
24 ■ hohen, unten 2,36™, oben 1,52™ im Geviert nicsseudeu
Schornstein, im Gewicht von über 100 T , um ti" 1 zu verschieben.
Mau baute zu diesem Zweck Bahnen wie auf den Schiff-helliugen,
mit ebener geschmierter Oberfläche, unterfing den Scborusteiu
durch die Bahn und den darauf stehenden Schlitten und be-
wegte den letzteren mit seiner Last durch 2 Schrauben in
4'i Stuuden um die vorgeschriebene Strecke. Die Züge waren
um 1 Uhr Nachmittags ausser Verbindung mit dem Schornstein
gesetzt, um 9 L'hr au demselben Abend wurden sie wieder da-
mit verbunden, Feuer augemacht, und der Dampf ging wie-
der au.
Gehen wir nun zu grösseren Unternehmungen über und
berichten zuerst über diejenigen, die uns bereits bekannt sind,
so haben wir uns vor Allem des glücklichen Fortganges der
Arbeiten zur S pre ugu u g der Felsenriffe im Eastriver
bei New-York zu erfreuen. Uuserm früheren Bericht (pag. 338
d. lfd. Jg.) über dieses, einem grossen Ucbelstaude bewunderns-
würdig gründlich abhelfende Verfahren fügen wir hier nur die
Notiz hinzu, dass zur Sprengung der unterseeischen Minen
300 Ztr. Dynamit verwendet und mit einem Male durch Elek-
trizität angezündet werden sollen Wenn diese kolossale Spren-
gung, wie man hofft, gelungen sein wird, beabsichtigt man noch
2 andere Felsbänke auf dieselbe Weise fortzuräumen, und gedenkt
im Jahre 1X74 die Fahrt durch den Eastriver frei und sicher
zu haben. Auch glaubt man eine Überschreitung des Kosten-
anschlages nicht befürchten zu müssen.
Weit ungünstiger lauten in letzterer Beziehung die Nach-
richten über den zweiten, den Eastriver betreffenden Riesenbau,
die von] Rohling entworfene Hängebrücke zwischen
New-York undBrooklvu. Hier sind die Thürme tHaupttraee-
pfeiler) an beiden Seiten des Flusses noch nicht vollendet und
schon sind die Millionen verausgabt, welche für den ganzen
Brückenbau veranschlagt waren. Ein ganzes Heer von raubsüch-
tigeu Politikern und deren Anhang hat die Gelegenheit ergriffen,
sich hierbei zu bereichern. Die Beamtengenälter lieziffern sich
— selbst nach amerikanischen Begriffen — aussergewOhnlich
hoch. Und dem ersten Baubeamten wird ausserdem nachgesagt,
dass er sich bei Gelegenheit der Lieferungen unehrliche Ein-
nahmequellen eröffnet habe.
Auch der Tunnel unter dem Detroit - Flusse im
Staate Micbigau, welchen wir auf pag. 25 unseres Jhrg. 1871
beschrieben, scheint nicht so rasch vorwärts zu kommen als mau
hoffte. Unerwartete Schwierigkeiten haben sich in den Weg
llt, so dass man erst mit dem Versenken der 15™ tiefen
liäehte (Brunnen aus ZicgL-lmaucrwcrk auf einem 1,57™ Dm.
haltenden, 2,4™ hohen Eisenring) behufs Herstellung des Ent-
wässeruugstuuuels bat beginnen können. Dich schreitet das
Werk rüstig vorwärts und der Ruf des Ingenieurs Cbesbrough,
welcher sich bereits bei der Tuunelaulage iu Chicago bewährt
hat, scheint sein Gelingen zu verbürgen.
Unter den neuen Lnteruehmuugeu zeichnet sich die von der
peruanischen Regierung beabsichtigte Eisen bahn- und Damnf-
schifflinie quer über den Kontinent von Südamerika
durch Grossartigkeit und Kühnheit aus. Sie wird die Anden in
einer Höhe von 4270» über dem Meere überschreiten und somit
nur 300"» unter der Grenze des ewigen Schnees bleiben.
Dem ganz eisernen Agua de Varrugas-Viadukt, (eben-
falls in Peru) können wir trotz seiner recht erheblichen Hohe
von rot 77™ kein besonderes Gefallen abgewinnen. Denn wie-
wohl uusere Notizen zu einer eingehenden Beurtheilung des Bau-
works nicht ausreichen, lassen seine durch Fiuk'sche Einxelträ-
ger überspannten (4) Oeffnungen und seine sehr breiten (in der
Richtung der Längenaxe des Viadukts 15™ oben wie unten), aus
je 12 Säulen bestehenden Pfeiler kaum auf einen Fortschritt
gegen die Bauart schlicssen, welche sich in der alten Welt für
derartige Werke herausgebildet hat.
Die Eisenbahnbrückc über den Mississippi bei Da-
venport in .Iowa scheint die bisherigen Ausführungen der
Art an Grosse zu übertreffen, da der drehbare, zwei gleiche
Oeffnungen überdeckende Brückentheil eine Länge von 11 1,5™
hat. Der Bewegungsmechanismus scheint dem der Ousebrücke
bei Grole in Euglaud (cfr. pag. 359, Jhrg. 18U7 d. Ztg) nachge-
bildet zu sein. Wenigstens ist, wie dort, hydraulische Maschi-
nerie vorhanden, diu durch eine Dampfmaschine in Bewegung
gesetzt wird. Nur besteht die Füllung der hydraulischen Ma-
schinen nicht aus Wasser, sondern aus reinem Glyzerin, das
"trückentheils
aus einem über der Mitte des drehbaren Br
brachten schmiedeeisernen Reservi.ir in die Pumpen niedernieast,
welche es iu die hydraulischen Zylinder drückeD, die dann mit-
tels Drahtseilen die Bewegung der Brücke veranlassen. Die
Einfachheit der Maschiuerie wird hervorgehoben.
Da wir nun einmal wieder bei den .grossen" Brücken sind,
so sei noch zuletzt eine solche erwähnt, der wir wohl den Ruhm
werden lassen müssen, die längste der Welt zu sein. Sie misst
nämlich 24 Kilometer und überschreitet die beiden Flüsse Mobile
und Teusas, sowie dazwischen liegende Sümpfe. Sie enthält
10 Drehbrücken. Ihr Material ist Holz auf eisernen Jochen, die
auf eingerammten hölzernen Pfählen stehen.
Das Tacheometer. In gegenwärtiger Gründungspenode
ist mau wohl daran gewohnt worden, bei einem neuen Unter-
nehmen alle nur denkbaren Momente zur Empfehlung desselben
augeführt zu sehen, dass aber schliesslich auch die Instrumente
des Geodäten herbeigezogen werden, dürfte mindestens unge-
j wohnlich sein. Die Berliner Börsenzeituug vom 23. Sept d- J-
I No. 445 enthält nun in einem Artikel über die Chemoitz-Aue-
Adorfer Eisenbahn und die Sächsische Eiscnbahnbau-Gesellschaft
folgenden Satz: «Nicht ohne Interesse ist, dass die Sächsische
Eisenbahnbau - Gesellschaft, unseres Wissens zum ersten Silt
in Deutschland, bei den Terrainaufnalimen das Tacheometer in
Anwendung bringt. Ein neues Instrument, das nicht blos die
zeitraubenden Arbeiten mittels Setzlatte uud Kette ganz und
sar ersetzt, sondern auch weit sicherere Resultate liefert, mit
deren Hülfe es möglich ist, die denkbar günstigste und tech-
nisch beste Liniu aufzufinden. Namentlich in gebirgigem und
koupirtem Terrain, wie es von der Chemnitz-Aue-Adorfer Eisen-
Tacheom«-
Höhc dtr
lung ües
auf die
ters von ganz hervorragendem
Baukosten."
Es dürften nun, wie ich annehme, manche Fachgeuos*en be-
gierig gewesen sein zu erfahren, was es denn eigentlich mit
diesem wunderbaren Instrument Tacheometer auf sich hat.
Schreiber dieses sah sich veranlasst, Erkundigungen über das-
selbe einzuziehen, deren Resultat er hier mittheilt. Das Tacheo-
meter ist nichts weiter als ein gewöhnliches sogenanntes Uni-
versal-lnstrumeut, also ein zum Niveltireu tauglicher Theodolite,
mit welchem es auch den ganzen äusseren Aufbau gemeinsam
hat Das spezifisch Eigenthümiichc des Tacheometer« ist, oder
vielmehr soll sein, der Distanzmesser, welcher von seinem
Erfinder (?) Porro in Mailaud jenen Namen empfing, den ir...:
später auf das ganze Instrument übertragen bat.
Dieser Porro'schc Distanzmesser ist ein Fadcndistanxmesser.
also ein Fernrohr mit drei horizontalen Fäden, von denen die
beiden äusseren als Distanzmesser, der mittlere aber zum Ni-
vellireu dient. Ein solcher Distanzmesser giebt bekanntlich
jede in senkrechter Gesichtsrichtung auf die Latte (oder parallel
zum Erdboden) gemessene Distanz D nach der Formel:
D = k.L+(j, + e)
worin /. den zwischen den Fäden beobachteten Lattenabschnitt
p die Brennweite des Objektivglases im Fernrohr, c den Ab-
stand dur Objektivlinse von der Instrumeutenmitte oder dem
Punkte, über dem man sich zentriscb aufgestellt hat. bedeutet ;
'!' <") ist demnach für jedes Instrument eine Konstante. Die
p
Hauptkonstante k des Distanzmessers ist stets = y. wenn* der
Abstand der beiden Parallelfäden ist.
Die Distanz D hat demnach ihren Anfangspunkt in der
Instrumentenmitte und ihren Endpunkt an der Latte, dort wo
diese von der zum Boden parallel gerichteteu Fernrohr-Axe ge-
troffen wird. Bei geneigtem Boden erfordert demnach jede
solche Distanz noch eine Reduktion, um die horizontale Entfer-
nung des Aufstellungspuoktes des Instruments vom Fusspunktc
der Latte zu erhalten- Porro vernachlässigt nun den Werth
(p +-<•) wegen seiner Unbcdouteadheit und weil die Fadendiatanz
Digitized by Google
- 369 -
messer ohnebin nnr Distanzen bis zu 100» mit derselben Schärfe
wie ein« gute Kettenmossung gebeu {'/,.» der Länge), Dis-
tanzen bis zd 250» aber nur big '/„, der Länge genau gegeben
werden. Er setzt also geradezu:
B - k I.
und giebt nun durch entsprechende Wahl von p und t> der Kon-
stanten * = ~ den Werth 100. so dass also jede gemessene
o
Distanz stets da« 100 fache der an der Latte abgelesenen Zahl
beträgt und mau daher an dieser nur das Komma um 2 Stellen
nach rechts zu verrücken braucht, um jene gelbst zu erhalten.
Dies ist nun einmal nicht« prinzipiell Neues, da schon
Reichenbach vor 40 Jahren anf eine derartige Wahl der Kon-
stanten k hinwies, dann aber heisst es den Werth eines Instru-
mentes von vornherein herabsetzen, weun man dessen Leistungs-
fähigkeit durch Hinweglassung eines theoretisch wesentlichen
Gliedes abschwächt.
Ilm ganz richtig zu sprechen, will ich jedoch noch erwäh-
nen, dass Porro das Glied (p -f- c) eigentlich doch nicht igno-
rirt, sondern dass er vielmehr das Instrument derartig adjustirt,
da&g eben bei ciüer Distanz von '200» L — 2» ist, somit dio Be-
besteht und erfüllt wird
200 = * . 2 + {p + c )
Beispiel für {p + r) =0.4» folgen würde:
2 *
Eine derartige Adjustirung des Instruments wird erreicht
durch entsprechende Stellung des Objektivs. Bei ff = 200'» ist
somit wirklich L = 2», also der 1U0. Tbeil der Distanz, jede
andere Distanz als 200» muss aber unrichtig gegeben werden.
So ist z. B. für ein an der Latte abgelesenes Maass /. . -.
0,165-, die wahre Distanz = 99,8 . 0.167. + 0.4 = 16.867», wäh-
rend l'orro geradezu setzt ff = 100 L = 16,5"; Fehler dem-
nach 0,367» bei 16,8» also relative Genauigkeit
_ 0,367 _ 3C7 _ 1
— 16,8 — 168Ö0 — 46
Ich glaube es ist nicht uothwendig, auf weitere Details ein-
zugehen, um zu zeigen, dass das Tacheometer nun und nimmer
das leisten kann, was in dem erwähnten Artikel behauptet
wird. Denjenigen Kachgeuoasen, welche trotzdem etwa Verlan-
gen nach einem solchen Instrumente tragen sollten, diene zur
Nachricht, dass dieselben von Herrn Porro in Mailand, früher
in Paris für den Preis von 800 Francs also circa 220 Thlr. ge-
liefert werden, lu Oesterreich sind sie durch den Hofrath Nörd-
linger eingeführt worden, haben jedoch anscheinend keine weiten!
Verbreitung gefunden. K. F.
Ueber die Sicherheit des Eisenbahnbetriebes, insbe-
sondere das HaltesignaL Unter vorstehendem Titel giebt
Herr Eisenbahubauinspektor Niemanu aus Breslau im 5. lieft
des Ifud. Jhrg. des Heusinger'achcn Organs eine Mittheilung, in
welcher er, anknüpfend an einen bestimmten Eisenbahnunfall,
die Frage erörtert, welche Wegstrecke durch ein Haltesignal
wirksam gedeckt wird. Er macht zunächst auf eigenen Beobach-
tungen beruhende Angaben über die Zeit, die von dem Augen-
blick, wo ein Haltesignal sichtbar wird, bis dahin zu vergehen
pflegt, dass die Bremsen deg Zuges angezogen sind. Sodann
stellt er Formeln auf, um den Weg »u ermitteln, den ein ge-
bremster Zag bis zu seinem Stillstände durchlaufen wird. Die-
ser ist natürlich ie nach der Schwere und Geschwindigkeit des
Zuges, der Anzahl der Bremsen, der Nässe oder Trockenheit
der Schienen und dem Gefälle der Bahn ein verschiedener. Un-
ter den zur Erläuterung der Formeln berechneten Beispielen
wollen wir nur das hervorheben, bei welchem sich der Weg am
frflssten ergiebt. Es ist dasjenige eines Kourierzuges mit 1 Lo-
omotive und 20 Axen. darunter 6 Bremsaxen, welcher mit
20» Geschwindigkeit ein Gefälle von 1 : 100 abwärts fahre. Er
würde nach 64:5» zum Stillstand zu bringen sein.
Nach Beschreibung eines ferneren Unfalls, bei welchem ein
Zug, vermuthlich durch Unachtsamkeit des Zugpersonals, auf
einer über 800™ langen Strecke nicht zum Stehen kam, schliesst
die Mittheiluug mit den Worten: .Jedenfalls kanii mau aus
einem solchen Falle, wenn er sich wirklich zuträgt, die Lehre
nehmen, dass es uothwendig ist, bei misslicbem Wetter die
höchste Vorsicht anzuwenden, eventuell die Bremskraft der Züge
zu verstärken, damit bei ungünstiger gestellten Haltesigualen
die Sicherheit nicht verloren geht.
Weiss der Lokomotivführer, dass er bei seinem Zuge, um
ihn zum Halten zu bringen, auf schlüpfrigen Schienen eine
Strecke von mehr als 600™ gebraucht, so wird er vermuthlich
seine Fahrt mit grosser Aufmerksamkeit danach einrichten und
besonders an Punkteu, an denen er ein Haltesignal erwarten
kann, in vollster Vorbereitung eintreffen.*
Diese Sätze wird gewiss Niemand bestreiten wollen. Wir
möchten aber die Konsequenz weiter treiben und statt der be-
sonderen Maassregeln zur Wahrung der Sicherheit bei „ungün-
stig gestellten Haltesignalen* es vielmehr dahin gebracht se-
hen, dass überhaupt keine ungünstig gestellten Haltesignale
vorkommen. Dies fässt sich mit Hülfe des Distanzsignals un-
ter allen Umständen erreichen. Wenn dasselbe hinreichend weit
vor den gefährlichen Punkt (Weiche, Drehbrücke, Niveaukreu-
zung u. s. w.) vorgegehobeu, von dem an jenem Punkt aufge-
stellten Wärter mittels Drahtzuges bedient und mit dem Me-
chanismus des beweglichen Gleisetheiles oder dem konkurriren-
den Krenzungssigual so in Verbindung gebracht wird, dass das
Haltciignal nur beseitigt werden kauu. wenn die Bahn wirklich
fabrliar ist, so dürfte hier im Prinzip der höchste mögliche
Grad von Sicherheit erreicht sein. Dass die Konstruktion der
Signale, der Drahtzüge pp. eine derartige »ein muss, bei welcher
Störungen in der Wirksamkeit nicht vorkommen können, ist
selbstredend. Ks ist jedoch um so weniger uothwendig hier
näher auf Details einzugehen, als ziemlich vollkommene und
praktische Konstruktionen von Distanzsignalen bereits mehrfach
ausgeführt sind. Wie weit das Signal vorgeschoben werden muss,
um wirksam zu decken, darüber giebt die Mittheilung des Herrn
Niemann sehr dankeuswertbe Fingerzeige.
Nur einen Puukt möchten wir hier noch anregen. Bei Hal-
tesignalen, die einen bestimmten Punkt in der Bahn decken
sollen, (also abgesehen von den auf freier Bahn durch die Bahn-
wärter uuter linstäudeu zu gebenden Haltesignalen) ist es zu
derou vollkommeuer Wirksamkeit allerdings erforderlich, das«,
wenn sie geschlossen sind, niemals, auch nur wenig, über sie
hinaus gefahren werde. Freiherr v. Weher giebt in seinem
.Telegraphen- und Signalwesen" (pag. IU6) deshalb die Be-
stimmung: der Führer, der bei einem Tages- oder Nacht - Halt-
signale vorbeifährt, wird hart bestraft. Nun ist aber bei neb-
ligem Wetter absolut unmöglich, den in voller Fahrt befindlichen
Zug noch vor einem unerwarteten Haltesignal zum Steheu zu
bringen. Auch würde es den Betrieb in unzulässiger Weise
belästigen, wenn an Stellen, wo Haltesignale erwartet werden
können, die Kührer liei Nebel immer so langsam fahren sollteu,
dass sie auf die oft sehr kurze Strecke, wo sie das Sigual wirk-
lich sehen, noch halten können. Es dürfte also zur Durchfüh-
rung jener gewiss logischen Bestimmung des Herrn v. Weber
erforderlich sein, vor das eigentliche Haltesignal ein Avertisse-
ments (Langsamfahr-) Siguul so weit vorzuschieben, dass der
Kührer, wenn er dies geschlossen findet, unter allen Umständen
im Stande ist, vor dem eigentlichen Haltesignal zu halten. Dies
kann daun ziemlich nahe au dem gefährlichen Punkt stehen, so
dass der Drahtzug des ebenfalls von jenem Punkt aus durch
den dort stationirten Wärter zu bedienenden Avertissementssig-
uals noch nicht übermässig lang wird. X.
Ueber die Behandlung neuer Wohnräume. In No. 38
der .Industrie-Blätter* veröffentlicht Hr. Kühr unter vorstehen-
dem Titel eiue nicht uninteressante theoretische Erörterung über
die Mittel, um mit frischem Mörtelputz versehene Wohnräume
eines neuen Hauses in möglichst kurzer Zeit bewohnbar zu
machen.
Dass die chemische Ersetzung des im Kalkmörtel enthalte-
nen Hydratwassers durch die der atmosphärischen Luft (im
Verhältnisse von 0.001 bis 0,002) beigemischte Kohlensäure nur
eine sehr langsame sein kann, erhellt leicht aus eiuer Berech-
nung der Mengen, um die es sich hier bandelt lu eiuem W ohn-
räume, der an Wänden und Decke etwa 140 i_J» Putzfläche
besitzt, sind in dieser, nach gewöhnlicher Schätzung des Kalk-
bedarfs. etwa 750 k uebranuter Kalk und 241 k Hydratwasser ent-
halten; zur vollständigen Verdrängung des letzteren unter Ver-
wandlung des Kalkhydrats in kohlensauren Kalk sind 68H k
Kohlensäure erforderlich, welche durch Verbrennung von 160 *
Kohle erzeugt werden könnten. Eine wirksamere Einwirkung
bringt schon der Aufenthalt von Menschen in den betreffenden
Räumen, das bekannte gesuodheitsgefährliche .Einwohnen"
hervor. Da ein erwachsener Mensch innerhalb 24 Stunden
0,960" Kohlensäure ausathmet, so würde ein 60tägiger Aufent-
halt von 10 Menschen in jenem Raum schon das nöthige Quan-
tum liefern, falls der Aufenthalt in demselben ohne Ventilation,
bei welcher ein grosser Theil der Kohlensäure entführt wird,
möglich wäre.
Es ist jedoch andererseits nicht erforderlich, dass der ge-
sammte Kalk des Putzmörtels mit Kohlensäure gesättigt wird,
bevor ein Bewohnen der Räume ohne Gefahr für die Gesundheit
möglich ist; eine äussere Schicht von 2 bis 3™» genügt schon,
um das Eintreten der Kohlensäure und das Austreteu des Was-
sers zu einem fast unmerklich langsamen zu macheu. Eine
solche Schicht aber wird sich in verhältnisstnässig kurzer Zeit
künstlich durch Anwendung von Mitteln erzeugen lassen, die
den betreffenden Räumen bedeutende Kohlensäuremengeu zu-
führen, lieblich ist hierfür bereits die Unterhaltung von Kooks-
feuern in eisernen Körben geworden, wobei jedoch die Einwir-
kung der Hitze — nicht immer zum Vortheile der Haltbarkeit
des Mörtels — eine nicht minder bedeutende Rolle spielt, als
die Entwickelung von Kohlensäure. Wirksamer noch würde das
Verbrennen von Holzkohle sein, von denen bei zweckmässiger
Verwendung 12,5 k innerhalb fünf Tagen genügen würden, um in
jenem Räume dio betreffende schützende Schicht kohlensauren
Kalkes zu erzeugen. Gauz besouders aber empfiehlt der Ver-
fasser des zitirteu Aufsatzes, sich für diesen Zweck der neuer-
dings zur Heizung von Eisenbahnwagen eingeführten Presskohle
zu bedienen. Dieselbe enthält neben einem Nitrat und dem
nöthigen Bindemittel etwa 80 >' Kohle uud verbrennt unter ge-
ringem Sauerstoffverbrauch langsam wie eiue Räucherkerze, ist
also vorzugsweise dazu geeignet, eine stetige und permanente
Kohlensäure-Entwickeluug zu bewirken. Dabei erfordert die-
selbe eine vcrhältnissmässig sehr unbedeutende Bedienung,
schliesst Feuersgefahr beinahe vollständig aus und ist mit gerin-
gen Kosten zu bewirken. Für den genannten Raum würde eine
Stägige Keuerung mit täglich etwa 3" Presskohle erforderlich
sein; die Kosten derselben betragen pro Zentner des Materials
nicht mehr als etwa 6 Thlr.
Digitized by Google
— 370 —
Aus der Fachliteratur.
Zeitschrift fftr Bauwesen, rcdifcirt von G. Erbkam.
Jahrg. 1872, lieft Vlll big X-
A. Aas dem Gebiete des Ingenicurwcscns.
1. Die Verbindung «bahn zwischen Düsseldorf und
Neuss mit Ueberbrückung des Rheinstmmes. Mittheilung des
Regierung«- und Baurath Pichier zu Elberfeld (Schluss).
Ueber diese interessante bauliche Anlage berichten wir
Folgendes im Zusammenhange. Der Plan zu einer direkten
Verbindung der Stationen Düsseldorf und Neuss der Bergisch-
Mftrkisehen Eisenbahn war zwar schon seit dem Jahre IH61 be-
stimmt ins Auge gefasst worden, indessen gelaug es erst am
Schlüsse des Jahres 18*17, nach sehr umfangreichen Verhand-
lungen mit der Militärverwaltung, dio definitive Festsetzung
des Projekte« zu erreichen. Hauptsächlich wichtig in dieser
Vcrbiudungsbahu ist die feste Uheiubrücke in der Nähe des
Dorfa* Hamm, von der auch im Folgenden lediglich Notiz ge-
uouimeu werden soll. Die Rhciuübcrbrückuug liegt nahezu
rechtwinklig zur Stronirichtung und gestattet ein Durchfluss-
prolil von i'JäSp™ ; dieses wird gebildet durch die eigentliche
Strombrücke mit 4 Oeffnungeu von je I03,.">7» lichter Weite in
Eiüenkonstruktiou, und demnächst durch die Fluthbrücke, welche
lj überwölbte Öffnungen von je IS.i?3"> licliter Weite und 2
im Interesse der Landesverteidigung angeorriuete Drehoffnun-
gen von je 13,.t0« Weite mit 7,85»" starkem Mittelpfeiler enthült.
Ebenso ist aus strategischen Gründen noch eine ;!,77"> weite Zug-
brücke landwärts von dem rechtsseitigen Stirnpfeiler angelegt
worden.
Was zunächst die zur Anwendung gekommenen Fuudirungs-
methoden betrifft, so ist die der beiden lluuptstrompfeiler durch
Versenkung unter Zuhülfenahtne von komprimirter Luit erfolgt.
Alle übrigen Pfeiler wurden entweder direkt oder mittels Ein-
rammen von Spund wänden. Ausbaggern der Grube. Einbringen
einer Betonsohle und Aufmaueru zwischen Betnnfiingedäniuicn
fundamentirt Hier soll die letztere Fundiruugsart nicht weiter
berührt, sondern nur über die mit komprimirter Luft einiges
Weitere angeführt werden. Nach den Erfahrungen, die bereits
bei der Fuudirunc mehrer Brücken bei Stettin gemacht waren,
wurden für jeden der beiden Stroiupfeiler 2 Scnkghickcu u S.D'.m
Durchmesser verwandt. Zur Aufstellung dcrsehVn wurde ein
Ilolz-Gerüst in 3 Etagen hergestellt. Dasselbe enthielt iu der
untersten Etage die Oeffnungeu für das Versenken der (Hocken,
Materialien- Depot« und Mörtelhäuke. In der zweiten Etage
waren die Lokomobilen und Luftpumpen aufgestellt, sowie das
Hebelwerk zum Versenken angemacht. Die dritte Etage end-
lich diente zur Aufstellung eines Laufkrahnes von 120 Ztr. Trag-
fähigkeit. Die Verbindung mit den l'fern wurde durch Draht-
scilfährcu bewirkt, eine Anordnung, durch welche der Schiff-
fabrt keine Hindernisse in den Weg gelegt wurden. Die Kosten
für sfimmtlicbe 4 Glocken betrugen einschliesslich aller Vor-
richtungen zum Senken 2'JOOÜ Thlr. Die Tiefe der Versenkung
betrug Ki.lis"' beziehungsweise 15,07» unter dem mittleren Was-
serstande. Was die Veutiliruug der (Hocken anbetrifft, so w urde
dieselbe wahrend des Verseukeus dadurch erreicht, dass die
überschüssige Luft unter den Rändern der Glockeu hcrausge-
I 'res st wurde. Beim Beginn der Ausmauerung wurde alsdann
eine andere Ventilation in der Weise hergerichtet, dass eine
Bohre durch den Einsteigeschacht geleitet und oben durch ein
Ventil geschlossen wurde. Der Bedarf an komprimirter Luft
wurde Anfangs durch eine, bei vermehrter Tiefe jedoch 2 Luft-
pumpen erzeugt, welche je mit einer 16 pferdigeu Lokomobile
getrieben wurden. Die Bodenfbrderung und spater das Einbrin-
gen des Betons geschah mit Kübeln, welche im Luftschachte
durch Menschenhände mit einer Winde bewegt wurden.
Was den eisernen Oberbau der 4 Stromöffnungcn anbetrifft,
so ist die spezielle Beschreibung und statische Berechnung des-
selben in der Mittheilung enthalten. Beiläufig sei nur bemerkt,
dass die Ermittelung der Spannungen bis auf 4 Dezimalstellen
des Zentners, d. b. bis auf Bruchtheile von I^then, die sonst
klare Rechnung beeinträchtigt. Das gewählte System ist drei-
facher Ordnung und entspricht der in neuerer Zeit vielfach zur
Anwendung gekommenen und durchaus empfehlenswert hm An-
ordnung, wobei die untere Gurtung geradlinig, die obere nach
einer Kreis- resp. Parabellinie derartig bestimmt wird, dass
hinreichende lichte Höhe verbleibt, um auch einen oberen hori-
zontalen Kreuzverband bis nach den Auflagern hin durchführen
zu können- Als Pfcilhöhe in der Mitte ist rot- ';• der Spann-
weite gewählt worden, es hätte sich behufs Materialersparnis
empfohlen, dies Vcrhüitniss mindestens bis auf '/i zu vergrösseru
und die Krümmung der obereu Gurtung weniger stark zu neh-
men, als dies geschehen ist. im L'ebrigen möge noch der bei
oieser Brücke wohl zum ersten Male bemerkten Anordnung der
Druckstreben in den Endfeldern Erwähnung geschehen (Fig. 1).
Abgesehen davon, dass die Anordnung
des 3 fachen Systeme« überhaupt eine
Klarheit der Spannungsvertheilung nicht
mehr gewährleistet, wurde die Disposition
der Endstreben als rationell Itezeichnet
werden können. Greift man nämlich auf
das einfache System zurück , so ist die
vorteilhafteste Anordnung die nach
Fig. 2. Ed Z'i-t aber die obige nichts anderes, als die
Auwendung dieses Priuzipes auf zwei der drei einfachen Systeme.
Es soll schliesslich noch angeführt werden, dass das (ie-
F«. 1.
wt aip
sammtgewicht des eisernen Ueberbaue.--
rot 5*. Millionen Pfund beträgt, wofür
einschliesslich der festen Rüstungen der-
lei! der Preis von 77 Thaler pro 10OO
Pfund gezahlt wurde, ein Satz der ge-
genwärtig bereits ganz ausserordeutlk-li
überschritten wird. Der Unglücksfall ,
welcher sich während der Montirung d<>r
zweiten (Vffnuug dadurch zutrug, dass ein betadeuer Nachen
gegen die Rüstung austiess, wodurch diese zertrümmerte und
di. BisenkoBstruktion sammt dem Nachen in den Rhein ver-
sank, ist seiuer Zeit, namentlich auch der rechtlichen Folgen
weueu. ein Gegenstand langer Erörterung in der Presse gewesen
und von daher wohl noch hinreichend Itekannt.
2. Der Nordsee-Kanal bei Amsterdam und die dazu
gehörigen Anlagen, von Rc«.- u. Baurath A. Wiehe in Stettin.
Bekanntlich ist man iu Holland gegenwärtig mit der Aus-
führung jenes grossartigen Unternehmens beschäftigt welche-
den Zweck hat, die Stadt Amsterdam auf kürzestem Wege, also
iu fast westlicher Richtung, durch eine WttMntrattM mit der
Nordsee zu verbinden. Der Verfasser, welcher die baulichen
Anlagen im Juni 1871 in Augenschein genommen hat, liefert
eine durch Karten und Zeichnungen sorgfältig erläuterte Be-
schreibung derselben,
aus der wir. mit Rück-
sicht auf die im Jahr-
gang 1870 der Deut-
schen Bauzeitung _ be-
reits enthaltene ziem-
lich ausführliche Mit-
theilung des Hrn. Bau-
meister Stuertz über
denselben Gegenstand
nur soviel rekapituli-
reu wollen, als zur
allgemeinsten Orienli-
ruüg des Lesers erfor-
derlich scheint. — Der
alte Schiffsweg von Am-
sterdam ging durch
die Zuider-See; da
dieser seichte Meer-
busen jedoch von al-
len grosseren Schiffen
nur schwer zu pa>-
siren ist, wurde schon
in den Jahren 181»
— 1825 aus Staatsmitteln der zum Kriegshafen Nieuwedicp
führende Nordhnlländischo Kanal {A U der Skizze) angelegt.
Aber auch diese Anlage bietet wegen ihrer Länge, we^teu der
geringen Querschnitt sdiweusionen des Kanäle* und der uugün*Vi-
Sm Lage zur Windrichtung nicht eine ausreichende Leistung*-
higkeit. und ist mau deshalb, da die Konkurrenz der Nach
barstädtc Rotterdam und selbst Antwerpen nur zu sehr tu
fürchten stand, zur Ausführung eines neuen, weit gross artiger
bemessenen Nordseekauales (fi U) geschritten, der an Lange
nur etwa ",'t des hestehenden Kanals A B halt und ausserdem
vorteilhaft gegen die herrschenden Winde gerichtet ist An
beiden Fanden wird der Kanal durch Schleusenanlagen begrenzt
werden und bei l> an der Nurtlsceküstc sich eine grosse Hafen -
aulage entwickeln. Indem mau aber gegen die Zuider-See zugleich
einen Abschlussdumm \ ü) errichtet, erreicht man noch die Mög-
lichkeit, den unter den Namen des Y bekannten Binnenartu
der Zuider-See trocken zu legen uud somit eine nicht unbe-
trächtliche Landfläche dem Meere abzuringen. — Die einzelnen
Theilu des grossen Werkes, zu deuen auch eingreifende Aend- -
rangen der Eiseubahuaulageu in Amsterdam gehören, dürften
iu der Abhandlung näher zu studiren sein.
Brief- und Fragekasten.
Hrn. M. in Hamburg. Ihn' Annahme in Betreff der Her-
stellung des von Hrn. Franz Duncker iu Nachahmung unseres
Architekten -Kalenders herausgegebenen Konkurrenz-Unterneh-
mens hat jedenfalls die W ahrscheinlichkeit für sieh. Wir können
„die ungeheure Heiterkeit" unserer Fuchgeuossen an den Nord-
seeküsten würdigeu, wenn sie iu jenem Kalender die von uns
dem vorigen Jahrgange des Architekten-Kalenders zum ersten
Male beigefügte Ebbe- uud F'luth-Tabelle mit den vorjähri-
eu Zeitangaben getreulich abgedruckt Huden. Essoll
Jiieraus nicht gerade der Schluss gezogen werden, dass der als
Herausgeber des Kalenders genannte Techniker trotz »der Mit-
wirkung bedeutender Fachmänner" — (der eine ist uns übri-
gens so unbekannt wie die andern) — unwissend darüber gewesen
sei, dass die Tiden sich nicht an unser Sonnenjahr kehren, wohl
aber dürfte das betreffende Faktum keine günstige Zuversicht
ouf die Sorgfalt erwecken, mit welcher jenes Werk au« den hierfür
benutzten Quellen zusammengestellt worden ist. Dass unser
Kalender, auf dessen gewissenhafteste Revision und Berichtigung
wir in erster Linie bedacht sind, erst einige Wochen später auf
den Markt gebracht werden kann, ist wohl erklärlich, wenn man
Itcrücksichtigt, dass wir zum Zwecke jener Berichtigung alljähr-
lich auf die Mittheilungen von mehr als 100 Fachgenossen uns
stützen müssen, die wir — wenn die betreffenden Angaben nicht
schon wieder veralten sollen — nicht vor der zweiten Hälfte des
Jahres erbitten können.
8
KoautMiotiiTtrli« »on Ctrl B««lltt I« B«Uo.
Druck <«n Wrbradcr Pirk tri D-Hin.
Digitized by Google
Jahrg. IL
JK46.
DEUTSCHE BAUZEITUNG
Kaiakti» ». IiptaitiMi
Hrrlln. OrankMlraM 191.
BoiUllusfta
tktrnrhaua il> fj.uniftllro
für Bell . d*
Organ des Verbandes
deutscher Architekten - und Ingenieur-Vereine. "SEE
l>IMl(.
tfr Inn an 4<>(Khr.D
Raalrlt.iu ns4cn A.fD.haw
Redakteur K. E. 0. Fritsch.
>V. m er.
Preis 1 Thale r pr» Quartal.
Berlin, den 16. November 1872.
Ersehclit Jedei SoiabeiJ.
Inhalt:
V.r.la.n:
l-r.
un,1 nchlu..) - Mltth. Hungen ....
V.r.tu. -
V.ralu ■■ Berlin. — trrkliekt«- and Iagwi«ar-V«r.ia m H.nnot.r. — V.r.
n>i»cM.« Um Wlau-TarMn.. - Kookarr.ni.nj; N.a erfffn.t. Konkar-
ranMa. - I»«r.oaal-Nac bricht«, tlc.
Das Preußische
(Porta«Lang an
1IL. Kritische Würdigung der gegenwärtigen Zu-
stände im Ausbildungsgange der Baubeamten.
Bereits haben wir den geheimen Hauptgrund der Schwäche
reicher die Organisation des Preussischen
det. Wenn die chronischen Refortnver-
dass es in den leitenden Kreisen sowohl an
dem Bewusstsein dieser Schwäche, wie an dem Streben nach
wirksamer Abhülfe niemals gefehlt hat, so ist der geringe
Erfolg aller dieser Versuche wohl nicht anders zu erklären,
als durch die Annahme, dass mau die bessernde Hand an
unrichtiger Stelle angelegt hat, dass man sich stets damit
begnügte, an den Details der vorhandenen Einrichtungen
zu ändern, ohne zu untersuchen, ob das von ihnen über-
nommene Prinzip überhaupt noch ein zeitgeralsses und
lebensfähiges sei.
Durch diese Erwägung scheint uns der Punkt bestimmt,
an welchem wir unsere Kritik einzusetzen haben, wenn wir
derselben die Möglichkeit eines wirklichen Erfolges sichern
wollen. Es gilt vor Allern die prinzipiellen Grund-
lagen einer solchen Kritik festzustellen, ohne welche
eine Verständigung über die zu Lrörternden Fragen fast
aussichtslos sein dürfte. Lud eine Verständigung, nicht einen
Kampf beabsichtigen wir — zum mindesten nicht einen
Kampf gegen die Personen, welche die augenblicklichen und
zufälligen Träger des für das Preussische Staatsbauwesen
gültigen Systems sind. Wie wir nicht zweifeln an der Auf-
richtigkeit ilires Willens, znr Förderung des gemeinsamen
Fachs, zur Hebung des Standes beizutragen was immer in
ihreu Kräften steht, so wünschen wir nichts eifriger, als
das» es uns gelingen möge, keinen dieser Männer ohne Not Ii
zu verletzen, vielmehr auch diejenigen unter ihnen, welche
bisher anderen Anschauungen gehuldigt haben, zu über-
zeugen und zu Bundesgenossen der von uns vertretenen
Bestrebungen zu werben.
Es ist eine im höchsten Grade auflallende Thatsachc,
dass die Anschauungen über Ziel und Zweck des für die
Baubeamten des Staates vorzuschreibenden Ausbildungsganges
bei uns noch heute so grosse Unklarheit und Verwirrung
zeigen !
Als das Bestehen der für das Baufach angeordneten
Staatsprüfungen zugleich die unumgängliche Bedingung jeder
selbstständigen privaten Thätigkeit für alle nicht aus dem
Handwerk hervorgegangenen Architekten und Ingenieure
Preussens war, geschweige denn zu einer Zeit, wo Bautech-
niker von höherer Ausbildung lediglich im Staatsdienste Ge-
legenheit zu entsprechender Wirksamkeit fanden, war der
Ausbildungsgang der Staatsbaubeamten der einzige überhaupt
mögliche Weg für ein praktisches Studium der bauteebnischen
Fächer. Es erklärt sich in Folge dessen wohl, dass er einer-
seits auch als der normale galt, wie dass man andererseits
die Anforderungen an ihn nach idealen Gesichtspunkten
bestimmen zn müssen glaubt«.
Auf die Verkehrtheit einer solchen Anschauung, welche
die lebendige Entwicklung eines ganzen Faches in dieselbe
bureaukrntische Schablone zwängen wollte, brauchen wir
heute, nachdem durch die Freigebung der Baugewerbe eine
prinzipielle Aenderung der früheren Zustände eingetreten
ist, nicht mehr näher einzugehen. Die Macht der Gewohn-
heit ist jedoch viel zu gross, als dass die Folgen jener Zu-
stande sie nicht noch lange überdauern sollten. So wird
die öffentliche Meinung au der L'eberzeugung von dem abso-
luten Werthe des den Staatsbanbeamten auferlegten Ausbil-
wohl noch lange festhalten, und nicht nt
Staats- Kau we
. Nr. 3* du Jak
munen und Privatgesellschaften werden von ihren Technikern
' verlangen , dass sie die Staatsprüfungen absolvirt haben,
sondern auch die meisten der studirenden Architekten und
Ingenieure selbst, vor Allein aber «leren Angehörige werden
nach wie vor einen solchen äusserlichen Abscnlus» ihrer
Studien für unentbehrlich ansehen, ohne danach zu fragen,
ob die Erfüllung dieser Form den Grad ihrer inneren, künst-
lerischen oder wissenschaftlichen Entwickelnng fördert oder
beeinträchtigt*). ' $
Ks ist hegreiflich, dass man bei einer derartigen Auf-
fassung Ziel und Zweck des Ausbildungsganges der Bau-
Ireamten darin erblickt, dass die in ihm gebildeten Techni-
ker den möglichst höchsten Anforderungen der Bauwissen-
schaft und Baukunst genügen sollen. Von Seiten des Staates,
wie von Seiten einer ernsthatten Kritik wird man dieselben
jedoch zweifellos darin suchen müssen, dass der betreffende
'Ausbildungsgang Techniker liefert, die dazu geeignet sind
dem Staate als Banhcamte die möglichst besten
Dienste zu leisten; ein Standpunkt übrigens, der in Re-
gierungskreisen sehr geläufig ist und stets herhalten inuss,
wenn etwaige Angriffe auf die Qualität der künstlerischen
oder wissenschaftlichen Leistungen von Baubeamten zurück-
gewiesen werden sollen.
Die von uns gerügte Unklarheit verschiebt sich in die-
ser Beziehung einfach auf die engere Frage, welcher Art
denn wohl die Anforderungen sind, welche man an die
Banbeamten des Staates zu stellen hat, nn
Wege die möglichste Gewähr dafür erlangt
dass sie diesen Anforderungen genügen.
Man ist von anderer Seite so weit gegangen, die Noth-
wendigkeit von Staatsbanbeamten an sieb, oder doch in
zweiter Linie die Noth wendigkeit eines bestimmten, durch
Prüfungen abgeschlossenen Ausbildungsganges für dieselben
ganz zu bestreiten. Man hält e* in erster Beziehung für
vorlheilhafter, wenn der Staat — ähnlich wie jeder Privat-
mann — für bestimmt» technische Zwecke je ein bestimmtes
Abkommen mit einem freien, für diesen Fall besonders be-
fähigten Techniker abschliesst. Gegen einen obligatarisch
festgesetzten Ausbildungsgang nnd das System der Prüfun-
gen macht man geltend, dass diese in ihren Erfolgen niemals
eine Garantie dafür bieten, dass der betreffende Kandidat
die verlangten und seinerzeit nachgewiesenen theoretischen
Kenntnisse auch praktisch anzuwenden versteht, dass sie
hingegen eine bequeme Flagge sind, hinter welche sich die
Mittelmässigkeit versteckt; einfacher und sicherer sei es da-
her, die Baubeamten des Staates nach Maassgabe ihrer
praktischen Bewährung gleichfalls aus der Zahl der Pri-
vattechniker auszuwählen.
Wir wollen nicht verkennen, dass diese Ausführungen
unter gewissen Bedingungen ihre volle Berechtigung haben:
im Hinblick auf die Verbältnisse des Preussischen Staates
dünkt uns ein näheres Eingehen anf dieselben jedoch ziem-
lich müssig. Es ist eine anerkannte Wahrheit, dass lebens-
fähige Reformen nur in organischer Fortbildung vorhandener
Zustände geschaffen werden können, niemals aber, indem
man diese gewaltsam auf den Kopf stellt Mögeu Bau-
beamte in unserem Sinne auch vielleicht in anders gearteten,
anderen historischen Entwickelnng
*) Rinn lur dir ■Jlg* , nielit* W*rth*rWUaw»g dar Prüf»ng*ti oh*r*kt*wiatl»chre
Eraraelnung anf v*. wandten i;-*M*te war das lebhaft* Beda«*™, »«Ich«« die bei
EmfiUirung drr .tewert^rtttliett Im .labre 1(*&S konacqucnler WH»*? verfügt« Auf
babung der Prl * »i - Ha utu «U t • r - 1* r ti f u ng vrrur*a*tht«, obwohl die in Folg*
erlangten Recht« ak4i »chwi Unget faat nur taf den Tllal wlbat ba*c trankt
Digitized by Google
genen Staaten, in denen eine bis zur höchsten Blüthe ent-
Faltete Privatbautbätigkeit vorhanden ist, entbehrt werden
können — mag die Zahl derselben und ihr Wirkungskreis
mit der Einführung und Ausbildung einer wirkliehen Selbst-
verwaltung der Provinzen, Kreise nnd Gemeinden künftig-
bin auch in Preussen manche Einschränkungen gestatten:
so steht doch wohl fest, dass Baubeamte hier im Staate-
organismus so lange eine berechtigte Stellung einnehmen
werden, als in ihm Beamte überhaupt fungiren und der
Staat als Bauherr auftritt Ebensowenig lässt sich das Sy-
stem der auf eine bestimmte Vorbereitung basirten Prüfun-
gen einseitig für ein einzelnes Fach aufheben, ganz abge-
sehen davon, dass es in einem Staate von der Grösse
Preussens eine unentbehrliche Sicherheit * ist.
Denn während die Bestimmung der für ein Amt erforder-
lichen Qualiiikation bei der Oeffentlichkeit des gesammten
Lebens in einem kleineren Staatswesen einer Kontrolle unter-
liegt, die Missgriffe oder gar Missbräuche selten befürchten
lässt, würde dieselbe nach Beseitigung der Prüfungeu hier
ganz ausschliesslich der persönlichen Schätzung und damit
der Gefahr einer bis zu krassestem Nepotismus führenden
Willkür unterliegen.
Der Werth, den jene im gewissen Sinne extremen For-
derungen nnd Vorschlüge für die Erörterung der von uns
gestellten Frage besitzen, beruht jedoch weniger auf einer
direkten Verwendbarkeit derselben für die Preussischen Ver-
hältnisse, als in der Klärung, welche die Gegenüberstellung
solcher Gegensätze jederzeit mit sich bringt.
Wir glauben dieser Klärung vertrauen zu können, wenn
wir zunächst die ohnehin fast selbstverständliche Ansicht
aussprechen, dasa die Dienste, welche ein Beamter dem
Staate zu leisten vermag, ihren Schwerpunkt durchaus nicht
in seinem, für den Zweck einer Prüfung angelernten, theore-
tischen Fachwissen besitzen. Abgesehen von den allgemeinen j
Forderungen gewissenhafter Pflichttreue entscheidet vielmehr
das Geschick, mit welchem der Beamte jenes Wissen festzuhal-
ten, fortzuentwickeln und nutzbar zu machen versteht ; es ent-
scheidet das Maass der von ihm gesammelten Erfahrung, die
sichere Kenntnis« und die Umsicht in der Benutzung aller Ver-
hältnisse seines jeweiligen Wirkungskreises. Es ist daher wohl
eine unerlässlicüe Forderung, dass die vom Staate angeord-
nete Ausbildung des Beamten für seinen Beruf sich nicht
blos auf ein bestimmtes Maass theoretischer Kenntnisse
richtet, sondern in jeder nur möglichen Weise auch nach der
Garantie strebt, dass derselbe die erforderliche Uebung des
praktischen Dienstes sich angeeignet hat
Heber den Umfang der in einer Staatsprüfung nachzu-
weisenden Fachkenntnisse wird mau gleichfalls nicht zwei-
felhaft sein, sobald man an der Hand jener Erwägungen
sich den tbatsächlichen Zweck der Prüfungen für Beamte
klar zu machen gesucht hat Es ist leider — nicht allein
in unserem Fache — eine in ihren Konsequenzen sehr ent-
würdigende Verdunkelung des Unterschiedes eingetreten, der
zwischen einer solchen auf die Befähigung zu einem prak-
tischen Amte gerichteten Fachprüfung und einer Schul-
prüfung besteht. Während diese ermitteln will, mit welchem
Nutzen der Schüler den Unterricht benutzt hat. also die
höchste Grenze seines Wissens festzustellen sucht, ist der
Zweck einer Beamtenprüfung geradezu der umgekehrte, näm-
lich kein anderer als der, die unterste Grenze des Wissens
festzustellen, welches der Kandidat besitzen mnss, um einem
bestimmten Amte ohne die Gefahr eines Schadens für das
Gemeinwesen vorstehen zu können.
Wohl könnte es scheinen, als ob die Ausnahmestellung
der Baubeamten auch hierin eine Ausnahme bedinge. Denn
neben derjenigen Seite amtlicher Thätigkeit, welche sie mit
allen höheren Staatebeamten geraein haben, dem Beobachten,
Prüfen und Entscheiden auf dein ihnen zugewiesenen Ge-
biete, wird ja von ihnen verlangt, dass sie zu schöpferi-
schen Leistungen künstlerischer und technischer Art befä-
higt sein sollen. Da man an diese vom Staate hervorgeru-
fenen Schöpfungen sachlich die höchsten Ansprüche zu
stellen berechtigt ist, so scheint es nahe zu liegen, dass man
für den Ausbildungsgang der betreffenden Beamten auch die
höchsten Ziele ins Auge fasst
Es ist dies selbstverständlich eine arge nnd, wie wir
später nachweisen werden, höchst verhängnissvolle Täu-
schung; denn leider führen die höchsten Ansprüche nicht
so ohne Weiteres auch die höchsten Erfolge und Leistungen
herbei. Während jener allgemeine Dienst des Beamten in
seinen theoretischen und praktischen Anforderungen mit
einem Durchschnittsinaasse von Urtheilskraft sich erlernen
nnd versehen lässt, welches die einfache Voraussetzung einer
gewissen Bildungsstufe ist, erheischt jene schöpferische Thä-
tigkeit, soweit sie höheren Ansprüchen genügen soll, vor
Allem einen Grad eigenartiger Begabung, welcher
durchaus nicht bei Jedem vorhanden ist und durch Stu-
dien keineswegs ersetzt werden kann; sie erheischt neben
dieser Begabung sogar noch eine fortdauernde, unausge-
setzte lebung und kann nach jähre- und jahrzehnte-
langen Unterbrechungen, die durch eine sehr verschieden-
geartete Beschäftigung ausgefüllt waren, nicht bei beliebiger
Gelegenheit wieder entwickelt werden.
Man wird aus diesem Grunde viel eher zu dem ganz
entgegengesetzten Schlüsse gelangen, dass nämlich jene Aus-
nahmestellung der Baubeamten eine an sich unhaltbare
ist, dass ausserordentliche Forderungen eben nur auf ausser-
gewöhnlichem Wege, nicht aber im Gange eines regelmässi-
gen Bureaudienstes, dnreh ein nach bestimmter Schablone
geschultes ßeamtenpersonal sich erfüllen lassen. Ist doch
dieser Grundsatz auf anderem Gebiete rückhaltlos anerkannt
— nicht etwa blos in Betreff aller vom Staate veranlassten
künstlerischen I.eistungen mit alleiniger Ausnahme der ar-
chitektonischen, sondern auch in Bezug auf jene höchsten
Staatsämter, von deren Trägern man schöpferische Ideen
erwartet, und die daher lediglich nach Maassgabe ihrer per-
sönlichen Befähigung und des persönlichen Vertrauens, nicht
aber auf Grund einer durch vorschriftsmässigen Studien und
die Stufenleiter eines regelrechten Dienstes zu erlangenden
Qualifikation in ihre Stellung berufen werden!
In den vorstehend entwickelten Gedanken glauben wir
ein genügendes Material zur Beantwortung jener von uns
aufgeworfenen Frage nach Ziel nnd Zweck des Ausbilduugs-
ganges für Baubeamte und damit die beabsichtigte Grundlage
für eine Kritik der betreffenden Einrichtungen uid Zustände
des Preussischen Staatebauwesens geliefert zu haben. Es
mnss leider von vorne herein bekannt werden, dass dieselben
unseren Anschauungen nicht nur nicht entsprechen, sondern
fast in jeder Beziehung einen Gegensatz zu denselben bilden.
Einen Gegensatz zu unserer Annahme, dass der Aus-
bildungsgang der Baubeamten nicht blos ein Maass theore-
tischen Wissens, sondern auch die entsprechende Uebung für
die Bedingangen des praktischen Dienstes als Beamter ins
Ange zu fassen hat! Mögen gewisse Bestimmungen diesen
Zweck zu verfolgen scheinen, mag derselbe, wie schon früher
erwähnt, noch so oft ausdrücklich betont werden, so steht
doch fest, dass die Anordnungen des Unterrichts, wie die
Anforderungen der Prüfungen sich ^tatsächlich nahezu aus-
schliesslich auf die theoretisch-technische, d. h. die
künstlerische und wissenschaftliche Ausbildung des Kandi-
daten beziehen, während auf seine wirkliche Ausbildung
als praktischer Beamter so wenig Gewicht gelegt und diese
derartig dem Zufalle überlassen wird, dass es fast scheint,
als solle in dieser Beziehung die Richtigkeit des alten deut-
schen Sprichwortes über den von Gott stammenden Beruf
zu Aemtern mit neuen Beispielen belegt werden.
Einen Gegensalz nicht minder zu unserer Annahme,
dass das durch Prüfungen nachzuweisende theoretische Wis-
sen und Können des Beamten sich lediglich auf das Dnrch-
schnittsmaass des für die unterste Stufe des Dienstes Erfor-
derlichen, das von Jedem ohne Unterschied auch erreicht wer-
den kann, erstrecken darf! Jene Anschauung einer älteren, in
dem Bewusstsein bureaukratischer Omnipotent befangenen
Periode, welche das Ziel des Ausbildungsganges der Preussi-
schen Staats- Baumeister nach verschwommenen Idealen
bemaass, dominirt trotz aller scheinbaren Konzessionen noch
heute in den für diesen Ausbildungsgang gültigen Vorschriften.
Noch immer ist es ein Maximum der Quantität tech-
nischen Wissens, auf welches dieselben hinzielen, so dass
der Baubeamte zur Zeit seiner Prüfung nicht nur im Besitz
aller Kenntnisse sein soll, welche er voraussichtlich braucht,
sondern auch aller der, welche er möglicherweise brauchen
könnte. Noch immer bemisst man die Qualität seiner
Leistungen nicht nach den Aufgaben, welche der Wirkungs-
kreis der weitaus meisten Baubeamten thatsächlich bietet,
sondern nach Aufgaben, welche die höchsten Leistungen
eines Architekten und Ingenieurs herausfordern. Noch im-
mer begnügt man sich endlich mit dem Bewussteein, durch
diese Anordnungen das Höchste erstrebt zu haben, und
sieht es nicht, dass die Erfolge in Wirklichkeit so ganz nnd
gar andere sind und sein müssen. Denn jener Umfang des
erforderten Wissens und jener Grad des erforderten Kön-
nens steht zu der Zeit des dafür angesetzten Studiums und
zu dem Maasse gewöhnlicher menschlicher Kräfte in einem
so grossen Missverhältnisse, dass das normale Resultat eine»
solchen Ausbildungsganges nnr ein ganz oberflächlicher Dilet-
tantismus sein kann, der den ernsten Bedingungen der
Wirklichkeit gegenüber nur allzubald versagt, wie er den
Forderungen der Prüfung nur durch ein Scheinwesen zu ge-
nügen vermag.
Digitized by Goo
- 373 —
Wenn au» diesem Aosbildungsgange trotzalledero nicht
wenig tüchtige, ja sogar mehre ausgezeichnete Architekten
oder Ingenieure hervorgegangen sind, so haben diese ihr Ziel
eben in Folge ihrer aussergewöhnlichen Begabung und der
im Schaffen gewonnenen Selbstbildung — nicht durch jenen
Ausbildungsgang, sondern trotz seiner erreicht. Ein Gleiches
gilt für diejenigen, welche nach Neigung und formaler Bega-
bung zu trefflichen Verwaltungsbeamten sich entwickelt haben.
Um ein Vielfaches grösser ist jedenfalls die Zahl der minder
glücklichen und begabteu, jedoch tüchtigen und ehrlichen
Naturen, die in hartem Ringen als Techniker wie als Beamte
ihre Schuldigkeit zu thun versuchen, aber sich selbst nicht
verhehlen können, dass sie in dem ihnen aufgezwungenen
vergeblichen Mühen nach unerreichbaren Idealen in keiner
Beziehung selbst nur das geworden sind, was sie werden
konnten, wenn sie zn rechter Zeit eine gründ liehe Vorbil-
dung und ein Einleben in eine enger begrenzte Sphäre ange-
strebt hätten.
Dass wir in nicht zu grellen Farben aufgetragen haben,
wird sich aus der Schilderung der Details, an welche wir
nunmehr gehen wollen, zur Genüge ergeben.
(FortMUusg tolgt.)
Sur Stabilität« -Intfriuebsn; der Gewölbe.
(FortMUung und sth:««i
Bei der ganzen bisherigen Untersuchung ist der horizontale
Erddruck unberücksichtigt geblieben; man~kaun denselben in-
des» leicht zum Schluss noch in Betracht ziehen und auch für
diesen Fall die Richtung, Grosse und den Angriffspunkt des
Drucks in der Fundameutsuhlo bestimmen. Ueberaus einfach
wird das Verfahren, wenn man sich den Erddruck auf eine be-
liebig gencigto Flache in eine vertikale und eine horizontale
Komponente zerlegt denkt, von denen die erstcre durch das
vertikal über der Flache ruhende Gewicht, die letztere durch
die bekannte Formel P as . «' . y • tg* f*B* — |) dargestellt
wird, wenn h die Druckhche, y das Gewicht der KubikeiDheit
Erde, <p den Reibungswiukel der letzteren bezeichnet Setzt
man hierin y = 1 und f = 36» 52', entsprechend den gewöhn-
lich vorkommenden Erdarten, so wird P = \ A«, kann daher
8
durch die Flache eines Dreiecks von der Höhe h und der Grund-
linie '/, . h dargestellt werden, und es liegt der Angriffspunkt
von P in der Höhe des Schwerpunktes dieses Dreiecks. In Fig.
2* wurde m n = '/..»* gemacht, es stellt somit die Fliehe
des Dreiecks m n k den horizontalen Erddruck dar. Ist das
Bauwerk aus Bruchstein herzusteilen und hat man demgemäss
das Uiuterfullungsmaterial auf Bruchsteinmauerwerk, etwa im
Verhältnis wie 3:2 reduzirt, so ist dieselbe Reduktion auch
mit der Basis m n des erwähnten Dreiecks vorzunehmen, so dass
12 1
in diesem Falle m n = — . ~ . ä = ■ A wird. Dabei ist die
4 i o
Spitze * des Dreiecks nicht in der Bclastungslinic, sondern in
der wirklichen Begrenzungslinie des Hinterfüllungs- Materials
liegend anzunehmen: die flelastungslinie kann unter Umständen
Über dem Widerlager tiefer liegen, als der äussere Gewülb-
scbeitel. Zieht man durch den letzteren in Fig. 2* eine Hori-
zontale, so schneidet diese von dem Dreieck k m n das Trapez
P q n m ab, welches den zur Wirkung auf das Bauwerk kom-
menden Tbeil des horizontalen Drucks repräsentirt. Der An-
griffspunkt dieses Drucks liegt in der Höhe des Schwerpunktes
des Trapez v q n m welcher sich in bekannter Weise findet.
Die Länge der Liüie •/•• im Kräftepolygon, welche die Fläche
des Trapezes pqnm darzustellen hat, kann man entweder
durch Rechnung oder einfacher durch graphische Flächenver-
wandlung wio folgt bestimmen- Da in dem Kräftepolygon Fig.
2a die die Lamelfengewicbte reprSscntirenden Längen gleich 1 ,
der Längen der Lamellen-Mittellinien ge-
macht, die letzteren also auf die vierfache
Lamellenbreite reduzirt wurden, so wird
die Länge gleich sein müssen der
Höhe eines Dreiecks, dessen Basis gleich
der achtfachen Lamellenbreite and dessen
Fläche gleich der Fläche des Trapez pqnm
ist Zieht man nun durch den Punkt p
in Fig. 3 eine Parallele pH zu q m und
verbiudet u mit q, so ist das Dreieck
q » « gleich dem Trapez pqnm, denn
von dem letzteren ist das Dreieck p q m
hinweg genommen, dagegen das jenem
gleiche Dreieck qmu hinzugefügt worden.
Macht man ferner n v gleich der acht-
fachen Lamellenbreite, zieht tr u und durch
den Punkt q die Linie q r parallel zu
ir «, so ist dos Dreieck wen gleich dem
Dreieck q n u, denn von dem letzteren
ist das Dreieck q tr u, hinweg genommen,
dagegen das demselben gleiche Dreieck
tr u r hinzugefügt worden. Das Dreieck
r tr n ist somit gleich dem Trapez pqnm, und da n tr ul.i Ba-
sis gleich der 8 fachen Lamellenbreitc gemocht wurde, M ist
ff p die im Kräftepol vgou Fig. 2 a als Vi* anzutragende Länge.
Die sämmtlichen in Fig. 3 punktirt angegebeneu, hier der br-
klärung wegen notwendigen Linien braucht man natürlich nicht
auszuziehen; es genügt, nur die Schnittpunkte zu markireu, und
dann können diese Konstruktionen leicht in der Hauptfigur vor-
genommen werden. — Zieht man nun in Fig. 2 * durch den
Schwerpunkt S des TrupczeB pqnm eine Horizontale, bis diese
die Verlängerung von e f im Punkte A schneidet, und zieht man
dann A i parallel zu der Linie (', 10 im Kräftepolygon, so ist
nunmehr / der Angriffspunkt, h I die Richtung und C% 10 die
Grösse des Drucks auf die Fundiunentsohle unter Berücksich-
tigung des horizontalen Erddrucks. Man ersieht aus der be-
Fl(. 3.
deutenden Abweichung des Punktes i von dem Punkte f dass
die Druckübertragung eine ganz andere geworden ist und dass
es um so mehr uothwendig wird, sich über die Wirkung des
horizontalen Erddruck» Aufschlug* zu verschaffen, je grösser die
Höh« des Widerlagers ist,
Sind für eine beliebige Fuge die Grösse, die Richtung und
der Angriffspunkt des Drucks gegeben, so lässt sich auch leicht
ein Bild über die Art und Weise der Vertheilung des Druck«
über die betreffende Fuge gewinnen. Man hat zu dem Zweck
den Gesammtdruck zunächst in eine zur Fuge normale und in
eine zu derselben parallele Komponente zu zerlegen. Die letz-
tere hat das Bestreben, ein Gleiten in der Fuge hervorzubringen,
die erstem dagegen stellt die normale Pressung der Wölbsteine
gegen einander dar. Denkt man sich auf einer Fuge u b Fig. 4
Fl 5. «
in jedem Punkte derselben eine Ordinate errichtet, deren Längs
die normale Pressung pro Flächeneinheit an der betreffenden
Stelle ongiebt, so wird die Begrenzungslinie d c dieser Ordi-
naten eine gerade Linie sein müssen, da die Grösse der Pressung
pro Flächeneinheit dem Abstand von der in Fig. 5 links von
a b und ausserhalb der Fuge liegeuden neutralen Achsa pro-
portional ist Die Fläche des Trapezes a b c d stellt nun offen-
bar den Gesammtdruck auf die Fuge a b dar und der Angriffs-
punkt dieses Druckes wird in der durch den Schwerpunkt 5
des Trapezes a 6 r d gezogenen Ordinate liegen. Fällt die neu-
trale Achse innerhalb der Fuge a b, z. B. nach e in Fig. 5, so
würde in dem Thcil a e der Fuge Zug stattfinden, wenn das
Material überhaupt geeignet wäre, Zug aufzunehmen, was bei
Mauerwerk nicht vorausgesetzt wird. In Folge dessen tritt der
Tbeil u e des Maucrquerscbnitts einfach ausser Wirksamkeit
und es wird der Gesummtdruck durch den Theil e b der Fuge
in der Weise übertragen, dass die Pressung pro Flächeneinheit
bei e mit 0 beginnt und nach b hin proportional der Entfer-
nung von f stetig zunimmt Die Fläche des Dreiecks e b f
stellt demnach den Gesammtdruck dar, und der Angriffspunkt
des letzteren liegt in der durch den Schwerpunkt .V des Drei-
ecks e b f gezogenen Ordinate. Es geht daraus hervor, dass
e b — 3 g b ist und dass also die Fuge ab so lange auf ihrer
ganzen Länge an der Druckübertraguug Theil nimmt, als der
Angriffspunkt des Drucks in dem inneren Drittel derselben,
resp. die neutrale Achse ausserhalb der Fug« liegt. Ist der Ge-
sammtdruck , somit die Fläche ab cd in Fig. 4 oder ebfia.
Fig- b, um! ausserdem der Angriffspunkt dieses Drucks, somit
die Ordinate, auf welcher der Schwerpunkt der Druckfigur lie-
gen tnuss, gegeben, so ist damit zugleich die letztere selbst be-
stimmt.
Um beurtheilen zu k firmen, ob die Maximal presaung pro
Flächeneinheit die zulässige Grenze nicht überschreitet, ist es
zweckmässig die Druckfiguren so zu verzeichnen, dass ihre Or-
dinnten die Pressungen nach ciuem zum Voraus angenommenen
bequemen Maasstabe in Kilogramm pro Q » m angeben- Soll
uuu z. B. die Vertheilung des Drucks über die Fundamentsohle
in Fig. 2i ermittelt werden und ist letztere Figur nach einem
Maasstabe von I : 100 aufgetragen worden, so dass also die
halbe Spannweite 3"», die Pfeilhöne 2", die Lamellen breite 0,6",
die Breite der Fundamentsohlo gleich 4 Luuiellenbreitcn=2,4"
beirägt, sn ist zunächst der Maasstab zu bestimmen, in welchem
in dem Kräftepolygon Fig. 2 a die Gewichte zur Erscheinung
kommen. Da als Gewicht einer Lamelle V», der Länge ihrer
Mittellinie aufgetragen wurde, so repräsentirt 1"» Länge im
Kräftepolygon eine rechteckige Belastungsfläche, deren Basis
gleich der Lamellenbreitc = 0,6 ■ und deren Höhe = 100 . 4 .
!«■ =4 m ist, also eine Fläche von 2,4 Q" oder ein Gewicht
von 2,4 . 1,6 =3,84 t, wenn man das spezifische Gewicht des
Ziegelmauerwerks zu 1,6 und die in der Gewölbacbse gemessene
Länge des in Untersuchung gezogeneil Theils des Bauworks zn
Digitized by G<
— 374 —
1 oi annimmt. In dem Kräftepolygon Fig. 2« ergicbt (', lt=*/ t
die vertikale Pressung auf die Fundamcntsohlc, einerlei ob der
horizontale Erddruck In Betracht gezogen wird oder nicht ; denn
c» ist C, D sowohl die vertikale Komponente der Resultirenden
C x 9 als auch der Resultirenden <\ 10- Die Länge C, D findet
sich durch Abgreifen tu 9,1»", repräsentirt also einen vertika-
len Gesammtdruck auf die Fundamentpohle von 9,1 . 3,84= 34,9 T .
Ist nun in Figur 6 n s = h die Breite der Fuudanicntsohle, /
Fiirnr e.
Fi«« 7.
der Angriffspunkt des Druckes für den Füll, dass der Erddruck
in Betracht gezogen wird (vergl. Fig. 21), m fiudeu sich die
Seiten a una 6 des gesuchten Drucktrapezes n s tr m leicht aus
den beiden Gleichungen:
l . « » I
i) r=f(tt + 6)./>
34,9
(« + 6\ 2,4
2; u-
h a4
24 _ . 0 _2 4 « + 26
3 fl-M — ' 3 il + 6
wobei die Lange f f = 1 ■ aus der Fig. 2 6 abzugreifen ist. Man
findet:
a = 21, IT pro = 2,1 U pr» «
6 — gl pro = 0,8* pro L~>"
Figur 1 >
diese in Figur 6 6 stricbpuuktirteu Linien die Riebtungen der
Resultirenden aus den Kräften 1 bis 3, resp. 4 bis 6 und L bin
6 an. Man erhalt nun für die Resultirenden /' , , und /' . .
ein durch die Punkte « und e gehendes Seilpolygon, indem
man auf der Resultirenden P,-, einen beliebigen Punkt jr
annimmt, nx und cx zieht und die dadurch sich ergebenden
Durchschnittspunkte d und t verbindet Ein durch die Punkte
a, 6 und c gehendes Scilpolygon bat mit dem eben gezeichneten
ailer die Punkto a una c gemeinschaftlich, in den letzteren
schneiden sich demnach je zwei gleichnamige Seiten der beiden
Polygone, folglich ist a c die Linie, auf welcher sich überhaupt
alle gleichnamigen Seiten der beiden Seil|wlygoue schneiden
müssen. Verlängert man nun ac und de bis zu dem Schnitt-
punkt /"und zieht durch /"und 6 die gerade Linie fh6g, ver-
bindet darauf a mit g und c mit A, so ist agbhc ein durch
die funkte a,6 und c gehendes Scilpolygon. zunächst für die
bi-idcu h ritte P,—, und P,-,. Zieht mau durch die Puuktv
0 uurt 6 des Kräftepolygons Parallelen zu den Linien ag und
ck des Seilpolvgons, so ergicbt der Schnittpunkt (' den zuge-
hörigen Pol, mittels dessen sich nuu das Seilpolygou mit Rück-
sicht auf die einzelneu Kraft« l bis 6 vervollständigen läast; so-
mit ist die Aufgabe gelöst. Eine Kontrolle für die Richtigkeit
der Zeichnung erhält mau, indem man durch den Punkt 0 des
Kräftepolygons eine Parallele zu ax, durch den Puukt eine
Parallele zu rx und durch den Punkt C eine Parallele zu a c
zieht: dann müssen sich diese drei Linien in eiu und demselben
Punkte r,i schneiden, deun es ist dann On der Pol für das Seil-
polygon adee und die Verbindungslinie <T,, der beiden Pole
im" Kräftepol vgon uiusa nach dem Früheren parallel sein der
Liniu a f, auf welcher sich die gleichnamigen Seiten der beiden
Seilpolygone adec und aghe schneiden. Eine zweite Kon-
trolle ergicbt sich dadurch, dass sich die beiden Linien a g und
ck, gehörig verlängert, in einem auf der Resultirenden P t - ,
liegenden Punkte schneiden müssen.
Zur Erläuterung der Anwendung des Vorstehenden diene
das folgende
2. Beispiel: Gegeben das in Fig. 9 * verzeichnete unsym-
metrische Gewölbe mit der durch die Bclastuugslinie defg be-
S reuzten Belastung; es soll unter Berücksichtigung des Erd-
rucks eine Druck Ii nie eingezeichnet werden, welche in der
Figur Hb.
In Figur 6 sind die Grössen a und 6 im Maosstahe 1»»'= 1*
pro |J»"> aufgetragen.
Bezeichnet in Fig. 7 wieder n » die Fumlumentsohle in
Uebereinstimmung mit Fig. 2 6 , und f den Angriffspunkt des
Drucks für den toll, das* der horizontale Erddruck ausser Acht
S «lassen wird, so ergicbt sich zunächst, das n» >3.«/"int.
[aebt man daher n «? = 3 . » so wird der Theil e s der Fuge
an der Druckübertragung nicht Theil nehmen und die Druck-
figur wird ein Dreieck mit der Basis n e werden. Die Uobe
34 9
m n dieses Dreiecks berechnet sich zu in » = 2.. '" =32Tpro
r~|" = 3,2 k pro LT'", da die aus der Fig. 2 6 abzugreifende
Länge n e— 2,18™ beträgt.
Hat man ein Gewölbe von unsymmetrischer Form oder mit
unsymmetrischer Belastung in Bezug auf seine Stabilität zu
untersuchen, so ist stets die bereits oben erwähnte Aufgabe zu
lösen, für ein gegebenes System von Kräften ein Seilpolygon zu
verzeichnen, welchem durch drei zum Voraus bestimmte Punkte
geht. Es kann dieses wie folgt geschehen.
In Fig. $6 seien 1,2,3 ....(> die gegebenen Kräfte, welche
in Fig. 8« nach Richtung. Grösse und Sinn zu einem Kräfte-
polygon au einander gereiht seien; es soll ein Seilpolygon ver-
zeichnet werden, welches durch die drei gegebenen ['unkte a,
6 und c geht Man vereinige zunächst die zwischen je zwoien
der drei Punkte a, 6 und c gelegeue Gruppe vou Kräften zu je
einer Resultirenden, indem man mit einem beliebig angenom-
menen Pol ( ', im Kräfte polygou da» Seilpolygon 0, l t //,-.- ■ I //,
konstruirt und die Schnittpunkte Zi .'/■ s» der Seiten 0, /, und
Y/t V/1, und Uli IV, bestimmt. Zieht man darauf durch //, eine
Parallele zu der Linie 0,3 im Kräftepolygon, ebenso durch s,
eiue Parallele zu 3/6 und durch Xi eine Parallele zu 0/6, so
geben zufolge der bekannten Eigenschaften des Seilpolvgons')
•) Kit findet dJa wichtigsten S&U4 der graphUehea Arithmetik, Fliefcftnvar.
wwdluog und SUIIk , neUt einigen An*« ndunitrii , Mjf ««nlcfti S-ttvn i n -nmrn...|
(«tt«l]t in de» i QrmiuUuf« de« urmjjhlicbcn H«linfn> und der graphischen bu-
ll*.' von K. ton Oll.
Nähe des Scheitels das äussere, in den Bruchfugen das inner'-
Drittel der Gewölbstärke berührt — Es werde zunächst gan:
in der bereits oben angegebenen Weise die Belastungsfläche in
vertikale Lamellen cingetneilt, deren Grenzen in Fig. 9 6 punk-
tirt und deren Mittellinien ausgezogen sind. Es repräsoutirt
somit die Fläche einer Lamelle den vertikalen Druck auf dvj
zwischen den unteren Endpunkten ihrer Grenzlinien gelegenem
Figur Rb.
Theil der äusseren BogenliDie. Um den auf den letzteren in
horizontaler Richtung wirkenden Erddruck zu bestimmen, sind
durch die Punkte, in welchen die vertikalen Lamellcngrcnzeo
die äussere Bogenlinie schneiden, horizontale Linien gezogen,
in Fig. 9 6 punktirt, welche in den den horizontalen Erddruck
reprftsentirenden Dreiecken gkl und dkl diejenigen Flächen
abtheilen, welche die auf die einzelneu Bogenstückc in horizon-
taler Richtung wirkenden Kräfte darstellen. Die Grundlinien
der Dreiecke ghi und //*/ wurden aus den bei Beispiel l er-
örterten Gründen gleich ihrer Höbe gemacht. Die AngrifEs-
Digitized by Google
- 375 -
punkte der horizontalen Kräfte sind in der Höbo der Schwer-
punkte der Trapeze anzunehmen, welche durch ihre Fläche die
Grösse dieser Kräfte angeben. In dem Kräftepolygon Fig. 9 a
Figur •-'». sind nun die sämmtlichcn horizontalen und
vertikalen Kräfte so zusammengestellt , das»
je zwei auf ein und dasselbe Bugcnstuck
wirkende unmittelbar auf einander folgen
und dadurch sofort zu einer Kesultireudeu
zusammengesetzt werden können, wodurch
dann die in Fig. 9 b mit kleinen Pfeilen be-
zeichneten Spczialreaultirendeu au» Vertikal-
bolastung und horizontalem Erddruck »ich
ergeben. Es erübrigt nun noch, das Seilpo-
lvgou der Drucklinie einzuzeichnen, zu wel-
chem Zwecke eine vorläufige Annahme über
die Lage derjenigen drei Punkte , in welchen
die Drucklinie die Grenzlinien des inneren
Gcwölbdrittcls berührt, zu machen ist Er-
wfigt man, das« eine auf das Gewölbe ge-
brachte Last die Drucklinie gewissermassen
anzieht, d. h- da» Bestreben hat, dieselbe der
äusseren Bogenlinie zu nähern, indem, eine
stetige Kurve vorausgesetzt, der Krümmungs-
radius der Drucklinie an der Stelle wo die
Last wirkt, kleiner wird, so lässt sich da-
raus schliessen, das« derjenige Punkt, in
welchem die Drucklinie das äussere Drittel
der Gewölbstärke berühren soll, nicht im
Scheitel des Gewölbes, sondern etwas seit-
wärts davon in der stärker belasteten linken
Bogenhälfte, etwa bei b liegeu wird. Denkt
man sieb durch diesen Punkt b eine Druckliuie gelegt, so lässt
sich weiter schliessen. dass etwa bei a und c diejenigen Punkte
liegen werden, in welchen dieselbe das innere Drittel der Ge-
wölbstärke berührt. Demgemäss wurde versuchsweise durch die
Punkte a, b und c eine Drucklinie ganz nach der weiter oben
gegebenen Anleitung gelegt: die dazu dienenden Konstruktion»-
linien sind jedoch in Fig. 9 4 weggela«sen, um die des kleiuen
Maasstabes wegen uicht eben grosse Deutlichkeit der Figur
nicht noch mehr zu beeinträchtigen. Bei der Bestimmung des
Poles C im Kräftepolygun waren hier selbstverständlich nur die
zwischen den Punktun a und c geleg enen Kräfte 3 bis 18 in
Betracht zu ziehen, da die übrigen auf die Lage der Druckliuie
den Punkten a und c keinen Einfluss üben. Die so
Druck linie liegt, soweit der kleine Maasstab der
dieses erkennen lässt, überall im inneren Gewölb-
drittel und berührt die Grenzen desselben in der Näbo der
Paukte a, b und f. Wäre letzteres nicht der Fall, so würde
man jedenfalls jetzt mit völlig genügender Genauigkeit eine
richtigere Lage der Punkte a, b und c annehmen und durch
Wiederholung der Konstruktion eine den Anforderungen ent-
sprechende Druckliuie linden können. Die Linie C 10 im Kräfte-
polvgon, welche der deu Gewölbschcitel durchschneidenden
Seilpolygonseite entspricht, giebt die Grössu und RKhtung des
Scheitelschubes an, welcher im vorliegenden Beispiel natürlich
nicht horizontal, souderu geneigt ist.
Das oben befolgte Verfahren zur Ermittelung de» Erddrucks
wird ungenau, wenn die obere Begrenzuugslinie der Krdbelas-
tung nicht horizontal , oder wenigstens annähernd horizontal ist,
welcher Fall bei Tunnelgewölben häufig vorkommt Man kann
dann statt der krummlinigen äusseren Begrenzung des Gewölbe»
ein Polygon substituiren , jede Polygonseite, z. B. mit Fig. 10,
bis zu ihrem Durchschtiittspunkt p mit der Begrenzuugslinie
der Erdbelastung verlängern, den Erddruck auf die Wand p m
und die Wand p n bestimmen und die Differenz dieser beiden
Drucke gleich dem auf die Fläche m n wirkenden Erddruck
setzen. Das hierbei einzuschlagende Verfahren ist in der .Gra-
phischen Statik" von Culmann nachzusehen; man vergl. auch
die .Neue Theorie des Erddrucks" von Winklcr. I»t der Erd-
druck auf jede einzelne Polygonscite ermittelt, so kann die Kon-
struktion der Drucklinie ganz wie in dem oben gegebenen
zweiten Beispiel geschehen. Bei diesen Untersuchungen hat
man sein Augenmerk vorzugsweise auf die Tunnelmüuduugen,
woselbst die Belastungshöhe gering ist, zu richten; denn je
grösser die Verschiedenheit in der Belastung der beiden Ge-
wölbehälften im Vergleich zur ganzen Belastung ist, desto mein-
wird die Druckliuiu von der symmetrischen Form abweichen.
n» Im Allgemeinen wird die-
selbe eine ähnliche Lage,
wie die in Fig. 10 puuktirt
angedeutete, einnehmen und
häufig an dem einen Wider-
lager ganz aus dem Mauer-
werk heraustreten , wenn der
Querschnitt des letzteren sym-
metrisch angenommen war.
Um unter diesen Umständen
die Stabilität zu sichern,
giebt man der Ausmauerung
ein der Stützlinie sich an-
schmiegendes Profil , wie
a b c i e f Fig. 10, welche
Form bei einem Tunnel der
Linie Call -Trier der Rheinischen Eisenbahn mit Erfolg zur An-
wendung gekommen ist Wenn einzelne unter ähnlichen Ver-
hältnissen, aber mit svmmctrischem Profil ausgeführte Tunnel-
gcwölbe, bei denen sich keine überall in dem Mauerquerscbnitt
I Hegende Stützlinie verzeichnen lässt, trotzdem nicht eingestürzt
sind, so erklärt sich dieses dadurch, dass der passive Erddruck
mit in's Spiel getreten ist, während man bei den Stabilitäts-
I Untersuchungen nur den aktiven Erddruck, und zwar mit Ver-
nachlässigung der Kobäsion berücksichtigt. Es würde indess
nicht rat h sinn sein, darum von vornherein auf den passiven
Erddruck zu rechuen, denn es wird sich bei einem Tunneige -
wölbe wohl nie ermöglichen lassen, das Mauerwerk so fest an
die gewachsene Bergwand anzuschliessen , dass dasselbe nicht
bevor der passiv- Erddruck zur Wirkung kommt »ehr bedenk-
liche Bewegungen, deren Grösse sich nicht annähernd vorher
beurtheilen lässt und die sehr leicht den Einsturz des Bauwerks
nach sich ziehen können, zu erleiden hätte.
Die Erdmassen sind in Wirklichkeit in ihrem Innern nie
so homogen, wie die Theorie voraussetzt. Es zeigt sich daher
bei der Ausführung von Tunnels theils in Folge der Schichtung
des Gebirge*, theils weil sich einzelne Erdmassen von ihrer Um-
gebung ablösen, sehr häufig ein lokaler konzentrirter Druck.
Mau kann sich gegen die Wirkungen derartiger Vorkommnisse
einigermaßen sichern, indem man für die deiiktwr ungünstigsten
Fälle dieser Art die Stützliuion verzeichnet und Form und Di-
mensionen des Mauerwerks so auordoet, dass diese Stützlinien
noch sämmtlicb in dem Maueruuerschuitt liegen. Von der For-
derung, dass dieselben alle im iuueren Drittel des letzteren
liegeu sollen, wird man dabei ohne Bedenken absehen können,
um nicht übermässig grosse Mauerdiuieusioucn zu erhalten.
Zum Schluss möge hier noch auf die Bedeutung und deu
Unterschied von Druck- und Stützlinie aufmerksam gemacht
werden, da beide Linien noch »ehr häufig verwechselt werden.
Soll ein Gewölbe stabil sein, so darf weder ein Kanten,
noch ein Gleiten der Wölbsteine auf einander stattfinden. Um
die Sicherheit gegen Kanten beurtheilen zu können, muss mau
die Angriffspunkte des Drucks in den einzelnen Fugen kennen:
wi-bindet man diese Angriffspunkte mit einander, so erhält man
ein Polygon oder bei unendlich dünn gedachten Wölbsteinen
eine Kurve, welche Scheffler die Mittellinie des Drucks,
Culmann die Stützlinie nennt. Zur Beurtheilung der Sicher-
heit gegen Gleiten ist es erforderlich, dass die Richtung des
Drucks in den einzelnen Fugen bekannt sei; verlängert man die
durch die Angriffspunkte des Drucks gehenden und die Richtung
desselben angebunden Linien, bis sie sich schneiden, so erhält
man ein Polvgon oder bei unendlich dünn gedachten Wölb-
steineu eine Kurve, welche Scheffler die Richtuugslinie des
Drucks, Culmann die Drucklinie nennt Bleibt man bei
deu zwar wuniger präzisen aber kürzeren Culmann'schen Be-
zeichnungen*), so würde man also bei einer eingehenden Sta-
bilitätsuntersucbuug sowohl die Stützlinie, als auch die Druck-
Knie zu konstruiren haben. Bei den in der Praxis vorkom-
menden Gewölbeformen und Belastungsverhältnissen ist fast
stets weniger ein Gleiten, als vielmehr ein Kanten zu befürch-
ten, so dass es meist genügen würde, sich durch Einzeichnen
der Stützlini« davon zu überzeugen, ob die Stabilität in dieser
Hinsicht nicht gefährdet ist Gewöhnlich konstruirt man indess
nicht diu StüUlinie , sondern die Drucklinie, weil »ich die letz-
tere, welche als ein Scilpolygon betrachtet werden kann, ein-
facher und rascher zeichnen lässt Dadurch erhält man zu-
nächst Aufschluss über die Stabilität bez. des Gleitens, indem
der Wiukel, welchen die Richtung des Drucks in einer Fuge
mit der Normalen zur Fugenrichtung bildet, jedenfalls kleiner
sein muss, als der Reibungswinkel der Wölbsteine auf einander.
Wenn mau aber sodann aus der Lage der Drucklinie in dem
Gewölbe und Widerlager weitere Schlüsse auf die Stabilitäts-
verhältuisse bez. des Kantens zieht, welche streng genommen
nur auf die StüUlinie basirt sein dürften, so setzt man voraus,
dass die Abweichung der beiden Linien von einander so gering
sei, dass dieselbe ohne Nachtheil vernachlässigt werden darf.
In den meisten Fällen der Praxis findet dieses allerdings statt:
es können indes» doch Umstände eintreten, welche eiue sehr
merkliche und uicht mehr zu vernachlässigende Abweichung
beider Linieu hervorbringen, besonders in den Widerlagern, so-
wie zuweilen in der Nähe der Kämpfer namentlich halbkreis-
förmiger Bögen. Damit mau in solchen Fällen nicht irre gehe,
wird es daher stets nothwuudig sein, über beide Linien eine
klare Anschauung zu gewinnen, damit man im Stande sei, in
zweifelhaften Fällen mit Hülfe der bereits gezeichneten Druck-
linie wenigstens einige Puukte der Stützliuie zu bestimmen, wo-
raus sich beurtheilen lässt, ob die Verwechselung beider Linien
noch zulässig ist; es lassen sich aber gerade die wichtigsten
Punkte der Stüzlinie, nämlich im Scheitel, woselbst Druck- und
Stützlinie zusammenfallen, am Kämpfer und in der Fuudamcnt-
sohle immer leicht mittel» der schon eingezeichneten Druckliuie
finden. In Fig. ■> b des ersten Beispiels ist nur der Punkt /'der
Stützliuie für deu Fall, dass keine Rücksicht auf deu horizon-
talen Erddruck genommen wird, ermittelt worden und es zeigt
seine geringe Abweichung von dem Punkt ff der Druckliuie,
das» noch ohne bedcutei.de Beeinträchtigung der Genauigkeit
'/ Scheffler nennt an eli.««J»«n st.ll.n H |m Werket : „Theorie der Qe-
»«»• * etc.. 41« Mlllellinte del Druck« .Irr Kurie »eg««i Druckliuie. Wollt« mm
■Ii-- Beiefchoung beibehalten, «o bliebe für die Richt««K>ILuie ia Druck« der
Name Htntitinla and man haue dann gerade dl« entgegengeeetilen Benennung««,
wie uo Culmann In «einer .Oraplilxliea si.uk - (ebraajclit. H«i der iiroaeen Ver-
breitung de« leUlgenatialen Werket dürfte ea ainjemeiscn nein, die Culm
B-ielrtiuu ugen beinbehalten.
Lage
nnd I
der Mittellinie drt llrnrki und
(iewüiben, von Chr. KaeU'B*,
Digitized by Google
- 376 —
im vorliegenden Fall die Stabilität bez. des Kantons nach der
Lage der Drucklinie anstatt derjenigen der Stützlinie beurtheÜt
werden darf.
Die Drucklinie ist von der Richtung der Fugen unabhängig,
dagegen abhängig von der Lage der Schwerpunktslinien der
einzelnen Belastungsflächen. Letztere lindert sich im Gewölbe
nur unmerklich, wenn man statt der der Ausführung ent-
sprechenden radialen Fugen vertikale aubstituirt ; sie lindert sich
aber wesentlich im Widerlager, wenn mau statt der horizontalen,
event geneigten Fugen die Vertikaltheiluug einführt Nur auf I
die letzte Seilpolygonseite hat dieser Umstand keinen F.influss,
da die letztere der Rcsultirenden säinnitlichcr Krfifto entspricht,
wobei es gleichgültig ist, in welcher Reihenfolge und in we'chen
Unterabteilungen diese Kräfte zusammengesetzt wurden. Die
Stützlinie ist von der Richtung der Fugen abhängig, weshalb
bei ihrer Konstruktion die in der Ausführung wirklich vorhan-
dene Fugenrichtung, d h. also die radiale Richtung im Gewölbe
und die horizontale, event. geneigte Richtung im Widerlager,
beizubehalten ist.
Will man sich nicht mit der Ermittelung einzelner maass-
gebeuder Funkte der Stützlinie zufrieden geben, sondern deu
ganzen Verlauf derselben verzeichnen, so kann man allerdings
im Gewölbe leicht von der Vertikaltheilung auf die wirkliche
Fugenrichtung übergehen (siehe: .Culmann, graphische. Statik"
S. 453>, jedoch nicht im Widerlager, weshalb es hier nothwendig
ist, schon der Konstruktion der Druck linie diejenige Eintheiluug
der Belastungsfläche mit horizontalen, event geneigten Fugen
zu Grunde zu legen, welche man für die Konstruktion der Stütz-
linie für zweckmässig erachtet
Die Vertikaltheilung des Gewölbes und des Widerlagers ist
für die rasche Ausführung einer Stabilitätsuntersuchung ausser-
ordentlich bcuueni und wird, wenn man noch den Durehschnitts-
punkt der Stutzlinio mit der Fundamentsohle bestimmt, für die
meisten Fälle der praktischen Anwendung vollkommen genügen.
Da sie indes* wohl geeignet ist, die richtige Vorstellung von
der wirklich stattfindenden Art und Weise der Druckübertra-
gung in dem Mauerwerk zu verwischen, so ist dem weniger Ge-
übten aus diesem Grundo sowohl, als auch zur Erlangung einer
eingehenden Kenutniss des Wesens und des Unterschiedes von
Druck- und Stützlinie, die genaue Konstruktion beider Linien
in einigen Ucbuugsbeispiulcu zu empfehlen. Ausführlicheres
hierüber findet man in der .Theorie der Gewölbe, Kuttermauern
Mittheilungen
Ostpreuaslschor Ingenieur- und Architekten- Verein.
Monatsversammlung am Donnerstag, den 7. Nov., Abends
8 Uhr. Vorsitzender Hr. Ilerzbrucb, anwesend 16 Mitglieder
und ."■ Gäste.
Der Antrag, die Mouatsversammlungen statt um 8 Uhr um
7 Uhr Abends beginnen zu lassen, wira abgelehnt, dagegen be-
schlösse^ die Mitglieder hierselbst der Reihe nach zu Vorträ-
gen in den Mouatsversammlungen obligatorisch aufzufordern.
Hr. Hermann machte dann Mittheilungen über eine für Ma-
schinenbauer wichtige neue Zeitschrift .Her Cyklop" und refe-
rirtc über deren Inhalt Hr. Wiehert referirte über den soge-
nannten Kugel-Torf und über die Versuche, die mit Brennma-
terial in Kugelform gemacht seien, nach welchen dasselbe einen
grosseren Heizeffckt in dieser Form gehabt habe; auch wies
Referent darauf hin, dass die Lokomotivführer ihr Feuerungs-
material stets in bestimmter Grösse zerkleinern Hessen. Hieran
schloss sich eine längere Diskussion über Torffeuerung etc.
Schluss der Sitzung 9>/ ( Uhr.
Arohltekten-Vereln zu Berlin. Versammlung am No-
vember 1872; Vorsitzender Hr. Quassowski, anwesend 174
Mitglieder und 11 Gäste.
Nach kurzer Erledigung der laufenden Gcschäftsangelcgen-
heiten trägt Hr. Quassowski über Fundirungen mittels Brun-
nen vor. Er erläutert zunächst im Allgemeinen Prinzip und
Technik dieser bekannten Konstruktionsmethode , die in der
Neuzeit eine stets wachsendu Verbreitung gefunden hat, wie sie
ja thatsäeblich auch die Grundlage aller künstlichen Fundirungen
mittels Caissons etc. bildet. Ihre Anwendung — in Berlin zum
ersten Male beim Bau des Hamburger Bahnhofes eingeführt —
eignet sich für alle Tiefen und fast für alle Fälle, da man in
vielseitiger Praxis der Schwierigkeiten, die sich ihr entgegen-
stellen, Herr zu werden gelernt hat und bis zu bemerkeuswer-
ther Vollkommenheit in Ausbildung der Methode gelangt ist
Mit besonderer Vorliebe ist die Fuudirung mit Brunnen bei
den unter der technischen Leitung des Hrn. Vortragenden aus-
geführten Neubauten der Berlin - Potsdam - Magdeburger Eisen-
bahn gewählt und sind hierbei sehr zufriedenstellende Erfolge
erzielt worden, von denen er mehre Beispiele anführt In den
meisten Fällen hat man — wie neuerdings üblich geworden ist
— auf die grössere Bequemlichkeit, welche das Senken runder
Brunnen ►gewährt, verzichtet, die Form derselben vielmehr mög-
lichst genau der des darauf zu gründenden Pfeilers angepaast.
Brückenpfeiler wurden hierbei gewöhnlich in 3 Brunnen — einen
mittleren annähernd quadratischen und zwei an den Pfcilor-
köpfen zerlegt; der Versuch einen solchen Pfeiler auf einen ein-
zigen grossen länglichen Brunneu zu gründen, ist in einem Kalle
cclungcn. in einem zweiten hingegen, wo in der Tiefe ein grosser
Baumstamm diagonal unter dem Brunnen sich vorfand, miss-
gluckt; es ist jeaoeh anzunehmen, dass weniger die Grösse des
UDd eisernen Brücken" vun Dr. 11. Scheffler, und in der .Gra-
phischen Statik" von K. Culmann.
Nachtrag.
Bei der oben gegebeneu Lösung der Aufgabe, ein SeUpoly-
gon durch drei gegebene Punkte zu konstruiren. wird es erfor-
derlich, eine Gerade durch einen gegebenen Punkt und den
Schnittpunkt zweier anderen gegebenen Geraden zu ziehen.
Dieser Schnittpunkt fällt aber, wenn sowohl die Gewölbeform
als auch die Belastung nahezu symmetrisch ist, leicht über den
Rand der Zeichnung hinaus. Man kann sich dann auf verschie-
dene Weise, u A. durch die bekannte Transversalen -Konstruk-
tion, helfen. Sind nämlich ab und ac iu Fig. 11 iwei gegebene
Figur II.
1
T
l
Geraden, und zieht man von einem beliebigen Punkte d aus die
Strahlen d<j. d f, de. db. zieht ferner in den entstehenden Vier-
ecken die Diagonalen, so liegen die Schnittpunkte h, i, k der
letzteren auf einer durch den Punkt a gehenden Geraden a m
Es ist hiernach leicht zu ersehen, wie man zu verfahren hat,
wenn einer der Punkte b, i, k und die Geraden ab und ac,
oder wenn einer der Punkte g, f, e und die Geraden a m und a c
Segeben sind. Damit die Konstruktion nicht ungenau wird, darf
er gegebene Punkt nicht zu nahe an einer der gegebenen Ge-
raden liegen, was sich indess immer erreichen llsst
Berlio, im Juli 1872. C Heuser.
ans Vereinen.
Brunnens hieran die Schuld trägt, sondern dass die Beseitigung
dieses Hindernisses durch einen Taucher zu spät versucht wurde.
Die Brunuenkränze wurden aus mehren Lagen von Bohlen mit
entsprechender Armiruog von Eisen konstruirt, das Mauerwerk
in ziemlich bedeutender Stärke von hartgebrannten Ziegeln in
Zementmörtel (1 Tbeil Zement, 2'/i Theil Sand) ausgeführt Beim
Ausbaggern ergab die Anwendung des gewöhnlichen Sackboh-
rers, auf aeu das Personal am Meisten eingeübt war, die besten
Resultate. Der Beton zur Ausfüllung der Sohle wurde aus
1 Thl. Zement, 3 TM. Sand und 6 Tbl. Steinschlag zusammen-
gesetzt, zur Ausmauerung des trocken gelegten Tbeils hingegen
ein Trassmörtcl angewendet, der aus 1 Thl. Beckumer Kalk,
1 Thl. Trasa und 2 Tbl. Sand bestand.
Unter den Bauwerken der B.-P.-M. F., die auf Brunnen ge-
gründet sind, hob Hr. Quassowski hervor:
1. Eine Wegeuutcrführung der Wannsee- Bahn. Das eine
Widerlager derselben ist auf festem Boden gegründet, bei dem
anderen fand sich Triebsand vor, der auf gewöhnlichem Wege
nicht zu bewältigen war. Das Fundament wurde daher in 7
Brunnen zerlegt, deren Senkung iu 14 Tagen geschehen war.
2. Der Viadukt über den Schiffahrta-Kanal in Berlin. Die
Brunnen (3 auf einem Pfeiler) erhielten eine Grösse von 4 71
zu 5,65» in den Seiten und eine Wandstärke von 3 Stein. Da
bei dem weichen Untergrunde ein sehr schnelles Senken und
in Folge dessen die Möglichkeit eiues Reissens zu erwarten
stand, so erfolgte eine Verankerung der Brunnen. Die Kränze
erhielten bei 0,63» Breite eine Stärke von 0.16"'.
3. Die Ehlc-Brücko bei Magdeburg. Die zu überbrückende
Entfernung betrug nach Anlage eiues Umfluthkanals 470"; da
die Konstruktionen der alten Brücke wieder verwendet werden
sollten, wurde für die Ocffnungcu eine Weite von nur 12,55»
angenommen, so dass 31 neue Pfeiler zu gründen waren. Die
Brunnen erhielten bei 2,20« oberer und 2,51» unterer Breite
der Pfeiler eine Weite von 2,83», Wände von 2 bis 2V» Stein
Stärke und Kränze aus 3 Lagen 78»» starker Bohlen. Die Sen-
kung erfolgte bis 6,28» Tiefe, die obere Verbindung der Brun-
nen wurde durch Kapncnwölbungen bewirkt Trotzdem bei
dieser Ausführung mehrfach esperimcntirt wurde (Anfangs ord-
nete man runde Brunnen an, während der oben erwähnte Ver-
such, die Pfeiler auf je einen einzigen länglichen Brunnen zu
gründen, gleichfalls hier unternommen ist), gelang es doch sie
im Verlaufe eines einzigen Baujahres zu bewirken.
4. Die Elbbrücke bei Magdeburg. Die Gesammtlänge der
Brücke von 628» zerlegt sich iu 5 mittlere Ocffoungen von
62,8» und in 5 seitliche Oeffnungcn von 31,4» Axweite- Die
Verhältnisse wareu für die Fuudirung ausserordentlich günstig,
da sich in einer Tiefe von — 1,25 bis — 2,83« schon fester Fei»
vorfand, doch ergaben sich für die Anwendung von Bronnen
insofern Schwierigkeiten, als auf dem Lande eine schwache
Fehlschicht durchbrochen werden mussto, während im Wasser
Digitized by Google
377 —
das geneigte Anstehen des Felsens zu überwinden war. Beides
ist durch Taucbcrarbeit vcrhältniBsniässig leicht von Statten
gegangen; allerdings hat man in letzterer Hinsicht darauf ver-
zichtet unter den Brunnen eine völlig wagerechte Fläche her-
zustellen, sich vielmehr begnügt, durch Abbrechen des Felsens
auf der einen, Unterstopfen des Brunnenkraozes auf der anderen
Seite ein nothdürftiges Auflager desselben auf so lange zu er-
zielen , bis durch die Ausgiessung der Sohle mit Beton ein in-
niger Anschluss der Brunnen an den Untergrund hergestellt
war. Auf die Sicherung dieser Fundirung mittels einer guten
bis auf den Fels reichenden Steinschüttung ist sorgfältig Bedacht
genommen worden. — Die Pfeiler waren auch hier in je 3
Brunnen getheilt. Bei der Strombrücko hatten dieselben eine
Weite von 4,71 X 5,fc5» eine Mauerstärke vou 3 Vi Stein und
Kränze aus 4 Lagen 105»» starker Bohlen in einer vou 0,39 —
0,71« ansteigenden Breite; bei der Fluthbrücke hatten sie eine
Weite von 2,83 X +,08" und Kränze aus 3 Logen von Bohlen in
0,31 bis 0 47- Breite. Die Kosten der Brunneuaenkung haben
an der Elbbrücke 19 Thlr. 3% Sgr. pro Meter betragen.
Im Anschlüsse an diese Mittheilungen beschrieb Hr. Quas-
sowski demnächst noch eine andere an der Magdeburg-Helm-
stedter Bahn ausgeführte Fundirung, die zu interessanten Beob-
achtungen Veranlassung gegeben hat. Die Bahn durchschneidet
auf braunschweigischem Gebiete das Wiesenthal der Aue und
die Landesregierung stellte die Forderung, dass ein dort vor-
handener Graben unter allen Umständen an seiner Stelle er-
halten und durch den Bahnkörper geleitet werde. Es war hierzu
ein Durchlass erforderlieh, der bei 2,5» Lichtweite 5,34" hoch
mit Erde zu überschütten war. Der Grund an der betreffenden
Stelle zeigt auf 4,7'»» Moor, darunter in ca. 2.5» Mächtigkeit
einen blauen, sogenannten Thon (wahrscheinlich Infusorienerde),
dann eine 1,50 bis 3.75» starke Schiebt des grünlichen Magde-
burger Sandes, endlich bis auf eine nicht festgestellte, jedenfalls
30» noch überschreitende Tiefe sogenannte verlorene, d. h. von
Wasser durchzogene und fast völlig aufgelöste Braunkohle. Da
von einem Erreichen festen Baugrundes hiernach unter keinen
Umständen die Rede sein konnte, so wurde ein Versuch gemacht,
den Boden dadurch zu komprimiren, dass man unter dem Bau-
werk einen Rost von 11 bis 13» langen, in etwa 0,50» mittlerer
Entfernung geschlagenen Pfählen anordnete, den man jedoch
nach den beim Bau der Ostbahn in Küstrin gemachten Erfah-
rungen mit keiner festen Spundwand umgab. Die Ausführung
des Bauwerks erfolgte nach Abräumung der Moorscbicht und
Ersatz derselben durch eine Kiesauffüllung in vorsichtigster Weise,
ebenso die spätere Beschüttung desselben mit Erde. In Folge
der letzteren trat jedoch zu beiden Seiten des Durchlasses ein
bedeutendes Aufquellen des Bodens ein, dem man durch Auf-
füllen von Sandmasseti einen Gegendruck entgegensetzte, ohne
jedoch verhüten zu können, dass das Bauwerk hierbei an mehren
Stellen risa und eine Verlängerung von 0,76» erlitt, während
die Senkung im Scheitel an keiner Stelle mehr als 39»» betrug.
Die Reparatur de* Durchlasses erfolgte in der Weise, dass
man nach Entfernung der Aufschüttung die geborstenen Stellen
ausstemmte und durch neues Mauerwerk ersetzte, gleichzeitig
aber 3 Längsanker von 75»» starkem Eisen einbrachte. Obwohl
sich nach Wiederherstellung der Aufschüttung neuerdings feine
D aarrisse gezeigt haben, so ist es doch gelungen hiermit der
Bewegung Einhalt zu thun.
Eine Erklärung des Vorganges glaubte der Hr. Vortragende
darin zu finden, dass der aufgeschüttete Sand unter dem Drucke
des Dammkörpers zwischen die Rnstpfähle gedrungen ist und
diese hierbei zur Seite gedrängt hat; eine andere wurde auch
in der Diskussion, die auf seinen Wunsch dem Vortrage ange-
schlossen wurde und in der einige ähnliche Fälle zur Erwäh-
nung kamen, von keiner Seite gegeben.
Bei Beantwortung der Fragen rieth Hr. Ende von der An-
lage einer für sämmtliche Räume des Gebäudes gemeinschaft-
lichen Zentralheizung bei Privathäusern, die von mehren Par-
teien bewohnt werden, entschieden ab. Die Ansprüche der
einzelnen Individuen an die Heizung sind so verschieden, das.«
hieraus die gröasten Unzuträglichkeiten entstehen, und es em-
pfiehlt sich — wenn man solchen Häusern die Annehmlichkeit
einer Zentralheizung gewähren will, eine solche für jede Woh-
nung anzulegen. Herr Wiche II erläutert die Erfahrungen,
welche man bei dem Versuche der Anwendung von Thonröhren
für die Wasserleitung in Königsberg gemacht hat — Erfahrun-
gen, die bekanntlich so ungünstig ausgefallen sind, dass man
-*i noch während des Baues entschlossen hat, zur durchgängigen
Architekten - und Ingenieur - Verein zu Hannover ;
Hauptversammlung am 6. November 1872. Vorsitzender Bau-
rath Hase.
Nach erfolgter Abstimmung über die Aufnahme von 3 neuen
Mitgliedern wurde beschlossen, die von dem Untcrstütinngsfonds
für hilfsbedürftige Kollegen im Felde übrig gebliebene Summe
von 50 Thlrn. bis dahin, wo über ihre definitive Verwendung
ein Beschluss gefasst werden wird, bei dem Banquier des Ver-
eines zinsbar anzulegen.
Auf Anregung des Herrn Koehler wurden sodann 2 Kom-
missionen von je 7 Mitgliedern gewählt, von denen eine die
Musterschutz - Angelegenheit in Vorbereitung nehmen, die an-
dere Moassregcln in Vorschlag bringen wird, welche die Ein-
wirkung des Vereines auf eine systematische Gestaltung des
Stadtbebauungsplanes und auf eine Revision der städtischen
Hierauf folgte ein Vortrag des Vorsitzenden über das Kai-
ser - Heinrich - Grab in der Schlosskirche zu Quedlinburg.
Als Einleitung gab der Vortragende einen Ueberblick über
die geschichtliche Kntwickclung dieses interessanten und mit
Recht berühmten Kirchenbauwerkes. Der im Süden der Stadt
gelegene isolirt« Felsen, auf welchem die Kirche steht, war ur-
sprünglich wohl nur mit Festungswerken tum Schutze der
nahebei gelegenen Pfalz des Kaisers bebaut; noch bei Lebzeiten
desselben wurde indess ein Stift, bestehend aus Kirche und
Kloster, erstcre wahrscheinlich nach dem Muster der in der
Mitte der Pfalz befindlichen Wipertikirche, inmitten der Fes-
tungswerke angelegt Dieses Stift diente nach dem 935 erfolgten
Tode des Kaisers, abwechselnd mit anderen Lieblingsorten, seiner
Wittwe Mathilde zu deren zeitweiligem Aufcuthaltsorte.
Durch die Enkelin des Finklers, die Tochter Otto's, wurde
die Kirche 997 bedeutend vergrössert, um die grosse Menge des
sich zum Gottesdienste ansammelnden Volkes fassen zu köuneu.
Ks ist sehr wahrscheinlich, dass dieser Umbau in den damals
üblichen Formen der doppelchörigen Kirchen ohne hervortre-
tendes Chorquadrat ausgeführt wurde, bei welcher Gelegenheit
ein Theil der alten Kirche zur Krypta der neuen wurde. Im
Jahre 1070 wurde die erweiterte Kirche durch Feuer grössten-
thcils zerstört und obgleich der Wiederaufbau bald begonnen
war, doch erst 1 129 vollendet Dio neu«) Kirche war im Wesent-
lichen in den Formen der abgebrannten wieder aufgebaut, doch
im ganzen korrekter dem ausgebildet romanischen Schema an*
gepasst Bei dieser Gelegenheit ward die alte Kirche gänzlich
zu der jetzigen Krvptaanlage umgestaltet; nur eine Säule und
vielleicht einige Pfeiler der alten Kirche fanden hierbei Wieder-
verwendung. Der Chor erlitt einen nochmaligen Umbau und
zwar im gothischen Stile im Jahre 1320 auf Veranlassung der
Aebtissin Jutta.
Was nun das Grab des Kaisers selbst betrifft, so ist darauf
aufmerksam zu machen, dass diese Bezeichnung sowohl auf sein
wirkliches Grab angewandt wird, in dem bald nach seinem Tode
seine Gebeine eingesetzt wurden, als auch auf eine vor mehren
Jahren unter der Krypta vorgenommene Ausgrabung, welche
an die Ostwand des eigentlichen Grabes stösst und interessante
Baureste zu Tage gefordert hat Der Vortragende hat diese
Baureste, über welche im Jahrg. 18*39 dieser Zeitung S. 563 und
im gegenwärtigen Jahrgang S. 301 berichtet ist. mit allen De-
tails aufgenommen und veranschaulichte die Schönheit dersel-
ben durch zahlreiche mit Kreide an die Wandtafel gezeichnete
Skizzen, die nicht minder durch das Anziehende der Architck-
turformeu als auch durch die hohe Kunstfertigkeit und Voll-
endung, mit der sie gezeichnet wurden, den lebhaften Beifall
der Versammlung hervorriefen.
Die nähere Beschreibung der Anlage würde hier zu Wieder-
holungen führen, es uiögc deshalb der nochmalige Hinweis auf
die obenbezeiebneten Stellen und die dabei befindlichen Zeich-
nungen genügen. Von Wichtigkeit dagegen siud dio Mittheilun-
Sen, welche der Vortragende über die muthmassliche Zeit der
lerstellung der ganzen interessanten Anlage machte. Er trat
der S. 301 d. Ztg. aufgestellten Behauptung, dass die aufgefun-
denen Baureste aus der Zeit der Erbauung der Kirche, also aus
der ersten Hälfte des zehnten Jahrhunderts herrühren, entschie-
den entgegen; sämmtliche Basen, Kapitale, Schäfte und Archi-
volten sind in Stuck ausgeführt; eine Technik, welche man in
vielen Kirchen des elften und zwölften Jahrhunderts am Harze
findet. Die eigcuthümlichcn Formen derselben deuten auf die
Zeit des elften Jahrhunderts hin.
Vor allem aber erlaubt das neben-
stehend wiedergegebene Profil des Sockels,
welches auf S- 301 falsch gezeichnet ist, mit
beinahe vollkommener Sicherheit den Schluss
auf eine spätere Anfertigung der Anlage als
zur Zeit der Erbauung der ersten Kirche
unter Kaiser Heinrich. Formen, wie dio hier
aufgefundenen, der Säulen und ihres Zube-
hörs, Abschrägungen wie die am Sockel
vorkommenden kannte die nächste Folgezeit
der Karolinger noch nicht, sondern diesel-
ben werden erst in der Zeit des entschie-
denen Romaniamua gefunden. Zur weiteren
Unterstützung seinor Annahme führte der
&pm& Vortragende noch an, dass sämmtliche
Basen der kleineren Säulen in Vogelfüsse
auslaufen und dass bierin eine Hiudeutung auf den Gründer
der Kirche, den Finkler oder Vogelsteller gesehen werden musa.
Dieser Name ward Heinrich indess erst lauge Zeit nach seinem
Tode beigelegt, er findet sich in keiner Urkunde aus seiner Zeit,
er ist durch die Mythe gebildet und tritt bei Schriftstellern erst
nach Jahrhunderten auf. Es dürfte gewiss nicht falsch gegriffen
werden, wenn man die Zeit der Herstellung der Gruft gegen die
Mitte des 11. Jahrhunderts annimmt
Ucber den muthmaasslichen Zweck der. Anlage erklärte der
Vortragende weniger bestimmte Ansichten,' als über ihre Ent-
stehungszeit aussprechen zu können ; er hält es für wahrschein-
lich, dass der Raum unter der Krypta schon in der zuerst er-
bauten Kirche angelegt ist, um zur Beisetzung von Angehörigen
des Kaiserhauses zu dienen ; ob diese indess stattgefunden hat
oder nicht, ist nicht nachzuweisen.
Aus den Resten der Gruft ersieht man den Schluss dersel-
ben nach oben nicht mehr. Es liegt die Vermuthung nahe, dass
sie nach oben offen und mit einer Brüstung umgeben war, auf
sich (wie in der Wipertikirche) die SäuFen und Pfeiler
Digitized by Google
— 878 —
des Chorschlusses aufsetzten. Reste, welche in der Gruft auf-
gefunden sind, scheinen auf eine derartige Brüstung, welche
mit zierlichen Arkaden dekorirt war, hinzudeuten. — oe. —
Vermischtes.
Eine Wind - Turbine. Bei einer kurzen Anwesenheit in
Riesa hatte ich Gelegenheit, eine dort aufgestellte Wind-Turbine
ie als Motor für eine Kreissäge
diente und folgende Einrich-
tung hatte. In der Mitte eines
massiven Gebäudes von quadra-
;m Grundriss und etwa 12°
llöhe befand sich eine vertikale
Welle, das flache Doch des Hau-
se« etwa um 4" überragend, mit
8 Stück schwach gekrümmten,
ausdünnen Brettern zusammen-
gesetzten Schaufeln an, welche
durch eiserne Stangen in einem
festen Abstände von der Welle
gehalten wurden, so dass sich
unmittelbar um die letztere ein
Acht Leitschaufeln bb waren in der Weise an der Peripherie
dieses Turbiucnradca angebracht, dass sie sich um eine an ihrem
inneren Eude befindliche vertikale Welle drehen fassen. Durch
entsprechende Stellung konnte die Kraft des Windes regulirt
werden ( wahrend dieselbe ihre Wirksamkeit gänzlich verlor,
wenn die Leitschaufeln so weit gedreht wurden, dass die Spitze
der einen die Drehaxc der anderen berührte. Dieselben bildeten
dann einen das Rad völlig einschlicsseudeu achteckigen Kasten.
Die Kreissäge , welche durch Riemenbetrieb in Bewegung
gesetzt wurde, befand sich im Erdgeschosa des GebSudes.
Bei einem rocht frischen Winde machte die Turbinenaxe
beim Leergange in 3 Sekunden eine Umdrehung, wenn die Sage
dagegen arbeitete verlängerte sich diese Zeit in dem Verhältnis«
der geleisteten Arbeit. Beim Zersägen eines 4 starken
Brettes war die Veränderung unmerklich; dagegen betrug die
Umdrehungszeit beim Durchschneiden einer 8 starken
eichenen Bohle etwa 6 Sekunden. Die Vorrichtung soll eine
Stärke von 0 Pferdekräften besitzen, indessen kann sich dies
nur auf eine bestimmte Geschwindigkeit des Windes bezieben,
Greiwe ich nicht erfahren konnte, T.
Konkurrenzen.
Nen eröffnete Konkurrenzen. Durch ein Verseben ist es
unterlassen worden, der am s. Dezember d. J. geschlossenen, in
No. 43 unseres Bau- Anzeigors angekündigten Konkurrenz für
Entwürfe zu einem neuen Portale der Marienkirche in
Sralsund auch an dieser Stelle zu erwähnen. Wir hoffen,
dass diese Aufgabe trotz, oder vielleicht gerade in Folge ihrer
Eiufuchheit unter den im Backsteinbau geschulten Architekten
Norddeutschlands, namentlich unter denen der Hannoverschen
Schule, zahlreichste Betheiligung finden wird. Dass dies bei
einer aus Meldorf in Hollstein „an Architekten, Steinmetzen
und andere Sachkundige* erlassenen Aufforderung, die bis zum
16. Dez. Risse zu einem einfachen, aus Granit herzustellenden
Denkmal für die gefallenen Krieger nebst Kostenanschlag
erbittet und dem .zur Ausführung gelangenden" Plane eine
Prämie von 30 Tbir. in Aussicht stellt, in gleichem Maasse der
Fall sein wird, glauben wir nicht, können auch unter solchen
Verhältnissen von einer Betheiligung nur abrathen.
Dasselbe gilt von den internationalen Konkurrenzen für
Entwürfe zu einem Denkmal der Prinzessin Heinrich
der Niederlande in Luxemburg und zu einem neuen
Hospitale in Antwerpen. Die erstcre ist in No. 43 unseres
Bau-Anzeigers angekündigt und schliesst am 31. Januar k. J.,
für die letztere, deren Programm vom Sekretariat der bürger-
lichen Hospitfiler zu Antwerpen zu beziehen ist, gilt als Scbluss-
termin der 1. Mai 1873 und es sind Preise von 3000, "2000 und
1000 Frcs. festgesetzt Die Aussichten einer internationalen Kon-
kurrenz sind für die Architekten der fremden Nationalitäten
bekanntlich nichts weniger als günstig, sobald die Preisrichter
nicht Deutsche sind.
Von einer in Bremen eröffneten Konkurrenz für Entwürfe
zu einem Kriegerdenkmale ist uns bis jetzt Nichts bekannt ge-
worden; die darüber in mehren Blättern enthaltene Notiz scheint
den Beschluss, dass eine solche Konkurrenz erlassen werden
soll, mit dem Faktum selbst verwechselt zu haben.
Personal - Nachrichten.
Preu ssen.
Ernannt: Der Bau -Inspektor Berring in Crefeld zum
Ober-Bauluspektor beim Regieruugs Kollegium in Oppeln. Der
Baumeister van der Blassen zu Essen zum Kreisbaumeister
in Aurich. Der Baumeistor Hauck zu Berlin zum Lokal-Bau-
beamter, der Militair-Verwaltung in Köln. Der Kreisbaumeister
Blaurock zu Neustadt i. Wcstpr. zum Bau-luBpekter in Neu-
Ruppin.
Die Versetzung des Eisenbahn-Baumeisters Kahle von Arns-
berg nach Elberfeld und des Eisenbahn-Baumeisters Schmidts
von Elberfeld nach Arnsberg ist —
Dem Direktor der König). Porzellan-Manufaktur, Regicruogs-
und Baurath Möller zu Charlottenburg ist der Charakter als
Geheimer Regierungsrath verliehen worden.
Das Baumeister-Examen haben bestanden am 30. Ok-
tober, 2, und '.1. November er.: Julius Brüning aus Selsin-
gen; Carl Rebentisch aus Sycke; Wilhelm Eduard Otto Rh e-
nius aus Gross-Salze; Edmund Karl Markus Ludwig Müller
aus Wettin.
Das Bauführcr-Eiamon hoben am 28., 29. und 30. Ok-
tober, 4., 5. und <>. November er- bestanden: Friedrich Oskar
Uossfeld aus Scbulpforta: Emil Strcichert aus Tilsit; Bern-
hard Dedekind aus Kloster Maricuberg bei Helmstedt; Samuel
Kauziger aus Neuenburg i. Westpr.: Hugo Gcelhaar aus
Hohenstein i. Ostpr. ; Hermann Gnuschkc aus Barten i. Ostpr.
Brief- und Fragekasten,
Hrn. W. W. in Berlin. Ein populär geschriebenes Werk
Uber Ziegelfabrikation, das wir durchaus empfehlen könnten,
ist uns nicht bekannt. Uobrigons ist es eine gewagte Sache,
derartige Empfehlungen auszusprechen, ohne den Zweck zu
kennen, welchem das Werk dienen soll. Wollen Sie eine ober-
flächliche dilettontistiscbe Kcnntniss des betreffenden Gebiete*
gewinnen, so dürfte Ihnen jedes der in jüngster Zeit erschiene-
nen Kompendien : Heu sine er v. Waldegg, Neumann etc. ge-
nügende Dienste thun, suchen Sie dagegen für den wirklichen
Betrieb der Ziegelfabrikation Belehrung und Anregung, so kön-
nen wir Ihnen nichts dringender rathen, als sich in den Besitz
der von dem verstorbenen Albrecht Türrschmiedt begründeten
„Töpfer- und Ziegler- Zeitung" zu setzen und deren Aufsätze
eingehend zu studiren. Von einem höheren wissenschaftlichen
Standpunkt« aus wirkt die Zeitschrift des Vereins für Ziegel-
fabrikation, während als dos neueste Werk dieser Tendenz „Ab-
riss der Thonwaarcn-ludustrie." von Prof. Kerl anzuführen ist.
Bot heiligtor an der Schu Ihaus-Konk urreuz für
Kiel. Unseres Wissens ist die Verzögerung der Entscueiduus
durch Schwierigkeiten bewirkt worden, welche dem Zusammen-
tritt des anfänglich bestimmten Preisgerichts sich entgegenge-
stellt haben.
Hrn. W. in Otterndorf. Das neueste Werk über Oberbau
der Eisenbahnen ist noch immer Wink ler, Vortrage über Eisen-
bahnbau; der Theil über Bahnhofsgeleise ist jedoch noch nicht
erschienen. Ausserdem ist zu empfehlen : „Anleitung zum Legen
der Bahnhofsgeleise von J. R. Baugut - und .Handbuch der spe-
ziellen Eisenbahn -Technik von licusingcr von Waldegg".
Um. C. L. in Berlin. Die spezielle Konstruktion der eiser-
nen Oefeu im provisorischen Reicbstagsgebäude ist uns nicht
bekannt, doch glauben wir, dass dieselben keine Mcidinger'scheii
sind. Die Konstruktion ist unseres Wissens von dem Ingenieur
der Berliner Aktiengesellschaft für Zentral - Heizung*-., wawer-
und Gas-Anlagen (früher Schäffor & Walcker), Hrn. Bernaxd
angegeben und Sie werden von jener Gesellschaft sowohl
Auskunft erhalten, als auch derartige Oefeu bezichen
Um. M. Z. Wir können (in der betreffenden Frag« keine
authentische Entscheidung fällen, sondern nur eine Artsicht
äussern. Diese Ansicht stimmt mit der Ihrigen völlig übereil».
Bei der Einführung der li Unterabtheilungen, welche in § 4
unserer „Norm zur Berechnung des Honorars für architektonische
Arbeiten" als die einzelnen Leistungen angeführt werden, tiu
denen sich die Gesammtthätigkeit des Architekten bei einer
Bauausführung zusammensetzt, hat augenscheinlich der Zwcct
obgewaltet, die verschiedenen Stadien der architektonischen
Arbeit so zu trennen, dass bei einer plötzlichen Unterbrechung
dersell>en oder beim Uebergange des Baues von dem einen iml
den anderen Architekten, mit Klarheit ersichtlich ist, welcher
Prozentsatz des Gcsammthonorars der betreffenden Leistung
entspricht. Da sehr viele Projekte nicht weiter gelangen, als
bis zu einer ersten Skizze, so war es nothwendig, für diese
Arbeit einen besonderen Theilbetrag festzusetzen. Unseren
deutschen Verhältnissen entsprechend ist dieser Prozentati
ziemlich niedrig normirt worden, da der seinerzeit von Ib.
Donaldson mit Recht hervorgehobene Gesichtspunkt, das» in
dieser Abtheilung die Erfindung, d. h. diejenige geistige Arbeit
de* Architekten enthalten sei, welche den höchsten Werth seiner
Leistung ausmacht, den meisten Bauherren wohl nicht begreif-
lich zu machen wäre und eine höhere Forderung lur Sku.'en
bei ihnen auf unüberwindlichen Widerstand stossen wurde. Wenn
neben einem Honorar für die Skizze ein im Durchschnitte glei-
ches (in den unteren Klausen höheres, in den höheren gerin-
geros) Honorar für den vollständig ausgearbeiteten Eutwirt
ausgeworfen ist, so geht wohl schon aus dem letzterwähnt«
Verhältnisse unwiderleglich hervor, dass die Anfertigung «wr
Skizze als die selbstverständliche Voraussetzung ftr
die Ausarbeitung dos Entwurfs anzusehen ist, und dass daher
ein solcher mit dem für Skizze und Entwurf ausgesetzten
Betrage auch in dem Falle honorirt werden muss, wo die Aus-
häudigung einer besonderen Skizze an den Bauherrn nicht
erfolgt ist.
Berichtigung. In dem Referat über die letzte Haupt-
versammlung des Architekten-Vereins zu Berlin ist in No. 4-'
S. 366 u. BI. die Zahl der vom Verein pro 1873 zu haltend«
Zeitschriften irrthüinlich auf angegeben: dieselbe beträgt**
Beiträge mit Dunk erhalten von deu Herren P. u. B. ■
Berlin, v. W. in Bautzen, M in Cassel.
ue„4.r PKkirt I»
Digitized by Goog
Jahrg. fL M 47.
DEUTSCHE BAUZEITUNG
Organ des 'Verbandes
deutscher Architekten - und Ingenieur-Vereine. "yE
Redakteur K. E. 0. Fritteh.
Kadaatioa L Ei|i*dit:«»:
*<tlm, OruinitrMM loi
Be.t.Lluafaa
I in n rat.
für 4k Uwr «er
IM
>',', IV Pr,
PreU 1 Thaler pr. taartal.
Berlin, den 23. November 1872. Ertekclitjetlea Sjaaakeia.
Inhalt: l>a> Pr.u«lwii. Slaalrtuwataen. iFortaetiaag). Neabauten in
Hanau.«. - Di« Villi March aa CharloMenburg. - lieber fiewiUb* aiu diu..
mSrtel, dann Fertigkeit, Ko.tea aad Ihr V.rhallaa, verglichen mit Ueaölben tob
Begafalckua, — Uitfheilaugen an. Vereiaen: Architekten-Verein iu Berlin.
- V.rmi.rht.i Da« Tarti»»in*t«. - l'.no.ll- * ae hriehtaii , Brief-
aad Fragekaalea.
(Fartxetxuua).
Bei der Ausbildung, die den Preussischen Baubeamten
vorgeschrieben ist, sind drei von einander getrennte Haupt-
momente zu unterscheiden: die allgemeine für den Eintritt
in dag Fach erforderliche Vorbildung, das theoretische Fach-
studium und die praktische Ausbildung als Techniker und
Beamter.
Welcher Umfang und welche Form allgemeiner Schul-
bildung für den Beruf des Baumeisters als die zweckent-
sprechendste zu verlangen sei, ist seinerzeit iu Preusseu
Gegenstand eines heftigen Streites gewesen, an dem sich
nicht nnr Techniker, sondern namentlich auch Schulmänner
betheiligt haben. Ohne dass wir an den gegenwärtig be-
stehenden Vorschriften, welche den Eintritt in die Laufbahn
des Baubeamten von der vorherigen Ablegimg der Abi-
turienten-Prüfung auf einem Gymnasium oder einer
Realschule erster Ordnung abhängig machen, etwas geändert
wissen möchten, halten wir es durch die Tendenz dieser
Arbeit, welche die möglichste Klarheit über alle mit dem
Preussischen Staatsbauwesen zusammenhängenden Verhält-
uimc au verbreiten strebt, dennoch für geboten, auch jene
Frage einer kurzen Erörterung zu unterziehen.
Man hat dieselbe, wie wir glauben, meist ein wenig zu
trivial behandelt. So hat man. als im Jabre 184S» an Stelle
der Reife für die erste Klasse einer höheren Schule die Ab-
solvirung des vollständigen Kursus einer solchen gefordert
wurde, dies ausschliesslich damit motiviri, dass die künfti-
gen Baubeamten in allgemeiner Bildung und „in der öffent-
lichen Stellung den übrigen Staatsbeamten in keiner Weise
nachsteheu möchten," während doch vor allen Dingen die
Erwägung gerechtfertigt war, dass der Kursus jener Schulen,
namentlich der der Gymnasien, ein iu sich geschlossenes
Ganzes ist, das nicht ohue Nachthe'd an beliebiger Stelle
abgeschnitten werden kann, dass vielmehr die letzten Jahre
desselben fortlassen geradezu seine wesentlichsten
Früchte wegwerfen lieisst Mit derselben Einseitigkeit
hat man in dem späteren Streite für nnd wider die Gleich-
berechtigung der Realschnlen mit den Gymnasien stets nur
das Maass der positiven Kenntnisse, welche die Schüler der
betreffenden Anstalten zu erwerben pflegen, in Betracht ge-
zogen Hill- deren grössere oder geringere Nützlichkeit für
das Studium der bautechniseben Fächer untersucht, während
es doch von gleichstehender Bedeutnng ist, welches Maass
allgemeiner Geistesreife und welche Geistesrichtung jene er-
langt haben. Es berührt eigentümlich, wenn in den Mi-
nisterial-Reskripten der dreissiger Jahre die Beschäftigung des
künftigen Staatsbaubeamten mit den alten Sprachen dadurch
motivirt wird, dass derselbe wenigstens die gewöhnlichsten
aus jenen Sprachen hergenommenen Ausdrücke verstehen
müsse, um durch mangelhafte Schulbildung keine Blössen
zu geben, ^falls er vielleicht bernfen würde, eine Stelle in
einem Kollegio auszufüllen"; oder wenn von anderer Seite
wieder geltend gemacht wird, dass ein in der Ausdehnung
des Gymnasialkursns getriebenes Studium der alten Sprachen
um deshalb überflüssig sei, weil doch verhältnissmässig we-
nige Baumeister dazu kämen, sich über antike Kunst aus
deu Originalstellen der alten Schriftsteller zu unterrichten.
Dass in Betreff der für das Studium des Baufachs unmittel-
bar nützlichen Kenntnisse, in der Pflege der Mathematik,
der Naturwissenschaften, der neueren Sprachen, meist auch
des Zeichen-Unterrichts, die Realschulen deu entschiedensten
Vorzug verdienen, scheint uns ebenso unbestreitbar, wie der
Vorzug, welcher den Gymnasien kraft ihrer idealen Rich-
tung in dem Ergebniss grösserer Tiefe und Systematik des
Denkens und demzufolge eines grösseren formalen Geschicks
gebührt. Für deu Techniker spielt jenes, für den Beamten
dieses eine wichtigere Rolle und folgert hieraus eben die
Gleichberechtigung beider Intcrrichts-Methodeu für den
hier in Betracht kommenden Zweck. Wenn nnsere Gymna-
sien sich von der Verkümmerung wieder erholt haben wer-
den, die ihnen während der Periode kirchlicher und poli-
tischer Reaktion zu Theil geworden ist, so möchten wir, mit
Rücksicht auf die in deu Vordergrund zu stellende Beamten-
Qualitikation der Preussischen Staatsbaumeister, der Gymtia-
sialbilduug persönlich den Vorzug geben : der augenblickliche
Zustand derselben in Betreff der oben erwähnten Unterrichts-
zweige ist jedoch auf den meisten Anstalten ein so trostloser,
dass wir zur Ausbildung der Baubeamten für'» Erste die Ab-
solvirnng des Realschulkursus empfehlen müssen.
Es gilt dies übrigens, wie wir beiliiulig bemerken,
lediglich für die allgemeine Vorbildung des Baubeamten.
Für den Architekten und Ingenieur steht der mittelbare
wie nnmitlell>are Vortheil, der ihm aus dem regelrechten
Besuche ein«» Gymnasiums oder einer Realschule erwächst,
nicht mit dem Nachtheile im Gleichgewicht, dass er in Folge
dessen verhältnissmässig zu spät in sein Fach eintritt; er
muss deu Elementen desselben bereits die Jahre frischester
lichkeit widmen, falls er sich mit allen Wurzeln
darin einleben will. Es müssen daher für
Vorbildung besondere Unterriehts-Austalten beeriindet
' •neu uns in dem Reorguuisatiousplaue der
Preussischen Gewerbeschulen ein vielverheisseuder Anfang
gemacht zu sein scheint
Zwischen der Vorbildung durch die allgemeine Schule
und dem akademischen Fachstudium besteht im Aushilduugs-
gauge der Preussischen Baubeamten von jeher ein Verbin-
dungsglied — früher die Ausbildung und Bewährung als
Feldmesser, nenerdings die praktische Thätigkeit imter Lei-
tung eines geprüften Baumeisters, das sogenannte Eleven-
jah r.
Ueber die Notwendigkeit eines solchen Verbindungs-
gliedes ist wohl kaum ein Zweifel zulässig. Der auf der
Schule gewonnene Gesichtskreis und der für die meisten
Novizen völlig fremde Horizont eines technischen Fuchs
haben so wenig mit einander gemein, dass eine allmälige
Vermittelung zwischen beiden Gegensätzen ebenso unentbehr-
lich ist, wie ein Uebergang von dem auf der Schule üblichen
zu dem auf Anschauung; basirten technischen Unterrichte.
Es gilt endlich vor allen Diugen, dem Eleven diejenigen
technischen Vorkenntnisse und Fertigkeiten beiznbriugeu,
welche die einfache Voraussetzung eines Fachstudiums
sind.
Die historische Ausbildung nnd Bewährung als Feld-
messer hatte diesem Bedürfnisse nur in uothdürltiger, zum
Mindesten in sehr einseitiger Weise entsprochen. So
wünschenswerth und nützlich dieselbe im Uebrigen auch für
viele Leistungen des speziellen Bau- Ingenieurs ist, so muss
doch eingeräumt werden, dass sie unter den allgemeinen
Anforderungen an den Baubeamten keine so wesentliche
Rolle spielt, dass hieraus das für sie erforderte Zeitopfer
von mindestens zwei Jahren gerechtfertigt werden konnte.
Die Organisatoren von 1849 haben daher sicherlich gut daran
getliau, wenn sie die Erlernung der Theorie und eine be-
schränkte Uebuug des Feldmessens dem späteren Ausbildungs-
gange des Baubeamten einfügten, die Vorbereitung für das
akademische Fachstudium aber durch eine zweckentsprechen-
dere Art der Beschäftigung zu ersetzen suchten. Wir wolleu
Digitized by Google
sie auch nicht tadeln, wenn sie dieselbe in der Unterweisung
durch einen praktisch thütigeu Baumeister zu tiuden
Klaubten; schien doch die Einführung einer solchen Lehr-
zeit, welche offenbar den in Frankreich üblichen Ausbil-
dungsgang des Architekten zum Muster nahm, nicht nur
allen oben erwähnten Gesichtspunkten im Interesse des
weiteren Studiums am Einfachsten und Besten gerecht zu
werden, sondern sie versprach noch nebenher, den Eleven
bereits mit den vielseitigsten Erfordernissen der Praxis be-
kannt zu machen und damit eine Grundlage seiner Ausbil-
dung auch nach dieser Richtung hin abzugebeu.
An Stimmen, welche diese Hoffnungen als eine leere
Illusion bezeichneten, hat es freilich schon damals nicht
gefehlt. Der Erfolg hat bewiesen, wie sehr sie Recht hatten,
denn thatsächlich giebt es im ganzen Ausbildungsgange des
Preussischen Baubeamten kaum eine so verfehlte und ver-
derbliche Einrichtung, wie die des Elevenjahres.
Das Büreau eines Preussischen Kreisbaubeaniten, an
welches bei dieser Einrichtung doch zunächst gedacht wor-
den ist und dem in der That die grosse Mehrzahl der Ele-
ven sich anzuvertrauen pflegt, besitzt mit dem Atelier eines
Pariser Architekten oder dem Bureau eines Englischen Zivil-
Ingenieurs nur geringe Aehnlichkeit. Abgesehen von allen
anderen, ohne Weiteres in's Auge springenden Gegensätzen
fehlt ihm gerade dasjenige Element, welches jene zur Aus-
bildung junger Künstler und Techniker vorzugsweise geeignet
macht: die Genossenschaft älterer und jüngerer Schüler,
in welcher der Anfänger unter beständiger Anleitung und
am Vorbilde seiuer geübteren Gefährten in die Bedingungen
seines nenen Bernfes sich einzuleben vermag, während der
Meister selbst nur die Seele nnd die oberste Autorität dieser
in ununterbrochener Verjüngung begriffenen Körperschaft bil-
det Der Eleve des Preussischen Daulieamten sieht sich auf
dessen Büreau zumeist allein, höchstens in Gesellschaft eines
auf gleicher Stufe befindlichen Genossen und eines Schreibers,
und ist in Betreff aller Anleitung und Belehrung ausschliess-
lich und direkt auf die Person seines Lehrmeisters ange-
wiesen.
Wenn dieser die erforderliche Müsse besitzt und sich
die nöthige Mühe nicht verdriessen lässt, wenu sein Wohn-
ort und sein Wirkungskreis ihm dazu Gelegenheit geben,
dem Schüler lehrreiche Beispiele vor Augen zu stellen und
ihu an lehrreichen praktischen Aufgaben in das Verstand-
niss des Faches einzuführen, wenn er endlich — was die
Hauptsache ist - überhaupt zum Lehrer berufen ist, so
soll nicht bestritten werdeu, dass die Resultate des Eleven-
jahres die beabsichtigten sein können. In einzelnen Fällen
mögen sie es auch wirklich sein. Leider 'ist der PreuasLsche
Baubeamte in der Regel mit Geschäften derartig überhäuft, da*,
es für ihn schon erheblicher Anstrengungen bedarf, um nur
anf dem Laufenden zu bleiben; einen grossen Theil de*
Jahres ist er zudem auf Dienstreisen begriffen. Die Art
seiner Arbeit ist nicht immer eine solche, dass sie zur lehr-
reichen Beschäftigung eines Fachjüngers geeignete Gelegen-
heit giebt. Eine ganz unzutreffende Voraussetzung aber b>l
es, dass ein jeder Baubeamte neben den vielen anderen
von ihm erforderten Eigenschaften und Fertigkeiten ohne
Weiteres auch Beruf, Neigung uud Geschick zum Lehrer
haben soll!
Sehen wir doch zu, wie die meisten Eleven in Wirk-
lichkeit beschäftigt werden.
Mit Ausnahme Weniger, die als Söhne von Technikern
oder im Verkehr mit solchen bereits einen Einblick in th<
Wesen des Fachs gewinnen konnten, haben sie dieses ohne
ausgesprocheneu Beruf als Brotstndium erwählt. Ohne
l'ebuug im Zeichnen, das auf den meisten Schulen leider
noch immer vernachlässigt wird, praktischer Anschannng an>l
praktischer Fertigkeit überhaupt mehr oder weniger entbeh-
rend, siud sie auf dasselbe fast völlig unvorbereitet; von
allen Kenntnissen, die sie der Schule verdanken, vermögen
sie vorläufig noch nicht den mindesten Gebrauch zu machen,
in allen dem, was sie augenblicklich gebrauchen könnten,
sind sie so ungeschickt uud hülflos wie nur möglich. Wö-
llmen Noth thäte, wäre ein systematischer Unterricht,
der an die gewohnte Form ihrer bisherigen Thätigkeit an-
knüpfend und von einfacheren allmälig zu schwereren l'eliun-
gen ansteigend, sie in diese neue fremde Welt einführte
aber dies würde vor Allem erfordern, dass sich ihr Lehr-
meister ständig mit ihnen beschäftigte, während er ihnen
doch nur gelegentlich eine Viertelstunde widmen kann und sie
im L'ebrigen sich selbst überlassen muss.
So wird ihnen denn für gewöhnlich zuuächst die mecha-
nische Kopie einiger Zeichnungen aufgetragen. Haben sie
hierbei allmälig eine oberflächliche Handfertigkeit und ein
nothdfirftiges Verständnis» dessen, was sie zeichnen, erhört,
so wird ihnen demnächst auch wohl die Anfertigung einiger
für den Dienstgebrauch bestimmter Blätter — sei es nach
älteren Vorlageu oder nach Skizzen des Banbearoten - an-
vertraut; auch die Herstellung der für die Akten erforder-
lichen Pausen fällt ihnen zu. In sehr vielen FälWu kommt
der Eleve jedoch gar nicht dazu, soviel zeichnen zu können.
Die Thätigkeit seines Lehrers gipfelt in schriftlichen Arbei-
Vubauten In lautrer.
In gleichem Schritte mit dem Aufschwünge, welchen in den
letzten 4 — 5 Juhreu Handel, Verkehr und Industrie in Han-
nover genommen haben, ist auch diu Entwicküluiig des Bau-
wesens in dieser Zeit zu höherer Blüthe gediehen. Es hat zwar
in Hannover schon seit Jahrzehnten eine äusserst reite Bautä-
tigkeit geherrscht, in der das ernste Streben auf Herstellung
stilgetuässcr Privatbauten volle Anerkennung verdient: zu kei-
ner Zeit aber hat die Bautbätigkeit einen solchcu Umfang ge-
habt, wie in den letzten Jahren. Es ist unschwer vorauszusagen,
dass, wenn säromthehe im Laufe dieses Jahres in Anreguug
gebrachten, zum Theil auch in Angriff genommenen öffentlichen
und Privat -Bauprojekte zur Ausführung kommen, die Stadt
Hannover mit theilweiser Ausnahme des inneren stagnirenden
Kernes in weiteren ä— 10 Jahren eine vollkommen veränderte
Physiognomie haben wird. Wie sehr uud wie schnell die bau-
lichen Interessen in deu Vordergrund des öffentlichen Lebens
getreten sind, geht wohl schon daraus hervor, dass in diesem
Frühjahre zwei Aktien - Baugesellschaftcn, die eine unter dem
Namen .Hannoversche Baugesellscbaft," die andere als .Ge-
werbliche Baubank- mit bedeutenden Kapitalien gegründet
In ästhetischer Hinsicht ist aus der obengenannten Ent-
wickeluugspcri»dc und der unmittelbar vorangegangenen Zeit
als ein wichtiges Moment die Einführung des Renaissancestiles,
der bis dahin in Uannovor fast uuvertrefeu war, hervorzuheben.
Als die ei »teil Bauten, deren Faeadcu mit konsequenter Durch-
fahrung der Renaissance hergestellt sind, müssen zwei an der
Kreuzung der Georgs- mit der Packhofstrassc stehende Wohn-
häuser bezeichnet werden, von denen das eine, uach dem Eul-
wurfe von Köhler erbaute, antikisireude, das andere von
Kuntze entworfene französische Renaissance zeigt.
Unter den spateren Renaissance- Neubauten, ja unter deu
Neubauten Uannovcrs überhaupt verdient den unbestreitbaren
Vorrang der, wenn auch erat zum kleineren Theil vollendete
Umbau des Zentral - Bah nhofes. Das alte von Professor
Schwarz erbaute Bahnhofsgebäude, welches seiner Zeit den
Ruf eines Musterbaues hatte, geuüicte schon seit Langem den
Anforderungen nicht mehr, welche in Folge der Uberruschenden
Verkehrssteigeraugen der letzten Jahre an dasselbe gestellt
werden mussten, so dass endlich der Abbruch und Wiederauf-
bau desselben in bedeutend vergrösserten Verhältnissen nicht
länger aufzuschieben war. Das von Hitzig entworfene Neu-
bauprojekt besteht aus drei durch Arkaden und Pavillons mitein-
ander verbundenen Gebäudetheilcn — zwei Flügeln, von denen
der östliche, jetzt vollendete, l'J Feuster Strasseufront hat. oVr
westliche deren 17 erhalten wird, nnd einem Mittelbau. — Die
Gcsummtlänge der Str&sscnfrout wird nach der in Bd. XtHi
Heft 2 der Zeitschrift des Hauuov. Arch.- und Ing- Vereine
veröffentlichten Ansichtszeichnung ca. :iC0 m betragen.
Soweit sich nach dieser Zeichnung uud nach dem ferüteti
Flügelbau urtheilen lässt, werdeu die von Vielen gehegtea Er-
wartungen, dass durch dieseu Bahnhofsbau ein würdiges \or-
bild Tür den in Hannover in der Einführung begriffenen Re-
naissancestil geschaffen werde, getäuscht. Zwar verdient w
Anerkennung, dass man vom Putzbau abgesehen und sich iura
Ziegelrohbau mit .Sandsteingliedern entschlossen hat, aber«
Verhältnisse an diesem Klügelbau sind so unglücklich gewM".
die Detailliruug ist so nüchtern, dass man ein leobarte» e*
dauern über die hier beliebte Art, ein Muster der Kenaissaacr
aufzustellen, nicht unterdrücken kann. Die Folgen dieses Fehl-
griffes sind um so bedeutungsvoller, als es sich gerade in Hul-
uover darum handelte, für deu Stil, der voraussichtlich toa
für lauge Zeit der herrschende bleiben wird, auf einem Terrain
Fuss zu fassen, welches sich zum grössten Theile in den Wa-
den eiuer durch hervorragende Leistungen ausgezeichneten Schul-'
der mittelalterlichen Stile befindet; gerade hier wäre es w
Wichtigkeit gewesen, die Gleichberechtigung der Renaissance
mit der so lauge und so sorgsam gepflegten Gothik durch i nn
glänzendes Beispiel überzeugend darzulhun. — Der Mittelbau
ist in bessereu Verhältnissen entworfen, trotzdem wird es N
der Ausführung desselben eines reichlichen Aufwandes von be-
schick und gutem Geschmack bedürfen, um den ungünstig
Eindruck abzuschwächen, deu der Flügelbau so entschieden b'r
vorruft Am meisten missfallen an diesem letzteren die uu-
schönen Verhältnisse des Hauptportales und der Einfahrt, an«
die geringe Höhe der beiden unteren Geschosse, sowie der*:
Sockel. Das Gebäude besteht nämlich aus drei Geschossen, von
denen das obere in der Facado durch ein stark ausladende*
Gurtgesims von den unteren beiden, welche eine nicht unter
brochene Fluche bilden, getrennt wird; es würde vielleicht au-«-
S ereicht haben, wenu die unteren Geschosse zusammen " m
albes Meter höher angeordnet wären, für den Sockel wün>'
aber nahezu seine doppelte jetzige Höhe nöthig gewesen «■«•
Digitized by Googl :
— 381 —
ten, in Berichten, Anschlägen, Vertrags-Abschlüssen uud
Rechnungs-Revisionen. Der ihm vom Staate gewährte Ersatz
für mechanische Arhcitshülfc reicht durchaus nicht aus, das
erforderliche [Hilfspersonal besolden zu können, ganz abge-
sehen davon, dass es überhaupt schwer zu beschaffen ist.
Selbstverständlich muss der Eleve hier mit eintreten und
wird als Abschreiber, wie zum Ausrechnen der Anseblags-
ansätze gebraucht. — In den Sommermonaten wird ihm die
Gelegenheit gegeben, in die äussere Praxis des Dienstes einen
Einblick zu thun; er begleitet seiuen Meister auf die Bauten
und wird ausgeschickt, um diese oder jene kleine Aufnahme
zu machen oder Materialien abzunehmen, zuweilen wird ihm
in Ermangelung einer anderen Kraft sogar schon die Leitung
eines kleinen Baus anvertraut, bei dem der auf der Baustelle
spazieren stehende „Herr Bauführer" von dem Polier oder
Schachtmeister dann gewöhnlich auf s Gründlichste hinter-
gangen wird. —
Wir sind weit entfernt, den Baubeamten aus solcher,
ihnen von der Noth aufgezwungenen Beschäftigung ihrer
Eleven einen Vorwurf machen zn wollen. Erwächst ihner
doch hierbei nichts weniger als ein persönlicher Vortheil, son-
dern bei der Unznverlässigkeit, unter welcher diese ersten
technischen Versuche derselben zu leiden pflegen, viel eher
eine Last und Verantwortlichkeit, die sie nur ungern sich
aufbürden. Die für die Ausbildung der Eleven erzielten Re-
sultate können jedoch selbstverständlich nicht die erwünsch-
ten sein. Während sie materiell unzureichend sind, bringen
sie ideell eine ernste Gefahr mit sich.
Dass es mit der Vorbildung für die Anforderungen des
praktischen Dienstes nicht viel auf sich hat, ist wohl selbst-
redend. Dem Eleven sind die technischen Momente dessel-
ben noch viel zu fremd, als dass er aus einer Kenntnissnahme
der bezüglichen Berichte und Anschläge, oder aus einem Be-
suche der Baustellen bereits wirklichen Nutzen zn schöpfen
vermöchte, ganz abgesehen davon, dass dies möglicherweise
in einem Zweige des Baufaches geschieht, mit dem er spä-
terhin nie wieder in Berührung kommt. Es wird der nach
dieser Richtung erzielte Vortheil daher im Wesentlichen auf
eine Kenntniss der äusseren Formen amtlicher Thätigkeit,
des sogenannten Kominissdienstes hinauslaufen, deren Not-
wendigkeit und Nützlichkeit wir nicht bestreiten wollen, die
aber auch noch später sich erwerben lässt und in dieser
Periode mit dem Yersäiunniss anderer wichtigerer Erforder-
nisse gar zu theuer erkauft wird. Den meisten Eleven fehlt beim
Antritt des akademischen Studiums die hierfür erforder-
liche Eebung im Zeichnen. Leider dass dies nicht ein-
mol kontrollirt werden kann, das das zu liefernde Probeblatt
sich vermöge des dem Menschen eigenen Nachahmungstrie-
bs mit eiuiger Mühe auch wühl ohne eigentliche Zeichen-
fertigkeit herstellen lässt. Es is unseres Wissens auch noch
niemals vorgekommen, dass ein solches Probeblatt nicht für
genügend befunden wäre, wohl aWr ist es Thatsache, dass
den neu immatrikulirten Studirendcn des Baufaches zuweilen
die einfachsten mechanischen Hülfsmittel des Zeichnens un-
bekannt sind, ja dass es ihnen sogar noch an jeder techni-
schen Anschauungsweise fehlt. In dieser Beziehung pflegen
diejenigen Eleven am Besten, ja «heilweise sogar vortrefflich
vorgebildet zn sein, die ihre Lehrzeit nicht bei einem Kreis-
baubeamten, sondern in dem Atelier eines grosstädtischen
Privat-Architekten zugebracht haben, wo sie ausschliesslich
mit instruktiven Zeichenarbeiten beschäftigt und der oben
gerühmten Anleitung der älteren Ateliergenossen theilhaftig
geworden sind. Auch sie leiden indessen unter dem zweiten
Versfiumniss, das wir dem Eleven jähre zur Last legen, an
einer Unterbrechung der mathematischen Studien,
deren Nachtheil im Verlauf der späteren Studien und Prü-
fungen schwer genug sich geltend macht, von Vielen sogar
niemaU verwunden werden kann.
Fast noch schlimmer als diese Mängel erachten wir die
bereits angedeutete positive Gefahr, dass dem Eleven durch
die Beschäftigung und die scheinbaren Erfolge dieses Jahres
über das von ihm gewählte Fach eine Anschauung l>eigc-
bracht wird, die seine Ausbildung in ihrer Wurzel vergiftet.
Nach dem ersten, sein Selbstgefühl stark deprimirenden Ein-
tritte In dasselbe sieht er sich binnen verhältnismässig
kurzer Zeit, ohne dass es für ihn irgend welcher systema-
tischer Studien bedurft hätte, lediglich auf Grund der
durch die roheste Empirie gleichsam von selbst erlangten
Kenntnisse zu einer Menge von Geschäften gebraucht und
anscheinend auch branchbar. dje einen nicht unwesentlichen
Theil der Amtstätigkeit des Baubeamlen ausmachen. Muss
bei der allgemeinen Bildung, die er Itcsitxt, ein solcher
Scheinerfolg nicht urngekehrt eine Steigerung seines Selbst-
bewußtseins hervorbringen, die ihn die Schwierigkeit des
Fachs, die Notwendigkeit angestrengter systematischer Stu-
dien fürs ElttC völlig verkennen lässt 'i Wird ihm auf
.diese Weise nicht geradezu ein Dilettantismus impräg-
nirt, von dem er sich nicht wieder frei machen kann,
wenn er später auch znm Bewusstsein desselben gelangt? —
Wir halten dieses Moment allein schon für ernst genug,
um eine Beseitigung des Elevenjahrs in der bisherigen Form
fordern zu können, selbst wenn es bessere und genügende
um eine gute Wirkung des Ganzen zu erzielen. Au den
äusseren Enden wird die Facade durch je ein drei Fenster breites,
au de» Kcken gerädertes, mässig vortretendes Risalit abge-
schlossen. Dan obere Geschoss wird durch ciue Ordnung von
korinthischen Pilusteru und Doppclpilasteru geziert, deren Kapi-
tale durch einen abweichend von den übrigen Gliedern aus
rothbraun gefärbtem Zementstuck hergestellten Fries ver-
bunden werden. Portal uud Fenster sin« durchweg ruiidbogig,
doch ist in den Fenstern des oberen Geschosses, welche in Fe'
der grösseren Höhe desselben schlanker als
ordnet sind, dpr Bogenahsehluss mit einein Ornament in der
Weise ausgefüllt, dass die Fenster geraden Sturz haben. Das
Gebäude liegt nach allen vier Seiten, deren nördliche an den
Perron stösst, frei uud umscbliesat mit seinen vier Flügeln
einen ruässig grossen liof; in der nach dem jetzigen Direktions-
Gebäude zugewendeten östlichen Seite, wclene ebenso wie die
entgegengesetzte westliche eine der Hauptfaeade ähnliche An-
ordnung hat, liegt in der Mitte gleichfalls ein Portal, (was in-
des* der Westseite fehlt), doch ist dasselbe nicht wie in der
drei, sondern nur ungefähr 1'/, Gebäudeaxen breit,
im zweiten Geschoss auch nur ein sehr breites Fenster
darüber liegt; im dritten Geschoss ist indess nicht, wie es an
klassischen Bauten, z. B dem Palast Ruccellai in Florenz oder
dem Palast Pompeji zu Verona ohne Scheu geschehen, das zwi-
schen den mittleren Pfeilern liegende Feld gleichfalls verbrei-
tert, sondern die Felder sind sämmtlich gleich breit, so dass
die Fenster de* oberstuu Geschosses, mit Ausnahme der bei-
den äussersten, ausserhalb der Mittelaxen der darunter ge-
lesenen Fenster stehen. Hannover hat damit ein Seitenstück
Auf einer ca- anderthalb Meter hohen Sandsteinptinte er-
heben sich drei Geschosse, von denen das Erdgeschos-i ausser
dem an der Seite gelegenen Thnrwege noch 8 Fenster Front
hat, während die oberen beiden Geschosse 9 Fenster breit sind.
Sämuitliche Fenster haben gerade Abdeckungen, die des Erd-
geschosses Kousülenvcrdachungeu, welche, wie die Einfassungen,
Raupt- und Gurtgesimse, von Sundstein gefertigt sind.* Die
Fenster der beiden oberen Geschosse liegen iu ununterbroche-
ner Waudlläcbe, welche von dem uuteren Geschosse durch uin
üurtgesinis getrennt ist.
Das Gebäude trägt deu Charakter eleganter Einfachheit, der
zweifellos noch entschiedener zum Ausdruck gelangt sein würde,
wenn statt der rothen mit dunkelglasirten Streifen abwechseln-
den Ziegel gelbe oder chamoisfarbene gewählt worden wären ;
ebenso dürfte es von Vortheil für die Wirkung der Facade ge-
wesen sein, wenn die Fenstereinfassungen der oberen Geschosse
etwas breiter und das Gurt- und llauptgesims noch kräftigpr
profilirt wären. Der Mangel an starke Schatten gebenden Pro-
nliruugen fällt um so mehr auf, als das Bankgcbäude in einer
mit nicht eben
fgeuen Fenster
Fac«
Es würde
ubofsbaues, dessn
teu Deutschlands
zur Facade des Kricgsniinistcrial-Gebäudes in Berlin erhalten
der Bedeutung des Bah
projektirte Halle dereinst zu den grfissten
wird, durchaus angemessen sein, wenn die Ausstattung der
Architektur desselben diejenige Sorgfalt erfährt,
voraussichtlich anf die inneren Einriebtungen verwandt
i wird.
Nach dem Bahnhofsbau verdient von den Neubauten im
Renaissancestil das nach einem Entwürfe von .Jacobsthal
ausgeführte Bankgebäude zunächst Erwähnung. Es steht zu
dem ebenbesprochenen Bau in einem gewissen Gegensatze , in-
dem seine gleichfalls iu Ziegelrohbau und unter Verwendung
von Saudstein ausgeführte Facade iu echt Schinker»chcm Gcwtc
konzipirt ist.
LCll^ C 1^0 Q L- 1-1 -1 Eitlf^i- 1* Dt. It-l**.llttil3^ Ii t ^ t y
die richtige ästhetische Würdigung des
Gebäudes noch der Umstaud, dass sich in unmittelbarer Nabe
desselben mehre Wohnhäuser neueren Ursprungs befinden, unter
ihnen die Eingangs erwähnten zwei Renaissancegebäudc, welche
ebenso, wie nie im Stile der hannoverschen Schule erbauten
Nachbarhäuser, durch den lebensvollen Wechsel ihrer Gliede-
rungen und Gruppirungen einen Gegensatz zum Bankgebäude
bilden, der diesem nicht zum Vortheil ist-
Im Ganzen aber — es mag noch einmal hervorgehoben werden
— erfreut sich das Auge an den mit feiner Empfindung für das
Schrine angeordneten Verhältnissen und Formen dieser Facade
uud übersieht ihretwegen gern einzelne Mängel, mftgen die vom
Bildhauer misshandelten Adler und Löwou in den Sandstein-
füllungen der unteren Fensterbrüstuugen sogar die unwillkür-
liche Heiterkeit des Beschauers erregen.
Von den nicht öffentlichen Renaissancebauten sind vor
Allem die von Köhler entworfenen und ausgeführten Wohn-
häuser am Schiffgraben zu nennen. Die zuerst "'bauten und
zu einer Gruppe vereinigten zwei Däuser sind in der Zeitschrift
des Hannov. Arch - u. Ingen - Vereins veröffentlicht und in der
Deutschen Bauzeitung bereits besprochen worden; die später
errichteten Häuser sind zu einem Komplexe gruppirt. dem eine
sehr gefällige Wirkung nicht abzusprechen ist. Hi.. Mitte der
Digitized by GeTogle
— 382 —
materielle Resultate lieferte. Man möge erwägen, dass es
sich bei demselben um das Fuudamcut des Ausbildungs-
ganges der Uaubeaniten handelt, dessen Mangel den ganzen
Aufbau gefährden, dass demzufolge gerade in dieser Periode
die äusserst« Vorsicht beobachtet, diegrösste Garantie siche-
ren Erfolges erstrebt werden muss. Nichts Anderes, als die
Rücksicht auf diese hervorragende Bedeutung des Eleven-
jahres hat uns auch veranlasst, der Würdigung desselben
Die Villa March zu Charlotteaburg *)
Das Wohnhaus, welches sich Herr Kommerzien-Rntb
I'. March zu Charlottenburg neben der von ihm geleiteten
Thonwaareu-Fabrik erbaut hat. ist bereits vor einigen Jahren,
gelegentlich eines vom Berliner Architekten-Verein dahin
gerichteten Besuchs, Gegenstand der Besprechung in diesen
Blättern gewesen. Durch die freundliche Bereitwilligkeit
des Architekten, Herrn Baumeister Hense zu Berlin, sind
wir in der Lage, den interessanten Bau unseren Lesern nun*
mehr auch im Bilde vorführen zu können.
Eines erläuternden Eingehens auf die Grundriss-Anord-
nung der Villa wird es kaum bedürfen. Sie ist, wie in sol-
chen Fällen wohl immer, das Ergebniss individueller Wünsche
und Gewohnheiten der Hausbewohner, die in sich ihre Be-
rechtigung tragen, ob sie mit den Anschauungen Anderer
auch nicht ganz übereinstimmen. Die Oricntirung ist der
Lage des Grundstücks entsprechend so erfolgt, dass die nach
dem Garten geöffnete Hauptfront Mittags-, die der Fabrik
zugekehrte Eingangsfront Morgensonne bat. Das an der
Nordostecke vorgelegte Thürmchen, dessen Innen räum nicht
durch eine an dieser Stelle zwecklose Wendeltreppe •ausge-
füllt wird, sondern den betreffenden Stockwerken zugetheilt
ist. motivirt sich durch das in seinem Obertheil enthaltene,
von der Fabrik aus gespeiste Wasserreservoir, web/lies neben
dem Wasser für den wirthschaftlichcu Gebrauch solches
auch für die im Zentrum des Treppenhauses angeordnete,
von Pflanzengruppen umgebene Fontaine, sowie zur Bespren-
gung des Garten» liefert. Oberhalb dos Reservoirs ist ein
vom Boden aus zugängliches offenes Belvedere aufgesetzt,
dem die anmuthige Aussicht über die Gärten und Häuser
der Stadt und den Thiergarten hoffentlich noch recht lange
nicht durch benachbarte Mietiiskasernen enlzoueu wird.
Das architektonische Interesse an dem Bauwerk wird
sich vorzugsweise auf die künstlerische Ausbildung und die*
technische Herstellung desselben, und zwar in erster Linie
seiner Ftcaden richten.
Die Wahl des gMhisehen Stils ist zunächst wohl gleich-
F...dt i»i bereit« mit Kr. 4.3 ior»t»K«KMckt
falls aus der individuellen Neigung des Architekten, wie de?.
Bauherren hervorgegangen, von denen der letztere, sowohl
als der l>etheiligte Terrakotten-Techniker, wie auch in Folge
seines durch langjährige Beschäftigung mit der Kunst ge-
wonnenen selbstständigen Urtheils, auch an der Detail -Ge-
staltung des ganzen Baues einen grosseren Antheil genommen
hat. als sonst zu geschehen pflegt; sie war nebenher bedingt
durch den Wnnsch, ein möglichst reich und fein entwickeltes
Terrakotten-Detail anwenden zu können, ohne dabei zn un-
geschlachten Kastenformen und einer lediglich dekorativen
Scheinarchitektnr zu gelangen. Die Auffassung des Stils
lässt sich in Grundmotiven und Formen unschwer erkennen
als die der Berliner Schule zur Zeit der Führerschaft
Stüler's, dessen Atelier Hense durch lange Jahre als
einer der treuesten und bewährtesten Mitarlieiter des Meisters
angehört hat.
Es ist unsere Absicht nicht, an dieser Stelle in eine
eigentliche Kritik des Werkes einzugehen, die durch die un-
vermeidliche Wiederanregnng der Frage über die ästhetische
Stellung und Bedeutung des Terraknttenbaues zn längeren
Erörterungen führen müsste, welche bei der hoffentlich nicht
für immer ausgesetzten, nochmaligen selbstständigen Behand-
lung derselben besser am Platze sein werden. Von der An-
schauung, dass der Charakter der Terrakotta zu den Formen
und der Technik des Backsteinbaus iu Beziehung zu setzen
sei. ist in der Villa March jedenfalls Nichts zu finden; sie
tritt bei ihr mit Entschiedenheit als ein durch die Eigen-
schaften grösserer Wetterbeständigkeit und grösserer Billig-
keit motivirter Ersatz für den Hanstcin, in dem Firstkamm
sogar als Ersatz für den Metallguss ein, während sie an
Feinheit einzelner Details den Kampf mit Holzschnitzerei
herauszufordern scheint.
Wir wollen über diese Auffassung, die nach unserer per-
sönlichen Meinung ästhetisch nicht berechtigt, weil i&tbetisch
unfruchtbar ist, hier um so weniger rechten, als hei der
Detaillirung des Baues augenscheinlich nicht sowohl das Be-
streben vorgewaltet hat, bestimmte künstlerische Prinzipien
zum Ausdruck zu bringen, als vielmehr der sehr entschuld-
Gruppe wird vou 4 Häusern gebildet, von denen 3 zu einer sym-
metrischen Fahnde vereinet sind: zu Ireideu Seiten wird diese
mittlere Partie, welche schon seit längerer Zeit fertig ist uud
bewohnt wird, von einem, resp. mehren noch im Bau begriffeueu
Bioaeni flankirt, wodurch ein hütischer Abschluss der gauzeu
Anlage erreicht werden wird. Die auch Iiier entschiedene An-
näherung au die Antike anstrebenden l'enaissanccformcn sind
in ansprechenderer Weise augewandt, als hei den Häusern der
zuerst erwähnten Gruppe.
Gleichfalls am Schiffgraben, aber am entgegengesetzten Kode
desselben, steht eiu vor Kurzem fertig gewordener Kenaksaucc-
buu nach einem Entwürfe eines jüngeren hiesigen Architekten,
welcher in seiner Komposition mehrfache Anklänge an die neuere
I läu.-crgruppe von Köhler zr-igt, sich aber weiter als diese von
der Antike entfernt.
In der Priuzeustrasse hat der Direktor der llaunov. Bau-
gcsellschaft, Architekt W all brech t, vier zu einer Gruppe ver-
einigte Gebäude von bedeutendem Umfange erbaut, deren rucade
/.war nur in schmuckloser Renaissance auftritt, welche aber doch
erwähnt zu werden verdienen, weil das Bestreben, möglichst,
echte Materialien zu verwenden, einen, wenn auch noch beschei-
denen Ausdruck findet, indem das Erdgeschoss mit einer Sand-
steiuquaderung verkleidet ist, während die oberen Geschosse in
gleicher Weise wie die vorerwähnten Privatbauten nur Saudstein-
gliederungen mit geputzten Wandflächcu zeigen. Noch entschie-
dener tritt dieses Bestreben iu dem gleichfalls von der Bau-
ge-ellschaft. nach einem Entwürfe von Brockmauu in Ausfüh-
rung genommenen Ban eines Gebäudes für die Provinzial-Dia-
kontö-Gesellsehaft auf. Das Gebäude liegt iu der Gcurgstrasse,
ilem Hoftheatcr gegenüber, und ist in der Ausführung bis zum
Beginn des zweiten Stockes vorgeschritten; die gesammte Faeade
wird mit Sandstein verblendet, und es liisst sich aus einzelnen
Zügen der bis jetzt fertigen 2 Geschosse, wie z. B. der Anord-
nung des Sockels mit origineller Losung der Kellcrfcnstereiiifaa-
sungeu, der Stützung des Gebälkes über den Portaleu durch
jonische Säulen u. m. a. erkennen, dass eine reiche Ausstattung
der "•'•\;a r !; beabsichtigt wird.
Der Vollständigkeit wegen mögen als Renaissancebauten
hier noch der Anbau au das Vergnügungs - Etablissement Tivoli
und das dicht dabei am Schiffgraben gelegene Wohnhaus des
Direktors desselben erwähnt werden. —
w f u 'i^lreicher als die genannten Renaissancebauten sind
diejenigen Bauten vertreten, welche, uud zwar
beinahe ausnahmslos im Ziegelrohbau, in den mittelalterlichen
Stilformen ausgeführt sind. In unvermischter Reinheit ist in-
dess nur der gothische Stil an einigen wenigen Gebäuden in
Auwenduug gekommen, die Mehrzahl der Neubauten zeigt eine
im Ganzen ansprechende Verbindung von gothischeu un<f roma-
nischen Stilelementen , unter vorzugsweiser Verwendung des
Flachbogens und sonstiger für die Neuzeit charakteristischer
Architektur- und namentlich Ornament-Formen. Von den öffent-
lichen Bauten sind zu nennen: Der östliche Flügel des Zellen-
gefängnisses, welcher ebenso wie der Hauptbau vom Land bau
Kondukteur-Schustcr entworfen und ausgeführt ist, ferner das
Kasernement der reitenden Artillerie am Welfenplatze, das nach
einem auf der früheren Garnison-Bau-Direktion gefertigten Ent-
würfe gebaut ist und sich durch seine geschmackvolle Faeade
auszeichnet- Endlich noch eine städtische Schule in der Hildes
heimerstrasse, welche, wie die Inschrift eines über dem Eingange
befindlichen Medaillons besagt, von ßaurath Droste erbaut ist
und durch die grellen Töne der zur Facaden Verblendung ver-
wendeten rothen und gelben Ziegelsteine auffällt.
Die Zahl der Privatbauten ist so gross, dass dieselben nur
strassenweise aufgezählt werden können. Es sind vor allem zu
nennen: Die Königs-, Wein-, Adelheid
auch dürfen zwei am südlichen
Nähe des Lyzeums aufgeführte
Leistungen der neuereu hannoverschen Schule gehörend,
unerwähnt bleiben.
Aus der Summe dieser Aufzählungen ergiebt Bich wohl zur
Genüge, bis zu welchem Umfange die Bauthätigkeit Hannovers,
soweit sie den Hochbau betrifft, in diesem Jahre gediehen ist.
Es wird das Bild der gesammteu Bauthätigkeit vervollständi-
gen, wenn noch angeführt wird, dass Hannover in diesem Jahre
eine Pferdeeisenbahn erhalten hat, deren ausgedehnte Betriebs-
Etablissements beim Dorfe Döhren liegen, dass ferner behufs
Anschluss der Geleise der Hannover- Altenbekener Bahn an die
Staatsbahn Ucberführungen von bedeutender Länge und zum
TheM innerhalb der Stadt liegend haben errichtet werden müs-
sen, und dass eine neue massive Leinebrücke im !_
ist, welche die beiden Theile der nach grosstädtischem
neuprojektirten Goethestrasse verbinden wird.
Aueinuiu-, unu iniersanensirassc :
en Ende des Schiffgrabens in der
rte Neubauten, als zu den besten
uoverschen Schule gehörend, nicht
Digitized by Google
- 383 —
bare Wunsch des Bauherrn mitgewirkt haben dürft«, die in
der That eminente Leistungsfähigkeit seiner Fabrik an einein
glänzenden Beispiele zur Sehau stellen zu können.
Wenn wir in unserer früheren Besprechung sowohl in
der Feinheit und Zartheit, wie im Reichthurae des Details
das richtige Maas» überschritten zu sehen glaubten, und vor- I
zngsweise hieraus ableiteten, dass das Gebäude nicht ganz
den Findruck eines aus einem Gusse enstandenen organischen !
Ganzen macht, so scheuen wir uns nicht zu bekennen, dass
wir hei abermaliger Betrachtung de» Hauses in neuerer Zeit
diese Ansicht nicht aufrecht erhalten konnten. Viel mag '
dazu beitragen, dass der farbige Kindruck desselben seither ein j
wesentlich anderer geworden ist, indem der Regen nnd vor
Allen» der ans der Fabrik herübergewehte Russ in das kalte,
blasse und monotone Gelb der Facaden etwas Leben und
Abwechselung gebracht hat. Der schwächste Theil, welcher |
platten, mit denen die Mündungen der Ventilationskanäle
in der Faeade geschlossen sind, haben, je nachdem sie frische
Luft zuleiten oder schlechte Luft abfuhren, eine verschiedene
Gestalt und zwar die einer Lerche, beziehungsweise die einer
Fledermaus erhalten. In den stehenden Figürchen der Facade
sind die Männer geehrt, denen der Aufschwung der Knnst-
thätigkeit in Preussen, der in seinen Folgen auch den Auf-
schwung der Marrh'ftchcn Fabrik hervorgebracht hat, zu
danken ist: Schlüter, Schinkel und Stüler, Schadow und
Rauch als Künstler. Reuth als Förderer der Industrie. Die
Konsolfigurcn an den Einrahmungen der grossen Fenster des
Obergeschosses sollen das Andenken an die Techniker er-
halten, die am Bau des Hauses mitgewirkt haben; neben
dem Architekten Hense und dem Bildhauer Professor Albert
Wolff, der alle Figuren und figürlichen Reliefs modellirt
hat, sind die Brüder March als Terrakottisten, der Maurer
Villa ^Iarch in Pharlottenburg.
für den nicht wohl abzuleugnenden Missklang in der an-
ninthigen Gesammterscheinnng vorzugsweise verantwortlich
sein möchte, ist — wie schon damals hervorgehoben wurde
— jedenfalls der schwere Giebelaufbau «her dem zurück-
tretenden Mittelbau der Gartenfront, dessen Verhältnisse und
Details sowohl zu dem rein dekorativen Charakter desselben,
wie zu denen des übrigen Baues, vor Allem der unteren
Vorhalle, in hartem Widerspruche stehen.
Von der liebenswürdigsten Seite zeigt sich der Sinn
des Bauherrn und das Talent des Künstlers in den Details
der reichen Dekoration mit figürlichem und ornamentalem
Schmucke. Hier ist nirgends eine konventionelle Schablone
von Pflanzenwerk und beliebigem .Menschenklein'' für ge-
nügend erachtet worden; jede rigur, jedes Relief, jedes Wap-
pen hat für sich seine sinnige Beziehung und ordnet sich
e!-»r Gesammtidee unter, sogar die durchbrochenen Thon-
und Zimmerer, der Tischler und Schlosser im Abbilde ver-
ewigt. An passenden Stellen sind Tafeln mit deutschen
Kernsprüchen eingefügt.
In ähnlicher Weise ist das Innere stilgemäss durchge-
führt. Der grössere Saal und das Treppenhaus haben echte
Holzdecken, die Treppe ein Geländer, Saal und Vestibül
Kamine von Terrakotta erhalten. Reiches Holzschnitzwerk,
Bilder in den Superporten. ein Glasbild an der Schmalseite
des Saals, sowie als Krönung des Brunnens inmitten des
zentralen Treppenhauses die Thonfigur Emst Marchs, des
verstorbenen|Vaters des Bauherrn und Gründers der Fabrik,
mögen erwähnt werden. Wohlthuend berührt es, dasB bei
aller Mannigfaltigkeit die Ausstattung doch nirgends ver-
schwenderisch nnd prunkend, vielmehr durchweg einfach,
stellenweise sogar etwas schlicht ist. Zur Erwärmung der
Innenräume dient eine Niederdruck-Wasser-Heizung.
Digitized by Google
— 384 —
An der Westseite de« Hauses, im Friese des zuin Da
menziromer gehörigen Erkers steht der alte Denksprach:
Havtn i't eine l.utt — aber trau t» kutt — hat Mancher
nit grwuttt.
— Herr .March verhehlt es nicht, dass es ihm selbst nicht Kosten wohl auf mindc
anders ergangen ist und dass der zum Schluss ermittelte gen sein.
Preis von 80000 Thlr, worunter etwa 20 000 Thlr. für die
aus seiner eigenen Fabrik bezogenen Terrakotten, seine Ab-
sichten und Erwartungen ubertroffeu hat; nach den heutigen
Arheita- und Materialpreisen dürften die entsprechenden
100 000 Thlr. zu veranschla-
- F. -
lebrr Gewölbe aas bussmnrtri. deren Festigkeit, Kosten und Ihr Verhaltes, verglichen mit (iewölbei m Ttr «fisteln? n,
In der Zeitschrift für Bauwesen, Jahrgaug 1857, trat ich ge-
legentlich der Beschreibung de» Scheuueiibaus in Kuiwenzuinos-
ten einer kurz zuvor in jener Zeitschrift vertretenen Anschauung,
dass Gewfilbekonstruktioncn, wie solche diu Kbmer l>ei ihren
Kauten mehrfach mit Hülfe ihres ausgezeichneten Mörtels aus-
geführt, bei uns zu Lande uicht möglich seien, weil unser Mörtel
schwinde, entgegen, — Den Beweis für die Kichtigkeit meiner
Behauptung, dass wir ebenfalls mit uusern Materialien allmälig
erhärtende Massen, welche uicht schwinden, und somit ähnliehe
Konstruktionen wie die Kömer herstellen könnten, suchte ich
durch Mittheiluugen über Ausführung einer Anzahl Gewölbe zu
bringen, welche von breiigen Massen unmittelbar gegen loth-
rechtc Wandflächen ausgeführt waren. Dieselben waren in den
Seiten 2,5— 3 m lang, und bei der Art ihrer Ausführung gegen
lothrechte Winde oder Gurttoigen würde, wäre ein erhebliches
Schwinden bei Erhärtung der Masse eingetreten, ihr Bestehen
eine Unmöglichkeit sein. — Seit jener Zeit sind von anderer
Seite, so z. B. aus Württemberg, iu dieser Zeitung andere Beweise
dafür, dass wir heut zu Tagu Mörtel, welcher nicht schwindet,
darstellen köuneu, erbracht, indem es ohne einen solchen nicht
denkbar ist, dass man das Dach eines Gebäudes — und wate dies
auch uur ein kleines Bahnwärtcrwohuhaus, wie das von Dötting«
im Jahrgaug 1870 mitgetheilte — von einer weichen, allniählig er-
härtenden Mörtelmischung herstellen kann.
Ich würde auf diese Angelegenheit nicht zurückkommen,
fände nicht m. E. ein in der oisher noch nicht genügend be-
kannten Sache an und für sich ungerechtfertigtes Misstrauen
gegen diese Baukonstruktion statt, welches deren Ausführung
zum Theil sehr erschwert, zum Theil von ihrer Anwendung
ganz abhält, während sie häutig genug vor Zicgelgcwölbcu deu
Vorzug verdienen möchte. Ich will kurz die Vorzüge, welche
den Gewölben aus Gussmörtel zukommen, erwähnen, uud hier-
bei deu Anfang mit denjenigen Eigenschaften machen, welche
vom theoretischen Staudpunkt aus sie anderen Gewölben, welche
von einer grösseren oder geringeren Menge fester Materialien
durch Bindemittel zusammengefügt werden, gegenüber als be-
vorzugt erscheinen lassen, um aus der Wirklichkeit nachher
den Beweis zu briugen, ob diese die Kichtigkeit der Theorie be-
stätigt. —
Da ein Gewölbe ein System sieb gegenseitig stützender
Körper ist, so ist die Gefahr, dieses System der Forderung des
Begriffs nicht entsprechend zu verwirklichen, offenbar eine um
so grössere, aus je mehr einzelnen Theilen dieses System durch
Menscheuhäude, und somit auch durch menschliche,- Aufmerk-
samkeit oder Nachlässigkeit, zusammengesetzt werden muss. —
Ein Mangel an gehöriger Külluug der Fugen mit Mörtel, wie er
z. B. bei der Verwendung kleiner Ziegel iu irgend welchem
Maass« eintritt, verhindert das vollständige gegenseitige Stützeu
der einzelnen Theile des Systems oft in sehr bedeutender Weise,
uud je mehr Fugen, um so grösser die Gefahr, dass der Theorie
die Wirklichkeit nicht Genüge leiste- Diese Gefahr hört
auf, wenn das Gewölbe aus einem einzigen Körper gebildet
wird.
Ferner: Die Vollkommenheit des Gewölbes bedingt ein
eichartiges Material in allen seinen Theilen. — Stein und Mör-
I sind aber nicht gleichartig, uud die grössere Festigkeit des
einen von beiden kömmt dem anderu uicht oder uur zum Theil
zu gut. Für Gussmörtelgewölbe tritt dagegen die Bedingung
ebensowohl, dass das Gewölbe aus einem einzigen Stein besteht,
als dass derselbe gleichartige Festigkeit hat, in
Vollkommenheit ein.
Aus der Theorie ergiebt sich ferner, dass Richtung und
Lage der Fugen gleichgültig ist. — Für alle Gewölbe aus ein-
zelnen festen Körpern ist dieselbe aber keineswegs gleichgültig,
sie muss vielmehr mit grösster Notwendigkeit eine ganz be-
stimmte sein, wenn die Festigkeit des Gewölbes nicht ganz er-
heblich leiden soll. Für Gussgewölbe wird dio theoretische For-
derung wahr, und es entspringt daraus für die Ausführung ein
sehr wesentlicher Vortheil, indem mancherlei mühsame, Zeit und
Kosten heischende Arbeit, welche Ziegelgewölbe an ihren Ge-
wölbeanfängen durch ihre Verbindung mit den Maueru bez.
Gurten bedingen, fortfallen.
Nächst diesen aus der Theorie herstammenden Vorzügen
ist anzuführen, was bei der Theuerung menschlicher und na-
mentlich maurerischer Arboit nicht wenig in Betracht zu ziehen
ist, dass Maschinenarbeit uud Handlangerarbeit, oder bei klei-
neren Bauausführungen Pferdearbeit an Stelle der Maschinenar-
beit beziehendlich Handlangerarbeit, ganz allein zur Ausführung
der Gussgewölbe ausreicht, die Kunstfertigkeit des Maurers gauz
überflüssig wird, dass endlich die Materialien zum Gussgewölbe
ir Ken i'ul
und dass
endlich ein Putz
den aus dem Vorigen entstehenden Vortheil bisweilen noch er-
heblich mehre
wendig wird.
Gewölbekappen von "».fi.V" Seite im Quadrat ausgeführt, be-
stätigen bis heut, dass eiu Schwinden des Materials nicht ein-
tritt, uud der nachstehend angeführi« Fall einer Beobachtung
Blendung der Maurerarbeiten sind
grosser und, wie aus Obigem her-
des Verhaltens von Gewölben aus Gussmörtel und solcher vou
Ziegelstein Bcheint den Beweis dafür zu liefern, dass die Voll-
kommenheiten, welcher jene nach der Theorie fähig, ihnen auch
in Wirklichkeit eigen sind. Die Druckfestigkeit von Ziegelstein-
material soll pro \~]* m 1* und bei besseren Meinen uud Zement-
mörtel 14 k nach üblichen, bcziehendlich polizeilichen Vorschrif-
ten sein. — Bei einem Gebäude, bei welchem die Stärken der
Gewölbe mit 150', d. i. mit 8,7.^ pro □'«• sowohl für Zle
steiu- als für Koukretgewölbc bestimmt uud die Gurte iu
geln, die Kappen iu Konkret beabsichtigt waren, schien es wegen
des äusserst langsamen Fortschritts der gewöhnlichen Maurer-
arbeiten rathlich, einen Ersatz für fehlende Maurerkrfifte zu er-
langen, weshalb ich die Ausführung der Gurte ebenfalls in Guss-
mörtel anempfahl. Nach Vi
die Senkungen ganz gleich
vorgeht, mit gleichen Scheitelstärken hergestellter Gurte gemes-
sen worden, und sind mir, wie folgt, tnitgetheilt:
Lichte Weite = 4,-10'»: beabsichtigter Pfeil = 0,60'».
Pfeilhöhe des Zicgolgurtbogeus 0,'>4 also Senkung Cm«.
, Koukretbogcus 0,.V.>. r i, n> also Senkung .">■"».
In Betreff der Gewölbekappeu von Gussmörtel ist eine vou
2 bis .'>■» ermittelte Senkung vou dem Beobachter mit der Be-
merkung begleitet worden, dass die geringfügigen, tatsächlich
eigentlich gar uicht zu benennenden Senkungen kaum festzu-
stellen oder als unvermeidliche Messungsfehler zu betrachten
seien. Als Ergebnis* dieser Beobachtung dürfte deshalb wohl
mit Kecht zu bezeichnen sein:
„Diu Druckfestigkeit tür Gewölbe aus Gussmatcrial darf mit
Sicherheit für ca. »n pro □* m angenommen werden. — •
Die Mischung der Giissmasse war 1 Theil Portland-Zemcnt,
6 Theile Zusatz an Sand, Kies und Steiustücken jeder Art. Von
diesen loseu Massen ist etwa 17 Prozent mehr erforderlich, al»
Mauerwerk entsteht, oder rund pro kb ra Gussmauerwerk:
140' Portlaudzemeut, 840' Kies, 1-20' Steinbrocken oder dergleichen
= zusammen 120O 1 . bei welcher letzteren Rechnung 20} Packmi-
terial der Abruuduug halber uud der Auskömmlichkeit wegen
gerechnet sind.
Sind die Materialien in brauchbarem Zustande vorhaorfea,
so fertigt eiu gewöhnlicher Arbeiter, • der Mischung, Transport
der Materialien und Anfertigung des Gussgewölbes auszuführen
hat, durchschnittlich pro Tag 2 bis an 1 "*) Aufstellung der Lehr-
gerüste, so wie Zubereitung des Materials, also etwaige Zerklei-
nerung der Steiiibrockeu, Saud- oder Kieswäsche, ist hierin nicht
einbegriffen, da diese Arbeiteu je nach Verhältnissen verschie-
dene sind. Die Billigkeit der Konstruktion, bezieheudlich ihr
Kosten verhältuiss zu Ziegelgewölben lässt sich nach diesen Ba-
ten feststellen und dürfte sich wohl in den meisten Fällen zu
Gunsten der Giissgewölbe ergeben. Da sie auch, wie aus Obi-
gem hervorgeht, über eine grosse Zahl der aus Ziegeln herge-
stellten Gewölbe iu Betreff der Tragfähigkeit den Vorzug ver-
dienen dürften, so werden sie einer zuuehmeudeu Verbreitung
sich erfreuen. —
Nicht ausser Acht zu lassun ist, worauf ich bereits bei Ge-
legenheit der in No. 32 mitgetheilteu Brückeukoustruktion hin-
wies, die Tauglichkeit des Zements zu prüfen, denn bei einer,
angeblich von der Firma „Charles Sharf A Colin*, wie vermuthet
wird, jedoch von einem Zwischenhändler gefälschten Zemcntli' 1 -
ferung erwies sich der Gussmörtel für vorstehende Zwecke un-
tauglich, und hatte nach 14 Tagen und länger noch nicht die
erforderliche Härte.
Die Senkung eines Gewölbes ist nur Folge eutweder der
unvollkommenen Ausführung, oder der Elastizität des Wölben»-
terials, oder aber des Nachgeben» der Widerlager. Letztere
waren in dem vorangeführten Falle des Vergleichs von mit ver-
schiedenen Wölbcmaterialicn ausgeführten Bögen ganz dieselben,
und die vou Gussmaterial ausgeführten Gewölbe beweisen, da»
in ihrer Konstruktion die Ursache der Senkung nicht liegen
kann. — Es bleibt also nur zu Gunsten der Gussmörtelgewölb«
die Annahme übrig, dass ihre Ausführung die sorgsamere Er-
füllung der the oretischen Forderungen ermöglicht, oder dass da'
Gussmaterial eine grössere Festigkeit erlangt hat, als das Ge-
wölbematerial, welches für die Ausführung in Ziegelstein gewählt
wurde (wobei ich bemerke, dass ein Kalkzcmentmörtel verwen-
det wurde), oder dass sowohl erstere als letztere Ursache vereint
den Vorzug der Gussmörtelgewölbe begründen und rechtfertigen
Noch darf zu ihrer Empfehlung angeführt werden, dass w
eine* vor Regen schützenden Daches nicht bedürfen, und das«
sie daher mit dem Aufbau der Stockwerke gleichzeitig ausge-
führt, die Bauausführung in verschiedener Beziehung erleich-
tern und fördern. —
Berlin. 26. Oktober 1872 Der Kreisbaumeistcr a. D.
E- H. Hoffmann.
•) |)io (inwülbr, Ton nVr«n Ail,f«hr«nK in OMgem dt« Red«, haben J« n»-
Ihrer Welte, i'feilhßer und der eerwhledetwn Belflatauft ein« zwischen M"
.1l>tra rwhledeoc SrheileUtirlte. und den enUprechend rer«ehled««w QcvöltK
nc ArlKliM«. I.t d.hcr eine mllüer«.
Digitized by Google
- 385 -
16. No-
174 Mitglieder
de« Herrn
veniber 1872; Vorsitzender Hr. Köder,
und 14 Gäste. •
Die Versammlung beginnt mit ein
Seydel über die Anwendung von Pumpen iura baggern, spe-
ziell über die nach diesem Prinzip durch den Vortragenden
konstruirten BaggerRchiffe. Unsere Leser werden eine selbet-
stäiuiige Mittheilung hierüber erhalten.
Herr Bchwatlo legt zwei Modelle der von der Kaiserlichen
Postverwaltung zur Anbringung an den Thürcu der Wohnungen
empfohlenen Briefkasten vor Es wurde in einem vor einigen
Wochen den Privaten eingehandigten Zirkular Seitens der Post-
verwaltung auch hervorgehoben, das» die Architekten beim
Neu- oder Umbau von WohngebSuden auf zweck massige An-
bringung solcher Briefkasten Bedacht nehmen mochten, worauf
Herr Schwatlo nochmals aufmerksam macht. Die vorgelegten
Modelle scheinen jedoch durchaus noch nicht allen Ansprüchen
zu genügen. Für grössere Briefe in Form eines gebrochenen
Bogens Schreibpapier, sowie auch mit Rücksicht auf die Mehr-
zahl der hierorts erscheinenden Zeitungen sind sie zu klein ;
um eine Ucberzeugung zu gewinnen, oo sie Briefe enthalten
oder leer sind, dürfte es sich auch mehr empfehlen ein Draht-
netz von etwas grosserem Flächeninhalt, als die unterhalb ein-
geschnittenen Löcher anzubringen. — Die Frage, ob die Brief-
träger verpflichtet seien, das Hineinwerfen von Briefen in den
Kasten durch Anziehen der Wohnungsglocke bemerklich zu
machen, konnte nicht mit Bestimmtheit beantwortet werden.
Herr Blankenstein spricht sodann Uber den neuerdings
in Berlin und I maegeud und speziell in Kummelsburg zur Aus-
führung von Wohnhäusern in Anwendung gekommenen Zement-
Pise-Bau. Von den Besitzern der Lehmann'schen Wollcnwaaren-
und Teppich-Fabrik werden daselbst Häuser für Arbeiter- Fa-
milien gebaut, welche zunächst miethsweise, allmälig durch Ab-
zahlung als Eigenthum an die Inwohner abgegeben werden
sollen.
Alle Winde werden hierbei aus Zement und Schlacken mit
Sandzusatz zwischen Lehren von Eisenblechtafcln hergestellt
Wo Schlacken fehlen, kann man Kalksteinkothen oder geschla-
gene Lesesteine verwenden; kurz die Mass« der Wände ist ein
Beton und wird ähnlich wie dieser in Kasten gemengt.
Die Mischungsverhältnisse sind: 1 Tbcil Zement, 2 Tbeile
Sand nnd 7 Theile Schlacken. Bei Anwendung von Steineu
kann der Sandzusatz etwas grösser sein: der Genalt an Zement
wird jedoch immer zu Vi« der Masse angenommen. Gestampft
er Beton nicht, sondern einfach mit der Schippe iu
von 0,60 bis 0,66™ Höhe eingefüllt und
Er erhärtet in 24 Stunden, so dass mit dem Wegnehmen der
Lehren und dem Weiteraufbau schnell vorgegangen werden kann.
Man hat derartige Wohnhäuser in 3 Monaten in allen Theilen
fertig zum Bewohnen hergestellt
' Die Festigkeit der Mauern soll nach deu angestellten Frü-
hen gross sein; aus solcher ßetoumasse hergestellte Gewölbe
haben bedeutende Belastungen ausgeholten, ohne das« der auf
der Gewölbelaibuug aufgetragene Putz Risse gezeigt hätte.
Treppen sind daraus noch nicht hergestellt. Deu Umfassungs-
mauern wird eine Stärke von O/iM™, den Balken tragenden
Scheidemaueru von 0,225°, den übrigen Scheidemauern von
0,150'» den Gewölben eine Stärke von 0,100" gegeben.
Die Auffüllung der Mauern erfolgt zwischen Lehren von
Holz oder Eisen. Letzteres ist unbedingt zu empfehlen, weuu
eine grössere Anzahl von Häusern gebaut werden soll, in Rummcls-
burg wendet man Eisenblechtafeln von 0,66"» Höhe an, welche
an den Rändern und dazwischen in 0,30 bis 0,40m Entfernuug
mit I Eisen versteift werden. Die Längen der Tafeln sind je
nach der Länge der herzustellenden Mauern verschieden; die
grössteu sind 3,30°' laug. Zur Aufstellung dieser Tafeln die-
nen r*1 förmige eiserne Ständer; durch Schienen, welche quer
über zwei sich gegenüberstehende Ständer mit eisernen Stiften
befestigt werden, wird die Entfernung derselben, entsprechend
einer gewünschten Mauerdicke normirt. Die Rand-Winkcleiscu
der Blechtafeln werden mit deu Flauscheu der Ständer ver-
schraubt und hierdurch Kasten gebildet, in welche die Beton-
masse eingefüllt wird. Die Flanschen der Ständer enthalten
auch Reihen von Luchem, an denen eiserne Konsolen für Rüst-
bretter, 0,80» auskragend, mittels Stiften befestigt werden. Für
das Auasparen der Rauchrohre, der Fenster und Thüren wer-
den Lehren von Eisenblech resp. Holz verwendet, die später
entfernt werden.
Die Familienhäuser in Rummelsburg werden mit Holzge-
Bimsen versehen, innen und aussen mit Kalk geputzt und er-
halten ein Pappdach. Die Ersparniss im Rohbau solcher HSuxer
sull 50; gegen die aus Ziegelmaterial betragen.
Nach einigen Erörterungen über die Festigkeit und Sicher-
heit der Piscbautcu im Allgemeinen und der beschriebenen
im Besonderen, für welche bestimmte Zahlenangaben nicht vor-
liegen, folgen noch Fragebeantwortungen ohne allgemeineres
Interesse.
Zum Schlüsse wird Seitens der Herausgeber der Deutschen
Bauzeitung das erste Exemplar des Deutscheu Baukaieuders
für 1873 dem Verein überreicht und die Ausgabe desselben
nebst der Beigabe im Buchhandel binnen etwa einer Woche in
Aussicht gestellt. S.
Vermischtes.
Bas Tarheosaete r.
In No. 45 dieses Blattes findet sieb eine Kritik des Tacheo-
meters, welche auf irrigen Voraussetzungen beruht. Hätte der
Herr Verfasser seine .Erkundigungen" aus der zuverlässigeren
Quelle des ausführlichen von Porro selbst gegebenen, in den
Anna!-* da p,mts et ehauuee» 18','J. J. *eme>tre enthaltenen Jfe
mnire tur de nnm-eaul iuitrumenU et pracedes de grmUtie, de ni.
cellrmenl ei itarpeniaye- ergänzt, so würde er gefunden haben,
dass die ursprünglich vou Porro mit dem Namen „Tachcometer"
bezeichneten Instrumente von den gewöhnlichen Universalinstru-
menten sehr verschieden sind, und dass insbesondere der Por-
ro'sche Diatanzmesser zwar ebenfalls, wie der Keichenbach'sche
und Krtel'sche, ein Fadendistanzmesser, aber in seiner Wirkungs-
weise ein wesentlich anderer ist, als jene.
Nennt man nach Porro denjenigen Punkt, von welchem aus
die Distanzen gerechnet werden müssen, wenn sie den von dem
Fadenkreuz bezeichneten Lattenabschnitten direkt proportional
sein sollen, den analytischen Punkt, so liegt der letztere bei
dem gewöhnlichen Reichenbach'scheu oder Ertel'schen Distanz-
messer in dem vorderen Brenupuukt des Objektivs. Um die
auf das Rotationszentrum des Instruments bezogenen Entfer-
nungen zu erhalten, hat man daher entweder zu jeder abgele-
senen Entfernuug noch die konstante Distanz des analytischen
Punktes, hier also des vorderen Objektiv -Brunnpunktes vom
Zentrum des Instruments, hinzu zu addiren, oder man kann
auch nach Reichenbach die Theilung der Latte so einrichten,
dass man sofort die auf dos Zentrum des Instruments bezogenen
Entfernungen abliest, in welchem Falle der eine Faden des
Fadenkreuzes stets auf den Nullpunkt der Latte gerichtet wer-
den muss, während im ersteren Falle jeder beliebige Punkt der-
selben zur Ablesung benutzt werden kann, so dass letztere auch
dann noch ausführbar bleibt, wenn nur ein kleiner Theil der
Latte zwischen Baumzweigen oder anderen Hindernissen hin-
durch sichtbar ist Der Ertel'sche Distanzmesser hat bekannt-
lich zwischen Objektiv und Okular noch eine Kollektivlinse,
wodurch erreicht wird, dass die Entfernung der beidun Horizon-
talfadeu kleiner sein kann, als bei dem Reichenbach'schen Dis-
tanzmesser, während im Uebrigen die Wirkungsweise beider
dieselbe ist
Porro hat nun zwischen Objektiv- und Kollektivliuse noch
eine vierte Linse eingeschaltet, welche die auf sie fallenden,
vom Objektiv kommenden Lichtstrahlen parallel zur Fernrohr
achse bis zur Kollektivliuse
Fadenkreuz zwischen diese
weitersendet; ferner bat er das
Linse und die Kollektivliuse
gestellt und das Fernrohr so mit dem Instrument verbunden,
dass der für dieso Linsen - Kombination sich ergebende analy-
tische Punkt in das Zentrum des Instruments fällt Der zwi-
schen der neu eingefügten und der Kollektivlinee gelegene Theil
des Fernrohrs, in welchem die Lichtstrahlen parallel zur Achse
des letzteren sind, kann beliebig verlängert oder verkürzt, auch
in demselben das Fadenkreuz beliebig in der Richtung der op-
tischen Achse verschoben werden, ohne dass dadurch an der
Wirkungsweise deB Ganzen etwas geändert wird. Okular, Kol-
lektivlinse und Fadenkreuz Bind gemeinschaftlich gegen das
Objektiv, sowie ausserdem das Fadenkruuz für sich gegen dos
Okular verschiebbar, während die neu eingefügte Linse eiue
konstante Entfernung vom Objektiv hat Die Vorzüge des Porro*-
sehen Distanzmessers bestehen somit darin, dass die Lattenab-
schnitte direkt proportional sind den auf das Zentrum des In-
struments bezogenen Entfernungen, und dass dies konataute
VerhältnUs zwischen Lattenabechnitt und Entfernung durch
die von der Grösse der Distanz und der Sehkraft des Beobach-
ters abhängige Länge des Okularauszuges und Stellung des Fa-
denkreuzes gegen das Okular nicht geändert wird. Der in
No. 45 dieses Blattes dem Porro'schen Distanzmesser gemachte
Vorwurf der l'ngenauigkeit entbehrt mithin der Begründung ;
dass derselbe im Gegentheil einer recht grossen Genauigkeit
fähig ist, wenn man nur dem Fernrohr eine recht starke Ver-
größerung uud ein besonderes Okular für jeden der Horizontal-
ffidcu gibt, geht aus dem Eingangs erwähnten „Memoire etc.- zur
Genüge hervor.
Die Porro'schen Instrumente , welche noch mehre andere
eigenthümlicbe und höchst sinnreiche Einrichtungen zeigen,
scheinen trotz de» grossen Lobes, welches eine vom französi-
schen Minister der öffentlichen Arbeiten mit ihrer Prüfung be-
auftragte Kommission denselben gezollt hat, keine weitere Ver-
breitung gefunden zu haben, weil sie für eiueu dauernden Ge-
brauch iu Wind uud Wetter zu subtil waren. Später hat Moiuot
die Vorzüge des Porro'schen Tacheometers, soweit dieselben bei
Eisenbahn- Vermessungen von wesentlichem Nutzen sind, auf den
gewöhnlichen Theodolitheu zu übertragen gesucht, nnd auf die-
sen niodifizirten Theodolithen ist dann auch der Name „Tacheo-
meter* übergegangen. Derselbe unterscheidet sich von den
gewöhnlichen Theodolithen und Uuiversaliustrumeuten haupt-
sächlich dadurch, dass das Fernrohr den Porro'schen Distanz-
messer enthält und eine sehr starke Vcrgrösserung hat, dass
zur Kontrolle der Horizoutalwinkelmessuug uud zur Orieuti-
rung des Instruments nach jedesmaliger Aufstellung eiue Bous-
sole angebracht ist, dass zwei Libellen, eine feste uud eine be-
wegliche auf dem Fernruhr sitzende und mit diesem sich
Digitized by Google
drehende, vorbanden und dass die Kreistheilungeu nach dem
Zentesimalsysteni eingerichtet siud, wodurch nicht nur die Ab-
lesung rascher und sicherer erfolgt, sondern auch namentlich
die Erledigung aller erforderlichen Rechnungen mittel» eines
zu dickem Zweck besonder» konstruirten grösseren Rechen-
schiebers sehr erleichtert wird. Auch zeigt der Nonius des Ver-
tikalkreisea bei horizontaler Stellung de* Fernrohres nicht 0',
sondern 10Ü«, indem der Winkel, welchen die Richtung der
Visur mit der im Zentrum des Instrument* errichteten Verti-
kalen bildet, gemessen wird. Wegen des Naheren hierüber er-
laube ich mir, auf deu in der Zeitschrift des Architekten- und
lugeuieur- Vereins zu Hannover, JaLrguug 1871, enthaltenen Auf-
satz über .die Aufnahme des Terrains mit dem Distanzmesser
bei Eisenbahn- Vorarbeiten, insbesondere die Methode von Moinot*
uud auf die daselbst angegebenen Quellen zu verweisen. Diese
Moinot'scbe Methode der Aufnahme mittels des Tacheometers
ist bei nur einigermaassen koupirteni Terrain nach meiner Er-
fahrung die rascheste und sicherste bei hinreichender Genauig-
keit, und darum die rationellste, und wird, abgesehen von der
Photographie, welche vielleicht berufeu ist, noch mehr zu
leisten, nur bei generellen Vorarbeiten und wenn wegen des
Vorhandenseins guter Katasterkarten die Situationsaufnahme
in Wegfall kommen kann, durch die Methode der Hohenmessung
mittels Aneroiden übertroffen. — Dass es sich in dem in Nu. 4.»
d. Bl. erwähnten, aus der Berliner Börsenzcituug entnommenen
Passus nur um eine Reklame, nicht um den wahren Werth des
Tacheometers handelt, liegt auf der Hand. Trotzdem ist die
Behauptung, dass die Anwendung desselben von Einfluss auf die
Hohe der Baukosten sei, nicht ungerecht fertigt, indem mit kei-
nem anderen Instrument in der disponibelen , gewöhnlich sehr
kurz bemessenen Zeit ein so zuverlässiger und dctaillirter
Schicbtenttlan, dessen Anfertigung als Grundbedingung für die
Ausmittelung der bezüglich Bau- und Betriebskosten vortheil-
haftesten Bahnlinie zu uetrachten ist, hergestellt werden kann-
Nur zu diesem Zweck dient übrigens das Tucheoinetcr; ist die
definitiv ausgemittelte Linie aus dem Schichtenplau auf das
Terrain übertragen, so erfolgen Stutioniruug. Nivellement und
(Juerprouisaufnahm« in der üblichen Weise, wie auch Moinot in
der Einleitung »eines Werkes: „Lere* de Plans a la Studio"
angiebt.
Diu Fabrikanten der Tachuometer liefern auch kleinere und
billigere Instrumente, bei welchen die Boussole. die feste Libelle,
das Sichcrheitsfurnrohr und die Repetitionseiurichtung des Tacheo-
meters weggelassen und der Ponro'scbe Distanzmesser durch
den Erter»cuen ersetzt ist, welche demnach nichts Anderes als
gewöhnliche Universalinstrumente sind und nicht mehr als
Tacbeonieter bezeichnet werden konuen, da sie diesem an Leis-
tungsfähigkeit ganz bedeutend nachstehen. Man kann dieselben
indes« doch manchmal bei kleineren Aufnahmen in dur in
No. 45 d. Bl. beschriebenen Weise mit Vortheil benutzen, denn
der daselbst beispielsweise berechnete Fehler von 0.367» stellt
auf dem Papier, wenn man es etwa mit der Herstellung eine*
Schichtenplanes im Maasstabe von 1:5000 zu thun hat, nur die
nicht mehr messbare Lange von 0,073 ■n"' dar uud darf bei den
uach der Polarmethode aufgenommenen Detailpunkten um so
mehr vernachlässigt werden, als er sich nicht fortpflanzen oder
mit anderen Fehlern summiren kann. — Es scheint, als ob bei
der dem Herrn Referenten in voriger Nummer d. Bl. auf seine
Erkundigungen gewordenen Auskunft ein derartiges Uuiversal-
iustrumeut mit einem Tacheometer verwechselt worden sei.
Der Anschaffungspreis des Tacheometers ist allerdings ein
ziemlich hoher: E. Richer, 15 Rue de la Ccrisaie, pres la Bas-
tille, Paris, berechnet für die grössere Sorte incl. aller llülfs-
upparate und Verpackung ruud 300 Thlr. Es ist indes» zu be-
rücksichtigen, dass dagegen ein Theodolith oder Universalin-
strument und wenigstens ein bis zwei Nivellirinstrumente ent-
behrlich und die Ausgaben für Arbeitslöhne und Fruchtent-
schädiguugen nicht unbedeutend ermässigt werden.
In Oesterreich bat die Moiuot'sche Metbode und das Tacheo-
meter Anwendung gefunden, bevor Hofrath Nördlinger. der die-
selbe übrigens im Jahrgang 1865 der Zeitschrift des Architckteu-
und Ingenieur-Vereins zu Hannover warm empföhlet! hat. dort-
bin berufen war. Zu Anfang des Jahres 1870 mit Eisenbahn-
Vorarbeiten in Böhmen beschäftigt, habe ich, nachdem auf niei-
uen Vorschlag mein damaliger Chef, Herr Oberingenieur F. Rziha
in Prag, bereitwilligst seine Genehmigung ertheflt, im Auftrage
desselben ein Tacheometer von Richer in Paris bezogen, welches
nebst einem kleineren damit aufgenommenen Schichtenplan in
der im Herbst 1870 veranstalteten Ausstellung des Architekten-
und Ingenieur-Vereins in Prag zu sehen war. Die mit diesem
Instrument bei deu Aufnahmen für die Linien Prag-Dux und
Bilin- Aussig erzielten Resultate waren so günstig, dass noch
mehre Instrumente bestellt wurden; der Bezug derselben
wurde jedoch durch den inzwischen ausgebrochenen Krieg ver-
eitelt. Ob vordem schon eine Anwendung des Tacheometers in
Deutschland oder Oesterreich stattgefunden hat, ist mir nicht
Berlin, den IL November 1872.
C. Heuser.
Gleichzeitig ging uns von anderer Seite nachstehende, den-
en Gegenstand betreffende Aeusserung zu:
Ohne deu Ausführungen die ein Referent in No. 45 d. Bl.
dem Tacheometer widmete, zu nahe treten zu wollen, glaube
ich doch dieses Instrument, von einem Gründer iu etwas ko-
mischer Weise zur Reklame benutzt, der Beachtung der Kol-
legen empfehlen zu kOnneu.
Praktisch mit dem Porro' sehen Distanzmesser noch unbe-
kannt, war ich bei den Vorarbeiten zur Moselbahn in die Noth-
weudigkeit versetzt, eineifgewöhnliehen Theodoliten zur Distanz-
mcasuitg einzurichten und mir selbst ein Aufnahme - Verfahren
auszubilden, welches selbstverständlich mit dem von Porro zu-
erst angegebenen uud von Moinot beschriebenen fast identisch
ist (l.ere t Je Plann ä la Stadta par Moinnt, Perigvevx
Auf diese Erfahrungen gestützt, kann ich die Aufnahme
mit dem Tacheometer, weun auch nicht wunderbar, doch über-
aus praktisch iieuucu. Dieses Instrument setzt den aufnehmen-
den Ingenieur iu den Stand, von einer beliebigen Aufstellung
aus alle Puukte, auf denen eine Latte aufgestellt werden kann,
in Bezug auf Horizontal - uud Vertikal - Projektion festzulegen.
Die zu erreichende Genauigkeit ist für den Zweck der gene-
rellen Vorarbeiten vollkommen genügend, die Schnelligkeit der
Aufnahme-Arbeit im Freien übertrifft die joder anderen Methode
uud die Sicherheit in deu Resultaten ist durch den Ausfall der
durch unzuverlässige Gehülfen auszuführenden Zwischenarbeiten
erheblich gesteigert. Dass für die speziellen Vorarbeiten
andere Methoden, iu Anwendung gebracht werden müssen, ist
selbstverständlich, wird auch von Moinot in seiner Vorrede ein-
geräumt
Der Sehl usB jenes Reklame -Artikels berührt absichtslos
einen wunden Punkt unserer Praxis bei Eisenbahn - Vorarbeiten.
In koupirteni Terrain, welches mit Eisenbahnen zu durch-
schneiden eine Hauptaufgabe der gegenwärtigen Technik ist,
sind zuverlässige, weit ausgedehnte Horizontalkurvenkarten
besser, als der unfehlbare Blick eines berühmten Technikers.
Diese Karten kosten alter sehr viel Geld, Zeit und Mühe. IBre
Anfertigung lässt sich nicht gut im Voraus übersehen und da-
her auch nicht pro laufd. Kilometer in Akkord übernehmen.
Für diese Arbeiten ist aber das Tacheometer ein ausgezeich-
netes Instrument und somit allerdings von hervorragendem
Einfluss auf die Höhe der Baukosten und — wie wir hinzufügen
können — der späteren Betriebskosten.
Coblenz, den 10. November 1872. Meydenbauer
Haumeister.
Personal - Nachrichten.
Deutsches Reich.
Ernauut: Der kgl. bayr. Ingenieur-Assistent Paraquin
zum Eisenbahn-Baumeister bei den Reichs-Eiseubahnen in Elsa-ss-
Lothringeu in Saargemünd.
Die Baumeister-Prüfung haben am 13. und 16. Norem-
l»er er. abgelegt: Carl Ueiurich Friedrich Theodor Freyseaus
Essen. Heinrich Sc h äffer aus Spandau.
Die frühere Pri vat-Baumeister-Prüfung hat am lt.,
12., 13. und 16. November er. abgulegt: Beruhard Buch aus
Münster.
Die Bauführer-Prüfung haben am IL, 12. und 13. No-
vember er. abgelegt und bestanden: Heinrich Bens aus Elber-
feld. Richard Günther aus Unruhstadt Friedrich Wilhelm
Ernst Mau aus Stralsund.
Brief- und Fragekasten.
nrn. E. B. in Düsseldorf. Ein neueres Werk, das Anlei-
tung zu Eisenbahn- Vorarbeiten giebt, ist u. W. nicht erschienen.
Wir verweisen Sic auf das bekannte Handbuch Ueusinger
von Waldegg's sowie auf deu auch im Separatabdruck erschie-
nenen Aufsatz Ferdinand Hoff mann 's im Jahrg. 70 der Wie-
ner Allgem. Bauzeitung, empfehlen Ihnen jedoch auch die An-
leitungen zum Traciren der Eisenbahnen von Hevne (Wien, er-
scheint gegenwärtig in neuer Auflage) und Heider'(Lcipzig 1860).
Hrn. Sch. in Paderborn. Dass Preussische Baumeister
vor Kurzem 2 Jahre nach bestandener Prüfung eine Aufforde-
rung zur Annahme einer festen Anstellung als König!. Kreis-
resp. Wasserbaumeister erhalten haben sollen, während die bei
Eiaenbahnbauten beschäftigten Baumeister für längere Zeit prin-
zipiell übergangen werden sollen, bezweifeln wir ganz entschie-
den. Es findet das umgekehrte Verhältnis* statt, da fortwährend
neue Eisenbahn-Baumeisterstellen kreirt werden, während die
Besetzung der Stellen in der Pro\inzial- Verwaltung erst nach
Erledigung von solchen erfolgen kann. Daas die im vorigen
Jahre vom Abgeordnetenhaus« bewilligten neuen °
an Baumeister bereits zur Vertheiluug gelangt
wen, ist uns nicht bekannt
Hrn. F.G. in Berlin. Herzlichen Dank für Ihren Zuspruch.
Wir führen unsem Kampf lediglich im Interesse der Sache, un-
beirrt durch die unvermeidlichen Antipathien — doch ist es
uns eine willkommene Stärkung in demselben, uns auch von ho
warmer Sympathie begleitet zu wissen.
Hrn. M. H. in Berlin. Der in Berliner Architekteukreiseu
beliebteste Lehrer des landschaftlichen Aquarellirens ist neben
Professor Biermann der Maler von Keller, Ritterstrasse 52c.
Auch die Maler Dressler, Ritterstrasse 60 und Henuicke,
Skalitzerstr. 3, ertheilcn unsere» Wissens derartigen Unterricht.
Hrn. W. in Frankfurt. Die Berliner Börse ist im Jahr-
gang 64 der Zeitschrift für Bauwesen publizirt Wir bitten um
Nachricht', ob Sie iu Ihrer Anfrage diese oder in Folge
Schreibfehlers die im Jahrgang 1871
lichte Bremer Börse meinen.
tou C.rl Bi.lili in
'•n O.brid.r ruk«rtla 1
Digitized by Go<
Jahrg. Tl.
DEUTSCHE BAUZEITUNG
B#tlio, Oruiriulram III.
B«»t.Uunf«n
ubctMkn.0 4lle PnUmUltrn
Organ des Verbandes
deutscher Architekten - und Ingenieur-Vereine.
Redakteur X. B. 0. Frit«ch.
In« ritt
fiir 6\* l*mt tf.r dp
ÜfturcHunr finden Aufn4Mm'
In il« erath-artlMe:
IN s»r. pt.
frei» I Tbalcr pro Quartal.
Berlin, den 80. November 1872.
Inhult: Du
nun, »y.m u, ftmafc« isra. - i
iK.tmil.t Flowi|ii»T(.ri>Iil«', — Miltheil
tu It. t Ii». — Vtrnl.cktt*: Vcbrr i
reine«: AirJilt*kle.l-Ver»ln
n«»er WoWimn*. — !
HtttjiMMiaaK — K»»k«rrcn
i.l <u ilfitl Anxlx« «1». Ol
liu.uliVirf. - W«iwiiU«li«W<iii«.n. - MoMU AuffalMii
Vorrlu iu lUrlln. — e«r«i>n»IN«eliri«he..« »I«.
Hof* >"
Das Preussische
(Port,
Die för jeden Aspiranten des Preußischen Staats, -Bau-
dienstes obligatorische Forin des theoretischen Fach-
studiums ist seit dem Jahre 18o'8 der dreijährige Besuch
einer höheren technischen Lehranstalt. Wie die Ahsolvirung
des Elovenjahres die normale Vorbedingung für die Aufnahme
in dasjenige Uuterriehts-Iustitut bildet, welches vorzugsweise
zur Ausbildung der Staatsbaubeamtan dienen soll, so ist
dieses dreijährige, iu seineu Details naher geregelte Studium
Vorbedingung für die Zulassung zur ersten der bautechnischen
Staats-Prüfungen, der Ba uffih rer-Prü fung.
Es handelt sich in Betreff dieses Theils des Ausbildungs-
ganges zuniiehst um eine Prinzipienfrage. Der Knf nach
einer .Trennung der Fächer* ist in den letzten Jahren
eine so allgemein beliebte und geläufige Parole geworden,
dass man die radikale Durchführung dieser Maassregel mit
einer radikalen Heilung sämintlicher Gebrechen des Preussi-
schen Staatsbnnwescns nicht selten für gleichbedeutend hält.
Leider liegt die Sache nicht ganz so leicht und einfach. So
sehr wir vielleicht selbst zur Popularität jener Forderung
beigetragen haben, so vermögen wir der Ansicht, dass eine
Tr-mmmg der Fächer schon vom Anbeginn des akademischen
Studiums geboten sei, doch keineswegs beizupflichten.
Sie hat eine unbestreitbare Bedeutung für das freie
Studium Ton Architekten oder Ingenieuren, dessen ideales
Ziel es ist, dem Schüler die höchste Ausbildung in dem
Iwtreffenden Fach/.weige zu geben, die er nach seiner Indi-
vidualität überhaupt zu erringen vermag; es ' unterliegt wohl
keinem Zweifel, dass Form und Methode des Unterrichts für
jeden der beiden Fälle verschieden sein müssen, wenn er
sachlich auch zum Theil dieselben Gegenstände betrifft. Hier-
von kann hei einem obligatorischen Ausbildnngsgange
für Beamte, dessen Ziel nach unseren einleitenden Erörte-
rungen lediglich eine für Jeden erreichbare Durch-
schnittsbildung ist, nicht wohl die Rede sein. Wir geben
sogar gern zu, dass es für das Interesse der Verwaltung vor-
teilhaft ist, wenn diese minimale Durchschnittsbildung der
Baubeamten, wie sie für die Funktionen des gewöhnlichen
Dienstes genügt, sich auf beide Zweige des Bauwesens er-
streckt, dass es daher zweckmässig erscheint, ein entspre-
chendes theoretisches Studium für den Gesammtumfang
des Faches vorzuschreil>en. — Wenn es lebhaft zu wün-
schen und bei einer gesunden Organisation des Ausbildnngs-
ganges mit Sicherheit anzunehmen ist, dass Viele der an-
gehenden Baubeamten sich mit diesem Durchschnitte nicht
begnügen, sondern aus eigenem Antriebe und gemäss ihrer
eigenartigen Begabung in einer der beiden Fachrichtungen
weit über ihn hinausgehen werden, so kann die Forderung
einer prinzipiellen Theilung der Anfangsstudien hieraus doch
um so weniger abgeleitet werden, als es bei den Meisten,
die ohne ausgesprochenen Beruf und ohne jede technische
Vorbildung in das Fach eingetreten sind, erst im späteren
Verlaufe der Studien sich herausstellt, ob ihre Begabung
sie vorzugsweise auf einen und welchen der Zweige des-
selben hinweist.
Ein Anderes ist es freilich mit der Art und Weise, wie
nach seinem prinzipiellen Grundgedanken berechtigte
akademische Fachstudium thatsächlich ins Werk gesetzt wird.
Es haben sich in dieser Beziehung Misstände eingeschlichen
und behauptet, die den Erfolg desselben leider schwer beein-
trächtigen mÜRsen, so dass der angestrebte und anzustrebende
Zweck wohl nur in der Minderzahl der Fälle wirklich er-
reicht wird.
Man wird es als keinen Mangel unserer Arbeit,
SUutM-Baun
als eiue durch die Sachlage bedingte Notwendigkeit an-
sehen, wenn wir bei einer Besprechung dieser Nothstände
ausschliesslich die Berliner Bau-Akademie in's Auge fassen.
Die Verhältnisse der polytechnischen Schulen zu Hannover
und Aachen, geschweige denn der zu Carlsruhe, und die spe-
ziellen Bedingungen, welche sich auf ihnen für das akade-
mische Studium der Aspiranten des Prenssischen Staatsbau-
fachs ergeben, sind uns nicht vertraut genug, um sie in un-
sere Kritik mit hereinziehen zu können. Ihre Stellung zu
den in Betracht kommenden Fragen, soweit sie nicht aus den
allgemeinen Vorschriften von selbst sich ergiebt und dem-
nach mit den Berliner Verhältnissen identisch sein muss.
ist auch viel zu neu, die Anzahl der von ihnen ausgebilde-
ten Preussischen Bauführer im Vergleich mit der ungeheuren
l'eberzahl der in der Hauptstadt Studirenden zu geringfügig,
als dass sie bis jetzt einen Einfluss hätten ausüben können:
viel eher ist anzunehmen, dass der Einfluss der Zustände
und Einrichtungen an der Berliner Buuakademie auf jene
Schulen bereits eine Wirkung geäussert hat und im Verlaufe
der Jahre noch eingreifender äussern wird. Ebenso wird man
es bei der Bedeutung dieser für die Ausbildung des Preussi-
schen Baubeamtcn fast ausschliesslich bestimmten und fast
ausschliesslich benutzten Anstalt entschuldigen, wenn wir
uns an die durch unser Thema bedingte Grenze nicht, allzu
streng binden, sondern neben den Zuständen der allgemeinen
Studien-Einrichtungen in Kürze auch einige Fragen ihrer
Detail-Organisation besprechen. Abgesehen davon, dass dies
in Anbetracht der beabsicht igten Aenderung dieser Organi-
sation von Interesse sein dürfte, ist ja die Blüthe, beziehungs-
weise ein Verfall der Bau-Akademie mit dem Wohl und
Wehe des gesammten Preussischen Staats-Bauwesens so innig
verwachsen, dass wir uns trotzalledem von der Sache nicht
weit entfernen werden.
Wir haben hierbei vor Alleiu eine Pflicht der Gerech-
tigkeit zu erfüllen. Bei allen Angriffen auf die Einrichtun-
gen und Leistungen des Preussischen Staats-Banwesens, die
in der Presse oder von der Tribüne des Abgeordnetenhauses
herab laut geworden sind, hat in erster Linie stets die Bau-
Akademie herhalten müssen; sie ist der Prügelknabe ge-
wesen, den man für die meisten der gerügten Mängel ver-
antwortlich gemacht, auf den man die volle Schaale des Zornes
ergossen hat. Sachlich ist ein grosser Theil jener Vorwürfe
berechtigt gewesen. Die öffentliche Meinung hat jedoch das
Bedürfniss, jedem sachlichen Mangel auch eine persönliche
Schuld zu suhstituiren, und konnte in diesem Falle kaum
anders verfahren, als jene Verantwortlichkeit zunächst auf
den Direktor nnd die Lehrer der Bau-Akademie zu beziehen.
Beiden, vor Allem aber den Letzteren, ist damit bitteres
Unrecht geschehen, da man nicht wissen konnte, wie be-
schränkt der ihnen zugewiesene Wirkungskreis, wie gering-
fügig der Einfluss ist, den sie trotz Aufwendung ihrer besten
Kraft auf die Geschicke und Erfolge des Instituts auszuüben
vermögen. Wenn sie trotzalledem ein Vorwurf trifft, so ist
es zunächst der, dass sie mit der für den Preussischen
Beamtenstand so charakteristischen Resignation sich fort-
dauernd dazu hergegeben haben, ihre Kraft an Aufgaben zu
setzen, deren Aussichtslosigkeit, ja Unmöglichkeit für sie
nicht zweifelhaft sein durfte, dass sie geduldig ausharrten
iu einer Stellung, in der sie so wenig wirken konnten, —
mit einem Worte — dass ihnen die Energie des Protestirens.
erforderlichen Falls des .Strikcns* gefehlt hat!
Es würde um die Bauakademie, wie um den ganzen
Ausbildungsgang der Preussischen Baubeamten vermutbluh
Digitized by Google
- 388
anders stehen, wenn dieselbe nicht eine todte Maschine,
sondern ein sclbstständiger, lebendiger Organismus w5re,
wenn man die Lehrer nicht Mos als Arbeiter behandelt
hätte, die für ein bestimmtes Honorar ein bestimmtes ihnen
zugewiesenes Unterrichls Pensum zu leisten haben, sondern
wenn ihnen Gelegenheit gegeben worden \\;'ire. ihre Einsieht
und Erfahrungen auch iu der Mitwirkung au dem Plane der
Arlteit und an der Feststellung ihres Erfolges zu verwerthen
und zu erweitern. Wir würden vielleicht weniger zahlreiche
Experimente, aber jedenfalls grössere Erfolge zu verzeichnen
haben.
Statt dessen ruht nicht allein der geistige Schwerpunkt,
sondern auch die eigentliche Leitung der Anstalt in einer
ihr fremden Körperschaft, der Technischen Baudepula-
tiou. Das durch die Zustände des Jahres Iii»'.» bedingte
Verhältnis« hat sich ohne alle Modifikation bis auf die so
wesentlich anders geartete Gegenwart übertragen. Jene Be-
hünle bildet dem Namen nach das Kuratorium, in Wirklich-
keit aber das Direktorium der Akademie; denn das als
solche fungirendo kleine Kollegium ist nichts anderes als
eine Sub-Kommission der technischen Kau -Deputation, wel-
cher das ständige Dezernat in dieser Angelegenheit und die
Leitung der bedeutungslosen Aeusserlichkeiton übertragen
worden ist, während die Entscheidung in allen wesentlichen
Tunkten dem Plenum vorbehalten bleibt. Es sei fern von
uns daran zn zweifeln, dass eine Körperschaft, wie die tech-
nische llaudcputation, der so viele der bewährtesten Fach-
männer Preussens angehören, in ihren bezüglichen lierathun-
gen und Beschlüssen nicht die vollste Gewissenhaftigkeit und
Sorgfalt aufbietet — es sei fern von uns zu leugnen, das«
eine kontrolli reude Bcthciligung ausführender Techniker
und erfahrener Beamten nothwendig ist, um dafür zu bür-
gen, dass ein Unterrichts-Institut wie die Bauakademie ihrer
Bestimmung getreu bleibt. Aber die Verhältnisse sind eben
von jeher stärker als die Menschen gewesen und die Gren-
zen einer berechtigten Kontrolle sind in dieser Beziehung
durchaus nicht eingehalten worden. Vor Allern ist eine
vielköpfige Körperschaft, iu der das Gefühl der Verantwort-
lichkeit und die Initiative des Einzelnen sich abschwächen
niuss, überhaupt nicht zur fördersainen Leitung eines zu le-
bendiger Fortentwicklung bestimmten Instituts geeignet.
Die Vereinigung der Leitung und der Kontrolle in einem
und demselben Zentrum niuss ferner unter allen Umständen
eine gewiss»», der Anregung entbehrende Einseitigkeit hervor-
bringen, die der Entwicklung neuer fruchtbarer Ideen un-
möglich günstig sein kann. Endlich aber — und »lies ist
das Entscheidende- — heisst es dein doktrinären Experimen-
tiren auf dem Felde des Unterrichts Thür nnd Thor öffnen,
wenn die Organisation desselben so ausschliesslich der Be-
stimmung von Persönlichkeiten anheimgegeben ist, die bis
auf wenige Ausnahmen den Unterrichts-Verhältnissen völlig
fern stehen und von jeher ferngestanden haben. Welchen
Einfluss dies auf die von den Mitgliedern der technischen
Baudeputation abgehaltenen Prüfungen und demzufolge rück-
wirkend auf den Unterricht an der Bau -Akademie ausübt,
werden wir noch zn erörtern Veranlassung nehmen; wir
möchten als eine Thatsache jüngeren Datums, welche das
geistige Verhältniss der Lehrer zn dem Institute chanikteri-
sirt, hier nur noch anführen, dass die organische Verände-
rung desselben im Jahre lSCH durchgeführt worden ist, ohne
dass jenen Gelegenheit geboten worden wäre, ihn» Ansicht
über dieselbe zu Süssem.
Bei einer so unwürdigen Stellung und einer im Verhält-
niss zu der sonstigeu Werthschätzung hervorragender tech-
nischer Leistungen ganz ungenügenden Besoldung der Lehrer,
bei der im Vergleich zu ähnlichen Anstalten ärmlichen üo-
tirung der Akademie, die neuerdings nicht aus der Iniative
der Staatsregiemng. sondern aus der des Abgeordneten-
hauses eine Verbesserung erfahren soll, kann es nicht Wunder
nehmen, wenn die Besetzung der Lehrstellen zu wiin-
scheu lässt. Nicht als ob unter den Dozenten nicht hervor-
ragende Künstler und Techniker vorhanden wären. die
nach ihren Kenntnissen und ihrem Lehrberufe jeder Anstalt
zur Zierde gereichen könnten, aber die unselige, durch Tra-
dition festgestellte Kegel ist es, dass eine Lehrthätigkeit au
der Berliner Bau- Akademie nur als ein Nebenamt an-
genommen nnd ausgeübt wird. Selbst unter den 10 Männern,
die (bei eiuer Frequenz von s<k> Studirenden!) als ordent-
liche Lehrer an der Anstalt beamtet sind. Badet nur die
Minderzahl den Schwerpunkt ihrer Lebens -Thätigkeit in
dein Unterrichte an der Bau-Akademie, die U ehrigen gehören
nebenbei noch einer Behörde oder einer anderen Lehraustalt
an. die sie in mindestens gleicher Weise in Anspruch nimmt,
oder sie verwenden den Haupttheil ihrer Krall als Privat -
Architeklcn. Bei den i.'i ausserordentlichen Lehren), die auf
gegenseitige »(monatliche Kündigung engagirt sind und die
zum Theil nur iu einem der beiden Semester, oder doch i:i
einem derselben nur als Privatdozenten wirken, ist dies
selhsUcrständlich ganz ausnahmslos in eiuer odtir der anderen
Weise der Kall, ebenso bei den für den Zeichen-Unterricht
angenommenen Hülfslehreni. meist jüngeren Baumeistern,
denen ihre diätarische Beschäftigung bei einer Behörde die
erforderliche Müsse lässt, um sich des kleinen Nebenver-
dienstes zu erfreuen. Wie ist es möglich zn erwarten, dass
unter solchen Verhältnissen selbst die besten Kräfte das
leisten und wirken können, was sie leisten und wirken
würden, falls sie mit ganzer Seele ihrem Lehrberufe sich
hingäben? Wie soll es alter auch möglich sein, unter allen
Umständen alle Lehrämter mit Persönlichkeiten zu lx-
setzen, die zn Lehrern an sich und speziell zn Lehrern des
betreffenden Unterrichtszweiges berufen sind? Wird doch
eine solche Lehrthätigkeit zuweilen seiner oktrovirt. wie <s
vorgekommen ist, dass sie lediglh h ein Semester hindan-Ji
bis zur Erlangung des Professor- Titels ausgeübt worden ist.
während auf Persönlichkeiten, die zu Hülfslehrerstellen nur
entfernt geeignet erscheinen, direkt gefahndet wird! Dass
von eiuer Berufung von Lehrern, die sich anderweit be-
reits als solche bewährt haben, hiernach keine Rede sein
kann, ist wohl selbstverständlich, zumal denselben in den
meisten Fällen der für einen Lehrer der Bauwissenschaften
in der Akademie unentbehrliche Nimbus der bestandenen
Prüfung als Prcussiseher Baumeister*) fehlen würde. Es
ist allerdings vorgekommen, dass Baubeatnte unter dein
vorwiegenden Gesichtspunkte, sie als Lehrer an der Bau-
Akademie verwenden zu können, nach Berlin berufen wor-
den sind, im Allgemeinen gilt jedoch der Usns. dass die
Ol« mit dm I*b*n«rhi<'kul«i Willwlm ltl»r'l Vw<r»ul«.|i w»rd«a ilrt
<l*r M»»«-iwln *rii>nrni. «hurh die ili«.rr — bereit« itiuiitra »einfr fn.<-h-i-t
und trfoUrelthnlen LehrUiäiiirkrit geiwuntrn wurdt. «Ick ilrr Formalität einei
üMrUriuhrbHi HrüfungvK<.lla.|iiiuaM tu unu-i urifo». Uta AonVuning dürft» b**u
«««•Ii krln- •»«.•iillii-h »tul«rr tin.
Die Stirnflatk ran 13. \ mbn 187t
Die Sturmfluth, von welcher unsere Ostsecküst« am 13. No-
vember dieses Jahres heimgesucht wurde, hat in ihren grausi-
gen Verheerungen so manche Gelegenheit zu interessanten tech-
nischen Beobachtungen dargeboten, die der Aufzeichnung uud
Mittheilung wohl Werth wären. Solches anzuregen ist der we-
sentlichste Zweck nachstehender Zeilen, in denen der Verfasser
einige auf der Reise nach Rostock und Warnemünde gesammelte
flüchtige Notizen zusammenstellt.
Die Warn«« wird von Rostock an ein breiter und tiefer
Küstenfluss, der sich vor seiner Mündung zu einem kleinen Haff,
dem Breitling erweitert, das durch Dünen von der Ostsee ge-
schieden ist; die Mündung seihst ist durch vorgelegte Molen,
deren westliche die kleine hölzerne Leuchtbake trug, vor dem
Versanden geschützt. — Um 9 Uhr Morgens war die Warnow
bei Rostock aus ihren Ufern getreten und hutte, da das Bohl-
werk mit dem Kai überHuthct war. zu Vormehtsmassrcgeln Ver-
anlassung gegeben. — (legen 10 Uhr fing das Wasser an zu-
sehends zu steigen und erreichte 3 Uhr Nachmittags seinen
höchsten Stand. — Es war nämlich zwischen 10 und 11 Uhr
die Sturmfluth in der Ostsee so hoch gestiegen, dass sie über
den Kamm der Düne in den Breitling überfiel, jene an der
schmälsten Stelle durchbrach und nun unaufhaltsam Alles über-
strömte.
Dieser plötzliche und gewaltig. Strom, verbunden mit dem
in voller Heftigkeit andauernden Sturm musste im Hafen die
vielfachen Beschädigungen an öffentlichem und privatem Eigen-
thum anrichten. — Die Holzlager und Baggerprahme kamen
in's Treiben und beschädigten was ihnen vorkam ; so wurden
die Ladebrücken zum grossen Theil zerstört, die Balken ge-
brochen, während die mittlere durch den Wasserdruck etwa l n '
hoch auf die Schutzpfähle gehoben und dort verblieben ist.
Das Steuergebäude, das in seinem Erdgeschoss unter Anderem
Thee und dergl. kostbare und diffizile Waarenlager hatte, wurde
auf einfache und sinnreiche Wehe geschützt. Die geöffneten
Thore wurden durch übereinandergelegte Balken gesperrt und
vor diesen durch festgestampften Mist ein Fangedamm herge-
stellt. Unmittelbar dahinter ward eine Grube in der ganzen
Thorbreite gegraben, das durchdringende Wasser in dieser auf-
gefangen uud ausgeschöpft. —
Gegenüber von Rostock auf dem linken Ufer der Warnow
liegt eine Kalkbrennerei, die in ciuem Küdersdorfer Schachtofen
den vorzüglichen Faxekalk brennt. Der gebrannte Kalk wird
in kleine Tonnen von etwa 1 Scheffel Inhalt verpackt und lagerte
in einem massiven Gebäude. Das Wasser trat zunächst in den
Ofen und löschte den unteren garen Kalk, so dass er später als
Kalkmilch abgelassen werden musste. Als das Wasser in das
Lagerhaus getreten war uud die halbe Höhe der unteren Ton-
neu (0,18 ,m ) erreicht hatte, löschte auch der luhalt dieser und
entwickelte eine derartige Hitze, dass die Tonnen, soweit sie
über Wasser waren, sich entzüudeten, und das Gebäude demzu-
folge ein Rauh der Flammen wurde. Der seltsame Vorgang, bei
Digitized by Google
- 389
frei wmlenden Stelleu im Wege tkr Vererbung an jüngere
Lehrer oder Assistenten übergehen.
Wir kCnnen nicht nmhin an dieser Stelle beiläufig noch
des Raummangels zu erwähnen, der bei der Bcspre< hung
über die äusseren Zustand
•r Bau-Akademie im Januar
d. J. im Prcussischen Abgeordneteuhause allerdings um des-
halb mit Recht gerügt wurde, als mau sieh denselben wohl
etwas zu sorglos hatte über den Kopf wachsen lassen, Die
Frequenz der Anstalt hatte schon vor dem .Jahre 1870 ein
bedeutendes Ansteigen gezeigt und Zustände, wie die des
vorigen Jahres, wo die drei /.um obligatorischen Besuche
bestimmter Kollegien verpflichteten Kurse durchschnittlich
an 200 Studircnde zahlten, während der grösste Hörsaal
nur 120 Personen fasste, wo also offiziell auf ein theil weises
.Schwänzen* des obligatorischen Unterrichts gerechnet wurde, '
durften unter keiner Bedingung geduldet werden, mussten
vielmehr ohne Rücksicht auf tleldkosten durch Zuziehung |
anderweiter Lehrkräfte und provisorische Beschaffung ande-
rer Lokalitäten aufs Schleunigste beseitigt werden. Wir
werden weiterhin noch darauf zurückkommen, dass bei einer
Anstalt, an der nicht nur Vorträge gehalten werden, sondern
die hauptsächlich Lebungen im Entwerfen betreiben soll,
eine unbegrenzte Vermehrung der Zahl der Studirenden.
selbst wenn ihr durch eine noch so grosse Zahl von Parallel -
Kursen begegnet wird, ihre grossen Nachtheile hat, dass mau
daher den Raummangel an der Bau-Akademie am Zweck-
massigsten nicht durch Erweiterung der Unterrichtsräume
oder gar einen Neubau, sondern durch Errichtung neuer
Parallel-lnstitute an anderen Orten beseitigen wird.
Auf Heranziehung weiterer Aeiisscrlichkeiten, von denen
wir allerdings noch manche anführen könnten, die zu einer
richtigen Würdigung der Stellung, die dieses Mutter-Institut
der Preussischen Baubeamten einnimmt, vielleicht ebensoviel
beitragen würden, als eine sorgfältig durchdachte und durch
innerliche Gründe motivirte Deduktion, verzichten wir, um
zu einer Erörterung des Studienganges selbst und seiner Er-
folge überzugehen.
(F»rt.cuun|( [SchluM von DL] toigt.)
Sekundäre Eisenbahnen.
Eine neue Pfosten-Eisenbahn nach Fell's System (vergl.
unsere Notiz auf pag. 373 Jhrg. 1870) ist vor Kurzem vollendet.
Sie entspricht Ranz unseru Abbildungen auf pag. 333 Jhrg 1871.
nur dass der Unterbau aus verstrebten Holzhacken und Lang-
schwellen hergestellt ist. Bemerkenswert h ist sie als — soviel
wir müssen — erstes Beispiel einer derartigen Hahn mit Loko-
motivbetrieb. Die uns darüber zugegangene Mittheiluug lautet:
„Ich habe vor einigen Tagen Gelegenheit gehabt, in Aldcrs-
liot, unweit London, eine schmalspurige Lokouiotivbatin zu be-
sichtigen, welche durch ihre originelle Konstruktion uud Klein-
heit des Maasstabes weiteres Interesse verdienen dürfte.
Die Bahn ist erbaut vom Britischen Kriegsministerium uud
soll ausschliesslich zu seinen Zwecken dienen, d. i. zum Trans-
port verschiedener Lager -Artikel nuch den bei Aldershot befind-
lichen grossen militairischen Depots, Gleichzeitig ist sie der
Versuch einer passagcren Feldeisenbahn im Kriege. Das System
ist angegeben von J. B. Fell, dem vom Mont-Ccnis her bekauuteu
Ingenieur. Die Bahn ist gegenwärtig nur etwa 1800™ laug uud
rührt aus einem Depot in Aldershot nach dem South t'auip.
Die Spurweite ist wohl die kleinste bisher für LokoinotU-
bahnen angewendete, nämlich 0,457"" (die Pcstiniogbahn hat
0,61» Sjiur.) Die Schienen haben das Vignole -Profil , wiegen
ca. "J,64— 11,48» pr. lfd. M. und sind auf I.angschwellen mit Nä-
geln befestigt, ohne Lascheuverbindung. Die Langschwellen wer-
den fast durchweg von hölzernen Jochen getragen, welche in
Entfernungen von 3 bis 4.5'" von einander stebcu uud deren
Höhe an der höchsten Stelle ca. 7,6"" beträgt. Einschnitte sind
möglichst vermieden und Auftrüge gar nicht vorhanden. Zum
gröbsten Theil liegt die Bahn in Steigungen von 1:50 und iu
Kurven von 140 m .
Die Wagen sind süiumtlich gleicher Konstruktion: ein Kas-
teu J,44° 1 lang, 1,52» breit, 0,61« hoch, nach Art der offeueu tiü-
terwageu. Die LangtrSger des Untergestells siud über den Kas-
ten hinaus verlängert uud siud an deu Achsen der 0,40b'» hohen
Kader aufgehängt, derart, dass der Boden des Kastens nur etwa
7,6»" über Schienenoberkunte schwebt. Jeder Wagen ist mit
4 horizontalen Führuugsrollcu von ca. lTS" 1 ™ Durchtn. verseben,
die an den Langträgern befestigt sind uud au hölzernen Latten ent-
lang rollen, welche au die Laugschwelleu genagelt siud. Mau
sieht, dass solcher Art die Tendenz zum Entgleisen oder Kippen
fast vollkommen aufgehoben ist, zum Uebcrflusa siud iu diesem
Siune die horizontalen Führuugsrollcu noch mit ciuseitigeu Flan-
Einzelnc Wagen können durch eingelegte Sitzbrettcr zur Be-
förderung von Persoueu eingerichtet werden; andere werden durch
aufgesetzte schräge Wände geeignet gemacht, um bis 5,7 kb™ Heu
oder Stroh aufzunehmen. Elastische Buffer oder Federn sind
nicht augebracht: die Querriegel an den Enden der Langträger
uehmeu die Zughakeu uud Kuppel ungsketten auf. Einige Wa-
gen sind mit Bremsen ausgerüstet, deren Hebel mittels Sperr-
kliukeu festgestellt werden können.
Die Lokomotive hat 6 gekuppelte Räder von 0,406« Durchm.
Ihr Gewicht ist 4Vi Tons, das des Tenders 3'/i Tons im Betriebs-
zustande. Auch die Maschine und Tender haben die horizonta-
len Führuugsrollcu an den herabhängenden Rahmen.
Gegen Ende des vorigen Monats wurde die Bahn in
der genannten Ausdehnung vollendet und durch eine Kommission
von Ingenieuren und Offizieren in Bezug auf ihre Leistungsfä-
higkeit geprüft. Man hatte die Wagen mit aller Art militairi-
scher Artikel beladen, wie Zelte, Geschosse, Mehlsäcke,
Heu etc. bis zu 3 Tons per Wagen. Einige Wagen nahmen die
inspizirct.de Kommission auf, andere Soldaten mit vollem Ge
päck. Die Stärke der Züge ist mir leider nicht genau bekannt
geworden. Der bei dem Versuch über die Bahn geführte Per-
sonenzug hat angeblich die durchschnittliche Geschwindigkeit
von 32 Kn > per Stunde gehabt; der Güterzug 16K™ per Stunde.
Eine Msxitnalgcschwindigkcit von 48Km ist versucht worden,
wobei man keine bedenklichen Schwankungen des Unterbaues
beobachtet hat.
Dem Bericht« nach ist das Experiment überhaupt zufrieden-
stellend ausgefallen und man beabsichtigt, die kleine Balm wei-
ter zu führen und mit der South Western Eisenbahn und dem
Bosingstokc Kanal in Verbindung zu bringen.
Auch wenn der Erfolg dieser kleinen Bahn vollständig kon-.
statirt ist, wird ihr Beispiel vermuthlich keine grosso Rolle
spielen in dem .Kampfe der Spurweiten", der ausserhalb Deutsch-
lands noch heftig fortgeführt wird. (The kattlc of the gang<*.
It. F. Fnirlrtf 1872). Vermöge der herabhängenden Rahmen der
Fahrzeuge wird die Koustruktiou von Weichen unmöglich,
Schiebebühnen und Drehscheiben sind dagegen leicht herzu-
stellen.
Gleichwohl aber scheint das in Rede stehende System an
Einfachheit der Konstruktion und Billigkeit der Anlage Nichts
zu wünschen übrig zu lassen, so dass seine Anwendung auch
bei uns in manchen Fällen einen gut oekonoinischcn Transport
ergoben könnte. Als solche Fälle denke man sich diejenigen
die direkte Erzeugerin einer Feuersuoth
gewordeu ist, war durch deu Befund der Brandstelle, so wie er
hier dargestellt, genau zu koustatiron.
Auf dem Wege nach Waruemüude wurdu mir der winzige
Best eines Schuppens gezeigt. Eine einzige Sturzsee hatte den-
selben mit seinem gesainmten Inhalt von 150 Lust Steinkohlen
a 36 Zoll-Ztr. von der Erde verschwinden lassen. In Warne-
münde selbst überraschte es, dass dort, wo sonst feste Fusswege
waren, jetzt knietiefer aufgeworfener Seesand sich befand: Bäume
sind unterwaschen und umgestürzt, und immer allgemeiner und
sichtbarer wird die Verwüstung, je näher man der Mündung der
Warnow kommt. Dos Lootseuhaus und die Waraibade-Austalt,
beide auf der Nordnstecko gelegen, hatten die volle Wuth des
Sturmes auszuhalten gehabt; sie sind denn auch unterspült
worden und theilweis eingestürzt Am Strande sind die schönen
Anlagen vor den Logirhäusern mit Hecken und Strauchwerk,
die 'lerrassen mit den Sitzplätzen völlig verschwunden; nichts
als die kahle nackte Dölme zu sehen, denn das Meer bat mit
d<>n Anlagen die Uferabhänge auf 2 m Tiefe abgespült, so dass
die Fundameute der dahinter stehenden Gebäude freigelegt und
theilweis selbst noch mitgenommen wurden. Von dem Herren-
bade am Strande ist keine Spur mehr vorhanden, die Beste des
Damenbades machen einen traurigen Eindruck. Etwa auf 6,25™
Länge ist das schmale massive Gebäude von Grund aus zerstört,
uud über diesen zerstörten Theil hängt das unverletzte Schiefer-
dach auf den drei aus dem stehengebliebenen Theilc hervor-
ragenden Fetten.
Die Einfahrt in den Hafen ist wie erwähnt, durch Stein -
molen gebildet, von denen die Wcstmole weiter in die See hinein-
ragt. Sämmtlichc massive und hölzerne L ferne Währungen des
Hafens bis auf diese Molen sind unverletzt erhalten; die Zer-
störung betrifft nur die dahinterliegenden hohen Ufer und die
darauf stehenden Gebäude. Auch die Molen sind nur an den
Köpfen beschädigt, und zwar sind diese bin auf den mittleren
Wasserstand fortgerissen, das F'undament jedoch unversehrt.
Wenn man auf den grossen verklammerten Steinblöcken der
Westmole an der Wasserlinie umhergeht, kann man die Gewalt
des Elementes bewundern, das solche Granitblöcke von 0,25 kb">
Inhalt trotz der Eisenklammern aushob und über die Mole fort-
wälzte, so dass sie fast sämmtlich sich an der Westseite aufge-
stappelt, vorfinden. —
Von Interesse ist nach solchen Beobachtungen, in Rostock
die historische Hochwassermarke zu besichtigen. Es ist eine in
das llafenthor eingemauerte Tafel mit folgender Inschrift: Ao.
1625 den 10. Febr. ist DAS MEER DURCH EIN NORDOSTEN
STURM AN DIESEN STEIN UNTERSTE KANTEN von 2 bis
5 UHR AUF DEN ABEND AUFGELAUFEN UND ERWACHSen.
Herr Eisenhahn -Baumeister Langfeld hatte die Höhe des
Wasserstandes am 13. November vorläufig am Thorflügel selbst
markirt. Derselbe ist allerdings ö.tä" unter der gedachten I'n-
terkante gehlieben, hat jedoch von 3 bis gegen 8 Uhr Abends
angehalten. E. II.
Digitized by Googl
390 —
Provinzialstädte, die uuf eine Betheiligung am grossen Eiscn-
hahnsystem nicht mehr rechnet! dürfeu und die gleichwohl einen
genügenden regelmässigen Verkehr nach einer Richtung unter-
halten; ferner isolirtc industrielle Etablissements, die sich in
gleicher Läge befinden. Der Traktus solcher Miniatur -Eisen-
bahn würde in gewöhnlichen Fallen ohne Schwierigkeit den vor-
handenen Wegen folgen können. Die Anlage würde durch kei-
nerlei Brückenbauten vertheuert werden und die Grunderwerbs-
kosteu könnten kaum ius Gewicht fallen: in vielen Fallen, wie
bei Chausseen, werden unbedenklich die Seitengräben und Bö-
schungen als Bahnterrain dienen können.
Endlich verspricht das System, welches in denkbar kürzester
Zeit und mit den einfachsten Mitteln erstellbar ist, für Kriegs-
zwecke wichtige Dienste leisten zu sollen*),
en 5. November 1872.
Jul. Piossek, Baumeister.*
Auch das Eisenbahn System Larinaujat (vgl. pag. 187
Jhrg. 1869 d. Ztg. und Heusinger' ü Organ Jhrg. 1870 pag. 93)
macht wieder von sich reden. Es hat bekanntlich nur eine
Schiene, auf welcher Kider laufen, die sich unter der Mitte der
•) Eine &Mcbretbimg der Bahn ig Aldenhot, nrtwt bildlich« DtntellunK der
Kooitmktion, d«r Lokomotiven autl Wi^pn bringen die Intitcn Nuwiuein dei
Wagen und Lokomotiven befinden, während die Triebräder sowie
die SeitenrSder der Wagen nach Art der Strasscnlokoniotivcn
sich auf dem Planum der Chaussee bewegen, in welche jene
Schiene eingelegt ist Ausser der kleinen Nebenlinie Raincy
Montfermeil (Franz. Ostbahn) soll eine Bahn in Portugal zwischen
Lissabon und Launciar nach diesem System erbaut sein.
Nach einer Mittheilung des Wiener Zentralbl. f. Kisenb. ha-
ben nun in Paria auf dem Trocadero vor Kurzem offizielle Ver-
suche mit dem System Larmanjat stattgefunden. Dasselbe
scheint in etwas geändert zu sein, indem von „zwei unmittelbar
aneinander liegenden und verbundenen Schienen" die Rede ist,
in deren Vertiefung sich der Spurkranz der mittleren Rader
bewegt Die Versuche sollen, was das Durchfahren scharfer
Kurven (4 — 5» Radius) und das Ersteigen von Rampen mit
1:33'/] Steigung betrifft, günstige Resultate ergeben haben. Iii,-
Geschwindigkeit des Zuges auf der mit Zusebern und Privatwagen
gefüllten Strasse betrug 25*» pr. Stunde. Dennoch haben dir
Versuche kein bestimmte» L'rtheil darüber gewinnen lassen, od
die Anwendung des Systems in Paris praktisch sein würde. Ks
sollen diesem ersten Versuch noch weitere Experimente folgeu
Bis jetzt dürfte die Sache also nicht einmal geeignet sein,
um damit für das von vorn herein nicht sehr iiuponirendi.'
System Reklame zu machen.
An kanalisirten Wasserläufen der früheren Zeit ist häufig —
wenn nicht überall — die Erfahrung gemacht worden, das« sich
die Anlage auch des rationellsten (Jucrprofiles nicht erhielt.
Die Uferböschungen verwandelten sich wieder nahezu in die
Rechteckform und die normal augelegte Flussohle zeigte im
Längenprofil ziemlich dieselben Unregelmässigkeiten wie vor
der Kanalisation. Für den Tlydrotekten war diese Erfahrung
keineswegs eine ermuthigende', zumal wenn die Kartnlisirung
landwirtschaftlichen Meliorationen galt, dereu Erfolge gewöhn-
lich Hand in Hand gehen mit der Beschaffenheit der betreffen-
den Wasserläufe. Soweit sich diese Erfahrung auf grosse Flüsse
und Strömo erstreckt wird man bei deren Korrektion wohl
gleich von vorn herein darauf verzichten müssen, jemals eine
durchgängig symmetrisch - normale Gestaltung in der Quer- und
Längsrichtung aufrecht zu erhalten, denn die bisher korrigirteti
Stromstrecken lehren, duss der Strom auch dann noch seine
besondere Art und Weise, seine Geschiebe zu trausportiren,
beibehält, und wohl kein Parallelwerk, am allerwenigsten das
den Parallelismus der Wasserfädeu störende Buhueusystem, ver-
mag symmetrisch gestaltete Stroraquerprofile herzustellen: der
Strom setzt sein Recht durch trotz der Sisyphusarbeit der
Jnter diesen Verhältnissen wird man schon zufrieden sein
können, wenn man mit den angewendeten Regulirungsmaass-
regeln überhaupt einen allgemeinen Vortheil erreicht. Letzteres
geschieht aber um so mehr, sobald man jene Art und Weise
des natürlichen Geschiebetransportes, il. h. den Weg der Ge-
schiebe und das Gesetz von dessen Veränderlichkeit
innerhalb einer gewissen Zeit, ergründet hat und hiernach den
Weg für die Schiffahrt periodisch bestimmt. Diese Veränder-
lichkeit dürfte bei jedem Strome eine systematisch sieh wieder-
holende sein. Beispielsweise ist vom Kheinstrome bekannt, dass
derselbe vor etwa 100 Jahren oberhalb Spever etc. so verwildert
war, dass die Schiffahrt ernstlich gefährdet wurde. Durch die
zufolge dessen vorgenommene Korrektion des Stromes, bei
welcher, soweit nöthig, nur Parallelwerke angewendet wurden,
sind die Interessen der Schiffahrt vollständig gewahrt worden,
der Erfolg ist für dieselbe ein höchst günstiger und dauernder.
Trotzalledom behielt der Strom die Form seiner Sohle im
Thalweg so bei, wie in Fig. 1 angedeutet ist Auf die Länge
Plpir I.
teb«r die ErhaKaag normaler Flimnur rprotilr
Von Wasserbau • Inspektor v. Wagner (Bautzen).
den. War der Schiffahrts- oder Thalweg z. B. im Jahre I — - ■ 7
in Richtung der Linie r x jr » (Fig. 3) gelegen, so nimmt er im
Jahre 1871 die entgegengesetzte Richtung opqr ein, im Jahr>
1875 wieder ähnlich wie 1867 u. s. f., so dass der Thalwcg pe-
riodisch sich verändert und wieder zurückkehrt. Mit Ergrün-
dung der Art, wie und wann dies geschieht, ist schon viel ge-
dient
Bei kleinereu Flüssen, Bächen und Gräben dagegen (bis
zur Breite von ca. 30») ist es gelungen, das Profil in der Weise
festzuhalten, wie es im betr. Projekte aufgestellt worden war
Wenn ich nicht irre, so bat mau zuerst im Grossherzogthmu
Baden, woselbst die meisten Flüsse in schön geordnetem, n-
gulirten Zustand sich befiuden, damit begonnen, die Flussohle
nach gewissen Zwischenräumen durch sogen. Querschwellen
zu befestigen , welche vertikal zur Mittellinie des Flusses theiis
als trockenes Bruchsteinmauerwerk, oder mittels Faschinen etc.
in die Sohle eingebaut wurden. Das Ergebuiss davon war, dass
die Sohle eiue gleichmässige, normale Höhenlage beibehielt und
dass demzufolge die Uferböschungen sich bis zu ihren Futur
gut erhielten. Dasselbe Resultat wurde im Köuigr. Sachsen au
mehren regulirteu Flüssen erzielt. Sogar bei lockerem Saud
boden gelingt es, das Profil in regelmässiger Gestalt zu erhal-
ten . wobei oft die einfachsten Mittel ausreichen , wie folgende
Beispiel zeigt
In dem aus lehmigem und lettigem Boden bestehend«"
Tbale des Schwarzwassers bei Saritsch (zwischen Bautzen um
Hoyerswerda) wurde unter Anderem ein Fluthgraben einge-
schnitten, welcher die Bestimmung hat das Hochwasser schnell
abzuleiten und unter dem Wildbett hinweg einem rechtsseitigeu
Tiefpunkte zuzuführen. In der Mitte seines Laufes hat derselbe
1,5 ■ Sohl breite, zweifache Böschungsanlage, ca. 2« lokale Ufer-
höhe und das relat. Gefälle: 0,0011. Auf die Länge von o
200» zeigte der Boden einen plötzlichen l ebergang in losen
Kies und schwimmenden Sand. Die während des nassen Bau
jahres sich öfter wiederholenden Hochwasser zerstörten
mals in dieser Strecke das ganze Profil, rissen den aogep«
Fl*ur. 3.
von 34000« liegt der höchste Sohlpunkt 1,52» und der tiefste
9,67™ unter dem Wasserspiegel; das Mittel beträgt 5» . Eben-
so veränderlich ist die Gestalt der Querprofile. Während eines
die Form der Linie .4 H C D E hat (Fig. 2),
1
T'T
»
A
i! >
iii *
1
9 -»--■ ■
| \
A
m
- 1
is ca. 1000» unterhalb gelegene Profil die Gestalt nach
K a b c .4 an. Die Art und Weise, wie die Sinkstoffc des
Stromes ihre Wanderuug antreten, ist aber genau ermittelt wor-
Ranen der Böschungen weg und kolkten die Sohle aus. Selbst
die Anwendung von Längslascliiuen am l'ferfuss erwies »ich
als unzureichend. Da keines der gewöhnlichen Befestigung^
mittel Widerstand leistete, Hess ich in Entfernungen von 5 zu
5» Querschwellen von der einfachsten Form in die Sohle ein-
Ein Brettsfüek i 1 in Fig. 4 wurde quer in die Sohle
Digitized by Google
- 391
und z. Th. in die Böschungen eingetrieben, dahioter ein ca.
0,25« dickes Reisigbündel B eingelegt und dag Ganze durch
Pfähle von ca. 0,05 ro Dicke befestigt, wie aus dem Grundriss
von Fig. 4 ersichtlich ist. Die Böschungen wurden wieder mit
Deckrasen belegt und dieser nnr in seinen unteren Schichten
angepflöckt. Nach diesem Einbaue hat sich diese Strecke auch
bei grösseren Flu theo in der Quer- und Laugsrichtung
ausgezeichnet erhalten. Materialkosten und Arbeitslohn betra-
gen pro 1 Querschwclle 10 Sgr. 2 Pf.; für die ganze Länge von
200>» dieser Grabcustrecke ca. 10 Thlr.
Gern hatte ich an diesem Flutbgraben cxpcrinicntirt. um
aus verschiedenen Entfernungen der Querschwellen von einan-
der, aus der wechselnden Dichtigkeit des Sohlmaterials, dem
Gefalle und dem Wasscrquerscbmtt bestimmte Beziehungen zu
einer normalen Entfernung zu erfahren. Nach Lage der Sache
musstc mir genügen, die Verstimmung der Adjazenten über deu
Zusammensturz der Böschungen beschwichtigt zu sehen. Wüu-
schenswerth bleibt es aber, wenn über diese» Bauobjekt Ver-
suche angestellt werden. Eine zu geringe Entfernung der
Schwelleu schadet zwar nie dem Flusslaufe, aber der Baukasse,
während wiederum eine zu gross gewählte Distanz den beab-
sichtigten Zweck illusorisch machen kann. Letzteres war z. B.
an einer Strecke der Dreisam in Baden der Fall, woselbst die
Querschwellcn ursprünglich ca. 30" weit vou einander entfernt
lagen- Die Auskolkungen der Sohle verblieben, sodass man
nunmehr dazwischen, also alle 15« eine Querschwelle einschob.
Möglicherweise wäre man mit 20 => ausgekommen und hätte so-
mit ersparen können. An diesem Flusse (von 20 bis 25 » Breite
und 0,007 bis 0,0028 relat. Gefälle) »ollen sich die Faschinen-
Schwellen nicht bewährt haben und sind diese z. Th. mit sol-
chen aus grossen Bruchsteinstückeu vertauscht worden. Höchst-
wahrscheinlich bestehen Beziehungen zwischen der Schwellen-
entfernung (-i), dem Wasser<|ucrschuitt (/"), dem relat- Gefälle
(f) und dpr Dichtigkeit (/,) des Sohlmateriala. Wenn nun die-
jenige Kraft, welche auf Beschleunigung wirkt (von der bekannt
ist, das» sie durch Widerstände au den Wandungen etc. aufge-
hoben wird), gleich
r.r.i.i.
zu setzen ist (;* = Gewicht der Volumeinheit Wasser), wenn man
ferner annimmt, dass jene Widerstände, in Verbindung gebracht
mit einem, den Aggregatzustand des Materials berücksichtigen-
den Koefficienten C, identisch mit der Dichtigkeit ), seien, so
würde aus der Gleichuug
Tt - r .r.k.t
die gesuchte Entfernung folgen:
woraus sich ereiebt: je grösser der Querschnitt oder das Ge-
fälle, desto kürzer wird die Entfernung von Schwelle zu
Sehwelle: ebenso: je grösser die Dichtigkeit des Sohlmatcrials
und je fester der Zusammenhang der Geschiebe, desto grösser
wird die Entfernung und umgekehrt Viel leicht lassen sich
diese Beziehungen auf ähnliche Weise in eine wenigstens ap-
proximative Formel bringen, deren Feststellung in diesem
Falle unter der Aegide des Motto's: „Probiren geht über Stu-
diren-' wird bewirkt werden müssen.
Mittheilungen
Architektenverein zu Berlin, Versammlung am 23. No-
vember 1872; Vorsitzender Hr. Streckert, anwesend 174 Mit-
glieder und 12 Gäste.
Der Hr. Vorsitzende macht die traurige Mittheilung, dass
Hr. Ober-Ingenieur Bronisch, zuletzt technischer Chef der Bcr-
liu-Görlitzer Eisenbahn, seit 18 Jahren Mitglied des Vereins, am
18. November d. J. verstorben ist.
Hr. Endo bespricht unter Vorlage einiger Proben die Be-
strebungen des von Dr. Oidtmann in Linnich geleiteten Insti-
tuts für Glasmalerei. Das Ziel dieser Bestrebungen ist es,
durch eine rationelle, zur Massenproduktion befähigte und doch
den künstlerischen Charakter der Glasgemälde nicht beeinträch-
tigende Technik die Herstellung derselben zu einem so billigcu
Preise zu ermöglichen, dass sie auch dem gewöhnlichen Privat-
l au zugänglich werden. Die älteren, aus Königlichen Mitteln
zu München und Berlin ins Lebeu gerufenen Anstalten, in denen
die in unserem Jahrhundert neu belebte Kunst der Glasmalerei
zunächst ihre Pflege fand, stellen für ihre Werke noch heute
Preise, die eine solche Verwendung fast ausschliessen; dieselben
werden eben als künstlerische Leistungen betrachtet und
bezahlt Nachdem jedoch die naturalistisch-malerische Richtung,
die in Glasbildern den Effekt von Staffeleigemäldeu zu erreichen
strebte, durch das Studium der an Leuchtkraft und Farben-
pracht hervorragendsten Glasbilder des Mittelalters mehr und
mehr zu Gunsten der alten Kunstweise beseitigt wird und man
die Glasgemälde wieder als ein Glas-Mosaik ausführt, in dem der
Uaupt-Kontour von der Verbleiung gebildet wird, während in
den aus je einer Farbe bestehenden Tafeln nur noch schwarze
Zeichnung enthalten ist, reduzirt sich die eigentliche künstle-
rische Thätigkeit in der Glasmalerei lediglich auf deu Entwurf
des Kartons, während das Uebertragen desselben auf die Gläser,
das Einbrennen der schwarzen Zeichnung, das Zuschneideu und
Zusammensetzen eine wesentlich mechanische Thätigkeit ist, die
durchaus fabrikmäßig betrieben werden kann. Es ist dies
namentlich der Fall, seitdem das Uebertragen der Zeichnung
nicht mehr durch Zeichner, sondern gleichfalls auf jenem rein
mechanischen Wege geschieht, der den individuellen Charakter
der Zeichnung in absoluter Treue und Reinheit wiedergiebt
Die Fabrik in Linnich hat sich zu diesem Zwecke früher des
Steindrucks, später jedoch der Autographic bedient; neuerdings
findet vorzugsweise die einfache t'ebertragung auf direktem
photographischen Wege Verwendung. Ihre Preise sind in der
That ausserordentlich billig, das Quadratmeter Grisaillcfcuster
ist bereits für 1*k Thlr. zu haben. Ueber die Qualität ihrer
Leistungen besteht vielseitig eine ungünstige Meinung, die in
Betreff der älteren Fabrikate — aus einer Zeit, in der diu An-
stalt noch im Stadium der Versuche sich befand — nicht immer
unbegründet war; sowohl die Verbleiung wie die Haltbarkeit
des zur Darstellung der Zeichnung verwendeten Schwarzloths
Hessen anfänglich zu wünschen übrig, doch sind diese Mängel
mittlerweile längst überwunden. Herr Endo glaubt demnach
die Glasbilder der Oidtmann'schen Fabrik mindestens zu einer
versuchsweisen Verwendung warm empfehlen zu können.
Im Anschlüsse an die tu der letzten Versammlung gegebe-
nen Mittheilungen des Hrn. Blankenstein über die Verwendung
von Zement-Beton zu Wohnhausbauten hat Hr. E. II. Hoffmann
das Modell eines von ihm in diesem Jahre zu Ranzin in Neu-
Vorpommern ausgeführten Wohnhauses für 2 Arbeiterfamilien
aasgestellt, bei welchem nicht allein die vertikalen Wände, son-
dern auch die nämmtlichen gewölbten Decken, sowie die
Treppen von Zement-Beton oder wie er es nennt „Kiessguss"
hergestellt sind. Es ist dasselbe Haus, auf welches die von Hrn.
Iloffmann in No. 47 d. Bl. gegebenen Mittheilungen über die
Festigkeit von Gewölben aus Gussmörtel sich beziehen. Vorge-
&ub Vereinen.
zeigte Proben des dazu verwendeten Betons liessen das unter
Verwendung von Stettiner Portland-Zement hergestellte Material
allerdings als ein solches erscheinen, dessen Festigkeit der von
gewöhnlichen Ziegelsteinen mindestens gleichstehen dürfte, wäh-
rend ein aus Powundener Zement hergestelltes Betonstück eine
Verschiedenheit der äusseren harten Schale und des zu gerin-
gerer Festigkeit gelangten Kerns erkennen liess.
In ausführlichem Vortrage leitete demnächst Hr. A ssm an n
die von verschiedenen Seiten vorgeschlagene und gewünschte
Besprechung über die Wohnungsnot!! iu Berlin ein.
Seit längerer Zeit hat sich in Berlin schon eine W ohnungs-
fragc geltend gemacht, bei welcher jedoch vorzugsweise das
Bedürfuiss der arbeitenden Klassen in Erwägung kam. Gemein-
nützige und spekulative Gesellschaften haben sich bemüht die-
selbe in geeigneter Weise zu lösen, nachdem das Ideal, dass
jede Familie ihr eigenes Haus bewohnen solle, längst als ein
unerreichbares erkannt worden ist Während dieser, meist von
geringem Erfolge gekrönten Versuche ist ieduch aus der Woh-
nungsfrage in den letzten Jahren eine Wohnungsnot h entstan-
den, die nicht mehr allein die unteren Stände, sondern gleich-
massig die gesammte Bevölkerung iu einer W eise betroffen hat,
dass nicht wenige Familien, welche nicht direkt zu einem
Aufenthalte in Berlin gezwungen waren, ihren Wohnort lieber
gewechselt als den neuen Verhältnissen sich gefügt haben.
Die Gefahren dieser Zustände, welche die Wohnung als die
gröaste Sorge unserer Zeit erscheinen lassen, bedrohen nicht
allein die Gegenwart sondern auch die Zukunft. Wenn es bisher
auch immer gelungen ist die zur Zeit des Wohnungswechsels
obdachlos gewordenen Familien wieder in Wohnungen unterzu-
bringen, von denen freilich ein grosser Theil als menschenwür-
dig nicht mehr bezeichnet werdeu kann, so werden doch unter
dem Einflüsse dieses Nothstandes die Anforderungen an eine
normale Wohnung gleichzeitig ganz allgemein immer tiefer her-
abgesetzt. Die Beschaffenheit der neu angelegten Wobnungcu
wird stetig schtecher, die Bebauung überall dichter — Uebcl-
stände die leider nicht vorübergehen, sondern für die Zukunft
nicht wieder gut zu machen sind.
Zu einer Beurtheiluug der betreffenden Verhältnisse ist es
erforderlich, sich von der Art des Wohnens in einer Grosstadt
wie Berlin eine Uebcraicht zu schaffen. Ein charakteristisches
Bild gewähren die betreffenden statistischen Resultate der Volks-
zählung vom 3. Dezember 1867, eines Jahres also, in dem vou
einer Wohnungsnot!) noch nicht die Rede war.
Berlin enthielt damals rot 700,000 Einwohner, die auf 13600
bebauten Grundstücken wdhnton, so dass auf jedes Grundstück
durchschnittlich etwa 50 Menschen kamen. Von diesen Grund-
stücken enthielten nur 6«. eine einzige Haushaltung — 22%
2 bis 5 Hshlt - 26% 6 bis 10 Hshlt - 33% 11 bis 20 Hshlt
3% über 30 Hshlt. Die Zahl der einzelnen Wohnungen betrug
153000, ko dass jede Wohnung durchschnittlich 4 bis 5 Köpfe
enthielt; G74000 Personen wohnten dabei in eigentlichen Wohn-
häusern, 26000 Personen in Gasthäusern, Kasernen, Gefängnissen
etc.; 72% der Wohnungen lagen in Vorderhäusern, 28% in Hin-
terhäusern. 62000 Menschen (!*% d. Bevölkerung) wohnten in
Kellern, 47000 Menschen 4 und noch mehr Treppen hoch. 6000
Menschen (in Familien von durchschnittlich 4 Köpfen) hausten
in Wohnungen die kein einziges heizbares Zimmer enthielten,
290,000 Menschen in Familien zu 5 Köpfen in solchen, mit nur
einem heizbaren Zimmer. Die Anzahl dieser Wohnungen be-
trug 49% sämmtlicher Wohnungen überhaupt Wenn derartige
Wohnungen und ebenso diejenigen mit 2 heizbaren Zimmern,
welche von Familien zu 10 Köpfen bewohnt werden, als übervöl-
kert gelten, so waren in Berlin damals 16000 übervölkerte Woh-
nungen vorhanden, deren Bewohner zu 52% aus Kindern bestanden.
Digitized by Google
Für die Volkszählung vom 3. Dezember 1871 sind analoge
Ermittelungen noch nicht publizirt: nie sehr die Verhältnisse
sich verschlechtert haben müssen, lässt sich vermuthen, wenn
man berücksichtigt, dass die Mietbspreisc für kleine Wohnungen
sich seither um etwa IM",, für mittlere Wohnungen um etwa
100». erhöht haben.
Eine Ergänzung dieses Bildes gab der Vortragende durch
.•in der neuesten Haupraxis entnommenes Heispiel der Art und
Weise, wij in Berlin Grundstücke bebaut werden. Das circa
3200 Tf» grosse Grundstück von ÜO.liO" Strassenfront liegt au
der Landsberger Kommunikation, also durchaus nicht iu einer
Gegend, in der der Gruudwerth ausserordentlich hoch und die
Wohnungen besonders gesucht sind. Auf demselben befinden
sich zunächst ein Vorderhaus, hinter demselben jenseits eines
ersten Hofes ein erstes Quergebäude, dahinter ein zweiter, dritter,
vierter und fünfter Hof mit einem zweiten, dritten und vierten Quer-
gehäude, endlich jeuseit des letzten Hofes eine'Keihe von Stallen
und Remisen. Die fünf Gebäude, alle mit mittlerer Durchfahrt
versehen, sind etwa 11 bis 12"» tief und im Kuller, Erdgeschoss
und je vier darüber liegenden Stockwerken zu Wohnungen, die
meist aus Stube. Kammer uud Küche bestehen, eingerichtet: die
Hofe, in denen kleinere Stall- uud Abtrittsgebäude errichtet
sind, haben gleiche Tiefe, wie die Häuser. Im Ganzen enthält
dieses eine Grundstück 50 Wohnungen im Keller, 30 im Erdge-
schoss, 140 in den darüber liegenden Geschossen, also in Summa
200 Wohnungen. Dabei ist noch anzuerkennen, dass die durch
die Bau|H>lizei-Ordnung vorgeschriebenen Grenzen der Bebauung
keineswegs erreicht sind, ja dass im Vergleich zu dem Raffine-
ment, mit welchem klein.- Grundstücke im Innern der Stadt
ausgenutzt zu werden pflegen, sogar eine gewisse Opulenz iu
Berücksichtigung des Luft- und Lichtbediirfnisses beobachtet
worden ist! —
Im Allgemeinen lassen eich die gegenwärtigen Zustände
dahin charakterisircu, dass es an kleinen Wohnungen fehlt und
dass sämmtliche Wohnungen zu theuer sind. d. h. weder zu der
Vermögenslage der Bewohner noch zu den Baukosten der Häuser
iu richtigem Verhältnis- stehen.
Leber die Ursachen der Wohnungsnot!] in Berlin sind bereits
vielfache, darunter manche unrichtige Behauptungen aufgestellt
worden. So hat man die neuere Gesetzgebung, welche die volle
Freizügigkeit geschaffen uud das Einzugsgehl beseitigt hat, für
sie verantwortlich machen wollen, während doch einerseits der
erst durch dies neue Freizügigkeits - Gesetz zur Einwanderung
nach Berlin berechtigte Theil des Zuwachses eiu ziemlich un-
wesentlicher ist. andererseits aber der Zuzug der letzten Jahre
keineswegs ein aussergowöhulicher war: er hat iu der dreijäh-
rigen Periode von IStil bis t>4 15», und von ISG4 bis \'<1 11%.
iu der vierjährigen Periode von 1867 bis 71 17*. betragen, was
auf drei Jiüirc reduzirt IIIS 0 , ergieht. Für eine Besprechung
in hautechniseheii Kreiseu werden vorzugsweise nur diejenigen
Momente heranzuziehen sein, die mit technischen Fragen zu-
sammenhängen. Es wird dirs im Wesentlichen auch genügen,
da als die stichhaltigste Erklärung für die eingetretenen Miß-
stände die Stockung der Bauthätigkeit ebenso gelten muss,
wie alle Maassregeln zur Abhülfe derselben darauf hinauslaufen
müssen, eine Vermehrung der Bauthätigkeit herbeizu-
führen.
Eine solche ist nach Ausweis der ertheilteu BauerlaubuLss-
scheinc bereit* eingetreten. Während im Jahre 18GS deren 188'.'.
1 »«'.»: 2008, 1870: 172», 1871: 2477 derartige Scheine ei (heilt
wurden, sind im Jahre 1872 bis zum 31. Oktober bereits SSM
ausgegeben worden und wird ihre Zahl bis zum .lahresschluss
voraussichtlich auf 3800 steigen. Leider ist es nicht möglich
zu ermitteln, wio viele Wohnungen durch diese Bauten geschaf-
fen worden sind, da die Scheine Nichts darüber enthalten. Wenn
die zuweilen geäusserte Annahme, dass durch das Niederreissen
vieler Häuser mit kleinen Wohnungen und deren Ersatz durch
Neubauten für gewerblicho Zwecke eine Verminderung der
Wohnungen eingetreten sei, allein im Hinblick auf die Erwei-
terung so zahlreicher Wohnhäuser im Innern der Stadt hinfällig
erscheiut, so beweisen die faktischen Zustände doch jedenfalls,
dass die bisherige Steigerung der Bauthätigkeit ungenügend war
und noch um Vieles energischer werden muss, falls sie eine ent-
sprechende Wirkung äussern soll.
Leber die Vorschläge, dass der Staat oder die Stadtgemeinde
hierzu durch ein direktes Eingreifen iu die Privatbauthätigkeit
beitragen soll, ist kurz hinweg zu geheu. Die kolossalen Mittel,
welche zur Herbeiführung faktischer Erfolge nothweudig wären,
können von dieser Seite ohne Benachteiligung anderer Interes-
sen nicht wohl aufgebracht werden; jedes Eingreifen mit gerin-
geren Mitteln könnte nur dazu dienen, die luitiative von Seiten
der Bevölkerung abzuschwächen. Es kann keinem Zweifel unter- 1
liegen, dass aus dieser heraus allmälig unter allen Umständen
eine Kegulirung der jelzt vorhandenen Missverhältnisse von An-
gebot und Nachfrage erfolgen werde, und es gilt daher wesent-
lich nur Mittel zu finden, diese Kegulirung nach Möglichkeit zu
beschleunigen.
Auch die Gründung von Kredit-Instituten kann hierzu we-
nig helfen, da die Vorliebe, mit welcher das Kapital sich gegen- .
wärtig den Bauunternehmungen zugewandt hat, den Beweis
stiebt, dass es an Geld keineswegs fehlt; ebenso ist in Folge
der baulichen Eutwickeluug, welche Berlin bereits in der letz-
ten Periode erfahren hat, ein technisches Personal vorhanden,
das nach Zahl und Leistungsfähigkeit den zu lösenden Aufgaben
wohl gewachsen ist.
Zur Beurtheilum: der Hindernisse, welche trotzdem dem er-
wünschten energischen Aufschwünge der Bauthätigkeit entgegen-
stehen, ist es erforderlich, die beiden Arten der heutigen Bau-
Unternehmung zu unterscheiden. Dieselbe liegt einerseits in
den Händen von Ballgesellschaften, welche sich in den
Besitz grösserer Grundstückkomplexe gesetzt haben; sie verse-
hen diese mit ordnungsmäßig gepflasterten und entwässerten
Strassen und verkaufen demnächst die Wohn-Parzellen der ein-
zelnen Quartiere entweder bereits mit von ihnen selbst in Vor-
rath gehauten Häusern oder als Baustellen. Andererseits wird
dieselbe in alter Weise von Unternehmern ausgeführt, die ein-
zelne Baustellen kaufen und bebauen, sei es um die betreffenden
Häuser persönlich auszunutzen oder um sie an Andere zu ver-
kaufen.
Die Thätigkeit der Baugesellschafteu ist in Berlin eine
durchaus neue, verspricht aber eiue sehr bedeutsame zu werden.
Augenblicklich bestehen bereits IG Gesellschaften, welche grössere
Terrains innerhalb oder in nächster Nähe des Weichbildes mit
Wohnhäusern zu bebauen beabsichtigen. Die Gesellschaften,
deren Terrain in weiterer Entfernung von Berlin liegt, sind
hierin nicht einbegriffen, da die von ihnen in Aussicht ge-
nommene Art der Bebauung (mit Villen) eine wesentlich an-
dere ist, ebensowenig diejenigen Gesellschaften, welche sich zum
Zwecke einzelner grösserer Bauunternehmungen in der inneren
Stadt, Strassen -Durchleguugen etc. gebildet haben. Man ist
besorgt gewesen, dass der Einlluss dieser Unternehmungen
eiu ungünstiger sein wird, dass sie ein Moiio|mi1 ausüben
und die Preise willkürlich in die Höhe schrauben würden; es
ist dies jedoch schon wegen der Konkurrenz, zu der sie unter
einander genöthigt sein werden, kaum zu fürchteu, im Gegcn-
thcil darf angenommen werden, dass der t)rfolg ihrer Thätig-
keit das allgemeine Beste ausserordentlich fordern wird, und
um so viel mehr, je schneller letztere sich entwickelt und ab-
wickelt. Dass dies bisher erst iu sehr geringem Grade ge-
schehen, ist wohl der Neuheit der Verhältnisse und dem Mau-
gel an Uebung zuzusebreibeu, den die leitenden Techniker in
der Einleitung solcher Unternehmungen besitzen- Die vorbe-
reitenden Schritte erfordern viele Zeit, da häufig grosse Um-
wege gemacht werden. Namentlich haben die Verhandlungen
über dio von fast ullen Baugesellschaften beantragten Abände-
rungen des Bebauungsplanes meist zu sehr langwierigen Ver-
zögerungen geführt, weil über die Grundsätze, nach denen die
Behörde bei solchen Abänderungen verfährt, grosse Unklarheit
herrscht. Jedenfalls ist zu hoffen, dass im Laufe des nächsten
Jahres, sowie erst die Strassen der betreffenden Terrains auge-
legt uud gepfla-tert seiu werden, sich bereits eine wirksamere
Thätigkeit der Baugesellschaften entfalten wird.
Zu eiuer Befriedigung des vorhandenen Bedürfnisses irini
dieselbe jedoch um so weniger ausreichen als jene Komplexe
fast ausschliesslich im Westeii uud Südeu der Stadt liegen,
während der Osten nur spärlich, der Norden, wo inuerbalb der
alten Vorstädte Wedding und Gesundbrunnen schon längst eine
grosse Zersplitterung des Grundbesitzes herrscht, gar nicht in
das Bereich dieser Bauthätigkeit gezogen werden kann. Hier
muss noch durch dio vermehrte Bauthätigkeit Einzelner Ab-
hülfe des Wohnungsumtigels beschafft werden und gerade diese
Seite der Privat-Bauthätigkeit ist es, welche der Untcrstützunc
bedarf.
Hauptsächlich kann diese Unterstützung dadurch gewährt
werden, dass man für die hierbei in Betracht kommenden Bju-
quartiere diejenigen Vorbedingungen der Bebauung ins Werk
setzt, durch welche die Baugesellschaften ihre Thätigkeit Mch
erleichtern, d. h.. dass man für eine genügende Entwässerung
derselben sorgt uud ihre Strassen fertig herstellt. Es ist dies
iu Berlin um so leichter durchzuführen, als es sich in Betreff
der Kosten nur um die Auslage eines Kapitals handelt, rt»'
später von den Besitzern der Grundstücke ersetzt werden muss
Gegenwärtig wird der entsprechende Beitrag jedem Einzelnen
bereits bei Beginn seines Hausbaues abgenommen, während die
Pflasterung öfters erst sehr viel später ausgeführt wird. Welche
Schwierigkeiten sich einem Bau, der des gepflasterten Zufuhr-
wegs entbehrt, entgegenstellen, welche gräulichen Zustände sieli
in einer solchen halbbebautcn, ungepflasterten und mangelhaft
oder gar nicht entwässerten Strasse entwickeln, ist leider alltu-
bekannt. Neben dem direkten Nachtheile für den üesundheits-
und Sittenzustand der Bewohner schaden dieselben indirekt,
indem sie vor weiterer Bebauung abschrecken; ebenso sind die
Kosten, welche auf die provisorischen stückweis angelegten Eut-
wässerungsvorrichtungen verwandt werden müssen, meist ver-
loren, da diese später, sobald ein einheitlicher Plan dafür auf-
gestellt wird, gänzlich verändert werden müssen.
Da der einzelne Bauunternehmer gegen solche Ucbelstinde
hülflos ist uud eine Vereinigung der verschiedenen Grundbe-
sitzer eines der Bebauung zu erschliessenden Areals wohl selten
oder gar nicht zu Stunde kommen wird, so bleibt Nichts übrig, als
dass in dieser Beziehung die öffentliche Behörde eintritt. E>
ist dies nicht nur iu anderen Orten üblich (z. B. hat das kleine
Cassel für die Anlage neuer Strassen seit 1866 eine Anleihe
von 2 Millionen Thaicr gemacht), sondern auch Berlin selbst
hat für den Erfolg einer solchen Maassregel ein lehrreiches iido 1
aus früherer Zeit glänzendes Beispiel iu dem sogenannten K-ty-
nicker Felde, der heutigen Louisenstadt. Das ausgedchute, et«
*!. r >0 Morgen grosse Terrain befand sich früher im gemeinsame»
Besitze eines Theils der Bürgerschaft. Obgleich schon tö»* 5
ein Bebauungsplan für dasselbe aufgestellt worden war, gi&£
die Bebauung doch nicht über die dürftigsten Anfinge hinaus
hauptsächlich wohl, weil die Zugänge fehlten und der Besiö
Digitized by Google
ungünstig vertheilt, lag. Unter König Friedrich Wilhelm IV.
kam eine Einigung mit den Grundbesitzern und zuglciih eine
Separation zu Stande : dag zu Strassen, Plätzen und dem durch
deu Stadttheil geleiteten Kanäle erforderliche Termin wurde un-
entgeltlich an den Fiskus abgetreten, wogegen dieser die sofor-
tige Pflasterung der Strassen übernahm und innerhalb 3 bis
4 Jahren ausführte. Der Krfolg ist als ein ausserordentlicher
zu bezeichnen. Von den 300 ODO Menschen, um welche die Ein-
wohnentahl von Berlin in der Zeit von 1848 bis ISWV. gewachsen
ist, wohnten 150 000, also die Hälfte, in der Louiseustadt! I>a
der Hauptzug der Stadterweiterung im l'ebrigmi schon damals
nach Westen gerichtet war, so ist dies« intensive Bebauung der
I.ouis n nstadt wohl lediglich dem Umstände zuzuschreiben, dass
dort bereits gepflasterte Strassen vorhanden waren.
Es scheint daher kein wirksameres Mittel zur schnellen
Steigerung der Bauthätigkeit und zur Abhülfe der Wnhnungnoth
zu gelten, als dass gegenwärtig Aehnliches geschieht. Selbst-
verständlich würde unter den heutigen Verhältnissen nicht der
Fiskus, sondern die Kommune entsprechend vorzugehen haben
An geeigneten Terrains, die nach Ausführung der Strassen sehr
oald der Bebauung unterliegen würden, fehlt es keineswegs; so
ist auf das grossentheils im städtischen Besitze befindliche Areal
zwischen dem Kanal und der llasenhaide, den sogen. Urban hin-
zuweisen, auf dem sogar die Strassen schon ausgelegt sind, des-
gleichen auf die zwischen dem Kanal, Treptow und Rixdorf be-
legenen Kölnischen Wiesen, deren Separation nur von der Fest-
stellung des Bebauungsplanes abhängig ist. Die Ausführung so
umfassender Pflasterarbeiten mag bei den jetzigeu Arbeiter-
verhältuissen schwierig sein, ist aber jedenfalls nicht un-
möglich.
Neben diesen allgemeinen Gesichtspunkten sind eudlich
noch einige Momente , die das eigentliche Bauen betreffen , zu
berücksichtigen.
Es fehlt leider überall an Arbeitskräften, bei Behörden so-
wohl, wie bei Unternehmern, doch ist wohl zu hoffen, dass die-
selben durch Zuzug von auswärts fortdauernd sich vermehren;
ebenso ist zu erwarten, dass die Hemmungen der Bauthätigkeit
durch Strikes nicht mehr so häufig und so andauernd sein
werden , wie in den letzten Jahren. Sind die Erfahrungen,
welche hierbei sowohl seitens der Arbeiter, wie seitens der
Arbeitgeber gemacht worden sind, nichts weniger als günstige,
so dürfte doch namentlich von einem Strike der Letzteren nicht
so bald wieder die Rede sein.
In Betreff des Mangels an Baumaterial und der exorbitanteu
Preise desselben muss der ausgleichende Einfluss der Konkur-
renz abgewartet werden. Derselbe würde wahrscheinlich schon
eingetreten sein, falls dpr Zustand unserer Zufuhrwege, nament-
lich unserer Wasserstrussen einer Frequenz des Verkehrs, wie
sie das gegenwärtige Bedürfnis* erfordert, entspräche. Der Schif-
fahrts-Kanal, der dazu bestimmt war, deu Schiffsverkehr um die
Stadt zu leiten, bildet jetzt fast lediglich einen Zufuhrweg für
die anliegenden Bauterreins; es könnte seiu Nutzen wesentlich
erhebt werden, wenn die Böschungen durch Futtermaueru ersetzt
und eigentliche Uferstrassen angelegt würden. Auch die Schleu-
sen, vor denen die Kähne oft 7 läge laug liegen müssen, ge-
nügen laugst nicht mehr dem Verkehr.
Was die Ausführung der Bauteu betrifft, so wird die Bau-
tätigkeit um so freier sich entfalten, je geriugemi Einschrän-
kungen sie unterworfen ist Es ist wünschenswert«, dass die
baupolizeilichen Bestimmungen nach dieser Richtung hin einer
abermaligen Musterung unterworfen worden: leider ist die An-
gelegenheit der neuen Bauordnung dadurch ins Stocken gerat hen.
dass die städtischen Behörden über ihr Verhalten zu derselben
noch nicht schlüssig geworden sind Die augenblicklichen Ver-
hältnisse erschweren den Verkehr namentlich dadurch, dass in
den bestehenden Vorschriften so viele Amcudirungs-Unklarheiten
sich finden. Die Umständlichkeit, wulcho gegenwärtig zuweilen
mit der Erlangung der llauerlaubniss verbunden ist, würde sich
erheblich mindern, wenn in derartigen Angelegenheiten künftig
mehr der Weg persönlicher Verhandlung üblich würde.
Ob die Einführung neuer Baumaterialien, so z. B. des
Statnpfkonkrcts berufen ist, einen wesentlichen Einfluss auf die
Vermehrung der Bauthätigkeit auszuüben, möchte zu bezweifeln
seiu. So berechtigt die Anwendung desselben für einfache,
läudliche Verhältnisse sein mag, so müssen städtische Gebäude
doch für eitien zu verschiedenartigen Gebrauch herhalten, als
dass dies bei ihnen in gleicher Weise der Fall sein könnte.
Es kommen schliesslich noch einige Fragen allgemeiner Art
in Betracht Zunächst die der Besteuerung. Die Gewährung
der Steuerfreiheit auf eine tiestiminte Zeit für sämmtliche Neu-
bauten ist unter ähnlichen Verhältnissen anderwärtR, so z- B- im
Haag mit gutem Erfolge versucht worden. Die Besteuerung der
Wohnungen ist unter den augenblicklichen Verhältnissen über-
haupt eiue sehr drückende und müsste modifizirt werden. Wei-
ter die der Kommunikations-Erleichterung. Man glaubt
vielfach durch Anlage, von Pferdebahnen, durch eine erwei-
terte Nutzbarmachung der Verhindungs - Lokomotivbahn pp.
ein wirksames Mittel zur Hülfe gegen die Wohnungsnoth
schaffen zu können, doch dürften diese Hoffnungen sich in
Wirklichkeit nicht bestätigen. Die Umgegend Berlins ist zu
arm au kleinen Städten, welche einen namhaften Theil der
Einwohnerschaft Berlins unter Verhältnissen, wie sie hierfür
geschaffen werden müssen, an sich ziehen könnten; weigert sich
doch selbst Charlotteuhurg fertige Strassen unter der Bedinguni:
einer Unterhaltung derselben anzunehmen. Noch schlimmer
steht es selbstverständlich auf den Dörfern, in denen nur villen-
artige Gebäude die keiner Entwässerung und sonstiger Bedin-
gungen städtischer Verhältnisse bedürfen, gebaut werden können.
Pferdebahnen dürften jedenfalls wohl nicht im Stande sein, eineu
neuen Stadttheil hervorzurufen.
Das Haupt -Ergebnis* seiner Ausführungen fasste der Red-
ner schliesslich nochmals in folgenden Sätzen zusammen:
L Die Zunahme der Bevölkerung in dem bisherigen Ver-
hältnisse kann nicht verhindert werden.
i. Das einzige wirksame Mittel gegen die augenblickliche
Wohnungsnoth ist in der Förderung einer möglichst energischen
Bauthätigkeit zu erblicken.
3. Die Thätigkeit der neubegründeteu Baugesellschafteu
wird in dieser Beziehung von günstigem Erfolge sein, wenn sie
sich schnell entfaltet und schnell zu Ende geführt wird.
4. Die Förderung kleinerer, vereinzelter Bau-Uutcrnehmun
gen kann am Besten durch die Anlage fertiger Strassen, sowie
dadurch bewirkt werden, dass mau die baupolizeilichen Be-
stimmungen möglichst von allen Unklarheiten befreit —
Bei der vorgerückten Zeit wurde beschlossen, von einer au
den Vortrag geknüpften Diskussion für
zung .i:
Einige im Fragekasten enthall
Uerru tranzius beantwortet.
abzusehen und
Fragen wurden durch
- F. -
Vermischtes.
Ueber die Behandlung- neuer Wohnräume sind in No. 4.»
d. Bl. sehr beaebtenswertne theoretische und jedenfalls des
praktischen Nutzens nicht entbehrende Erörterungen, angestellt
von Herrn Kühr, mitgetheilt worden. — In denjenigen Fällen
jedoch, wo neben einer möglichst raschen Austrockming des in-
neren Mauerwerks sowohl, wie des Kalkputzes, auch die dabei
zu erzielende Festigkeit eine Hauptrolle mitspielen soll; möchte
das in der Baumaterialien-Lehre vom Professor, Architekt Rud.
uns in ticr uaumaxenaiien-Lenro vom rrotessor, Arcnitckt Kud.
Gottgetreu in München, (Berlin 1809 bei Jul. Springer) auf Seite
501 und 502 Gesagte mit in Erwägung zu ziehen seiu. Der ge-
nannte Verfasser bemerkt nämlich dort Folgendes:*) „So lange
in dem Mörtel Feuchtigkeit genug vorhanden ist, wird durch
diese an Stelle des zu kohlensaurer Kalkerde verwandelten
Kalkcrdehydrats das im Mörtel in Substanz vorhandene Kalk-
erdehydrat immer von Neuem gelöst Fortdauernd tritt Koh-
lensäure von Aussen an die Kalkerdebvdratlösuug heran und
schlägt daraus von Neuem kohlensauren 'Kalk nieder. Die Bil-
*) Du WcrthTolte d*r Kahr sehen MItlhellung scheint uns rorn.-.i-i.t da-
rin iu beruhen, da» sie die von den meinten Technikern wohl nicht gebahrcad t»e-
.ueksirMigt« Prang, welch« yasnlltiieu »ou Kohlentiur« In den betreffenden
Falle beanspracht werden, angeregt kW. Eine gross* Lacke leigt sie Insofern,
la welchem der beabsichtigte chemische Projess durch Zutun*
alt sie du /.«-ItmAa*.-,
ntllch wichtigen Angelegenheit erfordert wohl »er allen Din-
Keihe enrirnitiger Kiperlmenle festgestellt würde, ab du tur
mg de> Im Mörtel enthaltenen llrdratwaasors dure« Kohlen-
rung eine» g,r™-*ren (Rantums Ton Kohl-n.ii.t- heTToraubringen nein ««II, ansehet
neud ... . willkürlich geechiut hat. Die wissenschaftlich* Klärung der Cor die
ßaupraxis ausserordentlich wichtigen An
gen, due durch eine He
gewöhnlichen Kmrtttmg nee im Hörtel enthaltenen Hv.
Owe erforderliche Zeitmaua durch den chemlecben Vorgang an .Ich, oder durch
.ertrage (,aaatltat der in der almospharlarhen Luft enthaltenen Kohlensaure
hadlngt wird. Nur wenn das Leute» der Fall i.l, haben dt« Vcreache. ein schnel-
ler« Trocknen des Hortete ahn« Beeinträchtigung .einer Fertigkeit auf dem Weg.
künstlicher Zuführung eon Kohl-t. »i.r« bewirken «o könne«, «in« Auaeicht auf
J.rfalg. Die hier angeführt« Deduktion dea Gollgetnuschen Werkel laut dieaes
Moment gani unetirtert, da in Ihr nur die Polgen einer be.chleunigten Enttarnung
des Urdratuauers durch Verdampfung millel« Wirme erwähnt werden.
U
ID.
düng von kohlensaurer Kalkerdc und die Erhärtung des Mörtels
geschieht demnach von aussen nach innen. Zu gleicher Zeit mit
dem Vorgange der Bildung von kohlensaurer Kalkerde geht eine
Verdampfung vou Wasser aus dem Mörtel vor sich.
Das Verhältnis*, iu welchem diese stattfindet, ist von gros-
sem Einfluss auf die Weitererhärtuug des Mörtels. Geht die
Verdampfung sehr rasch und durch die ganze Mörtelmassc oder
von einer grossen Fläche aus vor sich, verliert sich also die
Feuchtigkeit im Mörtel schnell und kauu der Prozoss der Lö-
sung von Kalkerdehydrat uicht mehr erfolgeu, so tritt die Koh-
lensäure der Luft in die Poren des Mörtels uud au das noch iu
Substanz im Mörtel vorhandene Kalkerdehydrut und verwandelt
dann dieses feste Kalkerdehydrat in kohlensaure Kalkerde. Diese
Verwandlung des nicht in Lösung sondern iu Substanz vorhan-
denen Kalkerdehydrats zu kohlensaurer Kalkerde steigert die
Kestigkeit des Mörtels uicht mehr.
Der Zeitpuukt, iu dem diuse Verwandlung eingetreten ist,
bezeichnet die Grenze der Mörtclbildung überhaupt Ist sin vol-
lendet — uud dies geschieht, wenn keine Feuchtigkeit mehr
vorhanden ist, sehr schnell — so ist dann der Mörtel eine todte
Masse, in welcher die charakteristischen Wechselwirkungen des
Mörtelbildungsprozesses nicht mehr stattfinden können. Geschieht
dagegen die Verdampfung tler Mörtelfeuchtigkeit langsam vou
innen nach aussen uud nur auf einer geringen Oberfläche, wird
mithin der Frozcss der wechselseitigen /Ausscheidung von koh-
lensaurer Kalkerde uud Lösung vou Kalkerdehydrat lange Zeit
fortgesetzt, so zwar, dass das vorhandene Quantum Kalkerde-
hydrat möglichst vollständig iu Lösung übergeführt und mit
dieser in kohlensaure Kalkerde umgewandelt wird, so wird der
solcher Art gebildete Mörtel ungleich fester sein. Ks kann da-
her unter güustigen Verhältnissen aus einem reinen Kalksand-
Mörtel ein sehr fester Mörtel gebildet werden. Auch ergiebt
- uuter veränderten Umständen aus denselben
uud denselben Mischumrsvcrhältnissen ein ver-
Digitized by Google
schieden fester Mörtel entstehen kann. Hieraus erklärt sich,
dass künstlich oder schnell getrockneter Mörtel gar keine Fes-
tigkeit hat. sondern wie trockener Sand auscinanderfällt; darum
erhalt künstlich getrockuetes oder in heisser Witterung gefer-
tigtes Mauerwerk, namentlich bei dünnen Wänden, wenig Fes-
tigkeit, ebenso wenig dasjenige Mauerwerk, bei dessen Anferti-
gung man das Walser gespart hat; dagegen wird das bei mildem
Wetter ausgeführte oder starke Wände bildende und mit vielem
Wasser durchnetzte Mauerwerk das festere u. s. w.*
Hamburg, den 21. November 1872.
Carl Bües.
Nordamerikanische Holzpflasterung. — Auf Urund der
in No. 38 der Deutschen Bauzeitung enthaltenen Aufrage über
Holipflasterung stelle ich in Nachstehendem gern meine über
diesen Gegenstand gesammelten Erfahrungen zur Benutzung
meiner deutschen Facbgenossen.
Die amerikanischen Städte haben in neuerer Zeit aus-
schliesslich das Nicholsou'sche pat- Holz-./»»reme«/- angenom-
men, das früher noch auf einer Brettunterlage, jetzt aber nur
noch auf der fest abgewälzten Kiesbettung verlegt wird und
aus ca. 14,5 1,0 hohen, 12*» breiten reihenweise gestellten Holz-
klötzen von 15 — 30"» Länge besteht. Die Verlegung geschieht
auf folgende Welse : Ganz wie bei jeder anderen Pflasterung wird
nach Ebenung des Strasseuplanums eine Kieslage von 20— 25*»
aufgebracht und festgewalzt, was mit einer schweren eisernen
(iartenwalze geschieht: auf diese kommt eine schwächere Lage
von feuchtem Sand, welcher gleichfalls abgewalzt und auf interi-
mistisch dazu eingelegten Lchrbrottern von der Mitte nach bei-
den Seiten hin. nach der genauen Wülbungsliuie abgestrichen
wird. Diese Wölbung ist nur
schwach, etwa 4— 5«» auf 3—4™
Strassenbreite; zur Kinnstcinbil-
dung senkt sich diese Wölbung
zu beiden Seiten etwas stärker
gegen die Bordsteine des Trot-
foirs. Auf diese Unterlage wird
das Holzpflaster reihenweise im
Verband (Wechsel der Stoss-
fugen), die Reihen quer zur
Strasse, daher bei Strassenkreu-
zuugen in vollständiger Wieder-
kehr aufgesetzt, was bei der
leichten Handlichkeit der tanne-
nen Klötze, die wo erforderlich, schnell mit dem Beile zurecht
gehauen sind, sehr schnell von Statten geht. Um die Fugen
zwischen den Klötzen mit grobem ,graret" (Kies) zu füllen, wird
derselbe über das so gebildete Pflaster gekehrt und über ihn
hinweg Stcinkohlentbeer mittels einer Giesskonnc warm in die
Fugen gegossen. Ist alsdann der so mit Theer vermischte .<>ra-
rei- noch mit einem Schlageiscn und einer Handramme fest ein-
gedrückt und das Ganze mit Sand abgeglichen, so ist das Pflas-
ter fertig und kann dem Verkehr übergeben werden. — Die
vorerwähnte Manipulation des Festschlagens der Fugenfüllung
geschieht am Leichtesten durch zwei Arbeiter, von denen der
eine ein ca. 30*™ langes, 2*» dickes, 5*™ hohes Eisen an einer
eisernen Stange führt, der andere nach jedem Vorrücken
mit der Handramme auf das auf den Fugen entlang geführte
Eisen schlägt. Soll diese Holzpflasterung in Strassen vorgenom-
men werden, die mit »tn-rt p«™ befahren, d. h. mit Pferde-
bahnen versehen sind, so sind die Schwellen derselben vorher
in einer Tiefe von ungefähr 4*» unter der überkante des Pflas-
ters zu verlegen, so das», wenn die Schiene aufgenagelt ist, das
Holzpflaster nur noch ein Geringes übersteht Es ist gut, die
Klötze entlang der äusseren hohen Seite der Schiene mit dem
Dächsei schräg abzufosen, damit die Fuhrwerke leicht aus dem
Schienengcleise herauskommen können, wenn sie solche kreuzen,
oder dann entlang fahren. —
Indianapolis, Ind., 4. November 1872.
Konkurrenzen.
Paolo SiolL
tiv besten der 7 eingegangenen Entwürfe, als deren Verfasser
die Hrn. Architekt lhntze in Halle, beziehungsweise die Archi-
tekten Templin und Reddersen in Bremen eich ergeben
haben, je die Hälfte der beiden zusammengezogenen Preise er-
halten haben. — Die Konkurrenz für Entwürfe zu einem Denk-
male auf dem Marienberge bei Brandenburg, an der
6 Entwürfe Theil genommen haben, hat das Resultat ergeben,
dass leider keines derselben die zur Bedingung gemachte Aus-
führbarkeit für eine Summe vou 20000 Thlr. festgehalten hat.
Es ist daher gleichfalls kein Preis ertheilt, jedoch sind die bei-
den relativ besten Entwürfe augekauft und die Verfasser dersel-
ben, die Architekten II. Stier und H. Eggert in Berlin ver-
?ue beschränkte Ko '
Monats-Aufgaben für den Architekten- Verein In Berlin
4- Januar 1873.
I. Für einen Speisesaal ist ein Kamin in reichverzierten
farbigen Kacheln zu entwerfen. Derselbe soll im Körper etwa
1,70» lang, 0,90» tief und 1,25» hoch werden, und noch einen
Aufsatz von 0,55» Tiefe und 0,80— 1,00» Höhe erhalten. Di"
Absätze werden mit Marmorplatten abgedeckt. Die Vorderan-
sicht ist in Farben und im MaaaBtabe von >/■ der Natur darzu-
stellen.
II. Eine im Niveau über eine Eisenbahn mit fi Geleisen füh-
rende Stadtstrasse von 16» Breite für den Fahrdamm und je
4» Breite für die Bürgersteige soll mit Barrieren gesperrt wer-
den. Diese Barricrcu sind so zu konstruiren , dass sie in miß-
lichst kurzer Zeit von Einem Wärter geschlossen und geöffnet
werden können : dieselben sollen bei Tag und Nacbt leicht er-
kennbar sein und Kinder und Kleinvieh abhalten können.
Alle wichtigen Maasse, Annahmen und Rechnungs - Resul-
tate sind in den Zeichnungen an geeigneter Stelle einzutragen
Personal- Nachrichten.
Ernannt: der Eisenbahn - Bau- und Betriebs - Inspektor
Bachmann zu Breslau zum Ober - Betriebs - Inspektor bei der
Westnhälischen Eisenbahn in Münster. Der Baumeister
Schlichting zu Gross Glogau zum Kreisbaumeister in Hcvde-
krug. Der Kreisbaumeister Valett zu Neubaus an der ÖsU-
zum ßauinspektor daselbst. Der Ober - Betriebs - Inspektor
Schmeitzer zu Berlin zum technischen Mitglied der Direktion
der Ostbahn in Bromberg. Der Ober - Betriebs - Inspektor
Bensen zu Münster zum zweiten technischen Mitglied de« Ei-
senbahn - Kommissariats zu Berlin. Die Bauräthe: Efill zn
Cassel, Wiehe zu Hannover und Früh zu Saarbrücken zu Re-
gierung*- und Bauräthen.
Versetzt: der Rcgierungs- und Bnurat/i Grotcfcad in
Berlin als technisches Mitglied zur Direktion der Ohersclil«.
Eisenbahn noch Breslau.
Die Baumeister-Prüfung haben am 20- nwl ö. Novem-
ber er. abgelegt: Johann Thelen aus Derichsweiler, Kreis Dü-
ren; Robert Henderichs aus Bensburg.
Die Bauführer-Prüfung haben bestanden am 18., 19.
und 20. NovemlKT er: Feldmesser Julius Mütze aus Solingen:
Mathias Koenen aus Glesch, Kreis Bergheim; Franz Wilhelm
Friedrich von Fiscnnc ans t'öln.
Eine Konkarrenz für Entwürfe zur Vergrc-sserung and
za dem Austoauo des Gasthof ca „Breldenbaoher Hof" zn
Dasseldorf mit dem Schlussterminc des 1. März 1973 wird von
der dortigen Baubank ausgeschrieben, bietet also einen inte-
ressanten Beleg dafür, dass nicht Behörden und Korporationen
allein, sondern auch Baugesellschaften sich dieses Weges be-
dienen, um für einen bestimmten Zweck die relativ besten Ideen
sich disponibel zu machen. Das in seinen allgemeinen, wie in
den speziellen Baubedingungen sehr klare Programm schliesst
sich in Betreff der ersten auch an die Grundsätze des Verban-
des an. Als Preisrichter fungiren die Hrn. Geh. Reg.- u. Bau-
Rath Krüger, Stadtbaumstr. Westhofen und Haumeister J.
Krons in Düsseldorf. Der erste Preis beträgt 2500, der zweite
1200 Mark Deutsche Reichsmünze.
Preisen tacbeldnngen. Die Konkurrenzen für Entwürfe
zu einer Navigationsschule und einer Realschule in
Bremen sind dahin ausgefallen, dass bei der ersteren unter
drei eingegangenen Arbeiten die des Baumeisters Th. Kggers
in Bremen den Preis erhalten hat, während bei der zweiten ein
erster Preis nicht ertheilt worden ist, sondern die beiden relu-
Hrn. E. R. Dresden. Die Ausrüstung von Tunnel* in
Schmiedeeisen ist in den letzten Jahren bei einigen Tunael-
bauten, z. B. auch bei der Call-Trierer Eisenbahn durch An-
wendung schmiedeeiserner Träger unter Mitbenutzung von Hon
mit Erfolg angewandt worden, ohne dass sich bis jetzt ein
System des Ausbaues mit Schmiedeeisen ausgebildet hat Das*
gegenwärtig in Deutschland ein Tunnel unter Anwendung voo
Schmiedeeisen im Bau begriffen ist, ist uns nicht bekannt Ztuu
Studium der Tunnelausrüstungen in Eisen kann „Rziha'a Lehr-
buch des Tunnelbaues*, empfohlen werden, welches, wenn es auch
bezüglich der Anwendung von Eisen hauptsÄcblichdie Auf-
rüstung mit gusseisernen Rahmen behandelt, doch Fingerzeige
enthalten dürfte, in welcher Weise Gusseisen rortbcilhalt durch
Schmiedeeisen ersetzt werden könnte. — In Amerika findet
gegenwärtig die Ausrüstung der Tunnels mit Eisen grössere
Verbreitung.
Hrn. C. L. in Krotoszyn. Die betreffenden Mittheil ungen
in der letzten Nr. unseres "Blattes dürften Ihren Wunsch er-
füllt haben.
Hrn. II. in Berlin. Eine hölzerne Decke in einem mit
heisscu Dämpfen fortwährend angefüllten. Raum durch cidcl
Anstrich vor Fäulnis» zu bewahren, dürfte sehr schwer m
auch wenn mau die Kosten eines Oel- Anstrichs, der Ihnen zu
theuer ist, daran wenden wollte. Eine andere Farbe, die diesen
Dienst besser und billiger verrichten möchte , ist uns niclt be-
kannt — Es werden fortwährend vielerlei neue Farben aoeeb» v
ten, von keiner ist aber bis jetzt zweifellos ausgemacht,
sie zugleich billiger und besser als Oelfarben-Anstrich ist.
Hrn. E. G. Eine Erklärung des Ausdrucks „Berliner Schul'"
im Gebiete der Architektur können wir Ihnen an dieser Stelk-
nicht geben; sie würde in solcher Allgemeinheit eine Iiiige:'
Darstellung erfordern. Vielleicht können wir Ihren
einfacher erfüllen, wenn Sie uns mittheilen, was Ihnen an jener
Bezeichnung unklar ist.
um 0**1 Ht.litm I» B»rllii.
l>n*h >m U.truil.r rtDkerli» B»m.
Digitized by Google
Deutsche Bauzeitung
JthigMg \ I.
(JNIVERSITÄTS-pEBÄUDE IN OS TO CK.
Digitized by Google
Jahrg. f 1. M 4».
DEUTSCHE BAUZEITUNG
! 1(1.
Efllrl'.-jnrr-
bhrriwHiM«!! All« PirtUiittaltMl
Organ des Verbandes
^ deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine.
Redakteur K. E. 0. Fritjch.
lax rata
f.r 41. tritt 4er driiich.il
Bauzeit. n( flad.n \.rn»hme
la 4M 0nll.-B.ll4f.:
>tt **L V
Preis 1 Tbaler pro Quartal.
Berlin, den 7. Dezember 1872.
Erscheint jeden Sonnabend.
Inhalt: Da. rr»u.»l.ch« Slaattbaavcaen. (FortaeUung). -- U.ber An*
I .on W.lckrn.lrauan, tntb.iend.ra for H.n.ir- und Kohl. ofruben - Bahn-
hMa. - MUlli.llar.«.n au. V.r.ln.o: Arcr,lt.kt«n-V.reiii >a Barlin. — Var-
ia l . e h t .. : »'«»enlMdi - B<abaeriMn«»a. -Koakurr.na.n: K.Jffp.n« ein«
Konkurrent für ein in Bremen cu errichtende. KrieR.r- Denkmal
rar Entaürle >u einem Denkmal, fi
• ooaWNaclirlchl.n etc.
KobkuiTcni
— Per-
Das Preussiseae Staats- IIa miesen.
(FartMUmtf).
Der dreijährige Lehrgang für künftige Banführer um-
fasst:
1. Landbaukunst (Linien -Architektur- und Orna-
ment-Zeichnen): a. Bau -Konstruktionslehre mit Zeichen -Ue-
hnngen. — b. Projektionslehre in Anwendung auf Steinschnitt
der Gewölbe, Schatten -Konstruktion nnd Perspektive (mit
Zeichen- Uebnngen). — c Die wichtigsten Formen der anti-
ken Baukunst, namentlich der Säulen -Ordnungen und Bo-
genstellungen, nebst den bezüglichen Details der Gesimse,
sowie der Thüren, Fenster u. s. w. (mit Zciebcn-Uebungen).
— d. Die Einrichtung und Konstruktion einfacher Gebäude,
Anfangs mit L'ebung der Darstellungsmethoden von Grund-
rissen, Profilen, Facaden nnd Detail-Zeichnungen, später mit
Uebung im Entwerfen von Gebäuden nach gegebenen Pro-
grammen. — e. Landwirtschaftliche Baukunst (mit Uebnn-
*n im Entwerfen). — f. Die gewöhnlichen Bau-Materialien,
eranschlagung, Ballführung etc. — g. Ornamentenzeichnen
nach Vorlegeblftttcrn nnd Gips, Anfangs in Umrissen, später
in ausgeführten Methoden. — h. Geschichte der Baukunst
des Altcrthums, des Mittelalters und der italienischen Kunst-
periode.
2. Wasser-, Wege- und Eisenbahnbau: Elemente
des Wasser-, Wege- und Eisenbahnbaues, namentlich das
Fnndamentiren unter Wasser, der Bau gewöhnlicher Brücken,
Uferbefestigungen, Verwellungen, Stauarchen, Wehre, Müh-
lengerinne, Ent- und Bewässerungsbauten ; ferner die Anord-
nung und Ausführung der Längen- nnd Ouerprofile der
Strassen- und Eisenbahndämme, der dabei vorkommenden
Erdarbeiten, die verschiedenen Arien der Wegebefestigung
und des Eisenbahnoberbanes, die Wasserableitungen und
die Anfertigung zugehöriger Anschläge (mit Uebungen im
Entwerfen bezüglicher Bauwerke).
3. Maschinenbau: Die Maschinenteile und die ein-
facheren auf Baustellen gebräuchlichen Hülfsmaschinen und
Geräthe, ferner die Einrichtung gewöhnlicher Mühlen und
Dampfmaschinen.
4. Reine Mathematik: a. Algebraische Analysis, Tri-
gonometrie, Stereometrie, analytische Geometrie (mit Uebung
im Gebrauche von Logarithmen). — b. Differential- und In-
tegral-Rechnung mit Einschluss der Differentialgleichungen
nnd Metbode der kleinsten Quadrate.
5. Angewandte Mathematik: a. Statik und Dyna-
mik in Anwendung auf Baukunst und Maschinenwesen, mit
Uebungen im praktischen Rechnen. — b. Feldmessen nnd
Niveliiren nntcr Anwendung der üblichen Instrumente (mit
Exkursionen); Geodäsie (mit Exkursionen.)
6. M ftturwissenschaften und Technologie: a. Phy-
sik in Bezug auf Wärme, Licht, Elektrizität und Magnetis-
mus. — b. Chemie in Bezug auf die einfachen Stoffe und
deren Verbindungen mit einander, sofern dieselben auf Bau-
materialien von Einfluss sind. — c. Orvktognosie und Ge-
ognosie in Hinsicht auf ihre systematische Ordnung und so-
weit dieselben zum Erkennen, 'Auffinden und Beurteilen der
im Bauwesen zur Anwendung kommenden Materialien erfor-
derlich sind. — d. Bauwissenschaftliche Technologie (mit
Exkursionen).
Die Verteilung dieses Lehrstoffs in die drei Jahreskurse
ist nach der neuesten Anordnung die folgende. Im ersten
Jahre werden die Baukonstmktionslehre des Hochhaus. Pro-
jektionslebre und Perspektive, Uebungen im Bauzeichnen
nach Vorlagen, die reine Mathematik sowie Physik und
Chemie erledigt, der Unterricht in den Formen antiker Bau-
kunst und im Ornamentzeichnen wird begonnen. Der letztere.
fortschreitende Uebungen im Entwerfen von Gebilden und
Vorträge über die Geschichte der Baukunst gehen durch die
beiden nächsten Jahreskurse hindurch. Vollendet wird im
zweiten Jahre der Unterricht in den Formen antiker Bau-
kunst, in der landwirtschaftlichen Baukunst, deu Elementen
des Bau-Ingenieurwesens, der Statik und Dynamik, dem ge-
wöhnlichen Feldmessen, der Oryktognosie' und Geognosie.
Im letzten Jahre treten endlich als neue Unterrichts-Gegen-
stände hinzu die Bauraaterialienkunde, das Veranschlagen
und die Bauführung, der Maschinenbau, die Technologie und
die Geodäsie, während die Statik und Dynamik in ihrer An-
wendung auf die Praxis geübt wird. — "Obligatorisch ist
der Unterricht in den oben unter 1. a. b. c. d. e. f. g. sowie
unter 2. und 3. angeführten Gegenständen. —
Dass der Besitz von Kenntnissen und Fertigkeiten aus
den in diesem Lehrgange enthaltenen Disziplinen für den
künftigen Staalsbanbeamten nützlich, ja bis zn einem ge-
wissen Grade sogar unentbehrlich sei, müssen wir nach dem
von uns eingenommenen Standpunkte zugeben. Ein Anderes
ist es mit der Frage, ob die Wichtigkeit, mit welcher die
einzelnen Unterrichtsgegenstände innerhalb des Studien-
planes behandelt sind, der Bedeutung entspricht, welche die-
selben späterhin in Betreff der durch die dienstliche Thatig-
keit des Beamten gebotenen Aufgaben einnehmen. Es dürfte
von Jedem, der diese dienstliche Thätigkeit kennt, aner-
kannt werden, dass der spezifisch künstlerischen Seite des
Fachs ein unverhältnissmässiges Uebergewicht eingeräumt
ist, während diejenigen Fachgebiete, welche in der amtlichen
Provinzial-Praxis voranstehen, der sogen. Kamerai -Bau und
das Ingenieurwesen, ausserordentlich mager abgespeist sind.
Auf eine nähere Ausführung dieses Momentes verzichten wir
jedoch, da unter den obwaltenden Verhältnissen das „Was*
als beinahe gleichgültig gegen das „Wie" zurücktritt.
Vor Allem drängt sich nämlich die wichtige Frage auf,
ob und in wieweit bei den oben angeführten Unterrichtsge-
genständen die akademische, auf ein gereiftes Verständ-
niss nnd die freie Selbsttätigkeit der Studircnden berech-
nete Methode des Unterrichts überhaupt zweckmässig und
zulässig ist.
Die Stellung derselben besagt bereits, dass wir sie zum
Theil verneinen. Wir sind in der That der Ansicht, dass
die Hilfswissenschaften eines Fachs, in erster Linie aber das
zum Verständniss desselben erforderliche ABC, nicht auf
die Akademie gehören, dass sie in einer Sicherheit, die
im Interesse der Studircnden verlangt und vor Beginn des
akademischen Studiums mit ernster Strenge erprobt werden
ranss, am Besten sehulmüssig, d. h. auf einem Wege er-
lernt werden, bei welchem es dem Lehrer möglich ist sich
zu jeder Zeit der Erfolge seines Unterrichts zu vergewissern
und diesen dementsprechend zu modifiziren. In der bei uns
üblichen Weise des Studiums der alten FakultäU -Wissen-
schaften, für welche die Grundlage allgemeiner wissenschaft-
licher Bildung und die im klareii Verstehen fremder Geistes-
tätigkeit, wie im eigenen logischen Denken sich äussernde
Geistesreife genügen, welche durch die Abiturienten-Prüfung
nachgewiesen werden müssen, findet dies wirklich statt. Für
das Studium des Baufachs, welches neben diesen Bedin-
gungen noch voraussetzt, dass dem Studirenden das ABC
des Techniken geläufig sei, d. h. dass er jeder tech-
nischen Darstellung ein müheloses Verständniss entgegen-
bringt und in dem Mittel dieser Darstellung, dem Zeichnen,
bereits eine gewisse Fertigkeit und Sicherheit erlangt hat. darf
man die gleiche Forderung nicht ungestraft vernachlässigen.
Digitized by Google
- 396 —
Leider int dies bei ans der Fall und wir erblicken hieriu
den Quell des Siechthums, das die Bau-Akademie von jeher
befangen, selbstverständlich aber in um so höheren Grade
um sich gegriffen hat, je mehr bei dem Zudrauge von Stu-
direnden der Unterricht zum Massen - Unterricht geworden
und eine vermittelnde und ergänzende Einwirkung des Leh-
rers auf den Einzelnen fast unmöglich gemacht ist. In Folge
der verfehlten Einrichtung des Elevenjahres nnd bei der völ-
lig ungenügenden Kontrolle über die Resultate desselben man-
gelt einem grossen, wenn nicht dem grössten Thcilc der
Immatriknlirten zunächst jene Grundlage technischer Ausbil-
dung; sie sind genOthigt die Vorbedingung eines akademischen
Fachstudiums auf der Akademie selbst, die ihren ersten
Jahreskursiis fast aussehliesslich^diesem Zwecke widmet, zu
gewinnen, können dies aber unter den vorhandenen äusser-
lichen Bedingungen einerseits nicht immer in dem thatsärh-
lich erforderlichen Grade erreichen und gelangen anderer-
seits in eine verhängnissvolle Richtung, welche das eigent-
liche akademische Studium aufs Schwerste schädigen muss.
Ein ungefähres Bild von den auf der Berliner Bau-
Akademie herrschenden Zuständen wird man sich machen
können, wenn man sich das Chaos ausmalt, das auf einem
Gymnasium eintreten niüsste, falls zum grossen Theil Schü-
ler in dasselbe aufgenommen nnd demnächst ohne Prüfung
versetzt würden, die bei ihrer Aufnahme noch mit dem Lesen
und Schreiben zu kämpfen haben. Thatsächlich machen
sich die Folgen dieser Zustände darin geltend, dass die Ten-
denz des gesamroten akademischen Studiums in erster Linie
auf die Erlangung einer äusserlichen Zeichenfertigkeit ge-
richtet ist nnd das Hauptresultat desselben durchschnittlich
darin besteht, dass die Studirenden beim Abgänge von der
Anstalt diejenige Zeieheufertigkeit besitzen, die ihnen beim
Eintritte nothwendig gewesen wäre. Was blosses Mittel znm
Zwecke sein sollte, ist zum vornehmsten Zwecke selbst, die
Bauakademie im Wesentlichen zu einer Zeichen-
schule geworden.
Zur eigentlichen Blüthe hat sich dieser, in seinem Ur-
sprünge durch die Mängel des Elevenjahrs veranlasste Cha-
rakter der Bauakademie entwickelt, seitdem auf ihr die
„Zwangskollegien" und „Pensumsblätter* eingeführt
worden sind.
Man hat geglaubt durch diese den Studirenden aufer-
legte Verpflichtung, bestimmte Kollegien in bestimmter Reihen-
folge anzunehmen und während derselben, soweit sin mit
Zeichenübungen verbunden sind, eine bestimmte Anzahl von
Zeichnungen anzufertigen, den Gefahren der akademischen
Freiheit, die sich vordem in bedenklicher Weise gezeigt haben
sollen, wirksam vorbeugen zu können. Nicht ohne Stolz
hat man in diesen Blättern, die mit dem Visum des Lehrers
versehen, behufs Zulassung zur Bauführer-Prüfung vorgelegt
werden müssen und von denen die besten alljährlich auf
Kosten der Akademie vervielfältigt werden, einen handgreif-
lichen Beweis für die trefflichen Erfolge des Instituts zu er-
blicken vermeint. — Leider ein schwerer Irrthum.
Dass eine unbegrenzte akademische Freiheit, von der
man bekanntlich weder in Frankreich noch in England
etwas wissen will, unter den bisherigen Voraussetzungen des
Studiums auf der Bau -Akademie in der That ernste Ge-
fahren mit sich bringen muss, ist sicher nicht zu läugnen.
Wenn der Studirende in der Sorglosigkeit fröhlichen Jugend-
muthes an gewissen geradezu unentbehrlichen, durch spä-
teren Fleiss niemals zu ersetzenden Vorlesungen oder Leitun-
gen, welche die elementarsten Kenntnisse des Fachs be-
treffen, entweder gar nicht oder nur unregelmässig Theil
nimmt, so erwachsen hieraus seiner ganzen späteren Aus-
bildung dauernde und bedeutende Naehtheile. Trotzalledem
möchten wir die goldene Freiheit des deutschen Studenten,
deren Einflnss je nicht sowohl auf die Fachbildung, als viel-
mehr auf die Entwicklung des Charakters, auf die sittliche
Reife und die Befestigung idealer Gesinnung im Manne
hinwirkt, auch den Studirenden des Baufachs vergönnt
wissen. Wir schon das Mittel um jener Gefahr zu begegnen,
nicht in der Einschränkung oder gar Entziehung jener Frei-
heit wärend der akademischen' Studienjahre, sondern eben
darin, dass man allen elementaren Unterricht, dessen Ge-
wicht nicht sowohl in der auregenden Leitung des Lehrers,
als vielmehr in der unausgesetzten Unterweisung desselben
beruht nnd die sichere Einprägung positiver Vorkenntnisse
und Fertigkeiten zum Ziele hat, nicht in die akademischen
Formen kleidet, sondern diese erst eintreten lässt, wenn jene
Grundlage überwunden uud der Studirende im Stande isl,
sich in seinem Fache heimisch zu fühlen.
Durch jene Anordnungen, welche einerseits durchaus
nicht weit genug gehen, um vou denen, die eine schranken-
lose akademische Freiheit geniessen wollen, nicht umgan-
gen werden zu können, hat man andererseits eine Gefahr
heraufbeschworen, die wir um Vieles schlimmer schätzen,
als jene. Wenn es bereits ein unvermeidlicher Nacbtheil
jedes auf eine schliessliche Prüfung bezogenen Studienganp-s
Ist, dass die Mehrzahl, welche eben ein Brotstudium treibt,
weniger nach einer in sich abgeschlossenen Ausbildung strebt,
sondern danach trachtet, die Anforderungen der Prüfung auf
die leichteste Weise erfüllen zu können, so muss die Vor-
schrift eines bestimmten, innerhalb des akademischen Kursu«.
zu absolvirenden Pensums eine freie, selbststandige Thätig-
keit der Studirenden fast gänzlich lahm legen. Man erfüllt
die Vorschrift, bestenfalls mit besonderem Eifer nnd Fleiss,
aber man glaubt damit im Wesentlichen auch Alles gethan
zu haben, was zur Erreichung der Zwecke des akademischen
Unterrichts überhaupt erforderlich ist.
Von besonders ungünstigem Einflüsse musste unter den
von uns besprochenen Verhältnissen die Einführung der
-Pensumsblätter* sein, auf deren Anfertigung sich seither
die Thätigkeit des Studirenden zum wesentlichsten Theih-
konzentrirt. Ungünstig für Jene, die gern die bequeme
(ielegenheit ergreifen, sich durch Anlehnung an vorhandene
Vorlagen und möglichst flüchtige Ausführung derselbe»! auf
die billigste Weise mit den an sie gestellten Anforderungen
abfinden zu können, ungünstiger aber noch für die emsigen
und gewissenhaften Naturen, denen es das Bewusstsein mög-
lichster Pflichterfüllung gewährt, weun sie ihr ganzes Kön-
nen nnd ihren ganzen Fleiss, ihre ganze Kraft und ihre
ganze Zeit auf die Herstellung dieser Blätter verwendet
haben. Es kommt dazu, dass dieselben für den qualitativen
Ausfall der Bauführer-Prüfung von nicht unwesentlicher Be-
deutung sind, da sie im Prüfungs-Zeugnisse mit besonderen
Zensuren ligurireti. Was Wuuder, dass bei dem Wunsche,
für diesen Zweck die möglichst effektvollsten und bestechend-
sten Blätter zu liefern, und bei der Rolle, welche das Zeich-
nen an und für sich im Lehrplaue der Bau-Akademie ein-
nimmt, das Hauptgewicht nicht auf den geistigen Inhalt der
Zeichnung, sondern vor Allem auf die Darstellung gelebt
wird, die oft den Fleiss vieler Wochen in Anspruch nimmt
und falls es der Gegenstand irgendwie erlaubt und die Vor-
schrift nicht ausdrücklich das Cegentheil gebietet, gern in
der ausgeführtesten- Methode, in buntem Aquarell, unter
Aufwendung reicher landschaftlicher; Staffage etc. geleistet
wird. I>er Höhepunkt dieser Richtung, in der die auf äusser-
liche Zeichenfertigkeit gerichtete Tendenz der Bau-Akademie
ihren Hauptiinsdruck und ihre Hauptnahrung fand, soll übri-
gens neuerdings bereits überschritten seiu. freilich ohne da.->s
diese Ermässigung als günstiges Symptom gedeutet werden
könnte Unerwähnt darf dabei nicht bleiben, dass dieses
unverhältnissmässige Gewicht, das auf die Darstellung aU
solche gelegt wird, einerseits anf die gegenwärtig nicht mehr
berechtigte Auffassung der Bau- Akademie als eines vorzugs-
weise zur Ausbildung von Künstlern bestimmten Instituts,
andererseits aber auf die Tradition einer Zeit zurückgeführt
werden kann, in der das Hauptergebniss architektonischer
Thätigkeit leider auf das Bild in der Mappe beschränkt blieb.
Es muss auch wohl zugegeben werden, dass die individuelle
Neigung einzelner Lehrer von einer absichtlichen oder unab-
sichtlichen Förderung dieser Richtung nicht, freizusprechen ist.
Dass der Nutzen, der sich unter solchen Verhältnissen
für die weitaus meisten Studirenden, namentlich die zu In-
genienren berufenen aus der Anfertigung der Pensumsblätter
ergiebt, verschwindend klein ist gegen den Schaden, der ihnen
aus der damit verbundenen Zeitvergeudung erwächst,
lässt sich unschwer nachweisen. Obwohl die Bedingungen
für einen Erfolg des zur Vorbereitung für die Bauführer-
Prüfung bestimmten akademischen Lehrkursus gegenwärtig
um Vieles günstiger sind, als vor der letzten Reform, da der
damalige zweijährige Kursus annähernd dasselbe Quantum
an Lehrstoff umfasste, wie der jetzige dreijährige, so wird
nach Durchsicht des Lehrplans wohl nicht allein der Techni-
ker, sondern anch der umsichtige Laie zugeben, dass das
zur Erlangung der darin aufgeführten Kenntnisse und Fertig-
keiten disponible Zeitmaass noch immer ein ausserordent-
lich knappes ist. Selbst wenn man berücksichtigt, dass es
sich in keiner Weise darum handeln kann, den Studirenden
mit einer für das ganze Bedürfniss der Praxis genügenden
theoretischen Bildung auszurüsten, sondern dass es lediglich
gilt, ihm die Grundlage zn geben, auf der er selbsttbätig
weiter sieh entwickeln soll, so ist die hierfür angesetzte Zeit
doch nur dann eben zureichend, wenn sie in Überlegtester
Eintheilung und nnter Aufbietung aller Kräfte für den Zweck
des eigentlichen Fachstudiums ansgenntzt wird. Dies wird
unmöglich gemacht, wenn die Verführung vorliegt, sie für
solche, den hohlen Schein von Erfolgen heuchelnde /
Henkelten zn opfern.
Digitized by Google
397 —
Selbst unter dem Gesichtspunkte blosser Uebung im
Zeichnen ist der dur:h die Anfertigung der Pensumsblütter
nach gebräuchlicher Art erzielte Erfolg ein sehr zweifelhaf-
ter. Die zum Theil ausdrücklich geforderte Anwendung aus-
geführter Darstelluncsmethoden ist ein l'nding für alle jene,
die in den einfachen Elementen des Zeichnens noch nicht
sicher sind, wie dies bei nicht Wenigen der Studirenden des
Haufaches doch der Fall ist; sie streift an die oft gebrand-
innrktc Methode des Zeichen-Unterrichts auf Gymnasien und
höheren Töchterschulen, wo die Schüler möglichst sofort an
eiue Landschaft, einen Kopf oder ein Blumenstück gesetzt
werden, das sie in mühselig mechanischer Thätigkeit nach-
ahmen, ohne von wirklichem Zeichnen eine blasse Ahnung
/.iv haben. Auf der Bau-Akademie gab namentlich seit lan-
ger Zeit der durch einen berühmten Lehrer geleitete Unter-
richt im Ornamentzeichnen Veranlassung zu solchen Ver-
gleichen. Kenntniss von den Hauptmotiven architektonischer
Ornamente zu geben, wie dies erst in neuester Zeit durch
den Unterricht eines verdienstvollen jüngeren Dozenten an-
gestrebt wird, lag ganz ausserhalb seiner Tendenz, auch die
Erlangung einer gewissen Fertigkeit im freien Handzeichnen
wurde nur durch die ersten Stadien des Unterrichts notbdürf-
tig begünstigt. Im späteren Verlaufe desselben wird auf die
Zeichnung höchstens ein ganz kleiner Brucbtheil derjenigenZeit
verwendet, die der vorschriftsmassigen Ausführung derselben
auf Tonpaj)ier, mit Schatten und aufgesetzten Lichtern ge-
widmet wird; allein das Mischen der Letzteren nimmt öfter
den gleichen Zeitaufwand in Anspruch, so dass es zur Stu-
dienzeit des Verfassers bei praktischen Mannern ein sinniges
Auskunftsroittel bildete, dass Mehr« Tonpapier von gleicher
Farbe kauften und sich das dazu passende Licht »odann so-
fort in grösserer Menge mischten oder vielmehr von dem
willigen Hiilfslehrer mischen Hessen. Denn nicht blos der
Beirath und die kritische Aeusserung des Lehrers, sondern
wenn möglich dessen direkte und möglichst ausgedehnte
Hülfe wurden und werden bei Herstellung der Pensumsblat-
ter in Anspruch genommen.
Schlimmer noch ist es um die Uebungen im Entwer-
fen einzelner Baukonstruktionen oder ganzer Gebäude be-
stellt, in denen naturgemäß der Schwerpunkt des akade-
mischen Ausbildungsganges liegen müsste. Man wird, da
hier die persönliche Begabung des Einzelnen in Frage kommt,
zwar nicht verlangen können, dass Alle bis zu einer sehr
bedeutenden Fertigkeit gefördert werden, aber der eigentliche
Zweck des Unterrichts, den Studirenden bis zu dem relativ
höchsten Ziele des für ihn Erreichbaren zu führen, wird
jedenfalls doch nur dann zu erlangen sein, wenn er sich an
möglichst viel Aufgaben versucht. Ob vou einer wirksamen
„Uebung* im Entwerfen die Rede sein kann, wenn als
das normale Resultat des Semesters, auf das die Meisten
der Studirenden sich beschranken, ein Entwurf auf einem
Blatte betrachtet wird, während an Bankonstruktions-Zeich-
nungen pro Semester je zwei Blatt, von denen das eine je-
doch meist nur Kopien enthält, verlangt werden, mag ein
Jeder sich selbst beantworten. Da die Blätter als Pensums-
blätter sich prüseutiren sollen, so wird ein unverhältniss-
mässiger Theil der auf sie verwendeten Kraft wiederum vor-
zugsweise der Darstellung gewidmet.
Die Gerechtigkeit erfordert es freilich anzuerkennen,
dass es bei nicht Wenigen, die von der Wichtigkeit des Ent-
werfens vollkommen durchdrungen sind, nicht blos eine be-
queme Abfindung mit dem Pensum ist, wenn sie bei regel-
mässiger Benutzung des anderen Unterrichts in einem Se-
mester nur einen Entwurf liefern, dass sie trotz der ehr-
lichen Mühe nnd des Kopfzerbrechens, die sie neben der
Darstellung auf die eigentliche Thätigkeit des Entwerfens
verwenden, doch nicht mehr zu leisten im Stande sind.
Die Vorbildung, mit der sie diesen Kursus angetreten hal>en,
ist zu mangelhaft, als dass sie ohne eine fortwährende An-
leitung und Hülfe des Lehrers vorwärts kommen könnten.
Bei dem Mangel an Lehrkräften auf der Bauakademie wird
ihnen diese aber nur verhältnissmässig selten und auch dann
nicht immer in genügendem Maassc zu Theil. Ganz altge-
sehen davon, dass die Lehrkraft der Hiilfslehrer, auf welche
die Mehrzahl der Studirenden sich allein augewiesen sieht,
der des leitenden Lehrers wohl nicht immer ganz ebenbürtig
ist, stellt sich das Durchschiiittsmaass der Zeit, welches die
Lehrer dem einzelnen Studirenden widmen können, als viel
zu gering heraus. Von einem Durchsprechen der Aufgabe
nach ihren allgemeinen und speziellen Bedingungen, von
einem näheren kritischen Eingehen auf die \ ersuche de«
Schülers, von der Entwickeliing persönlicher Beziehungen
zwischen diesem und dem Lehrer, wie dies eine zweck-
entsprechende Einführung in das Gebiet künstlerischen und
technischen Schaffens, diu wohl am Vollkommensten in der
Gemeinschaft eines geschlossenen Ateliers und bei Beschrän-
kung auf eine gewisse Schülerzahl erreicht wird, fordert,
kann unter solchen Umständen keine Rede sein. Es biessc
auch Uebermenschliches von den Lehrern verlangen, wenn
sie in der ihnen gebotenen Hast auf eine so grosse Zahl
verschiedener Individualitäten mit durchweg gleicher Sorg-
falt und Liebe eingehen sollten. Es ist vielmehr sehr ent-
schuldbar, wenn sie ihre vollste persönliche Hingebung vor-
zugsweise nur auf Jene erstrecken, bei denen sie ein leicht
entgegenkommendes Verständniss und offenbare Begabung
finden, also auch offenbare Erfolge erzielen, während der
Unterricht der grossen Masse im Wesentlichen auch Seitens
der Lehrer als „Pensum" erledigt wird. Mnss manche
spröde und unentwickelte Natur, die der eingehendsten An-
leitung gerade am Bedürftigsten gewesen wäre, hierunter
leiden, so ist allerdings andererseits anzuführen, dass es
auch solche giebt, denen jedes kritische Eingreifen des
Lehrers in ihren Entwurf, falls es nicht sofort zu positiven
Resultaten führt, als eine für das Fertigwerden-des Pensums-
blattes sehr unwillkommene Störung erscheint
Am Schlimmsten endlich muss unter solchen Verhält-
nissen derjenige Theil des Lehrstoffs vernachlässigt werden
nnd ungenutzt bleiben, der in den Vorträgen enthalten ist.
Nicht sowohl das Bedürfnis« nach akademischer Freiheit
(die in dieser Beziehung dadurch gewahrt ist, dass die Ver-
pflichtung bestimmte Kollegien zu belegen noch nicht bedingt,
dass sie auch wirklich besucht werden), sondern wohl vor
Allem die durch das Elevenjahr verschuldete Entwöhnung
von regelmässigen systematischen Studien, sowie der zum
Theil sehr trockene Stoff der ersten Vorträge bewirkt, dass
die Studirenden sich zu ihnen wenig hingezogen fühlen,
während die Anspannung aller Kräfte, welche Viele dersel-
ben auf die zur Herstellung der Pensumsblätter erforderliche
Zeichenfertigkeit richten und an diese selbst setzen müssen,
ihnen in der That nur ein beschränktes Quantum an Zeit
und ein noch geringeres an Interesse für wissenschaftliche
. Studien und Uebungen übrig lässt. Es kommt dazu, dass
die späteren Anforderungen der vorzugsweise durch die Mit-
glieder der Technischen Bau-Depntation abgehaltenen Prü-
fungen mit der Tendenz und Methode des auf der Bau-
Akademie ertheilten Unterrichts nicht in direktem Zusam-
! menhange stehen. Vor Allem aber ist zu berücksichtigen,
dass die „ Zwangskollegien" eben nnr einen Theil der
Vorlesungen umfassen und dass bei der ganzen Richtung des
I Studium« nichts näher liegt als der Glaube, dass dieser
Theil für das Bedürfniss regulärer theoretischer Ausbildung
völlig genüge. So sind es denn die vorschriftsmässig belegten
Zwangskollegien, welche von der Mehrzahl der Studirenden
vorzugsweise, wenn nicht ausschliesslich besucht werden,
darunter freilich immer noch von einer verhältnissmässig
; nur geringen Zahl Solcher, welche durch ein ergänzendes
litterarisches Studium und die entsprechende häusliche Arbeit
wirklichen Nutzen vou ihnen ziehen und sich nicht damit
trösten, dem Vortrage zugehört, bestenfalls ihre Notizen aus
demselben schwarz auf weiss nach Hause getragen zu haben.
Nur ein ausserordentlicher Fleiss und eine Natur, die es
vermag ihr Interesse mit vollkommener Gleichmässigkeit auf
so viele heterogene Gegenstände zu vertheilen, ist bei der
Masse des gleichzeitig zu bewältigenden Stoffes und bei den
Anforderungen an die Thätigkeit vor dem Reissbrette hierzu
im Stande.
Dies möchte namentlich in Betreff der mathematischen
Kollegien gelten, die leider nicht obligatorisch sind und da-
her von Vielen nicht gehört werden; aber auch von denen,
die sie ans eigenem Entschlüsse oder auf den Rath Anderer
besuchen, werden es wohl nur Wenige sein, die in Folge
einer besondere ausgezeichneten Vorbildung und Begabung
für die mathematische Wissenschaft dem Unterrichte mit
Nutzen folgen können, während die Mehrzahl, welche ihr
Schulpensnm während des Elevenjahres mehr oder weniger
vergessen hat, oder doch zum Mindesten aus der Uebung
mathematischer Studien gekommen ist, einem solchen aka-
demischen Vortrage nur ein lückenhaftes Verständniss zu
widmen vermag, leider jedoch nicht die Zeit besitzt, diese
Lücken durch häuslichen Fleiss sofort zu ergänzen und das
Gehörte entsprechend zu befestigen. Daher pflegen sich diese
Vorträge vom Beginn bis zum Eude des Semesters anch
sichtbar zu lichten.
Man wird nach diesen Details unsere früher ausge-
sprochene Ansicht, dass die Bau-Akademie im Wesentlichen
als Zeichenschule wirkt, während ihre Resultate in Betreff
eigentlicher Fachbildung nur höchst oberflächliche und dilet-
I tantische sein können, wohl nicht nnmotivirt finden. Selbst-
• verständlich verwahren wir uns dagegen, als wollten wir den
| Glauben verbreiten, sie erziele ausnahmsweise nicht
Digitized by Google
- 39S -
bessere Erfolge. Studirenden, welche durch einen glücklichen
Zufall eine bessere Vorbildung genossen haben , als sie der
Durchschnitt der von der Schule durch das Elevenjahr zur
Bau -Akademie Uebergegangenen besitzt, und die während der
Studienjahre einer erfahrenen Leitung theilhaftig werden,
hervorragend Begabten und übermenschlich Fleissigen gelingt
es — glücklicherweise in nicht allzu seltenen Fällen — auch
innerhalb des Rahmens des akademischen Studien - Pensums
eine gute Fachbildung sich zu gewinnen; freilich erstreckt
sich diese dann schon meist auf nur eine Seite des Fachs.
Den grössten Nutzen aber erzielen aus dem Unterrichte der
Bauakademie die an keine Zwaugs- Kollegien und Pensums-
blätter gebundenen einheimischen Privat- Architekten und
die Ausländer, bei denen allerdings zumeist die erste dieser
Bedingungen eintrifft; sie gehören fast durchweg zu den be-
vorzugten Lieblingsschülern der Lehrer. Auch wiederholen
wir, dass seit Einführung des dreijährigen Kursus eine kleine
Besserung der Zustände eingetreten sein soll, die sich
namentlich in»einer erhöhten sclbslständigen Regsamkeit des
letzten Jahreskursus zu äussern scheint. Ein erfreuhchesZeichen
dieser Regsamkeit bildet nach Innen die Thätigkeit des Aus-
schusses der Studirenden, dessen Anregung schon manche
schätzenswert he Detail-Maassregeln zu danken sind — nach
Aussen namentlich die von diesem Ausschusse geleitete
Herausgabe der „Denkmäler der Baukunst'.
Die allgemeine Verfassung der Anstalt nnd ihre Durch-
schnitts-Resultate, die hinter dem, was als normaler
Durchschnitt zu fordern wäre, leider weit zurückbleiben,
glauben wir jedenfalls nicht unrichtig oder übertrieben ge-
zeichnet zu haben. Man möge nur bedenken, dass jenen
erfreulichen Ausnahmen eine mindestens gleiche Zahl ent-
gegengesetzter Fälle gegenübersteht, in denen die Studirenden
— und nicht immer die Talentloseren — den Einrichtungen
der Akademie sowenig Geschmack abzugewinnen vermögen,
dass sie mit ihr nur höchst lose Beziehungen unterhalten,
mit den ihnen auferlegten Verpflichtungen aber dadurch sich
abfinden, dass sie die Zwangskollegien bezahlen und die Testate
der Lehrer dafür einziehen, die Pensumsblätter aber in einem
oder in mehren grösseren Abschnitten, eventuell erst bei
herannahender Prüfung fabrikmäßig anfertigen.
Die maassgebende Probe auf das Ergebniss des akade-
mischen Ausbildungsganges wird jedenfalls durch die Bau-
führer-Prüfung, auf welche derselbe vorbereiten soll, Bezogen.
Wäre die beabsichtigte Ausbildung auf Grund der akademi-
schen Studien nnd L'ebungen wirklich in normalem Grade
erreicht, so müssten die Studirenden im Stande sein, nach
Abschluss jenes dreijährigen Kursus ohne jede weitere Vor-
bereitung, als eine Durchsicht ihrer Hefte, die Bauführer-Prü-
fung zu bestehen. Die Erfahrung lehrt jedoch, dass dies
fast ausnahmslos nicht der Fall ist, dass es für die
Meisten noch einer ziemlich angestrengten und weitläufigen,
auf die speziellen Details der Prüfung zugespitzten Vorbe-
reitung bedarf, welche theils in das letzte Studien-Semester
mit hineingezogen, theils erst nach formellem Abschluss der
Studien begonnen wird.
Was die eigentlichen Fachwissenschaften sowie die Hilfs-
wissenschaften der Physik, Chemie etc. betrifft, so fällt es
verhältnissmassig nicht schwer, die etwaigen Lücken der aka-
demischen Bildung zum Zwecke der Prüfung zu ergänzen.
Es existiren vortreffliche, durch die Arbeit von Generationen
vervollkommnete Hefte, welche das Wesentlichste aus den
hierfür erforderlichen Kenntnissen in klarer Uebersichtlich-
keit zusammengestellt enthalten. Ausserdem bildet es gegen
die von uns erwähnte Forderung, dass sich das Wissen des
künftigen Baubeamten auf viele Dinge erstrecken soll, die
man in der Praxis nur möglicherweise brauchen könnte,
gewöhnlich aber nicht braucht, ein schätzbares Gegengewicht,
dass auch von dem Vielen, was in der Prüfung gefragt wer-
den könnte, verhältnismässig doch nur ein geringer Theil
wirklich gefragt wird. Die Prüfung wird grossentheils von
Männern der Praxis abgehalten. In der Iiimöglichkeit, an
junge Studirende den Maasstab einer gereiften Erfahrung
legen und diese aus der Fülle ihres eigenen Wissens exanii-
niren zu können, müssen diese zu einer Reflexion, was sie
von den Examinirenden wohl fordern können, und damit zu
gewissen Schematen gelangen, die durch eine sorgfältig ge-
pflegte Statistik natürlich sehr bald ermittelt und dann in
Form von sogenannten „Fragezetteln-, die der Person der
einzelnen Haupt -Examinatoren angepasst sind, zu Nutz und
Frommen der späteren Examinanden überliefert und ergänzt
werden.
In ähnlicher, obwohl in ernsterer und für die wirk-
liche Ausbildung der Examinanden nützlicherer Weise
bereitet man sich darauf vor, den Anforderungen der achttägi-
gen Klausur, in welcher ein kleinerer Entwurf zu liefern ist,
entsprecheu zu können. Was man bei dem ausschliesslichen
Streben nach Pensumsblättern und bei dem Mangel an aus-
[ reichender Belehrung und Anleitung währeud des akademi-
! sehen Unterrichts im Entwerfen nicht gelernt hat, — seit
[ einigen Jahren ist allerdings in zur Vorbereitung für die
, Klansur bestimmter Kursus im Entwerfen aus dem Stegreif iu
das Programm der Akademie aufgenommen nud wird zahlreich
besucht — «las sucht man durch Selbstbülfe zu ersetzen.
Eine Anzahl von Semestergenossen tritt zn einem „Klausur-
Verein* zusammen und stellt sich das Ziel, die Gesummt-
heit der für die Klausur der Bauführer-Prüfung vorhandenen
| Programme — dieselben sind seit längerer Zeit auf eine be-
stimmte in lithographirten Exemplaren vorhandene Anzahl
von Aufgaben, die nur selten durch einen neuen Examinator
eine vorübergehende Bereicherung erfährt, beschränkt ge-
blieben — zum Zwecke der Uebung unter sich zn bearbei-
ten. Die Aufgaben werden dementsprechend unter die Ein-
zelnen verthcilt und Jeder übernimmt die Verpflichtung, bei
den zeitweisen Zusammenkünften des Vereins je eine Arbeit
vorzulegen, die alsdann von den Andern scharf kritisirt
wird und falls diese Kritik ungünstig ausfällt, entsprechend
geändert oder sogar neu geliefert werden muss. Es ist wohl
keine Frage, dass eine derartige Thätigkeit, ganz abgesehen
von dem direkten Nutzen für die Prüfung, eine äusserst
werthvolle Förderung in der Sache selbst gewährt nnd da-
her die lebhafteste Anerkennung verdient.
Die grösste Schwierigkeit pflegt die Vorbereitung auf
den mathematischen Theil des Examens zu machen, der frei-
lich ohne eigentliches Wissen nicht wohl zu bestehen ist:
sie nimmt demzufolge auch weitaus die meiste Zeit in An-
spruch. Bitter rächt sieh in dieser Beziehung die Vernach-
1 lässigung und Unterbrechung der mathematischen Studien
während der vorhergegangenen Zeit, denn mathematisches
Wissen und Können ist eben, wie die Kunst, ein Besitz, der
nur durch ununterbrochene Uebung erhalten, ohne dieselbe
aber nur gar zu leicht ganz verloren gehen kann. So ein-
gehend die zum Zwecke der Prüfung unternommene Vor-
bereitung daher auch sein mag, so genügt diesell* in den
meisten Fällen doch nur nothdürftig für diese. Als Mittel
der Vorbereitung ist seit den ältesten Zeiten der in Gemein-
schaft mit 3 oder 4 Genossen empfangene Unterricht durch
einen bewährten Spezialisten des betreffenden Gebietes, der
selbstverständlich auch mit der Methode der Examinatoren
vertraut sein muss, im Gebrauch. Es ist keine anzweck-
mässige Sitte, dass man die besten dieser anonymen, mit
den Bedürfnissen und den durchschnittlichen Vorkenntnissen
der Studirenden vertraut gewordenen Lehrer bei eintreten-
den Vakanzen zu einer offiziellen Lehrstellnng an die Bau-
Akademie beruft; schon die allen älteren Preussischen Bau-
meistern wohl bekannten Professoren K r ick und Brix haben
ihre Laufbahn einst in dieser Weise begonnen.
Das Resultat der Bauführer-Prüfung, die neben der ein-
wöchentlichen Klausur ein dreitägiges mündliches Examen
umfasst, ist bei alledem im Durchschnitt durchaus kein gün-
stiges; es muss ein verhältnissmässig hoher Prozentsatz sein,
der die Prüfung nicht besteht oder während derselben zu-
rücktritt. Zwar ist es in erster Linie die Mathematik, welche
den Stein des Anstosses bildet, doch sind auch fast sümmt-
liche anderen Prüfungsgegenstände schon zu Klippen gewor-
den, an denen Einzelne scheiterten. Die Bekanntmachungen
der Technischen Bau-Deputation, die im Laufe der Jahre »m
schwarzen Brette der Akademie erschienen sind und in denen
bald die eine bald die andere Disziplin als eine solche be-
zeichnet wurde, in der die Kenntnisse der Examinanden in
letzter Zeit sehr mangelhafte gewesen seien, geben davon ein
weiteres Zeugniss.
Dass hiernach trotz des Andranges der Studirenden zur
Bauakademie, trotz der bestechenden Erscheinung der von
ihnen zur Prüfung eingereichten Pensumsblätter von einer
Blüthe der Akademie nicht wohl die Rede sein kann, das*
die Einrichtungen des theoretischen Fachstudiums, denen sie
dient, wie die Einrichtungen der Prüfung, durch welches die
Resultate derselben festgestellt werden sollen, eiuer Reform
dringend bedürftig sind, glauben wir nachgewiesen zu habe».
Digitized by Google
- 399 —
Bei den Ansprüchen, die der wachsende Verkehr bezüglich 1 erfleheinen lassen, die Verwendung möglichst einzuschränken,
des Rangirens und Aufstellens oder Beladens der Güter- und wenn ohne Aufgab« der genannten Vortheile thunlich. Letztere
i'roduktensüge an die Bahnhöfe stellt, tritt in vermehrter Weise Möglichkeit nun ist zunächst gegeben durch dos Mittel, die
die Anordnung von inneren durchgehenden Weichen- Bannbofsgleise streckenweise parallel mit sich zu ver-
htrassen als nothwendig hervor; so weit nicht mit einfachen schieben und einzelne derselben in demselben Räume der
Kreuzungen auszukommen ist, können dieselben die Gleise an- j Diagonale mittels zweier einfachen Weichen von beiden Seiten
scheinend nur mittels der englischen Weichenanlage einzuführen, den andernfalls die englische Weiche eingenommen
durchschneiden und auf diese W eise die hinter ihnen verblei- haben würde- Die mehr oder weniger zu wiederholende Anwen-
denden Geislingen möglichst wenig abkürzen. Aber auch auf düng dieses bekannten Verfahrens hangt von der Gesammtsummc
Fl*«r 1.
Figur 4.
den Süsseren Weicbenstrassen erschienen diese letzteren vielfach < der Entfernungen ab, welche die Gleise in der unverschobenen
als nothwendig, wenn neben den Hauptgleisen noch ein als Lage ergeben, und genügt in Fällen schon die in den neuesten
Kangirkopf dienendes Ausziehgleise, so wie etwa noch eine Vereinbarungen als wüuschcnswerth bezeichnete Normal- Entfer-
oder mehre Bahnabzweigungen, Verbindungsglcise nung von 4,5 m , während bei etwaigem Vorkommen eines oder
nach abgezweigten Glcisgruppen oder dergleichen, neben ein- mehrer Zwischen -Perrons sich das disponible Gesammt-
ander aus dcmllauptboreich des Bahnhofes heraustreten müssen. Verschiebungsmaass noch günstiger gestaltet, ohne dass eine
Die vierfache englische Weichenanordnung hat aber neben besondere Erbreiterung stattzufinden brauchte. Selbstverständ-
dieser Brauchbarkeit res«. Uncntbehrlichkeit die bekannten Nach- j lieh sind andererseits wieder ziemlich enge Grenzen der An-
theile der Kostspieligkeit und Komplizirtheit, sowie einer aus . Wendung gezogen, da man die Verschicbungen nicht so weit
dem Gegenüberliegen je zweier Herzstücke sich ergebenden wird ausdehnen mögen, das* sie den grfissteu Theil des Bahn-
mangelhaften Führung der Räder, welche es immerhin geboten hofes so zu sagen „in Unordnung bringen". Ferner nehmen die
Digitized by Go(
- 400 -
verschobenen Gleite un Stellen die Minimal-Entfeninng von 3,5™
nn, und darf dies, ohne thron Worth als Bahiihoisgloise. zu
schmälern, nur un S<f llcn geschehen, woselbst die Gleise nur
/um Durchfahren, niclit zum Stellen von Wagen oder Zugtheilen
dienen, wo also ein fahrender Zug das Nebengleise für gewöhn-
lich unbesetzt linden wird, wie auf der freien Bahnstrecke.
In Figur i der beigefügten Skizzen ist eine Aiifgalie dar-
gestellt, wo in unmittelbarer Nähe einer Hauptstalion für eine
hinzutretende, hauptsächlich dein Kohlouverkohr dienende Linie
ein besonderer Rutigirbahuhof einzurichten ist. welcher zum
Vertbeilen der Güterzüge in mehre Zweiglinien dienen will.
Ks erscheint uolhwcudig, die sämmtlichen Bahuluifs-Glci-e
den genannten Ausniüuduiigcu. sowie einem zu letzteren treten-
den Auszichstrunge (von welchem wiederum weitere tudt aus-
laufende Gleisgruppcu sich abzweigen) direkt zugänglich zu
machen, ohne duss die zu diesem Zwecke anzulegende innere
Weiehenstrasse die Standglcisc für ganze Zuglängen unter das
geforderte Maas« abkürzte. Letzteres berechnet sich bei einem
welches nur nach ein und denselben Richtungen befahren wird
und unter sich keine direkte Verbindung verlangt, dadurch, das»
sie in beiden Richtungen das Fahren gegen die Weichenspitzen
vermeiden. Ein Beispiel dafür zeigt in Figur 1 die Verlängerung
der innern Weicbenstrassc über das durchgehende Gleise I hinaus
nach einem vorn gelegeneu Ausziehst ränge, {welcher die Ver-
bindung Back einer um andern Buhnhofsende seitwärts abzu-
zweigenden todten Gleisgruppc 2. Ordnung vermittelt . Da auf
den betreffenden Bahnen diu Züge künftig nach rechts aus-
weichen werden, so genügt in beiden Gleisen die halbe eug-
Hache Weiche mit ihrem genannten Vorzuge, während der Aus-
tritt des '2. durchgchcudcu Gleises aus der Susseren Weicheu-
strussc links einen 3. derartigen Fall ergiebt. Ks ergeben »ich
hier im Gauzen demnach von 8 Gleüedurchschneiduugen nur
2, Tür welche die ganze englische Weichenanlage nicht entbehr-
lich erscheint.
Eine andere, zur kurzen En t Wickelung und raschun Aus-
breitung von Glciscnetzen geeignete WcichenkonstrukÜoti ist
Füiiir 5.
n Iiis die teercu k> n; i. Ul.
b l,adegt.leije.
r für dl« vuileu Wagreu.
d Em. und Auifalirt^rtoM-.
i* iura Cniketicu der LokuiiMilIvi
f !»■!.. iur diu Haide.
ff LadejtuWln L d. MuU|tlal«.
• KeaererKeleue für Wa^oa.
t für l'er«ouru> uml
Uatervt-ikcur.
« Auielvk£cli'i«o.
/ (KM* ium U 4»r RntaiMka
im Ladi-Lrahu.
■ 2cot»»lui.i.l -Waa^
IUI)
I — r — t- K'i
Uaj'tlaü für dl- Längi-n, die bmlen duppcll.
IM '-DO
*0
«"Ai M'Kr.
den Neigung» verh<nissen entsprechenden Maximum der Güter-
züge von 120 Axen n 3.5™ durchschnittlicher Lauge, incl. Loko-
motiven auf 460™ freie Glciselänge, wonach der eigentliche
Kuugir-Rabnhof der vorliegenden Aufgabu eine GesamnitlSnge
zwischen den Eudweichen von pp. 1>00 m erforderte. Die Skizze
/eiüt, in welcher Weise in den nächsten hiuter den llauptglciscu
erfolgenden Gleisen III, IV und V, von welchen die vorgenannten
Abzweigungen direkt ausgehen, von fünf Gleisdurcbscnuciduugcu
nur zwei mit vierfacher englischer Anlage versehen zu werden
brauchten, mit Hülfe von Verschiebungen der betreffenden Gleise,
welche letztere innerhalb der verschobenen Strecken beim Vor-
kommen eines Zwischen-Pcrrons die normale Entfernung von
4 ,.'>'" (puuktirt) annehmen, ohne letzteren dagegen die Waite auf
das Mauss von 4,8» ™ vcrgiosscru. Da zwischen den boideu Dia-
gonalen dicGIeiscstücke III und IV doch niemals zum Aufstellen
von Zugtheilen dienen werden, so erscheint das Zurückgehen auf
das Miuimalmaass von 8,5™ hier aus anfänglich erwähntem
Grunde nicht weiter nachtheilig.
Eine sehr vortbeilbafte Eigenschaft haben ferner bekannter-
m aassen die halben englischen Weichen in einem Gleiseriaar,
demnächst die dreithciligu Weiche. Das Zusammenlaufen
dreier Gleise jedoch in genau sin uud demselben Punkt l&sst
keine Kurveiicntwickclung zu. die für andere als wirkliche Neben-
gleise brauchbar erscheinen könnte, uud wird mau daher lieber
zu der ausciuandergezogenen Doppelwek'be greifen, welche mit-
tels Durchkreuzung zweier einfacher, an getrennter
Stelle ans dem grade n Strange ausgehender Weicheu gebildet
ist. Bei geeigneter Anlage vermeidet dieselbe die Nachtheile
der ersteren, hauptsächlich das Gegenüberliegen zweier llcrz-
stücke, und erscheint zu ausgedehnter Anwendung Behufs Ent-
wickeln von Wcichenstraascn brauchbar. In Figur 2 ist eine Kon-
struktion derselben dargestellt, welcher die Bedingung zu Grunde
liegt , dass die Aufeinanderfolge der ersten beiden Herzstücke
in einer Eutfcrnuug von nicht unter 5 Meter geschehen soll,
um nicht beide Axcn eines und desselben Wagens gleichzeitig
einer einseitigen Führung der Radkränze auszusetzen. Zu dem
Ende ist der Abgang der Kurve einerseits mit 380, andererseits
mit 190 Meter Radius koustruirt, wobei sich die äusseren Herx-
stück-Winkel in der GrftBse von 1:11 und 1 : 9 ergeben und bei
Wiederholung der Anlage in einer durchgehenden Wcicben-
Digitized by Google
- 401 —
Strasse, Fig. 3, die Aufeinanderfolge d?r Ausmündungcn nach
ein und derselben Seite bin in Entfernungen von p. p. 40 Meter
stattfinden kauu. Dadurch ergeben sich die Gleiswciteu der
einen Seite von vorn berein tu 4.4 Meter, während auf der
andern Seite da« Minimalmaass von 3,<> Meter entstellt und
durch »eitere Verschiebungen gleichfalls auf ein grösseres Maas«
gebracht werden kann, z. H. auf 4 Meter oder mehr. Es erfordert
daher in einer solchen Weichenstrasse die Verkeilung nach
beiderseitig ausmündenden Parallelgleisen uiebt mehr Längen-
eutwickcluug, als die Ausmündung nur nach einer Seite hin, wenn
man von dem meist nur zweifelhaften Nutzen gewährenden Ver-
fahren, die Weichenstrasse steiler zu stellen als die Herrstück-
winkel, hier ganz absehen will. Durch derartige parallele Gleise-
Verschiebungen, wie diejenige in Fig. 1, werden allerdings neue
Krümmungen in die Bahnhofsgleisc eingeführt, welche aber be-
liebig sanft ausgerundet werden können und gegenüber den-
jenigen Krümmungen, die meistens ein längerer raugireuder Zug
in einem komplizirten Weichennetz zu überwinden hat, (bei
mangelhaft angelegten Weichen bis zu 100 Meter Kadius faktisch
herunter gehend) nicht in Betracht kommen können. Ausserdem
sind durch das Sammeln der sonst überall zerstreut liegenden
einzelnen Weichenzüge in durchgehende Strassen die Bahuhofs-
gleise unabhängiger geworden und der Verschiebung fähig.
Die Anordnung 1' ig. 3 dagegen, welche eewissermaassen die
Verschmelzung zweier gewöhnlichen Weiche nstrassen
darstellt, dürfte eine vermehrte Anwendung da verdienen, wo
es bei einer Güter-Verladestation auf ein detaillirtes Sortiren
von Rohprodukten, sowohl der Qualität wie den Bestimmungs-
orten nach, ankommt. Auf den Kohlengruben-Stationen
werden unter ein uud derselben Siebvorrichtung, der sogenann-
ten Rätteranlage, neuerdings meist drei Sorten Kohlen ver-
laden, die Fbrder-, Stück- und tirieskohle, für welche die ein-
zelnen zum Theil vorher desiguirteu Wagen aus 2, 3 oder
mehren Standgleisen in jedes der genannten 3 Ladegleise über-
gehen müssen. Man bewirkte daher bekanntlich anfänglich die
Anlage der Ludestationcu nur mit Hülfe von Schiebebühnen
und Drehscheiben, welche allerdings die Möglichkeit der ge-
nannten Vertbeilung am weitesten ausdehnen und den Kreis-
lauf, deu die Kohlenwagen aus dem llauptgleise durch die Auf-
stellung -, Lade- und Zugformiiuugsgleisc zurückzulegen haben,
kurz uud übersichtlich gestalten lassen. Allein beide Vorrich-
tungen zeigen sich einer so permanenten Benutzung nicht immer
gewachsen und erfordern wegen rascher Abnutzung und Wider-
stand gegen die Auffahrt der Wageu hohe Betriebskosten und
lange Verladczeiten, weswegen man mehr uud mehr darauf ge-
führt wurde, dieselben wieder durch die einfachste und billigste
Konstruktion, diejenige der Weiche, zu ersetzen.
Es ergab sich durch ausschliessliche Einführung der letzteren
zunächst die symmetrische langgestreckte Statiuusauhige, bei
welcher der Beschwerlichkeit, dass lange Gleisestrecken von den
mittels Menschen- oder Pfurdekraft bewegten Wagen zurückgelegt
werden müssen, durch Anwendung von Zwischengefälleu begeg-
net wurde. Immerhin aber erlauben die gewöhnlichetkWeichenarteu
und auch die englische Weiche nur eine beschränkte Vertbei-
lung, letztere nur von 2 in je 2 Gleise, während die l'ebersicht-
lichkeit im Vergleich mit derjenigen des erstgenannten Kreis-
laufs ebenfalls eine geringere wird. Es treten ausserdem für
die in engen Gebirgsthälern aufzuschliessenden Fördcrpuukte
Aufgaben heran, bei welchen es darauf ankommt, nicht allzu-
lange Horizontalen und Graden zum Anschluss einer durch-
gehenden Linie oder einer Zweigbahn an letztere verwenden zu
müssen, vielmehr einem gegebenen Schachtpuukte mit scharfer
Krümmung und Steigung sich möglichst unmittelbar zu nähern,
und stellt Fig. 4 eine solche Lösung dar, sowohl als Kopfstation
für das mit </ bezeichnete HauptgfeiKe, wie lür beiderseitigen |
Verkehr mit der Gleisefortsetzung anzuwenden. Der von links
kommende leere Kohlcuzug fährt ein in da* Uauptglcise d,
worauf die Maschiue mittels des Gleises r sich hinter den Zug
setzt und denselben je nach der Länge in 2 bis 3 Theilen in
die Standgleise a drückt. In deu Gleisen r stehen die he -
ladenen Wagen bereit, welche die Maschiue, nachdem sie
gedreht hat, herauszieht und im Gleise </ zum neuen Zuge zu-
sammensetzt. Durch abermaliges Pussire u des Wechsclgleises e
gelangt die Locomotive vor letzteren Zug und fährt nach links
ab. Ks leuchtet ein, dass die Richtung nach rechts über
Gleise d> ein noch einfacheres Rangiren gestattet , da das Um-
setzen der Maschine im Gleise « beidemal erspart wird. Die
Bewegung der leeren Wageu aus dem Gleise « durch die Rätter-
anlage nach e bin geschieht mittels der Hand oder mit Pferden,
und ist zur Erleichterung des Geschäfts eine Gefällevertheilung
gedacht, wie sie das Längen -Nivillemcnt Fig. 4 darstellt Hie
aus einer Aufeinanderfolge von Weichen der Fig. 2 u. 3 ge-
bildete Weichenstrasse jenseits des Rätters enthält als Spitze die
Zentesimal waage zum Wiegen der beladenen Wageu, und ist
wegen des so wie so nothwendigen Haltens der Wageu auf der-
selben die nunmehr erfolgende Umkehr der Richtung der
letzteren nicht als ein besonderer Nachtheil der vorliegenden
Anlage zu erachten, (wie es allerdings gegegenüber der sym-
metrischen Anlage sein würde, wenn ein solches Anhalten jedes
Wagens nicht stattzufinden hätte). Dahingegen erspart diese
Umkehr die nochmalige in symmetrischer Weise auf der linken
Seite zu wiederholende Lage der rechtsseitigen Glcisgruppe a'
und bringt ciuu wesentliche Verkürzung des Ganzen hervor.
Offenbar wird anderseits die Wirkung der Lmkehrstrasse abge-
schwächt, wenn aus sämmtlichcn Gleisen b die Fahrzeuge erst
die Waage aa der Spitze paasiren müssen, und kann mau daher
I die letztere auch mit 3 facher Wiegeplatte in die Gleise l> legen,
wie nunktirt angedeutet ist Allein auch in der ersteren Lage
der Waage behält die Weichenstrasse den Vorzug gegen eine
punktirt angegebene Zusammenziehung der Gleise <• unter sich,
wegen der eintretenden Verkürzung der letzteren und Notwen-
digkeit, die ganze Anlage dann wieder nach rechts hin ver-
längern zu müssen. Will man zum Aufsammeln einer grösseren
Anzahl leerer Wogen die Zahl der Reservegleise vermehren, so
geschieht dies am Kesten durch Vergrößerung der Gleisegmppc «,
und dürfte es möglichst zu vermeiden sein, den Platz durch
Verlängerung der eigentlichen Arbeitsgleise: 6 oder e gewinnen
zu wolleu. Vielmehr wird man die Gleise, auf welchen die Be-
wegung der Wagen ohne Maschinenkraft stattfindet, immer nur
auf die Maximalläuge eines Zuges zu bemessen suchen, um un-
nöthig zu durchlaufende Wege hierbei vor Allem zu vermeiden.
Auf Ansammlung von belade n eu Wagen und hierzu nöthige
Vergrösseruug der Gruppe e braucht wohl nicht reflektirt zu
werden, uud würde aus diesem Grunde eine etwa aus anderen
Gründen beliebte Vmkehrung der Richtung des Wagen-Kreis-
laufs aus deu Leergleisen r in die beladenen a, welche man
unter Abändern der Gefällevertheilung bewirken könnte, weniger
zweckmässig erscheinen, da die Glciscgruppe <* die der Aus-
dehnung fähigere ist. Neuerdings ist aber bekanntlich die Mög-
lichkeiten Zeiten der Verkehrsstockung, des Warenmangels ete.
die Förderkohle in grossen Massen aufstapeln uud später ohne,
nochmalige grössere Zwischentransporte in Züge bringen zu
können, als besonders wichtig hervorgetreten, uud dient hierzu
ein in erösserer Ausdehnung anzulegendes, in der Höhe mit der
Schachtmündung fortzuführendes Plateau, die Kohlenhalde,
mit langer Sturzmauer und unterhalb der letztem liegendem
Ladegleise /, welches einen besonderen Zug ganz oder etwa in 2
Theilen aufnehmen kann.
In Fig. 5 ist eine zweite Kohlenstation, gleichzeitig
für Personen- und Güterverkehr eingerichtet, dargestellt, welche
anderen Verhältnissen der Situation uuterliegt. Die Bahn kann
sich hier dem Fördersehacht nur bis zu einer gewissen Entfer-
nung nähern, ohne dass letztere gross genug wäre, um eine
vollständige Trennung der Gleiseanlage nothwendig zu machen.
Es ergiebt sich dadurch eine mehr rechtwinklige Richtung der
Grubenanlage zur ersteren, sowie die Einführung des leeren an-
kommenden Zuges iu die Geleise a vor Kouf derselben an-
statt, wie bei der Figur 4, seitwärts mit Hülfe der dortigeu
Geleise-Einziehung. Eine solche Gleisezusammeuziehung, welche
bei Figur 4 gleichzeitig zum Einlegen der zum Wiegen der
leeren Wagen bestimmten gemeinschaftlichen Zentesimalwaage «
i und der Vertheiluugsweichen diente und die man andernfalls bei
! eiuer Anlage wie Figur 5 mit Hülfe zweier, mit den Spitzeu
gegeneinander gekehrten dreifachen Weichensysteme am einfach-
sten bilden konnte, würde offenbar hier zu viel Platz kosten,
und ist für die Anbringung der Waage nicht unentbehrlich, da
man letztere mit dreifacher Wicgeplatto anlegen kann. Es
kommt also nun noch darauf an, in den durchgehenden 3 Ge-
leisen eine anderweitige Vertbeilungsvorrichtung anzubringen,
und erscheint hierzu wiederum die droithoilige Weiche, in 2
sich durch kreuze ii den Systemen, brauchbar, wie in Fig. 5
im Detail dargestellt. Die Vertbeilung aus 3 in ie 3 Gleise
ergiebt (-ich hier nicht c§z so vollständig wie in Fig. 4, allein
bei der grossen Lätigc der Stellungegleise u werden für ge-
wöhnlich die beiden ersten für den ankommenden Leerzug aus-
reichen, so dass das dritte Gleise tt mehr als Reservegeleis f
und zeitweise zum Laden an der Halde dienen wird. Die Ge-
leise der Gruppe tt Ii können wegen der in derselben liegenden
\\ iege- und lCättervorriehtuugen nicht von der Lokomotive nas-
sirt werden, und müssen daher sämuitlicbc Züge, auch die kür-
zeren, zunächst ganz ebenso wie in Fig. 4 in das llauptgeleise
d einfahren, um von dort mittels des Ausziebstrangs * in
Gruppe a zurückgesetzt zu werden. Ebenso geschieht das Zu-
sammensetzen der in Gruppe c stehenden beladenen Zugtheile
mittels Ausziehens aus dem Strange, d im Hauptgeleise, da in
Folge der im Gebirgsterrain sich unmittelbar au deu Bahnhof
anschliessenden starken Steigungen ein direktes Aus- und Ein-
fahren in die eigentlichen Arbeitsgeleise im Allgemeinen nicht
zu machen sein wird. Aus diesem Grunde würde die Verlegung
des Ausfahrtsgeleises d in die Lage rf 1 , welche mau bei günsti-
gem Terrain wählen könnte, oder die Wiederholung desselben
an dieser Stelle weniger Nutzen haben, als es anfänglich schei-
nen möchte, und letztere hauptsächlich dem gemischten Güter-
und Kohlenverkehr dienen, im Uebrigen aber diese Verlegung
der Ausfahrt für die Anlage uud Vertbeilung der Zwischen-
gefälle, wie sie das Längeu-Nivellemeut Fig. l> darstellt, aller-
dings günstiger erscheinen, da das Gecengefälle im Gleise d
selbst vermieden, slatt dessen ein solches von 1 : 400 iu die
Hauptgleise gelegt werden könnte.
Derartige Ijtdestatimien erfordern für sich allein etwa 300O
laufende Meter Gleise und in Verbindung mit Persouen- und
Güterstationen bis 4. r iOQ m , und kommen dem Bedarf der sym-
metrischen langgestreckten Anlagen ziemlich gleich, während sie
die mittels Diebscheiben und Schiebebühnen bewirkten älteren
Aulugen, soweit durchschnittlich Ermittelungen augestellt werden
konnten, ebenfalls weder an Gleiseverwendung noch au Längen-
eutwickclung zu übertreffen scheinen, vielmehr oft noch Erspa-
rung au beiden zeigen. Demnach erleidet, was mehr in Betracht
kommt als die Frage der Anlagekosten, der geschilderte Wugen-
Krcislauf durch die Verwendung der Vertheilungs- Weichen keine
besondere Verlängerung im Vergleich zu der Anordnung mittels
Schiebebühnen und Drehscheiben. Vieregge.
Digitized by Google
Architektenverein zu Berlin. Versammlung am 30. No-
vember 1872; Vorsitzender Herr Quassowski, anwesend 150
Mitglieder und 7 Gäste.
llr. Scndlor theilt unter Vorzeigung bezüglicher Probe-
stücke und Vorführung zahlreicher Experimente das Resultat
umfangreicher Versuche mit, die er in Betreff der praktischen
Verwendbarkeit der verschiedenen Gasbrenner veranstaltet hat.
Wir werden dorn Vortrage einen besonderen Artikel widmen,
/.um Schluss zeigt derselbe den von Professor KHnkcrfues in
Güttingen erfundenen elektrischen Apparat zum Anzünden von
Glasflammen vor und crlfiutert die Anwendung desselben.
Hr. Häscckc theilt mit, das* eine derartige Einrichtung
von der hiesigeu Firma Keiser A Schmidt im Sitzungssaal« dt-s
Preussischeu Abgeordnetenhauses ausgeführt worden sei, und
schlagt vor, dass der Verein sie dort in ihrer Wirkung iu Au-
genschein nehmen möge.
Zum Schluss erfolgt die Beantwortung der im Fragekasten
enthaltenen Fragen. Die in Aussicht genommeue Diskussion
über die Wohnungsnoth wird der vorgeschrittenen Zeit wegen
für diesmal vertagt. — F. —
Vermischtes. •
Wasserstands-Beobaohtungen in Travemünde und Lü-
beck bei der Sturmfluth am 13. November 1872.
Im Anschluss an die in letzter Nummer mitgethcilten
Wasserstands-Beobachtungen in Warnemünde und Kostock dürfte
es für die Fachgenossen interessant sein, die Wirkungen der
f rossen Sturmfluth vom 13. November auch in den benachbarten
Ulfen Travemünde und Lübeck kennen zu lernen- Ein Blick
auf die Karte zeigt, dass die Lübeckor Bucht sowohl, als die
direkt nach Ost und Nordost gerichtete Küste Schleswig-Hol-
steins der Gewalt des Nordoststurmes viel mehr ausgesetzt
gewesen sein niuss, als die mehr nach Nordwesten streichende,
theilweise durch die Insel Küpen, die Insel Zingst und die
Halbinsel Darss geschützte Mecklenburgische Küste. In Folge
dieses Unterschiedes in der geographischen Lage ist auch der
Anprall der Wogen in der Lübecker Bucht viel heftiger gewe-
sen, als in der Mündung der Warnow; wenigstens durfte dies
aus dem grösseren Ansteigen des Secwaisers gefolgert werden
können.
Auch in Travemünde und Lübeck sind feste Hochwasser-
marken vorhanden, welche in jedem Falle den Mittheilungen
alter Chroniken mit ihren nicht nachmessbaren Höhenangaben
vorzuziehen sind. Unsere Älteste Hochwassermarke besteht in
einem am Amtsbausc in Travemünde eingemauerten Stein mit
folgender Inschrift: „Anno 1625 d. 10. Febr. Hatt Dat Water
So Höh Gestan Undcr dissen Stein." Der Tag ist derselbe, an
welchem auch iu Rostock das Hochwasser roarkirt ist. aber
wenn dort die Fluth vom 13- Novbr. d. J. 0,6H m unter der cr-
wShntcn Marke geblieben ist, so ist das Wasser in Travemünde
0,32™ höher gestiegen als 1623.
Die iu Lübeck gemachten Beobachtungen bestätigen dieses
Resultat. Auch hier bestehen von li;2.'>, 1694, 183G und 1867
zuverlässige Hochwassermarken. QSklcich Lübeck auf dem
Wasserwege gemessen über 3 McilenTou der See entfernt liegt,
stieg doch die Fluthwclle hier zu einer in historisch beglaubig-
ter Zeit noch nicht dagewesenen Höhe, indem der bekannte
höchste Wasserstand vom 10. und 11. Januar 16i>4 (welcher nur
2*» höher war, als der von 1625,) noch um 0,545 ■ übertreffen
wurde. Dieser höchste Stand wurde beobachtet am 13. Novbr.
gegen 2 Uhr Nachmittags; um diese Zeit drehte sich der Wind
und das Wasser begann rasch zu fallen, und zwar von 4 Uhr
Nachmittags bis 10 Uhr Abends um 1,05»» und wahrend der
Nacht bis zum 14. Novbr. um 8 Uhr Morgens um weitere 1,15«".
Krieg.
Konkurrenzen.
Die Eröffnung einer Konkurrenz für ein in Bremen zu
erriohtendes Krieger-Denkmal, welche in mchreu Blättern irr-
tbümlich als bereits geschehen angekündigt worden war, ist nun-
mehr mittels Bekanntmachung der betreffenden Deputation vom
24. Nov. d. J. und mit dem Scbluss-Terruinc des 15. Marz künf-
tigen Jahres erfolgt Die in Aussicht genommene und unbe-
dingt einzuhaltende Bau-Summe von 20,000 Thlrn. ist allerdings
keine sehr hohe, eröffnet der künstlerischen Erfindung jedoch
immer noch ein weiteres Gebiet, als in den meisten der anderen
änhlichen Falle. Die Wahl zwischen einem plastischen und einem
architektonischen Monumente ist freigestellt. Das Preisgericht
wird durch die Hrn. Professor Drake zu Berlin, Dr. Hettner
zu Dresden und Oberbaurath Schröder zu Bremen, also durch
einen Bildbauer, einen Kunstgelehrten und einen Architekten
gebildet. Die beiden Preise sind auf 1000 und 750 Mark Reicba-
währung normirt.
är Entwürfe zu einem Denkmale
für Peter von CornoUns zu Düsseldorf ist von einem dorti-
gen Komite ausgeschrieben. Wir erwähnen derselben nur bei-
läufig, da die Forderung, dass der iu Modcllskizze zu liefernde
Entwurf iu einer Statue von Peter von Cornelius seinen wesent-
lichsten Bestandteil haben soll, die Betheiligung von Archi-
tekten für sich allein ausschliesst
Personal- Nachrichten.
Ernannt; Der Bau -Inspektor Klein zu Breslau zum Ober-
Bau -Inspektor bei der Knnigl. Regierung in Oppeln. Der We-
gebau-Kondukteur Reissner zu Syke zum Landbaumeister
und technischen Hilfsarbeiter bei der Kgl. Landdrostei in Han-
nover.
Versetzt: der Regierungs- und Baurath Assmann zu
Berlin an das Regierungs - Kollegium nach Cassel. Der Bau-
Inspektor Haege zu Arnsberg Dach Siegen.
In den Ruhestand treten am 1. Januar: der Bau-
Inspektor Arens zu Soltau. Der Regierungs- und Baurath
Kronenberg zu Oppeln. Der Baurath Nordtmcyer zu Eis-
leben. Der Baurath Rathsam zu Magdeburg.
Die Baumeister-Prüfung haben am 27. und 30. No-
vember er. bestanden: Bauführer Otto Wilhelm Junker aus
Tangermünde. Arthur Schlemm aus Fallersleben, Landdrostei
Lüneburg.
Die B auf ührer - Prüf ung haben bestanden am 25. 2C.
und 27- November er: Mai Boettcher aus Berlin. Alfred
Schellenberg aus Usingen. Bernhard Schaum aus Gross-
Umstadt, Grossh. Hessen. Feldmesser Carl Heck hoff aus
a bei Mülheim a. d. Ruhr.
Brief- und Fragekasten.
Hrn. N. in Pilsen. Wie wir vermuthen, meinen Sie die
dem Kreisbaumeister Ritter in Trier patentirtc Methode der
Glockenauf häugung. Sic wenden sich dieserhalb am Besten
direkt an den Erfinder.
Herrn R. in Frankfurt a. M. Zum Betriebe der be-
treffenden Schleiferei wird sich die Ueiss-Luft-Maschinc (Luft-
expansions-Maschine) nach Lehmann's Patent recht gut eignen
und ist bekannt, dass Besitzer, welche diesen Motor nicht nach-
lässig behandeln lassen, sehr zufrieden damit sind. Die Mi-
schinen werden gefertigt von der Berlin- Anhaltischen Maschi-
nenbau-Aktiengesellschaft in Berlin-Moabit.
Herrn N. in Conitz. Wir haben ihre Anfrage einem be-
währten Fachmann vorgelegt und darauf folgende Antwort er-
halten:
„Spezielle Nachweisungen über Glasfabrikation mit Anwen-
dung von Torfgasen stehen mir momentan nicht zur Verfügung.
Irre ich nicht, so sind die Glashütten bei Usez (in Schneide-
mühl), J. Hof! gehörend, dazu eingerichtet und damit betrieben.
Sehr gut<?r Torfgasbetrieb — allerdings nicht für Glasfabrikatiou
sondern zum Schweissen von Eisen — ist vorhanden in der
Schmiederei der Aktien-Gesellschaft für Mascbinenfabrikation.
früher L. Schwartzkopff in Berlin. Als Ingenieure für diese
Branche sind zu nennen:
Ferdinand Steinmann, Civ.-lng. in Dresden, (hat in 1868 u.
C9 bei J. (1. Engelhardt in Freiberg Veröffentlichung über
Glasöfen njit"Regenerator bewirkt);
Julius Helff, Dirigent der Glashüttenwerke in ..
bei Bieberich, (hat Bayrisches Patent vom 7. Mai 1867
Schmelzofen mit Gasfeuerung).
Berlin, 1. Dezember 1872.
Ew. Fr. ScholL Civ.-lng."
Warnung. Von mehren Seiten werden wir aufgefordert,
an dieser Stelle vor einer Persönlichkeit zu warnen, die unter
dem Namen eines Baumeister F. und unter dem Vorgeben bei
einer Bahnverwaltung (Hannoversche oder Westfälische Bshn)
eugagirt zu sein, die räch genossen verschiedener Städte Nord-
deutscblands in Form von Noth- Anleihen gebrandschatzt hat.
die der Betreffende zu seiner Legitimation vorgezeigt bat, eben-
falls gefälscht waren, Hess sich nicht ermitteln. — Wir könneo
Allen, die es sich nicht versagen wollen, gelegentlich einem auf
unverschuldete Weise in wirkliche Ilülfshedürftigkeit gcraUie-aen
Fachgenossen ihre Unterstützung zu gewähren — nach unserer
persönlichen Erfahrung sind namentlich Oesterreichcr, die aus
einem fernen Engagement krankheitshalber iu die Heimat zu-
rückkehrten, öfter in solcher Lage gewesen — nur auf das Drin-
gendste rathen, sich durch kein falsches Zartgefühl davon ab-
halten zu lassen, von den Bittstellern die Vorzeigung einer
wirklichen Legitimation zu verlangen. Schwindler, deren
bestes Kennzeichen die Gewandheit ist, mit der sie in so deli
kater Lage sich zu benehmen wissen, werden auf ein derartiges
Ansuchen sich meist sehr bald unter dem Ausdrucke einer treff-
lich gespielten Eutrüstung entfernen.
Hrn. P. in Sprcmberg. Wie Hr. Reg.- u. Baurath Ass-
mann gelegentlich seiues am 23. Nov. im Berliner Architekten-
verein gehaltenen Vortrages mittheilte, steht die Verlegung des
bei Moabit belegenen Pulver-Magazins bevor und ist das Terrain
desselben bereits zur Bebauung durch eine Gesellschaft in Aus-
sicht genommen.
Hrn. S. in Würzburg. Von einer Strassen - Walze mit
Pferdebetrieb, welche ohne Drehung und ohne Umspannen der
Pferde vorwärts und rückwärts walzen kann, ist uns nichts be-
kannt Sollte den betreffenden Zwecken einer grösseren Korn-
muDe die iu No. 17 d. laufd. Jhrgs. u. Bl. abgebildete und be-
schriehene Dampfstrassenwalze nicht besser entsprechen?
Ctrl B..lltt la
Dr«k Q.
rtla
Digitized by Googl
Jahrg. TL
M 50.
DEUTSCHE BAUZEITUNG
Kedaktloa a. Itp«ditioeu
«erlln, OrMKattrMee 1*1.
Organ des Verbandes
deutscher Architekten - und Ingenieur-Vereine.
Redakteur X. £. 0. Fritsch,
In ••rat*
f.r die UM 4« I
»l*llooi indes t
la 4er Crtlü-BeUite:
„Bau- Anzeiger"
Isierauuprtli: »Vi lfl pn
Preis 1 Tkaler »r. Quartal.
Berlin, den 14. Dezember 1872.
Erscheint Jede*- Stirnabern!.
Inh.lt: Dm rr.ue.l« B . 8i«t.b«w«, n . (Fort««...»), - Der B.i»hof
■u Htu.over. - Der Br»„<l | n Bom.i.. - El« in«™»«,, tu 8lMn»rt..V<.r«M«.ii.
— Mlttheilungen tu, Vereinte: Architekten- and Ingenieur- Verein tu Uu-
norei. — Verein /ür Eleenbthnkunde in Berlin. — Ottpreiutlirher Ingenieur- und
Arel.ltee.wn -Verein. — Architekten - Verein in Berlin. — Ane der fick-
lltterelur: E. Hlldebrtndt't AqmreJIt der Bebe um die Erde. — Vernltoa-
tee: \erbeuerter Extinkteur. - Konkurrenten; Für Entwürfe ta einem
Kun. 1( „«rbKhnt«eMutle In Ptenhelui. - Periou.l.N.chrlcate» *te.
Staats
(Toruetiung).
Das Bestehen der Bauführer-Prüfung, welche der Vor-
schrift gemäss frühestens 4 Jahre nach bestandenem Abitu-
nenten-Examen abgelegt werden kann, in Wirklichkeit aber
durchschnittlich erst nach 4',i Jahren, also etwa im 24. oder
25. Lebensjahre des Aspiranten abgelegt wird, eröffnet die-
sem den Eintritt in die wirkliche Praxis des Bauens,
bs ist Bedingung für die Zulassung zur Banmeister-Prüfung,
dass der Bauführer zwei Jahre lang als solcher unter der
Leitung von Königlichen Baubeamten oder von Baumeistern,
welche du? Prüfung für den Staatsdienst abgelegt haben, be-
schäftigt war, und zwar müssen von dieser Zeit mindestens
12 Monate dem Dienste auf Baustellen gewidmet sein, die
übrige Zeit kann auf Beschäftigung mit Bureau- oder solchen
reldmesser- Arbeiten, welche zu Bau- Ausführungen erfordert
werden, verwendet sein.
Soweit der Staat selbst die Dienste der von ihm aus-
gebildeten und geprüften Bauführer in Ansprach nimmt, ver-
tilgt er hierbei den Zweck, ihnen die für ihren Beruf erfor-
derliche praktische Ausbildung zu gewahren, nur in
nebensächlicher Weise; maassgehend ist vielmehr ledig-
lich das Bedürtniss der Verwaltung. Die Regierung
hat sich das Recht vorbehalten, ihre Bauführer und (wie wir
nutuipirend bemerken) die noch nicht zur definitiven Anstel-
lung gelangten Baumeister für ihre Zwecke zu beschäftigen,
und ahndet den Ungehorsam gegen eine in dieser Beziehung
erlassene Anweisung mit dem Ausschluss von der Baumeister-
Prüfung, beziehungsweise der Anstellung im Staatsdienste:
aber sie hat sich nicht die Pflicht auferlegt, ihren jünge-
ren Bnuteehuikern Gelegenheit zu solcher Beschäftigung zu
bieten. Bauführer und Baumeister finden in der Staatsver-
waltung vielmehr nur soweit kommissarische Verwendung,
;ils fiskalische Bauten ausgeführt werden, bei denen eine
technische Spezial-Anfsicht unentbehrlich ist. beziehungsweise
als die augenblickliche Arbeitslast einzelner Baubeamten eine
technische Hülfe erfordert. Aus dieser stets durch das direkte
Interesse des Staates bedingten Art der Beschäftigung moti-
virt es sich von selbst, dass die betreffenden Dienste der
Bauführer nicht unentgeltlich beansprucht, sondern aus den
l onds der Bau-Ausführungen etc. in Form einer Besoldung
nach Diäten honorirt werden; allerdings ein stark ins Gewicht
tallender, von den Aspiranten des Justiz- und Verwaltungs-
dienstes vielfach beneideter Vorzug unseres Facha, dem wohl
in erster Linie der starke Zudrang zugeschrieben werden
inuss den dasselbe seit geraumer Zeit aufzuweisen hat.
In älterer Zeit, als die Bautätigkeit des Preussischen
Maates eine verhältnissmässig sehr schwache war, überstieg
das Angebot die Nachfrage, d. h. die Zahl der vorhandenen
Bauführer den Bedarf an solchen nm ein Namhaftes, so dass
es diesen nicht allein freigestellt wurde, ob sie im Staats-
oder Pnyatdienste sich beschäftigen lassen wollten, sondern
s>'gar oblag, eine Gelegenheit znr Beschäftigung im Staats-
dienste selbst zu erkunden; bei besonderem Missgeschick,
zumal wenn auch die Privat-BautbStigkeit stockte, ist es wohl
vorgekommen, dass Bauführer Monate lang ohne Stelle waren
und diese Zeit- einbüssen raussten. Der Staat begnügte sich,
talls iiur die Form der alljährlichen Meldung erfüllt und später
ein Zeugriiss über ein voischriftsraässiges Zeitmaass prak-
tischer rekelt beigebracht wurde. Neuerdings haben sich
die Verhältnisse trotz des vermehrten Zudranges zu den ban-
technischen Studien so wesentlich verändert, dass es dem
Staate nur mit Mühe gelingt, die zur Ausführung seiner Bauten
und zur Ausarbeitung der bezüglichen Entwürfe erforder-
lichen Hülfskräfte aus der Zahl der von ihm geprüften, zu
einer Anstellnng im Staatsdienste sich vorbereitenden Tech-
niker zu gewinnen. Jede Nummer des Anzeigeblattes der
Deutschen Bauzeitung legt ja hiervon Zeuirniss ab. Um der
Konkurrenz der in Bemessung der Diäten splendideren
Privatgesellschaften begegnen zu können, hat die Behörde
von ihrer bisherigen liberalen Praxis abgehen und zu dem
Auskunftsmittel schreiten müssen, das dem Staate zustehende
Anrecht auf die Dienste seiner Bauführer und Baumeister
bereits unmittelbar nach deren Prüfung, erforderlichenfalls
durch eine Vorenthaltung des Prüfungs-Zeugnisses geltend
zu machen. — Es wirft ein drastisches Licht auf die in
Folge der historischen Misstände eingewurzelte Verwirrung
der Anschauungen innerhalb und ausserhalb unseres Faches,
dass man diese Maassregeln in den Kreisen der davon Be-
troffenen zum grössten Theile als einen verwerflichen und
ungerechtfertigten Zwang, als einen Akt bnreaukratischer
Willkür empfindet. Deutlicher und besser kann es wohl
kaum bewiesen werden, dass man die Staatsprüfungen im
Baufach auch nach Einführung der Gewerbefreiheit häufig
nicht sowohl als die Vorstufen des wirklich beabsichtigten
Eintritts in den Staatsdienst ansieht, sondern sie in erster
Linie als ein der Mode gegenüber noch unentbehrliches
Mittel zur Geltung vor dem Publikum auffasst, dessen man
sich zu seinem eigentlichen Zwecke nur schlimmsten Falles,
als Notbanker, zn bedieaen gedenkt! —
An dieser Stelle handelt es sich darum, die Bedeutung
und den Werth der Bauführer-Praxis als eines Gliedes in
der Reihenfolge des den Preussischen Staats-Baubeamten
auferlegten Ansbildungsganges zu würdigen. Je weniger wir
im {stände waren, die vorangehenden Stadien desselben in
ihrer Einrichtung und in ihren Erfolgen als zweckentspre-
chend zu erachten, um so williger sind wir bereit, das Gute
und Richtige, das in der Anordnung der praktischen Beschäf-
tigung unsrer Bauführer enthalten ist, und die trefflichen
Lrfo ge, welche sich aus derselben für ihre Ausbildung als
lechniker ergeben, in vollem Umfange anzuerkennen.
In Betreff des Systems an sich ist vor Allem die wahr-
haft rationelle Ausnutzung der gegebenen Momente hervor-
zuheben, mit welcher der Staat die technische Kraft seiner
künftigen Baubeamten bereits für seine realen Zwecke er-
giebig macht, während er ihnen gleichzeitig die vollkom-
menste Gelegenheit giebt, diese Kraft zu schulen und zu
Ii i?' • ist cl>nnso rationell, dass die ausschliessliche
Beschäftigung der Bauführer im Staatsdienste trotzdem nicht
obligatorisch gemacht ist, dass diesen vielmehr, sobald hier
das Bedürfniss befriedigt ist und Gelegenheit zu instruktiver
Beschäftigung fehlt, freigestellt bleibt, sich für ihre Ausbil-
dung als praktische Techniker eine andere, günstigere Ge-
legenheit zu suchen ; der Staat erzielt in diesem Fnlle ja
'len möglichst grössten Gewinn und erspart die direkten
sowie indirekten Kosten des Lehrgeldes. Man verfahrt in
dieser Beziehuug trotz der augenblicklichen Noth noch immer
mit nihmenswerther Liberalität, indem man nur die soeben
geprüften, anderweit noch nicht engagirten Techniker zu
Ii 06 ™ Bescnaf(, Kung bei Staatsbauten zwingt; Fälle, dass
Hautührer ans einem bereits angetretenen Privat-Engageraent
abberufen worden wären, zu welcher mehrfach in allgemeiner
f orm angedrohten Maassregel der Staat zweifellos berech-
net ist, sind uns nicht bekannt geworden, also wohl nur
ganz ausnahmsweise vorgekommen.
Man könnte gegen das augenblicklich beobachtete Ver-
bei Auawahl der zur Besetzung der vakanten Stellen
in der Staats -Bauverwaltung bestimmten Persönlichkeiten
wohl nicht immer die genügende Rücksicht auf die indivi-
duelle Begabung der Einzelnen genommen werden kann, so
daas es wohl nicht selten eintreten dürfte, dasa der Eine
oder der Andere in eine rar ihn nicht passende Fachrichtung
gedrängt wird. Ein grosses Gewicht vermögen wir diesem
Bedenken nicht beizumessen, da es einerseits unter den gegen-
wartigen Zustanden des theoretischen Ansfoildungsganges in
ler That bei sehr Vielen der jungen Bauführer noch nicht
des Faches sie ihre Be-
bel sehr V lelen der jungen
dürfte, auf welchen Zweig d<
iweist, und da andrerseits die
gabung hinweist und da andrerseits die Motive, durch welche
diese bei freiwilliger Anaahme eines Engagements sich be-
stimmen lassen, wohl auch nicht immer jenes Moment ins
Auge fassen, sondern sich zunächst auf Gründe materieller
Natur — vor Allem auf die Höhe des Diätensatzes und den
Ort der Beschäftigung — beziehen. Wenn die theoretische
Ausbildung unserer Bauführer erst eine weniger oberfläch-
liche und dilettantistisebe geworden sein wird, so dass zur
Zeit ihrer Prüfung schon ein sicherer Scbluss auf die Art
ihrer individuellen Begabung gezogen werden kann , wird
sich jene Gefahr bei einsichtiger und sorgfältiger Leitung
der betreffenden Auswahl, an der wir zu zweifeln nicht den
mindesten Grund haben, in genügendem Maasse vermeiden
lassen. Ja wir sind sogar offen genug einzugestehen, dass
eine sanfte Bevormundung in der Anweisung praktischer Be-
schäftigung gegenüber jenen äusserlichen Lockungen zuweilen
sogar einen ausserordentlich günstigen und heilsamen Kin-
fluss auf die künstlerische oder technische Entwicklung
Einzelner ausüben könnte- Vor Allem den zu hervorragen-
den künstlerischen Leistungen Berufenen dürfte nicht selten
ein wesentlicher Dienst geschehen, wenn sie an eine Stelle
gesetzt würden, wo sie in wirklicher Praxis des Bauens unter
neuen, eigenartigen Bedingungen Gelegenheit zur selbststän-
digen Entwickclung fanden, während gegenwärtig so manches
vielversprechende Talent untergeht oder zum routinirten
Atelier- Architekten verkümmert, weil es seine Kraft ent-
weder gar nicht übt oder sie in unverantwortlicher Weise
tum Zwecke blosser Zeichnerei ausnutzen lässt, während
den Anforderungen eines Dienstes auf der Baustelle durch
eine bedeutungslose Formalität nur zum Scheine genügt
wird. •
Der treffliche Einfluss, welchen die Beschäftigung wäh-
rend der Bauführer-Zeit auf die technische Ausbildung des
Einzelnen auszuüben vermag und bei den weitaus Meisten
auch wirklich ausübt, ist ja in ganz überwiegendem Maasse
auf die wirkliche Praxis in einer selbständigen und verant-
wortlichen Stelle zurückzuführen. In einer Thätigkeit, welche
die Kraft den bisher lediglich theoretisch gebildeten jungen
Technikers in einer durchaus neuen, au bestimmte reale Be-
dingungen und die mannigfachsten zufälligen Verhältnisse
gebundenen Weise in Anspruch nimmt und daher zu neuen
selbstständigen Aeusserungen herausfordert, welche ihn zwingt,
das Bild auf dem Papier und die Ausführung desselben iu
Wirklichkeit fortwährend in uumittelbare Beziehung zu
.setzen — bei der Nöthiguug, das erlangte Wissen und Kön-
nen, auf das sich der in isolirter Stellung befindliche Bau
i führer allzuoft allein angewiesen sieht, nunmehr auch that-
sächlich anzuwenden — in der Möglichkeit, die angelernten
Kenntnisse durch eigene Erfahrung zu befestigen und zu er-
weitern, erschliesst sich nicht Wenigen unter den Bauführern
erst das wirkliche Verständniss eines Faches, das ihnen
bisher lediglich ein Brotstudium war, dessen Bedingung
erfüllt werden mussten; mit der Freude am Schaffen wfichst
in einem gegen die bisherigen Fortschritte ganz unverbält-
nissmässigen Grade die Fähigkeit des Schaffens und der
Trieb nach Vervollkomunng des Wissens.
Wohl die Meisten, mögen sie theoretisch tüchtig oder
mangelhaft vorgebildet sein, stehen den neuen Verhältnissen
zunächst ziemlich hülflos gegenüber, aber die ihnen aufer-
legte Verantwortlichkeit, von welcher bei eiuer Beschäf-
tigung in Ateliers und Büreaus natürlich kaum die Rede seiu
kann, spornt sie um so energischer an, sich dasjenige, was
ihnen zur Ausfüllung ihrer Stelle noch fehlt, in möglichst
kurzer Zeit anzueignen. Nicht nur der vorgesetzte Baumeister
allein, sondern mehr noch die Männer der eigentlichen Praxis,
mit denen der junge Bauführer in Berührung kommt, Werk-
meister und Unternehmer, Poliere und Schachtmeister sind
es, bei denen er — möglichst unvermerkt — in die Lehre
«reht und denen er nicht blos in Betreff mancher thatsäcli-
lichen Erfahrung, sondern namentlich in Betreff gesunder
praktischer Anschauung und eines sicheren praktischen Blicks
nicht selten die nützlichst« Anleitung zu danken hat. Ja
noch mehr, soweit die im Examen leicht zu verdeckenden
Lücken, an welchen die theoretische Ausbildung der Mehrzahl
leidet, die sich später in der Praxis fühlbar machen, wer-
den sie häufig nicht allein durch die Praxis, sondern durch
nachträgliche - ergänzende Studien, wenn auch stückweise
ausgefüllt; es ist eben die Eigenschaft eines vorgeschrittenen
Lebensalters und einer vorgeschrittenen Stufe allgemeiner
Bildung, dass sie mechanisch und aus weitaussehenden Nütz-
licbkeitsrücksichten nicht entfernt das zu lernen und noch
das zu behalten vermögen, was sie zum Zwecke der
nwendung^ auf einen konkreten Fall mit Leichtigkeit er-
für alle Zeit unvertilgbar bewahren.
So wird die Bauführerzeit für die Meisten nicht allein
eine werthvolle Schule praktischer Erfahrung und technischer
Uebung, sondern sie macht bei
d.-r erfreulichen Begabung, welche
sind, in Betreff Vieler auch die Schäden wieder gut, an
welchen ihre Ausbildung in Folge der mangelhaften Einrich-
tung der früheren Stufen zu leiden hatte. Selbstverständ-
lich ist das immer nur bis zu einem gewissen Grade möglich,
denn Lücken und Mängel der elementaren Grundansbil-
dung, welche jugendliche Empfänglichkeit und eine auf sie
allein gerichtete, unausgesetzte Uebung erfordert, lassen sieb.
■er laknhef m lautrer.
Wenn
der Raum der Deutschen Bauzeitung für die Be-
lokaler Interessen auch nur beschränkt ist, so hofft
der Verfasser, für die nachstehenden Mittheilungen aus seiner
Vaterstadt doch einige Spalten beanspruchen zu dürfen, da sie
eine lokale Frage behandeln, die auch ausserhalb Hannovers
und namentlich in Berlin grosses Interesse erregen dürfte.
Hannover hat bekanntlich in den letzten Jahren vor und
uach 18u; mehr als irgend eine andere Stadt Deutsch-
lands an Umfang und Verkehr zugenommen. Die Verhältnisse
sind hier bei einem monatlichen Zuzug von ca. 1000 Menschen
fast amerikanische geworden. Was heute gebaut und mit enor-
men Kosten angelegt wird, genügt schon oft nach Ablauf eines
Jahres nicht mehr den steigenden aber berechtigten Ansprüchen.
Nicht nur die Vergnügungslokale sind zu beschränkt geworden,
sondern auch die Harkte und Strassen erweisen sich an vielen
Stellen als zu eng. die öffentlichen Gebäude als zu klein, die
öffentlichen Anstalten, namentlich die Verkehrs- Anstalten den
Anforderungen als weitaus nicht gewachsen.
In bedenklichster Art tritt dieses Verhältniss auf dem Ter-
rain und In den Gebäuden der Staatsbahn zu Tage. Hannover
baute in den vierziger Jahren an seiner damaligen nordöstlichen
Auasenseite einen stolzen Bahnhof von ca. 350" Front, der in
Deutschland seines Gleichen suchte und (wie in No. 47 d. Ztg.
anerkannt) eine Zeit lang den Ruf eines Musterbaues beaass.
Aber schon am Ende der fünfziger Jahre entsprach die Ans-
ucht mehr dem gesteigerten Verkehr,
nicht dem Güterverkehr. Man erwarb anliegendes
so viel als nur möglich; die günstige Gelegenheit dazu
war jedoch schon verpasst, da jenseits der Bahn bereits ein
grosser Stadttheil, der sogen. Tivoli - Stadttheil erstanden war.
Dieser ist heut zu etwa einem Viertel Hannovers angeschwollen
■ die Im Niveau der 9tras»en liegende Eisenbahn scheidet
dieses neue Viertel in lästigster Weise von dem alten Hannover
ab. Es sind 6 bis 8 der gefährlichsten Passagen, welche den Ver-
kehr vermitteln.
Die schon lange vor 1866 auftauchenden Projekte zum L'm-
beziehungsweise Neubau des Bahnhofes fanden 1863 zuerst Ge-
stalt in dem von Bauinspektor Rasch erbauten Direktionsge-
bäude, und weiter 1867 in mehren Konkurrenz-Arbeiten hanno-
verscher Baubeamten, unter denen sich die von demselben Ar-
chitekten entworfene durch Klarheit und den Verhältnissen
Rechnung tragende Urossartigkeit auszeichnete. Das Projekt
basirte auf Erhebung des ganzen, Hannover durchschneidenden
Bahnkörpers um 1,75" über das Niveau der Strassen, die um ein
Entsprechendes tiefer gelegt das Uebel der Passagen beseitigten.
Der architektonische Aufbau des Bahnhofes stand wie der de*
Direktionsgebäudes auf dem guten Grunde der hannoverschen
Schule — vielleicht war das einer der Gründe, die an massge-
bender Stelle in BerlüVfür die Verwerfung des Entwurfes ent-
schieden.
Die schliesslich« Losung der Frage, wie und von wem der
menumentale Neubau des Empfangsgebäudes im Bahnhof Han-
nover geschaffen werden sollte, ist bekannt Hannover erhielt
ein von Berlin hnportirtes Muster moderner Renaissance- Archi-
tektur, das in dem bereits zitirten Aufsatze in No. 47 d. Bl.
trotz der offenkundigen Freundschaft des Verfassers für die«!
Richtung mit einer Schärfe kritisirt ist, der wir unsererseits
kaum etwas hinzuzufügen brauchen. — Die Bauthätigkeit au
diesem Werke hat sich bis jetzt neben theilweisem Abbruch des
alten Stationsgebäudes auf die Errichtung eines einzigen Flügels
beschränkt Die ,19 Axen" desselben, welche in sinniger Ab-
wechselung durch 27 Minerva-, 22 Merkurköpfe und 16 Eulen
charakterisirt wurden, hat man in Hannover mit einer gewissen
Ehrfurcht erstehen sehen — man war geduldig und wartete die
Vollendung des in sich abgeschlossenen Baues ab. Desto ener-
gischer erhob sich endlich der lang verhaltene Ausdruck der
Entrüstung iu mündlicher und schriftlicher Kritik. Die Situs-
Digitized by Gooq
wie wir früher schon hervorhoben, in späterer Zeit nie-
mals ersetzen. Wollte man Umfrage halten bei den Preussi-
sehen Baumeistern : wir zweifeln nicht daran, daas die Mehr-
zahl derselben es gern und willig anerkennen würde, das*
sie den besten, den eigentlich werthvoUen und nutzbaren
Theil ihres technischen Wissens wie ihre* Könnens nicht
sowohl dem Studium auf der Bau-Akademie, als der Bau-
führer-Praxis verdankt.
Allerdings ist hierbei hervorzuheben, dass die in die-
ser Zeit gewonnene Ausbildung grossentheils eine einsei-
tige ist
Wenn sie zunächst einseitig ist, indem sie sich fast aus-
schliesslich auf denjenigen Zweig des Faches erstreckt, in
welchem der Bauführer seine Beschäftigung gefunden hat,
so ist das allerdings wohl kein Uebelstand zu nennen; es
ist unter den bisherigen Zustanden vielmehr lediglich dieser
Einseitigkeit zu danken, dass es noch immer einer verhält-
nissmässig so grossen Zahl der Aspiranten des Preußischen
Staats-Baudienstes gelungen ist und gelingt, des Dilettantis-
mus, auf den die obligatorischen Studien-Einrichtungen hin-
zielen, wenigstens nach einer Richtung hin Herr zu werden.
Dass es nicht möglich und auch nicht nöthig ist von den
Kaubeamten des Staates zu verlangen, dass sie für alle
Zweige de« Bauwesens eine gleiche Befähigung besitzen
sollen, wenn man sich eben nicht mit der Gleichheit der
Mittel mäasigkeit oder gar der Unfähigkeit begnügeu will, ist
glücklicherweise eine Krkenntniss, die sich im Laufe der
letzten Jahre allgemein Bahn gebrochen hat, wenn man
sich auch noch nicht entschlossen hat die vollen Konseqnen-
zen derselben zu ziehen ; es werden wohl nur wenige ausser-
gewöhnlich beschränkte Köpfe sein, in denen das Ideal einer
.Vereinigung der Fächer" noch in dieser Form sich erhalten
hat. Ein sehr wesentlicher Mangel, der gegenüber der bureau-
kratischen Tendenz, welche im Uebrigen den Grundzug der
Einrichtungen des Preussischen Staatsbauwesens bildet, im
höchsten Grade auffallen inuss, ist es hingegen, dass die
Art und Weise der Beschäftigung als Bauführer in den mei-
sten Fällen auf eine einseitig technische Ausbildung
gerichtet und nur in Bezug auf diese von Erfolg ist, während
eine Ausbildung für den Dienst als Beamter ganz in
den Hintergrund tritt oder überhaupt gar nicht stattfindet.
Wir haben dieses seltsame Missverbältniss bereits in den
allgemeinen Erörterungen, mit welchen wir diesen Abschnitt
unserer Arbeit einleiteten, erwähnt und haben hier die Ver-
pflichtung es etwas näher zu beleuchten.
Mindestens drei Viertheile der späteren Thätigkeit des
Lokal - Baubeamten , und zwar diejenigen , in welchen der
Schwerpunkt seiner selbstständigen Wirksamkeit und sei-
ner amtlichen Vertrauensstellung beruht und beruhen inuss,
setzen sich aus den Geschäften des „kleinen Dienstes",
ans Lokal - Untersuchungen und Revisionen, Verhandlungen,
Berichten und Gutachten, Kosten -Uebersch lägen etc. zusam-
men, während die Projektirung und Ausführung grösserer
Banten in den meisten Baukreisen der Provinz sieht die
Regel, sondern eine Ausnahme bildet. Es kann jungen
Baumeistern, die sich vorwhriftsmässig einem nach aen
höchsten idealen Zielen gerichteten theoretischen Ausbil-
dungsgange unterworfen haben, wohl nicht verübelt werden,
wenn sie für diesen Theil banbeamtlicher Thätigkeit nicht
gerade Sympathien besitzen, sondern ziemlich geringschätzig
auf ihn herab sehen. Trotzdem ist sicher nicht za leugnen,
dass eine sachgemäß Erledigung jener Geschäfte, wie sie
im Interesse des Staats und der betheiligten Privatpersonen
erwünscht, beziehungsweise nothwendig ist, nicht allein
an das technische Wissen nnd die Erfahrung, sondern vor
Allem an die persönliche Umsicht, an das formale Geschick
nnd die Geschäfts -Rontine des Beamten sehr häufig die
höchsten Anforderungen stellt — Anforderungen, die nicht
ohne Weiteres von Jedem in genügender Welse erfüllt wer-
den können, sondern die verlangen, dass man sieh anf sie
durch praktische Gebung und die Anleitung erfahrener Beam-
ten ebenso vorbereitet hat, wie auf jede andere Art amt-
licher Thätigkeit.
In dieser Beziehung zeigen die Einrichtungen des für
die Preussischen Baubeamten vorgeschriebenen Ausbildnngs-
ganges eine Lücke, die sich später oft sehr empfindlich
rächt. Es ist, wie wir bereits ausgesprochen haben, im
Wesentlichen dem Zufalle anheimgegeben, ob nnd welche
Vorbildung für die Formen und Bedingungen des amtlichen
Dienstes die Baubeamten des Staates vor ihrer Anstellung
erlangt haben. Ein Zufall ist es, wenn sie während des
Elevcnjahre8 eine — wie wir nachgewiesen haben besten-
falls nur sehr dürftige — Kenntniss jenes Dienstes erlangt
haben; in dem Atelier eines Privatarchitekten, das in Betreff
der anderweiten Momente für die Zwecke des Flevenjahrs
noch die grössten Vorzüge gewährt, lernen sie hiervon jeden-
falls so gut wie nichts. Ein sehr prekärer Zufall ist es,
wenn sie aus den an der Bau -Akademie gehaltenen Vor-
lesungen über Bauführung, Veranschlagung etc. (die übrigens
in No. 49 nur in Folge eines Druckfehlers unter den Zwangs-
kollegien angeführt sind), praktischen Nutzen schöpfen; der-
artige Dinge kann man eben nicht aus Vorlesungen, sondern
nur durch praktische Uebung lernen. Ein Zufall endlich ist
es, wenn sie während der Bauführer-Praxis, die für jenen
Zweck wohl zweifellos die geeignetste Lehrzeit ist, aus-
reichende Gelegenheit zu solcher Uebung finden.
Die Uebung in den auf der Baustelle erforderlichen Ge-
schäften, auf welche die Meisten der diätarisrh t hutigen Bau-
führer und Baumeister beschränkt bleiben, genügt hierzu
noch keineswegs, ganz abgesehen davon, dass sie meist auf
einen einzelnen Zweig der Verwaltung, von denen jeder seine
besonderen Formen hat, sich bezieht; eine Beschäftigung im
Büreau, die für gewöhnlich allein auf Zeichenarbeiten sich
erstreckt, ist nicht obligatorisch. Bei einer Beschäftigung
unter der Leitung geprüfter Baumeister, die nicht im Staats-
dienste stehen^ dürfte jenes Moment noch weniger zur Gel-
tion ist wühl genügend dadurch gekennzeichnet, dass sich auch
nicht Eine Stimme zur Verteidigung des Bauwerks vernehmen
Dass der Bau indessen in dieser Art ausgeführt wurde,
dafür haben wir alle Ursache, den direkten und indirekten Ur-
hebern desselben dankbar zu sein, nicht so sehr, weil die han-
noversche Architektur-Schule in diesem Gegensätze nur gewin-
nen kann, sondern weil aus der Besprechung über den Bau ein
Moment in den Vordergrund getreten ist, das für Hannover von
eminent grösserer Wichtigkeit ist — die von Seiten der Bür-
gerschaft erhobene kategorische Forderung der Erhö-
hung des Bahnkörpers. Nach dem Erscheinen eines sehr
eingehenden Artikels im hiesigen Tageblatt that sich auf Be-
trieb des Senators a. L). Angcrstcin eine stattliche Reihe
der angesehensten Bürger zusammen, um eine Versammlung
der Bürgerschaft anzuberaumen, die gestern Abend im Tivoli
tagte
Es waren ca. ein Tausend Männer zusammengekommen, in
welchen durch Namen vom besten Klange so ziemlich alle Kreise
und alle Interessen der Stadt vertreten waren. Die unter Vorsitz
von Baurath Kohler und Ingenieur Heusinger von Waldegg
gepflogenen Verhandlungen richteten sich in erfreulicher Weise
uicht sowohl auf das „Wie* der Ausführung des Projektes, son-
dern auf das, was von Seiten der Bürgerschaft zu thun sei, um
das Projekt der Erhöhung des Bahnkörpers um 4"» zu realisircu.
Die erste erfreuliche Kunde, die der Versammlung aus dem
kurzen Vortrage Angersteins ward, war die Mittheilung, dass
von Seiten der General - Direktion der hannoverschen Staats-
bahnen keine Gegnerschaft zu erwarten stehe. Von Professor
Rü hl mann ward auf das Projekt hingewiesen, welches «sein
Schüler und ein guter Hannoveraner* Rasch aufgestellt habe.
(Rasch gegen wärt«; in Essen hatte sein Nichtkommen telegraphisch
entschuldigt). — Dem Antrage Angersteins, nämlich den städti-
schen Kollegien den Weg der Initiative, d. h. Absendung einer
Imputation an den Handelsminister resp. den F
gen stand ein Antrag des Obergerichts -Anwalts Dr. Mülle r
gegenüber: eine Kommission zu ernennen, der die Ermächti-
gung auch ohne den Magistrat direkt in Berlin die Sache zu
fordern, ertbeilt werde. Eine erfreuliche Wendung in den De-
batten über diese Anträge gab das Erscheinen des Stadtdirek-
tors Rasch, der sein Zuspätkommen entschuldigte, weil ihn
die Eisenbahn am Tivoli-Uebercange Stunde aufgehalten.
Der würdige Vorsteher unserer Gemeinde konstatirte, von dem
Bürgervorsteher Dr. Bärens unterstützt, dass die städtischen
Kolleg ien einstimmig in jeder Beziehung und mit allen Kräften
die Wünsche der Versammlung, welche or in so bedeutsamer
Quantität und Qualität vor sich versammelt sehe, zu den ihrigen
machen würden. Von ihm und von anderer Seite ward betont,
dass es geradezu unbegreiflich sei, wie der Staat Privatgesell-
schaften zu den kostspieligsten Ueberfübrungs-Anlagen zwinge,
während er gleichzeitig die Verkehrsstörungen, welche durch
die im Niveau liegende Staatsbahn hervorgerufen, zu perma-
nenten mache. Bezüglich der Kosten ward eine Aeusserung
des General - Direktors der hannoverschen Staatsbahncu Herrn
v. Maibach erwähnt, dass eine Summe von 10 — 12 Millionen
erforderlich sei, um Interimsbahnhof und Erhebung zu beschaffen,
eine Annahme, die Heusinger von Waldegg auf ca. die Hälfte
reduziren zu können glaubte. Rasch hielt den Kostenpunkt für
ziemlich bedeutungslos, da die Rentabilität der Staatsoabn eine
so ausserordentliche sei und die Stadt Hannover zu dem Ver-
kehr (der nach Maibach's Aeusserung sich binnen Jahresfrist
verdoppelt haben soll) gerade den wesentlichsten Beitrag liefere.
Ferner müssten in anderen Städten von der Bedeutung Hanno-
vers noch ganz andere Summen aufgewandt werden, um z. B.
Bahnhöfe in das Herz der Stadt zu bringen. Hierbei kann Re-
ferent die freudige Bemerkung nicht zurückhalten, dass in den
der Versammlung ein energischer Zug
sich kundgab, der jede kleinstädtische Enge, welche Hannover
früher so charaktensirte, zur Seite warf und Millionen für un-
wesentlich hielt, wo es gilt, dl« Zukunft der Vaterstadt zu
Digitized by Google
— 406 —
tnng kommen. Eine wirkliche Ausbildung nach dieser Rich-
tung erlangen wohl nur diejenigen Bauführer in dem wün-
schenBwerthen Grade, die in einer Art eine Adjudanten-
lem Baubeamten eine Zeitlang Gelegenheit ge-
allen Dieostgeschäften desselben sich zu bV.
Stellung bei einem Banbeamten eine Zeitlang
habt haben,
theiligen.
Eis
Im Anschluss an die in No. 47 d. Blattes bei der Be-
sprechung des Tacbeometers gemachten Bemerkungen Ober die
Aufnahme von Horizontalkurvcn dürfte es gestattet sein, auf
eine Metbodo hinzuweisen, welche, obwohl keineswegs neu und
dem Vernehmen nnch z. B. bei den Vermessungen des preuss.
Generalstabes vielfach in Anwendung, doch bei Eisenbahn- Vor-
arbeiten wenigstens in Norddeutschland fast gar nicht in Ge-
brauch zu sein scheint, dennoch aber sehr wohl für solche ge-
eignet ist und namentlich dieselben Vortheile, welche die An-
wendung des Tacbeometers im Grossen gestattet, mindestens
im kleineren Maasstabe, dann aber auf noch bequemere Weise
überall da gewfihrt, wo es sich um Detail-Aufnahmen inner-
halb eines anderweit bereits festgelegten Liniensystems han-
delt, wo also eine Summirung von Fehlern nicht zu besorgen
ist (u. A. bei der auch in No. 47 erwähnten Polarmethode).
Giebt man nämlich der Kipprcgel eines gut konstruirten
Messtisches ein rocht stabiles Gestell, einen fein getheilten Ver-
tikalkrcis mit Nonien und Mikmmeterschraube , ferner eine
zweite, der Länge nach auf dem Fernrohr zu befestigende em-
pfindliche Libelle, endlich dem Fernrohr selbst einen Distanz-
messer und starke Vergrösserung , so kann die Benutzung des
so ausgestatteten Instruments nach demselben Prinzip wie die
dps Tacbeometers geschehen, mit dem einzigen wesentlichen
Unterschiede, dass die llorizontalwinkel hier nicht mit einem
Kreise gemessen, sondern direkt gezeichnet werden. Bei der
erforderlichen Leichtigkeit der Handhabung und bei der Natur
des Messtisches überhaupt kann das beschriebene Instrument
zwar nicht die grosse Tragweite und Genauigkeit des voll-
kommenen Tacbeometers erreichen, mithin nicht gerade zur ur-
sprünglichen Festlegung der Basislinien empfohlen werden; da-
gegen eignet es sich um so mehr für die an letztere anknüp-
fenden Detail-Aufnahmen, als es den nicht unwesentlichen Vor-
theil bietet, dass man die Lage der aufgenommenen Punkte
gleich draussen auf dem Papier vor sich sieht, einen erheb-
lichen Theil der Rechuuug erspart und mit grosser Leichtigkeit
durch neue Aufstellungen sich Kontrollen verschaffen kann.
Die aufgenommenen Punkte können nämlich gleich auf dem
Felde mit Hülfe des Rechenstabes *) — wenigstens hinsichtlich
ihrer Distanz — berechnet und aufgezeichnet werden. Es bleibt
dabei nicht ausgeschlossen, ist vielmehr zu empfehlen, dass
man die abgeleseneu Zablenwertbe tür die auf dem Messtisch
gezeichneten Punkte nach bestimmtem Schema notirt. um die
richtige Rechnung und Zeichnung nachher im Hause kontrol-
lircn zu können. — Das Fehlen des Porro'schou Distanzmessers
dürfte — abgesehen von der stärkeren Vergitterung — kein
sehr wesentlicher Nachtbeil sein, denn einmal ist in den
meisten Fällen, wie bereits in No. 47 bemerkt wird, die betref-
•| Der iu di»**m Zweck wlo überhaupt «u allen teelitiiftehen Ktchnungen no
liberum brauchbar* Heehemteb wird enge »blteklleh In Huer gegen 41a bisherige
fianzi>,Urtt<< ei»aa vt-rvollkoaoinneten und eperlell für Demarhlaod elngariehieun
Form bei Dennert u. Pape in Altuna neb»t Anweisung iura Uebrae>cta bergeelellt
und kommen päd* In diew-u "1 aj;en die eraten Exemplare tum Veraand.
fende Differenz in dem Haasstab der Zeichnung nicht messbar,
andererseits kann die Korrektion, wo sie erwünscht ist, leicht
angebracht werden, da es sich nur um Addition einer bekannter,
konstanten Grösse (der Entfernung des anallektischen Punkte«
von dem auf dem Messtisch bezeichneten jedesmaligen Stand
punkte) handelt. Erforderlich ist es dagegen, vor jeder rer
änderten Stellung der Kippregel das Fernrohr wieder in die
Horizontale zurückzuschrauben, die Nouius-Ablcsungbcim Eis
spielen der Libelle zu notiren und den Vertikal-Winkel um
diese Grosse zu korrigiren.
Bei dem Instrument, mit welchem der Unterzeichnete zn
arbeiten Gelegenheit hatte, welches übrigens sehr wohl verschie-
dener Verbesserungen fähig wäre (dasselbe hatte u. A. nor ei-
nen halben Vertikalkreis mit einem Nonius), erschien es zweck-
mässig, die beiden — einzeln durch getrennte Schrauben verstell-
baren — Distanzfäden so zu justiren, dass das Verhältnis) der
Entfernung zu dem gelesenen Lattenabschnitt (bei horizontaler
Visur) = 100 war. Die Ablesung des letzteren geschah gleich-
zeitig mit der des mittleren Fadens an einer gewöhnlichen auf
Zentimeter getheilten Nivellirlatte, so dass also l« des Latten
abschnittes — abgesehen von der Reduktion auf den Horizont -
grade 1» Entfernung bezeichnete. Das Fernrohr gestattete die
Ablesung von einzelnen Zentimetern etwa bis zu ciuer Entfer
nung von 250™, die crossten Abstände vom Instrument betrugen
wenigstens etwa 250™ 1 , ausnahmsweise bis 300«.
Zugleich ist noch bemerkenswertb , dass das beschriebene
Instrument ausserordentlich vielseitiger Anwendung fähig ist.
Besitzt dasselbe nämlich wie das soeben erwähnte die Einrieb
tung, dass es nach Ausschalten der Messtiscbplatte direkt auf
den Dreifuss dea Statifs geschraubt werden kann, so ist es in
dieser Form wie ein einfaches Xivellir-Iustrument zu benutzen,
jedoch immer mit dem sehr grossen Vortheil, dass man zugleich mit
Elevatiou und Degression arbeiten kann, also in koupirter Gegend
(namentlich auch bei langen und steilen Querprofilen) oft von
einem Punkte aus ein ausgedehntes Terrain zu bestreichen ioi
Stande ist, welches bei Anwendung eines gewöhnlichen Nivcllir-
Instrumentes eine grosse Zahl von Aufstellungen erfordern
würde. Auch ist das Instrument in beiden Gestalten äusserst
bequem zur Längenbestimmung an solchen Stellen, wo die zu
messende Linie auf kurze Längen steile Schluchten und Ab
hänge überschreitet. Die Kettenmeseung giebt in solchen Fäl-
len, wenn überhaupt noch möglich, sehr unrichtige, die Stafc-
roessung nur bei sehr exakter Ausführung und mithin gr«s>Mm
Zeitaufwand gute Resultate
Endlich mag es bei der bisher geringen Anwendung nicht
überflüssig sein, ausdrücklich darauf aufmerksam zu machen,
dass dasselbe Instrument, abgesehen vom Distanzmesser, also
als einfacher Messtisch in Verbindung mit der Messkette grade
bei Eisenbahnvorarbeiton in koupirtmi Terrain ganz vortreff-
liche Dienste zu leisten im Stande ist und deshalb wohl eine
ausgedehntere Anwendung in diesem Zweige der Technik ver-
diente; so z. B. zu den für Projekte von Bauwerken erforder-
lichem. Ein gleich erfreulicher Charakter giebt sich auch in
der augenblicklichen Waescrversorgungs-Krisis kund, über welche
vielleicht ein anderes Mal das Nähere mitgetheilt wird.
Die Versammlung endigte mit der Annahme des von Hern.
Rasch gemachten Vorschlages, aus der Versammlung 6 Männer
zn wählen, die verstärkt durch 3 Mitglieder des Macistrats und
3 des Bürgervorsteher -Kollegiums schleunigst eine Petition aus-
arbeiten und dem Hrn. llandelsminister überreichen solle. Wio
die Grösse, Zusammensetzung und Einhelligkeit der Versamm-
lung, so scheint die Zusammensetzung des auf Grund dieses Be-
schlusses gebildeten Komites dafür zu bürgen, dass die Bewe-
gung nicht resultatlos im Sande verlaufen wird.
Zu wünschen wäre nur noch, dass die Petition auch die
ünantastbarkeit des Emst- August -Platzes verlange. Derselbe
zählt gewiss zu den schönsten Plätzen Deutschlands, soll aber
durch das gegenwärtig iu Ausführung begriffene Bahnhofsge-
bäude um ein Bedeutendes verengt werden. Wenn hier nicht
Halt geboten wird, muss man nach des Referenten Ansicht die
Notwendigkeit einer Abtragung des Ernst- August -Denkmals
als ernste Möglichkeit ius Auge fassen.
Hannover, den 1. Dezember 1872. T. U.
Ver Brand in Boitan.
Der grosse Brand, der jüngst in Boston wüthete, hat den
amerikanischen Architekten abermals eine Lehre gegeben, welche
auch für Deutschland, wo man die leichtfertige Art und Weis«
des amerikanischen Bauens einführen will, oder schon nachge-
ahmt hat, nicht überflüssig sein möchte.
Der „Scientific American" sagt hierüber Folgendes:
„Eine zweite Kalamität, welche den Verlust von Millionen
an Geld und werthvollen Waaren zur Folge hatte, ist in unserer
Mitte vorgekommen. Boston hat das Schicksal Chicagos ge-
theilt, ist eine Beute der Flammen geworden, und 64 Acres
Flächenraum, besetzt mit den prächtigsten "
mehr ein schwarzer rauchender Trümmerhaufen. Der abge-
brannte Distrikt schliesst in Fich folgende Strassen:
Summer, Washington, Milk, Kongress, Water, Kilby und
die halbe Zentralstrasse, sowie von da beinahe in gerader Linie
zur Broadstrasso und zu dem Boston-, Hartford- und Eric- Eisen-
bahn-Depot sich erstreckend. Mit eingeschlossen sind die Otis,
Areh, Hawley, Franklin, Devonshire , Matthews, Perkins, Bigb,
Purchasc und Pearl Strasse, nebst einer grossen Anzahl enger
Gässchen und Plätze.
Das Feuer wurde am Sonnabend Abend (9. Novbr.) entdeckt,
und bevor nur eine der Dampfspritzen zur Stelle war, hatte es
schon ein ganzes Mansarden-Dach ergriffen und in Brand
gesetzt, so dass, von einem heftigen Winde begünstigt, bereits
in einer halben Stunde das betreffende ganze Viereck in Feuer
und Flammen eingehüllt war. So arg und mächtig war die
Hitze, dass es den Feuerleuten gar nicht möglich war, an ihren
Posten aushalten zu können; die Frontwände der Gebäude,
welche aus Granit bestanden , sprangen , cxplodirten und fielen
in Stücken auf die Strasse hernieder. Kein Bau, selbst der
massivste, vermochte dem Feuer auch nur den geringsten Wi-
derstand zu leisten. Endlich kam Hilfe von auswärts, und nach
24 stündigen Anstrengungen, sowie nachdem man mehre Viertel
der schönsten Bauten in die Luft gesprengt hatto, vermochte
man Herr des Feuers zu werden. Aber wenige Stunden nach-
her brach es in Folge von Gasexplosionen von Neuem aus, ds
man aus Nachlässigkeit die zu dem in Brand stehenden Distrikt
führenden Ilauptröhren nicht abgesperrt hatte. Und so vergin-
gen im Ganzen sechs und dreissig Stunden bis man das Feuer
völlig gelöscht hatte. Der Verlust, dessen Folgen man durch
das ganze Land spüren wird, wird auf 90 Millionen Dollars ver-
anschlagt. 700 Gebäude, worunter die prächtigsten, wurden zer-
stört.
Das Schicksal Bostons giebt uns aber eine viel ernstlichere
' Lektion, als jenes von Chicago, indem es auf die radikalen Feh-
1 ernen Bauwesens hinweist Denn die
Digitized by Google
— 407 —
lieben Spczial-Aufnabmen, ganz besondes aber zum Kurven-Ab-
stecken. Hierbei hat der Messtisch gegenüber dem Theodolith
den Vortheil, dass einmal jede Rechnung wegfällt, dagegen die
Zeichnung stet« leicht zu kontrolüren ist, und das« man ferner
unter Benutzung der Zeichnung mit grosser Leichtigkeit belie-
bige und beliebig viele Standpunkte je nach der Öertlicbkcit
zweckmässig wühlen kann, auch gleichviel ob in oder seitwärts
der Linie, was beim Theodolith immer mit komplizirten, leicht
Irrthümern ausgesetzten Rechnungen verbunden sein würde.
Das Verfahren besteht hierbei bekanntlich darin, dass mau in
der auf dem Messtisch in passendem Maasstabe (z. B. I : 10O01
gezeichneten Kurve Punkte im Abstände einer Kettenlänge (20"')
mit dem Zirkel genau abtheilt und von dem Standpunkte ans.
welcher awf dem Papier markirt wird, mittels des Fernrohrs
über jeden Theilpunkt hin den vorderen Kettenstab nach jedem
Kettenzuge (wie beim Tbeodolith) einrichtet. Es braucht kaum
besonders erwähnt zu werden, dass man die Standpunkte des
Messtisches insofern passend auswählen resp. verändern muss,
als der Winkel der jedesmaligen Visirrichtung mit der
bücklichen Knrvenrichtnng nicht zu gross werden darf.
Anwendung des bezeichneten Instruments hat sich ebenso wie
die übrigen vorhin beschriebenen z. B. im letztvergangenen
Frühjahr bei den speziellen Vorarbeiten zu der Gebirgsbahn
Langelsheim -Clausthal trefflich bewährt, deren Trace einem
stark geschlängclten Flussthalc des Oberbartes folgt nnd dem-
entsprechend zum grossen Tbcil aus engen Windungen besteht
Aufgaben, wie das Verlegen von Linien, daa Einlesen einer
möglichst passenden Kurve zwischen verschiedene Hindernisse
(als Klus«, Chaussee und steile Abhänge) und ähnliche, wieder-
holten sich daselbst sehr häufig und wurden einschliesslich der
erforderlichen Spczial-Aufnshmcn in der gedachten Weise so
rasch, bequem und sicher erledigt, wie dies auf keinem andern
Wege zu erreichen sein dürfte- Das dabei benutzte Instrument
ist bereits vor längeren Jahren von Kern in Aarau geliefeit
und kostet mit allem Zubehör, jedoch ohne Latte, nur etwa
120 Thlr., wäre jedoch , wie erwähnt , in mancher Beziehung zu
Halberstadt, 28.
1872.
A. Goering
Mittheilungen ans Vereinen.
Architekten - nnd Ingenieur - Vorein zu Hannover.
Hauptversammlung am 4. Dezember 1872. Vorsitzender Herr
Baurath Hase.
Nach der durch üblich« Abstimmung ei folgten Aufnahme
von 11 neuen Mitgliedern und nachdem durch Herrn Wasser-
Bauinspcktor Hess Auskunft auf eine im Fragekasten vorge-
fundene Frage gegeben worden war, forderte Herr Architekt
Simon den Verein auf, eine von einer zahlreich besuchten
Bürger-Versammlung beschlossene Petition an den Herrn Hau-
dclsminister , welche das Gesuch um Hnherlegung des Zeutral-
Bahnhofs enthält, zu unterstützen.*)
Wenngleich allseitig anerkannt wurde, dass durch die jetzt
vorhandenen Niveauübergänpe der Staatshalt an derKöuigs- und
Fernroderstrasse auf die Dauer ganz unerträgliche Verkehrs-
hcniniungen herbeigeführt werden und dass deshalb die Höher-
legung des Bahnhofes um ca. 4™ wohl nur noch als eine Frage
der Zeit anzusehen sei, so wurde dem Antrage doch mit dem
Bemerken entgegengetreten, dass es in dieser Angelegenheit
eines durch den Verein abzugebenden teehnischen Gutachtens
durchaus nicht bedürfe, da aich die zuständigen Behörden über
die technische Seite der Frage vollkommen klar seien und es
sich nur um die Bewilligung der bedeutenden Mitte), welche
eine Höherlegung des Bahnhofes erfordert, aus den Staatsfonds
handelt.
Damit es indess nicht den Anschein gewinne, als ob dem
Vereine diese für das Aufblühen der Stadt Hannover so wich-
tige und technisch so interessante Frage gleichgültig sei, schlug
Herr Prof. Launhardt eine Resolution vor, worin auszu-
sprechen sei. dass der Verein die von einem Theile der Bürger-
schaft zur Förderung der Höherlegung des Bahnhofes gethanen
Schritte mit Freuden begrüsse, von einem besonderen Vorgehen
in der Sache aber Abstand nehme. Dieser Vorschlag wurde von
der Versammlung fast
Iii Holl.
deren Artikel In he»ll« r Nu. n.
Hierauf hielt Herr Baumeister Haeselcr aus Berlin einen
Vortrag über einige Bauwerke der Zweigbahn Wittenberge —
Geestemünde. Der Vortragende gab zunächst einige topo-
graphische Notizen über die Linie und theilte dann die Instruk-
tion mit, nach welcher die bei Anlage dieser Bahn vorkommen-
den Bauwerke ausgeführt werden und welche sich 1) auf die
Plattendurchlässe 2) auf die gewölbten Durchlässe
und Brücken bezieht; hinsichtlich der letzteren wurde die
Anordnung der Widerlager, die Hintermauerung der Ge-
wölbe und Konstruktion der Futtermauern eingehend be-
sprochen. — Sodann beschrieb Herr Hacseler unter Vorle-
gung der dazu gehörigen Zeichnungen noch drei grossere Bau-
werke dieser Bahn: 1) die Jetzelbrücke mit 8 Oeffnungen
a 32,6» ; 2) eine 10 Minut. von Wittenberge befindliche Unter-
führung eines Feldweges mit darunter liegendem Durchlas»
nnd 3) die Brücke über die Luhe mit 3 Oeffnungen a 12,55 »,
welche ein kontinuirlichcr Blechträger überspannt, in den zwi-
schen den beiden Mittelpfeileru 2 Charuiere eingeschaltet sind,
während der obere Horizoutalverbaud durchgehend ist. Für die
Beschreibung der grossen Elbbrücke bei Dömitz stellte der
Redner für später einen besonderen Vortrag in Aussiebt
— oo —
Verein für Elaenbannknnde zu Berlin. Versammlung
am 12. November 1872. Vorsitzender Herr Weishaupt.
Schriftführer Herr Streckert.
Herr Orth beleuchtete auf Grund einer Konkurrenzarbeit
für den Bebauungsplan von Pest— Ofen, welche wesentlich als
Studie über die Umgestaltung grasser Städte mit Bezug auf die
moderneu Verkchrsverhältnisse beabsichtigt war, die Hauptge
sichtspuukte, welche für derartige Projekte hauptsächlich
inaassgebend sind. Die modernen Städte hätten ein neues
Verkehrsmittel gewonnen, welches mehr als alle anderen Ver-
hältnisse die Neubildungen irrosser Städte beherrscht und vor
allen Dingen dabei berücksichtigt
Details jenes Brandes wiesen darauf hin. dass die Flammen mit
der grössten Furie sieb über die Mansarden-Dächer aus-
breiteten. Und in der That verschuldet diese in der Archi-
tektur importirte Neuigkeit, dass maucher Feucrausbruch in
einen gewaltigen Brand überging. So bestehen in unserer Stadt
ebenfalls eine Menge solcher Dächer, welche die Gebäude über-
ragen und nichts weiter sind, als „Feuci fallen-; Schalen von
leichtem, trockenen Holze, das einen dünueu Schiefer- oder Blech-
überzug hat, und welche in Folgo der grossen Flächenausdeh-
nung, die sie darbieten, vom Feuer, das in einem benachbarten
Gebäude ausbricht, unmittelbar und schnell ergriffen werden.
Viele unserer sogenannten feuersicheren Gebäude sind blosse
Ueberzügc oder Häute von Eisen und Mauerwerk; das ganze
Innere aber besteht aus Holz, das wenn es in Brand steht, das
Eisen zusammendreht und die ganze Geschichte zusammenfallen
macht. Insbesondere werden die Zwischenwände nur von Schin-
deln nnd Latten gefertigt, welche ausser dem leichten Gvps-
überzug weiter nicht den ireringsten Schutz gegen Feuer erhalten.
Wenn man französische Dächer bauen will, so Mite das Gesetz
verlangen, dass sie aus Mauerwerk aufgerichtet würden;?;, um doch
dem leichten Rahmenwerke einigen? Schutz" zu verleihen. Höl-
zerne Kirchentreppen sind vernünftiger Weise verboten; dieses
Verbot sollte sich aber auch auf die Mausaiden- Dächer er-
strecken.
Neue Bauten in bevölkerten 'Distrikten sollten jedesmal
feuersicher sein und müsste der Gebrauch von Holz bei ihrer
Errichtung völlig vermieden werden. Die Zwischenwände soll-
ten massiv oder doch mit trocknen! Kalke oder irgend einem
nichtleitenden und unentzündbaren Materiale ausgefüllt werden.
DaDU wird auch von dem Mangel an Wasser berichtet. Wie
können aber unsere grossen Städte, die säramtlich an grossen
Flüssen liegen. Mangel daran haben? Man sollte in New York
in gewissen Abständen, längs den Ufern der Flüsse Thürme er-
richten, die als Wasserreservoirs dienen und vermittels Blei-
rohrenleitungeu mit den Strassen in Verbindung gesetzt, zu je-
der Zeit hinlänglich Waaser liefern könnten, um jeder
Feuersgefahr begegnen zu können. Oder man könnte auch von
deu mächtigen Pumpmaschinen von der Hollv Sorte aufstellen,
um aus deu Flüssen im Falle des Bedürfens das uöthige Wasser
herbeischaffen zu lassen.
Auch sollte man es obligatorisch machen, in grossen Eta-
blissements ein ganzes System von Röhren zu ziehen, um, da
dieselben mit feinen Löchern versehen sind, sämmtliche Räume
derselben lediglich durch das Umdrehen eines Hahues unter ein
allgemeines Schauerbad zu setzen.
Für Gebäude, welche bereits bestehen, sollten in jedem Falle
, Maassregeln getroffen werden, um dem Ausbruche eines Feuers
! sofort begegnen zu können. Breite Strassen und isolirte Waa-
reuhäuser haben sich stets als Schutz gegen Feuer bewiesen,
weshalb bei Anlegung oder Erweiterung von Städten auch da-
i rauf das grösste Augenmerk gerichtet sein sollte." —
So weit der Scientific American. Einen Hauptmangel
in Betreff der Feuersicherheit amerikanischer Bauten erwähnt
das Blatt nicht. Dies sind die hohlen Decken, welche im Ver-
eine mit den seitlichen Lutteuzwiscbenwänden das Feuer im Nu
bis zu den neumodischen Mansarden-Dächern tragen. Auch die
hohl gemauerten Frontwände dürfen nicht unerwähnt bleiben,
'»er geringe Widerstand, welchen die Decken dem Feuer zu
leisten vermögen, erklärt »ich leicht daraus, dass dieselben an-
statt der Balken lediglich auf die Schneide gestellte Bretter ent-
halten, welche zudem selten soweit in das Mauerwerk eingefügt
sind, dass sie eiu solides Auflager linden, sondern knapp auf
der iuncrsteu Kaute uufruheu und oftmals nur durch Holz-
splitter und Steinstückehen in wagerechte Lage gebracht worden
sind. —
Eine interessante Wahrnehmung, die auch bei dem Brande
in Boston wiederum gemacht worden ist, besteht darin, dass
Wcrthsacheu, Geld und Papiere iu Räumen, die von Mauern
und Gewölben von Zicgelsteiuen umschlossen waren, erhalten
worden sind, während sich sogenannte massive Gewölbe von
Granit nicht bewährt haben.
New- York, November 1872. A. D.
Digitized by Google
- 408 -
die Eisenbahnen. Abgesehen von etwaigen grossen Wasser-
strassen müsse von ihnen und ihrer Einführung in und durch
die innere Stadt deren l'mliildung beginnen und in Verbindung
damit festgestellt werden: die Eisenbahnen bildeten gegenwärtig
die Hauptverkehrsadern und nicht mehr wie früher, die weither
einmündenden Chausseen, deren Bedeutung jetzt wesentlich nur
von der Wichtigkeit und Frequenz der zunSchstgclegcncn Orte
abhänge und nicht mehr von entfernt liegenden Verkehrszentren.
Die Schwierigkeit der Einmündung von Eisenbahnen in das
Herz der Staute mache deren möglichst frühzeitige Dispuniruiig
wüiisehcnswerth, wodurch jungen, stark sich entwickelnden
Städten bedeutende Opfer an Geld und produktiver Arbeit er-
spart werden können. Per Vortragende weist auf Grund vorge-
legter grosser Plane (von denen er die Zurückgabe einer Iber
1 a> grossen perspektivischen Ansicht Seitens der Verwaltung
der Städte Ofen — Pest nur durch Vermittelung des auswärtigen
Amtes hat erreichen können) nach, in welcher Weise in diesem
Spezialfälle das System von Lokomotiv -Eisenbahnen mit dem
Strassennetzc und einem Netze von Pferde -Eisenbahnen in ei-
nen organischen Zusammenhang gebracht war- Es folgte dann
noch unter Erwähnung der interessanten ober- und unterirdi-
schen Bahnanlagen London'« der Nachweis, wie wichtig auch
für Berlin eine solche, die Stadt durchschneidende Lokomotiv-
Eisenbahn , mit welchen Opfern dieselbe verknüpft und wie
nothwendig es sei, dass von Seiten aller Behörden auf eine
möglichst haldige Herstellung eines solchen Verkehrsmittels hin-
gewirkt werde; dasselbe sei mehr als alle anderen Verkehrs-
hI rassen geeignet, den Preis der Wohnungen herabzudrücken,
denn es weide durch ein solches Eiscubahnsystcm, welches in
hervorragendem Sinne eine öffentliche Strasscnanlage sei, we-
sentlich grosseres Terrain zur Bebauung nutzbar, als dieses
sonst möglich sei. Schliesslich beschrieb der Vortragende noch
die gegenwärtige Gestaltung Pest — Ofens.
Der Vorsitzende erörterte hierauf des Weiteren die
Wichtigkeit der angeregten Frage für die Ausdehnung grosser
Städte und insbesondere für Berlin, und dass eine solche Balin-
anluge, deren Verwirklichung man jetzt hier näher trete, eine
grosse praktische Bedeutung erlangen müsse.
Herr Reuleaux gab hierauf eine kurze Schilderung über
die Entwickeluug der Pumpen, welche durch bedeutende Ver-
besserungen der letzteu Jahre eine Vervollkommnung erreicht
hätten, die möglicherweise eine grosse Umgestaltung der vor-
handenen Anlagen herbeiführen werde. Die erste grössere
Bewegung auf diesem Gebiete sei durch die auf der Ausstellung
in Paris im Jahre 1867 vorgeführten Dampfpumpen ohne
Schwungrad herbeigeführt. Derartige Konstruktionen, z. B. von
Camerow, Banmann, Wilson, Tnngyc, seien vielfach ausgeführt
und hätten sich bewährt, wobei die Dampf- und Pumpenkolbeu
direkt verbunden* wurden. Die Pumpen in Bergwerken etc.
habe man nun noch dadurch zu vervollkommnen gesucht, dass
man, wie z. B. Decker in Cannstadt, den Dampf von oben zu-
und wieder nach obeu abgeführt habe und das Wasser dabei
von unten ohne Zwischensätze nach oben geführt. Der Preis
solcher Maschinen für bedeutende Hubhöhen verhalte sich. z. B.
bei solchen in Sehlesisehcn Gruben, zu denjenigen Maschinen
alter Konstruktion wie 4:11 und in Rheinischen Gruben sogar
wie 1:8, dieselben haben in England grosse Verbreitung ge-
funden. In neuerer Zeit sei man nun noch weiter gegangen
und habe gesucht auch den Hauch der Schornsteine zu beseiti-
gen; dies sei durch einen Kondensator, welcher mit Schaalen
und Trichtern versehen ist, auf welche das herabtröpfelnde
Wasser, den Rau-h niederschlagend, fällt, erreicht worden.
Eine derartige Anlage mit Dampfkesseln und Schornstein uuter
der Erde sei in einer 1000 Fuss unter dem Spiegel des Meeres
liegenden Grube in Wales mit günstigem Erfolge im Betriebe.
Der Vortragende glaubt, dass diese Neuerung eine grosse Re-
volution auf dem Gebiete der Dampfmaschinen herbeiführen
werde und durch dieselbe die Axt an die Wurzel der Schorn-
steine gelegt sei: die Bedenken, dass durch eine derartige Au-
läge der für die Arbeiter erforderliche Sauerstoff verbraucht
werden würde, seien nicht gerechtfertigt, da der Wetterzug be-
günstigt und die Luft nach den gemachten Erfahrungen im Gc-
genthei) besser würde.
Herr Schulze machte sodann Mittheilung über den von
Frevlerhand gemachten Versuch, durch das Legen von Nummer-
steinen und einer Barricrcustange auf die Schienen einen Zug
der 06tbahn zur Entgleisung zu bringen: glücklicherweise wur-
den jedoch diese Hindernisse durch die Hahnräumcr der Ma
schine fortgeschleudert, ohne dem Zuge zu schaden.
Am Schlüsse der Sitzung wurden in üblicher Abstimmung
als einbeimische ordentliche Mitglieder in den Verein aufge-
nommen: Herr Eisenbahn • ßauinspektor Meyer, Abtheilungs-
Baumcistcr Messow, Baumeister Sarrazin, ' Regierung« - Rath
Jecklin und Regierungs- Assessor Todt.
Ostpreuas. Ingenieur- und Architekten-Verein. Monats-
versammlung Donnerstag den ',, Dezember. Vorsitzender: Hr.
Herzbruch. Anwesend 1"» Mitglieder uud 3 Gäste.
Herr Müller, Schiffsbau -Ingenieur, spricht auf Veranlas-
sung des Abluufens des ca. 2000 Ztr. schweren, sehr scharf ge-
bauten eisernen Lootsen- Schooners .Pilot" über das Ablaufen
der Schiffe im Allgemeinen, insbesondere des ehengenannten
Schiffes uud erklärt, dass man bei der geringen Tiefe des Gra-
bens neben der Fabrik, in welchen der Scboouer abgelaufen sei,
ringsherum 20 Stück Weinfässer an demselben befestigt und so
ein geringes Eintauchen des Schiffes vou 20- 2V» erreicht
habe. —
Durch Ballotemcnt wird Hr. Ingenieur Werneburg in
den Verein aufgenommen.
Für das Arrangement zum diesjährigen Familienfeste werden
in das Komite gewählt die Herreu Arndt, Hcrzbrueh.
Hesse, Heumuuu. Müller und Radock.
Herr Mcndthal erklärt das Lipkin'sche System der Grad-
führuug-
Der Vorsitzende referirt, dass nach einer Mittheilung im
l Archiv für Seewesen bei Kesseln mit Oberflächen - Kondensa-
toren allerdings ein höheres Vacuum erzielt werde und dir
daraus folgende Kohlen - Ersparnis« sehr bemerkenswert sei,
das« dagegen kaum ein Zweifel darüber obwalte, dass seit Ein
führung der Oberflächen-Kondensatoren die mittlere Dauer der
Kessel in der Marine vou neun auf fünf Jahre gesunken ist.
— Die Ursache dieser bcklagenswertheu Eigenschaft sei bic-
. her nicht vollkommen erhoben und daher auch eine Abhülfe
noch nicht gefunden. — In den Kesseln zweier hier im vorigen
Jahre in der Fabrik Vulkan gebauten Woolfschen Schiffern»
sebineu mit Oberflächen-Kondensatoren sei nach je 4— 6 Wochen
Betrieb eine grosse Menge seifenartiger Masse gefunden (nach
Mitthciluug des Direktors Simony). und wahrscheinlich griffe
die Fettsäure die Kessel an. — Ein Stück dieser Masse habe
derselbe dem Kollegen, Herrn Direktor Albrecht zur Unter-
suchung übergeben- —
Herr Simony bemerkte sodann, das« die Ursache der ge-
ringeren Dauer der Kessel nach «einer Ansicht nur dadurch
herbeigeführt werden könne, dass der Talg, welcher zum Schmie-
! ren der Kolben im Zylinder zugeführt werde, «ich bei der
grossen Dampfspannung zersetze und sich Fettsäure bilde,
welche da« Eisen , namentlich in den Süthen und Nieten an-
greife. — Um dieses zu verhindern; lasse man bei Setschiffen
die Maschine zunächst mit gewöhnlicher Kondensation arbeiten,
damit sich im Kessel eine dünne KesseUteinhaut bilde, and
erst dann lasse mau die Oberflächen-Kondensation in Wirksam-
keit treten. —
Herr AI brecht legt dann ein Stück der Fettbildung vor,
welche er als Kalkseife erkannt höbe. Seife sei im Wasser lös-
lich, die Kalkseife unlöslich. In dieser Kalkseife seieu IC bi>
17». eines Fettes vorhanden, das herausgeschmolzen sich als
Stearinsäure ergeben hätte: da nun Talg stearinsaures und
Oleinsäure« Glyzerin sei, so müsse jedenfalls ein grösseres
Quantum Oleinsäure frei geworden sein, welche im Wasser ius-
pendirt, den Kessel angreifen könne; das Glyzerin, im Wasser
löslich , «ei dabei in dem Kesselwasser aufgelöst worden und
es frage sich daher, ob nicht vulkanische Oele zum Schmieren
j verwendet werden könnten.
Herr Simony bemerkt dagegen, dass bei der bobeo Dampf-
spannung die vulkanischen Oele nicht brauchbar seien, weil die-
selben sich sofort in Dämpfe oder Gase auflösen und dann akut
schmieren würden, während Talg bekanntlich sieh schwer in
Dumpf verwandeln lasse. Uebrigcns hätten die Oberflichen-
Kondensatoren auch für Seeschiffe noch den grossen Vortheil,
dass das Ueberkochen der Kessel vermieden und das Salzab-
Mascu überflüssig werde. —
Herr Karioc k theilt dann mit, dass für das Borsigwerk in
Schlesien sechs neue Kessel von der Moabiter Maschinenfabrik
von Borsig geliefert seien und das« man das sämmtliche Kon-
densat ions- Wasser in einem Bassin zur Wiederbenutznng ge-
bammelt habe. — Nach kurzer Zeit seien alle Kessel undicht
geworden uud nach erfolgter Reparatur schon nach II Tagen
wieder undicht gewesen. Nun habe man von der Lokomotiv-
l'abrik von Borsig in Berlin sechs neue Kessel fertigen lassen,
welche gleichfalls nach b Wochen undicht geworden seien. Ein*
genaue Untersuchung habe nun ergeben, dass in säninitlicben
Näthen ein weisses Pulver sich befinde, welches als Magnesia-
Seife erkannt sei. Magnesia-Wasser sei also für die Kessel schid-
lich und also auch Seewasser, welches stets Magnesia enthalte.
Herr Albrecht führt aus, dass Magnesiaseifc das Eisen
nicht angreifen könne, letzteres könne nur geschehen von einer
löslichen Verbindung, und wahrscheinlich sei Chlor- Magnesia
vorhanden gewesen, welches bei der grossen Hitze «ich in eine
Säure auflöse, uud Magnesit, welches unlöslich und «ich mit dem
Fett des Kondensationswassers in Magnesiascife verwandle;
diese, so wie die freiwei dende Fettsaure hätten dann beide die
Kessel angegriffen
Herr Wiehert theilte mit, dass auf der Eisenbahnstation
Insterburg schlechtes Wasser sei, von dem die Kessel sehr lei-
den. Auch in diesem Wasser sei neben Kalk und Gyps Mag-
nesia gefunden. Von eingehängten Kupfer-, Messing-, Stahi-
uud Eisenplatten sowohl im Wasser- als im Dampfraum warf«
uaeb :t— 4 Monaten Messing und Kupfer fast gar nicht ange-
griffen gewesen, die Stahlplatte habe starke Rostflecken gezeigt,
da» Eisen sei vollständig zerfressen gewesen, namentlich dw
Platten, welche im Wasser gehangen hätten. Das Wasser dort
könne daher zur Kesselsjieisung nicht mehr benutzt werden.
Herr Alb recht schlägt endlich noch vor, statt mit Talg
mit Stearin zu schmieren, da Stearinsäure, wie die Probe der
vorgelegten Kessel-Rückstände ergeben, leichter mit dem Kalk
eine Seife bilde und , um dieses zu vermehren noch eventuell
Injektionen mit Kalkwasser vorzunehmen. — H. —
Ar cht Ickten verein zu Berlin. Haupt • Versammlung am
7. Dezember 1872; Vorsitzender Herr (Juassowski, anwesend
115 Mitglieder und ü Gäste.
Digitized by Google
- 409 -
Nachdem der Vorsitzende unter lebhaftem Bedauern und
der Bitte um eine .sorgfältigere Pflege der alten schönen Ver-
einssitte konstatirt hat, das» auch diesmal, wie schon seit ge-
raumer Zeit keine Lösung der Monats-Konkurrenz-Aufgaben ein-
gegangen ist, bespricht Mr. Lucae die letzte der im Hochbau
gelieferten Skizzen, den Entwurf zu einem städtischen, im Back-
steinrohbau auszuführenden Hause. Sowohl der Gruudrisslüsung.
die das verdienstliche Streben bekundet, unter Aufgabe der üb-
lichen Schablone allen Raunten Luft und Licht zuzuführen, wie
der in den Formen der Bologneser Architektur detuilljrten, .ohne
Eisen* konstruirten Facade wird von dem Kcfcreuten im Allge-
meinen grosse Anerkennung gespendet: als Verfasser der von
der Kommission einstimmig prärniirteu Arbeit ergiebt sich Hr.
Ferdinand RcimanD.
Eine längere Besprechung über das in diesem Winter abzu-
haltende Vereinsfest führt als Resultat den ohne sonderlichen
Enthusiasmus gefassten, aber ebenso nur schwach bekämpften
Beaehlugg herbei, diesmal wiederum einen Ball zu veranstalten.
Zu Mitgliedern der Festkommission werden gewählt die Herren
Mackeuihun. Ziller, Reimann, Appelius, Nitschmann, Wolffeustuiu,
Urickenstein.
In der nunmehr eröffneten Diskussion über die Wohuuugs
noth in Berlin nimmt zunächst Hr. Boeckmann das Wort,
um dem Kernpunkte des von Hrn. Assmanu gchultt-ueu Vor-
trages, dass dieser Nothstand durch ein Stocken der Bauthätig-
keit entstanden sei und durch eine Vermehrung derselben ge-
hoben werden müsse, seinerseits beizupflichten. Ein derartiges
Schwanken in der Intensität der Bautbätigkeit, vergleichbar der
Ebbe und Flut, ist ein natürliches Ergcbniss, sobald diese aus-
scbUesslich Sache der kleinen, zahlreich verzettelten l'rivatspc-
kulation ist, wie dies in Berlin, wo die meisten Bauten durch
Poliere ausgeführt wurden, bisher der Fall war. Es wird ver-
schwinden, sobald hierfür die Thäligkeit grosserer Baugesell-
schaften erst so überwiegend Platz gegriffen hat, wie dies in
London der Fall ist. Dass das aber geschehen wird, dürften
die Erfahrungen, wie vortheilhaft ein Baubetrieb im Grossen ist.
in nicht allzulanger Zeit veranlassen.
In Betreff der grosseren Wohnungen wird von einer wirk-
lichen Noth schon binnen Kurzem nicht mehr die Rede sein
können. Der unverhältnissinässige Bedarf an solchen, der in
letzter Zeit durch namhafte Verbesserung in der Vermögenslage
vieler Einwohner und durch den Zuzug so vieler begüterter
Fremden entstanden war, hat bewirkt, dass sich die Spekulation
speziell auf die Herstellung solcher Wohnnngen gerichtet hat.
Sehr viel schlimmer steht es in Betreff der Wohnungen für
„kleine Leute." Obgleich diese notorisch den höchsten Ertrag
liefern (7 bis 10% des Anlagekapitals gegen 3 bis 4% bei
grosseren Wohnungen), so herrscht doch bei den meisten Bau-
herren eine starke Abneigung dagegen, sich den Mühseligkeiten,
Verdriesslichkciten und Gefahren auszusetzen, welche die Ver-
waltung solcher Häuser mit kleineren Wohnungen um so siche-
rer mit sich bringt, je mehr die gesellschaftliche Stellung und
die Vermögenslage des Hauswirtbs ihn über die Sphäre seiner
Miether erheben. In noch üblerer Situation werden sich vor-
aussichtlich die Gesellschaften befinden, welche sich mit der
Herstellung kleiner Wobnungen befassen wollen; ihre Bestre-
hungen werden einem Theile derer, auf welche sie berechuet
sind, voraussichtlich nicht sowohl als Versuche humaner Hülfe,
sondern als organisirte Versuche der Kapitalisten zu weiterer
„Aussaugung des kleinen Mannes" erscheinen und ihr Verhält-
nis! zu den Miethern sich nichts weniger als freundlich gestill-
ten. — Leider werden von den Folgen dieser durch das Ver-
halten des Berliner Pöbels hervorgebrachten Abneigung gegen
die Herstellung kleinerer Wohnungen auch die soliden und
guten Elemente der uubemitteltcn Volksklassen betroffen.
Sehr viel besser werden mit solchen Elementen die aus ihnen
selbst hervorgegangenen kleinen Bauunternehmer fertig, welche
daher sobald noch nicht zu entbehren sein werden. Dass ihre
Thitigkeit durch die Anlage fertig gepflasterter Strassen ausser-
ordentlich begünstigt und gefördert werden würde, steht wohl
ausser Frage. Ein interessantes Beispiel, wie sehr die energi-
sche Obsorge für gute Strasaeo- Anlagen die Entwickelung einer
Stadt zu heben vermag, bieten ausserhalb Berlins die Städte
Elberfeld und Barmen, deren erstere in dieser Beziehung Nichts
§ethan hat und die daher von der jüngeren Nachbarstadt, in
er desto mehr geschehen ist, in verbältnisaniäasig kurzer Zeit
überflügelt worden ist.
Soweit die Ballgesellschaften, welche in dieser eziehung
unabhängig sind, die auf ihrem Terrain befindlichen Strasseu-
Anlagen pp. selbst ausführen, wird sich übrigens zum Theil das
Resultat ergeben, dass diese Anlagen von Seiten der Gesell-
schaften besser und opulenter ausgeführt wurden, als dies die
Kommune ihrerseits gethan, beziehungsweise dem Publikum
hätte auferlegen können. Wenn der Redner in einem früheren
Vortrage behauptet hatte, dass dies auch in Betreff einer De-
tail-Feststellung des Bebauungsplaues der Füll sein und dass
die Thätigkeit von Ballgesellschaften in dem Vorbandensein
eines detaillirten Bebauungsplanes ein schweres Hemmnis» fin-
den würde, so freut er sien das Letztere nunmehr durch Hrn.
Astmann ausdrücklich anerkannt zu sehen. Der Zeitverlust,
den der Antrag auf eine Abänderung des Bebauungsplanes, der
durch 5 Instanzen zu laufen hat, erfordert, ist in der That ein
so enormer, dass bei nicht ganz wesentlichen Punkten eine Ge-
sellschaft sich schwer schädigt, wenn sie derartige Anträge
stellt Nach der Stellung, weiche die städtischen Behörden zu
der Bebauungsphuifrage eingenommen haben, und nach diesen
neuesten Erfahrungen scheint übrigens das Aufgeben des detail-
lirten Bebauungsplanes nur noch eine Frage der Zeit zu sein.
Die Ursachen, »eiche die zur gegenwärtigen Wohnungsnoth
fiihtvnde letzte grosse Ebbe in der Prlvathauthätigkeit herbei-
geführt haben, sind wohl nicht blos die durch Hrn. Assmanu
angeführten. Es dürfte auf das Misstrauen dos Kapitals, das
nicht allein wegen der allgemeinen Geld -Kalamität, sondern
namentlich in Folge der durch einige Häuserciustürzc erzeugten
Panik der Buuthätigkeit sich entzog, hinzuweisen seiu. Auch
ist zu berücksichtigen, dass der Zuzug von ausserhalb; der in
den in No. 4« enthaltenen Angaben in einer Durohschnittszifli-r
tür mehre Jahre angegeben ist, während dieser Zeit stark
variirto. so z.B. iui vorigen Jahre die Höhe von 55 000 Menschen
erreichte. Vielleicht hätte durch eine ausserordentliche An-
strengung der Buuthätigkeit dennoch die hierfür erforderliche
Zahl von Wohnungen hergestellt werden können, wenn nicht die
Strikcs eingetreten seien. Gegen die von Hrn. Assmanu
geäusserte Ansicht, dass ein Striko der Arbeitgeber wohl nicht
so bald wieder vorkommen werde, bemerkt der Redner, dass die
letzteren im vorigen Jahre nicht gestrikt, sondern der von
den Arbeitern eingeschlagenen gefährlichen Maassregel eines
portiellen Strikes lediglich den erforderlichen gemeinsamen
Widerstand entgegengesetzt hätten, und dass er überzeugt sei,
dass sie in jedem ähnlichen Falle wiederholt ebenso handeln
würden.
Unter den Mitteln zu Forderung der Buuthätigkeit glaubt
J Hr. Boeckmann vor Allem eine energische Verbesserung und
| Erweiterung der Zufuhrwege für das Baumaterial, namentlich
I der Wasserstrassen betonen zu müssen. Neben der piojektirtcu
Erweiterung alter und der Anlage neuer Kanäle, welche eine
Wosserzufubr aus weiter Ferne vermitteln sollen (des Fiuow-
und Elb-Spree-Kanals), ist vor Allem nfithig, dass in der Nähe
Berlins neue Wasserstrassen geführt werdeu, welche auf die Be-
bauung des anliegenden Terrains zweifellos einen ebenso gün-
stigen Einfluss ausüben werden, wie dies seinerseits der Land-
wehr-Kanal gethan hat. Es liegen ja seit längerer Zeit die
durch Hrn. Bau rat h Röder bearbeiteten Projekte eines Süd-
und Nord-Kanals, sowie eines Kanals durch die Grunewald-Seen
vor. Von einer wirksamen Abhülfe des Materialmangels durch
die Eisenbahn kann nicht die Rede sein; die Fracht wird zu
stark vertheuert (augenblicklich etwa um 4 Thlr. pro Tausend
Steine), die Zufuhr ist eine sehr umständliche (eine Kahuludung
enthält eben so viel als 12 I.owrys), die Möglichkeit des Aut-
und Abladeus auf den Bahnhöfen eine sehr beschränkte.
Dass von einer Einführung neuer Baumaterialien, insbeson-
dere des Konkrcts, nicht viel zu erwarten sei, glaubt auch Hr.
Boeckmann. Die hierzu erforderlichen Haupt- Materialien,
das sind guter grobkörniger Saud oder Kies, sind hier ziumlicli
selten und müssteu gleichfalls von auswärts eingeführt werden ;
die bis jetzt benutzten Schlacken werden sehr bald aufgebraucht
sein. Die Möglichkeit einer veränderten Bauart würde
allerdings von wesentlichem Einflüsse sein, ist jedoch unter der
Herrschaft der augenblicklich gültigen BaujKdizci-Bestinimuugeu
so gut wie ausgeschlossen und konnte nur eintreten, wenn völ-
lige Konstruktionsfrcibcit gegeben würde.
Es folgt zunächst eine Zwischenbemerkung von Hrn. Möller,
der neben den Kommunikationen für Baumaterial auch noch die
Herstellung besserer nach der Umgegend führender Verkehrs-
wege für Menschen betrieben wissen will, und der von Herrn
Abs mann geäusserten Ansicht, dass von einer derartigen För-
derung einer Kolonisation kein ins Gewicht fallendes Resultat
zu erwarten sei, entgegentritt. Er glaubt, dass es sich sehr gut
ermöglichen lasse und sehr wünschenswerth sei, dass das An-
1 wachsen der Stadt nicht blos stets an der Peripherie, sondern
auch von äusseren Zentral punkten erfolge; allerdings müssteu
die Gewohnheiten unserer Bevölkerung iu Betreff einzelner hier-
I bei in Betracht kommender Punkte , so in Betreff Anordnung
der Haupt-Mahlzeit, der Schulzeit pp. noch um Vieles groastäd-
tischer werden.
Im Anschlüsse hieran ergänzt Hr. Boeckmann seine Er-
örterungen auch nach dieser Seite hin. Die Vorstadtfrage ist
keine ganz offene mehr, sondern es deuten verschiedene An-
zeichen darauf hin, dass sie bereits einer gedeihlichen Lösung
entgegengeht und dass ein grosser Theil der Bevölkerung gern
die Gelegenheit ergreifen wird, sich ein eigenes Häuschen auf
eigenem Grund und Boden zu erwerben. Es lässt sich auch
nicht absehen, warum bei der Gleichartigkeit so vieler sonstiger
Sitten und Angehauungen das englische und holländische Ideal
der Wohnung, das für deutsche Verhältnisse in Bremen muster-
haft sich darstellt, nicht weitere Geltung sich verschaffen sollte.
Allerdings ist es richtig, dass eine solche Art des Wohnens sich
in und beziehungsweise bei Berlin nur für die bemitteltere
Klasse der Bevölkerung wird einführen lassen : für diese ist sie
i keineswegs unerreichbar, wenn mau darauf verzichtet, eiue eigent-
liche Villa zu bauen. Ein Häuschen nach Bremer Muster auf
einem 8 bis 10» breiten, 500 ] m Flächeninhalt fassenden Bau-
plätze lässt sich bei einem Bauplatzpreisc von 50 Thlr. pro
□ Ruthe (3,5 Thlr. pro □ unter heutigen Verhältnissen für
SÖOO Thlr. erwerben setzt also einen jährlichen Miethsaufwand
von etwa 400 Thlr. voraus.
Die Hrn. K, H. Hoffmanu und Orth heben die Wichtig-
keit der Verkehrswege zu neuen Städteaulagen nochmals hervor:
der Letztere besonders die Verbindung derselben mit dem
Zentrum der Stadt durch Eisenstrassen.
Herr Assmann verwahrt sich in einer Erwiderung zunächst
davor, dass er der Herstellung der Verkehrswoge und was
Digüized by LaOQgle
- 410 —
.. zusammenhängt, der Entwässerung und Beleuchtung der
Strassen, zu geringen Werth beigelegt habe; er verweist wieder-
holt auf Charlottenburg, dessen Entwicklung durch ein passives,
ja abweisendes Verhalten nach dieser Richtung hin wesentlich
kümmert werde. —'
Was den Zeitverlust durch die Notwendigkeit vieler Aen-
ingen des Bebauungsplanes betreffe, so müsse ein solcher,
bevor gebaut werden könne, immer zu Grunde gelegt werden.
Sei also ein Plan für eine Stadtanlage und deren Erweiterung
nicht schon vorhanden, so müsse er theilwcise bei Etablirung
i Bau-Gesellschaft entworfen werden und diese
viel Zeit, als die Eiuhjlung der
mk g deg vorhandenPn p,a,,8 • wo M
Die Abstellung des Mangels an kleinen Wobnungen sei
weniger von Gesellschaften , als von einzelnen Privaten iu er-
warten, uud allerdings seien es die Poliere, welche es oft besser
als geschulte Architekten verstünden, Häuser mit kleinen Wob-
nungen geschickt und zweckmässig herzustellen. Diese solle
man möglichst unterstützen und ihnen mit Anlage uud Befesti-
gung der Wege bülfrcich entgegeukommen. Zweck der Bau-
gcsollscbaficn werde es wohl vornehmlich bleib"n, Mittel wob-
nungen zu bauen ; kleine llfiuscr erfordern verhältnissmäissig zu
viel Verwaltung und verkaufen sich schwer. —
Zur Aufnahme in den Verein gelangen die Herren:
Blaukonburg. Ludwig Böttgcr, Contag, Foyerabend,
v. Flotow, Frühling, Kochcndörffer, Meyer, v. Ritgen,
Rüppcll, Stubbe. — F. —
Aus der Fachliteratur.
E. Hildebrandt'a Aquarelle der Reise um die Erdo.
l'hromolitbogr. von R. Steinbock A W. Loeillot. Verlag von R
Wagner in Berlin.
Eine soeben erschienene neue Folge genannter Blätter giebt
uns Veranlassung, dem ganzen Unternehmen, obwohl nicht gerade
zur Fachliteratur gehörig, einige Worte zu widmen, die freilich
davon absehen müssen, dem rein künstlerischen Werthe des
Werkes gerecht zu werden, und sich daher nur auf einige tech-
nische Bemerkungen beschränken können. Die moderne liebe-
volle Behandlung architektonischer Zeichnungen durch die Ur-
heber hat viele derselben der Technik der Aquarellmalerei
näher geführt, nnd wenn dabei auch die Grenze des Dilettan-
tismus selten überschritten wurde, so dürfte doch der Einfluss
dieses Bildungsmi tte I s nicht unterschätzt werden. Neuer-
dings haben freilich auch bei uns die gesteigerten Anforderun-
gen an die rein sachliche Arbeit des Architekten, namentlich
Bei grösseren Werken, dahin geführt, die Ausstattung der Ent-
würfe besonderen Fachküustlern zu übertragen und dadurch auch
dieser Uebung scheinbar den Boden entzogen; hoffen wir, dass
nicht ganz darauf verzichtet wird. - Durch die nähere Kenntoiss
der Technik wird die iu Rede stehende Herausgabc für Viele
um so werthvoller, als darin die Wiedergabe der Bilder in Farben-
druck in einer Vollendung erfolirt ist, die sogar die Entstehung
der Originale zur Erscheinung bringt und dadurch dem speziel-
len Studium die Vorzüge derselben darbietet. Mag mau über die
Zweckniässiakeit der durch llildebrandt vertretenen Auffassung
der Darstellung für rein architektonische Gegenstände, wie sie
sich namentlich in den breit gehaltenen architektonischen Vorder-
gründen durch starke Betonung des rein malerischen Elements
äussert, streitig sein, so kann man es nicht, wo bei entfernterem
ohnehin
auf diu Darstellung von Details verzichtet
und stimmungsvolle Harmonie der Farben iu ihre
Rechte tritt. Hiefür bietet "die ganze Sammlung eine Fülle von
Beispielen. Die neue Folge enthalt in ihrer Mannigfaltigkeit
mehr malerische Motive; die Ansicht der Ladroneuinsel, sowie
ein Einblick iu eine Strasse in Ticntsin dürften besonders her-
vorzuheben sein. E. J.
Vermischtes.
Verbessertor Extinktenr. In So. 40 Jahrg. lSM d. Bl.
ist der von der Magdeburger Maschinenfabrik Schttffer * Buden-
berg fabrizirte Feuerlösch - Apparat . Extinktcur " beschrieben
und gewürdigt worden. Das den unverkennbaren Vorzügen des
Apparates entgegenstehende Bedenken, ob der Druck in dem-
selben sich bei längerer Füllung ungeschwächt werde erhalten
lassen, hat neuerdings Veranlassung zu einer Verbesserung ge-
geben, die von der Firma Raven 4 Zabel in (Quedlinburg einge-
führt im Hessischen Gewerbeblatte, wie folgt, beschrieben wird.
Der verbesserte Extinkteur unterscheidet sich von der fil-
der AusQussbahn in die linke Hand genommen. Als Vorzüge
dieses Apparates werden angegeben: 1. der trichterförmige
obere Theil erleichtert das Einfüllen des Wassers; 2. die Füllung
mit 200 Kubikzentimeter oder 368 Grammen Schwefelsäure ist
um ca. 80",, billiger als die Füllung mit Weinsteinsflure; 3. der
Apparat erhält erst seinen Druck beim Gebrauch, arbeitet dem-
nach auch mit dem ursprünglichen Druck, während die älteren
Apparate, welch fortwährend unter Druck liegen, diesen Druck
nach und nach verlieren uud im entscheidenden Moment un-
brauchbar sein können. — Eine Sicherheitsvorrichtung verbin-
dert ein Platzen des Apparates und er kann während des Bran-
des von Neuem gefüllt und in Thätigkcit gesetzt werden. Die
Herren Raven uud Zabel in Quedlinburg ändern auch Apparate
älterer Art nach dieser neuen Konstruktion um.
Apparate hauptsächlich dadurch,
t des wirklichen Gebrauchs erzeugt
dass der Druck erst zur Zeit
wird. In dem oberen Theile des zylinderförmigen Apparates
befindet sich eine vertikale Bleiröhre mit Boden! Ein in dem
oberen Theil dieser Röhre sich befindender vertikaler Hals ist
durch ein Bleibütcben, welches lose aufsitzt, geschlossen. Dicht
über dem Hütchen hat das Bleirohr seitliche Oeffnungen, die
Verbindung mit dem Wasserraum des Apparats herstellend-
Der Extinkteur wird von oben mit Wasser bis zur Höhe dieser
Oeffnungen gefüllt, wobei die obige trichterförmige Form des-
selben das Einfüllen erleichert Dem Wasser werdeu 1 »'« Pfund
doppeltkohlensaures Natron zugesetzt. Das erwähnte Bleirohr
wird bis an den Hals mit Schwefelsäure (80 prozentige) gefüllt
nnd auch in die Randvertiefung des Halses etwas Schwefelsäure
oder noch besser etwas Oel Begossen, damit die feuchte Luft im
Apparate von der Schwefelsäure im Bleirohr abgeschlossen ist,
indem das Bleihütchen mit seinem unteren Rande iu das Oel
der Randvertiefung eintaucht.
Bei der Entdeckung eines Feuers wird der Apparat umge-
stülpt, einigemal umgeschüttelt und mit einem daran befindli-
chen Tornisterriemen auf den Rücken genommen. Durch das
Umstülpen ist das Bleihütchen aus dem Hals in der Bleiröhre
abgefallen, die Schwefelsäure läuft aus dem Bleirohr in den
Wasserraum des Apparates und zersetzt das doppeltkohlensaure
Natron, das Wasser mit Kohlensäure sättigend. Es entsteht
hierbei ein Druck von 4 ■/,— S •/• Atmosphären (je nach der Tem-
peratur des Wassers) und der Apparat ist zum sofortigen Ge-
brauch fertig. Das Schlaucbmundstück wird in die rechte Hand,
Konkarrenzen.
Für Entwürfe zu einem Kunstgewerbsohnl^blude In
Pforzheim, welches auf Kosten der Stadtgemeinde errichtet
werden soll, ist eine öffentliche Konkurrenz mit dem Schluii-
termin des 1. März 1873 ausgeschrieben (vidc Bau -Anzeiger
No. 49a). An Zeichnungen werden verlangt; ein Situationsplan,
die Grundrisse sämmtlichor Stockwerke, drei geometriacbe Ansich-
ten, die erforderlichen Durchschnitte und wo möglich eine perspek-
tivische Ansicht. Die ausgesetzte Bausumme betragt 160,000 Fl-
und darf nicht überschritten werden. Preisrichter sind die
Herron Prof. Darm in Karlsruhe, Prof. Wagner in Darmstadt,
Prof. Walter in Stuttgart und zwei Beigeordnete, Hr. Gemeinde-
rath Becker und Hr. Gewerbschuldirektor Hnber in Pforz-
heim. Die beiden Preise sind auf 1000 und 500 Fl. nonnirt
Das Bau-Programm ist von dem Gemeinderath tu beziehen.
Preussen.
Ernannt: Der Landbaumeister Kill burger zu Erfurt
zum Bau - Inspektor in Eisleben. Der Baumeister Steinblck
zu Berlin zum Kreisbaumeister in Wehlau. Der Kreisbaumeister
Neumann in Bonn zum Bau-Inspektor in Crefeld. Der Bau-
meister Bernhardt in Breslau zum Landbaumeister nnd tech-
nischen Hülfsarbeiter hei der Kgl. Regierung in Bromberg. Der
früher bei dem Bau -Amte der vormaligen freien Stadt Fran-
furt a. M. angestellt gewesene Wege-, Wasser- und Brückenbau-
Inspektor Ludwig Friedrich Bernhard Eckhard ist nun-
mehr definitiv in den preussischen Staatsdienst übernommen
und demselben die von ihm bisher kommissarisch verwaltete
Wasserbauraeister-Stelle zu Frankfurt a. M., unter Belassung des
Charakters als .Königlicher Bau-Inspektor", verliehen worden.
Versetzt: Der Kreisbaumeister Saemann zu Weblau
nach Hartenstein.
Die Baumeister-Prüfung haben abgelegt: CarlWilcke
aus Rodenberg, Wilhelm Holtgreve ans Verlar.
Die Bauführer-Prüfung haben abgelegt: Arthur Wetz
aus Cöln, Rudolph Wiethof aus Breslau, Wilhelm Piernay
aus Schwedt a. 0.. Otto Lehmann aus
Brief- und Fragekasten.
Hrn. F. H. in Berlin. Eine Autwort auf die Frage, welche
Art der Zentralheizung für eine Wohnung von 7 bis 9 Zimmern
die beste sei, kann nicht wohl gegeben werden, wenn der Plan
der Wohnung, die Lage derselben, die Beschaffenheit des Hauses
etc. nicht bekannt sind; es käme dies auf die Charlataneric
derjenigen Aerzte hinaus, welche Kronke im Wege der Korres-
pondenz kuriren wollen. Von jenen Momenten hängt nicht
minder die grössere oder geringere Kostspieligkeit der Anlage
ab: annähernde Vergleichszahlen finden Sie in unserem Deut-
schen Baukalender. Ein Werk, das wir Ihnen zum Studium der
verschiedenen Heizsysteme empfehlen könnten, ist uns unbekannt.
Ein solches, das Sie in den Stand setzen würde, mit alleiniger
Hülfe desselben Zentralheizung«- Anlagen ausführen zu können,
giebt es überhaupt nicht. Wollen Sie ein unbefangenes, kriti-
sches Urtheil über den Werth und die Eigentümlichkeiten der
neueren Svsteme erlangen, so giebt es hierfür wohl kein bessere«
Mittel, als* ein Studium der zahlreichen Aufsätze, welche unsero
Zeitunu sowohl über allgemeine Fragen aus diesem Gebiete, wie
über einzelne Ausführungen gebracht hat
tob Ctrl Bctliti In I
Jahrg. Tl. JK 51,5*.
DEUTSCHE BAUZEITUNG
KÄJLÄ Organ des Verbandes h , .* lB, "* u
Btttallunfaa Iii 1 1 • i 1 / -IT • TT • SauJrtt
•jaST" deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine. ta ^» :
Ur Urtiia flu ajanUUM. teMtnwipriU: »Vi *U pr.
Redakteur K. E. 0. Fritioh. zr«..
Preis I Thilrr pro (tuurtal. Berlin, den 25. Dezember 1872. Erscheint jede« Ssaaabeua.
Inhalt: V.tbud Oautacher Archii?kl*n und Ingenieur- VsrHn». — Di* Oder II. N an ■!» r Bahn»<r.cke Hlluo« Urtif.»«Id. — Aitt il.r fif hlll-
ala Whhmhw. — Da. UalmrailiH-GrMiMla lu Ko.(wrk. — Da» fr. ■ Ii- irraiur; latttahrtB, für Bu««nti, ftdigirt Ma O. Rrlikaa. - Bauw »»°n
Htaaut.auw.ati>. (ForlwUMit). - M i II hol 1 1 n |t I *a > V« r.i a«B: ArchltakUa- .rhaflUrho I.ltt.raiur: S.|>t«Mlwr l.i. DmMbir l»tt. - f«n«il Kit h -
V*r»la ta Ufrlln. — V.rni tth ««»: Di« Z«r«i.'.r>i»»*n d«r Siurrallaüi vom rieh tan. — Brt.f- und Pfag»ka»t*r>.
Verband deutscher Architekten- md lagenieur -Vereine.
Die Vorstände der dem Verbände angehörigen Vereine werden hierdurch ganz ergebenst daran erinnert, nach
§. 7 des Statuts Anfangs Januar 1873 dem unterzeichneten Verbands-Vorstande die Anzahl ihrer Mitglieder anzuzeigen und
die Beitrage mit 3 Tblr. für je 50, resp. angefangene 50 Mitglieder einzusenden.
Der Vorstand
Quassowski, Vorsitzender. Blankenstein, Schriftführer. Köder, Säckelmeister.
Die Oder als }
Wir haben der Frage der Regulinmg des Oderstromes,
welche neben ihrer eminenten Bedeutung für die wirt-
schaftliche Kortentwiekelung des östlichen Deutschlands ein
nicht minder hervorragendes technisches Interesse I «an-
sprachen darf, stets eine rege Aufmerksamkeit geschenkt
und es mit Freude begrüsst, dass die Techniker, welche in
jüngster Zeit eine Lösung derselben versuchten, sich unserer I
Zeitung als des Organs zur Geltendmachung ihrer Ansichten
bedienten. Trotz einig in der Ueberzeugung. dass das bis- j
her befolgte Regulinings- System die Wünschenswertben Er-
folge nicht dargeboten habe und nicht darbieten könne,
gingen dieselben in Betreff der |>ositiven Vorschläge, welche
sie für ein an dessen Stelle zn setzendes neues System
machten, ziemtfeh weit auseinander. Das iu den betreffenden
Aufsätzen des laufenden Jahrganges der deutschen Bauzei-
tnng enthaltene Bild dieses Widerstreits der Meinungen
würde ein unvollständiges sein, wenn wir dasselbe nicht
durch ein sehr bemerkenswerthes Aktenstück ergänzten,
das in den letzten Tagen in der besonderen Beilage des
Deutschen Reichs- und Königl. Prenssisehen Staats- Anzei-
gers erschienen ist und sich mit Entschiedenheit gegen jene
sämmtlichen Vorschläge wendet, während es das bisher ein-
geschlagene System der Oderregulirung verlheidigt Wenn 1
man den Ursprung dieses Aufsatzes in der Bau- Abtheilung
des Preussischen Handels-Ministeriums suchen muss und I
wohl nicht mit Unrecht voraussetzt, dass er dem mit der
Bearbeitung und oberen Leitung aller die Oder betreffenden
Fragen beauftragten Staats-Techniker angehört, so wird man ,
mit Genugthunng und Anerkennung sich dieses neuen Bei-
spiels erfreuen müssen, dass die Staatsregierung das frühere
souveraine Schweigen in solchen Fragen nicht mehr zu ihrer
Regel gemacht hat, sondern sich der Einsicht nicht ver-
schlossen hat, wie sehr das Interesse der Sache dadurch ge-
fördert wird, wenn sie üIkt ihre Intentionen und über die
von ihr jedenfalls am Resten gewonnenen Erfahrungen öffent-
liche Aufklärung giebt! Zur Sache selbst haben wir nicht
das Recht eines selbstständigen Urtheils, sondern dürfen er-
warten, dass ein solches von anderer Seite her geäussert
werden wird. Wir gelten hier den in Rede stehenden nnter
obigem Titel in No. 50 d. St.-A. erschienenen Aufsatz nach
seinem vollen Wortlaute.
Wohl wenige Wasserstrassen Deutschlands halten in
neuerer Zeit die Aufmerksamkeit der Presse in so hohem
Grade erregt, als die Oder.
Nachdem im Frühjahr dieses Jahres eine ausführlichere
Arbeit des Regierungs- und Bauraths a. D. Fessel über „die
Schiffbarmachung der Oder" in der Reisewitz'schen Buch-
handlung in Oppeln erschienen war, begann sehr bald in der
.Deutschen Bauzeitung*, dein Organe des Verbandes deut-
scher Architekten und Ingenieure, und in der .Sehlesischen
Zeitung- eine lebhafte Parteinahme für und wider die von
Herrn Fessel empfohlene KaDalisirung der Oder durch Na-
del wehre und Schleusen j das früher schon vielfach ventilirte
Projekt der Anlage eines besonderen Oderkanals neben dem
Flusslaufe wurde aufs Neue besprochen, ohne eine lebhafte
Unterstützung zu finden; an die Stelle der „Fessel'schen
Schleusenkanüle- wollte man Schiffsdurchlässe theils mit.
theils ohne Absehlussthore und mit einem Gefälle von 1:1000
gesetzt wissen, um die Anlagekosten der Kanalisirung der
Oder zu vermindern und den Zeitverlust für den Schiffer
beim l'assireu der Schleusen zu vermeiden, wogegen Andere
das Fessel'» In- Kanalisirungsprojekt lediglich auf die obere
Oder beschränkt, dagegen für die untere Wer ein weiter
durchgebildetes Einschränkungs-System in Anweudung ge-
bracht sehen wollten.
Endlich ist in jüngster Zeit .unter strenger Verurtheiluug
eines Vorgehens Tvie das eben erwähnte, ein neuer Vorschlag
gemacht worden, nach welchem das Strombett auf die ganze
Lauge von Uosel bis Cüstrin der Breite nach durch einen
Damm in eine sogenannte „ Fahrt " nnd eine „Flutbrinne 1 "
getheilt und in gewissen, noch ziemlich unbestimmt gelas-
seneu Entfernungen durch Stauwehre abgeschlossen, ausser-
dem aber durch Kommunikationen zwischen Fluthrinne und
Fahrt ermöglicht werden soll, die erstere bei niedrigen
Wasserständen als Sammelbassin zur Speisung für das Fahr-
wasser zu benutzen.
Da nun im Anschlüsse an diese Vorschläge auch zu-
gleich die Ansicht ausgesprochen worden ist, dass es unter
den gegenwärtigen Verhältnissen als die Pflicht des Staates
zu erachten sei. entweder die für die Verbesserung der
Schiffahrt auf der Oder von Cosel bis Cüstrin nach jenen
Vorschlägen erforderlichen, auf 7 bis 10 Millionen Thaler
berechneten Kapitalien als Fonds perdu herzugeben, oder
die Ausführung einer Privat -Gesellschaft zu überlassen und
das Unternehmen durch eine Zinsgarantie oder durch eineu
einmaligen Staatszuschuss zu Subventioniren, so dürfte es
nicht überflüssig erscheinen, anf die eiuzelnen Vorschläge
und ihre Vorzüge und Nachtheile etwas näher einzugehen.
1) Was zunächst die Fessel'sche Broschüre betrifft, so
soll dieselbe nur soweit beleuchtet werden, als sie sich auf
die obere Oder, also die Strecke oberhalb Breslau bezieht,
wie dies auch dem im Vorworte des Schriftchens dargeleg-
ten Zwecke des Herrn Verfassers entsprechen dürfte, da in
der That eine Kanalisirung der Oder unterhalb Breslau mit-
tels Schleusen und Nadelwehren aus dem in dem Vorschlage
in No. St des VI. Jahrganges der „Deutschen Bauzeituug"
mit Recht dagegen geltend gamaehten Gründen kaum von
irgend Jemanden befürwortet werden dürfte, der deu Zu-
stand dieses Stromtheiles genauer kennt.
Obgleich Herr Fessel anf Seite 1 seiner Schrift den
Nutzen der bisherigen Regulirung der Oder darin erkennt,
.dass durch dieselbe die Ufer gegen weiteren Abbruch ge-
sichert worden seien- und dort ebenso wie auf Seite 7 an-
führt, „dass die bisher bewirkte Regulirnng unbedingt nach
den Erfahrungen, welche in den letzten zehn Jahren gemacht
worden sind, eine regelmässige Ausbildung des Flussbettes
zur Folge gehabt und für die wirkliche SchitTbarmachuug
Digitized by Google
eine sehr werthvolle Vorbereitung erzielt habe u , resumirt er
am Schlüsse das Resultat seiner Erörterungen über die Be-
dürfnisse der Oderschiffahrt dahin, dass durch die Reguli-
rung keine anhaltende Wassertiefe beschafft werden könne,
welche zum ununterbrochenen Betriebe einer lohnenden
Schiffahrt nothwendig sei, dass vielmehr zur Gewinnung der
erforderlichen Fahrtiefe von 1.4™ bei der geringen Wasser-
menge und dem starken Gefälle der Oder Stauwerke ange-
legt werden müssen, welche das WaBser in einzelnen Strorn-
abschnitten ansammeln und das Gefälle vermindern.
Dieser Ansicht ist, soweit es die Errichtung einer Fahr-
tiefe von 1,4 ■ beim niedrigsten Wasserstande betrifft, gewiss
beizupflichten und es würde auch die Ausführbarkeit der
Kanalisirung der oberen Oder mittels beweglicher Wehre
nicht in Zweifel zu ziehen sein, wenn die lokalen Verhält-
nisse die Anlage solcher Stauwerke überall in dem Maasse '
begünstigten, wie dies Herr Fessel z. B. auf Seite .'ili seiner
Schrift annimmt, d. h. wenn das Bett der Oder überall so
tief eingeschnitten wäre, dass die Ufer durchschnittlich
.'t bis 4 m höher lagen, als der mittlere Soraraerwassersland.
und demnach ein Aufstau von 0,6 bis 1,6™ ohne Nachtheil
für die angrenzenden Grundstücke resp. für die auf die ge-
genwärtigen Sommerwasserstände bnsirten Entwässerungs-
Anlagen vorgenommen werden könnte.
Das« dies an vielen Punkten aber nicht der Fall ist,
würde eine spezielle Untersuchung sehr bald lehren und
würde die Schwierigkeiten erkennen lassen, welche in dieser
Beziehung zu überwinden sind und durch welche die für
die Ausführung der Kanalisirung erforderlichen Kosten sich
ansehnlich erhöhen würden.
Aber auch abgesehen von diesen Schwierigkeiten fragt
es sich, ob denn auch durch eine in dieser Art durchge-
führte Kanalisirung wirklich dos erreicht werden kann, was
Herr Fessel beabsichtigt, d. h. eine für den ununterbrochenen
Betrieb einer lohnenden Schiffahrt genügende gleichmässige
Fahrtiefe von 1,4™ nicht nur beschafft, sondern auch dau-
ernd erhalten werden kann, und diese Frage muss so lange
verneint werden, als der oberen Oder durch ihre Nebenflüsse,
wie die Birawka, die Stober, die Malapane und die Neisse
alljährlich so erhebliche Sandmasse» zugeführt und im Hanpt-
strom abgelagert werden, wie dies gegenwärtig noch ge-
schieht. Mit der Kanalisirung allein würde demnach der an-
gestrebte Zweck nicht erreicht werden können, vielmehr
müssten alljährlich sehr beträchtliche Baggerarbeiten ausge-
führt werden, ohne dass es trotz derselben immer möglich
werden würde, beim raschen Abfallen des Hochwassers diese
Arbeiten so zu fördern, dass nicht über Verflachung einzelner
Strecken ebenso geklagt würde, wie dies gegenwärtig ge-
schieht.
Hat also anch die in der obern Oder als nahezu vol-
lendet geltende Regulirung. wie Herr Fessel zngiebt, die
wirkliche Schiffbarmachnng in werthvoller Weise vorbe-
reitet, so wird die Kanalisirung des Flusses durch Stauungs-
anlagen. wenn überhaupt, doch erst dann mit Erfolg in An-
griff genommen werden können, wenn der immer wieder-
kehrenden Versandung seines Bettes durch die Nebenflüsse
hinreichend begegnet worden ist.
Das Bestreben der Stromverwaltung ist seit längerer I
Zeit schon darauf gerichtet gewesen, dieses Ziel zu erreichen;
bis dies gelingt, wird die Frage über die zweckmässigste
Art der weiteren Ausbildung des Hauptstromes oberhalb
Breslau aber um so mehr als eine offene betrachtet werden
müssen, als erst die Verbesserung der Flussehiffahrt durch
Einführung der Ketten- oder Tauschiffahrt auf der Oder
selbst, oder auf Strömen von ähnlichem Charakter, und na-
mentlich eine Verbesserung in der Form der Schiffsgefässe
weitere Fingerzeige dafür an die Hand geben kann, welcher
Tiefgang der Fahrzeuge auf der Oder ermöglicht werden
muss, um eine lohnende Schiffahrt hetreilten zu können.
Denn dass das Maass von 1,4™ das zum Betriebe einer loh-
nenden • Schiffahrt durchaus erforderliche sei, dürfte doch
noch weitere Beweise nothwendig machen, als sie die Fes-
si l'sche Schrift enthält Erwägt man nämlich, dass die Haupt-
aufgabe der oberen Oder als Wasserstrasse die Vermittlung
des Massen Verkehrs zwischen Obers'hlesien mit seiner reichen
Montan-Industrie, meinen Kalksleinhigern und Forsten, und
den Hanptabsatv.punkten für die Erzeugnisse jener bildet,
also zunächst Breslau und weiterhin Stettin , Berlin nnd
Hamburg, so ergiebt sich, dass eine über das Maass von rot.
1™ beim niedrigsten Wasser hinausgehende Tiefe des Fahr-
wassers auf der oberen Oder zwar dem Verkehre mit den
beiden erstgenannten Punkten zu Gute kommen, für die
Erreichung der letzten beiden Stationen aber so lange irre-
levant bleiben würde, als nicht auf den, auf dem Wege
nach Beilin und Hamburg zu pnssireuclen Gewässern, also
der Spree, der Havel und der Elbe, grössere Tiefen als
diese beim niedrigsten Wasser gegenwartig zeigen, hergt-
gestellt würden. Erwägt man ferner, dass auf der Elbp
von Anssig bis unterhalb Magdeburg bei einer Wassertiefp
heim niedrigsten Wasser von durchschnittlich 1" sich nach
Einführung der Tauerei ein von Jahr zu Jahr steigender
Verkehr entwickelt hat und dass also auf einer von Schleu-
sen und Stauanlagen freien Wasserstrasse « ine Tiefe von I™
beim niedrigsten Wasser zu genügen scheint, um eine loh-
nende Schiffahrt zu betreiben, und erwägt man endlich, dass
auf Kanälen und kanalisirten Flüssen auch das Maass von
1,4™ als nicht genügend erachtet wird, sondern, wie neuer-
dings für den Donau-Oder-Kanal 2J> m , für die kanalisirte
Saar 1,8™ gefordert werden, so wird man zugeben müssen,
dass das Maass von 1,4™, so lange man die kanalisirtr
Oder von Ober-Schlesien bis Breslau im Auge hat, zu geriny.
so lange man alter die Strecke Breslau -Stettin mit einem
gut konstruirten Convoi von Schiffen am Toueur in Betracht
zieht, zu gross erscheint, jedenfalls aber noch weiterer Be-
gründung bedarf, bevor eine darauf basirte Kostenberech-
nung des Kanalisirungsprojektes Anspruch auf die erforder-
liche Sicherheit macheu kann.
Wie nun trotz des oben angeführten Zugeständnisse*
ülter die bisherigen Erfolge der Regulirung der Oder davor
gewarnt werden kaun, dieselbe auch auf der unteren Oder
durchzuführen und zu vollenden, während doch hier die Ver-
hältnisse für eine Regulirung, wie sogleich gezeigt werden
soll, ungleich günstiger liegen als auf der oberen Oder, er-
scheint um so weniger verständlich, wenn man weiss, dass
die Behauptung in der Schrift des Herrn Fessel Seite !.'>:
„dass der Faschinenbau so veraänglich sei. dass häufig nach
4— . r > Jahren, durchschnittlich nach 10—12 Jahren, eine Er-
neuerung eintreten muss, wenn auch alljährlich Reparaturen
vorgenommen werden* eine völlig irrige und wohl nur da-
rauf zurückzuführende ist, dass die in früheren Jahren zur
Anwendung gekommene; leichte, jetzt hingst verlassene Bau-
art der Regulirungswerke ohne Anwendung von Steinköpfen
sie dem Stromangriffe dergestalt preisgab, dass sie bei gleich-
zeitiger unzureichender Unterhaltung allmählig zerstört wur-
den und zuletzt nichts als die in das Land eingebundene
Wurzel davon übrig blieb.
Wie unverändert dagegen sich die in den letzten zehn
Jahren ausgeführten Werke trotz der stärksten Eisgänge er-
halten haben und wie verbäitnissinässig gering die zu ihrer
Unterhaltung erforderlichen Kosten sind, davon kann Bich
Jeder überzeugen, der sich die Mühe nimmt, diese Verhält-
nisse vom Strome ans zu prüfen, und seine Behauptungen
nicht auf Schiffernachrichteu allein basirt.
2) Der Bau eines Kanals neben der Oder wird von
Herrn Fessel sowohl, wie von Andern verworfen und den
dagegen angeführten Gründen werden schwerlich gute Ge-
gengründe gegenübergestellt werden können, so lange mau
nicht Projekte verfolgt, wie sie etwa die Schrift: .Topogra-
phische Erwägungen über den Bau von Kanälen in Deutsch-
land* von dem Geheimen Kegierungs - Rathe Dr. August
Meitzen. Berlin, Verlag von Wiegandt & Hempel 1870. auf
Seite 34 u. folg. enthält. Ob die Zeit kommen wird, wo
man an die Ausführung solcher Projekte herantreten wird,
ist abzuwarten; dass sich schon gegenwärtig die erforder-
lichen Kapitalien dafür aufbringen lassen sollten, mnss nach
den bisherigen Erfahrungen ülter das Vertrauen des Publi-
kums zu der Rentabilität von Kanälen bezweifelt werden.
3) Dass die weitere Ausbildung der bisherigen Reguli-
rung anf der unteren Oder, also von Breslau bis Schwedt,
durch Vorlagen vor die vorhandenen Einschrünkungswerke.
welche nur das Sommerwasserprofil noch weiter verengen,
wie sie in No. 'M des VI. Jahrgangs der .Deutschen Bau-
zeitung* vorgeschlagen werden, seit mehren Jahren schon
überall da stattgefunden hat. wo es gilt, Stromschnellen zu
korrigiren, oder den Stroinstrich an einer bestimmten Stelle,
wie in dem Fahrjoche einer Brücke zu fixiren, scheint dem
Verfasser jenes Aufsatzes unbekannt zu sein. Wenu diese
Art der weiteren Ansbildune der Oder- Regulirung in einem
Artikel in No. 44 des vorgedachten Blattes demnach ver-
worfen wird, so muss daran erinnert werden, dass vorläufig
für die untere Oder eine grössere Tiefe als etwa 1™ beim
niedrigsten Wasserstande nicht angestrebt wird und dass
die Unterhaltung der vorhandenen Regulirungswerke durch
diese, sie dem unmittelbaren Stromaneriffe entziehenden
Vorlagen (von beiden Herren Autoren „Ranschbnhiicn* ge-
nannt) noch um Vieles erleichtert, die der Vorlagen selbst
alter, weil sie grösstenteils unter Wasser liegen, fast anf
Null reduzirt wird.
Wenn die feinere Ausbildung des Fahrwassers der Od-i
auf dem vorgedachten Wepe bisher noch nicht in dem er-
Digitized by Googlq
wünschten Umfange hat durchgeführt werden können, so lag
und liegt dies wohl nur daran, dass auf einigen Strecken
noch Lücken in der ersten rohen Verbesserung des Strom-
luufes xu ergänzen waren, deren Ausfüllung zur Verhütung
weiterer Verwilderungen des Stromes nicht unterlassen wer-
den dnrfte, nnd dass die bisher für Stromregulirungszwecke
zur Disposition stehenden Mittel grössere Aufwendungen für
die Verbesserung des Fahrwassers der Oder nicht gestatteten,
ohne gleich dringliche Bedürfnisse bei anderen Strömen zu-
rückzustellen. Bei der gegenwärtig günstigen Finanzlage des
Staates werden anf die fraglichen Ausführungen voraussicht-
lich grössere Summen als bisher verwandt werden können,
s o dass zu erwarten steht, dass mit Ablauf des nächsten
Jahres auf der Stromstreeke Stettin-Frankfurt a. 0. das für
einen geregelten Dampfschiffsverkehr erforderliche gleich-
infissige Fahrwasser von mindestens 1» beim niedrigsten
Wasserstande überall beschafft sein wird nnd dass im Laufe
der nächsten 3 — 4 Jahre auch die Strecke Frankfurt-Bres-
lau, so weit dies, wie in dem Steinauer Bezirke, nicht schon
jetzt der Fall ist, eine gleich sorgfältige Ausbildung zeigen
wird. Wird daneben, wie dies dem Vernehmen nach Ab-
sicht ist, auch die Zahl der der Stromverwaltung zur Dis-
position stehenden Dampfhagecr noch vennehrt, so werden
künftig Stockungen im Schiffahrtsverkehr, wie sie bisher in
den Sommermonaten häufig vorkommen, mehr und mehr ver-
mieden und endlich ganz beseitigt werden können.
4) Was endlich den letzten der im Eingange gedachten
Vorschlüge zur Verbesserung der Oder als Wasserstrasse be-
trifft, d. h. die Anlage eines das Flusshclt anf die ganze
Länge von Cosel bis Cüstrin der Breite nach theilenden
Dammes, so ist klar, dass dieser Damm, welcher die soge-
nannte „ Fahrt" von der „Flutbrinne" trennen und dessen
Krone im Niveau des mittleren Wasserstandes liegen soll,
bei Anschwellungen des Stromes über Mittelwasser stark
überströmt werden würde, und da die Strömung bei dem ge-
krümmten Laufe der Oder bald anf der einen und bald auf
«ler andern Seite des Dammes die stärkere sein würde, so
ist nicht ersichtlich, wie dabei die Fahrrinne gegen Versan-
dungen, vielleicht sogar gegen vollständige Verschüttungen
sicher gestellt werden soll, wie sie erfahrungsgemäss hei
Parallelwerken häufig vorkommen. Als ein solches wird
über der projektirte Damm auch wirklich bezeichnet und
da demselben jeder Ausehluss au ein festes, wasserfreies
Ufer fehlt, so sind auch Durchbrechungen desselben, wie sie
selbst die solidesten Parallelwerke erleiden, und damit in
Verbindung die ärgsten Verwilderungen des Stromlaufes
nicht ausgeschlossen.
Abgesehen aber von allen, der Ausführung eines solchen
Projektes bezüglich der Beschaffüng und Erhaltung einer ge-
nügenden Tiefe in der sogenannten „Fahrt" entgegenstehen-
den Schwierigkeilen würde der Oderschiffahrt, anstatt einer
dem lwdeutenden Kostenaufwande entsprechenden Erleichte-
rung, eine erhebliche Gefahr daraus erwachsen, dass die
Schiffe bei Wasserständen, welche über das Mittelwasser
hinausgehen und bei denen also die Krone des Dammes
zwischen „ Fahrt" und .Flnthrinne" unter Wasser liegt, fort-
während gewärtigen müssen, ihr Fahrzeug beim Aufstossen
auf den mit Steinen abgepflasterten oder beschütteten Damm
zu beschädigen, und der Verlust an Schiffen und Ladung
würde 'dabei tun so grösser sein, als gerade bei solchen
Wasserstfinden die Schiffahrt am lebhaftesten lietrieben wird
und der Wasserstand in der Oder zu allen Jahreszeiten ein
so vielfach wechselnder ist, wie ihn kaum ein anderer der
norddeutschen Ströme aufzuweisen hat Beispielsweise raar-
kirte der Pegel zu Maltsch im September dieses Jahres, also
in einem der Monate, welche die konstantesten Wasserstande
zu zeigen pflegen:
am 3. September 2.20
, Ii.
, 23.
. 2«.
. 30.
und der Pegel zu Neusalz
am 5. '
: l
:S
, 30.
3,11"
1.88»
l.fi5»
3,71»
2,41»
0,97»
1,65»
1,18»
0.47»
2,12»
1,52»
Da nun der mittlere Wasserstand an ersterem Pegel
auf 2,20"', an letzterem auf 0,97» liegt, so ergiebt sich aus
vorstehenden Zahlenangaben, dass selbst bei dem sonst so
konstanten September- Wasserstande die projektirte Damm-
krone während eines Zeitraums von drei Wochen zweimal
beträchtlich überfluthet worden uud also der Schiffer zwei-
mal in Gefahr gewesen wäre, beim Abfallen des Wassers
auf die Krone aufzustossen und Havarie zu erleiden.
Wenn aus dem Vorstehendem einerseits hervorgehen
dürfte, dass die verschiedenen, in letzter Zeit gemachten
Vorschläge zur Verbesserung des Fahrwassers der Oder, so
weit sie über die feinere Ausbildung der bisher durchge-
führten Regulirung hinansgehen, wenig geeignet erscheinen,
zu einem weiteren Eingehen auf ihre Realisirung aufzufor-
dern, und andererseits erkennbar geworden sein dürfte, wie
selbst die Gegner der Kegnlirnng den Nutzen derselben nicht
zu leugnen vermögen, vielmehr anerkennen müssen, dass
dadurch gegen Abbruch gesicherte Ufer gewonnen worden
sind nnd dass eine regelmässige Ausbildung den Flussbettes
erreicht, der Strom aber zugleich angemessen befähigt wor-
den ist, die ihm von Jahr zu Jahr in Folge der grossen
Meliorationen seines lnnndationsgebietes rascher zuströmen-
den Hochfluthen gefahrlos abzuführen, so wird es nur noch
des wiederholten Hinweises auf die bereits ad 3 angedeute-
ten ferneren Ziele bedürfen, welche durch die Fortsetzung
und weitere Durchbildung des Regnlirungswerkes nach ein-
heitlich festgestellten und durch die Erfahrung bewährten
Prinzipien angestrebt werden, um die mannigfachen Vor-
würfe zu widerlegen, welche in der Tagespresse sowohl,
wie in Petitionen und Berichten an die Behörden resp. die
Landesvertretnng gegen ein Vorgehen auf diesem Wege er-
hoben werden und welche doch meist auf Unkenntniss der
Sachlage oder auf Überschätzung der Schwierigkeiten be-
ruhen, welche die eigenthümliehen Verbältnisse der Oder:
das leicht bewegliche Material ihres Bettes, das starke Ge-
fälle und die geringe Wassermenge im Sommer, der Her-
stellung eines allen Anforderungen genügenden Fahrwassers
entgegenstellen. Wenn z, B. die „Ostsee-Zeitung" vom 25 An-
günstige Verhältniss hervorhebt, in welchem dieselben zu
den erzielten Erfolgen stehen, so zeigt dies von völliger Un-
kenntniss der thatiächlichcn Verhältnisse; denn jeder Sach-
verständige, welcher die Stromkarten jener Strecke von
184? nnd 1872 mit einander vergleicht, ans welchen allein
die erzielten Verbesserungen des Stromlaufs ersichtlich sind,
wird zugestehen müssen, dass für die auf die Regulirung von
4 Meilen Stromlänge in dem Zeitraum von 25 Jahren ver-
wandten circa 200.000 Thlr., also pro Meile und Jahr circa
2000 Thlr.. sehr Erhebliches geleistet worden ist, nnd dass
es durchaus unwahr ist, dass die Fahrt für die Schiffe von
Jahr zu Jahr schlechter geworden sei, während der Grund
der Klagen lediglich in den immer höher gestellten Ansprü-
chen an Fahrtiefe, selbst bei den niedrigsten Wasserständen
zu suchen ist, denen zu entsprechen die bisher zulässigen
Aufwendungen noch nicht gestatteten. Ebenso unverständ-
lich ist es, die stückweise Regulirung der Oder zu tadeln
nnd dariu die vermeintlichen Misserfolge der Regulirung über-
haupt zu suchen, während jeder Hvdrotechniker weiss, dass
eine Stromregulirung sowohl zur Erzielung der günstigsten
Resnltate. wie ans Rücksicht anf die Beschaffung der erfor-
derlichen Materialien und Arbeitskräfte, nur in folgerechtem
Vorschreiten innerhalb von einander unabhängen Stromab-
theilungen zur Ausführung gebracht werden und daher selbst-
redend erst dann einen vollständigen Erfolg erzielen kann,
wenn die Regulirung sämmtlicher Stromabtheilungen in Zu-
sammenhang gebracht ist, was auf den HO Meilen Stromlänge
von Cosel bis Cüstrin zu erreichen bis jetzt eben noch nicht
möglieh war, aber doch in nicht zu ferner Aussieht steht.
Wenn endlich hie und da behauptet wird, es fehle dem
ganzen Regulimngswerke an einem einheitlichen Plane, ja
es würden dabei Maassregeln ergriffen , von denen eine d"ie
andere aufhebe, so verdienen solche Behauptungen kaum
eine Erwiderung; denn sie beweisen eben nnr, dass ihr Ur-
sprung auf Personen zurückzuführen ist, welche den bezüg-
lichen Verhältnissen durchaus fern stehen, welche sich aber
dennoch berufen fühlen, in das allgemeine Klagelied der-
jenigen Schiffer einzustimmen, welche mit ihren unzweck-
mässig gebauten Kähnen und mit der unsichersten Kraft von
der Welt — dem Winde — den zweckmässig konstrnirten Ei-
senbahnen erfolgreiche Konkurrenz machen möchten, deren
Misserfolg sie dann der Mangelhaftigkeit des Fahrwassers
der Oder zusehreiben, während sie mit Schiffen, welche für
die Oderverhältnisse passen, und mit einer billigen kontinu-
irlichen Kraft schon jetzt auch auf der Oder eine lohnende
Schiffahrt betreiben könnten.
Ueber die Auffassung dieser Verhältnisse an maassge-
bender Stelle dürfte der, der Handelskammer zn Frankfnrt
an der Oder auf ähnliche Klagen unterm 29. Oktober c.
Digitized by Google
— 414 —
ertheilte Ministerial-Besch.id einen MumUu liefern, welcher
lautet :
.In Erwiederung auf den. von der . . . für das Jahr 1871
(•»fetteten Jahresbericht, und zwar auf den die Oderschif-
fahrt und den die Regulirung dieses Stromes betreffenden
Abschnitt, sind zunächst die thatsächlichen Voraussetzungen,
von welchen daselbst ausgegangen ist, dahin zn berichtigen,
dass die Plane zur Regulirung keineswegs ausschliesslich
nach den bei einmaliger Bereisung gemachten Beobachtungen,
vielmehr erst nach dem vollständigen Ergebnis« der ge-
rammten umfassenden Vorarbeiten , insbesondere nach den
genauesten Ermittelungen der Beschaffenheit des ganzen
Flussbettes und der Erfolge der früheren Regulirungsarbeiten
festgestellt werden, und dass ferner bei den von der Strom-
Verwaltung angestellten Versuchen zur Beseitigung der ver-
sandeten Stellen keineswegs ein nach dem Gottlob'schen
Systeme erbauter Bagger, vielmehr, nachdem dieses System
sich als ungeeignet erwiesen, das der Gevynne'schen Pumpe
zu Gründe gelegt ist.
Die weiteren allgemeinen Ausführungen der .... können
ebensowenig für zutreffend erachtet werden. Wie es im
Laufe der letzten Jahre bereits gelungen ist, mittels der plan-
raässig ausgeführten Regulirungsarbeiten das Fahrwasser der
Oder von Schwedt aufwärts bis Cüstrin soweit zu verbessern,
»lass der Dampfschiffsverkehr auf dieser Strecke, selbst bei
den niedrigsten Wasserständen eine Unterbrechung nicht
mehr zu erleiden hat, so wird die Fortsetzung dieser Ar-
beiten auch für die Strecke Cüstrin -Frankfurt, nachdem der
Verkehr auf derselben schon im laufenden Jahre nur wäh-
rend weniger Wochen unterbrochen gewesen ist. voraussicht-
lich binnen Kurzem dasselbe Ziel vollständig erreichen
lassen. Freilich aber dürfen, obschon die Organe der Strom-
verwaltung thunlichst alle Schiffahrt« -Hindernisse sofort zu
beseitigen bemüht sind, die zur Verfügung stehenden Mittel
und Kräfte doch nicht auf solche Arbeiten, welche nur einen
bald vorübergehenden Erfolg versprechen oder bei dem
nächsten Anwachsen des Wassers sich als überhaupt unnö-
thig erweisen würden, vielmehr zur Vermeidung einer Zer-
splitterung zunächst nur auf die Herstellung eines regel-
mässigen, der Wassermenge und den Gefälleverhältnisscn
entsprechenden Fahrwasser« verwendet werden, und ist zu-
gleich darauf Bedacht zu nehmen, das« dem Strome auch
die Fähigkeit zur Abführung des ihm in Folge der grossen
Meliorationen in den Niederungen von Jahr zu Jahr rascher
zugeführten Hochwassers erhalten bleibt. Im Ucbrigen ronss
es als eine Aufgabe der Schiffer, wenn diese bei jedem Was-
serstande ungehindert passiren wollen, angesehen werden,
die Fahrzeuge den bestehenden Verhältnissen anzupassen
und die geeigneten Vorrichtungen zur alsbaldigen Ueberwin-
dung vorübergehender Hindemisse mit sich zu führen. Nur
auf diesem Wege lassen sich vom Schiffsverkehr insbeson-
dere die Nachtheile derjenigen geringeren oder grösseren
Verlegungen der Fahrrinne abwenden, welche bei der Natur
des äusserst beweglichen Flussrnaterials und bei rasch wech-
selnden Wasserständen, selbst in den best regulirten Strecken
nicht immer zu verhindern sein werden."
Das I in imitats- 1> bände in Rostock/:
Unter den Profangebänden, welche seit dem Bau des
Schweriner Schlosses in den, von einem ebenso baulustigen
wie über die reichste Fülle materieller Mittel schaltenden
Fürsten beherrschten Mecklenburg- Schwerin'schen Landen
entstanden sind, kann sich an Bedeutung keines mit dem
am 27. Januar IH70 eingeweihten neuen Universitiits-Gebäude
zu Rostock messen.
Dasselbe ist erbaut an Stella eines älteren, im höchsten
Jahre waren dem Ausbau und der Ausstattung gewidmet.
Entworfen ist es durch den Hofbaurath Willebrand zu
Schwerin, dem auch die obere Leitung des Baues übertragen
wurde und dem die künstlerische Durchführung bis ins De-
tail angehört; als ausführender Baumeister hat der Baukon-
dukteur Prahst fungirt.
Die Grnndriss-Anordnung des in seinem Haupttheile
tief liegenden Souterrain, einem niedrigen Erdge-
Grade unscheinbaren Hauses, des sogenannten „ColUgium al-
*«!»•, das der im Jahre 1419 gestifteten kleinen, aber durch
reges geistiges lieben ausgezeichneten Universität «eit etwa
:t Jahrhunderten zum Sitze gedient hatte. Mit der längeren
Hauptfront dem Blücherplatze zugekehrt, links von dem
Museum begrenzt, rechts an eine Nebenstrasse, die Kröpe-
liuer-Strasse stossend, blickt es nach der durch ihren Reich-
thum an charakteristischen mittelalterlichen Wohnhäusern
ausgezeichneten Blutstrasse. Der im Jahre 18G1 beschlossene
Neubau wurde im Jahre 18ti6 mit dem Einreissen des alten
Hauses, von dem nur der nach dem Hofe liegende Flügel in
seinen unteren Aussenmauern erhalten worden ist, begonnen.
1867 kam das Gebäude nnter Dach, die beiden folgenden
•) Di« » dl«H>r Pnbllk*(ioB tfhüritr neull-An.icnt tom Mittelt,»» <ltr
ll««pl'«rao> irt b«r»lt» mit No. « «oranitenhickt worden. Leider hibrn «ich der
V.,ll«oduii« der Dirclurhsitle bi» »m Rnebelnra dioer Nummer lllnderei»« esl-
jegengwtelll. so du« dieselben nur,«elierert werden mnwn, Die Hcd»kll„i,.
schoss und drei oberen Stockwerken bestehenden Hauses
hat mit einfacher Klarheit die Anforderungen des Bedürf-
nisses zu losen gesucht, ohne nach einem Ideal architekto-
nischer Grossartigkeit, das schon durch den beschränkte«
Bauplatz ausgeschlossen war, zu streben. Die Gesammtheit
der erforderlichen Räume ist in drei, nach ihrer Benutzung
gesonderte Gruppen zerlegt, welche sich der Form des
Bauplatzes sehr zweckmässig anschliessen. Her die Halft*
front dominirende Mittelbau enthält im Souterrain die Heiz-
kammer, darüber vorn das durch zwei Geschosse reichende
Vestibül, hinten die Aborte und einige Nchcnräume; vom
zweiten Stockwerk an endlich die durch die ganze Tiefe des
Hauses reichende Aula. Links vom Mittelbau ist unter Mit-
benutzung des alten Flügels die nach ihrem Raumbedürfois*
grösste und zahlreichste Gruppe aller jener Räume angeord-
net, welche den Zwecken des akademischen Unterricht« und
der Verwaltung de« Institut« dienen — unten die Dienst-
Digitized by Google
- 415 —
M
Q
s
-<
m
u
tX
i
Digitized by Google
Wohnungen der Hausheamten, darüber die Hörsäle, die Zim-
mer der Professoren, die Sitzungs-. Sprech- und Gerichts-
zimmer n. s. w. Der kleinere Theil rechts vom Mittelbau
dient endlich fast ausschliesslich den Zwecken des Archivs
und der Bibliothek, welche letztere in einem durch die ganze
'liefe des Gebäudes und durch drei Stockwerke reichenden
Räume einheitlich zusammengefaßt worden ist. Eine grosse
einheitliche Treppen-Anlage mit akademischer Axen-Entfal-
tung war bei dieser Anordnung allerdings nicht zu erzielen,
doch benfihrt sich dieselbe als ebeuso praktisch, wie sie
der monumentalen Würde und Stattlichkeit keineswegs ent-
behrt.
In Betreff des architektonischen Aufbaus sei zunächst
der Facaden erwähnt, von deren Gestaltung die hier mit-
getheilte kleine Gesammt- Ansicht der Front am Blücherplatz
und das Detailblatt des Mittelbaus derselben ein Bild gewäh-
ren, das freilich die farbige Wirkung des Baus nicht wieder-
zugeben vermag. Der Künstler hat sein Werk in die Formen
des Renaissance-Stils gekleidet, und zwar hat er sich bemüht,
diejenige Version desselben festzuhalten und fortzuentwickeln,
welche unter dem Namen des .Johann Albrecht -Stils" be-
kannt, an einigen filteren, der Rccicrungszeit dieses Herzogs
angehörigen Banresten des Mecklenburgischen Landes auf-
tritt — eine naive und nicht reizlose Übertragung italieni-
scher, vorzugsweise venctianisc her Motive auf den nordischen
Backstein- und Terrakottenban. Bei aller Anerkennung des
Talentes, mit dem dies geschehen ist, und bei vollster Wür-
digung der feinen und liebenswürdigen Weise, in welcher
das System der langen Fronttheile entwickelt ist, wird man
allerdings kaum anstehen dürfen, die ästhetische Berechti-
gung von Bildungen, wie sie in der Bekrönung des Mittelbaus
airftreten. zu bestreiten und zu bedauern, dass sie in so
monumentaler Weise verkörpert worden sind. Möglicherweise
hat in dieser Bezichuug ein direkter Wunsch des hohen Bau-
herrn vorgelegen, dem .der Architekt sich nicht entziehen
konnte.
Was an seinem Werke neben jenen erwähnten Vorzügen
noch hesonders hervorgeholten werden miiss, ist die höchst
geschickte Verwendung und Kombiuation des einheimischen
Materials und die aus diesem, beziehungsweise der landes-
üblichen Bauweise abgeleitete Wahl der künstlerischen Detail-
Gestaltung. Die Gesimse, Friese und Lisenen, die Bekrö-
nnngen des Bans nnd die Medaillonköpfe, endlich die Ein-
fassungen der Fenster sind an den beiden oberen Stock-
werken aus dunkelrothen Terrakotten ausgeführt, von denen
die glatten in einer Schweriner Ziegelei, die ornamentirten
von March in Charlottenburg geliefert wurden. Die Statuen,
die Einrahmung der beiden oberen Nischen, sowie die Archi-
tektur des Hanptnortals sind aus Nebraer Sandstein, alle
glatten Zwischenfelder der oberen Stockwerke nnd die archi-
tektonische Gliederung des geonaderten Unterbans sind in
Mörtelputz hergestellt, der allerdings nur ans so vorzüglichem
Kalkmaterial, wie es in Mecklenburg vorhanden ist. in einer
Bolchen Festigkeit und Vollkommenheit hergestellt werden
konute, dass die Quadernng des Unterhaus kaum von natür-
lichem Steinmaterial zu unterscheiden ist. Als Dekorations-
uiittel für diese Putzflächeu aber ist eine reiche Anwendung
\on Sgraffito herangezogen worden, für welche der leider
zu früh verstorbene Max Lohde die Entwürfe geliefert hat.
Seraffitostreifen. oben dunkle Zeichnung auf hellem Grunde,
unten helle Zeichnung auf dunklem Grunde, schaffen zwischen
den Fenstern und den umschliessenden architektonischen
Hauptformen ein Rahmenwerk von leichten Füllungen, deren
oberste die Embleme der akademischen Tugenden enthalten;
zu reicheren und grösseren Kompositionen in Sgraffito gaben
die grösseren Flächen der Seiten facade Gelegenheit.
Man wird sicher nicht zweifelhaft sein, dass in dieser
Kombination der Materialien und namentlich in der Art,
wie die Sgraffito -Dekoration angeordnet worden ist, sehr
heachtenswerthe Momente für eine Bereicherung unserer
nordischen Bauweise enthalten sind, wenn man auch wün-
schen möchte, dass der Putz nur iu glatten Flachen und
nicht zur (Quader-Imitation, und dass anstatt Terrakotta und
Saudstein womöglich nur ein einziges dieser Materialien an-
gewandt worden wäre; ganz abgesehen davon, dass der Sand-
stein mehrfach noch durch Zetnentgnss ersetzt worden ist.
Die farbige Wirkung, die sich aus dem tiefen dunklen Roth
der Terrakotten, der dunklen röthlichen Färbung des Ne-
braer Sandsteins und des diesem angenäherten rauhen Putzes
im Unterbau und dem hellen gelblichen Tone des glatten
Putzes an den Obergeschossen, sowie dem Dunkelbraun der
Sgraffito-Zeiehnung zusammensetzt, ist eine reiche aber bis
jetzt noch etwas kalte; sie wird im Laufe der Jahre jeden-
falls noch harmonischer zusammengehen.
Was die Bedeutung der plastischen Darstellungen an der
Facade betrifft, so sei bemerkt, dass die Figureu in den Ni-
schen des Mittelbaues die Gründer der Universität, die Herzöge
Johann III. und Albrecht IV., die Scndellen über denselben die
Grossherzöge Friedrich Franz I. und 11., das Relief über dem
Portal den ersten Kanzler der Universität, Bischof Heinrich von
Schwerin darstellt. In dem mittleren Giebel -Halbrund des
Mittelbaues hat da« Mecklenburgische Wappen, in den beiden
seitlichen haben die Medaillons der nm die Universität ver-
dienten Minister von Schröter und Vizekanzler von Both
ihren Platz gefnnden. An der Giebelfacade entsprechen die
Statuen der Reformatoren der Universität, der Herzöge Jo-
hann Albrecht I. uud Ulrich den oben erwähnten Standbil-
dern. In dem reichen Friese, welcher die Brüstung des
zweiten Stockwerks und den Sockel des Oberbaues bildet,
sind die Portrait-Medaillons der berühmtesten Rostocker Pro-
fessoren angeordnet, auf den vorspringenden Postamenten dieses
Sockels stehen vor den Haupt- Lisenen die allegorischen
Statuen der vier Fakultäten, der Schriftstellerei und der
Uuchdruckerei. Auf die geistige Einheit des Ganzen deutet
die über dem Hauptportal eingefügte Inschrift: Doctrina mul-
tiplex. vei ila* una.
Das Innere entspricht in architektonischer Durchfüh-
rung der Facade. Ist doch selbst die dnukelrothe Farbe
der äusseren Terrakotten auf die reich ornamentirten Thür-
einfassungen des Innern übertragen worden , wo sie leider
etwas zu hart wirkt. Das durch vier mächtige, mit Thon-
platten bekleidete Säulen getheilte Vestibül, sowie die Kor-
ridore haben gewölbte Decken, die übrigen Räume der obe-
ren Stockwerke excl. des Archivs und der Bibliothek Holz-
decken erhalten, denen in den Repräsentationszimmern der
Professoreosehaft, sowie in der Aula eine reiche künstle-
rische Ausbildung gegeben worden ist. Die letztere, ein
Raum von Ii»™ Länge und ll ra Breite, erhält ihr Haupt-
licht durch 3 grosse Oberlicbtfenster, wahrend das grosse
Seitenfenster derselben in der Vorderwand, unterhalb dessep
das Katheder sich befindet, in reicher Glasmalerei das Mecklen-
burgische Wappen enthalt. Gegenüber dem Katheder ist
eine die ganze Breite der Anla einnehmende Gallerie, über
den beiden Seitenportalen sind zwei einspringende Balkon-
logen angeordnet, sämmtlich durch Sfiulen von rothem bel-
gischen Marmor gestützt. Die durch weisse Stuckpilaster
gegliederten Wandflächen sind unterhalb mit hoher Holztä-
felung bekleidet, oberhalb in grauem, beziehungsweise gelb-
lichem Stucco lucido mit Goldornament dekorirt. Reiche
Goldverzierung enthält auch die Holzdecke, während der
Fries mit 16 Medaillon - Portrait« Rostocker Professoren ge-
schmückt ist. — Als der architektonisch bedeutsamste Raum
ist nächst der Aula das Treppenhaus der linken Seite zu
nennen, das sich mit breiten, dnreh Sandsteinsäulen getra-
genen Bögen nach den anschliessenden Korridoren öffnet.
Die in Gusseisen mit Holzbelag ausgeführte Treppe selbst
ist ein treffliches Werk der bekannten Hütte in Lauch-
hamiuer. Die geschlossenen Felder des oberen Stockwerks
sind mit den Büsten antiker Redner, Philosophen und Dich-
ter geschmückt.
Unter den konstruktiv« interessanten Anordnungen des
Inneren steht jedenfalls die der Bibliothek an der Spitze.
Um jede Anwendung von Leitern überflüssig und die Bücher
aufs Leichteste zugänglich zu machen, sind die drei Stock-
werke hier noch durch je eine Zwischendecke getheilt, so da*s
sich im Gauzen 6 übereinander liegende Geschosse ergeben
haben, die. dnreh offene Treppen an beiden Seiten mit einan-
der verbunden, als ein einheitliches Ganzes betrachtet werden
können. Die grösste Vorsorge aber ist auf die möglichste
Fenersicherheit dieses Raumes verwendet worden. Thür- und
Fensteröffnungen der starken massiven Wände sind mit eiser-
nen Läden zu verschlicssen, der untere Fussboden, sowie die
drei oberen Hauptdecken sind jrewölbt, letztere anf eisernen
Trägern, und der oberste Abschlnss ist ausserdem noch mit
einem Lehmschlagn versichert, über dem sich zum Schutz
gegen die bei Löschung eines Dachbrandes aufzuwendenden
Wassermassen eine Decke von Holzzement mit entsprechen-
dem Abflüsse befindet. Von Eisen ist endlich das ganze
Gerüst des inneren Ausbaues der Bibliothek, die Säulen und
Balken der Zwischendecken. Da zwischen dem Mittelbau
und der Bibliothek ausserdem noch eine Axenweite einge-
schaltet ist. welche, mit starken Mauern umschlossen und über-
wölbt, die zweite, aus Schmiedeeisen konstrnirte Haupttreppe
des Hauses enthält, so dürfte allerdings ein relativ hoher
Grad von Fenersicherheit erreicht sein. —
Zu erwähnen sind ferner die Beleuchtungs-Einrichtnngen
der Aula, welche oberhalb der Oberlichte, also ausserhalb
des Raumes selbst, angeordnet worden sind und zugleich
eine wirksame Ventilation des Saales bewirken. Die Er-
wärmung desselben erfolgt durch warme Luft, die des Vesti-
Digitized by Google
- 417 -
Soularr.ia.
iL Luhh-fliuDiwB für 41« Aula;
■ - Frbehsr LufUng;
b. Kalur Luftcit*.
*. H. „.». für Vftlibil,
Irrpp« «ml Korridore,
r. lleiMwaurrheimnK f«r dir Arbelt»-
limner dor WbUolh.kare eti4 die Bn
liüls, der Treppen und Korridore, sowie einiger anderer
1! ulnar des Hauptbaues dureh eine Heisswasser-, die der
übrigen Räume durch gewöhnliche Kachelofenheizung. Lage
und Anordnung der Heizkammern für die Zentralheizungen
giebt die beifolgende Skizze an.
Die Konten des Gebäudes einschliesslich aller beim Bau
aufgewendeten Ausgaben haben 1 75,655 Thlr. betragen, was
bei einem Gesammt - Flächeninhalte von ca. 1408 □ pro
Quadratmeter bebauter Grundfläche den Preis von 124,7 (pro
□ Fuss Hambrg. 10 Thlr. 5% Sgr.) ergiebt. - F. —
Das Prcassixhe Staats*
(Fortirtiim^).
Ein bemerkenswerter Nachtheil der Bauführer- Praxis,
der sich allerdings nicht für die Ausbildung der Bauführer,
wohl aber für die allgemeine Gestaltung ihrer späteren Fnch-
und Lebens-Lanfbahn fühlbar macht, ist es, dass die Meisten
derselben sich allzulange in der Praxis fesseln lassen und
daher zu spät zur Baumeister -Prüfung gelangen. Selbstver-
ständlich trägt nicht jene, sondern die ganze Lage der Ver-
hältnis*« die Schuld hieran.
Meist wird die vorscbriftsinässige Minimalzeit von nur
zwei Jahren praktischer Beschäftigung bereits um ein Nam-
haftes überschritten, bis der Bauführer die Ertheilnng der
Probe- Arbeiten für jene Prüfung beantragt; nicht Wenige
aber lassen sich auch hiermit noch nicht genügen, sondern
unterbrechen die Vorlvereitung für diesen letzten Akt des
Vorspiels ihrer eigentlichen Karriere ein oder gar mehre
Male, um wiedernm in die Praxis zurückzukehren — zum
Mindesten doch, um der Anfertigung einiger grösseren Ent-
würfe für praktische Aufgaben obliegen zu können. Es sind
thatsächlicli nur entschiedene -Streber" oder besonders glück-
lich organisirte und vom Glück begünstigte Naturen, welchen
es gelingt, den Ausbildungsgang Preussischer Staatsbaubeam-
ten in der kürzesten hierfür erforderlichen Frist abzuschlies-
ren. Die Mehrzahl verwendet auf denselben ein Zeitmaass,
welches das in anderen Fächern übliche bis nm ein Mehr-
faches überschreitet. Als Durchschnitt konnte nach den
bisherigen Erfahrungen angenommen werden, dass die Bau-
meister-Prüfung etwa im SO, Lebensjahre absolvirt wurde.
Einzelne, welche verhältnismässig erst spät in das Fach
eingetreten sind und bei welchen die gewöhnlichen Verzö-
gerungsgründe demzufolge am Stärksten zu wirken pflegen,
gelangen mit jenem Abschlüsse, der ihnen bis vor Kurzem
erst die Möglichkeit einer völlig selbstständigen, vom Staate
anerkannten Thätigkeit als Bautechniker eröffnen musste.
bis nahe an die Grenze des 40. Lebensjahres!
Derartige, nicht allzu seltene Ausnahme- Fälle, ja sogar
die Regel, mögen vor Engländern und Amerikanern als ko-
mische Beispiele unverwüstlichen deutschen Zopfes erschei-
nen, während sie in Wirklichkeit eher einen tragischen Bei-
geschmack haben. Jedenfalls offenbart sich in der That-
sache, dass die vom Staate gebildeten Bautechniker erst in
so später Zeit zur vollen Wirksamkeit gelangen, eine vom
grünen Tische her verschuldete Vergeudung an kostbarster
und frischester Nationalkraft, die es allein schon rechtferti-
gen würde, dass erforderlichen Falls die Vertreter des Volkes
hier helfend eintreten.-
Die Gründe dieser Verzögerung sind zum Theil äusser-
nder und materieller Natur: es ist der Gelderwerb der Di-
äten, welcher die meisten Bauführer so lange in der Praxis
festhält und während der Prüfung wieder in dieselbe zu-
rücktreibt. Leider ist dies ein durch bittere Notwendig-
keit erzeugtes Elend. Unser Volk ist ein armes und die
ärmsten, mit des Lebens Nothdurft am Härtesten kämpfen-
den Glieder desselben sind seine Beamten, die in ihren
Söhnen wiederum das Hauptmaterial zur Ergänzung und
Erneuerung des Beamtenstandes stellen. Eben weil das
Baufach bereits während der Vorbereitungszeit die Gelegen-
heit zum Erwerb und Verdienst liefert, wird es von Man
Prüfung erforderlichen Gelilmittel Sorge zu tragen. Es ist
naheliegend, dass sie dies zunächst auf dem Wege der Er-
sparnissversuchen, — ob dieser Versuch auch nur in seltenen
Fällen gelingen mag. namentlich da die Meisten sich über
das Maass des für jenen Zweck erforderlicheu Zeit- und
Kosten -Aufwandes arg zu täuschen pflegen. Was bleibt
unter solchen Verhaltnissen für alle Jene, denen es an Nei-
gung und Gelegenheit zu den entsprechenden Anleihen fehlt,
übrig, als wieder und wieder in den Nothhafen einer diäta-
rischen Beschäftigung einzulaufen? —
Allerdings sind diese, nicht für Alle maassgebendeu
materiellen Gründe nicht die einzigen. In Betracht zu ziehen
ist neben ihnen das sorglose Behagen an der Gegenwart, an
dem Wirken in einer angenehmen und lehrreichen Stellung,
der Wunsch, eine interessante einmal begonnene Arbeit zu
Ende zu führen, oder die Verlockung, eiue noch interessanter^,
unter ähnlichen Bedingungen vielleicht niemals wiederkeh-
rende Aufgabe zu lösen — mit einem Worte, der Reiz
lebendigen Wirkens und Schaffens, welcher den, der
ihn einmal kennen gelernt hat, so leicht nicht aus seinen
Banden entlässt. Es wiegt dieser Grund um so stärker, je
hervorragender die Leistungen und demgemäss die Erfolge
des Bauführers sich gestalten; gelangen doch manche nnter
ihnen bereits zu einer so bedeutenden selbstständigen Thätig-
keit, oder sie erringen sich durch schöpferische Leistungen,
die sie bei öffentlichen Konkurrenzen im Wettkampfe mit
den ersten Meistern des Faches bethätigen, bereits eine so
allgemeine Anerkennung, dass die Forderung eines weiteren
Nachweises ihrer künstlerischen oder technischen Befähigung
zu einer bedeutungslosen Formalität wird. — Von einer
gewissen Schuld an einer zu weiten Ausdehnung der prak-
tischen Beschäftigung mancher Bauführer sind häutig auch
ihre Vorgesetzten nicht freizusprechen, welche mehr den
eigenen Vortheil, als den ihrer Hülfsarbeiter ins Auge fassen
und eine Kraft, deren Verlust sie schwer empfinden würden,
so lange wie es nur angeht, festzuhalten streben.
Dass alle diese Gründe eine solche Rolle spielen können,
ist jedoch nur möglich, weil die Einrichtungen der Bau-
meister-Prüfung sie in so verhängnissvoller Weise unter-
stützen. Alle Mängel und Verkehrtheiten, die wir in den
Anordnungen für den Ausbildnngsgang der Prenssischen
Banbeamten zn rügen hatten, kulminiren in dem System
dieser Prüfung, die für Alle, welche sie überhaupt ernst
nehmen, zu einer so langwierigen und kostspieligen, zugleich
aber zu einer so schwierigen sich gestaltet, dass der Antritt
und die Durchführung derselben eine nicht gewöhnliche
Energie und nach mehren Seiten hin eine direkte l'eber-
windung des Entschlusses fordert.
Eine kritische Besprechung dieser Einrichtungen und
der durch sie hervorgerufenen historisch gewordenen Zu-
stände ist keine leichte. Nicht allein, weil es einer sorg-
fältigen Ueberlegung bedarf, wie weit eine Schilderung jener
Zustände wohl gehen kann, nm in der Sache zu nützen,
ohne doch dem Ansehen des Preussischen Banbeamtenthums
vor der öffentlichen Meinung, die Ursache und Wirkung nicht
objektiv genug zusammenhalten kann, einen schwer zu ver-
windenden Makel anzuhängen, sondern vor allen Dingen.
eben ergriffen, deren Eltern nicht einmal die Mittel besitzen, | weil die Einriebtungen selbst gegenwärtig in einem Ueber-
ihre Söhne während der akademischen Studienjahre unter
halt en zu können, die jedoch darauf rechnen, aus den —
anscheinend überreichlichen — Einnahmen der Bauführer-Zeit
die durch fremde Hülfe aufgebrachten Kosten decken zu
können. Wenn hiernach nicht wenige Bauführer geuöthigt
•ind, einen Tbeil ihrer Diäten, die »ich unter den Bedin-
gungen des Lebens in der Praxis keineswegs
zend darstellen, zur Abtragung von Schulden zu
so dürfte sogar die Mehrzahl derselben darauf angewiesen
sein, während der Praxis für die Beschaffung der zur Vol-
lendung ihrer Studien und zur Anlegung der Bnumeistcr-
augszustande sich befiuden. Die Details der Baumeister-
Prüfung haben durch die Vorschriften des Jahres 18G8 eine
Veränderung erfahren, die wir als eine sehr wesentliche Ver-
besserung, durch welche mehre der schlimmsten und em-
pörendsten Misstälide beseitigt worden sind, stets und gern
anerkannt haben, der wir jedoch um deshalb nur die Be-
deutung eines Palliativs einräumen können, weil die Haupt-
Prinzipien des Systems dal>ci unangetastet blieben. In
Wirklichkeit haben diese neuen Vorschriften erst eine be-
schränkte Geltung erlangt, da bis zur jüngsten Zeit die
Mehrzahl der seither geprüften Baumeister ihr Baufuhrer-
Digitized by Google
- 418 -
Examen vor deren Einführung abgelegt hatte, an den Vor-
zügen der gegenwärtigen Organisation daher nicht vollen
Theil nahm, — wohl auch, weil es für die Examinatoren
theilweise einer gewissen Eingewöhnung in die Tendenz jener
Aenderungen bedurfte, die ihnen ja noch vor Kurzem durch
einen in No. 38 d. Ztg. mitgetheilten Erlas* des Ressort-
Ministers besonders eingeschärft und durch ergänzende Be-
stimmungen deutlicher erläutert worden ist. Die Möglichkeit,
über den tatsächlichen Erfolg dieser Maassregeln auf Grund
zuverlässiger Erfahrungen zu urtheilen, ist daher eine sehr
beschränkte. Wir hoffen allerdings, schon aus inneren Gründen
heraus überzeugend nachweisen zu können, dass der Erfolg
weder der beabsichtigte sein kann, noch das* selbst der be-
absichtigte Erfolg genügen würde; doch werden wir uns nicht
nehmen lassen, in jener Hinsicht mehrfach auf die früheren
Hinrichtungen zurückzugreifen, weil die Irrt Initiier und Mängel
der ihnen zu Grunde liegenden Prinzipien sich in ihnen
klarer und deutlicher darstellen, als in der gegenwärtigen
Abschwächung derselben.
Bevor wir auf die Details der Baumeister-I'rüfung ein-
gehen , mögen zuvörderst die beiden allgemeinen Momente
erörtert werden, welche das System derselben als ein bereits
in der Idee verfehltes erscheinen lassen.
Das erste derselben ist es, dass die Prüfung sich nicht
auf die Leistungen des Kandidaten erstreckt, sondern
zum grossen Theil auch den Apparat betrifft, welcher als
normale Vorbedingung für die Fähigkeit zu solchen Leistun-
gen betrachtet wild; sie erhält wesentlich dadurch jenen
schulmässigen Charakter, den wir der Würde der Sache
nicht ganz für entsprechend halten können. Nicht nur das
relative Können des Kandidaten und das Maas» seiner in
der Praxis gewonnenen Erfahrung werden geprüft, sondern
er soll zugleich Rechenschaft ablegen über seine positiven
Kenntnisse in einer Reihe von Fachdisziplinen, die er sich
in der geforderten Allgemeinheit und Schlagfertigkeit nur
durch ein umfassendes theoretisches Studium systematischer
Art gedächtnissmässig angeeignet haben kann.
Wir halten dies für ein Verkennen des natürlichen We-
ges menschlicher Elitwickelung, das nur bei einem Doktri-
narismus möglich ist, der sich aus Scheinerfolgen zu dem
Schlüsse verleiten läset, das der Mensch Alles kann,
was er soll.
Dass von einem Studium dieser Form und Tendenz bei
dem Lebensalter der meisten Bauführer und nachdem sie
eiumal auf die Bahn lebendiger Entwickelung in praktischer
Tbätigkeit geleitet worden sind, wirkliche Erfolge nicht
erwartet werden können, ist unsere innerste Ueberzeugnng.
Gewiss wird die Notwendigkeit und Nützlichkeit eines über
die Bauführer-Prüfung hinaus fortgesetzten Studiums eben-
sowenig wie von uns, von irgend einem Kandidaten der Bau-
meister -Prnfnng verkannt und geleugnet; im Gegenthcil es
dürfte unbestritten sein, dass dem Techniker ein stetiges,
neue Anregung und neues Wissen erstrebendes Studium bis
an sein Lebensende ein unentbehrliches Bedürfnis» ist, will
er sich anders auf der Höhe seines Fachs erhalten. Wir
haben auch schon gebührend hervorgehoben, wie aus der
Praxis und deren Anforderungen sich fortdauernd der frucht-
barste Anlass und Sporn zur Ergänzung nnd Erweiterung
auch des Wissens ergiebt Aber zu einem auf Erzielnng
eines Kompendien -Wissens gerichteten theoretischen Stu-
dium, zu systematischem Lernen aufgedächtnissmässigem
Wege pflegt der praktische Techniker in einem über die erste
Jugend vorgeschrittenen Alter mehr oder weniger verdorben
zu sein. Zwingt er sich unter dem Drucke eines auf ihn aus-
geübten Zwanges trotzalledem unter saurem Schweisse zu
diesem Rücksprunge in ein schülermässiges Studiren, so ist in
zehn Fällen gegen einen anzunehmen, dass das erlangte
Wissen, soweit es zum Zwecke der Prnfnng angestrebt wurde
nnd nicht durch die Praxis befestigt wird, ein äusserliches
ist, das die Prüfung nur kurz überdauert.
Die früheren, für alle bis zum Jahre 18G9 geprüften
Bauführer noch heute gültigen Vorschriften, welche den
direkten Nachweis einer bestimmten, nach dem Bauführer-
Examen absolvirten Studienzeit forderten, gingen in der
Annahme dessen, was in dieser Zeit noch gelernt werden
könute und sollte, von Voraussetzungen aus, die man in der
That kaum für möglich halten sollte. Was soll man dazu
sagen, dass den Kandidaten angesonnen wurde, nunmehr erst
die Theorie der höheren Mathematik und deren Anwendung
auf die Statik und Mechanik zu erlernen, nachdem die Sätze
der letzteren in der Bauführer-Prüfung bereits mit Hülfe der
elementaren Mathematik hatten begründet werden müssen,
dass in dem an der Bau-Akademie für die Zwecke jenes
Studiums eingerichteten Lehrgänge für künftige Baumeister
stisches Gegenbild gewährt es, dass bis zur Berufung J. W.
Schwedler's ein Kolleg, in dem das Entwerfen grösserer
Eisenkonstruktionen hätte erlernt und geübt werden können,
gänzlich fehlte, während doch in den Prufungs-Aufgabcn
schon öfters solche gefordert wurden. Ebenso fehlte für das ■
Bedürfniss der Architekten, welche eine höhere Ausbildung
suchen, und fehlt noch heute ein Vortrag über die Lehre
vom Stil und von den Stilen, trotzdem C. Bottiche r, der
berühmte Begründer der ersten, der Akademie angehört, aber
freilich seine Kraft in elementarem Zeichen - Unterricht ab-
nutzen inuss.
Jenem drückendsten Misstande ist vorgebeugt, seitdem
nunmehr die gesammten Hülfswissenschaftcn in der Bau-
fuhrer-Prüfung erledigt worden, auch wird der Nachweis einer
bestimmten Studienzeit nicht mehr gefordert. Das Prinzip
selbst ist trotz dieser milderen Handhabung dasselbe geblie-
ben, da die mündliche Prüfung in den Fachwissenschaften
noch in der alten schulmässigen. auf ein Kompendien-Wissen
berechneten Form erfolgt. — Selhstverstäudiich wird auch
das Resultat im Wesentlichen das alte bleiben. Es ist nach
der positiven Seite ein in doppelter Beziehung zweckloser
Scheinerfolg ; zwecklos, weil das in solcher Weise angeeignete
Wissen leider gar so bald verfliegt, zwecklos auch, wen bei
den heutigen Hülfsmitteln der Litteratur ein auf gesunder
Grundlage gebildeter Techniker in jedem Falle, der ihm eine
bisher nicht geläufige Aufgabe darbietet, in schnellster und
vollkommenster Weise sich von dort Raths erholen kann
und erholen wird. Nach der negativen Seite bringt die Nö-
thiguug zu jener Art des Studiums, wenn sie ernstlieh ge-
nommen wird, einen Verlust an Zeit und eine Unterbrechung
in der für die Individualität der meisten Bauführer einzig
erfolgreichen und werth vollen Art der Weiterbildung in der
Praxis hervor, die nicht anders als schädlich wirken können.
Und zwar müssen sie um so schädlicher sich erweisen, je
grössere Bedeutung gerade diese ersten Jahre wirklichen
Schaffens für die Entwickelung des Technikers zu haben
pflegen; es bietet sich in dieser Hinsicht ein direktes Gegen-
stück zu der Anordnung des Elevenjahres, durch welches
umgekehrt die für ein elementares systematisches Studium
werthvollste und unersetzliche Zeit für eine werthlose Ein-
führung in die Praxis verschwendet wird.
Es sei übrigens bemerkt, dass diese Nöthigung an-
scheinend nicht sehr ernst aufgefasst wird und dass die
für die Organisatoren von 18G8 wohl maassgebende An-
nahme, dass ein besonderes Studium zum Zwecke der Bau-
meister-Prüfung nach Aufhebung der (mit voller Strenge
durchaus nicht durchfuhrbaren und sehr häutig umgangeneu)
Zwangsverpflichtung zu einem solchen grossen theils auch
freiwillig unternommen werden würde, eine irrige war. Die
beiden höheren akademischen Kurse der Bau - Akademie,
welche an Stelle des früheren Lehrgangs für künftige Bau-
meister getreten sind, veröden in schreckenerregender Weise,
nachdem die Mehrzahl der nach den alten Bestimmungen
geprüften Bauführer ihre obligatorische Studieuzeit absolvirt
hat und die neue Generation der Bauführer sich zur Prüfung
anschickt. Der Kursus für Land- und Schönban hält sich
in nothdürftiger Weise hauptsächlich durch Ausländer und
Privat-Architekten. Die Vorlesungen des Ingen ienrfachs zäh-
len neuerdings wenig mehr als ein Dutzend oder gar noch
unter einem Dutzend Zuhörer; ja es soll nahezu in Frage
den haben, ob das Kolleg im Eisenbahnbau — unter
heutigen Zeitverhältnissen vielleicht die wichtigste unter
allen auf der Akademie gehaltenen Vorlesungen nnd einem
als trefflichen Spezialisten dieses Gebiets bewährten Dozen-
ten anvertraut — im laufenden Semester überhaupt zu
Stande kommen werde! —
Obwohl dem vorher erörterten Momente eine Geltung
in absolutem Sinne beizumessen ist. da eine Disponirung
der praktischen und theoretischen, der Hülfs- und Fachstu-
dien, wie sie im Ausbildungsgange der Preussischen Baube-
amten vorhanden ist, wohl iu jedem Fache schädlich sein
möchte, so erlangt es seine eigentliche Bedeutung allerdings
erst durch das Hinzutreten des zweiten, für die Einrichtun-
gen der Preussischen Baumeister -Prüfung charakteristischen
Haupt-Moments — der Bestimmung, dass dieselbe gleichzei-
tig in beiden Richtungen des Baufachs, der Architektur und
dem Ingenieurwesen, abgelegt werden muss.
Wie schon früher erwähnt wurde, steht Preusscn mit
dieser Eigentümlichkeit allein unter allen Staaten Euro-
pas, welche eine derartige Vereinigung entweder niemal«
gekannt haben oder doch so einsichtig waren, sie wieder
aufzuhellen. Auch haben wir erwähnt, dass die seit Jahren
wachsende Agitation gegen diese Zwangsehe, welche sich
Studiums eingerichteten Lehrgänge für künftige Baumeister bei uns entwickelt hat, nicht selten so weit geht, dieselbe
noch Landschafts- und Figurenzeiehnen tigurirten! Ein dra- , als den einzigen Quell aller Mängel des Preussischen Staat s-
Digitized by Google
— 419 -
bauwesens, eine „Trennung der Fächer" hingegen als den
einfachen und sicheren Weg alles Heils zn bezeichnen. Wir
selbst sind zwar von jeher nicht unter den letzten Eiferern
für eine derartige Maassregel gewesen, doch glauben wir in
der vorangegangenen Kritik nachgewiesen zu haben, dass
sie eine derart ausschliessliche Bedeutung nicht besitzt.
Allerdings ist nicht zu verkennen, dass die bestehende Ein-
richtung, wie sie in der Baumeister- Prüfung sich geltend
macht, unter allen Misständcn im Ausbildungsgange des
l'reussischen Baubeamten von Jedem wohl am Drückend-
sten empfunden wird, so wie dass ihre Zwecklosigkeit und
Schädlichkeit am Offensten zu Tage liegen.
Wir mussten es billigen, dass eine Vereinigung beider
Fächer in dem ersten akademischen Studium der Bauhe-
amten stattfinde, da bei Antritt desselben die entsprechende
Begabung des Studirenden wohl nur selten klar zu erkennen
ist und da die Anforderungen des späteren Dienstes als Be-
amter allerdings eine gewisse minimale Durchschnittsbildung
nach beiden Richtungen wünschenswert» machen — endlich,
da die Grundlagen beider in der That nicht so wesentlich
verschieden sind. Nach zurückgelegtem akademischen Studium,
(wie es sein müsste, leider jedoch noch nicht ist), zum Min-
desten jedoch nach einer mehrjährigen Beschäftigung in der
Praxis wird umgekehrt von einer Unklarheit über die Fach-
richtung, zu welcher der Bauführer sich neigt und in wel-
cher er die erfolgreichste Entwicklung erwarten lässt, wohl
nur in seltenen Fällen noch die Rede sein können. Gegen-
über dem kolossalen Umfange, welchen das Gebiet des Bau-
wesens heute erreicht hat, und in einem Zeitalter, welches
seine grössten Erfolge durch eine verständige „Theilung der
Arbeit" erzielt, muss es nunmehr freilich als eine unbe-
greifliche Anomalie erscheinen, wenn man verlangt, dass die
Fortentwickclung des Bauführers sich trotxalledem auf beide
Richtungen erstrecken soll, wenn man ihn nöthigt eine Prü-
fuug für den Gesammt- Umfang des Faches zu bestehen.
Dass Einrichtungen, wie die der im Jahre 1855 organisirten
Baumeister-Prüfung, welche eine gleiche, und zwar die
höchste Ausbildung nach allen Richtungen hin voraus-
setzte und von dem qualitativen Ausfalle der Prüfung die
Anstellungsfähigkeit für bestimmte Amts-Grade abhangig
inachte, in unserem Jahrhundert überhaupt bestanden haben,
wird man nach einem oder wenigen Jahrzehnten vielleicht
zu bezweifeln geneigt sein.
Es bedarf heute bereits keines besonderen Beweises mehr
dafür, dass jene Forderungen etwas Unmögliches oder doch
nur für wenige seltene Geister Erreichbares anstrebten. Die
Ueberzeugung hiervon, welche bereits die neuen im Jahre
I8ti8 erlasseneu Bestimmungen beeiuflusst hat, ist seitdem
in überraschender Schnelligkeit vorgeschritten und wird
x ielleicht nur von einzelnen Idealisten nicht getheilt, welche,
um den Traum von der Möglichkeit eines solchen Ziels zu
retten, sich mit der allerbescheidensten Verwirklichung des-
selben zufrieden geben würden und bisher zufrieden gegeben
haben. Dass man den Studireuden des Baufachs die Fähig-
keit, das Gesamintgebiet ihres Fache» zu bewältigen, ab-
sprechen will, erscheint Manchem auch als eine Herabsetzung
derselben gegenüber den Vertretern anderer Fächer. Wir
erhielten kurz nach Beginn unserer Arbeit von Seiten eines
älteren Banbeamten, den wir wegen seiner im Kampfe gegen
das Unlautere bewährten Ueberzeugungstreue hoch verehren,
eine Zuschrift , in welcher dieses Moment betont und die
iS'othwendigkeit einer für alle Beamte des Bauwesens gleich-
mütigen Ausbildung durch die Analogie vertheidigt wnrde,
dass dies doch in allen ähnlichen Fächern der Fall sei —
trotzdem sich in der Jnstiz späterhin Kriminal- und Zivil-
Juristen, in der Medizin Aerzte für innere Krankheiten und
Operateure unterscheiden.
So wenig wir diese Analogie eiuer ausführlichen Wider-
legung für Werth halten, da wohl jeder Leser einsehen wird,
dass jene Unterschiede allerhöchstens den Nüancen innerhalb
der beiden Zweige unseres Faches entsprechen, so giebt sie
uns doch Veranlassung, ihr eine andere gegenüber zu stellen
und unsere Erörterung um ein Beweismittel zn verstärken,
dem trotz aller Mängel , an denen mehr oder weniger jede
Analogie leidet, an populärer Beweiskraft doch selten ein
anderes gleichkommt Anstatt die Jurisprudenz nnd die
Medizin ins Auge zu fassen, vergleiche man lieber die be-
züglichen Einrichtungen desjenigen Institutes, dem der Prenssi-
sche Staat von seinem Beginn bis zu der Gegenwart in erster
Linie den ihm unter den Völkern gezollten Ruhm verdaukt
— unserer Armee!
Die einzelnen Abtheilungen derselben : Infanterie, Kaval-
lerie, Artillerie und Iugenienrwesen greifen in einem Kriege
doch wohl noch ganz anders in einander, als es mit den
beiden Zweigen des Bauwesens der Fall ist Trotzdem ver-
langt man von einem Offizier durchaus nicht, dass er die
Theorie aller dieser Waffengattungen bis ins Einzelne stn-
dirt habe und sich einer Prüfung hierüber unterwerfe; man
bildet und prüft ihn vielmehr nur in einer einzigen Waf-
fengattung. Ebenso bemisst man die Anforderungen der
Prüfung nach Maa&sgabe der I.eistnngen eines Subaltern-Of-
fiziers und verlangt lediglich, dass der Aspirant den Dienst
eines solchen zu erfüllen im Stande sei; nicht aber zwingt
man ihn zu Studien und stellt ihm Aufgaben, wie sie von
einem Feldherrn gefordert werden. Man braucht sich, da
die Mehrzahl, welche leider nicht aus Genies besteht, der-
artigen Anforderungen selbstverständlich nur r nothdürftig u
genügen könnte, nicht mit der leidigen Illusion zu trösten,
dass solche verdorbene Feldherren für den subalternen Dieust
demnächst vielleicht doch noch gut genug sein würden,
sondern hat das Bewusslsein, die Offiziere für diesen Dienst
so gut als möglich ausgebildet zu haben. Wirkliche Ge-
nies und hervorragende Talente machen sich bald genug
von selbst bemerkbar; sie werden im Stande sein sich die
zur Lösung der höchsten militärischen Aufgaben erforderlichen
Kenntnisse der anderen Waffengattungen anzueignen, ohne
in jeder einzelnen ein bestimmtes Studium und eine beson-
dere Prüfung zu absolviren. Indem der Staat ihnen die Ge-
legenheit zu einer höheren Ausbildung, sowie die Aussicht
auf eine höhere Laufbahn eröffnet und sie demnächst ihren
Leistungen entsprechend verwendet, schafft er sich ans ihnen
in einfachster und zuverlässigster Weise das Material, das
er zur Lösung jener höheren militärischen Aufgaben bedarf.
Die Nutzanwcnduug, die sich ans dem Vergleich eines
solchen, den natürlichen Verhältnissen entsprechenden, in
seinen Erfolgen glänzend bewährten Systems für eine Kritik
der Einrichtungen im Ausbildungsgange der Preussischen
Baubeamten, speziell des S> stems der Baumeister-Prüfung
ergiebt, ist wohl so leicht, dass wir sie jedem Leser über-
lassen können. Sie dürfte nicht allein zu einer völligen
Verurtheilung der früheren Zustände, sondern darüber hin-
aus zu der Ueberzeugung leiten, dass auch die im Jahre 18G8
getroflenen und in diesem Jahre weiter ausgebildeten Bestim-
mungen das Rechte noch nicht getroffen haben. Es ist aller-
dings eine Erleichterung, dass es dem Bauführer freisteht,
mit Rücksicht auf seine hervorragendere Ausbildung in einer
der beiden Fachrichtungen sich einem strengeren Examen
nur in dieser zu unterwerfen, während in der anderen even-
tuell nur der ungeschmälerte Besitz der von einem guten
Bauführer zu fordernden Kenntnisse nachzuweisen ist, ohne
dass die durch eine solche Prüfung erlangte Qualifikation
beeinträchtigt würde. Aber c-s ist trotzalledcm doch nnr eine
halbe Maassregel, welche die Fehler im Prinzip durch Kon-
zessionen in der Ausführung zu beseitigen sucht, und sie
muss daher nothweudig an den Schwächen jeder Halbheit
leiden.
Es ist hier noch nicht der Ort. auf diese Frage in
vollem Umfange einzugehen. Die Beibehaltung des Prinzips
einer Vereinigung der Fächer bis zur Baumeister -Prüfung
ist in dem zuletzt bekannt gewordenen wichtigen Akten-
stücke, das mit anerkeunenswerther Offenheit Auskunft über
die bezügliche Ansicht der Regierung giebt, dem in No. 38
n. Ztg. mitgetheilten Antwortschreiben Sr. Exzellenz des Hrn.
Ministers Grafen von ltzenplitz an den Berliner Architekten-
Verein, trotz bereitwilliger Anerkennung der idealen Mängel
und Gefahren einer solchen Einrichtung durch dasBedürf-
niss der Verwaltung motivirt. Das Interesse der Staats-
verwaltung hat es hiernach angemessen erscheinen lassen,
dass die bisherige Vereinigung der Geschäfte für den Land-
bau, den Wegebau und ih n Wasserbau in der Hand von
Kreisbaumeistern beizubehalten sei, da diese Einrichtung
für die Bedürfnisse des Staatsdienstes als genügend und
dabei billiger als eine getrennte Verwaltung dieser Geschäfte
sich herausgestellt hat; jene Verbindung involvirt aber, dass
eine vollständige Trennung in der Fortbildung der Bau-
führer bis zum Baumeister- Examen nicht statthaft ist. —
Es wird daher unsere Sache sein, in den der Einrichtung
der Bauverwaltung und deren Reform gewidmeten folgenden
Abschnitten unserer Arbeit den Nachweis zu versuchen, dass
die Resultate der bisherigen Organisation dem Interesse der
Staatsverwaltung durchaus nicht in dem erwünschten Grade
i genügen, sowie dass Einrichtungen lieh treffen lassen,
welche die praktischen und finanziellen Vortheilt der bishe-
rigen theilen, ohne dem einzelnen Baubeamten die Leistung
| eines Universal -Genies zuzumuthen.
Wir können uns allerdings nicht versagen, hier daran
| aufmerksam zu machen, dass in dem jenem Schreiben bei-
; gefügten, gleichfalls in No. 38 uns. yftg. abgedruckten Er
, lasse des Herrn Handelsministers an die Technische Bau.
depntation vom 31. Mai 1872 die Unhaltbarkeit des bis-
Digitized by Google
herigen Systems bereit» eine indirekte Anerkennung erführt,
welche durch einige ergänzende Schlüsse unschwer dargelegt
werden kann. Denn wenn als zulässige Grenze des im Bau-
meister-Examen nachzuweisenden Wissens und Könnens in ,
einem der beiden Fachgebiet« betrachtet wird, dass der Kan-
didat die bei der Bauführer-Prüfung nachgewiesenen Kennt- |
nisse noch ungeschmälert besitzt, so lässt sich bei der qua-
litativ durchaus glciehmässigcn Mischung, in welcher die
Geschäfte ans den verschiedenen Fachgebieten in der Thiitig-
keit der meisten Baubeamten vereinigt sind, hieraus die ein-
fache Folgerung ableiten, dass die für das Bauführer-Examen
geforderten theoretischen Kenntnisse an sich znr Verwaltung
einer gewöhnlichen Baubeamten-Stelle ausreichen müssen.
Eine wiederholte Prüfung in diesen Kenntnissen ist alsdann
aber jedenfalls überflüssig; denn die Notwendigkeit einer
Kontrolle ülier den ungeschmälerten Besitz derselben wird
sich wohl schwerlich vertheidigeu lassen, oder sie müsste
mit demselben Rechte vou Zeit zu Zeit wahrend der ganzen
späteren Laufbahn des Beamten wiederholt werden, da
die Jahre des späteren Verwaltungsdienstes jenen Besitz
wohl ebenso gefährden, als die der Bauführer-Praxis.
Ueber die Schädlichkeit der den angehenden Preussischen
Baubeamten auferlegten Zwangsverpflichtung, eine universelle
Ausbildung im Bauwesen bis zu diesem Grade erstreben zu
müssen, kann wohl noch weniger ein Zweifel bestehen, als
über deren Zweeklosigkeit. Alle von uns bei Besprechung
des zuerst erwähnten Moments erwähnten alleemeinen Nach-
theile müssen hierdurch in verstärktem Maasse hervor-
gerufen werden, ja es liegt die entschiedene Gefahr vor,
dass eine in der Bauführer-Praxis mit Glück begonnene Ent-
wickelung nach der einen Fachrichtung durch diese aufge-
zwungene Unterbrechung und die mit jenern Zwange verbun-
dene grosse Abstumpfung in nicht wieder gut zu machender
Weise gehemmt und vernichtet wird. Es scheint uns dies
wenigstens eine sehr naheliegende Erklärung für die Thnt-
sache zu sein, dass viele Baumeister die Hoffnungen zu er-
füllen nicht mehr im Stande sind, zn welchen sie während
ihrer Bauführerzeit berechtigten. Auch in dieser Beziehung
verhehlt man sich in neuerer Zeit die Wahrheit nicht mehr,
so dass wir einer eingehenden Erörterung dieses Gesichts-
punktes überhoben sind und nur nachzuweisen haben, dass
jene Nachtheile durch die neueren Erleichterungen der Bau-
meister- Prüfung leider nur in ziemlich unwesentlicher Weise
gemildert worden sind.
Es kann nach der Lage der Dinge hierbei fast allein
die Erleichterung in Betreff des Umfangs der für die Bau-
. meisttr-Priifung zu bearbeitenden grösseren Aufgaben, also
eine kleine Minderung in der Quantität der zu leistenden
Arbeit und im Zeitaufw.mde, in Betracht gezogen werden.
Dass die zugesicherte Beanspruchung einer geringeren Quali-
tät der Leistungen eine Erleichterung der Anforderungen für
die Baumeister -Prüfung zu gewähren nicht im Stande ist,
dürfte wohl kaum in Frage kommen können. Denn nicht
einem Jeden ist der glückliche Leichtsinn gegeben, sich auf
die Nachsicht und Milde der Examinatoren zu verlassen, zu-
mal dieselben nur bei hervorragenderen Leistungen auf
einem Gebiete des Faches in Aussicht gestellt sind, während
es bei den, einen schalen Dilettantismus fördernden Einrich-
tungen des akademischen Stadiums doch schon als ein sehr
zufriedenstellender Erfolg betrachtet werden muss, wenn ein
Bauführer nach Beendigung seiner praktischen Thutigkeit
diesen Dilettantismus überwunden hat, ohne deshalb im
Mindesten anf wirklich hervorragende Leistungen in dem
von ihm erwählten Fachgebiete Anspruch erheben zu können.
Ks kommt dazu das deutsche Pflicht- und Ehrgefühl, das
bei allem Widerwillen gegen die schulmässige Behandlung,
welcher der Kandidat der Baumeister-Prüfung sich aussetzen
muss, es doch nicht auf sich nehmen mag, vor den Exami-
natoren als ein g»r zn nothdürftig bestandener Schüler da zn
stehen. So dürfte trotz jener scheinbaren Herabminderung
der Anforderungen weder der Umfang noch der Grad der für
die BaumeiMer-Prüfung erforderlichen Vorbereitung eine we-
sentliche Einschränkung erfahren haben! —
Ein Eingehen auf die Details der Prüfung wird diese
allgemeinen Betrachtungen ergänzen und zum Theil in ein
noch schärferes Licht setzen.
Dieselbe beginnt bekanntlich mit der Ertheilung zweier
Probe-Aufgaben, Entwürfen aus je einem der beiden Fach-
gebiete, die in häuslicher Arbeit und mit Gestattung aller
erforderlichen Hülfsmittel, ausschliesslich persönlicher Hilfs-
leistung von fremder Hand, zu lösen sind. Die hierfür üb-
lichen, selten vnriirten Programme, von denen manche an-
scheinend aus älterer Zeit stammen, nmfassten bisher zum
grosseren Theile die schwierigsten, umfangreichsten und
komplizirtestcn Aufgaben des Fachs: fürstliche Kesidenz-
schlCsser, Akademien nnd Universitäten, Pariamentshäuser,
Dome u. s. w. im Landbau — grössere Kanal- Hafen- oder
Eisenbahn -Anlagen, Brückenbauten u. s. w. im Ingenieur-
wesen. Sie erfordern, falls nicht etwa filtere Bearbeitungen
desselben Programms benutzt werden, meist ein besonderes
Vorstudium , zu welchem im Ingenieurwesen noch die sehr
erschwerende Noth wendigkeit tritt, zunächst eine ideale
Situation zn erfinden, welche den im Programm gestellten,
oft nicht eben gewöhnlichen Bedingungen entspricht.
Es ist zu einer, wohl nur von wenigen Bauführern
nicht befolgten Kegel geworden, der Bearbeitung dieser Auf-
gaben in Berlin obzuliegen, weil sie die erforderlichen Hülfs-
mittel, vor Allem in der Bibliothek des Architekten Vereins,
dort am Besten zur Hand haben, und es darf wohl gesagt
werden, dass die Meisten sich ihrer Arbeit mit einem
Fleiss nnd einer Gründlichkeit hingeben, welche der grössten
Anerkennung werth wären, falls sie nicht leider eine im
Wesentlichen zwecklose Zeitvergendung bezeichneten. In der
Anzahl, Behandlung und Ausstattung der Zeichnungen klingt
eiue Erinnerung an die zur Bauführer - Prüfung geleisteten
Pensumsblätter durch, in den Erlänterungsberichten werden
znm Theil grössere nnd gehaltvolle Abhandlungen geliefert.
Der Zeitaufwand znr Anfertigung der beiden Probe-Arbeiten
pflegte früher aber auch nie unter einem Jahr, bei besonders
gewissenhaften Naturen zuweilen sogar mehre Jahre zu be-
tragen.
Nichts liegt uns ferner als die Absicht eines Vorwurfs
oder Spottes gegen solche Gründlichkeit, in welcher zunächst
doch wiederum jener sittliche Emst nnd ienes Streben nach
solider Tüchtigkeit sich ausspricht, welche zu den besten
Eigenschaften unseres Volkes gehören," mögen sie immerhin
häufig den Schein der Schwerfälligkeit an sich tragen; anch
! steht wohl fest, dass es eben nur eine derartige Vertiefung
I in die Arbeit ist, welche Viele ein Interesse an derselben
gewinnen lfisst und ihnen den Trost gewährt, die darauf ver-
wendete Kraft nicht blos zum Zwecke leerer Formerfüllnng
angestrengt zu haben. Ohne eine gewisse Bereicherung sei-
nes Wissens nnd Könnens wird überhaupt wohl Niemand
der Ausarbeitung seiner Probearbeiten obliegen. Aber dasv
die Kolossalität dieser idealen Aufgaben prsten Banges mit
den Verhältnissen, welche die spätere Praxis der Baubeam-
ten darbietet, fast gar keinen Zusammenhang hat, noch mehr,
dass sie Anforderungen stellt, welche das individuelle Ver-
mögen und die Vorübung« der Meisten selbstständig zu er-
füllen überhaupt nicht im Stande ist — dass sie also zum
Kopiren und Nachahmen nötbigt, wo geschaffen werden
sollte, bringt es mit sich, dass der wirkliche nnd bleibende
Gewinn durchschnittlich doch nur ein sehr geringer ist, dass
nicht Wenige aus diesen unter unendlicher Mühe vollendeten
Arbeiten verhältnissmässig doch nicht mehr lernen, als sie
ein>t durch die auf Tonpapier getuschten Ornamentzeichnun-
gen im Bauführer-Kursus gelernt halten. Das ist ein Nutzen,
der dem Aufwände an Zeit und Geld wohl selten entspricht.
Und doch ist eiue solche Erwägung nur vom Standpunkte
der Studirenden zulässig. Vom Standpunkte des Staatsin-
teresses tritt hinzu, dass es sich hierbei überhaupt nicht um
Arbeiten schulmässiger Tendenz, sondern nm die Probe han-
delt, oh deren Verfasser den Anforderungen an einen Staats-
Baubeamten gewachsen sind; es dürfte alter wohl Keinem
zweifelhaft sein, dass Leistungen dieser Art hierfür nnr einen
sehr problematischen Anhalt geben können. Allerdings wird
eine höhere Ansicht von den Pflichten des Staates sich auch
zu der Frage berechtigt halten, ob es verantwortet werdpit
kann, dass eine solche Unsumme von Kraft, nnd zwar der
' Kraft Solcher, die nicht mehr Schüler, sondern bereits zu
werthvollen Leistungen befähigt sind, an der Lösung bedeu-
| tungsloser idealer Aufgaben sich anstrengt, während sie mit
} Leichtigkeit und unter besserer Erreichung des beabsichtig-
I ten Zweckes für den Staat nutzbar gemacht werden könnte
Wir haben hierbei wiederum zunächst die früheren Zn-
stände im Ange gehabt, welche seit 18G8 dadurch erleich-
I tert worden sind, dass ein Kandidat, welcher sich zu hervor-
ragenderen Leistungen auf einem der beiden Fachgebiete für
befähigt erklärt, nur in diesem eine umfangreiche, in dem
anderen aber eine leichtere Aufgabe erhalten soll. Wenn
wir recht berichtet worden sind, so soll anfänglich von einer
W irkung dieser Maassregel wenig mehr zu merken gewesen
sein, als dass der betreffende Kandidat in dem von ihm ge-
wählten Gebiete allerdings eine Arbeit umfangreichster Art
erhielt, während die ihm ertheilte zweite Arbeit sich an
Schwierigkeit denen Anderer, welche einen solchen Wnnscii
nicht ausgesprochen hatten, häufig genug gleichstellen konnte:
es bestand daher ein gewisses Misstraueu, jenen Weg zu I •
treten. Solche Vorkommnisse mögen vor Allem dadurch
ermöglicht worden sein, dass trotz jener Modifikation noch
Digitized by Google
421 —
immer zwei Aufgaben von zwei verschiedenen Examinatoren
erthci't wurden, während es wobl näher gelegen hätte, hier-
mit alsdann eine einzelne Persönlichkeit zu betrauen, ja
vielleicht statt zweier Aufgaben eine einzelne, entsprechend
gemischt« zu ertheilen. Nach dem neuesten Erlas* des
Ministers soll sich hingegen eine sehr entschiedene Wendung
zum Besseren vollzogen haben, so dass neben der einen
Hauptaufgabe die zweite oft nur im Umfange einer früheren
Klausur-Aufgabe ertheilt wird; man klagt nur darüber, dass
bei Zuweisung der Arbeiten die Individualität und praktische
Vorübung des Einzelnen so wenig berücksichtigt wird, so
dass z. Ii. ein Ingenieur, der lediglich im Eisenbahndienste
beschäftigt war und jedenfalls wieder zu demselbeu zurück-
kehren wiid, zu einer Darlegung seiner in der Praxis ge-
wonnenen Kenntnisse keine Gelegenheit findet, sondern sich
an einer Hafen- Anlage oder dergl. abmühen muss. — Für
eine wirkliche Besserung der Zustande ist jene Maassregel
trotxallcdcm nicht von durchgreifender Bedeutung, da der
Nachtheil, dass überhaupt so umfangreiche, rein akademische
Aufgaben gestellt werden und gelost werden müssen, nach
wie vor unverändert besteht, wenn er anch — in diesem
Falle quantitativ — gemildert ist.
Während der Anfertigung der Probearbeiten müssen die
Kandidaten selbstverständlich danach trachten, sich nebenbei
noch für die übrigen Anforderungen der- Prüfung vorzu-
bereiten.
Wir haben bereits im Voraus bemerkt, dass es mit dem
Studium, welches die Vorbereitung zur mündlichen Prüfung
bilden müsste, in Wirklichkeit nicht allzu ernst genommen
wird, und auf welchen Ursachen dies beruht Es sind wohl
lediglich die gewissenhaftesten Naturen, welche zu jenen
Zwecken ein Studium sich auferlegen, das mehr als die
schnellste und billigste Vorbereitung auf die Prüfung erstrebt.
Anstatt des akademischen Dozenten wird daher lieber der
„ Einpaucker 1 * in Anspruch genommen, der für mehr
Geld nm Vieles Weniger, aber dafür auch in möglichst kur-
zer Zeit und in einer für das Examen direkt verwendbaren
Form liefert. Es bestehen derartige nützliche und willkom-
mene Vermittler, welche auf Wunsch auch „technischen
Rath* bei Anfertigung der Probe- Arbeiten ertheilen, nicht
nur für das Fach der Mathematik, in welchem sie ihre
Thätigkeit mehr und mehr auf die Aspiranten der Bauführer-
Prüfung zn beschränken haben, sondern auch für fast sümtut-
liche Fachdisziplinen. Neben der hierdurch gewonnenen
Vorbereitung spielt der „Frngezettel* allerdings eine noch
wichtigere Rolle als bei der Bauführer-Prüfung.
Ebenso begegnen wir hier wiederum einer bereits bei
Gelegenheit jeuer besprochenen Institution, deu zur Einübung
auf die Klausur bestimmten „ Klausur -V ereinen"; in
Wirklichkeit ist dieselbe sogar für die Baumeister- Prüfung
erfunden und von hier nach dort übertragen worden.
Es lässt sich auch in der Thut nicht leugnen, dass die
Anforderungen der beim Baumeister-Examen üblichen Klausur,
und zwar vor Allem der in Betreff des Ingenictirwesens ver-
hängten, solche sind, dass sie ohne eine besondere Vorberei-
tung schwer, wenn nicht geradezu unmöglich zn lösen
sind, falls der glückliche Zufall nicht helfend eintritt. Ganz
abgesehen von der nach französischein Vorbilde eingeführten
Bedingung, dass von der Skizze, die am ersten Tage ge-
liefert wird, während der weiteren Mägigen Ausarbeitung nicht
abgewichen werden darf — gewiss eine grausame Nöthigung,
falls jene Skizze mangelhaft war — ist die Forderung, dass
eine solche Skizze ohne Anwendung von Hülfsmitteln inner-
halb eines Vormittags geliefert werden soll, an sich eine so
hochgeschraubte, dass sie mit absoluter Sicherheit wohl von
Niemand erfüllt werden kann. Während eine Aufgabe aus
dem Gebiete des Hochbaus immerhin auch dem Dilettanten
noch zugänglich ist, weil ihre Lösung so unendlich ver-
schiedene Modifikationen und Abstufungen des Werths ge-
stattet, setzt die konkrete und ziemlich eng begrenzte Thätig-
keit des Ingenieurs für jeden Fall eine Summe positiver
Kenntnisse und Erfahrungen voraus, die geradezu unentbehr-
lich sind, die aber wobl kein Ingenieur der ganzen Welt für
den ganzen ungeheuren Umfang seines Faches so
sicher im Kopfe hat, dass er über sie zn jeder Zeit gebieten
könnte. Und eine solche Anforderung stellt man an jnng«
Techniker und hat sie bisher sogar an solche gestellt, die
das Ingenieurwesen nur aus Vorträgen und Büchern, nicht
aber in Wirklichkeit kennen gelernt haben? —
Die einzige Möglichkeit ihr zu genügen, ist eben die.
dass die Aufgabe zufällig einem Gebiete angehört, das dein
Kandidaten geläufig, vielleicht sogar eine solche ist, die er
in anderer rorro schon gelöst hat. Diese Möglichkeit zur
annähernden Wahrscheinlichkeit zu gestalten, ist eben
der Zweck der Klansur- Vereine, deren Mitglieder in ange-
messener Vertheilnng alle Aufgaben, die bisher bei der
Prüfung vorgekommen sind, bearbeiten, durch gegenseitige
Kritik berichtigen und vervollkommnen und die so erlangten
Lösungen zum Zwecke eventueller Wiederverwendung sam-
meln. Ihre Thätigkeit in dieser Hinsicht ist von ,stannens-
werthen Erfolgen hegleitet; denn in Wirklichkeit kommt es
selten vor, dass eine Klausur-Arbeit misslingt. ja die Lei-
stungen, welche Einzelne bei dieser Gelegenheit entwickeln,
übertreffen Alles, was diesell>en Persönlichkeiten vor oder
nachher zu leisten vermochten! Wichtiger und verdienstli-
cher als diese Siege in dem traurigen Kampfe zwischen der
List und dem Zwange, über den wir um so lieber einen
Schleier decken, als wir mit der Taktik desselben nicht ver-
traut genng sind, erscheinen die Leistungen der Klausur-
Vereine in Betreff der durch jene gegenseitige Kritik gewon-
nenen Belehrung und Anregung ihrer einzelnen Mitglieder;
ja dieselben können in dieser Hinsicht wohl kaum hoch ge-
nug angeschlagen werden und stehen in ihrer nützlichen
Wirkung oft wohl um sehr viel höher, als der Gewinn,
den Viele ihren akademischen Studien verdanken. —
Ob hingegen der Gewinn, den der Staat durch dieses System
der Klausur- Arbeiten erzielt, dem Nachtheilo entspricht, von
dem die Folgen der dadurch geschaffenen Zustände unfehl-
bar begleitet sein müssen, darüber appelliren wir an die
Einsicht jedes Lesers. W ir halten den Nutzen derselben,
selbst wenn die Aufgaben auf ein sehr viel geringeres Maass
reduzirt und die Klausuren nur für je ein Fach vorgeschrie-
ben wurden, für sehr unbedeutend: ein niaassgebendes Urtheil
über die praktische Leistungsfähigkeit des Beamten kann
nicht durch eine solche Probe, die zur Anregung innerhalb
des akademischen Studiums und zur Prüfung der Erfolge
desselben angemessen sein mag, gewonnen v. erden, da er
innerhalb des Dienstes zu Leistungen unter ähnlichen Bedin-
gungen wohl kaum genöthigt werden wird. Der Nachtheil —
und jeder Einzelne, der durch diese harte Zeit gegangen ist,
wird ihn schwer empfunden haben — mag von einem gesunden
Sinne bald genug verwunden werden. Die Verantwortung
der bisherigen Zustände lallt jedenfalls nicht auf diejenigen,
die sich nach schwerster Ueberwindung zu dem Unvermeid-
lichen entschließen, solidem auf die, welche die Macht haben
sie abzustellen, aber mit sehenden Augen nicht sehen wollen
— um eine Form zn retten! —
Wir sind damit am Schlüsse unserer Erörterungen über
das System der Prenssischen Baumeister- Prüfung und zn-
eleich am Schlüsse unserer kritischen Würdiguug der gegen-
wärtigen Einrichtungen für den Au&bildungsgang der Prens-
sischen Staats-Banbeamten angelangt. Unser Urtheil über
denselben noch einmal in allgemeiner Form zusammenzu-
fassen, hallen wir für entbehrlich. Es ist ein solches so-
wohl in der Einleitung, die wir diesem Abschnitte unserer
Arbeit vorausschickten, enthalten, wie wir auf dasselbe noch
einmal zurückkommen müssen, wenn wir späterhin unsere,
mehrfach schon aus der Kritik hervorschimmernden Reform-
Vorschläge aufstellen werden.
(K«,U««ui B (IV) I-' ;
Mittheilungen aus Vereinen,
Architekten- Verein zn Berlin- Versammlung am 14. De-
zember 1872; Vorsitzender Hr. Strockert, anwesend 115 Mit-
glieder und fi Gäste.
Nach Erledigung der kleineren Geschäfts- Angelegenheiten
folsjt ein Vortrag von Hrn. H. Meyer über Bau und Betrieb
eines Aquariums. Dem Hrn. Vortragenden hat diu Revision
der Rechnungen über den Bau des biegigen Aquariums obgele-
gen und er int nach dem Tode des leider zu früh gestorbenen
Architekten desselben, W. Lüer aus Hannover, mit deu erfor-
derlich werdenden baulichen Veränderungen und Reparaturen
in dem Gebäude betraut gewesen. Er hat in dieser Stellung
Gelegenheit gehabt eine Reihe von Erfahrungen zu gewinnen,
die für ähnüche Anlagen, wie sie neuerdings an mehren Orten
In-
nusgeführt und prnjektirt
teresse sein dürften.
Nach einer Einleitung über die allgemeinen Gesichtspunkte,
nach welchen diu Anordnung derartiger Rauteu zu treffen ist,
würdigt der Redner zunächst in wanner Weise die Verdienste,
welche der geniale Erbauer des Berliner Aquariums sich durch
diese Schöpfung errungen hat.') Sie ist nächst dem in neuester
Zeit erstandenen Aquarium zu Brigthon nicht nur die grüsstc
unter allen demselben Zwecke dienenden Anstalten Europas,
■Andern wird von Fachmännern, welche die Einrichtung von
•> Bttrhirikniit: nM Abbildungen 4M Berlin« Aquiriltn»
Jahnr.ng IM» Mo. U u. M. (
Digitized by Google
— 422
Aquarien eingebend sfndirt haben, anbestritten auch als dieje-
nige anerkannt, in welcher die meisten originellen Ideen ver-
körpert sind uinl aus welcher d; her auch die beste Anregung
und Belehrung für Aulapen ähnlicher Art zu holen ist.
Wenn dies Verdienst um so hoher anzuschlagen ist, als es
zur Zeit, wo der Entwurf des Berliner Aquariunis entstand, an
Beispielen, aus denen der Erbauer sich Kalbs erholen konnte,
noch sehr fehlte, und als die Aufgabe auf einem Bauplätze und
unter Bedingungen gelost werden niussle. welche so uugünstig
wie nur möglich waren, so sind in Folge dieses Abgangs au Er-
fahrungen iu Betreff einiger technischen Momente der Ausfüh-
rung allerdings Einrichtungen getroffen worden, welche sich aU
mangelhaft herausgestellt haben und mittlerweile geändert wer-
ben mussteu. Speziell diese Momente sind es, auf welche der
llr. Vortragende näher eingeht.
Als ein solcher Mangel ist es zunächst zu bezeichnen, dass
bei der Verkleidung des aus einem festen Backsteinkern herge-
stellten konstruktiven Gerüstes mit natürlichen Steinen wohl
in Folget der Eile, mit welcher der Bau betrieben wurde, zu
viele Hohlräume belassen worden sind. Es hat dieser Umstand
dam Veranlassung gesehen, dass der Bau sich binnen wenigen
Monaten mich seiner Fertigstellung mit einer Masse von Unge-
ziefer, Hatten, Mäusen etc. anfüllte, welche — abgesehen von
anderen Ucbelstäuden — das Lebcu der iu ihm enthaltenen
Vögel ernstlich gefährdete. Die Ausfüllung der bezüglichen
Schlupflöcher, durch welche das Uehel »llnjälig beseitigt worden
ist, hat die Arbeit von ti geübten Maurern während ganzer 4
Monate erfordert! Auch wäre im Interesse etwa erforderlicher
Veränderungen vielleicht eine noch ausgedehntere Sicherung der
Mauerwerkskunstruktinucu durch eingelegte Eisen -Stützen und
Anker erwünscht gewesen.
Wesentlichen Veränderungen ist die Einrichtung der Bassins
für das zur Speisung der Aquarien dienende Wasser, des Hoh-
ronsystems und der einzelneu Behälter unterzogen worden.
Alle Wasserbassins sind sehr sorgfältig iu Katheunwer Stei-
gen und Zement gemauert, im lunern mit mehren Dachstein-
schichten in Zement bekleidet und demnächst noch asphaltirt
worden. Da eine permanente Bewegung des Wassers uuthweu-
dig ist, so war die Anlage von Hoch- und Tiefbussius erforder-
lich, zwischen denen das durch Daiiipfpumpcn bis zur Höhe der
erstercu gehobene Wasser, das unter bedeutendem Drucke und
unter »teter Mitfübrung von I.uft in die Behälter tritt, in be-
ständiger Zirkulation sich befindet. Ursprünglich wurde beab-
sichtigt, das Wussei für die Bassins der dem Mittelmeere, der
Nord-, und Ost sc; augehörigen Thiere je aus der natürlichen
Ouelle zu beziehen: es war daher incl. des Bassins für die
Siisswasserthiere die Anlage von vier Doppelbassins und eines
vierfachen Bohren-Systems erforderlich, was die Ausführung
selbstverständlich nicht allein verlheuerte, sondern auch in aus-
serordentlichem Maassc erschwerte.
Bei Eröffnung des Betriebes hatte man mit unerwarteten
Hindernissen zu kämpfen. Das in Fässern bezogene Original-
Seewasser, das schon bei der Ankunft ziemlich trübe war, ging
in den Bassins sehr bald iu eine dicke weisslichc Flüssigkeit
über; wenn dieser Umstand wohl nicht mit Unrecht der Ein-
wirkung des noch nicht ganz erhärteten ui.d abgebundenen Ze-
ments zugeschrieben werden konnte, so stellte sich der Bezug
von natürlichem Seewasser doch jedenfalls bald als zu kostspie-
lig heraus, so dass mau es mit der künstlichen Herstellung
desselben versuchte. Auch hierbei wurden längere Zeit hin-
durch nur unhefi iedigende Erfolge erzielt; das Wasser blieb
mehr oder weniger unklar, bis es endlich dem jetzigen Mitdi-
lektor des Aquai iums Chemikei Dr. Hermes glückte, das Pro-
blcm iu glänzender Weise zu loten, wählend gleichzeitig di r
erste Direktor Dr. Brehm die Entdeckung machte, dass die
bekannte Miesmuschel die Eigenschaft besitzt, getrübtes Wasser
hinueu kurzer Zeit wieder klar zu mürben- Von noch grösserer
Wichtigkeit für die Lauliche Einrichtung war jedoch die Erfah-
rung, dass es der Anwendung eines Wassers von verschiedener
rheinischer Zusammensetzung für die Thiere dir diei europäi-
schen Meere, nicht bedürfe, dass diese sich vielmehr in einem
und demselben künstlich hergestellten Wasser sehr gut halten.
Praktischen Nutzen von dieser Erfahrung hat mau gezogen,
als es sich vor Kurzem darum bandelte, das ganze System der
Wasser-Speisung einer Erneuerung zu unterwerfen. Der Salz-
cehalt des Wassers ist nämlich Veranlassung gewesen, dass iu
Jahreu de, Betriebes sowohl die sänimlliehcn eisernen Kohren
wie die Pumpen bis zur Grenze der Zerstörung augegriffen
worden sind. Die drei Seewasscr-Uoch-Bassins sind nunmehr
unter namhafter Erhöhung iu ein einziges zusammengezogen
wurden, was eine wesentliche Ersparung im Betriebe ergeben
hat. das Höhrensystem konnte selbstverständlich bedeutend ver-
einfacht werden. Statt der bisherigen Saug- und Druckpumpen
sind gleichzeitig Kreiselpumpen aus der Fabrik von Weben
zur Anwendung gekommen, während die Maschine von ö auf
l j Pferdekräfte verstärkt ist. Sowohl die Bohren wie alle Theilo
der Pumpen, welche mit dem Wasser in Berührung kommen,
sind mit einer Emaille -Schicht von 3 rai ° Stärke versehen wor-
deu und hat der Fabrikant öjährige Garantie für deren Halt-
barkeit übernommen. Die der Einwirkung de* Wassers am
Meisten ausgesetzten Injektoren, d. h. die in die einzelnen Be-
hälter hineinragenden Endstücke der Zuleitungsröhren sind von
I lartgummi hergestellt, das vom Sccwasaer gar nicht angegriffen
wird.
Bei den Behältern ist der am Meisten gefährdete Theil, der
i.in Sorgfältigsten zu sichern ist, die Glasplatte, welche densel-
ben nach dem Zuschauerraum hin abschliesst. Im Anfange sind
mehre derselben gesprungen, nicht allein weil man zum Theil
etwas zu dünnes Glas hierzu gewühlt hatte, sondern wohl mehr,
weil ihre Versetzung nicht sorgfältig genug geschehen war ; die-
selben ruhten in einem nur 26""" breiten, nicht ganz abgegliche-
nen Kitt-Falz Bei der Erneuerung sind stärkere Gläser ange-
wendet und diese mit 78 mm breitem Falz auf einer Filz-Einlage
versetzt worden.
Endlich sind die Einrichtungen der Heizung zu erwähnen.
Die von Ahl & Pnnsgen in Düsseldorf gelieferte Heisswasser-
i eziehun; swei.se Dampfheizung hat sich zwar im Allgemeinen
sehr gut bewährt, jedoch hat sich auch hier als ein Ucbelstand
herausgestellt, dass die Köhren sowohl in den Bassins der
Schildkröten und der Krokodile, wie in den Käfigen der Schlan-
gelt mit dem Wasser oder dem feuchten Sande in direkte Be-
rührung kamen, was gleichfalls zu ihrer totalen Zerstörung ge-
führt bat. In den erstgenannten Bassins ist die Einrichtung
dahin abgeändert worden, dass man direkt den abgelassenen
Dampf der Maschine in das Wasser führt, in den Schlangen-
kätigen ist das Röhrcnsystem in alter Weise erneuert, von dem
Sande des Fu&sborjens, den es erwärmen soll, jedoch durch eine
Eisenplattc geschieden worden, so dass es zeitweise nur einer
Ersetzung dieser bedarf. Dl M Äeser Aenderung ausser-
ordentliche Schwierigkeiten daraus ergaben, dass die zum vor-
deren Abschluss der Käfige dienendeu Glasplatten kaum aus
ihren Kähmen zu lösen waren, so ist die Einrichtung getroffen
worden, dass dies später nicht mehr erforderlich wird.
Nuchdem Hr. Meyer im Anschluss an diese Mittheilungen
noch auf einige spezielle Fragen nähere Auskunft gegeben hatte,
erfolgt die Beantwortung der im Fragekasten enthaltenen Zettel
durch die Hrn. Streclert, Ende und Lfimmcrhirt: der
letztere empfiehlt die neuerdings eingeführten Petroleum-Koch-
Apparatc, die sieb bei vorsichtiger Behandlung gut bewähren
sollen. — F. —
Versammlung am Sonnabend den 21. Dezember 1872. Vor-
sitzender Herr Quassowski, anwesend 86 Mitglieder und
S Gäste.
Der Herr Vorsitzende theilt mit, dass zur Konkurrenz um
die Preise beim Schiukelfest im Landbau G Arbeiten mit
71 Blättern, im Wasserbau 3 Arbeiten mit 28 Blättern einge-
gangen sind.
Die Herren Mackenthun und Nitschmann haben die
auf sie gefallene Wahl zur Kommission für einen Ball des Ar-
chitekten-Verein abgelehnt und werden die Herren Cornelius
und Knoblauch au ihrer Stelle eiutreten.
Der angemeldete Vortrag dos Hrn. E. H. Hoffmann findet
lllchl Statt uud wird in Folge dessen zur Beantwortung der ein-
gegangenen Fragen geschritten, von denen einige mit Hinweis
auf das Studium der üuellen abgethan werden können, während
einige andere Fragen Mittheilungcu von allgemeinerem Interesse
hervorrufen.
So giebt Herr Gill an, dass es nicht zweckmässig sei, die
Innenseite der umschliesswndeu Wandung eines offenen Filter-
bassins abzuböscheu, dass dieselbe vielmehr senkrecht sein
müsse, damit, weuu im Winter sich eine Eisdecke bildet, dieselbe
sich mit dem wechselnden Wasserstaude heben und senken
l mm S In zu empfehlen sei aber die Anlage überwölbter
Filterbassins. „
Hr. Köder theilt auf eine Anfrage mit, dass nach seinen
Notizen die durch den Zentralvereiu für Hebung der Deutschen
I' luss- unu
Kanalschiftahrt vereinbarten Maassc für Schiffe und
Kanäle folgende seien.
Breite der Schiffe G,.V\
Tauchuug der Kanalschiffe l,7. r >»,
Tiefe aller festen Schwellen durch die Kanäle resp. Ka-
naltiefe 2.5",
Nutzbare Schleusenlänge 57,5 "*,
Schleusenthorwcite 7",
Kaualsohlbreite (2 schiffig) IG™,
Kanalböschiingen 2fach,
Breite im Kanal-Wasserspiegel bei 2,5 ■ Tiefe, 26 ■
Lichtweite der Brücken über den Kanal einschl. LeinpfadlO",
licht höhe über dem Normal-Wasserspiegel 4,5 -,
. Brückenöffnung bei fester Waudbegrenzung 2= breiter alt
der Schiffskörper, also 6,5" -f- 2'» = 8,5
llr. Bacnsch beschreibt sodann in einem auf die Terrain-
verhältnisse eingehenden Vortrage und durch Skizzen an der
Tafel die Zerstörungen, welche die kürzlich stattgehabte Stunn-
Buth an der Ostseeküste und auf der Insel Rügen angerichtet
hat. Ohne Anschauung der Skizzen ist eine Wiedergabe dieser
interessanten Mittheiluugen nicht thunlich. S.
Vermischtes.
Die Zerstörungen der Sturmfluth vom 13. November
an der Bahnstrecke Mütaow-QreifBwald. Die Zeitung des
Vereins deutscher Eisenbahn-Verwaltungen giebt über die aus
politischen Zeitungen bereits im Allgemeinen bekannten Unfälle
an der Vorpommerschen Buhn einen Bericht des technischen
Direktors der Berlin-Stettiner Eisenbahn, Hrn. Geh. Brth. Stein,
dem wir Folgendes entnehmen.
Die Sturmfluth, von welcher ein grosser Theil der deutschen
Digitized by Google;
- 423 -
Ostseeküste am 12. und 13. November er. in so
Weise betroffen worden, ist auch für einen Tb eil der Vorpom-
nierschen Zweigbahn von den verderblichsten Folgen gewesen.
Nicht allein verunglückte der am 13. November von Stral-
sund abgelassen« Personenzug im Momente de« Passircns der
nahe vor Greifswald in Station 28,0!) über den Rykgraben füh-
renden Brücke mit eisernem Oberbau, iudem letztere nach den
heftigen Einwirkungen der Sturrnfluth der Erschütterung de*
Zuge» nachgab und unter demselben einstürzte, gondern es füll-
ten demnächst auch am frühen Morgen und im Laufe des Vor-
mittags des 13. November mit der weiteren rapiden Steigung
der im heftigsten Nordost-Sturme tobenden Fluth mehre Durch-
brüche des Bahndammes zwischen den 16,2.') K "> von einander
entfernten Stationen Greifswnld und Miltzow, resp. eine Ver-
rückung und Unterwaschung des Bahndammes au verschiedenen
Stellen. — Im Weiteren wurden die zur Vorpommerscheu Zweig-
bahn gehörigen Hafenbahnen zu Greifswald und Stralsund durch
die Sturmfluth beschädigt und zum Theil zerstört, in der Stral-
sunder Hafenbahn ist namentlich die gerade in Reparatur be-
findliche Holzbrücke von 188™ Länge fortgerissen; ferner wurden
die Telegraphen-Leitungen nicht nur auf" der Bahnstrecke Stral-
sund-Greifswald, sondern auch auf weiteren Strecken der Vor-
pommerschen Zweigbahn zum Theil arg beschädigt und dadurch
die telegraphischen Verbindungen unterbrochen, weiterer gcrio-
§crcr Schäden an den Bahnanlagen und Gebäuden nicht zu ge-
enken.
Was die Katastrophe bei der Brücke über den liykgrabcn
anlangt, so ist zu bemerken, dass die Rykbrücke von 11,30»
lichter Weite, welche tüchtig und solide erbaut war und bisher
keine Spuren des Verfalls gezeigt hatte — lediglich der unwi-
derstehlichen Einwirkung der Elemente hat weichen müssen,
wie denn überhaupt keinem der Beamten eine Schuld au dem
Unglücksfall beizumessen ist.
Niemals zuvor seit Jahrhunderten haben in dieser Gegend
die Elemente in solcher Entfesselung Menschen so arg bedroht
und menschliche Einrichtungen so arg verwüstet, wie dies am
12. und 13. November er." hier geschehen ist Der gewichene
Bahndamm hinter Grcifswald mit seiuer Umgebung von ange-
triebenen Balken, Brettern, Klafterholz, den allerlei Trümmern
von Hausgeräth und Sachen, gcwfihrte ein grauenerregendes
Bild der Verwüstung.
Die Lokomotive Fides des verunglückten Zuges lag diesseits
des Rykgrabcns — nach Greifswald zu — tief eingesuuken in
dem ausgeschwemmten, durchweichten Boden. Die 10 Wagen,
aus welchen der Zug zusammengesetzt, waren theils zur Seite
des gewicheneu Bahndämme« umgestürzt, theils — wie der Post-
wagen, der Packwagen und Eilgutwagen — kleinere oder grössere
Strecken (das Obergcstell des Packwagens sogar ca. 2K» weit;
vom Bahnkörper entfernt in das Wicseuthal fortgeführt worden,
wo ihnen augenblicklich des sumpfigen Untergrundes wegen
schwer beizukommen war. Das eiserne Untergestell des Pack-
wagens wurde im 7" tiefen Kolk des Rykgrabens in" der Nähe
der Brücke aufgefunden.
Was die Verwüstungen an dem Bahnkörper selbst anlangt,
so hatte sich die Stelle, wo die Rykbrücke gestanden, zu einem
grossen Durchbruch von 38» Weite und 7» Tiefe erweitert; von
5er Brücke selbst waren keine Theile mehr vorhanden, da diese
in die Tiefe gesunken oder weiter fortgeführt waren. Die sons-
tigen Zerstörungen, welcho in 5 Durchbrüchen, in Unterwaschung
der Geleise und Böschungen, Wegspülung von Schwellen etc. be-
standen, reichten bis hart an den Bahnhof Greifswald heran;
letzterer ist jedoch völlig intakt erhalten, er blieb bis zur Besei-
tigung der Störung Endstation.
Die Wiederherstellung des Bahnkörpers an den zerstörten
Stellen in einer möglichst Kurzen Frist erforderte selbstverständ-
lich energische Anstrengungen und es ist so schnell, als es nur
die Umstände gestatteten, hiermit vorgegangen worden. Zunächst
hatte der Abtbcilungs-Baumeister Busse 11 iu Greifswald bereits
ein Kommando von 80 Mann Jagern zur ersten Hülfeleistung
requirirt Auf Veranlassung des technischen Direktions Mitglie-
des, welches sofort auf die telegraphischc Meldung des Unglücks-
falls mit dem uSchsten Zug nach Greifswald geeilt war, traf dann
am 14. November aus Berlin ein Kommando des Königlichen
Eisenbahn-Bataillons von 3 Offizieren, 7 Unteroffizieren und 70
Mann ein und am 16. November 152 Arbeiter des Unternehmers
Büttner, welche vom Bau des 11. Geleises der Bahnstrecke
Angermündc-Stettin herbeigezogen wurden. Die Mannschaften
des Eisenbahn -Bataillons und diese Arbeiter arbeiteten unaus-
gesetzt mit Zuhülfenahme der Mittagsstunde an der Wiederher-
stellung des Bahnkörpers auf der Feldmark Greifswald, resp. an
dem Bau ei
Rykgraben.
Busse II.
Hülfeleistung beigegeben wurde. Die Wiederherstellung des an-
deren zerstörten TheÜB des Bahndammes auf der Feldmark Me-
sekenhagen wurde dem Baumeister Klehmet übertragen, unter
welchem ca. 600 Arbeiter (grösstenteils vom Bau der Berliner
Nordbahn herangezogen) beschäftigt waren.
Dio lleranschaffung des Bodens zu den Schüttungs-Arbciten
geschah mittels Arbeitszügen von Gioifswald resp. Miltzow aus.
Zu den Miltzower Arbeitszügen war nur eiue Lokomotive, welche
am 13. November in Stralsund in Reserve stoud, vorhanden und
gelang es, diese Lokomotive bis zur Widerherstclluug des Bahn-
körpers im betriebsfähigen Zustande zu erhalten, wovon die
DU Arteftarar Wiederherstellung des Bahnkörpers sind
so schnell gefördert worden, dass bereits am 3. Dezember er. die
Unterbrechung der Bahnlinie zwischen Greifswnld und Miltzow
gehoben wur und der Betrieb vollständig wiederhergestellt wer-
den konnte. Die Herstellung einer interimistischen Tolegraphen-
leitung auf den betreffenden Strecken ist bereits erfolgt. Die
Hafenbahnen zu Grcifswuld und Stralsund sind während der
Wiuterzeit für den Verkehr entbehrlich, an ihre Wiederherstel-
lung wird erst später zu denken sein. Au der Peene-Brücke bei
der Station Auklain hatten sieh, ebenfalls aus Anlas« jenes Na-
turereignisses, Untcrwaschuiiiieu gezeigt. Nach genauer Unter-
suchung und vorsichtigem Befahren, und nachdem durch An-
schüttungen und Stciiiparkuugeu die Brücke wieder gesichert
war, kouute dieselbe gefahrlos erklärt werden.
Nach überschlügiger Abschätzung wird der ganze, diu Vor-
pommersche Zweigbahn durch die Sturmfluth um 12. und 13. No-
vember betroffene Schaden auf ca. 2.'i0ü00 Thlr. zu veranschla-
gen sein.
ng des Bahnkörpers aul aer remmaru ureuswam, resp. an
Bau einer 38» langen Interimsbrücke über den erweiterten
raben, und zwar unter Leitung des Abthcilungs-Baumcisters
le II. und des Baumeisters Bruhn, welcher Letztere zur
Aus der Fachliteratur.
Zeitschrift für Bauwesen redig. v. O. Erbkam. Jahr-
gang 1872, Heft VIII bis JXL
A. Aus dem Gebiete des lugenieurwesens.
(Schill» ■<» So. 15).
!!. Studien aus dem Gebiete der Ostsee. Mittheilung,
des Geh Bauratli Baensch zu Berlin — Ks ist bekannt, dass
die Ostsee von den Erscheinungen der Fluth und Khbe in irgend
merklicher Weise; nicht abhängig ist: für den Seegang, die
Küstenströmungen uud die Wasserstände dieses Binnengewässers
wird also ausschliesslich fast nur das Luftmeer als bewegende
Kraft auftreten, uud alle jene wichtigen Erscheinungen, welche
die Umbildung der Küsten, dio Veränderung an den Häfen und
den Wechsel der Wassertiefen betreffen, können somit nur Re-
sultate der Luftbewegungeu sein. Der Verfasser, dem durch
seine amtliche Stellung Gelegenheit zu langjährigen eigenen
Beobachtungen dur Ostsccküsteu geboten worden, benutzt eine
zuverlässige, einen Zeitraum von 1.') Jahren umfassende, auf der
Lootsenst-ition Rügeuwaldertuünde uufgeuoniuieue Beobachtungs-
periode; gestützt auf die Dove'sche Theorie der Luftbeweguug
fasst er zunächst diese Beobachtungen über die Richtung und
Intensität der Winde in einem mittleren Jahre zusammen, um
sie alsdann mit denjenigen Jahren iu Vergleich zu bringen,
welche die grössten Abweichungen von dem gemittelten oder
normalen Jahre zeigen. Die eiuzelucu Monate des Norinaljahrcs,
wie der am meisten abweichenden Jahre werden gesondert In
Betracht gezogen, um daraus die Beziehung zwischen deu Jah-
reszeiten und der Richtung, sowie auch der Intensität des Win
des zu erkennen. Die enthaltenen Resultate werden zu den
Wasserständen, Küstenströmungen uud Wellenbewegungen der
Ostsee iu Beziehung gebracht uud endlich auch ciuigc Anwen-
dungen auf den Ufer- und Hafenbau au der Ostsee gezogen. —
Die Abhandlung erregt um so grösseres Interesse, als die ver-
nichtende Wirkuug der lierbststürme dieses Jahres darau mahnt,
wie wenig unsere gegenwärtigen Kenntnisse und Vorkchruugeu
für einen wirksamen Schutz der Ostsccküsteu noch genügen.
Es dürfte äusserst lehrreich sein, wenn der Herr Verfasser die
ausnahmsweisen Ergebnisse des Jahres 1872 noch nachträglich
zu dem Mitgctheilb'U in Beziehung brächte.
4. Die Jalomitza- und Tel eaga- Brücke der Galatz-
Bukarester Eisenbahn. Mittheiluug des Baumeisters
Ilaarbeck.
Nach einer allgemeinen Charakteristik der auf der bezeich
heten Bahnlinie zur Anwendung gekommeneu Brüekeu- Kon-
struktionen uud Fundirungeu, welche sich aus der Natur der
Flussläufe herleitet, werden zwei dieser Brücken, bei denen
Oeffuungeu bis zu 47 Meter Weite vorkonuneu, spezieller an
den beigegebeuen Spezialzeichuungen erläutert. Wir hebeu hier
nur die interessante Notiz hervor, dass deu Haupttlägern bei
4!)"' Stützweite eine Höhe von !».'i» zwischeu den Gur-
tungsquerschuitten, also ein PfeilverhülttiLss von nahezu V» ge-
geben ist. Bei Faehwcrksträgcrn möchte ein derartiges Höben-
Verhültuiss wohl kaum schon zur Auwenduug gekommen «eiu;
da sich iudessen bei der Lage der Fahrhahu in lialber Höhe der
Träger Gelegenheit zur Anordnung eines dreimaligen horizon-
talen Kreuzverbandes bot, zwei in der Ebene der Gurtungen,
der dritte in der Höhe der oberen Sehwellenträgerguitung lie-
gend, so Hess sich wenigstens eiue genügende Aussteifung des
Systemes leicht erzieleu; das Gewicht fiel dabei jedoch um etwa
4 Prozent höher aus, als es bei Brücken gleicher Spannweite
erfahruugsmässig beträgt.
.1. Aualytisch-graphischcKonstruktion derBrük
kengewölbe, vom Baurath Professor Dr. F. Heinzerling in
Aachen.
Die bereits in den vorigen Heften begonnene Abhandlung
wird in den gegenwärtigen zum Schlüsse geführt. Dieselbe
bildet die Fortsetzung des im IU. Juhrgauge enthaltenen Auf-
satzes .Die Bauwaage und ihre Ergebnisse für den Gewölbebau*.
— Wir möchten erwähnen, dass bei der gegenwärtig allseitigen
Bevorzugung der graphischen Statik der Herr Verfasser einige
Mühe finden wird, seiner hier vorgetragenen Auffassungswvtse
zu verschaffen. — Gr. —
Digitized by Google
- 424
Banwissenschaftlicha Litteratu*
Septembor bis Dezember 1872.
t, A., u, A. v. Raven, dio Baracken-Lazarethn dos Vereins
f. d. Reg.-Bez. Aachen im Kriege 1870 71. S. Aachen. 10!
Stampfer. C, theoret. u. prakt. Anleit
8. Wien.
Arendt, C, Sammluug ausgeführter Altäre. Kanzeln und soni
«er Kiichenroöbel im gothischen und roman. Stile. 3. Liefr.
Fol. Luxemburg. P/i Thlr.
Atlai kirchlicher Denkmäler des Mittelalterg im Österreich. Kai-
serstaat. 17., 18. Liefr Fol. Wien. I'A Thlr.
Baudenkmäler, die mittelalterlichen, Niedersachsens. 17. lieft.
Mit f. lith. Tfln. 4. Hannover. 1 Thlr.
Baudenkmale, mittelalterliche, au« Schwaben. Der Münster in
Tim- Beschrieben von ,1. von Egle, aufgen. und gez. von A.
Beyer und ('. Ricas. Fol. Stuttgart. U Thlr. IS Sgr.
Beb», W II., Treppenwerk. Nach den neuesten Ausführungen
mit besond. Kucksicht der Konstraktion bearb. 8. Mit Atlas
von 30 Taf. Weimar. 2 Thlr.
Beyer. J., Normal- und Zuschmal-Spur und die Fairlio-Lokomo;
tive. 8- Wien. 8 Sgr.
Bueebrnmo, B. B., Beitrüge 7ur Theorie der kombinlrtcn Gitter-
u. Hängebrücken. 8. Wien. 12 Sgr.
rj»:>i. C Anlage und Betrieb der Dampfkessel uach den Be-
stimmungen der Gawerbc- Ordnung vom 29. Juni 18G9. 8.
Berlin. 15 Sgr.
Dab, J., die Anwendung des Elektromagnetismus mit besoud-
Berücksichtigung der neuereu Telegraphie. 2. Aull. 1. Liefr.
8. Berlin. 1*. Thlr.
Entwürfe, architektonische, aus dem Atelier des Prof. IL Nicolai
in Dresden. 3. u. 4. Liefr. Fol. Berlin. Jede Liefr. 2 Thlr.
Galle, L., Katechismus der elektrischen Telegraphie. 5. Aufl.
bearb. von K. K Zctische. Mit 22G Abbild. 8. Leipzig.
24 Sgr.
Oräf, A-, der innere Ausbau der Kirchen in 1 ischlcrarbeit, so-
wie Kirchenmöbel und Kirehengerüthe nach den verschied.
Kirchenstilen. 3. Liefr. mit 42 Modellen in natürl. Grösse.
Fol. Weimar. 7V| Thlr.
Händel, E.. die Schablonen -Malerei des Mittelalters. Vorlagen
in wirklicher Grösse mit Berücksichtigung des Bedürfnisses
der Anwendung iu der Gegenwart. 25 Taf. Fol. Weimar.
tft Thlr.
Haseler, K- D., I lms Kunstgeschichte im Mittelalter. 4. Stutt-
gart. 2«, Thlr.
Heider, E. von, der Bau der schiefen Brücke über den Sanufluss
bei Steinbruck f. d. südl. Staatseisenbahn Wien - Triebt. 4-
(Jraz. 2 Thlr.
Heyn«. W., das Traciren von Eisenbahnen. 4. Aufl. 8. Mit Atl.
in Fol. Wien. 4", Thlr.
Bitttakoftr, das Entwerfen der Gesimse. 4. Leipzig 4'', Tlilr.
Hoider, O., Vorlegeblätter für technisches Freihandzeichnen an
gewerbl. Fortbildungsschulen. Arbeiten der Schlosser, Schmiede
etc. 2. Abth. mit 22 Taf. iu Farbendr. Fol. Stuttgart. 4% Thlr.
Kartimbe im Jahro 1870. Baugcschichtlichc u. ingeuieurwissen-
schaftlicbe Miltheiluugeu. Mit Holzschn. 8. Karlsruhe.
1 Thlr. 24 Sgr.
Keipciy. A.. Bericht über dio Fortschritte der Eisenhütten-Tech-
nik im Jahro ISG'J. 8. Leipzig. 4' 's Thlr.
Kolbe, 11., das chemische Laboratorium der Universität Leipzig.
8. Braunschweig. 6 Thlr.
Kokett, K. Flächentafeln zur Kubaturberechnung bei Eisenbahn-
Projekten. 4. Wien. 20 Sgr.
Krane, F. X-, die christliche Kunst in ihren frühesten Anfängen.
8. Leipzig. 1»., Thlr.
Lfibke, W., Geschichte der deuUchen Renaissance. 3. Abth. 8.
Stuttgart. 2 Thlr. Iii Sgr.
Meyn, L., der Asphalt und seine Bedeutung für den Strasseubau
grosser Städte. 8. Halle. 12 Sgr.
Mothee, 0., illustrirtes Baulexikon. 3. Aufl. In Heften a 5 Sgr.
Mueeum der modernen Kuustiudustric. Mustersammlung von her-
vorragenden Gegenständen der letzten Weltausstellungen
von Paris und London. Mit 2000 Holzschn. 4. Leipzig.
4 thlr.
Oppert, F., Hospitäler und Woblthätigkeits- Anstalten. Mit fiü
Abbild. 8- Hamburg. 4 Thlr.
R.. Bau und Ausrüstung der Eisenbahnen. 8. Stuttgart.
2 Thlr.
bar, R. , Beiträge zur Kenntnis» der Architektur des
Mittelalters in Deutschland. 1. Abth. 1. u. 2. Heft mit je
<; Taf. Fol. Karlsruhe. Jedes Heft 1 Thlr.
Reich», U. von, Anlage uud Betrieb der Dampfkessel. 8. Leipzig.
2 Thlr.
Richter, J. P., christliche Architektur und Plastik in Rom vor
Konstantin dem Grossen. 8. Jena. 10 Sgr.
Ritter, A., elementare Theorie eiserner Dach- und Brücken-Kon-
struktionen. 3. Aufl. 8. Hannover. 3 Thlr.
HU, T., über provisorische Fcldspitalsanlagen. 8. Mit Atlas
von 27 Taf. Wien. 2 Thlr. 4 Sgr.
Bcherowiky, C. und L. Seifert, Tabellen zur Gewichtsberechnuug
von Walzeisen und Eisenkonstruktionen. 8. Ilagen. 24 Sgr.
Schinkel, K. F.. Sammlung architektonischer Entwürfe. Auswahl.
80 Kupfertaf. in Fol. mit Text. Berlin. Geb. 26'/, Thlr.
nitt, E. , Vorträge über Bahnhöfe und Hochbauten auf Loko-
motiv-Eisenbahnen. 1. Theil. 1. Lief. 4- Leipzig. 3 Thlr.
J. L., Danzig und seine Bauwerke. 54 Kupfertafeln in
Fol. mit Text. 2. Ausgab?. Berlin. Mfe Thlr.
Nivelllren. 7. Aufl.
2 Thlr.
Villen, Wohnhäuser und öffentliche Gebäude in Berlin, Potsdam
und Umgebungen. Photographien nach der Natur von M.
Panckow. 1. Sammlung. Fol. Berlin. 3 Thlr.
Waid), F., Handbuch über Administration und Leitung des Zug-
förderungs- und Werkstätten -Diensten bei Eisenbahnen. 4.
Wien. 2«/i Thlr.
Weber, M. M. von, diu Praxis des Baues u. Betriebes der Seknn-
därbabneu mit normaler u. schmaler Spur. 2. Aufl. 8. Wei-
mar. 1 Thlr.
Weher, M. M. von, die Schule des Eisenbahnwesens. 3. Aufl.
bearb. von E. Schmitt. Mit 13C Abbild. 8. Leipzig. 2 Thlr.
Winkler, E-, Vorträge über Eisenbabubau. 2. Heft. Weichen u.
Kreuzungen. 2. Liefr. 8. Prag. 1 Thlr. 2 Sgr.
WinUer, E., der Brückenbau. Theorie der Brücken. 1. Heft.
2. Liefr. 8. Wien. 2 Thlr.
Woltmann, A., die Bau geschiente Berlins bis auf die Gegenwart.
Mit Holzschn.-Abbild. 8. Berlin. 2',, Thlr.
Zahn, A. von, Musterbuch für häusliche Kunstarbeiten. 3. Abtb.
Fol. Leipzig. 4 Thlr.
Personal • Nachrichten.
Prcussen.
Ernannt: der Baumeister Jneckel zu Stralsund zum
Kreisbaumeister in Berent. Der Kreisbaumeister Freund in
Jüterbog zum Bau -Inspektor zu Stargard i. Pom. Der Bau-
meister Harhausen in Minden zum Kreisbaumeister daselbst.
Der Baumeister Middeldorf in Aachen zum Landbaumeister
bei der KOnicl. Regierung in Arnsberg. Der Bau-Koroissar
Engelhard iu Orb zum Kreisbaumeister in Gersfeld.
Versetzt: der Krcisbaumeister Fromm zu Berent nach
Neustadt i. Westpr-
Die Baumeister-Prüfung haben am 11. und 14- De-
zember er. abgelegt: der Bauführer Ewald Bertucb aus Pa-
sewalk; der Bauführer und Feldmesser Alfred Di 1 1 mar aus
Potsdam; der Bauführer Theodor Rothe aus Lusch (Kgr. Böhm.)
Am 18. u. 21. Dezember. Eugen Froehlich aus Keppur-
lauken bei Insterburg. Hermann Kiene aus Einbeck.
Die Bauführer-Prüfung haben bestanden am 9. 10. u.
11. Dezember er: Heinrich Bona t aus Tilsit; Max Anderson
aus Köpenick; Richard Kux aus Halberstadt- Gflttfr. Knoche
aus Herford. Am Iii., 17. u. 18. Dezember. Carl Friedrich
August Köhtio am Neustettin; Friedrich Wilhelm II offmann
aus Potsdam; Hermann Au ff ermann aus Dortmund; Gustav
Henning aus Gelnhausen.
Brief- und Fragekasten.
Berichtigung. In dem Artikel .Ein Instrument für Ei-
seubabnvorarbeiteu" muss es heissen;
.die grössten Abstände vom Instrument betrugen
meistens etwa 250 m " statt wenigstens etwa;
ferner: .Etcpression" statt Degressiou.
Hrn. W. in Z. Als mustergültig zu erachtende Gerichts -
gebäude für die rheinische Rechtspflege sind innerhalb des
Preussischen Staates in neuerer Zeit zu Bonn und Düsseldorf er-
baut worden. Die Pläne für ersteres sind bekanntlich vor eini-
geu Jahren durch die .Zeitschrift für Bauwesen* veröffentlicht.
Gegenwärtig ist ein ähnliches Gebäude, welches der vom Justiz-
Miuister Leonhard beabsichtigten Reorganisation des preussischen
Justizwcseus entsprechen soll, zu Altona in der Ausführung be-
griffen und werden für 1873 dergleichen Bauten in Posen und
Hechin^eu vorbereitet. Für die letztgenannten 3 Städte sind die
Grundrisse von dem Geheimen Ober-Baurath Herrmann entwor-
fen worden.
Hrn. E. in Kaiserslautern. Wir bedauern unter Hin-
weis auf unsero Ihnen brieflich mitgetheilten Gründe Ihren
Wunsch nach einer Berichtigung wiederholt ablehnen zu
müssen. So gern wir eine solche eintreten lassen, falls wir etwas
Irriges und Ungenaues angegeben haben, so liegt die Sache hier
doch so, dass die vorwiegend in Ihrem geschäftlichen In-
teresse erwünschte Ergänzung einer an und für sich durchaus
korrekten Antrabe, die wir bei wieder vorkommender Gelegen-
heit zu modifiziren uns gern bereit erklärt haben, nicht in den
redaktionellen sondern in den Inseraten -Theil unseres Blattes
gehört.
Langjähriger Abonnent. Das Mycothanason zur Ver-
treibung des Uaüs-, Holz- und Maucrsrhwanimc* und als Prfi-
servativmittel gegen Bildung desselben ist uns nicht bekannt. —
Es giebt der Mittel, den Mauerschwamm augenblicklich zu töd-
ten, viele und kann dazu jede Substauz gewählt werden, die or-
ganisches Leben überhaupt zerstört. Hiermit ist aber nicht viel
gewonnen. Die Hauptsache bleibt immer — und dies hat auch die
bez. Diskussiou in der letzten Wander -Versammlung zu Karls-
ruhe bestätigt — dass hinreichende Ventilation vorhanden, indem
so die Bildung des qu. Schwammen verhütet und da, wo der-
selbe sich bereits zeigt, seine Weitereutwickclung unterdrückt
wird, nachdem man denselben vorher soviel als möglich durch
mechanische Mittel beseitigt hat. Bezüglich eines Vereins für
Beschickung der Welt- '
»l..i.i..WUr Wl» C«r. -tili, U>
... «ekreOer rieten la i
Digitized by Google
in
321 01 076Ö39427
Digitized by Google