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Full text of "Mitteilungen der Geographischen Gesellschaft in Hamburg"

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Mitteilungen der Geographischen 
Gesellschaft in Hamburg 

Geographische Gesellschaft in Hamburg 





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Digiti:' i:^'-' < -'OügI(! 



ITTHEILÜNGEN 



Geograpfali in H 




Bund XVIll. 



Im Auftiago te Yorstanto Imiisgegebeii 



Dr. L. FriederichseD, 
Entern Sekvetlr. 



Mit einer Origin&l-Boatenkarte in 2 Blättern npct 17 Aatatypi^;^. .. 

nach Originai-Fhotograplüea. *'.••••••!••!•**••:•%: 



HAMBUne. 

L FriederiohMn & Co., 
(Enlute: Dr. L» Frledericb«eii> 

Land» und Seekartenhandlung, 

geogrephitdiar uml ntvlltclicr Varlag. 

Neuerwall 61. 



1902. 



• 

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• •••*•• • 
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Mit 



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Im Auftrage des Toretandea beraasgegeben 

Dr. Jj. Priederichsen, 

Erstem Sekret&r. 



einer Original-Eoutenkarte in 2 Blättern und 17 Autotypien 
nach Oiigiiml-Photographien. 



HAMBURG. 

L. Friederichsen & Co., 

(Inbal>er: Dr. L. Fri o«] (m- i n\ 

Land- and Seekartenha adlung, 
gMgrapbiKlMr und nauAlteher Verlag. 

Nenerwall 61. 
1002. 



Alle HcclUo vorl>elinUeu. 



Digitized by GüügU 



Inhaltsverzeichniss. 



Seit«: 

1. nsalMr, TkevbaM, Prof. Dr.: ■•Im Mtto F<rMNi|«reln in AtbM- 

Vtriaatft m MtnklM \m Jahr« 1901 1—199 

8. FrMriehBen, Max, Dr.: Relsebrlefb aus RatalBob CentraKAalea 200—267 

8. Frtoderiohsen, Max, Dr.: Sttiaagakerielrte vom 1. Januar 1901 bis 

fi^ Juni 1902 268 310 

Mitglieder- Verzeiclmiss Ende 1901 311— 31Ö 

Karten. 

Reisewege im Atlas-Voriande von Marokko. Autgeaonimen und gezeichnet von 
Prof. Dr. Theobald Fisoher im Frahjahr l'.K)l, in 2 Blättern. 

Text- Abbildungen. 

17 Autotypien betr. Muiukkauitsche Orte und LandBcbaftcu nach Original- 
Pkotographien. 



^: 4 7996 



* 



Meine dritte Forschungsreise 

im 

Atlas ^Verlande von Marokko 

im Jahre 1901. 
Von 

Theobald Pischen 



Inhalt. 



Seile 

1. Einleitung 1— B 

2. KeisebeKlf itmipT um! AusnL'^tun)^^ 6- ■ 8 

'6. Durch Algerien nach Oran und Iftiiga der Rlf-Kflste nach Tanger. . }) 18 

4. I^ngs der atlantischen Küste nach Mogador 20 

5. Aufontlialt in Mogador. AugrQstung der Karawane 20— 2fi 

6. Lage und Han«lel von Mogador 20 -41 

7. l>ie Uni).'ebiing von Mfij^'ador 41 4t 

8. AYn-el-Hadschar 45— 53 

9. Durch Sclu'dma uml Aliinar zum Zynia-t>ee r)4 74 

10. Vom y.yrmwSee nach !Srtfti 74—82 

11. Die Stadt Saffi .H.{ i^', 

12. Von Safli (hm h Abda nii.i Dukalia zur IJni-er Rhia. Marokkaidsrlift 

Zelte H(l-l(^t 

13. Bu el Awan 104 -li:4 

14. I^ngs der Morbeya von Bu-el-Awän hin zur MOndung. Mheula. 

Von Mheula nach Azemur 113-121 

15. Agernur 122 -124 

16. Von Aüemur nach Settat. Die Klippengflge von Al'n el Djeniaa. Die 

obere Stnfe von Sphauia. Settat 124 131 

17. Von 8iHtat nach CaHablatu'a. Dar Ber Resohid. Von i'ar Rrr 

ReKchid nach Mediuna. Mediuna. Von M(>diuiia nach Cawablanca 131—139 

18. CasablamA und sein Handel 13i> - 149 

19. Die marokkanische Schwarzerde 149 — ir>9 

20. Das marokkani.'-che Srhutzwesen 159— 1G4 

21. Die Verkehrsverlililinisso v^n Marokko. Ei.'jenbahnhauten H)5 17.'> 

22. nputsclie Betliüti|.'ung in .Marokko. Zukunft des Lande*< 173 -183 

23. Kliniat.il..uiHclio;^ 183—187 

24. ZusaninnünfatiM cndfl Skizz« dar d urchreisten Landschaften 188—197 

25. Barometische HOhenmessungen, l>erechnet von Karl Mttller 197— lt>9 



Abbildungen; 

1. Mogador, Sftd westecke der Stadt. (Stran«l hei Ebbe) . . ... 27 

2. .\rgan und Heiligengrab von AYn-el-Hadschar 49 

3. Duar Alt el Gniii des Schechs von .AYn-el-Hadschar... TiO 

4. Zauia Sidi Ali Muiischu in .S<-hedMia 4»5 



Seile 

5. Argan Hain in Schedma . . . . 50 

6. Tlial deB WeJ Mramer und Marktplatz 

7. Steile Thalwand nahe der Mflnduiig des Hcliischana in den Tenwift H7 

8. MOmlung dea SchiMchaua iu den Tenaift 68 

H. Sult;iii8palit8t von »Safti 84 

10. Kastel 1 Hu cl Awä» an der Mortteya 107 

11. Au8 i\vu liuineii vnn Ru el-Awän .. . . 108 

12. Mfschra M^eni iler Morbeva. SchlancbflosH (Madia) IKi 

13. Pflüt^Tfr vtin Schauia 137 

14. HafiMilnuiit von Casalilaiica . . . . . , . . . . 143 

15. Abrasiona-TerrasHO von Casablanca 144 

16. Ahm-sions Tornt8!^e von Casablanni . . Ufi 

17. Krosioii^tlial der Murbeya im Tafellaiul i>lKTlialb Mlieulu . . . . 1% 



Reisewege im Atlaa-Vorlande von Marokko. Aufgenommen und ^ezeirbnet von 
Prof. Dr. Theobald Fischer im Frühjahr 1901. 2 lUätter. Maass 
Htab 1 : 300000. Mit Spoi-ialkarte von Mo^adAr bit< Aiu-el Ha<iHchar im 
Manssstabe von 1 : IQOOX) niid mit oinom l'laii von Mogador im Maaww- 
stiilx- vtiu 1 : KMKKK 



1. Einleitung 



Als ieh im Jani 1899 yod radner «weiten marokkaniscben 
Fonebnngsreiae mrflckkebrte, stand bereits bei mir der Entseblnss 

fest, baldmöglichst dortbin snrfteimikebren, nm diese Forscbnngen sn 
einem gewissen Abscblnsse zu bringen bezw. den Versuch zn machen, 
nen aufgetauchte Fragen zu lösen. Sobald die Bearbeitung des auf 

dieser Reise ^sammelten Beobachf nngsstoffes im Sommer 1900 znm 
Abschlnpse gelangt war'), trat icli sofoit der Frage einer neuen, 
1pt7tt n J(eisp luilier. Ein Oesuoh, welches ich unter Vorleq:in)? eines 
Keisepiane> behufs Erlangung der nöthigen Mittel an die Geugiaplüsi-iie 
Gesellschaft zu Hamburg richtete, fand das liebenswürdigste Entgegen- 
kommen, die Gesellschaft bewilligte mir den Betrag, der mir nach 
den froheren Erfahrungen zur Durchführung der Reise erforderlich 
sebien, indem icb meinerseits micb verpflicbtete, die Beise im Anftrage 
der Gesellschaft anssafllbren und den gesammten Beobachtnngsstoff 
nebst der Karte des Beisewegs der Gesellsebaft zur Veröffentlichung 
in ihren Mittheilungen boldmiSglicbst dmckfartig zur Verfügung zu 
stellen. Die Reise sollte in der Weise ausgefshrt weitlen, dass die 
Monate März und April ganz, vom Februar und Mai soviel als zur 
Hin- und Heimreise, zur Organisation und Wiederauflösung der 
Karawane nöthig war, also reichlich 3 Monate anf dieselbe verwendet 
würden. Als dif> Vorbereitungen bereits im Gange und die Al)reise 
auf die zweite Hallte des Februar leslgesetzt war, erkrankte icli au 
einem bald chi-oniscli werdenden Broncliialkatarrh, der als eine Nach- 
wirkung einer im vergangenen Frübjalir überstandenen schweren 
Influenza aufgefasät wurde. Da mir die Aerzte t iethen, dem deutschen 
Winter Heber ans dem Wege zu gehen, aber mit der Dnrchftbrung 
der Beise bei dem fttr dei'artige Leiden als besonders günstig 

') Veröfftnllicht nntcr dem Titel : „Wissenschaftliche Erjjcbnissc einer Forschungsreise 
im Atlas- Vorknde von Marokko im Frühling 1899. £rgätuung!>heft No. 133 zn 
Petennaon'ä Mittbeilungen, Gotha 1900" und „Studien sor Klimatologie von Marokko. 
Zcitadiifft dw Gm» ftr Efdlmnde in Berlin, Bd. 3S> B«riin 1900". 

lUllMliuiiMi JCVlll, VfteoUld IflMhw. 1 



2 



geltenden warmen uikI trorV-pnen Klima vo!i >farokko einverstanden 
waren, so trat \d\ dieselbe ?;chon am 17. Jauiiav nri. um die Zeit, die 
ich iKtHit^edninf^en meiner Lehrthätigkeil eutzielien musste, wenigstens 
der W issensciiaft zu Gute kommen zu lassen. Ueber Algier reisend, 
wo ich eine kurze Zwischenstation machte, landete ich bereits am 
11. Februar in Mogador. Nach Durchführung der Reise schiffte ich 
mich am 29. April in Tanger Aber Gibraltar nach Marseille ein; 
nach einer Zwischenstation in Montreux langte ich am 24. Mai wieder 
In Marbnig an. Die Beise hat sich also auf nahezu 4V« Monate aas- 
gedehnt, von denen allerdings nur 3 Vi nutzbringend verwendet 
werden konnten. Leider war aber das Wetter in der zweiten Hftlfte * 
des Winters nnd im Frühling des Jahres 1901 auch in Marokko so 
ungünstig, dass sich unter Mitwirkung der nicht zn vermeidenden 
Anstrengungen nnd Entbehrungen mein Ge.«;nndlieitszustand stetig 
verschlechterte und die Aerzte bei der Heimkehr eine schwere 
Erkrankung der Lnnge festste!! tm. die die Fertigstellung dieses 
Reiseberichts zu meinem grossen Bedauern so lange verzögert hat, da 
ich neun Monate gänzlich arbeitsunfähig war und es auch jetzt, nach 
einem Jahre, noch zum Theil bin. 

Trotz dieser ungünstigen Verhältnisse, die zuweilen eine gewisse 
Selbstverleugnung nnd einige Thatkraft erforderten, habe ich die Reise 
im Wesentlichen durchgeführt wie sie geplant war, soweit nicht andere 
ürosUlnde hinderten. Es galt diesmal vor Allem der Erforschung 
der durch eine Decke von Schwarzerde, die ich auf der letzten Reise 
nachgewiesen nnd nach ihrer Entstehung zu erklären versucht hatte, 
flberans fruchtl nien Küstenprovinzen Abda, Dakkala und Schauia. 
Diese Aufgabe glaube ich, soweit es bei einer derartigen Reise 
überhaupt möglich i.^t. ganz gelöst zu haben, indem ich jede der drei 
Provinzen je einmal aus dem Innern zur Küste und umgekehit 
gequrit habe. Es galt ferner der Erforschung des letzten noch 
unbekciiinten TiRufstücks der Um-er-Rbia von Meschra esch Schaer 
abwärts, wo icli 1899 den FIuss hatte verlassen müssen. Auch dies 
Ziel ist im Wesentlichen erreicht worden, wenn es auch nicht 
möglich war dem Strome, wie näher dargelegt werden wird, allen- 
thalben nnmittelbar zu folgen. Die Geländesehwierigkeiten sind so 
grosse, dass die Aufgabe selbst f&r einen rttstigen Kletterer nicht 
leicht wäre. Um diese Schwierigkeiten und den Charakter des 
Stromlaufs auf dieser Strecke zu veranschaulichen, habe ich die 
Stromschlinge von Bu-el-AwÄn, der grossartigen Festangsraine, die 
bisher nur ein einziger Europäer, der englische Arzt Lempriöre, zu 
Ende des lö. Jahrhunderts von fern fluchtig gesehen hatte, sorgsam 



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s 

angenommen und im Maasastabe von 1 : 100000 dargestellt Als erste 
Eoropier, die nach der Yersicherung der Eingeborenen diese Gegend 
erreichten, konnte ich mit meinen BeisegeÜttirten IV« Tage vor dem 
Tbore der Ruine lagern. 

Mit Rücksicht darauf, dass der ganze Handel von Marokko^ 
soweit er in deutschen Händen ist. in Hamburg zusammenläuft, 
hatte ich mir weiter zur Aufgabe gestellt, den Handel von Marokko, 
mit Allem was daranf Bezug hat, möglichst sorgsam zu erforschen. Auch 
dies glaube irli, luiiiieiii licli während der längeren Aufenthalte in Mogador 
und Casiibliiiica eneiclit zu haben. Die Stellung und Bedeutung von 
Mogador, des südlichsten Seeplatzes von Marokko und des letzten bis 
zmn Senegal, glaube ich auch durch Auftiahme eines Planes der 
Stadt, des ersten Versncha dieser Art, in besseres Lieht gerflckt zn 
haben. Es war mir femer miJglieh bei den Vorstttssen in*8 Innere 
bisher unbekannte Tbeile der Provinx Sohedma za erforschen nnd 
von Ahmar die Eenntniss des Zyma Sees nnd ümgebnng zn vertiefen. 
Auch glaube ich den Band der zweiten, höheren Stufe des Atlas- 
Vorlands, mit welchem vom Tensift nordwärts annflhernd anch die 
Grenze von Kulturland und Steppe zusaromenfUltf Ton Schedma bis 
Schauia auf etwa 220 km festgelegt zn haben. 

Ich hatte von vornherein Bedaclit genommen, meinen Reiseweg 
von 1899 zur Prüfung und besj^eren Festlegung möglicb^t weit im 
Innern und wiedeiliolf, zu kreuzen. Das geschah am Tensift zwei 
Tagereisen westlich von Marrakescb, in Lied Said und Dar Ber Reschid 
in Schauiii, während es sich als zu schwielig herausstellte, soviel mir 
gerade daran lag, an den Weg von 1899 bei Meschra esch Schaar 
an der Un-e^Bbia ansnknflpfen. 

Dag^ien mnsste ich anf die Lösung von zwei Aufgaben, die ich 
mir gestellt hatte, von vornherein mit Bttcksicht anf das Versprechen 
verzichten, das ich nnserm Gesandten, Freiherrn von Mentzingen in 
Tanger, dem ich durch eifrige Förderung meiner Bestrebungen zn 
grossem Danke verpfliclitet bin, gern abgegeben hatte, nämlich 
Schwierigkeiten und Reibungen mit den Eingeborenen unbedingt zn 
vermeiden und lieber Gegenden fern zu bleiben, wo solche zu 
befürchten seien. Die eine dieser Anfe^sOjcn \v;\v ein Versuch, durch 
Nachgrabungen, nanientlirli in den IS lil u kenliaufen und Halden bei 
Ain el-Hadschar in Schedma uud am J)] 1m1 Hadid festzustellen, auf 
welches Volk — ich vermuthe die Phomiver — und welche Zeit der 
uralte Eisenbergbau jener Gegend zurückzuführen sei. Dieser Versuch 
wSre au und für sich schon gewagt gewesen, da in Marokko Regierung 
nnd Bevölkerung an das Yothandensein grosser Erzschäize glaabt, 



4 



dieselben eifersüchtig liütet und namdiitUcli di« Ansbeotong seitens 
der Christen unbedingt unmöglich zu machen sucht. Schon das 
Suchen nach EiTivorkomnien ist verboten, da man sich sagt, dass es 
unmöglich sein würde, die Eoropäer fern zu halten, wenn Edelmetalle 
irgendwo gefunden würden. Es ist noch nicht lange hej\ dass jeder 
Enropäer. der einen Schutzbrief des Sultans erhielt, sich verptiichten 
musste, keine Steine zu klopfen und mitzunehmen. 

Die berberiüche Bevölkerung im Hinterlaude von Mogador ist 
nun, auch ohne Zuthun der Begierung, sehr fremdenfeindlieh und 
ai-gwöhniscli. Im Gegensatz zu Saffi, Oasablanca *nnd Tanger ist es, 
bis auf eine noch zu erwähnende Ausnahme, keinem der in Mogador 
ansässigen Eniopfter gelungen, ein Landgut zu erwerben. Immerhin 
hatte sieh ein Bewohner des Tbals yon Aln-el-Hadsdiar in Folge der 
Beziehungen, die er seit Jahren zu den deutschen Handelshäusern 
Marx und Weiss & Maur unterhielt^ sich veranlasst gefühlt, sich 
unter deutschen Schutz zu stellen und denselben einen Olivengarten 
zu verkaufen. Dies hatte grosse Erbitterung bei der Bevölkerung 
hervorgerufen und zu otfenen Feindseligkeiten und Sachbeschädigung 
geführt, für welche die Ketheiligten auf energisches Einsclu» iteii von 
deutscher Seite von der marokkanischen Regierung mit emiiündliehen 
Geldstrafen belegt worden waren. Natürlich hatte das die Stimmung 
der Leute nicht verbessert. Sie hatten kurz vorher einen malerischen 
alten Oelbaum umgehauen, der ein kleines Becken des Baches 
beschattete, der der starken, das ganze Thal belebenden Quelle entrinnt^ 
weil die Deutschen, die im Frilbjahr und Herbst regelmassig mit 
ihren und befreundeten Familien einige Wochen in Ain-el-Hadschar 
zu verbringen pflegen, natürlich unter Zelten, dies Becken zum Bad 
benutzten. Ein Badezeit^ das an Stelle des Oelbaums eingeiichtet 
worden war, war eines 17ages niedergebrannt worden. Kurz, es 
schien mir bei dieser Erregung nicht gerathen Ausgrabungen machen 
zu lassen, da ich ja auf dem fraglichen Grundstück lagerte, den 
Soldaten des deutschen Vize Konsulats bei mir hatte und wiederholt 
von den deulsrhen HeiTPii bp^^ur■ht wurde. Ich führe diese Dinge an, 
weil sie zugleich die Yerhaltuisse beleu(:hten. Es ist übrigens HulFnung 
vorhanden, dass in allernächster Zeit diese Erzvorkommen von fach- 
männischer Seite untersucht wei'den werden. 

Die zweite Aufgabe, auf die ich verzichten musste, war die 
Erforschung des Djebel Zerhun, der kleinen abgeschlossenen, von noch 
ziemlich unabhängigen Berbern bewohnten Bergmasse zwischen Miknfts 
und Ffls, die ich 1B99 umkreist hatte. Bohlfs hat dieselbe 1864 an 
ihrem schmalen Ostende Überschritten, aber ohne mehr als diese 



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Tbatmche mitintlieilM. Herr de la Martiniöre, jeut Mitglied der 
firaniOsiüclieii Gesandtsebaft iu Tanger, liatte dieselbe 1888 auch 
besuelit, aber obne mehr darflber za YoröifeDtlichen, ak daas 
»byzantiniscbe« BefesUgongen dort vorbanden seien. Es scbien mir 

nach den Erkundigungen, die icb 1899 einzog, wol mdglidi zn sein« 
in das Gebirge einzudringen, aber in Saift hört« ich von einem 
Deutschen, der eben von Fäs gekommen war, dass die BoTdlkerang 
des DJebei Zerhan im An&tande gegen die Begierang sei 

Nocb ein wichtiges Ergebnis der Reise moss aber hier erwftbnt 

werden: die Errichtung von zwei neuen meteorologischen Stationen, 
die ich vor Antritt der Reise in die Wege geleitet hatte, die eine 
in Casablanca, im Hause des Herrn Karl Ficke, eines seit vielen 
Jahren dort ansässigen und sich für diese Fragen interessirenden 
deutscheil Kaufmanns, die andere in Marrakesrh, in dem dortigen 
Kaufhofe des deutsclien Handt^l^liAUses Hermann Maix in Mogador. 
Die Instrumente für die Statiun in Casablanca hat auf meine Bitte 
die Deutsche Seewarte in Hamburg geliefert, die fttr Marrakesch der 
Verein für Erdkunde zu Leipzig. Es sind damit iiiciit, weniger als 
i deutsche meteorologische Stationen in Marokko in Thfttigkelt, 
nftmlieh ausser den beiden neu errichteten, eine &8t 10 Jahre 
bestehende in Mogador und eine andere in Saffi, beide von der 
Deutschen Seewarte eingerichtet. 

Der Zweck der Reise^ eine Erweiterung und Vertiefung unserer 
Kenntnis des Atlas-Vorlands von Marokko als Vorarbeit zu einer 
landeskundlichen Darstellung des Atlasgebiets^ ist also im 
Wesentlichen erreicht worden. Ich glaube somit dem Auftrage der 
Geographischen G^Uschaft zu Hamburg entsprochen zu haben und 
freue mich, derselben, ihrem Vorsitzenden, Henn Bürgermeister 
Dr. Mönckeberg und vor Allem ihrem Genei^alsekretÄr, Herrn Dr. 
Ludwig Friederichsen, den herzlichsten Dank dafür aussprechen za 
können, dass sie mich in (lie Lage versetzt hat, mit dieser 4. Reise 
meine Forschungen in den Atlaslandem zu einem gewissen Abschlösse 
zu bringen. 

Ich verfehle nicht auch dem hohen Auswärtigen Anitf des 
I)ents^!)en Reichs meinen ehrerbietigsten Dank für die Empfehlung au 
den deutschen Gesandten, Freiherrn von Mentzingen in Tanger und 
diesem fttr die werktlifttige fürsorgliche Unterstützung auszusprechen, 

die er mir liat angedeihen lassen. 

Die Bestimmung einer kleinen Sammlung mir unbekannter 
Päauzen, die ich uamentlicli au» dem Steppengebiet mitgebracht 



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hatte, yerdanke ich der freandUcfaeii Verniidtiiig des Herrn Ftof. 
Dr. A. Meyer in Marbnrg und Oebeimrath Trot Dr. Engler in 

Berlin dnrch Herrn Dr. Pilger. Ffir die Altersbestimmung zweier 
an schlecht erhaltenen Petrefiikteo reicher Handstücke von Schedma 
habe ich dem besten Kenner der Geologie der Atlasländer, Herrn 
Prof. Emile Picheur in Al^er, wärmstens zu danken. Die 
Berechnung meiner baronietisclien Höhenmessnn^en hat Herr 
Kandidat K. Müller vorgenommen. In der K;iile und im Text 
siml diese in abgerundeten Zahlen wiedergegeben. Auch diesem 
Herrn spreche ich meinen Dank au.s. Nicht minder aber allen 
deutschen Freunden iu Marokko, vor Allem dem kaiserlichen Vize- 
konsal, H. von Maar in Mogador, der durch seinen land- und leute- 
knndigen Bath nnd seine thatkrütige Untersttltzung sehr wesenüicfa 
zn den erzielton Erfolgen beigetragen hat. 



2. Reisebegleitung und Ausrüstung. 

AVähieiul ich sonst Gewicht darauf legte, der völligen 
Unabhängigkeit wegen wissenschaftliche Reisen stets allein zu 
machen, so war es mir diesmal srhmi wegen meines zweifelhaften 
Gesundheitszustandes erwthischt, nicht allein zu reisen. Sobald ich 
den Plan zur Keise gefasst hatte, bot sich mir ein hoch will- 
kommener Reisebegleiter an in der Person des Dr. med. Weisgerber, 
eines jungen, in Slra.ssburg und Kiel, später auch in Paris 
ausgebildeten Elsässers, der seit 4 Jahren in Casablanca als Arzt 
lebte nnd anf mehrfaehen Belsen, Aber die er in der Zeitscbrift der 
Pariser geographischen Gesellschaft beriehtet hat, namentlich aber 
anch als Leibarzt des lange Zeit allmftchtigen Qrossveziers 6a 
Abmed einen grossen Theil des Atlas^ Vorlands kennen gelernt hatte. 
Dr. Weisgerber spricht ziemlich gut Arabisch nnd hat viele Be- 
ziehungen im Lande^ er \ersteht es auch Torafiglich mit den 
Eingeborenen nmzigehen, die ihm als Arzt auch allenthalben 
sofort Vertrauen entgegenbrachten. Ich hatte ihn bei meinem zweiten 
Aufenthalte in Casablanca 1899 kennen gelernt er hatte mich aucli aut 
der Weiterreise nach Rab^t (mu Stück begleitet, ich war seitdem in 
Beziehungen zu ihm geblieben. Als er von meinen neuen Keiseplanen 
hörte, schrieb er mir sofort, dass er zwar im Begritf sei, Casablanca 
und Marokko zu verlassen, seine Abreise aber verschieben werde, 
wenn er mich begleiten dürfe. Ich nahm dies Anerbieten naturlich 
sofort mit grosser Freude an. Nachdem wir das Nfthere bei meiner 



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7 



LanduDg: in Gasablanea tmHiiigs Febrnar besprochen, stiess Dr. 
Weiagerber aniSinga Mftrz in Mogador za mir nnd bat raieh auf der 
Landrdaa bis wieder nach Caaablanca begleitet, das er bald nach 

mir dauernd verlassen hat, am zunächst in seine Heimath zntftck- 
zukehren. Dr. Weisgerber ist mir ein lieber ReisegelMirke gewesen. 
Nicht die leiseste Disharmonie ist jemals zwischen nns getreten. 
Seine Eigenschaft als Ai/t war mir besoDders wer th voll, seine 
BehetTSchuug der Sprache, seine praktische Erfahrung und Veranlagung, 
seine Kenntniss von Land und Leuten ist aurl) mir von grossem 
Nutzen gewesen. Ich möchte ihm aucli au lirser Stelle den 
herzlichsten Dank für alles, was er zur erfolgreiciien DurchführuDg 
der lieise beigetragen hat, aussprechen. 

Bei der Bearbeitung des von der zweiten Heise durch Marokko 
mitgebraelitai BeobaditnngBatoifes war mir ' der PriTatdozent der 
orientalisdien Sprachen an der UDiveraität Marburg, Herr Dr. G-, 
Kampf fm eye r, der sich besonders mit dem megbrebinischen Arabischen 
beschäftigt hat, zur Bichtigstellnng der Namen hilfreich an die Hand 
gegangen. Da derselbe Land und Leute, deren Sprache er studirte, 
noch nicht kannte, ihm aber viel daran liegen musste, sie kennen zu 
lernen, so lag es nahe ihm anzubieten mich auf der Reise zu begleiten, 
da sich eine Gelegenheit in Gesellschaft nnd daher mit geringen 
Kosten eine solrhp T?eise zu mnf^hen, kaum wieder bieten würde. 
Da es aucli gelang, (lif Akademie der Wissenschaft zu Berlin zur 
Bereitstellung der ei ioiderlicheu Mittel zu bewegen, so vereinbarte 
ich mit Herrn Dr. KampÖmeyer, dass er von Hamburg zur See 
direkt nach Mogador reisend, dort am 1. März zu mir stos.sen solle. 
Derselbe ist uns ein sehr lieber Reisegeuosse gewesen und hat mich 
namentlich anch dadurch zu grossem Danke Terpflichtet, dass er 
wiederum sich der Bichtigstellnng der im Text nnd auf der Karte 
vorkommenden Namen in sorgsamster Weise angenommen hat 

Dagegen gelang es mir nicht deiqenigen Reisegefilhrten zu 
gewinnen, den ich schon auf der zweiten Beise als solchen für eine 
dritte in's Auge gefasst hatte, den Hilfsdragoman Meludi am deutschen 
Konsulat in Casablanca. Es ist dies einer der drei jungen Marokkaner, 
welche seiner Zeit vom Sultan zur Ausbildung naeh Deutsclilaud 
geschickt worden waren und der sich während eines öjährigen 
Aufenthalts in Deutschland nirlit nur völlige Beherrschung des 
Deutschen, sondern auch eine gnindliche wissenscliafLliche Bildung 
erworben bat. Ich lernte denselben 18i)9 in Casablanca kennen und 
da ich sofort erkannte, von welchem AVerthe seine etwaige Begleitung 
bei einer künftigen Reise sein würde, so fiagte ich schon damals bei 



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ihm an, ob er gegebenen Fall» geneigt eein würde mich m. begleiten. 
Seiner zusagenden Antwort gemfiss yersochte ich dann seine Begleitung 
zu gewinnen, leider war er aber gerade in jener Zeit ganz 
unabkömmlich. Dadurch, dass Dr. Weisgerber das Arabische hin- 
reichend beherrschte, und es mit gplnn^^ in Mogador einen Koch und 
Diener anzuwerben, der etwas Englisch sprach, war librigens dem 
liedurfniss der Verständigung, dem Meiudi iu erster Lmie hätte 
dienen können, hinreichend genügt. 

Was die für die Heise gewählte Zeit anlangt so habe ich die 
Gründe, welche für den Frühling sprechen, in dem Werke über die 
letzte Keise eingehend dargelegt. Allerdings wäre es bei der Ungunst 
des Wetters diesmal besser gewesen, später statt Mher, wie 
urspranglieh beabsichtigt war, in*s Innere an&abrechen. 

Audi auf die AusrQstung und die Art des Belsens will ich nicht 
weiter eingehen, da ich beide in dem Werke Über die letzte Beise 
eingehend geschildert habe. Ich will nur erwftbnen, dass ich der 
Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin von Neuem zu grossem Danke 
verpflichtet bin dafür, dass sie mir wiederum ihre 3 Zelte zur 
Verfügung stellte, von denen ich eines mit Rücksicht auf das 
regnei'ische Wetter in Mns'Hdor mit ein^^m Doppeldache versehen Hess. 
Auch eiutö der früher beniiULea BaruDu rn iiber die später zu sprechen 
sein wird, und andere Instrumente uberliess mir die Gesellschaft 
in liebenswürdigstem Entgegenkommen. Ich spreche meinen herz- 
lichsten Dank dafür aus. £iu neuer werthvollerphotopraphischer Apparat 
von Görz-Anschfitz wurde der Ausrflstang von befreundeter Seite iu 
dankensw^ester Weise hinzugefügt. Einen bandliehen, für die 
Zwecke einer derartigen Beise bequemen Theodoliten konnte ich mir 
aber nicht verschaifen. So bedauerlich es ist» wie nAher daznlegen 
sein wird, dass in Folge dessen die Bndpunkte meiner Verstösse in^s 
Innere, namentlich iu der Gegend des Zyma Sees etwas nusicber sind, 
so kann ich für diesen Mangel nur dankbar sein, denn es würde die 
abendliche i^eobachtung bei der raschen Abkühlung und dem feuchten 
Niederschlag, der stets nach Sonnenuntergang im Innern ein- 
zutreten pflegt, meine Gesundheit noch weiter geschädigt haben. So 
hielt ich möglichst darauf, bei-eits bei Sonnenuntergang im 
schützenden Zelte zu sein. 



9 



3. Durch Algerien nach Oran und längs der Rtf4(llete 

nach Tanger. 

Ich Terliess Marburg am 17. Januar 1901 Mittags und eneichte 
in ununterbrochener Falirt Marseille gegen Abend des 18. Januar. 
So oft ich diese Strecke auch gefahren bin, namentlich im Frühling, 
so bietet sie doch immer neue Eindrücke. Difsnml war es mitten im 
Winter. Bald iiarlidem ir-li die Grenze von Frankreich bei Bellejrarde 
überschritten, ging die bonue aut und beleuchtete mit matten Strableu 
die steilen, oft malerische Faltungen zeigenden Felswände des Jiua, 
in welche die Gehänge des Rhonetliales nach oben hin ausgehen. 
Von Valence, noch auffälliger vuu Müut61imart au lassen alle 
Bäume, nach Süden umgebogen, erkennen, dass das Rhonethal das 
Bett einer nördlichen in das warme Mittelmeerbecken einbreehenden 
LnftalrSmang, eines der Zuglöcher, und zwar nitohst dem Bosporus 
das scblimmste des Mittelmeerbeclcens ist Dnrcli Maaem nnd Zflone, 
von Avignon au dnreb Beiiien von Zypressen und Aleppokiefern 
schützt man die Gärten gegen diesen gefürchteten Mistral. Unter- 
halb Mont61imart verengt sich das fihonethal auf eine kurze Strecke 
auf kaum 1 km Breite, bei Donz^re weitet es sich wieder und im 
Schutz der Berge begrüssen uns am östlichen Thalgehänge die ersten 
OelbÄume. Von Avignon an werden sie häufiger. Freilich es sind hier 
an ilucr künstlicii nach Norden vorgeschobenen und periodisch durch 
kalte Winter gewaltsam wieder nach tSuden verruckten Polargrenze 
nicht die kräftigen Bäume, die man in Ligurien oder an den Ausgängen 
der Atlasthäler in Marokko in lOÜO m Meereshohe, aber nahe der 
Aequatorialgrenze des Baumes sieht, sondern armselige ESrzeugnisse 
einer Ueberkultnr, in Selben gepflanzt, kaum 3 Meter hoch kOnstlich 
beeherfSrmig gezogen und der meisten Aeste beraub^ um Luft und 
Licht vollen Zntritt zu gestatten. Aach die Mandelbäume sind ähnlich 
gezogen. Sie liegen noch ganz im Wintersdblaf. Und noch mehr 
die Maulbeerbäume. Das südliche Frankreich verrät auch durch 
seinen Baomreichthum die Zugehörigkeit zum Mittelmeergebiet. 
Die ungeheure Waldarmuth tritt dadurch weniger hervor. Auch die 
zahlreichen meist kleinen Landhäuser und Bauernhöfe, die durch die 
Gärten verstreut sind, rufen den Eindruck einer lieblichen Kultur- 
landschaft hervor. Gruppen heimkehrender Feldarbeiter und Schaf- 
heerden vertiefen das Bild. Das iSteinfeld der Grau jenseits Arles 
zeigt deutlich die fortschreitende Urbarmachung. Ein wundervoller 
Sonnenuntergang lässt die spiegelglatte Fläche des t'ltang de Berrö 
in Begenbogenfarben leuchten, namentlich herrschen tief violette 



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Thöne mit tiefer sinkender Sonne vor, die Berge, die Ortschaften 
spiegeln sich im See. Die flachen Salzgärten scheinen wie mit 
flüssigem Blei gefüllt. Allmählich verblassen die Farben, die Nacht 
senkt sich herab, ein Tjeurhtthiirm an der Mttndnnji^ der Rlione sendet 
seine Drehblitze herüber. HeiTÜcher konnte mich der Süden nicht 
empfKnpren 

iJas Bild, welches Marseille am Morgen bot, war weniger schön, 
obwohl der milde Hauch des Mittelmeers bei fast völliger Windstille 
sich geltend machte. Aber die Sunue drang nur matt durch den 
Dnnst, der sich über die Stadt mit deu lärmenden, vielfach unsauberen, 
nnsanbere Strassen füllenden Menschen lagerte. Ich kenne Marseille 
seit 80 Jahren, empfing aber in den letzten Jahren immer mehr den 
Eindrack eines nnter schlechter Yerwaltang; yerkommenden Gemein- 
wesens. 

Die Morgenstanden des 19. Januar reichten soeben zur Erledigung 

von Geschäften hin, Mittags begab ich mich an Bord der »Villa d' 
Alger« der Compagnie Transatiantique, die um 1 Uhr nach Algier 
auslief. Nach schneller Fahrt bei mildem Wetter, ganz anders wie bei 
meiner ersten Bereisung des Atlnsbindes im Jahre 18Sn. kam '^'^lioii 
um 3 Ulir Mittas's am 20. Januar die Küste von Alp'fi'ifü in Sicht. 
In der Abendsonne lenelUend, giüsst die schneebedeclvle K« ;!»- iles 
Djebel Djnrdjura lieruber. Noch milder, aber auch ieuchtei wiu am 
Gestade der Pruvence umfächeln mich an Afrikas Küste die Tjüfte 
des Mittelmeers. Die Stadt durcheilend strebte ich den Hohen von 
Ober-Mustapha zu, dem Vorort der Villen, Gärten und Gasthftnser 
im Südwesten der Stadt 

Der Aufenthalt in Algier war Studien fiber Algerien und Beise^ 
Vorbereitungen gewidmet Die Stadt Algier und Umgebung hat sich 
in den 15 Jahren, seit meinem letzten Aufenthalte dort, ganz ausser- 
ordentlich entwickelt. Nach allen Seiten hin, aber doch naturgemftss, 
vorzugsweise am Meere entlang, hat sich die Stadt n ir* -iHliiit und 
wächst sie noch immer, sodass man vielfach den Eindruck des 
Unfertigen hat. Villen, Gärten, Parks Tnir Weinpflan7Jinp:en und 
Getreidefeldern wechselnd, dehnen sifh weiitiin an den das hügelige 
(i<dan(le des Saliel von Alp:ier duiclizielieiiden gut gehaltenen Land- 
sua-* 11 ans. auf denen Tag und Macht ein uugelieuer reger Verkehr 
von Fulirweiken jeder nur denkbaren Art henx lit, da nur selten 
Jemand zu Fuss geht. Elektrische Bahnen durchziehen schon heute 
die Stadt und Umgebung. Kleine, heute gauz europäische Dörfer, 
wenn auch vielfeeh mit arabischen Namen, haben sich an Strassen- 
kreuzungen entwickelt: eine Kirche, die Mairie, oft mit der Schule 



11 



unter einem Dache, ein Gast- nnd mehrere meist sehr einfache 
Kaffeehäuser nmgeben den durch einen Brannen gezierten mit 
Platanen oder andern Schatteubäunien bepflanzten DorfplatK. Die 
Eingeborenen sind in Algier auf den kleinen hochgelegenen Kern 
der Stadt beschränkt, aus der Umgebung fast verdrängt. Allenthalben 
sind sie zu Dienern der neuen Herren lierabgesunken. Anch hier 
lierrscht der echt mediterrane Reichtimm an Fi uchtbäumen. Dazwischen 
aber sieht mau hier und da g:anze, wenn auch kleine Wäldei-. die Rrgeb- 
uiöüe mühsamer Autforstungen. An Ober-Mustaplia schlie.ssi sich so 
unmittelbar eine solche an. die den stolzen Namen Bois de Boulogne 
tragt, Aleppokiefern, Eukalypten, Casuarinen u. dergl. Die grösste 
Ueppigkeit entwickelt die sich selbst überlassene Vegetation in 
einigen ÜBuditen, von kleinen Bächen dnrdirieselten Sehlnchten des 
Sahel Ton Algier. 

Die Neigung zum Nichtsthnn, die Vergnflgnngssndit scheint bei 
der bnnt znaammengewfirfelten enropiischen Bevölkernng sehr gross za 
sein. In Pferden und Wagen wird grosser Luxos getrieben. Nicht wenige 
Villen nnd Parks gehören Engländern, deren sehr viele den Winter 
in Algier zu verbringen pflegen nnd auch bei Weitem überwiegend 
die zahlreichen grossen Gasthäuser bevölkern. Ich glaube erst eine 
richtige Vorstellung von dem imErehpuren Reichthunie erhalten zu 
haben, der besonders im letzten halben Jalirlimidert in England auf- 
gehäuft wurden isi. seit ich. selbst viel reii^end, gesellen habe, wie 
ungeheure Schaaren von Menschen, die, sei es zum Vergnügen, zur 
Erholung, aus langer Weile oder weil es so Mode ist, reisen, sicli 
von England aus, Jahr aus Jahr ein, über ganz Europa, ja die ganze 
Wüi ergfessen, sehr zahlreich Franen« aber auch recht zahlreidi 
Männer nnd junge Lente. Mächtig brandet diese Fluth an den 
England gegenüberliegenden Qestaden von Norwegen nnd Frankreich 
im Sommer, kaum weniger mächtig an den Bergen der Schweiz. 
Im Winter und Frtthling ergiesst sich dieselbe über die BiTiera von 
Hyeres bis Spezia, über Mittel- nnd Süd-Italien, Aegypten, Algier, 
Andalusien, die I*yrenäen, besonders Paa nnd Biarrits. Aber noch 
bedeutungsvoller ist, dass man in allen diesen Gegenden von 
Engländern erbaute oder erworbene Villen nnd Schlösser, oft von 
bf»heni WtTtlie. in «rrosser Zahl tindet. Ganzen Oitschat'ten Sf'lwn 
dauernd oder vorübergehend dort wohnende Engländer das Gepräge,. 
Englische Kirchen der verschiedenen Sekten, Klubhäuser und ypiel- 
pUtze bildet man überall. Hunderttausende von Kugländern sind in 
der Lage sich an einem Punkte, der ihnen gefüllt, sich ein eigenes 
Heim za gründen. Sind sie des Besitzes dann müde, so vermiethen 



12 



sie ihn an andere Englftnder oder lassen ihn aach wohl leer stehen. 

Ganze Flutten englischer Verguflgungsyachten findet man im Winter 
und FrUhiing an einzelneu bevorzugten Punkten des Mittelmeer- 
gestades vereinigt. Diese Ersdieinnng bietet reichlich Stoff znm 
Nachdenken. Nicht minder aber die andere, dass man dr.uissen auch 
jungen Engländern in grosser Zalil begegnet deren dauernde 
Beschäftigung Nichtsthun und die Jagd nai")) Vt'r_'iiuL'ri! zu sein s(;heint. 
Und schliesslich, die BeliebLlieiL der Engländer ist, milde ausgedrückt, 
in allen diesen Ländern eine geringe, trotz dem Gelde, das sie dorthin 
bringen, und nicht eist »eit dem Auärottuugskrieg6) den sie in Süd- 
Afrika geführt haben. 

Icli hatte den Eindruck, dass Algier als Winteranfenthalt in den 
letzten anderthalb Jahrzehnten sehr in Aufnahme gekommen ist und 
sich dafür auch in hohen Grade eignet, allerdings mehr iiir Qesnnde 
und Erholungsbedttrftige, als für ernstlich Kranke, namentlich Lungen* 
kranke. Diesen ist der unvermeidliche Staub, trotz des im Winter 
stets sehr hohen Feuchtigkeitsgehalts der Luft, nicht zuträglich. Auch 
ist die Mögliehkeit, den ganzen Tag liegend, sitzend, gehend in staub- 
freier, einigermaassen windgeschützter Umgebung zu verbringen, nur 
ia geringem Maas*<e gegeben. Umsomehr wird dem Gesunden geboten. 

Ich hatte auch Gelegenheit in Algier eine Ausstellung von Frn!»- 
gemusen zu sehen, weldie die Gartenbau-Gesellschaft vemn.suUet 
hatte und die wohl geeignet gewesen wäre, einen EinLliok in die 
Landesnatur zu gewähren. Ich war etwas enttäuscht. Algerien 
leistet in dieser Hinsicht noch nicht entternt das, was es nach Boden, 
Klima und Yerkehrsyerhilltnissen leisten könnte, wenn auch Fort- 
schritte sichtbar sind. Die Mittelpunkte des Frühgemttsebanes im 
Grossen sind Algier und Philippeville. Dort liegt derselbe besonders 
in der Hand von Mahonesen, hier von Italienern. Es waren im 
Freien gezogene, am 1. Februar gepflückte Erdbeeren ausgestellt, 
Tomaten, wenn auch etwas blass, in Menge. Dazu Rosenkohl, 
Blumenkohl, Erbsen, allerlei Salat, Artischoken. Immerhin betrug 
die Ausfuhr von Fnlhgemüsen von ganz Algerien 1898 nur 1,7 
Frcs., dazu für 40ÜUC)0 Ficfi. Kai toffeln. Alles, was Algerien an 
Ivat totl'eln baut, wird ausgeführt, der eigene Bedarf durch europäische 
Einfulir gedeckt. Anziehend war die Ausstellung von Früchten der 
Auiantiaceen, von den Mandarinen bis zu den riesigen Pampelmusen. 
Die Mandarinen sind an Aroma und Süssigkeit die besten der 
Mittelmeerländer, die Apfelsinen stehen denen von Palermo und 
Valencia noch nach. Japanische Kakipflaumen und Anonen kann 
man Ende Februar reif von den Bäumen pflücken, ebenso Bananen, 



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die onmittelbiir an der Kttste im Grossen gezo^pii v^-enlen In Blida 
ist es gelangen in dem milden Schatze, welchen Maodanneiibftatne 
bieten, auch Ananas im Freien zu ziehen. 

Ich setzte die Heise am 2. Februar mit der Eisenbahn narh 
Oran fort. Ein einziger leidlich bequemer Zug. der morgens Algier 
verlHs«Jt und abends in Oran eintrifft, bietet die Möglichkeit, die nur 
421 km lange Strecke in einem Tage, 13 Stunden, zn durchmessen. 
Die Ebene des Metidscha, die man fast in ihrer ganzen Länge durch- 
fahrt, ist heute fast ganz uibargemacht, mit europäischen Ansiedlern 
besetzt und macht den Eindruck, als befinde man sich in Süd- 
Frankreicb. Getreidebau bertsebt jedoeb vor nnd nnr örtlich, wie 
bei Bnfiirik and Blida siebt man in griteserer Ansdehnong sfldliehe 
FracbtbSnme, besonders Apfelsinen. Docb bat sich aneh bier 
Scbntz gegen die Nordwinde als nOthig erwiesen, daber die zahl- 
reichen Oypressenbecken. Aber schon in der westlieben Metidscha, 
bald nachdem man die Chiffa überschritten hat, etwa von Muzaiaville 
an mindert sich der Anbau und besonders vom Eintritt in das Thai 
des Wed Djer an, eines von Südwesten zur Metidscha gehenden 
Flüsschen, das sich mt der Chififa vereinigend den Wed Mazafran 
bildet, bedecken inuner liaufiger und in immer grösserer Ausdehnung 
immergrüne Macchien die sanften, gerundeten, nur hier und da 
dem thonigen Gestein entsprechend, von den Winter wassern wild 
zersclirundeten Gehänge, mit steppenartigem Weidelande wechselnd. 
Dies macht sich besonders im Thale des Wed Bu Haluan, eines 
i-echten Zuflusses des Djer geltend, dem die Linie von Bu Medfa an 
folgt, der Station ttar die jetst mit Becbt immer mehr besachten 
Bflder von Hammam Rhira, die scbon in römischer Zeit als Aqnae 
ealidae eine Bolle spielten und in beiTlicber Umgebung und in 
ben'licbem Klima bei 600 m Meeresböbe, mitten im liVinter Bade- 
karen ermöglichen. 

Bei Adeiia Überschreitet man in steilem An- und Abstieg und 
mehreren Tunneln durch verwahrlosten Wald von Aleppokiefern, 
Wachholder, Oallitris, wilden Oelbäumen uud Pistacia Lentiscus die 
Wasserscheide zum Chelif Thale, dem <lfinn die Eisenbahn fok^t. 
Die l*'elder der Eingeborenen, deren arinselige, aus Keisighutten 
gebildete und von Hecken des dornigen Zizyphus, der undurch- 
dringliche Verhaue bildet, umschlossene Duar, hier und da an den 
Hängen sichtbar werden, sind an ihrer Verwahrlosung leicht zu 
erkennen. Auch auf dem besten Boden sind sie von Gestrüppen von 
Zwengpalmen nnd Zizyphus durchsetzt, die auszuroden nicht leicht, 
den Eingeborenen viel zu mtthsam ist Er amgebt das Hindernis 



14 



mit seinem, dazn vorzüglich geeigneten nnd aiu li an steilen Gehilngen 
noch brauchbaren urthümlichen Pflnge, der den Boden nur ebpn ein 
wenig aufwühlt. Auf einer so tiefen Stufe wie bei den Eingeborenen 
Algeriens: norh lieute dürfte der Ackerbau im Atlas vorlande von 
Marokko kaum irgendwo stehen. Alle Eisen uaiinstatioaeu sind von 
GiupiKH von Eukalypten umstanden, die die P'ranzosen alleuthalben, 
neuerdings auch in Tunesien angepflan/t haben. 

Das Chelif Thal, in welches dieser grösste Fluss Algeriens von 
Saden kommend and im i-echten Winkel nach Westen umbiegend 
eintritt, ist sofort als eine tektonische Hohlfonn, nicht als ein 
Erosionsgebilde zu erkennen. In einer Lange Ton 285 km and 
10-~25 km Breite, senkt sich dieselbe von Osten nach Westen von 
310 m anf 36 m. Der Boden ist bald thonig-kalkig, bald thonig- 
kieselig, aber stets sehr fruchtbar. Tief in die Umgebung eingesenkt, 
Yom Mittelmeere durch den breiten, wenn auch kaum 1(K)0 m höchste 
Erhebung aufweisenden Wall des Dahra geschieden, lässt es sofort, 
auch im Winter, gros.'^e Niederscblag.sarmnth als hervorstechendsten 
klimatischen Ofirirjikferznpr erkennen Mit der Trockenheit Hand in 
Hand geht ein 1 ei der geringen Meerferne von kaum 50 km und 
geringer Meereshöhe auüallend kontinentaler Wärmegang, grosse 
Kalte im Winter, unerträgliche Hitze bis 50" C. im Sommer. So 
erscheint das obere Chelif Tlial noch heute als ode, baumluse Steppe. 
Kahl sind aach die Berghänge. Die Regenarmuth bedingt extensive 
Wirthsehaft und vorwiegenden Getreide- besonders Waizenban. Ja, 
es ist das Chelif Thal geradezu das wichtigste Gebiet des Getreidebaas 
in Algerien. Allerdings leidet derselbe nicht selten anter Dttrre, and 
man ist dahw sa kflnstlicher Berieselung selbst der Waizenfelder 
geschritten. Ueberall sieht man Berieselungsaalagen, vorwiegend mit 
Hülfe des Chelif und der von Norden wie von Süden in die breite 
Tbalebene eintretenden Bäche und Flüsse. Namentlich sendet von 
Süden der 2000 m erreichende, noch an Wald reiche Uarsenis wasser- 
reiclie Flüsse, wie den Wed Kuina, den Wfnl Fodda herab. Aber 
auch Windmotoren, die das Grundwasser heben, sieht man nicht selten, 
da das Chelif Thal im Winter als windig beriicliügt ist. Der Chelif 
führt im AVinter und Frühling bei Orl^ansville 8000 1 Wasser in der 
Sekunde, im Sommer immerhin noch IGOO 1. Man bewässert nämlich 
hier nicht im Sommer, sondern im Winter, von November bis April, 
ja vielfiftch vom September an, am rechtzeitig sften zu kdnneu. Wenn 
die Gterstenfelder anüuigs Jnoi, die Waizenfelder bis anfangs Juli 
abgeerntet sind, liegt das Chelif Thal als sounenTerbrannte Steppe da. 
GroBsgrandbesitz in französischen HAnden scheint hier vielfach zu 



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16 



liPTTschen. Riesige Haufen alten Strohs sind charaktenstische 
Krscheiimngen. Man siebt ungeheare geschlossene Flächen, die mit 
Getreide bestellt sind, einzelne Meierhöfe, mitten darin, niclit selten 
gps(^]tlnsspne Manervierec.ke mit Eckthürmen. Einzelne sind wolil 
auch zu iiuinen gewoi'den und nicht selten siebt mnn srlilerbt bp'stpllte 
Felder oder Ton Scilla marittinia und Asphodelus ul hi wuclienes 
Bnieldand. Hier und da erscheint ein kleines Ansiedlerdorf meist 
iniL Imbscher Kirche, aber die kleinen Häuschen der Ansiedler sind 
oft schlecht gehalten. Das Felileu von Bäumeu und Gärten lässt 
diese Dörfchen recht frendlos endidiieD. Es sind die Erzeugnisse 
der staatlicfaen Kolonisation. Meist in melirere Arme geiheilt fliesst 
der Chelif in flaehem Bette dabin, wasserarm, aber mit dentlichen 
Sparen gelegentlScber hoher Wasserstände. Er zeichnet sich ja, selbst 
▼or den Flüssen Algeriens, durch grosse Qegensfttze der Wasser- 
fhhniDg ans. 

Von Orl6ansville an, dem Hauptoi-te des Clielif TlialeSf eine 
Gründung des Marschall Bugeaud (1843) auf den Trümmern einer 
römischen Siedelung (Castellum Tingitii). die sieh rasch entwickelt 
hat. f^estaltet sieh das Landschaftsliild durch etwas intensivere Kultur, 
nanieiitlieh liäufige Raumpflanzungeii. annuithiger. Orh-ansville selbst 
mit si inen ausgedehnten, fast waldartigen Baunipflanziingen von 
Alei)pokiefern und Eukalypten, die man mühsam gross ge/.ogen liat, 
macht oasenhaften Eindruck, wie übrigens die meisten europäischen 
Ansiedelungen der niederschlagsarmen Provinz Oran. Gegen 12000 ha 
Land sind in der Umgebung« sei es aus dem Chelif, sei es aus seinem 
Nebenflüsse Fodda, kflnstlich berieselt 

Kacb TJeberschreitung des Wed Bin, der sich durch eine enge 
Schlucht einen Weg in die Thalebene gebahnt hat, verlftsst die 
Eisenbahn den Chelil^ indem sie die südwestliche Bichtung beibehfitt« 
jener aber in westlichem Laufe zum Mittelmeer geht. Bei Relizane 
überschreitet sie den letzten und grössten linken Nebenfluss des Chelif, 
den Wed Mina, dessen Gewässer durch ein Stauwerk eine grosse Oase 
von 9000 lia geschahen liabf»n Aber schon vor llelizane erliölite der 
zur Salzgewinnung ausgebeutete Haclie Salzsee Sidi Bn Sian den 
steppenhaften Eindruck der weiten Ebene, und jenseits llelizane ist 
das Land öde, fast menschenleere Steppe. Weideland mit steinigem 
Boden. Nur der kleine Wed Hillil, ein linker Zufluss des Wed Mina, 
bat die gleidiiamige kleine Oase hervorgerufen. Erst von Perröganx 
an mehrt sich, aber durchaus unter kttnstlicher Berieselung, das 
angebaute Land und beginnt wieder dichtere europäische Besiedelung, 
aber die Ansiedler sind bei weitem Überwiegend Spanier. Perrögauz 



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ist mit 24ÜÜ0 lia dio grösste Rerieselungsoase von Algerien. Ein 
Stauwerk des Wed Habra 12 km oberhalb Perr6gaux hat sie in's Leben 
gerufen. An der Stelle, wo sich drei Flüsse, der Wed el Hammam, 
der Wed Tezii und der "Wed Fergag zur Bildung der Habra vereinigen, 
hat man durch einen 40 m hohen Querdamm einen 3 zipfelig bis 
7 km in den Flasstbälern aufwärts reichenden See geschaffen, der 
14 Millionen Eobikmeter Wauer fiust Sehon zweimal, 1872 und 1881 
ist der Damm unter fiirehtbaren Yerbeerangen gebroehen. leb konnte 
mir eine Yorstellang von der Oe&br machen, In weleber diese herrliehe 
Oase mit ihren reichen Banrapflanznngen bestftndig scbwebl Schon 
bei Belizane zeigten sich die Spnren der grossen Uebersehwemmnng; 
die vor Kurzem hier eingetreten war. Hier bei Perr^gaux muss das 
Land zeitweilig einem ungeheuren See geglichen haben. Noch stand 
das Wasser auf grossen Flächen und wo es verdunstet war, hatte es 
eine machtige Schlammschicht abgelagert. Die Brücke über die Habra 
war so beschädigt worden, dass alle Beisenden aassteigen und zu Fuss 
hinüber gehen mussten. 

Auch üran, das ich seit 1888 nicht gesehen hatte, hat sich seit- 
dem bedeutend entwickelt. Sehr malensch auf und an felsigen 
Hügeln gelegen, ist die Stadt durchaus Handelsstadt, die sonst nur 
wenig zu bieten vermag. Uebenll, wo es nur ging, bat man zwar 
Banm- und Oartenanlagen geschaffen, aber alles leidet nntor Stanb 
nnd Trockenheit. Der Lftrm des Strassenverkehrs ist nngebeuer. 
Die Masse der Bevölkerung, besonders der unteren Schiebten, besteht 
aus Spaniern, seit der französischen Herrschaft eingewanderten, 
nicht etwa Nachkommen der Bevölkerung ans der spanischen Zeit 
der Stadt von 1509—1790. Doch ist das QeprOge der heutigen Stadt 
ein stidfranzösisches. 

Die Bezielmngen Algeriens sind fast ausschliesslich nach Frank- 
reich gerichtet, der Verkehr nach Westen, gegen die Strasse von 
Gibraltar sehr gering. Ich hatte nur sehr schwer in Algier über 
von Gran nach Gibraltar oder Tantrer gehende Dampfer Auskunft 
erhalten können. Es verkehren imi alte, langsaui laufende Fmcht- 
dampfer der Compagnie de Navigation mixte von Marseille. Das 
hatte sich seit 1888, wo ich zuerst von MellUa auf einem solchen 
nach Gran fuhr, nicht gebessert Am Abend des 8. Februar lief der 
»Emirt dieser Gesellschaft aus dem Hafen von Oran aus, immer an 
der marokkanischen Bifktlste entlang Ober Gibraltar nach Tanger. 
Am Morgen des 4. Februar lagen wir vor Nemours, dem westlichsten 
Küstenplatze von Algerien nahe der marokkanischen Grenze. Da ich 
1888 mich hier aufgehalten und einen Voistoss in*a lunere unternommen 



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17 



hatte, so ging Ich nicht an Land. Idi hatte die grosse Freade Herrn 
Migor Dr roD Wissmann mit seiner Fran an Bord zu finden und 
eine frühere flüchtige Bekanntschaft zu erneuem. Herr von Wissmann 

Terbraclite den Wiuter im Süden zur Herstellang sein^ Gesandheit 
und hatte deshalb einen jungen dentschen Arzt aus Graz bei sich. 
Er war einige Zeit in Biskra gewesen und hatte sich auch einige 
Ta^e in Algier aufgehalten. Jetzt war er auf dem Wec^e nach 
Andalusien. Wir theilten bis TaD^rer Frend ihhI T;f'id der Heise. 
Auch die an Bui d befindlichen anderen iteiseaden waieu meist Deutsche. 
Unter Ihnen hatte Herr von Wissmann, der selbst läiiß:ere Zeit in 
Transvaal gewesen ist, bald einen stämmigen etwa IVjahrigtii jungen 
Menschen herausgefunden, der von deutscheu Eltern in Sud -Afrika 
geboren, mit noch 4 Brüdern iu den Beihen der Buern gekämpft, 
mit einer Abtheilnng derselben auf portugiesisches Gebiet gedrftngt, 
entwaifuet, von Lourenzo Marquez nach Triest gebracht und dort 
seinem Schicksale überlassen worden war. In der Absicht, um jeden 
Preis nach Sfid-Afrika zurück zu kebren, hatte der den Eindruck 
grosser Biederkeit machende junge Mensch seinen Weg durch Italien 
nach Marseille und Oran gefunden, um von Lissabon aus über das 
portugiesische Gebiet sein Ziel zu erreichen. Die ganze Schiffs- 
gesellschafl., Kapitän und Reisende, vur allem aber Herr v. W. nahmen 
sich seiner an und unterstützten ihn mit Rath und Th^t. da er völlig 
mittellos war. Wir rielhen ihm vor Allem in Gibialtar nicht an Land 
zu gehen uud vermittelten ihm die Weiterreise von Tauger nacli 
Lissabon und Deutsch -Südwestfifrika Hoffentlieh hat er sein Ziel 
eneicht. Ein anderer DeuLschei , der in Oran an Bord gekommen war, 
ein Kärntner, war auf einer Reise um die Erde begriffen, für die er 
sich, ebenfiüls mittellos, von Ort za Ort das BiSisegeld verdienen 
wollte und bisher verdient hatte. Ein dritter war ein junger 
Eanfinaun, der eine Stelle in Malaga zu finden hoffte. Wahrlich, 
diese 6 Deutschen, Herrn von Wissmann, seinen Arzt und Schreiber 
dieser Zeilen eingerechnet, auf einem alten französischen Dampfer 
im westlichsten Winkel des Mittelmeeres konnten zu denken 
geben! 

Unser Dampfer hatte seine Geschäfte vor Nemours bald erledigt. 
Um l Uhr fuhren wir zwischen der Küste und den Zaöarinas In.selu 
durch, von denen die rniltelste, die allein bewohnt ist, über dem 
kleinen Fort die spamselie Flagge zeigte, um 3 Uhr warfen wir vor 
Melilla Anker und ich ging mit Heriii v. W. an Land, obwolil ich 
Melilla schon von Uuher kannte. Die Lage von Melilla ist dadurch 
eine von Natur ausserordentlich feste, dass eine schmale, gewundene, 

IlfttlmlhwiMi JLVIU» «nwoteld Vtackw. S 



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18 



von hohen Felswänden umschlossene Bucht einen steil aus dem Meere 
aa&teigenden Felsen fast zur Insel gemacht hat. Er trägt die nur 
auf schmaler Landenge /Zugängliche Altstadt. Man überblickt die 
Grett^en fies spanischen Maclitbereiclis : zwei grosse steinerne Forts 
und iiicliiric Ituiidthürme bildpji dieselben. Die Stadt macht den 
Eindruck einer mühsam «ml künstlich gezogenen und erhaiienen 
Pflanze. Alles scheint daraul aiisrelegt zu sein, um den Rifberbeni 
Spaniens Macht und Reichthuui zur Anschauuüg zu bringen. Selbst 
die Soldaten tiagen ungewöhnlich saubere Anzüge. Die bürgerliche 
BeTölkeniDg Ist wenig zahlreieh. Die KuerDenbaaten Termögen 
7000 Mann an&anebmen. Eine seböne neue Markthalie ist emcfatet, 
selbst ein Theater yorfaaiiden. Wenige Gemfleegftrten innerhalb der 
befestigten Linie deuten die Ertragstftbigkeit dieses spanischen Besitz* 
thmns an, das mit seiner Ernährung auf die feindlichen I^'m wohner 
besw. auf das Matterland angewiesen ist und sich thatsAchlieh im 
danernden Belagerungsznstande befindet. Die Eingeborenen werden 
wie nach englischem Vorbilde in Gibraltar soi^sam gegen Sonnen- 
untergang aus dem spanischen Gebiet entfernt. Ausser unserm 
Schiffe ]ng uoch ein spanischer Dampfer und einer der Dampfer des 
Sultans von Marokko, die Hassauie, auf der Rhede. Letztere lud 
Getreide ans, das zur Ernährung der Besatzungen der Kasbas an 
der Grenze gegen Algerien dienen sollte, die auch ihrerseits durch 
die Umwohner in Belagerungszustande gehalten werden. 

Leider legte unser Dampfer die weitere Fahrt an der Blfkttste 
entlang bei Nacht zorUck. Morgens lagen wir auf der Rhede ?on 
Ttetnan. Ich hatte daher nar wenig Ton der Btf kttste gesehen, höbe, 
kahle Berge, nar die unteren Hänge bebaut; hier und da verrAtb 
eine Knbba, ein kleines Berbemdorf auf steller Höhe die Anwesenheit 
Ton Menschen. Von Tr tnnn selbst war Nebels wegen nichts zu sehen, 
nur ein mächtiger Zoli-Thnrm am flaclien Dünenstrande an der 
Mündung des Martil deutete seine Lage an. Nach kui^em Aufenthalte 
umfuhren wir die Halbinsel von Genta, wo man ebenfalls die eng- 
gezofifHiifn Grenzen des spanischen Besitze?! an den die Holien 
krönenden Ruudlhütmen erkennt, und kreuzten die Meerenge nach 
Gibraltar hinüber. Sie machte ihrer Eigenschaft als grüsstes Zug- 
loch des bergumwalUen Mittelmeeres alle Ehre. Der Gegensatz 
von Genta und Gibraltar ist ebenso gross wie der von Marokko und 
Spanien. Ich war in der angenehmen Lage, wie audi auf der Heim- 
reise anfeugs Mai, nicht in Gibraltar an Land geben zu mflssen, das 
ich vom irfUieren Aufentbalte hinreichend kannte und daher gern 
vermeide. Um Mitternacht landete ich in Tanger. 



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4. Längs der atlantischen KUste nach Mogador. 

Da ich schon auf der Bbede von Gibraltar die mir wofal 
bekannte »Menrthe« der Compag^nifi Paqnet von Marseille, mit der 
ich 1899 eine sehr glückliche Heise an der marokkanischen Kflgte 
gemacht hatte, hatte lieg'en sehen tind erfalirpn liatte. dass sie am 
nächsten Taorp Tann-oi- und nach wenigen Stunden mch Mogador 
weitellauten werde, so Ijatte ich bei*eits hesclilossen, wenn irpr^nd 
niöglicli, meine Geschäfte in Tanger sofort am Morgen zu erledigen 
und mit der Meurthe nacli Mogador weiterzureisen. Es gelang mir 
in der That, mich sofort von dem Hause Haessner & Joachiujsohn, 
ganz wie 1899, mit Ereditbriefeu an die deutschen Hftoser der Küste 
Terseben sn laaaen, mit Freiberrn yon Mentzingen, dem Gesandten 
des dentseben Reichs in Marokko, dem ieb fHv liebenswürdige, 
tbatkrftlUge und erfolgreicbe Uoterstatsang zo . grossem Danke 
Teri^icbtet bin, an beratben and den sebon Ar mich, dank dner 
Empfehlang von Seiten des Auswärtigen Amts, bereitliegenden 
Schatzbrief des Sultans in Empfang zu nehmen. Ein glücklicher 
Zufall nämlich hatte es gefügt, dass sich FreiheiT von Mentzingen 
gerade am Hofe des Sultans in Marrakesch befand, als mein Gesuch 
um Erwirkung eines Schutzbriefes eiutraf so dass demselben sofort 
entsprochen werden konnte. Im Jahre 1899 hatte ich. trotzdem lange 
vorher ein Schutzbrief für mich beantragt worden war, denselben 
erst nach fast 3 wöchentlichen Aufenthalte in Marrakesch selbst 
erhalten. 

Am Mittag des 6. Februar schifl'te icli mich so auf der Meurthe 
ein. Doch verliess das S( liiti erst gegen Mitternacht die Rhede von 
Tanger und warf am Mittag des 7. Februar vor Oasablanc^a Anker. 
Da grosse Mengen von Waaren zu löschen und zu laden waren, 
hatte der Kapitän von vornherein beschlossen, bis zum Abend des 
nftcbsten Tages hier liegen zn bleiben. Dementsprechend ging ich 
an Land und nahm Wolinnng in einer soeben von einer Spanierin 
erSifneten Fonda, dem einzigen geringen Ansprüchen genügenden 
Gastbanse von Casablanca. Es kam mir besonders auf eine Be- 
sprechung mit Heirn Dr. Weisgerber und auf die Errichtung der 
meteorologischen Station an, die Herr Karl Ficke, ein seit l' a Jahr- 
zehnt hier ansässiger Kaufmann zu übernehmen bereit war. Ich fand, 
namentlich auch mit Rücksicht auf meinen frühern AntVnfhalt in 
r^rtsablanca allenthalben die liebeuswiii difrste AufnainiiH. Von 
soiiilt rtiui Interesse war mir, die HekHiintscbnft eines jungen 
sciiwedischen Qelehrteo, Dr. £d. Westermarck aus Helsiugfors zn 



80 



machen, von dem ich ftchon 1899 im Hanse des Kaid Mac Lean in 
Marralcesch gehört hatte. Dr. W. hatte schon früher Marokko bereist, 
befknd sich jetzt schon seit 6 Monaten im Lande und beabsichtigte 
noch ein Jahr lang, dasselbe zu berei^^en Er liegt besonders 
ethnologischen Forschungen ol) und lebt zu diesem Zwecke meist 
längere Zelt in den Duar des Innern. Seine Begleitmaiinsduift 
bestand ans einem halben Dutzend gut bewaffnete Rifberbeni. 
Ebenso lernte ich einen französischen Gelehrten, einen HeiTn Mont6 
aus der Schweiz kennen, der sich zu religionswissenschaftlichen 
Forschungen in Marokko aufhielt. Auch hörte ich, dass Herr 
Graf Joaehim Pfeil Marokko w iederum bereise. Tcli konnte mich so 
überzeugen, dass europäischer Wissensdrang unaufhaltsam und von 
den verschiedensten Gesichtspunkten aus das verschlossene Land 
nnserer Kosntnis so erscbliessen bemflht ist Auf Oasablanc« werde 
ich bei meinem zweiten Anfenthalte dort im April naher eingehen. 

Am Morgen des 9, Februar warf die Meurtbe vor Mazagan 
Anker Hier verliess än sympathisches junges deutsches Geschwister- 
paar aus Bern, das Schiif. Dasselbe kehrte nach S-monatlichem, in 
Europa verbrachten Urlaube nach Mazagan surttck, wo der Bruder die 
i^iederlassung eines in Casablanca ansässigen reichsdeutschen Hauses 
leitet, während die Srhwester den Haushalt führt. Ebenso seliifffe 
sich ein vornelimer Marokkaner mit seinem Gefolge hier aus. um auf 
dem kürzesten Wege nacli Marrakesch zu reisen, Si Moli un med Bei 
Kaab, ein Dolmetscher und Vertrauter des Sultans, der 7 Jahre in 
Frankreich erzogen worden war, fertig Französiscli si)rach und ebeii 
von einer Sendung nach Europa, wie es hiess, zum Ankauf von 
Waffen, zurückkehrte. 

Erst am 10. Februar mittags lichtete die Meurthe die Anker zur 
Weiterreise, am Morgen des 11. kam Mogador in Sicht, aber des 
dicken Nebels wegen, der fiist jeden Morgen vor der EDste lag, 
veigingen noch mehrere Stunden, ehe wir durch die, trotx seit Tagen 
herrschenden guten Wetters in Folge der hier fast immer vorhandenen 
starken Dünung gewaltig brandende nördliche Einfiihrt in die Baclit 
einlaufen und Anker werfen konnten. 



5. Attfontlialt in Mogador. 

Tn Mogador fand icli im Hause des deutschen Vice- Konsuls, 
Herrn von Mam, des Inhabers des auch in Salli und Haaiburg 
ansässigen Uause>s Weiss & Maui*, mit dem ich von der letzten Reise 



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21 



her iD frcondscbaftlidieii Besiehongen stand, liebenswürdigste Äuf- 
nalime und auch sonst von Seiten der kleinen dentsdien Kolonie 
eifrigste Fdrderung in allen meinen fiestrebangen. Herr von Maur, 
ein geborener Stuttgarter und ein Münn von echt deutschem Wesen 
und deutscher Gesinnung, ein schneidiger Heiter, der noch mit Stolz 
gelegentlich seinen Waffenrock als Artillerie-Offizier d. R. trägt, 
ist sobon früh dem gerade bei den Schwaben so häufig auftretenden 
Zuge in die Kerne gefolgt. Er hat längere Zeit in Livorno, dann 
in Oran gelebt, wo er Vertrautheit mit der arabischen Sfiraclie und 
arabischem Wesen erwarb. Von Oran kam er nach Marokko und 
war mehrere Jahre unter sehr sichwierigen Verhältnissen als einziger 
Deutscher, ja fast einziger Europäer in Marrakescli thätig, bis er 
vor etwa 15 Jabren steh ein Geschäft, das Älteste and bedeutendste 
dentscbe am Orte, in Mogador gründete. Eine liebenswardige Hans- 
fran, auch eine Stattgarterin, hat hier ein ecbt deutsches Hanswesen 
geschaffen, dessen Gastlichkeit jeder Deutsche, der nach Mogador 
veraebbgen wird, dankbar geniessen darf. Herr von Maur ist ein 
ausgezeichneto* Kenner der Eingeborenen und versteht meiste rli i ff 
mit denselben umzugehen. Jederzeit httlfsbereit bat er mich reichlich 
davon Nutzen ziehen lassen. 

Es war meine AbsiVlit mich möglichst kurze Zeit und nur so 
lanpre in Mogador aufzuhalten, als zur Ausrüstung einer Kamwane 
nothig war. Aber wie ich 1899 erst 2 Wochen in Tanger, dann 
noch etwas länger in Marrakesch festgehalten wurde, so musste ich 
auch diesiHii] wieder erproben, wie geringer Werth in diesem Lande 
die Zeil hat und von meinem mitgebrachten reichlichen Vonath von 
Geduld 2U zehren beginnen. 

Zur Ausrfistung meiner Karawane gehörte die Anwerbung eines 
Schutsmoldaten, den der Kaid von Mogador zu stellen and ich zu 
bezahlen hatte, eines Koches, der eine der mir geläufigen europaischen 
Sprachen verstehen mosste und dem zugleich meine persönliche 
Bedienung obkig, und zweier Leute. Diese Personenfrage löste sich, 
abgesehen von dem Soldaten, sehr rasch und glü< kli(li. da Herr von 
Maur schon vorbereitende Schritte gethau hatte. Ich warb einen in 
Mogador ansässigen Araber, Moliamed Dusch, als Koch an, der 
längere Zeit bei einem früheren englischen Konsul in Dienst, mit 
demselben in England gewesen war und leidlich Eni2li-< h .sprach. 
Er hat sich als ein durchaus zuverlässiger, ehrlicher Mhuü bewährt, 
der, wenn die Verhältnisse es nur irgend gestatteten, aucli recht 
erfreuliche Kochkünste an den Tag legte. Es hat mich gefreut dazu 
beizutragen, dass er bald nachher eine Stellung in einem deutschen 



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Hanse eriiielt Zam Dienst bei den Lasttiiieren warb ich den 
jüngeren Bruder eine» Bediensteten des Herrn von Maur nnd einen 
Mann an, der schon 1899 in meinem Dienste gestanden und sich 
bewäliit liHtte, El Grirni ans Abda. Um so schwieriger war aber 
die Soklatenfrage. Am liebsten hätte ich den Soldaten wieder in 
meinen Dienst {genommen, der micli 1899 auf der ganzen Reise 
begleitet und sich leidlich bewälirt liatte. Derselbe hatte sich aber 
auf dieser Reise eine so bedeutende Summe, theils an Lohn erspart, 
theils von der Bevölkerung erpresst, dass er, wol auch in der wol- 
begründeten Befürchtung, dass ihm der Kaid die Beute abnehmen 
werde, überhaupt nicht nach Mogador nnd zu seiner Familie zurück- 
gekehrt war, sondern sich in Bahat einen neuen Hausstand gegründet 
hatte. Herr yon Maur hatte deshalb einen ihm bekannten und viel- 
fiMsh als B^lelter von Europiem als zuverlässig erprobten alten 
Soldaten des Kaid ausgewählt. Um diesen bat ich den Kaid, als ich 
ihn in Begleitung des Konsuls besuchte und ihm zugleich den Schutz- 
brief des Sultans übergab. Dieser Schutzbrief des Sultans, den ich 
also von Tanger mitgebracht hatte, war diesmal in ein Schreiben an 
den Kaid von Mogador eingeschlo-ssen, in welcher dieser angewiesen 
wnvde, mir einen ziiverlässio:en RoMaten. der also gewissermaasseii die 
iioUe eines ieLiMtnlit^en Kegierungspasses spielt, mitzugeben, der den 
Sultauübrief zu verwahren habe. Wahrend ich früher den Sultansbrief 
selbst verwahrt hatte, sollte ich denselben diesmal überhaupt nicht 
iu die Hand bekomranieu. Ich nehme au^ dass diese Neuerung nicht 
auf mich porsönlich gemünzt war, sondom zu Folge flUer IMhrungeu 
aUgemein eingeftthrt worden ist. Thatsächlich bedingte sie fUr mich kaum 
einen Unterschied, da ich selbst der Ein&chheit halber bei der letzten 
Beise den Sultansbrief dem Soldaten, der damit gewöhulieh mich 
anzumelden vortnaritt, zur Verwahrung flbergeben hatte. Etwas 
anderes war es aber, dass der Kaid meine Bitte, er möge mir jenen 
bestimmten Soldaten mitgeben, sofort und entschieden ablehnte, ja 
einige Tage nachher den Mann überhaupt aus dem Soldatenstande 
ausstiess. Später zur Rechenschaft gezogen log er, der Mann sei 
überhaupt nicht mehi' Soldat gewesen, obwohl ei- vor uns seine Eigen- 
schaft als Soldat ausdrücklich anerkannt hattr. allerdin^ mit der 
Bemerkung, derselbe habe sein Vertrauen nicht. Wenn er dem 
Sultan gegenüber die Verantwortung für meine Sicherheit tragen 
solle, müsse er mir einen Mann seines Vertrauens beigeben. Das 
klang ja sehr gnt nnd verständlich. Leider aber hatten bereits fost 
s&mmtliche Burupäer und europäischen Konsuln in Mogador, bald 
nachher auch der deutsche, mit dem erst seit Eorzem ans Marrakesch 



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23 



als VerwandteD des augenblicklidi beim Saltan eififloBsreichsten 
Mannes nach Ifogador gekommenen Kaid und den roben Soldaten, 
die deraellie ans dem Innern mitgebracht hatte, flble Erfiihmngen 
gemacht. Man nahm an, dass der Said in landesttblicher Welse 

meine Reise und den Sultansbrief benüteen wolle, um sich zn 
bereichern, indem der Soldat in jedem Nachtquartier, das dann 
natürlich nur von diesem Gesichtspunkte aus gewählt worden wäre, 
von (^er ohnehin blutarmen Bevölkernng eine Muna, d. h. Nalirnn^, 
für mich, meine Leute und Thieie und Gastgeschenke, natürlich alles 
im Vielffichen des wirklichen Bedarfs zu erpressen hatte. Was nicht 
gebrauciit wird, wird dann gegen hohe Bezalilung zurückgegeben. 
Von der so erzielten Summe hat der Soldat den grössten Theil 
seinem Uenu auszuliefern. Dazu bedurfte der Kaid allerdings einer 
seiner Kreaturen. Dasn war der alte von mir erbetene Soldat 
unbedingt nicht geeignet Da ich anf der letzten Beiaa schon reidi- 
liehe Er&hmngen in dieser Hhudcht gemacht hatte, so war ich iSsst 
entsdilossen, mich nicht zum Werkzeuge dieses Erpressunga^ystems^ 
so landesllblidi es auch ist^ zu machen. Die Begiemng erreicht mit 
demselben noch den Zweck, die im Lande reisenden Christen, zu 
deren Gunsten die arme LandbeTölkemng geplQndert wird, bei 
derselben möglichst verhasst zu machen. Ausserdem konnte ich 
sicher sein, dass ich mit dem rohen Burschen. dP!i f^er Kaid mir mit- 
geg-eben liMtte und der noch nie mit Europäern zu Thun gehabt hatte, 
matK herlei Schwierigkeiten haben würde. Und vor Allem, ich konnte 
nicht leisen, wohin ich wollte, sondern wohin ich geführt wui-de, 
nicht übernachten, wo es mir zusagte, sondern wo der Soldat die 
reichste Maua zu erpressen hoffte. Auch 1899 war ich gelegentlich 
unter dem Vorwande, dass nar dort Wasser und Sicherheit zu finden 
sei, Tom Wege abzuweichen gezwungen worden. 

Da der Eald auf seinem Willen bestand, so l^am ich schliesslich 
zu dem Entschlüsse, ohne seinen Soldaten und somit auch ohne den 
Schntzbrief des Siditans in^s Innere au&ubrechen. Als Soldaten, 
den ich unbedingt haben mnsste, bot mir unser Konsul, den seit 
vielen Jahren in seinen Diensten stehenden, erprobten und mir auch 
von früljer bekannten Konsulatssoldaten Si Mehdi an. Dieser sollte 
mich bis Saffi begleiten, dort vom Soldaten des dortifren deutschen 
Vice-Konsulats abgelöst werden u. s. f. Wenn ich es wagte mich so 
ciusoprhalb des Scliutzes der Regierang zu stellen, was beispielswei.se, 
wenn ich übei'tallen und geplündert worden wäre, nach den Verträgen 
jede Ersatzpflicht des Sultans ausgeschlossen hiilte, so scliien mir dies 
Wagnis nach den auf der früheren lieise gemachten Eriahrungen 



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24 



nicht gross. Ich selbst hatte g^elernt, wie man mit den Leuten 
amgehen müsse, konnte mif^h nber nocli mehr auf Dr. Weisgerher's 
Kenntnis der Sprache und von Land und Leuten verlassen. 
That«ä*"l!lifh ist die Reise in der aller friedlirhsten Weise, ohne jede 
Reibung abgelaufen, überall fanden wir die liebenswürdigste Aufnahme, 
bereitwilligst wurde alles was wir brauchten von den Leuten geliefert, 
ja bei den Uled Ferdj in Dukkala südlich der Morbeya, vor denen 
man uns an der Küste besonders gewarnt hatte, sie würden uns mit 
Flintenschttssen empfangen, flberiiess ans ein Mann adnen ganzen 
mfihsam von weither berbeigeeehleppten WasserForrath, den er uns 
dann znm Theil in schnifthlichster Yeracbwendang znm Waschen 
verwenden aehen muastel Ich sdireibe diesen friedlichen Verlaof 
der Reise in erster Linie gerade dem Umstände bei, dass ich ohne 
Kaid-Soldaten, also ohne Blutsauger reiste. Selbstverständlich 
bezahlte ich alles, was mir die Eingeborenen theils auf meine Bitte, 
theils von selbst lieferten, recht anständig und sorgte auch dafür, 
dass das die Leute von vornherein erfuhren. Dadurr-h nämlich, dass 
ich, wie ich es z. B. auch schon i^ethan hatte, von einem Nacht- 
quartier zum andern, stets einen oriskundigeii Fübrer mitnahm, der 
dann natürlich sofort bei der Ankunft an dem n-inii Lagerplätze, 
wo mau ihn meist kannte, erzählte, wie wir uns um letzten 
verhalten hatten. Ganz unbezahlbar für den Erfolg der Reise war 
aber der Vortheit, den ich dnreh diesen Versieht auf Regierungsschntz 
erreichte: ich konnte hingeben wohin ich wollte. So bin ich fast 
durchaus auf neuen Wegen und durch weisse Flecken der Karte 
gewandelt. Zu meiner grossen UebeiTaschung erftahr ich dann, als 
ich schon 6 Wochen unterwegs war, dass meine Abreise ohne 
Regierungsschutz zu lebhaften Verliandlungen Anlass gegeben hatte, 
die damit endeten, dass ich schliesslich doch nolens Tolens unter 
Regierungsschutz gestellt wui'de. 

Zogen sich schon die Verhandlungen wegen des Soldaten in die 
Länt'^' «> war es noch schwieriger die uöthigen Last- und l^eitthiere 
anzukauteii. Im Jahie 1899 war das in 4 Tagen gelungen. Ich 
hatte nach den Erfalnuiigen, die idi 1899 auf dem letzten Theile der 
Reise von Fäs nach Tauger mit Kamelen gemacht hatte, beschlossen, 
als eigentliche Lastthiere 3 Kamele zu kaufen, zumal ich diesmal 
mich durchaus in den Karoelen gflnsttgem Gelände zu bewegen 
gedachte. Dadurch wurde schon die langsamere Gangart der Kamele, 
die höchstens 5 km in der Stunde zurücklegen, etwas ausgeglichen. 
Dazu wurde in's Auge gefasst, dass die Kamele mittags höchstens 
Vt Stunde rasten sollten, was also, da wir stets 2 Stunden rasteton, 



.^ .d by 



25 



einen Oewinii yon IV« Standen ergab, and anch im NothfiiUe 1 bis 
2 Standen sp&ter am Lagerplatze ankommen konnten. So ist es in der 
That auf der ganzen Reise durchgeführt worden und es ist beinerkens- 
Werth, dass die beiden Kameltreiber anch nicht ein einziges Mal den 

Mittags- o<ler Nnclitrastplatz, was sehr übel gewesen wäre, verfehlt 
haben, obwohl es trotz aller Mühe nicht iinnier möglich war, dieselben 
vorbei zu bestimmen, und wir oft in der menschenleeren Steppe die 
Richtung änderten und in Sorge waren, ob die Kamele uns finden 
würden. Ich bedurfte also, abgesehen von dem Pferde für den 
Soldaten, das Herr von Maur /a\v Verfügung stellte, 3 Mauhhiere 
zum Reiten, 3 Kamele und einen Esel, den die Kameltreiber 
abwecbeelnd reiten sollten. Der Markt war Immer sehr scblecht 
bescbickt and eigentlieb nieht Terkflnfliche Thiere feil za machen 
gelang nicht. Dasn kam« dass Ton Marrakesch der Befehl kam, eine 
grosse Zahl von Maolthieren ffir den bevorstehenden Heeressag des 
Sultans von Mairakesch ttber Rabat nach Fäs aufzukaufen. So fehlte 
mir, als ich endlich am 4. März nach Aln-el Hadschar aufbrach, noch 
immer ein Maaltbier aod ein Kamel, die erst in den nächsten Tagen 
von Herrn von Maur aufgekauft werden konnten und mir nach- 
geschickt wurden. Natürlifb hatte ich auch hüliere Preise bezalilen 
m(issen. sodass der Verludst beim Verkauf iu Oasablauca recht 
bedeuLeiiil war. 

Noch schlimmer aber war, dass raein grosses Gepäck mit der 
ganzen Keisea Umrüstung auch niclit ankam. Ich hatte dasselbe wie 
1899 der Oldenburg-Portugiesischen Dampfergesellschaft in Hamburg 
Kar Verschiffung anf dem am 4. Febrnar nach Mogador gehenden 
Dampfer »Haelvat Übergeben, nachdem mir auf Anfrage versichert 
worden war, dass das Schiff spätestens am 20. Februar in Mogador 
sein werde. In Mogador selbst nahm man diese Mittheilang von 
vornherein sehr nnglaabig anf. In der That war am 20. Februar 
noch nicht an die Ankunft des Schiffes zu denken, ja erst am 
27. Februar erfuhr ich — der Telegraph hat sein Ende in Tanger — 
dass die Huelva zwar am 4. wirklich von Hamburg abgefahren und 
in Gibraltar eingetroflfen sei, aber dort den Befehl vorgefunden habe, 
ihre LadiiMpr auf oft^ner Rhede an die >Üldenbnrg<. ein anderes 
SchiÖ' dir (Gesellschaft, abzugeben und in Casablanca eine Ladung 
Knochen für Rendsburg einzunehmen. Es stand nämlich ein Aus- 
fuhrverbot für Knochen bevoi, weil jemand dem Sultan eingeflüstert 
hatte, dass die Europäei nicht blos die Knochen veiendetcr Kamele, 
Manlthiere u. s. w., die vor den Thoren der StAdte und an den 
Karawanenwegen anfrusammeln, recht yerdienstlich war, verschilften, 



26 



sondera aneh die tob Bekennm der Lehre Mohameds. Um eine 
soldie Beschimpfiing der Gebeine der Gläubigen durch die Chfisten 

unmöglich zu machen, sollten überhaupt keine Knochen mehr aus^ 
geführt werden! Am 1. März lief endlich die Oldenburg in die 
Bucht von Mogador ein, am '2 wurde mein Gepäck gelandet, wobei 
al>er der Umstand, dass ein Gepäckstück iirthümlicl» in Casablanca 
gelöscht worden war. jrrosse Scln^ it riLckriten machte. Ausserdem 
waren die meisten Tuslriimeute trotz sor^^suiiiisler Verpacknng dadurch 
in üiiuidnung gerathen. dass die Umladung auf der otl'enen Rhede in 
Gibraltar bei stürniischein Wetter bewerkstelligt worden war. So 
konnte ich erst am 4. März nach Alu-el-Hadchai aufbrechen. Diese 
Br&brQBg am eigenen Leibe, der sieh noeb andtt« ansdiUeaaen 
werden, belenebten die Unsieberbeit der deatecben YericebrOTerfcftlt- 
nisse in Marokko. Deshalb mosste ieb sie scbildem. 



6. Lage und Handel von Mogador. 

St) vpi'l;t!i<^ei'te sich mein Aufenthalt in Mogador auf drei Wochen. 
Ich habe die.^c Zeit zur Kifurschuug der Umgebung benutzt, was 1899 
unmöglich gewesen war, zur Aufnahme eines Plans suu Mogador 
und vor Allem um mich giuudlich über die Handelsverliältnisse von 
Mogador und gauz Marokko zu uuten'ichten. Auclt dabei habe ich 
sehr wesentiicbe Forderung durch Herrn von Maar eriSüiren. 

Die Lagenverbfiltaiisie, die Bedeutnng and den Handel von 
Mogador babe leb zwar scbon in dem Werke über die Beise von 1899 
kons gesebüdert, aber docb nor anf Grand eines 4-tagigen, fast ganz 
von den Reiseyorbereitnngen ausgefüllten Anfisntbalts. Da ieb mir 
diesmal eine viel eingehendere Kenntnis dieser Dinge veischaffen 
konnte, so bin ich in der Lage jene Ausführungen zu ergänzen, hier 
und da wohl auch, doch nur in unwesentlichen Punkten zu berichtigen. 
Die Anschauung, die ich mir gebildet hatte, dass Mogador auf einer 
alten verfestigten Düne von Halo iitorm liege, dass die Brandung 
dieselbe erfolgreich angreife und die Spitze des Hakens als Insel 
Mogador bereits losgelost sei, hat durch fortgesetzte Beobachtung 
volle Bestätigung gefunden. Ich endeckte in der Stadt an der 
Mauer, welche die Kasba von der Medina trennt, einen 3 m hohen 
Aufschluss, der dadorch gebildet war, dass eine Strasse im 
Niveau geführt worden war. Der Aofecbloss zeigt ganz dentlich 



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88 



DUnenstruktur und die, Mauer steht eine Strecke weit auf diesem jungen 
Miischelkalksandsteiü. Der iiöcliste Punkt der Stadt dürfte liöclistens 
15 m über Mittelwasser halten. Die Landenge, welche die ätadt- 
Halbinsel mit dem Festlamie verbindet, ist 350 m nördlich vom 
Dukkala-Thore nur 30 ni breit und 3 m hoch, sodass iiihii, bei der 
Indolenz der Marokkaner eine eistAunlirhe Thatsaclie, zur Sicherung 
dieser zugleich als Schlachtplatz verwendeten Stelle ein Stück Mauer 
au der Seeieite errichtet hat. Ohne dieselbe wfltde wol bei starkem 
Stann hier ein Dnrehbruch erfolgen. Die der Stadt an der Seeseite 
vorgelagerte £lippenreihe zeigte daes das Meer hier eifolgreieh 
angegriffen hat. Die wundervollen Hohlkehlen, die die Brandang an 
einzelnen dieser Klippen ausgewaschen hat, veFanschanlichen die 
fortschreitende Abtragung derselben, die umstehende Photographie 
die wilde Zerrissenheit dieser Klippen. Das Haff, welches die Stadt 
vom Festlande trennt, ist so flach, dass man es überall durch- 
schreiten kann und der Karawanenweg nach Marrakesch durch 
dasselbe führt. Sein Wasser ist brackig und dürfte vorwiegend aus 
den Dünen stammen, zwischen welchen noch kleine Teiche liegen. 
Der Abschlass des HatTs gegen die Bucht, deren innerster Zipfel es 
ist, ist ein schärferer seit Eibauung der Wasserleitung, die z. Th. auf 
einem Dämmt; iauiL, der bei hoher Fluth den einzigen Weg nach 
Süden bildet. Man kann also sagen, dass die Verbindung der Stadt 
Mogador mit dem Festlande nach Korden künstlich erhalten wind, 
nach SQden künstlich geschalfon ist. Durchlftsse in dem Damme 
ennöglicben abwechselnd Zu- und Abstrom aus dem Haffe. 

Einen so scheinen Natorhafen die Bucht von Mogador zu bilden 
scheint, so gefährlich würde es sein, dem zu trauen. Sie bietet that« 
sächlich so gut wie keinen Schutz, denn bei Sturm oder starker 
Dünung diingen riesige Wellen an der Insel, wie an der Stadthalb- 
insel thurmhoch brandend durch die ca. 750 m breite, 12— 14 m tiefe 
nnrdliclie K?iifahrt herein, treffen sich mit solchen, die durch die 
sudliche Euit ihrt kommen und erzengen ein Wsllenchaos, das jedes 
Schiff, wie vielfache traniige Krf;<1uungen lehren, schliesslich an der 
Ostseite der Bucht auf den fStrand selxt. Alle Schifte bleiben daher unter 
Dampf, um jeden Augenblick das hohe Meer gewinnen zu können. 
Grösseren Schiff'en genügende Tiefe findet sich auch nur der nörd- 
lichen Einfohrt gegenüber, da die Bucht im Allgemeinen seiest ist 
Nur ein Theil der Bucht von geringer Ausdehnung bietet unter dem 
Schutze der Insel, an der Noi'dostseite derselben, Schiffen vou 
höchstens 6 m Tiefgang leidliche Sicherheit Auch die Verbindung 
der vor Anker liegenden Schiffe mit dem Lande ist bei bewegter 



39 



See sehr schwierig und yemnlasst hAafige Ungltickaftlle. Der einzige 
Ländeplatz fftr die ziemlich grossen Leichter — Icleine Boote können 
Qherfaanpt nur bei ganz mbigem Wetter verkehren ist nflmlich 
nur durch enge Durchlkkrten zwischen den Klippen erreichbur. Bei 
Fluth können dieselben dnrch eine thorartige Bogenwölbang in den 
kleinen innerhalb der Festungswerke, dicht am Seethore gelegenen 
Bootshafen gelangen. Bei Ebbe müssen sie aber an einem künstlich 
iu die Felsen gehauenen Kanäle, 158 m vor dem Seethore. anlegen, 
von welchem ein theils gepflasterter, theils g^lattgeliaupr!f»r solimaler 
A\ eg: durch die dann trocken liegenden Klippen zum Seethore führt. 

kleine Bootshafen iHuft bei Ebbe ganz trocken. Er kann etwa 
l Dutzend Leichtei lassen. Die meisten liegen aber draussen im 
offenen Wasser. Die kleinei-en Boote wei'den stets an Land gezogen 
und liegen theils in Bootshafen, theils im Zollhofe. 

Es Hesse sich indessen wohl die Bucht von Mogador in einen 
ausgezeichneten, völlig sicheren Hafen ohne grosse Kosten verwandeln, 
^venn man die nördliche, heute allein benutzbare Einfahrt durch 
einen Damm ganz schlösse. Dann wflrde nur noch bei Fluth eine 
hinreichend starke Strömung zwischen den Klippen limduich von 
Korden her eindringen können, die voraussichtlich in kurzer Zeit in 
der breiten südlichen Einfabrt^ die eine SchweHe von nar 4 m 
Tiefe besitzt, eine auch grossen Schiffen genügende tiefe Rinne 
auswaschen oder wenn dieselbe kfinstlich hergestellt werden mflsste, 
offen halten wflrde. 

Der Raum, welcher der Stadt zur Verftlgnng steht, ist ein 
beschränkter. Die Mauern derselben umschlies&en heute so ziemlich 
die ganze bebaubare Fläche. An der Seeseite werden dieselben 
unmittelbar vom Meere bespült, in dem Maasse, dass man an der 
Nordseite, vor der Mellah und einem Theil der Medina flberhaupt 
nur bei tie&ter Ebbe an der Mauer entlang gehen kann. An der 
Südseite dringt das Meer bei besonders hoher Fluth bis unmittelbai' 
vor Bah Seba vor, dem Thore, welches den Hauptverkehr der Stadt 
vermittelt, nämlich mit dem Sns. An der Sttd- und Südostseite liegt noch 
ein Streifen Land zwischen der Mauer und dem Haff, der zum Theil 
vom mohamedanischen Friedhofe zu beiden Seiten des Mairakesch- 
Thores eingenommen wird, zum Theil bei etwas feuchtsunipfigem 
Boden zu Gemüsegärten verwerthet wird. Bei der furchtbaren 
Gewalt, mit welcher der Sturm über die flache Halbinsel fegt, 
bedürfen diese des Schutzes durch ziemlich hohe dichte Zäune, die 
auä Stangen von Calhuis hergestellt werden. 



30 



Die Stadt sdbst, die in der Begelmässig^keit ihrer Anlage und 

der Geradheit der meisten Strassen sofort den neueren Ursprung und 
die künstlidie (Neu ) Gründung (17(>0— 1770) unter europaischer 
Leitung erkennen lässt, ist zum Tlieil weitläuftig gebant und entliRlf. 
grosse oiFene Plätze und einzelne breite Strassen. Erstere, besonders 
im Hafenviertel, dienen vorzugsweise der Lagerung von Handels- 
gütern, letztere dem Marktverkehr, zum Theil auch, wie der 265 m 
lange und 38 m breite Mschur- Platz, welcher die alte Kasba von 
der neuen scheidet und die Medina mit dem Hafenviertel verbindet, 
dem Lagern von Karnwaueii und dem Abhalten von Festen, wie 
dein sehr beliebten Phantasiareiten, einer Fferdeschinderei, die keines- 
wegs durch etwaige besondere Oeschieklichkeit der Beiter ertiSglich 
wird. Die Manem, welche die Stadt nnd die einseinen Stadttheile 
nmschliessen, sind theüs aus Stein, theils ans Fis6 erbaut. Ersterer 
wird an Ort and Stelle, namentlich aaf der Landenge gewonnen. 
Er ist leicht zu bearbeiten, wird aber an der Lnft hart und besteht 
vorwiegend ans klfinen Trümmern von Seemuscheln mit Quarz 
körncben das Ganze durch ein kalkiges Bindemittel verkittet: die alte 
Düne. Ganz ähnlich sind auch die noch zu besprechenden beweglichen 
Dünen zusammengesetzt Derselbe Stoff dient zum Bau der Hftuser. 
Die Stadt zerfällt, wie die meisten marokkanischen Städte, in gesonderte 
Stadttheile mit Mauern und Thoren. Der wichtigste ist die Kasba. wo 
der Kaid, die vornehmsten Eingeborenen, die europäischen Konsuln 
uiul KrtuUeute wohnen. Sie ist später durch die sog. neue Kasba 
erweitert worden. Hier liegen auch die zwei ansehnlichen Moscheen, 
die sog. Stadt-Moschee in der alten, die Moschee Sidi Tnsef in der 
neuen Kasba. Hier sind die Hftuser &st durchweg ein-, ansnahmsweiae 
auch zweistöckig. Sie enthalten TielfRcfa grosse Höfe und Waaren* 
lager. Das Hafenviertel, das sieh nnmlttelbar an beide ansehliesst, 
besteht nur ans Plätzen, Magazinen nnd Zollschnppen. Der aus- 
gedehnteste Stadttheil ist die Medina, die eigentliche Bürgerstadt, 
der Sitz der Handwerker und kleinen einheimischen Kaufleute, wo 
sich namentlich auch der Kleinverkelir mit dem Lande abspielt. 
Hier bestehen die Häuser mei.st mir aus einem Erdgeschoss und 
Hesse si^h somit, bei einer etwaigen Entwickelnng der vStadt, noch 
viel iiaum gewinnen. Uebervölkeit, von liohen Häusern und ganz 
engen Gassen gebildet ist dagegen die Mellah, das Juden viertel, das 
nur durch ein einziges Thor ganz dicht am Dukkala Thore zugänglich 
ist. Hier drängen sich die Menschen auf engstem Räume in 
unsäglichen Schmatz und Unrath. Hier h&lt der Tod, wenn irgend 
eine Seuche ausbricht, stets reiche Ernte. Versuche der Europäer, 



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31 



unter eigenen grossen Opfern, hier Wandel zn schaffen sind kaum 

von vorübergehendem Erfolge gewesen. Nahe vor dem Dnkkala- 
Thore liegt auch der alte verwahrloste jüdische Friedhof auf der alten 

Düne am Meere, ein nener umhegter und besser gehaltener an der 
Haffseite. Den kleineu christlichen Friedhof unmittelbar vor Bah 
Dnkkala umscliliesst ein höhest Manerviereck. Der deutsche 
Yice-RoDSul, Herr von Maar, pflegt denselben mit echt deutscher 
Pietät. 

Mogador ist marokkanische Seefestung. Die umschliessende 
Ziunenmauer wird von einigen Thürmen und von kanoneugespickten 
Eckbastionen verstftrkt. An der Seeseite der Kasba ist eine lang- 
gestreekte Batterie errichtet^ eine solche, Ton zwei mttchtigen 
Tiereckigen Thttrmen flankirt nnd dorch eine nach Sflden vorspringende 
kleine Batterie verstirkt, beherrscht die Bncht nnd den Landangs- 
plats. Ein Thnnn anf einer hohen Klippe liegt in Trttmmem. 
Kleinere Batterien decken die Insel. Zwei jetzt in Trflmmem 
liegende Thürme anf dem Steilufer vor dem Dukkala-Thore waren 
ehemals Windmühlen. Eine jetzt ganz in Trümmern liegende von 
der hohen Fluth umspülte alte Befestigung an der Ostspite der Budit 
wird den Portugiesen zn£reschrieben. Es bedarf keiner weiteren 
Darlee^nng, dass all diese Batterien gegenüber einem europaischen 
Aijgrirte gftnzlicli werthlos wären. Die Stadt liat 4 Thore: das 
Hafeuthor, Bab öebaa, durch welches der Verkehr mit deni Siis geht, 
das Marrakesch-Thor, beide an der Sttdostseite und das Dukkala-Thor 
fhr den Verkehr nach Korden. Dazu kommen zwei Pförtchen, beide 
an der Seeseite, das eine vom kleinen Zollplatae, das andere von 
der Medina ans. Dazu zahlreiche innere Thore. Ausserhalb der 
Thore befindet sich auch nicht ein bewohntes Hans. Der nächste 
bewohnte Ort ist das kleine Dörfehen Diabat, an dem Punkte, wo 
der Wed Eseb ans seinem Engthale in den Dünen heranstritt, 3 km 
von Bab Sebaa. Auf der Landseite ist die Stadt jenseits des zum 
Theil sumpfigen, bei Ebbe znra Tlieil trocken laufenden Hafts von 
hohen beweglichen Dünen umgeben, die mit ihrem röthlichen Gelb 
den Hintergrund der gleichsam dem tiefblauen Meere entsteigenden 
weissen Masse von Hüusern und Mauern bilden Wunderbarer 
(it'gt-nsatz der Farben in dem biendeinlen .Sunnenliditel Grün 
suciii man in dem grellfarbigen Bilde vergebens. Eine Stunde muss 
man reiten, ehe man jenseits des beweglichen Gürtels die mit niedrigem 
immergrünen Buschwerk bewachsenen alten Dünen erreicht. Wie 
anf midi Venedig mit seinen Steinpallisten und stafnirenden Eanftlen 
bei fast völligem Fehlen von Grttu sehr bald niederdrackend wirkt» 



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80 ähnlich Mogador. Voi Venedig voraus hat ab^!- Xfogador das 
ewige Meer und die herrliche Sonne! Immerhin konnte nnr gewinn- 
bringender Handel die T^I^nsrhen an diese Stelle fesseln. ') 

Aber gewinnbringemiei Handel konnte gewis.<ermaa:«fä!en nur 
künstlich an diesen Punkt gefesselt wenlen. Mogador besitzt nnr 
ein Hinterland von geringer Ausdehnung und geringer Fruchtbarkeit. 
Seine Handelsbezieiiungen reichen zhhi jetzt über Maiiakesch, das 
Handelskarawanen in 4—5 Tagen eiTeichen, bis in die Atlasthäler 
von Demnat und Enti& und Aber Taradani, den Hanptori des Sus, 
für Handdlakarawanen in 6—7 Tagen erreichbar, bis nach Glimio, 
ja zur See augenblicklich bis warn Kap Juby, aber das Ist zum Theil 
liflnstlich geschaffen dadurch, dass alle Kflstenplätze sttdlieh von 
Mogador, namentlidi Agadir, der natfirliche, auch Mogador an 
Sicherheit übertreffende Hafen von Bus, dem Verkehr verschlossen 
sind, um zu verhindern, dass diese zum A tlasvorlaude, dem Herzlande 
des marokkanischen Staats peripherisch gelegenen Landschaften 
Beziehungen zum Auslande unterhalten, namentlich auch Waffen 
einführen und sich so der HerrscliHft des- Sultans entziehen könnten. 
Aus deiDselben Grunde, um den Handel zu untei binden, hat der 
Sultan autl» vor einigen Jahren die von einer englischen Handels- 
gesellschaft am Kap Jnhy eingerichtete Handelsniederlassung für 
schweres Geld derselben abgekauft. Er unterhält dort in einem Fort 
dauernd eine Besatzung von etwa 60 Mann, der von Mogador aus 
auf dem kleinen, ursprünglich von Kmpp zur Verfrachtung der 
grossen auf dem neuen Kflstenfort von Rabat aufj^estellten Geschütze 
erbauten Sultansdampfbr »Turki« alle VorriUhe zugeltlhrt werden. 
Ich lernte den deutschen KapitAn dieses Schiffes und den ersten 
Maschinisten, auch einen Deutsdien, in Mogador kennen, als sie von 
einer solchen Fahrt zurttckkamen. Sidi Hossein, einer der drei schon 



') I>er beigcgebene P!an von Mogador ist dt-r erste Versuch einen sttldien ru 
entwerfen. Es fehlte absolut jede Vorarbeit d;iflir. Der in den Annaleti zur 
Hydrographie, Jahrgang 1900, Taf. 8, veröffentlichte ganz kleine, beruiii augenscheinlich 
auf der eogBachen Seekute No. 1594, bfingt ntehta Nene« «nd tvvrde «air tlberdies ent 
nach der Rückkehr bekannt. Dieser ist von mir mit unvullkommenen Mitteln aufgenommen 
worden, was bei der Beurtheilung in Hetracht 3:u riehen ist. Im Ganzen ist er aber, 
wie mir von einem gründlichen Kenner der Stadt versichert worden ist, richtig. Auf- 
geoomme» habe ich depselbeit vorwiegend mit der Hand-BuMote, nur aasnahmnreüe 
konnte kh die echmalkaldeische Bass(Je auf Stativ henntien, da es galt, die Arbdt so 
unaiiffHllig wie möglich ausztiführen. Hii: KntfernunL;en '?ind dtirch Schritfiählcn ermittelt. 
Ein volles Jahr nachher ist mit dicken unvollkommenen Aufzeichnungen und Handskizzen 
in Marburg, also ohne die Möglichkeit einer Nachmessung oder Ergänzung, der Fla» 
enlirorftQ wotden. 



.^ .d by GüOgl 



as 

erwähnten in Deutsehland ausgebildeten jungen Marokkaner ist der 
Leiter der Station auf Kap Juby. Durch dieselbe hat sich 
der Snltan, dessen Hemditft somit jetzt welter naeli Süden reielit, 
wie kaum jemals, zam Herrn des Kttsteugebiets bis znm Kap Bojador 
gemaelit und vermag er jede europftisdie Festsetaung zu bindern. 
Ja, der wirkliebe Herrseber dieses Gebiets, der Scbeik El Maleynin, 
dessen Machtbereich bis znr Sakiet el Hamra reicht, bat« freilieh 
gegen regelmilssige Liefemng von Brotstolfen, die diese Nomaden 
nnr von Marokko beziehen können, und anderer Geschenke, sich 
nnter die Oberhoheit des Sultans gpstfllt und ist mehrmals am Hofe 
in Marrakesch gewesen Der Turki \^Mr im Begriff das Material zu 
einem Hause, dass sich El ^fHleyiiiii buiftn wollte, als Geschenk des 
Sultans natürlich, in Mogador an Bord zu nt^hmen. 

Von einem Handel nach dem Süden und nach dem Senegal von 
Mogador aus ist langst nicht mehr die Rede. Die Besetzung 
von Tuat durch die Franzosen wird namentlich die Zufuhr von 
Negersklaven nach Marokko unterbinden. 

Das natllrliehe Hinterland von Mogador bilden die Landscbaften 
Sebedroa, zn der es gehört, von der aber der nördliehe Theil schon 
naeb Saffi gravitiii, Mtnga und Haha, bergige, waldreiche Land- 
schaften mit magerem, dem Ackerbau wenig gOnstigem Boden, deren 
Bewohner daher mehr Viehzucht, besonders anf Ziegen treiben, die 
man in grossen Heerden in dem niederen Busch walde, der sog. 
Rhaba, von dem sie sich vorzugsweise nähren, antrifft. Daher sind 
Ziegenfelle ein Hauptausfuhrgegenstand von Mogador und besteht 
vor Bab Sebaa eiu besonderer Zietrenfellmarkt. Der blüthenreirlie 
Bnschwald nährt auch viele l'ienen, sodass Waclis ein weiterer 
wichtiger Ausfahrgegenstand v n Mogador ist und da der Busch wald 
zum Theil aus Callitris quadnvaivis besteht, liefert er Sandarac Harz. 
£twas Buphorbiom- Gummi kommt hinzu. Mogador ist auch einer der 
Häfen Tou Marrakescb, aber vor d&i nSheren Saffi nnd Mazagan etwas 
benachtheiligt, zamal die vom Atlas kommenden Kebenflfisse des 
Tensift, besonders der Scbischana, unangenehme Yerkebrsbindemisse 
zn bilden vermögen. So wflrde die Bedentnng von Mogador eine 
geringe sein, wenn es nicht kflnstlich znm sttdliehsten Seeplatze von 
Marokko Oberhaupt gemacht wäre und es so den gesammten Verkehr 
der verhältnissmässig reichen Landschaft Sns an sich gezogen hätte. 
Auch von dort und bis von Glimin kommen noch bedeutende Mengen 
Ziegenfelle, aber weit wichtiger ist da.s Olivenöl und noch wichtiger 
die Mandeln, die von dort gebracht wpiden. Weiiit,'er wichtig ist 
Akazien Gummi, welches auch die südlichen Landschaften liefern. 

muheiiuugnu XV Iii, Tiliiokaiü yuclivr. t 



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34 



Welche Bedentooe das Sas fDr Mogador bat« sieht man aehon daraoa, 
daas atets grosse Karawanen vor dem Sas Thore (Bab Sebaa) lagern 

und man ununterbrochen solche f^ich am Strande entlang nach Süden 
oder umgekehrt bewegen sieht Aucli fiir die Einfuhr europaischer 
Erzeugnisse ist das Sus der wichtigste Theil des Hinterlandes von 
Mogador. Die marokkanische Re^erunG: srlteint audi energi^;('h 
daran festhalten zu wollen, dass die gm/e Küste südvvüits von 
Mogador dem Fremdliandel verschlossen und die bevorrerlitete Stellung 
von Mogador aufrecht erhalten bleibt. Es ist bekannt, wie der 
Versiuli der deutschen Handelsexpedition unter Dr. Jaunasch dort 
anzukuuplen, aus:gegangen ist. Dagegen scheint über einen ähnlichen 
Versuch, welcher von dem englischen Globe Venture Syndicate 
Ende 1899 in Sna gemacht wurde, in Eoropa nichta bekannt geworden 
BU sein. Diese Gesellschaft liess, trots dem Verbot der marokkanischen 
B^erong und gegen den aasdrackliehen Befehl der englischen 
Gesandtschaft, wie es heisst, einen Dampfer die Eflate des Sns 
anlaufen und landete den Führer der Expedition mit einigen Leuten. 
Die marokkanische Regierung hatte von dem Unternehmen Kunde 
erlangt und schickte zu Lande einen hohen Beamten, zur See den 
von dem deutschen Kapitän Siebert geführten Regiei-ungsdampfer 
»Ha?5sanie< nach dem Sus. Die Ha.ssanie fand den englischen Dampfer 
und forderte ihn auf, sofort das Weite zu suchen. Als der Engländer 
dem Betelii nicht nachkam, sandte ihm die Hassanie aus dem alten 
Geschütz, das sie an Bord hatte, einen Schuss durch die Takelage, 
was jener mit einem Schuss aus einem kleinen Geschtttz erwiderte, 
ohne irgendwie Schaden zu thun, dann aber schleunigst abdampfte. 
Als er am nächsten Tage wieder ersehieo, waren die gelandeten 
Engländer bereiU als Gefiingene unterwegs nach Marrakesch, wo sie 
aber bald freigelassen wurden. Nach lebhaften Verhandlungen mit 
dem englischen Gesandten und der englischen Regierung wurde die 
Sache damit beigelegt, dass der deutsche Kapitän, der doch nur im 
Auftrage und Dienste der marokkanischen Regierung seine Pflicht 
getlian hatte, seines Dienstes enthoben wurde! 

Im Sus, das bis zur Neugründung von Mogador der Brennpunkt 
des Handels mit der Sahara und dem Sudan war, ist heate aacli 
nicht ein Europäer ansässig! 

Mogador ist so im wesentlichen Handel> t a It und auch als 
solche von vornherein (neu) gegründet. Es wiii It n vnn vornherein 
den europäischen Kaufleuten mancherlei VerguiLsiiguiigeii gewährt, 
um sie anzulocken. Doch liegt heute der grössere Theil des Handels 
in jadischen HAnden, die namentlich auch als Vermittler zwischen 



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a5 

den Earopäerii uiui Eingeborenen eine so grosse Rolle spielen, dass 
an jüdischen Feiertagen auch die Christen ihre Geschäfte zu schliessen 
gezwängten sfnd. Unter den Baroplem hallen diejenigen noeb immer 
(las Uebergewicht, die saent am Platze gewesen sind, die Eogländer, 
die aber zum Theil dnrch Misehblat nnd dnrch dibraltarleute 
vo-treten sind, die an der ganzen Eflste zahlreich sind, sich aber 
meist eines nicht sehr guten Bnfes erfrenen. Die Franzosen, die an 
zweiter Stelle stan(!en, sind heute bereits von den zuletzt gekommenen 
Deutschen überflügelt worden. Beträchtlich, wie an der ganzen 
Küste, ist auch die Zahl der Spanier. Sie gehören aber fast durch- 
weg den unteren Sf;lnchte?i an und ihre wirthscbaftliche Bedeutiinj^ 
ist sehr ^^^nn-^. Bezeichnend ist, dass die Portugiesen, die doch 
so lange die L-au/r Küste beherrscht haben und von denen iinrh 
manches Bauwerk, wie der Sultanspalast in Saffi, die Festungswerke 
und der Bootshafen von ISfazagan zeugen, abgesehen von wenigen 
Fischern, die im Friiiijahr au der Küsle erscheinen, ganz verscliwuuden 
sind. Auch die Zahl nnd der Einflass der Italiener ist gering. Die 
Gksammtzahl d^ EnfopAer betrag nach den mir durch den deutschen 
Yize-Ronsal, Herrn von Maar, gesammelten amtlichen Angaben der 
eoropftiscben Tertreter — wohl die erste Statistik dieser Axt — im 
Jahre 1901 342 Kdpfe. Davon sind Staatsangehörige: 





Männer 


Frauen 


Einder 


Zusammen 




., 70 


62 


•> 


132 




.. G4 


64 


? 


128 




.. 18 


12 




90 




8 


6 


S 


17 




5 


2 


7 


14 




8 


O 




13 


brasilische (meist Juden) . . . 


4 


4 




8 




177 


lö5 


10 


342 



Zu den 17 Angehörigen des deutschen Heichs kommen noch 
einige Deutsche aus Oesterreich und der Schweiz, sodass die 
Gtosammtzahl der in Mogador lebenden Deutschen 24 betragt 

Der Handel von Mogador besteht in der Ausfiihr von im Lande 
gewonnenen Rohstoffen, welche Ackerbau und Viehzucht, in geringen 
Betragen die wild wachsende Pflanzenwelt liefern und in der Einfuhr 
von solchen Gegenständen europäischen Gewerbfleisses, die selbst 
einer armen und in der Gesittung wenig vorgeschrittenen Hevölkerung 
unentbeJirlif-h sind. Da die Masse der Ri vrlkei ung so zn sagen aus 
der Haud iu den Mund lebt, so entspricht einer schlechten Ernte 



B6 

Attdi immer sofort geminderte Einfuhr, ganz beaooders deijenigen 
GegenstAnde, die znr Koth entbehrt werden können. Die Ernte* 
ertrage schwanken sein- bedeutend . besonders nach dem Schwanken 
der Niederschläge, die hier an der Aequatorialgrenze des Winter- 
rep'eiij^fiirtels und an der Grenze des grossen Wüstengürtels olineliin 
sehr gering sind, sodass e« nur eines geringen Ausfalls bedai f um 
Missernte zu verursachen. Dazu kommt dnnn noch die Heuschre* k^^u- 
gefahr. Doch fällt für Mogador eigentliith nur das Schwanktu der 
Oliven- und Mandelernte im Sus in's Gewicht, da die Ziegen, deren 
Felle ein Hauptgegenstand der Ausfuhr sind, sich voi^ugsweise von 
immergrünen Strftachem ntiiren, ja in niederscblagsannen Jahren 
eher die Felle in grösserer Menge anf den Markt gebraclit werden. 
Ein nenerdings durch die Europäer in Anfhabme gebraehter und in 
rasch ansteigender Entwickelnng begriffener Ansfnhrgegenstand sind 
Hühnereier. In Mogador bringen die Landlente ihre Erseognisse 
seihständig auf den Markt und unter Yermittelnng (jüdischer) Makler 
in die europäischen Kaufhöfe, während in allen andern Küstenplätzen 
die europäischen Kaufleute feste Verbindungen im Hinterlande haben, 
sodass sie ihre Geschäfte nur durch Vermehrung dieser Lieferanten 
vfigrössern können Aufh scliifken sie wohl Kiukäufpr im Lande 
lierum. Eine Vermehrung der Erzeugnisse durch Hebung d* >- Anbaus 
ist im Hinterlande von Mogador zunächst bei dem herrschenden 
System nicht zu erwarten. Bezeichnend för dasselbe ist, dass die 
Bewohner des nur 3 km von Mogador gelegeneu Dorfchens Diabat 
in der Ueberzengung, dass sie in Mogador sichere Abnehmer ihrer 
Erzeugnisse finden wfirden, anfingen, Gärten anzulegen^ die sie ans 
dem Wed Kseb bevAsserten. Der Eaid von Mogador sah das als 
eine yerdäehtige Nenemng an, die die Leute nur flbermttthig nnd 
nnbotmftssig machen kOnne und bot ihr sofort Eünhalt Ich sah 1899 
noch die verkommenen Beste dieser Gärten, 1901 waren nur noch 
Beste der EinzAnnnngen vorhanden, die inzwischen wol auch 
verschwanden sein werden. Eine andere Möglichkeit den Anbaa 
zu heben, nämlich durch Schutzgewährung an Eingeborene seitens 
einer europäischen Macht, was, wie wir selien werden, in Schauia 
ssclir wirkunß'svoll ist, ist im Hinterlande von Mogador anscrp<?Hilossen, 
da dem nicht nur die liegierung sondern anch die Eingebureih n si ll st 
entgegen sind. Auch die zeitweilige Aufliebung des Ausfuiirvcrbots 
von Waizen, Gerste und Kartoffeln, die 1901 auf 2 Jahre erfolgte, 
ist fttr Mogador belanglos, da diese Gegenstände im Hinterlande 
kaum flQr den eigenen Bedarf genügend gebant werden. Thatsäcblich 
schwankt die Gesammtziffer der Handelsbewegnng von Mogador zwar 



87 



von Jahr ta Jtthr etwas, aber in einer längeren Periode bleibt vsie 
gleich, von einer aufsteigenden Bewegung, wie doch so ziemlich in 
der ganzen Welt, ist keine Rede! 

Ich verdanke die Unterlagen für die folgenden Angaben und 
Tabellen dem deutschen Vize-Konsul, Herrn von Manr. Dieselben 

können auf einen hohen Grad von Zuverlässigkeit Anspruch machen, 
den liöchsten, der in Marokko wol überhaupt erreichbar ist, da 
Herr von Manr ein RTiindlirber Kenner diespr Verhältnisse \<t. und 
sieh die grosste Mulie gegelieii hat, der Wahrheit nahe zu 
koinmeu. Die Zahlen beruhen mcMi auf den Angaben des 
marokkanischen Zollamts, sondern aul denen der Vertreter der ver- 
schiedenen betheiligten Dampfergesellschaften. Sie waren zum Theil 
nur daroh besondere Gefillligkeit nnd frenndschAftliehe Beziehungen 
zn erlangen. 

Von den nachfolgenden Tabellen veranschanlicbt die erste die 
Änsfiihr von Mogador in den drei Jahren 1899, 1900 and 1901 nach 
den wichtigsten Qegensülnden, nach Menge nnd Werth, die zweite die 
Lftnder, nach welchen diese Anefnhr gerichtet ist. Man bekommt 
dnrcb Yergleich der 8 Jahre ein Bild von den Schwankungen, denen 
die Ausfuhr unterliegt, während im lOjflhrigen Durchschnitt 189M900 
diese Schwaukangen zorttcktreten. 

1. Ausfahr von Mogador. Gegenstände. 



Prozente 

Menge Werth der Geeaumitauäfuhr 

Jahr Gsg^nstaiid (Kilo) (Mark) im Jahnehnt 1891^1900 

1899 l•^99m) 15)18S(>0 o7o/„. Allvcemeiuen 

1900 2l'^-^0(M) 47808ÜU »teti« gestiegen von 

1QA1 Qnii'i-jr Ml AQti 681000 A im Jahre 

IWl 8ÜUJ7Ö 627 499 478OHOO A im 

1891-1900 1 394 595 Jahre 1900. 

OlivMll 

1899 1515(K)0 984 750 

1900 961 000 480 500 

1901 3 590 871 2 120 440 

1891-1900 423015 8V«. 

Ziegenfelie 

1899 1329000 2 326760 

1900 998000 1416000 

1901 1439468 2 375276 

1891-1900 1507638 »•/•. 



38 



Meng« Werth 

Jahr Gegenstond (Kilo) Q&eak) 

1899 229 000 130 550 

1900 418 000 326 200 

1901 567 801 441400 

StndaraO'Htrz 

1899 315000 315 000 

1900 363000 826700 

1901 326563 320553 

1899 145000 377000 

1900 253000 632500 

Oflliwiftllt 

1899 470 000 352 500 

1900 289000 21()750 



In noch geringeren Mengen und Werthen kamen, nach letzteren 
geordnet, zur Auj^fuhr: Bohnen (so^. Saubohnen), Pampelmusen und 
Datteln, wol beide aus dem Öus. Kammin. Haare. Mais, Wallntisse, 
aus dem Atlas, wo sie von etwa UK)0 ni Hulie an vorkommen. 
Oliven, Schaffelle, Veiichenwurzel, Wolle, Gerste. Keiner dieser 
Gegenstände eiTeichte 1901 auch nur den "Werth von lOOOOOJlt. 

Die Gesammtansfuhr betrng: 



1899 6Ö00O0O Kilo im Werthe von 6 775 790 .AI 

dazu 328 688 » Baargeld 

1900 7409000 • » » von 8621780 » 

dasa 515312 > • 

1901 7938013 > » «von 7665095 » 



1891—1900 Jahiesdiirchschnitt 5 153 722 > 

Man sieht) dass mehr als zwei Drittel der Ausftihr allein auf 3 Gegen" 
Stande, Mandeln, Olivenöl und Ziegenfislle kommen, von denen die ersten 
beiden &8t ganz, der dritte wenigstens zum Theil vom Sus geliefert 

wii-d. Die Wiedereröffnung des Mogador an natürlicher Sicherheit fiber- 
treffenden Hafens von Agadir wttrde also Mogador den Todesstoss geben. 

2. Ausfuhr von Mogador. Bezugsländer. 



Möüge Werth Prozente 

Jahr fiemgBkuid (Kilo) (Hark) der Geeammtaiisfiüir 

1900 Deutsches Reich 2 296 000 2 954 550 34,3 

1901 » 171G()77 1 188 836 18,0 

1900 England 1586000 2166020 24,4 

1901 > — — 16,0 



S9 



Menge Werth Prozente 

Jahr Bezugsland (Kilo) (Mark) der Gcsammtausfuhr 

1900 Frankreich 1260000 1 688 300 19,0 

1901 » — — 11,6 

1900 Verainigte Staaten 727000 1 090600 18,7 

1901 > 1265099 2087476 81^ 

1900 Italien 605000 488560 5,2 

1901 » — — 14,0 

Dm Deateche Beich bezidit TonngsweiBe von Marokko Mandeln, 
Olivenöl, Sandanc nnd Eier. Die AnsfUir dortbin stieg im letzten 
Jahrzehnt stetig nnd erreichte 1900, wesentUeh in Folge der guten 
Mandelernte im Sas, mit 34,3 "/o der Geaaninitansfabr von Mogador 
ihren Höchstbetrag, um 1901, hoffentlich nnr vorftbergeliend, anf 18"'« 
berabzugehen. England bezieht Eier, Sandarac, Ziegenfelle, Mandeln. 
Prankreich und Italien vor/iigsweise Olivenöl Die VereinifTten 
Staaten beziehen nur Zirgnii feile, die auf französischen flnd euglischen 
Scliiffen Aber Marseille und London dorthin gelaugen. Deshalb wurde bis- 
her dieser Theil der Ausfnhr Frankreich und England gutgescluiebeu. 

Adinlich wie der Ausfuhr von Mogador 3 Gegenstände ihren 
Charakter aaf)[>rageD» so anch der Einfiibr, nftmlich Banmwollenatoff», 
Zncker und Thea, ünd dies gilt für ganz Marokko. Die folgende 
Tabelle 3 ist das Gegenstttck von Tabelle 1. 

3. Einfuhr von Mogador. Gegenstände. 

Prorente 

Menge Werth der Ge»amtuteinfulir 

Jahr Gegenstand ^lo) (Hark) des Jahnehnte 1891- 1900 

BsiMinliMiielli 

1898 759 000 2 304 504 

1900 617 635 1942 908 

1901 821871 1412 450 

1891-1900 2 007Ö4G 

Zttoker 

1898... 3 791000 1 137 337 

1900 5007 610 1 ^02 282 

1901 6107 570 1712 703 

1891-1900 1 140 746 2*Vo. 

Thee 

1898 359000 647417 

1900 309119 525501 

1901 281915 555060 

1891-1900 402602 »V«. 



40 

Diese 3 Gegenstände machen etwa * a, der Zucker allein 1901 '/a der 
ganzen Eiuiulu aus. Das letzte Fünftel wird von zahlreichen Gegen- 
Btäuden gebildet, wie Mehl, Holz and Holzwolle, Eisen imd Eisenwiutren, 
Kerzen, Kolonialwaaren, Wollenwnaren, Seidenstoffe, Tach, PonelUn 
nnd Steingut, Glaswaaren n. deigl. ßezeidinend, besonders fBr den Knl- 
tnratand, sind die yersehwindenden Betrage, welche aif Bifiier, Seife nnd 
Parftlmerien, Petrolenm, Kaffee, Getränke, einschliesslich Biet*, also 
Gegenstände, die natih licli alle im Lande nicht gemaclit wei-den, kommen. 
Thee und Baumwollenstoffe, deren Absatz sich allerdings stetig ver- 
ringert, liefert England allein. Die hilligen BaumwollenstoflFe, die aus- 
schliesslich verlangt werden, etwa durch deutsche zu ersetzen, erscheint 
unmöp;lir]i Rnt^lands Ue))er«fpwir"ht in d<'r Einfuhr erscheint r!aher für 
lauge gesiciien. Den Zucker lu tV-i l \ 4>r/.ugs weise Frankreicli. in uerdings, 
von Antwerpen aus, auch Belgien. Ein Versuch, aus Galuien über 
Fiume und Triest Zucker einzuführen, scheint erfolglos zu verlauten 
und hat den ohnehin 8chon überfüllten Markt noch mehr überfüllt 
nnd die Preise gedrflckt Im Fdimar 1901 kostete in Mogador das 
Kilo Zucker 85 Pfennige! Dass das deutsche Boich mit den 
genannten Lftndern den Wettbewerb erfblgreich anfoehmen kdnnte, 
abgesehen von der angenblicklich schlechten Lage des Znekennarkts 
in Marokko, unterliegt keinem ZweifS^l. Alle Versnche, die fraglichen 
Kreise bei uns für Marokko zu interessiren, sind bisher gescheitert. 
Der marokkanische Markt schien nicht der Mühe werth zu sein! 
Die Einfuhr von Zucker bietet aber die einzige Möglichkeit, die 
deutsche Einfuhr nach Marokko überhaupt zu heben. Die Zucker- 
eiüfülir in Mogador betrug im Jaliresdurchsclinitl im Jahrzehnt 181U 
bis P.tOO 3 373 0(K) Kilo im Wertlie von 1 140 740 .H . Davon kamen 
auf Frankieicli 75"«, auf Belgien 20" o, das Deutsche Eeich 5"/o, 
Eijj^l.iiitl 2"o. Die französische Zuckereinfuhr ist stetig gestiegen 
und erreichte 1900 den Betrag von 4 171 000 Kilo im Werthe von 
1 252 353 A. Die dentscbe Znckereinfiihr hat stets geschwankt^ aber 
im Höchstbetrage (1898) nar 500000 Kilo eneicht. Eisen, Metall- 
waaren. Hobt, Holzwolle, Wollenwaaren, besonders Tuche sind die 
Gegenstände der deutschen Einfuhr in Mogador. Die ganze deutsche 
Einfuhr bewerthete sich im Jahre 1900 nur za 800944 Jk gegen 
2 831 374 M. von En^^land und 2144 190 Jü von Frankreich. 

Nach den Einfuhrwerthen und Prozenten der Gesammteinfahr 
ordneten sicli die Staaten wie folgt: 

lalir J jii^lantl Frankreich Deutsche Reich Bol>?ien 
1898 öO.O 18,0 6,0 ö.O 

1900 54,3''/o 32,5 5,2 5,2 

1901 40,2 27,4 6,3 6,0 



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Die GesaTnniteinfahr von Mogador betrug: 
1899 7 456000 KUo im Werthe ?on 5 154035 | 

1900 8 081059 » > » » 7 909 7()5 » | Baartreld 

1901. 10 797 884 * > * » 5 439 313 > | eingerochnet 
1891—1900 4 863fift7 » | 

Es schwankte die Einfulir von Mogador in dem Jahrzehnt 1891 
bis 1900 zwischen Ü6714ü(}>l im Jahre 1891 und 3 604 499 Ä im 
Jahre 1897. Die Einfuhr von BaunuvuHstoffen, deren Verkauf in 
Mogador ein eigener, durch Tbore verscbliessbarer viereckiger Markt- 
platz mit Ailudea in der Medina Torlmlialteii ist, Ist 1B91 
langsam, aW stetig zurflckgegangen. Die Theeeiäftihr unterliegt 
swar Scbwankungen, steigt aber im Allgemeinen. Das Gleidie gilt 
vom Zucker. Tliee und Zucker 'gehören in Marokko zu den 
Terbreitosten Genussmittelo, die sich auch der Aermste gönnt Die 
Gesammteinfuhr Ton Mogador lasst in dem Jahrzehnt keine auf- 
steigende Bewegung erkennen. 

Die gesammte fiandelsbewegung von Mogador hatte also im Jabre: 
18^9 einen Werth von 12 288 413 Ä 

1900 » » » 17 04G857 » 

1901 » » » 13 104 408 » 

1891—1900.... » » . 10 017 409 » 

Wie gering erscheinen diese Zahlen gegenüber denjenigen, mit denen 
man in Europa zu rechnen gewohnt ist! Sie sind aber niclit so sehr 
als eiD Ausdruck der geringen Hil&qudlen von Marokko aufeufiissen, 
als sie vielmehr den tiefen EuHurstendf richtiger vielleicht die wirth- 
schaftliche Verkommenheit dieses Landes kennzeichnen. 



7. Die Umgebung von Mogador. 

Ich lernte wäln-fMid meines Aufenthalts in Mogadoi- luv-h die 
nähere Umgebung'-, von der ich 1899 fast nichts liatle sehen können, 
auf zahlreichen Spaziergängen, Spazierritten und Ausliügen näher 
kennen. Namentlich hielt ich mich auch einmal 3 Tage in dem 
sogen. Falmtieehouse auf, nachdem ich dasselbe sclion vorlier durch 
einen flüchtigen Besuch kennen gelernt hatte. 

Die Umgebung von Mogador erhält ihr Gepräge durch den 
Dttnenzng) der schon annllhernd saharische Yerhfllteisse aufweist 
Ich gab diesem DOnenznge nach meinen, wie Ich hervorhob, 
nngenflgenden Beobachtungen 1899 eine Länge von rund 85 km, 
14 km Ton Mogador nach Sflden bis zum Eap Sim, 10 km nach 



42 



Norden, und eine Breite von höclistens 5 km. Bezüglich der Länge 
traf icli mit dieser Schätzung das Richtige. Dieselben reichen 
nordwärts bis unter das kleine auf der Jlöhe gelegene ßerberndorf 
Schicht bis 31* 35' nördlicher Breite. Auch die Breite ist nur auf 
5Vt km zQ yeigrOsseni, die höchste Kuppe des IHinenzugs dürfte 
IdO m H5be haben. Wenn ich aber 1899 mir, die Ansicht gebildet 
hatte^ dass dieser Bflnening mehr dem Steilrande des Tafellandes an- 
als vorgelagert sei, so moss ich das jetst berichtigen. Es handelt 
si( h um dnen DUnenwall, der eine bnchtartig in^s Land eingreifende 
Tiefebene vom Meere trennt und vom Wed Kseb in einem wunder- 
voll gewundenen Thale durchbrochen wird. Ueberall sieht man von 
den Höhen des Walles die mit Busch wald, aus dem nur hier und 
da ein Duar oder eine Kubba aufleuchtet, bedeckte Ebene sich aus- 
breiten, zu der man wieder hinabsteigt. Frst in einer Entfernung 
von 10-15 km vom inneren Fusse des Diiuenzuges beginnt wieder 
unebenes und ansteigendes Gelände. Man erblickt !^o auf dem 
Karawanen wege von Marrakesch aus dem Innern kommend Mogador 
erst auf der etwa HO m hohen, durch einen Steinhaufen noch 
besonders kenntlich gemachten Passhöhe des Dttnenzuges. Das Half, 
das nur eine Breite vom 1 km hat and so seicht ist, dass der 
Earawanenweg nach Marrakesch mitten durch dasselbe hindurch 
fnhrt^ greift in kleinen Buchten und begleitenden kleinen Wasser- 
flächen in den Dfinengflrtel dn. Hier ist es des Treibsands 
wegen geföhrlich vom begangenen Wege abzuweichen. Die Dflnen 
bestehen aus feinem Quarzsand und grossen Mengen kleinster Trümmer 
von Meermuscbeln. Sie sind ausserordentlich beweglich und 
veränderlich, was wohl zur Kenntlichmachung der Passhöhe zwang. 
Diese liegt bereits in dem befestigten inneren und höchsten Dünen- 
jxürtel. Die Befestigung erfolgt sowohl durch Bildung einer Kalk- 
kruste, wie durch Vegetation, und zwar durch Ansiedelung des Rteni 
(Retama nionosperma). den ich in Marokko überall Sandboden kenn- 
zeichnend fand. Dass es sieh hier in der Kalkkruste um eine dem 
Dünensande eingeschaltete Neubildung, nicht etwa um eine unter dem- 
selben liegende tftere sediment&ie Schicht huidelt, konnte ich ganz 
genan beobachten. Ich komme sp&ter darauf znrflck. Der Rtem^ dessen 
dttnne Buten im Februar von einer angehenren Fülle weisser BIttthen 
bedeckt sind, bereitet den Boden erst zur Ansiedelang anderer 
GewIchse vor. Anf den vdllig vegetationslosen beweglichen Dünen- 
gttrtel folgt also zuerst ein Gürtel von Rtem, dann erst, nach innen 
immer höher, dichter und mannigfaltiger werdend, die eigentliche 
Khaba, der Bnschwald, dessen Höhe aber hier 3 m kaum irgendwo 



43 



fibersteigt. Auch ist er unter den günstigsten Bedingungen noch immer 
so licht, dass nur ausnahmsweise etwa 75 "/o des Rodens bedeckt 
sind. Zu Ktem kommt zunächst der Thirtast rauch und eine 
Asphodelasart hinzu. Dann üppig wuchernde Euphorbien, die aber 
den iUem als Schutz und Stütze benätzen. Diesen gesellt sich hinzu 
Bschtik, den die Ziegen mit Vorliebe abknabbern. Erst später tritt 
Argan, OalUtiiB und Janiperas ant oft tob OlematiB und Pfeifen- 
kraut, Tereinselt auch von Eph«dra altiasima ttberrankt. Dazn 
kommt Fistacia Lentiscos, ein Bhamniis, Oleaster, Calycotome spinoea, 
ein dorniger Aeparagoa. Wenn diese Strflncker gegen Ende des 
Winters in Blflthe stehen, bietet immerkin die Bkaba manche Reize 
und man kann begreifen, dass dann die Europäer von Mogador, die 
freilich in dieser Hinsicht nicht verwöhnt sind, auf einige \yochen 
im Zelte wohnend, ihren ganzen Haushalt mitten in die Rhaba 
verlegen. Nacli innen sind in dieselbe einzelne durch Rodung 
gewonnene Felder verstreut, die aber alle zum Schutze gegen das 
weidende Vieh, .schwarze Zi* k u und Schafe, mit Trocken uiauern 
umhegt sind, deren Steine, die landeinwärts immer häufiger und 
mächtiger werdende Kalkkruste liefert. Ich führe die auffällige 
Erscheinung, dass mit diesen Feldern auch zahlreiche kleine Bauern- 
hAuser, alle mehr oder weniger banfüUig, inmitten dornenumhegter 
fldfe, durch die Bhaba rerstrent sind, darauf zurflok, dass immer 
nur kleine FlAchen urbar zn machen sind. 

Welche MOhe die ürbarmachnng and Mnhegong dieses leichten, 
sandigen, nnr mftssig frncbtbaren, die Feuchtigkeit wenig festhaltenden 
Bodens verorsacht, das konnte ich bei dem sogen. Palmtreehouse 
sehen, das heute inmitten eingehegter, allmählich der Bhaba ab* 
gewonnener Felder liegt. Dieses Palmtreehouse wurde so genannt 
nacli einer weithin, namentlich von Mogador aus sichtbaren hohen 
Dattelpalme, die aber ein Sturm im Jahre 1899 (?) geknickt hat, so- 
dass nur noch ein Busch übrig und der Name nicht mehr bei-echligt 
ist. Es gehört einem Anglo-Maiukkaner, der vor Jahren hier von 
einem Eingeborenen, dessen kleiner, armseliger Hof noch daneben 
erhalten ist, ein alhiiahlich durch alle möglichen Mittel, dem Wider- 
Stande der marokkanischen Hegierung und der Eingeboren zum Tix)tz 
erweitertes kleines Besitzthum erworben und als Gasthaas eingerichtet 
hat. Dasselbe besteht jetzt, nachdem ein neuer Anbau yoUendet Ist^ 
aus einem kastellartigen viereckigen Bau, der zwei H5fe amschliesst 
Es soll eine Wlnterstation sein and wird ancb yon Engländern, die 
mit den auf dem Wege nach den Kanarischen Inseln wöchentlich 
Mogador anlaufenden englischen DampfiBm ankommen, als solche aaf 



44 



längere oder ktiizere Zeit benfitzt. Gelegentlicl» halten sich wol 
aucli Deutsche iiiul audere Europäer aus Mogador, die eiunml dem 
öden Steinhaufen entfliehen wollen, dort auf. Es ist dazu allerdings 
ein ziemlicher Grad von Auspruchslosigkeit erforderlich, denn die 
Lage des Hauses, das mitten in der Bhaba etwa 80 m hoch, 7 Va km 
von Mogador steht, ohne Wasser, ohne Schatten, ohne anrieheode 
Spaziergange, ist keine verlockende. Klimatisch theilt es mit 
Mogador zwar die Milde und Gleichmttssigkeit der Temperator, aber 
auch die heftigen Stärme, denen man hier noch schatzloser gegenüber- 
steht wie in Mogador. Die einzigen Zerstreuungen, die möglich sind, 
sind Jagd- und Spazierritte. Wir möchten somit Niemand, am wenigsten 
einem Kranken diese Winterstation empfehlen, die natürlich auch nur zu 
Pferde und durch tiefen Dünensand von Mogador aus zu erreirhen ist. 

^\ ( nn ]i Ii über Mogador selbst als Winterstatiou für Kranke, 
besonders Lungenkranke noch etwas saj^en soll, so muss ich, im 
vollsten Gegensatze zu den franzosischen Aerzteu, die es für diesen 
Zweck sehr warm empfohlen liaben, es als völlig: ungeeignet bezeichnen. 
Mein ürtheil, das sich aut eigene Kifahiiuig und die Kenntnis so 
ziemlich aller klimatischen Winterkurorte des Mittelmeergebiets 
stQtzt, ist jetzt eher noch angünstiger, wie schon 1899. Die Gleich- 
mSssigkeit der Wärme ist b» Weitem nicht so gross, als es nach 
den meteorologischen Beobachtungen scheint, da die örtlichen 
Verhältnisse derartig sind, dass eine völlig einwandfreie, die Wlrme- 
schwanknngen nicht abgestumpft wiedergebende Aufstellung der 
Instrumente kanm möglich ist. Vor allem häufig und heftig sind 
die Winde in jeder Jahreszeit, aber besonders im Winter. Dieselben 
sind stets relativ kühl, da sie fast ausnahmslos ans nördlichen 
Quadranten kommen. Der Gegensatz der windgeschützten, sonnigen 
Punkte, so selten solche sind, und der dem Winde ausf?e<f't/ten, ist 
stets ein sehr grosser. Die uieist kalten und feuciiteu Winde 
verstärken hier noch den Gegensatz von Sonne und Schatten. Die 
Luft ist immer sehr feucht, im Sommer noch mehr wie im Winter. 
Im Sommer kann mau Eisen schwer vor dem Kosten, Leder vor 
dem Versehimmeln schützen. Ich habe iu Mogador Tage erlebt, wo 
man gegen den eisigen Nordwind kaum ankämpfen konnte und wieder 
Tage, wie am Sf2. Februar, wo es bnchstftblich 34 Standen ohne 
Unterbrechung regnete und man die Sonne nicht , zu sehen bekam, 
eine fär diese Breite ganz ungewöhnliche Ersdieinung. Dazu kommt^ 
dass kein Q-arten, ja kein Baum in der Stadt und ihrer nächsten 
Umgebung vorhanden ist, kein Gasthaus, das selbst bescheidenen 
Ansprachen eines Kranken zu genügen vermöchte. 



45 



8. Ain-el-Hadschar. 

Nachdem, wie sehon angedeutet, der Dampfer Oldenburg endlich 
am 1. März angekooiinen nnd ich am 2. März in den Besitz meiner 
Ausrüstung gekommen war, konnte icli endlich am 4. März, nachdem 

(He letzten Vorbereitungen, namentlich Verstärkung meines Zeltes 
durch ein Doppd iarli mit Hochdruck betiieben worden waren, von 
M()c:}iflor aufbrechen. Herr "Dr. Weisgerber war am 28. Februar 
aiiirekuiiimen. Er hatte die Rei.se von Cai>ablanca zu Lande längs der 
Küste in 10 Tagen und unter grossen Beschwerden zurückgelegt, 
die tluicli das schlechte Wetter, Wind, Ktike und Kegen verursacht 
worden waren. Ich würde, wenn es sonst möglich gewesen wäre, 
ohne ihn ataawarten, in*8 Innere gegangen sein, wie wir nncli den 
3. Beisegefllbrten, Herrn Dr. Kampffmeyer, nicbt abwarten wollten, 
leb batte mit demselben verabredet, dass er an irgend einem ibm 
bekannt m gebenden Pnnkte, vielleieht erst in Saffl, mit mir 
zusammentreffen sollte. Da ich aber meiner Ausrüstung und wegen 
der scbwierigen Be.schaffung der Lasttbiere doch den Aufbruch in's 
Innere immer wieder aufschieben mnsste, so bescliloss ich endlich, 
Dr. K. in A in el-Hadschar zu erwarten. Konnte doch da-s letzte 
fehlende Kamel und Maulthier erst bei Dr. Kampünieyers Ankuntt 
selbst beschafft werden. Derselbe hatte für die Reise von Hamimrg 
nach Mogador auf einem W'oermann-Damitfer volle 4 Wochen 
gebraucht, eine Zeit, die genitgt. um die Krde halb zu umkreisen! 
Auch das beleuchtet die V erkeliisviM'hältnissse von Marokko. 

Ich verliess also am 4. März, nachdem die Karawane zur Noth 
marschffihig und durch Dr. Wei.>;gerber. der über zwei Leute, ein Pferd 
und zwei Maulthiere verfügte, verstärkt worden war, Mogador und 
schlng das Lager in dem 25 km in nordOstlieher BidiUing entfernten 
Thale von Aln-el-Hadscbais in dem OliTenhaine ant den Herr fi. 
Marx ond Herr yon Manr knrz Toiber erworben hatten. Icli nabm 
den Weg selbstTerstandlieh sorgsam an^ doeh ebne irgendwie in*s 
Gewicht fallende Aenderang gegenüber 1899. 

Der Aufenthalt in AIn-el*Hadscbar und die wissenschaftlichen 
Arbeiten worden auch dnreh schlechtes Wetter, Stnrm nnd Regen 
benachtheiligt Die Feuchtigkeit war so gross, dass nach wenigen 
Tagen die Matten im Zelte zu ianlen begannen nnd man jeden 
sonnigen Tag zum Trocknen bentttsen musste. Dass nnd warum es 
nicht möglich war, durch Ausgrabungen Licht in die Geschichte des 
uralten Bergbans am Djebel Uadid zu bringen, ist schon angedeutet 
worden. Immerhin versah der deutsche Schutzbefohlene, von dem 



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der Besitz erworben worden war, uns mit den nnentbelirücbsten 
Lebeusmitteln, weiiu ich auch Futter für die Tiiiere von Mogador 
holen lasaen nmsste. Herr Dr. Weisgerber hatte dnen Eingeborenen, 
der sich fittr einen Jftger an^b, in seinen Dienst genommen, ging 
eiftig anf die Jagd and war, so wenig lohnend dieselbe anch im 
Allgemeinen war, doch im Stande junge Wildschweine nnd Wildtanben 
in die Kflcbe za liefern. 

Ziemlich Tiel Mfihe erforderte die Wiederberrichtnng der 
Instrumente, die sämintlich durch die greuliche Behandlung, die sie 
unterwegs und besonders bei der Umladung auf der Rhede von 
Gibraltar erfahren hatten, in Unordnung ^erathen waren. Es 
wurden die regelmässti/^en meteorologischen Jieobarhtungen in Ueber- 
einKtJmnuuig mit denen in Mogador um 7'. 2'', JH' vorgenomnien nnd 
wain f Ii i lier ganzen Reise durcligelulii t. Die Ergebnisse werden im 
Zusaiiiiiu nliange mitgetheilt wei-den. Die Hauptarbeit war topo- 
graphischer Natur. Es wurde auf zahlreichen grösseren und kleineren 
Ausflügen zu Fuss und zu Pferde die Gegend erforscht und so das 
Material gesammelt, mit welchem die Karte der Unigebnng Ton 
Mogador in 1:100000 entworfen werden konnte. Wichtig f&r 
das Yerstftndnis der Oberflilchengestaltnng nnd der Hydrographie 
des gansen Atlas-Vorlands war der Einblick, den ich nun in die 
Entstehung des eigenaitigen Thaies Ton AIn-el-Hadschar gewann. 
Dasselbe ist ein typisches diluviales Trockenthal, wie es deren im 
sttdlichen Atlas- Vorlande sehr viele giebt. Ausflüge thalaufwÄrts 
und thalabwärts zeigten die auffallende Thatsache, dass das Thal 
zwar streckenweise Wasser führt, aber seit Menschengedenken, 
ja wahrscheinlich seit der Pluvial/eit o!ine einen zusammen- 
hängenden Flnss oder Bach gewesen ist. Nach den ausgiebigsten 
Regen bilden sicli wol gelegentlich Wasseransaninihuigen in der 
Thalsohle, aber nie ein Fluss. Dass das Tlial mit seinen wunder- 
vollen Windungen, sich bald beckenartig erweiternd, bald verengend, 
der erodierenden Thätigkeit fliessenden Wassers zuzuschreiben ist, 
darQber kann kein' Zweifel s^ Es ist, soweit ich es verfolgt habe, 
durchaus ein Abdachungsthal, in tafellagernde Schichten, besonders 
Kalkstein (Krinoiden-Ealkstein) der Kreideformation eingeschnitten, 
ausser wo es sich nm das Sfldende des P|. Hadid schmiegt und an die 
Störungen desselben gebunden ist. Es hat, wie auch die H$hen- 
bestimmnngen zeigen, kontinuierliches Gefalle gehabt, das aber jetzt an 
einzelnen Stellen durch Schuttanhäufung und SchweUenbiidung 
nnterbrochen ist. Namentlirh ist so an der Ausmündung ins Meer 
wul durch Saudanhäufung eine Schwelle gebildet Während die 



47 



Rrilip fies Thalbc* k*Mis bei Aiii - el • Hadschar nach den diesmaligen 
barüiiietischen Messuiigen etwa 90 m betragen dürfte, ist sie am 
unteren Ende nur nocli etwa 70 m und noch weiter thalal»wai'ts, an 
der Tlialweilung von Dar ald-Siöd nur noch 50 m und schliesslicli 
am Bronnen yon Alt Taharia, 4V« km Tom Meere, etwa 15 m. Das 
Wasser, welches das Thal streckenweise fllhrt, ist nicht etwa als 
Zntagetreten des unterirdischen Stromes vor Hindethissen za erklAren, 
sondern stammt ans Qaellen. Diese sind entweder, wie die von 
Aln-el-Hadsebar, an Schichtenstdrangen gebundene anfeteigende oder 
durch die diluviale Erosion angeschnittene Wasseradern. Die kleinen 
Bfti^e, denen sie Ursprung geben, werden bald zu Bei-iesehings- 
z wecken aufgebraucht und versickern in der Thalsohle. So der, 
welcher ans der Steinquelle (Ain-el-Hadschar) abfliesst und ein 
anderer weitnr oberlialb bei Sidi Tsebiker. Eine kleine durch die 
tiefgreifende Krö>i' n anfiescbnittene Quelle ist die von Sidi Embarek, 
unterhalb A in-el-lindscliar, wo 15 m über der ThalsoLle das Wasser 
aut iHiiluK Illässigen thonigen Sandsteinschichten zn Tage tritt. Es 
füllt nur kleine künstliche Sammelbecken. Dagegen ist der geradezu 
als Brnonen, Bir, bezeichnete Bir Khanfus in der Thalsoble und 
Tielleicbt auch die Am (Quelle) Alt Taharia, beide im unteren 
Thale, nur das in Brannen gefasste Grundwasser der Thalsohle. 
Beide fliessen anscheinend niemals ttber und geben keinen Bachen 
Urspmng. Wol aber sammelt sich in regenreichen Wintern hei 
Tin) el Ajnn (Matter der Quellen), hinter der Schwelle, welche den 
Thalansgang zum Meere sperrt^ das Wasser seeartig, bis es allmählich 
wieder verdunstet und versickert. Die feuchtesten Stellen der 
Thalsolile sind mit Feldern bedeckt; wo fliei^sendes Wasser der 
Quellen zur Verfügung steht, sind Gärten ant^flesft Nur das 
tektonisch bedingte Thal an der Ostseite des Dj. Hadid hat zuweilen 
einen zusamnieubangenden Wasserlauf, der längere Zeit gefüllte, den 
Bewohnern der benachbarten Duar als Viehtränke und Waschplätze 
äusserst werth volle Wasserlöcher zurücklässt. Aber auch er versickert 
bald nach seiner Einmündung in die Thalweitung von Ain-el-Hadschar 
im Schwemmlande der Thalsohle. Wie weit dies Trockenthal von 
Ain-el-Hadscbar in's Innere ausgreift^ habe ich selbst nicht feststellen 
können. Die Eingeborenen behaupteten, es beginne bei Taftascht 
am Earawanenwege nach Marrakesch etwa 45 km nach Osten. 

Intensiver Anbau ist hier, wo die winterliche Niederschlagsmenge 
nur eben 400 km erreicht, nnr mit Hilfe künstlicher Berieselung, 
also nnr in der Thalsohle, soweit das Wasser der Quellen reicht, 
uiiiglich. Dieselben sind daher nicht ohne Qeschick, wenn auch in 



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einfachen Gräben bald nach ihrem Anstritt am Fuss der beiderseitigen 
Tbftlgehäoge hiiigeleitet nnd ihr Wasser wird so Aber die Thalsohte 
ausgebreitet. Merkwardig ist dabei, dass man, obwol der kflhlste 
Monat noch immer eine Mitteltemperatiir von 16' C hat and ich 
anch diesmal genau wie 1899 die Temperatur der Ain-el-Hadschar 
tu 21,5*0 bestimmte, von allem winterlichen Anbau absieht 
Wfthrend die unbeiieselteii Maisfelder anfangs März schon bestellt 
waren, hatte die Bearbeitung der Rieseltelder und Gärten, die hier 
ohne Unterbrechung das ganze Jahr tragen könnten, noch nicht 
begounen. Welche Fülle von Frühkartoffeln, deipn Ausfuhr eben 
freigegeben ist und die im kleinen schon gebaut wenl^ n, yon Tomaten, 
Gemüsen jeder Art könnte allein das Thal Am t-l Hadsdiar hervor- 
bringen! Ist doch eine regelmässig Mogador jede Woche anlautende 
englische Üampferlinie fast allein darauf begründet und wenigstens 
ihre Kegelmässigkeii daduich verbürgt, dass sie vertragsmässig 
verpflichtet ist, diese Erzeugnisse der Kanarischen Inseln in die 
Markthallen von London zu liefBm. Auch bei uns ist ein grosser 
und dem wachsenden Wolstande entsprechend stetig wachsender 
Bedarf an derartigen Dingen. Sollten nicht Hamburg und Berlin, 
und Ton dort aus yielleicht Kopenhagen, Stockholm und Petersburg 
im Stande sein, einem unmittelbaren Bezüge durch regelmSsaig und 
rasch laufende Dampfer hinreichenden Rückhalt zu geben? Sollte es 
nicht möglich sein, das heute fast wüstliegende kleine Paradies von 
Ain-el-Hadsehar zu einem Wintergarten für Deutschland zu machen? 

Das Thalbecken von AKn-el-Hadscbar, dem der vorfrf bigerte 
Wall des Djebel Hndid und die tit^fe T;8L^e zur Umgebung noch 
besonderen Schutz gewahrt, hat eine Länge von H und eine grösste 
Breite von 1 km und könnte in dieser Ausdehnung das ganze Jahr 
aus der wannen Quelle bewässert wei-den. Der Boden i.st ein 
dunkler schwerer Humusboden von grosser natürlicher Fruchtbarkeit. 
Die Berieselungskanttle sind fieUkch Ter&llen, sodass sich Yer^ 
sumpfungen bilden. Der beste Theil des Thaies war ehemals als 
ein Sultansgarten von Lehmmanern umschlossen, die heute nur noch 
in dürftigen Besten erkennbar sind. Die rechteckigen Felder sind 
Yon Granathecken umschlossen und werden im Sommer mit spanischem 
Pfeffer Mais, Bohnen, Gemüsen und dei^l. bestellt. Ungepfl^te 
Apfelsinen nnd Limonenbäume sieht man häufig. Der Feigenbaum 
gedeiht in grösster Ueppigkeit. Alte ungepflegte Oelbäume finden 
sich in grosser Zahl, einzelne Dattelpalmen oder Gruppen derselben 
verleihen der Landscliaft besonderen liei/. Die Thalgehänge siml 
vorzugsweise von Argauhaiuen bedeckt, in deueu luau einzelne uralte 



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49 




2. Argan und Heiligengrab von Ain-el-Hadschai . 

riesige Bäume findet. Eines der schönsten beschattet das Grab eines 
heiligen Sidi Embarek (s. Bild 2). Im Winter und Frühling sind dieselben 
von zahlreichen kleinen Singvögeln belebt, die zu schiessen die Ein- 
geborenen zum Glück zu arm sind. Wenn sie Pulver für ihre alten 
Steinschlossgewehre zu erschwingen vermögen, verwenden sie doch 
statt Schroot kleine Steine. Das somit ziemlich baumreicli 
erscheinende Thal ist gänzlich unbewohnt. Die stattliche Zauia Sidi 
Ali Berachmün, die auf einem felsigen Vorsprunge ganz nahe bei der 
Quelle liegt, ist das einzige bewohnte Haus des Thaies. Aber rings 
auf den Höhen liegen zahlreiche kleine Berbernduar, einer, der früher 
dem Schech des Thaies gehörte, Duar Alt el Gnin, auf einer Vorhöhe 
des Dj. Hadid, besitzt sogar einen stattlichen Thurm, wie solche in 
dieser durchaus von Berbern bewohnten Gegend nicht gar selten sind 
(s. Bild3). Eine Messung mit dem Richthofen'schen Horizontalglase ergab 
die überraschende Thatsache, dass alle diese kleinen Dörfer in gleicher 
Höhe liegen, wodurch ebenfalls zum Ausdruck kommt, dass wir ein nur 
durch Erosion und Denudation etwas gegliedertes Tafelland vor uns haben. 

Auch zahlreiche heilige Stätten im Thalbecken selbst oder in 
der Umgebung lassen die besondere Wichtigkeit desselben erkennen. 

MUthctluugeu XVlll, TUrobKld »Ucbcr. 4 



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3, Duar Ail el (inin des Scheclis von Am-el-H;ulschar. 



Eine zweite kleinere Zauia, Z. esch Scberif, liegt am westliclien 
Tlialgehftnge. Eine Zauia entspricht etwa dem Kloster im mittel- 
alterlichen Sinne und ist meist zugleich eine Moschee, eine Schule, 
ein Versammlungs- und Unterkunftsort für Gläubige. Obwohl es 
namentlich in abgelegenen Gegenden sehr ungern gesehen wird, wenn 
ein Christ sich einem solchen heiligen Orte auch nur nähert, so 
schlugen meine Leute doch gern, der grösseren Sicherheit wegen, 
das Lager in der Nähe einer Zauia auf. Auch die Eingeborenen 
lagern gern im Schutze einer Zauia. Auch mehrere Kubbas oder 
Heiligengräber, Steinwürfel mit Kuppel und F'kir, Heiligengräber 
einfacherer Art, meist im Schatten schöner Arganbäume finden sich 
in der Umgebung von Ain-el-Hadschar. Die Duar sind meist klein, 
oft nur Höfe einer einzigen Familie, also nicht entsprechend der 
ursprünglichen Bedeutung des Wortes, unter dem man eigentlich 
einen Zeltring zu verstehen hat. Es würde dafür der im Hiuterlande 
von Casablanca gebrauchte Ausdruck Gutha, ungefähr soviel wie 
Meierhof bes.ser passen. In Nord-Marokko bezeichnet man eine feste 
Siedelung als Tschar oder Karia. Eine Kasba ist ein Kastell, meist 
Sitz eines Kaids mit .seiner unmittelbaren Gefolgschaft, also der 



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Verwaltiingsniiltelpuiikl eines grössere» Bezirks und dalier aiicli fast 
immer mit eiueui oder einigen Verkaufelädeii für die unentbehrlichsten 
Gegenstände. Die Verkäufe)' sind meist Juden. Nicht selten macht 
eine solche Kasba den Eindruck einer kleinen Stadt. 

Das gaDse Land ist in luttarlicbem Zustande mit Busch wald 
bedeckt^ der in der Tliat aneh hier nur anf grosseren oder kleineren 
Flftchen gerodet Ist und Ackerbau Plats gemacht hat Auf besserem 
Boden and in den Thftlem erreicht dieser Boschwald hier and da 
grössere Dichtigkeit und Höhe. Doch dürften B&ttnie Yon 6 m Böhe 
schon selten sein. Der Djebel Hadid ist in soiiirr ganzen Ausdehnung 
mit Bnschwald bedeckt, und abgesehen von den Hutten neben der Kubba 
Sidi Yakub heute gänzlich unbewolint. Vom Tensift südwärts durch 
die Provinzen Schedma^ Haha und Mtuga gegen den Atlas hin 
dehnt sich dieses Waldgebiet in einer Breite von 40-50 km ,\n der 
Küste entlang aus. In demselben kommt im Wesrntlir h^n die 
grössere Höhe zum Ausdruck, iu welcher liier da^ L;uid vom Meere 
aufsteigt und eine gewisse dadurch bedingte Zunahme der Nieder- 
schläge. Die Zusanimeusetzung dieses Buschwaldä, der selbst- 
yerstAndlich nur aas immergrünen, blattarmen, domreicben, klein- 
blfttterigen Bänmen and Sträachem besteht, ist eine sehr manigfkldge. 
Doch herrscht im Allgemeinen der das sfldwestUche Marokko ttber- 
banpt kennzeichnende Arganbanm vor, der hier and da reine Bestände 
bildet, seines Nutzens wegen wohl aneh in einer Art Halbkultnr 
gehalten wird. Neben dem Arganbanm, dessen Verbreitungsgrenzen 
ich 1899 wesentlich berichtigen konnte, tritt anmittelbar an der 
Küste Callitris quadrivalvis, in Marokko Arar genannt, sehr häufig 
auf, oft in reinen Beständen, jene auch knlturgeschichtlieli so 
anziehende Conifere, die nur i« den Atlasländern vorkommt, dort 
ab*^r vom Kap Ohir bei Tunis. In Marokko verwendet man das 
dutii^^ . X hoii gemaserte Holz zu geschnitzten Tisi iieu uud äüniicheu 
Geraiheii, in Algerien verarbeitet man auch neuerdiugs wieder, wenn 
auch in kleinen, wegen Mangels an grossen Stöcken, die heirlich 
gemaserten Wurzelstöcke, die in römischer Zeit bekanntlich zu Tischen 
verarbeitet worden, fttr welche Liebhaber ganz ansinnige Preise 
bezahlten. Anscheinend nur in Sfldwest-Marokko wird das Harz 
des Arar, das sogen. Sandarac, gesammelt, was natürlich zur 
Terniehtnng der Bestftnde fttbrt Anch zu ümzftnnnngen erscfadnt 
Arar besonders geeignet. Mit Arar zusammen tritt meist ein 
Juniperus auf. wohl J. phoenioea L. Ferner Pistacia Lentiscns, 
Oeratonia siliqua, der Oleaster, vereinzelt auch Arbutns uud Phillyrea, 
mehrere Bhamnns, Lavendel, Gistns and Ueiianthemam-Arteu, Salvieo, 



52 



Rhos peDtapliylla Trabut und Bh. ozyftcantha, neben Rt^ mehrere 
dornige Ginster, besonders Oenista myriantha Ball, Geniata feroz, 
Calycotome spinosa, Cytisns albidas DG. Eine Eaphorbie tritt in 
mächtigen Bflschen, mit sahlreiclien Yeraweignngen sich auf einen 
Argan oder andere HolzgewAchse stützend, ssiemlieh hanfig anf, 
Aptherantes, hier Drniuss genannt, bildet im Schutze der Holz- 
gewächse polslerartige Gruppen. Man isst davon, wenn die Galle 
niclit in Ordnung ist. Rpliedra altissinia, Pfeifenkmut, Smilai, 
Tamns, Olematis durcbranken d«n Buschwald besonders anf ptwa.s 
besserem. ft»uchterem Boden und machen ihn fast iindurdHlriiiglich. 
Es dient dieser Buschwald vorzugsweise als Weidegrnnd für Ziegen. 
Doch liefert er auch bedeutende Mengen Holzlvohieii, die voi-^uu^weise 
in Marokko als Brennstoti' dienen Ich führte immer Holzkohlen 
mit mir und versah mich stets mit einem reichlichen Von*athe, wenn 
wir in das Steppengebiet eindrangen. 

Schon während des Anfenthalles in Aln-el-Hadachar and später 
noch sehr oft konnte ich mich diesmal mit der fhrchtbaren Landplage 
yertrant machen, von weldier Marokko, wie alle trockenen Enl- 
gegenden oder an solche grenzenden Gebiete zeitweilig heimgesncht 
werden: die Heuschrecken. Im Jahre 1899 hatte ich nichts von 
ihnen gesehen, anch 1901 war noch kein besonders schlimmes 
Hensehreckenjahr, doch waren die Verwüstiiügen auf ihrem Durchzöge 
gross genug. "Wie bei einem verheerenden Orkane konnte man den 
Weg, den sie genommen, deutlich erkennen. In ihrer Bahn war alles 
Grüne verschwunden, die Getreidefelder bis in die Wurzrln abgefressen. 
Dicht daneben k^^iiie Spur von Heuschrecken fra^ Von fern hatte 
man den Eindruck grosser treibender Schneefluekeu, in der Nähe 
hätte man an einen Schwärm kleiner Vögel denken können. Ich 
habe zwar keine Schwärrae gesehen, die so dicht waren, dasi» sie die 
Sonne yerdankelten, aber immerhin waren sie zuweilen sehr dicht 
und gelegentlich 4—6 km breit. Sie flogen den Reitthieren so 
massenhaft an die Köpfe, dass diese zuweilen scheuten. Wo sie 
sich niedergelassen hatten, flogen sie Tor den Hufen der Thiere auf 
eine kurze Strecke auf. AniSuigs März waren sie dabei, Eier zu 
legen, und es waren im Buschwald von Schedma ganze Flächen von 
den Tbieren bedeckt. Das Männchen sitzt dabei auf dem Weibchen, 
das seinen verlängerten Hinterleib etwa 3 Centimeter in den lockeren 
Sandboden bohrt und dort einen Ballen Eier ablegt. AV^o sie. dies 
Geschäft eViHii lips'trf?t lintten und weitergezogen waren, um bald zu 
sterben. Avar tlei- Boden sit^t)artig durchlöchert. Doch schliessen sich 
die Locher bald oder der Wind weht sie zu. Anfangs Apiil fand ich 



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schon massenbaft todle ake Heuschrecken und eben aus^ekiucliciie 
junge. Icli habe j^enau aufgeztjichiiet, wo und wie l;uige icli durch 
Heuschreckensch Wärme ritt und in welcher Riclitung dieselbe» flogen. 
Im Allgemeinen ging ihr Flug ans dem Innern gegen die KOste. 
Wenn ich die Gegenden auf der Karte kenntlich gemacht habe, wo 
Henachraeken auftraten, so ist diesen Einselbeotiaehtnngen kwm mehr 
als ihre Hftoflg^keit zn entnehmen. 

Waren auch die Flftehen, die im Frflhling 1901 yon den Heu- 
Bchreeken Terwttetet wurden, nicht allzngroes, die Plage also keine 
allgemeine, so mossten ihre Verheerungen doch örtlich, als völliger 
Aasfall der Ernte und Fattermangel fttr das Vieh, schwer genug 
empfunden werden. Die armen Bauern suchten sich, wenigstens In 
Schedma, zu schützen, indem sie mit wehenden Fahnen durch die 
Felder schritten und die Tliieiv am Niedersetzen zu liindern suchten. 
Tn Schauia suchte man der Knnsii keiung juuL'-er Bmt vorzubeugen, 
indem die Regierung auf Anregung seitens der Europäer Hen- 
schreckeneier zu bestimmtem Preise ankaufte, um sie zu ynrnichten. 
Der Preis war bei der herrschenden AiiiuiLh hoch genug, uui die 
Leute sum Sammeln zu veranlassen. In Casablanca war die Ankaufs- 
stelle im Hafe der Kaserne eingerichtet, wo auch mein Zeltlager 
anfiseschlagen war. Da kamen denn Tag fttr Tag yom frühen Morgen 
an ganze Zllge, besonders Frauen und Kinder, mehrere Hunderte 
jeden Tag, herein und lieferten Heuschreckeneier ab. Aneh die 
lebenden Heuschrecken werden in ungeheuren ICengen gesammelt 
und frisch auf Blechpfannen geröstet und gegessen oder als 
getrocknetes Fleischgemüse aulbewalnl. In Ain-el- Hadschar, das 
selbt von Heuschrecken verschont blieb, zogen jeden Tag Karawanen 
von Frauen und Kindern aus dem Innern an meinem Lager vorbei 
in das seewärts gelegene lieimgesnchte Gebiet und kehrten nach- 
mittags, die mit Heusrli: » ( k^Mi gefüllten Ziegensclilauche auf dem 
Kopfe, wieder heim. Ani allen Märkten, auch in den Städten, wie in 
Saffi, wurden frisch geröstete Heuschrecken zum Verkauf angeboten. 
Meine Leute schmausten sie mit Vorliebe und ich selbst habe sie 
selbstrerstSudlieh aneh gekostet Sie schmecken annähernd wie 
Garnelen. 



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9. Durch Schedma und Ahmar zum Zyma-See. 

Wie sehob aDgedentet, war es eine meiner Haaptaufgaben die 

Küstenprovinzen, ihie geographischen Grundzüge, ihre Hil&qaellen, 
(!ie Verbreitung fruchtbarer Bodenarten, besonders der Schwanerdef 
die Grenzen des Knltnrlaiule«^ g^gen die Steppe u. dergl. m. genauer 
zu erforschen. Ich l>ra('h dKliei'. als Dr. Kampffnieyer endlich am 

14. März auf der »Ella Woermaiiii* in Mogador angekommen war, so 
rasch wie möf^lich in's Innere auf. Herr von Maur geleitete am 

15. März Herrn Dr. Kampffnieyer selbst mit, Herrn Gerber, einem 
seiner Angestellten, nnd Herrn Hermann Marx, dem Inhaber eines 
deutschen auch in Marrakesch anbns.^igen iiauses, nach Am-el-Hadschar 
hinaus, um von uns Abschied zu nehmen und führte mir die letzten 
noch fehlenden Thiere« ein Manlthier nnd ein Kamel zu. Am 

16. März setzte sich so unter der weriLth&tigen Hilfe der dentsehen 
Landslente die Karawane in Bewegung. Dieselbe bestand also aus 
den drei Deutschen, dem Soldaten des deutschen Konsulats in 
Mogador, Si Mehdi, meinem Koch, meinen zwei Kameltreibern und 
zwei Leuten Dr. W eisgerbe r's. also 9 Menschen, zwei Pferden, einem 
kleinen Berber- Pony, das Dr. Weisgerber von dem verstorbenen 
Grnssvezier Ba Ahmed geschenkt erlialten hatte, und dem alten 
Schimmel Herrn von Maur's, den der Soldat ritt, n Maulthieren, 
3 Kamelen unil einem Esel. Das näcliste Ziel war dei- Zyma See. 
dei' einzige irgendwie nennenswertlie See von Marukku, jenseits des 
Tensift in Ahmai-. Der Weg durLliin führte fast dnreliaus duicl» 
weisse Flecken der Karte. Ich mu.sst« dabei, da es meine Absicht 
war den Tensift möglichst weit nach Osten zu überschreiten, alle 
Zufltsse desselben von Sflden her queren, vor Allem den Wed Mnuner 
und den Scbischaua, deren Mftndungen in den Tensift unbekannt und 
mir 1899 entgangen waren, weil ich gerade an den betreffenden 
Stellen deu Strom auf dem rechten Ufer aufw&rts gezogen war. 

Ich verfuhr grnndsfttzlieh in der Weise, dass das vor uns 
liegende Land möglichst genau von den Bingeborenen erkundet 
wurde, wobei ich Herrn Dr. Weisgerber zu besonderem Danke 
verpflichtet bin, namentlich um festzustellen, wo am Mittag gerastet, 
am Abend die Zelte aufgeschlagen werden könnten, um El Grimi, 
dem Führer der Kamele, Anweisun^'en geben und Oberhaupt die 
Tagemärsche in angemessener Weise eintheilen zu können. Ich 
miethete auch Tag für Tag einen Eingeborenen als Führer, der 
zugleicli die Auf;rabe hatte, uns an dem neuen Lagerplatze zu 
empfehlen. Ich hielt auch meines uugüustigeu Gesundheitszustands 



55 



wegen darauf, dass die Zelte vor Sünneiiunteigang am neuen Lager- 
plätze aufgeschlagen waren, damit ich vor dem kühlen, feuchten 
^Niederschlage, der sofort bei Sonnenuntergang einzutreten pflegte, 
unter dem Zelte Schutz fand. 

Fast die Hälfte des ersten Tagemarsches bis zur Zauia Sidi Ali 
Maaschu und dem dabei gelegenen Marktplatze, an dem am Sonntng 
Markt gehalten zu werden pflegt, Suk-el-Had, war uns schon von 
einem Ritt bekannt, den wir von A'in - el - Hadschar aus in der 
Richtung unternommen hatten. Wir folgten zunächst dem oben 
geschilderten Trockentbale aufwärts in südöstlicher Richtung lange 
Zeit an einem Bewässerungsgraben entlang, den man für einen 
natürlichen Bach hätte halten müssen, wenn er nicht, statt in der 
Mitte des Thaies, sorgsam am Rande des rechten Thalgehänges 
hingeleitet gewesen wäre und ihm ein anderer an der andern Seite 
entsprochen hätte. Die Thalsohle war auch hier ähnlich wie bei 
Ain-el-Hadschar mit Gärten und Fruchtbäumen bedeckt. Die Dörfer 
auch hier auf der Höhe des Tafellandes. Durch einen Arganhain 
steigen wir aus dem Thale empor auf die hier, bei fruchtbarer Roth- 
erde, gut augebaute flachwellige Hochebene, die bereits 200 —250 m 
hoch ist. Sidi Ali Maaschu ist ein malerisch, zwischen Dattelpalmen 
und Oelbäumen gelegener weisser Kuppelbau, den die beigegebene 
Abbildung 4 veranschaulicht. Nach Nordwesten begrenzt der Dj. 




4. Zauia Sidi Ali Maaschu in Schedma. 



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f>6 



Hadid das Gesichtsfeld; uacli Osten ein in gleicher Höhe 
verlaufender, nur etwa 80 m rel. über der Hochebene auf- 
steigender Höhenzug, thatsächlich, wie ich von vornherein annahm, 
der Steilrand einer höheren Stufe. Wir steuern einer thorartigen 
Lücke in derselben zu, einem, wie sich zeigt, der für das Atlas- 
vorland charakteristischen Trockenthäler, dem wir dann kaum merklich 
ansteigend, folgen. Zuerst ist es ein mit hohen Arganbäumen 
bestandener Engpass, bald aber wird es breiter und flacher; einige 
Wasserlöcher sind noch vom Winterregen gefüllt; es zeigen sich 
Felder und Gärten, die zu den kleinen Dörfern auf der Höhe 
gehören. Auf der Grenze der Kabylen Dra, deren Gebiet wir von 
Aln-el-Hadschar aus durchschnitten haben uud El Hanchen, halten 
wir unter einem mächtigen Argan in lieblicher Parklandschaft, von 
welcher das beigegebene Bild 5 (Argan-Hain in Schedma) eine 
Vorstellung verschaffen soll, Mittagsrast. Das Thal ist in dui^chaus 




5. Argan-Hain in Schedma. 

wagerechte Schichten eingeschnitten. Wir haben bereits 270 m 
Hülle erreicht. Ein kühler Westwind lässt das Maximum-Thermo- 
meter kaum auf 20" C steigen. Auch weiterhin folgen wir 



hl 

durch Bl Hänchen dem windungsreicheii Trockenthale, das auch 
daran als wichtiger Verkehrsweg zu erkennen ist, dass in gewissen 
Abständen durch einfache Dämme kleine Wasserbecken angelegt 
sind. Tf-h habe auf der ß^anz^-n liei.se den Wasservorkommen 
besondere Aufmerksamkeit geschenkt und jedes nütürliche Wa.sser- 
loch, jeden Sammelteich, jeden Brunnen, jede Cisterne, Quelle oder 
Wasserlaut auf der Karte verzeichnet und durch besondere Signaturen 
unterschieden. Man wird danach die Möglichkeit beurtheilen können, 
in diesen Gegenden mit einer grösseren Zahl von Menseben nnd 
Thieren in der Eegeuzeit oder in der Trockenz^t sa reisen. 
NatHrlicli wird man dabei beachten, dass meine Beise gegen Ende 
eines regenreichen Winters ilel. Die natflrliehen Wasserlöcher and 
auch viele Sammelteiche werden wol za Beginn des Sommers schon 
trocken sein. 

Der Weg führt bei meist sehr steinigem Boden vorwiegend dorch 
Ärganwald mit zahlreichen Ziegenheerden. Doch werden die Bäume 
bereits niedriger. Hier und da sind Lichtungen in Anbau genommen, 
Oliven- und Feigengarten, selbst Rebenpflanzungen finden sich 
vereinzelt. Schliesslich geht das Thal immer flacher weidend in eiin 
Wellige Hochebene über. In einer flachen Mulde derselben liegt die 
Zauia Auntiri. vor derselben ein Brunnen. Das macht diesen Tunkt 
zu eiueui beliebten iiastuiLe fiir Karawanen. Auf blumiger Matte 
zwischen der Zania nnd einem kleinen auf flacher Anhöhe gelegenen 
Doar schlagen wir das Lager anf. Wir befinden nns bereits im 
Gebiet der Eabyle Kremat in rein berberischer Gegend. Die Zania 
enthalt das Grab eines Heiligen Sidi Alssa, eine Moschee nnd eine 
Sdinle. Es heimelte mich an, die Scbnlkinder bald nach unserer 
Ankunft jubelnd aus der engen Thttr der Zania hervoniuellen zu 
sehen. Die Tiefe des Brunnens bestimmte ich zu 10' 4 m, die 
Temperatur des Wassers zu 18,3" C. Besonders auflfällig dabei ist 
aber, dass das Wasser auf dem Grunde des Brunnens, wie die Ein- 
geborenen versicherten und man auch thatsächlich seilen konnte, 
floss. Dem Geschmack nach war es brackig. Die Eingeborenen 
schreiben die Bohrung des Brunnens einem Kumi (d. h. Christen, 
eigentlich Römer) Untir zu. 

Hier bei Auuttri in 390 m Meereshöhe, nur 35 km vom Ocean, 
allerdings im Wind- und Regenschatten des 50 km langen, 500 
bis 600 m hohen Walles des Dj. Hadid, macht sich bereits die su- 
nehmende Trockenheit bemerkbar. Die Holzgewächse, besonders die 
Arganbftame werden immer niedriger, der Bnschwald lichter und 
kflmmerlicher, der Anbau mindert sidi, Yiehzncht anf Ziegen nnd 



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Scli.iff, aber iuii;li noch auf Rithler beginnt zu iiherwie^^en. Wi« ieli 
1S9!> an der Uni-er Rliia schon wesentliche Thiterscliietle des dort 
vorkumiueiiden Argau gegenüber dem botanisch gut mitersuditen des 
Hinterlands von Mogador gbiiilite annehmen zu müssen, also eine 
andere Art oder Spielart, so auch hier bei Auutiri. Die Früchte, 
obwol in der Eotwickeloug schon weit vorgeschritten, waren wesent- 
lich kleiner und violett gefllrht Es wird Angabe eines Botanikers 
sein, diese flttchtige Beobachtung zn piüfen. Yielleicbt handelt es 
sich nur um klimatische Einflflsse. Bald tritt der Argan auch nur 
noch in vereinzelten Exemplaren anf and der Boscbwald wird zur 
niederen Macchia, durch die man ttberall beqnem ohne Weg daliin- 
reiten kanii. Auch die Zusammensetzung der ßhaba lindert sich, 
ßtem, gelbblühender Ginster, Salvien, Cistusrosen, weisse und violette, 
Zwergpalmen bestimmen den Charakter. Streckenweise tritt wahre 
Zwergpalmen-Steppe auf. Grosse Ziegen- uimI Schafhee?<len zeigen 
sich. Weite Ausblicke, uanientlifb nach Südosten und Osten bi* ren sich 
nllentlialben auf dem hier etwa 450 ni hohen Tafelhmde. Der üoden 
ist vorwiegend steinig. Die Landschaft erinnert etwas an die Sierra 
Morena. Wo aber besserer Boden, Rotherde auftritt, ist derselbe 
auch in Anbau genommen, kleine Olivenhaine, Feigen und Mandel- 
bäume, selbst Reben sind angepflanzt und bilden Oasen in dei* öden 
Macchia, die wir in östlicher Richtung durchschneiden. Im Südosten 
leuchten die schneebedeckten Höhen des Atlas herttber. Der stattliehe 
Bau einer Eubba in der anscheinend menschenleeren Wildnis ist 
eine auffallende Ei-scheinung. Nahe bei einer kOnstlichen Wasser- 
stelle, im Schalten eines Ai'gan halten wir Mittagsrast Mehrere 
Kegel- und kleine Tafelberge, die ich für Ank-el-Djemel und Djerf- 
er-Rokma nahe dem Karawaneuwege nach Marrakesch halte und 
die danach mindestens 40 km entfernt sein niüssten, werden sichtbar. 
Sie deuten jedenfiills darauf Ii in. dass wir an fler Grenze des Steppen- 
landes angelangt sind. Näher gegen Nordosten prägl sich die Thal- 
uffnung des Wed Mranier, dem wir nunmehr mit geänderter Hiclitnng 
zusteuern, schon deutlicli ans. Bald macht sich die Annäherung an 
das Steppenland auch in dem ntassenhaften Auftreten einer kleinen, 
Sandboden liebenden Iris bemerkbar, von deren blauen Blflthen 
ganze Flttchen blau geförbt sind. AnxStk die fttr die Steppe 
charakteristische Schneckenfauna (Heliz- Arten) tritt durch stetig 
wachsende Individuenzahl immer auffallender hervor. Immer hSaiger 
und in immer gröss^en Gruppen, in der verschiedensten Weise 
beritten« aber doch überwiegend zu Fuss, namentlich die Frauen, 
kommen uns die Besucher des im Mramer-Thale vor uns liegenden 



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Sonn tags- Marktes (Suk-el-Had) entgegen. Diese Märkte sind für 
die Bewohner f]fanzer Landschaften die Gelegenheit zum Zusammen- 
kommen und zur Erledip'iiiif?: von Geschäften jeder nur denkbaren 
Art, von ihnen hus veibreiteu sich Nachrichten mit nnglaublicher 
Geschwindigkeit durch's ganze Land. Es sind auch Gelegenlieiten 
zu Volksbelustit^iingen, wo Gaukler der veischiedensten Art, Miirchen- 
eraÄhler und dergl. ilir Wesen treiben. Audi wer weder etwas üu 
verkanfBo noch etwas zu kanfen hat, Iflsst sich daher den Besadi 
eines solchen WocheDmarkto nicht gern entgehen. Der Lftrm der 
Tansende von Menseben, die so zasammenstrOmen, Ist zur Stande, 
wo das Marktireiben am lebhaftesten ist, betäubend. Ulan legt diese 
Marlitptiltse möglichst zentral zor Kabyle, aber nicht noth wendig in 
die Nähe einer Ortschaft. Für gewöhnlich ist die Markstelle 
unbewohnt. Einige niedrige Verkaufsbuden, roh ans Steinen errichtet, 
mit Reissig bedeckt, wo solches zu haben ist, einige rohe Herde für 
die Garküchen, einige astreiclie Baumstümpfe in den Roden gerammt, 
'/um Anssfhla( Ilten und Aushängen des Schlachtviehs und sehr viel 
llnrath bezeichnet schon am Abend des Markttages die nun 
menschenleere Stätte, wu kurz vorlier so lautes Treiben herrschte. 
Den Unrath, so weit er irgendwie geniessbar ist, und als geniessbar 
gelten in Marokko für Menschen und Thiere Dinge, die bei uns als 
nicht geniessbar angesehen werden — beseitigen aber sehr rasch 
Schakale, Geier, Raben und andere Thiere. 

Bald ei'Offnet sich rechts und links der Blick in das wol 100 m 
tief in das Tafelland eingeschnittene Mramer-Thal bezw. ein sich 
dort mit ihm vereinigendes, linkes Nebenthal. In steilem, namentlich 
ihr die beladenen Kamele schwierigem Abstiege, gelangen wir 
zunächst zum Suk, auf einer Terrasse des Tahlgehänges, der zu 
dieser Nachmittagsstunde (3 Uhr) bereits stark ebbt, da viele Besucher 
3, 4 und mehr AVegstunden zu ihren Duar liaben. die sie vor Sonnen- 
untergang erreiclien müssen, denn wenn irgendwo, so ist in Marokko 
das Wort, waln - die Nacht ist keines ^feii^elien Freund. Auch wo 
am Tage SiclieilieiL herrscht, winnuelt es des Nachts von Raub- 
gesindel. Mein Zeillager und namentlich mein Zelt hatte jede Nacht 
eine Wache von 3—4 oder mehr Mann, die der nächste Duar, 
natürlich gegen Bezahlung von meiner Seite, stellen musste. Die 
AntoritAt meines Konsulatssoldaten war gross genug, dass die Leute 
überall willig Wachen stellten. Vielleicht trug auch der gute Buf 
daxa bei, den wir uns von Tonnherein zu verschaffen und durch die 
Führer zu verbreiten bemUbt gewesen waren. Im EmstfUle wären 
whr wol Abel daran gewesen, da ich mich ausserhalb des Schutzes 



m 



der RegieruDg gestellt hatte und diese nach den Verträgen durchaus 
nicht zu Schadenersatz verpflichtet gewesen wäre, wenn wir voll- 
ständig ausgeplündert worden wären. Freilich war ich selbst, da ich 
sehr schlecht schlief, ein besserer Wächter als die von mir bezahlten, 
obwol sich dieselben von Zeit zu Zeit anriefen und unterhielten, wol 
auch sangen, um sich wachzuhalten. Diese Absicht erreichten sie 
bei mir vollkommen, sie selbst schliefen schliesslich doch meist ein. 

Das Mramer-Thal bietet an dieser Stelle eine eigenartige 
Scenerie. Wenig unterhalb vereinigt sich noch ein zweites Neben- 
thal von W^esteu her mit dem Hauptthale. Es ist dadurch, wol 
wesentlich in der Pluvialzeit, eine bedeutende Hohl form aus dem 
Tafellande ausgewaschen worden, welche das beigegebene Bild 6 
veranschaulicht. Nur das Hauptthal, das von Südsüdost kommt, 




6. Thal des Wed Mranier und Marktplatz, 

nach Beaumier von Ain Umest, einer Quelle und Rastort auf dem 
Karawanenwege von Mogador nach Marrakesch, scheint dauernd 
Wasser zu führen, das selbstverständlich nur von starken Quellen 
geliefert werden kann. Obwol rechts und links ein Berieselungs- 
kaual etwa 10 m über dem Bache am Thalgehänge hingeleitet war, 



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fiilirte der Bach selbst, der eine enge Sehlacht aus dem dilavialen 
Schutt der Thalsohle ausgewaschen hatte, bei 5 m Bi^ite und 25 cm 
Tiefe, doeh noeb reldilidi Wasser. Das Thal war so von Gftrten 
mUFmchtbttanien and asiemlidi fippiger Vegetation gefttlU. Blühende 
Birnbftmne (17. Mftrz), blfihende ApfBlsinenbäame, frisch grüne 
OranatbllBebe mit noch sartem, röthlicb angehanchtem Laobe, hohe 
Datteliialnien, Oelbtarae, Felgenbäame, die sieb ancb schon mit 
joiigen Blattern bedeckt hatten, alles dicht gedrängt, Wipfel an 
Wipfel zum Scliutz gegen die Sonne nnd um die Feuchtigkeit im 
Boden festzuhalten, bildeten einen wunderbaren Gegensatz zu den 
fast kahlen felsigen Thalgehängen, von denen, von Weitem kaum 
erkennbar, mehrere Diiar m\t ihirn kleinen würfelförmigen Häuschen 
nnd erelbbraunen Mauern sich knuin abhoben. Nur die weissgettincliten 
Kubbas leuchten weithin. Mehrere derselben, theils im Tbale. theils 
am Hange oder auf den Höben an dieser Stelle vereinigt, kennzeichnen 
dieselbe auch ihrerseits als eine bedeutungsvolle. Das kostbare Gut, 
das Wasser, hat hier die Menschen sich in grösserer Zahl ansiedeln 
lassen. Greils Gegmsats sn der menschenleeren Steppe oben auf 
dem Tafellande. Einer dieser Dnar, der auf einer Terrasse swisclien 
den beiden Seitenthftlem liegt, ist die Mellah der Eabyle Mramer, 
das Jadendorf. Ein HUgel, der mitten im Thale stehen geblieben 
ist, trflgt die Trümmer einer grossen Easba. Die ersten Betnm 
(Pistaeia atlantica L.), in dunklem Grün prangende Schattenspender 
treten anf. Auch sie kennz( iVlnien den Steppengürtel und feuchte 
Stellen in demselben Am unteren Wed Mramer traf icli auch 189!» 
diese alten Bekannten vom Atlas- Hochlande von Algerien zuerst wieder. 
Der Saumpfad führt einem Zipgen])fade ähnlich auf und ab am 
östliclien Thalgehänge an zwei übereinander gelegenen Bewässerungs- 
kanälen entlang und überschreitet auf halsbrechenden Brücken ein- 
mündende Thalschliichten. Endlich erklettern wir eine steile, vor- 
gebirgsartig vorspringende Höhe des rechten Thalgehänges, um das 
Ziel des beutigen Tagemarsdies, die Ortschaft Saera, die Schöne, zu 
errdehen. Soera hat in der Tbat eine wundervolle, beherrschende, 
natOrlieh feste Lage, wie sie die Berbern für ihre Ansiedelnngen 
lieben. Der Blick schweift aof der einen Seite Aber das Tbal mit 
seinen Gürten nnd Fmchtbäumen, anf der andern Seite gegen Norden 
über den Ausgang des sich von da an rasch weitenden Thaies in die 
breite Thalebene des Tensift, jenseits welches in etwa 20 km Bnt- 
feiiiung eine blaue Linie das Tafelland von Ahmar andeutet Suera 
ist eine Zauia (Kloster). S<^bon deshalb sind die Bewohner unfreundlich 
nnd sehen es nicht gerne, dass die Christen hier lageiu. Aber aach 



diesen selbst behagt der Platz ganiicht. Der Lagerplatz ist klein, 
der Boden so fest^ dass man sieht, es werden die Zeltpflöcke, 
obwol Ich zu ihnen das eisenfeste Arganholz gewählt hatte, nicht 
iassen und es liegt so, ganz abgesehen von dem Winde selbst» die 
Gefahr nahe, dass der herrschende starke SW (Stftrke 6) der Aber 
diese Höhe hinfegt, die Zelte umwirft So galt es absusitzen nnd die 
steile Höhe wieder hinabsaUettem. Die Kamele, die nidit hatten 
folgen können, waren zum Glflck noch im Tfaale. Aeknlich wie 
Snera, nur auf etwas geringerer und weniger steiler Höhe lag in 
geringer Entfernung ein anderes Berbemdorf. Alial Agadir. Diesem 
strebten wir nun zu. Hier fanden wir sehr gastliche Aufnahme. 
Der Lagerplatz war geräumig, ja wir konnten die Zelte auf frischem 
Tei)pich von Friihlingsgrün aufschlagen, das meinige sog^ar im Schutze 
einer Mauer. Dies und dass wir guten Ankergrund hatt* ii. war recht 
werthvoll, denn der Wind hatte sich zum vStuniie ^buike 8) ent- 
wickelt und es regnete fast die ganze Nacht, sodass an Schlafen 
wenig zu denken war. Doch bewahrte sich das Doppeldach meines 
Zeltes. Mein Wimseh war es gewesen, nicht in dieser stnrmgepeitschten 
Höhe, sondeni nnten im Thale im Olivenhain, in yölligem Windschntse 
zu lagern. Doch sollte das der Sicherheit wegen unmöglich sein. 

Anch Ton Ahal Agadir hat man einen herrlichen Blick Ober 
das Thal and die Ebene, der wir nun zostrebten. Dnreh Banmwnchs, 
namentlich Olivenhaine, kenntlich gemacht, lässt sich der Wed 
Mramer weit nach NO verfolgen. Durch eiue felsige Schlucht 
getrennt liegt im Südosten in noch grösserer Höhe ein anderer Duar. 
Zwei andere am entgegengesetzten Thalgehänge. Suera macht von 
hier ans den Eindruck einer mittelalterlich befestigten Stadt. Es 
liegt etwa 50 m höher als Ahal Agadir. dessen Höhe icli zu 285 m 
bestimmte. Die Bewohner von Ahal Agadir hatten Christen oflfenbar 
noch nicht gesehen und waren sehr entgegenkommend, namentlich 
die B'raueu und Kinder. Zahlreich sahen sie, selbstverständlich alle 
anverschleiert, unserm Treiben zu und als Dr. Weisgerber sie 
ansprach, waren sie nichts weniger als scheu. Wir hatten nimUch 
gesehen, dass alle Frauen und Kinder Hals-, zum Theil auch Haar- 
schmuek trugen, in welchem uns eigenthflmliche rothe Steine auffielen. 
Der bekannte Afrikaforscher Staudinger hatte midi gebeten, auf 
derartigen Schmuck zu achten und womöglich fhr ihn zu erwerben. 
Das gelang auch ohne Mühe and ohne grosse Kosten, ganz echt, vom 
Leibe der Trägerinnen weg. Auch im weiteren Verlaufe der Reise 
war es noch wiederholt möglich, von Frauen und Kindern deraiüge 
Erwerbaug zu machen. 



.^ .d by GüOgl 



63 



Des Regens we^en konnten wir am Morgen des 18. März erst 
spät, um 9' 1 Ulir aufbrechen. Wir stiegen in's Thal hinab und 
folgten der Berieselungsoase, die der Fluss in's Leben gerufen hat. 
Die Thalsohle ist hier schon 1 km breit. Der Oelbaam herrscht 
vor, aber Granat-, Feigen-, Apfelsinen- und Aprikosenbäume mit 
schon grossen Frficliten sind iBahlreidi. Dazwischen mit Kais, 
Bataten, Bohnen, Mohren ond anderen Gemfisen bestellte Rieselfelder. 
Anch efanelne Betmn stehen an den Wassergraben. Die anfttlUgste 
Erscheinnng aber sind Pappeln, wol Popnlus Enpbratica, die nach 
sonst in den AtlaslADdern vorkommt, wie in Syrien gepflanzt, nm 
Banholz zu lieftm. Weiter thalabwOrts Icann man deutlich 
zwei Diluvialterrassen unterscheiden. Schon nach einer halben 
Stunde endigt der Fruchthain und verlassen wir den Wed Mramer, 
indem wir uns in ostnordöstlicher Richtung näher am Fusse des Tafel- 
landes halten^ während der Fluss. an den Olivenhainen kenntlich, die 
annäherad nordöstliche Richtung beibehält. Ich bin hier meinem 
Wege von 1899 bis auf 3 km uahp «gekommen, erfuhr aber leider 
erst im Lager am Schischaua, dass (lrt.s Thal von Atn Derola. richtiger 
Ain Tyghola, dem ich damals bis zur Einmündung in den Tensift 
gefolgt war, nichts andere», als das nntere Mramer-Tha! sei. In der 
That bestätigte das anch die Konstraktion des Beisewegs, die das 
ziemlich flache Thal von Ain l^ghola als die Fortsetzung des Lanfes 
des Iframer erscheinen Iflsst^ der mit der Annfthernng an den 
Tensift mit wieder gesteigertem GeftUe ein Thal erodirt hat Dass 
das die Berieselnngsgräben dieses nntersten Thalstuckes füllende 
Wasser nicht dem Flusse entnommen war, dessen Bett ganz trocken 
lag, sondern einer Quelle am Fnsse des rechten Thalgehänges, also 
ganz wie im Trockenthale von Ain-el ILulscliar, kann niclit weiter 
auÖHÜen. Das Wasser des Mramer, das ja auch Quellen entstammt, 
wii-d eben bald zu Berieselungen verl)raucht. Hätte ich die 
Bezieliuiigt^u i1hs Wt i^ Mramer zum Thale von Ain Tyghola fiiihei- 
erfahren, so wuüle ich natürlich etwas weiter nach Norden ausgebogen 
sein, um schon iiier den Anschluss an meinen Weg von 1B99 zu 
gewinnen. 

Wir befanden uns im Gebiet der Kabyle Haihart und in einem 
UebergangsgQrtel zum Steppenlande, den ich als Stranchsteppe 
bezeichnen mochte, t^iedrige, dornige Akazien nnd Zizyphus (Sodr) 
waren die Gharakterpflanzen derselben. Thirta fond sich in vereinzelten 
Büschen im Schutz des Sodr, der, mit scharfen Domen bewehrt, alle 
Feinde abzuhalten TCrmag und eben erst anfing seine kleinen frisch- 
grflnen Fiederblätter xn entwickeln, sodass er nocli wie abgestorben 



64 



aussah. Di*» Akazien dagegen trngen s« lu»ii * ine Fülle von Schoten. 
Die kleine blaue Iris fand sich aucli im Sciiutze dieser Sträucher, 
nehen denen niedrige Arganbüsche und Oleaster des Baschwalds hier 
ihre ioRere Grenze haben. Ebenso Asphodelos nnd Scilla, anch 
Daoeiis maximus L. nnd Ferala eonrnnis L. mit meterhohen Blttthen- 
stftnden, die in der voll entwickelten Steppe ihre Daseinsbedingnngen 
nicht mehr finden. Weiter nach Osten werden jene HolzgewftehBe, 
ausser Zizyphus immer seltener und immer niedriger. Stipa tortilia 
Besf., die anf der Hochebene von Marrakesch in ganz reinen 
Bestanden gegen Ende des Winters einen grünen Schleier Aber die 
steinige Hammada ausbreitet, begann immer häufiger zu werden. 
Zu ihm gesellt sich bald Aitemisia herba alba, sodass man bald von 
Stipa-. bald von Arteniisia Steppe spredn-'n kann, ja streckenweise 
erscheint die Stepp»; als Ülumensteppe iOaiiiüniilla, Sinapis, Calendula, 
F.ra.^.'^ica). Aber nocli sind hier und da kleine Gei-stenfelder, die in 
regenreiche» Wintern auch zur Reife gelangen in die Steppe ein- 
gestreut. Bald treten auch die für die Steppe charakteristischen 
eehten Daar anf, einen Bing, in deaeen Kitte die Heerde» nacbtB 
getrieben werden, bildende konische Hfltten. 

Unsere Richtung ist, nachdem wir das Mramer-Thal Teiiassen 
haben, eine im Allgemeinen östliche. Der Weg fthrt dorch die 
Ebene, aber zur rechten haben wir in langsam wachsendem Abstände 
den Steikbstnrz des Tafellandes, in welches das Mramer-Thal ein- 
geschnitten ist und auf dessen Fläche wir uns von Aantiri her 
bewegten. An einigen Stellen sieht man auch hier, dass es ans 
wagerechten Schichten aufgebaut ist. Einige Trockenbäche, die wir 
überscbreiteu, und deren Wasser wohl kaum jemals den Tensitt 
ei ieiclien dürfte, haben diej'en Steilrand etwas gegliedert,, ja an einer 
Stelle erhebt sich vor demselben ein wunderbar regeluiäsäiger Kegel, 
als »Zeuge» des langsiimen Zurück weichen« der Stufe. Auf lange 
Strecken ist der Boden mit Chalcedouknollen bedeckt, die auch 
ihrerseits auf Abtragung weicherer Schichten zu üchlie-ssen erlauben, 
alles Formen und Erscheinangen, die den Steppengürtel kennielchnen. 
Der Tensift fliesst hier in einem breiten Thale, das er in der 
Flnvialzeit ans dem Tafellande ansgewaschen hat und in das er 
seitdem ein neues, engeres Thal eingeschnitten hat. Jenes beginnt 
nahe dem unteren Ende der Thalebene von Marrakesch unterhalb 
Sidi Tschicker und endigt an der von mir 1899 erfor.schten 
Schlucht von Dar Talemst, durch welche der Tensift in die Küste- 
ebene tritt. Am unteren Mramer mag es etwa 10 km breit 
und 100 m rel. tief sein. Mitten in der Steppe wurde un^ von dem 



65 

Fflhrer die Grenxe Ton Sehedma and Ahmar, das also noch Aber d»i 
Tensift nadi Baden ansgreifti angedentet Hier «raren wir dem Teneift 
schon 80 nabe gekommen, dass man wiederholt die nns zngekehrten 
steilen, felsigen Uferkonkaven des reehten Ufers erkennen konnte. 
In das Thal selbst hinabzusteigen war numöglich, da ich demselben 
1899 Oberhaupt nur hatte folgen können, indem ich immer wieder, 
wenn es auf dem einen Ufer unmöglich war weiter zu kommen, 
fhiTch den Flnss ritt und den Weg auf dem andern fortsetzte. Das 
würde jetzt sehr viel schwieriger gewesen sein, da der Wasserstand 
ein wesentlich höherer war. Der mich damals begleitende Soldat, 
der sehr wol wusste, dass in geringer Entfernung, ebenda, wo wir 
jetzt ritten, ein Weg wie auf dem Tische zur Verfflguug stand, 
konnte sich sehr schwer dareinfinden, sich seiner Ansicht nach in 
so thörichter Weise Anstrengungen und Gefahren auszusetzen. Denn 
in der That war anf der ganzen 40 km langen Streeke zwischen dem 
Biramer nnd dem Schisehana kein einsiges znm Tensift gebendes 
Thal ztt Qbersdireiten. Erst 6 km westlich Tom Schlschana stiegen 
wir in ein kleines dort beginnendes Thal hinab nnd folgten demselben 
anf eine kurze Strecke. Es verdankt seine Entstehung einer starken 
Quelle Ain Bu Said, die einem Bache Ursprung giebt, der sich 
nach 5 km langem Laufe in den Tensift ergiesst Der kleine Bach 
hat einen^Saum von Gärten in's Leben gerufen. Eine Knbba, Sidi 
Hamed Ben Abd el Kerim. am linken Thalrande und ein von hohen 
Lehmmanern nmgebener Duar sind die ersten festen Bauwerke, die 
wir seit Ahal Agadir sahen Kaum sind wir wieder auf der Hoch- 
fläche angelangt, als ndi der Blick in ein neues, weit grösseres 
Thal aufthut, das (juer zu unserer Wegrichtung liegt uud in das wir 
hinabsteigen, das des Sclii.sciiaua, des grössteu linken Nebenflusses 
des Tensift, der diesem von SOden her die Gewässer eines grossen 
Gebiets des hohen Atlas znftthrt Bald waren wir am Ufer des 
Flnsses, wo ein wenig nnteriialb der zn benntzenden Fnrth ein 
kleiner T^mariskenhain anf einer sandigen längliehen Etbohnng, die 
bei hohem Wasserstande wol eine Insel bildeti mitten in üppigstem 
Graswnchs einen entzückenden Lagerplatz zu bieten schien. Da wir 
fest 6 Standen ohne Bast, rascher wie gewöhnlich geritten waren, 
auch der Pankt» wo wir nach Ansicht des Führers übernachten 
sollten, die mir von 1899 bekannte Zauia Sidi Tschiker noch sehr 
weit zu sein schien — wir sahen sie am folgenden Tage von fern — 
und offenbar für unsern Weg nach dem Zyma-See zu weit nach Osten 
lag, so beschloss ich hier das Lager aufzuschlagen und im NoUifalle 
geltet die Nachtwachen auszustellen. Die Geialir war nur, dass uns 



66 



die EaiDele, die weit zarfiek sein miifisteii, nieht finden wflrden. 
Doch noeli ebe die Kacbt einbrach, sahen wir sie anf der Hobe 
des Tbalgebänges erscbeinen nnd langsam an nns herabsteigen. 
Schon vorher waren einige Eingeborene yom andern ThalgebAnge 
herabgestiegen nnd den Flnss durchwatend zu uns gekommen, um 
nns auszukundschaften. Als sie befriedigende Auskunft erhalten 
hatten, laden sie nns ein, das Lager doch der Sicherheit wegen, 
neben ihrem Duar aufzosclilagen, der, wie wir am iiäclisten Tage sahen^ 
ganz nahe auf der Halbinsel zwischen dem Tensift und dem Schisehana 
lag. Ich lehnte dies aber ab, und so erboten sie sich freiwillig für 
die Nacht Wachen zu steilen. Auch lit^feiLen sie so ärmlich der 
kleine Hütten-Duai- aussah, alles was wir an Kahruagsmitteln für 
Menschen und Thiere brauchten, selbstverständlich gegen anständige 
Bezahlung. In der ersten Nacht wurde das Lager durch einen 
Sehnss alannirt Einer der 'Wächter hatte ihn, wie er sagte, aaf 
einen sich henmschleiehenden Räuber abgegeben. 

In der Nacht nnd am Morgen regnete es derartig, dass an Anf- 
bmch nicht zn denken war, and da nach allen Erkandigongen in einem 
halben Tagemarscbe kein gater Lagerplatz sn erreichen war, so 
beschlossen wir den Weitermarsch erst am nlldisten Tage Tonsnnehmen 
und den Aufenthalt beim Autliören des Regens gegen Mittag zu 
benutzen, nm die Mündung des Sehiscliaiia in den Tensift zu erforschen. 
Unsere Thiere schwelgten den ganzen Tag in dem tippigen, fast 
meterliol^pn Grrase. Es stellte sich heraus, dass unser Lager 2,5 km 
oberhalb der Mündung b s Schiscliaua in den Tensift lag. Das 
Schischaua-Thal verlilutt hier in nahezu nördlicher Richtung, nahe 
der Mündung macht der Pluss eine Wendung nach rechts, offenbar 
weil er auf festeres Gestein getroffen ist, das auch der Tensift noch 
nicht völlig zu darchnagen renuocht bat, denn er bildet unmittelbar 
unterhalb der Mttndung des Schischaaa Stromschnellen. Wie ich das 
yom Tensift schon festgestellt hatte, ist auch das Schischaua-Thal 
ein reines Erosionsthal in wagrechten Schichten. Der Floss fliesst 
streckenweise fiber die glatten Felstafeln von Sandstein hin. Wo festeres 
Gestein ihn zum Ansbiegen nach rechts zwingt, hat er das Schichten- 
system in einer 40 m hohen senkrechten Felswand aufgeschlossen, 
wie ich 1899 deren mehrere, eine etwa 4—5 km stromab von dieser 
Stelle, in den Thalkonkaven des Tensift beobachtet hatte. Es sind 
abwechselnd mit festen Ränken von SaiKl>!tein und Kalksandstein 
vorwiegend weiche thoni^^e und mergelige F luchten; die Uberlbn he 
bilden bis 1 m mächtige Ranke von Kalkstein. Dass die Fels\:aii(l 
noch langsam zurückweicht, indem die weichen Schichten weggeiuhiL 



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67 



werden, zeigten frische Abstürze, deren Blockwall dann der Fluss 
bei Hochwasser abträgt. Augenblicklich war der Schischaua sehr 
niedrig und wasserarm, sodass man ihn überall ohne weiteres durch- 
reiten konnte, aber nach im Atlas niedergegangenen Regen schwillt 
er oft furchtbar an und bildet, da selbstverständlich keine Brücken 
vorhanden sind, ein ernstes Hindernis für den Verkehr von Mogador 
nach Marrakesch. Im Frühjahr bis in den Sommer hinein hat er 
monatelang durch die Schneeschmelze im Atlas, die noch nicht 
begonnen hatte, einen hohen Stand. Die weichen Schichten der 
Felswand waren vielfach ausgewittert und in den Höhlungen hatten 
sich Schaaren von Tauben und Falken, auch Geier, wie ich das sehr 
häufig in Marokko auch in alten Gemäuern gesehen habe, namentlich 
aber auch Bienen angesiedelt. Die Bienenstöcke hatten sich die 
Eingeborenen durch urwüchsige Leitern aus Baumästen zugänglich 
gemacht. Diese Scenerie veranschaulicht das Bild 7. Oleander, 




7. Steile Thalwand nahe der Mündung des Schischaua in den Tensift 



Tamarisken und Vitex agnus castus, die gewöhnlichen Begleiter 
aller Wasserläufe in Marokko, umsäumten den Fluss. Die 



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augenblicklich sehr schmale Mündung des Flusses (s. Bild 8) war 
förmlich unter Tamarisken, stattlichen Bäumen, versteckt, sodass sie 
einem vielleicht selbst vom andern Ufer des breiten und reissenden, 
augenblicklich geschwollenen und trüben Tensift entgehen könnte. 
Mir war sie 1899 entgangen, weil ich etwa 2 km entfenit über die 
flache Halbinsel der nach Süden gerichteten Flussschlinge geritten 
war. Auch war das rechte Ufer des Tensift hier zu steil und felsig, 
dass es schwer gewesen wäre, an demselben entlang zu reiten. Das 
Tensiftthal ist hier sehr eng und unbewohnt, das Schischaua-Thal ist 
breiter und nur an der Mündung eng. Aber auch da waren auf der 




8. Mündung des Schischaua in den Tensift. 



flachen Halbinsel des rechten Ufers Maisfelder angelegt. An unserm 
Lager war die Thalsohle schon 300 m breit und angebaut und stromauf 
wurde es noch weiter. Dort sah man in der Ferne zwei Kubba (Heiligen- 
gräber) und ausgedehnte Olivenhaine. Selbst Berieselungskanäle hatte 
man zur Anlegung von Melonenfeldern am rechten Ufer abgeleitet. 
Unser Lagerplatz am Schischaua hatte eine Meereshöhe von 205 m. Der 
Spiegel des Tensift an der Mündung des Schischaua mag daher etwa 



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69 



rund '2(M^ m hoch lie(?eii Diese Hestinimunfreii passen recht gut zu meinen 
18'.>9 am Tensitt Vürgenorameneii Hoben iiie>sungeii. Nach flenselhen 
liegt imwUch die von der Mündung des Scliischaua etwa 20 km eutterute 
Fartb bei dem damaligen Dar El Amri 23G m hoch, während ich im 
Mramer-Thale uabe seiner Einmündung iu den Tensift 1(34 nt tand. 

So ietiten wir ent am SO. Min den Uaracli fort Wir gingen 
snnsdist wieder etromanf bis zur Farth, abendnitteii dort den 
Schiaclianii nnd waren bald wieder anf der Hochfläche. Diese ist 
hier von einem vielgewandenen Qiessbache zerschnitten, dem wir 
eine Strecke weit folgen. Auf der Höhe eröffnet sich wiederholt 
ein Einblick in das Tensiftthal und den den Flnss begleitenden 
Tamariskenhain. Der Steppencharakter tritt immer mehr hervor. 
Die ersten Peganum harmala und Rhims treten auf, doch überwiegen 
abwechselnd Stipa tortilis und Artemisia lierba alba. Bei der 
Annäherung an den Tensift. als eine ] der grösseren Luft- 
feuchtigkeit bilden Rhims, llschtik, Zizjphus, Akazien. Qetaf (Atriplex 
Haliiiius) und Thirta wahre Strauchsteppe. In dem Thale des Wadi 
dagegen, das Spuren gelegentlicher Wasserführung zeigte, fanden sich 
hohe Bflsehe, ja fiAame fereinselt md in Gruppen, nicht nnr Oleander, 
Yitez ond Tamarisken, sondern selbst Oleaster nnd Bidnns. Bald 
steigen wir in das hier breite nnd flache Thal des Tensift hinab, das 
ent von hier an, am nnteren Ende der Hochebene von Marrakesch, 
zum vielgewnndenen Engthale wird. Wir folgen dem Strome Iftngs 
dem Tamariskenhain eine Strecke aufwftrts, um die Furth (Meschra) 
Uled Aisch, nach einem nicht weit vom Flusse am linken Thal- 
gebänge gelej^enen Duar dieser Kabyle genannt zit beiiiU^en. Bei 
dem augenblicklichen Stande ist der Fluss 40 m brt ii nn i S(i rm 
tief, dabei ziemlich reissend. Der Uebergang, auch der Kamele, 
vollzog sich ohne jeden Zwischenfall. 

War unsere Richtung bisher eiue im Allgemeinen östliche 
gewesen, so war sie von nun au bis zum Zyma-See eine beinahe 
ndrdliche, allerdings mit einer bedeutenden Ansbiegung nach Osten. 
Wir belhnden uns nnnmehr in der vollentwickelten Steppe, die nach 
Osten bin nnr noch wenig an Intensität zunimmt Namentlich 
lernte ich hier eine Form der Steppe kennen, die ich bisher 
nur andeutottgswmse kennen gelernt hatte und die ich geradezu 
Blumensteppe nennen möchte. Nördlich vom Tensift bis gegen 
den Zyma-See namentlich im Gebiet der Uled Aisch und der 
Uled Brabim waren nHmlich ungeheure Flächen der weiten 
Ebenen fast mit völlijreTn Ausschluss rIIci- aiiiUiii Gewächse 
mit bunt blühenden Blumen bedeckt. Bald überwog eiue t'arbe, 



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70 



nauientlicli celb oder weiss, bald gelb, weiss, blau, roth. bnnt unter 
einftDÜer gemischt: das Vorbild der marukkanischen Teppiche. 
Namentlich von El Gara, einem kleiueu Daar der Uled Alsch, aus 
flberbUekte nan malMdiliar dieae BliuMiirteppe, die noch wiederholt, 
anch in den Eflslwkndsebafton von AUa and Dnkkala auftrat, aber 
niigenda in ao wanderroller Fracht Die gdben Thdne lieferte 
Cladantbns arabiens (L) Goes., das anaaerordentlieh üppig in 25 cm 
hohen Exemplaren den Boden bedeckte. Darnnter gemiadit mehr 
orangegelb die kleinere Calendula stellata Gay. Ein lichteres Gelb 
lieferte eine Brassica (arvensis?). Weiss bezw. weisslich blüthe eine 
Sinapisart, auch Enica sativa var stenocarpa Coss.; violette und 
blaue Thöne gaben Lavendula inulfitida Tj und lirndium cicntarinm 
L'H^^r, (las überreich behaarte Echiuiii tubti ( ulatiiii] Lk. und E. 
angustifülium Lain. Auch eine weilverbreitete kleine violette Liuaria 
war häufig. Aber all diese Pracht, die die reichlichen Winterregen 
hervorgezaubert haben,- ist nur zu vergänglich. Kommt man einen 
Monat später, so ist sie Terschwonden, and noch einen Monat später 
hat der Wind adbat ihre Spuren ?erweht. 

Auch nach den Oberflflchenformen hat dieee Oegend ihr eigenes 
Geprftge. Sie ist nftmiich durch sahireiche, meiat kleine Tafelberge 
gekennseichnet, die mir schon 1899 hier auffielen, wenn ich Tom 
Tensift Thale aus auch nur die dem Tensift nächsten sehen konnte. 
Solche Tafelberge fand ich zahlreich auch im Steppengebiete der Um- 
er-Rbia. Sie kennzeichnen bekanntlich aucli den Bereich der Kreide- 
tafeln der nördlichen Sahara. Wie dort möchte ich sie auch hier 
vmzujrsweise als Rrzeii^nisse siibaerischer Denudation ausehen, als 
Zeugeu einer sehr bedeutenden Denudation. Die.se hat in diesem 
Steppengebiete auch vorwiegend die Blosleguug des alten Grund- 
gebirges bewirkt. Für iiubaerische Denudation spricht namentlich 
auch, dass die schutzende Decke dieser Tafelberge gelegentlich 
vorspringende Gesimse bildet 

19ach dem Uebergaug Über den Tensift folgten wir znnttehst eine 
Zeit lang dem flachen Thale eines Wadi, das ich auch 1899 nahe 
seiner Mflndnng in den Tensift flbarsehritten hatte und hidten mitten 
in dieser Gegend der Tafel- und Kegelberge bei dem Duar El Gara 
der üled Alscb Mittagsrast. El Gara, ein kleiner Duar^ theils aus 
niederen Lehmhäuschen, theils aus konischen Hütten bestehend, liegt 
ca. 50 m über dem Tensift in einer Nische am Fusse eines lang- 
gestreckten Trifell)erg8 und in dnr NlUtp eines nb!:!:e8tumpften, etwa 
25 m hohen Kegels von wun derbarer IvegeluiH.ssigkeit. In Deutsch- 
land hätte ihn sicher eine Burgruine gekrönt, hier trug er eine 



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7t 



Opuntieiu^flanzM]»^. Diese heute überall in Marokko vorkoniniende 
Pflanze ist ahnlich wie in den Uockeuslen Gegenden Süd-Tunesieiiü 
ein Segen für das Land. Sie gedeiht auch iu den trockensten Steppen 
und ihre Frucht ist wahrscheinlich das ei^^ige Obst, was viele 
Bewohner derselben zu koeten bekommen. Die Lage von El Gara 
ist eine eigenartige. Vdr ans der wanderbare bnnto Teppich der 
Blnmensteppe, aber kein Baam, kein Straach, anch nar von Meter- 
hohe, so wMt das Aoge nidit Nach Norden and Osten sehweift 
das Aoge über die nnbegreuzte Ebene. Gegen Norden sahen wir 
schon den Punkt angedeutet, wo wir unser Nachtlager auÜBchlagen 
wollten, obwol er noch fast 9 km entfernt war. Die hohen Schnee- 
berge des Atlas, von dessen Fasse wir kaum vier Tageniärsche 
entfernt waren, zwei von Marrakesch, schlössen den Horizont nach 
Südosten ab. Gegen Osten begrenzte auf eine Strecke der schon durch 
seine gezahnte Profillinie seinen andersartigen Aufbau ven'athende 
Djebilet das Gesichtsfeld. Südlich davon erkannte ich mit bewaffnetem 
Auge sehr deutlich das Haus meines Gastfreundes von 1899, des Kaid 
El Arori, bei dem ich gelagert hatte und weiterhin am hohen Ufer des 
Tensift das hoebragende Minareh der Zauia Sidi Tschiker, an der 
ich Torhelgekonimen war. Ich konnte so hier meinen Weg an den 
Yon 1899 anknüpfen. Der Kaid El Amri war inzwischen seines 
Amtes entsetst^ seiner Gflter beraubt worden und saas in Mairakeseh 
im Gefängnis. So liebenswürdig er mich, der ich ihm von einem 
Gescbflftsfreande, dem deutschen Vize- Konsul in Saffi, empfohlen 
worden war, aufgenommen hatte, so soll er doch ein arger Leute- 
schiuder fcewesen sein. Nun hatte ihn, wie früh oder sy&i jeden 
dieser TMuLsauger, das Schicksal erreicht. 

Bis zum Abend ritten wir durch tischgleiche Ebene, wenn auch 
oft nahe an niedrigen Tafelbergen vorbei, vorwiegend durch Blumeu- 
steppe, au deren Stelle zu^veilen aruiselige Büsche von Getaf, Khims 
nnd Bschtik traten. Plotiilich haben wir an Stelle des bald sandigen, 
bald kiesigen Bodens des Deckgebirges, das diese Tafelberge bildet, 
fest saigere Schichten alter Schiefer onter den FOssen, wie sie den 
Djebilet ond seine Umgebang aufbauen. Sie erklären auch die 
klefnen Oflrten mit niedrigen Oel- und Feigenbäumen, an denen wir 
kun TOr üled Brahim, wo wir das Nachtlager aufschlagen, vorüber- 
kommen. Uled Brahim ist ein grosser, weit über die Steppe 
verstreuter Duar, der aus einzelnen Höfen besteht, deren jeder hinter 
einer testen, undurchdringlichen Umzäunung aus Zizyphus, die Naclits 
die grossen Schafheerden, den Hauptbesitz der Bewohner, autniuimt, 
B, 4 und mehr niedrige konische Hütten enthalt. Wir schlagen 



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72 



unser LütTfr auf frttliliugsgrüiier Matte auf einem gmssen freien 
Platze zwischen den Höfen nahe bei der Djemaa auf, d. h. in diesem 
Falle einer niedrigen Hütte aus Holzstäben mit Leiim verschmiert nnd 
konischem Strohdach» die als Moaehee nnd Usterkunft für gl&abige 
fieleende dient. 

Aach am folgenden Tage bewegten vir ans fast bis znm Zyma- 
See auf dem alten Orondgebiige nnd durch flachwellige Ebene. 
Dunkle Schiefer, nahezu saiger, herrschten vor, nicht selten in 
feinen Gruss zerfallend. Abwechselnd traten Grauwacken auf, dann 
war der Boden mit kantigen Brocken, hier nnd da sogar Block- 
anliäufiingen, überstreut, oder Quai-zlte bildeten Klippenzüge. Der 
Djpbilet mit seiner gezahnten Profillinie in OSO steht in grellem 
Gegensätze zu einem niedrigen Tafelrückeit im XW. "Derselbe wird 
mir als Dj. Muiset bezeichnet. Dort verlauie die Grenze zwischen 
Ahmar und Abda. Wie ich das allenthalben auf diesem Schiefer- 
boden beobachtet habe, ist derselbe Holzgewächsen günstiger als 
andern Pflanzen. Das Pflanzenkleid desselben ist allerdings ein sehr 
dürftiges nnd besteht ans yereinzelten niederen Büschen von Ziiyphna« 
Qetaf^ Bschtik, Thirta, die ihre Wurzeln in den Felsboden getrieben 
haben. Qanse Fliehen, hier nnd da bis 80*/o der Bodenflaehe, sind 
flberhanpt völlig kahl. Daher sind hier auch f&r Nomaden die 
Bedingungen ungünstige. In der That sahen wir nur wenige ArmUche 
Duar durch die Steppe verstreut. Nur hier und da, wo sich etwas 
Nährboden unter den Büschen angesammelt hat, finden Aspliodehis 
und Stipa, auch die kleine blaue iris. ihre Dr^seinsbedingungen. 
Zwei Meter hohe Akazien in flachen Eiusenkungi n bezeirbnen hier 
die höchste Leistungsfähigkeit der Natur. In solchen sind geh'gcutlich 
auch Feigenbäume gepflanzt und Brunnen angelegt. Dazu bestimmte 
wol das Vorkommen natürlicher Wasserlöcher in Vertiefungen. Wir 
kreuzten sogai- ziemlich genau unter dem 32. Parallel nördlicher 
Breite, 9 km sfldsfldöstlich yom Zyma-See, swei Wadis, die in 
mehreren Lochern noch Wasser enthielten und sich olfenbar in 
kurzer Entfernung vereinigten. Bas grösste wurde mir als Wadi 
Lubilat bezeichnet, nach der Kahyle. Dssselbe sdiien mir, wo ich 
es überschritt, nordwestlichen T>aiif zu haben. Doch könnte dies nur 
auf eine kurze Strecke der Fall sein, jedenfalls möchte ich erwähnen, 
dass. wol nach Beaumier, ungefähr 7 km SSO vom Zyma -See in 
den Karten von Schnell und Flotte de lloquevaire ein Wadi 
verzeichnet wird, allerdings mit südwestlicher RichtUDg zum Tensift. 
Ich habe im Jahre 1899, wo ich dem Tensift folgte, in 
der fraglichen Gegend kein Wadi in den Tensili münden sehen. 



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7d 

Doch wäre es möglicli, dass icli mich an der betreffenden Stelle 
gerade auf dem linken Ufer befand. Thomson, der 1888 nördlich 
vom Zyma-See vorbei nach Marrakesch reiste und dies Wadi an^-b 
überbchritteii haben nmsste, erwähnt es nicht. Wadi Lubilat hatte 
jedenfalls vor Karzern Wasser geführt und konnte schon gelegentlich 
den keine 30 km in südwestlicher Richtung entfernten Teusift erreichen. 

Auf einer kurzen Strecke etwa 6 kni südöstlich vom Zyma-See 
war uwük das Deckgebirge erbalteB, wm wäm Aiudnick aacb darin 
Iknd, daas sofinrt an SteUe der dürftigen Qebfiacbe ein banter Blnmen- 
teppteh und Felder anftraten. Ja sogar anaehnliclie OputienpAaninngen 
bei einem Doar, deren bier mehrere bei einander lagen. Ala wir die 
Passhöhe (ca. 450 m) eines etwa 50 m rel. hohen, felsigen Bflcl^ena 
von Schiefem, Grauwacken nnd Quarziten ttberschritten hatten, sahen 
wir den Zyma-See mitten in einer weiten, flachen Moide vor ans 
liegen. Sobald wir im sanften Abstifig znm Seebecken wieder das 
Deckgebirge erreicht hatten, betraten wir auch wieder die Blnmen- 
steppe und waren Felder in derselben angelegt. Zur Mittagsrast 
langten wir uiii See tjelbbt an und lagerten nahe am Suk-el-Khemis 
(Donnerstagsniarkt), dessen buntes Menschengewühl wir schon von 
ferne gesehen hatten. Wir benützten die Gelegenheit unsere Vorräthe 
an eneneni. Wie erstannlich billig, wol zum Tbeil in Folge der Ans- 
fuhrrerbete, Mer im Innern die Lebensmittel sind, möge die Thatsache 
beleoehten, dass mein Koch einen halben, wenn aneh nicht sehr 
grossen Hammel, etwa 6 Kilo schwer, ftr 1,S0 ü, dO süsse Limonen, 
die Termntiilich yon Marrakesch, 2 starke Tagemflrsche weit, gebracht 
worden waren, tHr 15 Pfennig einkaufte! 

Der Zyma-See ist ein ganz flaches, zum Theil von Binsen- 
dickichten umgebenes Berken, d?is sich in einer Länge von 6 km. bei 
einer grossten Breite von nur 3 km, also mit annähernd ovaler Form, 
richtiger Birneuturm in 80— NW Richtung erstreckt. Der See lit^f^t 
325 m hoch und ist so seicht, dass wir schon von fern Esel luul 
Kamele weit vom Ufer im Wasser stehen bezw. liegen sahen, die 
mit Salz beladeji wurden^ das man vom Boden des Sees in die Doppel- 
körbe schöpfte, die die Thiere trugen. Anch am Strande lagen 
Hänfen dieses grob krystalliniscfaen, rGthlichgranen, in trockenem 
Znstande weisslichen Salzes. Wer an die Begiemng einen Betrag 
Von etwa 40 A für die Kamelladnng (2^ Zentner) zahlt, kann 
laden 8o?iel er will. Es wiid dies Salz bis nach Saffi verfrachtet 
Im Sommer schrumpft der See, wie man erkennen konnte, ausser- 
ordentlich zusammen, und es bleibt eine etwa 10 cm mächtige 
Salzkruste zurück. Anch die Wasserflache bedeckt sich dann mit 



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74 



einer Salz?5olii(']it. die so m-iflitig- ist. dass niHii d^n See mit einiger 
Vorsicht an ire wissen Stellen, die nuui genau kennen nmss, über- 
sclii eiLen kann, also ganz wie bei den Schotts Süd-Tanesieus. Es sind 
lediglich die Winterregen, die den See speisen und deren Gewässer ihm 
vorwiegend durch ein Wadi zugeführt werden^ das an der Nordostseite 
einmlBdet Aadere kleiaere nSgen aa andorH Stallea etnnifliideii. 
Jedan&llfl füllt der See das Tie&te eines flachen, Termathtich dorch 
sabaerische Denodation entstandenen Beekens. Er ist rings, aber 
in betrftditUehem Abstände, von Höben nmgeben. Es werde mir 
ansdrflcklich von einem der Anwohner versichert, dass er keine 
Qoelle habe. Mehrere Brunnen von geringer Tiefe nahe dem See 
liefern brackiges, aber trinkbares Wasser. 

In geringer Entfernung vom See gegen Of^tfu sahen wir ein 
grösseres Gehöft. Dar Sidi Abbas, wo (V\9 jüngeren Brüder des 
Sultans, wie uns gesagt wurde »die Schule 1 eMidien», d. h. gefangen 
gehalten werden, in furchtbar öder Steppengegend, wo mau weit 
und breit keinen Baum sieht. 

Eine auffallende Erscheinung auf dem Wochenmarkte, in leb- 
haftestem Verkehr mit den Eingeberenen, war ein Eoropler, von dem 
ich hier nnd später in Saflfi hörte, ein Englftnder namens Witmon. 
Derselbe war als Kaufmann in Saffl nicht yorwftrtsgekomraen nnd 
war sehUedioh anf den Gedanken gekommen, sich hier im Innern, 
fern von allem Verkehr mit Europäern, niedennlassen und Viehzucht 
nnd Ackerbau mit Hilfe von Eingeborenen zu treiben. Er bewohnte, 
angeblich mit einem arabischen Haushalte, ein Haus am Südostende 
des Sees, das ich von fern gesehen habe. Er soll grossen Erfolg mit 
seinem Unternehmen haben. Jedenfalls sali ich nördlich vom See 
Felder, die .sofort durch ihre sorgsame l^lege auffielen, die rein von 
Gestrüpp und Unkraut und von tiefen Gräben umhegt waren und 
die mir als Mr. Witmore gehörig bezeichnet wurden. Bei einem 
Schutzbefohlenen desselben in dem Duar Zera, wo wir übernachteten, 
fanden wir auch sehr gastliche Aufnahme. Es zeigt dies Beispiel, 
dass ein mit Land und Leuten Tertrauter Europäer auch im Innern 
von llarokko leben und wirthscbaftlidi vorwirtskommen kann. 



10. Vom Zyma See nach Saffi. 

Wir folgten eine Strecke weit dem Nordostufer des Sees, zum 
Theil durch Blumensteppe, die eine sich dort an den See anschliessende 

Ebene bedeckt, überschritten den schon erwähnten Wadi und bogen 
dann in Dürdlicber itichtung vom Wege ab, um deu nächsten Doar 



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76 



zu erreichen, <la nicht festzustellen war, ob der nächste für das 
Nachtlager zu benutzende Duar vor uns 1, 2 oder 3 Reitstanden 
entfernt sei. Zum ersten Male seit El Dra in Schedma stiessen wir 
wieder auf dnnkelrothen tiefgründigen, offenbar sehr frachtbaien 
Boden mit üppigen Weizen- und Gerstenfeldem, ein Vorposten des 
Schwarzerdegebiets vuu Abda. Ein grosses Mauerviereck, 4 m hoch, 
etwa 100 m zu 80 m messend, an dem wir vorüber kamen, beleoohtet 
die Zustande Yon Marokko: ein teicker, mächtiger Kaid katte vor 
wenigen Jakren begonnen, kler eine Kaaba an banen, natörlidi dorcb 
Frohndienste der armen Banem. Ebe dieselbe fertig worde, fiel er 
in Ungnade, seine Qttter werden eingezogen, er starb im Gefkngnis, 
der begonnene Ban wnrde Ruine. Mit derartigen modernen Beinen 
iat Marokko übers&et. 

Bei dem Duar Zera auf einem von einer Opuntienhecke um- 
schlossenen Platze schlugen wir das Lager auf. Zahlreiche Matamoren, 
deren Oeffnnngen nicht geschlossen waren und die anscheinend nicht 
mehr in Benutzung nnd in Verfall waren, zeugten auch ihrerseits für 
die reichen Ernten, die hier gelegentlich ei-zielt werden, widerrietben 
aber nachtliche Spaziergänge dringend. 

Unser Weg verlief am 22. März von Zera aas znnftcbst in 
annlUiemd nordwestlicher Gesammtrieblnng, anfiings nodi ansteigend 
bis wir aaf der etwas ttber 400 m beben welligen HocbÜftche waren, 
die auek hier, zuweilen dem von grossen Wellen bewegten Meere 
gleicbend, dem Deckgebirge entspricht. An&cklflsse zeigten fast wag- 
recbte, nnr ganz wenig, vielleleht anch nur ganz örtlich, nach KNO 
geneigte Schichten, vorwiegend von Kalkstein ; Kalkgerölle bedeckten 
den Boden. Asphodelus und eine weisshlühende Brassica, die von fern 
au ein Buchweizenfeld denken lipss, kennzeichnete das dürftige Pflanzen- 
kleid. In flachen Vertiefungeu hatte etwas feuchterer Boden kleine 
Gärten mit Mandelbauraen und Opuntien anzulegen erlaubt. Weiter- 
hin aber trat in grosser Ausdehnung liutherde auf, feinerdig, ziegel- 
roth, dementsprechend auch sofort mehr Aubau, zum Theil üppige 
Weizenfelder, aber völlige Baumlosigkeit, höchstens streckenweise 
neben Aspbodelos niedriges Oitnsgebflsek auf Kalkboden. Das 
Gelände wird httgelig, wir folgen einem flaeben Thale and Stenern 
gegen Mittag dnem Tafelberge zo, der El Gera, die nmgebende 
HigeUandsebaft El Gerat genannt wird. Bald blicken wir zwiscken 
den HQgeln hindnrch anf die nnabsehbare, mit dem Horizont ver- 
schwimmende Ebene von Abda hinab, wenig später steigen wir auch 
selbst durch einen Engpass in die Ebene hinab und halten am Pnsse 
des Tafelberges £1 Gara, am Ausgange des Engpasses, Mittagsrast. 



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Der Tafelberg ist völlig kahl und aus regelmässig wecliselndeu weissen 
und dunkeln Schichten, die eine ganz flache von wagrechter Lagerung 
nur wenig abweichende Synklinale bilden. Das weisse Gestein 
erweist sich als Gyps. Hier ist die Grenze von Aluiiar, dem Steppen- 
hochlande, und Abda, dem schwai'zerdebedeckten Fruchtgeßlde. Der 
Blick schweift von anserm noeli immer elwa dO m Uber der fibeDe 
gelegenen Standpankte ttber die tischgleicbe Ebene, auf deren grflnem 
Teppicb nur weiss leoehtende Knbba und Dnar in grosser Zahl als 
Bastpnnkte für das Auge erlcennbar sind. Ein grosser Feigen- und 
Oliveugarten nahe an nnserm Lagerplatze dentet anch seinerseits 
darauf hin, das» wir nun das Steppenland hinter uns haben. Der 
Rastplatz liegt in 275 m Höhe. Die Ebene von Abda steigt also 
von ihrem etwa 100 ni hohen Steilrande, mit dem sie gegen den Ocean 
abbricht, nach innen um etwa 150 ni an und das Tafelland von 
Abmar erhebt sich um 100—150 m über Abda. 

Nach der Mittagsrast stiegen wir vollends in die Ebene hinab 
nnd schlugen nord-nord westliche Richtung ein, \\m den Duar eines 
deutschen Schutzbefohlenen, Hanied Ben Said Bei Haftian zu erreichen, 
bei dem wir Nacht(iuartier nehmen wollten. Zunächst ist der Boden 
noch von Kotherde gebildet, bald feinerdig, bald mit grösseren und 
Icleineren Kalkgeröllen bedeckt, ja streckenweise reiten wir Ober die 
geschlossene Kalkkrnste dabin. Dementsprechend wechseln fippige 
Felder, in denen die Gerste schon in Aehren steht and der Weizen 
solche zn bilden beginnt, mit bnnten Blumenbeeten nnd fast kahlen 
Flächen. Es sind dieselben Arten, die den Blumenteppich bilden, 
wie oben in Ahmar, nur üppiger. Ganze FlAchen gleichen einem 
blühenden Iiisbeete, auch Stipamatten 0 treten noch auf. Grosse 
Heerden von Rindern. Schafen und Pferden, wie wir sie weder in 
Schedma noch in Ahmar gesehen haben, weiden auf dem nirht in 
Anbau s'enonimenen Boden. Als höhere, ziemlich steil «nsteigende Stufe 
liegt Ahmar hinter uns: wol die ehemalige Meeresküste, ehe Abda 
in quartärer Zeit gehoben wurde. Etwa 6 km \om Rande der 
höheren Stufe tiiU zum ersten Male Schwarzerde auf, auch hier von 
den Bewohnern als solche (Tirs) bezeichnet. Aber sie bildet keine 
ganz geschlossene Decke, immer wieder tritt unter derselben, wenn 
aoeh nnr anf kurze Strecken, flache Schwellen bildend die Kalkkroste 



') Die Beschreibung, welche DesfontaiDes, der sie zuerst im östlichen Allasgebiete 
keaneiigdemt Im, yoa Stipa tortiiU gegeben hat: „llores deddni, DomerodKinu vestimeiitii 
adhaerent, perfomt aitiid<|iie incoromode tinliUMit et imtis«iit'* ist aiitwiordentlicli wa- 
treffend. 



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xa Tage, die Jeden Anbau nnmOglich maditf ja selbst als Weideland 
fi»t wertbloe ist, bier nnd da aber sdir geschickt smn Sammeln von 
B^nwasser verwendet wird. Diese Kalkkroste« deren Bntstehnng 

ich fiüher zu erklären yersacht habe')^ bedeckt nngebenre Fliehen in 
Marokko, mein* wie in den übrigen Atlaslftndern und ist namentlich 
geradezu als ein Fluch der sonst so frachtbaren Kttstenlandscbaften 
zu bezeichnen, denen die ganze folgende Darstellung gewidmet sein 
wird. Man siebt allerdings häufig und wir sahen auch sehr bald 
nach dem Herabsteigen von Ahmar, dass die Bauein g^egen diese 
Kalkkruste ankämpfen, aber doch nur wo sie durch andere Einflüsse 
gelockert und zersprengt ist, d. b., wo ihre Mächtigkeit eine geringe 
gewesen ist Da kann man sehen, dass sie die Brocken mühsam zu 
Hanlbn aafgthttrmt haben, um steinfreies Ackerland zn gewinnen. 
In einzelnen Q^nden ist da in der That wol von vielen GeneratioDeo 
eine gewaltige Knltnrarbeit geleistet worden. Ich sah vor Jahren 
in Katalonien, in der Gegend von Tanagona, dass man eine Kalk* 
decke — ich weiss nicht, ob es dne Ahnlich gebildete Kalkknute 
war, die nach den klimatischen Verhältnissen sich dort ebensogut 
bilden könnte, wie ich sie in Ligarien sich habe bilden sehen — 
mit Pulver sprengte und die Brocken mit Hämmern zermalmte und 
mit der darunter liegenden fruchtbaren Erde mischte, um neues 
Kulturland zu gewinnen. Audi hier ist vielfach, wie ich oft 
an Aufschlüssen gesehen habe, weicher, fruchtbarer Boden unter der 
Kalkkruste und diese selbst von geringer Mächtigkeit. Es würde 
also nicht schwer sein, die Kruste zu zertrümmern und das Land 
anfinischliessen. Doch wer soll im heutigen Marokko solche Arbeit 
ansllihrai? Ist doch finditbares, sofort in Anban zn nehmendes Land 
in Fülle vorhanden! Dergleichen mnss einer besseren Zaknnft 
vorbehalten werden. 

Ich glanbe zahlreidie nene Beobachtnngen gemacht zn haben 
nnd an mitgebrachten Handstttcken belegen zu können, dass die 
Anschauung, welche ich mir über die Bildungsweise dieser Kalkkruste 
gebilfipt hatte, richtig sein dürfte. Es handelt sich nm eine travertin- 
odci tuftartige Bildnn£?: Mm erkennt deutlich die dünnen über- 
einander lafrerndpn Si lücliteii und wie die feste Kruste nj^rli unten 
hin in lockeres, weiches üesiein ubergeht. Ich schreibe leu [ loLz- 
liehen, heftigen Güssen, in denen hier meist die W'inLerregen 
niedergehen, und der dann sofort wieder eintretenden intensiven 
Besonnung, die in dem trockenen Klima rasche Verdunstung hervorruft, 



^ WiMitchafUiebe Eigvbnine (ErgäiuuogslMft No. 133 »iFetefm«m»*sMilthl.) S. 8$. 



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den grSBSten Einflnss auf Bildang dieser KalkkrosCe sq. Docb 
mag daneben auch durch die grosse Sonnenhitze aus der Tiefi^ 
emporgesogenefi mit Ifläicbem kohlensaurem Kalke beladenes Wasser 
die gleiche Wirkung haben, indem es verdunstend an der Oberflftehe 
Sehicht um Schiebt niederschlilgt. 

Auf die Schwar7erde werde icTi später im Zusammenhange und 
an der Hand der niineralogisclien und agrikulturchemischen Unter- 
suchunc der niitp:r'hracl)tpii Proben einznereliPii liahpn. pbenso wie auf 
die Kütlienle Reill^^. aliei tiaiiieiitlicli eiv^lere ist von erstaunlicher 
Fruchtbai keil, uml subald laaii iliren Bereich betritt, ist alles angebaut 
und überblickt man die üppigsten Felder von Weizen, Gerste, Sau- 
bohnen, Kichererbsen und Mais oft In ungeheurer Ausdehnung. Die 
breiten Wege swisehen den Feldern gleichen bauten Blumenbeeten. 
Noch sind hier und da die Bauern am Pflttgen, wol ftlr Mais, und 
gelegentlich sieht man auch genau wie in der Magdeburger BOide in 
langer Beihe Freoen und Kinder Unkraut aus dem Weisen jltten. 
Und wie bei uns, ist nicht selten, ob wol hier meist nur die Aehren 
abgeschnitten werden, bei den Dörfer das Stroli der letzten Ernte in 
grossen konischen Hflgeln mit Erde bedeckt angehäuft, um allmählich 
verbraucht zu werden. Da Tirsboden fast durchaus tischgleiche 
Ebene bildet, was mir auch für eine subaerische Entstehung zu 
sprechen scheint, so waren mir diese Strohliiigel als einzige 2 — 3 ra 
hohe Erhebungen, von denen aus man die Gegend überblicken und 
peilen konnte, äusserst werthvoll. Nahe bei dem Duar des Hamed 
Ben Said Bei Haffiau ragte allerdings auch aus der Decke von 
Schwarzerde eine etwa 8 m hohe Ealkklippe auf, deren Bedeutung 
die Eingeborenen durch Errichtung einer Eubba, angeblieb das Grab 
eines heiligen Abd el Kader, gekennselchnet haben. Die MeereshOhe 
dieses Duar betragt nur noch 186 m. 

Die Aafbahme, die wir als Landsleute seines Schatzheim bei 
dem wohlhabenden Bauern fanden, war eine änsserst liebenswürdige. 
Diese Leute legen auf einen solchen Besuch nicht nur aus angeborener 
Gastfreiheit grossen Wertli, sondern auch, weil durch denselben vor 
aller Welt ilrr Srlnitzverhältnis, das ihnen Sicherheit für ihre Pereon 
und ilir Eigenthum gegenüber dem raul git riii:fii Kaid gewährleistet, 
anerkannt wird. Wir mussten leider das Anerbieten, im Hause 
selbst zu übernacliten, annehmen. Was das bedeutete, wusste ich 
aus reicher Erfahrung. Tiunieihui gewahrte reichliche Verwendung 
von Insektenpulver einigen Schutz. Der Duar, wie fost alle in dieser 
fruchtbaren Gegend, war theils aus Pis^ theils aus Stein erbaut, 
dem hier anstehenden pliocttnen oder quartären KalksandsteinOf 



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79 



der, tberwiegend an Triliiineni Ttn ICaselieln bestehend, gleichartig 
und gleicbhaltrig mit dem sn seio scheint^ der die alte Dttae Ton 
Mofador bildet» bei Babat an der Koste ansteht nnd mehdhcb bis 
tief in*s Innere vorkommt, also hier bis 60 km Tom nAcbsten 
Kflstenpnnkte. 

Die Schwarzerde trägt auch hier, wie Überall eine für Marokko 
sehr dichte Bevölkerung. Die kleinen Daar liegen dicht beieinander. 
Ich bin bemüht p^'wesen, dieselben möglichst volbtändig in die Karte 
zu bringpü IHr Rand des Tafellands von Ahmar Hess «;ich weithin 
verfolgen. Am h der Phss. durch welchen wir Ii erabgestiegen waren, 
war zn erkennen: der Dj. Achdär, der in den Ebenen von Abda und 
Dukkabi in ähnliclier Weise das Gesichtsfeld des Reifenden beherrscht, 
wie der Atlios im nöixllichen ägäischen Meere das des Seefahrers, 
irnrde zuerst siebtbar. 

Während des Yormittegs des 28. Min Terllef nnser Weg qner 
durch Abda in vorwiegend westlieher Ricbtnng nabe dem Famtlel 
▼on 82* 80' nOrdlicber Breite stete durcb tisebgleiehe Ebene, soweit 
die Decke von Schwarzerde reichte, unter der hier und da, eine gani 
flaclie Bodenwelle von höclistens 5 m rel. Höhe bildend, die Kalkkruate 
zu Tage trat. Sie bedingt sofort Steppenbildung. Wie überall im 
Bereich der Schwarzerde herrscht völlige Bauralo«iigkeit, nnr hier 
nnd da flieht man angepflanzte niedrige, kümmerliche Feig-pnbäume 
uud Opuntien, noch seltener Oell aiune. Auch nicht ein Holzgewächs, 
auf deren Verbreitung ich besonders geachtet habe, J^ei es auch nur 
der dürftigste Bnscli, kommt vor. Erst 55 km von der Küste treten 
die ersten Zweigpalnien auf, die dann immer häufiger werden. 
Stdlenweise leigt sich, wie aw^ anderwArte auf Tirsboden eine 
üppige Distelflora. Den Wasserbedarf decken hier ftat durebweg 
Cisternen. Bmnnen, Ziehbrunnen, sind selten nnd sehr tief. Ihr 
Wasser soll wann sein. Ich war nicht in der Lage hier in Abda einen 
solchen zn messen, obvol ich an mehreren vorüber kam. Yereinselt 
kommen anch natürliche Wasserlöcher vor. Gegen Mittag kreuzten 
wir einen 10 km breiten, ganz flachen HUgelwellengitrtel, der durch 
seine Kalkkruste wpnig anbanfähi?, mm Theil als Steppe dalag. 

Die Mittagsrast hielten wir im Schatten eines mächtigen Bau- 
werks, das schon von fern unsere Blicke anf sich gelenkt hatte, 
Dar Uld el Hadsch Ajaschi genannt. Es war die Ruine einer gross- 
artigen Cisterue in einem 10 m hohen Thurme, der das Wasser in 
einem hohen gemauerten Kanäle zugeführt wurde. Sie geiiuite zu 
einer etwa 600 m entfernten Kasba, deren Trttmmer eine grosse 
Fliehe bedeckten nnd von der man noch sah, dass sie Tor nicht langer 



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80 



Zeft abadiUich zerstört worden war. Kur ein Bmonen wir erhalten 
geblieben, wie ich das oft bei zerstörten Zwingbnrgen gesehen 

habe. Der war den Bewohnern zn wertlivoll. Wieder ein Bild 
marokkanischer ZastAnde: Der vorletzte Kaid hatte die Easba und 
di« riesige Cisteme gebaut, natürlich durch Frohnarbeit, bei seinem 
Sturz wurde die Kasba zerstört, die Cisterne verfiel. Das Bftii- 
material, alles Pise, war unmittelbar dem Boden entnommen und so 
in tiefen Löcbetn ein Aufscbluss f!:esdififfen woixlen, in \sel(lipm man 
sah, dass unter der dünnen Kalkkiuste weicher, konglomeralarliger 
Kalkstein liegt. Von der Hohe der Cisterne hat man einen weiten 
Blick Aber das Land. 

Von Dar Dld el Hadseh Ajaschi ritten wir nnimterbrochen doreh 
reiches Sehwaizerdegebiet in sUdwestiicher Bichtang bis snr Hanpt- 
Stadt von Abda, wie man sagen IcOnnte, der Kasba des m&ehtigen 
Eaid Alssa Ben Omar, eines der wenigen Eaids, der im Gegensatz zn 
dem hellsehenden ^tem, das Land in lanter kleine Yerwaltangs- 
bezirke zu zerlegen, dnrch Beseitigung aller andern Kaids, fast 
unumschränkter Herr von Abda geworden ist Daher ist Abda 
vielleicht noch reicher an modernen Ruinen wie andere Landschaften 
Marokkos. Diese Machtstellung hat dieser Kaid dadurcli prlanprt 
dass er sich bei deni letzten Interregnum nach dem Tode des SiiIIhiis 
Mulay Hassau 18Ü4 lur den von demselben zu seinem Nachfolger 
ernannten jüngeren Sohn Abdul Aziz erklärte nnd durch Yerrath 
sich der meisten andern Kaidä, die sich, wie die iStadt Saffi für den 
älteren Bruder erklärt hatten, bemächtigte, und so dem jetzigen 
Snltan in der ganzen Brovins Abda zur Anerkennung verhalf. Die 
Easba des Kaid macht den Eindruck einer ziemlieh regelmässig 
angelegten kleinen Festung, ein Manerriereek mit hohen änsseren 
nnd inneren Mauern, befestigten Thoren, Eck- und ander» Thttnnen, 
weiten Plätzen im Innern. Sie liegt noch 145 m hoch am Bande 
und am Hange einer Tielleicht 30 m hohen Terrasse, sodass man von 
derselben einen weiten Blick über die Küstenebene bis an's Meer 
hat. Die Lage ist eine beherrschende. SelbstverstJlndliHi bandelt es 
sifb anr-h hier um Pisebau, zu dem der Stoff au Ort und Stelle 
entiioiriinen ist: derselbe konstlomeratartige Kalktuff mit einer mehr 
oder weniger mächtigen Kiilkkiuste wie bei Dar Uld el Hadsch Ajaschi. 

"Wir ritten in die Kasba ein und wurden, da ich meinen 
Soldaten zur Anmeldung vorausgeschickt hatte, durch den Khalifa, 
den Stellrertreter und Sohn des Kaid, sehr liebenswürdig empfangen 
und in eine hohe, Inftige Halle geführt, die uns als Oastraum flber> 
lassen wurde. Der Eaid selbst war des bevorstehenden Hammelfestes, 



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8t 



Aid el Eelilr, wegen bereits am Hofe des Saltans in Maitakesdi. 
loh horte epAter, daas auch er, txoiz der grossen Terdieiiste, die ei' 
sich mn den augenblicklichen Herrscher erworben hat^ in Ungnade 
geiallen und in's Geftngnis geworfen, aber doch nach einiger Zeit, 
verrouthlich nachdem er die Machthaber in landesüblicher Weise 
durch grosse Geldopfer von seiner Unschuld übei'zeogt hatte, wieder 
in Gnaden aafgenommen worden war. Die Bewirthang und Auf- 
nahme war die eines vornehnit^n Jiaases. Bald nach unserer Ankunft 
brachten Diener erst warmes Wasch wasser, dann als Willkommen- 
Imbiss eine gi*osse Schüssel mit Taschiu, ein Gericht, das in diesem 
Falle ausgesucht aus Nieren und Testikeln von Hammeln mit 
Eiern, Oliven und Eosinen, alles in Oel schwimmend, hergestellt war. 
Bald kam auch Thee, der in sUbenier Kanne Ton einem Yerfraaten 
des Eaid, anseheinend eine Art Sekretär, hergestellt wnrde, der uns 
znsammen mit dem »HoQnden« des Eaid eine Zeit lang Gesellschaft 
leistete. Wir machten dann noch einen Siiasiergaag durch nnd nm 
die Kasba nnd besahen namentlich den Marstall des Kaid, der in 
gans Marokko berühmt ist Dieser Marstall bestand ans einem 
grossen Hofe am Berghange, dessen Pflaster die natürliche Kalk- 
kmste bildete. Die Pferde, zum Tlipü sehr schöne und werthvolle 
Thiere, die noch am meisten reines arabisches Blut in Marokko 
darstellen sollen, standen angr) flockt im Freien, wie stets in 
Marokko. Die Pferdeknechte wolmtPii in einem Zelte mitten im 
Hofe. Auch schöne Slugi, grosse marukkanisclie Windhunde, waren 
zahlreich vorhanden, da der Kaid ein eifriger Jäger ist. Ich hatte 
Iftngst den Wnnsch einen solchen Slngi zn erwerben nnd mit nach 
Bentschland in nehmen. Es war aber unmöglich einen so kaufen. 
Diese Thier« sind auch in Marokko nicht sehr häufig und meist nur 
im Besits reicher Lente, daher sehr theuer. Man verkauft sie auch 
nicht gern an Christen. Da sie auch als sehr wild und schwer 
abanrichten gelten und das Klima von Deutschland dem Thiere 
voraussichtlich auch nicht zugesagt haben würde, so nahm ich es 
nidit tragisch, als alle Versuche fehlschlugen. 

Am Abend wurden die üblichen Gastgeschenke, 3 kleine Hüte 
Zucker, wip sie in Marokko allein marktfähig sind, Kerzen und Thee 
hereingebracht, auch unsere Thiere reichlich mit Gerste versehen, 
die aus einer Matamore auf dem Platze vor dem Hause l)ei-aufgeholt 
wurde. Ddiiu wurde ein reiches Mahl aus Kuskussu mit Hammel- 
fieiscb, gebackenen Hühnern mit Eiern und Tunke ans spanischem 
Pfeifer, Hammelragoot, Taschin in noch reicherer Zubereitung wie 
bei der Ankunft und süssem Kuskussu bestehend aufgetragen. 



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82 



Bor letite Marschtag bis Saffl, am 24. MArs, begann mit «inem 
Zwischenfall. Mein Maulthier, das bis dabin sehr gnt gegangen war, 
begann bald, nachdem wir abgeritten, an tanzen und zu bocken, bis 

wir schliesslich auf den Gedanken kamen, es werde von dem ihm nicht 
recht passenden arabischen Sattel wiiud g*^dnickt sein. So war es in der 
That und es blieb mir nichts übrig, als das Thier ledig laufen zu lassen 
und den Esel der Kaiiieltieiber zu reiten. Der Esel ist namentlich bei 
einer wissenschaftlichen Reise in Marokko das angenehmste Reitthier, 
da man leicht auf- und absteigen kann, wahrend es unmöglich ist ein 
Hanlthier mit arabischem Sattel ohne Hilfe zu besteigen. Ich hatte 
mich dabor httofig eines Bsels bedient, nnr sind diese Thier« für 
Iftngere Reisen doch nicht leistungsfähig genng. 

Unsere Bichtang war im Allgemeinen eine sttdwestliche. Tirs- 
boden and Anbau überwog auf der ganzen Strecke, snweilen mit 
R^therde, mehr oder weniger steinig, wechselnd, die dann gegen Safft 
hin allein herrschte. Dementsprechend wechselte auch das Ackerland 
mit Steppe. In einem Abstände von 15 km (Luftlinie) vom Meere 
trat das erste Holzpewacbs wieder auf: Rtem, auf steinigem sandigem 
Thonboden, erst vereinzelt, dann häufiger. Noch näher zum Meere 
gesellte sich ihm zu ein dorniger Asparagns, dann als .1 Holz- 
gewitchs Rschtik, als 4. noch weiterhin Thirta, dann Ziz^plius und 
Calicotome spinosa, ja die Miltagsrast hielten wir in einer Art 
dürftiger Bhaba, kanm 10 km vom Meere. Das G^l&nde wurde mit 
der Annflhemng an das Meer bewegter, man konnte es als 
flachwelliges Httgelland bezeichnen. Aach Oftrten mit Opnoti^ 
Feigen- nnd Oelbftnmen traten öfter aaf. Ungdienre Mengen von 
Ealkbrocken waren zu Haufen nnd Wällen anfgethflrmt und sengten 
von dem Fleisse der Bewohner. Aber noch immer nichts, was man 
ein Thal hätte nennen können, wie ganz Abda auch kein fiiessendes 
Wasser kennt, ausser den kurzen, vorübergoliend 5]:f füllten Rinnsalen, 
die unmittelhRr an der Küste in den etwa lUü m liulien Steilrand ein- 
geschnitTf 11 .sind, mit dem hier das Land vom Meere aufsteigt. Bei 
etwa lU km geraden Abstands vom Meere sah ich die letzte Schwarzerde. 
Bald kamen einige Landhäuser in Sicht, welche in Safti ansässigen 
europilischcn Kaufleuten gehören, schliesslich auch der Sultanspalast von 
Salfi, während man die tief unten um ^ne kleine Bucht gelegene Stadt 
erst erblickt, wenn man iiist darin ist. Der Weg führte zuletzt durch 
ein TielgewnndenesThal, in welchem Wasserlachen davon zeugten, dass 
der Bach, der es geschaffen hat, noch zuweilen gefiällt ist Schliesslich 
kamen rechts nnd links durch Norias, die das Grundwasser des Tbälcbens 
em]iorheben, bewässerte Garten, die bis an's Stadtthor reichten. 



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11. Die Stadt SaflI. 

Wir fanden in Saffi seliv liebenswürdige Aufnahme seitens des 
deatsciieu Vize -Konsuls Herrn Junker, Yerti-etei^s des Hauses 
Weiss & Manr, der mir von frUher lier bekannt war, und stiegen in 
einem UeineUi aber ganz guten, von einem Gibraltarmanne gehaltenen 
Oasthanae ab. Es war ganz angenehm wieder einmal ein festes 
Dach Aber dem Kopfe zu haben. Unsere Thiere wurden auf dem 
Platze vor dem Konsulat untergebracht und nachts von Wächtern 
des Eaid bewacht. Es hinderte dies nicht, dass mein Eselchen 
gestohlen wnrde, der einzige Zwischenfall dieser Art auf allen meinen 
Reisen in Marokko. Der Kaid verstand sich schliesslich dazu 
annähernd den Werth desselben zu ersetzen. 

Die Stadt Saffi hat sicher ihrer Lage wegen ein hohes Alter. 
Sie erscheint auch schon auf italienischen Seekarten des 14. Jahr- 
hunderts. Der Umstand, dass am Seethore eine römische Inschrift ein- 
gemauert ist, beieditigt nidil iiainentlich beim Fehlen irgend welcher 
anderer Belege, darauf zu sch Hessen, dass es auch eine römische 
Siedelnng gewesen sei. Denn von einer Marm« n>aiile an einer 
Strassenecke wissen wir, dass sie von einem Gouverneur iiii 18. Jahr- 
hundert herbcdgelnracht worden ist Saffi ist thatsttehlich der einzige 
Punkt, an welchem sich in Abda und überhaupt auf der langen 
Eflsteustrecke von Mazagan bis Mogador Seererkehr entwickeln 
konnte. Es öfbet sich an dieser Stelle in der mindestens 100 m 
hohen Steilküste, mit welcher die Ebene von Abda zum Meere 
abfällt, eine kleine Bucht, die namentlich dem von Norden kommenden, 
das hohe Kap Saffi umfahrenden Seefahrer auffallen musste. Gegen 
Süden fehlt ein derartiges die Bucht scharf begrenzendes Vorj^ebirge. 
Es unterliesrt für mifh keinem Zweifel, <\:\^< di> Bucht ein Werk 
der Meeres* l osion ist, der hier die Wandung eiiie^ kleinen Baches 
einen AngriiTspiinkt bot. Ein bei Ebbe zugänglicher kleiner Insel- 
felsen in dei Butlit, der bisher der Abtragung noch widerstanden 
hat, ist als ein > Zeuge < aufzufassen. Auch bei völlig ruhigem 
Wetter henscSit in Folge der Dftnung vom offmen Meere her, gegen 
das sieb die Bucht nach Westen hin weit öffnet, eine mftchtige 
Brandung, die jeder Zeit das Landen hier sehr erschwert und 
gefthrlich macht. Zwischen dem auf der Bhede in tiefem und ganz 
rahigon Wasser ganz nahe am Land, in gutem Ankergrunde 
ankernden Schiffen und dem Lande liegt der gefährliche Brandungs- 
gürtel. Ein Landesteg, den man bis über denselben hinaus verlftiigerte, 
wflrde den Verkehr von Saffi ausserordentlich heben, während jetzt 



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viele Dampfer hier nicht anlaufen. Bei meiner Anwesenheit lagen 
zwei Dampfer anf der Rhede, die auf den günstigen Augenblick 
warteten, wo sie durch die Brandung mit dem Laude in Verbindung 
treten konnten. Safß gilt als einer der gefährlichsten Küstenplatze 
von Marokko. Dazu kommt, dass die Stadt im Sommer von Malaria 
heimgesucht ist, von der die meisten Küstenstädte von Marokko, wie 
der bei weitem grösste Theil des Landes frei sind. Das erklärt sich 
daraus, dass der Bach und die Gärten stagnierndes Wasser erzeugen 
und der Passat die im Schutze des hohen Kap Saffi im Hintergrunde 
der Bucht, zum Theil in dem engen Thale gelegene Stadt nicht 
luftreinigend bestreichen kann. Um so malerischer aber ist die Lage 
der Stadt. Sie steigt die Höhen empor bis zu dem sie beherrschenden 
Sultanspalaste, der auf einem Vorsprunge des Tafellandes wie auf 
einem Vorgebirge thront. Aus dem Innern kommend, erblickt man 
ihn, aber auch ihn allein von ganz Safß, schon aus grosser Entfernung 
und erreicht ihn ebenen Weges, während man aus der Stadt steil zu 
ihm emporsteigt. Es ist ein grossartiger Bau (s. Bild 9), der offenbar auf 




9. Sultanspalast von Saffi. 



portugiesischer Grundlage ruht, portugiesische Banreste enthält und 
an portugiesischen Baustiel erinnert. Auch Anklänge an die 



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Alhanibra machen sich geltend. Wie diese war er sogleich Palast 
und Citadelle. Der ganze Bau als solclier ist aber marokkanischen 
UrspruTi^s und vielleicht der schönste, der aus besseren Zeiten 
erhallen ist. Freilich ist er heute bereits eine l asc hem Verfalle 
entfifegengehende Ruine, da nicbts zu seiner Erliaituug geschielit. 
Nur die Mauern und ein beständig verschlossenes Thor, dessen 
Scblflssel der Kaid verwahrt, schützen vor mutli willigen Zerstörungen. 
Die hoben ZiimeiiiDanern sind ooeh leidlich erhalten, sodass man auf 
denselben hingehen and den wnnderroUen Blick bowoI in*8 Innere 
des Landes, sftdwfote bis znm E(j. Hadid, wie Aber die Stadt und 
des Meer genleesen kann. Anf einer Bastion lagen noch snm Thdl 
der Laifetten entbehrende Geschütze. Eines derselben, das noch anf 
einer Lafifette rubt, trägt die Jahressabl 1625 und (arabisch) 927 
nebst der Inschrift „Willem Wagewaert me fecit Hagae''. In einem 
der weiteu Höfe steht eine kleine, zierliche Moschee mit glasirten 
Dachziegeln. Di> Hallen nnd Kuppelbauten haben schöne Portale 
mit überaus reicher, mannigfaltiger, stetig wechselnder Ornamentik 
in Gyps, reichgeschnitzte bunte Holztäfelungen u. desgl. m. Aber 
alles taüL iii Trümmer. Unverschlossene Cisterntiilucher in den von 
jetzt fest mannshohem Unkraut überwucherten Höfen, vielfach eiu- 
gestllrate De^en machen ee sehr gefthilicb dnrdi diese Tergangene 
Fk«cht nn wandeln. Bnschwerk ist ttberali emporgewachsen nnd 
Tknben nnd Falken nisten in soleher Zahl nnd seit soviel Jahren in 
den MauerlOchem, dass ihr Dflnger grosse Haufen bildet. 

Safft ist nicht nur das Seethor der reichen Ftovinz Abda and 
des dahinterliegenden Steppeulandes von Ahmar, es ist auch einer 
der Häfen von Marrakescb, dem es näher liegt als Mogador. Seine 
Handelsbeziehungen reichen so auch bis in die Atlasthäler. Von 
dort kuiiimen besonders Mandeln, ^vfthrend Al»da die Erzenp^nisse 
seiuer bchwarzenle in re^^eureichen Jahren in grossen Mengen lietert, 
vor Allem Saubuiuien, Kichererbsen und Mais, die fast nur znr Aus- 
fuhr gebaut werden. Doch dient Mais auch zur Nahrung, besonders 
wenn die Gerste nicht gerathen ist. Auch hier schreibt der Bauer 
dem Tban den entscheidenden Einflnss anf das Gedeihen von Mais 
nnd Kichererbsen zn. Anch Kanariensamen, Fenngrek (die 
Legnminose Trigonella foennm graecnm L., arab. Helba), Kflmmel, 
Schaffelle, Ochsenfelle, Wachs, Schafwolle kommen im Grossen zur 
Ausfuhr. Unter den Einfuhrgegenständen spielt merkwürdigerweise 
altes EUsen, Wagenräder u. dergl. aus Deutschland eine Rolle. Die 
einheimischen Schmiede verfertigen daraus die urwüchsigen ein- 
heimischen f flttge, Sicheln n. dei-gl. Deutsche haben sich erst um 1870 



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hier niadergelflssen, hente zählt man ihrer aber bereits 11 und 
5 deatsche Handelshäaser, die zu den englischen, den ältesten 
angeses^^enen, die mit den giössten Geldmitteln arbeiten and noch 
immer das Uebergewicht, besonders in der Einfohr haben, in immer 
erfolgreicheren Wettbewerb treten. 

Nadi einer ZusHminenstellunjSf, für welche ich dem kaiserlichen 
Vize-Kousul Herin Junker zu dauken liabe, betrug der Gesammtwerth 
der Ausfuhr vun Saifi im Mittel der 7 Jahre 1894—1900 : 2 166883 JH.. 
In dieselbe tbeilen sich jetzt fast nur England und das deutsche Reich. 
Letzteres hatte mit 46*/o den Anthell Englands mit 47,8^« im 
Jahre 1897 fiist erreicht Doch ist Ton da an die deatsche Ansfnlir 
wieder stetig bis aaf 26*/« im Jahre 1900 gesanlLen, wshrend Englands 
Antheil 61®/» ansmacht. Koch 1894 hatte England fast die 
gesammte Ausfuhr von Saffi in der Hand gehabt. Frankreich mit 
5,5% und Spanien mit 7.5 '^/o stehen jetzt weit zurttek. Eine Za- 
nahme der Ausfuhr ist auch hier nicht zu bemerken. 

Die Einfuhr betrug im Mitte! derselben 7 Jahre 1894- 1900 
jährlich 1606371 A. es sich auch hier vorzugsweise um Baum- 

wollen waaren und Zucker handelt, so hat England mit 62 " o (1900) 
den Löwenantbeil, da es die ei-steren liefert, demnächst kommt Belgien 
mit 28 "/o (1900), das neuerdings vorzug.sweise den Zucker liefert. 
Im Mittel der 7 Jahre kamen 87,5**/« der Zuckereinfuhr auf Belgien. 
Die deutsdie Einfuhr ist ganz belanglos and hat im Jahte 190O 
nur 5,6% erreicht Eine Zunahme der Einfuhr findet nicht statt 

In Saffi besteht auch eine deutsche meteorologische Station, die 
von der deutschen Seewarto in Hamborg eingerichtet ist and Yon 
dem deutschen Kaufmanne Herrn Werner Sehrader geleitet wurde. 
Früher lag sie in der Stadt, dann in dem von Herrn Schräder so- 
genannten Landbause Johanirisheriür. nördlich von der Stadt am Rande 
des Tafellandes, etwa 95 m über dem Meere. Nach Herrn Schradens 
Tode (1902) ülienialmi der Vize - Konsul. Herr Junker die 
Beobachtungen, die nun leider wieder in die Stadt verlegt wurden. 



12. Von Saffi durch Abda und Dulcalia zur Um-er-Rbia. 

Marokkanische Zelte. 

Kur einen Tag hatten wir in Saffi gerastet Am 27. März 
brachen wir wieder auf, am noch einmal Abda in seiner gansen 
Breite bis an den Fuss der höheren Stufe za durchmessen und dann 
längs demselben durch Dukalla die XTm-er-Hbia und womöglich den 
Punkt unterhalb Meschra esch Schaar zu erreichen, an dem ich 1899 



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nach Nuiden abbiegen nuisste. In ziemlich stHrken Ta^cemat^chen 
querteu wir iu im Allgemeineu noiUostliclier Richtung Abd.i und 
Dukalla bis Sidi Keliai, wo der Karawanenweg yoü Mazagan nacii 
Marrakesch UDsem Weg schnitt. 

Die erste Wegstneke gaben nns der deotsche Vize-Konsnl, Herr 
Junker und swei andere dentsobe Herren vbl Pferde das Geleit bis 
lom 6 km entfernten Asib Pnus, dein von den Eingeborenen so 
genannten Landbanse des Heim Junker, das dieser Yor Knrzem 
erworben hatte nad sn einem Ertrag bringenden Landgate aus- 
zugffllalteii bemäht ist. Ein ummauerter Garten mit jungen Oel- 
bfiumen, grosse Flächen mit Saubohnen, die darch Urbarmachungen 
stetig vergrössert werden, liesseii erkennen, dass man in der That 
berechtigt ist, Hoünungen aut die Znlcunft /n setzen Brdd nadtlier 
wurde aneh als unerlassliche Bedingung die Bulirung eines Brunnens 
in Angritt" genommen. Aber erst iu grosser Tiefe wurde Wasser 
erreicht, das als wohlschmeckendes, gesundes Trinkwasser zu 
bezeichnen ist Der Wasseryorrath scheint bedeutend zu sein und 
der nächste Schritt sollte die Anfetellnng eines Windmotors sdn^ 
nm das Wasser in ein erhöhtes Sammelbecken zu heben, von 
welchem ans es flberall hingeleitet werden kann. Wind, als Eraflr 
quelle ist ja an der Oceankllste von Marokko das ganze Jahr, aber 
besonders im Sommer täglich nnd reichlich, ja überreichlich vorhanden, 
ünd mit Wasser Ittsst sich hier bei der natürlichen Fruchtbarkeit 
des Bodens in kurzer Zeit ein Paradies schatten. Bezeiclinend ist 
dabei, dass bei Saffi, im grellsten Gegensatz zu Mogndf r. die Eumpaor 
Landgüter erwerben können, wie thatsächlirh auch eine ganze Anaahl 
solcher europäischer Laudhauser in der Umgebung von Saffi voriianden 
sind, ohne von der Feindseligkeit der Eingeborenen zu leiden zu haben. 

Bald nachdem wir ans dem Thore von Safh heraus waren, 
erreichten wir nahe am Sultanspalaste die Höbe des Tafellandes, 
ttber welches wir nns in ostrnordAstlicher Richtung an der Zania 
Sidi Abd Enhaman vorflber bis za dem nahe dabei gelegenen Asib 
Fhiss, theils aber Kalkkmate und durch Steppe, tbeils nnd über- 
wiegend über fruchtbare Rotherde bewegten. Auch die unmittelbare 
Umgebong Ton Saffi ist als sehr fruchtbar zu bezeichenen, namentlich 
ist es möglich, selbst an stark geneigten Hängen im Anhauche des 
Meeres Getreide zu bauen. Nach einem Absehiedstrunk im Asib 
kehrten die deutschen Herren zu ihren üe.scl!aften in die Stadt 
zurück, während wir unsern vorausgezogenen Kamelen folgten. Da 
es viel geregnet hatte, so war der Weg auf dem schlüpfrigen Thon- 
bodeu für die Lastthiere recht beschwerlich. Auch hier war das 



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Gelände, wie Muf dem Hci wege im Bereich der Küste als tiachwelliges 
HügelUiul zu bezeichrit n. uamentiich traten öfter sehr regelmftssige 
flaclien Halbkugeln ftlmehule Hügel, D luidationserscheinüngen, auf 
und waren Holzgewächse, wenn auch nui in der Form niedriger Büsche, 
zuD&chst nicht selten, ja Rtem bildete gelegeutlicb kleine Dickichte. 
Aoch waren betiflditliche Flfi«^n mit Zwergpalmen bestanden. Je* 
weiter landeinwArts nm so besser wurde der Boden, nm so grosser der 
Prozentsatz der in Anbaa genommenen Fliehe. Bei der Mittags- 
rast hatten wir die Grenze des Tirsbodens erreicht. Wir rasteten 
im Schutze des einzigen, weithin sichtbaren Baumes der Gegend, 
eines Oleaster, eigentlich mehr ein etwa 8 m iioher Busch, der 
Lella Zebbftdscha (Heirin wilder Oelbaiim) genannt wird nnd 
als heilig gilt. V.cht berheris -h. Eine verfallene, von Zaun- 
rübe tiberrnnkte Hinte iiegt unter demselben. Der am regel- 
massigsteu gebildete unter den halbkugeligen Hügeln der Gegend, 
etwa 30 ni Iioch und 1 ' km vom Lagerplatze, trägt die Kubba Sidi 
Embarek. Cerinthe major L. üppig wuciierud und in reicher BluLiie 
ist hier neben der Zwergpalme Charakterpflanze der Steppe. Bei dem 
Yersncbe die Mittagsbeobachtnng mit dem Asphrations-Faydirometer 
Torznnehmen, stelle ieh fest dass dasselbe, offenbar bei der Abreise 
Ton Saffi, trotz der peinlichen SoifffUt, mit der ich es verpackt hatte 
und Oberwachte, Schaden gelitten hatte. Alle an den folgenden 
Tagen immer von Neuem gemachten Versuche es wieder gebrandis- 
fHhig zu machen, erwiesen sich als erfolglos. Ich musste also von 
Saffi an auf diese Beobachtungen veraicbten. Da icli ancli 1899 
ähnliche Erfahrungen gemacht habe, so würde ich iu Zukunft doch 
dai'auf verziobteu, ein .solcli heikles Tnfstrument, so brauchbar und 
werthvoll es auch ist, bei solchen Reisen mitzunehmen. Man niüsste in 
der Lage sein, eigens einen zu Fuss gehenden Manu damit zu betrauen. 

Auch während des NachmitUigsmarsches halten wir im Allgemeinen 
nordöstliche Richtung und bewegen uns somit nnserm Wege vom 
23. Marz in einem Abstände von etwa 5—8 km parallel, nnr in 
umgekehrter Richtung. Wie dort herrscht auch hier durchaus Tirs- 
boden and tiscbgleiche Ebene vor, ausser wo die Decke von Schwarz- 
erde von besonders geringer Mächtigkeit ist und man die Unterlage, 
den weichen bröckeligen weissen Kalktnff zu Tage treten sieht 
Da zeigen sicii wol flache, von einer Kalkkmste gebildete Boden- 
wellen. Der Umstand, dass die Felder häufig ausser durch Trocken- 
mauern durch tiefe Gräben ui!:!h gt sind, lässt die Mächtigkeit der 
Sehwarzerde erkennen. Gelegentlich hatt« dieselbe frisch auf- 
gebrochen die Farbe der Chokolade. Feigenbäume und einzelne 



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Dattelpalmen bringen allein etwas Abwechselunfj in das einförmige 
Landscbaftsbild. Dass auch hier örossgrundltcsitz herrscht, war 
flarans zu scTilie^^en. dass icli eininal 10 Gespanne Ochsen zu gleicher 
Zeit auf demselben Felde pflügen sah, zum Anbau von Mais. Dem 
entsprechen auch die riesigen Felder von \\ eizen, Gerste oder Sau- 
bohnen. Yielleichi handelte es sich um Besitz des Kaid von Abda, 
da wir bald nachher au einem ihm gehörigen kastellartigen Wirth' 
whaftsbofe ?orftb«r kamen. Noch yor Ende des ersten Tagesmarsches 
Ton Satt aas, in etwa 34 km direktem Abstände vom Meere var die 
innere Grenze der H<dsgewid>se erreicht Unser Kachtqnartier 
schlagen wir im Dnar El fladsch Mohammed Ba Ghdera auf und 
nahmen das Anerbieten der uns freundlich entgegenkommenden Leute 
in einem Hause zu übernachten, des eisigen Nordwindes wegen, gerne 
an. Freilich war das Hans halb Ruine, aber es enthielt doch noch 
einen ndl vollst;tndi^:em Dache versehenen Raum, in welchen wir 
unsere Feldbetten auistellten. Der Duar besteht ans lauter einzelnen 
Höfen, die rings von hohen, undurchdringlichen Opuntienhecken um- 
schlossen sind. Die niedrigen, hinter den Opuntien versteckten wttrfel- 
förmigeu H&user, dessen Räume sich auf einen kleinen Hof öffnen, 
sind PisöhantoL Ein Loch, welchem man das Material sn einem 
solchen entnomm^ hatte, war ein willkommener AnfSschlass. Unter 
der nur 20 cm mächtigen Schicht Schwaneide kam eine noch weniger 
mächtige Ealkkraste nnd anter dieser der schon erwähnte Kalktaff. 
Die Ealkkraste giebt so die feste Dm^e ihr die im Kalktaff aas- 
gehöhlten Matamoren. Da der Boden fast ttberall denselben Aufbau 
zeigt, so ist begreiflich, dass, abgesehen von der Ebenflächigkeit, 
Quellen und fliessendes Wasser in Abda überhaupt unbekannte Dinge 
sind und dass selbst die Anlegung von Brunnen schwierig ist, nicht 
nur weil man meist er^i in «frossfr Tiefe Wasser findet, sondern es 
auch an Steinen zum Ausmauern derselben meist lehlt. Die Bewohner 
siiil daher fast ausschliesslich auf Cisternen angewiesen, die aller- 
dings zahlreich, auch an den Wegen angelegt sind. Die Kalkkruste 
ist da sehr werthyoll zum Sammeln des Wassers. 

Da unsere Bichtang am Vormittag des S8. Marz eine im all- 
gemeinen norddsttiche war, so schnitten wir nnsem Weg vom 88. Mftrs- 
annAhemd bdm Uebersehreiten des Parallels von 82* 30' nördlicher 
Breite im Gebiet des Kabyle üled Yahia. Abgesehen von einer 
darch Bildong einer Kalkkmste steppenartigen welligen Strecke, 
bewegten wir uns fast durchaus über reiche Ernten tragenden Tirs- 
boden und durch tischgleiche Ebene. In einem Duar der Uled Yahia 
machten wir einen kurzen Halt, weil ansei* neuer in Saüfl eingetretener 



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Soldat des floitigen deutschen Vize-Konsulats, der '»if^dere alte Abd 
es Slam, dovi seine Angehörigen begrtissen wollte. Hier traten zuerst 
wieder neben niediigen Pise-Häiisern konische Hütten und niedrige 
Zelte aus Geweben, zu welchen die Zwergpalme die Fasern geliefert 
hat, auf. Weiter ia's Innere bestanden die Duar iuii aus konisclien 
Hütten und Zelten. Eine Stunde lang ritten wir doreh dielite Hea- 
scbreekeBscbwftrme. Die Mittagsrast liielfen wir bei doem Dnar der 
üled Saif in einer Opontienpflanzang, deren mltchtige, 4—5 m hohe 
Stämme noch einselne reife Frttchte tragen, wahrend sie zugleich eine 
Fülle von Bltttben angesetzt hatten, von denen einzelne schon anf- 
geblflht waren. Es war möglich, nach Osten hin den Dj. Achdär 
anzupeilen, dem wir uns immer mehr näherten, nach Südsüdost den 
Pass von El Gara, dnreh den wir nach Abda herabgestiegen waren. 
Hier liegt auch die innere Grenze der Zwergpalrae. 

Die Gegend von L'led Snif an bis zur Grenze von Dukkala 
zeichnete sich durch verhalt nissmässigen Wasserreich thnm aus. 
Wasserlöcher, ja kleine Teiche und Stlmpfe zeigten sich häufig am Wege. 
Zu ihnen gesellten sich aber nun au der Grenze von Abda ganz eigen* 
thttmliche, künstliche Sammelteiche, aaoh als Dayas bezeichnet, die fllr 
Dokkala charakteristisch sind ond yon J. Thomson zuerst beobachtet, 
merkwürdigerweise aber mit vulkanischer Thfttigkeit in Beziehnngen 
gebracht sind. Es sind kreisrunde kleine Becken, sicher Yon geringer 
Tiefe und h&chstens 20—30 m Durchmesser. Sie sind von flachen 
Wällen umschlossen. Mit ihnen zusammen kommen häufig auch flache 
konische, höchstens 5 m hohe Hügel vor. Ich hatte schon bei der 
ersten dieser Dayas den Rindruck, ein Gebilde von Menschenhand 
vor mir zu haben, bei einer anderen sali ich aber, dass sie ^>\i\7. neu 
angelegt war, bei wieder einer anderen, dass d^r sie umgebende 
niedrige Wall aus rothem kiesigen Thone bestand, dei dort den 
Bollen bildet und somit offenbar zur Bildung des Beckens ausgehoben 
worden war. Sie liielieu alle nocli Wasser, ich bin vielleicht nur an 
einem einzigen vorttbergekommen, das trocken dalag. Einselne ent> 
bohrten des Bingwalles, einzelne aber waren ringförmige, einen kleinen 
Httgel nmsehliessende Teiche. Es besteht so fOr mich nicht der 
geringste Zweifel, dass diese Dayas nur ausnahmsweise nattlrliche 
Wasserlöcher, meist künstlich ansgebobene Sammelteicbe sind, die 
mit vulkanischer Thätigkeit durchaus nichts zu thun haben. 

Nach kurzem Nachmittagsmarsch schlugen wir das Lager bei 
dem Asib Beni Idglio. einer Viehstation des Kaid Ai'ssa Ben Omar 
von Abda, an der Grenze von Abda mir! Diikkala, auf, die von 
ungeheuren Feldern in tischgleicUer Ebene umgeben ist Nahe dabei 



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liegt die Kubba Beni Idgbo, aber auch ein grosser, Terfallender Hof, 
dflesen Besitzer, wie uns mitgetheilt wird, unter irgend einem Vor- 
waude in*8 Gefängnis gesteckt worden ist, wahrscheinlich weil der 
Kai(! sich seines Besitzthiims bemächtigen wollte. Auch das lialb- 
vertalkne Haas, in welchem wir die letzte Nacht verbracht hatten, 
war in diesem Zustande, weil der Besitzer unter irgend einem Ver- 
wände ausgeplündert und in's Gefangüi« geworteu worden war. Wie 
viele solcher Fälle haben wir beobachtet, wie viele Leute gesehen, 
die noch die Sporen der Eisenketten zeigten, die sie als Gefangene 
hatten tragen niflsBen! Bs giebt in MaioUco iberiuuipt nicht viele 
Leate, ansser gänzlich besitzlose, die nicht za ErpreannigBfweehen 
im Gefitoignis gesessen haben. Die flacfawQrdigste Misawirtlneliaft 
lastet aof dem ongMcklichen Lande. 

Anch hier bot ein 2Va m hoher mit Erde bedeckter Strohhaufen 
einen erhöhten Standpunkt zu Bnndpeilongen, namentlich nach dem 
Rande des Tafellandes von Ahmar, dem wir bereits wieder sehr nahe 
gekommen waren. Fast in wagerechter Linie hob er sich ^egen den 
Horizont ab. Am Morgen des 29. M&rz war es bitter kalt. Das 
Minimum-Tiierraometer zeigte nur +2"C. 

War un.sere Richtung von Saffi an im Allgemeinen eine nord- 
östliche oder OS t nordöstliche gewesen, so war sie vou der Grenze von 
Dakkala an eine fast durchaus östliche. Wir steuerten auf den Dj. 
Achdir nnd den Band der höheren Stnfh zu. Mit dem Ueberschreiten 
der Grenze von Dakkala mehren sieh die, wie ich annehme, kttnstlich 
angelegten Dayas. Sie mögen zn vielen Hunderten ttber das Land 
verstreut sein. Nahe bei Beni Idgho sah ich eine solche, die einen 
Wasserring um einen kleinen zentralen, kaum 2 m hohen Hügel 
biklete von 4 m hohem kreisförmigem Ringwalle umschlossen. Nicht 
selten war übrigens mit diesen Dayas ein Ziehbrunnen verbunden, 
der augenblicklich nicht benutzt winde und wol erst in Benutzung 
genommen wird, wenn im Suiiiiiiei das Wasser der Daya theils auf- 
gebraucht, theils verduüBiel, llieils ni die Tiefe gesunken ist. Wo 
die vorherrschende, stellenweise etwas t^amlige Schwarzerde nicht 
angebaut war, war 8ie bald mit einem kleinen rothblüheuden Rumex, 
bald mit einem zierlichen Grase, Lamarckia aurea Moench, bedeckt, 
die erst im Innm von Abda, etwa 50 km von der Kttste, anftraL 
Dieses fruchtbare, steinlose, ebene Land erscheint wie fhr Gross- 
betrieb mit allerhand Maschinen wie geschaffen. Aber wann werden 
einmal solche hier in Gebranch genommen werden? Wo heute Qppig 
grüne Felder sind, breitet sich in 8 Monaten, wo hier alle Vegetation 
in Staub zerfallt, eine sonnenverbrannte Steppe ans. 



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Mit der Aunäherung an den Rand des Tafellandes von Alimar 
steigen wir eine etwa 10 ni hohe Stufe hinaV» und bewegen uns von 
da an auf vorwief^end kiesigem und saiidiuem Boden, dem die Decke 
von Schwarzerde fehlt, was sofort eine Minderung des Anbaus und 
Auftreten der Blumensteppe bedingt. Doch sieht man häufig kleine 
Feigeugärten. Schliesslich queren wir sogar ein titjckenes Bachbett, 
welches das Tafelland von Ahmar herabsendet. Es ist der Wed Bu 
Schall. Nur 6 m breit und 0,5 m tief, mit tiefem Sand geflllLt, ohne 
eine Spar von Thalbildang, zeigt dieser Troekenbaeh, dass er, aoch 
wenn er «omal nach heftigen Bogen, die sich am Bande des Tafel- 
landes niederschlagen, so weit flieBSt« in gans erschöpftem Zostaade 
anlcomrot. In der That hat er in geringer Entfernung am Fusse 
fener oben erwähnten höheren Stufe, die vielleicht, ja wahrscheinlich 
nichts anderes ist, als der Rand seines breiten, flachen, diluvialen 
Thaies, ifi einer zuweilen wassergefttUten Daya seine Verdanstaugs- 
pfanne. 

Die Mittagsrast hielten wir in einem grossen mit niedrigen Feigen- 
bäumen und Reben bepflanzten Garten, der rings von einer undurcli- 
drioglicUen Opuntieuhecke umschlossen war. Den Weizen, mit dem 
er bestellt war, hatten die Heuschrecken bis in die Wurzeln abge- 
fressen» Zahllos lagen todte Henschrecken nmher und der Sandboden 
war ganx von den Löchern dorehbohrt, in welche die Weibchen ihre 
Eier abgelegt hatten. Ich iuiä hier in 80 km (Luftlinie) Abstand 
vom Ocean neben zahlreichen Bruchstücken solcher, eine wohlerhaltene 
Patella der gleichen Art, die in ungeheuren Mengen die Felsen an 
der Küste bedeckt. Stellt man daneben das Auftreten des oben er- 
wähnten vermuthlich quartieren Kalksandstein von Dar Hanied Ben 
Said Bei Hafflan 21 km jvAch SW. der sich in nichts von dem sich 
noch heute an der ]\tisie bildenden unterscheidet, so liegt die Ver- 
niuthung nahe, dass diese unterste Stufe des Atlas- Yorianda, die Tief- 
ebene von Abda, sehr jung geliobener Meeresboden ist. Es heri'scbt 
hier sog. liemelbodeu vor, ein leichter sandiger Boden, der aber durch 
betrftchtlicben Thongebalt siemlich fruchtbar ist. Aa&chlQsse, welche 
eingeatAnte Matamoren boten, Hessen aber erkennen, dass auch 
hier in geringer Tiefe die feste Kalkkmste vorhanden ist. Stellen- 
weise war dieser sandige Thonboden intens!? roUi gefärbt, namentlich 
wo er die Walle einer Daya bildete, das Sammelbecken eines Zieh- 
brunnens. Auch die fiischgepflügten Felder zeigten intensiv rothe 
Färbung. Ebenso die Pis6bauten in den Duar und die erdbedeckten 
Strohhaufen. Das Auftreten kiesigen, sandigen, streckenweise intf^nsiv 
rothgefärbten Bodens iu dieser Gegend ist wol am besten auf diluviale 



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d3 

AUagtning«]! des Wed Ba Scbaa söiUcksafthreD, der die Ver- 
vitteningflstoffe der alten Gesteine des Hochlands von Behanina 
lierbeifhhrte. Wo der Boden nicht angebaut war, herrschte 
Grassteppe, die nur von 2 Gräsern gebildet war, nftmlich Bromns 
maximus Desf. nnd Br. madritensis L. Im Allgemeinen minderte 
sich die Fruchtbarkeit des Bodpns und der Anbau mit der Annähernns: 
an die obere Stufe, und tmp: d is Tiand mehr und mehr Steppencharakter. 
Zwergpalmen und As^hodelus herrschen vor, aber auch Ferula and 
Tbapsia gargaui i eine Wolfsmilch, eine Camomilla und besonders 
auf sandigem Boden dicke Polster bildend die silberglänzende nii.di ige 
Paronychia argentea Lam. Ich schreibe dies aber lediglich dem 
weniger flmchtbaren Boden sn, denn dass hier die Zwergpalme wieder 
anftritt, erst in Tereinzelten, yerkllmmerlen Exemplaren, dann immer 
hlnflger, glanhe ieh ledigHch ans einer, wenn aneh noch so geringen 
Znnahme der Niederscblflge am Bande der oberen Stnfe erklfiren in 
sollen. Dieser letitere erscheint Übrigens, wie ich auch auf der Karte 
dargestellt habe und ausdrücklich betonen mochte, als geschloi^sen 
und oben gradlinig abgeschnitten. Kur in grösseren Abständen öffnen 
sich Thäler und bilden die natürlichen Zugangswege von den Ktistpn- 
iHiidschaften zu den höheren Steppenlandschaftpn von Ahmai' und 
Eehamna, Der wichtigste derselben ist derjenige, durch welchen der 
namentlich seitens der europäischen Gesandtschaft benutzte Karawanen- 
weg von Mazagan nach Manakesch, der kürzeste Landweg zur Haupt- 
stadt, emporsteigt. Am Eingange in dies breit und tief eingeschnittene 
Thal, an der Stelle, wo sich in einer glUcklicihefen Zukunft deber einmal 
ein ansehnlicher Ott entwickeln wird, liegt die Zania Sidi Behal nnd 
dn Doar, nehen weldien ein vielbesuchter Freitagsmarkt der Kabyle 
Uled Bu Zrara abgebalten wird, dessen Besndier uns heimkehrend 
in Schaaren entgegenkamen, da gerade Freitag war. Hier schlugen 
auch wir unser Lager auf. Zahlreiche Eubba auf den Höhen nnd an 
den Hängen geben der Bedeutsamkeit auch dieser Gegend Ausdruck. 

Das Bett dc«^ Flusses, der hier in die Ebene tritt und diesen 
Zugang zn der oberen Htufe <^psrhaffen hat, liatte dort, wo 
wir es überschritten, eine Breite von 10 und eine Tiefe von 
3 ni, aber es lag trocken. Selbst ein am linken Ufer abgeleiteter 
Bewässerungskanal zeigte nur kleine Wasserlachen. Veruiuthlich 
versiegt auch dieser Fluss von Sidi Rebal ähnlich dem Wed Scban, 
der wol frtther einmal sein Znflnss gewesen ist (oder umgekehrt), in 
der Ebene draussen sehr bald. Tief im Hintergründe des Tbales 
lenkte eine Gruppe hoher Dattelpalmen und ein weisdenditende 
Knbba die Blicke auf sidi. Dort finden sich mehrere wasserrdche 



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94 



Brunnen, bei denen daher die Karawanen za rasten pflegen. Mtal 
heisst diese Oertliclikeit. Dieselbe liegt aaf dem Gebiete des 
Kabyle Fathiiassa, nacli welcher auch der gebirgsartig aufsteigende 
Rand der hüheren Stufe südlich vom Thale von Mtal, Dj. Fathnassa 
genannt wird. Die Hdhen zu beiden Seiten des Thaies zeigen 
durchweg wagei-echte Lagerung der Schichten. Sie sind nur 
sehr dürftig mit Vegetation bedeckt, ja fast kalil, dienen aber als 
Weideland. Dagegen muss die Ebene von Dukkala, die man 
weithin ttberbliekt, frnclitbar und dicht heaiedelt sein, da man 
xahireiche Doar nnd von Opnntienheeken umhegte Otiten rieht 
Einer dieser Boar, Dar Bei Mehdi, an dem wir in geringer 
Entfemnng TOrflbeiisekomnien sind, ist der Sits des Haid dieser 
Gegend nnd soll einen llOm ti^sn Bronnen haben. Es wurde 
uns erzählt — ich gebe das Gehörte hier wieder, weil es durchaus 
glaubhaft erscheint und die marokkanischen Zustände kennzeichnet — 
dass die bei Mtal lagernden Karawanen fast re?elmfls«ia: bestohlen 
werden und Diebereien in der Gegend wonioglK h imcli liautif^ei sind, 
wie anderwärts. Es ist aber immer möglicii, die gestohlenen (Tegea- 
stände zurück zu kaufen. Das Lösegeld müssen die Diebe uiit dem 
Kaid theilen, der sie daher ihr Gewerbe ungestört betreiben lä.sät. 
Dieser Erwerbszweig steht übrigens auch in Algerien in grosser 
Blflthe. Die Fransosen yermögen ihn nicht anmorotten. 

Wahrend eines ganzen Tagemaxsches. am 30. Marx, folgten wir 
zaerst in östlicher, dann in nordöstlicher Eichtling dem Bande des 
Tafellandes, ja wir Qberschritten nahe bei Sidi Behal eine durch ein 
Erosionsthal abgegliederte Vorhöhe desselben Auf der ganzen Strecke 
hebt sich derselbe scharf von der vorliegenden £bene von Dukkala 
ab. wenn auch nicht mehr so scharf wie weiter nach Südwesten 
gegen Ahda. Nur östlich von Sidi Rehal liat der liohe Dj. Achdär 
mehrere Giessbäche in"s Leben gerufen, die den lland des Tafellandes 
in einen Gürtel von Hügelland, aber durchaus mit gerundeten Formen, 
zerschnitten haben. Anch zahlreiche Gärten mit Feigenbäumen und 
Reben, ja selbst Oelbäumen an den Hangen und in den Tiialeru 
lassen auf eine geringe Zunahme der Niederschlftge schliessen. Die 
Beben hatten schon 10 cm lange Banken getrieben. Es herrscht ein 
Äusserst feiner^ger, fest stanbarUger rother Thonboden vor. 

Von Sidi Behal Qberstiegen wir znnAchst eine niedere Boden- 
welle, die gegen die Ebene ausgehend das Thal Ton Sidi Rehal von 
dem nächsten, dem eines Tom Dj. Achdär herabkommenden Trocken- 
baches scheidet. Diesem folgen wir eine Strecke aufwärts, um dann 
in einem niederen Sattel einen zweiten, schärfer ansgeprftgten, gegen 



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9ö 

die Ebene in vestlicher Bichtangr Teratreielienden Btldcen sn Aber- 
lebreiten nnd snm breiten Aoagange des ThaleB eines nndem vm 
Kordhange des HJ. Aelidär herabkommenden Trockenbaches hinab m 
steigen, wo wir, etwas frdh, bei den Trümmern einer Easba, deren 
Name uns als Djbiii angegeben warde, kurze Mittagsrast hielten. 
Man sah. dass diese Trockenbäche, die in dem weichen Gestein breite 
Thäler ausgewaschen haben, vor Kurzem noch Wasser geführt hatten; 
zahlreiche Wasserlöcher in ilirem Bett waren noch geRillt. In der 
trockenen Zeit geben anscii^iueml nicht sehr tiefe Brunnen, die nahe 
den Ausgängen der Thäler iii geringeti Abstände von den Bächen 
gebohrt sind, reichlich Wasser, der 6ine innerhalb der Trümmer 
▼on Easba IDjbill Bei beiden waren zahlreiche WAscherinnen nnd 
Wasser schöpfende Mftnner beschäftigt. Docb riethen ons unsere 
Leute dringend, denselben lieber nicht zu nahe sn Icomnen. Eibe 
gewisse Erregung schioi nAmlicIi durch die BeTölkerung xu gehen, 
da wir uns am Fasse des Dj. Achdär, eines heiligen Berges befanden, 
zn dem gerade in diesen Tagen, zur Zeit des Aid el Kebir, zu wall- 
fahrten als besonders verdienstlich und als ein gewisser Ersatz der 
Wallfaiirt nach Mekka gilt. Es begegneten uns in der That ganze 
Züge von Wallfahrern, die vom heiligen Berge herabkanien, namentlich 
Frauen, die sich, wenn wir an ihnen vorüberkamen, eiit\M'der ver- 
htlllten oder uns in weitem Bogen auswichen. Ein sehr auliallendes 
Benehmen. Wir mussten deshalb, weil unsere Anwesenheit in eine 
für uns so ungünstige Zeil religiöser Erregung fiel, auf die Besteiguug 
des Dj. Achdär, die wir beabsichtigt hatten, venichten und uns den 
Berg, den wir schon so lange yon fem gesehen liatten und bis 
Asemur noch tiglich sehen sollten, Ton unten ansehen. Da noch 
Icein Europier diesen merlcwllrdigen Beig bestiegen hat, ja keiner 
ihm auch nur so nahe gekommen ist, wie wir, so war dieser Verzicht 
sehr schmerzlich. Der Berg wird bei einer künftigen Landesaufnahme 
eine grosse Rolle spielen. 

So sehr der Dj. Aclid;4r von der Ebene von Abda und Dukkala 
aus, von Si\ffi bis Azemm die Blicke auf siHj Ipnkt, da er sich 
beträchtlich über dpii Rand des T^itellaiides erliel t. su ist doch seine 
Grösse und Höhe iiiil ^deutend. Ks lai eiü kiuzer, nur etwa 10 km 
langer Rücken, der annähernd in SW— NO, also auch annähernd in der 
Richtung des Djebilet streicht und eine Höhe von etwa 400 m lel., 
also wenig Ober 700 m abs., sicher keine 1000 m haben dOrfte. Er ist 
aber rings aus der Umgebung scharf ausgesondert und erschien so von 
allen Punkten ans, von denen ich Ihn gesehen und angepeilt habe. Sein 
Käme, grftner Berg, schien mir niclit recht begründet su sein, da er jetst 



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96 



wenigBteiiB genau so dOriUg mit Vegetation bedeckt Isit wie die 
übrigen BergbSnge der Gegend. Die üreache seines Vorhandenseins 

habe ich nicht ergründen können^ so sorgsam ich ihn von allen Seiten 
mit dem Glase abgesucht habe. Er zeigt ftberall genindete Formen, 
nnr gegen SO tritt eine felsige Kuppe hervor, die vielleirlit aus 
gefalteten Schichten des alten Grundgebirges besteht. Auch der 
Umstan l, dass er Quellen enthalten soll, aus deren eiuer, Maber 
(kaktt!^ Wasser) genannt, der Wed Faregh entspringen soll, Iftsst 
darauf scliliessen. Dann wäre der Berg ähnlich wie solche weiter 
nach Nordosten im Gebiet dei Uin er-Kbia, wie ich 1899 feststellen 
konnte, als eine anf grössere Widerstandsfähigkeit des Gesteins 
aarfickzafftbrende Anfragnng des Grundgebirges zn erklsron. Dass 
Badia *) in dieser Gegend von aeraetetem Granit spricht, ftllt weniger 
in^a Gewicht, denn seine geologiselien Kenntnisse gingen nieht sehr 
tief. Er hatte schon bei Tanger Granit gesehen. Er spricht aber 
auch von Thonsehiefer. Jedenfalls steht das alte Grundgebirge in der 
Nahe zu Tage an, nnd da ich sowol 1899 wie 1901 an vovehiedenen 
Punkten feststellen konnte, dass Aufragungen desselben, am auf- 
fälligsten im Djebilet, sowol Höhenzüge wie einzelne Höhen bilden, 
so scheint die Vennuthuns" nicht zu gewagt m sein, dass dieser aus 
(ier ["nignbung schart" all^g^ sunderte, von allen Seiten weithin sicht- 
bare kui"ze Höhenrücken, auf eine Änfragung des Grundgebirges 
zurückzuführen ist. Sonst schien der Berg aus denselben ungestörten 
Schiebten des Deckgebirges zu bestehen, wie die Umgebung, und 
durfte als ein, allerdings scharf indlTidnalisirter Theil des Terrassen- 
randea von Behamna aafisnfosaen sein. Er soll reich an Hdhlen 
sein, in denen Einsiedler wohnen, die, ursprilnglich wol sMnmtlieh 
FMchtlinge, dch dem Arme der irdischen Gerechtigkeit d. h. hier 
wol häufiger Ungerechtigkeit entzogen haben, da der Berg als 
Asyl gilt — das Vorhandensein solcher Zufluchtsstätten kennzeichnet 
den Kulturaustand von Marokko ebenfalls — und allmählich in den 
Geinch dpr Heilirrkeit gekoranirn sind. Sie leben von den Geschenken, 
die ihnen die Eewohnpi- dei l ingebung machen. Manche dieser 
Einsiedler sollen verJieiralhet sein. 

War schon vui Sidi Rebal die Zwergpalme wieder aufgetreten, 
so kam hier im Bereich des Dj. Achdai auch ein Holzgewächs nach 
dem andern wieder zum Vorschein, aber durchaus solche des Steppen» 
gebiete. Znerst Zizyphus, der bei Djbiii, auf etwas frnchtbarerem 



*) AU Bqr d AbbiMl (der Spanier Badia y LeUidi): Voyagei cb Aftiqve c« 
Asie, Fnis 1S14. T. I p. 143. 



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97 



Boden, wahre Bftnme yen 3—4 m HOhe and ganze Gruppen solcher 
bildete, an andern Stellen dagegen in kanm einen halben Meter 
hohen polüterartig sich ansbreitenden, bis 5 m im Borefameaser 
haltenden Dickichten anftmt. Dann Gummi-Akazien, meist in ganz 
verkümmerten Exemplaren. Doch sah icli bei Dar Msaddek, gegen 
Endf^ (Meses T;igemarf»ches einige 5 m hohe Exemplare, die ganz auf- 
fällig die schirmförmige Krone entwickelt hatten. Dann sah man 
Terein?:elte Exemplare des dornigen Asparagus nnd als 4. Holz- 
gewachs, wenn wir sie dazu reclinen dürten, Ephedra altissima im 
Schutze von Opuntien. Als 6. Thirta, aber auch nur selten 
und nur im Schutze von Zizyphus, ganz wie in der Steppe. 
In der Nfthe des Wed Faregh sah ich dann vereinzelt und in Gruppen 
Bten, im Bette des Wadi Vitex agnus castus. Aber diese 7 Holz- 
gewAchse waren nur anf den Band der höheren Stnfe nnd anf eine 
Strecke von etwa 15 km beschrftnkt nnd traten in geringer Inditidnen- 
zahl anf. OerUich ziemlich zahlreldi kamen jedoch Thapeia garganica 
und Femla comnnis yor, deren bis 1 Vb m hoch werdender starker Stengel 
in dem holzarmen Lande die verschiedenartigste Verwendung findet. 
Das Land trägt vorwiegend Steppen Charakter und ist öde. Nur in 
den Thftlern traten Felder und einzelne Dunr auf. 

Auch die Kasha Dihili iRt eine der zahlreichen, für Marokko 
charakteristichen moderen Ruinen, vermuthlich die Zwingburg eines 
blutsaugerischen Kaid, die die geknechteten Umwohner dann in einem 
der zahlreiclieu Aufstände mit Wollust und gründlich zerstört haben. 
Ich vermnthe, dass Badia im März 1804 das hier in die Tiefebene von 
Dnkkala ansmUndende Thal znm AnMieg anf die Hochflftdie Ton 
Behamna benatzt bat Er kam also am Nordftune des m. Achdiir vörbei. 
Den Pj. AchdAr wird jeder nmgehen, der ihn nicht absichtlich besteigen 
wfll Von Easba Dijbili Melt aicfa nnser Weg in etwas grosserem Ab- 
stände von der höheren Stufe, auf deren Rande eine Kubba weithin das 
Gesichtsfeld beherrschte: Sidi Ahmed es Sahrani. Zunächst überwog 
noch die Steppe mit Asphodelus und Zwergpalmen, bald aber Gras- 
steppe. Eingestreut Feigen- und Opuntiengärten. Ziehbrnnnen sind 
an Stelle der Dayas f^ptreten. An einem, dessen Tiefe ich auf 40 ni 
schätzte, verrichteten 4 Frauen die Arbeit, die sonst meist Kamelen 
obliegt: sie zogen auf schiefer Ebene vom Brunnen weglaufend den 
Wasserschlaucli empor. 

Aehnlich wie der Fluss von Sidi Behal hat auch der Wed 
Faregh den Band der oberen Stnfe in breitem nnd tiefem Thale, das 
aber als Yerkebrsweg bedenlnngslos zn sein scheint, anfgescblossen. 
Whr qnerten dasselbe am Nachmittag. Er schien schon lange kein 

WHlMltaHra XVIII, Th««Uld ttodm. 7 



98 



Was'^pr geführt zu haben und erreicht auch die Um-er-Rbia niemals, 
denn wir liaben auf «Ipin Wejrr vi ii Rn-el-AwAn nach Azemur auf 
dem linken Ufer kein einziges Flusbthai gekreuzt. Er verliert sich 
also, ähnlich dem Wed Bu Schan. (!em Fluss von Sidi Rehal und 
anderen, offenbar unfäliig ein Tlml mi bilden, bald auf der Ebene. 
Immerhin zeigte soeben die ersten Blätter entwickelndes Gebüsch von 
Yitez agnns castas, dass in geringer Tiefe in seinem Bett Feucbtig- 
keit vorhanden ist Aach dienten mehrere grosse Norias im Thale 
BewilssemngsKweckeD. Dnreh aasig edehnte Gärten am nördlichen Thal- 
gehftnge stiegen wir wieder anf die Hochfläche empor, die von da an 
mit fraehtbarer Rotherde bedeckt und unabsehbar in Anbau genommen 
ist. So erreichten wir die Kasba Dar Msaddek, den Sitz des Kaids 
dieser Gegend, wo ich den nächsten Tag, mit Rücksicht auf unsere 
Leute, die an dem hohen Feiertage nicht gerne reisten, des Hammel- 
festes wegen zu rasten beschlossen liatte. Auch war nach 4 an- 
gestrengten Marschtagen ein Rasttag geboten. Uebrigens regnete es 
auch soviel, dass der Zelte wegen ein Weitermarsch garniclit mftglich 
gewesen wäre. Dar Msaddek, nach dem Vorganger des jetzigen Kaid 
benannt, ist eine der modernen Raub- und Zwingburgen, wie sie das 
heutige Marokko kennzeichnen, Earopa im Mittelalter kennzeichneten: 
Ein grosses Viereck von Fisö-Maaem mitten in die Ebene hingestellt, 
nar darch ein Thor zaganglich, im Innern weite Pl&tze and Qrappoi 
yon Hsnsem and Höfen, ein Ziehbrannen, einige Matamoren, alles 
mehr oder weniger in Verfall bezw. absichtlich mehr oder weniger 
zerstöi-t. Diese Zerstörung datirte vom letzten Interregnum, 1894 nach 
dem Tode des Sultans Mulay Hassan, her. Jede Thronerledigung 
pflegt in Marokko bei dem Fehlen einer geregelten Erbfolge, die 
lediglich der Willkür fV^s Sultans aiihrimgegeben ist, von einem mehr 
oder weniger allgemeinen Aufstande gciulgt zu sein, in welcliem jeder 
gewaltsam mit seinen Feinden, namentlich aber die geknechtete 
Bevölkerung mit ihren nächsten Peinigern, den Kaids abrechnet. 
Verstärkt wird dieses Di unter und Driiber noch dadurch, dass sich 
die l^ronbewerber bekämpfen nnd die eine Eabyle für den einen, 
die andere ihr die andere Partei ergreift Erst der Sieg der einen, 
wobei meist entscheidend ist, anf welche Seite sich die BcTülkerang 
yon Fäs schlägt, bahnt wieder geordnete Zustände an, soweit ttber^ 
haupt in Marokko von solchen gesprochen werden kann. Hier gab 
das Interregnum das Zeichen zum allgemeinen Aufstande gegen den 
Kaid, der 4 Monate lang in seiner Burg belagert wuitle. Einer der 
Leute des Kaid, der dabei gewesen war, zeigte uns noch die Spuren 
dei' Kugeln. So schwach die Mauern auch sind, sie waren für die 



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scblecliteB Waffen der armen Bauern nnbezwinglich, da es den Be- 
lagerten nxlb nicht an Vorriltlien ond Wasser fehlte, bis dieselben 

anf den glücklichen Gedanken kamen, die alten Kanonen des zer- 
störten Kastells von Bn-el-Awän an der Um•e^Rbia, das wir gleich 
nnten schildern werden, herbei zu schleppen. Wir sahen noch eine, 
die ihnen wol zu schwer gewesen war, in der Nähe von Bu-el-Awftn 
in (l^r Steppe liegen. Da machte der Kaid plötzlich mit seinen Leuten 
einen Ausfall \\m\ schlug .sich durch, während die Belagerer ihre Wntli 
an dem KauLiit ste ausliesseii und dasselbe zerstörten. Da der neue 
Kaid noch nicht Zeit und Mittel gefunden hatte, da.<? Zerstörte, bis 
auf die ganz unentbehrlichen Baulichkeiten, wieder herstellen zu lassen, 
obwol inswiseben 6 Jabre vergangen waren, so hatten wir noch den 
rollen Eindmek der yertthten Orenet. Wir hatten unsere Zelte 
möglichst abseits anf einem grossen Hofe im unmittelbaren (Wind-) 
Sehntze der ümlkssiuigsmaaer, dicht neben dem Ziehbninnen nnd der 
Ruine des Palastes aufgeschlagen, in welcher der frühere Kaid wie 
ein kleiner Fürst gewohnt hatte. Es war ein hoher Bau, ans Pisö 
natürlich, der einen grossen inneren Hof omschloss, welcher zum Zier* 
garten mit Blumenbeeten, Apfelsinen- nnd andern Fruchtbäiimen, 
Wasserhecken u. dergl ausgelegt war. Hohe Hallen umgaben den- 
selben, ein Prachtthor führte in den Bau hinein. Alles, Thüren, Wände, 
Decken war reich mit bunten Gypsornamenten verziert und, wie die 
Spuren erkennen liessen, zum Theil mit Holzgetäfel versehen gewesen. 
Korauspriiche waren allenthalben augebracht. Heute ist alles Holzwerk, 
das ja in dem holzarmen Lande besonders kostbar ist, verschwanden. 
Man siebt noch die Sparen der Aztbiebe, mit denen die Ornamente 
gewaltsam serstOrt worden. Wenn der Bau nicht bald wieder her- 
gestellt wird, wird er bei der Mangelhaftigkeit des Materials bald 
ganz in Trflmmern sinken. In fibnlicher Weise sind damals viele 
dieser mittelalterlichen Zwiogbntgen zerstört worden. So die von 
Tifsist am Fusse des Atlas bei Demnat, in der ich 1899 übernachtete, 
die von vielen Keisenden geschildei te von Eeni Meskin auf dem Wege 
von Casablanca und Rabat nach Marrakesch, in deren Nahe ich auch 
1899 vorüber kam. Auch die Burgruinen an denen Abda so reich 
ist, mögen z. Thl. auf jene Zeit zurückzufuhi en seiu. 

Als wir in die Burg einritten, wurde uns sofort gemeldet, dass 
der Kaid krank sei. Derselbe Hess auch Dr. Weisgerber bald rufen, 
als er gehört hatte, dass einer von uns ein Arzt sei, ja er wttnschte 
Dr. W. mOge einige Zeit bei ihm bleiben, nm ihn in heilen. Dr. W. 
fand den armen Mann schwer and seit langem krank, wol an einem 
Leberleiden, fUr das er schon einen im Dienste des Snltans *in 



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Marrakeseh lebenden englischen Arzt befragt hatte. Dr. W. gab 
ihm aus meiner Apotheke scbmenstillende Mitte), hegte aber keine 
Hoffnung auf Wiederlierstellung, weil nanli seinen Erfahrungen kein 
Marokkaner dazu zu bringen >^ei eine längere Kur folgerichtig durch- 
zutuhren. Docli war die Aulnahme eine durchaus gastliche. Nicht 
nur wurde uns sofort ein Imbiss vorgesetzt, auch die üblichen Gast- 
gesclienke. Zucker, Thee, Kerzen wurden gebracht, am Abend ein 
reichliche* Mnl, am Morgen 2 Sorten Honigkuchen. Dazu liess der 
Eaid fragen, ob er ans den Festbammel in natara oder zubereitet 
schieken solle. leb sog ersteree vor and spendete am nächsten Tage 
meinen Leuten, als dieselben erklärten zur Befiriedigong ihrer religiösen 
Bedfirftoisse sei es nOthig, dass sie selbst einen Hammel opferten, noch 
einen Hammel. Die Fähigkeit der Marokkaner, ganz stanaenswerthe 
Mengen Nahrung auf einmal za sich zu nehmen, bewährte sich aach 
diesmal glänzend. Das Hammelfest ist ein grosses Fressfest. 

ITebrigens hatten auch unsere Thiere einen Ruhetag dringend 
nöthig. Ein Maulthier Dr. Weisgerbers hinkte, das andere hatte sich 
die Beine wundgestossen und musste bandagirt werden. Das Thier 
meines Kochs war wundgedrückt und mein eigeiit^« Heilthier noch 
nicht völlig geheilt sodass Dr. KaniptYmeyer dasselbe mit seinem 
europäischen Sattel ritt und ich das seinige mit dem arabischen. 
Derartige Vorkommnisse spielen eine grosse Itolle bei solchen Reisen. 
Die Bahe, welche in der Nacht in nnserm Lager harschte, war sehr 
wohltbätig, da wir innerhalb der Kasba keine Wfichter braachten. 
Aach das Ungeziefer, welches sich beim Uebemachten in arabischen 
Hänsern in unsem Betten angesammelt hatte, konnten wir mit Hilfe 
von Insektenpulver endlich beseitigen. Mein Gesundheitszustand 
hatte sich in Folge der kalten Nichte noch verschlechtert. Es war 
noch Rheumatismus hinzugekommen, der mich fast steif machte. 

Zwei wertlivo]1p Beobachtungsgegenstände befaiiden sich auf dem- 
selben Hofe, auf lern wir unsere Zelte aufgeschlagen hatten: der 
Ziehbrunnen und das Gefängnis. An dem Ziehbrunnen war ein 
Pferd von früh bis spät ohne Unterbrechung in Thätigkeit, Wasser 
in einem Schlauche lierauszuheben, indem es auf ebener, festgetretener 
Bahn das Seil, an welchem der Schlaueii befestigt war, Uber eine 
Bolle zog. Nicht nar die Bewohner dw Kasba alldn, nein, die der 
weitem Umgebang, eine ganze Landschaft ist aaf diesen einen Brnnnen 
angewiesen! Und doch ist sein Wasser so schlecht, dass es unsere 
Pferde nicht saufen wollten und der damit bereitete Tbee nngeniess- 
bar war! Ich bestimmte die Tiefe des Bronnens zu 61 m, die 
Temperatnr des Wassers zu 24,8* G. Letztere, indem ich das 



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101 

Norraal-Thennometer in den eben heraufgezogenen grossen Leder- 
sclilaiK'h tauchte. Dies schien mir zuverlässiger als das Quellen- 
Thennonieter, das aucli nur einen gerinj^en Wasservorrath fasst, in 
die grosse Tiefe hinabzulassen, ganz al ^-eselien von der Gefahr, das 
Instrament zu verlieren. Die Abkühlung, weiche das Wasser in der 
grösseren Meuge beim Heraufziehen erfahren haben kann, ist jeden- 
£äils eine verschwindend geringe gewesen. Die Temperatur der Luft 
betrag gleichseitig 16,6 0. Das Wasser war also warm. 

Das Gefängnis besieht aus eiuera 5 m tiefen rechteckigen 
Loche, das auf einer Treppe zngänglich., einfach aus dem Felsboden 
aasgehoben und im Niveau des Bodens mit einem der landesüblichen 
flachen Dächer ▼«when ist^ in welchem zwei Löcher die Znfhhr von 
Lnft und Lieht yermitteln seilen. Einige alte Strohmatten auf dem 
Boden und einige Hateeiaen bildeten die ganze Einriebtnng. Eine 
konische Strohhfltte am oberen Ende der Treppe gewährte dem Wächter 
ünterkanft. Die vorhandenen 3 Gefiingenen befanden sich tagsüber 
oben im Hofe neben dem Gefängnis« in ähnlicher Weise wie man hiw 
Pferde und Maulthiere fesselt, um sie am Davonlaufen zu liindern, 
mit eisernen Fesseln an den Füssen, die iluien nur erlaubten finen 
Fuss vor den andern zu setzen. Die ^^•tglllls1isnn^:,^ sidi üben auf- 
halten zu dürfen, war vielleicht auf das hohe Fes>t uder uiiseie An- 
wesenheit zurückzuführen. Jedenfalls wird der Aufentlialt in diesem 
Loch im Sommer, wo sich eine furchtbare Hitze entwickeln muss, 
qualvoll sein. Ich stieg in das Gefängnis hinab, da es einen werth- 
Tollen AD&chlm» bot, and entnahm ans 3 m Tiefe der Wand ein 
HandstOok. Bis zum Boden herrscht derselbe weiche, weisse, ab- 
ftrbende Ealktnif, den ich schon 1899 in Schania, jetzt schon mehr- 
ÜMih in Abda nnd Dukkala, die Unterlage des Tirsbodens bildend, 
geftinden hatte. An der einen Seite war er mehr konglomeratartig 
nnd enthielt wallnnssgrosse Rollsteine. 

Das ansgehobene Material bildete neben dem Gefongnis einen 
kleinen, die Höhe der Mauern erreichenden Hügel, der mir einen 
sehr erwünschten Punkt zum Aufstelleu der schmalkalderschen Bussole 
zu Randpeilungen, namentlich auch rllckwärts nach Sidi Reha! und 
dem Dj. AchdAr bot 

Von einer Feier des Festes war nicht viel zu bemerken. Der 
kranke Eaid Hess unter Tags vor dem Thore der Easba Zelte auf- 
schlagen, offenbar, um sich dem Volke zu zeigen. Daheim feierte 
man Palmsonntag. Ich hatte so hier und bei anderen Gelegenheiten 
die verschiedenen hier im Lande gebrauchten Zeitformen kennen zu 



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. .• . ; : ..: ... 

lernen nnd üiörhte daher, da eben ein beträclitliclier Theil der Be- 
völkerung (lauernd oder läugere oder kürzere Zeit imter Zelten wohot^ 
auf diese Zeitformen eingehen. 

Man unterscheidet nach Form und Grösse 6 verschiedene Arten 
von Zelten. Die einfachste Art, Gibuu genau at. ist das Markt- 
zelt, meist nur ein Sonnen- oder Regendach. You regelmässiger 
Eegelform iBt die Bnkra, durch die mittlere, oben mit einem Knopf 
endigende Zeltetange getragen. Ans dieser Fem hat sieh die 
Teraehia entwickelt, indem dnrch in der Mitte angebrachte Zelt- 
schnüre die untere Httlfte weiter auseinander gezogen wird, also ein 
unterer, oben abgestumpfter Kegel, anf dem ein kleinerer aufgesetzt 
ist Die Teraehia ist stets etwas grösser als die Bukra und bietet 
namentlich an den Seiten mehr Raum. Eine vierte Form ist die 
Knbba: ein Cylinder mit aufgesetztem Kp^rel. Eine fünfte Form 
ist der üt, ak. eine in die Länge ?e/^os'ene Kubba. also mit, 2 Zelt- 
pflöcken, senicrecliten Wänden und einem an beiden Eiidi n konischen, 
in der Mitte nach beiden Seiten abfallenden Dache. Eti Kubba und 
Utak besteht da^ Zeltdach stets aus zwei Stücken, einem für das 
Dach und einem für die Seitenwände. Anch hat der Stoff abwechselnd 
weisse nnd blaue Streifen, wol anch Figuren. Eine sechste Form 
schliesslii^ ist dieChaima, das Zelt der Nomaden, ans Kamel- oder 
(schwarzen) Ziegenhaaren, nicht selten ans Zwergpalmen- oder Bmak- 
Fasem. Broak mttsste nach der Beschreibung Asphodelus sein, doch 
ist mir das unwahrscheinlich. Die Chaima ist so niedrig, dass auch 
in der Mitte ein Mann kaum aufrechtstehen kann. Es ähnelt einem 
umgestülpten Boote. Icli habe die gleiche Zeltform auch bei den 
Nomaden de^ Hochlands von Algerien und bei denen des südtunesischen 
Schottgebiets gefunden. 

Am Morgen des 1. April brachen wir auf, um annähernd in der 
gleichen nordöstlichen Ricbtunq: die Um-ei-Rbia und das fast sagen- 
hafte Kastell Bu-el-Awäu zu erreichen. Wu tolgteu zunächst noch 
immer dem Rande der obei*en Stufe, wenn auch in schon grösserem 
nnd stetig wachsendem Abstände, da derselbe mehr und mehr nach 
Osten abwich : die Thalöffnung der TJm-er-Bbia im Rande der oberen 
Stufe. An einer niederen Torgelagerten Bodenwelle sog sich 
östlich von Dar Msaddek ein langgestreckter Saum von Gärten 
hin; wir kamen zunächst noch mehrfach an Gärten vorüber und 
durch gut angebautes Land. Rotherde heri-schte vor. Aber nach 
einer Stunde änderte sich das, der Anbau minderte sich, dürftige 
Öteppenvegetation trat an Stelle der Felder. Wir sahen grosse Schaf- 
heerden in der Steppe. Bald herrschten Zwergpalmen vor, bald 



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103 



Asphodela». Weiterhin die in Marokko weitverbreitete Artischoken- 
distel (Cynara cardunculus L.), die auch auf den Märkten feilgeboten 
wird und wichtiges Nahrungsmittel ist. Ebenso die Knollen von Arisamm 
vulgare L . nach denen der Roden häufig durchwühlt ist. Keine Spur eines 
Hülzgewächses. Wir bewegen uns durch tischgleiche Ebene. Miedrige 
Höhen, die vor uns anftaucheu, liegen sclion jenseits dei Um-er-Rbia 
in Schania. Bald tritt vor ihnen graues Mauerwerk eines Kastells, 
wenn auch noch in grosser Ferne, in das Gesiciitäfeld, unser Ziel, 
BQ>el-AwftB. Wir Inwichea noeb 3 Beitstandeik, rnn es zu erreichen. 
Weithin menschenleere, öde Steppe. Der Boden Ist bald mit kantigen 
Eialkbrocken aberstreat, bald rdthlicher, eteinloeer, sandiger Thonboden. 

Das erste Holsgewfteiis, das mit der Annfthemng an den Strom 
wieder auftaucht, ist Zizyphus, der höchstens 30 cm hoch polsterartige 
Dickichte auf flachen Erhöhungen bildet. Auch die Zwergpalroen- 
büsche stehen auf solchen Erhöhungen, die jedenfalls als „Zeugen^^, 
nämlich der subaerischen Abtragung, aufzufassen sind. Beide Gewächse 
zeichnen sich ja durch sehr tiefgehende Wurzeln sind dnlier fast 
unausrnttbar und reclit geeignet, den Boden fest zu hallen. Die 
Blätter der Zwergpalme hatten ttbrigenä hier ganz augenscheinlich 
durch Prost gelitten ! In einem Abstände von etwa 2 km vom Strome 
Hess gleichzeitig ein Gerstenfeld, das erste, das wir seit Stunden 
wiedmüien, and das Auftreten imm«r zahlreieberer und höhhrer 
Holsgewiehse anf gflnstigere klimatische Bedingungen, nameatli^ 
grossere LnftfenchUgkieit schliessen. Znnflchst allerdings nnr kflmmer- 
liehe Gnmmiakazien nnd Asparagas, in deren Sdiotze aber in Menge 
4 in gana Süd-Marokko häufige einjährige Pflänzchen in Fülle ihrer 
BlQthen entfaltet hatten: Linaria bipartita Willd., Anagallis colliua 
Schousb., Celsia cretica var. Cavanillesii Willk. und Matthiola tristis 
R.-Br. Auch die schön violett blühende Statice sinuata L war häufig. 

Gegen Mittag stellten wir fest, dass unser Führer im Begriff 
war, uns nicht nach Bu-el-Awan, das ganz nahe vor uns zu liegen 
schien, sondern nach der Meschra-el- Kerum, der Feigenbaum-Furth, 
unterhalb Bn-el-AwAn zu führen, wie uns schien mit Absicht, viel- 
leicht im Auttrage des Kaid. Wir machten daher mitten iu der 
kahlen Steppe, wo weder Wasser noch irgend welcher Schatz an 
finden war, Bast^ nm die Kamele abanwarten nnd nOthigten dann den 
Führer ans naeh Bn-el-AwAn za fhhren. Dazu galt es eine karze 
Strecke znrOckzareiten and dann naeh Südosten anszubiegen, wo wür 
sofort, ohne bisher dne Ahnung gehabt zu haben, dass wir dem 
Strome so nahe waren, da dieselbe tischgleiche Ebene, die wir 
darcbmessen hatten, aach vor uns zu liegen schien, einen £inblick 



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104 



in (las tiefeingeschnittene Thal der üm-er-Rbia gewannen und iu ein 
kleines, kui-zes Nebenthal hinabstiegen, das eine kleine krystallklare 
Quelle gebildet hat. Dies kleine Thal ist bis in das Grundgebirge 
enigeschüitten, dessen gefaltete Schichten, Thonschiefer, sich scharf 
von den ungestörten des Deckgebirges unterscheiden. Auf dem 
undurchlässigen Grundgebirge tritt das Wasser der Quelle zu Tage, 
also genau fn der gleichen Webe, wie ich es 1899 weiter strom- 
auf w&rts an der Um-er-Bbia yielfach beobachtet habe und weiter 
stromab noch m^fach beobachten sollte. Es ist daher wahrscheinlich, 
daBs man auch in Dar Msaddek das ganze wenig mflchtige nnd 
Äusserst durchlässige Deckgebirge durchsunkeu uud erst auf dem 
undurchlässigen Grundgebirge Wasser gefunden hat. Das Thälchen 
ist flach muldenförmig und greift nicht weit in's Land ein. Sehr 
auffallend war, dass auf dem alten Gebirge, gewiss aber auch mit in 
Folge der grosseren Stromnähe, also der grösseren Luftfeuchtigkeit, 
und wegen des Windschutzes, HulzgewÄchse zahlreicher und als statt- 
liche Büsche auttrateu. Sogar Argaubüsche kamen vor. SiJ i;dd wir 
wieder auf der Hochfläche waren, venninderte sich sofort Zahl nnd 
Höhe der Holzgewächse, ja streckenweise blieb Tliirta allein, aller- 
dings in IVsm hohen Büschen übrig. Aach Bestftnde von Stipa 
tortilis and Blnmensteppe traten abwechselnd anf. Wir amgingeu, 
ans immer auf tischglMcher Hochebene fortbewegend eine weit nach 
Sflden aaagreiibnde Schlinge des Stromes and eine ganse Anzahl 
kleiner Nebentblkler an ihren Enden, bis wir das mächtige Kastell 
anmittelbar vor uns sahen und durch die dem Halse der Schlinge 
entsprechende Einaattelang za demselben emporstiegen. 



18. Bo-el-AwIn. 

Wir sind wahrscheinlich die ersten Europäer gewesen, die diesen 
wichtigen Pankt erreieht haben. Die Eingeborenen, die sofort xahl- 
reich aus dem kleinen hinter der Burg gelegenen Daar herbeikamen, 
versicherten ans auch, dass noch niemals Christen hier gewesen 
seien. Sie kamen ans, wenn auch mit Vorsicht, so doch ganz 
frenndlich entgegen und versprachen alles zu liefern, was wir 
brauchten, allerdings erst nachdem sie sich die ausdrückliche Ver- 
sicherung hatten geben lassen, es werde alles anständig bezahlt 
werden. Wir Sassen ab und drangen durch das halboffene Tlior in das 
Kastell ein, da wir der Sicherheit wegen lieber hinter schützenden 
Mauern lagern wollten. Leider überzeugten wir uns, dass das Innere 



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105 



alles derartig ?on Trümmern erfüllt war, dass kein freier Platz vor- 
handen war, um auch nnr ein Zelt aufschlagen zu könneii Wir 
nuästen daher das Lager auf einem leidlich ebenen Platze unmittelbar 
vor dem Thore aufschlagen, an der 8iid front des Kastells, deren 
hohe Mauern sehr erwünschten Windschutz boten. 

Der einzige Europäer der Bu-el-Aw^n (Bulauan) gesehen und 
kurze Mittheilungen über dasselbe gemacht hat, ist der englische 
Ar/J W. Lempriere ^'^^^ von Gibraltar zu dem Lieblingssohne 
des Sultans, Mnlay Absulem. der damals als Statthalter des Sus in 
Tarudant wohnte, berufen wurde. Derselbe bereiste damals ♦) Monate 
laug die Kttstenlandschafteu von Marokko, iaudeiuwiirts bis 
Uamkesdi und kam auf der Heimreifle auf dem kfinesten 
Wege Yon Mairakesch nach Bal>at-Sla anch an Bn d-Awftn 
Tarbei, indem er dort im Febmar 1790 den Strom, den anch 
er Morbeya nennt, abembritt Er hat ganz angenscheinlieb 
das Kastell nicht selbst betreten, sondern nnr von unten beim üeber- 
setzen über den Strom gesehen. Es war auf dem 3-tägigen Ifarscbe 
von Marrakesch her, das erste feste Bauwerk, das er sah. Von dort 
bis Sla hatte er nofli 4 Tao^em forsche 110 Miles. Er beschreibt es 
als auf einem. Tianiputlii li an dfri Nordseite steil aufsteigenden Hügel 
gelegen, an deren Jb'us.se der tiele und reissende Strom fliegst. Er 
hebt nur die Stärke der Mauern hervor. Es war von einigen Negern 
bewohnt, die inerher verbannt worden waren, zur Zeit, als Sidi 
Mohammed es für nöthig eiachtete, einen grossen Theil dieser 
scbwanen Tmppe (gemeint sind die Baaker) anfrtilösen. Die Wild- 
heit nnd Grossarfcigkeit der Scenerie erfüllte ihn mit Bewandemng 
und Sehreeken. Er beschreibt anoh eines der (Sfdilanch-) Flösse, 
auf dem er hier den Strom flberschritt. 

Etwas anders, aber angenscheinlich nieht auf Gnmd Ton Selbst- 
sehen, beschreibt Graberg de HemsO*) Bn-el-AwAn, „Vater der 
bequemen üebe]^nge*^ Es sei eine kleine Stadt mit altem Kastell 
in einer Schlinge des Flnsses, den man hier auf dem Wege von 

Marrakesch nach Rabat auf Flössen Überschreite. Am andern Ufer 
liege ein Tabulauant d. h. Land von Bulauan genanntes Dorf 
(gemeint ist das Troglodyteudorf), wo die Fahrleute, meist Jaden, 
wohnen. 

') A tour thnNigh die dominioiu of Uie «mpow of Maioeco. Newpott iSiJi 

3. Aufl. S. 351. 

*) Speccbio gtogmfieo e sutiitioo deU' Ihiikio di Mmoooo. Genora 18341 SS* 



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Ich habe den Tag, den wir in Bu el-Äwan iMgerlen, möglichst aas- 
gentttzt, nm das Kastell selbst, (s. Bild 10) seine Lagenrerhältnisse und 
Umgebung zu erforschen und auf der Karte festzulegen. T^ir^c l^ernlit 
hier ausser auf <\pt Wegaufuahme auf 50 Winkelmessunir* ii mit der 
Schmalkalderscheii Bussole von 6 ^ « i schiedenen Standpunkten in dem 
wild zerschnittenen GelÄnde^ sowie Skizzen des Flusslaufs. Das 
Kastell wurde zum Theil mit dem Bandmaass ausgemesseu. Seine 
Lage erinnerte mich sofort an die Marienburg an der Mosel 
oberliftlb Eocbein. Bin beigegebener Amnebnitt aas der Beicbskarte 
iu 1:100000, also dem gleichen ICaassstabe meiDer Nebenkarte, 
läset die tJebereinsUmmiiDg erkenneD. Die Morbeya bildet von 
Mesohia esch Schaar an, wtm iro sie ihr Tbal doieh das Deck- 
gebirge bis tief in das Grundgebirge eingeschnitten hat, bis fast an 
ihre Mündung auf 65 km (Luftlinie) ein ausserordentlich windnagS' 
reiches Thal, ähnlich dem der Mosel zwischen Trier und Koblenz, nur 
alles grösser Sie durchbricht auf dieser Strecke einen breiten Gürtel, 
in welchem das (inind^ebirge. dieselben Gesteine wie im Moselthnle, 
vielleicht dieseU)e Formation, eine Aufragnng bildet, die von dem 
Deckgebirge in ganz geringer Mächtigkeit veihüllt, ja im Flussthale 
und in den Seitenthälern blosgelegt ist. Es ist ein reines Erosions- 
thal. Das Gefälle des Stromes auf dieser Strecke ist ein sehr 
bedeaiendes, tfotxdem eich der Lanf in Folge der Windangen anf 
88 km TerUingem durfte. Wie ich nnterfaalb Mesdira esch Schaar 
beim Eintritt in dies gewundene Engtbal die ersten Stromsdinellen 
sab, so traten auch Mer dicht bei Bn-el-Awftn nnd nnteihalb, dann 
weiter stromab bei Meschra Mgem, Ja noch oberhalb Mheula, 30 km 
von der Mündung, Stromschnellen auf Die Morbeya bildet daher 
auf dieser Strecke ein bedeutendes Verkehrshindernis, da man nur an 
wenigen Punkten durch Seitenthäler von der fieien Hoclifläche an 
de?i Strom hinab gelangen und «!) noch weniger Punkten denselben 
uberschreiten kann. Jeder dieser leUtereu hat daher besondere Wichtig- 
keit. Da Bu-el-AwAn auf der geraden Tjinie von Marrakesci» nach 
CasablaiiLH und Rabat liegt, so musste es ein besonders wichtiger 
Uebergangsort sein. Dazu kam, dass sich hier ein Punkt von ausser- 
ordentlicher natfiriieber Festigkeit fand, von dem aus man den 
IJebergang beherrschen konnte. Das hat wol die Erbannng des 
Kastells Teranlasst Aber noch mehr, eine Ar Marokko der 
neueren Zeit stannenswerthe Thatsache,» es war sogar der Bau einer 
Brücke über den Strom unmittelbar unter dem Kastell an der Ost- 
seite nicht nur geplant, sondern sogar in Angriff genommen. Es 
fahrt dort ein verfallener gedeckter Gang zum Strome hinab, der 



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augenscheinlich und in erster Linie der Besntzang die Verbindung 
mit dem Wasser sichern sollte. Man kann aber Mauerwerk, welches 
sich dort am Strome findet, recht gut als den Anfang einer Brücke 
deuten. Ich erfuhr leider erst in Uled Said in Schauia, 5 Reitstunden 
von Bu-el-AwÄn, von den Resten einer Brücke, sonst hiltte ich wol 
nähere Untersuchungen angestellt. Wie die Brücke nicht fertig 
geworden ist, so ist möglicherweise auch das Kastell selbst im Innern 
nicht ganz ausgebaut worden. 




10. Kastell Bu-el-Awan an der Morbeya. 

Bu-el-Awän liegt also im Niveau der Ebene auf dem engen 
Halse einer Flussschlinge. Von zwei Seiten bespült der Strom 
einen bereits bis auf 200 m an der Basis, 112 m oben ver- 
schmälerten steilen Felsrücken, dessen Höhe über dem Flussspiegel am 
Thore des Kastells 67 m, auf dem höchsten Punkte innerhalb 
des Kastells wol nahe an 75 m beträgt. Unmittelbar vor dem 
Thore ist der Hals bis auf etwa 50 m eingekerbt, so dass man 
auch an dieser einzigen Stelle, an der man sich überhaupt dem Kastell 
nähern kann, erat hinab, dann wieder steil zum Thore empor steigen 
muss. Auch das erhöhte die Festigkeit. Das Kastell nimmt 



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die ganze. Breite des Halses ein, nur an der Westseite bietet 
eine schmale, durch hohe Stützmauern geschaffene Terrasse einen 
Zugang zu dem hinter dem Kastell gelegenen kleinen Duar 
und der Halbinsel in der Schlinge des Flusses, dem einzigen, 
da das Kastell nur ein Eingangsthor, kein zweites auf der Rück- 
seite besitzt. Zu beiden Seiten stürzen die Felsen steil zum 
Strome ab. Das Kastell ist ein Mauerviereck, das die eine schmale 
Seite von 112 m Länge mit dem Thore in der Mitte und mächtigen Eck- 
thürmen dem Süden, der Landseite, die andere der Halbinsel zukehrt, 
die langen Seiten, die 150 m messen, dem Flusse. Die Mauern haben eine 
Höhe von 10 m und sind aus Steinen, nicht aus Pis6 erbaut. Es sind 
vorwiegend die weichen, aber an der Luft erhärtenden pliocänen oder 




11. Aus den Ruinen von Hu-el-Awan. 



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qnartaren Kalkgandateine Tenroadet, Borgsam bebanen, nauMlIicli an 

Tbüi*en and Fensteröffnungen. Dieser Stein muss also nnd soll in 
der Nähe vorkommen. Daneben ist aber auch die in der nächsten 
Nähe anstehende Nagelfluh des Deckgebirges, ja selbst die Thonschiefer 
des Grundgebirges und Backsteine zar Verwendung c^ekommen. Der 
Banmeister und die Arbeiter dürften wol europäische Renegaten 
bezw. Sklaven gewesen sein, da der ganze Bau nicht den Eindruck 
macht, als sei er rein marrokkanischen Ursprungs. Im Innern liegt 
rechts vom Eingange ein ehemaliger Prachtbau, links eine Moschee 
und eine Kubba Sidi Mansur, das einzige noch erhaltene und unter- 
haltene Baawerk. Bocli ist noch vieUkch das Holzwerk der Decken 
erhalten. Eine mächtige Bebe umrankt die Trümmer der Moschee. Aii<^ 
in der Nordwestecke des Maaervierecks finden sich nodi Beste eines 
ansehnlichen Baawerks. An der Ostseite waren cistemenflknlieh gross- 
artige Matamoren errichtet, Jn die man das Qetreide aus den Taschen 
der Kamele direkt schütten konnte. Ihre Decken sind jetzt zum Theil 
eingestürzt. Dr. Weisgerber gelang es, wenn auch nicht ohne Lebens- 
gefahr, einen weithin sichtbaren holien Warttburm, der sich dicht am 
Tbf-re prbe})t 7.u ersteigen und von dort einige Punkte der Umgebung 
anzupeilen. Augenblicklich war im luuern alles von üppigem Unkraut 
überwuchert. Geschütze, die man sonst in Marokko, wenigstens in 
den Kttstenstftdten häufig umherliegen siebt, sind nicht mehr vorhanden. 
Eines ist in der Nähe liegen geblieben, als die anderen nach Dar Msaddek 
geschleppt wurden. Aach eine schöne Msrmorsftnle lag doi t, Ähnlich 
den in Saffi yerwendeten. Sie war offenbar für den Bau bestimmt 
nnd Ton der Etlste herbeigeseileppt worden. Die Eingeborenen 
erzlhlten, die (Prohn-) Arbiter hAtten sie liegen lassen, als die 
Nachricht Yom Tode des Sultans gekommen sei Nach gewissen 
Spuren hatte ich den Eindruck, als würde die Ruine zeitweilig als 
Tiehstall bentttzt. In der That erfuhr ich von den Eingeborenen, 
dass gestoblPTies Vieh dort häufig verborgen gehalten werde. Das 
Tiior kann zur Noth auch noch geschlosspTi werden. Störche, denen 
der Strom reiciilich Nabrung bietet, Falken, Raben und T-uiben 
hausen in den Trümmern in Menge. Letztere lieferten uns gute 
Suppen und Braten. Auch der Fluss trug das Seine dazu bei, uns 
noch andere lukullische Genüsse zu verschaffen. Er wimmelt im 
FrOhling von einem anisteigeuden vortrefflichen Fische, dem Schebbel, 
Olnpea alosa. Ein Eingeborener kam bald mit 3 frisch gefangenen 
Fraehtezempkren an, die ich fdr wenig Geld erstand. 

Ueber die Erbannng des Kastells giebt eine Inschrift (Iber dem 
Thore Ansknnft, deren Bntaifferang ich Herrn Dr. Eampffhieyer and 



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Herrn Dr. Weisgerber verdanke. Sie lautet: „Sieg und Macht und 
herrliche Erobernng ist imserm Herrn Isniael, welcher auf dem Wege 
des Herrn der Welt ihaUg ist. der Gottes Sache führt. Und Gott 
hat ihm den Sieg gegeben durch den siegreichen Pascha Abu Osman 
Said Ben el Chabat, den Glücklichen, dem von Gott geholfen ist, 
dem Rechtschaffenen. Möge Gott ihm helfen. Tni Jalire 1122.'' 
Das Kastell ist also im Jahre 1710 oder 1711 unter Mulay Ismael, 
wol dem thatkrftfUgsten Herrscher der jetzigen Dynastie, erbaut 
worden. Ob es gewaltsam zerstört worden ist oder wegen mangelhafter 
Unteilialtang allmflhlicli in Trttmmer gesanken ist, wobei natürlidi 
die Umwohner weg schleppten^ was ihnen sosagte, wage ich nidit 
tu entscheiden. Nach marokkanischen YerhUtoisBen ist gewaltsame 
Zerstörung durcliaus das Wahrscheinlichere, das Normale. Doch kommt 
dabei in Betracht, dass der fianptsweck der Erbauung, Sicherung 
dieses Uebergangspunktes, später wegfiel. Der Verkehr hat sich 
nämlich andere Linien und üebergangspunkte, viel weiter stromauf 
gesucht, in der Meschra Ben Challü, wo man bequem an und über 
den Fluss gelangen kann, jetzt Fährboote aiitgestelit sind und auch 
ich 1899 mit meiner Karawane tibersetzte. Der Strom ist bei 
Bu-fcl-Awän so reissend, dass man das Brausen der Stromschnellen 
oben am Kastell hört und der Uebergang sehr beschwerlich und 
gefUirlich ist Nicht einmal SchlanchflOsse sind hier mehr vorhanden. 
Die Eingeborenen ttbexaehraiten den Flass einieln mit Hilfe von 
Schlimchen schwimmend, wobei sie aber von der Strömung weit abwirts 
gerissen werden. Es mag sich wol das Strombett geändert haben. 
Jeden&lls sind jetzt hier besonders gefährliche Stromschnellen vor- 
handen, zum Theil mit im Flussbett aufrsgenden Felsen. So oberhalb 
des Troglodytendorfs selbst bei dem augenblicklich hohen Wasser- 
stande. Auch Ansätze zu Inselbildung sind vor den den Strom 
durchsetzenden FelsriftVn vnrliHnden. Die Aehiiliclikeit des Stroni- 
thales mit den ThfiUm des rlieiuischen Schiefeigebirges ist^ soweit 
es in das Grundgel ii <(e eingeschnitten ist, auffallend. Am Ktistell 
stehen bröcklige Thun.^üiiiefer an, die im Winkel von 10* nach 
Norden einfalleu. Doch wechselt Streichen und Fallen häufig, und 
Streckenweise sind die Ufer von 10- 15 m hohen Felswftnden gebildet. 
So ist Bn-el-AwAn hente bedentangslos, es liegt abseits der Verkehrs- 
wege, und da es anch schwer m erreichen ist, so erkUrt es sich, 
dass es bisher nnbekannt geblieben ist 

Das Landschaftsbild von Bu-el-Awän ist ein grossartiges. Es 
liegt das Kastell auf dem Deckgebirge und ganz in gleichem Kivean 
mit der Ebene von Dokkala, die man daher Uber das tief eingeschnittene 



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III 

Flassthal hinweg weithin in südlicher und südwestlicher Richtung 
fiberblickt. Der obere Rand des Thalgehänges ist voti einer vrillig 
wagrechten Linie begrenzt. Dagegen ist gegen Schauia in nordlicher 
Richtung die Grenzlinie eine wellige und der Blick beschränkt, da 
das Tafelland von Bchauia um 50 -80 ni hoher ist. Fast in allen 
Richtungen eröffnen sich Einblicke in das windungsreiche Flussthal, 
dem man sich in tischgleicher Ebene ohne eine Ahnung von seinem 
Yoriiudaudn Bftheni kanD, bis man unmittelbar ii dasselbd hinab» 
Hchaot Dasselbe entbehrt der Thalsohle durchans. Die Gehftnge des 
Thaies sind entsprechend der steilen Anfrichtnng der Schiebten des 
alten Gebirges ziemlich steil, iinr gegen Norden flacht sich die in 
der FlttSBschlinge gelegene Hallinsel znngenrörniig ab. Dieselbe ist 
in ganz kleinen Flecken mit Saubohnen und Melonen angebailti 
tiberwiegend und überall, wo das Grundgebirge biosgelegt ist, mit 
vereinzelten Büschen, namentlich Aknzien und Thirta bedeckt. Ein 
kleiner halbverfallener Duar liegt unmittelbar hinter dem Kastell, 
weiterhin die Kubba SiUi Amara. Auf dem rechten Ufer, gegen 
Nordwebten, liegt am Thalgehänge ein wahres Troglodytendorf, 
anscheinend hucIi in Verfall. Dort wohnten früher die Fährleute. 
Mit der Verlegung des Flussübergaugs und dem Verfall des Kastells, 
dessen Besatzung natnrgemAss ancb den Umwohnern gttnstigere 
Erwerbsgelegenheit bot, mögen sich auch diese Dnar entyOlkert haben. 
Grosse Opnntienpflanznngen umgeben dieselben. Keben den grossen 
Ziegen- nnd Schaf heerden tragen sie offenbar wesentlich zur Eroäbntng 
der armen Bevölkerung bä. Auch Gruppen von Dattelpalmen, 
freundliche Zflge in dem ernsten Laodscbaftsbilde, sieht man der 
Halbinaelznnge gegenQber. 

Die Sinkstoifßlhruug des Stromes ist, wie schon seine gelbrothe 
Farbe zeigt, sehr gross. Die Gewinnung von reinem Wasser zom 
Trinken, zum Tbee, zum Waschen war daher recht mflhsam und 
zeitranbend, denn der Gylinder meines kleinen Asbest-Filters, der 
sieh auf diesen Beisen ausgezeichnet bewährt hat, war wenn einige 
Liter illtrirt waren, mit einer Schmutzkruste überzogen und musste 
gereinic^t werden. Aber das Wasser kommt krystallklar ans dem 
Filter und ist sehr wolschmeckend. Die Ri!ij>:eborenpn versi . Ii ei l en 
auch, dass es sehr gesund sei, so dass wir es gelegentlich in geringen 
Mengen ungekocht getrunken haben. 

War der Aufenthalt in Bu el-Awän auch für mich nichts weniger 
als ein Rasttag, da von Höhe zu Höhe zu klettern mir sehr schwer 
wurde, so war er es umsomehr fUr unsere Leute und unsere 



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118 



Thiere, die, allerdings stets unter den Aagen eines der Leute, mitten 

unter den Ziegen- und Scimflieerden der Umwoliner sich den ganzen 
Tag dem Qenuss der frisclien Frflhlingsweide hingaben. 

Neben den topographisclif^Ti Arbeiten gingen immer erneute Be- 
sprechungen mit Gruppen der Eingeborenen einher, die die Neugier 
in unser Lager trieb. Es galt die Mrtgliclikeiten der Fortsetzung 
unsers Wegs zu erkunden. Meine Absiclit war, noch weiter strom- 
auf zu gehen bis Meschra-esch-Schaer, dort iiber den Fln?s zu setzen 
und suuiit au meinen Weg von 1899 anzuknüpfen, um dann dem 
Strome anf dem rechten Ufer bia zur Mündung zu folgen. Die Ein- 
geborenen rieihen davon dnrehans ab. Bei dem jetzigen hohen 
Wasserstande — man sah, dass der Strom vor Enrzem einen noch 
höheren Stand gehabt hatte — sei es sehr gefthrlichf wenn nicht 
nnmdglich, bei Meschra-esch-Schaör ttberznsetsen. So gat wie dort 
sei es auch hier möglich. Aach bei Meschra-esch-Schaßr stehen, wie 
ich 1899 selbst gesehen hatte, nur die gebrechlichen Schlanchflösse 
zur Verftignng: aufgeblasene Ziegenfelle, die nothdürftig mit einigen 
dünnen Aesten zu einem Flosse verrinigt sind ]Vfan benutzt den 
Uebergang von Meschra-pseh-Scha^r liiath^iH liÜ! Ii ;ui( h mir im Sommer 
bei niedrigem Wasüerstanile. Im Winter zielien es die Handels- 
karawanen vor, grosse Umwege zu machen und sei es weiter oberhalb 
die Fabrboote von Bu Chaliü oder die bei Azemur an der Mündung 
des Stromes zu benutzen, sodass die Morbeya thatsächlich anf mehr 
als 150 km ein unfibersteiglichea Verkehmhindemis ist. Schon in 
Dar Msaddek hatte man uns dringend abgerathen, den üebei^ng 
bei Meschra-esch-Scba^r zn versuchen. Ich trug namentlich Bedenken 
einige schwere Gepäckstflcke den gebrechlichen SchlauchflOesen anzu« 
vertrauen. 

Ich musste also nothgedrungen auf dem linken Stromufer bleiben. 
Auch ein zweiter Plan erwies- sich als schwer durchführbar, nämlich 
das Lager hier zu lassen, in einem Gewaltmarsche bis Mesehra esch- 
Schaer vorzudringen und wieder zurück zu kommen. Der Strom 
beschreibt auch zwischen Bu el-AwAn und Meschr;i esch-Schaer grosse 
Schlingen und durclifliesst, da dns Deckgebirge auf eine lange Strecke 
abgetragen ist, eine felsige, unwegsame Wildnis. Diese hatte ieli schon 
1899 hinreichend kennen gelernt. Es war unmöglich gewesen, den Strom 
anch nur in Sicht zu behalten und der jämmerliche Zustand, in welchen 
in kürzester Zeit die Beit- und Lastthiere geriethen, zwang sehr bald 
nach Norden abzubiegen. Auf dem linken Ufer ist das, wie die 
Eingeborenen versicherten und mir auch von vornherein wahrscheinlich 
schien, noch schlimmer, weil dort die höhere Landstofe von Rehainna 



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m 



mehrere Wadi herabsendet, deren Thfiler man ttbei'schreiten raass. 
Und kleine Seitenth&ler, wie wir solche eben selbst bei Bu el-Awän 
beobachtet hatten, sollten in grosser Zahl vorhanden sein und unablässig 
zu weiten Ausbiegungen nach Süden zwingen. Der Weg verläno:ere 
sich daher ausserordentlid! und sei namentlich fiir Kamele kaum 
gangbar. Meine KaiiK lti eiber waren schon über das felsige Gelände 
bei Bn-el-Awän uiiglücklich. Wie weit es thatsächlich bis Meschra- 
esch-Schaer sei, konnte ich nicht erfahren, die Eingeborenen liaben 
von Zeit und Entfernung nur sehr unklare Vorstellungen. Dass es 
in Laftlfaiie nur etwa 30 km ist, darftber war ieh mir klar. Aber 
das nutzte wenig. leb batte sieber darauf recbnen mflüsen, 8 Tage 
an brancben. Die awei Nftcbte aber ebne die Zelte an yerbringen, 
war bei den bftnfigen Begen, der Efilte nnd meinem Ufiglicben Oe- 
anndheitsznatande unmöglich. Ancb anf diesen Plan mnaste ich also 
verzichten. Es blieb somit nicbts flbtig, als dem Strome anf dem 
linken Ufer bis anr Mttndnng zn folgen. 



14. Ungt der Morbeya von Bu-el-Awäi bis zur Mündung. 

Mheula. 

So traten wir am 8. April den Harscb am linken üfer der 
Morbeya an. Diese Kamensform iknd leb nicht nnr in Ba-el-AwAo, 
sondern bis aar Mandnng nnd allentbalben in Dnkkala im Gebrancb. 
Anch L^prtöre bedient «leb ibrer. Der Gedanke liegt nabe, dssa 

die Araber diese berberische Namensform, die ibnen unverstandlich 
war, in üm-er Rbia, was Mutter der Frühlingskränter bedeutet» nm- 
gewandelt, sich mundgerecht und verständlich gemaclit haben. 

Zunächst legten wir nahezu den gleichen Weg zurück wie am 
1. A])ri!, nur qnerten wir das kleine Quellthal etwas weiter südlich 
und erreichten die Hochebene etwas weitei- südlich von dem Mittags- 
rastplatze. Von da schlugen wir im Allgemeinen nordwestliehe 
Richtung ein. Es zeigte sicli sofort die Unmöglichkeit, immer dicht 
am Flusse zu bleiben. Das Gelände wäre zu schwierig, die Umwege 
zn zablreicb nnd lang gewesen. Dagegen ging der "Weg, den wir 
wirklich einschlugen, dnreb tisdigleiebe Ebene, bald Blnmensteppe, 
bald mit wilden Artiscboken, Aspbodelns nnd Zwergpalmen bedeckt 
Weiterbin aber bensdite Botherde Tor nnd begann sich wieder 
Anbau zu zeigen. Namentlich Feigen* nnd Opuntiengtrten, 
gelegentlich auch kleine Bebenpilanznngen, wsren bänfig, aneh 
eine von flachem Walle aroschlossene Daja, in wdcher eine 

HtttlieMwg«! XVIll, TbroUld ritebw. » 



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114 



Kuhheerde ein Fussbad nalim. zeigte sich, ein Schauspiel, das 
sich noch niehrfacli wiedeiiioite. Der Strom lag in geringer 
Entfernung zur reclileu, wie au dem überragenden rechten Ufer 
zu erkennen war. Gegen Süden beherrscht der Dj. Achdär das 
Gesichtsfeld. Wir befanden uns im Gebiet der Kabyle der Uled 
Fer^j. Bald kamen wir durch, in ihrer ganzen Ausdehnung in Anbau 
genommene Flfichen mit zablreicben Daar und Enblm. Ziebbninneu 
und Ciateroen finden sieh aneh bänfig am Wege, erstere meist neben 
einer Daya. Streckenweise bedingt aneh sandiger Boden Grassteppe. 
ESrst am Mittag sdgt sich das erste und einngeHoIsgewAchs, Zisyphns. 
Die Mittagsrast halten wir unter dem einzigen Banme weit und breit, 
einem Johannisbrotbanme, der, selbstversUndlich angepflanzt, 7 m 
hoch, nach Süden umgebogen ist und die Gewalt und Richtung an- 
zeigt, in welcher hier die Winde über die freie Ebene zu fegen 
pflegen. Die Bewohner des kleinen Duar bringen uns willig, was 
sie an Milch haben, ft-eilich iu rt,cli( imsaubeien Hülzgef^sspn. 

Der Nachmittagsmarsch ging in auiiahernd nördlicher iiiclitung, 
stets iu eineui Abstände vun '6 — 4 km vom Flusse. Zunächst kamen 
wir noch durch gut, etwa zur Hälfte der Fläche, angebautes Land 
und an mehreren Dnar, aach einem Sak el Bad nnd den 3 Eubba 
Ton Sidi Msaod voitlber. Der Boden war allerdings meist etwas 
sandig. Nahe bei Sidi Msand hatte ein Ziehbrannen 60 m Tiefe, 
wol die MAchtigkeit des Beckgelnrgefl an dieser Stelle. Um dem 
Flosse nahe za bleiben, ritten wir schliesslich ganz ohne Weg nach 
dem Eompass in nördlicher Richtung durch die unabsehbar vor uns 
liegende Steppe, bis nach etwa 0 km das Gelände flach wellig, der 
Boden besser zu werden beo^iinit \uv\ nc^ri ^vip(1er Spuren von nienscli- 
licher Kulturarbeit im Aufsammeln <U i Steine zu Haufen und Wällen 
sieht. Kameutlic'h war Mais und Foenum graecum angebaut. Al)er 
weit und breit ist kein Duar zu sehen. Einzelne Dattelpalmen sind 
in dieser menschenleeren Gegend auftallende Erscheinungen. Zu 
Zizyphus kommt Calycoiome spiuosa hinzu, bald sogar in zahlreichen 
Exemphuren. Unser Sachen nacb einem Duar der Uled Fer^, der 
nach Erkundigungen, die wir bei einigen uns begegnenden Eingeborenen 
eingesogen hatten, vor uns liegen sollte, war scbliesslicb mit Erfolg 
gekrönt, denn ohne solchen Schatz and ohne Wftchter, ohne Wasser 
in der öden Steppe za lagern, wftre doch nicht angenehm gewesen. 
Ein kleiner Duar, vorwiegend aus Zelten bestehend, aber von einer 
etwa IVn m hohen Mauer aus Feldsteinen umschlossen, liegt mitten 
in der freien Steppe. Die Bewohner sind Halbnomaden, Yieljzüchter, 
die etwas Ackerbau treiben. So erätauut dieselben über unser 



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115 



Erscheinen waren, so bereitwillig gestatteten sie neben ihrem Duar das 
Lager aufzuschlagen. Sie lieferten auch bereitwillig Knskussn, das 
Nationalgericht der Kordafrikauer, für unsere Leute, Futter iui die 
Thiere, ja, ein Hann stellte nns aeinen gansen kostbaren Wasser- 
Torrath zur Yerfllgang, der weither ans der Morbeya geholt werden 
niuss. Alles natflrlich gegen anstandige Bezahlung von nnserer Seite. 

Am Morgen war gegen Sflden nicht nur der DJ. Aehdär, sondern 
auch der Djebilet und der Atlas, wenn aucli undeutlich, bei ziemlich 
dunstiger Luft zu erkennen. Ueber das Ziel nud den Verlauf des 
heutigen Tagemarsches (4. April) hatten wir in eifrigem Hinundher- 
reden mit den Männern des Duar volle Klarheit erlangt. Wir 
wollten den Apfelsinenhain von Mhpiila an d^r Morbeya erreichen, 
aber nicht nur dem Strome nahe bleiben, isoiidern ihn ronnl* stens an 
einer Stelle berühren. Um das möglich zu macheii, blieb nichts übrig 
als die Karawane zu theilen und die Kamele auf geradem, ebenem 
Wege nach Mheula vorauszuschicken. Wir waren von der Sicherheit 
der Gegend and der Znverlftasigkeit meiner Kameltrdber so über- 
zeugt, dass ich keinen Angenbliek bedenken trug, mich yon meiner 
Habe zn trennen. So schlngen wir, nntei* Ffthnmg einer der Duar* 
roOnner, eine nordöstliche lUchtong ein, nm den nächsten Fnnkt za 
erreichen, an welchem die Morbeya zngiinglich nnd flberschreitbar ist, 
Meschra Mgern. 

Der Weg führte zunächst über steinige, von grossen Kalkbrocken 
überstreute, flachwellige Hammada, Steppenland mit hier und da ein- 
gestreuten Feldern und Flächen, von flenen man sah, dass sie fiHher 
angebaut gewesen waren. Dieselben glichen jetzt wundervollen, 
bunten Blumenteppichen, während dicht daneben, wie mit dem Messer 
abgesclmitu-:n, der Boden ziemlich dicht mit niedrigen Büschen von 
Galycütome spinosa bedeckt war. Au andern Stelleu herrschten 
Qrttser vor, wieder an anderen, Zwergpalmen nnd Zizyphns. Aach 
Akazien, Thirta, Asparagus horridns L., Lavendnla dentata L. Icamen 
Tor, nnd Je nflher wur an den Strom herankamen, um so dichter nnd 
höher wnrde diese Bnschregetation. Namentlich war dies der Fall, 
als wir in ein ilachanhebendes, sich aber rasch vertiefendes Thal 
hinabstiegen, das bald anch einen erkennbaren Wasserriss zeigte, der 
vor Kurzem noch Wasser geführt hatte. Zwei Kubba, Sidi Brahiro 
und Sidi Mussa, gaben auch ihrerseits dem Thale einen gewissen An- 
strich. In einer kesselartigen Ausweitung desselben brach eine starke 
krystallklare Quelle an der Sohle des Deckgebirges aus dem Felsen 
hervor, die das ganze Thal mit der üppigsten Vegetation erfüllte. 
A'in Tellemst ist der echt berberische Isauie dieser (Quelle. Binsen, 



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116 



Rohr, Typha füllten und umstanden die Quelle, aus welcher ein 
starker Bach, noch von einer zweiten Quelle ein wenig oberhalb 
verstärkt, zur Morbeya abfloss. Oleander, Granatbtische, Feigen- 
bäume, vielfach von Geisblatt und Zaunrübe tiberrankt und von 
einzelnen hohen Dattelpalmen übenagt, bilden ein fast undurchdring- 
liches Dickicht, in welchem zahlreiche Vögel Schutz gefunden haben. 
Aber das Wasser der Quelle wird von einem Eingeborenen und dem 
Führer als ungesund bezeichnet. Das erklärt, das dies kleine Paradies 
in der Steppe menschenleer und kein Versuch gemacht ist, das Wasser 
zur Berieselung von Gärten zu verwerthen. A\n Teilemst ist wieder 
eine der zahlreichen Quellen, welche durch das tiefe Einschneiden 
des Thaies der Morbeya erschlossen worden sind. Nach IV« km er- 
reichen wir, dem Bache folgend, den Strom. 

Durch dieses Thal ist also der Zugang zum Flusse ein sehr 
bequemer. Dieser selbst bildet hier eine Schlinge. Meschra Mgern, 
die üebergaugsstelle, liegt ein wenig von der Bachmündung abwärts 
und hatten wir Gelegenheit zu sehen, wie die Eingeborenen hier 
auf einer sog. Madia, einem gebrechlichen Schlauchflosse, das 
ihre Habe, unter Umständen auch Menschen trägt und von den 
Fährleuten gestossen wird, den Strom überschritten (s. Bild 12). Ein 




12. Meschra Mgern der Morbeya. Schlauchflos.s (Madia). 



117 



kleiner JBsel mosste, an das Floss angebunden, nachschwimmen. Die 
Strömung war eine reissende, ja, wenig unterhalb bildete der Strom 
eine Schnelle. Man sah, dass er vor Kurzem einen weit höheren 
Stand g'ehabt hatte. Die Einjreborenen hatten sofort auf dem so 
durchfeuchteten Boden eines kleinen Vorlands an der Mündung des 
Baches, Mais gesftet. Die Breite des Stromes betrug gegenwärtig GO ni. 
l^marisken und Vitexbüsche rahmten die Ufer ein. Auch hier über- 
ragte das rechte Ufer das linke um etwa 50 m. Das Flussthal war 
80 eng, die Hinge so steil, da» es aneli hier Dnmdglich war, dem 
Finsae zn folgen. Es blieb nichts flbrig als in dem Bachthale bis 
IDT Qoelle von Am Tellemst snrflck sn reiten oud von dort dorch 
ein S^tenthftleben in westliehi»r Biditong wieder anf die wellige 
HochflSehe emporzusteigen. Aach hier trug dieselbe bei sehr 
steinigem, von faust- bis kopfgrossen Kalkbrockeo ttbersäeten Boden, 
nahe dem Strome, den Charakter der Strauchsteppe. Mit der Ent- 
fernung vom Strome wurde aber die YegetatioTi raseh dürftiger. Die 
Mittagsrast hielten wir in einem von einer Trockenmauer um- 
schlossenen Feigengarten mit üppigem Frühlingsgrön. 

Am Nachmittag war unsere Richtung zunächst eine nordnord- 
östliche. Das TiTuid wurde grosswelliger, aber ohne eine Spur wirk- 
licher Thalbilduug, und trug ausgeprägten Steppencharakter mit hier 
und da eingestreuten Feldern and Feigengärten, fllr die man aber 
aneh den Boden dnroh Anframmeln der Steine erst künstlieb Yor- 
bereitet hatte. Bald herrscht mit Kalkbrocken flbersftete Hammada, 
bald leichter rother Sandboden. Wasser liefbm Ziehbrunnen in 
ilaeben Mulden, bald mit, bald ohne Daya. Gelegentlich wurde auch 
das am felsigen Hange fallende Regenwasser in CSsternen gesammelt 
Den Strom hatten wir in geringer Entfernung zur Rechten. Eine 
Kubba, Abd en Nbi, die ich anpeilte, lag deutlich erkennbar auf 
dem höheren rechten Ufer. Auf einer Bodenschwelle konnten wir 
in grosser Ferne Azeraur, nahe der Mündung des Stromes, erkennen. 
Von da an herr&clite sehr fruchtbare, feinerdige, wenn aucli mit Kalk- 
brocken untermischte Rotherde vor, und sahen wir wieder üppige 
Weizenfelder. Aus einem derselben entnahm ich eine Probe dieser 
Botberde. Wir waren nonmehr dem Strome wieder so nahegekommen, 
dass das Gelttnde durch Bildung kurzer, meist steiler Seitenthittdien 
bewegter wurde. In eines derselben stiegen wir hinab und folgten 
ihm in der Erwartung, dass es uns in den Apfelsinenhain von Mbeula 
Ihhren weide. Dasselbe ähnelte dem noch weiter stromab gelegenen 
richtif]:en derartig, dass der Intlmm unsere Führers begreiflich war. 
In der Tbat entwickelte sich das Tb&lchen, das ein kleiner Bach aus 



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IIS 



einer Quell? weiiipr o1>erliHlh bewässerte, bald zu einem üppigen Fruclit- 
haine, wo holie Kicimisinische mit Feigen-, Limonen- and Apfelsineu- 
bäiimen dichtgedrängt den Hoden bedeckten, soweit er bewässert werden 
konnte, die Apfelsinen in betäubender Blulheupracht, aber es endigte 
zwischen hohen FelswAnden am Stix)ine. Bs blieb nichts übrig als 
wieder amsokehren, an der stattlichen Enbba 8idi Abdallah, gegen- 
über der Stelle, wo wir in das enge Thal hinabgestiegen waren, wieder 
auf die Hochfläche hinanftnsteigen, om mehr als 2 km weiter nan- 
mehr in das richtige Thal hinabzosteigen, das uns in die Thalweitang 
yon Mheula und zu dem vorgesehenen Lagerplatze führte. Die Kamele 
waren bereits angekommen nnd wir konnten so sofort die Zelte mitten 
in dem Haine nnter den hohen BAamen ao&chlagen. 

ICheula. 

Das Thal der Morbeya, das unmittelbar oberhalb und in tiuiger 
Entfernung auch unterhalb ein ungangbares, enges Felsenthal ist, 
hat hier eine Erweiterung erfahren, allei^ings nur von geringem 
Betrage. Dieselbe ist das Werk einer starken Quelle, Ain-el-Kebir, 
die grosse Quelle genannt, zur Unterscheidung Ton einer benaehbarten 
kleineren. Diese Wasserader liegt eben&Us auf dem andnrchlflssigen 
Grundgebirge nnd ist dadurch erschlossen worden, dass der Strom sein 
Bett immer tiefer, erst durch das Deckgebirge, dann nodi etwa 25 m 
tief in das Grundgebirge eingeschnitten hat. Der der Quelle 
entspiingende Bach liat dann, das Seitenthftlchen immer weiter rück- 
wärts einschneidend, die Thalweitung geschaffen. Doch hat der 
Strom selbst bei Ausbildung der heutigen Thalform mitgewirkt, 
denn man kann ganz dent]ir!i. sowol hier, wie etwas weiter stromab, 
Teir;i>>eiibilduTig erkennen. Diese ist darauf zurückzuführen, dass 
der Slroni durch die Engen unterhalb zurückgestant, hier seine Sink- 
stoffe, einen überaus feineu fruchtbaren SchlHiinii bildend, fallen Hess, 
dann die.selben bei tiefeiem Einschneiden seines Bettes znm Theil 
wieder abtrug, sodass die oberste Terrasse entstand. Bei weiterer 
Austiefung der Thalenge nnterhalb senkte sich der Flnssspiegel 
wiederum, es bildete sich so eine zweite nnd schliesslich eine dritte 
Terrasse. Diese überflothet der Strom noch gelegentlich bei hohem 
Wasserstande, wie soldier noch vor Kurzem geherrscht hatte. Auf 
dem rechten Üfer waren nur Ansätze zu solchen Terrassen erkennbar, 
aber an einer derselben, die der Einmündung des Seitenthäkhens 
p:ep:enüber zu einem Maisfelde verwerthet war, konnte man die 
haarscharfe Linie erkennen, bis zu welrber dasselbe vor Kurzem 
überschwemmt und mit Sand bedeckt worden war. Die oberste 



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119 



Terrasse ist 88 m breit Vod hier steigt nan steil 5 m sor zweiten 
hinsb. Diese hat dDe Breite von 3& ni and geht in 2 m hohem 

Abstieg in die dritte über, die 30 m breit ist und an dem attgen* 
blicklir]i 3 m tiefer liegenden Flnssspiegel endigt. Der FInss ist 
geschwollen und führt wie bei Bu-el-Awän and Meschra Mgern gelb- 
rothpjj Wasser, hat aber noch vor Kiir^eni und offenbar geschieht 
das häutig, die unterste Terrasse iiherfluthet, gründlich durchgetränkt, 
und mit seinem Schlamme gedüngt. Die ganze Breite dieser so 
terrassirten Thalsohle beträgt somit wenig über 100 ni. Ihre Lftnge 
etwa 1'.4 km. Die anbaufähige Fläche ist also auch hier klein. 
Aber sie ist nicht einmal voll ausgenützt^ der Apfelsiueuhaiu^ der in 
allen seinen Verhältnissen dnrchaos dem von Schella am Bn Eegreg 
oberhalb Rabat tthnelt, bedeckt nur einen Tbeil der Flache, nnd 
swar, weil nicht hinreichend Wasser zur Berieselang aller drei 
Terrassen nnd in ihrer ganzen Liinge vorhanden ist Obwol diese 
herrliche Oase nAmlicli dicht an dem wasserreichen Strome liegt, ist 
docli nicht er es, der sie in*s Leben gerufen hat, sondern, genau wie 
bei Schella, die Quelle des Seitenthälchens. Diese wird am Fusse 
des Thalgehänges hingeleitet und berieselt so yorzngsweise die luw-lmte 
Teirasse, auf der die schönsten Apfelsinen bSunie stehen. Die unterste 
Terrasse wird durch die Ueberschwenumingen des Flusses durch- 
feuchtet und trägt neben Apfelsinenbäuiueu üppige Ricinus, wahrend 
die mittelere weder von diesen, noch vom Wasser der Quelle erreicht 
wird und daher nur einzelne kümmerliche Apfelsiiienbäume aufweist. 
Der nntere Band der obersten Terrasse li^ so bei heutigem Stande 
10 m Aber den Wasserspiegel. 

Unser Lager stdit auf der obersten Terrasse unter den dort 
S m hohen Apfelsinenb&nmen, die in dieser Zeit von einer so 
unglaublichen Fülle von Blüthen bedeckt sind, dass beim leisesten 
Winde die abfallenden Blttthenblätter wie Schneeflocken den Boden 
bedecken und der Duft so stark ist, dass er Kopfweh machte und ich 
die erste Nacht fast schlaflos verbrachte: die Schlange in diesem 
Paradiese. GlHicbzeitipf tragen die Bäume aber noch eine Menge 
uüiiilervoU sussei laid .'-aiLiger Fruclile. die fast werthlos sind. Man 
.sah auf dem Roden noch die ringförmigen kleinen Dämme, die man 
um die Zelte, zur Ableitung des Wassers, zu legen ptlegt. Die 
europäischen Kaufleute des etwa 30 km entfernten Mazagau kommen 
öfter hierher, nm einige Tage oder Wochen die Frenden des Land- 
lebens an geniessen. IMe Zudringlichkeit der Ortsbewohner liess 
den sehidliehen Einflnss dieser Besncber erkennen. Das Thal selbst 
ist anoh hier, wol der Fieber wegen, unbewohnt, der Dnar liegt hoch 



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m 



oben auf dem Rande der Hochebene, ein kleinerer etwas tbalaufwärts 
auf einer vom Grundgebirge gebildeten Terrasse des Thalgebänges 
bei der nialeriscli, zwisclifn Palmen nnd hohen Oelbäumen, über der 
Mündung des Badies (^^eh ücnen KnMia Sidi Auier. Hier tritt der 
reissende Strom aus seinem vielgewundenen Engthale in die Thalweitung 
ein. Die alten Schiefer fallen hier in einen Winkel von 50° nach N 
55° W ein und dementsprechend ist das Tahlgehäuge auf die unteren 
etwa 85 m sehr stdl, auf die oberen etwa 30 in, die dem Deek* 
gebirge angehdren, sanfter gebdscht Hier ist der Strom aof 40 m 
eingeengt and bildet bedentende Stnidel and Wirbel. 

Das Quellthal beginnt als Trockenthal. Schaaba ist der 2>^anie für 
diese hier bäuflgeo konen Trockeuthaler. Die obere Udne Quelle 
tritt In dichtem BrombeergebflBch anter wagerecbten Ealkstein- 
binkea auf dem Grundgebirge sa Tage, die Haoptqaelle etwa 10 m 
tiefer unter einer herrlichen Falmengrappe. Ihre Temperatur war 
23,40 0, die des Flusses gleichzeitig 28*'0. Das Wasser der Quelle 
ist wolscbmeckend und gilt als sehr gesund. Wir konnten uns so 
das Filtrieren des Flusswassers sparen. 

Ebbe nnd Fluth machen sich bier^ wie man sieht und wie die 

Ortsbewohner auch bestätigten, nicht mehr geltend, trotz der Ent- 
fernung dieses Punktes von nur etwa 23 km vom Meere. In Azemur 
wurde behauptet, die Gezeiten reichten bis Mheula. Bis hierher 
kann man von Azemnr aus in Booten gelangen, weiter stromauf 
nicht ohne Gefahr, der Strudel und Stromschnei Ipti wegen. Eine 
B'äljre oder auch nur eine Madia ist hier nicht vorhanden, wir sahen 
aber hfluflg Eingeborene mit Hilfe eines Schlauches, ihre Kleider aut 
dem Kopfe befestigt, den Strom durcbschwimmeu. Die Sü'ömung riss 
sie weit stromab. 

Von Hheula nach ABemiir. 

Am 7. April, Ostersonntag, setzten wir den Marsch stromab 
nach Azemur fort. Zunächst war es uocli möglich auf eiuige Kilo- 
meter dem hier ziemlich geradlinig in NW yerlaufenden Thale dicht 
am Strome entlang zu folgen, wenn auch keineswegs auf bequemem 
Wege, sondern anf und ab, namentlich beim üeberscbreiten mehrerer 
kleiner Nebenthftler, von denen zwei durch Quellen herrorgerufene 
mit üppig giiinen Gärten gefüllt waren. Neben Dattelpalmen und 
Apfelsinen fanden sich hier Kirschen und Birnen, welche Obstsorten 
in Marokko selten sind, Aprikosen, Feigen, Oliven, Granaten und 
Mandeln. Solche Pflanznngen sahen wir noch mehr£sch auch weiter 



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121 



Stromab im Thale, aacb auf dem rechtei Ufer, wwans ich schliesse, 
dass noeh meiner e solche kleine Quellen dnrch das Stromthal 

erschlossen worden sind. 

Nach 5 km hatte der Weg am Strome entlang ein Ende. Der 
Strom bildete mit steilen Thalgehängen eine nach Nordosten aus- 
greifende Schlinge. Wir stiegen daher nwf die Horhtlache hinauf, 
um die Schlinge abzuschneiden und fulgieii eine Strecke weit dem 
Thalrande. Der Boden war hier von der Kalkkruste gebildet, unter 
welcher der weit verbreitete, weisse, bröckelige KalktuÜ anstand. 
Dann herrschte Zwergpalmensteppe. Wo die Ealkkroste fehlte oder 
Ibra Trftmmer zu Hänfen nnd WAllen znaammengelesen wann, da 
trat ftnaserst frnchtbaro fiotberde aof, bftnfig etwas sandig oder mit 
Kalkhncken Termiscbt» noeb hAaflger so fdnerdig wie Stanb. Dem 
entsprechend war 50—75 'V« der Bodenfltehe hie nnd da sogar noch 
mehr angebanti nnd sahen wir wieder flppige Weizenfelder, auch 
Maispflanznngen, zahlreiche unbewässerte Feigengftrten. Dass die 
Gegend ziemlich dicht bevölkert war, dafür sprachen zahlreiche Duar 
und Kubba. Den Strom hatten wir stets in geringer Entfernung 
zur Rechten, seine Richtiino; war also eine ajinfthernd nordwestliche. 
Ausserordentlich häufig mussten wir aber kurze, steil eingerissene 
Trockenthäler umgehen, die dann regelmässig einen Einblick in 
das tiefe steilwandige Flussihal gewahrten. Der Pluss bildet 
anch liier unablässig Windungen, doch meist von grossem Radios. 
Nor nahe bei Azemnr findet sich noch eine enge Schlinge, die ziemlich 
wd( nach Osten an^n^ft. Die Reit- nnd Lastthiero haben häufig 
tiefe Binnen in der Ealkkruste ansgetroten. Mit der Annaiiernng 
an Asemnr mehren sich die Gürten. Wir reiten schliesslich an der 
Stadtmauer entlang zum Strome hinab und setzen sofort mit Hilfe 
der vorhandenen Fährboote über, um am nttehsten Morgen ohne erst 
mit dem üebersetzen viel Zeit zu verlieren, sofort den Marsch fortsetzen 
zu können. Nach langem Suchen nach einem geeigneten Lagerplatze 
fanden wir einen solchen in einem uniinaiiorten. aber vernachlässifrten 
Garten ganz nahe am Flusse, der angeblich dem Kaid von Azemur 
gehört. Denn für die urwüchsigen Zustände ist auch das bezeichnend, 
dass man m Marokko überall lagern kann, wo es einem gut scheint. 
Am liebsten wälilt man natttilich dazu Gärten. Niemals bat der 
Besitier Widersproeb erhoben. 



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122 



15. Azemur. 

Da wir schon ;im Mittag in Azemur ankamen, so liatteu wir 
hinreichend Zeit, wie es auch von vornherein beabsichtigt war. bis 
zur Mündung der Um-er-Rbia vorzudringen. Azenmr liegt näinluh 
keineswegs am Meere, sondern auf dem linken Ufer des Stromes 
4 km oberhalb seiner Mündung. Das linke Ufer ist hier das hohe^ 
gegen wekhes der Strom hindrängt. Die Stadt xieht aieh mit hoben 
HAnsern, Ton Manern und Thttrmen amschlossen, auf etwa 500 in am 
Flnsse entlang. Noch weiter dehnt sie sich landeinwfirta ans, da 
sieh dort an die eigentliche Stadt die anegedehnte Zaaia Stdi 
Bu Schaib anschliesst. Ich habe Azemor selbst nicht betreten. 
Keinem Europäer ist dort der Aufenthalt gestattet Auf dem rechten 
flachen Ufer findet sich ein breiter Gürtel, sorgsam zum Berieseln 
eingerichteter PHanzungen von Henna (Lawsonia inemiis L ). die 
noch der Fi iihlingsbestelhmg hsiarten. Es ist ein höchstens 1 m 
hochweideiiiltr ßiisch, der seine Samen in Marokko nieist niclit reifte 
sodass man sie aus dem Orient bezieht. Man erntet die Blätter 
3 mal und schneidet im Herbst die Triebe ab^ sodass der Stock im 
Frühling neue Schössliuge treibt. Die getrockneten und pulverisirten 
Blfliter dienen bekanntiidi mit einigen Znsätaen com Fftrhen der 
Kfigel und Handflftcben n. s. w. Anf allen Mftricten sieht man in 
Marokko diesen Handelfl^egeustand aasgestellt. Das Wasser, das diese 
fflanae rdehlich fordert, liefert auch hier nicht der Flosa, sondern 
zahlreiche Nonas, die das Grundwasser emporheben nnd nur im 
Sommer in Betrieb gesetzt werden. An der Mündung des Stromes, 
auf der rechten Seite, liegt eine weithin sichtbare Kubba, die, auch 
darin prägen sich die berberischen Einflüsse aus, einer heiligen Frau 
gewidmet ist: Lella Aischa-el-Baharija. lieilige Aischa vom Meere. 
Mit Pistacia Lentisnis bestandene Düueu dehnen sicli hier auch 
weithin aus. Bis an die Mündung ist die Strömung eine rasclie, ja 
der Strom rollt bis au dieselbe bei Hochwasser Kiesel. Eine heftig 
brandende Barre schliesst die Flussmttudung. Azenun hat daher nie 
Bedentnng als Seeplatx zn erlangen Termocht nnd geliört nicht zu 
dett dem Fremdhandel geöffneten Eflstenstädten. Auch nicht das kleinste 
Segelschiff war vor der Stadt zu sehen. Wol aber lagen zahlreiche 
kleine Boote auf dem Flusse eifHg dem Fange des wolschmeckenden 
Schebbel oh. Der Verkehr an der Ueberlkhrtstelle war ein ziemlich 
lebhafter, wenn auch nicht mit dem an der Ffthre von Rabat zu 
vergleichen, an welches mich zuerst die ganze Scenerie lebhaft 
erinnerte. Die Fluth macht den Flussspiegel bei Azemur um 1 m 



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125 



steigen. Die Breite des Stromes schwankt so zwisclien 120 und 
150 m. Oberbaib Azemur erodirt er das rechte Ufer, während auf 
dem flachen linken, ein breiter Streifen von Gärten angrelegt ist. 
Unmittelbar nacli Sonnenuntergang fiel ein .su starker Thau, dass die 
Zelte davon ganz durchnässt waren. Von der Bedeutung dieser 
Thaufalle, die ich aach diesmal sorgsam beobachtet iiabe, habe ich 
schon früher gehandelt. Aach werde ich bei der BearbeitoDg der 
metmologisclien Beobaehtmigen nodt Auf dieselben eingehen. 

Am Abend, als ieh arbeitend im Zelte saa«, meldete m^n Diener, 
ein Soldat des Eaid yon Mogador sei angekommen. In der Tbat 
führte er anf mein Geheiss einen baumlangen, stattlichen, noch jnngen 
Soldaten herein, der berichtete^ dass er vom Eaid von Mogador mit 
dem Schatzbriefe des Saltans abgesandt sei, um sich meinem Dienste 
bis zum Ende meiner Reise zu widmen. Er sei seit 10 Tagen durch 
das Land geritten, \\m mich zu suchen. In der Tliat hatte ich schon 
in Mhenla q:e)iört, dass ein Soldat des Kaid von Mogador mich suche, 
doch hatte ich mkh nicht weiter darüber aufgeregt. Ich erfuhr 
gleichzeitig, dass unser Konsul in Mogador nach meinem Aufbruche 
in's Innere au die Gesandtschaft in Tanger berichtet hatte, dass und 
warum ich ohne den Scbutzbrief des Saltans in's Innere abgereist 
sei, dass dies zn Terhandfamgen swiscben der Oesandlsehaft, der 
Begiemng in Marrakesch nnd dem Kaid yon Mogador geführt hatte, 
deren Ergebnis gewesen war, dass dieser letztere den bestimmten 
Befehl erhalten hatte, sofort seinen znrerlftssigsten Soldaten hinter 
mir herzuschicken, nm mich so rasch wie möglich wieder unter den 
Schutz der Rpgierung zu stellen. Dies geschah somit in Azemnr. 
All dies hatte sich abgespielt, während ich, ohne eine Ahnung davon 
zu haben, friedlich und im besten Einvernehmen mit der Bevölkerung, 
gerade weil ich keinen Regierungssoldaten hei mir li itte, durch das 
Land zog. Ich sandte nun am nächst! n Miirij;vii tleu alten, biedern 
Abd es Selam, den Soldaten des deutscheu Konsulats iu Saffi, der 
mich bis nach Casablanca hatte geleiten sollen, nach Saffi zuriick. 
I^atürlich musste ich die 10 Tage, während deren der Soldat auf 
mich gefahndet hatte, bezahlen, ö Franken fttr den Tag. Mit der 
Freiheit der Bewegung, deren ich mich bisher erfreut hatte, war es 
nnn vorbei. Doch lag Jetzt nicht mehr yiel daran, da ich in Scbauia 
ohnehin die Punkte besnchen wollte, die ich nnnmehr als Sitze ?on 
Haids aufsuchen musste. Ich will aber sofort bemerken, dass der 
mir anfgedrangene Soldat ein durchaus anständiger, ordentlicher 
Mann war, wie man vielleicht unter 100 kaum einen finden wird, 
gegen den ich auch nicht das Geringste vorzabnogen gehabt habe. 



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124 

Meine nächste Absinlif. war nun vun der Mihiduiig der llni-er- 
RbiH aus wiederum quer durcli die Provin5^ Schauia ulier Uled Öaid, 
wo ich meinen Weg von 1899 kreuzen wollte, bis nach Settat, d. h. 
Huf die obere Laadstufe vorzustosseu und von da wiederum ijuer durch 
die ganse Provinz an^s Meer bis Oasablanca binabzitsteigeD. 



16. Von Azemur nach Settat. 

Die Bichtaog, welche wir am 8. April verfolgten, war im 
Altgemeinen eine ostsüdöstliche. Wir durchzogen das Gebiet der 
Kabyle Sr^htuka. Wie meist bislier ging unser Marsch auch während 
der 3 Tagemärsclie bis Settat noch einmal ganz durch weisse Flächen 
der Karte. Schon in geringer Entfernung vom Flusse erreichten wir 
bei dem grossen Duar El Kherba die sanft nach Osten ansteigende 
Hochfläche. Dieselbe trug den Charakter sehr flachwelliger Ebene. 
Zuerst herrschte Kotherde vor, mit Kalkkruste und mit Fl&chen 
wecbseliid, die mit Kalkbrockeu Ikbeniet waren, weiterhii Schwan- 
erde. Den Uebergang bildete choköladefiirbener Boden, der anch 
sebr froehtbar sein moss, da man in seinem Bereich eine bedeutende 
Arbeitsleistung dnt«h Antsamroeln von Gesteinsbrocken feststellen 
konnte. Die Decke von Schwarzerde war zunächst sehr dünn und 
schien auf die flachen Mulden beschiilnkt zn sein, die hier vorherrschten 
und in deren Tiefen meist Ziehbrunnen gegraben waren. Der Roth- 
erde entsprach im Allgemeinen etwa ^O^/o, namentlich mit Mais an- 
gebauter Bodeufläche. Auf Tirsboden umfasste der Anbau HO-lOO" », 
neben Mais besonders Weizen. Die Kalkki uste trug Steppeucharakter 
mit vorherrscheuden Zwergpalmen und A splu delus. Von Holzgewftchsen 
kam, abgesehen von vereinzelten Datti ipalinen und Feigenbäumen in 
den nicht seltenen Gärten, nur Kieiii, Thirta und ein Schoten 
tragender, fiederblättriger niedriger Strauch vor. Aber anch diese 
verschwanden schon in 14 km Abstand vom Meere, sobald die 
Schwanerde eine gewisse lAichtigkeit erreichte. In demselben 
AbStande traten schon Zeltdoar ani; die wir anf dem andern Ufer 
der Morbeya von Ba-el-Awftn abwftrts nnr selten gesehen hatten. 
Ich habe alle, die irgendwie angepeilt werden konnten, in die Karte 
eingetragen, denn sie geben doch eine Vorstellung von der Besiedelung 
des Landes, wenn sie anch natnrgemäss von Zeit zu Zeit ihren Ort 
wecliseln. Das Thal des Stromes lag uns in wachsendem Abstände, 
aber doch noch hier und da eikeunbarj zur Hechten. Die Mittagsrast 



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125 



hielten wir in einem Feigengarten nahe bei der malerischen Knbba 
Said 6n Othman und einem im Tiefeten einer Mulde gelegenen 

Ziehbrunnen. 

Nachmittags wurde unsere "Richtung immer mehr eine südöstliche 
und wir bewegten uns auf 10 km auf dem Grundgebirge, das unter dem 
abgetragenen Deckgebirge hervortrat. Der wiederholt -hervorgehobene 
Umstand, dass das rechte Ufer der Morbeya das linke beträchtlich 
überlast, dürfte, wie auch die Abtragung des Deckgebiiges, darauf 
zuruckzulüliieii seijK dass überhaupt in Schauia das Grundgebirge 
zu grösserer Höhe aufragt, wie in Dnkkala. Auch hier waren es von 
Quellen, wenn auch meist wasserannen, gespeiste kleine BAdie, die die 
Abtragung des Deckgebirges bewirkt und kleine, flache, zur Morbeya, die 
etwa 11 km entfernt war, fiBIirende Tbäler gebildet hatten. Einzelne der- 
selben Hessen erkennen, dass sie Tor Knnem Wass^ geführt hatten, 
andere wiesen nach Wasserlachen auf, eines, einen kleinen Bach, 
den Abfluss einer Atn^er^Ruida genannten Quelle. Sie vereinigten 
sich alle, wie es schien, zu einem einzigen Thale, dem Wadi Tiurarghet. 
Das Grundgebirge bestand aus steil aafgerichteten Schichten von 
Gif\nwRnken und Sandsteinen. In seinem Bereich herrselite Zwerg- 
paliiieii und Asphodelus- Steppe. Sobald wir die ßotheide des Deck- 
gebirges wieder erreicht hatten, war das Land wieder angebaut 
Für die Nacht schlugen wir unser Lager, zum grossen Kummer des 
Soldaten, da kein grösserer Ort zu erreichen war, bei dem kleinen 
Doar des Hadsch Yossef in der Eabyle Scbtuka auf, die noch zu 
Dnkkala gerechnet wird. Der Duar bestand aus 16 dem Dnarbegriff 
entsprechend, Im Kreise aufgestellten Zelten und 4 niedrigen Hütten. 
Es gehörten sn demselben eine Heerde von etwa 100 Bindern und 
grosse Heerden Ton Schafen und Ziegen. Doch lagen auch aus- 
gedehnte Mais-, Weisen- und Gerstenfelder ringsum. Der Dorfechech 
versah uns, natürlich gegen Bezahlung, reichlich mit Nahrung für 
Menschen und Thiere. Nach Sonnenuntergang Uberzog sich der 
Himmel mit Dunst und ps üpI so reiclilirlier Tliau, dass der im 
Freien stehende Tisch mit einer Wasserschiclit belegt und die Zelte 
wie vom Regen nass waren. Auch am Morgen war es noch ganz 
dunstig, später aber klärte es sicii auf. Diese Ei-scheinung wieder- 
holte sich fast tilglich und erklärt sich daraus, dass die lierrschenden 
Winde vom Meere her dem Lande grosse Wasserdampfmengen zu- 
lllhren, die sieh dann bei nach Sonnenuntergang rasch eintretender 
Wflmestrahlung verdichlen und als Than niederschlagen. 

Der Doar des Hadsch Ynssef lag auf einer Insel des Deck- 
gebuges. Bald hatten wir am Moigen des 9. April wieder die steil 



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126 



aafgerichteten Thoiuchiefer, Grauwacken und Quanite des Qnwd- 

gebirges unter den Füssen md dementsprechend Steppe, die 
namentlich reich an Disteln war. Die Qoarzite bildeten 1' « m 

anfragende Klippen, denen wir von da an in diesem Gebiete 
noch öfter begegnet sind. Auch rothe Thon Sandsteine traten in 
^osser Ausdfli Illing auf Ilm {'inliii ( lilii^^^igkeit bedingte die erste 
etwa 50 m im Dmcliuiesser iiie^seude uiitürlidie Daya, wie wir 
weiterhin deren viele trafen. Mitten in der tSleppe bot sich von 
ferne ein wundeiüi-her Anblick: eine grosse Zahl von Eingeborenen, 
die zu Fuss und zu Pferde in den tollsten Zickzacklinien hei um- 
rannten. Nflher kommend, stellten wir fest, dass sie Hasen hetzten. 
Ein armseliges HAslein, das so schliesslich mit der Eenle ersehlagen 
wmdef erwarb ieh gegen eine Kleinigkeit ftr meine Bratp&nne. 

Die Klippenzüge Ton Aln el Djemaa. 

Sobald wir wieder auf dem Deckgebirge waren, trat Rotberde und 
Anban an^ strichweise bis sa 60*/« der Bodenflache bedeckend, strich- 
weise aber auch die ge*?cblossene Kalkkruste auf dem weit verbreiteten 
weissen Kalktuff, denientsprecbend Steppe mit Zwergpalmen und 
Aspliodeln^. Immerhin fanden sieb aucb da kleine Felder und Feigen- 
gärten eingestreut, ein Beweis, ilass die Bewohner der vereinzelt 
mitten in der Steppe liegemleu kleinen Zeltduar aucb etwas Acker- 
bau treiben und nur Halbmonaden sind. Grosse Viehheerdeu, deren 
wir viele sahen, sind ihr Hauptbesitz. Der auffallende ßeichtham 
dieser Gegend an natflrliehen Wasseransammlangen mag die Bindef- 
zacht begünstigen. Wir sahen zahlreich natflrliche Dayas, einzelne 
von ansehnlicher Grösse nnd von ausgedehnten Sfimpfen umgeben. 
In vielen standen Knhheerden mitten drin. Ich fthre diesen Wasser- 
reichthum darauf zurück, dass das undurchlässige Grundgebirge, Thon- 
sandstein nnd Qaarzit, hier in sehr geringer Tiefe ansteht u]i ! v piterhin 
in ganzen Klippenzügen steil aufgerichteter Quarzite und in ilachen 
Gewölben zu Tage tritt. Zwischen diesen parallelen Anfragungen, 
die wir querten, fanden sich ausgedehnte Sümpfe und oftene Wasser- 
flächen, ja ein Zng von Quarzitklippen hatte sogar die Bildung einer 
Quelle verursacht; Ain el Djemaa. Hier hielten wir nnter einer Gruppe 
von Feigenbäumen und hoben Dattelpalmen, nahe bei einer Kubba, 
Mittagsrast. Die Quelle tritt in einem unzugänglichen, von Binsen 
und Cypems longus L. (var. badins Desf.) flberwncherten Sumpfe 
zu Tage. Sie ist sehr schwach und der kleine Bach, den sie bildet, 
versiegt bald. Man hat daher einen 2 m tiefen Brunnen angelegt^ 
der leichlich Wasser gieht Die Quelle tritt an der Westseite eines 



127 



einige 100 m langen, annähernd Nordsttd streichenden Zuges von 

Qaarzitklippfin zu Tage, die auf 3 m ans der Umgebung heraoa- 
präpariit sind. Es sind mächtige Bänke, die in 45" nach Osten ein- 
fallen. Diese Klippenzüge sind in der tischgleichen Ebene sehr 
auffällige Erscheinungen. Jenseits Ain el Djemaa bildet ein flaches 
Gewölbe von Quarziten, das wir in einer Breite von mehr als einem 
halben Kilometer queren, ein wahres Steiuleld. Als wir den letzten 
dieser Klippeuzttge, mit Aufragungen bis zu 4 m zugleich dei- 
hodiste, gequert haben, l»etreten wir, fkeilicb nnr auf eine knne 
Strecke typische Schwanserde, die mit den üppigsten Weizenfeldern 
bedeckt ist 

Bald tritt wieder weniger frachtbare Rotherde nnd ZwettTpalmen- 

Steppe auf. Die obere Landstufe, deren Band schon seit Langem 
am sfldöstlichen Horizonte sichtbar geworden war, verräth ihre Nike 
durch ein Wadibelt mit einzelnen Wasserlachen, das wir queren, 
wol ein Zufluss des Wadi Mussa. Am Fusse des Aufstiegs selbst, 
in einem blossgelegten Gürtel steil an^Hricliteter Tlionsandsteine hat 
der Wadi Mussa, dessen Oberlauf bei Setiat wir noch kennen leinen 
werden, ein flaches Thal ausgetieft, genau iu der gleichen Weise wie 
an dem etwa 13 km entfernten Punkte, wo ich 1899 auf dem Wege 
von Uled Said nach Dar Ber Reschid von der oberen Stufe herabstieg. 
Die Hobe der Stufe betragt hier, nacb meinen am Fusse der Stufe 
und anf der Höhe derselben vorgenommenen barometrischen Messungen 
60 m. Weiter nacb Kordosten betrug die H6be dieser Landstufe 70 m. 
Der Anfetieg erfolgt au dieser Stelle allerdings dnreh eine Art breiten 
und flachen Thaies, also ganz ähnlich wie der Abstieg auf dem 
Wege von 1899. Er ist daher ein sehr sanfter. Auf der Höhe liegt 
die Zaaia Uled Sidi Relial. Auch hier bildet das Gmndgebiige am 
Bande der oberen Stufe mehrfach hohe KlippenzOge. 

Die ober« Stnfe Ton Sohania. 

Auf der Hohe der Stufe emplangt uns typisflie Schwarzerde, 
die bald an Mächtigkeit zunimmt, tischgleiche, UiaLsäi lilich allerdings 
nach S etwas ansteigende Ebene und reichen Anbau bedingt. Dem- 
entsprechend erscheint die Gegend anck als dicht bev<^lkert Man 
siebt Duar nnd Knbba in allen Himmelsrichtungen. Der grOsste 
Ort dieser Gegend ist der Hanptort der Kabyle Uled Said, meist 
knn danach benannt, genaner Dar Si 6n Scbatb bei Hadsek. Dort 
wollten wir für die Nacht das Lager aufschlagen. Auch 1899 hatte 
ich eine Nacht hier verbracht. Wie gewöhnlich hatte ich den 
Soldaten Torauageschickt, nm uns beim Kaid oder seinem Stellvertreter 



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188 



anzumelden. Ob sich der Soldat ungeschickt benommen hatte oder ob 
das Erscheiuen eines der als Erpresser gefücliteten Ilegiemog^ldaten 
diese Wirkung hatte, jedenfalls wurde uns, als wir in die Kasba 
einreiten wollten, plötzlicii das vorher weit olten.steliende Thor vor 
der Nase zugeschlagen! Ich war 1899 anel> gelegentlieh nicht sehr 
freundlich erapfnugen worden, namentlich in Demnat, aber solch aus- 
gesuchte Grobheit war mir, der ich doch seit gestern amtlich unter 
dem Schntse nnd als Gast des Soltaas reiste, noch nie geboten 
worden. Indem wir unserer Ansieht aber dies fienebmen den zabl* 
reicb berbeigesti^mten Ortsbewohnern gegenttber in Worten nnd 
Gebebrden nngeschminkten Ansdruck gaben, snebten wir nns anf 
eigene Sand in einem der nahen Gärten einen Lagerplati; dann, als 
sich dort keiner fand, auf einem vor dem Orte gelegenen Anger, der 
anscheinend meist von den Karawanen benutzt wird. Da erschien 
ein Abgesandter des Khalifa — der Kaid war noch zum Hammelfeste 
in Marrakesch — um uns zu bitten, die Orobheit des Thorwäcliters, 
der sofort dafür bestraft und in's Gefanguis geworfen sei, zu 
entschuldigen und in der Kasba Wohnung zu nehmen. Wir lehnten 
es natürlich energisch ab, mit Leuten etwas zu thuu haben zu wollen, 
die einen Schutzbrief des Sultans derartig missachten, bis dann der 
Khaliik selber erschien und um Yeizeibung bat Nnn Hessen wir 
uns dnrch die stannende Menge hindurch in die Easba ftihren, wo 
nns ein sehr schöner, anf einen bftbschen Hof gehender Banm sor 
Unterkunft angewiesen wurde. Im Jahre 1899 hatte ich mich 
begnügen mfissen, meine Zelte in einem der Höfe der Kasba auf* 
zuschlagen. Bald kam auch ein aus drei Gängen bestehendes, so 
reichliches Abendessen, dass sich ein Dutzend Menschen an einem 
einzigen hatte sattessen können. Eine die Zustände von Marokko 
grell beleuchtende Thatsache, an deren AVahrheit, abgesehen vielleicht 
von der 8nmme, nicht der geringste Zweifel walten kann, wurde uns 
hier berichtet: der hiesige Kaid Si el-Ajjaschi habe bei Gelegenheit 
des Hammel festes, wo auch solche Geschäfte abgewickelt zu werden 
pflegen, deu Kaid der benachbarten Kabyle Uled Si beu Daud fftr 
140000 Dnro (nach augenblicklichem Stande nahe an V« Mill. Mark) 
gekauft d. h. er habe gegen Zahlung dieser Summe an die Macht- 
haber diese Kabyle znr Verwaltung überwiesen erhalten. Seine 
Sache wird es natürlich sein, die Kabyle so su verwalten, dass es 
ihm gelingt die Eantinimme nebst Zinsoi „heraussusdiinden^. Was 
mit dem Kaid geschehen, konnte ich nicht er&hren. Er ist 
wahrscheinlich unter irgend einem Verwände, da er seinen Konkur- 
renten nicht ttberbieten konnte ^ selbstverständlich handelt es sich 



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189 



da nm Baargescbäfte — abgesetzt und iu's Gefängnis geworfen 

worden. 

Uled Said ist ein ansehnlicher Ort von wol mindestens 1000 Ein- 
wohnern. Es trägt ganz den banliehen Ohimkter, den in diesen 
Eflstenlandscbaften alle grösseren Orte des Innern tragen: den Kern 
bildet die Kasba, in weleher der Kaid mit seinen unmittelbaren 
Hintersassen ganz in der Weise unserer mittelalterlichen fianb- 
Dynasten banst Um die Kasba haben sich in einzelnen, durch 
freie Räume von einander getrennten Gruppen von niedrigen Hänsern 
und Hütten, meist von Dornumzäunnngen umgeben, Tbeile der Kabyle 
angesiedelt, die in gi-össerer oder geringerer Abhängigkeit vom Kaid 
stehen Der Ort l[hfr\ an den Hängen eines flachen Thaies, deren 
Sohlt: au^^ NoFias bewässerte Gärten einnehmen, in denen unter 
Fruclit-, namentlich Oelbäumen. Getreide und Gemüse gebaut wird. 
Auch der Mitlwochsmarkt der Kabyle wird hier abgebalten. 

Ein kurzer Marsch in nordöstlicher Richtung führte uns nach 
Settat Zunlchst WKh Über gatangebauten l^rsboden, d^r aber bald 
immer dfinner wird und unter dem dann die sofort Steppenbildung 
bedingende Kalkkmste berrortritt Das Gelftnde ist anfengs eben, 
weiterhin aber immer bewegter, .ja wir querten etwa 9 km von Uled 
Said eine ziemlich tiefe muldenförmige Hohlform mit zwei Brunnen im 
Mnldentiefsten. Wenigstens hatte ich den Eindruck einer Mulde, 
ob wol eine Neigung der Hohl form nach Norden hin vorhanden zu sein 
schien. Aber es zeigte sich keine Spur eines penodischen Wasserlanfs. 
Immerhin könnte es der Beginn eines vom Kanfif der oberen Stufe lier 
eingeschnittenen Thaies sein, üeppige Weiznitelder grünten aut der 
Schwai-zerde, mit welcher die Sohle und die unteren Hänge der Mulde 
bedeckt waren. Ob» n auf der Hochfläche empfing uns wieder die 
Ealkkruste und die Steppe mit Zwergpalmen und Asphodelus, unter 
wdebe aidi hier und da domige Bflsdie von Asparagos und Layendel 
mischten. Noch einmal querten wir eine flache Mulde, dann sahen wir 
langhingeslieckt Im Thale des Wed Mussa Settat vor uns liegen. 

Settat. 

Auch diesmal war unser Soldat vorausgeritten, um uns anzu- 
melden. Hier war der Empfang, ich vermuthete fast im beabsichtigten 
Gegensatze zu Uled Said, ein höchst liebenswürdiger, obwohl Settat 
auf dem vielbegangeiieü Karnwanenwege von Casablanca und Rabat 
nach Marrakescli liegt und Europäer hier oft genug durchkommen. 
Der Kbalifa selbst, El Hadsch Abd es Selam, kam nns entgegen 
— auch hier war der Kaid El Hadsch el Maati noch in Marrakescb — 



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ido 

sobald wir in den Ort hineingekommen waren und geleitete uns, 
nachdem er unsere Wünsche kennengelernt hatte, in einen grossen 
ummauerten Garten, wo wir unter hohen Oel- und andern Frucht- 
bäumen, geschützt vor dem greulichen Nordwinde, der schon seit 
2 Tagen wehte, aber ebenso geschUtat gegen Neugierige ond 
Ungeslefer unser Lager anfechlogeD. Bald kam auch eine reiche 
Mnna, die ich natflrlich bei der Abreise in Gestalt Ton Trinl[geldeni 
reicblicb bezahlte: ein lebender Hammel, 4 Hfihner, etwa 50 Eier, 
ein grosser Krug Butter, Zucker. Thee, Kenen. Dazn kamen am 
Abend vier grosse Scbttsseln mit Speisen, am Morgen Tor der Abreise 
noch zwei. Wächter sorgten in der Nacht ilOr unsere Sicherheit 
Natürlich wurden auch sie von mir bezahlt. 

Settat liegt sobon ganz im Steppengebiet. Der Ort. der wol 
gegen 2000 Einwoliner haben dürfte, ist ausserordentlich weitläufig 
gebaut. Er erstreckt sich wol l'/a km weit im Tliale hin und besteht 
ans der von hohen Mauern umschlossenen Kasba und mehreren 
grösseren Gruppen weissgetünchter Häuser, zu denen mehrere Moscheen 
nnd Kubba, sowie Gruppen ?on Dornenheelten nmseblossener Hfttten 
hinzakonmeD. Dazwischen grosse freie Plätze, namentlich ein sehr 
grosser Marktplatz, Gärten n. dergl. Die ümzäunnng der Hdfe ist 
hier ans Sekknm (Asparagns horridns L.) hergestellt^ da es wenig 
Zizyphns giebt. Obwol es in tiefem Thale liegt, beträgt die Meeres- 
höhe von Settat noch immer 330 m. 

Settat, der Hauptort der Kabyle Mzamza, verdankt seine 
Bedeutung seiner Tiage. die es zu einem unvermeidlichen "Durchgangs- 
und Rastorte auf dem Karawanenwege von Kabat und Casablanca 
nach Marrakescb mHPbt Dieser zielt natnrnotliwendig von der 
tischgleichen Küsienebene von Schauia her auf den be(iueuien Weg 
auf die obere Stufe, welchen das tiefeingeschniLtene Thal des Wed 
Mussa bildet, an welchem Settal 9 km vor seinem Austritt in die 
Ebene liegt. Hier finden die Karawanen weiter zu jeder Zeit 
Wasser und Nahrung für Menschen und Thiere, die weiterhin auf 
der obexen Stufe nnr noch selten and ungenfigend zu finden sind. 
Es ist zugleich der Knotenpunkt verschiedener Karawanenwege, 
namentlich des nur im Sommer bei medcrem Wasserstande benützten 
küi-zesten nach Marrakesch, auf welchem man die Um-er-Rbia in der 
Meschra e.sch Schaer überschreitet, und des weit nach Osten aus- 
greifenden, durch die Steppe der Beni Meskin, der die Meschia Ben 
Challü benutzt. Der Wed Mussa führt bis Settat dauernd Wasser, 
da er etwa G km oberhalb aus einer starken Quelle V'ei der zerstörten 
Kasba Dar Si Hamed Bu Azzuz entspringt. Etwa I km oberhalb 



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131 



Settat vereinigt sich mit diesem Haaptthale ein Neben tlial and 80 
entsteht hier eine Thalweitung, deren Sohle von fruchtbarer Humus- 
erde über 'lern typischen weissen Kalktiiff bedeckt ist. Diese 
Thalweituiiy; un'l <h\^ Wasser ist wol das Entscheidende gewesen, 
dass sich gerade hier der Ort entwickelt hat. Der Bach wird 
derartig zu Berieselungszwecken verwendet, dass er iu Settat 
selber kein Wasser ftthrt und sein Bett fast mit Unrath an- 
gefüllt war. Dass er aber längere Zeit Wasser führen kann, 
beweiflen mehrere kleine Brücken. Unterhalb des Ortes ffthrte 
er eine Strecke weit wieder Wasser und ansoabrnswelse, wenn aneli nnr 
Ihr knrze Zeit durfte er sogar weithin Wasser flAhren, ja vielleicht die 
Morbeya eireicben. Denn darüber kann nach den Beobachtungen, 
die ich 1899 und 1901 über den Lauf des Wed Mnssa gemacht habe, 
kein Zweifel sein, dass derselbe nicht, wie die besten Karten bisher 
angeben, ganz Schauia quert und in den Ocean mündet, sondern sich 
der nahen Morbpva zuwendet, von der er hei Uled Sidi Rehal, wo 
ich ilin überschritt, kaum 15 km entfernt ist und gegen welche er 
hinfliesst. Neben dem Wed Miissa sind aber noch zahlreiche Norias 
in Settat in Thätigkeit, um Wasser aus etwa 10 m tiefen Brunnen, 
die bis auf das Grundgebirge Iiinabreichen dürften, zur Bewässerung 
der ausgedehnten Gärten empor /u hebeu. Man sah sogar eiuen 
grossen neu angelegten Garten am Slldende des Ortes. In denselben 
werden ausser Qetreide» Gemflse n. dergl., namentlich Fmehtbftnme 
gezogen, die hier nnr bei kfinstlicber Berieselung gedeihen. Qnitten 
und Granaten sind besonders sablreich, nftchstdem Feigen, Oliven, 
Oimntien und Agaven, auch vereinzelt Dattelpalmen. x\pfelsinen und 
Keben. Thalabwarts reicht der rasch schmäler werdende Gartensaom 
etwa 2'/« km weit. Thalaufwärts liegt ein grosser Olivenhain ober* 
halb der Thalgabelong im Hauptthale. 



17. Von Settat nach Catablant». 

Von Settat ging der erste Tagemarsch in ziemlich streng nördlicher 
Biehtung nach Dar Ber Raschid. Zunlichst folgten wir dem Thale 
des Wed Mussa und zwar auf der rechten Seite des Baches längs 
dem bald schmAler werdenden Saume der durch Mauern abgeschlossenen 
Gürten. Nach etwa drei Kilometern, bald nachdem die Gftrten aus 
Mangel an Rieselwasser ein Ende erreicht haben, beginnt das Thal 
breiter und flacher zu werden und blickt man auf die unabsehbare 
tiachgleiche £bene hinaus. Doch finden sich noch Felder im Thale. 



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132 



Wiederholt ttberschreiten wir den Bach, der Anfangs noch träge und 
ven?unipfend daliitifliesst. bald aber ganz trocken liegt. Er macbt 
viele Windungen und lässt erkennen, dass er selten gefüllt und ohne 
Erosionskraft ist. Die relative Höhe der oberen Stute, auf die mm 
liier dem Thale folgend emporsteigt, fast ohne es zu merken, mag auch 
liier 50 m betragen. Ihr Rand verläuft auf der rechten Seite der Thal- 
üffnung ungefähr von SW nach NO» auf der linken annähernd in West 
Das Tfeal des Wed M oasa bildet ^ne Bucht der Ebene. Eine weit- 
hin sichtbare Eabba liegt auf der Höhe. Bald nach dem Anstritt 
ans dem Thale überschreiten wir den Wed Mnssa znm letzten Male. 
Er wendet sieh nach Westen und folgt dem Bande der oberen Stufe. 
Wir betreten nun ein Gebiet, das durch eine geschlossene, meist 
ziemlich mächtige Decke von Schwai*zerde eines der fi-uchtbarsten 
von ganz Marokko ist. In nördlicher Richtung dehnt sich diese 
Schwarzerdedecke ohne die geringste Lücke auf 24 km aus, noch 
6'/« km nördlich von Dar l'^pr Reschid. Daun scliliesst sieb auf 
weitere 18 km, bis km nordlich von Mediuna, ein (4ebi<'t an. wo 
Schwai-zerde auch noch überwiegt, strichweise aber von Rotlierde, 
die kaum minder fruchtbar ist, und von Kalkkruste unterbrochen 
wird. Soweit heiTScUt tischgleiche Ebene uud ist alles angebaut Die 
üppigsten Weizenfelder weehsela mit Gerste, Saubohnen, Mais, 
Kichererbsen, Koriander, Fenugrek u. dergl. Im Jahre 1899 lag 
mein Weg tob üled Said nach Dar Ber Besehid im Allgemeinen 
westlich von dem dieqährigen, aber auch da kam ich, namentlich in 
der Umgebung von Dar Ber Reschid, durch herrliche Schwarzerde- 
gefilde, wenn die Schwarzerdedecke auch nicht, wie hier, sofort nach 
Ueberschreiten des Wed Mussa begann und noch lange lückenhaft 
blieb. .Tedentalls ist Sehauia eine der gesegnetsten Landschaften von 
Marokko, die Schwarzerde ein wahres Biotflöz. 

Eine Gruppe von Männern denen wir nachkamen und mit denen 
wir uns eine Zeit lang auf dem Wege unterliiflten, bis sie nicht mehr 
Schiitt zu halten vermochten, waren dagegen lebende Bilder einer- 
seits der Armuth, wie des Erwerbssinnes der Bevölkerung von 
Marokko, wie andrerseits der Ohnmadit des Sultans, in dem bei 
weitem grttssten Theile der Läudergruppe, die man in Europa als 
von ihm belterrscht anzusehen sich gewöhnt hat Diese MJlnner, 
echte Berber, magere, sehnige Gestelten im besten Alter, in Lumpen 
gehQllt. barhäuptig, als einzige Ausrüstung jeder einen Stock und 
eine schabige, kleine Tasche aus Zwergpalmenfaser oder ähnlichem 
Stoffe, oder auch einen Schlauch mit sich führend, der ihre ganze 
Babe enthält, kamen aus der Steppenlandsohaft Seraghna am Fusse 



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138 



des Atlas, die ich 1899 dnrehzogeo hatte, and waren aaf dem Wege 
nach Oran in Algerien, am dort, gleich viden Tausenden ihrer Lands- 
lente, als Arbeiter in landwirthschaftlichen Betrieben, bei Eisenbahn- 
baaten a. dergl. ihren Lebensunterhalt zu gewinnen und Geld zn 
verdienen zur Unterhaltung ihrer Familien, die zurückbleiben. Sie 
verdienen dort 3 Franca täglich, dalieim, wenn sie überhaupt Arbeit 
finden, höchstens 60—70 Pfennige. Der Weg, den sie nehmen, 
fährt sie quer durch das Atlasvorlaud zunächst iwh Oasablanca, von 
da nach Vits und über Udjda auf algerisches Gelnet. Schon da 
machen sie einen bedeutenden Umweg, da der kürzeste Weg von 
Seraghna nordwartä durch das Gebirge nach Fäs selbst für Leute 
nicht gangbar ist, die nichts besitzen als das nackte Leben. Den 
Heimweg, wo jeder einige hundert Francs, die er erspart bat, bei 
sich fthrt, meist in gatem Qolde, nehmen sie aber aar See von Onn 
nach Tanger, weil sie auf dem Wege von U4}da nach FAs auf dem 
Gebiete seiner scherifischen Majestät geplflndert und womdglieh todt- 
geschlagen würden. Sie hatten Erfabmngen gesammelt. Nicht nnr ihre 
Ersparnisse, selbst die Kleider, die sie auf dem Heimwege tragen und 
die für marokkanische Yerliältnisse sehr gut waren, waren ihnen 
geraubt worden, nur einer war so schlan gewesen, seitie Goldstücke 
in einen sr-h.'^b^gen Zwergpalmensrhurz eiuzuiiäliPii. len mnn iliin auf 
seine Bitte als völlig wertlilus zur Bedeckung seiner Hlossen wieder- 
gegeben hatte. Diese neuerdings immer grössere Ausdehnung an- 
nehmenden periodischen Wanderungen bringen diese bildungsfähigen 
Menschen mit europäischer Kultur in Berührung und machen sie mit 
einem besser verwalteten Lande bekannt Sie müssen natnrnoth- 
wendig mit der Zeit auch politische Bedentnng erlangen. 

Die Mittagsrast hielten wir, um Scbnts gegen den rasenden, 
eisigen Nordstnrm zn haben, der seit 3 Tagen wttthete, iumitten der 
Trünniiei eines T?:iuernhofes in der Nähe der Knbba Sidi Mohamed 
el Aidi, auf der Grenze der Kabylen Mzamza. dessen Hauptort Settat 
ist, und Uled Harriz, deren Hauptort Dar Ber lleschid ist. Auch 
sie war, wie so viele neue Trümmerstätten, die wir gesehen haben, 
ein Ausdruck der lirrrsrliriif^pn Zustände. Nur df^r Bruiiuf n war in 
brauchbarem Zustaiule eiliaheii. RückwHrtsbliekeud konnten wir den 
steilansteigenden Itand der oberen Stufe weithin verfolgen. Wir er- 
kannten die Lücke des Wed Mussa, eine zweite, die dei Wed Mils 
gebildet hat, der entweder in der Ebene ?ersiegt oder sich mit dem 
bei Fedhala in den Ocean ergiessenden Wed Mellah vereinigt, denn 
swiBchen Oasablanca nnd dem Wed Mellah, d. h. auf der Strecke, wo 
ihn die Karten in den Ocean mflnden lassen, mündet thatsftchlich kein 



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1B4 



Wadi oder Floss. Noch weiter nach Osten erkannten urir einen 

kleinen, aus der oberen Stufe berauspräparirten Tafelberg, der die 
Kubba Sidi Nador trägt. Zahlreiche Duar zeagen von dichter 6e- 
siedelung dieses fruchtbaren Gebiets. Auch Brunnen sind sehr hftafig. 
Je näher wir an Dar Ber Reschid kommen, um so üppiger werden 
die Weizenfelder. Völlip- ?pin von T'nkrant drfiTifrt sich Halm au 
Halm. Es entwickelten sich eben die Aeliien (II. April). 

Dar Ber Beaohid. 

Obwol ich auch hier den Soldaten vorausgeschickt hatte, war 
die Anfbahme doch wiederom schlechter, als wenn ich ohne Schnts der 
Begiernng gereist wäre. Wir mossten mindestens eine halbe Stande 
innerhalb des Thores aaf einem wfisten Platze ohne Schnts gegen den 
Storm warten, bis der Soldat znrflckkam und einer der Lente des 
Kaid, der ihn begleitete, uns unserm Wnn.sclie entsprechend, in einen 
Garten geleitete, der aber keine Möglichkeit die Zelte aufzusclilagen 
und keinen Selintz }3:egpn den Wind bot, sodass wir doch als Unter- 
kunft, eine grosse, schöne Halle in der Kasba, die sich auf einen 
kleinen, allerdings schlechtgehaltenen Garten utfnete, annehmen 
mussten. Immerhin bot sie Schutz gegen den Wind, der mit furcht- 
barer Gewalt über diese tischirleiche Ebene hinbraust, and Insekten- 
pulver tliat imihti Dienste. Auch eine reiche Muiia kam sehr bald, 
obwol ich gebeten hatte, uns damit zu verschonen. Es wurde uns in 
jeder Hinsiebt tadellose Gastfrenndscbaft gewahrt, was nmsomehr 
Anerkennung verdient, als der Kaid der XJled Harriz kun vorher 
wegen Schftdignng deutscher Interessen durch energisches Eingreifen 
nnsers Gesandten zn einer schweren Geldstrafe verortheilt worden 
war. Im Jahre 1899, wo ich doch anch mit einem Sultanspasse reiste, 
hatte ich mein Lager draussen vor dem Orte in freiem Felde auf- 
gesehlagen nnd kein Mensch hatte sich, zn meiner Genogthnung, um 
mich gekümmert. 

Dar Ber Rescbid ist ein groijser Ort tn d ir.\'jt den Clinrnkter 
einer Landstadt. Es ist von Pis6-Mauern umgeben und neuerdings 
vergrö.ssert worden, indem man einen Theil der Gruppen niederer 
Häuser und Hütten, die ausserhalb der Mauer an der Süd- uud Ost- 
seite entstanden waren, durch Aushebung eines 3 m tiefen Grabens 
nnd Anhaoihng des ansgehobenen Bodens nach innen zn einem Walle 
in die Befestignng einbezogen hat. Der so gebotene Anfischluss zeigte 
als Unterlage der hier nicht ganz 1 m müchtigen Sehwarzerde den 
weitverbreiteten weissen Ealktuif. Obwol hier alles Wasser ans 
ziemlich tiefen Brunnen geschöpft werden rouss, so findet sich doch 



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135 



bei den meiflten der in einem Borngehege ans Zizyphns od<T Asparagus 
gelegenen Gebofte ein winzige« Gärtcben mit einem Feigenbäume, 
einigen Blumen n. dergl. In der Easb« sah man flbeniU Trfimmer 
nnd Yer&n, da ja in MarokiLO für Unterhaltung von Bauwerken nicbt 
gesorgt wird. Vielleicht waren es auch Sporen eines Aufstandes. 
Dicht neben dem Prachtraume, den wir bewohnten, lagen verfallene 
Ränme voll ekelhaften ünraths. Da ich das aber so oft gesehen 
habe, so muss es wol Laudesart sein. 

Von Dar Ber Rescliid uach Mediana. 

Wir waren nach reiflicher Ueberlegung zu dem Entschlüsse ge- 
kommen, nicht den ktirzesten Weg nach Casablanca einzuschlagen, 
sondern den Umweg ttber Mediuna zu nehmen, einerseits weil ich 
1899 den kürzesten Weg gemacht hatte, andrerseits weil mein Gesund- 
heitszustand bei dem ununterbrochenen kalten Winde von nahezu 
nördlicher Bichtnng immer schlechter geworden war und es so g«»tiien 
schien, die Möglichkeit, an Stelle eines starken, zwei kleine Tage- 
mirsehe zu setzen, nicht abzuschneiden. Wir setzten also am 12. April 
unsem Marsch immer dem Winde entgegen gegen Norden fort, zu- 
nächst noch Aber Schwarzerde und reiche Fmchtgefilde mit zahlreichen 
Duar, Gärten von Opuntien, Feigen, Oliven, gelegentlich auch Reben 
über die tischgleiche Ebene verstreut. Hier und da waren die Duar 
durch Wall und Graben geschützt. Auch auf Rotherde war noch 
50'/o der Fläche und mehr angebaut. Frs^t in der Nähe von Mediuna 
trat Zweriipaliiien-Steppe in gr »ssen i A ii.>delinuug auf. Die Lage 
vuii Mediuua war schon von weil iiti kenntlich geworden durch einen 
niediigen Hflgel, die Sudwestecke einer der alten Dünen. Schon am 
Mittag waren wir iu Mediana. 

Mediuna. 

Mit ihren hohen Zinnenmauern nnd mächtigen Eckthttrmen mitten 
aus der kahlen Ebene aufragend, bot Rasba Mediuna von fem einen 
imposanten Anblick. Um so grösser war die Enttäuschung im Innern. 
Das mächtige Mauerviereck war nichts als ein gms^pr Viehhof de.s 
Sultans nnd zwar ein solcher, von dem den (^lUMih der Thiere zu 
entfernen Niemandem jemals eingefallen war. Er wni durch Mauern 
in verscliiedene Abtheilungen getheilt. In einer Kcke befand sich 
eine Gruppt; haufälliger Häuser. Der Kaid von Mediuna, der eigent- 
lich hier wohnen sollte, wohnt thatsächlich in Casablanca, ebenso 
sein Ehaliih. Ersterer war flberdies in Marrakesch. Kein Mensch 
war vorbanden, der nns hatte unterbringen nnd mit Yorrllthen 



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136 



versebeD können. Und dtesmal bitten wir, üam TTngesiefer srnn Ttotz, 
gern ein Dach Aber uns gehabt, denn der eisige Nordstorm wehte 
noch imnier nnd hatte die Temperator so herabgedrttckt, dass das 
Maximum bei der Mittagsbeobaehtnng statt etwa 80* 0. nnr 13,8* 0. 
betrog. Das machte begreiflich, dass mir beim Schreiben im Sattel 
und beim Handhaben der Instrumente die Finger steif geworden 
waren. Der Wind war NO, Stärke 10. Und so schon seit 4 Tagen 
nnd auch noch den 5. bis Casablanca! 

So blieb denn nichts übrig, als im Schutze der Umfassungsmauer 
einen Platz für die Zelte nothdürfüg von dem Viehdiinger, von dem 
wenigstens immer ein Theil als Brennstoff verbraucht wird, zu reinigen. 
Auch die unentbehrlichsten Vorräthe für Menschen und Thiere wiu deti 
besciiufft, aber die Stimmung war allgemein eine gedrückte, alles fror. 
Heisser Gacao, von dem wir anf der ganzen Beise grosse Mengen 
genossen haben, regte die Lebensgeister etwas an nnd dnrchwflrmte 
den Körper wieder. Ich führte zwar sowol Arrae, wie Oognac, diesen 
sogar von allererster Gflte, mit mir, es wäre also möglich gewesen, 
einen nordischen Grog zu brauen, eine sumpüge Lache vor der Easba 
hätte das Wasser dazu geliefert, aber ich hatte diese Spirituosen nur 
fQr den Nothfall als Medicin mitgenommen, wie ich auf allen Reisen 
in heissen Tiändern grundsätalich keinen Alkohol genossen habe. 

Am Abend kamen die grossen Viehheerden, Rinder, Pferde, 
Maulthiere. Esel, Kamele, Schafe und Ziegen herein und füllten die 
rerschiedeueu Höfe der Kasba. Um unsere Zelte lagerten die Rinder. 

Von Median« nach Oassblanoa. 

Leiditen Heizens schieden wir von Easba Mediana, da wir hoffen 
durften, schon am Mittag in Casablanea nnd somit im Bereiche euro- 
päischer Gesittung zu sein. Die Wegrichtnng war im Allgemeinen 
eine nordwestliche. Das hatte den grossen Voitheil, dass wir den 
Nordostwind, der übrigens am Morgen auf Stärke (5 herabgegangen 
war, von der Seite hatten, nicht mehr direkt in's Gesicht. Immerhin 
war es noch unbehaglich genug. Zunächst ging der Weg noch auf 
reichlich 2 km durcli die ziemlich gut angebaute Ebene, dann aber 
erstiegen wir eine etwa 30 lu rel. hohe BorU^nwelle. die von der Kalk- 
kruste bedeckt war Spuren von Karrenljilduiig zeigte und von ver- 
einzelten Büschen von Zwergpalmen und Calycotome bestanden war. 
Dann folgte eine sehr schmale flache Längsmulde, der Bodenwelle 
durchaus parallel, und sofort neuer Aufstieg auf eine ähuliche Bodeu- 
welle, die aber sandigen, hier nnd da mit Ealkbrodcen nntomiischten 
fioden aufwies und demnach Torzugsweise mit Grftsem bedeckt war. 



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137 



Neaer Abstieg in eine Längsmnlde, die, wie vielfach die folgenden, 
mit dunkelem Hamasboden oder Rotberde bedeckt nnd zam Tbeil in 
Anbau genommen war. Hier und da wurde noch gepflügt, gelegentlich 
mit so armseligen Gespannen, wie eines hier im Bilde 13 veranschaulicht 



138 



wird. 80 folgten denn 10 solcher Bodenwellen aofeinander, bald 
breiter, bald acbmfiler, mit im Allgemeinen abnehmender relativer, 

wie absoluter Höhe. Dazwischen ebenso viele Längsmulden. Gans 
fthnlich war das Gelände gestaltet, das ich 1899 auf dem Wege 
von Dar Eer Reschid nach Oasablanca von genau demselben Abstände 
von etwa \6 km von Casablanca an durchritten hatte. Auel) da ging 
e< Welle aul, Welle ab. Bald sab man, auf der Höhe einer Boden- 
welle, das mit Recht so genannte Casablanca mit der Masse seiner 
weissgetünchten Mauern und Häuser tief unten in der Ferne am 
blauen Meere vor sieh, bald war es verschwunden. Nur waren die 
Bodenwellen dort nicht ganz so regelmässig wie zwischen Mediuna 
und Oasablanca. Es trat wiederholt das alte Grundgebirge mit seinen 
steil aufgerichteten Schichten anter den jüngeren Bildungen, die anch 
meist von einer Ealklcniste verhflUt waren^ zn Tage. Entsprechend 
dem von mir festgestellten Charakter des Atlasvorlandes als Stnfen- 
land, deutete ich diesen welligen Landglirtel als den Band der 
untersten Stufe, Uber den man in Treppen hinabstieg. Dem ent- 
sprechend stellte ich das Gelände auf meiner Karte dar. Das richtige 
Verständnis kam mir erst jetzt. Als wir die 3. Bodenwelle erstiegen 
hatten, schoss es mir wie ein 1 litz Uirrl)'s Hirn: das sind alte 
gehobene Dünen I Und diese Ueber/eugung befestigte sieh immer 
mehr, je gixisser die Zalil der Wellen und Lilngsniulden wurde. Die 
Kalkkruste ers<;h werte eben das Verständnis, aber eine solche hatte 
ich auch bei Mogador mitten in den beweglichen Düueu gesehen. 
Der bedeutende Prozentsatz an Mascheltrttmmern in dem DOnensande 
begünstigt die Bildung derselben. Wo sie fehlte, trat der Bfinensand 
zn Tage, wenn auch verfestigt. 

Dies Beispiel zeigt die Bichtigkeit des heute wol kaum noch 
bestrittenen Satzes, dass dem Kartographen, der wissenschaftlich 
wertbvolle Karten liefern will, wenigstens, was die Geländedarstellung 
anlangt, wisseuschaftliche. namentlich geologische Vorbildung und 
wissenschaftliches Studium des Geländes unerlässlich ist. Bei einem 
blossen Abschreiben der Vorlage, wenn es auch noch so plastisch 
gesrliieht. sind Fehler ganz unvermeidlich. 

AVar dieser Gürtel alter gehobener Düueu nahe bei Mediuna 
meist öde Steppe gewesen, so mehrte sich der Anbau gegen Oasa- 
blanca hin und fanden sich, meist auf den Höhen der Bodenwellen, 
zahlreiche Einzelhöfe, sog. Gutha. Von einer Pis^mauer umschlossen 
enthalten diese Hofe einige kleine Hftuser, häußg auch einen Thurm, 
nicht selten als Thorthurm. Meist liegen noch GArten dabei. Die 
Landschaft erhält dadurch einen eigenartigen Anstrich. Solche 



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139 



Gatha aind !m Hintorlande tod Oasablnnca aehr bloflg and erklftreD 
sich aaa der grossen Zafal von Eingeborenen, die es erreicht haben, 
sieh nnter den Schnta der zahlreich in Oasablanca angesiedelten 
EaropAer zu stellen. Sie könneu es dann wagen, sich von dem Duar* 
Verbände loszulösen und sich selbständig auf ihrem Grund und Boden 
ansnsiedeln. Ich komme ani diese Erscheinung noch im Zusammen- 
hange zu sprechen. 

In etwa 7 km Abstand sahen wir auf der Höli^ einf^r Bodenwelle 
zuerst Casablanca vor uns liegen. Aber noch wi* ilriiiolt verschwand 
es aus dem Gesiclitt^kreise. Bald kamen wir auch an Am Schuk, 
einer der in dem Werke über die Reise von 1899 besprochenen 
Quellen vorüber, die aut dem undurchlässigen Grundgebirge unter 
flacblageruden B&nken yon Kalksandstein hervorbricht und den Bach 
von Oasablanca bilden hilft. Das Wasser strOmt unmittelbar in eine 
der flachen Mulden ein und bildet dort einen yon Binsendickichten 
umwachsenen, etwa 20 m langen Teich, dem die ein Fassbad nehmende 
Knhheerde nicht fehlen durfte. Die Mulde setzt sich als gewundenes 
Thftlchen, das nur ausnahmsweise Wasser fahrt, zwischen den Dflnen 
fort, aber weiter abwftrts tritt das Wasser in einem von Binsen 
bestandenen Becken wieder zu Tage. Schliesslich sind wir, etwa 
2'i km von» Thore von Oasablanca, auch von der letzten Boden- 
welle in die Ebene hinabgestiegen, die bis zur Stadt fast durchaus 
in Anbau genoonnen und namentlich von Gärten bedeckt ist, die der 
Bach oder auch Nonas bewässern. 



la. Oasablanca und sein Handel. 

Ich kam in Oasablanca in ziemlich klaglicher Verfassung an. 
Die letzten 5 Tage Anreitens gegen den heftigen, kalten Nordost 
hatten meinen Zustand so verschlechtert, dass es mir, als ich ans 
dem Sattel gestiegen war, vor Athemnoth schwer wurde, selbst 
auf ebenem Wege zu gehen. Ein Aufenthalt in Oasablanca war 
daher unbedingt geboten. Ich fand ganz leidliche Unterkurift in 
dem vor Knr/pm erst eröftneten splenischen Gasthause, walirend 
meine Reisegt^faliilen mil meinen Leuten die Zelte iu einem der 
Regierung gehörigen ummauerten Hofe, der sogenannten Kaserne, 
dicht Hill Meere und nur durch die Stadtmauer von demselben 
getrennt, aufschlugen. Herr Dr. Weisgerber nahm mich in Behand- 
lung und ersielte auch in einigen Tagen eine gewisse Besserung. 
Wenn ich daher bald zu dem Entschlüsse kam, die Karawane schon 



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140 



hier aafitalOsen, so mr noch melir als mein OosnndheitasnstHnd, Uber 
dessen sehr ernste GefiÜiFdanfif ich noch nicht im klaren war, dabei 
der ümstand entseli^dend, dass die letzte noch nngelOste An^be, 

die Erforschung des Dj Zerlmn, wie schon früher erwähnt, unmdglich 
war, und dass es in Cnsablanca der gAnzlichen Unbotroässigkeit der 
räuberischen und gewaltthätigen Zair wegen als unmöglich bezeichnet 
wurde, um ein neues Forseliiingsfeld am unteren Sebu zu erreichen, 
auf einem neuen Wege tiefer im Innern nach Rabat zu gehen. Mein 
Soldat, der für meine Sicherheit bürgte, würde mir nicht erlaubt 
haben, einen anderen als den gewöhnlichen Karawanenweg von Casa- 
blanca nach lüibat zu benutzen, den ich schon 1899 gegangen war. 
Und mich noch einmal ausserhalb des Schutzes der Regierung zu 
stellen, war durchaus nnthnnlich. Ich besehloss also, die Karawane 
anfiralOsen und mich so lange in Oasablanca aafisuhalten, als es für 
die noch sa erledigenden Arbeiten nOthig war bezw. bis sich eine 
Gelegenheit zur See nadi Tanger zn gehen, böte. 

Meine Leute abzulehnen nnd zn entlassen war schon nach einigen 
Tagen möglich, da ein französischer Dampfer nach Mogador ging; ftr 
die Tln'ere, deren Verkauf grosse Schwierigkeiten machte, sorgten 
Dr. Weisgerbers Leute. Ich war mit meinen Leuten durchaus zu- 
frieden gewesen. Tifnientlicli mit meinem Koch und Diener ^foliamed 
Duscli, den ich den deutscheu i'reunden in Mogador warm empfehleu 
konnte, mit dem Erfolg, dass er auch bald eine gute Stellung erhielt. 
Auch der Soldat wurde entlohnt, ging aber seines Pferdes wegen zu 
Laude nach Mogador zurück. Der Verkauf der Kamele und Maul- 
thiere wickelte sich nur langsam ab nnd war trotzdem nur mit 
grossem Verlnste möglich. Immerhin erwies es sich doch noch als 
vortheilhaft, dass ich Tbiere gekauft nnd nicht gemietliet hatte, ganz 
abgesehen davon, dass ich mit gemietheten Thieren nicht Herr meiner 
Bewegungen gewesen wäre. Am geringsten war der Verlust bei den 
Kamelen, sodass es si( h in verschiedener Hinsicht bew&hrt hatte, 
diesmal Kamele als Lastthiere zu nehmen. Als dann nach etwa 
einer Woche auch Dr. Weisgerber und Dr. Kampffmeyer sieh einem 
Vergnügungsausfluge anschlössen, den ein Theil der dentsrhpn K il niie 
von Oasablanca nach Rabat ausführte, galt es, das Lager abzubrechen, 
die Zelte und die ganze Ausrüstung zur Verfrachtung mit dem nächsten 
deutschen Dampfer, der nach Hamburg ging, zu verpacken. 

Obwol diese Greschäfte ziemlich viel Zeit in Anspruch nahmen, 
znmal mein körperlich Zustand mich vielfach binderte, so blieb 
doch noch Zeit genug filr wissenschaftliche Arbeit tkbrig, znmal ich 
geistig ganz frisch war. So war es mir möglich, sei es im Verkehr 



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Hl 

mit den in CHsablanca ansässigen Europäern, von denen einzelne eine 
ausgedehnte Kenntnis von Marokko besitzen, sei es in anderer Weise 
meine Keuuluis von Land und Leuten zu erweitern und zu vertiefen. 
Namentlich liesB ich es mir augelegen sein> miek aber den Handel 
des Landes, besonders mit dem Dentselten Belebe za onterriebten, da ja 
Cttsablanea nftcbst Tanger der wicbtigste HaDdelsplats tod Marokko 
ist, in Besag anf die Aasfohr überhaupt neuerdings der wichtigste. 

Vor allem galt es auch die meteorologische Station einsariehten, 
SU welcher die Deutsche Seewarte in Hamburg auf meinen Antrag 
die Instrumente zur Verfügung gestellt hatte. Herr Karl Ficke, ein 
seit mehr als einem Jahrzehnt in Oasablanca angesessener deutscher 
Kaufmann, der seit langem sich tür diese Dingf interessirte, erbot 
sich, die Station und die Beobachtungen zu übernelinien. Die Aus- 
rüstung entspricht einer Station 2. Ordnung, die Beobachtungen 
werden zu den zweckmässigen Stunden 7", 2 p, 9 ganz in Ueber- 
eiustimmung mit den auch ganz gleich ausgerüsteten übrigen deutschen 
Stationen in Saffi, Mogador und Marrakesch vorgenommen. Bei der 
Bauart der Hftaser in den Eflstenstadten von BCarokko war es schwer 
eine möglichst einwandfreie Anstellung der Instrumente sn erreichen. 
Auch seigte sich, dass das Barometer durch die nnglanbliche Behand- 
lung, die mein Gepäck erfiüiren hatte, so in Unordnung gerathen war, 
dass, nachdem alle Bemttbnngen, es wieder in Ordnung zu bringen, 
erfolglos gewesen war, nichts übrig blieb als es nach Hamburg zurück- 
zuschicken. Von dort wurde es durch ein neues ersetzt. Inzwischen 
war der Beobachter selbst von einer langwierigen Krankbeir befiillen 
worden, sodass der "Bpobafhtnngsdienst erst am 1 Januar 191)2 auf- 
genommen wurde. Die Iniislellung der InsLiumente tur die Statiun 
in Marraktvscli, deren l\(i<ien die Geographische Gesellschaft in Leipzig 
übernommen hat und die Herr Hermann Marx in Mogador in seinem 
dortigen Kaufhofe nach genauer Besprechung mit mir auf Grund 
meiner Kenntnis der Oertlicbkeit eingerichtet hat, hatte sich durch 
ein Missverst&ndnis so lange yerzögert, dass die Beobachtungen dort 
erst am 1. April 1908 begonnen haben. Durch diese 4 meteorologischen 
Stationen werden hoffentlich wir Dmtsdien den Beobaehtnngsstoff 
liefern, auf Grund dessen endlich auch Marokko aus seiner völligen 
klimatologischen ÜDerforschtheii gerissen werden wird. Neben den- 
selben ist auch eine englisclie Station auf dem Kap Spartel in TlijUig- 
keit und waren zeitweilig auch von fr&ozöfiiächer Seite in Marrakesdi 
Beobachtungen gemacht worden. 

Die 8tadt Casablaiica, die ich schon früher geschildert habe, 
veixlankt ihre Gründung einer kleineu, von der Brandungswelle 



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142 



au55geHrbeitelen Bucht und ihren neuerlicljeii Aufschwung, der grüS5?eii 
Fiuclitbarkeit des Hinterlandes. Sie bildet eiu uuregelmässiges Vier- 
eck, das sich laug und schmal am Meere hinstreckt und ist von 
Pis^mauern und Thttrmen uuigebeii, die selbstverständlich einem 
enropttiBchen Angrifte gegen ttber TöUig werthlos sein würden. Die 
Stadt ist in rasehem Anfkchwunge begrüfen, was in ganz Marokko 
nur noch yon Tanger gesagt werden kann, d. h. den beiden Orten, 
wo steh die eoropoisdien Binflflsse unabweisbar geltend machen. 
Es ist nicht nnr der verfllgbare Bauin innerhalb der Manem 
bebaut worden, wenn anch snm Theil noch mit Rohrhtttten der 
Eingeborenen, sondern auch vor dem Marrakesebtbore eine grössere 
Eingeborenen-Yorstadt entstanden. Die Bevölkerung dürfte wol 
25 000 erreichen. Auch die europäisclie Kolonie ist sehr zahlreich, 
besonders die spanische. Doch gehören die Spanier vorvvies;end mindei-- 
bemittelten und miudergebildeten Kreisen au. Irameriiin be^iueu sie 
filr sich ein ansprechendes Gesellschaftshaus, während alle übrigen 
Europäer sich zum sogen. Anfa-Cluu /.usammengethau haben, der in 
erster Linie Geselligkeitszwecken dient und ein zweckmässig ein- 
gerichtetes Hans mit gnt?ersehenem Lesesdmmer n. dergl. besitst. 
Unsere Anwesenheit in Casablanca wird insofern ein danemdes An- 
denken hinterlassen und eine Förderung in der wissenschaftlichen 
Erforschung des Landes bezeichnen, als wir nnd besonders Heir 
Dr. Eampffmeyer, die Anregung zur Gründung einer wissenschaft- 
lichen Bibliothek in dem Club gegeben haben, die nach und nach die 
gesammte Litteratur über Marokko in sich vereinigen soll, sodass 
jeder künftige Forscher in der Lage ist, hier sich ein Bild von dem 
zu niaclien, was bisher über das Land geschrieben woitlen ist. Herr 
Dr. Kanipitmeyer hat nicht nur übernommen, sondern ist auch bereits 
mit Eifer und Erfolg'' daran gegangen, für den Club in Deutschland 
alle irgendwie erreichbaren Werke über Marokko zu beschaffen. Ich 
selbst zog schon von den vorhandenen kleinen Anfängen Vortheile, 
indem idi in Casablanca selbst das mir bis dahin nicht zugänglich 
gewesene Werk von Lampti^re durcharbeiten konnte. 

Der Aufschwung Ton Casablanca beruht zunAchst darauf, dass 
die flache Buchte an welcher die Stadt liegt, eine der besten, vielleicht 
nach der von Tanger die beste Rhede von Marokko bildet, wo die 
Schiffe auch bei weniger günstigem Wetter Anker werfen und dank 
der kleinen, von der Brandung aus den steilau^richteten und 
abradirten Schichten des Grundgebirges ausgewaschenen Einbuchtung 
mit dem Lande in Verbindung treten können. Beide, die kleine 
Bucht und die Abrasion^- Terrasse veranschaulicheu die beigegebenen 



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143 



Bilder 14, 15 und 16. Die Bucht entspricht einem Komplex 
weicherer Schichten. Auf dem Bilde 15 erkennt man eine quer- 
durchgeschnittene Falte des Grundgebirges, auf 16, die Auflichtung 




14. Ilafc-nbucht von Casabhinca. 



der Thonsandsteinbänke. Oasablanca dient auch namentlich dem 
Handel von Rabat, dessen BaiTe so iiäufig nicht passirbar ist. 
Die Schaffung eines wirklichen Hafens durch Bau von Hafendäramen 
würde keine grossen Schwierigkeiten bieten. Ein weiterer Grund 
des Aufblühens ist in der grossen Fruchtbarkeit des Hinterlandes zu 
suchen. Die Handelsbeziehungen von Oasablanca reichen noch über 
die Grenzen von Schauia hinaus bis Seraghna und Tedla, von wo 
Oel zugeführt wird, südwärts bis zur Um-er-Rbia, nordostwärts bis 
zur Landschaft Mzab. Der Einfluss der in Oasablanca ange.'^iedelten 
europäischen Kaufleute auf das Hinterland ist ein sehr bedeutender 
und im wesentlichen wolthätiger gewesen. Er äussert sich in einer 
bedeutenden Vermehrung des Anbaus und einer Veränderung der 
angebauten Gewächse. Die Vermehrung des Anbaus ist aber nicht 
blos durch die gestiegene Nachfrage hervorgerufen, sondern auch 



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144 



dadurch, dass die Earopfter den Eingeborenen in immer grösserer 
Zahl zur Sicherung ihrer Handelsbeziehungen den Schutz ihres 
Staats verschafft haben. Dieser Schutz gegen willkürliche Beraubung 
seitens der marokkanischen Regierung und ihrer Organe hat natur- 
gemäs den angeborenen Erwerbssinn der meist berberischen Be- 
völkerung ausserordentlich gefordert. Da mit diesem Schutzsystem 
auch die Gründung zahlreicher Einzelhöfe und somit eine Aenderung 
selbst des landschaftlichen Charakters im Hinterlande von Schauia 
zusammenhängt, dasselbe also auch eine nicht nur rechtsgeschichtlich 
und wirthschaftlich, sondern auch geographisch anziehende Erscheinung 
ist, so werde ich in einem besonderen Abschnitte auf dasselbe eingehen. 

Dem Einflüsse der Europäer ist es auch zuzuschreiben, dass den 
thörichteu mittelalterlichen Ausfuhrverboten, besonders von Weizen, 
Gerste, Vieh, die natürlich den Zweck haben, die wichtigsten 
Nahrungsmittel niedrig im Preise zu hallen und Hungersnölhe zu 
verhüten, ein Schnippchen geschlagen wird. Auch heute noch sind 
die, namentlich auf Schwarzerde, mit Weizen und Gerste bestellten 




15. Abrasions-Terrasse von Casablanco. 



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145 



FUchen sehr gross, da sich Boden und Klima daftr gani vorzllglidi 
eignen und MarolLko im Stande wftre, grosse Mengen ?on Weisen 
und Gente an Enropa absngeben und zwar zwei, drei Monate Tor 

der Ernte in Europa. Dies wird ausnahmsweise in diesem Jahre (1902) 
der Fall sein, da in Folge der reichlichen Winterregen das Land 
eine so reiche Ernte haben wird, dass der Sultan die Ausfuhr 
gestattet hat. Die Ausfuhrverbote machen in guten Jahren die 
Ernte wertlilos, wie 1899 in geringer Entfernung von Kabat die 
Gerste garniclit abgemäht wurde, weil das mehr gekostet hätte, als 
der Verkauf des Korns im Lande eingebracht hätte, während sie bei 
den urwüchsigen Verkehrsverhftltnisstjn nicht zn verhindern vermögen, 
dass in einem Landestheile Hungersnoth, in andern Ueberfluss herrscht. 
Immerhin werden die An8ftihr?erbote bis zn einem gewissen Grade 
unwirksam gemacht, indem die Sinroptter den Anbau von Gtewftchsen, 
namentlf^ durch leihweise Ueberlassnng Yon Sämereien^ nen einführen 
nnd fördern, die im Lande selbst nnr wenig verwendet werden nnd mit 
keinem Ausfuhrverbot belastet sind, also eigentliche Handelsgewitchse. 
Dazu geb^n Saubohnen, die ich auf dem besten Boden in unabsehbaren 
Flächen, namentlich in Abda, aber aach in Dukkala nnd Schauia 
angebaut gesehen habe. Ferner Mais, von dem nur wenig im Lande 
selbst verbranclit wird. Es wird ausschliesslich eine nur 3 Monate 
erfonlf iinlH Spielart gebaut, die um den 1. April gesäet, um den 
1. Juni geerntet wird und im Wesentlichen auf die Feuclitigkeit 
angewiesen ist, die von dem Winterregeu her noch im iioden vor- 
handen ist und die der Thau immer bis zu einem gewissen Grade wieder 
ersetzt Die Banem nehmen an, dass Regen dem Mals nicht gnt 
thne, nnd dass die Pflanze mit ihren Blflttem nnd Blattrinnen recht 
bedeutende Mengen Than zn sammeln nnd den Wurzeln znznftthren im 
Stande sei Ebenso werden Flachs, Erbsen, Eichererbsen, Linsen, 
Kanaiiensamen, Koriander und Fenugrek, die Leguminose Trigonella 
foennm graecum L., arabisch Holba, lediglich nnd in steigendem 
Maasse znr Ausfuhr gebaut. Auch in Algerien wird Uolba viel 
gebaut. Sie wird meist über London und Hambnrcr imfli den 
Vereinigten Staaten ausgeführt, wo man die aromatisrhf n 8amen des 
kleeartigen Gewächses dm Ht-ii. iiunrntlich nicht sehr gutem, 
dumpfigem beimischt, das iIh.s Vieh dann gern frissst. In Algerien 
verwenden die Eingeborenen den Samen auch als Medicin. Koriander 
wird im Laude selbst garnicht gebraucht, die ganze Ernte wird nach 
den Vereinigten Staaten, Dentschland nnd Frankreich znr Bereitung 
eines Oels anggefthrt Flachs wird nnr des Samens wegen gezogen, 
der der beste in der Welt sein soll. Sein Anbau nimmt jetzt 

MMMhmpii XnUt ffhMfeiM TMhw. 10 



146 



noKehever rasch m, Dnrrah wurde frttber viel gebaut, wird aber 
Jetst mehr und mehr durch den Mais verdrängt Auch der Reisbau 
dflrfte verschwunden sein. Kumin (Cuminum Cyminnm L. arab. 
Kemun) dagegen wird noch viel gebaat und meist im Lande ver- 
braucht NamentUch würzt man den Hammelbraten damit 

Zu diesen vorzugsweise den Handel von Gasablanca nährenden 

Erzeugnissen der Landwirthschaft kommen nun noch diejenigen der 
Viehzacht, als Schafwolle, Schatfelle, Ziegenfelle, liiiidshäute, Hörner 
und Knochen, Eier und Wachs hinzu. Auch Schildkröten, Datteln 
und Qninmi arabicum erschienen gelegentlich, aber immer in geringen 
Mengen auf der Ausfuhrliste. 80 auch Teppiehe, als einziges Ei7;pngnis . 
mai-ükkanischen Gewerbefleisses, Dieselben kommen von Rabat und 
werden nur hier verschiftt. Die Ausfuhr von Casablanfa steigt stetig 
und hat sich in den 5 Jahren 1895 — 1899, für welche mir vom 
deutschen Konsulat die Wertbe freundlichst zur Verfügung gestellt 
worden sind, geradezu verdoppelt 

Es betrug danach im «Jahrfünft 1894—1899 die Ausfuiir von 
CasablancH: 

1895.... 288359&A 
1896.... 3229044» 

1897 ... . 3 828 988 * Im 5jährigen Mittel also 4 178610 JH 
1898.... 6392864 > 
1899.... 6&38612> 

Abnehmer der von Casablanca ausgeführten Erzeugnisse der 
maroklcanischen Landwirthschaft und Viehzucht sind der Beihentolge 
nach: Frankreich, Spanien, England und das Deutsche Reich, mit 
sehr geringen Mengen die Vereinigten Staaten, Italien und Portugal. 

Das Deutsche Reich bezieht besonders Wolle, Wachs, Eier, Schaf- 
felle, Fenugrek (1900 : 202 500 Kilo), Koriander, Kichererbsen, 
Ochsenhäute. Die Ausfuhrliste giebt leider ein falsches Bild von 
der Auatuhr uach dem Deutschen Reiclio. 'weil die deutschen Kauf 
leute, mögen sie wollen oder nicht, durch die nocli zu besiirerhende 
sehr ungenügende Danipferverbindung: mit Hamburg, gezwungen .sind 
mit englischen Dampfern zu verladen, die ihre Fahrzeit unbedingt 
einhalten. Diese Frachten gehen so als englische, wenn sie auch 
nur Uber England gehen. Die Abnahme der Einfahr nach dem 
Deutschen Belebe ist aber trotzdem eine Thatsache, Sie betrug 1900 
nur 711 200 Frcs., wovon die Hfllffce für Wolle. Frankreich bezieht 
Wolle, HAute, Kichererbsen und Bohnen. Spanien grosse Mengen 
von Kichererbsen, Bohnen, auch Mais, also billige Volksnahmngsmittel, 



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147 



von denen frflher viel nach Euba weiterging. EiOgland nimmt 
beaoDders Bohnen und Kichererbsen als Viebfiitter, auch Koriander 
Fenogrek and Eier. 

Der psrosentiscbe Aniheil der Aosfabr nach diesen Lindem war 
in dem Jahrfünft 1895—1899 wie folgt: 





Deutsches Reich 


England 


Frankreich 


Spentai 


1895.. . 


16,0 


24^8 


85,6 


28,6% 


1896.., 


15,8 * 


16,8 > 


38,9 > 


84,0 > 


1897 . 


22,1 ♦ 


3,9 > 


27,4 . 


36,3 . 


1898 , . . 


11,8 » 


9,7 » 


42,5 » 


34,3 . 


1899 . , 


7,8 . 


15,4 . 


49,3 » 


19,5 » 



Die Einfuhr nach Oasahlanca nmfiuBt natorgemAsa Ihst ans- 
sehliesslieh Ensengnisse enropaischen Gewerbefeisaes bexw. Uber 
Europa kommende Genossmittel (Thee). Obenan stehen noch hier 

billige BHum Wollstoffe, welche England liefert, meist ffir sich allein 
V» der Einfuhr. Dann kommt Zucker, welchen Frankreich, neuer- 
dings auch Belgien liefert, auch nahezu ' 3. Dann folgt in grösserem 
Abstände griiner Thee. auch von England, dann Kerzen, auch von 
England, da die minderwerthigen. aber billig«'U englischen Kerzen die 
besseren fraii/<isist:heu verdrängt habt 11, dann Risen- und Metaliwaareu 
auch von Kurland und dem Deut scheu Kelche. Spanien liefert nur 
Wein für Europäer. Aus dem Deutschen Reiche werden eingeführt: 
WoUenwaaren, besonders Tuche, Eisen- und Metalhvaaren, Farben, 
Drogoen und Chemikalien, gelegentlich auch Getrftnke, Hote und 
Hobwolie, Kurzwaaren, Porzellan o. s. w. Die ganze deutsche Ein- 
Ihihr hatte 1900 nur einen Werth von 885,G05 Fres. 

Der Werth der Einfuhr war im Jahrfünft 1895—1899 folgender: 
1R9.5 . . 3 464 863 JH 
1896.... 3 326076 » 

1 897 . . 3 077 297 > Im 5jährigen Mittel also 8869465 A 
1898.... 4 526116 » 
1899.. . 5052984 > 

Die gesammte Handelsbewegung von Oasahlanca hatte also im 
5jährigen Mittel 1895—1899 einen Werlh von 8 042 975 Ä. Sie blieb 
also hinter der von Mogador, die im lOjahrigen Mittel 1891—1900 
10017 409 il betrug, ansehnlich znrOok, wird dieselbe aber bald 
enrdchen. 



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148 



Der prozentiscbe Antheil der am meisten an der Einfohr 
beiheiligtea Staaten war im Jahrfünft 1895—1899 folgender: 





Deutsche«! Ueich 


England 


Frankreich 


Spanien 


1895 . . 


7,7 % 


56,1 «Vo 


34,6 »/o 


1,6% 


1896 


7,1 » 


57,5 » 


34,4 > 


1,0 * 


1897 . . 


10,6 » 


46,0 > 


28,2 > 


1,0 » 


18d8 • • • 


6,0 > 


&5,2 > 


29,0 > 


1,0 > 


1899 .. . 


10,7 » 


52,6 t 


29,1 > 


0,0 » 



Trotzdem so das Dentaefae Reich in Bezog auf Ana- and Einfiifar 
in Caaablanca in 3. Stelle steht, nimmt der dentsche Handel und die 
deutsche Kolonie doch dort eine sehr angesehene Stellung ein. Bs sind 
nieht weniger als 6 dentsche Handelshäuser in Casablanca angesessen. 
Ein Deutscher treibt ausserdem ausschliesslich Landwirthschaft, ein 
anderer hat eine Seifenfabrik. Die Zahl der Deutschen betrug im 
Jahre 1901 überhaupt 29, davon waren 28 Bürger des Beutsclien Reichs, 
die Beamten des Konsulats einbegrit^'en. einer ein Schweizer. Sehr 
wichtig ist, (liiss das Reich ein iJerutskonsulat in Casablanca ein- 
gerichtet hat, dessen Geschäfte ein Konsul und unter ihm ein 
Dragümau und ein eingeborener Hilfsdragoman, der 8 Jahre in 
Deutschland ausgebildete Marokkaner Meludi führt Der Thatkr aiL 
und dem Geschick des jetzigen Yertreters des Deutsehen Beichs in 
Marokko ist es gelangen, es endlich durchzusetzen, dass das dentsche 
Konsulat auch ein eigenes Hans erh&lt, in der Weise, dass der Sultan 
auf seine Kosten ein solches nach den deutschen Planen erbaut und 
das Reich Miethe zahlt Dieses Verfahren wird auch den Kauflenten 
gegenüber festgehalten und gehört in das System der möglichsten 
Fernhaitang der Festsetzung der Europäer. Ausser in Tanger und 
Umgebung ist es in Marokko keinem Europäer gestattet, Hänser 
oder Grundeigenthum zu erwerben. Es kann das nur mit Erlaubnis 
des Sultans geschehen und diese wird regelmässig verweigert. Aller- 
dings wird dies Verbot, wie wir sehen werden, häufig umgangen. 
Die l uiidaks. d. h. Kaufhöfe, der europäischen Kaufleute, au.sser in 
Mugadur, wo einzelne wirklich Besitzer sind, entsprechend den 
Vergünstigungen, die ihnen sdion bei der Keugründong des Orts 
gewährt wurden, sind meist Eigenthum der Begiemng und nur 
gemietbet, aber sie zahlen, wenn die Regierung nur den Bauplatz 
gewithrt, eine Stener von 3% des Scbfttznngswerthes des Hauses. 
Damit tritt thatsOehlich, da eine Verzinsung des Baugeldes Ton 6*/« 
angenommen werden muss, eine 9"/oige Belastung des europäischen 
Besitzes ein. Auch sonst wird die Niederlassung IS^edell deutscher 
Kaufleute, die eben als die letzten am Platze erschienen sind, durch 



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149 

den Mangel an Wobnnngen and Magazinen aosserard^ntlich erschwert, 
abflicbtlich erschwei t seitens der Regierung dadnreb, daas de Erwerb 
Ton Grondbesita and Banen unmöglich macht 



19. Die marekkanischa Sdiwarzerda. 

Eines der wichtigsten Ergebnisse meiner zweiten niarokkHüiijciieii 
Furscliungsreise im Jahre 1899 war die Feststellung, dass in Marokko 
eine durch erstaunliche Fruchtbarkeit ausgezeichnete Schwarzerde, 
dort Tirs (Zirs) genannt, vorkommt ond ein betrftehtliches Yer- 
breitungsgebiet bat. Alles, was ich damals Aber diese Bodenart 
beobachtet and erlcandet habe, nebst der in der agriknltor-diemiscbea 
yersnchsstation zn Halle a. S. Ton Heim Dr. H. 0. Mfiller Yor- 
genommenen Analyse einer aus Schauia mitgebrachten Probe findet 
sich in meinem obenerwähnten Werke über die Reise auf S. 117—124. 
Zu den wichtigsten Aufgaben meiner dritten Reise gehörten weitere 
Beobachtungen über das Vorkommen dieser Bodenart. Ich habe der- 
selben denn auch besondere Aufmerksamkeit zugewendet und bin in 
der Lage gewesen, namentlich meine Vorstellunirru über ihre Ver- 
breitung zu berichtigen, die über ihre E3ntsttliiing neu zu prüfen. 
Auch habe ich eine neue Probe aus Abda mitgebracht, die zusammen 
mit einer Probe yon Hotherde aus Dnkkala wiederum von Herrn 
Dr. H. C. Müller, ansserdem aber von meinem verehrten Kollegen, 
Herrn Gebeimratb Prof. Dr. Max Bauer, im mineralogischen Institnte 
der üniversitftt Marbuig nnteraocht worden ist Ich spredie beiden 
Herren hier meinen henlichsten Dank ans. 

Wenn Uiä znnftchst auf die Verbreitung der Schwarzenle in Er- 
gftnzung dessen, was ich früher darüber berichtet habe, und unter 
Verweisung auf meine Karte eingehe, so möchte ich betonen, dass ich 
aucli diesmal südlich vom Tensift keine Spur von Schwai-zerde gefunden 
habe und dass sich auf der oberen Landstufe ganz in üebemn- 
Stimmung mit den Beobachtungen von 1899 er«;t gegen den Rand 
derselben hin und auch nur in Schauia kleinere iuselförmige Decken 
von Schwarzerde Ünden. In Ahmar, in der Umgebung des Zyma- Sees 
und bis zum Abstieg nach Abda durch den Eugpass von El Gara 
habe ich nirgends Scbwarsenle gesehen; von der oberen Stulfe von 
Dukkala glaube ich dasselbe mit einige Sicherheit vermnthen su 
können; nur in Schaala fand ich 1899, aus dem Innern kommend, 
noch auf der oberen Stufe Sehwarzerde und ebenso diesmal vom 
Ocean herkommend in derselben Gegend bei Uled Said in etwa 



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150 

50 km Abstand (Luftlinie) vom Ocean. Doch scheint dies nur 
eine Insel TOD Sdiwarzerde zo flein, die nur eine westöstliche 
Erstreckung von 13 km nnd eine noMsüdliche von 25 km haben 
dürfte. Wenig östlich von Uled Said hört sie auf und in der Um- 
gebung von Setfat fflilt sie ganz, ausser in dpr Thalsohle, wo eine 
der Schwarzerde hIhi liehe dunkle Humuserde vui kommt. Doch kann 
dieselbe ein Erzeugnis der Kultur sein. Genau wie ich schon 1899 
aunelimen zu müssen glaubte, ist somit die Schwarzerde — abgesehen 
von Tedla — auf die untere Stufe des Atlasyorlands beschränkt und 
auf diejenigen Kttstenlandsdiafteii zwischen Tensift and Sebn, deren 
Hinterland bis an den Fnss des Atlas ans Qebieten intensiyster 
Steppenbiidnng besteht. Nördlich vom Sebn fehlen diese Steppen ond 
ist das Gelände bei beträchtlicher Zunahme der Kiederschlflge hllg^elig, 
ja gebirgig; südlich vom Tensift haben die Steppen nur geringe Aus- 
dehnung und sind die Kttstenlandschaften Schedma and Haha Hflgel- 
ond Gebirgsland. 

Aber auch auf der unteren Stufe des Atlasvorlands in den 
Pi niiizen Abda, Dukkala, Schauia und Gharh seheint nach den 
dir:^iiiali2'en Beobachtungen die Schwarzerdedecke keine so grosse 
Ausdehnung zu haben, wie ich nach meinen Erkundigungen glaubte 
annehmen zu sollen. Selbst wenn man die ihr an Fruclitbarkeit 
kaum nachstehende liotlierde mit einbegreift, bleibt die wirklich mit 
Sdiwarzorde bedeckte Fllidie wol noch ansehnlidi hüiter SOOOOqkm, 
die ich früher i^anbte annehmen zn sollen, zarttck. Wichtig ist vor 
Allem, dass sich in einem ziemlich breiten Qfirtel l&ngs dem Meere, 
wie za beiden Seiten der Um-er-Bbia keine Schwarzerde zu finden 
scheint Landeinwärts von Saffi fand ich solche erst in 10 km Ent- 
fernung vom Meere bei Sidi Mohamed Scbäfe'i. und ebenso östlich 
▼on Azemur, landeinwärts von Gasablanca bei Mediuna in 16 km, 
gpgen Dar Ber Rescliid in 10 km Abstand. Auf dem linken Ufer 
der Uin-er-Rbia fehlte Schwarzerde dort, wo ich dem Strome in etwa 
2 — 4 km Abstand folgte, ganz, auf dem rechten Ufer kam auf dem 
Wege von Azemur nach Uled Said, der dem Strome in einem stetig 
bis auf etwa 15 km wachsenden Abi-tauds; nahe bleibt, nur nahe bei 
Azemur ein 10 km breiter Streifen Schwarzerde vor und dann erst 
wieder die schon erwähnte grosse Insel auf der oberen LandstalS» 
bei Uled Said. Ferner kommt in der von mir dorchzogenen 
Oegend von Dakkala anmittelbar am Fasse der oberen Stnfe entlang 
▼om Wadi Schan bis Bu-el-AwAn keine Schwarzerde vor, wihrend 
dieselbe in Abda sofort nach dem Abstiege durch den Engpass 
Yon El Qaiik anftrat und ebenso in Schania am Aasgange des 



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151 



Thaies von Settat. Bedeutende Flftcben der Kttstenlandsi haften 
entbehren also der Schwarzerdedecke. andere, deren Boden von 
der verhängnisvollen Kalkkruste gebildet wird, siii'l ödestes Steppen- 
land, das nur im Winter als Weideland dienen kann. Soweit 
meine Beobachtungen reichen, dürfte die Provinz Abda die aus- 
gedehnteste Decke von Schwarzerde besitzen. Dort durchzog ich 
vom Fuss der oberen Stufe bis 8 km von Saffi einen etwa 60 km 
breiten Landstidfen, desseo Boden dnndiweg ans Sehwarzerde bestand, 
unter welcher nnr anf kone Strecken die Ealkkmste henrortrat. 
Doch nimmt man im Lande selbst an, dass Dnkkala am reichsten an 
Schwanerde sei. Ich kann demgegenüber nnr anführen, dass ich da, 
wo ich durch Dukkala gekommen bin, am Fusse der oberen Stnfe 
und Iftngs der Um-er-Rbia, überhaupt keine echte Schwarzerde 
gesehen liabe. Doch kann immerhin der Ruf grösster Fruchtbarkeit, 
den DukkaU selbst gegenüber Abda und Schaala hat, aof die Gegenden 
begründet sein, die ich nicht geselsen habe 

Bei einer künftigen geologischen Aufiutiime von Marokko wird 
man der Ausdehnung dieses wahren Brotüözes besondere Autmerk- 
samkeit schenken müssen. 

Die Mächtigkeit der Schwarzerdedecke ist überall eine geringe. 
In Dnkkala soll sie bis 6 m erreichen. Ich habe nnr beobachtet, 
dass 2 m tiefe An&chlQsse nnr Schwarzerde seigten, ohne dass das 
Liegende erreicht wurde. Meist aber ist die Milchtigkeit geringer, 
oft so gering, dass die Unterlage zu Tage tritt nnd Kalkbrocken der 
Schwarzerde beigemengt sind Xamentlich bieten Gräben, durch 
welche man Felder. Gärten oder Duar umhegt, Aufschlüsse, lu AI I i 
habe ich iu den fruchtbarsten Gegenden und z. B. auch da, wo ich die 
nachstehend untersuchte Probe entnommen habe. etw;i GO km von der 
Küste in der Nähe des Duar des Hamed Ben Said i5el Haffian meist nur 
0,5 m Mächtigkeit, selten 1 m beobachtet, zweimal über 1 m. Be- 
deutungsvoll ist. dass ich Schwarzerde besonders Vertiefungen füllend 
fand und sah, dass ihre Mächtigkeit nach der Mitte der flachen 
Mnlden znnabm, während sie auf den flachen Hochformen entweder 
ganz fehlt oder sehr wenig mächtig ist Meist aber entspricht dem 
Auftreten Ton Schwarzerde die Gel&ndeform der tiachgleichen Ebene, 
die aber keineswegs anf Schwarzerde beschränkt ist. 

Wo die Schwarzerdedecke eine gewisse Mächtigkeit hat, ist sie 
völlig stein frei, wo sie Steine enthält, wol ansnahmslos Kalk- 
brocken, da stammen dieselben aus dem Untergründe. 

Die Farbe ist in feuchtem Zustande nahezu schwarz, in trocknem 
mehr schwarzbraun. Gelegentlich zeigten fri&cbgepflügUi Felder völlig 



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152 



und ganz intensiv chokoladebraune Farbe, offenbar der Uebergang zu den 
Botherden. Dann war sie aber aucb etwas sandig, aber völlig steinfrei. 

Ganz besonders habe ich auf das Liegende der Schwarzerde 
geachtet. Vorwieg-end. sowol in Abda. wie in Schauia, war dies ein 
weicher, weisser, bröckeliger, abfärbender, travertinartiger Kalktuflf, 
ohne Zweifel eine festländische Bildung, also der Farbe und Zu- 
sammensetzung nach scharf von der Schwai"zerde unterschieden. Die 
Auflagerung derselben ist eine ganz scharfe, unvermittelte. Zuweilen 
geht der Ealktalf in eine feate Ealkkraste Aber, welcher dann die 
Scbwarzerde auflagert. In Abda sah ich auch den pliocftnen oder 
quartttren Musdielkalksandstein gelegentlich die Unterlage der 
Schwarzerde bilden, in Sehaoia zweimal die stdlaafgerichteten Schichten 
des Grundgebirges, Thonschiefer, Kalk- und Tlionsandstein. Stets war 
also, soweit meine Beobachtung reicht, die Unterlage eine derartige*), 
dass ihre Zersetzung unmöglich eine solche Schwarzerde liefern kann* 

Ueber die Zusammensetzung derselben geben uns die IJnter^ 

sachungen der Herren Müller und Bauer Aufscbluss. Wenn ich zu- 
naf-bst dinjenige des Herrn Dr. H. C. Müller folgen lasse, so ergab 
dieselbe lolgende chentische Zusammensetzung, der ich zum Vergleich 
die der 1899 untersuchten Schwarzerde von öchauia beifüge. 



Chemische Zusamme 



1. Von Ahda. 





0,110 •/# 




0,128 « 


Kalk 


1,070 „ 


Kali 


0,324 „ 




0,727 „ 




OJ72 




ii,5n „ 


Tlionerdeoxyd 


5.^99 ., 




5,87() .. 


Organische Substanzen 





tznng der Schwarzerde. 

2, Von Schania. 

Stickstoff 0,023 */• 

Fhosphorsfture 0,090 „ 

Kalk 2,640 „ 

Kali 0.452,, 

Magnesia 1^68 „ 

Schwefelsäure — „ 

Eisenoxyd und ( \4\4 

Thonerdeoxyd S ' " 

Wasser . . — „ 

Orgauisciie Substanzen 
und flüchtige Stoffe 17,94 „ 



') AnmeifcttOg bei der letzten Konditnr. In dem eben encbieneik Boll. Soc. 

Gcogr. li' Alger 1902, 2*"Trim. S. 169 äussert sich ein französisclier Geologe, A Brives 
in einem, weite Ausblicke eröffnenden, leider der Belege entbehrenden Aufsatze auch 
Uber die Entstehung des Tirsbodens, dessen Fruchtbarkeit von aUen Reisenden festgesteUt 
wocden sei. Meines Wiaeens kt Quedenfietd der einige, der vor mir «och nur den 
Nameo genannt hat. Brives weist meine Ansicht zurück, behauptet, diese Schwarzerde 
komme nur auf Schiefem vor — gemeint sind die alten Schiefer des Giundgebiiges — 



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153 



Als besonders cliarakteristisch und w-ichtig wnrde die ^sse 
Wasserkapazität dieser Schwarzerde von Scliauia bezeichnet und ein 
Vergleirli mit für die besten deiitsclien Ackererden typischem JS^ormal- 
lösslehmboden ergab, dass die Was.serkapazitiit dieser Schwarzerde 
betrachtlich grösser war, indem 100 gr derselben 70 gr Wasser fassten, 
von jener nur 54 gr. Ebenso war der Gehalt an organischen 
Substanzen and flachtigen Stoffen mit 17,94 % beträchtlich grösser als 
bei jener mit nur 10—12*/«, der GMialt an Fhosphoraflnre, Ealk» 
Kali nnd Magnesia anniberod gleich, der an Stickstoff bei der Schwarz- 
erde wesentlicli geringer. Die Seliwarzerde von Abda zeigt gegenllber 
der Ton Schania vor Allem einen geringeren Qebalt an organischer 
Substanz, an Eisenozyd und Thonerdeoxyd, an Magnesia, Kalk und 
auch Kali, besitzt aber höheren Gehalt an Phosphorsäure und vor 
Allem an Stickstoff. Es kann dieselbe ebenfalls als nftbrstoffireicher 
Boden bezeichnet werden. 

Die mikroskopische Untd sm dt^ Herrn Prof. M. Bauer 
zeigte zunächst, dass diese Tirserde aus einzelnen Klttmpchen besteht: 
Quarzkörnchen, die durch ein reichliches dunkelbraunes Bindemittel 
lose verkittet sind. Dazwischen lagen einzelne Pflanzenreste, Holz- 
theilchen u. dergl. Mit Salzsäure behandelt erfolgt kein Aufbransen. 
Geglflht, mtä die Farbe viel heller, gelbbraun, es zeigt sich aber kein 
Aufglimmen, wie bei Her auch unteisnchten Botherde. Belm Glühen 
wie hei der Behandlung mit Salzsäure zer&llen die Klttmpchen etwas, 
aber nicht ganz. Nachdem durch Gltthen und Brendeln des Gelohten 
mit Salzsäure die braune Substanz zum Theil zerstört und entfärbt 
ist, lässt sich die Natur der Quarzkörner unter dem Mikroskop dent* 
lieh erkennen. Sie sind sehr stark abgerollt und enthalten weder 
scharfkantige Splitter noch scliarf begrenzte Krystalle beisrpmpugt, 
wie bei der Rotherde, aucl) keine andern bp>;tinimbaren Mineralien. 
Eä blieben auch hier einzelne undurchsichtige dunkelbraune Körncheu 
zurück. 

Es besteht also diese Schwaizerde wie die Rotherde überwiegend 
aus vollständig abgerollten Quarzkörnchen, denen aber nach Dr. Müller's 
Analyse 22,684 % Fremdes (Organisches etc.) beigemischt ist, sodass 
77,316% Quankömer yoihanden wftren. Unter dem Mikroskop tritt 



«114 «d m Ort and SteUe entstanden, es sei mindestens absonderlich, dass der Wind 
eine so ausgeprÄgte Vorliebe für die Schiefer habe. Er erklSrt den Tirsboden kurz 
gesagt, für eine Mourerde. Ich gestehe, dass ich diese Vorstellung selbst eine Zeit lang 
gehallt liabe, Bamenflidt mcb dem, m» ich im Gcbtct der BeDt Ahsen sah, aber auf- 
geben nvnle. Herr Brives hitte das Schwarzerdevoiltoiiiinen hivfiger sehen und die 
AMlysen heaehten sollen, ehe er so schiff artheflte. 



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154 



dieser Unterscliied ebenfalls heiTor: darnach geschätzt, sclieiiit die 
braune, staubartige Substanz zwischen den Quai-zkörneni hier ent- 
s( hieden reicliliclier vorhanden zu sein, als bei der Rotherde. Dazu 
möge bemerkt werden, dass auch die Schwai-zerde von Schauia über- 
wiegend aus Quarzkörncheu besteht und 13,4 <'/o Feinsand, 61,5 
Stantsand, 23,4 *^ absdilftninbar und soinit nur 1,7% von etwas 
bedentenderer EorngrOsse waren. Aber iDimertiin blieben anf einem 
Siebe Ton 6 mm Masehenweite nur 0^ ^k. 

Was die Entstelinng dies^ Scliwanerde anlangt, so liabe ieh 
mich früher dahin ausgesprochen und eingebend zu begründen ver* 
socht, dass es sich um Staubablagernngen aos dem inneren Steppen- 
gebiet handelt. Meine^ diesmaligen Beobachtungen über die Art ihres 
Vorkommens und ihrer Verbreitung haben mich noch mehr in dieser 
Anschauung bestärkt. Die organische Substanz ist theils örtlichen 
Ursprungs, theils in der Form von Staub schon aus den Steppen 
herbei gefü Ii rt, denn die ganze Vegetation, die sich dort im Winter 
und FiuliÜDg bildet, zerfällt im Suuinier völlig in Staub und wird 
davongeftthrt. Herr Geheinirath Bauer, der ganz besonders, wie wir 
sehen, betont» dass die Qnankdrnehen TolletAndig abgerollt sind, 
meint, sich einer ftolischen Bildung dieser Erdart vorläufig desbalb 
noch nicht ansebliessen zn können, weil die Qoarzk5mcben jedenfalls 
eine lange Bewegung im Wasser erlitten haben mttssten, sonst könnten 
sie nicht so Tollkommen abgerollt und abgesehliifen sein. Sollte dieses 
Abrollen und Abschleifen wirklich nur als Wasserwirknng aufzufassen 
sein? Sollte der Wind nicht dieselbe Wirkung zu erzielen im Stande 
sein? Doch wol! Auch der Wind kann abschleifend wirken, denn 
jedes dieser (^uarzköi-nchen hat unendlich oft seinen Ort gew-echselt 
und ist in den Steppen dun-li di^ Siaubtroniben, die ich so oft beob- 
achtet habe, so und so utt wiiltelnd in die Höhe gehoben, davon- 
geführt und wieder abgelagert worden. Dies Spiel hat sicli unzählige 
Male wiederholt, bis dieser Staub endlich aus den Steppen hinaus- 
gefllhrt und in dem Rflstengflrtel abgelagert wurde, wo er anter 
gflnstigen Bedingungen endlich dauernd festgehalten wurde nnd dorch 
immer neue Zufbhren schliesslich eine Decke bildete. Diese 
Bedingungen waren gebildet zunächst von flachen Mulden nnd 
Ebenen, wo jede Da?onführung durch rinnendes Wasser aus- 
geschlossen war. Wir sahen ja, dass die Küstenlandschaften von 
Abda bis Gharb der Bäche und Flüsse bei tafellagernden Schichten 
durclilä.ssiger Gesteine, die die Oberfläche bilden, im giussteu 
Theil ihrer Ausdelnuing ganz entbehren. Nur am Rande, sowol der 
oberen wie der unteren Stute, Huden sicii üeitweiiig liiessende liinusale. 



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165 



Erstere versies^n bald in der vorliegenden Ebene, Ten leteteren 

führen einige dauernd Wasser, weil sie yoq Quellen gespeist werden, 
die sich auf dem undurchlässigen Grundgebirge entwickeln. Im Bereich 
dieser dauernd oder zeitweilig rinnenden Gewässer fehlt die Schwarz- 
erde, ganz besond^^rs in einem Oürtel längs der Um-er-Rbia, weil dort 
in bewegtem Gelände das spülende Wasser ihre Ansammlung unmöglich 
macht. Das durchschnittene Gelände ist wol der H;uiptgrnnd. dass 
Schwarzerde in Schedma ganz fehlt und in II aha wahrscheinlich 
fehlt. In Mtuga, das im Wesentlichen ein Tafelland zu sein scheint, 
kAnito Sdiwarzerito vorkomneD. Noeh mehr Gewicht wie anf die 
Bodenplastik, lege ich aber auf die öftere and reichlichere Darch- 
feuchtiiDg des Bodens im EflstengQrtel, sowol darch die dort 
reichlichen Winterregen, wie dorcfa den Than, dessen Vorkommen niid 
Bedeutung ich früher ') dargelegt habe. Auf dem feuchten Boden 
wurde der Staub, sowol unmittelbar, wie mit Hilfe der eich 
entwickelnden Vegetation, festgehalten. 

Ganz neuerdings hat diese meine Ansebannng, die Schwarzerde 
als flolisehe Bildung zu erklären, eine Bestärkung erfohren, dnrch 
die ausserordentlich anziehende und vielseitig wichtige Unlersachnng 
von 6. Hellmann und W. Meinardus über den grossen Staubfall vom 
9. bis 12. März 1901 in Noi-d-Äfrika, Süd- und Mitteleuropa«). Ich 
halte den dort versuchten Nachweis der Herkunft jenes bis nach Nord- 
deutschland verfrachteten tStuubes aus der Sahara für durchaus erbracht, 
namentlich da icli selbst anfangs April 188(3 einen solchen Staubsturm 
mit durchaus den gleichen Begleiterscheinungen an der kleinen 
^rte beachtet habe und die Luftdruck- and WittemogsverhäUnisse 
in Sttd-Marokko, wo ich eben in jenen Tagen reiste, anf die Sahara 
als Ansgangsgebiet eines grossen Lnftwirbels schliessen Hessen. Die 
üntersncbong zahlreicher Staubprobeu ?on Nord-Afrika bis Nord- 
deatscbland ergab, dass überall Quarz der Hauptbestandtheil des 
Stanbes war, dass yon Süden nach Norden eine Saigerung der Stanb- 
massen nach dem specifischen Gewicht und der Korngrösse ihrer 
Bestandtheile stattfand, ebenso eine Abnahme des Quarzgehalts nnd 
eine Zunahme des Thongehalts. Der vStaub wird nach Norden bin 
feiner. Wenn dies aber (S. 9()) durch ein Herausfallen der grosseren 
Quarzsplitter und ülimuierblättchen erklail wird, so ist das gewiss 
nicht die einzige Ursache, die gegenseitige Keibung derselben ist 



ZeitiGlilift der GcMUiduift (ttr Erkniide in Berlin. Jahif . 190I, S. 398. 
*) Abh, des KOnqtl. Praasi. Mcteonil. Init.» Bd. II No. 1. Bcrfiii 1901. 



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166 



mindesten ebenso wiclitig. Zu der Probe von Bergedorf (S. 61), also 
an der Nordgrenze des Verbreitungsgebiets der Staubfälle, wird aus- 
drücklich liervorgehoben. dass viele der niittplpi-ossen Quarzsplitter 
(0,01—0,02 mni) deutlich kantenbestossen bis hübsch abgerundet sind. 
Von einer in Piedimonte d Aiife, 80 km nördlich von Neapel, d. b. 
noch etwas nördlich von den mittleren Breiten des Verbreitungs- 
gebiets der Staubialle gesammelten Probe, sagt Prof. Früh in Zürich 
(8. 59), dass manche, oft ziemlich viele Quarzkömer von 0,03—0,04 mm 
dentiieh kaDtenbestoaseu oder allseitig abgerundet sind, was auf 
einen grosseren Weg oder Tiel&ehe YerfrachtaDg innerhalb Staub* 
wollten hinweist. Ancb sonst wird vielfach die Abrandnng der 
Qnarzkörner und die Aehnliclikeit mit dem feinsten Löss betont. 

Mit der Schwarzerde vielfach vergesellschaft» aber auch ohne 
solche kommt in den Kastenprovinzen von Marokko auch Roth erde 
A^or, dort Hamri genannt. Auch das ist eine bei genügender Befeuchtung 
sehr fruchtbare Bodenart, in trockenem Zustande meist locker, staubartig, 
etwas feucht bröcklig, knollig, von einer Farbe, die sich vob hell- m 
dunkelroth abstuft, selten steiufrei, was abei auf der raeist geringen 
Mächtigkeit dieser Bodenart beruht, iu Folge dessen ihr Steine aus dem 
Untergrunde beigemengt sind, vorzugsweise kantige Kalksteinbrocken, 
aber wie im sidwestUciien Schania, auch kantige Bmehstacke eines 
harten Thonsandsteins. Dort war diese brannrothe Erde derartig 
stanbartig looker, dass die Beitthiere tief einsanken nnd Wind 
sofort grosse Mengen au^iefaoben und davongeflihrt haben würde. 
Sie ist wesentlich weiter verbreitet als die Schwarzerde und kommt 
auch sttdlicb vom Tensift in Schedma vor, allerdings auch nur in 
der Ebene. Doch glaube ich, dass unter dem Namen Hamri alle 
mehr oder weniger feinerdigen, bald mehr, bald weniger sandigen und 
thonigen Bodenarten rother Farbe, aber ganz verschiedener Flnstehang 
zusammengetasst woiden. Solche llotherden sind im Mittelmeei gebiet 
weit verbreitet. P^ine derselben wird geradezu als Terra russa 
bezeichnet und nach meiner Ansicht mit Recht als der unioslichu 
Rttckstand verwitterter Kalksteine aufgefosst, hftnüg unter dem 
Mnflosse des Windes nnd des spttlenden Wassers ntugelagert nnd 
Hohlformen füllend. Ich zweifle nicht, dass in Marokko derartige 
echte Terra rossa vorkommt. In Spanien sind nach E. Ramann *) 
Botherden in der Umgebung der Steppenböden weit verbreitet Sie 
sind gekennzeichnet durch Reichthum an Eisenverbindungen und in 
Folge der Armnth an hamosen Stoffen durch belle, leuchtende Farben, 

0 Zeüscbrift der Gesellschaft fUr Erdkande ia Berlin. Jahismg 19M, S. 166. 



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157 



urelcbe zwischen gelb und rothbrann schwanken, znmeist aber ein 
helles Bostroth zeigen. Vielleicht kann die Untersnehnng der von 

mir aus Dakkala, 26 km südöstlich von Azemnr, etwa 4 km vom 
linken Ufer der Ura-er-Rbia mitgebrachten Probe etwas zur Klärung 
der Frage über die EntsteUaiig, wenicrstpns einer dieser besonders in 
wärmeren Gegenden verbreiteten "Rothe] len beitragen Die TTnter- 
lage derselben ist, soweit ich habe beobachten können, die gleiche 
wie bei der Schwarzerde. 

Nach Herrn Dr. H. C. Müller's Untersuchung hat die Eotherde 
von Dukkala folgende ehemische Zusammensetzung: Stickstoff 0,\60°/q, 
FhosphorsflnreOfOdd*/«, Kalk 2,050*/«, Kali 0^295*/«, Magnesia 0,374%, 
SchwefBlsAare 0^175*/o, Eisenoxyd 1,775*/«, Thoneideoxyd 2,105*/«, 
Wasser 2,012*/«, Organische Substanz 4,670*/«. Danach mnss die- 
selbe ebenfiills als eine an Nährstoffen reiche Bodenart bezeidinet 
werden. Gegenüber der Schwarzerde zeigt sie wesentliche Unter- 
schiede bezüglich des Gehalts an Magnesia, Thonerdeoxyd nnd 
Wasser, der nnr halb ?o gross ist, an Eiseuoxyd nnd organischer 
Substanz, der auch wesentlich geringer ist, während der Kalkgehalt 
doppelt so gross ist, Eigentliümlich ist namentlich das Anftreten von 
zahlreichen Aggregaten von kohlensaurem Kalk, die in den beiden 
iSchwarzerdeproben fehlten. Das bisst schliessen, dass diese Rotheitle 
noch nicht so intensiv zersetzt und ausgelaugt ist. Auf meine aller- 
dings mit lebhaftem ZweAM gestellte Frage, ob es nch nicht doch 
vielleicht nm die als Terra rossa bezeichnete Botherde handele, 
glaubte Herr Dr. Mflller sich einer Bntscheidang enthalten an sollen, 
allerdings nnter Hinweis auf aas Brasilien stammende Pkvben, d. h. 
Laterit. 

Herr Geheimratb Bauer theilt mir als Ergebnis seiner Unter- 
snehnng mit, dass sich diese Rotherde unter dem Mikroskop als ein 
Gemenge von weitaus überwiegenden QuarzkfJrnchen mit viel brauner 
staubförmiger Substanz drtTstrllt Mit Salzsäure erfolgt rasches Auf- 
bransen. das von staubföi iniiren Tiicilchen ausgeht und auf das Vor- 
handenseii» von Kalk, aber in sehr feinei- Vertheilung. nicht in 
grösseren Stückchen hinweist. Beim üluheu wii-d das dunkelbraune 
Pulver viel lichter, geblichbrann. Die organische Substanz verbrennt 
und man sieht beim Glühen fortgeseist einaelne Fartieen aufglimmen, 
bis alle organische Snbstans fort ist. Die geglühte und mit Salzsäure 
bebandelte Eide Iftsst nnn die Natur der QuankOmchen deutlich 
erkennen. Sie sind allermeist gerollt, doch sind auch sehartkantige 
Splitter dazwischen, die aber wol nur Bruchstücke zerbrochener 
Körnchen darstellen. Dazwischen liegen einaelne nicht zu spSrliche 



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ganz schfirfum^nzte QuarzkrystRlldien, ohne deutliche Spuren von 
Abrolliiii?^, begleitet von wenigen Konirlipii nnderer Mineralipii, unter 
denen Ei^idot erkennbar ist. Reichlicliei .siiul winzige, undurciiaichtige 
braune Körnchen, die sich nicht bestimmen lassen. 

Herr Geheimrath Bauer ist demnach der Meinung, dass diese 
Erde der Hauptsache nach ein Quarzsand ist, dem organische Sub- 
stanzen (Homofi) and aneb anorganische fremde Bestanddieile in 
irgend einer Weise beigemengt sind. Nehmen wir an, dass alles, 
was nicht Qom ist, zusammen (nadi Dr. MQller's Analyse) 18,71 
betrAgt, dann wllren 86^d% Qoarzkömer Torhanden nnd dem wflre 
der milcroskopische Befund nicht entgegen. Demnach ist es in der 
That, wie Herr Qeheimrath Bauer sagt, ganz ausgeschlossen in dieser 
BAtbeide Terra rossa zu sehen, denn was ich in Italien von Terra 
rossa gesehen habe, entspricht der allerdings nicht allgemein an- 
erkannten Zurückfühning dieser f!o Innart anf den unlöslichen 
Rückstand chemisch verwitterten Kalksteins. Sie kann daher nicht 
wie (lu llanirierde ein A{rp:lomerat von Quarzkurnchen sein, sondern 
ist tlmtsachlich von tliuiiiger, schlammiger Beschaffenheit. Leider 
war weder in Marburg, noch, was gewiss auffallen masSj im land- 
wirthschaftliehen Institut zn Halle typische Terra rossa, diese 
ftr den Ackerban der Mittelmeerländer so wichtige Bodenart, snm 
Yerglach vorhanden. 

Ich mnss mich dem ürtheile des Herrn Qeheimrath Baner, dass 
diese Rotherde unmöglich aus der Kalkunterlage entstanden sein 
kann, durchaus anschliessen. Einzelne Theilchen, die dann das Auf- 
brausen mit Salzsäure bedingen, mögen aus derselben beigemengt 
sein. „Sie muss ans einem qnarzhaltigen Gestein, Granit, öneiss 
oder auch Sandstpin entstanden sein, nnd die Quarzkomchen sind 
sicherlich weithergt tulirt da sie völlig abgerollt sind''. Letzterer 
Eigenschaft wegen m iiif HeiT Geheimrath Bauer auch hier Ver- 
frachtung durch Wasser annehmen zu sollen oder wenigstens die 
Qaarzkörnchen müssten vor dem Lufttransport eine lange dauernde 
Bewegung im Wasser erlitten haben. Wie schon oben angedeutet, 
halte ich derartige Abmndung auch durch immer erneute Verfiraehtung 
durch die Luft f&r möglich. 

An quanhaltigem Qesteln ist in den Steppen des Innern bis an 
den Fuss des Atlas kein Mangel. Sowol das, wie ich gezeigt habe, 
in grosser Ausdehnung, und zwar vorwiegend durch die Agentien 
trockener Erdgegenden, besonders den Wind abgetragene Deckgebirge, 
wie das dadurch blosgelegte Grundgebirge bestehen zum Theil aus 
Saudsteiueu, und unter den GeröUeo, welche die Atlasflüase noch 



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169 



hente anf der subatlantiseben Hochebene ablagern, aber namentlicli in 
der Diluvialzeit in nngehenren Mengen abgelagert haben, ftmd ich 
Granit reichlich vertreten. Hier wäre also Abrandung durch 
Wasser möglich. An Bezogsquelle?i für die Qnarzkörnchen, aus 
denen somit yoi^.nj^HWpise sowol die Schwarzerde, wie namentiich 
diese Rotherde besteht, fehlt es also im Hinterlaode der Kösten- 
provinssen nicht. Ich bin danach geneigt^ auch dieser Rotherde 
äolische Entstellung /.uzuschreibeu. d. h. dieser, aber durchaus nicht 
allen in Marokko yorkommenden Botherden. Es ist ttber die Roth- 
etde, wie tt)»er die Seliwarzerde der Fonehoiig hier noch ein weites 
Feld geboten. 



20. Das marokkanisclie Schutzwesan. 

In allen Staaten, in welchen so mittelalterlinhe Zustände sich 
in die Gej^enwart hinein erhalten haben, wie in Marokko, worden 
unvermeidlich und ininif-r wieder b^i den Theilen der Bevölkerung, 
welche unter der behteheuden Willkuiiierrschaft am Meisten zu leiden 
haben und durch ihre Beziehungen zu den Europäern die Möglichkeit 
erkennen, sich dieser "Wülkurherrscliaft zu enlzielien, Bestrebungen 
hervortreten, sich unter den Schatz einer fremdeu Macht zu stellen. 
Äneh das Interesse der in Marokko tliftiigeu Fremden legt denselben 
nabe, ihren Handelsbeiiehnngen eine sichere Grandlage dadureb zu 
geben, daas sie gewisse Eingeborene als Yermittler, Einkftnfer and 
deigleidien dauernd an sieh fesseln und Tor Störungen in dieser ihrer 
Tbatfgkeit za sebtttzen snebei) Ans diesen Zustanden nnd Bedarf- 
nissen heraus hat sich so auch in Marokko nmsomehr, je mehr 
dasselbe, mochte es wollen oder nicht, in die allgemeine Handels- 
bewegung bineingezogen wurde, ein an Ausdebining immer n»ehr 
zunehmendes Scliutzverliältnis zvvisdien Eingeborenen mv\ Fremden 
bezw. den Staaten, denen diese angehören, entwickelt. Wenn ich als 
Geograph diesen Dingen Aufmerksanjkeit geschenkt habe, nnd meine 
Beobachtungen hier mittheile, so geschieht dies lediglich, weil ich 
erkannte, dass diese Vorgänge auch eine gewisse geographische 
Bedeutnng haben. Dnrch GKswAbrnng von Schutz seitens der ehrist- 
lichen Mächte konnten es immer zablreiebeie Eingeborene wagen« sich 
aas ihrem Boarverbande loeznUisen nnd anf ihrem Grand und Boden 
selbständig niederzulassen. So sind namentlich im Hinterlande von 
Oasablanca zahlreiche, oft von Wall und Graben umschlossene, mit 
einem Thnrme bewehrte Einzelhöle entstanden, die der ganzen 



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160 



Landschaft einen anderen Charakter geben. Dort verschwinden die 
Döifer und lösen sich in Gutsbeziike auf. Es entsteht so eine Gross- 
giuüdbesitzerklasse, die im eigenen Interesse auf Rulie und Frieden 
hält, eine, bei dem im allgemeinen friedlosen Charakter der Marokkaner 
bwleut^ame Erscheinung. Der Anbau und der Wohlstand alsd aiirh 
die Aufnahmefähif^keit der Bevölkerung für Erzeugnisse europaischen 
Gewerbfleisses ist dadurch ausserordeutlich gestiegeu und es beginnen 
sich örtlich recht merkbare soziale Unterschiede aoszabilden, je nach- 
dem einer Kabyle zahlreiche Schutzbefohlene angehören oder nicht In 
letzterem Falle enthftit sie ausser dem Eaid iiut nnr Arme, ausser 
wo es eine Kabyle^ wie z. B. Siaida in Schania, Termocht hat, eine 
tiefergreifende Einmischnog des Snltans in die wirtbscliaftlicben 
Verhältnisse abzuwehren. Da haben sich noch die alten Siedelungs- 
und Wirthschaftsverhältnisse erhalten. Da hat jeder selbständige 
Dorfgenosse Autlieil an der Feldmark, geniesst mit .meinem Vieh den 
Schatz des Zeltringes und erfreut sicli eines gewissen Wolstandes. 
Die marokkanische Regierung ist begi-eiflirlier Weise mit nllen 
Mitteln bemüht, diese Bewegung, die immer /al lrvichere Unterthanen 
ihren Eingriffen entzieht, einzudämmen, obwul aui h sie davon Vortheil 
hat, denn schon jetzt erkennt man, daäs die Provinzen, in welchen 
fremde Schutzbefohlene, d. h. wo Iieute, die etwas zu verlieren haben, 
in grdsserer Zahl wohnen, auch die ruhigsten sind. Aoeh Erträge 
yon Steuern und Zöllen wachsen. Für den Forschungsreisenden ist 
das Vorhandensein von christlichen Schntzbeibhlenen von grossem 
Werth, wie ich selbst so und so oft erlhhren habe, denn er wird von 
diesen bereitwilligst Förderung jeder Art geniessen, wobei es fast 
gleichgiltig ist, ob der Betreffende gerade Bürger desjenigen Staats 
ist. der dem Eingeborenen Schutz gewährt. Diesem kommt es bei 
seinem Entgegpiikommen wol weniger darauf an, seine Dankbarkeit 
zu zeigen, als seiner Umgebung und den örtlichen Machthabern zu 
veranschaulichen, dass er Schutzbefohlener einer fremden Macht ist 
und als solcher eine Soiidti Stellung hat. 

Zur Anbahnung eines SchutzverhälUiisses ist also das Vor- 
handensdn von Beziehungen zwischen einem Eingeborenen nnd 
einem europäischen Handelshaose die Voraussetzung. Letzteres 
▼ermittelt beim Konsul nnd bei der Qesandtsohaft in Tanger die 
Untersehutzstellnng nnd die Eintragung in das Verzeichnis der 
Schützlinge. Der Schützling ist also nothwendig in einem gewissen 
AbhängigkeitsTerh&ltnis zu dem Handelshanse und seinem Vertreter, 
in dem Maasse, dass man gemeinhin den Eingeborenen nicht als 
deutschen, engUscben etc., sondern als Schutzbefohlenen des betreffenden 



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161 



Eaafmanns bezeichnet, wobei der Deutsche aelbstTerstftiidlich, daftr 
ist er Deatscher, niemalB des deatsche Wort, sondern stets das 
französisebe Proteid gebraucht So erklirt es sich, dass der Ein- 
geborene, wie er einerseits selbst unter n rossen Opfern bemfiht ist, 
fremden Schatz zu eriangen, der ihm Sicherheit seiner Person und 
seines Eigenlhums gegenüber den bliitsangerischen Behörden gewährt, 
andererseits es sich angelegen sein lassen niuss, sich das WolwoUen 
seines Schutzlierrn (lauernd zu sichern. Damit ist der Anstois zu 
hus.serordentlichen Missbräuchen gegeben. Es sind mir Fälle erzählt 
worden, auch ganz aus neuerer Zeit, dass ein Europäer einen Ein- 
geborenen, der durch ihn den Schutz seines Staats erlangt hatte, an 
den Kaid yerkaufte, d. h. er üess sich Tom Kaid eine bedeutende 
Summe auszahlen gegen die Yerpfiiehtnng dafür zu sorgen, dass dem 
Schützling der Sdiuts wieder entzogen wnrde. Dieser war damit 
Yogelfrel, der Kaid steckte ihn unter dem eisten besten Torwande 
in's Gefängnis, in dem er verkommen konnte und zog seinen ganzen 
Besitz ein, wodurch er natürlich die Summe, die er für Ueberlassung 
dieses modernen Sklaven gezahlt hatte, mit Wncherzinsen zurück- 
erhielt. Andererseits giebt es Europäer, ja früher vorzugsweise sogar 
die Konsuln gewi*<.ser Staaten — namentlich sollen Vertreter von 
Brasilien, Portugal und den Vereinigten Staaten, also Staaten, die 
thatsächlich so gut wie keine Interessen in Marokko haben, dies 
eifrig betrieben iiabeu — , die die Erwirkung und Vermittelung 
des Schutzes einer christlichen Macht zum reich lohnenden Geschäft 
machten. Natürlich war damit Anlass zu unaufhörlichen Beibungen 
zwischen der marokkanischen Begierung und ihren Organen einerseits, 
den Europaern und ihren Gesandtschaften andererseits geboten, was 
Gesandtschaftsreisen an den Hof des Sultans und Erscheinen von 
Kriegsschiffen vor den marokkanischen Küstenplätzen zur Folge hatte. 

Diese Üebelstftnde führten dazu, dass im Jahre 1879 durch 
Besprerhungen der europäischen Gesandten in Tanger und daran 
anscliliesspnd durch eine Konferenz eiiropnisrlier Bevollmächtigter und 
marokkanischer Vei t reter in Madrid lb8U das Schutzrecht der 
europäischen Mächte amtlich anerkannt und geordnet wurde. Doch 
wurde darnit das angestrebte Ziel nur sehr unvollkommen erreicht, 
da die Bestimmungen mangelhaft eingehalten wurden. 

Dass die marokkanische Regierung und speciell die Kaids um 
jeden Preis zu verhindern suchen, dass Jemand unter europllischen 
Schatz gestellt wird, ist von ihrem Standpunkte aus begreiflich. Sie 
betrachten die fremden Schutzbefohlenen als ihre natürlichen Feinde 
und umgekehrt. Es genügt« dass Enropfler etwa einen hübschen 

lltnlMlhiag«a XVIII, tliwbaM riwlMr. U 



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102 



Pankt in der Nähe einer der Kttstenstädte öfter besaebe» tmd 
dadurch ein freundschaftliches Verhältnis zu den Eingeborenen, die 
so ihre Erzeugnisse in g^ites Geld umsetzen können, angebahnt wird, 
den Kaid zu bestimmen die Leute derartii^ zu drangsaliren. dass 
sie schliesslich selbst die Europfter bitten nicht wieder zu kommen. 
Aehnlich, nicht aus Christenhass, ist wol aucli das früher geschilderte 
Verhalten der Bauern von Aln-el Hadschar zu erklären. In der 
Tlial ist auch im Hinterlande von Mogador die Zahl der europiUschen 
SchntKbefbblenen gering and ist es den Eaids bisher nocb immer 
gelungen, alle FestsetsungBYersache der Eoropäer, Yersache Omnd- 
berits zu erwerben und HAnser za bauen, zn vereitdn and man 
glaabt» dass das sogen. Falmtrediense, das za banen nnd zn efweitem 
eine ungewftbnlicbe Zähigkeit erfordert hat, Uber kurz oder lang von 
der Begierung angekanft werden wird, natürlich am es za zerstören 
oder verfielen zu lassen. 

Gerade seit der Madrider Konvention von 1880 hat sich die 
Zahl der Sdintzbefohlenen ausserordentlich vermehrt, wenn auch dem 
obenerwähnten Missbrauche Einhalt gethan worden ist. Es muss 

auch herv'oi'gehoben werden, dass man gerade von deutscher 
Seite ausseroiikntlidi vorsichtig: nnd zurückhaltend in Bezug auf 
SchutzenheiluiiiT j^pwpsfn ist. Man gewiilirt den Schutzsrbein nur 
im Falle wirklich und klar «adigewieseneu Bedürfnisses und iiiinu r 
für jedes Handelshaus nur in beschränkter Zahl, während engliv In 
Firmen an 100 Schutzbefohlene haben. Das ist gewiss anstündig 
und ehrenhaft) aber ob die marokkanische Regierung für dies Yer- 
bhren Verständnis hat und ob es dem deutschen Handel im harten 
Wettbewerb mit dem englichen förderlich ist« das Ist die Frage. 

Dass die Vermehrung der euiopäischen Schutzbefohlenen daä 
seit etwa 20 Jahren immer mehr hervortretende Eindringen des 
europfliacbeu Handels bis tief in*8 Innere tou Maroklco allein 
ermöglicht hat, unterliegt keinen ZweifeL 

D&a Schutz wesen, wie es heute besteht, hat sich seit Mitte des 
19. Jahrhundert allmlUilich ausgebildet Den Eingeborenen kam es 
dabei vor Allem um Schutz gegenüber der willkttrlichen Besteuerung 
seitens der Begierung an, um Lahmlegung der marokkanisdhen 
FOlizeigewalt, w&hrend die Schutzgewftbrung den Schtttzling dem 
marokkanischen geistliehen Gerichte nicht entzieht. Derselbe unter- 
steht thatsächlich heute, wenigstens nach der allgemeinen konsularischen 
Pi-axis, vielfach der Gerichtsbarkeit des Schutzstaats nicht. In vielen 
F&Uen wäre das auch unmöglich, denn wie könnte man, beispiels- 



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weise, einen Marokkaner wegen Bigamie belangen, ihm einen Md 
abnehmen and dergleichen mehr. 

Der Schatz gilt als lebenslänglich eithettt, ist sogar erblich, 
nicht nur für den eigentlichen Rechtsnachfolger, sondern in gewiBsen 
Grade selbst für die übrigen Faniilienglieder. Doch kann ein 
Sclnitzling den Rclmtz der einen Maclit mit dem einer andern 
vertaut^chen. Wird son;if dtr Schutz wieder entzogen, so kann das 
nur als einer Bestrafung autf^efasst werden. Liegt für eine solche 
kein Orand vor, und wird dem entlassenen Schützling nicht Zeit 
gelassen sich anderweitig Schutz zu verschaffen, so zieht man die 
obenangedeuteten Schlüsse. Eine gewisse Ausnahmestellang nehmen 
die Jaden ein. Unter diesen findet jetaet eine lebhafte Wandwang 
am dem Innern in die Eflstenstadte statt, wo sie sich eine wichtige 
Stellong als Zwischenhftndler erworben haben nnd sich besonders mit 
Hilfe der Ton der Alliance Isra^tte errichteten französischen Schalen 
zum Theil rasch europäisiren. Namentlich der junge Nachwuchs tritt 
daher jetzt schon vielfach in gefilhrlicben Wettbewerb mit den 
Europäern. Viele von ihnen wandern wol auch auf einige Jahre 
nach Brasilien aus — dies erklärt die in der brasilischen Ein- 
wanderungsstatistik so auffällige Eiinvandernn^ ans Marokko — und 
kehren als bras-ilisclie. Burger zurück. Andere erlauben wol auch 
auf kürzerem Wege brasilischen Schutz. Da die Juden sich nach 
alter Ueberlieferung freiwillig uuiei den besonderen Schutz des 
Sultans gestellt haben, so herrscht die Anschauang, dass sie auch 
fkreiwillig diesen Schnts mit einem andern Yertanschen künnen. Und 
so setit die marokkanische Begiemng merkwftrdigerweise kein 
Hindernis entgegen, wenn die Jaden fremden Schuld suchen. Daher 
ist die Zahl der Juden, welche solchen gemessen, sehr gross. 

Eigentliche volle kaufmännische Schutzgenossen sind nur die 
Semsare, die als Makler und Einkäufer dienen, deren vertragsmässig 
jedes Handelshaus eigentlich nur 2 haben sollte. Doch scheint die 
Handhabung örtlich verschieden zu sein und viele haben deren mehr, 
4, ja n. Zu diesea kommt aber die viel zahlreicliere Klasse der 
Mochalata (ein Ausdruck der wörtlich etwa Konnexion btdeulet) 
hinzu. Leute, die als Lieferanten von Landeserzeugnissen, zunächst 
ihrer eigenen, als Hüter von Vieh, das Eni'opäern gehört« als 
Kapitalschttldner, durch Uebemahme von Sämereien and dergl. mehr 
in Beoidiungen zn Europäern stehen und, damit diese Beziehungen 
keine Su>rang erCkbren, anch einen gewissen Schutz geniessen. 
Uan konnte dieHochalatiBii so wol als Geschäftsverbundene bezeichnen. 
Sie nnterstehen der Ueberwaehung des EodsuIz insofern, als dieser 



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164 



in der Iiage ist ViXTSteUangen und Einsprache zn erheben, wenn die 

marokkanischen Behörden nnrechtmässig gegen dieselben vorgehen. 
Namentlich BoUen diese eine beabsichtigte Yerhaftnng dem Konsul 
vorher anzeigen, der dann "wol in den meisten Fällen dieselbe 
verhindern wird. Was das heissen will, wird klar, wenn man 
die marokkanischen Geföngnisse kennt und weiss, dass es sehr 
wenige Marokkaner ^iebt, die nicht einmal Bekanntschaft mit 
denselben gemacht haben. Die Moclialata ist also kein Schutz 
im Sinne des internationalen Rechts, d. h. sie beeinilasst die 
Zuständigkeit der marokkanischen Behörden in keiner Weise, aber 
immerhin hat es sich eingebürgert, dass, van Reibungen zn Termeiden, 
von den marolLkanischen Behörden die Stenererhebnng Ton dem 
Mochalaten alQllbrlich mit dem zuständigen europoiseben Kauimanne 
vereinbart wird, dass auf einen Mochalaten bezQgliehe Verfügungen 
derselben vorher dem Konsul vorgelegt werden und dergl. m. Den darin- 
liegenden Schutz geniessen dann die Familienglieder und Bediensteten 
des Mochalaten in gewissem firade mit. Dass diese Beschränkung der 
Freiheit des Handelns bei der raschen Vei'mehnmg der Mnclialaten 
der ntarokkanisciien Regierung, die damit in gewissem Sinne nicht 
mehr Herr im eigenen Hause ist, sehr lästig ist, ist klar. Ebenso 
klar aber ist, dass es im Interesse des Tjandes und seiner Bewohner 
einerseits, der Europäer andererseits läge, die Schutzertheilung, statt 
sie möglichst einznsehrftnlcen, wie das namentlich das Streben der 
deutschen Diplomatie ist, viel mehr noch anssndehDen. Die Hilih> 
quellen des Landes wflMen sich entwiclceln, die Bev(dkemng 
wurde anfnahmefthiger för europäische Erzeugnisse werden, der 
Handel würde aufblühen. Die grosse Zahl von Schutzbefohlenen, die 
jede europäische Macht in den verschiedensten und oft bis in die 
fernsten Gegenden von Marokko hat, die rechtlich noch wenig klar 
umschriel'piie Stelhmg derselben, das natiirgemässe Streben der 
marokkanischen Rcliörden das Schutzverhältnis nicht anzuerkennen, 
seine mit der Ausdt-hnung des europäischen Handels auf's engste 
verbundene Ausdelmung möglichst zu liinderu, liefert so unablässig 
Gelegenheit zu Reihungeii. Es giebt wol keinen Zeitpunkt, in dem 
nicht so und so viele Klagen europäischer Kaufleute und ihrer Schütz- 
linge Uber Schädigungen seitens der marokkanischen Behörden 
Gegenstand der Verhandlungen zwischen der marokkanischen Regierung 
und den «iropaisdien Gesandtschaften sind. Jede Macht hat so im 
Grunde in jedem Augenblicke einen reichlichen Vorrath von „Kmmirs'S 
tunesischen Angedenkens, auf Lager, wenn ihr die Lage der Weltpolitik 
einmal ein Einschreiten in Marokko thunlich erscheinen lassen sollte. 



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31. Die Verkehrsverbältnisse von Marokko. 
Eioenbahnbairten. 

Wie in vielen audern Hinsichten, so gewährt uns Marokko auch 
in Bezug anf seine Verkehrsverhiatnisge, wenigstene im Innem, ein 
anschanlidiee Bild der Znstftnde, wie sie in Europa im Mittel- 
alter herrschten. Bis heute besitzt dieser verkörperte Anaehronismns 
im Angesiebte Europas auch nicht einen Kilometer fahrbare Strasse, 
wenn wir Ton den Wegen seines Parks absehen, anf denen der junge 
Sultan sich in Marrakesch in einem ans Europa eingeführten 
Kraftwagen ergötzt. Aller Verkehr im Innern vollzieht sich also noch 
auf Reit- und Saumtliieren : Pferden. Maulthieren, Eseln, Kamelen. 
Die letzteren dienen in Marokko lediglich als Lastthiere, Ich habe 
thatMchlich in Maiokko nie einen Kamelreiter gesehen. In der 
Lastenbefördei img spielen die Kamele aber die erste Rolle, je weiter nach 
Süden umsoniehr, wahrend man im Norden, besonders im Verkebr 
gegen Tanger im ragenreidien Winter, den die Kamele nicht gut 
vertragen, es voraieht, ManHhiere und Esel zn benutzen. In den 
Steppen des Innern sieht man oft grosse Heerden von Kamelen. Da 
diese es lieben, unterwegs, wenn es irgend etwas Gieniessbares giebt, 
unablässig zu fressen und demnach einem eifi-igen Botaniker gleich 
ohne Unterlass die Pflanzenwelt lingsum aufmerksam durchmustern, 
so geben sie nicht gern hintereinander, sondern nebeneinander. Deshalb 
haben die Kara^v!l!lpn^vege, ansnahmslos Natnrpfade, an die nie eine 
Menschenhand gemlirt hat, meist eine aus.s'M-orflentlirlie Breite, selbst 
im fruchtbarsten Lande. Im Frülilin? il- i In n dieselben üppigen 
Blnmeubeeteu, in denen nur schmale Kinnen von den Tliieren aus- 
getreten sind. Von den römischen Strassen, die in Kord- Marokko 
während der kurzen Zeit römischer Herrschaft angelegt, aber, wie es 
seheint, nur nnyollkonraen ausgebaut waren, sind kaum noch Spuren 
vorhanden. 

Bracken dnd im hentigeo Marokko so seltene Erscheinungen, 
daas die wenigen vorhandenen bezw. ans besseren Zeiten erhaltenen, 
wie die Tensift-Brttcke bei Marrakesch geradezu berühmt sind. Das 
ist aber auch die einzige Brttcke, die dieser Strom besitzt und der 

zu liebe im Winter die Karawanen grosse Umwege machen. Die 
Um-er-Bbia, die im ganzen Atlas-Vorlande ein unerträgliches Verkehrs- 
hindernis ist, das man nur an zwei Stellen, au der Mündung bei 
Azemur uud au den Mesclira Ben Challü durch Führboote über- 
windet, besitzt nur eine Brücke, in Tedla, bald nach ihrem Austritt 
aus dem Gebirge. Mehrere Brücken finden sich im Gebiet des 



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oberen Sebu, besonders auf dem von den Sultanen viel begangenen 
Wege von Fäs nach Meknäs. Da im Winter nach reichlichem 
Regen, im Tensiftgebiet bis gegen den Sommer hin in Folge der 
Sehneesehmelze im Atlas, die Flflase oft grosse WaBsennaBseii nnd 
noeh gefährlichere Gerffllmasaen bewegen, so stört dieser MaDgel an 
Brtteken ansserordentlieh. Man wartet dann gedaldlg bis sich das 
Wasser verlaufen hat »). 

Für Schutz und Unterkunft während der Nacht, die in Marokko 
recht eigentlich keines (friedlichen) Menschen Freund ist, ist auch 
an den wichtigsten Karawanenwegen nur unvollkommen durch Kasbas, 
die oft nichts als Karawanserais und Viehställe sind, und Nzelas, 
von Dornen umhegte Raststellen, gesorgt. Koch trauriger steht es 
mit der Wasserversorgung, da viele in früheren Zeiten an den Wegen 
eirichtete Cisternen in Verfall und meist leer sind. Wasser schlauche, 
die in Marrakesch aus Rindsleder recht praktisch und dauerhaft her- 
gestellt werden, sind daher wichtige Ausrfistnngsgegenstibide. Anf 
der letzten Beise haben mir Ton der Firma Tippelskireh in Berlin 
gelieÜBTte Wassersacke vorzflgliche Dienste geleistet Fntter nnd 
Kahrnng illr Menschen ist fiist immer zn haben, namentlich hatte ich 
anf dieser Reise, wo ich mich in sehr regenrdchem Winter in den 
reichste PtOTinzen Yon Marokko und fast ausnahmslos abseits der 
Karawanenwege bewegte, damit gar keine Schwierigkeiten. Im 
Jahre 1899 war Beschaffung von Vorrätlien besonders fiir die Thiere 
in den ödesten Steppenlandschaften dagegen oft recht sclnvieriqf 

In Bezug auf Schaffung von Verkeiii-s- Wegen nnd Mitteln ist 
also in Marokko gerade/.u ituch alles zu thun. Wenn das Land über 
kurz oder lang, der !Noth gehorclieud, nicht dem eigenen Triebe, aus 
seiner bis heute mit allen Mitteln künstlich aufrecht erhaltenen Ab- 
geschlossenheit herattstreten wird, so öffnet sich dem enropftischen ünte^ 
nehmnngsgeist ein weites Feld der Bethfltigung. In einzelnen Landes- 
theilen wird der Bau von Strassen nnd Eisenbahnen keiner grossen 
Schwierigkeit begegnen, ja schon heute wflrde es mit geringer, anf 
wenige Punkte beschrankter Nachhilfs möglich sein, von Saffi, viel- 
leicht auch von Mogador nnd Mazagan ans, dessen Waarenverkehr 
nach Marrakesch mit hohen zweirädrigen Karren zu betreiben, wie 
die Franzosen solche bald uarli f^-r Besetzung in Tunesien eingeführt 
haben. Allerdings würde hier der Wider'^tand der Kegienmg und 
derjenigen Bevölkerungskreise zu überwinden sein, die sich durch 
dies neue Beförderungsmittel benacbtheiligt sehen würden. 

') Vergleiche wissenschaftliche Ergebnisse S. 4. 



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167 



Da neuerdings, namentlirli von frRmimsohev Sp'ite, sehr viel von 
Eisenbahübauteii iü Marokko die Kede gewe:>en ist, so mochte 
ich hier die Ergebnisse meiner Beobacbtongen und meines Nach- 
denkens über diese i^Vage mittheilen, um die Aafmerksamkeit auch 
dentBcher üntornelimer auf dieselben zn lenken. 

Wenn Marokko^ im Gegeoaats m vielen LaadiektflteE Afrikas, 
die erat gestern von EaropAem som ersten Haie betreten worden 
rind, hento nocb weder Eisenbahnen noch Telegraphen besitst, so 
ist dies nur aus dem Abschliessnngssystem zu erklären, denn die 
Geländeschwierigkeiten sind im ganzen Atlas-Yorlande sehr geringe. 
Und um dieses allein, abgesehen von der Linie nach Algerien, wird 
es sich auch lange nach Anfschliessung des Landes handeln. 
Hö listens dass hier und da eine Stichbahn in das eine oder das 
andeie der wichtigeren, leichter zugänglichen Atlastbftler hinein- 
gefuhrt werden wird. 

D^ä kLiiittige Eisenbahnnetz von Marokko kann sclioii heute in 
den grossen Zttgen mit voller Sicherheit gezeichnet werden, da die 
Maschen desselben durch die OberüAchengestalt nnd die Lage der 
grossen Siedelnngen Toigezeichnet sind. Die geographischen Faktoren, 
welche die Entwickelang der letzteren, besonders FAs nnd Marrakesch, 
bedingt haben, habe ich frflher dargelegt. Nnr solche, nicht mensch- 
liche Willkür oder geschichtliche Vorgänge haben dabei mitgewirkt 
FÄs und Marrakesch werden daher, wie sie fast seit einem Jahrtausend 
die Brennpunkte des Verkehrs sind, auch die grossen Knotenpunkte 
des marokkanischen Eisenbahnnetzes werden. Fäs naturgemäss 
der wichtigere gegHiiüher Marrakesch, in dessen Angesichte sich eine 
gewaltige Vi- ikehrsschrauke erhebt, die zu übersteigen oder zn durch- 
bohren es durchaus in den dünnbevölkerten, au Ei^eugnissen armen 
traiiSdtlantischeu Laudschatteu au LockmiLtela lehlt. üud aus rein 
slrategischen Gründen, zur Festiialtang derselben, selbst der Stamm- 
lande der Dynastie, der Oasenlandschaft Taflialeti eine Atlasbahn zu 
bauen, daran ist noch lange nicht zu denken, selbst wenn dieselbe 
nicht bis dabin Ton Frankreich besetzt sein sollte. 

Von FAs und Marrakesch werden Linien radieni^rmig ausstrahlen, 
besonders nach den nächsten Seestädten. Also von Marrakesch nach 
Mogador, Safft und Mazagan. Welche dieser 3 Linien zuerst gebaut 
werden wird, hängt aufs engste mit der Hafenfrage zusammen. Da 
der Hau eines allen Anfordei'ungen der Gro^sschifffahrt unserer Zeit 
genügendfcu IJafeiis von den natürlichen Verhältnissen, wie icli oben 
gezeigt habe, am meisten in Mogador begünstigt wird, so dürfte dies 
den Ausschlag lur Mogador geben, obwol die Strecke Satfi-Manakesch 



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168 



nicht nur beträchtlich kürzer, die kürzeste von allen dreien ist, sondern 
auch geringere Geländeschwieiigkeiteu bietet und so zu sagen den 
Bau nur einer einzigen Brücke ttber den Tensift erfordert Diese 
Brücke würde yoraossieliilich etwa 10 km nDterhalb der berübmten El 
Kantara zu liegen kommen, da die Ei8enl)a]in den Oden felsigen Bücken 
des Nebilet an seinem Sttdwestende nalie am Tensift selbst nmgeihen 
wird. Schwierigkeiten böte die Linie Saffi-Marrakesch nor dnreh 
den etwa 100 m hohen Aufstieg von der Budit von Saifi auf die Ebene 
von Abda und den kaum höheren auf die Hochebene von Alunar, für 
den sicli wol der Einschnitt von El Garn am meisten eignen dürfte. 
Die Linie würde also am Zyma See vorüberführen. Sie böte gegen- 
über der Linie Mogador-Marrakesch noch den Vorth eil dass sie fast 
auf die Hälfte ihrer Länge durcli fruclitbares Land ginge, welches 
reiche Frachten zu liefern im Stande wäre. 

Trotz aller dieser Vorzüge, die für die Linie Saffi-Marrekesch 
sprechen würden, dürfte, wie gesagt, die Hafenfrage zu Gunsten von 
Mogador entscheiden. Den AniSstieg anf das Tafelland von Schedma 
würde man am bequemsten und, wie ich glaube, fest ohne Kunstbauten 
durch das Trockenthal von Ain-el-Hadschar bewerkstelligen. Der 
Bahnhof von Mogador müsste demnach vor dem Dukkalathore an- 
gelegt werden, mit Abzweigung um die Stadt zum Hafen, wenn nicht 
am Hafen selbst, wo durch Aufschüttungen fiuthfreies Gelände leicht 
zu schaffen sein würde. Weiterliin würde aber die Linie Mogador- 
Marrakesch den B-ui von 4 Rifickeii prf'»rdern, um die aus dem Atlas 
kommenden Nebeiuiu.^se des Tensilt, den ISchischaua, Katmii, Bulachres 
und Nfvs zu überschieiten. Aber selbst die beiden grössten, die 
über den Schischaua und den Nfys, würden nur etwa den Lahnbrücken 
bei Marburg entsprechen. 

Die Linie M^agan^Marrakesch würde etwas lünger sein als die 
von Saffig würde aber auch nur eine einzige Brücke über den Tenrift 
erferdern. Der Anfetieg aus der Eüstenebene von Dukkala auf das 
innere Hochland von Behamna würde durch das Thal von Mtal 
erfolgen. Der Djebilet müsste aber überstiegen werden oder wftre 
nnr auf einem sehr bedeutenden Umw^ nach Süden unter UebOTgang 
auf die Linie Saffi-Mogador zu umgehen. 

Eine südmarokkanische Atlas-Randbahn etwa über Arasmiz, Sidi 
Rehal und Demnat durch Entifa Tedla, durch kui7:e liadien 

mit Marrakescli verbunden, wurde der Gehuidesehwiirigkeiten und 
der vielen Brücken wegen einer ferneren Zukmiit voibehalten sein. 
Dieselbe würde aber in dem Falle, dass sich eine europäisclie Älaclit 
des Atlasvorlandes bemächtigte, zugleich als Grenzlinie von Bedeutung 



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169 



sein, denn jeder Eroberer sollte verstftndigerweise die Gewinnung der 
Atlasberbeni der Zeit Überlassen. Von den von Marrakesch gegen 
das birge laufenden Strahlen wttrde die Linie Marrakesch- Dem nat 
am meisten lohnen, da sie durchaus durch sehr fracbtbares, schon beule 
ziemlich dichtbesiedeltes Land führen wurde. 

Eine Verbindungslinie Marrakesch— FÄs dürfte selbst noch, wenn 
eine anropttisclie Macht Marokko beberrecbte, einer fernereD Zakanft 
yorbebalten bleiben. Auch für Casablanea erscheinen die Bedingungen 
bezflglicfa einer Yerbindnngf mit Marrakesch, an die doch in erster Linie 
zn denken wäre, als wenig gflnstig. Es w&re da anf jeden Fall die 
gewaltige Verkehrsscbranke der Um-er-Rbia zu überwinden and zwei 
Drittel der Strecke würden durch ödes Steppenland führen. 

Für Nord-Marokko würde Fäs der natürliche und für ganz Marokko 
wichtigste Kiiotrnpuuktsein, vor allem auch dpr Punkt, von welchem aus 
die Verbiiidunic mit Alg-erien und mit deni p;air/i^!i Eisenbahnnetz der 
Atlaslander herzustelleu wäre. Von trauzosischer St itr ist begreiflicher 
Weise schon lange auf diese Verbindung liingewie.sen worden und 
dürfte dieselbe wol schon sorgsam erforscht sein. Dieselbe ist auch 
tektonisch und bodenplastisch in der Tiefenlinie Yorgezeichnet, welche 
das wahrscheinlich Jüngere Faltensystem des Btfjsebiets von dem etwas 
Alteren des Hohen Atlas scheidet Dieser Tiefenlinie folgt von der 
Wasserscheide zwischen Ocean and Mittelmeer bis nahe an Ffts der 
Innanen, ein rechter Nebenfluss des Sehn, dann von den Quellen 
desselben östlich von Taza ein linker Nebenfluss der Muluja, der 
Messan, weiterhin wol eine Strecke weit die windungsreiche Muloja 
selbst und ihr rechter Nebenfluss Wed-el-Kseb bis nahe an die 
Grenzstadt Udjda. Von l'^jli nach der algerischen Grenzstadt 
Lalla Maruia, dem jetzigen Endpunkte des algerischen Netzes, 
wären nur geringe üeländeschwierigkeiten zu überwinden, üeber- 
haupt dürften diese, da auch kein PimkL auf dieser Linie 1000 m 
zu erreichen scheint, nicht besonders gross sein. Es würde sich um 
keine eigentliche Gebirgsbahn handeln. Anch beträgt die Länge der 
Strecke Tlemcen— U4|da~Taza— Fäs nur ca. 370 km. Aber an 
sonstigen Schwierigkeiten ist kein Mangel: diese Linie Ahrt nicht 
nar weitbin dnrch ödes Steppenland, sondern durch das Gebiet bis 
jetzt Ydllig unabhängiger und äusserst freiheitliebender Gebiigsberbem, 
besonders der Rhiata, die die Sultane oft genug mit blutigen 
Köpfen heimgeschickt haben und heute durch Schmuggel von 
Gibraltar her mit den besten Feuerwaffen versehen sind. Ihre 
in ihren unzugänglichen unl bis heute fast unbekannten Bergen 
sehr schwierige Unterwerfung wäre die Vorbedingung des Baues 



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170 



dieser Linie, denn sie würden sonst nicht nur den Bau hindem, 
sondern die etwa dennoch fertij^ pfestellte Linie immer wieder 
zerstören. Dieselbe inüsste dann na tiu gemäss bis an den Oceau 
verlängert werden, schon weil Fäs in noch höherem Maasse wie 
Marrakesdi eine Yerbindung mit dem Meere braucht Bs könnte 
Bich da nur nm das nähere Laraaeh oder das etwas fernere Babat-Sla 
handeln. Beide besitsen in den MQndangea ihrer Flüsse, des Wed Kns 
nnd des Bn Begreg, an und för sich Tortreffliche, leider aber durch 
Barren geschlossene Häfen. Ich habe dieselben nnd die Möglichkeit 
sie brauchbar zu machen in dem Werke über die Beise von 1899 
eingehend geschildert. Es unterliegt für mich keinem Zweifel, dass 
"Rftbat-Sla der eine Endiiunkt der grossen Atlaslinie werden niuss, 
(leren anderer in Tunis liegt. In der Tiefebene des Sebu wären 
keinerlei Geländeschwierigkeiten zu überwinden und nur wenige 
Brücken » i f i deriich. Der Punkt des Aufstiegs auf das Hochland von 
Rabat-Slä isi auch geographisch vorgezeichnet, derselbe kann nur durch 
die Schlacht erfolgen, in welcher der Wed Bdem, ein linkei* Zoflnss 
des Sebn, sich bei Sidi Eassem einen Weg in die Tieflandsbncht des 
Sebn gebahnt hat Ob die Linie von dort geraden Wegs nördlich 
vom Djebel Zerhon nach Ffts geilihrt wird oder das Bdem Thal hinanf 
über MeknAs ist eine Nebenfrage. Zwisclien MeknAs und Fäs ist 
allerdings eine ganze Anzahl Brucken erforderlich, auf der geraden 
Linie Sidi Kassem— Ffts nur eine grössere über den Wed Mikkes. 

Zu den dringendsten Verbindungslinien gehört auch die Linie 
FAs -Tfinn:er. Gewiss würde die Entfernung F&s— Tanger, zu der 
man jetzt meist 7 Tage braucht, nach Fertigstellung der Linie Rabat- Fäs 
bei direkter Danipferverbindung von Tanger mit Rabat in einem Tage 
zurückgelegt werden können, aber trotzdem würde eine direkte Linie 
unerlässlich sein. Der Bau derselben würde sich dadurch vereinfachen^ 
dass sie in Sidi Kassem in die Linie Babat— F&s einmftndete. Aber 
von dort bis Tanger würde der Bau ansserordentlich kostsi^elig sein 
der grossen Zahl von Bracken wegen, die die ans dem Blfj^ebirge 
hervorbrechenden Flösse nnd vor allem der Sebn erfordern Wörden. 

Die beiden Linien Tanger-'Ffts and F4s— Tiemcen sind daza 
anch politisch schwer belastet. Die eine liegt im brennenden 
Interesse Englands, die andere Frankreichs. Gelänge es der einen 
Maclit den Bau der einen durchzusetzen, so wtlrde die andere alles 
daran setzen, um den Bau zu liindeni oder sicli die andere zu sichern. 
Es würde ein wahrer Wettlauf um Fäs statttinden, Soll doch nach 
Privatnaclirichten der Aufstand der Berbernstämme um F?ls und 
Meknas im ISommer 1902 dui'ch das Gerücht verursacht worden sein, 



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171 



dftss der Sultan den Elngltodem den Bau der Linie Tanger—FAs 

zngestanfien habe. 

Sehr s^chwierig würde aucii eine ^ erbindnng desnordmarokkanist lien 
Eisenbahnnetzes mit dem Hauptkriuten FAs und des südmarokkanischen 
mit dem Hau^jiknolen Marrakesch sein. An eine Eisenbahn FÄs— 
Marrakescli annähernd auf der kürzesten Linie und scheinbar als 
AtlAS-Bandbahn ist ganz gewiss ftr lange Zeit nidit za denken, 
selbst wenn eine ennipflisehe Maclit in Marokko herrsdite. Die 
Zweitheilong des Landes besw. des Atlas -Yorlandes ist eben, wie 
ich froher dargelegt habe, eine geographisch hegrflndete and dannn 
altgeschichtliche. Fttr's erste erscheint ans geographischen und 
politischen Gründen eine Verbindung von Fäs und Marrakesch nur 
über Rabat und Casablanca möglich, also durch ein Stück Küsten- 
bahn. Das würde die ohnehin grosse strategische Bedeatong von 
Rabat noch wesentlich erhöhen. 

Zur Kennzeichnung der mittelalierliclien Zustande Marokkos dient 
auch das Felilen einer Einrichtung^, die irt^en lwie als Postwesen 
bezeichnet werden kunuLe. Die an» iiaiidel in Marokko betlieiligteu 
europäischen Staaten haben dem abzuhelfen gesucht, indem sie wenigstens 
in den Eflstenstldten eigene Fostanstalten eingerichtet haben. So 
England, Ftokreich, Spanien, zuletzt auch das Dentsclie Beich. Das 
Bedftr&is einer dentschen Post war so dringend, dass ein deutscher 
Kanfinann eine deutsche Friratpost zwischen Mogador und Marrakesch 
eingerichtet hatte. Die deutsche POst in Marokko besteht seit dem 
20. December 1899 und besitzt Postämter in Tanger, Larasch, El Ksar, 
Rabat, Casablanca, Mazagan, Saffi, Mogador, Marrakesch, MeknAs und 
Fas. Das Hauptpostamt ist natürlich in Tanger, wo es gelungen ist in 
Äusserst günstiger Lage im Brennpunkte des Verkehrs ein geeignetes 
Baus zu tlnden. Die Verbindung zwisdien den einzelnen i'üstamteru 
findet zu Lande durch eingeborene Eilboten statt, die ausserordentlich 
leistungsfähig und zuverlässig sind, man bedient sich aber vertragsmässig 
auch aller Dampfergelegenheiten und zwar mit grosser Findigkeit 
selbst zoflUliger, wenn sie rasche Beförderung yerheissen. Dass 
englische Kapitäne die deutsche Post nur ungern befilrdem, da?on 
bin ich Augenzeuge gewesen. Ob daraus schon Ungelegenbeiten 
erwachsen sind, weiss ich nicht. Selbstverständlich befördern auch 
die deutschen Dampfer die fremden Postsäcke. Die Verwaltung der 
einzelnen Postämter liegt meist in den Händen deutscher Kaufleute, 
die dafür eine nur zu knapp bemessene Entschädigung erhalten. 
Eigene Heamte sind, wenn ich nicht irre, nur in Tanger und Casablanca 
augeäteilt. Die deutsche Post hat auch in Marokko ihre Tüchtigkeit 



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172 



bewährt und ]m\ nicht mir zu einem Fortschritte des Verkf^his im 
Allgenieinen beigetragen, sondern aucli einen stetig wachsen leii Tlivi] 
der Tliätigkeit der übrigen europäischen Postanstalten auf sich abgelenkt, 
namentlich den Geldverkehr. Die Eingeborenen bringen der deutschen 
Post das grösste Vertrauen entgegen. Aach ein Verkehr mit Post- 
padceten und PostfraditBtflcken ist mit Hflfe der dentsehen Dampfer 
eingerichtet nnd arbeitet tadellos, im grellaten G^gensatxe sa dem 
Bogenannten Fbstpaolcetdienste, den Frankreich nach Algier unterhalt 
und yoü. dem ich ein Lied zn singen weiss, aber doch noch nicht BO 
kläglich wie die fransösisehen Geschaftsleate in Algerlen sdbst es 
1901 Bangen. 

Telegraphen gieht es selbstTerstätidlieh in Marolcko nicht. 
In Tanger, wo die Engländer zuerst dem Widerstände der marokka- 
nisehen Begierung gegenttber nnr unter Androhung von Gewalt ein 
Kabel gelandet haben, hOrt der Weltverkehr auf. Ganz Marokko 
liegt in vieler Hinsicht auf^ser der Welt und den Brennpunkten des 
Weltmarkts entfernter, als die Sttdspitze Afrikas oder Neu-Seeland. 
Jeder Kaufmann wird verstehen, wie der Handel darunter leiden mnss. 
NeuerdiTio;s behelfen sich die Kaufleute in Mogador vielfach damit, 
dass sie englischen Dampfern, die regelmässis^ einmal in der Woche 
von dort nach den Kanarischen Inseln gehen, von dort zu befördernde 
Telegramme übergeben. 

Der Verkehr mit Europa wird, abgesehen von dem Wege 
durch Spanien, der aber mir für l^riete und Telegramme l)enntzbar 
ist, durch d!^^ europäischen Da m p f er Ii n ien , welche die dem 
Aiissenhandel geöffneten marokkanischen Küstenplätze mehr oder 
weniger unregelmässig anlaufen, vermittelt. Ganz zuverlässig ist 
nur die durch kleine englische und spanische Dampfer unter- 
haltene Verbindung von Tanger mit Gibraltar und Cadix. Aber 
selbst nach Gibraltar gehen nicht tüglich Dampfer. Von den 
europäischen Linien ist nur eine zuYerlftssig, die englische Forwood- 
Linie, die durch Yertrflge gebunden, regelmässig einmal wöchentlich 
auf dem Wege nach den Kanarischen Inseln die wichtigsten 
Kii>t nplätze anläuft — ausser wenn schlechtes Wetter das unmöglich 
macht. Die Regelmässigkeit des Dienstes beruht darauf, dass diese 
Schifte den Markt von London mit frischen Südfrüchten, Gemüsen etc. 
von den Kanarischen Inseln verseilen und daher die Rückreise von 
dort geradesten Weges nehmen. Diese Dampfer werden sehr viel 
von Engländern benutzt, die zur Erhohiuf^ ein paar Wochen Seeluft 
athmen wollen und ein oder zwei SchiÜe auf den Kauarischen Inseln, 



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173 



einzelne wol aneb in Mogador fiberspringen. Demnftchst kommen 
fransOsieche Dampfer der FftqnelrQeselleehaft, die je einmal monatlich, 
aber ohne sich streng an die Fahrzeit zu halten^ yon Marseille zwei 
kleine alte Dampfer, Moselle und Meurtbe, an die marokkanische Küste 

laufen lässt und zwar schon seit Jahi-zelinten in gleicher Weise. 
Durch Zufall habe ich stet- liiesr Schifte von Tanger aus benutzt 
und habe nur die besten Ertahrungen mit denselben gemacht. 
Spanische l^anipfer lauten südwärts von Tanger ganz unregelniässig. 
An der Nonik liste wird nur Tanger, Melilla und Tetuan von Uanipfern 
der Marseiller Linie Touadie angelaufen, Ceuta und Melilla aucli von 
Malaga und Algesiras ans Ten spanischen Dampfern. Anf die 
dentschen Linien werde ich im nftchsten Abschnitte eingehen. Die 
HafenTerbftltnisse habe ich sehen Mher eingebend antersneht 



22. Deutsclie Bethätigung in Marokko. Zukunft des Landes. 

Ton einer irgendwie nennenswert.hen Bethätigung Dentscher in 
Marokko kann erst in der allerneusten Zeit, kaum seit 20 Jahren 
gesprochen werden. K. von Fritsch und J. Rein waren 1872 noch 
durclifius aut englisdie Vertretung angewiesen. In Oasablanca, 
Mazagan, Saffi untl Mogador waren damals oßenbar überhaupt noch 
keine Deutschen angesiedelt. Die 1877 von Seiten des Deutschen 
Eeiches nach Marokko geschickte nnd 1878 von dort erwiederte feier- 
liche Oesandtschaft lenkte zuerst bei nns in höherem Maasse die 
Aufmerksamkeit anf dieses Land nnd yeranlasste einen deutschen 
Grossgewerbetreibenden (Krupp?) einen Herrn von Gonring 1879 
zur Erforschung der wirthschaftlichen und Handeisverhältnisse nach 
Marokko zn schicken. Derselbe hat, als Frucht seiner Beise, ein 
sehr eigenartiges Buch über Marokko geschrieben, ans dem ich hier 
nur die Th:itsache entnehmen will, dass 1879 in Tanger, abpff^selien 
von o zur (THsandtschaft gehörigen Personen nur noch 4 Deutsche 
dauernd lebten, von denen zwei Kautieute waren. In Casablanca, das 
sich eben zu entwickeln begann, fand er 5 deutsche Kaufleute, deien 
Geschäfte aber sehr bescheiden wareu, in Saffi eiueu Deutsch- 
Oesterreicher, der noch beute dort lebt, von dessen zahlrmeher Eamilie 
aber nicht ein Glied Deutsch gelernt hat^ in Mogador auch nur einen 
Dentschen. Schon daraus kann man schHessen, dass 1879 die deutsche 
Bethfttignng in Marokko noch ganz in den Anfingen war. 

Ein wesentlicher Fortschritt wurde erst durch die Bemtthnngen 
Ton Dr. Jannasch eraielt, dessen ThAtigkeit^ wenn sein eigener Versuch, 



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174 



in Süd -Marokko Uandelsbeziebangen anzuknflpfen, aach scheiterte, 
doch seit 1890 die Einrichtung deutscher, die marokkanischen Küsten- 
plätze anlaufender Dampferlinieii zur Folge liatte. Es sind die Woer- 
mann-Liuie und die Oldenburgisch-Portugiesische, zu (lenpii (Mc allpr- 
dings nur Tanger bei ihren Mittelmeerfahrten anlaufende yionian-Luiie 
hinzukommt. Diese direkte Verbindung mit Hamburg hat oinen sehr 
raschen Aufschwung des deutsehen Haudels in Marokko zur Folge 
gehabt. In allen dem Eremdhandel geöfneten Küstenstädten haben 
sich Dentselie in stetig wachsender Zahl niedeigelasseii und ein sieh 
langBam steigender Antheil am marokhanisclien Anssenhaodel, der 
seihst kanm eine aufsteigende Bewegung erkennen Iflsst» ist nament- 
lieh aus französischen, zum Theil aber auch englisdien in deutsche 
Hände fibergegangen. Im Jahre 1898 war der deutsche Handel auf 
14% des Gesammthandels gestiegen und betrug etwa TVs Mill. Mark, 
wenn auch das Uebei^ewicht Frankreichs und namentlich Englands 
noch selir bedeutend war. In Tauger, wo der englische H anfiel wegen 
der Beziehungen zu Gibraltar, das von Tanger aus ernährt wird, wol 
dauernd das Uebergewicht haben wird, stieg der deutsche Handel von 
1893-97 von 7Vo auf 13,6 »/o. In Saffi hatte sich von 1894—98 die 
deutsche Ausfuhr fast verneunfacht und betrug 40"/o. In Mogador 
betrug sie 1898 27 ^o. Die amtliche Denkschrift zur Flotteuvorlage 
Aber die Steigerung der deutschen Seeinteressen von 1896—96 Usst 
die Einlnhr ans Marokko ins Deutsche Reich you 1894—98 Ton 
1,6 MiU. Mark auf 6,1 HiU. Mark steigen und eine andere amtliche 
Denkschrift besüTert 1888 die Summe aller deutschen Interessen in 
Marokko auf 8-10 Mill. Mark. 

Das sind gewiss verschwindend kleine Summen. Aber um ihre 
Bedeutung zu erfassen, muss man sich vergegenwärtigen, dass einer- 
seits unsere Bethätigung in Marokko pl>eTi erst begonnen hat, anderer- 
seits es sif'h in diesem von der Natur i eichausgestatteten, aber durch 
eine fluchvtunlige Verwaltung verarmten Lande überhaupt nur um 
geringfügige Summen handelt, die aber in dem Augenblicke, wo das 
heutige Abschliessungssy:»tem ein Ende hat, einer erstaunlichen 
Steigerung fähig sind. Erreichte doch 1898 der gesammte Aussen- 
handel von Marokko fiherhanpt nur 65 MiU. Mark! Es handelt sich 
also uro eine Saat, die in Zukunft Frttchte tragen soll und reiche 
fVttchte zu tragen im Stande ist Welcher deutsche Staatsmann will 
die Verantwoilnng dafür tragen, dass dieses zukunftsreiche Gehiet 
deutscher Bethätigung yernachlftssigt wird gegenüber der Thatsache, 
dass die Schaffang und Sicherung neuer Arbeitsfelder für deutschen 
Unternehmungsgeist und deutsches Geld, neuer Markte fUr deutsche 



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175 



Eneognisse geradesa eine Lebensfrage für nns lat? Gans abgesehen 
von der nngeheoren politischen Bedentang Marokkos nnd daYon, 
(lass Marokko auch für dentscbe Besiedelnng die günstigsten 

Bedingungen bietet! 

Ich habe mich bemüht an Ort und Stelle nnd durch private Um- 
fragen festzustellen, wip gross die Zahl dnr lieute (1901) in Marokko 
lebenden Deutschpii und der selhstaniligen dentschen Geschüfte ist, 
da damit, nHineiillicU im Vergleich zur Vergangenheit, Lbentalls ein 
Anhalt gewonnen wird, auf Grund dessen man sich ein Urtheil über 
das bilden kann, was uns Marokko heute schon bedeutet. Es ist dies 
wol die erste Statistik dieser Art Die Schlusszahl dürfte wol, wenn 
sie nicht absolut genan ist, nnr nm wenige Einer von der Wahrheit 
abweichen. Darnach leben in Tanger gegenwärtig in mnder Zahl 
100 Deutsche, yon denen etwa 25 Oesterreicher, 8 Schweizer, der 
Best, also V« Reichsdentsche sind. In Tetuan leben, soweit ich fest- 
stellen konnte, keine Deutschen, in Larasch die Familie eines auf 
einem der Sultansdampfer angestellten Maschinisten mit 5 Köpfen. 
In Rabat haben sich ganz neuerdings erst Deutsche niedergelasFsen. 
Ihre Zahl beträgt 0 Verhältnismässig bedeutend ist dip deutsche 
Kolonie in CM^ablaiica, weshalb dort auch ein Berufskousulat errichtet 
worden ist, das mhon wesentlich zur Hebung des dentschen Ansehens 
beigetragen hat. Es lebten dort 1901 30 Deutsche, einen Schweizer 
eingerechnet. In Mazagan betrag die Zahl der Deutschen 11, von 
denen 6 unter dem Schntie des Deutschen Boichs stehende und meist 
in reichsdenkschen Qeschftften arbeitende Schweizer waren. In Saifi 
zahlte man 13 Deutsche, den schon früher erwähnten Oesteireicher 
eingerechnet, in Mogador 23, wovon 15 Beichsdeutsche. Dazu kommen 
4 dauernd in FÄs und drei dauernd in Marrakesch lebende Deutsche. 
Die Gesammtzahl der Deutschen in Marokko betrug also 1901 bereits 
193. Die Mehrzahl derselben sind uatnrgemäss Kaufleute, nur ein 
geringer Proeentsatz kommt auf die amtliche Vertretung und die 
Beamten der Post. D-v/m kommen nun die wnfev deutschem 
Schutze stehenden Eingeboreneu, die über das ganze Atlas- Vorland 
vertheilt sind, für die aber eine Zahl anzugeben ich absichtlich 
unterlasse. 

An selbständigen dentschen Geschäften zählte man in Tanger 11, 
in Babat 8, in Casablanca 8, in Mazagan 3, in Safll 5, in Mogador 4, 
in Fte und Marrakesch je eins, zusammen also 85. Nicht unerw&hnt 
darf bleiben, dass in Casablanca nnd Mogador deutsche Aente an- 
sässig sind, dass der thatsächlich die Stellung eines Grossveziers ein- 
nehmende Kriegsminister Hadsch Kaid Mehed Mnebbi nach seiner 



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0 



176 

BQekkehr aus Deutschland einen Deutschen seinem Leibarzt 
gemacht hat und vor Allem, dass als Erfolg der in Berlin gepflogenen 
Verhandlungen nunmehr in der P^^vson einp*^ Mannes, dfr in viel- 
jährigem Aufenthalte im Lande mit Sprai In Sitten und GeschiHite 
desselben wolvertraut geworden ist. ein deutscher Konsul am jeweiligen 
Hofe des Sultans selbst bestellt worden ist. Das ist ein bedeutender 
Erfolg unserer Politik, der derselben weitere Erfolge sichert und 
nnsern wirthschaftlicheu Beziehungen zu Marokko in hohem Grade 
förderlich sein wird. 

Es scheint aber leider, da<s die fortschreitende Entwickdnng des 
deutschen Handels in Harokko In den letsten Jahren eine langsamere 
gewesen ist, Ja theilweise wieder ein Bflckgang erfolgt ist Doch 
ist es zunftchst wol nur eine zufällige und vorübergehende Erscheinung, 
wenn der deutsche Antheil der Anstohr aller Küstenstädte wieder 
zurückgegangen ist. So in Mogador von 1900 auf 1901 von 34,3 •/« 
auf 18 "o, weil (lie bwleiitende Steigerung von 1900 auf der reichen 
Mandelernte berulitt, lui <itf Hanvburcr anfnalimofähig war. Die 
deutsche Einfuhr machte aus Irülier dargelegten Gründen nur 5— 6"/« 
der Gesannnteinluhr aus. In Saffi war von 1894 — 97 die deutsche 
Ausfuhr von 3,5 "/© auf 4ßO o gestiegen, aber am Ii, um dann wieder 
langsam zu sinkeu, auf 40"o 1898, 30*/o 1899 und 26% 1900. Die 
Zunahme hatte wesentlich auf Kosten Englands stattgefhnden, dem 
die Deutschen 189? fiist gleich kamen und das heute wieder das 
Uebergewicht hat Qsnz Ähnlich wer es auch in Mazagan. Nach 
den mir durch Heim Auer, den dortigen Vertreter eines in Oasa- 
blanca ansissigen deutschen Hauses, freundlichst übermittelten Aus- 
weisen zeigte der Handel von Mazagan in dem Jahrfünft 1896 — 1900 
zwar ansehnliche Schwankungen, aber keine aufsteigende Bewegung. 
Auch liier war das Jahr 1900 wegen einer guten Ernte, besonder.s 
von Mandeln, die dort aus dem feniert^n, gegen den Fuss des Atlas hin 
gelegeneu Hiuterlaude zur Ausluhr kommen, in Aus^ und Einfuhr ein 
ausnahmsweise günstiges. Denn während die Ausfuhr im Mittel der 
5 Jahre 4,9 Mill. Mark, die Ein fahr 4,2 MilL Mark jährlich betrug, 
also die ganze Handelsbewegung 9,1 Mill. Mark, etwas mehr als iu 
Oasablanca, stieg erstere 1900 auf 7,7, letztere auf 6,6 Mill. Mark. 
Erstere besteht auch hier ausschliesslich aus Erzeugnissen der Land- 
wirthscbaft: Mandeln, Kicliererbsen, Saubohnen, Mais, auch Fenngrek, 
Wolle und Eiern; letzere aus Baumwollenwaaren und Thee, die 
England liefert, Zucker, den Belgien und Frank l eich liefern, und Tuchen, 
die das Deutsche Reich liefert. An der Einfuhr war dieses nur mit 
5% betheiligt. Bie Ausfuhr ging überwiegend nach England, doch 



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177 



stand Spanien, das so gnt wie niclits iiadi Marokko einftlhrt, dnrch 
Bezug billiger Volksnalirungsniittel, wie Kichererbsen Mais und San- 
bohnen England nicht sehr nach. Der deutsche Antheil an der Aus- 
fuhr, besondere Schafwolle, Eier, deren Ausfuhr nach England und 
dem Deutschen Reiche beständig steigt, Mandeln u. dergl., betrug im 
Mittel 17 "/u der Gesammtausfuhr und war 189S auf 28% gestiegen, 
nm dann wieder vx sinken. Sehr bedeutend war aber stets der An- 
theil der dentschen Flagge an dem Verkehr von Mazagan, wie der 
atlantischen Kfistenplätze flberbanpt. Meist steht dieselbe jetzt nach 
Tonnen- und ScbiflsKahl — abgesehen von den kleinen siMmiscben 
Segelschiffen — obenan. Doch hat anch da seit 1899 England 
wieder die erste Stelle erreicht. 

Man kann so im Mittel der letzten 5 — 10 Jahre den Gesammt' 
Werth des deutschen Handels in den vier Küstenplätzen Mo^ador, 
Saffi, Mazagan nnd Hasablanca zu 5' i Mill. Mark jälirlich annehmen 
und für ganz Maxikko etwa 7 ' '2 Mill Mark oder 14"\i des ganzen, 
etwa 55 Mill. Mark betragenden niardkkanischen Handels. Aber, 
wie schon liervorgeboben, an sind die Anlange einer aussichtsreichen 
Ernte nnd schliesslich ist Marokko für nns als Gebiet wirtbscbaft- 
Ucfaer Betbfttiguug sehen hente im Verhältnis mehr werth, als beispiels- 
weise etwa fllr England. 

ünter den Gründen, weiche mir «n Erklflmng des Stillstands 
der Weiterentwiekelnng unserer Handelsbeziehungen zu Marokko 
genannt wurden, stand obenan die ganz ungenügende deutsche Dampfer' 
Verbindung. Wie unzuverlässig dieselbe ist, habe ich am eigenen 
Leibe erfahren. Ich schilderte schon oben (S. 25), wie es wir mit 
der Beförderung meines GepÄcks mit der Oldenburg- Portugiesischen 
Linie ging. Nicht besser ging es mir mit der Woermann-Linie, die 
ich zur Fahrt von CasaVdanca nach Tanger benutzen wollte. Der 
fällige Dampfer kam zur fahrplanrnftssigen Zeit nicht an, und man 
erfuhr einige Tage nachher, dass er eines Schadens an Schraube oder 
Maschine wegen dir^t nadi Hamburg habe laufen müssen. Oft 
haben die Eaufleute Waaren zur Versendung bereit, aber der Dampfer 
llnft Torflber oder hat keinen Baum. Man hat in Marokko den 
Eindmeky dass die Woermann-Linie kein rechtes Interesse an dem 
marokkanischen Gesch&ft hat. Es wird der deutsche Handel ganz 
augenfällig durch die englische Forwood-Linie geschädigt. Die 
deutschen Kaufleute selbst, bei denen ich überall scliarf ausgeprägte 
nationale Gesinnung gefunden habe, müssen sich, niötren sie 
wollen oder nicht, dieser und anderer Linien bedienen, zumal die 
deutschen Liuieu auch einen dei; Forwood- und dei* französi^ächeu Linie 

Mtitii«<lung«u XVllI, TkeobHia Fiicber. IS 



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178 



zum Vortheil jr^reichenden Frachttarif angenommen liaben. Es ist 
so aucli fast unmöglich, den ganzen Umfang des deutschen Handels 
zu bestimmen. Er ist gewiss grösser als angegeben wird, weil vieles, 
was nach Mnrseille, Antwerpen, London geht oder umgekehrt, den 
betreöeuden Staaten angerechnet wird. Soll der deutsche Handel 
den erfrenlidieB ABfeehwung, den er genommen hatte, fortsetzen, so 
ist anbedingt eine hftuflgere und vor Allem ganz zuverlässige Tei^ 
Mndang mit Hamburg nOthig, also etwa in der Weise der englischen 
Forwood-Linie. Es mnss da die Frage aufgeworfen werden, ob sich 
nicht auch von deutscher Seite ein wöcheiitlieher Dienst einflnliren 
Hesse, ebenfalls auf Versorgung des Marktes von Hamburg und 
Berlin, vielleicht auch Kopenhagen und Petei*sburg mit frischen 
Gemüsen und dergleichen begründet. Die Nachfrage dürfte heute 
dem gestiegenen AVrtl stände entsprechend doch wol gross genug 
sein. Es liandek sich nur darum, dass sich hinreichend geldkräftige 
Unternehmer fanden. Verniuthlich würden di« Kanarischen Inseln 
auch gesteigerter Nachfrage genügen können. Marokko selbst wuide 
nach Boden, Klima nnd Wasservorrfttheu in der Umgebung von 
Mogador,. naraentlicb Im Thale Ton Aln-el-Hadscbar, grosse Mengen 
Ton FMbgemflsen herrorznbringen im Stande sein, Ja es wire das ein 
ansgezeichnetes Geschäft^ freilich erst in dem Augenblick, wo das 
Land aufgesciilossen würde. Verbesserung der dentsdien Dampfer- 
verbindung ist also unbedingt geboten. 

"Weiter wäre zur Förderung des deutschen Handels eine deutsche 
Bank nothwendie die ihren Sitz in dem am centralsten gelegenen 
Casablanca haben müsste. Freilieb \v;ire dazn eine telegi'aphische 
Verbindung nothig. Sollte es unserer Diplumatie nicht möglich sein, 
die Landung eines Kabels in Casablanca durchzusetzen? Dasselbe 
wurde natürlich in Vigo oder auf den Azoren anschliessen und müsste 
von vornherein als Theilstrecke eines bis nach Südwest-Afrika weiter- 
zuführenden Kabels aufgefasst werden. Die Franzosen sind eben 
dabei, ein Kabel von Oran nach Tanger zu legen — wenn es nicht 
schon fertig ist Vielleicht wäre auch an Einrichtung einer deutschen 
Kttstenschiffahrt zu denicen, die in Tanger oder Gibraltar ihre 
Ladungen den zahlreichen dort anlaufenden deutschen Dampfern Über- 
geben könnte. 

Aber noch weit grösser als die wirthschaftliche Bedeutung, 
welche Marokko heute für das Deutsche Reich hat oder jemals haben 
kann, ist die politische, die weltpolitische. Diese zAvingt un.s auch, 
die wirtli.schaftliclien Ikziehungen tbatkiäftig- zu i)flegen, um im 
gegt^benen Augenblicke, wenn die Würfel über die Zukunft dieses 



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179 



Landes fallen, mit dem nötliigen Nachdriielc anftreten zu können. 
Ich habe an anderer Stelle auseinandergesetzt, dass Marokko 
nach Lage. Weltstellung und natui lieber Än^stattung das bei Weitem 
wichtigste der 6 Atlasläuder ist. Die luigehi-iiren Hilfskräfte üb^^r 
welche dieses Land verfügt, sind weniger durch Misswirilischati 
verwüstet als unentwickelt. Im Besitze einer fähigen europäischen 
Macht wird dasselbe sehr bald ein wichtiger Faktor der Weltwirth- 
sehAft, namenüicli eiue Eorakammer für Europa werden, die es 
schon heute in bescheidenem Msasse trotx der Aosfiihrverhote nnd 
Misswirthschaft ist Seiner wichtigen Lage nnd Weltstellnng wegen, 
nicht der ihm innewohnenden wirthschafblichen Bedentang halber, 
die man bisher nicht genügend kannte, hat sich dieser Anachronismas 
Yon Staatswesen im Angesichte Garopas bis heote erlmlten können. 
Denn nielit seine eigene Macht hat es vor dem Schicksale bewahrt, 
das ganz Afrika bis auf die abessinische Bergfeste ereilt hat, sondern 
nur 'üe Eifersucht der enropäischen Mächte. Die Machtmittel, über 
welche das ganz veikunimene Staatswesen verfugt, sind so geringe, 
dass es einem kleinen, aber wol organisirten europäischen Heere, 
dessen Angriff wol vorbereitet wäre und uamenllich der Laudesnatui* 
in jeder Hinsicht Rechnung trüge, sofort uuterliegeu würde, zumal der 
Hass der BcTÖlkerung gegen alles was Hakhzen beisst, d. h. irgend- 
wie lur Begientng in Beziehung steht, heute ein so grosser ist, dass 
dieselbe znnftclist wenigstens ihrerseits keinen Widerstand leisten, 
ja selbst ein christliches Heer als Befreier von einem nnertrflgKchen, 
flnchwürdigeD System der Knechtung nnd Aassangung ansehen würde. 
Zunächst, dass nicht sehr rasch ein Umschwung erfolgte, dafür su 
sorgen wäre erste Aufgabe der Angreifer. Marokko ist heute genau 
so reif zum Verspeistwerden wie Tunesien 1881, nur sind die Lieb- 
haber der Fi-ncht einander mehr ebenbfirtig. 

Die marokkaiiiscbe Krage ist eine brennende. Sie kann bei den 
furchtbaren Zuständtn. die im Lande herr.^clien. jeden Augenblick 
die wirthschaftlich betheiligteu Staaten zum Eingreifen zwingen, 
ganz abgesehen davon, dass jeder derselben, wie ich Mber gezeigt 
habe, Kmroirs in FflUe aaf Lager hat, die als Verwand zum Ein- 
greifen in einem ihm genehmen Angenblicke dienen können. Es 
bedarf daher grosser Umsicht, damit nicht Marokko eines Tages den 
Anlass zu einem Weltbrande bietet. Denn dies Land ist so reich 
und so wichtig, dass der Besitz desselben die Weltmachtstellung des- 
jenigen Staats, dem es anheimfällt, so ausserordentlich stärken wüi de, 
dass die übrigen zunächst Betheiligten das ganz unmöglich dulden 
könnten. Die Weltmaehtstellung, nicht blus, wie vielfach behauptet 



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180 



wird, die Stellung im Mittelmeere. Denn Marokko ist zwar auch 
ein Mittelmeerland und bat Antheil an der Bchenscliung der durch 
das Mittelmeer gehenden Welthandelsstrasse, aber es gravitirt noch 
melir zum Atlantischen Oneane und kann sehr bald auch ein wertli- 
voller Stützpunkt für den Verkehr nach ganz West-Ahika uiul Sud- 
Amerika, nach dem zentralamerikanischen Kanäle werden. Einen 
solchen Stützpunkt branefat Tor Allem das Deataehe Beiehl 

Zwei Wege scheint es zu geben, am zu yerhflton, dase Marokko 
in naher Zaknnft den Anstoes zu einem Weltkriege bietet Entweder 
die betheiligten 8 Machte, Fhinkreich, England nnd das Beateche 
Beich einigen eich, um das Land eoroi>aischer BethfttigDng mit 
gleichem Licht nnd Sonne fftr alle zu erschliessen, oder dasselbe 
nnter sich, sei es auch zunftohst vielleicht nur in der Form von 
Interessensphären zu vertheilen. Aber eine Verständigung untfM- dpu 
3 Mäclitpfi erscheint unbedingt geboten niid fine solche herbekuführen 
( in p^rosses staatsmänniscbes Vf rliHiKst. 

IMss die Abschliessung Man^kku.s auf die Dauer nicht durch- 
führbar ist, tritt schon jetzt klar zu Tage. Die Regierung, d. h. die 
Dynastie, hat dafilr heute nur noch einen Bruchtheil der Bevölkerung 
hinter sich, sie kann das Eindringen eoFopiisoher Enltnr mit ihren 
Machtmittdn nicht hindern, sondern nnr verlangsamen. Marokko 
liegt Yor den Thoren EnroiNis, es ist ein reiches, dflnnbev51kertes 
Land, wo alles, durchaus alles, was in Europa im Laufe der letsten 
Jahrhunderte an Kulturerrungenschaften gezeitigt nnd an Knltur- 
mitteln geschaffen worden i>t, noch zu schaffen ist. Die Verlockung 
zur Bethätignng für die Träger europäischer Kultur, das Bedürfnis 
nach Erschliessuiif? neuer Hilfsquellen, neuer Räume für dip sich 
drängende europäische Menschheit, die Ueberlegenheit der europäischen 
Kultur ist so ungeheuer gross, dass alle die kleiuen Mittel, mit 
denen dies niarokkanisclie Abschliessungssysteia arbeitet, wenn auch 
von der Eifersucht der Mächte dabei unterstützt, auf die Dauer 
nicht genügen. Tropfniwdse macht sich europlisoher Einünss immer 
mehr geltend. Aber inzwischen bleibt die Ge&hr fBr den Frieden 
Europas. Wenn es gelänge ähnlich wie in China geschehen ist^ das 
Land enropfiisdier Beth&tignng zu erschliessen, so wMe das in erster 
Linie England und dem Deutschen Eeiche zum Voilheil gereichen, 
weniger Frankreich. Das Deutsche Reich und England haben in 
ei-ster T.inie Interesse an der Aufrechterhaltung Marokkos, als so 
zu sagen unabhängiL^er selbständiger Staat, besser mit Reformen, 
zur Notli aber auch uIük Mjlclie, so schmachvoll auch der Schutz ist, 
den diese Machte damit solchen Zust&udeu gewähren. Fraukieich 



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181 



ist damit weniger gedient, denn die BeArcbtung ist nicht vnbegi ündet, 
dftss es im freien Wettbewerbe, trotz der lanmlichen Nftbe, nach 

und nach in den Hintergrand gedrängt werden wird. Frankreich 
hat sich auch schon in den Gedanken eingelebt, dass es Marokko eines 
Tages in ähnlicherweise sich angliedert, wie es bei Tunesien 
geschehen ist. Es würde eine für sieher gehaltene Beate sich 
entschlüpfen sehen. Dass aber ganz Marokko eines Tages französisch 
wird, das verbieten geradezu die Lebensinteressen Entrlrtnds und des 
Deutschen Reichs, Denn Frankreich würde, abgesehen von dem 
Zuwachs von Machtmitteln, jedenfalls in Marokko nach den in 
Algerien, Tunesien und seinen übiigen Kolonien, wo es ohne zu 
empfindlichen eigenen Sdtaden irgendwie geht, bew&hrten GrandsAtzen 
TerlSdiren ond Mittel and Wege finden, den fremden Handel anf das 
nnvermeidliche Mindestmaass herabiadrflcken. Die deutschen Kauf- 
lente nnd Unternehmer, die anf die Zoknnft gerechnet haben, würden 
sich nm die Früchte ihrer Arbeit betrogen sehen. Wenn in Frank« 
reich einmal die üebereeogang znm Durchbräche koromt, dass die 
Erwerbung von ganz Marokko unmöglich ist, so wird man dort wol 
in erster Linie für Beschreiten des zweiten Weges sein der Auf- 
theihmg von Marokko unter die drei betheiligten Weltmächte. 

Eine Auftheilun«:- von Marokko als dauerndes Auskunftsmittel ist 
geographisch gewisse nuiassen vorgezeichnet Was man gemeinhin 
in Europa unter Marokko versteht und auf unseren Karten mit einer 
bestimmten Farbe umzieht, ist weder ein Land noch ein Staat, 
sondern eine Ländergruppe, von der nur ein kleiner Theil, etwa ein 
Viertel, vorzugsweise das Atlas-Yorland, vom Sultan von Marokko 
wirklich beherrscht wird, wenn auch unter sich unablässig emenemden 
Versuchen der Bewohner die Herrschaft abzuschfltteln. Der ganze Best 
ist entweder, wie namentlich die berberischen Oebirgslandschaften, ganz 
unabhängig oder beugt sich der Herrschaft des Sultans nur formell 
und bildet also kaum mehr als eine Art mamkkanischer Interessen- 
sphäre, um die allerdings noch die Anerkennung des Sultans als 
geistliches Oberhaupt des Maghreb ein weiteres Band schlingt. Den 
Kern des Ganzen ItiUlet das Atlas- Vorland. Aber selbst dieses ist 
kein völlig einheitliches tiebieL und wird auch im Lande selbst nicht 
als politische Einheit angesehen. Der Norden, im Jiande selbst el 
Gharb genannt, mit Fas als politischem Mittelpunkte wird, wie ich 
froher gezeigt habe *), durch schwer gangbare und daher noch heute 
?on nnabhftDgigeu Berbern bewohnte Gebirgslandsdiaften yom Sttden, 



0 Wi«eawlMftliclM EigebniM S. 45. 



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182 



El Haus, mit Marraliesch als Mittelpankt geschieden. Die Zerlegung 
dieser thatsActalieh schon heute nicht staatlich geeinten Lftndergmppe 

würde daher keine Zerreissung einei- geographischen undethnographischen 
Einheit bedeuten. Wenn in Frankreich bis dahin niclit die Ueber- 
zeugung durchgedrungen sein sollte. Eiif^land der wahre Feind 
i^^t und ein Heil für Frankreich nni- in dfi- Aiinälierung an das 
Deutsche Reich liegt, ein Ausschhi.ss Kriirl ni ls vom marokkanischen 
Erbe also nicht möglich wftre, so wurl. i1;is deutsche Interes.*^e 
mindestens die Zutheilung von Süd-Marokko. K.l Haus, erfordern, von 
Rabat nach Süden, das Sus eingeschlossen, mit Marrakesch. Die 
zn H&fen anszubauenden Kflstenplätze dieses Gebiets würden uärnlich 
Stfltzpnnkte sowol flir den Verkehr nach West-Afrika und Sfld- 
Amerika, wie durch das Mittelmeer bilden. Deutscherseits könnte 
dann alles Land jenseits des Atlas, vom Ocean bis zum Mittelmeere, 
das Rifgebiet eingeschlossen, an Frankreich überlassen werden. 
Nord-Marokko oder wenigstens einen Theil desselben an der Meer« 
enge mit Tanger wOrde England sicher mit allen Mittel zu erwerben 
anstreben. Gelänge eine Versttiudignng zwischen Frankreich und 
dem Deutsclieii Reirh, dann niüs.ste das ganze Atlas-Vorland mit 
Tanger deiitscli weiden. Ceuta und din übrigen s|>anischen Presidios 
würden über kurz oder lang au i'raukreicli übergelien, denn soweit 
meine Keuutuis Spanit iis reicht, hat dieser Staat keine Zukunft mehr 
und ist derselbe ganz ausser Stande irgendwie für seine sogenannten 
geschichtlichen Ansprüche auf Marokko einzutreten. Tbatsftehlich 
hat Spanien heute auch, abgesehen davon, dass es einen Theil hilliger 
Yolksnahrung von dort bezieht, keine wtrthschaftlichen Interessen 
mehr in Marokko. 

In welcher Form aber auch die Erschliessung Marokkos erfolgen 
mag, jedenfalls eröffnet sich in dem Augenblicke, wo dies geschieht, 
für die Bethätigung europäischer Kulturkräfte ein weites, reich- 
lohnendes Feld. Hier sind Häfen, Eisenbahnen, Strassen, Brücken. 
Beleuchtungsanlagen, Bewässerungsanlagen, Linien für Küsten- und 
Fluss-Schifffahrt, elektrische Anlagen und vieles Andre zu schaffen. 
Hier ist der Ackerbau jedes nur denklmren Aufschwungs in einem 
weiten Gebiete zugänglich, ein reiches Absatzgebiet für landwirth- 
schaftliche Maschinen erschliesst sich. Die Zwergpalmeubestände, die 
Dflngerberge harren der Verwerthung. Windmotoren kOnnen hier 
zu Tausenden in Tbfttigkeit gesetzt werden. Aber noch mehr, 
Marokko im Gegensatz zu Algerien und Tunesien fitst malariafrei, 
überaus dünnbevölkert, bietet Baum fllr 2—8 Millionen europAisdier 
Ansiedler, die dort mit ihrer HAnde Arbeit eine Fülle von Erzeugnissen 



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18a 



henrorbringeD kAiiiien, deren das Matterland bedarf. Genau so wie 
aehon jetzt die enropftisehen Kanfleute in den KflatenstAdten um 
ihren Handel den tbOricbten Ausfuhrsverboten znm Trotz zu nähren, 
die eingeborenen Bauern zum Anbau einer ganmn Anzahl neuer 

Gewächse angeleitet liaben, wäre es möglich hier, um nur zwei weitere 
zu nennen, Baumwolle und Erdmjindpln im Grossen zu ziehen. Wie in 
Vorder indien der Regurboden gt i i lczu weil er sich v^rtivölich 
dazu eignet, von den Engländern biack cotton soil genauui wird, 
dürfte die jenem der Entstehung und Zusamraensetzong nach, abgesehen 
davon, dasi> sie den doppelten Gehnii au organischen Substanzen hat, 
aasserordentlieb ähnliche marokkanische Schwarzerde sich Torans- 
sichtlich ausgezeichnet fbr BaumwoUenbau eignen. Frtther ist ja 
auch schon Baumwolle in MaroklEo gezogen worden. Die Wasset^ 
frage ist kein Hindernis, denn der Tensift und die Dm-er-Rbia ftthren 
auch im Sommer die Wasservorrätbe des Atlas vorbei. Wie man 
aus dem Durehbruehsthale der Donau oberhalb Sigmaringen und von 
zabbreichen andern Stellen Wasser in Fülle auf die Höhen der 
Rauhen Alp hinaufgehoben hat, so wird man auch das dieser vStröme 
über die weiten Schwarz- und Rotherdegefllde von Abda, Dukkala 
und Schania. die des Subu über die ebenso fruchtbaren Ebenen des 
Gharb auszubteileii vermögen, ja wol noch leichter durch Windmotoren, 
wenn nicht, wie dort, auch die Möglichkeit zur Verwendung hydrau- 
lischer Widder gegeben sein sollt«. 

Unsere riesige Yolksyermebrung kann jeden Augenblick die 
emstesten Gelhhren herautbeschw&ren. Unsere StaatsmAnner, seit 
Bismarck, haben schon, allerdings zum Theil unter Mitschuld der 
Volksvertetnng, durah zahlreiche versäumte Gelegenheiten eine 
schwere Verantwortung vor dem deutsdicn Volke und vor der 
Geschichte auf sieh geladen. Soll Marokko die^e Last der Ver- 
antwortung noch vermehren? Denn die Thatsache drängt sich jedem, 
der sehen will, auf, dass Maiokko fflr da.*5jenige Volk, welches das 
reiche Land aus dem Mitlelnlter in din Gegenwart Überführt, zu 
einer Goldgrube und Machtt^iuelle werden musä. 



23. Ktimatotogisches. 

Die kUmatologischen Beobachtungen, welche ich auf meiner Beise 
im Jahre 1899 gemacht hatte, haben zusammen mit dem gesammten 
bis jetzt flir Marokko vorliegenden Beobachtungsstoffe eine eingehende 
Bearbeitung zu einer zusammenhftngenden klimatologischeu Studie 



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184 



ftber Marokko erfiikren *). E» erfllirigt daher hier nur knns, die aaf 

dieser letzten Heise gemachten Beobachtungen znsammenza&Bsen. 
Ea wurden sämmtliche Instramente dreimal Uglich zu auch von den 
meteorologischen Stationen an der Küste eingehaltenen Stunden, 
7 Uhr morgens, 2 Uhr mittags und 9 Ulir abends abgelesen, die 
Barometer selbstverständlidi zum Zwecke di r H(tlipnrnpssun? so oft 
als es wiin sehenswert h erscliien. Während der Aiifpiit halte ui den 
Küstenstiidten wurde nicht beobachtet, da in Mogador und Saffl 
deutsche meteoiologische Stationen bestehen und ich, wie schon 
erwflhQt, in Oasablanca eine solche eingerichtet habe. Leider erlitt, 
wie sebon geschildert worden ist, das Aesmann'sebe Aspirations- 
Psychrometer in Saill eine unheilbare Beschädigung, sodass nur zwei 
Froflle mit demselben bestimmt werden konnten, das eine von der 
Ettste bei Mogador südlich vom Tensift bis 2 Tagemärsche von 
Marrakesch, annähernd parallel demjenigen, das ich auf Grund der 
Beobachtungen von 1899 konstruiren konnte, das andere nördlich vom 
Tensift über den Zyma-See und durch Abda nach Saffi. Auch Wind, 
Begeu, Bewölkung, Nebel und Thau wurde sorgsam beobachteL 

Im Allgemeinen war das Wetter w&hiend des Winters und 

Frühlings wesentlich anders als im Jahre 1890, sehr regenreich, kflbl 
und windig. In Mogador ereignete sich das Unglaubliche, dass es 
am 'i'i. Februar volle 24 Stunden ohne Unterbrechung regnete, bald 
stärkei-. bald schwacher, 6U' NiVd^^rschlagshöhe betrug im Ganzen 
30.5 mm, und dass man einen ganzen Tae^ die Sonne nicht sah. Es 
trat bei NW eine sehr empfindliche Abkühlung ein. Nördliche Winde 
von grosser Stärke waren sehr häufig. Bei einem Ausfluge, den die 
deutsche Kolonie in den die Dünen südöstlich von Mogador bedeckenden 
Bnschwald am 16. Febiiiar unternahm, steigerte sich der Nordwind 
bald derartig, dass wir in dem auf einer Anhöhe aufgeschlagenen Zelte 
ganz mit Sand überschttttet wurden nnd dasselbe abbrechen mussten. 
Es war im Februar jeder iweite Tag ein Regentag, allerdings waren 
stets nur wenij^^e Stunden, oft des Nachts, von Hegen ansgefhUt 
Wenn wirklich einmal Windstille herrschte, so empfknd man das als 
besonders wolthuend. 

Das nngftnstige Urtheil, weldies ich, im Qegensatz zu französischen 
Aensten, schon frflher Aber Mogador als Winter-Station ftlr Lungen* 
kranke geföllt habe, ist durch den diesmaligen Swöchtlichen Aufent- 
halt vollauf bestätigt worden. Die vielgerahmte Oleichmftssigkeit 

*) Zettschrift der GeselUchaft Ar Erdknqde w Beiüo. Jahigug 19QI. 



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185 



der Wftrme ist thatsAchlich in diesem Hausse nicht voiiiandeii. 
Uebenitis Ifistig ist die Häufigkeit und Heftigkeit der Winde, gegen 
die es fast nirgends Schutz gieht und die in- und ausserlialb der 
Stadt bei der völligen Vegetationslosigkeit der Umgebung reichlich 
Staub führen. Diese Winde sind stets, da sie vom Meere her und 
und meist aus nördlichen Quadranten wehen, relativ kühl. Der 
Gegensatz zwischen dem Winde ausgesetzten und windgeschtttzten 
und situuigen Punkteu ist hier grösser als anderwärts in den Mittel- 
meerlftndem. 

Um den 1. M?4rz war das Wetter Iftni^ere Zeit so sehlecht, 
dass kein Dampfer die Küste anlaufen konnte uimI .selbst die englischen 
der Forvvood-Linie, die sich sonst durch Zuverlässigkeit auszeichnen, 
liefen vorüber und ttberliessen es den Beisenden in Mogador zu 
warten, bis ein anderer eine Woche später etwa anlaufen würde. 
Das ist flbrigens eine Erscileiiiang, die Jeden Winter and melirikcli 
yorkommt 

Die Beoba^-btnngen, welche ich im Mära zwischen Mogador bezw. 
Aln-el-Hadscliar und Marrakesch. andererseits auf dem Wege aus 
dem Innern über den Zyma-See und durch Abda an die Küste bei 
Saffi machte, entsprachen im Allgemeinen denen von 1899 nur sehr 
wenig. Die Lnftfenchtigkeit nnd die Tbaafiüle nahmen nach innen 
nicht ab, die Tage wnrden awar noch wSrmer, aber die Mftcbte nidit 
kflbler. In Ain-el-Hadsehar waren von 11 Tagen (5. — 16. Mflrs) 
5 Begen- nnd Gewittertage ohne Thauf^lle, die 6 übrigen hatten zum 
Theil reichliche Tlian^lle; die Feuchtigkeit war so gross, dass die 
sonnigen Stunden fast täglich beniitzt werden mussten, um die Decken 
und Feldbetten zu trocknen, da die Matten in den Zelten zu faulen 
begannen. Das Mittel der relativen Feuchtigkeit betrug nach dem 
Assmann'schen Aspirations- Psychrometer in der lOtägigen Bpohachtniigs- 
periode von Ain-el-Hadschar, das 100 m hoch, aber im wölbe wasserten 
Thale 8 km vom Meere liegt, bei der Morgenbeobachtung 80,5®/«», 
bei der Mittagsbeobachtuug 62,7'' o, bei der Abeudbeobachtung 79,6"/«. 
Das Ifazirnnm bei mehreren Morgen- nnd Abendbeobachtungen 
Das Minimnm-Thermometer, das regelmässig nachts vor dem Zelte 
anf einem niedrigen Gestell etwa 1 cm aber dem Boden ausgelegt 
wurde, leigte mehHkeh nor H- S*C, in Maadmnm 6,3*0, im Mittel 
von 10 Tagen -{ 4,r)'*0 Das Miudmum- Thermometer schwankte 
zwischen einem tiefsten Stande von 14,4 ®C am 9 März und einem 
höchsten von 26,5 am 5. März. Das Mittel der Maxima für die 
lOtfigige Periode betrug 21,5 'C. Das Sonnenschein -Thermometer 



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186 



zei<^te t\m 15 ^fftrz bei einem Maximam der SchattentemperAtar von 

20,6 «C, 44,0 •0. 

Im Innern von Schedma, AhmÄr und Abda waren zwischen dem 
16. und 26. Mftrz nur der 18. nnd 19. März Eegentage mit SW ninl 
ohne Thau. Eb herrschten uordöstlichf Winde nieist von ziemlif lier 
Stärke vor. Das Mininiura-Thermomeler erreichte seinen tiefsten 
Stand von ~\- 4"C in Uled Brahim in 275 m Meereslxjhe und zeijrte 
im Mittel von 7 Tagen, an denen allein Ablesungen möglich wart-n, 
einen Stand von 7,9 "C. Das Maximum-Thermometer konnte, weil 
es an Schutz fehlte, nm* an 3 Tagen abgelesen werden, wo es 
20,0 hSKW. 19,8^0 zeigte. Die relative Fenebtigkeit war bei 
der Mffirgenbeobachtung, wie schon die ThanfiUle zeigten, sehr 
beträchtlich. Sie betrug bei letzterer (Bfittel von 9 Beobacbtnngen) 
82,4*/« and erreichte am 23. Miliz im Innern von Abda im Duar 
des Hamed Ben Said Bei Haffian 94%. Die Umgebung des 
Zyma Sees Hess keine Zunahme erkennen. Bei der Mittags- 
beobHchtiing sank die relative Feuchtigkeit auf im Mittel 57..^ •*'.», 
um b^i der Abendlteobachtung wieder auf 75,6 ®/o zw steigen. Das 
beobachtete Minimum von 48,6"/» kam in Schedma an der Grenze 
der Kabyle El Dra und El Hanchen vor. In dieser so durchweg 
viel höheren relativen Feuchtigkeit kommt die unnormale, gegenüber 
2899 sehr viel fenchtere Witterung am deutlichsten zom Aasdmck. 
In der That habe ich niemals unter Darst zu leiden gehabt 

Aaf der dritten und vierten Durchqaemng der Kttstenebene von 
Abda nnd Dukkala, von Saffi nach Bn-el-Awftn an der üm-er-Bbia 
nnd zarttck nach Azemur herrschten vom 27. Mflrz bis 7. April im 
Allgemeinen nördliche und nordöstliche Winde vor, an vier Tagen 
regnete es mit Westwinden, an 7 Tagen fiel Thau ganz besonders 
reichlich nahe der Küste, die Bewölkung war ungewöhnlich grosn. bei 
nicht weniger als 5 Beobachtungen zeigte sich der Himmel ganz mit 
Wolken bedeckt. Die Temperritur war verbHlhiissmässig hoch, denn 
das Mittel der Minima betrug 10,7 "0, nur einmal, am 29. März, aut 
der Grenze von Abda und Dukkala in einer Meereshohe von 200 m 
las ich -\- 2'C ab, ein andermal dagegen, am 8. April, in Azemur, 
aUo nahe dem Meere, ^ 15 '^C. Die Mittagstemperataren waren 
ziemlich hoch, das Mittel der 9 Ablesungen war 25^0. Am 5. April 
war das Maximum in Mhenla 29<^C, am 2. April In Bu-el-AwAn 29,6*0 
und das Sonnen-Thermometer zeigte dort 48*0, hier 45*0. 

Wesentlich nngflnstiger gestalteten sieh die Witterungsverhältnisse 
bei der fllnften und sechsten Durchquerung der Kttstenebene von 
Azemur nach Settat und von Settat nach Casablanca vom 8. bis 



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187 



zam 13. April. Während dieser Zeit henrscliteii anunterbrochen Nord- und 
Koniostwinde meist stnrmartig and bei bedecktem Himmel, obwol kein 
Bogen fiel. Btf Minimnm-Thermomefer konnte nur dreimal abgelesen 
werden, weil ich meist in Easbas flbemachten mnsste. Es zeigte im 
Mittel -f 12,7*0, aber die WÄrme stieg anch untertags nnter dem Ein- 
flüsse dp"? kalten Windes nur wenig, sodass das Maximum am 12. April 
nur 12,8 ''O betrug, eine Temperatur, wie sie weder auf dieser, nocli 
auf der Reise von 1^99 mittags zur Beobachtung gekommen ist. Auch 
während des Aufenthalts in Casablanca hielt ungünstige Witterung 
an, namentlich regnete es wiederholt ausgiebig bei starkem Westwind. 

Es möge hier, auch zur weiteren Beleuchtung der vielseitigen 
Gefahren, die der Scbifffahi t an dieser hafenlosen Küste drohen, noch 
ein koizer Bericht ttb«r einen Oy klon angefügt werden, der am 
17. and 18. Dezember 1901 an der Etlste von Südwest- Marokko 
wllthete nnd in SafS, von den topographischen YerhSltnissen begfinstigt, 
grosses Unheil anrichtete. Ich wnrde auf die ISrscheinnng sanichst 
dadurch aufmerksam gemacht, dass der Beobachter in Mogadoi-, Herr 
Konsul von Maur mir sofort auf einer Postkarte die unerhörte That- 
sache meldete, dass aui 17. Dezember in Mogador das Barometer mittags 
auf 743 mm gesinikf n war und geAvaltige Regen, vom I. — 18. Dezember 
überhaupt 108 nini. tTHtallen seien. Gleich naehlier ging mir noch 
ein Bericht des deutschen Vize-Konsuls Junker in Safti zu, leider 
versuchte ich aber erfolglos die Beobachtungen der meteorologischen 
Stationen in Saffl selbst und in Casablanca zu verwerthen. 
Dort war der Beobachter todtkrank und starb bald nachher, hier 
hatte derselbe wegen schwerer Erkrankung die Beobacfatangen noch 
nicht beginnen können. Immerhin ergab sich ans dem Junker^schen 
Berichte, dass ein von heftigen Regen begleiteter Wirbelstarm die 
Kttste heimgesncht, ein dänisches Segelschiff anf der Rhede von Safß, 
das einzig vorhandene Schiff, auf den Strand geworfen und völlig 
zertrümmert hatte und dass die in dem engen Thale, an dessen Ans- 
mündung Saffi liegt (s. S. 83) urplötzlich niederstürzenden Wassf rmassen 
in der Hauptstrasse zahlreiche Häuser zerstört hatten wobei etwa 
100 Menschen, die zum Theil in*s Meer hinausgespiilt wurden, und 
viel Vieh um's Leb^-n kiHuuien waren. Der Vize-Konsul, der Kaid 
und zahlreiche Persoueii. die am Strande bei dem Wrack zu thnn 
gehabt hatten, retteten sich, da das Seethor durch die hohe Brandung 
▼on der einen, die Binueuwasser von der anderen Seite gesperrt war, 
mit Mflhe nnd Koth zanAcbst in einen Garten, dann, als anch dieser 
ttberflnthet wnrde, Aber die Stadtmauer. Anch am 18. Dezember 
hielt Sturm und Regen noch an. 



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188 



24. Zusammeitoseade Skizze iler durchreisten 

Landsebaflen. 

Es sind fünf Landschafte?i. die ich auf dieser Reise zum Theil 
in Ergänzung derjenigen von 1899 niilier kennen gelernt habe: die 
Kusteulandschaften Schedma, Abda, D ikk ila und Schauia und die 
BinnenlandscLaft Ahmar. Abda und Dukkala hatte ich bislier noch 
uicht betreten. Das Folgende ist als eine Ergänzung der auf S. 152 
bis 159 des Werks Qber die Heise von 1899 gegebenen Zusammen- 
fusniig anzusehea 

Die Landschaft Schedma, deren Hanptort die Kflstenstadt 
Mogador ist, ist bei weitem fiberwiegend Tafelland nnd Hochebene, 
nur an der Kfiste nordöstlich yon Mogitdor bedingen bedeutende 
Schichtenstörungen, denen besonders der 60 kra lange, aber nur etwa 
4 km im Mittel breite Djebel Hadid seine Entistelmng yerdankt, 
Hügellandcbarakter. Sonst ist die einförmige Tafelfläche nnr durch 
die Erosion, die während der Pluviaizeit hier heute meist trocken- 
liegende oder nur strefkemveise durch Quellen mit fliessendem Wasser 
versehene Tiiäler geschatteu hat, etwas gegliedert worden, sodass 
namentlich der ziemlich steile Rand des Tafellandes ganz malerische 
Landscbaftsbilder bietet. Aber .schon in einem Abstände von etwa 
17 km vom Meere herrseht die nngegliederte Hochfläche vor. Es 
fehlt hier, nfther am Atlas nnd nnter dem Einflüsse der letzten 
Schichtenstömngen, die dieses Gebirge schufen, die Eflstenebene, die 
nördlich vom Tensift als unterste Stnfe dea marokkanischen Atias^ 
Vorlandes dem höheren inneren Tafellande vorgelagert ist. Vielleicht 
wird man die kleine, den Djebel Hadid vom Tensift südwärts bis zum 
Kap Hadid vorgelagerte Küstenebene von Akermut noch als zu der 
untersten, auch geologisch jüngsten Stufe des Atlasvorlandes zu 
rechnen haben. Dem Znsammentreft'en mehrerer Umstände, nämlich 
dass es dem Atlas schon so nahegerückt ist, dass es ohne niedriges 
Vorland mit seinem durch den Djebel Hadid, dessen mittlere Kamm- 
huhe etwa 4Ü0 m, die höchste Erhebung ö65 m beträgt, noch erhöhten 
Steilrande unmittelbar vom Ocean aufsteigt und die Holzgewächsen 
feindliche Schwarzerdedecke fehlt, verdankt aber Schedma einen 
Gharakterzng, der es besonders scharf von den fibrigen obengraannten 
Landschaften unterscheidet: seine ausgedehnten Bnschwälder* Es 
istjanzunebmen, dass jene bodenplastische Eigenart und die NAhe des 
Atlas reichlichere, Baumwnchs ermöglichende Niederschläge und 
ThanftUe hervorruft. Mogador hat ja eine NiederscblDgshöhe 
von 407 mm. Um den Dj. Hadid ist dieselbe gewiss grösser. 



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189 



Da8s dieser Busch wald durch die Niederschläge bedingt ist, ergiebt 
sich ächou daraus, dass derselbe mit der Eutfernuug vom Ocean rasch 
niedriger aud dürftiger wird und schon in einem mittleren Abstände 
von hOclistens 50 km die Steppe beginnt^ die zwar auch noeb ver- 
einzelte HolzgewftcliBe hervorbringt, aber andere wie im Bnschwald- 
gflrtel. Wenn aber die nördlich vom Teneift gelegenen Ettstenprovinsen 
keine Spur von Bnscbwald besitzen, und an Holzge wachsen, von 
wenigen angepflanzten, aber stets niedrigen, kümmerlichen Feigen- 
bAnmen abgesehen, überhaupt arm sind, ja auf weite Strecken derselben 
durchaus entbehren, so kann die Ursache dieser Erscheinung nicht in 
den "NiedfrspMäiren gesnclit werden, denn diese nehmen, wie die bis- 
herigen Kegenmessiingen, so lückenhait sie auch sind, als unzwoifelliaft 
hinstellen, nach Norden hin stetig zu. Der Boden, die Decke von 
Schwarz- und Rolherde^ der diese Landschaften zu reichen Getreide- 
ländern macht, ist dem Holzwuchs feindlich. 

Der Gflrtel diesea Bnseliwaldes allein ist in Sdiedma anbanlhbig, 
die Steppe des Innern erlaubt nur Viehsncbt Aber der Boden ist 
meist so sandig nnd felsig, dass tbatsidilieh nnr kleine Flfichen mit 
besserem Boden, wie s. B. in der Eabyle El Dra nnter Bodnng des 
Waldes für Ackerbau in Anspruch genommen sind, und die kleineu 
Dörfer und Weiler der durchweg bf il lischen Bevölkerung meist in 
Lichtungen des Buschwaldes liegen. Da dieser, seine jungen Blatter 
und Triebe, weniger die dürftige, in seinem Schutze im Winter sich 
entwickelnde Krautvi^s^etation gute Weidegrtinde für Ziegen bildet, 
die iiauientlich ihre isahrung auch auf den knorrigen, malerischen 
Arganbäuinen, dem Hauptbestandtheile dieses Bnschwaldes, suclien nnd 
finden, so ist Schedma, wenn .seine Bevölkerung auch durchaus sess- 
haft is^t, weniger ein Land des Ackerbaus, als der Vieh- und besonders 
der Ziegenzncht Sehedma ist daher dne der ärmeren Provinzen 
Marokkos und keiner grossen Verdichtung der Bevölkerung zugang- 
lich. Heute dOrlte die Volksdicbte noch keine 2ö Eöpfi» auf 1 qkm 
erreichen; 50 Eöpfis dflrfte der bei der besten Verwaltung mögliche 
Höchstbe^g sein. 

Aehnlich, ja noch ungünstigerliegen die Verhältnisse in Ah mar, 
wenn auch aus anderen Qiünden. Ahmar, nördlich vom Tensift 
gelegen, mit dem Becken das Zyma-Sees als Kryst^llisationspunkt, 
gehört ganz der zweiten Stute des Atlasvorlands an, die mit steilem 
Rande über der Tiefebene von Abda aufsteigt. Es dürfte eine mittlere 
Höhe von 400 m haben. Es ist bereits in seiner ganzen Ausdeiiuuug 
Zubehör des Steppengürtels, wenn auch auf kleinen Flächen mit 
besserem Boden Getreidehau nicht ausgeschlossen ist und kleine 



190 



Pflanzungen von Feigenbäumen möglich sind. Der O^erflärlien- 
gesUltuug nach ist es mehr Hnch welliges Httj^elland als Hucliebene. 
Es besteht überwiegend aus den tafellagernden Schichten des (kreta- 
ceiscben?) Deckgebirges, das gegen den hohen dem Meere zugekehrten 
Band, weniger gegen den Tensift hin durch fluviatile Erosion, sonst 
aber Überwiegend doreb Aolieehe Denadation gegliedert ist Aaf diese 
führe ieh Torsugsweise die Bildong zahlreicher Tafelberge und flacher 
Becken aorttek, deren eines den grOssten See Ton Marokko, den 
stark salzigen Zyma- See enthält, die Yerdunstangspfanne einiger in 
ihn mflndender kleiner Giessbäche. Durch äolische Denudation 
vorzugsweise ist auch hier und da das (palaeozoische?) alte gefaltete 
und (durch Abrasion?) abgetragene Grundgebirge biosgelegt, das 
sofort abweichende OberHächenformen, Buschvegetation, wenn auch 
äusserst dürftige, und leichtere Wasserbeschaffung durch Brunnen 
bedingt. Der dauernd tliessenden Gewässer entbehrt Ahmar durchaus, 
wenn wir vom Tensift absehen, ja selbst zeitweilig nach heftigen 
Winterregeu gefüllte Wasserlaufe sind selten. Ebenso Quellen. Die 
Bevölkerung ist in Bezug auf ihren Wasserbedarf hsi ansschliesslich 
anf den Tensift nnd in grosserer Entfernung von demselben anf 
Bronnen nnd CisiemeD angewiesen. Dieselbe ti^eibt daher bei weitem 
überwiegend Yieiuneht, ist mm grossen Tbett halbnomadisch nnd 
bewohnt kleine Dnar, die ans Zelten nnd niedrigen Hütten bestehen^ 
unter die sich nur ausnahmsweise niedrige Lehmhäuser mischen. Der 
geringen, dnrch die Landesnator bedingten Volksdichte entspricht es, 
dass Ahmar, so weit meine Kenntnis reicht, auch nicht eine Siedelung 
besitzt, die mit einem ansehnliclien Dorfe verglichen weiden künnte, 
wie deren in Sch^dma viele vorkoninien. Ahmar ist selbst gegenüber 
Schedma eine sehr arme Landschaft. 

Ganz anders die Küstenlandschaften Abda, Dukkala und tichauia. 
Diese gehören der untersten Stufe des Atlasvorlandes an, die wol 
ei'st in nachpliocäner Zeit dui'ch Hebung dem Meere entstiegen ist, 
dessen Wellen bis dahin in ähnlicher Weise am Fnsse der zweiten 
Stnfe TOD Ahmar nnd Rehamna, brandeten, wie an der heutigen, 
namentlich nach Süden hin immer höher ansteigenden Küste. Ich 
habe diese unterste Stnfe des Atlasvorlands auf der letzten Beise 
fünfmal, auf der von 1899 eiumal durchquert und habe mir danach 
ein von den bisherigen Darstellungen auf den besten Karten ab- 
weichendes Bild ihrer Bodenplasidk gemacht '). Vom Tensift bis zum 

■) Veisleich« die mit hervomcendem SdiaTfii&De aus de» dOrftig flienendeo 

Quellen herausgearbeitete Darstellung von P. Schnell: Das marokkanildie Atlnasebitge. 
Jü-gituun^kheft Nu. 103 zu Felernuuui's Mittbciiungeni S 105 ff. 



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191 



Parallel von Casablancn bildet dieselbe ein«^ Ebene, ja vorwiegend 
tischgleiche Ebene, die mit steilem, mindestens 100 m hohem Rande, der 
Örtlirli m einer Breite von 10—20 km durch flaviatile Rrosioii etwas 
gegiied^ rt ist, vom Meere und sanft, nur dui*ch das Barunieter nachweis- 
bar, landeinwärts gegen den F\iss der zweiten Stufe ansteigt. Nur hier 
und da finden sich flache Httgelwellen und vereinzelte Hügel, 
die zum Theil als Zeugen der Denudation, namentlich auch als 
durch die Kalkknute bedingt anzusehen sind. Dieselhen sind aber 
dorchwegf soweit meine Beobachtung reicht, Ton so geringer H9he, 
dass sie nnr in einer topographischen Karte xam Ausdruck iLommen 
könnten. Keiner dieser Httgel und Wellen dßrfte 90 m rel. ttbeiv 
steigen. Wo ich diese Kflstenebene gequert habe, ist keine Spur von 
Zwischenstufen vorbanden. Die sclimalen Vorländer, Erzengnisse der 
jüngsten Hebnng, wie ich ein solches bei Casablanca beobachtet 
habe, während ein f\ndres den Küstenliaffen südlich von Kap Blanco 
bis Walidya zu entsprechen sHieint, sind nur örtliche, dieser breiten 
Terrasse nicht ebenbürtige Kix heinnngen. Der innere Rand dieser 
Küstenebeue, am Fusse der zweiten Stufe, liat nadi meinen Höhen- 
uiessungen eine Höhe, die anscheinend von Südwest nach Nordost 
etwas zunimmt, von etwa 200 m auf 250— 275 m, während der Steihaud 
gegen den Ocean nadi Norden an Höhe za verKeren scheint. Man wird 
danach diese nnterste Stufe als Tiefebene sn besseichnen haben und, immer- 
hin den Steilabstnn zum Ocean im Ange, von einer Kflstenebene des 
Atlasvorlands sprechen können- Diese beginnt demnach ganz schmal 
als Ebene von Akermut am Kap Hadid 20 km nöi^lich von Mogador, 
verbreitert sich aber n ndlich vom Tcnsift^ an dessen Unterlauf sie 
wenig über 15 km breit ist. sehr rasch und dürfte bei Sidi Rehal, 
wo der Kar?nv;Mienweg von Mazagan nach Marrakesch durch das 
Thal von Mtal auf die zweite Landstnfc (von Rehainna) empoi'steigt, 
die grösste Breite von 80 km eiieichen. Von da nach Nordosten 
mindert sich die Breite wieder. An der Uni-er-Rbia beträgt sie nnr 
noch 7o kin, in Schauia uicliL nielir ou km. Genau so steil, geschlossen 
nnd scharf ausgeprägt, wie die Kflstenebene im Allgemeinen vom 
Meere aufeteigt, nur noch weniger durch Erosion gegliedert, steigt 
die zweite Landstufe Aber der Kflstenebene an£ Die relative Höhe 
derselben dflrfte im Mittel etwa 100 m betragen, nur da betrflchtlich 
mehr, wo unmittelbar an ihrem Bande sich höhere Berge vereinzelt 
und unter abweichenden Bedingungen gebildet haben: der Dj. Hadid 
und der Dj. Achdär. 

Man wird der Kttstenebene, die nahe am Ocean 100 m hoch ist 
und sich landeinwärts sanft auf 250 ni bebt, eine mittlere Höhe von 



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192 



etwa 150 m zuschreiben müssen, in Dakkala vielleicht weniger. Doch 
steigt dieselbe gerade in Dukkala bei Sidi Rehal bis zu 275 ni an. Die 
Oberfläche der Küstenebene besteht aus ganz jungen Ablagerungen 
theils marinen Ursprungs, wie der Muschelkalksandstein, der in Abda 
bis an den Fuss der höheren Stufe vorkommt, theils und über- 
wiegend festländischen, wie der weiche, weisse, bröckelige Kalk- 
tuff, der vorzugsweise die Unterlage der Schwarzerde bildet. 
Doch ist die Mächtigkeit dieser Ablagerungen heute überall eine 
geringe, sodass die Abtragung in Schauia in grosser Ausdehnung 
die steilaufgerichteten Schichten des alten, wol palaeozoischen Grund- 
gebirges unter denselben zu Tage treten lässt. Namentlich ist dies 
der Fall an der Küste bei Casablanca (s. Abbildung 16). etwas land- 




16. Abra.sion.s-Terrasse von Casablanca. 



einwärts von Casablanca am Aufstieg aus dem schmalen Vorlande, 
am Fusse der oberen Stufe, wo der Wed Mussa das Deckgebirge 
abgetragen hat und in der Nähe der Um-er-Rbia. Das Thal der 
Um-er-Rbia ist durch das Deckgebirge bis tief in das Grundgebirge 
eingeschnitten, dessen harte Schichten zahlreiche Stromschnellen 



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198 



noch 28 Icm von der MflndtiDg beironufen. Der Mosdielkiilkmnd- 
steiD der nDteren Stnfe giebt, wo er der Sehwarzerdedeeke entbehrt, 

einen leichten, sandigen Boden, der Ealktaff ist vielfacb mit einer 
Kalkkruste bedeckt, die, Anbaa unmöglich machend, Steppenbildnng 
bedingt. Doch ist es die Schwarzerde, welche diesen Landschaften von 
Abda bis Gharb iliren Charakter aufprägt und sie zn den Kornkammern 
nifljt nnr Marokkos maclit. Ungedüngt bringt die Schwai-zerde und 
fast im gleichen Maas^se die Rotherde jahraus jali rein die reichsten Ernten 
an Weizen, Gerste, Mais, Bohnen u. dergl. liervor. Sie bedingt auch 
die Form der Ebene, die bald tischgleicli, bald flachwellig hier vor- 
herrscht. Nnr der Band dieser Stnfe am Ocean ist^ wie wir sahen, 
etwas gegliedert und weist einige selten gefüllte Wasaarinneo 
in kleinen Tbtlem auf. Da ancb die Qiessbiche« die vereinzelt 
Yon der höheren Stufe herabkonimen, bald Tersiegen und nnfilhig 
werden ThAler zn erodieren, so fehlt es diesen Kflstenebenen, gani 
besonders Abda und Dakkala, abseits des Tensift und der Um er-Rbia, 
die der Atlas nährt, nicht nnr an fliessendem Wasser überhaupt, 
sondern selbst an Thälern. Selbst Trockentliäler habe ich nicht 
gefunden. In Schauia gestalten sich die Verhältnisse insofern 
anders, als dort die obere Stufe, je weiter nach Norden, um so höher 
wird und Gewässern Ursprung giebt, die im Stande waten, zum Theil 
nie völlig vei-siegend und Thaler bildend, sich einen Weg (juer durch 
die ganze uutere Stufe zum Ocean zu bahnen. Schon der Wed 
Mnssa, der sfidlichste derselben, der oberlialb Settat entspringt, 
erreicht in dentlicb ausgeprägtem Bett, das Grundgebirge bioslegend, 
nicht gar selten zwar nicht den Ocean, wie die Karten bisher 
darstellten, aber doch die Um-er-Rbia. Es mflndet zwischen der 
üm-erRbia und Casablanca flberhaupt kein weiter aus dem Innern 
kommender Fluss. Aber zwischen Casablanca und Rabat hatte ich 
im Mai 1H99 nicht weniger als Flüsse zu überschreiten, die noch 
Wasser fülirtrn und ansr lieiTiPTid nie völlifr versiegen. Sie werden 
otfenbR!' sämnit lirii von Quellen gespeist, wie ich deren bei Casablanca 
und auf dem Wege nach Rabat eine gajize Anzahl auf dem undurch- 
lässigen Grundgebirge zu Tage tieteu sah. In Dukkalla und noch 
mehr m Abda fehlen aber Quellen so gut wie ganz. In der Villa 
des seit ndnem Besuehe leider Terstorbenen Herrn Sehrader in Saf8 
trat die einzige kleine Quelle, die ich in Abda gesehen habe, zn 
Tage. Ihr Wasser bildet, als Trinkwasser in die Stadt geliefert, 
eine wesentliehe Einnahmequelle fir den Besitzer. Nnr in einem 
schmalen Gtlrtel zu beiden Seiten der Um-er Rbia treten, nnd zwar, wie 
es seheint, viel zahlreicher auf dem rechten, höheren Ufer, dadurch, dass 



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194 



der Strom sein Thal durch das durchlässige Deckgebirge hindurch in 
das nnänrchlÄssige Grundgebirge ansgetieft hat. zahlreiche so an- 
geschnittene Wasseradern als Quellen zu Tage. Ich hatte bereits 
1899 jrleifhe Erscheinung? sclion weiter stromauf festgestellt. 
Wenn truizrliie dieser Quellen auch ungenies>bares Wasser 
enthalten, so sind sie doch von grosser anthropogeographisclier 
Bedeutung, in dem fast jede eine üppige Oase iu's Leben gerufen 
hat, und somit der Strom, so nngfinstig er, ähnlich den FlateanstrOmen 
der iberischen Halbinsel, sonst in antbropogeographiseher Hinsieht 
auch ist, doch eine gewisse Yetdichtnng der Bevölkening in diesem 
Qflrtel herrorgerafen hat Die Bewohner von Abda, Dnkkala and 
znm Theil auch von Schauia sind daher auf natflrliche WasserlOeher 
und künstlich angelegte Sammelteiche, deren Zahl ungeheuer gross 
ist, auf Cisternen und Brunnen angewiesen. Diese letzteren gehen 
wol ausnahmslos bis auf das undurchlässige Grundgebirge hinab, sind 
(Inhor meist sehr tief, schwer zu bohren und zu benutzen Sie liefern 
überdies vielfach bia(ki<^es Wasser von hoher Temperatur. So 
schwierig die Wassertrage hier ;uich ist, so sind diese überaus 
fruchtbaren Landschaften doch im ISlande eine dichte, ackerbauende 
und sesshafte Bevölkerung zu ernähren, wie sie auch heute schon 
ziemlich dicht, jeden&lls dichter als irgend eine Landschaft Ton 
Marokko, bevölkert sind. In Abda liegen in einzelnen Gegenden die 
kleinen ans niedrigen Pis6baaten bestehenden Bnar ansserordentlidi 
dicht bei einander. For landwirthschafilichen, auf Ansnfltzung von 
Maschinen begründeten Grossbetrieb sind diese Schwarzerdegeiilde 
wie geschaffen. Die Wasservei*sorgung Vi t keine Schwierigkeiten, 
da es an Wind zum Heben der unterirdischen W asser voiTäthe das 
ganze J^hv iiielit mangelt. Auch die Abfuhr der Erzeugnisse in die 
Küstenstadle auf iMjhen zweirJtdrigen Karren wäre sofort, auch ohne 
Strassenban. möglich. Dem Eiseubahnbau stellen sich nicht die 
geringsten Schwierigkeiten entgegen. Der Reichilimn dieser Küsten- 
ebene an Erzeugnissen prägt sich darin aus, dass hier eine ganze Anzahl 
von Kflstenplätaen als Sitze des Handels za ansehnlicher Entwickeluog 
gelangt ist: SafB, Mazagan, Azemur, Casablanca, Babat-Sla. 

Wenn ich nun znm Schlass der Um-er-Bbia noch eine kurze 
zasammenfassende Betrachtang widme, so handelt es sich im Wesent- 
lichen nur uro Ergänzung dessen, was iu dem Werke Uber meine 
Forschungsreise von 1899 gesagt worden ist 

Ist es mir auch diesmal nicht gelungen, die letzte Lücke unserer 
Kenntnis vom Traufe der Uni er-Rbia ganz auszufüllen, da es zu schwierig 
erschien von Bu ei-Awän nach Mesclira-esch -Schaar vorzudriugeu, 



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195 



unterlialb welcher Furth ich 1899 den Strom hatte verlassen 
müäsea, so ist doch auch dieses letzte unbekannte StQck des Sttom- 
laufes wenige Wocben nacliher von meinem Reisegefährten, Herrn 
Dr. Weiflgerber^ so gut es in dem äosserst scliwierigen Gel&nde auf 
einer einfachen Forschnngsreise möglich ist, festgelegt worden. Herr 
Dr. Weisgerber ist auf dem rechten Ufer des Stromes bis nach 
Meschra-esch-Sehafir gekommen Damit ist nnn anch der bis 
zuletzt unbekannt gebliebene, der Lanflftoge und der GrOsse des 
Stromgebiets nach gewiss grösste Fluss von Marokko in den grossen 
Zügen erforscht. Allein im Atlasvorlande, in welches derselbe ober- 
halb Kasba Tedia in der Vorlaudsbncht von Tedla, dem marokkanischen 
Ferghana eintritt, beträgt seine Lauflftnge 300 km, die kleineu 
Windungen gai ni bt eiiigereclinet. 18() kiü oberhalb, 120 km uuter- 
hall) Mest'.lira-escii-Scliaer. Von dtr Einmündung des Tasant bis 
Meschra-esch-Schaßr fliesst der Strom, wenn er auch nur ausiiaiims- 
weise bequem zugänglich und ftberschreitbar ist^ doch in eiuem 
Teiifleicbswebie offenen Thale und bildet nur milssige Schlangen- 
windangen, von Mescbni-esch^Scha^ aber bildet er bis unterhalb Bu- 
el-AwAn ein enges fiberans windaugsreiches^ oft caflonartiges Thal, 
das seine Formen und Stromschnellen im Wesentlichen dem Umstände 
verdankt, dass es in einen breiten Gfirtel des, wie es scheinen will, 
hier höher aufragenden Grundgebirges und in den Rand der oberen 
Landstufe eingeschnitten ist, von dersicli der Strom in die Küstenelene 
hinabstürzt. Das Gefalle ist daher aul dieser ÖLrecke sehr bedeutend, denn 
bei Meschra-esch-Sehaer liegt der Spiegel des Stromes nodi 240 m über 
dem Meere, bei Bu-el-Awän noch 120 m. Die Stronisc linellt^n unter- 
halb Mescliia et>ch-Scha6r, die ich 1891) sah, waren in der That viel 
bedeutender als die, welche ich bei Bu-el AwAn und weiter abwärts 
gesehen habe. Der wildeste Theil dieses Durchbmchsthales liegt in 
der That zwischen Meschni'esch'Scha&r nnd Ba el-AwAn. Auf dieser in 
Luftlinie etwa 30 km langen Strecke hat der Strom also ein Gefüle von 
180 m. Aber auch oberhalb Meschra-esch-Schadr ist das Gefidle bedeutend, 
da ich die Höhe seines Spiegels an dem Punkte, wo er den Tasaut auf' 
nimmt, auf 360m schätzte. Die Entfernung beider Punkte beträgt 82 km. 
Die Entfernung von Meschra-esch-Schaer von der Mündung, mag, in 
der Luftlinie genies.'^en, etwa 90 km betragen. Die Tiauflänge des 
Stromes ist sehr viel grös^-^er. Zum Vergleich führe ich an. dass die 
EuLferuung Bingen— Südtude der Köluer Bucht 92 km, die Lauf länge 

*) UersclLie macht über seine Forscliungen im Gebiete der Um-er-Rbia Miltlicilung 
in : La Geographie. Jahrgang 190«. S. jsi — 334. 



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196 



des Rheins 142 km betragt, also mehr. Da die Windungen der 
Morbeya sehr viel grösser sind, als die des Rheins auf dieser Strecke, 
so dürfte die Länge des Stromes wol nahe an 150 km, nicht, wie oben im 
Grossen gemessen angenommen wurde, 120 km erreichen. Bedeutungsvoll 
ist die auffallende Richtungsänderung des im Allgemeinen Nordwest- 
richtung einhaltenden Stromes nach seinem Durchbruch durch den Rand 
der oberen Landstufe. Derselbe fliesst nämlich bald unterhalb Bu-el- 
Awftn, wie wir zu unserer üeberraschung feststellten, eine lange Strecke 
in nördlicher Richtung. Oberhalb Azemur finden sich wiederholt Thal- 
weitungen, deren eine, die von Mheula, näher beschrieben worden 
ist, aber im Allgemeinen bleibt das Thal eng und tief. Die bei- 
gegebene Abbildung 17 veranschaulicht die Ausmündung des Stromes 
aus dem gewundenen Engthale in die Thalweitung von Mheula. Die 




17. Hrositmslhal der Morbeya im Tafelland oberhall) Mheula. 



Höhe der Thalgehänge mindert sich entsprechend der Neigung der 
Ebene stetig. Aber Azemur, nur 4 km von der Mündung, liegt 
noch auf dem hohen linken Ufer. 

AVenn ich ursprünglich daran gedacht hatte, von Azemur aus im 
Boot stromauf fahrend die Erforschung des Stromes durchzuführen, 



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19T 



so hatte ich doch bald auf xiie Ausftthran^ dieses Planes verzichtet, 
imdidem ich durch Erkundigungen, dif^ meine ei'jenen Voi"stelliinp:en 
beslätij^^ten, die Schwierigkeit dieses Uiiterneliniens erkannt hatte. Die 
Befaliruiig der üm-er-Rbia zu Berg ist der atarken Strömuner wegen, 
die dem Flusa, wenn auch wol nur bei Hochwasser^ bis zur Mündung 
Kiesel zu rollen erlaubt, auf jeden Fall sehr schwierig und zeit- 
raubend, SU Thal geftbrlich. . Immeriiia halte ich es nicht für 
nnmi^licb, dass In Zakonft einmal «ne Kettenschleppechiff&hrt hier 
eingerichtet wird, (lie bei hohem Wasserstande, wol naheza 6 Monate, 
bis zur Mttndung des Tasaat gehen könnte. FreUich würde dann 
anch die Bane, die heute die Mündung sperrt, gangbar gemacht 
werden mflssen, damit Azemnr wenigstens von Itleinea Kttaten' 
dampfera erreicht werden kann. 



25. Barometrische Höhenmessungen 

berechnet von Caad. Karl MüUer. 

Die nach folgenden Höhenangaben sind nachBarometerbeobachtungen 
des Herrn Prof. Th. Fischer berechnet; dabei wurde im Wesentlichen 
ebenso verfahren, wie bei Berechnung der Höhenangaben aus den im 
Frühling 1899 von Herrn Prof. Th. Fisclier in Marokko gemachten 
Barometerbeobachtuogen durch Herrn Dr. Heinrich Jung. 

Die Beobachtungen wurden angestellt im März und April 1901 
mit dem der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin gehörigen Bohne' sehen 
Aneroid 1622 und dem Herrn Prof. Fisdier gehörigen gleiclifalls 
Bühue'schen Aneroid 3465. No. 1622 wurde vor und nach der li^A-^' 
von der physikalisch-technischen lieiclisanstalt untersucht; No. 34tj;> 
kuunte nur nach der Reise geprüft werden, so dass zuui Vergleich die 
nach der Keise von 1899 erfolgte Prüfung für 3405 benutzt werden 
mmste. 

Die korrespondirenden Heob;i( htungen wurden wie bei der vorigen 
Keine in Mogador von Herrn Viz;ekonsul von Maur iui erst**n Stock- 
werke seines Hauses etwa 8 m über dem Meere an einem von der 
dentsehen Seewarte gelieferten Quecksilberharometer gemacht 

"Eine Unterscheidung der Korrektionen für zu- und abnehmenden 
Druck war auch diesmal nicht möglich (vergl.die Arbeit von Dr. A. Galle 
in derZeitscbiift der Gesellschaft für Erdkunde zn Berlin 1889 Seite 321). 
Bs worden daher, da die Aenderungen des Druckes in keinem Falle 



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198 



erheblich schnell gewesen waren, Mittelwerthe benntst. Die elastische 
Nachwirkang wurde ebenfiills nicht berflcksichtlgt. 

Während die Frttfongen yon 1622 vor nnd nach der Reise nor eine 
geringe Aendemngin der Abweichung ergaben (bis höchstens Ofi mm), 
fiind sich für 3465 eine bedeutende Zunahme der Abweichung vom 
Qnecksilberbarometer gegen die Kesulute der Prüfung von 1899. 
Es ist aiizuiielimen, dass 3465 während der Reise bei irgend einer 
Gelegenheit stark gelitten bat, so dass die Mittel ans den Abweichungen 
vor nnd nach der Reise wenig zuverlässige Korrektionen geliefert haben 
würden; es kommt die grosse Zeitdifferenz zwisch^^n der Prüfung vor 
der Reise bis zum Gebranrh und (ier Prüfung nach der Keise hinzu, 
deshalb wurde bei der Korrelvliou der Angaben vou 3465 nur das 
Prüfungsergebnis nach der Reise benutzt. 

Für die meisten Iterechueten Höhenlagen ein oder zwei Heul)achtungeu 
vor, in 4 Fällen lagen 3, ni 2 Italien 5, in einem Falle G, in einem Falle 8 
und in einem Falle 33 Beobachtungen mit beiden Aneroiden vor mit 
der Einschränkung, dass die betr. Beobachtung mit 3465 in zwei FftUeu 
und die mit 1622 in ebenlklls swei Fällen nicht gemacht wurde. 
Hinter den einzelnen Hohenzahlen ist die Anzahl der zur Berechnung 
Torgelegenen Beobachtungen yermerkt 

Fflr AIn-el-Hadschar (82 bezw. 83 Beobaditungen) betrug der 
mittlere Fehler filr 3465 + 4,8; für 1622 ± 4,6. 

Fttr die Messung am Schischana (6 Beobachtungen) tkr 8465 + 7; 
ftlr 1622 + 8,8. 

Fflr Dar Msaddek (5 Beob.) für 8465 + 6,3; filr 1622 + 6,5. 
Fflr Bu-el-Awftn (5 Beob.) filr 8465 + 8,6; für 1622 ± 6,6. 
Siedepnnktbestimmnngen konnten bei dieser Heise nicht gemacht 
werden, da das mitgenommene Instrument sieb als unzuverlässig erwies. 

Aus den korrigierten Barometerständen sind die Höhendiiferenzen 
nach der Formel ausgerechnet: 

D = 18464 (log Bi — log B«) (1 + 0,003665 ^^') 

Diese Formel ist richtig für mittlere Höhen, Verhältnis von Dunstdruck 
zum Barometerstand — ^ und fttr die Breite von 50 ^. Die beiden 
ersten Annahmen kann man fttr unsere Messungen gelten lassen; die 
Korrektion der geographischen Breite wurde, angesichts ihrer sasser- 
ordentlichen Geringfttgigkeit gegenüber der sonstigen Fehlergrenze, 
nicht mit in Betracht gezogen. 

IMe Angaben verstehen sich in m Aber dem Meere; die genaue 
Lage der einzelnen HOhenpnnkte ist auf der Karte angegeben. 



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200 



Reisebriefe aus Rueelsch Central-Asien. 
Von Dr. Max Friedaricbtia.*) 

Poststatiou Merke (Gouvernement Semiijetschensk), 

24. Mai 1902. 

Meine Rei^e ist bislier prograninrmiässiV verlaufen. Nachdem ich 
noch am 3. M»i der MonaU-Sitzung der Gesellschaft für Erdkunde 
in Berlin beigewohnt und dort von meinen Freunden und Bekannten 
Abschied genuiinnen hatte, reiste ich am selbigen Abend um 11 Uhr mit 
dem Schnellzuge nach Warschau. Früh 7 Uhr des 4. Mai erreichte 
ich die rassische Grenze in Alexandrowo, wo die Gepftckrevision mit 
Hälfe meines offlciellen fimpfeblangsschreibens äusserst koalant geband- 
habt warde, wenn ich es auch nnr mit Mfihe verhindern konnte, dass 
man mir knnser Hand den Sack meines Zeltes mit dem Messer auf- 
trennte. Der betreffende Zollbeamte, dem das Aufbinden des Sackes 
zn langweilig schien, hatte anscheinend nicht gemerkt, dass man auch 
ohne diese einschneidende Operation zum Ziele kommen könnte. Nach 
zweistündiger Pau.se war die gesammte Revision des im Zuge befind- 
lichen Gepäcks erledigt und um 9 Ulir fuhr der Zug weiter nach 
Warschau. Im Coup6 sass ich mit einen» gut deutsch spreclienden 
Warschauer Fabrikdirektur zusammen, welcher nur im Lnute der 
Unterhaltung ein jenseits der Grenze gekauftes Berliner Tageblatt 
reichte, welches von der russischen Censnr arg beschnitten worden 
war. Grosse Theile des politischen Inhalts, welche sich anf aktnelle 
rassische Angelegenheiten bezogen, besonders anf die Studenten- 
Unruhen, waren heransgesehnitten. Wie sehr unter der Pression der 
rassischen Jugend auch die ältere Generation zu leiden hat, ging mir 
klar ans den Klagen und Erzählungen dieses Reisegefährten hervor. 

Wenn ich auch bereits aus dem Jahre 1897 die Route Alexandrowo 
Warschau kannte, so fielen mir doch diesmal wieder ganz besonders 
peinlich die 8b^eltfMi]ich hässlichen und schmutzigen Gestalten der die 
Bahnhofe bevulkcniden Juden auf. Sie sind wahrlich die reine 
Karrikatur auf die Gattuug Mensch! 

*) Verfasser ist als Geograph und Geologe an einer von der Universität Tomsk aiis- 
gcsandten und im .\pril a. c. von dort unter Leitung des Botanikers Prüf \V. W. Saposch- 
nikow aufgebrochenen wissenschaftlichen E.\pedition zur weiteren Erforschung des i'ien- 
achM (HimmcligcbiiKc) beOidligt. 



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201 



In Warschau angekommen o^alt es, möglichst schnell zum Teres- 
poler-ßahnhof hinüberzukommen. Gottlob hielt der klapperige 
Iswoschtächik, den ich zur Uebnifuhntng meine» umtaDgreichen 
Gepäcks engagirte^ die 10 Pud Last aus, wenn er auch ftchzte, stöhnte 
und in allen Fugen krachte. 

Aaf dem Taraspolar BahDkof iMilim ieh ein dlraktet Billet nach 
Biika lud expedirte mein Gepttek ebenfidls direkt von dort so den 
UÜBni des Easpi-Sees. Im Wartesaal sah es vor Abgang des nach 
dem grossen WalUhhrtsort Kiew Ehrenden Znges eeht rassisch- 
polnisch aus. Bicktgedringt standen nnd sassen die Passagiere neben 
oder auf ihrem Gepäck, welch* letzteres bei reisenden Rassen infolge 
der mitgenommenen Bettwäsche und Fonrage niemals an Umfang und 
Zahl der einzelnen Stücke zu wünschen übrig lässt. Eine alte, an- 
scheinend anf der Pilgerfahrt ii;trh Kiew befindliche Frau triisren 
2 Gepftckiiager auf einem niäclitigeu Armsessel daher. Möge der 
Glaube an den Nutzen der Wallfahrt sie von ihrem thatsächlichen 
oder eingebildeten Leiden befreit liabeu! 

TJm 4 Uhr fahr der gat and geräumig eingerichtete Schnellzug 
ab. Im €!oap6 sassen mit mir 2 deotschspreckende Juden, die ihren 
Geschäften nachgingen nnd von denen der eine sieh durch ziemlich 
ungehobeltes Benehmen gegen BniTetkellner und ähnlieke niedeigestellte 
Leute unangenehm auszeichnete. Die Nacht verlief normal, da das 
Ooupö and die aufklappbaren LiegepUize, wie bei allen guten russischen 
Eisenbahnzttgen geräumig und bequem waren. 

Am Montag, den 5. Mai, morgens 11 Uhr kam ich in Kiew an. 
Da ich bis G Thr 35 Minuten abends Zeit hatte, besrMoss ich selbst» 
verstäudlicii, mir Kiew genauer anzuseilen. Icli werde es nie bereuen, 
denn die sogenannte Mutter der Städte Russlands" ist 
zweifellos eine der charakteristischsten und interessantesten Städte, 
weiche ich im Zarenreich gesehen habe. Alt, „heilig'", originell! 
Die Stadt liegt zum grOssten Theile anf der Hohe des lüer wohl 
80 Meter steil abstflrxenden Diyepr-Ul^rs und bietet» besonders vom 
Flnss und der ihn ftberspannenden mäekUgen Eisenbahnbrttcke aus, 
einen ungemein malerischen Anblick, dabei echt russisch durch die 
Unzahl der blauen, grünen, rothen und vergoldetMi Kirchen- und 
Kloster-Kuppeln. Ein Theil der Stadt, welcher „Podol*' heisst, liegt 
auf einer niedrigen, sandigen Anschwemmung, nicht viel höher, als 
das Flussniveau und nicht viel oberhalb der grossen Truchanow-Insel, 
welche der hier vor Kiew sich in mehrere Arme [heilende Diijepr 
umspült. Zur Zeit war der Strom noch von den Früblingsregen si u k 
angeschwollen und die grössere Hälfte der Truchanow-Insei noch unter 



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202 



WAsser, «od«« da« gemmmt« Flussbild ein meenirtig erweitertes und 
imposaDtfs war. Der Bahnhof der Stadt liegt, wie meist bei ntssisdien 
Stiidteii, kilometerweit vom CSentmm der Stadt entfemt nnd wird mit 
letsterei* dnreh eine elektrische Bahn verbnndeD. Naeh Darchfehrang 
einiger anbedeutender Strassenzüge fUlirt diese direkt auf den Hanp^ 
strassenzng zn: auf den „Kretschtsclmtik", der Schlag- und Pulsader 
Kiews mit dem echt russischen Treiben, mit den zahllosen kleinen 
Iswoschtschiks, ihren wattierten KutsHieni und flinken Pferden, mit 
den grell und roh bemalten Namen- und Firmenschildern! Besonders 
oft wird man auf diesem . Kreschtschatik'* angebettelt da zerlumptes 
und verarmtes Pilgervolk aus allen Theilen des weiten russischen 
Reiches hierher als Pilger zusammenfluthen. In keiner Stadt Russ- 
lands ist mir der gewaltige Gegensatz zwischen Arm und Reich so 
sichtbarlieh vor die Augen getieten, wie hier in Kiew. Es konnte 
wirklieh vorkommen, dass man vor der Armutb, dem starrenden 
Schmatz und der Zerlnmptheit eines solchen Mushiks wahrhaft 
erschmk. Aber sehnen äegte das Interesse an einer solchen Figur 
ttber den anfiUiglichen Ekel, und bald fand ich die Lumpen so 
malerisch, wie Lumpen nun einmal immer sind. 

Nachdem ich einen Spaziergang am Dnjepr-Ufer gemacht hatte, 
stieg ich von dieser Seitn '/um hohen Berg'nfer die steilen, von Regen 
schlüpfrigen Lehrnwand» l inan mx] stand nun vor dem weltberühmten 
Nalional-Heiligtlium Russlands, der „Lawra" Kiews. Diese T^awra 
stellt eine um eine Kirche und einen neben ihr freistehenden (iloeken- 
thurm gebaute Klosteranlage dar, in welcher eine Anzahl Mönche 
wolineu. Der Hof dieses Klosters wimmelt von einer ünzabl frommer 
Pilger. Mftnner, Frauen, Kinder, Greise lagern hier an allen Ecken 
und Kanten auf ihren Bündeln und Habseligkeiten. Nicht selten 
sind diese Pilger mit schwfti'enden Wunden und hasslichen körper- 
lichen Leiden behaftet, fftr welche dieses arme und von der Kirche 
aystematisch dumm erhaltene russische Bauernvolk hier in Kiew 
Heilung erhoflft. Auf diese Stupidität nnd diesen kindlich thörichten 
Aberglauben haben denn auch hier in Kiew die Klosterbrüder mit 
wahrhaft beneidenswerthem kaufmännischen Sinne spekulirt, indem 
sie den zalillosen Pilgern für allerliand heiligen Munipitz ihr Bischen 
Geld mit grösster Gründlichkeit aus der Tasche ziehen. 

Zu den Hanptsehenswürdigkeiten nnd der Hauptopferstelle für 
ungezählte Kopeken armer Wallfahrer gehören die sogenannten 
,,peschtscheri'\ das weltbekannte Höblenk loster Kiews. Zu dem 
Eingang dieses unterirdischen Klosters steigt man gegenüber dem 
Hauptportal der Lawra auf vielen Hundert mit einem bretternen 



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203 



Bogengang ilberspannten Stufen hinab. Wenn ich hier dem dortigen 
und aucli sonstigen Spracligebiaiich in der Litteratnr folgend von 
einem Höhlen-Kloster spreche, so hat man sich darunter nichts 
weiter vorzustellen, als eine Reihe von in die Lehmsteil wände des 
Dnjepi-Ufeii^ gegrabener labyriuthischer Gänge mit einer gi'ossen 
Zahl an und in ihnen gelegener Einaiedleraellen. In diesem nnter- 
irdieehen Labyrinth danemd zn leben nnd zn vegetiren, mnss in der 
That ein recht hartes Stttek Arbeit gewesen sein, besonders wenn 
man sich noch zu alledem freiwillig bis an den Hals eingraben Hess, 
wie" solches von einem dieser Hflhlenkloster-Besiedler erzählt wird. 
Alle diese merkwürdigen Heiligen, welche in diesem Exil lebten nnd 
stArben, kann man nun heute in ihren offenen Särgen liegen sehen, 
anbeten, küssen, bewundern oder was sonst immer gefällig sein mag. 
Und dies geschieht denn nnrh von den Wallfrtbrern dieser heiligen 
Stätte mit einer rührenden ivunsequen/. An einer Stelle wird ein 
zinnernes klt-iries, hohles Kreuz gezeigt und dazu ei-zählt, dass der 
Heilige X das Gelübde abgelegt habe, niemals pro Tag mehr Wasser 
zu trinken, als dieses merkwüi-dige Hohlmaass fiisse. Natfirlieh 
mflssen ancb sämmtUche frommen Pilger ans diesem Kreuze geweihtes 
Wasser trinken, ohne dass Jemand daran denkt, wie hygienisch 
verwerflieh diese Pmedur genannt zn werden verdient. Es dttrfte 
wohl sehr fraglieh sein, ob nicht mehr Menschen durch Ansteckung 
auf diese oder ähnliche Weise in dem „Bannbereich der Lawra" 
unglücklich und krank geworden, als genesen sind. Tch muss 
gestehen, dass dieser mannigfache religiöse Humbng, zu dessen 
B^-wnnflf'ning man durch die endlosen Eiklärungen des führenden 
Klositii bi Uders animirt werden sull, den Eindrurk des Todes abscliwüclit, 
welcher sonst in dieser eigenartigsten aller mir bisher bekannt 
gewordenen religiösen Kultusstätten sich bleiern auf alle Glieder legt. 

Dieser eigenartigen Klosteranlage der Lawra gegenüber fällt au 
Originalität das zweite Heiligthum Kiews, die alte Sophienkirche 
ziemlich ab, wenngleich auch sie wie die Lawra von nngezftblten 
Filgerschaaren stftndig umlagert gehalten wird. 

So vergingen die Stunden des Aufenthaltes in Kiew schnell. 
6 Uhr 35 Minuten p. m. ging es weiter nach Woi-oschha. Dei* 
Eisenbahnzug war sehr fiberfüllt und in meinem Coup6 giog es 
während der Nacht sehr russisch her. d. Ii. man rauchte Cigaretten. 
kochte Thee, sclniarchte, schlief nnd nahm in Bezug auf die PI itz- 
frage weniger Kucksiclit auf den lieben Nachbarn, als auf das eigene 
Ich. An Schlafen war wenig zu denken, zumal um 4 Uhr 15 Minuten a. m. 
in den Zug nach Charkow umgestiegen werden musste. 



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204 



Am Dienstag, den 6. ICai, 1 ühr p. m. war ich iu Charkow. 
In dieser Stadt war ich bereits 1897 gewesen. Der wenig angenehme 
Eindruck diesor langweiligen rassischen Grossstadt war derselbe, wie 
damals. Heisse, schattenlose, staubige nnd schlecht gepflasterte 
Strassen, niedrige, meist nnr einstöckige nnd yoririegend orangegelb 
angestrichene Hänser mit bunten geschmacklosen Firmenschildern, 
ein kümmerlicher sur Zeit noch nicht einmal belaubter sogenannter 
Stadtpark ergeben insgesammt ein ödes und reizloses Stadtbild, 
genau so reizlos wie grosse Strecken der Schwarserde- and Steppen- 
gebiete in seiner nnmittelbaren Unigebuug. 

Um 4 Uhr 16 Minuten ging es weiter in der Richtung auf 
Lossowajrt, d. h. meilen- und aber meilenweit durch die ödeste Steppe, 
ohne Baum und Strauch und ohne grössere menschliclie Siedelung. 
Eiu entsetzlich eintöniges, Iftlimend langweiliges Landschaftsbild! — 
Nachdem mit einigen Schwierigkeilen und mehrfachem Umsteigen 
iu Sinelnikowo der aus der Krim nach Kostow fahrende Schnellzug 
erreicht worden war, kam icli hei ötrahleudeiu Sonnenschein und 
ziemlich starker Wttrme am Morgen des 7. Mai glücklich in Bostow 
an. Noch in der Nacht hatte ich im Oonpö mit einem etwas deutsch 
sprechenden Fäbrikbesitser aus Moskau Freundschaft geschlossen. 
Mit diesem susammen verbrachte ich die Wartezeit bis zur Ankunft 
des um 3 Uhr 15 Minuten Mligen Expresszuges Moskau— Baku. 

Die Stadt Rostow macht einen recht hflbschen, Oharkow gegen- 
über ftenndlicheUv im Hinblick auf Kiew aber sehr modernen Eindruck. 
Die Hftuser der Hanptstrasse, der Ssadowi^a, sind Huffallend ansehnlich 
fiir sttdrussische Verhältnisse, mehrfach 2 Stockwerke hoch und in 
ziemlich barocker, abwechselungsreicher Architektur erbaut, wenn 
auch überladen mit geschmacklosen Stuckfiguren, zahllosen Erkern 
und nianuip:fachen Thürmchen, Die S^i^dowaja ist mindestens 6 km 
laug und fuhrt schliesslich zu dem armenisch besiedelten Theil der 
Stadt, nach Natschitschewan. Hier in der Periplierie der in der 
Horizontaleu wie überall in Russlnnu unendlich ausgedehnten Stadt 
werden die Hauser wieder unansehnlich und niedrig, ähnlich wie 
beispielsweise in der Peripherie Moskaus. Am malorisGlisten prflsentirt 
sieh Bostow, ganz Ähnlich wie Kiew, Ton der Flnssseite aus, 
besonders von der Brttcke Aber den im Frühling sich meetgleich 
dehnenden, schlammige Finthen dahinw&lzenden Don. 

Fflr den nicht gerade geriiig zu nennenden Zuschlag von 15 Rubeln 
für eine Platzkarte erkaufte ich mir das fiecht, den Schnellzug 
nach Baku benutzen zu können nnd verliess mit ihm 3 Uhr 



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205 



15 Minoten Rostow. Ich hatte das Glfick einen dentseben Eeiae- 
onkel ans Köln als Oonp^genossen zu baben, veleher weit in der 
Welt berningekominen war und mir bald ein unterhaltender QefiOirte 
warde. In der Kaciit yom 7. auf den 8. Mai, welche in dem 
QDgemein bequemen, ancb für nächtliche Ruhe vorzüglich ein- 
gerichteten Expresszng zugebracht wurde, fuhren wir durch die 
Steppe des Kuban bis an den Fuss des Kaukasus, welcher am Morgen 
in ganzer Pi-aclit vor uns lag. Die Gebirgskftt*^ prasenfirte sich mir 
bei wolkenlosem Himmel, von frischem iNeuschnee bedeckt, weit 
schöner und majestÄtischer als seinerzeit im Jahre 1897, wo Regen 
die Aussicht hemmte. Die Weiterfahrt über Petrowsk und Derbent 
brachte nicbts Bemerkenswerthes und in der Nacht anf den 9. Mai 
langte ich programmmftssig, bei geradezu wanderbar schönem Wetter, 
ohne Hitse nnd Schwflle, in Baica an. 

Das H6tel „Enropa** in Baku, in welchem ich Quartier nahm, 
war ausgezeichnet aanber, frisch gestrichen nnd reinlieh. Nach Art 
orientalischer Karawanseraien liegen die Zimmer um einen centralen 
Hof gruppirt, im Parterre nnd ersten Stock. Da mir die Stadt und 
die Petroleum felder bereits von früher bekannt waren, benutzte ich 
meine Zeit vorwiegend dazu, um meine geschäftlichen, d. h. Reise- 
Angelegenheiten zu ordnen. Ich erhob bei dem liebenswürdigen 
Herrn Ping* u l. dein Vertreter der Mineralölwerke Albrecht & Co. 
in Hamburg, Geld und erhielt durch den stellvertretenden deutschen 
Konsul, Herrn Dassel, auf Grund meiues Empfehlungäschreibeus der 
Abtheilong ftr anawärtige Angelegenhdten der Hambnrgiadien 
'Begiernng ein Empfehlangsscbreiben an den Generalgenvemenr von 
Tarkestan in Taschkent. — Die Trostlosigkeit der Lage Bakus, 
der SchnintB nnd die Naphtaschmiere in den FabrikTierteln, die 
unreine naphtareiche Luft und alle die anderen SchAndlichkeiten Bakus 
kamen mir auch dieses Mal wieder so recht vor Augen. Wie 
gefährlich obendrein die ganze Situation der Siedelung innerhalb 
dieser ungeheuren Oelmassen werden kann, illustrirte mir ein, wie 
extra zu meiner Belehrung iu Seene gesetzter Brand einer ffewalti^en 
offenen Naphta- Ambare in unmittelbarer Nähe des Pingoutisclien 
(jrundstücks. Die wirbelnden schwarzen Rauchniassen. die leckenden 
und züngelnden Flammen, die kolossale Hüilengluth iu der Nähe der 
brennenden Oelmassen war imponirend nnd schreckenerregend xn- 
gleich. Man konnte sich wohl Tontellen, welch* ein entsetzliches 
Unheil das Ansfliessen und Ueberkochen eines solchen brennenden 
Naphtabeckens nnter tiefergelegenen Arbeiterwohnongen mit ihrer 
nngexfthlten Bewohnerschaftanrichten kann, wie solches im Oktober 1901 



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906 



anweltder Nobel- Werke passirt ist Noch heate sprechen die aehwarzea 
BrandruiDen mit ibim yerkolilten Gebälk eine beredte Sprache. 

Ein ganz besonderes Sebaospiel aber hatte Baku mir noch 
zugedacht in Gestalt einer grossen Illumination zu Ehren der An- 
wesenheit des Schalls von Persien. Da ein grosser Theil der 
Bevölkerung und der Arbeiterschaft B^kus aus Persern bpstf^lit. so 
wcu erklärlich, dnss die Freude der persischen Einwolinerscimit eine 
gvosae und die iüscenirte Beleuchtung eine für asiatische Verhältnisse 
zweifellos imponirende war. Es ist immerhin ein merkwürdiger 
Anblick, den mit der grossen Lammfellmtttze bekleideten Tataren 
neben elektrisch, in Glflhlampen eratrablenden Triumphbogen stehen 
20 sehen ond ihn mit offenem Mande verstandoisslos and wie ein 
unmQndiges Kind nur in*» Anschauen versanken vor elektristdien 
fiogenlampen za erblicken. Was diese Tataren ergötzte, Hess mich 
dagegen völlig kalt, und was ihnen alltägli« Ii und langweilig erscbien, 
deachte mir ungleich viel malerischer und wirkungsvoller. Es waren 
die grossen mit Masut gespeisten Pecbpfannen, welche man mit ihrer 
feurigen, lodernden Glutli überall auf die Dächer der Häuser, auf 
die Zinnen der alten Festungsmauer und au die Kanten der Trottoire 
gestellt hatte. Sie warfen auf das wogende Volksgetummel in seiner 
fremdländischen Tracht, mit den gigantischen Lammfellmützen und 
leuchtend gefärbten Turbanen, uut das jagende Getriebe der mil 
geradezu frappirender Schnelligkeit durch das dichteste Getümmel 
dahinsaosenden Fuhrwerke ein solch* magisch zauberiiaftes Licht, 
dass ich mich an diesem Bilde nicht sattsehen konnte. An einen 
Baum gelehnt, wurde ich nicht milde, wieder und immer wieder 
dieses fremdartige Bild mit allen Sinnen in mich au&unehmen: als 
ein färben prächtigesNachtbild, welches entschädigen konnte für das viele 
HAssliche und 8chmntzige, was der Tag in Baku den Blicken enthüllt. 

Bis zum Abend des 10. Mai blieb ich in Baku. Dann schiffte 
ich mich samnit meinem Gepäck auf dein kleinen Dampfer „KnjHS- 
Baijatsch in.sk ij" ein und landete nach ungestörter üeberfahrt, bei 
strahlendem Mondschein und spiegelglatter See am Vormittag des 
11. Mai, einem Sonntage, auf dem asiatischen Ufer des Kaspi-Sees in 
Krassuo wüdsk. Hier bestätigte sich zu meiner Freude, was auf 
telegraphischem Wege Bnde April nach Deutschland gemeldet worden 
war, dass die Yordem von einer kriegsministerieUen Erlaubniss in 
St. Petersburg abhängige Benutzung der transkaspischen Bisenbabn 
seitens Ausländer seit dem 1. Mai a. c. ftlr Jedermann freigegeben 
war. Kein Mensch kümmerte sich in Folge dessen um mich, — 
Hier herrscht beraits 26—^*0 Schatten-Temperatur. 



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207 



Auf der Fahrt ron Erasunowodak nach Asehabad. 

12. Mai im 

Ohne FahrUehkeiten hin ich bis hierher vorgedrungen 1 Aussei' 
zweimaliger Ansprache dnrcb Gendarmerie-UnterofllKiere, die meinen 
Pass 2a sehen wttnsditen, ist mir bisher lieine Schwierigkeit erwachsen. 
Von den geMlrchteteu Wanzen (vergl. Bohrbach, Im Vorderen Asien 

8. 35) der transkaspischen Eisenbahn habe ich ebenfalls bisher nichts 
yerspttrt. Zwischen Kr&ssnowodsk nnd Aschabad zogen echte Wüsten- 
bilder an mir vorüber. Kamelkarawanen, Tekinzen- Auls, Salz- 
steppen etc. Heute Abend werde icli in Merw eintreffen, wo ich 
indessen aus Zeitnmns'el (am 28. Mai spätestens niuss ich in Wjernyj 
mit Prof. öaiH»>clinikuw zusaninient reffen) keinen Aufenthalt uelimen 
werde. Ich fahre oliue Unterbrechung bis 8amarkaud. 



Hinter T s c Ii a id s c Ii u i in der Eisenbahn. 
13. Mai 1902. 

Soeben haben wir auf der neuen wohl sicher über 2 kni breiten 
EisenbahnbrUcke den Amu-Darya gekreuzt. Eine historisch berühmte 
Stelle! Unser Coup»^ wurde gestürmt von einer Unzahl von Sarten 
in ihren malerischen bunten SeidenchHlateu und den weissen Turbanen. 
Ein seltsames Bild diese braunen Söhne Asiens kreuzbeinig auf den 
Polstern der 2. Wagenklasse hocken zu sehen! In der Nacht durch- 
querten wir bis zum Amu-Darya die sterilste Sandwüste^ welche ich 
je gesehen habe, mit haoshohen, sichelförmig geschwungenen Dünen, 
nar spärlich mit „Saxaur bewachsen. Heine Reisegefährten waren 
bis Merw ein rosstscber Ingenieor und ein deutscher Maschinen- 
Werkmeister. Heute Abend treffe ieli in Samarkand ein. 



Samarkand, 15. Mni 1902. 

Staunend habe ich die Gartenstadt Samarkand mit ihrer 
orientalischen Märchenpracht durchwandert. Sie steht auf frucht- 
barsten)^ durch künstliche Bewässerung weithin der Kultur erschlossenem 
Ltesboden, versteckt in einem wahren Park der herrlichsten hoch- 
ragenden Ulmen, Pappeln und MaulbeerbAuroe, bevölkert von den 
fkrbenprftchtigen Gestalten der beturbanten Sarten und ttbeiragt' 
von den Ruinen der prftehtigsten und historisch bedeutsamsten Bau- 
denkmäler Oentral- Asiens. Eine unveigeKilicli schdne Reittour in 



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(T^»«5ellschaft des Herrn Thienpmann von der Firma Ä. Schnbert 
führte mich hinaus zum Serafsrhan. Leider nuiss icli heute Abeod 
weiter nach Taschkent, von wo dann die Postfalirt beginnt. 



P(»8totatioii Moldabajewsskaja, zwischen Aulie-ata und 

Merke. 21. Mai 1902 
Seit meiner Abreise ans Hamborg am 8. Mai sind nunmehr 
schon 3 Wochen verflossen. Jetzt, wo ich bereits im innersten 
Asien weile nnd nnr noch ca. 4 bis 5 Tagereisen von Wjemyj 
entfernt bin, demnach mit Gewissheit darauf rechnen kann zur 
rechten Zeit mit Prof. Saposchnikow zusammenzutreffen, darf ic)i 
mir gestatten mit mehr Müsse und dementsprechend mit grösserem 
Genuss zu reisen. — Die Umgebung, in welcher ich hier sitze, ist 
der Typus ein^r russischen Poststation. Ein niedriges, 
ziemlich einfach ^elumtes und etwa« verfallenes Häuschen nnt 4 bis 
5 Räumen zu ebener Erde. Zwei davon bewohnt der sogenannte 
,,Starossta'' mit seiner Familie; die beiden anderen sind zur Benutzung 
der Fahrgäste reservirt, hier in Moldabegewsskaja anscheinend zugleich 
Ar eine lustige kleine Schwalbeufamilie, welche oben in der Ecke 
neben dem martialischen Ofen ihr Nestchen gebaut hat Die 
graziösen Thierohen fliegen durch Thflr und Fenster ein und ans 
und sind mit dem Menschen ebenso gut Freund, wie er mit Ihnen. 
Die Wände der Zimmer sind, wie auf allen Stationen, weiss gekalkt^ 
und ihr einziger Schmuck pflegt ein mehr oder minder gelungener 
Oeldmck mit dem Portrait des Zaren und der Zarin zu sein, sowie 
einige unter schmutzigem Glas eingerahrntp Postreglenients: daj^u 
rechts oben in dor einpn Zimmcrecke ein Heiligenbild. Ausser einem 
Tisch, eiiit^i l itiLt-n gepoistei ten, sophaariigen Bank und einigen 
Stühlen entlialL jedes der Gastzimmer einer .>;olchen Poststation einige 
pritschenartige Holzkasten mit einem dünnen Leineuüberzug. Die^e 
Pritschen stellen die Betten vor. Sie sahen anfangs einladend und 
verlockend aus; will man sich aber recht wuchtig darauf niederlassen, 
so bemerkt man zu seinem Schmerz, dass der Schein trflgt; und gar 
eine Nacht auf ihnen zu liegen, ist fllr den Neuling mindestens 
unbequem. 

Das Station^bände wird flankirt von einem weiten Hofranm, 
welcher Stallung und Wagenremise enthält. Alle 20—30 Werst, 
d. h. etwa alle 2 Stunden kommt man an eine neue Station und 

mufis dort, falls man nicht das Gltick celiabt hat, rechtzeitig einen 
eigenen Wagen zu mielheu, mit Sack und Pack aassteigen. Seit 



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m 



Aidie-ftta bldlite auch mir dies Glflck, da ich in letsteren Ort anf 
keine Weise einen neuen Tmntass za mietihen im Stande gewesen 
wm. Von Taschkent bis Anlie-ata dagegen beaass ich einen eigenen 
Wagen nnd konnte es mir relativ bequem In ihm machen, soweit 

dies überhaupt bei snlnliem Vehikel denkbar ist. Ein Tarantass, wie 
ich ihn im Ural 1897 kennen und würdigen gelernt^ ist nur eine 
Duodez- Ausgabe von den "Wagen, welche hier auf den central- 
asiatischen Poststrassen verkehren. Letztere müssen itatuilirh nwhr 
Raum für Gepäck bieten, sind aber im Uebrigen ebenso federlos, 
wie jene im Ural. Stangen ersetzen die Federung und der Reisende 
sitzt in ihnen platt auf dem Boden oder auf seinen Koffern. Es 
kommt mir immer wie eine grimme Ironie vor, wenn ich solch' ein 
Vehikel offidell als „Equipage"' bezeichnen höre. Als ich den mir 
zngedaehten Wagen znm ersten Male im Ftetbof zn Taschkent sah, 
erschrak ich wahrhaft^ so stanbig, so schmutzig nnd abschreekend 
erschien mir dies Qefthrt. Und dodh habe ich diese Art „Tarantass** 
schätzen gelernt. Ich glanbe in der That, dass es für die hiesigen 
Wegeverhältnisse gar kein praktischer lE^msti'uirtes und widerstands- 
fähigeres Fuhrwerk als ihn giebt. Denn es ist unglaublich, welche 
Stösse, Knüffe nnd Püffe der Kasten aushalten muss und aushält; 
fast nof'h l*e\\ unilerungswtirdiger aber ist, was der Mensch Alles in 
iiini eitragen kann, wenn er sich zweckentsprechend in ihm ein- 
zurichten weiss. Letzteres habe ich mit Hülfe des liebenswürdigen 
Herrn Hamburger in Taschkent gelernt, iudeni ich mir ausser einer 
mehrere Fuss hohen Schicht Heu eine weiche Decke auf dem Boden 
legen liess, mein Lederkissen unter das Gesass schob, mein Luftkissen 
dahin steckte, wo der Rttcken auflMJrt und mich selber dann so 
inmitten meiner Koifer verstaute, dass ich ziemlich fest nnd relativ 
wddi 88SS. Auf diese Weise habe ick in, wie gesagt eigener, d. h. 
gemietheter „Equipage" den Weg von Taschkent bis Aulie-ata in 
einer Tour fidurend in 2 Tagen und 3 NAchten relativ schnell zurttck- 
gelegt. Wie es freilich nachts bei dieser wahnsinnigen Fahrerei in 
meinem Tarantass ausgesehen hat, vprsf lnvpi<rt des Dichters Höflich- 
keit. Starke Sr'hmerzen im linken Ühr und Idänliclie Färbung d^r 
linken Backe vernethen mir eines Morgens, dass icli streckenweise 
anstatt auf meinem Kissen auf einer Kofferecke geschlafen haben 
musste. Aber „nitschewo'' (d. h. das macht uichts) sagt der Kusse. 
Leider ist mir auch bei solch* einer nächtlichen Fahrt mein geliebtes 
japanisches Luftkissen Aber Bord gegangen, wahrscheinlich weil es 
aUsn papieren und luftig gewesen ist nnd daher leicht von einer 
Ueblieben Windsbraut entlQhrt werden konnte. 

MWMImitw 3CTX1I, Dr. Ute rvMwktoM. 1« 



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üm die generelle Schüdening einer tnrkestaniBehen PMtldurt 
noch za Tervollkommnen, bevor ich auf Details dngebe« derf ich 
niclit nnerw&hnt lassen, dass alle Ton mir bertthrten Poststations* 

Gebäude durchweg sauber gehalten waren. Die Gastzimmer waren 
stets mit reinen Gardinen versehen, oft sogar durch Belegen mit 
echten Teppichen geradf^zn wolnilirh einj:feri('htet. Von der so oft als 
charakteristisr'lips Wappeulhier Russiands genaiinieii Wanze liabe 
ich bisher limli nicht einen einzigen Vertreter gefunden! Ich glaube, 
die Sage von dem uubeschieiblichen Ungeziefer in Russland gehört 
zu einem der vielen Vorurtheile, welche wir überhaupt von Bnssland 
liaben. Wenn ieh auch mehrikeb gesehen babe^ dass sleli russische 
Kinder nach allen Regeln der Kunst, wie die Affen im Zoologischen 
Garten, die, mit Beapekt zu vermelden, Linse absnchten und ich 
noch gestern die Fraa eines Posthaltera ibrer Matter gegenflber 
denselben Liebesdienst erweisen sah, so glaube ich doch, dass ganz 
dasselbe auch bei nns auf den Dörfern vorkommen wird. Geradezu 
läclit rlich aber finde ich die AVainung in Bädeker's Russland, welche 
(lein iiarb Transka;^pien Keisenden anrätb. sich in Krassnowodsk ein 
verschliessbares Abtheii dritter Klasse gehen zu lassen, da die Polster 
der zweiten Klasse oft von Ungeziefer wimmeln sollen. 

Und nun zu einer Schilderung meiner Erlebnisse seit meiner Ab- 
fahrt aus Samarkand am 15. Mai! Die Kacht von Donnerstag den 
15. anf Freitag den Mai verlnachte ich, wie so oft schon, im 
Zage, was aaf rassischen Bahnen, selbst anf der transkaspischen, bei 
der geringen Fahrtgeschwindigkeit and den breiten Liegeplätzen 
innerhalb der Coup6s keine Strapaze bedeutet. Nur die Luft im 
Oonp6 war miserabel, da an ein Oeffnen der Fenster bei der relati? 
grossen Abkühlung in der Nacht nicht zu denken, auch der Zag 
voll besetzt war, Männlein nnd Weiblein einträchtlicli bei einander. 
Um ö Uhr morgens beim Erwachen lag der Nura-tau, ein nach NW 
gerichtetei- Ausläufer des Transalai, schon hinter uns. Der Zug 
hatte auf der Fahrt nach der Station Dshisak seine Hohen bereits 
gequert. Von Neuem begann das Bild der menschenfeindlichen Steppe, 
welche überall an das Gebirge herantritt wo Wasser fehlt, und welche 
Bcbliesslich bei weiterer Entfernnng von den Bergen in die reinste 
Sandwilste flbergeht Zwischen Dsbisak und Taschkent, resp. bis 
zum Syr-Daiya tragt sie den bezeichnenden Namen „Hungersteppe^*. 
Ihr trostloser, monotoner, absolut steriler Anblick ver&ndert sich so- 
fort bei Annäherung an den mächtigen Syr-Daiya. Die Nähe des 
Wassers l&sst eine üppigere Vegetation zu, Baume and Gesträuch 
erseheinen in grösserer Zahl und begleiten gallerieartig die Ufer des 



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Strome«, welcher eelber mit reiieeDder StrOmnng und diokoladebranii, 
voll Toor schlammigen Sinhatoffen in stattlieher Breite unter der 

Bisenhahnbrttcke dabinfliesst. Noch einmal wieder bp^innt eine 
steppenartige Gegend, dann tritt der Zng ein in das yom Tschirtschik 
reiclilich bewässerte Gebiet von Taschkent. Am 16. Mai 10''4 Uhr 
morgens erreichte ich Tasclikent. Der Rahiiliof wimmelte von 
Öarten in ihren leiirlif enden farbig-en Clialateii. mit ihren weissen 
Turbanen und den ilunklen, nicht selten schonen Gesiclitern. Ich 
stieg in der ,,Nomera Turkestan'' ab. Diese „Nummern" ersetzen 
Uberall in Turkestan die Hotels, sind aber eigentlich nur ,.chambre8 
garuies** ohne Bestanrstlon. Msn kann jedoch anf Wnnsch auch 
Essen erhalten, nnr mnss alles extra bestellt werden. Das Zimmer 
kostete IVt Babel, doch worde auch hier, wie flberall in diemn 
Nnmmem, jedes Stück Bettwäsche, jedes Handtuch, weldiee der Gast 
verlangt, extra berechnet. Die Bedienung waren Sarten, die in ihrer 
Nationaltracht, mit der bunten Schftrpe um die Hüften, der gestickten 
Kappe auf dem Kopf und den hohen sartischen Lederstiefeln weit 
malerischer aussahen, als unsere enropftischen befrackten Kellner. 
Taschkent selber zerfällt in 2 von einander grundverschiedene Theile. 
in ein russisches und in ein sartisches Tasclikent. Der russische 
Stadttheil ähnelt ausserlich durchaus Samarkaud. Er macht einen 
parkartigen Kindruck, hat schöne Alleen aus Pappeln und Akazien, 
welche an den Bewässerungskanälen, welche Taschkent wie alle 
torkeetanischen Stidte reichlid) durchziehen, reihenweise angepäanat 
sind, nnd niedrige, meist nur Farterreräome enthaltende Hanser des be- 
kannten russischen Banstils. Die Ansdehnnng in der Hotixontalen 
ist, wie immer in Bnssland, erstaunlich and erforderte, besonders da 
ich keine Ahnung TOn dem Bauplan der Stadt hatte, konstantes Hin- 
und Herfahren mit dem „Iswoschtschik'^ Da. Taschkent Endpunkt 
der Eisenbahn und Anfangsstelle der Postfahrt war, so lag mir viel 
daran, möglichst bald einen ortskundigen Führer zu finden. Ich 
fand diesen in der Person des mir von Dr. von Almasy empfohlenen 
Herrn Hamburger, des Agenten der Transport-Gesellschaft „Kawkas 
i Merkurii". Ihm verdanke icli, dass die rechzeitig aufgezogene Uhr, 
um mich bildlich auszudrücken, anstandslos ablief. Mit seiner Hilfe 
konnte ich andi in einer Tortrefllieh ausgestatteten Dunkelkammer 
meine bisher angefertigten photographischen Platten entwickeln. Der 
ganze folgende Tag (17. Mai) rerging mit den erforderlichen Vor^ 
bereitungen zur Postfahrt und einem Besuch des sartisehen Bazars. 
Dazu kamen die Verhandlungen mit Sr. Excellenz dem GouTcmenr 
Iwanow, welche schnell sum erwünschten Ziele führten, sodass am 



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Soniirat,^ den 18. Mai, die Postfahit, zunächst nach Anlie-ata, mit 
gemiethetem Tarantass beginnen konnte. Die Abfahrt war auf 
7 Uhr p. m. festgesetzt, es wurde jedoch 9 Uhr bevor der Wagen 
herannimpelte. Mit einiger Schwierigkeit wurde Mensch und Gepäck 
verstaut und hinaus ging es in die mondhelle 2^acht. 

Das itt entgegenkoBBittidster Webe wttieilte YorsdmibeD des 
OoaTerneon zog bereits auf der ersten 8tattoD, wie aaeh spAter 
auf jeder weiteren. Man gab mir sofort Pferde nnd weiter ging 
es ZOT 3. und 3. Station. Weiter kam ieh in jener Nacht nicht; 
mein Wagen wurde zwar auf der B. Station aus-, aber nicht 
wieder eingespannt, und mir blieb die Wahl: bei recht kühler 
Nachttemperatur in meinem Wagen oder auf einer Holzpritsche 
in der Station weiter zu schlafen. Ich zog ersteres vor und 
wart^tp» der Dinge, die da kommen sollten. Das war zunächst der 
Morgen und nach ihm ein heisser Tag. Schon nm 9'/'2 Uhr früh 
zeigte mein Tlicrniometer im Schatten der Postkutsche 30V'i"C. In 
der Station Scharapskany, wo ich um 7 Uhr eintraf, mussle ich 
2 Stunden liegen bleiben; erst dann bequemte man sich znr Weiter- 
lahrt, die den ganzen Tag dardt die aas Ldss bestehenden westlichen 
Verberge des Tiän*8chan üihrte. 

Diese Yorberge bis hin an den Fuss der den Hintergrund bildenden 
und im Neuschnee bis tief herab weiss erglänzenden Züge des 
Talaskisclien Ala-tau tragen einen durcbans steppenartigen Charakter. 
Sie .^ind völlig baumlos und nur von dichter Grassteppe überzogen, 
welche jetzt im Frühlin«? von einem Blumenteppich iii oft grellen 
Farben (z. B. ungemein intensiv Totligefarbtem Mohn) durchwebt er- 
schien. Der Boden ist, wenigstens im Gebiet der Poststrasse, lockerer 
Loessboden, welcher bei der herrschenden Hitze und Trockenheit sich 
in feineu Staub aufgelöst hatte. Das belebende Element in dieser 
Steppenlaudschaft ist der nomadisirende Kirgise mit seinem Vieh. 
Ueberau sieht man die mit Vorliebe im Kreise gruppirten Kegel- 
hfitten, die sog. „Kibitken^* Uber die Steppe Terstrent Ungezählte 
Sehafheerden beleben die Hänge der Bfigel. Pferde nnd Binder ziehen 
weidend nmher nnd liegen, anscheinend mit besonderer Vorliebe aaf 
der sonnigen nnd staubigen Poststrasse. Auch das charakteristische 
Tragthier dieser Länder, das Kamel, leistet ihnen in ebenso grosser 
Air/ahl und anscheinend mit derselben Angewohnheit, sich gerade in 
den We«^ der Postkuts(he zu lagein, Gesellschaft. Es machte einen 
fast komischen Hindruck, wenn die jetzt im Fiühjahr ihres Wollpelzes 
fast völlig entbehrenden Tliiere in plumpen Bewegungen und mit 
dummem Gesichtsausdruck sich vor den heraustürmeudeu Fostpferden 



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Umgsftin Ton der Strasw eriioben, einige Schritte zur Seite gingen and 
sich dann mit einer fragenden Geberde nach dem staabumhüllten Ge- 
ftbrt umsahen, als wollten sie sagen: ,,Wie kommt Ihr mir vor!" 

Hatte ich bisher im Gebiete Transkaspiens, vor Allem in den 
pressen Hauptstält n: Buchara, Samarkand und Taschkent, mit vor- 
wiegend sartischer Bevölkerung zu thun gehabt, so kam ich von 
Taschkent al) fast auh^chliesslich mit Kirgisen in i^erührung. Die 
Sarten sind nur Stadt-Bevölkerung, auf der Steppe findet man sie 
nicht. Kirgisen sind daher auch die Kutscher der Postwagen, und 
nur der sogenannte ,,Starossta'' der Stationen pflegt ein Busse zu 
sein. Mit diesem ansscbliesslicb bat man in BetreiF der Weiterfahrt 
sn Tcrbandeln, an ibn zablt man die Ftetgebfibr und er veranlasst 
das Umspannen. Das Benehmen dieser Fostbalter, oft typisch mssiscber 
Gestalten mit mächtigem Haupt- und Barthaar, war fllierall von 
rtthmensweilher Höflichkeit und Zuvorkommenheit. Der «^sspodin 
doctor" wurde wie ein hohes Thier behandelt. Und dies verdankte 
ich zweifelsohne, ausser meinem Vollschreiben des Gouverneurs Iwanow, 
einer kleinen List Irh hatte nänilifli (Inrcli Zufall in Berlin eine 
deutsche China-Feldmuize bei meinem KlridtM lieteranten gefunden 
und als für meine Heise praktisch gekauft. Sie trug vorne eine 
schwarz- weiss- rothe Cocurde. Diese Cocarde hatte ich in Taschkeut 
abgetrennt, weil ich nicht mit einer deutschen Militar-Cocarde in 
Bnssland Itermnlaofen wollte. Hinter Taschlceot aber befestigte ich 
sie scblennigst ineder an meiner Mtttze; denn ich hatte bemerkt, 
dass alle diensttbnenden Beamten eine Cocarde trogen und dass der 
blosse Anblick derselben genfigte, nm einen rassischen Postmeister 
in Oentral-Asien vor Bhrfiircbt halbwegs erstarren xn lasse». 



Moldabajewsskaja, 32. Mai 1902. 

Während der verwiclienen Nacht hat es unaufhorliili gewltteit 
und in Strtimen gegossen, sodass ich einstweilen keine iiUst verspüre, 
weiter zu fahren. Tritt itian aus dem Hause hinaus, so rutsclit man 
knöcheltief in den schlammigen Lössschlick, n&d blickt man die 
Strasse binnnter, so steht alles unter Wasser. Grundlos nennt man 
die rossischen Wege wenn es geregnet hat, und grundlos werden sie 
in der That in wenigen Standen. Der wirbelnde Stanb von gestern 
ist Schlamm, und die gestrige Sonnengluth mit 34 " C Sehatten- 
temperatur ist heute 9 ühr frtth auf 9^0 gesunken. Ich habe mein 
dickstes Ehweilhemd angezogen und bin fi-oh, es zu besitzen. Die am 



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2X4 



Ta^e so idyllisch aussehende Schwalbenfamilie in meinem Zimmer 
hat sich während der Nacht doch reuhl schlecht benommen. Das 
Gewitter machte sie unruhig, und uuLerstützt von dem flatternden 
Flügelschlag einer hässliciien Fledermaus sausten sie mir um Nase 
und Oiiren. Schliesslich schlief ich unter dem Gesang eines zirpenden 
Heimchens auf meinem Feldbett ein. Mein Frtlhstiick bestand heute 
morgen, wie iminer, ans Thea, troekenem Brod nnd Eiern. Botter 
giebt es auf deo Stationen ebensowenig wie Fldscli, welches ich 
bereito seit Tagen nicht mehr gesehen habe. Ich bin froh, dass ich 
einen Topf Fieischextrakt und eine Ansahl Sappentafeln, sowie 
kompletes Ttieegeschiir mit mir führe. Ausser von Brod lebe ich 
bisher mit Vorliebe von kondensirter Erbsen- und Kerbel-Snppe, und 
das geht vorzüglich. Was an fester Nahrung fehlt, muss die flüssige 
in Gestalt von Thee ersetzen Homer nennt Wein den „Sorgenbrecher" ; 
in Kussland ist es zweitellus der Thee: in Hitze und K&lte gleich vor- 
züglich! In Deutschland ahnt man nicht, was ein rassischer „Tschai" 
bedeutet. Vor allen Dingen heiss, heiss wie die Hölle in Folge des 
ewig dampfenden und auf jeder Station, in jeder noch so ärmlichen 
Eirgisenjurte anstandslos eiiiiltliehen Äunowars. Bei 84 * C Sonnen- 
ginth erfrischt er ebenso wie bei 6 * Kälte. 

Doch znrflck zur Beschreibnng der Steppenfohrt zwischen Taschkent 
nnd Tschimkent Diese war in der That eine Strapaze! Der Löss- 
staub füllte Nase, Mund und Ohren und das jagende Dreigespann vor 
meinem Tarantass wirbelte mir allen Staub direkt in's Geisicht. Selbst 
die grosse sackleinene Schutzdecke, welche vor das Verdeck gezogen 
werden konnte, schützte nicht. Der Trakt war ziemlich belebt von 
zahlreichen ..Arbeir'. jenen hoclirHdnTen Lastwagen, welche in laniren 
lieiheu von je einem Pferde gezogen nebt- u tlen Kamelkarawanen den 
hauptsächlichsten Lastverkehr besorgen. Die langen Wagenziige von 
15 Karreu werden dabei nur von wenigen Mensclien, oft nur 
von einem oder zwei auf dem Joch der ersten beiden führenden Pferde 
hockenden Kirgisen begleitet Die fibrigen Pferde sind mit einem 
Tan nach Art der Kamelkarawanen an das jeweils Tordere GefUirt 
gebunden und ziehen resp. werden so ihres Weges gezogen. Alles 
wandert hier^ Mensch und Thier, nichts ausser den einsamen Post- 
stationen hat hier eine dauernde Wohnstätte, und der unsteteste und 
einsamste von allen bin ich schliesslich selber, der ich weiterjage im 
Sonnenbrand zwischen meinen Kotfern im Tarantass eingekeilt und 
mit Freuden die ersten Stiäucher und Bäume begrüsse, welclie mir 
verrathen. da.>s ich mich einer Oase in diesen baumlosen Vorsteppeu 
des westlichen Tienschan, der tStadt Tschimkent nähere. Wasser 



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215 



des Flusses Arys und eines seiner Zuflüsse weckt hier BauniwucUs 
und Leben. T^m 1 Uhr p. m. des 19 Mai rasselte mein Tarantass 
in die hochspritzende Fluth des Arys und auf dem anderen üter 
wieder liinauf; er sauste hindurch durch die breiten Strassen, den 
langweiligen, vorwiegend von Kirgisen bevölkerten Bazar von 
Tsdiioikent und Mdt tot 3 kirgisisdiea Fibjorteii. Wo igl dfe Station? 
fragte ich entannt meinen Kutscber. Hier diese ,,EibitiLen^ war die 
Antwort. Ich ging hinein nnd nihte dort ans im kohlenden Schatten 
der Jarte von des Tages Olnth. Die Thttr war so niedrig, dass ich 
mit hörbarem Krach mit meinem SdiAdel dagegen rannte. Zam 
Oaadium der daselbst bereits versammelten wartenden Fahrgaste 
exercirte ich dasselbe Kunststflck noch ein zweites Mal; erst dann 
lernte ich, durch Schaden klu? ^p'vorden, die Maasse einer kirgisischen 
Jurtenthflr dauernd anf ilire Hohe rirlitisr abschätzen. 

Eine solche .lurte ist kreisförmig mit konischem Dach aus einem 
kunstvoll zusammengefügten Stabgestell aufgerichtet. In dem unteren 
Theile sind die Stäbe gekreuzt, und die bedeckenden Filzdeckeu 
können zn Yentilationsawecken aussen abgehoben werden. Auch die 
runde Oeifnnng an der Spitse des Kegeldachea ist rom Filz zu ent- 
blossen, wenn man Lieht hinein oder Bauch hinauslassen will Die 
Holsstäbe sind bunt bemalt nnd von ihnen herab h&ngen in das Innere 
der Jnrte als Schmuck bunte Bänder. Die ganze Behansnng ist 
geräumig, luftig und in jeder Hinsicht praktisch. Die Jurtenstangen 
sind leicht zerlegbar, die Filzdecken schnell zusammengerollt, und 
wenn das Futter abgegrast ist, zieht der Kirgise mit Sack und Pack 
weiter. Oft begegnetp ir-h solch' wandernden Horden, d^ren zahlreiche 
Kamele nnd Pferde die Jurtenstangen trugen, die in dem ueugewählten 
Weideplatz wieder zusammengesetzt werden sollten. 

Eine derartige Jurte also war derzeit wegen ümbauh des alten 
StationsgebSndes die Tschimkenter Poststation, nnd es ergab sich, 
dass man darin ganz wohnlich hansen konnte. Ich blieb dort bis 
6 Uhr p. m.f kochte mir Kerbelsnppe und wartete bis eich die 84*0 
Sehattentemperator des Tages langsam verzogen hatten. Dann fahr 
ich weiter, die ganze Nacht hindurch. Es wai' ein sehr zweift^lhafter 
Genuss. denn die Wege hinter Tscbimkent worden immer sclilecfater 
und das Gepolter des Tarantass störte selbst meinen sonst so gesunden 
SHilaf. Die Nacht war aber herrlich mondklar, nnd wenn ich ein- 
mal halb in) Tranme an der vor mir auf dem schmalen Bock wunder- 
bar kunstgerecht hin- und herbalaiicireiulrn Figur meines kirgisischen 
Ktttscbei*s vorbeisah, dann erblickte ich draussen die Landschaft in 
einer solch' siiberklaren Helle, das» es mir nicht schwer wurde, die Uhr 



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anf Miunten abzaleWD. Alier kalt war ea, erheUidi kobler aU am 
verfloBsenen Tage. Um die T^mperatnr-Differei» anammaehen, schwang 
ieh naelits am 4 Uhr gm bieder mein Bchle!lde^Tllermometo and 
laa nnr noch 11° 0 ab. Das Pferdewecbseln ging auch in dieser 
Nacht anstandslos von statten. Ueberall hielt ich dem Fosthalter 
mein Gouverneurs- Vorschreiben recht dicht unter die Nase, fragte ob 
Pferde da seien und befahl im bejahenden Falle vorzuspannen. ^Gana 
wie Herr Doktor beMilen' Ssitschass (sofort)!'' 

In Folge diesem i i t ii len Fahreus war ich am Morgen des 20 Mai 
bei der Station Ts^luikpak, auf halbem Wege zwischen Thichimkent 
und AuHe-ata, angelangt, und <tls ich um 5Va Uhr aus meiner Kutsche 
blickte, da lagen gen Süden die schneebedeckten Höhen des talas- 
kiscben Ala-tau in niliiger Mi^estat vor mir, and m ihnen zogen sieh 
die sclion von früheren Tagen so wohlbelcannten Qrassteppen baom- 
los hinaaf. Es fehlt eben diesen, den heissen transkaspischen Steppen- 
nnd Sandgebieten so nahen westlichen Tito-schan-Abhftngen jeglicher 
alpine Hochwaldschmack und jegliche feste Siedelung von irgend 
welcher Bedentang oder auch nur malerischer Wirkung. Daher wirkt 
das Bild für uns. an die Herrlielikeit des Alpen Vordergrundes gewöhnten 
Kultur-Europäer, wenn auch fremdartig und eigen so doch vorwiegend 
kalt nnfl l;in!:^\veilig. Das eigentliche Hnf]ifr( i n ^e, welches hinter 
diesen V oi bergen mit ihren Steppen autsteigt, kann sich indessen 
auch liier von Tschakpak aus mit echt alpiner Scenerie kühnlich 
vergleichen. Der Nordabhang des centralen Tien schan soll, wie ich 
weiss, anders geartet sein and die Monotonie der Steppe der westlichen 
Yorberge nicht besitzen. Bort am Wjernyj erwarten mich prfichtige 
Nadelhob-Hochwttlder und Aprikosenhaine! 

Merke, 28. Mai, Abends 9 Uhr. 

Bei der Station Tschakpak and bereits dicht vor ihr haben wir 
es mit einer höchst interessanten Stelle des Tien schan zu thun, näm- 
lich der Scharung zwischen dem nach Nordwesten abzweigenden 

Kara-tau und den in vorwiegend o«tt-we8tlicher Richtung südlich 
daran vorbeiziehenden HHnptkf'tten des eigentliflinn Tien-sclian, hier 
als talaskisclier Ala-tau bt-zeichnet. Ich habe in meiner Monographie 
des Tien-schan *) ausführlich über diese Stelle gesprochen. Hier stand 
ich nun voi- ihr und musste mit Bedauern im Fluge an ihr vorüber- 
eilen, ohne auch nur mehr konstatiren zu können, als die schon seit 

•) Zeitschrift der Gadbduft Ar Erdkonde in Beriia, Bd. XXXIV, 1899. 



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217 



langem allgeniein bekannte Thntsache der entjrec^Rn gesetzten Slreich- 
richtang der hier scitarenden Ketten und des ^nossen Höhenunter- 
schiedes zwischen den ragenden Tieu-sclian-Zugen im Süden und den 
gen Nordwesten hinziehenden kahlen, verwitterten und niedrigen 
Höhen des Kara-tau. An der Schariingsstelle liegt jedenfalls zwischen 
Kara-tan und Tifio-sehan eine sieh gen Anlto-ata immer m^ er- 
weitenide Vefflachnng, welche natnrgerntte von der Poststraase benntst 
wild und aber welche anch meine Beiaeroate am 20. Mai ibbrte. 
Bieee Flftcbe wird weiteiliin xnr echten banmloeen Grassteppe, bis 
sie vor Anlie-ata noch einmal von einem kahlen^ wttstenhaften, dem 
Kara-tau parallel nach Nordwesten streichenden Höhenzng, dem 
Kujuk-taa durchzogen wird. Die Poststrasse fuhrt durch dieses ver- 
witterte, aus fast senkrecht aufgerichteten Thonschiefermassen be- 
stehende niedrige Gebirjre hindurch und folgt dabei dem Laufe eines 
tiefeiugeschnittenen Flüsschens. Die Schichteukopte stehen über- 
all auf dem Fahrdamm der Poststrasse an und machen daher die 
Fahrt, die nebenbei des Gefälles wegen auch noch mit dem Hemm- 
schuh gemacht wird, zu einer Plage. 

Anch der 20. Mai war wie aHe seine Vorgänger wolkenlos nnd 
heiss. Bereits am 8V* Uhr frtth zeigte das Thermometer im Schatten 
28Vt * 0 nnd nm 12 Uhr S2* 0. Trotsdem tragen alle kirgisischen 
Kutscher, welche mich fuhren, nnd alle Kirgisen fiberhanpt, die mir 
als berittene Yiehhirten oder sonst Torbeipassirten, ihre typischen 
dickwattirten RöckOi oder gar Pelze mit der Haarseite nach innen. 
Dazu krönte ihren f^ebräunten, echt mongolischen Schädel mit den 
mächtig vorspringenden Backenknochen eine Fellmütze, oder eine 
s]»itze Filzhaube, welche p:leicbfal1s an Wärme nicht? zn wünschen 
übrig liess. Immer die alle baehe, dass alle dieise asiatischen Volker 
vor allem auf die grossen Kältegrade der Nächte eingerichtet sein 
müssen! Den Luxus eines doppelten Anzugs für beide Fälle kann 
äch Wühl der Europäer^ nicht aber ein solch' armer nomadisirender 
Tenfel gestatten. Immerhin habe ich bereits ans dieser Tbatsache, 
wie ans meiner bishoigen knnen Erlhhmng soviel gelernt, dass man 
sich in Central-Asien niemals zn leicht kleiden soll. Besonders in 
den Nichten habe ich dicke Wolle und wannen Ansog für dnrchans 
nöthig erkannt. Meine Sorge, dass mein Lodenanzng zn schwer sein 
könnte, dOrfte sich bald als illusorisch erweisen. 

Nach Passirnng des Kujuk-tau begann nun wieder die einrörmigste 
Steppe, durch welche ich zunächst bis Aulie-ata noch am 20. Mai zu 
fahren hatte. Diese flache, nur von den in die Löss- und in die 
AUuvialmasseu des Uebiigslusses tief eingerissenen EiDsiousthälern 



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218 



unterbrochene Steppe begleitet unausgesetzt den Nordftiss des Ti€n- 
scbio und geht weiter gen Korden in die fideste nnd sterilste Sand- 
wOste aber, welch* letztere beginnt, sobald die Gebirgabflcbe yersandet 
sind. Unterbrochen wird dieses Steppenbild nnr an relativ wenigen 
Stellen dareh Auftreten grösserer Oasen, mit reichlicher Wasser- 
zufuhr aus den Bergen und dadurch bedingtem Baumwuchs. Eine 
dieser Oasen ist Anlie-ata, welches ich noch am Abend des 20. Mai 
erreichte. Hier hatte nun meine Fahrt in eigener Equipage" ihr 
Ende erreicht und es niusste abgepackt und neu aufgepackt werden. 
Dabei stellte sich heraus, dasa leider Gottes der Boden eines meiner 
Stahlblech-Koffer durch die unerhörte Stosserei des Wagens völlig 
eingebeult uud durchgeschlissen wa?\ ein Zeichen dafür, was Mensch 
und Kiäten miisseii vertragen kouueu, wenn sie ungestraft in einem 
Tarantass reisen wollen. Ich nahm den Inyaliden von jetzt ab zu 
mir in den Wagen hinein. Ob leb ihn in Wjernyj werde repariren 
lassen können, bleibt sehr fraglich. Und das alles trotz der dicken 
Filsamballang! 

Am Mittwoch den 21. Mai früh 8 Vhv startete ich von Aulie-ata. 
Gi^en den vorigen Tag war es erheblich frischer, nur 19V«« C, so- 
dass mir bei der schnellen Fahrt und der dadurch entstehenden Zug- 
luft mein Khaki Anzug und dünnes Banmwollhemd bald m leicht 
wurde, reberhiuipt machten sich dentlirdie Anzeichen eines Witterungs- 
umschlags bemerkbar. Der Hiniuiel bedeckte sich mit dichten, aus 
dem die Steppen im Süden begreu^sendeu Alexander- Gebirge heraus- 
kommenden Wolken. 

Dei' Weg von Aulie-ata an führte wieder durch die einförmige, 
den Fnss des Tifin schan im Norden begleitende Steppe, in Folge 
dessen nach keine Abwechslang im Landschaftsbilde den Beisenden 
erfreuen konnte, besonders da das nahe Oebirge in dichte Wolken- 
massen gehflllt war und die Steppe ohne den grandiosen Hintergnind 
der Alexander-Kette ade und reizlos wirkt. 

Im Laufe des Tages hatten sich die Wolken zu Regen verdichtet 
und das Thermometer sank auf 19 " C. Am Nachmittag, während 
dessen noch 2 Stationen zurückgelegt wurden, fiel es sogar auf lf> C, 
ein gewaltiger Abselila? gegen die vorhergehpiidpii Tae'e 

JMf letzte Station des 20. Mai war Moldabaif wsskaja, deren icli 
schon liuiier Envahnung gethan habe. Hier wurde ich des heftigen 
Regens wegen bis zum Mittag des 22. Mai zurückgehalten. Dann 
fuhr ich w^ter. Was war das aber für eine Fahrt! Wenn vordem 
der LQssstaab eine Plage gewesen war, so hatte ich es jetzt mit einer 
chokoladefarbigen Schlammsauoe zn thnn, welche in grossen FfiHtzen 



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219 



ÄUf dem Wege stand. Dabei war es recht empfindlich kalt, nm 
l'/a Uhr nur 12V«« C. Grosse Löcher und TjRchen voll Schlamin 
standen überall auf der Fahr^strasse, von welchen die kirgisischen 
Kutscher aber absolut keine Notiz nahiueii Oliiie Besinueu und ohne 
Kiicksicht auf die Pferde giog es hinein und liiiidurch. Der Kutscher 
hieb aui die Pferde ein^ als ob sie von Holz und die Wege gepflastert 
seien. Beehts nnd linlu flogen mir von den Hofen der aussen im 
Galopp jagenden Pferde die Dreekklampen in*s Gesicht and der 
Wagen befond sich in dner Iconstanton Schankelbewegnng von liftben 
nadi drflben. Dass bei solchem Wetter, solcher Fahrt nnd solchen 
Wegen niemals umgeworfen wird, ist nnr in Rassland denkbar, wo 
bekanntlich das mittlere der 3 Pferde der Troika anter der ,,Dagä" 
geht und in diesem Krummholz so unglaublich fest eingespannt wii'd, 
das»« ein Umwerfen eip:pntlifh nur dann möglich ist. wenn auch das Pferd 
untei der Dngä mit umfallt. Für diese gnnze wahnsinnige Fahrt fand ich 
m nichts Entschädigung, denn auch heute war ringsum nur einförmige 
Steppe zu erblicken und nur das reiche Vogellebeu liess zu denken 
übrig. Da sassen auf den centralasiatischen Telegraphendrähteu 
roisende blaugrün gefiederte^ an unseren Pirol erinnernde Vögel von 
der GkOsse eines Staares, just so aufgereiht, wie die Spatzen aaf 
unseren Telephondrahten. Bosenstaare, Wiedehopf und Hauben- 
lerohen worden aofgeschrockt von dem Schellengeklingel in der 
,,Dugä" meines Dreigespanns, nnd sogar der ,,König im Beraidi der 
Lttfte'\ der stolze Adler sass nahe am Wege. 

Mittlerweile, im Laufe des Nachmittags, ballten sich die Wolken 
im Gebirge /n einer kompakten Bank zusammen, die als weisse 
Wand iu haUur Höhe der Alexauder-Kette hing und nur die Gipfel 
irei Hess. Diese Wand löste sich indessen bald wieder in einen ft iin n 
und dichten Hegen aul, der im Gebirge niederging und von de.Nscu 
Gewalt die angesidiwoilenen Bäche beredtes Zeugnis« ablegten. In 
i-othbrauner schlammiger Fluth brausten sie daher, überall unseren Weg 
qnerend, ohne freilich die Fahrt des Tarantasa m hemmen. Denn 
Hindemisse dieser Art kennt die rassische Post nicht und darf sie 
nicht kennen. So lange das Wasser noch nicht Ober Gepäck nnd 
Wagenkorb flutbet, wird sohlennigst hindurchgesaost. 

So weiter und weiter fahrend, kam der Abend des 22. Mai hemu 
und dieser hatte mir noch ein eigenartiges prächtiges Schauspiel als 
Entschädigung für die Nüsse und den Schmutz des Tages zugedacht, 
einen geradezu grandiosen Sonnenuntergang. Die grauen W(dken. 
welche de!» ganzen Himmel bedeckten, liatten nur im Westen einen 
scbmalen Streiten biaueu Uimmeli» Ireigeiasseu. Zu diesem wolkenlosen 



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220 



Streifen sank die Sonne gegen 7 Uhr hinab, trat in ihn ein 
und sandte nunmehr ihre feurigrothen Strahlen mit einer wahren 
Pracht au GluLh und Jb arbenintensität fast horizontal über die Steppe. 
Dasa der dfistere blaugraae Himmel ringsam und ein prächtiger 
doppelter Regeobogen, dessen CSeDtmm yom Reflex der imtergelieDdeii 
Sonne in roeenrotbem Lichte erstmUte, anf der entgegengesetsten 
Seite! Was auf der Steppe stand, sich bewegte, lebte nnd webte, 
jedes Haas, jeder Strauch, Jeder meiner mit dem Anschirren 
bescliäftigten Kirgisen sah ans wie rothglOhend, wie ein leibhaftiger 
Teufel. Nur 5 Minuten währte dies Schauspiel, dann begann wieder 
der Regen, unter dessen Strömen ich die Endstation dieses Tages, 
Merke erreichte. Wie sah aber mein Gepäck aus, als ich es vom 
Wagen In b. wie der Wagen, wie der Kutscher, wie ich selber! Wie 
mit Schlamm inkrustirt! 

Als ich am folgenden Tage (23. Mai) früh nach Pferden zur 
Weiterfahrt verlaugte, da erhielt ich kurzweg zur Antwort: „loschadi 
ujeto'\ d. h. PfBrde giebt es nicht! Keine Oocaide an der Hfitze, 
kdn Vorschrdben des Gonvemenrs konnte mir helfen. Ich theilte 
dies Ungemach mit einem rassischen Beamten nnd seiner Frau nnd 
mnsste mich in*s Unabänderliche finden und den Tag, so gut es ging, 
ausnutzen. Zunächst kaufte ich mir Wasserstiefel von beträchtlichen 
Dimensionen nnd behaftet mit dem echt rassischen Jnclitenleder- 
Qestank. Es war dies eine conditio sine qua non, denn der Ort 
Mpike glich in der That in Folge der letzten beiden Regentage einem 
regulären Rumpfe. Die eu)e Strasse, welclie den Ort (durchzieht, und 
zwar in einer Breite von mindestens 6 Wa8:engelei.>>en, wird in ihi'em 
nunilicheu Theil flankirt von den Gebau leu der russischen Ansiedler 
des Fleckchens und in der südliclien Hälfte von den Wohnungen der 
Kirgisen. Die imssischen Häuser tragen den Üblichen bAuerisdien 
Charakter, sind aas Lehm oder Holz gebaut nnd mit Stroh gedeckt 
Die Dacher sind Giebeldflchcr. Der kirgisische Theil der Siedelang 
hingegen hat flache Dacher, Saaten, die am einen Hof central 
gmppirt sind and nach der Strasse hin die flblichen Verkaafa- 
laden zeigen. 

Der Tag meiner Ankunft in diesem Nest war ein Markttag ftlr 
die kirgisische Ortsbevölkerung sowohl wie für diejpnige der Um- 
Qfcbung. Von allen Seiten zog man zu Pferde lieran mit seineu 
Heer'len und versammelte sich auf dem etwas erhöht auf einem 
LössplaLeHU belegenen Marktplatz. Der eine Theil dieses Platzes 
war für den Getreidemarkt und Mehlhandel, sowie für einige Butiken 
reservirt, der andere diente zum Viehmarkt. Hier entfaltete sich nun 



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m 

in der Zeit von 11—1 Uhr ein höchst interessantes and charakteristisches 
Bild, welches ich durch eine ganze Reihe von photogi aphischen Moment- 
Aafiiahmen festzuhalten versucht habe. Die Kirgisen kamen natür- 
lich zu Pferde angeritten, gekleidet in ihre wattirten Ohalate von 
vorwiegend rostbrniiuer, sarkleinener Fftrl)e oder von frebh'tmtem und 
gemustertem Kattun. Die Beine sLeekteu in den holien Stiefeln, und 
auf dem Kopfe trugen sie die Pelz- oder Filzmütze. Die männlichen 
Kirgisen (iberwogen bei Weitem. Weiber wai*en selten, ritten aber, 
wenn vorhaudeo, wie die Männer sperrbeinig auf dem Pferde oder 
Beitochwii. Inftlgedenen ist es m Weitem «kiwvt^ die Fnuien 
TOD den Mannen! zn nnteneheiden. Bas einsige flnesere Unter- 
scheidangsmerlnDal hildet ein weisses tnrhanartiges Tnch, welehes 
die Fnnen nm den Kopf schlingen nnd hrdt snf Brost nnd Rfleken, 
wie die Kragen der katholischen Nonnen, herabfallen lassen. Gebändelt 
wird hauptsächlich um Schafe oder deren Wolle. In langen Reihen 
werden die Thiere mit den Hälsen dicht und g-rausam eng aneinander 
gekoppelt: so warten sie geduldi;:^ flaiauf, was ihr Herr mit ihnen 
zu thun beschlossen hat. Hat er ihre Wolle verhandelt, «n wenlen 
die Reine der Schafe zusammengebunden und die Wolle mit einer 
sehr primitiven Klippscheere, wie die Zweige eines 6art«nzaunes 
gekappt; sind sie völlig als Eigentimm in den Besitz eines anderen 
übergegangen, so wird ihnen dessen Marke auf lecht rohe und 
barbarische Wetee auf das Fell gebrannt Za dtesem Zweelt hat 
ein Schmied mitten anf dem Markt seine Esse aali;esehlagen, von wo 
die giflbenden Eisen an die, welche sie gebranchen, vertbeilt weiden. 
Die Schafe dieser Kirgisen sind Fettscbwanssehafe von schwarzer, 
branner oder auch schneeweisser Farbe, mit lang herabhängenden 
Ohren nnd meist schwarzem Kopf 

Ausser mit Schafen wird vor Allem auch mit Pferden gehandelt, 
weniger mit Ochsen, die hier von den Kirgisen vorwipsf^'nd zum 
Reit(^ii benutzt zu werden srhienen, FAn solfir gesattelter und 
gespornter Ochse macht sich unter einem braunen Sohn der Steppe 
höchst possierlich. 

Als der Markt zu Ende und der Boden von all den Tausenden 
Ton Beitern nnd Tbieren zu einer schwarzen Breimasse förmlich 
zerrieben war, zogen sich die Kligisen in die Tbeehdnser des 
Eingeborenen-Yiertels zorflck nnd yeijnzten dort, genan so wie bei 
uns im Bierhans, einen betrichtlichen Theil ihres Erlöses im Tschai- 
Trinken nnd Tschibnck-Ranchen. 



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328 



Immer noch Pof^tstation Merke. 
24. Mai 1902. 

„Ba stell ich nun, ich armer Thor und bin so klug, als wie 
zuvor r' Trotz gegentheiliger Versprechungen kann mich auch heute 
bis aHf Weiteros kdne Haebt der Erde weiterbringen. Die zwei 
kurzen Worte: ,4o8cbadi i^eto** (Pferde giebt es nicht) sind bier 
Tmmpt Ich benutze also den nnMwilligen Aufenthalt, nm das 
Erlebte weiter zu Papier zu bringen nnd ünde hierillr in dieser 
weltentlegenen Gegend als einsamer Kultur-Europäer, inmitten einer 
schwerverständliche russische Worte redenden Bevölkerung, an air 
dem Seltsamen and Eigenartigen, den Unannehmlichkeiten und 
Verrlnesslichkeiten einer solchen Waur^^rfuhrt innerhalb des bis vor 
Kurzem noch so unbekannten südlichsten Sibirien. Mateii^l in Hülle 
und Fülle. Seit gestern Abend hat sich unsere wartemle (ieseil- 
schaft noch um ein weiteres Glied, einen msüischen Beamten, der 
von Smolensk nach Wjeruyj versetzt wurde, vermehrt. Auch eine 
nette Keise! Ich selber sehe mittlerweile fast ebenso schmutzig und 
fleckig aus, wie diese redenden Bossen mit ihren ungeztiilteii 
nnsanberen Kopfkissen, ihrer verstaubten Unifi>nn und einstmals 
weiss gewesenen Dienstmütze. Sich Flecke ans den Kleidern zu 
entfernen oder Stiefel nnd Bock zu reinigen, kalt man richtiger 
Weise flir einen ziemlichen Luxus; denn was hilft das alles. Eine 
solche unangebrachte Sauberkeit wttrde nur peinlich auffallen. Der 
eine dieser Beamten reist mit seiner alten, sich durch ein schauerliches 
Deficit an Zähnen auszeichnenden Frau. Dieser Manfrel lunderte 
diese Dame abf^r iiirlit. dpn j^aiizpti Tr^ über eine Cigan ttp nach 
der anderen zwisciien dit Zalnireste zu klemmen. Im Uebrigen war 
sie herzensgut, ebenso wie ilir Mann, und innerhalb kurzer Zeit hatte 
sich zwischen uns ein freundschaftlicher Verkehr entwickelt. Der 
Alte trank mir meinen Weiu aus, ich ass ?on seinem Brod, trank 
von seinem Tbee and liess mir die Oitronenscheibe gerne gefallen, 
welche man mir als einen hier bereits hohen Lnxusartikel kredenzte, 
wahrend sonst in ganz Bnssland auf Jeder Bahnstation nnd in jeder 
kleinen Gastwirthscliaft diese würzende Oitronenscheibe ein unumgäng- 
liches Ingredienz ist, kann man sie hier in Centrai-Asien nicht mehr 
für vieles Geld und gute Worte kaufen. Ich bedauere sehr, dass ich 
den derzeitigen ^iten Rathschlag Dr. von Almasy's: f^in Kistchen 
CMtmiiPTi für mich und nipiiip Frpundp in Wjernyi mitzunehmen, in 
der Sui^f^ minöthigeu Ballastes, in den W ind geschlagen habe. Auch 
eine i^uautiiat Eo^uefort-Käse iu Tasclikeut zu G eschen kz wecken 



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223 



xa kuifeii, bäte ich leider rerstanit Ich würde aber aneh schwerlich 
der Yersiidiang widerstanden haben, diesen Käse selber so essen, 
denn alles Zabrod, wie Wurst oder Kflse, ist auf dem Bo8t>Tra1ct 
schwer za erhalten. 

Zum Glück hat sich heute morgen das Wetter etwas aufgeklärt 
und sind die Wege wäbrend der Naclit ein wenig aufgetrocknet. Die 
Alexander-Kette, welche den Ort Merke im Süden begrenzt, liegt 
klar und wolkenlos vor mir und die Sonne scheint freundlich drein. 
Alles würde wieder gut sein, wenn nur Pferde zur Weiterfahrt zu 
haben wäien. Nur Geduld und auch sie werden kommen! 



Wjernyj, 4. Jani im. 

Obgleich ich seit dem 28. Mai hier in Wjernjj bin, sind alle 
Tage 80 Yollaof besetat and in Ansprach genommen gewesen, dass 
ich nicht snm Brieftebreiben kommen konnte. Aach die heatigen 
Zeilen sollen im Wesentlichen nur dazu dienen, meine glückliche 
and recfatieitige Ankonft Iiier and mein völliges Wohlbeflnden an 
melden. Im Hofe des Statistischen Komit^s, in welchem ich diese 
Zeilen schreibe, liegt meine Bagage reisefertig gepackt, die Pferde 
sind bereits angespannt und gesiittelt. In wenigen Minuten wird es 
liineingehen in das Hochgebiige des Tien schan und zwar über den 
Kastek pRss und durch die Buam Scliluclit nach dem Issyk-kul, 
dann weiter zum Khan Tengri und zurück Uber den DsunganscUen 
Al& tau nach West-Sibirien. 



Tokroak am Tschn, 8. Jnnl 1902. 

Seit Mittwoch den 4. Juni ist unsere Kai^wvuir unterwegs. 
Am 5. Juni bezogen wir in einer kirgisischen Jurle nahe dem 
Kastek-Riss unser erstes Feldlager nnd seitdem sind wir dorch das 
Kastek-Flassthal, im Laafb des 6. Jani bis Sary-dscbassyk vor- 
gedrongen, wo wir unser zweites Lager beaogen. Am 7. Jnni 
trennte ich mich mit Prof. Saposchnikow yon der Hanptkaiawane 
und zogen wir, nur von einem Dschigiten begleitet, durch das Kam- 
konns Tbal. Die letzte Kacht verbrachten wir als Gäste eines 
kirgisischen Aeltesten in einer Jurte 1800 m hoch im Kara konus- 
Tita] Die uns dort bereitete kirgisisclie Tafflruude um eiueu 
Uammelkopf and den Samowar, war höchst amüsaut. 



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284 



PrshewaUk am Isqrk-kal, 23. Jnni 1902. 

Diese Postkarte soll nur meine glfieklidie Ankauft in Ftshewalsk, 

mein Wohlbefinden und das bisherige Gelingen unserer Expedition 
melden. £inen ansf&hrlichen Bericht über den Verlauf unserer Beise 
von Wjernyj bis hier werde ich in den nächsten Tagen folgen lassen. 
Eier fand ich zu meiner grossen Frende Nachrichten ans der 
Heimath vor. 



PrshewaUk, 24. Jnni 1902. 

Meiner gestrigen Postkarte lasse ich hente den angekflndlgten 

längeren Brief folgen, oder richtiger gesagt, will ich versuchen ihn 
folgen zu lassen. Denn wie weit meine Absicht sich wird verwirk- 
lichen lassen, hangt davon ab, vne viel Zeit mir unser Reiseprogramm 

lassen wird Die Nachricht, von dem Vulkan- Ausbrach auf 

Martinique ist so ziemlich die letzte Neuigkeit gewesen, welche irh 
seit meiner Abreise von Hamburg aus dem civilisirten W esten 
erhalten habe. Die Thatsache des Friedensschlusses zwischen 
England und den Buren und zwar zu Ungunsten der letzteren, hatte 
sich ireiliek aneh bis in^s Innere Asiens dnrchgemngen. Am Issyk- 
knl überbrachte sie uns ein Dschigit, und einige kräftige ntssiwdie 
Flflche anf Albion bekam man an jenem Abend in unserer Jnrte 
zn kOren. 

In Folge des durch die Verhältnisse gebotenen eiligen Abschlusses 
meiner wenigen aus Wjemyj vom 4. Juni datirten Zeilen, ist eine 
unbeabsichtigte Lücke in meinen Berichten, zwischen der Abreise 
aus Merke nnd meiner Ankunft in Wjernyj, entstanden, die ich heute 
in erster Linie auszufüllen mich bemühen werden. Also am Sonnabend, 
den 24. Mai 1 Uhr, war es endlich möglich, mit neuangekommenen 
Postpferden ;veiterzureisen. Ohne grössere Unterbrechung ging es 
von nun au vorwärts. Die Landschaft bot bis Pischpek. wo ich am 
Morgen des 25. Mai eintraf, wenig Abwechslung. Von Pischpek 
führte der Weg in*8 nordwestlich absweigende Hainak'Gebirge und 
Aber dessen kahle HochflScben hinweg anf den nordöstlichen Hang 
hinfiber. Hier empfing mich nnn ein ei'Mschendes nnd ergnickendes 
Bild: die im Schmuck der FtOhlingsflora prangende Wiesensteppe, ein 
Blumenteppich seltener Art Saftig grünes Gras, tiefrother, glfihend- 
feuriger Mohn, hellblaue Vergissmeinnicht, schlanke Königskerzen^ 
gelbes Labkraut, rotliviolette Kukuksnelken. Löwenmaul und tausend 
andere Gräser und Blumen bildeten gemeinsam diesen herrlichen 



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225 



Teppich. StondenlADg fahr ich darcli diese WiesenflorA hindorüh und 
erfteate mich an ihrer Pracht Besonders die wdtMn sich dehnenden 
rothea Mohnfelder, welche ganze Hügel wie in Blnt getancbt 
erscheinen liessen, machten sich i>r i Mtg und eigenartig zugleich, 
ganz wie auf dem bekannten Piglhein'schen Bilde der blinden 
Pilgerin in den Mohnfeldern der Campsgoa Roms. Und doch, wie 
vei^ftnglicli ist all' diese Pracht! In 2-3 Wochen sind alle Farben 
ans (lern Bilde verschwurulpii und an ihre Stelle das dürrp trockene 
Gell) der verbr.iinUt u Grassteppe getreten. Den ganzen Tag fuhr 
ich durcli diese Ij;uuischafti bis gegen Abend am Horizont die nörd- 
liche Kette des transilensischen Ala-Lau mit ihren ragenden Schnee- 
gipfeln auftauchte und dem flachen Vordergrunde einen grandiosen 
Hintergrund gab. Am Nordfiiss dieser Schneekette liegt anch das 
Ziel meiner langen Postfiibrt, die Stadt Wjernyj, in welcher idi 
endlich am Moigen des 27. Mai, also noch einen frfiher, als mit 
Prot Saposehnikow verabredet, eintraf. Ich ftnd dort wiederum in 
einer sogenannten ,,Nomera'\ wie bereits in Taschkent Unterkunft, 
diesmal freilich bedeutend mangelhafter und centralasiatischer. Ein 
Bett hatte das Zimmer überhaupt nicht, nur ein divanartiges Gestell. 
Mein Feldbett war also auch hier, wie schon so oft vor- und nachher, 
sehr am Phitze Ausserdem war das ganze Haus und die aus 
zwei russiscbt ii Knaben bestehende Bedienung reeht unsauber und 
schmutzig. Irli richtete mich so gut es ging ein und versuchte dann 
Herrn Prof. iSaposciinikow zu linden. Bei Herrn Isedswezij, dem 
Sekretär des Statistischen Komit^ erfuhr ich, dass Saposehnikow 
noch anf einer Exkursion sei und erst tags darauf snrQckkehren 
werde. Und so geschah es auch. Am nächsten Morgen holte mich 
einer der russischen Ezpeditions-Mitglieder ab und föbrte mich sn 
Herrn Prof. Saposehnikow. Vor mir stand ein stattlicher, blond- 
bftrtiger Mann mit vornehmem Aeusseren und firenndlicben blauen 
Aogen, welcher sofort anf mich einen ungemein günstigen Eindruck 
machte. Dieser erste Eindruck hat sich auch in der Folge als 
durchaus stichhaltig und richtig erwiesen. Von selten liebenswüi diger 
und frpundlicher Natur, von grosser ZuvorkomniPulieit und Artig- 
keit gegen Jedermann, kann ich mir kiiinn eine geeignetere 
Persönlichkeit für die schwierige und verantwortliche Aufgabe eines 
Expeditionsleiters denken, als Saposchuikow. Denn das mus^ ich 
hier gleich betonen : die Führung und das Arrangement der einzelnen 
Exkursionen liegt durchaus in seiner Hand und habe idi persönlich 
nichte damit sn tbnn, bin also in der glOcklicfaen Lage, mich um die 
oft schwierigen Fragen betreffii Fortkommens der umfongreiciien 

■lUfeHlMCis XTIU, l»r. Mu FrtadirickM». 1» 



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226 



Eantvane, Verpflegwig ete. nieht kttmmern zd bianchen. An dem- 
selben Morgen lernte ich anch die fibrigen Mitglieder der Expedition 
kennen, alle Stockrussen, die kaum ein Wort deotach Terstehen, 

aber sämmtlich vortreffliche und liebenswürdige Herren. Es waren: 
1. Nikolai Wai^silewitsch Pop<^w, MedizififM*. In der Expedition besorgt 
er vor Allem den Verkehr mit den führenden Dschigiten, ordiiPt die 
Kassenverlialf nisse, zahlt die Miethsprei^p für Reit- und Tragt hiere 
an die kirgiMschen Eigenthümer, vertheilt verstiliidnis^vull die 
Trinkgelder und überwacht das Essen; kurz er ist in Bezug aul das 
äussere Wohl der Karawane eine sehr wichtige Person. 2. Nikauor 
Aleijewitaeh Knjäsew, Student der Medizin und Botaniker. S. Andr^ 
Petröwitsch WeiisbAnin, Zoologe. 4. Victor Feodorowitsch Saeniönow, 
Lehrer ans Wjemjj, Entomologe. 5. Nikolai, Diener nnd Prftparator. 
Sie alle wohnten in W)emy| im Hanse des Statistischen Eomitös 
und im Hof dieses Gebftudes lag das umfangreiche Expeditionsgut, 
sowie die bisher von meinen nunmehrigen Kameraden am Balchasch- 
See gemachten Sammlungen. Der Sekretär des Statistischen Komitös, 
der bereits erwähnte Herr Nedswezij. hatte uns für die Tage 
oiiseres AufeiillmUes in Wjernyj sein Hans in liebenswürdigster 
Wei^e zur Verfügung gestellt und wir gingen dort zu allen Maiiizeiten 
ein und aus. Dies war deshalb besonders angenehm, weil es in 
Wjernyj, wie fast in allen grossen und kleinen Städten des rassischen 
Asien absolut keine Gasthäuser in der Art unserer Restaurants 
giebt Wenn man daher als Fremder nicht Anschlnss an eine 
ansilssige Familie findet^ kann man bei lebendigem Leibe verhungern 
oder mnss sich mit dem oft nur zu elenden Essen, welches der 
,,maltschik'' (^-piccolo) der Komera zasammenbinnt^ begnügen. 

Die Stadt Wjernyj selber ist hübsch nnd anmuthig am Nordfiiss 
des transilensischen Ala tau gelegen und wird ttberragt von schnee- 
gekrönten bis mehr als 4000 in ansteigenden Berggipfeln. Die Häuser 
sind fast sihnnitlich seit dem letzten Erdbeben in den 80er Jahren 
aus Holz, jedenfalls aber nui" niedrig und ohne vStockwerke gebaut. 
Zahlreiche .,Aryks" ( Rewft.sserungskanäle) durchziehen die Strassen 
und an ilinen sind, ganz wie iu Taschkent und Sanmrkand, reihen- 
weise Ulmen, Pappeln, Weiden etc. gepflanzt. Von einem der benach- 
barten Hügel gesehen, verschwindet die ganze Stadt in dnem einsigen 
grossen Park. Man kann daher mit Eecht Wjem]ij ein hübsches 
Stildtchen nennen, aber besonders viel höheres, geistiges Leben 
herrscht hier kaum. Fttr die Beamten mnss es daher eine ziemliche 
Verbannung sein. Die gesammte Aiistokratie des Ortes concentrirt 
sich um den Oonvemeur Exceüenz Jöonow, welcher auch für unsere 



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827 



Expedition eine wichtige Rolle zn spielen berufen w u, da er f^uf 
amtlichem Wege alles für die Expedition, soweit eilurderlich, vor- 
bereitete. Persönlich war Exc. Jönnow ein ungemein liebenswürdiger 
alter Herr, welcher fttr roieh nur den einen Fehler hatte, aossehliess- 
lich Bossigch za sprechen. Professor Saposchnikow und ich, sowie an 
einem Ahend auch die flbrigen Expeditions-Bfitglieder, waren bei dem 
Herrn Gk>n¥erDeur bAnfig snm Thee» som Mittag oder nnm Abend 
eingeladen. Seine Frau Gemahlin nnd seine beiden Tdchter bemühten 
sich ausserdem am die Wette, ans den Anfentbalt in ihrem gastfreien 
Hanse möglichst angenehm zu gestalten. 

Am Sonntag, den 1. Juni, m;ubten wir auf Einladung Sr. 
Exrellpti?: einen höchst genussreiclH ii Ilitt in das nahe Tlial der 
Ahiiaünka mit eclit alpinem Hochgebirgscharakter. Freilich endete 
das Vergnügen mit strömendem Regen und völliger Durchnftssnng, 
wie iiberlmupt das Wetter iii Wjernjrj sich wälirend unseres Aufent- 
haltes dadurch auszeichnete, dass einem völlig klaren Morgen ein 
schwüler, an Gewitterwolken reicher Mittag und zum Schlnss ein 
regnerischer Abend folgte. 

Unterdessen waren dnrch Saposchnikow die Beisevorbereitongen 
weiter getroffen, alles gepackt nnd zum Schnts gegen Regen nnd 
Staub in die vortrefflichen kirgisischen Filzdecken, sogen. „Kaschma** 
eingewickelt worden, und am 4. Juni war alles so weit, dass wir zur 
Poststation Kasansko-Bogorodskoje abfahren konnten. Unsere Gast- 
freunde, Hen- Nedswezij mit Frau und Tochter, sowie der Photograph 
Leibin, in dessen Atelier ich meine letzten Filmsrollen hatte ent- 
wickeln können, gaben uns noch bis zur 1. Station, wo wir iibei- 
nachten sollten, das Geleit. In Kasansko-Bogorodskoje wurde dann 
unsere Karawane definitiv formirt und die eigentliche Expedition 
begann. Ansser den Reitpferden fOr ans brauchten wir noch 18 bis 
20 Faekpferde fttr Zelte, Eisten, Proviant etc., sodass unsere Karawane 
ca. 22—24 Pferde stark war, abgesdien von den begleitenden Eiigisen. 
Das Qros der letzteren hatte die Angabe, die OepAckpferde zn 
fülnen, zu satteln und an bepacken. Zwei you ihnen waren sogen. 
„Ddchigiteu'\ d. h. von der Regierung angestellte, ortskundige 
Führer, welche die Wege genau kannten nnd welche bei Ankunft im 
Lager als Mädchen für alles, besonders aber a1~> Köcliin 741 dienen 
hatten Es waren mr\>i inti-lligente Leute, welche neben Kirgisisch 
genügend Russisch sprachen und daher als Dohnetscher im Verkehr 
mit der eingeborenen Bevölkerung eine weitere, sehr wesentliche 
Funktion zu versehen halLeu. Auf der Strecke von Ka^usko-Bogo- 
rodskqfe rond um den Isqrfc-knl bis Prshewalsk wechselten diese 



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S2S 

Dsehlgiten dreimal, da wir dnreli 3 Terachiedene „Wollossti** (Bexirke) 
kamen. Ebenso oft oder mehr wechselten wir nnaere Pfienrde, was 
stellenweise hiebst nothwendig war, indem es vorkam, dass wir 
10 Stunden nnd mehr pro Tag ritten und dann die Pferde fast 
noch ei schöpfter waren, als ihre Eeiter. Im Uebrigen aber ist es 
erstaunlich, was diese kleinen zflhen Thiere bergauf, bergab, im 
Schritt, Trab oder Galopp anszuhalten vermögen. Reiten fr^ilirli 
muss man können, wenn man sich auf ihnen wolilfiililen will, und 
reiten lernt man, wenn man so täglich, wie ein Kirgise, von früh bis 
spät im Sattel liiingt. Giebt es etwas »Schöueres, als so im sausenden 
Galopp über diese weiten Hochgebirgsflächen hinzusprengen, oder am 
schwindelnden Abgrund von dem erstaunlich sicher schreitenden Thiere 
vorbei getragen xn werden? 

Was nnn nnser alltAgliehes Leben anlangt, so moss ich voraus- 
schioken, dass nns bisher absolut nichts abgeht Wir haben swar 
tsglieh tüchtig kftrperlicfa nnd geistig an arbeiten, aber dafür anch 
stets gut nnd reichlich zn essen, denn unsere Expedition wird als eine 
mssiBche, von der Regierung protegirte und veranlasste Unteniehmung 
tiberall von den einheimischen kirgisischen „Wollosstnojs" (kirgisischer 
Gemeinde- Aeltester^ sehr gastfrei und zuvorkommend aufgenommen. 
Vor allem war aut (Ihih ganzen Wege um den Issyk-kul hemm an 
jedem Lagerjdatz eine geräumige und, was hier im Hochlande von 
2 — 3000 m Meereshöhe immer von Bedeutung ist, eine warme und 
wetterfeste Jurte für uns aufgeschlagen. Wir brauchten daiier bis 
jetzt noch nicht im Zelt zu übernachten und benutzten dieses nur 
dazn, um unsere Bagage während der Nacht demnter an bergen. Die 
landesübliche Bedeckung der Jurten mit Filz hat die Annehmlichkeit, 
im Winter wann nnd im Sommer kflhl sn sein. Im Innern waren 
diese Jurten stets mit buntfarbigen Teppichen und Seidenstoffen reich 
belegt und ausgeschlagen nnd stellten so eine höchst wohnlidie 
Behausung in dieser wilden Hocbgebirgswelt des Tien schan vor. 
Auf dem Boden dieser Jurten wurden nachts die Betten meiner Reise- 
kanieraden, welche aus grossen Federkissen und weichen Decken 
bestanden, ausgebreitet, wahrend irli nieiii Feldbett aufschlug. Nach 
den Anstrengungen des Tages iillegte man so selbst dann vorzüglich 
zu schlafen, wenn draussen die Temperatur bis auf wenige Grnde über 
Null gefallen war. Verschiedentlich habe ich daher bereits den 
grossen kascbgariscben Ziegenpelz gebraucht, welchen ich mir für 
18 Babel in Wjemyj erstanden hatte. Morgens beim Erwachen 
Ündet man den wackeren Dschigiten schon am dampfenden Samowar ; 
es wird Theo ans handfesten Holzschttsseln zusammen mit getrocknetem 



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229 



Brod servirt, stellenweise auch in grossen FeMkesseln ein fadea« 
scheiniger Kaffee oder ein kräftiger Kakao gebraat. Ist Tags zuvor 
noch das Glück unseren Jägern liold gewesen, dann bekommen wir 
auch wohl ein meist mit Vu)^pr^^ niii Zähnen zu bearbeitendes Stück 
gebratenes „Kekülek" (1^'eldhulm uder eine Taube, oder einen P?\8an. 
Denn die Vogelwelt ist von einem geradezu erstaunlichen Reichthum 
und unsere zoologische Beute besteht zum grossen Theil aus Vogel- 
bAlgen. Das Mittagsbrot wird oft um 2 Uhr, manclies Mal um 5 Uhr, 
dann wi«d«r apftt abends um 8 Uhr einganonunen, je nadidem es 
Zeit nnd Umstfinde erlauben. Eingeleitet wird dasselbe nach gnt 
russischer Sitte durch einen Schnaps, dann kommt mit tOdtlicher 
Sieherhdt jeden Tag in einer grossen Bleehsehflssel gekochter Hammel 
auf den Tisch und zwar der ganze Hammel zerlegt in alle seine 
Atome: Schädel, Fflsse, Schwanz, Herz, Leber, Nieren, Rippen, alles 
kunterbunt durcheinander und alles mit dem infamen Hammelgeruch 
behaftet. Besonders die Augen, Ohren und das Gehirn ^chen bei den 
Kirgisen und an^b bei den Kennern unter meinen Reisegefährten als 
etwas ganz besonders iJelikatt^s. Ich gestelje otten: ein Ohr zu Hs^^ n 
habe ich nie, ein Auge zu vertilgen nur einmal, und das Geb im m 
essen sehr bald gelernt. Die;>en Hammel bekäme» wir als Hhu^jL- 
gericht jeden Tag vorgesetzt; am 19. Juni aber konstatirte ich meine 
Unfähigkeit^ weiterhin von ihm zu essen. Drei Tage lang revoltirte 
mein Magen gegen dieses Gericht und nur mit MUhe konnte ich am 
Mittagstische sitzenbleiben nnd den an&teigenden Widerwillen unter- 
drflcken. Dann nach dreitftgiger Pause ging es wieder und am Abend 
meines Geburtstages (21. Juni), welchen ich mit vielfachen Rttck- 
eriunerungen an die Heimath in einer höchst malerischen Engschlucht 
des nördlichen Terskei Ala-tan Abfalles verlebte, konnte ich zur Feier 
des Tages wieder einige Hammelrippen verarbeiten. Ausser Hminiiel 
giebt es beim Mittagessen eine durch allerlei getrocknete Gemüse 
schmackhaft gemachte FleisdiMippe und häutig sogar noch ein Reis- 
gericht mit getrotkni'ten Aprikosen oder liosineu gewürzt. Tschai 
bildet auch hier steU» den Schluss der lukullischen Genüsse und 
Tschai giebt es andi nodi einmal am Abend mit getit>cknetem Brot 
dasu. Teller, Messer und Gabei sowie Trinkschale hat jeder unter 
eigener Terwaltnng; das einzige blaue Tischtuch unseres Feldtiscfaes 
hingegen war im wahren Sinne des Wortes Qemeingat aller und 
diente gleichzeitig als Serviette. £s war höchste Zeit, dass es hier 
in Prshewalsk in die Wäsche kam; es konnte selbst den grössten 
Heisshunger gegen Schluss des eraten Drittels unserer Eeise etwas 
herabstimmen. 



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230 



Die wissenschnftliche Arbeit ist so vertheilt. dass im Laufe des 
Tages «lle SHmmlnngen an l^flauzen, Tliierea und Steinen gemaclit, 
Photographien aufgenommen und die Aufzeichnungen über das 
Gesehene gemacht werden. Abends im Lager beginnt das Verdauen 
des Gesehenen, welches fftr mich in Ausarbeitung des Tagebachs and 
im Ordnen der geologisdien Änfsammlnngen, ftlr nnsere Botaniker im 
Fk«88en der Pflanzen und für nnaeren Zoologen und Br&parator im 
Abbalgen der erlegten Thiere besteht. Mit diesen Arbeiten pflegen 
die Abendstanden vollauf ansgefüllt za werden, und oft komme ich 
trotz grösster Mtidigkeit von des Tages Last und Hitze nicht vor 
IIV« Uhr auf mein Feldbett. Beim flackernden Schein der Kerze 
schreibt man sein Tagebuch, und Saposclmikow und ich als die 
Photographierenden der Expedition müssen dann noch, wenn rings um 
uns bereits alles schnarcht, die Platten wechseln. Ausser den kleinen 
Hand-Apparaten führt die Expedition nocli einen grossen Stativ- 
Apparat mit, welcher auch mit Stereoskop Linsen versehen werden 
kann. Neben meinem Tagebuch führe ich ein meteorologisches Journal 
znr Eintragung der Aneroid> und Thermometer-Ablesungen, sowie der 
Beobachtungen am Eochthermometer. 

So also reisten wir seit unserer Abfahrt von Wjernj} bis sn 
unserer Ankunft in Prshewalsk. Wenn ich das wissensehaftliohe 
Besultat, soweit es mich betrifft, überdenke, so habe ich zunächst ein 
sehr interessantes Profil durch die Alexander-Kette in der Buam- 
Schlucht, vor allem auch die jugendlichen horizontalen Seeablagerungen 
in derselben kennen lernen und untersuchen können. Sodann boten 
mir die zablreidien Kreuz- und l^uerzüge am Siidufer des Tssyk-kul 
(Gelegenheit, die geographische und geologische Natur der Abhänge 
der Terskei-Ala tau- Kette, sowie der interessanten Terrassen- Bildungen 
des austrocknenden Issyk-kul näher zu studiren und mir eine vor- 
läufige Vorstellung von den eigenartigen, durch gewaltige Schutt- 
anh&ufuugen zu weiten Hoehfläehen umgewandelten Lftngsthftlem des 
Ti^n-schan zu bilden. Die Thatsache, dass wir an verschiedenen 
Stellen quer zur Streichrichtung des Qebirges gegen Süden bis in 
Hdhen von 300O ni und mehr vordrangen, ermdglidite die Bildung 
einer ziemlich vollständigen Vorstellnng von dem inneren Bau des 
Terskei-Ala- tao, welche in den nächsten Wochen noch wird ei^änzt 
werden können, denn übermorgen früh bi echen wir auf in der Richtung 
auf den Tnrgen-Aksn-Pass und werden in ilim die Kammlinie des 
Terskei-Ala-tau übei .steigen, sowie in das Thal des Sar}' dschass vor- 
dringen. Hier wiid vermuthlii li das Gros der Karawane ein Stand- 
Idger bezieiieu, um zu jagen und zu sammeln, während S&poschoikow 



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281 



und ich mit den erforderliclien Forden und Fiilirern nacli Westen, 
in der Richtung Kuf die Naryn-^uelleu vorzudringen beabsichtigen. 
Dann kehren wir wahrscheinlich nach Sary-dschass zurück und gehen 
über Dscharkent nach Norden in den Dsungarischen Ala tau. 

Von einer ausführlichen brieflichen Sciiilderuug der Erlebnisse 
und Beobachtungen auf dem ersten Drittel unserer Reise muss ich 
ans Zeitniaogel abseheii; am aber weoigstens einen kleinen Begriif 
Yon der landscliaftlieh geographischen Eigenart der durchzogenen 
Gebiete so geben, soweit dies ttberhaupt ohne Abbildongen mdgUcb 
ist, will ich liier einige Hanptphasen kurz zosammenfiisseii. Da ist 
zunächst die Buam- Schlucht, d. h. der Dnrchbruch des Tsoba dordi 
das Alexander- Gebirge als eine in sich geschlossene Charakter- 
Landschaft zu nennen. Ich liatte mir diese sogenannte „Schlucht" 
nach den Karten-Darstellungen und Schilderungen in der russischen 
Litteratur als etwas ganz Anderes, als etwas wie eine alpine Klarom 
vorgestellt Weit gefehlt! Ein wirklich malerisches Engthal ist 
diese Buam-Schlucht eigentlich nur auf einer kurzen Strecke, und 
auch auf dieser ieliit ihr der üeiz ähnlicher alpiner Scenerien, weil 
die Vegetation fehlt. Das Klima Central- Asiens mit seiner gewaltigen 
Schott bildenden Kraft trat mir bereits hier bandgreif lieh vor Angen. 
Die Bösehongen der an sich freilich sehr steilen Wände waren 
gemildert darch ganz immense Schutthalden, welche ftberali von den 
Thalflanken als mächtige Schuttkegel herabzogen und durch die 
Verwitterungskraft von Jahrtausenden aufgehäuft waren, ohne wie 
in europäischen Gebirgen durch die atmosphärischen Wasser heraus- 
transportirt zu werden. Geradez« erstaunt aber war ich, als ich 
unweit der Poststation Kok-mainak aus dem engen Defllö scliwarz- 
grüuer, mit einer metallisch glänzenden Verwitterungsrinde über- 
zogener Grünsteine in eine weite Thalerweiterung eintrat und den 
Boden dieser Erweiterung bedeckt sah mit einer mächtigen, unten 
roth, oben weissgefärbteu Schichteufolge von Sandsteinen und Konglo- 
meraten, welche sich bei näherer Untersnchung als die zweifellosen 
Ablagerungen eines alten Sees herausstellten. 

Ks ist darnach wohl zweifellos, dass sieh der Issyk-kul einst in 
geologischer Vorzeit bis in diesen weiten Theil der heutigen Buam- 
Schlacht erstreckt hat und dass aucb er selber im Austiocknen 
begriifen, einst viel grösser war. Denn rii^nm an seinen Uferu 
konnte njan sehr deutlich mehrere alte Tera.ssenstufen unterscheiden, 
welche zwischen dem Seeufer und dem eigentlichen Gebirge liegend, 
hente der Grund sind weswegen das eigentliche Gebirge bis 10 und 
20 km vom heutigen Seeuter entfernt ist Da dieise alten Terrassen 



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S32 



aus sterilen Schottern und Sanden bestehen, tragen sie nicht geiade 
zur landschaftlichen Verschönerung der Seeufer bei. Der See selber 
aber ist ohne Zweifel eine landschafUiche Perle, dem nur jeder 
belebte Vordergrimd, Jedes menschliche Leben, jedes Segel, jeder noch 
80 winzige Kahn fehlt Sonst aber steht er mit dem prftehtig klaren 
Tiefblau seines Wasser in einem rdiTollen Kontrast za den schnee- 
gekrttnten Bergketten ringsum, and diese Umgebung l&sst ihn an 
den Genfer-See erinnern. Viel schöner aber noch als von den relativ 
reizlosen kahlen Ufern macht sich sein krystallener Spiegel von den 
Höhen der benachbarten Berge aus, und an zahllosen Stellen des 
Terskei-Ala-tau konnten wir uns dieses unerwartet zwischen den 
zackigen Bergwänden anftanchenden Anblicks ertreuen. Wie 
Xenophon's lUUOO Grieclien Im im Anblick des Schwarzen Meeres in 
den Ruf „Thalassa, Thalassn'' ^uivl raclien. so pflegten auch wir dann 
jubelud den biaiien Iss^ k kul zu begrusseii. Auch in seinen klaren 
Fiatben zu baden, war ein gerne benutzter Gennss! 

Der Terskei-Ala-tau endlich, die dritte geographisch geschlossene 
Einheit, welche wir auf dieser Strecke kennen lernten, war eine 
echte Tiön-scban Hochkette, von glftnzendem Schnee gekrOnt, aber 
in diesem dem Issyk-kul unmittelbar sQdlich benachbarten Theil an- 
scheinend ohne grössere Gletseh' r Im westlichen Theil fehlt ihm i 
jede Baum- Vegetation, und nur Grasmatten wechseln mit kahlen, 
wild überstürzten Schutthalden und ragenden nackten Felsen. Im 
östlichen Theil hingegen geht bis in beträchtliche Höhen ein dunkler 
Tannenwald herab, welcher ausschliesslich aus der gewaltigen ragenden 
Picea Schrenckiana besteht und der Scenerie das Grossarlige und 
Abwechselungsreiche giebt, was wir au unserer Alpenlandschaft zu 
bewuuderu Gelegenheit haben. 

F. S. Heute Kacbt um 4 Uhr ist auch Dr. Gottfkied Metzbaeher 
aus Mflndien mit einem Tiroler Führer, einem Prftparator, dem 
Geologen Herrn Reidel aus Freibnrg und dem Ingenieur und 
Alpinisten Herrn Ffann aus Bf Uneben hier eingetroffen. Sein Haupt- 
gebiet wird, wie mir bekannt war, der Khan-Tengri und der östliche 
Tien schan sein. Er wird sich jedoch dem Khan-Tengri von der 
Nordostseite zu nAbem versuchen, und nur im Sary-dschass-Tbal 
werden unsere Forschungsgebiete susammenfallen. 



Dscbarkent im Iii-Becken (Gouvernement Semiijetschensk), 

1. August 1902. 

Wenn uiau sich durch den glühenden Soniit^nbiand der Wüste 
und Steppe des trostlosen Ili-Thales hiudurchkämpfen muss bis zu 



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1 



m 

der Stelle, wo die Menschen wieder so kultivirt sind, eine Poststation 
zu besitzen, und wenn man auf dieser Fahrt innerhalb der trost- 
losesten Wüstenei unverhoflfterwpise nnf einem weltverlassenen 
Fleck Erde, mitten unter blutgierigen Mücken bei 83® C Schatten- 
temperatur einen Tag festgehalten wird, so ist das Gefiilil 
inniger Freude wohl zu verstehen, welches ich hier nach moiiate- 
langer Unterbrechung beim Empfang eines Briefes aus dem elterlichen 
Haiae empÜBBd. Was habe idi alles in den letiten 4 Woehen gesehen 
und erlebt! Wie viele grandiose nnd gewaltige Eindrücke einer 
gigantischen, in Schnee und Eis erstarrten menschenleeren nnd 
mensebenfeindliehen GebhrgBWelt habe ich in mich anfhehmen können, 
nnd anf der anderen Seite wieder, durch welch' öde, abschreckend 
einförmige, von der gütigen Mutter Natur nur wie ein wenig geliebtes 
Stiefkind behandelte Gegenden hat mich meine Reise geführt! Aus 
der friscIisprudelTidcn Quelle unmittelbarster Erinnerung über das 
jüngst Erlebte ujitzuilitilt ii. ist Zweck meiner heutigen Zeilen. Zu- 
vor aber muss ich wiederholt das Glück preisen, w^lclies mich mit 
unserem Expeditionsleiter, Herrn Prof. Saposchnikow zu.Niiiiiiiiengeführt 
hat. Aut liin passt das Epitheton ornans eines „»onuigen" Menschen, 
sowohl wegen seines stets fröhlichen, unTerdiossenen nnd heiteren 
Charakters, ab auch wegen seines ganzen Auftretens nnd seiner 
Denkweise. Seiner Zuvorkommenheit (er hielt stflndig einen Kirgisen 
an meiner personlichen Yerfllgnng) veidanke ich es auch, dass es mir 
seit Prshewalsk, allerdings mit Aufbietung aller Energie, gelungen 
ist» eine vollständige Routenaufnahme mit Kompass nnd Uhr neben 
den geologischen Aufsammlungen und Notizen zu machen. Ich lioflfe, 
dass es vermittelst derselben möglich sein wii-d, später eine Karte 
der bereistf^n Tien schan-Tlieile zu konstruiren, welche fTPii-uinr ist 
als die bisherigen und vor allem auch richtiger und vollkommetu i in 
der Namengebnng. Auf letzteren Punkt haben wir durch zalilli st' 
Erkundigungen bei den Kirgisen besonderei» Gewicht gelegt. Weine 
Gesteiussammlung werde ich von hier nach Hanse dirigieren. Es 
Uebt mancher Schwdsstropfen an diesen unscheinbaren Steinen, die 
aber nach erfolgter genauer petrogi-aphischer Untersuchung manches 
Problem und manche Frage an lösen bemfen sein werden. 

Nachdem in Brshewalsk aUe Samminngen geordnet und verpackt« 
der Proviant erneu^ die zerrissenen Kleider und Stiefel irt flickt 
und alle Abmachnngen mit den fiehOrden und fahrenden Kirgisen 
getroffen waren, rückte unsere Karawane am 28. Juni von Neuem 
aus und zwar zunächst in rein östlicher Richtung bis zum 'Vh-\] des 
Flusses loi'gen-Aksu. Im unteren Theile dieses Thaies scliiugen 



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I 



234 

wir das erste Nachtquartier auf. oder lichti^er geRag:t, war es bereits 
lux uns durch deu überall uns fördernden „Befehl von oben" abseilen 
des betreffenden kirgisischen Wolostnoj in Gestalt einiger warmer 
and wetterfester Jurten aafgescblagen. Das ganze von uns bereute 
Gebiet des Tifo-sehan zerfilllt näinlicb in eine Anzahl ^^Wolosti", 
an deren Spitze je ein kirgisischer nnter rassischer Kontrolle stehender, 
aber von den betreifenden Eirgisen-Gtonieinden selber erwAhlter 
Wolostnoj oder Kirgisen-Aeltester steht, welch' letzterer stets zu 
unserer Disposition war und von Fall zu Fall dafür zu sorgen hatte, 
dass wir Jurten, Pferde und Proviant (den unvermeidUeben Hammel) 
vorfanden. So war es auch im Turgen-Aksu-Thal. 

Am nächsten Morgen zogen wir in dem mit lierrlichen Tannen- 
wald dicht bestdüdenen Tlial weiter stromaufwärts bis zu einer Stelle, 
an welcher plötzlich das bisher enge, von dem starkstrftmenden Fluss 
in brausendem Gefalle durchströmte Thal sich erstaunlich verbreiterte 
und hinter einem Sehattwall der Thalboden plötzlich weit and eben, 
and der Flnss rahigfliessend wurde. Ich vermuthete sofort, dass wir 
hier vor einem alten Gletscherbett ständen und dass das weite Wannen- 
thal des oberen Torgen-Aksa seiue heutige Gestalt der Wirkuug 
glacialer Ausschleifung und Ausrflnmung verdanken müsste. Es war 
daher mein Bestreben, von nun an im Tnrgen-Aksu Thale die Spuren 
dieser alten Vereisung zu finden, was mir auch in Gestalt zweifel- 
loser Ruudhöcker auf dem Thalboden und ungemein deutlicher 
G letscherschlifVi» in alten, stf-ilaufgerichteten Phylliten der Ump:ebunpf 
unseres nach sleii Lagerplatzes im oberen Tuigen-Aksu-Thal gel.iiig. 
Meine Photographien werden später als Beleg für diese Thatsacheu 
dienen können. 

War dieses Thal einst so intensiv vergletschert, wie ea seine 
heutige morphologische Konfiguration vermuthen liess, so war anzo- 
nehmen, dass in seinem Hintei^unde auch hente noch, wenn auch 
nur kleine und gegen frflher unbedeutende Gletscher liegen mnssten. 

Zu ihrer Aufsuchung verwandten wir den SO. Juni. Es war eine 
mühselige Parthie, da das obere Targen- Aksu-Tlial, je weiter wir 

vorrückten, desto unwirthsamer und wilder wurde. Der Tannenwald 
hatte bereits seit langem aufgehört. An seine Stelle war das niedere 
Krummholz des Tien schan (Juniperus Sabina) mit seinen abenteuer- 
lichen, wie vertrocknete mr-iLsehliche Arme und Beine gestalteten Zweigen 
getreten. Dann blieb auch dies zurück und ein Bild völligster Wild- 
nis und fruchtloser Steinwüstenei trat an seine Stelle. Nichts sah 
man weiter, als in ihrem eigenen Schutt begrabene Thalwünde, über- 
stflrzt von gewaltigen Steintrammern und als Hintergrund dieser 



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235 



Seitenkoulissen eine prächtige, im ungetrübten Sonnenglanz dor F?onne 
Centrai-Asiens erstrahlPTide GletscherweU, der wir rastlo*^. wenn auch 
nur langsam und mühselig zustrebten, da unsere Pferde in dem 
gigantischen Blockgewirr nur vorsichtig vorzurücken vermochten 
Ich selber war in Folge der Eoutenautnahme und des Steinklopfens 
in dieser grossen Natur bald allein mit mir selber und dem mich 
begleitenden Kirgisen. Die ttbrigen Expeditions^MitgUeder waren 
weit Yoraos, nnd so kam es, dass ich sie llberhanpt in dem nnttber- 
sichtliehen Tenrain völlig verlor. Dies war indessen nnr zn meinem 
nnd der Expedition Yortheil) denn ich gelangte infolgedessen bis au 
den Fuss des flloften nnd letzten grossen Gletschers, während die 
anderen nur bis zum ersten Gletscher, den Saposchnikow nach Höhen- 
lage und Länge mit dem Theodolith vermessen wollte, gingen. Wie 
Tiiclit anders erwartet werden konnte, stellte sich der ganz« Tlial- 
hintergrund des Tnrgen- Aksn-Thales in der That als in Eis gebettet 
dar, und der huchsLe an jenem Tage bei bereits sinkender Sonne 
erreichte Punkt lag in 3f)(K) m Meereshöhe am Fusse eines beträcht- 
lichen Gletschers, aus welchem der Turgen-Aksu entsprang. 

Nachdem ich mich aattgesehen hatte an diesem prächtigen und 
wilden, einsamen Bilde asiatischer Hocbgebirgsnatnr, einige photo- 
graphisehe Aufnahmen gemacht nnd meinen Kirgisen za dessen hellem 
Brstaanen durch meinen TorzOglichen, ihm wie ein Wnnder vor- 
kommenden Feldstecher hatte sehen lassen, machte ich mich auf den 
Heimweg nnd traf sn meiner Freude bald wieder auf meine K in.eraden, 
was mir insofern angenehm war, als die Dunkelheit schnell herein- 
brach und das Ueberschreiten des zufolge des sehr warmen Tages 
stark augesuh wolleneu Berfrwassers stets in grössei-er Anzahl leirhier 
und einfticlier ist, als allein (nler zu zweien. Sind nümlich mehrere 
i'ferde im Fluss, so halten sie sich gegenseitig und bilden mit ihren 
Leibern Wellenbrecher, welche das Stürzen in der starken Strömung 
und auf den unberechenbar steinigen Flussbetten verhindern. 

Damit hatten wir die Fk^bleme gelöst, welche wir uns im 
Turgen-Aksa-Thale gesteckt hatten, und auch unsere Botaniker waren 
zufrieden mit der Ausbeute an alpinen Wiesenblumen dieser prächtigen 
Gebirgsmatten, auf denen das in unsei'^n Alpen bereits so selten 
gewordene und theuer bezahlte Edelweiss in einer herzerfrenenden 
Menge und Schönheit vorkam. 

Dieses immerhin landschaftlich schöne und uns an alpine Bilder 
fremahnende Aussehen des Nordhanges des centralen Tien sclian 
sullLe sich aber brtld ändern, als wir am 1. Juli vom Tnrgen-Aksu- 
Thal aus Uber den 4055 m hohen Kara-kir-Pass in das Thal des 



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Ottuk Qiitl vun dort in das Külu-Thal weiter gen Süden vordrHngen. 
Hier lagen die Tbalböden bereits zum grössten Theil oberhalb der 
Waldgrenze, und die vorherrschende Formation der Vegetation war 
neben sumpfiger Alpenwiese dürre armselige Hochsteppe. Auch für 
die nnnmehr uns erwartenden hochgelegenen und schwer pasdrbaren 
FAsae bot der Kara-kirFftss einen recht gnten Vorgeschmack, denn 
der Weg ftber ihn fhhrte hinanf auf einer nnglaublkh steilen, ans 
bis in das kleinste Atom verwitterten Thonsdiiefer bestehenden 
gewaltigen Schutthalde. Dass die Pferde diesen Fiiss mit unserem 
schweren Gepäck und schliesslich auch mit uns als ihren Reitern 
haben passiren können, nuisste ich aufrichtig bewundern. Es war 
ein Zeichen für die Ausdauer und Zähifrl^eit f1ie«er Thiere. Bei jedem 
Schritt vorwärts rutschte das kern Ik u lr. schwer tithmende Thier 
einen halben Schritt zurück. Antangs kunnte ich die.s niclit mit ansehen 
und stieg ab; aber bald .sollte ich erkennen, das?? bei der dünnen Luft 
in dieser grossen Höhe und bei dem gleitenden Suhuu ausser sich 
selber noch ein Pferd den Berghang hinaufzuziehen, ein Ding dei 
Unmöglichkeit ist 

Yom 2. bis 7. Juli bezogen wir sodann ein Standquartier im 
Kttln-Tbal und machten von dieser augenblicklich (im Sommer) nicht 
einmal ¥on den wandernden Kirgisen bewohnten Hocbfläche ans eine 
Reihe von Exkursionen, welche freilich theilweise arg von der nun 
einsetzenden ungünstigen Witterung beeinträchtigt wurden. Unser 
Lager, welches ausser unseren Zelten aus 3 Jurten be.<tand, welche 
uns und unseren Kirgisen eine hinreichende Unterkunft bo»(>n. stand 
hier in ca. 2^50 ni Höhe, und wir hatten dort fast täglich bei sehr 
niedrigen Temperaturen (bis 2 und S^C) unter Schnee und Hagel- 
buranen zu leiden. Diese ungünstige Witterung, welche stets von 
Westen heraufzog, beeinträchtigte die Fernsicht und trug auch nicht 
IUP OemOthlichkeit des Lagerlebens bei Besonders nachts waren die 
niedrigen Temperaturen empfindlieh, und ich schätzte mich glücklich 
ausser meinem prächtigen kaschgarischen Ziegenpelz auch mein 
getreues Feldbett bei mir zu haben und nicht wie unsere Kirgisen 
Nacht filr Nacht auf der kalten Erde liegen zu müssen. Oft fanden 
wir das Lager morgens beim Erwachen trotz des Monats Juli und 
der blühenden Alpen matten -Vegetation ringsum in Schnee gebettet. 

Das Külu-Thal selber bot mir in unmittelbarer Umgebung des 
Ijagers höchst interessante Probleme. Hpsonders waren deutlich 
erkennbare Terrassen von ganz erstaunlicher iMachü^keiL und grosser 
Regelmassigkeit Gegenstand meines Interesses und meiner Beobafhtung. 
Wie ich später mit Sicherheit glaubt eikaunt zu haben, hangeu 



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237 



diese mAchtigeii FlonterrMeeii-Bildiingten mit der einstigen intensiven 
Yeigletschening des Kflln^Thales lusammen und seheinen sie xnni 

Tlieil nichts weiter m sein, als die gtvssartigen Schotterablagerungen 
der Schmelzwasser früher weiter ausgedehnter Gletscher im oberen 
Theil des Külu-ThHlPS. Dass letzterer in der That prächtig 
erhaltene Moränen, Gletschers-rfillffe und Rnndhnrker überall aufweist, 
davon konnte ieh mich zum Üewf^ise meinn' Aiiiialime auf der am 
8. Juli bei günstiger Witterung unternommenen interessanten Tour 
über den vergletscherten Küla-Pass in das bisher wenige bekannte 
Irtasch-Flussgebiet tiberzeugen. Ich habe die alten Moränen und 
Gletscherspuren in diesem Thal sorgsam kariirt und f&nd im 
Hintergrund desselben nicht weniger als 7 znmeist reeht bedentende 
Gletscher. An dem leUten derselben mnssten wir, nm snr FassbOhe 
des nadi meiner Toilanfigen Berechnung 4069 m hochgelegenen Kfilo- 
Passes za gelangen, eine zeltlang enttangsiehen und swar anf seiner 
mit Schnee bedeckten Seitenmortne, um sodann einen noch steileren 
Tbonschiefer^Schutthang, als am Earakir-Pass, zu erklettern und 
zwar dieses Mal im tiefsten Schneegestöber und bei 6"C Kälte. 
Ich war wie fjowöbnlich durch meine Routenaufnahme mit meinem 
Kirgisen wiederum soweit zurückgeblieben, dass icli die Passhöhe 
zusammen mit unserer langsamer vorwärtskommenden Lastkarawane 
erklumra. Mein Pferd war so erschoptt (wir waren seit 8 Liir morgens 
bis zum Pasä um 6 Uhr 50 Minuten abends ununterbrochen im 
Sattel), dass es absolut unmöglich wurde, reitend den Pass 
za nehmen. Ich musste also hiw absitzen nnd trotz ongfinstiger 
Wittemng nnd schlechten Anstieges mein Pferd hinter mir auf dem 
Frischscbnee der Schattbflnge hinan&iehen. Dabei liess mich die 
grosse Höbe nnd Steilheit des Anstieges kaum zn Athem kommen. 
Lnnge nnd Herz arbeiteten ganz unheimlich schnell und verlangten 
gerade so wie mein braves Reitthier alle Augenblick Ruhe und 
Stillstehen. Auf diese Weise brauchten wir zu dem in der Luftlinie 
wohl kaum 1 km betragenden letzten Steilftnstieg oberhalb des 
Gletschers"; fast 2 Stunden. Schlimmer noch erging es den Pack- 
ptt i ii* fi. Sie wankten völlig erschöpft unter den erbarmungslosen 
Peitschenliieben ihrer kirgisischen Führer ihres Weges, bis sie 
endlich uimiittelbar unterhalb der durch eine wohl 5 m hoch 
fiberhängende Steilwand aus Eis und Schnee gebildeten PasshOhe 
znm Theil in dem hohoi Schnee tief versanken, znm Theil in 
ihm TOT Erschöpfung umfielen. Es kostete die Kirgisen viel 
MOhe, diesen letzten kritischen Punkt inmitten des Schneegestöbers 
zn nehmen 1 



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238 



Wftlirend bis dahin die dichten grauen Schneewolken jede Aas- 
siebt yerhttllt hatten, Öffnete sich plOtzlieb hier oben auf einige 
wenige Minuten der dichte Wolkenvorliang, und wie zur Belohnung 

für alle Miilien hatten wir einen kui-^en, aber effektvollen wolken- 
umrahmten Blick auf das Schnee- und Firneismeer, welches fliegen 
hohen und schwierigen Pass ums'ipbt. Ich gebe mich der Hoffnung 
hin. dass das Licht in diesem kurzen Augenblick genügt haben 
wird, Ulli 2 effektvolle Photographien unserer im Schnee steckenden 
Karawane und der Situation des Passes aui/unehmen. 

Nachdem sodann jenseits der hohen Firnschneemaner noch 
sttmmtlicbe Pferde onter ans bis Aber den Baneh im Schnee versanken 
waren, konnten wir endlieh vaa 7 Uhr zum Abstieg sdireiten, 
immer im dichtesten Schneegestöber. Ks wurde TOllig dankel bevor 
wir an den Kiigisen-Anl kamen, welcher iu der Tiefe des jenseitigen 
Thaies lag, nnd es war Uai imgeheuerlich, in dieser werdenden 
Finsterniss und nmhttllt von dichtem Schneetreiben plötzlich zu 
bemerken., dass wir anch noch auf der entgegengesetzten Passseite 
einen Gletscher zu passiren hatten, in dessen Schneedecke jeden 
Augenblick das Pferd stürzend einsank. Und wie um das Maass 
des Eigenai'tigen dieses Tages voll zu machen, überraschte luich 
plötzlich an der linken Thalwand, bereits lange nach Sonnenunter- 
gang, um 8'/2 Uhr, eine geradezu geisterhafte, ihrer Ursache nach 
mir völlig unerklärbare Beleuchtung. Es sah aus, sls ob diese ganze 
schneebedeckte Thalwand plötzlich im Silberschein des Mondes 
erglänze. Und doch lehrte ein Blick in das schwarze Schneegewölk 
ringsum, dass davon nicht die Bede sein konnte nnd dass höchstens 
auf eine, mir wie gesagt völlig unerkllrbare Welse, durch einen 
Wolkenrias die untergehende Sonne die gespenstische Beleuchtung 
hatte hervorzaubern können. Ich beugte micli stumm vor dem mir 
Unbegreiflichen! Auch Saposchnikow hatte kurz vor mir reitend 
diesen ei,tr*'n;»rtigen Lirlitf^ffekt gesehen, ohne eine Erklärung, wohl 
aber Aualoga aus seinen Erlebnissen im Altai zu findeu. 

Als ich um 8V2 Uhr in den verschneiten Aul kam und m eine 
der niedrigen Kegelhütten desselben kroch, nass von dem schmelzenden 
Schnee und völlig ausgehungert (nur ein Tschai nnt trockenem ge- 
röstetem Schiffszwieback war uns mittags . gegönnt worden), da war 
ich in der That recht erschöpft ünd doch wurde nach kalter Nacht 
bereits am nächsten Morgen um 8 Uhr in der Sichtung zum Irtasch- 
Thal angebrochen. Um 11 Uhr traten wir in dieses weite und flach- 
bodige Tiön-schan-Hochthal ein, welches einen ähnlichen Charakter 
trug, wie das Kiüu-Tlial nahe unsereut letzten Standquartier. Und 



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289 



andi in diesen Thale, anf dessen Boden wir am 9. Joli naehmittags 
nach SstUndigem Hitt unsere !Zelte aufrehlngen, Iconnte ich die 
gleichen unzweifelhaften Einwirkungen einer intensiven alten Ver- 
gletscherung nachweisen und die gleichen kolossalen Schotter-Terrassen, 
wie im Külu Thale, wiederüuden. Typische Photographien werden alles 
dies eiust demonstriren. Aber Öde. urtsf^g;bar öde war das landschaftliche 
Bild dieses Thaies und völlig alles Menschenlebens bar. Nicht 
eiumal eine einzige armselige Kirgisenjurte! Eine grosse, weite, 
durch die rapide wachsende Ungunst des Klimas einer völligen Er- 
starrung entgegeneilende Gebirgswelt! Dabei alles Bizarre und 
Gigantische bereits im Wandel der Zeiten abgescbliiTeD und ein- 
geebnet, ein Theil einer sicherer Vemichtnog verfallenen gewattigen 
Oebirgsnüne! 

In diesem weiten rrtasch-Hochthale, über dessen Morphologie, 
Hydrographie nnd Nomenklatur meine Rontenanfnahme Näheres ent- 
halt, zogen wir nun am 10. Juli weiter bis zu einem kleinen Seiten^ 
thal „Ütsch-kul", durch welches wir von Süd nach Nord in das Innere 
des Külu tau vordringen wollten, um einen hohen Berg zu suchen, 
von dessen Existenz mir Dr. von Almasy in Graz unter dem Namen 
„Pik Eduard" berichtet liatte und von welchem auch die dortigen 
Kirgisen als von einem dem Khan-Tengri an Höhe nicht nachstehendem 
Riesen ei-zählten. Wir fanden denn auch diesen gesuchten Bei'g, und 
ich konnte bei völliger Klarheit der Lnft seine Lage durch Pdlnng 
in meine Bontenkarte eintragen, während Saposchnikow seine Hohe 
mit dem Theodolithen vorl&nfig anf ca. 6200 m bestimmte, also immer- 
hin eine betrBditliche, wenn anch dem Khan-Tengri bedentend nach- 
stehende Erhebnng. Von dem eindrucksvollen Berg, der nns^ die wir 
auf dem Terekty-Pass standen, seine unnahbare Steilseite znkehrte, 
nalimen wir mehrere Photographien, wohl die ersten, welche von ihm 
gemacht worden sind. Ausser der Auffindung dieses Berges, -war für 
mich geologi^rb Ito^list interessant das bis aut den ca. .'5800 m hohen 
Terekty-Pass liinautreichende Vorkommen der von mir in meiner 
Moi|i]iulogie des Tien-schan als sogenannte Hanhai-8chichten zu- 
saiuineufassend besprochenen rothen Seeablagerungen. 

Am nächsten Tage entdeckten wir sodann im Terekty- Quellgebiet 
swei grosse, einst gldehlkUs viel weiter aosgedehnt gewesene 
Gletscher, welche ich in mein Croqnis einseichnete nnd welche 
Saposchnikow mit dem trelllichen kleinen and handlichen Hiide- 
brandVsehen Beise-Theodolithen, ein TJniversaMnstmment im besten 
Sinne des Wortes, vermass. Hier wie an anderen Stellen haben 
Saposchnikow nnd ich nns also in Beaog anf die kartographischen 



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S40 



Aufnahmen Tortheilhaft ergftnzen könoen. Wfthrend seine vereinzelten 
Messungen an Gletschern und dominirenden Berghöhen ohne meine 
Kontenaufnahme ohne Zusammenhang miteinander geblieben wären, 
können sie jetzt einen festen Rnlimen erhalten und sind für das 
definitive Kartenbild von grössteiu Weit.he. 

Nach diesen Arbeiten am Terekty-Pass zogen wir am 12. Juli 
zum Pass Isclngart und genossen von hier bei günstiger Witterung 
einen umfassenden Rundblick auf die letzte uud südlichste Eaudkette 
deB,Ti6n-8chan gegen das Taiim-Becken, den Koktal tau. Weiter 
nach Sftden vonodringen verbot die Zeit and weiter naeh Osten die 
Unm<^Uchke!t, den jetist stark angeecbwoUenen Saiy-dsehasB zn aber* 
sebreiten. So moesten wir denn leider anf demselben Wege nnd 
noch einmal, jetzt freilich bei gatem Wetter, über den unbequemen 
Kflln^Pass znrfick und kamen am 14. Juli wieder an der Stelle 
unseres alten Standquartiers im Kftln-Thale an. Ich persönlicb war 
froh, dass ich aus dieser Campagne mit gesunden Knochen davon 
gekommen war. d^nn am 12. Juli hatte ich bei der Rnckkelir vom 
Tscliigart-Pass einen Unfall, welcher leicht unglücklich hätte enden 
können. Mein Pferd, welches von der anstrengenden Tage.slüur 
etwas ersclioptt war, hatte nämlich die Freundlichkeit, ganz 
unangemeldet, mitten in einem ziemlicli scharfen Trabe, zu stilnsen. 
Ehe ich mich auch nur besinnen konnte und den Zügel anzuziehen 
Tensochte, lag das Thier nnd swar anf dem abschOssigen Torrsln 
eines Berghauges, infolgedessen sich mebrfiieh flbersehlagend nnd 
mich nach vorne Aber den Kopf in den Sand setzend. Obgleich ich 
direkt anf den Kopf fiel, ging der schwere Starz ohne Folgen ab. 
Nur meinen Nacken fühlte ich noch mehrere Tagen nnd den Kopf 
konnte ich anfangs nicht drehen. Diese Tour vom 8.— 14. Juli hatten 
übrigens ausser Saposch nikow und mir nur noch Welishanin und 
Knjäsew mitgemacht; Popow und Ssem6now waren unterdessen mit 
dem Rest der Kamwane zum Öary-dschass weitei?e/ogen und dort 
trafen wir mit ilinen am 14. Juli beiderseits munter und wol- 
belialten wieder zusammen und zwar zu rechter Zeit. Denn unser 
Proviant war ausgegangen. Wir hatten keinen Zucker uud Tschai 
mehr und selbst das soust nie fehlende steinharte, nur mit dem 
Hammer zu bearbeitende, in Thee eingeweicht aber immerhin sehr 
schmackhafte gerostete Brod war zu Ende. Bei dem Gros der 
Karawane fiinden wir aber aUes dieses wieder in genftgender Menge 
vor nnd konnten uns rfisten, sofort den nächsten nnd letzten 
Abschnitt unserer Tour im eigentlichen centralen Ti6n-schan, den 
Verstoss zum MassiT des Khan*Tengri zu unternehmen. 



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Am Morgen des 15. Juli rückten wir zu dieser Tonr ans and 
kamen im Laufe des Tages, leider bei strömendem Regen, Kälte und 
Schneefall, an der zum nächsten Ijager bestimmten Stelle im Sary- 
dschass Thal an. Da es uns darauf ankam, möglichst rasch und 
möglichst weit in diesem Thale aufwärts bis zu seinen Quellen und 
damit bis zum Fuss des eigentlichen Khan -Tengri- Massivs zu 
gelangen, zogen wir am nächsten Tage weiter bis zum Fuss des 
Kakpak-Passes. Hier rasteten wir einen Tag, denn hier, dicht 
unter dem Fass sollte letsthin fossllreiches Tertiftr gefanden worden 
sein. War dieses Tertiär wirklich vwlianden, was ich sunfiehst 
bezweifelte, so wäre es von hohem Interesse gewesen, von dort 
Fossilien mitsnbringen. Ich üstä jedoch trots eifrigsten Snchens 
von diesem an Anstem angeblich reichen Tertiär nicht die 
geringste Spor, nur geologisch sehr alte Schiefer und an Pro- 
duktas reichen grauen dichten Kohlenkalk. Enttänscht kehrte 
ich in's Sary-dscliass-Thal zurück und folgte unserer Karawane, 
welche mittlerweile noch weiter (luellaufwärts gerückt w.u- und ein 
»St.inriquaitier an der Mündung des Aschu tör in ca, ?>f)\n) ni Meeres- 
höbe, l>ereiLs ringsum mit den» Blick auf zalilreiciie Gletscher des 
Khan- Teugri- Massivs, bezogen hatte. Hier blieben wir vom 18. bis 
21. Juli, leider wenig von der "Witterung begünstigt. Tag für Tag 
kamen vom Westen schwere Wetter herauf, und wenn es am Morgen 
klar war, so konnte man mit SiebeAeit darauf rechnen, am Mittag 
bereits Töllig von Regen nnd Schnee darcbnässt zarttekznkehren. 
Unsere Ezknrsionen, die hauptsächlich der AnfSsuchnng eines hoch- 
gelegenen und guten Anssichtspunktes für den Khan-Tengri und 
seine Umgebung, sowie der Begehung des Ssemönow-Gletschers und 
seitier kartographischen Aufnahme galten, massten also diesen 
unwirthlichen Witterungs-Verhältnissen möglichst angepasst werden. 
Und iu der That gelang es uns trotz alledem unser Ziel zu erreichen. 
Zunächst uiachten wir gleich am 18. Juli mit Eispickel bewaffnet 
eine Tour auf den anscheinend grössten, der aus dem Khan Tengri- 
Mas.«<iv hervorquellenden Gletscher, den Sseni^now- Gletscher, wekiier 
dem eigentlichen Sary-dschass die Entstehung giebt. Dieser Gletscher 
ist in seinem ganzen Aeusseren ein höchst interessanter Typus und 
gewisseimasseu der ad oculos demonstirte Beweis für die gewaltigen 
Klima-Yerändemngen, welche hier mit der wachsenden Tendenz zu 
▼Mliger Austrocknung im Tifin-schan vor sich geht Zunächst ist das 
Thalgebiet des Saiy-dschass vor seinem heutigen Ende nichts welter, 
als ein einstiges grosses Moränen«Schuttfeld mit 3 grossen deutlich 
erkennbaren alten bogenförmigen Endmoränen; sodann ist der heutige 

HtttMloiifM XVIU, Dr. Mm FrladHlcfeaM. It 



m 

untere Gle.tschertlieil nichts weiter, aU tuu: iiPwaUige, mit feinem Grund- 
moränen-ScIilamiii und grösseren Gesteiusbrucken völlig impräguirte 
und sdimutzig schwarz- grau gefilrbte abschmelzende Eismasse, und 
endlich ist der heutige Gletscher selber, soweit wir ihn in seinem 
nnteren Theil begangen haben, dardi die hochgradige Abschmelznng 
ia eine vollständige ßtshQgelliuidscliaft von hödist unregelmässiger 
OberüftcheDgestaltiiDg au^Utet Mftebtige klaffende Spaltenstysteme 
gfihnen bis in grosse Tiefen plötzlieii vor dem Wanderer, ganze 
Flosssysteme von grQnlichem, krystallklarem Schmelzwasser strömen 
mit starkem Gefälle auf dem Eise dahin, stflnen gnrgelnd als 
Wasserfälle in Eislöcher oder bilden stille, ruhige, unter dem Eis 
abfliessende Gletscherseen. Diese Konfiguration der Gletsclier- 
oberflädio macht eine Begehung durch das ewige Auf und Nieder 
und die Umgehung der vielen Spalten, Flüsse und Seen zu eiiu'r 
zienilich mühsamen, wenn auch zur Hochsomnier/eit bei abgeschmoliseuer 
Oberflächen-Schneedecke ziemlich gefahrlosen, welche das Anseilen 
uuuüthig erscheinen liess. Ist freilich eine nicht schrittfeste Schnee- 
decke Uber diese Eishttgel-Landschaft gedeckt, so dürfte die Begehung 
eine sehr gefahrvolle sein, da man dann die Spalten und BidOeber 
schlecht wird erkennen können. An beiden Seiten wird dieser eigen- 
artige SsemönoW'Oletscher nach meiner Eiartirang rechts von nicht 
weniger als 11 und links von 4 stellenweise recht stattlichen Seiten- 
gletschern begleitet, welche sich einstmals mit dem Haaptstrom zu 
einem einzigen gewaltigen Gletscher vereinigt haben werden, heate 
aber theiiweise bereits im Gebiet der alten Endmoränen münden, 
theilweise in stufen ffirmigem Abfall aus höher als der heutige 
Gletscher gelegenen Mulden zu diesem herabhängen und somit auch 
ihrerseits erkennen lassen, wie weit der Hauptgletscber bereits gegen 
früher zurückgegangen ist. 

Das gute Wetter, welches si( h im Laufe des Morgens, entsprechend 
der schnellen Witterungs- Veränderlichkeit im Ticu-schan überhaui»t, 
aach an diesem Tage zn unserer Frende entwickelt hatte, geniigte, 
niu auch einen Blick in den Firn Hintergnind dieses Qletschers zn 
werfen and dort einige hocherhobene Spitzen zn erkennen, von denen 
die eine vermuthlich der Ehan-Tengri selber gewesen sein wird. 
Dann freilich um ca. 2 Uhr zog sich ein dichter Wolkenvorhang vor 
das prächtige Panorama, nnd ein kräftiges Schneegestöber begann 
uns zum Rückzug zu zwingen. Bald wandelte sich der Schnee in 
Regen um und fiel so dicht, dass es unmöglich wurde einen Tschai 
zn kochen. Um G Uhr p. m. kehrten wir daher ziemlich ausgehungert 
iiiA Lager zurück. 



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943 



Die zweite wichtige ExlLarsion, welche wir vom Sarj-dschass- 
Lager ans anterDahmen, galt der Ei'steigung eines etwa 3900 m hoch- 
gelegenen Aussichtpunktes im Quellgebiet des Asclui-tör (am 20. Juli), 
welcher uns einen vollständigen üeberblick über die gewaltige, 
vereiste Sarv-dschass Hochkette gewährte und uns den lang ersehnten 
Blick auf den gigantischen Klüui-Tengii vermitteUe. Wahrhaftig, 
als wir liier oben standen nnd fast wolkenlos das mächtige Gebirgs- 
panoraniä vor uns lag, konnte ich nicht anders: ich musstc aus voller 
freudiger Brost eioeo dentschen Jodler hinausschmetlern, den einzigen, 
den ich wahrend meines frttheren Anfenthalts in Baiems Bergen den 
Sennerinnen abgelauscht hatte und den diese menschenleeren eisigen 
Bergriesen wohl zum ersten Male gehört haben werden. Dann aber 
ging es mit fleberhafler Eile an die Arbeit, nm das ganze Panorama 
zu photographiren, es in seinen Kontonren zn zeichnen, anzupeilen 
und zu vermessen; denn schon ballten sich über den Fimmeeren die 
Wetterwolken und der K!ian-Tei)f,ni dampfte wie ein gewaltiger 
Riesenschlot. Die Zeit genügte, um alles zu erledigen, und als wir 
um ca. 12' i Uhr nüsere Apparate einpackten, da hatten wir in 
unserem Photographeukasteu Bilder und in unseren NotizbucliHrn 
Zahlen, welche uns nicht um vieles Geld feil waren. Die in Kile 
bei Rückkehr iu's Lager vorläufig gemachte Berechnung der Hohe 
des Eban Teugii ergab rund 6870 m, gegenflber der froheren Schätzung 
auf 7200 m, nnd eine Bntfemnng von nnserem Standpunkt von etwa 
30 km. Was freilich zwischen uns und diesem Bergriesen innerhalb 
dieser Dreissig-Kilometer>Zone lag, das war nichts als Eis und Schnee, 
unnahbar, menschenleer und mensclienfeindlich, nur zu bezwingen mit 
der entwickeisten Technik modemer HochalpiDistik, über welche zu 
verfugen uns nicht beschieden war. Uns genügte, und uns mnsste 
genügen, dieser Blick in die unentweihte Reinheit der HochgebirgB' 
natur, in die der ..Hauch der Grüfte'" nieliL emporsteigt. 

Ausser dem Kliau-Tengn-Gipfel .selber zeiclmeff n und vermassen 
wir noch 3 weitere über r>000 m hohe Berge in dti gleichen Kette, 
alle in Schnee und Eis gehüllt nnd alle die Centren grosser Glet.scher- 
gebiete. Durch eine besondere Gun^t der Umbtände wurde mir 
persönlich noch ein Mal am 21. Juli der Anblick des Ehan-Tengri- 
Masdvs zu Theil. Während nilmlich Saposchnikow an diesem Tage 
mit seinem Theodoliten vom Standquartier aus an das andere Ufer des 
' Sary-dadiass ging, um Ton dort den Ssemtaow-Gletscher so weit wie 
möglich zn yeimessen und seine geographische Breite zn bestimmen, 
Hess mir der Gedanke, dass ich das jüngst am Kakpak-Pass mit 
soviel BesÜmmtbeit geschilderte TertUlr nicht hatte Anden können, 



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244 



keine Ruhe. Ich ging daher allein, nur von einem Kirgisen begleitet, 
zum zweiten Mal znm Kakpak-Pass und konnte dort nun in der 
That konstatiren, dass hier ein Irrtlium voiHon;f'!i musste. Man hat 
anscheint nd den dort lagernden grauen Kalk mit unzäliligen Produktus- 
Schalen für Tertiär gehalten, während er zweifellos dem Carbon 
angehört, also sehr alt ist. Neben diesem liesultat gelang es mir 
aber, wie schon erwähnt, einen zweiten Aussichtspunkt für das 
Khan-Tengri-Massiv in 3860 m Höhe oebeD dem Kakpak-Pass za 
erklimmen nnd von liier noch einmal siftmmtliche Hochgipfel, welche 
ich bereits Tags znyor im Aschn-idr-Thal gesehen hatte, anznpeilen. 
Ich werde daher filr diese Gipfel hei meiner Bonten-konstntktion 
Schnittpunkte und damit die Lage derselben einhalten. Ein kleines 
Abenteuer freilich sollte mir beim Abstieg von dieser Höhe nicht 
erspart bleiben. Es war nämlich der Hang des Plateaus, auf welchem 
der Aussichtspunkt lag, überschüttet von einem tiefgehend verwitterten 
und von den Schneeschmelz wassern wie ein Schwamm vollgesogenen 
Schiefertrümmern sodass die ganze Sclinttmasse bei jedem Schritt in 
eine gleitende Bewt giini^, wie ein dicker Brei, gerieth. Mein Reit- 
pferd ging auf diesem i:{üden so unsicher, dass ich ab.stieg und das 
Thier führte und meinem Kirgisen rieth, dasselbe zu tliun. Er that 
es auch und schritt vor mir mit seinem Thier am Ualfler her. 
Trotzdem idi ihn YerschiedenÜich auf die Qefthrliehkeit der Situation 
aufmerksam gemacht^ glaubte er, weiter absteigen su können. Da 
aber kamen wir an ein thanendes Schneefeld, nnd als der Kirgise 
mit seinem Pferde dasselbe zu traversiren versuchte, glitt das Thier 
aus und stQrzte, sich mehrfach über.schlagend, den Steilhang hinab 
und unten so unglücklich auf einen Stein, dass ihm ein wohl teller 
grosser Fleisch fetzen aus dem linken Schenkel gerissen wurde. Ich 
liess den Kirgisen zunächst zu seinem zitternden, schwer verwundeten 
Pferd hinabsteigen und ging dann selber mit meinem Pferd den 
gekommenen Weg zurück, um einen geeiirnett^ren Abstieg zu suchen, 
was auch unschwer gelansr. Im Lager wurde dann das verunglückte 
Thier von unseiem Mtdizmer, Herrn Poptiw, kunstgerecht vernäht 
und während der nächsten Tage ohne Gepäck neben der Karawane 
hergeführt. 

Am 22. Juli brachen wir sodann unser Lager am Aschu-tör ab 
und ttberschritten den ebenl^ills völlig vergletscherten Ober d900 m 
hodigelegenen Naryn-kol-Pass, wobei wiederum Schnee nnd Eis ftr 
das Yorwftrtskommen, besonders der Lastpferde, grosse Schwierig- 
keiten boten. Am 23. Juli hielten wir im Beian-koI-Thal, über- 
schf itten unter nicht geringen Schwierigkeiten den hochangesohwollenen 



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246 



AU-afgir (einen Znflofls des Beian-kol) nnd kamen am 34. Jnli in 
der kleinen raschen Ansiedelang Naryn-kel (Ochotnitsdinij) an. 
Damit war eigentlich der Haupttheil dieses Abschnittes der Beise 
beendet und nan ging es, zunächst noch zu Pferde, in beschleunigtem 
Tempo anf der Posf stiasse über das Tekes-Thal nach der kleinen 
Siedeluiig Karkar^ and von dort in dem gefttrchteten Tarantass nach 
Dscliarkent. 

Earkarä bot noch viel des Interessanten, denn hier thnt sich in 
den Monaten Mai bis September eine vollständige, ephemere Jahr- 
marktsütadt auf, ein verkleinertes Abbild der Messe von Nislinij 
Nowgorod ins Kirgisische übersetzt. Um eine breite und bedenklich 
schmutzige Hauptstrasse sind Bretterbuden der Verkäufer aller 
erdenklichen Bedarfsartikel aufgeschlagen und rings um dieselben 
hat sich eine kouiplete. kirgi^iische Jurtenstadt von vielen Hunderten 
von Jui'ten angesiedelt. Vor Allem bringen Itiei die Kirgisen Schaf- 
wolle nnd JFelle sn Markt and verkaafen sie m vielen Tausenden an 
die rassischen Anfkänfer, welch* letztere besonders 4 grosse Firmen 
ans Saratow, Prshewalsk and Wjemyj Tertreten. Das interessante 
Strassenbitd mit den zahllosen auf Pferden nnd Ochsen reitenden 
Kirgisen hielt ich in einigen effektvollen Bildern fest 

Am 28. Juli begann die Postfiihrt von Earkarä Uber den 
Temurlik-taa in das Iii-Thal, welche bei nnglanblichem Staub, 
Uber 80* C Schatten- Temperatur und mit dem bereits eingangs 
erwähnten unfreiwilligen Aufenthalt auf einer weltverlassenen Post- 
Station, unsere Expedition in verschiedenen Abtheilnngen bis snm 
Nachmittag des ai. Juli glücklich und völlig programmflssig nach 
Dscharkent brachte. 

Hier in Dscharkent sind wir in dem leerstehenden Hause des 
Ujesdnij Natschalnik trefflich und bequem untergebracht, können unseren 
Proviant erneuern, unsere Sammlungen verpacken und alles filr die am 
Dienstag, den 5. August, frtth beginnende Fahrt in den Dsuugarischen 
Ala-tau vorkehren. Ein Pass zur eventuellen TJpbf'r.sclireitnng der 
chin^'si.sclien Grenze ist gleichfalls besorgt, dagegen von dem 
beabsichtigten Besuch Kuhlselia's aus Zeitmangel Abstand genouimeu. 
Hier ist es sehr heiss, 38— 40"C in der Sonne, sodass ich nur 
im Khaki- Anzug und dünnem Tropenliemd aushalten kann. Die 
Stadt trägt schon den Stempel des Chinesischen an sich und ihre 
Einwohner sind diinesiscbe Dunganen. Gestern haben wir das erste 
echt chinesische ),Stäbchen'*-Frfkh8tflck mit mindestens 25 verschiedenen 
Gerichten eingenommen, fttr einen deutschen Magen eine ziemliche 



246 



Arbeit und Zamathimg. Heato werde ich meinen photograpbisclien 

Apparat spielen lassen. Malerische und wirkungsvolle Bilder liegen 
hier im wahrsten Sinne des Wortes auf der Strasse. 



Lepsinsk (Gk>nTemement Semiijetschensk), 
S9. Aogast 1902. 

Da es nicht möglich war, meine Ankunft hier auf telegraphischem 
"Wege zu ujelden, so geschieht es heute brieflich. Unsere Expedition 
hat programmässig Lepsinsk erreicht und damit ist die hochinteressante 
nnd, wie ich hoffen darf, an wissenschaftlichen Ergebnissen reiche 
Expedition beendigt. Es ist ein eigenes und erhebendes Gefühl für 
mich, dass diese nnter so vielen Zweifeln begonnene nnd unter 
flo eigenartigen Yerh&ltnissen entrirte Reise einen so allseitig 
befHedigenden Abschluss gefunden bat Denn auch das letzte Drittel 
unserer Beise von Dscliarkent bis hierher durch den Dsungarischen 
Ala-tau war wissenschaftlich höchst interessant, wenn nicht interessanter 
und bedentuTigsvoller. als mancher Theil der eigentlichen Tiön- 
schan-Reise z. B. das erste Drittel um den Issyk-kul. T)\9 (hegenden 
der Quellen des Cliorgos. Yssök, der Kora, des Aksu etc. 
hat vor uns überliaupt noch keine wissenscliaftliche Expedition 
betreten und erforscht. Meine Routenauinalmie und unsere Theodolith- 
und Höhenmessungen, sowie photographischeu Aufnahmen werden 
«in völlig neues Material Ober die horizontale nnd vertikale Gliederung 
dieses eigenartigen Oebirgslandes bringen. Aber anstrengend und 
streckenweise direkt gefkhiToll war diese Tour, anstrengender als 
viele Theile der eigentlichen Tifin-schan-Beise. So hatten wir z. B. 
hier im Dsangarischen Ala tan keine warmen Jurten, sondern nur 
unsere Zelte zur Verfügung, was beispielsweise bei dem ungünstigen 
Wetter der Tour zum Easan-kttl mit Schneefall und mit über 
- 4 " C Nachttemperatnr unHn*renelim flllilbar wurde. Dazu die prosse 
Hühenlafr^ von 3—4000 in. Ja sogar einen feindliMien Ani^riff 
nomadi^ii ender Kirgisen niussten wir uns am Nonlabliange des 
Dsungarisclien Ala-tau gefallen lassen. Zwar fiel nur ein Schuss, 
welcher glücklich sein Ziel vertelilte, aber dieser eine genügte, um 
die 5 jenseits eines tiefen Thaies postirteu feindlichen Kirgisen 
schleunigst krafit unserer ofKciellen Eigenschaft als einer Begiemngs- 
Expedition zu entwaffnen nnd ihnen die 4 Flinten abzunehmen, 
welche sie trotz des russischen Waffenverbotes beeaasen und dazu 
roissbraucht hatten, auf uns zu schiessen. Waß sich die dummen 



»47 



Kerle im üebrigen dabei gedacht haben, ist ans nie fchir geworden, 
da wir weit sahlreieher waren. Wollten sie unsere Karawane aus- 
ranben, was hier im Dsongariscben Ala-taa baafig vorkommen soll? 
Oder glaubten sie sich selber von nns bedroht? Schon nach einer 
Stande sassen wir indessen fröhlich mit diesen harmlosen Bftabem 
beim Enmys and lagerten die Nacht in ihrem Aul. 

Ich bedauere aufrichtig in diesem Augenblick Aber den lotsten 
Theil nnserer Reise keinen ansfhhrlichen Beliebt geben in können. 
Es fehlt mir momentan die Zeit dsza und morgen Mh 9 Uhr wollen 
Prof. Saposchnikow und ic!i via Sergiopol auf dem Posttrakt nach 
Kokpekty (ca. 48» 45' N. Br. und 82 • 20' O. L.), wo wir noch ein 
Maro muth -Skelett besichtigen wollen, um von da aus ebenfalls per 
Post bis Senii|'Hlatiii«k weiterzufahren. Mir steht diese fürchterliche 
7— Stä^ifre Tai aiit is^ Fahrerei mit alT ihrem Staub und Schmutz 
recht bevor, besonders da ich luclit leugneu kann, dass mich die 
anstrengende und rastlos von Ort zw Ort führende Reise im 
Dsungarischeu Aiä-Lau ziemlich abgespannt hat. Von Semipalatiusk 
fahren wir dann den Irtysch abwärts per Dampfer bis Omsk und 
alsdann per Bahn weiter nach Tomsk. Auf dem Irtysch hoffe ich, 
die nöthige Zeit zu einem ansffihrlichen Bericht über den letzten 
Theil der Heise zu finden. Dass ich nicht dii-ekt von Omsk heim- 
wärts eile, hat vielerlei Qrflnde. Einmal habe ich meine Koffer und 
Kisten mit photographi^chen Platten dorthin expedieren lassen, 
zweitens möchte ich mit meinem Gönner und Freunde, Herrn Prof. 
übrutsciiew (Dekan der Bergabtheilung des Technolog^ischen Institutes 
in Tomsk) über einige geologische Probleme dci Hnise sprechen, 
drittens will ieli möglichst schnell einen Theil meiner photographisclieu 
Platten entwii kelii und schliesslich viertens inuss ich dort bei der 
Sibirischen Bnuk den Kest meines Reisegeldes erheben. Anfang 
Oktober, so Gott will, gedenke ich nach Hamburg zurückzukehren. 



Ad Bord des Dampfers .,Wjernyj" auf dem Irtysch 
zwischen Semipalatinsk und Omsk, 
9—1^. Septembei' 1902. 

Um mir alle die Erlebnisse wieder zn vergegenwärtigen und sie 
brieflich niederzulegen, welche seit dem 5. August in schier er- 
drttekender Fülle an mir vorübergezogen sind, muss ich recht tief in 



248 



meinem Gehirnkasten heraniwllhleii. Der letzte Monat war aus- 
schliesslich der Erforschung des wenig bekannten Dsangarischen 
Ala-tau gewidmet und begann für Saposchnikow und mich mit einer 
dreitägigen recht anstrengenden, aber lohnenden Exkursion in das 
Chorgo.^-Tlml. Schon der Aiif^niß: dieser Tour war insofern strapaziös, 
als die Abschiedsfeier bei il* m ül biiü^würdigen Pomoschtschnik des 
Ujesdiiij Natschalnik von Dschaikent sich bis nacht« 2 Uhr aus- 
dehnte und wir alle Anordnungen getroifen hatten, bereits um 3 Uhr 
nachts per Tarautass auf der Poststrasse uach Osteu bis zum Dorf 
BasknntBchi aufiEnbreeheB, am tou dort gen Norden im CShorgos-Thal 
in das Qebiige einzudringen. Da der Weg sieinig und miserabel 
war, konnte man an Scltlaf nicht denken und wir begannen die beisse 
Tagestonr — nm lOUbr a. m. zeigte das Thermometer bereits 28 
im Schatten — ziemlich ftbernfichtigt. Zunächst befanden wir uns 
wfthrend des 5. August im Gebiet der Vorbeige des Dsungarischen Ala- 
tau, welche aus ungeheuren Schutt-Ablagerungen bestehen, deren wenig 
gestörte Schichten phantastisch verwittern. Ich habe diese Schicliteii 
und ihre niori li ! j^i^' h höchst charakteristischen Verwitterungsformen 
hier wie an anderen Stellen besonders aufmerksam studirt, da sie mir 
den Han-hai-Schichten zu entsprechen schienen, über deren Vor- 
kommen im Tieii-schan selber wie in seiner Umgebung ich mehrfach 
geschrieben (cf. u. a. Peleruiann ^ Muüi., lÖOO, Heft 1) und uach- 
gedacht habe. An einer Stelle liegt in diesen Schichten des Gborgos- 
Tbales ein ganz gewaltiger Oranitblock, welcher in Form eines 
geradezu riesenhaften Erdpfeilers phantastisch ausgewittert ist und 
von den Kirgisen als >eiliger Stein*' (Aulie-tass) einer besonderen 
Verehrung werth befinden wird. Wenn die Photographie dieses 
Blockes geglückt ist» so dürfte sie dereinst ein geologisch höchst 
instruktives und wirkungsvolles Bild abgeben. Im Gebiet dieser 
Han-hai-Schichten schlich unser sonniger und schattenloser Weg den 
ganzen Tag hin, ermüdend dadurch, dass ihn zahllose Querschluchten 
kreuzten, welche theils mit. theils ohne Wasser zum nahen Churgos 
rechts des Weges hiuabfiihrteu. Wir waren daher recht froh, als wir 
das eigentliche Gebirge erreichten und um 3' « Uhr im Oidschailau- 
Thal einen Kirgisen-Aul antrafen. Ganz andeis wurde des Landschafts- 
bild am folgenden Tage (G. August), als wir 5 Uhr morgens vom 
Anl abritten nnd sofort aus dem Gebiet der wenig gestörten Han-hai- 
Schichten in das geologisch alte Gebirge eintraten, ans welchem 
schAnmend nnd gurgelnd der reissende Oborgos hervorbricht Einen 
halben Tagemarsch aufwArts liegt in dieser wilden Engscblucht eine 
heisse Quelle, „Aiassän'* genannt, welche quasi einen kirgisischen 



249 



Kurort^ ein „Karlsbad^' für Komaden oder flhnUclieB dantellt. Bis 
daMn wollten wir yordringen. 

Gleich Anfangs ist es nöthig am Fuss eines senkrecht abstürzen- 
den Granitkarnises durch den schäumenden Fluss zu gehen, was 
eioige Schwierigkeiten machte, da das Wasser den Thieren bis über 
den Banek strömte. Weiterhin versperren grosse Massen abgestürzten 
Qestdns den FAid nnd machen den Pferden wie Menselien das Fort- 
kommen sebr saner. Ein spitziger Fels zerschnitt an einer solchen 
Stelle die Fessel des Hinterfosses eines Eirgisenpferdes, sodass das 
Thier von da ab nicht mehr za reiten war and geführt werden musste. 
An anderen Stellen klettert der Weg an unheimlich steilen und 
schwindeligen Klippen empor, wo selbst Kirgisenpferde den Reiter 
nicht hinttberziitragen vermögen und vorsichtig gefilhrt sein wollen. 
Und doch will die russische (^esellsciiaft vom Kothen Kreuz dieses 
Thal für Wagenverkehr gangbar machen! Wie das möglicli sein 
solK mögen Bich die maassgebenden Ingenieure selber überlegen, jeden- 
falls nur mit grossen Kosten. Dagegen könnte man leicht den lieit- 
weg verbessern und so das Erreicheu der lieisseu Quellen erleichtern. 
Dies fireilicli für die Kirgisen zu tban, hiesse Bolen nach Athen 
tragen. Biese Kerle scheinen sammt Weib nnd Kind alle derartigen 
Hindemisse anstandslos als echte Katnrkinder anch ohne die moderne 
Technik zn passiren, wenigstens fanden wir an den Quellen eine ganze 
kirgisische Badegefußllschaft beiderlei Geschlechts, M&nolein, wie 
Weiblein nnd Kindlein, ein trächti glich bei einander. Eine elende 
Bretterbude diente ihnen als Hotel und die, wie im Tien schan, so 
auch hier 43° heissen Thermen waren einfach mit Granitblöcken um- 
geben und von einem jurtenartigen Ueberbau geschützt. Als die 
Badegäste luirten, dass ein Doktor angekouinien sei, wollten sie liier, 
wie an /.aliU eichen anderen Orten, von mir geheilt sein, zeigten mir 
ihre ki auken Augen, geschwollenen Glieder, mit Ausschlag behafteten 
Haude oder ähnliches. Ich musste bedauern, Ihnen nicht helfen zu 
können nnd daranf yerzichten, ihnen den Untenjchied zwischen den 
4 Fakultftten zu erläutern. Jedenfalls war ich in ihren Aogen ein 
recht thörichter Doktor! Mit dem Besach des Quellenortes schloss 
unsere Exkursion zum Chorgos fOrs erste. 

Wir kehrten um 3' -^ Uhr zum Aul im uidschailau-Tlial zurück 
und liUeu noch am selben Nachmittage ununterbrochen gen Westen 
an den Süd-Abhängen des Dsungarischen Ala-taa entlang, um den 
Best unserer Karawane, welcher diese Tour nicht mitgemacht hatte, 
am Flosse Tyschkan bei einem russischen Militär-Feldlager zn 



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2f)0 

erreichen. Diese Abstellt konnten wir indessen nicht völlig dnrch- 
fllhren, da die hereinbrechende Nacht so finster war, dass wir am 
8'/« Uhr abends beschlossen, in einem Kirgisen-Anl za flbemachten 
und am nächsten Morgen in aller Frühe weiter zn reiten. Mit nur 

2 Stunden Mittagsrast waren wir also von 5 Uhr morgens bis 8'/« Uhr 
abends im Sattel gewesen! Dabei hatte ich persönlich das Pech, 
als bei der Rontenaufnahme wieder einmal Zurückgebliebener, die 
Furt über den T:?cheshin-bulak zu verfehlen und so mit meinem Pferd 
in ein tietes Strudelloch zu stUnsen. Nass wie ein Pudel musste ich 
in der frischen Abendluft weilerreiten. Und doch hat mir weder hier 
noch bei anderen Gelegenheiten, wo ich von Schnee und Regen bis 
auf die Haut dnrchnftwt worden war, jemals etwas gefehlt. Idi 
schreibe dies vor allem der warmen und sehr pralLüschen und guten 
Beisekleidung zn, welche ich in Form von dicken Wollhemden, 
Strumpfen^ Hosen etc mitgenommen hatte. Meine russischen Kame- 
raden mit ihren leicliteren Leineiiliemden und Hosen, froren stellenweise 
bei solchen Gelegenheiten wie die Schneider, während ich trotz meiner 
Neigung zum Frösteln niemals irgendwo emstlicher unter Kälte oder 
Nftsse gelitten habe. 

Am Morgen des 7. August trafen wir wieder mit dem Rest 
unserer Karawane zusammen. Hier im russischen Feldlager am 
Tyschkan fanden wir auch endlich den heissei sehnten Friseur, 
russisch „parückmacher" genannt, in Gestalt eines Kosacken. Unter 
seinen kunstverständigen Händen fiel auf einem Stuhl im freien Feld . 
das Plus an Bart nnd Haupthaar, welches uns bis hiei-her geziert 
Iiatte. Es war die reinste Schafechur, ein Bild filr die Götter! Dann 
begann ein nener arbeitsreicher und schwieriger Theil onserer Beise. 
Es galt das Bergland im Quellgebiet des Oborgos, dessen Unterlauf 
bis zur heissen Quelle wir ja bereits kannten, kennen zu lernen, nnd 
zwar gewisserroassen von hinten, vom Rücken her. Wir zogen zu 
diesem Zwecke zun&chst während des 7. August in den öden und 
kahlen Vorbergen im Gebiet der ,,Han-hai-Schichten" vom russischen 
Feldlager am Tysclikan aus direkt gen We.sten bis zum nros<-en 
Yssök, dessen Thal ungemein steil und tif^f in diese Ablageruti::t-ii 
eingesägt ist: dann während des 8. Augu^L bis zum Kleinen ^V-nk 
und in seinem Tlial nach Norden in's Innere des Gebirges. Namen 
und Lage dieser und zahllusei anderer Flüsse und geographischer 
Objekte auf dieser Tour findet man auf keiner Karte verzeichnet, 
jedenfiills nicht richtig, sodass alles Material, welches ich fflr den Sfld- 
Abhang des Dsungariscben Ala*tau in meiner Bonten-Aufnafame 
sammeln konnte, völlig neu und wissenschaftlich für die Oeographie 



251 



ein Oewhm adn dflrfte. Dto rnssiBelie 1 : 40 Werst-Karte ist selir 
UeiD, db^llelilich ond an Detiul arm. Die FetermanD'sehe Karte 
sn SJewerzow^s Beisen, ndrdliebes Blatt, aas Ftotermaiin*8 MittheiliiDgeD, 
ErKlnznngaband 1B76, No. 43, ist desgleichen fllr den Sfld-Abftdl 
ydllig verkehrt und lückenhaft, dagegen für die später bereisten 
West- und Nord- Abhänge bereits erstaunlich richtig und weit besser 
als die rassische 1 : 40 Werst-Karte. 

Am 9. August begann vom Quellgebiet des kleinen Yssök aus 
der eigentliche tiefere Verstoss gen Norden in s Gebirgs-Innere. Im 
Phss TTi tass (8600 m), welcher für Last- und Reitlhiere sehr steil 
und beschwerlich war, überschritten wir die erste ost-westlich 
gerichtete Kette und stiegen nach Norden in ein weites ost-westlich 
gerichtetes Thal, das des Flusses Ui-tass, hinab. Hier bezogen wir ein 
Standlager und von hier aas begannen Saposcbnikow, Popow and ich 
am Morgen des 10. Aagust, nur von einem kirgisischen Dolmetscher 
nnd 4 Kirgisen begleite einen mehrtägigen YorstoBs (9. — 18. Angnst) 
weiter nach Norden in das nnxngangltche Qebirgs-Innere, 

Mit nns führten wir den nötbigen Proviant, Munition und das 
leichteste Zelt auf 2 Packpferden, dazu ein grosses Stück Hammel- 
fleisch in rohem Zustande, da wir nicht darauf rechnen konnten, 
genügende Kirgisen-An.'^iedelungen in diesem nnwirthlichen Hoch- 
gebirge zu finden. Das schliessliche Endzifl die^pr Exkui*sion sollte 
der im Quellgebiet des Chorgos gelegene See Kasan-kul sein. So 
hofften wir, unsere Aufnalime vom 5. nnd 6. Angnst mit den neuen 
Erfaliriiii<ren vpi I iiulen zu können. Die Kette, welche unser Lager 
im Li ta.sb-Tlial an Norden begrenzte, zog gleichlHlls ost-westlich und 
wurde in zwei hintereinander liegenden Pftssen am 10. Angnst Uber- 
schritten. Der sweita dieser Pisse, der sogen. Kleine Kabyl-Pass (8650 m), 
war umgeben Ton kleinen Hftngegletscbem. Der Abstieg gen KoMen 
in ein ost-westlich gerichtetes Lftngstbal, das des Flusses Mun« 
dschilky, war wieder einmal der reinste Hohn anf Gangbarkeit. Es 
war ein phantastisch wirres Durcheinander wild Ober einander 
gestttrster Grsnitbliicke, Uber welches wir in mehrstündigem ungemein 
langsamen nnd schwierigen Abstieg uns und unsere Pferde hinab- 
zubringen liatten. Dass dabei niclits passirte, Niemand und kein 
Tliiev Hals oder zum mindesten Füsse gebrochen hat, ist mir noch 
jetzt das reinste Rätlisel. Dazu begann es in Strömen zu regnen 
nnd recht kalt zu werden, die ersten Anzeichen des volligen Winter- 
wetters, welches uns in den uäcUsLen Tagen hier in dem Hochgebirge 
erwartete. In strömendem Regen schlugen wir am Nachmittag des 
10. August unser Zelt im Thal des Mnndschilk^ aul^ suchten Fener 



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252 



anznznndeii, Ttebsi m kochen imd dann m(}gUch8t trocken nnd 
geschfltzt zu schlafen. Die ganze Nachl gm es weiter und nnser 
leichtee Zelt war völlig aufgeweicht. 

Am nächsten Moi-gen (11. August) war es, wenn auch dicht 
bewölkt, so doch trocken. Wir drangen weiter gen Norden und über- 
sehritten um 11 Uhr eine neue Ost- West-Kette im Mundschilk^-Pass 
(3:^no Tii) 1)1 i jetzt nnr noch 7 " C Lufttemperatur, um jenseits nach 
Korden lu ein neues Läogsthal, Dschildairyk genannt, abzusteigen^ 
welches bereits das eine Quellthal des ('horgos wai, in dessen Quell- 
gebiet wir den Kasau-kul ja suchen wollten. Wu aber steckte dieser 
ominOse See. Die Eirgiaen bebaapteten von Stande zu Stnnde, wir 
wflrden ihn sofort erreichen. Aber welter und weiter ging es ohne 
ihn SU finden« Als der Weg im DscMldair^^k-Thal durch dichtes 
Knieliolz so unwegsam geworden war, dass weder lifensch noch Thier 
weiter vordringen konnten, erklommen wir einen neuen Pass der linken 
Thalwaod und hofften von oben einen Blick auf den See zu gewinnen. 
Alles vergeblich! Jenseits ging es in ein neues Quellflussthal des 
ChorgoH hinab und auf der anderen Seite wieder eine steile Thal- 
wand in die Höhe, in der Hoffnung, hinter dieser don See zu finden. 
Umsonst! Wieder hinab und wieder hinauf: da emiluh spät abends 
bereits bei sinkender Sonne um 6V« Uhr standen wir auf einem Hocli- 
plateau, in welclies sich ungeheuer steil iiud tief der Chorgos ein- 
gesügL iiatte und an dessen Basis hier tief, tief zu unseren Fussen ein 
krystallklarer, grüner See lag, der laug gesuchte Kasan-knl. Es 
war hereits so s^t und dunkel, dass ich auf eine photographiaebe 
Auftiahme verzichten musste. 

Um 9 Uhr endlich gab ee etwas zu essen und zn trinken, den 
ganzen Tag seit morgens 8 Uhr hatten wir nichts weiter, als etwas 
Kumys erhalten 1 Eine anstrengende Tour, weldie man anstandslos 
nur dann erträgt, wenn jede Faser des Nerven- uud Denksystems 
etwas zu thun und zu arbeiten hat. Und daran fehlte es wahrhaftig 
nicht. Als ich abends um 10 Uhr auf mein Lager sank, sollte eigent- 
lich noch eine lange lioutenskizze ausgeführt werden. Ich war dazu 
aber nicht mehr im Stande und verschi ti sie auf den nächsten Tag. 
Masse hierfür wurde mir in unverlioü'ter und wenig angenehmer Weise 
zu Theil. In der Nacht sank nämlich die Temperatur beträcht- 
lich unter Null und als wir am Morgen in unserem dünnen Zelt er- 
wachten, waren wir anter fussbobem Schnee begraben. Ben ganzen 
Morgen und Mittag schneite es ununterbrochen und dicht, sodass 
unter diesen Umständen an einen Aufbruch nicht zn denken war. 
Der Schneelkll war so intensiv, dass man nur die allernächste 



263 



Umgebmig des Zeltes za sehen vermochte, and die Last der Schnee- 
massen auf der Zeltleiiiwand war so drnckend, dass wir alle tO Minuten 
hinaus mnssten, dicht iu ansere Pelze gehallt, um dea Schnee von 
den Leinen zu schütteln 

Bis zum Nachmittag um S Uhr hielt dieses Weiler an, und es 
fiel so viel Schnee, dass uns um die Mögliclikeit des Rückweges zu 
unserem Staudlager im Ui-tass-Thal bei der früher geschilderten 
Schwerpassirbarkeit der hochgelegeueu Pässe unter diesen Umständen 
liist bange wnrde. 

Und doch galt es, keine Zeit zu verlieren, da nur wenig Proviant 
bei VOM war nnd die zmUckgebliebenen Uosrigen im Ui-tass^Tlial 
(Welishanin nnd Enjasew nebst dem Mparator NÜEolai) anf uns 
warteten. Ala daher uro 6 Ubr p. m. das Schneien ani^Sfeliört batte, 
schlugen wir unser Zelt ab nnd begannen den Rückweg zum Ui taas- 
Tbal, nm wenigstens noch an diesem Tage (12. August) bis zum 
Fuss des ersten Passes im Dschildair^k-Thal vorzudring^en. Das 
Wetter war uns dazu insofern günstig, als si')i gegen Abend der 
Himmel aufklärte, auf kurze Zeit sogar der Mond herauskam und es 
unter diesen Umstanden möglich wurde, auch im Dunkeln weiter zn 
reiten. Um <>' • Uhr kamen wir am Fuss des Mnudschilk} Passes 
au und schlugen uii:5er Zelt auf. 

Da die Nacht zum 13. August völlig klar wurde, nahm die Aus- 
strahlung und damit die Abkühlung der Temperatur bedeutend zu, 
und unser noch vom Schnee und Begen des vorigen Tages nasses 
Zelt fror in der Nacbt bei wohl — 2 C knflppelhart 

Am n&ebsten Morgen um 5 Uhr erwachten wir fröstelnd unter 
noseren Felsen, sattelten schlennigat die Pferde und packten alles 
znsammen nm einen Tagesmarsch xa beginnen, welcher an Beschwer- 
lichkeit das bisher Erlebte ftbersteigen sollte. Anf dem Wege, den 
wir vor zwei Tagen gekommen, ging es zunächst zurück in's 
Mundschilky-Thal, aber diesmal in tiefem Schnee, der überall vom 
gestrigen Tage her, Berg und Thal in ein einförmiges Winterkleid 
gehüllt hatte. Auf dem Mundschilky-Pass maass ich bei schneidendem 
Wind — 4"C und war froh, seineizeii in Wjernyj meinen Pelz in 
kirgisischem Schnitt derartig haben anfertigen zu lassen, dass man 
bequem in ihm reiten konnte. Aber was iui ein Reiten war das! 
Der Schnee hatte den steinigen P&d dicht verhüllt. Man sah nicht 
wohin man tait reep. das Pferd treten lassen sollte. Alle drei 
Schritt rutschte das Thier, ja stflrate sogar an glatt ttbe^ 
gefrorenen Stellen nntei* mir. Trotssdem war diese Fassage des 
Mnndschilk^-Püsses nichts gegen das, was uns am Mittag dieses 



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354 



Tages am Kabyl-Pass erwartete. Srli n fmlier habe ich das dortige 
Trümmermeer von Granitblöcken geschildert. Wie sollte man jetzt im 
tiefen Schnee die Thiere hier hinüberbringen. Das schien unmöglich. 
Wir beschlossen daher an Stelle des friiliei- i)assirten Kleinen Kabyl- 
Passes jetzt den zwai* höheren, aber augeblich leichteren Grossen 
Kabyl-Pius zn w&blen. Aber wir kamen von Begen in die Traufe! 
Zwar ffllirte der Weg an&ngfi nahe zwei grossen Gletschern, auf 
deren alten MorAnen relativ heqaem anfwflrts; dann aber verlor der 
führende Kirgise bei dem hohen Frisebscbnee den Pfiid nnd gerieth 
in dem wilden Geröll, weldies die alte Gletscher- Kahrmnlde erfüllte, 
in welcher der Weg zum Passe hinaufführte, völlig auf Abwege. 
Wühl eine Stunde suchten wir nach einer Möglichkeit, die steile, 
mit Geröll überschüttete Kahrwand liinaufziiklettern und fanden 
endlich eine Stf-lle, wo weniger Felsen, dafür um so tieferer Schnee 
lag. Dieser iSchnee trug nun wohl einen Menschen aber kein Pferd, 
und es begann für uns und unsere Tluere von Neuem eine ungemein 
anstrengende Wegstrecke. Die Pferde sanken bei jedem Schritt, ähnlich 
wie seinerzeit am Külu Pass, bis über den Sattelknauf in den Schnee 
und waren nur unter deu erbarmunglosesten Peitschenhieben zum 
Weitergehen, nein znm Weiter stflrzen zn bringen. 

Als die Passliöhe ( .^700 m) endlich unter St ilnipn nnd Aechzen von 
Mensch und Thier ei klcinnif n war, hatten wir dit- ^rosste Schwierigkeit 
unseres llüfkniaisehes glücklich überwunden und der weitere Weg 
zu unserem, um 7 Uhr abends eneichten Sütndlager wurde anstands- 
los erledigt. Aber die Folgen dieses Tages kamen später. Ich 
persönlich hatte einen intensiven und sehr unbequemen Gletscher- 
brand davongetragen. Mein Gesicht nnd leider auch Mund und 
liippen waren gleich den Ohren von den bekannten Hitzblasen 
bedeckt und machten mir in den nächsten Tagen und Wochen zu 
schaffen. Schlimmer noch war es Sapnschnikow und zweien unserer 
Kirgisen ergangen, welche ohne Gletscherbrillen den ganzen Tages- 
marsch in den blendenden vSchnee- und Kisfeldern gemacht hatten. 
Sie hatten eine sehr schwere AagenentzOndang davongetragen. 

i>ie Unsrigen im Üi-tass-Thal waren froh uns unter diesen 
nngOnstigen Witterungs-Bedingnngen wohlbehalten zurückgekehrt zu 
sehen. Trotz ttberstandener Strapazen ging es aber bereits am nächsten 
Tage (14. Augnst) morgens 9 Uhr weiter, um nunmehr über den 
Ui-tass-Pass aus dem Gebiet der südlichen Abhänge des Gebirges in 
den Bereich der westlichen Aoslftttfer in die Gegend des Koksu- und 
Kora-Thale» einzutreten. 



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255 



Ehe ich hierüber berichte, möchte ich indessen Über das am 
Südabfall des Gebirges Gesehene noch Folgendes zusammenfassend 
bemerken Geg'euüber dem bisherigen einfönnigeu Kartenbild der 
Siul-Abliange der Dsungarischen Ala-tau nnd der Au^fas^^uilg nnr 
eines, ost- westlich gerichteten Hauptrückeus, zersägt von in Quer- 
thälern direkt nach Süden abfliessenden Flüssen, scheint mir nach meinen 
Erfahrungen ein weit komplizirteres Bild zu treten. In den von 
ans begangenen Oebirgslbeilen baben wir es anscheinend mit dner 
Bdhe« wabrscbeinlicb drei, liintereinander liegenden ost-wesUicben 
Ketten, getrennt von ebenso vielen ost-westlieh gerichteten Thftlenif 
ztt than. Diese Ketten sind in ihren höchsten Höben nach 
Saposchnikow's Theodolith'Messungen über 4000 ni hoch und dürften 
nicht selten Mont Blanc-Höbe erreichen. Dabei ist aber ihre jetzige 
Vergletscherung nur eine relativ geringe. Die vorhandenen und zahl- 
reich von uns aus nächster Nähe gesehenen, phofographiiten oder 
vermessenen Gletscher sind zum grösseren Theile nur klein, oft nur 
Hftngegletscher ohne giüssere Firnmnlde und Gletscherzunge. Da- 
gegen sind die Spuren einer alten, weit grösseren Vereisung in 
ihrer Einwirkung auf die heutige Morphologie des Gebirges vielleicht 
noch deutlicher und eindrucksvoller, als in dem höheren, dalier auch 
hente noch tiefer im Oletscberetee steckenden Tiön-scban. So wie bente 
die Hochregionen des Dsungarischen Ala-tau mit ihren zahllosen alten 
Gletscherkabren, mit ihrer gewaltigen Scbnttbedecknng, mit ihren 
grossen Morllnenwftllen aussehen, so zerfressen wie seine Kammlinie 
sich reprftsentirt, so wild dermaleinst auch der centrale TiSn-schan 
morphologisch ausseben, wenn seine Gletscher und Scbueemassen 
noch weiter zurückgegangen sein werden, als dies bereits Jetzt der 
Fall ist. Jedenf^ills hat auf beide Gebirge, besonders aber auch auf 
den Dsungarischen Ala-tau die Eiszeit eine weit tiefergehende nnd 
einschneidendere morphologische Wirkung ausgeübt, als mir dies 
bisher von den wenigen Reisenden erkannt worden zu sein scheint, 
welche seine Höhen erblickt haben. 

Ich kehre zum 14. August zuüick, welcher uns über den üi-tass- 
Pass auf die West-Hänge des Dsangariscben Ala-tan führte. Der 
Weg zu diesem Pass führt hinauf durch das typische alte Glacial- 
Tbal de« gleichnamigen Flusses bis zu den Gletschern in seinem 
Hintergrund. Diese Gletscher, von denen drei an den Flanken eines 
stattlichen 4000 m sicher weit fibersteigenden Gipfels herabziehen, 
sind nur der kfimmerliehe Best eines einst sicher gewaltigen Fim- 
nnd Eismeeres; denn das gesammte (^uellgebiet des heutigen Ui-tass 
ist völlig unter Moränenschutt begraben und ein einziges grosses 



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ZOO 

halbkreisrundes Ainphithent r mir rII^h Spuren einer einstigen 
Gletscher-Firiiinulile. Im Gebiet dieser alten Moränen, dicht onter 
eiriPin Hängegletticher der Passhöhe. liegt ein süllei klarer MorRnen- 
StHusee, jTiitten zwischen Schnee und Eis und äusserst malerisch in 
seiner landschaftlichen Wirkung. Einsam and still, selten von eines 
Hensehen-Aiige gesehen, aber doch nicht ohne organfselies Leben! 

Wirkungsvoller und schöner, als die kleinen Gletscher auf der 
Südseite dieses Passes sind drei grosse Gletscher auf seinem Nord- 
hang. Sie haben eine gewaltige Seitenmoräne aus dunkelen Thon- 
sdiiefertriimniern gebildet, auf deren Kamm der beschwerliche Reitweg 
entlang lubiL, hinab iu das breite und schöne, völlig alpin anmuthende 
KoksuThal. 

Für Saposcbnikow war diese Tagestour über die Gletscher des 
Ui-tass-Passps f8400 m) eine wahre Tortur gewesen. Trotz doppelt^'r 
schwÄi-zer Brillen war diesn neue Blendung auf den Schneefeldern 
für ihn so verderblich geworden, dass seine vom Kabyl-Pass her 
schwerkranken Augen nun völlig den Rest bekommen hatten. Als 
wir am Abend dieses Tages an einer malerischen Stelle des Koksu- 
Thaies angesichts der ragenden Zinnen der Hanptkette des 
Dsnngarischen Ala-tan and bei wirlclich göttlidiem, wolicenlosen 
Wetter lagerten, da war unser Kranker völlig blind and konnte von 
all der Pracht nichts sehen. Unter diesen Umständen konnten wir 
nicht weiter und blieben am t5. August abwartend im Lager im 
Koksu-Thal. Icli selber benutzte die Müsse dazu, um mit 
Saposchnikow*s Theodolit bewaffnet, die rechte Thalwand jenseits 
des Flusses, unserem Lager gegenüber, zu ersteigen und von dort 
die ragenden herrlichen Gipfel der Dsnngarischen Ala-tau- Haupikette 
nach Lage und Hr)lie zu vennessen. Saposcbnikow lag- unterdessen 
hiilflos mit heissen Theeumschlägen im Zelt, dessen weisse blendende 
Leintuwande wir dnrch Belegen mit dunklen Tnchern abzudämpfen 
suchten. Aber weit schneller, als wir geholft, besserte sich noch 
gegen Abend dieses Tages sein Zustand und zu meinem Erstaunen 
hörte ich am Morgen des 16. August beim Erwachen bereits seine 
freundliche Stimme an der Thür meines Zeltes fi-agen: „Was ist 
das höchste Glflck auf ESrden?*' Ich ahnte sofort, was er damit 
meinte und sprang Jubelnd von meinem Feldbett auf antwortend: 
,,6e8und zu sein? — nein, gesund zu werden!** Und wirklich 
er wahr wieder gesund und konnte, wenn auch mit Schmerzen und 
unter dem Schutz schwarzer Brillen wieder sehen und fühlte am 
eigeueo Körper die Wahrheit des obigen Spruches, welchen ich ihm 



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257 



am Tonnen Abend gesagt hatte, und dessen einfach schlichte Wahrheit 
man wohl nirgends mehr fülilt, als wenn man in der Wildniss, fera 
von aller Hülfe, zuerst kiank und dann wieder gesund wird. 

Unter Hesen Verhältnissen zogen wir dann am 16. August weiter 
gegen Nord- Westen über Berg und Thal hinab in die Sary-dscbassyk- 
Gegend und dann am 17. August weiter in das Thal der Tschasciia 
(cf. Petermann's vorher citirte Karte) bis zu der Stelle, wo sich aus 
seinen drei grossen Quellflüssen der Karatal bildet Von hier reiste 
Saposchnikow mit einem Dsehigiten am Morgen des 18. Augost direkt 
per Fosttrakt nach Eopal, um dort die Vorkehrungen fltr die Weiter- 
reise za treten, wahrend ich mit dem Best der Karawane nach 
Ueberschreitnng der reissenden Eora die weiten eigenthflmlicben 
Hochflächen qaerte, welche zwischen dem Kora-Thal und der Stadt 
Kopal liegen, nnd in welche der westliche Theil des im Osten so 
hohen und wilden Gebirges in langweiliger Monotonie ausklingt, so 
anf die Steppen nnd Wüsten vorbereitend, welche weiterhin folgen. 

Der Gegensatz des geologischen Aufbaues dieser Hocliflächen 
ans steil gestellten Thonscliiefern zu ihrer völlig charakterlosen 
heutitrt n Oberfläche ist ein frappiieiider und zwingt zum Nachdenken. 
VielleicliL sind diese Hucliilächen uralte Abtragungsflächen, deren 
Vorhandensein durchaus harmonirl mit dem vorheiTschend ruinenhaften 
und tief verwitterten morphologischen Habitus des Dsuugarischen 
Ala-tan ftberhaopt? 

In der Stadt Eopal trafen wir am 19. Angnst nachmittags ein, 
leider wiederum mit einem Kranken. Ntkanör Alezjewitseh Knjasew 
hatte sich gleich Andnj F^trowitsch Welishanin in Dscharkent die 
Malaria geholt*). Bereits unterwegs anf der Beise nach Kopal war 
die Krankheit sehr peinlich bemerkbar gewesen, sodass für Knjasew 
das Reiten zu Pferde bei der grossen körperlichen Schwäche sehr 
beschwerlich war. Hier in Kopal brach er nun völlig zusammen^ 
sodass es für ihn nicht möglich wurde an der Exkursion rbf^il- 
zunehmen, welche wir am 20. August zur Untersuchung der i^ueil- 
gebiete des Flusses Kora antraten. Ohne Zelt und Proviant, ganz 
leicht, nai jiiit unseren Instrumenten und Apparaten bewaffnet, ritten 
wir von Kopal aus gen Süden in*ä Gebirge und standen bereits am 
Nachmittag desselben Tages auf den weiten Granithoehflftchen, in 
welche sich der Flosa ein höchst malerisches steilwandiges Thal 



*) Auch der von Dscharkent nach Wjernyj direkt zuiUckgekebrte Ssemi^now hatte, 
wie wir tpiter dnreh Brief crfiiliren, die Keime dieser dceden Krenkbeit mit in die 
Heimath genommen und litt darunter nocb WochenlAOg. 

Mltlhvitaagw ZTIII, Dr. Mmi rrtod*riolaaii 17 



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258 



eingesögt hatte, mit Tannen prächtig bewaldet und wiederum deutlich 
die Spuren alter intensiver Vergletscherunp' au «irli tragend. MorRnen- 
wälle zogen iu grosser Deutlichkeit quer über das Thal hinweg, 
Gletscherschliffe begleiteten die Thalwände und zahlreiche alte 
Gletscher-Firnuiuldeu, sogen. Kalire, öffneten sich oben an der Thal- 
wand als sichtbare Reste der Glacialzeit. Aus einem dieser alten 
Oletscherkabre stürzto ein prächtiger WasaeTfiill steil herab, io 
tosendem Sturz seine Wasser mit denen der Eora an seinem Fnss 
vermengend. Derartige in unseren Alpen landschaftlich so sehr 
schon wirkende Fftlle sind etwas Seiteues in diesen centralasiatlschen 
Hochgebirgen, und wo sie vorkommen, sind sie, wie in diesem 
Falle, verbunden mit den Ausflüssen alter Gletscberkahre. Diese 
Beobachtung habe ich Gelegenheit gehabt häufig zu machen an zahl- 
reichen Cascaden. welche die hochgelegene Kahr-Ausuiündung meistens 
als SchmelzwfisKer im Hintergrund liegender Schneeuiassen oder 
kleiner Häugegletscher verlassen. Nur selten wachsen sich diese 
Cascaden zu echten Wasserfallen, wi(! hier im Kora-Thal, aus. 

Die Nacht war bereits hereingebrochen, als wir eine Juite 
erreichten, welche man etwas oberhalb des Wasserfaiieis /ai unserer 
Verfügung errichtet hatte. Um das brennende lodernde Feuer im 
Innern derselben sitzend, trockneten wir uns von der Dordinlssang, 
welche wir kons vorher bei üeberschreitaog der sehr sU|rk nnd 
reissend str6mmenden Eora davongetragen hatten. 

Bereits um 5 Uhr morgens ging es am 21. Angnst weiter thal- 
aufwärts, um die Gletscher zu untersuchen und zu vermessen, welche 
auf Gi*nnd des milchig* weissen Wassers der Kora sicher in ihrem 
Quell<5el>iet liegen mussten, Und in der That waren diese Gletscher 
vorhanden, aber völlig zu ihnen vorzudringen, verhinderte die knapp- 
bemessene Zoif und die Unwegsamkeit des von alten Moräneu- 
und Verwuterungsschuttma.ssen dicht bedeckten Tlialbodens. Wir 
vermochten nur in ihre Nahe zu gelangen, zu photographiren und 
nach Messung einer Basis mit dem Theodolith einige Aufnahmen zu 
machen. Dann hiess es zurück und zwar zurück bis nach ICopal, 
d. h. also ausser der heute (21. August) zurfickgelegteu Strecke 
auch noch die gestrige I Da war es kein Wunder, dass wir erst 
um 11 Uhr nachts in Kopal eintrafen. Zum Qlttck war die Nacht 
herrlich mondklar. Ich werde nie den eigenartigen Abstieg von den 
Hdhen im Norden des Kora-Thales in die Hochsteppe um Kopal 
vergessen! Der AVeg war so steil und steinig, dass an ein Abwärts- 
Reiten auf grosse Strecken nicht zu denken war, sodass wir trotz 
Müdigkeit und hober unbequemer Reiterstiefel wohl zwei Stunden 



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2&9 



Ung das Thier am Halfter hinter uns herziehen muesten nod zwtut 
tit>tK des Mondscheins im völligen Bnnkel der Nacht, da der Hond 
a> tief stand, daas er nor zwischen den Zinnen der Berge in unserem 

Rücken silberne Streiflichter Uber die Bei^gbftnge warf, im ITebrigen 

aber das Terrain nicht erhellte. 

Mittlerweile hatte in Kopal der liebenswürdige Ujesdnij Natschalnik 
alles för den Fortgang unserer Expedition voibeie.itet; neue Pferde 
im(\ Führer standen tür uns parat, damit wir den letzten Theil 
unserer Reise, welelie dem Gebirge im Qiv>ll2"ebiet des Aksii, der 
Lepsa und des Easkan gelten und in Lepsiusk endigen sollte, ohne 
Verzug beginnen konnten. Wir kamen also absolut niclit zu Athem 
und unser energisclier Füiirer wusste ohne Rücksicht auf Strapazen 
nnd Anstrengungen seine Lente so konstant in Bewegung zn halten, 
dass man weder Hanger noch Dnrst spürte unter dem animirenden 
Eindmek des ununterbrochen Neuen, was an ons täglich 7orabe^ 
zog. Leider hatte dieser letzte Tiieil unserer Beise einen schlechten 
Anfang genommen. Wie schon in Wjemyj nnd Dscharkent, so hatte 
nftmlich nach hier in Kopal die Stadt insofern demoralisirend auf 
unsore Lente gewirkt, als sie getrunken hatten und besonders einer 
unserer Diener liatte zusammen mit dem Polizeimeister der Stadt 
während unserer Tour in's Kora-Tlial so viel Wodky zu sicii genommen, 
dass er „steif wie ein Be-^rnstier vor der Thür unseres Quartiers lag, 
als wir zurückkehrten. Den nächsten Tag hatte er diese würdige 
Beschäftigung hinter unserem Rücken furtgesetzt, und als wir am 
22. August von Neuem aus Kopal aufbrechen wollten, war der Kerl 
bereits in einem bedenklichen Stadium des Alkohol- Deliriums. Er 
redete mit stieren Augen das wüsteste nnd unsinnigste Zeng, hielt 
sich nur mit grOsster Hohe zu Pferde nnd fiel schliesslich in einem 
akuten Stadium des Alkohol- Wahnsinns Welishanin thfttlich an, sodass 
wir von nun an dieses Opfer des Alkohol-Teufels an Händen und Fassen 
zu unserer Sicherheit binden und zu Fuss mit uns schleppen niussten. 
Alle Waffen wurden dann in der Nacht sorgfaltig bewacht, da der 
völlig irre Mensch zu allem fähig gewesen w«re. Am nächsten Tage 
nach dem Schlaf der Naclit war das Schlimmste überstanden, aber 
die Folge war eine tiefp^rpifende Schwächung, weh-he FCörper und 
Geist den armen Teufel nun den ganzen Resf ie? [{eise plagte. 
iJas ist der Segen des russischen . Wässerchens", des Wuilky! 

Der Marsch des 23. August fulirte über weite Hochflächen aus 
Granit am Nordhang des Dsungarischen Ala-tau ohne grössere 
Begebenheiten entlang nnd his zum Ahend in das Thal des Flusses 
Ak-so. Die Quellgebiete dieses Flusses sind hldier von einer 



wissenschaftlichen Expedition noch nicht besucht worden und der Name 
Ak-su (weisser Fluss) wies darauf hin, da^^s Gletscher im Hinter- 
grund desselben lieirrTi miSssten üni dies zu untersuclien. itiarhte irli 
mich mit SÄposclmiknw und zwei Kirgisen am 24. Au^Misf nwf (Inn 
We^. Wir wunit-n reich belohnt! In der That lagen im Hinter- 
grund der Quellen dieses Flusses nicht weniger als 7 theilweise recht 
ansehnliche Gletsc lier und vor dea Zungen der letzten drei ein wunder- 
barer graner, kry stallklarer, einsamer See. Ein prftchtiges Bild, 
welchem nnr die Belebung darcfa Vegetation fehlte, dessen Rahmen 
aber drei ragende, nngemdn markant vom ararblanen Himmel sich 
abhebende Schneezinnen von bedeutender (ca. 4000—4500 m) Hohe 
darstellten. Mit dem Theodolit vermass Saposch nikow dieses Ak-su- 
Quellgebiet zur Ergänzung meiner Rontenaufnahme, und kebilen wir 
dann um einen prächtigen Tag in unserer Erinnemng reicher zu 
den im Lager gebliebenen Unsrigen zurück. 

Diese Tour in das Ak-su-Quellgebiet hatte uns zwischen die 
Hauptkette und die auf der Petermann'srlif^n Karte iu Petennaiin's 
Mitlh. Ergbd. 43 völlig richtig einge/eiclmt-le Schnee bedeckte 
Abzweigung geführt. Aus dieser Mausefalle mussten wir wieder 
heraus, um die Is'ord- Abhänge des Dsungarischeu Ala-lau \seiiei gen 
Osten bis zum Meridian der Stadt Lepsinsk kennen zu leraen. Dieser 
interessanten Aufgabe entledigten wir uns in den Tagen vom 25. bis 
29. August Das fttr mich interessanteste, wenn auch nicht ftbei*- 
rascbende Ergebnis dieser letzten Reisetage war die Eonstatirnng 
einer grossen Verbreitung alter Gletscherablagemngen ancb am 
ganzen Nord-Abhang des Gebirges bis in relativ niedrige Höhen- 
lagen hinab. Die alte Yergletscherung muss hier sehr intensiv 
gewesen sein und die morphologisch heute sichtbaren Spuren sind von 
einer Deutlichkeit und Eigenart, wie man sie hier bisher noch nidit 
beobachtet hatte. 

Der ganze nach Norden gerichtete Abfall der Hauptkette war 
durch reihenweise nebeneinander gelegene alte Gletsclierkahre völlig 
bis in's innerste Mark des Gebirges zerfressen, und vor diesen halb- 
runden Kahren lagen auf den Abhängen in Form von RundhUgelu 
und Morftnenwällen die alten Gladalbildungen. Die Kahre selber 
waren noch heute zum Theil von Qletsehem, wenn auch nur kleinen 
erfüllt, und die Flflsse, welche aus ihnen abflössen, hatten Thäler in 
diese mit Glacialschatt Überladenen Gebirgshftnge dngesSgt von einer 
geradezu cafionartigen Tiefe und Steilheit. Dicht und prächtig 
bewaldet traten sie in den wirkungsvollsten landschaftlichen Kontrast 
zu den Oden Hochflilchen zu beiden Seiten ihrer tiefen Thalw&nde. 



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m 



Für die QangbarkeÜ des Gebirges bedeutete fireOiGh diese tiefe 
Zersagang eise grosse Erschwerang, und es war fllr Bfensch und 
Thier in diesen drei letzten Beisetagen Iceine Kleinigkeit, diese end- 
losen Schlneliten nnd Tbalwinde binab- nnd auf der andern Seite 
wieder binanftnsteigen. 

Besonders schOn waren die tiefen Qaellthäler des Barkan, des 
Baskan und der Lepsa. Zwischen letzteren beiden hatten wir eine 
besonders charakteristische und pikante Landschaft in Form einer 
phantastisrli verwitterten Granithochfläche za passiren. Mein photo- 
graphischer Apparat kam natürlich unter diesen Umständen nie zur 
Ruhe, und ich liatte nur zu bedanern, dass trotz der in Dscharkent 
aus Taschkent erhaltenen Platten und trotz des Zerschneidens einer 
Anzahl von Saposchnikow's grossen Platten in Lepsinsk, mein 
Yoiratb an Plattenmaterial zu gering war, an alles xa pbotographiren, 
was des Anfbehmens wertb gewesen wSre. Ausser den 160 Films 
ans Transkaspfen w«rde ich trotzdem nicht weniger als 36 Dntzend 
Platten mit nach Hanse bringen. 

Ber letzte Reisetag im eigentlichen Gebirge (28.-29. August) 
wurde im landschaftlich selten scbdnen Lepsa- Thal zugebracht, ober- 
halb eines prächtigen grünen Thalstausees (Dschassyl-kul), welcher in 
gewaltigen schäumenden Kaskaden seinen Abfluss nach Norden im 
Thal der T^epsa fand Dkti?! sag'ten wir trauentd dem lierrlir-hen 
Hochgeliir^^e Valet, um einzutreten in den öden Sti'ii|>^^ii- und Wüsten- 
gürtel^ weicher den Dsungarisclien Ala-tau gleich äeni eigentlichen 
Tien-schan umgiebt und welcher durch seine landschaltlich so 
abschreckende Oede zwar einen höchst wirkungsvollen Gegensatz zur 
alpinen Hochgebirgswelt bildet^ aber auch fllr alle Zeiten verhindern 
wird, dass die Schönheiten des Gebirges anderen Sterblichen, als den 
wen^n wissenschafUicheD Beisenden, welche den Mnth und die 
Ausdauer haben, diesen Gürtel zu Überwinden, zu Gesichte kommen. 
Mit der Ankunft am Dschassyl-kul endigte meine Routen- Aufnahme, 
welche ich demnarli auch hier im Dsungarischen Ala-tau bis zuletzt 
habe durchführen können. 

Am 29. Angust 1 ' i Uhr p. ni. waren wir in Lppsin.sk: noch 
selbigen Trts^es fuhren Popow. Welishanin und Kujasew per I'ost mit 
unserem grossen üepäck und zusammen mit dem Präparator ^iikolai 
heimwärts. 

Dort in der niedrigen rumpeligen Poststnbe drückten sich fünf 
Männer mit teuciitem Auge au diesem Nachmitlag zum Abschied 
die Hand, fhnf Hftnner, weldie Freud* nnd Leid dieser seltenen 
Heise mit einander ehrlich getheilt hatten. Und unter diesen fünf 



262 



MftDDeni war ich ein Deutscher, den keiner von den anderen 
vorher gesehen oder gekannt hatte und der sich doch, wie ich denke, 
als ein „guter Kamerad'' ein Plätzchen im Andenken dieser vier Rn^sen 
erworben hat. Die Worte, die dort beide Parteien einandei zum 
Abschied sagten, waren, soweit es wenigstens mich betraf, tiet und 
ehrlich empfunden, vor allen Dingen soweit sie an meinen Freund 
Saposchnikow gerichtet waren, welcher sich meine aufrichtige Ver- 
ehrung vom ersten bis zum letzten Augenblick zu erhaiteu verstanden 
hatte» 

Saposchnikow und ich waren also nunmehr der Best nnserer 
einst an Köpfen so zahlreichen Expedition. Für uns beide aber 
war die Arbeit noch nidit zu Ende, denn Saposchnikow war der 
Anftrag von der Univei-sität Tomsk ertheilt worden, in der Nfthe des 

Ortes Kokpekty (nordöstlich von Sergiopol, cf. Stieler, Hand-Atlas 
9. Aufl. Bl. 57) einen Mamnuith Fundpunkt zu besichtigen, von dem 
ein Kosack. Alexejew. dem Senat der Universität geschrieben hatte. 
Und zwar sollte das Mammuth dort zusammen mit dem Skelett 
eines gross e n ^^pn'^^llpn liei^f^n ' Das wai wisst^nschaftlicli eventuell 
von höchstem Interesse und konnte vielleicht die üieichzeitiu^kf it 
des Menschen mit dem Mammuth, eine bisher viel umstrittene Annahme, 
thatsäcliiich beweisen. Ich schloss mich iiaüirlich Saposchnikow an, 
da die ganze Angelegenheit mich höchlichst interessirte. Aber wie 
dorthin kommen io diesen entlegenen Winkel! Auf dem Posttrakt 
zarflck bis Sarkan und dann direkt weiter nach Sergiopol war ein 
Umweg nnd zndem langweilig. Es schien nns interessanter, direkt 
nach Norden zwischen Sassyk-kol nnd Ala-knl bis zur ans China 
herdntflhrenden Poststrasse zu gehen und dann aof dieser znnftchst 
weiter zu fahren bis Sergiopol. 

Da dieser Weg durch die Seenzone aber kein Postweg ist^ 
sondern nur ein sogen. Semskij Trakt, d. h. Beamtenweg, so war es 
nur durch Saposchnikow'^ liohen Beamtenrang in diesem wie in zahl- 
reichen anderen Fällen möglicli, die nöthigen Wagen und Pferde zu 
erhalten und auf dem oben gekenn/eichneten Wege vorzudringeu. 
Ein Privatmann und gar nun ein Au.slauder wOide sicher hier keinen 
Schritt vorvväi'ts gekommen sein, oder er hätte ganz auveihältuissmässig 
zahlen müssen. 

Am Morgen de» 81. Augnst war alles vorbereitet nnd wir 
konnten mit ganz leichtem Gepftck zunächst in einem Tarantass, 
dann in einer offenen engen Pletnschka 7on Lepsinsk aas gen 
Norden fiihren. Die Gegend worde im Laufe dieses Tages immer 
öder nnd einförmiger. Die letzten Anslftafer des Dsungarischen 



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263 



Ala-tau blieben am Nachmittag hinter ans nud am Abend lag wie 
dn nnendlidieB Meer mit abwechdungsloser gerader Homontlinie 
die Steppe Tor nns^ ohne Gran, nnr mit gelbem verbranntem nnd 
▼ertrocknetem Gras bekleidet, mit keinem Hftlmcben daran erinnernd, 
wie blamenreich und duftend sie iin Frtthling sein kann. Und Uber 
diesen endlosen Weiten ging die Sonne unter in einer Gluth und 
Farbenpracht, wie sie eben nur das Meer oder die Steppe kennt, 
und wie sie am Abend den müden Rei^^nden wenigstens in etwas 
entschädigt für die Trostlosigkeit des T a ^ • s Marsehes. 

Bereits in dunkler Naelit überscliritten wir den Tentek, einen 
echten SteppenÜiiss, der sich in nicht weniger als 15 wasserreiclien und 
starkströmenden Annen quer vor unseren Weg legte und nur durch- 
ftirtet werden konnte anter Fflhrnng vOllig Ortskundiger, welche zn 
Pferde ans dem nahen Dorfe Utsch-aral ans dort erwarteten. 

In Ut8ch*ani) Abemacbteten wir in der Poststation, ans Forcht 
vor Ungeziefer, wie immer in solchen FAllen, aaf unseren eigenen 
Decken and Pelzen platt anf dem Boden and sogen am nächsten 
Morgen (1. September) um 5 Uhr weiten nunmehr aus der Steppe 
in eine völlige Wüste übergehend, in welcher für die nächsten zwei 
Tn^re hh Ui dshar keine rassische Siedelang oder Kirgisen- Jarte za 
erwarten war. 

Anfangs imhe dem völlig Üachen und salzigen Steiipt ii!<ee des 
Ala-kul bedeckten noch weite Schilfniedenuigen die GepHiid, dann 
aber schwand der i'ilanzenwuchs immer mehr. Gefallene und verweste 
Tbierleichen und Skelette am Wege vervollkomuinelen den Eindruck 
der Waste. In dieser trostlosen Einöde tbemachteten wir unter 
dem Pehs and anter freiem Himmel, neben ans die geladenen Gewehre 
and Pistolen. Die Nacht war kflhl, aber der nächste Tag noch 
helsser als die vorhergehenden nnd wohl einer der heissesten der 
ganzen Heise: 34*0 im Schatten am Mittagl Der Stanb der aus- 
gedöirten Steppe ging dazu konstant mit unserem Wagen, da der 
Wind aus unserem Eflcken wehte. Es war ein eigenartiger Genuss, 
der nnr unterbrochen wurde durch ein mehr oder minder vingenehmes 
Intermezzo mit unseren W;ij^f npferden. Und dif^st^s Int»Miii^'/z'» war 
das Folgende: Wir selber tuhren auf diesei Suecke in einer nii^en 
kleinen Pletiisciika, während unser Gepäck anf einer offenen 'iVlega 
uns nachgeffibrt wurde. Plötzlich riss der eine Strang des linken 
Handpferdes und unglücklicher Weise so, dass sich das Thier mit 
den Hinterbeinen darin verwickelte. Als unser Entscher es befreien 
wollte» scheute das Thier, schlag nach hinten heflag ans und begann 
durehzogehen. Wie ein Donnerwetter sprangen Saposehnlkow nnd 



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864 



ich, der eine nach rechts, der andere nach links aas dem Wagen 

nud eilten unserem Kutscher zu Hülfe. Es gelang das Thier zu 
beruhigen und auszuspannen. Da plötzlich, ich weiss selber nicht 
auf welche Weise, tritt auch das unter der Dngä (Krummholz) 
gehende, bisher ruhige zweite Pferd über die Deichsel und wird 
H teiüpo wie verrückt, schlägt nach hinten gegen iUder und Wagen 
aus, ist unniöglicli zu bändigen und geht mit dem Wagen durch. 
Zum Glück wird seine wahnwitzige Jagd bald gehemmt, da die 
eine Deichsel dem Thier jswisdien den Hinterbeinen steckt. Der 
Kutscher vermag daher das Gefithrt zu erreichen und ansnhdten. 
Es gelingt das wilde Thier aus der engen DogA^Spannang in befineien 
nnd anscheinend zn besänftigen; aber nnr anscheinend, denn sowie 
wir gemeinsam den Versnch machen, das Thier wieder einznspannen, 
beginnt der Scherz von Neuem. Als ob der Satan selber in das 
Pferd gefahren, schlug es nach hinten und vorne aus and schliesslich 
unserem Kutscher so unglücklich vor die Brust, dass er zusammen- 
brach und das wilde Tliier losliess. Da sasspn wir nun mit unserer 
Weisheit. Ein Reitpfei^ um das Pferd 7.n lauLivn hatten wir nicht; 
dazu bemühte sich Saposchnikow um den stöhnenden Kutscher, und 
ich hatte das zuerst scheu gewordene linke Handpferd am Zügel. 
Aber wie immer, wenn die Kotli am grösste», ist die Hülfe am 
nftcbsten. Zwei Kirgisen, welche des Weges kamen, hatten unsere 
venweifelte Situation bemerkt und ihnen gelang es, das dmrch- 
gebrannte Pferd wieder einsufangen. Die Pferde hatten wir nun 
gtflcUich wieder, aber einspannen war einfiich unmöglich. Das 
Hintenausschlagen beginn sofort wieder, sobald das Thier auch nnr 
die Nähe der Deichsel spttrte. Wir konnten nichts anderes machen, 
als die beiden Pferde unserer von einem vielleicht I2jahrigen Jungen 
gelenkten Telega ausspannen und das eine derselben in die Dugä 
unseier Pletuschka einspannen. Die beiden wilden, im Laufe der Affaire 
übrigens tiberall Mutio- p;t^scl)nndei)pn Pferde mussten unninp^espannt 
bleiben und am Wagen angekjunden werden. Das alles spielte sich 
bei 34 "C Srli.itten-Temiteratur in vollständiger Wüste und Einsamkeit 
ab und halle entschieden zu einer höchst unbequemen Situation 
führen können, da mau ohne Pferd und Wagen mit dem zahheiciien 
Gepttck hier nicht hätte vorwärtskommen können. 

Mit dem einen Zugpferd vor jedem W^agen ging natürlich 
zanflchst die Reise langsamer als bisher; wir gelangten erst ziemlich 
spat am Nachmittag des 2. September auf die Postronte bei Drdsbar 
und dann auf dieser in der üblichen Keiseart per Tarantass am 
4. September nach dem wahrhaft elenden Nest Sergiopol. 



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265 



Hier in Seigiopol in der Poststation traf ich zn meiner üeber- 
nadiang schon wieder eine deutsche wissenschaftliche Expedition, 
bestehend ans den Herren Prof. Grttnwedel, Dr. Hath (Privatdocent 

in Berlin) und einem dritten mir unbekannten Hen*n, welche nach 
KuMscha und weiter nach Turfan za arehAoIogiscben Zwecken leislen. 
Quel embarras de richesse! 

In Sergiopoi galt es von Neuem nachzusinnen, wie wir weiter zu 
unserem Mammuth auf direktestem Wege vordringen könnten. Und 
auch hier half uns die Coc«irde an der Saposchnikow schen Mütze! 
Wir mietheten eine offene Telega (ein Taiantass war nicht auf- 
zutreiben) mit drei Pferden, verstaaten unser Qepäck anf derselben 
und nns mitten dazwischen und fiibren wiedenim anf dem direkten 
SemskQ-Trakt am Naehmittag des 4. September von ' Sergiopol in 
nordöstlicher Biehtnng nach Kokpekty. War die Fahrt durch die 
Ala-knl-Seenzone bereits die reinste Wflatenreise gewesen, so war es 
die Fahrt nach Kokpekty erst recht. Anfiings begegnete man noch 
hin und wieder Kirgisen, welche an fliessendem Wasser ihre Jurten 
aufgeschlagen hatten; dann aber blieb das fliessende Wasser aus 
und mit ihm erstarb Menschen-, Thier- und Pflanzenleben. Am 
6. September hatten wir Noth, überhaupt Wasser zu finden, und 
was wir lau ieii war sumpfig und salzig und konnte nur durch Auf- 
kochen unscliadlich gemacht wenlen. Auch Feuer anzufachen, war 
in dieser völlig liulzarmen Wusu^iisteppe schwer, uiul mussteu wir 
bereits auf dem Wege jedes Stückchen Holz und vor Allem jedes 
Stflek trockenen Knb- oder Fferdemist anüMunmeln nm am Mittag 
resp. Abend einen warmen Tschai kochen in können. Die zwei 
Nächte in dieser Wflste (6. nnd 6. September) brachten wir nnter 
dem Schutz unserer Decken nnd Ptolze wieder ohne Zelt im Freien 
zn und niemals schlief ich besser und freier als in diesen Nächten. 

Endlich am Abend des G. September kamen wir in die Nähe von 
Kokpekty, denn wir übei-schritten einen grösseren Fluss. der nach der 
russischen 1:40 Werst-Karte nur der Kokpekty- Fl uss war und von 
wo das Dorf nur noch eine gute halbe Staude entfernt sein konnte. 
Aber dip Karte war leider falsch! Wir führen und fuliren, es wurde 
dunkler und dunkler und kein Kokpekty war zu sehen. Die Pferde 
verloren jeden Augenblick den Weg und es blieb nichts übrig, als 
den Weg mit der Laterne zu suchen. Ich ging also dem Wagen 
ca. 10 Werst lang mit der Laterne vorans, bis wir in dar Ferne 
endlich Hnndegebell hOrten und das Dorf bald darauf erreichten. Im 
sogen. SemskiJ' Quartier (Beamtenqoartier) klopften wir die schlafenden 
Hauslente heraus und legten nns erst spät in der Nacht nach 



266 



Abpacken des Gepäckes etc. zur Ruhe, erwartungsvoll auf <h^n nächsten 
Morgen harrend, wo uns der Kosack das ominöse Miiminutli zeigen 
sollte. Ich träumte schon von der Pliologidphie. die icli von diesem 
Eiszeitmenschen in den Armen eines Mamniutli machen wollte. Aber 
welche Enttäuschung brachte der nächste Morgen (7. September). 
Der Komek kam und braehte ein gMa elendes zerschlagenes 
Sehenkelkiiocheiistack eines Kammnth. „Und wo liegt das ttbrige 
Skelett?*^ ,,Skelett? Skelett? wie so? Ausser diesem Knocken hat 
man noch einen anderen Knochen gefunden, den haken aber die 
Arbeiter bei der Wegearbeit zertrttmtnert,** war die Ta'blfllfende 
Antwort. ^^VieUeicht, wenn man gräbt, findet n ti mehr," fügte der 
naive Kerl hinzu. „Und wo liegt der grosse Mensch?" „7 "Werst 
von hier unweit dpr Poststrasse; die Manimuthknochen aber habe ich 
18 Werst von hier gefunden." Gospodi pomilu! Wir sanken auf 
den nächsten Stiiiil und füblfen uns grässlich hereiiiGrpfallen. So 
hatte es natürlich absolut, keinen Zweck, diesen Dingen weiter nach- 
zuspüren, um im bessien Falle ein Menschenskelett auszugrHben, was 
vielleicht vor wenigen Jahren nocli als Kirgise in der Welt herum- 
gelaufen war und Kumys getrunken hatte. Wir Hessen den naiven 
Kosaeken unsere ganze Verachtung ffthlen nnd ihn, der bereits von 
Gott weiss welchen Belohnungen für seinen bedeutungsvollen Fund 
getrftumt hatte, merken, dass er im Wiederholungsfall etwas vor- 
sichtiger in der Mitfchdlnng seiner welterschllttemden Funde zu 
sein habe und nicht dem Senat einer russischen Universität von 
einem Mammath' snsammen mit einem Menschen - Skelett zu 
schreiben habe, wenn das eine corpus delicti am Punkte X in 7 Wei*st 
nnd das andere nm Punkte Y in 18 Werst sich befinde. Mit einem 
moralischen Fusstntt verabschiedeten wir uns schleunigst von diesen» 
Liebhaber- Geologen und machten noch am selben Tage, dass wir auf 
kürzeste in Wege am Flusse Tschar-nrban entlang wiederum auf 
Beamten-Trakt nach Semipabttinsk kamen. 

Aut dieser Ruule fuhren wir in der schou häufig geschilderten, 
wenig erquicklichen Weise von morgens bis abends im köstlichen 
Wechsel, bald in einer engen Fletuschka, bald auf einer offenen 
Telega, bald in einem rumpelnden Tarantass. „Wie*« trefft, bald so, 
bald so!" Auch hier ist die Gegend trostlos, einförmig, mensclienleer 
und anf die Daner tötend langweilig. Am Morgen des 9. September 
endlich erschienen die weissen Thflrme von Semipalatinsk am Horizont 
der endlosen west-sibirischen Ebene, in deren Bereich wir nunmehr 
definitiv eingetreten waren. Gleichzeitig aber begann filr uns hier 
in Semipalatinsk wieder ein menschenwürdigeres Kulturleben und 



▼or AUem «ioe etwas weniger Köriier nnd Qeist zenrUttelDde Reise- 
methode, als bisher, indem auf dem Ti tysch ein Dampfer uns erwartete. 
Und zwar traf es sidi selir günstig, dass dieser Dampfer noch am 
Abend des Tages unserer Ankauft in Semipalatinsk (9. September) 
abfuhr. 

Es blieb nur soviel Zeit, um die St -»dt zu hesif hticrcii, sich in 
einer rusvisrhen Radestube iiarli bekannter Meiliude de» Abbrühuugs- 
systems mit lieib^em Wasser und i^ampf von dem ungbiublichen Staub 
und Schmatz der letzten Tage zu reinigen, bei einem Bekannten 
Saposchnikow's zu essen, Briefe abzuholen und dann an Bord zu gehen. 
Hier in Semipalatinsk gelang es mir glttckUcher Weise aoeb, zu einem 
gans annehmbaren Preise, Sattel, Zelt and Feldbett za yerkaafen 
nnd dadorch bereits mein GepSck am ein Bedeutendes za erleichtem. 
Biesen Handel mit alten Sachen, habe ich dann in den teteten zwei 
Tagen vortheilhaft fortsetzen können. Ich lernte nämlich hier einen 
dettlschen Ingenieur aus St. Petersburg an Boi-d des Dampfers kennen, 
welcher soeben aus den Goldgebieten der Jenissei-Taiga kam und 
die bekannte Firma Arthur Koppel vertrat. Dieser bat mich vom 
Hinimel bis zur Erde um meinen Pelz, Khaki- Anzue und "2 Toinisten- 
heiaden, da er. immer auf der Reise, keine (leiegenlieit habe, dtrartige 
praktische Stücke in ^Sibirien zu erstehen. Ich sah nicht ein, warum 
ich die giiustige Gelegenheit mein Gepftck weiterhin zu erleichtern, 
nicht benutzen und gleichzeitig verhindern iE>i>lUe, dass diese Dinge 
za Hanse anbenntzt von den Metten gefressen wflrden. 

Seit dem Morgen des 10. September bis heate zum Abend des 
12. September schwimme ich nnn aaf dem Irtysch stromabwftrts nach 
Omsk and habe die Zeit aasser mit gutem Essen nnd Trinken mit Ab- 
lassen dieser Zeilen trefflich ausgeflillt. Die Ufer dieses Flusses 
sind anglaublich einförmig und niedrig, ohne jeden Reiz nnd ohne jedes 
Interesse, ein Tiefland-Steppenfluss xtn /lo^^V, aber selbst ohne den 
Gegensatz von Steil- nnd Flachufer und ohne jede Vegetation, Dinge, 
welche doch im europäischen Rus.sland etwas Reizvolles in das Bild 
bringen. Auch die Orte an denen der Dampfer hält, sind ausser 
Pawlodar, einer etwas giös.sei'en Stadt, nur elende Nester aus 
hölzfciuen Blockhäusern und weiss «?etttnchteu Kujjpelkirclien. 

Heute Abend um 11 Uhr soll der Dampfer in Omsk sein und 
am 2 Uhr nachts bereits werden wir nach Tomsk weiterfahren. In 
Tomsk werde ich nor so lange wie nöthig bleiben und dann mit 
dem sibirischen Express geraden Wegs Aber Moskau, Warschan, 
Berlin heimwftrts fahren. 



268 



Sitzungsberichte 

vom 1. Januar 1901 bis 5. Juni 1002. 
Von Dr. Max Friederichsen. 

251. Sitzung. 3. Janimr 190t 
Vonitsender : Herr Smiator H. Roscher. 

Nachdem der Vorsitzende die Versammlung im neuen Jahre und am 
Beginn eines neuen Jahrhunderts begrüsst und mit einem kurzen 
Rückblick auf die Fortschritte geographischer Forschung im verflossenen 
Säculum den Wunsch fQr eine stetig fortschreitende Bntwickdung der 
Erdkunde im neuen Jahrhunilert verbunden hatte, macht Herr Dr. 
H Miohow Mitthcihingen iU)cr Hertstellung eines geograjtlii.sclien Saecular 
kuUiiüges. Zweck dieser verdienstvollen, von Herrn Dr. Michow vor 
sehn Jahren begonnenen Arbdt ist die bibliographiaebe Zusammen- 
stellung und systematische Oropfarung aller von 1801 bis Ende 1900 
in geographischen Zcitschnftfn und Gesellschafts -Publikationen (ein- 
ScbUeeelich Akademiescbriften) erschienenen erdkundlichen Au&ätse und 
Abhandlungen. Selbstständige Werke geographisdhen Inhalts, wie sie 
■L V> Ii« jährlich von O. Baschin redigirte und von der Gesellschaft 
für 1^1 lkiin(]t- zu Berlin herausgegebene ,,Ril)liotheca geographica" gleich- 
falls auininirat, soll die.ser Katalog nicht registriren; er kann also schon 
aus diesem Grunde in keiner Weise als ein Kunkurrenz-Unternehmeu 
der „Bibliotheca geographica" betrachtet worden. Dagegen wird der 
Michow'sche Jahrhundert-Katalog eine weit detaillirtere Gliederung des 
Stoffes vornehmen. So ist beispielsweise der Ab.schnitt „Forschungs- 
reisen in Afrika^' einmal historisch, sodann alphabetisch und endlich 
nach Ländei^ruppen, also räumlich, eingetheilt und gestattet aus 
diesem Grunde für den jewdHig^n Zweck eine schnelle und müheloee 
Orientirung. Es ist zu wünschen, dass es Herrn Dr. Michow gelingen 
mih^e, diese mühselige Arbeit in den vorgesehenen etwa 5 Jahren zu 
volfenden. Bis dahin stehen den Mit^iedem der Geogra])hiflchen 
Gesellschaft Theile des handschriftlichen Kataloges, welch letzterer aus 
lokalen Gründen seit einiger Zeit von der KommerzKil Ii nthrl: in die 
Wohnung de.-; Redner.>< verlegt wurde, auf Anfragen zur V'erlugung. da 
es nur erwüusclit ^eiu kann, wenn bereits vor deüaitivur Fertigstellung 
des Katalogee das mit so viel Aufwand an Zeit und Arbeit gesammelte 
Material nuUbar gemacht xu weiden vermag. 



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262. Sitauni. 6. Janutr 1901. 
Voraiteendw: Hen BQigermdstor Dr. Mönokeberg. 

Herr Dr. Karl Sapper (Leipzig) hielt den angekündigten Vortrag 
über „Produktion und Verkehrswesen von Mittei-Amerika". Redner, 
welcher 12 Jahre lang Mittel-Amerika, von Mexico bis an die Orens- 
gebiete Columbiens, auf zahllosen Reisen gründlich kennw laute, hat 
neben seinfnn Hauptziel einer möglichst ein.rnli'^iiden geogmphischon 
und geologisciien Durchforschung des Landea aucli dem Handel und 
Plantagenbau, sowie der Politik ein wachsames Auge zugewandt. Diese 
Vielseitigkeit Reiner Studien kam Redner für eine wisBensohaftliche 
Behandlung oben gestellten Themas sehr zu Statten, denn Produktion 
und Yerkehrswesen eine« I^andes sind so innig von seinen phys^ikidisrhen 
und politischen Verhältnissen abhängig, doss es einen ganz besuadcron 
Reis gewähren musB, diesen Wecb^beadbungen swiedben der Natur 
und den menschlichen Bestrebungen und Bedürfnissen nachzuspüren. 

Die heutipo horizontale Gliederung Mittel - Amerikas ist das 
kompiicirte Produkt einer langen geologischen Entwickelung, vor Allem 
dn Beeultat der tdLtcmiechen Vorgänge in jungtertiärer Vergangenheit. 
Damals büdettti sich die Küstenlinien von Britisch Honduras und 
Yukatan g^iren das Knraibi.sche Meer durch Abbruch und entstand die 
pacifische Küste Mittel-Amerikas als Rand eines grossen Senkungffeldes. 
Zusammen mit letzterer Bildung enttitauden die jugendlichen Vulkan- 
ketten von Quatemala, San Salvador etc. in Form eines jugendlichen 
Gebirgslandes und schufen die Wasserscheide zwischen Atlantisdbem 
und Pacitischem Weltmeer, Die dem Stillen Ocean nahe Lage dieser 
Hauptwasserscheide, deren Eutstehung geologische Gründe hat, gewinnt 
heute dadurch grosse Bedeutung, dass kune und fSr den Verkehr 
werthv<rf)ere Ströme nach der atlantischen Seite Mittel*Anierikas abfliessen. 

Von unmittelbar verkehrs]»n!iti<^pher Bedeutung wurde eine geologisch 
sehr jugendliche Senkung der Kübte von Britisch Honduras und der 
nördlich benachbarten Theile der Halbinsel Yukatan dadurch, dass hier 
eine heute durch Korallenriffe wie durch natürliche Wogenbrecher vor 
dri rnliill des oflenen Oeeans geschützte Flachkü-t'- mit trelTHchen 
Hiifeu ent-^tand, wälirend das übrige Mittel- Amerika nur <ia gute Hilfen 
hat, wo wie in der Chiriqui-Lagune oder in der Fonsjeca-Bai das Meer 
GebirgBBÜge direkt durdibroehen hat Sonst herrscht die ungeschützte 
Flachküste als Endprodukt der geologischen Entwickelung der horizontalen 
Gliederung vor und erschwert, wie an der Küste von Chiapas, Guatemala 
und San Salvador, durch eine gewaltige Brandung das Landen von 
Menachen und Waaren. 

Die jut^isten geologisdim Büdungent die Vulkanei haben ihre 

zeitweiligen Verheerimgen durch Erdbeben bei Weitem dadurch wieder 
aufgewogen, dass sie das Land weithin mit leicht verwitternden, 
lockeren und ungemein fruchtbaren Auswurfsmaasen bedeckten. Dieser 
vulkanische Boden ist t. B. för den Anbau des Kafieee von grSester 
Bedeutung und ermöglicht, vom Antipassat bis nördlich Coban verfrachtet, 
auch selbst dort noch diese wichtige Kultur. Sinen Nachtheil hat 



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270 



freilich diese weitgehende Bodenbedeck u 112: 'Inrch lockor*^ \nilkani8che 
Auswurfsmaspen deswegen, weil die Auswaschung durch gewaltige 
tropische Regengüsse in ihr tiefe Risse eingräbt, welche in Form enger 
ErodonBtiiller den Verkehr erschweren. 

Prozesse der Gebirgsbildung und der Abtragung durch fliesnende 
Gewässer sind es auch, welche die MineraLschiltz e des Erdinnern dem 
menschlichen Uaternehniungsgeiste näher bringen und der Verwerthung 
zugänglicher machen. In Süttel-Amerika geschieht dies fireilich ohne 
grossen Erfolg, und Bergbau auf Gold und Silber ist im Augenblick 
eigent!ie}i nur in Honduraf und Nicnrnfrna von einiger Bedeutung. 
Im lTri>ijdeu und Ganzen ist Mittel-Amerika auf grosse Strecken vor- 
wiegend ein Gebiet der Landwirtbschaft und des FlantagenbaiMS, zweier 
Kulturformen, welche im Grunde wiederum in dw geologisch b^ingtcn 
Bodenkonfiguration und in der durch letztere veranlassten , für die 
Ye^retations- und Anbau verliältnisse des Landes aussohlaggebonden 
kiiiuatischen Difi'erenziruiig wurzeln. 

Da Mittd-Amerika völlig in den Tropen litgt, mässte theoretisch 
überall ein feucht-warmes Klima herrschen, wenn nicht eine bedeutende 
Wärmeabnahme mit der Höhe, in Folge des Vorhandenseins beträcht- 
licher Gebirge, stattfände. Diese Erhebungen erreichen z. B. in Guatemala 
4200 m, in Costa Rica ca. 3900 m, in Chiapas etwa 2700 m. Da aber 
die Wärmeabnahme z B. im Guatemala- Waldgebiet pro 100 m 0,61 " C, 
in Süd Ciuateniala 0,51 "C, in Costa Rica 0,58 "C beträgt, so giebt bereits 
eine Höhenschichtenkarte, wie sie Redner in jahrelanger mühevoller 
Arbeit herzustellen vermochte, zugleich eine Idee von den thatsächlichen 
Wärmeverhältnissen. Gleichzeitig giebt eine solche Karte unter 
Berücksichtigung der Abhängigkeit der wildwaclisenden und der Kultur- 
y)flfin;'en von gewissen maximalen resp. minimalen Wärmemengen, einen 
annunernden, aber sicheren Anhalt für den vermuthlichen Vegetations- 
«Varaktor resp. die Kolturföliigkeit eines Terrains. So gedeiht s. B. 
Kafiee erfahrungsgemfiss vorzugt^weise zwi.schen 600 und 1200 Kakao 
in 0—600 m, Zuckerrohr in 0—1800 m, Indigo in 0—600 Henequen 
in 0—800 ra etc. 

Sin «weiter för die Produktion des Landes höchst wichtiger Faktor 
sind die Niedersdilagsverhältnisse. Hier bedingt die Anordnung der 
Gebirge eine ausgeprägte thernii 'lip ^iliederung in der Horizontalen. 
Bei dem vorwiegend ost-westlichen streichen der Gebirge und dem Vor- 
herrschen des NO-Passates, lassen diese feuchten Winde ihren Wasser- 
gehalt vorwi^nd an der atlantischen Seite Mittel^Amerikas iallen. 
Dagegen ist die pacifische aus dem gleiclien Grunde meist trocken und 
nur da, wo die Gebirgsmassen, wie im mittleren Guatemala, f^o in die 
Breite entwickelt sind, dass sie im nordliemiBphurischen Winter ein 
eigenes Loftdruckminimom über sich entwickeln und dadurch feudite 
Monsune vom pacifisch«! Wdtmeer her erzeugen, ist sie regnerisch. 
Ausser diesen Verhältniswn kommt für ii' Produktion von Kultur- 
gewäohsen die Neigung der Gehänge, sowie die Möglichkeit der 
Beschaffung von Arbeitern in Betracht, und viet&di haben bade 
Gründe sonst dem Anbau günstige Landexstrecken Mittel-Amexikaa der 
Kultur entlegen. 



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271 



Das Gleiche gilt von den Verkehrsv-^erhältnissen. Im flachen Lande, 
besondere auf der atlantischen Seite Nfittel Amerikas, ist zwar auf den 
Flüssen ein leichter und billiger Transport möglich, aber im Gebirge 
ist dieses Vbnrarfskoininen sti Wasser sofort unmöglich. Dus Eisenbahn- 
neU ist noch wenig entwickelt» und Produkte, welche, wie z. B. die 
Bapfinon, schnellem Vorderben ausges'-tzt si?>f], können unter diesen 
Umstanden nur in der Nähe eines Halens, welcher sofortige und billige 
Verfrachtung zur See ermöglicht, mit Nutzen angebaut werden. Die 
hohen Tarife fQr Landfradit erschweren dagegen überall die Abfuhr der 
Produkte ans dem Innern und liihmen den Handel, welcher aucli sonst 
unter den wenig erfreulichen jmlitischen Rt^dingungen, den grossen 
Schuldenlasten der Quaehien Republiken und dem vorwiegenden Umlauf 
von entwerthetem F^pietgeid xu leiden hat 

253. Sitzung. 7. Februar 1901. 

Vorsitzender : Herr Bürgermeif?t«r Dr. M ö n c k c b c r g. 

Nach Erledigung einiger gesrbaftliclier Angelegoidieilen gelangt ein 
Auszug ans einem am 16. Januar a. c. hier eingetrofi'enen Brief des 
Herrn Prof. Dr. Theobald Fischer (Marburg) zur Verlesung, worin 
derselbe inittheilt^ dtm er diii im Auftrage der Hamburger Geographischen 
Gesellschaft auRzuführende 3. marokkanische Reise am 17. Januar via 
Marseille und Algier antreten werde und Mitte Februar mit der Arbeit 
bei Mogador zu beginnen gedenke. 

Sodann wird die vom Kaasirer der GeseUschnft, Herrn Senator 
Westphal, angestellte und von den Herren Revisoren für richtig befundene 
Al)rechnung pro 1900 (siehe diese Mitthcihingen, Bd. XVII, p. 256) der 
Versammlung miteetheilt und von ihr genehmigt. 

Hierauf hilt Herr Landgerichtsdirektor Dr. H. Föhring den an- 
gekOndigten Vortrag : „The E m e r a I d I s 1 e". Fünf Bilder aus Irknd, 
erläutert durch '^0 Lichtbilder. Mit Uebergehung des ersten, die all- 
bekannten geograi»hi8chen VerhiiUnisse Irlands kurz skizzirenden Bildes, 
sagte Redner ungefähr Folgendes: 

II. Vor* und frfihgeschichtliches Bild. Ob Irland eine autochtone 
Bevölkerung gehabt hat, ist bis jetzt nicht bekannt. Sollte 68 wahr 
sein, dass die Wiege des ^f^r^f^ehengeschlechts in Centrai-Asien gestandon 
hat, so giebt es überhaupt jenseits der Grenzen dieser Wiege kein 
Autochtonenthum, sondern nur Einwanderung, und als Autochtonen 
könnten nur die ersten Nachkommen diesw Einwanderer gelten. Irland 
hat, wie so manche andere Staaten, wesentlich zwei Einwanderungen 
erlitten, eine finnische, etwa HOOG Jahre vor Christi Geburt, und eine 
keltische. Von der crsteren ist nichts mehr vorhanden, als eine Anzahl 
m^alithis(^er Riesenbauten mit räthselhaften Ornamenten auf den 
Steinen, von der keltischen dagegen sehr, sehr vielem. 

Da die Scythen oder Schot t^n bei ihrer rel)erschwemniung Europas 
sich auch in Irland und von da aus in öchuttland niederliessen, so haben 
beide LAnder Iftngere Zeit dm Nunen Sootia geführt und awar biess Erin 
oder Irland „Seotia miyor" und Caledonien oder Schottland „Sootia minor". 



272 



Die Kelten waron in eine Menge von Stämmen, Clans, getheilt, 
welche von Häuptiingeii regiert wurden. Nach und nacli bildeten sich 
in Lrland audi die vier Königrdöhe UlBter, Muneter, Leincrter und 
Connaught, und über alle vier regierte ein Oberkönig oder Ardrigh, 
deren es nach den Annalisten bis 2500 rückwärts von Christi Geburt 
gerechnet, nicht weniger als 142 gegeben haben solL Der Ardrigh 
reeidirte auf dem etwa 12 Heilen westlich von der alten Landeeliaiiptp 
Stadt Drogheda entfernten Hill of Tara, und seine Residenz bestand aus 
einer grösseren Anzahl stiiker Eidwallbefestigungen (Raths) und Gesell- 
schaftsräumen, von denen allein der grosse Fest^aal Teach-Miodh 
3000 Diner-Gäste fassen konnte. Auf einem Uügel in der Mitte des 
Rath Forradh stand der Lia fail, oder der Stone cf Destiny, d. h. der 
ytein, auf welchem die Ardrighs gekrönnt wurden, und welcher Jen 
Schotten Freiheit und Unhesiegbarkeit verbürgen sollte, so lange er sich 
in ihrem Besitze betinde. Inzwischen ist er leider soweit herunter- 
gekommen, dass er nur noch als FussBchemel Ar den Krönungssessd 
der englischen Könige iu Westminster Abbey dient. 

Der Hill of Tara war auch der Mittol])unkt des ganzen politischen 
Lebens des alt-irischen Volkes, indem alle 3 Jahre auf ihm unter dem 
Vorsits des Ardrigh Volksversammlungen sur Bemthang dffi^tlicfaer 
Angelegenhdten abgehalten wurden, und bei denen ^nxende Be- 
wirthuiiL'f^n seitens des Ardrigh mit glänzenden Reiter-, Waffen- und 
anderen Spielen seitens der Besucher abwechselten. Zwischen dem Hill 
of Tara und dem Städtchen Slane am Flutte Boyne lagen auch die 
Grabstätten jener 142 Ardrighs, von dmen swar jetct die meisten 
verschwunden, einige finnische von besonders grossem Umfang {bis 
500 Schritt), grosser Hölie (60 Fuss) und hochinteressantem Innenban 
jedoch noch erhalten sind; dahin gehören z. B. die Ganggräber von 
NeW'Grange, Dowth, Knowth u. & w. 

Die Quelle dieser, von der ältesten bis gegen das Jahr 1000 nach 
Christi Gehurt sich r-r tr-^ckenden Zeit sind die Lieder und Gf^sfi!!<};e der 
Barden und der MinsLrels, d. h. der Sänger und Harfenspieler der 
Häu])tlinge und der Könige, in deren Hofstaat sie eine bedeutende 
Rolle spielten. liire früher nur von Mund zu Mund vererbten Lieder 
Hind später nach und nach in kehischer Si)rache niedergeschrieben und 
im Jahre 1616 von vier (ielelirten, darunter 2 IMönche und 1 Jurist 
gesammelt und unter dem Titel: „The Annaia of the four Masters", 
xusammengestdlt und gedruckt. Im Jahre 1851 endlich sind sie von 
M. O' Donavon, einem Rarrister, in's Englische übersetzt. In den 
Bibliotheken des Trinity-CoU^e und des Kational-Museum au Dublin 
sind sie zu hnden. 

III. Staatsgeschichtliehes Bild. Vom 8. bis 10. Jahrhundert litt 
Irland unter den Einfallen der Vikinger, namentlich der Dänen oder 
Ostmannen, an der Ost-, Süd- und Westküste, woselbst sie grössere 
Städte wie Dublin, VVaterford, Cork und Limerik gründeten, auch vier 
kleine, nur bis ins 12. Jahrhundert sich erhaltende Königreiche 
«rrichteten ; das staategeschichtliche, über das Mittelalter bis in die 
neue Zeit sich erstreckende Bild, welches ich Ihnen jetzt, aber nur 
aphoristisch, vorführen will, beginnt erst mit dem Jahre 1171. 



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278 



1. In diesem Jahre hatte der Ardrigh O'Connor den König 
Dennond von Leinster vertrieben; Dennond wandte sich hülfesuchend 

an König Heinrich II. von England, der auch baldigst bei Waterford 
landete, dann aber den südöstlichen Theil Irlands an sich riss und eich 
daselbst festsetzte. Von dieser Zeit an ist die englische Herrschaft über 
Irland immer weiter ausgedehnt und hat schliesslich zu völliger Unter- 
werfung dee ganzen Landes geführt, Bodass Heinrich VHI. sich 1542 
als König von Irland krönen lassen konnte. Die von den Eroberern 
von Anfang an bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts gegen die irische 
Bevölkerung verübten Bedrückungen, RechtB- und Eigenthumsverletzungen, 
die Verfolgungen des nationalen Katholicismus durch das von dem vet- 
hassten Engländern im[>ortirte Protestantenthum, der völlige Ausschluss 
der Iren und Katholiken von allen öflentlichen Aemtern und Würden, 
die Einziehung der grossen, im Besitze des irischen Adels betindlicben 
Hensdiaften, ihre ParzelUrung und Veriheilung an englisdie und 
schottische Familien, unter Elisaheth, die Erhebung der protestantischen 
Kirche zur Church of Irland u. s w. mit allen ihren traurigen, ttooh 
bis heute fühlbaren Nachwehen sind genügend bekannt. 

2. Sie erreichten ihren Höhepunkt unter dem von politischem wie 
religiösem Fanatismus beseelten Cromwell 1649—1568, der, bei Orogheda 
landend, da.s ganze katholische Irland mit Feuer und Schwert verwüstete, 
seine Wege mit Blut und Mord markirte, alle Irländer nach den west- 
indischen Inseln deportircn wollte, sie zu di^m Zweck im ganzen 
Lande von Haus und Hof verjagen und wie das Vieh in das Gebiet 
von C(Hinaught zusammentreiben, und als sich der unmenschliche Plan 
als unausführbar erwies, in einzelne feste Städte einschlieBsen und äxgfit 
als Strafgefangene behandeln und bewachen liess. 

8. In Irland wurde 1690 der schon über anderthalb Jahrhunderte 
dauernde Kampf des Protestantismus und des Katholicismus und swar 
fiegroich für den ersteren ausgefochten, indem Wilhelm JU. von Ornnien 
den schon 1688 vom Parlamente abgesetzten und flüchtig gewordenen, 
dann aber von Frankreich aus mit einem Heere in Irland landenden 
König Jacob II., den eifrigsten Verfechter des Kath<didnmus in der 
Schlacht an der Boyne, nördlich von Dublin, derartig schlug und 
bföiiegte, dasa er wieder nach Frankreich flüchten musste, wo er 1701 
verstarb. 

4. Der wichtigste aller R^erangsakte Wilhelm 's III. war der 

Erlass der von dem Parlament von ihm verlangten Declaration of RIght, 

welche die Rechte der Staatsbürger und des Parlaments gegenüber der 
Krone und der Regierung festlegte, namentlich auch die persönliche 
BVeiheit gegen willkürliche Verhaftung sicherte und die besten Fan- 
damental-Grundsatse der noch honte geltenden englischen Verfassung 
enthielt. Ihr vorauf gingen bekanntlich die Karl dem T. 162S, he/,w. 
Karl II. 1679 abgerungene Petition of Rights, bezw. die Habeas Corpus- 
Akte, welche aber auf wenig mehr aln auf dem Papier bestanden hatten. 

5. Im Jahre 1800 wurde swischen England und Irland die sogen. 
Legislative Union vollzogen, wonach das irländische Sonder Parlament 
aufgelöst und der Eintritt einer bestimmten Anzahl irländifscher 
Deputirter in das englische Parlament beschlossen wurde. Diese Union 

MtttMIngMi XVIU, Dr. Hix McdwIohMB. U 



274 



wll wesentlich durch Bestechung su Stande gekommen B6in und etWA 

2 Millionon £ pekostet haben. 

6. Der bekannte irische Agitator 0 ("onnell bemühte sich durch 
Gründung der sogen, Repeftl- Associationen, durch Schriften, Abhaltung 
riesiger Volksveraammlungen und durdi unermüdlidie parlamentarische 
ThäUgkeit diese, allen irischen Patrioten verhasste Union wieder auf- 
zuheben, er starb aber 1847 in Gmnia, ohne diese Aufhebung, die er 
als das Ziel seines Lebens bezeichnete, erreicht zu haben. 

7. Viele Hunderttausende politiach uniufriedene und viele Hundert- 
tausende durch die schrecklichen Hung^ahre 1846 und 1847 sur 
Verzweiflung getriebene völlig verarmte Irländer h:\hon dann ihre 
Heimath verlasäen und sind nach den Vereinigten Staaten ausgewandert, 
und die furchtbare Wirkung und Nachwirkung dieses „Irischen Exodus** 
ist die, dasH während Irland noch bis in die Mitte des 19. Jahrhuttderta 
über S Millionen Einwohner zählte, diese Zahl jetzt auf et\v:u- mehr 
denn 4 Millionen berabgppunken ist. Dann endlieh hat England, und 
theilweise mit anerkennent>werthem Erfolge, angefangen, durch Ausübung 
grösserer Geredhtigkeit gegen alle IQaseen der Bevölkerung und durch 
Aufhebung der bevorzugten Stellung der Protestantischen Kirche (1869) 
die Gemüther zu versöhnen und durch Ausführung öflentlicher Arbeiten 
und Anlagen aller Art die tiefgesunkenen socialen Zustände Irlands zu 
verbessern. Die Aufhebung der Union von 1800 wird es eher echweriidi 
je bewilligen. 

IV. KnlturgeschichtlieheH Bild. In diesem Bilde will ich Ihnen 
die Oghan-Ötones, die Triaden und die irischen Mönche schildern. Die 
bei uns Alst völlig unbekannten Oghan Stones pind Gedenksteine mit 
einer Inschrift, d«ren Lettern aus Strichen und der Stellung derselben 
zu einer langen, ihnen als R-u-is dienenden Linie bestehen. Als 
Krtiiider dieser Schrift gilt Ognia, der Bruder eines Fürsten der (iaedhill, 
und ihr Alter wird aul mehrere Tausend Jahre vor Christi Geburt zurück- 
verlegt. Die Schrift befindet sich fast immer an einer der scharfen 
Kanten des Steins, sdten auf der breiten Fläche, und die Inschrift 
selbst ist sehr kurz. Wenn ich den Ansichten des (belehrten M. Andersen 
aus fidinburg folgen darf, so enthält das Oghan -Alphabet im Ganzen 
20 Lettern, nämlich 5 Vokale, 13 Konsonanten und 2 Doppel- 
Konsonanten; andere Gddirte sind aber ^na anderer ^leinung, und ea 
geht in dieser Beziehung mit den Oghans wo!d noch schlimmer als 
mit den Runen. Der Werth der Steine für die prälüstorische Forschung 
ist bis jetzt noch rdativ, kann aber durch endliche Findung des 
richtigen Schlüssels sehr bedeutend werden, da dann auch die 
prähigt<;ri.sche Zeit, in Irland weMigi^tens, iliro Geschichte Itaben wird. 

Die Triaden sind dreizeilig versihzirte Normen des alten keltischen 
Gewüiinheitsrechtes, welche die Druiden als Richter anzuwenden hatten, 
und welche, da diese Bicbter den Namen „Brehons" führten» vielfiich 
auch Brehon-Laws genannt werden. Sie wurden auswend% gelernt und 
von Mund zu Mnnd vererbt, wie un;« schon JuIiub Caesar in .«einem 
Bellum-Gallicum erzählt. Der Ardrigh Cormac II., 903 — 908, iiess sie 
sammeln und in dem „book of AicilT" kodifidreo, und i^e haben bia 
in die Mitte des 16. Jahrhunderts galten, wo de, naeh völliger 



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275 



UiUorjfM'hiirig Iiliinds. durdi dii.s Common F.aw of England verdrängt 
sind, hu Jaliro 1852 hat eine dazu i-ingesetztc Konimission fiie in'.s 
Englische übersetzt und so habe aucii ich üie durchblättern können. 
Für das Bindiam der altirisdien Rechts- und Staat^eschichte ist sie 
VOD grösster Bedeutung. 

Das Christenthum wurde den irischen Kelten im 4. Jahrhundert 
von St. Patrik gebracht, der seine erste Predigt gelegentlich der Fest- 
spiele vor dem Ardrigh in dem Rath T^aogliaine auf dem Hill of Tarn 
hielt Von allen später in Irland thätigen Möachsordeu «rar derjenige 
der Benediktinor für die Entwickelung des geistigen Leb(»n«i an nnd 
jenseits der Grenze des ersten Jahrtausends der bei Weitem wichtigste, 
indem er unzählige Klöster und Schulen gründete, in denen die 
begabtesten und unermüdlichsten Reiseapostd (betreffs Deutschland und 
der Schweiz, siehe die Gründung von Corvey an der Weser und St. 
Gallen) ausgebildet und in denen Wissenschaften und Künste aller 
Art getrieben wurden. Zu den Wissenschaften gehörten uanientlich die 
klasBieche Philologie, die Philosophie, die Theologie und die Geschichte, 
zu den Künsten die Malerei| die Bildhauerei, die Architektur, die Gold- 
schmiederei, die Erzgiesserei u. s. w. In der Malerei, hauptsächlich der 
Miniatur-Malerei, haben sie in Bezug auf Flächen-Ornamente (the iuter- 
laced Bftttern, the Trompet Pattern) und auf Kolorit in den Illustrationen 
und Initialen der Manuskripte der vier Evan^;elien das denkbar Grösste 
und Schönste geleistet, und Arbeiten wie the book of Ballymote, llie 
book of Durrow und das grossartigste von allen the book of Keils (,7tes, 
bezw. Stes Jahrhundert) stehen fast unerreicht und gewiss unübertroffen 
da. Ale Bildhauer haben sie die herrlichsten Radkreuze von Monaster 
boice, Tuan, DunclifTe und Dutzende Anderer gosc!iaffen, die sit h sowohl 
durch die Schönheit ihres a^ehitektoni^?c^len .^ufbaus, wie durch die 
Pracht ihres Mittelstücks und die Mannigfaltigkeit der auf dem langen 
Schafte angebrachten ikonologiscben Bilder auszeichnen. Als Architekten 
haben sie Wunderbanten des reinsten romanischen und später des 
gothischen Styls aufgefiihrt (Mellifont-, Bective-, Slane-Abhr y u. s. w) 
und als Beispiel ihrer vollendeten Goldscbmiedekuust nenne ich nur das 
berühmte, in Gold und Silber tauschirte Prozessionskreuz von Cong. 

V. Das fünfte Bild möchte ich als chronologisches Panorama 
bezeichnen, denn es soll Ihnen auf einem Halbkreise von kaum 15 eng- 
lischen Meilen um Drogheda herum zahlreiche Denkmäler aus fast allen 
wichtigen Abschnitten der irischen GeschiuhLe zeigen. Sie sehen auf 
der über diesen beschränkten Raum entworfenen Karte aus der 
finnischen Zeit die Riesengräber von New-Grange, Dowth und Knowth, 
daneben aus der keltischen Zeit das Gräberfeld der Ardrighs bei Slano, 
den Hill of Tara, das keltische Olympia und den Hill of Aicill oder 
Skreen, den Sinai des keltischen Rechts; Sie sehen aus der frühchrist- 
lichen Zeit das Städtchen Keils, aus dessen Klosterschulo der berühmteste 
aller irischen Apostel ,,8t. Coluinlja" her%'orgegnngen und von deren 
Mönchen the book of Keils geschrieben ist; Sie sehen ferner die Stadt 
Drogheda, auf deren Kindien-Vefsammlung im Jahre 1152 die irische 
Kirche dem rdmiaohen Papst unterstellt wurde, und wo 4 Jahrhunderic 
später Cromwell landete, um diese Kirche mit Stumpf und Stiel m 



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276 



vernichten; Sie sehen aas dem 11. bis 18. Jahrhundert die Ruinen der 

Abteien von Monasler boice, Mellifont, Slane und Bective als Hueter 
der edel-sten Architektur und als Werke des begeistertsten Glaubens; Sie 
sehen endlich aus der neueren Zeit den Obelisken auf dem 8o!üacht- 
felde an der Boyne, der Gebortsetfttte der Deelaration of Right, welche 
als Monument der dem Despotiamas abgekämpften Bürgerfreiheit bis 
jetzt stand und stehen wird, nere ]>erpnniu8, dauernd-^r Erz! Und 
ich wai'p 711 sagen, dass es, die ewige Roma ausgenüniinen, wohl keineo 
Platz lu Luropa giebt, der sich mit Drogheda messen kdantel 

254. SHlung. 7. Märs 1901. 
VmsitMnder: Herr Bfiigermeister Dr, Mönckeberg. 

Bei der sanächst voi^nommenen Vorstandswabl für die kommenden 
2 Jahre wird H«rr Bürgermeister Dr. Mönckebeig als Präsident per 
Akklamation wiedergewählt. Ebenso werden die übrigen 6 Vorstands- 
mitglieder: die Herren Dr. L. Friederichsen, Admiralitatsrath C. Koldewey, 
Dr. med. W. Oehrens, Dr. Joh. Ad. Repsdd, Senator H. Roscher und 
Senator O. E. Westphal einstimmig wied«gewählt. — Zn Revisoren 
werden die Herren Konsul F. Hernsheim und G. H. Blohm und in 
den Beirath die Herron G. H. Blohm, Landgerichtsdierektor Dr. H, 
Föhring, Prof, Dr. (J. Gottsohe, Konsul F. Hernsheim, Schulrath J. L. 
Mahrann, Dr. H. Michow, Senator Dr. H. Traun, Direktor Prof. W. 
Wegehaupt, Joh. Wiengreen und J. Witt berufen. 

Sodann verlas der Präsident einen Au:«zug aus einem ,,Mogadar, 
12. Februar 1901'*, datirten Briefa des von der Gesellschaft zu seiner 
dritten marokkanischen Reise hinausgesandten Prof. Dr. Th. Fischer, 
aus dem hervorging, dass der Reisende am 17. Januar, von Marburg 
a. d. L. aus seine Reise antrat. Nach einem vierzehntägigen Aufenthalt 
in Algier ging Prof. Fischer zu I^nde weiter über die grosse Chelilff- 
Ebene nach Oran und von dort zu Schiff an der Rtffpiraten-KQste 
entlang über Melilla und Tetuan nach Gibraltar und Tanger. In 
Tanger lag der Schutz-hricf des Sultans auf tler deutschen (Jesandschaft 
bereit, sodass noch am gleichen Tage die fünf Tage dauernde Weiter- 
reise nach Mogador angetreten werden konnte. Unterwegs ging der 
Reisende in Qisablanca an Land., um Anordnungen för die dort von 
einem deutschen Kaufmann übernommene meteorologische Station zu 
trellen, deren instrumentelle Ausrüstung von der Deutschen Seewarte 
vorbereitet worden ist. Eine zweite meteorologische Station wird Prof. 
lischer in Marrakesch von Mogador aus einrichten. Bis su der auf 
den 28. Februar festgesetzten Ankunft Dr, med. Weissgerber's beabsichtigt 
der Reisende in der Umgegend von Mogatlor Aufnahmen und Unter- 
suchungen vorzunehmen und den geplanten Besuch von Ain el Hadschär 
auszuführen. Anfang März wird sodann die als Hauptziel der Reise eu 
betrachtende Erforschung des marokkanischen Schwarzerdegürtels beginnen. 

Hitrauf sprach Herr Oberleutnant Kiesling in Vertretung des 
plötzlich erkrankten und i\m ]ters(inlichen Erscheinen verhinderten 
Herrn C. G. Öchillingei aus Weiheriiof bei Düren unter Vorführung 
einer Serie von 120 Lichtbildern über die vom genannten Forsoher 



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277 



während seiner Expeditionen 1897 und 1899 im äquatorialen Ost-Afrika 
aufgenommenen Phot(^raphien lebender Thiere in der Wildnis? In 
technisch geradezu vollendeten und künsileriech kolorirten Lichtbildern 
von höcheter Naturwahrheit zogen die Vertreter der Thierwelt Ost^ 
Afrikas von der Hyäne, der Antilope, dem Scliakal, dera Zebra an- 
gefangen bis zu den gewaltigen Girntren, Nashörnern, Flusspferden, 
Elephanten, Ixiwen etc. vor den Augen der Zuhörer vorüber, und zwar 
nicht etwa in kfinsüichen Stellnngen, in welche man sie mOheain nach 
dem Tode gebracht hatte, sondern so wie sie der kühne Reisende und 
waidgerechte Jäger draussen in der Wüdniss e^'-tf lH oder wie er sie 
nach glücklichem Fang in eigens zu diesem Zweck koastruirten Fallen 
lebend photographirt hatte. Bewunderte man auf dem dnen Bild den 
künftlttiechen Geschmack, mit welchem es Schillings gelang, die 
stimmungsvollsten Bilder aus dem Leben der schlanken Antilopen, der 
zierlichen Zweiggazelien, des trägen Honigdachses und anderer Thiere 
anfzunehmen, so erregte auf anderen Hatten die Kühnheit Erstaunen, 
mit welcher Schillings ein auf ihn loestürmendee, gewaltiges Nashorn 
oder eine mit gesenktem n hörn zum Angriff anspringende Kuduantilope 
vor dem Schusse auf die Platte brachte. Einen, wenn auch mit einer 
Franke in einer Falle sitzenden Löwen aus 5 m Entfernung IS Mal in 
allen denkbaren Stellungen bei haarscharfer Einstellung des Objdctivs 
mit einem Stativapparat aufzunehmen, dQrfte imminrhin ein recht gefilhr- 
liches Unternehmen sein ! 

Es kann wohl keinem Zweifel unterliegen, dass Schülings lioch- 
interessante und eigenartige Photographiensammlung bei der über jedes 
Ix>b «habenen technischen Vollendung der einzelnen Platten uns ein 
nn*! von der Thierwolt Ost-Afrikas giebt, wie wir qf .'ilmüch bisher für 
keinen Theil der Erde, selbst nicht für europiiis^ctie Kulturländer be- 
sitzen. Hat Schillings bereits durch eine selten reiche und mit dem 
Verständniss eines Zoologen gesammelte und präparirte Jagdausbeute die 
Wissenschaft um die Keniitniss zahlreicher bisher uiihekaniiler Thier- 
formen bereichert, so fugt er durch diese Thieraufnahmen in der Wild- 
niss ein neues Verdienst hinzu, indem es dadurch möglich sein wird, 
über Bewegungen, Gesicbtsauadn»^, LebenFgewohnheiten, Nahrungs* 
zustand etc. sahlreicber wichtiger Thiere Ost'Afrikas eingebende Studien 
zu machen. 

Als zweiter Retiner des Abends sprach sodann Herr Prof. Dr. A. Fischer: 
„Ueber die neuen Theile der wasserwirthsdMftlidien VorInge an den 
preussischen Landtag ohne den Khein-Elbe-Kanal". Ausser dem von 

Redner bereit.'^ in einer früheren Sitzung besprochenen Rhein-Elbe Kanal 
soll mit denselben Abmessimgen wie jener die neue Wasserstrasso Berlin- 
Hohensaathen (Stettin) für 600 Tons Schiffe gebaut werden, an der 
unteren Oder ein wleichterter Abfluss des Oderbruches geschaffen und 
durch Theilung des Flusses di(» Ueberschwemniungsgefahr der Niederung 
bis Stettin im Sommer gehoben oder verringert werden. Ebenso soll die 
Havel-Niederung unterhalb Potsdam durch verschiedene Maassregeln zur 
Zeit der HeuMiite trocken gelegt und der Fluss selbst regulirt werden. 
Aehnliches ist für die mittlere und obere Spree geplant. Die Oder soll 
von der Mündung des GderSpree-Kanals bei Fürstenberg bis hinauf 



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278 



zur Neisee-MQndnng für 400 Tons-Schiffe vortieft werdm, um die 

Industrie Obcrechlesiens auf dem Markte von Berlin neben der rheiDisch- 
westfölischen konkurrenzfiibig zu erhalten. Die Wasserstrassc zwischen 
Oder und Weichsel, die Netze und der Bromberger Kanal sollen für 
400 Tons Schiffe eingerichtet werden, wie bie su gewissem Gmde auch 
die Warthe bis Posen. 

Das Ganze stellt nnc West-Ostlinie vom Rhein bis zur Weichsel 
dar, westlich der Elbe tur 600 Tons-Schiffe, östlich für 400 Tons-Schiffe. 
Die Ausgaben für die Landeskultur trägt der Staat zu Vierfünftel, die 
Betheiligten zu Einfünftel, während die übrigen Baukosten etwa im 
Verbältniss Zweidrittol zu Eiiidrittel vertheilt werden, und die Betheiligten 
eventuell zur Unterhaltung der Wasserstrassen lieitmgcn. 

Weil nach der Reichsverfassung t^taatliche Kanäle keine Ueberschüsse 
liefern dürfen, wie die Eisenbahnen dies tbun, erscheint durch die neuen 
Wasserstrassen das Budget des Staates insofern bedroht, als sie unter 
Umständen Zuschüsse von den Betheilicrten und dem Staat erfordern 
und jedenfalls zunächst die Einnahme der Eisenbahnen verringern. 

Nach einem UcberbHck über die wirthsdiaftlichen Folgen, die für 
Hamburg, Berlin, Handel, Industrie und Landwirthschaft erwartet werden 
können, kam Redner 7ai dem Schlnss, dass die neue Vorln^'e eine Ver- 
besserung der alten ist, insofern sie auch den Osten Deutschlands 
berücksiclitigt. Dagegen erscheint der finanziellen Fragen wegen die 
Vorlage bedenklich, besonders in einer Zeit, wo die Finanskraft des 
Landes durch die FL >ttenvorluge und den Chinakrieg ohnehin angespannt 
ist Dem Vortragenden erschien daher eine Ablehnung der Vorlage 
wünschenswerth. 



255. Sitzung. 11. April 1901. 
Vorsitzender: Herr Senator Roscher. 

Per \'orsilzentle theilt zunäclist mit. dass der in der vorigen Sitzung 
für die iiäohsien beiden Jahre neu gewählte Vorstand sich konstituirt 
und die Aeinter wie vordem vertheilt imbe, nämlich: Stellvertretender 
Vorsitcender: Senator Roscher, erster Sekretftr: Dr. L. Friederichsen, 
zweiter Sekretär: Admirnlitätsrath Koldewey, Kassirer: Senator Westphal. 

Sodann wird auf Antrag des Vorstandes Herr Prof. Dr. Hans Meyer 
in Leipzig „in Anerkennung seiner hervorragenden Verdienste um die 
Erforschung des Kilimandjaro im Speziellen und die Förderung der 
gcogra])hischcn WiBsenschaft im Allgemeinen" zum Ehrenmitglied der 
Hamburger Geographischen Gesellschaft erwählt. 

Darauf wird ein Brief des von der Gesellschaft zu seiner dritten 
marokkanischen Reise hinausgesandten Prof. Dr. Th. Fischer vorgelegt, 
in welchem über die erste, nahezu 4 Wochen währende Exkursion de^j 
Rei.^emlcn von Mogador ins Innere nnd 7nrück 7Air Küste bei Saffi 
Bt riclit erstallet wird. l>ie Reise führte durch die drei südmarokkanischen 
I'nninzen Sehedma, Ahmar und Abda, welche von jeher in Folge ihres 
von einander grundverschiedenen Charakters gesondert benannt wurden. 



279 



Schednia i'^t f in (;f>}>;et des Buschwaldes and dor Ziegenzucht, Ahmnr 
ein durchaus baumio^es Steppengebiet mit Vieh- und Scha&ucbt, und 
Abda eine sDm grossen Theile tisdigkiche Bbene mit bedeutender 
Schwanerdebedeckung und daher reichlich lohnendem Ackerbau. 

An der Stelle der Einmündung des Scliischaua in den Ten-^ift 
wurde dio Ronte des Jahres 181)9 gekreuzt, während der Reisende im 
Uebrigen durciiuuä neuen Wegen folgte und viel weiter nach Osten (bis 
2 Taeereieen vor Marrakeseh) vordrang, als es iirsprGDgtidi in seiner 
Absidit gelegen hatte. Dadurch war es möglich, überall das bisherige 
Kartenmaterial zu ergänzen und zu berichtigen. Von der Witterung war 
diese Inlandreise wenig b^ünetigt. Viel Regen und Sturm erschwerte 
das VorwSrCskomineQ und durcbweidite den Boden derartig, dass die 
Matten im Zelte zu faulen begannen Dabei sank die Temperatur am 
Morgen wiederliolt auf { 3" C. Am Fluss Seliichaua musste zwei Tage 
gerastet werden, da es unmöglich war, die nassen Zelte aufzupacken. 

Nach einer kurzen Rast in Saffi, welcher unter diesen üm.ständen 
Mensch und Thier drin<^end bediirilen, ist der Reisende bereits am 
27. März wieder in das Innero aufgebrorhen, tmd zwar in ostnonl-istlielier 
Richtung, um die Distrikte von Alxla und Dukkala zu durchqueren und 
im Anschluss an seine Route vom Jahre 1899 den l)i8her völlig unbe- 
kannten Unterianf des grössten Stroms von Ifarrokko, des üni*er*Rbia, 
zu erforschen und kartographisch aufzunehmen. Nach diesem veraiuthlieh 
schwierigsten, anstrengendsten und entbehrungsreichsten Theil seiner Reise 
wird Prof. Fischer Mitte April in Casablanca wieder die Küste erreichen. 
Von dort wird der dritte und letcte Theil der Reise bis nördlich in die 
Gegend von Larasoh beginnen. 

Hierauflegte Herr Dr. T.. Friederichsen die Einladung der Sektion für 
(ieographie, Hydrographie und Kartographie der vom 22. — 28. Sept. 1901 
in Hamburg tagenden Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte 
vor und wies d««uf hin, dnse Mitglieder der Gec^raphiechen Gesellschaft, 
welche in der gengraphisrhen Sektion Vortrüge zu lialten wünsch'.i^:, 
möglichst bald an ihn als den ersten l^^infuhreuden dieser .Sektion unter 
Angabe des Themas Anmeldungen gelangen lassen niöchten. 

Hierauf begrfiaste der Vorsitsende den Redner des Abends» den 
Norweger C. E. Borcbgrevink aus Christian ia, den Führer der durch die 
Freigebigkeit des englischen Verlegers Sir George Newnes ermöglichten 
engUechen antarktischen Ex[)edition (1898 bis 1900;. Redner war der 
GMdlsebaft wohl bekannt, da derselbe schon früher nach seiner ersten 
antarktischen Reise (1894-95) in Hamburg vorgetragen und über seme 
derzeitigen Erlebnisse auf Victoria T^and berichtet hatte. 

Diesmal sprach Borcbgrevink über seine jüngste Südpolar- Expedition, 
welche in der Reihe antarktischer Reisen deswegen für alle Zeiten einen 
Bhrenplatz einnehmen wird, weil es ihren Theilnehmern zum ersten 
Male gelang, auf fester Station (bei Tap Adare auf Viotoria-Land) in 
hohen antarktischen Breiten zu überwintern. 

Der äussere Verlauf dieser mühseligen und gefalirvollun Reise lässt 
eich auf Grund der Ausführungen des Redners in drei Abschnitte gtiedem: 
1) Die Seefahrt von Neu-Seeland bis zum Victoria-Land an Bord des 
£xpedition88cbifies „Southern Gross''. Dieser Abschnitt endigt nach 



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280 



Ueberwindung dor etärmisehen Regionen doe antarktischm Ptockeisee 

mit der am 17, Februar 1899 bei Cap Adaro glücklich bewerkstelligten 
Landung. Nach Aus^diiflnng alles nothwendigen Materials verlie^a das 
Schiii' die Station und ging nach Neu Seelaud zurück. 

Damit begann der zweite Abschnitt: Die vom 17. Februar 1899 bis 
zum 28. Januar 1900 dauernde Ueberwinterung auf Victoria-Land. 
Während dieser Zeit wurden ununterbrochen meteorologische und 
magnetische Beobachtungen angestellt und die geographischen Verhältnisse 
der Umgebung der Station, soweit es die Ungunst des Terrains und 
wochenlange Schneestürme gestatteten, eingebend erforBobt Diese Periode 
währte bis zum EintrefTen der von Neu-Seeland zur Abholung der 
Expedition (am 28. Januar 1900) nach Gip Adare zurückgekehrten 
„Southern Gross". 

Damit b^nn der dritte Abschnitt der Reise: 3) Der Vorstoss m 
SchifT gen Süden. Die Fahrt führte in Sicht des Victoria-Landes entlang, 
um den Verlauf der Küßte aufzunehmen und bei geiegentliclien T^andungen 
Proben des Gesteine uud der vorhandenen Fiechtenv^etation zu sammeln. 
Am 16. Februar 1900 errichte das Schiff unter 7S* S4' seine sfidüchste 
Breite an der Stelle einer Lücke in der bereits von R')?s beschriebenen 
antarktischen Eigbarri^re. Von hier aus gelang e.s Burcligrevink, zusammen 
mit Leutnant Colbeck uud dein Finnen Öavio in 78^50' .südl. Br. und 
unter 165" westl. L. v. Gr. den südlichöteu Punkt zu erreichen, welchen je 
Henschenfuss betreten bat Damit schlces die Reise. Am 19. Februar 1900 
trat man die Heimreise an und eneichte am 30. Mint 1900 Neu- 
Seeland. 

Den Vortrag illustrirte eine vortreffliche Serie von Lichtbildernf 
welche wegen der ungemein erschwerenden Umstände, unter denen sie 
au^enommen und entwickelt werden mussten, beeondeces Interesse ver- 
dienen. Sie ermöglichten einen l']inbliok in die grossartigen Eisgebildc 
dieser antarktischen Breiten und in das Treiben ihrer Thierwelt und 
gestatteten es, fdch ein Bild zu maehen von der schroffen Steilheit und 
Unzugänglichkeit der Küsten dieser schwer nahbarm antarktischen 
Ländermapsen. 

Nachdem Redner geendet, ergriff Herr Geheinjralh Prof. Dr. v.Neumayer 
das Wort, um im Namen der Wibsenschaft dem kühnen Norweger für 
die Dienste su danken, weldie er spesiell den geophysikalischen Dissiplinen 
des Erdmagnetismus und der Meteorologie durch seine antarktisdie 
Forschungsreise geleistet habe. 



256. Sitzung. 2. Mai 1901. 
Vorsitzender: Herr Senator Boso her. 

Nach Erledigung einiger geschäftlicher Angelten h ei ten gelangen 

zunächst zwei Briefe des Ilcrm Prof. Dr. Tli. Fischer zur Vt»rlage, 
worin über den Fortgang seiner im Auftrage der Hambui^er Geo- 
graphisctien Geselitichaft ausgeführten dritten marokkanisehen Reise 
Bericht erstattet wird. 



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381 



Der erste dieser Briefe ist nni 4 April vom Lager von Mheula an 
der Um-er-Kbia, 25 km oberhalb der Mündung in den Ooean, der zweite 
von Oaaablanca abgesandt woiden. Ans denselben geht hervor« dass die 
Durchquerung von Abda und Oukkala programtn massig geglückt ist und 
die Um er-Rbia "bei der gropnjirtigcn Ruine Ru ol-Awan erreicht wurde. ^ 
Diese Ruine, welche Lempriere vor 100 Jahren zum ersten Male l>esucht 
hat, war einst bestimmt, eine wichtige Furt über den Strom zu decken, 
hat aber lieute ihre frühere Bedeutung völlig verloren, da der Strom so 
reißsend und lief geworden ist, duss jetzt eine Uebersolireitunc an dieser 
8teUe unmöglich erscheint. Die wunderliche Stronischlinge, welche das 
Kastell seiner Lage nach zum vergrösderten Gegenstück der berühmten 
Marioibaig an der Mosel mat^t, wurde von Prof. Fischer kartographisch 
ail%Bnommen, als Muster für die heillosen Windungen, welche der Strom 
in dem ganzen bisher noch unbekannten unteren Laufstück macht. 
Die Absicht dee Reisenden, von diesem Kastell aus stromaufwärts nach 
Heeehra-eseh-Schaer su gehen, hier an die Route von 1899 direkt anzu- 
knüpfen und nach Ueberschreitung des Flusses an dem rechten Ufer 
abwärts bis zur Küste zn gehen, musste als unausführbar niif<;egeben 
werden. Prof. Fischer zog es vor, in geringem Abstand dem Fiuss von 
Bu el Awan aus abwärts bis Mheula zu folgen. 

Vom Lager Mheula ging Prof. Fischer stroinabwSrts bis an's Meer 
bei Azemiir und nahm die letzten 25 km des Flusses genau auf. Auf 
der ganzen lirrri^tfii Strecke von Hu el Awan bis zum Meer hat sich die 
Um-er-libia dank der dem Atlas entstammenden Wassermassen ein tiefes, 
ungeheuer gewundenes, oafionartiges Thal in dem Tafelland erodirt und 
dabei in der Tiefe wasserführende Schichten angeschnitten. Bs nnd 
dies dieselben Wasseradern, denen man in der Provinz Thikkala weiter 
ab vom Fluss durch bis 60 m tiefe Ziehbrunnen Wasser entnimmt. 

Nach Vollendung der Erforschung des Laufes der Um er-Rbia wurde 
die östlidi gelegene Provinx Schauia zweimal in ihrer ganzen Breite 
gekreuzt, und auf völlig neuen Wegen gen Osten bis in den Steppen- 
gürtel des marokkanischen ,\ Ilasvorlandes eingedrungen. Bi)dcn{»robeu 
und eine graste Anzahl geologischer Handütücke wurden get^ammelt, 
welche das s^r jugendliche Alter eines grossen Theile dieser Küsten- 
land soll aften erweisen werden. 

Am 14 April traf der Reisende wieder an der Küste in Ta-sablanca 
ein, nicht ohne stark unter den Folgen der in der letzten Reiseperiode 
sehr ungünstigen Witterung zu leiden. Eis hatte swar im April nicht 
mehr so viel wie im März geregnet, aber dafür hatte ein kalter Nord« 
Sturm geherrscht, gegen welchen anzureiten, besonders während des 
letzten Theiles der Reise recht beschwerlicli war. Trotz dieser klimatischen 
Widerwärtigkeiten und mannigfacher andrer Fährnisse, wie sie einer 
Marokkoreise nie zu fehlen pflegen, glaubt Prof. Fischer ebenso viel 
und ebenso werthvoUes Material zusammengebracht zu haben wie vor 
zwei Jahren. 

Da die vorgeschrittene Zeit und ausgebrochene Unruhen die geplante 
Erforschung des Djebel Zerhun bei Fäs unmöglich erscheinen liessen, 
hat Prof. Fischer in Casablanca die Karawane aufgelöst, die Reit- und 
Lastthiere verkauft und nach Ablohnung seiner Leute die letzteren zur 



282 



See nach Mogador zu rück befördert. Prof. Fischer eelber beabsichtigt, 
ca. am 25. April d. J. CasnblanCA zu verlassen, um über Rabat und 
T ni jf^r nnr!i >rar ^ ille XQ fahfen, «oselbst der Reisende Ao&ng Mai m 
erwarten sein dürtte. 

Hierauf ertheilte der V^ursiUende Herrn Marinestabsarzt Dr. Augustin 
Eiämer (Kiel) das Wort su seinem Vortrage: „Sarooa in der Geschieht« 
und als wissenschaftliche und kommerdelle Station in der Südsee". 

Redner, welcher durch seine, während der Jahre 1893 — 1895 und 
1897—1899 auf Samoa und den benachbarten Inselgruppen angestellten 
natnnriseensdiaftlichen nnd ethnologischen Forschungen in der Wissen- 
schaft wohlbekannt geworden i^t, gab zunächst einen Ueberblick über 
den Aufbau, die Pflanrcn und Thiorvrrbreitun?, sowio die Be.^iedelung 
der Inselgruppen der Siid.see im Allgemeinen und Samoas im Specieüen. 
Hierauf folgte ein auf die Resultate jahreLanger, mühseliger ethnolc^ischer 
Detailstndien gegründeter Bxenrs von der nijrthischen Gesehichte Skmoaa 
bis zu den jüngsten Königswirren. Derselbe gestattete einen Einblick 
in die reiche Gpdankenwelt und die höchst kompHcirte staatliche 
Organi5*ation Samoas und Hess erkennen, mit welch' ausdauernder Zähig> 
keit der Samoaner an seinen alten Sitten festhält, trotsdem europäische 
Kultur Schritt für Schritt erobernd vordringt. Findet man doch heute 
noch, sobald man die l:l^ine \Tun'fi:inl-tiit der modernen Stadt Apia 
verlassen hat, die Dörfer der Kingcboreiieu fast genau so, wie sie vor 
Anknnft der Europäer waren. Die schönen luftigen Hütten stehen unter 
wehende Kokospalmen und Brotfruchtbäumen, und dicht hinter den 
Häusern stehen Bananenstauden und Zuckerrolir. Ein Stunde inlands 
hören aber die Pflanzungen auf, und es beginnt allenthalben der dichte, 
üppige Urwald, der endlos bis auf die höchsten Bergspitzen hinaufireicht. 

Durdi detaillirte Schildemng eines Ausfluges in ein solches samoa- 
nisches Dorf, Beschreibung des Empfanges beim Häuptling, Bereitung 
der Kawa und der Mahlzeit etc. bot Redner ein lebendiges Bild von 
dem anmuthigen Treiben dieses Völkchens. 

Von dem praktischen Nutsen» welchen der Besits Samoas unserem 
deutsciien Vaterlande bringen kann, darf man sich keine übertriebene 
Vt)r.>^tellnng marhen. Die Ttiseln sind nur klein, ontbeliren eines Hinter- 
landes, sind insular abgeschlus-sen und haben in Folge geringer Ein- 
wohnerzahl Maugel an Arbeitskraft. Vortheilo sind dagegen die centrale 
Lage in der Südsee, die unbegrenzte Fruchtbarkeit des Bodens und die 
absolute Gesundheit seines Klimas. Keine ttbüaria, kein Typhus, keine 
Ruhr, nicht einmal Scharlach! 

Besonders eingehend behandelte Redner das schwierige Problem der 
Arbeiterfrage in den Plantagen, von deren richtiger Lösung das Auf- 
blühen Sunioas in erster Linie abhängt. Auch die Hafenverhältnisse 
bedürfen dringend der Aufbesserung, besonders in dem wichtigen Apia. 

Wenn Pflanzungen in grösserem Maassstabe auf Samoa äugelet 
werden, was nicht mehr allzu fern sein wird, so muss vor Allem der 
Wald 80 viel als möglich geschont werden, damit nicht Samoa einst 
80 troetl')< öde und steril ^Yer<]l^ wie ein grosser Theil der westindiseben 
Tnseln. Handelsschutz, Mensrhenschutz \uid Forst.schutz sind Deutseh- 
lands Ziele auf Samoa. Dazu kommt, dasä keine Inselgruppe in der 



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283 



weiten ^^Süd^^ee aich äo trefflich ZQt Lösung der wichtigsten Fragen in 
den Naturwissenschaften und in der Völkerkunde eignet, wie die Samoa- 
gruppe. Apia wäre daher die geeignestc Sliitte für BBgrönduDg einer 
deotadien wigsenadiaftliohen Station in der Südsee. 

257. Sitzung. 13. Juni 1901. 
VorailKender: Herr Buigermeister Dr. Mdnekeberg. 

Zunächst gelangte ein Brief des Herrn Prof. Dr. Tb. Fischer cur 

Vorlage, aus welchem hervorging, dass der Reisende von sein« im Auf« 
trage der Hamburger Geographischen Gesellschaft unternommenen dritten 
marokkanischen Forschungsreise am 23. Mai nach Marburg zurück- 
gekehrt ist — Hierauf machte Herr Dr. L. Friederichsen einige Nit^ 
theilungen über das vcnrläußge Vortragsprogramm der Sektion für 
(VoL^rnphie, Hydrograpliio tmd Kartographie der 73. Versammlung der 
I)eutHclieu Naturforscher und Aerzte, welche vom 22, — 28. September a. c. 
in Hamburg tagen wird. Sodann berichtete Herr Dr. M. Friederichsen 
in Kflrse Aber Verhandlungen, Resolutionen und literarische Darbietungen 
des in der PHngstwodie in Breslau versammelt gewesenen 13. Deuteeben 
Geographen ta ges . 

Den Hauptvortrag des Abends hielt Herr C. Wolter (Chemulpo) 
über .«Korea, einst und jetst" (siehe diese Mitthetlung^n Bd. XVII., 
Seite 63- 77). 

258. Sitzung. 3. Oktober 1901. 
Voisitsender: Herr Bttigwmeister Dr. Mönokeberg. 

Zunächst erinnerte der Voisitsende daran, dass am Sonntag, 

11. August, die Deutsche Südpolar- Expedition an Bord des Schiffes 
. Oau'is" und unter Führung des Prof. Dr. K. v. Drygalski den Kieler 
liaien verhitisen und mittlerweile laut eingelaufener Depesche die Cap 
Verde-Insel passirt habe. Mit Ausftthrt des Schiffes „Gauss" habe 
nunmehr der Jahre lang vorbereitete und von der gesammten wissen« 
pcliaftlichen Welt herbeigesehnto Kampf um den Riulpol bofjonnen. 
Gleichzeitig mit der deutschen sei auch eine englische Expedition an 
Bord des Dampfers „Discovery" und unter Führung des Knpitain Scott 
und des Dr. Murray in See gegangen. Eine schwedische Expedition 
unter wissen?cliaftlieher Leitung den Herrn Dr. O. NordenskioM und 
unter seemäimischer Führunff des norwegischen Kn]iitäns Larsen i<ies- 
selben, welcher früher im Auftrage der in Hutiii;urg beheimatheteu 
Darapfsebiff'-Gesollschaft „Oceana" den „Jason" befehligte und wichtige 
Entdeckungen in Grahams-Land machte) werde in wenigen Tagen an 
Bord der im Polareis bereits mehrfach erprobten .,,\ntarctic'* Snnflefjord 
in Norwegen verlassen, um gleichfalls an den antarktischen Explorationen 
nnd swar im Anschluss an die früheren Entdeckungen Larsen 's im 
Osten des Graham-Landes Theil zu nehmen, üehcr eine vierte schottische 
antarkti Expedition unter Führung des Dr. Bruce verlaute noch 
nichts beätimoites. 



284 



Sodann widmete der Vorsitzende dem am 12. August d. J. in 
Dagbyö in Schweden verstorbenen Baron Adolf Erik Nordennkiöld ehrende 
Worte des Andenkens. Nordenskiöld gehörte seit 1880 dw Hamburger 
Geographischen Gesellschaft als Elirenniitglied an. Er war am 
18. November 1832 in Helsingfors in Finland geboren, erreichte danach 
ein Alter von 69 Jahren. Aus seiner Heiinath wegen unliebeamer 
politlflch«r Reden verbannt, fiind Nordenskiöld 1856 in Schweden eine 
«weite Heimath. Er wurde 1858 zum Professor und Direktor des Reiclis 
Museums in Stockholm ernannt. 1858, 1861, 1864 und 1868 führte 
Nordenskiöld Expeditionen nach Spitzbergen, und 1872 erforschte er als 
erstw Geologe das Inlandeis Grönlands und wies auf dessen grosse 
Analogien mit der Eisbedeckung Nord-Europas 2;ur Diluvialzeit hin. Am 
21. Juli 1878 verliess Nordenskiöld an Bord der damals von dein jetzigen 
schwedischen Marinf^uiini'-tor Palander kommandirten ,,Veg:i" die heimath- 
liehen Gewässer zur i^ulündung der Nordost-Pas4?age. Diese denkwürdige 
Reise endete am 2. September 1879 mit der Ankunft der „V^" in 
Yokohama. 1883 hat Nordenskiöld dann noch einmal eine Reise nach 
Grönland ausgeführt, die ihn weiter ins Innere vordringen Viess, als dies 
jemals zuvor möglich gewesen war. Neben diesen bedeutungsvollen 
Sntdeekungsreisen bat Nordenskiöld steh um die geographische Wissen- 
schaft auch durdi ganz hervorragende Arbeiten auf dem Gebiete der 
historischen Geographie (cf. Facsimile-Atlas, l*erii)lus etc ) und Karto- 
graphie verdient gemacht. Sein Name wird für alle Zeiten inden Annaien 
der geographischen Wissenschaft mit goldenen Lettern verzeichnet stehen. 

Nachdem sodann die reiche während der Ferien beim Vorstände 
einp:egang;ene Littcratur zur Vorlage gekoiDnien war, ergriff Herr Prof. 
Dr Kinil Sehnka-München das Wort zu seinem Vortrage: „Natur- und 
KulLurbilder aus Oatasien". Unter Vorführung trefflicher, zum Tbeil 
kolorirter Lichtbilder besprach Redner Vegetation und Bewohnerschaft 
von Vorderindien und Japan, indem besonders der Einfluss hervor* 
gehoben wurde, welchen Klima und Boden be^eliafTen hei t auf den Charakter 
der Bevölkerung ausüben. Die religiösen Anschauungen und das Geistes- 
leben der Singhaleaen und Inder, die Entwickelung ihrer Architektur, 
sowie die eigenthfimlich abhängige sociale Stellung der Frau kamen zur 
Sprache. Im Gegensatz hierzu betonte Redner die hoho Achtung vor 
der Frau bei manchen Malayengemeinden auf Sumatra, welches seinen 
Ausdruck finde in einem sogen. Matriarchat, wo nicht der Vater, sondern 
ausschliesslich die Mutter ein Recht über ihre Rinder besitzt; der Vater 
wohnt nur besuchswei.se bei seiner Ehefrau. Mittheilungeu in Wort 
und liiid über die reiche Flora Japans, über den Charakter und die 
Verquickung dreier Gluubonslehreu : des Confucionismus, des Scliintoismus, 
welch' letzterer sich aus einem Naturgotteedienet zum Ahnenkult um- 
gewandelt hat, und des Buddhismus bildeten den Schluss. 



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285 



259. SHiani. 7. November 1901. 
Vonitsender: Herr Büigermeiater Dr. Mönckeberg. 

In AnschluöH an die iu der vorigen Sitzung gemachten Mittheilungen 
über die antarktischen Expeditionen weist der Vorsitzende darauf hin, 
dass der erste Bericht von der deutschen antarktischen Expedition von 
den Cap Verde-Inseln aus nach Europa gelangt Bei. Es gehe aus deiii- 
selben hervor, dass die Fahrt bisher sehr ruhig und günstig verlauten 
sei, und daes eich das Expeditionsschiff als ein in jeder Betiehung 
tüchtiges Fahrzeug erwiesen habe. 

Irrthümlich seien dagegen die Xirh richten, welche jüngst über das 
Expeditionsschiff der englischen antaiktischen Expedition, „Discovery", 
durch die Zeitungen gingen und auch von hiesigen Tagesblllttem ülier- 
nommen wurden, wonach die Discovery" derartig leck geworden sein 
sollte, dass ein Hilfsschiff von England aus in See gegangen sei. Dem 
sei indessen nicht so. „Discovery'" habe allerdings Wasser genjacht, sei 
aber ohne fremde Hilfe ain 3. Oktober in Capstadt eingetroil'en und 
werde von dort seinen Kurs direkt nach Lyttelton auf Neo*Seeland fort* 
setzen. Das Hilfsschiff, von welchem die Zeitungen berichtet hätten, 
sei das von Anbeginn in Aussicht genommene Schilf, welches der 
„Discovery" folgen sollte, für welches aber die pekuniären Mittel zur 
Zeit noch nicht bdsammen seien. 

Ueber die in der letzten Sitsong als geplant gemeldete adiottiache 
antarktische Expedition, unter Führung des Herrn Dr. Bruce, vermochte 
der Vorsitzende nunmehr folgende difinitiven Angaben zu machen : Den 
ursprünglich auf drei Jahre ausgedehnten Expeditionsplan hat man 
lallen gelassen, da die Mittel nur für eine einjährige Expedition in die 
Antarctia ausreichen. Die Expedition wird sich anf einem hiilzernen 
Waldampfer von 5(K) Tons mit 7 Knoten (ieseh windigkeit einscliiflen 
und aus dreissig Personen Gelehrten und 22 Officieren und Mann- 
Bcbaften) bestehen. Das Schiff wird im Herbst 1902 Schottland verlassen 
und sich während eines JahlSS mit wissenschaftlichen Forschungen in 
der Weddell See im Anschluss an die Forschungen der C'iiallenger- und 
Valdivia Expedition beschäftigen. Von einer üeberwinterung inneriialb 
^r Bisregion M Abstond genommen worden. 

Hierauf ertheilte der Vorsitzende Herrn Dr. I^ul Rohrbacl) (Berlin) 
das Wort v.u seinem Vortrage: Beobachtungen auf ein«' Reise durch 
Persien im Frühjahr 1901. 

Persien ist ein von steilen Randgebirgen umgebenes Hochland, 
dessen Inneres von weiten, grösstnitheils abflusslosen Beokenlandschaften 
erfüllt ist, an deren niedrigsten Stellen sicli die atmosphärischen Nieder- 
schläge sammeln um zur Sommerzeit austrocknende, im Winter mit 
Wasser gefüllte, sumpfige Seen zu bilden. Diese Thatsache der vor- 
wiegenden Abflusslosigkeit ist für die Oberflichengestaltung des persischen 
Hochlandes von grundlegendster Bedeutung, da in Fo^ dessen aller 
Gehirgsschutt, welcher von den Atmosphärilien und den Flüssen gelöst 
wirci, nicht wie in zum otienen Ocean entwässerten Ländern in s Welt- 
meer hinausgetragen wird, sondern im Lande verbleibt. Die Gebirge 
des persischen Hochlandes werden also zwar abgetrsgen, aber die 



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286 



Tageswiteeer und die Flüeec imiMportiran den SdhtiU nur so mit^ als 

ihre unter der Einwirkung des Klimas und der Eigenthümlichkeiten 
des Bodens schnell versiegende Transportkraft reicht, d. h. sie lassen 
den Schutt für gewöhnlich bereits am Gebirgisfusse selber liegeu. Daher 
kommt €8, daes faeote alle diuA weit beträchtlidier aufragenden Höhen 
(les^ persischen Hochlandes anbedeutenden Erhebungen gleichen und in 
üiipm eigenen Verwitternngpgrus begrnH«>n liegen. Weite Detritusbecken 
bedecken ihre Zwischenräume und siaugeii das tliessende Wasser ihrer 
Höhen wie ein poröser Schwamm auf. 

Natürlich müssen solche Bodenverhältnisse sehr ungünstig auf die 
Ackerbau-Kultur des Landes einwirken, da diese nur da betrieben 
werden kann, wo iiiessendes Wasser genügend vurbanden oder künst- 
liche Berieselung möglich ist, d. h. auf nur einem Zehntel des persischen 
Hoefalandee. Die Kulturfähigkeit Peraiene ist demnach aufs Innigsie 
mit der Wasserfrage verbunden, und hat man letztere seit Alters durdi 
Anlage sog. „Kanats" zu lösen versucht. Diese unterirdischen Berieselung?- 
kanäle wurden und werden noch heute im Gebiete d^ feineren Schuttes 
der svisdhen den Oe))irgäzügcn gelegenen muldenförmigen Becken angelegt 
niid fuhren in 1 « 1 1 ichtlicher Tiefe unter der Oberfläche hinziehend 
Kilometer weit das Was?er an »Ii- ler Berieselung und Bebauung zu 
unterwerfenden Stellen heran. Ii eisjjielsweise leiten derartige ,, Kanals" 
das Wasser zur Berieselung Teherans vom Fusse des Elburs herbei, 
und xahhreiche derselben gehen 100 m tief nnter der Stadt hindurch, 
um weit ausserhalb derselben gelegene Ländereien zu bewässern. 

Die Möglichkeit mit Hülfe solcher unglaublich mühsam anzulegende 
Kanals Land in Persicn kultivirbar zu machen, hat man deshalb stets 
SU erwägen, wenn man Persiens hendge oder einstige Besiedelungs- 
ffihigkeit beurtheilen will. Eine solche Erwägung führt dazu, dass das 
iranische Hochland niemals mehr als 10 bis 12 Millionen Menschen 
hat ernähren können. Auch ist Berücksichtigung dieser Verhältnisse 
von Wichtigkeit, wenn man sich fragt, inwieweit Persieu und seine 
Produkte bei rationeller Kultur unter der kolonisirenden Thätigkeit Mner 
europäischen Macht für den Weltmarkt in Frage kommen könnten. 
Weizen, welcher augenblicklich mit Vorliebf» in Persien angebaut wird, 
könnte kaum in grösseren Mengen als im /vugenblick hervorgebmcat 
werden. Dagegen wftre es wohl denkbar» auf den Getreideanbau ttber* 
haupt zu verzichten, diesen Bedarf vielmehr durch Import zu decken 
und dafür den kultivirbaren Boden Persiens unter energische Baum- 
wollenkuitur zu nelimen. l>aun würde bei den klimatisch für Baum- 
wollenkultur treflFüdiai Bedingungen des Hochlandes Persien in diesem 
Artikel bedeutend auf dem Weltmarkt mitsprechen können. Bedingung 
für Ausnutzung dieser Kulturen würde freilich Auftchluss des inneren 
Persien durch Eisenbahnen sein, und diese könnten bei der ünzugäng- 
lichkeit der Randketten (sogen. „Kotais") gegen das Tigristiefland, den 
Persischen Golf und den Kaspi-See nur von Russland (Turan) od«r 
Beludschistan aus gel>aut werden. 

In der That plant ja a\icb Riissland mit aller Energie von Ascbabad 
an der TrauBkaspischeu Bahn aus über Mesched eitie Eisenbulin nach 
Heiat und nach Sejistan su bauen, freilich vorerst lediglicli aus 



287 



poUtiacheo Gründen. Im Augenblick, wo dieee peraiohe Ost-Bahn 

SejUtan erreicht, int damit eine schwere Bedrohung Indiens ausgesprochen, 
denn mittels dieses Schienenweges und der im Bau begriffenen Balm 
von Orenburg nach Taschkent könnten die Russen soviel Truppen £um 
Vormtnch durch AfghAnistan in der Ebene von Hemt konzcntriren, 
wie sie iigead brauchen, um England in Schach zu halten oder 
kriegerisch gegen Indien vorzurücken. An'" lipser Linie wird vormuth- 
lich dermaleinst der Zusammenstoss zwischen rusäincheu und britischen 
Interessen erfolgen, verrauthlich sehr zum Nachtheil Englands. 

Denn schon jetzt ist Englands Einfluss in Persien rettungsloe im 
Schwinden, derjenii^f Ru8slanf1s fl:igegen in ganz ra])idem Steigen. 

Bezeiclinend für diesen Umschlag ist unter Anderem der Umstand, 
d&Bä es seit diesem Frühjahr einer von der russischen Regierung zu 
diesem Zwecke stark subventionirten Dampierlinie gelungen ist, Antheil 
an dem Handel im Persischen Golfe zu gewinnen und die bisher jede 
Konknrroiiz durch rücksichtsloses Werfen der Frjiclit^n aiisschliessenden 
zwei englischen Gesellschaften durch erfolgreiche Konkurrenz empfindlich 
KU schädigen. 

Soweit es Deutschland angeht, spricht bei der Frage nach Persiens 
Bedeutung die Bagdadbahn in erster Linie mit. Daas dieselbe gebaut 
werden wird, ist jetzt wohl zweifellos. Fraglich ist nur, wo soll sie 
enden? Bestimmend für die Ix)sung dieses Problems ist die Frage, was 
man mit dieser Bahn bexweckt. 

Will man nur die alten Kulturlandschaften im Zweistromland 
wieder beleben, t^o kann man sie getrost in Bagdad enden la.ssen und 
den Handel über Alexandrette zum Mittelmeer in deutäche üände 
leiten. Soll die Bahn dagegen bis snm Persischen Golf gebaut werden, 
80 kann der Tiefenverhältnisse des inneren Golfes w^;en nur Kudt als 
Endpunkt in Betracht kommen. 

Oass dieser Platz türkisch bleibt und nicht englisch wird, liegt 
dann aber sehr in Deutschlands Interesse, da sonst England bei dem 
Weitertransport der Waaren über den Persischen Golf den Handel an 
dieser Stelle jederzeit unterbinden und chikaniren könnte. 

260. SItiang. 5. Desember 1901. 
Vomtzender: Herr Bfirgermeister Dr. Mönckeberg. 

Der Vorsitzende macht zunächst auf Grund der letzten von Kapstadt 
nach Europa gelangten Depeschen Mittheilungen Über den bisherigen 
wdteren Verlauf der deutschen antarktischen Expedition. 

Herr Dr. Georg ^^^;;'ener (Berlin) hält darauf den angekündigten 
Vortrag über seine Reise auf dem Yangtsekiang unter Vorführung von 
Lichtbildern. 

Noch bis vor Kurzem stand der Norden Chinas fßr die meisten 

8ta;iton I'lnroj^a.s mehr im Vordergrund des Interessen, al?; die Mitte 
und (icr .Süden. Heute hat .sicli in gewisser Hinsicht diese Konstellation 
verändert, betsondere seitdem das bisher immer stillschweigend anerkannte 
Vorrecht Englands im Stromgebiete des Yangtsekiang Handel su treiben, 



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288 



durch die jüngsten Abmachungen flurclibrochen ist \md ancli rtn<h>re 
Nationen an dem Hnnd^l in diesen wiclitigen Landestheilen Cliinas 
gleichmäsaig Antheii iiaben. Dadurch ist vor Allem auch für Deutsch- 
land dn wichtiges Absatsgebiet för eeinen Handel eröffnet und es ihm 
zur Pflicht gemacht worden, die natürlichen geographischen Bedingungen 
dieses gewaltigen Stromgehiot? und seine verkehrigeographischen Charakter- 
Züge eingehender zu studiren als bisher. 

Zwei grosse Weltströme besitet China: den Hoang^o und den 
Yangtsekiang. Beide sind von einander in mancherlei Beziehungen 
verschieden. Während der Hoangho ein wilder, unbändiger Geselle ist, 
welcher, wie bekannt, seine Mündung in geradezu erstaunlicher Unatetig- 
keit im I^aufe jugendlichi>ter und geschichtlicher Vergangenheit bald 
nördlich, bald eädlich der Halbinsel Schantung ^abt hat, flieset der 
Yangtsekiang Heit undenklichen Zeiten in dem gleichen wold au3- 
gearbeiteten Bett, als eine seit Alters gern und intensiv benutzte natür- 
liche Wasaerstrasse. 

Die ungemeine V^rkefarsbedeutung dieses Yangtsekiang kommt 
indessen erst dann völlig zum Bewusstsein, wenn man ihn im Zusammen- 
hang mit dem dichten Netzwerk der \hm tril'uüiren Wassera'ifTn nnd 
in seiner Stellung zu den übrigen giust>eu Strömen Chinas l)etracl)tet. 
Dabei stellt sidi heraus, dass man von ihm aus mit Hilfe seiner Neben- 
flüsse das ganze chinesische Riesenreicfa bis in seine entferntesten Winkel 
auf dem Wasserwege zu erreichen vermag und auch in Irr That seit 
Alters durch ümlnden von grösseren auf kleinere Schiffe erreicht hat. 

So stellt z. B. der in den Yangtsekiang einmündende Kaiserkanal 
eine unmittelbare Verbindung mit dem Hoangho her und über diesen 
hinüber mit dem Pei-ho, d. h. also mit den wichtigsten Plussgebieten 
Nord-Chiuflp. Der von einem Neben liuss des Yangtfekiang, dem Kan- 
kiaug durchüossene Po jung-See vermittelt durch eine Kanalverbindung 
tum Pekiang den unmittelbaren Anschlnss des Yangtsekiang an den bei 
Kanton in's Meer mündenden Sikiang. Der bei Han kou in den Yangtse« 
kiang fallende Han-kiang bietet einen wichtip^^n Vf rkf hrsweg zu der 
alten, auch in den jüngsten kriegerischen Wirren wieder in den Vorder- 
grund getretenen Kaiserstadt Si ngan-fu. Der den zum Yangtsekiang 
entwässerten Tung-ling-See speisende Jüan-kiang bildet eine vortrefHiche 
Wasserst ra^se in das Innere der wichtigen Provinz Kwei tscliou und der 
Mitteilauf des Yangtsekiang selber stellt die gegoltene Strasse dar in die 
reichste und dichtest bevölkerte Provinz des ganzen inneren China nach 
Saetschuan. 

Leider ist nun gerade di^e nach Ssetschuan itthrende Flussstrecke 
des Yangtsekiang keineswegs leicht pa«firbar, denn auf der Strecke 
zwischen den Städten I-tschang und Tschungking befinden sich gewaltige 
der SchißTahrt sehr g^hrik^e Stromsdbnälen. Der Yangtsekiang hat 
nämlich auf dieser Laufistrecke den gewaltigen Bruchrand zu überwinden, 
in welchem die aus dem Innern Asiens lieranziehenden Gebirge zur 
chinesischen Niederung abstürzen. Die Folge ist, dass sein im ganzen 
Unterlauf breites und relativ ebenes Thal sich bei I tschang plötzlich zu 
einem engen Fcl8korridor von wildromantischer Grossartigkeit zusammen- 
fichliesst, während gleichzeitig das bis dahin völlig gefahrlose Fahrwasser 



i^'iLjuiz-uü by VjOOQle 



S89 



durch aufragende Klippen und Felsen derartig gefährdet \\\rd, dnss von 
je 20 chinesischen Dschunken, welche trotz alledem in erötauniich grosser 
Zahl den' lebhaften Stmmverkehr lu vermitteln wagen, je eins in den 
Sdinellen zerschellt. Wenn dennoch dieser gefahrvolle Verkehr aufrecht 
erhalten wird, so ist dies ein ßeweis, für wie wichtig derselbe tvots dieser 
Hemmnisse von den Chinesen angesehen wird. 

Auch die Engländer hatten diese Verkehrebedeutung der gefährlidien 
Stromschnellenstrecke bald erkannt und es im vorigen Jahre Twsacht» 
mit dem Dampfer „Pioneer" den Lai.ftheil von I tschang nach Tschung- 
klug zu befahren. Es gelang zwar diea Wagniss, aber die Fahrt war 
derutig nervenaufregend gewesen, dass die Engländer einen zweiten 
Versuch nicht riskirten. 

Derselbe wurde dagegen im September vorigen Jahres von der 
Bremer Firma Rickmers gewagt. Mit einem eigens zu diesem Zwecke 
gebauten Uaddampfer, der „Sui-Hsiang", ging die Fahrt von Schanghai 
ans stromauMrto. Bednar hatte Gelegenheit an dieser denkwürdigen 
Reise theilzunehmen und schilderte an der Hand einer grösseren Anzahl 
charakteristischer Lichtbilder die Details derselben. Leider war aber die 
„Sui*Hsiang ' trotz grösserer Maschinen kraft nicht so glücklich wie ihr 
Vorläufer, der „Pioneer". In der zweiten Sdinelle wurde der schöne 
Dampfer gegen eine vom Wasser verborgene Klippe geschleudert und 
zum raschen Sinken gebracht. Ausser dem wackeren Kapitän Breitag 
wurden zwar Be?atzung und alle Pas.sagiere, unter ihnen auch Redner, 
durch die Boote einer nahen chinei>iächen KettungssUition in Sicherheit 
gebracht, aber der Beweis war erbracht, dass auf diese Weise die Btrom> 
schnellenstrecke von modernen Dampfern nicht ohne stetige grosse Gefahr 
passirt werden kann. 

Was muss nun in Zukunft geschehen, um trotzdem diese wichtige 
SchiffTahtt zwischen I^tsdiang und Tschung-king zu erzwingen? Vor 
Allem muss eine kartographisdi genaue Aufnahme und Vermessung 
der gefjihrlichen Flussstrecke vorgenommen werden, denn das hiBherige 
ICartenmaterial reicht keinesw^s aus. Dazu müssen genaue Beob- 
achtungen Ober den gerade auf dieser eingeengten Laufetrecke des 
Yangtsektang besonders wechselvollen Wasserstand angestellt werden 
und die gefahrliclien Stellen durch starken gekennzeichnet werden. 
Ein Warnungsdienst für aufkommende Dschunken muss eingerichtet 
werden, da sich sonst Fälle wie beim „Pioneer", welcher 2 Dschunken 
anrannte und zum Sinken brachte, wiederholen werden. Redner, ist 
der Meinung, dass eine Art Ketten schifTfahrt sich vielleicht am Besten 
werde einrichten lassen, um die Schwierigkeiten der Passage der Schnellen 
zu überwinden. Das Alles sind natürlich mühsame und kostspielige 
Vorkehrungen und Arbeiten, welche aber doch im Laufe der Zeit 
rentabel werden dürften. Sonst würde nidit die Rickmer'scbe Linie 
von der Hamburg- .\merika-Linie neuerdings aufgekauft worden sein und 
dadurch die ganze Angelegenheit in 13ahnen gelenkt sein, welche das 
fieste fUr die Zukunft verheissen. 



MilUtsilongMi XVUI, Uc. Hu FrMwrlcbMM. 



W 



290 



261. Sitzung. 2. Januar 1902. 
Vorsitzender; Herr Bürgermeister Dr. Mönckeberg. 

Der Vonitzende theilt mit, dasB das EhrenmitgUfld der Gesellschaft 
Herr Gehpi'me Hofrnth Prof. Dr. Fr. Ratzel in Leipzig am 8. Dezember 
seio 26jähriges Professoren-Jubiläum gefeiert habe. Von Seilen des 
VorBtandes sei ein GlückwunscbBchreibcni an den Jubilar gerichtet und 
dasselbe mittlerweile dankend beantwortet worden. Nachdem derselbe 
sodann auf das be<leutung8vollc TelegmmTn hingewiesen, welches in den 
Weihnachtstaj];en des verflosBenen Jahres aus Iveh in Ladak nach 
Schweden gelangt sei und über die glückliche aber gefahrvolle Durch- 
querung des tibetanischen Hochlandes durch den kühnen schwedischen 
Forscher Svon Iledin berichtet habe, hielt Herr Oscar Neumnnn 
(Berlin) den angekündigten Vortrag über seine 1900 auj^geführte 
Reise von der Somali-Küste durch Süd- Aethiopien zum 
Sudan untw Vorführung yon Lichtbildern. Die Expedition, weldie 
anfangs gemeinsam mit Baron Carlo v. Erlanger ausgeführt wurde, 
rahm ihren Aufgang von Zcila an der britischen J^ninali Küste und 
erreichte im März 1900 die Stadt Harrar. Von hier aua zog man nicht 
auf der gewöhnlidien Karawanenstrasse nach Adis* Abeba, sondern durch 
das bis dahin nodi nie durchzogene Land der I«nnia-Galla. Die 
Erlatihnitis hierzu wurde von König Menelik nur ungern ertheilt, niclit 
au.s Misstrauen, sondern aus Bcsorgnis.s für die Sicherlieit der lleiaenden, 
du darnalü die Somali unter dem Mulla Mohamed bin AbduUa sich in 
Aufruhr gegen die Abessinier be&nden und auch die GaUa-Lftnder süd* 
lieh von Harrar von diesem Aufstande theilweise angesteckt waren. 
Krst Ende Aj)ril wurde der Wun.'ich der Reisenden erfüllt. 

Nach glüeklicher Ueherj^ch reitung des W» bl)i wurde Schelk Hussein 
orreicht, die Begräbnissstütte eines mohamedanischen Wunderapoetels. 
Bei dem WeitennarBch nach Adis-Abeba trat die Regenseit mit grosser 
Heftigkeit ein; die Lastthiere blieben im Sumpfe stecken und viele 
gingen dabei verloren. Erst am 14. August erreichte die Expedition 
die Residenz Kaiser Meneliks. 

Von grosser Bedeutung waren auf dieser Strecke der Reine die 
geologisch-palaeontologischen Funde, da fast alle Stufen des mittleren 
und oberen Jura und zuletzt nahe Scheik Ilussein auch Kreideformation 
festgestellt und Umfangreiche Petrefakten-Sammlungen gemacht werden 
konnten. 

Schon vor Ankunft in Adis-Abeba hatte Neumann und i>aron 
T, Erlanger den Plan geÜMst, sich su trennen, um m^liohst weite 
Gebiete unbekannter Strecken zu erforschen. Dies geschah, und nur 
bis zu den südlich von Adis-Abeba gelegenen Seen wanderten die 
Karawanen noch zusammen. Neumann beabsichtigte nunmehr, vom 
SQd-Ende des Gandjule-Sees aus nadi der Landschaift Kafih su siehen, 
um nach Ueberechreitung des Omo die SohatqueUflüsse zu erforschen 
und von dort ?"n=i]i m erreichen. Es war dem Rei.senden pchon 
vorher von einer buchen Krankheit erzählt worden, welche im Thal von 
Adoschohai westlich von Gardulla ihren Sitz bat und Menschen und 



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291 



Maulihiere hinraflfen sollte. In der Tiiat brach in Ubo die Krankheit 
aas and »nbte ihm eine groese Aniabl seiner Thiere. Nur durch 
bolirung gelang es, den Rest der Thiere zu retten. 

Von jetzt ah ging die Weiterreise gen Westen nur sehr langsam von 
Statten, da überall die Träger gewechselt werden mussten. Schliesslich 
weigerten sieh die Leute, weiter gen Westen su sieben; sie fÜiehteten, 
dort getödtet zu werden, und es bedurfte richterlicher Verhandlungen 
und vieler Ueberredung, um wenigstens einen Theil zu bewegm, weiter 
vorzudringen. 

Westlich von Ksflk wurde trots dieser Widerwärtigkeiten die 
interessantesten ethnologischen Entdeckungen genincht. Die Stilmme 
der Gimirra mit ihrer eigenartigen Strohpelerinen-Trac};t, die Binescho 
und Schecko mit iiirer ungeheuerlichen Stirntättowirung und ihrer 
Kleidung aus BaumrindeustotieQ (gleich den EiQwohueru von Uganda 
und Ussoga) wurden besucht. Nadidem Redner das Land dieser 
Völkerstämme durchquert hatte, gelangte er an den Oberlauf eines 
grossen Flusses, der, wie sich später herausstellte, der Gelo, einer der 
drei grossen Quellströme des Sobat war. 

Nach Darchquernng eines fast undurehdringlidien Urwaldes, in dem 
die Expedition sich den Weg mit Axt und Busch messer bahnen musste, 
wnrdc dio Tiefebene des Sudan erreicht. Zunächst zog man in ihr am 
Gelo entlang, bog dann aber wegen undurchdringlicher Sümpfe zum 
Akobo nach Süden ab und marschirte an diesem entlang bis zur Ein- 
mfindung dieses Flusses in den Pibor (einen Zufluß des Sobat). War 
schon während der ganzen l^^tzten Zeit das Vorwärtskommen aus 
Nahrungsmangel und wegen Tcrrainschwierigkeiten ein heschwerliche« 
gewesen, so brach während dieses letzten Theileä des Marsches noch 
einmal wieder die BotBkrankheit unt^ den Tragthieren aus, so dass es 
kaum möglich war, die Sammlungen su tiansportirtn. Aach gingen 
die Lebensmittel rapide zu Ende. 

Da erschien in höchster Noth ein ägyptischer Regierungsdampfer 
auf dem Fibor, an Bord Slatin Fsscha und Colone! Blewitt, der Mudir 
von Faschoda, welcher die Expedition an Bord nahm und Leute und 
Sammlungen unversehrt naeh Chartum brachte. 

Die wissenschaftliche Resultate der Expedition werden sich nach 
Bearbeitung der sehr umfangreichen loologischen, botanischen und 
geologischen Sammlungnn zweifellos als recht bedeutungsvoll heraus* 
Hlelhm, da grosse Strecken bisher völlig unbekannten Gebietes durch* 
zogen und kartographisch aufgenommen wurden. 



262. SHzung. 6. Februar 1902. 

Vorsitzender: Herr Bürgermeister Dr. Mönckeberg. 

Dtr Vorsitzende legt den soeben al)gosc})l(>s.senen und zur Versendung , 
an (Ii* Mitglieder bereitliegenden XVII. Band der Mittheilungen der 
Geograpiiischen Gesellschaft in Hamburg vor und weist erläuternd auf 
seinen reichen und wissenschaftlich werthvollen Inhalt, besonders auf 



292 



clie Sapper'sche Monographie der Alta Verapas in Guatemala und auf 
die Stuhlmann'sche Rontenkarte in dem Gebiet des Albert* und Albert- 

Edward-Sees hin. 

Sodann legt der Kassirer, Herr Senator Westphal, die von den 
Revisoren für richtig befundene Rechnung pro 1901 (siehe Seite 310 
dieses Bandes) ab. Dem Herrn Kaaeirer wird von der Vereammlung 
Dechnrgf ortlieilt. 

Darauf machto Herr Dr. M. Friederichsen ausführliche Mittheilungen 
über die Jüngste Durchquerung Tibets durch den kühnen schwedischen 
Forschungsreisenden Sven Hedin. Nachdem Referent an der Hand von 
Karten zunächst lekapitulirend auf die bisherigen 1 j ! * aiigcn Sven 
Hedin's während seiner erfolgreichen Reisen in den Jahren 1894- 1807 
hingewiesen, berichtete derselbe über die Lop-nor und Kuen-lun-Reisen 
Hedin's während der Jahre 1899—1900, Fondiungen, deren Abschluss 
die jüngste im Laufe des Jahres 1901 durchgeführte Reise quer durch 
Tibet nach Indien bildet. Ueber die glückliche Vollendunr: beser 
Durchquerung berichtete bereit« in den Weihnachti^tagen 1901 ein aus 
Leh in Kaschmir an den König von Schweden gesandtes Telegramm. 
Heute haben wir Ober diese denkwürdige Reise in Form eines am 
29. Dezember 1901 aus Loh in Ladak an den schwedischen Krhiig 
gesandten Rrir-fo.s ausführlichere Angaben, Da der Inhalt dieses Schreibens 
auch in den Tageszeitungen nur ganz kurz und ungenügend wieder- 
gegeben worden ist, verlas Referat den Brief in einer Uebosetzung 
nach der norwegischen Zeitung „Aitenpoetcn" (Nummer vom 30. Januar 
1902) unter jrleirh?teitigen Erläuterungen an der Karte. In ausführlichem 
Auszug lautet das hochinteressante Schreiben wie folgt: „Ich verliess 
Tjarkhiilc (im Tarim-Bedcen, südwestlich des heutigen Lop-nor) am 
17. Mai, nur \on zwei Kosackcn, einem Lama (buddhistischer Priester) 
und einigen Mohanu danern hcLrleitot und durchkreuzte den nördlichen 
Rand des tibetanischen i'lateaus. Erst an dem See Kum-KöU traf ich 
mit meiner gewaltigen Karawane zusammen. Es war die grösste 
Karawane, welche ich je besessen habe. Sie bestand aus 89 Kamelen, 
30 Pferden, 7 Mauleseln, 70 Eseln, einer Schafherde, 7 Hunden und 
einem Hirsch. Von diesen Thieren habe ich nur noch 9 Kamele, 
1 Pferd, 6 Maulesel und 4 Hunde, alles andere starb je weiter wir in 
die höheren Regionen leamen. I>ii8 heiset a1«> ein Verlust von in 
Summa 134 Thieren. 

Als Begleiter hatte ich ausser 1 Ko.^acken und dem mongoHsclien 
Lama 14 festangestellte Mohamcdaner, meistens von der Lop-nor- 
Gegend, und femer 10 Mann, weU^e die Eselkarawane leiteten. Die 
erste Schwierigkeit bereitete uns die Reise über den Arka-tag (das ist 
die Hauptkette des Kuen hin Gcbirgssystenis). Ein verheerender Schnee^ 
Sturm ü()erfiel uns hier uml viele Kamele starben vor Kälte. 

Südlich dieses Arka-tag liegt das eigentliche tibetanische Hochland, 
welches von unzahligen Ost^West siebten Beigketten duiebaebnitten 
. wird. Für eine Karawane, welche direkt nach Süden zieht, ist diese 
orograpbiselie Anordnung höchst vortheilhaft, da man jede einzelne 
Kette in Pässen durchqueren muss, was die Karawanenthiere sehr 
mitnimmt 



Sd3 

An einer Stelle mit reichlicfaem Graswochs schlug ich ein Stand* 
kgnr auf. Hier sollte die Karawane warten, während ich einen Voratoss 
gegen dns 14 Tü^^reisen entfenite T.hassn, unternahm. 

Verkleidet aiö Burjät („Burjäten" sind mongolische Noraaden in 
Tranebaikalien und im Gouvernement Irkutek) und nur von einem 
burjatischen Kosaeken und dem Lama begleitet, brach ich am 27. Juli 
auf. Wenig Bagage, einige gnt verborgene Instrumente, alles Uehrige 
mongolische Sachen ! Schon die zweite Nacht überfiel uns eine Räuber- 
bande und zwei Pferde gingen uns verloren. Das Wetter (Regen) wurde 
immer schlimmer, je weiter vir nach Süden kamen. Endlich erreichten 
wir bewohnte Gegenden, wo die schwarzen Zelte der Nomaden in den 
Thalmündungen lagen. Hier fragten wir uns weiter nach Lhassa. 

Nach neun Tagemärechen wurden wir plötzlich eines Abends von 
drei Häuptlingen angehalten, welche in unser Zeit kamen und kurs 
erklärten, wir seien ihre Gefangenen. Ea wurde uns bedeutet, dass wir 
auf den Bonibo oder Statthalter (] r Provinz warten müssten. 

Nach fünf Tagen kam der Kambo Bombo von Nakktju und bat 
uns durch seinen mongolischen Dolmetscher in sein Zelt. Ich aber 
sagte ihm, dass ich nichts von ihm w&nsche und wenn er etwas von 
mir wolle, würde ich ihn gern em})fangen. Die B^)lge war. das.s 
er knrze Zeit darauf kam, gefolgt von einem glänzenden Stabe von 
67 Oiüziren und Soldaten. Alle waren festlich gekleidet, er selbst in 
einer TVadit von gelber Seide, rother Kopfbedeckung und grünen 
Sammetstiefeln. 

Er sagte mir geradcnu«, ich sei Engländer und er habe aus Lhassa 
den Befehl erhalten, dafür zu sorgen, dass ich keinen Zoll weiter nach 
Süden vorrücke. So blieb nichts Anderes übrig, als den Rückzug 
ansutreten, recht froh, aus diesem Abenteuer mit dem Leben davon- 
gekommen zu sein. Am 20. Augast erreichten wir das Hauptlager, 
wo Alles in bester Ordnung war. 

Wir zogen jetzt, nachdem die Kamele geruht hatten, gegen SSW, 
da wir beschlossen hatten, in jener Richtung vorsurücken, so weit wie 
möglich, d. h. bis wir wieder daran von den Tibetanern gehindert 
wurden. Dies ge.schah definitiv östlich vom See Nakktsang tscho, wo 
eine förmliche Gesandschaft aus Lhassa uns entgegenkam, umgeben von 
300 Reitwn mit Büchsen, Schwertern und Peitschen. 

Ich fragte, was sie zu thun beabsichtigten, fall^^ ich trotz Verbots 
weiter gen Sn'l<^n zöge. „Wir werden Euch natürlich niederschiessen," 
war die Antwort. Ich schlug ihnen darauf vor, es wirklich auf einen 
kleinen Kampf ankommen tu lassen, sagte ihnen aber, dnss ein Jeder 
von uns 36 Tibetaner niederschiessen könnte, bevor sie auch nur ihre 
schwerfälligen Büchsen geladen hätten. Darauflnn fi\nden die Anführer, 
dass es für beide Parteien das Beste sei, wenn wir uns einigten, ohne 
zu bchiessen, und sie wurden bald so lioflich und liebenswürdig, dass 
wir schnell auf dem freundschalkliehBten Fuase miteinander standen und 
und dass sie uns noch einige Wochen auf unserer Fahrt gen Westen 
folgten. 

Während dieser ganzen Zeit des Weiteruiarsches standen wir also 
unter Bewachung. Bei Tjargu tscho belief sich diese Begleitmannschaft 



294 



auf 500 Mann mit 80 Zelten. Als eie aber sahen» dase wir Emst 

machten, unsere Reise wirklich nach Westen fortzusetzen, verringerte 
sich die Stärke der Eskorte auf 150 und suletst wurden es noch 

weniger. 

Die Karawanenthiere starben während dieiser Tour täglich, und bald 
koonten wir nicht mehr ohne fremde HQlfe fertig werden. Wir 
mietheten also 30 Yaks und Hessen unsere letzten Kamele ohne Führer 
gehen. Bereif« nn der indischen Grenze bei Ladak angekommen, trafen 
wir auf eine Karawane von Pferden, Yaks und Proviant, welche auf 
Befehl dea Viaekönigs von Indien ana entgegengeaandt war, und damit 
hatten unane Leiden ein finde. 

Sven Hedin besuchte dann den Vizekönig auf dessen Einladung in 

Calcvitfn und ist, wie da.-^ rtmtr'-'sche Bureau nntcr dem 28. Januar 
meldet, mittlerweile von dort nach Ladak zurüekgekelirt, um über 
Kaschgar und durch ganz Rutinland nach Schweden zurückzukehren. Im 
Juni hofft der kfihne Foncher daheim au sein. 

In wissenschaftlicher Beziehung scheint diese gefohrvoUe Tihetreise 

von ausserordentlicher Bedeutung zu sein. Es ist die erste Expedition, 
welche in das eigentliche Tibet eindrang. Alb» Vorgänger Hedin's 
querten das Land nur in seinen östlichen Randgebieten. Ausser sehr 
werthvollen geologischen, zoologischen und botanischen Sammlungen 
wurden 35 Punkte nach Länge und Breite bestimmt. Die Karte beatebt 
aus 360 grossen Blättern, GOO Pljotographien wurden aufgenommen und 
ausserdem zahllose Profile und Zeichnungen gefertigt. 

Für die Gesammtheit der Reisen von 1899 — 1901, deren Abschlusa 
diese Tibet-Durchquerung darstellt, beläuft sich das Karten materia) 
nunmehr auf 1076 Karten, 114 astronomische Ortsbestimmungen, 
3600 Seiten Tagebücher, 400 Seiten meteorologische Journale und einige 
Tausenil Plu>tographien. Die Karte dürfte die grösste sein, welche jo 
gezeichnet wurde. Sie ist im Maassstabe 1 : 37 000 entworfen und 
270 m lang, d. h. fast gleich der EifFelthurm-Höhe. 

So ist denn trotz sonstiger grosser wissenschaftlicher Erfolge auch 
Sven Hedin das buddhistische Rom, die Stadt des Dalai Lama, 
verschlossen geblieben. Seit 1846, wo auletxt die beiden französischen 
Mi^««ionare Huc und Gäbet länger in T^hassa weilten, haben nur Asiaten 
die Stadt betreten und genauer beschrieben. Von dem indischen 
Punditen A. K., welcher 1880 nach Lhassa kam, besitzen wir aogar 
einen genauen Stadtplan. w*»lcher in Peterraann's Mittheilungen ver- 
öffentlicht wurde, und in allerjüngster Zeit haben zwei geographische 
Fachzeitschriften die genauen Reproduktionen zweier Origiualphoto- 
graphien des Dalai Lama-Palastes „Botala" in Lhassa publicirt. Die 
interessanten Aufnahmen, welche Referent vorlegte, stammen von 
einem K:ibniiken und von einem Nepalesen und wurden beide 1901 
aufgenommen. 

Nachdem Referent sodann noch einige Angaben über eine gleich- 
falls vor wenigen Wochen glücklich aus dem tibetanischen Hochland 
(Hcang-ho-Quellgebiet) heimgekehrte russische Expedition unter Führung 



295 



des Stabskapitäns Kosluw gemacht hatte, ertheilte der Vorsitcende Herrn 
Dr. A. Führer Hasel) das Wort zu einem Vortrage übOT: „Binoa, 
Laad und Leute in baodelageographischer Beziebaog." 

263. Sitzung. 6. März 1902. 
Vorsitzender: Herr Bürgermeis^t^r Dr. Mönckeberg. 

In Veranlassung des am 28. Februar a. c. in Wien erfolgten 
Ablebens dt» verdienten Afrikaforscherä Dr. Emil Holub, widmet der 
VonutMüde dem Verstorbenen Worte ehrenden Andenkens. 

Herr Arthur Berson aus Berlin sprach sodann über: Erleb- 
nisse und ErgebniBSO neuerer Luftfahrten unter Vorführung 
von Lichtbildern. Selten ist wohl eine Endt^ckung mit solch grenzen- 
losem Entboeiasmus begrüset worden, als die 1783 in Frankreich 
geschehene Erfindung des Luftballons; fistöt niemals aber audi ist einer 
solch grenzenlo5?en Begeisterung eine ähnliche Ernüchterung auf dem 
Fusse gefolgt. Zwar hatte man auf Grund der Erfahrung, doss die 
Luft mit steigender Hohe an Dichtigkeit abnimmt und daher ein mit 
leichterem Gas gefüllter Körper in ihr emporstieg, mit dem Luftballon 
das Instrument zur Fai r? ni die dritte Di u iv-ion erfunden, aber nicht 
gleich:^eitig aueli die Faingkeit, das Instrument zu regieren und 7:u 
lenken. Da aber durch einen merkwürdigen Druckfehler faät das 
gesammte Publikum diese letxte Fähigkeit bd der neuen Erfindung 
mitvoraussetzte, so folgte alsbald groem Enttäuschung und gar bald sank 
der Luftballon zu einem Spielzeug herumziehender Gaukler herab. 
Ernster denkende und wissenschaftliche Kreise vermochte er, von ein 
paar wissenBchaftltchen Au&tiegen (z. B. denjenigen Biot's und Gay- 
LuBsao's) zu Anfang des 19. Jahrhunderte ab^seben, lange Zeit nicht 
mehr zu interes.siren. 

Erst um die Mitte des vorigen Jahrhunderts begann man den 
Aerostaten in Frankreich und England wieder zu wissenschaftlichen 
Zwecken zu verwenden; in besonders grossartiger und .systematischer, 
gediegener Weise geschah dieses in England durch (Jlaisher und seinen 
Vorläufer Welsh. Nur die damah noch recfit unvoUkorunienen Ajtjiarato 
und Forschuugsinethoden trugen Schuld daran, das.s die Ergehniöse, wie 
wir heute wissen, grossentheite unzuverlässige waren. Noch mehr brachte 
die Belagerung von Paris im französischen Kriege 1870 71 den Ballon 
wieder zu Ehren und Anerkennung, indem es damals vielfach gelang, 
mit seiner Hülfe wichtige Depeschen, Briefe und Personen über die 
deutschen Cernirungslinien hinausxubringen. Seitdem wurden die HeereS' 
leitungen aller Länder auf seine gros-nc Bedeutung zu Kriegi'zeiten auf- 
merksam und kultivirten denientsprecheud (lurcli Einrichtung eigener 
Luftbchififerabtheilungen diesen wichtigen Zweig der Landesvertheidigung. 

Durch diese Begünstigung der Ballonfahrten von Seiten des Militärs, 
sowie infolge der immer steigenden Zahl geschulter A«"ronnuten, welche 
die seit 1881 in Berlin, seit 1889 in München und seit 1^96 in Strassburg 
bestehenden sportlichen Vereine ausbilden, ist denn in den letzten beiden 

*) Ditt Inludtiloilgkcit dicMi VortngR fiberhebt nns dnc* RderM*. 



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296 



Jahrzehnten mich in Dput^chland von Neuem das Tuterpsgo der Wi-^^m- 
Schaft, vor allem der nictoorologischen, an Ballonfahrten, wachgerufen 
worden. Man erkannte, dasd zur Erforschung der Physik der freien 
AtmosphSre BnUonfiihrten das einzig TeifQgbare Mittel sind. Besonders 
nachdem der Berliner Meteorologe Dr. Assmann durch Erfindung des 
j.Aspirations-Psychrometers" dem Ballonbeobachter ein Instrument in die 
Hand gegeben hatte, durch welches mit technisch voUiioinmenen Mitteln 
ein konstanter Lnftsug um die Thermometerkugel erzeugt wurde, nnd 
dadarch das Instrument vor dem Einfluss der starken Sonnenstrahlung, 
eowie vor Bmnflussung durch die benachbarten Körper der Beobachter 
uud deä Ballons bewahrt werden konnte, trat man in eine neue Aera, 
die der streng wissenschaftlichen Ballon&bxt aoch bei uns in Deutsch- 
land ein 

Aufs Intensivste wurde diese Bouocrung gefiirdert durcli das hohe 
Interesse Sr. Majestät des Deutschen Kaisers, welcher im Jahre 1892 
50 000 und 1893 nochmab i^2 000 A für wissenschaftliche Ballon« 
fahrten aus dem Allerhöohsten Dispodtionsfond bereitstellen Hess. Seitdem 
wurden unter Dr. Assmann's Leitung und unter hervorragender Be- 
theiligung des Hauptmanns Gross, des Redners Bowi« seines Kollegen 
und vielfachen Fahrtgenof^en Dr. Süriug, eines geborenen Hamburgers, 
und anderer Fachmänner jene 75 wissenschafUicbeD Ballonfahrt«» aus^ 
geführt, deren Resultate vor einem Jahre, in drei stattUdien Quartbänd«! 
vearbeitet, in Berlin erschienen. 

Die wissenschaftlichen Ergebnisse alier dieser Luftlahrten, welche 
theils im Freiballon, theils im Fesselballon oder mit Hülfe unbemannter 
R^istrirballons ausgeführt, auch bis zur Stunde nach internationalem 
Plane fürtgeführt werden, sind von hervorragender Bedeutung für \insere 
modernen Vorstellungen von der freien Atmosphäre geworden. Sie haben 
vor allem unsere bisherigen, nur auf den fehlerhaften Beobachtungen 
der berühmten Glaisher'sd^en Ballonfahrten der 60er Jahre beruhenden 
Vorstellungen von der vertikalen Wärmevertheilung im freien Luftraum 
völlig verändert. 

Hatte man früher auf Basis der durch Strahlung gefälschten In- 
strumentalangaben der Ghusher'schen Fahrten angenommen, dass swar 

mit steigender Höhe eine Tempera turahnahme stattlinde, diese Abnahme 
aber je liöJicr, je langsamer vor sich gehe, und hatte man demr.ufolge 
theoretisch berechnet, dass die niedrigp.te Temperatur auf der Grenze 
zwischen der Erdatmosphäre und dem Weltenrsum nur — 40 bis 44* 
betrage ( also erstaimlicher Weise weit weniger, als die absoluten Minima 
an den Kältqwlen unserer Erde), so kam man jetzt su ganx anderen 
Resultaten. 

i>aä ^^urgtüllig ausserhalb Ballons aufgehängte uuil durch seine 
sinnreiche Konstruktion vor Strahlung gescbtttste Assmann'sche Aspi* 
rations-P.sychrometer erbrachte zweifellos den P>eweis, dass die alten 
Glaisher'schen Temperaturen in den entsjirechenden Höhen, beispiels- 
weise um 16", seibat 20" höher waren, als die neuen Werthe. Tempe- 
raturen, wie man sie bisher theoretisch nicht einmal von d^ Grenw der 
Erdatmosphäre gelten lassen wollte, von — 48" und mehr, fanden Redner 
und Dr. Süring bereits in 8000 m und 90vO m, ja unbemannte Registrir- 



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897 



ballone l»rachten aus Höhen von 10—15000 m Temperaturen von — 53** 
und — 68"C und aus 15 bis 20000 ni sogar von - 75" bis ■ - 80" mit. 

Auä der Gesanimtheit der vertikalen Teraperaturbeobachtuugen bis 
m 10000 CO ergptb sich eine dreifadie, deutliche UeberainandendiiditQDg: 
1) Die unterste, bodennahe Schicht bis etwa 1000 m, in welcher noch 
der Einflu.«g der Erdnähe am deutlichsten bemerkbar bleibt. 2) Die 
Zone zwischen 1000 und 4000 m, welche da« Gebiet der hauptsächlichen 
WolkeDbildung darstellt, in welcher die kräftigste NiedersdilagsbUdUDg 
stattfindet und in welcher in Folge dessen auch die durch Kondensation 
frei werdende Wärme die vertikale Temperaturabnahme mild^Tt ^'^ Ueber 
4000 m die Zone kräftigster Temperaturabnahme, welch' letztere sich, je 
höher, je mehr beschleunigt. Sie scheint zwischen 7000 und 8000 m =- 0,7", 
swischen 8000 und 9000 m = 0,9 C. pro hundert Meter zu betragen. 

Ausser diesen Temjteraturbeobachtangen pind besonders lehrreieb 
und interessant auch die Beobaclitungon über Windgescli windigkeiten in 
den verschiedenen Uöhenstufen. Sie ergaben eine stellenweise enorme 
Zunahme der Windgeachwindigkeit mit sanehmend«r Entfernung von 
der Erde. So stieg beispielsweise Redner an einem Spätsommertage bei 
absoluter Windstille anf. In 2000—3000 m ITöho hatte der Ballon 
bereits gute Fussgängergeschwindigkeit, welche muh zwischen 4000 und 
6000m zu Personenzugsgeechwiudigkeit steigerte; ja ein gleichzeitig auf* 
gestiegener unbemannter Freihallon, welcher bis 17 000 m emjwrstieg, 
legte in 6 Stunden einen Weg von 930 km zurück. Und doch haschte 
auf der Erdoberfläche zu gleicher Zeit nahezu Windstille. 

Nach diesen Angaben über einige der interestiautesteu Ergebnisse 
der modernen wissenschafUkshen Ballon&hrten ging Redner über an einer 
ungemein fesselnden Darstellung seiner Erlebnisse auf zwei der ereigniaS' 
reichsten seiner 71 bisher unternommenen Luftreisen. 

Zunächst wurde eine Fahrt geschildert, welche von Berlin beginnend, 
Redner zuaammeü mit einem Gefährten über die Oateee ins mittlere 
Schweden brachte. Diese Ueberdiegung des Meeres war eine aeronautische 
Leistung, welche nur bei der günstigen Wind- und Wetterlage jenes 
Tages mc^lich war und eine sehr geschickte und umsichtige Führung 
des Ballons erforderte. Denn der günstige Wind und die erforderliche 
BewegungsgeR-h windigkeit herrschten, wie sicli bald herausstellte, nur in 
einer ziemlich tiefen Luftschicht zwischen 600 und 1000 m, in welcher 
daher der Ballon kon.'^tant durch vorsichtiges Ausfliessenlassen des Baiastes 
erhalten werden mutiste. Stieg man höher, au erfasste eine widrige Luft- 
strömung den Ballon und trug ihn sofort gegen NO in der Biditung 
der Längsachse der Ostsee davon und demnach in sicheres Verderben. 

Durch das angegebene Manfjver gelang es inde«sen, dieser Gefahr zu 
begegnen, in 3 Stunden die Ostsee zwischen Rügen und Trelleburg zu 
überaiegen und mitten in der Nacht im mittleren Schweden glücklich 
zu landen. 

Die zweite geschilderte Fahrt war die iKicbste je von Mensclien 
gemachte Ballonfahrt, welche am 31. Juli 1901 vom Redner gemeinsam 
mit Dr. Süring ausgeführt wurde. 

Benutzt wurde dazu ein ganz gewaltiger Ballon von 8400 cbm luhalti 
wacher gefüllt etwa die Höhe eines 5<»6Btöekigen Hauses erreichte. Um 



298 



die -tIjv, ieriLP T"^nterV>rmping zu oi^ornner Ballastmengen tu sparen, füllte 
man nur ö4ü<) cbni Wasscrstotlgas ein, sodass der Ballon erst bei 
5000 m Höhe in Folge mittlerweile erfolgter Auödelinung des Gases 
Btiaff g^Ut war; für die enr«iehb«re Maximalhöhe war dieses dine 
Belang. Von 6000 m an mussten beide Insassen mit künstlicher Sauer- 
ßtofifathmung beginnen, um die Beschwerden der dünnen I^ufl erträglich 
zu machen. Auf diese Weise wurde zwischen 5000 und SOOO m ohne 
Zwiflchenliül beobachtet Zwischen 8000 und 9000 m begannen aber 
trotv künstlicher Athmung leichte Beschwerden. Man musste sich 
energisch zur Beobachtung zwingen und nahe 9000 m 1>egann Dr. Süring 
zum eröten Male schläfrig zu werden. Redner rief ihn an, worauf der- 
selbe sofort erwachte und anstaudslos den Beobachtungsdienst versah. 
Als der Ballon c&. 10300 m erklomm, schwanden plötzlich Dr. Süring 
die Sinne, der Sauerstoffr^dilauch ent=;ank seinem Munde, er sasö bleich 
und mit blauen Lippen da. Entsetzt si)rang Dr. ßerson an die Ventil- 
leine j selber kraftlos, einer Ohnmacht nahe, gelingt es ilnii beim dritten 
Male, das Ventil m offnen. Noch ein Blick auf das Barometer (es seigte 
201mm Druck gleich 10 500 ra Höhe, Termometer — 40' «• C), dann 
verliessen Redner die Sinne und erst nach dreiviertelstündigem, tiefen, 
Ohnmacht ähnlichen Schlaf im Korbe des sinkenden Ballons kamen die 
beiden Männer bei 6600 m wieder tarn Bewuasteein. 

Der Ballon scheint nach der Begistrirung wälirond der Ohnmacht 
beider Insassen eine gr("^s*t> Höhe von 10800 — 11000 m erreicht zu haben. 

Die wiedererwachenden Kräfte genügten, uni den Ballon wieder 
völlig in die Gewalt zu bekommen und um 6Va Uhr Abends glücklich 
SU landen. 

264. Sitzung. 3. April 1902. 
Vorsitzender: Herr Senator Roscher. 

Herr Dr. L. Friederichsen legt der Gesellschaft zunächst eine 
Anzahl im Besitze des Herrn Dr. M. .Mbtocht befindliclier Photographien 
von dem am 31. Januar 1902 stattgehabten gewaltigen Erdbeben von 
Schemacha (am SÜdfuss des östlichen Kaukasus) vor und bespricht so- 
dann das der Gesellschaft von ihrem Mitglieile, dem Stabsarzt Dr. Fülle» 
born zum Geschenk gemachte monumentale Werk; ,,Fülli'l)orn. Anthro- 
pologie der Noril Nyns«a-T.iinder, ein Atlas mit 63 Lichtdrucktafeln und 
begleitendeai Text. r.i02." 

Darauf bewilligt die Versammlung auf Antrag des Vorstandes Herrn 
Dr. M. Friederichsen ein Reisestipendium von 2500 M. behufs Theil- 
nahme an einer vom Miii bis Oktober d. J. zur Erforschung de.« centralen 
Tien schan, speciell des Khan Teugri- Massivs zu entsendenden russisciieu 
Expedition unter FQhrung des Professora der Botanik an der Universität 
Tonisk, W, W. Saposchnikow. 

Alsdann 8j)richt Herr Dr. W. Busse aus Berlin über das südliche 
Deutsch- Ostafrika unter Vorführung von Lichtbildern. Der Vor- 
tragende hat im Winter 1900/1 im Auftrags des kaiserL Gouverneura 
von Deutsch Ostafrika zum Studium der natürlichen wirthschaltlichen 
Hülfisquellen den Säden der Kolonie bereist, nachdem er vorher eine 



299 



fitofmonatliche Expedition durch den centralen und nördlichen Theile 
nupgeführt hatte. Nachdem Dr. Busse die Inseln des Südens berührt, 
deren wichtigst« "Mafia üher eine ausgedelinte Kokos-KuUur verfügt, trat 
er von Kilwa au^ den Marsch nach W'eäteo an. Die Reiäe bewegte sich 
snnSdtot nvAk Donde, dann dareh die Fliuagebiete des Djenje und 
Mbamngandu und über den Mampyuirücken nach Ungoni; vonSsongea 
aus wandte sich der Reisende nach Wicdhafen am Nyassa; die Rückreise 
nach äsongea wurde von Bendera aus durch das Berglaud der Matengo 
gemacht, [httauf maraohirte derselbe direkt rar MQndung des SeiuBawam 
in den Rovuma, den deutech^portugiesischen Grenzfluss, den er bis rar 
Mwili- Mündung verfolgte, um BofalieesliGh über das Maronde^Platean nach 
Lindl zu gehen. 

Im Bezirk Kilwa nimmt, abgesehen von der Insel Mafia, in wlrth- 
achaftlicher Beziehung das Donde-Land den ersten Platz ein, wo die 

Kautschukgewinnung in voller Blütlic ^ieht. In Donde herrschen 7.ur 
Zr^it ungesunde Verhiiltnisso, da die Bevölkerung einen ungeheuerlichen 
liaubbau treibt, um iiire Gläubiger an der Küste zu befriedigen, und 
Getreide &8t gamicht kultivirt wird. Die Fluesfliiiler des Djenye und 
Mbarangandu — heute fast unbewohnt — würden nach Aneicht des 
Vortragenden für den Fall, dass einmal eine Bahn den Süden der Kolonie 
durchquert, vorzügliche Siedlung^ebiete für die Eingeborenen abgeben. 
Ohne wirthschaftliche Bedeutung sind die Waidgebiete des Mampyui' 
Rückens und seiner Ausläufer, eine Gegend, die ungemein reich an 
Büffeln und Elephantcn ist. Das fruchtbare wasserreiche Hochland von 
Ungoni, dessen einstnial so kriegerische Bewohner sich seit der vor vier 
Jahren erfolglea Gründung der Station Ssongea vollständig auf die 
Landwirthschaft konzentriren, verfügt über eine ei^iebige Getreide- 
produktion ; auch die Viehzucht findet dort günstige Bedingung. Sollte 
sich das Projekt einer Südbahn verwirklichen, so würde Ungoni vielleicht 
auch für europäische Plantageokultur (Thee, Katlee) ertK^hlossen werden 
können. Ungemein reizvoll erscheint der Weolisel in Landschaft und 
Vegetation beim Absti^ ram Nyassa-See. Die G^end von Wiedhafen 
erfreut sich eines sichtbaren Aufschwungs seit Beseitigung der Wangoni- 
Raubzüge. Wiedhafon selbst, in herrlicher Lage, gewährt einen vorzüg- 
lichen Hafen und bi^t dem Europäer gQnstige klimatische Bedingungen. 
Viehraoht und Ziegelbrennereien werden mit bestem Eefolge betrieben. 

Des Längeren verweilt der Vortragende bei der Schilderung der 
eigenartigen Bevölkerung der südliehen deutsclien Nvassaküstc und des 
höchst iüteresäanten Matengo- Landes. Die VV'auiatengo, die Urbevölkerung 
des Gebiete, betreiben die Landwirthschaft in so hoher Vervollkomm* 
nung, wie man sie in Ostafrika wohl nicht zum zweiten Male antrifl't. 
Sinnreiche Bewüsserungsanlagon und andere P^inrichtungen zeugen von 
der hohen Intelligenz jenes Stammes. Ihre Wohnungen sind wegen der 
früher standig drohenden Wangoni-Ge&hr swischen hohen Felsblocken 
erbaut, die den Leuten zugleich als natürliche Wartthürme dienten, von 
denen aus sie jede feindliche Annäherung auf weithin ülierschauen 
konnten, um dann im Augenblick der Gefahr zwischen den Felsklüften 
zu verschwinden, in denen sich jede Verfolgung von selbst v^bot. 
Am Rovuma hensdite im vorigen Winter fürolitbare, durch eine 



300 



Dürreperiode ttad Getreidekrankheit hervoi^erufene Huagennoth, deren 

Erscheinungen dem Reii^enden täiiHch vor Augen traten, und die ihm 
zugleich bei der Verpdeguug seiner Karawane grosse Öchwierigkeiten 
bereitete. 

Auch am Bovuma sind die Anzeichen neuer Besiedelung, nament- 
lich durch Zuzug a'i ' doni portugiesischen Nachbai^ebiet unverkennbar. 
Das dentt^che Rovuma Ufer könnte eine ungleich dichtere Hevölkennig 
ernühreu als jetzt dort untiääsig ist. Den Schlusä der Expedition bildete 
eine Bneisung des tinwirtbHchen Maaonde-niitoaiis, desaen Bod«i' 
bewachsung grösstentheils in undurchdringlichem, jede Orientirung 
vereitelndem Busch bestellt und dessen Bewohner den Reisenden durch 
absichtliche Irreführung oder andere Unzuverlässigkoitea dauernd in 
Verl^nheit setsten. 

In einem Ueberblick über die südlichen Gebiete spricht sich zum 
Schluss der Vortragende zunächst dahin aus, dass der Süden im All- 
gemeinen ein viel gleichmässigeres landschaftliches Gepräge trage, als die 
centralen und nördlichen Theile der Kolonie. Unabsehbare Legiiminosen- 
Wälder bedecken die Uöhenzög^ und die weiten flachen Mulden, die sich 
zwischen ihnen ausdehnen. Aber das Hochland von Ungoni, die 
Raudgebirge des Nyassa-Öees und die prächtigen Pas.'^gefilde am Rovunia 
bieten auch im Süden graudiu»e Kontraste dar, die uns an Junker s 
Wort erinnert, dass Afrika das „Land der Gegen^tze" eei. 

In wirthschaftlicher Beziehung stehen Ungoni und dass Gartenland 
von Tjindi obenan. Für die Erschliessung von Ungoni, ebenso wie das 
Konde-Landes im nördlichen Nyassa-Gebiet wird nach Ansicht des Vor- 
tragenden die Schaffung einer Bahn-Verbindung zwischen dem Nyassa 
und dem Ocean auf deutschem Gebiet die Lebensfrage bilden. Ein 
solches Unternehmen würde sich durch Aufnahme des Shire-Zambezi- 
Flussverkehrs und des Nyassa Handels als durchaus rentabel darstellen. 

265. Sitzung. 1- Mai 1902. 
Voraiteender: Herr Büigermeister Dr. Mönokeberg. 

Der Voreitsende eröffnet die Siicung mit einigen Gedäohtnisaworten 

auf den am 25. April verstorbenen Herrn Senator Adolph Herls, Präsident 
der Geograp] tischen Gesellschaft während des Zeitraumes vom Sl.Män 1887 
bis 28. April 1892. 

Sodann berichtet Herr Dr. L. Friederichsen über das im Anscbluss 
an das 1887 begründete Geographische Institut an der Uni\ orsität Berlin 
in der Georgen Strasse in Berlin nn"t Zustimmung Sr. Majestät des 

Kaisers in Bildung begriilV^n»^ Institut für Meereskunde, unter Leitung 
des Professors Ferdinand i riir. v. Richthofen, und legte das soeben 
erschienene erste Heft der Veröffentlichungen dieses Institnto vor. 

Hierauf hält Herr Hofrath Dr. B. Hagen aus Frankfurt a. M. den 
angekündigten Vortrag über die nördlichen Bafaklilnder Sumatras, auf 
Grund eigener Reisen und unter Vorführung von Lichtbildern. Nach 
einigen einleitenden Worten giebt der Vortragende tunSchst eine Uebe^ 
eicht über die phyaikoliflchen VerhältnisBe der Ineel Sumatra. Bs ist 



301 



eine exquisit tfopieche Insel, die Tom Aeqontor nftbesQ balbirt wird, 

und stellt mit ihren über 14000 qkm die viertgrösste Insel der Erde 
dar Hf^ologisch besteht sie aus zwei gänzlich verschiedenen Längshälfton, 
die sowohl in ihrem Aufbau, wie in ihrer Pflanzen- und Thierwelt von 
einander abwddien. Wfthrend die Osthalfte eine grosse, weit ausge- 
dehnte, flache und sumijfige Alluvialebeoe darstellt, welche sich nur 
wenig über da? Niveau des Meeresspiegels crhcl>t imkI mit dem dichten, 
üppigen Universalkleid der tropischen Monsunllora bedeckt ist, zwischen 
der eirie Thierwelt haust, welche an Reichhaltigkeit der Arten kaum von 
irgend einem Theile der £rde übertroflen wird ^ die Lasel Sumatra 
besitzt die meif^ten und grÖssten wilden Thiere — . tritt uns in der West- 
hälfte der lupel ein holiep, wildromantiscbeB Bergland mit H(X'ligel)irg8- 
zügen und Gipfeln bis zu 3800 m entgegen, die grosse, weitaut^gedehnte 
Hochebenen und Hoditbaler umfassen, mit einer ganz anderen Vegetation 
und einer gegenüber der Tiefe})ene bedeutend veränderten Thierwelt. 

Die Ursache dieser Verschiedenheit ist, dass die Westküste Sumatras 
fast schutzlos dem Wogenprall des Indischen Ooeans ausgesetzt ist, 
welcher sich bis dicht an dm Fuss des Zentralgebirges herangenagt hat 
Die Osthälfte dagegen ist der stillen, ruhigen, seichten Strasse von 
Malakka zugekehrt, und so war es möglich, dnss sich hier die grossen 
nupgedehnten Alluvialebcnen bilden konnten, welche in den letzten 
dreissig Jahren einen Weltruf als Produktionsland des berühmten Sumatra- 
tabadcs erlangt haben. Hier auf der Ostseite konnten sich denn auch 
die grossen Ötromsysteme entwickeln, welche der Westküste vollständig 
abgehen und welche wieder das Ihrige dazu beitragen, diese An- 
schwemmungseljcnen zu vergrösseru und zu verbreitern. Wie rapid dies 
vor sich geht, mag man daraus entnehmen, dass die Stadt Palembang, 
welche nachweislich vor ca. 400 Jahren dicht am Ufer des Meeres ge- 
gründet wurde, heute 80 km landeinwärts liegt. Man sollte meinen, 
dass bei solchen Verhältnissen die Strasse von Malakka immer mehr 
sich verschm&lem und verseichten würde, so dass in absehbarer Zeit 
Sun^atra und die Halbinsel Malakka ein xusammenhängendes Ganzes 
bilden ; aber es existiren wieder andere Faktoren (z. B. gewisse Strömungen), 
welche einen derartigen gänzlichen Zusammenschluss verhindern. 



Wenn man die Karte betrachtet, erscheint nichts natürliciter, als 
lass Sumatra und Malakka ttühae einmal wirklich ein solch zusammen- 
hängendes Ganze gebildet haben; und doch ist dieser Schluss falsch. 
Natürlich stehen beide auf ein und demselben Granit- und Schiefer- 
sockel und haben in den allerfrühesten Perioden unserer Erdgeschichte 
auch wirklieb «nen zusammenhingenden Bestandtheil des Uten süd* 
heini8|)häri8chen Gondwana-Landes bis in die mesolithische Zeit hinein- 
gebildet ; nhrv seit dem Beginn der Tertiärperiode ist die geologische 
Geschichte eine ganz andere, als diejenige von Malakka. 

Während die Entwickelung von Malakka bis heute ziemlich ruhig 
und ungestört verlief, wurde Sumatra der Schauplatz grossartiger 
vulkanischer Veränderungen. Es brach im EocÜn die ungelieure Erd- 
spalte auf. welche von Sumatra ab den ganzen mahi rlifMi Archipel um- 
schlang und sich einestheils über die Philippinen hiä iiinauf nach Japan 
und atidemtheils über Neu-Guinea bis tief in die Sfidsee hinein 




308 



fortsetzte. Diese Spalte durchzog die Wosthälfte Sumatras in ihrer ganzen 
Länge, und aus ihr quollen grosse Massen trachytischer Gesteine empor, 
welche das Urgestein, Granit und ältere Schiefer theils überdeckten, 
thdls hoch emporpreasten, hohe Eroptionekegel dannif auftcbfitteten und 
80 das Rückgrat Sumatras bildeten, das Barisan-Gebiiige. 

Nun folgte eine Zeit der Ruhe, bis zu Anfang unserer jetzigen Erd- 
periode, der quartären, also zur Zeit des ?ithekauthropos, 2U einer Zeit, 
wo der Mensch schon als solcher existirt haben kann^ ja existirt haben 
musB, neben diesw ersten älteren Spalte eine sweite jängere Parallel- 
ppalte aufbrach, die von zahlreichen (Juerspaltcn unterbrochen und dur Ii 
kreuzt wur«le. Auf nuf dicfor 7\v('iu>n Spalte pchüttcton sich zahlreiche 
heute noch liiutige Vulkane aul, und liire Kruptionsprodukte, vulkanische 
Asche und Sand, füllten allmählich die iwischen den beiden Gebiigs- 
Systemen befindliche Vertiefung aus, so dass dieselbe heute ein grosses, 
fast über die ganze Länge Sumatras ausgedehntes, von zahlreichen Quer- 
gingen durchbrochenes und abgetheiltes, flaches Hochland darstellt. Da 
wo die Querspalten sich mit den Haupt.spalten krenzten, fonden Ein- 
brüche und Einattikungen in grösserem Maasse statt; dieselben föllten 
sich mit Wasser, und auf diese Weise entstand ;uif dieser IhK^hflächc 
eine Kette von Seen, zum Theil von bedeutendem Umfang, wie der 
Danau-See, die Seeu von Singhara, Manindjo, das Toba-Meer u. a. 

Das Toba-Meer Ist der grösste, aber auch nocli am wenigsten be> 
kannte dieser Seen, wenn man von einem nur durch Hörensagen be- 
kannten gleichnamigen See, welcher weiter nördlich im Gajugehiet an 
der Südgreaze von Atjeh liegen soll und worül>er ich zuverlässige Er- 
kundigungen 8. Zt. eingezogen habe, absieht, Zur Zdt> wo ich meine 
beiden Expeditionen unternahm, 1881 und 1883, konnte man denTobasee 
mit gutem Gewissen, selbst von hoHihidischer Seite, als ,,halb Fagenhaft" 
bezeichnen. Nur zweimal vorher war die nördliche Hälfte des Tobasees 
von Europgern flüditig erreicht worden, 1886 und 1870, und swar von 
hollandischen Begierungsbeamten, die unter dem Schutse und Geleit des 
Malaien-Sultans von Deli reisten. Iliro beiden Reiserapporte enthalten 
ausser ethnographischen wenig wiBäenschaftliches Material. Hier war 
also noch freies Feld für intensive Forschung. 

Lange bot sich jedoch keine Aussicht för Verwirklichung meiner 
Pläne, da die Rataks, die Bewohner der nördlichen Hochebene von Toba, 
in welcher der Tobasee liegt, das Eindringen von Europäern in ihr 
Gebiet mit allen Mitteln zu verhindern suchten. Nur dem Umstände, 
dass er als Arst öfter in die Lage kinn, den sum Tauschhandel in die 
Küstenebme von Deli herabgestiegenen Batak-Karawanen hülfreich bei> 
zustehen, verdankte es Redner, dass es ihm pchlicsslich gelang, einige 
angesehene Häuptlinge zu gewinnen, welche es unternahmen, gegen Geld 
und gute Worte ihn mit sich nach oben in ihre Heimath zu nehmen 
und ihn an die Ufer des nördlichen Theils des Tobasees und wieder 
zurück zu bringen. Nachdem noch allerlei Schwierigkeiten kleinerer Art 
beseitigt waren, z. B. der Widerstand des niederländisch • indischen 
Gouvernements, welches, im Falle mir etwas zustosson sollte, Ver- 
wickelungen mit meiner Regierung befärchtete, da ich deutscher Unter- 
tban war, die Beschaffiing des nöthigen Reisegeldes, da die Bataks die 



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m 

landläafige Mfinie, dm mexikanischen Dollar, nicht anerkennen, sondern 

nur die seltenen, alten spanischen Matten, welche schwer zu beschaffen 
waren, das Einkaufen von Geschenken, da jede Batakansiedelung bei 
dem Fehlen einer kräftigen Zentralgewalt auf sich selbst stand und nur 
ihren eigenen Dorfhäuptiiog anerkannte, von dem in jedem einzelnen 
Falle die Erlaubniss zum Durclizug durch Gesclienko erkauft werden 
mnsste, konnte ich endlich Anfang August 1881 meine erste Expedition 
in Begleitung von oO Bataks als Träger antreten, elirlich geatanden, 
nicht ohne ein kleines BangigkeitsgefÜhl, da das Batakvolk, in dessen 
Gewalt ich mich jetzt l)egab, nicht mit Unrecht im Gerüche stand, seine 
Feinde, wozu vor allem jeder Fremde als vermuthlicher äpion gehörte, 
aufzufressen. 

Nach einem sweitSgigen Manche durch die wunderbaren tropischen 

Urwälder der Küstenebene war der Fuss der Vorbeige erreicht und damit 
die Grenze des Batakgebietef. An der Hand einer Anzahl von Licht- 
bildern schildert Redner nun die Bewohner des Dusan oder Lusan, wie 
das von Bataks aller Stämme besiedelte und kolonisirte Gebiet der Vor- 
heize und Gebirgsflanken genannt wird, nachdem er vorher sich in einem 
kurzen Expc^c über die somatischen und ethncjgraplusdien T^ntersclHedc» 
zwisclif'n Malaien und Bataks verbreitet hat. Danach sind die Bataks. 
die Bewohner der zentralen Thcile der Lisel, als verhältnissmässig reines 
Urvolk von sehr primitiver Körperform su betrachten, wfthrend die 
küsten bewohnenden Malaien ein Mischlingsvolk sind und gcwissermaassen 
einen Oxydationsring darstellen, indem die bataksche Grundlage sich 
mit indischen und chinesischen Elementen, die als Händler seit Jahr- 
tausenden die Kösten Buroatras besuchten, kreuzte. 

Die Häuser und Ansiedelungen des Dusangebietes tragen alle einen 
leichten, zusammengewürfelten ephemeren Charakter und ähneln nicht 
im Geringsten den soliden, schweren Haus- und Uorfaulageu der Hoch- 
ebene. 

Bei etwa 600 m Höhe trifft man die Vegetationsgrense, wo die 
Flora der tropischen Tiefebene sich mit der Flora des Hocbgebiiges 

berührt. 

Die Hochebene von Toba, welche bei 1200 — 1400 m erreicht wird, 
bietet einen eigenthümlichen Anblick. Es ist eine anscheinend völlig 
fladi, weitausgedehnte Ebene, nur mit kurzem, hartem Gras bestand«!, 
Ober welche der Blick frei \md ungehindert hinschweift, eine endlose 
Balanggrassavaone. Diese sterile Grassteppe sagt deutlicher als Worte, 
dass wir es hier mit einem alten, durch vidleioht Jahrtausend langen 
Ackerbau ausgemergelten Kulturboden zu thun haben; die Bewohner, 
die Bataks, sind ein altes Ackerbauervolk, das aber k^ne Ähnung von 
Düngung und Bo<lenmelioration hat. 

Der ganze, wie oben gesagt, nur aus lockerer Asche und vulkanischem 
Sand aufgeschüttete Boden ist durch tiefe, senkrecht abstürzende Brosions* 
spalten die Kreuz und Quer durchzogen, und hier hat sich die ursprüng- 
liche Vcgotntion vor dem alles überwuchernden Halanggrase hinabge- 
flüchtet. Mit freudiger Verwunderung sieht man hier blühende, wohl- 
riechende Veildienbeete, Rrdbeeren, Vergiasmeinnicht, GMssblatt, Immor- 
tellen, Alpenrosen und dergl., uns aus Europa wohlbekannte Pflanzen. 



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304 



Der Charakferlmum der Hochebene ist aber die düstere Areng- oder 
Zuckerpnlme, welche für den Batak geradezu Lebensbedingung ist; sie 
liefert ihm Holz, Umzäun ungsmateriai, Wein, Zucker, Zunder, Dachbe- 
deckung, Stricke etc. 

Auf den Savannen bieht man groscje Rinder-, Büöel- und Pferde- 
heerden weideD, deren Besits die BatBknation in einer reichen and 
glücklichen machen würde, wenn der ganze Gewinn hieraus nicht wieder 
durch die drei Haiiptlnster die?e? Volkes in die Brüche ginge, nämlich 
Opium, die Öpielwuth und den Kriegssport. Der Krieg wird hier wirklich 
als Sport betrieben; ee handelt eich nicht um Eroberung oder Ver- 
nlchtung des Gegnens, sondern nur, um auf anständige Weise sozusagen 
m einem gewaU«nm ums Leben Gekommenen zw gelangen, ans de«?en 
Körper von den Zauberpriestern allerhand Zaubermittel angefertigt werden. 
Die Kriege sind also sehr unblutig. Die Religion der Bataks gehört dem 
grossen Kreise des östlichen Animismus und der damit zusammen- 
hängenden Ahnenverehning an, mit starken Bruchstüeken indischer 
Göttcrlehre, wie denn überhaupt die ganze Batakkultur auf indischer 
Basis beruht, wie aua vielen Dingen hervorgeht. Obwohl Redner sonst 
kon Freund der Lehre von der Dekaden» der Naturvölker ist, muss er 
hier bei den Bataks doch eine gewisse Dekadens, ein Herabsinken von 
einer früher höheren Kulturstufe annehmen. 

Nach einem starken Tagemarsch quer über dir-r ITochfavanne steht 
man plötzlich und unvermittelt vor einem gewaltigen 400 m und mehr 
senkrecht und jäh abstürzenden Einbruchskcssel, der mit Wasser gefüllt, 
einen ungeheuren See von etwa 2000 qkm Flicheninhalt darstellt, — 
dem TobascG. Am Ufer dieses Sees lag das jedesmalige Reiseziel der 
beiden Ex]>editionen de.s Redners, und er weiss von der Ritterlichkeit 
und offenen Geradheit des unverfälschten Batakcharakters und von der 
Liebenswürdigkeit und Gastfreundschaft, mit welcher er während seines 
ganzen insgesammt auf ca. 2 Monate eich erstreckenden Aufenthaltes 
behandelt wurde, viel Rühmenswerthes zu erzählen. Nur gegen geogra- 
phische Aufnahmen und Zeichnen bestand anfänglich grosses Misstrauen 
und wurde in dem eisten Quartier, dem Dorfe Tonging, sogar direkt 
verboten; trotzdem gelang es, siemlich gute und richtige Terminauf- 
nahmen zu machen und die erste Karto des nördlichen Theiles der 
Batakländer und des Tobasoes zu liefern, welche seither nur wenig Ver- 
besserungen erfahren hat. Auch die grosse In^l im Tobasee erhielt 
sum «rsten Male ihre richtige Gestalt, und ein gdungenes Panorama des 
Sees ermöglichte dem berühmten holländischen Geologen Verbeek, eine 
Theorie über die Entstehung desselben aufzustellen. 

Ein weiteres geographisches ResuUat war die Feststellung, dass diese 
ungeheure \Va.sseransammlung keinen iienuenöwerthen Zuiiuss und nur 
einen einsigen Abfluss an der SQdostseite hat und gewissermaassen auf 
der Wasserscheide zwischen Ost- und Westküste und mit ihrer grössten 
Axe in der Lüngsa.xe der ganzen Insel liegt. Eine Menge neuer Pflanzen 
und Tiiierformen erweisen den unabweisbaren Zusammenhang der suma- 
tranischen Hochebene mit der I^una und Flora des Himalaya, eine 
überraschende zoo- und phjrtographisohe Entdeckung von grosser Bedeutung. 



305 



266. Sitzung. 24. Mai im 

Vorsiteender: Herr Bürgermeister Dr. Mönckeberg. 

Den einzigea Gegenstand der Tagesordnung bildet ein Vortrag des 
Herrn Dr. Bmfl Dedcert aus Berlin fiber die SohAUplfttie der 

grossen westindischen Vulkankatastrophe unter Vorführung 
von reichem Kartnnmaterial und I^iehthildern nach eigenen Aufnahmen 
aus dem Jnhre 1898. Der Redner betont einleitend, dass die Vulkan- 
katastrophe von Martinique und St. Vincent kaum ein genaues Seiten- 
stüek in der Geschiohte habe. Bei dem ähnlich gearteten Vesuvansbrnche 
vom Jahre 79 n. Chr. wurden in Pompeji etwa 2000 Menschenleben 
vernichtet, auf Martinique war der verwüstete Distrikt aber von 
60,000 Menschen bewohnt, von denen schwerlich die Hälfte entronnen 
sein dttrfte. Die KmlutaQ-Katastiophe forderte eine onnShemd ebenso 
grosse Zahl Menschenleben, aber ledi^ieh darch die der Eruption 
folgende Fluthwelle. Als einfacher Natnrprocess, der ungeheuere Massen- 
bewegungen und Umgestaltungen an der Erdoberfläche bewirkt, steht 
die Krftkatan-Kstastrophe in guter Parallele mit der westindischen, über 
die nher die Akten noch nicht gssehlossen sind, sodass dn strenger 
Vei^leitli ! t möglich sein wird, wenn eine genaue Untersuchung vor- 
liegt. Einstweilen muss vor voreiligen Trugschlüssen gewarnt werden, 
da die Lage de& Eruptionsherdes in den beiden Fiilleti eine durchaus 
versobiedene war. Vor allem bandelt es sieh bei den westindischen 
Vulkanen um Tiefsee im Osten wie im Westen, und es wäre daher 
wohl denkbar, da^^s die Wirkungen ihrer Eruption sich mehr auf die 
elastisclie Masöe des Meeres und auf den Meeresgrund erstreckt haben, 
diejenige der Krakatau>Eruption aber mehr in die Höhe und in den 
oberfläcbJichen Schichten der Erdrinde in die Ferne. 

Eine Art Vorhof zu dem Schauplatze der westincH.schen Katastrophe 
bildet die Bahama-äee mit der Babama lnselÜur, in normalen Zeiten 
das sanfteste aller Tropenmeere, bisweilen aber von Orkanen furchtbar 
aufgeregt und nur von seismischen Vorgängen merkwürdig selten und 
schwach berührt Das kleine Insclgebäude von St. Thomas wird gleich 
den äusseren Karibischen Inseln nicht bloss häutig von Orkan- und 
Erdbebenwellen heiuigeäucht, sondern auch seiir oft »tark miteri-chüttert. 
Junge Vulkane enthalten nur die inneren Karibisehen Inseln, die nörd* 
liehen aber verharren in den historischen Zeiten in blosser Fnniarolen- 
und Solfataren-Thätigkeit, und ganz im allgemeinen machte der west- 
indische Vulkanismus bis zu den Maitagen d^ Jahres 1902 den Eindruck 
einer gewissen Schwächlichkeit und Schlaffheit. Einsig und allein in 
der Soufriere von St. Vincent zeigte er sich im Jahre 1812 einer kurzen 
höheren Kraftäusserung fähig. Die Bewohner der Inseln hatten also in 
ihrem herrlichen Tropenparadiese wenig Veranlassung, wegen des Wieder- 
erwachens der Feuerbetge besoi|^ in sein, und andere Plagen — R«>gen- 
fluthcn, Dfirrezeiten, Orkane — berexteten ihnen jederzeit viel grössere 
Aufregung und Noth. 

Martinii^ue, ebenso wie seine nächsten Nachbarinseln Dominica, 
Weöt-Guatlelüupe, Sta. Lucia und St. Vincent, stellen sich schon in ihren 
kühn YOrepringenden Voiigebirgen als vulkanische Inselgebiude dar, und 

tflltli«MHM|ON XVtU, Dr. Vax rrIrdtrIchMB. » 



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£06 



in Nord-Martinique, in Süd Sta. Lucia nnd in Nord St. Vincent sind es 
beeonders Bimeteine und Konglomerate quartären und jüngeren Alters, 

«lie piV zuf-anifneripplzon ; in anderen Theilen dieser Inseln dagegen legen 
ungeheure, in das Meer hinntipgeflojJseiK^ I.awnstrüine von der Kraft de« 
Vulkanismus in der späteren Tertiärzeit ein sehr deutlich sprechendes 
Zeugniss ab. 1^ auf Martinique und St Vinoent die jüngsten volkanisoben 
Bildungen im Norden liegen, war hier auch am ehesten ein Wieder* 
erwachen der vulkanipchen Thäligkeit zu gewärtigen. Im Innern der 
Insel wurde man an diese Möglichkeit hesonders in den grossen Kratern — 
den sogenannten Soufri^ren — gemahnt, wenn die Tropenvegetation 
auch in der jahrhimdei tl; i - n Ruheseit bis auf die 8<^e dieser Krater 
hinabgewnchert war und stellenweipo pognr Pflanrnngen nn ilirer Innen- 
wand liegen. Die Soufri^re von Üt. Vincent hatte ausser 1812 auch im 
Jahre 1718 eine Eruption, diejenige von Sta. Lucia angeblich 1766, die 
von Dominica 1883. die von Guadeloupe 1797. 

Der M«^nt Pel^ (oder lnnde?ühlif lier die Mnntngne Pelre, d h. kahler 
Berg), der der Stadt St. l^ierre etwa um 1 km näher liegt als* der Vesuv 
der Stadt Pon\peji, gab deutliche, wenn auch schwache I/cben^zeichen 
1792 und 1851. Seine Besteigung, die Redner Anfang Juli 1898, also 
in der Regenzeit unternahm, erfolgt am besten von Morne Rouge aus, 
das etwa 450 m über dem Meeresepiegel liegt. Auf dem Wege dahin 
hat man erst nach links schöne Ausblicke auf die tiefe und breite, von 
grossartiger Tropen Vegetation erfQllte Barranca der Riviirs Rozolane, 
dann nach rechts auf ein weites Amphitheater, dessen Rand wie eine 
Art ferngerücktc „Somma" ers(hoint — als Andenken an einen älteren 
Vulkanbau, der dem gegenwärtigen voraufgegangen, aber durch die 
Atmosphärilien und Explosionen zerstört worden ist. Aehnlich dürfte 
die nnmittelb.a re Vorhöhe des Mont Pele, der sogenannte Moni Calabasse 
zu deuten ?ein. Der Aufstieg zum Berge selbst ist sehr steil, und in der 
Regenzeit bereitet vor allem die au?«sernrdentliche Schliipfrigkeit des von 
Palmkohljägern (chasseurs de cliou.x) gebahnten Urwald-Pfades grosse 
Schwierigkeit. Von 900 m Höhe an tritt an die Stelle des Waldes ein 
niedriges Gestrüpp von Zwergpalmen, Farnbäumen etc., aus dem 
geppenptprhaft abgestorljene Bäume ihre Aeete in die Höhe recken. 
Diese Bäume sind wohl 1891 von den furchtbaren elektrischen Ent- 
ladungen, die einen Orkan begleiteten, getötet worden. Bei 1100 m 
Höhe erreichte der Redner auf der Ostseite des Berges ein Plateau, auf 
dem fiieli die ersten Zeichen einer jungen vulkanipchen Thätigkeit zeigten, 
tiefe Spalten, aus denen jene stechenden schwefligen Dünste aufstiegen, 
die bei der Katastrophe den Tod der meisten Opfer herbeigeführt zu 
haben scheinen. Redner hatte auf seinem Wege drei solche Spalten, 
von denen eine 2Va m breit war, zu überschreiten. Eine vierte durch- 
querte diese drei rechtwinklig. Im Ganzen hatte der Berg damals 
mehrere Dutzend solcher Spalten. Auf dem letzten Kilometer führte 
der durch einen aus Bimsstein und Pfianssnrsslen gebildeten Morast 
Dann gelangte er an den kleinen Kratersee „Lac des Palmist^ der 
nur 75 m lang und 2 m tief ist. Im Norden und Osten ist das Ufer 
des Sees flach, im Süden und Westen ist aber ein Wall von Bimsstein 
und Schlacken dem Ufer au^esettt. 



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307 



Der Abotieg naeh W«eten gestaltete sich recht schwierig, denn der 
Faesat blies 8o stark, dasB er nicht nur die belnsteton Triigor, sondern 
auch die auf ihre Stöcke sich stützonden Theiinehmer der Besteigung 
oft zu Boden warf. Diese Gewalt des Windes wird auch die Ursache 
adn, dass sich anf der Höhe nur niedriges Gestrüpp erhält. 

Zwei Kilometer vom Kratonee entfernt entfliessen einer Spalte 
mehrere Schwefehjuellen, die ,,Sources Je la Soufrit've". Diclit daneben 
befinden sich zwei kleine Krater, aus denen im Jahre 1851 eine Aschen- 
eruption erfolgt ist Unter ihnen lag eine Reihe weiterer kleiner Krater, 
die m6tki so gut erhalten waren ; sie stammten wahrsdieinlich aus dem 
Jahre 1792 oder von früheren Ausbrüchen. 

In dieser Gegend inuss der Ausgangspunkt der Aktion des Berges 
li^en, die zu der jetzigen Katastrophe geführt hat; vielleicht hat aich 
da ein neuer Krater gebildet. Zweifellos hatte in dieser Q^gend d« 
grosse Schlackenstrom, der am 8. Mai mit solcher Schnelligkeit, alles 
verheer' ti l in das Tlial herniederging, seinen Ursprung, denn die 
Zuck erpian tage Gu6rin, die ihm zuerst zum Opfer fiel, hig auf dem 
Wege, den ein aus jener Gegend des Berges kommender Strom 
nehmen moas. 

Der Zusammnnhnng der Vulkanau.sbrüche mit den seismischen 
Verhältnissen der Karihen-See ist sehr klar, und als da« wichtigste 
Vorspiel der phänomenalen Katastrophe muss die kaum weniger 
phänomenale, wenn auch weniger beachtete Brdbebenperiode von Mon^ 
serrat, die im Jahre 1896 begann und 1897 und 1899 ihre Höhepunkte 
erreichte, bezeichnet werden ; als ferneres Vorspiel aber aucli das grosso 
Beben von Nord- Venezuela im Jahre J900. Dem St. Vincent-Ausbrucho 
von 1812 ging auch ein grosses Beben in Nord- Venezuela voraus, durch 
das die Stadt Caracas zerstört wurde. An dem unterseeischen Damme, 
der die karibisolie Tiefsec von der atlantischen scheidet, bezeichnen 
Martinique und Sta. Lucia sowie auch Dominica und St. Vincent die 
zerrissenste und schwächste Stelle, und wenn es sich bei den seismischen 
Bewegungen von Montserrat und Nord- Venezuela um ein besonders 
rüstiges Fortschreiten des karibi . !m n Meereseinbruches gehandelt hat, 
HO mussten die genannten Ingeln früher oder später iu starke Mitleiden- 
schaft gebogen werden. 

An den mit Beifiill aufgenommenen IV« standigen Vortrag reihte 
sich eine Diskussion, an der sich die Herren Professor Gottscho, Dr. 
L. Friederichsen und Professor Schorr betheiligten. 

267. Sttiong. 5. Juni 1902. 
Vorsitsender: Herr Bürgermeister Dr. Mönokeberg. 

Vor Eintritt in die Tagesordnuug erinnert der stellvertretende Vor- 
sitcende Herr Senator Roscher daran, dass just 10 Jahre verflossen 

seien, seit Herr Bürgermeister Dr. Mörickcberg zum Präsidenten der 
GeKellscbaft erwiililt wurde und dies Ehrenamt ohne Unierbrechung 
geführt iiabö. Kr halle es daher für angezeigt, dem allverclirten Herrn 
Präsidenten den wärmsten Dank för das stete gleiche Interesse an den 



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308 



Aufgaben und Bestrebungen der Gesellschaft auszusprechen. Herr 
Senator Roscher knüpft daran eine länfjnre Betrachtuiv„' üher die Ent- 
wicklung der Gesellschaft, über ihre Helbständigen wiäi>enächaftlichen 
Unternehmungen und die Mannigfaltigkeit der während der letzten 
10 Jahre entgegeriEPiiommenen Vorträge hiesiger und auswärtiger 
Gelehrtor. Durch Erlieben von »Ii^n J^itzen gic'l,»t iHo Versammlunp: dem 
allseitig enipfiindonen Danke an den Herrn Präsidenten Ausdnuk 

Herr Bürgermeister Mönckeberg erwidert darauf, dase es ihm stets 
eine groeee Freude gewesen sei und auch ferner sein würde, den Vonits 
in der Gesellschaft zu führen, er hoffe aber auch gleichzeitige dass die 
übrigen Herren des Vorstandes ihm wie vordem mit Bath oud That 
zur Seite stehen würden. 

Zur Tagesordnung fibergehend, giebt der Vorsitxende bekannt, daas 
Herr Prof v. Drygalski per Ansichts postkarte, datirt vom 1. Januar 1902, 
die glückliche Ankunft de.« ^tums.s" aufKerguelen hierher gemeldet und 
nachträglich der GeselJschalt den Dank für ihre derzeitigen Abschieds- 
grüsse abgestattet habe. Auch theilt der Vorsitzende mit, dasa Herr 
Dr. Max Friederichsen am 27. Mai telegraphisch s^ne glückHclie Ankunft 
in Wjernyi am Fussc des Transilonsi.-^ehen Alii tati gemeldet haho. Aus 
voraut'gegangenen brieflichen Mittlieihmgen gelie hervor, da^« die Reise 
durch Turkestau bei 34 "C Schatten-Temperatur programmmiissig ver- 
laufen und die Benutsung der transkaspischen Bisenbahn seitens Niebt> 
ruBson. die vordem von einer kriegsministeriellen Erlaubniss in St. 
Peter.sl>urg abhängig war, seit dem 1. Mai d. J. faktisch für Jedermann 
freigegeben sei. 

Sodann ertheilte der Vorsitzende Herrn Dr. 8i^ried Genthe, der 

vor wenigen Wochen auf dem Landwege aus Ostasien zurückgekehrt ist, 
(]-}^ Wort zu .seinem angekündigten Vortrag über die Mandscluirei und 
die neuen betleutsamen Gründungen der Ru.«sen, Port Arthur und Dalnij. 
In der Einleitung führte der Redner kurz aus, wie die Verlegung des 
Interesseokampfes der Grossmächtc in Ostasien, vor allen der Engländer« 
Rus.sen und .J;i[)nnrr, an die Küsten des Gelben Meeres zwei bisher fast 
gänzlich unbekannte und unbeachtete CJebiete in den \'ordergrund des 
Interesses gerückt liabe: die Mandschurei und Korea. In Korea stehen 
sich zur Zeit Japan und Russland im Waffenstillstand gegenüber, der 
von den stets unternehmungslustigen und schlagfertigen „Yankees des 
0.stens" in aller Stille und Geräuschlosigkeit zur Anbahnung ihrer 
wirthschaftlichen Vorherrschaft ausgenutzt wird. Dort sind wohl vor 
der Hand keine politischen Uebermschungen zu erwarten. Um so 
rascher sind sich die Ereignisse in der Mandschurei gefolgt. Schlag auf 
Schlag hat dort Hus-^lnnd mit der unbeirrten Rücksichtslo.^igkeit und 
Stetigkeit, die seit Jabrhunderten seine Politik in Asien kennzeichnet 
und fördert, sich fester und fester eingenistet, mit Waffengewalt und 
geschickten diplomatischen Abmachungen seine Beamten und seine 
Oflif ii'r'> an die Stelle der einlieimischen cliine.^ischen und mand- 
schun.M.'iien Würdenträger gesetzt und jeden W'ider.'-jnuch des Landes 
oder der Naclibarn eingeschüchtert in der ihm sclion stereotyp gewordenen 
Haltung des die gewallige Pranke suro Schlage ausholenden Bären. In 
Port Arthur entriss es den Chinesen auf dem jetzt nicht mehr ungewöhn* 



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liehen Woge der .,P:ichtung'" eim n unFchützharen Stützpunkt, den China 
selbst schon gfnvaltig hefeslip;! hatte, und in Dalnij schuf es ein geradezu 
verblüffendes Wurulerwerk von Kolünialspokulution : eine RiesensUidt, 
&af Millionen von Einwohnern berechnet, einfach auB der Brde gestampft, 
mit sorglosester Verschwendung ungeheurer Summen, in der sicheren 
Erwartung, dass der ganze ausserordentlich entwickelnngsfahige Handel 
der drei fruchtbaren und an Metallschätzen reichen mandschurischen 
Provinzen hierher abgelenkt werden kann und Dalnij xn einem neuen 
Hongkong oder Schanghai des Nordostens machen werde. Dalnij ist mit 
solcher Schnelligkeit und Heimlichkeit gebrnit worden, mit meinen statt- 
lichen Boulevnrd<^, Dnrkanlagen, Werften und Regierungspalä^ten, dass 
man in Europa es noch heute kaum dem Namen nach kennt. Selbst 
in Fachkreisen findet man es gelegentlich noch mit Talienwan ver- 
wechselt. Wohl nie und nirgends hat ein Kolon ialvolk allein im Ver- 
trauen auf die Richtigkeit seiner politischen und wirthschaftlichen 
Voraussetzungen eine so ungeheure Gründung an einer Steile geschaQ'en, 
wo bis dahin kaum ein Chinesendörfchen stand. Aber flQr die Russen 
soll Dalnij, dem sie einen symbolisch kühnen Namen gegeben haben 
(dalnij im Russischen weit, weiter!) auch der Endpunkt werden des 
grössten Verkehrsweges der Welt, der grossen sibirisch-mandschurischen 
Eisenbahn, die St. Petersburg und Dalnij auf einem ununterbrochenen 
Schienenwege von etwa 9000 km verbinden soll! Dem Vortragenden 
ist es nach vieler Mülie und endlosen Verdruss im Februar d. J. gelungen, 
als erste» Deutscher die noch nicht dem Verkehr übergebene Bahn durch 
die Mandöchurei, von Port Arthur über Chanbin zur Grenze von Trans- 
baikalien su benutsen und auf diese Weise die gance Mandschurei zu 
durchfaliren, nachdem er sich zwei Monate lang dem Studium der 
Küstenstädte gewidmet hatte. Ein Schilderung der einstweilen noch 
unglaublich primitiven Verhältnisse auf dieser Bahn, die im Jahre 1903 
dem durchgehenden Verkehr übergeben werden soU, beschloss die Aus- 
führungen des Redners, der leine Schilderungen aus Niutschwang, Port 
Arthur, Dalnij und der inneren Mandschurei durch eine grössere Reihe 
von Lichtbildern erläutern konnte. 



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310 

Kmm-BIIwz Ar 1901. 

Einnahme: 
I. Saldo von 1900 

Bank-Saldo vom 31. De». 1900 JL 1900.91 
Kassa Saldo » > > » » 98.01 

JL im92 

II. StaatB-Subvention für 1901 » 6000,— 

III. Ruck-Prämie der Gothaer Feuer- Vers.-Bank » 27.— 

IV. Zinsen, 1ml 1 .jährlich auf Ä 11 000 Hamb 

Stantsronte j\ 3Va "/o p. a > 385.— 

Bankzinsen » 27.55 

V. Erlös aus dem Verkauf des der Gesell- 
schaft gehörenden Sextanten » 148. — 

VI. Hitgliederbeitiflge: 

694 Hitglieder k JL 12.—. . . JL 7128.— 
12 » » » 6.—... » 72.— 

. 7200.— 

14 786.47 

Ausgäbe: 

I. Für die Mittheüungen, Bd. XVII Ä 7907.27 

Sonstige Drucksachen » 224.90 

. 8182.17 

II. Für die Monatssitanngen u. Vortrage » 1622.85 

III. Für die Bibliothek (Binden u. Anschaffungen) > 518.80 

IV. Verwaltung » 3804.88 

V. Extraordinaria : 

Beitrag: für das Kubnry-Denkmal Jü 100.— 

Eine Blumenspende * 26.— 

Dr. L. Friederichsen, Reise nach Leipzig 
zum 40jährigeu Stiftungsfeste des 

Leipaiger Vereins fttr Brdknnde * 93.20 

Dr. L. Fiic<Iprichsen, Fahrt nach Kiel 
zum Stapellauf des 8üdpolarschifl'es 

„Gauss" » 12.15 

Dr. MaxFriedericbsen, Reise nach Breslau 
als Ddegirter tum XIII, Deutschen 
Geographentag » 184.20 

Beitrag der Gesellschaft cum Breetauer 
Geographentag » 16. — 

> 429 55 

jü 14 508.25 

VI. Bank- und Kassa-Saldo auf 1902 __»_ 278 22 

Ä 14 786.47 



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811 



Baar-Vermögenftbestind End« I90i. 

3 Stück Hamb Staatsrente ä 3V« «V« p. a. A 6000, 

8. Zt. gekauft h 10278 AB 127.50 

6 Stück dito M. 5(XX), s. Zt. gekauft ä lOS Vs . . > 6181.25 
Fällige Zinsen auf vorstehende M. 11 000 vom 

1. Aug. bisai. Des. 1901 ==5Monat&aV«% p.a. > 160.42 

.^1.11 469.17 

Bank- und Kassa-Saldo am 31. Dez. 1901 > 278.22 

Ä 11747.39 



Mitglieder-Verz6ichnis8 Ende 1901. 



Vorstand. 

Präsident: fiOrgermeiäter l>r. i. 6. Höackeberg. 

Vice-Prilsident: Senstor N. RoaulMr. 

Erster Sekretär: Dr. L. Friederiohsen. 

Zweiter .Sekretär A''r:iirnl^'iSt-:rr?h C. KoMaway. 

Kasairer: Senator Otto £. Westptial. 

Dr. med. W. Oahraaa. 

Dr. Jab. M. RapaaM. 



Wisaenaehaftliehar AasiBtetit des Vontandes: Dr. lax FrMariOliaaa. 



Revisoren. 

e. H. SlaiB. 
KonsDi F. Haraaiialai. 



Bairath. 

6. H. Blohn. 

Profpss. r Dr. Ctrl Gottsche. 
LandgehciitjMlirektor Dr. jur. H. Fiitirtng. 
Konral F. Haraalaiai. 
Sehulratli J. L. MtbraBa. 

Dr. pliil. H. Miohow, 
Senator Dr. piiil. Heinr. Traun. 
Direktor PruL W. Wegehaupt. 
J. Wttt 



312 



Inhaber der Kirohenpauer-Medaille. 

a. Goldene Medaille: 

Bargenneister Dr. 6. Kirclienpauer (Hamburg), gestorben 3. März 1887. 

Dr. med. 6. Adolf Fischer (Barmen), gestorben LL Nov. 1886. 

Wirkl. (Jeheimer Admiraliiätarath, Direktor der Deutschen Seewarte, Prof. Dr. 

G. von Neumayer, seit 2L «Tuni 18%. 
Dr. phil. L. Friederiebtea (Hamburg), seit fi. März 1898. 

b. Silberne Medaille: 

Regieningsrath Dr. Fraiz Stuhlmann (Dar es Salam), seit L März IHilo. 
Prof. Dr. Wilhelm SIevera (Giessen), seit iL Märe 1898. 



L Ehrenmitglieder. 



Andrea, Richard, Dr. phil., Braunschweig seit L Mai i886. 

Baatian. A., (ich. Regierungsrath, Prof. Dr. phil., Berlin » L » 1874. 

Flacher, Theobald. Prof. Dr. phil., Marburg » fi. März 1898. 

Kirohhoff, Alfred, Prof. Dr. phil., Halle a 8 . fi. » 1898. 

Meyer, Hann, Prof. Dr., Leipzig » 11. April IWl. 

Nansen, Fridtjof, Prof. Dr. phil., Lysaker bei Kristiania » 3. Dez. 1896. 

Neumayer, 6. von, Wirkl. Geheimer Admiralitätsrath, Direktor 

der Deutschen Soewarte, Prof. Dr., Hamburg > 3. Juni 1875. 

Palander, L, Marineminister, Stockholm » ä. » 1880. 

von Payer, Jul., Dr. pliil., Wien » 4. März 1875. 

Ratzel, Friedrich, Geh. Hofrath Prof. Dr. phil., Leipzig » ö. » 1898. 

von Richthofen. Ferd., Freiherr Geh. Regierungsrath, Prof. Dr. 

phil., Berlin » L Mai 1874. 

Rüge. Sophua, Geheimrath, Prof. Dr. phil., Dresden » fi. Mär« 1898. 

Schweinfurth. G , Prof. Dr. phil., Kairo i 4. Febr. 1875, 

Stanley, Henry M., London » fi. » 1878. 

Supan, Alexander, Prof. Dr. phil., Gotha » fi. März 1898, 

Wagner. Hermann, Geh. Regierungsrath, Prof. Dr. i>hil., Göttiugen > tL » 1898. 

von Wilczek, Hana, Graf, Exc. K. K. Wirkl. Geheimrath, Wien » L » 1875. 



II. Korrespondirende Mitglieder. 

Cohen, Emil, Prof. Dr. phil., Greifswald 

Cora, Guido. Prof., Rom 

Debes, E., Kart«>graph, Leipzig 

von Hesse-Wartegg, Ernat, Tribschen Luzern 

Keller, Rioh., r aris 



seit IL Sept. 1875. 

> fi. De«. 1894. 

» L Mai 1886. 

» 4. Dez. 1879. 

. a Nov. 1887. 



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813 



lU. Ordentlich« MitgHedw. 



Ahegg, Fr. 

Adm, Jnl. Dr. med. 

Adler, Is. 

Ahlburg, Dr. phil., SenioMdheklor. 
Albers, Gustav L. 
Alben-Schönbeis, A. H. 
Albiedit, Mu, Dr. ptuL 
Alsberg, A., Dr. med., Oteraisk. 
Aly, Paul, Dr. mßd, 
Amsinck, M. G. 
Ansbick, WUb. 
Andenen, C, Sdiilbrlieda-. 
Andersen, Emil. 

Aotoine-Feill, H. F. A., Dr. jur. 

Apd, Gtutav. 

Arndt, Adolf, Dr. 

Arndt, Oskar. 

Amtng, E., Dr. med. 

Anecjew, Sergius von, fixodkitSt KNiml. 

RuMisdier MinJstentndent «. Stntnrnth. 
Astrms, Kdm. 

Aufschliger, C. A. M., Dr. 

Ballin, Alb., Generaldirektor d. Hamburg- 

AnMribi-Liiiie. 
Bargebtthr, Arnold, Dr med. 
Bartels, Ed., Dr. jnr., Amtsridilcr. 
Bartels, F. W. 
Bwtb, Wflh., Aktuar. 
Bauer, Max. 
Baoermeister, Karl. 

Behrmaon, Chr., D., Senior Ministerü. 
Beith, M. 

Bendixen, Fr., Dr., Bankdirektor. 

Beneke, Ernst. 
Berendt, M. 
Berendt, S. 

BeKÜn, Otto, Dr. loed. 

Beselin, Richard V. 

Beakemann, Wilh., Dr. phil., Oberljeamter 

d. Stat. Bur. d. Steuer-Deputation.^ 
Keber, Fn. Voguelt. 
Bieber, G. Rudolf. 
Bieber, Theodor. 
Bieling, Adolf. 
Kader, Goatar. 
Bippen, Arnold von. 
fiirtoer, F. W. 



Bitter, Wilhelm, Dr. jr. 
Blobm, G , Dr. jur. 

Blohm, G. H. 

Bluhm, Hermann, Ingenieur« 
Blobm, L. F. 
Bock, Theodor. 
B6dcer, Gwrg, 

Bödtker. B. A., Kg). Scbwedtieber Genenl- 

konsul. 
Boehl, Job. Friedrich. 
Boemer, A., Dr. pbil. 
Böhme, H. D. 

Bötzow, F. G. C, Rath, Dr., SOodiger 

Hülfsarbeiter des Senats. 
Bolen, Hdnr, Dr. phS., Diiektor d. ZooL 

Gartens. 
BoUlemann, Hennann. 
Bulknhagen, Emil. 
Boke, Friedrich, Direktor, Dr. 
BoltK, Bernhard H. 
Boolh, Oskar. 
Bnrstelmann, J, 
Bose, C. von. 
Botech, G. L. 
Bfacb, Rodolf. 
Braass, Hermann. 
Breymann, Wm. H. 
Brieger, Cari. 
Brock, Gustav. 
Brockmann, Wilhelm. 
Broos, Claas W. 
Britdonann, Alb. 
Bmnddiotit, Alennder. 
Brunn, M. von, Dr. phil. 
Brüssel, Julius, Bankdirektor. 
Buchheister, M., Wasserbaudüreklor. 
Bndde, Clans, 
Bunzel, Carl. 

Burchard, A, E. Wilhelm. 
Burchard, O. J. 
Bonneister, Eduard. 
Calais, Pierre, Dr. med. 

Calmon, Alfred. 

Cammerer, Rud., Dr. med., Generalarzt a. D. 
AllMM» 

Cair, Bdw. 
CbapUn, Ed«. 



814 



Clanss, Fricdr. 
CkttK. Wilh. 

C<ihen, Arthur. 
Cohen, Gust. G. 
Cohn, Carl. 
Colia, Max L. 

Cords, Julius. « 

Crasemann, Alfrcrl. 

Crasemann, Max, Dr. jur. 

Cmsenuam, Rudolf. 

Creutzbuig» Ernst. 

Dalchüw, A., Bankdirektur. 

Darapsky, L., Direktor, Dr. pliil. 

IMlaehaft, Hermano. 

Deneke, Th., Dr. med., Direktor. 

Dennitedt, H., Direktor, Profosor Dr. phÜ. 

Des Arts, Henry. 

Deurer, W,, Konsul, 

DähocT, F. A. 

Dollmann, Carl Paol, Geaenlkonsnl. 
Donner, C. H. von. 
Donner, K. Th., Dr. jar. 
Dornen, S. von. 

Drews, Curt, Major s. D., Lftbeck, 

Duhn, C. Chr. von, Dr. jur. 
DuDcker, Arth , Direktor. 
Ditncker, Aug. Heinr., Konsul. 
DuDcker, W. F. 

Eggert, Carl. 

Eggert, Curt. 

Eichenl)crg, Paul. 

Eiffe, F. F. 

Elkaa, Girl. 

Rlkan, Exiuard. 

Elkan, W., Konsul. 

Lltzbolu, W., Kealschullcbrer. 

Enibden. B. E. 

Embden, G. H., Dr. jur. 

Kugel , Jul , l'r-isident des Landgerichts. 

Ewald, Uskar von. 

Falk, Martin. 
Fett, Hebrick. 

Findlay, George. 

Fischer, A., l'rof. Dr. phQ., Oberlehrer. 
Fischer, G. W. 

Föhring, H., Dr.jor., LaiidgcricbtadkdKlor. 
Förster, K., Oberlehrer, Dr. 

Fränckel, Siegfried. 
Friedbai;g, Martin £. 



Friederichsen, Ludw., Dr. pbil. 
Friedeikhien, Max, Dr. pÜl. 

Fritz, Rud. 

Fülleborn, Fr., StabHUrzt, Dr. med. 

Gabe, Job. 

Garrels, Johann Heinrich. 
Gestefeld, Major. 

Gibsone, Thom., Rath d. Oep. f. Handel 

«. Schiffahrt. 
GodcJtroy, J C. 
GSpner, Carl. 

Goerlich, Rud. 

Gotting, A. F., Direktor der Lsgerbaiu« 

Gesellschaft. 
Goldenbere, WUh. 
Goldschmidt, Edm. 
Goldschinldt, Otto. 
Goldstein, Michael. 
Goos, Max, Oberlehrer, Dr. pbü. 
Goeilcr, Herrn., Dr. jur., Oberlandes- 

gerichtsratb. 
Gossler, J<ihn von Berenberp. 
Go&sler, Rudolf G. 
Goaler, Wm. 

Guttsche, Carl, Prof., Dr. phQ., Kostosam 

Naturhistorischen Museum. 
Goverts, Ernst F., Dr. jur., Laodgcricbts- 

diiektOT. 
Gnllot, EmU, Konsnl. 
Grandcfcld, K., Dr. pbü. 
Groenewold, E. B. 
Grosse, Carl. 
Gtdtsow, Alb. 
Günter, G. Tl. 
Gussefeld, Otto, Dr. phil. 
GUtschow, Otto Jul. 
Onkraner, L. 
Gulda, F. 

Gumprecht, Heinrich. 
Haas, Heinrich. 
Habcrland, G. E 
Hagen, K., Dr. phil. 
Hahn, Albert Eduard. 
Hahn, I.oiiis. 

Halle, Ernst von, Prof. Dr., Berlin. 
Hallier, Ednard, Dr. jor. 
Hamann, Ad. G. W. 

H.-immacher, .Mhcrt, 
Hampke, Thilo, Rath, Dr. 



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815 



Hanc, A . Direktor. 
Hamen, Julius. 
HauiBg, L. F. 
Hanstng, Otto H. 
Hanssen, Adolf. 
Hanssen, Alphons B. 
HMfder, Herrn. J. 

Harke, L. F. C.« Dr. jar , Landiickter. 

Mass, Heinr. 
Hauer, Albert. 
Haupt, WoUl«in«r. 
H«feiiiaiiii, F., Kapitlii. 

Hoidmann, J H. 
Heidtnann, R. W. 
Hememann, Hermann. 
HetBtie, Gutav H. 
Heintze, W., BankdinktoT. 
Held, H. A. 
Helms, Hermann. 
HdBgstaiiibaqf, ESnnt, Konkiili 
Henniiigt, FmA, Dr. uwd, Rdnbcdi. 
Hensel, E., Postdirektor. 
Hermsen, Diedrich. 
Hermsen, Theodor, 

Hemslicim, Fnaa, Direktor der Jalait>Gei, 

Hertel, Ernst. 

Herfz, Aä. Ferd , Senator. 

HerU, Ad. Jacob, Direktor. 

Hefts, Daoid, sen. 

Hertz, G., Dr. jur., Senator. 

Hertz, Rudolf, Dr. jur. 

Herz, Albert, Dr. med. 

Hc««e, Alfred P. 

Hesse F. W. H. 

Hesse, G. jr. 

Heulicl, Eduani, .Architekt. 

Heye, ¥. C. ih., Geh. Kummerzienrath. 
Hejnmuii Jol. 

Heyne, Friti. 

Hiiirkh-icn, M. \V. 

Hiiiricli^cn, Sicgm-, Präs. der Bürgerscbaft. 
Hlnsch, J. D. 

Hindi, Fb., Radi, Dr. jur* 
Hdthnwii, Gottfried. Senator. 
Holtzapfel, Eduard. 
Holzapfel, Gustav. 
Haitxel, M., Dr. jur. 
Hoofe, Carl. 
Hoppe, Edm., Prof. Dr. 



Uühhe l T , Direktor. 
Hübbe, V. Ü. 
HflttDeTi Hem. 
Jacobson, An;. 

Jahn, Gast. Jos. 
Jantzen, C F. W. 
Jencquel, G. A. 
Wk», Carl. 
Johns, H. E. 
Jonassohn, Otto. 
Jordan, Julius. 
Jone, Bnut Heinrkk. 
Jowien, W. £. F. 
Isermann, C. W. 

Kähler, Alex., Senator, 
Kaenamerer, A., Dr. 
Kalt, Herrn., Dr. phU. 
KaiiEow, RudoU 
Karuth, Carl. 

Kayser, Alfred, Generalkonsul. 
Kein, Woldenar, Reabchulfekrer. 

Kellner, Ernst. 

Keltt-r, Edm., Dr., Oberlehrer. 
Kieinwort, Georg. 
Klinge, Fritx. 

Ktuaamann, M. H. R., Prof. Dr. pbfl. 
Knnuer, W., Senator, Altona. « 

Knipping, £. 

Koch, G., Dr., Vorst d. Statist Bureaus. 

Kodi, Victor, Bankdirektor. 

Koch, Vincenz. 

Kf)dien, Albrecht. 

Koppen, B., Baumeister. 

Koldewey, Carl, Admiralllitsratb. 

Kraepelin, Carl, FVof. Dr. pbil., Dir. d. 

Naturhist. Muenui. 
Kraft, Ernst. 

Kraft, Philipp, Dr. phil , Obeilehfer. 
Kramer, Otto. 

Krnus>, .Mfred. 

Krieger, C. R , WirkL Geh. Oberfinanzrath, 

Altona. 
Krttbnke, B. 

Krumbein, G. 

Kunkel, Christian, Dr. med. 
Lachmann, Julius. 
Lantzius, Otto. 
Lau, Hugo, 
Uu, H. F. W. 



816 



L4ivy, Charles. 
Lasanu, Rudolf. - 
Lcflsenmua, C. F. 
Lebewitz, Wflhdm. 
Leppien, August. 
Levinsohn, Bernhwd. 
Levy, Eduard, GeoenUuittMd. 
Lerj, Rudolf. 

Lichtvrark , Prof. Dr. pllil. « DtKlitor der 

Kunslhalle. 
Liebermann, Ernst. 
Liebemuim, Fnuu. 

Lieder, Philipp. 

Lindemann, A., Bankdirektor, Akooa. 
Lion, Eugen. 
Lipp, Mkx, Dr. 
Lippert, Ludwig, 

I-ipscliütz, G. 
LipschUtz, L. 

LöhaiaDD, R., OlierluideiKeriGlitiimdi. 
Lociener, F. 

Loesener-Sloman, F. 
Löszl, Ludwig von. 
Loewenstela, Emst, Dr. jor. 
Loewenateiii, Snon. 
Lubcke, Aujjust. 
Luttcrroth, Arthut. 
LUltjnann, Job. 
Liittrcqjpi Et 
L700, Alfted. 

Maadc, Blett. 

M.iack, Joseph. 

Maass, Ernst, Verlags-Buchhiiadlcr. 
Maegli, J., Konsul. 
Kbhrmio, J(di. Liidw., Sdmlnth. 
Marcus, G. 
Marcus, If ermann. 
Marschall, Hermann. 
Maiteiu, G. H. 
Martens, Julius, Konsul. 
Martin, Rud., Dr. jur., Oberlandeagerichts- 
Prfisideat. 

MattidcHcn, F. B., Dwektor der Seemanns- 

schule. 
M.iyr, II. Jul. 
Memardus, Otto W. 
Meiner» Carl. 

Meimer, H., Dr, med., Generaknt. 
Meldiior, M. 



Melle, Werner von, Dr, jor., Senator. 
Merck, Ernest. 

Meoencbmidt, J. B., Dr. pbiL 

Mcstern, Paul. 
MoytT, Franz Bernh. 
Meyer, G., Dr. med. 
itejtr, Herrn., Dr. phil. 
Meyer, H. C. Ednard, Koosiil. 
Meyer, Moritz, Dr. med. 
Michaelsen, Wilhelm. 
Michahelles, Alfred. 

Miebov, Heioridi, Dr. phil., Sebnlvorsteher. 

Miche, Otto G. 

Mönckeberg, J. Geo^, Dr. jur., Bai:ger- 
meister. 

Mftnekeberg. Rudolf, Dr. jor. 
Mobrmann, J., Dr. jor. 
Molinari, Ottomar. 
MoU, Eduard G. 
Moll, Eduard L. 

MoUcr, U. Fb., Dr. jur., Prliet der Vo^ 

mundschaft&behörde. 
Moraht, L. F. V., Direktor. 
MflUer, Clemeos. 
Maller, Emat. 

Malier, Gustav. 

Müller, II. A. 

Müller-Beeck, F, Georg, Konsul, Nagasaki. 
HOneliffleyer, H., Konsul. 
Mugdan, D., GenefaUcoaral. 
Muselius, Friedr. 
Mutzenbccher, H. F. M. 
Motienbecber, Job., Freiherr von. 
Mutaenbecber, Matthias, Dr. jnr. 

Nabt, A. W. 

Neckelmann, Carlo«. 

Neubauer, A. 
Neubauer, Gustav A. 

Nemnayer, G. von, Wirkl. Gdi. Admir.'Ralb, 

Prof. Dr., Direkt, d. Dentieb. Seewarte. 

Neuse, Dr. j>hil., Oberlehrer, 

Niebour, Th., Navigalionsschul-Dircktora.D. 

Nicmeyer, E. 

Nissen, Feter, Dr. phil., Oberlehrer. 
Nissen, Waldemar, Dr. phil., Oberiebrer. 
Nocht, B., Dr. med., Physika*. 
Nölting, Joh., Dr. pbil., Oberlehrer. 
Vmag, P. H. 

NAtiiif , Paul Eduard, Koosnl. 



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317 



Nordh«im, Lottia. 

Nurdhof, Dr. med., StabMUCit. 

Ochren«!, W., Dr. med. 
Ohlendorff, Heinr. von, Freiherr. 
OUerich, H. 

Ollwig, Dr. med., StalMKRt 
Opitz, Paul, Kapitän. 
Oppeabeim, Albert. 

Otten-Sackcn, Fidlierr von der, Major z. D. 
O'Swald, William, SeiMtor. 

Ottens, F. 
Ottü, Dr. med. 

Panzer, Albert. 

Patow, Otto. 

Pmly, C. AnguBt. 

Peine, Arthur. 

P eitzer, Ferdinand. 

F^ehl, Heimaim Otto. 

Peters, J. J. W. 

Peters, Otto. 

Petersen, G., Dr. jur. 

Plet«i«eil, Joh., Dr. phil., Direktor. 

Fetenen, Rudolf, BankdiidilQr. 

Pfeffer, Georg, Prof. Dr. phO. 

Pflüger, M., Dr. med. 

Philipp, F., Dr. med. 

PbUippi. w. A. 

Picitenpack, P.iul, Geoentlkodsnl. 

Pickenpack, Vincent. 

Pieper, Gustav R., Seminailehrer. 

P^lhein, Lndwig. 

Pinckernelle, A. E. 

Pl.itzmann, Alphons. 

Pocichau, Harald, Dr. jur. 

Poekhaii, Wanier, Dr. jur., Direktor. 

Polano, Heimum, Dr. 

Pontoppid.in, E. 

Pontoppidan, Hendrik, jr. 

Predfibl, Max, Dr. jur., Scnalur. 

Prehn, Adolf L. W. 

Prochownik, L., Dr. med. 

Puch, Otto, Reichsbaokditektor. 

Pulvermann, A. 

^ttfitfckeD, Otto. 

Radde, Otto. 

Rapp, Gottfried, Dr, jw, 
Raydl, Th. 
Reddelien, Gustav. 
Refardt, J. F. C, Senator. 



Reimen, Otto. 

Reinhold, Otto. 

Reinen;, W., Konsul. 

Renck, Carl, Konsul, ilaj-burg. 

Repaold, Johaui Adolf, Dr. phil. 

Repsold, Oskar. 

Rctzlaff, Max. 

Richthofen, Heinr., Fraberr von. 
Riedemann, W. A., Kommeffnenratli. 
Rintdi B., Dr. med. 
Robertson, H. 
Robertson, R, J. 
Robinow, Hennann. 
RoUnoir, Panl H. 
Rodust, G, 

Roeloffs, H. A,, Syndikus. 
Roeper, Conrad E. 
Rohlwes, F. W. 
Roosen, B. C, Pastor. 
Roosen, ß. Otto, Architekt 
Roosen, iuluard. 
Roacher, H., Senator. 
Rosenfeld, Lotna. 
Rossin, Julius. 

Rudorff, G. O. A F., Oberlandesgericbtsratb 
Raete, F. II., XoamL 
Rnperti, J. 
Raperti, Oikar. 

Sadebeck, Prof. Dr., Dir. d. Boten. Mnaeums. 

Sanders, Herrn. 

Sanders, Ludwig. 

Sa», Karl K. 

Schaeflto, Berakard. 

Schaps, Georg, Dr. jor., AmtMichler. 

Scharlach, Jul., Dr. jur. 

Scharlan, ObetsUeotnant z. D. 

Schede, Kurt 

Schede, M-ix. 

Schemmann, Carl. 

Sckeaunann, Conr. Hermann, Senator. 
SeUndcel, Max. 

SchlSgcr, G. 

Scl.lec, r. Dr. phil., Oberlehrer. 

Scblubach, Heinr. Adolf, Generalkonsul. 

SeUOter, Adolf J. 

Schlüter, Frans C. 

Schmid, Henry. 

Schmidt, Frans, Architekt. 

Schmidt, F. G. 



318 



Schmitz, H., Dr. jur., Rath. 
Schnars-Alquist, Prof. 
Schneider, Gostav. 
SebSn, Alex., Dr. jar., lUlli. 
Schönfeld, Gustaf. 

Schorr , Rieh , Prof. Dr., Direktor der 

Sternwarte. 

Schott, Gtrhard, Dr. phil. 

Scbnanm, Emst W. 

Schnmmi U«s, Dr. jur., RcchtaanwAlt. 

Schröder, Heinr., Dr., Lftodrichter, 

Schröder, Johannes. 

Schröder, J. A , jr. 

SdiiHder, Rod. 

Schubert, H., Prof. Dr. phil. 

Schlick, A , KapitSn. 

Schutt, Richard, Dr. phii. 

Sehttltse, Adolf, Dr. jnr., Landrichter. 

Schimbach, F., Regierungsrath. 

Schwarz, Dr. jur., Landrichter, 

Sellin, A. W., Direktor der Hansealischen 

KoloiiiiBlioo»<*eMUichaft. 
Sender, Johaoiiei, Dr. jnr., R«chtaanw«]t. 
Sielien, F. C. 
Sieiuers, Alfred, Dr. 
Siemers, Edmtiod J. A. 
Siemer», EL Adolf. 

Sieveking, Fr., Dr. iir., RechtsanWftU. 

Sieveking, W., Dr. med. i 

Sievers, W , Prof, Dr. phil., Glessen. 

Sievertii R. C 

Simwoiidt, B* 

Simon, George. 

Smith, Francis F. 

Söhle, Martin, Dr. 

Soellner, Adolf. 

Sohst, licinr. A. 

Spetbmann, Albrecht. I 
Sprick, H. j 
Stahmer, Fried?. Joliaii. 

StefTens, Franz S. 

Steinhaus, O., Dr. 

Steniann, Dr. jur., Landgerichtüdirektor. 
Stephan, £, Oberlehrer. 
Sthancr, Richard, Dr. 

Stock, C. V. 
Sloltj, Hermann. 
Sturcli, John, Dr. med. 
Strack, Adolf I. 



Strack, Ernst I. , Dr med. 
Stnck, Hermann L. 
Strandes, Justus. 
Strebet, Hemann. 
Stocken, Fr., Blankeneee. 
Stuebe, I,. M. Chr. 
Siürken, Alfred. 

Stohlmaim, E. J. A., Schulrath Dr. 
Sndcctc, J. L. 

Suhl, J. F. M. 
Suhrberg, Carl, 

Tendering, Prof. Dr. phil., Direktor. 

Tesdorpf, Gustav, Dr. jur. 

Tetens, A. F., Wa,sserschout. 

Th ^rr A . Prof. Dr., Realscbaldirektor. 

Thiemer, Otto. 

Tbomihleu, J. 

Tietfens, Gostav W. 

Tietgcns, H. A. 

Timm, A., Marinc-Ingeniear. 

Tödten, IL, Dr. med. 

Traun, Hebrieb, Dr. phÜ , Senator. 

Traun, Otto. 

Trommel, A. 

Tüngcl, Elmil, Dr. med. 

t'blmann, C. 

Dlex, G. F. 

Ulex, H., Dr. phil. 

Ulimann, Martin, Dr. phiL 

Mersmann, A. 

Vogemann, H. 

Voller, August, Dr. phil., Prof., Direktor 

des Physik. Staalslabomtorium». 
Vorwerk, Adolf. 
Vorwerk, Friedrich. 
Voss, Emst, Ingenieur. 

Wagner, Hermann, Dr. phil 
Wahncau, J. E. L, Dr med., Phjrsikus. 
Walsöe, C. L. 

Walter, H. A. A , Haoptldirer. 
Wappitns, A. H. 

Warburg, Max M. 
Warburg, Moritz. 
Weber, Eduard. 
Weber, Eduard F., Konsul. 

Weber, Georg. 
Weber, Justus. 
Wcdeles, Heinrich. 

Wegehaupt, W., Prof., Gymnashitdircktor. 



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319 



Wegencr, Max. 
Weil, Sigismundo. 
Wencke, Fr. 
Wealscl, A. E. 
WcBtid, W. J., Dr. jar. 
Werner, Louis. 

Westendarp, George, IngentcWT. 
Westendarp, Max. 
Westpha], Otto Senator. 
Wcstphal, Ed., Rcditsanwalt Dr. 

Wider, Giist.iv. 

Wiengreen, frilz, Ccncralkonsal. 
Wilda, Job., Scbnfuteller. 
UnaMUer, Albert. 
Winter, Ph. 
Witt, J. 

Witt, W., Dir. des Haaseatlscheo Lloyd. 
Woegens, S., Kapitio. 



Waiber, Fkanci», Konmil. 

Woermann, Adolf. 

Wohlfahrt, Friedrieb, Oberichrer. 

WohlwiU, Th. 
Wolff, Otto G. 
WoliboB, Albert, Dr. jur, 
Wriedt, E. A., Altona. 

Wulf, Heinrich. 

Zacharias, A. N,, Dr. jr., Obcriandes» 

gerichtsiath. 
Zacharias, E., Prof., Dr., Dtn^or d. Bot. 

Gartens. 

Zahn, G., Dr. plii? , Direktor der St. Job. 

Klosterschulen. 
Zarniko, Dr. med. 

Zetler, Wandioo va», GeneialkoiiMil. 

Ziegenbein, F. H. 
Zieseniss, F. A. 
ZimmermanD, Richard. 



wahrend dea Jahtw 1901 hat die GeaeUsdiaft die folgenden Mitglieder 

durch den Tod verloren: 



GencralkuHäul Ed. Hohlen. 
Konsul C. F. Carstens. 
Richard Cobnbeim. 
Eduard Hager. 
Dr. jur. £. Haftmqrcr. 
H. D. Hastedt. 



Carl Laeiu. 
Arnold Luyken. 

Aug. MeinnolfT. 
Dr. pbil. Oskar Pieper. 
Generalkonsul II. Puntuppidan. 
Job. Wiengreen. 



MHglieder-Bertand Ende 1901. 
ElirM«ll|n«ler 

Kerreapondirende Mitglieder 

Onlentlicbe Mitglieder: 

Bestand Ende 1900 

Eingetreten in 1901 

Ausgetreten oder verstorben 

Bestand Ende 1901 

Gesammt'Bestand Ende 1901...... 6a6 



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597 
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