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Full text of "Mittheilungen der Kaiserl. königl. centralcommission zur erforschung und erhaltung der baudenkmale ... Neue folge. 1872"

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Mittheilungen der Kaiserl. 
Königl. Central-commission .. 

Zentral-Kommission für Denkmalpflege in Wien, Karl 
Czoernig, Rudolf von Eitelberger von Edelberg, Gustav 



Ii' 



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MITTHEILUNGEN 

* 

DER 

:. K. CENTRAL-COMMISSION 

ZUK 

ERFORSCHUNG UND ERHALTUNG DER BAUDENKMALE. 



HERAUSGEGEBEN UNTER LEITVNG 

SEINER EXCELLENZ DES PRÄSIDENTEN DER K. K. CENTRAL-COMMISSIOX 

m. JOSEPH ALEXANDER FREIHERRN VON HELFEKT. 



KEDAOTEUB: D* KARL LIND. 



XVII. JAHRGANG. 
KIT 303 BOUBctnm-rin tnm 13 tkti.lv 



WIEN, 1872. 

IN C0JIHI8SI0N BEI KARL GEROLD 1 » SOHN. 

DRUCK DER K. K. HOF VKI> STAATSDBUCKEREI 



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INHALT 




U & O Avil. D A Jlf L O 1' Li JV- 'Uli l n 1 1; t ül u u Iis 




• 

E>ie Matthäuskirche in Harun. Von Johann Urndt. (Mit 10 Holzschnitten und einer Tafel) 

Über ein Cirnbdeuknml im St. 8 tephansilotnc in Wien. Von Albert Ug. (Hit einer Tafel. 

Die farbiicen (Uasschelben im Dotne von Floreni. Von Baut Semper. 


>,ü. 
1 

9 
1? 


Sehreinwo rk in der Pfarrkirclie zu Mtichlinj; im Jannthale in Kärnten. Von Anton Ritter von Rai- 


37 


Ein alt den t bc her Wandteppich vom Sehloase Straesburjr in Kärnten. Von Albert Ufr- (Mit einer Tafel i 


lu 


Beiträge zur Alterthuin.xkunde von West • Bul gari en. Von F. Kanitx. (Mit ll' Holzschnitten., 


49 


Die Statue Rudolph'» von Habshurg im Seidenhofe tu Basel. Von Eduard Mi«. Mit einem Holzschnitte.) 


«4 


BeriOf Rudolph'» IV. Schrift tlenkiuale. Von Dr. Kranz Klirachner. i Mit 2 Tafeln und 4 Holzschnitten. i . 


71 


Die Stiftskirche des aufgelassenen eis t erci enser- K 1 ost e rs ßaunicnrtenbcrtr im Lande ob der 
Enns. Von Johann Oradt. (Mit einer Tafel und I Holzschnitten.! ... 




Der Flujcelaltar in der Abteikirche des (is terc i onse r- S t if tes zu Wie n er-Xcu»t ad t Von P. Bene- 


H9 


Die Feste Kliixeaberg (Zvlkovj in Böhmen. Von F. K. Bezdeka. Mit 5 Holzschnitten.;. 


!»7 


Ein gothische» Vn r t rairekren z in der k. k. Ambrascr Sammlung, Von Eduard Frciherrii von Sacken. 


HIß 



Die Pfarrkirche „ad St. Joannen) deeotlatum* in Zehen. 


S.U. 


Bemerkungen über Kunstwerke in Italien. Von E. Doh-' 


um 


Von Professor T«n M y > k o v > z k y. (Mit ä Holz- 






XLVI 




I 


Die |>ae«io aanct'.ruui quatuor cronntoruin. Von A.Iis;. 




Kelehfund iui I'raeer Dome. Von F. J. Bcmf. 


III 




XL VII 


„ nie Kumt de» Mittelalters in Böhmen. Von B. Grue» 




ß. Beiträge zur mittr|jitterlicbcn'S|»hrs?i»tik. Von Dr. K. 




her. Fortsetzung. (Mit SC Holzschnitten.) 


IV 


Lind. 'Mit 10 Holzschnitten.! 


LI 


1. Cber einige kirebliclie Baudenkmal« in Ober (Hier- 




Heraldisch -s;cncal. £:i*ehe Zeitschrift. Von . . .m . Mit 




reich. V,.u K. Fronner. Mit 3 Holzschnitten.) 


XVUI 


i HoUaehaltt , , 


LIV 


Zur Gesi-hirhte .In In!- In. Malerei. V.. tl Dr. J. A. 




Kosthar-'r IVrir.t l.tf. .lex .i. : Map an.-, V.,i x >!■,,,,- 






XIX 


,bflohet. . 


J.Y 


i i , i_, i i;. ■ .. ilui ü ler Bautheile nii.i 




Zur Literatur der christlichen Archäologie und Kunst- 




■»»•Uatwlaliea de» ecrmanlschen Museum». Von 




geschichte. Von Dr. J. A. M e Minei. . . 


Lvni 




XXI 


Aretino oder Dialog (Iber Malerei von Ludovieo Dolor. 




Dr. F. lieber'» Kunst«. -< hiebt« des Alterthum». Von 




Von . . in . , , , 


T.YI 




XXII 


Die he.vorrak'emDtcn Kunstwerk« der Sehatzkarjimei de» 




ol Beiträge zur inittolalterliclien Si>hr»cistik. Von Dr. K. 






LXI 




XXIII 


Zur Geschichte der Feuerwarfen. Von . . . m 


I.XI 


As» Grat* .... 


XXVI 


Aas dem Berichte des k. k. Consrrxator» Ben es, über 




Zur Kunde der St. StetdiansKirche in Wien . . 


xwi 


die archäologische Tliiiiikeit im Caslaaer Kreise 




A Iii* Kunst de» Mittelalters in Böhmen. Von Grue- 




im Jahre IH7I. .... 


Uli 




XX \ 11 


Archäologische Ausbeute auf einem Ausflüge nach dem 




HolrUirchrn in Schlesien. Von Anton Peter. iMit einer 




Ch»rherm»til'te St. Florian in Ober-Osterreieh. Von 






XXXIX 


Johann G r a d t. Mit 11 Holzschnitten. 


XLIII 


1.. -malte Initial.- au! Vrkunden. V..i Di V. 1. u « c Ii i n. 




Zwei K.-this.-he Kiiel.tl ir-i.e in IVsslure. Von .», 






XLIII 


Mit 2 Hotzsihnitten.) 


LXIX 


•> Kirchlich. n.|.|.irnki:..'itf in • >! n i "»terreirh. V,. n Karl 




Allchristliche Elfenbeinarbeit in Breeeia. Von E. D o b b er t 






UVV 


Meister Jorg Jordan. Von A. 11 g. (Mit 1 Holzschnitt. . . 


LXVIII 


A* 



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IV 



c. Die Kunst des Mittelalters In rWfhmen. Von B. Orue- 
ber. II. Theil I-XXI 

3. Kirchliche Baudenkmal« in Ober-ÖMerreien. Von Dr. 

K. Pronner. (Mit 5 Holzschnitten.) I.XXXII 
Todesdarstrllungen vor den Todtentänten. Von A. Ilg. I. XXXIV 
Ein Lamberg'scher Grabstein im Scbottenkln.tcrzu Wien. 

Von Dr. K. Lind. (Mit t Holzschnitt.) LXXXVII 

■ Codex mit vielen kostbaren Miniaturen und 

i Präger Domschatze. Von Dr. F. Back. LXXXVIII 
i und mittelaltcrl. Kuoatsehopfuncen am Fuese 
desWrch.el». Von A. Ilg. (Mit 1 Holzschnitt., XCI 
Orabnial au Wclnateig (Nleder-Osterrcich). Von . tu . XCII 
Funde von Röiccrsteincn. Von .. .ui. . . . XCIII 
Die Familie Qundlarh und Gundel. Von Dr. Erntt Edl. 
v. Hartmann • Fran i c n t h ul d. i Mit " Holz- 
schnitten., XCIII 

Beitrage zur mittelalterlichen Sphragi.tik. Von Dr. Karl 

Lind. (Mit t Holtschnltt.) . . ....... XCIX 

Römische, au. Ober-D3bling. Von Dr. Fr. Kenner ... C 
rirtch's von Lichtcn.tein , de. Minnc.inger» . Grabmal 
auf der Frauvnburg (Steiermark). Von Dr. Karl Lind. 

(Mit I Holzschnitt.) CII 

Die Mirtyier der Katakomben und die römische Prati». 

Von J. A. M ess m er .. CHI 

Der Alterlhum»- Verein in Wien. Von . . .in CV 

Die Kun-t im Handwerke. Von . m CVI 

DUrer'e Reiterakixzcn tum Triuuiphzuge Kaiser Mali- 

milian 1. Von . . .m CVI 

Das Kunigundenkirchlcin iu Mailberg iNirdcr-Öeterreich,. 

Von Victor Luntz. (Mit 7 Holzschnitten.) CVII 

Bericht über einige kirchliche Kunstwerke im Mattigtbalc 
und dessen Umgebung. Von Florian W immer. (Mit 

1 Holzschnitt.) CIZ 

Einige mittelalterliche Schmiedearbeiten in Ober- Ungarn. 

Von Victor Myskovsky. (Mit 7 Holzschnitten.) . . CX1V 

4. Kirchliche Baudenkmali in Ober-Österreich. Von Dr. 

K. Fronner. (Mit 4 Holzschnitten.) CVHI 

Ätzmaler. Von A. R. v. Pergcr CXX 

I. Ältere Grabsteine in Nieder - Österreich. Von Dr. K. 

Lind. (Mit 4 Holzschnitten.) CXXII 

d. Die Kunst des Mittelalters in Böhmen. Von B. O tue- 

her. Fortsetzung. (Mit 4 Holzschnitten.) CXXIV 

Ein neu aufgefundener Komet-Stein aus Wien. Von Fr. 

Kenner CXXX 

Neue Abschrift von Rfimer.teincn aus Sissek. Von Fr. 

Kenner CXXXII 

Au. Böhmen. Von F. J. Ben c*. CXXXII1 

Zur Kunst- Literatur. Von Dr. J. A. Mcasnier CXXXIV 

Das Kaiserhaus tu Gcslar. Von A. Ilg. CXXXV 

Archäologischer Atlas kirchlicher Denkmale. Von .m . (.'XXXVI 
Die Hypnerotomarhia Poliphill. Von Dr. K. Lind. . CXXX VII 
Hlstorltche Aufteilung der Stadt Wien im Jahse 1873. CXXXVIH 
Die Kirche sanirot Karner tu Friedcrsbacli. Von . m . 

(Mit 8 Holzschnitten.) CXXXIX 

Prudenliu. und die altchristliche Kunatllbung im IV. Jahr- 
hundert. Von A. Ilg CSU 

Die Pfarrkirche St,Jakob In Llcbtenwürth. Von J. Oradt. 

(Mit IS Holzschnitten.) CXLIII 

Über die Sage vom ewigen Jaden. Von A. R. v, Pcrger. CXLVII 



i. Kirchliche Baudenkmal« in Ober-Östcrrelch. Von Dr. 

F. Fronner. (Mit 5 Holz.chnitten. 

Die Miniatur-Malerei in Montcca.slno. Von A. Ilg 

II. Ältere Grabsteine in Nieder - O.terreteh. Von Dr. K. 

Lind. (Mit 2 Holzschnitten. | , 

In Kunde steierischer Stadtewappen und Siegel. Von 

Dr. A. Lu achin. Mit i Holzschnitten.) 

Die romanischen Thürzieher zu Ulcink. Von J. Gradt. 

(Mit 1 Holzschnitt.. ... 

Das Lol.kowie'sclie lirliquieiikrcut. Von Dr. K. Lind. 

(Mit 2 Holtsehnitten.) 

c. Die Kunst dea Mittelalters In BSbmen. Von B. Grue- 

b er. Fortsetzung. Mit 17 Holzschnitten.) ■ 

Di.- Trlnk.chale des beil. Ulrich in Melk. Von Dr. K. 

Lind. Mit 1 Holzschnitt.'' 

Die gothi.rtif Monstrnnze in <£rr Dccanalkircbc zu Eger. 

Von Dr. K. Fronner. i Mit I Holzschnitt.) 
Alterthiimer und Kun.tdenkmale de, bayerischen Herr 

acherhauat». Von Dr. J. A. M e s »in er. 

Büchi-rsrliuu. Von Dr. J. A. Meaamer 

Die Junker von Prag, Dombaumcisicr um 1400 und der 

Strasaburgcr MUnstcrbau. Von A. Ilg 



OL 
CUM 

CLIT 

ILVII 

CLX 

CLX1 

CLXIII 

CLXXl 

CLXXll 

CLXXll 
t'LXXIV 

t I.XXVl 



ad Ncmiibcrg zu Salz- 
Hart m n n n -Kran- 



Die Grabdenkmäler von St. Peter 

biirg. Von Dr. Ernst Edlen * 

xenshuld. *. . CI.XXIX 

Aus dem Berichte des Con.ervatnra Ludikar. (I. Ablh ). CLXXXI 



Peraoiial-Xa'-hrirliten. 



CLXXXII 



l>a..au. I.) Von Dr. K. Li nd. CLXXXlll 

6. Kirchliche Baudenkmal* in Obcr-Ö.terreich. Von Dr. 

K. Fronner. Mit 3 Holzschnitten.) . CLXX.W 
Die milieUlterlichen Baudenkinale der Stadt Laa und 
deren Umgebung. Von .1. trrn.lt. I Mit 1 Tafel und 

12 1lolrschnlttcn.:.. CLXXXVI 

Die ältesten Siegel der Stadt Wiener Ncust.dt. Von Dr. 

A. Laschin. (Mit 2 Holzschnitten. i , . IT 

Wentel Erzherzog von Österreich. Johanniter -Ordens- 

Priorii. Caatilien. VonDr. Höni.ch. . CCI 
Die inneren Stadtthor« zu KJiniggriiU. Von L . . CCI 
/. Die Kunst dea Mittelalter, in Böhmen. Von B. Grue- 

b«r. Fortscizung. (Mit 17 II lz.ehnitt.n.) OCH 

III. Ältere Grabsteine in Nieder-Österrelch. Von Dr. K. 

Lind. .Mit 1 Holzschnitt.). ... , . CCIX 

Da» Grabmal .oder der Grabstein., Lcutold's von Wlldon 
in der Stift.kirche zu Slainz und die Siegel der 
Wildoner. Von L. B ec k • W i dma n n * t et te r. (Mit 

1 Tafel und 13 Holzschnitten.) CCXI 

Zur Kunde der St. Stephanskirche in Wien. Von Dr. K. 

Lind. (Mit 1 Holzschnitt.) O XVI 

Aus Hciligenkrcuz in Nieder-Österrelch. Von P. Willi. 

Neu mann CCXVII 

Aus St. Paul In Kirnten. CCX1X 

Schlesien. Kun»tleh«n. Von Ah. Schulz, besprochen 

von Dr. A. Ilg. CCXIX 

Die Darstellungen dea Abendinai.-s in der byzantiniachen 

Kunst, besprochen von Dr. Messmcr. . CCXXII 
Caralcaselle - » Geschichte der italienischen Malerei, be- 

•procheri von Dr. Metamer . CCXXIII 

Der Alterthuma-Verein in Wien. . . CCXXIV 
. .... CCXXVI 



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Personalstand 

der 

k. k. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale 

am Schlüsse des Jahres 1872. 

(IX. Bankfauc 10.) 



IHtMMni 

Helferl Joseph Alexander Freiherr v., Jnr. Dr., k. k. wirklicher geheimer Kai Ii, Ritter der eisernen Kinne II. ("lasse. Vioe- 
PriUident der k. k. geographischen Gesellschaft, Präsident de* Vorschriften- Vereine», Mitglied der juridischen Fucnltät in 
Prag, der böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften und mehrerer freiehrten (ieselUcluften und gemeinnützigen Voreine, 
rl. Wolheile 1., 

«Itslleder. 

Birk Kniest, Phil. I>r., k. k. Hofrath und Vorstand der k. k. Hofbibliüthek, Kitter de» Franz Joseph - Orden* . «irkliches 

Mitglied der kals. Akademie der Wissenschaften. '1. Klostergasse 3... 
(amesina Albert Bitter v. Sanvlttore, k. k. KegiernngBrath, Rittor der eisernen Krone III. ( lasse, des Franz Joseph Ordens, des 

k. sächsischen Albrechts- und des niederländischen Eichen-Ordens, wirkliche« Mitglied der Akademie der bildendes Künste 

xn Wien, Con Senator für die Haupt- und Residenzstadt Wien. iL Annagasse !(!.; 
Karajan Theodor Georg, Ritter v.. Phil. Dr., Cuatos der k. k. Hofbibliothek. Rittor des Leopold -Ordens iiud des Franz. 

Joseph-Ordens, wirkliches Milglied der Akademie der Wissenschaften, Mitglied des Herrenhauses. (I. Flcisrhmarkt i.i 
Kenner, Or. Friedrich. Cttstoa des k. k. Münz- und Antike n-Cablnets. 

Lohr Moria Ritter v , k. k. .Ministerialrath im Ministoriutu des Innern. Ritter der eisernen Krone III. t'lusse, Uosittor de» 

goldenen Verdienstkreuzes mit der Krone. < III. Hauptstrasse fi.i 
Mayer Karl, Professor an der Akademie der bildenden Künste in Wien, Mitglied der k. Akademie in Venedig. Ritter des 

Franz Joseph - Orden* und des päpstlichen St. Gregor Orden». i Vl. Wallgasse \>.\ 
Reich Karl Freiherr v. jub. k. k. Ministerialrat)! , Ritter des Leopold-Ordens. (I. Tuchlaubi-n 5.j 

Sacken Eduard Freiherr v., Phil. Dr., Direetor des k. k. Münz- und Antikcn-Cabinets und der Ambraser Sammlung. Ritter 
der eisernen Knute III. ('lasse, des Franz Joseph ■ Ordens und des Ordens der französischen Ehrenlegion, wirkliches 
Mitglied der kais. Akademie der Wissenschaften, Conservatnr für den Krell L". W. W. (I. Krngerstrasse 13.) 

Schmidt Friedrich, k. k Oberbauratb , Professor an der Akademie der bildenden Künste. Domhaiimcistor zu St. Stephau, 
Comthur des Franz Joseph-Ordens, dos päpstlichen Gregor-Ordens, dos preussisehen rothen Adler-Orden» IV. Ciasso. de» 
sächsischen Albreehls-Ordens und des Hohenzoller'scben Hausorilens, Mitglied dei Akademie) In Manchen. Mailand. L'rbino 
und Venedig. iL Lothringergasse 1. 

Tandlcr Jo»eph Hitter v., jub. k. k. Ministerialrat!!, Hitter des Leopold OnU-ns und des päpstlichen Christas-Ordens. Ehren 
bürger der Haupt und Residenzstadt Ofen. III. Erdborgerstrasse 1., 

Redarleir 

der unt»r der Leitung d"* Ccuriiiiissloiis-PrasideNU'n erscheinenden Monatsschrift : .Vlitlheilungcn der k. k. l>ntral-C'oa>ml»«lori". 
Lind Karl. Jur. Dr.. Ministcriiil-Coiiciplst im k. k. Handelsministerium. Ritter des Franz Joseph Ordens. (IX Derggasse ii>. 

rrstek.lUflkrer. 

<; otter Michael, Dr., Statlbalterelmth. (IX. Ueebtentteinstrasao b.) 

«asssfshrrr nad Bibliolhrkar. 

Riirgerstein Joseph. Offieial im k. k. Ministerium für Cultns und Unterricht. IX. P rlgMM 15, im Rudolf.hof. 



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&. k. r«nxrr»«(«rcn. 

Böhmen. 

Ackerinann Josef, Domdcchant in Leitlucritz, für den Leit 
tncrltzcr Kreis. 

Bencs Franz Josef, Kcehminga-Kevideiit . Directlonsinltglled 
und Cassicr de» Präger Dnmbauvereince, Custos des vater- 
ländischen Museum» in Prag, Mitglied der kfinigl. Gesell- 
schaft der Wissenschaften in Böhmen, des landw irthsehal't- 
lichen Vereine» in Koliii, der nnturforschenden Gesellschaft 
211 Görlitz, Ehrenbürger der Stadt Sieine*. ~ für die kfinigl. 
Hauptstadt Prag, dann den Prager und den C'äslaucr Kreis. 

Kassel Jus. Th. P.. Gymnasial Director zu Komotau. für den 
Saazer Kreis. 

Pßdisch Julius Ernst, llauptlehrer der Lehrerbildung»- Anstalt 

zu Lcitmeritz, ftlr der Bunzlnuer Kreis. 
Jicinsky Kurl. Jtir. Dr.. für den Pilsner Kreis. 
Kralert Franz, M. Dr., Bürgermeister und Obmann der Pilgra- 

tner Bezirksvertretung in Pilgrntn, ftlr den Tuborer Kreis. 
Marek Anton, Dedia»t in Libun, für den Jiciner Krel*. 
Sebmoranz Kranz, Baumeister in t'hnidim, flir den (hru- 

dinier Kreis. 

Frind Antun, Domherr des Prager Mctropolitan-Domcapitels, 

für den Budweiser Kreis. 
I.udikar August L'cslav, Secretär der Bezirksvertretung zu 

Strakonie, für den Pisckcr KreiB. 

. Bukowina. 
Mikulitsch Andren«, pens. ('amcral-Bczirksbauuicister in 

(zernowitz. 
Petriuo Otto, Freiherr. 

Dulmatien. 
Boreil i Francesco Conte, für den Krei» Zara. 
Glavinleli Michael, Gymniieial-Profeasor in Spalato. für den 
Kreis Spalato. 

Galizien. 

Gorcitynski Adam Kitter v.. Gutsbesitzer, für die Kreise 

Wndowice und Boclmia. 
Popiel, Paul Bitter v„ für das Krakauer Gebiet. 
Potocki, Mieezyslaw Graf v.. für O&tgalizien. 
Bog :t«' ski, Carl Bitter v„ für die Kreise Taruow. Sandec, 

Rzeszow. 

Kämt bin. 

Gallenstein, Anton Bitter v.. kämt, ständischer Buchhalter 
in Klagenfurr. 

Krnin. 

Codeiii. Anton Freiherr \-. |ien». k. k. Gubcmial Secretär 
in Laibach. 

Küstenland. 
'Derzeit unbesetzt.! 
Mähren. 

Belrupt, Gustav Graf, Domherr des Metropolitaii-Cupitel» in 

Ulinüt/, Mir die Ühmltzer Eizdificese. 
Liokie Wlki v. Werdenberg, Bobert Maria Graf. Domherr des 

Metropolit.. u. ( apit eis in Ulmütz, für die Brtiiiner DiOceBe. 
Militiirgrenze 
Grnic Zacharias. 1!. ziikss. huliuspector zu Bauut-Wcisskircheu 

ftlr die S« •rbiseh-Bannti r MilitSrgreiizc. 

Xieder-Öaterreich. 
i amesina, Albert Kittel v., k. k Regicrungsrath, tu. Wien. 
Kosncr Karl. n. ö Liuides-Iiigeuieur in Krems, für den Klei» 
<i. M. B. und provisorisch liir den Kreis 0. W W 



Sacken, Eduard Freiherr v., für den Kreis L'. W. W. 

Widttjr Anton, Bealilätenbesitzer in Wien, Besitzer des gol- 
denen Verdieustkreuze» mit der Krone und der goldenen 
Medaille für Kunst und Wissenschaften , für den Kreis 
l\ M. B. 

Ober Ö»teri eich. 
Wimm er Klorian, Stit'tflcapitular von Kremsmiinster, derzeit 
Pfarrer in Pfarrkirchen. 

Salzburg. 
Pctzolt Georg, akad. Maler in Salzburg. 

Schlesien. 

Gabriel Philipp, Pli. Dr., für den ehemaligen Teschner Kreis. 

Pet er Anton. Director des weiblichen Pädagogiums in Troppau 
und Bezirks -Sehiiliii»pector für deu Bezirk Freiwaldan. 
correspondirendes Mitglied der k. k. statistischen Central 
f oio uiasion und des heraldisch - genealogischen Vereine» 
. Adler" in Wien, für den ehemiiligen Troppauer Kreis. 
Steiermark. 

Graus Johann, Conperator zu St. Veit l<*i Griitz. 

Tyrol. < 

Enzenberg. Kranz Graf v.. Geheimer Bath und k. k. Kam 
merer, in Schwaz. für den Krel» L'iiter-Innthal. 

Stoeker Josef, ciucr Gymnasial-Director, lur Vorarlberg. 

Thun v. ( asteil. Thun, Mathias Grat v.. f. d. Trienter Kreis 

Tinkhauser Georg, für den Brimor Kreis. 

I *rre»poiiilr n ten. 

Böhmen. 

Boos-Waldek. Kniuz Graf, Uerrsehsftsbesitzer in Wosseliu. 
G nie her Bernhard, einer. ProfeaBi.r der Architectur an der 

Akademie in Prag 
Uäjek P. Kurl. Declmut in Tau». 

Rieak P. Wenzel, Beul- und Uaiiptschublirector in Kiattau. 
Schmitt Anton, in Prag. 

Stulik Franz, Bürgerund Handelsmann in Binlwei». 
Weber Wenzel, DeeJiaut in Holienclbc. 
Kittel Eduard, k. k. Gymnasial Professor in Eger. 
Siegel Johann. Stadtbaiiamtmsiin in Egi r. 
Herrmanu Karl, kJ k. Kinanzratli und Fluatizbczirksdircetoi 
in Eger. 

Dalmatien. 
Dojme Pietto, Nobile de, Podesta in Litt*. 
Glinblch Simon, t'ustos des Archäol. Museums in Agrnm. 

Galizien. 

Horodyski Leonhard Bitter \% Gutsbealticr in Zablnce. 
Lepkow«ki. ür. Joseph v., Docent der Kunsturchäologie 

des Mittelalters au der Jagillomschin Universität in Krakau 
Serni a k Dr. Joseph. Landcsadvocat in Lemberg. 
Stadnlckl, Graf Kasimir, pens k. k. Statthnltereirath in 

Lemberg. 

Stupnicki. Johann Bitter v. gr. kath. C'onsistorialKnnzli i 
in Lemberg. 

Käruth e Ii- 
Ahe rm an u Job., peu». Plnrrcr in Kl.igenlurl. 
•Aichelburg, Hugo Freiherr v„ Dechatit und Pfarrer i» Spittal. 
Blnmenfeld Leopold Edler v., peiiB. I.aiuU -sgerichtsrath in 
Spittal. 

Levit sehiiiu'g Bariholinniiiis. Deehant in Hermngor 
Moro. Max Bitter v.. Fabriksbesitzer in Viktriny. 
Rainer Joseph. Director der Rauscher sehen Gewerkschaften 
in St. Veit. 



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Kanpl Juli., Stadtpfarrcr iu Vitlitcti. 
Rauscher Friedrich, Gutsbesitzer in Klsgcnfurt. 
Rauscher Juh., Dechant und Pfarrer in Gnrk. 
Schollnndcr Georg, Domherr in Klagenfurt. 
Schroll Beda, Capitular de« Henedlctinerstiftes St. Puul 
und Oyrouasial-Professor. 

Küste Ii Und. 

Coronini, Franz Graf v., 0 (MM in der Armee. Landeshaupt- 
mann der geforsteten Grafschaft Görz-Gradisca. 
Kiiii ii. 

Arco Bartholomaus, infulirter Probst iu Neustndtl. 
Tost» J. Dr. Etwln, in Laibach 

Lelntuüller Joseph, k. k. Bezirksingeuieur in Kudolfswcrtb. 
Mühren. 

Dudtk P. Heda Kranz, mähr. Landeshistoiiograph. Kitter des 

Franz Joseph-Ordens ete., iu Brünn. 
Umlauft' KarL, k. k. Kreisgcricblsrntb und Bexirksvorstcher 

X i e A e r . O s t v r r e i c h. 

Am brat Aug. Wilh., Jur. Dr., a. 6. Professor im der Hoch- 
schule in Prag, k. k. Oberstaatsanwalts . Stellvertreter, 
derzeit in Verwendung lielui Ministerium der .lus'iz. 

Du Ii gl Adalbert. Professor der Theologie im Stifte Göttweig. 

Exner W. Fr., Professor an der k. k. Furstakadcaiie zu Maria- 
brilH bei Wien, und (oirespondcnt des k. k. österreichi- 
schen Museum» für Kunst und Industrie. 

Gradt Johann, Architekt. 

Itlawka Joseph. Baurath. Stadtbauiueister und Architekt iu 
Wien. 

Kanitz Franz. Kitler des Franz Joseph-Orden*. 

Klein Johann, Professor au der k. k. ObcrreaUchule am 
Schottenfelde In Wien. 

Kluge, P. Benedict, Oyui.-Professor m Wiener. Neustadt. 

Lippcrt Joseph, K. d. Ordens der eisernen Krone III. ( I., 
fointhur des päpstlichen St_ Gregor - Ordens . Besitzer des 
Ebrenkreuzes des kömgl. sächsischen AHirecht» - Ordens, 
Architekt in Wien. 

Xewald Job.. Director der k. k. Forstakademie zu Marin-Bruni. 

Pcts c hn ig Hans, Uiöcesan-Architckt des Fürstbischofs von 
Lavaut und k. k. Professor an der Bau- und Maschinen- 
schule iu Wien. 

Itiewel Hermann. Architekt und Professor au der k. k. I!au- 
uud Maschinenschule in Wien, Besitzer des goldenen Vcr- 
dienstkrenzes mit der Krone. 

Serobern Alois, k. k. Ministerial .Seerotfir, Red;.otcur der böh- 
mischen Ausgabe des Reichsgcscizhlnttc». Lehrer der böh- 
mischen Sprache und Literatur an der Wiener Universität, 
Hittcr des russischen Annen-Ordens II. U. 

•sehikh, Melchior Edler v.. Landbnumeister 

Ober- Österreich, 
Az Moriz, k. k. Postdinc-or iu Linz. 

< öri Job. Xcp., k. k. Militär- Ilczirksplarrer ihr Ober Öster- 
reich und Salzburg zu Linz, t oosiatori il- und geistlicher 
Rath, bischöH. Notar. 

iluber, Dr. Alois, iu Ohlstort. 

Obarloitner, P. Krim*. Pfarrer in St. Paukrnu hu Bezirke 
Wiudischgurstou. 

Salzburg. 

II ntt er, Dr. Bartholomaus, Pfarrer in Bruck. 
Schn urz Maxnilliaii, Pfarrer in Horndorf. 
Wcrnspncher Joseph. Pfarrer in Abu bei Saalleiden 



Steiermark. 

Frank, Alfred Kitter v., k. k. Major in Oratz. 

Gruber .Philipp, Beneficiat in Stras» bei Spielfeld. 
.Hofrichter Josef, Notar in Windischgrätz, Mitglied des 
steierisch - historischen Vereines. 

Hönisch Johann, Dr , k. k. Oberstabsarzt iu Oratz, Ehren 
burger von Pettau. 

Li «hi eh Job., Ingenieur in Lietzcn. 

Macher Mathias, M. Dr., pens. Districtsarzt in Gräu. 

Met zier v. Andelberg Joh., M. Dr., Bezirksarzt in Weiz. 

Orescheu Iguaz, Domherr am f. b. Lavantcr Domcapitel in 
Marburg. . . 

Pichler Friedrich, Dr., Vorstand des steierisch laudschaft 
liehen Mllnz- und Aiuiken-Cabinets, Mitdireetor des archäo 
logischen Museums der k. k. Universität in Grätz, Pro 
fessor der Münz-, Siegel- und Wappenkunde daselbst, 
Mitglied de» germanischen Museum» in Nürnberg, Corre- 
spouilent des Vereine» „Herold - zu Berlin. 

Pichl Karl Kitter v. Gamsenfeld, Gutsbesitzer in Kerschhach. 

Kaisp Ferdinand, fürstl. Uiotrichstein scher Beamter iu Pettau. 

Kosscgger Ruprecht, Pfarrer in Feistritz bei Peggau. 

Schlag Iguaz, Bezlrksadjunct iu Judenburg. 

Toscalii Joliauu, k. k. Bcrggcschuorncr zu Ulli. • 

Zahn, Dr. Jose), ProtesBor der Geschichte und Archivar am 
Joanneum iu Grätz. 

Tyrol. 

Atz Carl, Beneficiat zum heil. Peter iu Terlau, Tnentiner 
Diöcesc. 

Bai Ulfa Idi, Ur, Luigi Antonio, iu Riva. 
Giovanelli Ferdinand Freiherr v., zu Scliloss Hortenberg 
bei Bötzen 

Hellweger Franz, Histoiieniuiiler iu Innsbruck. 
Jenny, Dr. Samuel, Faliriksbesitzer in Haid bei Brcgenz 
Orgler, P. Flavian. Director des k. k. Obergymnasiuma in 
Bötzen. 

Nee Ii Philipp, k. k. Forstmeister in Bötzen. 

Pes Costa Cyprian. Curat in Lang bei Saluru. 

Sardagna Michaele von, Vorstand de* Trienter städtischen 

MuaanaH in Trient. 
Schöpf. P. Bertraud, in Hall. 

Sulzer Joh. Georg, Professor der Theologie in Trient. 
Thaler Josef, Pfarrer iu Kuens. 
Zaaella, Don Giovanni BattUta, t 'aplau in Trient. 
Zin geile, Ignaz Dr., Professor in Innsbruck. 

Ungarn. 

Drabotttaaky Franz. Ehrcncanonicus und l'rälect des hischöl 

liehen Waisenhauses zu Silleiu. 
Ellenbogen (Köuyöki Joseph. Professor an der Oberreal 

schule iu Pressburg. 
Henszlmaun Eiuerich, Ur, Referent der Commlssion fUr die 

Ijindesbaudenkmale iu Pest. 
Mysköv»zky Victor. 01 deutlicher Professor der Baukunst 

au der Staats -Obcrroalschul« in Kaschaii und Mitglied 

mehrerer « is.senscliattlichcr Vereine. 
Paur Ivan, gTiirl. Szechenyi 'scher Archivar in Odenhurg. 
Homer Florian. Ur., konigl. Rath, Capitular des Stifte» Mar 

tinshcig, Universität»- Professor und ( ustos des Münz- und 

Antiken -C'ahinets des Ungar, National Museums In Paar. 
Storno Kran», Hansbesitzer in Ödenburg 
Stummer Arnold v , Bisehof in Neusohl. 
Varady de K einend Adam, Gutsbesitzer in Deva. und ton 

eipist des k. ungarischen Ministerium' de» Innern in Frei. 



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- i ebe tl Ii Ii i (?e n 
Cipariu Thiimttheu«. Domherr in BIlMldOff. 
Fogarassjr Michael, liittctiof zu KarUhurg. 
Miko Enterich, Graf v„ wirklicher geheimer Kath, Landtags- 

deputirter in Pest. 
Kcissrnberg 01 Ludwig, Professor vom Gymnasium zu Her- 

iiumii»t».lt, Cn»to» des Antiken-« 'abinet* um Bruekenthnl'- 

schen Museum. 

Turm« Karl v., Obergespan des Inner Szolnoker (V.mitats. 
Gutsbesitzer zu Csicso-Keresztur 



Croatieti 

Ktiktlijcvic • Sakciuski Johaun von, Landesarchivar in 
Ajrram. 

Vuekovic Michael, k. k. Major de« Anne Standes beim 
Fcsttings- und Platz-Cninmando zu Pest-Ofen. 

Militflrgrenze. 

Diinic Theophi). Bezirksachnlinspcctor in Mitrovic. 
UM Lucas, Consistorialrath und Pfarrer in Mafkovac. 
Siballie Stephan, k. k. Oberst in Mitrovic 



1 k J. k • »•< .-I « I.n.k"'! 



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Die Pfarrkirche -ad St Joannem decollatum" in Zeben. 

V.. Pr.fk.ior ». Mrikor.ikr. (MM 5 IM«icli.m»n . j 



Zebcn (Cibiniuni, Kis Szehen), eine königliche Frei- 
stadt im Saroschcr Comitate in Obcr-1'ngnrn gelegen, 
«oll ihren Namen von der Prinzessin Sabina, Königs 
BelalV. Tochter, fuhren, welche, wie die Tradition nagt, 
die Krbatterin dieser Stadt war. König Sigismund er- 
laubte den Bürgern im Jahre 14(M5 die Stadt mit Maliern 
und Wüllen zu befestigen ; auch bestätigte er die alteren 
Manthfrciheits-Privilegien. 

Die Stadt ist von kleinem 1'mfnnge, und hat noch 
ganz, das Aussehen einer mittelalterliehen befestigten 
Stadt, indem die 14<N, erbauten Umfassungsmauern und 
Thtlrme theilweise noch bestehen. 

Das interessanteste und in architektonischer Hinsicht 
wichtigste üebiiudc der Stallt irt offenbar die in der 
Mitte des etwas ländlichen llauptplat/es nach allen 
Seiten frei stehende Pfarrkirche, dem enthaupteten heil. 
Johannes geweiht. Es i«t ein einfacher nber mächtiger 



Bau. Uhzwar die Kirche durch öftere Feuersbrünate viel 
ihres AuRsenschmuekes, ihre hohen Oiebelmauern, das 
steile Dach und den Thurmhelm einbusstc, so bietet das 
schlichte Äussere, aber noch mehr daa Innere der Kirche 
so manche» Interessante nnd auch Kunst-Objecte des 
Mittelaltere. 

An der Rückseite der Predella de« gothiachen Haupt- 
altare fand ich folgende mit rother Farbe angebrachte 
Inschrift : 

M°crcr»Lxi . POST . VISITATIONIS . mahl*: . 
FFRIA . III . fOMBVSTVM FVIT CIBINIYM . 
TOTAUTEB. 

Also schon im Jahre 1461 ist nicht nur die Kirche, 
sondern die ganze Stadt abgebrannt. 

Die Kirche ist im Spitzbogcn-Styl des XV. Jahr 
hnndi rts gebaut, und gehört in die Beihe der Hallenkir 




Fie. i. 



XVII 



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II 



1 



eben, indem das Hauptschiff nur 
um einige Fuss die Seitenschiffe 
Überragt, deninaeh die Licht- 
gaden - Fenster im I lauptKcliifTc 
liier ganz wegfallen. 

Das Chorhnupt wird durch 
die fünf Seiten eines regulären 
Achteckes gebildet, und ist nach 
Osten gerichtet. Im allgemeinen 
besteht diese Kirche nus folgen- 
den Hauptbautlicilen: das Prea- 

bytertam, das Hauptschiff, das 

nördliche und das sltdliche Sei- 
tenschiff. Am westlichen Knde 
des Hauptschiffes ist der vier- 
eckige Thurm angebracht. Die 
Sncriatei, sowie die Vorhal- 
len vor den sUdlicheu und 
nördlichen Kingängeu wurden 
der Kirche später zugebaut. 

(Flg. 1.) 

Daa Hauptschiff wird durch 
viereckige Pfeiler von den Ne- 
bensehiffen getrennt, welch' letz- 
tere durch sechs meistens drei- 
theilige, das Snnctuarium aber 
durch fllnf spifzhogige Fenster 
beleuchtet wird. Die Masswerke 
der einzelnen Fenster sind sehr 
mannigfaltig in der Form und 
bestehen meistens aus der Com- 
bination des Drei- und Vierpns- 
ses, so wie auch hie und da 
der Fischblase. Diese Kirche 
hat insofern auch ein Querschiff 
aufzuweisen, in wie weit man 
die bis zum I »achgesimse erhöh- 
ten mittleren Theile der Ne- 
benschiffe als ein Querschiff be- 
trachtet. 

Das tiewölbe der Kirche 
wird durch kllhn geschwungene 
Gewölberippen getragen, welche 
durch ihre Kreuzungen mannig- 
faltige Sternfiguren darstellen. 

Die l^uer- so wie andere 
Nebco garten im Hauptschiffe 
coucciitrircn sich in die vier 
Mittelpfeiler, wo sie sieh über- 
schneidend in die Flucht der Mau 
ertliche übergehen; als Conso- 
len dieser Ccwölbrippcn erschei- 
nen die vier Evangclistenzei- 
ehen der Apokalypse iu Steincn- 
basrelief ausgehauen. 

Im nördlichen Seitenschiff 
sind an den GewiHb-Schlusssteinen Sc hilder angebracht, 
welche in ihren Feldern Sterne, Lilien, Koscttcn und 
andere dergleichen Figuren fuhren. 

Der ( hgel-Chor wurde am Wcstciidc des Hauptschiffes 
errichtet, welcher durch gewundene cannelirtc golhisehe 
Säulen getragen wird. Das steinerne (ieliinder weist 
spät-eolhischc Formen auf, und der Styl des ganzen 
Chores entspricht vollkommen der Jahreszahl l:"»2:t, 



welche nebst einem Steinmetzzeichen auf einem Wap- 
penschild!- an der Orgelbühue angebracht erscheint. 

Die Kirche hatte einstens drei Eingänge, von wel- 
chen jedoch der mittlere, westliehe, unter dem Thurme 
befindliche Eingang später vermauert wurde. Die Strebe- 
pfeiler so wie die Fenster- und Thürgewiiiide sind aus 
gehaueneu Steinen ansgemeisselt ; der übrige Theil der 
Mauern ist aber aus ganz gewöhnlichen Bruchsteinen 
ausgeführt. Was die innere Einrichtung dieses Gottes- 
hauses anbelangt, so ist dieselbe noch ziemlich gut erhal- 
ten, nur die drei gothisehen Flügelaltäre haben leider 
durch spätere, nicht uach dem Style gehaltene Keno- 
vationen viel gelitten. 

Das Saerameiitshäuschen (Fig. -), ein Werk des 
XV. Jahrhunderts, steht im Sauet uarium an der nördlichen 
Seitenmauer angelehnt. Das Ganze hat eine Höhe von 
2'2 Fuss l> Zoll uii' I bildet, wie gewöhnlich, ein gothisches 
Thtlrmchen. Der Fuss desselben ist besonders schön und 
sehr sinnreich geformt, welcher durch mehrere über Eck 
gestellte Sockel gebildet wird; die achteckige Säule des 
Fusses endigt mit einer eonsolenartigen Überkragung, 
an welcher mau die Jahreszahl I AKX angebracht findet ; 
Wtcr dieser mit einem Fries verzierten Fljcrkraguug 
erhebt sieh das viereckige Gehäuse, welches mit einem 
künstlich und geschmakvnll gezierten und vergoldeten 
Eisengitter versehen ist. 

Die Thür dieses Gitter» stelll Fig. .'! dar, und ist 
besonders aus dem Grunde interessant , weil man an 
derselben noch sehr deutliche Spuren alter polychromer 
Itemalung findet. Diese Thür hat eine Höhe von 2 Fuss 
7 Zoll und eine Hreite von 1J Zoll, die Hundbänder sind 
mit einem wellenförmig gewundenen blauen Grunde 
geziert. Die Stäbe, welche das eigentliche Gitter bilden, 
sind rot h bemalt, und haben an den Kreuzungspunklen 
abwechselnd Knöpfe und Koscttcn in Gold. Die Sehloss- 
platte ist gleichfalls mit vergoldeten Klältcm auf rothem 
(•runde geziert. Die zwei, von den Angeln biszurSchloss- 
platte schief gehenden Querbänder sind als coustruetiv 
nothwendig, um ilie Verschiebung des ganzen Gitters zu 
verhindern, und haben nu den Kändern Fischblascnmuster 
und andere spitieimrtige Verzierungen. 

Die in der Gothik so beliebte blaue und rothe Fär- 
bung ist auch bei diesem Gitter vorherrschend. Das 
viereckige Gehäuse des Sacramentshäuschetis zieren 
oben in Eselsrüekenform gehaltene Giebel mit Krabben 
und Kreuzblumen so wie kleine Fialen ; aus den 
vier Ecken des Gehäuses streben vier Fialenthürnichcn 
in die Höhe, den mittleren Hauptthcil des Aufsatzes bildet 
gleichfalls ein Fiah-iitliüruicheu, das (dien mit Statuet- 
ten, welche auf Consolen stehen, geziert ist; der ganze 
Aufsatz des Sacramentshänschens strebt pyramidal nach 
oben und endet in einen Kiesen, welcher mit Krabben 
und einer prächtigen Kreuzblume abschliesst. 

Die Anordnung so wie die einfache und gesunde 
Construction, dann die gehörige Proportion einzelner 
Theile dieses Sacramcutsbäiischciis ist vorzüglich. Leider 
fehlen schon mehrere Fialen vom Aufsätze, und das 
ganze Werk bedarf einer durchgreifenden Kenovirung. 

Am Ostende des südlichen Nebenschiffes befindet 
sich der sechseckige, nus Saudstein sehr geschmackvoll 
ausgeführte Taufstein, welcher ganz die damals übliche 
Form eines Kelches hat. ( Fig. 4.) 

Am oberen Kunde unter dem Kranzgesimse ist eine 
golhisehe Verzierung, bestehend aus halben Kögen und 



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III 



Nauen, halberhaben angebracht, von da verengt 
Bich nach unten der Kessel. Der Fun« ist nach 
Daten ausgeschweift , und an den Seitenflächen 
desselben sind Wappenschilder mit Rosetten, und 
anderen bereits unkenntlich gewordenen Fignren 
angebracht. An diesem Taufsteine bemerkt man 
auch noch schwache Spuren einer polychromen 
alten Bemalung, welche rolhe, hlaue, grüne, gelbe 
und schwarze Färbung der einzelnen Glieder 
aufweist. 

Ausser diesen hier angeführten Ocgenstän- 
den hetinden sich noch unter dem Orgel-Chore 
zwölf Sitze enthaltende Chorstuhle , deren (Je- 
sannnt- Anordnung zwar noch der der alten gothi- 
schen t'horstUhle entspricht , deren Ornamente 
jedoch verschiedene verschlungene Münder, 
Sterne, Zickzack in Holzmosaik ausgelegt dar- 
stellen ; diese jedenfalls mit viel Geschmack ans- 
geführten und nach dem florentinischen Rcnais- 
sancestyl decorirten ChorstUhlc durften , nach 
dem Style zu urtltcitcii, aus dem Anfange des 
XVI. Jahrhunderts stammen. 

Die Kirche besitzt ferner einen eisernen 
Pussinnsleuchter aus dem XV. Jahrhundert. Der 
ganze Leuchter hat eine Höhe von 4 Fuss Zoll 
und ist durchgehend» aus geschmiedetem Stan- 
gen- und Handeisen verfertigt. Die Lichtteller 
sind au* Eisenblech mit schönen durchbrochenen 
Ornamenten geziert, die zwei niedrigeren Neben- 
kerzen werden durch vier Bisenbiituler getragen, 
welche Nasen zieren, die mittlere Standsltule ist 
aus gewundenen Stnngcnreifen verfertigt. (Ge- 
genwartig wird dieser Passionsleuchtcr nicht 
benutzt.) (Fig. 5A 

Noch niuss hier das westliche Haupt-I'ortal 
unter dem Thurmc erwähnt werden. Die im 
Spitzbogen gewölbte und mit Nasen gezierte 
Thoröffnung wird von einem sehr steil anfstei- 
gendeu Giebel Uberragt , welcher an desseu 
Seiten mit Kichcnblllttern , anstatt der Üblichen 
Krahhen , und an der Giebclspitzc mit einer 
schönen Kreuzblume geziert ist. Im Giebclfeldc 
sind oben drei Rosetten, nnil unten zwischen 
zwei gothischen Blumen das Lamm mit der 
Fahnenstange als Sinnbild des Heilandes ange- 
bracht. Da der innere westliche Eingang jetzt 
erneuert erscheint, dient diese ThUrUtfnung ledig- 
lieh nur fUr den Thurm. 

Ali der Südseite der Kirche, jedoch ganz 
isnürt, steht ein (ilockenthunn (Campanile), in 
welchem zwei alte Glocken ans dem XV. Jahr- 
hundert sieh befinden. An der grösseren Glocke 
ist folgende, in Majuskel angebrachte Inschrift 
zu lesen : 

nt boitoKK . Sfintrn ioi>a\nis . baptist« + o 

KrtX CLOR!« + VrtNI + «VW + PA«« .A.D. 

. ama . l . xxi. 

Auf der kleineren hingegen : 
II« + hOPOR« + VIRGIPIS + iRARI« + DK . «Ltf- 
flßOSIKA . PAVP«KV«1 . A . D . ITH . X . K .0. 

Diese Glocken wurden demnach zehn Jahre nach 
dem grossen Feuer anno 1401 gegossen. Endlich muss 
noch erwähnt werden, dass im Innern der Kirche, 




Fig. 3. 



besonders im Sanetuarinm an der inneren Mnnerfläche, 
Spuren von alten Fresken vorkommen . welche noch 
weitläufige Frescogemlllde unter der Kalkschichic ver- 
muthen lassen. 

Kolchfund im Prager Dome. 

Am 1*. März 1871, wurde in Fitten festgewfluitim. 
1' , Klttr. Indien, 2 Klftr. breiten und SJi/, Klftr. langet', 
aus wuchtigen und sorgfältig behaueuen Quadern beste- 
henden Räume, der bei der jetzt vorzunehmenden Pfeä- 



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Vitt. 1 [Zabra.) 

hranlage für den neuen Dombau entdeckt wurde, ein 
silberner, stark vergoldeter Kelch gefunden. 

Nelimeu wir den Haniii in Anbetracht, so bleibt er 
fllr alle Zukunft rttlliselhaft und unerklärt, weil er Bich 
in einem Cougloinerate breiter und tiefer, weit au» dem 
Bereiche de* Dombanes heraussehreitender Grundmauern 
vorfand. Ober ihm war einst der alte Friedhof, später 
bestand dort ein Sacristancrhüusclicn und neben ihm 
war die Anlage de« mächtigen Pfeilers fllr den so groß- 
artigen Dom hergestellt. Und eben dieser Pfeiler führte 
zur ungeahnten Entdeckung. Die Pfeileranlage war, ver- 
möge eingetretener Senkung, mitten durchgebogen, 
weshalb das uralte mächtige und feste Grundmauer- 
werk hat herausgehoben werden müssen. Bei dieser 
höchst mühsamen Arbeit stiess man in des Pfeilers unmit- 
telbarer Nilhe auf eine feste Wölbung, welche einen 
leeren eingangslosen Kaum bedeckte. Nur eine Fuss 




IV 

tiefe Nische mit 2 Stufen war in dessen rechter südlich 
gelegener Mauerflanke sichtbar, hinter welcher man einen 
runden, etwas tieferen, 3 Fuss im Durchmesser haltenden 
eistemeniihnlichen Kaum fand. In diese beschriebene 
Nische mUndcte oben ein schräg gelegter, von da herab- 
gefllhrter Canal ein, welcher mit einem Abort, dessen 
steinernen Sitz man auch fand, verbunden war. In eben 
diesem Kauine sammelte «ich durch die Zeit her eine 
nicht unbedeutende Schichte vermoderter Excremente. 
Ganz oben lag darauf ein Leuchter aus Messingblech — 
der neueren Zeit wohl angehörig, dann kam ein kupfernes, 
stark vergoldet gewesenes Brillengestelle ohue Gläser 
zum Vorschein, und als eine tOchtigc Quantität dieses 
uralten Guano'» weggeräumt war, gerieth der damit 
beschäftigte Taglühner auf den silbenieu Kelch. 

Er ist aus 13löthigem Silber, stark vergoldet, wiegt 
38 Loth und hat eine Höhe von 7</t Zoll. Die decorativen 
Motive dieses schönen Gefässes erinnern an die Uber 
schwilngliche gothische Stylrichtung des XV. Jahrhun- 
derts. Der hoch-profilirtc uud in der Unterlage mit einem 
Vierpassbande versehene Fuss ist scehstheilig gebildet. 
Die sechs Blätter steigen, in scharfen Biegungen sich 
allmiilig verjüngend, gegen die Mitte zu auf. Eine höchst 
zarte Filigranarbeit aus feinem Silberdrahtgefleehte deckt 
diese Blattflächen , deren Grund blau emaillirt und an 
ihren unteren Abranduugen mit Bergkrystallen und 
Granaten geziert ist, mit welchen Edelsteinen in rauten- 
förmiger abstehender Fassung auch der Nodus besetzt ist. 

Die Cupa des Kelches spitzt sich naeh unten eiför- 
mig zu und ist dort mit sorgfältig modcllirtcm Kriech- 
laube und 8tylisirtem Blattwerke belegt , steigt jedoch, 
wie bei den meisten mittelalterlichen Kelchen, ohne 
Ausbauchung geradlinig sich erweiternd anf. 

Der obere Kand ist an einer Stelle stark ausgebro- 
chen und ortweise ist das Metall oxydirt, weshalb die 
erwähnten Blätter mit ihren filigranen Verschlingungen 
stellenweise vom Kelchkörpcr abgelöst sind. Unterhalb 
dieser abgetrennten Ornamente bemerkt man das nett 
gravirte Handwerkszeichen oder die Marke des Silber- 
arbeiters nebst einem kleinen tiefgravirten Krenzchcn. 
Der hochwUrdigo Domdechant HerrTheol. Dr. Würfel, 
in dessen Vorwahrung dieser Kelch vorderhand steht, 
gedenkt ihn durch geschickte Künstlerhand wieder 
restauriren zu lassen, wodurch nun der merkwürdige 
Domschatz bei St. Veit um ein sehr interessantes 
Kleinod mehr besitzen wird. /•'. J, Bnuaok. 

Die Kunst des Mittelalters in Böhmen. 

i Fort *o im ii g., 

Mit M ITolMtlmlu.i.. 

S c u I p t u r. 

Die Werke der Bildhauer und Malerkunst gewähren 
keine so scharf ausgeprägten Grenzlinien, wie sie im 
Reiche der Architektur vorhanden sind, wo ganz ent- 
schiedene Merkmale, z. B. Rundbogen, WUrfel-f'apilillc 
und noch vielerlei sowohl constmetive als oriiamcn- 
tistische Eiiizelnheiten die Alters- und Styl- Unterschiede 
auffällig kennzeichnen. Doch bietet die Sculptur ver- 
möge ihres kürperhältigen Materiales ungleich zuver- 
lässigere Anhaltspunkte als die Malerei, die zunächst 
nur nach Styl-Verwandtschafton beurtheilt werden kann. 
Kiu wesentlicher Beitrag zur Altersbestimmung der Bibl- 



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V 



PMS -T3 - i 




1. 'I'rnK.j 



hauerarbeilcn wird durch den l' instand gebotcu, da»» 
viele derselben mit Gebäuden organisch verbunden lind, 
also notwendigerweise gleichzeitig mit denselben ent- 
standen sein müssen. 

Verhiiltnissmttssig haben sich in Böhmen sehr wenige 
Bildwerke monumentaler Art erhalten, von welchen die 
Mehrzahl in den Bogeiifeldern der Kirchen -Portale getrof- 
fen wird: runde Arbeiten sind äusserst selten, mau hat sieh 
gewöhnlich mit Relief-Arbeiten begnllgi. Wenn diese Knt- 
wicklung mit der althellcuischen und auch mit der 
deutsch - mittelalterlichen Kunstperiode Übereinstimmt, 
so findet doch in Bezug auf Materiale und Bchaudlungs- 
weise kein gleichartiger Verlauf statt. In der antiken 
Well w ie im frühen Mittelalter gingen Thonbilduerei und 
Holzschnitzerei dem Er/gnsse voran, auf welchen erst 
die Steiuarbeit folgte: in Böhmen griff man sogleich zur 
letztem, Überging Krzguss und Thomirheit und hat als- 
dann die Toreulik eultivirt, wie aus der Geschichte des 
Abtes Botetech und seines Nachfolgers Reginhard zu 
ersehen ist. 

Werke des Krzgusses wie die Domthtlrcn zu Augs- 
burg und Büdesheim, Grabplatten, Taufbecken und 
runde Arbeiten, wie man sie in Magdeburg. Goslar. 
LUttieh, Köln und andern deutschen Städten antrifft, 
wird man in Böhmen vergebens suchen. Dieser Mangel 
erscheint um so auffallender, als der Glockengnss früh- 
zeitig geübt wurde, und sieh viele alte Glocken erhalten 
haben. Auch von Werkeu der Holzschnitzerei, die nach 



unzweifelhaften Uebcrlieferungvn bereits im XI. Jahr- 
hundert blühte, findet sich kein einziges Gebilde, dessen 
Anfertigung mit voller Sicherheit Uber das XIII. Jahrhun- 
dert verlegt werden könnte. 

Wie jede f'nltnr, ging aneh die Kunst in Stein zu 
arbeiten von den Klöstern aus, die bedeutendsten der auf 
uns gekommenen Sculpturen sind klösterliche F.r/.eug- 
nisse. Von diesen sind besonders hervorzuheben die 
Sculpturen in Zabof und St. Jakob bei Scdlee, dann 
ein Steinaltar in der Klosterkirche St. Georg zu Prag. 

Steinaltar in der St, G eorgs ki rch e. (Fig. 1.) 

Das für die Landes- und Kunstgeschichte hoch 
wichtige Slitt St. Georg in Prag besitzt einen Steinaltar, 
der sowohl hinsichtlich der Form und AuslUhruug, wie 
aueh des l'mstaiides wegen, dass die Zeil der Herstel- 
lung bekannt ist, besonderes Interesse verdient. 

Xach Art der Triptychcn geformt, besteht das Werk 
aus drei in Sand stein ausgearbeiteten Tafeln, aus dem 
rechteckigen Mittelbilde und zwei sich anlehnenden 
Flügeln und entspricht in seiner Anordnung den Yotiv- 
bildcrn. Im Mittelfelde erblickt man die Himmelskönigin 
mit dem Kinde, in den Feldern zur Hechten und Linken 
die Donatoren, als welche Herzog Vladislav II. und Äb- 
tissin Bertha, durch welche die Kirche nach dem Brande 
von 1142 ganz neu aufgebaut wurde, anzusehen sind. 
Am Rande des Steines sind in gerundeter Majuskel- 
schritt die Worte eingegraben: 



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VI 




[UM.) 

+ MARIA . PRIMA . ABI.« + AVK . MARIA . 
GKACMA PLANA - DNS . Ttf . CVM + 
HKIUJTA . ABBA . SC .... F 

(Marin prima abbutissa. Ave Maria gratia plena, 
Dominus leeum. Hertha abbutissa Kculptnrau fccjtV) 

Ans dicHer Inschrift geht hervor, dass die Äbtissin 
Hertha entweder eigenhändig das Werk gefertigt habe, 
oder dass es auf ihre Veranlassung hergestellt worden 
sei. Diese Äbtissin wird in zwei l T rkniideii des Papste» 
Engen III. genannt. U lf» und 11/» 1, und wegen ihres 
Eifers um den Kirehenhan belobt <. Sic scheint dem 
Kegentenhause angehört zu haben, denn das Stift war 
ein adeliges und es wurden immer Damen aus den hoeh- 
gestelltesten Familien zu Ablissinen gewählt. DieToehter 
des Herzogs Boleslnv [., Milaila oder Maria, auf welche 
in der Inschrift hingewiesen wird, war erste Äbtissin, 
unter deren Regierung der frühere 1 142 zerstörte Kloster- 
bau aufgeführt wurde, daher 
sieh Hertha neben ihr als zweite 
ftrllnderin nennt. 

Das Relief ist ans Präger 
Mergelstein hergestellt, ziemlieh 
erhaben, die Behandlung ilngst- 
lieh und hart, doch zeigt die 
Anordnung des Ganzen ein ent- 
wickeltes Liniengef Ilhl und Sinn 
fllr Grroppiritug. Die heil. Jung- 
frau sitzt auf einem mit Wllr- 
fel-('apitiilen und andern roma- 
nischen Ornamenten ausgestat- 
teten Thronsessel und umlUngt 
das Kind mit beiden Händen, 
während zwei in der Kult 
schwebende Kugel ihrdie Krone 
aufsetzen. An den Stufen des 
Thrones knien zwei Henedieti- 
ner- Nonnen in Ordenstracht. 
Wie in alten Hihi werken, be- 
sonders an Malereien herkömm- 
lich , ist die Figur Märiens, 
namentlich Gesicht und Hals 
ungleich besser gezeichnet und 
edler durchgebildet . als die 
übrigen Thcile. unter denen «las 
puppenartige Kind und die 
eckigen Engel bei weitem als 
die schw ächsten Leistungen be- 
zeichnet werden dllrfcn. Im 
Faltenwurf, welcher zwar nach 

ff* .% .zibof.) Ari dM x „ Jahrhuderti hie 

' I r ••» ■ i m im. 




und da gradlinig und ackerfur- 
chenähnlich gehalten ist, spricht 
sich bei alledem ein gewisses 
Nuttirstudium aus; so sind die 
Arme und Knie der llimmcls- 
königin unter den Gewändern 
trcrTlich angegeben, der Mantel 
legt sich in wohlverstandener 
Selimiegung Uber die Sessel 
lehne und die Fttsse kommen 
an richtiger Stelle zum Vor- 
schein. Die in den Nebenfeldern 
angeordneten Figuren, beide in 
betender Stellung und Spruch- 
bänder haltend, bissen das Stre- 
ben nach Naturwahrheit noch 
deutlicher erkennen: die männ- 
liche Figur, durch die Krone auf 
dem Haupte und das nebenste- 
hende Wort UHS aU Vladi* 
luv bezeichnet, tllllt den be- 
schränkten Kaum in wohlgemes- 
senen Linien aus. Die gegenüber 
knieende (Sestalt der Äbtissin 
zeigt nicht allein feine Bewe- 
gung, s lern auch eine lieb- 
liehe und zugleich ausgeprägte 
(iesichlsbihlung. 

Vergleicht man dieses Re- 
lief mit gleichzeitigen Sculp- 
turwerken zu Regeusburg und 
Hamberg, wird man dem bespro- 
chenen Steinaltar eine ungleich 
Indiere Durchbildung zuerken- 
nen, aber auch bedauern, dass er isolirt steht und 
keinen KinHuss auf die anderweitigen Arbeiten gellbt 
hat. Man milchte glauben, der Ktlnstlcr (vielleicht 
die Künstlerin) habe sieh bezüglich der allgemeinen 
Anordnung an byzantinische Klfenbeinschnitzereien 
gehalten, «reiche in jener Zeit als Diptychen, Triptychen 
und Bllchcrcinhändc sehr verbreitet waren. Die Aus- 
führung aber ist selbständig und erinnert eher an säch- 
sische Vorbilder 

Sculpturcn in Ziibof. 

Die hier vortindlichcn Bildhauereien gehören zwei 
verschiedenen Perioden an, einer frtlhern mit der Aus- 
führung der Jacobs Kirche gleichzeitigen, und einer 
bedeutend späteren, wie gelegenheitlieh des dortigen 
Portal -Baue* angegeben- wurde. Im alten Theile der 
Ziiborcr Kirche haben sieh einige 




I i 



4. iZal)..f. 




Kijr. *>. Ziiliiif 

! I>rr b«U«.(ct.rnn« AMnUuos Uc^l elf« PktlofHf Ul« lu C.rund.. 



VII 



Thicrgcstalten v*T/.icrli* GurllrUger i-rlial- 
ten , (liTi'ii AuslUhroug dieselbe Hand 
erkennen lässt, welche in Sl. Jacob thätig 
war. Hier wie dort gleiche runde, nicht 
Uberlange lliimle und dieselbe Behand- 
lung der Hiiare; Kennzeichen genug um 
eine Verwandtschaft festzustellen, wenn 
auch die Hlteren Arbeiten in Ziibof 
nur geringfügig sind. Man würde diese 
Knäule villeieht Ubersehen, in keinem 
Falle hervorheben, wenn nieht das Portal 
eine Heihe von bildnerischen Werken ent- 
hielte , die zu' Vergleichungen heraus- 
fordert. 

In zwei Kehlen . welche das Bogen- 
feld umziehen, sieht man Scenen aus dein 
Jagd- und Landleben, zwar kümmerlich 
gezeichnet nher lebensvoll und in Anbe- 
tracht des beschränkten Raumes von 
bedeutender Wirkung. In der äusseni 
Kehle , die jedoch kaum zum dritten 
Thcile erhalten blieb , sieht man eine 
Löwen jagd ; auf der einen Seile kämpft 
ein Hilter mit einem Löwen, auf der andern hetzt ein 
Mann die Hunde, dazwischen Spuren eines nicht mehr 
kennbaren Thieres. Die innere Kehle hat weniger gelit- 
ten, wenn es mich an Beschädigungen nieht fehlt. Hier 
istdasViehauslreibcn am Morgen dargestellt; eine Heerde, 
bestehend aus Kühen, Schafen und Schweinen, wird auf 
die Weide getrieben, hinterher der Hirt, welcher einen 
Wolf abwehrt. Ha die Kehlen nur 0 Zoll breit sind, 
halten Menschen und Thier»* gleiche Grösse ein und 
sind die Heine gewöhnlich verkürzt, doch sind die 
Thiere richtig eharaktcrisirt und man unterscheidet 
leicht den gravitätischen Stier von der vorangehenden 
Kuh. Besonders gelungen ist der Wolf, welcher sich am 
Prügel des Hirten verbeisst, und ein oben in der Mitte 
wandelnder Widder. Dergleichen Darstellungen ans dem 
täglichen Leben und <ler Thierwelt waren im Mittelalter 
sehr beliebt und kommen an Kirchen nicht selten vor, 
wie unter andern eine Hirsehjagd zu Sehwäbisch-Hnll, 
laufende Hasen auf dem Firste zu Sl. Michael an der 
Donau, eine Froschversammlung an einem Seiten-Altar 
der 1 s:50 abgetragenen Augustiner-Kirche zu Regensburfr. 
Einer ähnlichen Anordnung werden wir auch in Hrusic 
begegnen. Ks war nicht allein der mittelalterliche Humor 
und die Vorliebe lür abenteuerliche Bcstienverschlingun- 
gen. die sich in diesen Gebilden aussprach, sondern 
es waren nlle LebciiM crrichlungen mit der Religion in 
engste Beziehung gebracht und so schien es ganz ange- 
messen, ein Jagdbild am Kirchen- Portal anzubringen. 
Dabei wurden auch Krinneruugeii an besondere Ereig- 
nisse eingeschaltet, wie die Pestsäulen erkennen lassen: 
ein solches Kreigniss dürfte vielleicht der Mäusezng in 
HrnSie andeuten. Fig. 2, Gutträger im ältern Thcile 
der Kirche, Fig. 3, Partie der äussern Portal-Kehle, 
Fig. 4 und "t. Partien der inneren Kehle. 

Relief in Hrusic. 

Da sowidd an den ältern wie jüngern Sculpturen 
in Zäbot und Umgegend eine gewisse eonvcntionelle 
Hchandlungsweise bemerkbar wird, sollte man glauben, 
das« sich in der Gegend eine Bildhailerschule entwickelt 
und fortgewirkt habe. Dass dem nieht so sei, gewahren 




Y\g. iHraJic.' 

wir bei B»*traehtung des Portalbildes in HruSic, wo 
auch keine Spur i'iner Schule zu treffen ist, wie wir sie 
bei St. Jacob kennen lernen werden. Vielleicht »las Erst- 
lingswerk eines mehr mit gutem Willen als Kenntnissen 
begabten Arbeiters (desselben, der das Portal getilgt 
hat), zeichnet sich die Darstellung zunächst durch den 
Inhalt aus. die Durchführung erscheint ungewöhnlich 
schwach. 

Zwei Männergestalteu, von denen die eine Wamler- 
Itab mal Evaiigelienbueh, die andere ein Kreuz und eine 
Lilie trä;;t, stehen in gerader Front-Ansicht, als hätten 
sie sich die Stelle zu einer Niederlassnnp ausersehen. 
Ks sind die nach Böhmen einwandernden Benedirtincr 
(nach anderer Meinung Cyrillus und Methodius), welche 
das Kreuz Uber einem Götzcnaltar aufpflanzen. Das 
Götzenbild ist dargestellt als zweiköpfiger Drache, der 
sieh unter dem Kreuze zusammenkrümmt. Die Figuren, 
Kuiebilder in Lebens^rösse, sind sehr flach ausgearbeitet, 
eher geschabt als geineisselt; denn «las Relief beträgt 
an den tiefsten Stellen nur l 1 ,» Zoll und die Gewänder 
sind mit blossen Linien angedeutet. Der Kreu/.träger ist 
durch Kapuze und Gürtel als Mönch bezeichnet, welchen 
Stand auch die Lilie in seiner linken Hand ausdruckt; 
sein Gelahrte seheint mit e nein Röchet bekleidet 
zu sein. 

Das Uber dem Portal angebrachte durch ein Kreuz 
in vier Felder gctheilte Wappenschild, worin wieder 
Kreuz und Lilie sichtbar werden, ist ein allgemeines 
Klosterwappen und kann als Bekräftigung der Sage, 
welche den Kirchenbau zu Hru- 
sic den Mönchen von Sa/.ava 
zuschreibt, hingenommen werden. 
Sollte Abt Reginhard, der nm IHK) 
blllhte, Verl'ertigcr dieses Bildwer- 
kes sein , dann hätte der alte 
Chronist, dessen wir gelegentlich 
des Klosters Sazavn erwähnten, 
dessen künstlerische Begabung 
weit Überschätzt. Indess darf nicht 
Ubcrselh-n werden, dass der un- 
gleiche Überaus harte Granit, aus 




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VIII 




Fig. h. tPotlvinrc.) 

welchem da« Werk verfertigt ist, den Rildner einiger- 
mnasen entschuldigt. Fig. 6 da« Relief im Thürsturz, 
Fig. 7 Wappen Uber dem Portal. 

Portal-Bild nnd sculptirtes Capitäl in 
Podvinec. 

Reinahe uoeh Ärmlicher nnd kunstloser zeigen sieh 
die Senlpturen in l'odvinec, obgleich hier der trefflichste 
SandHtein die Arbeit erleichtert hätte. Wie an den 
Capitälen zn Eger, blieb die RildhanerkunBt weit hinter 
der Architektur zurück. Die beiden auf den freien Säulen 
des I'ortieus befindlichen Capitäle sind mit Vögeln 
sonderbarsten Ansehens ansgestattet, welche vielleicht 
Adler vorstellen sollen, aber zu Eulen geworden sind. 
Auch das im Tlillrsturze angebrachte Relief, ein Crncitix 
zwischen Kngcln. befremdet sowohl wegen seiner Härte 
und schülerhaften Ausführung, als der ungewöhnlichen 
Darstellungsweise. Christus, mit den Hiinden auf das 
Kreuz genagelt, steht mit den Fussen frei auf dem 
Roden, als wolle, er vorwärts schreiten : daneben liegen 
zwei Figuren (Engel") mit Heiligenscheinen auf der Erde 
und unterstützen die Fasse des Gekreuzigten. Die 
Zeichnung der nackten Körpertheile verräth bei aller 
Dürftigkeit, dass der Rildhaner die Natur zu Ruthe 

gezogen habe: Rippen 
. .-.f. - ... T7-~ ■ — 1 und Museulatur der 

Arme sind angegeben, 
dabei erinnert der ge- 
schwungene Leib an 



die gothische Auffas- 
sung. Diese Schwill- 
gung der Figuren, 
welche im XIV. Jahr- 
hundert aufs höchste 
gesteigert wurde , ist 
auch an den liegenden 
Engeln wahrzunehmen, 
welche etwas richtiger 
ids das ( hristusbild 
jiczeichnet sind. Das 
Relief ist mittelerhabcn 
und war einst bemalt, 
Spuren von Farben 
/.eigen sich an allen 
Thcilcii des Portals. 
Fig. « die mittelst 




Photographie hergestellte Zeichnung 
des Portal Hildes, Fig 5» seulptirte* 
Capil«!. 

Marienstatue in Mohelnic. 

Die im Gewölbe der Apside /u 
Mohelnic angebrachte lebensgrossc 
Maricnfignr scheint das Rmchstttek 
einer grösseren Zusammenstellung 
zu sein, welche das ganze Gewölb 
Überdeckte nnd die Krönung der Hirn- 
mclskonigiu darstellte. Das hundert- 
fach Übertünchte (iebilde zeigt in 
seinem gegenwärtigen Restande eine 
auffallende Weichheit der Formen, 
die um so mehr mit der mangclhaf< 
ten Zeichnung contrastirt , als die 
geradlinigen Gewänder und die kurze 
derbe Gestalt geringe Übung offenbaren. Wenn auch 
diese Weichheit zum Theile durch wiederholtes Über- 
weissen bewirkt worden ist, lässt sich doch nicht verken- 
nen, dasB die obere Hälfte der Marienstatue wie auch das 
Kind mit Vorliebe und nicht ohne Geschick behandelt 
worden sind, dass namentlich das Jesukind eine fllr 
jene Zeit ungewöhnlich gefällige Rildung besitzt. Die 
Figur steht aul dem Kämpfergesims, welches ilie Apsis 
umzieht, ist in das Gewölbe selbst eingelassen, folgt 
also der Rundung desselben, ein die Schwierigkeiten 
der Ausarbeitung bedeutend steigernder Umstand. Das 
Relief ist hocherhaben, der Aufstellungsort Uber dein 
Hochaltar fllr Untersuchungen so ungünstig, dass ohne 
Aufstellung eines Gertistes die Frage, ob die Figur aus 
Stucco oder Stein bestehe, nicht mit voller Sieherhcit 
gelöst werden kann. Da sowohl der Kirchendiener wie 
ein bei Reparaturen beschädigter Maurer aufs bestimm- 
teste versicherten, dass da« Werk aus Stein bestehe, 
und beide den enthlössten Stein gesehen haben wollten, 
lässt sich diese Angabe um so weniger bezweifeln, als 
romanische Stueeaturen bisher im Lande nicht entdeckt 
worden sind. Fig. 10 Marienstatne zu Mohelnic mit 
Angabe des Kämpfergesimses. 

Sculptirte Capitäle und Maskenbilder in 
Kger. 

Die schon erwähnten, dem oberen Geschosse der 
Doppel-Capelle angehörenden Capitäle sind mit den 
betreffenden Rauthcilen so eng verbunden . dass 
deren Abbildungen in dem vorhergehenden Abschnitte 
bereits gegeben werden mussten; 
es bleibt daher fllr hier nur übrig, 
die Rehandlnngsweise und künst- 
lerische Durchbildung der figürli- 
chen Darstellungen zu erklären. Wie 
bereits angedeutet , stehen diese 
weit hinter den Pflanzen-Ornamenten 
zurück; die Figuren gleichen in 
der That Götzenbildern, wofür sie 
immer gehalten worden sind, und 
vom Volke noch immer gehalten 
werden. Von allen sind die beiden 
im Architektur Abschnitte abgebil- 
deten nackten Gestalten nicht allein 
des ohseönen Inhalts, sondern auch 
der verunglückten Zeichnung wegen ] i- m Moehrtuk 




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IX 



abstosBend: wie diess das Relief, froschartige Bewi güti- 
gen und Körper von kaum zwei Kopflängen bestätigen, 
das« der Verfertiger die Figuren nur als Nebensache 
angesehen und die Augjührung ganz der vorgezeiehneten 
arehitektonischen Form untergeordnet hat. Etwas gelun- 
gener erscheinen das /.weite f'apitäl mit den Eugel- 
figiiren, welche als bekleidete Brustbilder mindere 
Kenntniss des menschlichen Körpers erforderten. Die 
an einigen Wnndsüulcu befindlichen Bestiarien /.eigen in 
Kger eine glücklichere Formengebung als die niensch- 
lichen Gestalten; Krokodile, Schlangen und willkürlich 
zusammengestellte Thiergebilde verrathen mitunter sorg- 
fältige Studien der Thierweh. 

An den meisten allen Hauwerken triflt mau einzelne, 
mehr (»der minder portrait-ortige, in Stein ausgehauene 
Kopie, welche an beliebigen Stellen eingesetzt, gewöhn- 
lich als Bildnisse der Werkmeister, Bauherrn oder regie- 
renden Fttrsten bezeichnet werden. Das Anbringen 
solcher Kopfe oder Masken war Uber ganz Kuropa ver- 
breitet und es wird nur wenig romanische Bauten geben, 
nu welchen nicht wenigstens ein derartiger Kopf zu 
erblicken wltre. In weitesten Kreisen bekannt s'nd die 
Bildnisse der Baumeister an der Hegensburger Brücke, 
der sogenanute Bradac-Kopf aui Lnndpfeilcr der ehe- 
maligen von der Königin Judith ums Jahr 1 Itiü erbnuten 
l'rager Brücke , der Barbarossa - Kopf in Gelnhausen, 
welche sämuitlieli als Wahrzeichen gellen. Da keine 
bessere Erklärung dieser Maskenb'hler gefunden wird, 
ist die Annahme , dass sich die Steinmelze auf solche 
Weise verewigen wollten, die wahrscheinlichste; weshalb 
man solchen Gebilden keine besondere Wichtigkeit bei- 
zulegen pflegt. 

In Eger wurde das Anbringen von derlei Masken 
in so umfassender Weise geübt, das* sie z. B. an der 
Nikolai-Kirche zu Dutzenden n< beneinauder stehen, au 
vielen I'rivathatisem vorkommen und auch in derDoppel- 
t'apelle eine Bolle spielen. An letzterem Orte jedoch 
treten sie immer in Verbindung mit Bautheilen auf, 
wie das Kiimpfergesims des Triumphbogens darf hnt ; 
an der Kirche jedoch, wo man einige W> solcher Bilder 
sieht, springen sie ohne Angabe \on Hälsen oder Dra- 
perien aus den glatten Quadern vor und wechseln in 
D.mcnsionen von Faustgrösse bis zu kolossalen Verhält- 
n'ssen. Dass bei so häufigem Vorkommen eine geschicht- 
liche Bedeutung nicht unterlegt werden könne, ist augen- 
scheinlich: es seheint ein lustiger Geselle während seiner 
Arbeit versucht zu haben, die Vorübergehenden zum 
Zeitvertreib abzueonterfeien. 

Büsten in Arnim und Bndig. 

In Anbetracht der obigen Thatsaeheu wurden Von 
den vielen da und dort vorkommenden Maskenbilderu 
nnr dre.i ausgehoben, welche entweder durch ihre Aus- 
lUhrung oder muthmnssliche Bedeutung besonderes In- 
teresse einflössen. Am Chor der alten, nber oft umge- 
bauten 1'farrkin he zu Amnu sind zwei Köpfe, offenbar 
Bildnisse, eingemauert, von denen der eine mit dem 
Ilerzogshut als Sobcslnv I., welcher in Aruau starb, be- 
zeichnet wird. Das breite, mit vollem Backenbart nm- 
zogene Gosicht, dessen stumpfe Nase und etwas her- 
vortretend'- Augen Portrait-Alinliehkeit aussprechen, ver- 
leiht dieser Sage (oder Vermnthiing) grosse Wahrschein- 
lichkeit. Der zweite Kopf soll Sobeslaw's Sohn Wladislaw 
darstellen, doch ist hier trotz individueller Ausprägung 

XVII. 




Flg. II. (Radis.i 



der Züge jede Schluss- 
folgerung gewagt, da die 
Büste vermöge des darü- 
ber angcbraehien Simses 
als Tragstein diente. Die 
Bilder sind kolossal, 1* 
Zoll hoch um) last eben so 
breit. Frappanter noch 
erscheint ein am Ge- 
wände der ThurmthUre 
in Budig angebrachter, 
sorgfältig ausgeführter 
Kopf mit langem Bart 
und gescheiteltem Haar, 
dessen Bedeutung zwar 
vergessen worden ist, 
der nber jedenfalls histo- 
rische Wichtigkeit besitzt. 
Die Höhe beträgt 20, die 
Breite IM Zoll, die Ausfüh- 
rung ist sehr scharf und 
eigenthüinlich. Fig. 11 
Kopf in Budig, Fig. 12 
angebliches Bild des Her- 
zogs Sobeslav I. in 
Aman, Fig. 13 zweite Büste daselbst. 

Thiergestallen in Skalie. 

Der jetzt unbedeutende, zwischen Schwarz Koste- 
lec und dem Kloster Sazava liegende Flecken Skalie 
war einst grösser und wichtiger: es bestand hier bis 
zum Jahr 1400 eine Burg, deren letzte Beste zum Aul- 
bau der umherstehenden Häuser dienen mussten. Neben 
der durchaus erneuerten l'tarrkirche besitzt der Ort eine 
etwa dreihundert Sehritte entlegene romanisch« Fried- 
hofskirehe von normalmässiger Form, an deren Nord- 
seite vier Beliefbilder jener Art eingemauert sind, denen 
symbolische Bedeutung beigelegt wird. In andern Län- 
dern werden dergleichen Bildungen häutig, in Böhmen 
jedoch nur an diesem Kirchlein getroffen, weshalb sie 
besondere Würdigung verdienen. Da aber die Bilder 
aus ihrem einstigen Zusammenhang gerissen sind, liisst 
sieh mit Ausnahme eines Löwen, welcher eiu Buch in 
den Klauen hält (eines der am häufigsten vorkommen- 
den christlichen Symbole), nicht wohl eine sichere 
Deutung geben. Zwei der Gestalten haben Mensehen- 
köpfe und Thierleiber, sie sind mit leichtem Schwang 
und sicherer Haud gezeichnet, was noch mehr von der 
dritten Bestie, einer Wölfiu g'lt. Das Belief ist hoch 
erhaben, der Löwe scheint sogar eine freistehende 




Fi*. 12. 



Arnim 




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X 




Fi*. I I, skiil»'. 



Figur gewesen zu Hein, 
die an jetziger Stelle 
in die Mauer hineinge- 
schoben wurde. 

Diene Figuren ver- 
zierten einst das Fortal. 
welches bei Anlage eines 
neuen Stiepenhauses vor 

e t wa tOO Jahren zerstört 

wurde, jene dagegen blie- 
ben glücklicherweise er- 
lialten.Fig.l4, 16,10 nod 
1 7, geben genaue Abbil- 
dungen. 

statuen am Kirebtfaarm in Katovie. 

üt> dieM rohen und abenteuerlich aussehenden 
Bildwerke in «1er Tliat hoheN Alter besitzen oder etwa 
der Mitte des XV. Jahrhundert» angehören , wird 
schwerlich mit Sicherheit entschieden werdet) können, 
Thurm und Kirche sind nicht organisch miteinander ver- 
bunden, die un regelmässige Kirche ist in ihren iiitesten 
Theilen frUh-gothiseh, der an der Xordseite angefügte 
Thurm seheint zwar in seinem quadratischen Unter- 
ihcilc alterthümliche Formen einzuhalten, wurde aber 
bedeutend Uberändert und mit schweren, toscanisch 
sein sollenden Gesimsen umzogen. Die äussere Breite 
dieses Thurmes betrügt Fuss; er ist wegen Schad- 
haftigkeit an den Ecken mit klaflerdicken Strebe- 
pfeilern unterstützt worden, war ursprünglich glatt bis 
zur Hübe von -i'2 Fuss, wo drei Heilten von Nischen 
das Bauwerk auf allen Seiten umgeben. Je flinf 
Nisi hui, jede ü Fuss breit, <> Fuss boeb und oben 
halbkreisförmig geschlossen, stehen in einer Heilte, so 
das» an jeder Tburniseite l.'t Nischen angebracht sind: 
die mittelste Nische ist immer durchbrochen und bildet 
ein Fenster; die nebenstehenden sind 10 Zoll tief ein- 
geblendet und manchmal, jedoch nicht immer, durch 
zwischcugcsLclltC Säulen zu Bogeiislelltiugen nach Art 
der gekuppelten Fensler verbunden. Von diesen Niscbcn- 
reiheti sind die obere und untere glatt belassen, in der 
mittleru (der Höhe nach ) erblickt man Staudbilder von 
verschiedenen Personen des alten Testaments, welche 
Spruchbänder tragen und durch Kronen oder sonstige 
Zugaben als Könige und Propheten bezeichnet sind. 

Die Arbeit scheint uns nach sorgfältiger Prüfung 
mehr roh als alt, dieselbe Bemerkung, welche Uber den 
Thurm schon angedeutet worden ist. Die seltsamen 
Mützen, die Art des Faltenwurfes und die mitunter 
oltmals umgebogenen Spruchbänder deuten an, das* 

lern viele 
Ähnlichkeit haben , in 
keinem Falle vor dem 
Schlüsse des XIÜ. 
Jahrhunderts verfertigt 
worden sind. In Böhmen 
kommt ein auf diese 
Weise gestalteter Thurm 
nicht zntn zweitenmal 
vor, im nahen Bayern 
waren solche Nischcn- 
stcllungcn um 1G00 an 
Kirchenthllrmen sehr 
Fi*. 15. [SkalkJ beliebt. 



die Statuen, welche mit alten Spielkarti 





Fit:. Hi. (Skalic. 



Übrigens ist Kato- 
vic ein nralter Ort, 
welcher am FitBse eines 
gegen die Votava ko- 
nisch ahfallendcnßerges 
gelegen, den Pas« von 
Kusch warta (Bärenloch) 
deckt. Auf der Spitze 
dieses Berges (Kneii- 
bora genannt) liegt eine 
der ausgedehntesten und 
zugleich besterhalteneu Wallburgen, welche von Gneis- 
steinen errichtet in mehreren eiförmigen Bogenlinien 
den Gipfel umziehl. Fig. IN, eine der Bogeustellnngen 
mit zwei Statuen , deren Deutung nns jedoch nicht 
möglich wurde. 

Relief von Sl. Lazarus in Prag. 

Vor dem ehemaligen St. Martins-Thore der Prager 
Altstadt lag am Ende der heutigen Brentengasse ein 
SiceheuhnuB, domus lcprosornm, mit einem St. Luzarus- 
Kirchlein, welches vor wenigen Jahren noch wohl- 
erhalten war, dann umgebaut wurde und jelzt als 
Sehmiedewerkstlltte dient. Das Gebäude wurde unter 
Otakar II. um 1270 errichtet, war äusserst einfach und 
nur das spitzbogige Portal zeigte l'bergangsformcn mit 
umlaufendem Bogen-Oniament , wie u.a. der Eingang 
in die Schelkowilzer-t'apelle enthält. Das liehet im 
Stttrzfclde, das gegenwärtig im böhmischen Museum 
aufbewahrt wird, erscheint noch sehr nltertliümlich und 
hält au der romanischen Behandlung fest. Dem 

Namen des Kirchleins entsprechend, ist die Erweckung 
des Lazarus dargestellt: Christus tritt an den Sarg 
heran und spricht das Erstellungswort, während der 
Verstorbene sich erhebt und die Hände zum Gebete 
faltet. Maria im Hintergrunde gibt Freude und Er- 
staunen in ausdrucksvoller Bewegung zu erkennen. Im 
Vergleich mit den bisher geschilderten Sculptnren 
beurkundet diese Darstellung bedeutende Fortschritte, 
indem der Ktlnstler ans der byzantinisch beschaulichen 
Bahn heraustritt und uns mitten in eine Handlung 
versetzt. Die Ausführung selbst, Zeichnung wie Model- 
lirung, erreichen kaum den von Äbtissin Bertha etwa 
130 Jahre früher vollendeten Steinaltar, wenn auch 
einzelne Tbeilc des Reliefs, z. B. die Hände, mit 
Geschick behandelt sind. Unterhalb des Lazarus- Bildes 
wird der Stein von einer schön gezeichneten roma- 
nischen Arabeske eingesäumt, allerlei Thicre, welche 
zwischen Laubwerken spielen. Der Übcrtheil der Platte 
ist beim Herausbrechen abgeschlagen worden, doch 
blieben die Figuren in der Hauptsache unbeschädigt, 
wie die beigeschaltetc Abbildung Fig. 1U erkennen 




Fl». 17. .Skull«., 



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xr 



Das Relief besteht hu« Mergelstein und war 
im unverstüramelten Zustande 4<,, hoeb, 4»/,' breit, 
wobei die Figuren eine Höhe von 8 Fuss einhielten. 

Die Bilderwerke zu St. Jakob. 

Die an der St. Jakobs-Kirche bei Sedlec ange- 
brachten Sculpturcn zeigen ungleich geringeres 
Kunstgefühl, aber grössere Sehulmässigkeit, als 
die obigen Steinbilder. Alle die Belum früher aufge- 
zählten idastischen Arbeiten sind an der Südseite 
der Kirche eingefügt und es scheint nicht, das» 
auch die andern Seiten also gcschiuUk» waren. Die 
runden Figuren sind glücklicher behandelt als das 
Kelief im Thilrstur/. , welches zuerst betrachtet 
sein soll. 

Christus als Verkünder des Evangeliums ist 
als Itrustbild, auf Wolken ruhend dargestellt. Das 
Gesicht ist bartlos, der einst vergoldete Nimbus in der 
Steinarbeit schwach angedeutet , die Figuren aller 
sehr weit (haut-reliet) vortretend. Die linke Hand 
ruht auf dem F.vangelienbuehe, der rechte Arm ist, 
wie zur Bekräftigung des Wortes ausgestreckt. Zur 
Hechten und Linken Engel mit Palmzweigcn und 
Rauchfässern. Bei aller technischen Uiibchnlfcnheil 
erscheint das Christushihl in würdevoller Stellung 
und dem Engel rechts ist einige Aiimuth nicht 
abzusprechen, wogegen der andere plump in der Ecke 
kauert. (Fig. 80.) 

Oberhalb des Einganges ist die Votiv-Crnppc in 
einem Bogenfelde angebracht als Mittelpunkt der ganzen 
Anordnung. Man sieht hier den Erlöser als ganze lebens- 
große Stalne auf einer Erhöhungstehend, nebenan kniecn 
zwei Jünglinge in ritterlicher Tracht, die Sühne der ge- 
nannten Kirchcnstilterin Marin. (Es wolle hier wie bei 
den mit Mauenverken verbundenen Sculpturen der be- 
treffende ArehitecturAbsehnitt nachgesehen werden.) In 
diesem Bilde erscheint Christus mit vollem Barte, eben- 
falls das Evangelium haltend, aber weniger belebt als 
im Relief. Die Figur ist steif, die Falten geradlinig ohne 
Andeutung des Kür|R'rbaucs, doch sind Zeichnung und 
Ausführung im Vergleiche mit jenem viel gediegener. 
Die Gestalten der Jünglinge haben, weil sie in kleinerem 
MassBtabe durchgeführt sind und ganz frei vortreten, 
mehr als die grosse Statue von der Witterung gelitten: 
dessen ungeachtet bemerkt mnn , dass sie der Natur 
nachgebildet sind, dass der Verfertiger bereits vieles 
ausgeführt haben mag und sich eine ziemliche Sicherheit 
angeeignet hatte. (Fig. 21.) 

Rechts von dieser Gruppe war in dem gegenwärtig 
leereu Felde ein Madonnen - Bild aufgestellt, das in 
nicht bekannter Zeit herabgestürzt ist und jetzt mit ab- 
geschlagenem Kopf in einer Ecke lehnt. Auch von dem 
Kinde haben sieh nur wenige Spuren erhalten, die untere 
Hüllte der Figur zeigt in Gewandung und Andeutung 
der Körperverhältnisse eine für das XII. Jahrhundert 
seltene Weichheit und Durchbildung. Die sem leuler sehr 
verstümmelten Bildwerke reiht sich zunächst die Statue 
des heil. Jakob an, deren Armbcwegnng nnd Faltenwurf 
manches anerkennenswerthe besitzen. Dieselbe sowie 
die Figuren der beiden Landespatrone St. Wenzel und 
Prokop, die vielleicht, ja ohne Zweifel von anderer 
Hand gefertigt sind, stehen den geschilderten in jeder 
Hinsicht weit nach. Sie sind derb gezeichnet und höchst 
roh ausgeführt. 




Fig. 1H. (Katowic.) 



Die bildnerische Thätigkeit im allgemeinen. 

Treu dem in der Einleitung ausgesprochenen Vor- 
haben, in diesem Werke nur Denkmale monumentaler 
Art, deren Herstellung in Böhmen vollkommen sieher- 
gestellt ist, aufzunehmen, wurde diese Rundschau mit 
Beschreibung der St. Jakober -Statuen abgeschlossen. 
Andere wichtige , hieher zu rechnende plastische 
Arbeiten dürften nur wenige aufgefunden werden. Dass 
mit Zerstörung beinahe aller Klöster nnendlich viel 
Schönes und auch werthvolle Bildhauerwerke verloren 
gegangen sind , steht über allem Zweifel ; denn die 
kunstgeübten Cistereienser von l'lnss und Sedlec 
haben, da sie entfernte Kirchen mit ihren Gebilden 
ausstatteten, gewiss in den eigenen Klöstern vieles 
geschaffen, was nicht auf uns gekommen ist. Dass alter 
die Senlptur im Verhältniss zu dem grossen und reichen 
Lande in alter Zeit nur spärlich geübt wurde, ergibt 
sich aus dem ganzen Sachverhalte. So haben sieh 
zahlreiche romanische Kirchen in allen ihren Tbeilcn 
erhalten, ohne auch nur die leiseste Andeutung eines 
plastischen Versuches zu besitzen. 

Auch der l'iustand, dass die älteste Senlptur, der 
Steinaltar in der Georg«. Kirche , überwiegend das 
vollendetste Gebilde ist, dass schon die etwas jüngeren 
Werke zn St. Jakob einige Rückschritte erkennen lassen, 
deutet eine beschränkte Verbreitung dieses Faches an. 
Manchmal zeigt sich, wie im Relief von St. Lazarus, 
ein schöner Anlauf, der jedoch vereinzelt bleibt. 

Die beiden Bildhnuernamen, welche die Geschichte 
überliefert hat, sind Bozctceh und Reginhard, Äbte 
zu Sazava. Wenn auch Reginhard in jener Zeit wirkte, 
als die Kirchen der nachbarlichen Orte Sknlie nnd 
HruSic aufgeführt wurden , lässt sich sein Name 
schwer mit den dortigen Sculptnren in Verbindung 
bringen, obgleich sein Kinfluss nicht bezweifelt werden 
kann. Von der Äbtissin Bertha hingegen ist mit vieler 
Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass sie selbst Ver- 



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XII 




Wir. I». fPn«. 



fertigerin des geschilderten Stein-Altnrcs war. Der sorg- 
same Flohs, wclchcr-sich in allen Thcilen ausspricht, 
eine gewisse durchziehende Ängstlichkeit und vor allen 
Dingen die ausserordentliche Cenauigkeit der Xonnen- 
klcidungcn vcrrallien eine weibliche Hand. Weder der 
erfindungsreiche llujok noch irgend ein Chronist nennt 
anderweitige Bildhauer. 

Malerei. 

Die Wandmalerei, als «richtigste Gattung der zeich- 
nenden Künste, wurde urkundlich in einigen deutschen 
Stiften und Klöstern, wie Hamberg, Itenedietbeurcn, 
Kmmcran, Fulda, llildcslieim, Tegernsee u. n., schon im 
XI. Jahrhunderl mit KilVr betrieben und hatte sich im 
Verlnufe des folgenden Jahrhunderts Uder ganz DeuNch- 
laud ausgebreitet. Werke aus der ersten Periode sehei- 
nen nicht auf uns gekommen zu sein; dagegen haben 
sieh ans der zweiten viele Reinalde, wenn anch in sehr 
vcrblassiem und beschädigtem Zustande erhalten. Die 
St. Patroklus-Kirche in Soest, die Pfarrkirche zu Mede- 
bach, St. Gereon in KBln, die Doppel-Capelle in Schwarz 
Rheindorf bei Bonn, waren in allen Räumen der Innen- 
seiten mit Schildereien ausgestattet ; selbst kleineren 
Landkirchen, wie der zum Stifte Mcschcdo gehörenden 
Pfarre Hellefeld, erbaut bald nach IHN), mangelte nicht 
der farbige Schmuck. Zahlreiche, in diesen lichäudcii 
vorkommende, mehr oder minder conservirte Reste lassen 
sowohl Uber die Technik jener Zeit, wie Uber Stylriehtung 
und Anordnung ein sicheres l'rthcil begründen. 

Die Behandlung lehnt sieh, nachdem einige ans «1er 
antiken Kunst herllbergcleitete rohe Nachklänge abge- 
streift sind, zuerst an byzantinische Vorbilder an: allein 
dieser Weg wird schon frühzeitig verlassen, indem eine 



lebensvollere, oft llberaschend glückliche Richtung ange- 
bahnt wird. Die Wandmalereien im Noiinhergstifle zu 
Salzburg einerseits und die in Schwant- Itheindorf zum 
Vorschein gekommenen Rüder anderseits gewälhren be- 
sonders wichtige Aufschlüsse Uber die Kniistentwieklung 
und Fortschritte des XII. Jahrhunderts. Die Bewegung 
der Figuren, anfanglich befangen und steif, wird all- 
iniilig freier, die Detailfonu richtiger und anrnnthvoller. 
Die Milder wurden mit schwarzen, nach Bedarf 1 bis 
:$ Linien breiten Strichen vorgezeichnet und dann 
einfach mit Farbentinten ausgefüllt : eine Ornndirung 
der Mallliiehe fand zwar gewöhnlich , jedoch nicht 
immer statt und es kommt vor, das* bei grossen Stein- 
stllckeii die Farben unmittelbar auf die Steine gesetzt 
wurden. 

Kino systematisch durchgeführte Anordnung mit 
fortlaufend geschichtlicher Reihenfolge war unbekannt, 
die Bildwerke grösserer Kirchen stehen ohne gegensei- 
tige Beziehnng nebeneinander und nur in den Apsiden- 
Rundungen zeigen sich einheitliche Darstellungen. Das 
bald von der Maudorla umschlossene, bald freistehende 
< hrisln-bild . unterhalb die zwölf in gerader Fronte 
gezeichneten Apostel, erscheint als die liitntigste aller 
Ahsiden-Aiir-startnugen. Hin zwriier von Künstlern gern 
behandelter Stoff ist ilie Krönung Maria. In dieser 
letztem Darstellung spricht sieb vor allem andern zuerst 
eine Handlung aus, während im allgemeinen die ver- 
schiedensten Heiligen als einzelne Figuren in den sich 
ergebenden Architekturfeldern eingepnsst sind. Von die- 
ser Regel machen nur die Schildereien zu Sehwarz- 
Rheindorf eine rühmliche Ausnahme: sie zeigen einen 
geschlossenen Itilderkreis , der sich zwischen der Ver- 
klarung und Kreuzigung Christi bewegt. 



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XIII 




wendig, wenn wir dabei auch etwas vorgreifen müssen, 
eine kurze Cbersieht jener Hatidenkmale voransztiscn- 
ilen, welche Wandgemälde besitzen. • 

Anfzählung der mit Wandgemälden vcrse- 

henea Mauwerke: 

1. Sehloss Ml atn n mit quadratischer Thurm -Ca- 
pelle, welche in allen Theilen, an Gewölben, Hachen 
Wänden und Fensternischen, mit Mildem ausgestattet 
i«t. Das Ganze bestens erhalten, die Gemälde ans dem 
XV. Jahrhundert. 

2. Hudweis. Dominicaner- Kirche. Einzelne sehr 
beschädigte Milder an den Wänden nnd Pfeilern wurden 
bei einer jtingsten Hcstanration aufgedeckt, verblassteil 
an der Luft gänzlich und wurden dann Übertüncht ; die 
Malereien romanisch, aus dem Schlüsse des XIII. Jahr- 
hunderts. 

3. Chrudini. In der Decanal - Kirche wurden 
Spuren von Gemälden nus dem XV. Jahrhundert auf- 
gedeckt und wieder llbcrtüncht. 

4. Egcr. In der St. Nieolaiis-Kirehe kam während 
der — l*<>-4 durebgetUhrtcu llenovirung ein Cyclus 
von Wandgemälden aus dem XV. Jahrhundert zum Vor 
schein. Mnsslcn wegen Schadhattigkeit llbertltncht 
werden. 

f>. Ilnhciifurt. Chor ehemals ganz ausgemalt. An 
der Stelle der beiden alten Hauptbilder zwei neue. 

<i. Karlstein. Marienkirche vollkomineu ausge- 
malt, davon einiges erhalten. Katharinen -Capelle zum 
Theile ausgemalt und gut erhalten. Kreuz-Capelle in den 
Fensternischen Wandbilder, davon einige in leidlichem 
Zustand. Alles ans der Mitte des XIV. Jahrhunderts. 

7. Kej. In der Pfarrkirche ein mit schwarzen 
einrissen gezeichnetes Weltgericht. Ende des XIII. Jahr- 
hunderts. Wieder Übertüncht. 



Den meisten Wandmalereien des XII. Jahrhunderts 
ist eine gewisse Weichheit eigen, welche um so beach- 
tenswerther erseheint, als die mit schwarzen Contouren 
xorgczeielineten und leicht colorirten Milder zu scharfen 
Faltenbrechungen mal sonstigen Härten mehr als hin- 
reichenden Anlass boten. 

Einen ähnliehen Hildungsgaiig hielt diu monumen- 
tale Malerei auch in Molinien ein, obgleich die Ent- 
wicklung in etwas späterer Zeit stattfand. Dem XII. Jahr- 
hundert lassen sich nur wenige in der Sauet Georgs- 
Kirche befindliche üeste zuschreiben, grössere Verbrei- 
tung und Durchbildung erfolgte erst unter der Megie- 
iiiiig Otakar II., durch enge Anlehnung an deutsche 
Cullur. Die meisten bisher bekannt gewordenen Ge- 
mälde wurden bei Gelegenheit von Restaurirungcn 
durch Entfernung der KalktUnche zufällig entdeckt; 
es ist daher Hoffnung vorhnnden, dass noch mehrere 
zu Tage gefordert werden. Was Uber Wahl der Stoffe, 
Zeichnung und Ausführung oben gesagt wurde , gilt 
auch in Mezug auf Möhmen; hier treten jedoch in Folge 
der spätem Entwicklung zu gleicher Zeit mehrere 
sehr beliebte Darstellungen zu den mitgezählten. So 
findet sich die Darstellung des FegefcuerB und Welt- 
gerichtes mehniiahls; St. Christoph in möglichst riesiger 
Grösse fehlt nicht, und vor allen neu-testamentarischen 
Stoffen werden die heiligen drei Könige mit Vorliebe 
behandelt. 

Eine allgemeine Verbreitung der Wandmalerei fand 
erst durch die von Kaiser Karl IV. ins Leben gerufene 
Kunstschule in der zweiten Hälfte des XIV. Jahrhunderts 
statt, um welche Zeit beinahe alle, sowohl die bestehen- 
den älteren wie die neu erbnuten Kirchen , und auch 
mehrere Schlösser ausgeschmückt wurden. Da in vielen 
Fällen tlie in einzelnen Gebäuden vorkommenden Male- 
reien verschiedenen Epochen angehören, scheint es noth- 



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XIV 




x. K Hilgenberg. Sehloss-Rnine mit Capelle iinil 
Bogengängen. Viele Malereien iiiim «1cm XTII. — XIV. 
(Hill XV. Jahrhundert. Manches wohlcrhnltcii. 

!». K <i I i ii. Spnrt-n einzelner Bilder aus dem Schlüsse 
des XIV. Jahrhunderts, wieder Übertüncht. 

10. Li big. (tjiir/. ausgemalte Kirche ans dem 
Schlüsse des XIV. Jahrhunderts und wohl erhalten. 

11. Neu hau«. Im Schlosse grosser Cvelus von 
Gemälden ans der St. Wenzels-Legemk", zwar vielfach 
beschädigt, doch in der Hauptsache erhalten. Ans der 
enteil Hüllte iles XIV. Jahrhnnderts. 

12. Nimburg. In der Deranal - Kirche viele ein- 
zelne Bilder, sehr beschädigt nnd vcrblasst. Mnssten 
Übertüncht werden. Aus dem XIV. Jahrhundert. 

13. Fi sek in der Burg. Grosser Kittersaal, Male- 
reien aus dem XIV. und XV. Jahrhundert, cinigermassen 
erhalten. Zwei Gemächer mit herrlichen Malereien aus 
dem XIV. Jahrhundert seit 1860 abgebrochen. Schloss- 
Capclle mit Figuren aus dem XIII. Jahrhundert in einen 
Stall unigewandelt. 

14. Praehatic. An der Auasenseite der Deeanal- 
Kirche zwei Wandbilder ans dem XV. Jahrhundert. 
Grosstenthcils erhalten. 

15 — 21. Prag. In der St. Gcorgs-Kirche Bilder aus 
dem XIII. nnd XIV. Jahrhundert einigermassen erhalten. 
Die Krenz- Capelle, Rundbau , ganz ausgemalt, jetzt 
nur noch ein einziges Bild ans dem XIV. Jahrhundert 
vorhanden. Longinus- Capelle (Rundbau') Spuren alter 
Bilder. St. Agnes-Kloster ganz ausgemalt, aber gröss- 
tenteils zerstört. Kloster Emnus. grossartige Reihen- 



folge von Darstellungen ans dem 
alten nnd neuen Testament, gemalt 
zwischen D54* bis 13(50. Die St. 
Wcnzcls-Capelle im Dome ganz aus- 
gemalt, die Bilder späterhin Uber- 
pinselt, theilweise jedoch verschont 
und ziemlich erhalten. Gemalt 
zwischen 1356 bis 1370. Karls- 
hofer-Kirche, Spuren alter Deeo- 
rations-.Malereien aus dem XIV. 
Jahrhundert. 

22. Riesen bürg. Sehloss- 
ruine, Spuren von Waudgemitlden 
im Saalban , aus dem XV. Jahr- 
hundert. 

23. Rothschloss oder Kra 
kovec , Burgruine mit Capelle. 
Cyclus von Bildern aus dem neuen 
Testament, ans dem XV. Jahrhun- 
dert. Nur in einzelnen Fragmenten 
vorhanden. 

24. Rudig. In der St. Jakobs- 
Kirche Reste eines Gemäldes, das 
Fegfeuer vorstellend. Kaum kennt- 
lich. Ans dem XIII. Jahrhundert. 

25. Sclean. Iu der Deea- 
nal Kirche mehrere Figuren aus 
dem letzten Viertel des XIII. 
Jahrhunderts. Mussten übertüncht 
werden. 

2i'.. S t r a k r» n i c. Ganz ausge- 
malter Krenzgnrg mit Bildern aus 
dem neuen Testament. Arbeiten 
aus dem XIV. Jahrhundert. 
Nur einige der in Egcr befindlichen Bilder sind 
unmittelbar auf den Stein (Granit) gemalt, bei allen 
andern ist eine weisse, sorgfältig Ubersehliffene Grnn- 
diruug vorhanden, welche mit dem Farbenauftiag sieh 
innig verbunden hat. Die Mittel, welche den Farben 
grösserer Haltbarkeit und Flüssigkeit wegen beige- 
setzt wurden, zeigen sich sehr verschieden, wie schon 
aus dem Umstand hervorgeht, das« die in Budweis und 
Nimburgnach Beseitigung derKalktUnche zum Vorschein 
gekommenen Bilder, welche anfänglich wohl erhalten 
schienen, nach etwa zwei Tajren bis auf einige Flecken 
vorblassten, während andere nach erfolgter Itlosslegunp 
an Deutlichkeit gewannen. 

Von Farben kommen wenige vor und diese werden 
meist ungebrochen verwendet: heller und dunkler Oker, 
Eisenroth, ein dunkles Braun, der kölnischen Erde ähnlich. 
Veroncser-Grllu und Schwarz. Zu diesen tritt frühzeitig 
ein helles mineralisches GrUn, dessen Bereitungsart 
unbekannt ist. Blau kommt von allen Farben am sel- 
tensten und spätesten vor. 

Die Wandbilder der St. Georg b Kirche. 

Nicht allein das Kirchenhans, sondern auch die 
ungebauten Capellen waren im Innern ganz mit histo- 
rischen Sehildereien Überdeckt; von diesen Gemälden 
wurden viele bei einem im Jahre 1620 in die Westseite 
de* Schiffe« eingebauten Nonnen-Chor zerstört, worauf 
tlie Kirche wiederholt ausgeweisst wurde und die 
Malereien in Vergessenheit gericihen. Das Kloster 



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XV 



wurde aufgehoben, die Kirche gesperrt, 
\ crnncblässigt und ist nur wHh- 
rend einiger Festtage jährlich geöff 
not, weil zu dem darin befindlichen 
Grabmal der heil. Ludmilla viele An- 
dächtige wallfahren. Dieses Grabmal 
befindet «ich in der erwähnten, neben 
dem PreBbytcrium angebauten Lud- 
milla-Capelle, welche der häufigen 
Besuche wegen in gutem baulichen 
Zustand erhalten wurde. Iiier geschah 
es in neuerer Zeit, das* sich Stücke 
von der Tünche ablösten und ver- 
blaute Bilder zum Vorschein kamen; 
worauf die Tünche entfernt und 
die Gemälde mit Ölfarben restanrirt 
wurden '. 

Im weitern Verlaufe wurden auch 
im Presbytcrium und der Haupt- Apside, zuletzt in der 
südlichen Thurm Capelle Malereien eutdeckt,von denen 
die an letztcrra Orte befindlichen am besten erhalten 
sind und zuerst betrachtet werden sollen. 

Es zieht sich kein einheitlicher Gedanke durch die 
Anordunng, auch sind diese der Thurm-Cupolle angehö- 
renden Bilder weder gleichzeitig noch halten sie eine 
hectimmte Manier ein. Man sieht sogar dieselben Fipn- 
ren in öfteren Wiederholungen, hie und da sind mehrere 
Gemälde Ubereirmndorgemalt oder es greifen die ein- 
risse eines neueren Bildes in das ältere hinüber. 

Die ältesten Gebilde finden sich in der Apside und 
der südlichen Wand, etwas jünger und bedeutend besser 
gezeichnet scheinen die an der West- und Nordwand 
angebrachten Schildereien; die in den Gewölben befind - 
liclien entstammen dem Zeitalter Karls IV. 

In der Apside erblickt man oberhalb, etwas in die 
Hundung der Nische hereingerüekt, das sehr beschä- 
digte Snlvator-Bild auf dem Regenbogen thronend, unter- 
halb die Apostel , denen die Namen beigeschrieben 
sind. Genau dieselben Anstel-Bilder gewahrt man an 
der Südwand zum zweitenmal. Diese Figuren sind als 
KnicstUcke gehalten, alle stehen in gerader Fronte mit 
starken aber unsichere schwarzen Linien gezeichnet. 
Die Formengebung ist byzantinisch, die Einzelheiten 
über sehr roh, denn es sind z. B. die Augen nur als 
schwarze Kreise mit einem Pnnkt in der Mitte ange- 
geben , die mit übermässig laugen Fingern versehenen 
Hände zeigen weder Bewegung noch Gliederung, und 
die Falten der Gewänder werden durch senkrechte 
Striche angedeutet. Dass dieselben Figuren zweimal 
vorkommen, darf nicht befremden, der Maler konnte 
nicht Uber viele Stoffe vertilgen und war zunächst 
bemüht, alle Flächen zu überdecken. Die Entstehung 
dieser Bilder darf in den Anfang des XIII. Jahrhundert« 
verlegt werden: ein höheres Alter anzunehmen, ist 
wegen des baulichen Znstandes nicht wohl thunlich, da 
die Capelle um R'OO einige Andeningen erlitten hat. 

Etwas jünger und zugleich belebter erscheinen die 
Gemälde der Westwand, wo neben allerlei bunt dureh- 

■ Id Btiuc »uf d.nrtlfo Rnt.ui.tioi.cii «Ird dl» B.n..rtut.g airfcl öler- 
dllol« ••In. d>.. fllf«rb« lieh .m w« t |«,i«n rar .olrb« MM «i«»ol, Ol« 
•:i Lro bull«« Mmf, HlAita lr<.rkatn4» Ol hild.t, hltdtrl dl« otlli- 
«rnd.c« Ao.diu.iuoe d«r Mu.rn und .rfill.i.t dt« F«utbtl«».lt «I« . b«l 
l«n Tni.p«rU«r»t«»irln «tiiM»l>«n d.un HU»«. 41« neu« r.rlj« icb.lt 
. ind r.ti.l >»<b dl. ill.ro Tb.ll. mit .ich f..«. Kur W.Htrl.rb., mit 




Fiß. *9. ;Prn(f l 

einander gewürfelten Gegenständen auch ein geschicht- 
licher Vorgang, r die Einführung des Christentlmms in 
Böhmen", dargestellt ist. Dieses Bild ist mit dem schon 
besprochenen Belief zu HruSic verwandt, nur reicher 
ausgestattet. Wandernde Mönche , Kreuz und Evan- 
gelium tragend, nahen sieh einem Fürsten, welcher ilie 
Krone auf dem Haupt auf dem Throne sitzt und die An- 
kömmlinge durch Handwiuken freundlich zu empfangen 
scheint. Daneben wird allerlei Volk sichtbar; Krieger, 
Frauen nnd Arbeitsleute, zwischen diesen ein etwas 
grösserer S. Sebastian und ein sehr grosser Christo- 
Ilhorns. Die geschichtliche Darstellung zieht sieh in 
einem horizontalen Streifen hin, die dort angebrachten 
Fignren sind 15 bis 20 Zoll hoch, einzelne Heilige aber 
halten 4«/, bis 7 Fuss Höhe ein. 

Die sämuitliehen Gemälde stehen auf dunkel- 
braunem Grunde; weisse Streifen, auf welchen die 
Namen der Heiligen mit Mnjuskeln angeschrieben sind, 
trennen hie und da die Hilder, ohne jedoch eine regel- 
mässige Feldcrciiithciluug zu beabsichtigen. Ausstat- 
tungen mit Gold und eingelloehtcnen Ornamenten 
kommen nicht vor. 

Das Gewölbe der Capelle, ein Kreuzgewölb mit 
einfachen Graten, zeigt eine fächerartige Zusammen- 
stellung von Heiligen Figuren, deren Köpfe gegen den 
Mittelpunkt tler Wölbung gerichtet sind und wobei auf 
die Grate keine Rücksicht genommen wurde, als wäre 
das Bild auf eine glatte Kuppel gemalt. Hier ist die 
Technik sehr entwickelt, auch machen sich italienische 
Einwirkungen geltend , ganz in der Art wie in den 
Gomälden des Emanser-K renzganges, welche Karl IV. 
im Jahre CMS hat herstellen lassen. Das Knppelbild 
schreibt sieh demnach aus der Mitte des XIV. Jahr» 
hnnderts. 

Dieselbe Altcrsversohiedcnheit trifft man wieder 
in den Bildern des Presbyterititns , wo in der Altar- 
nische oberhalb des Kämpfergesimscs der thronende 
Christus zwischen Maria nnd Johannes angebracht ist. 
Die untere Partie des Bildes ist durch Vergrössening 
der Fenster zerstört wordeu, wahrscheinlich befand sieb 
in der Apsiden-Hundung eine Darstellung des Welt- 
gerichtes, von welchem nur unbedeutende Beste erhal- 
ten blieben. Im quadratischen I'resbyterium gewahrt 
man ein architektonisches gemaltes Gerüste, in welches 
die Bilder eingerahmt waren, doch hat diese Partie 
grosse Beschädigungen erlitten und sind nur Spuren von 



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XVI 




Vif. XI. (Fnw.) 



einzelnen Figuren und Derorations-Theilen zu sehen. 
Die Altersbestimmung der in diesen Riiumcn hefind- 
lielien Malerwerke wird dnreb die Baugesehichte sehr 
erleichtert : die Bilder im Altarraume gehören dem Be- 
ginne, die im Presbyterium dein Schlüsse des XIII. Jahr- 
hunderts au. 

Auffallend verschieden von diesen Gebilden zeigen 
sich die in der Ludmilla-Capelle vorkommenden Gcmiiidc, 
einzelne lebensgrosse Figuren mit S|iruchh.'indern aus- 
gestaltet. Obwohl, wie schon erzählt, diese liihlcr in 
neuester Zeit übermalt worden sind, scheint der Maler 
doch die alten C'ontoureu eingehalten zu haben, nach 
welchen zu urtheilen diese Werke erst in der zweiten 
Hüllte des XV. Jahrhundert* ausgeführt wurden. 

Fig. '22, Apostclgcstaltcn (ältester Periode). Fig. 23 
aus dem Hilde, vorstellend die Einführung des Christen- 
thums in Bfdimcn (/.weiter Periode). 

Wandbilder in der Dominicaner- Kirehe zu 
Hu d weis. 

Die von Olakar II. im Jahre li'tifi gegründete und 
rasch erbaute Maria -(Schart- Kirehe zu Badwcis war 
mit einzeluM), unregelmäßig da und dort atigebrnehten 
Gemälden ausgeschmückt, welche nach vierjähriger 
Verborgenheit im Jahre 1HS4 während eines Kestaura- 
tionsbaues anfgedeckl wurden. Ein günstiges Geschick 
wollte , dass der Verfasser gerade zu jener Zeit sieh 
in Pud weis aufhielt und Durehzetchiiungen veranstal- 
ten konnte. Die Pilder bewegten sich in streng roma- 
nischen Formen, die Kirche aber ist in einfach edler 
Früh Gothik gehalten. Kaum aufgedeckt, verblnsstcn die 
anfänglich Überraschend deutlichen Malereien in kurzer 
Zeit bis an!' einige Flecken, welche wieder Übertüncht 
werden mussten. 

Das besterhaltene der Pilder, Christus der dem 
ungläubigen Thomas die Wundenmale zeigt, befindet 



sich noch nn der stldliehen Kirchenninuer in der Hohe von 
Ii Fuss Uber dem Boden. Die Figuren halten Lebens- 
Kriege ein, Kniestltcke, Christus in der Mitte, rechts 
Petrus und links Thomas. Das Ganze war mit einem 
7 Zoll breiten gemalten Pahmen von grüner Farbe 
OB) zogen , auf welchem schön gezeichnete Lnub-Ornn- 
mente angebracht waren. Auf diesem Hilde (in Fig. 21, 
wiedergegeben) erseheint Christus bartlos als schuitich- 
tiger, etwa sechzehnjähriger Jüngling; die Bewegung, 
mit welcher er die Hand des zagenden Apostels nach 
der Brnstwunde leitet, ist nicht ohne Gefühl wie auch 
die Stellung des Thomas gut charakterisirt erseheint. 
Petrus, durch Puch und Schlüssel kenntlich gemacht, 
sieht als ruhiger Zuschauer nebenan. Die Contouren sind 
mit breiten schwarzen Linien vorge/.eiehnet , bei vor- 
waltender Unsicherheit der Technik schimmert doch 
einige SchulmiUsigkcit hindurch und macht glanblich, 
dass hierein Miniatur-Maler thiitig war. Das Iii hl sammt 
Pahmen war f» Fuss hoch und l>' : Fuss breit. Das 
schöne Pflanzen-Ornament des Pahmens , grttn in grün 
g malt, dient als Peleg. dass die Malereien bald nach 
Frbuuuug der Kirehe ausgelührt wurden. Der Hinter 
grtmd, auf welchem die Figuren sieh befanden, war 
röthl iohei Praun von warmer Farbe , Christus hatte 
lichfgelbe Haare und ein weisses Kleid, Thomas einen 
grünen, Petrus einen grauen , roth ausgeschlagenen 
Mantel. Die übrigen aufgefundenen Darstellungen, als 
mehrere Madonnen-Pilder , die Kreuzigung und Maril 
Verkündigung, waren so beschädigt, dass weder Durch- 
zeiehuungen noch Photogra].bien genommen werden 
konnten. 

Malereien in Seliun. 

Gleichzeitig mit den ltenovimngen in Badweis 
wurde an der Pfarrkirche in Kelean ein Erwei- 
terungsbau vorgenommen, in dessen Verlaufe ebenfalls 



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XVII 




Kig. 24. Jiudwei«.) 

Wandgemälde nach Beseitigung der alten Kalkttlnehe 
eutdeekt wurden. Nur ein einzige* Bild au der Nord- 
waud, den heiligen Michael daretcllend, war leidlieh 
erhalten und konnte aufgenommen werden. Die Figuren 
waren ohne Einrahmung oder architektonische Bcgrän- 
zuug auf den Mauergrund gemalt und zeigten manche 
Ähnlichkeit mit den Budweiser Gebilden, wie denn auch 
die Kirehengehllude selbst der gleichen Zeit angehören. 
Die etwas Uber 7 Fuss hohe GcRtalt des Erzengels 
hat einen naiv grossartigen Anblick , indem die Bewe- 
gungslosigkeit der Figur mit dem kräftig geschwun- 
genen Drachen seilsam contrastirte. Bemerkenswerth 
erschien, dass das gelbe Oberkleid mit schönem Blau 
ausgeschlagen war. 

Die Abbildung, Fig. 25, ist beigeschaltet. 

Bilder in Klingenberg und Kudig. 

Einen weitern Beleg, dass die romanische Behand- 
lnngsweise in der Malerei viel länger fortlebte als in 
der Baukunst, bieten die Gemälde in Klingenberg. Das 
in Kuiuen liegende Scbloss Klingenberg (Zvikov) 
gehörte zu den schönsten Landcsbnrgen und enthält 
noch immer herrliche architektonische Überreste früh- 
gothischen Stylen. Der Schlosshof ist in seinen zwei 
Geschossen mit offenen Gängen umzogen, der <iuadra- 
tische Hauptthnrm Bteht in unmittelbarer Verbindung 
mit dem ßurggebäude und eine geräumige Capelle lehnt 
sich an den Thurm an. Sowohl die Gänge wie die Ca- 
pelle enthalten Schildcrcien , die aber den verschie- 
densten Zeiten angehören und von denen hier nur die 
ältesten in der Capelle befindlichen in Betracht gezogen 
werden. Neben einzelnen, im Chorschlussc angebrachten 
Heiligen-Figuren ist es vor allen eine Darstellung des 
Fegefeuers, welche den Blick fesselt. Das Uber 10 Fuss 
hohe und 7 Fuss breite Bild gleicht einem abgebrannten 

XVII. 



Jungwalde, dessen Stämme und Äste 
aufs mannigfaltigste verbogen und 
verflochten sind. Auf solche Weise 
ist die ganze Bildfläche mit gelben 
Streifen durchzogen, welche sich von 
dem uutersten Eude bis zum ober- 
sten in wellenförmigen Linien er- 
strecken, manchmal durchschneiden 
und mit schwarzen Linien eingefasst 
sind. Diese Streifen stellen Flammen 
dar , zwischen denselben werden 
bei näherer Betrachtung menschliche 
Gestalten entdeckt , welche auf den 
Flammen sitzen oder klettern, wie 
Kinder auf einem Obstbäume. Die 
Figuren haben blassrOthlicben An- 
strich und stehen auf dem weiss 
belassenen Mauerputz , ohne dass 
der Hintergrund mit Farbe ausge- 
füllt wäre: obwohl die gegen 4 Fuss 
hohen Gestalten nackt sind, finden 
sich weder dicGeschlechter nochana- 
tomischc YerbältnisBc angedeutet. 

Genau in derselben Weise ist 
das viel kleinere Bild in der schon 
beschriebenen romanischen St. Ja- 
kobs -Kirche in Kudig behandelt; 
ebenfalls eine Darstellung des Fege- 
feuers, von welchem jedoch nur Frng- 
Ubrig geblieben sind. 

Das Weltgericht in Kcj. 

Dieses Gebilde weicht insofern von den bisher 
ab, als es nur mit schwarzen, ziemlich 




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XVIII 



festen Umrissen auf die Wand gezeichnet war. Es 
waltet auch nicht der Anschein oh, als hatte das Werk 
colorirt werden seilen, denn einzelne Theile der Gcwän- 
der zeigten sich förmlich abschattirt , was bei keinem 
andern Gemälde zu sehen ist. (Dieses Bildwerk ist bald 
nach der Auffindung leider wieder Übertüncht worden.) 
Die Anordnung entsprach nicht ganz der Üblichen nnd 
bestand ans zwei Reihen Übereinander angebrachter 
Figuren: oberhalb in der Mitte Christus als Weltriehter 
auf dem Hegenbogen sitzend, neben ihm zur Rechten und 
Linken die Apostel mit ihren Attributen, unterhalb die 
Auferstehenden. Der gewöhnlich vorkommende Engel, 
welcher die Gerechten von den Verdammten scheidet, 




}\g. 1. (Allerheiligen, i 



wie auch der Tenfelsraehen oder eine Ahnliche Bezeich- 
nung der Hölle fehlten. Die obern Figuren hielten etwa 
halbe Lebensgrösse ein , die untern waren viel kleiner. 
Dass das Bildwerk unmittelbar nach Erbauung der 
Kirche (um 1260) gefertigt wurde, ergab sieh au* dem 
Umstände, dass die Farbe in den ursprünglichen Mauer- 
putz sieh hineingesaugt hatte. Fi» späterer Zeit ist die 
Kirche nie wieder Uberputzt, sondern nur nusgeweisst 
worden , was bei der jüngsten Restauration deutlich 
nachgewiesen worden ist •. Ii. Grucber. 

(Fortsetzung folgt.) 

Über einige kirchliche Baudenkmale in Ober- 
Österreich. 

(HD I HoUMkulll».) 

Wir hatten bereits im vergangenen Jahrgange dieser 
Mitt heilungen Gelegenheit, einige der jenseits der Donau 
gelegenen Kirchen Ober - Österreichs näher zn bespre- 
chen. Indem wir von dem in dieser Richtung der k. k. 
Central -Commission für Bandenkmalc zn Gebote ste- 
henden Materialc weiters Gebrauch zu machen, wollen 
wir auch in diesem Jahrgange nach Massgabe des ver- 
fügbaren Raumes Uber dortige Kirchen nähere Mittei- 
lungen machen. Wir haben bisher die Kirchen zu Arten- 
barg, Arbing, Freistadt, Hirschberg, St. Peter, Rcinbach- 
Rciehcnthul und Waldburg beschrieben und befolgten 
bei Wahl der Orte in geographischer Beziehung das 
Princip^dass wir uns von Freistadt gegen jenen Thcil 
Ober - Österreichs wendeten , der sieh .zwischen der 
Donau nnd den LandesgrAnzen von Böhmen und Nie- 
dcr-Östcrreich ausdehnt. 

Die Pfarrkirche zu Allerheiligen (Fig. 1), einem 
kleinen Orte am Naarnbache, liegt auf einer Anhöhe 
von nahe 18'JO Fuss Uber Mecresflttchc. Von aussen 
verspricht das gothische Bauwerk recht viel, tritt der 
Besucher in dasselbe ein , so findet er zwar zwei Reihen . 
von je drei polygonen Pfeilern mit einfnch gegliederten 
umlaufenden Cnpitälen, welche die Kirche in ein Mittel- 
schiff und zwei schmale Abseiten (heilen, er findet die 
Pfeiler ihrer Reihe nach mit »pitzbogigen Areaden ver- 
bunden; allein dieser günstige Eindruck wird wesentlich 
abgeschwächt durch das in neuerer Zeit ausgeführte 
höchst einfache Gewölbe, das den ganzen Raum Uber- 
deckt. Das Langhaus ist 74 Fuss lang und 41 Fuss breit. 
Der Orgel-Chor umfasst den ganzen Baum des vierten 
Gewölbejoches und sehliesst sich an denselben zu 
beiden Innenseiten des l„inghauses bis zu den vordem 
Pfeilern eine auf Säulen ruhende Empore an. An der 
Westseite ist ein GiebelthUrmchen angebracht. Dasselbe 
stützt sich auf den in der Mitte der Faeade ansteigenden 
kralligen Strebepfeiler und auf zwei Pfeilerbauten an 
der Innenseite dieser Wand («). Das Thllrmchen ist bei 
seinem Austritte nus der Wand achtscilig constmirt. Es 
enthält eine Wendeltreppe von l>2 Stufen, ist jedoch 
nicht vollendet, denn kaum aus dem Giebel heraustre- 
tend, sehliesst es ab (Ii). 

Das Presbytcrium hat eine Länge von 3" Fuss bei 
einer Breite von 23 Fuss, besteht aus einem Joche und 
dem fünfseitigen Chorschlusse, und ist mit einfachen 
Krenzgewöllien Uberdeckt, deren Rippen auf Wandpfei- 
lern aufsitzen. Auf der linken Seite ist eine Empore einge- 

' Die Itelrrtl» I» d.r rupdee Brau» CtflU •» Pr«. ««Ich. »MUH» 
•Ii romuUrhe Arl.-.trn «>i»i ..«1« . hib.o «-.r »It.rthä»!!.*«. Of 
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um»«ld»«il|[ .i.m Zoultfr K»rlt IV. »n 



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XIX 



baut, deren Brüstung mit reichem spät-gothischen Mas», 
werk geziert iat, dabei findet »ich die Jahrzahl 1521. Die 
vier Fenster desPre*byteriums so wie (tlnf des Langhau- 
se» haben noch die ursprüngliche Gestalt und sind zwei- 
teilig eonstruirt und mit Maaswerk geziert. Die Anssen- 
seite der Kirche bietet auaser den Strebepfeilern 
nicht* bemerkenawerthes. Der Thurm befindet sich links 
des Presbyteriums und ist nur mehr in seinem unteren 
Tbeile alt. 

Hinsichtlich des Altera dürfte angenommen werden 
können, das» die Kirche gegen Knde des XV. Jahrhun- 
derts entstanden ist; wiederholte schwere ücschädigun- 
gen hatten wiederholte Restauration zur Folge gehabt, 
bei der das meiste nicht mehr im ursprünglichen (Je- 
schmücke hergestellt wurde; manches blieb aber von 
der Restauration ganz verschont und Ruine, wie z. B. 
das GiebelthUrmchen. Die Einrichtung der Kirche bietet 
nicht« des Hervorhebens wertbes. 

Wenden wir uns von Allerheiligen gegen die Strasse, 
die von der Donau landcinwiirts gegen Freistadt fuhrt, 
so treffen wir den kleinen Ort Zirking. Die Kirche, 
eine Filiale von Ried (Fig. 2), hat ein dreischiffiges 
hallenftirmiges Langhnna mit einer Länge von 74 Fuss 
bei 34' Fuss Breite. Sechs in zwei Reihen gestellte jioly- 
gone Pfeiler tragen die Gewölbe, welche im Mittels« bim 
combinirte, in jedem der vier Felder der Seitenschiffe 
einfache Krcuzgewiilbe-Conatruetion zeigen. Die Rippen 
verlaufen sich in die Pfeiler oder in die denselben 
entsprechenden Wniidpfcilcr. Ober dem Triumphbogen 
stutzen Bie sich auf zierliche Consolen. Die Verbin- 
dungsbogen der einzelnen Pfeiler der Länge nach sind 
im gedrückten Spitzbogen construirt. Auf das rückwär- 
tige Pfeilerpaar stutzt sieh der Musik-Chor, zu welchem 
zwei in der Kirche erbaute steinerne Stiegen empor- 
Alhren. Von da gelangt man weiter auf den auf der 
westlichen (Üebelmauer erbauten Thurm. Die BrUstung 
des Orgel-Chors , der auf drei Spitzbogen sich stützt, 
ist mit Maaswerk reich geschmückt (Fig. 3) und in der 
Mitte mit einem hervortretenden Orgel-Podium versehen. 

Das Prcsbyterium mit seinem dreiseitigen Schlüsse 
ist nur in der Unifangmauer erhalten, das ursprüngliche 
Gewölbe wurde durch eine Kuppel ersetzt. SMnimtliche 
Fenster des Schiffe» und Prcsbytcriums haben noch ihre 
spitzbogige Form, doch wurde das Masswerk ans den 
meisten entfernt. 

An der Aussenscitc hat nur die Nord-, Süd- und 
Westseite Strebepfeiler, am Presbyterium fehlen sie. 
Die an den Ecken der Westseite sind schräg gestellt 
Von den beiden Portalen ist nur jenes an der Nordseitc 
bemerkenswerth ; es ist doppelt, mit geradem Sturz und 
einiger Stabwerkverzierung versehen. Fronner. 

Zur Geschichte der deutschen Malerei. 

Zu den berühmtesten Meistern der oberdeutschen 
Malerei des XVI. Jahrhunderts zählt Hans llolbcin 
der Jüngere. Bei der Dürftigkeit urkundlicher Nach- 
Uber unsere Maler hat man die Werke derselben 
ins Auge zu fassen um durch Vergleich 
gewinnen, welche es wenigstens ermög- 
lichen, Hauptarbeiten von blossen Schul-Producten zu 
unterscheiden und im allgemeinen den Charakter bedeu- 
tender Meister zu fixiren. Bei diesem berühmten Maler 
der Augsburger Schule trifft es sich nun, dass dessen 




Hg. 2. (ZirkiKR i 

Valer ein ganz hervorragender Meister und mit vielen 
Aufträgen noch lange Zeit beehrt gewesen, während 
der Sohn seine Laufbahn in der Wcrkslätte des Vaters 
oder vielleicht des H. Bnrgkmair in nicht näher zu docu- 
mentirchder Weise begann. Es war ganz natürlich, dass 
man nach Erstlingsarbciten des später so gefeierten 
Sohnes Holbein forschte, dabei aber »ehr wilkUrlieh dem 
Vater seine besten Prodncte entris» und ohneweiters dem 
Sohne zuschrieb, aus dem einfachen Grunde, weil die 
respectiven Gemälde für den Vater zu gut. zu bedeutend 
seien. Es konnte nicht fehlen, dass an diesem Punkte, 
wo das Proton Pseudos lag, über kurz oder lang der 
wissenschaftliehe Streit beginnen und entschieden werde. 
Der verdienstvolle Verfasser de» umfassenden Buches 
n H. Holbein und seine Zeit" Dr. Wol t in a nn, fühlte, das» 
für diese zuerst von Waagen aufgestellte Behauptung 
eine solide Basis nüthig sei, und ging nun daran, auf 
firund einer Inschrift die grosse Schwierigkeit zu heben, 
dass der nach bisheriger Annahme hei der Herstellung 
eines Tafelgrtnäldes von 1512 erst vierzehnjährige Sohn 



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XX 




als siebenzehnjährig erschien nud die Möglichkeit, ein 
so gutes Gemälde in frtllier Jagend gefertigt zu haben, 
näher gerückt wurde. Dies mit der Jahreszahl lölL' und 
H. Holbcin bezeichnete Bild stellt da* t'hristuskind an 
der Hand der Mutter und Grossmutter gehen lernend dar 
und hetindet sieh noch in der k. Galerie in Augsburg. In- 
dem W o 1 1 in an ii die Insehrilt in dem Oebetbuche der 
heil. Anna, welche den Maler als siebenzehnjilhrig be- 
zeiehnete, tllr echt hielt, «teilte er das Geburtsjahr, statt 
w ie bisher auf 140H, nunmehr auf 14115 fest und Hess 
■kh durch die gewichtigen Argumente tltr das bisherige 
Datum, ja selbst durch näher begründete Zweifel an der 
Echtheit der Inschrift, welche J. Grimm vorbrachte, von 
seiner Amiahme nicht mehr abbringen. Dabei konnte 
die grosse Verschiedenheit zwischen sicher beglaubigten 
Erstlingsarbeiten des jüngeren Holbein von diesem ihm 
nur vermuthungsweise zugeschriebenen Gemälde nicht 
ausser Acht bleiben und musste zuletzt der gefährlichste 
Einwand gegen Waageifs ninl Woltmann's Aufstel- 
lung werden. Nach Grimm setzte an diesem Punkte 
W. Schmidt in einem ausführlichen Aufsatze [ Zahn s 
Jahrbücher für Kunstwissenschaft, 1870 Ortober] seineu 
Hebel ein und zeigte, das» in dieser Sache mit Vorliebe 
das unwahrscheinlichste statt des zimltehst möglichen 
angenommen und ohne gelingenden Grund jenes Kild 
besonders dem Vater abgesprochen worden sei, der allen 
Erwägungen zufolge der Meister sei und bleibe. Ausser 
jener Tafel wurden von Schmidt noch andere Bilder 
wieder dem Vater Holbein vindicirt. vor allem der jetzt 
in der MUnehcmr Pinakothek befindliehe St. Scbastians- 
Altar. Die Inschrift bestritt Schmidt auf das nachdrück- 
lichste und machte auf die von Woltmann selbst eon 



statine Thatsache aufmerksam, 
ilass die sogenannten Klostcr- 
Annalen von St. Catharina in 
Augsburg zu Gunsten jener und 
anderer Werke gefälscht und ein 
Grossvater Holbcin lediglich 
durch eine von Woltmann als 
modern erwiesene Inschrift ge- 
schaffen worden sei. In einem 
kurzen Beliebte über II. Hol- 
hcin's Jugend - Arbeiten in der 
Beilage der Allgemeinen Zei- 
tung Nr. :i()l des vorigen Jahre« 
sprach ich unverholen meine 
Ansicht Uber die höchst wahr- 
scheinliche l'nechtheit der be- 
sagten Inschrift ans und His 
H ä u s I e r gelang es, urkundlich 
zu erhärten, dass der berühmte 
Holbein Ende von 151f» bereits 
in Basel Ihätig und sesshaft 
gewesen — - Alles vergebens. 
Die Inschrift wurde als echt 
aufrecht erhalten und die sonsti- 
gen schlagenden Gcgcngrllnde 
blieben DU widerlegt , bis endlich 
eine technische Untersuchung 
vor kurzem den Streit entschied 
Die blosse Anwendung von Ter- 
pentin-Öl liess die Buchstaben 
der Schrift im Gcbetbuclie der 
heil. Anna nacheinander ver- 
schwinden und die Fälschung zweifellos erscheinen, 
l'ntcrm 3. Juli 1x71 theilte Dr. Woltmann in der All- 
gemeinen Zeitung dieses für seine Arbeit entscheidende 
Factum mit. Somit besteht das früher aus guten Gründen 
angenommene Geburtsjahr des berühmten Holbein als 
das richtige wieder fort und jenes Gemälde von 1512 
bleibt mit dem Namen des Vaters Holbeiu fortan ver- 
bunden. Der Sebastians-Altar wird aber ferner auch 
nicht mehr dem Sohne zugeschrieben werden können, 
so dass die Jugend werke des berühmten Holbcin gar 
nicht mehr in Augsburg, sondern in Basel zu suchen 
sind, wohin sie auch eine von dem unablässig thätigen 
Forscher HisHänsler aufgefundene Erkunde, das soge- 
nannte Aiuerbnch'sche Inventar, mit deutliehen Worten 
verlegt hat. Schmidt gebührt das Verdienst, durch 
aufmerksame Beobachtung und Würdigung aller noch 
so kleinen Umstände einen grossen Irrthum in der 
deutschen Kunstgeschichte berichtigt zu haben, welche 
Berichtigung durch die aufgedeckte Fälschung glän- 
zend bestätigt worden ist. Aus allem geh« aber hervor, 
wie nothwendig die Bevision in so vielen Gebieten der 
Kunstwissenschaft sei und wie erfolgreich sich vorsich- 
tige Kritik und Sachkenntnis« bewähren können. Der 
Name Schmidt gehört in Folge dieser Leistung zu den 
um die Holbein-Forsehnng verdientesten. Die Aufmerk- 
samkeit der Fachleute wird ohnediess davon schon lang 
Kenniiiiss genommen haben und bedarf meiner Anre- 
gung nicht. Das gebildete Publicum aber brnueht mit- 
unter lange Zeit, bis es von früheren Ansichten ab- 
kömmt und der richtigen Darstellung zu folgen beginnt, 
zumal in etwas complilirteti Fragen einige Ausdauer 
nöthig ist. An diese Geduld wende ich mich zum Schlüsse 



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xxr 



dieser Anzeige, indem ich mich nicht enthalten kann, 
eine vortreffliche .Schrift weiterer Verbreitung im Inter- 
esse der Kunstwissenschaft zu empfehlen, die den im 
sterblichen Raphael zum Gegenstände hat, insofern ein 
berühmtes Gemälde seiner Hand, die „Madonna del Po- 
polo ,i , spater als Madonna von Loretto bezeichnet, in 
allen Copien nnd Nachrichten verfolgt und endlich nach 
sorgfältiger Untersuchung das Resultat festgestellt wird, 
dass das Original, ursprünglich in der Kirche St. Maria 
del Fopolo in Rom. völlig verschollen ist und allenthalben 
blosse Copien vorhanden sind. Selbst die als Madonna 
von Loretto so vielfach gepriesene Tafel in Paris besteht 
nicht vor der Kritik, während es vielleicht möglich ist, 
dass das im Itesitze des Oberst Pfau befindliche Gemälde 
das Raphacl'schc Original ist. Übrigens spricht der Verf. 
S. Vögelin auch hiegegvn offen und gründlich seine 
Meinung aus und liisst sieh durchaus nicht herbei, offen- 
bare Hedenken und Einwände zu verhehlen oder mit 
Phrasen zu tiberdecken. Aus dieser Studie wird jeder 
nicht nur Uber das vorwllrfige Thema umfassend und 
gründlich, sondern auch Uber den Zustand unsererKnnst- 
wissensehaft factisch unterrichtet. Der Verfasser stösst 
selbst bei Nachrichten Passavnnt's auf l'ngenanigkei- 
ten und unzuverlässige Angaben und im allgemeinen nnf 
Aussagen der Literatur, die vor dieser soliden Prüfung 
wie Wachs schmelzen uud geradezu erstannlich erschei- 
nen. Solche Arbeiten bringen die Wissenschaft vorwärts, 
einmal durch ihr positives Ergebnis» und dann durch 
das Beispiel der Gründlichkeit und Gewissenhaftigkeit. 
Das Schriftchen zählt nach meinem Urtheile zu deu besten 
seiner Art. Dr. Metsmn-. 

Über einige Fliesse in der Sammlung der Bautheile 
und Baumaterialien des germanischen Museums. 

(Mit I MmMUM.] 

Im VII. Bande dieser Zeitschrift hat der Unterzeich- 
nete auf Seite4« — 51 einige Fussbodcntlicsse besprochen 
und dabei die Bemerkung gemacht, das» in Deutschland 
deren weniger erhalten zu sein scheinen als in England 
nnd Frankreich, dass jedoch wohl bei einigem Suchen 
in Winkeln auf Dachböden nnd Kellern sieh noch viele 
finden dürften. Wenn auch damals schon mehrere bekannt 
waren, so hat doch das Suchen in solchen Winkeln seit- 
her sehr viele zu Tage gebracht und das germanische 
Museum besitzt nun eine stattliche Reihe von ungefähr 
100 verschiedenen Mustern, von denen viele wirklich 
auf Dachböden und in Kellern gefunden worden sind, 
während andere bei Abbruch von (iebäuden in Theilen 
des Mauerwerks als Mauermaterial sich verwendet fan- 
den. Zu den interesantesten gehören eine Reihe der 
Bruchstücke jener auf dem Boden der St. Emmcrnms- 
kirche in Regensburg gefundenen, einer Wandbeklei- 
dung angehöhrigen Fliesse, die im Jahrgange 1S70 
dieser Zeitschritt Seite XLI besprochen uud abgebildet 
sind. Die grosse Zahl der zu unserer Verfügung stehen- 
den Bruchstücke hat es möglich gemacht, ganze Tafeln, 
wenn auch aus ehemals nicht zur gleichen Tafel gehöri- 
gen Bruchstücken zusammen zu stellen und da sind wir 
auf einige interessante Resultate gekommen. Während 
die beiden unteren ornamentalen Tafeln sich ganz so 
wie sie dort gegeben sind, zusammenstellen Hessen, 
fand sieh, dass die Bruchstücke, aus denen die beiden 
anderen Fliesse recoustrnirt wurden, auch eine andere 




Vig. 1 Rcgrii!.t.nrp-NHnibcrg.. 



fornhination znlnssen , nämlich wie wir sie in Figur 1 
und 2 geben. Das Feld (Fig. 1) enthält zwei getrennte 
Figurengruppen, unten einen Greif, wovon zwar kein 
vollständiges Exemplar sich aus den Trümmern selbst 
zusammenfinden Hess, jedoch Schnabel, Vorder- und 
Hinterfüsse n. a., so dass die Figur niimöglieh ander*" 
gewesen sein kann als wir sie restaurirt haben, während 
znr Reeonstruction der oberen firnppe mit dem Doppel- 
adler vollkommen genügende Bruckstllcke sich fanden. 

Wie nun die vorliegende Zeichnung hergestellt 
ist, so ergibt sich eine jüngere Zeitslellnng für die 
Fliesse als sie bisher angenommen wurde, nämlich für 
das XIII. Jahrhundert. Was die ehemalige Bemalung 
betrifft, so sind allerdings an unseren Bruchstücken genü- 
gende Spuren vorhanden; allein wir halten sie nicht für 
ursprünglich. Wir können uns irren, aber wir sehen nur 
eine rosenrothe Tünche, die ehemals die ganze Fläche 
bedeckte, als wohl einmal ilie ganze Kirche getüncht 
wurde, die jetzt aber nur an den vertieften Stellen sich 
noch erhalten hat. 

Dagegen scheint uns der Umstand sehr wichtig, dass 
unter der grossen Zahl der Bruchstücke, die wir besitzen, 
viele, die offenbar in der Zeichnung des Ganzen unfeiner 
Tafel die gleiche Stelle einnehmen, mehr von einander 
differiren, als etwa verschiedenartiges Sehwinden des 



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XXII 




ja u ti n b > a m o ■ 




Fig. 2. (Kegcnsburp-NOrnlKTif.) 

Thones beim Trocknen und Brennen an den vcrschic- 
denen Tafeln, die in eine Form gepnsst sind, veranlassen 
kann, ja dass es uns z. B. bei der dritten Fignr auf Seite 
XU des Jahrganges 1870, die wir ebenso in der Zeich- 
nung gefunden haben wie der erste Restaurator, nicht 
gelungen ist, zur Zusammenstellung unserer Fliesso so 
viele z.u linden, die gleich starkes Relief hatten und bei 
denen die Linien aufeinander passten, dass ein Fliess 
ohne Störung hätte zusammengestellt werden können. 
Wir mtlssen daraus sehliessen, dass jedes Exemplar be- 
sonders modellirt war, oder dass mindestens von jeder 
Zeichnung, so wie von der in Rede stehenden, eine 
grössere Anzahl von Formen vorhanden war. 

Unser in Fig. 1 auf Seite 49 des MI Bandes gege- 
benes Fliess ist inzwischen auch als im Pester Museum 
von Dr. Fr. Bock veröffentlicht worden. Seither ist auch 
ein weiteres Exemplar desselben durch Ankauf von einem 
Antiquitätenhändler, der dasselbe in Paris bei einem 
Collegen gekauft haben wollte, in das germanische Mu- 
seum gekommen , welches zweite Exemplar jedoch mit 
einem dem ersten gegenüberstehenden Löwen geziert 
ist, der eine andere Inschrift hat: 

DAS . GEWELT MIR . WOL . DER . CVNEHG . IST. 
CAXCIR TVGENT . WOL. 



Wir bilden dieses Plättchen in Fig. 3 ab. Leider ist es 
nicht möglich, wenn Sachen so lange den Weg durch 
den Handel gemacht haben und sich an so verschiedenen 
Orten belinden, den Ursprungsort mit Sicherheit zu be- 
stimmten. Wer sich für die Fliesse im allgemeinen inte- 
ressirt, sei auf den 18G9 erschieneneu Katalog der Bau- 
thcile im germanischen Musenm aufmerksam gemacht, 
in welchem viele abgebildet sind, wobei freilich nicht 
alle abgebildet werden konnten, abgesehen davon, dass 
viele erst nach dem Druck des Katalogs iu die sich noch 
immer mehrende Sammlung gekommen sind. 

A. Euenicein. 

Dr. F. Reber's Kunstgeschichte des Alterthums. 

Im strengen Sinne gehört zwar die antike Kunst 
nnd ihre Literatur nicht in diese Zeitschrift, ich wage 
aber doch bei der Bedeutung des zu besprechenden 
Buches eine Ausnahme zu versuchen, zumal der Zn- 
sammenhang mit der christlichen Knnst in demselben 
wiederholt betont und durch die gnnze Darstclluug 
deutlich genug gemacht wird. Es ist die r Kunst- 
geschichte des Alterthums" von Dr. Franz Reber, der 
den Lesern der Mittheilungen gewiss noch erinnerlieh 
sein dürfte als Verfasser der vorzuglichen Abhandlung 
im zweiten Hefte der Mittheilungen 1K0!) „Lbcr die 
Urform der römischen Basilika". Wie ich schon ander- 
wärts bemerkt, geht R eher bei Beiner Darstellung liber- 
al! auf die Quellen - Schriften , auf die massgebenden 
Abhandlungen und Original - Publicationeu zurück und 
gibt so dem Leser zuverlässige Kunde Uber den Stand 
der gegenwärtigen Forschung in jedem Gebiete der 
alten Knnst. Ausser der ägyptischen und orientalischen 
Kunst hat in neuester Zeit Phönicien und Kleinnsien 
besondere Bearbeitung und wissenschaftliche Dar- 
stellung gefunden. Der Verfasser versäumt nicht, auf 
die Technik im engeren Sinne Gewicht zu legen und 
den Zusammenhang zu beleuchten, der sich bei Be- 
trachtung des Materials und seiner primitiven Behand- 
lung gerade bei Phönicien zeigt. Die Metall -Technik 
hat ihre eigene Geschichte und hier stehen wir vor 




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XXIII 



einer der Hnuptquellen derselben. Die palästinensische 
Kunst hatte bekantlicb mit Phttnicien innigen Zusam- 
menhang, der beim gefeierten Tempel zu Jerusalem 
unter König Salomon hinlänglich bezeugt nnd vom 
Verfasser nach den analogen Beispielen des näheren 
nachgewiesen wird. Diesem Tempel widmet der Ver- 
fasser diesmal besondere Aufmerksamkeit nnd esdUrfle 
eine bessere Darstellung bis jetzt nicht existiren, als 
der Leser hier findet. Die architektonische Möglichkeit 
tritt hier zum erstenmal deutlich entgegen, soweit das 
von Haneberg in seiner biblischen Alterthumskundc 
musterhaft gesammelte Material eine solche Uberhaupt 
zu bieten vermag. Nirgends begnügt sich der Verfasser 
mit den bloss literarischen Hilfsmitteln zur Vergegen- 
wärtigung solcher Denkmäler, stets leitet der Hinblick 
auf analoge Denkmäler seine Hand in der Zeichnung 
dieser Schöpfungen eigenthümlichen Charakters. Die 
Anfänge der hellenischen Architektur im dorischen und 
jonischen Man werden auf Grund der bisherigen Denk- 
mälqr-Fnnde vorsichtig festgestellt und leeren Hypo- 
thesen kein Spielraum gegönnt. Dass dabei der Holzhau 
als Ausgangspunkt auftritt, wird den Kenner der Lite- 
ratur nicht .Uberraschen. Die Sculptur nimmt in Hellas 
eine so eminente Stellung ein, dass ihr die sorgsamste 
Ausführung zu Thcil werden musstc. Ausser Brunn s 
und Anderer einschlägigen Leistungen wurde dieser 
Partie durch die Autopsie hervorragender Werke in 
London, Paris, Florenz, Korn und Neapel vom Verfasser 
die grösstc Bedeutung und lebendige Schilderung ver- 
liehen. Es verstellt sich von selbst, daas hiebet auf alle 
wichtigen Resultate der Kritik der griechischen Archäo- 
logie steter Bedacht genommen wird. 

Die Charakterisirnng der Hauptschulen nnd Meister 
erfordert im Bahmcn eines solchen Buches KUrzc, aber 
zugleich auch Genauigkeit und Hervorheben des Wescnt- 
Ih-ben, damit der Leser in den Einzelheiten die Unter- 
scheidung festzuhalten vermag. Diesem Abschnitte fUgt 
sich die römische Kunst an, deren eompetenter Be- 
arbeiter der Verfasser Belfast ist, indem er der Archi- 
tektur, Topographie und Styl-Entwieklung dieses äus- 
sersten Zweiges der Antike seit Jahren seine Kraft 
gewidmet hat. Die sich damit verbindende christliche 
Kunst weiss der Verfasser in ihrem Ausgangspunkt 
aufs klarste vorzubereiten und die Anfänge als solche 
zu kennzeichnen. Wir wissen, das ohne die Kenntniss 
der Kunst des Alterthums die christliche nicht zu ver- 
stehen und sachlich zu wltrdigen ist und sind deshalb 
Überzeugt , dass diese kurze llinweisung auf ein 
wirklich vortreffliches Buch den Losem dieser Zeit- 
schrift nicht unpassend oder fremdartig erseheinen 
wird. Dr. Mensmer. 

Beiträge zur mittelalterlichen SphragistiL 

I. Siegel der Städte Krems und Stein. 

1. Das Siegel ist rund und hat 2 Zoll 4 Linien im 
Durchmesser. Im runden Siegelfelde ein Baum, dessen 
Stamm nach unten stufenförmig endet, mit breiter, blät- 
terreicher Krone, welche rechts nnd links je einen drei- 
eckigen Schild Uberdeckt; ersterer enthält den steiri- 
sehen Panther, der andere den Bindenschild (da« Feld 
gegittert, die Binde blank). Das Siegel, davon der sil- 
berne Stempel noch erhalten ist, gehört dem XfV. Jahr 




Kig. 1. 



hundert an, war jedoch noch im XV. in Gebrauch. Die 
in LapidarBchrift ausgeführte Legende auf dem von 
Perlenlinien umsäumten Schriftrande lautet : t Sigillvm . 
eivivm . in . chrems. (Fig. 1.) 

2. Ein sehr schönes Siegel ist das um die Mitte des 
XV. Jahrhunderts vorkommende. Es ist ebenfalls rund, 
und misst 2 Zoll 2 Linien im Durchmesser. Im Siegel- 
felde findet sich ein auB dem Viereck mit an den vier 
Seiten angesetzten Kreissegmenten (davon die nach 
oben und unten grösser als Halbkreise sind), gebildeter 
Rahmen, darinnen vier in den Kreissegmenten ange- 
brachte Engel (im Brustbild dargestellt, mit langen Ge- 




r\f. 2, 



wändern), ein (wahrscheinlich golden tingirter) Schild, 
darinnen sich nnd zwar mehr in der oberen Hälfte zwei 
kleine Schildchcn befinden, davon der erstere den Bin- 
denBchild mit damascirter Binde, der andere den steiri- 
schen Panther zeigt. Die Legende in schöner Minuskel 
im durch die beiden grösseren Kreissegmente unter- 
brochenen und von einer inneren Stufen- und äusse- 
ren Stufen- und Perllinie gesäumten Schriftrande lautet : 
f Sigillvm . civitatis . kremsee . 1453. König Ladislaus, 
verlieh damals der Stadt Krems das Recht dieses Siegels' 
das bezugliche Tvpar ist ebenfalls noch in Krems befind 
lieh. (Fig. 2.) 

3. Dieses runde Siegel (1 ZoU 8 Linien im Durch- 
messcr) zeigt im Siegelfelde , das durch einen ans drei 
Kreisen (2 und 1) gebildeten Dreipass begrenzt wird, 
einen unten abgerundeten Schild, darinnen der Doppel- 



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XXIV 




Fijf. 3. 




adler mit geschlossener 
Krone and il.it t. -ro« I • u 
reichen Bändern. Strahlen 
umgeben den Schild. Kin 
Schrifthand windet «ich 
durch da« Drcipass-Orna- 
ment , darauf steht in 
deutscher Minuskel fol- 
gende Legende : Sigil- 
Ivm . krembs . vnd stain. 
Der silberne Sicgelstcm- 
|>el ist noch erhalten. 
Das Siegel durfte um 
1463 entstanden sein, da 
U diesem Jahre Kaiser Friedrieh IV. der Stadt Krems 
die Führung des Reichsadlers im Wappen gestattete. 
(Hf.3.) 

4. Em kleines rundes aber sehr zierliches Siegel 
(I Zoll 4 Linien); im runden, aber mit einem angesetzten 
Kreissegmente erweiterten Siegclfelde der Doppeladler, 
nimhirt und mit der mitraformi- 
gen Krone bedeckt, die fanones 
nach den Seiten flatternd. Die 
in Ubergangslapidaren geschrie- 
bene Legende im durch Stufen- 
ränder begrenzten Schrifrrawlc 
lautet : 8. consily . civitatis . 
krembs . 1487. Der Siebner steht 
auf dem rechtseitigen Kronen- 
bande. Uber dieses Siegel theilt 
Melly in seinem Siegelwerke 
mit, dass Kaiser Friedrich 

der 
K8u| 

stete, wUhrend Stein sich bereits ergeben hatte, das 
Hecht ertheilte, das den Städten Krems und Stein 
gemeinschaftlich verliehene Siegel so lange allein zu 
fuhren, als Stein in Feindeshand wäre. (Fig. 4.) 

5. Das UrundbuchsMicgel 
der Städte Krems und Stein 
in Fig. 5 gehört dem XVI. Jahr- 
hundert an ; es zeigt ebenfalls 
den Doppeladler, wie in Fig. 4 
und fuhrt die Umschrift (Über- 
gnngslapidnr) :•: Sigillvm . 
fundi . civitatis . krembs . et . 
stain. Der Schriftrand ist nach 
Art eines Schriftbandes behan- 
delt, dessen Luden eingerollt 
sind. Obwohl gut ausgeführt, 
steht dieses Siegel dem unter Fig. 4 beschriebenen 
bedeutend nach. (Durchmesser 1 Zoll 4 Linien.) 

Mit dem unter Fig. 5 



beschriebenen ist das in 
Fig. 6 beigegebene runde 
Siegel hinsichtlich seiner 
Sicgelfigur sehr ähnlich. 
Die Legende befindet sich 
auf einem flatternden In- 
schriftbande , das nicht das 
ganze Siegel umrandet; sie 
lautet: S. khreinbs . vnd . 
stain :■: (neuere Lapidar); 
mich aussen hat d:is Siegel 



Stadt Krems, als sie im Jahre 1487 den Truppen 
igs Mathias Corvinus nachhaltigen Widerstand lei- 




Fi*. 6. 





Fiff. 7. 




Fig. H. 



einen Stufenrand: das erhaltene 
silberne Typar trägt die Jahr- 
zahl 1566. (Durehmesser 1 Zoll 
7 Linien ) 

7. Gleiche Darstellung in 
fast gleicher Behandlung zeigt 
das runde Siegel in Fig. 7. Das 
flatternde Schriftband ist kurz, 
die Legende (neuere Lapidar) 
lautet: * krembs ». Das silberne 
Typar trägt die Jahrzahl 1567. 
(Durehmesser 1 Zoll 4 Linien.) 

8. Das in Fig. 8 abgebildete Siegel ist oval, hat 
im Breite-Durchmesser 7 Linien, im Länge-Durchmesser 
10 Linien. Im Siegelfelde ein ovaler 

Schild mit gcsehnorkeltem Ramie, darin- 
nen der Doppeladler mit offener BUgel- 
krone und flatternden Bändern; darüber 
die Lapidarbuchstaben S. K. V. S. (Sigil- 
lum Krems vnd Stain.) Der Stempel ist 
in Berg-Kryst;ill geschnitten mit farbigem 
Email unterlegt, noch erhalten und trägt 
die Jahrzahl 1575 '. 

0. Auf einem vielfach gcsehnörkelten und an den 
Ecken gerollten Schild, im Mittelfelde des Siegels der 
Doppeladler mit darUbersehwc- 
bender Krone und flatternden 
Binden. Der Raum zwischen 
Schild und Schriftrand ist mit 
rankenftirmigen Arabesken aus- 
gefüllt; Uber dem Schilde die 
Jahrzahl 1575. Die in Lapidaren 
geschriebene Legende lautet: 
S. Khrembs und Stain. Die Le- 
gende befindet sich auf einem 
flatternden Bande , das am In- 
schriltrande befestigt ist. Der 
Aussenrand dieses Siegels ist 
kranznrtig. Das Siegel ist rund und hat 1 Zoll 4 Linien 
im Durchmesser. (Fig. 9.) 

II. Siegel der Stadt Vbbl in Nieder Ö st erreich. 

i > .. - ... • ■ 




Fi«. 9. 




Fi«. 10. 

1 Wir y»r*#iifu übet- dl* Slrg«! tob Krems und Stein Auf die fUi»»L$a 
und erfindlich« Arbeil M* 1 J >'« Iii »einem wiederholt rjtiften Werke oud k Uttum 
ni<fct uDterluxti fcfrtlMPfii i n Im wir lo den Muthellatijen für Jetit nur dlo 
Abbildungen von Siegeln (Tinten wollen, d« wir du» t • AtUMggf ntf bat-en, 
rla- unteurbui dpr ir»*u«»tri, Ite'<ar«ibwi.g dl..«[b«.> tun r r*«t»deo der Si«- 
l *.MVehrt 



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XXV 



Das Siegel ist ruiul und hat L' Zoll 4 Linien im 
Durchmesser. Im Siegelfelde erlebt sich auf felsigen! 
Grunde eine einen quadraten Raum umschliessende 
Stadtmauer aus Quadern und mit Zinnen, in Mitten 
gegen vorne ein breites, spitzbogiges Thor mit halhanf- 
gezogenem Fallgitter. Im Kaume inner der Stadtmauer 
zwei hohe Quaderthtlnnc mit vorspringenden Zinnen, 
hohem Satteldach und entstellter Kreuzblume darauf. 
Jeder Thurm int mit einem gedrückt spitzbogigen Fenster 
versehen. Zwischen den Thtlrmen, und zwar mehr gegen 
links, befindet sieh ein bliitterreicher Raumasl, haken- 
förmig gebildet, daran an einem Kiemen der österreichi- 
sche Bindenschild (das rothe Feld gegittert, die Binde 
blank) hängt. Das sehr geschmackvolle Siegel, dessen 
Originalstempel noch zu Ybbs erhalten ist, stammt aus 
dem XIV. Jahrhundert, in dessen erstem Viertel es schon 
an Urkunden erseheint. Die zwischen l'erlenlinien ange- 
brachte Inschrift (Lapidar) lautet: f Sig'llum . civitatis . 
ybsensis f- (Fig. 10.) 

III. Siegel der Stadt Tulln (N. Ö.). 

Das Siegel ist rund und hat 1 Zoll 7 Linien im 
r. Im Siegelfelde der Buchstabe T, ganz mit 
gekreuzten Linien (darinnen 
Blümchen) überzogen und an 
den Enden des Stammes 
und Balkens mit Blattan- 
siitzen geziert; Uber diesem 
Buchstaben ein kleines K 
mit :thnl : ehem Blattschmnck, 
rechts unterhalb des T der 
österreichische Blndcnschild 
(die Rinde pnnkt'rt), links 
ein Schild mit dem cinkö- 
pfigen Adler; die in Lapi- 
dar geschriebene, zwischen 
l'erlenlinien befindliche Le- 
civitatis . tulnensiB. Interes- 
sante Bemerkungen Uber dieses Siegel, das an einer 
Urkunde des Jahres 1431 sieh findet, aber jedenfalls 
dem früheren Jnhrhundert angehört , finden sich in 
Melly's wiederholt bezogenem sphragistischen Funda- 
mentalwerke. (Fig. 1 1 .) 

IV. Siegel der Stadt Marc heck (K. Ö.). 

Im Mittelleide dieses runden Siegels (l Zoll 4 Li- 
nien im Durchmesser), von welchem auch noch der 
Stempel im dortigen Rathhansc erhalten ist, befindet 
Sieh ein verschnörkelter Schild, 
in welchem ein Drache mit 
einem Hahncnkopf (Basilisk?) 
erscheint, der auf dem Klicken 
ein Kreuz trügt. Der übrige 
Raum des Mittelfeldes ist mit 
Ranken ausgefüllt, ober dem 
Schilde IfitU. Die Legende 
befindet sieh im Inschriftrandc, 
der von einer inneren I'erlcn- 
linic und von einem Aussen- 
kranze umfasBt ist. Sie ist in 
Lapidaren geschrieben und lautet: S. eivivm . civitatis, 
marchegg. Jedenfalls ist es bemerkenswert!), das« diese 
sonst so unbedeutende Stadt Siegel von solcher künst 
lerischen Vollendung hat. (Fig. 12.) 
XVII 




Fig. 11. 
gende lautet: f S. fvndi 




Fig. 12. 



V. Siegel der Stadt Meissau (X. Ö.). 

Das Siegel ist rund (1 Zoll 7 Linien im Dureh- 
messer), enthält im Mittelfelde einen mehrfach ausgebo- 
genen Sehild , der bis zum unteren Rande des Siegels 
reicht. Im Sehilde eine Stadtmauer aus Quadern, mit 
Zinnen und Schiesslucken in denselben, offenes Thor 
mit aufgezogenem Fall- 
gitter, hinter der Mauer 
steigen zweiRundthllnne 
empor, ebenfalls Quader- 
bauten mit einem Fenster 
im ersten und zweien im 
zweiten Stockwerke, zu 
oberst Zinnen und ein 
steinernes Spitzdach. 
Zwischen den Thtlrmen 
schwebt ein länglicher, 
seitwärts eingebogener 
Schild , darinnen ein 
gestürztes Spitzfeld, in 
welchem zwei mit den 
Rücken gegeneinander gekehrte Mäuse aufspringen. 
An der Seite des Hauptsehildes im Mittelfelde Blumen, 
Uber dem Sehilde 1T>4H. Die Legende in Lapidaren ge- 
schrieben , lautet : t S. germainer stat meissav. Der 
Schriftrand wird innen von einer Stufen-, 




n Ä in 



von einer Kranzlinie eingefasst. (Fig. 13.) Das Siegel 
ist im Ganzen roh ausgeführt, der Stempel ist noch 
erhalten. 

VI. Siegel der Stadt Mcran. 

Dasselbe ist rund (- Zoll 3 Linien) und zeigt im 
Schildfelde Uber Kleepflanzen eine lange , niedrige, 
gezinnte BrUeke mit drei Durchlässen. Aus derselben 
wächst ein einfacher, nach rechts aufwärts sehender 
Adler mit ausgebreiteten Fittichen hervor. Die Legende 




Fig. 14, 

in Lapidaren auf dem von IVrllinien cingefasston 
Sehriftrande lautet: f Sigillum : civitatis : merani. Das 
Original im rothen Wachs auf ungefärbter Sehale hängt 
an rothen and grUnen SeidcnschnUren am Huldigung*- 
briefe der Stadt für Herzog Rudolph IT. (Fig. 14.) 

VII. Siegel der Stadt St. Pölten. 

Das runde Siegel hat einen Durchmesser von 2 Zoll 
!» Linien. Im Siegelfelde, das gegittert und mit Kreisen 

.1 



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XXVI 




dazwischen geziert in«, ein dreieckiger Schild, darin der 
nurrecht stehende rcchtsgeweudete passanische Wulf, ein 
einfaches Pedum mit den Vordcrtnt/.cu haltend. Die 
[Anschrift in Lapidar zwischen Stnfeulinien lautet: f Si- 
;;illum eiviiim de sauen» ipoüto. (Fig. LV) 

Aus Grätz. 

Der k. k. Üonservutor Sehelger hat zur Anzeige 
gebracht, dass gelegentlich der Böhrcnlegung der städ- 
tischen Wasserleitung in Grätz ein unterirdischer Gang 
um Bnrg]>Iatze aufgefunden wurde. Derselbe läuft in 
der Hichtung von Nordost nach Südwest , ist von der 
gepflasterten Sohle bis zum Gcwölhcschcitcl 7 Fuss 
hoch und 3 Fuss im Lichten breit. Das Mauerwerk ist 
ans Bruchsteinen im Mörtel sehr solid nusgetllhrt und 
verputzt, auch noch im besten liauzustandc , das Gc- 
wölbe liegt e. 3 Fuss unter dem Slrassenpflaster. Der 
Gang zeigte sich nur auf c 7 Klafter zugänglich, indem 
er dann an beiden Seiten abgemauert ist. 

Dem Vernehmen nach findet der Gang seine Fort- 
setzung in der südöstlichen Kiehtung unter dem l'ni- 
vcrsitätsgebälndc. Kr soll eine Länge von mehr als 
30 Klaftern haben und die Burg mit dem ehemaligen 
Jcsuitcn-Collegium verbunden haben. Kr durfte in den 
Siebziger- Jahren des XVI. Jahrhunderts von Herzog 
Karl IL von Steiermark, bekanntlich einem warmen 
Freunde der Jesuiten, zu dem Zwecke angelegt worden 
sein, um eine von aussen unbeachtete und ungestörte 
Verbindung zwischen den inneren Bäumen der Hofburg 
und jenem (olleginm zu ermöglichen. 



Zar Kunde der St. Stephanskirche in Wien. 

Ügesser vom J. 1779 S. 131, §. lf>, erwähnt einer 
Aufschrift am neuen Crucirix-Altar (St Veits-Altar), der 
im Jahre 1713 von Grund aus neu aufgeführt wurde. 

Die Inschrift selbst ist ihrem Wortlaute nach in 
keinem Werke Uber die Dom- und Metn>|>olitan-Kirche 
zu St. Stephan aufgenommen worden. 

Nach Abnahme des Marienbildes und der Canon- 
Tafeln wird eine lange aber schmale, horizontnl-einge- 
fUgte Steinplatte, an ihrem linksseitigen Ende durch 
einen Sprung etwas schadhaft geworden, sichtbar. 

Sie ftlhrt, gerade Uber dem Altarstein stehend, fol- 
gende in römischen vergoldeten Buchstaben vertieft ein- 
geschnittene Inschrift: 

Hacf ara DIVo IanVarlo In HonoreM erecta 
Ex voto 

IL."' D. ( nroli Locher L. B. De Lindenheini 
DXI. IN Brunoz, nugusti morti Leopoldi I 
Iosephi I et Caroli VI Excelsae Aulae 
IWllicac Consiliarii intimi et referendarii 
dum A. 1711 ex Htingnria nt plenipotentiarii 
tranquillitate restituta ob recuperatnm 
Sanitate redux dicabat post obitum 
Eins Dna Conjux Maria Theresia natn de Sehlem 
in opus redigi enrnvit. 

Im Innern der Kirche dürfte diese Inschrift die ein- 
zige sein, die bisher nicht in Druck gelegt wurde. 

Karl Freiherr von Lochner und Lindenheim war 
seiner Zeit ein sehr bedeutender Staatsbeamter, eben 
so thätig im Hof- als im Felddienste. Kr unterhielt mit 
dem Prinzen Eugen einen vertraulichen Briefwechsel, 
begleitete den FM. Grafen Caprara in den italienischen 
FeldzUgen , fertigte das kaiserliehe Manifest an die Be- 
wohner Neapels den 3. Februar 1702, paciticirte mit 
dem Palatin Johann Grafen Pälffy im Szathmarer Frieden 
die Rrtkoczy'schc Bebellion in I'ngnrn. Er erhielt vom 
Palatin Ii rothduuuvicnc Fahnen der Käroly'sehcu Husa- 
ren als ein Erinnerungs- Geschenk, benahm sich mit 
vieler Klugheit und wurde mit namhaften Donationen an 
Gütern vom Kaiser Leojwhl und Karl VI. belohnt. 

Den 2*. December 1G!>4 wurde er in der Burg- 
pfarre in Gegenwart der geheiligten Majestäten Leopohl 
und Eleonore mit der edlen Jungfrau Theresia Selderiu, 
gewesenen Hof-Kammerdienerin Ihrer K. M., getraut ■. 

■ [*at*tir. m.b. ii. na. s. im. .. Ar>«m. m. H»r»<<i.. 0«m» 

dtr l'uian II. -IS. IC.fl S .VI WUn.r ni.rium »I. V«i IUI. Tr.n .<«.«»- 



kf.|<IIM« Ci knl 1,114 - M.« - .1« k k llrf un'l .!> 



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XXVII 



Seine kaiserliche und königliehe apostolische Majestät haben den XVI. Band 
der Mittheilungen in Allerhöchster (inade anzunehmen und Allerhöchst Ihre 
Zufriedenheit über die publizistischen Leistungen der k. k. Central -Commission 
für liaudenkmale auszusprechen geruht. 



Die Kunst des Mittelalters in Böhmen. 

(FVtttMumgj 

Miniatur-Malerei. 

Die eultnrgeschichtliche Bedeutung der Miniatur- 
Malerei und deren tiefen wie nachhaltigen Kinfluss auf 
die mittelalterliche Kunstentwicklung eingehend zu 
besprechen, liegt ausserhalb der gezogenen Grenzen. 
Die Übung dieses Faches reicht bis in die erste Zeit 
des Christenthums hinauf, von allen diesseits der Alpen 
vorhandenen Kunstwerken kommt den Miniaturen das 
höchste Alter zu. Über religiöse Anschauung, gesummtes 
Volksleben, Trnchtenkunde u. s. w. gewahren die ver- 
schiedenen mit Miniatur-Bildern versehenen Handschrif- 
ten die umfassendsten Aufschlüsse, wie sich auch der 
des Mittelalters hier am treuesten spiegelt. 

In rein künstlerischer Hinsicht erscheint die Minia- 
tur-Malerei , ehemals Illuminir-Kunst genannt , oft als 
Vorlüuferin des aufblühenden Kunstlebens und gewinnt 
hohe Vollendung; hie und du bleibt sie auch auf der 
ersten Stufe stehen. Ein gewisser Dilettantismus, der 
mit dem Fache aufs engste verwachsen ist, erlaubte 
der individuellen Anschauung den freiesten Spielraum; 
daher gutes und schlechtes, die feinste Empfindung 
und Mangel an aller Durchbildung häufig unmittelbar 
nebeneinander. Diesem I mstande ist es auch zuzu- 
schreiben, dass die Illuminir-Kunst in manchen Landern 
mit dem spiitem Kunstverlauf in keinen Einklang 
gebracht werden kann. In Frankreich z. B., wo das 
Fach schon vor dem Jahre lOfiO blühte, trnt in der 
Folge kein namhafter Künstler auf, wilhreud die jüngere 
burgitndisclie und niederdeutsche Miniatur- Malerei nicht 
allein die französische Uberflügelte, sondern den Grund 
zu einer höchst bedeutenden Kunstschule legte. Ähn- 
liche Verhaltnisse gewahrt man in England und 
besonders in Irland, wahrend in Italien (wo freilich 
antike Traditionen fortlebten und viele aus der 
Heideazeit herrührende Bildwerke vorhanden waren) 
die Illuminir-Kunst erst in einer ziemlich späten Zeit 
höhere Ausbildung erreichte. 

Die Ursache dieser Erscheinungen ist unschwer zu 
linden und liegt in der Stellung des Faches selbst: das 
Illumiuiren war ein Theil der Schreibkuust und wurde 
untauglich nur in Klöstern betrieben. ( Urne bildliche Er- 
Iflnternngen war kein Evangelien- oder Messbuch denkbar ; 
Bücher waren Gegenstände von höchstem Werth und sehr 
gesuchte Handels-Artikcl, daher fabrikmässiger Betrieb 
nicht ansbleiben konnte. Nachdem die Klöster Jahrhun- 
derte hindurch im ausschliesslichen Besitz der Bücher- 
Fabrication gewesen und mittlerweile die Wissenschaften 
XVII 



grössere Verbreitung gewonnen halten , wurde der 
Gewinn des BUchennachens von Laien bemerkt, welche 
nicht säumten sich auf dieses Fach zu verlegen. Auf 
diese Weise bildete sich in Ooncurrcnz mit den Klöstern 
ein weltlicher Künsllerstand , welcher naturgemäss 
seine Wirksamkeit in die reichen Handelsstädte über- 
trug. Begünstigt durch den Reicht hum und die freien 
Institutionen der flandrischen Städte , gehoben durch 
die Prachtliebe des bnrgundischen Hofes, entwickelte 
sich in den deutschen Niederlanden ein grossartiger 
Aufschwung der Miniatur-Malerei, welcher sich bald in 
die Rheinstädte und weiterhin gegen Osten verbreitete. 

Die Art , wie in den Illmuinir- Werkstätten die 
Arbeiten ausgeführt wurden , kann man in manchem 
halbvollendeten Codex erkennen. Maler und Schreiber 
arbeiteten mit Schablonen und ähnlichen Hilfsmitteln; 
die Blätter gingen von Hand zu Hand, wobei jeder 
Gehilfe ein besonderes Geschäft vollführte. Nachdem 
der Meister die Umrisse vorgezeichnet, besorgte der 
erste von den Gehilfen die Vergoldungen, ein zweiter 
arbeitete nur mit blauer, ein dritter nur mit rother 
Farbe, bis das Blatt endlich wieder an den Meister 
gelangte, welcher die Gesichter beitilgte und allenfall- 
sige Correctnren vornahm. 

Böhmische Miniaturen. 

Der Reichthum an Werken der Illuminir-Kunst in 
Böhmen grflnzt ans unglaubliche; beinahe alle Städte 
und Bibliotheken, die Klöster und viele Kirchen besitzen 
Bilderhandschriften von hohem Werthe. Arbeiten aus 
den frühem Jahrhnndcrten sind im Ganzen selten ; das 
glänzende Zeitalter der böhmischen Miniatur-Malerei 
beginnt mit dem XIV. Jahrhundert , doch wurden noch 
bis herein in die Refonuations-Zeit viele treffliche Werke 
ausgeführt. Kein anderer Kunstzweig ist im Lande mit 
solcher Vorliebe cultivirt worden als das Illuminiren. 

Die St. Wenzels Legende von Gnmbold. 

Wann und nnf welche Weise diese Lebens- 
beschreibung des heil. Wenzel an die Wolfenbttttler 
Bibliothek gelangte, ist unbekannt ; das auf Pergament 
geschriebene Werk führt die Überschrift: „Hum* libel- 
Itim Hemma vcnerabilis prineipissa pro reinedio auime 
sttc in honorem beati Venzcslauvi martiris fieri jussit. - ' 
Bisehof Gumlmld von Mauttta hat die Legende auf 
Befehl einer Fürstin Hemma (beider Andenken hat sich 
nur durch diese Überschrift erhalten) verfasst : die 
Schrift ist sehr deutlich und in kalligraphischer Hinsicht 
ein wahres Meisterstück. Die eingeschalteten Miniatur- 
Bilder stehen auf Goldgrund nnd lassen erkennen, dass 
der Illuminator mit den Sitten und Gebräuchen Böhmens 
vertraut war. 



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XXVIII 




I »ms Titelblatt, 
ilcn heiligen Weinte 



and f> Zoll breit, stellt 

die Siegesfahne in der 
welcher dem Märtyrer 



6 Zoll hoch 
dar; er häl 
Hand, darüber schwebt Christus 
eine glockenförmige Krone aufsetzt. Zu den Füssen 
des Heiligen liegt die Urheberin des Buches, Prinzessin 
Hemma. Auf dem zwanzigsten Blatte der Handschrift 
befindet sich ein in zwei Felder abgetheiltes , hin- 
sichtlich der Charakterschilderung merkwürdiges Hihi 
von #»/» Zoll Breite und 3 Zoll Hohe. Im ersten Felde 
sieht man den Heiligen, wie er im Begriffe steht, seinen 
Bruder Boleslav und die mit ihm gekommenen Gäste 
II bedienen. Wenzel trügt eine Schüssel auf der Hand, 
ein Kugel warnt ihn vor Keinem Bruder. Das zweite 
Fehl stellt einen deeorirten Saal vor, wo Boleslav mit 
vier Kumpanen tafelt und den Brudermord verabredet. 
Die Verschwornen geben sieh unter dem Tisch die 
Hllnde, während der herantretende Wenzel mit freund- 
lichem Grosse empfangen wird. Bei aller Schwäche der 
Zeichnung sind die Geberdeu leicht verständlich und 
dabei die Physiognomien echt böhmisch. Auch die 
Trachten zeigen nationales Gepräge: Wenzel trägt einen 
kurzen Pelzrock, kreuzweiN Oberhundem- Beinkleider, 
Sandalen, und ist vollbärtig dargestellt, Boleslav und 
seine Genossen tragen spitze Schnauzbärte und haben 
Hüntel Uber die Pelzrücke geworfen. (Fig. 2(>.) 

Das folgende Blatt zeigt in einem Doppelbilde die 
Ermordung Wenzel's: rechts sieht mau, wie Boleslav 
beim ersten Angriff von seinem Bruder niedergeworfen 
wird, links will Wen/.el in die geöffnete Kirche ein- 
treten und wird von hinten her niedergestochen. Die 
frühere Ansieht, dieses Manuscript sei bereits um KHMJ 
gefertigt worden, wird von Pertz, welcher in seinem 
l'rkundenwerke einen vollständige! Abdrnck des 
Textes mitthcilt , gründlich widerlegt. Dieser grosse 
Kenner hielt das vorhandene Buch für eine spätere 
Abschrift des wahrscheinlich verloren gegangenen Ori- 
ginals. 

In den Miniaturen zeigt sich offenbar das Bemü 
hen, die byzantinische Form abzustreifen und eine rea- 



listische Hichtuug auztibah- 
nen, l'rsaehen, welche den 
Kunstforsclu r bestimmen, der 
von I'ertz ausgesprochenen 
Meinung beizutreten. Die 
Bilder sind mit Deckfarben 
gemalt , die Vergoldungen 
stark aufgetragen und die 
Buchstaben mit eigentüm- 
lichem Schwung in Gold- 
schrift geschrieben. 

VyAehradcr Codex. 

Dieses Buch besteht aus 
irw Pergament ■ Blättern in 
Gross-Quart, ist durchaus mit 
f apital-ßuchstaben geschrie- 
ben und mit vielen Bildern 
gesehmUckt. Die Gemälde 
sowohl wie die reichverzier- 
ten Initialen tragen ein mehr 
MltcrthUmliehcs Gepräge, als 
man in der St. Wenzelsle- 
gende gewahrt, auch tritt 
das nordische Element mit 
seinen phantastischen Bildungen auffallender hervor. 
Die Bilder sind grftsstcntheils dem neuen Testament 
entnommen, als Verkündigung, Geburt Christi, Anbe- 
tung der Könige u. s. \v.; dann wird das Leiden Christi 
in mehreren Blättern erklärt, denen Kreuzigung, Grab 
legung, Auferstehung. Himmelfahrt nnd Ansgiessung 
des Geistes folgen. Das 6k. Blatt, stellt iu reicher 
Arabeske den heil. Wenzel als Landes-Patron dar , den 
Herzogshut auf dem Hnupt, eine Fahne in der linken 
Hand '. 

Die säuimtliehen Miniaturen, besonders die Initia- 
len und obiges Wenzelsbihl, stimmen auffallend mit 
einem Zwicfaltcr Passionale in der Bibliothek zu 
Stuttgart, einem Denkmal aus der ersten Hälfte des 
XII. Jahrhunderts, überein, und lassen dieselbe Ent- 
stehungszeit voraussetzen. Die Zeichnung der Figuren 
ist im höchsten Grade unbeholfen und mit schwarzen 
Strichen unsicher vorgezogen, das Gold nuf Mennig- 
oder Bolns-Grand aufgetragen, und die Farben ersehei- 
nen bei vorwaltendem Lichtblaugrau durchaus matt. 
Schattirnngen sind nur hie mal da angegeben, dafür 
wurden weisslichc Lichter mit strahlenförmigen Linien 
aufgesetzt. Als Sonderheit ist anzuführen, das* bei den 
zahlreichen Vergoldungen und der mitunter vorkom- 
menden Gohlsehrift kein echtes Gold, sondern bronze- 
artiges Metall (vielleicht auch stark mit Silber ver- 
setztes Gold) gebraucht wurde . welches tiefschwarz 
geworden ist. 

Die ersten Blätter, die Evangelisten uud den 
Stammbaum Christi enthaltend, zeigen sehr alterthüm- 
liches Gepräge und gehören wahrscheinlich einer 
andern Hand an. als die in den nachfolgenden Blättern 
häufig angebrachten Initialen. 

Die Vennuthiing, dass Herzog Sobeslav I. dieses 
Buch dem VySehrader Capitel mit vielen andern Ge- 
sehenken im Jahre IL!«» Ubergeben habe, scheint sehr 
begründet: wahrscheinlich wurde das Werk auf seinen 

1 S dl« .Mi M Uu »tf l»s dec Mltthf IltingMi der k. k. C«*l Cumitt J«hT- 
liiuic V. K. r V)fc.lir*d. r l vor. J. t. » »col. S Ii.— t! 



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XXIX 



— <^ / r > ss£Z~^ 





ng, -27. 



Befehl im Interesse dieser .Sehenkling gefertigt. Die 
Ausführung geschah auf alle Fülle in Böhmen , wie 
schon das erwähnte Bild des heil. Wenzel, dessen 
Auffassung genauest mit den alt-böhmischen Münzen 
und Stempeln Ubereinstimmt, erkennen lässt. 

Wir haben hier verschiedene in den Randleisten 
vorkommende Ornamente beigefügt, welche sämmtlieh 
mehr dem XII. als XI. Jahrhundert entsprechen und 




Fi«. 30. 

jedenfalls die Zeitbestimmung dieses hochinteressanten 
Werkes, das sieh in der langer Universitäts-Bibliothek 
befindet, erleichtern. Fig. 27—36. 

Das Glossarium Mater Ycrborum <. 

Dieses Glossarium oder Dictionarinm universale 
ist nicht allein bedeutend jünger, als die vorbeschrie- 
benen Werke, sondern enthält schon allerlei gothische 
Anklänge, zeigt aber dabei eine sehr vervollkommnete 
Technik. Das Buch wurde im Jahre 1M19 von Joseph 



in einem der eingeflochtenen Bilder die Namen des 
Schreibers (Vaceradl und des Blnminators fMiroslav), 
wie auch die beigefügte Jahrzald der Vollendung 
erhalten. 

Das Buch ist in textlicher Hinsicht kein Original, 
sondern eine Abschrift des auf Veranlassung Salomon's, 
Bischofes von St. Gallen, zusammengestellten Dictio- 
narinms, welches im X. Jahrhundert verfasst wurde nnd 




Fig. 31. 

eine alphabetisch geordnete Erklärung lateinischer, 
griechischer und hebräischer Wörter enthält. Das Unter 
nehmen scheint gleich anfangs grosscu Beifall gefunden 
zu haben, es wurden viele Abschriften gemacht, deutsche 
Glossen beigefügt, bis endlich das Verlangen, dieses 
nützliche Buch auch in Böhmen bekannt zu machen, 
zwei Mönche veranlasste , eine Abschrift zu nehmen 
und mit böhmischen Glossen auszustatten. Die einge- 
schalteten Miniatur-Bilder dienen als Decorationen der 
verschiedenen Buchstaben, welche je die alphabetischen 




Fi*. 32. 

Graf Kolovrat - Krakovskj dem böhmischen Museum 
geschenkt und soll aus einem aufgehobenen Kloster 
(unbekannt welchem) herrühren : es enthält '242 Perga- 
ment-Blätter von beinahe 10 Zoll Höhe und 18 Zoll 
Breite. Nachrichten oder nur einigermasBen glaubwür- 
dige Vermnthungen , wo das Werk gefertigt und aufbe- 
wahrt worden, sind nicht gegeben; dagegen haben sich 




PI«. 33. 

Abschnitte einleiten. So nimmt der Buchstabe A in 
reicher Arabeske eine ganze Blattscite ein, indem am 
untern Rande nur die ferneren drei Buchstaben BBA 
beigefügt sind, um das erste Wort im Alphabet Abba 
(patcr, Vater) erscheinen zu lassen. Eine Erklärung 
dieser prachtvollen, anf Goldgrund gemalten nnd mit 
vielen Figuren ausgestatteten Arabeske , in welcher 





Fl*. M Fi«. 35. (F-r»ir 

' .» I l; \V..<el In ,l,n MltllxllunKr« . ... 0 S. 3.1— X>. 



Fi«-. :u. 



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XXX 




Fig. (Hoheafnrt.) 



man den Sieg des Christenthnms Ul»er das Hcidcnthnm 
i-rkenncn will, würde von uuserm Zweck abfttliren : 
auch besitzen andere Bilder einen gitam Kunstwcrth, 
80 z. !>• der Bnehstalic 1', in dessen Rundung ein lieb- 
licheK Madonna-Bild eingetragen ist. 

Unterhalb der Madunna knien auf dem Goldrande 
zwei Mönche mit Spruchbändern. Auf dem .Spruchbande 
des in der Ecke knieenden kleinern Mönches liest man : 
Ora . I* : SCKtt . VACttDo. (ora pro scriptorc 'Vaec- 
rawlo) wenn anders der Name richtig ergänzt wcnlen 
kann. Dan Spruchband des grossem Mönches lautet: 
ORA . P . ILLKR MIHOSLAO . A . MCCIL . (ora prf. 
illuminatore Mirosiao. anno 1202, wenn nicht das letzte 
Zeichen der Jahrzahl ein L bedeuten soll, wonach 1240 
zu verstehen wäre). In wie fern Maler und Schreiber 
sich unterstützten , ob noch andere Personen mitge- 
arbeitet haben , wird nirgends angedeutet : unter- 
scheiden lassen sich in den Miniatur-Bildern deutlich 
zwei Manieren , eine byzantinische und eine freiere 
realistische. In der erstereu ist das Titelblatt mit dem 
Buchstaben A, ferner die Buchstaben H, I, P, Q, B und 
andere gehalten : hier sind die Conturen scharf mit 
schwarzer Farbe ausgedrückt , dabei aber die Linien 
messend und abgerundet, fast wie in den ältesten Glas- 
gemälden. Der Buchstabe P, auf welchem Schreiber 



und Illuminator dargestellt sind, zeigt die byzantinische 
Manier in feinster Durchbildung. 

Der zweiten freieren Richtung gehören die Buch- 
staben M, N, T und da« vorzüglich gelungene Y au: 
es herrscht in diesen Gebilden grössere Lebendigkeit ; 
doch ist die Zeichnung unsicherer und eckiger als in 
den vorigen Bildern. In der Höhlung des X ist die 
Heimsuchung angebracht, der Buchstabe T wurde als 
Kreuz benutzt, um die Kreuzigung Christi darzustellen, 
und in dem Buchstaben Y ist ein Bild der Weinlese 
eingewebt. Ein leicht geschürztes Mädchen auf Rankcn- 
windungen stehend, bricht mit der rechten Hand eine 
hoch oben hängende Traube und blickt zu gleicher Zeit 
nach einem rückwärts kauernden Affen, der sich das 
Maul vollstopft. Die Bewegung des grösstenteils ent- 
blössten Körpers ist schwungvoll und nicht ohne Grazie, 
doch die Musculatur der Arme und Beine etwas zu stark 
ausgedrückt. 

Der Farbenauftrag ist durchgehend» weich und für 
das Auge wohlthuend, die Farben sind meist gebrochen 
und es herrschen Mitteltöne vor; dabei ist der Auftrag 
nicht so massig und pastos, wie in den Bildern des 
Vysehrader Codex und in den meisten altern Miniaturen, 
sondern leicht und oft fein verschmolzen. Auch der 
Faltenwurf überrascht manchmal, wie an der Schürze 
des Mädchens, durch naturgcn Anordnung. 

Missale in Hohenfurl. 

Das oft genannte, 1259 durch Yok von Rosen- 
lierg gegründete Cistercienser- Stift Hohenfnrt besitzt 
neben vielen wichtigen Kunstwerken auch eine reiche 
Sammlung von Pergament-Schriften , von denen die 
Mehrzahl der Regierungszeit Karl IV. und seines 
Nachfolgers Wenzel IV. angehört. Ein Plenarium zeigt 
höheres Alter und gehört bereits seit der Gründnngs- 
zeit dem Kloster an. Mutmasslich war das Buch jenen 
Geschenken beigefügt , welche Yok und seine Ge- 
mahlin Hedwig Grälin von Schauenburg am Gründung*- 
tage (10. Juni) dem Stifte gewidmet haben und es 
scheint auch zu diesem Zwecke eigens gefertigt 
worden zu sein. Es enthält keine figürlichen Darstel- 
lungen, sondern nur Randverzierungen, welche von deu 
Anfangsbuchstaben (Initialen) auslaufen , bald der 
Breite, bald der Länge nach die Blätter durchziehen 
und mit schwarzen festen Linien ohne Anwendung von 
Farbe gezeichnet sind. Die Ornamente haben weder 
antike noch gothisehe Beimengungen und bewegen 
sich genau innerhalb jener Architektonik, welche den 
Charakter des romanischen Styles bildet. Dasselbe Ran- 
kenwerk, welches die im Vysehrader Codex ent- 
haltene St. Wcnzclsfigur umzieht, sehen wir hier in 
weiterer Fortbildung. Die Schriftführung sowohl, wie 
die Zierlichkeit der Verschlingnngen lassen in Über- 
einstimmung mit den geschichtlichen Nachrichten die 
Mitte des XIII. Jahrhunderts als Entstehuugszeit an- 
nehmen. 

Da die Herren von Rosenherg an ihrem glänzenden 
Hofe viele Künstler unterhielten und mehrere der 
Hohenfurter Pergament -Schriften nrknndlich als Ge- 
schenke dieser Dynasten bezeichnet sind, darf das 
besprochene Werk mit allem Rechte als Leistung eines 
Rosenberg' sehen Illuminators und als Landes-Produet 
nngesehen werden. 

Die Arabeske des Buchstaben P, in Fig. 37. 



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XXXI 



I 1 * 



Neben diesem Missale findet sich 
in der Stifts-Bibliothek noch ein zwei- 
tes Bilderwerk mit illumiuirten An- 
fangsbuchstaben, eine Lebensbeschrei- 
bung des heil, Bernhard, von Herrn 
Heinrich Roschberg im Jahre 1411 
dem Stifte gewidmet. Die Initialen 
erscheinen zwar romanisch und «ller- 
iliümlich, die Schriftlührnng dagegen 
verräth das beginnende XIV. Jahr- 
hundert. 



t 



.V 



p 



Die Jnronief er Bibel im böhmi- 
sehen Museum in Prag. 

Unendlich höher als obiges, kaum 
zur Hälfte betrachtenswerthes Bilder 
werk steht die sogenannte Jaromü- 
fer • Bibel, ein Pracht-Codex in Folio 
von 4!M> Blattern. Das Werk enthalt 
keine selbständigen Bilder, aber sehr 
viele Initialen, welche mit sorglältig 
ausgeführten farbigen Darstellungen 
versehen sind. Die Mehrzahl dieser 
Bildchen steht auf quadratischem Gold- 
grund von etwa :.' Zoll Breite und 
Höhe: manchmal, wie im ersten Blatte, 
finden sich vier bis fünf solcher kleinen 
Bilder untereinander. Alle Conturen 
siud mit schwarzer Tnsche vorgezeich- 
net und mit tiefen, dllun aufgetrage- 
nen Farben ausgefüllt. Von Vergoldun- 
gen ist massiger Gebrauch gemacht, 
dafUr herrscht dunkles Blau, Ultra- 
marin, vor. Der in Buchstaben und 
Ornamenten eingehaltene Charakter 
ist noch vollständig der romanische, 
doch sieht man allerlei rein gothisehe 
Kinzelhciteii , Baldachine , Fialen n. 
dgl. zwischen gemengt, gerade so, wie 
gelegenhcitlicii der spät-romanischen 
Bauten , namentlich der Kirche zu 
l'otvorov, dargelegt worden ist. 

Die 1 •/, bis 2 Zoll hohen Figür- 
ehen zeigen sich fein und in richtigen 
Fig. 38. \Vng.) Verhältnissen gezeichnet , die Falten 
gut gelegt und sorglältig mit schwar- 
zer Tusche abschattirt , indem die Felder mit dunkel- 
rothen oder dunkelblauen Tinten ausgefüllt sind. Auf 
dem Blatte Nr. 34<i hat sieh der Maler abgebildet, 
eine lange mit einem Mantel bekleidete Gestalt, welche 
auf dem bärtigen Haupte eine Pelzmütze und in der 
Hand ein Spruchband trägt, worauf die Worte: Bohuss 
Lvtomcz pinxi. 

Am Postament steht: anno MCCLVIIH. 
Der Maler, Namens BolinS oder Bohnslav, ent- 
stammte also der Stadt Leitmeritz, einem schon damals 
sehr bedeutenden Orte. Dieser Bonus seheint ein 
Instiger Kauz gewesen zu sein, der seine besondere 
Freude an Caricaturcn nnd humoristischen Darstel- 
lungen hatte. Diese sind es, welche dem Buche unge- 
wöhnliches Interesse verleihen. Die ganze Thierwelt,- 
Vierfüssler, Vögel, Fische, Schlangen, Krokodile, selbst- 
erfundene Bestiarien , Centauren , Tcufelslarven und 
anderes tolle Zeug sind zu Hunderten eingefloehten 



und mit den gewöhnlichen 
Anfangsbuchstaben verbun- 
den. Die Initiale I, welche 
das Bild des Malers ent- 
hält, und ein gewöhnlicher 
Anfangsbuchstabe C , auf 
dessen Randverziemng der 
böse Ruprecht, der Kinder- 
fresser, angebracht ist, fin- 
den sich in Fig. 38 und 
Fig. 39 beigefügt. 

Das ganze Werk ist 
trefflieh erhalten: an meh- 
reren Blättern ist mit etwas 
späterer Handschrift ange- 
merkt : iste über monasterii 
jerimr. (Dieses Buch gehört 
dem Kloster Jaronttf.) 

Bilder-Bibel 
in der fürstlich Lob- 
kowic'schen Biblio 

Ihck in Prag. 

Ein eigentliches Bil- 
derwerk ohne Text, beste- 
hend aus 187 Qnartblüttern, 
welche gewöhnlich durch 
Linien in zwei Felder abge- 
thcilt werden und leichte 
Federzeichnungen enthal- 
ten. Die Illustrationen um 
fassen das alte und neue 
Testament, die Apostelge 
schichte und die Offenba- 
rung Johannis: am Schlüsse 
ist noch eine bildliche Er- 
läuterung der St. Wenzels- 
Legende beigefügt. 

Der Ktiustwerth dieser 
Zeichnungen ist sehr ver- 
schieden , wie sie auch ver- 
schiedenen Zeiten angehö- 
ren. Einige Blätter entstam- Fl*, 39. (Prag.) 
men noch dem XIII. Jahr- 
hundert und zeigen romanische Decorationen, welche in- 
dessen auch copirt sein mögen: der bei weitem grösste 
Theil des Werkes lässt das vorgerückte XIV. Jahrhun- 
dert erkennen. Jede Zeichnung wird durch eine am 
Hände angebrachte lateinische Inschrift erklärt, hie und 
da sind Spruchbänder mit Bibelstellen und einzelne erklä- 
rende Worte zwischen den Figuren eingeschaltet, auch 
wurden von einer spätem Hand deutsche Noten hinzu- 
gefügt. Die ersten Blätter, die Schöpfungsgeschichte 
umfassend, sind die gelungensten, aber auch schad- 
haftesten : das vom Hause aus schwache Pergament ist 
stark abgenützt, obendrein ist da« Buch in die Hände 
eines Puritaners gekommen, welcher in übertriebenem 
SchiekliehkeitsgcfUhl alle entblössten Fleischpartien 
ausradirte. 

Nur in einzelnen Zeichnungen sind Theile mit 
Lasur-Farben ausgefüllt , z. B. die Heiligenscheine, 
Kronen und Embleme gelb, die Rüstungen lichtblau, 
die Kleider hervorragender Personen roth, grün oder 
violett. Die meisten Blätter des neuen Testaments und 




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XXX II 




hing der Finsternis*, zwei Kinder 
welche aneinander lehnend ins 
Dunkle hinausgreifen, ist in Fig. 4<» 
wiedergegeben. 

Miniaturen de» Prager Dom 
sr hatzes. 

Kaiser Karl IV. war nicht 
allein iler grösstc Förderer ein- 
heimischer Kunst, sondern auch 
ein iincnutldcter S; 




Rg. 40. 



der Apokalypse sind mit äusserster Nachlässigkeit, ja 
Rohheit behandelt nnd ermüden /.«gleich wegen end- 
loser Wiederholungen : einige Zeichnungen dagegen 
Uberraschen durch sinnreiche Auflassung und zartes 
Linicngeftlhl. Sogleich das erste Bild des ganzen 
Werkes (Seite 1), die Finsterniss darstellend, zeigt eine 
Anordnung, dass man, abgesehen von den sehr ver- 
zeichneten Händen und Beinen, eine Ulchtige Schule vor- 
aussetzen muss. Nicht mindere Anerkennung verdient 
die Gestalt der zwischen ihren Mördern zusammen- 
sinkenden heiligen Ludmilla. 

Auf dem letzten Blatte hat der Maler sein eigenes 
Bildniss in kniender Stellung angebracht, diesem gegen- 
über steht auf einem kleinen Postamente die Figur der 
heiligen Katharina. Auf einem Sprachbande liest man 
die Worte : Sca. Katerina exand taumln tu vellizlaü. 

Der Illuminator war also ein Böhme Namens Ve- 
lislav, oh Münch oder Laie, lässt die Tracht nicht genau 
erkennen ; doch sprechen die grosse Bibclkunde und der 
Umstand, dass der Maler einem Heiligcnhilde gegenüber 
kniet, eher für den geistlichen als weltlichen Stand. 

Die Schrift ist jene scharfe Fractur-Minnskel , mit 
welcher die meisten Urkunden des Knisers Karl IV. 
geschrieben sind, und die von circa 12M his 1400 
üblich war. Diese Bilderbihel, welche im Ganzen dem 
vorgerückten gothischen Style angehört, wurde hier nur 
aus dem Grande eingereiht, weil alle Geschichlforschcr 
sie den früheren Kunstwerken Böhmens beizählen, 
obwohl sie nur einzelne romanische Bilder enthält. Die 
auf dem ersten Blatte des Buches erscheinende Darstel- 



dessen 

Bestrebungen fortwährend aui Ver- 
herrlichung des, durch ihn erbau- 
ten Domes gerichtet waren. Bei 
seinen vielen Keiscn und diploma- 
tischen Verbindungen hat er man- 
cherlei äusserst seltene Kostbar- 
keiten erworben, deren Ursprung 
nicht mehr ermittelt werden kann, 
was namentlich von den meisten 
Pergament-Schriften desDomsehat- 
zes gilt. Da diese Werke ohne 
Zweilei grossen Kintluss auf die 
böhmische K «listen! wicklung geübt 
haben, dürfen die hervorragenden 
nicht übergangen werden, als: 

1. Ein Evangeliur in Quartfor- 
mat, 111) Blätter stark, ganz mit 
Goldbuchstaben geschrieben und 
mit neun Miniatur-Bildern ausge- 
stattet. Die Bilderstehen auf Gold- 
grund, sind mit starken schwarzen 
Conturen vorgezeichnet, mit Deck- 
farben illmninirt und die Lichter 
weiss erhöht. Jede Darstellung ist auf einem besondem 
Blatte befindlich, alle gehören dem neuen Testament au, 
als Gehurt Christi, Einzug in Jerusalem, die Frauen am 
Grabe, Himmelfahrt Christi und Pfingstfest; dann die 
Bilder der vier Kvangelisten. Die Behandlung ist hart, 
roh byzantinisch, die Vergoldungen aber glänzend. Vom 
ehemals kostbaren, aus Metalldeekeln bestehenden 
Einband hat sich nur die etwas defecte Vorderseite 
erhalten. Die Arbeit scheint italienischen Ursprungs und 
dem XL Jahrhundert angehörend. 

2. Ein zweites Evangelien-Buch mit 241 Pergament 
blättern und einem in Elfenbein geschnitzten Deckel 
von spät-römischer Arbeit, ebenfalls mit Goldbuchstaben 
geschrieben. Im Vergleich mit dem vorbeschriebenen 
sind Ausstattung und Decorationen viel geschmack- 
und prachtvoller, auch mannigfaltiger, die Figuren aber 
bedeutend roher, fast ohne alle Formgebung. In den 
Ornamenten ist der romanische Styl noch nicht vollstän 
dig ausgesprochen, wie es in den alt-italienischen Minia- 
turen vorzukommen pflegt. Die Ausführung zeigt das 
beginnende XII. Jahrhundert an. 

3. Ein drittes, dem vorigen in Bezug nuf Anord- 
nung sehr ähnliches Evangeliar in Folio , in welchem 
die Pracht der Vergoldungen und Ornament irischen Aus- 
stattung aufs höchste gesteigert ist. Auch sind die lang 
gezogenen Figuren bedeutend besser gezeichnet, hie und 
da verräth sich offenbares Streben nach Bewegung und 
Ausdruck. Jedem Evnngelium ist eine Darstellung des 
Evangelisten beigefügt, dann folgen geschichtliche Bilder, 
den betreffenden Text erklärend. 



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XXXIII 



So enthält das Evangelium di s heil. Matthäus die 
Stammtafel Christi, ferner Geburt, Anbetung, Taufe, 
Versuchung, Verklarung untl Einzug iu Jerusalem, in 
hergebrachter Reihenfolge. Die Einleitung geschieht 
ilureh die Worte: „Initium Saneti Evangelii secundum 
Matthaeum" , welche in grossen OoldbueliBtabcn das 
■Si 1*1 den Evangelisten umgeben, Überall sind Medail- 
lons mit Figuren , Spruchbänder , liankcnwcrke nnd 
Pestiarien zwisehengemengt. 

Im Krangelinm de« heil. Marens sieht man den 
Tanz der Herodias und Johannis Enthauptung, den 
Fisching, die Frauen am Grabe, Auferstehung und Him- 
melfahrt. Wie dem heil. Matthäus ein Engel das Much 
hüll, verrichtet hier ein aufgerichteter Lowe dieses 
Geschäft. 

Das Evangeliinn des heil. Lucas enthält: Verklln 
digung, Heimsuchung. Darbringung, Itingstfest n. h. w., 
ferner das Bild des Evangelisten in ähnlicher Anord- 
nung. 

Dem Evangelium S. Johannis sind neben den erklä- 
renden biblischen Bildern zwei grosse geschichtliche 
Darstellungen beigeschaltet: das eine enthalt die Schö- 
|ifungsgescliichte, das andere eine allegorische Kaiser- 
krönung Herzogs Heinrich des Löwen. Dieses letztere 
Bild hängt mit einem fernen), das Buch einleitenden 
Widmnngsblatte zusammen , auf welchem die Bildnisse 
Heinrich » und seiner Gemaliu Mathilde als Donatoren 
angebracht sind. Bei weitem als wichtigste nller Dar- 
stellungen erscheint das Krömtngshild , welches in aus- 
gesprochener Hoffnung, es werde der bildlich augedeu- 
tete Vorgang demnächst Thatsache werden, angetertigt 
wurde. Neben Herzog Heinrich stehen «eine Elten» und 
Grosseltern, Kaiser Lothar nnd Richenzn, Heinrich der 
Stolze nnd Certrndis, neben der Herzogin Mathilde ihr 
Vater Heinrich II. von England und ihre Mutter, eben- 
falls Mathilde geheissen. Allen Personen sind die Namen 
beigefügt und in der Vorrede werden nicht allein die 
Stifter, sondern auch der Schreiber mit folgenden Heimen 
angeführt : 

Aurea ti-Btatur liace »i pa^-clla Icjrnlur 

( limto «It'votits Ilctiriciis tlnx iptia tntus 

Cum cotiMirtf fluni nil prat-tnllt ejui aiimri. 

Haue »rirp» nxalis. liiuir edulit imperial)» 

Ipse mh Karc.li cicilidit tili Anilin »«■Ii 

Mittere Mathiblaiu totalen quae jriiriifret illam 

I*er quin pax Cbrfatl patriaeuue JaJui rtalar Mi. 

Hoc opua auctoris psr nobile jioixit amori» 

N'iini vixert- Ituni virtnte« all uiunia prmii 

Lvjpi luauua ipioruui »uperaii* beuetatta prioriuu 

Exiullt haut 1 urbrin. Iuc|iiitnr ipuxl t'ania per orbeui 

Sacri» tMKIomni, cum rrlijrmnc bonorum 

Templis urnavit ac muri» aiupliHi'avit, 

Intel ipiac, Christe, fuljrcn» am«, über i»tc 

Oflertur rite ape pcrpotiiao vitac 

Inler iamrum cuniortia pars »it c.ruui 

Dielte nunc noti, narrantea imstcritati 

En, Helvanlenae Oorrad.i II patre Jubi-utc 

Dcvota mente riiici» imperitmi p.i«intc 

lVtre tm monnelii Uber lue eal labor lleriumi.ui 

Man sieht, diese Vorrede sowohl wie auch das 
ausführlich geschilderte Gemälde Huldigungen enthal- 
ten, welche dem mächtigen Hause der Weifen darge 
bracht werden, und zwar in einer Zeit, als Friedrich 
Barbarossa die Niederlage bei Mailand erlitten hatte. 
Damals erhob die Weifen-Partei st< dz das Haupt, man 
glaubte mit Sicherheit, es werde dem Herzog Heinrich 
die deutsche Kaiserkrone zu Theil und in dieser Voraus 



»ctxung wurde das Krömingshild gemalt. Hiedurch wird 
die Entslehuugszeit dieses fllrdie mittelalterliche Kunst- 
geschichte äusserst wichtigen Miniatur-Werkes bis auf 
einige Jahre siehergestellt ; das fragliche Haupthild 
wurde gemalt nach der Sehlacht von Legnano (1171!) 
und vor Ächtung des Herzogs (11*0), die Ausführung 
des Ganzen hat übrigens mehrere Jahre in Anspruch 
genommen. 

Das Kloster Helwnrdcn, welches in der Vorrede 
als Ort tler Ausführung genannt wird, ist zwar nicht 
getiau ermittelt, durfte indess trotz mancher dagegen 
erhobener Zweifel doch Hilwarteshansen an der Weser 
im Uraunsehweigischen sein. Obgleich ein Nonnenstift, 
konnten immerhin Äbte Vorsteher gewesen sein, wie 
dieses unter andern in den Prämonstralenser Nonnen- 
klöstern Doxan und Louniowic «1er Fall war. Unter allen 
deutschen Miniatur- Werken des XII. Jahrhunderts wird 
schwerlich eines an Farbenpracht und Keiehthnm Uber 
diesen Codex gestellt werden können , welcher auch 
in geschichtlicher Hinsicht als höchst bedeutungsvolles 
Denkmal anzuerkennen ist. Uber den Illuminator Hert- 
mann ist keine weitere Nachricht zu finden, auch kein 
anderweitige« Werk, welches ihm zugeschrieben werden 
könnte. 

Torentlk und Kleinkünste. 

Von den verschiedenen Zweigen der Kleinkünste 
mtlssen wir zuerst der vornehmsten, nämlich der Gold 
sehmiedekunst als eines von weltlichen Meistern betriebe 
neu Geschäftes erwähnen, leider haben sieh nur wenige 
Denkmale davon erhalten. Münzprägung und Stempel 
sehneiden wurden ebenfalls von den Goldschmieden 
geübt und gelangten schon im XI. Jahrhundert zu nner- 
kennenswerther Blllthc. In späterer Zeit, unter König 
Wenzel II., wurden um 1300 zur Durchführung eines 
geregelten Münzwesens und gleichmässigcr Prägung drei 
MUnzmeistcr aus Florenz verschrieben und in Kutten- 
berg die IlauptmUnzstättc eingerichtet , nachdem sie 
bisher in Prag gewesen. Im Jahre l'M7 wird Driloth 
(dreiloth) als Münzmeister genannt, auf welchen Ebcrlin 
oder Eberhard , welcher sich um die Gründung der 
liebender St. Gallus-Kirche angelegten Prager Neustadt 
grosse Verdienste erw orben hatte , als königlicher Vor- 
steher des Münzamtes folgte. 

Die alten Siegel nähern sieh den Münzen, sind 
aber derber gehnltcn. Das früheste Prager Stadtsiegel 
mit der Inschrift : Sigillum civium Pragensium de nova 
civitate, rührt aus der Zeit de* Königs Utakar II. her, 
darauf ist der heil. Wenzel mit Schwert und Schild dar- 
gestellt. 

Künstliche Gewerbe, wie Drechslerei, Schlosserei, 
Herstellung feiner Waffen und Musik-Instrumente, Gla- 
serei und ähnliche Geschäfte seheinen neben den Klöstern 
nur in Prag geblüht zu haben : von hier aus wurde das 
ganze Land mit den betreffenden Erzeugnissen ver- 
selieu. Auch der Handel war in Prag eoncentrirt und 
befand sieb grösstenteils in Händen deutscher Unter- 
nehmer und der Juden , welche letztere seit nicht zu 
bestimmender Zeit in liöhmen wohnten. Die fremden, 
zunächst deutschen Kaufleiile wohnten und hatten ihre 
Niederlagen im Katifliofe, welcher sieh bei der gegen 
wärtigen Teinkirche ausbreitete. Dass hier auch gewisse 
Artikel , nach welchen lebhafte Nachfrage stattfand, 
durch eingewanderte Handwerker gefertigt wurden und 



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XXXIV 



Überhaupt grosser Rekhthuni in Prag «UMmmenströmte, 
(riebt Cosmas Kohr bestimmt an '. 

Glockenguss wurde in der zweiten Hälfte des 
XIII. Jahrhundert» in Prag betrieben, wahrscheinlich 
auch der Zinn- und Bleignss, wie wir nach der außer- 
ordentlichen Verbreitung , welche dieses Gewerbe in 
späterer Zeit gewann, mit Recht voraussetzen dürfen. 
Wirhaben zwei altcrthtlmlicheMadonna-Statuetten anzu- 
fllhrcn, welche an den Kirchen St. Maria zu Alt-Bnnzlaii 
nnd St. Jakob in Jifie bei Seelau getroffen werden: 
letzteres Bild besteht aus Blei und zeigt bei schwacher 
Zeichnung richtige Verhältnisse, das andere aber aus ge- 
mischtem Metall (wahrscheinlich Zinn mit Rehr geringem 
Knpferzusatz) ist schart' ausgeprägt, in den Falten gerad- 
linig und von edler Gesichtsbildung. 

Thonbildnereien und Terracotten älterer Art sind 
bisher nicht entdeckt worden: die Fussbodenplatten in 
Klingenberg und einige in Burgruinen aufgefundene 
< Ofenkacheln gehören bereits der vorgerückten Gothik an 
und lassen nur der Vcnnuthuug Raum, das« dergleichen 
Arbeiten frühzeitig im Lande gefertigt worden seien. 
Kunstreiche Thongefässe, welche schon im hohen Alter- 
ihum als Haudels-Artikel durch die Welt gingen, lassen, 
wenn nicht die Beschaffenheit der Erdart Aufschluss gibt 
(wie bei den ans samischer Erde geformten Vasen), nicht 
leicht erkennen, wo sie angefertigt wurden. Die meisten 
der in Böhmen aufgefundenen mittelalterlichen (iefässe 
sind Krtlge; sie entstammen zum griissten Theil dem 
XVI. und XVII. Jahrhundert, sind aber Nachahmungen 
alter Vorbilder, wie denn die Gestalt der noch im Anfang 
des vorigen Jahrhunderts ttblichen Apostel-Krüge offenbar 
romanischen Ursprunges ist. Glacirte und unglacirte Hen- 
kelkrtlge und Flaschen, verschiedenartig ausgebauchte 
Wasserbehälter und Schüsseln von Steingut oder feiner 
Thonerde werden, jedoch nur äusserst selten , auf dem 
Lande angetroffen: sie unterscheiden sich in Form und 
Ausführung nicht von den in Deutschland häufig vorkom- 
menden demselben Zweck gewidmeten Geschirren ». 

Wie mit der Thonbildnerei verhält es sich mit der 
Holzschneidekunst : einige Oucifixc von mittelmässiger 
Ausfuhrung abgerechnet, werden sich schwerlich bedeu- 
tende llolzarbeiten aus dem XII. oder der ersten Hälfte 
iles XIII. Jahrhunderts auffinden lassen. Eine lebens- 
grosse Marien-Statue in der Pfarrkirche zu Graupen und 
die Reste eines Altaraufsatzes in der Heil. Geist- Kirche 
daselbst, welche als hnchalterthUmlich gelten, sind ho 
stark reparirt nnd Übergoldet, dass kein genaues Urtheil 
möglich ist. Letzteres Gebilde scheint älter, ist auch feiner 
durchgebildet und dllrfte dem Schlüsse des XIII. Jahr- 
hunderts angehören. Die Madonna trägt die neu aufge- 
malte Inschrift 1345, hat etwas derbe Formen aber 
richtige Verhältnisse. Ans dieser Zeit findet sich einiges 
in der Stiftskirche zu Randnic. 

Fast unbegreiflich erscheint, dass von den vielen 
Altären des frtlh.ru Träger Domes, deren man nicht 
weniger als 47 zählte und von denen doch eine grosse 
Anzahl aus Holz aufgebaut war, nicht die mindesten 
Beste gerettet worden sind, während in den oftmals nbgc- 

1 Sa Uul Ceimu, pajr 1*3, dlo t'iirpllo Hlldpvrf, Ceirtltlin df« X~ltr»d 
\on llrllnn, Ub*r Prag um* Jabr KnW iprttbv», Ia-dam »4« ibrau QfCtcM sunt 
t'oldi«fe anfordern „Ibl Jud.il attre et argenl» j,leaW»iml, lld «icinal «rble 
urgcilatorai diu.. 'ml. lel ai'BcUrtl opiileailois.!, IM l^nm, Iii qu» |>tard> 
liabmtdan» lupcrnafcilndal laii nulilUm»- - Mxu MtBC di**a lome litt af<bt aa 
tn/j-nndi'lFl. 

1 Kl- t . mir, liende Wilrdiauag der mittrlalrerllrhen Th^nj^fana. »elen* 
in der M tgl tM Vim T.auua'.tJica Saiunilunic durrh die prattit. titUtao 
rim.plare lanrele» .lad, liegt aa.«rtull, der hur ••.rgmirn«.!«» OrSiuaii. 



brannten Städten: Eger (hier eine vorzüglich schöne, von 
K ngl erschon in seineu kleinen Schriften hervorgehobene 
Madonna), Graupen und Randnic mehrere Werke allen 
Stürmen entgangen sind. 

Eingelegte Gerätschaften, «leren Grund aus dunkeln 
Hölzern besteht und die mit Elfenbein, Perlmutter, Gold- 
und Silbcrfädcu nach Art der Emails ausgestattet sind, 
werden zwar in allen Samminngen getroffen, doch mögen 
kaum einige wenige Stücke bis in das Zeitalter Karl IV. 
hinaufreichen. Es gilt hier , was von den Gefässcn 
gesagt wurde: die alten Formen erlitten mehrere Jahr- 
hunderte hindurch keine, oder nur unmerkliche Änderun- 
gen, weshalb manches Gebilde ein hochnlterthümliches 
Ansehen hat und doch einer \ erhältnissmässig späten 
Zeit entstammt. 

Eiuheiniische emaillirte runde Arbeiten werden weder 
von .Schriftstellern angeführt, noch sind dergleichen be- 
kannt. Byzantinische, kölnische und später französische 
Emailwerke gelangten mehrfach nach Böhmen, zumeist 
in den l'ragcr Domschatz. Wegen des grossen und nach- 
haltigen Einflusses, welchen die Kunstwerke und Kost- 
barkeiten dieses durch Karl IV. gegründeten Schatzes 
auf das ganze Land übten, darf die Erwähnung einiger 
besonders wichtiger Gegenstände hier nicht unterbleiben, 
obgleich deren ausländischer Ursprung erwiesen ist ». 

Der Salouion'sehe Leuchter. 

Nicht in der Schatzkammer, sondern in einer Seiten- 
Capelle des Domes befindet sich ein aus Erz gegossener 
Untersatz eines Candelabers, welcher aus der niniläu- 
dischen Siegesbeute herrühren und von den böhmischen 
llaroncn, die mit König Vladislav sich 1158 am Feld- 
zuge gegen die italienischen Städte betheiligt hatten, 
dem Dome verehrt worden sein soll. Andern Nachrichten 
zufolge hätten die Mailänder den fraglichen Leuchter 
«lern Bischof Daniel von Prag, Kaiser Friedrich I. 
gewandtem Diplomaten, wegen Vermittlung des Frieden« 
zum (ieschenke gemacht. 

König Wenzel IV. lies» den Candelaber im Jahre 
1896 auf eine Platte von weissem Marmor stellen und 
am Rande folgende Inschrift anbringen: ..Istnd est cau- 
dalabrnm de templo Salotnonis in jhcrnsalem vi armata 
reeeptnm in Mediolano per ducem et Barones Boetnie. 
A. I). MCCCXCV. hie locatum-*. 

Die Bezeichnung „Salomon'scher Leuchter- scheint 
demnach schon aus einer Zeit zu stammen, als die 
ReHqnfo noch in Mailand befindlich war: dass ihr ein 
hoher Werth schon damals beigelegt wurde, erhellt ans 
den Umständen, wie sie an den Dom gelangte, mag nun 
die eine oder andere Nachricht die wahre sein. 

Die Grundform ist dreieckig uud es stellt sich das 
Ganze als vielverschlungcncs Geflechte von Mensehen- 
und Thiergestalten dar, welches von drei krokodilartigen 
Bestien getragen wird. Die Leiber dieser Thiere laufen 
in Arabesken nus und halten zusammen den Schaft des 
abhanden gekommenen Obertheils. Auf jeder Seite in der 
Milte thront eine menschliche, römisch costümirte Figur 
auf den Arabesken und hält sie fest, andere Figuren 
reiten auf den Krokodilen und spielen mit Löwen, welche 
aus dem Schalte hervorbrechen. Auf deu ersten Anblick 
glaubt man ein spät-römisches Bildwerk vorsieh zu haben. 

• Ixa DnBMfh.aU In IT« hai dar liTh««rdlanta Ar»l>a..|o»a lir P. Dock 
in da» piil.lieaiii.Bea d,r k k. C««lra4-C..mt«i..lon au.ffll.rll.B l»arbrl*l<r>. 
M.lnalir jeder Jaar(»n« «Ii l»*; enlhäll «ials« dl«»»» >tl,au BMW (Tet.de 
Arliaal. 



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XXXV 



Tracht, Anordnung und Technik unterstützen diene An- 
Nii-Iit ; lii'i näherem Eingehen jedoch gewahrt man allerlei 
mittelalterliche Anklänge, welche an die am* der Ka- 
rolinger Zeit stammenden Geräthe, z. B. den Ta**ilo- 
Keleh und die Leuchter in KremsmUnster, erinnern. 
So ist die Behandlung der langgezogenen Acnntbus-Blät- 
ter, die am Schaft hinaufziehen , nicht mehr römisch; 
die Bestien-Mähnen laufen in eine Art Eck-Bossen aus, 
und die Unruhe des Gauzen, verbunden mit den aben- 
teuerlichen Verschlingungen, widerstreben der selbst 
im Verfalle noch gemessenen antiken KuustObung. Hin- 
weisend auf die Analogien , welche namentlich die 
ebenfalls von drei Bestien getrageneu Tassilo-Leuch- 
ter bieten, dtlrfen wir in dem Salamon'sehen Cnude- 
laber ein Kunstwerk des VII. oder VIII. Jahrhunderts, 
wahrscheinlich byzantinischen Ursprungs, erkennen. Da 
da« Werk bereits llti2 als uralte Reliquie bezeichnet 
wurde, scheint Kugler's Annahme, dass sieh die Ent- 
stehung aus dem Anfange des XI. Jahrhunderts schreibe, 
kaum haltbar. 

I'ulkawn, welcher um l.'JTO auf Befehl des Kaisers 
Karl IV. eine Chronik schrieb, und der um einige Jahre 
ältere Daliiuil, der Verfasser einer böhmischen, frühzeitig 
ins Deutsche Übersetzten Keimchronik, erwähnen diesen 
l«euehtcr; der erstere mit den Worten: 

Dy iH'tniu worin ili t-rstin in der »tut. 

ml neu du Ji lic*tiu clrinor, 

noch stet ein flu obir nraife xce »ent veit 
den man ein clierzab (teil. 

man fc-louln daz er von Salnuion» tempcl konn-u 
den lh dy moiliitiir dornen, etc. 

Nach den Untersuchungen des Bildhauers Zieh- 
laiul, welcher im Jahre 1x51 den Leuchter für den König 
Friedrich Wilhelm IV. von l'reussen abformte, besteht 
die Metallmisehung aus ftlnf Thcilen Kupfer und einem 
TheilZinn, ohne andere Beigabe; ein Verhältnis», welches 
dem beutigen Kanoneumetall ziemlich entspricht 

Die Rolnndshörner nnd einige Kunstwerke 
des Domsch atze«. 

Im Domschatze werden zwei jener seltenen Elfen- 
beiuhörner verwahrt, welche man jetzt Oliphaute oder 
Kolandshörner zu benennen pflegt und die schon zu vielen 
gelehrten Discussionen Anlas» gaben. Die durch den Ele- 
fantenzahn vorgezeichnete Form wurde beibehalten und 
durch (»rnamenten-Streifen, auch rigUrlichc Darstellungen 
verziert, wobei gewöhnlich Anspielungen auf die Jagd 
cingeflochten sind, welche den ursprünglichen Zweck 
errat bei lassen. Aachen, Upsala und Angers sind im 
Besitz vorzüglich schöner Oliphaute, minder bedeutende, 
zum Theil auch au» BUtTelhom gefertigte triflft mau au 
verschiedenen Orten. 

W<> Kaiser Karl IV. die beiden Hörner erworben 
habe, wird nicht erwähnt, wahrscheinlich geschah dieses 
während des ersten Römerznges. Das grössere und reicher 
verzierte Horn ist in vier, den Körper quer umziehende 
Streifen abgetheilt; oben zunächst am abhanden pekom- 
menen MundstUrk sieht manMedailloiis mit Thierkiiuipfen, 
in der zweiten Reihe ein Viergespann, dann Hunde, welche 
Hasen und Rehe verfolgen, in der untersten Reihe Medail- 
lons mit Centauren und derlei Gestalten. Jeder Streifen 
ist eingefasst durch Rundstäbchen und fortlaufende Orna- 
mente von IVtersilienbUitteru, Scblangeneieru oder ähn- 
liehen Bildungen. 
XVU 



Das zweite Horn ist einfacher und vorwaltend mit 
Bandverschlingungeu decorirt, in deren Mitte ein land- 
schaftliches, mit Reitern ausgestattetes Relief sichtbar 
wird. 

Die Ausführung beider Hörncr gleicht sich, sie ent- 
stammen einer und derselben Zeit. Das Relief beträgt an 
den tiefsten Stellen nicht mehr als 1 ' . Linien, die Zeich 
uuiig ist roh nntikisireud, die Modelliruug leicht, so dass 
das Gnnze mehr einer gepressten als geschnitzten Arbeit 
ähnlich sieht. Die Anordnung der Streifen und die Ab- 
wechslung der Medailloii» mit durchlaufenden Bildern 
verräth grosse» Geschick, auch ist die natürliche Form 
des Zahnes verständig benutzt. 

Am unteren Rande des grössenillornes gewahrt mau 
ein häutig angewandte», der byzantinisch-romanischen 
Kunst cigciitliUmlichesl'nauzcu-Ornnmcnt, bestehend aus 
einem gewundenen fortlaufenden Stempel mit zurück - 
gebogenen dreillieiligeu Blättern; eine Decoration, welche 
in Miniaturen bereits im X., an Bauwerken mit dem 
Anfang des XI. Jahrhunderts \ in der Kryptc der Schloss- 
lüiebe zu Quedlinburg) auftritt und bis zum Schlüsse der 
romanischen Periode beibehalten wird. Dieses Ornament 
und auch die Bandverzierungen geben einige Anhalts 
punkte fllr die Zeitbestimmung, auch ein artischocken- 
artiger Unum auf dem kleinem Hörne darf nicht übersehen 
werden. 

Sind diese Horner in Frankreich oder Italien gefertigt 
worden, wie mchrfältig behauptet wird, so erklärt sieh die 
vorwaltend antikisirende Zeichnung von selbst, denn in 
diesen Ländern lebten die antiken Traditionen laug fort 
und wurden nicht einmal durch die Gothik ganz ver- 
drängt. Demnach wäre mau berechtigt, die Arbeiten dem 

XI. Jahrhundert zuzuschreiben, w ii jedoch nicht die 

gleichzeitige Entstehung der Oliphantcn ausgesprochen 
sein soll. 

Das Horn zu Aachen, vor allen durch Einfachheit 
ausgezeichnet, soll Karl der Grosse geführt haben; es 
seheint das älteste zu sein. Durch sorgfältige Arbeit 
zeichnet sieh da* im Museum zn Angers befindliche Horn 
aus, dessen Relief auf 2\ , Linien Uber dem Grund ange- 
geben wird '. Die angebrachte Darstellung ist ebenfalls 
eine Jagd-Seeue und zwar eine Löwenjagd. Merkwürdig 
ist, dass hier ein scharf ehnrukterisirter Neger und auch 
ein Kameel (wohl Krinnerungen aus den Kreuzzligen i 
vorkommen. Auf welche Weise das Kunstwerk aus der 
Kathedrale, wo es in früherer Zeit aufbewahrt gewesen, 
an das Museum gelangte, weiss P. Cor hl et nicht anzu- 
gehen; wahrscheinlich fand die Uehertragiiug während 
der Kcvoliitioi-s-Zeit statt. — 

Nächst diesen Gegenständen verdienenein emaillirtes 
Reliqniar und das Schwert des heil. Stephan I. von 
Ungarn als wichtige romanische Kunst I'rodiicte hervor- 
gehoben zu werden. Das Reliquien-Kästchen (kölnische 
Arbeit) hat die Form einer Tumbu und zeigt auf blauem 
(irunde leichtes Rankenwerk, an den Seiten Metall Figllr 
chen, die Apostel in streng typischer Weise darstellend. 
Wichtiger erseheint da» Schwert, welches in einem alten 
Inventar mit den Worten angeführt wird: .item gliulius 
sniK-ti Stephani, regis Hnngnriac cnm manubrio ebureo- 1 . 
Der noch wohlerhaltenc elfenbeinerne Handgriff ist mit 

< AM'rCorblel HlU. Pmllrlar ihrUtn In d*r R»*a* *» Vmn «■»re- 
uen, I Bl js. I, 18, Pili* Abbildung uuJ Kr* (tri l bunt; •!•# Iluriiv« To» Ati(«r» mit. 
P.Corbl"« Tillio tt<b rl[igrhi'udi*n ViiO-rtucl.mifrn d«a d jrtigm OHphiul 

Qob«dll>£t l|| JftKdlH<rii «lud ><li«iul »tilli« Aa.lrbl mul all r »u^it ii m woUm, 

I« Heoi* »uf dl* In 1-Tlg bcnad.l<-li«a wird Orb g'(i'U divtc llvr.mi'tuiig 
Mb».r.l.J, ein «.«»pinleler b»uü «ll,.b 1B b,*». 

I 



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XXXVI 



Bandverschliugungcn und Thiergestalten geziert, welche 
im Vergleich mit den Ornamenten der Rolandshörner 
eine etwas jüngere Zeit beiirkniidcn. 

Unter den verschiedenen Crncifixen, welche hei 
Gelegenheit einer zu Praj; abgehaltenen archäologischen 
Ausstellung bekannt wurden,, zeichnete «ich ein im Pri- 
vatbesitz befindliche«, etwa 1«> Zoll hohes Bildwerk 
aus, welches von Hronze gegossen , mit dem Relief von 
St. Lazarus . in seinen Formen Ubereinstimmte, 

Das Goldkreuz zu Hoheufiirt. 

Das C'istcrcienserstift Hohenfurt darf sich rühmen, 
eine der schönsten Leistungen zu besitzen, welche die 
Goldschniiedekunst je hervorgebracht hat; niimlich ein 
schweres, theils aus vergoldeten Silberplatten, theils 
aus reinem Golde gefertigtes Reliquienkreuz, welches 
Herr Zaviä von Falkeustein aus dem Gcsehlechte der 
Rosenberger dem Kloster verehrt haben soll. Nach einer 
zweilon Nachrieht wäre Heinrich von Rosenberg der 
Geber gewesen, welche Nachricht von dem gelehrten 
Stiftsbibliotbekar I'. Rudolf A. Rang dahin berichtigt 
wurde, dass Heinrich von Rosenberg da» bereits im 
Stifte vorhanden gewesene Kreuz ums Jahr 1410 habe 
umarbeiten uud zu einem Vortragkreuz einrichten lassen. 
In der Thnt zeigt das beinahe drei Fuss hohe, zum Auf- 
schrauben auf einen Stab eingerichtete Kreuz mehrere 
gründliche i'beriinderungen und ist in den Hauptbcstnnd- 
t heilen viel älter als die auf Heinrich bezüglichen Katen. 
Ks besteht ans doppelt Übereinander getilgten Platten, 
zwischen denen Kapseln mit Reliquien aufbewahrt sind: 
dabei ist das Ganze reich mit Perlen, Kdelsteinen und 
Email- Bildern (emaux eloisonnes) verziert und an der 
Vorderseite mit einer bewunderungswürdigen Arabeske 
überdeckt. Diese im blühendsten romanischen Styl 
gezeichnete Arabeske gehört der ersten Hälfte des 
XIII. Jahrhunderts au und seheint italienische Arbeit zu 
sein; die Emails und Rcliquicii-t'apscln tragen griechische 
Inschriften und sind byzantinischen Ursprungs; dann 
erkennt man noch zwei Restaurationen, eine spät-gothi- 
sche. durch welche die Platten ihre gegenwärtige 
äussere Form erhielten, und eine im Renaissanee-.Styl 
gehaltene, welche letztere glücklicherweise auf Neben- 
sachen beschrliukt blieb. Ob Zavig , der in allen 
Ländern Verbindungen unterhielt, das Ganze in seiner 
ursprünglichen Beschaffenheit in Venedig oder Con- 
stantiuopel angekauft hat, oder ob die Kinzeluheiten im 
llaiidelswege nach Böhmen kamen und von einheimi- 
schen Goldschmieden zusammengefügt wurden, lässt 
sich unmöglich bestimmen. Die spätem Umarbeitungen 
geschahen ohne Zweifel in Böhmen. 

Anderweitige Goldarbeiten. 

liier sind einige Reliquinre in Tafclform und 
BUchcrcinbändc zu verzeichnen, getriebene Arbeiten von 
vorwaltend linearer üecorntion. Von itwci grossen Reli 
qiiienlafelu im Stifte Strahov ist die eine mit gothigehen 
Hattwerken verziert und gehört offenbar dem XIV. Jahr- 
hundert an, die andere enthält ein zwischen Streifen cin- 
jjclloclitcues Blattwerk, seh, int bedeutend älter uud ist 
ganz mit der Punze in ziemlich unbeholfener Weise 
getrieben. Die Büehcrdeekcl sind nieist durch Kdelstein- 
und Perlen-Einlagen geschmückt; wobei die einzelnen 
Juwelen mit rosettennrtigen Einfassungen zwischen ein- 
fachen Linien eingepnsst wurden. Ähnliche Bchniidlnng 



zeigt auch eine sehr grosse Reliquicntafel auf einem 
SeiUm-Altar des Prager Domes. Höchst bemerkenswerth 
erscheint ein in der Kirche zu Libun befindlicher silberner 
und vergoldeter Messkelch, nicht allein wegen seiner 
alterthüuilichen Form, sondern auch wegen des isolirten 
Vorkommens in einem abgelegenen Pfarrdorfe. Die Uuppe 
ist weit gebaucht uud ziemlich hoch, daher eher einem 
Mcss- als Speisckeleh nngehörig, der Fuss sechsseitig, 
eben so der den Schaft abtheilende Knauf, und die ganze 
Form bei Mangel jeder Decoration sehr harmonisch uud 
fein gezeichnet. Libuü, zu der Herrschaft Gross-Skal 
gehörig, ist eines der ältesten Dürfer im nordöstlichen 
Böhmen und liegt zwischen Turuau und Jicln. 

Die sHmmtliehen hier aufgezählten Arbeiten dürfen 
als einheimische bezeichnet werden. Hingegen lässt sich 
Uber verschiedene in den Stifteu Tcpl, Osscg, Sazava, 
Seelau, und namentlich Uber die in Sammlungen befind- 
lichen Goldarbeiten und toreutischen Werke kein sicheres 
Unheil bezüglich der Kntstehungsorte lallen. 

Decorative Künste. 

Der Kmaillir-Knnst, insofern sie in Verbindung 
mit Cefässcu oder runden Gebilden auftritt, ist bereits 
gedacht worden : es scheint nicht , ilass sie im La nde 
geübt wurde. Einige Stellen der alten Chronisten lassen 
sich zwar auslegen, als sei die Glasmalerei sehr früh 
betrieben worden, doch fehlt es an näherer Begründung 
und vor allem au erhaltenen Beispielen. Die von dem 
Fortsetzer des Cosmas erwähnten gemalten Dom- 
fenster, welche Rischol Johann III. hat fertigen und 
127«! aufstellen lassen, gingen in unbekannter Zeit zu 
({runde. Sie sollen Darstellungen aus dem alten und 
neuen Testamente enthalten haben. Wo diese Malereien 
ausgeführt wurden, ist nicht angegeben. 

Musivische Arbeiten monumentaler Art sind bisher 
nicht aufgefunden worden , selbst das Vorhandensein 
von Fliessenbelegen muss nach dem Stande, vielmehr 
Mangel, der Ziegelfubrikatiou bezweifelt werden. Der 
eingelegten Gcrälhsehaften wurde im Abschnitt To- 
reutik gedacht. 

Dagegen war die Kunst des Niellirens sehr ver- 
breitet , blieb jedoch meist auf das Ornamenten- Fach 
beschrankt: einige figürliche Darstellungen, welche an 
Reliquiareu und Gelässen vorkommen, erreichen nicht ' 
die Höhe der gleichzeitigen Miniaturen. 

Arbeiten textiler Art kommen nicht selten vor, so 
im Präger Domschatze, in mehreren Stiftskirchen, auch 
in Pfarreien und Sammlungen. Casnlen, Dalmatiken, 
Mitren und andere priesterliche Bekleidungsstücke, meist 
mit Seide gestickt und aufs mannigfaltigste mit Gold, 
Juwelen und aufgenähten Decorationen versehen, finden 
sich am häufigsten: auch sieht man Altardecken, Anti- 
pendien und ähnliche Gegenstände, die allerdings von 
ehemaliger Farbenpracht uud schöner Anordnung 
zeugen, aber im besten Falle sehr verblasst sind. 

Das grossartipttc Werk dieser Art besitzt die 
St. Jodocns-Kirche bei Eger. nämlich ein mit Perlen 
gesticktes Antipendium von 7 Fuss Breite und ."i Fuss 
1 Zoll Höhe. Der Grund ist Seidenzeug, ein starker 
Taffet , dessen ursprüngliche Farbe uicht mehr zu 
erkennen ist. Die Contnren sind mit kleineu schwarzen 
Glasperlen vorgestickt, auf welche Weise sowohl das 
architektonische Gerippe wie die einzelnen Figuren 
gezeichnet werden. In zwei übereinander hinziehenden 



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XXXVII 



Rundhogcnstellungcn , von denen jode zolin Felder 
enthält , sind eben so viele Hciligengcstalten ange- 
bracht, und zwar in iler obern Kcihe Frauen, in der 
untern Miinner und Frauen. 

Oberhalb ««elien folgende Figuren: I. Engel Oa- 
briel, 2. Maria, .S. Agatha, 4. Maria, ;>. Clara, Ö. Maria, 
T. Katharina, H. Lucia, 9. Barbara, 10. Bibiana. 

] und 2. Der Engel Gabriel und Maria stellen die 
Verkündigung dar: Gabriel hat die Hand erhoben und 
wendet sieh zu Maria, welche da-« Haupt senkt: Uber 
ihr sehwebt der heilige < J eist in Gestalt einer Taube. 
Die (iestalt und Bewegung der heiligen Jungt ran ist 
fein und mit richtigem Verständnis« gezeichnet. 

Im Bilde Nr. 4 fuhrt Maria das heranwachsende 
Jcsukiud au der Hand, nnd in Nr. (» ist die thronende 
Maria mit der Krone auf dem Haupte und dem Kind 
auf dem Schosse dargestellt. 

In der untern Heiho sind angeordnet: I. Johannes 
der Evangelist. 2. Jacobns Major, Jacobns Minor, 
4. Margaret h, b. Maria. <*>. Jesus, 7. Agnetis, H. Caeeilia, 
Kunigundis, 10. Craula. 

Cliristns und Maria stehen sieh in der Mitte gegen- 
über, er als Weltriohtcr und sie als FltrbitteriiK Jo- 
hannes und die beiden Jacob sind in Mönchstracht mit 
Tonsur und Kapuze dargestellt. St. Margareth stösst 
dein zu ihren Fussen sieh windenden Lindwurm den 
Speer in den Bachen , die Übrigen Figuren werden 
durch Embleme kenntlich gemacht, ausserdem sind die 
Namen in den Bogenstellungen eingeschrieben. Die 
Figuren-Hohe beträgt P» k Zoll, jede Bogenstellung ist 
14 Zoll hoch. Die Haare aller Personen sind schwarz, 
nur Maria und Katharina haben blonde Flechten. Die 
Gesichter der Franen zeigen in Anbetracht des unge- 
fügen Materials (die Perlen sind gross und eckig) meist 
liebliehe Formen nnd sogar eine gewisse Feinheit der 
Zeichnung, welche den meisten romanischen Gemälden 
fehlt. Die Perlen sind venetianisehe (ilasperlen von 
ungleicher Grösse, auch kommen hie und da, z. B. in 
den Heiligenscheinen von Christus und Maria echte 
Perlen vor; die rothen Perlen bestehen ans Korallen, 
ausserdem sieht man hell- und dunkelblaue, hell, und 
dunkelgrüne, milch weisse , strohgelbe und vergoldete 
Perlen. 

Der romanische Styl ist sowohl in der architek- 
tonischen Gliederung wie in der figürlichen Anordnung 
eingehalten: die Capitäle haben Würfelform, die Säulen 
füase, Buchstaben, Kroneu, n. 8. w. sind durchaus alter- 
thttmlieh gebildet. 

Oberhalb der Bogenstellungen zieht sich ein 6 Zoll 
hoher Streifen durch die ganze Breite de» Bildwerkes, 
welcher 14 auf Pergament gemalte Köpfe enthält. In 
der Mitte Christus nnd Maria, daneben auf jeder Seite 
sechs Apostel: Johannes befindet sieh dem Heiland 
zunächst , und ist bartlos in der bekannten Weise 
geneigt, die übrigen Apostel haben lange Biirte und 
sehen sich wie Brüder ähnlich. Diese Köpfe sind nicht 
ursprünglich, sondern wurden er« in späterer Zeit statt 
der abhanden gekommenen gestickten Originale cin- 
gepasst. 

Dieses Antipendium gelangte erst im XVII. Jahr- 
hundert durch eine Frau von OttengrUn an die St. Jo- 
docus-Kirche, und dürfte, da es mit fürstlichem Aufwand 
angefertigt worden ist , wahrscheinlich der Egerer 
Scbloss- Capelle angehört haben. 




1 — I 1 — : — : — : : n •£ — ■ ' 

Die Stickerei verräth eine Frauenhand , welche 
sich auch in der Wahl der Personen nnd in der Auf- 
fassung beurkundet. Wahrscheinlich sind die Claris 
sinnen, welche seit V26* in Eger ein Kloster besassen. 
Urheberinnen des Werkes: die Darstellung der Apostel 
in Mönchstracht , das Anbringen so vieler Franen, 
besonders der heiligen Clara und Bibiana machen diese 
Vermuthnng beinahe znr Gewissheit. Bei den vielen 
Bränden , welche dje Burg zu Eger betroffen haben, 
konpte es leicht geschehen , dass das Bildwerk an 
irgend einen gesicherten Ort gebracht wurde und in 
Vergessenheit gerieth , bis es von Frau OttengrUn 
erworben und der Jodoens-Kirehe verehrt wurde. 

Eine Partie des Bildet Fig. 41 , ein Cnpitül 
Fig. 42, Kopf der heiligen Kalharina Fig. 43. 

Fragmente einer aehr «chönen Stickerei , ein 
Rankenwerk mit hochaufgenähten Blumen enthaltend, 
werden in derDeeanal-Kirchc zu Nimburg verwahrt: sie 
gehören ebenfalls einem Antipendium an, welches seit 
nndeuklieher Zeit nicht mehr gebraucht wird. 

f* 



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XXXVIII 




Fig. i:; 
44 ist eine Partie 



Eine andere feine 
Seidenstickerei hat sieh, 
jedneh iu »ehr defectem 
Zustande, nm rückwär- 
tigen Einbanddeckel de* 
VySehrader Codex er- 
hallen. Man erkennt den 
in der Mandorla thro- 
nenden Heiland, rings 
von einerWeinldatt- Ara- 
beske umgeben. Diese 
Stiekerei ist bedeutend 
junger als die im Bli- 
ebe enthaltenen Minia- 
turen, und gehört, wie 
die Arabeske erkennen 
liisst. unbestritten dein 
XIII. Jahrhundert Ml. 
dieser Arabeske wieder- 



In Fi; 

gegeben. 

Viel seltener als Stiekereien kommen kllnstliehe 
Gewebe, Seidenstoffe und Brocate vor, welche meist 
ausländisches Gepräge /eigen. Dass die Teppich- 
weberei in Böhmen nicht einheimisch war, ergibt sieh 
ans der Lcbensgeschichte Kaiser Karl IV.. welcher um 
1800 persische Teppichweber narh l'rag berief, damit 
diese Kunst eingeführt werde. Es wird sehr ausführlich 
erzählt, dass den morgenländisehen Webern eine beson- 
dere Stelle auf dem l^irenzhcrge angewiesen wurde, 
woselbst sie ungestört arbeiten und ihren Gottesdienst 
abhalten konnten. Welehe Resultate damals erzielt 
wurden, liisst sieh nicht ermitteln: einige Tcppiehrcste, 
die gelegenheitlieh der archäologischen Ausstellungen 
zu sehen waren, zeigten nicht im entferntesten einen 
orientalischen Charakter und Hessen sich eher als hra- 
lmnter Arbeiten erkennen. In Bezug auf Weberei im 
allgemeinen dürfen die Einwanderungen niederdeutscher 
Tuchmacher und Leinenweber, die urkundlich schon 
unter Otakar I. stattfanden, nicht unerwähnt bleiben: 
wahrscheinlich, dass sieh unter den vielen hertlberge. 
zogenen Handwerken auch einige von künstlerischer 
Bildung befanden. 




Fi* 12. 




Fi« 14 



Wechselwirku Ilgen 
zwischen Böhmen und den 
Nachbarländern. 

Gestutzt auf die beigefügten 
zahlreichen Abbildungen, durch 
welche die Werke romanischen 
•Stylen erläutert werden, sind wir 
nunmehr in den Stand gesetzt, 
Entwicklung und Ausbildung der 
romanischen Kunst in Böhmen 
ziemlieh vollständig zu über- 
schauen und auch die wechsel- 
seitigen Einwirkungen der Nach- 
barländer festzustellen. Directe 
von Byzanz ausgehende Einflüsse, 
wie sie in Venedig, Dalmatien 
und überhaupt den Küstenlän- 
dern des Mittelmeeres wahrge- 
nommen werden, scheinen hier uie vorhanden gewesen 
oder bald verlassen worden zu sein. Die griechisch - 
slavisehe Liturgie, welche durch die Brtlder Cyrillus und 
Methodius nach Mähren verpflanzt worden war und die 
auch in Böhmen sich verbreitet hatte, wurde um 
jene Zeit definitiv aufgegeben, als die älteste noch 
bestehende Kirche in l'rag erbaut wnrde. Die St. Peter- 
und Pauls-Kirche auf Vysehrad wurde zwischen 1<)7(> 
—1090 erbaut, das Slavenkloster Sazava, der Hauptsilz 
des gricehisch-slavischen Ritus, wurde KM? geschlos- 
sen und I0P7 den Beiiediefinern von Brcvnov einge- 
räumt: unter solchen entständen können die unmittel- 
baren byzantinischen Einwirkungen weder bedeutend 
noch nachhaltig gewesen sein. 

Die grosse Cultur-Strömnng zog sich als Begleiterin 
der katholischen I^ehre von West nach Ost; diesem 
naturgemäßen Verlauf konnte sieh Böhmen um so 
weniger entziehen, als es nicht allein durch kirchliche, 
sondern auch durch politische Bande mit Deutschland 
zusammenhing. Das HcrUbcrgreifen der süddeutschen, 
fränkischen und sächsischen Architektur nach dem 
Westen und der Mitte Böhmens ist bereits iu dem 
Abschnitte „ Vergleichende Übersieht der romanischen 
Bauwerke'* nachgewiesen worden ; es erübrigt 
daher nur, die Wechselbeziehungen zwischen 
Böhmen einerseits, Mähren, Schlesien und der 
Lausitz anderseits zu bezeichnen. Diese seit 
ältester Zeit mit Böhmen bald eng verbundenen, 
bald mehr oder minder selbständigen Länder 
sind durch ausgedehnte Gebirge von diesem 
geschieden und gehören andern Flussgebie- 
ten an. 

Mähren , ein gegen Süden hin offenes und 
mit Unter - Österreich geographisch zusammen- 
hängende» Land, hat sieh in seineu baulichen 
Bestrebungen ganz diesem angeschlossen nnd 
trotz des politischen Verbandes mit Böhmen eine 
von diesem auffallend gesonderte Kunstrichtung 
eingehalten. Nur in der Periode zwischen 1280 
lind IriM). unter den Regierungen der Könige 
Wenzel I. und Otakar II. werden uns an einigen 
in Mähren und Böhmen ausgeführten Bauten, 
namentlich an der Stiftskirche TiSnovie nnd 
dein St. Agneskloster in Prag, ganz die gleichen 
Förthen entgegentreten und lassen vermuthen, 



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xxxrx 



dass dieselben Meister hier und dort tbätig waren. Mit 
diesen Deukmnlen wird jedoeli in Böhmen und Mühren 
der Übergangs-Styl eingeleitet, die romanischen Knuten 
Mährens nber zeigen nur eine Verwnudtschntt mit den 
botanischen. 

Neben den aus dem Donauthalc hcrUberdringendeii 
Einwirkungen, welche nicht allein in der Benedictiner 
Stiftskirche Trcbic, sondern Uberhaupt an den Denk- 
malen der westlichen Hälfte MUhrens hervortreten, lässt 
sieh eine zweite Richtung nicht Übersehen, welche durch 
den Norden und Osten des Landes hinzieht. Mähren 
eomtpondirte in ältester Zeit vielfach mit Schlesien 
nnd es sprechen namentlich die im Domkreuzgange zu 
Olmtltz erhaltenen romanischen Beste eine grosse Ver- 
wandtschaft mit den gleichartigen Theilen der St. Vin- 
eenz-Kirche und des Domes zu Breslau ans. Der Styl 
entwickelte sich sowohl in Mähren wie in Schlesien 
ziemlich spät, doch gelangte hier die Ornamentik zu 
reicherer Blllthe als in Böhmen. 

Und noch einen Zweig des liaufachcs haben wir zu 
erwähnen, welcher in den Ostmarken, vor allen aber in 
Schlesien frühzeitig künstlerische Durchbildung erlangte, 
nämlich den Holzbau. Ilaben sieh auch keine hochaltcr- 
thUmliche Denkmale erhalten (wie dieses schon die Be- 
schaffenheit des Materieles mit sieh bringt), so beurkun- 
den doch die zahlreichen noch bestehenden Kirchen, Ca- 
pellen nnd Privat -Bauten, dass eine mehrhnudertjflhrigc 
Übung vorhergehen musste, ehe die Holz-Architektur auf 
eine solche Stufe gehohen werden und so grosse Ver- 
breitung gewinnen konnte. Schlesien scheint der Mit- 
telpunkt gewesen zu sein, von wo aus ein gegliedcter 
Holzbau sieh nach Mähren und Böhmen verpflanzte. 

Es ist selbstverständlich, dass die künstlerischen 
Wechselwirkungen in verschiedenen Zeiten auch ganz 
verschiedene waren, je nachdem die Bauthätigkeit in 
diesem oder jenem Lande grösser oder geringer war. 
So finden wir, dass der böhmische Einfluss im Anfang 
des XII. Jahrhunderts sich Uber einen Theil des heuti- 
gen Sachsen erstreckte, wohin er durch den Grafen 
Wiprccht von Groitsch, den Schwiegersohn des Königs 
Vratislav II. Ubertragen worden war. Die von Wiprccht 
nnd seiner Gcmalin Jutta in dem Schlosse zn Groitsch 
unweit Leipzig erbaute und noch erhaltene Rund-Capelle 
entspricht genau den in Böhmen befindlichen Rundbau- 
ten; eine zweite derartige Capelle Hess Bertha, Wip- 
rccht'.« Tochter, im Verein mit ihrer Mutter auf dem 
Petersberg bei Halle errichten. Diesen entgegen Übte 
Magdeburg im Laufe des XII. und XIII. Jahrhnnderts 
sowohl auf das öffentliche Leben wie auf die Kunst- 
eutfaltnng Böhmens einen nachhaltigen Einritts». 

Ganz anders gestaltete sich das Verhältnis» unter 
den Otakaren, zunächst unter Olakai IL. welcher als 
StüdtegTtlnder eine unennesslicbe Kunsttbätigkeit her- 
vorrief, so dass sieh eine sehr beaehtenswcrlhe Schule 
bildete, welche sich Uber das Östliche Böhmen, einen 
grossen Theil von Mähren und noch weiter gegen Süden 
hin ausbreitete. Im weitern Verlaufe werden wir erken- 
nen, dass die Wechselbeziehungen sieh je von i)0 zu 
f><» Jahren gründlich änderten, dass aber im Ganzen 
Böluneu mehr von auswärts her bceinflusst worden sei, 
als verkehrten Falles nach aussen hin gewirkt habe. 

In hohem (Jrade auffallend erscheint das Zurück- 
bleiben der Malerei und Bildhauerkunst gegenüber der 



ungeheuren Baulusl, welche durch die Otakare ange- 
regt worden war. Nachdem durch mehrere Klöster und 
die knnsterfahrnen Abte Boietech, Sylvester und Regin- 
ward , dann durch den Bischof Heinrich Zdik vielver- 
sprechende Einleitungen zur Begründung eines einhei- 
mischen Kunstlebens getroffen worden waren, verlieren 
sich diese Anfänge beinahe spurlos und es zeigen sieh 
in den ersten Deeennien des XIH. Jahrhunderts eher 
RUek- als Fortsehritte in Bezug auf Bildhauerei, während 
die monumentale Malerei nur sehr allmillig Geltung 
erlangt. 

Bis annähernd 1280 wurden die romanischen Bau- 
formen ziemlich unverändert beibehalten, dann brach 
sich ohne alle Vermittlung eine Art Übergangs- Styl oder 
vielmehr eine eigentümliche Frtlh-Gothik Bahn, neben 
welcher Richtung jedoch die romanische Bauweise fort- 
während geübt wurde, bis sowohl die Lbergangsfonnen 
wie die romanischen Elemente durch die Gothik ver- 
drängt wurden. B. Grueber. 
(Euile <!<■* ersten Atuwluritte». 

Holzlurche in Schlesien. 

(Mll ilMl fMM uuil » UiliiiMIrtOT ) ' 

Im dritten Jahrgang*» der Mittheilungen der k. k. 
Central - Commission zur Erforschung und Erhaltung der 
Baudenkmale befindet sich ein Bericht Uber einige Holz- 
kirchen in Mähren, Schlesien und Galizien von A. L. R. 
von Wolfskron. In diesem Berichte wird auf das Vor- 
handensein zweier Holzkirchen in Osterreiehiseh-Schle- 
sien hingewiesen. Der Erwähnung der Staudinger Kirche 
folgen einige kurze Bemerkungen , der Kirche zu Trza- 
nowie im Teschnischen wird nur unter Beifügung weni- 
ger Worte gedacht. Abbildungen dieser Kirche sind dort 
keine gegeben. Die Lücken zu ergänzen, war mein Be- 
mühen. Bevor wir zu einer eingehenderen Beschreibung 
der beiden Kirchen zu Standing und Ta Schendorf über- 
gehen, möge, es erlaubt sein, einiges Uber schlesische 
Holzbauten im allgemeinen vorauszuschicken. 

Die Waldthäler des Gesenkes sind reich an Holz- 
bauten, ja ganze Dörfer bestehen fast ausschliesslich 
aus Holzhäusern. In den Colonicn und in den ältern 
Dörfern sind es besonders der Kleinbauer, der (ifertler 
und Häusler, deren Wohnungen und Sehenern fast nur 
aus Holz gebaut sind. Die Baulichkeiten des Cartlers 
bilden meistens nur ein Gebäude. Dieses enthält an 
der einen (Ücbclfront im ebenerdigen Theile Stube und 
Kammer. Der entgegengesetzte 1 lauf theil ist die kleine 
Scheuer. Zwischen dem Wohngelass und der Scheuer 
befindet sieh der Kuhstnll. Dieser und die Hauswohnung 
treten durch eine Thür in Verbindung, so dass man aus 
dem Stalle in das Vorhaus gelangt. Meist haben diese 
Holzbauten' einen steinernen Gruudbau von geringer 
Höhe, auf welchem sich die eigentlichen Wände nus 
quergelegten, an den Ecken eingefalzten Balken von 
meist weichen Holzarten erheben. Die Höhe dieser 
Wände ist verhältnissmässig gering. Dagegen Ubertrifft 
das sehr steil ansteigende Dach die Mauerhöhe biswei- 
len um das Doppelte. Die Giebel sind ohne Ausnahme 
mit Brettern verschlagen, in welchen Liehtlucken von 
mannigfacher (iestalt eingeschnitten sind. Die Deck- 
balken des Gebäudes ragen mitunter gegen drei Ellen 
aus dem Mauerwerke heraus und bilden eine Art Schutz- 
dach, welches, da es den Regen vom Hanse fernhält, 



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XL 



die „Traufe" genannt wird. Der Bereich, von welchem 
diene „Traufe" den Regen fernhält, ist fast ausnahmslos 
mauerartig erhöht und öfter mit Steinplatten belegt. In 
den Dörfern des Gstrauer Gerichtsbezirkes heisst dieser 
erhöhte Platz die „Groden '. Bisweilen wird die Haus- 
thttr durch einen hölzernen Vorbau , in ivelehen eine 
„GattcrthUr* fuhrt, gegen die Einflüsse der Witterung 
geschützt, und führt dieser den Namen Laube (Laabc). 
Spuren architektonischer Schönheiten in und an diesen 
Gebunden gibt es nicht, es wiire denn etwa, dass die 
Rückenlehnen der Holzstühle, welche ans einem Stücke 
geschnitten sind, einigen Sinn für eine schönere Form 
verriethen. Die Utden, womit die kleinen nnförmlicben 
Fenster geschlossen werden, weisen die einzigen Spuren 
von Malcrcianfängen an den Bauten dieser Leute auf. 
Meist bedient man sich hiezu recht greller Farben, 
besonders der rothen und blauen. Im Übrigen tragt an 
diesen Gebäuden alles den Stempel der Zweckmässig- 
keit und Nützlichkeit. 

Auch die Scheunen und Wohnungen des „(iross 
bauers" sind noch vielfach von Hol/.. Häutig trifft mau 
hier den Altnn (die „I'nblaatsehe" , slaw. pavlac.) Er 
befindet sich auf der Gränzseheidc zwischen dem eben- 
erdigen Thcile des Hauses und dein ersten Stocke und 
nimmt die ganze Längenseite der Hof-Front des Hauses 
oder doch dreiviertel Länge derselben ein. Er ist voll- 
ständig Holzarhcit mit meist sauber geschnitzten 
< Geländern und Säulen. Die Thoreinfahrten hatten 
früher eine Art Holzwölbung. Vorn in dieser Wölbung 
war eine Nische mit einem Heiligenbilde. Diese Thor- 
wölbung, wie überhaupt das hohe hölzerne Thor, sind, 
wenn auch nicht vollständig, so doch meistenteils 
verschwunden. An die Stelle des Holzes trat das 
Mauerwerk, doch ist Uber der Wölbung die Nische mit 
dem Bilde noch vielfach beibehalten. Das häufige Vor- 
kommen dieser Holzhauten wird den nicht befremden, 
der die waldreicbeu Höhen des Gesenkes kennt. Doch 
sind auch die Zeiten dieser Bunten vorUber, und in 
nnsern Tagen sehen wir nur äusserst selten noch einen 
Neubau mit Balkenwänden auffuhren. 

In dem Berichte Uber Holzkirchen des Bistlmms 
Szathmar vom Bischof Dr. Franz Haas (Mittheilungeu 
der C'entral-Commission. XL Jahrgang), ist der Ansicht 
Ausdruck verliehen , dass jene hölzernen Kirchen nur 
Nothbauteu gewesen seien. Im allgemeinen möchten 
wir dem widersprechen. Das Vorhandensein dieser ftlr 
unsere Zeit abnormen Bauten scheint uns einen zwei- 
fachen Grund zu haben. Erstens wurden sie begün- 
stigt durch die Fülle des Materiales, das so nahe lag; 
zweitens waren sie bedingt durch die Arbeiter, die Werk- 
leute und Förderer dieser Bauten im Lichte des Cul- 
tnr-Zustandes der Zeit der Erbauung. Wir können hier 
auf das fast ausschliessliche Vorkommen der Holz- 
bauten für materielle Zwecke hinweisen. Es ist nicht 
wegzuläugnen, dass in jener Zeit fast nur Holz zum 
Baue verwendet wnrde. Diese noch jetzt sieh nicht 
ganz selten vorfindenden Kirehenbauten aus Holz 
müssen in jener Zeit gang und gäbe gewesen sein. 
Daraus lässt sieh der weitere Schluss ziehen, dass 
auch die Werkleute Holzarbeiter waren und dass unter 
diesen Bauleute» Sachverständige ftlr eine kunstvolle 
Anwendung des Mauerwerkes sieh so leicht nicht finden 
mochten. Gründlicher gebildete Architekten hntten aber 

" V t i. VMtMUMUdMI Ii tt*«i*l«W«hScU«l.o, Bind II. 11 



auch in dieser Zeit, im XIV., XV. und zu Anfang des 
XVI. Jahrhunderts, alle Hände voll zu thun, die Baue 
der Städte zu leiten, welche eben damals so sehr an 
Wohlstand und Luxnsbedürfuissen sieh gehoben hatten. 
Auch mögen die Gemeinden, in denen diese Kirchen 
vorkommen, in ihrem rntertliänigkcitsverhältnissc viel 
zu arm gewesen sein, als dass sie die Ansprüche eines 
viel fordernden Architekten hätten befriedigen können. 
Die Förderer des Baues, die Gemeindemitglieder, die 
gewöhnlichen ArheitsfUhrer und Arbeiter der überall 
angewandten Holzbauten blieben also unter sich und 
führten die Baue nach ihrer Weise aus. Diese Kirchen 
sind demnach und nach mehr als einer Richtung hin 
Volksbauten im eigentlichen Sinne des Wortes. Die 
Gestalt, der Blau der Kirche im allgemeinen, war leicht 
dem der Säle zu entlehnen , die Ausführung und 
Construction des Baues im Einzelnen aber das Werk 
der Volksauschauung und unter dem Volke namentlich 
wieder das Werk der mit den baulichen Bedürfnissen 
des Volkes vertrauten Werklente. Es soll damit nicht 
gesagt sein , dass sich unter diesen Männern nicht 
einzelne gefunden haben sollten, die eine höhere Be- 
gabung und einen feineren architektonischen Sinn 
besessen hätten. Die Werke solcher hervorragenden 
Männer scheinen in der That öfter für ganze Länder- 
Strecken massgebend gewesen zu sein. 

Noch einige Bemerkungen über das Vorkommen 
dieser Kirchen in unseren östlichen Gegenden im XV. 
und zu Anfang des XVI. Jahrhunderts. Es ist bereits 
in den erwähnten Berichten über die Holzkirehen in 
Mähren, Schlesien und Galizien und Uber Holzkirehen 
in dem Bisthume Szathmar darauf hingewiesen worden, 
dass selbst in grossen Städten des Rhein« und im 
Nordosten Deutschlands Dome und Kirchen bis in die 
zweite Hälfte des XII. Jahrhunderts hinein Holzbauten 
waren , oder dass solche Holzbauten erst in Stein- 
hnuten umgewandelt wurden. Bei dieser Thatsache nun 
ist es nicht zn verwundern, dass wir im XV. Jahrhun- 
dert oder noch in den ersten Decennien des XVI. Jahr- 
hunderts den Holzkirehcubau in den Dörfern unserer 
Genend , die so weit östlich liegen , noch vielfach in 
Auwendung finden. Die Cultur halte eben einen weiten 
Weg zurückzulegen und brauchte viele Zeit, bevor sie 
sieh in diesen Gegenden vollkommen geltend machte. 
Wir können desshalb immer annehmen, dass Holz- 
kirchen wie die zu Stauding, zu Teschendorf und 
andere noch bestehende auch wohl in den ersten De- 
cennien des XVI. Jahrhunderts erbaut wurden, und 
wir sehen keinen zwingenden Grand, ein höheres Alter 
zu venntithen. 

Wir wenden uns nun einer näheren Betrachtung 
der .Staudinger und der Taschendorfer Kirche zu, 
indem wir das oben Gesagte mehr oder minder auf sie 
Ubertragen haben wollen. 

Standing (Studenka) liegt im südöstlichsten 
Theile Schlesiens dicht an der Grttnze Mährens, eine 
Stunde von Wagstadt an der Kaiser Ferdinands- Nord- 
bahn. Die Kirche daselbst gehört zum Wagstädter 
Decauate St. Bartholomäi und ist diesem Heiligen 
selbst geweiht. Sie hat einen steinernen Grundbau, 
auf welchem sich die Holzwände erheben. Diese sind 
quer aufeinander gefügt und greifen dort, wo sie Ecken 
bilden, durch Falzen ineinander. Die Höhe der Kirche 
ist mässig, wie die einer gewöhnlichen Dorfkirchc. 



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XLI 




Fi*. I. 



wenn wir die Dachhöhe dazHiichmcn. Das Dach ist 
steil ansteigend und hat insofern eine Ähnlichkeit mit 
den Dächern der Holzhäuser in unseren Lindern. Ist 
diese Eigenthllmlichkeit ein Best der gordischen Hanart 
•>iler ist sie schon llberhaupt durch die Festigkeit und 
Zweckmässigkeit der Construction des Holzbaues 
bestimmt? Ks mögen beide Vermuthungen in <lie 
Wahrheit hineingreifen. (Fig. 1 und 2.) 

Der Thurm ist von eigentümlicher Construction. 
Er erhalt sieh anfangs bis zur Hälfte der Kirchen- 
mauerhöhe senkrecht , und dieser Theil desselben 
gehört seiner inneren Räumlichkeit nach mit zum 
Kirchcnraurae. Von hier au steigt er nach drei Seiten 
pyramidal, die vierte lehnt sich an das Kirchenschiff 
an. Bis zur Dalben Daehhlihc emporgeftihrt, trägt er 
eine Uber die Thunnseite ziemlieh vorstehende Glocken 
slnbe , welche im Gegensätze zu den pyramidalen 
Thnrmwäntlen , welche mit Schindeln bekleidet sind, 
von aussen eine Bretterverkleidung hat, die an dem 
unteren Bande zackig ausgeschnitten ist. Thurm und 
DachatuW haben kleiue viereckige Fernster. Glocken- 
stube tnd mit ihr der Kirchenthurm decken sich von 
oben durch ein vierseitiges, ziemlich flach pyramidal 
znsammenschliessendes Dach mit Knopf, Wetterfahne 
und Kreuz. Der Thurm, der Iflglich alleinstehend gedacht 
werden könnte, das Schiff und das Presbyterium bilden 
dem Plane nach einen Krcnzriss, der factisch auch in 
«lie Wirklichkeit Überging, indem der senkrecht 
stehende Theil des ThunneR in den eigentlichen 
Kirehenraum einbezogen wurde. 

Sonst besteht die Kirche ihren Thailen nach selbst- 
verständlich aus Schiff und aus Prcsbvterium. Das 
Presbyterium ist der Dach- und Mauerhöhe nach von 



der Dach- und Mauerhöhe des Kirchenschiffes nicht 
verschieden. Nur die Seitenwände des Presbytcriums 
springen der Breite des Schiffes nach stark einwärts, 
rechts und links ungefähr um ein Viertheil der Schiffs- 
breite. Die Giebelseite des Presbyteriums ist dreiseitig 
und ebenso das dem Schiffe zu zurUckgebogeno Dach. 
Die Gränzscheidc zwischen Prcsbvterium und Schiff 
trägt ein kleines durchbrochenes, mit einem Glöckchen 
versehenes ThUrmchcn. Das Presbyterium hat ungefähr 
ein Dritthcil des Flächenraumes des Kirchenschiffes. 

Das Kirchenschiff cttler Langhaus hat die Gestalt 
eines länglichen Viereckes von edlem Verhältnisse an 
und für sich und zum Presbyterium. Durch die Mitte 
der südlichen Dachseite des Schiffes fuhrt der Haupt- 
eingang, der sich hallenartig weit vorstreckt und dessen 
Dach Uber der ThUr kegelförmig sich abrundet. Von 
zwei Nebcncingängen fahren südlich der eine ins 
Presbyterium, der andere in den Thurm. 

Bings um die Kirche lauft ein hölzerner Vorbau, 
dessen Dach bis zur halben Kirchenmauerhöhe und beim 
Presbyterium darUbcr hinaus ziemlich schroff hinanragt. 
Er wird von hölzernen Stutzen getragen, welche frei- 
stehen und nur da mit Brettern verschlagen sind, wo 
man einen bestimmten Zweck damit verband, so an 
einem Theilc des Vorbaues auf der Südseite. Der Vorbau 
hat ohne Zweifel den praktischen Zweck, die dem Holz- 
werke verderbliehen WitterungseinflUsse abzuhalten, in 
zweiter Linie den Mauern zur Stütze zu dienen. Diese 
Vorbaue sind im hohen Norden zu weiterer Anwendung 
gelangt und bilden, einen wesentlichen Theil der Archi- 
tektonik der norwegischen Holzkirchen. 

Eine andere EigcnthUralichkeit der Staudinger 
Kirche bildet die Bedachung, beziehungsweise die Be- 



XLII 




I i*. *. 

klcidung der Kirchen- uml Kirchenthurmscitcn mit 
Schindeln bin zur äussersten Höhe des Vorbandaches. 

Die Sacristci ist an der Nordseite dem l'resby- 
terium angebaut und klein, so das« da» Daeh derselben 
wenig Uber das Dach des Vorbaue« erhoben ist und 
mit diesem so zu sagen fast in eines verläuft. 

Das Innere der Kirche wird durch sieben, 
regelmässig angebrachte viereckige Fenster genügend 
erleuchtet. Sie hat eine Balkendecke mit Brettern 
verschlagen , und ist die Decke des l'resbyteritims 
und des Schiffes von derselben Höhe. Wir zählen drei 
Allilre, einen Itauptaltar St. Batholomäo geweiht und 
zwei Nclfcn-Altäre an den schmalen Querwänden des 
Schiffes, um welche sich dieses nach aussen räumlicher 
als da.« Prcshyteritim ausdehnt. Der Seiten-Altar an der 
Südseite ist .Maria hilf- geweiht-, der auf der Nord- 
weite dem heil. Johannes von Ncporauk. Das Kirchen- 
schiff ist nicht wie bei den Holzschiffen des Szalhiiianr 
Bisthums durch eine schmale Zwischenwand der Länge 
nach in zwei Hälften getheilt , worin die Männer und 
Frauen gesondert die Zeit der Andacht zubringen. Nur 
eine Reihe Bänke ist aufgestellt, welche sich bis hinten 
in den Thurm Uber der Glockenstube ziehen. Der Musik- 
Chor ruht auf -i Holzfäulen von einfacher Schnitzarbeit. 
Rechts und links lauft von dem Hanptthore ausgehend 
ein Seiten-Chor von der gleichen Höhe wie der Haupt- 
Chor. Die Geländerstäbe sind zwar einfach, doch recht 

nett abgedreht. Die 
auf der Decke be- 
findlichen Malereien 
zeigen in ihrer Ein- 
fachheit und kunst- 
reichen Verschnitt- 
kung von einem eiui- 
gennassen ausgebil- 
deten Geschmack. 
Die Holzverzierung 
der Kanzel ist eben- 
falls bei aller Ein- 




-i r— 

Fijf. 3. 



voll. An der Kanzel 
sind auch zwei 
Wappen augebracht, 
wovon das eine zwei 
Hirschgeweihe, das 
andere eine Rad ent- 
hüll (s. die Tafel). 

Die Kirchen- 
tbtlnnc enthalten 4 
Glocken, eine grosse 



Anzahl für eine kleine Kirche. Drei davon trägt der 
llauptthnrm, und zwar zwei grössere und eine klei- 
nere. Bin anderes kleines Glöckehcu befindet sieh in 
dem kleinen DaehthUrmehen. Zwei Glocken hnben die 
Spruche und Jahreszahlen: O rex gloriae Vl , n j <.„,„ 
pace l.">17 und Jesus Nazaren. rex .lud. LM1». 

Die erste Renovation der Kirche soll im Jahre 
1013 mit der Ausbesserung des Schiffes geschehen sein. 
Ans dieser Zahl, ilie auch an der Kanzel angebracht 
ist, Hesse sich vielleicht der Schills* ziehen, dass die an 
den Glocken angebrachten Jahreszahlen so ziemlich 
richtig ilie Zeit der Krlmuimg der Kirche anzeigen. 
Man kann nämlich wohl annehmen, dass die Dauer 
eines Holzbaues, ohne dass er eine Reparatur braucht, 
uugefähr 100 Jahre seien. Rechnen wir nun 100 Jahre 
von der Zeit der ersten Reparatur zurtlck, so fiele 
das Jahr der Erbauung mit den Jahreszahlen an den 
(Hocken so ziemlich zusammen. Eine zweite Ausbes- 
serung wurde im Jahre lsjii vorgenommen, sie betraf 
den Thurm, der um ein bedeutendes verkürzt wurde. 
Die Glockenstube begann früher erst Uber dem Grat. 

Die Kirche zu Taschendorf, einem etwa eine 
halbe Meile von Ofttrau entfernt liegenden Dörfchen, zeigt 
eine üdereitistimmetide Bau-Technik mit der Staudinger. 
Der wichtigste Unterschied zwischen beiden Kirchen 
liegt darin, dass die Erbauer der Staudinger Kirche 
das Dach des l'rcsbylcrilims mit dem des Schiffes ver- 
schmolzen haben, und dass der Taschendorfer Kirche 
der Vorbau fehlt. Eine eingehendere Betrachtung der 
letzteren Kirche wird geringfügigere Abweichungen 
weiter hervorheben, ilie Ähnlichkeit aber vollkommen 
feststellen. Der Thurm hat dieselbe Gestalt. Er läuft 
von drei Seiten pyramidal nach oben zu, trägt dieselbe 
lothrecht aufgesetzte Glockenstube mit pyramidalem, 
flach zusammen laufendem Dache. ( Fig. 3.) 

Der Haupteingaug befindet sich nicht, wie es bei 
der Staudinger Kirche der Fall ist, an der Mitte der 
südlichen Langwand des Schiffes , sondern an der 
westlichen Stirn - Front des Thurmcs. Das l'arterre 
des Thurmcs bildet also eine Art Vorhalle, durch die 
der Haupteingaug führt. Der Thurm gewinnt mit dem 
der Standinger Kirche dadurch au Ähnlichkeit, dass er 
»einer ganzen Länge nach mit Schindeln eingedeckt 
ist, mit Ausnahme der Glockenstube, welche mit Latten 
verschlagen ist und ebenfalls die übereinstimmendste 
Ähnlichkeit mit jenem des Staudinger Thurmcs hat. 
Das Schiff ist vom l'rcsbyteriuni, wie schon oben bemerkt 
wurde , durch die Trennung ihrer Eindachung ver- 
schieden. Das I'resbyterinm ist bedeutend niedriger, 
auch die Langwlinde desselben springen ein bedeu- 
tendes Sttlek ein. Die Giebel-Front hat die drei Seiten 
eines Oetogons, welche sieh auf das Dach fortpflanzen. 
Der dreiseitige <;iebel lehnt sich wie bei der Staudinger 
Kirche zurück. 

Das Dach des I'resbyterinm* und des Schiffes ist 
ebenfalls sehr steil. Die Wände sind der Staudiiigcr 
Kirche gegenüber niedriger und das Hol/.werk ist mit 
einem Kalkputz versehen. Dies mag darin seinen 
Grund haben, dass man es dadurch vor allzu grosser 
Fäulnis« schützen wollte. Wir finden also hier den 
Anwnrf statt des Vorbaues dagegen angewandt. 

Auf dem untersten Ende des Schiffes nach Osten 
reitet ein zweites kleines ThUrmehen mit ziemlich steil 
anstrebendem Dache. Man könnte es schlank nennen. 



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XLni 



Die Sueristei befindet sich auf der Nordseite und 
lehnt sich an «las Presbvterinm. Sie ist ein fllr »ich 
bestehendes Gebäude mit vollkommen ausgebildetem 
Daehe. Die Wände tragen ebenfalls den Kalkanwtirf. 
Der Kirn bildet ein Viereck von der grössten Regel- 
mässigkeit. 

Die Kirche liegt inmitten des Friedhofe», den eine 
Steinmauer mit zwei Eingängen umgibt. Was das Alter 
der Kirche anbelangt, so liegen nur Ungewisse An- 
deutungen vor. Den einzigen Anhaltspunkt in dieser 
Beziehung gewährt die auf einem Schrank befindliche 
Jahreszahl 1521. 

Heide Kirchen machen von aussen ihres Kben- 
masses und ihrer dunklen Holzmasse wegen, von innen 
um ihres wohlbcnutzten, ebenmüssig cmistruirten und 
tranlich zusammenrückenden Haunics willen einen wohl 
thueudeu doch ernsten Kindruck, dem die Empfindung 
der ehrwürdigen Altert hllinlichkcit sich zugesellt. Wir 
verlieren in der That, wenn einst alle diese Hauten 
abgebrochen sein werden , ein gut Stück eigensten 
Volksthums, der Kunstliussernng des Volkes. 

Anton Peter. 

Gemalte Initialen auf Urkunden. 

(Mit I lUlurhnttl ) 

Die Freude an bildlicher Ausschmückung inuss 
wUhrend des Mittelalters sehr verbreitet gewesen sein, 
wie die vielen in Handschriften enthaltenen Initialen 
und Miniaturen darthnn. Viel seltener dagegen sind 
ähnliche künstlerische Anwandlungen bei der Ausfer- 
tigung von Urkunden bemerkbar. In päpstlichen Hullen 
finden sich zuweilen die Kuchstaben der ersten Zeile 
in Sepia reich und geschmackvoll verziert, mitunter hat 
auch das namentlich in deutschen Urkunden vorkom- 
mende Anfangs I die Phantasie des Schreibers heraus, 
gefordert, so dass es mit einer grotesken Fratze ver- 
sehen wurde, allein im Ganzen und Grossen kommcii 
dergleichen Verschönerungen nur vereinzelt vor. Der 
(irund ist leicht einzusehen, wenn man erwägt, dass die 
Handschrift bis zu ihrer Vollendung nicht selten meh- 
rere Hände durchlief, vom Schreiber an den Kubricator, 
von diesem an den Maler wanderte, während die Ur- 
kunde, vom Hesiegeln und den etwa angebrachte» 
Contrasignirungeu abgesehen, wesentlich das Produc» 
einer Person ist. Nicht minder war der Zweck, den man 
in beiden Fällen beabsichtigte, ein verschiedener. Die 
Handschrift gehörte in die Hibliothek, mit derselben 
wollte man nicht selten Staat machen und sie war dann 
geradezu ein Gegenstand des Luxus , welcher auch 
einen dem entsprechenden Preis hatte. Anders die Ur- 
kunde ; von vornherein bestimmt , einem praktischen 
Bedürfnisse abzuhelfen, diente sie zur Sicherung strei- 
tiger oder anfechtbarer Kcchts-Vcrhältnisse. Mit ihr zu 
prunken, konnte so leicht niemanden einfallen, was 
kam daher anf deren Ausstattung an? von der Halt- 
barkeit des Stoffes abgesehen, war für die Urkunde die 
Billigkeit ein wesentliches Erforderniss, und so erklärt 
sich ungezwungen jene Mannigfaltigkeit der Form, von 
der endlosen italienischen Rolle bis zum winzigen Per- 
gamentstreifehen, in der uns die Urkunden Uberliefert 
sind. 

Ks ist somit in der Natur der Sache begründet, 
dass gemalte Anfangsbuchstaben bei den Urkunden nur 
XVII 




als sehr grosse Seltenheiten erscheinen. Wattenbach 
in seinem Werke „Schriftwesen im Mittelalter" (p. 22UI 
erzählt von einer im Berliner- Staats- Archive befind 
liehen Kelehnungs-Urkunde Kaiser Ludwig des Hävern 
für die Herzoge von Pommern ans dem Jahre l.'t.*!*. 
welche die Abbildung dieser Helehnnng enthalten solle. 
Er ist übrigens des Dalums und der Urkunde nicht ganz 
sieher. Dessgleiehen habe die Urkunde Papst Kugen IV. 
von 1439 über die Vereinigung der griechischen und 
römischen Kirche auf der Pariser Hibliothek (Silvestrc 
vol. III.) reichen Farbenschmuck. Endlich erwähnt er 
noch einer .Schenkungsurkunde des Mailänder Herzogs 
Lodovico il Moro an seine Gemahlin vom 28. Jänner 
1494, welche das Portrait beider Gatten von sehftneii 
Arabesken umgeben zeige. 

Die Zahl der wenigen Heispiele . welche dieser 
Kenner mittelalterlichen Schrift wesens anführt, wird 
sich, ist einmal dns Augenmerk darauf gelenkt, unzwei 
felhaft sehr vermehren lassen. Ich selbst bin in der 
Lage fünf neue Fälle aus österreichischen Archiven 
für die Zeit von 151»" nachzuweisen. 

Am ältesten und unstreitig auch am interessan- 
testen ist ein Ablassbrief, welchen neun Erzbisehöfe 
und Bischöfe dem uralten Stifte Innichen im Pusterthalc 
nntenn 31. Deceniber 133S zu Avignon ausgestellt 
haben >. Die erste Zeile dieser lü* Ctm. breiten, 4'.' ("Im. 
hohen, auf italienisches Pergament geschriebenen Ur- 
kunde enthält die drei Worte: Uniuersis Sande Mntris 
mit durchweg vergrösserten Buchstaben , von denen 
überdies das U, n, ferner das Anfangs-S und M mit 
Farben ausgemalt sind. Am bemerkenswerthesten ist 
jedenfalls die Initiale U. von der wir eine getrenc Ab- 
bildung in obiger Figur geben. Dieser riesig vergrößerte 
Buchstabe nmschliesst auf violettem braun- und weiss- 
gemusterten Grunde das Bild der Himmels- Königin mit 
dem gekrönten Gottessöhne auf dem linken Arme, 
während die Rechte ein Herz eniporzuhalten scheint. 
Der erste Balken der Initiale zeigt eine Blatt- Verzie- 
rung, der zweite enthält anf grellrotheni brnungenin- 
stertem Grunde die Figur eines knieenden (?) Mönchs 
in violettem Gewände , mit kahlgcschornem Haupte. 

1 Nor«» M«nwr»TicD.li «rcMtplaMpu« . l'Mru> Moati. Marian!, Farm. 
r»ll|»»,l., »erjlij" psIltuU, Mlunninii Worra.rlau.L.. lUrnardn. i;aaen«i>. 
Orarianua r>ii|rtiiti»l>, Thnma» Tannin nt P,>!rua Ac«ruri»l> eplrccpl. Uli- 
Antat« utllna dla »aii* lurrinlirl» »nun dimlal MC< l'XXXIX U«M* «la 
Schwanken [u dar Datirut,*. ub liSH «.dar ISJö iai.:fi-ru* aufkommra. al« w.u. 
fwcirrlhajt icia k£nnto. oli dar Jahrw»anran* mit t& l>ocerab*r »dir ■•JlMtf 
lrm<lnl der llfluli at |.nntl»i»!o. dumlni l!«t.cdlct. papnr VII m. ipiUI . 
»Lrl.fld.1 Jcd^-r, die r ra«. dl< I rkoad. IM, da Cap.i llrn-dU! XII «, 
i • l>fr.ml r i -i tun n, rr.M.h •■ n'.f, » I . <:u- i , . 

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XLIV 



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gelber Stirnbindc und einem (unaHsgefUllien) Spruoh- 
bandc in der Rechten. 

Die Farben sind grelles Minuiura, Braun, Violett, 
ein schmutziges Gelb nn<l Wein«. Letztere Farbe igt bald 
ilttroli Aussparen der betteffenden Stellen gewonnen, 
wo rlann da« blosse Pergament durchblickt, bald, wie 
bei der Musterung des violetten Grundes, selhststündig 
aufgetragen. Ausserdem ist aiteb eine ganze Keihe von 
grösseren und kleineren Buchstaben des Urkumleu- 
textes nneh freier Willkür de« Sehreibers oder Malers 
mit einem Klexe versehen , der gelben Untergrund 
andeuten soll. Der breite Rand unter der Initiale endlieb 
wurde benutzt , um durch Beisehreiben der Geneh- 
migungsfonnel des Brixner Bischofs Matthäus dto. In- 
niehcn '2 C .K Juli 1340 der in der Ablass-Verleihung 
enthaltenen Klnnsel: r dnmmodo dioeesnni voluntas ml 
id aeeesserit et eonsensus" zu entsprechen. 

Die Übrigen Urkunden mit gemalten Anfangs- 
Hnehstaben entnehme ich dem steirischen Landes- 
Arehive zu Griltz , dessen reichhaltiger Bestand noch 
manchen nngehobenen Schatz birgt. Der Zeit nach folg» 
ein nndatirtes, jedoch dem Jahre 1489» angehtlriges 

' Iha» artfiatt alch aua dar glalcrifalla I 1 " atalrlichaa Laadaa-Aarlii'* 
-alriajlaaaa l'rkuaila dm. um. »1. Auftrat Arim°ol. «»Ich« bafalu alut Vidi- 

) r ei 



Bittgesuch des Frauenklosters Göss an Papst Inno- 
cenz VIII- bctrctTend die freie Wahl der Beichtiger mit 
gewissen Privilegien, die Aufstellung von TragaltUren 
n. s. w. Das Schriftstück 34 Ctm. lang, 45 Ctm. breit, ist, 
was Pergament, SchriftzUge und Ausstattung anbelangt, 
sicherlich erst in Koni Uber Veranlassung des Nonnen- 
Stiftes ausgefertigt worden. Die erste Zeile BEATIS- 
SIMK PATER hat zollhohe Buchstaben, welche je nach 
Gutdünken blau oder roth gemalt, mitunter (die beiden 



I und ein T) sogar mit aufgetragenem Golde belegt 
sind. Am meisten verziert ist begreiflieh die In tiale B. 



Halb blau, halb blassroth, mit abgestuften Farben, und 
mit weissen Verzierungen bedeckt , enthalt sie noch 
überdies auf roth-grttnem Grunde das Familien- Wappen 
des Papstes » und ausserdem zwei rechtwinkelig vor- 
springende Leisten von 1 — 1'/, Zoll Breite; bnnter 
Blumenschmuck, welcher nur den Raum zu zwei Me- 
daillons freilässt, erfüllt dieselben. Von diesen Medail- 
lons ist übrigens nur das eine ausgeführt, es enthält 
den stylisirten dunkelgrau gemalten Kopf dcR Erlösers. 
Alle Farben mit Ausnahme des Blau sind noch sehr 
frisch. Das aufgelegte Gold ist nicht gespart. 

Zwei weitere Beispiele bieten die grossen unterm 
4. December 1494 zu Rom vom Gardinnl- Bischof 011- 
verius und 1 7 andern Cardinälen für die .Stiftskirche 
.Seekau, beziehungsweise den dortigen Frauen -Altar 
ausgestellten Ablassbricfc. Der Anlage nach sind beide 
gleich, in der Ausführung» herrscht Verschiedenheit. 
Beide Urkundeu sind oben und auf den Seiten von 
einer breiten Leiste umgeben, welche mit plumpen und 
bunten Verzierungen ausgefüllt ist. Das G in Olivcrius 
ist als Medaillon verwendet, die andern stark vergrbs- 
serten Buchstaben sind fürbig und zwar die beiden .1 
mit (iohl belegt, das L, E und das zweite U blau, die 
übrigen roth. Die beiden Seitenleisten enthalten Über- 
einstimmend in zwei Medaillons je das Familien-Wappen 
des Papstes Alexander VI. Borgia (gespaltener Schild, 
1. rother Stier auf grünem Boden in gold; i. dreimal 
gold und schwarz getheilt) uml den Schild mit den 
gekreuzten weissen Schlüsseln im rothen Felde. 

Was nun die Miniaturen anbelangt, so sind jene in 
dem Ablasse für die Kirche «Ii« sorgfältiger ausge- 
führten. Das G umschliesst hier die Anbetuug des 
Jesttkindleins durch Joseph und die Gottesmutter. Ein 
zweites entgegengesetztes Medaillon zeigt die Auf- 
erstehung des Herrn ; in der Mitte, nach Art eines 
Kirchenbildes umrahmt, erscheint die von den Engeln 
Uber die Wolken emporgetragene Jungfrau Maria. Der 
Ablass für den Franenaltar enthält in dem 0 «lie Be- 
gegnung Mariens mit Elisabeth, im zweiten Medaillon 
«las Bild des Kirchenlehrers und Bischofs Augustin, in 
der Mitte das Schweisstuch der heil. Veronika. 

Die letzte Urkuude, deren ich heute gedenke, ist 
eine vidimirte Abschrift der Privilegien , welche Papst 
Sixtus IV. am "J.'t. August 1477 den lateranensisehen 
Chorherren ertheilt hatte, ausgestellt unterm 23. Jänner 
1490 zu Rom vom Cardinal - Diakon Raphael für das 
Stift Seekau. Umfang und Inhalt dieses Privilegiums 
waren Veranlassung, dass für die Vitlimirung die 
Buchform gewählt wimle, und so besteht diese Ur 

> laawau» VIII. ataumt« aua d<m Hau» Clbo, Aahar araakatal Mar, 
badaakt »na dar Tiara und daa gakraiaataa ScklBaaale, ala (ethalKar Schild- 
obaa aln ralhca Kraue la Wein, unlaa ala blauwala« caathuklar Schratt* 
talkco la roth. 

• Kl, lrlmaaHar.au .lad Ja *» CM. Uralt«. M C.aa 



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XLV 



kande vom Deckblattc abgesehen aus 18, his 
auf zwei beschriebenen Blättern in klein Quirn, 
welche durch das anhängende Siegel zusammen- 
gehalten werden. Das erste Blatt hat anf der 
Rückseite das anf zwei gekreuzte Schlüssel auf- 
gelegte und mit der Tiara bedeckte SehlUBsel- 
wappen, darunter auf einem fliegenden Bande: 

2;rr tili Srtiour uirbr : minimr »imo irrt« d 
Ot Iftu» hi» gdufera«: librrtuirqiif r«-ultnn» 

Die gegenüberstehende Seite des zweiten 
Blnttes enthält anf Goldgrund ein ungeheures II, 
welches wieder die Figur des heil. Augnstin 
ninschliesst, und .darunter in vier Zeilen die Re- 
grUssungsformel : VNIVERSIS | ET 8INOVLIS 
PR | ESEXTES LI'ITE | RAS 1NSPECTVRIS 
und erst anf der Rückseite den eigentlichen 
Beginn der Urkunde : Raphnel miseratione diuina 
n. 8. 



Üb< 



'bcrhlicken wir die bisher bekannten Bei- 
spiele von Urkunden mit Malereien, so ergibt 
sich die Andeutung von selbst, dass eine Ver- 
mehrung solcher Seltenheiten vorwiegend von 
italienischen Urkunden erwartet werden kann. 
Ans deutschen Kanzleien durften StUckc wie 
der pommerische Belehnungsbrief nur in ganz 
ausserordentlichen Fällen erhVsen sein». Dagc 
gen mag bei der päpstlichen Curie schon früh 
die Übung aufgekommen sein, gewisse Urkun- 
den, auf welche die Aufmerksamkeit der Menge 
gelenkt werden sollte, mit einer mehr in die 
Augen fallenden Ausstattung zu verschen. Diese 
Bedingung traf aber bei den Ablassbriefen ganz 
vorzugsweise ein. Noch heutzutage findet man, 
von dem nur wenigen erklärbaren „Altare per- 
petno privilegiatum" 4 abgesehen , in der Nähe 
der betreffenden Altäre die Verleihungs- Urkun- 
den entweder im Original oder in Abschrift an- 
gebracht, mitunter selbst in Stein gemeisselt •. 
Wir werden daher mit der Vermuthung kaum 
irren, dass auch die Mehrzahl der noch zu ver- 
öffentlichenden Urkunden mit Malereien der Ka- 
tegorie der AblaBsbriefc angehören wird. 

/>r. Arnold LutchtH. 

Kirchliche Baudenkmale in Ober-Österreich. 

(Mit t II - lue hallte 

(Fortsetzung./ 

Der Markt St. Georgen liegt an der grossen 
G u s e n und zwar ziemlich nahe an deren Ausflüsse in 
die Donau. Die Ifarrkirchc ist ein grosses geräumiges 
Gebäude; von dem ursprunglichen dreischiffigen hallen- 
förmigen Langhausc haben sich nur die durch kräftige 
Strebepfeiler verstärkten Umfangsmnucrn und die drei- 
paarige Pfeileranlage erhalten. Aufbau der lfeiler und 
Überwölbung sind neu. Da« I'rcsbyterium ist ziemlich 

* Solrbei deute« auch «IIa weiter oben erwabnle ferbrlft Boter dem 
ScbluMelwaapen es : ,11m« tibi tti i ••»■ tarba mhlmt iiteo trade", '1 b. 
»lebt fär die Aufbewahrung In ArehlT-Saeke (KarnlerJ, aendern ,*t Uettte 
Kind**» ltbertlei|U« eaattaae*. Ke wäre Tlellclcht deokenewerlb . <u ttnlereo- 

chen, ■■•rlei'ern In .! r . Felle et» der Gebrtseh tob Bilder- HunllchriiUn 

dei (tMbeeBjplegeU u-ter anderer Iteebtibärber eingewirkt hat. 

• n. der Stiru-Kltebe ia Inalcben In derart eJao lange Rolle al fruit« 
(•malt ; elae Steiolaiebrirt der (edarhlea Gatinog bebe KD lo einer itelrl- 
■thtn Klealerklrtlie, »le leb (Ulli.«, tu Rein (rieben 




Fiff. 1 

lang (2H Fuss), 21 Fuss breit, und schliesst mit drei Seiten 
des Achtecks; es ist mit einem zusammengesetzten 
Rippen-Gewölbe Uberdeckt. Die Rippcnansläufer laufen 
als halbrunde Wandpfeiler herab, wo sie auf Sockeln 
aufsitzen. Über der rechts befindlichen Sacristei-Thttr nnd 
in den beiden Ecken des Triumphbogens stutzen sie sich 
auf Kragsteine. Die Fenster im Langhause und Chor 
sind spitzbogig, aber bereits ohne Masswerk. Der 
Thurm steht links des Presbyteriums, hat Spitzbogcn- 
fensler und hohes Zwickeldach. Die Kirche dieser schon 
im XII. Jahrhundert erseheinenden Pfarre durfte dem 
des XV. Jahrhunderts angehören (Fig. 1). 

Ein schöner Bau ist die Pfarrkirche zu Warth erg. 
Die Kirche hat ein dreischiffiges Langhaus. Das Mittel- 
schiff scheiden drei Paar achtkantige Pfeiler, die jeder- 
scitig durch gedruckt spitzbogige Bögen mit einander 
verbunden sind. Die Gesammtbreite des Langhanse* 
beträgt 48 ■/, Fuss, die Länge 92 Fuss. Mittelschiff wie 



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XT.YI 




' . .... 
1%. 

lic damit gleich hohen Abseiten sind mit reichem Net/. 
gcwJSlhe überdeckt; die Rippen entspringen unvermittelt 
:tus den Pfeilen, an den Wiiuden sitzen sie auf Trag- 
Kteinen auf. Der Musik-Chor ist im letzten Gcwülbejoch 
iles Langhauses eingebaut und stutzt sieh auf 8 Säulen. 
Die Chorbrüstung ist aus Stein, ganz einfach. Da» l'res- 
liyteriuin in der Fortsetzung des Mittelschiffes besteht 
ans zwei oblongen .lochen und dem aus dem Achtecke 
gebildeten Chnrsehlussc. Ks ist mit einfachen Kreuz 
gCWfilben Überdeckt, deren Kippen an den Wlinden als 
Wandpfeilercheu herablnulVn. Liuks de« l'resbytcriuius. 
an dessen .Wh anschliessend, befindet sich eine kleine 
Capelle neuerer Zeit, rechts zunächst beider .loche des- 
selben die Sacristci. Line sonderbare Stellung hat der 
Thurm, welcher bis zur Hälfte in das letzte Joch des 
linken Seitenschiffes eingebaut ist, daher er dasselbe bis 
auf einen schmalen (lang ganz absehliesst. Der Thurm 
ist iiiüssig hoch, mit spitzbogigen Sehallfensterii verse- 
hen und mit einem Satteidaehe überdeckt. 

Die Aussenseile dieser, der zweiten Hälfte des 
XV. Jahrhunderts ungehörigen Kirche zeigt wenig 
besonderes; einmal abgetreppte Strebepfeiler, einfacher 
Sockel und eiiiigerinasseu profilirte* Dachgesims sind 



alles, was zum Schmucke des Äussern geschah. Sämmt- 
liehe Fenster sowohl im l'resbytcrium wie im Langhause 
sind spitzbogig dreithcilig und mit hübschem Masswerke 
geBehmUckt. Bemerkenswert!! ist das an der Westseite 
der Kirche befindliche Hauptportal aus Granit mit Fisch- 
blasen - Masswerk im spitzbogigen Tympaimn, leider 
aber durch vielmalige KalkUbertttnchung arg verkleckst. 
(Fig. 2 und .*}.) K. Fnauur, 

Bemerkungen über Kunstwerke in Italien. 

Italien ist so reich an KuiistschHtzen aus den ver- 
schiedensten Epochen, dass der aufmerksame Reisende 
trotz allen trefflichen Werken, die von der Kunst Ita- 
liens handeln, noch lange auf unberücksichtigte oder 
nur kurz erwähnte, aber eingehenderer Besprechung 
würdige Kunstwerke stnsscn wird. Es sei mir gestat- 
tet , Uber einige derartige Werke , wie ich sie anf 
meiner Reise antreffe, Ihnen zu berichten. Da meine 
Reisebibliothek sieh naturgemäß nur anf wenige 
Bücher beschränken kann, wird man es mir verzeihen, 
wenn hier und da die etwa existirende Literatur mibe 
rücksichligt bleibt. Zuerst sei eines Städtchens, noch im 
SUdtirolischcn gelegen, gedacht. 

I. Die Minoritcnkirchc in Riva am Gardnsec. 

Diese kleine Kirche ist in der zweiten Hälfte des 
XVI. Jahrhunderts erbaut. Sie hat beiläufig die Gestalt 
eines Cubus , Uber dem sich ein zweites achteckiges 
Stockwerk erhebt, das mit einem niedrigen, die Kuppel 
bildenden Pyramidal- Dach absehliesst. In der Mitte 
dreier Seiten des Erdgeschosses finden sich mit ThUren 
versehene geringe rechtwinkelige VorsprUnge, die au 
der Basis des zweiten Stockwerks mit flachen Giebel- 
dächern absehliessen ; an die vierte Seite lehnt sich ein 
längerer, ebenfalls rechtwinkeliger Anbau, der deu 
Hochaltar ebwehUewt, Der äusserst einfachen Aussen- 
nnsicht gegenüber überrascht das überreich ausgestat- 
tete Innere , das »ich architektonisch dem Äusseren 
trefflich anschmiegt. In die vier Eckcu des Würfels sind 
halbkreisförmige Nischen gestellt, deren halbkuppel 
förmige Abschlüsse auf das ungezwungenste zum acht- 
eckigen Obergeschosse und der das letztere krönenden 
Kuppel überleiten. Die oben erwähnten VorsprUnge 
tragen innen drei kurze Tonnengewölbe unter den 
Thürcn und ein längeres Uber dem Hoch Altar. Zwei 
kräftig profilirte GcBimsc: das eine beim Beginn des 
zweiten Stockwerks , das zweite unter der Knppel, 
gliedern das Innere in horizontaler Richtung, in verti- 
caler Richtung versehen Pilaster mit reichen korinthi 
sirenden Cnpitälen zwischen den Nischen und den Vor 
Sprüngen diesen Dienst. Nischenrahmen und l'ilaster 
sind auf's reichste mit Stuck-Ornamenten verziert. Die 
Stückarbeit stammt nach der Aussage des Küsters von 
Davido Belli (Anfang des XVII. Jahrhunderts). Koppel 
und Wände sind mit nicht gerade bedeutenden Fresken 
bedeckt: die Wandmalereien sollen einen Guidfl Rotti 
zu ihrem Urheber haben. Die Befriedigung, welche der 
(dien angedeutete architektonische Aufbau des Innern 
gewährt, wird durch die all zu bunte und überladene, 
barocke malerische und plastische Decoration beein- 
trächtigt. 

In den Nischen sind vier Altarbilder aufgestellt, 
deren eines: Christus am Kreuze. Gnidn Reni, die drei 



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XL VII 



anderen: S. Carlo, S. Onofrin und S. Girolumo vorstel- 
lend dem Palma Vecehio zugeschrieben werden. Auf dem 
Gemälde, das uns den heiligen Onofrius, einen Grob 
mit Iiis an die Kniee herabwallendem weissen Haar, in 
einer Waldlandschaft in inbrünstigem (lebete zeigt, findet 
sieh die Bezeichnung Jacobu» Palma F. Dem Colorit 
dieses, wie den beiden anderen dem Palma Vecehio zu- 
geschriebenen Mildern fehlt allzu sehr die den Meister 
auszeiehnendc Wärme, als das« ieh sie für Werke seiner 
Meisterhand halten könnte. Sind es nieht vielleicht 
Arbeiten cles Jucopo Palma (liovnne? von dem die Pina- 
kothek zu Vieenza einen heil. Hieronymus besitzt, der 
an die Gemälde in Riva erinnert. Der offenbar sehr 
nachgedunkelte p ChrwtUK am Kreuze" mag aber in der 
That Cnido Keni zum Urheber haben. Tiefes Leiden 
und zugleich ' inniges Vertrauen kommen in dem 
schonen Kopfe in hervorragender Weise zum Ausdrnck; 
man wird lebhaft an den domengekrönten Christus in 
der Dresdener Galerie erinnert. 

Der für gewöhnlich durch ein Gitter von der Übri- 
gen Kirche abgeschlossene Chor enthalt in seinem Stuhl- 
werk ein bedeutendes Product der Holzschnitzkunst. 
Meister Gins. Calinri (doch wohl derselbe G. Caliari, 
von dem die vier Kirchenlehrer, sitzende Bronzesta- 
tuetten, Pendants zu Sansovino's vier Evangelisten, auf 
dem Gellinder zunächst vor dem Hochaltar in St. Maren 
zu Venedig stammen), hat die 14 von schwungvollem 
Blatt-Ornament umgebenen biblischen Seenen, welche 
sich an den Lehnen Uber den Sitzen befinden, im 
zweiten Viertel des XVII. Jahrhunderts aus Nnssholz 
geschnitzt. 

Von links nach rechts (subjectiv): 

1. Ein Krieger empfängt Brot aus den Händen 
eines Priesters. Es ist darunter doch wohl Abrahams 
Begegnung mit Melchisedck (l.Bnth Mos. 14, 13) 
gemeint, oder vielleicht David, der aus der Hand Abi 
melech's das heil. Brot empfängt (1. Sam. 21). 

2. Die Verstossung der Ilagar und Ismael's. Hagar, 
ein junges Weib mit anmiithigem Gesicht, ist vor dem 

. im Davongehen begriffenen Abraham niedergeknieet. 
Vor ihr der kleine Ismael in kurzem Herudehen. Eine 
der bcstgelungenen Seenen des Werkes. 
8. Das Opfer des Abraham. 

4. Ksau verkauft sein Erstgeburtsreeht. Eine aus- 
drucksvolle Darstellung, Jacob ist in knieender Stellung 
vor einem Kessel beschäftigt, um welchen die Klammen 
schlagen. Kr hat einen Schöpfer in der Hand. Ksau 
kommt mit einer Schale, in der Hechten, Rogen und 
Pfeil in der Linken, herbei. Noch scheint er sich zu 
besinnen, ob er den vcrhängnissvollen Handel ab- 
schliessen soll, Jacob schaut ihn sehlau an. 

;'). Erschaffung der Well. Jehova, eine stattliche 
(»estalt mit reichem Kopfhaar und Bart fliegt, von Engeln 
getragen, von Wolken umgeben, einher. Sonne und Mond 
(mit Gesichtern). Sterne, Wasser und Felsen sind rinjrs 
umher angedeutet. 

•'). Erschaffung der Eva. Adam schläft in eleganter 
Lage. Die Stellung Gottes, in faltenreichem Gewnnde. 
hat etwas theatralisches. 

7. Die heil. Familie? 

s . Der Sltndenfall. Hier erscheint Gott in königlicher 
Kleidung, die Krone auf dem Haupte. Vor ihm windet 
sich die Schlange. Schuldbewußtsein und Schamgefühl 
der Eva kommen zu kräftigem Ausdrnck. 



9. Die Vertreibung ans dem Paradiese. 

10. Noah zimmert mit Hülfe seiner Söhne ilie Arche, 
ein Bildchen von genrehaftem Interesse. Der eine Knabe 
arbeitet mit der Axt, ein anderer mit der Säge. 

11. Noah, die Arche besteigend. 

12. Die Suudfluth. Die Rettungsversuche von 
Mensehen und Thieren sind mit vielem Geschick auf so 
kleinem Haume angedeutet. 

13. Xoah's Opfer. 

14. Noah, vom Wein berauscht, liegt in tiefem 
Schlafe da; die drei Söhne sind nieht ohne Humor 
geschildert. 

Die Reliefs haben alle einen mehr malerischen als 
plastischen Charakter, wie das ihre Entstehungszeit 
erwarten lässt; doch hat sich der Künstler von den argen 
Übertreibungen in der Schilderung des Affecle« ferne zu 
halten gewusst, die bekanntlich in jener Zeit schon sehr 
um sieh gegriffen hatten ; die Gestalten sind zum grossen 
Theil edel modellirt und massvoll bewegt; hie und da 
macht sich freilich theatralischer Pathos geltend. In dem 
kräftigen Ornament, das den Rahmen zu den figürlichen 
Darstellungen bildet, spricht sich nicht minder als in 
diesen ein pcläuteter Geschmack ans. 

R I>ol,l>ert. 

Die passio sanetorum quatuor coronatorum. 

(HU I )l»l«i.rl»HI-) 

Wäre es auch nicht ohne weitere Veranlassung 
gerechtfertigt , von diesem interessanten Legendenstoffe 
zu sprechen und seine Reichhaltigkeit an Knnstnaeh 
richten in bisher noch ausser Acht gelassenem Betrachte 
zu untersuchen, so bietet sich jetzt doch umso mehr eine 
Gelegenheit, als eine neue Arbeit den Gegenstand 
wiederholt in den Vordergrund gerückt hat. Die ersten 
Erläuterungen der von Wattenbach zum erstenmal mit- 
getheilten Passio lieferte Th. v. Karajan im Anschluss 
an jene Publication, im Februarhefte des Jahrganges 
1853 der Sitzungsberichte der kaiserl. Akademie der 
Wissenschaften (X. Bd., p. 116 ff.) mit vielem Glücke 
in der Deutung; jetzt liegt ein bei Teubner in Leipzig 
erschienenes Schriftchen vor: Passio Sanetorum quatuor 
coronatorum, herausgegeben von Wattenbaeh, mit 
archäologischen und chronologischen Bemerkungen von 
Otto B e n u do r f und Max Rüdinger, 1^70. (Besonderer 
Abdruck ans den Untersuchungen zur römischen Kaiser- 
geschichte III. Rand.) 

Wir wollen im Folgenden von dein Verhältniss der 
Handschriften, dem philologischen und chronologischen 
Theil der bisher angestellten Forschungen nichts 
wiederholen, da derlei sich nur im Ganzen benrthcilen 
lässt, and verweisen diesbezüglich auf die gelehrten 
Untersuchungen der beiden Ausgaben; hier soll nur in 
der Weise einer Bücherschau zusammengefasst dar- 
gestellt werden, was Kunstgeschichte und Archäologie 
als Ernte ans diesem neuen Beitrage gewinnen, und 
ferner möge gestattet Bein, vom Gesichtspunkt der 
Kunstgeschichte des Mittelalters daran eine Bemerkung 
zu knüpfen. 

Die Legende zeichnet sich schon in der Form vor 
der Legion ihrer Schwestern uur. In höchst schlichtem 
ansprechendem Style verfasst, schildert die Erzählung 
sehr massvoll und" wahrscheinlich dal Wesen sowohl 
der Rekenncr als der Heiden, so vernünftig und ruhig, 



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XLVIII 



dass jene nicht wie gewöhnliche Fanatiker, diese, eben- 
so wenig Übertrieben, nicht als blutgierige Peiniger 
auftreten : beide Parteien beweinen vielmehr eine sehr 
schätzenswerthe Toleranz. Karajan hat auf diese 
Vorzüge mit Recht grosses Gewicht gelegt, denn es 
laust eine Darstellung, welche im allgemeinen voll 
treuer Ztlge des wirklichen Lebens, ohne „leeres Wort- 
gepränge, abschreckendes Ausmalen gräulicher Martern" 
ist, auch vermuthen, dnss ihre Angaben Uber Kunst und 
Kunstübnng von Werth und Wahrheit »ein werden. Wie 
es mit der historischen Wahrheit des Vorfalles beschaffen 
sei, hat Büdingcr ausführlich nachgewiesen. 

Der .Schauplatz, auf welchen die Geschichte der 
fünf Märtyrer Künstler verlegt wird (denn die Tödtung 
der quatuor coronnti bildet für sich ein nur äusserlich 
damit zusammenhängendes Ganzes und ihre passio gab 
in Folge späterer Bearbeitung und Compilation der 
Legende die nun geläufige Bezeichnung), die Stätte 
ihrer Thätigkeit und Opferung ist die Gegend des pan- 
nonischen Sirmiums. Hier allein kommen Steingattungen, 
von denen in der Legende die Rede ist, vor und zwar 
im Gcbirgsstock der Fru8ka-Gora, ferucr scheint 
der raons pinqnis, der 'kly.it io&j, alma mons des Dio 
Cassius, Eutrop und Vopiscus", wieder nichts anderes 
als dieses Gebirge zu sein. Bei dem heutigen Mitrovic 
befinden sich ein alter Steinbruch so wie Spuren einer 
römischen Wasserleitung. 

Kniscr Dioclctian, den die Passio mit den fünf 
Märtyrern in Verbindung bringt, hielt sich besonders 
gern in Pannonicn auf und schmückte Sinnium nebst 
der Umgebung mit zahlreichen Schöpfungen der Kunst. 
In den Bergwerken (opera montis) arbeitet eine grosse 
Schaar der artifices metallici. Welche der Kaiser selbst, 
als Herr dieses Domänen-Gutes, die Stein Materialien 
(metalla) für künftige Arbeiten zn brechen beorderte. 

Unter den artifices metallici und den quadratarii 
des Steinbruches befinden sich vier heimliche Christen : 
Claudius, Castorius, Symphronianus und Nicostratns, 
magnae peritiae (sie) artis imbuti homines, welche 
trotz ihrer Anhänglichkeit an die neue Lehre ohne 
Furcht und Bedenken an den künstlerischen Unter- 
nehmungen der Heiden sich bethciligcn. Darin ruht 
das Merkwürdige dieses Legenden-Berichtes, es eröffnet 
einen völlig nenen Einblick in das Leben jener Tage 
des Überganges und zeigt in überraschender Weise, 
wie die Neuerung eben dadurch so mächtig und endlicli 
siegreich werden konnte, weil alle Lebensverhältnisse, 
alle Stände, alle Situationen von ihrer Einwirkung 
durchdrungen, durchsäuert und schliesslich umgebildet 
wurden. Indern christliche Künstler für Heiden arbeiteten, 
gextaltcte sich der Übergang antiker Formen und Ideen 
in eine den neuen GlanbensbegTiffen entsprechende 
Knnstwcise von BelbBt, es brauchte nur die Reflexion 
hinzuzutreten und den gewohnten Typen neue Bedeutung 
zn unterlegen. 

Nun befahl der Kaiser ein simulacrum Solis cum 

quadriga ex lapidc Thaso cum omni argumento, 

eurruni et equos anzufertigen. Die philosnphi, eine Art 
Aufseher oder Factoren der Arbeit in den Steinbrüchen, 
besprechen sich mit den Wcrklcutcn Uber die Wahl 
eines tauglichen Stoffes, erst den Christen aber, die 
alles, quidqnid in scnlptura operabantur, in nomine d. n. 
Christi sculpebant, gelingt es, das verwendbare Mate- 
rial aufzufinden, worauf sie allein die sculptura sigilli 



Solis herstellen. Offenbar war es eine freie , rund 
gearbeitete Figur mit verschiedenem Beiwerk (argu- 
mentum), worunter Benndorf Relief- Verzierungen des 
Wagens oder den Zodiacus am Köcherriemen nach der 
Analogie erhaltener Werke versteht. Dioclctian, durch 
die Leistung höchlich zufriedengestellt, lüsst hierauf 
einen Tempel in loco, qui appcÜatur ad raontem pin- 
guem erbauen und, wahrscheinlich zu diesem Zwecke, 
durch dieselben christlichen Arbeiter columnas vel 
capitella columnarum ex metallo porphyretico anfertigen. 
Unter dem locus haben wir eine der Abtheilungen 
oder Stationirungcn zu denken , sonst auch loca und 
officinae genannt, in denen vertheilt die Arbeiter der 
römischen Steinbrüche dem Werke oblagen. Solche 
Arbciter-Colonien hatten häufig besondere Tempel und 
auch jener ad montem pinguem mag dieselbe Bestim- 
mung gehabt haben : Diocletian ibidem constituit . et 
posuit simulacrum et deauravit , et coepit in eodum loco 
sacrifieiis et nngentis et odoribns litari. Es ist nun erstens 
die Frage, ob Benndorf Recht hat, wenn er dieses 
simulacrum mit der obengenannten seulptnra sigilli 
Solis identifieirt und dieselbe somit zu einem Keltbilde 
marht. Karajan 's Ansicht stimmt damit nicht Uberein, 
denn seine Auffassung lautet nach dem Inhaltsauszug 
dahin , dass der Kaiser erst jenes Bild des Sonnen- 
gottes zu machen befahl, dann hiess er einen Tempel 
erbauen „und in diesem ein vergoldetes Standbild der 
Sonne errichten-*. Karajan sagt also schon: ein 
Standbild, nicht dasselbe, bereits erwähnte simulacrum; 
zu bemerken wäre nur, das.« von einem Standbild der 
Sonne in der diesen neuen kaiserlichen Auftrag berich- 
tenden Stelle nichts angegeben ist: dieselbe spricht 
weder von dem erstgenannten Sonnenbild, wie 
Benndorf meint, noch überhaupt von einem solchen, 
welches Karajan's Auffassung ist, sie sagt nur: posuit 
simulacrum, das Sol-Bild mnss für keinen Tempel ge- 
macht worden und kann somit auch nicht das zweite 
simulacrum gewesen sein. 

Zweitens erklärt Benndorf: „nachdem die Statue 
des Sol vollendet ist , wird sie vergoldet und als . 
Cultusbild .... in einem nenerbauten mit Porphyr - 
säulen geschmückten Tempel aufgestellt." Verhielte 
es sich so, dann gestaltet sich der ganze weitere 
Verlauf der Ereignisse sammt dem Eintritt der Kata- 
strophe unbegreiflich und ohne Sinn. Denn wir hören, 
dass die Künstler sich als Christen angeben, als ihnen 
bald darauf befohlen wird, ein Acsculap-Bild zu 
meisseln, indem sie sich weigern, imaginem hominis 
miserrimi zu fertigen. Benndorf bemerkt selbst, es 
scheine befremdend, das« die Meister des Sol- Bildes 
Anstand nehmen, eine Statue des Aesculap desgleichen 
zu vollenden, aber es sei bekannt, „wie sehr sich die 
ersten Christen nicht gegen die antike Kunst schlecht- 
hin, sondern nur gegen diejenigen Bildungen derselben 
abweisend verhielten, welche als Ausdruck noch 
lebendiger heidnischer Glaubensvorstellungen gelten 
mussten«. Und eben die Gestalt des Aesculap sei 
unter den damals populärsten Göttern eine hervor- 
ragende gewesen. Aber eben dasselbe gilt in nicht 
geringerein Orade von dem Sonncngottc und der 
Erklärer selbst berichtet einige Seiten vorher von 
jenem „gegen den Ansgang des Hcidenthums bevor- 
zugten, unter den verschiedensten Namen gefeierten 
Cultus des Gottes Sol" etc. Demnach sehen wir keinen 



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XLIX 



Grund, weBhalb diejenigen, welche ohne Bedenken 
ungesäumt den Einen Gott bildeten, Bich weigerten, 
den andern gleichfalls zu fertigen.- Wärt ihre seulptura 
sigilli Solis wirklich jenen simulncrnin deauratum, das 
Dioclctian im Tempel aufstellen und mit Opfern ver- 
ehren licns d. h. ein Cultbild, wie Benndorf angibt, 
ho hätten die christlichen Künstler eben bo wenig an 
da» Werk gehen kennen, als Nie später den Aesculnp 
su vollenden willens waren, die Katastrophe wäre 
gleich bei dem ersten Vorfalle eingetreten. 

Aber das Sol-Bild war eben keinCultbild, so wenig 
es die Victorien, die Eroten, die Löwen und nndern 
Thierfiguren waren, die Dioeletian ebenfalls von den 
geschickten christlichen Künstlern ausführen Hess, 
ohne deswegen auch auf Widerstand zu treffen. Diese 
waren ornamentale Arbeiten zur Verzierung von 
Brunnen u. dgl. , die der Christ damals wie heute 
lediglich als Sehmuck, nicht als Idole ansah und in 
Folge dessen wie jede andere Arbeit fertigen durfte; 
nur ein Werk, das zum heidnischen Gottesdienste 
bestimmt war, musstc ihm ein Griiuel sein. Somit mag 
jenes erste Bild der Sonne gleichfalls nur ein blosser 
.Schmuck gewesen sein, vielleicht hatte es directeu Bezug 
auf den Kaiser, deu Sohn einer pannonischen Sonnen- 
priestern!, dessen Mtlnzen die Sol-Bttste zeigen. Auch 
unsere Legende nennt Sol, dettm Caesaris, vielleicht 
war es eine Portrait -Statue des Kaisers, was um so wahr- 
scheinlicher wird, wenn wir im Verlaufe hören, dass die 
Christen gezwuugcn werden sollen, diesem Gotte des 
Kaisers zu opfern, denn es wurde, wie das bekannte 
Sehreiben des Plinius sen. an Trajan beweist, das 
Verhör vor den Statuen der Götter und dcB vergöt- 
terten IuiperatorB vorgenommen. Wenn unsere Christen 
bei dieser Gelegenheit, als sie sich weigern, "den 
Soiiueiigott zu verehren, ihren Widerstand mit den 
Worten motiviren: Nos numquain adoramus facturum 
luanuum liostraruni, so ist damit doch keineswegs dar- 
gethan, dass ihr Sonuenbild eben das nun vor ihneu ste- 
hende Tempelbild wäre und somit unser Versuch, die 
Schwierigkeiten zu lösen abgewiesen, sondern es war 
wohl ein anderes, oder es muss diese Erwiderung der 
angeschuldigten Christen lediglich als eine den mönchi- 
schen Schilderen) solcher Legendenstoffe sehr geläufige 
Phrase angesehen werden, die immer wiederkehrt, wo 
der Christ dem Götzenbilde gegenübersteht, eine Remi- 
niscenz aus Psalm 1 1 ;"> , 4 und 135, 15: p die Götzen 
sind Werke der Hände des Menschen", die eben wie 
immer auch diesmal angewendet wurde, ohne dass dem 
Verfasser der Conflict mit dem Vorhergesagten aufge- 
fallen wllrc. Wer aber dennoch die scheinbare Kraft 
dieser Phrase für Benndorfs Behauptung anerkennen 
will, da«s die Sol Statue der fünf Christen ein Cultbild 
gewesen, der schaffe auch eine Lösung des hieraus 
erfolgenden Widerspruchs herbei , dass das eine Bild 
anstandslos gefertigt wurde, die Vollendung des andern 
aber den Künstlern ein Griiuel dünkt, dem sie den Mar- 
tertod vorziehen. 

Wir haben durch diese Erwägung nicht nur deu 
Hauptinhalt der Legende für die Untersuchungen der 
Cultur- und Kunstgeschichte, sondern zugleich die 
ganze Folge der Ereignisse bereits angegeben. Noch 
erübrigt, über mehrere kleinere Arbeiten der Künstler 
zu sprechen, welche nach der Vollendung des Sol- Bildes 
den Heiden Simplicius bekehren und zu ihrem Bischöfe 



Cyrillus bringen, der ihn tauft. Hier erfahren wir, dass 
dieser, von Antiochia hergebracht, mit vielen andern 
Bckennern in Kesseln schmachtet, nach Benndorfs 
Auseinandersetzung ein Beispiel für das häufige Straf- 
verfahren der Vcrurthcilung ad mctalla. Anlnss zu der 
Bekehrung bietet Siniplieius' Frage, wie doch die Viere 
es machten, dass ihre Mcisscl so treffliche Stahlung 
besäsgen (temperamentum). Die Formel, wclehc darauf 
Claudius Uber das zu härtende Eisen ausspricht, hat, 
nebenbei erwähnt, sehr das Gepräge eines heidnischen 
Zauberscgeiis, vgl. Grimm, niyth. Cap. XXXVIII. Die 
nächste Arbeit besteht in Anfertigung von conehae, Wanne 
aus Porphyr, cum gigillis et herbacanthis, d. i. Akan- 
thusblättcni. Wie hier ein antikes Wort noch erhalten 
und verstanden begegnet, so ist die darauf angeführte 
concha porphyretica cum malis et herbacantis ein noch 
im Mittelalter begegnender Gegenstand ; ein ehemals im 
paradisus des Aachner Münsters befindlicher Brunnen 
z. B., der spätestens im XII. Jahrhundert gesetzt werden 
kann, von manchen aber selbst für römische Arbeit 
gehalten wird, ist mit einem Pinienapfel und dem Bild 
einer Wölfin, die noch erhalten sind, geschmückt (Bock, 
der Reliquicnschatz des LicbfraucnmUnsters zu Aachen, 
p. 74). Bei den Chronisten wird hier die Bezeichnung 
eantharus (Röhre, Wasserspeier) gehraucht, gerade 
wie die Künstler unserer Legende lacns (Wasserbehälter 
hei Leitungen, Bassins) cum sigillis et cantharis und 
ferner dann leonc* fuudcntcs aquam, et aquilas et cervos 
et gentium multarum similitudincm anfertigen. Benn- 
dorf macht es überaus wahrscheinlich, dass ein Zusam- 
menhang zwischen diesen Werken und der Ausführung 
der berühmten Dioclctiansthcnncn des Quirinal bestehen 
müsse, welche im Jahre 3fK> eröffnet wurden. 

Die Kunstausdrllcke in dieser Legende sind: 
siinulacrum, sigUlnm, imngo, seulptura; columna, capi- 
tella, collyrium, coluinnae, columnne cum capitibus 
foliatis ; concha lacus eantharus , leones fuudentes 
aquam etc., herba acantu, ornamenta sigillorum, conchn 
cum malis. 

Kunstnachrichtcn aus alter Zeit werden immer die 
kostbarsten Traditionen für den Historiker des Kunst- 
gebictes bilden. Sie erst Ichren uns verstehen, was die 
Denkmale bedeuten, jene sind der lebende Geist und 
Sinn der Kunst für ihre Zeit, diese nur der Buchstabe, 
die Chiffre und Form, welcher eine spätere Aera leicht- 
lieh andere Bedeutung beimisst als ursprünglich für die 
Gründer das Gebilde besass. Die Seltenheit gleich- 
zeitiger Schilderungen und Beurtbcilungen alter Werke ist 
allein auch Ursache, dass eine Fülle moderner Anschau- 
ungen in Kunst- und Cultur-Gcschichtcn herantreten, als 
Motive und Maximen der vergangenen Kunstthätigkeit 
limterschoben, und auf diese Weise oft so arge Zerrbilder 
entworfen wurden, wenn die allgemeine Charakteristik 
einer Kunst-Periode, die leitenden Ideen einer Epoche 
dem Leser hingestellt werden sollten. Halten wir nur 
genug alte Berichte Uber diesen Gegenstand, wie vieles 
würde sieh einfach, aber auch ganz anders lösen, was 
heutzutage immer mit der Vorabsicht gedeutet wird, 
unsere Tendenzen, unser Denken und Fühlen, unser 
Spiegelbild in allem und jedem wieder zu begegnen. 

Auob die Passio gehört zu den wenigen Quellen, 
die hie und da zuweilen sich darbieten, um einen Blick 
in den tiefen Grund der Vorzeit zu gestatten. Auch 
hier wird, wie ich glaube, der Vorhang weggezogen, 



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L 



welcher einen oftmals untersuchten , bestrittenen und 
wieder untersuchten Punkt verhüllte ; darüber noch 
einige Worte. 

An Bauwerken und Geräthen , Sculpturen und 
Miniatnr-Oemaldeti der romanischen und gothisehen Kunst 
haben von jeher jene wunderlichen Gestalten Aufsehen 
erregt, die man als r Schöpfungen der nordischen Phan- 
tastik- beiläufig ebenso oberflächlich abznthnn pflegt, 
als man vor einem Jahrhunderte noch die gesamnite 
Kunst des Mittelalters in diesen Topf geworfen. Bei ein- 
gehenderer Beachtung dieser auffallenden Dinge gewahrte 
man, dass namentlich zahlreiche Typen des Heiden- 
thumes auf solche Weise in die christliche Bildnerci 
berübergetreten waren und hier Bürgerrecht erlangt 
hatten. 

An Portalen und Sänlen-C«pitälen der christlichen 
Dono erblickt man Sirenen und nackte Dämoninnen, 
Greife und Harpyeu, selbst zügellose Darstellungen, 
als wären antike Muster dem Bildner zu carrikirter 
Nachahmung vorgelegen. Man vergleiche z. B. jenes 
Relief, welches eine nackte Figur, ganz im Aphroditen- 
typus , aber mit allen Äusserlichkeiten einer Marien- 
erscheinung darstellt. Derlei Bilder erscheinen liebender 
Kreuzigung und Himmelfahrt (Aunal. archaeol). Zur Er- 
klärung dieser Thatsachen stenen noch immer zwei Par- 
tei-Ansichten einander gegenüber und somit der Erklä- 
rung im Wege, die eine ist eine kirchliche, die andere 
eine volksthlUnliehe. Jene behauptet, die christliche 
Kunst habe den Triumph über das Heidenthum verge- 
genwärtigen wollen , indem sie dessen Gestalten und 
Typen an ihre Werke feBselte, wie der Triumphator die 
Gefangenen au den AVagen , damit sie seinen Aufzug 
schmücken sollten; die Gegner meinten, es beweise sich 
im Gegentheil nicht nur die Lebens-Zähigkeit des Ilei- 
denthums im Herzen der Volker, sondern auch deren 
Liebe, Anhänglichkeit und stillschweigendes RUckvcr 
langen nach seiner verschwundenen Herrlichkeit, wenn 
der Neuerung zum Trotz alte heidnische Hcminisccnzen 
es wagen dürfen, in den Heiligthüinern des Christen- 
lliumes Platz zu nehmen. 

Was eine dritte, zwischen den Extremen stehende 
Meinung behauptete, wird durch die Erzählung unserer 
Paufo bekräftiget. Die Kunst ist niemals völlig unter 
brochen gewesen, namentlich ging diejenige, was Styl, 
Technik und Formengebung in ihr heisst, in zusammen- 
hängender Folge aus der Antike ins Mittelalter hinüber. 
Als man zuerst christliche Tempel, Statuen und Gemälde 
schuf, baute, tueisselte, pinselte man gleichwohl wie es 
tUr die Götter der alten Welt geschehen; die letzte Zeit 
der heidnischen Kunst war die Schule der folgenden 
christlichen Kunst ; für die Mache, Styl, Composition und 
Technik blieb das vorderband einerlei. Bei so ununter- 
brochener Tradition sahen aber die ältesten Christen 
nicht nur in der Verwendung der bisherigen Gebilde zu 
ihren Zwecken nichts verfängliches , sondern gingen 
nach der Uberaua merkwürdigen Mittheilung unserer 
Passio sogar als Künstler in den Dienst der Heiden, 
arbeiteten Säulen für deren Tempel und Statuen, Victo- 
rien und Eroten, ja selbst das Bild der göttlich verehrten 
Sonne ohne Bedenken, nur eine cigeiithUmliche Cnltns- 
tigur, den Acsculap, die wirklieh angebetet und durch 
Oftet geehrt werden soll, weigern sie sieh zu fertigen, 
natürlich, denn : du sollst dir kein Bild machen und ihm 
dienen. Selbst diu» Itild des Sol auf dem Viergespann 



betrachteten die Künstler nur als gewöhnliches Kunst- 
werk, gleichwie die conchae oder Säulen, es war nnr 
zum Schmuck, nicht zum Idol bestimmt, seine Anferti- 
gung somit dem Christen nicht verboten. 

Als dann die Macht des Heidenthuincs erloschen 
war und niemand mehr Götzenbilder anbetete, lebte die 
alte Gewohnheit und Kunstübung aber noch lang unge- 
ändert fort. Was dieselbe sieh einmal angeeignet hatte, 
war und blieb ihr immer eigen, waa mit ihren inneren 
Bedingungen harraouirend einmal in ihren Haushalt 
gelangt war, blühte fort mit ihrem ganzen Wesen. 
Dinge aber, die sie, ohne Anstosa und Gefahr zu furch- 
ten, in den früheren Tagen bildete, als es noch eine 
Heidenwelt ringsum gab, gewisse StofTe und Formeu, 
die damals ihre glorreichen Märtyrer selbst , wie wir 
hier sehen, anstandslos darstellen durften , die gingen 
mit dem Strome der Kunst auch in die folgenden Zeiten 
hinüber, indem sie keinen andern Charakter annahmen 
als den allein der rein künstlerischen Zier, eine Feber- 
lieferung ohne anderen Zusammenhang mit ihrer Wiege 
als das Ornament hat, dass die classische der christli- 
chen Kunst hinüberreichte. Weder der Stolz des sieg- 
reichen Christenthums , noch die ohnmächtige Bos- 
heit des fallenden Götzendienstes rief derlei sonder 
bare Gesellschaft heidnischer und christlicher Darstel- 
lungen an Kirchen und anderen frommen Schöpfungen 
hervor, sondern lediglieh der natürliche (Jnng der Dinge, 
»las Gesetz der Trägheit, in Folge dessen eine Bewe- 
gung in einer neuen allmälig zu verlaufen bestimmt ist. 

Das hier so schiin erzählte Märtyrcrthuni christ- 
licher Künstler, verursacht durch die Weigerung, ihre 
Fertigkeit dem Götzendienst zu leihen, steht nicht ver- 
einzelt da. Die Legende erzählt von Thiemo oder Diel 
mar •mach des berühmten Gebhart Tod, Erzbischof von 
Salzburg, einer merkwürdigen Persönlichkeit, Freund 
des Babenbcrgers Leopold des Schönen und gerühmtem 
Ettnstler), dass er in Palestina mit Itha, der Mutter des 
Markgrafen, in Gefangenschaft gerieth und den Märtyrer- 
tod erlitt, weil er ein Bild Mohamme»rs (!) nicht ans- 
bessern wollte. Die Analogie dieser klaren Sage spricht 
nicht besonders für ilie historische Sicherheit des Vor- 
falles, den die passio mitth»>ilet. 

Zum Beschlüsse noch einige Worte über die cigent- 
liehen (piattuor eoronati, ilie Heiligen Serinus, Severin- 
nus, ( arpoforus und Victorinns, deren Legende unserer 
Erzählung den Namen gegeben, gleichwohl ihr nur wie 
ein kurzer Annex beigefügt ist. Es waren römische Legio- 
näre, welche als treue Christen sich weigerten, das 
Aesculap-Bild anzubeten. Über ihren Körpern erschienen, 
als sie in die Wellen geworfen waren, goldene Kronen, 
daher der Name. 

In Folge jener uneigentlicheu Betitlung der passio, 
»leren Hauptinhalt nicht die Geschichte der vier Solda- 
ten , sondern der fünf Künstler in Pannouieu bildet, 
wurde sogar die Verwechslung derselben häutig veran- 
lasst, so dass die quatuor eoronati bisweilen als Stein- 
metz-Patrone mit den Handwerks-Attributen in Händen 
abgebildet wurden. Über einen Grabstein in Stcier, auf • 
■ Sem .Ii- Urustbild» r der vier Gekrönten mit Meissel, 
Hammer, Zirkel etc. aus Blumenkelchen hervorgewach- 
seil dargestellt sind, hat II. Kiewel im IX. Bd. p. 106 
der Miitheilnngen des Alterthums - Vereines berichtet, 
woselbst sich auch die in Fig. 1 hier ebenfalls beigege 
bene Abbildung findet. Das Relief zeigt den Gekreuzigten. 



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LI 




C. vif 

r|i? jbH bisw tkmff fompü £ts*töc tri 



den die Heiligen recht» und links umgeben, unten kniet 
Wolfgang Tenk , .Steinmetz und Baumeister der Kirche, 
t 1513. Der Berichterstatter gedenkt ferner der Male- 
reien an den Tafeln der Wiener Bauhütte, welche zwar 
St. Serinns und Genossen darstellen , deren Inschrift 
jedoch ihnen die Schicksale der ftlnf pannonisclicn Bild- 
hauer beilegt. Nach Henndorf schreibt eine Tradition 
den rier Gekrönten die malerische Ausschmückung der 
Diocletianischen Thermen in Rom zu. Vasari im Leben 
des Parri - Spineüi endlich erzählt . dass derselbe in 
Arezzo die Capelle der Steinmetz - Innung mit Fresken 
schmückte, welche .uebst einer Madonna die Legende 
der vier gekrönten Heiligen darstellten. 

Alhert lly. 

Beiträge zur mittelalterlichen Sphragistik. 

fSUi 10 Uuixi<li»ltua.) 

VIII. Siegel der Stadt St. Pölten. 

Die Mitte des Siegels (1 Zoll 9 Linien) nimmt ein 
auf einem Dreipass liegender gestreifter Schild ein, darin 
im damascirten Felde der anfrechtstchende pnssauische 
XVII. 




v\w. i>; 



Wolf, einen Krummstah 
haltend. Die Legende 
befindet sich auf einem 
Schriftbnnde, das sich 
umden Dreipass schlingt 
und (in Minuskel ge- 
schrieben) lautet : S. 
civitatis (ad) sanetnm 
ypolitmu. Das Siegel 
erscheint gegen Ende 
des XV. bis Mitte des 
XVI. Jahrhunderts im 
Gebrauch. (Fig. 16.) Im 

Jahre 1538 ert heilte 

Kaiser Ferdinaml I. der Stadt ein neue* Wappen, 
welches noch im selben Jahre in das städtische Siegel 
aufgenommen wurde. In diesem Siegel , das 1 Zoll 
S Linien im Durchmesser hat, zeigt das Wappen im 
ersten Felde des senkrecht get heilten Schildes den 
Querbalken, im anderen den aufreehtstehenden Wolf. 
Die in Übergangslapidaren geschriebene Legende ; 
r S. civitatis s. yppoliti in austriit 1538. J befindet sich 
auf einem Inschriftsbande , da« sich an den F.ndcn 
vielfach umschlingt und aufrollt. (Fig. 17.) 

IX. Siegel der Stadt Viicklabruck. 

Dieses Siegel, eines der schönsten Stiidtesiegel. 
$ Zoll 2 Linien im Durchmesser, zeigt im Siegelfelde 
eine dreibogige Brücke, 
eiugefasBl mit ge/.innten 
Seitenmauern. Am Ende 
der Brtlcke ein hoher 
Thorthunn mit offenem 
Thore und aufgezogenem 
Fnllgitter. An das Thor 
sehliesst sich eine ge- 
sinnte Quadermauer an, 
Uber welche einige Gc- 
liitude der Stadt berans- 
ragen. Die GebUude stel- 
len sich als Bauten von 
mehreren Stockwerken 
dar, mit hohen Dächern 
und abgetreppten Giebelwüuden. Ausserdem sieht man 
noch einen schlanken runden Thurm mit zwei Zinnen- 
galerien. Über die Brllcke reiten gegen die Stadt zwei 
Gewappnete, beide in ihrem Äussern einander gleich. 




Kg, IT 




Fig. is. 



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LH 




völlig mit I'Iultenhurnisch gerüstet, 
mit geschlossenem Ht-Imcn bedeckt, 
wallenden Helmdeeken und hohen 
l'fauenstutz. Jeder Killer hiilt iii 
iler Rechten ein Fähnlein initiier 
österreichischen Binde, in der Lin- 
ken vor iler Brust einen dreieckigen 
Sehiltl mit denselben Abzeichen. 
Die Di eken der im Schrille gehen- 
den Pferde Kind an Brusl , Haiti 
und Hintersehenkel mit drin gleichen Wappen {reziert. 
Zwischen der ersten Koiterfigur und der Stadt befin- 
del hieh der Länge nach der abgekürzte Name: 
AL IlTI. hinter dem zweiten Keiler liest man BUDOL- 
Fl'S FII.H'S. Die auf dem mit l'erlenlinicn bekränzten 
Schriftronde betindliehe Legende lautet: f S. ipmd 
i unterbrochen dureli das Itild der Stadt) t'eeil . de . Fe 
(unterbrochen durch die hinteren l'ferdcfüsse des 
/.weiten Kelters) ele prveka (kräftige Lapidar). Das 
Siesel, dessen Stempel noch in Viicklahnick vorbanden 
ist, dllrfle dem XVI. Jahrhundert angehören. (Fig. 18.) 
Ausserdem besitzt die Stadt noch ein Siegel aus dein 
XVI. Jahrhundert, welches dieselbe Vorstellung, wie das 
eben erwähnte Siegel zeigt. Doeli ist dieses Siegel bei 
,-, eitern w. niger zierlieb, die Wnppt ung der I.. id«<u Ki'vr 
deulel auf das XVI. Jahrhundert, die Gebäude der Stadt 
sind viel einfacher, die Fähnchen der Kitter sind ohne 
Wappen, datllr die drei HrUekenpfeiler mit dem Bindcn- 
schilde geziert. Zunächst dem ersten Kitter A. 1'.. hinter 
dem /.weiten KV. Auf einem um den Kaud der oberen 
Hälfte des Siegels schwebenden Sehriftbande die Worte: 
s. i|iiod feeit Forle prvek (neuere Lapidar). (Fig. 10.) 

X. Siegel der Stadt Wien. 

Obgleich der XI. Knud der Mittheiluugeu bereits 
eine umlaiigreiehe Abhandlung Uber die Siegel der 
Stadl Wien enthält, wodurch constatirt wurde, dass 
das ursprüngliche städtische Wappen der einfache Adler 
war (vorkommend seil 12."J0), und dass erst mit Kaiser 
Friedrich IV. eine Änderung de» Wappens in der Art vor 
sieh «ine;, dnss mau aus dem einfachen Adler einen dop- 




pelköpligeu machte und ein (zwar schon früher vorkom- 
menden) Kreuzschildlein auf dessen Brust legte, so war 
doch Kcgicrungsrath K. v. Camesina in neuester Zeit 
so glücklich, ein weiteres bisher unbekanutes Siegel 
der Stadt Wien aufzufinden. Es zeigt den einfachen 
Adler, gehiirt wahrscheinlich in die erste Hälfte des 
XV. Jahrhunderts und wurde ausführlich besprochen und 
abgebildet im XIII. Bande der Miltheilungcu. 

Iii neuester Zeil war dieser Forscher wieder in der 
angenehmen Lage, ein weiteres Wiener Stadtsiegel auf- 
zufinden. Dasselbe ist, wie Fig. 20 zeigt, rund, hat drei 
Zoll im Durchmesser. Im Sicgelfelde sehen wir noch 
den einköptigen Adler, jedoch mit der im XV. Jahrhundert 
üblichen Auflassung, höchst zierlich ausgeführt. Der 
Schrift ruh tuen wird nach aussen und nach innen von 
einem mit Kiiigclchen belegten Slufenrande cingefassl, 
und eilt hält genau die gleiche l 'in schritt (selbst in der- 
selben U liehst alien - Figurntion und Schreibweise ), wie das 
älteste Wiener Stadtsiegel, nämlich: t Sigillvm . civivm 
vvinneusivui. 

Das Siegel findet sieh bisher nur in einer einzigen 
e rkunde des städtischen Archivs, welche, ausgestellt 
von Bürgermeister Hanns Steger. das Dutum 14-4S 
2». Mai trägt. Auf der Urkunde heisst dasselbe das 
grosse Siegel. 

„1-148. Wien Freitag vor S. Vrbaustag (24. Maj) 
Hanns Steger, Kitter, Bürgermeister vnd Münzmaister, 
vnd <ler Kat der Stat zv Wienn, bekenen zv schulden 
dem Killen Gerharten Franawer 20<MI guter newer 
vngrische guhleii, vnd selbe von dem nagstkunftigeu 
sand Johanustag zu Sunnwendeu, vber ein ganezes Jahr 
zu bezahlen, vnd geben ihm deu Brief, versigelt mit 
vnsenn grossem anhangenden Statinsigel. Orig. Berg." 

Es dürfte nur sehr kurze Zeit in Benützung gestan- 
den sein, denn noch im Jahre 1444 sehen wir das alte 
grosse Siegel verwendet, während das neue Siegel schon 
im Jahre 14U4 geschnitten w urde. Auffallend ist jeden- 
falls, dass dieser Adler dem allestell Siegel w ieder gleicht 
und nicht mit dem Krcuzessc hildleiu geziert ist, da doch 
aus dem XIV. Jahrhundert drei verschiedene, somit ältere 
Formen des städtischen Adlersiegcls mit diesem Krenz- 
schildlein auf der Adlerbrust uns bekannt sind. 

XL Siegel des Wiener Bllrgerspitals. 

Schon im Jahre 1280 erscheint urkundlich „der 
Burger Spital- das von der Wiener Gemeinde ange 
eifert, durch das glänzende Beispiel, welches der Arzt 
Gerhard den Bürgern durch 
die Errichtung des Heiligen- 
Geist -Spitals (1211) gege- 
ben hatte, für gebrechliche 
Arme und Kranke gegründet 
wurde. Obgleich das Grtln- 
dnugsjahr nicht bekannt ist, 
kann man doch annehmen, 
dass diese wohlthätige Stif- 
tung um die Mitte des XIII. 
Jahrhunderts entstanden ist, 
weil das Spital bereit* in 
einer lateinischen l'rkuude 
vom Jahre 1257 besprochen 
wird. Das Spital war zn 
Ehren der heil. Jungfrau 
und Aller Heiligen geweiht r\n. 21. 




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LUI 



und befand sich am linken Wienufer in der Gegend 
zwischen der heutigen Elignheth- und Schwarzenberg 
brücke. Die oberste Leitung des Bürgerspitale« stand 
der (Jemeinde zu. Die Anuen- und Krankenpflege ver- 
nähen durch lange Zeit (bis gegen die Milte den XIV. 
Jahrhunderts) die Brüder vom heil. Heist, die jenseits 
der Wien, wie erwlihut, selbst ein Spital Insassen '. 
Das Siegel dieses BUrgerspitals, das bereits im XIII. 
Jahrhundert erseheint, bat eine spitzovale Form (1 Zoll 
5 Linien im Breiten- und 2 Zoll 1 Linie im Längen- 
dnrehmeaser). Im Siegelfelde ein einfaches Kreuz auf 
einem Felsen, /.u ober*! steht darauf eine Taube mit 
ausgebreiteten Flügeln und Krcuzuimbns , in den vier 
dnreh das Kreuz gebildeten Rechtecken ist oben Sonne 
und Moni) und unten je ein Stern angebracht. Die in 
Lapidaren geschriebene Legende auf dem von Innen- 
und Aussen- Stufenrande eingefassten Scnriftbande lautet : 
t 8k hospitnlis . civium . in wiena. Ein sehr iihnliches 
Siegel führte auch das Heiligengeistspital «. (Fig. 21.) 

XII. Siegel des Klngbaunispitalcs. 

Bald zeigte sich, dass diese beideh Spitäler für Wien 
nicht genügten. Die in Folge der Kreuzzüge und des ge- 
steigerten Handelsverkehrs häufigere Berührung mit dem 
Oriente hatte die Verschleppung büsartiger Krankheiten 
nach Mitteleuropa zur Folge. Insbesondere wurde Wien 
von derlei Kranheiten stark heimgesucht. Um die Gefahr 
der Ansteckung und Weiterver- 
breitung möglichst cinzusehrän- 
ken , gründete Gerben! , der 
Pfarrer von St. Stephan, im 
Jahre 12<)ti ein Spital für Aus- 
sätzige beim Klagbaum auf der 
Wieden, ziemlich weit entfernt 
von der Stadt. Die Capelle 
wurde 12117 zu Kliren de« heil. 
Job geweiht. Das Spital war 
für männliche und weibliche 
Kranke eingerichtet und stanil 
unter der Leitung eines Meister« 
und einer Meisterin. Obgleich 
es nie bedeutendes Vermögen 
gehabt haben dllrfte, bestand 
dieses Spital bis zur ei sten Tllr- 
kenbelagerung, zu welcher Zeit es gleich den übrigen 
in den Vorstädten bestandenen Spitalern zerstört 
wurde ». Später lebte die Stiftung wieder auf, bis "sie 
im Jahre 170fi dem Bürgerspitale völlig ineorporirt 
wurde. Das in die Stiflnngszeil dieses Spitals zurück- 
reichende Siegel ist spitzoval (2 Zoll 1 Linie im Läugcn- 
nnd 1 Zoll 4 Linien im Breiten-Durchmesser), Ks enthält 
im Siegelfelde ein Kreuz auf einem Menschenkopfe auf- 
gerichtet, in den oberen rechten Winkeln Sonne (Stern V) 
und Mond, in den unteren je einen gegen aussen gewende- 
ten Vogel mit gegen das Kreuz znrtlckgeriehtetem Kopfe. 
Die Legende (Lapidar) auf dem mit Perllinien begränz- 
ten Schriftrande lautet ; f. S. Dominamm in clagpavin. 
(Fig. 22.) 

• Anifiihrllrhei über tlleif) gpUal • AltmamC» Wlaaer DärrerM'l'al 
und Wei»» i (.(.»rtiirht« d< r öffentlltlM-n Anilatteo etr für dl« Armen- Vcr««rg'iiiB. 

* Olcnr Orden, ii. ».» n-6jilu)»kirrhu »lfm h. Anlon g-eweihl »ar. BtM bald 
In seinem Ver0iü«e=i »ehr herabgekeinttian. Narbdein der leial« OriU»»brnd*r 
Jakcb Na*-t einige Jahr« aaeh der rralen Türkeubalagerung gaitorboa «<■, ginn 
du weolge Vermögen an da» Wleacr Hüthum Uber Nul «ar »o arm. „daia - t 
«rd.r r.-vn »orh Trinken Bocb Kleid gehabt «ad au. Hefter Armaeth uad dai 
er »1.1,1» gehabt ge.rnrb*»- (S-UlonblaO der k. Akademie l»Oü p 11* ) 

' S hierüber Wei,. 1 e r 1 1 und lln(ba«r'> «1-1.» p I« 




Fig. >>>. 




XIII. Siegel des St. Merten-Spitals. 

Zwischen 1330 und 1339 vom Herzog Otto dem 
Fröhlichen gestiftet, verlor dieses vor dem Widmertlior 
gelegene Spital bald seine Selbständigkeit, indem es 
durch Herzog Albrecht unterm 20. August 134;$ mit dem 
von Friedrich dem Schönen gestifteten Spitale vor 
Werderlhor vereinigt wurde. 
Ans dem Inhalte dieses Stift- 
briefes geht hervor, dass das 
neue Spital für Sieehe einge- 
richtet war. 14i>* wurde das 
hospitalc Reutti tuartiui \ien- 
nensc monasterinm dem vom 
Kaiser Friedrieh IV. gestifte- 
ten Georgsorden einverleibt, 
welcher bis zur Zerstörung 
des Spitals (1529) in dessen 
Besitz blieb. Das aus der Stif- 
tnngszeit herrührende Siegel 

^rund, 1 Zoll 4 Linien im Durchmesser) zeigt im Siegei- 
telde den Bitter St. Martin, zu Pferde, das Haupt unbe- 
deckt, wie er eben mit dem Schwerte seinen Mantel theill. 
um einen unbekleideten Armen mit der Mantelhälftc zu 
bedecken. Vor dem Ritter schwebt der Bindensehild. Das 
Siegelfeld ist mit Rankenwerk ausgefüllt. Die Legende, 
in Lapidaren geschrieben, im mit Perllinien begränzlen 
Sehriftrande lautet: S. Domi. saneti. martini. 

XIV. S iege 1 des A bt es Andreas v ou A dm im t. 

Für da« Studium der Entwicklung der Siegel- 
schneidkunst sind ilie Porträtsiegel geistlicher Würden- 
träger von besonderer Bedeutung. Auf denselben werden 
Bischöfe und Äbte grössfentheils in ganzer Figur, ent- 
weder auf Faltistorieu sitzend oder stehend, selten in 
Bruststtlckeu dargestellt. Von diesen Siegeln ist eine nam- 
hafte Zahl erhalten. Anfangs sieht man darauf nur die 
Figur des Bischofs, meist segnend, später wird architek- 
tonische Ausschmückung zu Hilfe genommen, sodann 
kommen Schutzheilige, Engel, Wappen etc. darauf vor. 
Ein solches architektonisch sehr reich ausgestattetes 
Siegel ist jenes in 
der Aufschrift be- 
zeichnete, l'nter einer 
reichen gothisehen Ar- 
chitektnr sitzt im Sie- 
gelfelde der Ahl in 
voller Pontifiealklei- 
dnng, die Rechte zum 
Segen erheben, in der 
Linken das Peduin 
hallend, l'nter der 
Figur das Stiftswap- 
pen. Das Siegel selbst 
ist spitzoval (3 Zoll 
im Längen- und 1 Zoll 
11 Linien im Breiten- 
durchmesser) und hat 
zwischen Perlenlinien 
folgende in Lapida- 
ren geschriebene Um- 
schrift : S. nndree . 
dei . gra. abbat-« :•: 




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L 

Abt Andren», aus dem Geschleehte der Kdleu v. Stätt- 
heim, stand (lern Stifte von 1423 bin 14fif> vor, er wird 
wiederholt Prinreps nbhasde Adtnont (FUrstabt) genannt. 

(Flg. 24,) 

XV Siegel eine» Pfarrers von Hciligenstndt. 

Wir geben in Fig. 26 die Abbildung diese» spitz- 
ovalen Siegels (•-' Zoll :? Linien und 1 Zoll 3 Linien). 
Ks enthält eine ganz interessante Zeicbnung im Siegel- 
felde, nämlich in einer ge- 




irlicdertcn spitbogigen Nische 
unter einem spät -gothiscluti 
Baldachine den Erzengel Mi- 
ehael (Kirrbenpatron) , mit 
Schwert und Serienwage. Zu 
Seiten der Niselie eine Qu- 
dcrmaiicr. Unter der Kngcls- 
ligur in einem kleinen Schilde 
ein mich rechts sehender Kopf. 
Die Inschrift hetiudet sich auf 
der Einfassung des Siegelfei- 
des uud ist aussen mit einem 
oruauicntirtcn Bande und 
innen <lurch eine Slufcnlitiic 
hogrcnzl. Der Schriftruhmen 
>vinl oben durch den Haida - 
«•hin, der bis au den Siegel- 



rand reicht, unterbrochen. Die 
Inschrift lautet: S. leo|mldi plcbmii in sanrto loeo. Das 
Siegel l'Ubrte der Klosternenburger Capitular Leopold, 
<lrr ewieeben 1420 und 1427 Pfarrer zu lleiligenstadt 
war. Oft AV. /.«'«>/. 

Heraldisch -genealogische Zeitschrift 

t»rc»n dr. lier«ldt>«hni Vrrrliic a „A-tlir- Mt Wien. I. j4fcrB«n«. 

Mli t IttwMMM.) 

Der am 10. Mai 1*70 gegründete heraldische 
Verein obigen Namens bestimmte als Ziel seiner Thü- 
ti^keit die eingehende PtegQ der Herald k, Sphrugistik 
und (ienealogie, jener, wichtigen historischen Hilfs- 
wissenschaften. So wie die Alterthunis- Vereine berufen 
sind, die Denkmale der Vorzeit im allgemeinen zu 
erforschen und zu bewahren, eben so soll es den heral- 
dischen Vereinen zustehen. speciell die Denkmale des 
Adels der künftigen Erinnerung zu erhalten. 

Seit Jänner 1*71 gibt dieser Verein ein Journal 
heraus, und dieser ganz vorzüglich redigirten Monatschrift 
wollen wir bei dem Umstände, als in derselben gar 
manches nicht blos vom Standpunkte dieses Vereins, 
sondern allgemein archäologisch Interessantes publieirt 
wurde, Hiiserc.Anfmerksamkeit widmen. Wir übersehen 
die ganz interessanten und lehrreichen Aufsätze Uber die 
Geschichte des Ordens vom goldenen Vliesse, Uber die 
(tbentetl Hofämter in Österreich, Uber den Original-Topf- 
helm im llesitze des Grafen Hnns v. Wilrzek, Uber das 
St. Christophori am Arlborg Hnicdcrsrhnfts-Huech, Uber 
die Proben aus dem Donaueschinger Wappenbuch vom 
Jahre 1 <:>:;. Uber das Flandern'sche Tumicrhueh aus 
demselben Jahre, Uber heraldische Sehildhalter, Uber die 
(ienealogie den Scherffenbcrg' sehen Geschlechtes etr. 
und wollen uns fllr diessmal nur auf die beiden Aufsätze 
des Fürsten Friedrich Karl von Hohenlohe-Waldenburg, 
betreffend archäologische Skizzen ans Tirol, beschrän- 




ken. Der erstere bringt aulässlich sehr beaehtenswerther 
Narbriehten Uber das Wappen von Tirol, wertin olle 
Mitthriltiugen Uber ein vorzügliches Srhnitzwcrk. Wir 
erfahreu nümlieli, dass sieb im fürstlich Thum- und 
Taxis'sehcn Rentamts -Gebilde in Metall vier in Holz 

geschnitzte und bemalte Wappentafeln befinden, Auf 

denselben sind in vorzuglicher Weise sowohl hinsichtlich 
Zeichnung wie Ausführung die Wappen von Österreich, 
das altösterrciebische Wappen mit den fünf Adlern, der 
tirolisehe Adler und endlich das Wappen von Schottland, 
ein rother gekrönter Liiwe im goldenen Felde, darge 
stellt. Durch dieses letztere Wappen lässt sieh mit 
Sicherheit annehmen, dass diese Tafeln unter Herzog 
Sigismund, dessen Gattin Eleonore eine schottische 
KönigstiM-hter war, angefertigt worden waren. Besagte 
\Va|i|ientafetn haben nnstreitig bedeutenden kunstge- 
sehiehtlichen Werth, man kann sie den besten mittel 
aliirlii-hen derartigen Schnitzwerken anreihen, wie dies 
ein Wiek auf die jener Zeitschrift beigegebene ganz ge 
lungeue Abbildung begründet. 

In dem zweiten Aufsätze lernen wir einen ganz 
interessanten Grabstein kennen , welcher in lobens- 
werter Fürsorge für dessen Erhaltung seit 1856 in der 
neuen Umfassungsmauer des Kirchhofes der St. Julian 



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LV 



neskirehe im Dorfe Tirol eingemauert int. Fig. 1 i gib« 
eine Abbildung davon. 

Diene Sandsteiuplatte deekte bis 18öf> ein gemauer- 
te« Grab auf der Nordseite der nun abgebrochenen 
alten Dorfkirche. In der Mitte der Platte neben wir dus 
Wappen, ein schrits gestellter Schild, Überdeckt mit 
einem im lialbprotil gestellten Helme, als dessen Zier 
Büffclhörner und Ohren erscheinen. Die Umschrift des 
Grabsteines ist nur mehr stellenweise lesbar und lautet: 
t anno domini mille | sinn» CCCXLILX obiit stenuus 
(Vir? Dicpoldns) | dictus Hei in die Kabiaui m. Indem 
wir uns hier nur auf die Bekanntgabe dieses Monuments 
beschränken und im Übrigen auf den diesen Stein ein- 
gehend erklärenden Aufsatz in besagter Zeitschrift ver- 
weisen, wollen wir nur noch hinsichtlich der Jahreszahl 
bemerken, dass wir dem Autor des Aufsatzes in deren 
Auslegung beistimmen, und die Zahl 1361 fllr die 
richtige annehmen, die der Steinmetz verständlich anzu- 
geben nicht wusste, wie derlei Fälle sehr häutig vor 
kommen. 

Schliesslich können wir nicht umhin, eine Notiz zu 
berühren , die sich in Nr. X dieser Monatsehrift befindet. 
In dem tirolischen Städtchen Klausen fand man im Früh 
jähre 1871 in einem etwa schon seit einigen Jahrhun- 
derten unbeachteten Dachkilmmerlein eines offenbar zur 
Verteidigung der nebenstehenden Brücke llbcrdie Eisack 
dienenden Thurmes 50 alte Schilde (s. g. Sturmwändc) 
und circa *>im) Flitsehpfeile (darunter viele fast wie neu). 
Die Sehilde sind von verschiedener Grösse, von starkem 
Holze, rllckwärts mit Schweinsleder, vorne mit leinenen 
Hupfen Uberzogen. Die meisten Exemplnre hatten rück- 
wärts keine Armriemen mehr, doch sind dort noch Eisen- 
theile links und rechts sichtbar. Sie sind sämmtlich, 
jedoch verschiedenartig bemalt, einige roth mit vergilb- 
ten Querbalken, andere ganz roth oder schwarz etc. Vier 
Schilde behielt sieh die Stadt Klausen, die anderen 
wurden, ein einzige* Exemplar ausgenommen, durch 
einen Botzener Unterhändler nach München 
verh an de It. 

Mit Hecht bedauert die heraldisch-genealogische 
Zeitschrift eine solche Verschleppung; leider kann sieh 
in vielen solchen Fällen die k. k. Central - Commission 
auch nur anf das Bedauern beschränken, da es vielmals 
vorkommt, das» die k. k. Conservatoren und Correspon- 
denten ja selbst die Landesvereine von derlei Funden 
absichtlich nicht in Kentniss gesetzt werden, auch 
haben die ersteren, wenn sie auch hievon Wissenschalt 
erhalten, eben so wenig wie die Central - Commission 
und selbst die Landesvereine keineswegs eine solche 
gesetzlich begründete imperative Gewalt , um derlei 
schmählichen Unfug verhindern zu können. Sehr oft ist 
der Patriotismus der Besitzer ein so geringer, dass sie 
nicht einmal den Landcsmusccu einzelne Exemplare von 
derlei Gegenständen zukommen lassen. ...»<... 

Kostbarer Pergamentcodex der Marciana. 

Ettlhillrn* «■hlrHchr V«»r»trtlunf fii »am KStinlli-hi'i» l>t,-ii drr Allrfi umt mt 

Eine neuere Anwendung der Photographie auf alte 
Drucke und Zeichnitngeu wird, scheint es, mit fast ver- 
schwindendem Kostenaufwandc, deren Vervielfältigung 

i Wir v.nUa*«. MM Abbildu!,» ü«r (itfill!«».li ■)*, Il,cb«n V.t- 

e»(*n«!c. I' 
«tlunn.i, i 



in einer Art gestatten, dass sich die verführerische Aus- 
sieht eröffnet, " alle diese Hunderte, ja Tausende von 
kostbaren Miniatur-Zeichnungen der alten Pergament- 
Bände in den verschiedenen öffentlichen und Privat- 
bibliotheken dadurch znm allgemeinen Eigenthume ge- 
deihen zu sehen. 

Bisher wurde der Anblick dieser Gegenstände und 
die Möglichkeit sieh ihrer zu erfreuen, bei guter An- 
empfehlung, doch nur dem verhältnissmässig so kleinen 
Kreise der Männer vom Fache, den Personen der 
Gesellschaft vergönnt, und da stand man noch, und zwar 
je vorzüglicher der Gegenstand war nur um so mehr, 
unter dem Banne des Aufsehers, dessen kalter misH- 
trauischcr Blick, eine übrigens häutig kaum auszulassende 
Vorsichtsmassregel, allerdings keine kleine Störung des 
ruhigen Genusses bildete. 

So wie der Photograph mit seiner auf den Sonnen- 
strahl berechneten gefahrlosen Vorrichtung auftreten 
kann, wird dies einfach Sache des Übereinkommens; 
man hat dann nicht erst ängstlich nach der Meisterhand 
zu suchen, die Strich um Strich die Zeichnung aufnimmt 
und sie genau so wiedergibt ; es gentigt einfach, den so 
sehr ermässigten Kostenpunkt zu berichtigen. Und über 
welche Reihen merkwürdiger Bildnisse von Fürsten und 
berühmtesten Männern und Frauen das ganze Mittel- 
alter hindurch, Uber welch' eine Masse der anziehendsten 
geschichtlichen und religiösen Darstellungen, über 
welch" einen Schntz von mit dem zartesten Sinne aus- 
geführten Arabesken-Zeichnungen, wird man da zu 
gebieten haben, wie wird das ganze häusliche und 
öffentliche Leben, wie werden z. B. die Wandlungen 
der Bekleidung nach den Jahrhunderten und Völker- 
schaften sich so klar abrollen, wenn einmal der Inhalt 
nur eines bedeutenderen Theiles der in den europäischen 
Sammlungen aufgestapelten Pergament - Bände anf 
solche Art den Blicken und der vergleichenden Betraeh 
tung des gebildeten Publicum« vorliegen wird. 

Wien besitzt Schätze dieser Art in seiner Palatina; 
sie sind hier nicht der Gegenstand unserer Besprechung, 
weil ein durch Verhältnisse herbeigeführter zehnjähriger 
Aufenthalt in Venedig, bei der, durch die Vertbcilung 
in den ausgedehnten Häumlichkeiteu und durch diis 
ganze hergebrachte Gcbahren so sehr beförderten 
Leichtigkeit der Benützung, uns mit den Schätzen der 
Marcusbibliothck ungleich vertrauter gemacht hat. 

Was in unseren Tagen illustrirte Ausgaben dadurch 
zu leisten haben, dass einzelnen vorkommenden Namen 
oder angeführten Thatsnchen, zur Erleichterung des 
Lesers, auf demselben Blatte die bildliche Darstellung 
sich beigefügt befindet, das bezweckte in der Marcus- 
bibliothek ein geschmackvoller Pergamentcodex, einst 
Eigentlium des Cardinais Bcssarion aus der alten Kai 
serstadt Trapezunt, mittelst fast zweihundert zwischen die 
fortlaufenden Verse des Gedichtes eingezeichneter zum 
Theile sehr niedlicher und colorirter Bildwerke. Der 
Codex, das griechische Jagdgedicht Oppian's ent- 
haltend, in Klein-Qnart, wie man glauben möchte in 
Thessalien geschrieben und aus dem X. Jahrhundert, 
muss ein Lieblingsbesitz Bessarion's gewesen sein, wie 
einzelne, von ihm mit wahrer Liebe cingeschricbcue 
Sätze, z. B. bei der Darstellung eines Brautzuges, wo er 
von dem r süssen Duft" spricht der aus der Zeichnung 
wehe, und zahlreiche Verbesserungen von Schreibfehlern 
beweisen. 



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LVI 



Der Codex, als solcher natürlich bekannt, ist für 
die archäologischen Studien so viel wie nicht benutzt, 
wie die einlache vor Jahren entworfene Angabe der 
Reihe von Zeichnungen, die wir hier folgen lassen, 
zeigen wird, und zugleich, was sich da für ein niedliches 
Hündchen als erwünschter Beitrag zur Kenntnis» des 
bildlichen Alterthums zusammenstellen Hesse. Auf ein 
solches Unternehmen jedoch musste man einfach ver- 
zichten, so lang die Hand des Zeichners unentbehrlich 
war, dem noch dazu der Mann vom Fache nicht von der 
Seite weichen durfte, wegen aller der bedeutsamen 
kleinen EigeuthUmlichkeiten in den Darstellungen der 
Alten, die dem darauf nicht eingeübten Auge einfach 
entgehen. Glücklich, wenn man diese Schwierigkeit nun 
durch den nenen Fortsehritt der Photographie als besei- 
tigt ansehen durfte, denn ist auch nicht jede einzelne 
Überlieferung, die aus dem Altert Ii umr stammt, von un- 
schätzbarem Wetihe, so ist es bestimmt «Ins Gesummt - 
bild desselben, das doch mir in solcher Art erreicht wird 
nnd das wie ein treuer Spiegel dient, in welchem jede 
Zeit durch Vergleichnng ihre eigenen Zllge klar und 
deutlieh erkennen mag. 

Die Zeichnungen sind zum grosseren Theile einfach 
hingeworfene Umrisse, wo es der Gegenstand mit sich 
brachte, mit Sorgfalt ausgeführt, mit Farben und selbst 
mit Gold behandelt. Sie beginnen : 

I. D u C h. 

1. Der knieende Dichter Überreicht dem Uber meh- 
reren Stufen thronenden Kaiser Caraealla sein Gedicht. 

2. Mann und Frau stehend, vor denen die Thiere 
paarweise vorüberziehen. 

."I. Boot, Fischfang. 

4. 5. Vogelfang. Sehr belebte Darstellung. 

»5. Einzelne Thiere mit beigesetzten Namen pfipnMt, 

7. Auszug zur Jagd, mit Hunden. 

x. 9. Jagd auf Hirsche. 

IO. 11. 12. Jagd auf Eber, Hirsche n. a. 

l.'t. 14. Jagd auf Hären, auf Eber. Am Firmanieute 
erscheinen die Gestirne, Sonne und Mond; die Gestirn- 
scheiben füllt immer ein Brustbild; die Sonnenscheibe 
ist roth, die des Mondes weiss gefltrht. 

16. Schreitendes Maulthier mit Jagdgeräthschaften 
beladen, dabei der Treiber. 

16. Gefecht zwischen zwei gewappneten Heitern. 

17. Heiter mit Lanze gegen Utwen ankämpfend; 
Uiwin einen Eber zerfleischend. 

18. Befestigter Thurm von schwarzen Mauren darin 
vertheidigt gegen zwei angreifende Heiter, wovon der 
eine verwundet ist. 

19. 20. 21. Verwundeter Heiter, mit Pferd stürzend, 
dabei ein Pferd mit abgeworfenem Reiter, Achilles im 
Zweigespann, König Philipp von Macedonien, dem mau 
den Bucephalns vorfuhrt; das berühmte Pferd ist weiss 
und hat am Schenkel als Zeichen des Gestüts ■ einen 
Ochsenkopf eingebrannt. 

I In BnuK Hilf dl«*»* Or»lur»*vlrrt«-n wird mar». Urtmibel ffrfOCt, na*l> 
cln.r «IltrllrbluB Sic turi Sarali» V, f. »15. «» «In 4»nkk»r«r Wulf .»ln««i 
Wnl.miü'. r , >ltr d*m.»«tt..u ilU- rnflhell *fT»*ti»flrt b*l»r, il^-ti KuuVI mar- 
HldHM Cft-Mit In d*u ll'.fr-auni \t Ht.r , d*ren trriTlkhu AMlümmlliiB* d«r 
Bv.lUcr dann alle mit d*u Z,-Ielifli «Inn Wölfl. IrlrlfaBm Ja.»t. 4-r»llkh auf 
da* Vorhan4ant«ln m«ar«r*r Gralilf mir l.i.»i.nrl«riu H.aHcftinUbt'tn , In altfT 
Zelt »th»n. In utm Klinirtltl UM Trl««l aufm. Iiiin lern l' tu . n.»l» — n^rli 
ftUt d*r f»M tat, il»iTi> tirnt man »In«, d«» Unllilileltllrn . il. i. W..|<.kopr 
uSmllrk Ii»« und aorl, H«. Mffl «l«. In. dlf l'f.rd« ,\wtl, Schtn- 

•ktit. aJ. <lur.lt. Stl,„.llii<«.ii au.nrari.lm.t >im. 



22. 23. 24. 25. Bueephalus im Stalle stehend, hinter 
einem Gitter, mit dem eingebrannten Gestütszeichen 
des Ochsenkopf's. Darius im Zweigespann fliehend vor 
dem ihm zu Pferde, auf seinem Bueephalus. mit dem 
Gestütszeichen, verfolgenden Alexander. Zwei Pferde im 
schnellen Laufe tiieheml durch ein Ahrenfeld und stehen- 
des Wasser. Bellerophon im Kampfe mit der Chimäre. 

26. 27. u Zwei Pferde, gegen Felsen anrennend. 
Brennender Ätna, am Fusse desselben ruhig weidendes 
IYcrdegestüt. 

28. Pferdegestüt. Vögel. Delphin. 

29. 30. 31. PlerdegestUt, ein Löwe, der aus dem 
Rohrdiekicht springt; am Firmament das runde Gestirn 
der Sonne, roth gemall. Maiiritanisehe Reiler, mit Filz 
kappen, einen Hirsch verfolgend. Zwei Pferde, von einem 
Tiger und einem Bären angefallen. 

32. 33. Zwei Pferde gegen einen Eber und einen 
Löwen ankämpfend. Ansieht der Insel Lemnos ; man 
sieht ein Getreidefeld, einen Brunnen, einen See, zwei 
weidende Pferde. 

34. 35. Festlicher Brautzug. Tänzerinneu, die erste- 
ren mit Fackeln, dann andere mit Crotalen beginnen 
den Zug; dann kommt der Knabe saiavj«r r r5j mit Stab 
und dem Getäss mit den kostbaren Salben; dann kömmt 
der Bräutigam mit Kranz im Haar; oben von der Hand 
des f'ardinals jnvn xat r,<tr, ypayt) iroXatfflyit p&pB. Hengst 
Stute belegend ; Stute mit Füllen. 

3li. 37. 38. Zwei Bäume voll Vögel, auf jedem ein 
Knabe. Ein Baum voll Vögel unten vier Knaben. Tauben- 
schlag ober einem freistehenden Pfahle, unten zwei 
Kllehse. 

39. 4t). Eine schwangere Laeedämonieriii , von 
schönen Männer- und Franengestalten umgeben. Faust- 
kampf zwischen Amykus und Polydeukcs. 

41. 42. Die gebärende Lacedänionierin, Mädchen 
und Jünglinge herum, grllne Zweige schwenkend. Ver- 
schiedene Hundearten. 

43. 44. Schlangen. Ochsen, Pferde, Vögel. 

46. Hunde. 

4<i. 47. Hunde jagend; Stier, Eber. Hunde einen 
Löwen jagend, Jäger dabei. 
48. Hunde und ein Hase. 
19. Iltlndin mit Jungen. 

5tt. Jäger mit Hund an der Leine gegen Eber vor 
schreitend. 

öl. Jäger stehend zwischen zwei Hunden; mau 
sieht zwei Hasen im Versteck. 

52. Wiese mit Hecke, Hanshof mit Planke ein- 
gefasst, darin Korn aufgeschüttet und dabei auf der 
Erde sitzend ITNII QAIXOTZA, neben ihr zwei Hunde. 

53. 54. Platz von einer Holzplanke eingefasst. darin 
liegende Ziegen und Böcke und der schlafende llirte; 
der Nachtdieb KAEnTHi., mit einem Beile bewaffnet, 
schleicht mit einem geraubten Bock davon, man sieht 
mich einen Hund, der einen Hasen erwürgt. Der Ernte- 
Karren von zwei Ochsen gezogen, dabei der Hausvater 
sehreiteud, und drei Knaben in weisser Kleidnng: 
ferner der Jäger, seinen Hunden einen gefangenen 
Hasen entreissend. 

II. Buch. 

oö. 5ti. Artemis stehend mit Köcher, in der vor- 
gestreckten Liuken den Bogen, die herabhängende 
Hechle auf einen Schild gestutzt, was eine seltene 



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lvh 



Vorstellunganrt der Diana ist; vor der Güttin stehend 
der Dichter; im Hintergründe ein Tempel. Centaur und 
drei Haare mit Bocksfussen. 

Ö7.f>8. :V.». Persens abgewendet stehend, den Spiegel 
vorhaltend, um darin ohne Gefahr der Versteinerung die 
Gorgo zu scheu, die er ersticht. Gorgo ist gebildet als 
in einen Fisch ausgehend, der obere Theil weiblich mit 
Schlangen in den Ilaaren. Jäger auf Hasen, Füchse, 
Hirsehe, Stiere jagend. Zwei Jäger zu It'erde mit Lin/e 
auf Löwen, mit Bogen und Pfeil auf Hirsche jagend. 

00. 01. •>-• Jäger mit Hunden, auf Eber und Hirsche 
jagend. Polydeukes im Faustkampf zwei tiegner nieder- 
schlagend: .läger mit Hunde Hirsch jagend. Jäger und 
und im Netz gefangener Hirsch, Kber. Bär. 

Gtf. 64. ATAAAXTH und QFH2N mit Stern ober 
sich, jagend. Kber, zwei Jäger zerfleischend, Jäger einen 
Hirsch beim Fnsse festhaltend. 

t'tb. tU». Orientalisches Hirteuleben: Dattelärndte : 
unter dem I'ulmhaum ruhend Knaben, sieh mit Zweigen 
fächelnd, dabei ein grosser Korb mit Käsen gefüllt u. dgl. 
Lebende Figuren im Flusse. Zwei Stiere und zwei Kühe. 

67. Zwei Stiere, sich mit den Hörnern stosseud. 

GS. Ii!». Zwei Miere kämpfend. UaxO.i;, der Kimler- 
hirt stehend und seine Heerde. 

TU. Nilfluss und dabei drei B06C . AHTI1TIAI, in 
(lestalt den Hirschen ähnelnd. 

71. 72. NAVMAXIA, zwei kämpfende Schiffe. ITPlOl 
TA1POI, zwei Stiere. 

73. Die befestigte Stadt Antiochia in der Ebene 
zwischen zwei Bergen, hinter denen mit halbem Oberleib 
herxorsehend die Figur des Windes auf Horn blasend, 
und eine zweite des (lebirgsbaehes aus einem Horn 
Wasser ausgießend, dabei noch eine männliche Figur 
des Flusses Orontcs Schill umfassend. 

74. Hercules, eine Kinderheerde treibend, geneckt 
von fllnf Figuren hinter einem Berge mit halbem Ober- 
leibe hervorsehend, zwei männliche Figuren mit Horn 
und daraus die eine Wasser, die andere Lull ausströmend 
(Oebirgsbach und Wind). 

7.">. AI'OTIIP, pflügender Laudmaun. 

7(>. 77. Hirschhegattung. Hirschkuh mit Jungen in 
einem Getreidet'elde. 

78. Hirsch in einem Walde. 

7!'. Vier Hirsehe einen Fluss durchschwimmend. 

so. Zwei Hirsche, Schlangen zerbeissend. 

81. Zwei laufende Hirsche. 

ss.'l. Jäger, einen wtlthenden Stier am Strick 
zurückhaltend. Zwei Hirsche. Bebhuhn und brütendes 
Kebhuhn. 

k|. H, r >. Jäger einen Hirsch am Stricke führend; ein 
im Netz gefangenes I'aar Bebhllhner. Bock, einen Klier 
umstossend, eine »Rügende Ziege. 

Sil. s»7. Kämpfendes Bockspaar, kämpfendes Widder 
paar. Jäger, einen Bock bei den Hörnern ziehend. 

XS. Drei Bücke und eine Ziege. 

Hl». !H>. Ein Fluss voll Fische, die einem Widder 
verfolgend nachschwimmen, «n Ufer ein zw eiter stehend. 
Laufender Hirsch, von zwei fliegenden Falken verfolgt. 

01. 5*2. Laufendes Pferd, darüber zwei fliegende 
Falken; eben so Uber einem laufenden Hirsche. Zwei 
Wölfe, zwei grllne Papageien. 

i».*i. Ein einfaches kleines Haus, zum Fenster her 
uus lehnt mit halbem Oberleibe eine schöne Griechin, am 
Boden ilaruuter ein junger Grieche, einen andern mit 



den Armen fassend und mit Kolbenschlägen nieder- 
werfend: cooTEf (Liebeshändel); darüber in den Wolken 
Jupiter Blitz schleudernd. Im Hintergründe ein Tempel- 
gebäude des Liebesgottes o Effu», der darüber schwe- 
bend seine Pfeile auf eine zahlreiche Versammlung 
vor dem Tempel stehender Gottheiten abschickst ; man 
erkennt Minerva, Vnlcan, Venus, Mercur, mit den Flügeln 
an den Füssen, Pan, mit Bocksfüssen und gelben Flügeln, 
Apollo mit dem grossen Discus um das Haupt. Die 
Kleidung des jungen Griechen ist ganz die jetzt 
gebräuchliche, das enge Leibchen und der breite Unter* 
rock. 

94. ü 'Epwf geflügelt, stehend, den Bogen spannend, 
au der Stirne zwei Hörnchen, vor dem (leschoss sich 
flüchtend neun vierfüssige Thiere (Löwe, Bär, Stier, zwei 
Pferde, Hirsch, Widder, zwei Bücke), dann zwei 
Sehlangen ; oben zehn Vögel im Fluge. 

!».">. Stier über einem niedergeworfenen Menschen; 
blutender Löwe, blutender Bär, im Begriffe ihn anzu- 
greifen. 

Jäger mit Lanze gegen blutenden Löwen ; Jäger, 
einen getüdtet liegenden Stier. Eber. Bär befrachtend. 

'.'7. UM. Elephant. Sitzeuder Künstler, Elepbanten- 
zähue uud Hirschhörner verarbeitend zu Kämmen, 
Bogen. 

'.»'<». Elephant, einen Wald verwüstend. 

HM». Eine Huhnersteige, Marder. Iltis, Fuchs, Leo- 
pard, die deren Insassen nachstellen. 

li»l. ldi». Pfau, dabei laufender Fuchs. Igel auf 
dein Kaub von Trauben. 

Ii»:!. K>4. Drei Affen, darunter ein junger. Phineus 
mit fünf Tnfelgenosseu, er auf Thronsessel , bei Tri- 
clinium sitzend und speisend, ein Sclave trägt Speisen 
auf, welche aber von den Ilarpyien sogleich entführt 
werden; die Harpyicn geflügelt mit laugen (lewändern. 
Iber Phineus NGÄtlOAH'. Am Boden vor dem Tricli- 
niuni eine Meerenge rd fsviv, rechts eine Säule und 
darüber d»APOC. 

10. r >. I He AlTONAlTAIgcfltlgelt, mit Schild, Schwert 
und Lanze ausgerüstet, welche den AP1111AI, sie ver 
folgend, nachfliegen, im Meere unten Schiff 'ü APIXD: 
am Lande Hamster. 

106. 1H7. Der kleine Zeus als Knabe in der Höhle, 
vor welcher Uhen sie bew achend, und drei Lärm machende 
Corybnnten, als l'ane mit Bocksfüssen gebildet, das 
Ganze auf der Insel Greta mitten im Meere, am Firma- 
mente der Mond; einer der Cory bauten mit Tigerkopf 
gebildet. H PGA, von einem Löwenpaar (T.üwc, Löwin), 
gezogen, vor GP(JL)t' sehreitend mit goldenem Haar; den 
grossen blauen Weltschleier gewölbt Uber sich. 

10«. Lüwe. 

1<|<>. 11«». Löwe bei einem Teiche stehend. Löwe 
und Neger bei einem Baum. 

111. Löwin mit ihren Jungen. Löwe, Stier zer 
fleischend. 

Hl'. Tiger, Wein schlurfend; eine weibliche Figur 
mit Füllhorn und Zweig darauf zuschreitend. 

11. 'I. 114. Zwei Luchse, Thiere verfolgend A1TI . 
OPVZ. Brennendes Haus, sieh daraus rettend sieben 
Menschen, Männer, Frauen, Kinder. 

1 15. Sehlange, sieh in ein Vogelnest einschleichend. 
Meer und darin Meerthiere, Phoken, Delphine. 

110. 117. Zwei Hennen mit ihren Küchlein, von 
oben ein herabschiessender Falke. Drei Jäger, jeder 



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LV1II 



einen kleinen gerauhten Tiger davontragend, nnten 
drei alte Tiger im l.autV. 

118, Zwei Jäger, auf drei Haren Jagd maehend, 
welelie daran sind sich mit Weintranben gtttlieh zn thun. 

110. Drei Hitrcn /.wischen Bäumen. 

120. Bärin mit ihren Jungen in der Hohle. 

121. Bär in »einer Höhle. 
182. Fünf Beel. 

123. Eselin mit ihrem Fullen. Jager mit Kind u. Mutter. 

124. Drei Eselinnen und zwei Fullen. OXAFPOC . 
THC . ÜPXGIC . T8 . ll(JL)A8 . A1AMAX£U>MEN0S. 

12f>. 12G. Thesens, den Athamas tödtend. Pliilomele 
die Kinder erwUrgend, '0 ZHAOC, und dabei die ste- 
hende weibliehe Gestalt der Eifersucht mit Lanze und 
Messer. Medea, die VerjUngnngssalbc kochend. Medea 
in reich geschmückter Klcidnng und die zwei getöte- 
ten Kinder: 

OCDC . oi*K . 6o»eictu . TtD.v . Bpe«r>ü)\ . ipic . ahaia 

II . <I»APMAKIC . MIIAG1A . T1TXANGIC . AHA 

II . TIC . HPLM(I) . CT . KAI . NGA . TXIKAÜJMTIC. 

127. Zwei laufende Pferde. Zwei Neger, ein Pferd 
im Netz fangend. 

128. 129. Hyäne, einen Hund zerreibend. JäKer 
und zwei Hunde sieh flüchtend. Jäger, einer Hyäne das 
Fell abziehend. Zwei TVMHA.NICTAI stehend mit kleinen 
Tamburinen. 

130. Hyäne und zwei laufende Wölfe. 

131. 132. Kleines Wohnbaaa, dam die Sohaf- 
htlrde , zwei Hirten einen Wolf verfolgend , der ein 
Schaf raubte, .\7r.f. i Cityief. AmFinnamente die Scheibe 
des Gestirns, blau gemalt, ein Antlitz zeigend, nnten 
Herg mit einer Höhle, aus der ein Hund heraussieht, 
i /yjnoi, den eine männliche Figur herauszieht. 

188. Fuchs, einen Husen verzehrend. Fuchs, eine 
Pantherin belegend. 

134. Zwei Jäger, einen jungen Löwen raubend, 
zwischen einem Löwen und einer Löwin. 

135. Eber und Kberjagd, ein Jäger. 
13ii. Dachshund auf Kaub von Trauben. 

137. Krokodill und Ichneumon. 

138. Ichneumon, grosse Sehlange zerbeissend. 
130. Fuchsbau und dabei Jäger, zwei Ftlchse einen 

Unsen und einen Vogel fressend. 

140. Zwei Kamccle und zwei Neger. 

141. Fliehender Strnuss C f «j: xaaiiüof, ein Hund 
und zwei grosse Stransseneier. 

142. Jagd auf Hasen mit Hund und Falken, Netz 
dabei und ein Jäger. 

143. Zwei Widder sich hörnemd. Eber im Kampfe 
mit einein Haren. 

144. Härenjagd. Zwei Hären und ein Eber im Netz 
gefangen ; drei Jäger ttnd drei Hunde. 

145. Ein Löwe im Dickicht, ein Löwe, von vier 
Ochsen einen raubend, Löwe laufend, ein Jäger. 

14C. Löwe, gelockt durch ein festgebundenes Kalb 
in einer Grube gefangen, dabei sitzender Jäger. 

147. 148. Kelter am Flusse, einen Löwen im Dickicht 
mit Lanze durchbohrend. Löwe in Grube und Netz ge- 
fangen , dabei zwei Jäger. 

140. Zwei Tiger im Netz gefangen, zwei Heiter mit 
Fackeln, zwei Jäger auf Tambnrin schlafend. 

150. Fischfang mittelst Netz : Mann , Weib ttnd 
Knabe im Boote, an dessen Spitze eine flammende Pech 
planne; ftoif- 



151. Vier Krieger mit Helm und Schild und Lanze 
gegen einen Löwen. 

152. Zwei Männer, einen gezähmten Löwen am 
Stricke führend, während ein Mann auf demselben 
reitet. 

153. Brunnen, in welchen zwei Panther stürzen. See, 
wo Fischfang mit Fiseherrensen getrieben wird, KVPTOI. 
Auf einem Floss sitzend zwei Fischer, andere zwei das 
Essen kochend, a/.<svf rftov r£ayavrHf. 

154. Boot auf fischreichem See, mit Tranben, Ähren, 
Blättern beladen, darin eine männliche und zwei mit 
Ephen bekräuzte Frauengestalten , Dionysus (Bootia, 
Euhöa), zwischen beiden ein Kästehen xai Siov ht^it. 

155. Oliven-Ernte, ein Jtlngling nnd zwei Mädchen. 
1'AAOTPPOI. Mann mit grossem und kleinem Milchge- 
fasse.; Mann, Honigkuchen ausnehmend, mit Netz vor 
dem Gesichte. 

156. Getreidehaufeu und ein Drescher. Hirt, einen 
Hock opfernd. 

157. Stadt mit Mauereinfassung. Hausvater, das 
Haupt umhüllt, mit brennender Fackel, zieht zum feier- 
lichen Opfer auf seine Äcker, voraus gehen zwei kleine 
Mädchen, rllekwärts drei Knaben, wovon der eine mit 
brennender Fackel. Den Zug eröffnet springend ein Oehs, 
hinter welchem zwei laufende Hunde. 

15*. Drei Tiger, wovon einer Wein schlurfend. 

150. Zwei liegende Tiger, Uber jedem ein Jilger 
beschäftigt, demselben eine Sehlinge um den Hals zn 
legen. 

DK). Heiter nnd ein Jäger zu Fnss, auf Härenjagd 
ausgehend; kleine Knabenfignr, Netz nachtragend. 

lf»l. Zwischen zwei Bäumen, auf denen in Sehlingen 
gefangen 11GAAPPOL', Storch und Kranich; nnten ein Bär 
zwischen zwei Jägern. 

162. 1(13. Hund, einen Hasen verfolgend. Zwei 
Hunde, Hirschkuh verfolgend. 

164. Ein Fuchs, von zwei Hunden verfolgt. 

Bessarion hatte wohl Recht, den Codex so hoch zu 
schätzen, da hierin der alte Künstler ein so bewegtes Bild 
hellenischen Lebens giebt, des bürgerlichen, wie des 
religiösen, und worin mit ängstlicher Treue eine so 
bedeutsame Reihe jener Mythen vorgeführt wird, die nnn 
einmal nach hellenischer Weltansieht in glänzender Fär- 
bung den Gesichtskreis abschlössen, Uber den hinaus * 
er, der Hellene, seinen Blick nicht wagte. Wir mögen 
nicht läugnen, dass wir durch unsere Mittheilung den Ge- 
danken anzuregen und durch was immer fltr Hände bis 
zur Ausfuhrung gebracht zu sehen wünschten , dass die 
Bilderreihe dieses Codex , vielleicht noch mit entspre- 
chenden anderen vereint, durch die Photographie zum 
Gemeingntc wtlrde, als ein herrliches archäologisches 
Album ; dass was wir Alt und was wir Altcrthum nennen, 
war die Jngend der Welt, davon etwas herüber zn retten 
hat noch nie geschadet dem Einzelnen nicht, der grossen 
Gesellschaft nicht, nicht den Staaten. 

e. tilei»biieh< t. 

Zur Literatur der christlichen Archäologie und 
Kunstgeschichte. 

Im Anschlüsse an meinen in dem vorhergehenden 
Jahrgange dieser archäologischen Schriften publicirten 
Bericht Uber de Caumont's Bulletin monumental habe 
ich aus dem ersten Hefte 1871 dieser Faehzeitung einen 



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LIX 



Aufsatz zur Kenntnis* zu bringen, der Verbreitung ver- 
dicut und das Interesse der Forscher im hohen Grade 
beansprucht. Die Hei cht stuhle im Mittelalter 
sind das Thema dieser kleinen Abhandlung, die ich 
nicht hoch genug schätzen knnn nnd ohne Fmsohweif 
in ihrem Hauptpunkte mittheile. Wir wissen . das* aus 
der gothiseheti und vorgothisehen Zeit dies Kirehen- 
geräthe entweder gar nicht oder nur zweifelhaft durch 
Denkmaler vertreten ist. Aus flandrischen und deutsehen 
Gemälden kennt man die im XV. Jahrhundert übliche 
Vorrichtung lUr diesen Zweck, die in einem Sessel für 
den Priester bestand, vor welchem der l'önitent seitwärts 
kniete und seine Beichte ablegte; der für den Pönitenten 
dienliehe Schemel fehlt gewöhnlieh und der ganze Vor- 
gang wird im Innern der Kirche imScitcnschiffoder nahe 
dem Chorgitter dargestellt. Die fixen hölzernen Geräthe 
lassen sieh vor Ende des XVI. Jahrhunderts Iiis jetzt 
nirgends nachweisen. Nun zeigt aber der französische 
Archnolog. dass in der vor-gothisehen und der sich 
darauschliessenden frtlh-goihischeu Periode des XII. und 
XIII. Jahrhunderts eine ganz andere Einrichtung für 
die Beichte vorhanden war, die völlig unbekannt ge- 
worden seheiut, obwohl sie von englischen Archäologen 
schon Ende des vorigen Jahrhunderts vorgetragen und 
bewiesen ist. Der Verlässer fuhrt aus M. Ed. Led wich's 
„The nntiquitiesof Ircland- im Jahre 1 79* » edirtem Werke 
folgende Stelle an. welche der Beschreibung der Abtei- 
Kirche von Agbahoe entnommen ist: _An der Nordseite 
ist eine gothische Thllrc, 4 Fuss hoch und - l'uss weit 
und Uber '.i Fuss vom Boden. Wenn man die Innenseite 
naher untersucht, so erseheint eine kleine Zelle in die 
Dicke der Mauer gemacht, die eine Person zu fassen 
vermag. Dieselbe ist Uberwölbt, und gehen die Hippen 
von vier Pfeilern nus. An der Westseite ist ein Steinalte. 
Das ist ein furioser Beichtstuhl, in welchen der Priester 
durch die Thtlre eintrat und in welchem er fUr die 
Pönitenten unsichtbar war. Eine kreisförmige Öffnung 
ging gegen den Friedhof hinaus-. Aus der Schilderung 
der Abtei von Ilore in Irland hebt der Verfasser den 
Passus aus: r In der Kirche sieht man ein kleines nie- 
deres Uclass, das Uberwölbt ist und einen Beichtstuhl 
bildete. In der Mauer sind Nischen mit Löchern tllr die 
Pönitenten''. S« viel aus diesen nicht recht deutlichen 
Schilderungen hervorgeht, bildete dieser Beichtstuhl 
eine schöne Einzel-Architektur, die in der Gothik den 
sogenannten Ciborien-Altären und Tabernakeln gleich- 
artig sein und eine Art von kleinen Capellen darstellen 
mochte, wenigstens in den Füllen reicherer Anlage. Sonst 
liess sich der Zweck auch einfacher erfüllen durch die 
in der Mauer angebrachte, meist vergitterte Öffnung und 
den in der Mauerdicke ausgearbeiteten Steinsitz, wobei 
der Pönitent von der Aussenseite der Kirche herankom- 
mend zu denken ist. Weil der Friedhof die Kirche 
gewöhnlich umgab, so trat der Pönitent von diesem aus 
an die Kirchenmauer heran und beichtete durch die 
erwähnte Offnuug dem im Innern der Kirche sitzenden 
Priester. Die Mauer war gewöhnlich nischenförmig an 
der Stelle mit der Öffnung fllr den Beichtenden gebildet 
und die Öffnung selbst in Tuffstein eingefasst. Dieselbe 
befand sich in solcher Höhe, dass sie der Durchschnitts- 
grösse des Mensehen entsprach. Die Nische sollte dem 
Beichtenden eine Art von Verborgenheit gewähren uud 
stelle ich mir dieselbe deshalb au der Mauer von 
aussen nach innen eingetieft vor. Diese Nische also 

XVII 



und die in bestimmter Höhe vorfindliche oblonge oder 
kreisförmige Oeffnung mit oder ohue Steingitter und 
Fassung halte ich tllr die Erkennungszeichen etwaiger 
noch vorhandener Denkmäler dieser Art, wenn nicht 
eine förmliche Architektur mit Überbau dem gedachten 
Zwecke gewidmet war, wo dann der Steinsitz und die 
Öffnung in der Mauer die zunächst entscheidenden 
Merkmale sind. Hören wir nun die Beispiele, die der 
Verfasser aus Frankreich namhaft macht. 

1. Die romanische Kirche von der Mitte des XII. 
Jahrhunderts. St. Martin bei Dieppe, zeigt an der Nord- 
seile des Kirchenschiffes diese Oeffnung in Form eines 
Hechteckes von 84 Ctm. Höhe und 38 Ctm. Breite. 
Dieselbe ist in Tuff gefasst und liegt gegenwärtig 
1 Meter .15 Ctm. Uber dem Boden , der jedoch abgegra- 
ben ist, so dass die ursprüngliche Höhe vom Boden 
weg fUr das Aufstützen der Ellbogen entsprechend 
gewesen. 

2. Ähnlich beschaffen erscheint die Vorrichtung an 
der Kirche zu Bailleul-sur-Euune, wo in der Nord- 
mauer des Schiffes eine Areade des XIII. Jahrhunderts 
mit Bruchsteinen in je zwei wechselnden Schichten der 
natürlichen Stcintärbe geschlossen ist. Innerhalb dieser 
farbig wechselnden Schichten befindet sich die oblonge 
steinerne Öffnung von 75 Ctm. Höhe und 25 Ctm. Breite. 
Sie liegt gegenwärtig 2 Meter Uber dem Boden, mass 
aber früher nur 1 Mill. über demselben. 

.'!. Eine dritte ganz ähnliche Öffnung trifft mau in 
der kleinen Kirche von Bretlevillc Saint-Laurcnt (Canton 
de Doudevillc i. Dieselbe zeigt sich in der Mauer des 
Chores in der Mitte der Kirche, oblong, 1 Meter 21) Ctm. 
hoch und .'10 — 'An Ctm. weit, aus Tuff und gegen <>0 — 
70 Ctm. über dem Boden. Das Übrige Mauerwerk, die 
Tuffstein-Öffnung umgebend, besteht aus Kiesel. Der 
Bau datirt aus dem XI. oder XII. Jahrhundert. Die 
erwähnten Öffnungen haben niemals weder als Fenster 
noch als ThUr gedient. 

4. In der Dibccse Holten finden sieh an folgenden 
drei romanischen Kirchen ebenfalls derlei Öffnungen, 
die vermöge ihrer geringen Bodenhöhe und Weite nim- 
mermehr als Pforten oder Fenster gedient haben können. 
Die erste derselben in der Kirehe d'Etretnt iu der 
sogenannten Allee von St. Nicolas an derNordwnnd, die 
zweite iu der Südmauer der Kirche von Bures (Canton 
de Londinieres). beide Mauern noch aus dem Xl. Jahr- 
hundert, die dritte an der Mittagsseite im Schiff der 
Pfarrkirche von Jnmieges, wo man an der Aussenmauer 
den Halbkreisbogen uud innen ein Oblougum zum Auf- 
stützen des Ellbogens noch deutlich wahrnimmt, während 
der Steinsitz verschwunden ist. 

5. Ausser diesen der romanischen Ban-Periode un- 
gehörigen < iffnungeu hat sich auch ein Beispiel der 
Gothik erhalten, uHmlich in der Kirche von St. Vincent- 
Cramesnil (Canton de St. Bnmain-de-Colbose). Dieselbe 
besteht aus weissem Stein, ist mit grosser Sorgfalt 
und gewisser Eleganz gearbeitet an der Nordscite des 
Schiffes. Sie gleicht einem Hechteck, ward aber merk- 
würdigerweise in ein spilzbogiges Fenster des XIII. Jahr- 
hunderts eingesetzt. Die Öffnung iu dem massiv aus- 
gefüllten Fenster beträgt blos 80 Cm. in der Höhe bei 
3(5 Cm. Weite. 

Mag MIO die Richtigkeit des Schlusses, welchen 
der Verfasser aus Bolchen Anhaltspunkten zieht, im 
Einzelnen sieh bestätigen oder uicht, die Möglichkeit, 

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LX 



auch anderwärts ähnliche Merkmale zu entdecken, 
bleibt immerhin gegeben, zumal in dieser Richtung 
noch nirgends, so viel ich weiss. Untersuchungen vor- 
genommen wurden. Ich erlaube mir zu den vom Ver- 
fasser gegebenen Beispielen ein ganz merkwürdiges zu 
fllgen, welches als Confcssional de Saint Lazare bei 
Kevoil: r Architecturc Romane du Midi de la Frnncc u 
fol. 12 im Texte abgebildet ist. In diesem früh- 
romanischen Oratorium scheidet seitwiirts eine Säule 
eine Steinbank in zwei Partien. Die Steinbank erhebt 
sich in rechteckiger Form Uber den Hoden bis zur 
HOhe eines Sitzplatzes, wo Priester und Pönitent sitzen 
konnten, wenn nicht der Pönitent davor kniete, 
was aber nicht leicht mit der Anordnung der Stein- 
bank stimmen vvtlrdc. Gleiche Vorrichtung und Re- 
nennung findet sich an dem Oratorium des heil. Tro- 
phimns , nahe von Arles ( Pouches du Rhöne), wo die 
Steiubank ebenfalls aus dem Gestein geschnitten. Übri- 
gens von einer Öffnung oder ähnlichen Vorrichtung an 
beiden Stein- Capellen nichts wahrzunehmen ist. Die Be- 
zeichnung „Confessional- fllr beide Oratorien Ältester 
Zeit scheint spüren Datums , da das zuerst citirte von 
St. Lazare ursprünglich den Namen „Crypta des heil. 
Victor von Marseille- führte. Über diesen Punkt enthält 
der Text von Revoil leider keine nähere Angabe. Ich 
glnnbte aber diese Denkmäler hier aufführen zu müssen, 
wenn auch der französische Archäolog wegen des Mangels 
deutlicher Merkmale davon Umgang genommen und die 
Volksbenennung ignorirt hat, die ohne sonstige Grund- 
lage allerdings ohne Belang ist. Die Möglichkeit solcher 
Einrichtung für die Beichte in der genannten Periode 
erhellt schon aus den früh bekannten und noch vor- 
handenen Beichtspiegeln, die zu den interessantesten 
Sprachdenkmälern gezählt werden. Am Schlüsse cirirt 
der Verfasser eine Stelle aus den Instructionen des heil. 
Carl von Borromco, die nach den Beschlüssen der Mai- 
länder Synoden in den Jahren 1572 — 1;>S4 verfasst 
wurden und den hölzernen Beichtstuhl in der noch 
jetzt üblichen Form einführten. Dabei werden auch die 
Cancclli oder Chorsdiranken zur Benützung für die 
Beichte gestattet und kleine Zellen erwähnt , die früher 
diesem Zwecke dienten und fllr künftig verboten werden 
wegen des Mangels der Publieität. Indem ich diese 
Mittheilung mache, bedaurc ich, aus Deutschland kein 
Dcukmul anführen zu können , das sich den gegebenen 
anreiht und aut diese noch nicht klare Partie der mittel- 
alterlichen Archäologie Picht zu werfen vermöchte. Die 
Nische am Wormser Dom, welche die Sage aus der 
Todesgefahr einer armen Frau wunderbar entstehen 
Hess, befindet sich zwar an der Aussenseite und geht 
nach innen, ich entsinne mich aber auf die nähere Be- 
schaffenheit derselben ganz und gar nicht mehr, ausser 
dass dieselbe der Crosse eines Menschen ziemlich ent- 
spricht. Ich katin deshalb davon nur allgemein Erwäh- 
nung thun in der Hoffnung, dass es bald gelingen möchte, 
derartige Beispiele zu sammeln und genauer zu bestim- 
men. Das allein beabsichtigt mein Exccrpt aus obigem 

interessanten Aufsatze. 

In demselben Hefte iuteressiren dann Berichte Uber 
Denkmäler von Nimes, Arles etc., deCaumont's Erin- 
nerungen, und endlich ein Aufsatz über den Nachtheil 
der ( 'entralisation in Frankreich sowohl im socialen 
wie artistischen und wissenschaftlichen Gebiete. Nr. 2 
bringt ilie Fortsetzung der Abhandlung über ThUrine 



der noch unbekannten Landkirchen Frankreichs, eine 
Notiz Uber das ehemalige Kloster Fiaeum und dessen 
Monumente, worunter ein Altar mit Inschrift, ein Tauf- 
gefäss und eine spitzdaehige Stein-Leuchte besondere 
hervorragen, ferner eine Nachricht Uber eine arabische 
Elfenbein-Cassettc der Kathedrale von Bay-cnx, Beiträge 
zur Nnrbonnensisehen Epigraphic und zur Kenntniss der 
romanischen Altäre in Mittel -Frankreich, woran sich im 
dritten Hefte ein Bericht Uber romanische Kirchen dieser 
Gegend reiht. Die Fortsetzung über ClockcnthUrmc 
der Diöcesc Baycux enthält belehrende Abbildungen 
des Äusseren und Inneren solcher Denkmäler, auf 
welche noch zu wenig Bedacht genommen. Ein anderer 
Aufsatz bearbeitet die Geschichte der Heilquelle 
La Ilersc in dem Forste von Bellcmc an der Hand 
der HlKirlieferten Documente, und der Schlussartikel 
bespricht die Bolle des kirchlichen Vorsängers 
oder Vorstehers der Sänger, und dessen Attribut, 
welches in einem langen Stabe mit rundem Knopfe 
bestand und wofür ein illustrirendes Grabmal aus 
Noyon, im gothischen Style ausgebildet, so wie die 
Zeichnung eines solchen Stabes neuerer Zeit beige- 
geben ist. Im vierten Hefte theilt de Caumont seine 
gesammelten Bemerkungen und Zeichnungen Uber 
einige Kirchen mit, die vor das Jahr lOnO fallen und 
somit den primitiv-romanischen Styl repräsentiren. 
Dabei klagt der berühmte Archäolog über die jetzt 
immer seltener werdende Untersuchung von Denk- 
mälern, die abseits von den Eisenbahnen liegen und 
deshalb von jüngeren Eaehleuten einfach ignorirt zu 
Werden pflegen. Die mir bekannt gewordene Methode 
des Wiener Dombau - Meisters Schmitt, mit seinen 
Eleven Ferien-Reisen nach baulich wichtigen Orten zu 
machen, durfte hierin zum Muster genommen werden, 
denn es fehlt in der That an Aufnahmen der Laud- 
kirehen und ihrer mitunter werthvoUen Denkmäler: 
meistens mangelt die Kenntniss von der Existenz der- 
selben, weshalb AusflUge auch nach Gegenden, die bis 
jetzt durch Monumente nicht bekannt sind, ausgeführt 
werden müssen. 

Mit dem grössten Iuteresse habe ich die Abhand- 
lung des M. Baron de Ri vieres gelesen, welche im 
Anschlüsse au Aufsätze des Jahres isijii und lHti'.l 
die Inschriften von Albi zusammenstellt und dadurch 
für die Ikonographie wesentliche Aufschlüsse gibt. 
Zumeist hervorragend sind die Waudinschriitcn zu dem 
berühmten jüngsten Gericht in den Thurmhallen der 
Kathedrale von Albi, welches den ersten Jahren des 
XV. Jahrhunderts angehört Dieselben sind in fran- 
zösischer Sprache, während die Capellen lateinische 
führen. Der Verfasser versäumt nicht, die Überreste 
von Gemälden auch in ihrer Anordnung genau zu 
schildern, so dass ich diese Arbeit musterhaft und 
nachahmungswerth nennen muss. Eine der Capellen 
enthält die ganze (ieschichte des heil. Kreuzes mit 
dessen Auffindung und Verherrlichung. Was mag wohl 
der Gruml sein, dass dies Thema, die Begleitschriften 
der Denkmäler zu sammeln, kaum in Angriff genommen 
ist? Da diese Collcction von grossem Umfange und für 
die Archäologie ganz besonders wichtig, so werde ich 
demnächst darauf zurückkommen und einige Beiträge 
ans Deutschland und anderen Ländern hinzufügen. Im 
allgemeinen halten sieh die Inschriftworte au die heil. 
Schrill und eitireu gewöhnlich die Stelle Hlr die Dar- 



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LXI 



Stellung mid Angabe des Hnches und f'apitels. Auf- 
fallend ist, da»« sogar griechische Beisehriften vor- 
kommen. Zum Schlüsse fesselt eine Studio über die 
Krypten von Jouarre, denen M. C. L. A. Tbiereelin 
auf GlUnd der Forschung de Caumont's von lH43eine 
eigene Monographie widmen wird, wo die Arebitektur, 
GeschichJe und Archäologie dieser Monumente ein- 
gebend vertreten sein wird. Die gegebenen Abbil- 
dungen lassen auf das XII. Jahrhundert der Entstehung 
für die überwölbte Partie sohliessen, wobei freilieh 
Siiulen, Pilastcr und Eiuzelnheiten ein ungleich höheres 
Alterin Anspruch nehmen. Dr. Me»»mer. 

Aretino oder Dialog über Malerei von Lodovico Dolce. 

Unter diesem Titel ersc hien der II. Baml der vom 
Direetor des k. k. Museums für Kunst und Industrie Hof- 
rath v. Eitelberger im Vereine mit Fachgenossen her- 
ausgegebenen Quellenschriften tür Kunstgeschichte und 
Kunst-Technik des Mittelalters und der Renaissance. 

Der gegenwärtigen Ausgabe wurde jene des Jahres 
Itn>7 zu Grunde gelegt: die Übersetzung aus dem Ita- 
lienischen besorgte Caj. Cerri. eine sehr belehrende der 
ganzen Schritt Leben und Bedeutung gebende Einlei- 
tung und saehgemässc Noten verfasstc Ilofrath Eitel- 
berge r. 

Dass gerade diese Schrift tür besagte Quellen- 
schriften gewühlt wurde, muss man dankbar anerkennen, 
denn Lodovico Dolce's Unheil über Tizian war bisher 
last gar nicht bekannt , und doch ist die Schrift abge- 
sehen von ihren Miingelu höchst werthvoll, denn sie 
führt den Leser, wie diess in der Einleitung in vortreff- 
licher Weise hervorgehoben wird, in den Gedanken- 
kreis in die geistige Atmosphäre der Tiziau'sehen Zeit 
ein, ungetrübt von allem modernen Beigeschmäcke. 

Dolce zergliedert in diesem Dialoge Rufael, Mich. 
Angelo und Tizian mit besonderer Feinheit und wirf» 
dabei noch Streiflichter auf einige andere hervorragende 
Künstler. Eitelberger nimmt aus diesem Grunde an, 
dass der Dialog auch von Tizian und Aretino beein- 
flusst wurde. Immerhin bildet dieser Dialog ein hervor- 
ragendes Documeut zeitgenössischer venezianischer 
Kunstkritik. 

Als Anhang tinden sich in dem Buche drei Briefe 
Dolce's. einer an A. Cnntarini über das Hihi Venns und 
Adoiiis von Tizian, der zweite an Cav. Ballini und der 
dritte endlich an Tizian selbst gerichtet. ...<»... 

Die hervorragendsten Kunstwerke der Schatz- 
kammer des österreichischen Kaiserhauses. 

Wir haben das Erscheinen des 4. und ö. Heftes 
dieses Prachtwerkes zu registriren, dessen einzelne 
Blätter ihren Vorgängern an Vorzttglichkeit nicht nach- 
stehen. Die mit diesen Heften ausgegebenen Abbildun- 
gen veranschaulichen eine Fruchtschale von Kry stall in 
Fassung von Gold, Schalen aus demselben Matcrinle, 
gefasst und mit Deckeln aus Edelmetall, eine sehr schön 
gearbeitete Krystallkanne und andere derartige Gefässe, 
ferner eine Schale aus Jade in zierlichster, weiss email- 
lirter Goldfnssung mit Ruhinhcsntz, und ein Standühr- 
ehen mit eapellenlcirmigem, in eine Kuppel auslaufen- 
den Gehäuse aus reinstem Bergkrystall mit zierlicher 
Metallfassung von Jobst Burgi. 



Ganz vorzüglich ist, nicht minder die Wiedergabc 
wie der Gegenstand selbst, nämlich ein in treulichster 
Arbeit ausgeführtes Präscntirtellcr von Stahl mit erha- 
bener Silbertauschirung und theilweise vergoldet auf 
niedrigem Fnsse, in der Mitte en relief Diana mit zwei 
Hunden, ringsherum Arabesken der zierlichsten Art, am 
Rande Jagdscenen. 

Bemerkenswerth ist ein Poeal aus dem XVI. Jahr- 
hundert in Form eines Stengelglases mit Perlmutter- 
platten belegt; an der Aussenseite befinden sich Ara- 
besken und auderes Omamentwerk, darunter Faunen- 
und Amorettenköpfe; auf dem Deckel ein geflügelter 
Amor, in der Hechten einen Schild, in der Linken einen 
Vogel haltend. Ferner eine Kanne von Jaspachat in 
reicher goldener Fassung. 

Auch finden wir eine Abbildung des GritTcs und 
oberen Thoiles jenes Säbels, den Kaiser Karl VL znr 
Krönung als König von Ungarn (:>:'. Mai 1711') anfer- 
tigen liess; denselben Säbel trug auch die Kaiserin 
Maria Theresin bei ihrer Krönung zu Pressburg am 
2h. Juni 1741 und später am Landtage. Die Klinge ist am 
Gcfäss 1 Zoll .'I Linien breit, schön damascirt, mit der 
Inschrift im Medaillon : „Im Xanien Gottes, des Aller- 
bnrtuenden, des Allerbarmers-, längs der Klinge: ,-Sicg 
von Gott und nahe Eroberung und frohe Hotschaft für die 
Gläubigen« versehen. Das Beschläge der Scheide, wie 
der Griff sind reich mit Diamanten, Bauten und Tafel- 
steinen besetzt. 

Endlich ist auch jene Krone abgebildet, die den 
Namen „türkische Vasallen-Krone des Stephan Hotskay* 
tührt. Sie ist von runder Form, oben breiter, dabei 
niedrig, spitzförmig ansteigend, ganz geschlossen, ans 
vergoldetem Silber angefertigt und mit schwarz aus- 
gelegten Gravirungen verziert (wahrscheinlich byzan- 
tinische Arbeit), mit Türkisen, Granaten u. Smaragden 
reich besetzt, trägt auf der Spitze einen dattelförmigen, 
etwas grösseren Smaragd. Slavische Geschichtsforscher 
halten sie tür jene Krone, die von den Serbcnfürsten 
getragen wurde, und im Jahre l.'iH!) in die Hände der 
Türken gerieth. Sultan Achmet I. übersandte sie dem 
Stephan Botskay, Fürsten von Siebenbürgen (1(500 — 
160») l. um sich mit derselben zum Vusallctikönig 
von Ungarn krönen zu lassen, dieser jedoch trat sie 
im Wiener Frieden (0. Februar ltkHJ) dem König Ma- 
thias IL ab. ....... 

Quellen zur Geschichte der Feuerwaffen. 

■«»Wf >|tb<m »m gcraiaitkttieii Maituai I. lUft . J Blf Ttxt. 10 Tif«ln. 

Indem wir unsere verehrten Leser anf dieses Werk, 
das dem königlich bayerischen Kriegs-Minister Freih. 
v. Pranckh ge widmet ist, aufmerksam machen, müssen 
wir uns bei dem Umstände, als dessen Erscheinen erst 
begonnen hat, vorbehalten es nach seiner Vollendung 
ausführlicher zu besprechen. 

Das rege Interesse, welches die jüngsten Erfolge 
auf dem Gebiete der Entwicklung der Feuerwaffen für 
dessen Geschichte erweckt hatten, veranlasste die Vor- 
stamlschaft des germanischen Museums diesem Gegen- 
stande eine grössere Aufmerksamkeit zuzuwenden und 
dem von verschiedenen Seiten laut gewordenen Wunsche 
entsprechend, die in dieser Beziehung gemachten Stu- 
dien in schlichter Weise dem Publicum zu übergeben. 
Diesellien basiren sich auf eine Reihe von Zeichnungen 

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LXII 



in facsiniilirten Copien, ausgezogen au» verschiedenen 
ßilderhnndschriften mannigfaltiger Bibliotheken , aus 
gedruckten Büchern und Holzaehnittwcrken lillerer Zeit, 
so wie auf Abbildungen besonder* wichtiger Original- 
waffen. 

Die Publieation beschränkt sich hinsichtlich des 
Testes auf die Wiedergabc von Original-Quellen mit bei- 
gesetzten Erläuterungen; hinsichtlich der Illustrationen 
hat man sich bemüht, die nach alten Abbildungen ge- 
zeichneten Darstellungen in der Grösse des Originals zu 
reproduciren, bei Abbildung von Original-Waffen hat man 
eine Reduction auf oder «/, der Naturgröße gewählt. 

Dem Materialc nach scheidet sich «las Werk in 
zwei Theile, deren ersterer das Geschütz (Stuck), der 
andere die Handfeuerwaffen bespricht, so weit sich Über- 
haupt eine solche Scheidung durchführen lässt. 

Wir begrilssen das Erscheinen dieses Werkes mit 
Freuden, und sind Uberzeugt, dass mit Rücksicht aul 
die bei der Herausgabe bctheiligien Krilfte dasselbe 
viel des Belehrenden und Interessanten liefern und einen 
mögliehst umfassenden Überblick Uber die Entwicklung 
und Geschichte dieses Waffenwesens gewähren wird. 

Aus dem Berichte des k. L Conservators Benesch 
über die archäologische Thätigkeit im Cäslauer 
Kreise für das Jahr 1871. 

Die merkwürdige St. Barbarakirche in Knt- 
tenberg hat durch das Abtragen zweier Umfriednngs- 
mauern des ehemaligen Friedhofes sehr gewonnen. Das 
alte Baudenkmal ist nun in seinem grossartigen Umfange 
jedermann zugänglich. 

Der durch den am 'JG. September lX"o erfolgten 
Einsturz des Thnrmes der berühmten Stiftskirche zu 
Sedlec bei Kuttenberg zugefügte Schadeu im Mittel- 
schiffgewölbe blieb bisher uureparirt. 

Was die Wiederbedachung der beiden Thürnie an 
der K ol i n e r Kirche betrifft. «leren Helme durch den vor 
zwei Jahren erfolgten Brand vernichtet wurden , so gab 
schon der Donibnuleitcr K rann er Sohn sein Gutachten 
dahin ab, dass der unverwüstliche Mauerkörper im 
Stande sei den neuen Dachstuhl zu tragen. Die Thürnie 
hatten schon manch hartes Schicksal erlitten. Bald nach 
ihrer Vollendung (1:V4) wurde unschön genug gleich 
neben den zwei SchwesterthUrmeu ein dritter Thurm 
aufgeführt um dort Glocken und Thünner zu beherber- 
gen. lfiXJ brannte das Dach des südlichen Thurmes 
durch die Unvorsichtigkeit des Thürmers und Siuiidcn- 
bläsers ab. Dies war das erste Unglück, welches diesen 
schönen Bau ereilte. 170i! vernichtete eine furchtbare 
Feuersbrnnst fast die halbe Stadt und auch die Kirche 
mit allen drei ThUrmen. Das Jahr darauf wurden aus 
der geschmolzenen (Jloekeiispeise fünf neue Glocken 
gegossen und am 23. September 17!>7 in den isolir- 
ten Wäehterthnrm eingehängt. Die öden ausgebrann- 
ten KirchenthUniie deckten Nothdäeher, während der 
Wüchterthurm eiuen unschönen gloekenlörinigen Helm 
erhielt. So blieb diese Nothbcdachung bis zum Jahre 
1H45 stehen, wo durch die energische Sorgfalt des 
jetzigen kunstsinnigen Stadt- Der haut« Herrn 1'. Johann 
Lindner und Caplans Herrn 1\ J. Svoboda, dann 



des verstorbenen Domainen - Besitzers von Kolin Herrn 
Wenzel Veit, die in das Achteck gebauten ThUrnie 
die in dasselbe Polygon construirtcu hohen spitzen, mit 
Schiefer gedeckten Helme erhielten. Wohl fehlten die 
gewesenen vier EekthUrmchen (so wie bei der Tein- 
kirchc in Prag), doch verdarb man durch diese Aug- 
lassungen den Charakter des Baudenkmales nicht. Den 
IS. Mai 1K:">7 wurde das zweite Kreuz auf dem Süd- 
thurmc aufgesetzt. Von dieser Zeit an, zierten diese 
V2G Fuss bis zum Bande und 100 Fuss bis zu den 
Kreuzen hohen Thürnie die Umgebung Kolins. Leider 
vernichtete den 23. September 1*69 ein angelegter 
Scheuerbrand den einen Kirc hen- dann den unfern davon 
stehenden isolirteu Glockenthurm. Ein brennender Stroh- 
kiumpeu vom Winde emporgehoben gerieth in eine Dach- 
klumse, worin Sperlingsnester eingepfercht. In wenigeu 
Minuten brannte der nördliche Thurm, wie eine Riesen- 
fackel. Nun war das Dach des nahen jedoch niedrigeren 
Glockenturmes unrettbar verloren. Nur mit Mühe 
entfloh der TbUrmer aus dem brennenden Thurme, all 
seine Halte «len Flammen überlassend. Den Glocken- 
stuhl und die Glocken retteten das feuerfeste Pflaster 
der Thllnnerwohnung. Ode und verlassen stehen nun 
die geschwärzten Thnrmiiinuern ob der malerisch gruppir- 
ten Kirehenhöhe und warten seit Jahr und Tag der bereits 
von dem Stadtrathe als Patron der Kirche bewilligten 
Bedachung. Conservator und Architekt Schmoranz 
inChrudim wurde berufen die Pläne zur künftigen Durch- 
führung zu Übernehmen. Natürlich hat dieser bewährte 
Restaurateur der Domkirche von Koniggrätz und der 
Dccaunlc zu Chrudim beide lledachungen dem Style 
des Raudenkmalcs vollkommen entsprechend entworfen. 
Mnn will jetzt das FrUhjahr abwarten um so bei ^lusti- 
gerem Wetter diesen beschwerliehen Bau zu beginnen. 

Die uralte Burg Lipnic im Uaslauer Kreise ist 
vor zwei Jahren abgebrannt und das ehedem stattliche 
Gemäuer der weit sichtbaren Hochburg steht nun dach- 
los da. 

Das Jahr 1*71 war arm an archäologischen Funden. 
Die wichtigsten coneeiitrirten sich bei tiein bereits im 
Vorjahre erwähnten Dorfe Tf ebesic bei Ciislau. Schon 
der Name selbst erinnert an das Opfer treba. Zu den 
dort gefundenen Gegenständen gehören mehrere Steeh- 
uml Nähwerkzeuge aus thierisehen Knochen, Gelasse 
ans gebranntem Thone, Steiuwuffen, bronzene Haar- 
nadeln , dann eine Armspauge mit ausgebuekelten Glie- 
derungen , einer halben Nussschale ähnlich. Hirsch- 
geweihe, Eberzähne, Thicrknoohen u. s. w. deuten auf 
einen ausgedehnten t'ultus. 



Bei dem Graben der Gründe zum neuen Pfeilerbaue 
am I' rager St. Veitsdome stiess man am 2. Septem- 
ber v. J. nördlich vis ä \is dem hohen Domthunn auf eine 
Öffnung :j Fuss unter der Erdoberfläche. Der Dombaulei- 
ter Kranner jun. und derPolirer Rei nhard stiegen in 
die lichtlose abschüssige Öffnung und gelangten in einen 
1 Klafter, 1 ' , , Fuss im Dianieter haltenden mit einer 
schroff ansteigenden Kuppel gedeckten runden Stiegen- 
raum, worin IN Stufen in die Tiefe führten. Ein längst 
verschütteter enger Gang zum gegenüber steheuden 
Thurme schien zum Zwecke dieser schönen Quader- 
treppe gedient zu haben. Vorgefunden wurde nichts. 



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« 



lxiii 



Archäologische Ausbeute auf einem Ausfluge nach 
dem Chorherrenstifte St. Florian in Ober- Österreich. 

iMii Ii HiiUichnmio > 

An der Stiftskirche dieses alten Chorherrenstiftes, 
wiewohl dieselbe , sowie die sämtntlichen Stiftsgebünde 
um das XVIII. Jahrhundert einer gründlichen Umgestal- 
tung und Erweiterung unterzogen wurde, ein Vorgaug, 
welcher nicht allein an der genannten Abtei, sondern 
bei dem Rcichthum der Stifte nnd der Prachtliebe ihrer 
Vorsteher mehr oder weuiger an allen grossen Abteien 
in Österreich eingehalten wurde, hat man alle Merk- 
male, Formen und Constructionen , welche auf die Zeit 
der Gründung und Erbauung, auf die Gestalt und den 
Umfang der ursprünglichen Anlage, oder auf die bereits 
im Mittelalter vorgenommenen Abänderungen und Zu- 
bauten Anhaltspunkte zu bieten im Stande sind, so weit 
beseitigt und vertilgt, dass scheinbar kaum mehr Über- 
reste übrig geblieben waren, die der Nachforschung in 
obbczcichnctcr Richtung brauchbares Materiale zu liefern 
vermochten. Man ging zwar von dem Grundsätze aus, mit 
dem alten Bestände vollständig tabula rasa zu machen, 
hat aber nur nach aussen hin den dafür geschaffenen, 
mit verschwenderischer Pracht und Ausstattung bedach- 
ten Werken den Charakter der Rococopcriodc und die 
starre Consequenz einheitlicher Durchführung in diesem 
Style , als dem damals als Canon der Vollendung gel- 
tenden, gegeben und dafür alle Äusseren Spuren architek- 
tonischer Durchbildungen des Mittelalters, die dem kunst- 
richterlichcn Auge jener frivolen Zeit ein Gräuel gewe- 
sen sein um -tun. mit Stumpf und Stiel ausgerottet. Man 
wird daher an den Aussenseiten kaum einen Verräther 
mittelalterlicher Rauthätigkeit entdecken , wenn man 
nicht da« in der Grundform oetogonal geschlossene Pres- 
. byterium der Stiftskirehe und die an dcrNordseite dersel- 
ben bestehenden mächtigen Ausscnpfeiler, eine Anord- 
nung, welche Übrigens auch an solchen Bauten beliebt 
wurde, wo nicht erst ein bereits vorhandenes älteres 




XVII 




Fi* 2. 



Mauerwerk die Grundinge und das Motiv hietür gegeben 
hatte, als der ursprünglichen Anlage angehörend be- 
trachten wollte, die nachher im Gesehmacke der Rococo- 
pcriodc in den Endigungen mit schwulstigen Voluten 
und geschweiften Bogenfornien aufgelöst wurden. 

Die Kachforschung musste sich daher hauptsäch- 
lich auf jene Theilc beschränken, welche nicht dem 
Augeblossgclegt waren, sondern durch Bedachung, Über- 
wUlbungcn, Bogengänge u. 8. w. vor der vandalischen 
Versebonerungssueht mehr weniger geborgen waren. Zu 
diesem Ende wurden das unter das Kirchendach hinauf- 
reichende, vom alten Mittelschiffe herrührende Mauerwerk 
und die Thurmwnndflächcn besichtigt; der Gang dahin 
hatte sich auch reichlich belohnt. Die bestehende Kirche 
zieren an der Westseite zwei mächtige GlockenthUrme, 
die sieh über den Gewölben der westlichen Seitenschiffe 
aufbauen und theils durch die Aussenwand der Kirche, 
Iheils durch mächtige Pfeiler im Innern getragen werden. 
Der südlich angelegte Thurm blieb, so weit er in die 
Bedachung der Kirche reichte, von jeder Restauration 
verschont, erst die ans dem Dache heraustretenden Par- 
tien erhielten die Durchbildung der Rococoperiode. An 
diesen vom Dache geborgenen Stellen finden sich zwei 
Masswerkfenster (Fig. 1 n. 2), in deren elastisch behan- 
delter Protilirung der Leibung, wie auch in der Form des 
Masswerkes, wobei der „alte Sprosse der Hauptfigur 
des Mnsswerkes folgt und sie entschieden hervorhebt, 
während der .junge* Sprosse in untergeordneter Bedeu- 
tung die Nasen und lilienfönnigeu Endigungen begleitet, 
rler ausgesprochene Charakter der Frühgothik liegt, wie 
auch die sehlankgest reckte Form des Fensters nur dieser 
Periode eigenthllmlich ist. Hier liess sich auch die 
ursprüngliche Breite des Thurmes ermitteln . welche 
Mi/, Fuss beträgt. Da an dem zweiten, nördlich situir- 
ten Thurme keine derartigen Durchbildungen ersichtlich 
waren, so darf* man annehmen, dass die ursprüngliche 
Kirche nur mit einem Gloekenthunne verscheu war: 

k 



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LXIV 




I"ijf. 3. 



welche Annahme »ich auch durch ein älteres Gemälde 
bestätiget , das «ich in den Sammlungen de* Stifte« 
befindet. Dasselbe Ntellt eine Ansiclit der Kirche und 
des Stiftes aus der Zeit vor der grossen Umgestaltung 
vor, and gibt wohl im allgemeinen ein ßild des einsti- 
gen Bestandes, der auf einen ziemlieh wehrhaften nnd 
umfangreichen Bau, auf eine architektonisch reich ge- 
gliederte Anlage, mit Erkern .Bogengängen , Mass- 
werksfenstern, wie «ie in der i'bergangs-l'criodc zur 
Geltung gelangten, sehlicssen lässt; allein die Abbil- 
dung, eine schwache Leistung au« dem Ende des XVI. 
Jahrhunderte*! i*t im Ganzen leider zu unbeholfen und 
zu flüchtig gehalten, in ihren Detail« zu unwahrschein- 
lich, endlich in den Formen zu unbestimmt behandelt, 
als das« sie für eine Baubesclireibung eine brauchbare 
<! rundinge bieten kann. 

Ausser diesen beiden, am Glockenthiirmo vortiud- 
liehen Fenstern eutliiilt auch noch die unter dem beste- 
henden l'resbylerium angebrachte Krypta eine reiche 
Fundgrube > 011 Anhaltspunkten zur Altersbestimmung 




Hi? .V 




der Kircbenanlnge. Die Crnftkirche, mit weitläntigeu. 
au« neuerer Zeit stammenden Vorhallen versehen, wovon 
die letzteren die irdischen Überreste der f'onventualen 
in Sarkophagen bergen, während die eigentliche, ans 
der Übergangszeit stammende Krypta eine massenhafte 
Ansammlung von Schädeln und Knochen enthalt, die 
bis zur gewölbten Decke in der Art /.u senkrechten 
Wänden anfgeschliehtet sind, das« zwischen denselben 
schmale Communications-Giinge ftlr die Besucher dieser 
bei Fackelbcleuehtung grauenhaft erscheinenden Bäume 
ttbrig gelassen wurden, erhielt den Üblichen octogonaleu 
Phorsehluss und damit im Zusammenhange die archi 
tektotiische Anordnung und f'onstruetion. 

Durch diese Ommunicaiioiis-Gänge vermag sich der 
Besucher dem oetogonalcn Chorsfhlusse zu nlihern und 
nn dieser Stelle konnte man »her das Alter des Bau- 
werkes die wesentlichsten Aufschlüsse erhalten. Die 
Krypta war in Kreuzgewölben gedeckt, die j;ekchlten 
(•urteil liefen auf Lnuhwerks-CapitUlcu auf (Fig. 8, 4, 
5, (5), welche den Übergang der kurzen, aus dem 
Achteck eonsiruirten Wanddienste in den Gurtbogen des 
Gewölbes vermitteln. Die Basis dieser Wanddienste 
bildet ein gegliederter Sockel ohne Eeklaub. Der niedri- 
gen Gruftkircbe angemessen, wurden auch die Dimen- 




np. r,. 



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LXV 



Kinnen der architektonischen Gliederungen niedrig ge- 
halten und dieser Grundbedingung entsprechend die 
Guten, Pfeiler, (upitälc. Hasen u. s. w. gedrungen, 
kräftig und ausdrucksvoll angelegt. Aus den vorgenom- 
menen Melsungen ergab sich, dass eine Oetogonseite 
^ Fuss lt> Zoll betrügt, und die gesammte Breite der 
Krypta 21 Fuss u Zoll enthalt, dass sie eine verhält- 
nissmässig geringe Höhe hatte, denn das Ausmass vom 
Sockel des Wandpfeilers Iiis zum Üoj;cnanfang der 
(Je wölbe beträgt ti'/, Fuss. Die Länge der Krypta durch 
dircete Messung zu ermitteln, war wegen ihrer An- 
fllllung mit Knochen nieht möglich. Das nöthige Licht 
wurde ilurch Rundbogcufeiister (Fig. 7) mit schmalen 
Öffnungen hereingeleitet. Remerkenswerth ist ferner der 
Einstand, dnss mau e» zur Zeit der Gothik für noth- 
wendig erachtet hatte, die aus der Übergangsperiode 
herrührende Gewölbs-Construction zu verstärken, was 
dnreh Vorlegung von im Spitzbogen durchgeführten 
verstärkten Gurthögen erreicht wurde, durch welehe 
die alten Säulenscbafte und Capitäle leitler mehr oder 
minder zugedeckt wurden < Fig. *). 

In den Vorhallen der Gruftkirche findet sich eine 
plastische polychroroirte Darstellung der Madonna mit 
dem Kinde aus gebrannter Thonerde, 4 Fuss lang, 
"SO Zoll hoch, eine handwcrksniässige Leistung der 
Spät-Gothik, die nach der liegenden Stellung der Figur 
zu schliesseu wahrscheinlich dazu bestimmt war, die 
Altarmensa zu zieren. 

Line bemerkenswerthere plastische Arbeit, welche 
sich ebenfalls in den Vorhallen der Krypta findet, ist 
eine aus Holz geschnitzte Figur des heil. Florian von 
riesiger Dimension und auffallend langgestreckter Durch- 
bildung, welche die ausgesprochenen Merkmale der 
rbergaiiKs- Periode enthält und nach der von Atmosphä- 
rilien herrührenden Beschädigung zu urthcilen, wahr- 
scheinlich seiner Zeit im Freien gestanden sein mag, 
vielleicht den Dachreiter der alten Stittskirehe oder die 
Kndigung einer Thurmspitze bildete, und um von weithin 
gesehen zu werdeu , die Hübe von 9 Fuss erhalten 
hatte. Es fällt an dieser Darstellung des heil. Fl«. 





'i ' o" 




Fig. K 



rian auf, dass er eher einer 
mittelalterlichen Heroldstigiir 
als einem römischen Kriegs- 
Tribun ähnlich sieht. In der 
linken Hand hält er eine 
gewaltige Standarte, welehe 
das griechische Kreuz im 
kreisrunden Felde enthält ; 
die rechte ruht anf einem 
Schwerte. Das Haupt trägt 
eine eigenthümliche Kopfbe- 
deckung , die eher einer 
Markgrafcukrone als einem 
Kriegshelme ähnlieh sieht. 
Das ..Haar ist in den für 
die Übergangszeit typischen 
Locken behandelt , die das 
jugendliche Autlitz des Krie- 
gers reichlich umgeben. Der 
Mantel, nach dem Zuschnitte 
der Toga auf den Schultern 
zurückgeschlagen, ist an den 
Achseln durch schildförmige 
Hatten, die mittelst eines 
Gurtriciucus zusammengehal- 
ten sind, befestigt, Enter dem 

tunica-artigen Oberkleide tritt die eiserne Rüstung her- 
vor, mit welcher die Schenkel und Fllsse gedeckt sind. 

Hin gelungenes Zeugniss Uber die Kunstfertigkeit 
dcrFrüli-Renaissance in Schmiedearbeiten gibt ein Brun- 
nenhaus im Stiftshofe. 

In dem Marktflecken St. Florian, welcher an dem 
südlichen Abhänge der Höhe angebaut ist, deren ausge- 
dehnten plateanflirmigen Vor- 
sprang^ die Stiftskirche, die 
Stifts Öeonomie-Gebände und 
(! artenanlagen einnehmen, be- 
gegnet man einzelnen Häu- 
sern, deren über Eck gestellte 
Erker und sonstige nuf Krag- 
steinen angelegten Wandvor- 
sprünge dem späten Mittel 
alter angehören. In dieser 
Beziehung hat sich das am 
Marktplatze gelegene Post- 
gebände, zugleich Gasthot, 
von neueren Zubauten ziem- 
lich unverändert erhalten und 
macht nach aussen einen ma- 
lerischen Eindruck, während 
das Innere in seinen Erkern 
und Wandvorsprüngcn manch 
trauliches Plätzehen enthält. 

Der Besucher dieser Ge- 
genden wird noch von einer 
anderen Eifrenthüniliehkeit 
überrascht; er wird sowohl in 
der nächsten Eingebung von 
St. Florinn . als auch auf 
grössere Entfernung davon, 
häufig aus dem Mittelalter 
stammende, in Stein ausge- 
führte Marter-Säulen und Vo- 
tivkreuze antreffen. Dieses 




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LXVI 




Hg. i". 



ungewöhnlich häufig«' Vorkommen derartiger, aus Ge- 
ftthlen der Andacht, Pietät und Verehrung entstandene 
Denkmale füllt unwillkürlich auf und bildet eine Eigcn- 
llillmliclikeit, die anderswo in dieser Form nicht auftritt. 
Auf d«-r kurzen, kaum eine halbe Meile messenden 
Strei ke von St. Florian bis Lorch (St. Lorenzen) zählte 
di r Verfasser, mit Inbegriff der auf dem Friedhofe von 
St. L«ireuzcn stehenden ewigen Lichlsäule, !» derartige 
Martern, die in der Regel immer au solchen Stellen 
angebracht sind, wo sich Wege kreuzen oder abzwei- 
gen. Das in «1er Abbildung Fig. 9 versinulichte Marter- 
Kreuz steht in unmittelbarer Nähe von St. Florian; 
obwohl nicht mehr dem Mittelalter angehörend, wurde 
<•* wegen der sinnreichen, in ein dreifaches Kreuz endi- 
genden Auflösung hier angeführt. Die Übrigen Martern, 
in künstlerischer Beziehung von keinem Melange, mögen 
Itltergegangen werden; nur da» gegenüber der Ostseite 
der Kirche St. Lorenzen (Lorch) ausserhalb des Fried- 
hofes stehende Marterkreuz (Fig. 10) verdient seiner 
trefflichen und ziemlich reich gehaltenen Durchführung 
wegen eine Erwähnung und macht durch seine gute 
Siluirung, durch seine mehr gedrungene als langge- 
streckte Form einen ausserordentlich befriedigenden 
Eindruck. Es ist ein vierseitiger Schaft, auf dem der 
cnpcllcnähnliche Hatipthau ruht; derselbe ist gegen jede 
Seite feusterähnlich behandelt, darüber erhebt sich je 
ein Giebel und «lie Pyramide, die das Steinkreuz trägt. 



Die .Mitteilungen, XIII. Jahrgang I868 d , 
haben zwar schon eine ausführliche Schilderung der 
interessanten Kirche in Lorch (St. Lorcnzcn) ge- 
bracht. Da jedoch hiebet eine Abbildung der reich- 
behandcltcn Ostseite unterblieben i*t, so dürfte es 
an dieser Stelle angezeigt sein, mit Zuhilfenahme 
der beiliegenden Illustration Fig. 1 1 , auf die eigen- 
tümliche Auflösung der östlichen Chor-Seite der 
Kirche und auf die architektonische Durchbildung 
derselben zurückzukommen. Das im Vordcrgrnnde 
der Ansicht ersichtliche Hau werk ist der alte Kar 
ncr, der im untern Geschosse kreisrund construirt 
ist , dessen oberes Geschoss hingegen nach aussen 
achtscitig, nach innen rund, bei einem Durchmesser 
von 2V V gehalten wurde; die Octogonseiten des 
GebäudcB wurden vermittelst acht aus der Run- 
dung hervortretender Kragsteine ermöglicht. Der 
Kanter steht auf dem Friedhofe in einem Abstände 
von .'io Manuesschritten von der Kirche entfernt. 
Fenster und Gcwölbsconstructionen , sowie der 
Grundriss des sonBt schlicht behandelten Baues, 
dessen EingangsthUr aus neuerer Zeit stammt, 
reihen die Gruftkirche zu den Bauten der Über- 
gangsperiode. 

An der Kirche jedoch flllt es auf, das» die 
Ostscite nicht den Üblichen octogonalen Chor- 
Abschluss und die dadurch lebendig gruppirtc Auf- 
lösung erhielt. In Ermanglung dieser organischen 
Entwicklung des Styl-Gesctzcs durch die Anlage 
des Octogones mit den lfeilervcrstärkungen, ver- 
suchte der Werkmeister die Bedeutung dieses zu 
den höheren Cultusfnnctionen dienenden Kirchen- 
raumes nach aussen hin dadurch zu cbarakterisiren 
und hervorzuheben, dass er die Giebelwandmauer 
in eine Masswerks-Galerie auflöste , wodurch die 
sonst unvermeidlich gewordene Monotonie nnd 
Kahlheit dieses Bantheilcs einigermassen behoben 
seine Intention erreicht wurde. Und selbst auch 
die stufenweise Art des Aufbaues der Galerie, welche 
durch die Giebelwand bedingt wurde, die Anordnung 
der Fenster, Masswerke, Wappen n. s. w., spricht un- 
widerleglich daftlr, wie sehr es dem Werkmeister zu thun 
war, dem verletzten Styl-Gesetze mit dem Aufwände 
aller zu Gebote stehenden Mittel gerecht zu werden. 

Joh. Gradt. 



Altcöristiiche Elfenbeinarbeit in Brescia. 

Die Bibliotccn Quiriniana zu Brescia besitzt unter 
ihren Schätzen auch die in Form eines Kreuzes zusammen- 
gelegten Seiten eines ehemaligen Reliquien -Kästchens. 
Es ist eines der bedeutendsten auf uns gekommenen alt 
christlichen Elfenbeinsehnitzwerke aus dem III. oder 
IV. Jahrhundert. Die Reliefs stellen Geschichten aus 
dem alten und neuen Testament mich ganz in der alt- 
christlichen, vielfach blos andeutenden, gleichsam steno- 
graphischen Weise dar. Auch linden wir hier den von 
den Katakomben - Malereien und altchristlichen Sarko- 
phagen her bekannten, bei den (.'bristen der ersten 
Jahrhutnlcrtc beliebten Bilderkreis wieder. Die alt- 
testamentarischen Darstellungen haben meist solche 
Vorgang« zum Gegenstand, welche als Hin Weisungen 
auf Jesus betrachtet wurden. 



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LXVII 



Eine von der altchristlichen Kunst 
mit Vorliebe behandelte Erzählung des 
■Ken Testaments ist bekanntlich die Ge- 
Bchichte deB Jonas, als Vorbild der Auf- 
erstehung. So finden wir denn auch an 
unserer Lipsanoteca Jonas, wie er vom 
Fische verschlungen, dann wie er von 
demselben wieder ausgcspicen wird und 
unter der Kürbislaube ruht. Auf letzte- 
rem Bildchen ist die freie Haltung des 
ermattet Daliegenden vortrefflich , noch 
ganz antik, wie denn überhaupt alle 
Gestalten unseres Kunstwerkes in ihren 
angezwungenen Stellungen und dem 
leichten Flusse der Gewander antikes 
Leben athmen; von byzantinischer Starr- 
heit ist noch keine Spur wahrzunehmen. 
Auch die in altchristlicher Zeit so be- 
liebte Darstellung des Propheten Daniel 
zwischen zwei Löwen (in der Löwen- 
grube) weist unser Denkmal auf: nebenan 
Dnniel vor dem Könige Darms. Die Dar- 
stellungart der drei Männer im Feucrofcn 
war mir neu : von» stehen die drei Jung- 
liuge mit horizontal ausgestreckten Annen 
in den Flammen , wie man dieses auch 
sonst findet; zwischen, d. h. hinter ihnen 
wird man noch vier ähnliehe Gestalten 
gewahr. Sind hier vielleicht zwei zeitlich 
auf einander folgende Momente zusam- 
mengezogen, so dass vorne die drei _ 
Männer in dem Momente dargestellt sind, 
da man sie in den Ofen geworfen, hinten 
aber dieselben drei mit dem sie erretten- .< 
den Engel mitten unter ihnen? Dann 
hätten wir es mit einer Illustration zu 
Daniel 3, 24 und 25 zu thun: „Da cut- 
setzte sich der König Nebukadnezar . . . 
und sprach: . . . haben wir nicht drei Männer gebun- 
den in das Feuer lassen werfen? . . . Sehe ich doch vier 
Männer los im Feuer gehen, und sind unversehrt! ..." 

Eiue fernere echt altchristliche Darstellung ist: 
Moses, wie er sich (vor dem brennenden DombuBche) 
die Fussbekleidung löst, oben die Hand Gottes. In den- 
selben Bilderkreis gehört ohne Zweifel die Sccnc, wo 
zwei Männer vor einem Stierkopf tanzen ; der Tanz der 
Israeliten um das goldene Kalb; ferner diejenige, wo 
vor einem Manne ein Stab steht, um den sich eine 
Srhlange windet — die eherne Schlange — oder ist es 
die Schlange des Paradieses, die sich um den Baum 
windet, wie sie z. B. auf dem Sarkophage im altchrist- 
lichen Museum des Lateran (Abbild, bei Sehn aase, 
Gesch. d. bild. K. II. Aufl. III, 91) finden? 

Auch die Darstellungen aus dem nenen Testament 
tragen den Charakter altchristlicher Kunst. Christus ist 
Uberall jugendlich gebildet. Die Kreuzigung kommt 
natürlich nicht vor. Das Leiden Jesu wird dem Beschauer 
durch drei Scenen vergegenwärtigt: den Venrath des 
Judas', die Verlcngunng des lYtnis und Christus vor 
Pilatus; aber auch hier ist der Künstler mit einer, für 
jene FrUhzeit charakteristischen Scheu verfahren: es 
sind die betreffenden Ereignisse blos zart angedeutet. 
So ist in der Verrathsscenu keineswegs der Judaskuss 
dargestellt ; vielmehr macht Judas, der durch die Börse 




Fig. 11. 

in der Linken deutlich charakterisirt ist, mit der Rechten 
mehrere Krieger auf Christus aufmerksam, der hinter 
einem Banme geht: eine interessante Darstellung, um 
bo mehr, als die Gefangennehmung Jesu sich in alt- 
christlicher Zeit nur höchst selten (und auch das nicht 
deutlich) geschildert findet. (Vgl. Schnaasc a. a. 0. 
83.) Ein Pendant zur Verrathsscene bildet die dicht 
daneben dargestellte Verleugnung. Der Hahn steht auf 
einer Säule; die Magd schreitet in eleganter Haltung 
auf den ängstlich dastehenden Petrus zu; hinter ihm 
einige Krieger mit Fackeln und Schilden. Diese Krieger 
gehören zu derselben Schaar, welche auf dem vorigen 
Bilde von Judas angeführt wird. In der dritten der oben 
genannten Darstellungen ist Christus von zwei Männern 
vor den mit vieler Würde dasitzenden Pilatus geführt 
worden; neben letzterem noch eine sitzende Figur; 
Christns steht mild und zugleich majestätisch da; ein 
Knabe giesst dem Pilatus Wasser auf die Hände. 

Die Kindheit JeBU ist durch den Besuch der Weisen 
aus dem Morgenlande nnd durch „Jesus im Tempel 
lehrend" repräsentirt. 

Von den Wundern Jesu sind die Heilung des 
Blinden, die Erweckung des Lazarus und der Tochter 
des Jairus zur Darstellung gekommen. Auf letztcrem 
Bilde ist die Freude mehrerer Frauen sehr lebhaft 
geschildert: Christus hat die Hand des Mädchens 



LXVIII 



ergriffen, das sich mit vielem Anstände mit der Linken 
auf das Ruhebett stutzt, auf welchem es sitzt. Viel- 
leicht ist die Heilung von Petri Schwieger gemeint. 
(Matth. 8, 14.) 

Ferner linden wir da» Gespräch mit der .Samariterin, 
Christus als guten Hirten und zwei Mahle, an denen 
sechs Personen theilnchmen und zwar so, das» auf dem 
einen Bilde fünf Personen hinter dem Tische, auf 
welchem Brote liegen, sitzen, der sechste alier mit einem 
Hecher herbeikommt, während auf dem andern Bilde der 
sechste im Begriff scheint, einen Krug in einen Kessel 
zu tauchen. Der Tisch hat die alte, später auch von der 
byzantinischen Kunst adoptirte halbrunde Form (das 
s'igma). Vielleicht ist hier die Hochzeit zu Kntma 
angedeutet. 

Interressant ist cr, dass wir auf unserem Denkmal 
die Geschichte des Ananias in fast völlig mit der 
Behandlung diese» Gegenstandes auf der Flfcnbcintafcl 
in der Saeristei des Domes zu Salerno (Abbild, bei 
Lllbke, Grundriss der Kunstgeseh. IV. Aufl. 264) über- 
einstimmender Auffassung antreffen. Wie dort, so sitzt 
auch hier der Apostel etwa in der Mitte des Bildes; 
hinter ihm stehen drei Männer, zu deren mittlerem die 
Hand Gottes als Zeichen „dass hier ein himmlisches 
Strafgericht vollstreckt wird", herabreicht. Zu den 
Fussen des Apostels liegt der Geldsaek. Ananias wird 
von mehreren Männern davongetragen. 

Somit hätte ich die bedeutendsten Darstellungen 
lies Keliquienkästehcns genannt. Ausser denselben findet 
sieh noch eine Beterin mit emporgehobenen Annen 
zwischen zwei Bäumen ; dann eine Scene, wo ein Weib 
iu schöner freier Haltung vor Christus knieet (doch wohl 
Jesus der Maria Magdalena erscheinend) und noch einige 
Gestalteu und Scenen, deren Bedeutung mir nicht recht 
klar geworden ! vielleicht Adam und Eva, im Kreuzarme 
rechts (suhjeetiv) der Brudermoni des KainV im mittleren 
Theil des Kreuzes: ein Manu gibt einem Andern einen 
Filsstritt in den Leib; die Geburt Jesu im Kreuzarme 
links: ein Kind in Windeln, nebenbei ein Esel; es 
kommen Krieger darauf zu. einer mit einem Löwen ; ein 
Mann wie erstaunt vor einem Buche stehend, während 
ein Kopf von oben herabblickt V DoUert. 

Meister Jörg Jordan. 

' (KU I 11 i.-- 

Ich verbreite mich nicht, mn eine Einleitung zu 
gewinnen, Uber den Stand und Zustand des Gold- 
schmiedehandwerkes im alten Wien, sondern gehe 
gerndezu auf meinen Gegenstand los, denn Uber jenes 
könnte ich nichts sagen, was nicht schon anderorts 
bekannt gegeben worden wäre, und das besteht leider 
in nichts als einer den Archiven entnommenen Auf- 
zählung von Meisteniainen. Wir kennen ihre Werke nicht 
und wissen umgekehrt von den erhaltenen Arbeiten — 
die Übrigens auch selten genug sind — nicht, welchen 
Künstlern sie angehören. Vielleicht geben mehrere der 
Sache scheinbar ferner stehende (Quellen diesbezüglich 
einige Auskunft, davon elfi audermal ; hier mögen blos 
Uber den obgenannten Meister ein paar zerstreute 
Notizen zusammengetragen und einige darin gewährte 
Anhaltspunkte benutzt werden, um eine Gestalt der 
Wiener Vorzeit etwas bestimmter aus dem Zwielicht der 
Vergangenheit hervorzuheben. 




Jörg Jordan war ein Goldschmied. Sein Familien 
name erscheint bereits 1454, in welchem Jahr unter der 
„Geuiain" des Wiener Rats, der am Mai Uber die 
Vertheidigungsmassregeln gegen Wenko von Rukhenaw 
und seine Horden Beschlüsse fasNte, ein Caspar Jonian 
genannt wird. (Fontes r. austr. II. Abth. VII, p. 10.) 
Vielleicht stnmmt Jörg von diesem Caspar ab. Die erste 
Nachricht von ihm selbst bezeichnet ihn im Jahre 148H 
als den Vertertiger eines Ehrengeschenkes der Stadt an 
eine fürstliche Person, somit wird er kein unbedeutender 
Meister und demnach wieder der Wahrscheinlichkeit 
nach damals im Mannesalter gewesen sein. Tse h is c Ii k a 
(Geschichte Wien's p. 251) entnimmt die Nachricht der 
Gberkammeramts-Reehnung jenes Jahres, wo es lautet: 
r Unser allergenedigsten FrawenderKunigin von gemnin 
Stallt auch vereret ain silbreins vergalt Tringkgeschirr. 
und ist glaich aincr haidnisehen Plumen, gemacht von 
Jörgen Jordan Goldsmil, und zalt W Pfd. 7 Schillinge 
Pfennig.- Schlager (Wiener Skizzen, Nene Folge, 
j). 105) gibt diese Sache aus den Stadtrechnungen mit 
folgenden Worten: „Vnser allgenedigsten Frawn der 
Kuuigin von gemainer Stat auch vererrt ain silbrains 
vergUltsTringkgeschyerr vnd ist gleich ainer heidnischen 
plllemeri : gechaufft von Jorgen Jordan Goltsmid in 
beywesen Herrn Steffans Ken Bnrgermaister. 9t°> PfiJ. u 
Diese _Elirunfr J des Rates wurde Beatrix von Neapel 
zu Theil, zu gleicher Zeit aber erhielt auch Mathias, der 
König, drei silberne vergoldete Scheuren, und Johann, 
der natürliche Sohn Corvin's, gleichfalls einen derartigen 
Becher; möglieh, dass auch diese Arbeiten unseres 



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LXIX 



Meistere gewesen seien, dessen Name nur bei dein vor- 
züglichsten Stücke , dem mit der „heidnischen Bluine-* 
der Chronist angeführt hat. Wie dem sei, jedenfalls 
schien dem Schreiber jener Rechnung der letztgenannte 
Umstand merkwürdig und des Hervorhebens werth. 
Betrachten wir den Ausdruck und die Zeit, in welcher 
er gebraucht wird, in welcher das humanistische Streben 
in Wien schon Eingang gefunden hatte, so bleibt wohl 
keine andere Erklärung, als das» antike Muster, Formen 
derFrtlh-KenaisBance, damit guincint sein mllssen. 148t> 
U»t ein frühes Datum für das Auftreten der Renaissance 
in Wien , wo man noch weit in's nächste Jahrhundert 
hinein in allen Künsten gothisch coniponirte. Die Bezeich- 
nung „heidnische Blumen" begegnet aber in jener Zeit 
öfter; so heisst es im Adclsspiegcl bei Schilderung des 
Beilagers Herzogs Georg von Baiern, dass das Festkleid 
Kaiser Friedrich IV. mit heidnischen Blnmen geziert 
gewesen sei. (Gräffer, Bist. Ant. p. 15.) In mittelalter- 
lichen Gedichten des XII. und XIII. Jahrhunderts be- 
zeichnet: heidenisehez Werk, wohl immer morgenlau- 
diselies, meist sarncenisches Fabricat, und an solches 
küunte hier bei dem Gewände wohl noch gedacht werden, 
doch mUssen wir im Hinblick auf die fast gleichzeitige 
Anwendung des Ausdruckes auf das Goldschmiedpro- 
duet, an welchem in jener Periode ein nmrgenländi- 
scher Einflnss absolut undenkbar ist, der Bedeutung im 
Sinne dcrKeuaissanee-Epoche den Vorzug geben. Meister 
Jordan mag wohl auf Wanderfahrten die neue, walsehe 
Weise kennen gelernt haben. 

Er war aber auch Bildhauer in Stein. Ogesser 
iBeschr. d. Mctropk. zu St. Stephan p. 77), berichtet, es 
befinde sich rechts an dem unvollendeten Thurine des 
Wiener Domes eine Erlöserstntue mit dem Datum 1 K ( M 
und dem Namen Jörg Jordan, wahrscheinlich an der 
Stelle eines altern, seit 1 343 errichteten Salvatorbilde» 
angebracht. Ob die Statue noch vorhanden ist, kann ich 
nicht angeben und somit leider auch Uber die Kunst des 
Meisters nach diesem Werke nichts mittheilen. 

Vom Jahre 145H» au war ein Jörg Jordan, in 
dum ich nur unseren Goldschmied erblicken kann, auch 
Besitzer des Hauses Nr. 2, ehemals 437, am Judenplatz, 
genannt zum grossen Jordan. Schimmer (Ausführl. 
Häuser-Chronik etc. p. 70) nennt ihn „um 14JK>" Eigen- 
tümer des Hauses; in dem Werke Alt-Wien (Heft XI, 
p. 10 f.) fügt er hinzu, es sei von diesem Jahr bis 1500 
in Jörg Jordan'» Besitz gestanden. Au» beiden Berichten 
geht ferner noch hervor, das» ehemals ein Stein in dem 
Gebäude den Namen Jörg Jordan und die Zahl 1497 cin- 
gehauen gezeigt habe. An der Facade befindet »ich in 
der Höhe des zweiten Stockwerkes zwischen den Fen- 
stern ein Relief, von dem in der Folge die Rede sein soll ; 
Schimmer meint nun, mau habe in späterer Zeit, nach 
Jörg Jordan'» Tode, den Namen des Hauses vom Flusse 
Jordan abgeleitet, und das Bildwerk, welches die Taufe 
Christi vorstellt, angebracht. Dazu ist zu bemerken, das» 
das Relief gothisehe Umrahmung und Körperformen 
zeigt, die Inschrift in gothischen Minuskeln geschrieben 
ist, da«s man sie also nicht spül im XVI. Jahrhundert, 
wird angebracht haben, dass auch nicht der Name des 
Geschlechtes vergessen, und blos an den Flu»* gleichen 
Namens gedacht worden sein wird , weil ja eben erst 
im XVI. Jahrhundert ein Nachkomme unseres Meister 
lntiodas Haus den Jesuiten verkaufte, noch später aber 
kann diese» Bildwerk eo ipso nicht entStauden sein. Die 



Inschrift (abg. a. a. 0.) bezieht sich auf die am 12. Marz 
1421 stattgehabte Judenverfolgung unter Albrecht V., 
die Thoma» Ebeudorfer v. Haselbach erzahlt. (Kurz, 
Osterreich unter Kaiser Albrecht IL, 2. Band, p. ,'tl ft) 
Nach ihrem Geiste, dem Vergleiche der Deucalionischen 
Fluth etc., verläugnet sie sich nicht als Product de» XVI. 
Jahrhunderts, und auch die spiitgothisehen Formen des 
Relief» stimmen damit Uberein. Man wird also vom 
Namen der Besitzer Anlas* zur Benennung de» Hauses 
genommen haben und die zulitllige l'ebereinstimmung 
mit dem Namen eine» Gegenstandes der heiligen Schrift 
zur Anbringung einer frommen Bildnerei benutzt haben, 
gerade so wie »onst der Vorname die künstlerische 
Verherrlichung eines Heiligen veranlasste. Dass hier 
einmal der Beiname das gleiche thut, mus» dem naiven 
Sinne der VortUtem ganz plausibel erschienen sein. 

Die Arbeit an dem Relief ist recht sorgfaltig. Oben 
sehwebt, ziemlich klein, Gott Vater und heil. Geist. 
Christus wird von einem Engel im Flusse bedient. Die 
Umrahmung gipfelt in drei Figuren, einem Gewappneten 
und zwei Engeln an den Seiten «. Albert Hg. 

Zwei gothisehe Kirchthünne in Pressourg. 

[Mit i IlfliMbnlittn.j 

Überblicken wir die ans dem Mittelalter uns erhal- 
tenen kirchlichen Banten im österreichischen Staate, so 
ergibt »ich bedauerlicherweise, dass, ungeachtet der 
nicht geringen Anzahl von nus der Zeit de» romanischen 
und gothischen Style» stammenden Kirchen, nur wenige 
derselben im Besitze jenes für den Abschlus» de» kirch- 
lichen Gebäudes so hochwichtigen Schmuckes, nämlich 
eines oder mehrerer Thürnie sind, und zwar solcher 
ThUnue, welche eben derselben Bauzeit wie die bezüg- 
liche Kirche oder doch nahezu derselben angehören. 
Wir wollen hier freilieh wohl jene Fälle unbeachtet 
lassen, wo man sieh schon ursprünglich auf einen ein- 
fachen anspruchslosen Bau beschrankte, und nur die- 
jenigen Bauten in den Kreis unserer Betrachtung ziehen, 
die mit einer gewissen Zierlichkeit und in Styl-Einhcit 
mit dem Kirchengebäude selbst geschaffen wurden, 
wovon uns in Deutschland, ungeachtet manch widriger 
Ereignisse, nicht wenige Heispiele erhalten blieben. 

Es ist anzunehmen, das» bei fast allen kirchlichen 
Bauten des Mittelalter» der Thurm in das Bau-Programm 
aufgenommen war und auch beinahe immer an dessen 
Aufbau Hand angelegt wurde. Doch ereignete es sich 
nicht selten, dass der Bau nicht bis zu diesem organischen 
Abschlüsse gebracht wurde, oft umsste er eingestellt 
und ein uothdUrftiger Abschlus» geschaffen werden. Oft 
musste nach Rrandzcrstörungcn die Wiederherstellung 
des Kirchengebäudes möglichst schnell geschehen, doch 
gestatteten dabei leider nur zu häutig die beschränkten 
Mittel der Kirche oder Gemeinde nur einen schlichten 
Nothbau oder wogst? der schlechte Geschmack des 
Baumeisters eben nichts Gutes, Gediegenes zu leisten. 
Endlich ist zu erwähnen, dass der anfänglich projectirte 
oder auch nicht projectirte Thurm erst in viel neuerer 
Zeit gebaut, ja selbst der ursprüngliche Thurm ohne 
zwingende Ursache entfernt und entweder gar nicht oder 
durch eine geschmacklose Schöpfung ersetzt wurde, wie 
dies I. B. bei der Cnpuciner-Kirche in Wiener-Neustadt 
oder bei der Stiftskirche in Heiligenkreuz der Fall ist. 

' S. hl«rll.<r Slllthrll. t Alt. Vir. VIII. 



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LXX 



Wenn wir vom welt- 
berühmten Thnrme des 
Wiener Domes und den 
beiden dem Übcrgangs- 
Styl angehorigeii und 
spater durch Galeric 
und Knorrcnschmuck 
gothisirti-n Heiden- 
tliünnen daselbst, so 
wie dem unvollendeten 
Thurme des Prager 
Munster» absehen, so 
werden wir nur auf 
wenige Beispiele von, 
in ihrer l'rsprflnglich- 
keit erhaltenen kunst- 
vollen Kirchthürmen 
hinweisen können , 
welche geringe Anzahl 
das von uns Gesagte 
erhttrten durfte. 

.Sehen wir_uns z. B. 
in Nieder - Österreich 
um, so finden wir die 
mächtigen , ins XIII. 
Jahrhundert fallenden 
Thllrme • und den 
Dachreiter (XV. Jahr- 
hundert) der Frauen- 
kirche in Wiener-Ncu- 
stadt , den schönen 
Thurm der Maria-Stie- 
genkirche in Wien 
(Anfang den XV. Jahr- 
hunderts), den herrli- 
chen Dachreiter der 
dem Verfalle in un- 
verantwortlicher 
Weise preisgegebenen 
Carthüuser-Kircbe zn- 
Gaming (Mitte desXIV. 
Jahrhunderts) , den 
derben achteckigen 
Thurm an der Kirche 
zu Deutsch -Altenburg 
(Anfang des XV. Jahr- 
hunderts), den massi- 
gen und trotzig darein- 
scliauenden Thurm bei 
der Kirche in Perch- 
toldsdorf (1581), den 
geschmacklos abge- 
schlossenen Thurm 
der Piaristen-Kirche in 
Krems ; — in der Stei- 
ermark : den kunstvol- 
len Thurm zu Strass- 
engel (Mitte des XIV. 
Jahrhunderts) , den 
Dachreiter auf der 
Kirche zu Gairaeh (An- 
fang des XV. Jahrhun- 

■ Ott Abuhiu» der TliSrmt 



derts) , den arg ver- 
unstalteten Mittelthurm 
der Kirche zu Mariazell 
(e. zweite Hillfte des 
XFV. Jahrhunderts i ; 
—in Ober-Oesterreich : 
das zierliche Thttrm- 
clien auf der Margare- 
then-Capelle in Sleier 
(Mitte des XV. Jahr- 
hunderts) ; in Rühmen : 
die eigenthttmlich ab- 
geschlossenen Thürme 
der Teinkirche ; oder 
endlich die viclspitzi- 
genThflnnc des Domes 
uml der Marienkirche 
zu Krakau; damit ist 
so ziemlich alles, was 
in dieser Richtung neu- 
nenswerth erscheinen 
dürfte, erschöpft. 

Blicken wir nach den 
Landern jenseits der 
Lcitha, so treffen wir 
wie hervorhebenswerth 
noch weniger Beispiele 
als die Thttrme zu St. 
Jak, der Kirchenruine 
zu Zambeg, des Do- 
mes zu Agram, zweier 
Kirchen zu (Idenburg 
und zu Pressburg etc. 
Diese beiden letzteren 
sollen uns etwas mehr 
beschäftigen. Der eine 
befindet sich im Fran- 
cis c an er-Kloster zu- 
nächst der Kirche. 

Diese Kirche gehört 
mit ihrem Presbyterium 
dem letzten Deccnnium 
des XIII. Jahrhunderts 
an, ist somit ein Werk 
der beginnenden Go- 
thik. Das Langhaus ist 
bedeutend jünger. Mit 
diesem Gotteshausc 
steht eine, mit einer 
Gruft versehene und 
dem beil. Johannes 
geweihte Capelle in 
Verbindung, ein Bau- 
werk im edelsten go- 
thischen Style. Der 
Thurm gebort unstrei- 
tig zu den zierlichsten 
Bauwerken dieser Art, 
die sich in Ungarn 
vorfinden. Leider ist 
er jetzt ziemlich hoch 
hinauf durch das Klo- 
stergebUndc verdeckt ; 
einstens stand er frei, 



LXXI 



unter «lein neueren Dache sich riiiidhcrumzichcnd noch 
/.ii sehen sind. In «einen unteren Stockwerken ist der 
Thurm (Fig. 1) viereckig, die heiden nheren und der 
Helm sind sechseckig, eine sehr schwierige t'onstntc- 
lion, die durch Vorkragungen nach zwei correspondiren- 
den Seiten in höchst zierlicher Weise erreicht wurde. 

Als Ahschlnss des unteren viereckigen Stockwerkes 
erscheint ein spitzbogiger Fries, als jener des unteren 
sechseckigen ein Ähnlicher Fries, ebenfalls mit einge- 
fügtem Masswerk , aber mit bedeutend verlängerten 
Sehenkeln. Auf den durch den Übergang ins Sechseck 
hervortretenden vier Ecken des l'nterlmucs wurden 
Fialen aufgesetzt. Die Fenster dieges unteren Stock- 
werkes im Sechseck sind schmal, nicht sehr hoch und 
im Schlüsse mit Masswerk geziert. Das obere Stockwerk 
ist bedeutend hoher . die grossen Fenster daselbst 
sind einmal untcrtheilt und in ihrem Abschlüsse mit 
schönen M;isswerke geschmückt. 

Jede der sechs Seiten sehlicsst mit zwei niedrigen, 
neben einander gestellten Giebeln, und einem rückwärts 
gestellten bedeutend höheren Giebel ab. Zwischen den 
(üebeln sind Wasserspeier in höchst phantastischen 
Darstellungen angebracht, darunter auch ein sogenann- 
ter .ludenspott. Den eigentlichen Abschluss des ganzen 
Gebäudes bildet der sechseckige schlanke Helm, der an 
seiner Spitze eine krilftige Kreuzblume trügt. Die Hippen 
des Helmes und das wenige dazwischen angebrachte Mass- 
werk sind aus Stein, die Felder inzwischen mit Ziegeln 
ausgefüllt, was wahrscheinlich schon ursprünglich beab- 
sichtigt gewesen sein durfte. Der Thurm, der im XIV. Jahr- 
hundert entstanden sein mag, soll schon einmal abgetra- 
gen gewesen und dessen Wiederaufbau in höchst eilfer- 
tiger Weise ausgeführt worden sein, was sein heutiger 
Zustand beweist, denn im Innern besteht noch das ganze 
Gerüste, au dem das Steinwerk aufgelUhrt wurde J . das 
man aber, vielleicht im Bewusstsein dieses so liederlich 
ausgeführten Haucs zu entfernen, sich nicht getraute. 
Allein nicht blos an dieser höchst nachlässigen Ball- 
führung krilnkelt der Thurm, es ist noch Überdies der 
jetzige Glockcnstnhl so fest an die Thiirmwiinde ange- 
stellt , dass durch die fortwährende Erschütterung beim 
Lünten das Gebäude zunehmend Schaden leidet, was 
die zollbreiten Hisse bewahrheiten, die allseitig daran 
zu sehen sind und erwarten lassen, dass, wenn nicht 
bald Abhilfe geschaffen wird, dieses zierliche Bauwerk 
nicht mehr allzulange erhalten bleiben wird. 

Der zweite sehr interessante Kirchthurm. der sich 
innerhalb der Mauern von Pressburg befindet, istjenerder 
ehemaligen Clar i ss e r N o n n c n • K i rc hc ( Fig. 2). Die 
Kirche sammt Thurm mag gegen das Ende des XI V.Jahr- 
hunderts entstanden sein. Sein, gleich jenem derFrancig- 
eanerkirche aus Werkstücken hergestellter Körper ist 
fünfeckig, l'm diese Figur zu erreichen, musste der 
Meister den Thurm aus der Mauer vortreten lassen und 
den daselbst hinaufgeführten Eckpfeiler auf eine kräf- 
tige Vorkragnng stützen. Der Thurm ist übrigens so eng, 
dass ein Mann sich auf senkrecht stehender Leiter nur 
mühsam emporzwingen kann. Der Thurm theilt Bich in 
zwei Stockwerke. Das untere ist niedrig und hat breite, 
niedrige, schmncklose Fenster. Ein Lilienfries schliesst 
dasselbe gegen oben ab. Das zweite Stockwerk schliesst 
sieh nicht unmittelbar an, es ist ein Zwischenbali einge- 
schoben, doeb erseheint gerade dieser Theil des Thurmes 

• 8. r. F. Ren ff. Aickfel.fi«!.« PlrtMll in. Pr»..bw«. 

XVII. 



höchst beachtenswerth , da daselbst eine Heihe ganz 
vorzüglicher Statuen angebracht ist. Sie stehen anf 
kleinen f'onsolen und unter, mit hohen Fialen gekrönten 
Baldachinen. Man erkennt noch die Darstellungen der 
heil. Maria mit dem Kinde, der drei Köuige und der 
heil. Elisabeth. Das obere Stockwerk ist bedeutend hoch 
und mit grossen Fenstern verschen, unter denen ein 
breites Blendmasswerk bandartig sich um das Mauer- 
werk schlingt. Ein Lilienfries mit verlängerten Schenkeln 
schliesst dieses Stockwerk ab. Die Eckstreben erreichen 
den Fries nicht, sondern endigen mit Fialen, die mit 
kleinen Wasserspeiern versehen sind. Der Tlntrmhclm, 
gegenwärtig ein ungestalteter Zwiebelhelm ans dem 
Jahre 1703, soll ehedem durchbrochen gewesen sein *. 

* * ■ in ■ « . 

Die Kunst des Mittelalters in Böhmen. 
IL Thea 
Einleitung. 

Wenn ein Reisender nach sorgfältiger Betrachtung 
der Basiliken zu Itoiu und Havenna sich rasch den Por- 
tal-Bauten des Strassburger Münsters oder Kölner Domes 
gegenüberstellte, würde er schwerlich begreifen könneu, 
dass diesen himmelweit verschiedenen Gebilden ein und 
dasselbe System zu Grunde liege, dass der Übergang 
von der ersten Form in die zweite in unmerklicher 
Weise durch eine zusammenhangende Reihe von Zwi- 
schengliedern vermittelt werde. 

Inwiefern die antike Basilika dem christlichen 
Kirchenbaue zum Vorbilde diente, konnte trotz der ein- 
gehendsten l'ntersuchungen bisher nicht genau sieher- 
gestellt werden: gewiss ist nur, dass mehrschiffige, 
durch Säulen eingethciltc Anlagen, selbst solche mit 
erhöhten Mittelrüumen, schon im alten Rom üblich waren, 
abgesehen von den Hallenbanten der Egypter und 
Griechen. In allen diesen Anordnungen waltete das an- 
tik-horizontale Element vor um) selbst das Gewölbe, 
dessen sich die Römer mit entschiedenem Glück bedien- 
ten, musste sich den Vorschritten der Horizontalität 
fügen und wurde im Widerspruch mit seiner aufstre- 
benden ('onstrnetion in wagrechte Gcbälke eingespannt. 

In den ersten Jahrhunderten lies ('hristcnthums 
benutzte man die mannigfaltigsten Gebäude zu religiösen 
Versammlungen und dachte nicht im entferntesten daran, 
für den neuen Cultns eine neue künstlerische Ausdrucks- 
weisc zu schaff/en. Die Baumeister jener Zeit hielten so- 
gar au den überkommenen Hegeln mit Zähigkeit fest, 
richteten heidnische Tempel mit geringen Abänderungen 
für den christlichen Gottesdienst ein und flickten ans 
antiken Bruchstücken neue Bauwerke zusammen, indem 
sie jede auffallende Bildiiiigsweise , namentlich indivi- 
duelle Kundgebungen zu vermeiden trachteten. Nichts- 
destoweniger war ein neuer Geist eingezogen, welcher 
sich zwar langsam, aber mit desto unwiderstehlicherer 
Gewalt Bahn brach und der auch im Kunstleben den 
vollgültigsten Ausdruck linden sollte. Durch ein selt- 
sames und gewiss bedeutungsvolles Zusammenwirken 
verschiedener Umstünde geschah es, da»s gerade zur 
Zeit der grausamsten durch Kaiser Diocletian verhäng- 

• Iii dr l.p|». »fb-nit. Zrlthnnnf, fclclcli d«r rrilhi r«» mth dm PilMI«*- 

Hamm der Wlcuf BuUtM »»«»f-rtlgt, tu lUfti, . In rMit>»ci >triirr*«t«.i. 
»Kli «rueiinininm »«rd.« 

1 



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LXXII 



tcn Christcnvcrfolguiigeu die neue Richtung mit Ent- 
schiedenheit hervortrat, und zwar an dem l'alastbaii, 
welchen eben dieser Kaiser in Salona, dein heutigen 
Spalato, hatte ausfuhren lassen. Sollte auch der Versuch, 
die Säulenstellungen anstatt der horizontalen Architravc 
durch Bogen zu verbinden, schon früher gemacht wor- 
den sein, so steht doch beinahe unzweifelhaft fest, das* 
diese t onstruetionsweisc hier zum erstenmal im Grossen 
durchgeführt wurde. Hierdurch war eine dem Oiste der 
hellenisch-römischen Architektur fremde . ja diametrale 
Konncngebung eingeleitet worden: es entstand die freie 
Arcaden-Stellung, die dem Horizontal- Itaii angehörende 
Säule erhielt eine veränderte Bestimmung, indem sie 
sieh oberhalb de* Capitlll in aufstrebender Richtung 
fortsetzte. 

Dieses aufstrebende . dem Yerticalisnuis sich nä- 
hernde Element wurde bei Errichtung der alt-christlichen 
Kirehengchände immer mehr ausgebildet ; au ilie Stelle 
der antiken Säule trat alliuählig der dem Gcwölb-System 
sich leichter anschmiegende Pfeiler, oder es wurden, wie 
in der Kirche S. Prusscdc zu Rom. in der Längenrich- 
tung zwischen dieSiiule verstärkte Pfeiler eingeschaltet. 
Nachdem das Kirchenhaus oder Schiff (der für die Gläu- 
bigen bestimmte Raum ) durch Aufstellung von zwei oder 
mehreren Säulenreihen und Anlage eines überhöhten 
Mittelrautues eine bestimmte Form gewonnen hatte, 
wurden an die entgegengesetzten Sehmalseiten hier die 
Vorhalle, dort die halbrunde Excdra (Tribüne, Altar- 
hans), beide dem antiken Bau entnommen, angefugt. 
Zwischen dem Schiffe und dem Altarhanse wurde olt, 
aber nicht immer, ein Querschiff angebracht, wie u. a. 
in der Rasilika St. Raul von Rom; wo dieses fehlte, 
Wirde ein Theil des au die Tribüne nngräiizenden Lang- 
hauses durch Seitenwände abgesondert und unter dem 
Namen Chor, Prcsbyterium, für die Geistlichkeit einge- 
richtet. 

Es waren begreiflicherweise mehrere Jahrhunderte 
nothwendig, bis die neuen Ideen in der Körperwelt den 
richtigen Ausdruck fanden, bis die oft unklaren Bestre- 
bungen, welche an den ineisten Basiliken hervortreten, 
sich zu einem consei|iienten System abrundet hallen. An 
der dreisehiffigen Kirche S. Apollinure in ( lasse zu IIa- 
venna. erbaut zu Anfang des sechsten Jahrhunderts, 
ist die Durchbildung der Formen bereits so weit gedie- 
hen , dass das Ausere mit dem Innern in Einklang 
gebracht erscheint und die inneru Säulen-Areuden an 
den Anssensciten durch Lisonen und Blendbogen ange- 
deutet sind. Auch ist hier schon ein Thurm, jedoch ohne 
alle organische Verbindung mit dem Ganzen, an das 
Kirchenhans hingelehnt. 

Die fernere Ausbildung jedoch erfuhr diese Bau- 
weise nicht in Italien oder Byzanz. Deutschland, Frank- 
reich und England betheiligteu sieh vom achten Jahr- 
hundert an im regen Wetteifer an der Kunstübung, und 
das basiliknle System erreichte in diesen Landen ein 
so vollendetes Gepräge , w ie es die hellenische Archi- 
tektur im säulen-lltuzogenen Tempel . dem l'eripterion, 
gewonnen hatte. Der Bau-Styl, welchen wir heute den 
romanischen nennen, ist nichts anderes, als eine con- 
sequente Durchführung derjenigen Rrineipicn, die in 
den alt-christlichen Basilika-Bauten niedergelegt sind. 
Nachdem der kreuzförmige Gmndriss schon im lünften 
Jahrhundert versucht worden war und Anklang gefun- 
den hatte, gelang auch die einheitliche Verbindung des 



Thurmhnucs mit dem Kirehenhause, wobei man sieh 
mehr an die l'hcrlieferungen vom salomonischen Toni- 
pclbau gehalten zu haben scheint, als an dns durch die 
egyptisehen Pylonen gegebene Vorbild. 

Während in Frankreich und England eine zwar 
frühzeitige Blüthe der Architektur eintrat, w obei jedoch 
das deeorative Element verhältnissmässig mehr als die 
Gesammt-Anlageeiillivirt wurde, w idmeten die deutschen 
Baumeister ihre Aufmerksamkeit zunächst der Vervoll- 
koinmuiig des Gewölbe Baues. Schon im letzten Viertel 
des eilften Jahrhunderts erreichte der Kirrhenbau in 
den Rheinlanden eine solche künstlerische Durchbildung, 
dass man glauben möchte , der damals gewonnene 
llöhcnpuukt hätte nicht mehr sollen überschritten 
werden. Die frühere, uns nur durch Beschreibungen 
bekannte Kathedrale von Köln , die Dome zu Speier, 
Worms, Mainz. Bamberg, und noch zahlreiche in jenen 
Gegenden befindliche Denkmale des romanischen Styles 
tragen den Stempel echt kirchlicher Weihe, sind Werke 
von nnttbertreltlicher Harmonie. 

Dem frommen Sinne unserer Voreltern genügte 
jedoch weder ilie schlichte Gestallung der Anssensciten, 
noch die etwas gleichförmige innere Räumlichkeit; 
bis in die Wolken sollte das Gotteshaus ragen , mit 
kühnen Thürmen und Tausenden von Pyramiden und 
Zinken! Nach den Gesetzen der Kunst mtissten alle 
diese Linien im Grunde angedeutet sein, sieh aufwärts 
fortspiiiiicn um! in den Spitzen wie zur Krönung ver- 
einigt werden. 

Es ist ganz gleichgültig, ob der gothische Styl 
in Frankreich, England oder Deutschland zuerst Anwen- 
dung gefunden habe: er gehört der gesummten Christen- 
heit au. In der französischen Architektur indess wurde 
wie in der etwas jüngeru englischen die Horizontale 
jederzeit stark betont, während sie in den bedeutungs- 
vollsten deutschen Bauten nur leise angedeutet ist. Die 
vollständige und in allen Theilen harnionireiide Durch- 
bildung des Pcrpendicular-Systems gehört den dentschen 
Landen an. 

Zwischen dem romanischen Styl alter und dem gothi- 
sebeii liegt eine weite Klult, welche überbrückt werdet! 
inusste. Der erstere, auch Rundbogen - Styl genannt, 
weil der halbkreisförmige Bogen als dessen besonderes 
Kennzeichen gilt , hält im ganzen katholischen Abend- 
lande ein ziemlich gleichmässiges Gepräge ein; die in 
diesem Style angeführten Bauwerke unterscheiden sich 
mehr durch materielle Grösse und Disposition als 
Formengebung von einander. Als bedeutungsvollste 
Neuerung, welche im Verlaufe der romanischen Periode 
hervortritt und in welcher bereits die Entwicklung lies 
gothischen Systems angedeutet ist, mnss der allmäligc 
l ebergang von der Säule in den gegliederten Pfeiler 
anerkannt werden. Die Erfindung eines Pfeilers, dessen 
Griindgcstalt einerseits allen Anforderungen der Gcwölbe- 
Construction entsprach mal anderseits eine vollständige 
t'bereiiistiminung der verschiedenen Bautheile herbei- 
führte, liess auch den Strebepfeiler entstehen, durch 
desseu Aufstellung die bisher übermässig starken 
l'mfassungswände ihre Bedeutung verloren. 

Nicht im eigentlichen Spitzbogen, wie oft behaup- 
tet wird, liegt dns Charakteristische der gothischen 
Architektur, sondern im Zusammenwirken der Pfeiler 
und Strebepfeiler, deren Gliederungen sieh als vorste- 
hende Gurten und Grate in den Wölbungen fortsetzen 



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LXXII1 



und welche zusammen dun feste Gerippe eine» Kirchen- 
hanses bilden. In dieser Beziehung enl spricht (wie denn 
die Extreme sieh berühren) die gothischc Baukunst der 
griechischen : liier wie dort bestimmen die Träger. Pfeiler 
»der Säulen die Grundlage eines Kaliwerkes, während 
die Wände als nebensächlich tiguriren und nach Belie- 
ben fortgelassen werden können. 

Die Bezeichnung „Style ogi val - , d. i. verstärktes 
Strebebogen-System, drückt daher das Wesen der Gnthik 
am bundigsten aus, indem nicht sowohl die Bogenform, 
als vielmehr das hieinamlergreifen und Verflechten der 
Gcwölhegurten diesen Styl vom vorhergehenden roma- 
nischen unterscheidet. Auch bedient sich die gothischc 
Architektur, ohne ihren Charakter zu verändern, sowohl 
der Spitz-, Bund- und Seginent-Bogen wie des horizon- 
talen Sturzes: sie kann mithin nicht eine ausschliesslich 
spitzbogige genannt werden. 

Da der Übergang von den romanischen Formen in 
die gothischeu unter den verschiedenartigsten Bedin- 
gungen stattfand und die theils durch die Kreuzzuge, 
theils durch die Bekanntsehatt mit der muhninedaiiisehcn 
Baukunst nach Europa eingeführten neuen Kiemente auf 
das mannigfaltigste umgestaltet wurden, konnte auch ein 
so gleichiuässigcr Fortschritt, wie ihn der Verlauf des 
romanischen Styles gezeigt hat, nicht wohl eingehalten 
werden. Als nächste Folge sehen wir, dass sowohl 
nationale KigenthUmlichkeiten wie individuelle Anschau- 
ungsweisen auf dem Gebiete der Baukunst zur (ieltung 
gelangten, dass der Phantasie ein ungeheurer Spielraum 
eröffnet wurde. 

Im Süden Italiens , wo man im Ganzen an dem 
autikisirenden Basiliken-System, welches in den Domen 
von Pisa, Lucea und Siena in glänzendster Weise durch- 
gebildet worden war, lang festhielt, halten die Norman- 
nen um die Mitte des XI. Jahrhunderts ein mächtiges 
Reich gegründet und hier eine Keihe von Bauwerken 
hervorgerufen, an welchen neben vielen Abenteuerlich- 
keiten auch der Spitzbogen und andere Vertical-Glieder 
sich bemerkbar machen. Diese Bichtung wurde von den 
in Frankreich wohnenden Normannen fast in derselben 
Zeil ungleich feiner durchgebildet, und bei dieser Gele- 
genheit wurde aller Wahrscheinlichkeit nach zuerst 
versucht, den Seitenschub der Gewölbe theils Unmittel- 
bar theils durch gesprengte Bogen auf die Strebepfeiler 
zn Ubertragen. Neben diesen Versuchen ging auch die 
Anwendung des Spitzbogens in den Arcadeu- und 
Fenster-Stellungen her, wobei jedoch die Gcsammt- 
Anlage ziemlich unberührt blieb. Beispiele dieser Art 
kommen im nördlichen Frankreich nicht selten und 
schon im Anfange des XII. Jahrhunderts vor, doch hat 
man hier eine eonseqnente Durchbildung der Ober- 
gangsformen nicht versucht, sondern es wurde nach 
allerlei mehr oder minder gelungenen Vorbereitungen 
jene FrUh-Golhik entwickelt, welche au den Kathedra- 
len Notre-Dame zu Paris, Rheims, Chartres und Amiens 
bewundert wird. 

Die Engländer hingegen haben den r transition 
Style-' mit Vorliebe und Geschick behandelt, wenn auch 
die Blllthezeit (1 IH0—12. r >0) nur eine kurze war. Die 
Kathedrale von Ely, deren reicher und harnionischer 
Chor um 1250 erbaut wurde, verdient als Muster des 
Cbergangs-Styls in England hervorgehoben zu werden. 

Bis zur vollen Selbständigkeit , zum unabhängig 
künstlerischen tiepräge jedoch wurden die den romani- 



schen Styl abschliessenden und die Gothik einleitenden 
Formen nur in Deutsehland ausgebildet, weshalb auch nur 
in diesem Lande von einem eigentlichen l hergangs- 
Styl ilie Rede sein kann. Von den hicher zu rechnenden 
Bauwerken seien in erster Linie angeführt der Dom zu 
Limburg an der Lahn, die Kirchen zu Gelnhausen, das 
Kloster Helsterbach, dann St. Gereon und St. Martin in 
Köln, die sogenannte Alte Pfarre in Regensburg, das 
Schiff des Domes in Bamberg und eine grosse Anzahl 
prachtvoller Kreuzgänge. Eine verwandte Richtung 
halten auch die Chorpartie des Magdeburger Domes, der 
Dom zu Naumburg, das Schiff der St. Sebaldskirche in 
Nürnberg nud ilie Cistereicnser Stiftskirche zu Ebrach 
ein. l.'m das Wesen des dentschen rjiergangsStylcs 
mögliehst anschaulich zu machen, darf eine Beschreibung 
des Domes von Limburg nicht fehlen. 

Auf einer steilen , unmittelbar Uber der Stadt 
Limburg emporragenden Höhe, weithin die (legend 
beherrschend, liegt die dem heiligen Georg gewidmete 
zwischen 121.1 bis 12-t<> erbaute Domkirehe, deren 
mit sieben ThUrmen versehene Ausseuseiten noch den 
schlichten romanischen Styl kundgeben. Eintretend 
erblicken wir eine basilika förmige Anlage mit weit 
ausgeladenem Querschiffc und ungewöhnlich breiter, 
aus dem Halbkreise gezogener Tribüne, Diese ist mit 
einem l'iugang versehen, neben welchem zur Rechten 
und Linken kleine halbrunde Neben-Apsideii angeordnet 
sind. Fbcr der durch vier mächtige Pfeiler gebildeten 
Vierung erhebt sich ein schlanker achteckiger Kuppel- 
Thurm , ein noch stärkeres Pfeilerpaar unterstützt die 
au der Westseite stehenden beiden Hanptthttrmc. Der 
Spitzbogen ist im ganzen luuenlmu mit grüsster Consc- 
i(iienz unil feinstem LiniengefUhl festgehalten. Die Arca- 
deu werden von viereckigen Pfeilern getragen, an denen 
sich Dienste vom Boden an bis zum Gcwölb-Anfnng 
hinaufziehen , wo sie sich in reich profilirtc Hippen 
vertheilen. Schmälere Zwischenpfeiler theilen dieNehcn- 
schiffe in doppelt so viele GewUlberäume ein, als das 
Hauptschiff besitzt. Oberhalb der Seiteuschiffe befinden 
sich Emporen, welche das ganze Kirchenbann umziehen 
und mit prachtvollen, doppelt heiligen Fenstern gegen 
das Hauptschiff geöffnet sind. Kin zweiter schmaler in 
der Mauerstärke hinlaufender Areuden-Oang führt ober- 
halb der Emporen noch einmal um das Innere, welches, 
ohne im mindesten Uberladen zu sein, den Beschauer 
in eine ungeahnte Märchenwelt versetzt. Wie ilie 
Coneeption des Ganzen, ist auch die Durchbildung der 
Einzelheiten unübertrefflich ; die Zierlichkeit der kleinen * 
Areaden-Stellungen mit ihren feingezeichneten Säulen, 
die kräftige Gestaltung der Empor- Fenster und unteren 
Areaden, dann die meisterhafte Benützung aller Räume, 
verrathen einen Kunstler von ausserordentlicher Bega- 
bung und schöpferischer Kraft. 

Die Worte, welche ein rühmlichst bekannter engli- 
scher Archäolog und Knnstforscher Uber die Linibnrger 
Kirche und beziehungsweise Uber den deutsehen l'ber- 
gangs-Styl ausgesprochen hat, verdienen ihrer prägnanten 
Ktlrze wegen in weitesten Kreisen bekannt zu werden: 
„Jammerschade", sagte Edmund S harpe, als wir im 
Jahre 1*34 dieses Gebäude durchgingen, „das« man 
hierbei nicht stehen geblieben isf '. 

I I ii »11. M* kfi« Q«k«iiili. in ii«»nt>n, |H*WH innvrr» tlnen t4 
wi]lM;«ii<it'it £lt>ilfttrk lifjv'.mifi, %l» d»r l>- in In Llml -tirfr. 

I* 



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LXXIV 



Doch kehren wir wieder zur Betrachtung de* sngc- 
naunten Cbergangs-Styles zurück. Neben ilem Spitz- 
bogen, welcher bei der Arenden- Stellung regelmässig 
zur Anwendung gelangt, wird fllr die Fenstcrbedeekung 
mich der Halbkreis festgehalten, wodurch das Ganze 
oft einen unruhigen Charakter erhält, weshalb manche 
Forseher diese Hichlnng nicht nach Verdienst würdi- 
gen. Ku frier anerkennt die stylistische Berechtigung 
gar nicht und fuhrt die hichcr zu zählenden Werke 
als zur vierten romanischen Periode gehörig auf. Dans 
diese Art von Classiticimng zu unendlichen Irithümern 
Anlass gegeben hat. ist bekannt ; sie soll um so mehr 
beseitigt Werden, als der Übergnngs-Styl ein ganz be- 
stimmtes Gepräge hat, durch welches 'er sich sowohl 
vom Komanismus wie von der Gothik unterscheidet. 
Der Strebepfeiler am Vussem, statt der altem Lisenen. 
der polygonale Chorschluss, der Bündelpfeiler und das 
kclcbförinige Capitäl . die kräftig protilirtcn Gewöl- 
berippen mit weitvortretenden Schluss-Steinen , sind 
neue, dem romanischen Style fremde Erscheinungen. 
Hiezu kommen noch Kleeblatt Bogen und eine ganz 
veränderte, unmittelbar der Pflanzenwelt entnommene 
Ornamentik. 

Aufgegeben wurden diesen Neuerungen gegenüber 
die runde Säule, das Würfel-Capitäl, das einfache Grat- 
gewölbe. die flache Holzdecke, und im weitem Verlaufe 
die halbrunde Apside oder Tribüne. Auch der Ausscnbau 
welcher sich in Limburg noch innerhalb der allen 
Können bewegt, gewinnt bald volle Selbständigkeit, wie 
auch die geschmackvolle Chor-Seite der Kirche zu Geln- 
hausen und die Ost-Seite des Magdeburger Domes erken- 
nen lassen. 

In Böhmen und Mähren, welche beiden Länder 
während des XIII. Jahrhunderts sowohl in politischer 
und socialer wie cultur-geschiehtlicher Hinsieht eng ver- 
bunden waren, konnte ans verschiedenen, späterhin zu 
erörternden Gründen ein eigentlicher l'hcrgangs -Styl 
nicht Platz greifen. Während im nordöstlichen Frankreich 
die Entwicklungsstufen des gotliisehen Slyls sieh bereits 
im beginnenden XII. Jahrhundert bemerkbar machen und 
in eonsequenter Weise fortgebildet werden, während in 
Deutsehland und England um den Schluss desselben 
Jahrhunderts der geschilderte f bergangs-Styl aufblühte, 
hielt man in Böhmen noch bis gegen V2.W am ziemlich 
ungegliederten romanischen Bau fest. 

Seit der kunstlichcndc König Yladislav im Jahre 
11?.'! die liegiernng zu Gunsten seiues Sohne* Friedrieh 
niedergelegt hatte, war Böhmen der Schauplatz ununter- 
brochener Thronstreitigkeilcn und Bürgerkriege gewor- 
den ( welche bis zum Regierungsantritte Otakar I. 
fortdauerten. Der Umstand , das« zwischen 1173 bis 
1197 ein achtmaliger Thronwechsel stattfand, bezeich- 
net die Sachlage zur Genüge. Wenn auch im Laufe 
dieser :.'4 Jahre einige bedeutende Klöster (Mühlhansen, 
Osseg. Tepl und Zileras bei Prag) gegründet wurden, 
machte doch die Technik geringe Fortsehritte, und nn 
den damaligen künstlerischen Bestrebungen, welche die 
Entwicklung des gothischen BauSfyls förderten, betbei- 
ligte sich Böhmen gar nicht. Man war allerdings nicht 
unbekannt mit den Umwandlungen, welche in Deutsch- 
land, nnd besonders im nahen Franken stattfanden, 
versuchte auch sieh einige* anzueignen; jedoch waren 
es nur gothische Detaillinmgen , z. B. Masswerke, 



Pilaster, welche ohne allen Zusammenhang mit dem 
übrigen in romanische Bauten hineingeschoben wurden. 
Dergleichen rohe Einschaltungen sind bei Besprechung 
der Kirchen Holubic. Podvinec u. a. wiederholt gezeigt 
worden. 

Es lag daher in den gegebenen Verhältnissen, dass, 
nachdem die Unruhen beigelegt waren und wieder eine 
grössere Bauthätigkeit eintraf , plötzlich und wie mit 
einem Schlage eine ganz veränderte Bauweise ange- 
nommen wurde, welche nicht sowohl Übergnngs-Styl als 
Früh- Gothik genannt zu werden verdient. 

Geschichtliche Übersicht. 

Das XIII. Jahrhundert bildet für die Geschichte 
Böhmen* einen so eigenlhtlndichen und scharf begränz 
teil Abschnitt . dass mau glauben möchte , die Jahre 
lit'N» nnd l.'MKi seien vom beschicke mit Vorbedacht als 
Markzeiehen aufgestellt und nur zufällig um einige 
Spannen von den ursprünglichen Stellen gerückt worden. 

Nachdem Prctnysl Otakar, der Sohn Vladi- 
slav's II. und dessen zweiter Gemahlin Judith von Thürin- 
gen, im December des Jahres I IM7 den böhmischen Thron 
errungen hatte, ging sein Streben zunächst dahin, den 
1mm jedem Regierungswechsel wiederkehrenden Wahl- 
streitigkeiteu und Kämpfen vorzubeugen. Ausgerüstet 
mit seltenem Scharfsinn und politischem Taele, hatte 
dieser Prinz bereits eine harte Schule durchgemacht und 
sogar zwischen I — 1 ü'.'l den Thron innegehabt, ehe 
er dauernd ans Ruder gelangte. Unter kluger Benützung 
de» im deutschen Reiche nach dem Tode des Kaisers 
Heinrich VI. nnsgebroeheuen Zwiespaltes gelang es 
Otakarn, die erbliche Königswllrde au sein Haus zu 
bringen und sich vom Papste in dieser Würde bestätigen 
zu lassen. Bald auf Seite der Hohenstaufen, bald im 
Bunde mit den Weifen, wusste er die Bande, welche 
Böhmen zu einem deutschen Reichslnnde machten, 
beinahe gänzlich zu lösen und seiner Regierung eine 
unabhängige, mich allen Seiten hin achtunggebietende 
Stellung zu verschaffen. 

Um nicht wie seine Vorgänger von den einzelnen 
Geldbewilligungen der Landtage abzuhängen, trachtete 
er die landesnirstlichen Einkünfte durch Einführung 
einer gleichmäßigen Besteuerung zu erhöhen . von 
welcher auch die Geistlichkeit nicht befreit sein sollte. 
Diese Massregel, welche in ihrem Prineip durchaus 
gerecht und durch die Verhältnisse geboten war, mochte 
von den königlichen Beamten nicht ganz correct durch- 
geführt worden sein und hatte einen langwierigen, 
äusserst bitteren Kirchenstreit zur Folge, der in seinem 
Verlaufe die künstlerische Entwicklung vielfach störte. 

So sehr Otakar I. bemüht war, Böhmens Unabhän- 
gigkeit von Deutschland durchzusetzen und zu siehern, 
eben so sehr förderte er im eigenen Lande das deutsche 
Element durch Anlage von Colonien und Gründung von 
Städten. Mit sfaafsiuännisehem Scharfblick« hatte er 
längst erkannt, dass den Regenten Böhmens in einem 
kräftigen und wohlhabenden Bürgerstande die zuver- 
lässigste Stütze gegen die Übergriffe des Adels und 
Clerus heranwachse, dass ein dritter, der Krone nnmit 
telbar unterstehender Stand geschaffen werden müsse. 

Dem Slaventhnm war ein geordnetes Städtewesen 
unbekannt; die alten (Vellen wohnten, wie alle Ubri 
gen Slaven , in Dörfern und offenen Flecken , den 



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LXXV 



sogenannten Burg- Vororten, deren Einwohner sich wenig 
von «1er Landbevölkerung unterschieden. Von einem 
eigentlichen Handwerkerstände konnte daher auch keine 
Hede »ein. Wie es mit den Handwerkern bestellt war, 
ersieht man am deutlichsten aus einigen Ntiftsbriefcn 
von Klöstern. Als Handwerke , welche im Anfange des 
XII. Jahrhunderts betrieben wurden, linden wir aufge- 
zahlt: ltäekerei. Mälzerei, Fischerei; dann werden in 
den Stiftungen von Bfevnov und Kladrau angeführt: 
Hirten, Stnbcnheizer, Falkoniere, Töpfer, Sehmiede, 
Halsciscumnchcr, Bnumbeselmeider , Fassbinder, Klei- 
derreiniger, Schuhmacher und Zimmcrlcutc. Alle diese 
Beschäftigungen wurden als in gleicher Linie stehend 
erachtet und von Leibeignen ausgeübt, welche nach Be- 
liehen verschenkt oder verkauft werden durften. Künst- 
liche Gewerbse ««'Ugnisse , Tücher, Gold- und Silber- 
wnaren, Waffen, gedrechselte und überhaupt feinere Hol/, 
und Metall-Arbeiten wurden auf dem llandelswege ein- 
geführt und im Kaulhofe zu Prag verkault. Müller und 
Brauer wurden nur auf herrschaftlichen Besitzungen 
gehalten : Fleischer, Ttielnnaclier. Sehneider, Ziegel- 
streicher und iihuliche Arbeiter werden vor dem XIII. 
Jahrhundert nicht genannt «. Die patriarchalischen Hin- 
richtungen, denen zufolge in jedem Hause hergestellt 
wurde wa< man eben bedurfte, waren ziemlieh unver- 
ändert bis zur Zeit Otakar I. beibehalten worden, und 
es scheint zweifelhaft, ob es vor dieser Zeit freie Hand- 
werker gegeben habe ». 

Durch Krtheilung *in unserem Hingänge erwähnten 
Vratislav'schen Privilegs, welches von Sobeslav IL 
bestätigt und erweitert worden war, hatte sich die 
im Suburbiuiii Prags seit dein XL Jahrhundert ansäs- 
sige deutsehe f'olonic zu einer Gemeinde ausgebil- 
det und war in dieser Eigenschaft von Otakar I. aner- 
kannt worden. Dieser Fürst erweiterte auch mehrere 
Städte , namentlich Kladrau und in Mähren Brünn und 
Znnim. Ks ist sehr bedauerlich, das» über die Städte- 
grUndungen, und besonders über die Rcgicrungszeit 
Otakar I. so dürftige und theilweise entstellte Nach- 
richten auf uns gekommen sind. Die Chronisten jener 
Tage, sämmtlich dem geistlichen Stande angehörend, 
beschädigen sieh beinahe ausschliesslich m'rt der iiineu 
znnäehstliegenden und auch wichtigsten Angelegen- 
heit, mit dem schon erwähnten Kireheust reite, welcher 
sogleich nach der Wahl des Bisehofs Andreas (1214) 
ausbrach und, obwohl im Jahre 1*222 beigelegt, in seinen 
Nachwirkungen noch nahezu ein Jalirzehent fühlbar blieb. 
Aus Anlass dieses vor dem päpstlichen Stuhle geführ- 
ten Streites war das luterdict über Böhmen verhängt 
worden, durch welches VerhältniRS die kirchliche Bau- 
thätigkeit wesentlich beeinträchtigt wurde. Die damals 
im Zuge befindlichen Stiflsbaulen Tcpl, Osseg, Strako- 

1 Au, drin t Bi.Uiidr, daa «IntclbC U«Vrrl>« 1» t tkua.dc-11 de» XI llfcd 

XII. Jalnt.uiidcM» nlrln »MC, fühlt weide», fulut J.do.l» iioch nicht, dwi («lehr 
Gewerbe noch nicht lorhwiidea »&t«i>. du, wie mau Lbcrfiau,.: Mi >nrr Z«ll 

• ihr wrwigr lrku.ud.-ij bcllm. Kvwtwif Qtwllkwj ■ i. Ii. Slcliimeife , Otrbrr. 
Tiltfir eicht In ict.l.m Ortr an<r«lcdc1( waren. In l rknndew dr* XI. und XII. 
Jehrfcund.nr werden folgende Gewerbe «niccführt: Schmiede IO&«, Keaiel- 
»chmlrde 10*1, G*.ld»rt.t'ltcr lauriAr'* 10M, Selilldniftrhrr Irreckaier 
JitiJ . Ilrrh.r.r III.» Binder Uli, Wlrir III .. Tönfer and Biieker lOi», 
Mut I" fr««, Kiinrli..er litt, Kork.,.. Wel.ee, Slcm luiech. r («lra»eutel, 
e.niar Zuckerbäcker , die I.eeki rM»«rn > . rkiufu n I runldiinrli . werdrn la.'ii 
aiutefulirt. 

* In Beai.lumg auf die Handwerker in friilieren Zelten itimineu »Iii» 
aJtcrcu f liertlcfcrunucu. wie aueli die Mnitutltclicll t ;e»rlilrhlaf»r*' her der 
Neuaeit . 1'* I ac k j, Ti.uick, S<M,alucrr. d itilu ül.urem. Im dl« ar Leute 
enwubl pertwUllcli wie dinulieh unfrei waren. Wenn Itlc und da, wie s. B. 
In der Vyichradrr £llfiuu;c»wrkuii**r. dU mtnnlfcT illlnralen Arbeiter, t Ii anuartl 
I WaiacrbwUrr?.), Gärtner. To|ifer, Wag-uff-, l^-licerber, Krhlldiiiu-her w. a. 

• •.(cfiihrl «erde«. Und dloc IVrtencn aUKhll«»llrh den Bein. m M 
den genannten Zweck, verwindet worden, 



nie u. a. wurden nicht allein ungewöhnlich langsam 
ausgeführt, sondern das Interdiet verursachte /.umeist, 
dass der romanische Styl in Böhmen nicht jene hohe 
Durchbildung erreichte, welche die sächsischen und frän- 
kischen Werke kennzeichnet. Rechnet mau hinzu den 
Mangel eines freien Handwerkerstandes und an Arbeits- 
kräften überhaupt, so wird begreiflich, dass die grossen 
politischen Reformen , welche Premysl Otakar durch- 
führte, erst mich seinem Tode (I2.'>t>) auf die Kunst- 
Übung einwirken konnten, dass alsdann «'ine neue Bau- 
weise ohne alle Zwisehenglietlerung stattfand. 

Wenzel L, der älteste Sohn aus Otakar's zweiter 
Ehe mit Constantia von Ungarn, war bereits li'lf, als 
Thronfolger von den Ständen anerkannt und von Kaiser 
Friedrieh IL bestätigt worden; er übernahm die Hegie- 
rung nach seiues Vaters Tode ohne irprend eine Ein- 
sprache und setzte das begonnene < 'olonisations-System 
fort. Weder die Kämpfe mit Friedrich dem Streitburen 
von Österreich, noch mehrmalige Unrulieu. welche 
Premysl, Wen/.el's Bruder, im Vereine mit mehreren 
Landherren erregten, konnten die anfhlühcndc Cultur 
zurückhalten. 

In diese Zeit, in die Hegierungs- Periode Otakar's 
und Wenzels, fallen die Anlagen der ersten deutschen 
Dörfer in Böhmen und Mähren, welche als contra et- 
liche Ansiedlungen nach einem regelmässigen Plane 
erbaut wurden. Die meisten dieser Anlagen, gingen von 
den Hegenten, Klöstern und adeligen Gutsbesitzern aus: 
in jedem Falle musste vorher die landesherrliche Geneh- 
migung eingeholt werden, ehe ein solches Dorf gegrün- 
det werden durfte. War das Privilegium erlangt, sehloss 
der Grundherr mit einem Unternehmer einen Vertrag, 
nach welchem ein bestimmtes, gewöhnlich nach Hufen 
geschätztes Stück Landes zur Gründung einer Colonie 
entweder gegen Kaufcehlcr, oder jährliche Abgabeil 
überlassen wurde. Der Unternehmer hatte dafür zu 
sorgen, dass die ihm überlassen«' Hufenzahl mit Bauern 
besetzt und die ausbedunjjcnen Zinsen und Zahlungen 
richtig geleistet w urden, wofür er in der Hegel ein freies 
und erbliches Eigeiithiim neben lindern Vergünstigungen 
erhielt. Auf solche Weise entwickelte sieh ein freier 
Bauernstand , welcher sich vom sesshaften slavischeu 
dadurch unterschied, dass er nicht hörig war, sondern 
den Uberlassenen Grund und Boden gegen bestimmte 
Abgaben bewirtschaftete. 

In culturgeschiclitlicher, wie architektonischer Hin- 
sicht verdienen diese Dorfaulagen wegen ihrer Plan- 
losigkeit hohes Interesse, welches um so mehr gestei- 
gert wird , wenn man ein alt-slnvischcs Dort damit ver- 
gleicht. Zum Glücke haben sich sowohl von diesen wie 
jenen Anlagen einige in beinahe unveränderter Weise 
erhalten, so dass wir die beiderseitigen Eintbeilnngs- 
arten, wie auch die Anordnung der Gehöfte und Häuser 
zu illnstrircu im Stande sind. 

Während der Regierung des Königs Wenzel, 
welcher als König unter dem Namen der Erste ange- 
führt wird, brach der Mongolen - Sturm über Huropa 
herein und ergoss sich über Hussland, Polen, Unjrarn und 
Mähren, wurde aber durch die Umsieht Wenzel's und die 
Tapferkeit des vereinten böhmisch - mährischen Heeres 
von weiterem Vordringen abgehalten. In der Schlacht 
bei Olm'iz, 1241, wurde der Tataren - Chan Hat u be- 
wegt und zur Umkehr gezwungen, worauf sich Böhmen 
und Mähren einer längeren Hube erfreuten. Dieser 



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LXXV1 



Einfall der Mongolen nach Europa und ihr Vordringen 
bin nach Schlesien und Miihren war hauptsächlich 
Veranlassung, das« der deutsche Btirgcnhau in Böhmen 
Eingang fand. Damals wurde es daselbst üblich, den 

Bargen denlscbe Kann n geben, die spfiterbin aueh 
auf die Besitzer Übergingen. 

Linen weitem Impuls zur Hebung der künstlerischen 
Thätigkcit und Einführung neuer Banformen gaben die 
verschiedenen neuen geistlichen Orden, welche damals 
in Höhnten eingeführt wurden und Häuser gründeten: 
so die deutschen Kitter, die Templer und Johanniter, 
denen die Kreuzherren , Dominicaner und Minoritcti 
folgten. Diese Ordcusmünner waren meist Deutsche und 
es hefanden sich in ihren Reihen jedenfalls Mehlige 
Werkführer, wie sie anch geschickte Handwerker mit 
ins Land brachten. Hierdurch erklären sich von selbst 
die ungeheuren stilistischen Versehiedeuheiteu, welche 
au gleichseitigen, in unmittelbarster Nähe ausgeführten 
Hauten getroffen werden. Auch trugen König Wenzel** 
Lebensweise, seine glänzende Hofhaltung, und noch 
mancherlei Ursachen bei, der Baukunst eine veränderte 
Kichtung zn geben. 

Im Jahre 124« brach ein Aufstand des Adels aus 
und Prinz l'feiuvsl Utakar, Wenzel s Sohn, stellte sieh 
au die Spitze. Der König musste aus dem Laude fliehen 
und Otukani die Regierung tiberlassen. Da jedoch 
weder der I'apst noch der Kaiser diese Vorgänge billig- 
ten, gelang es dem König nach einiger Zeit, die Empörer 
niederzuwerfen und seinen Sohn in Gefangenschaft zu 
setzen. Auf die klinstierischen Verhältnis«' Ilbte jedoch 
dieser Aufstand trotz seiner bedeutenden Ausdehnung 
keinen wesentlichen Einrluss, wenn nicht eine gewisse 
Geldklemme, welche die Vollendung der Klöster in 
Tisehuowitz und St. Francisen« in Prag verzögerte, 
hiedurch verursacht worden sein dürfte. Nach Beilegung 
dieser Unruhen regierte Wenzel I. ruhig bis zu seinem 
am J-J, September 1 1'"».'! erfolgten Tode, worauf der 
erwähnte Prinz l'rcmysl Diakar als Zw ei te r dieses 
Namens den Thron bestieg. 

I' Itter König Wenzel erscheinen folgende erwei- 
terte Städte : Leitnteritz , Kouuuotau , wahrscheinlich 
auch Brüx. In Mähren erblühten Olmllz und Iglau. 
Unbegreiflichcrweisc sind die Nachrichten über die 
8tidtegrllndungeii fortwährend sehr mangelhaft : in der 
Kegel erfährt man erst von dem Vorhandensein einer 
Stadt , wenn sie als vollendete Schöpfung in die Landes- 
geschichtc eingreift. Die Ursache dieser Krsehcinung ist 
in der Grüudungsart zu suchen. 

Man verfuhr nnterOtakar bei Gründung einer neuen 
Stadl ähnlich, wie bei den beschriebenen Dorfanlagen, 
oder wie man heute bei den Anlagen von Eisenbahnen 
vorzugehen pflegt. Eine lnndesfürstlichc Genehmigung 
musste vorausgehen , dann bestimmte eine vom König 
ernannte ( ommission Ort und Crosse der zu erbauen- 
den Stadt und stellte das zu diesem Zwecke notwen- 
dige Aiismass der Grundfläche fest. Hierauf erhielten 
die Unternehmer die königliche Vollmacht, Ansiedler 
aufzunehmen, die Gründe zu vertheilen und binnen einer 
genau festgestellten Zeitfrist die notwendigen Bauten 
herzustellen. Die zu entrichtenden Steuern und sonsti- 
gen Abgaben hatten die Unternehmer an die könig- 
liche Kammer abzuführen, wogegen der neuen Ansied- 
lung verschiedene Freiheiten , z. B. das Brau- und 
Mühlenreeht . das Abhalten von Jahr- und Wochen- 



märkten , ferner ein eigenes Gerichtswesen und unab- 
hängige Verwaltung des städtischen Eigenthnms zuge- 
sichert wurden. 

Die Höhe und Stärke der Stadtmauern, die Anzahl 
der Thore.'die Breite iiud Tiefe der Stadtgraben 
waren durch besondere Vorschriften festgestellt und 
es mussten .Mauern und Graben gleichzeitig mit der 
Cesammtnnlagc in Angriff genommen werden. Der 
Huuptplatz und die von den Thoren dahinfUhreuden 
Sttassenzüge, die Lage des Kathhanses und der Stadt- 
pfarrkirche wurden sogleich bei der Gründung bestimmt 
und es waren in diesen Beziehungen so feste Normen 
aufgestellt worden, dass die böhmischen Landstädte bis 
auf unsere Zeit einen gleichartigen Charakter bewahrt 
haben. 

Die Städte unterstanden nur dem Könige, der die 
Hohe der Steuern zu bestimmen und im Kricgstallc die 
besondern Leistungen zu verlangen halle. Dafür war 
auch der liegen! verpflichtet, für den Schulz der Städte 
zu sorgen, weshalb in mancher Stadt eine königliche 
Burg als Sitz des landesfUrstlichen Pflegers errichtet 
wurde. Beste solcher Pflegamts-Bnrgen haben sieh meh- 
rere, z. B. in Kolin, Jung-Bunzlau, Nimburg. Leitnteritz 
und andern Orten erhalten. 

Schliesslich haben wir noch einer eigentümlichen 
Erscheinung zu gedenken, nämlich der befestigten, mit 
Graben und Mauern umgebenen Kirchen. Der Brauch, 
dt« Kirchen zu befestigen, scheint uralt, und dürfte zur 
Zeit der Hnunenzüge aufgekommen sein. Im südlichen 
Frankreich, insbesonders au den Meeresküsten wurden 
alle Kirchen befestigt, um sie gegen die plötzlichen Ein- 
fülle der Mauren zusichern. Ähnliches fand in Sieben- 
bürgen, dem vielfach bedrohten Gränzlnndc statt. In 
Böhmen nnd Mähren sind ohne Zweitel auch schon in 
frühester Zeit die kirchliehen Burgen entstanden. Neben 
der Kirchenfeste in Potvorov » war urkundlich aueh 
die si. Mathias- Kirche iuHcchin befestigt: deutlich nach- 
weisbare Spuren von Festungsanlagen waren noch vor 
kurzer Zeit rings um die alte Pfarrkirche St. Bartho- 
lomäus zu Mühlhauseu und neben der Kirche St. Jakob 
in lindig vorhanden. Die sHmmtliehen im flachen Laude 
liegenden Klöster waren mit Ringmauern , Thünneu 
und befestigten Thoren versehen; das Cistercicnscr- 
Kloster Hohenfurt besitzt heute noch seine wohlerhal- 
tenen Befestigungen. Die beiden Hauptkirchen des 
Landes, der Dom zu Prag und die Collegiat Kirche St. 
Peter und Paul, wurden innerhalb der festen Burgen 
Hradschin nnd VySehrad erbaut. Diese Beispiele 
dürften zur genüge erkennen lassen, dass man hier wie 
anderwärts grosse Sorge trug, die Kirche vor plötzlichen 
Überfällen zu sichern, und dass man sie zugleich als 
letzte Zufluchtsorte ansah. Der Kirche eine hohe nnd 
freie Lage zu geben, galt schon als kirchliche Vor- 
schrift und Schönheitsgebot bei dein altehrisiliehen Bft- 
silikenbau. 

König Otakar IL. von den Zeitgenossen der gol- 
dene König genannt, blieb der von seinem Vater und 
Grossvater befolgten Politik nicht allein tren, sondern 
förderte das Colonisirungswerk in noch viel höherem 

• t»r. B. Inidi», Mii.rrn» •llirrni.l» Oii«fcl»fcli- , IV. H....I , S. »1. 
Cbrkn» In ••• 10a dnr V*f~nft Klrrk« ••kr ««»lf.ll.»«, ol. .1. «l>»i. Milch 

t><lr»tl«t Krim Ml. M*M Klrrk» w.irdi t»n Ajnu , irr W.l'w. d. . Hlllrri 
Kouo »••» Poi««t»t ln«i.rh«lr. drr ki». I.r»uhru«r» nun Pmtoror KDclirn 
li*>-lj|\ .rl.»ul nr.il rl«n, C UHrU l H i » 1» IL», .».ml »Irl»«. drill £»»5. 
rmd.ii (löi.rn III..«»».»». S|.»r»u der Ml.c, Umi aud de» Zu»t»n»i<riw 
■J.r»-lt-r-ti n.li dri KireM- »l»d c»<»u»»rtlil uorb. «»Jir»»M»hnwi.. 



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LXXV1I 



Grade Hochstrebeud und thatendurstig hatte er sieh als 
2:tjähriger Prinz mit der doppelt so alten Rabenbergerin 
Margaretha, der Witwe des römischen König» Heinrich 
VII. und Schwester des Herzogs Friedrich des Streit- 
baren vermählt und sieh durch diese Khe sowohl wie 
durch sein Waffenglttek die Herrschaft in Ober- und 
Nieder-Üsterreich erworben. Im Verlaufe seiner Regie- 
rung gewnnn er noch die Steiermark , Kärnten und 
Pordenftnc, überragte demnach mit Zurechnung seines 
väterlichen Erbes. Rohmen, Mähren, eines Theiles von 
Schlesien und der Obcrlausitz, au Macht unil Lünder- 
besitz die säinmtlichen Fürsten Europas. Das deutsche 
Interregnum und die Schwäche des zum deutschen 
Konig erwählten Richard von C'orownllis geschickt 
benützend, liess sich Ütakar von diesem die Herzog- 
tümer Österreich und Steiermark fönulich verleihen, 
naehdeni die beiderseitigen Stände ihm bereits gehuldigt 
hatten. 

Auf dem Gipfel seiner Macht stehend, trennte sich 
ütakar von seiner Gemahlin Margareth und vermählte 
sieh mit päpstlicher (ienehmiguiig mit Kunigunde, einer 
Tochter des russischen Fürsten Hastislav und Enkelin 
des König* Heia von Ungarn. Durch seine Krwcrbungcn 
und die rasche Ausdehnung seiner Macht wurde (»lakar 
in viele Kriege verwickelt, zuerst mit König Heia, 
welcher in der entscheidenden Schlacht bei Kressen- 
brunn (12. Jnli 12Ü0) eine so furchtbare Niederlage 
erlitt, dnss sein Heer Uber 4<>.0<Xt Mann verloren haben 
soll nnd er um Frieden bitten musste. Während dieser 
grossen Schlacht, an welcher gegen 2;"><Mi<iO Streiter 
theilgenommeii haben mögen, machte Olakar das Ge- 
lübde, ein Cistcrcienscr-Klostcr zu gründen, worauf er 
sogleich nach geschlossenem Frieden das Kloster Gol- 
denkron unweit Hudweis errichtete. Wegen der He- 
setznng des erzbisehöflichen Stuhles von Salzburg hatte 
sich zwischen Höhnten und Hävern ein Zwist entspon- 
nen , der endlich zum Waffcngunge führen musste. 
Obwohl Otakar anfänglich mehrere Vortheile erfocht, 
gestaltete sieh doch im Ganzen der Feldztig nicht glück 
lieh; es wurden die Gränzländer verwüstet, ohne das» 
ein Resultat erzielt worden wäre. Das bedeutendste 
Ereigniss dieses Feldzuges war, dass Kger für einige 
Zeit mit Rohmen verbunden wurde. 

Schon im zweiten Jahre seiner Regierung (12j>4) 
hatte Otakar auf den Wunsch des Papstes einen Kreuz- 
zug nach dem heidnischen Homssenlande unternommen, 
um dem deutschen Ritterorden bei der Christianisimng 
dieses Landes beizustehen. Die Erfolge scheinen nicht 
bedeutend gewesen zu sein, denn der König fand sieh 
schon nach drei Monaten bewogen , deu Rückzug anzu- 
treten. Nicht besser ging es bei einem zweiten, eben- 
falls durch den Papst veranlassten Heereszuge gegen 
die heidnischen Lithauer; nachdem das böhmische Heer 
die Weichsel Uberschritten und Otakar eine Fehde 
zwischen dem deutschen Orden und dem Herzog von 
Pommern beigelegt hatte, musste er wegen eingetretener 
regnerischer Witterung schleunig nach Rohmen zurück. 
Aller Wahrscheinlichkeit nach wollte der Röhnienkönig 
durch diese Kreuzztlge die Aufmerksamkeit der eifer- 
süchtigen Fürsten nur von seinen eigentlichen Plänen 
ablenken und zugleich dem Willen des Papstes nachkom- 
men; ein wirklicher Ernst, das f'hristeiithum im Sam- 
lande zu verbreiten , dürfte dem Premysliden nicht 
innegewohnt haben. Indes» vcrmehHen diese, stets an 



der Spitze von öO.HOO bis i^t.fKHt Mann unternommenen 
Züge den Kriegsruhm des Königs ausserordentlich ; es 
verbreitete sich der Glaube au seine unwiderstehliche 
Macht bis in den Orient, so dass der Tataren-Chan eine 
besondere Gesandtschaft nach Prag schickte und um die 
Freundschaft Olakar's bitten liess. 

In den Jahren 1271 und 127.! kam es zu aber- 
maligen Kriegen zwischen Rohmen und Ungarn , in 
welchen sieh zwar der Sieg nicht auf die Seite des gol- 
denen Königs neigte, die aber doch das Resultat herbei- 
führten, dass Otakar von König Stefan V. urkundlich 
als Herr von Steiermark , Kärnten und Kraiu , auf 
welche Ränder l'ngarn Ansprüche machte , anerkannt 
wurde. 

Olakar's kühner Plan, einen ost europäischen Gioss- 
staal aufzubauen, war durch Kriege. Erbschaften, Ver- 
handlungen und Heiraten der Verwirklichung sehr nahe 
gerückt, als Richard Gornwallis 1272 starb und eine 
neue Kaiserwahl in Aussieht stand. Ob damals die 
deutsche Kaiserkrone Otukarn durch den Erzbischof 
Engelbert von Cöln angetragen worden sei . seheint 
/.weifelhalt; die Reise des Erzbisehofs nach Prag soll 
keinen andern Zweck gehabt haben, als sich der Mit- 
wirkung des Königs von Rohmen bei dem Wahlacte zu 
versichern und dessen Ansichten einzuholen. Dass Ota- 
kar sich mit Hoffnungen getragen, den Kaiserthron zu 
gewinnen , ist wahrscheinlich , doch liegen in seiner 
damaligen Handlungsweise unerklärbare Widersprüche. 

Am ::!>. September 127:$ wurde Graf Rudolf von 
Habsburg, der sich durch Tapferkeit, Gerechtigkeit 
und staalsmännische Einsicht einen geachteten Namen 
erworben hatte, mit Einhelligkeit zum deutschen König 
erwählt und am 2*. October in Aachen gekrönt. Gegen 
diese Wahl hatte Otakar sogleich protestirt, wie er es 
verschmähte, auf den angesetzten Reichstagen zu 
erscheinen und seine Rehen vom deutschen Könige 
bestätigen zu lassen. Nach mehreren vergebliehen Vor- 
ladungen und Verhandlungen musste das Schwert ent- 
scheiden. Durch schnelle Märsche und glückliche Ope- 
rationen hatte Rudolf in kurzer Zeit die österreichischen 
Laude besetzt und den zu spät vordiugemlen Otakar. 
ohne einen Hauptschlag /u führen, von allen Seiten 
umringt. Der Köir'g von Kölimcu uiussie um Frieden 
bitten, auf Österreich, Steiermark, Kärnten , Krain, 
Pordenone und Eger verzichten, um Rohmen und Mähren 
als Reichslehen vom verachteten Gegner in Empfang zu 
nehmen. Diese Demüthignng war zu gross, als dass der 
gewaltige, vom Glück verwöhnte Fürst sie ruhig hätte 
ertragen können. Otakar benutzte den Frieden nur, um 
Hundesgeuossen zu erwerben und ein grosses Heer 
anzusammeln; als er des Sieges sicher zu sein glaubte, 
rückte er mit seiner Kriegsmacht über Rrünn bis in die 
Nähe von Wien dem heranziehenden Rudolf entgegen 
und lagerte sich in der grossen Ebene zwischen Dürn- 
krut und Jedenspeugen. Hier wurde am 2»>. August 127S 
die Entscheidungsschlacht geschlagen, in welcher das 
böhmische Heer vernichtet wurde und Olakar, nachdem 
er Wunder der Tapferkeil vollbracht, das Leben verlor. 

Rudolf von Habsburg Hess den Leichnam des Hel- 
den einbalsamiren und längere Zeit in Wien unter 
Rezetigung königlicher Ehren öffentlich ausstellen, dann 
nach Zuuim Uberfuhren, wo er bei den Minoriten beige- 
setzt uud später nach Prag überfuhrt wurde. Dem etwa 
tM> Jahre nach Otakar'a Tode durch Kaiser Karl IV. 



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LXXVIII 



aufgestellten Denkmal, auf welchem der goldene König 
in ganzer Fignr abgebildet ist, scheint eine nach der 
Leiche gefertigte Zeichnung zu (Irnnde gelegt worden 
zusein, da da» todesmuthige und zornige Antlitz des 
Fürsten im Ccgeusatz zu anderweitigen »irabsteinfign- 
ren ungewöhnlich individiinlisirte Zuge erkennen lässt. 

Trotz seiner kriegerischen Thiitigkcit war Otakar 
ein tllr seine Zeit sehr (eingebildeter, proeht- und ktinsl- 
liebcndcr Fürst, dessen ausserordentliche Begabung von 
Feind und Freund eben so sehr gepriesen wurde, wie 
seine Menschfrciindlichkcit . sein Kdeliuuth und Oerech- 
tigkeitssinn. Aufgewachsen am glänzenden Hofe seines 
Vaters hatte er von seiner Mutter Kunigunde von Hohen- 
staufen die hohe (icistesriehtung des stautischeu Hauses 
geerbt. Die von ihm geführten Kriege erscheinen, wenn 
man seine Oesnmmtthätigkcit Uberblickt, als unbedeu- 
tende Nebensache, und es wird geradezu unbegreiflich, 
wie er neben seinen nnerniesslichen eivilisatori«ehen 
Unternehmungen noch Kriege fuhren konnte. 

(ileich den grossen sächsischen Kaisern Heinrich 
und Otto, verdient auch Otakar den Khrennamcu r der 
StädtcgrUtidcr-. 

In Böhmen wurden durch diesen Regenten ange- 
legt oder durch FrcihcitsbrietV bestätigt, folgende Städte : 
Aussig, Beraun, Hudweis, Oaslau, t'hrndim, Hohen- 
mauth, Hirschberg. Kaadeu, Kolin, Kuttcnberg. Lands- 
kron, Lcitomischl, Melnik, Mies, Pilsen, Policka, Taus* 
und andere. Auch in seinen ausser-böhinisclien Landen 
förderte er Stfidtewesen, (iewerbe und Kllnste, sorgte 
tllr das Aufblühen des Bergbaues, stiftete Spitäler und 
ähnliche Anstalten und bewährte sieh in jeder Hinsieht 
als einsichtsvoller . thatkrältiger und wohlwollender 
Regent. 

Möglich, dass manchem \ errätherisehen Adeligen 
der Tod dieses Fürsten erwünscht war. Doch gab die 
Klage anderer Kdlen um so rührender und lauter dem 
Verloste Worte, wie es in einem jener Tagen entstan- 
denen Liede heisst ; 

Wein-, Wehe! Ehre und Milde weinen um den Tod des 

Küttig» vom lWihmerluinl. 
Kluch über den Tod! niMI man nicht stielten den Küttig 

und -eine iSpenderlintid? 
Erhebt dkl Klii,,»e über KOnig mtnkar. mein Ibrrjcott 

ja er i»t erschlugen, 
Iter herrliche KüuiK i»t (..dt. nie »ah man den Edelsten 

MfM etc. etc. 

Unter den Regenten aus dem Hause der Pfemys- 
liden, und man darf wohl sagen, unter allen Fürsten, 
welche je die böhmische Krone trugen, gebührt unstrei- 
tig Otakarn die hervorragende Stelle ; auch enthält die 
oft ausgesproche Behauptung, dnss nur wenige der mit- 
telalterlichen Fürsten neben ihn gestellt werden dürfen, 
im entferntesten keine Übertreibung. Otakar war „jeder 
Zoll ein König-. 

Sein Wesen, seine ganze KigenthUmliehkeit ist auf 
die dnreh ihn hervorgerufenen Denkmale übergegangen ; 
es liegt ein männlicher Stolz, dabei ein seltsam abge- 
schlossenes, tiepräge in seinen Schöpfungen, man möchte 
glauben, er selbst sei der ausführende Künstler gewesen. 

Mit dem Tode Otakar's brach eine unbeschreib- 
liche Verwirrung Uber Böhmen herein , welche von 
den Magnaten möglichst vermehrt und ausgebeutet 



wurde. Der Thronfolger Wenzel, Otakar s und der 
Knnigunde Hohn, zählte erst sieben Jahre, weshalb für 
die Dauer der Minderjährigkeit eine Kegentschaft gebil- 
det werden musste. l'm diese zu erlangen, stritten sieh 
die verschiedensten Parteien, obenan die leichtfertige 
Königin-Witwe mit ihrem Liebhaber, dem Herren von 
Zavis- Falkenslein, dann Herzog Heinrich von Breslau 
und Otto iter Lange von Brandenburg, aufs lief, 
tigste herum. Kaiser Rudolf entschied den Streit, indem 
er dem Markgrafen Otto die Vormundschaft und Regie- 
rung tllr die nächsten fünf Jahre übertrug und zugleich 
den jungen König Wenzel IL mit seiner eigenen Tochter 
Julia verlobte. 

Der neue Reichsverweser Markgraf Otto war, 
obgleich es ihm au F.uergie und gutem Willen nicht 
gebrach, ausser Stande, die Ordnung herzustellen. Die 
Königin Kunigunde , welche durch ihre Lebensweise 
öffentliches Ärgernis« gab nnd sich bald nachher mit 
Zavis vermählte, dann ein grosser Theil tles Adels, 
namentlich die mächtigen Rosenberge, deren Familie 
Zavis angehörte, und die zahlreiche Partei der stets 
Unzufriedenen empörte sjrh gegen die Regierung Olto's; 
das Volk war erbittert und es entstand der furchtbarste 
Bürgerkrieg. Die Schrecken desselben wurden ver- 
mehrt durch Hungersnot)! und Seuchen, wie bisher noch 
niemals waren erhört worden. Diesen Schreckciisjahren, 
1281—1382, entstammt aller Wahrscheinlichkeit nach 
ilie schon erwähnte Riind l apelle bei der Stephans-Kirche 
in der oberen Neustadt Prags, an welchem damals ausser- 
halb der Stadt liegenden Orte ein Friedhof errichtet 
worden war. Markgraf Otto, besorgt um die persönliche 
Sicherheit seines Mündels, tles jungen Königs, halte 
denselben ausserhalb Landes bringen lassen , und 
für dessen Erziehung gesorgt, da aus dem in erster 
Jugend vernachlässigten Prinzen ein vortrefflicher König 
erwuchs. 

Kaum 12 Jahre alt übernahm Wenzel IL am 
l»4. Mai ll's.t selbständig die Regierung, wurde aber in 
der ersten Zeit durch seine Mutter Kunigunde und ihren 
(ieinahl Zavis arg bevormundet. Diesem vielseitig 
begabten und schlauen Manne gelang es in kurzer Zeit, 
sich der Regieriingsgewalt zu bemächtigen . indem er 
den jungen König ganz an seine Person fesselte und 
mit Spielereien beschäftigte. F.rst nach dem Tode Kuni- 
guiidens gelangte der König zu einiger Unabhängigkeit, 
entwickelte aber dann seine trefflichen Oeistesgaben 
überraschend schnell. Zugleich fand er an seinem 
Schwiegervater, dem Kaiser Rudolf, einen erfahrenen 
Rathgeber, welcher dahin wirkte, dass der übermächtige 
Zavis vom Hofe entfernt wurde. Dieser stand nicht 
allein an der Spitze einer grossen Atlelspartei, sondern 
hatte sich auch nach «lern Tode der Königin Kuni- 
gunde mit einer ungarischen Prinzessin vermählt und 
mit dein Herzog Heinrich von Breslau Verbindungen 
angeknüpft , so dass er auf auswärtige Hilfe pochte und 
ohne Scheu seine verätherischen Pläne betrieb. Wieder 
drohte ein Aufruhr auszubrechen; denn tler Anhang des 
Fnlkenstein war weit über Böhmen, Mähren und Ungarn 
verbreitet und mau harrte nur des Zeichens, um die 
Fahne des Aufruhrs zu schwingen. In dieser verhäng- 
nissvollen Stunde wurde dem ZaviS ein Sohn von 
seiner zweiten ftemahlin Judith von Ungarn geboren, 
nnd der Vater begab sich an den Hof nach Prag, um den 
König zur Kindstaufe einzuladen. König Wenzel, welcher 



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LXXIX 



in dieser Einladung eine Schlinge erkannte, liess den 
Fulkcustciii verhaften und forderte von ihm die Heraus- 
gabe der entrissenen Krongllter. AI* ZaviS sich dessen 
weigerte , wurde er angesichts seiner eigenen Burg 
Frauenberg enthauptet, durch welchen Vorgang der 
Aufstand bald sein Ende erreichte. 

Zwar schwächlich von Körper, theiltc Wenzel II. 
doch zum grossen Theile die Anschauungen seines 
Vaters; er hielt glänzenden Hof, war leutselig und frei- 
gebig, dabei zu gehöriger Zeit fest in seinen Entschlüssen 
und (wie das Beispiel des ZaviS zeigt) streng in der 
Durchführung. Er scheute, wenn es galt, vor keinem 
Kriege zurück, wnsste die Äussern Verwicklungen mit 
kluger Politik zu benutzen, brachte Schlesien mit Krakau 
au Böhmen und wurde sogar im Jahre 1300 zum König 
von Polen durch den Erzbiscbof von Gnesen gekrönt. 

Böhmen erfreute sich, nachdem der durch Zavis 
und seine Anhänger hervorgerufene Aufstand bewältigt 
worden war, eines ununterbrochenen Friedens und eines 
Wohlstandes, wie er noch nie dagewesen. Neue Städte 
wurden angelegt und zahlreiche Bauwerke, namentlich 
städtische Pfarrkirchen erhoben sich. Insbesondere war 
es die Stadt Kuttenberg, welche rasch emporblühte und 
wo der König ein Sehloss und eine Münzstätte, den 
sogenannten wclschgn Hof, anlegen licss. Die Lieblings- 
schöpfung Wenzel'« aber war das Cistercienser- Kloster 
Königsaal mit seiner als Weltwunder gepriesenen 
Kirche. Leider wurde diese Kirche bis in den Grund 
zerstört , so dass nicht ein Stein auf dem andern geblie- 
• ben ist. Nach den auf uns gekommenen Schilderungen 
war dieser Bau ein Meisterwerk ersten Banges, und 
zwar im vollendetsten gotbischen Style gehalten. 

Nicht viel besser erging es der Stittskirche zu 
Sedlec , welche König Wenzel von Grund aus neu auf- 
fuhren Hess und bei welcher das Kathedral- System mit 
Chor-Umgang und Capellen-Kranz in Böhmen zum ersten- 
mal Anwendung fand. Diese Kirche wurde von den 
Taboriten niedergebrannt und im W ill. Jahrhundert in 
einer abenteuerlich barocken Gothik wieder aufgebaut. 

Wenzel II. starb im noch nicht zurückgelegten 
34. Jahre am 21 Juni 1305; ihm folgte sein einziger 
Sohn Wenzel III., welcher erst 17 Jahre alt, am 
4. August 13Ü<> zu OlmUz ermordet wurde. Obwohl 
dieser Fürst bereits seit einem Jahre mit der schönen 
Prinzessin Viola von Teschen vermählt war, hinterlicss 
er keinen Erben und es starb mit ihm der letzte männ- 
liche Sprosse des uralten Hauses der Pfcmysliden, 
welches aus der Heidenzeit herüberstammend , den böh- 
mischen Thron seit mehr als 500 Jahren innegehabt 
hatte. 

Mit dem Aussterben dieses berühmten Geschlechtes 
findet auch die früh mittelalterliche Kunstgeschichte 
Böhmens ihren Absehluss , indem erst nm_ 1300 die 
letzten Anklänge au den ßomanismus und Ubergangs- 
Styl vollständig verschwinden. 

Charakteristik und geographische Veri hellung der 
kirchlichen Denkmale. 

Da man den Verlauf des romanischen Style« in 
Böhmen nur nls eine Vorbereitungsstufe, eine Periode 
des Werdens, bezeichnen kann, wird diesem gegenüber 
der energische Aufschwung, welchen die Architektur des 
XIII. Jahrhunderts einhielt , die vollste Anerkennung 
XVII. 



verdienen. Die künstlerische Thätigkeit bewegt sich tust 
ausschliesslich anf dem architektonischen Gebiete und 
es bleibt die Bildhauerei verhältuissmässig weit zurück. 
Ob Reste von monumentaler Malerei aus dieser Zeit 
vorhanden sind, ist noch nicht sichergestellt; jene Wand- 
bilder, welchen man ein so hohes Alter zuerkennen 
wollte , haben sich als Werke der Lnxemburg'schen 
Periode erwiesen. Es treten mithin Sculptur und Malerei 
in den Hintergrund, nm der Baukunst die unbestrittene 
Herrschaft zu überlassen. 

Dafür sehen wir diese mit ganz neuen Elementen 
bereichert. Auch ist die Architektur nicht mehr eine 
ausschliesslich kirchliche; es kommen die städtischen 
Anlagen , das städtische und das ländliche Wohnhaus 
hinzu, die Grundform einer Ansiedlung wird nach künst- 
lerischen Kegeln festgestellt und der Burgcnbau ausge- 
bildet. Auch auf dem kirchliehen Gebiete machen sich 
allerlei neue Erscheinungen geltend ; so der Kreuzgang, 
die Hallen-Kirche und der Chor-Umgang mit dem Cupel- 
1 .»kränz. 

Böhmen und Mähren hilden in dieser Periode ein 
zusammenhängendes Gebiet, in welchem eine ziemlich 
übereinstimmende Eutwicklnng stattfindet. Im Gegen- 
sätze zu der gclegenheitlich des Limburger Domes dar- 
gelegten Formen-Bildung, bei welcher der romanische 
(Irundriss beibehalten und die Detaillirung neu gestaltet 
wurde , erblicken wir in den böhmisch - mährischen 
Bauten dieser Periode eine veränderte, nach gotbischen 
Kegeln angeordnete Grundform, während die einzelnen 
Theile mehr oder minder den Charakter des romani- 
schen Styls einhalten. 

Der Gewölbebau wird mit Consequenz in allen 
Bäumen durchgeführt , die flache Holzdeeke in den 
Kirchenschiffen verschwindet und mit ihr die Liseneu- 
Decorationen der Aussenseiten, um durch Strebepfeiler 
ersetzt zu werden. Anstatt der halbkreisförmigen Apsis 
erscheint der polygonale Chor-Schluss, welcher erst aus 
dem Achteck, dann aus fünf Seiten des Zehnecks gezo- 
gen wird. Die mittlere Kirehenweite steigt von 24 Fuss 
auf 83 bis 36 Fuss an, auch die Nebenschiffe werden 
geräumiger, und sowohl Höhe wie Gcsammtlänge des 
Kirchenbause« bedeutend ergiebiger. Das basilikale 
System herrscht bei Anordnung der Stifts- und Pfarr- 
kirchen vor. Die inner n Pfeiler sind quadratisch und 
mit kräftigen Vorsprüngen , sogenannten Diensten iu 
Form von DteiviertclsUulcn versehen, sie stehen durch- 
gehend« parallel mit den Achsen- Linien (also nicht iu 
diagonaler Aufstellung) und gehen meist ohne Vermitt 
hing von GeBimscn in die Arcaden-Bogen Uber. 

Die DienBtc jedoch nebst den correspondirenden 
Wandsäulen sind immer mit kelehförmigen oft reich or- 
namentirten Capitälen versehen, aus denen die viel- 
kantig profilirten Kippen und Gurte entspringen. Au 
den weit ausgeladenen , nach attischer Weise geformten 
SänlcufUssen fehlen die bekaunten Eckbosseu nie, die 
Schäfte der Säuleu und Halbsäulen sind regelmässig 
in der Mitte ihrer Höhe mit Ringen umzogen, manchmal 
gewunden oder mit Pflanzen-Ornamenten geschmückt. 
Den grössten Reichthum aber zeigen die Haupt- Portale. 
Diese sind nach streng romanischer Weise mit recht- 
eckigen RUcksprüngen und eingeblendeten Säulen coli- 
struirt und unterscheiden sich von den älteren Bildun- 
gen nur dadnreh, dass sie spitzbogig überwölbt sind. 
Eiue etwa« stärkere Säule tritt bei deu Portal-Bildungen 



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LXXX 



gewöhnlich zur Rechten und Linken Ober die Mauer- 
tlucht vor , <lie übrigen Säulen »teilen innerhalb der 
Maucrschrägung in den Ecken eingeblendet. Es wurde 
deshalb die Portal -Wand, selbst wenn sie gar nichts zn 
tragen hatte, blos aus dem Grunde um ein reiches 
Gewände zn entwickeln, manchmal auf 15 bis 8 Fuss 
verstärkt. Die Fenster lind im Gegensätze zu den Por- 
talen äusseret dörftig gehalten, schmal und langgezogen, 
ohne alle Gliederung und mit Spitzbogen Uberwölbt. 
Krst gegen den Schluss des Jahrhunderts kommen hie 
und da einfache Stnbwerke vor. In dieser Beziehung 
unterscheiden sich die böhmisch-mährischen Übergangs 
bauten auflallend von den deutschen, an welchen die 
Fenster meist rundbogig uud reich gegliedert sind. 

Im höchsten Grade eigentümlich erscheint das 
V'erhätniss, wie die romanische Bauweise neben dem 
Übergangs-Styl sich während des ganzen Jahrhundert* 
unvermischt hinzieht. So sind z. B. die romanischen 
Kirchen zu Potvorov und Bndig zwischen 1240— 1250, 
die Kirche zu Jirean und Chotesehau nicht vor 12(30, 
und die beiden Rund-Capellen St. Longinus in Prag uud 
St. Peter und Paul in Schelkowitz, ferner die Pfarr- 
kirche in Liebshausen, nebst verschiedenen im Norden 
und Osten des Landes befindlichen Hauwerken wahr- 
scheinlich erst am'« Jahr 1300 vollendet worden. 

Dagegen wurden die nach entschieden gothiachen 
Grundplanen errichteten wichtigsten Übergangswerke, 
als: die beiden Klosterkirchen und die Stadtkircbe zu 
Iglau, die Stiftskirchen St. Franciscus in Prag und 
Porta Codi in Tischnowitz in ihren llauptpartien schon 
vor 1250 vollendet; diesen folgten kaum 10 Jahre 
später die nur in der Detaillirung noch ronianisircnden, 
sonst nher durchnus gothischeu Pfarrkirchen zu Kolin, 
KouHm und Humpolec, dann die Stiftskirche Hohen- 
furt. In der 12ÜH von Otakar II. gegründeten Stifts- 
kirche Goldenkron , dem zwei Jahre später erbauten 
Cistercienser-Nonuenkloster Frauenthal bei Deutsch- 
brod, wie in allen zur Zeit des Königs Wenzel II. 
(127K— 130iV) erbauten städtischen Pfarr- oder Kloster- 
kirchen endlich, kommen sehr wenige alterthUmliche 
Reminiscenzen mehr vor, diese Werke sind durchaus 
frUb-gothiseh. 

Die geographische Vertheilung der Übergangswerke 
erscheint um so beachtenswerter, als biedurch die dama- 
ligen Cultur-Zuständc unddieeivilisatorischen Bestrebun- 
gen der Pfcmyslidcn vielfach erklärt werden*. Vor allem 
waren es die reichen Ebenen des östlichen Rohmens, 
denen der grosse Otakar seine Aufmerksamkeit widmete, 
wo er neue Städte gründete, oder ältere bestehende 
Ortschaften mit städtischen Privilegien ausstattete. 

Hier füllt uns zuerst eine zusammenhängende 
Gruppe von Denkmälern auf, welche zwischen Prag und 
Trebic in Mähren als den entgegengesetzten End- 
punkten atisgebreitet ist. Die wichtigsten der in dieser 
Richtung liegenden Rauwerke sind die Pfnrrkirelteti 
zu Böhmisch - Hrod , Kolin, Caslau, Kouflm. Hohen - 
mauth, Humpolec, dann die Stiftskirchen in Sedlee, 
Frauenthal, Selau, Iglau, Tischnowitz und Trebic. Es 
unterliegt keinem Zweifel, dass sich in dieser Gegend 
eine sehr thätige Schule gebildet und, nach den Fort 
schritten zu schliesscn, längere Zeit fortgewirkt habe. 
Ob der Meister, welcher die Schule gegründet und die 
Styl-Rielttung hieher verpflanzt hat, aus Böhmen oder 
Mähren stamme, ob er aus einem andern Lande berufen 



worden sei, ist unbekannt ; wie denn Ober die Künstler 
dieser Periode sieh keine Nachrichten erhalten haben. 

Mähren besitzt jedenfalls die bedeutungsvolleren 
und durchgebildctcren Werke dieser Art, was jedoch 
Sache der zufälligen Couservirung »ein mag. Die Orna- 
mentik wie die Bonstigen Gliederungen der Bauten in 
Tischnowitz, Trebic und Iglau lassen Überdies» einen 
nicht unbedeutenden, aus Unter-Österreich herUbcrwir- 
kenden Einfluss erkennen, neben welchem jedoch An- 
klänge an die sächsischen Denkmale des XIII. Jahr- 
hunderts hervortreten, namentlich scheinen die Dirne 
von Magdeburg und Naumburg massgebend gewirkt zu 
haben. Sowohl nördlich wie südlich von der beschrie- 
benen Baugruppe ziehen sich weite Landstriche hin, 
welche auch nicht ein einziges hieher zu zählende« Ge- 
bäude enthalten. 

Dann bemerken wir eine zweite , ziemlich unab- 
hängige Gruppe, welche der Südspitze Böhmens ange- 
hört. Obenau steht Hohenfurt, ein Tochterklostcr des 
Cistercienser-Stiftes Wilhering bei Linz und von den 
dortigen Ordensmänneru um die Mitte des XIII. Jahrhun- 
derts erbaut. Von der mit eigentümlicher Chor-Anlage 
ausgcstattcncir Hohenfurtcr Stiftskirche Bticht seltsam 
ab die demselben Orden angehörende Kirche zu Gol- 
denkroii, eine der schönsten kreuzförmigen Bildungen, 
welche Böhmen besitzt. Derselben Zeit gehören an: die 
Dominicaner-Kirche in Bndweis, die älteren Partien der 
Kirchen zu Winterberg und Pisek, danu als nördlichster 
Auslanferdie Ruinen des 1 153 gegründeten, später umge- 
bauten Cistercicuser-Klostcrs Pomuk. 

Die übrigen Werke der Übergangs-Periode und 
Früh-Gothik liegen in allen Richtungen zerstreut und 
zeigen die verschiedensten Einflüsse. Das an der säch- 
sischen Gräuze liegende und auch in Sachsen begüterte 
KloBter 0.-"seg hält in seinem Kreuzgang und wunder- 
schönen Capitel-Saale ganz die in Sachsen und Thürin 
gen entwickelte Formcngehung ein, während in den 
alten Thcileti der Pfarrkirchen zu Saatz, Aussig, Rnkonic, 
und noch einiger Städte eine strenge Gothik sich geltend 
macht- Als vorzüglichstes Rcispiel dieser streng-gothi 
sehen Bauweise haben wir die Ruinen des unter König 
Wenzel II. um 12K0 gegründeten Clarissen-Klosters 
Jungfraucn-Teinitz unweit Schlan zn nennen, wo sich 
ein reichgegliedcler, aus dem halben Zebneck construir- 
ter Chor-Rau und ein Uberaus prächtiges Haupt-Portal 
erhalten haben. 

Im nordöstlichen Böhmen dagegen trefTen wir 
wieder den altertümlichen Übergangs-Styl in den Rui- 
nen de» Klosters llradisf bei Münchcngrätz und in der 
Probsteikirche Polic , beide Bauwerke durch reiche 
romanisirende Portale ausgezeichnet. 

Zwischen denstädtischen und klösterlichen Kirchen- 
anlagen nimmt die Maltheser-Ordenskirehe in Strakonic 
eine ganz unabhängige Stellung ein, sowohl in Bezug 
auf Anordnung wie Durchbildung. Obschon der Chor im 
XV. Jahrhundert überbaut wurde . blieb doch die 
(lesHiimit- Anlage von Neuerungen ziemlich unberührt, 
wie denn der auf einer schmalen Felsenklip]>e liegenden 
Kirche keine veränderte Grundform gegeben werden 
konnte. Ein zwar kleiner, aber wohlerhaltener und in ele- 
gantem Übergangs Styl durchgeführter Kreuzgang liegt 
nach Art eines Atriums vor der Westseite des Schiffes, 
so dass die lichte Weite des einschiffigen Kirchenhsiuse* 
dem offenen Hofe des Kreuzganges entspricht. Zwischen 



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LXXXI 



Schiff nmlClior, an der Stelle des Triumph-Bogens, erhebt 
sich ein mächtiger, an den AuBsenseiten noch romani- 
scher Thurm mit einer 22 Fuss weiten Halle, an welche 
«ich der aus dem gleichseitigen Dreieck gezogene Chor 
ansehlicsst. Die ganze Anordnung ist im höchsten Grade 
originell, als Banzeit des Kreuzgang!» durfte das letzte 
Viertel des XIII. Jahrhunderts anzunehmen sein. 

Wie aus diesen Schilderungen hervorgeht, tragen 
nur die östlich von Prag befindlichen, der Haupt- Gruppe 
angehörenden Dcukmale ein einheitliches Gcpritgc und 
lassen einen schuliiilissigcn Zusammenhang erkennen, 
während sich in den zerstreut liegenden Werken alle 
möglichen Richtungen und zwar gleichzeitig kundgeben. 
Als Ursache dieser Erscheinung muss zunächst die ver- 
schiedenartige Bevölkerung der Stttdte angesehen werden. 
Die Städte wurden bekanntennassen zu verschiedenen 
Gelegenheiten gegründet und mit Colonisten , die bub 
den verschiedensten Gauen eingewandert waren, bevöl- 
kert. Im Osten und Norden haben sich meist Nieder- 
deutsche und Sachsen, im Nordwesten Thüringer, im west- 
lichen Dreieck Franken und Oberpfälzer angesiedelt, 
wfthrend der bayerisch - österreichische Stamm an den 
südlichen Gränzeu herübergriff. Alle diese Ansiedler 
brachten aus den heimatlichen Bezirken je ihre Arbcits- 
leute und das dort Übliche kunst-technischc Verfahren 
mit, daher der Mangel an einheitlichen Bestrebungen. 

Gerade so verhielt es sich mit den Klosterbauten. 
Ks igt z. B. unmöglich, verschiedenartigere Durchbildun- 
gen des gothischen Styls zu erblicken, als die beiden 
Stiftskireben Goldenkron und Hohenfurt einhalten. Beide 
gehören dem Cistercienser-Orden an, wurden zu gleicher 
Zeit erbaut und liegen in unmittelbarster Nähe, in gera- 
der Linie kaum fUnf Stunden von einander enffernt. Ho- 
henfurt aber wurde von Wilhcring in Ober-Österreich, 
Goldenkron von Heiligonkrcuz bei Wien bevölkert ; hier 
eine einfache basilikale Anlage mit weitausgeladenen 
Kreuzarmen und rein-gothischcr Formcngebung , dort 
eine Hallenkirche mit complicirtem fünfteiligem Chor- 
bau und altertümlicher Detaillirung. 

Da die Ubergangs-Formcn. wie schon erwähnt, nur 
bei grössern Bauwerken zur Anwendung gelangten, 
während die Lamlkirchcn und Capellen nach romani- 
scher Weise angeordnet wurden, bilden die dreischiffi- 
gen Kirchonhäuser, Basiliken und Hallenbauten ent- 
schieden die Mehrzahl der dieser Periode angehörenden 
Denkmale. Erst um den ScMubs des XIII. Jahrhunderts 
wurde die erste ftlnfschiffige Kirche in Böhmen (zu 
Sedlee) errichtet, aus welcher Zeit auch einige zwei- 
schiffige Hallen herzurühren scheinen, namentlich Sobc- 
slau und Wodnian. Das interessanteste aller zweischi fü- 
gen Denkmale bleibt ohne Zweifel die alte Synagoge in 
Prag, ein an den Aussenseiteti verbautes, im Innern voll- 
ständig erhaltenes Gebäude ans der zweiten Hälfte des 
Jahrhunderts. Einschiffige Kirchen sind verhältnissmäs- 
sig selten; die bedeutendste zu Frauenthnl bei Deutsch- 
brod , einem Cistercienscr-Nonnenstifte angehörend. 

Der aus fünf Seiten des Achtecks gezogene Chor- 
Schlusa blieb von circa 1230 bis 1250 vorherrschend; 
nach dieser Zeit wurde der Chor häufig aus dem halben 
Zehneck constrnirt, an derMinoriten-Kirchc zuBcneschan 
sogar aus fünf Seiten des Ncunccks. Gerade, oder ein- 
fach rechteckige Chor-Schltlsse zeigen nur die Ruinen des 
Klosters Hradifit bei MUnchengrätz und die Pfarrkir- 
chen zu Selean nnd Sobeslau. 



Kuppelthllrme Uber der Vierung scheinen hie und 
da ausgeführt wurden zu sein, doch bat sich kein einziger 
erhalten. Spuren eines ehemaligen Kuppelthurmes können 
nachgewiesen werden in der Pfarrkirche zu Humpolec; 
auch in Goldenkron und Sedlee sprechen viele Umstände 
dafür, dass derlei Kuppeln vorhanden waren. Nach einer 
alten , freilich nicht zuverlässigen Abbildung der heil. 
Grabkriche in Zdcras zu Prag will es scheinen , als 
wäre dieses Gebäude auch mit einer Kuppel ausgestattet 
gewesen. In Bezug auf die Stellung der Kirchtürme 
wird in dieser Periode keine bestimmte Regel eingehal- 
ten. Die PrHmonstratenser, welche die doppelte Thnrni- 
stellung an der Abendscitc vorzugsweise liebten, habcu 
nach 12<X> in Böhmen keine Ordenshäuser mehr gegrün- 
det, und die von den Benedict iiicni nach dieser Zeit ans 
geführten Bauwerke sind grösstenteils zerstört worden. 
Die Cistercicnser aber, welche im XIII. Jahrhundert die 
grösste Thätigkeit entwickelten, vermieden die Erbauung 
grösserer Thllrmc gemäss ihrer klösterlichen Satzungen. 
Da auch die Bcttclordcn sich mit kleinen Glockcnthllrm- 
ehen und sogennunten Dachreitern begnügten, waren es 
grösstenteils die städtischen Pfarrkirchen, an welchen 
der Thurmbau cnltivirt wurde. Die Doppelslelhmg an der 
Abendscitc wurde in der Regel festgehalten, wie bei den 
Hauptkirchen zu Kolin, Hohenmauth und Pisek; doch 
sieht man auch hio und da zwei neben dem Presbyte- 
rium angeordnete Thürme, z. B. in Kundin, Prictlml und 
Nachod. 

Äusserst selten tritt in dieser Periode der einzige 
aus der Abendseite vorspringende Thurm auf, welche 
Stellung wir bei den romanischen Bauwerken als die 
häufigst vorkommende getroffen haben. Glänzend durch- 
geführte Beispiele dieser Art bieten nur die Kirchen in 
Aussig und Humpolec. Auch die Anordnung eines ein- 
zigen Thurmes zur Seite des Kirchenhauses, welche 
in ganz SUddentschlnnd besonders entlang der Alpen 
auftritt, hat in Böhmen nicht Eingang gefunden ; wo der- 
gleichen Stellungen vorkommen , sind sie nicht plan- 
gemäss, sondern rühren von späteren Umänderungen her. 
Dagegen war der frei stehende Glockenturm nicht allein 
auf dem Lande , sondern auch in den mittelgrossen 
Städten sehr beliebt ; doch sind keine Beispiele auf uns 
gekommen, weil diese Thürme meist ans Holz errichtet 
wurden. 

Ganz neu und eigentümlich erscheint die Anord- 
nung besonderer, aus regelmässigen Polygonen construir- 
ter Sacristci-Capcllcn, welche bei einigen Kirchen in den 
verlängerten Achscnlinicn an die Chor-Polygone ange- 
fügt sind. Solche Capellen finden sich in Humpolec und 
Frauenthal ; die letztere ist achteckig, fuhrt die Bezeich- 
nung ..alle Pfarre" und scheint als Taufbans errichtet 
worden zu sein. 

Das im Verlaufe dieser Periode allgemein übliche 
Bnumateriale ist Bruchstein, und zwar in unrcgclmässi- 
ger Form, nur während des Versetzens etwas mit dem 
Hammer zugerichtet. Die sich ergebenden Lücken wurden 
sorgfältig mit kleinen Steinbrocken ausgefüllt und das 
Mauerwerk Lage nm Lag« festgestampft. Alle Eckver- 
bändc, Gesimse, Strebepfeiler, Thüren, Fenster und 
sonstige ausgeprägte Theile sind aus rein bearbeiteten 
Quadern hergestellt worden. Bauwerke ganz aus Quadern 
errichtet, sind selten, die Ausführung aber mit recht- 
winklig bossirten, Bchichtcnmässig gelegten Bruchsteinen 
ist im XIII. Jahrhundert aufgegeben worden. Der Ziegcl- 



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LXXXII 



bau hat noch nicht Eingang gefunden und es bestehen 
sogar die Gewölbe noch immer aus Bruchsteinen : doch 
wnrde das Ziegebtreichcn, wie wir aus Arbcitcrverzcich- 
nissen entnehmen können, bereits geübt. Wahrscheinlich 
gebrauchte man nur ungebrannte Ziegel, welche mau 
heute noch auf dem Lande sehr hiinfig anwendet. Ge- 
brannte Ziegel mögen anfänglich nur bei häuslichen Ein- 
richtungen, z. B. Backöfen und Feuerungen, angewendet 
worden sein. Fliesse und Terraeotten kommen selt- 
samerweise früher vor als einfache Ziegel; so trifft man 
in den Buinen von HradiSf bei Münchengratz Bruch- 
stücke einer farbigen Fliessen-Pflasterung, in K Hilgenberg 
wohlerhaltene, mit Inschriften nnd relietirten Bildwerken 
versehene Terracotten, die allem Anscheine nach nm den 
Schluss des Jahrhunderts gefertigt w urden. Die Fnbri- 
cations-Orte jedoch sind nnbckniuit. 

Irgend bemerkenswerthe monumentale Reste ans 
dem Gebiete der Holz- und Metall-Technik scheinen nicht 
vorhanden zu sein; auch sind ans den Fächern der 
Kleinkünste keine Erzeugnisse auf uns gekommen, 
deren böhmischer Ursprung mit Sicherheit nachgewiesen 
werden könnte. 

Woher sich die Sage schreibt, dass König Wenzel II. 
selbst Malerei betrieben und das in Künigsaal noch 
immer vorhandene Marienbild gemalt habe, ist unbe- 
kannt. Auf diesem Bilde soll folgende Inschrift ange- 
bracht gewesen i 



rente«Uu» rcgnlem cninlerct 
haue pcuiuit divac Virginia iffigkin. 

Diese Inschrift steht aber nicht auf dem Bilde, 
scheint auch niemals dort gestanden zu haben ; da« 
fragliche Madonna-Bild verrath italienischen Ursprung 
und dürfte von einem jener Künstler herrühren, welche 
Karl IV. um die Mitte des XIV. Jahrhunderts aus Italien 
nach Böhmen berufen hat. 

Ober die Künstler, welche unter den Otakaren 
gewirkt , die sich an den Städtegrtlndungen betheiligt 
und die zahlreichen Prachtbauten ausgeführt haben, fehlt 
jede Kunde, es ist kein einziger Name auf uns gekom- 
men. Nur die Illnministen BohnS uud Velislav, von 
denen ersterer die Jaromefer Bibel, der andere eine 
grosse Bilderhandschrift gefertigt haben, unterzeichne- 
ten sieh in ihren Werken und haben so ihre Namen der 
Zukunft aufbewahrt. Diese beiden Künstler und ihre 
dem romanischen Styl sieh anschliessenden Arbeiten 
sind bereits im ersten Thcilc besprochen worden. 
(t'ortMtSUaf t''>lgt.) ß- Grueber. 

Kirchliche Baudenkraale in Ober-Österreich. 

(Mit 1 IklMcbaliua.) 

Die nördlich des Marktes M a u t h h a u s e n auf einer 
Anhöhe gelegene Pfarrkirche ist ein leider stark verun- 
stalteter gothischer Bau aus dem XV. Jahrhundert. Das 
Langhaus, im Innern II Klafter 5 Schuh lang und 
• > Klafter breit, wird durch zwei polygonc Pfeiler in zwei 
Schiffe gethcilt, deren jedes wieder aus drei Jochen 
besteht. Ausserdem Bchliesst sieh dem Langhnnse der 
ganzen Breite nach noch ein viertes Gewölbcfeld an, 
das jedoch durch zwei Polygonal-Pfeiler gestützt wird, 
daher das Langhaus im letzten Viertel dreischiffig ist, 
eine Unregelmässigkeit, die wiederholt an oberöster- 
reichischen Kirchen zu treffen ist. Die einzelnen Joche 
werden meistens von unregelmRssigen Kreuzgewölben 



überdeckt. Die Hippen verlaufen sieh an den Pfeilern 
wie auch an den Wanden ohne eine besondere Vermitt- 
lung. Die Musik -Tribüne nimmt das letzte (drcithcilige) 
Viertel des Langhauses ein. Portal und Fenster haben 
ihre urprUngliche Form verloren. (Fig. 1.) 

Das 37 Fuss lange und 18 Fuss breite Presbyterium 
liegt in der Achse des Langhauses und ist mit demsel- 
ben durch einen machtigen spitzbogigen Triumph -Bogen 
verbunden. Er besteht ans einem Gewölbejochc und aus 
dem aus dem Achteck construirtenChor-Sebluss, dessen 
rückwärtiges Fenster noch die ursprüngliche Form zeigt, 
wlihrcnd das an der rechten Seite modernisirt wurde ; 
die Bippen des Kreuzgewölbes und des Gewölbes im 
Chor-Schlusse laufen theils als runde Halbsilulen herab, 
theils sitzen sie auf Tragsteinen anf. Links des I*res- 
byterinms ist der Thurm mit der Sacristei in seinem 
unterem Räume, rechts eine Capelle. 

Die Kirche des schon im Jahre 1122 erscheinenden 
Pfarrdorfes zu Ried ist ebenfalls ein gothischer Bau 
des XV. Jahrhunderts, der aus einem zweischiffigen 
Langhausc sammt Presbyterium besteht. (Fig. 2.) Auch 
hinsichtlich der Musiki hur Anlage sehen wir hier die 
gleiche Anwendung wie in Mnuthhauscn, zwei polygonc 
Pfeiler tragen denselben und auch das Hauptgewtdbe 
des somit an dieser Stelle dreischiftigen Langhauses. 




Fig. I. 



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LXXXIII 




Fi». 2. 



I)hh Parnpet der Musik-Tribune, welche auf deu zwischen 
den Pfeilern gespannten drei Spitzbogen ruht, int aus 
Stein hergestellt und mit in einander verschlungenen 
Drei- und Vierpttasen, das vortretende Orgclpodium mit 
einem Fllnfpass geziert. Die 1'berdeckung de« 1 1 Klafter 
langen und 7 Klafter breiten Langhauses bildet ein 
reiches Netzgewölbe. Das PrcHbyterium, circa 4 Klafter 
breit und 5</ s Klafter lang, besteht aus einem oblongen 
.loche und dein aus dem Achteck gebildeten Schlüsse. 
Die Hippen im Chor und Langbausc laufen auf den an 
den Mauern befindlichen HalbsHnlen auf, an den Pfeilern 
, verlieren sie sich ohne Vermittlung. Die ursprünglich 
spitzbogigen Fenster der Kirche sind modernisirt nnd 
haben ihr Masswerk verloren. Der an der Westseite auf- 



geführte Thurm ist ans Bruchsteinen erbaut und mit 
einem mit Ziegeln gedecktem Zwiekcldache gekrönt. 
Hechts des Prcshyteriums befindet sich die Sacristei, 
links die Todtenkammer. 

Die Pfarrkirche des Marktes Seh werdberg, auf 
einer Anhöhe gelegen, ein gothischer Hau von 75 Fuss 
innerer Lange, wovon 20 auf das Presbj terium kommen. 
(Fig. 3.) Das Gewölbe des Langhauses (29' breit), wird 
durch zwei achtkantige 27 Zoll dicke Pfeiler getragen, 
wodurch dasselbe in zwei Schiffe gesondert wird. Anden 
beiden Langseiten , sowie in den beiden vorderen Ecken 
sind polrgone Halbsilnlen angebracht, welche sowie die 
runden Halbsüulen im Presbvterium die Hippen des 
reichen Netzgewölbes aufnehmen. Die Spitzbogenfenster 
sind durchgehend* mit sehr einfachem Masswerk ver- 
sehen und theilweise durch einen Pfosten untertheilt. 
Nur der aus dem Achteck eonstruirte Chor-Schluss ist 
mit Strebepfeilern verstiirkt. Auf der rechten Seite des 
Presbyteriums befindet sich die Sacristei und dartlber 
der Musikchor, zu welchen man auf einer Wendelstiege 
gelangt. Auf der entgegengesetzten Seite steht der 
Thurm, der in seinem Oberbaue aus neuerer Zeit stammt. 
Hin neuerer Einbau ist auch die Empore, welche, auf 
gusseisernen Säulen ruhend, an der vorderen Seite auf- 
geführt wurde. Den Aufgang dahin vermitteln zwei 
ausserhalb der Kirche erbaute Stiegen, l'bcr das Ent- 
stehen dieser Kirche verlautet nichts verlitssliches, doch 
ist kein Zweifel, das* sie gegen Ende des XV. Jahr 
hundert* entstanden ist. Ein Grabstein bezeichnet die 
Huhcstütte der Eva von Tscherncmhl auf Windeck und 
Sehwertberg (f 1578) , ein zweiter jene de» Hanns 
Tscherncmhl (j IKK). 




Off. A 



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LX.XXIV 




Vig. &. 

Die Pfarrkirche den nn der von Linz nach (»rein 
iührenden Strasse gelegenen Markte« Perg ist ein 
gntMaeher Hau von ziemlicher Ausdehnung. Sie hat eine 
(iesainnitlai von 100 Fuss, bei einer Drütte von 
44 Fubb im I^nghause und von 24'/, Fuss im Chore. 
DaR Langhaus wird dnreh vier Achteekpfeiler in drei 
Schiffe gethcilt, davon das mittlere etwas breiter ist. 
Die Seitenschiffe werden dadurch verbreitert, da*« die 
Aussenmnnern an den Strebepfeilern hinausgeschoben, 
diese somit nach innen gerichtet sind. Der damit 
gewonnene Raum dient zu Emporen, welche mit dem 
Musikchor, der sich bis zum ersten Pfeilerpaare vor- 
schiebt, in Verbindung stehen. Die Decke des Lang- 
hauses wird durch ein netzförmiges Rippenwcrk getra- 
gen, Übrigens hat in Folge Senkung einzelner Partien 
des Gebitudes das Gewölbe bedeutend gelitten. Das 
l'rcsbytcrium besteht aus zwei oblongen Quadraten und 
dem aus dem Achtecke eonstrnirten Chorschlusse. Die 
Hippen der Kreuzgewölbe stützen sich auf runde Halb- 
siinlen, die Fenster des Presbyteriums sind spitzbogig. 
jene des Langhauses, sowie des Portales sind geschmack- 
los modemisirt. Der Thurm enthHlt in seinem unteren 
Gcsrhoss die Saeristei. Der Aufgang in seine oberen 
Abtheilungen befindet sieh im mächtigen Mauerkörper. 
Er ist 144 Fuss hoch, mit einem Spit/.daehe abgeschlos- 
sen, ausserdem sind die Ecken noch mit Krkerthtlrm- 
ehen versehen. Die Gloekenstube besitzt grosse spitz 
bogige Fensler. dnvon eines noch mit Masswerk geziert 
ist. (Fig. 4.) 



Die Kirche des Ortes Pergkirehen liegt auf 
einer Auhöhe; sie ist einschiffig, da die Anbauten rechts 
nnr als Capellen zu betrachteu sind. An der linken Sehe 
des 4f?Fuss langen Schiffes springen Mauerpfeiler in da« 
Langhaus hinein, an denen die Hippen der Kreuzgewölbe 
aufsitzen. Es ist eigenthlimlich, dass ausser diesen nnch 
einwärts gezogenen Strebepfeilern auch noch an der 
linken Aussenseite Strebepfeiler angebaut sind, die aber 
mit den inneren Pfeilerbautcn nicht völlig correspon 
diren. An den Übrigen Stellen des Langhauses in den 
Seitencapellcn stutzen sich die Rippen auf runden Halb- 
säulen. Das Presbyterium (3G Fuss lang, 23 Fuss breit) 
besteht aus zwei oblongen Jochen und dem fUnfseitigen 
Chor-Schlusse und ist mit einem hübschen Netzgewölbe 
Uberdeckt. Die Fenster daselbst sind spitzbogig, die des 
Landhauses arg umgestaltet. Die Kirche ist von Stein 
und ein Werk einfacher Gothik. Der Thurm steht links 
des Chors, er ist niedrig und unansehnlich. 

Zunächst des Hochaltars befinden sieh zwei Grab 
steine; der eine zeigt ein eingemeisseltes Kreuz, dabei 
KKW und HSKZA., der andere ein Wappenschild mit 
drei Gem8geweihcn darinnen, dabei folgende Inschrift: 
..Hier liegt begraben der edl vnd gestreng Herr Erasiu 
Hak Erbsess aufBorniiu, so entschlafen zu Stain den 
?6.Miri 1617«. Frontet. 

Tödesdarstellungen vor den Todtentänzen. 

Die Literatur Uber mittelalterliche Todesdarstellung 
und Uber die Todtentänze vornehmlich ist allerdings 
keine kleine mehr. Dennoch vermissen wir zur Stunde 
noch eine umfassende Erforschung der historischen 
Entwicklung dieser Kunst- und Literatur-Form, welche 
einen so wesentlichen Factor der Phantasicwclt jener 
Tage ausmachte. Bei derartigen Untersuchungen wird 
sich die Frage Uber das Aufkommen der charakteristisch 
mittelalterlichen Todesdnrstellung von jener Uber den 
Ursprung der originellen Erscheinung der Todtcntanz 
Idee kaum trennen lassen, denn die erstere bedingt die- 
selbe in formeller und gedankenhafter Hinsieht. Auch die 
folgenden Notizen sind keine Erledigung dieser Fragen, 
sie treten blos als Beitrüge herzn, um auch andere 
Freunde der vaterländischen Vorzeit zur Beachtung und 
Aufzeichnung ähnlicher Stellen und Nachrichten anzu- 
regen, die sich viclverstrent aus Schrift- sowie Kunst- 
werken werden sammeln, und dereinst hoffentlich zu 
einem einigermassen klaren Bilde des historischen 
Werdeganges dieser Vorstellung vereinigen lassen. 

Die charakteristisch christlich -mittelalterliche Auf- 
fassung des Todes ist die in Gestalt einer Leiche, des 
der Verwesung anheimgefallenen Menschenkörpers und 
des Gerippes endlich. Nnch der gewöhnlichen, und all- 
gemeinhin auch richtigen Angabe haben die moralischen 
Vorstellungen der Zeit, Abtödtnng de« Fleische» und 
mönchische Philosophie, ferner aber auch der gewaltige 
Eindruck der grossen Pestzeiten auf die GemUther, den 
bedeutendsten Antheil an dieser gräulichen Verkörperung 
des Todesgedankcns. In den "früheren Jahrhunderten 
des Mittelalters, wissen wir, findet sieh diese markirte 
Betonung des Entsetzlichen in der künstlerischen und 
literarischen -Auffassung vom Tode noch nicht, denn all' 
die so eben erwähnten Factoren haben das Leben 
damals noch nicht beeinflussl. Sowohl die heidnisch 
germanische Kraft im Volksgeiste als die fortwirkenden 



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LXXXV 




antiken Reminiscenzen unter den Gebildeten waren in 
diesen ersten Jahrhunderten noch zu rege und lebens- 
voll, als dass eine solche, rein dem Mönchsthume ent- 
keimte Schöpfung bereits hätte anfkommen können. Aber 
die Anfange sind doch schon nachweisbar. Tod und 
Sünde waren dem Mönche eins, beiden war Christ u-i 
aufs Haupt getreten, beide mussten daher frühzeitig als 
liässlich gedacht werden. In diesem Sinne sind Kunst- 
darstellungen gedacht wie jene Miniatur eines Wormser 
Missales, das einige (OidrOB, icon. p. 806) ins IX. 
.«der X. Jahrhundert, andere erst in das XI. versetzen. 
Hier sehen wir den Tod von Christo an der Kette gehal- 
ten, als einen schmutzigen zottelhanrigen Alten in Bett- 
lerkleidern, weder ganz Leiche, noch ganz Skelett ; aus 
dem Munde fahren Flammen, indem die Lanze des Siegers 
ihm in den Schlund gestossen wird. Wäre die erst- 
genannte Üatirnng eine richtige, so liülsste ich diese 
Darstellung (des Codex theol. lat. 192 in der Hihi, des 
Arsenal n Paris)nls die älteste der mir bekannten mittel- 



alterlichen Todesdarstellungcn bezeichnen. Dass hier 
nicht der böse Dämon sondern der Tod als Wider- 
sacher Christi zu verstehen ist, obwohl spätere Dar- 
stellungen auch den Teufel in Ketten vor dem 
Erstandenen erscheinen lassen, geht aus der abge- 
magerten, halb Icicbcnhaftcn Figur des Gebändigten 
hervor, aus der allein eben sich die spätere Gerippe- 
darstelluug entwickeln konnte. 

Wenn nun in solchen Äusserungen, die auf Schrift- 
steilen wie Paul. Köm. 5, 12 und Kor. I. 15, 26 beru- 
hen, die mönchisch- christliche Todes-Idee sich mani- 
festirte und die ersten Keime einer künftig zn allei- 
niger Geltung bestimmten Erscheinung gelegt wurden, 
so lebte gleichzeitig die dem Volke aus seiner Vorzeit 
gebliebene Anschauung noch unvcrkOmmcrt fort, so 
kräftig, dass sie, nach mannigfacher Trübung und 
Modificirung freilich, in seinen Märchen und Sagen 
heute noch erkennbar hervortritt, die heidnische Auf- 
fassung des Todes. Wir schenken diesem Gegensatz 
gleichfalls einige Aufmerksamkeit, weil die spätere 
im Mittelalter allgemeine und im wesentlichen rein 
christlich gewordene Todesfignr einige Züge auch 
der alt-germanischen Todcsvorstellnng verdankt. Wir 
sehen hier ab von Hei oder Pcrsonification des 
Schlachtentodes in den Walkttren, obwohl vielleicht 
der seltsame und gerade in Deutschland heimische 
Glaube an einen weiblichen Tod, die „Todin", welche 
Hechstein. Deutsches Sagenbuch, Nr. 303, Wolf, 
Deutsches March, und Sagen h., Nr. 95, Alpenburg, 
Mythen und Sagen Tyrols, p. 345 f. u. a. erwähnen, 
hiemit zusammenhängen konnte. Im Volke galt damals 
allgemein die Vorstellung, der Tod sei ein freund- 
liches dämonisches Wesen, in Wäldern und Bergen 
hausend. Seine Erscheinung wird uns zwar nirgends 
beschrieben ; dass er als mythologische Persönlichkeit 
aber existirte, beweist das Vorkommen von Namen 
des im Walde wohnenden Tod's. Grimm, myth. p. 8 1 1 , 
denkt bei dem Namen Freund Hain zwar an eine 
Verwandtschaft mit Hcune, da es Todesricsen gibt, 
aber die andere Form des Namens: Hagen deutet 
doch unzweifelhaft auf die Ableitung von jenem alt- 
deutschen Worte, das den Wald bezeichnete. Nach 
Kochholz, Aargau, Sag. II. 190, ist Alahirzi, Holz- 
hirzi der Todesgeist, der die Seelen in den Wald 
abholt (vgl. auch Vernalckcn, Mythol. u. Bräuche 
p. 74 n.), ein zum WaldpOpel vergröberter Todesgeist 
erscheint ferner in Pan/er's bair.Sag. II. p. KKi. Daher 
hat Geiler v. Kaisersberg sein Buch de arbore humaua 
geschrieben, „darin geschicklich und in Gottes lob zu 
lernen ist, des holtzmeyers, des dotz, fröhlich zu 
warten* (Ausgb. Strassbg. 1521), und schildert ihn als 
Förster, der alle Stämme zu fällen Gewalt hat. Solehe 
Ausdeutung der einfachen, in der Volks-Tradition über- 
lieferten Idee, dass der Tod im Walde weile, ist aber 
schon Folge der im XVI. Jahrhundert längst zum Sieg 
gelangten christlichen Auffassung von des Todes 
Schergenamt, Wildheit und Grausamkeit. Der heidnische 
deutsche Wald-Tod scheint an inictiseher Bedeutung dem 
griechischen Todes-Gcnius ebenbürtig gewesen zu Bein, 
nur natürlich im Charakter verschieden, als die roman- 
tische Gestalt, die geheimnissvolle Waldgotthcit des 
nordischen Volkes, im Gegensatz zur südlichen Plasti- 
cität des Thanatos. AlleB deutet auf ein freundliches 
Bild hin, das man sich von ihm machte, vom „Frcunde u 



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LXXXVI 



Main ', in dessen schattigen Bezirk todwunde Helden Hieb 
vom Wahlplalzc schleppten, um im Walddnnkel ihr 
Leben zu verhnnohcn. Vielleicht gehört auch hieher, 
das» die Alnmaiinen ihre Todten in Tannen begruben, 
woher in Obcrocbwaben die Särge noch immer Todten- 
bäume genanut werden. 

Solch' einem tiefcingcwurzeltcn Glauben des 
\ olkes mnsste nun die Kirche, in Verfolgung ihrer 
allgemeinen Kichtung einerseits gegen das Volks- 
tümliche, Heidnische, anderseits wider alle Liebe zur 
Natur, entgegentreten. In ollen Gebieten ihrer Thätig- 
keit, insofern sie sich in das Volksleben, die Alltags- 
sitte und Gewohnheit mischte, auf den Verkehr der 
Geschlechter, auf Kunst und Literatur sich erstreckte, 
wurde die Natur mit der Gabel ausgetrieben, indem 
durch das Moral-Gesetz die Natur, all' ihre Äusserungen 
und Folgen, all' ihre Werke für sündhaft und gefährlich 
erklärt wurden. Line Todesrorstellung nun, die in so 
dichterisch-freundlicher Weise die bittere Noth wendigkeit 
erklärte , draussen an die unentweihte Natur anknüpfte 
und zugleich dem wälderliebenden Germanen so national 
eigen gewesen, war nicht zu dulden; sie lief der Absicht 
gerade entgegen, in welcher die Kirche den Tod als 
schrecklichen Gerichtsbotcn des Jenseits zu schildern 
suchte, ein solch' milder Wald-Genius passtc nicht als 
Pförtner des dunklen furchtbaren Reiches der Zukunft. 

Daher Beben wir, je mehr das Mönchsthum und 
«eine Lehre gedeihte, dem Tode eine immer grässlicbcrc 
(lesta!! verliehen, bis das Volk sie angenommen, seine 
althcidnisehe Vorstellung ins Märchenreich verwiesen 
und endlieh diese neue Form mit seiner unverwüstlichen 
poetischen Kraft selbst wieder zu einer sinnvollen 
Erscheinung umgestaltet hat. Welch' feine tiefver- 
borgene Ironie der Volksgeist durch die Annahme der 
von der Kirche geschaffenen Todes-Figur des Mittelalters 
bewiesen, glanbe ich an einem andern Orte gezeigt zu 
haben. (Mittheil. d. f'entr. f'omm. f. Erh. d. Baudenk- 
male 187«>, p. ('III. Zur Philosophie der mittelalter- 
liehen Todesdarstcllung). 

Dans nicht, wie einige meinen (Schnaasc, Kunst- 
gesch. VT. p. ü'Jl), die früheren Bilder der Legende von 
den drciTodten und den drei Lebendigen, zu den ältesten 
Todesdarstellungen gehören (sie sind von 1307), steht 
lest. Die Stelle von der Belebung der Gebeine bei Eze- 
chiel 37, 1—9, welcher überhaupt vielleicht ein nicht 
unbedeutender Antheil an der Bildung der kirchlichen 
Todes- und Aufcrstehungs-Idce zugesehrieben werden 
darf, scheint auch den Künstlern am frühesten die Gele 
genheit geboten zn haben, sich in der Zeichnung von 
(icrippen zu üben. Wir finden eine derartige Miniatur 
bereits in dem der Pariser kais. Bibliothek gehörigen 
Codex der Predigten des heil. Gregor Naz., einem byzan- 
tinischen zwischen 807 und88ü vollendeten Manuscripte. 
Auf das Vorhandensein von Bildwerken scheint hinzu- 
weisen, wenn im Kenner 23S>78-80 r der gelwe tOt", bei 
Wnlthcr von der Vogelweide die Welt schwarz, „vinstcr 
sam der tot- genannt wird. Im flandrischen HeinardiiB 
winl eine knöcherne Geige „ossea ut dominus Blieero" 
geheimen (.'t, 2102), Uber welchen Beinamen Blicerodes 
Tod« s. G rimm I. c. p. X<>0. Diese Stelle ist die älteste, 
worin wir von dem Geripptode wenigstens eine Andcii- 

■ GrlniM I. c. Mft iw»r. « k.nfi« «or ,Uu, XVIII J.l.,J.u„!.n MM 
»rliriniKII«. «orin irr N»»e »urm», flbi «bor MlWl i». lui .r ,i.„ »i, 
»l. hl rrfimd» »arJc. Kr «Unrte In jr« f,üh..mi Hi-, b. numnliit«» htMl 
M».»<y. MM »u. Off ut.m. V..;k.Lb.rllef.iUMt. 



tung finden; sie fällt in die Mitte des XII. Jahrhunderts. 
Gleichzeitig aber mögen wohl schon bildliche Dar 
Stellungen des Todes in leichenhafter Gestalt existirt 
haben, denn ich finde in Wigalois (121)8-1210) die 
Beschreibung (9998 f.) „an stnem Schilde was der tot 
gemalt vil griuliche*. Der Todesgott der Slawen, Flins, 
wurde gleichfalls als Skelett abgebildet (Lansitzer 
Monatschrift 17%, p. 21). Die Stelle von der Frau Welt, 
welche dem Dichter Wirnt von Gravenberg erscheint, 
vorn schön und reizend, rückwärts von Gewürm und 
Verwesung zerfressen (Von der Hagen, Gesammlnbdr. I, 
p. LXIV) ist allbekannt. Am Wormser Dom findet sich 
eine Statue, vorn lieblich anzuschauen, im Kücken voll 
Schlangen hängend, ans dem XIV. Jahrhundert (Palk, 
Bildwerke des W. D. Mainz 1871, p. 18). Im Wolfdiet- 
rich wird der Held von König Balian zu einem Bilde 
geführt, „heisset der Tod", welches er zerschlägt. Fri- 
dankes Bescheidenheit spricht im Cap. _voo küuegeu 
und vürsten^ (Ausg. v. W. G rim in, p. 70) : „ir h£rschaft 
duuket mich im wint, s!t boese würnic ir meister siut-, 
was sowohl auf die obige Stelle von der Frau Welt als 
auf die viclverbreitete Sage von den drei Lebenden, 
und drei Todten hinweist, die in den meisten Gedich- 
ten und Bildwerken als gekrönte Häupter erscheinen. 
Ich verweise betreffs dieses Sujets, nebst der oben citir- 
teu Erwähnung bei Sehn aase, vorzüglich auf Bragur I. 
pag. 3G9, Douee und A. de Montaiglon, L'alphabet de 
la mort de Haus Holbein etc. suivi d'anciens poorucs 
francais sur le sujet des trois morts et des trois viv es. 
Paris 1850. 8*. Hier nur einige daselbst nicht erwähnte 
Darstellungen des Gegenstandes. So ein Fresco in der 
Kirche zu Enuezat (Puy de Dömci, das dem XV. Jahr- 
hundert anzugehören scheiut. Es war im vorigen Jahr 
unter den im Oesterreiehischen Museum ausgestellten 
Schüleraufnahmen der Pariser Ecole centrale de l'ar- 
chitecture zu sehen. Aus derselben Zeit datirt ein 
Wandgemälde der Martins-Kirche iuZalt-Bommel, worauf 
die drei Fürsten, vom Jagdgefolgc umgeben, die drei 
Leichen, rückwärts eine heitere Landschaft. Spruch- 
bänder enthalten moralische Verse, deren einer („was 
ou nu denkt u eronen dragheu, En mach np dit pas niet 
mer jaghen J ) nun die Jäger als die Gejagten darstellt, 
wie es im Wartburgkrieg heisst (lHr4) : „der jeger ist der 
tot benant, er vueret maneger «lallte siuehe an sfner 
liant". Obiges Gemälde ist besehriehen im Kunstblatt 
1847, p. 30 f. ». Ich brauche an das. ehemals Orcagna 
beigemessene Fresco in Pisa nicht zn erinuern, bemerke 
aber, dass schon der Maler des Querschiffes in der Unter- 
kirehc zu Assisi den heil. Franz gemalt hat, der auf ein 
gekröntes Skelett zeigt. Die drei Lebendigen mit drei 
Todten linden sich dann später noch häntig, doch in der 
Abweichung, dass die letztern von den Keilern nicht in 
ihren Särgen liegend angetroffen werden, sondern als 
Gerippe ihnen dräuend entgegentreten, eine Variation, 
welche den Todtentanzbild werken ihren rrsprungdanken 
mag, woselbst immer je ein Tod einem Lebenden zur 
Seite gegeben ist. Derartige Kunstdarstellungen sind 
u. a. eine Kandver/.ierung des (iradnales, bez. Nr. 47, 
E. 7, in der k. k. Hofbibliothek, um 14<m, wo das eine 
Skelett des Keiter» Kons am Zügel leitet, das zweite den 
andern ansprü ht und auf das tirab deutet, das dritte 
endlich sieh aus den Lüften mit dem gesiegelten Todes 

« F.i. (.»«Kid« »oo P. rmk I» Münch»» ««ip «bmfiili Ja-S'l 
t-Ut. d.iu dl« ll« ttl chr» ilii Wild .ui». S .v s .ltitl,.h »«rdrn. 



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LXXXVI1 



urthed des dritten herniedersehwingt. Die drei Lebenden 
sin«) hier wieder fürstlichen Hange«. 

Ans dem XV. Jahrhundert stammt ebenfalls eine 
ausgezeichnete Handzcichuuug holländischen Ursprunges 
im Besitz des Herrn Dr. Fr. Lippinuun in Wien; wir 
Hellen daselbst wieder die drei Heiter und drei Gerippe, 
eine andere desselben Sojets besitzt die Albertina, angcb- 
licli von Dürer' s Hand, naeh Waagen (kunstdenk, in 
Wien, II. p. löst vielleicht Mahlung Grien. Der Stoff der 
drei Lebenden und drei Todten erseheint in Deutschland 
meines Wissens weder in Literatur noeh in bildender 
Kunst, «rührend namentlich Frankreich, dann auch die 
Niederlande und Italien vertreten sind. In Paris stellte 
ihn ein Bildhauer auf Anordnung des Herzogs Jean de 
Berrv im Jahre 1408 an der Kirche des ionocents dar 
l Antiquites de Paris de Dohren 1, 1 *»:«>>. 

Doch wir haben mit Anführung der obigen Dar- 
stellungen dieses weitverbreiteten .Stoffes benfits die 
gesteckte Grenze Ubersehritten, da man den Pariser 
Todtentanz von 1424 nls den ältesten angibt. Im folgen- 
den daher unr noeh einige Todcsdarstc Hungen beson- 
derer Gattung vor dem Anfang des XVI. Jahrhunderts. 

Ezechiel, cap. 31, vergleicht das von Jehovah dem 
Untergänge bestimmte Assur mit einem Baume, der dem 
Sturze geweiht ist. Dieses Bild, im Vereine mit der Stelle 
im F.vangelium vom Ausbauen der Bäume und nicht 
minder die Verschmelzung solcher Sentenzen der heil. 
Schrift mit Erinnerungen von der Weltesche Ygdrasil) 
und dem Glanben an den Tod als Waldgeist im dent- 
schen Volke hüben die Idee eines Todtenbanme« im 
Gegensatz zum Paradieses- und Krcuzbanme als den 
Lebensbiiiimen in der mittelalterlichen Ansehnnnng her- 
vorgebracht. Schon zu Ende de» XML Jahrhunderts 
wurden beide Büume, dieser mit Engels, jener mit 
Todtenköpfcu als FrUehteu besetzt, in der Kathedrale 
in Trier gemeisselt. (I)idron, nnnal. arch XVI. p. ItiO.) 
Ein Freseo der Kirche zu Amcneh Ro<la in 

Schweden vom Ende des XV. Jahrhunderts stellt den 
Menschen auf einem Baume stehend vor, dessen Stamm 
ein, nls Leiche gedachter Tod durchsägt, während ein 
zweiter mit dem Pfeil auf den Menschen anlegt. (Man- 
delgreen , monnments scandin. du moyen äge, 
p. XVIII.) Behaut hat in einem Stiche gar den Apfelbaum 
des Paradieses als Gerippe anfgefasst. Mit dieser Idee 
scheint es zusammenzuhängen, wenn in den Stichen von 
Dllrer und Jsr. van Meckenen (Bartsch 184), welche 
den Spaziergang eines Liebespaares zum Gegenstände 
haben, der Tod hinter dem Baume lauert; es ist die« 
dann wohl Paradieses- und Todeshaum zugleich. Dass 
ferner auch ein Zusammenhang mit jenem Stiche des von 
Nngler Hans von Windheim genannten Meisters II. W. 
besteht, auf welchem der Tod zwei Greise erlegt, ein 
Knabe aber einen nahen Bnum in vergeblichem Flucht- 
versuch erklettert (Bartsch VL pag. 312), wäre wohl 
denkbar (2. Hälfte des XV. Jahrhunderts), endlich gehört 
hieher ein Holzschnitt der Hofbibfiotbck circa 1470 
(Waagen, l. c. p. 31 1). 

Der Kampf Christi mit Tod mid Tenfel in der 
Unterwelt bietet auch eine Anzahl Todesdarstellungen. 
Auf dem Gerippe stehend, wie er dem Bösen die Lanze 
in den Rachen bohrt, zeigt ihn ein Gemälde zu Scbnce- 
berg im Krzgebirg (Waagen, K. in Dentscbl., I. p. 57). 
im Dome zu Halberstadt fllhrt der Sieger beide an 
einer Kette, aber auch der Tod Adam und Eva, wozu 

XVII. 



dann der Teufel geigt, das letztere eine Variation der 
Todtentanzvorstclluiig(Fiorilhi, II. p. 1 ;>!•). Den Kampf 
endlich enthält wieder ein bei Hathgeber, Gothaer 
Mus p. 172 beschriebener Kupferstich, St. Michael'« Streit 
mit beiden Unholden, ein Gemälde Peter Christophscns. 
de* Schillers des van Eyck, in Berlin. 

An die Liebesscencn schlicsst sieh an der Vorwort 
eines Bildes in derMori/.-Capellc in Nürnberg, Adam mit 
Tod und Teufel; ferner ein Stich des Mair von Lands- 
hut, bez. 1101» (Bartsch, VI. p. 302 ff.), woselbst ein 
Liebeshof im Sinne des Pisaner Fresco gezeigt wird, Uber 
dessen Mauer der Tod mit Bogen und Pfeil sichtbar ist. 
Mit dem GlBcksrade verbunden erscheint der Tod in 
einem Holzschnitte der Hofbibliothek c 1470. Die be- 
kannte Erzählung von dem Menschen, der in den Brunnen 
stürzt und hier vom Tode, Drachen, Einhorn und nagen 
den Mäusen bedroht wird, welche in Bariaaiii und Josa- 
phat, in einem andern ahd. Gedicht (Lassberg, Lieder 
saal f. png. 252) und von Htlckert behandelt ist. war 
einstens gemalt zu sehen im Kloster Lorch in Schwaben. 
Der Tod war abgebildet, wie er mit seinem Bogen auf 
den Menschen zielt. 

Auf Grandlage der schon vom heil. Hieronymus 
gctheilten Ansieht, dnss das Kreuz Christi auf der 
Stelle der Begräbnissstätte Adams errichtet wurde, 
findet sieh bereits auf Crneifixen des Mittelalters am 
Kusse des Marterholzes der Todleuschädcl angebracht. 

Eine häufig vorkommende Auffassung des Todes, 
als schneller Heiter, die in ihren tiefsten Wurzeln auf 
die Helgakvidha der Edda hinabreicht, auf der zahllose 
Volkssagen in Styl der Btlrger'schen Lenore beruhen 
(Wackernagel in Haupt und lloffmann's altd. Blätter 
1835, p. 174 ff.), findet auch in der bildenden Knnst ihre 
Repräsentation. Merkwürdig erscheint jedoch die Dar 
Stellung einer Miniatur in einem Audaehtsbuche der 
GHttweihcr Bibliothek, das Primisser der van Eyek'schen 
Schule zutheilte. Hier reitet der Tod auf einem schwarzen 
Elennthiere und schlägt Pürsten, Bettler, Ritter und 
Mönche zu Roden. (Vgl. Sc h midi. Wien's Umgebung I. 
p. 4f>8.) Zn läugnen ist Übrigens nicht, dnss solche Dar 
Stellungen auch der Apocu). o\ 8 ihre Entstehung ver- 
danken können. Albert Ihj. 

Ein Lamberg'scher Grabstein im Schottenkloster 
zu Wien. 

<nii i nilwfcrtt) 

Als in den Jahren 1827— 1835 das Stiftsgebämle 
der Schottenabtei umgebaut wurde, ging durch die 
damalige Beseitigung des Kreiizganges und seiner Ca- 
pellen ein wichtiges Denkmal mittelalterlicher Baukunst 
Wiens verloren. Leider ist dieser Verlnst ein ganz voll- 
ständiger, denn weder im Bild noch durch eine getreue 
Beschreibnng hat sieh das Andenken an dieses kirch- 
liche Bauwerk erhalten. Nur ein kleiner Trnct bewahrt 
noch die Erinnerung halbwegs an dieses alte Bauwerk, 
es ist die Eingangshalle ans der Sacristei in das Pres- 
byterinm der Stiftskirche , unzweifelhaft ein Stück des 
ursprünglichen romanischen Kircbengebändes. 

Wie es fast liberall in den Krenzgängen der Kall 
war, fanden auch in diesen Räumen des .Schottenstiftes 
viele Personen ihre Ruhestätte. Eine grosse Anzahl der 
verschiedenst geformten (trabsteine war an den Wänden 
befestigt und im Bodenpflaster eingelassen. Ungeachtet 

■ 



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LXXXYlll 




der Beseitigung des Kreuzganges ist eine bedeutende 
Anzahl dieser Monumente erhalten geblieben. Freilieh 
wohl verloren sie ihren ursprünglichen Standplatz, doeh 
wurden die meinten in einer ueugebauten Capelle, eine 
Art Mausoleum, wenn auch nicht in ganz gelungener 
Weise aufgestellt, denn thcils reihte man sie in ängst- 
licher Symmetrie aneinander, wobei viele mit einem 
ganz gleichen .Steinrahmen ausgestattet wurden, theils 
legte man sie wieder in den Boden, ein für die ( on- 
servirung des Denkmals niemals rathsamer Vorgang. 
Viele Denkmale fanden in neuerer Zeit ein schlitzen 
des Plätzchen in der geräumigen Gruft . die sich in 
dreischiffrger Anlage unter der Kirche ausdehnt und 
selbst bis unter das I'rcsbyterium sich erstreckt, woselbst 
sie an den Wänden in ganz passender Weise aufge- 
stellt wurden. Jedenfalls hat das Stift damit wiederholt 
gezeigt , in welch' anerkennenswerther und mustcrgil- 
tiger Weise es diese Denkmale zu schlitzen sticht. Frei- 
lich wohl ging man bei der ersterwähnten Aufstellung 
nicht immer mit der erforderlichen l'msicht zu Werke, 
daher es kam, dass der Hildnissstein und der Inschrift- 
stein eines und desselben Grabmals nicht immer vereint 
blieben, wie dies am Monument des Jacob von Landau, 
f 1525, der Fall ist; hei einein andern Monumente ist 
der Iuschriftstein ganz verschwunden. Dieses Deukmal 
soll uns für einige Augenblicke weiter beschäftigen. 

Ks ist jene Mannorplatte, die sich gegenwärtig an 
einer Wand jener Capelle (Mausoleums') befindet, welche 



sieh links au das Laughaus der Kirche anschliesst und 
als Aufstellungsort für eine bedeutende Anzahl von 
Grabdenkmälern dient. Die Platte zeigt in Hoch-Relief 
das Hild eines Hilters, eine ganz geharnischte Figur, das 
Visier hinaufgeBchlagen, die Linke auf das an einem 
Leibriemen befestigte Sehwert gelegt, in der Kechteu 
eine mächtige, flatternde Kahne haltend. Zu den Füssen 
ein Wappenschild, zugleich der einzige Anhaltspunkt, 
um eruireu zu können, wem dieses Denkmal bestimmt 
ist, da der Insehriftstein, welcher sicherlich ursprünglich 
beigegeben war. gegenwärtig fehlt. 

Das Wappen ist vierfeldig mit einem llcrzschilde. 
Das erste und vierte Feld, der Länge nach gespalten, 
ist rechts viermal abwechselnd der Quere getheilt, das 
linke Feld ist ledig, im zweiten und dritten Felde 
erscheint ein nach rechts springender Hund mit einem 
Halsbande. Im Herzschildlein sieht man einen gekrön- 
ten Kranich. Drei Helme Überdecken den Schild, davon 
der mittlere den Kranich, der zur rechten zwei Büffel- 
heiruer und der dritte den springenden Hund als Zimicr 
trägt, also das Wappen des Hauses Lamberg, Sauen- 
steinischer Linie. 

Die im Archive des Schottenstiftes vorhandenen 
Aufsehreibungen Uber die im Stifte befindlichen und 
auch ehemals bestandenen Grabdenkmale benennen vier 
Mitglieder des Hauses Lamberg. die daselbst ihre Ruhe- 
stätte fanden. Es sind drei Frauen. Namens Margaretha, 
und Johann Frcih. von Lamberg. dessen Deukmal „eiu 
Mann im CUrass in Marmor gehauen mit dem Wappen ■ 
sich ursprünglich beim siebenten Fenster des Kreuz- 
ganges befand ; eben jener Stein, der noch gegenwärtig 
erhalten ist. 

Iber Johann (auch Hanns) von Lamberg bringt. 
Wissgrill v. ;jiil» einige Nachrichten, sowie er auch 
die Inschrift des Denkmals mittheilt, das, richtig ge- 
stellt, folgendermassen lautet : 

„AunoDmi.l5.1l> den «.Juli ist gestorben des Wohl - 
geporne Her Her Hanns von Lamberg herr zu Saunstein 
etc. etc. rbm: auch zu l'ngaru vnd Böhaimh kllnigl. 
Maj.- Rath und deroselb liebsten kllnigl. gemachel Obri- 
ster Hofmaister. In Anno ünii. 1537 den Kl Novembris 
ist gestorben die Wohlgepome Frau Frau Margareth eine 
geporne von Knzestorf Wailnnd Heru Hansen von Lam- 
berg gelassene Gemachel.- Dr. K. Und. 

Evangelium-Codex mit vielen kostbaren Miniaturen 
und Initialen im Prager Doraschatze. 

Wenn der im XVI. Itande dieser Mittlieiluugcn be- 
schriebene Codex wegen seines Alters, der Kigentlilhn- 
liehkeit seiner Initialen, und theilweise wegen seines 
Finbandes von höchstem Interesse ist, so verdient auch 
der in Uede stehende nicht weniger Aufmerksamkeit, 
sowohl weil er uns die Miniatur- Malerei auf einer hedcu- • 
tenden Hohe künstlerischer Entwicklung zeigt, als auch, 
weil seine Anfertigung durch genaue Inschriften chrono- 
logisch bestimmt wird. Auch iu historischer Beziehung 
möchte derselbe grosses Interesse bieten durch seine 
Malereien, auf die wir gleich zurückkommen werden. 

Das vorliegende Plcnarium ist von ziemlichem l'm- 
fange, indem die Pergamenlblätter 0-255 M. in der Breite 
und (KM M. in der Länge messen. Wie bei allen Flena- 
rien. beginnt das Munuscript mit der Überschrift: Beato 
l'apae Daums« Hieronymus, worauf der bekannte Prolog 



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LXXXIX 



des grossen BibelUbersctzcrs folgt. Hieran sehlicsst sieh 
auf 17 Seiten mit kostbaren Verzierungen und Vergol- 
dungen die Es -ansehen -Harmonie , nrid zwar ist diese 
t'oneordanz, wie bei dem obigen Codex, zwischen kleinen 
SUulehen mit Knndareaden nebeneinander geordnet. In 
dem Tympanon jeder dieser Areaden erblickt man in 
einen Medaillon die Halbfigur je eines Apostels, der auf 
einem Bande einen Spruch des Symboliim Apostolicum 
trägt , wodurch also bildlich die Tradition verunschan- 
lieht wird, das» die 12 Sendboten vor ihrem Weggange 
ans Jerusalem gemeinschaftlich dieses Glaubensbekennt- 
nis« verfnsst haben. Zu beiden Seiten der Rundbogen 
sind interessante Mnlereien angebracht, niimlich auf der 
rechten Seite die allegorischenDarstellungen der Tagen- 
den, auf iter linken die der entgegengesetzten Laster, 
beide mit beigefügter Erklärung 

Nach der Evangelien -t'oneordanz folgt dann eine 
schöne Miniatur in der Grösse de» ganzen Blattes. Von 
einem reichen ornamentalen Rande umgeben, sieht man 
in der oberen Hälfte die Madonna, anf einer selb» sitzend, 
mit ausgestreckten Armen und eine Fracht in der Hand 
haltend; auf ihrem Schosse sitzt in einem runden, gol- 
denen Medaillon der Jesusknabe mit segnender Rechte 
und geschlossenem Buche. Zur Rechten der Muttergottes 
steht Johannes der Täufer, links der Apostel Bartholo- 
mäus. Von diesen drei Figuren gehen ebenso viele Spruch- 
bänder aus, deren Inschriften jedoch nicht mehr verstan- 
den werden können, weil mehrere Buchstaben ausge- 
löscht sind. Auf der unteren Hälfte des Bildes, die von 
der oberen durch einen schmalen Purpurstrich getrennt 
wird, ersieht man rechts Heinrich den Löwen, augethnn 
mit herzoglichen Gewändern, der die Rechte dem heil. 
Blasius reicht und mit der Linken ihm ein goldenes Buch 
darbietet. Der heil. Blasius, in bisehöflichen Gewändern 
und mit dem palliuin bekleidet, weist mit der einen Hand 
nach oben hin; neben ihm sieht man eine zweite Heili- 
genfigur in priesterliehen Gewändern ohne ntitra. Die- 
selbe reicht eine Hand der gegenüberstehenden Herzogin 
Mathilde, und auch diese letztere seheint dem Heiligen 
mit der einen ihr. 1 ein Opfer darzubringen, welches 
wie eine goldene Scheibe nussieht. Über der Darstel- 
lung liest man in dem erwähnten Purpurstreifen die 
Namen jener vier Personen: Heinrieus dux, sanetus 
Blasius, sanetus Egidius, Mathilda dneissa. Die Darstel- 
lung ist in jeder Hinsicht ntrfs reichste ausgestattet; 
sämmtliche Gewänder sind bereits so drapirt um! die 
Dessins der Stoffe so Iren gegeben, dass man siebt, dass 
dieses Buch zu einer Zeit gesehrieben ist, wo die Minia- 
tur- Malerei des Oceidentes zur Selbständigkeit gelangt 
war und schon gründlich mit ihrer byzantinischen Mei- 
sterin gebrochen hatte, indem auch ein Sinn fllr Natur - 
Wahrheit und ein Interesse für kleine Details sich geltend 
macht. ClD so mehr bedauern wir. blos jene Bildwerke 
näher charakterisiren zu können, die ein allgemeines 
historisches Interesse bieten, indem die Beschreibung 
sonst allzu ausgedehnt würde. 

Jedem der vier Evangelien gehen als Einleitung 
vier grosse Miniatur-Blätter voraus, deren Darstcll«igen 
dem betreffenden Evangelium, und zwar meistens dem 
Anfang desselben entlehnt sind. Diesen reich in Gold 
und Silber ausgestatteten Miniaturen reiht sieh dann 
jedesmal das Bild des betreffenden Evangelisten an, der 
unter einer schönen architektonischen Überwölbung im 
Style des Kleehlattltogens sitzt und seine frohe Botschaft 



verfasst; sodann folgt das erste Wort des Textes, dessen 
Initial-Buchstabe durch seine wunderbar reiche Ausma- 
lung und Verzierung eine ganze Seite füllt ; ausserdem ist 
das folgende erste Blatt des Evangeliums mit goldenen 
Buchstaben auf Fnrpurgrund geschrieben . der übrige 
Text aber in Minuskel-Schriften, die nur am Anfange 
der einzelnen t'apitel schöne goldene Initialen zeigen. 

Eine Behr schön ausgeführte und selten vorkommende 
Verzierung befindet sieh auf dem breiten Rande der 
Blätter. Inter einem auf zwei Säulehen gestellten Rund- 
bogen nämlich hat der Schreiber hier zu den einzelnen 
Cnpitcln und Versen alle ähnlich oder gleich lautenden 
Stellen angeführt und durch Striche getrennt, die in den 
anderen Evangelien vorkommen. 

Die Minuskel-Schrift, mit einer Menge von Fncial- 
Buehstaben in Gold und Silber verziert, ist sehr deutlich 
und fliessend geschrieben und mit wenigen Abbrevia- 
turen versehen, die überdies nach einem stetigen Gesetz 
geordnet sind. 

Betrachtet man den überaus kostbaren Reichthum 
dieses Plenariums, so kann man nur annehmen, dass ein 
so grossartiges Schriftwerk anf Geheiss eines Lnnsi 
sinnigen Fürsten entstanden sein muss, der es aus eige- 
nen Mitteln von der knnslgeühten Hand eines Meisters 
anfertigen liess, und in der That besagt die Darstellung 
auf dem erwähnten grossen Bilde ziemlich deutlich, 
dass dieses Werk im Auftrage Heinrich des Löwen ange- 
fertigt wurde, und zwar, wie wir weiter unten sehen 
werden, als Votivgesehenk für eine Beneetinerstiftung in 
seinem I/jtnde, der er und sein Haus besonders zuge- 
than war. Die Darstellung zeigt nämlich, wie Heinrich 
und Mathilde den heil. Blasius und Egidius, den patro- 
nus priinarius und seeundariiis jeuer Stiftung, das vor- 
liegende Buch überreichen. 

Eine andere Scene, welche sieh auf dieselbe her- 
zogliche Familie bezieht r ersieht man auf einem der 
sechs prachtvollen Blätter, die dem Evangelium des heil. 
Johannes vorangehen, wo die Belohnung des Stifters 
und seiner Gemahliu im Himmel dargestellt ist. In 
der unteren Abtheiluug nämlich knicen Heinrich und 
Mathilde, beide in ihrem reichen herzoglichen Schmuck 
und in der Hand ein paciticale in Form eines kleinen 
Kreuzes haltend. Aus den Wolken reichen die beiden 
Binde des himmlischen Vaters hervor, die zwei goldene 
Diademe (ohne Bügel) entgegenbringen. Zur Seite beider 
Knieenden stehen die Ahnen des betreffenden Geschlech- 
tes. Über dieser Apotheose, die in schöner Weise jenes 
„Kommdn getreuer Knecht!- versinnbildet, sind wieder 
um in einem weissen Treniiungsstreifen die Namen der 
dargestellten Personen angegeben: zunächst liest man 
an den betreffenden Stelleu wieder: «lux Henriette, 
dneissa Mathildn. Auch der Vater Heinrich des Löwen, 
der hinter seinem Sohne steht, wird in der Überschritt 
dnx Henrici!» genannt; es ist dies Heinrich der Stolze, 
Sohn Heinrich des Sehwarzen von Bayern. Sämmtliche 
Figuren tragen in der Rechten, gleich den beiden 
Knieenden, ein kleines goldenes Kreuz; «lies sali 
bedeuten, dass alle diese Personen durch ihren leben- 
digen Glauben an Christum den Gekreuzigten zum 
ewigen Leben gelangt sind, gleichwie es bei den Dar 
Stellungen griehischcr Kaiser oft heisst r *Ev Xitiry 
jrerrif. Zur Seile der Herzogin Mathilde erblickt man 
Heinrich II. von England , ihren Vater, nnd Mathilde, 
ihre Mutter: diese Namen gibt nämlich die Inschrift an. 



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xc 



In der oberen Hüllte erblickt nun den Heiland von 
jenen Heiligen umgeben, die in der Abteikirebe beson- 
ders verehrt wurden, und zwar steht auf der einen Seite 
Johannes Raptista sammt den Heiligen Blasius und Geor- 
gias, auf der andern der heil, l'etrus und Bartholomaus, 
und darunter ilie Heiligen Gregoirus und Thomas (letzterer 
wahrscheinlich der Erzbischof von Cantcrburv mit dem 
Pallium). Der Heiland sagt, mit ernstem Antlitz zu den 
Heiligen gewandt uud mit Bezug auf die knieenden 
Gesehenkgehcr: Qui vult venire post ine, abneget seniet 
ipsum et tollat erueem suam et sequatur ine. 

Das folgende Bild, obwohl nicht historisch, ist doch 
wegen seiner originellen Darstellungsweise merkwürdig. 
Mit Bezug auf den Beginn des Evangeliums: „In prin- 
eipio erat verbum 4 hat der Künstler hier in einer 
grossen Miniatur die Schöpfung dargestellt. In der Mitte 
thront majestätisch der Heiland, sitzend auf dem Regen- 
bogen, mit erhobener segnender Rechten und dem Buche, 
worin der Spruch aufgeschlagen ist: Ego Dominus omnia 
faeiens haec. In den vier Ecken der von einem Gold- 
rand umzogeuen Darstellung ersieht man die Halbfiguren 
von vier alttestamentliehen Personen, deren beigefügte 
Sprüche sich auf die Macht des Herrn und seine herr- 
liche Schöpfung beziehen; Moses: In prineipio creavit 
Dens coelum et terram; ihm gegenüber David: Verbo 
Domini coeli eonhrmnti sunt et Spiritus oris ejus; unten 
rechts Salonion: yui vivit internum, crenvit omnia simul, 
links endlich Boetius: Stabilis<jue manens dat cuneta 
moveri. Den Schöpfer umgeben die Symbole des Evan- 
gelisten , welche auf Spruchhäiideni die Anfange des 
betreffenden Evangeliums zeigen. An die ovale Einfas- 
sung des Heilands in Regenbogenfarben lehnen sich 
sechs Medaillons an, in welchen nach der Reihe die 
sechs Tagewerke der Genesis auf sehr originelle Weise 
dargestellt und durch llinzufügung der betreffenden 
Worte der heil. Schrift erläutert sind. 

Deutlicher noch als durch die beiden erwähnten 
Votivbilder werden die näheren Umstände der Anfer- 
tigung unseres Evangelistarium in einer merkwürdigen 
Inschrift angegeben, die sich auf dem ersten Blatte des- 
selben in goldenen Buchstaben befindet und in leonini- 
schen Hexametern abgefnsst ist. Der Reimschmied, der 
gerade kein Meister in der Metrik und Prosodie ge- 
wesen zn sein scheint, hat dem ohnehin nicht sehr 
classisehen Latein überdies noch manche Gewalt auge- 
1 Iiiiii . um Rhythmus und Reim leidlich zu Stande zu 
bringen. Diese Verse besagen also, dass Heinrich und 
Mathilde, deren Geschlecht angegeben wird, die Ge- 
schenkgeber dieses Buches seien; sie verbreiten sich 
weiter über die Tugenden des Herzogs und belehren 
uns endlieh, dass dieses prachtvolle Werk dem Klo- 
ster von Helmward (Helmwardense) unter dem Abte 
Konrnd II. zum tieschenk gemacht worden ist und dass 
sein Verfertiger Hermann Iiicss; das Jahr der Entste- 
hung ist nicht angegeben. Wie uns scheint, ist dieses 
kostbare Miniaturwerk erst in der späteren Regierungs- 
zeit Heinrichs des Löwen angefertigt worden , als sich 
Heinrich nach zurückgelegtem thatenreicheti Lebenslauf 
und nach seiner Rückkehr aus dem heil. Lande (1172) 
mehr den Werken des Friedens und der Religion wid- 
mete. Dafür zeugt die hohe Entwicklung der Compo- 
sition in den Figuren und den prachtvoll stylisirten 
i »rnnnienten, wie wir sie nur im letzten Viertel des XII. 
Jahrhunderts zn sehen gewebnl sind. 



Es dürfte nicht schwer werden zu ermitteln, wo 
jenes Kloster liegt , dem dieses Geschenk zu Thcil 
wurde und welchen Kamen es heute trägt. Vielleicht ist 
hier das heutige Helmstädt zu verstehen. Dass dieses 
Bcnedietinerstift nicht weit von Braunschweig, der Resi- 
denz Heinrich des Löwen, zu suchen ist, dürfte daraus 
hervorgehen, dass aU Hauptpatron desselben der heil. 
BlasiiiB angegeben wird, Uber dessen Grab Herzog Hein- 
rieh die Burgkirehe zu Braunschweig errichtete, die er 
ebenfalls mit den herrlichsten Wandmalereien, die den 
Figurationen unseres Manuseriptes ähnlich sind , deco- 
riren lies». 

Eine andere Frage, deren Lösung schwieriger sein 
dürfte, wäre die, ob der Künstler auch noch andere 
ähnliche Werke angefertigt habe uud ob er es wirklich 
sei, der sieh in jenen Wandmalereien mit gleichem 
Kunstgesehick versucht habe. Uns dünkt es nicht 
unwahrscheinlich, dass der Maler, der so Grossartiges 
in C'omposition nnd Ausführung geleistet habe, wie 
das die zahlreichen Miniatnren des Codex zeigen, sieh 
auch in grösseren Wandmalereien versucht habe. Ein 
genaueres Studium dieser merkwürdigen Wandmale- 
reien, und ein längerer Vergleich derselben mit den 
Malereien in unserem l'lenarium , haben uns den Ge- 
danken nahe gelegt, als ob unser Meister Hermann 
auch der Schöpfer der Wandmalereien in der Burg- 
capelle des heil. Blasius zu Braunschweig gewesen 
sein könne. Zu dieser Ähnlichkeit der Composilion uud 
Stylisirnng kommt noch der Umstand, dass auf dem 
zweiten Dedicationsbilde, unter den Heiligen, die den 
Heiland umgeben, auch der zu Schluss XII. Jahrhun- 
derts auf dem ganzen Continent berühmte Märtyrer 
Thomas von Canterbury dargestellt ist. In der St. Bla- 
sius-Kirche nUmlich ist das Leben ebeu dieses Heiligen, 
der in jenem Lande das Martyrium erlitt, wo aus könig- 
lichem Blute Mathilde entsprossen , in einem grossen 
Cyelus an der Epistelseite dargestellt. 

In Hinsicht der Kostbarkeit dieses Werkes, sowie 
seiner äusserst guten Conscrvirnng, wüssten wir dem- 
selben nur jene fünf ebenfalls dem XII. Jahrhundert 
angehörigen Codices zur Seite zu stellen, welche sich 
bis zur Stunde im Kirchenschatze zu Wintersheim er- 
halten haben und deren sechster Band, der das Werk 
erst vollständig macht, sich im Besitz des Grafen von 
Ftlrstenberg befindet. Diese Codices könnten als das 
G rossartigste betrachtet werden, was uns die Schreiber 
und Miniatoren aus jener Zeit überliefert haben. 

Das eine muss jedoch beklagt werden, dass zu 
unserem Manuscripte der ursprüngliche Einband, der 
gewiss sehr kostbar gewesen sein mnss, nicht mehr 
vorhanden ist. Vielleicht mochte er schon gegen Sefiluss 
des XVI. Jahrhunderts durch feindliche Plünderung, 
weil er von edlem Metall war , verloren gegangeu 
sein. Auch ist möglich, dass er sich damals in einem 
sehr desolaten Zustande befunden habe, sodass er in 
den Angen der Renaissance kein Erbarmen fand und 
durch einen neuen ersetzt wurde. Im Buche selbst findet 
sich nämlich vor dem Evangelium des heil. Marcus die 
Notiz, dass Georg Pontanus von Preitenberg der Gc- 
selicnkgeber dieses neuen Einbandes gewesen ist: Hiine 
librum laceratiim iliutissimeipie in sno Inen eapitulari 
neglectum in honore dei omnipolentis , bcatissimae 
Marine Virginia et snnctornm patronorum Bohemiae hono- 
ris, amoris et gratitndiuis ergo holoserieo rubro. argen 



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XCI 



tea craee cum Maria et Johanne, cum evangelistis, ange- 
lis tituloque putronoruin, cristallo sanetorum Marci evan- 
gclistae et Sigismund«) eontiuente, clausuriB eompctcn- 
tibns additis revercndissimi ac illustrissimi principis ac 
iloniini domini Sbigpcg Bereue Archicpiscopi Pragcnsis, 
vcuerabilis rapituli et mein iusigniis, propriis naeis snm- 
tibns ad usum votivarara penes s. metrop. ccclcsiain exor- 
nari feei Georg Pontanus a Praitenbcrg, S. M. Ecclesiae 
Dccanus. Ao. 1664. 

Selir wahrscheinlich ist es, dass der grosse Protee- 
tor der Präger Kirche, Karl IV., aneh dieses kostbare 
Manuscript auf seineu Zilien erworben liabe, da es 
sonst nicht gut erkliirbar wäre, wie dieses im Braun- 
schweigischen angefertigte Kunstwerk in Besitz der 
Präger Kirche hatte gelangen können. Dieses Plenarium 
scheint schon bei Anfertigung des Inventars von 1Ü87 
vorfimllich gewesen zu sein und zu jenen drei gehört zu 
haben, von denen das von uns wiederholt erwähnte Ver- 
zeichnis sagt : Itein tria de ebore etc. Dr. Fr. Ihr/.-. 

Römische und mittelalterliche Kunstschöpfiuigen am 
Fusse des Wechsels. 

(Stil 1 H«]/.rL>lll.; 

Ich gebe mit Nachfolgenden) einige Notizen Uber 
alte Kunstwerke aus Uber-Steiermark, die sich in der 
Gegend zunächst des Wechsels finden. 

Die im Übrigen einfache spät-gothisebe Kirche in 
Kr i ed be rg ist, gleich dem allein noch erhaltenen acht- 
eckigen Chor jener in Pinka ein gewöhnlicher gothi- 
schcr Bau. Die ersten- jedoch wieder durch eine eigen- 
tümliche Stellung der beiden Strebepfeiler an der Vor- 
derseite beachtenswertli, welche nicht im Winkel auf 
die Flache, sondern senkrecht auf die Facade, in der 
Art stehen, dass sie an den Ecken nicht gegen die 
Seite geruckt sind, also in der Verlängerung der Aussen- 
wände des Schiffes. 

Einen grossen Genuss gewährt der Anblick des 
neben der einen dieser Streben eingemauerten Böm er- 
st ein es, eines höchst bedeutenden vornehmen Kunst - 
gebildcs. Kenner hat in seiner Abhandlung Uber Nori- 
eiim und t'annonin im Jahresbericht 1870 des Alter- 
thnms- Vereines p. 9G gezeigt, dass Uber Ehreiischachen, 
Deehantskirehen und Friedberg sich eine Römerstrasse 
nach dem Pittenthaie wandte; ob Schmie dl mit Recht 
Friedberg das Solva der Römer nennt, oder ob dieser 
Name nicht richtiger dem Orte bei Leibnitz ziizntlicileu 
sei, vermag ich nicht zu benrtlieilen. Genug, Friedberg 
war sicher eine Station des römischen Heeres, hier 
wurden auch andere Inscbriflsteine gefunden. Von 
grossem künstlerischen Werthe aber ist ohne Frage der 
hier zu besprechende, an der Stirnseite des Gottes- 
hauses. Es ist ein feiner gelblicher Stein von links 
unten nach rechts oben und zxvar fast bis zur Ecke 
daselbst gebrochen, sodass beinahe die ganze untere 
Hälfte fehlt. Den größeren Theil des noch erhaltenen 
nimmt die schöne Scnlptnr ein, das Übrige ein Dreieck, 
zeigt noch einen der beiden Pilaster, welche den In- 
schriftrauni einfassten, und zugleich die Träger des 
Reliefs oben bilden. Das erhaltene Blätter-f'apitäl mit 
starkem Abakus hat beinahe romanisches Gepräge. Zu- 
nächst nun liegt Uber diesen Pilastern ein Streifen von 
di r halben Breite des darüber befindlichen Hauptbild- 
leides. Der erste ist ein wahrer Zoophorism im eigent- 



lichsten Sinne des Wortes, denn man erblickt darauf, 
von links nach rechts, erst einen Jagdhund, der mit 
gekrümmtem Rucken auf einen fliehenden Hasen zu- 
schiesst, vor welchem ein rehartiges Thier in gestrecktem 
Laufe davoneilt. Die Gestalten derThiere, wie das Ganze, 
in leichtem Relief dargestellt, sind von wundervoller 
Natnrwahrheit, mit graeiösester Feinheit in der Bewe- 
gung, gelenk, zierlieh und fast Uberschlank in den Verhält- 
nissen. Das obere Feld zeigt in der Mitte einen Reiternach 
rechts gewendet. Das herrliche Ross greift mit dem linken 
Fusse aus, alle Glieder sind fein, wie gedrechselt, und 
desgleichen fast zu dllnn, schlank nnd elegant in den 
Formen. Die Bekleidung des barhäuptigen Reiters ist 
leider nicht mehr gut zu unterscheiden , seine Linke 
hält den einfachen ZUgel des sonst ganz unbedeckten 
Thieres, die Rechte aber schleudert in der trefflichsten 
Bewegung den Jagdspeer (Iber den znrUckflaltcrndcii 
Mantel hinter sich. Wir sehen das Geschoss im RUcken 
eines, wie mir scheinen will, bärenurtigen Thieres 
stecken, welches links am Rande des Reliefs unter einem 
schon ganz romanischen Baume zur Hälfte sichtbar wird. 
Wie es sich wendet, um dem todbringenden Wurf zu 
entgehen, ist wieder mit meisterhafter Einfachheit in 
der Zeichnung gegeben. Unter dem Pferde läuft der 
Windhund des Jägers, ein reizendes Thierchen, voll 
Schwung und Elasticität in der Bewegung, ein zweites 
Jagdwild entflieht zur Rechten, wo ein Baum in sym- 
metrischer Weise den Rahmen bildet. Die Inschrift des 
sehr interessanten Werkes, so weit ich sie entziffern 
kann, lautet: 

M . ATTIVS . C 

VET . LEC 

ANL ....<. 

Sc bloss Thalberg bei Deehantskirehen. 
Ehe ich meine Beobachtungen in diesem schonen Reste 
der Vorzeit mittheile, — einen Klageruf Uber die ärger 
als barbarische Devastation des in mehr als einer 
Hinsieht interessanten Baues! Im Jahre 1848 noch 
bewohnt, blieb das Sebloss einige Jahrzehnte einfach 
verwahrlost, im gegenwärtigen Augenblicke aber wird 
aus den traurigsten Motiven der praktischen Gegenwart 
alles zerstört und veräussert, — das Tausend Ziegel um 
10 fl.ü Der Plafond, das schöne romanische Portal, 
das Relief, von welchem ich sogleich sprechen werde, 
letzteres mit den Portraits zweier in der Geschichte 
Österreichs bedeutender Personen, werden in kurzem 
vielleicht vernichtet, oder im besten Falle zum Theil 
Uber die Kränze gebracht sein, wie es beinahe schon 
die Regel ist mit allen Kunstalterthttmcrn unseres Vater- 
landes. Hier thäte schleunige Hilfe dringend Noth. Mit 
vcrhältnissmHssig wenig Geld wäre das ganze Sehloss 
in einen herrliehen alterthUmlichen Wohnsitz Hinzu- 
schaffen gewesen, bevor die rohe Gewinnsucht und der 
Unverstand Hand anlegten an seine gewaltigen Mauern. 
Nun werden die Wände der zahllosen alten und neueren 
Gemächer eingerissen, um Ziegel, die DachetUhle abge- 
tragen, um Balken fUr einen zu erbauenden Meierhof 
zu gewinnen, - es ist ein Anblick zum Erbarmen! 

Drei Epochen, die romanische, die gothischc und 
die Renaissance-Zeit, haben noch Spuren in den öden 
Räumen zurückgelassen, von denen ich die bedeutendsten 
in -kurzem anführe. Der ältesten Zeit scheint der aus 



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xcn 




mächtigen Quadern gebaute viereckige Thurm anzu- 
gehören, desgleichen einige des Souterrains und das 
schön ornamentirte kleine Kundbogen- Portal romanischen 
Style«. Ks wird von zwei niederen, runden llalbsänlen 
getragen, auf deren glatten Schäften verschieden defo- 
rme Cnpitäle sitzen; das eine ein Knospen-t'apitäl, da« 
andere mit Perlenschnuren geziert. Oleich daneben fand 
ich im <iraj<c liegend eine unten abgebrochene, jetzt 
halbkreisförmige Ueliefsculptur von röthlichem Marmor. 
Sic zeigt zwei runde, von Matt-Ornamenten umgebene 
Medaillons mit den reichcosttlmirten Brustbildern einen 
Mannes und einer Frau aus der ersten Hiilfte des 
XVI. Jahrhunderts. Die Tracht ist interessant, die tech- 
nische Ausführung völlig in dem angenehm-kräftigen 
Styl der deutschen Benaissance , vor allem aber stimmt 
die Inschrift freudig, in diesem Oränel der Verwüstung 
freilich auch wieder betrübend: Barbnrn von Rottal, 
Freyin auf Talberg. Sigismund von Dictrichstcin. 
Möchte doch diese Erinnerung an Kaiser Maxens Liebling 
und die berühmte Doppelhochzeit gerettet werden <! 

Daselbst ein in der Weise de« XV. Jahrhunderts 
zierlich verstiibtes Fenster mit Blattwerk. Als Uhr- 
gewicht im noch benutzten Thurm erblickte ich das 
Bruchstück eines romanischen Säulcnkopfes. Von Inter- 
esse war mir ferner der im Augenblick meiner Anwe- 
senheit (August 18711 noch völlig complete Plafond 
ans schön tiefdunklcm Holz, eassettirt, mit Halbkugeln, 
die in die Tafelfehler eingesetzt sind, eine saubere 
Tischlerarbeit, wohl ans der zweiten Hälfte des XVI. 
Jahrhunderts; die gothischc Capelle mit vier mehrfach 
gegliederten Wappen - Consolen und Kreuzgewölben, 
zwei Spitzbogenfenstern und einer stattlichen, anf zwei 
Pfeilern ruhenden steinernen Empore. Ein kleiner Vor- 
raum hat nette Stcmgewölbe, die Decke eines grfisse- 
ren hallennrtigen Nebengemaehes wird von einem 
gothisehen, mit Cannelirungen geschmückten Heiler 
gestutzt. Ein zweiter l'lafonrl besteht blos au« gewöhn- 
lichen Längenbalkeri. ist aber dadurch interessant, dass 
in der Längenrichtung derselben gothischc» Banken- 
oruament eingeschnitten ist , welches noch ganz den 
Typus des XV. Jahrhunderts zeigt. Der vierseitige Hof, 
jetzt ein Bild der Zerstörung, miiss einst Überaus traulich 

• I>l«i'T WM I« tl.rril« nriilll; <tu ItrIU f brlln<4>« il>li in Win, 
i., Mmtm »'*!«• w«rmi-n Vtrabni der J><nkm»l* 4>r V<-rtta*K*lihf lt. tinrt 
M-Uitir«, iUm •» f»l»n« •« miBrln, «»nUvolt* siiirh Alurfhutn in »imm»b. 
4«r mm richtigm V.r.l!t..lniM frleltrt «Im« <i«KMj.li»d«i «11 »Srtl«r» »Hu 
»H Ihm * rln .HiilU'i.O» Aiyl ««««iirl. Ein Kllnu, »b»r vtr lulirnuna. 



gewesen sein. Ein «ehr schöner, noch gothischer Erker 
auf zwei facettirten Consolen , daneben der Brunnen, 
und nach der Längsseite hin ein hölzerner Laubengang 
deutschen Benaissnneestyls mit geschweiften Säulen, 
von denen nun eine bereits hinabgestürzt ist. Die bei- 
gegebene Abbildung zeigt uns die Burg von der Sud- 
ostseite. 

Stift Voran. Der jetzige Oendarraerie-Postcn ist 
ein alterthllmliehes Hans mit zwei steilen Treppen - 
giebeln und Spuren einer (jüngeren) Bemalnng. An der 
Ortskirehe haben nur noch einige Lucken nud Fenster- 
chen Spitzbogen , der Thurm einen Zahnschnittsims und 
gothischc Schalllöcher. Der sechseckige f'hor aus dem 
XV. Jahrhundert mit Streben und einfachem Kleeblatt- 
Ornament in den Fenstern ist gut erhalten. In der Stifts- 
kirche erregen die zahlreichen SandsteingrabinHIer von 
Frühsten des XVn. und XVIII. Jahrhunderts höchstens 
in Hinsicht auf das CostUme und durch die licohuchtnng 
einiges Interesse, dass die Weise des XV. und XVI, Jahr- 
hunderts, die Darstellung des Verstorbenen als stehend, 
respeetive liegend, noch beibehalten ist. Sehr schön 
dagegen innss der grosse Stein des Sigmund v. Kottal, 
genannt werden, welcher in einer Seitenca|K'llc — 
mirabile dietn!— umgekehrt eingemauert steht. Darauf 
finden sich zwei Wappen mit mächtigen Ilclmzicrdcn 
in starkem Kelief aus dunkclrnthcm Marmor gearbeitet. 
In der Bibliothek sah ich u. a. eine ganz interessante 
deutsche Bibel von I-M7 mit colorirten Federzeichnun- 
gen von einer zwar derben , doch nicht kunstlosen 
Hand ausgeführt , welche namentlich in Betreff der 
Trachten, der dargestellten (Jeräthe etc. von Werth zu 
sein sehr inen. Im Klosterhofe steht ein äusserst kunst- 
voller Ziehbrunnen mit schmiedeisemem tlehäuse, jenen 
in Seltenstem, Neustadt, Wien und Stixemrteb ver- 
wandt, aus der Mitte des XVI. Jahrhunderts, eine reiche 
Sehlosserarbeit voll origineller Motive. 

Athen Uff. 

Grabmale zu Weinsteig in Nieder-Österreich. 

In der kleinen Kirche zu Weinsteig, einer Filiale 
von Karnnbriinn, befinden sich zwei Orabdenkmale, 
deren Existenz in weiteren Kreisen kaum bekannt sein 
durfte. 

Das erste ist dem Andenken des l'lrieh Daehsen- 
beckh gewidmet und befindet sich im mitteren (iange 



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XCIU 



des Lunghauses dieser Kirche im Bodenpflaster, wo er 
jedoch keineswegs eine Graft oder (JrabstJitte Uber- 
deckt, denn der Hau des Langhauses gehört dem XVII. 
ja vielleicht dem XVIII. Jahrhundert an, uud ist ein 
einfacher Vergrösserungsbau. 

Eine rotlic Marmorpiatie von 5 Fuss Höhe und 
8 Fuss 4 Zoll Breite, enthalt folgende in Lapidaren 
geschriebene Inschrift : „Hie ligt begraben der | edel 
vnd vest Ulrich | Tegspeckh riter ist | gest am Tag 
nach saut Michel | stag MCCCCLXXXXV jar | dem 
Gott genad*. Darunter das Wappen , ein horizontal 
getheilter Schild, oben ein rechts gewendeter Halb- 
mond, unten ein gemutetes Feld. Dartiber der Helm 
mit geschlossenen Flug mit den Schildfeldern. 

Wissgrill berichtet in seinem Werke Uber den 
nieder- österreichischen Adel II, p. 188 auch Einiges 
von dieser Familie, die er Dachseubeekh nennt, und 
auch Uber den Ulrich, der Herr des Schlosses zn Kar- 
nabriinn war, ohne dessen Todesjahr und Kuhestlitte 
anzugeben. 

Der zweite Grabstein befindet sich im Portal-Vorbau 
dieser Kirche, eine Sandsteinplatte von .i Fuss Hohe 
und 1 Fuss 4 Zoll Breite. Oben das Wappen, darunter 
die Inschrift: „Hie ligt begraben | der Edell vnd gestreng 
herr | herr Casper Pernstorffer von Poppen zu cam 
abrunn ist gestorben den G. Tag Oetobris im 1."j90 Jar-. 
Das Wappen ist vierfeldig, im ersten und vierten zwei 
gegen einander gerichtete Mllhlradstllcke (V) im zweiten 
und dritten eine gekrönte Jungfrau mit einem Kranz in 
den Händen. Darüber zwei Helme, einer mit einem 
geschlossenen Flug, darauf die Figur des ersten Feldes, 
am zweiten eine wachsende Jungfrau (zweites Feld). 
Caspar Pernstorfer war vermählt mit Regina von Dach- 
senbeek , eine Tochter des Christoph Daehsenbeck. 



Funde von Römersteinen. 
I. 

Zwischen Rovigno valle und Canfanara im südli- 
chen I Strien, an einem „römischen Kreuzwege- 4 , wurde 
ein Stein mit folgender Inschrift gefunden: 

SEIXOMNIAI 
LEVCITICA1 
POLATES 

Der verstorbeue k. k. Conservator Kandier deutet in 
einem diesbezüglich vorgelegteu Berichte diese In- 
schrift als auf eine Thrakerin Namens Siehomnia I.eu- 
citiea bezüglich, welcher die Einwohner von Pola eben 
diesen Denkstein widmeten. Wichtig ist dieser Stein in 
sofern, als er der wenig zahlreichen Reihe von epigra- 
phischen Denkmälern aus der Zeit vor Augustns ange- 
hört, worauf die Dative AI statt AE deuten. Kandier 
setzt diesen Stein hinsichtlich seiner Entstehung bei- 
läufig in das Jahr 30 vor Christus. 

II. 

Der k. k. Conservator für die k. k. serhisch-bana- 
ter Militärgrenze Dr. Z. Gr nie hat zur Anzeige gebracht, 
das» er im Laufe dieses Frühjahres drei Inschriftsteine 
aufgefunden hat. 

Die Inschrift des ersteren lautet : 



I. A . . . 

BIG HE 

AITUAi 

NDAHTAk. .... 
ÄDCT^POTTHii . . 
THLKUIADIXVPIA- 
LAPAKOXTAMIKi 
HHL'ALTUN rrruv 
□AABA+aQATTr 

® 

Die Iuschriftfläehe hat eine Hohe von 13 und eiue Breite 
von Kl Zoll. Die Buchstaben sind l>/\— 1 »/, Zoll hoch, 
von magerem Aussehen und sehr verwischt. Diese Platte 
aus weissem Marmor wurde vor etwa fünf Jahren auf 
dem römischen Friedhofe gefunden; ihr gegenwärtiger 
Standort ist der Hofraum des Hauses Nr. 450 zu Mitro- 
vitz, wo sie als Pflasterstein benutzt ist. 

t. \E a FVIT a IVXENiS 

A/sSVBIA^GENiTV 
IXaVITA aETaOMN 
DO a EST a ALIQVA 
BT a I°VIS a STYGIVS ^ i 
\ a. OSSVA a PRjBCOR a 
ST a EXTiNCT 
VEQVE a h-:l 

Diese sehr mangelhafte Inschrift befindet sich auf einer 
1-»'/, Zoll langen, 14 Zoll breiten und 2«/, Zoll dicken 
gelblichweissen Marmortafel, die im Besitze des Schuh- 
machers Paul Radovanovic ist, und von ihm im vorigen 
Sommer am Ufer der Save gefunden wurde. Die Buch- 
staben sind 1—1*/« Zoll hoch, von magerem Aussehen 
und mittelmäs8igcr Arbeit. 

• t. MIVVINIA 
STANTIA 
VIXITANN 
SITINPAC 

Diese Inschrift wurde von einer weissen Marmortafel 
abgesehrieben, die sich im Hause Nr. 477 befindet. Die 
Schriftfläche ist 10" hoch, 15" breit. Die Buchstaben 
haben eine Höhe von l'/ t ", sind breit und verrathen 
eine gute Hand. Fundort unbekannt. . . . m. . . 

Die Familien Gundlach und QundeL 

Ein, t|i«UlfcbtorUclic Brual. \»a Or. Knill NM» « . H • r l m »i. » F mi- 

| L'Bl ll ul d. 

(9iu t umnimmt ) 

Unter diesen Namen sind hauptsächlich drei ver- 
schiedene Geschlechter bekannt, welche bisher häufig 
miteinander verwechselt wurden und welche genau zu 
sondern, Zweck der folgendeu Zeilen ist. Die zuerst 
Erscheinenden sind die österreichischen Gundcl, auch 
Gundloch und (iundlach des Hathes zu Wien, welche 
von V2W bis 150:") daselbst vorkommen. Von diesen hat 
der (iundelhof seinen Namen erhalten. 

An sie schliessen sich sodann die Gundcl , von 
denen Dr. Philipp aus Bayern nach Wien kam, wo er in 



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XdV 



den Adelstand erhoben wurde. Ihn sowie seine Gemahlin 
und Töchter tinden wir (in Wien) zwischen 1511 und 
1580. — Dann tritt nach einer hundertjährigen Pause 
zwischen 1684 und 1795 eine Reihe zusammengehöriger 
Gundel und von Gnndel als Wiener Rathsherren und 
Hausbesitzer auf, von denen allerdings nicht bekannt 
ist, ob sie mit dem Vorbenannten einerlei Stammes sind 
oder nicht. Dieser ganzen Abtheilnng aber sind die 
diversen Epitaphien bei St. Stephan und St. Michael 
zuzuweisen. 

Endlich blüht noch heute in Mecklenburg ein alt- 
adeliges Geschlecht Namens Gundlach, von dem auch 
in Rayern nnd Preussen Mitglieder auftauchen und 
welches mit den erloschenen Österreichischen Namens- 
vettern gar keinen Zusammenhang hat. Ihnen gehört 
die achteckige Silbermedaille mit den vier Almenschil- 
den an. Die beigegebenen drei ganz verschiedenen 
Wappen separiren diese Familien auch heraldisch ; dazu 
kommt noch ein viertes der Salzbnrger Gundcl (a. 14<Mn, 
ein fünftes eines Hanns Gundcl (d. a. 1400) und ein 
sechstes eines Hanns Gundlach (d. a. 1455) — von 
denen jedoch nichts weiter zu cruiren war. 

I. 

Die Gundlach des Rathstandes zu Wien. 
1296 — 1505. 

Dieses Geschlecht Gnndel, Gundloch oder Gundlach 
ist österreichischen Ursprungs , erscheint urkundlich 
schon ziemlich früh und erlangte eine gewisse loeale 
Redeutung. Der Erstbekannte war der MHnzmeistcr 
Gundal.odef Gnndel in Wien anno 1296— UWO «, der 
vielleicht schon den Grund zum späteren Flor der Fami- 
lie gelegt haben mag. Allein das ganze XIV. Jahrhun- 
dert hindurch tinden sich keine Aufzeichnungen Uber 
seine Nachkommen; erst zwischen 1415 und 1430 taucht 
Ulriefa Gundlacher auf, und zwar von 1415 bis 1420 
als Kirchenmeister von St. Stephan ». von 1416 oder 1420 
bis 1430 als MHnzmeistcr» uud 1422 als RUrgernieister » 
vt»n Wieu. Derselbe war anno 1420 auch Judenrichtcr i 
zu Wien, wie folgende, bei Sehlager« abgedruckte 
Stelle beweist: „Am mittichn Assnmptioai* Marie 1420 
bekennt die Jüdin l'elchinn von Kalczpurg, das* sie von 
Christan Reicht, Eisenzicher, bezahlt worden, tmd daher 
die Schuldvormerknng auf sein Haus im Stadtbnch zu 
löschen ist. Diesen Rrief siegelt mit seinem autgedruckch- 
ten petschat der erbe weise her Vlrcich der Gundlach 
MHnzmeistcr nnd Judenrichtcr. " 

In den Verrechnungen der Ausgaben wiihrend der 
Wiener Feldzuge ' ad an. 1426 heisst es: „Ausgaben 
auf den Zug der Hussen. So stet (kostet) die Raizz mit 
dem Grundlaeher (soll lieisse« Gundlacher) vnd Hötzel 
gen Entzestorff underm lllsenberg cirea festum pasee 
mit für (Wagentransport) vnd andere noldurft . . . 95 ff a . 

Im Archiv der Stadt Wien hat sieh noch eine Ur- 
kunde dieses Namens erhalten, welche mir durch die 
Gute des Herrn Archivars Karl Weiss zugänglich 

1 TitblKhki. Oe»cb.lcntii der Stailt Wien p «3. 

I Tieklietlt, Ivf Bh •"«fh«n«i)ni» ilMSj p. S. Aantrrkunc II. 

* Flicher. Irerit not, VlndnK Sern Tirhhtliki «*r* rr ll'i*— 
i kläoimelater geveetB. Oei<fe»rhte Wien» p ÜTÄ- 

' Tithnf Kki t. c. p S7I, Ktri Willi, G««ciilrhl« 4. SI*Jl W"leo 
r 3U- (.«In», IV. Rurh p 19 ntanl ihn Irrig »I» HürgernieUu-r id ae Hl«. 

» Schiefer, Vinn Skloe* ' p U. -■• Irrig .lirumlUr i- hl. 

Ilrtlltttl,!.!. |>. 37». 

*|tkit|«r, i- t. i «9. 

' Sthl»j«r, I. I, t. m 



wurde , nämlich : des Kirchen 
meisters und des Raths Ulrich 
Gundloch Schirmbrief Uber einen 
Weingarten in der Kelhcrpewnt 
(zunächst Urbans des Völkel 
Weingarten ) dd. Wien, Samstag 
vor St. Jakob, 1427. Dieses Do- 
cnment erklärt der Aussteller 
gegen Ende wie Üblich „besiglt 
mit meinem Anhangundenn In 
und da dieses in grünem 




Fl* L 



Wachs glücklicherweise noch ebenso vollkommen erhal- 
ten ist als das Schriftstück, so ersehen wir daraus das 
Wappen der alten Wiener Gundlach. (Fig. 1.) Dieses 
bestand in einem Schild mit zwei rechten Pfühlen ; auf 
dem Stechbelm als Kleinod der Kopf eines bärtigen 
Mannes mit hohem Hut, statt des Stulpe« eine Rinde 
mit abfliegenden Enden darüber gewunden, die Hals- 
bekleidnng in die Decken verlaufend. — Die Farben 
sind daraus natürlich nicht bestimmbar. Umschrift : 
». nlrrtd) QiinModi 

Dieser Ulrich Gundlach war Resitzcr des Köllner- 
hofes » mit den alten Nummern 737 -38-39-40, an der- 
selben Stelle, durch welche heute die Köllnerhofgasse 
durchgebrochen ist; »Hein es ist unrichtig, wenn mit 
Rcziehung auf einen Passus im Codex des Schotten 
klosters Uber die Doennatc und Archidiaconate des 
Risthums Eoreh oder Passau d. a. 1476 • „ein Gundloch 
stiftet eine chapella S. Philippi et Ja(cobi> in Köllnerhof 
und zwei Altäre daselbst u behauptet wird, diese Capel 
lenstiftnng rubre wirklich von ihm her; denn die Gapelle 
zum St. Philipp und St. Jakob im Köllnerhof wurde laut 
Stiftungsbrief vom RUrger und MUuzmeister Siegfried 
Leubel s. d. 27. Februar 1289 gegründet und erfuhr 
von Ulrich Gundlach etwa eine blosse Sehenknng oder 
Uereicherung , nachdem er Eigentümer des Hauses 
geworden war. 

Als seine Kinder werden Man, Ulrieh und Kristein 
aufgeführt ", welche zwischen 143i> nnd 1463 lebten, 
und als Eriken des Kölhierhofes figuriren. 

Auf die Nachkommenschaft des Marens kommen 
wir weiter unten zu sprechen. Was Ulrich II. anbelangt, 
so ist es nicht möglich, mit Gewissheit anzugeben, ob die 
nachfolgenden Daten sich nur auf ihn, oder theilweise 
noch auf seinen Vater beziehen. Ein Ulrich Gundloch 
befindet sich nämlich in der Eiste der „Genannten" 1 |s , 
welche am 30. März 1434 einen Ausschnss bilden zur 
Vcrtheidigung und Wahrung der Stadt gegen den Ankl- 
rewttcr. einen berüchtigten Raubritter. Gundlach hatte 
die Aufgabe gemeinsam mit dem Mllnzmeistcr Wolfgang 
llolczer und dem Wieginger, die fremden Gäste und 
Niederlagsherreu (Legrer) zu» Parteinahme für die Stadt 
zu bewegen. 

Anno 1447 besass Ulrich Gundlach ein „Zuhans-» ■> 
an der Stelle des heutigen Darvarhofes. 

Und als die Wiener am 29. Mai 1454 Vertheidi 
gnngsmnssregeln gegen Wenko von Rukhenaw nnd 
seine Söldner trafen, hatte wieder ein Ulrich Gundlach, 

• Bfr.eMe dn Wie. er AltoHkaaxVmlul 1: .Cker dl. .IIMtn An»i,l.t 
Wien« t.» Jelir.. U«S» ™ Alken CmriiM p. IM. 

* Frelh v. Ilermeyer. fieirnirufc >Vi«ni. erkunde Nr. 52. 
XniitrohUtt für Kund« (»terr. (ieerhlohuqnellrn, 10:18, Nr 1. 

'» Whner Altrrth -Verein. I. c. p. JÜV 

,! Koni*« rernm •dMrva.rarnn. Diplnnieiarie, et eel». VIT, M. C«j.i 7 
rtutli der r"Tn»tnrn Sut Wienn, »an Dr. Zeitig, |>. S. 

'» Wiener Aller!». Wrein, I r. p. 11!. »Ida «Utk den ti.ij, fililen Clan 
dr« r,ordf,'l. TheilM d>r Stull Wien, 1 4S.1. im A. Cime IIa». 



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xcv 



als vermöglicher Bürger ans «lern Stubenviertel 1 Kos» 

zu stellen '♦• 

Seine Schwester Chrislina war um jene Zeit die 
Hausfrau eines Peter Eugelbartstcttcr '». 

Oes Marens Sohn war Georg geboren 142*, 
welcher im Wiener Stadlbuch ."Ii») als nächst der 
Brandstätt widmend angegeben wird und wirklich um 
I4'.»i> den Strasserhof " erkaufte, der nach ihm bis auf 
den beutigen Tag den Namen Gnndelhof i^ius „Gund- 
lacbhol-» entstanden) führt. In der Slndtrechuung von 
14rt5 '* ist von ebendemselben .liirg Gundlneh die Hede, 
welcher mit mehreren anderen des Halbes /um Kaiser 
Friedrich III. geritten war. Als seine Gattin wird Uar- 
liara Stadler genannt, welche im Wiener Grundbuch 
anno 14 s * als Mitbesitzerin des Hauses Nr. <!!••< am 
alten Fleischmarkt erscheint ; dasselbe wurde jedoch 

von ihr und den übrigen Miteigcnthümcrii um KHK) 
ungarische Culden an Hans Pempllinger, Bürger zu Ofen, 
verkauft. 

I ngeflihr gleichzeitig, nämlich um 1 ISO und 14*1, 
Badet sieh ein Ceorg Gundel als Pfarrer zu Wiener- 
Neustadt «♦, welcher Übrigens der Wiener Sippe schwer- 
lieh angehört; hingegen dürfte der anno 1475 unter den 
Genannten aus dem Stubenviertel vorkommende Micchcl 
Gundlukh »> fast gewiss bicher gehören. 

Nach Lazins starb unser 
Georg Gundlacb ao. 1505 « 
als der Letzte seines Stnmmes 
mit Hinterlassung einer Tochter 
Julian«, welche mit dem Bürger 
und Kaufherrn Wolfgang Lvnd- 
ner in Wien verehliehl war und 
noch zn Zeiten Lastens lebte. 

Es sei hier im Anhange 
erwähnt, das* in Salzbnrp um 
das Jahr 1 4« « ► Gundel existir- 
ten, deren einer Mitglied der 
Si. Christophorns- Bruderschaft 
am Arlberge «» war, nud der als Wappen im rothen 
Felde eine silberne Hausmarke, nämlich ein Krenzlein, 
dessen Fuss sich wie ein Sparren theilt, fllhrte. i Fig. 2.) 

Derselben Genossenschaft gehörte zur nämlichen 
Zeit ein Hanns Gundel anderen Stammes an, von dem 
es im Bruderscbaftsbuche (fol. 196, Rückseite) heisst: 
„banns Gundel geytt all Jar 11 grazz vnd nach seine 
tod ein halbe guldem"*. Sein nebenan gemalles Wappen 
zeigt in Schwarz einen silbernen Fischerhaken. Auf dem 
Stechhelm ein schwarzer Flügel, belegt mit dem Fischer- 
haken, durch dessen Öhr hier ein abfliegendes golde- 
nes Seil gezogen ist. Decken: schwarz, weiss. (Tig. 3.) 

Endlich finden wir noch im Keichsrcpistratnrbnch 
Lit. P, pag. 214 im k. k. geheimen Hans-, Hof- und 

» PawNM rtff BMI I. r. Cnp,-T Blicli d. f. 81 WNaa, | ||, 

" Klului KacMlnfMMIir, Hinter, olnblr »In HM „dar dnrh Ml 
V.raa.idtrr de» cur K * I IV'., and «tr b«l Sl. .Mtpl.on tegraWaj »ein 1 ; i 
i»ph lälill ib»i leider aalir 41* errKfcwiaudeiieii- A. V. Cerfer, dir Dom 
in su Stephen f. 10t. 

'• I,.rlu«-Ali«rm»nn. Wlenerierh* Chronica. IV, IlnrS p. !*■ 

" K A. Srhlmm.r. 4- jütr \VI„, II. rt III. r H. IX»'H» II« 
..r-Chr-iilk tod Wl,n p. 110 K.ali., Cnr0..i<it«o und M. m..r.MH,„ X»ll»«» 
Wim I, p, Ii» »4 II«. 

»Srtlii'r. WItner Sklnea V. p. 2'« 

H WitniT Aitt-rlh. Wrrln I. e. p. ?II. 

■ llnrli lo, Chronik «oa Wliurr Nmetadl. II. p. JIO. 

11 Frejh. lUraifir, 0<»rhlcKt» Wime, Wleaer Sudir>r>l, l'rkaad. 
Nr 170. 

" Wi.nrr Alttrth.-Vir.lti VIII. Bd. p. XCIII. .WIcb» Brdräa|«lu Im 
U* l»J" •«» A. Cemeaiua. 

" SU Cl.rMapl.orm. Brud«.cliailil,urli f„| tl», Im k. k. 
II. f und 6u«liarrlilT iu Wlra. 

XVII. 



Staatsarchiv 
2*. Februar 
Auszug aus 
Friedrich III. 



s. d. Neustadt, 
1 456 folgenden 
einem von Kaiser 
verliehenen Wap- 




Fii 



li»*if ii 




Vig. s. 



penbrief: r ftlr Hanuseu <iun<l- 
laeh ein wappenbrief mitnam 
einen Schilde vber zwireb geteilt 
roden weiss vnd oben jilab durin 
eine zwifache lügen verwechselt 
mit den varben des Schildes 
vnd auf dem Schilde ein belme 
getziert mit einer weissen vnd 
plaben belmdeckeu darauf ein 
uuiTgctan tlügel vber zwirch 

geteilt vnd auch mit einer zwifachen lügen von färben 
vnd tiguren , aufgeteilt vnd geschieket , als iu dem 
Schilde, nlsdan die in mitte diss gegenwertigen vnsers 
briefs etc. vi informa snh Maie" vts». (Fig. 4.) 

Ebenso wenig als über diese drei Letztgenannten 
weiss man von dem Maler Gundclacb, dessen ,.schlat 
fende Venus und < upido- 4 — .Matematica" — und 
r Jtlngst gerichf in dem ^verzeichnüss derjenigen 
Sachen , so anlf dem Königlichen Präger Sehloss, Iu 
der Kölnischen Kaiserlichen Mayestüt Schatz- und 
Kunstkammer befunden worden"« erscheinen; sein 
Name kommt iu den Lexicis der Künstler und Maler 
nicht vor. 

II. 

Die Gundel des Adelstandes zu Wien. , 
1511 — 1666 (1684 - 1795). 

Dieses Wiener Geschlecht, welches seinen Ursprung 
in Baien hat, ist nicht zu verwechseln mit der auch in 
Wien ansässig gewesenen mittelalterlichen Familie der 
Gundlach, von der einzelne Mitglieder wohl auch unter 
dem Namen Gundel vorkommen und welcher der Gnn- 
delhof seine Bezeichnung verdankt ««. 

Zuerst ist Doetor Philipp Gundel, ein Passauer von 
Geburt, ausgezeichnet als Dichter, Hedner und Hechts 
gelehrter — anzuführen, über welchen Dr. Karl Lind 
iu seiner trefflichen Beschreibung der St. Michaelskirche 
zu Wien interessante Daten bringt, die wir hier theil- 

weise wiedergeben '~. 

.Die BiK'hdruckergesehiehte 
von Denis führt zahlreiche, 
theils von Gundel verfasste, 
Iheils ihm gewidmete Schriften 
an. Die eben in diesem Werke 

I. 2<i(| und im Couspectus hi- 
storine universitatis Viennensis 

II. 07 u. s. w. erwähnte Trauer- 
rede auf den im Jahre 1619 
verstorbenen Kaiser Max I. 
wurde von den Zeitgenossen als 
besonders gelungen bezeichnet 
nud nngertlhmt. Im Jahre 1530 
wurde Philipp Gundel zum 

" Aarh »b«r.lr\jikl In J.... e I. mal, BMaatl Frldrilrl III., II llit. p, Iii 
a VVIracr Altrrlli .Veraln VII IM. ^siudlta inr Cwchl«!«^ dar k. k 
<l.mäidr»«licH« im lltlvidan- iu WH«- v. u A. Kltlar r. I'. r k -.r fp. 09 . r 

i'. ■«;, in», in. 

» H'l..irlll I.a-,,1 und S r i. 1 » s. r IV. ji. Sti und 326 liiltli Irrthlil,, 
IjrK d, a NaAiru d> i omtdrlhi>r>« van t>r, Cliilipp Öundwt alt, wuWüarj WUrcrJll 
Udjjt-nau „Kitlt-r OundMrh uil.r Gundtl* atuul. Wcdtr war rr l{jt1cr, aorl. 
«urde iT ju Ouadlava ^vuanal. 

B W|in*r Altrr1li.< Vt-rcla III. p. Ä9, Tide aurn dtp Kraäa«.uiiircD l»rl 
1.4*1«; AWPBIMI HI- tllJrh, p. :i und J- lUmmaan. Medaitlrii !■ p IM. 




XCVI 



Dccan der juridischen Fncnltät, 1540 zum Rector mngni- 
ficus der Wiener Hochsehulc erwählt, zu welcher Zeit 
er bereits Hofknmmer- Advocat und Rath der römischen 
Konigin Maria war. Im Jahre \ü4'2 — lööß bekleidete er 
die Stelle eines n. i>. Keginientsrnthes, später wurde er 
zum Kanimcrprocurator ernannt. Seiner Verdienste wird 
Beda rill in dem Werkehen : Scriptores universitatis 
Vienn. (Wien 1740 — 4:*), und in Kink's Geschichte der 
k. Universität zu Wien, wo auch bemerkt wird, da»» 
Gundel l.*>11 bei der Wiener l'niversittl eintrat und 
Nachfolger Vadian'» in der Lehrkanzel der Poetik, Iö2<> 
al»er Lieentiat der Rechte wurde". 

Dr. Gundel scheint einem wappenmässigen Ge- 
schlcchte entsprossen , indem schon Kaiser Max I. ihm 
»ein altes Wappen: In Roth ein silberner Pegasus mit 
goldenen Hufen; Kleinod: derselbe wachsend-, Decken: 
roth, silbern — bestätigte. S. d. Wien, den 17. Juli 
ir>3"> erhielt er jedoch von König Ferdinand (I) auch 
den Reichsadel •» mit Wappenvennehrang. Sein ver- 
mehrtes adeliges Wappen ist folgendes -. Quadrirt; in 
1 und 4 ein silberner Pegasus mit 
goldenen Hufen in Roth (Stamm- 
wappen). 2 und 3 in Ulan eine 
gestürzte goldene Spitze, worin 
ein blaues Pentagon (Fünfeck), 
begleitet von zwei eben solchen 
in verwechselten Farben. Kleinod : 
die Krone des Tnrnierlielms mit 
Strahlen besetzt und mit Eichen - 
'isr^f laub umwunden , darauf der Pe- 

ptsiis wachsend, zwischen einem 
offenen, beiderseits von Gold und 
Rlau getheiltcn, und oben wie 
unten mit einem Pentagon in ver- 
wechselten Karben belegten Flug. 
Decken: rechts roth, silbern, links Gold und blau (Fig. 5). 
Dieses wird ihm verliehen P enm privilegio Palatinatus 
ac fnciiltatc creandi in aunos singnlos Legum Cesarca- 
mm doetorem Vuuin , Licentiatos item lejrum duos et 
tres liberalium artium Magistros-*. Anno 1&3P kaufte er 
von Martha Strasspurger gebornen Treitzsauerwein von 
Ehrenlreil/., Erbin des bekannten Mnrs Treitzsauerwein. 
das Haus zum Storch (ein Theil des Hauses Nr. 2»! 
alt. am Kohlmarkt) ». 

Im Jahre l.Vil setzte er einem Freunde, dem Ma- 
thematiker und Arzte Andreas Perlach einen Grabstein 
bei St. Stephan, am Fnsse des ausgebauten Thurmcs. 
Die Inschrift lautet: 

\M>Hi:.F, PF.HLACIIIH • STUHi SV.MMAE EBVDI 
TliiMs MATF.MATIC» AC MEIHCO ■ PIETATB ■ MORIBYS 

IKGKKM INTKGERniMO ■ HIC 8IT0 «VI VIX • WN 
I.X WANlfl VII • HIEB • XXIII • PECEf EsSIT " XI IVMI 
ANN • ( IIRISTI • M • D • LI PIIILIPPVS l.VXPELIVS 
IVBK • CÜNS • XL • ANN ■ IV6I AHlCICM 

um iwms posvrr • r^)} 1 ^ si\n\mxs\n. 



ILrK*. A'Kn r|, k. Al'|fArr|,|«a SU Wir*.. — f»ir FutillU- ft-hlt Gtlf U*. »» 

m r Mimmbiii Ii rt. - Mühind*- ■ tn.rt al>Srtl4>rt.< u« n A-ti I» hi l»t Ut»rlilnnJ H . 

w K A Sr Ii i iii m* r . IUn*«r-rt»r»nik m Wim |i. »i& rt w*%< aid 

ÄeM»».r, ttVn.r Xk„,r,> IV \. *r ► ||. M > f Ut.d 31* 




rig. :». 



Oberhalb itrt in einer Scheibe die Auferstehung Christi 
angebracht. 

Dr. Gundel war mit Katharina Heck von Leopolds 
dort* vermählt, welche eigcnthümlieherweise weder von 
Hueelliui, noch von Wissgrill, noch von Dr. Zeibig in 
seiner Familien- Chronik der Heck v. L. erwUhnt wird 
und in den genealogischen Tabellen gänzlich fehlt. Aus 
dieser Ehe erwuchsen ihm zwei Töchter; die eine, Sophie, 
war die zweite Gemahlin des sprachenkundigen Arztes 
und Professors Franz Kmerich, königlichen Käthes; 
starb aber in der RlUthe ihrer Jahre noch vor ihrem 
Vater, ao. lf>59. Sie, ihr Gatte Dr. Emericli nud dessen 
erste Frau haben einen dreitheiligen Grabstein nn der 
Aussenseite des St. Stephausdomes, unweit des Pcrla- 
chisehen Epitaphiums, am Fasse des Hochthurmes; wir 
werden den Wortlaut desselben weiter unten angeben. 
Die andercTochtcrGundcrs, Margaretha, war die zweite 
Gemahlin des Ritters Johann Ambro« Brassican von 
Kttclhnrg Doctor, 1 T»7< * — l'J öffentlicher Lehrer des 
canonischen Hechtes, lf>7.'l Reetor au der Wiener Hoch- 
schule, seit 1579 n. ö. Kammrrrath, Herr zu Dobersberg 
und Ottukrinp, Pfandherr zu Sallenau. welchem sie als 
Erbin das elterliche Vermögen zubrachte. 

Dr. Philipp Gundel starb am 4. September 1561 
im 74. Lebensjahre, laut dem, ihm von seiner Familie 
in der Krippclcapcllc zu St. Michai l =' in Wien gesetz- 
ten Grabmale. Dr. Lind sagt hierüber; Ober einer 
kleinen Thür sind in der Mauer die Reste einer Kehl 
heimerplatte eingelassen, auf welcher zu lesen ist: 

DOMS 
PIHLIP1T GVNDELU IC- CAESAKEI 
OLIM SENATOR IS EXANIME CORPVS 
HIC CONDITVM EST • EXCESSIT • ANNO 
CHRISTI • MDLXVH • MENS IUI SEPTEMB 
CVM VIXISSET ANN LXXIII • MENSS 
1111 DIES III • CATI1AKIXA • VXOR ET 
MARGARITA FILIA EADEMQUE 
HI.RI.DES • MARITO ET PA TRI RENE 
MERITO P P ■ I0ANXE AMRROSIO HRAS 
SICANO IVRE CONS • GENERO CVRAKTE. 

Bei Fischer I. c. IV. lf»8 erscheint noch eine Fort 
Setzung dieser Inschrift, die jedoch gegenwärtig nicht 
mehr zu finden ist ; dieselbe lautet : 

„Dir (Pol tiuu-ntsam Jraro Jialharina arb 
Öätfcl;l)in ii an fropolastorf Int aud) hit 
briiriibni, Harb im lnsti ,3nbr brn ISO. Jon." 

Nach Fischer s bereits citirten Wiener Notizen war 
das Grabmal des Philipp Gundel mit zwei Wappen- 
schildern geziert . von welchen Fischer sagt: „in scuti 
lma et -IIa parle pigasns, in 2da et tertia tres stellae. 
in secundi scuti lma et 4ta parte silex cum ignilabulo. 
in 2da < t 3tia leo in fascias inclinata-. 

Diese Angabe Fischers ist so ziemlich Hellt ig i das 
erste Wappen ist Gundel, das zweite Beck Leopolds 

» Wl>»urill, Si-lik»|>UK n. Ii U>.d>utirfiiirttrn AiUU I. »Tl. 
* ^ki.io IV. f äs« im. mm M i> d.r S.it MWt, O —St l l 
tinlmlillfl li<-i .«< 9iepl.ui In I^Oi.r . >|i«rului> »'«*. Viru». Uli 



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XCVII 



dorf ; nur sind im /.weilen nn«l dritten Fehl iles Gnndel- 
schen Wappens , wie schon bekannt , keine .Sterne, 
sondern Pentagone oder Fünfecke, was allerdings keine 
gewöhnliche heraldische Figur und Überhaupt leielit zu 
verkennen war. 

Der oben erwähnte Grabstein des anderen Schwie- 
gersohnes des Dr. Gundel, iiiimlich des Dr. Euierich 
und seiner beiden Frauen, hat die gewöhnliche Portal- 
form; der Bildstciu zeigt Christus am Kreuz, zu dessen 
Fuss zwei Personen betend knieen, nämlich auf der 
einen Seite Doetor Enierich im Pel/.roek, mit schnrf- 
gescliuittenen fast orientalischen ZUgen; auf der unde- 
ren Seite eine seiner beiden Frauen, Über ihrem Haupte 
hält ein Engel ein Schrifttäfclchen mit einem lateini- 
schen Bibelsprüche. Der Aufsatz des Epitaphiums ent- 
hielt ein Wappen, von dem jedoch nur mehr die Helm 
decken links zu sehen sind, und ist im Halbkreise von 
einer lateinischen Schriftstelle eingerahmt. Ganz oben 
ist noch ein, mit einem Spruchbande umwundener Uber- 
grosser Stern angebracht. - Unter dem Bildstein befin- 
det sich eine dreispaltige Inschrift, wovon die erste 
Colunine der ersten Gemalin Anna unbekannten Namens, 
die zweite Emerieh's zweiter Gattin Sophie Gundel und 
die dritte ihm selbst gewidmet ist. Der Schriftstein ist 
leider schon sehr stark beschädigt und zeigen die schwä- 
cheren Lettern die defecten Stellen an. Die dritte Spalte 
■peeMI wurde nach der bei v. Perger « abgedruckten 
Inschrift ergänzt. Das dreifache Epitaphium lautet: 



wilden Mann u in der Kärntnerstrasse (alt Nr. 042). Im 
Jahre 1700 finden wir neuerdings einen Stephan Johann 
Gundel, welcher mit dem Vorigen nach Schimmer 
nicht ein und dieselbe Person wäre (?). als Eigenthutner 
eben des Hauses „znm wilden Mann* und jenes .zum 
grossen steinernen Kleeblatt* unter den Tiichlauhcii 
(nlt Nr. 435) , sowie als Stadt- und Laiidgcrichts- 
beisitzer. 

Anno 1711 starb ein Halhsherr Stephan Gundel «, 
verinuthlich einer der eben Aufgeführten; sein einfacher 
SchriftNtcin war noch 18f>4 im Dome zu St. Stephan 
u. z. im linken Seitenschiffe ober dein grossen Epitaph 
des Leo Not hallt angebracht, ist jedoch gegenwärtig 
nicht mehr dort, und waren meine selbst in der Grntt 
der Kirche darnach angestellten Nachforschungen leider 
vergeblich. Allein durch die Güte des Herrn Dr. Karl 
Lind bin ich in die Lage gesetzt, den Wortlaut der 
Grnbsehrift hier dennoch wiedergeben zu können: 

,.Hic Stephan Gundel, soeia virlute Seil*"' 
Vir cui ulla quics vix aliquando fnit 
Virqne, cui saue sexdenos tresque per 
Indefcsso erat noete dieqne lahor 
Post consumatos taudem cum lande labores 
Ultima nunc ipsi est hiecc Iocntns hämo 
Unde vintor ei requiem die, qnaeso peren"" 
Hof ProLes LVgens et geMebVnDa petita 



AN N.K CONtllJI LllAltlSSlM.E 


soiiin: rnii.ii I i ovx 


m ANC BCU EMEItl 


[iitchnis Cohi-oris Am:- 


DEL IURIS OONSÜLTI 


Cm fclKPICA AIVTIS LlK 


TtüMtBUS DIVISA QUADAM 


FlLIAE FKANCISCI EME 


QVARVliOVE: PERtTIA tXDHO 


SAPIENTIA AFFU0TIS81 


na Lxoiti Seemaut 


Plt»E IVLABI Du 


MAE MAHITVS FRANCIS 


IXCOMhVRAMl.IS PlE 


CENC'O Op>i;,fN;:ClQUE FEIICI 


cvs Emekicvs Med . Doctoh 


TATIS • Q0£ EXI'KIMI • PAA 


t KASCIPVO OlKKASIl HUIUS Ol'. 


ORDINARIUS PltACriC.K PlfM 


TVS DlFFICULTATiRUS 


KAMENTO MoitTAi 


l'KSSOK S\C : RoM : REO : M.\l : 


ipso FLORS jEtatls et 


VITA ANXOS LXIII 


GOM81L1AIUVB Ofi CoNIUga 


Si e Summa Moktali 


MENSES VIII PIK ITNUi 


EEM Ci INSTANTEM CANDO 


tatem Exuit • Anno a 


anno autem Christ; 


REM ET IXTEORITATEM QU AN 


CHKISTO NATO MIU.IX 


Mlil,X VII ( AI. EMI 


TO SUO ARCHU.YMNASY Vi 


DIE X IANUARY CUM 


U'NIAS DEFUNCTO 


enknsis Rectoratu IN CHRI, 


VIXISSKT AXNOS 


I'ATKl ET AVUNUUl.o 


ST. DEFUXCT.E MOETISSJ 


.Will MENSES VII DIE 


11 : M : II.KUKliK. 


V'JS PO.SUIT ANNO 


EX TEsTAMETO 


EX TESTAMENTO 


MDLV FEBRUARY 


MAKITI. 


EU 'S 


XVII. 




r. iv 



Nachdem nun Dr. Philipp Gundel ausser den zwei 
oben genannten Töchtern keine Nachkommen hatte, so 
wäre man zu dem Schlnsse berechtigt, dass mit deren 
Abgang sein Geschlecht erloschen sei. Trotzdem finden 
wir etwa 100 Jahre später dieBen Namen abermals in 
Wien, zuletzt sogar wieder in den Reihen des Adels. 

Anno lf>X4 ist ein Stephan Johann Gundel «» äusse- 
rer Kath, auch r Gastgeber und Besitzer des Hauses I 



" H«r Ii. >n M 84. in Wim p. |«8. U«rt hl M lnr.rlir.l- 

Im «nur VII, dli. OrV .rhrin 4. » Hr. Krorrlrli »tod«ru«»f<.ii . w.i .. ntH,r 
i.,tl 4nr «r.l,r .Ii r>*ll.«ii Sttmnwr u,.t=.lu»lti»t vurMitrlum*« Ht«iiUiiui«Jioi. 
Inxhrin für .1» IIuw».i<1i,.Im hu. 1.1 E.lr «ur Z.Ii r..ch nlrhl UM» HW 

» K. A. IthlMfr, lUiuar . Chr>.*lk ».m Wl«u ... w. w.4 Wiaaer 
AWtTth..V«r»l» VIII. p. CIJC, .WIoMl^drlin«uiM Im Jtlir« 10»J- «*» AIIkR 
('■•Min 



Um I77;*> gehört das Haus r zum wilden Mann' 
einem Panl Anton von Gundel »«, welcher als Hofrath 
und Reiehshofraths- Referendar 17f>K eine Prämie fllr 
ausgezeichnete Schiller der Wiener Zeiehnungsaka 
demic widmete Ao. 1795 nber ist der „wilde Mann» 
bereits in das Eigenthum der von Gundelreben Erben 
tibergegangen, üb aber die von KW4 bis 1795 olfenbar 
zusammengehörigen Gundel und von Gnudel zu dem 
Stamme (vielleicht von einer Seitenlinie) des Dr. Philipp 
Gundel zii zählen sind oder nicht, ist mir zur Zeit noch 



» v. I»(r«i-r. Bl. 

»<. Sl.ph.u * 137- 

•« a*klaa* r , I ». 
Kr. K. LI«*, I. c 



p. sa. t * 
• tnl 



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XCVIII 



mibckaiiul , da auch das k. k. AdeUareliiv keinerlei 
Nacliwx'isi' tlbi-r eine /.weite Familie dieses Namens 
enthalt. — 

III. 

Die Gnndlach, Edelletite in Meeklenburj;, 
auch in Haiern und Preussen. 
1581 Iii» zur Gegenwart. 

Dieses Geschlecht, welches mit den gleichnamigen 
Wiener Bürgern gar nicht zusammenhangt, zählt zu deu 
älteren und bekannteren guten Familien MeutschlandH, 
speeiell Mecklenburgs, übschitn in allen Adels- Lexieis 
mit einigen Zeilen nntgefUhrt, ist doch nur wenig Uber 
dasselbe mitgetheilt, und deshalb, sowie zur genaue- 
ren Unterscheidung, mögen folgende Notizen — welche 
Illingens keineswegs auf Vollständigkeit Anspruch 
machen — an dieser .Stelle nicht ganz UherflllRsig sein. 
Die Mecklenburger Gnndlach waren schon vor ihrer 
Krhebiiug in den Adelstaiul \Va]i|iengenossen ; denn 
Hans der Altere, Michael, Hans der Jüngere, Abraham 
und Zacharias die Gundlacli erhalten s. d. Prag, den 
:i. December lfiKl von Kaiser Hudolf II. den Heiehs- 
adel nebst Wappenbetstätigung. »" Dieses Wappen ist: 
In Göhl aus rothein Dreiberg ein blau gekleideter wach- 
sender Mann mit goldenem Halsnmschlng, vorn an der 
Hrust vier schwarze Knlipflcin, mit blauer spitzer abhän- 
gender Mutze, in jeder Hand eine (Windelrebe mit sil- 
bernen Wurzeln und drei grllnen Blattern emporhaltend 
(Namensanspiclnng) . Kleinod: Derselbe wachsende 
Mann auf einem blaugolden gewundenen Tausch; Decken 
blau und Gold. Auch in Nürnberg waren schon damals 
Mitglieder dieses Stammes sesshatt, welche süinmtlich 
das ganz gleiche Wappen führten. Von ihnen gibt Georg 
Andreas Will in seinen Nllrnbergischen MUnzbelustigun- 
gen" einige Nachricht: -Allein es ist was gar weniges, 
was ich von deu Gundlachen sagen kann. Sie waren 
wackere Kaulleute. Heinrich Gundlacli starb 15450. Paul 
Uuuillach hatte l'rsula Köchin und Johann Unndlaeh 
I hristina Fltrlcgerin zur Khe. J Ausser diesen war ein 
Hans Gundlacli verehelicht mit Salome Ohmigin, und 
deren Sohn Michael Gnndlach heiratete Regina l.'nter- 
hollzcr, die Tochter des Ruprecht riiterholtzcr und der 
Barbara Rosenhart. Auf diesen 
Michael und seine Hausfrau Re- 
gina wurde anno Hill! ein acht- 
eckiger Jetton geprägt, welcher 
auch bei Will abgebildet ist. 
Auf dein Avers (Fig. *>), zeigen 
sieh die Wappen Cumllach und 
Ohmig mit dem Gundlneh sehcn 
Kleinod auf einem mit Wulst 
bedeckten Rosthelm. Das Wap- 
pen Ohmig «» ist schrägrechts 
getheilt, oben der Kopf nnd das 
liruststilck eines schrägrechts liegenden aufwärtssehen- 
den Fisches, unten eiu Löwe. Die äussere Umschrift 
lautet: HANNS . GUNDLACH VND . SALOME . 

■ N»»h dm KiUWAtlm .1. . k. k. A4. 1. ArrhUf In Wir«. |>r. Kl>«»kk. 
• Wl h t»l»HB 4.«ti*kva Ad.U-Utlri.. IV. f- •<'». »I* MMn Im A»(«n„» 4*> 
XV. Jahrhuti4i<n. »-m K. H«|.niM 4m A.l.l tra.alt.ii: dx-a n.d.l uch in 
4»n Dl|>lonri> 4. a. I.VI au<t i;«a aal« Kraahnur-c. VulMtM MM MM 
41« ariprilafllehr Wifftm rlrlbai.tr 

Niirar-arg i:el, IV. m .1 ..q. Sli-at- »nrh : Srmr JHrr.roarr.ar, Bfir- 
;<rlicr.r OMrhlxliIrr, V. B4. I. AM*, f. tt, Taf. »:. 

■ Dlatr Famlllr b.l,. irh air»»n4. rrrirlchncl gifun4<a. Aue» Will 
■ ■ »a nl-M« N.l.rr, . Ul .t .1. 





OHMIGIN . WAPPEN. 1616. 
Die innere: MICH AHL . GLND- 
LACHS . ELTERN. Der Revers 
(Fi*. 7) enthält die AWanz- 
wappen Unterholtsar *i und Ro- 
Henhart, penannt (.lockengie»- 
8er *« von Gloekenhofen. Erste- 
rcR tnt getheilt; oben in Hlan 
ein silberner Stern, unten von 
Gold und blau dreimal schräg 
links (Konst £ewülinlieh schräg- 

n ehtH) gestreift. Dazu da« Unterholtzerisehe Kleinod 
auf gekröntem Tttmierbelm: eiu offener Flu£. jederneit* 
tinjrirt und belegt wie der Schild, die Streifen Sparren - 
weise zusammenlaufend. Da» adjuupirte Wappen ist 
eigentlich nicht jenes der Rosenhart, sondern der 
Bloekengfeaaer (von denen ein Vetter Rosenhart adop- 
tirt wurde), niimlieh in Schwarz ein goldener Spurren, 
begleitet obeu von zwei goldenen Sternen, unten von 
einer goldenen (Jloeke. Die äussere Umschrift heisst : 
RUPRECHT . VHDBRHOLTZER l'ND . BAKHKA . 
R0SENHART1N . WAPPEN. Die innere: REGINA . 
MU H . OVMDLACHIN . ELTERN. 

Für die Kinder des Michael Gundlacli bildete diese 
Medaille die Probe auf vier Ahnen. RemerkeiiHwerther- 
weise ist dieser Jeton in den drei bedeutendsten Samm- 

41 Ober 4lci* ("MtiikoMirT «der l'blrrlioltrr finden «Ich bei Will I. o. 
I>. ttS — T*7 cruauere Narbrlc bis», wahrend min In Jedtia Ad« I. I.rklni* »er- 
**t>t|«b »•<*h tlinrn tue ><•>■> würde. Ub d«r Im Mibih bur b Joj druiavhwi Adr.» 
IV, HI rrwiih.ul* Haiti)" I "ntcrbeUarr, Iturbbatur In Zlpi. weither IS*tB den 
Adrt.latid •il.it-t«, »m» ftir Abnhrrr Ut, wir« ant 0*t«iutallf i». Sie koamr-u 
ur>|irii«t,U*ti iu ö»terr«'irh und Stvli-mtuk mit drin l'rWdM ate »»cm ll»i»a* 
und mit drnixlbrit Wa«,.^ n , wie *i UUr b«trhrirb«n wird, unter 4-m Ad« I 
v r (A'trr SltUn. I. l>i<* Nörnlururr l nt«rt»ulurr k»mm mit >»t.n»'.*t. 
Ms a*»tf iiarc — dir Kvlipflon k«Il>rr — ttMh SUr»t'<rn, «ndl di«»i r mm Ii Im ff Hill 
1 57 7 >li 0*Mnt.iit«r dr» tir>t*M>T* lUttitl uod rekfci-r K«afhcrr. Sr\m% I)r»tru* 
d< n< Ul !■ dtn la^ i irBcn M*3n# l«clmtU;iinM< n ■•■■iku T*Tieichn#c . «-imtn 
Wktrkr. wtlrhr» trnti «vtnfT Wir üttjcktl, tur Jl<r*ldlk «nd Ommloirtv nnd 
utiiCrarutet c» !■ Nrrwd'ft 9>hrl/tiinknt.d« 4>-r Krakmtntr* W«ji|>i'it«i**rn*eb.»tt 
MtKifwhrc wird, .au il*n r*tlnjiü»iirr» bUh*r mh l>*wuadttrii>wlirdl^rr On- 
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k»-in Ihr Nimr untrr - l(-**i*h*rt" tr n »nt- Mt tUtn 
I lm und Irrion tt-dtm liVi Im Niirul>«r)T HÄnti r 
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Krli^ririi in. «iu. ii W»|.|.#i.tr.ff . wtlrbr» Ktlvrr Km V. l."i?9 *rmu«rtr. 
In Nru*o Kkb«Mslirr, 1*1 d«n •ll««fllilicti *jei«liU<btcm V. Hd I. AM Ii. 
p. Ot, T*f. •»> wird llrminn (tlvrkcnKlcurr «Ii Mlft<r du »(.IUI* su M. Vftt 
htrd In I.fcüf rrwihnt. Orr Lrtit« dir» Stammet. **1rli<r *n Rndr dr« Wl. 
•djtf *u AuUti« df» XVII. J*tir*i«n«ivn# itnrb, adnftlrt« »inrn \wU-r H«»rn- 
I.»rt, und di*»«r Chr»Mi|ib aotjv n b»rt Kfptntit C.t<^k*i^'i »»> r , «rwjfb **n 
R*lMf M»ifH>UUn IL dl- V Auitual l't»;9 HM Adi-i»t.rU-f mit VwfMft- 
b«ai*ruiirt. NartiJunj 4v» <'litlt(0(-b. Si>Uu, l'uur»«! R«»l-uIii« (t aitutt <il«>f ken- 
y |«-»i* r, 4a» Orac'ual di*><> l*j|'l>. ine» tu Krii-u>i r 'tc> *(rl<-ren u»d nur viut 
Ab*><brlft davoa tji ri tt-. t tt*tt.-. to eri<li Itet» silne l>«-|dt n tfÜlmf Cbr1»l"(>ti und 
Cnnrad die Hoi<-'.l.«rt, K ma*uf Ulo<kr»cli »•er. *ei> k»i*rr K«r.llr,»n<1 III »Irl. 
WIM 4en 1^ KWntKT l»0 mm UrUÜn.u,,» llir«» Adrl» imd Tw fftll , 
**t t i Ah um Mw |m PrldjlMl fc r»n WMftfwbofen' 1 »ob U.t. tu «Hin Hern »»iu. 
d-m Ol»rkfnhor hl NürnbrrK- Orr «rS»lr Tb. II diCM* Ol»lomr» Itt b.l 
Will «ArUicki .b»t. druckt. Uu Jbur» M-rUtbc«e \\*ppm» IM-ju-drlPl: 1 und I 
r. d.rfw Je t«rl K*»en «nl J.d»r Seite U %er- 
M tiuuen ili-ictihnm- t «nd i 4m *b*n bU- 
••»(be W'Mpjien, wie Mif drm Ra*rr» der l.tr.dlarh'irhei. 
ein lUwer Ml«elTbII4, w.rin e.nr ^tdeur 01«»b. ki..n- d 
rrrUU ein »rbw.r.i r Fl««l. l-i. k* * »nd S, link. rli. r.-ttiM hdir. M^rt». 
an»..» bMUekl n»l •ilWr».-.» »-»#..- Her Nam« K — uh*fl bcdrutel i«vt.l 

»!. rw.am.rn bonua. Kn,ru C art «■!• r K ^»wkl4. Slrhr ii ( er 4^ W*rt -Itatt- 
4h »r Mitil.aituo»:«u XVI. Jabru Juli AunuH, l't wiemrui AttOau fi^r 
^(Wdlet>a»|ia»j und W.junakr i*u-" |». CXL, A»»mr rkmic II- — >l»t IxTeni 
llviurleh ll«»iabart. g«naniit ÜIo<krncl«a*rr , t>**€ du-»«» 0»»rt»l.rbi IT17 
|aj Ntlrttherf ab; **. 1767 libten aber in-rb TTw»|«r di a Natnaa* au Ilm tttvd 
Irai.kfun. i Vldc Aller Mebirarber L »1» «ad V. M) I»i.- Kaaalh. |N ti.rhi 
au Terweclualii anu den • r b w » t> i • c b • » und alrd» r-lnirrr 
.f hm iti Roaauliarc. w.khe 4urra) dau faR.oirn Kf«4t, 4eu »I. •<-{.-■ 
ihrer Turftlartliblitkeli ma. I3*> mit 4vn MaraibAFea »au OUrud-rr hatten, 
bekannt »Ind. 'Slrbe dir t/iiellen datQwff lan .^tatum i>ti< h III 13 . woiu noetw 
alt wtrliDc»!« gm -II« 4*-» Or.|V»i \V t irmbr4nd Collertanea g< ■.ral-wlrn-blalorlca. 
Vienaai iru5. |i. JJ— II hlnjiu-1 fmt werde» tuüi'X-n.i M«rk«ürdi^ Id'IM ea 
utritfi lia, data dir Wi rk* niin r W«ntilTand l. w. Ich* über dlaae lt»>rnba.rt 
ndl d< n drei rotbrn IIa», n lui ull-eruen Krida und d.m wtlaara Ilabm nruui[>r 
ata klri n *>4 — liandrlft, atan Oanhr, x. H.-Ittarb. Kii*arhA"r, da* Mtunant-Uch 
etc. Olu Faaaill« durebw, ^ ant»r i1>m fili.biD Sinti Uiupur «oft K» 
»roh&rt MwIfMI, w.lfiu-r Ir Mb ii m aua d<a» HaVm rvUtidriien MHMI 
Kauiar «der !t>||..r. i 
PjMfM fllhrte, 
-»rdrti will. 



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hingen cinscbläfrifftT Materien in Wien vertreten . im 
k. k. Münz- und Antikeneabinete . — im Archiv der 
Stadt und in der Sammlung des k. k. Hofwappenmalers 
Karl Krahl. 

Die Gundlach in Mecklenburg bedienten sich nun 
seit lfiM I der ihnen zustehenden Adelspriirogativc, bis 
im XVII. Jahrhundert eine traurige Zeit Uber die Familie 
hereinbrach; die unseligen Wirren de« 30jUhrigen 
Krieges und die schwedischen Kriege vernichteten den 
Wohlstand auch dieser Familie und versetzten sie in 
betrübte Umstünde ; ihr Adelsbrief war zugleich mit 
anderen wichtigen Urkunden wahrend jener Zeit in 
Verlust gerat heu, und sie selbst entschlossen sich, den 
Gebrauch des Adels fallen zu lassen und blos ihr altes 
Wappen fortzuführen. So mögen sie es eine geraume 
Weile hindurch gehalten haben; allein allmiüig erholten 
sie sich wieder von den erlittenen harten Schicksals- 
schlügen und gelangten neuerdings zu Ansehen und 
Vermögen, und zwar besonders die Gundlnch-Terries- 
dorf sehe Linie, welche wieder in den ltesitz des wich- 
tigen Gutes Uindebcrg und des Stammgutes Terries- 
dorf kam, so zwar, dass sie annn 174* den Kaiser 
Franz I. um die Erneuerung ihre» Adels bitten konnten. 
In Folge dessen erhielten folgende elf Herren: Joachim 
Friedrich — Gottfried — Christian Friedrich — Krnst 
Friedrieh der Ältere — Jobst (Joeodus) - Ehrenrcicli 
Johann Christian — Jobst Gottfried — Luens Heinrich 
Adolf Friedrich — Christoph Albrecht — Ernst Fried- 
rich der Jllngere — siimmtlieh Hrllder und Vettern, die 
Gundlach s. d. Wien, den 1(5. August 174* eine Bestä- 
tigung des ihren Vorfahren lf>Kl verliehenen Adels, 
das Ehrenwort „von - und die Bewilligung, sich von den 
r erwcrbenden J Gütern nennen und schreiben zu 
dürfen *•. 

Um ihre gemeinsame Abstammung und 
seitige Verwandtschaft genügend nachzuweisen, 
die eil Petenten eine Stammtafel, insoweit sie zu diesem 
Zwecke nöthig war, beigebracht, welche, als von genea- 
logischem Interesse für die Geschichte dieses Geschlech- 
tes, hier folgt »<. 



In neuerer Zeit waren Sprossen dieses Stammes 
auch in Preussen bedienstet und angesessen. So besass 
der am ii. October 1809 verstorbene Christian Friedrich 
von Gundlach Strassburg in Weslpreusseii , dann iu 
Mecklenburg Dnrgun bei benimm, Hinrichsbcrg. Eeitz.cn 
und Kumpshageu. Das Gut Hinrichsbcrg im Amte Wre- 
denhagen war IKf>3 noch Eigentum» der Familie. ■ * 

Beiträge zur mittelalterlichen Sphragistik. 

(»IM I ItdUitlialu.) 

XVI. Das Siegel des Wiener Pfarre rs Leopold 
von Saeh»engang. 

Wir haben bei Gelegenheit der Veröffentlichung 
der Siegel des Andreas, Abt von Adniont (s. Nr. XIV) 
und des Pfarrers Leopold von Heiligenstadt (s. Xr. XVi 
bemerkt, dass bei geistlichen Siegeln es häutig vor- 
kommt, dass der Patron des Klosters oder der Kirche 
auch au! dem Siegel und zwar am vorzuglichsten Platze 
desselben, d. i. im Sicgelfelde erscheint. Ein weiteres 
Beispiel hiefUr gewährt ausser jenem des Heiligen- 
stiidter Pfarrers (s. Nr. XV) und der schon im XV. Baude 
der Mittheilungen veröffentlichten Siegel der St. Mi- 
chaelskirche in Wien und des Dominieauerklosters zur 
heil. Dreifaltigkeit in Wiener-Neustadt das Siegel des 
Pfarrers Leopold von Sachsengang. 

Dasselbe ist spitz-oval, hat 
'1 Zoll 1 Linie im senkreckten 
und I Zoll .'! Linien im horizon- 
talen Durchmesser. Im Mittel- 
felde sieht man auf einer drei- 
theiligen Console stehend den 
heil. Stephan, den Patron der 
damaligen Wiener Hauptpfurr- 
kirche, mit langer Dalmatiea 
bekleidet, in der linken den 
Palmzweig, in der rechten einen 
Stein haltend , ein Stein liegt 
auf dem heiligen Haupt. Der 
Uhrige Theil des Siegelfeldes 




Stammbaum der Gundlach in Mecklenburg. 

(Amt atraa *. *. .u, ■. Artkilt Im ll'icaj 
Mtaai va. (iaudlarti. t 1390. 



Jeb.t L G. ant la Rdaaa m» nt, t UM. 



Johat 11 Sil Orb »narrt »Hl» llaattn narh Salntln U, Mcrkl. i.Ktir»; hag-ahat.. t l*J.>. 



Jnl-H III Ii»! »II Ti.dd.rn Ii. Mt , kl, Ii I.II tV «..»fluil. t »■" >"> Srulraab.T 



Hl».!. 



H in u i GundUch 



Joliil IV. «<-b 1.1. Au»ii>t HU.«., Erl.liarr «uf T..«rriad.»rf iu M«c»l«tiburä, 
+ »m ss. April 1710- 



Fr In .Irl« Ii, Amtmail«. Iii Tr-ddlr n, ttlur Sur.;. In Maria, 
r» t ti a Giiudlarhln 



Jahn V Heinric h, ceb. IS. Fr- 
l.ruar III3C, l»t Iu 4ai Braansi-hwaig. 
WultTculUiirracbr «i«'|tn oo* 
An.tniii.il iu l.l.-lmni.. n d«..|bn. 
t iT. Aufnal IM«. 

Johanna 8 ..- 1. L'hrlallar. 

akUOkrl- Frl.drtct.s.b 

»■Ina. «al.oraa 7. Mir» litt, 

;t Ahm 17-j». Ckaianai, )«n. 

t II. De«. IT»«; 
rriarltui . 

OaaratfWadr- 
m a y « r. Erbtaarr 
und Iturgmaan 
aal Itlafl B b. I 

Il4nna«*r. 



I JoacLlin Frl. drlth. tlab. am Jibin Luit «u 1. Ii tt frlrd Erb 0 a i. rit I 1 r 1 1 1 r i r b, F-rbbirt sn Altrn • l'lraita la »thw* 

in. J«iin«r !«*>. Erbh.rr auf Hin. Gr»nri.hR|[<ri Iu Mark- herr auf Tt i rrladsrt. du<b Vymmtr-. 

drb,r«l., H. ,a.a,,bar, m ax. r.MarU «■ ••»■ »• * W , o„„ t,.l |. »...,.: Oia, I. a...' 

Llla.brth »toiraln Man IM», t II. Juli armnalt ,,. i.„ T „, r ,.., >,..«.« w.,.ai.«n.. c..»ii«.i. «.rl~"ii r-n-t «»■ 

i« t>fcl*. ■» l.,.UI...t 



IM*. 



Ii« Ufa Tr..r>a*i 
ttwi ,ai |ty <■,>,, 



C hrlattaa Ell- 
» a b » r h ii'änria 

M. I 'r ITH; 
marlltia : 
Cturad M arli 
otro isn Clra», 

Erbhrrr auf 
R'titi'u m Hafk- 



J obal Fried- 
rl t h , a-eborra 
I*. Mal UM, 



J i» h am. J.nr njtio., I. K r n » t 1' r I • d- ». J n b a l, «Lorca 

«ab. S» Aairaat ITH r I c Ii , gab. «. Jual St. Oetob.r ITH in 

« i OmM a In M..I- ItlJ an P.kalal Iu lirauai.ba«. », uarrr- 

h nbnr«. r tO. Jäanir Mxali abar«, uaiar- nialt. 
IM*. >Ȋli. 



«. Ekran r< Ic h 7. J obit O oll- 8. 1.uraa II ala- ». Aialpk ID. C Ii rl a lo |. b II. Kraal 

J'bant, l_brl- frlrd. «rbtrrn rieb, grl.or»« F r i » d r I <• h.m b. A I br » c Ii l.grl.. F r 1 1 d r !<■ Ii.ajat.- 

• ttaii, grbarrn I. Ort. I tSa. K S.pl IHI !« ftfl. Uli. t». Ansaat I Ml. 1*. Saar, 11«. 

»,s Jini i:j: 



•i S«(h d.i. ürhbi Ar Uli du X k. Ad. Is Anbli.l Iu Wim. 
« S dir Maas |.K N.m.t, drr Ulf BrBdrr und V.ttrrn alnd 
TaM. narl d.r R.Ii.. mM (r . in dar ala la d, in 



•> Zu den Im StanunJurb d.» d. ularb.n Ad.la aagagrlH-nrn gaallen 
■kau m.cklanbillk-iMb.n G u „dlarh kon.ml «oeb drr ab.« cllirta Will. 
Mlliitbi]uilUaiii.'an. Kr Kliiarbk«, AdrU-I.€ 
III. Ild l-rruaim, p 1«, Taf. tu» nud V lld 

arban rltlrt. 



. Oaaal.UtkWr, »lo 



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c 



ist theils mit grossblättrigen Pflanzen, theils mit Ran- 
kcnwerk ausgefüllt. Unter der Console ein kleiner Spitz- 
schild, in der oberen Hälfte quer gegittert, in «1er unte- 
ren blank. Der Schriftrand ist mit einer Pcrllinie nneh 
innen und aussen abgegrenzt und enthält die Worte: 
t S • Lcvpoldi de Sachsengang - plbni • in • wienn. 

Über Leopold von Sachsengang gibt uns völligen 
Anfsclduss die im Archiv der knis. Akademie der Wis- 
senschaften XXVIII. Hand veröffentlichte Monographie 
lies stand. Archivar« zu Graz Herrn Jos. Zahn, welcher 
in eingehander Weise Uber die Vcste Sachsengang und 
ihre Besitzer Mittheilung macht. 

Pfarrer Leopold war der Sohn Leopold IL, der um 
127-1 meistgenannt wird, und der Agnen von Sonne 
bereit. Im Jahre 1342 erseheint er als Pfarrer zu Gunt- 
ramsdorf, wo seine Familie schon seit langem begütert 
war und zehn Jahre sputer als Pfarrer bei St. Stephan in 
Wien ■. 1 3f>7 stiftete er lllrsich ein ewiges Lieht und eine 
ewig.- Messe in der Capelle des damaligen Pf'arrhofes 
von St. Stephan, ein ewiges Lieht in der Achazcapelle 
zu Klosterncubtirg. Als Herzog Rudolph IV. das Zimmer 
der Wiener Iturg im Thnrme neben dem Widmerthor, 
in dem er geboren wurde, zu einer Capelle im ober- 
wähnten Jahre bestimmte. übertrug er dem Leopold, als 
dem höchsten geistlichen Würdenträger Wiens, die Ob- 
sorge für den Gottesdienst. 

Auch gal» er 18f>9 «eine Einwilligung , als der 
Herzog die St. Stephanspfarre in eine Propstci verwan- 
delte und resignirte auf diese Würde, um die damals 
ansehnliche Pfarre zu Gross-Russbach zu übernehmen. 
Am X. Februar 13(5(5 starb er and fand seine Ruhestätte 
in der St. Stephanskirehe zu Wien, ügesser theilt in 
seinem werthvollen Buche Uber die St. .Stephannkirche 
ip. 1G8) die Grabschrift mit. Sie lautet: Ao Dui 13(5(8 
Obiit Dnus Lcupoldus de Sachsengang Plebanns in 
Huspach, olim Plebauus in Wienn. Dominica ilie, ipta 
eantatur Exurge hie sepultus, requicseat in pace. Das 
(irab ist gegenwärtig nieht bekannt ■'. 

/'<-. Ki Lind. 

Römisches aus Ober-Döbling. 

In dem zum Hanse Nr. 1(0 an der Obcr-Döblin^er 
llauptstrasse gehörigen Garten scheinen schon vor- 
gingst ab und zu einzelne römische Münzen, Ziegel- 
trUmmcr, Mörtelstüeke u. dgl. gefunden und als An- 
zeichen betrachtet worden zu sein, dass einst eine römi- 
sche Strasse über diesen Grund gelaufen sein milchte. 
Vielleicht gaben solche Vorkommnisse und Vermulhun- 
gen den Anlass, dass ein früherer Besitzer des Hauses 

' JHr Crknrdr, an »ili-ner »Uli daj «tan Nflrtkrlf Ixiir Sli-K-I l'i-rlii J.r, 
1 1 ii „l'terkruhfatrirf d.a Sil |-h«u S.'ttb«.r*-rr dd». WI.'U. Ml*baets**.'end 

Au.»f it. in Mimr t.< nfiild rrarhelnra necli dvr IlSrcenmUtrr KrlidrUh. 
»i>b Tyrn« «ml Heinrich dir Würfel, nie 5le«l.r. 

' Ich i-w*Uv dlcaca Anliua, um nvnrlimnja anf 04 MMflN 3lm.oKTai.lil.- 
Zahn'a riirii'kiukr>n.rnrn. Z a r. n ttC-t niinallrh an, da** die Jliniiere. Ilartnll'- 
»efae Linie der gar h»tnga.a>a*.'r kleb sereptWirfM and nr.lt Uir dir M. d« ntiintc 
dne U<»rhle<l,lra »t-e.ahm. K< rraebrln* n Mil(ll»dl-r dir Familie, dir ,l»ei. 
•cHtlCll tltf>i nieder eeraa-barlndi tl , dal-uliler kllrh «-In Math.. .Ha* l.aonfianK'-e- 
Von dl.aani meliil nun Z * b Ii , da»» er «Ohl d.rje nie« »i-i . dir Uli II. Juli 
I3HII in Wien »rarh «ad In der Will ••rlli-Bik Irclle l.Hccielit wurde. Malier 
kna.nl» dlea nur al» flu« Nutlini laimic Helten, d-e In dem bi i l'rz gedruckten 
v.rriilnt;iiiiii dir Mlaaorlren nur -Iii Kimllli mi aini n UU'1 dl* iiiiKi-r tu Ii-Ii lineii- 
din Wotti' domlctllna, Jrktrr domlul Conradl ernrhelnen. Zahn'« .abnähme 
e»»r kuh rlcbtlK, denn In dem Im XII lland* dir Mittht'IJuiiif* n dea Alter 
iliuru Venlar» m ri-oTonlllrbri n VeneirhaUre di r Qriber In Klrrbe und Krina- 
eans dir Mlftorlrrn au Wien b.-l»et *» f|n< TJ): »In «Marlin b KeJbnriaa la 
lerlle nrdin* lajililnm- Ad ili itrnm rnrnn Vitara* Uilxchaatnal' , tal.l Hiera \ 
nealrila »al dnanliiKi Matbiae de -Saeha* ini an« l>ater domlnl Cbanradl**. Ina 
dalil ketndmi.. Wanf-.ii t, i K l i!>. r. InaVninianil MH Jenin, am Siesel rlm ■. 
r.. rix. i.- I fiüi. .llrn Scbild, »bin acbiaui. unlra »liier». S lurli Kell llf 
aar» OiKkielit. an» M.II II, p. 1U. 



als malerische Decornlion, die zugleich an die römische 
Vorzeit erinnern sollte, eine Art von Strasscnsäule auf- 
stellen Hess. Das eigentümliche, offenbar nach der 
eigenen Erfindung des Aufstellenden ausgeführte Denk 
mal , jetzt im Depot des k. k. Münz- und Antiken-Cabi- 
netes, dem es im Jahre 1H5B als Geschenk der Eigeu- 
thtinicrin des Hauses Frau Antonia Hornitsehek durch 
Vermittlung des k. k. Haus-, Hof- undStaatsarchivars Hr. 
Clemens von Kliukowström zukam, verbindet in einer 
an »virklich alten Säulen ganz unerhörten Weise zwei 
Arten von Denkmälern, einen Meilenstein in cvlindri 
scher Form, der im Durchmesser kaum die Hälfte der 
Stärke aller Meilensteine erreicht, und einen Gelübde - 
stein in Würfelform, aus welchem der SHulenschaft hcr- 
vorwachst. Die Inschriften beider stimmen wieder gar 
nieht mit der durchweg constanten Form, in welcher 
die Angaben der Meilen- und Gelübdesteine ab-efasst 
sind; der Säulenschafi trägt nämlich die Stationen 
und Distanzen der Tabula Peutingeriana von Vindobona 
bis Pirus tortus, unter einander eingegraben, der Würfel 
enthält eine Widmung an Mercurius, ausgehend von der 
in Vindobona stationirten XIV. Legion. Auch in derHnch- 
stnbenform (U für V,) verräth sich die moderne Hand >. 

Es ist offenbar nieht daran zu denken, dass diese 
Säule angefertigt wurde, um für alt ausgeben zu 
werden , sondern sie sollte eben nur eine unschuldige 
Decoration darstellen, die aus der Liebhaberei des 
damaligen llesitzers Iltr Alrerthttiiier erklärt werden 
muss, und die nebenbei, wie gesagt, darauf hindeutete, 
tlass sich im Garten wirklich schon l.ömcrspuren gezeigt 
hatten. 

Wir haben hier an dieses Denkmal erinnert, weil 
nenenlin^rs solche Rünserspuren in demselben Garten 
auftauchten. Hei der Spärlichkeit, in welcher dergleichen 
in und um Wien sieh zeigen, ist es nicht ohne wissen- 
schaftliche Bedeutung, auch scheinbar unansehnliche 
Aufgrabungen zur öffentlichen Kenntniss zu bringen, 
vorerst einfach nur um ihr Vorhandensein zu Consta 
tiren. Vielleicht kommen in der Folge andere in der 
Nähe an den Tag tretende Trümmer hinzu, welche «las 
Bild vervollständigen helfen und Anhalte geben, mehr 
oder weniger wichtige Einzclnheitcii in dem Grsauiint- 
liilde des römischen Wien zu reconstruiren. Aus diesem 
Grunde wird hier jener jüngsten Anfgrabung in dem 
genannten Garten gedacht, obwohl sie vorläufig noch 
nicht weiter verfolgt werden konnte. Wir verdanken die 
Kenntniss davon der Güte des ebengenannten Herrn 
Archivars Clemens von Kliukowström , unter dessen 
freundlicher Führung wir die Fundstelle in Augenschein 
nehmen konnten. 

Der öfter genannte Garten erstreckt sich 202 Klat 
(er weit in östlicher Richtung >on der Oher-Döblinj-er 
Ilauptstrasse bis zur Nussdorferstrasse. Von der Gar- 
tenecke des Hauses wcjr, wo nächst dem Rrunnen die 
oben besprochene moderne Strasscnsäule ehedem auf- 
gestellt war, in einer Entfernung von 3G3 Schritten kam 
man bereits vor mehreren Jahren auf eine feste Mauer; 
es sollte damals eine kcllerartige Vertiefung zur Anlage 
eines GcmUseeinsalzcs in den Gnrtenboden gegraben 
werden. Eine <|Uer durchlaufende alte Maner bildete ein 
Hinderniss, das auf keine andere Weise als durch 
Sprengung beseitigt werden konnte, so lest hafteten 

■ J. O. «.Ml r-ui.drlir.uk, Arrhlv f Kamde S.terr 0. ,r*„hl..|«rll. .. 
XV , ... all. 



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die Steine aneinander, auch ZiegeltrUmuier und einige 
MUuzcu fand man dabei. Wieder 17 Schrine weiter 
östlich, gegen Nunsdorf zu, im Ganzen also 3HO Sehritte 
von dem Brunnen am Hanse, gcrieth man im Marz diese» 
Jahres bei Erdarbeiten im Garten abermals auf eine 
Steinmauer; da ihre znruckverlangertc Kiclitnng auf 
den GemUseeinsatz trifft , ist sie sieher eine Fortsetzung 
derselben Steinmauer, die vor mehreren Jahren gefun- 
den und mit so vieler Milbe beseitigt worden war. Die 
neu gefundene Mauer lag nur 1 ■/, Fuss unter der Erd- 
oberfläche. Nachdem sie auf eine Lange von sieben 
Schritten aufgedeckt war, linderte sich ihre Hiehtung 
und bog gegen Süden ab, wo sie nur drei Schritte weit 
verfolgt werden konnte, indem der Gartenweg in der 
Hiebt ung von West nach Ost darüber hingeht. 

l)as Krgcbniss der einstweiligen Aufgrabung ist 
also eine Mauerecke, die ans Bruchsteinen mit reich- 
licher Mörtelverwendung zusammengefügt , vier Fuss 
breit ist und drei cinhnlb Fuss tief auf dem alten Fnss- 
boden ruht; der Mörtel zeigt hie und da eingemengte 
Theilchen zerstossener Ziegel; die Kcke selbst ist nicht 
scharfkantig, sondern leicht abgerundet, was bei römi- 
schen Cualelllmutcn gewöhnlich vorkommt. An den 
Aussenseiten der Kcke (gegen Norden und Osten) fand 
man keinerlei Objcete, die auf den römischen Ursprung 
deuteten , auch keine Ziegel ; gegen Innen zu (gegen 
SUden und Westen) aber fand sich der Theil eines 
Leistenziegels der Bedachung, der Theil eines Hohl- 
ziegels und eiues Hauziegels, letzterer mit dem Reste 
des rückläufig geschriebenen Stilmpels .... HV IMT: 
er gelangle als Geschenk des Herrn Clemens v. Klin- 
kowström an das k. k. Münz- und Antiken-Cabiuet. 

Anderes fand man bisher nicht. 

Wenn wir in den folgenden Zeilen eine Vermuthung 
Uber da« aufgedeckte Mauerwerk aufstellen, so geschieht 
dies mit aller Heserve, die uns die Sparsamkeit präg- 
nanter Merkmale auferlegt und mit dem Vorbehalt, 
späterhin , wenn etwa neue Gelegenheit zu Unter- 
suchungen auf der Fundstelle geboten wird , darauf 
zurückzukommen. 

Der Ziegelstümpel lässt sich, da anderwärts schon 
ähnliche vorgekommen sind, leicht erganzen. Im Spät- 
herbst IH<>7 fand man zu Ens ein Zicgelgrab, welches 
ans quadratischen und oblongen Leistenziegeln zusam- 
mengesetzt war ; einer der letzteren zeigt den gut 
erhaltenen, in zwei Zeilen geschriebenen Stämpel : 

LEG II ITAL ALAR 
TEMP VHSIC VPDVC 

Dazu kommt ein zweiter Stilmpcl nuf einem Zie- 
gel, welcher im September 1*71 in Wien in der Lands- 
krongnsse gefunden wurde, als man die Canalc für die 
Köhreulegung der neuen Wasserleitung aushob; er be- 
findet sieh jetzt in der Sammlung des Herrn Anton 
Widter und tragt folgenden Stämpel: (T)EMP VK . . . 

Auch auf dem Döblinger Ziegel liest man deutlich 

'EMP VR Olfenbar gehören diese drei Stämpel in 

dieselbe Zeit, sie nennen gleichmässig einen Ilrsicinus 
oder Hrsiuus, welcher nach den nachfolgenden Siglen 
Vl'l) l Ens) = utriiisquc Pannoniae dnc : s <sler viri per- 
fectissimi dneis, Militärgouverneur der vereinigten Theile 
von l'annouien war. Für diese Würde taucht der Titel 
diix erst in der zweiten II Ufte des dritten Jahrhunderts 
auf, wahrend frtlherhin die Statthalter von l'annonien 



legal i Augusti waren, welche pratoriseheu Hang hatten, 
wenn sie nur einen Theil der Provinz (das obere oder 
untere Pannonien) befehligten, eonsularischeu aber, wenn 
sie den Oberbefehl in beiden Theilen führten. In welcher 
Weise dabei das Wort TEMP.. zu ergänzen sei, ist 
uns unbekannt ; an tempore zu denken , verbietet der 
Mangel jeglicher epigraphischen Analogie. Wie dem 
aber nueh sein möge, die Heisetzung der Siglen, welche 
den Titel des L'rsicinus oder l'rsinns bezeichnen, ist ein 
Beweis, dass derartige Ziegel in Hrarischen Fabriken 
gearbeitet und zunächst fllr militärische Hauten bestimmt 
waren ; darauf deutet auf dem Enser Ziegel nueh die 
Nennung des Truppcnkürpers hin. Die zweite italische 
Legion hatte in Laureacum (bei Ens) ihr Standquntier. 

Aus diesen Anzeichen wird zn schliessen sein, das* 
auch der in Döbling gefundene Ziegel gleiche Bestim- 
mung hatte ; obwohl er hier bis jetzt noch vereinzelt ist, 
gibt er doch einen Anhalt für die Vermuthung, dass das 
Mauerwerk, bei dem er gefunden wurde, für einen mili 
tarischen Zweck errichtet gewesen sei. 

Nahe bei Müsendorf in der Nähe von Frankenmnrkt 
(Ober -Österreich) wurde der dort gelegene Burgstall 
im Jahre IHliö, nachdem man in demselben einen Mei- 
lenstein gefunden, durchforscht. Man fand da die Grund- 
mauern eines römischen Hefestignngsbanes, dermis einem 
quadratischen Innenban von 9 Klaftern Länge und Breite 
und aus einem Aussenban bestand, welcher in recht- 
eckiger Form, lfn /, Klafter breit und 19 Klafter lang, 
den enteren umgab. Die Grundmauern des Innenbaues 
waren f>, jene des Aussenbaues ti Fuss stark. Vom 
Oberbau beider Theile war nichts erhalten geblieben «. 

Wir vermuthen nun, dass wir es bei der jüngsten 
Aufgrabnng in Döbling mit einem ähnlichen Bau zn 
thun haben. Die Mauer ist allerdings nur 4 Fuss stark, 
sie ist aber augenscheinlich der Best nicht einer Grund- 
mauer, da sie noch , Fuss Uber dem alten Hoden 
aufragt , sondern gehört dem Oberbau an. Ausser dem 
militärischen Stämpel und der Abrnndung der Ecken, 
die, wie schon bemerkt, bei Castellbanten häufig vor- 
kommt. Hlhrt uns die treffliche Lage des Punctes auf 
diese Vermuthung; man sieht von der an erhöhtem 
Bande liegenden Fundstelle aus sowohl auf die Donau- 
auen hinab bis gegen die Berge von Deutsch- Altenburg, 
Hainburg und den Thebnerkogcl , in welcher Richtung 
die Posten Ala nova Aeqninoctium und f'arnuntum lagen. 
Gegen Süden zu sieht man auf Wien (Vindobona). Heut 
zutage ist die Aussieht allerdings einigermassen durch 
die umliegenden Gärten und GeMudc gestört; rechnet 
man aber diese hinweg, so war ursprünglich die Aus- 
sicht ganz frei und konnte man die Rauch- und Feuer 
signale bei Tag- und Nachtzeiten nach beiden Richtun- 
gen hin trefflich wahrnehmen , wenn ein drohender 
Einfall der jenseits der Donau wohnenden Germanen 
die Anwendung dieser Art von Telegraphen veranlasste. 
Aus diesem Grunde muss auch gedacht werden, dass 
die Fronte des hier bestandenen Gebäudes gegen Osten 
gerichtet war, weil die Übersicht in diese Gegend hin 
die wichtigere war; sodnnn würde die Mauer von der 
Fundstelle bis zu dem GemUseeinsatz, von dem öfter 
die Rede wnr, d. h. die Nordseite des ganzen Baues, 
die nach den vorhandenen Anhalten zu schliessen min 
desteus 24 Klafter lang war, eine der Langseiten 
danteilen. 

» v§i. mm UW>i1n|ii Mi »vi xxti 



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(II 



Derartig Bauten, speeula oder praesidium genannt, 
waren in grösseren oder geringeren Distanzen an den 
Heeresstrassen anfgclührt, und wold nur in bedrohli- 
chen Zeiten mit einer kleinen Abtheilung von Soldaten 
besetzt, um die (irenzwache zu üben und etwaige Vor- 
kommnisse bedenklicher Art an die grösseren militäri- 
schen I'o*ten zu signalisiren. War nnn an unserer Fund- 
stelle, wie wir mit Hecht annehmen zu dürfen glauben, 
eine solche speeula erriehtet, so würde weiter daraus 
folgen, dass die naeh Cetium (bei Zcisclmauer) hinauf- 
führende Heeresslrasse an der östlichen Schmalseite, 
der Fronte des tJebäudes, vorUberführte und damit ein 
neues Detail für die Strassenanlage in der Umgehung 
von Vindobona gewonnen. Die nächste. Spnr, welche 
gegen Wien zu unseres Wissens bis jetzt aufgefunden 
wurde, ist das im Jahre 1*»>1 in dem ersten Hofe des 
k. k. Militärspitnlcs aufgefundene Röniergrab Ks nittsste 
also die Heeresstrassc , da an derselben die Gräber 
angebracht zu werden pflegten und ila in unserem 
specielleii Falle überhaupt ihre Richtung mit der 
Linie Militärspital -OlK-rdöhling zusammenfällt, durch 
die beiden Bunde — die Fundstelle des Grabes und 
jene der hier besprochenen Maticrecke. in Ober-Döbling 
— gegangen sein. Ferner beträgt die Distanz von Vin- 
dobona (Innere Stadt, Hoher Markt) bis zur Fundstelle 
etwa 3',, römische Meilen. Da nun derartige Hauten 
in ziemlich Kleichen Zwischenräumen aufgeführt waren, 
so würde weiter ein nicht unwichtiger Anhalt gewon- 
nen sein, die ihrer Anlage zu Grunde gelegte Distanz 
(3 — 4 mp.) zu erkennen und jene Stellen wenigstens 
annäherungsweise zu bestimmen, wo solche speculne 
vorausgesetzt werden können. 

Wir müssen uns versagen, unsere Vermin Illingen 
weiter auszuführen , um den uns auferlegten Vorbehalt 
nicht zu überschreiten und schliessen diese Anzeige mit 
dem Wunsche, dass der Anlass neuer Funde recht bald 
kommen möge, und dass sie. sollten sie nun unsere 
Ansicht bestätigen oder beschränken , mit der gleichen 
Liberalität und Rücksicht auf die Wissenschaft der 
f'pfTeiitlicheii Kenntniss zugeführt werden , wie das bei 
dem jüngsten Funde der Fall war. JFV. Kenner. 

Ulrich's von Lichtenstein , des Minnesängers Grab- 
mal auf der Frauenburg (Steiermark). 

imu i nnnirtH j 

Es liegt nns eine Broschüre vor, die diesen Titel 
tllhrt, ein Separatabdruck aus dem 19. Hefte der Mit- 
thcilntigcn des historischen Vereine» für Steiermark. 
Nicht gering ist die Bedeutung dieses Schriftchens 
für rlie deutische Cultur-Geschichtc, denn sie beschäftigt 
sich mit der Kuhestätte Flricb's von Lichtenstein; wem 
ist nicht von den abenteuerlichen Zügen dieses ritterli- 
chen Sängers bekannt , wer hörte nicht von dessen, 
der Königin Venus gewidmeten Fahrt, wer Ins nicht, 
wie dieser für den Franendienst begeisterte Ritter in 
weiblicher Kleidung von Burg zu Bnrg zog, um die 
Bitter zu belehren, auf welche Weise sie werther Frauen 
Minne verdienen und erwerben sollen. 

Im oberen Murthale stehen noch heutigen Tages auf 
felsigem Gebirgsvorsprunge , dem Markte l'nzmarkt 
gegenüber, die Ruinen der ziemlich ausgedehnten 

' I u-dem.,.!» IB XXIX. I»..«. 4rl ArthlTI ffir Km.** ÖUerre^kl.rllM 
I... ...... u.lltl f. IM. 



Frauenburg, in dereu Räumen der berühmte Minnesänger 
den grünsten Theil seines lieben* zubrachte und manches 
Drangsal erdulden mussle. Nahe der Bnrg, aber tiefer 
gelegen steht die Pfarrkirche zu St. Jacob am Frauen 
berge, ein kleines unscheinbares Kirchlein mit wenigen 
romanischen Resten. 

Zu Ende des Monats April 1*71 entdeckte der dor- 
tige Pfarrer zufälliger Weise, dass der an der Garteu- 
thrirc des Rfarrhofes als Stufe dienende Stein auf seiner 
der Knie zugewendeten Seite mit eingehauenen Figuren 
und Buchstaben »ersehen ist. Kr liess sofort den Stein 
aufheben , reinigen und einstweilen an einem schützen- 
den Ort unterbringen. In neuester Zeit, nachdem der 
Werth lies Denkmals erkannt wurde, fand er einen pas- 
senden Platl an der Innenseite der Mauer einer Seiten- 
capelle dieser ITarrkirche. 

Die beigegebene Abbildung zeigt die Vorderseite 
dieser Blatte, die, aus gelblichem Sandstein angefertigt. 
1 Fuss In Zoll in der Breite, "> Fuss •> Zoll in der 
Länge und ii bis 7 Zoll in der Dicke misst. Die Kopf- 
seite der Blatte ist um circa 2 Zoll breiter. Die untere 
Ecke und die linke Leiste des der Schmalseite nach auf 
zustellenden Grabsteines sind beschädigt , die übrigen 
Theile, namentlich die Inschrift vorzüglich erhalten. Bei 
genauerer Besichtigung des Steines lässt sieh noch eine 
zweite Uber die Breite der Blatte laufende Inschrift in 
lateinischer Sprache erkennen, und es zeigt sich, dass 
dieser ursprüngliche Köinersteiu im Mittelalter eine 
neuerliche Verwendung als Deukinalstein gefunden hat. 
Die lateinische Inschrift lässt sich noch ziemlich gut 
lesen und wir verweisen deshalb an das Eingangs 
benannte Büchlein. 

Bei seiner zweiten Verwendung als DeiikmaLtein 
wurde er ebenfalls mit einer Inschrift versehen , die 
jedoch über die Schmalseiten der Blatte läuft, darunter 
kam Kreuz und Wappen, alles mit kräftiger Hand roh 
eingemeisselt. Die acht Zeilen bildende Inschrift (gothi- 
sche Fucialen mit Majuskeln gemischt ) lautet : Hie . leit . 
Ulrich . dises . hovses . rehtter . erbe. Das Wappen im 
einfachen Spitzsehildc zeigt zwei schrägrechte Balken, 
das Wappen der steierischen Lichtensteine. 

Herr B e ck h - W i d tu a n s tetter, Verfasser dieser 
Brochüre will diesen Grabstein dem berühmten Sänger 
Ulrich v. Lichtenstein gewidmet wissen und führt tiiefür in 
sehr geistreicher Weise den Beweis, der ihm ausser etli- 
chen, untergeordneten und wahrscheinlich auch beseitig- 
baren Bedenken gegen die Wortform der Inschrift und 
den Gebrauch , Ruhestätten in Burgen zu wählen, auch 
gelungen sein dürfte. Ks musste eben bewiesen werden, 
dass nur dieser Ulrich des Hauses Lichtenstein recht- 
mässiger Besitzer der Burg sein konnte, dass die bishe- 
rige Meinung l'lrich's v. Lichtenstein sterbliche Hülle 
habe in Sckknu ihre Ruhestätte gefunden, unrichtig ist, 
und dass die Schriftzeichen und Grabsteinfonn in der 
bezüglichen Zeit üblich waren. 

Hinsichtlich des ersteren Punktes bringt Herr Bcekh 
eine Reihe von sehr interessanten genealogischen Daten 
über die Familie des Minnesängers, Daten, die zum 
Theile noch nicht bekannt, zum Theile wohl bekannt, 
aber unbeachtet geblieben waren. Ulrich, der erste 
dieses Namens in der Lichtenstein'schen Stainnireihe. 
war der Sohn Ditmar's und hatte als Brüder einen 
Dilmar und den Archidiacon und lfnrrer inUöls, Namens 
Hartnid. Er war verheirathet mit Berchta von Wctzxeu- 



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cm 




stein. Von dreien seiner Kinder linben sieh noch die 
Namen erhalten, als Ulrich, vermählt mit Kunigunde von 
Goldeek, dann der in der steierischen Geschichte wie- 
derholt erscheinende Otto, ferner Liukurdis, Nonne zu 
Admoiit, endlich hatte er noch eine Tochter unbekann- 
ten Namens, die mit Wülfing von Traunstein verehe- 
licht war. 

Des Sängers Ulrich gleichnamiger Sohn lebte nicht 
wie sein Vater auf der Frauenburg, sondern in Murau, 
das« er von seinem Vater erhielt : die Frnuenburg bekam 
Ulrich'» anderer Sohn Otto. Ulrich zu Murau dllrfte 
wahrscheinlich kinderlos gestorben sein, denn im letzten 
Decennium nannte sich bereits sein Druder Otto von 
LichtenBtein auch Herrn der Frauenbnrg. Ausser diesen 
beiden Ulrichen erscheint noch im Deginn de« XIV. 
Jahrhunderts ein dritter Ulrich ; er war Otto'» Sohn und 
wird im Sekkauer Todtcnbuehe (1311) mit dem Dci- 
namen studens (d. i. fllr den geistlichen Stand bestimmt) 
als bereits verstorben bezeichnet. Von diesen drei Mit- 
gliedern des Hauses LichtenBtein , Namens Ulrich, 
nimmt Herr Dcckh an, dass nur der erste allein Desitzcr 
der Frauenburg war, auch nur er als des Hauses rechter 
Erbe auf seinem Grabstein benannt werden konnte. Mit 
richtiger Würdigung der historischen Dchclfe wird das 
Jahr 1275 als sein Todesjahr angenommen. 

Wohl begründet ist der Sclduss, dass, weil im 
Sekkauer Todtcnbuehe Ulrjeh's Name vorkommt und 
im Jahre 1277 von seinem Sohne Otto der vom Vater 

XVII. 



begonnene Dan einer Capelle daselbst beendet wurde, 
und weil dort Otto für sich und seine Nachkommen eine 
Degräbtiissstätte gegründet halte, deshalb keineswegs 
allgenommen werden kann, dass auch Ulrich dort seine 
Ruhestätte landen habe. 

Da Ulrich der einzige rechte Desitzcr der Frauen- 
burg dieses Namens war und er seine Ruhestätte zu 
Sekkau nicht gefunden haben konnte, dies deutet Herr 
Deckh nun dahin , dass er auf der Frauenburg selbst 
bestattet wurde, wie dies mit der Inschrift übereinstim- 
men würde. Anfangs glaubte man jedoch, dass die der 
Durg so nahe liegende Jacobskirche einen Anhaltspunkt 
für die Grabstätte bieten konnte, doch die Nachfor- 
schung blieb ohne Erfolg. Und doch scheint es mir noch 
wahrscheinlicher, dass die Ruhestätte in dieser Kirche 
n suchen ist, als in der Durg selbst, denn die Bei- 
setzuiig Verstorbener iu Durgeu, die zum gewöhnlichen 
Aufenthalt der Familien dienten, ist ein höchst seltenes 
Vorkommniss, was bei der als unzweifelhaft anzuneh- 
menden Znsammengehörigkeit der Durg und der Kirche 
auch mit den Worten der Grabschrift nicht im Wider- 
spruch stehen würde. 

In den Ffarrhof dürfte nach Herrn Deckh's Ansicht 
der Stein nur zufällig aus der Durg gekommen sein, wie 
denn viele Trümmer der Durg zu Dauzweckcn verschleppt 
wurden. 

Was nun die Form und Inschrift des Grabsteines 
betriflt, so nimmt Herr Deckh an, dass das Denkmal 
gegen Ausgang des XIII. Jahrhunderts entstanden ist, 
wie dies eben Form und Inschrift dnrthnn sollen. Die 
Iuschrift ist nicht, wie fast immer Üblich, am Hände 
herumlaufend angebracht , auch die Wortform und Aus- 
dmcksweise dieser deutschen Inschrift, die dem Ulrich 
selbst zugeschrieben wird, erscheint für diese Zeit eini- 
germnssen bedenklieh. Doch sind diese Dcdcnken ebenso 
wenig wie jenes, dass man, da doch kein Mangel an 
brauchbarem Materiale war, für ein solches Denkmal 
einen Römerstein wählte und ihn sogar auf der Sehrift- 
seite benützte, keineswegs so bedeutend, um deu Werth 
des sehr empfehlenswerthen Dllehlcins und die geist- 
reiche Deweisfllhrung Uber das Grabmal nachhaltig ab- 
schwächen zu können. Jedenfalls wurde die öffentliche 
Aufmerksamkeit auf ein Denkmal gelenkt, dass ebenso 
wichtig, als die demselben gewidmete Schrift des Herru 
Deck-Widmanstctter interessant und belehrend ist. 

Dr. K. Lnul. 

Die Märtyrer der Katakomben und die römische 
Praxis. 

V»o PuUi.pt. L.lnl;, T. O. Wti»»l, I» *•. V mni Iii MM, 

Unter diesem Titel tritt ein gelehrtes Referat Uber 
den gegenwärtigen Stand der Frage nach den Merkma- 
len echter Mnrtyr-Gräbcr in die Öffentlichkeit , welches 
zunächst durch die Dcarbeitungcn dieses Thema's vou 
Dr. Kraus bei Trier und den Epigraphiker Le Dlant 
in neuester Zeit veranlasst scheint und bei der dclica- 
ten Stimmung in religiösen Dingen wohl aus zu grosser 
Vorsicht pseudonym herausgegeben ward. Ich halte 
mich lediglich au die wissenschaftliche Frage und darf 
zur Orientirung mancher Leser wohl folgendes voraus- 
schicken. Da der Gegenstand auf dem Dodeu und recht 
eigentlich im Innern der Katakomben sich entwickelt, 
so lässt der Verfasser in der Einleitung eine auf dem 

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genauen Studium der de Rossi'schen Forschung be- 
ruhende Geschichte dieser weltberühmten Grabstätten 
vorausgehen und lenkt dann am Fnden der Geschichte 
auf die eigentliche Thesis ein. Im Jahre 157K fanden 
Arbeiter in der Viguu Sanehez beim zweiten Meilen- 
steine rechts an der Salaria nova zufällig ein altes 
f'iimeterium mit Krypten und Monumenten. Von diesem 
Fände schreibt sieh die neue Erforschung der Katakom- 
ben her, denn, wenu auch die anfängliche Begeisterung 
bnld erlosch, so trat im Jahre 1 -">!»;$ ein Mann lllr diese 
Sache ein, dessen Name stets mit dem Ruhme der 
römischen Cörneterien und deren Erforschung verknüplt 
bleiben wird, nämlich der damals noch achtzehnjährige 
ItVisio. Während dieser edle Forscher nach der Topo- 
graphie und Geschichte der t'ömeterien trug, suchten 
Andere die neuen Funde als Reliquien von Märtyrern 
in Ansehen und Verehrung zu bringen , womit dem 
Missbruuch und Betrug allerlei Spielraum gegeben 
schien. Es wurden verschiedene, jetzt fast sHinmtlieli 
aufgegebene Kennzeichen lllr die Martyr-Gräbcr auf- 
gestellt, darunter Symbole, die damit gar nichts gemein 
hallen, sondern jedem Christen-Grube zugctheilt werden 
konnten, wie das Lamm, das Monogramm Christi, die 
Taube, Jonas, Daniel, ja das herzförmige lutcrpunclions- 
zeichen , die Abbildung von Handwcrksgeräthcn des 
Verstorbenen u. dgl. Die Palme und das sogenannte 
Blutrläschchen galten vor allem andern als Merkmale 
solcher Grabstätten, die amtliche Entscheidung der 
betreft'enden Congregation in Horn Hess nur die beiden 
letzteren als zweifellose Kennzeichen deeretiren im 
Jahre lll'is. Die l'alme und das Blutgefäss waren somit 
als sichere Anhaltspunkte amtlich aufgestellt und trotz- 
dem war der früheren Willkür und eigennützigen Aus- 
beutung kein Ende gemacht. Da erhob der gelehrte 
M a b i 1 1 0 n in einem Briefe de eultu Sauctorum ignotornm 
lti!>7 unter dem Namen Eusebius Bomanns seine gew ich- 
tige Stimme und drang darauf, dass obige Merkmale 
beobachtet und in Bezug auf die Blutrläschchen jeden- 
falls constatirt werde, ob das betreffende Glusrliischchen 
wirklich zur Aufnahme von Blut, und nicht etwa für 
Balsam und Wolilgerflehe gedient habe. Es sei ja hin- 
länglich bekannt, dass man in solchen Gcfässcn auch 
Kolilen gefunden habe, wesshalb fllr jeden einzelnen 
Fall diese Untersuchung nnthwendig zu geschehen 
habe. Mabillon schrieb diesen berlllunt gewordenen 
Brief in der Sorge und im Eifer lllr das Ansehen des 
römischen Stuhles und der katholischen Kirche und 
ermangelte desshalb nicht, auf die Gefahren aufrichtig 
hinzudeuten , welche der kirchlichen Autorität durch 
Nichtbeachtung der unleugbaren Missstnude und deren 
Bilge drohen würden. Doch wie wohlwollend Einzelne 
selbst aus den höchsten kirchlichen Kreisen dem gelehr- 
ten Benedictiner entgegenkamen, die in ihrem Einkom- 
men Geschädigten setzten alle Hebel an, diese Schrift 
auf den Index der päpstlich proseribirten Blleher zu 
bringen nnd damit ihr bisheriges unverantwortliches 
Verfahren mit der Versendung angeblicher Martyr-Reli- 
quien auch fernerhiu zu assecuriren. Lehrreich ist der 
Abschnitt Uber den Verlauf dieser Angelegenheit, der 
Mabillon so viel Muhe und Zeit gewidmet hatte. Sein 
Froccss fährte zwar nicht zn dem von den Gegnern 
erwünschten Ziele, indem das persönliche Dazwischen- 
treten des dem greisen Benedictiner geneigten Papstes 
die Verurtheilung abwendete und die Freigebung des 



Buches unter der Bedingung, dass einige Zusätze 
gemacht werden, bewerkstelligte. Soviel hatten die 
Gegner immerhin erzielt, dass ihre Praxis unangetastet 
blieb und die reformirende Kraft des Mabillon'schen 
Briefes ihre Wirkung völlig verfehlte, wenigstens in den 
massgebenden Kreisen Borns. Doch die eigentliche Be- 
deutung dieser mächtigen wissenschaftlichen Opposition 
lag in der Kritik und ihren unantastbaren Resultaten. 
Hier knüpfen Spätere an und zwar zunächst an die 
' Aufklärungsversuche Uber die sogenannten Blultläsch- 
eben oder Blutampullen. 

Unter allen liicrtlbcr verfassten Schriften zeichnet 
sieh die speciell fllr die römische Congregation der 
Riten bestimmte Abhandlung des Jesuiten P. de Buck 
ans, die 1800 zu Brüssel gedruckt, aber nie in den 
Buchhandel gekommen ist. Der Hauptinhalt besteht in 
folgenden Sätzen: 

1. Schon längst ist von namhaften katholischen 
Gelehrten der Blutiulialt dieser Grabgefässe bezweifelt 
worden. 

'2. In den drei ersten Jahrhunderten gab es keine 
so grosse Zahl von Christen in Rom, als die Znhl betra- 
gen würde, wenn die seit Ende des XVI. Jahrhunderts 
wegen des Blutgefässes für Martyr- Überreste erklärten 
Gebeine wirklich echt wären. 

ü. Unter Paul I. , Paschal I. und Nachfolgern 
wurden fast alle Martyr- Reliquien aus den Katakomben 
erhoben; es können somit uumöglich noch so viele übrig 
geblieben sein, als man seit dem XVI. Jahrhundert aus- 
gegraben haben will. 

4. Der fünfte Theil der mit solchen Blutgelassen 
bezeichneten Gräber gehörte Kindern unter sieben 
Jahren an. Der Rechtssiuu und die Menschlichkeit der 
Römer lassen das Martyriuni so vieler Unmündiger gar 
nicht denken, eben so wenig das Martyrium so vieler 
Mädchen. 

5. Die Mehrzahl dieser tiefässc stammt aus der 
Constantinischen Zeit, wo die blutigen Verfolgungen 
geendet. 

»>. Weder Uber diese Gefässe noch Uber das Symbol 
der Palme als Indicien des Martyriums existirt eine 
Tradition. Erst im XVI. Jahrhundert werden sie als 
Merkmale von Martyr-Gräbern aufgestellt. 

7. Der Blutinhalt ist nie erwiesen worden. Die 
Gefässe mit dem eingeschriebenen Wort r Sanguis- i sind 
Fälschungen. 

s. Diese Gelasse enthielten wahrscheinlich encha- 
ristischen Wein, den die Gläubigen an deu Gräbern 
darbrachten. 

9, Jene Ampullen hingegen, die im Innern ein- 
zelner Gräber gefunden wurden und wirklieh Blut ent- 
hielten, sollen unter deu obigen, die als blosse Kenn- 
zeichen an der Ausaenseite der Gräber angebracht 
waren, durchaus nicht eiugereiht und angegriffen sein. 
Nur das eine stehe fest, dass die Beisetzung von solchen 
Gefässen am Äusseren der Gräber weder das Merkmal 
von Martyr-Grilbcrn sei, noch als solches jemals von 
den Christen beabsichtigt gewesen. 

Bald darauf trat der französische Epigraphikcr Le 
Blaut mit einer kleinen Schrift „La question du vase 
de sang u , Paris 185S, hervor, die, ohne von obiger Ab- 
handlung zu wissen , in den negativen Resultaten 
ziemlich anf dasselbe hinauskam, aber über den Zweck 
der Ampullen eine ganz neue Meinung aufstellte, den 



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tlen wirklichen Blntinhalt voraussetzt und festhält. 
Allerding«, meint Le Hlnnt, enthalten diese Fläsch- 
chcn Märtyrblut , aber nicht von den hier bestatteten 
Menschen, an deren Grab sie sich linden, sondern von 
Märtyrern der grossen Verfolgungen , deren Blut in 
den Familien aufbewahrt und nach dem Tode der 
Familienglieder, am Ende der Verfolgungszeit und tief 
in die Constantinisehc Zeit hinein, an die Grabstätten 
der im tiefsten Frieden Heimgegangenen als Schutz 
gegen böse Gewalten und als Trostmittel der Begra- 
benen in solchen Gefässen angebracht worden. Auf 
diese Weise seien auch die spätesten Glieder einer 
Familie mit den Märtyrern in Verbindung geblieben , 
und hätten so selbst die Ruhestätte gewissermassen 
mit denselben getheilt. Endlich schrieb auch Spencer 
North co tc im Hambler einen Aufsatz gegen die Mehr- 
zahl der Le Bl aufsehen Argumente , brachte jedoch 
andere ernste Bedenken gegen die römische Ansicht vor. 
Damals hielt man sieh ftlr überzeugt, Korn werde diese 
gewichtigen Stimmen berücksichtigen und in diesem 
Sinne das Decret von HiHH umgestalten. Leere Hoffnung. 
Drei Jahre nach Spencer'« Abhandlung, im Jahre 
1 »«'<:>. erklärte die Congregatio Kituuin, dass es bei dem 
Decret von llitW sein Verbleiben habe. Papst Pius 
bestätigte diesen Beschluss. Nun versuchte Dr. Kraus 
von Trier in einer ganz ausgezeichneten Abhandlung: 
„Die Blut- Ampullen der römischen Katakomben. 1 
in streng wissenschaftlicher Prüfung dem römischen 
Decretc noch eine Existenz- Fälligkeit vor den Fachleuten 
zu retten und erklärte, die jedesmalige Entscheidung 
über den Blntinhalt vorausgesetzt, diese Gcfitsse als 
die Merkmale von Martyr- Gräbern, aber von solchen, 
die kirchlich noch nicht approbirt d. h. vindicirt waren. 
Dies vorgesetzte Gefäsa sollte vorläufig das Märtyrcr- 
Grab anzeigen, bis auf Grund der kirchlichen Martyr- 
Aeten die Vindicatio selbst stattfinden konnte. Bei dem 
Drauge der Verfolgung, zumal der Diocletiaiiiscbeii von 
303 , konnten die TodtengrHber nur auf Aussage Ein- 
zelner Uber das Martyrium des zu Bestattenden Anf- 
schluss erhalten, und so setzten sie oder andere Christen 
dem Grabe dies Zeichen vor. wobei die kirchliche Vin- 
dicatio vorbehalten blieb. Der Hauptbeweis liegt filr 
diese Theorie in der Grabschrift des Papstes Fabianns, 
der das MUT (= Martyr) erst später heigesetzt worden 
sein soll. Fabian u.« starb 250 und wurde im Calix- 
tinischen Cömeterium beigesetzt. Zum Martyr wurde 
er laut de Rossi s epigraphischer Wahrnehmung später, 
erst nach der Wiederbesetznng des päpstlichen Stuhles 
um 252, durch die Beifügung obiger Buchstaben erklärt. 
Ee Hlnnt prüfte darauf ilie Hypothese des gelehrten 
Dr. Kraus und machte Einwürfe, denen selbst der 
Gegner ihre Berechtigung zugestand. Die von dem 
grogsen Forscher der Gräber der Normandic , Abb6 
Coehct, niitgethciltcn Grabgcfässc mit rothem Nieder- 
schlag und die darüber angestellten chemischen Ana- 
lysen lassen keinen Zweifel, dass der Inhalt nicht Blnt, 
sondern mineralischer Natur sei. Gleiches Ergebnis« 
hatte die Prllfung römischer Ampullen. So kömmt nun 
nnser Verfasser zu dem Schlüsse, dass alle auf diesen 
Blutgehalt gebauten Annahmen und Erklärungen unhalt- 
bar seien und Co che t u Vermuthung, nls dienten diese 
Gefässe fttr Aufbewahrung von Wasser, von einer Art 
geweihten Wassers , bei weitem die annehmbarste 
genannt werden müsse. Nachdem weder Le ßlant noch 



Kraus das römische Decret iu seiner einfachen Beueu- 
tnng aufrecht halten konnten und mit ihrer Erklärung 
wohl nicht länger ohne neue zureichende Beweismittel 
bestehen dürften, so ergibt sieh jedenfalls, dass die 
römische Ansicht als solche in gar nichts weiter 
begründet und aufzngeben sei. Diese übersichtlich 
geschriebene und klnr gehalfbne Abhandlung wird den 
Leser erst eigentlich in den Stand setzen, die etwa» 
schwieriger zu verstehende und fast nur für Fachleute 
berechnete vortreffliche Schrift Dr. Kraus' richtig zu 
würdigen und aus ihr den Nutzen zu schöpfen, der 
dieser Arbeit für die christliche Archäologie bleibend 
gesichert ist. Möchten doch öfters solche mit der Gabe 
der Darstellung für weitere Kreise ausgezeichnete 
Schriftsteller von gleicher Genauigkeit und Wissen- 
schaftlichkeit wie dieser Paulinus Thematn des christ- 
liehen Allerthums behandeln, ihr Verdienst könnte im 
Interesse des Gegenstandes nicht genug anerkannt und 
geschätzt werden. Ich habe eine so klare, gründliche, 
nur auf die Sache und ihre wissenschaftliche Vertretung 
gerichtete Schritt nicht leicht zu Händen bekommen 
und hoffe, der Leser werde mein Unheil bestätigen. 

M e t tmer . 

Der Alterthums- Verein in Wien. 

Die am ;>. April d. J. abgehaltene General-Ver- 
sammlung gibt uns Anlass, das Wirken dieses Vereines 
während des abgelaufenen Vcreinsjahres 1870 71 etwas • 
näher ins Auge zu fassen. 

Gleichwie bisher beschränkte sich die Thätigkeit 
des Vereines auf die Veranstaltung von Abendvcrsamm- 
lnngcn , von gemeinsamen Ausflügen nach archäo- 
logisch interessanten Orten Nied er- Österreichs und die 
Herausgabe eines Jahrbuches unter dem Namen der 
Berichte und Mitlheilungen des Vereines. 

Abcndversammlnngen wurden sechs veranstaltet; 
dabei hielten Vorträge: Dombaumeisler Schmidt über 
die Bauhütten im Mittelalter und die mittelalterliehen 
Steinmetzzeiclu n , Dr. Kenner Uber Kaiser Marc 
Aurel, Freiherr von Sacken Uber die gemmn angustea 
im k. k. Münz- nnd Antiken-Cnbinet, Professor Bitter 
von Perger über die Sage vom ewigen Juden, den 
Pilatusberg in der Schweiz, über das Gemälde des 
P. P. Rubens, vorstellend den heil. Ildefons in der knis. 
Gemälde- Galerie im Belvedere. Dr. Lind Uber den 
Schrein zu Möchling und Uber die Ruine Thnlberg in 
der Steiermark, Dr. Franz Kürschner UberSiegel Her- 
zogs Rudolph IV. und dessen Geheimschrift, Dr. P i c Ii I e r 
Uber den Römerbruiincu zu Gleichenberg. Ausgestellt 
waren die durch die Firnin Brix und Anders vorzüglich 
restanrirte gothische Monstrauze zu Jahrcndorf, Abbil- 
dungen der Glasgemälde aus Asissi, von Glasgemälden 
in Gaming, eines bemalten Schreines in Wienhausen, 
ferner Urkunden ans dem Wiener Doinschntze, der 
Wiener Universität u. s. w., endlieh einzelne Gegen- 
stände ans den Sammlungen Artaria. Widter, TbiU, 
Kaff ii. s. w. Zahlreicher Besuch bewies die Beliebtheit 
dieser Abende. 

Ausflüge wurden drei veranstaltet; das Ziel des einen 
war Loosdorf , Mauer und Melk, des anderen Wiener- 
Neustadt und Ruine Emersberg, nnd des dritten Berch- 
toldsdorf, Brunn, Kuine Liechtenstein undMödling. Jeder 
dieser Ausflüge nahm einen ganzen Tag in Ansprach. 

I-* 



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CVI 



'Der den Vereinsmitgliedern Ubergebene XII. Rand 
der Vereinsschriften entliHlt viele schHtzenawerthe Bei- 
träge, als von A. R. v. Ca mein na Uber die alte Peters- 
kirche zu Wien und das alte Rürgermilitär, Dr. Ilg Uber 
eine sehr interessante Rüste im Resitze des Kunst- 
und Industrie-Museums, R. v. Perger Uber die mittel- 
alterliche Hirsehjagd und historische Aufzeichnungen 
Uber die Stadt Hamburg, Dr. Lind Uber ein Grit her- 
verzeiehniss aus dem Wiener Minoritenkloster < ferner 
kurze Reschreibungcn nebst entsprechenden Abbildun- 
gen der Kirche zu Wildungsmauer, zu Brunn am Ge- 
birge, der Schlosscapclle zu Pottendorf summt den dor- 
tigen Grabsteinen und des Schlosses zu Kranichberg. 

Die General-Versammlung gab Anlass zur Neu- 
wahl des Vereinspräsidenteu und von sechs Ausschuss- 
mitgliedern. Präsident Graf M. C W i c k e n b u r g wurde 
mit Stimmen-Einhelligkeit wiedergewählt , desgleichen 
sämmtliche Ausschüsse , deren vierjährige Functions- 
dauer ablaufen war, nämlich Hofrath Joseph Aseli- 
bach, Albert lütter von Cum es in«, Franz Graf 
Crenneville Exccllcuz. Dr. Karl l.ind, Karl Freiherr 
von Ran sonnet Exccllenz und Dr. Eduard Freiherr 
von Sacken. 

Wenn wir auch der Thätigkeit des Vereines die 
wohlverdiente Anerkennung nicht versagen können, so 
wollen wir doch den Wunsch aussprechen, dass der 
Verein recht bald einer seiner weiteren Aufgaben gerecht 
werde, und ausser dem Bekanntmachen der Denkmale 
Nieder -Österreichs durch seine mustergiliigen Publica- 
tionen auch werkthätig fitr deren Erhaltung, sowie auch 
noch in anderer Weise nach dem Ziele, d. i. der archäo- 
logischen Erforschung des Kroulnndes hin fördernd 
eingreife. ...m... 

Die Kunst im Handwerk. 

\ «dinKcum für B«»«elnr kun.it. «. rl.lltlicr Aumh llulix von II. llurl, i r. 

wiio i«;s. 

Wenn auch der Verfasser in der Einleitung sagt, 
dieses Werkchcn enthält nichts, was nicht auch an an- 
deren Orten zu luden wäre, so wollen wir, dies bejahend, 
dennoch die Leser auf dieses Buch aufmerksam machen 
und es ihnen ganz besonders empfehlen, da wir in dem- 
selben, wenn auch kurz gefasste, so doch vollkommen 
belehrende Aufklärung Uber die Technik des Kunst- 
gewerbes finden. Nicht das Kunstgewerbe der Gegen- 
wart allein fand darin seine Berücksichtigung, auch, und 
zwar ganz richtig und unvermeidlich, jenes der Ver- 
gangenheit biB zu den ältesten Zeiten zurück, in so weit 
sich genügende Quellen finden, und eben hierin liegt 
der Werth dieser Schrift fUr den Freund der alten Kunst. 
Mag dies Buch recht brauchbar sein für jeden, der sich 
mit der modernen Kunst beschäftigt, für das Studium 
der Kunst unserer Vorzeit hingegen ist es als hand- 
sames 1 I ilt's- und Kachschlagchuch geradezu unentbehr- 
lich. Wir finden darin Aufklärung Uber die gewerbliche 
und Kunsttcclmik der Jetztzeit, sowie der Vergangen- 
heit nach jeder Richtung, sei es Uber die Arten und 
passende Wahl des Materials, sei es Uber dessen Behand- 

1 In drmivH'on tit(M! i» Irnh'liiitMi Mticui Utfk *, Loop o'iljdorf halt* 
.«luo ltul.ol.ll, In dir NluotU.i.klrth., w.Lr«ud er l.i dir St»i!oMc«|.cll« tu 
l.ft.pold.d-tf l.o^ioltl «crd.- 



Inng und Verarbeitung, sei es Uber die gebräuchlichsten 
Werkzeuge und technischen Rezcichnnngen, sei es Uber 
die Eigentümlichkeiten der einzelnen Stylarten u. s. w. 
Der Anordnung des Stoffes ist jene im k. k. Museum 
für Kunst und Industrie zu Grunde gelegte angenommen 
worden, wir finden demnuch die verschiedenen Styl- 
arten, dann die textile Kunst, Handarbeiten des Emails, 
Mosaik , Glasmalerei , Malerei . Schrift und Druck, 
Buchbinderei, Glaserei, Keramik, die Holz- und Stein- 
arbeiten, die Plnstik in weichen Stoffen und die Arbeit 
in Metall in klarer und verständlicher Weise behandelt 



Dürer's Reiterskizzen zum Triumphzuge Kaiser 
Maximilians I. 

n.i.uiiic.ii.i, iu d«t phatomMaclwa i.rn ii><i,.fi. wi«n. i»:t 

So wie die Blätter zum Triumph/.ugc Kaiser Max I. 
wohl in den weitesten Kreisen bekannt Bein dürften, 
ebenso durfte man wohl allerorts zur Überzeugung ge- 
langt sein, dass von den 137 auf uns gekommen« Holz- 
schnitten nahezu die Hälfte auf Hans Burgkmnicr 
zurückzuführen ist, während von den Übrigen ein Thcil 
aus DUrcr's Hand stammt; es ist dies der Mittelpunkt 
des Zuges, der Triumphwagen, der im Jahre lb'22 selbst- 
stäudig veröffentlicht wurde. Wir verweisen diesbezüglich 
auf die geistreiche Abhandlung des Dr. MorizT h a n sing 
in den Mittheilungen des Jahres lMis. Ausser diesen 
Blättern haben sich aber auch noch Dürer'sche Zeich- 
nungen zum Triumphzuge erhalten , die nicht bis zur 
Ausführung im Holzschnitte gediehen sind. Es sind dies 
sechs Reiterbilder, die sich in der Albertina befinden, 
auf je einem Foliobogen gezeichnet und mit der Jahres- 
zahl 15 IS versehen. Diese sechs Zeichnungen wurden 
durch die photographische Gesellschaft publicirt, und ich 
bin Uberzeugt , alle Freunde Dürer' scher Meisterwerke 
werden ihr dafür bestens danken. 

Doch können wir nicht so leicht über diese Publi- 
cation hinweggehen, die uns durch eine recht anregende 
Einleitung ans Dr. Thnnsing'B Feder um so werth- 
vollcr wird. Die Zeichnungen wurden unter Herrn 
Leth's Meisterlcitnug im photogrnphischen Wege auf 
Holz übertragen und im xylogrnphisehen Kunstinstitutc 
des Herrn Wilhelm Rader in Holz geschnitten. Sind die 
Leistungen dieses Instituts überhaupt mustcrgiltig und 
wahrhaft künstlerisch , so müssen ilicse sechs Schnitte 
den Resten angereiht werden, das je aus diesem Atelier 
hervorging. . . . m . . . 

Iu dem auf Seite XLII erschienenen Aufsatze Uber 
gemalte Initialen wurde erwähnt, dass das in deutsehen 
Urkunden vorkommende Aufangn-1 die Phantasie des 
Schreibers herausforderte , so dass cb oft mit grotesker 
Fratze versehen wurde. Als interessantes Reispiel hiefllr 
bezeichnet Dr. Luschin den Ablassbrief des Cardinal- 
bischoi's von Sabina Jordanus, für die Kirche St. Marein 
zu Prank (Obersteiermark). Das am 5. Augnst 1437 zu 
Bologna ausgestellte Original befindet sieh dermalen im 
steierischen Land es- Archive und zeigt in der vergrößer- 
ten Initiale auf schwarzem Grunde das zierlich ausge- 
sperrte Rild eines ruhenden Drachen. 



«..U.I.». Iii. bi4 Und - r>i«k in k. k. h.i HuMntkml l« »V»n- 



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OVII 



Das Kunigundenkirchlein zu Mailberg in Nieder- 
österreich. 

Mm t II «Im ImIMib J 
Dm Kirchlein befindet sich f 1 1 1 1 1 1 i 1 1 1 • 1 1 j : i r nördlich 

vom Oite unfeinem tsölirtcn Hügel, in Milte des Frled- 
hofcs, der voiu'iner niederen Terrasscninaucr mitgeben ixt. 
(PlfT. J.) 

I "r>|irll ii^lich als kleine Capelle angelegt, bestand es 
nu* zwei nahezu quadratischen Travees, die dureli einen 
rundhogigenC.nrt getrennt sind, und an* einer im Achteck 
geschlossenen, gleich breitet] Apsis. (Fig. 2 bis 4). 

Gewölberippen, Cnnsnlgliedcrung und da* einfnehe 
Itnhmcuprofil mit Nasen in den spilzhogigcn Fenster- 
schlitzcn lassen als Bauzeit au)' Anfang de« XV. Jahrhun- 
derts schlicssen. da keinerlei Aurschrcibnngen Uber die 
Zeit der Entstehung vorhanden sind. 

Das Materini bestellt ans Sandstein minderer Qga- 
litltt. der in den Manern als Bruchstein, an den Strebe- 
pfeilern als Hallupiader zur Verwendung kam. Die ge- 
ringe Wctterbeständigkcit desselben dürfte l'rsaehe gc 
Wesen sein, dnss man schon frühzeitig die Anssenseite 
mit einein ieichtcii Verputz. Überzog, der aueb im Innern 
mehrfach wiederholt wurde. 

Diesem Gebäude w urde, unbekannt wann, ein zweiter 
Ranm angefügt, der in Ziegeln construirt seheint (nach 
den ganz nnregelmässigen Vcrstnrknngsvoilngcn und 
l'feilcrn zu schliessen\ und wohl nur einem momentanen 
Vcrgrösseruiigabcdürfnisse seine Entstehung verdankt, 
da weder äussere noch innere Entwicklung irgend einen 
Anspruch als Kunstleistung erbeben können; welcher 
Anbau aber leider durch seine innige Verbindung mit 
dem filtern Hau eine gänzliche l'mgestnltung der äussern 
Ert-cheinnng zur Folge hatte. 

Über dem Mittelpfeilcr der Vordcrfacade wurde 
jedenfalls damit gleichzeitig ein kleines achteckiges 
Glnckenthümichen auf vier Zwickelgewölben in Ziegel 
(von 6—12" Wandstärke) errielitet, dcni bezltglieli einer 



trillieren Anlage kaum 
eine Berechtigung zuge- 
standen werden kann. 

Die Verbindung 
beider Bäume ist durch 
halbrunde Gurtbogeu 
hergestellt, deren Stütz- 
pfeiler abgesehrilgte 
Ecken zeigt , welche 
Sehrägung auch in den 
(luvten nach der Seile 
des iillern Theiles Hieb 
fortsetzt. (Fig. 5.) 

Ich vennuthe. dass 
die vordere «lieser Bo- 
genöffnungen das l'ortnl 
enthalten haben könnte, 
filirter Bo>'cn Uber iler 




Fi»:, -i. 

von welchem sieh jetzt ein pro- 
sonst sehr primitiven Eingangs. 




Km. i. 



XVll 



thllr des Zuhaue* erhalten hat, da an der Fneadenwnnd 
der eigentlichen Capelle keine Spur cinerThürötTnung zu 
bemerken isi, während der zweite Bogen vielleicht den 
Zugang zu einem etwa daneben befind liehen kleinen 
Sacrisiei llaum gebildet haben könnte. Her ältere Theil 
ilcs Kirchleins wird durch vier kleine nach innen und 
aussen sich erweiternde spitzbogige Fenster erleuchtet. 

Das Dach der Apsis besteht aus einer Ziegclpyra 
mide. die gegen den hintern Giebel unter beiläufig 4">* 
anfüllt, welcher das Gewölbe der Apsis mittelst eines Eut- 
ins! ungsbngens Ithersetzt, der aber unverstnndenerweise 
durch eine l'fcilcraufmnnernng Uber dem SchhiRsstein 
des Itippcngcwölbcs seiner rechten Wirksamkeit beraubt, 
schon schlimme Fidgen auf den Bestand ilcr (Üebelmauer 
ausübt. 

I nter der Capelle befindet sich ein Gewölbe, das 
zur Aufnahme der bei zeitweiligen l'mgrabungen des 
Friedhofes gesammelten Knochen dient. Dnsselbe hat 
eine kleine Einstcigöflhung von aussen am Fuss der 
mittleren Wand der Apsis, und ein Luftloch (jetzt ver- 
schüttet) an der Nordseite. Der eigent- 
liche Zugang befand sich im Innern der 
Capelle, wo nächst der Yordcrwnnd im 
Fiisshoden, der im übrigen mit Ziegeln 
gepflastert, eine eirca .'5 zu 7 Fu*s grosse 
Steinplatte angebracht ist. Sie ist gegen- 
wärtig gebrochen und der Baum dar- 
unter vollständig mit Schutt ausgefüllt. 

Die sogenannte Steinkanzel ist 
in Wahrheit ein unförmlicher, ans Zie- 
gel errichteter, halb achteckiger Block 
mit flacher Brüsinngswand an drei 
Seiten, früher marmorartig bemalt, jetzt 
getüncht. 

In der Apsis, sowie an der Oslwnnd 
des Zubaues stehen einfache Mensen ans 
Stein. Über der Mensa in der Apsis-crhc- 
ben sich die Überreste eines gnthischen 
Fltlgelnltnrs. In der Predella sind 
sieben Brustbilder von Heiligen neben 
einander gruppiri und bemalt. 

Das ltctalmluiii enthält eine Nische, 
deren Hintergrund noch ursprünglich ist 
und den typischen Blumendessin auf 
Goldgrund zeigt, während die beiden Sei- 
tenwände bloss aus rohen . blansehwarz. 

•1 



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cvm 




Ks. :; 



bestrichenen lirelteru bestehen. Der protilirtc Escls- 
rücken nebst XiiR. mv. rk und Krabben ist n.lli, wahrend 
ihm Stabwerk des blauen Hintergrundes vergoldet ist. Y.u 
lieidan Seiten des Kastens sind Stühe mit Knüpfen ohne 
t'apilille an gebracht aber jedenfalls, später eingesetzt. 
Die folgenden verticalen Masswerkfriese sind gut erhal 
ten, vergoldet auf Idanein Ornnde. 

Die beiden Tafelbilder zur Hechten und Linken 
zeigen je zwei Figuren von guten Styl, ziemlich wohl 
erhalten, nur der blaue Hintergrund und die Känder sind 
sehr schadhaft. Von den oben befindliehen Bogen- 
r;i Innungen gibt blos die (ontur. wo sie ansetzen, eine 
Vorstellung. Einen der Flügel, auf dessen Vorderseite 
die Figur eines Heiligen gemalt, während die Kückseite 
mit einer Anzahl ganz abscheulicher Figuren bedeckt 
ist, hat der Herr Pfarrer aufbewahrt, nachdem der zweite 



Flllgel abhanden gekommen. Von der ursprüng- 
lichen Krönung oder Aufbau blieb nichts mehr 
erhalten, dafür jetzt ein kleiner zoptiger Kasten- 
aufsatz aufgesetzt, in dem eine plumpe Statue 
der heil. Kunigunde, der I'atronin der Capelle, 
steht. Das Hauptaugenmerk wilre wohl auf eine 
anständige Wiederherstellung dieses 
FlUgelaltares zu richten. Denn, wenn auch 
derselbe nicht gerade von hoher künstleri- 
scher Hcdcutuiig sein mag, so sind doch in 
Nieder - Österreich derlei Cegenstände leider 
so gelten vorhanden , dasa es angezeigt 
erseheint, das wenige nm so sorgfältiger zu 
bewahren und vor gänzlichem (ntergange zn 
schützen. (Fig. Ii.) 

Gelegentlich meiner Anwesenheit allhier 
wollte ich nicht unterlassen, das an einer er- 
höhten Stelle gegenüber der Einmündung der 
nach dem Schlosse führenden Strasse in die 
Hauptstrasse des Ortes befindliche Licht sittli- 
chen zu zeichnen, und tilge die Aufnahme des- 
selben lici. 

Dasselbe ist in zierlichen , wohl etwas 
späten Formen , leider gleichfalls in ganz 
schlechtem Steinmaterial ausgeführt und bereits sämmt 
lieber Endigungen nach oben beraubt ; auch steckt der 
etwa <i Fuss hohe Schaft fast 3 Fuss tief im sandigen 
Boden. Weder Steinmcizzciehcu noch Wappen «der 
sonstige Anhaltspunkte liegen vor, um die Erbauer zu 
bestimmen Die Verwitterung des Steines ist so stark, 
dass sieh nicht mehr erkennen lässt, ob die schiefen 
Kinnen im Schaft einer ursprünglichen, gedrehten Hohl- 
kcbleiiprofilirnng angehören, oder blos von Abblittterun 
gen herrühren. 

Originell erscheinen die fünf Fensteröffnungen des 
Lichthäuschens, die rings mit kleinen Högelchen ein 
gefasst sind; von der ehemals jedenfalls angebrachten 





Fl» V 



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( IX 




Ml Tp| \ &?\ fr« y<L 







Ki«. ii. 




Verglasungsart int nun keine Spur mehr vorhanden. An 
iler si ehstcn Seite befand sieh zum Hinsetzen der Lampe 
diis Tlitlrelien ohne der Bogcnvemernng. I>ic Stüh 
elien an den Kckeu sind dem Schaft entlang mit demsel- 
ben Itlatlwerk in horizontalen oder Hchriiganstcigenden 
Itcilicu besetzt, welche das dazugehörige ' npitäl bilden, 
imil dureliaus sehr charakteristisch und wirkungsvoll 
gemacht. Auffallend ist noeli die grosse Steilheit Kämmt- 
lieber Giebel, in deren Feld sieh mit geschickter Hauru 
hentltzung angebrachte Kngelsköpfe liebst den Annen 
und einein Flügel zeigen. Eine kleine Eigenthllndichkeil 
besitzen ferner die Keklialen dadurch, dass der Schaft 
unmittelbar unter den (iiebeln etwas vorkragt, was dureh 
eine Spitzbogunfullung vermittelt i*t. 

Das t'apitiil des Schaftes ist auf geschickte Art so 
gebildet, dass der Übergang ans dem untern Kingprotil 
zum Seehseek der Laterne dureh 12 nischenartige Spitz 
bogen mit Nasen vermittelt wird, unter welchen sieh je 



I Hlättehen befindet. Der ganze Aufbau des Liehthälus- 
ehens ist aus einem Stllek Stein pehnuen. (Fig. 7.) 

I ietw La iii. . 

Bericht über einige kirchliche Kunstwerke im Mat- 
tigthale und dessen Umgebung. 

(MM I IMlXliBlIt.) 

Um die Kunstdenkmale Oherösterrciehs näiher 
kennen zu lernen, besnehte der Verfasser dieses ein 
fachen Berichtes vor wenigen Jahren aueh die Kirchen 
im Mnttigthale und dessen Umgebung. In jener ( legend 
bestehen noch heutzutage sehr viele Kirehcngebiiude. 
Beinahe in jedem l'farrbezirke findet man nebst der 
eigentlichen Pfarrkirche wenigstens eine, gewöhnlich 
aber zwei, nicht selten aber aueh drei Filialkirehen. 
Was den Ban-Styl betrifft, gehören die meisten Kirchen 
jener Gegend den Werken der Gothik an. Indessen 



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cx 




Fig. 7. 

Kind dieselben der grössten Anzahl nach in ihrem Innern 
im Laufe der letzten Jahrhunderte modemisirt wonlcn. 
Ks ist nicht schwer, den Grand einzusehen, aus dem 
dieses geschehen i«t. Man wollte die Gewölbe der 
Kirchen mit ausgedehnteren Gemälden ausstatten. 
Diesem Vorhaben standen aber die Gewölberippen ent- 
gegen. Ks wurde daher die Knlf'crnung derselben be- 
schlössen und dieser Kntsehluss mit grossem Kosten- 



aufwände in Ausführung gebracht. Das* iiucli die 
innere Einrichtung dieser Kirchen, wie ■/., H. Flügel- 
altiire und dergleichen dieser Neuerungssucht leider 
weichen mussten, ist leicht einzusehen. 

Indessen hat sieh doch in einigen dieser Kirchen, 
namentlich in Filialkirchen, noch manches Werk der 
mittelalterlichen Kunst bis auf unsere Tage erhalten. 
So sind z. H. noch einige Filialkirchen, wenigstens 
grösstenteils in ihrem ursprünglichen Hnnznstandc vor- 
handen. In zwei Filialkirchen dieser Gegend befinden 
sich noch sehenswerthe Flügelnltäre aus dem XV. Jahr- 
hundert. Auch sind in den Kirchen des Mattigthnles 
und der Umgebung viele Grahuionumcntc vorhanden. 
Selbst Werke der Kleinkünste finden sich vor, unter 
welchen die Werke der mittelalterlichen Schiuiedekunst 
sich ganz besonders anszeichnen. 

Auf diese Werke der Kunst aufmerksam zu machen, 
ist nun der Zweck dieses oinfnehen Heriehtcs, in wel- 
chem jedoch nur solche Werke erwähnt werden, von 
denen der Verfnsser glaubt , dass selbe noch wenig 
bekannt sind. Als solche sind zu betrachten : die beiden 
Kirchen Teiehstiitt und Gebershaiu and die in den- 
selben befindlichen mittelalterlichen FlUgelaltäre; ferner 
die schönen Eisenbeschläge, die an den Thllren der 
meisten Kirchen dieser Gegend vorkommen. Auch von 
den vielen Grabmonumenten , welche in den Kirchen 
des Mattigthales und der I ingebung vorhanden sind, 
glaubt der Iteriehtcrstatter eine kurze Erwähnung 
machen zu dürfen. 

Die Kirche Teiehstiitt. 

Dieselbe befindet sich im Itezirke der I'farre Fried- 
burg, auch Leugau genannt. Teiehstiitt ist von Irrstorf, 
der ersten Station im Salzburgerlande an der von Wien 
nach Salzburg führenden Elisabeth - Westbahn ungefähr 
anderthalb Stunden entfernt. Die Kirche zu Tcichstätt ist 
auf einem Hügel erbaut, ganz nahe am Trift- oder 
Schweminbache, der sich nach einein Laufe von ungefähr 
zwei Stunden in der Nähe des Marktes I ttendorf in die 
Mattig ergiesst. Der Hau der genannten Kirche ging vom 
.Kloster Mondsee aus. Derselbe fällt in die zweite Hälfte 
des XV. Jahrhunderts. Solang das Kloster Mondsee 
bestand, war die Kirche Teiehstiitt eine Filiale von 
Sirasswalehen und zugleich mit dieser Pfarrkirche dem 
Kloster Mondsce iueorporirt. Auf dem Gewölbe des 
Langhauses befindet sieh die Jahreszahl 1 XX I, welche 
nicht die Zeit der Erbauung der Kirche, sondern viel- 
mehr die Zeit der Ausstattung des Gewölbes mit Male- 
reien anzeigen durfte. 

Von aussen betrachtet, erscheint das Hauwerk 
dieser Kirche, das grösstenteils mittelst Tuffsteinen 
hergestellt ist, ganz einfach. In der Mitte der Westfront 
ist ein einfacher Glockenturm angeordnet, der jedoch 
«einen ursprünglichen Helm verloren hat. 

Hctritt man das Innere dieser Kirche, so zeigt sich 
im Verhältnisse znm Äussern eine reiche Architektur; 
ganz besonders aber nimmt der golhische Flügelaltar 
im Hochchor« der Kirche die Aufmerksamkeit in 
Anspruch. 

Die Kirche znTcichstätt hat ein einschiffiges Lang 
haus und ein nur wenig eingezogenes Altarhaus, das 
gegen Osten mit drei Seiten des Achtortes geschlossen 
ist. Die Gesaiumtlänge der Kirche im Innern beträgt 
ii4 Fuss, von denen auf das Laughaus ;>7 Fuss Ii Zoll, 



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f XI 



auf das Altarhnus ^(i Fuss fi Zoll entfallen. Die Höhe 
von beiden Buulheileu beträgt vom Fussbodcn bis zum 
Gcwölbcschluss ungefähr iX Fuss. Das Altarhans ist 
vom Langhause durch cinc-ii einfach gegliederten 
Triumphbogen geschieden , an dem noch das alte 
Triumphbogenkreuz vorhanden ist. Da» Altarhnus ist 
iu zwei, das Langhaus in vier Gewölbcjoehe eiugctheilt. 
Das Gewölbe ruht auf ziemlieh einfach gegliederten 
Wandpfeilern. Aus jedem derselben springt wieder ein 
schlanker, aus dem Achteck construirter Pfeiler zur 
Hälfte vor, der dem eigentlichen Rippenwerke als Trä- 
gst dient und mit einem Bild-Capitlil versehen ist. 
Diese Hild-Capitüle an den Wandpfeilern stellen (wahr 
scheinlieb) die Brustbilder der Apostel, jeder mit einem 
Spruchband in den Mauden, vor, wie ähnlich« auch iu 
der Stadtpfarrkirche r.u Braunau, in der Pfarrkirche zu 
Lohen u. s. w. zu sehen sind. Das Gewölbe dieser 
Kirche ist sowohl im Altarhause als auch im Langhause 
mit einem sehr reichen Kippenwerke versehen, welches 
sich netzförmig an demselben ausbreitet. Die einzelnen 
Kippen laufen grösstenteils uicht in gerader, sondern 
vielmehr in einer gebogenen Linie. Die Punkte, wo die 
Kippen .sieh durchkreuzen, sind der grössten Anzahl 
nach mit runden Sehlussstcinen versehen. An der nach 
abwiirts gekehrten Seite dieser Sehlusssteine sind runde 
Holztafcln angebracht, welche bemalt sind und Wappen, 
Buchstaben und Ziffern zeigen. 

Der merk würdigste Gegenstand , der iu dieser 
Kirche sich vorfindet, ist jedoch der gothische FlUgel- 
altar, der im Hoch-Chore dieser Kirche aufgestellt ist. 
Derselbe ist, wie eine auf demselbeu befindliche Jahres- 
zahl andeutet, um das Jahr 14x1» angefertigt worden. 
Wer den berühmten FHlgelaltar in der Kirche St. Wolf- 
gimg am Abersei- genau in allen seinen Theilcn betrach- 
tet hat, der wird bei dem Anblicke des Flllgelaltars in 
Teichstätt unwillkürlich an jenen in der Kirche St. Wolf- 
gang erinnert. Es dringt sich dem aufmerksamen 
Beobachter von selbst die Vermuthnng auf, es durfte 
der FHlgelaltar in Teichstätt ebenfalls aus der Werk- 
stätte jenes ausgezeichneten Meisters, Michael Fächer 
von Brunnecken, der den Altar in der Kirche St. Wolf- 
gang gefertigt hat, hervorgegangen sein. Hin Umstand 
trägt bei, diese Vennuthung noch mehr zu bekrfittigen. 
Der genannte Meister war nämlich zu jener Zeit, iu 
welche der Bau des Altares in Teichstätt fällt, in St. 
Wolfgang am Abersee mit der Herstellung des erwähn 
ten FlUgclaltars beschäftigt. Die Kirche St. Wolfgang 
stand aber damals, wie die Kirche zu Teichstätt, unter 
dem Patrouate des Klosters Mondsee. Da ist nun mit 
ziemlicher Sicherheit anzunehmen, dass derdainalige Abt 
und die Brüderschaft des Klosters Mondsee, welche die 
Kirche St. Wolfgang mit einem so prachtvollen Altar- 
werke durch Michael Fächer ausstatten Hessen, dem- 
selbeu Meister auch die Anfertigung des Flllgdaltarcs 
ftlrdie Kirche zu Teichstätt ubertragen haben. Eingehen- 
dere Forschungen werden diese Vermuthnng höchst 
wahrscheinlich zur Gewissheit erheben. 

Der Hauptschrein des Altarwerkcs in Teichstätt 
ist nur mit zwei beweglichen Flügeln versehen. Sind 
seihe geöffnet, so erblickt man in der Mitte des Schreines 
die rund gearbeitete Statue des heil. Laurenz unter 
einem sehr reich ornamentirten Baldachine. Vier Kugel 
umgeben dieses Bild des Patrones der Kirche in ähn- 
licher Weise, wie im Altarwerke in St. Wolfgang die 



Huuptvorstelluug, die Krönung Märiens , von Teppich 
haltenden Engeln umgeben ist. Der Verfasser dieses Be- 
richtes hält diese Hauptfigur im Altarwerke zu Teich- 
stätt für ein ausgezeichnetes Kunstwerk, sowohl in Be- 
zug auf Schnitzerei, als auch in Hinsicht der lleiualung. 
Auf jeder Seite dieses Hauptbildes befinde! sich im 
Schreine auf einer hohen Console und unter einem zier- 
lichen Baldachine das Standbild einer Heiligen, und 
zwar auf der Evangclienseite das der heil. Margaret h. 
auf der Epistelseite jenes der heil. Agnes. Beide sind 
Miniaturbilder. 

Auf der Innenseite der beiden. S Fuss 4 Zoll hohen 
und 8 Fuss breiten, durch eine Querleiste in zweiTheih- 
gesonderten Flügel sind vier Scencn aus dem Leben 
Märiens vorgestellt, nämlich am Flügel auf der Evan- 
geliumseite oben der Gruss des Erzengels Gabriel, 
unten die Geburt Christi. Am Flügel auf der Epistelseite 
erblickt man oben die Darstellung vom Grnsse der heil. 
Elisabeth, unteu die vom Tode Märiens. Letztere Dar- 
stellung hat manches Kigeuthüiulichc an sich. Die ster- 
bende Jungfrau kniet auf einem Betschämcl, hinter 
welchem ihre Lagerstätte sichtbar ist. Maria ist von den 
Aposteln umgeben, von denen der beil. Petrus ihr die 
Sterbekerze reicht, einer das Kreuz, ein anderer das 
Kauchgefäss trägt. Wird der Sehrein geschlossen, so 
erblickt man auf der Rückseite der beweglichen Flügel 
vier Bceueii aus dem Leben des heil. Laurentius, des 
Patrons dieser Kirche, nämlich seinen Abschied vom heil. 
Papste Sixtus, seine Gefangeiinehiuung, seine Vernr- 
thcilung nnd seine Marter auf dem Feuerroste. 

Auf jeder Seite des Schreines erblickt man, wenn 
der Schrein geschlossen ist, abermals ein Bild, das an 
Höhe und Breite, Einfassung und Abtheiluug den beweg- 
lichen Flllgclbildeni ganz ähnlich ist. Beide sind jedoch 
in den eigentlichen Altarbau eingelugt und befestigt, 
daher unbeweglich. Auf diesen zwei flügelähnlichcii 
Bildern sind abermals vier Heilige vorgestellt, nämlich 
auf dem der Evangclienseite oben der heil. Ulrich, unten 
der heil. Stefanus; auf dem der Epistelseite oben der 
heil. Papst Urban, unten der heil. Wolfgang, Die Pre- 
della dieses Altares enthält in ihrer Milte die Darstellung 
von der Anbetung der Weisen aus dem Morgvnlandc. 
Iu der Krönung sind Christus und drei Heilige, wahr 
scheinlich Katharina, Barbara und Ursula, statuarisch 
vorgestellt. 

Dieser merkwürdige Altar ist auch auf seiner Rück- 
seite mit Gemälden ausgestattet. Auf der Kückscitc des 
eigentlichen Schreines ist das jüngste Gericht vorge- 
stellt. Auf den Rückwänden der befestigten Flügelhilder 
sind Bilder der Apostel zu sehen. An der Rückseite der 
Predella ist das Haupt Christi im Veronicn-Tuche , das 
von Engeln gehalten wird, angebracht. Das letztere Bild 
sieht sehr abgegriffen aus. Dieses kömmt von dem Ge- 
brauche her. zu dem dieses Bild in früheren Zeiten 
gedient hat. Dieser Gebrauch bestand darin, dass jene 
Personen, welche bei Opfergängen um den Altar herum- 
gingen, dieses Bild entweder küssten, oder mit der 
rechten Hand berührten, um sich dann nach der Berüh- 
rung mit dem heiligen Kreuze zu bezeichnen. Ähnliche 
Bilder findet man noch in mehreren Kirchen dieser 
Gegend. Selbst auf dem von .Mainradt Guppenpiehl, 
Bilthaner zu Mansee (Mondsee) im Jahre 17n!>~ verfer- 
tigten Hochaltäre der Pfarrkirche Lohen ist auf der 
Rückseite desssclben noch das Bild Christi im Vemnica- 



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cxn 



Tuche angebracht, ein Zeichen, dass der oben crwühnte 
Obrnueh selbst in jener Zeit noch bestanden habe. 

Der Verlader dieses Berichtes halt es für «eine 
Pflicht, auf die Kirche zu Teiehstätt, vornehmlich auf 
den in derselben befindlichen Flllgclaltnr aiilmerksam zu 
niaehen und dies tun so mehr, da diese Kirelie Kämmt 
dem Altare schon seit langer Zeit im l'ri» nthesitze sich 

befindet. Die Kirche zu Teiehstätt wurde nämlich hnJahre 
11*4 aufgelassen, zum Abbruche bestimmt und zu 
diesem Zwecke verkauft. .Mehrere Bauernguts- Besitzer 
der rmgchuiig kauften die Kirelie Kämmt ihrem Inhalte 
an, Hessen selbe aber fortbestehen und besorgten, sowie 
ihre Nachkommen, bis heute die Erhaltung derselben. 
Ob aber die bisherigen Eigeiilhümcr dieser Kirche 
dieselbe auch in Zukunft im guten Hauzuglande zu 
erhalten im Stande sein werden, durfte mau nicht ohne 
(•rund in Zweifel ziehen, um so mehr, da namentlich 
da» Dachwerk der Kirche in nicht ferner Zeit einer be- 
deutenden Reparatur bedürftig zu werden scheint. 

Nebst der Kirche in Teiehstätt verdient eine beson- 
dere Erwähnung: 

Die Kirche in (iebertsham. 

Dieselbe ist eine Filiale von der Pfarrkirche Lohen 
oder Astätt und hatte ein ähnliches Schicksal, wie die 
oben erwähnte Kirche in Teiehstätt, Auch das Kirchlein 
in (ii ln rlsbatii wurde im Jahre 17*1 aufgelassen, zum 
Abbruche bestimmt und zu diesem Zwecke verkauft. 
Die Hausbesitzer im Dorfe (Iebertsham kauften das 
ihnen liebgewordciie Kirehlein an, jedoch mit dem Vor- 
sätze, dasselbe zu erhalten. Dienen Vorsatz brachten sie 
und ihre Nachkommen redlich in Ausführung, bis die 
Pfnrrgciucindc hohen diese Kirche tllr den öffentlichen 
(iotlesdienst wieder erworben hat. 

Das Dorf (iebertsham sammt seiner Kirche liegt 
auf ciuer Anhöhe ganz nahe am Mattsee. Ihrem Um- 
fange nach ist diese Kirche kleiner als die Kirche von 
Teiehstätt. Sie ist im gothischeu Style, wahrscheinlich 
um d'e Mitte des XV. Jahrhunderts erbaut worden und 
hat in ihrem Innern eine (icsammtlänge von 4* Fuss, 
von denen 21 Fuss dem einschiffigen Laughause, l'l Fuss 
dein nur wenig eingezogenen Altarhause zugehorcii. 
Das Langhans hat im Lichten eine Breite von äfiä Fuss 
■* Zoll: das Altarhaus dagegen eine Breite von SO Fn-s. 
Das letztere ist mit drei Seiten des Aehtortcs gcteblot- 

sen. \ Triumphbogen, der «las Altarhaus vom Lang 

hause scheidet, hängt noch das alte Triuniphbogcukreuz 
herab. Das (iebäude ist niedrig, das Kippenwerk des 
»iewölbes gänzlich entfernt. Als Träger des (Iewölbes 
und des ehemaligen Rippenwerks dienen runde Wand 
pfeiler, die mit einer einfachen Base und einem eben- 
falls ganz einfachen Kämplergcsimsc versehen sind. 
Der Lauf der Kippen ist am Gewollte noch deutlich zu 
erkennen. Die Wände dieser Kirche sollen einst mit 
(lemälden ausgestattet gewesen sein. Spuren derselben 
sollen sich schon mehrmals beim Abblättern der Tünche 
gezeigt haben. Line nähere rntersuchung durfte vor- 
genommen werden, um Uber das Vorhandensein von 
Wandgemälden und ihren Kniistwerth öewissheil zu 
erhalten. 

Das Merkwürdigste in dieser Kirche ist der golhi- 
sehe Altar, der im Chore aufgestellt ist. Derselbe gehört 
zur ('lasse rler Flligclaltäre , hat jedoch manches Ligen 
tllllmliclie an sieh. Als Zeit der Entstehung dieses Alfa- 



res dürfte das Kmle des XV. oder der Anfang des 
X\ I. Jahrhunderts angenommen werden. Auf diese Zeit 
deuten die theils seitwärts, theils vorwärts gebogenen 
Spitzen der Baldachine in der Krönung des Allares, die 
ganz realistische Auflassung der dargestellten Personen, 
sowie die theilweise Anwendung eines farbigen Hinter 
grundes statt des bisher üblichen (loldgrnndcs. 

Die Kirelie ist zu Ehren der Lrhöhitng des hciligeu 
Kreuzes geweiht. Die Hnuptvorstcllniigcu auf dem 
Altäre beziehen sich darum auf das Leiden Christi am 
Kreti/.e, auf die Auffindung des heiligen Kreuzes durch 
die heil. Helena und auf die Erhöhung desselben durch 
Kaiser Heraclius. 

Im Huuptscurciuc des Altares ist die Kreuzigung 
Christi vorgestellt. Diese Darstellung ist sehr reich an 
Figuren. Mehrere dieser Figuren, wie Christus am Kreuze 
und die beiden Schacher sind rund gearbeitet ; andere sind 
halb erhaben, wie z.B. die zu Boden sinkende Maria, die 
Mutter des Herrn, der heil. Johannes, die Frauen, welche 
dar Gottesmutter Beistand leisten, der Soldat mit dem 
Schwämme, der Hauptmann, der den hohen Priestern 
und Schriftgelehrten auf Christus hinzeigt. Im Hinter 
gründe sind die Soldaten und das Volk der Juden durch 
ein Gemälde auf der Rückwand des Schreines vor- 
gestellt. Es sind also in diesem Schreine plastische 
Werke verschiedener Art mit Gemälden vereinigt. Die 
Figuren haben ohngefähr ein Drittel Lebensgrösse. Auf 
jedem der beideu geöffneten Flügel sind wieder zwei 
Darstellungen enthalten, die durch eine Querleiste von 
einander getrennt sind. Am Flügel der Evangelienseite 
isl oben dargestellt, wie Kaiser Heraclius das von 
dem besiegten Perserkönige Cliosroes zurückerhaltene 
Kreuz Christi auf den Calvarienberg trägt; nuten ist 
Christus am Ölberge vorgestellt. Am Flügel auf der 
Epistelseite erblickt mau oben die heil. Helena, wie sie 
das Kreuz Christi aufsuchen lässt, unten die Kicuztra 
gnng Christi. Scblicsst man den Schrein, so sieht man 
auf der Rückseite der beiden beweglichen Flügel vier 
Darstellungen aus der Leidensgeschichte Christi, aber 
nicht auf tiold-, sondern auf Farbengrunde , nämlich 
Christi (iefangennehmung, (ieisslnng, Dornenkrönung 
und Ecce homo. Au jeder Seite des Sehreines ist clien- 
falls ein. den beweglichen Flügeln ähnliches Bild zu 
sehen, welches an dem eigentlichen Altarhan befestigt, 
also unbeweglich ist. Jedes ist wie die beweglichen, 
Flügel durch eine Querleiste in zwei Hälfti n getrennt 
von denen jede das Bild eines Heiligen enthält. Auf 
der Evangelien Seite ist oben der heil. Wolfgang, unten 
der heilige Dionysius; auf der Kpistclseitc oben der 
heil. Benno, unten der heil. Blasius vorgestellt. 

In der Mitte der Predella befindet sich ebenfalls 
ein kleiner Schrein, der in seinem Innern die plastische 
Darstellung der (»rahlcgung Christi enthält. Dieser 
Schrein in der Predella ist ebenfalls mit zwei beweg- 
lichen Flügeln vcrschlicssbar. Auf der Innenseite dieser 
Flügel erblickt man wieder zwei Bilder, nämlich der 
heil. Barbara und Katharina, beide auf Goldgrand. Wird 
dieser kleine Schrein geschlossen, so zeigen die Rück- 
seiten der beiden beweglichen Flügel zwei Darstellun- 
gen, nämlich die des heil. ficorg und des heil. Florian. 
Neben dein Schreine befinden sich ebenfalls wieder den 
beweglichen Flügeln ganz ähnliche Bilder, welche in 
die Wand der Predella eingelassen und befestigt sind 
und anf der Evangelienseite den heil. Sebastian, auf 



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< XIII 



«ler Epistclseiie Jen heil. Christoph vorstellen. Sümmt- 
lichc (Jemhlde hnhcn nirht Uold , sondern Farbengrund 
und sind noch ganz gut erhalten. In der Krönung des 
Altars befinden »ich die statuarischen Darstellungen des 
auferstandenen Heilandes, der Mutter dett Herrn nml 
des Evangelisten Johannes. * 

Auel) die Rückseite des Altars war einst mit lie- 
iniilden versehen, die aber jetzt theils Übermalt, theils 
Iran/. TOrniehtct sind. An der Hltekseite der l'redella ist 
ebenfalls, wie in der Kirche zu Tciehsiätt das | laii|it < 'hristi 
im Veronieu-Tuehe angebracht . welches Rihl fflcielil'jills 
sehr abgegriffen aussieht. Diese Kirehe ist auch mit 
einer Art von Kanzel versehen, die aber die einfachste 
Form zeigt, die sieh denkeu Msst. Selbe besteht nämlich 
nur ans drei Stuten, welche sich an den bildlichen 
Triumphhogcnpfeilcr uumillelbar auschliessen und aus 
einer 3 Fuss hohen Brustwehre, v\ eiche diese im Lichten 
Fuss Ii Zoll lange IWd •! Fuss breite Kanzel cin- 
schliesst. Die Brustvvelire atlf der Westseite ruht auf der 
Tischplatte des südlichen, an den Trininphlmgcnpfcilcr 
unmitlelbar angeschlossenen Nebenaltares. Derselbe ist. 
tun dem Prediger kein Hindernis* in den Wtg zu stellen, 
mit keinem Oberfrontale, sondern nur mit einem Kreuz*' 
mal einigen Leiichteni ausgestattet. 

In den Kirchen des Mattigthales und dessen l'm- 
^ebuug sind auch manche mittelalterliche Werke der 
Kleinkünste vorhanden. Als solche betrachtet der Be- 
richterstatter vornehnilicli: 



Di. 



■ h ö ii < 



Iii seu besc hlUgc 

an den Kin-hcnthlircn. wie solche nur selten in so reicher 
Bildung in den Kirchen < Iber-Österreichs zu linden sind. 
Während in sehr vielen anderen gothisehcti Kirchen- 
gcliäudcn dieses Landes, welche der Verfasser diesen 
Berichtes kennen zu lernen Gelegenheit hatte, 
gcwölmlich nur das eigentliche Thllrschloss 
sammt dem Ringe mehr oder minder reich 
orunuicntirt ist . sind in den Kirchen des Mat 
tijrtlialeH nml <ler Fmgcbnng ilie eigentlichen 
Thtlrschlösscr nur einfach gestallet und verziert ; 
dagegen dicThllrHllgel mit einem aus deuThllr- 
bäudern gleich Asten und Zweigen hervor- 
sprossenden, pflnnzenfb'nnigcn Eisenbeschlilge 
bedeckt und geschniltckt. Solche Beschläge 
Badet man an den ThUren der Pfarrkirche 
Miiudcrfing, von denen die am westlichen 
Hauptthorc besonders sich nuszeichueu. Auch 
die Thürtlugel der Filialkirchc Sc ha Ich in 
bei Mattighofcn, sowie die der Kirche Tcieh- 
siätt, sind mit solchen l'.isenbcschlitgcn verziert. 
Auch in der Kirche Heipfau, ilcr eigentlichen 
Pfarrkirche von Ittendorf, welehe im vorigen 
Jahrhunderte beinahe gänzlich umgebaut wurde, 
ist die alte HacristeithUrc mit ihrem scheinen 
Eisenbeschlilge noch vorhanden. An der Thtlre 
der Kirche in Ast litt, sowie an der Hauptthtlre 
der Pfarrkirche Lohen, findet sich ein reiches 
Kisenbcschläge vor. Am meisten sind jedoch 
die fünf ThUmi der Pfarrkirche Kirchberg 
durch reiches und schön gebildetes Kisenbc- 
schläge ausgezeichnet. Da» schönste ist jenes, 
welches im Innern der Kirehe an der Sacri- 
»teithür zu sehen ist. Der hochwUrdigc Herr 
Pfarrer von Kirchberg bei Siegertshaft , Joseph 



Lindingcr, ein besonderer Freund der Kunst, hatte die 
Freundlichkeit, dem Verfasser dieses Berichte» eine 
genaue Abbildung der Sacristeiihtlr mit ihrem Beschläge 
zu Übermitteln. Selbe wird hicinit beigegeben. Fig. I, 
um zu zeigen, dass diese Werke der Kleinkünste, 
welche in den Kirchen jener (legend vorkommen, volle 
Benchtung verdienen. 

fJra h- Mon ii nie nie. 

Zum Schlüsse diese» einfachen Berichtes glaubt 
der Verfasser noch erwähnen zu mllssen. dass in den 
Kirchen des Mattigthales und dessen l'mgcbung auch 
sehr viele Grab-Mouumente vorhanden sind, die theils 
in Hinsieht der Personen, deren Andenken «de verewi- 
gen, theils in lleir. il der religiösen Darstellungeii . die 
sie enthalten, theils in Bezug auf die Technik, in der sie 
ausgeführt sind, beachtet zu werden verdienen. Reich 
an GrahtnoDlimeiiteu ist vorzugsweise die ehemalige 
C'ollegiat • , nun Propsteikirche Mattighofcn. Ander 
inneren Seite der Koniwand des Prc shvtcriums befindet 
sieh das Grabdenkmal des edlen Hanns Kuchler, der 
mit seinem Bruder t'unrad das Collegiatslift Muilig- 
hvfeu um das Jahr I43U gestiftet hat. Im Fiissbodeu, 
sowie an den Wänden einer an die Sltdwaud des Altar 
Nauses angebauten Sacristei (oder Capelle) befinden sich. 

mehrere Grabdenkmale von Priestern, theils aus dem 
XV., theils aus dem XVI. Jahrhundert. Dort befindet 
sich auch das ungefähr ii Fuss hohe (irabmouument des 
Grafen Christoph vonOrtenburgf 1551, das den genann- 
ten lütter, knieend vor dem Bildnisse des gekreuzigten 
Heilandes darstellt. An der inneren Seife der Slldwaml 
des AltarhauscB sieht mau das Grabmal des Laurentius 
Zathcsius, dreizehnten Decans des Collegiatstiftes Mat- 
tidiofcn vom Jahre löftl. Im sogenannten l'riestcr- 




l. 



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f'XIV 




■5l 













IV. I. 

Imme, cnlitandcn um im Mir I44i>, welches den an 
der Nordaeite der Kirche befindlichen Gottesacker u 

der Westseite abschliesst, befindet »ich ebenerdig noch 
ein Theil des ehemaligen Krcuzgnnges. Derselbe besteh! 
noch jetzt aus sechs GewTdhejochen. Jede« GewTdbejoch 
bildet ein Quadrat (a 10 Fuss), das mit einem schtinen 
Rippengewölhe in Form eines Kreuzes versehen ist. 
Die Bcuialung stammt ans späterer Zeit. Nebel der 
l'ropstcikirche Mnttighofcu verdient die Kirehe Heili- 
ge n st ad t im Bezirke der I "fnrre Kricdburgder in ihrvor- 
liiindeneii Grab-Honu Die rite wegen vorzugsweise erwähnt 
zu werden. Im Fusshoden des Altarlnmses dieser Kirche 
liegen zehn Grabsteine von Gliedern der Familie Knehler, 
weleher die Stiftung dieser Kirche ebenfalls zugeschrie- 
ben wird. Leider sind diese Grabsteine stark ausgetre- 
ten. An der inneren Seile der iJingen wände des Sehifl'es 
befinden sieh ebenfalls x iele Grabdenkmale. Unter diesen 



sind folgende besonders merkwürdig : Das 
Grabdenkmal der „Frau Rarbarn Marseheh kinn 
\rtn Bappcnhniinh, gehornc von Rechberg von 
bedien Reehberg-* t 15sh. Kigenthllmlieh ist das 
im Flachrelief ausgeführte Bild, das den oberen 
Titeil dieses Grabsteines einnimmt. Oben in den 
Wolken erblickt man Gott Vater, die Rechte 
»egnend erhoben, mit der Linken die Welt- 
kugel haltend. Unter ihm. noch in den Wolken, 
erwcheiol der heilige Geist in Tnuhcngcstalt. 
Christus der Herr, mit dem Ausdrucke liefen 
Leides im Angesichte, sitzt auf dem Kreuze, 
das auf dem Krdboden liegt, hält in der Hand 
Ruthen und Geissein. Im ihn herum liegen die 
übrigen Leidenswerkzeuge auf dem Erdboden 
zerstrent. An der Südwand des Langhauses 
befindet sieh ferner das Grabmal der „Frau 
Anna Sihilla Ainkhirinn gebornen von Hekel- 
pach» f 1686; und da« Grabdenkmal des „Ar- 
saeius Kiscnrcic von Weilbach zu Adlshnusen 
fürstlicher Dnrehleicht zu Hävern, gewester 
Kath , pfleger und ('astner zu Fridtburg f 
11. Juni I5&6". Auch in der früher bereits er 
wähnten Kirche zu Tcichstätf befinden sich meh- 
rere Grabsteine von ehemaligen Resitzern des 
Schlosses zu Teichslätt. Grabmonnmentc aus dem 
XV. Jahrhumlerl Sudel man in der Pfarrkirche 
Mtindcrfing, ebenso in der Pfarrkirche 
Lohen und zwar in der letzteren nns den 
Jahren I4<K>, 144f>, 145"» u. s. w. In der Fi- 
lialkirehe Pfaff'städt verdient das Grabdenk- 
mal der Frau Marin Johanna Gräfin von Wart- 
tenberg vornehmlich des würdigen I/Obcs w egen 
Erwähnung, welches der Entschlafenen mit den 
wenigen aber inhaltsreichen Worten gespendet 
w ird : 

Tciiipla oronvii, 

Pwi|NMM »lllil, 
Ni'uiinein lucsit. 

I 'Im imi Winimer. 

Einige mittelalterliche Schmiedearbeiten in 
Ober -Ungarn. 

Kn Iii II, Ii. rl. . .IM.ii 

Für die menschlichen Redltrfnisse ist das 
Eisen unstreitig eines der wiehligsien Metalle, 
einerseits durch seine Festigkeit. Biegsamkeit, ande- 
rerseits durch die Eigenschaft unter verschiedenartiger 
technischer Behandlung auch einen verschiedenen Cha- 
rakter anzunehmen, der ihm gnnz nene Eigentümlich- 
keiten verleiht. Besonders die Kunst des Mittelalters 
sowie auch die der Renaissance behandelte dns Eisen 
gjinz nach seinem Styl, nnd in dieser Beziehung lei- 
stete Deutschland Gediegenes. 

Wie sieh dergothische Baii-Styl nnd die Renaissance 
von Westen gegen Osten s]ieciell nach l'ngani nach und 
nach verbreitete, so wurde auch die Schmiedeklinst 
(zu unterscheiden vom Schmiedchandwcrk) mit ihren 
eigentümlichen Formen und Motiven durch Schmiede 
bei Gelegenheit ihrer Wanderschaft von Deutschland 
nach l'ngam verpflanzt. Aus diesem Grunde haben die 
ungarischen Schmiedearbeiten in ihren Motiveu ganz 
den Charakter deutscher Arbeiten. 



(XV 



Ober-Ungarn, wo im Mittelalter 
so viele Städte durch die von ungu 
rischen Königen einberufenen Deut 
sehen und Sachsen erbaut wurden : 
wo einstens eine rege Itanthätigkcit. 
Wissenseballen, Industrie, Mandel und 
Oo werbe blühten: da finden wir eine 
grössere Anzahl mittelalterlicher Hau- 
denkmale als in Unter-Ungarn, wo die 
das Land verwüstenden Tataren und 
TUrkeuborden jede Spur der Civilis*- 
tinn , sowie die ohnehin spärlichen 
Denkmale der Kunst, welche «ich noch 
vorfanden, zu Cruud richteten; daher 
bis auf unsere Zeiten sehr weuig er- 
halten blieb. 

In den oberungarischcn liegenden 
finden sieh noch sehr viele Keste 
inittelalterlieher Schmiedekunst, von welchen ich hier 
einige anführe. 

Die Epcrieser gothisehe Stadtpfarrkirche besitzt 
unter demTliurme ein Thor, das ein zierliches Hosehläge 
aufweist. | Fig I.) Die senkrechten Hol/.bohlen werden 
durch die nach innen angebrachten eisernen Händer 




getragen. Uber die Süssere Flache breitet sieh das Net/, 
des nur ornamental behandelten Heschläges. 

Die scheinbar tragenden Schienen, sogenannte 
Zieriiiinder, werden durch kreuzweis gelegte Schieneu 
gekräftigt, welche in ihren Enden mit dem Lilienmotiv 
verziert sind. Die Schienen sind einfach mitbreitköpfigen 
Nägeln an die Hohlen befestigt. Ganz oben bemerken 
wir zwei slylisirtc Hähne aus Eisenblech, welche viel- 
leicht als Sinnbild der Wachsamkeit hier angebracht 
wurden. In einigen Zwischenräumen des Heschläges 
sind aus Eisenblech geschnittene Dreiecke, und x-liir- 
mige Ornamente befestigt. ThUrschlossplatte und Hingt' 
fehlen giinzlich. Die Ausführung dieses Heschläges ist 
etwas roh und primitiv, nach der Behandlung nnd dem 
Style der Ornamente kann man als Verfcrtignngszeit 
dieses Heschläges noch das XIV. Jahrhundert ansetzen. 

In der königlichen Freistadt Martfeld, wo mittel- 
alterliche Kunstdcnkinalc in grosser Anzahl vorkommen, 
am linthhaitse, befindet sich ein kunstvoll gearbeiteter 
Kasten mit vier FlUgcltb lirchen, welche durch eiserne 
Ränder von sehr schöner Arbeit getragen werden. 

Diese Häudcr sind aus durchbrochenem und 
geschnittenem Eisenblech, deren Ornamente gothisehe 
Motive bilden. (Fig. -J und 3.) 

Die Schlüssel - Schilder dieses 
prachtvollen Kastens sind mannigfaltig 
profilirt und geformt, an jedem ist die 
Verzierung eine andere. Das erste 
nnd das zweite ist in tler Form 
ziemlich gleich, nur die Führung ist 
eine andere. Das SchlHsselschild hat 
einen horizontalen graden Kopf mit 
einem durchbrochenen gothisehen Or- 
namente, das vierte ist mit einer Lilien 
bekröniiug verziert. Sämmtliehe Be- 
schläge sind verzinnt, und um die 
Wirkung des Ornaments zu heben, 
sind die ausgeschnittenen Ornamente 
theils mit rothetn, thcils mit grUnem 
und blauem Pergament untergelegt. 

XVII 



Fl*. 

Die mit eingelegten Holz-Ornamenten mtisiviseh 
gearbeitete Thür der städtischen Cassalocalität des 
Hartfelder Hathhauses hat in tler Mitte einen schöu 
gearbeiteten eisernen Handgriff (Fig. 4i; derselbe wird 
von einer doppelt gebogenen Schiene gebildet, die an 
beiden Enden in fUnl blätterigen Rosetten endigt, in 
welche die tauartig gedrehten Släbe eingelassen sind. 
Die Achse des Oriffcs bildet ein eiserner Ituudstab, 
welcher an beiden Enden in eiehelfönnige Knöpfen endigt. 

Die Schiene wird mittelst, mit fUnfblättrigen Hoset- 
ten gezierten Knöpfen oder Nägeln mit dem Holz der 
Thür verbunden. 

Dieser schöne ThUrgrifl', sowie die erwähnten 
Schlusselsehilder nnd Bänder des Kastens durften vom 
Anfang des XVI. Jahrhunderts stnmmeu. 

In der Leutschauer gothisehen Pfarrkirche , an 
dcrSacristeitbür, welche jedoch ganz einfach durch quer- 
gelegte Eisenschienen beschlagen ist, befindet sieh ein 
schöner Thurring (Fig. 5) von gewöhnlicher Form. Das 
cylindrisch geformte Eisenblech des Körpers ist mit 
durchbrochenen Vicrpässen, sowie mit einer lilien- 
fönnigen Saunieinfassung verziert. Am oberen Theile 
des Hiiigcs ist beiderseits je ein Hesticnkopf symmetrisch 
angebracht , welche in ihren Hachen kleinere einfache 
Hinge halten. 

Ein besonders schönes Exemplar eines gothisehen 
Thurklopfers war an tler SaeristeithUr des Ka sc haner 
Domes angebracht ; bei Umgestaltung dieser ThUr wurde 
derselbe in neuerer Zeit entfernt (V!). Ich besitze in 




n«. x 



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("XVI 



■ Sammlung einen 

genauen Gypsahgnss 
Aknen ThUrriuges, naeli 
welchem ieh (He beige- 
fugte Zeichnung verfer- 
tigte (Fig. <5). Der Hal- 
ter diese* Ringe* it*t 
mit aufgenieteten Mnss- 
Werks - Verzierungen , 
Zinnen und gedrehter 
Snuuieinfnssuug ver- 
ziert. Am kantigen 
Hinge sind vier fisch- 
blasenmusterartige Aus- 
Kchnittc und eideehaen- 
ühnliche Thiergestalten 
angebracht, welche der 
Hicgung des Ringe* fol- 
gen. Der ganz untere 
Theil ist mit gothischem 
Lnnlxiniainent genin- 
Htert , weichet» durch 
eine tauartige Einfas- 
sung begrenzt ist. 

WiedieSpät-Renais- 
sanee des XV H. Jahr- 
hundertes die Thür- 
beschlage respective 
ThUrbHnder formte, er- 
sieht man ans dem 
unter Fig. 7 abgebilde- 
ten Thtlrbande, welches 
einer Thllr eines Privat- 
hauses in Kperies entnommen wurde. Das ganze, mit 
stylisirten Etiwenkopfen und anderen der Spitt-Renais- 
sance ungehörigen Motiven verzierte, durchbrochene, 
und ans verzinntem Eisenblech geschnittene Ornament 
ist mit einem viereckigen Kähmen eingefnsst. Das 
eigentliche constriictive Band wird in diesem Falle 
nicht organisch durchgeführt, sondern ganz einfach auf 
die zu demselben so ziemlich passende Verzierung mit 
einem Xietnngel befestigt. Die Wirkung dieser Verzie- 
rung wird sehr erhobt, gleichfalls wie in der (iothik 






Fig. 6. 



ng. «;. 

durch Pergament, hier durch untergelegtes rothes und 
hlnues Leder. 

Die Farbe desselben ist in der Zeichnung durch 
entsprechende heraldische Striehlagen markirt. 

Auch in (Überarbeiten findet man sehöue Exemplare 
in Ober-Fngarn: das Ohcrlichtgitter am Eingangathorc 
des sogenannten Urbanthurmes in Kusch au, wo die 
im Jahre 155(5 gegossene, und in ihrer Art sehr 
schon verzierte. Uber 100 Centncr schwere l'rhanglockc 
angebracht ist, bildet in einer halbbogenftirmigen eiser- 
nen Einfassung, welche dem Archivoltbogen des Thoren 
entspricht, eine aus Rundeisen geformte Spirale, auf 
welche getriebene, lang zugespitzte Blatter aufgenietet 
sind. Das mittlere Ende dieser zwei Haupt-Spinde endet 
in lilienartig stylisirte Blumen; in der Achse des Orna- 
mentes ist ein Wappenschildchen, nnd an beiden kleine- 
ren Neben-Spiralen profilirte Kßpfc.aus Blech geschnitten 
nnd eiselirt, angebracht. Diese Motive kommen meistens 
an den füttern vor, welche aus der zweiten Hälfte des 
XVl. Jahrhunderte* stammen , aus welcher Zeit anch 
das gegenwärtige Gitter stammen mag. 

An den Durchkreuzntigspunkten dieses Gitters 
sind Öhre angesehweist, durch welche das Rundeisen 
gezogen ist; an dcnTangirungspuncten hingegen werden 
die Rundeisen dnreh Spangen (Bander) festgehalten. 

Die Arbeit dieses (Ütters ist nett und gediegen 
ausgeführt, wie anch die zierliche und constriictive 
Zeichnung und Composition nichts zu wUnscben Bbrig 
lKsst._ 

Ahnliches Oberlichtgitter, jedoch nicht so eon- 
Btructiv durchgedacht, ist das am Einfahrtsthore eines 
alten Hauses in Eperies angebrachte (litter. In der 
Mitte dieses Gitters ist ein herzförmiges Wappenschild, 
welches sowie auch die Krone , von zwei doppel- 
schwttnzigen (bobmischen) Löwen getragen wird. Am 
Rtirnreife der Krone ist die Jahreszahl 1. 7. 5. 7.. hin- 
gegen im Wappenschild folgender Spruch, mittelst 
schmaler Eisen bandstreifen aufgenietet, angebracht : r An 
Gottes Segen ist Alles gelegen -1 . Dieses Mittelstllck ist 
ans Eisenblech ausgeschnitten, das übrige Ornament 
besteht aus spiralförmig gewundenem Quadrateisen, 
welches an den Berührungspunkten mittelst Rundem 



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cxvn 



zusamuicngchaltcn wird. I r iu drin Mittelvtllt-k eine schein.' 
bare Haltbarkeit uu<l Festigkeit zu geben, ist der 
untere Theil de« Ornaments dm-eh kreuzweis gelegte 
und mit Knüpfen befestigte Schienen unterstutzt. Die 
Form der Mütter und der Blumen erinnert noch an die 
Motive der guten Keuaissance des XVII. Jahrhunderte«; 
die Form und Conlour der Spirale jedoch gehört bereits 
der Verfallsperiodc der Renaissance; trotzdem aber 
gewührte dieses Gitter einstens einen prachtvollen 
Effect, besonders wenn man bedenkt, das» die Spiral- 
eisen roth, die Mütter grün mit vergoldeten Rändern 
und Adern, die Blumen, Krone und Löwen golden, und 
das Wappenschild blau bemalt waren, von welcher 
Polyeliromie jedoch gegenwärtig nur sehr schwache 
Spnrcn noch sichtbar sind. 

Der gegenwärtige Besitzer des Hauses lies» neuerer 
Zeit das Einfabrtsthor renoviren, bei welcher Gelegen- 
heit das Gitter rückwärts am Hofthore befestigt wurde. 
In einem anderen Kpericser BUrgerhause befindet sich 
am Fenster des Treppenhauses ein sehr schön ans 
geführtes Kiseugittcr, dem XVI. Jahrhundert angehörend. 
Das mit einem halbbogenförmigen, der Fensteröffnung 
entsprechenden Schieneneisen begrenzte Ornament be- 
geht aus mehreren sieh kreuzenden und durchdringen- 
den Spiralen von Bandeisen, welche sich beiderseits 
symmetrisch wiederholen. In der Mitte ist ein Wap- 
penschild mit der Krone, und unten protilirte Gesichter 
und Blätter aus Kisenblech geschnitten, aufgenietet. An 
den Tangirungspunkten sind Bänder, au den Kreu- 
zungspunkten Öehre angebracht. Sowohl die complicirte 
Kombination, sowie auch die Ausführung dieses Gitters, 
ist ganz im reinen Style der Renaissance gehalten. 

Die einfachen Feiistcrgitter wurden durch kreuz- 
weise schräggelegte Eisenstäbe meistens aus Quadrat- 
eisen gebildet, welche man, wenn dieselben an Fenstern 
der Wohnungen angebracht wurden, wegen der ungehin- 
derten freien Anssicht nicht mit Ornamenten verzierte ; 
um aber die Mitte ciuigermassen zu charakterisiren, 
wurden höchstens vier Rautenfelder einnehmende klei- 
nere Ornamente als Verzierung angebracht. Ein solches 

Mittelsttleke ist in Fig. h 
dargestellt ( Kaschau). 

Diese Zeichnung hat 
als Grundmotiv ein Herz, 
welches am oberen Theile 
mit Blättern endigt. 

Zu den Leuchtern 
Übergehend , muss hier 
erwähnt werden , dass 
die mittelalterlichen Kir 
eben Ober I ngarns in 
dieser Beziehung noch 
sehr reich ausgestattet 
sind, so z. B. in Bartfeld 
finden sich noch pracht- 
volle eiserne Stand- und 
I'assionslenchter. (Siehe 
Mittheilungen, Jahrgang 
1H70.) 

Einen sehr zierlieh 
gearbeiteten eisernen 
Handlenchter finden wir 
in der alten gothisehen 
Fijc. T. Kirche der kleinen Dorf 





gemeinde Gecelfalva 
im Gömürer Comitat 
(Fig. 9), Derselbe hat 
eine viereckige Tropf- 
schale, auf welcher vier 
aus Bandeisen gearbei- 
tete , an ihren Enden 
mit Blättern und Knö- 
pfen gezierte Ständer 
stellen , welche zwei 
Hinge halten, in welchen 
das Licht eingesteckt 
wurde. Die vier Seiten 
der Tropfschale zieren 
aus Lmcnbleeh gearbei- 
tete Lilien. Nach dem 
Style und der Ausfüh- 
rung zu urtbeilen, dürfte 
dieser Leuchter noch 
aus dem XV. Jahrhundert stammen. 

Die Kirche zu Bele im Zipser Comitate besitzt 
einen zierlichen Altarlenchter, der Schaft besteht aus 
einem ornamental geschlungenen Rundeiscu , welches 
meistens in vergoldet gewesene Blätter endet. Die im 
Zickzack ausgezackte Tropfgehalc hat in der Mitte den 
Dorn. Auf diesem Leuchter bemerkt man noch schwache 
Spuren polychromer Bemalung, nämlich Ruth und Grün. 
Dieser Leuchter gehört schon der Spätrenaissance de» 
XVI. Jahrhunderts. 

In der gothisehen Pfarrkirche zn Küsmark in 
Zipsen , an der inneren Wand der Seitenschiffe , sind 
schmiedeisernc Wandleuchter angebracht , welche aus 
Bandeisen bestehen und mit Blumen und Lilien 
geschmtlekt sind. Der ganze Träger, welcher sieh in 
Öhren bewegt, endigt in eine zierliche Blume, deren 
Kelch die zur Aufnahme des I/chtes bestimmte Hülse 
trägt. Von den Trägern ist der FahnenBtangcnträger in 
der Zipser Domkirehe zu Kirchauf erwähnenswerth 




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ex viii 




n*. 10. 



welcher an ilor Südwand des Sancluariums befestig« ist. 
Derselbe hat die allgemein angewendete Tonn eines 
Dreieckes, dessen Inneres aus einer Füllung besteht, 
welchen schön gewundene Ornament mit Vögeln, Blu- 
menkelchen und Lilien verziert ist. Auf der wagrerliton 
Kathete dieses Dreieckes ist eine profilirte , zur .Auf- 
nahme der Fahnenstange bestimmte Kinne angebracht. 

Von der Spitze des Trägers, um da* Sehweben und 
Düngen zu cbaraktcrisiren, hängt eine zierlieh gearbei- 
tete Blume. Das FUllungs-Ornament war mit Roth bemalt, 
nnd in einzelnen Theilen vergoldet. 

Schliesslich will ich noch eine geschmackvoll 
gearbeitete Wetterfahne erwähnen, welche sich an der 
Herberge der Schmiede in K aschau befand, und gegen- 
wärtig mein Kigenthum ist. (Fig. 10.) Die Fahnenstange 
hat eine beträchtliche Höhe von 4 Fuss; am oberen Ende 
derselben ist ein grosses Hufeisen mit vier hängenden 
kleineren Hufeisen angebracht, als das bekannte Werk- 
zeichen der Schmiede. 



Die eigentliche Fahne besteht au« einer in Orna- 
ment endigenden viereckigen Eisenblcchplatle, in 
welcher I H S und darunter M. 1'. wahrscheinlich die 
Namensbuchstaben des Meisters durchgebrochen sind. 
Den Knauf bildet hier eine zierliche Blume, deren 
MittelstUck ans einem dicken, gewundenen Draht besteht, 
welcher spiralförmig die Fahnenstange umschlicsst. 

Aus diesen einigen hier angeführten Sehmiedearbei- 
ten kann man ersehen, dass in Ober -Ungarn das kunst- 
volle Bearbeiten des Eisens auf einer hohen Stufe der 
Vollkommenheit stand; besondere charakteristische und 
nationale Motive kommen nicht vor, weil die Arbeiten 
nach den Mustern der ausländischen Schmiedekunst 
ausgeführt wurden, welcher Umstand wie anfangs 
erwähnt, beweist, dass die Schmiedekunst mit ihren 
Formen durch die grösstentheils aus Deutschland ein- 
gewanderten, oder im Auslande auf der Wanderschaft 
gewesenen Handwerker ausschliesslich betrieben und 
verpflanzt wurde. Vieler Ifffthtfdrf. 

Kirchliche Baudenkmale in Ober-Österreich. 

i Mit i II ,11. <hnliu».) 

Fast gegenüber von Wallsee liegt der ziemlieh aus- 
gedehnte Ort Mitterkirchen. Die Pfarrkirche, ein 
Werk des späten XV. Jahrhunderts, besteht aus einem 
dreischiffigen Langbause und dem Presbytcrium. Drei 
Paar achteckige schlanke Pfeiler tragen das Gewölbe, 
das in jedem Schiffe in je vier Joche zerfällt. Nur drei 
Felder des Mittelschiffes haben Netzgewölbe, alle übri- 
gen Theile sind in einfacher Weise mit Schildern und 
quergehendem Grat Uberwölbt, ein Ersatz aus der neue- 
ren Zeit für die daselbst bestandenen alten schadhaften 
Gewölbe. Das Presbytcrium besteht aus zwei oblongen 
(iewölbejochen und dem aus dem Achteck gebildeten 
Chorschlussc, alles mit gewöhnlichen Kreuzgewölben 
versehen, deren Kippen auf Halbsäulen ruhen nnd in 
den Kreuzungspunkten mit Schlusssteinen geziert sind. 
Die Fenster des Presbyteriums, sowie der Sudseite des 
Langhauses, sind spitzbogig, die ersteren einmal gcthcilt 
und mit Masswerk geschmückt. Die Fenster der Nord- 
seite sind in neuerer Zeit in geschmackloser Weise 
eröffnet worden. Die Saeristei befindet sieh unter dem 
Thurnie, der sich an der Südseite zwischen Seitenschiff 
und Presbytcrium ansehliesst. Den Aufgang zum Thurm 
vermittelt eine aussen angebaute Stiege. Der Thurm ist 
ziemlich hoch und grösstenteils modern. (Fig. 1.) 

Ein interessanter Bau ist die kleine Pfarrkirche 
der unbedeutenden Gemeinde zu Pierbach, am Naaru- 
hache gelegen. Das Langhaus besteht aus drei Schiffen, 
die zusammengenommen mehr Breite als Länge haben. 
Die beiden Seitenschiffe sind in ihrer ursprünglichen 
Form erhalten, nicht aber das Mittelschiff, das entweder 
in Folge von Baufälligkeit oder einer Beschädigung 
durch Brand in seinem oberen Theile beseitigt wurde, 
da in der rbermauerung noch die Gewölbe- Widerlager 
nnd Lager- Ansätze, ähnlich wie in den Seitenschiffen, 
zu sehen sind. Jetzt ist das Mittelschiff ganz niedrig mit 
Kreuzgewölben Uberdeckt, doch mussten die beiden Pfei- 
lerpaarc zum Tragen dieses Gewölbes verstärkt werden. 
Das Presbyterium besteht aus einem viereckigen Joche 
und dem Chorschluss, durch fünf Seiten des Achteckes 
gebildet. Von den Fenstern sind die meisten umgestaltet, 
nur etliche im Langhause sind noeh spitzbogig und mit 



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CXIX 



Masswerk geschmückt. Der Tlmrra befindet sich links 
de» Presbyteriuuis. An der Kirchenniuucr ist die Jahres- 
zahl I4>*t5 angebracht. Im Jahre IRÖ7 wurde die Kirclie 
durch Brand zerstört, ist jedoch gegenwartig vollkom- 
men restaurirt; der Thurm wurde bei diesem Anlasse 
umgebaut. (Fig. 2.) 

Der Ort Guttun liegt an der von Priigartcn Uber 
St. Leonhard nach Weitersfelden fuhrenden Strasse; die 
Pfarrkirche ist ein beachtenswerthes spätgothisches 
Gebäude. Sie besteht aus dem dreisehifTigeii Langhaus«» 
und dem Presbyterium (Fig. il). Das erster«- hat eine 
Lange von <»S Fuss bei 'AG Fuss Breite, das letztere 
misst '.','A Fuss in der Lange und 22 Fnss in der Breite. 
Das Gewölbe der SehitTc wir«! von 8 polygonen Pfeilern 
getragen. Die 1f> (iewölbefclder sind mit Nctzgewöl- 
ben llberdeekt. Die Kippen entspringen unvermittelt 
theils aus den Pfeilern, theils auch aus den Wanden. 
Das eine Joch des Presbyterium» ist mit einem ein- 
fachen Kreuzgewölbe Überdeckt. Die beiden Fenster im 
fUnfseitigen Chorschlusse sind spitzhogig und mit Mass- 
werk versehen. Der Thurm ist der Kirche vorgebaut: 
er ist ziemlich hoch und hat spiuhogige Sclialllficher. 
Seinen Abschlnss bildet eine Kuppel. Links des Pres- 
byteriums ist eine Kmporc, rechts die Sacristei ange- 





IV- -'• 

baut. An der rechten Seite des Schiften befindet sich 
eine kleine gothisehe Capelle von H» Fuss Länge und 
10 Fuss Breite. 

Die Bartholomiinskirchc zu Lasberg gehört zu 
jenen unregelmassigen spatgothischen Bauwerken, die 
aus einem Langhause bestehen, dem au einer Seite, 
und zwar zur linken, ein Seitenschiff angebaut ist. Drei 
Pfeiler von achteckiger Grundform trennen die beiden 
Rflume, davon das eine 21 Fuss, das andere nur 15 Fnss 
breit ist, beide Schiffe haben eine Länge von *»!• Fuss. 
Das Hauptschiff ist von einem Bippen-, «las Nebeiischiff 
von einem Kreuzgewölbe Überdeckt. Den Pleiter» ent- 
sprechen an den Wänden Halbsiiulen, an denen wie 
an den crstcreii die Rippcu unvermittelt anlaufen. In 
gleicher Linie mit dem hinteren Heiler befindet sich in 
«Icr Mitte des Hauptschiffes ein Pfeiler zur Stützung des 
Chorbogens, sowie auch zwei kleinere Pfeiler in der 
Mitte des Chorgewölbes znm selben Zwecke dienen. 
Die Aussenseite igt an jeder Seite mit Strebepfeilern 
verstärkt, auch an der westlichen (ücbelmauer sind 
zwei angebaut. Die meisten Fenster haben noch ihre 
ursprüngliche Form und Masswerk. Das Presbyterium 
besteht aus zwei oblongen Jochen und dein fUnfseitigen 
Chorsehlnss, ist .'Jf> Fuss lang unil in der gewöhnlichen 
Weise tiberwölbt. (Fig. 4.) 

Der Thun» befindet sich an der rechten Seite «les 
Chores, man gelangt in ihn aus der Kirche mittelst 
einer in der ti Fuss dicken Mauer gebauten Stiege ; sein 
«iberster Theil ist erneuert. Cber dem Spitzfenster in 
dem (ilockenhaus ist die Jahrzahl 1;'»1H zu lesen. Die 
eine Glocke hat die Jahreszahl 1460, die zweite 1606. 



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Die Kirche war die Begräbnissstätte der Herren von 
Zclking, ein Monument derselben aus dem Jahre Kl!»4 
hat sirh noch erhalten. f>>-. Fr<>„ n er. 



In dem erzbischCdlichen Archive zu Wien befindet 
sieh n. a. auch ein Verzeichnis« der r Atzmaler" in Wien, 
«eichen mir von Herrn Dr. Th. Wiedemann freund- 
lichst mitgcthcill wurde. Ks trägt die Aufschrift: 

Vcrzaichnus deren Personen unnd Muister de* 
Mallcrhnnudtwerchs, so auf den KS.January, dem neuen 
fallender nach, Anno 84 (15841 zum Krstenmall in den 
BischofThof alhic verordnet worden und gehorsamhtich 
erschienen sind.- 



Die Veranlassung zu dieser Vorladung in den 
Bischofhof mag wohl die gewesen sein, dass die Wiener 
Maler jener Zeit, die zugleich eolorirte und uneolorirte 
Holzschnitte von Heiligenbildern, fliegende Rlätter und 
Briefe, d. i. Spielkarten, verkauften, unter diesen auch 
andere Dinge in das Publicum brachten, die der Ceist- 
lichkeit nicht recht gefallen mochten, vennuthlich weil 
sie etwas schlüpfriger Natur waren. Die Namen der vor- 
geladenen Maler sind: 

Jacob Mair, in der Weihenburg (Weihburggasse). 

Hann** Koch, beim Vbennann. (?) 

Daniel Meli manu, in der Kitruerstrassc. 

Carl Holz wart Ii, am Kholmarkt. 

Elias* Nussdorffer, am Luhck (Lugck). 

(ieorg 1' r e 1 1 e r n 8 c h o b c r. 

Georg Hohenaucr. am Neucnmarkt. 

Valentin (Jlaser, im Fenriehhauss (Kähnriehbof ?V 

•Sebastian Sehünhoffer, im Kegcnspurgerhoff. 

Balthasnr M Uli er, beim Wollgemueth. 

Der jung Brünens peckh, aufm alten Rossmarkt. 

Lucas Pollrings, bei dem Erhardt Krankher. 

Jacob Dllrring, beim Haydn, beim Schotten. (Am 
Heideuschuss ?) 

fhristoff K hrauss, auf St. Steffans Freithoff. 

Pangraz N Briefmaller und Illuminist in 

der Lilgcnbursch. 

n Nun volgen die so zum andermall auf den 'M. Ja- 
nuary citiert worden u (die es also für gut fanden, am 
18. Jänner nicht zu erscheinend 

Zilvan Oltmuir, neben dem Khrenibcs Fuhrmann 
Ktzmaller. (Sein dewölbe befand sieb also in der Nähe 
des Lagers, welches der Fuhrmann aus Krems in Wien 
hielt und wo er die Waren, die aus dieser Stadt kamen, 
nn die betreffenden Personen austheiltc und die Paekete 
die nach Krems gehen sollten, in Kmpfang nahm, wie 
noch jüngst der Fuhrmann oder Bote aus Iglau seine 
Standstelle auf dem Mehlmarkt hatte.) Silvan Altmeir 
war iler einzige, der bei der zweiten Vorladung erschien, 
denn nun folgt das: 

.Verzaichuns dern zum nndennall anssbleibeude*, 
die vielleicht keine Lust hatten, sich den verschiedenen 
Fragen der geistlichen Herreu auszusetzen, nämlich: 

Hannss Poek hsperger, beim rothen Bossel. 

Erhard Kraukh. beim Dönipadt. (Im ehemaligen 
Seitzcrbof.) 

Hannss N , im Khramergassel. K/.muller. 

Dionisius Hoilardt, im Fenrichshauss, schickhte 
seinen Diener. 

Bauns Apfel manu, in das V. Schttnkierchcnuaus, 
schickhte auch seinen Diener. 

Dmss die Ik-iden Letzteren nicht selbst vor dem 
follcgium erschienen, sondern nnr ihre Diener hinsand- 
ten, scheint unsere frühere angeführte Vennuthung 
nur zu rechtfertigen, da mau den Diener nie mit solcher 
Bestimmthell zur Verantwortung ziehen kann als den 
Herrn. 

In diesem Verzeichnis« von vier und zwanzig 
Meistern des Malcrhandwerks sind zwei, deren Fami- 
liennamen selbst den bischöflichen Beamteten nicht 

bekannt waren, nämlich Pangraz N und Hanss 

N ... der Erstere dieser beiden wird noch aus 

uuhiusweise.nl* Briefmaler und Illuminist bezeichnet 
und der Zweite wird, sowie Silvan Oltmuir, als Ätz- 
nialer angeführt. 



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(XXI 




halten und 
in« bekannt 



Fi*. 4. 

Was sind nun diese Ätzmaler? Einfach, gewisse 
Leute ans der Malerzunft, die sieh besonders damit 
abgaben, die betreffenden Theile der Rüstungen mit 
Zierrathen zu versehen, indem sie diese aus dem flachen 
Ufind des geschmiedeten Eisens heransätzten, so dnss 
sie etwas erhaben stehen blieben. 

Die Kunst des Ätzens ist schon sehr alt. Man nimmt 
gewohnlieh an, dass Andrea Mantegna (gest. 1517) 
das Ätzen erfunden habe, und dass Michael Wohl- 
genutet h und Albrecht Durer diese Kunst ebenfalls 
gekannt hatten . allein netteren Forschungen zufolge, 
sollen schon die Araber das Scheidewasser, oder min- 
destens irgend eine Art desselben gekannt haben, denn 
schon im Jahre 770 n. O'h. ersänftc sieh ein gewisser 
Hackern in einem Fnss von Scheidewasser. 

Es kann hier nicht der Ort sein. Uber die älteren 
Verzierungsweisen der Harnische zu sprechen, ein schon 
die Kunst der Tatrsia oder Tanschierarhcit eine eigene 
Abhandlung erfordert, und von der .getriebenen Arbeit-, 
deren Technik in neuerer Zeit fast gänzlich verloren 
ging, kann noch weniger die Rede sein; wir 



uns hier also allein an «las Atzen 
Nachrichten darüber anführen . die i 
worden sind. 

Das älteste Buch, welches mir Uber diesett Gc- 
genstand in die Hand kam. ist jenes, welches den 
Titel führt: 

„Artliehe Kllnste mancherlei weise Dinten und 
Farben zn hereiten- etc. Mcntz (Mainz», Peter 
Jordan. 1681. 4". 

In diesem Buche findet sich unter vielen Meie- 
ren Heccpten auch folgendes: 

„Eysinc Waffen, heyde, erhaben nnd finge 
senkt zn etzen." 

„Nimm Lindenkoln 1 Theil, Victril (Vitriol) 
2 Theile und Salarmonink (Salmiak) 8 Theile und 
stosse alles wohl mit Essig dass es werde wie ein 
dicker Brei. Wan du etzen willt, so beschreib oder 
entwirf vorhin mit Mennig, der mit Leinöl tempe- 
rirt sei (die Ornamente) und lass' sie trocken werden. 
Lege dann darauf von den Teig (oder Brei) eines 
kleinen Fingers dick und merk wohl auf, denn je 
wttnner der Teig wird, deBto balder ist es ein 
Zeichen , dass es atzet. Sieh aber wohl zu dass du 
es (die Zierrathen) nicht verbrennst. Wenn alles 
wohl trocken ist , thu° das l'ulver herab und wische 
das Gemalte sauber ah." 

In der Kupfcrstechcrei atzt man meist mit mehr 
oder mimler verdünntem Scheidewasser, das geht 
jedoch nur. wenn die zu atzenden Platten vollkom- 
men flach sind. Bei gewölbten Harnischstlleken ist 
dies aber unmöglich, da das Ätzwasscr an allen 
Seiten wirkungslos abfliessen würde. Daher wählten 
die Harniaeh-Actzcr die Breiforni, die sich den Wöl- 
bungen genau anfügte, und ergaben sieh mit Geduld 
dem langen Warten, welches ihnen aber ein sicheres 
Resultat lieferte '. 

Auch die Lindenkohle ist mit grossem Ver- 
ständnis» zur Bildung des Breies gewühlt, da jeder 
andere Körper als die Kohle , vom Vitiriol oder 
überhaupt von den Sauren zerstört oder mindestens 
stark angegriffen und die Ätzung gestört würde. 

Das eben angeführte Recept bildet gewisser- 
massen die Grundlage vieler anderer dergleichen, 
hei denen man nur Alaun, Grünspan, Salz, Zinkvitrio] 
it. s. w. zugesetzt findet. 

Eine Handschrift derk.k. Ilofbibliothck(Nr. 10772), 
nämlich ein „Büehsenu Mayster Buch", geschrieben nm 
das Jahr 1560, enthalt (Blatt 105, a) ebenfalls „ein 
Etzung J , bei welcher ganz dieselbe Weise angegeben 
ist, die sich auch in Peter Jordan's Buch findet, und 
ganz ahnliches findet man auch in: 

Andreas Hclmreich's „Kunstbüchlein wie man 
auf Mannelstcin, Kupfer, Messing, Zihn, Stahl, Eisen. 
Harnisch und Waffen etc. etzen und künstlich vergilben 
soll. Leipzig ]f><57. klein 8". 

Das Ätzen von Waffen erhielt sich noch lange Zeit 
spiiter, als das Ätzen der Harnische ausser Gebrauch 
war. Das Richtschwert in Wiener-Neustadt, mit dem 
sicli „ein Freimann wieder ehrlich gerichtet hat-, ist ein 
Beleg für diese lauge Forldauer, denn es trägt nebst 



1 Dur Ku)ifrr»K<h*r HricrirK >Un*rYM i-rliirtt v..r biilütifit: io J«hn-it 
dOb Auftrug, »In» K»ii£ äUh.- lti»!ttnf mit B,nrPi(C+Äi*lri» Or*j»«ft»u!«u au 
»rlimllck«u titiif J>!i£ta lieh »ollr droi Mnnalf mit AaiY'irM«o , Kiiitaui Inn 
a. t.w-, ahn? *u flticnt g*uäR<n<!cii Zi. 1 tu ptttnftB, -3 ii *r nti (l.f K' nntitl*. 
i— K»lilf«l.nlt j 10 bciurm rrrrliki hin« 



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Heiligenbildern und lateinischen Sprüchen auch die 

Aufschrift : 

„Hans Jacob Stumpf, Klingeuschiiiieil und htz- 
maier zu MoRshrnnn. Anno Domini If.Hi." 

.1. e. Verger. 

Ältere Grabsteine in Nieder -Österreich. 

(NM I lloli.fhnlun,. 

Ks int nicht zum ersten Male, da»? wir die Auf- 
merksamkeit unserer Leser dir den in der Aufschrift 
genannten Gegenstand in Anspruch nehmen, doch zwei- 
feln wir auch nicht, das* dieselben hei der Wichtigkeit 
dieser Denkmale uns gerne auf dieses archäologische 
tiebiet folgen werden. Wir haben schon wiederholt auf 
den Werth solcher Denkmale hingewiesen und dieselben 
der aufmerksamen Beachtung und insbesondere dem all- 
gemeinen Schutz und sorgsamer Schonung anempfohlen. 

Meine in neuester Zeit gemachten Krfnlirungen 
hals-n mich nur in meinem Streiten nach Heissiger Kr- 
forsehung dieser Denkmale bestärkt. Manche interes- 
sante Inschrift habe ich kennen gelernt, manche schöne 




fix l. 



Sculpttir gesehen, manch Neues ja bisher nahezu Unbe- 
kanntes gefunden, aber auch erfahren, wie wenig ent- 
sprechend die Crabiuale aufgestellt sind, an welch ab- 
gelegenen Orlen und höchst unpassenden Stellen sieh 
derlei Denkmale vorfinden, wie versteckt manche der- 
selbensind,so das» nicht selten nnrderZufall den besten 
FUhrerbei solchen Nachforschungen abgibt. So verhalt es 
sich z. H. mit den beiden (irabsteinen, die sieh in einem 
tarieren Scitengange im verfallenen Schlosse zu Leo- 
poldsdorf befinden. Ks sind die Grabsteine des fllr 
die nieder-österreichische Geschichte nicht unwichtigen 
Marcus Heck von Leopoldsdorf und seiner dritten Onttin. 
Heide Steine, rothe Marmorjilatten , sind in der Wand 
eingelassen, und grösstentheilsdurch vorgestellte Kästen 
und aufgeschlichtetes Brennholz verdeckt. 

Die eine Platte hat eine Höhe von 7 Fuss bei 3 Fuss 
Ii /.oll in der Hrcite und enthält folgende Inschrift : „Dem 
edlen gestrengen vnnd hocbgelerten herrn mar.xcn 
b eck von Icopohlstorf ritter vnnd der rechten doctor 
der rii. zu j vngern vnd behaim kuuigs Ferdinandus 
ertzhertzogeus zu | Österreich etc. rat eamerer vnnd 
cantzlcr der niederosterreieh ischen lande der gestor- 
ben vnnd begraben ist hie zu leopolds torf den 20 martij 
nach ehrist gehurt läf).'} | seines alters im G'J jar | hie- 
ronimiis beek hat seinem lieben vatern disen | grabstein 
legen lassen - . Darunter das Heck'sche Wappen, ein 
quadrirter Schild , im ersten und vierten Fehl mit dem 
Feuercisen und Stein, im zweiten und dritten ein auf- 
steigender Löwe mit getheiltem Schwänze im schräg- 
rechten Querbalken. Zwei Helme bedecken das Wappen, 
deren einer das Feuerzeug auf den FlUgeln, der andere 
den Löwen zwischen IHlfTclhöriieni als Zimicr hat. 

Die zweite, etwas kleinere Marmorpiaitc hat eine 
Höhe von Ü Fuss 0 Zoll und eine Hrcite von :i Fuss 
J Zoll. Die Inschrift lautet: „Hie ligt begraben die Kdel 
vnd taget halft fraw barbara geboroe von Werdenstain 
weilcndt herren ihm rxen hecken vo leopoldstorf riter | 
vnd doctor rö. kf>. mt. etc. rat vnd n. ö. kantzlers gclasne 
wittib die i gestorben ist den ersten | tag januarii | im 
1 - r >:">7 jar der seien uu vns | allen got gnedig uu bnrm- 
her/. : gsei-. Darunter das schon besprochene Heck'sche 
und das WerdeiiNtein'sehc Wappen. 

Marcus Berk warder ältere Sohn des Conrad Heek, 
geboren am Kl. April 1401. Bis noch vor wenigen Jahren 
hatte man den Angaben des fleissigen Wissgrill 
(Schauplatz des n. ö. Adels II, '.\'J'>) folgend, irrthtlmlirh 
geglaubt, die Familie Beek sei bereits in der zweiten 
Hälfte de* XV. Jahrhunderts in Nieder -Österreich er- 
schienen. Vollkommene Aufklärung Uber die Frage des 
früheren Wohnsitzes und Standes dieser Familie gibt 
eine handschriftliche Chronik, weicht von vier aufein- 
ander folgenden Mitgliedern derselben fortsetznngsweise 
geführt wurde und sich gegenwärtig in der Bibliothek 
des ( horlicrrenslifies Klosternenburg befindet. Krsl 
durch die von dein gelehrten Chorhemi II. J, Zeitig 
veranstaltete Veröffentlichung der Chronik im Archiv 
der k. Akademie der Wissenschaften (VIII, -'1H> wurden 
diese Aufschreibuugen zum fletneingut. 

Conrad Beek, der Begründer der Familien-Chronik, 
lebte und starb als Bürger zu Mengen am 22. Juli 1612. 
Marcus Beck, der den grössten Theil seiner Studien zu 
Tübingen zurücklegte, läi'7 Baccalanrens, I T»< >5» Magi- 
ster w ar und im Lebensjahre den Doctorgrad erwarb, 
scheint schon frühzeitig die Absieht gehabt zu haben, 



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(XXIII 



Nein Fortkommen in Österreich zu suchen. Bereit« im 
FrUhjahro 1510 begab er sieh imeh Wien und betrat 
daselbst die politische Laufbahn. 1513 trat er als Pro- 
eurator bei den n. B. Ständen ein, wurde 1522 erzher 
zoglicher Rath und Kammerproeurator, Ib'JÜ Vicedom 
und 1630 n. J5. Kanzler. Selion 1519 kaufte er ein Hau» 
in Wien in der Rotstrasse am Graben gelegen, 15"j:> 
die Feste Leopoldsdorf, weichet Besitzthum er allmälig 
•lureh weitere Aiikiinfe, Lehcnerwcrbuiigen, Pfantlschnf- 
fen u. h. w. bedeutend vergrößerte und wofür im Jahre 
15.'!] einen eigenen Burgfrieden erhielt. 

Schon 15:':} wunle Marcus Beek mit turniermässi- 
gen Freiheiten ausgestattet und ihm das l'riidieat von 
Leopoldsdorf gegeben; 1530 erhielt er zu Prag den 
Ritterschlag. Die wichtigste Begebenheit »eines Lebens 
dürfte wohl die Verteidigung Wiens gegen die Türken 
im .Jahre l. r C'I» sein, an welcher er wesentlichen Auf heil 
nahm. 

Marcus Beek war dreimal verheiratet . doch nur 
dessen zweite Ehe mit Kindern gesegnet, davon ein 
Sohn und eine Tochter ihn Uberlebten. Die erste Gattin 
war Apollonia, Tochter des Hieronymus Leiniger und 
der Margaretha von Pibriach , geboren U#'J, Witwe des 
Blasius Lazarin, vermählt zum zweiten Male am Mai 
1616. Sie starb 1521 und fand ihre Ruhestätte beiden 
Minorifen in Wien a.i der Seite ihres ersten (iatten. Die 
zweite Gattin war Martha, die Tochter des Mathäus 
Neyperger (geh 1507). Diese Ehe dauerte 21 Jahre. 
154."! starli Frau Martha am Sehlagflusse und wnrde in 
der Dorotheerkirelie bestattet. Am 27. Jlinncr 1544 
hciralhcte Marcus Beek zum dritten Male. Ks war Frau 
Barbara, des Jörg von Werdenstein und der Barbara 
von Helmstorf Toehter, des Christoph Sehneckenreiter 
Witwe, geboren I50K. Diese Uberlebte ihren Hatten, 
und fand ihre Ruhestätte neben demselben in der 
Sehlosscapelle zu Leopoldsdorf, die im Jahre 15'27 Uber 
Beek's BemUhen zur Pfarrkirche erhoben worden war. 
Von den Kindern ans M. Beek'» zweiter Ehe starben 
sechs, davon fUnf in der Ruhestätte des Schwiegervaters 
Mathias Ncypcrger in der St. Erasmus - Capelle am 
Stephans Frcithof bestattet wurden; ein Kind starb 
1630 in München. Die Überlebenden Kinder waren 
Barbara, rerehlieht mit Hans Zinzendorf und Hieronymus 
Beck, der den Stamm derer von Leopoldstiorf fortsetzte. 

Ein Beispiel, tlass Grabsteine von hoher Wichtigkeit 
bei Seite gelehnt, unbeachtet ldeiben und sich niemand 
findet, der denselben einen verdienten, würdigen Platz 
anweist, bietet der herrliehe Meissancr Grabstein in 
Aggsbach. Dieser Stein, eine grosse diinkelrothe Mar- 
morplatte, liegt »heilweisc unter Schult und Sand ver- 
graben in dem ehemaligen Capitelhanse der Cartbausc, 
die jetzt ganz vernachlässigt ist und als Magazin für 
allerlei GerUtnpel , darunter auch solchem von höchst 
profaner Natur dient. Dieser Stein, der wahrlich ohne 
Zuthun der Mensehen gut erhalten blieb . entgeht den 
meisten Besuchern der Carl hause, da das Capitelhaus 
sehr abgelegen ist und niemand in diesem verfallenen 
Räume ein solches Denkmnl vermnthet. 

Die Platte (Fig. I) enthält am Ramie eine lange 
Inschrift, die an den vier Seiten umlaufend, mit drei 
Zeilen im Mittelfelde absehliesst. Die Worte lauten 
.An* : dmi : m : ccec' : xl : gestorbn | der edel : her : 
her : Ott : von : meyssaw : obrist : marsehalieh : vnd 
obrist : schenken : in : Österreich : des namen : der : 
XVII 




Fl*, t 

lest : vnd : dessbn : jar : ist ; gestorbn : die : edel : 
fraw : | Agnes : sein : hausfrauw : geborn | von poten- 
dorf J . In der Mitte der Platte befindet sieh ein dreiecki- 
ger Schild, darin das Einhorn mit gespaltenen Klauen 
und fllnftheiligem Schweife, der Helm hat als Zimier 
einen Hmidskopf, die Helmdeeken schwingen sieh in 
reichen Arabesken um das ganze Wappen. 

Otto von Meissau. der Erbe seines Bruders 
Heidenreich, des Stifters der Cartbausc Manerharh. war 
vermählt mit Agnes von Pottendorf. Beide Ehegatten 
nahmen sieh der unvollendeten Stiftung Heidenreich s 
bestens an und erwarben sieh durch die vielen Wohl 
Unten und Unterstützungen, die sie der Carthatise ange 
deiheu Hessen, den Beinamen der zweiten Stifter, dalier 
sie, so lange das Kloster bestand, die auszeichnende 
Ruhestätte in dem Capitelhanse erhielten. So wie das 
Geschlecht, ist auch die Stiftung erloschen und keine 
sorgsame Hand schützt mehr das Grabmal des Stifter. 

Nun ein Beispiel, wie Grabmale sehlecht aufgestellt 
sind. In der Michaels Kirche zu Wien, und zwar in der 
rechts gelegenen Johannis- Capelle , ist das Monument 
des Pankraz von Plankenstein Btatt senkrecht, 
Uber die Quere eingemauert. Schon vor 10 Jahren fand 
sich Gelegenheit, auf das Unpassende dieser Aufstellung 
aufmerksam zu machen, doch bisher fruchtlos. Ks ist 
eine oblonge Platte aus rotheni Marmor. Die Rundschrift 
lautet : hye . leyt . Pegraben . der . | Edl . herr . her . 
Pangratz . von Plankcnstnin . vnd . ist . Gestorben . 
An . sand . Eloy tag . jm LXV . jar . dem . got . gena- 
dig . sey. Im Mittelfelde ist das Wappen angebracht, 
ein schräg rechts laufender Balken, der in zwei Reihen 



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Plf. :!. 



gcschacht ist. Der doppelte Adlerflng :im Holm«' führt 
denselben geschnellten Balken. 

Pnnkraz von Plankenstcin. ein MM der öster- 
reichischen Geschichte seiner Zeit sehr bekannter Mann, 
ein thätiger treuer Anhänger lies jungen Königs Ladis- 
laus, erscheint zuerst und zwar i486 als bischöflich 
lie-eiisbiirgiseher Pfleger zu Pöehlarn. Kr blieb in diesem 
Amte bis gegen 14151 und hesass nebst der gleichnami- 
gen Stammburg bei Mölk die Festen Freienstein an der 
Donau , Sasscmlorf bei Hnfuerbaeh, Prilenstein bei 
St. Leonhard am Forst , Sehloss und Srndt Weitra. 
St. Peter in der An u. s. w. Flrieh Eitzinger verdrängte 
ihn zwar vom Hofe, doch stieg er nach des Königs 
Ladislaus Tode beim König Friedrieh IV. in F.hren nml 
Knuden. I4t>3 hatte er Streit mit fleorg Seiseneeker, 
einem Anhänger Herzogs Albreeht. Seine Oemnlin war 
Margaretha von Stahremberg (I4»>4) •. 

Hin beaclitensworthos Grabmal befindet sieh in 
der Dominicaner Kirche zu Hetz, es ist der in Fig. •> 
aogobildetc Grabstein , eingelassen in der Wand neben 
dem nördlichen Eingang, eine Rothmartnorplattc mit 
folgender Umschrift : hie . leit . der . edel . veste . 
freorg . grabuier . der . gestorben . ist . an . sand . 
bartlme . tag . 1470 . vnd . hat . in . disem . gotliavs . 
ain . ewign . Jahrtag . zu . halten . am . motng . vor . 
dem . aufFerttag. In der Mitte des Steines das Wappen. 

' s. s r - - 1 ic h > r 4t v O. w w. vii. »i»— «a. Becker 1 ! MMtaM. 

tmrS für hr>«rh.r Ar* firafb" W. 1950. II II r n i Ii »I t r . Umr. <h|>l. ft«*f« 
nmp> p. IM. Mteth rf. Onl, C"»m VIII. ¥84 Mitlhtll d. Alt. Vtff. III M 
IS.ii.-h, trr. »»»f. bial IM. S < h w f r 1 1 a g Orftlttcbl.- de« !!»»•• S!aV 
ttj r« m. 



Kin Schild mit sehrägreehten Haiken, darüber der Helm 
mit geschlossenem Flug und der Binde darauf. Wissgrill 
bringt in seiuem schon besprochenen Werke (III, 3t>7t 
einige Nachrichten Uber die Familie (I rabner, die zu 
den reichsten und angesehensten Geschlechtern des 
Hitterstandes gehörte, im XVII. Jahrhundert aber im 
Maiiiistnmme erloschen ist. Georg war der Solin des 
Jacob Grabncr und Elisabeth, geboruen Knenklin von 
Albrecbtsberg; er war zuerst verehlicht mit Gertrand 
Kelbcrhartin , dann mit Margaretha von Hosenhardt. 
Der in der l'mschrift erwähnte Jahrlag wird jedoch 
nicht gehalten, da darüber kein Stiftsbrief mehr vor- 
handen. 

In der Kreuz-Capelle der Stiftskirche zu Geras 
beiludet sieh an der Wand der in Fig. 4 abgebildete 
Grabstein, eine rothniarmorne Platte, welche von einem 
rmsehriftrahmen eingefasst, in der Milte einen Schild 
enthält, bedeckt mit einen Helm, dessen kurze Decken 
nach rllckwärts flattern. Im Schild, der in den unteren 
Schriftrahnieu hiuabreieht, zeigt sich ein schriigreehter. 
gewellter Fluss, den Kllbelhelm zieren zwei den SchitV- 
haeken ähnliche Hörner mit Büscheln an der Spitze. 
Die l'mschrift lautet: f hie . leit . dnz . gesleht . daz . 
da ha|isset . cadonnor. Über diese in Nieder- Österreich 
ansässig gewesene aber längst erloschene Familie bringt 
Wissgrill einige Nachrichten. Wolfhart der Ka- 
dauuuer (Chndnnner), der urkundlich zwischen 1 330 
und 1351 erscheint, war ein Gutthätcr des Stiftes Gerns, 
er stiftete das Erbbegritbniss daselbst und fand dort 
seine Huhestilttc. Dr. K. Lind, 

(Fertwtinav folg«./ 

Die Kunst des Mittelalters in Böhmen. 

Kortaetnof. 
Die Städtean lagen. 

Durch Herzog Vratislav II. hatten die in dein 
Suburbium Frag wohnenden Deutschen einen Freibrief 
erhalten, nach ihren eigenen (iesetzen unter selbstge- 
wähltcn lüchtern zu leben und sieh zu einer (ienieimle 
zu vereinigen. Sobcslav II. bestätigte und erweiterte 
zwischen 1173— 1178 den Vratislavsehen Freibrief 
durch ein besonderes schriftliches Privilegium . laut 
dessen die deutsche Gemeinde sich unbehindert in Pra}: 
am Potte ausbreiten, in der dortigen Kirehe St. Peter 
ihren eigenen Pfarrer wühlen und in voller Autonomie 
nach ihren hergebrachten Satzungen sieh einrichten 
durfte. Die bedeutenden Vottheile, welche sowohl den 
Hegenten wie den Mitgliedern der neuen (iemeinde 
erwuchsen, bewirkten ein rasches Anwachsen der Pofi- 
eer Ansiedlting. die sich bald Uber die Gegend der 
heutigen Altstadt Prag ausgebreitet hatte, so dass ein 
-rosser Thcil des auf dem rechten Moldannfer liegenden 
Burgflcekcns mit dem uralten Kaufliofe am Tevn durch 
Kauf. Tausch oder sonstige Verträge au die Colonlc 
übergegangen w ar. 

Welche Gestalt und Ausdehnung die ehemaligen 
Prager Burgllcckcu (Suburbien) einhielten, lässt sich 
nicht mehr genau bestimmen ; wahrscheinlich zogen sieh 
die Häuser in mehreren Gassen nach Art der Fischer- 
dörfer entlang den beiden Flussufern bin, rechts unter 
«lern Schutze der Bttrg Vvschrad. links unterhalb des 



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(XXV 



Schlosses llrailscliin. Die beiden Flecken hatten je ihre 
eigene Verwaltung, waren Sitze besonderer Zupen- 
ämterund hatten schon in frühester Zeit Marktbcrechti- 
gung und Marktplätze. Das Schloss llrudsehin galt von 
je als «lie wichtigere Feste, es WOrik die Prager Burg 
ijirad l'raiskjfi genannt uiul soll der Sage naeh früher 
als Vvsehrad gegründet worden sein. W eil aber die 
Hcrge an der Yestseitc sehr nahe an den Klus* heran- 
treten und der Kaum hier sehr beengt ist, konnte sieh 
das unter dem HradseJiin liegende Siihiirbium (die 
jetzige Kleinseite) nicht in der Art ausdehnen, wie der 
•istliche Flecken, welchem nicht allein eine sehr grosse 
Ebene, sondern auch eine viel gtlnstigere Lage zu 
Gebote stund. Aus der kleinen Gemeinde am Poric, 
welche ums Jahr losn noch die deutsche (insse ^vieus 
Teulonienrum) genannt wurde, war bis zum Schlüsse 
der Regierung Olakar I. beinahe eine Stadt heran 
geblüht. Die Fminauerung der Stadt Frag --elieint 
bereits unter Otakar eingeleitet und durch seinen Sohn 
König Wenzel I. zwischen 1..WI bis 1240 zu Stande 
gebracht worden zu sein, Um diese Zeit wurde auch 
ein grosser, noch ausserhalb des Siiburbiums gelegener 
Distriet unter dem Titel: Neustadt bei St. Cnllus (nova 
civitas circa sanetum Callumi in die Altstadt einbezo- 
gen und mit der allgemeinen Stadtmauer umfangen '. 

Nach ihrer stückweisen Lutstehungsnrt konnte ein 
fester Man bei dieser Stadtanlage nicht wohl eingehal- 
ten werdeu, doch sehen wir schon einige von jenen 
Kegeln befolgt, welche bei den spätem Städtegrllndun 
gen eingehalten wurden. Als wichtigster l'uukt einer 
Stadlanlage wurde jederzeit der Marktplutz angesehen, 
um diesen her gnippirten sich die (tchäiidc, Strassen 
und Nebengassen; ohne dass die Vortheile, welche 
Flüsse und grössere ( 'otnmunieations Linien bieten, viel 
beachtet worden waren. 

Wenn es die Ortlichkcit erlaubte, wurde der Haupt 
platz nach den W'eltgegenden orientirt und rechteckig, 
wo möglich quadratisch angelegt. Die Strassen .durften 
aus fortiricatorischen Krllmlei, nicht in geraden Linien 
gegen die Mitte des Flatzes führen, sondern mussten an 
den Keken einmünden, so dass die den Platz umgeben- 
den Häuserreihen ununterbrochen fortliefen. In den 
meisten Fällen durchschnitt nur eine einzige Haupt- 
Strasse die Stadt. Diese Strasse hatte zwar entlang den 
Häusern, also au der Seite des Platzes hinzuziehen, aber 
an den in der Diagonale sich gegenüberliegenden Keken 
ein- und auszumünden; trat z.H. die Strasse an der 
nordwestlichen Kcke in den Platz ein, mündete sie an 
der südöstlichen aus. Bei quadratischen Plätzen wurde 
angestrebt, dass das Mass je einer Seite zwischen MO 
bis f>00 Fuss einhielt; rechteckige Plätze erhielten in 
der Länge um so viel mehr zugelegt , als die Breite 
geringer war. 

Der zweite Punkt betraf die Stellung der Kirche 
zum Marktplatze. So sehr die Anordnung der Kirche in 
der Mitte des Platzes als künstlerisch vollendetste sich 
empfahl, konnte sie aus praktischen Gründen nur in 
den seltensten Fällen eingehalten werden. Mit Vorliebe 

' l'btr .11- I wirrm «nr. Pr«s tori«hl«l itr lVn.m.r .!■■> CNM 
[• »:», wdnn «i* ki «ITH»*»«!! il«» Kö«lKi WrniH I f.irkUili rl wird; 
.|.ri.ri.rl..ni. »umm t*mr*r<. lulrr IM )»m «Um »niiir»! unil» in«r»j»n, «Wi- 
imrm 1'r«nu.i» frcil mmrl.' - Iii«»!.« «alM IUihIic« wutdrn dir SUdl- 
•»urtn li.ld n.rl. ,l,ln Tod» O.Kl»" I. . ISSO;. ».Iir.c/iclulli Ii d.i «» 

Im Pir -).i. nd.« t: «f.lln di r M.i„f€.l.u ic Mkurll »l> m««ll«t. •.<(•• ihn. Zw 
J»hr« l-'ii »l<d ><iu du I »mil«,«.| •> nur > lilt lid. u o TiMUMlH 



* • — ^ 




wurde die städtische Pfarrkirche an der OstM-ite des 
Platzes angebracht, welche Hegel wir u. a. in Hudweis. 
Koufhn, Leitineritz . Nimburg , Hukonic , Schlau und 
vielen anderen Städten befolgt sehen. Auch in Prag 
steht die llauptkirche der Altstadl. St. Maria vor dem 
Teync, an der (Istseite des grossen Platzes , welcher 
zwar nicht ganz regelmässig, aber doch ziemlieh orien- 
tirt erseheint und bei circa .i;"H» Fuss westöstlichcr Aus- 
dehnung gegen 420 Fuss von Nord nach Süd einhält. 
Da nber an die W'cstfronte der Tevnkirche eine nicht 
hingehörende Häuserreihe hingebaut ist, war der Platz 
offenbar quadratisch projectirt , konnte aber wegen 
örtlicher Hindernisse nicht plnnmässig durchgeführt 
werden. 

In der Stadt Pilsen liegt die Kirche so ziemlich in 
der Mitte des Platzes, welche Anordnung zwar manch- 
mal, jedoch sonst nur in kleinem Landstädten, w ie Hutn- 
polec. Putzan , Müldhausen bei Tabor, getroffen wird. 
Die Hauptursache, dass diese Situation weniger beliebt 
war, lag in der Schwierigkeit, den Friedhof neben der 
Kirche anzubringen. 

Bei «eitern die Mehrzahl der Stadtpläne, oder wie 
sie in Böhmen genannt werden. Hinge, war mit offenen 
Hallen (Laubengaitgcn) umzogen, welche an die Front- 
seiten der Häuser so angebaut wurden, dass die HUnmc 
oberhalb der Lauben zu Wohnungen benützt werden 
konnten. Da Uber die Anlagen der Städte, Uber Strassen- 
züge, Plätze, Höhe und Starke der Stadtmauern, Tiefe 
und Breite der (Jräbcn sehr genaue Vorschriften gege- 
ben waren, ist wahrscheinlich, dass auch die Lauben - 
gütige als gemeinnützige Anstalten verordnungsmässig 
durchgeführt werden mussten. In den grösseren Städten 

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Fl» 1. 



halten diese Gänge durchschnittlich otiie Hehle Wette von 
12 bis lö Fuss ein, sie sind überwölbt iiml ruhen gegen 
den rhu/, hin auf rechteckigen, meint gebösehten Pfeilern. 
I)ie Häuser selbst sind mit der schmalen Seite nachgothi- 
seher Weise gegen den Platz gestellt, gewöhnlich zwei 
liogcuötiuiiugcii weit und genau so eingerichtet, wie in 
ileh älteren Städten de« mittleren Deutschland. 

Itei weitem den schönsten aller Marktplätze besitzt 
lind weih. Der Platz ixt genau orienlirt und (von einer 
unbedeutenden Abweichung abgesehen) regelmäßig 
i|ii;idr;ilisch , indem jede Seite nahezu 4<i* Wiener ¥W* 
niisst. Die Haiiptstrussc, vnu l'rng nach Linz, sich hewe 
gciid. tritt au der nordwestlichen Kcke in den Platz ein 
und an der südöstlichen aus. Auch diese Strasse, nilm- 
Rrli die uiirdlirhe vom Prager Thor zum Platze her- 
ziehende, wie die zweite, von dort zum Linzer Thor 
fort laufende Linie, war in ihrer ganzen Länge mit 
l.anbeugäiigen ciiigclässt, von welchen nur einige kleine 
Partien in neuester Zeit verbaut worden sind. 

In der entsprechenden Kntfernung von etwa» Uber 
.H hi Fuss umziehen vier Nebengassen als regelmässige 
Parallelen den llniiptplatz an seinen vier Seiten, eine 
Anordnung, welche in allen grösseren Städten wieder 
gefunden wird. Hierdurch ergeben sieh vier den Platz 

säumende lläusc rgriippcii und vier Kck-Quadralc, 

ebenfalls mit Häusern ungefüllt. In Budweis wird das 
nordöstliche Eck-Quadrat gänzlich von der ehemaligen 
Dechantei-, jetzt Dom-Kirche, und dem sie umgebenden 
Friedhofe eingenommen, das entgegengesetzte slld west- 
liche (Quadrat enthält den llisehofshof. Die Aulnge der 
Stadt Kudweis rührt von I Itakar II. her und ist um so 
bemerkenswerther , als sie sieh in ihren llaiiptlinieu 
unverändert bis zur Gegenwart erhallen hat. Jede 
Strasse, jede Seite des Itingplntzcs hat wenigstens noch 
ein Haudenkmal aufzuweisen, welches die l'rsprllng- 
liehkeit der betreffenden Linie bestätigt. So unbestimmt 
die Nachrichten Uber die (IrUndung dieser Stadt lauten, 
sieht doch sicher, dass sie gffaatenthnib) zwischen 12i><> 
bis 1 27- r > aufgebaut worden ist. 

Der beigefügte Orundris* des Kinges (Fig. 1) zeigt 
die F.inmHndungi.'n der Strassen, die Stellung des Kath- 



hauses, der Dccunal-Kirchc und des mit der Stadtgrlln- 
ilung in engster heziehung stehenden Dominicaner 
Klosters, dann die den Plaiz umziehenden Ncbcnstrasscn : 
<t) Hnuptbrunnen in der Mitte de« Kiuges, l>, Hin 
mlliidung der Präger Strosse, e) A Hüt ritt der Strosse 
nach Linz, d) das Kntlihnu*, <-;die Deeannl Kirche,// den 
llisehofshof. 

Die ausserhalb der Parallelgassen liegenden Ort 
Henkelten worden in jeder Stadt nach Massgabe der 
Situation angeordnet, iceigen daher keine bestimmte 
Kegelmässigkeit. In diesen abgelegenen Orten wohnten 
theil» TagUihner, theils jene störenden oder lärmen- 
den, belustigenden tiewerbe, liindcr, Kessel- und 
Nagclsehmicde, Gerber, Seifensieder u.dgl., welche 
am Platze und in den llnuptstrasscn nicht wohnen 
durften. ' 

Grösser und beinahe eben so regelmässig wie in 
liudweis ist der Sludlphitz in dem gleichzeitig mit Hud- 
weis ..zwischen 12<><> — <»4) gegründeten Hohenmaut h. 
Derselbe hat an der Südseite eine Länge von 402, an 
der Nordseite von 4i!iS, nn der Westseite von 424 und 
an der Ostseite v<m 403 Fuss und ist somit nach dem 
Pilsner und C'aslauer der grösste Marktplatz in Höhnicn. 
Kr unterscheidet sieh vom Hudweiser Platze insbeson- 
dere dadurch, dass auf jeder Seile in der Mitte (Quer- 
gassen auslaufen, er demnach von acht mit Häusern 
und Gärten angefüllten Fck-Quadrntcn eingeschlossen 
wird. Dabei bietet er mit seinen zum Theilc noch mit 
Giebeln versehenen Häusern (ohne Lauben), dem um 
das Juhr 14-4 erbauten Gerichtshause (ehemaligen 
Hathliause), dem Gemeindehause aus dem Jahre lfMi 
uud der Aussicht auf die goihischc Decanal- Kirche mit 
ihren drei Thurmcn, so wie nuf die ThUnne ob den 
drei Otakar' sehen Stadtthoren einen recht anziehenden 
Anblick. 

In jeder Hinsicht den vollendetsten Gegensatz "zu 
dein Hudweiser Platze bildet der Hing in Pilsen, welcher 
in Form eines nicht ganz genau orienlirten Rechteckes 
■Ugclegl ist. Die Läugcnnnsdchnttng zieht zieh VOtl SUil 
nach Nord hin und betrügt (K M I Fuss, dieltreite 430 FttM. 
Zu Pilsen steht die Kirche frei in der Mitte des Platzes, 
doch ist die Anordnung so, dass südlich vor der Kirche 
ein bedeutend grösserer Kaum liegt. Wie in Kudweis 
münden auch hier die Strassen an den Kcken des Platzes 
eiu, und zwar bewegte sich die alle Hauplstrasse von 
Ost (Prag) nneh West (Bayern), trat an der nordöstlichen 
Kcke ein und an der südwestlichen aus. Lauhengängc 
sind in Pilsen nicht vorhanden, scheinen auch nie vor- 
handen gewesen zu sein, da einige von den Gebäuden 
in ihren L'utertheilen bis ins XV. Jahrhundert hinauf 
reichen , aber keine Spüren von hallenartigeu Anlagen 
erkennen lassen. Genau im Mittelpunkte jeder Langseite 
tritt eine Nebcnstrasse in den Platz ein, welcher, wie 
in Kudweis mit Parnllelgasseu und rechteckigen Häuser- 
gruppen umgeben ist. 

Pilsen wurde ziemlich gleichseitig mit Budweis 
angelegt, die Dccbantci-Kirche entstammt dem letzten 
Viertel des XIII. Jahrhunderts, das au der ostshdlichen 
Kcke liegende Frunciscancr- oder Minorität- Kloster 
wurde schon früher gegründet. 

Der Situatioiisplun, Fig. 2, erklärt diese AnInge, 
welche in ihrer Gesamnilheil ein viel regelnlässigeres 
Hihi (wahrscheinlich in Folge späterer Correctnren) 
darbietet, als wir in Kudweis gesehen haben. Dabei 



(XXVII 



darf iricbl unerwähnt bleiben, das* der hlsuei King mit 
prachtvollen Renaissance - Hauten au* dem XVI. und 
XVII. Jahrhundert ausgestattet bt 

«) die Erzdcchautci-Kirchc, (•/ das Hnthhnus, ttj tli«- 
Dcchäntei, dj die inrvprttn^ielM Einmündung der Präger 

Strasse in die .Stadt, ») Anstritt der alten Keiehsstrasse. 
t) das Frnneiseancr- Kloster. 

Diese drei geschilderten Plätze verdienen als 
Repräsentanten der zweierlei Anlagen aufgestellt zu 
werden ; im allgemeinen jedoch ist die Anordnung der 
Hallengüngc die beliebtere und, wie M scheint, die nor- 
nialmilssige. Selbst untergeordnete Landstädte , %. H. 
Nimbnrg, Aman, Turnnu besitzen geräumige und e-rien- 
tirle, mit Hallen um/.ogcnc Marktplätze. Entlang der 
liidnuiscli schlesjschcn Grenze sind <lie Lauben häufig 
aus Holz errichtet, so in Hohenelbc, Naehod, Itcichenan. 
Solnie und Wildenscliwert. Wem am Ii diese Holzbauten 
kein sehr hohes Alter ansprechen und die Kltesten höch- 
stens bis etwa löOO hiuaufreiehen, beruht doch diellau- 
weise auf uralten Traditionen und steht mit der Städte 
grUndung in unmittelbarem Zusammenhange. 

Der Gebrauch, die Hauptstraßen und Plätze der 
Städte mit offenen Hallen einzusäumen, schreibt sich 
ohne Zweifel aus Italien und seheint entlang der Alpcn- 
Hllsse durch Hävern und Oberösterrcieh nach Böhmen 
herüber verpflanzt worden zu sein. In den Städten 
Tyrols, in Salzburg, Otting, Wasserburg, Passnu, dann 
in .München und Linz als änssersten I'uukien haben sich 
derartige Laubenglinge theils vollständig erhalten, 
theils iassen sich Heute derselben nachweisen. Natür- 
lich ist bei diesen Anlagen, welche alle oft tlberändort 
worden sind , die frühere oder spätere Entstehung 
schwer zu bestimmen, doch zeigt z. B. Budweis heute 
noch mit deu am Inn liegenden Städten, namentlich 
mit Passau, eine auffallende Ähnlichkeit in Bezug auf 
Gestaltung und innere Kintheilnng der Häuser. 

Die hölzernen Lanbeugänge haben mehr im Norden 
Eingang gefunden, doch ist hier ein Zusammenhang 
schwieriger nachzuweisen , als bei Steiuhautcn. Im 
Spessart und Rhungebirge, in Aura, Hanum Iburg und 
der Salinenstadt Orb sah man noch vor wenigen Jahren 
die Plätze und Strassen mit kunstreichen Holztauben 
eingesäumt , doch sind die meisten dieser Construc- 
tionen beinahe gleichzeitig durch Fcuersbrünste zerstört 
worden. Einzelne woldcrhaltenc Partien trifft man im 
Gebiete von Fulda, dann ergeben sich nach allen Seiten 
bin weite Lücken, bis wir in den Harzgegenden, zu 
Wernigerode und Halbcrstadt, die Holzbauten wieder- 
finden, welche auch hie und da in Thüringen vorkom- 
men. Ob zwischen diesen und den schlesiseh-böhmisehen 
Holzbauten Mittelglieder vorhanden waren, ist bisher 
nicht aufgeklärt worden, wahrscheinlich haben die letz- 
teren eine ganz unabhängige Entwicklung genommen. 

Zur Vermeidung von Missverständnissen sei be- 
merkt, dass hier nicht vom eigentlichen Holzbau und 
seiner »tylistischen Durchbildung, sondern gnnz aus- 
schliesslich von Ausstattung der Hingplätze mit Laula-u- 
gftngen gesprochen worden ist. Der Holzbau wird in 
dem Abschnitte ,-llber Wohnhäuser-' ausführlich behan- 
delt werden. 

Städtische Uefestigungswerke aus der Grttndnnga- 
zeit, nämlich dem XIII. Jahrhundert, haben sieh nur in 
dürftigen Überbleibseln erhalten, woran zum Theil die 
Husitcn-Sülrnie , zum Theil die Modernisirmigen der 



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Neuzeit Ersuche sind. Die meisten der noch vorhandenen 
Stadttlmre , Thürmc , Mauern und Gräben geboren dein 
XV. Jahrhundert au und verratben, dass man bereits 
mit deu Geschützen und ihren Wirkungen bekannt war. 

Bedeutende und unzweifelhaft ursprüngliche Beste 
von Mauern, Graben undThürmen haben sich in Kottf Im 
erhalten, welche Stadt weder durch die Hiisitcu noch 
durch Neuerungen wesentlich gelitten hat. L>er an der 
Westseite erhaltene Stadtgraben ist nach alter Vorschrift 
_1> Ellen (die böhmische Elle ^ 22»/ 2 Wiener Zoll) 
oder 87ty| Kus* breit, IH bis 24 Fuss tief und beider- 
seits mit gcbösehleii Mauern versehen. Die innere oder 
Wallmauor ist <J bis 7 Fuss dick, oben mit Zinnen ver- 
sehen und erhob sich je nach den Anforderungen der 
Örtlichkeit 24 bis '.H> Fuss über die .Sohle des Grabens. 
Die Zinnen sind in der Regel •! Fuss breit, 4'/, Fuss 
hoch und gegen 2 Fuss stark , so dass sieh lieben ihnen 
an der iniierti Mnuerseite ein schmaler Gang für die 
Vertheidigcr hinzog. Die Lücken zwischen den Zinnen 
halten eine Weite von etwa einer Klle ein und -sind 
deutlich für Ariiibruslschützcn, Lanzen werfet' und Sehlen 
derer eingerichtet. 

Thürinc stehen nur au den Ecken, wo die Malier 
in eine andere Richtung umsetzt; sie sind viereckig, 
gegen 2<) Fuss breit und ragen über den Körper der 
Stadtmauer mit der Hälfte ihres Durchmessers vor. Sie 
scheinen nicht viel höher als die Mauern und mit Platt- 
formen eingedeckt gewesen zu sein, doch lilsst sich in 
dieser Beziehung kein sicheres Unheil fällen, da die 
Thürmc in viel höherem Grade als das laufende Mauef 
werk ruitiirt worden sind. Reste eines befestigten Stadl 
thores sind nicht mehr vorhanden. Vorschrift gern Kss 
sollte jedes Thor aus einem grossen Mittelthnnue, durch 
welchen die Thorbflnuiig führte, und zwei flankirten 
Neheiithürmchen bestehen, doch scheint man bald deu 
Mittdthurm fortgelassen und statt desselben eine erhöhte 
Doppcbiiaucr mit darüber angebrachten Vertheidigutigs- 
gange eingeführt zu haben. Die beiden Flankcnthürme 
jedoch wurden beibehalten und bildeten mit dem da 
zwischen liegenden Thorbogen ein synietrisebes Ganzes. 
Auf diese Weise sind die noch bestellenden Stadtthore 
von Hohcinnautb angeordnet , die ältesten , welche 



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< 'XXVIII 




r te. fc 



Böhmen besitzt. Sic mgen gleich d< r dortigen Dcca- 
nal Kirche den Charakter der unter Olakar II. ausgc- 
fuhrtiMi Bauwerke. 

Zu den wesentlichen Bedingungen einer freien, 
das ist dem Köllig-' unmittelbar unterstehenden Stadt 
gehörte noch eine königliche Burg, die zugleich als Ci- 
tadelle wie auch als Sitz des lltcgamtcs diente, tn dieser 
doppelten Eigenschaft musste das Sehloss viele Küum- 
lichkcitcn eutlialteii, weil Mannschaften beherbergt und 
die in natura gelieferten Zchente untergebracht werden 
inussten. Die Burg lag stets auf dem hiielistcn Punkte 
einer Stadt, nach drei Seiten frei und befestigt, entlang 
der vierten aber nur durch eine leichte Mauer, oder 
einen kleinen Kraben von der Stadt getrennt. Eine voll 
ständig erhaltene Stndtburg ist nicht bekannt, doch Imbun 
sich im Schlosse zu Kol in so viele zerstreute Beste 
erhalten, dass eine Restauration versucht werden kann. 
Dieses Sehloss liegt au dem Kunde einer Hochebene, 
welche steil gegen den Klbefluss abfällt : es enthielt zwei 
von Gebäuden umschlossene Höfe, in dem vordem lagen 
die Amtsräumliehkeiten und Wohngelasse des l'tlcgers, 
im /.weiten eine Meierei und Dicnstmanucnräume. Ein 
grosser Thurm, Bergfried, war nicht vorhanden, wohl 
aber ein Thorthiirm, durch welchen «1er lluupieiugang 
von der Stadtseite her führte. Von der Meierei aus 
scheint eine Nebenpforte zum Flusse und in die Vor- 
stadt gefuhrt zu haben. 

Henau dieselbe Eiutheilung zeigt auch die alte 
Burg in Pisek, doch lässt sich hier nicht ermitteln, ob 
die Burg als eine königliche erbaut worden ist. Man 
schreibt die Gründung bald den Templern, bald deu 
Herren von Bosenberg zu, doch gehörte l'isek seit 
ältester Zeit zu den böhmischen KrongUtern. Das Stadt- 
wappen indes« , die ungewöhnlich grosse prächtige 
Sehloss-Cnpelle und der Umstand, dass der erste Burg- 
hof mit einer Art Kreuzgang um/ogen war, sprechen 
für die ürttndnng durch einen geistlichen Orden. 

Das vollständig erhaltene Sehloss zu Pardnbie, 
welches durch tiefe Grüben und starke Befestigung«- 
werke von der Stadt abgesondert ist, auch einen hoben 



Thurm beeilst, darf in keinem Falle zu den Stadlburgen 
gezilhlt werden: es wurde durch die Herrn Smil von 
l'ardubic im XIV. Jahrhundert angelegt und in seiner 
gegenwärtigen Form durch «lie Bernsteine um lf><N> ein- 
gerichtet. 

Kattenberg, das zwei kölligliehe Schlösser, den 
sogenannten vvälscben Hof und die alte Burg (jetzt 
Schulgcbiliidc beide in leidlich erhaltenem Zustande 
besitzt, ist dennoch ohne eigentliche Stadtfeste geblie- 
ben. Der wülsehe Hof wurde von Wenzel II. zu einer 
Münzstätte und einer Art Börse eingerichtet ; die alte 
Burg aber scheint nur als Absicig-Quarlicr des pracht- 
liebenden Königs \ ladislav des Jagelionen gedient zu 
haben, wurde von diesem gegen 14HO erbaut und gehört 
folglich zu den spät-gothisehen Denkmalen. Ander 
weitige bemerkenswertbe Beste städtischer, dem XIII. 
Jahrhundert entstammender Burgenbauten scheinen 
nicht mehr vorhanden zu sein. 

Deutsche und slavische Dörfer. 

Die ali-slnvisehcn Dörfer, dedinv, liegen versleckt 
in den kleinen Einschnitten der Flussthäler oder den 
durch Bäche ausgewaschenen Thalmulden, sie haben 
je nur einen einzigen Zugang und sind nicht eher wahr 
zunehmen als bis man an sie herangetreten ist. Die 
Häuser oder llofreithcn sind um einen kreistönnigen 
l'latz so angeordnet, dass sie diesem gewöhnlich mit 
der Kangseite zugekehrt sind ; mit der (iiebelseite reihen 
sie sich aneinander. Der Hofrauui liegt hinter dem 
WohngebUude, an welches die Stallungen angebaut 
sind ; die Scheuer steht isolirt. hinter derselben ein Garten, 
dann Felder nud in de*r Verlängerung ein Weideplatz. 
Die strahlen- oder fächerartige Anordnung, welche oben 
geschildert worden ist. blieb die Grundlage der slavi- 
schen Dörfer älterer Art. In der Mitte des Dorfplatzes, 
welcher nach seiner kreisförmigen Gestalt Bing benannt 
wurde, eine Bezeichnung, welche auf die späteren 
städtischen Marktplätze Übertragen worden ist, lag und 
liegt heule noch ein kleiner Teich; die Kirche aber 
erhielt ihre Stellung bald am Eingange des Dorfes, 
bald auf einem besonderen, zwischen den Häusern ange- 
ordneten freien Platze. Im die Kirche her, die wo 
möglich auf einer erhöhten Stelle angebracht wurde, 
breitete sieh der stets mit einer Mauer umgebene Fried- 
hof aus. 

Einen wichtigen Beleg für das hohe Alter der Ifund- 
lingilürfer erblicken wir in dem l msinnde, dass sie in 
Alt-Baiern wieder getroffen werden. Auf der ausgedehn- 
ten, meist bewaldeten Hochebene, die sieh östlich von 
-München zwischen Isar und Inn ausbreitet, erscheint die 
Kundform nicht selten: die Dörfer Hofolding, Brünn- 
thal, Lanzeidiar. Fcistcnhar, Keferlohe u. a. sind nach 
diesem System angelegt und beurkuuden schon durch 
ihre Namen (hnr, lohet, dass sie einer sehr frühen Zeit 
angehören. Im westlichen und nördlichen Deutschland 
sind Rundlinge bisher nicht nachgewiesen worden, dort 
herrscht die zeilenartige Dortanlage vor, oder es sind 
die Orte durchkreuzende Gassen nach Massgabe des 
Terrains eingetheilt. 

Dörfer dieser Art haben sich auch erhalten in Pom- 
mern und Mecklenburg, in der Lausitz, der Mark Bran- 
denburg, in Schlesien, Böhmen und Mähren: sogar in 
der Nähe von Bamberg im Baunachthale, werden einige 
derartige Anlagen getroffen. .Sie sind allerdings, selbst 



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(XXIX 



in Bödmen, selten geworden ; Brände. 

neue Strusscnztlgc und namentlich 
der veränderte landwirthsehaflliche 

Betrieb haben verursacht, dau man 

sich in «Ii« abgelegensten Gegenden 
verfügen inus.i, wenn man ein leid- 
lieb erhaltene» alterthttmliche* Dorf 
linden will. 

In Böhmen baben nur wenige 
Orte die Kandlingsfurm deutlich liei- 
liehalten, nnd zwar mehr in der Flur- 
markmug als in der baulichen Anlage. 
Unter diesen , meist in der Mitte des 
Landes befindlichen Dörfern wurde 
Zelenee unweit Nehvizd im ehema- 
ligen Koufinier Kreise ausgewählt, 
welches um einen kleineu Teich 
gelagert, die ursprüngliche Markung 
beinahe vollständig gewahrt hat. Mit 
Ausnahme einiger bedeutungsloser 
Flickhauten, welche offenbar neue- 
sten» Ursprung* sind und als störend 
aus der licigesehalleten Illustration, 
Fig. 3, fortgelassen w urden, scheinen 
die ilmmtliehcn Gebäude trotz unzäh- 
liger Umänderungen noch itnmer die 
alten Stellungen einzuhalten und CS 
entspricht diese Anlage genau den 
wendischen Dörfern in der Lausitz, 
und im Kreise W ittenberg. Ähnliche 
Ortschaften linden sieh östlich von 
Prag noch hie und da, /.. I). Mstitic, VvSermic, Jircan. 
Kunic. doch sind alle etwas von den Einwirkungen der 
Zeit berührt würden. In Mähren, namentlich im Olinützer 
Kreise, kommen die Rundlinge öfters vor, z. B. Lobodic, 
NtMiicic, Uhficie ; seltener sind sie im Westen des Landes. 
Das Dorf Zelenee hat einen einzigen Hingang, welcher 
südlich von der alten Prag-Kttniggräzer Hauptstrasse 
herführt. Am Eingange liegt eine kleine Bet-Capelle-.eine 
Kirche besitzt das Dorf nicht. 

Unbestritten jünger als die dediny. deren Anlage 
Uber ilas X. Jahrhundert hinaufreicht, sind die Lboty 
oder empbyteutiseben Dörfer, die theils dem XII., der 
Mehrzahl nach dem XIII. Jahrhundert angehören. 
Diese Orte worden in derselben Weise, wie die Städte 
von grossen Grundherrn, zumeist von den Landesfilrsten 
und Klöstern angelegt. Sie zeigen eine viel zweck- 
miissigere Durchbildung, sind um einen rechteckigen 
l'lalz von etwa zwei Theilen Breite zu fünf Theilen 
Länge angeordnet, wobei an den Ecken Wege anf die 
Felder führen. Die Gebäude sind meist mit den Oiebel- 
seiten dem Platte zugekehrt und es ist mit den Wohn 
gelassen gewöhnlich nur der Stall für die Zugthiere ver- 
bunden, während die anderweitigen Stallungen gegen 
Uber liegen. Jedes Gehöfte ist fUr sieb abgeschlossen 
und es gruppiren sieh dessen einzelne Baulichkeiten um 
den Hof, der an den Platz gränzt. Zwischen je zwei 
GehOften führt ein schmaler, nur den beiderseitigen 
Besitzern zugehörender Weg anf die Wiesen und Acker. 
Die Kirche steht manchmal in der Mitte des Platzes, 
häutiger jedoch an der Ostseite desselben und ist stets 
mit dem Friedhofe umzogen. Der kleine Teich am Ein- 
gang des Platzes fehlt eben so wenig hier als in der vor- 
beschriebenen Anlage. 




I ig 4 

Die Feblervertheilung ist zwar nach demselben 
Princip, w elches wir bei den all - slaviscben Ortschaften 
kennen gelernt haben, gehalten, doch gibt sieb bei 
den empbyteutiseben Dörfern insofern ein grosser Fort- 
schritt kund, als erslere lediglich auf Handarbeit , Bo- 
denbearbeitung mit Hacke und Schaufel eingerichtet sind 
I wobei Viebfntler, Fehlfrüchtc u. s. v* durch Menschen 
oder Thicrc als Lasten heimgetragen werden inussten). 
während bei diesen Pflugarbeit und Fuhrwerke bestim- 
mend auf die Anlage eingewirkt haben. Dadurch, dass 
der Gestalt des Dorfes keine Cun enlinie, sondern ein 
Rechteck zu Grunde liegt, haben auch die Fehler gerad- 
linige Begrenzungen erhalten, sind also viel leichter zu 
bebauen. 

Solche coiitractlichc Ansiedlungen mögen in frühe- 
ren Zeiten nicht wenige bestanden haben. Das Kloster 
Selau erwarb ntn die Milte des XIII. Jahrhunderts w eit- 
ausgedehnle Waldungen nnd führte in dieselben Coloni- 
sten ein, durch welche die Dörfer Jific, Jiing-Bflsf, Lhotie 
und viele andere angelegt wurden. Unter diesen zeichnet 
sich Jific durch besondere Regelmässigkeit aus und 
verdient als Musleranlage hervorgehoben zn werden. 
Das Dorf ist um einen rechteckigen Platz von 1 100 Fuss 
Länge und 230 Fuss durchschnittlicher Breite so ange- 
ordnet, dass die von einem Friedhof umgebene Kirche 
in der Mitte des Platzes liegt. Hinter der Kirche, iu der 
östlichen Hälfte des Platzes befindet sieh der nie 
fehlende Teich. Der Platz selbst ist genau nach den 
Himmelsgegenden orientirt und es erstreckt sich die 
Längenrieht nng von West nach Ost, wobei die Häuser 
mit ihren Oiehclseitcn dem Platze zugekehrt sind. Bei- 
nahe vor allen Häusern liegt ein Blumcngärtehcn, 
wodurch der Ort (Pfarrdorf) ein ungemein freundliches 



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cxxx 



Ansehen gewinnt. Hinter den Hofreitben und lianin- 
Kärten breiten »ich die Wiesen aus, zwischen welchen 
und den AekergrUnden sieh ein Fahrweg tun das Dorf 
herumzieht. Die sieh ergebenden Ecken enthalten 
Weiden und Gemeindegrllnde. Zwischen je zwei Höfen 
führt ein Fahrweg auf die zu denselben gehörenden 
Felder, so das» der eine Nachbar sein Eigeiitlnun zur 
Hechten, der andere zur Linken vor sich hat und in 
keiner Weise behindert ist. Die Kirche entstammt der 
GrUndwigszctt und gehört der »weiten Hälfte des XIII. 
Jahrhunderts an. 

Ahnlieh zeigt sich die Anlage von Jung-BriBf, 
doch steht hier ilie Kirche seitwärts neben dem Platze 
und ist rings mit Wassergraben umgeben. Einen vorzüg- 
lich schönen rechteckigen Platz mit einer genau in dessen 
Mitte aufgestellten romanischen Kirche besitzt das 
Pfarrdorf Kondrae, ohne Zweifel eine der ältesten der- 
artigen Anlagen. Die Marknng jedoch ist nicht mehr die 
ursprüngliche, da Kondrae an verschiedene Besitzer 
Ubergegangen ist und die Grunde vielfach zersplittert 
worden sind. Auch dnreh die Klöster llohenfurt und 
Goldenkron wurden zahlreiche einphytentisehe Dörfer 
gegründet, doch konnte in dieser gebirgigen Lage sel- 
ten eine strenge Kegelmässigkeit durchgeführt werden. 
Einen orientirten und beinahe quadratischen Platz 
besitzt Gillowitz, auch zeigen die Dörfer Henraffel. 
Malsehing, Kapellen, dann die Flecken Höritz und 
Gnjau planmüssig geordnete Anlagen. Dass Übrigens 
auch von den emphyteutischeu Orten verhaltnissmässig 
sehr wenige intact geblieben sind , bedarf kaum der 
Erinnerung. /•'. ilnuher. 

■ Fortoctzang folgt ) 

Ein neu aufgegrabener Römerstein aus Wien. 

Heim l'mbau der Festungswerke, welche im XVI. 
Jahrhunderte die innere Stadt Wien umgaben, fand man 
unter der Sohle des alten Stadtgrabens vor dein Schot- 
tenthore einen römischen Inschriftstein, welcher in den 
Besitz des Architekten Sehallnuezer gelangte und von 
Lazius publieirt wurde '. Der Stein enthält eine Wid- 
mung an Jupiter und ist von einem Beneficiarins des 
lYocnrators Angtisti von Norieum gesetzt worden; er 
gehört zn den ältesten insehriftlichen Denkmälern Wiens, 
in die Zeit von etwa 50 bis TT n. C'h., da um das erstcre 
Jahr die Proeuratnr in Norieum eingeführt, im letzteren 
aber Vindobonn von Norieum ausgeschieden und in die 
Nachbar-Provinz Pnnnonia einbezogen wurde. 

In jüngster Zeit, vor wenigen Wochen erst, hat 
dieser Stein einen Genossen erhalten, der auch nicht 
weit vomSchotleuthore zu Tage kam. Bei Canal-Grnbuu- 
ni in der verlängerten Sehottengasse stiess man in 
der Tiefe von einer Klafter an der Stelle zwischen dem 
Abgeordnetenhnnse und dem nengebnuten Hanse Nr. 10 
anfeinen kleinen Kömerstein, gleichfalls mit einer Vo- 
tiv-Insehrift versehen. Er hat die einfache gewöhnliche 
Form einer Ära. Die Sehriftfläehe ist nur i!> Clm. hoch 
und 2f> Ctm. breit. Die Bnehstabeii sind roth bemalt. 
Mit Erlaubniss des dermaligen Besitzers Herrn Felix 
Ritter V0H Lusehan, welcher dem k. k. MUlu- und An- 
tiken ■ Cabinete einen trefflichen Pnpieiabdruck der 

* \Uqaoc i-itfn|>l4 »*f r*i«rUr *«-a»utii In m!» •|Ult>lo«lftm vlrl 
1>. Scfcall.4r1r1.-r Mr. IWO. V^l. m»li»t- .\Mu»illui!K Vinilnbfm» In Ue-n Hrrtcktcu 
tri Mluktllaa«« du Wliutr AM'rlliMU-\'< ••<■■•• IX, I.V. >ifp<t>lAl.Jru«* 

t i, UM) 10 



Inschrift widmet.-, theilen wir den Inhal) derselben mit. 
Sie lautet: 

I 0 M 
PRO SAL 
AVA ATt 
SEVEHV 
\E I. X <; 
V s 

Jovi optiuio maximo pro salute Augusti Anilins Se- 
verus veteranus legiouis deeimae geiuiuac votum solvit. 

Nach den wi'iiigen Kriterien, welche die Form der 
Buchstaben und die Ligaturen darbieten, gehört der 
Stein in die Epoche des Kaisers Septimiiis Severus oder 
seiner nächsten Nachfolger, also in das Ende des zweiten 
oiler das erste Drittel des dritten Jahrhunderts. Der 
Widmende ist ein Veteran der zehnten Legion, welche 
seit den dacisehen Kriegen Trajan's (etwa seit I0B 
n. Chr.) bleibend in Vindobonn stationirt war. 

Römische Inschriften sind in Folge der Stadterwei- 
lerung nur sehr weuig gefunden worden; diese erstreckt 
sieh eben auf ein Gebiet, das nicht mehr in den l'mkreis 
der römischen Stadt Vindobi.na fällt. Bis zum Frühjahr 
1873 waren in Folge der vielen Erdarbeiten ilie sie 
veranlasste nur zwei luschriftstcine aufgegraben worden, 
der eine beim Bau der neuen Oper (I^ül'I, der andere, 
leider nur ein Bruchstück, beim Bau der Handels- Aka 
demie (186&), jener ein Grabstein, der aber nicht au 
seinem ursprunglichen Aufstellungsorte zu Tage kam, 
sondern den Bestandteil eines spätem Kindersarges 
bildete , dieser, soweit die Inschrift gestattet einen 
Schluss zu ziehen, ein öffentliches Denkmal, das iu 
Folge eines Beschlusses der Deeurionen irgend eines 
Collegiums (falironunr) errichtet wurde. Derueugefnn 
dene Votiv-Stein ist also erst das dritte epigraphischc 
Monument, dessen Auffindung die Sta<lterweiterung 
veranlasste. 

Bezeichnend al»er ist es, dnss alle drei Inschriften 
in der Linie einer aus älteren Funden nachweisbaren 
Strasse liegen, welche etwa am Eingange in die Wäli 
ringergasse vom Limes, der Hauptnferstrasse längs der 
Donau, abzweigte, durch die Schotten- und Herrengasse, 
Uber den Josephsplatz, die neue Oper, die Handels-Akn 
demic , das Kllnstlerhans nnd weiter den Hennweg ent- 
lang nach St. Marx lief, um sich hier wieder mit dein 
Limes zu verbinden. Sie umtfieng das Standlager im 
Blicken und war offenbar fllr den Wnarenzug und den 
Verkehr des bürgerlichen Theiles von Vindobonn mit 
den oberen und unteren Stromgegenden geschaffen, da 
dieser, das Standlager nicht passiren durfte. An einer 
anderen Stelle haben wir sie daher als Mnnic.ipal-Slrasse 
bezeichnet im Gegensatz zn den beiden militärischen 
Strassen, welche, die eine am Ufer der Donau hinfllh 
rend, die andere von Baden (Aquae) herankommend, 
sieh bis ins Standlager hinein fortsetzten und in dem- 
selben als seine wichtigsten Wege (via priucipalis und 
praetorin) kreuzten. Der neu gefundene Stein ist nun 
nicht ohne Werth fllr den Umstand, dass die Munieipal 
Strasse in der geraden Hichtnng nnd Verlängerung der 
alten Schottengasse gegen die WähringerKasse zu, 
sich bewegte. Auch erhellt aus seinen Inschriften und 
den Fundstellen der andern bei der Stadterweiteriing 
aufgegrabenen Steine, das» die römischen Inschriften. 



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C'XXXI 



wenn iiiiiii sie nicht in der unmittelbaren Niilie der 
Riimerstmlt sclbi-t aufstellte, nur au der Municipal-Strasse 
errichtet winden: denn alle Inschriften, die schon früher 
und gleichfalls ausserhalb des l.'mfnngcs iler Rlimcrstndt 
zu Tage kamen, standen dieser d. eli viel nilher; ihre 
Fundstellen liegen alle im Hereiche der inneren Stadt, 
wie die Stallburg (St. Michaels- Frcithofl, Slephansplatz, 
Brandstätt, Jacobihof, Flcischmnrkt ; aneh die Gräber 
ohne [ttsehrlftateiu fanden sieb. sofern sie nicht an 
der Munieipalstrasse lagen ^Herrngasse bin Kennweg), 
im Gebiete der inneren Stallt, wie bei den Kapuzinern, 
in der Brftunerstrasae und am Stock-im-Kisen. Würden 
nun in römischer Zeit insehriftliehe Denkmäler nicht 
l>b.s an der Municipal-Strasse, sondern auch an anderen 
Nehcnstrassen und Wegen, welche von verschiedenen 
Seiten her in die Rümersladt geführt habe» mögen, 
errichtet gewesen sein, so wäre es im höchsten Grade 
wunderbar, dass man bei so vielen Gruudaushchnngcu 
lllr die Gebäude an der Hingstrasse und Laste nstrnssc 
ihrer nicht gefunden hiStte; denn die letzteren durch- 
schneiden die Richtungen aller dieser Wege; da dies 
nicht geschah, da vielmehr nur in der Linie der Muni 
cipal-Strasse lusehriften, Gräber und verschiedene Alter 
thllmcr zu Tage kainen. so muss man schlicssen, dass 
ausserhalb der genannten Strasse, im Bereiche der alten 
(ilaeicn, soweit sie bis nun verbaut sind, in der Thnt 
keine Grahmälcr bestanden. Dieses negative Ergebnis* 
der Stadterweiterung ist nicht ohne Wichtigkeit; es wird 
dadurch sehr wahrscheinlich . dass man erhebliehe Rii- 
merfunde ausserhalb der inneren Stallt, auf dem Räume 
zwischen dieser und den Vorstädten, nur noch in der 
Richtung der Municipal-Strasse zu erwarten habe. Ans 
genommen ist davon nur der Parndeplatz in der West- 
seite, wo die Bauten noch nicht oder doch kaum erst in 
Angriff genommen sind. 

Wahrend die Funde an der Munieipal-Strusse sonst 
vorwiegend Gräbern angehören, sind die beiden ein- 
zigen Inschriften, die sich vor dem einstigen Schotten- 
thore gefunden hoben, Gelübdcsteinc zweier nicht activer 
Militärs. Der BcnehViarius — einem solchen gehört, wie 
gesagt, die im XVI. .Jahrhundert in jener (Segend gefun- 
dene Inschrift an — war ein ftlr kleinere Dienste, in 
unserem Falle wohl ftlr Kanzleidicnstc beim Procurator, 
zeitweilig des activen Militärdienstes enthobener Soldat. 
Auch die Veteranen, wenn sie gleich keine Kriegs- 
dienste mehr thaten, blieben doch in einer Art militari 
sehen Verbandes (colleginm veteranorum) iiud hatten 
in den Grenzstädten unter deren Bewohnern eine ange 
«ebene Stellung; denn diese bestanden häutig aus Frei- 
gelassenen und Abkömmlingen ans römisch - barbari- 
schen Mischehen. 

Sonst taucht an der Municipalstrasse nur noch ein 
Gelübdestein auf, der von einem Privaten errichtet 
wurde; es war ein Freigelassener, ursprunglich wohl 
ein syrischer Sclave, der spater Handel trieb und dem 
Mercnrius einen Stein widmete, welcher am Rennweg 
am Kingang in die Marokkanergasse gefunden wurde s . 

Bei der Spärlichkeit des Materiales ist nun aller- 
dings kein sicherer Schluss gestattet, aber es kann doch 
in Form einer Vemiuthung ausgesprochen werden, dass 
einzelne Strecken der Municipal-Strasse zur Aufstellung 
bestimmter Arten von Denkmälern gedient haben mögen, 
dass also, um bei unserem Falle zu verbleiben, im ersten 

= Il.rlrM um! Mmliril. J Wlrioir Altrntiiiro« V»r»<mt IX 1»*, K«M 1 

XVII. 



Thcile der genannten Strasse, zunächst ihrer Abzwei 
gung von dem Limes, die Gelnbdesteine von Soldaten 
standen, die keine activen Dienste mehr thaten ; - 
(jene der activen Miliärs waren au der Hauptlager- 
strasse, der via prineipalis. also innerhalb des Stand- 
lagers errichtet). Ks ist möglieh, dass dies in Folge 
einer Bestimmung der (iemeinde geschah, aber auch, 
dass es nur eine Sache der Gewohnheit wai , die sieh 
aus mehreren Fällen von selbst ergab. An und für sich 
ist es ja durchaus wahrscheinlich, dass Mitglieder des- 
selben Standes ihre aus gleichem Anlasse errichteten 
Denkmäler auf einer bestimmten Strecke einer öffent 
liehen Strasse zusammenrückten, so dass sie dort eine 
Gruppe ftlr sich bildeten. Das Zunft- und Vereinswesen 
stand um jene Zeit überhaupt in Flor, um so mehr 
lässt sich eine Absonderung derart bei Personen, welche, 
wie die Soldaten, in ihrer ganzen Lebensweise durch 
eine lange Zeit von den übrigen Einwohnern gelrennt 
waren, voraussetzen. In t'illi fand mnn. um ein Beispiel 
zu nennen, eine (iruppc von 29 Geltlbdestcincn von 
Legionären und Beneticiarieru auf einem Platze bei- 
sammen, neben ihnen keinen einzigen Grabstein ». Mög- 
liclicrweise stand nun vordem einstigen Schottenthore 
irgend ein Ikiligthmn, um welches die Votiv-Steine auf- 
gerichtet wurden, wie solches sonst häutig vorkommt, 
und war gerade das Vorhandensein des Heiligthuins an 
jener Stelle das Motiv, auch die Gelllbdestciue gerade » 
an dieser Strecke der Strasse zu errichten. Es stimmt 
damit der Sachverhalt der andern Funde an der Muni- 
cipal-Strasse Ubereiu . so wenig zahlreich sie auch sein 
mögen. Die Gräberfunde in der Linie derselben kamen 
neulich nicht an der Stelle, wo diese Votiv-Steine gefun 
den wurden, zu Tage, sondern sie beginnen erst bei 
dem Gebäude der k. k. Statthalterei , also beträchtlich 
entfernt von dem Fundorte der ersteren; von dort aber 
setzen sie sich verhältnissmässig -zahlreich in einer 
langgedehnten Reihe bis gegen das KUnslIerlinus fort. 
In der entgegengesetzten Richtung, gegen Düttling zu, 
fand sieh das nächste Grab erst wieder in dem ersten 
Hofe des Militärspitnles , es gehtirt also schon nicht 
mehr in das Gebiet der Municipal-Strasse, sondern iu 
das des Limes. In der Lücke zwischen diesen Gräber 
funden stehen nun die beiden Votiv-Steine vor dem ein- 
stigen Schottenthore, beide iu sehr verschiedenen Zeiten 
aufgerichtet. Ks ist daher die Vermuthung gerechtfer- 
tigt, dass jene Strecke der Municipal-Strasse. welche in 
der Gegend des ehemaligen Schottenthores liegt, in 
der That für Votiv-Steine nicht-aetiver Militärs vorbe- 
halten war und blieb, während die Gräber, welche in 
späterer Zeit an der ncmliehen Strasse angelegt wurden, 
erst auf einer weiter abgelegenen Strecke derselben 
standen. 

Es darf nemlich nicht ausser Acht gelassen werden, 
dass diese Gräber, so viel man ihrer fand, alle einer 
sehr späten Zeit anzugehören scheinen. Beim Bau des 
neuen Statlhaltereigcbäudes im Jahre 1*47 stiess ' 
man in der Richtung gegen den Ballplatz zu auf Gc 
fasse aus Terra sigillata und 23 Münzen, deren jüngste 
von Kaiser C'nnstana herrührt (t 350); offenbar sind 
diese Fund-Objecte Beigaben für Leichen , die hier 
bestattet waren. Auf dem Bnrgplatze fand man 1828 
abermals solche Schalen. Auch im Jahre 1628 kam man 
in der Burg auf ein Romergrab, von dem aber nichts 

■ Mltih»» 4,r k k C'ml C-mm IX. f LS. 

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CXXXII 



näheres bekannt ist, wonach die Zeit bestimmt werden 
könnte. Dann fand DMO unter den Trade zwischen dem 
Riltersaale und der Bellaria einen .Sarg mit verneine- 
denen Beigaben, darunter ein Anhängsel, in dem sorg- 
sam verschlossen ein zusammengerolltes Goldplätteheu 
mit gothischer Schrift, etwa buk der Milte des V. Jahr- 
hundert«, lag. Em ist nach den anderen Beigaben sehr 
wahrscheinlich, das« hier ein älterer Sarg, etwa aus dem 
letzten Drittel de* Hl. Jahrhunderts, zur Beisetzung 
einer späteren Leiche benutzt wurde. Ebenso ist der 
aus Steinplatten und einer älteren Grnbscbrift zusam- 
mengesetzte Sarg, welcher 1*0:» beim Bau der neuen 
Oper gefunden wurde, nach den beigegebeneu Münzen, 
nicht älter als Gallicnus >— SJtjK). Endlich zeigt das 
Relief mit dem Todcs-Genius, das ein Bestandteil eine! 
Grabdenkmales war und im Flussbctte der Wien bei 
der Austiefuiig des neuen Bettes in der Nähe des Künst- 
lerhauses gefunden wurde, die rohe derbe Arbeit aus 
dem Schills« des III. und dem Beginne des IV. Jahr 
hunderts >. Eben diesem späten Alter wird es auch 
zugeschrieben werden müssen, dass bei diesen Gräbern 
keine Grabsteine gefunden wurden; zu der Zeit, welcher 
sie angehören, war die Sitte der Aufrichtung von In 
schritten schon sehr in Abnahme gekommen und zumeist 
nur auf officielle Anlässe beschränkt. 

Wir heben diesen Umstand besonders hervor, um 
auf eine andere Erscheinung aufmerksam zu machen, 
die sieh damit verbinden lässt. Alle Grabinschriften, die 
aus dem alten Yindobona erhalten sind, fanden sich 
abseit der Mnnicipal-Strasse. Die auf der Brandstatt » 
und bei der alten Slallhurg « gefundenen, sowie ein 
dritter, dessen Fundort nicht genau bestimmt ist', 
endlich ein Ziegel in der Biäuncrstrassc gehören Sol- 
daten an»; andere Grabsteine, welche am Stephans- 
freithof », beim St. Jakobskloster ">, am Fleischmarkt 
autgegraben wurden, betrafen dagegen Privatpersonen. 
Bei zwei Grübern (Stock -im Eisen •« und Kapuziner- 
klostcr) u lässt sich nicht mit völliger Gewissheit erkeu- 
nen, ob der Bestattete ein Soldat oder ein Private gewe- 
sen sei. Die Soldaten-Gräber kommen nun nachweislich 
an den Fortsetzungen der Lagerstrassen ausserhalb 
des Standlagers, entweder unmittelbar neben denselben 
oder doch in ihrer Nähe vor. Die Privat -Grabsteine sind 
an verschiedenen Stellen zu Tage gekommen, die aber 
alle wieder in den Bichtungen anderer nachweisbarer 
Strassen liegen. Dagegen boten die Grabfunde an der 
Municipnl-Strasse keine Erscheinungen, aus denen auf 
Soldaten, die hier begraben worden wären, geschlossen 
werden könnte. Es scheint somit nach allen»Anzeichen, 
welche uns das spärliche Material gewährt, dass schon 
in älterer Zeit, als die Sitte, Inschriften zu errichten, 
noch bestand, selbst bei den Gräbern eine örtliche Ab- 
sonderung stattgefunden habe und dass man Soldaten 
in der Nähe des Standlagers an den zu diesem führen- 
den Strassen, Privatpersonen dagegen an Strassen des 

• Mltth.,t. utd Irhl. d. Witt» All. V.r. IX, S im f. So:. 2 f 

• Kbmd» s. I.-.9, Xol« 1. 

• nbnij. s, is». so« a. 

I Kbxndaft 1<;S, Not« 3. S. La Ilm bit. irhii.l il. n Fundort nltht «rnmr 
and Mit nur. Jtr St.un mI IM9 bHui lt»u d.r .«ttdtm.u. r llrf ant'r dir F.rdr 
«.fand. n »,.rd.u. MögllrlKr«.!»« t .i<M dl., k. im 8t J.lc«t»ktD>t< r . ab. r 
»lol.t r 1.1 dl«« uldil 

• Kb.nria S. I'.O. Note i. 

• RSMit S. IN, Sott- * 

'• F.l.iod. S |«S, N.,i, 2 d I)«r Gr.bit.-li. f , Kürt «>r Kr.iB ein.. V.t,. 
riin.n d.r X. I.r*;l<-n. 

" tb.,,,1. s 1 », Not. 8. 

■« u. '• Eb*u<-. 8, :M. Not. l-a 



bürgerlichen Verkehre« beigesetzt habe. Für den letz- 
teren Zweck diente auch die Municipal-Strassc mit Aus- 
nahme ihres gegen den Limes im Nordwesten der Römer- 
stadt zu gelegenen Thciles , an welchem die Gelübde- 
steine standen. Fr. Kenner. 

Neue Abschriften von Römersteinen aus Sissek. 

Der f onservator und Bezirksschulrath Herr Zach. 
Gruie, nun zu Weisskirchen im Banate angestellt und 
den Lesern der „Mittheilungen" schon seit geraumer 
Zeit durch seine genauen Abschriften römischer In- 
schriften auf «las Vorteilhafteste bekannt, hat im ver- 
flossenen Jahre auf einer Reise mehrere schon längst 
bekannte Inschriften in Sissek neuerdings eopirt, um 
zur etwaigen Berichtigung älterer Lesungen beizutra- 
gen. Wir heben au.« ihnen folgende zwei hervor, die 
geeignet sind zu zeigen, wie sehr durch solche wieder- 
holte Ab-chrifteu der Werth derartiger Denkmäler 
gewinnt. 

In dein Werke Istri adcolae bat Kat.mcsie < I , 
Nr. 5) folgende Inschrift aus Sissek mitgctlie itt : IMP 
ANTONINI | AVG | RES PVBL | SISCIANOR. Der 
Genitiv, in dein der Kaisername steht, liess auf eine 
Statue sehliessen, welche die Einwohner i'on Siscia 
einem K. Antouinus gewidmet, und zu deren Postament 
die Inschrift gehört hätte. Dass diese mangelhaft sei. 
mochte man schon aus der Art und Weise sehliessen, 
wie der Name des Kaisers gegeben ist; die mehreren 
Antonini werden doch sonst epigraphisch in irgend 
einer Weise von einander unterschieden. 

Herr Gruie fand diese Inschrift auf einer.'! Fuss 
■1 Zoll hohen und 2 Fuss breiten Marmortafel au der 
Ausscnscite der römisch-katholischen Friedliofscapelle 
eingemauert. Die Schriftllächc ist von einem » » Zoll 
breiten Rahmen umschlossen, die schönen Buchstaben 
sind -2i\ Zoll hoch. Nach der jüngsten Abschrift nun 
besteht der Anfang der Inschrift, den Katancsie ganz 
wcgliess, au.« drei Zeilen, die zwar stark beschädigt 
sind, aber doch eiuige Züge, und zum GlUck gerade 
solche erkennen liisst . dass der Sinn der Inschrift 
ergänzt werden kann. Die Abschrift des Herrn Gruie 
lautet : 

...AV... 

AVG 
SPON. . . 
IMP ANTONTNTANI (sie) 
AVG 
RESPVBL 
SISCIANOR 

Für die Ergänzung ist eine im Vatican befindliche 
Inschrift (Orelli-Hetizeu öfVOO) wichtig, welche bei dem 
Dorfe Correse, dem alten Cures Sabinae, gefunden 
wurde; auch auf ihr sind die beiden ersten Zeilen zer- 
stört, doch kann .Plautillae Augustae sponsae n. *. w. J 
noch ziemlich gut gelesen werden; im übrigen ist die 
Textirung der unsrigen ganz ähnlich , nur dass am 
Schlüsse noch einige auf die Errichtung des Denkmals 
bezügliche Notizen folgen. Darnach lässt sich die In- 
schrift von Siscia mit Sicherheit folgendermassen er- 
gänzen: 



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cxxxm 



plAVtillae 

AVA 
SPONsm 
IMP AXTOXIXIAXI (sie) 
RESPVBLiea 
SlSCIANORuni 

hu Jahre 203 vermählte Septiniius Severus seinen 
erstgebornen Sohn Am« minus Caracalla, welcher schon 
seit 10H Mitregent des Vaters und Augustus war, mit 
Plautilla der Tochter des ullvennögenden prnefectus 
praetorio Plnutianus, und zwar gegen den Willen C'nra- 
calla's t. Eine glänzende Ausstattung, hinreichend für 
fünfzig Könige, und prächtiges Gerälhe sah Dio Cnssius 
M.-Ihst Uber den Markt nach dem kaiserlichen Palaste 
(Uhren; es folgten überaus reiche Gelage und Thier- 
hetzeu bei der siebentägigen Feier der Vermählung, da 
mit dieser zugleich das Fest der glücklichen Rückkehr 
des Kaisers ans dem Oriente begangen wurde. Diesem 
glänzenden Feste folgte aber eine grässliche Tragödie 
im Palaste. 

Die Gewalttätigkeiten des I'inutinnus, seine Be- 
liebtheit bei dem Heere und sein Aufwand hatten den 
Kaiser gegen ihn verstimmt, zumal nachdem sein (des 
Kaisers) Bruder Geta auf dem Sterbebette ihn auf die 
hochfahrenden Pläne Beines Günstlings aufmerksam 
gemacht hatte. Ebenso war Plautiauu* selbst wegen der 
offenen Abneigung Caracalla's gegen ihn und Plautilla 
um Reine Zukunft besorgt; der Kaiser war schon bei 
Jahren und von dem Thronfolger hatte er nur das 
Schlimmste zu erwarten. Schon ein Jahr nach der Ver- 
mählung trat die Katastrophe ein, nachdem alles 
darauf hingedrängt hatte. Wie gewöhnlich, sieht Dio 
Cassins in einer heftigen Eruption des Vesuvs im Som- 
mer 204, deren Donnern mau bis Capua, wo er sich 
damals aufhielt, vernahm, ein Vorzeichen für den Sturz 
des Plautianns und liess sich daraufhin bewegen, Rom 
zu meiden und in Capua zu bleiben «. In Folge einer 
l'nlastintrigue, die Dio dem Caracalla, Herodian dem 
Plautianus zuschreibt, wurde Letzterer vor den Augen 
des Kaisers niedergemacht , seine Bildsäulen umge- 
stürzt, sein Xame auf öffentlichen Denkmälern ausge- 
tilgt. Anfänglich blieb zwar Plautilla noch in Koni, dann 
aber sendete sie SeptimiuB Severus, um sie vor den Ver- 
folgungen seines Sohnes zn sichern, nach Sicilicn mit 
einem anständigen Gehalte*; doch Uberlebte sie auch 
hier den Kaiser, der 211 in Britannien starb, nicht 
lange. Als Caracalla seinen Bruder Geta ermordet hatte 
und ein allgemeines Blutbad unter dessen Anhängern 
in Rom, Italien nnd selbst in einigen Provinzen anrich- 
tete, wurde auch Plautida getödet ». Wahrscheinlich 
geschah es damals, dass nun auch ihr Name auf den 
öffentlichen Inschriften ausgekratzt wnrde; es erklärt 
sich daraus, dass sowohl in der Inschrift von Correse, 
als auch von Siscia die Anfange sehr schwer leserlich 
sind. Die Beschädigung derselben ist aber keine spätere 
zufällige, sondern eine alte absichtliche. 

Auch ergibt sich , dass der Kaiser Antoninus 
unserer Inschrift (die Sehreibung Antoninianus ist ein 
Verschen, da« dem Steinmetz zur Last fällt) kein ande 

' Umtom III. 1». 

' lxxvj.. a 

' ll.ir.dJ.» III. 13. 
« A. . O. IV | It. 



rer als Cnracalla sei. Da Plautilla zugleich Augusta 
und sponsa genannt wird, ist das Denkmal offenbar 
aus dem Anlasse der Vermählung selbst von den Siscia 
nern errichtet worden, die damit ein Zeichen loyaler 
Thciluahme an den Erlebnissen des kaiserlichen Hanscs 
geben wollten. Die Inschrift gehört also ihrem Inhalte 
nach in die Reihe jener zahlreichen Beweise der Anhäng- 
lichkeit, welche die pnnuonisebcn Städte dem Scptimius 
Severus und seiner Familie bewahrten nnd in vielen 
epigraphischen Denkmälern offen bekannten. 

Eine andere Inschrift aus Sissck hat schon Laziiis 
und nach ihm Grutcr (1061, 1) mitgethcilt. Sie lautete 
nach der alten Abschrift: 

HVIC ARGE INEST KE 
VERILLA FAMVLA GHRI 
STI QVAE GVM VIRU SVO 
V1XIT NOVE.M CONTINVIS 
ANNIS CVIVS POST OBI 
TV.M MARGELLIANVS 

SEDEM VIDETVR 
GOLLOt ASSE MARI 
TVS 

Herr Grüic fand diese noch gut erhaltene Inschrift 
auf einem Snrkophage aus Kalkstein von 7 Fuss 6 Zoll 
Länge nnd 4 Fuss H Zoll Höhe, der im römisch-katholi- 
schen Friedhofe steht. Die neue Abschrift zeigt keine 
wesentlichen Abweichungen dem Sinne nach, wohl aber 
eine andere Abtheilung der Zeilen und eine charakteri- 
stischere Schreibweise; in Zeile 6 enthält sie ein Worl 
mehr und überdies zwei Ligaturen. Sie lautet: 

HVIC ARCAE INEST SEVE 
RILLA FAMVLA Xl'I QMf 
VTXITCVM VIRONOVEM 
CONTINVIS ANNIS CVIVS 
POST OBITVM MARGELLIANVS SE 
DE VEANC VIDETVR COLLOCASSE MARITVN 

Die Versetzung der Worte sowie das Einschieben 
von videtur (collocasse) stntt collocavit und der Tonfall 
lassen vermutheu, dass hier wenigstens in den letzten 
Zeilen rohe Hexameter beabsichtigt seien, derart, wie 
man sie auch sonBt auf örabschriften später Zeit findet. 
Eine Parallele würde der Grabstein der Salvicr ans Mi- 
txovic bilden 4 . Die Abtheilung der Verse wäre sodann: 

Hnic areae inest Scve- 
1. rilla faniula Christi qnae vixit cum viro 

novem con- 

2. tinuis annis cujus post obitum Mnrcellianus 
3. sedem haue videtur collocasse maritus. 

Fr. Kenner. 

Aus Böhmen. 

Ans dem Berichte des k. k. Conscrvators ftlr den 
Czaslauer Kreis ist zn entnehmen, dass die St. Barba- 
rakirche zu Kuttenberg durch die Beseitigung zweier 
sie einschlicssender Umfricdnngsmauern sehr gewonnen 
hat. Das alte höchst merkwürdige Baudenkmal ist nun 

i IWefcrf.ilk Im Arth» ftir K«ihI« SM.rr. Ow.lilehU XXXlll. S. ISO 

t» 



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ÜXXXIV 



in seinem gros-; rligcn I nifaugc jedermann zugänglich. 
Der alt«*, längst nicht mehr benutzte Friedhof wurde 
durch den dortig«« Ver^Onenngvvfreira plnnirt, mit 
Hud wegen, Baum- und Btanengruppcn versehen und 
bildet nun eine» der schönsten Aussichtspunkte der 
Stadl. Leider kam es zu der bereits bewilligten Restau- 
riniit{r eines sehr baufälligen Strebebogens Dickt, indem 
der Baumeister, welcher seit mehreren Jnhren die Be- 
stanrirungeu an dieser Kirche leitete, von Kuttenberg 

wegzog, um einem andern Berufe zu folge». 

Auch Wirde erst heuer der. der alten Stiftskirche 
xu Sedlee durch den am V2. September 1 Hilft erfolgt™ 
HlWmWIgefilfJte Schaden ausgebessert. 

FberBcschluss des Stadlruthe* zu K •> I i 11 als Patron 
der Bartholomäus Kirche wunle die Ausführung der 
stylreehten Kntwürfc für die Bedachung und Ausl>csse- 
rung der beiden abgebrannten Thllmie, d. i. für den links- 
seitigen Kirchen- und dessen nachbarlichen t'locken- 
thurm dem Architekten F. Sclimoraji/. übergehen. 

Die fllrdie Dccannl-Kirche in K auf im beantragten 
Hcstaurirungs- Arbeiten betreffen die Grundmauern, deren 
eingetretene Senkung das ortweise Bersten des Kirehen- 
ge wölbe« nach sich zog. Selbst eine l'fcilcrvcrstärknng 
dürfte nicht unangemessen sein. Her Kirche unwürdig 
ist das Matter , es ist hübe Zeit, dieses mit einem 
neuen zu ersetzen. Auch die beiden Thltrinc haben bedeu- 
tende Sprllnge in Folge einer Feucrsbrunst. Auch hier 
niüsste eine gründliche Reparatur vorgenommen werden, 
um dieses Gebäude, das die Aufmerksamkeit eines jeden 
Kenners und Freundes alter Baudenkmale verdient, zu 
erhalten. 

Was die archäologischen Funde im Cnslauer Kreise 
betrifft, so eoncentrirten sich dieselben bei dem bereits 
im Vorjahre erwähnten Prebet ic unfern Caslau. Dies 
■lahr fand man eine interessante, bronzerne Armspange 
mit ausgebuckelteu Gliederaugen, mcrkwllrdige Thon 
gefässe. Steinhämuier ans Serpentin und Diorit, ferner 
Werkzeuge aus Thicrkuochc». 

Flu den Sinn ftlr Kunst und Altertbum zu wecken, 
wurde von mehreren Alterthumsfreunden eine Ausstel- 
lung von Kunst- und archäologischen Gegenständen unter 
der Ägide des Vereines Vcsna in Kultenberg mit 
bestem Krfolgc veranstaltet. F. ./. lieneirh. 

Zur Kunst- Literatur. 

Die uneruicsslichcZahl sowohl als die Meisterschaft 
und Bedeutung der in Italien vorhandenen Denkmäler 
der Malerei lässt es immer wieder wünschenswert!! 
erseheinen, dass dieselben gesammelt und im Bildwerk 
veranschaulicht werden. Ich mtiss es geradezu hochver- 
dienstlieh nennen, ilass der nämliche Forscher, dem wir 
die Herausgabe der in Italien zerstreuten Kunstwerke 
deutlicher Meister bereits verdanken, sieh entschlossen 
hat, die italienische Malerei in Wiedergabe bedeutender 
Werke dem deutschen Publicum zugänglich zu machen, 
nachdem wiederholte Reisen mit längerem Aufenthalte 
in diesem Lande ihm hinlänglich Gelegenheit zu solcher 
Arbeit geboten. Kmst Forst er lässt bei T. 0. Wcigcl 
in Leipzig ein Prachtwcrk erscheinen, das nunmehr in 
41 Lieferungen interessanten Inhaltes vorliegt und die 
Geschichte der italienischen MalerkuiiBt in meisten- 
teils vom Verfasser selbst aufgenommenen und gezeich- 
neten Blättern mit Text vor Augen zu lUhren sucht. Den 



I/Cscm ist bekannt, dass der berühmte Kunsthistoriker 
(i. B. t'avaleasellc die Geschichte der italienischen 
Malerei von ihren Anfängen bis zur Vollendnng und 
Nachhlüthc geschrieben, die uns Max Jordan in deut- 
scher Bearbeitung bereits durch drei Bünde vermittelt 
hat ; lllicr den grossen Werth dieses Buches herrscht 
unter allen Fachleuten nur eine Stimme, die der Aner- 
kennung und lloclischätzuug. Gleichwohl gebricht dem 
selben die geullgende Illustration, zumal in entsprechen- 
der Grösse. Förster liefert, so zu sagen, das bildliche 
Material zu dieser Geschichte der Malerei und setzt uns 
in den Stand, auch mit den Augen dieser Umwicklung 
zu folgen. Den Beginn machen Bilder aus Hercnlanum 
und den Katacomben, zunächst aus denen von S. Agnese, 
Calisto und Portiano , woran sich die w ichtigen Denk- 
mäler in Havcnna reihen. Das darauf folgende Blatt mit 
dem Kxnltet von Pisa ist nicht nur als Beispiel früherer 
Handschriften-Illustration, sondern auch als Beleg nlt- 
ehristlielier < ultus-Eiurichlungeii und Gcrilthe sehr 
belangreich. Die in der 7. und X. Lieferung dargestell- 
ten Mosaik-Gemälde des Baptisteriums zu Florenz und 
auf der Insel Torcello bei Venedig gewähren von dieser 
Malerei im grossen Styl, wie sie besonders in S. Marco 
zn Venedig angewendet ist, eine belehrende Vorstellung. 
Letztere Mosaiken sind zwar gleichfalls repräsentirl, 
aber leider noch nicht in gelingender /.ahl. Für den 
Vergleich jedoch durften sie ausreichen. Dieses jüngste 
Gerieht zu Torcello wird auch für die Ikonographie 
jedenfalls eine bedeutende liollc spielen. In den folgen- 
den Heften treten nun die Anlange der in Bälde mass- 
gebende» Schulen von Siena und Florenz durch Werke 
des Duceio und des grossen Nachfolgers von Johann 
Cimabuc zu Florenz, nämlich des Giotto, in einer Aus- 
wahl seltener Gemälde vor Augen. Zu letzteren gehören 
die Arbeiten Giotto's zu Padua in der sogenannten 
Arena, welchen Cavaleaselle die eingehendste Unter- 
suchung und Würdigung widmete. Auch hier bietet sich 
fllr die christliche Ikonographie, zumal in der Darstcl- 
fnng der Himmelfahrt des Herrn, vorzügliches Material, 
woran sich Giotto's Leistung in der Peruzzi Capelle zu 
St.CrOOe in Florenz ebenbürtig anschliesst. Die hier gege- 
bene Darstellung der Atifcrwccknng der Drusiaua durch 
den Apostel Johannes gehört nicht zu den häutigsten. Mir 
war dieselbe doppelt interessant, da im kiinigl. bayeri- 
schen Nalional-Museiitn zu München ein Tafelgemälde 
aus Alt-Bayern vom Beginn des XV. Jahrhunderts den- 
selben Gegenstand enthält und zum Vergleich mannig 
fache Anknüpfungspunkte bot. In dieser Beziehung hebe 
ich noch hervor die Landung der Leiche des Apostels 
Jaeobus zu < »mpoBtelU von Altichiero da Zevio in der 
Felix-Capelle von S. Antonio zn Padua, die Kreuzfin- 
dung in S. Croce zu Florenz, die Seencn aus dem Leben 
S. Benedictns in S. Miniato daselbst, das Martyrium 
der heil. Lucia in S. Francesco zu Pisa und die daselbst 
befindliche Darstellung des letzten Abendmahles mit der 
Fusswaschung von Niceolo Pietro Gerini, so wie dessen 
Kreuzt raguug und Himmelfahrt an dem nämlichen Orte, 
leb weiss, dass das artistische Interesse bei der Aus- 
wahl solcher Denkmäler in erster Linie stehen niuss, 
kann aber dabei doch meine Freude nicht unterdrücken, 
die ich im Interesse der Ikonographie empfinde , indem 
ich solche Werke hier wiedergegeben linde, die ich vor 
den Originalen stehend für belangreich erkannte, aber 
in die Heimat zurückgekehrt, im vereiniilichendcn Ab- 



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rxxxv 



bilde nicht auftreiben konnte. Nachdem der Verfasser 
Werke ton d'Avau/.o. Synum v. Siena. de« Lorenzetti 
Ambrogio uiul des Taddco Bartoli, sowie die bielier ge- 
hörigen Wandgemälde im Campo Santo zu Pisa und 
Neapel vorgeführt, lä«st er ein Muster von sogenannten 
Intnrsinturcu aus der Capelle des öffentlichen Palastes 
von Siena einschalten und verfolgt nun den Entwick- 
lungsgang der Florentiner Mulerei , den die grossen 
Meister Masolino . Kiesole und Masaceio bezeichnen, 
wobei auch ausser Italien befindliche Denkmäler berück- 
sichtigt sind. Weicht der Verfasser in der Nnmcngehnng 
mancher Bilder auch von den Ergebnissen der genauen 
Forschung Ca \ alcasel le's ab. so stimmt er im wesent- 
lichen dennoch damit liberein, wie die Erörterung Uber 
den Masolino von Floren/, in Castigliouc und den Ki- 
rchlichen Masolino in der Brancacci -Capelle beweist, 
wo ausdrücklich die Verschiedenheit eoustatirt wird. 
Ohne hierüber /.u rechten, ist jedenfalls gewiss, dass 
sich E. Förster seit seiner gediegenen Forschung Uber 
die alte Paduauer Schule längst das Beeht erworben 
hat. in Fragen der Oesehiehte der Malerei berücksichtigt 
zu werden. Wo derselbe fehlgegriffen, wird er eorrigirt 
und widerlegt werden, aber selbstverständlich mit Dar- 
legung der Oründc. Ohne Erfüllung dieser Itediugung 
kann die Wissenschaft nimmermehr einen (iewinn er- 
fahren. Il.it nicht ilie neueste Literatur Uber deutsche 
Malerei, speeiell Uber Hans Holbein, in ganz eindring- 
licher Weise gelehrt, wie sehr auf diesem Gebiete noch 
Bescheidenheit und VorRiehl, zumal in der Abschätzung 
fremder L'rtheilc. am Platze sei? Auf unser Prachtwerk 
aber zurückkommend, so liegt seine eigentliche Bedeu- 
tung in den Bildwerken , für deren Sammlung und 
Wiedergabe sich der nunmehr betagte Verfasser keine 
Mtlhe verdriessen liess und schon deshalb auf den 
Dank der Gebildeten rechnen darf. Ich wünschte frei- 
lich eine ungleich grössere Zahl dieser wichtigen Denk- 
miller reprodueirt, da »vir daran noch so empfindlichen 
Mangel haben, begrtlsitc jedoch die Leistung E. F ö r s t e r's 
als eine unter den gegebenen Umständen höchst ver- 
dienstliehe und werthvolle Gabe fllr die Förderung der 
noch vcrhiiltnissniiissig jungen Kunstwissenschaft. 

Dr. Metttnn: 

Das Kaiserhaas zu Öoslar. 

Vortrag, gehalten iu der IV. Hauptversammlung 
des Harz -Vereins fUr Geschichte und Alterthumskunde 
am 30. Mai 1*71 zu Goslar, von dem die Bestaunt 
tion des Kaiserhauses leitenden Architekten Adelbert 
Bötzen. Mit einer Steinzeiehnung und fllnf in den Text 
gedruckten Holzschnitten. Halle, Buchhandlung des 
Waisenhauses. 1K72, x°. 

Der Inhalt dieses interessanten Vortrages ist im 
wesentlichen mit Folgendem bezeichnet: Den ältesten 
Profanbau Deutschlands zeigt das Kaiserhaus, die stren- 
gen , einfachen Formen des früh romanischen Styles, 
deren Charakter ein tiefer Anhauch des antiken 
Geistes noch beeinflusst. Hier hielt Heinrich III. iu aller 
Macht und Herrlichkeit Hof, jener Kaiser, unter dessen 
Scepter das deutsche Beieh seine grösste Territorial- 
ausdehnuug genommen hatte, der in Liedern geleierte 
König, gen. Henricus niger, er hat es gegründet im 
Jahre 10Ö0. In seinen Mauern erblickte der vierte dieses 
Namens, der hochbegabte bewundernswert he Fürst, das 



Licht der Welt, zum Aufenthalte diente es auch dem 
treulosen Sohne gleichen Namens, in dessen Gemach 
hier einst der Blitzstrahl schlug, so dass das Reichs 
schwert von dem himmlischen Feuer schmolz. Den Haupt- 
theil hiblet der Saalbau, die Curie, an welche südlich 
und nördlich zu Wohnräumen bestimmte Flügel stossen, 
welche mit jenem Milteltraetc ein langgestrecktes Oblon- 
guin bilden. Dasselbe ist jedoch schon in ältester Zeit 
mit mehreren Anbnutcn versehen gewesen. An die süd- 
östliche Ecke des südlichen Wohntracleg schliesst sich 
die I'lrichscapelle, doch ist der Wohnrlügel selber heute 
nicht mehr vorhanden. Senkrecht auf das ganze Oblon- 
gum, ferner an der Westseite, und zwar dort wo der 
Saalbau und der erhaltene nördliche Wohnraum zusam- 
mentrafen, stiess ehedem ein Anbau uach dem Hofe und 
verband so das Hauptgebäude mit der gleichfalls ver- 
schwundenen Liebfranenkirche. Dem Saalbau schräg 
gegenüber, jenseits des Hofes, steht noch heute das 
Ocbäudc der Stallungen; es war mit jenem, wo sieh seine 
Fronte dem Haupt bau ganz annäherte , durch einen 
Thorbogen verbunden. Auf der andern Seite, an der öst- 
lichen Fronte, fuhren zwei Freitreppen zu den an seinen 
Enden angebrachten Portalen des Saalbanes iu das 
Obergeschoss empor. An dieser Seite breitet sich auch 
noch eine Plattform vor dem Ocbäudc bis /tun Bande 
des Hügels, des sogenannten Kaiserbeetes aus. auf der 
der ehrwürdige Palas steht . während an der Nordseitc 
derselbe gleichwie die Frauenkirche sieh unmittelbar 
Uber dem Bande erheben. Über diese Anhöhe führt ein 
grossartig angelegter Trcppcnweg in zahlreichen Ab- 
stufungen, geradlinig, jedoch nicht senkrecht auf die 
Facadc des Gebäudes zu demselben empor. An dem 
höchsten Punkte dieses Weges stand des Kaisers Bich- 
terstuhl. wo der höchste Fürst des Meiches sub divo 
Becht sprach und nach den uralten Harzer Berggesetzen 
eines der drei Forstgerichte jährlich hielt. Am Fasse 
des Hügels und der Treppe angekommen, hatte man, 
nach der Angabe der Chronisten, einen kleinen Platz 
vor sieh, welchen ein grosses, mit HieKScmlem Wasser 
gefülltes Metallbecken einnahm : jenseits desselben 
gelangte man sodann vor den Dom. der nun auch spur- 
los versehwunden ist. Auch dieser war eine Schöpfung 
Heinrich'» III. und stand mit seinem westlichen Thürme- 
paar der höhergelegenen Burg gerade gegenüber. 
Zwischen den Thürmen lag eine Vorhalle (jiaradiBns) 
mit Bundbogenportal; es gehörte ein Complcx von zahl- 
reichen Gebäuden, auch ein Kreuzgang zu diesem (iottes 
hause. 

Der Gesammteindruck all' dieser Bauten in ihrem 
ersten , keuschen Stylcharakter, DUM ein erhebender 
gewesen sein. Von der kttnslerischen Ausstattung des 
Domes, der Liebfranenkirche und der Treppenanlage 
können wir uns kein Bild mehr entwerfen, doch beweist 
der Saalbau und die Ulrichscapelle in hohem Masse 
die edle schlichte Weise ihres Meisters, eines Künstlers, 
dessen Namen uns die Geschichte auf bewehrt hat. Die 
GrUudungszeit des Kaiserhauses von Goslar ist jene 
herrliche Periode deutscher KunstblUthe, die iu gewissen 
Hinsichten vielleicht die erfreulichste in der Kunst- 
geschichte unseres Vaterlandes heissen darf, als unter 
dem begeisterten Protectorate der Kaiser, Fürsten und 
zahlreicher Bischöfe schier jedes Kloster eine umfassende 
Schule aller Kunstzweige war , in der vom riesigen 
Dome bis zur winzigen Beliqoiencapscl alles zum Bc- 



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CXXXVI 



darfe des höchsten Dienstes geschaffen wurde, alles ent- 
stand auf «len Impuls der reinsten Gottesliebc , welche 
jene ernste. Zeit so vollständig durchdrang und den 
schönsten Ausdruck in jenen würdigen, einleitenden 
Worten der Schcdula des Mönches Thcophilns fand, 
dessen Kunsthuch ich aus guten Gründen mit diesen 
Bestrebungen an den deutschen Bischofssitzen des 
XI. Jahrhunderts in Verbindung bringen zu müssen 
glaube. Zögling einer solchen Schule war auch Benno, 
von Geburt wohl ein Schwabe, den der Kaiser aus dem 
Kloster Hirschan kommen lies«. Seine Kenntnisse im 
Baufuche brachten ihn nicht nur durch das. was er am 
Kaiserhause leistete, hoch in Ehren, noch bedeutender 
wuchs sein Ruhm, als Benno in .Hildesheim die Kirche 
des Moritzklosters in dieser Stadt vollendete, in deren 
Anlage die süddeutsche Form der reinen Säulenbasilica 
in Nicdorsaclwen zum erstenmal angewendet erseheint. 
Die Feinheit der Theile und die edle Erfindung, welche 
diese Schöpfung ziert, begegnet uns wieder in des Ktlnst 
lers Werke zu Goslar. 

Der Saalbau ist eine der ältesten von jenen 
Palnisaulagcn, welche dann in deti romanischen Schloss- 
banten von Gelnhausen, Mtlnzenberg, Seligenstadt, aber 
auch in französischen Profnubautcn dieser Zeit wieder- 
kommen. Der Verfasser weist mit Recht auf nthd. 
Dichtungen und deren Schilderungen der Burgen hin, 
in welchen namentlich die Freitreppen, die zum Saal 
im Stockwerk hinaufführen, besonders erwähnt werden. 
Der vom Nibelungenliede genommene Beleg lässt sieh 
aber vollkommen passend Iiis in die Details durchführen ; 
ich begnüge mich diesmal zu bemerken, dass ich beim 
Excerpiren der Kunstbeiträge altdeutscher Gedichte 
immer wieder auf diese Snalanlnge mit den Treppen 
gestossen bin. Das Parterregeschoss war am Kaiser- 
hause ohne architektonischen Schmuck, das Obcrgc 
schoss aber öffnete sich in sieben gTosseu Fenster- 
Stellungen nach aussen, deren jegliche aus drei gekup- 
pelten Kundbogenfenstern gebildet war; das mittelste 
erreichte mit seiner ganzen Höhe das Dach und hatte 
in einem Giebelnufbau dieses Daches noch ein ebenfalls 
drcithciliges Oberlicht. Im Innern trugen Säulen die 
Decke ; merkwürdig ist das Vorhandensein von unter- 
irdischen llei/.ungsvorrichtungen , welche Hotzen ent- 
deckte ; seit dem Memoratorium der Commaein'seheu 
Bauleute aus der Laiigohardenherrschalt erscheinen die- 
selben hier wohl zum erstenmal wieder seit den Tagen 
der Römer. 

Die L'lrichscapcllc endlich ist eine Doppelcapelle, 
das obere Geschoss diente dem Kaiser nls Loge, um 
dem im untern Räume stattfindenden Gottesdienste an- 
zuwohnen. Von besonderem Verständnisse und Ge- 
sehmacke zeugt die Weise, wie die Krenzfonn des untern 
mit der Achteckform des oberen Raumes in Verbindung 
gebracht wurde. Auch dieser Bau verdankt jenem Benno 
seine Entstehung. 

Das Kaiserhaus in Goslar soll aus seinen Resten 
und Ruinen zu erneuter Schönheit erstehen. Die hanno- 
vernnisehe Regierung begann die Restaurationsarbeiten, 
die preussisebe lässt sie in derselben Weise fortfuhren. 
Herr Architekt Hotzen aber scheint uus völlig der rechte 
Künstler zur Durchführung dieser schwierigen Aufgabe 
zu sein , »eine Worte zeugen von einer innigen Hin- 
gebung und Pietät für die edle, alte Art der vaterlän- 
dischen Kunst, sie sind unentweiht von dem in der 



Kunst modernen Vergötteruugsschwindcl des uichtdeut- 
schen, welcher sich von den Abfallbrocken des wälschen 
und französischen Tisches allein laben zu können glaubt. 

Mheii Ilg. 

Archäologischer Atlas kirchlicher Denkmale. 

Mit der Herausgabe des XVII. und XVIII. Heltes 
wird dieses in den Mittheilungen wiederholt besprochene 
und grösstenteils aus denselben entstandene Werk 
nunmehr zum Abschlüsse gebracht. Nahezu sechs Jahre 
waren zur Herausgabe desselben erforderlieh , allein e- 
ist damit hoffentlich dem wissenschaftlichen Publicum 
ein tüchtiges um! branchbares Werk gegeben worden. 
Wenn mau übrigens in Betracht zieht, dass dasselbe 
einen Umfang von hundert Tafeln erreicht hat , wovon 
jede Tutel im Durchschnitt«- zwölf in Holzschnitt aus 
getührte Abbildungen, somit das ganze Werk beiläufig 
1ANJ Illustrationen enthält, so dürtte es wohl erklärlich 
sein, dass zu dessen Vollendung ein so langer Zeitraum 
erforderlich war. 

Über die Tendenz des Werkes haben wir bereits 
Gelegenheit gehabt beim Beginne desselben uns auf- 
zusprechen. Diesem zu entsprechen w urde es aber erst 
dadurch möglich, dass eine nach den Ortsnamen, je 
nachdem sich an den einzelnen Orlen die betreffenden 
Baudenkmale oder mittelalterlichen Gegenstände der 
Kleinkunst befinden, geordnete gedrängte Beschreibung 
der Illustrationen beigegeben wurde. Nicht minder beleh- 
rend ist eine zweite Zusammenstellung der Illustrationen 
mit Rücksicht auf die Art der dargestellten Gegenstände 
geordnet. Diese Zusammenstellung ist um so noth wen- 
diger Hlr das Werk, als bei dessen Herausgabe auf eine 
der Materie nach übereinstimmende Aufeinanderfolge 
der Tafeln nicht Rücksicht genommen werden konnte. 

Wir finden Abbildungen von romanischen Capellen 
auf - Tafeln, von romanischen Unterkirchen auf '2. 
von einschiffigen Kirchen auf 2, von dreischiffigen auf 7. 
von Säulen und Pfeilern auf 10, von Portalen auf 4, von 
Fenstern auf '2, von Friesen auf 2 Tafeln, von Gnrteu- 
trägem (alles dies des Tomanisehcn oder des s. g. Iber 
gangsstyles') auf 1 Tafel. Vom gothischen Style wurden 
für Capellen 1, für einschiffige Kirchen 4, für zwei 
schilfige 3, lür dreisehiffige 7, hlr mehrschiffige 1 Tafel, 
ferner für Giirtenlräger ] , für Rippen und Schlnss- 
steine 2, für Pfeiler 3, für Strebebogen 1, für Portale 4. 
für Fenster 5, für innere kirchliche Einrichtung (Orgel 
hUhnen, Emporen, Kanzeln, Taulsteiuc , Sacraments- 
häuschen) ii, für KirehthUrnie I Tafel gewidmet. Bauten 
ans romanischen und gothischen Partien bestehend, 
enthält 1 Tafel. Gothische Lichtsäulen und Marterkreuze 
finden sich auf S, kirchliche Holzbauten auf 1 Tafel. 

Für die Werke der Kleinkunst (Kelche, Reliquiare. 
Kreuze) ohne Rücksicht auf den Styl wurden 15 Tafeln, 
den Deckenmalereien 2 und der Glasmalerei 3, endlich 
den kirchlichen Stoffen 3 Tafeln eingeräumt. 

Indem wir die Ausgabe dieses durch seine Aus- 
stattung mnstergiltigen Werkes mit dem Wunsche be- 
gleiten, dass es allerorts ungeachtet seiner Mängel bei 
fällig aufgenommen werden möge , geben wir uns gern 
der Erwartung hin, dass recht bald ein zweiter Theil 
neben der kirchlichen auch die profane Kunst umfassen- 
der Theil nachfolgen möge. 

. > . ftl • . - 



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CXXXV1I 



Die Hypnerotomachia Poliphili. 

Wir haben bereit» iu unseren Mittheilungen zwei- 
mal Gelegenheit gefunden, auf das ganz besonder)* 
anzuempfehlende Unternehmen einer Herausgrabe von 
Quellenschriften für Kunstgeschichte und Knnsttcchnik, 
das von einem Vereine von Fachgenossen mit dem hoch- 
verdienstlichen Dircctor v. Eitelberger an der Spitze 
durchgeführt wird, aufmerksam zu machen. Es war 
diess kurz nach dem Erscheinen des ersten Bandes, der 
Uber C'ennino Cennini handelt, und des /.weiten Bandes, 
der die Gespräche Uber Malerei von Lodovieo Dolcc 
behandelt. 

Nun ist dieser Reihe ein dritter Band angeschlos- 
sen worden, der Uber das kunst-historischc Werk der 
Hypnerotomachia Poliphili handelt. Albert Ilg hatte 
dieRC höchst schwierige Bearbeitung auf sich genommen 
und iu Anerkennung der Gediegenheit der Schrift den 
Doetorgrad der philosophischen Facultät zu Tubingen 
erhalten. 

Obgleich wir uns leider nur auf kaum mehr als 
Nennung dieses Buches , mit dem ein höchst lehrreicher 
Beitrag zur Geschichte der Renaissance geliefert wird, 
beschränken und vorbehalten müssen , in nächster Zeit 
auf den Inhalt dieses Werkes ausführlich zurückzukom- 
men, so darf doch die so anziehende und priieise Schreib- 
weise, an deren Hand insbesondere der enteren Ab- 
schnitte der Leser in die Materie des Buches eingeführt 
«ird, nicht unerwähnt bleiben. Das zu Beginn des 
XV. Jahrhunderts in über Italien herrschende oder 
eigentlich wieder aufwachende humanistische , künstle- 
rische und kunstsehriftstellerische Leben wird in weni- 
gen , aber kräftigen Strichen vollkommen genllgcnd 
gezeichnet, um den Leser die damalige Situation klar 
zu machen und ihn auf das Erscheinen der in der Auf- 
schrift genannten Schrift vorzubereiten. 

In dem Uberaus langen und umfangreichen Origi- 
nale Werke, das 14ii7 lateinisch geschrieben, 14!»!» in 
populärer, gemeinfasslichcr Form italienisch veröffent- 
licht wurde, finden sich gleichsam, wie Dr. Ilg sagt, 
als ein Einfall eines begabten und Uberaus gewandten 
Künstlers, Bojardo's, so hiess der Verfasser , all die 
künstlerischen und wissenschaftlichen Richtungen, in 
denen man sich damals abgesondert erging, als Poesie, 
Rhetorik, Alterthumskunde nnd Knnsttheoric in einem 
C'ompemlium vereinigt. Die Hypnerotomachia ist der ente 
Kunstroman im modernen Sinne, ein Sehatz gründlicher, 
antiquarischer Mittheilungen , das einzige Beispiel , dass 
die Kiinstbegeistemng der Renaissance ihre Anschau- 
ungen nnd formalen Principien durch einen in sich 
selber wirkenden künstlerischen Vorgang darlegte. Sie 
darfein Kiiustroman heissen, insoferne die Kuustthcmatc 
an dem Faden einer poetischen Erfindung erscheinen, 
doch offenbart sieh in dieser Form der lebhatte Drang 
der damaligen Kunstperiode so gewaltig, dass die Haupt- 
sache, d. i. schwülstig langweile Liebesklagc Neben- 
sache , die Nebensache aber zur Hauptsache wird. 
Bojardo hatte von der Antike keinen w ahren Begriff, 
dafllr Wurde er ein erfreulicher Vorbote und seine 
Schrift eine wahre Fundgrube fllr die Kenntnis» der 
ErUh-Renaissancc. Wir wünschen Dr. Ilg zu dieser 
Schrift herzlich Glück und sehen mit grosser Spannung 
seinen weiteren, dem obbenannten Unternehmen gewid- 
meten Arbeiten entgegen. Dr. A". Lind. 



Historische Ausstellung der Stadt Wien. Jahr 1873. 

Aus Anlass der bevorstehenden Weltausstellung in 
Wien heschloss der Wiener Genieinderath, in den Räumen 
des städtischen Pädagogituns eine historische Ausstellung 
zu veranstalten. Diese Ausstellung hat den Zweck, den 
Fremden wie den Einheimischen ein Bild der Entwick- 
lung Wiens von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart 
zu bieten. Bei der Bedeutung, die dieses Unternehmen, 
an dessen Durchführung ausser dem verdienstvollen 
städtischen Archivar Karl Weiss, mehreren Gemeinde- 
räthen. auch die Herren FZM. Ritter v. Hauslab, Hof- 
rath Dr. Birk, Regicrungsrath Ritter von Gamesina, 
Hofrath Becker, A. Artaria u. a. betheiligen, unzwei- 
felhaft hat, dürfte es von Wichtigkeit sein, das datür 
so eben publicirtc Programm unseren geehrten Lesern 
mitzntheilen. Die ausgestellten Gegenstände werden 
nach zwei Gruppen geordnet. 

Erste Gruppe. 1. Die wichtigsten Pläne und 
Ansichten der Stadt, einzelner Stadttheile und interes- 
santer, thcils bestandener, theils noch besteheuder Ge- 
bäude, 2. Abbildungen denkwürdiger Ereignisse, 3. Por- 
träts von Männern, welche sich auf verschiedenen Ge- 
bieten des öffentlichen Lebens iu Wien verdient gemacht 
haben, 4. Zeit- und Costüm- Bilder. 

Zweite Gruppe. 1. Funde und Denkmale aus 
Stein, Holz, Metall u. s. w. f 2. Erzeugnisse von kunst- 
historischem Werthe , A. Rechtsdenkmale (wichtige 
Privilegien und Handschriften), 4. Medaillen auf Wiener 
Begebenheiten und Persönlichkeiten. 

Pläne und Ansichten. Die Ausstellung der Pläne 
und Ansichten der Stadt Wien zerfällt in drei gesonderte 
Hauptabteilungen: a t Pläne der Stadt und Vorstädte 
und einzelner Stadttheile; f>) Gcsammtansichten der 
Stadt und Vorstädte und einzelner Stadttheile ; cj ein- 
zejne, theils noch bestehende, theils bereits abgetragene 

Gebinde. 

Pläne und Ansichten werden chronologisch , die 
einzelnen Gebäude toisigranscb, d. i. nach Strassen nnd 
Bezirken aufgestellt. Ausgenommen bleiben nur Abbil- 
dungen der StaÄtthore und ThUrme, welche mit den 
Gcsammtansichten vereinigt werden, weil sie Bestand- 
theile der Befestigungen sind. 

Die Ausstellung der Pläne wird mit einer Karte 
der Bodengestnlt Wiens beginnen. Daran reihen sich 
Pläne mit der Anlage des römischen Vi ndo bona, nach 
Untersuchungen Sr. Exe. des k. k. Feldzeugmeisters 
F. R. v. Hauslab und des Gustos des k. k. Münz- und 
Antiken-Cabinetes, Dr. F. Kenner, eine Karte der 
römischen Funde auf dem Boden Wiens, der sogenannte 
Zappert'sche Plan und ein Übersichtsplan der allmä- 
ligen Erweiterung der Stadt und Vorstädte bis zum 
Schlüsse des XIV. Jahrhunderts auf Grund der For- 
schungen Sr. Exc. des k. k. Feldzeugmeisters R. v. 
Haaslab. 

Nach dieser einleitenden Darstellung folgen die 
wichtigsten Pläne von 1450 bis zur Gegenwart theils in 
Originalicn, theils in Copien. Die Ansichten der Stadt 
beginnen mit dem Jahre 14*3, die einzelnen Gebäude 
ungefähr mit den Jnhrcn 14ih» und sehliessen mit dem 
Jahre 1878. Mit Rücksicht auf den Zweck der Ausstel- 
lung und die beschränkten Räumlichkeiten wird sich 
bei der Auswahl der Pläne und Ansichten auf die wich- 
tigsten nnd anschaulichsten beschränkt. 



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cxxxvm 



Bei der Auswahl der einzelnen Gebäude wird so- 
wohl der künstlerische, auch der local-historisehe 
Werth im Auge behiilten, wesshalb nicht nur monumen- 
tale Hauten. .Hindern auch kleinere unscheinbare Ge- 
bäude, wenn nie ein historische« Interesse bieten, oder 
über die ältere Bauart der Wohnhäuser und deren 
innere Beschaffenheit Auf'schlus* geben, zur Ausstellung 
geeignet .sind. 

Denkwürdige Ereignisse. In diese Gruppe 
fallen die Darstellungen aus der ersten und zweiten 
Türkenbelageruug, Seenen aus den beiden französischen 
Invasionen, llotfeste, Einzüge, Huldigungen, Hochzeit*-, 
Gehirns- und Lcichenfeiorlichkciteii, Uberseliweuiuiungs 
Seenen und andere Darstellungen. Die Anordnung die 
ser Darstellung erfolgt in chronologischer Itcihcufolge. 

Porträts. Die Porträte umfassen die hervor- 
ragendsten Männer auf den verschiedensten Gebieten 
des Öffentlichen Lebens, welche hier gelebt und sich um 
die Stadt verdient gemacht haben. Ks werden daher auf- 
genommen: die Porträte von Staatsmännern. Militärs. 
Geistlichen. Bürgermeistern, Stadtrichtern, Kathsherrcti, 
Gelehrten, Künstlern, Schriftstellern , Dichtern , Indu- 
striellen u. s. w. Die Porträte noch lebender Personen 
sind ausgeschlossen. Die Aufstellung der Porträte wird 
gruppenweise innerhalb gewisser Zeitabschnitte vorge- 
nommen. 

Zeit- und Costüm - Bilder. Die Zeit- und 
Cost Um Bilder bringen das Wiener Hof- und Volksleben, 
insoweit es sich in Abbildungen erhalten , zur Darstel- 
lung. In diese Gruppe fallen daher die CoslUme und 
Trachten des kaiserlichen Hofstaates und der einzelnen 
Stände, insbesondere der BUrgerwehr. ferner Volks- 
feste und Volksbelustigungen, Seenen aus dem Volks, 
leben, Allegorien und sutyrischc Bilder. Die Anordnung 
erfolgt nach einzelnen Kategorien und innerhnlb der 
selben chronologisch. 

Funde und Denkmale aus Stein, Holz. 
Metall u. s. w. Wie bei den bildlichen Darstellungen, 
werden auch bei den Funden uud Denkmalen aus Stein. 
Holz uud Metall solche Denkmale, welche vorwiegend 
ein cullur-historisches Interesse für Wien hal>cn . in die 
Ausstellung aufgenommen. Hiezu gehören: Wichtige 
Denkmale aus der Könierzcit. Gcräthe und Gcfässc. 
Schmuck- und Ziergegunstände. Embleme . (uslruiuente 
n. s. w., welche von der Gemeinde, von den Zünften 
und anderen Corporationen bei bestimmten Anlässen 
im Gebrauche waren. 

Erzeugnisse von k unst Ii i s t o r i s eh e in 
Wert he. In diese Gruppe werden solche Gegenstände 
eingereiht, welche Zeugniss geben von den Anfängen 
der Kunst und des Kunsthandwerkes in Wien. Siegel 
der Zünfte und alter Bürgerfaniilieu (Originalien und 
Abdrücke), Sculpturcn und Malereien, Stiche. Holz- 
schnitte, Lithographien, Photographien der ersten Zeit. 
Wiener Drucke und Bltehereinbände der ältesten Zeil. 

Rechtsdenkmale. In diese Abtheilung fallen: 
1. Die wichtigsten Stadtrechtc der Gemeinde, die älte- 
sten Wiener Urkunden, 2. wichtige Handschriften, wie 
das Eisenbuch , das Buch der Zünfte und Handwerke. 



Exemplare der ältesten Siadtrechnungen . Ratlishürher 

u. s. w. 

Medaillen und G eden k m ü u /. en. Bei der Aus- 
wahl der Medaillen und Gedenkmünzen wird der Stand 
punkt festgehalten , dass sich dieselben nnr auf denk- 
würdige Ereignisse, deren Schauplatz Wien war. und 
hervorragende Persönlichkeiten , welche in Wien gelebt 
und sich um die Stadt \ erdient gemacht, beziehen 
dürfen. Die Medaillen werden thcils in Originalicn. thcils 
in Abgüssen, und zwar in chronologischer Reihenfolge 
ausgestellt. 

Mil der Ausstellung von Plänen und Ansichten soll 
gezeigt werden, wie sich nlhnälig Wien . diese Vor- 
mauer der deutschen f'ultur. dieser mächtige Mittel 
punkt iles österreichischen Staates, immer mehr ver- 
größerte, bis es durch sein ununterbrochenes Anwach- 
sen und Gedeihen zur Bedeutung einer europäischen 
Grosssladl gelangt ist. Die Einbeziehung der übrigen 
historischen Denkmale und Erinnerungen in die Aus- 
stellung soll einen Hinblick in das Gullurleben Wien s 
gewähren, die Liebe uud das Interesse an dessen 
durch Bürgersiun und Vaterlandsliebe reichen Vergan- 
genheit fördern und die Erinnerung an jene Männer, 
welche Wien zu Stolz und Zierde gereichten, neu bele- 
ben. Wenn dieser Zweck aber auch erreicht und die 
Ausstellung so vollständig und reichhaltig wie möglich 
werden soll, bedarf sie einer vielseitigen, aus einem 
regen Gcmciiisimi hervorgehenden l'nterstlttzung und 
Förderung. Einen reichen Stoff werden wohl die öffent 
liehen und Privatsaiiiiulungen bieten. Mancher werth 
volle Gegenstand wird sieh aber noch als theures Erbe 
der Vorfahren im Familieubcsitze vorfinden. Ks hat 
sich daher der Gemeiudcratb nicht nnr an die Besitzer 
und Vorstände öffentlicher Sammlungen, sondern auch 
an Privat - Institute und Private in- und ausserhalb 
Wiens mit der Bitte um Einsendung von Gegenständen, 
welche sich zur Aufnahme in eine der vorerwähnten 
Aufhellungen eignen, gewendet und wir wollen hoffen. 
dasH diese Bitte vom besten Erfolge begleitet wird. 

Die Objecte werden unter dem Namen des Eigen 
thümers ausgestellt, und werden für die unversehrte Er- 
haltung und unbedingte Sicherheit der eingesandten 
Gegenstände die umfassendsten Vorkehrungen getrotVen 
werden. Die Einsendung. Auspaekung und Aufstellung 
der tiegenstände, sowie die Rücksendung der ausge- 
stellten Gegenstände geschieht auf Kosten der Gemeinde. 
Über die sämmtlichen in der Ausstellung vorhandenen 
Gegenstände wird ein erläuternder Katalog ausgegeben 
werden. Mündliche und schriftliche Anmeldungen von 
zur Ausstellung bestimmten Gegenständen werden in 
der Zeit vom I.Juli bis Ende Decembcr IH72 entgegen- 
genommen. Die Einsendung der angemeldeten Gegen- 
stände , insofeme dieselbe nicht gleichzeitig mit der 
Anmeldung erfolgt, hat vom 1. März bis Ende April IK7.'! 
zu geschehen. Gegenstände, welche die Ausstellung« 
Comtnission zur Aufnahme nicht geeignet erkennt, wer- 
den noch vor der Eröffnung der Ausstellung zurück- 
gestellt werden. Die Ausstellung wird am 1. Juni I87S 
eröflnet und Ende September 1*7:'. geschlossen. 



MM. Or >.,! tan« - Sr. . I-, k « M*' „•< MWM** .. WIM. 



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(XXXIX 



Die Kirche sammt Karner zu Friedersbach 



IM» 0 II. I«.rl,i,iil«i, 




ri«. 1. 

Die Kirche dicseB im Viertel Ober- Mannhnrtsbcrg 
bei Zwettel gelegenen Orte», die dem heil. Lauren- 
tius geweiht ist (Fig. 1), gehört in ihrer ursprünglichen 
Anlage dem romanischen Style an. Sie hatte ehemals 
ein hohes aber flach gedecktes Mittelschiff nnd niedrige 
Abseiten mit halbrunden Altarnisehcn. Doch sind durch 
ungeschicktes Umhauen die alten Formen fast vollständig 
verwischt. Das Mittelschiff (Fig. 2). das 4'/, Klftr. hoch 
ist, ist mit einem Netzgewölbe bedeckt, dessen Rippen 
beim Anlaufe frei ansetzen. Die Hippen des dop|>clten 
Kreuzgewölbes im rechten Seitenschiffe, das ans drei 
Jochen besteht, ruhen links auf Consolen, rechts wach- 
sen sie aus dem IMeilcrvorsprunge heraus. Dieses Sei- 
tenschiff ist noch mit der halbrunden Apsis abgeschlos- 
sen. Das linke Seitenschiff besteht ans vier ungleichen 
Jochen, die mit einfachen Kreuzgewölben Überdeckt 
sind, deren Rippen auf Consolen aufliegen. Dieses Schiff 
ist gegenwartig gerade abgeschlossen, wahrscheinlich 
musstc die Apsis dem Sacristei-Anbauc weichen. Beide 



Seitenschiffe hnhen eine Hohe von J Klftr. 4 Fuss. An 
das linke Seitenschiff wurde in neuerer Zeil eine Ca- 
pelle angebaut. Der &•/, Klftr. hohe Chor, ein einfacher 
frtlhgothiseher Bau, icigl reine gothisehe Formen. 
Die reich prohlirten Rippen der einfachen Kreuz- 
gewölbe ruhen auf DreiviertelsHulehen , die mit 
Fuss und CapitUl versehen sind. Die Vermittlung 
des Chors mit dem Langhausc wird dnreh einen 
reich profilirten Triumphbogen bewerkstelligt. Der 
Chor besteht nus zwei ungleich grossen Jochen und 
dem aus dem Achteck gebildeten Chorschlnsse. 
An der linken Seite des Hochaltars befindet sieh 
das Sacramcnts-Hauscheu, eine einfache viereckige 
Wandnische mit einein Giebel, der wie das Viereck 
durch ein schönes Profil umsäumt ist. Die Nische 
wird durch ein sehr hübseh gearbeitetes Eisen 
thurchen verschlossen. (Fig. .'!.) Die Fenster des 
Presbyteriums sind noch gut erhalten und mit 
Fenstennasswerk von edlem Style geziert. Man 
findet da den Drei- und Vierpass u. s. w. Die 
Aussenseite der Kirche bietet nur wenig bemer- 
kenswerthes, wie z. B. die beiden einfachen 
Sirehepfeiler am rechten Seitenschiffe, und die 
zweimal abgestuften und mit einer einfachen Sehrage 
endigenden Strebepfeiler des Presbyteriums. An deren 
zweitem finden sich sehr schadhafte Sleinrelicfbildcr j 
an der Ausscnwand Spuren von Fresken , eiu hei). 
Christoph und ein Crucifix. Der Eingang fuhrt von der 
Facade in das rechte Seitenschiff der Kin-hc, ist jedoch 
einfach und mit einem kleinen Vorbau versehen. Der 
Thnrm ist der Mitte der Facade angebaut und in seinem 
oberen Theilc ein Bauwerk neuerer Zeit. 

Der am meisten zu beachtende Schmuck der Kirche 
besteht in deren bunten Glasfenstern, die leider äusserst 
defect sind. Sie haben dadurch sehr gelitten, dass man 
vor circa 35 Jahren die Tafeln aus dem mittleren Chor- 
fenster, wo sie sich vollständig befanden, jedoch durch 
den grossen Altar im Barockstyl verdeckt wurden, in 
die beiden leeren Fenster an der Seite des Presbyte- 
riums versetzen liess «. Zwei Tafeln zeigen die Stifter, 
schlichte Männer, in betender Stellung; bei einem steht: 
her Kndolt 14<>9 ; dann mehrere Heilige, wie Leonhard. 



I 





Fl*. 2. 



Fi(C 3. 



1 Mit ficntlutiog du Anmfcen dN Frrlh. ». **eko» Fiber dl««« Klrrb. 
<Ütrl<hte de» WUnsr Altenhumi • Vereinet V. 1011 und «l»lftr Noll*» de» 
fc. k. <?m»ervalor» Rniner, nieh deMtrt Aufnahmen dl* beigegeben*!) Zeich,- 
ninjcftt Aticrfenigt «urtlm 

XVII 



2 IrivM Arbeit beftonrt* «Ii UlitennoUter tob Jt»eitl, der, w|* -t. i, «Ji* 
«Jteti lj»Mta In Frlcdsrebkch cut erinnern, »kh »eilet uDcblcm befand. K» i»t 
deranAeli betfrelileh, J»*i er vtrvQarele und verdirb, Abwahl er nti.n<h*>» 
Cut mteliie and ein tetekUektar Mme-h ve««»ea i«la dürfte 



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CXL 





Magdalena, Barbarn, Helene, schlanke edle Gestalten 
mit emph'ndungsvoll gezeichneten Köpfen, ferner ein 
heil. Christoph und Maria mit dem Kinde in der Glorie, 
Christus am Kreuze, dabei ein Scherge mit dem 




Fl« 




Fi* .V 



Schwämme, eine phantastische Figur, dann 
der Apostel Mathias, endlirh eine sehr siini- 
reiehe Darstellung: der Kaum de» Para- 
dieses, darauf Gott Vater, am Stamme 
das Christkind, auf da* die Taube herab- 
schwebt, daneben die hl. Maria, mit einer 
Krone am Haupte und mittelst einer am 
Anne befestigten Kette mit den Baum in Verbindung 
gebracht, hinter Marien ein Kugel, um den Baum iniui- 
cirende Engel. (Fig. 4 und 5.) Diese Bilder /.eigen 
den ausgezeichneten Styl des XV. Jahrhunderts . leine 
Köpfe, stark gebrochene Falten. Freiheit in Stellung 
und Bewegung. Die Farben sind frisch und klar, aber 
nicht sehr intensiv. Das Kehl hinter jeder Figur ist mit 
zierlichen Dessins geschmückt. Hin Kenstcr zeigt die 
Inschrift : hie Chadolt ipii liabitu canonici pictus et 
hahens pro Insigni (einen Drachenfuss Kig. fi) ; ein 
anderes: l'lricus Oder cum tixore sua r pro Insigni habet 
(eine Hellebarde). Ausser 
diesen Bildern gibt noch 
eine Inschrift an der Aus 
seuseite des einen slldli 
eben Cborpfcilers llher die 
Bau- und Ausschnitte kungs 
zeit desChores Aufschluss; 
sie lautet: Chadolt Pleba- 
nus Ulricus Ödr fratres 
fundatores hujus operis 
anno domini ItCCCCVM 
compleverunt hoc opus. 
Also der Pfarrer Chadold 
und dessen Bruder Ulrich 
ans der Familie Oder haben den Bau begonnen, der um 
14<ix vollendet wurde. 

Die Pfarre selbst wurde um l'JM gegründet, Hugo 
Turso von Lichtenfels erscheint in der darüber ausge- 
stellten Urkunde als Zeuge. Das Stiftnngsbuch von 
Zwettl nennt um 12t»3 dessen Oheim Hartling als 
Pfarrer daselbst. 

Slldlich von der Kirche auf dem Friedhofe steht 
eine interessante Rundcapelle (Fig. 7 u. 8), die, obwohl 
dem XIV. Jahrhundert angehorig, dem Typus der runden 
Grundform, die derlei 
aus der romanischen 
Zeit stammende Bauten 
haben, beibehält. Am 
Hanptraum sind statt 
der sonst gewohnlichen 
Halbsäulen ftlnf ganz 
einfache Strebepfeiler 
aufgebaut, Uber deren 
blos aus Kehlleisten be- 
stehenden Dachgesimse 
kleine Giebel, zwischen 
denen ein ungemein 
hohes , aus Quadern 
gebautes Kegeldach 
aufsteigt. Die zwei 
schmalen Fenster sind 
spitzbogig, das Portal 
hat geraden Sturz. Im 
Innern ist die Capelle 
kuppelartig Uberwölbt , 
ebenso die halbrunde ffe s 




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CXLI 



Apsis. Der Altnrstein und die gemauerten Sitze an den 
Wänden sind noch erhalten. L'nter der Capelle ein 
Gruftraiitn niit dem Einlange unter der Apsis. Die 
Capelle war ehemal»» bemalen, wie einige von der 
Tünche blossgelegte Stellen zeigen. Die Nimben der 
Heiligen scheinen plastisch gewesen zu «t ili. 



Prudentius und die altchristliche Kunstübung im 
IV. Jahrhundert. 

Die neuere Richtung unserer kunsthistnrischcn 
Forschung, die es sich zur Anl'gabe gemacht hat, 
archäologische , kunstgesehichtliehe und ästhetische 
Fragen im Bereiche der mittelalterlichen, sowie der 
Renaissance-Kunst aus den gleichzeitigen Schriftdenk- 
mälern zu illustrircn uud daraus neue Gesichtspunkte 
und Beitrage zu gewinnen, bat in einem so eben erschie- 
nenen Buche eine werthvolle Forderung gefunden, ob- 
wohl dieses Werk in erster Linie nicht vom Standpunkte 
da Kunstfnrschers, solidem des Theologen und Literar- 
historikers ahgefasst ist. An diesem Orte dürfte eine 
Hesumirung der daselbst enthaltenen, kunstgcsehichtlich 
wichtigen Erörterungen um so mehr am Platze sein, 
als, wie gesagt, die sehr verdienstliche Schrift uicht 
eigentlich eine kunstwissenschaftliche Arbeit ist, ferner 
aber, indem die Ergebnisse ihrer archäologischen Unter- 
suchungen ein völlig neues Licht Uber einzelne Partien 
jener noch tief im Dunkel gehüllten Knnstperiode her- 
beischaffen. Wir sprechen von dem Werke: Aurelius 
l'rudentius Clemens in seiner Bedeutung für die Kirche 
seiner Zeit. Nebst einem Anhange: die Übersetzung des 
Gedichtes Apotheosis. Von Clemens Brockhaus. Leip- 
zig, F. A. Brockhaus 1S72, 8*. 

P r u d e n t i n *, ohne Frage der bedeutendste Dichter 
der römischen Kirche in jener Zeit ihres siegesfrohen 
Aufblühens nach dem überstandenen blutigen Frühlinge 
der Katakomben- uud Märtyrer-Periode, hat bis auf den 
heutigen Tag fast ununterbrochen in den Kreisen »Icr 
Kirche wie unter den Freunden alter Dichtung die 
jfebUhrende Würdigung erfahren. Das Mittelalter zählte 
seine Hymnen und Märtyrer- Lieder unter seine Lieblings 
Lt-ctüre, man fand sie damals in den Händen der best- 
gehildetcn Jünglinge fürstlicher Abkunft an den Kloster- 
sehulen: zahlreiche Glossen und Ausführungen, auch 
selbst Miniaturen in den Handschriften seiner Werke 
zeugen von dem Interesse , das man au denselben 
genommen. Die Kirche würdigte den Dichter der Ehre, 
einzelnen Stellen aus seinen Gedichten, wie dem auf 
den bethlehemitischen Kimlenuord gedichteten Salvete 
florct} martyrum im Breviarium Romunum einen Platz zu 
gönnen und ihre Schriftsteller Indien siehbis in die Neu- 
zeit mit ihrem Lobe selbst bis zu den Übertreibungen, 
ihn Horaz uud Virgil gleichzustellen, verstiegen. Eine 
tiefe ernste Begeisterung für die streng orthodoxe 
Glaubensrichtung der abendländischen Kirche, die 
wie ein Engel des Zornes den Heiden und Häretikern 
entgegentritt , dabei die reichste Phantasie und eine 
Uberaus klare, plastisch bestimmte Darstelluugsweise 
sind seine Vorzüge. Der Christus - Glaube , der in 
seiner Zeit sieh in ungetrübter Siegesfreude als Welt- 
herrscher fühlen durfte uud durch die That Constantin's 
aus »lein verfolgten und verachteten Aberglauben zur 
alleingeltcnden Religion geworden war, hat in Prüden - 



tius auf dem Gebiete der Poesie einen eben so bedeuten 
den Vertreter gefunden, als in den gleichzeitigen grossen 
Priestern wie Ambrosius oder Paulinus von Nola. Durch 
die Schriften »lieser aller geht das stolze freudige Stre- 
ben, die Triumphe der Kirche in der Darlegung »1er 
Göttlichkeit , der ewigen Majestät ihres Stifters zji 
motiviren und zu verherrlichen. Die Zeitlage war dazu 
augethan, dieses jnbelvolle Bewusstsein in den Schritten 
zum vorherrschenden Klange werden zu lassen, denn 
«lie römische Kirche ruhte nun auf gesichertem Grunde, 
von Osten »Irangen die Stürme des Zwiespaltes noch 
nicht herüber, im Abcndlandc aber durfte sie sich als 
Erbin der Weltherrschaft fühlen, welchen stolzen Gedan- 
ken die in schwachen Kaisern vertretene Staatsgewalt 
girr wenig störte. Erst Roiu's Sturz durch die Völker 
<lcs Nordens machte »liesem Traume ein Ende; in der 
Epoche unseres Dichters trübte noch kein Sclmtten die 
Siegesfreude der Anhänger des neuen Glaubens, seine 
Gesänge sind das Spiegelbild davon. In <len polemischen 
Schriften, der Apotheosis, welche die orthodoxe Lehre 
des Verhältnisses des Sohnes zum Vater verlheidigt, in 
der gegen die Irrlehre de« Marcion vom Detniourgos 
gerichteten Haniartigencia, endlich in »leu beiden Büchern 
gegen den Präfecten Synimachus, welche den letateii 
schüchternen Forderungen des ersterbenden Heiden - 
thums mit geharnischten Worten die Berechtigung ab 
sprachen, in all' diesen durch die Zeitereignisse her 
vorgerufenen Dichtungen finden wir den Ausdruck des 
allgemeinen siegreichen Bewnssiseins der einmaligen 
Kirche. 

Daneben aber verdanken wir dem Dichter noch 
eine grosse Zahl anderer Poesien, die von diesem offen- 
siven Charakter frei sind, zugleich auch keiner äussern 
Gelegenheit, sondern der überkommenen Begeisterung 
des Sängers allein ihre Entstehung schuhten. Nicht nur 
an dichterischem Werth überragen sie jene ausführ- 
lichen Polemiken, deren Hauptinhalt, dogmatische Sätze, 
der Poesie aller Zeiten kein günstiger Stoff gewesen 
sind; auch vou unserem in diesen Blättern geltenden 
Standpunkte haben sie grössern Anspruch auf eine 
etwas genauere Betrachtung. Es sind das die folgenden 
Dichtungen: Kathemerinon. eine Folge von zwölf Hym- 
nen, welche »lie Zeiten und Vorgänge des Tages im 
(leiste christlicher Andacht nnd Betrachtung feiern: die 
vierzehn Märtyrer-Gesänge Pcristcphnnon ; endlich Dit- 
tochaeon, ein aus 41» Tetrastichen bestehender Abriss 
der biblischen Geschichte de* allen und neuen Tcsta 
raentes. 

Der Verfasser hat in den beiden Cupiteln seines 
Buches: die archäologische Bedeutung des Pruileutius, 
nn»l: Uber Zusammenhang und Tendenz der alt-ehrisl 
licheu Poesie nnd Kunst , mit unendlichem Fleisse 
zusammengestellt, was die Wechselbeziehung »1er gleich 
zeitigen bildenden und der Dichtkunst in den Gedichten 
des l'rudentius zu erweisen geeignet ist. Aus allein 
geht herwtr, dass die Beschauung »1er Katakomben 
gewölbe den grössten Eiuiluss ausgeübt haben inuss, 
die künstlerische Ausschmückung jener merkwürdigen 
Räume, die er wahrscheinlich in der Zeit besucht haben 
wird, als ihr Cult durch das Zusammenströmen zahl 
loser Wallfahrer in Flor stand und die Restaurations- 
Arbeiten des Papstes Dnniasus in Betrieb waren. Der 
Verfasser hat tiaidigewiesen , dass diejenigen Personen 
und Scenen aus der beil. Schrift, «lie der Dichter mit 



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CXLII 



Vorliebe in seinen 1 • esängen anfuhrt , ausmalt und 
wiederholt feiert, eben jene sind, welche die damalige 
bildende Kunst sich zu Gegenständen erwählt hat. Es 
wird gezeigt . dass sowohl Poesie als bildende Kunst 
des Christenthums zur Zeit de* Dichters sich bereits 
ajif einer andern Stufe befanden, als in den Tagen der 
Verfolgung. Wahrend damals die von allen Seiten 
bedrohte und gefährdete Kirche ihre Existenz so viel 
wie möglich in ein Geheimnis« hllllen inusste und dem- 
gemUss auch ihre wichtigsten Glaubensbegrift'e nur unter 
mystisch-symbolischen Zeichen den Vertrauten andeu- 
ten konnte, der Welt gegenüber jedoch zn verbergen 
gezwungen war, tritt sie nach ('«lustantin ungescheut an 
die Darstellung zahlreicher biblischer Ereignisse heran, 
schildert dieselben in der wahren Weise ihres Verhalts 
und bedarf der Symbole nicht mehr, die in Folge 
dessen auch seltener werden, nm im Laufe der Zeit 
zum grössern Theile ganz zu verschwinden. Dieser Ver- 
änderung entspricht nun des l'rudentius Art und Weise, 
wie er die religiösen Stoffe in seine Dichtung verwebt, 
vollkommen. Äusserst spiirlich begegnet ein Kczug auf 
jene ältesten Symbole Christi, welche die Grabstätten 
der Katakomben bedeckten, selbst das hervorragendste, 
deu Fisch, erwähnt der Dichter nicht. Dafür herrscht 
ein neues Element in seinen Auffassungen, analog der 
bildenden Kunst: eine historische Darstellung der Ereig- 
nisse. Aber nicht blos darin bekundet sich gegenüber 
der Katakomben -Periode die Neuerung, indem nur dem 
Auge der Frommen die biblischen Geschichten selber 
vorgeführt werden, sondern noch weit mehr durch ilie 
neu aufgekommene Sitte, auch Hegebuissc der jüngsten 
Vergangenheit der Kirche in geschichtlicher Auffassung 
wiederzugeben, l'rudentius beschreibt eiu Gemälde, das 
er in Imola am (trabe des heil. Cassianus gesehen , dar- 
stellend das Märtyrtbum des Heiligen. Dem entspricht 
es, dass Gregor von Nyssa berichtet, man habe die 
Thaten und Tugenden der Märtyrer gemalt, dass in der 
Calixtus-Katakombe da» Verhör der heil. Calocerns und 
l'arthenius abgebildet war, dass man auf jenen gold- 
belegten Glasfläsehchen, Medaillen etc. die Bilder der 
ApostelfUrstcn nnd'anderer Heiliger anbrachte. In Koin, 
berichtet l'rudentius, habe er die Leiden des heil. Hip- 
polyt dargestellt gesehen. Toter den biblischen Seeucn, 
welche übereinstimmend in Gemälden jenes Zeitalters 
wie in l'rudentius' Dichtungen zu Vorwürfen erwählt 
scheinen, sind weitaus die Mehrzahl Darstellungen von 
Wundern, die Christus geübt oder solchen des alten 
Testamentes, die auf ihn Bezug haben, der durchgrei- 
fenden Idee der Zeit gemäss, die Christi Ciöttlichkcit 
unablässig laut zu verkünden und dadurch die Erhaben- 
heit der Lehre zu erweisen trachtete. Hierbei inachen 
wir aber die interessante Beobachtung, dass dem Dich- 
ter jenes eigentümliche systematische Verfahren bereits 
ganz geläufig ist, welches im Mittelalter die ständige 
Art der Zusammenstellung von Stoffen des alten und 
neuen Testamentes wurde und von der Wissenschaft 
als die typologische bezeichnet wird. Isank's Opfergang, 
der brennende Dornhusch, der Durchgang durchs rothe 
Meer, Moses Wasser aus dem Felsen schlagend, Elias 
Himmelfahrt, die Geschichten des Jonas, des Hiob, 
Daniel, der drei Jünglinge im Feuerofen, Tobias u. n. 
erscheinen iu so gemeinter Deutung; noch mehr hat 
aller das Ditlochacon mit seinen Vierzeilcn über Gegen- 
stände des alten und des neuen Testamentes diesen 



Charakter. Ja, es kann kaum ein Zweifel walten, dass 
diese Tetrastichcn etwa« anderes waren als Unter- 
schriften von Gemälden, welche ilie betreffenden Vor- 
gänge der heil. Schrift zum Gegenstande hatten; darauf 
weist der beschreibende erklärende Ton hin, wie denn 
mehrere dieser kurzen Gedichte mit den Demonstratio- 
nen beginnen: Hie pretiosa magi . . .dona ferunt; Ho 
spitium hoc domini est ; Hie lnpus . . . vestitur etc. Einer 
solchen Commentirung bildlicher Darstellnng muss ein 
bestimmter Zweck zu Grunde liegen; wir pflichten dem 
Verfasser gern bei, wenn er denselben im folgenden 
zu erkennen glaubt. Er weist nach, dass bei aller an 
l'hantastik streifenden Fülle der Phantasie des Dichters 
dennoch allen seinen Schöpfungen ein im letzten Grunde 
praktischer Zug innewohnt, durch welchen er sich recht 
als Kind des römischen Geistes manifestirt. Mit allen 
seinen Gedichten will er nützen , den orthodoxen Glau- 
ben durchfechten und vertheidigen, den Kaiser in der 
Gunst für denselben bestärken, Heiden nnd Ketzer 
unschädlich, die Gläubigen aber immer mehr vertraut 
machen mit der Geschichte Christi nnd seiner Blut- 
zeugen. Dies vollbrachte er namentlich in den Hymnen 
Peristcphanon ; in dem Kathemcrinon schuf er eine Art 
Erbauungsbuch für alle Zeiten des Tages als fortwäh- 
rende Nahrung der Andacht. Da ist es nun durchaus 
wahrscheinlich , dass auch jene umfangreichen Partien 
seiner verschiedenen Schriften , welche uns durch die 
l'bereinstimmnng mit dem Bepertoir der gleichzeitigen 
bildenden Knnst überraschen , einem lehrhaften Zwecke 
zu dienen bestimmt sind. Paulinus von Nola spricht 
nämlich davon, dass es noch wenig üblich sei , Kirchen 
mit Bildem auszustatten, eine Sitte, welche er selbst 
in den Gotteshäusern, die er zu Ehren des ihm bo theuren 
heil. Felix von Nola errichtet , im weitesten Masse Ein- 
gang gewährte. Er motivirt diese Neuerung dadurch, 
dass die ungeheuren Scharen von Wallfahrern durch 
den Anblick der Bildwerke einerseits vom Unfug abge- 
lenkt, andererseits die schriftunkundige Menge belehrt 
werde Uber den Inhalt der Offenbarung. Der Verfasser 
schliefst diese Erwägung mit den Worten : „Unter diesen 
entständen wird es uns sehr wahrscheinlich, dass auch 
die Bildwerke der Katakomben, sowohl die Gemälde 
als auch die Sculpturen, diesem Zwecke gedient haben, . 
nnd dass des Prudentius Gedichte in ihrer belehrenden 
Tendenz, mit diesen Bildern das gleiche Ziel verfolgend, 
wo sie nur irgend können, darauf zurückkommen, um 
die durch dieselben nahe gerückten biblischen Vorstel- 
lungen zu erklären und sowohl zur Berichtigung. des 
Glaubensstandpunktes, als zur Bekräftigung dieser oder 
jener sittlichen Pflicht zu verwenden. Es lag das im 
Zeitalter des l'rudentius besonders, nahe, in der die 
eifrige Verehrung der Märtyrer eine grosse Zahl von 
Wallfahrern an deren Grabstätten führte." 

Seit das Christenthum Staatsreligion geworden 
war, sehen wir nlhuftlig eine grosse Anzahl kirchlicher 
Prachtbauten, geziert mit dem Schimmer der Mosaiken, 
entstehen ; am Anfange dieser Neuerung stehen wir in 
des l'rudentius Periode. Daher bieten einige Stellen 
auch willkommene Notizen Uber Basiliken , Uber Mosai- 
ken, über mnsivische Estriche etc. Ganz merkwürdig 
sind die feindseligen Äusserungen gegen die antike 
Kunst im Hymnus des heil. Bomauus etc. 

Das trefflich geschriebene B rock Ii aus'sehc Work 
klärt uns in dieser allgemeinen Weise Uber «las Ver- 



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cxLni 





hältniss des Dichten zur bildenden Kunst seiner Tage 
auf und wir danken dem Verfasser die Mltlie um so 
mehr, ala der vielgelesene Schriftsteller eben von dein 
Gesichtspunkte dcrKunst-Arcliiaologie noch nicht berück- 
sichtigt worden. Je interessanter aber die Resultate 
dieser Untersuchung Hieb darstellen, desto dringende? 
würden wir wünschen, die einzelnen Gedichte des l'rit- 
dentius eingehend, Zeile für Zeile, excerpirt und durch- 
forscht zu sehen, da ein «ehr reiches Detail von Kunst- 
beitrügen in denselben enthalten zu sein scheint. Eine 
besondere Würdigung verdiente dann wohl die Psycho- 
inaehie, in welchem Gedicht zuerst die allegorischen 
Gestalten der Tugenden und Laster im Kampfe aufge- 
führt werden. Schnnase hat bereits gezeigt, dass eben 
diese Dichtung auf die Kunst des Mittelalters von Eintlnss 
gewesen ist. Einige Beispiele dntür hat mein letzter 
Aufsatz in diesen Blilttern: .Ein altdeutscher Wandtep- 
pich aus Schloss Strassbttrg- beigebracht, 

Athen Ihi 



Die Pfarrkirche St* Jacob' in Lichtenwörth '. 

Mit I* HoIimIii.üi»..) 

Eine kleine Wegstunde von Wiener-Neustadt- ent- 
fernt liegt ganz nahe au der ungarischen Grenze die 
genannte Pfarrkirche, welche in mehrfacher Beziehung 
eiue Beachtung verdient. Als Baudenkmal reiht »ich 
diese Landkirchc den aus der besten gothischen Zeit 
entstandenen an, und wiewohl dieselbe hinsichtlich ihres 
Ilmfanges nur zu den kleineren gehört, so wurde dage- 
gen versucht, sie durch architektouischc Ausstattung und 
Anordnung hervorzuheben. Dermalen gewahrt sie den 
Anblick einer theilweisen Buhte», da der grosBte Thefl 
ile< Schiffes weder ringe wölbt , noch eingedeckt ist; 
man hat allen Grund anzunehmen, dass dieses Werk in 

■ Ol* KfarbicntUcliau Abajabaa «Va> . /> ufaatiaa vvrdan am Na« 
Fiarb ' r'» Iii«i.»ria*h -loiiu«t.i|iWafha Daralcl'ui-,: 4ar I: 'i.i u. a. w. im 
Kriii«r. »iflhalu o»tarrr|rh vbIiwiiiiij. at. 

* t>a» Orbaudr a*ll Ji-na \ f bataVAHM .. > I i«»-liat «latar «Ibgrbi-ndvb 
naafaural.ua bailaracutan wtitdia. 



rxT.iv 



seiner AustHliriiii^ uutcrhroclicii worden war und <la*s 
man nach «lern Auflassen <1«t llurclittlhriing in der ur- 
sprünglich heahsiclitigteu l'laiiunla^c nur «Ii*- eingewolli- 
len nud furtifr Bew«fd»!»Mi Theilc m>th(litrlti^r al» <'ul- 
tm-Stttte herst«dlte (Fi|r. 1 1. 

(u llrkitiidc-n geschieht der Pfarrkirche Si. Jacob 
in UehtenwlMh schon um lüH« Krwiihnung. mnl man 
kann auf Urandragc *ler architektonischen Merkmale 
mit Beruhigung ilier<e Juhrzalil als die Zeit aimehnieii, in 
der der Hau begann, odet auch augeftbf jenen Abschnitt 
unserer vaterländischen liesehiclite, in welcher nach 
dem kinderlosen Abwerben Kudolph'i IV. den Stiften 
(1305) die Alhcrtininehc und LetHiukJiaifcchi' Linie »ich 
in die He^-ieruiifr der F.rMamler theille. womit jed»«di 
nicht genügt »ein soll, dnss sieh in Lichten» orth niclil 
auch mich eine ältere ( 'ultus-Stältte liet'liudeu halten mag 
und durch den Neubau eiitl>ehrl)«di geworden nein wird. 
Von einer noch t'rtlliereu Anlag« limleu sieh indess -rar 



keine Spuren. M. Fischer nennt in «einer hi»torisch- 
t« ^»graphischen Darstellung die Herren von l'uchheim 
als die verninthlicheii Slitter dieser Pfarre und Kirche; 
«Iii sieh aber auf den CoiWftlen, w«dehc den Triumph 
bogen Irajren, das Wappen der österreichischen Lan- 
desregenlen vorfindet, dagegen das Puchheiinli'schc 
Wappen nirgends vorkommt, so unterliegt ch wohl keinem 
Zweifel. da hm sich hei der tirllnduug der Kirche zumeist 
wohl nur die österreichischen Landcsregcnten, entweder 
Alhreehl 1(1. mit dem Zopfe oder Leopold der Hiedere, 




Pf*. •!. 



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CXI.Y 




Hj. 



bethciligt haben. Nachdem der rhor und dm Qaerartriff 
vollendet waren, worden diese Theilc nothdtlrftig zum 
tiotteshnnse hergerichtet, ohne sich mil der Herstellung 
der Inneren Einrichtung bc Sooden beeilt zu hakten : 
denn der Taufstein i*t vom Jahre 1476. Zu Anfang 
de* XV. Jidirh linderte war Lconhart kleirt Pfarrer au 
dieser Kirche , dessen Epitaphium mit der in Stein 
gehauenen Inschrift : 




Fig. :• 



Anno domini I obiit honorahilis vir Dominus 
Lconhnrdns dictitB Kleirl de Itupcrsdorf Plchanns 
hujtts Ecelesic in prnfesto. S. Ceorgii liic scpnllns, 
»rate pro eo. 
sirh zunächst des Tanfetcincs befindet. 

Im Jahre 1680 wurde zur ersten Restauration f;«' 
.schritten, indem Lambert Bischof von Wiener Neustadt 




Kl* 0. 




die Säuger-Empore einbauen und den nun der <>kbel- 
waud der westlichen Abschliissmnncr heraustretenden 
(iloekenthunn vollenden Hess, ohne die Entdeckung des 
Schiffes bewerkstelligt zu hüben. Auch eine zweite im 
Jahre I6ÄII vorgenommene Hestanration versuchte es 
nicht, den Ursprünglich angelegten Plan der dreisehiffi- 
gen Kirche, wobei da* Mittelschiff Überhöht angetragen 
war, zum AbscbldM zu hringen. 

Wie aus iletu in Fig. 2 und .'l ersichtlichen (Irtind- 
risse und Läugeuschnitte zu entnehmen ist. war durch 
die vorliegende Plan .Anlage eine kleine Landkirche ange- 
tragen, deren Chor, im Oelogon gcsclilnssen, die kurze 
Lilnge von I« Fns* 3 Zoll, die Breite von 24 Fuss I Zell 
und die Höhe von 4ii Fuss 8 Zoll erhielt. Durch ein 
(inerschiff, welche* Chor und Schiff trennt, versuchte 
der Erbauer den Anschauungen der guten gotbiseheu 
Zeit gemäss die Kreuzform der Anlage zum Ausdruck 
zn bringen, and wenn dieselbe Husserlich auch nicht 
so sehr in die Augen fällt, weil die Mnuertincht des 
Querschiffes und der Seitenschiffe in eine Linie treffen, 
so war diese Tendenz doch im Innern durch die Ausfllh- 
rnng der von Kreuzgewölben gebildeten Decke möglich 
geworden , wobei die drei Gewölbe im Querschiffe von 
gleicher Höhe im Ausinasse von 4fi Fuss Zoll ange- 
legt waren, während im Schiffsranrae die Abseiten nur 
anf 24 Fuss Höhe angetragen wurden, wie dies aus den 




Fl», ». 



CXLVI 




Flur. n. 

im Längensehnitte Fig. 3 ersichtlichen, zur Einmane- 
rnng der Bogcnsttlcke der Gcwiilhsgurten aufgesparten 
Wandschmatzen beobachtet werden kann. In den voll- 
endeten Theilen wurde durch diese Anordnung bei der 
schlank hinanHtrebenden Entwicklung der Structuren 
eine hfichst befriedigende Wirkung erreicht. In der Gc- 
sammtbreitc auf 49 Fuss angetragen, wovon für den 
Mittclraum 25 Fuss 9 Zoll und fllr die Seitenschiffe 
11 Fürs 7</ t Zoll entfallen, erhielt das Querschiff bei 
einer Höhe von 4(5 Fuss 9 Zoll eine Länge von 25 Fuss, 
das .Schiff aber "an und fttr srch eine Länge von 59 Fuss. 
An der Nordseite des Chores ist die kleine, ursprüng- 
lich angelegte Sacristei angebaut. Das Haupt-Portal 
wurde auf der westlichen Abschlusswand vermittelst 

zwischen den 




Fi*. l<>. 



Mittelschiff - Wandpfei- 
lern vorgelegten Hanes 
(Thurnihallc) ausge- 
führt (Fig. 1), darauf die 
Thurmnnlagc schlicht 
angetragen, wobei die 
rückseitige Abschluss- 
mauer desThurmes von 
einem auskragenden 
consolartigcn Baugliede 
getragen wird. Zur Ver- 
mittlung des Zuganges 
in den Glockenthurm 
und den projectirten 
Dachrnum des Schiffes 
war an der rechten 
Seite des vorgelegten 
Vorbaues für den Thurm 
ein TreppeiithUrmehen 
angelegt worden, «las 
eben so wie ein grosser 
Thcil des Kirehen- 
gcbäudes unvollendet 
blieb , wie diess aus 
der Ansicht und dem 
(Jrnndriss deutlich be- 
merk! werden kann. 



Von aussen stützen ftlnfmal Uber dem Sockel sich 
abstufende IM'eilcr mit vergiebclter Endigung am Chor- 
Sellins* und Qucrschiff und einfacher Absehrägung am 
Schiff den Druck des tiewülbes, wobei die an den Ecken 
des Quer- und Seiteuschiffes constrilirteu Pfeiler Uber 
Eck aus dem Wandfluchtwinkel heraustreten. Vier an 
der Abschlusswand des Chores angebrachte, durch einen 
Mittelpfosten abgetheilte, im Bogenfclde mit reinem 
Masswerke eingesetzte Fenster vermitteln den Zutritt 
des Lichtes; am Querschiff zwei grosse, durch drei Mit- 
telpfosten abgetheilte Fenster, im Bogenfelde ebenfalls 
Masswerke tragend. Die Seitenschiffe erhielten schmale 
und kleine Fenster ohne Mittelpfosten oder auch Rund- 
feilster mit eingesetztem Vierpass. Die Leibung sämmt- 
lichcr Fenster beleb} ein lebendig gegliedertes Profil, 
wie auch ein fein protilirter, an der ganzen Kirche sich 
hemmziehender Wasserschlag in der Ansseiiwand eine 
wohlthucnde Trennung und Theilung der Manennassen 
erzielt. Das Innere der Kirche wurde, so weit es in der 
gothischen Zeit zur Vollendung gelangte, durch man- 
cherlei Schmuck ganz reizend gestaltet. Die Consolen, 
auf welchen die (Jurten im Chore auflaufen, zeigen sich 
theilweise (Fig. 4 bis 7) mit den typologiseh gebildeten 
Figurou aus dem christlichen SymlHdum belebt, die Con- 
solen, ans welchen sich der Triumphbogen, die Scheide 
und Diagonalbflgcn entwickeln, sind mit den Wappen 
der Landesregenten geziert (Fig. « u. 9). Leider habeu 
die sämmtlichen plastischen Arbeiten durch mehrmali- 
ges i'berttlnchen ihre Scharfe der Contouren eingebttssi 
und auch sonst arge Verletzungen erlitten. 

In der nördlichen Wand des Chores wurde ein 
reich ausgeführte* Sacramentshiiuschen (Fig. 10) ein- 
gesetzt ; ein gegliedertes Portal vermittelt den Zugang 
zur Sacristei, an deren Thllr ein zierlicher Thürzieher 
ans Eisen (Fig. 11) nebst andern Beschlagen die styl- 
vollc Arbeit des Mittelalters zeigt. In ähnlicher Durch- 
führung repräsentirt sich auch der Eingangs erwähnte 
Taufstein (Fig. 12). 

Der Besucher dieser unvollendet gebliebenen An- 
lage kann sich des betrübenden Gedankens nicht erweh- 
ren , dass es doch keiner so grossen Anstrengung und 
Opferwilligkcit, vielleicht nur einer massgebenden An- 
regung bedurft hätte, diese kleine Anlage, die sich dem 
Beobachter als ein zum grossen Thcil aus Verwahrlosung 
zur Buine gewordenes Deukmal des Gemein- und Kunst 
sinncs unserer Vorfahren darstellt, zu vollenden, zumal 
in dem nicht unbeträchtlichen Kirchenfonde die geeig 




Fi;-. 11. 



rxi.vn 




•kJLi 



netste Grundlage fnr eine solche Restauration so nahe 
liegt und die stilgerechte Vollendung , nachdem die 
Hnupthestandthcile bereit» beHteheii, keine grossen Aus- 
lagen mehr verursachen kann. ./. iirtidt. 

i 

Über die Sage vom ewigen Juden '. 

Es gibt wohl keine Sage , die — nainentlieb in 
gewissen Kreisen — eine so grosse Werthschätznng 
fand als jene von Ahasverus dem ewigen Juden. 

Freilich ist diese Wertlischätzniig noeh nieht sehr 
alt, denu sie beginnt erst mit dem Aufang des jetzigen 
Jahrhunderts, aber dann seinen sie, besonders in den 
Diehtcrkreisen, fast epidemisch zu werden. L)er etwas 
eigeuthllmlielie •Schubart hatte mit seinem Gedicht: 
„Ahasver" den Anfang gemacht, A. \V. Sehlegel 
folgte mit soinerRomanzc „Die Warnung-*, im Jahre 1K27 
verfasste Klingemann da* Trauerspiel „Ahasvcr", 
und nun fieng es an, in grösseren und kleineren Gedich- 
ten „ewige Juden - zu regnen; Jnl. Mosen, Zedlitz, 
K ii hl e r, Lonau, Schreiber, Ed. v. Sehen k, Pfitzer 
und Sin et/, ergötzten sieh an dem Stoff von dem armen 
Mann, der da wandern muss und nieht sterben kann, 
und ein ganzer Sternschnuppensehwarm von kleineren 
Geistern wurde von ihnen mit fortgerissen ». 

Auch zu Romanen musste der gute alte Jude her- 
halten, und eine der ersten Bearbeitungen dieser Art 
mag wohl jenes Buch gewesen sein, welches unter fol- 
gendein Titel und zwar ohne Druckort und Jahreszahl 
erschien : 

r Der immer in der Welt herumwandernde ewige 
Jude aus Jerusalem mit Namen Ahasverus. welcher Iwy 
der Creutzigung Christi gewesen und bisher durch die 
Allmacht (iottes sein lieben erhallen worden". 

Ein ziemlich weitläufiger Auszug aus diesem Roman 
findet sich in „Rcicbard's Bibliothek-' der Romane«; 

' Vottr»« ftWlM »m II. Min Im Alunhum. A'mln in Wien 

'S Orü.ti.. Ta»nliiu>rr und d.r <«ii.-c JadV. Ana.rrVnki: St. «. * in». 
ttm -lr oiet. hliu>fi(n. dui Hcrciucr J.i .mj.ri.it t,, Kudn>e •»«« 
und Im der Kii|.fa»i..li.r Ani.»*r >•» Lui.lf.ld nphrer< »Uib> mil d.m 
•wl(U Jud.n für dir .\i,.|»»Mon. nllUll« HttollfM, 

■ k»d viii M III. 
JtVJI 



allein hier ist schon alles Alterthtlmlicbe verloren gegan- 
gen, denn Ahasvcr begegnet zu Leipzig vier Studen- 
ten, einem Deutschen, einem Engländer, einem Baliener 
und einem Frauzosen, deren Sprachen er sehr geläutig 
spricht und denen er nun seine Erlebnisse mit Nero, 
Caligula u. s. w. erzählt und somit gewissermasseu 
einen Spaziergang durch die Weltgeschichte macht. 

Auch Vulpins benutzte den ewigen Juden in einer 
seiner Erzählungen und in neuerer Zeit bemächtigte sich 
Eugen Sue des Stoffes und legte dem Publicum seinen 
„Juif errant" vor, der zuerst im Sturm gelesen wurde, 
und dann, wie so manches andere, da« grossen Lärm 
verursacht, in den milden Schatten der Dämmerung 
versank ». 

Und worin besteht nun das Hauptmoment dieser 
Sage, die so stark in den Köpfen der Dichter rumort V 
Einfach in einem Fluch, in einer erbarmungslosen Strafe, 
in einer schauerlichen Verbannung für undenkliche 
Zeiten. 

Als nämlich Christus sein Kreuz nach Golgatha 
trug, wollte er, ermüdet von der Last, bei einem Hause 
Rast halten, allein der EigenthUmer dieses Hauses, der 
Schuster Ahasverus, gönnte ihm diese Ruhe nicht und 
hiess ihn weiter geben. Da sprach der Herr die furcht- 
baren Worte : 

„Ich stehe hier und raste, du aber sollst fortwan 
dem bis zum jüngsten Tag!" 

Und von dem Augenblick an war der Jude von 
Schrecken erfasst, er verliess sein Haus und die Seini- 
gen und begann zu wandern, rastlos und ruhelos, und 
■0 irrt er noch heute herum und muss fortpilgern bis 
zum Untergang der Welt, bis Christus endlieh bei dem 
jüngsten Gerichte den Fluch wieder von ihm nehmen 



Von allen Strafen, Verbannungen und Verfluchungen 
die je in Sagen, Legenden oder Mythen vorkommen, ist 
diese wohl die furchtbarste, die qualvollste und fast 
möchte man sagen die herzloseste; denn selbst der dem 
Tod verfallene Verbrecher gelangt endlich zur SUhnung 
und zur Rast, die dem Ahasvcr nie und nimmer zn Theil 
werden soll. 

Eine Sage von so eigenthttmlichcr Erfindung ver- 
dient wohl eine nähere Beleuchtung und erregt unwill- 
kürlich das Bestreben, ihrem ersten Urgrund entgegeu 
zu gehen. 

Die älteste bisher bekannt gewordene Aufzeich- 
nung dieser Sage stammt, wenn sie Oberhaupt echt und 
nieht eingeschoben ist, aus dem XIII. Jahrhundert und 
rtthrt von dem Benedictiner Mathias Parisiensis (gest. 
12&9) her. Er erzählt: 

„Einst kam ein armenischer Erzbischof nach Eng- 
land, an dessen Tisch Joseph (so wird hier Ahasverus 
genannt) gespeist hatte. Ein Ritter aus Antioehia , der 
den Erzbischof begleitete und seinen Dolmetscher 
machte, gab nun folgende Nachricht:" 

„Als Pilatus dem wüthenden Volk der Juden den 
Barrabas geschenkt und Christus zur Kreuzigung hin- 
gegeben hatte, schleppten sie diesen aus dem Palast 
des Statthalters. Als sie mit ihm an die Pforte gekom- 
men waren , schlug der Pförtner Kartaphilus den Herrn 
mit der Faust in den Nacken und spottete : u 



> Kln. „kr «u.f*hr!lrli. 
»ick It. dem «dm» 



A»«>w Im l.llvruur iHr den • «!«•» Jude 
an*.!.,,,.!.,, Werk» »ok liliiti 

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CXLVIII 



„Geb' hin Jesu«, geh' immer schneller, was zauderst 

du?". 

„Da sah sich Jesus um und sprach mit strengem 
Blick:" 

„Ich gehe, doch du sollst warten bis ich wieder- 
komme!" 

„Und so wartet Kartaphilus noch. Er war zur Zeit 
des Leidens Christi dreißig Jahre alt und wird jedes- 
mal, wenn er hundert Jahre verlebt hat, von einer 
grosse« Schwäche ergriffen und fällt in eine Ohnmacht, 
aus der er nach einiger Zeit wieder rollkommen gesund 
erwacht." 

„Kartaphilus licss sich später von Ananias taufen, 
der auch den Sanlus taufte nnd wurde von da an Joseph 
genannt." 

Nach einer Sage aus England war Ahasver ein 
hoher Officicr in Jerusalem, er gnb dem Christus einen 
Schlag, als dieser aus dem Palast ging und empfing 
dafür den schon erwähnten Fluch. 

Von jener ersten Aufzeichnung an blieb die Mähre 
vom ewigen Juden fast gänzlich verschollen und tauchte 
erst nach drittbalbhundert Jahren wieder auf, nämlich 
In Jahre 154)5. 

Da sie so nahe mit Christus verwebt erscheint, so 
wird man unwillkürlich dahin geführt, in den Evangelien 
darüber nachzusuchen. Allein nieht einer der vier Evan- 
gelisten bringt auch nur die leiseste Andeutung von 
diesem Gegenstand und nur sehr feinsichtige Grübler 
konnten es sein, welche die Stelle aus Johannes (Cap. 
21, V. 22) hierher bezogen, in welcher Christus von 
diesem Jünger sagt : 

„So will ich dass er bleibe bis ich wiederkomme.-' 

Allein was hat der nachherige Evangelist mit einem 
Abasver zu schaffen, wo findet sich hier auch nur der 
leiseste Anklang an irgend ein Wesen, das aus Strafe 
bis in das Endlose fortwaudern tnuss? 

Zudem ist der Fluch , den Jesus Ausgesprochen 
haben soll, geradezu gegen das innerste Wesen seiner 
Lehre, die allenthalben Güte und Nächstenliebe predigt. 
Jener Fluch konnte nicht aus dem Munde kommen, der 
noch in den Augenblicken des Todes am Kreuze sprach: 

„Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht was 
sie thun!" 

Die Juden hatten ihn gchflhnt, gemartert und zum 
Tode geführt, nnd er vergibt ihnen, und derselbe hohe 
Geist soll einen armen Schuster deshalb, weil er ihm 
eine augenblickliche Rast verweigerte, mit der entsetz- 
lichen Strafe deB ruhelosen Wanderos belegt haben? 
Wurde nicht dem l'etrus, der seinen Herrn verläugnete, 
nicht dem Saulus, der einer der grossten Christenfeinde 
war, verziehen? 

Aus diesen Berücksichtigungen ergibt sich wohl 
ganz von selbst, dass der Ursprung jener Sage nicht auf 
christlichem Boden zu suchen sei, sondern dass er ans 
einer ganz andern Quelle stammt und dass daher die 
Sage — wie noch so vieles andere — erst später mit 
dem Christenthum in Verbindung gebracht wurde, weil 
man sie, da sie schon einmal festgewurzelt war, nur 
dadurch unbedenklich machen konnte, dass man sie 
christianisirte. 

Bei allen echten Sagen pflanzten sich die wichtig- 
sten Ereignisse und Namen meist getreulich durch die 
Jahrhunderte fort; nur die Sage an und für sich erhielt 
durch irgend einen späteren Erzähler hie nnd da Aus- 



schmückungen , die eben dieser späteren Zeit ange- 
messen waren, so die Sage von Wieland, dem künst- 
lichen Schmied, vom gehörten Siegfried, vom Lohen- 
grin, vom Tannliäuscr u. s. w. Bei der Sage vom ewigen 
Juden fällt aber diese Einheitlichkeit fast ganz weg, 
denn einmal heisst er Ahasverus, ein Name, der nicht 
jüdischen, sondern persischen Ursprungs ist, und dann 
führt er den aramäisch-griechischen Namen Kartaphilus. 
Rudolph Botorcns» nennt ihn Gregor, LibariuB« heisst 
ihn Buttadcus (der Breitbrüstigc), und in der nieder- 
ländischen Sage wird er sogar Isaak Laquedam genannt. 
Einmal ist er ein Schuster, dann ein Gerber und dann 
wieder ein Zimmermann. Einmal treibt er Christus vom 
Hanse weg, nach einer andern Angabc ntosst er ihn in 
den Rücken und nach wieder einer anderen Bchlägt 
er ihn mit einem Schuhleisten. Bei dem einen Erzähler 
darf Abasver weder essen noch trinken, hei dem zweiten 
isst er; bei dem einen darf er kein Geld annehmen nnd 
bei dem andern wird er reichlich beschenkt ; lauter 
Dinge , die daranf hinweisen, dass man die eigentliche 
Quelle der Sage gänzlich vergessen hatte , die wahr- 
scheinlich nur in der ältesten Vergangenheit zu suchen 
sein dürfte. Auch bleibt es bcaehtenswerth, dass auf 
keinem der älteren Holzschnitte oder Stiche der ewige 
Jude dargestellt ist, während man die Juden doch sonst 
nicht eben schonte und sie abbildete, wie sie von einem 
getodteten Christenkind das Blut auffangen, oder wie sie 
bei ihrem Paschah-Essen anstatt eines Lammes ein 
Kind in der Schüssel haben u. s. w. 

Eben so deutet das darauf hin, dass die Mähre vom 
ewigen Juden in früherer Zeit nur wenig bekannt war. 
dass die alten Maler den Ahasverus weder in ihren Dar- 
stellungen vom jüngsten Gericht, noch bei ihren oft mit 
vielen Figuren versehenen Bildern und Stichen von dem 
Zuge Christi nach Golgatha anbrachten, was sie doch 
gewiss gethan hätten, wenn er ihnen so bekannt gewe- 
sen wäre, wie die Legende von den drei lebenden und 
den drei todten Königen oder vom Sieg des Todes u. s. w. 

Erst die Forschungen der Neuzeit Uber unsere ein- 
heimischen Sagen geben einen Fingerzeig zu dem dunk- 
len Pfad, der uns in Betreff des ewigen Juden in eine 
mythische Vorzeit führen soll. 

In Westphalcn kennt man nämlich noch immer den 
Hote oder Hoteinann T , mit dem man die Kinder schreckt. 
Er war zur Zeit Christi Nachtwächter und beleidigte 
einen Riesen, der ihn deshalb dazu verdammte, jede 
Nacht mit seinem Horn herum zn geben und zu blasen. 

Wir haben hier nun einen, der aus Strafe fort nnd 
fort wandcni muss. Er heisst Hote und der Volksmund 
bewahrte in diesem Namen einen Überrest von dem 
alten Riesengcschlecht der Joten oder Joten, die von 
den Angelsachsen Eotenas genannt wurden und deren 
Name bei der Einführung des Christenthumes und bei 
der gränzcnlosen Verachtung, die man gegen die Juden 
hegte, sehr leicht in das Wort Jude umgewandelt wer- 
den konnte, geradeso wie man den mächtigen Thor mit 
seinem gewaltigen Hammer in einen Blödsinnigen 
(Thor, thörigt) umwandelte, oder wie man den allweisen 
Drothinn in einen Drottel verunstaltete. 

Diese Joten waren die Ureinwohner des Nordens. 
Die Asalchre in den beiden Edden weist auf eine uralte 

> In «Infm Connn'=.t. i' tthat l»l< oru s«.tl>- l'aru Ifllll. 
* In iilncr Prul» AUhjmi» p. Itt. 
I Kahn. WtitphUoch* ««tu. S. BS 



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CXLIX 



,fornjotischc u Lehre hin und selbst die Mutter des 
Odhini) stammte ans diesem Geschlecht, aus welchem 
gar manche andere mythische Wesen hervorgingen. 

So war Fornjötunn der älteste Jöte, uud Feuer, 
Wind und Woge waren seine Söhne». Der Jöte Hrungncr 
wurde von Thor in Jötnnhcim besiegt. Ein Jöte in 
Adlergestalt strömte als Wind aus Norden und verzehrte 
die schädlichen Dünste der Äser, Cr heisst daher Hracs- 
velgcr und hat seinen Sitz ganz oben am Nordpol ». 

Die Jöteu, die bei den Indiern Juts oder Djedas 
genannt wurden und von Ahriman dem Ormuzd zum 
Trotz erschaffen waren, wollten immer von Norden her- 
abstttrmen, um die gebildeteren Völker zu bekriegen. 
Eine Mauer schied sie von dem milderen Theil der Erde, 
wo die Äsen wohnten. Diese Mauer wollten sie stets 
durchbrechen <», kurz, sie waren gewissermassen das 
l'riucip des Böbcu , des Zerstörenden und des Verder- 
bens, daher war es in der alten Dichterspraehc eine 
Schmähung, wenn man irgend etwas als r jotnisch-' 
bezeichnete und deshalb sagt auch Olans Petri : 

„Die aber tyrannisch waren und überall Gewalt 
und Unrecht Übten und sich um niemand kümmerten, 
hicssen Jetten" • 

Anderseits schrieb man diesen Jöten aber auch 
die Riesenbauten der Vorzeit zu. So sagt der Angel- 
sachse Layamon M von dem mächtigen Denkmal zu Sto- 
nebenge: 

-Eh iat ein wahrhaft Wunderding, 
Es heist der Eotenen-KiiiK*. 

Als Sir John Leland zur Zeit Heinrich's VIII. seine 
antiquarische Reise durch England machte, fand er in 
Northumberland die Kuinen eines Schlosses, von dem 
das Volk sagte, dass dort ein Jöte (Yoton) hauste, der 
ein Kiese war. Eben diese Jöten sollen es gewesen sein, 
welche die grossen MonedB und Erdwerke der vorge- 
schichtlichen Zeit aufführten. Die Goldgefässe, welche 
man in dem Moned des Drachen fand . der von Beowulf 
erschlagen wurde, waren ebenfalls von den Jöten 
geschmiedet. 

Leland bemerkte auf seiner Reise Überhaupt, dass 
die Sageti im englischen Volk noch ungemein verbrei- 
tet waren, während die anderen Stände durch ihre 
Schulstudien alles Heimische verlernt hätten. 

Selbst die Ureinwohner Albion's sollen Joten gewe- 
sen Bein, mindestens sagt der schon erwähnte Angel- 
sachse tayamon : 

. A Ilm ir heisst das Land, 
Ks wohnten in dem Land 
TOM, riesig stark». 

Noch heute wird man durch den Namen Jütland 
an dieses alte Geschlecht erinnert, welches endlich von 
einem zwar körperlich nicht so starken, aber geistig 
weit überlegenen Volke Uberwunden und in die Flucht 
gejagt wurde. Einzelne dieser fluchtenden und irrenden, 
immer verfolgten, immer noch gefttrehteten Jöten wur- 
den dann im Verlaufe der Zeiten allmälig in eine 
einzige Persönlichkeit zusammengezogen, und so ent- 
stand höchst wahrscheinlich der ewig wandernde und 
Überall znrUckgcstossene Jöte , der trotz seiner Leiden 
vielleicht nicht sehr erfreut darüber war, dass er, anstatt 

• !lr<n!»4iuid» Nr. 1J. ■ 

» Vgl. Aiullo, a>» Nordwind, Aill«r»ln4. 

m KilJ» l>».ml.. «S 

» t.vT'r. r;,M.hlchi. »o» Srl.«..l»n I, .111 
" Vnl. II, „. m. 



eine mythische GeBtalt zu sein, ein Kleid der neueren 
Zeit annehmen musste. 

Dass diese Jötcn-Sage, welcher vielleicht auch 
der stets einsam herutnwaudernde Rübezahl seinen 
Ursprung verdanken dürfte, nach jenem Übertritt man- 
cherlei Deutungen erlebte, ist wohl begreiflich ; man 
bezog sie auf das jüdische, nirgends heimische Volk, 
man sah in dem Einzelnen die Strafe der ganzen Nation, 
und nach Menzel •« wäre sogar alles nur Allegorie und 
nichts als ein Gegensatz zum Doctor Faust, der die 
Lust des Augenblicks zu verewigen sneht, während sich 
Abasvcrus mit aller Macht vom Dasein losrcissen will. 

Wie sehr aber eine Sage, die in ihrer Sonderlich- 
keit so recht für das Volk taugt, allmälig an Leben 
gewinnt, zeigt eben die Mähre vom ewigen Juden, denn 
man las und erzählte nicht nur von ihm, sondern man 
sali ihn auch leibhaltig vor sich. 

So war er im Jahre 1505 in Königinhof, wo er bei 
dem Leinweber Kockol das Mittagmabl stehend ein- 
nahm und ihm dann einen Schatz finden half. Im Jahre 
1547 war er zu Hamburg und Danzig, im Jahre 157f> zu 
Madrid, im Jahre 1599 zu Wien, im Jahre 1(304 zn Paris, 
im Jahre 1610 zu Lübeck, im Jahre 1612 zu Tarnowitz 
in Oberschlesien, im Jahre 1 633 zu Stade, im Jahre 1 64< > 
zu Brüssel, im Jahre 1642 zu Leipzig und am 22. Juli 
des Jahres 1721 zeigte er sich am Isarthor zu München. 

Auch Betrüger benutzten den festgewurzelten 
Glauben an den ewigen Juden und massten sich seine 
Rolle an. So erschien am 26. Mai 1623 zu Ypern ein 
Mann in türkischer Kleidung, mit kahlem Kopf und 
langem Bart, der sich bei dem Bürger Daniel de Breyne, 
welcher eben am Thor Wache hielt, für den ewigen 
Juden ausgab. Er wurde reich beschenkt und gastlich 
bewirf het und warb um eine hübsche Wirthstochter, nnd 
zwar auf eine etwas eigenthümliche Wehse, denn er 
sagte, dass er bereits nicht weniger als 123 Frauen 
gehabt hätte nnd dass sie alle besondere deshalb so 
glücklich mit ihm gewesen wären, weil sie nie fürchten 
durften, Witwen zu werden. 

So weit ging alles gut, aber dem Bürger Daniel de 
Breyne kam die Geschichte doch nicht ganz richtig vor 
und er brachte nach und nach heraus dasB der angeb- 
liche ewige Jude niemand anderer sei , als ein gewisser 
Leopold Deporte, der einst auB einem wallouischeu Regi- 
ment desertirte und der nun zufolge dieser Entdeckung 
nach Gent abgeführt und zum glänzenden Beweis, dass 
er durchaus nicht zum ewigen Wandeln verurthcilt sei, 
mit iles Seilermeistere Hanfbraut getraut wurde <*. 

Die menschliche Einbildungskraft liebt es, sich in 
Gegensätzen zu bewegen, und hier ist es, wo wir zu 
einem Punkt gelangen, der bisher, so viel mir bekannt 
ist, noch in keiner der mannigfachen neueren Schriften 
Uber Ahasver berührt wurde, man hatte nämlich einen 
ewig wandernden Juden und musste nun auch not- 
wendig einen ewig stillstehenden haben! 

Die k. k. Holbibliothek besitzt anter ihren zahl- 
reichen Seltenheiten auch ein dünnes Quartbändehen 
mit dem Titel „Cnrieuse Relationen*. Der Verfasser 
nennt sich nicht , er sagt nur in der Vorrede , dass er 
„ältere, nicht so gar rerwcrffliche Scrihenten benützt 
habe", auch ist kein Druckort, sondern nur die Jahres- 
zahl 1677 angegeben. 

» ]>*ul>rh* lilfblug II. »oa. 

« MnupT ifo Klfocri l.uiort^uM. riMd. WO. f. Sn», 

V* 



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CL 



Oleich die erste Relation in diesem Büehlein spricht 
nun von einem, seit der Zeil Christi in Jerusalem ver- 
wahrt gehaltenen Juden, und es durfte wohl gestattet 
sein, da das Rtlclilein so selten und die Stelle nicht gar 
zu lang ist, sie ihrem vollem Inhalt nach anzuführen. 
Sie ist, wie angegeben wird, der Reisebeschreibnng 
eines Abgesandten Emanucl's des XIV.. Königs von Por- 
tngal entnommen. 

„Einen Steinwnrf vor dem Stadtthor von Jerusalem, 
dureh welches Jesus zur Kreuzigung hinaus zog, stand 
das Haus eines Juden. Als nun Christus mit seinem 
Kreuz hei diesem Haus anlangt«' , sagte der Resitzer 
"dieses Hauses zu ihm: „Geh" nur, wärest dn schon 
lang diesen Weg gegangen, so wäre nicht viel daran 
gelegen gewesen." Da antwortete ihm aber der Herr: 
„Ja ich will gehen, du aber sollst stehen bis zum Knde 
der Welt und alle Jahre einmal am meine Ankunft 
fragen! - 

„Nachdem wir an den Ort gingen, wo dieser Jude 
steht, wurden wir dureh einen Oang geleitet, der nur 
einen Schritt breit und überwölbt war. Als die achte 
Thür geöffnet war, kam der „Sicgler" nnd schlosB eine 
neunte auf. Dastand der Mann unter einem Rogen, der da 
gestutzt war von vier Säulen, von denen die zwei mitt- 
leren von t haleedon (Oassedonicn) und die zwei ande- 
ren von weissem Marmor waren. Auch der Rogen war 
von weissem Marmor und unter diesem stand der Mann. 
Kr hatte die Augen offen nnd die Haare waren ihm bis 
zn den FUssen hernbgewarhsen , so dass sie seinen 
nackten Leib verhüllten." 

„Man sagte uns, dass er stets schweige und nur am 
stillen Freitag (Charfreitag) die Frage stelle, ob der 
Mann mit dem Kreuz noch nicht käime. Er heisst Jo- 
hannes Roduyn nnd stand so starr, dass wir ihn ftlr 
lodt gehalteu hatten, wenn er nicht die Angen offen 
gehabt und seine Rrust nicht gcathmet haben wUrde. 
Er wird sehr scharf bewacht und unterschiedliche 
Herren theilen sich in die verschiedenen Schlüssel zu 
den nenn Thürcn." 

Doch nicht genug an dieser Erzilblung, anch ein 
Freiherr von Toniwitz aus Ober -Schlesien im Jahre 
1 '>•}], und ein venezianischer Pntricicr aus dem Hause 
der Rinnchi im Jahre 1G43 sahen zu Jerusalem einen 
Juden, der in einem unterirdischen Saal verwahrt wurde 
und noch die Kleider un sieh hatte, die er zur Zeit des 
Leidens Christi trug. Ist es aber nicht merkwürdig, dass 
man erst im XVII. Jahrhundert den stehenden Juden 
sah, während früher Reisende und namentlich Hans 
Tucher, der im Jahre 1479 Jerusalem besuchte and in 
seinem Rache (gedruckt von llnns Sehtinsperger zu 
Augsburg im Jahre 1482) fast jeden Schritt und Tritt 
angibt, den er in dieser Stadt machte, bei seinem 
Kesuchc Oolgatha's weder das Haas des Ahnsver sah, 
noch auch ein Wort Uber ihn sprechen horte. 

Ist jene Mähre vom stehenden Jaden daher nicht 
eine wahre Aasgeburt der menschliehen Phantasie, und 
ist die Strafe des ewigen Stillstehens nicht noch fürch- 
terlichcr als die des rastlosen Wnndenis? So schreitet 
die menschliche Einbildungskraft . einmal in die Hahn 
des Abenteuerliehen getrieben, immer weiter, er verlftsst 
den poetischen Roden der Sage, und selbst Leute von 
Stand schenken hingen Olanhen oder unterliegen Täu- 
schungen, die der einfachste Verstand als naturwidrig, 
als völlig unintiglieli erkennt. 



Das aber ist das Interessante an den Forschungen 
dieser Art, dass sie uns Uber die Rildungszustände ge- 
wisser Zeiten Aufklärung geben. Die Epoche der Minne- 
sänger war künstlerisch freudig, die der Meistersänger 
pedantisch beschränkt, aber das XVII. Jahrhundert war 
die eigentliche Heeke- nnd Rrtltezeit alles erdenklichen 
Aberglaubens , darum ist auch mit dein ersten Auf- 
blühen eines wirklichen Wissens, der ewige Jude nicht 
mehr erschienen ! Aber doch lebt sein Andenken im 
Stillen fort, und der Hauer kehrt noch heute seine Egge, 
wenn er sie Uber Nacht auf dem Felde Iftsst, mit den 
Spitzen nach oben, damit sich der ewige Jude nicht 
darauf setzen kann, wodurch er das Eggen am nächsten 
Tage erschweren würde, denn Ahasvcr mag wohl rast- 
los wandeln, aber er ist noch immer kein Freund der 
Arbeit. A. lt. «. I'erger. 

Kirchliche Baudenkmale in Ober -Österreich. 

(Mit 4 JlnUKhnltUn ) 

Die Kirche im Markte St. Oswald am Fcistritz- 
bache ist ein Werk deB spät-gothischen Styles, besteht 
aus einem Langhanse von 38 Fuss Länge und dem Pres 
byterium, das 29 Fuss lang und 18«/, Fuss breit ist. 
An der linken Seite des Langhauses ist eine Empore 
angebaut, die sich auf zwei freistehenden Pfeilern nnd 
auf sechs an den verschiedenen Wänden vertheilten 
Halbpfeilern stutzt. Das Langhaus ist mit einem Nctz- 
ge wölbe überdeckt, das Netzwerk ist in seiner cigent hfl in- 




Fijr. i, 



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CLl 




Fi«. 2. 

liehen t'onstrnction rein durchgeführt, indem zu beiden 
Seiten de'» Gewölbes je drei besondere Schilder ein- 
gefügt wurden, deren Grate nicht mit Rippen bekleidet 
Kind , deshalb nur in deren Scheiteln kurze Kippen den 
Feldern entgegenstehen. Dem Langhause ist anch der 
Mnsikchor eingebaut, dem ein freistehender Pfeiler zur 
Stütze dient. Das Prcabytorium besteht ans zwei Ge- 
wölbejoehen und dem ans dem Achtecke construirten 
Chorechlnsse. Die Hippen des netzartig construirten 
Gewölbes stützen sich auf runde Halbsliulcn. Preabyte- 
rinm wie Langhaus sind nach aussen mit Strebepfeilern 
verseben. Die an den Reken der rechten Seite ange- 
brachten haben zwei Abstufungen und sind ungewöhnlich 
stark angelegt, wahrscheinlich um dem Gcbliudc wegen 
des abfallenden Terrains auf dieser Seite eine bessere 
Stütze zu gewahren. Sätmmtliehe Strebepfeiler sind aus 
Granit angefertigt und haben eine Sattelverdachnng, 
jene am Presbytcrium sind in ihrem oberen Theile drei- 
seitig gestellt. Links vom Presbytcrium ist die Sacri- 
stei sammt einem Oratorium darüber und der dahin 
führenden Stiege, an der Facade neben dem Thurm die 
Stiege zur Knipore und zum Musikchor angebaut; der 
Thurm ist in seinem oberen Theil erneuert, mit einer 
Zwiebelkuppel versehen; diese Zubauten und Umgestal- 
tungen haben das ehrwürdige Äussere der Kirche arg 
beschädigt. Am reinsten hat sich die Südseite und die 



Apsis erhalten, woselbst, mit Ausnahme eines neueren 
Fensters, die ursprünglichen spitzbogigen Fenster erhal- 
ten blieben. (Fig. 1 .) 

Die Pfarrkirche zu Grünbach, ein gothiseher 
llallenbau, hat ein dreischifllges Langhaus von öl Fnss 
Länge und 80 Fuss »reite. Die aus je vier mit Kreuz- 
gewölben Oberdeckten Jochen in jedem Schiffe beste- 
hende Decke ruht auf polygonen Granitpfeilern zu je 
drei in zwei Reihen geordnet, die Gewölberippen laufen 
auf dieselben ohne Vermittlung auf, an den Wänden 
ruhen sie auf Tragsteinen. Das Presbytcrium hat l?n l 'uss 
Länge, 1H Fuss Breite, besteht aus einem oblongen 
Joche mit Kreuzgewölbe und dem fünfseitigen Schlüsse. 
Sämmt liehe Fenster haben noch ihre ursprüngliche 
Form und einfaches Masswerk. Der Musikehor nimmt 
in jedem Schiffe das letzte Joch ein. An der Aussen- 
scite sind der inneren Eintheilnng entsprechend Strebe- 
pfeiler angebaut, desgleichen am Presbytcrium. Der 
Thurm ist der Facade vorgebaut. (Fig. 2.) 

Kin sehr interessanter gothiseher Hau ist die Kirche 
zu Weitersfelden an der Aist. (Fig. 3.) Das Schiff 
besteht aus einem quadraten Raum von 37 Fuss nach 
jeder Seite. Das Gewölbe hat als besondere Stütze 
einen runden Pfeiler. Die Rippen des Sterngewölbes 
entwickeln sich von da in gleicher Zeichnung nach den 
vier Seiten, wo sie an den Mauern ebenfalls ohne Ver- 
mittlung ansetzen. Das Prcsbyterium liegt nicht in der 
Achse des Schiffes , sondern etwas gegen links , ist 
•Jö Fuss lang und 18 Fuss breit nnd besteht aus einem 
oblongen Joche mit Kreuzgewölbe und dem gewöhn- 
lichen fünfseitigen Chorschlusse. Von aussen hat dasselbe 
nur einen Stützpfeiler, das Schiff hingegen nach jeder 
freien Seite zwei. Die gegen Norden sind dreieckig, die 
gegen Süden und Westen haben die gewöhnliche Form. 
Doch sind die letzteren durch eine Mauer verbunden. 




rt* a. 



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cur 



innerhalb welcher die Chorstiege angebracht Würde. 
Die Fenster der Südseite de* .Schiffe* und die de» Pres- 
hyicriums sind *pitzbogig und mit etwas Masswerk ver- 
schen. Der Thurm befindet »ich an der Südseite, ein 
Werk der Neuzeit. 

Die dem heil. Nieolaus geweihte spXtgothiscbc 
Itarrkirchc zn Weissen buch an der Naarn, besieht 
au* zwei gleichen Schiffen von 57 Fuss Liinge and dem 
l're«bytcrium, da* i!> Fuss lang ist. Das Gewölbe der 
beiden, zusammen :;s Fuss breiten Hallen des Schiffe* 
wird von vier in einer Linie stehenden achtkantigen 
Pfeilern, die & Fuss im Durchmesser haben, getragen, 
an welchen sie, gleichwie au den Mauerwänden, Auf 
kleinen TragKteinen aufsitzen. Heide Schiffe werden 
durch ein reiches Net/.gcwölbc überdeckt. Das Presby- 
terinm, da* IS Fuss breit ist, besteht aus einem Quadrat, 
das mit einem Kreuzgewölbe Uberdeckt ist, und dem 
< Umseitigen Chorschlusse. Siimmtliche Fenster sind 
spit/.bogig und mit Masswerk versehen. Leider hat das- 
selbe, sowie auch die Pfeiler und die (eingegliederten 
Hippen, durch die ÜbertUnrhung arg gelitten. Hechts 
des Prcshytcrium* ■ Quadrats befindet sich der Thurm 
links die Sacrislci. Der Musikchor ist bis zum dritten 
Mittelpfeiler vorgeschoben nud ruhet auf diesem und 
dem vierten, welche beide deshalb verstärkt wurden. 
Das Chnrparahct hat wdit'me Masswcrkftlllungcii. Hei der 





FiK- 4. 



Fi*, b. 

Aufstellung vouKirchcnstühlcn in den Schiffen mussten, 
zur bequemeren Placirung derselben, die Pfeiler und 
deren Sockel, im Chore die herablanfenden Gewölbe- 
rippen durch Ausbauen Platz schaffen, was anf jeden 
Kunst und Altcrtham liebenden Beschauer wahrhaft 
empörend einwirkt. (Fig. 4.) 

Die Pfarrkirche des an der grossen Naarn gelege- 
nen Marktes Königs wiesen ist ein ausgedehnter Hau 
der Spätgothik. (Fig. 5.) Ihre innere Länge betrügt 
'■>•> Fuss, wovon auf das Presbyterinm 33 Fuss kommen. 
Das Langhaus ist zweisehiflig, eine Reibe von drei 
achtkantigen Pfeilern theilt »las prachtvoll gefügte Stern- 
gcwölbe in zwei ganz gleich behandelte HSume. An der 
linken Mauerseite belinden sich im Innern der Kirche 
gleich dem Äussern 4 Fuss breite Zulagspfeiler, deren 
Zwischenraum gleichfalls eingewölht und mit Uber Kreuz 
gebundenen Kippen versehen ist. Im Presbyterinm, 
das ans zwei oblongen Rechtecken und dem ftlnfseiti- 
gen Chorschlusse besteht, nnd sich der Au des linken 
Schiffes anschlicsst, sind gewöhnliche Kreuzgewölbe 
ausgeführt, deren Hippen sich auf WandsHnlen stutzen. 
An die mit Sockeln versehenen Pfeiler laufen die 
vielfach sich durchkreuzenden Rippen ohne Vermittlung 
an; dasselbe ist an den Seitenwinden der Fall. Der 
Musikchor befindet sich rUrkwUrt* des Schiffes, hätte 



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CLIII 



aber wahrscheinlich Ms zum letzten Pfeiler vorgeführt 
werden sollen, was die dort befindlichen Bogenanläu- 
fer beknndeu , wurde aber zwei Fuss rückwärts abge- 
schlossen und auf eigene Pfeiler gestützt. Die dureh- 
gehends mit einem Pfosten versehenen Spitzbogen- 
fenster haben einfaches, theilweise noch erhaltenes 
Masswerk. Der Thurm befindet sich an der rechten 
Seite des Presbyterinms und steht in Verlängerung der 
Kasseren Hauptmauer; um für denselben das Quadrat 
und die erforderliche Mauerstärke zu erhalten, wurde 
. er ein wenig in das l'reshytcrium eingeschoben. 

Dr. K. Frbimer. 

Die Miniatur-Malerei von Montecassino. 

Das in Turin erscheinende Kunstjournal, L'arte in 
Italia, dessen Blätter hauptsächlich den Interessen der 
Kunst der Gegenwart gewidmet sind und in Folge 
dessen unsern Lesern für gewöhnlieh weniger wichtige 
Beiträge bringt, enthüll diesmal im zweiten Hefte des 
laufenden Jahrgangs, pag. 21 ff. einen gehaltvollen Auf- 
satz von Teodoro Pateras, betitelt: I miniatori a Mon- 
tecassino, dessen Inhalt wir an dieser Stelle auszugs- 
weise geben zu dürfen glauben. 

Die Studien der Gelehrten haben Bich in den letzten 
Jahren stets sorgfältiger den künstlerischen Denkmä- 
lern des frühem Mittelalters zugewendet, denn hier gibt 
es noch grosse Lücken zu füllen, je länger die dunkle 
Verfalls-Periode der mittelalterlichen Kunst Italiens ist. 
Seit Antoninus wird dieser Verfall, namentlich zn Con- 
stantin's Tagen, besonders merkbar, das Ideal der heid- 
nischen Kunst verblich vor dem anfleuchendeu Genius 
des Christenthums, welches erstlich in den Katakomben 
seinen Triumph feiert«. Die ersteren Bestrebungen laufen 
auf keine andern Leistungen hinaus, als jene Werke 
der Maler, welche der technische Ausdruck alluminatnre 
oder Miniaturen bezeichnet, Tarsia- Arbeiten und gefärbte 
Gläser , aber die historischen Nachrichten selbst über 
diese drei Richtungen sind unvollständig genug, vor- 
zugsweise in den Zeiten von Constantin bis auf Victor '. 

Durch diese ganze lange Periode herrscht in den 
geschichtliehen Kundgebungen Dunkel und Verworren- 
heit, die Kritik kann sich nur in Hypothesen fortbewe- 
gen und es ist unmöglich, den Gang der Entwicklung 
mit Sicherheit zu verfolgen. Ein Ariadnefaden in diesem 
Labyrinthe ist die Untersuchung der achthundert gemal- 
ten Codices des berühmten Klosters Montecassino. 

Die frommen schlichten Klosterleute sind es gewe- 
sen, welche die Reste griechisch-römischer Kunstübung 
den Bedürfnissen des kirchlichen Rituals während der 
Zeil der Barbarenstürnie anzupassen versuchten , um 
künftigen Meistern in glücklicheren Epochen möglich zu 
machen, ein neues ebenbürtiges Ideal der KunBt zu 
schaffen. Seit dem VI. Jahrhundert blüht der Orden 
St. Bcncdict's, dessen Mönche den Gesang, die Künste 
und Wissenschaften wieder pflegten, die übrigen geist- 
lichen Gesellschaften folgten dem Beispiele und so ent- 
stehen in Solignae in Frankreich, in Dunes in Flandern, 
in St. Gallen wie in Montecassino ansehnliche Kunst- 
schulen. Bei Olivetuner-Mönchen finden wir die Tarsia- 
Arbeit, bei den Camaldulensern die Malerei, in Monte- 

• v.ocf III »Urb l'A» «n wulrljfr UrSrf tir ili n nl>m »«.«.■. |.r.<tito«» 
s»u iai du ivw.el, Bu'h 4» Ufr«»!!« Strr KünK un.l türl» l. J«r 



cassino Miniatur und Glasmalerei vorzugsweise rulti- 
virt. Dieses Kloster behauptete über den anderen der- 
selben Ordensrcgtd nicht allein durch die bedeutenden 
Privilegien seiner Äbte das Principat, sondern vor allem 
durch seine einzige Pflege der KttnBte und Wissenschaf- 
ten. Seine so zahlreichen Schätze an Miniatur- Malereien 
gewähren beinahe eine Übersieht von deren gesummter 
Entwicklungsgeschichte, denn sie umfassen ohne Unter- 
brechung ein Jahrtausend, vom VI. bis zum XVI. Jahr- 
hundert! 

Proben der Miniatoren-Knnst von so hohem Alter, 
wie es der Homer der Ambrosiana, der Vergil des Vati 
can oder der Wiener Dioscorides haben, sind in Monte- 
cassino nicht zu suchen. Die Reihe eröffnen vier Codices 
" des VI. und zwei des VII. Jahrhunderts als die ältesten. 
Hier beschränkt sich die Malerei auf die grossen, den 
Haum des Blattes zum grösBten Theil bedeckenden 
Initialen, es herrscht das Schachbrettmuster vor, die 
Farbe ist nur grüu oder orangegelb, das Material des 
Buches feinstes Pergament, die Zeichnung äusserst genau 
und elegant. An den beiden Codices des VII. Jahrhun- 
derts begegnet aber bereits die Spur des Verfalles ; in 
die schönen rönnsehen Cneial-Schriften mischt sich die 
angelsächsische, die Malerei aber folgt auch hier, und 
gerade an den Mannscripten Montecassino' s lässt sich 
das durchgehends in sehr lehrreicher Weise beachten, 
den Wandelungen der Schrift. In der früheren Periode 
waren die Mönche dieser Ahtei ihre eigenen Illustra- 
toren, Schreiber und Maler in einer Person, zum grossen 
Unterschiede späterer Erscheinungen , wo wir das 
Mannscript durch zehn Hände gehen Beben, von denen 
eine jede einen bestimmten Theil der malerischen Aus- 
schmückung, und zwar nur diese« mit mechanischer 
Fertigkeit zu beBorgen pflegte. Ein beigegebener Holz- 
schnitt nach dem Gemälde eines vom Abte Desiderins 
herrührenden Codex überrascht durch die .Schönheit 
der Zeichnung, deren Ausdruck und Empfindung ganz 
vorzüglich genannt werden innss. P. Krug und P. Pis- 
eicelli arbeiten an einer Ausgabe der BehönBten 
Miniaturen dieser Handschriften, die in Farben aus- 
geführt werden sollen. 

Da« VIII. und IX. Jahrhundert, die Übergangs 
Periode des angelsächsischen zum langobardiseben Style 
in der Miniatur-Malerei bieten die unerfreulichsten 
Erscheinungen. Gleichzeitig mit dem hier zu betrach- 
tenden Kunstzweige lag damals auch die Wandmalerei 
in trauriger Weise darnieder, wie es selbst die besten 
Werke beweisen, zum Beispiel die Gemälde der Madonna 
delle cinque Torri, deren Leo von Ostia mit Rühmen 
gedenkt. In den ßUchermalereien liebte man nun mehr- 
tärbige Initialen, meistenlhcils in vier Tönen, gegen das 
nennte Säculnm jedoch besonders roth, gelb, grün, him- 
melblau und violett. Der byzantinische Einfluss macht 
sich in den Goldfeldern bemerkbar, deren Gebrauch 
jetzt anhebt , mit ihm ein nur ärgerer Verfall des 
Geschmacks. Zeichnung und Comuosition zeigen dage- 
gen beinahe Besserung im Vergleich zur früheren Phase. 
Dies wird noch besser in einer Handschrift des Albinus 
FlaecuB von 812, in welcher Gestirn-Constcllationen in 
den Gestalten von Menschen und Thieren symholisirt 
erscheinen. Die Genauigkeit des Faltenwurfes und die 
Vermittlungsversuche des entwerfenden Geistes zwischen 
den einzelnen Theilen der Komposition werden als ganz 
erstaunlich gepriesen. 



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CLIV 



Der Verfasser scbliesst hieran einen Excurs Uber 
das Vcrhiiltniss zwischen byzantinischer und ältester 
italienischer Kunst , in welchem er, ohne eigentlich 
recht neues zu sagen, namentlich gegen die Kuinobr 
und andere deutsehe Forscher Front machen will. 
Durchaus damit nicht einverstanden, verfolgen wir den 
weiteren Verlauf des geschichtliehen Ganges. 

In den Zeiten nach dem Sturze der Langobarden- 
herrschaft lagen die Dinge nicht weniger ungünstig für 
die Entwicklung der Künste. Vom paläographischen 
wie artistischen Gesichtspunkte bieten die Codices 
dieser Zeit nnd die ersteren des XI. Jahrhunderts kein 
Interesse. Die Schrift ist vorwiegend die verderbte langt t- 
bardische, zuweilen die lateinische. Die Ornamente 
erreichen in keiner Periode mehr diese Bohhcit, die 
Farben sind willkürlich gewählt. Einigermasseu gute 
Ausnahmen bildet eine in Lateinschrift geschriebene 
Handschrift homcliaruiti, vitae Sanctorum, worin es 
scheint, als walteten noch bessere Traditionen vor. Die 
Arbeiten seit der Zeit Abt Theobald's zeigeu ebenfalls 
schon ein richtigeres Colorit, auch werden nun die Lich- 
ter fein aufgehöht , nicht der Grund des Pergaments 
ausgespart, in den Figuren wird auch auf die Bewegung, 
nicht blos auf die Köpfe Sorgfalt verwendet. 

Ein weiterer Aufschwung erfolgt nnter Abt Desi 
derius, spater Papst Victor III. Damals waren in zahl- 
reichen Werkstatten griechische und italienische Küust- 
ler und Kunsthandwerker beschäftigt, damals blühte 
die Miniaturen- und Fresken .Malerschule von Amalfi 
empor, vertreten erst durch Grimoaldo Diacono, dann 
durch Leone Amalfitano, von dessen Wandgemälden 
vor kurzem Snlazzaro bedeutende Spuren anlgedeckt 
hat. Von Werken, welche den Stempel dieses Einflusses 
tragen, befinden sich eine grosse Zahl im Archiv zu 
Montecassino. Zeichnung, Empfindung, und Ausdruck 
dürfen sich der Manier der Giottisteu so ziemlich an 
die Seite stellen, die Oompositionen sind gross angelegt, 
dabei zuweilen kühne Verkürzungen gewagt. Das Colo- 
rit mit seinem chiaroscuro lässt sich jenem der Arbeiten 
Odcrisio's und Sangro's vergleichen. Das Ornament end- 
lieh hat den langobardischen Charakter abgestreift und 
neigt dagegen ein wenig zum Mauresi|Uen , doch 
bemerkt man, dass der echt italienische Geist sich immer 
mehr selbständig zu machen bestrebt ist. 

Auch in den Stürmen des folgenden SäculumB wird 
die erfreuliche Blüthe der Miniatur-Malerei auf Monte- 
rassino nicht gestört ; das Ornament nimmt mit Vorliebe 
Milder von Pflanzen nnd Thieren in seinen Fonnenschatz 
auf. Das XML Jahrhundert bringt gothisch geschriebene 
< 'odices mit hingen Festons von zierlichen Blumen. Im 
XIV. Jahrhundert herrscht der Styl Giotto's vor, die 
Vergoldungen verschwinden, doch stehen diese Werke 
Montecassino'» den gleichzeitigen von Born und Mantua 
nach. Die Kunst verliert von dieser Frist an, gleichwohl 
hat anch noch das XV. und XVI. Jahrhundert manche 
prachtvolle Schöpfung aufzuweisen, wie jene in der 
W. lt einzige Folge von iK» dicken Choralbüchern mit 
wunderbaren Grotesken, Heiligengestalten und Putten 
im Kapbaelesken Geschmaekc. 

Wir fügen noch hinzu, dass die eingehendste Be- 
handlung des hier besprochenen Gegenstandes zu finden 
ist in dem Buche des Archivars von Montecassino, 
P. Caravita: I codici e le arti a Montecassino, .5. Vol. 
Montecassino lHtil» — 7U. Albert lly. 



Altere Grabsteine in Nieder -Österreich. 

(Mil S Hul«.tsuiu«i.J 

In Fortsetzung unserer bereits in den früheren 
Blättern begonneneu Besprechung über die Bedeutung 
der mittelalterlichen Grabsteine wollen wir nun die Auf- 
merksamkeit unserer Leser auf die beiden sehr beach- 
tenswefthen Grabmale mehrerer Mitglieder der Familie 
Eitzinger in der Stadtpfarrkirche zu Drosendorf len- 
ken. Es sind Grabsteine mit sehr zierlichen, in gotbi- 
scher Weise verzierten Wappen. • 

Die eine Platte, 8 Fuss 6 Zoll hoch und 4 Fuss 
6 Zoll breit (Fig. 1) ist von einem Schrit'trahmcn umge- 
ben, der oben für fünf Zeilen, an den übrigen Seiten nur 
für je eine Zeile Baum bietet. Die Umschrift lautet : Hy § 
undtcu § ligent § her § oswalt | (Zeile zur linken Seite) 
vontj cyczing§ vnd § t'raw§ Katharina § sein§ erst gema- 
helgheru prechen§ vom newcnhewsl§ selgen§tochter§ 
vnd | fraw §Johanua § von bosskovitz § die § ander § heren g 
oswaftzg von \ (2. Zeil« oben) §eyczing§gemahel § den § 
allen | got§ genadig § sei § durch § seineng i hciling§ pit- 
tern § marter§ vville§ i §1 §4§8§fi§ Im Mittelfelde be- 
findet sieh eine Gruppe von drei Wappen, überwölbt von 
zwei geschweiften, mit Knorren besetzten Spitzbogen, 
die mit einer Kreuzblume endigen und mit gleich Mass- 
werk behandeltem Bankenwerk ausgefüllt sind. Zwischeu 
den Bögen eine Fiale, desgleichen auf jeder Seite eine, 
die jedoch nur zur Hälfte ausgeführt ist. Das in der 
Mitte der Wappeugruppe angebrachte Wappen zeigt nns 
den seit alten Zeiten in der Familie Eitzing angenom- 
menen Bchräg rechts getheilten Schild , auf der 
Theilungslinie mit drei Kugeln belegt. Der na< h vorne 
gerichtete Helm ist mit zwei BUfTelhürnern geziert, deren 
jede» nach aussen mit drei Kugeln besteckt ist. Hechts 
und links davon sind die Wappen der beiden Frauen 
des Oswald Eitzinger, nämlich rechts jeues der Katha- 
rina von Newbäusel, links jenes der Johanna von Bos- 
kovitz. Die Zeichnung der Wappen, insbesondere der 
Helmdecken ist keineswegs hübsch, da dieselben mit zu 
viel verworrenem bandartigen und in Blättern endigen- 
den Baukenwerk geschmückt sind. 

Oswald Eitzing war der Sohn des Georg Eitzin- 
ger von Eitzing, der zu Beginn des XV. Jahrhunderts 
urkundlich erscheint. Seine Mutter war, wie Preuenhuber 
berichtet, Margaretha Wildungsmauer. Oswald hatte 
viele Geschwister; es sind als Bruder jener in der 
österreichischen Geschichte berüchtigte Ulrich und ein 
Stephan bekannt. Bezüglich der Schwestern hat sich 
die Nachricht erhalten von Afra, verehelicht mit Walter 
von Apfeuthaler, mit der die Brüder wegen de* elter- 
lichen Erbes bis 1443 iu Hader waren, und von einer 
zweiten, Katharina, die mit Wolfgang Hohcnfelder zu 
Aistersheim verehelicht, aber 1439 schon Wittwe war '. 
Um 14G9 war auch eine Katharina Eitzinger Äbtissin 
im Ciarenkloster zu TUrnstein. Am 2'J. November 14;)9 
wurde Oswald gleichzeitig mit seinen Brüdern durch 
König Albrecht II. in den Freiherrnstand erhoben, 
welche Standeserhöhung Albrecht IL als Herzog von 
Österreich und Markgraf von Mähren unterm 'Jb. Nov. 
1489 und Kaiser Friedrich am Ü. December 1440 bestä- 
tigte, wozu noch im Jahre 1445 das Hecht kam, mit 
rothem Wachse siegeln zu können. Oswald Eitzinger 

' Wl.nnll otanl aoeh «I. Sck-.u.r Ell.»!,.!», .rr.l,.li<M Uli r.»|>j.er 
«M ICeMiilMlilt (Uli). 



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CLV 



war nicht so glücklich wie sein Bruder, es 
zu einem so bedeutenden Vermögen zu 
bringen. Im Jahre 144;) kauft er im Vereine 
mit Keinen Hrttdern von Hans Laher zn 
Teru» eiuige Güter und (Hilten zu Weiders- 
feld, 1444 fUr «ich allein kleine landcsfürst- 
lielie Lehen zu Oenttcndorf, und erhält für 
sich und »einen Bruder Stephan im Jahre 
144X von Miehael Grafen von Hardeck und 
Burggrafen zu Maydhurg die Berechtigung, 
die von diesem ertheilten Lehen fUr so lange 
als der Mannsstamm «lauert, als freies Eigen 
zu genießen, gegen guwisse Entschäidi- 
gungen, die dafür dem Grafen Hardeck 
gegeben wurden. I44ü wird vom Kaiser 
Friedrich als dem Vormunde Königs Ladis- 
laus dieser Lehen- Kiguting die Bestätigung 
ert heilt. Bereit» 1450 war Oswnlt lianpt- 
mann zu Drosendorf, wie dies ans der 
Zcugensehaft einer Urkunde seines Bruders 
llrieh erhellt, in welcher er Überdies noch 
der edle Herr genannt wird. 1451 bekom- 
men die drei Bruder Llrieh, Oswald und 
Stephan die YeBte Kaja sanunt dem Gericht 
zu Waizendorf von Kaiser Friedrich zu 
rechten Muuusleheu mit der Krlauhniss, die- 
selbe nach Gefallen uicdcrzureisscu oder auf 
anderen zu Kaja gehörigen Gründen neu 
anfzubanen. 1457 ernennt ihn König Ladis- 
laus nnlässlich der Verhandlungen mit König 
Karl von Frankreich zum General- Bevoll- 
mächtigten, aus welchem Anlasse er nach 
Frankreich ging, um l'rineessin Magdalena 
als Braut seines Herrn abzuholen. 1457 gibt 
Michael Burggraf zu Maidberg den drei 
Brüdern für ihre Dienste seinen Berg und 
Grund, genannt der l'mlauf, nächst dem 
Ncuhäuscl , zum erblichen Besitz. 14f>;> 
erseheint Oswald als testamentarischer Vor- 
mund der Kinder des edlen Wenngo von 
Teygwiz und wird im Besitze der Pfleptchaft 
von Drüsendorf durch Kaiser Friedrich be- 
stätigt, in der er auch bis an sein Lebens, 
ende blieb. 14tki erhielt er in Folge Ver- 
gleiches von seinem Bruder Stephan das 
Schloss zu Nenhäusel und dns öde Haus 
Schenkenberg, doch Ubergeben 1470 Os 
wald und seine Gattin Katharina, Tochter 
iles I'rzcho von Newnhewsl dem Stephan 
von Ei/.ing das Schloss Kaja und das Newn- 
hewsl mit Zngehör als freies Gut; ausser- 
dem fertigt Oswald noch einen Verzichtbrief 
zu Gunsten Stephan'» aus, auf alles Gut, was ihm sein 
Bruder llrieh, t Ht>4, hinterlassen. 1472 hatte er dem 
Kaiser mehrere Gülten und Lehen an der Donau auf- 
gewandt . die dann dem Kaspar von Hiegeudorf ver- 
liehen wnrden. Im Jahre ]47<> erscheint Oswald als 
ältester Lehenträger seines Geschlechts und Ubernimmt 
für seinen jüngeren Bruder mehrere Lehen von Kaiser 
Friedrich. 147V erscheint er als Zeuge anf dem Thei- 
lungsbriefc des Stephan Eitzing, durch welchen jener 
sein Vermögen unter seine Söhne Georg und Martin 
theilt. 14*1 erscheint er nochmals als Zeuge. Nach der 
ohbennnntcn Inschrift war Oswald zweimal verheirathet, 
XVII. 



got/seauöijjf Cetf aurtrfjf ftmer f 
üfrilittg $ pitfem s ma vtns tu Ul e j 




Fl*. 1. 

doch findet sich über die zweite Frau keine Nachricht. 
Danach 14S| Oswald nicht mehr in Urkunden erseheint, 
»o dürfte das Jahr 14MG sein Sterbejahr bezeichnen. 
Kr starb wahrscheinlich kinderlos <. 

Der zweite Grabstein hat eine Höhe von K Fuss 
und 4 Fuss (! Zoll in der Breite. Ahnlich dem früher 
erwähnten Monumente ist auch hier der Schriftrahnicn 
ungleich breit. Während an den beiden Seiten und am 
unteren Ende er nur Baum für eine Zeile bietet, erwei- 
tert er sich oben mit Benützung eines Theiles des 

« S. Wi.t«rill. S.k»u|.]»t« .1.. Ii. ö. Ad.l.. unit Arclilr .Ur k Ak. 
.I.ml. dir WI.M....I.»nrn 1. Ii. II II., |i. 1 ». I. 



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CLVt 



I ]w Hirne Uiftenn f begraben $ öer. 



<^TO ; örti^'cctcr ; grnmo 



unöjfrau $ ßwfetana $ Cc i 



j e maljU tft Hestert e u $ a n 



Canöi (Kcqr ftntaji ünuT 



SmH[5TTöe§Te5cn f 90t 



LS»*" 




^-g-l [■g^^ e ! . ■■ JJJ , ■ ■■ ,e=^ CTj 



i ix. 4 

* 

Mittelfeldes um I'lntz zu machen für <ii , Zoilen. Die 
Inschrift lautet : Hier g inne § -'genn {5 begraben § der 
(Zeile linker Seite) wol geboren § berr § Deorig g von § 
wenig g md § Iran § cwfe | nna § geliornn § von § Topell 
sein genmlil § vnil § lierr ij georigtj ist § gestorben g am 
Sand tj Oeorgn g lajrij (-. Zeile oben 1 ) An«, ilm g in . eceee§ 
prhno ind s? trau $ Ernenn« 5 sei | gemnhl § ist g gestor- 
ben gnn sandglieorgenta;: Anno ilniij I KW de gbeden 
gOt|gennd. Die beiden im unteren Tlieile des Mittel- 
leides angebrachten Wappen. Uber denen sieh ein go- 
flusche* Ornament spitzbogcnilhnlieh und mit einer 
Kreuzbhnne aWhliessend wölbt, sind jene der Familien 



Eytzing nnd Toppe). Da» crslere ist gegen- 
ttber dem früher beschriebenen dieser Fami- 
lie bereits vermehrt ; im ersten und vierten 
Felde enthalt es das alte Familienwappen, 
im zweiten und dritten einen runden Hut 
mit zwei herabhängenden Quasten, darüber 
ein Fisch. Der Helm ist gleich dem eben 
beschriebenen. Zwischen beiden Wappen 
schlingt Hieb mit den Helmdecken vereint 
ein Hlattornnment , das jedenfalls hübscher 
durchgeführt ist als das am früher erwähnten 
Wappen. (F 'ig. ±) 

Georg Hitzing war der Sohn des Sigis- 
mnnd und Nachfolger Dswald's in der I'nYg 
schaft von Drosendorf: er hielt es meistens 
mit dem Eandcstursteii , stand gegen den 
ungarischen König Mathias. Er war zweimal 
verehelicht, doch waren beide Ehen kinder- 
los. Seine erste Frau war Elisabeth von 
Sinzendorf, Tochter des Hans von Sinzen- 
dorf, die um 1490 starb. Seine zweite Gnttiu 
Euphemia, Bernhard's von Toppel Tochter, 
starb |4!H). 

Wir haben bei früherer Gelegenheit 
bemerkt, dass oft der Zufall mithelfen muss. 
um Grabdenkmale . die unzweifelhaft von 
einiger Bedeutung sind , aufzufinden. So 
verhält es sieh mit einem Fund in jüngster 
Zeit. Aus Anlas» der vielleicht zu erreichen- 
den Wiedeniufslellung des griitlich Lnudon'- 
sehen Gedenksteines im Sehlossparke zu 
Ernstbrunn, der leider gleich manch ande- 
ren Denkmalen daselbst, die aus der Zeit 
des grätlich und fürstlich Sinzcndori'schen 
Besitzes ■> stammen, dein Verfalle in unwür- 
diger Weise preisgegeben ist und bis wenig 
stens noch vor kurzer Zeit auf dem Material 
platze des Schlosses lag, begab sich der 
Gefertigte und noch ein Ansschussmilglied 
des Wiener Altcrthnms-Vcreiucs in das oli- 
benannte Schloss. Da mau in freundlicher 
Weise die Besichtigung der Burg gestattete, 
gelangten wir auch in die katholische Schloss 
Capelle und fanden daselbst in der rechten 
Seitenwand drei Blatten aus weissem Marmor 
eingelassen, auf deren jeder im Hochrelief 
eine Figur in Lebensgrösse nusgemeissclt 
ist. Zwei Figuren, davon eine von unter 
geordnetem künstlerischen Werl he. /.eigen 



» i 

MM Im 
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llncb nnd <,'...' ■ 
rank . oVe Heil lln'n. lt. 
itt..l Harr tnn StnUandorf 
Harr darr-n Mi n.. liaC-m 



^rin ■ -CaF-ellr der IT irrklrrha au 
ii,b, die «Ii. Iiiiil» die ITaTiklrcha MlliM war. betkndal 
F.rM.euräbnlaa dir Familie lll»H»l»lf Auf der Cruti 
null- luarbrifl atigabraebl : .Uler 11*1 beETnb* 11 drr 
II- fr Weuirl, ll-niiina, Kuelarhltu , Johann Nrpo. 
itcbi, Erf-SabatanarliTer IlarrKraf tu Itbriueff Graf 
aud Tu*tinaaUi.eii. I>. Illiarr aar II nii ril T>ni|.r UHU. 

KWMint. frlr-ii't'-rf , SHbudt-rLhe, Steina- t-runi-. 



.Mreitdnrf. N.llii«, Bm»t»l'-rf I« l.anjt» Tlull, ll.iur.Ker.r-' rg, Mir kelltet'« n. 
Sr|r.k*iil>riine>. MurlrnlVIa, Tratet, Trlehal. der rle»rr, und Hrrr.ehaft Alrblmra. 
und Itlttaeharan . ill>ri»f.r d.-r >luinl»eherikK in «irternleb oh dar hnt.., otiri« 
Mar KrhaaliiMlracar, obriH.r KM-kämi-r Klcklrr n»d Obrlairr FrUan • . tWt- 
»<hn«ld. r In Okrr- und Ntcd.r - Ütl.-tTrlr h , Ibra ICöaa. Kay aurn Kay. Kon 
Arw.ll. Ma| Wiirklirb^f Kämilicrrr. Sn J> n 10- l'i l-ruarr 1 711 O* l.nhrcn ott'l d< n 
tk May 177.1 i» Ptel »all« tnlar tilafrn-* lnarbrift d. t flral-ilalr.ru) auaaan an 
«Vr Ca|.rllai .Mi. r ruliat dar lli-cb«. baröi- llr-rr l'n-»|.ar l'ür.l reu Sli.arn-lorf 
und Taahaioau. ^. firorlir Iturcsraf ran Winf^rrirdr« im KäaUr^laba Hayarn. 
Irnylirrr auf rac 1 xu Krnrtt-f 'i Im, Harr d. r ll»rrr«bafiaii Fruaibntnu, Klrtneftt. 
KaKrtil-i rf. Mi- Ii. latirtan , I a-lrr,tlakr tibru.-n, SfaMialiriina und r.nVhl In Onar- 
rairb. Iianmlan und C.«iucbau In ll^hman. k. k. Kaminrnr. Itlm-r dra |P>I- 
daaaa Mieatrt, dann d- * M 1IH.1 i.-r - Orit. na KeniBiaaiUvr . dir aratc Fürtl 
»rlnaa llruse». itarb ala dar lilata »nrnaar dir ah-rnflirlirn Kamill*- Mri'-a- 
dnrl Im 7: Jahre aeinai Alur., in >.lil...r< »nao-runa am ■• AnfUal HM.* 



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I 



männliche , die andere eine sehr schön ausgeführte 
weibliehe Figur. Da sieh keine Inschrift an den Monu- 
menten befindet , inllssen als Anhaltspunkte lUr die 
möglichst genaue Bestimmung dieser tinzweifelhaft als 
Grabdenkmale angefertigten Seulpturen die Tracht der 
Figuren, deren künstlerische Behandlung und endlich 
das Wappen geniigen. Dem Wappen nach, das bei allen 
dreien gleich ist und einen, mit in Kleeblätter endender, 
einen Halbkreis bildender Biude belegten Flllgvl zeigt, 
durften diese drei Grabsteine den letzten Abkömmlingen 
lies mährischen Herretigeschlechtcs von Lomnie ange- 
boren und denselben früher in der Filialkirehe zu ftiean. 
einem kleinen Dorfe und vormaligen Hittersitze bei 
Eiehliorn, gesetzt und von dort nach Krnstbrunn Über- 
tragen worden sein. Johann Semhera von Boskovic ver- 
kaufte im Jahre 1570 das Gut ftiean sammt Eiehliorn 
dem Überstlandriehter in Miihren Znata von Lomnie md 
dessen Gemahlin Magdalena von Mirow, von denen es 
im Jahre IT»«. 7 ) an Tas von Lomnie und dessen Galtin 
Katharina Mezerickä von Lomnie Überging. Tas starb 
um das Jahr lOim als der letzte seines Stammes und 
seine Wiltwc Katharina verkaufte beidu Guter im Jahre 
1009 an II. Siegmund von Tirstenbnch. Im Jahre 1670 
gelaugte ftiean sammt Eichhorn an die Gräfin Marie von 
Sinzendorf, im Jnhre 17<>7 an Johann Weikard Graf von 
Sinzendorf, im Jahre 1715 an dessen Sohn Prosper, im 
Mm 1766 an Wenzel Johann und endlieh im Jahre 
177:! au lies letzteren Sohn Prosper, der es im Jahre 
1802 an den Freih. Wilhelm von Muudi verkaufte. 

Mit Rücksicht auf die Tracht der Figuren und die 
Behandlung der Sculptnr ist kein Zweifel, dass diese 
Denksteine die beiden Herren Znata und Tas und die 
Gemahlin des Letzteren Katharina v. Lomnie vorstellen. 

Dr. K. Lind. 

Zur Kunde steierischer Städtewappen und Siegel. 

mii i iK.nith.min., . 

Herr Dr. Enist Edler von Hartmann-Franzens- 
huld hat durch eine eingehende Besprechung von 
Widimsky's Städtewappen des österreichischen Kaiser- 
Staates im XVI. Jahrgange dieser Zeitschrift, wieder die 
Aufmerksamkeit des grossen l'nblicums auf ein schon 
1.MJ4 erschienenes Werk gelenkt. Im (Sanzen wird die 
\ criliensllichkcit des Unternehmens anerkannt, im Ein- 
zelnen manche Schwache berichtigt. Da jedoch ein 
iletaillirtcs Eingehen auf alle historischen Unzulässig 
keilen Widimsky's nicht in der Absicht des Benrtheilers 
gelegen haben mochte, so blieb dadurch noch mancher 
Irrtliuui Übrig, der eine Corrcctur erheischt. Das gilt 
zumal von dein Uber die steierischen Städte -Wappen 
und Siegel Gesagten. Nur zu leicht geräth man sonst 
in deu Glauben . dass von den gerllgten Fehlern abge- 
sehen, der Rest ohne weitere 1'rlifung brauchbar sei und 
so ist es in der Thal schon der Griitzer Tagespost in 
einer Notiz Uber die oberwähute Besprechung ergangen. 
Dil' nachstehenden Berichtigungen sollen nun an einigen 
herausgegriffenen Heispielen zeigen, wie Überreich an 
geschichtlichen Schnitzern Widimsky's Angaben betreffs 
der Steiermark seien, and wie sehr man sieh daher 
hüten mtlsse. seiner Autorität unbedingten Glauben zu 
schenken. Nicht wenige heraldische Curiosa reduciren 
sieh dann bei genauerer Betrachtung auf blosse Miss- 
\erständnissc. 



Vor allem erscheint es nothwciitlig zu prüfen, wie 
es mit der Glaubwürdigkeit gewisser von Widimsky 
positiv ausgesprochener Nachrichten bestellt ist. Zwei 
Beispiele dürften vorläufig genügen. 

S. 30 berichtet Widimsky: „Schon im XII. Jahr 
hundert war Fürstenfeld ein geschlossener Ort und tun 
die Mitte des XIII. Jahrhunderts bereits eine Stadt, deren 
Blirgern Kaiser Rudolf I. von Habsbiirg ddo. Wien am 
24. Februar 1277 die vom Herzoge Leopold dem Glor- 
reichen und vom König Otakar von Böhmen erhaltenen 
Vorrechte und ihr Stadtwappen bestätigte, welches 
damals aus einem gespaltenen Schilde bestand, dessen 
vordere grüne llältte den silbernen steierischen Panther, 
die hintere silberne den altböhmischen einköpfigen 
gekrOnten schwarzen Adler enthielt. Niehl lauge darauf 
wurde unter Albert I. von Habsburg, als Herzog von 
Steiermark, 129G, dieses Wappen abgeändert, indem 
der althöhmische schwarze Adler mit dem silbernen 
Felde herausgehoben und datltr das österreichische 
Bandscbild aufgenommen wnrde, welches, so darge- 
stellt, seit dieser Zeit auf Urkunden und in Siegeln in 
Gebrauch geblieben ist.-* 

S. 25 weiss er über das Griitzer Wappen zu berieh 
ten, dass der Pantherschild schon 1440 geführt wurde, 
und tilgt dann wörtlich bei: „Nach der Thronbestei- 
gung Kaisers Friedrich IV., welche in demselben Jahre 
stattfand, ordnete er der Stadt zum Beweise seiner Huld 
und Gnade an. dass von nun an ihr Wappen drei cin- 
schwänzige , vor sich schauende, silberne Löwen zu 
Schildhaltern führen solle, von denen beiderseits ein 
aufrecht stehender den Schild mit den Vorderpranken 
halten, und der dritte diesen unten mit Kopf und Klicken 
zu unterstützen habe-». 

Betrachtet man nun das Verzeichnis» der „(Quellen-, 
welches Widimsky S. 50 seines Werkes abdruckt, 
so ersieht man, dass er, was die Steiermark nnbelangt, 
fast gar nicht nach Urkunden gearbeitet, und die weni- 
gen benutzten oft missverstanden hat. Weit lieber 
schöpft er seine Nachrichten ans zweiter und dritter 
Hand, und indem er dann einzelne positive Notizen 
willkürlich verbindet oder falsch deutet, entstehen der- 
gleichen verschrobene Behauptungen . wie die oben 
angeführten. 

Die Ingredienzien zu beiden Wnppcnsagon lassen 
sich indess glücklicherweise bis zum I -Tüpfelchen nach- 
weisen. Sie sind für Fürstcnfeld einmal die Thatsacbe, 
dass König Rudolf unter dem angegebenen Datum den 
Bürgern die hergebrachten Freiheiten bestätigt hat ' Bll 
die von Kelly (Beitrüge znr Siegclknnde des Mittel- 
alters p. Ml) gebrachte Beschreibung zweier Stadtsiegel 
aus den Jahren 127-S und I2JM5. Allein das Privilegium, 
dessen Wortlaut ans der Anmerkung ersehen werden 
kann, gedenkt mit keiner Silbe des Stadtwappens », und 
aus M e I ly's fliegendem einfachen Adler auf dem älteren 
Siegel ist bei W id i msky der altböhmisehe einköpfige 
gekrönte schwarze Adler geworden. Eben so genügt 
ihm, dass Melly dns geänderte Siegel an einer Urkunde 
von 1296 erwähnt, um sofort dieses Jahr als den Beginn 

• EBlnnmnen «• J. C. H o fr I rht r r, Prlillril.D <l..r l«.J*.rllr.t 
Irrhtn Si»dt tünmUU, |>. I. 

: IUI..I' ...n »O.U.. m,»J.n Uöml»rh«r IülIj . . vtHtlkra »lr. du 
müxra t.io-n roil irtn cö-m r» od k .ufni«u,cln<ri duruu dl» <tn«unl-ii 
l»>i<-crHil.ii tu UofUth «»d »»• »««lirhi. »(rdrunc «oll» »dir Di«, Mit »y 
IMMakiH katart i-«b»i.i *u d.u «.m. „ hm lt n »«iih wmi yi i iM i lii 

•..lll-r.dl Btrtoil Li-unolrt »ni.d .l»ru..li d> • . rkiKl.tf u Oll «. i. lt. i »- 
luh.li.t- O.rvfc.r «nibWim «lr •II..» „»,.r» i«lli,»rn n. .. « \io der C»»r. 
HUm* ""«S Albrc.tii II. dd<- IJ4», IT. S. »W»»rr. ür>« 



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CLvin 




Fl*. 1. 



i-iiicr Neuerung zu bezeichnen, welche ebenso gut in 
den vorangehenden IS Jahren eingetreten Hein knnn. 

Noch unkritischer, wo möglich, ist (lax Uber Grätz 
Gesagte. Weder der reiche I'rkundcnschatz den steie- 
rischen Lnndes-Archivs, noch C hmel's Regenten Rainer 
Friedrich'H, noch Wartinger's Privilegien von Grätz 
oder Muchar'8 Geschichte der Steiermark, wissen 
etwas v.iii jener Verleihung der drei Löwen nls Schild- 
halter. Die Thatsache, da«« ein Siegel vom Jahre 1440 
mit drei Löwen, welche den Panthcrschild umgehen, 
vorhanden ist, und eine iniRsdcutete Behauptung M e 1 1 y's 
sind hier die Quellen de» von Widimsky vertretenen 
IrrthiiniH. 

M e 1 1 y hebt nämlich hervor, S. 171, das* die Jahres- 
zahleu auf StUdtesiegeln nicht allein mit der Verfertigmig 
de« Siegels gleichzeitig sind , sondern Uherdies meist 
mit dem Datum der Wappcnvi rleiliuug zusammenhän- 
geil. Er mochte, was Grätz betrifft, dies um so sicherer 
glauben, als ihm drei Siegel vom selben Jahre (1440) 
bekannt waren, wHhrend gewöhnlich die Städte mit 
der seit dem XIV. und XV. Jahrhundert beliebten Ein 
fuhrung der Geheimsiegel, den fortwährenden Gebrauch 
der älteren llauptsicgcl v erbanden (S. 159). Er spricht 
daher, S. 88, seine Ansieht ganz bestimmt dahin ans, 




i'ig. i. 



dass 1440 das Jahr der Wappenverleihung sei >. W i d i tu- 
nk}', welchem blos der Stempel vom Jahre 1440 vor- 
gelegen haben muss, interpretirte dann die Verleihung 
dahin, dass sie nicht nur den Schild, sondern auch die 
drei Löwen als Sehildhalter betroffen habe. Eine sorg- 
fältigere Benutzung von Mclly's Werk allein hätte ihn 
schon von dieser Behauptung zurückhalten sollen, da am 
angetnhrtcn Orte noch zwei andere Siegel des gleichen 
Jahres beschneiten werden, deren eines die Löwen 
durch drei wilde Männer, das andere durch Ornamente 
ersetzt. Oder sollte Widimsky im Ernste der Meinung 
gewesen sein. König Friedrich IV. habe den Grätzcrn ftlr 
das Hauptsiegel wilde Männer, ftlr das mittlere Löwen, 
und ftlr das kleine gar keine Sehildhalter erlaubt? 

Man wird daher das Erscheinen der drei I^öwen im 
Felde des Grätzer Siegels auf anderem Wege als dem der 
Verleihung zu erklären haben. Auch hier hätte Meli y den 
richtigen Führer abgegeben. S. IS!) verweist er derglei- 
chen Thiere in die Kategorie der Beiwerke und leitet 
deren Entstehen (S. 1H1) aus dem Gesehmackc der Gra- 
veure her, denen das widersinnige Freiseh weben der 
Schilde nicht behagen mochte. Solches lägst sich auch ftlr 
die Steiermark erweisen. Abgesehen von den gleichzeiti- 
gen Siegeln der Stadt Cilli, wo ebenfalls die drei Löwen 
auftauchen, ist z. B. das Vorkommen wilder Männer 
aufJndenbnrger Bärger- Siegeln beinahe charakteristisch. 
Ha dieselben nicht selten Schilde mit blossen Hans- 
marken tragen, so wäre" es geradezu widersinnig, sie 
als Sehildhalter in der späteren Bedeutung zu lassen. 
Wieder andere bedienten sieh der Engel, Löwen, Vögel 
Drachen u. s. w. zu gleichem Zwecke, so dass wir offen- 
liar hier nur mit dem Erzengnisse des damaligen Ge- 
schmackes zu thun haben. M* darum die Vorliebe Air 
dergleichen Figuren mit dem Mittelalter erlosch , da 
liessmau sie einfach weg und der Gritrxcr Siegel-Stempel 
nns dem XVII. Jahrhunderte, welchen v. Franzens- 
hnld abbildet, hat bereits diese angeblichen Sehild- 
halter durch reiche Ornamentik ersetzt. 

Mithin brechen die von Widimsky Uber das 
Grätzer und FUrstenfelder Wappen gebrachte» Sagen in 
sieh zusammen. Als Beleg für den Irrtlium, dass man 
schon in der ersten Hälfte des XV. Jahrhunderts darauf 
gekommen sei, die Sehildhalter diplomatisch tixiren zu 
wollen, kann unser Grätzer Siegel flirder nicht benutzt 
werden; dieser zweifelhafte Buhm bleibt nach wie vor 
dem Zeitalter der verfallenden Heraldik vorbehalten. 

Was die Grätzer Bürgerschaft im Jahre 1440 zur 
Neuanfertigung aller Siegel bewog, ist freilich nicht 
leicht zu sagen. Die Wappenverleihnng. wie Melly 
meint, war es nicht, denn die Stadt führte den Bant her, 
allerdings ohne Fassung in einem Schild, schon seit 
dem XIII. Jnhrhunderte im Siegelfelde. Der Freund- 
lichkeit des Herrn Hauptmanns von Felieetti - Lieben- 
fein verdanke ich die Zeichnungen zweier Siegel, 
deren Originalien sich in den Archiven der Stifte 
Beim und St. Lambrecht befinden. Das älteste (Fig. 1) 
hatte offenbar ilie Umschrift : f Sigillvm civm . de 
graez. Es zeigt den steierischen Panther noch ohne 
Fenerflamnien auf dem Kopfe, ein sonderbar geform- 
tes Hütchen mit welchem das rmschriftkreuz in 
zufalliger oder absichtlicher Verbindung steht. Dieses 

* A. * O. wt tl'M-liTctttunc itfi grüj..«m SliTwl* Nr. IH2: „Ei urd.uikr 4 
»i# flu Ft'lfcfcdr ftviu Ktit«!«!). n 4*m Privilegium* -gr<u*i»u!lit«K-tt K»i>> t 
FHrJrk-b III ilV.)" o&d Nr. IM: »rUiitrii ßbi-f d<m Srh.tdr lr**vm »w«i 
auI wetrlitu 11 — 10. da* J«hr d«r W»r-i»« iiTt-rleiti«»«, •MiitV 



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CLIX 



Siegel ist mehr oder minder gut rii zwei Renner Urkun- 
den ddo. 1277. 16. Februar Kenn, und l'-'89, 23. Mai 
(irätz, erhalten und kann höchsten« hin zum Ausgange 
des XIII. Jahrhunderts in (Scbrnnch gewesen sein. Seit 
dem Jahre 1 84M» begegnet nämlich ein neues Siegel 
(Fig. 2) an I'rknnden, das «ich als f Sigilvm civi- 
tadis . greHzcnsis) bezeichnet. Der Panther ist hier 
gekrönt und löwenartiger, auch Kprtllit schon Feuer 
aus seinem geöffneten Hachen. Ob dieses Siegel, 
welches bei einer Rentier Ilrknnde vom Jahre 1300, 
9. Mai, und einer St. I^ambrechter ddo. 1 ;S-4-**, 15. Juni 
bekannt ist, anch in der zweiten Hälfte des XIV. Jahr- 
hunderts gebraucht wurde, ist bisher nicht zu erheben 
gewesen, doch ist es nicht unwahrscheinlich, dass es 
bis zum Jahre 144o in Verwendung gestanden sei. Das 
Bedürfniss zweier kleinerer Siegelstempel , verbunden 
mit der veralteten Form der Wnppenfigur mag dann die 
Stadtgemeinde anch znr Neuanfertigung des dritten 
Stempels (Meli)' Nr. 182) bewogen haben, welche noch 
1594 und 1630 an Urkunden erscheint. 

Ist durch die bisherige Darstellung gezeigt worden, 
wie vorsichtig man den positiven Behauptungen 
Widimsky's, mindestens wns die filtere Zeit anbe- 
langt, entgegenkommen mnss, so kann der Itest der 
Bemerkungen desto gedrängter gegeben werden. Der 
Wortlaut der Wappcnvcrlcihung Kaiser Itudolf des I. 
an die Stadt Brnck an der Mnr d. a. 130U (sie) wäre in 
der Thal, wie Herr von Frnnzenshnld bemerkt, sehr 
am l'latze gewesen, znmnl l'rkunden, welche nenn Jahre 
nach dem Tode des Ausstellers dntireu, entschiedene 
Merkwürdigkeiten sind. Nebenbei bemerkt, ist uns eine 
Wappenverlcihnng tllr diese Stadt erst von Maximilian I. 
bekannt ». Ebenso versteht es sich nach den früheren 
Ausführungen von selbst , dass der drei unglückseligen 
Löwen halber Kaiser Friedrich IV. (!III.) mit nickten 
der Verleiher des Wappens au die Stadt t'illi sein muss. 

Bei Judenburg, wo Widimsky die alten Sicgcl- 
hilder (Mauer mit Thurm, spater mit dem steierischen 
und österreichischen Banner besteckt) bespricht und die 
Frage anfwirft, wann denn das redende Wappen auf- 
gekommen sei, glaubt sein Bcurtheiler, dass dasselbe 
von Ferdinand II. herrllhre, weil ein (jetzt ipi Landes- 
Arehive befindlicher) Siegelstempel den Jndenkopf und 
die Jahreszahl Dil 9 aufweise. In der That Hess sieh 
früher nichts gewisses Uber den Beginn dieser Änderung 
sagen, und Le ithner weiss in seiner Monographie 
dieser Stadt nicht einmal eine Sage dafür beizubringen *, 
wiewohl sich dieses Stadt-Wahrzeichen in Stein gemeis- 
selt an einer Ecke des Judenburger fiasthofes zur 
Krone findet, welches in seiner jetzigen Gestalt ins 
XVI. Jahrhundert zurückreichen dürfte. 

Ein glücklicher Zufall Hess mich erst vor kurzem 
die beiden ältesten Beispiele dieses Wappens unter den 
Arehivalicn des steirischen Landes - Archivs auffinden. 
Das eine ist ein Secret vom Jahre 1488. dessen Abbil- 
dung unter Fig. 3 gegeben ist. In Mitteu einer drei- 
bögigen Zierrath befindet sich der ausgeschweifte Schild 
mit dem ausdrucksvoll gezeichneten Jndenkopfe. Ein 
Schriftband mit der Jahreszahl und den Siadtnamen 
:ivdenbv rg in kraftiger Minuskel durchhiebt die Ein- 
fassung. Im Gebrauche stand dieses Siegel offenbar bis 

" Wirllaf-r. IT.t m. Brück, p, 1» 

» V.rwch -lut-r >l..„-«..|l.tr it-cr dir k. k Ii. IrhMtMll iu.li »Imn», 
mint |i. 11 i.n i ic I'«» ir» e .iri,- i»i«,.) r«n<< Ith »—k «uf " 
«n. r J.l.r... dt, T-mun iihrhun.Urii 




zur Anfertigung des obenerwähnten 
Secretstempcls von 1619, denn es 
hat sich an einer Zuschrift der Stadt 
vom Jahre 1603, eine Malefiz|-crson 
betreffend, erhalten. 

Vierzig Jahre jünger ist das 
Grandsiegel Fig. 4, dessen Ausfüh- 
rung freilich bedeutend schwächer 
ist. Es findet sich an Urkunden, 
welche Grundstücke innerhalb des städtischen Weich- 
bildes betrafen, mindestens bis ms XVII. Jahrhundert 
angebracht. Die Umschrift •: S(tndt) • I(udenbnrg) » 
GKVNT i SIGIL :- 1528 ist gleichfalls auf einem Bande, 
der Schild selbst erscheint schief gestellt. Erwagt man. 
dass das von Melly Xr. 191 an einer Urkunde von 

1487 verzeichnete Secret noch den Thorthunn zwischen 
den Bannern zeigt, so unterliegt es wohl keinem Zwei- 
fel, di.ss die Aufnahme des Wnppcnbildes erst ins Jahr 

1488 fällt. Dass sie auf Grund eiuer 
kaiserlichen Verleihung erfolgte, wie 
sie im gleichen Jahre z. B. ßiberach 
zu Theil wurde (Cbmel Reg. K. 
Friedrich 757, Nr. 8303) ist um so 
wahrscheinlicher, als ein ähnliches 
Diplom für den obersteirischen Ort 
Nenmarkt bereits vom 3. December 
1446 datirt. Daneben aber blieb das 
alte Hanptsiegcl einer von Melly 
(S. 159) beobachteten Regel entsprechend noch tief im 
XVII. Jahrhundert im Gebranehe. 

Bei Besprechung des Lcobner Wnppens erklärt 
sich der Bcurtheiler mit Recht für die ältere von Graf 
nnd Melly vertretene Meinung, welche im Strausse 
eine Anspiegelnng auf den Eisenhandel sehen. Widim- 
sky dagegen betrachtet diese Fignr als die Helmzier 
des alten nngarischen Landeswappens •, welche Albert 
als König von Ungarn zwischen 1L J 98— 1308 seiner Stadt 
Leoben verliehen habe. Dagegen erheischen die Abbil 





« litt ntatn iMMMaMtM h»r»«rl.r»»l.il«il. (Mm iiHtl mb .n 
J Hu....V Werk-: Niimml llmor.» T»f XIII, Nr. MI— SOI, M«. Sie, H7«. a;n 
in tllM iwllci,«» WLtit.r. ...f Mli.,»t« Kirl KM -ri» < 13»«- UlS. d.r.-.ttlll 
III.- fan Ib.l II, p. 101 »lt»-U.,III« Si. II« einer l 'Tmilk -pr-.rl.t I., i s.l.ild- 
mit .i-r l.ilrSenftl«r K. KuMm 41- n>bM|.t»f iu-. drr Mri.il. .Iti 

lltlt.nch'r.uck drr AnJ'U «»r ; m .(unriu.. uuMr- mllltun. rilriU r<c.lttu.» t..u , 
InilJecllnm gilt.» iwrtti eoronlt rirrunt'liti» In.ign.i .üb fornii atrutlilnm, 
KTli, •in* p.r tpmm d.-m.ouni r-K<m tIu i.ui .-»n.lli hit>«-rl frrrt tnn 
rn.t. h«l>«I.Mtnr;<. W.,1.1 «In M|t»filhK-r H»lr« *mtmr . «I- dir i 

«Itllk dtr l -.t— .tliuu.iij dun». Dumlimni.tli. K»n.aol.»t -rvlriih... k»i. 



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I 



CLX 



düngen der ältesten Stadtsiegel, welche XVI. Jahrgang 
p.f'XLl erscheinen, einige Ergänzung. Da» Fig. 7 abge- 
bildete Siegel ist zwar identisch mit dem hei Melly 
S. beschriebenen, aber keineswegs das iiiteste, wie 
beide vermuthen. Ks findet »ich im Landes-Archivc seit 
dem Jahre l.'Jll an mehreren l'rknnden durch das 
ganze Jahrhundert. Dagegen erscheint das hier Fig. b 
gebrachte in seiner Zeichnung und Ausführung viel 
einfachere f Sigillum . civitatis . de livhen schon an 
einer Ausfertigung de» Richter»« Wigand und der Ge- 
schwornen vom IS. September mittelst welcher 

dein Pfarrer Yring des benachbarten Proleb die Steuer- 
freiheit bezüglich zweier in der Stadt angekaufter Hof- 
stätten zugesichert wird. Mclly ist zu seiner Annahme, 
von der Arbeit des Siegels abgesehen, vorzüglich durch 
eine von Graf mitgetheilte Urkunde bestimmt worden, 
welche vom Jahre 1280 datirt ist und des Stadtsiegels 
erwähnt. Es ist nun richtig, ilass Graf, welcher in einer 
Heilage acht Leobncr Siegel abbildet, kein älteres kennt, 
allein er hatte auch das Original jenes citirten Doeu 
menls nicht gesehen, da er ausdrücklich seine Nachricht 
als ans ..den Dominicaner Kloslcrannalcn- geschöpft 
bezeichnet. Ausserdem ist bei dein V. Franzcnshuld 
unter Fig. 0 mitgetheilten Stadtsiegel die Jahreszahl 
1C>14 nachzutragen. Sie ist Überaus zart und klein an 
den Seiten der Cartouche in zwei Zeilen 1 — <J I — 4 
angebracht, und konnte darum leicht übersehen werden. 

Hat der Gefertigte durch seine Darlegungen 
erzielt, ilass auch die Übrigen historischen Ausführun- 
gen Wid imsky's, soweit sie die Steiermark betreffen, 
nur nach genauer l'rtiftmg benutzt werd en , so ist der 
Zweck dieser Zeilen erreicht. Auf dns Wappen der 
Familie Kggenherg, welchem Widimsky S. 4!) einen 
eigenen Anhang widmet, wird er vielleicht in der Folge 
einmal des Näheren eingehen, lh\ A. LtuviiH. 

Die romanischen Thürzieher von Gleink. 

imii i Biiwiiiain,j 

Bekanntlich fällt die Grllndung des ehemaligen 
Bcnedictiner-Stiftes Gleink bei Steier in den Anfang 
des XII. Jahrhuuderts, welche von Arnhelm, einem 
Manne von höherer Adelscla-ssc (nobilis et de conditionc 
majori) begonneuc und von seinem Sohne Bruno fort- 
gesetzte Stiftung vom steierischen Markgrafen Ottokar 
VI. und seinem Sohne Leopold auf der im Schlosse 
Steier 1121 stnUgefmidcnen Versammlung mit Feudal- 
und Zinsglitern und Vorreehteu reichlich dotirt wurde. 
(Muchar, IV. Band, Geschichte der Steiermark.) 

Die ursprüngliche Stiftskirche und die dazu gehö- 
rigen Gebäude haben iudess im Laufe der Zeit so 
mannigfache Veränderungen erhalten, ilass mau in den 
Bauwerken, in ihrer Anlage und künstlerischen Durch- 
führung oder in der inneren Einrichtung vergeblich nach 
Merkmalen und Anhaltspunkten suchen würde, die einen 
Aufschluss über die angeführte geschichtliche Thntsachc 
zu bieten vermochten. Selbstverständlich hat sich die 
gegenwärtige Untersuchung, wie es bei einem Stift* 
geblade, welches derzeit von Nonnen bewohnt wird, 
nicht anders sein kann, nur auf die Anssenscite und auf 
die den Laien zugänglichen Theilc beschränken können. 




wobei 



• Wahrnehmung machen 



ich«, dass zu l-.ml 



des XVII. Jahrhunderts, zur Zeit, KU) die Roeoeoperiode 
sich in die entartetsten Formen ausp icht hatte, auch 



dieses Bauwerk, wie so viele andere in Österreich und 
Steiermark gelegenen Stiftskirchen und Abteien mit 
den überschwenglichsten und überladensten Mitteln der 
in Verfall gerathenen Kunstrichtung erneuert wurden, 
nm der ursprünglichen Gestalt entledigt nnd nach Mnss- 
gabe der üppiger gewordenen Zeit eingerichtet zu wer- 
den. Sonst findet man doch noch Grabsteine, die, im 
Fussboden der Kirche versenkt oder an den Wänden 
derselben aufgestellt. Kunde von dem Leben und Wir 
ken unserer Vorfahren geben, allein in der Gleinker 
Stiftskirche ist anch das nicht der Fall, womit nicht 
gesagt sein soll, dass sich nicht an anderen, den Laien 
unzugänglichen Stellen derartige Denkmale vorlinden. 

Nur zwei Löwenköpfe aus Brom e, als ThUrzieher 
am westlichen, aus der Zopfzeit stammenden Portal 
der Kirche angebracht, sind die einzigen I berreste 
(siehe Zeichnung), die aus der Zeit herrühren, in wel- 
cher die ursprüngliche Cnltnsstätte ihrer Bestimmung 
übergeben wurde, und schon dieses Imstande* willen 
sind dieselben von besonderem Interesse und verdie- 
nen, dass darauf von Seite der Kirchenverwaltung eine 
sorgsame Werthscliälzung gelegt werden möge. 

Die Bronce-Arheiten der romanischen Periode, die 
ihrer Zeit gewiss in grosser Anzahl vorhanden waren 
und eine ausgedehnte Verbreitung nnd Verwendung ge 
fnnden haben werden, zählen zu den selteneren Funden; 

die vorliegende Arbeit gewinnt lerer h ein besonderes 

Interesse . sowohl durch die Formengebiing des Kopfes 
des in der christliehen Symbolik beliebten Königs der 
Thiere, als auch durch die technische Ausführung. Was 
die erstere anbelangt, so liegt damit ein ausgesproche- 
ner Repräsentant der romanischen Epoche vor, die »ich 
von der Gebundenheit des überkommenen Typus nicht 
zu emaneipiren vermochte, in zweiter Richtung lässt die 
sorgfältigere f'isclirung der tun den Raeheu geführten 



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CLXI 



Lineanientc, der Augenbrauen, der 
einzelnen Haare , in den partien- 
weise gewickelten Mähnen, darauf 
schlicssen, dass es dem Künstler um 
eine prägnante Imlividualisirung zu 
thnn war, wie auch kein Zweifel 
darüber walten kann , (Inns man ex 
hier mit einem Originale und mit 
keinem späteren Nnchgnss zu tlinn 
hat. Sclbsncrständlich lag es dem 
Bildner sehr ferne, in sein Werk 
eine Stimmung hineinzulegen, allein 
auf den Beobachter hinterlassen die 
beiden Thllrzieher den Eindruck 
vvllrdevollen Ernstes und erhabener 
Hube, wie llliorliuti]»! die Werke der 
früheren Kiinstcpochcn dnreh Ein 
fachheit, strenge Gebundenheit und 
harte Modellirung ihr eigentliümli- 
rhes Gepräge erhalten. 

Die Grösse der Seheibe, anf 
welcher aeht Nietenköpfe die Befe- 
stigung am Thorbalken darstellen, 
beträgt Kl Zoll, der Lowcnkopf tritt 
in seinem Relief .'i Zoll uns dcrsel- 
ben heraus, und der King, der von 
einem Doppelpaare stark gekrümm- 
ter Itcisszähuc gehalten ist, mimt 
in seinem Durehmesser ti Zoll bei 
einer Stärkt; von einem halben 
Zoll. Beide Thürzichcr sind sehr gut 
erhalten und empfehlen sieh der 
Nachbildung. Joh. Grath, 



Das Lobkovic'sche Rcliquienkreuz. 

Ml ■ H . r,;ri ( 

Unter den vielen archäologisch interessanten Ge- 
genständen, die gegenwärtig im k. k. Museum dir Kunst 
und Industrie ausgestellt sind, rindet lieh »neu ein Kfe 
liipiicnkrcuz, das die Aufmerksamkeit jedes Freundes 
mittelaltcrliclier Kunst in erhöhtem Grade in Anspruch 
nimmt. Indem wir uns fllr die Folge vorbehalten, noch 
manche andere dort befindliche und fllr uns wichtige 
Gegenstände in Bild und Beschreibung vorzuführen, 
wollen wir fllr jetzt dieses Keliquiar ins Auge fassen. 

Das Kreuz hat eine Höhe von i><> Ctm. und eine 
Breite von 40 Ctm., ist aus vergoldetem Kupfer ange 
fertigt und hntte unzweifelhaft die Bestimmung, bei leid- 
lichen Anlässen auf dem Altar aufgestellt zu werden. 
Leider fehlt der Fuss, in welchem es mittelst einer am 
mtteren Ende des senkrechten Balkens angebrachten 
Spitze eingelassen wurde. Hinsichtlich der Form ist zu 
bemerken, dass der Kopflheil etwas länger ist, als die 
nnch jeder Seite hinausragenden Theile des Querbal- 
kens und dass sowohl die Enden der Längen- unil 
Querbalken, wie deren Krciizungsstclle sieh zu einem 
horizontal gestellten Rechtecke erweitern. 

Beide Seiten des Kreuzes sind reich und zwar von 
einander verschieden verziert. An der Vorderseite ist 
das ganze Kreuz mit einer Leiste nach Art aneinander- 
gereihter Perlen cingelasst und mit a jour gefassten 
Bergkrystallen verziert. Die fllnf Vierecke des Kreuzes 
enthalten je in der Mitte einen runden und gegen die 




l. 

vier Ecken hin je einen ovalen Krvstall, ausserdem ist 
jedes Verbindungsglied des Kopftheiles und des Quer- 
balkens mit einem grösseren, das am unteren Theile 
des senkrechten Balkens mit zwei solchen Steinen, somit 
das Kreuz im Lanzen mit .'10 Krvstullen besetzt. Die 
Steiue sind von nicht ganz gleicher Grösse, besonders 
gross sind die drei runden Krvstalle des senkrechten 
Balkens. Zwischen den Steinen windet sich, auf die 
platte Unterlage des Kreuzes aufgelegt, in höchst zier 
lieher Zeichnung ein Filigran - Besatz, der der ganzen 
Vorderseite zum besonderen Schmucke dient, und auf 
den Beschauer einen höchst glinstigen Eindruck her- 
vorbringt. (Fig. I.; 

Weit interessanter, wenn auch in der Ausführung 
bedeutend roher, ist die Rückseite des Kreuzes, sie ist 
mit zahlreichen Figllrehcn und Darstellungen, bedeckt: 
dieselben sind nur in einfachen Linien der Blatte ein- 
gravirt. Wir sehen zu oberst in einem Kreise den iiim- 
birten heil. Geist herabsehuelicnd, rechts und links des 
Krystalles zwei uimbirte FigUrchen, jedes ein Bach, 
das zur linken überdies zwei gekreuzte Schlüssel 
haltend, deren Grift' die Buchstaben E und K bildet 



CLxn 




(Petrin und Paulus?), herunter dem Krystalle in einem 
Kreise den nimhirten Adler, da« Evangelisten-Symbol. 
Verfolgt man den senkrechten Hnlkcn Weiler, so folgt 
wieder in einem Kreise die nach abwärts gerichtete 
segnende Hand ant' dem Kreuze, rechts und links de» 
Mittel Kn stallen zwei Figuren, davon eine, eine Ge- 
treide- Garbe, die andere ein Lamm hält, wahrsehein- 
lieh Opfernde vorstellend, darunter in einem Kreise 
das Lamm Gottes, ferner einen Engel mit ausgebreiteten 
Flligcln in einem Medaillon, (Matthäus Symbol) endlieh 
ober dem unteren Mittelkrystall eine nach links gewen- 
dete, sitzende, nimbirte Figur (Johannes Evangelist), 
zu beiden Seiten je eine nimbirte Figur eine Hlumc in 
der Hand bnlteud und unten das Brustbild einer weite- 
ren Figur, die die rechte erhebt und in der linken ein 
Much hült (Matthäus), Im linken Querbalken sieht mnn 
den Evangelisten Lucas, dessen Symbol der Stier, zwei 
Kugel im Hrustbilde mit Spruchbändern. Sonne und 



Stern , im rechten den heil. 
Marcus , sammt geflügelten 
Löwen und ebenfalls zwei 
Fngel , Mond und Sterne, 
i'berblickt mau die ganze 
Darstellung, so finden sich 
die drei göttlichen Personen 
symbolisch dargestellt und 
die vier Evangelisten summt 
ihren Abzeichen, endlich noch 
Petrus und Paulos, opfernde 
Personen , nimbirte Blunien- 
triiger und Engel mit Spruch 
bandern , endlich Sonne, 
Mond und Sterne dargestellt. 
(Flg. 2.) 

Die ganze ItUckseite des 
Kreuzes ist mit einer schma- 
len Leiste eingefasst , darauf 
eine Inschrift mittelst eingra- 
virter von einander weit ab- 
stehenden Buchstaben ange- 
bracht ist. Hei der Ausführung 
der Buchstaben hat man es 
jedoch nicht genau genom- 
men, denn es finden sich mit- 
unter solche, die verkehrt oder 
ganz liegend, ja selbst Worte, 
die in verkehrter Buchstaben 
Folge geschrieben sind. Lei- 
der fehlt bereits die oberste 
Leiste und sind einige Stellen 
an den Übrigen Seiten so 
beschädigt , dass sich die 
Inschrift nicht mehr ganz ent- 
ziffern lässt. Sie lautet (vom 
rechten Seitenbalken begin- 
nend) : s pavlvs (umgekehrt 
geschrieben), s petrvs s an- 
dreas s iacohvs s iohanues 

sibcobus s ppilipvs 

s hartholoibus s mathevs s 
«ymon s judas s mathias .... 
(scheint unleserlich). 

Dieses Kreuz, das Kigeii- 
thum der fürstlichen Familie 
Lobkovic ist und fllr gewöhnlich im Schlosse Bilin 
aufbewahrt wird, mag mit Blicksicht auf die rohe Oma 
mentiruiig der ItUckseite jüngsten dem XIII. Jahrhundert 
angehören. Dr. K. Lind. 

Die Kunst des Mittelalters in Böhmen. 

Mit i; H-lmlmliltn.; 

i KorlM-mm*?. 

Der Burg c u b a U. 

Neben den Dorfanlagen haben sich auch von 
den älteren Einwohnern Böhmens zahlreiche befestigte 
Platze als die Vorbilder des Burgenbanes erhalten, 
deren Grundform bei Errichtung der spätem Hochbur- 
gen beibehalten wurde. Durch das ganze Land, beson- 
ders aber die westliche Hälfte, ziehen sich weitläufige 
Erd- und Steinwälle hin. welche offeubar ein zusam- 



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OLXTIT 



menbängcndcs BefeBtigungR-Systcm bildeten Und von 
einem kriegsknndigen Volke ausgeführt wurden. Die 
Zeit, in weleber diene Werke, die man gegenwärtig als 
Heldensclmn7.cn oder Wallbargen zu bezeichnen pflegt, 
entstanden . lässt sieb eben so wenig mit Sicherheit 
angeben, als irgend einem Stamme die Urheberschaft 
in unbedingter Weise zugeschrieben werden kann. 

Kr ist Uber diese Denkmale . deren in Böhmen 
nahezu fttnfzig bekannt sind, unendlich viel gefabelt 
worden, ohne dass kaum einer von den Berichterstartern 
gründliche Untersuchungen an Ort und Stelle vorgenom- 
men hätte. Erzählungen von Jägern und Landleuten, im 
besten Falle die Angaben eines nachbarlichen Pfarrers, 
wurden auf guten Glauben hingenommen und gingen 
ohne kritische Sichtung in Topographien und Geschichts- 
werke Ober. Bald sollten unbekannte Urvölker, bald die 
Kelten und Bojen, dann die Markomannen. Avaren oder 
.Slnven dresc Werke aufgeführt haben j die einen erblick- 
ten kyklopischc Mauern, andere hussitisebe Vcrschan- 
znngcu und die driften durch Feuer zusammengeschmol- 
zene Stcinmnssen. 

Gründliche fachmännische Untersuchungen fehlten 
gänzlich, in Ermanglung derselben wurde die Frage auf 
«las nationale Gebiet verpflanzt und diese oder jene 
Ansicht mit Leidenschaftlichkeit verfochten. So stand 
die Angelegenheit, als ein sächsischer Militär, Herr 
Oskar .Schuster, in Dresden ein' Werk über die zwi- 
schen der Saale und Oder hinziehenden alten Befesti- 
gungen veröffentlichte. In klarer und vorurtheilsfrcicr 
Weise wurden hier zum erstenmal diese Denkmale in 
ihrem Zusammenhange besprochen und zur vollen Evi- 
denz dargethaii, dass sie einein einheitlichen Festungs- 
system angehören, bestimmt, die uralte, aus Germanien 
nach dem fernen Osten laufende Handelsstrasse zu 
decken und zugleich die Gränzcn zu wahren. Der Ver- 
fasser zeigt, dass den sämmtliehen Wallburgen ein und 
derselbe Plan zu Grunde liege , mögen sie nun ans 
Steinen . Erde oder gemischten Materialien errichtet 
sein, dass endlieh die Durchführung eines so ausge- 
dehnten nnd doch ineinandergreifenden Systems grosse 
Kriegserfnhinng und materielle Hilfsmittel voraussetze. 
Schuster weist ferner einzelne zusammenhängende 
Linien. /.. B. von Meissen bis Görlitz, nach nnd erkennt 
die Semnonen, einen suevischen Volksstamm, als die 
Urheber der von ihm untersuchten und beschriebenen 
Verschanzungen. 

Nachdem ich viele von den böhmischen Wallbur- 
gen eingesehen und aufgenommen hatte, besuchte ich 
gelegenheitlieh einer Rheinreise mehrere von den im 
Tannns und in Westphalcn befindlichen Heidenschanzen, 
unter andern, die auf dem Altkönig nördlich von Frank- 
furt und bei Meschede an der oberen Ruhr; auch hier 
fnml ich denselben Grundplan befolgt nnd die Unter- 
suchungen Schuster'« bestätigt. 

Ks seien einige der bedeutungsvollsten böhmischen 
Umwnllnngcn, welche sichtlich auf den spätem Burgen- 
hau Einflnss Übten, ausgewählt und näher beschrieben. 
Zunächst verdienen als besonders wohlerhalten die 
Steinwällc auf dem Berge Tfemschin und die von Ple- 
Sivec, beide im Krdywaldgcbirgc liegend, angeführt 
zu werden, dann der sogenannte Radistein zwischen 
Bühl und Tcplitz, der Sagenreiche Berg Blanik mit 
seinen Ruinen und vor allen andern die Feste vwn 
Katovic am Flusse Volava. Die sehr interessanten 
XVII. 



Werke auf dem Berge Vladaf, unweit Luditz, ferner 
Hradek bei Ceroosek , die riesenhaften Wälle bei 
Kopidlno und Neupaka müssen wir Übergehen, da die 
Grundrisse sieh nicht vollständig erhalten haben. 

Alle diese Verschanzungen sind doppelte und liegen 
auf Bergkuppen; sie bestehen je aus weiten in der Ab- 
dachung des Berges errichteten Umwallungcn und 
kleinen, innerhalb derselben auf deii höchsten Punkten 
angebrachten Festen, den Hochburgen. Die Hochburg 
liegt nie in der Mitte der stets länglichen Fmwallnng. 
sondern an einem Ende derselben, wo der Berg wenig- 
stens nach einer Seite hin steil abfällt. Durch diese An- 
ordnung wnrde ein grosser freier Platz innerhalb des 
Walles erzielt, welcher zu WaffeuUbungcn and im Noth- 
falle zur Unterbringung der Herden diente. In diesem 
Platze findet man innen eine, manchmal mehrere tiefe 
Gruben, Cisternen, auch ist der vom unteren Thore zur 
Hochbarg führende Weg öfters mit besondern kleinen 
Schanzen eingefasst und zeigt labyrinthnrtige Ver- 
sehlingungen. Alle Wälle, die innern wie die äussern, 
sind mit Gräben umzogen, die Berglehnen oft künstlich * 
abgeschrofft und die Plateau's geebnet. Als Materialc 
diente stets das vorgehende Gestein, Orauwackc.Gneiss, 
Granit, Basalt oder Sandstein, die etwa Vi bis K, 
Kubikfu8s haltenden Stücke sind ohne alle Bearbeitung, 
oft auch ohue jedes Bindemittel so aufeinander gelegt, 
dass die WalUcitcn im Winkel von 45 Grad gebüscht 
nnd oben mit einer etwa u" Fuss breiten Krönung ver- 
achen waren. 

So sind die Wälle auf dem 22<X) hohen, künstlich 
abgeplatteten Rad Istein zwischen Teplitz und Biliu 
beschaffen, weniger durch ihre Structur und Anordnung, 
als wegen der hohen Lage und guten Conservirnng 
bemerkenswertb. Die Radisteiner FcBte ist ziemlich 
kreisförmig und seheint zunächst Cult-Stätte gewesen zu 
sein. Die Wallhöhe beträgt gegenwärtig nur etwa f> Fuss, 
die Basis 24 Fuss; der äussere Wall ist viel niedriger 
und vielfach zerstört, auch sind mehrere Cisternen vor- 
handen. Der Radistein ist ein konischer Basaltberg, die 
Rundform der Wälle ist durch die Natur vorgeschrieben. 

Ungleich wichtiger uud umfangreicher sind die 
Befestigungen auf den Bergen PleSivec und Blanik. 
In beiden folgen die äussern Umwallungcn den durch 
die Gebirge bedingten Linien, die Hochburgen stehen 
an steilen Felsrändern , wo die äussern und innern 
Wälle in einen einzigen zusammenlaufen. Auf dem 
PleSivec beträgt der Umfang des inneren Walles etwas 
über 3t><JO, des äusseren gegen 12.(HJ0 Fuss, wo- 
bei bemerkt wird, dass diese wie die nächstfolgenden 
Massangaben nur als beiläufige hinzunehmen sind, weil 
die ruinöse Beschaffenheit der Objeete, Gestrüppe, Fels- 
trtimmer und Abgrunde genauere Vermessungen unmög- 
lich machen. Die Hochburg dehnt sieh von Nord gegen 
Süd aus, ist abgestumpft rechteckig, gegen l-'ixt Fuss 
laug und s<x> Fuss breit ; eben so weit ist auch der 
zwischen den innern und äussern Schanzen liegende, 
stark gegen Süden hin abhängige Platz, dessen grösste 
Längeuausdehnung gegen 4<MH) Fnss beträgt. Hier ist 
ausnahmsweise der äussere Wall höher als der innere, 
er hält au der Basis durchschnittlich 30 Fnss Breite 
bei einer Höhe von H bis 10 Fuss ein. Die Wälle von 
PleSivec sind die grössten der bisher in Böhmen bekann- 
ten und stehen an Flächeninhalt denen am Altkönig 
ziemlich gleich. 



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C'LXIV 



Die Feste auf dem Blanik bei Jung-Volic ist viel 
kleiner als obige, aber in derselben Weise angelegt. 
Die eiförmig beschriebene Hochburg enthält einen lieb- 
ten Kaum von nur etwas Itter 200 Kur» Länge und im 
grössten Durchmesser InO Fuss Breite; dieser Raum ist 
planirt und der Quere uaeh von einem kleinen, vielleieht 
spätern Walle in zwei Abtheilungen zerlegt, von denen 
die dem Eingang zugekehrte bei weitem die grossere 
ist. Sowohl der innere wie äussere Wall sind mit Graben 
nmzogen und der Weg dureh den äussern Platz ist mit 
einer besonderen Sehan/.e eingesäumt. Beide Wälle, der 
äussere wie innere, laufen an dem steilen Abhänge, an 
welehen die Hochburg sieb anlehnt, in einen einzigen 
zusammen. Bau-Materiale ist Thonsehiefer. 

Wenn jeder Kriegsmann und Techniker aus diesen 
Beschreibungen erkannt hat, dasH die Befestigungs- 
werke von Pleftivec und ßlanik nichts anderes als 
verschanzte Lager waren, wird diese Einrichtung bei 
den folgenden, durch Zeichnungen belegten Festen noch 
dent lieber hervortreten. 

Der Berg Tremse hin im Brdywalde ist ein lang- 
gezogener schmaler und felsiger Klicken, der Bich in 
Gestalt einer Mondsichel von Ost nach Nordwest hiu- 
zicht. Die Hochburg liegt auf dem höchsten nordwest- 
liehen Punkte, ist dureh einen tiefen Graben . Uber den 
eine Brlleke führte, von der äussern l'mwallung abge- 
schlossen und zeigt regelmässig elliptische Grundform, 
bei einer Länge von 1*0 und einer Breite von <>o Fuss. 
Hier, aber nur an der Hochburg macht sich bereits 
etwas sorgfältigere Arbeit bemerkbar, die Steine sind 
einigermassen zugerichtet und, wie es scheint, auf Lehm 
versetzt worden. Der äussere, mit einem niederen Stein- 
wall umschlossene Kaum wird durch einen Qucrdnmm in 
zwei Hälften zerlegt, die an die Hochburg angrenzende 
ristliche Partie ist 3öO Fuss lang und in der mittleren 
Beugung gegen 200 Fuss breit ; der westlich vom Quer- 
damm liegende Platz ist 240 Fuss lang. An diesen 
li.iume stösst gegen Osten noch ein hufeisenförmiges, 
niedriger liegendes Vorwerk von HiO Fuss Länge an, 
ringsum fällt der Berg steil gegen das Thal ab. Die 
ganze Burgstelle ist dicht mit Gestrüpp Überwachsen, 
«las Gestein spröder zerklüfteter Granit. Fig. 5 gibt den 
Grnudriüs der I mwallnng Tfemscbin. 

Noch mehr Aufschlüsse gewähren die Werke bei 
dem Städtchen Katovic, auf der sogenannten Fürsten- 
hiihe oder Knc/.fhora, einem kegelförmigen, vom Votava- 
Hussc au der Südseite umzogenen Berge. Katovic ist 




Vfg, *>. flfenueMn.) 



gegenwärtig ein Stutionsplatz der von Pilsen uaeh Bud- 
weis führenden Eisenbahn, und der kahle, sorgfältig 
nach der Linie abgearbeitete Berg mit seinen regel- 
mässigen Abtreppungen und der bewaldeten Krone 
erweckt schon aus weiter Feme die Aufmerksamkeit 
der Reisenden. Gegen Osten hin dacht sieh die gegen 
450 Fuss Uber den Spiegel de« Flusses ansteigende 
Hohe sanft ab, von hier aus zog sieh der Weg zur Burg 
hinan und die Kirche von Katovic steht bereits auf 
dem Fusse des Berges. In einer Viertelstunde erreicht 
man vom Städtchen auf dem gleichmässig ansteigenden 
Pfade die untere l'mwallung, welche in einem weiten 
Bogen den ganzen Berg an der Ost-, Nord- und Westseite 
umgibt. An der Südseite lauft nur eine einzige Schanze 
(der Hauptwall) hin, welchem sich der untere Wall an 
den entgegengesetzten östlichen und westliehen Enden 
ansehliesst. Der umfangene Raum ist annähernd ellip- 
tisch, nahezu 1200 Fuss lang und ÖSO bis t>00 Fuss, 
breit. Dabei ist der äussere Wall sowohl an der Aussen- 
wie Innenseite von kleinen Gräben eingefasst, welche 
ursprünglich lO Fuss breit und f> Fuss tief sein mochten 
und wahrscheinlich nur angelegt wurden, um Matcrialc 
zu gewinnen. 

Innerhalb des unteren Walles zog sich ein zweiter 
halbmondförmiger so dnreh die ganze Länge hin, dass 
er mit den östlichen und westlichen Enden au den Haupt- 
wall zugleich mit der äussern Schanze auschloss und 
mit dieser gleiche Gestalt einhielt. Diese beiden Wälle 
haben je an der Basis eine Breite von 20 bis 2n Fuss, 
sind ohne die Grabentiefe f> Fuss hoch und am Kamme 
6 Fuss breit, wobei zu bemerken, dass die ursprüng- 
liche Höhe in keinem Falle mehr als 7 Fuss betragen 
haben kann. Der freie Platz zwischen den beiden Wällen 
beträgt im Mittel des Bogens 400 Fuss. Zwischen der 
innern Schanze und dem vom Hauptwall umzogenen 
Raum liegt wieder ein freier, in der Mitte 70 Fuss 
breiter Platz, durch welchen ein von kleinen Anfwürfen 
eingesäumter Weg zur eigentlichen Burgstelle führt. 
Diese ist in zwei Partien abgesondert; auf der östlichen 
und höchsten Spitze liegt die Hochburg (das ( 'asteil i, 
die im Lichten 120 Fuss lang und !HJ Fuss breit, 
mit doppelten Wällen umgeben ist; westlich von derstl 
ben befindet sich die um etwa .10 Fuss niedriger liegende, 
einfach umwallte Burgstelle von 800 Fuss Länge und 
120 Fuss Breite. Der grosse Wall, der sowohl Hoch- 
burg wie die Burgstelle umfängt, ist heute noch an vielen 
Stellen 18 bis 20 Fuss hoch, an der Basis ;St! Fuss und 
am Kamme 8 bis 10 Fuss breit. Die Lüngenrichtuiig der 
Burg erstreckt sich von Ost nach West, an den beiden 
Enden waren ausserhalb der Schanzen noch besondere 
Vorwerke angelegt, beide halb-eirund, gegeu 200 Fuss 
breit und £50 Fuss lang. 

An der Südseite des mit besonderer Aeeuratesse 
abgearbeiteten Berges wurde in geringer Höhe über dem 
Flusse vor einigen Jahren ein unterirdischer, in dem 
Felsen ausgebauencr Gang entdeckt, welcher bei einer 
Höhe von f>' « und einer mittleren Weite von 2'/« Fuss 
sieh vom Castell zur Votava hingezogen zu haben 
scheint, also ein Wasserweg war. Da sich von der Decke 
viele Stücke losgelöst haben und noch immer welche 
herabstürzen, ist eine l'ntersucbuug des Ganges nicht 
möglich; Hirtenknaben, welche bis zu einer Tiefe von 
etwa * Klaftern hineingekrochen sind, versichern, das* 
der Weg steil aufwärts steige. 



CLXV 



Prüfen wir nun die beiliegenden (irunil- und Profil- 
risse dieser Anlage, erkennen wir einen wohldnrchdach- 
len Plan , dessen hohe Zweckmässigkeit klar wird, 
sobald wir uns die socialen Zustünde jener Zeit ver- 
gegenwärtigen. Der grosse untere, von der allgemeinen 
Umwallung eingeschlossene, gegen 4tK).(KH> Quadrat- 
hs* enthaltende Kaum diente zur Unterbringung der 
Herden und war gross genug, um einige tausend Stück 
Kinder aufzunehmen ; der näehstinnere halbmondfiirmige 
Platz dürfte für die waffenfähigen Scharen eingerichtet 
gewesen sein, denen von hier aus auch die Vorwerke 
zugänglich waren. Oben in der grüssern Abtheilung der 
Borgstede fanden Weiber und Kinder Unterkunft und 
die Hochburg diente als Wohnung der Anführer und 
letzter Zufluchtsort. 

Ks erübrigt noch, die Structur der Steinwälle von 
Katovit- zu besprechen. Sie sollen nach Behauptung 
einiger Alterthumsfreundc verschlackt, nämlich die Steine 
durch absichtliche Feuereinwirkung zu einer compacten 
Masse zusammengeschmolzen worden sein, und es wurde 
von den Enthusiasten eine förmliche Methode nusge- 
dacht, wie die Verschlackung bewerkstelligt worden sei. 
Die Steine »ollen Schichte für Schichte durch darüber 
angemachte Feuer in Klus- gebracht und so aufeinander 
gebacken worden sein. Dans bei dieser etwas abenteuer- 
lichen Erklärung die ehemische Beschaffenheit der Ge- 
steine unberücksichtigt blieb , dass diese Fabel von 
einem Buche in das andere Uberging, ist eben so unbe- 
greiflich als wahr. 

Da insbesondere von den vier Wallbnrgen : Vla- 
dnf, PleSivcc, Hradisf bei Strakonic und Bora bei 
Katovic die Versehlackung behauptet wurde, die erste 
aus Basalt, die zweite ans Waeke, die dritte aus 
Granit und die vierte aus Gneis* bestehen, beschloss ich 
eine gründliche Untersuchung anzustellen und wühlte, 
da sich in den drei erstgenannten Orten nur massige 
Spuren von (vielleicht zufälligen) Bränden zeigten, die 
Ruine von Katovic , die angeblich bedeutendsten 
Schlackenwälle. Die an den äussern Schanzen ange- 
stellten Nachgrabungen führten zu keinem Resultate; 
es fanden sich allerdings Kohlen und verbrannte Steine, 
jedoch nicht in fortlaufenden Linien , sondern zerstreut, 
so dass auch die im Laufe von circa ^(.HX» Jahren ange- 
machten Hirtenfeuer ähnliche Erscheinungen bewerk- 
stelligt haben konnten. Anders zeigten sich die Wälle 
der eigentlichen Burg. Diese sind nicht sowohl Wälle 
als Mauern r.u nennen , bestehen aus mittelgrossen 
Gneissstüeken und sind jetzt noch sehr steil, mitunter 
gegen GO Klafter geböscht. Ein frisch aufgedeckter 
Querschnitt stellte sicher, dnss die ursprüngliche B0- 
schung noch steiler war und gegen 7<» Klafter betragen 
mochte, dass ferner die Steine schichtenweise aufein- 
ander gelegt und meist verbrannt waren , dass aber an 
deu Steinen nicht die mindeste Spur von Verschlaekiiiifr 
wahrgenommen werden konnte. Femer zeigte sich bei 
der Durchbrechung, dass die Mauern mit Lehmmörtel, 
welchem grober Quarzsand beigemengt wurde, 
versetzt worden sind. Sei es nun, um eine 
schnellere Austrocknnng herbeizuführen, oder 
eine festere Bindung zn erzielen, wurde über 
jeder Schiebte von etwa 1 «/, Fuss Höhe Feuer 
angemacht, wodurch der Letten, wie man beim 
*Zicgelbrennen in den Feldöfen tagtäglich sehen 
kann, häufig verschlackte und sich olt fest an 




Fi*, f.. (Kstovfe.) 

die Steine ansetzte. Die Steine selbst sind durch dieses 
Verfahren so mürbe geworden, dass man viele mit der 
Hand zerreiben kann, während das Bindemittel härter 
nls der Stein wurde. Auf diese Weise erklärt sich die 
Sage ganz natürlich und die Enthusiasten haben mit ihren 
Behauptungen wenigstens nicht ganz Unrecht. Dass, 
nebenbei gesagt, die gesammten Wälder der alten Her 
cyuia nicht ausgereicht hätten, um bei offenem Feuer 
die Granite von HradiSf und die quarz reichen Gnehwe 
von Katovic zu schmelzen . wird jeder Hüttenmann 
bestätigen, üb in England, wo man zuerst derartige 
Wälle, vitrified fort«, beobachtet hat, so schmelzbare 
Gesteine vorhanden sind, um in der angedeuteten Weise 
flüssiggemacht werden zu können, ist mir nicht bekannt ; 
bis die Sache durch chemische Versuche sichergestellt 
ist, werden einige Zweifel erlaubt sein. 

Eine Versehlackung in dem Sinne, wie sie von den 
Alterthümlern behauptet wurde , ist weder von den 
Erbauern der Wälle angestrebt worden , noch hat eine 
solche je stattgefunden. 

Fig. (i, Grnndplan der Katovicer Burg: a) die 
Hochburg, b) die obere Burgstelle, c) Zwischenraum 
für die waffenfähige Mannschaft , d) äusserer Vorplatz 
für Herden, Vorwerke, f) Eingang und Weg zur 
Hochburg, y) unterirdischer Gang. Fig. 7 Profil der 
Hochburg von Ost nach West. 

Cbcr die Entwicklung des alt-slavischcn Burgen- 
baue» haben sich keinerlei beglaubigte Nachrichten 
erhalten , wenn wir auch in den Chroniken die Burp 
llrad und die Hochburg VySehrad oft als bestehend 
erwähnt finden. Dass das herzogliche Snalgebäude auf 
dem Prager Vysehrad im XII. Jahrhundert noch aus 



PJjJ. 7. ■ Katovic, 



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CLXVI 



Bob bestand, haben wir bereit« erwähnt; ferner wissen 
wir, dass Herzog Sobeslav I. mehrere Burgen hat neu 
auffuhren und den Hradschin zn Prag ums Jahr ll'tö 
naeh italieniseher Art (mit Steinmauern) befestigen 
lassen. Welehe Gestalt jedoch diese Burgen eingehalten 
haben, wird nirgend gesagt. 

Gerade einhundert Jahre naeli Sobcslav's Tode 
wurde der deutsche Burgenbau in Böhmen durch König 
Wenzel I. eingeführt, aus weleher Zeit sich einige An- 
lagen erhalten haben. In diesen zeigt sich das deutsche 
Bau-System in so eigentümlich moditicirter, dem uralten 
Wallbnrgenbau sich annähernder Weise, dass man die 
frühem slnvischen Befestigungen als Zwischcngliedc- 
rungen anzunehmen berechtigt ist. Während die deut- 
schen Schlösser und Burgen regelmässig um einen Hof 
gelagert sind und ein zusammenhängendes Gebäude 
ausmachen, besteht die böhmische Burg aus mehreren 
getrennten Bauwerken, welehe in einem gemeinschaft- 
lichen Hole liegen. Bei der deutschen Burg bildet die 
t'infassitngsinaner des Saalgebäudes gewöhnlieh auch 
die Wallmauer und steht der Hauptthnnn anf dem höch- 
sten unzugänglichsten Orte; in Böhmen umzieht die 
Wallmauer einen viel grössern Kaum und die innerhalb 
desselben befindlichen Bauwerke berühren nur aus- 
nahmsweise die Umwalluiig. Dann hält der Hnuptthurni 
hier eine andere Stellung ein und steht oft neben dem 
Eingänge. Alle diese Einrichtungen, besonders die lang- 
gezogenen Grundformen der böhmischen Burgen, erin- 
nern auffallend an die Heidensehanzcn , bei welchen 
wir auch die Zerlegung in zwei oder mehrere Abthei- 
lungen kennen gelernt haben. Compacte, ganz nach 
deutscher Art errichtete Schlossgebäiulc trifft man 
wenige: die Erbauung derselben wird meist, wie in 
Klingenberg, Pisck, Strakouic, den ritterlichen Orden 
zugeschrieben. 

Bei weitem die meisten Burgen, sowohl der Hof- 
und Landesburgen, hrady, wie der Rittersitzc, tvrze, 
wurden auf Bergen erbaut ; man wählte theils freilie- 
gende Anhöhen, öfter noch abschüssige, aus Gebirgen 
und Hochebenen vorspringende Bergzungen. Nach dem 
langgezogenen mehrtheiligen System wurden im XIII. 
Jahrhundert die grossen Schlösser der Herren von Hosen- 
berg im Stlden und die meisten der im Mittelgebirge 
Böhmens befindlichen Burgen, von denen nur Wittingau, 
Krnmnn, Rosenberg, dann Engelhaus, Hasenbnrg, Brüx, 
Graupen, Riesenbnrg, Gross-Skal, Trosky genannt sein 
sollen, ausgeführt; in Mähren sehen wir dasselbe 
System befolgt zu Bernstein, Buehlnn, Malenovic u. a. 

In der Ebene gelegene, durch Teiche oder Wasser- 
gräben geschlitzte Burgen kommen nur einige vor; die 
bedeutendsten sind das schon beschriebene Sehlens in 
Strakonic, Koth-Lhota im Tnborcr Kreise und Rlatna, 
welches aber seine ursprüngliche Gestalt grösstenteils 
verloren hat. 

Die Vorburgtn gehören ohne Ausnahme der neuem 
Zeit, dem XV. oder XVI, Jahrhundert an, liegen daher 
ausserhalb der gegenwärtigen Betrachtung, wie aneh 
die im Laufe des XIV. Jahrhunderts angelegten 
Schlösser hier nicht einbegriffen sind. 

Wo es anders die Situation erlaubte, hatte die 
Burg zwei Eingänge: das stets wohlbefestigte Haupt 
thor, zu welc hem ein Fahrweg in Windungen Uber den 
Bergrücken hinnn/.og, und eine kleine Pforte für den 
gewöhnlichen Hausbedarf. Die letztere war versteckt 



und nur Uber eine steile Treppe zugänglich, sie stellt* 
die Verbindung zwischen der Hochburg und dem unter- 
halb liegenden Vororte, Buburbium, her und bedurfte 
keiner besonderen Vertheidigungsmittel, da nur ein- 
zelne Personen die Treppe passiren konnten. Hatte 
man das Hauptthor zurückgelegt, zog sich der Weg 
noch etwa 100 Sehritte zwischen der Wallmauer und 
und einer innern Ringmauer um verschiedene Thttrme 
und Vertheidigungswerke herum, hie man durch ein 
einfaches Thor in den Burghof eintrat. Hier lagen die 
gewöhnlichen Wohngebäude des Besitzers sowohl wie 
der zur Familie gehörenden Dienstboten; die Stallungen 
aber und Räumlichkeiten für Kriegsmannsehaften oder 
Reisige waren theils in der Vorbnrg, theils neben dem 
grossen Thore angeordnet. Mit den Wohngebänden war 
gewöhnlieh die Scnloss-C'apelle in Verbindung gebracht, 
wenn sie nicht isolirt in der Vorburg stand. Den Hof 
Überschreitend gelangte man zum höchsten Punkte der 
Burgstclle, wo der Saalbau dieselbe Stellung innehatte, 
die in Deutschland dem Bergfried zugewiesen wurde. 
Der Saalbau, auch Palas, Pfalz, genannt, seheint nur 
bei besonderen Anlässen benutzt worden zu sein und 
war von der Wohnburg durch einen Graben getrennt. 
Die Räumlichkeiten dieser Gebäude waren so ausser- 
ordentlich beschränkt, dass z. B. in den bedeutenden 
Gränzfesten Kieseuburg und Graupen, dann in dem 
lande sfttrst liehen Schlosse bei Brüx der ganze Palns 
kaum eine Länge von 24 und eine Breite von 1H Fuss 
lichten Masses einhielt, Dimensionen, die wir heute 
für ein gewöhnliches Wohnzimmer beanspruchen. Die 
Treppen waren von Holz und zogen an der Anssenseite 
des thurmartigen Baues zu den oberen Geschossen 
hinan. Dieses bescheidene Haus diente als Absteige- 
quartier des LaudcsfUrstcn , wenn er des Waidwerks 
pflegte oilcr Gerichtstage abhielt. 

Die Absonderung der Baulichkeiten, die Anordnung, 
dass Wohnhaus unil Palas an den entgegengesetzten 
Enden der Burgstelle liegen, finden wir sogar in sehr 
kleinen Festen beibehalten; so in Hammerstein unweit 
Reichenberg, wo innerhalb einer ovalen Ringmauer 
etwa 150 Schritte von einander entfernt zwei qnadrn 
tische Häuser (Thürme) liegen , von denen jedes nur 
einen lichten Raum von 18 Fuss im Gevierte misst. 

Der Hauptthurm, Bergfried, war gewöhnlich rund, 
hielt mit Inbegriff* der Mauern einen Durchmesser von 
annähernd 24 Fuss ein und war selten Über (50 bis 
70 Fuss hoch. Der stets in der Höhe von etwa 'M> Fuss 
befindliche Eingang war manchmal durch eine Fall- 
brücke mit einem Sehlossflttgel verbunden, manchmal 
nur auf Leitern zu erreichen. Verliessc finden sich hie 
und da in den ThUrmcn, jedoch selten; bekannt ist 
das Verliess im Dalihorka-Thurm auf dem langer Hrad- 
schin. Ahnliche Einrichtungen finden sich in Xeuhans 
und Rosenberg. Sonst zeigen sich diese Thttrme. die 
in Deutschland oft sehr reich mit Zinnen, Erkern nud 
Bekrönungen ausgestattet sind, äusserst einfach, höch- 
stens dass sie oben mit einem Gesimse und Rundbogen- 
friese umgeben sind. 

Im ganzen haben die böhmischen Burgen des 
XIII. Jahrhunderts ein rauhes trotziges Ansehen, die 
meisten sind Xothwendigkeitsbnuten, ohne dass auf die 
Bequemlichkeit und architektonische Gliederung Rück 
sieht genommen wäre. Bei ungeheurer Rninnvcrsebwetc 
dung in den Höfen und Zwischenplätzen, bei gewalrgcu 



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clxvii 



MauerBtärken findet man nur kleine Gemächer von 
etwa vier Quadratklafter Flächeninhalt, dabei tin-t. r 
und in so geringer Anzahl . da«» ganz unbegreiflich 
ixt. wie eine adelige Familie flammt DienerHehaft in 
solchen Winkelwerken untergebracht werden konutc. 
Die Stiegen waren gewöhnlich von Holz und lagen in 
den Höfen , Wendeltreppen im Innern der Gebäude 
kommen in dieser Periode nicht vor. Selbst die im XIV. 
Jahrhundert unter Karl IV. angelegten Burgen zeigen 
iHfch dieselbe L'nbewohnlicbkeit ; erst in der zweiten 
Hüllte des folgenden Jahrhunderts, zur Zeit des Küttigs 
Georg von Podebrnd, begann man die Wohnungen 
bequemer anzuordnen und die Stockwerke in gleiche 
Hirnen zu legen. Dass die noch bewohnten Burgen 
mehrfach umgebaut worden sind und sich hier im besten 
Falle nur die Hauptthllnne unverändert erhalten haben, 
ist selbstverständlich ; namentlich wurde die innere 
Fintheilung immer umgestaltet, selbst dort, wo die 
Umfassungsmauern zum Thcil die ursprünglichen ge- 
blieben sind. 

An tüchtigen Bauhandwcrkern war im Laufe dieser 
Periode um so empfindlicherer Mangel , als die gleich- 
zeitigen Städtcanlagen und Kirchenbauten die besten 
Arbeitskräfte in Anspruch nahmen. Die künstlerische 
Durchbildung mehrerer, durch geistliche Orden ange- 
legter Schlösser beweist, dass die Geistlichkeit noch 
Inner ihre eigenen Bauleute mit ins Land brachte. 

Städtische Wohngebäude, welche dem Übergangs- 
Styl »der der Frflh-Gothik angehören, haben sich in 
Böhmen und Mähren nicht erhalten. 

Die Denkmale der Übergangsperiode. 

A, K i r c h e n b a n t e n. 

Ks wurde in der Einleitung bereits hervorgehoben, 
dass die dieser Periode angehörenden kirchlichen Bau 
werke gruppenweise einen gleichartigen Charakter ein- 
halten lim! jede Gruppe einen gewissen sehttlmässigen 
Verlauf erkennen lilsst. Die Blllthezeit des Style« ist 
kurz und niufasst etwa fünfzig Jahre (12:10 — 1280). Vor 
dieser Zeit lassen nur einzelne unzusamnienhängende 
Versuche die sich vollziehende Umwandlnug erkennen, 
späterhin verschwinden die stilistischen KigcnthUndich- 
keilen in der überhandnehmenden (iothik. 



Allen Werken, welche hier eingereiht werden kön- 
nen, liegt die gothischc ('onstruetious- Weise zu Grunde; 
polygonaler Cbor-Schluss und Strebepfeiler bestimmen 
dns Gepräge des Äussern, gegliederte Pfeiler und 
spitzhogige Wölbungen mit stark vortretenden Gurten 
zeichnen den Innenbau aus. Die flache Decke ist aus 
dem Kirchenbaii vollständig verbannt, wird aber bei 
Profan- Hauten, Burgen, Residenzen n. dgl. beibehalten. 
Iu der Wölbungskunst werden sehr bemerkenswerthe- 
Fortschritte gemacht und es gibt sich nicht selten das 
Bestreben kund, statt der einfachen Kreuzgewölbe unge- 
wöhnliche künstlichere Formen einzuführen. Die in 
Deutschland und Frankreich während der Übergangs- 
periode allgemein üblichen Bündelpfeiler haben in 
Böhmen und Mähren nicht Eingang gefunden, in der 
Kegel kommen Pfcilerbildungen vor, deren Grundform 
aus dem Achteck abgeleitet und mit allerlei Vorsprün- 
gen bereichert worden ist. 

Als fernere EigeuthUmlichkcit der zu besprechen- 
den Bauwerke erscheint, dass keines derselben in allen 
Theilen gleichmässig durchgebildet ist; bald wurde 
ausschliesslich der Innenbau, bald das Äussere reich 
ausgestattet; auch kommt vor, dass nur ein einzelnes 
Portal oder sonst eine Partie hervorgehoben, alles übrige 
als nebensächlich behandelt wurde. Dass in jenen Ge- 
genden, wo nur Granit als Bau-Material benutzt werden 
konnte, die Technik etwas zurückgeblieben ist und 
namentlich die Steinmetz-Arbeiten weder die Feinheit 
noch Mannigfaltigkeit einhalten, welche in sandstein- 
reichen Bezirken getroffen wird, darf als selbstverständ- 
lich vorausgesetzt werden. 

Östliche Gruppe. 

Die Stiftskirchen Trebii und Tiscbtiowitz in Mähren 
bilden die südlichen und östlichen, das Agnes-Kloster jn 
Prag und die Ruinen von Hradisf bei Münchengrätz die 
westlichen und nördlichen Gränzpunkte dieser Gruppe : 
alle innerhalb dieser Gränzen liegenden, nm die Mitte 
des XIII. Jahrhunderts erbauten Werke zeigen ver- 
wandten Charakter. 

Die Benedict in er Stiftskirche Tre b\6. 

Im westlichen Mähren, ziemlich in der Mitte zwi- 
schen Iglau und Znaim, liegen an den l'fcrn des Iglava- 




HHt— 1—1 1 ' I I 



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Kit;. * iTrehic. 



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CLXVIII 




Hussen Stadl und Kloster Trebic, durch Alter und ge- 
schichtliche Erinnerungen ausgezeichnet. Die Stifts- 
kirche, welche unter den Hiiudciikmulcn Österreichs 
eine hervorragende Stelle einnimmt , wurde bereit« in 
dem von Dr. Gustav Heider und Prof. R, v. Eitcl- 
h erger zwischen 1H58 bin lKtiO herausgegebenen 
Werke „Mittelalterliehe Kunstdenkmnlc des österrei- 
elliiohen Kaiserstaalcs" in eben so unwichtiger als 
geistreicher Weise besprochen und durch sorgfältigst 
gezeichnete Beilagen illustrirt. Indem hier zunächst auf 
dieses treffliche Werk hingewiesen wird , haben wir 
beizufügen, dass in neuester Zeit mehrere Restaura- 
tionen ausgeführt und viele entstellende Anbauten 
beseitigt wurden sind, so dass eine kurze Beschreibung 
des jetzigen Baubestaudes angezeigt erscheint. 

Die Stiftskirche ist dreischiftig und hält hnsilicnlc 
Form ein, wobei die Seitenschiffe im Verhältnis* zum 
Hauptschiff 1 ungewöhnlich niedrig gehalten sind. Eine 
Kreuzvorlage oder eine Art von Quersehiff ist nicht vor 
banden und der Grundriss gleicht vollständig den älte- 
ren romanischen Bildungen, welche wir in Strahov, 
Alt Bunzlau und MUhlhausen kennen gelernt haben. 
Namentlich ist es die letzgenannte Kirche, au welche 
wir in Trebic erinnert werden. Hier wie dort wird 
der lichte Kirchenraum durch drei aneinander gereihte 
Quadrate in der Art beschrieben, dass von der west- 
lichen Frontmauer bis an die Linie, welche das Altar- 
haus ahschlicsst, sich dreimal die lichte Kirchenbreitc 
wiederholt. (Fig. « Grundriss.) In Trebic sind die Masse 
ergiebiger und gestalten sich wie folgt: 
Länge des rechteckigen Innern Kirchen- 
hauses von der Westfronte bis an die Chor 
MMladnag IH9 Ens» 

Breite des Kirelienhauses »>:i .. 

Länge einer Travec von Achse zu Achse Ii") ,. 
Hohe des Mittelschiffes VOID Kirchcupllasler 
bis an den Gewölbescheitel . . . l>:i 

Höhe der Seitenschiffe 22 „ 

Lichte Weite des Mittelschiffes 2fl .. 

Lichte Weite eines Nebenschiffes 13 ,. 

Mauerslärke am Mittelschiffe 4 . 

Diese Massverhältnisse und der Entstand , das» 
das nördliche Seitenschiff mit einer alterthllmlichen 
halbkreisförmigen Apsis geschlossen ist . machen es 



wahrscheinlich, dass der gegenwärtige, ungleich mehr 
dem gothischen als romanischen Styl sich nähernde 
Kircheubau zum grössten Theilc die Umfassungslinien 
einer altern, streng romanischen Anlage einhalte. Abge- 
sehen jedoch von den aus der allgemeinen Disposition 
hervorgehenden romanischen Anklängen unddererwähn- 
ten Seiten-Apside, erscheint das ganze Gebäude, wenn 
auch nicht als einheitliches, doch als ziemlich gleich 
zeitiges, dem XIII. Jahrhundert angehörendes Werk, 
dessen Bämmtliche Theile von der Krypta bis zu der 
Vorhalle nahezu den gleichen Charakter einhalten. 

In ihrer Durchfuhrung zeigt diese Kirche so ausser- 
ordentliche EigeuthUmlichkeiten, dass es nothwendig 
ist, erst die einzelnen Theile durchzugehen, che wir 
Uber das Ganze ein Urtheil fällen wollen. Die Anord- 
nung ist die aller alten Stiftskirchen: Altarhaus, Pres- 
byterium nnd Schiff bilden je fllr sich schart begrenzte 
Räume, an der Abendseite reihen sich zwei quadra- 
tische Thtlrme an, zwischen denen eine Vorhalle mit 
dartlber befindlichem Oratorium liegt. Das Haupt-Portal 
(der Eingang ftlr die Gemeinde) ist an der Nordseite 
angebracht, vor diesem breitet sich eine geräumige 
offene Halle, das Paradies ans, das mit den Neben- 
schiffen gleiche Höhe einhält. Cnter dem Presbytcrinm 
und Altarhanse befindet sieh eine von Säulen und 
Pfeilern unterstützte Krypta, welche mich in die Neben- 
schiffe Übergreift und einst für sich eine selbständige 
Kirche bildete. Von der angezeigten Gesammtlänge ent- 
fallen zwei Dritttheile auf das Kirchenschiff, ein Drittel 
auf das Presbyterium. 

Der hohe Chor (das Altarhaus). welcher Uber die 
Gesammtlänge von 1«9 Fnss noch mit 23 Fuss lichten 
Masses vorspringt, zeigt am Äussern den nonnalmäs- 
sijjen Schluss aus fllnf Seiten des Achtecks ; das Innere 
ist mit einer eigenthUmlichen, aus dem vollen Achteck 
coiistruirten Kuppel Uberspannt, deren an da-t Pres- 
byterium anschliessende Pendentifs sonderbare Formen 
einhalten. Dieselbe, unten näher beschriebene Wolliungs- 
art treffen wir auch im Presbyterium und zwischen den 
ThBrneo wieder ; sie seheint in Mähren sehr beliebt 
geworden zu sein, da man auch in Znaim und Iglan 
ähnliche Kuppeln sieht. Das Altarhaus ist bei weitem 
die am reichsten derorirte Partie; es wird rings von 
einer 7 Fuss hohen spitzbogigen Arcadcn- Reihe, die 



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CLXIX 



in die Wand eingelassen ist, unizogen und durch Koset 
len-Fenstcr erleuchtet. Da die Milt< Ipunktc tlieeer Ken 
sü r nur 12 Fuss Uber dein Kircheiiprlastcr liefen, brin- 
gen sie einen mehr seltsamen als angenehmen Eindruck 
hervor, der um so empfindlicher wirkt, als die Knnduu- 
Ken an den Unter- und Nebenseiten dureh gerade Linien 
cingcfasst werden, während oberhalb ein übermässig 
hoher leerer Kaum be las Ren ist. Diese belremdlirhe An- 
ordnung wurde deshalb getroffen, um einem schmalen, 
den Chorschluss um/.icheuden LaufgHng einzuschalten. 
Hierdurch wird der hohe Chor deutlich in dureh Hori- 
zontal- Gesimse ausgesprochene Stockwerke zerlegt, 
während das Prcsbyterium vom Hoden bis zum Gewölbe 
als ununterbrochene Fläche ansteigt. Obgleich der Lauf- 
gang au der Aussenseitc mit einem aus Halhkrciscn 
gebildeten Friese ausgestalte! ist, »eheint die Anlage 
doch nicht ursprünglich zu «ein; der Kaum fllr den Gang 
musstc dadurch gewonnen werden, dass man die ij Fuss 
weit vorspringenden Strebepfeiler oberhalb der Koset- 
ten-Fenster durch Kogcn verband. Wie im Innern, leidet 
auch am Äussern die Einheitlichkeit durch diese Anord- 
nung sehr, denn es laufen vier horizontale Gesinnte 
in der geringen Hohe von 27 Fuss übereinander hin. 
^Fig. 9 Aussenseite.) 

Das Fresbyterium wird sowohl vom Altarhause, 
wie von den Schiffen durch Scheidebogen getrennt, 
deren Scheitelhöhe genau die Hüllte der Gewolbhühe im 
Mittelschiffe einhalten. In der Längcnrichtnng ist das 
Prcsbyterium von den Nebenschiffen durch volle Mauern 
abgeschlossen und es fährt auf jeder Seite nur ein 
kleines aber zierlieh mit Säulen und sonstigen Orna- 
menten verscheues Portal in den betreffenden Neben- 
raum. Sonst zeigt das Prcsbyterium die grosste Ein- 
fachheit, und aller Schmuck besteht in den achteckigen 
Kuppelgewölben, deren in diesem ICaume zwei neben 
einander ungeordnet sind. Die Eigcmhttmlichkcit dieser 
Kuppeln besteht darin, dass der Übergang aus dem 
Quadrat in die Achteckform nicht durch vorgetragene 
Pcndcnrifs, sondern durch ein Zusammenwirken meh- 
rerer Gurten bewerkstelligt wird, nämlich eine Quer- 
gurte, die durch eine aus der Ecke des Quadrats ent- 
springende Stutzgurte verstärkt wird. 

Sechs freistehende Pfeiler (auf jeder Seite) zer- 
legen das Hauptschiff in drei Quadrate, so wie nach 
Art der romanischen Eintheilungswcisc /.wischenstellnn- 
gen angebracht sind. Indem die sämmtlichen Kappen 
der Seitenschiffe mit einfachen Kreuzgewölben Über- 
deckt sind, gewahren wir im Mittelschiffe eine Art von 
N'cizgc wölben, welche sonst nur in der Spät-Gothik 
getroffen werden und die man anfänglich als Neuerung 
ansehen möchte. Dadurch, dass die aus einem Pfeiler 
entspringenden Diagonal-Gurten je den nächsten Pfeiler 
Uberspringen und im gegenüberstehenden dritten mun- 
den, wurde eine zwar einfache, aber in der FrUh-Gothik 
ungewöhnliche , vielleicht nicht zum zweitenmal vor- 
kommende Form geschaffen , die jedoch wegen der 
Übermässig starken Qnergurten keine günstige Wirkung 
übt. Die Hilgen der Arcadc-n -Stellung sind aus dem gleich- 
seitigen Dreieck beschriehen, sonst kommen sowohl 
stumpfe wie lanzettförmige Kogcn vor. 

Die Vorhalle wurde, im Einklang mit der Ostseite, 
durch eine achteckige Kuppel Überdeckt; sie ist nnr 
21 Fums hoch und von schweren Verhältnissen. Die 
nebenstehenden Thllrme gehören einem im Jahre I7ÖG 




i — l — i £ l~t 

Fig. 1U. 

ausgeführten zoptigen Neubau an und halten nur im 
Grundrisse annähernd die ursprünglichen Linien ein. 
Gelegeuheitlich dieses Thurmbanes wnrde die ganze 
Westseite der Kirche im GeBchmack des Jahrhunderts 
umgewandelt , so dass aneh keine Spur des alten 
Kestandes verblieb. Desto unversehrter blieb dns Para- 
dies samnit dem unter demselben angebrachten Haupt 
Portnl , welche Theile erst in neuester Zeit von umhül- 
lenden Fliekbanten befreit und sichtbar gemacht War- 
den sind. Das reiche , nach romanischer Weise geglie- 
derte Portal ist mit dem Halbkreise überspannt : in der 
Leibung stehen zwischen sieben rechteckigen Vorsprän- 
gen eben so viele angeblendete Sänlcn, nusscrdein sind 
noch zn beiden Seiten je drei freie Säulen aufgestellt, 
die sicli jedoch nicht im Leibungshogcn fortsetzen. 
Alle Flächen , sowohl in der senkrechten Leibung wie 
im Bogen sind aufs reichste ornamentirt . theils mit 
Zickzacken, theils Laubwerken . zwischen denen auch 
Thier- und Menschengestalten cingcllnchtcn sind. Trotz, 
dieser vielen Säulen und Decoraiionen steht dieses Por- 
tal in seiner Gesammtform den erwähnten zwei kleinen 




Fi«, lt. 



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CLXX 




4- ( \- 

Mir. i* 



Portalen im FreBbyterium hei weitem nach. Bei 2 1 
Fuss Breite halt es nur 19 Fils« in der Höhe, ein ungün- 
stiges Verhältnis«, welches durch die reiche Ornamen- 
tirung nicht gehoben wird. Auch die Anordnung, das« 
die Sockel- und Kämpfcr-Gesimscdurch ununterbrochene 
Linien beHchrieben werden und weder die Säulenfttsse 
noch Oapitäile gehörig entwickelt sind, wirkt nicht ange 
nehm md vermehrt das schwerfällige Ansehen. Im Ein- 
/.einen betrachtet, sind viele Ornamente sehr schön 
ilnrcbgebildet , weRhalb eine Partie von der 
leibnng bcigeschaltct wurde. 





Kl*, is 



Die Halle, die sich Uber 
dem Portal erhebt (das Paradies), 
gehört zu den glücklichst an- 
geordneten Partien. Die Grund- 
form ist quadratisch und zeigt an 
jeder der drei freien .Seiten zwei 
mit Halbkreisen bedeckte Ein- 
gänge , deren Bchlankc Verhält- 
nisse durch angeblendete Häni- 
chen gehoben worden. Oberhalb 
eines jeden Einganges ist noch 
ein romanisches , durch eine 
kleine Mittelsäule getheiltes Dop- 
pclfenster angebracht, wodurch der Raam sowohl im 
Innern, wie an der Ausscnseite freundlich belebt wird. 

Die Krypta liegt mit allen ihren Bestandthcilen 
unter dem Niveau des Kirchcnprlastcrs und es wurde 
der Fussboden im Presbyterium nicht erhobt, wie bei 
derartigen Anlagen regelmässig vorkommt. Sie nimmt 
im Mittelschiffe den ganzen Kaum unter dem hohen 
Chore und Presbyterium ein und wird hier durch zwei 
Säulenreihen in drei Schiffe zerlegt. Unter dem hohen 
Chore stehen je zwei, unter dem Presbyterium je fünf 
Säulen auf einer Seite , so dass die ganze Anzahl sich 
auf zehn beläuft, wozu noch zwei längliche Pfeiler 
kommen, die unterhalb des Chor-Schcidebogens ange- 
bracht sind. Die Säulen sind alle gleich , achteckig, 
sammt Basis und Capitäl G Fuss hoch und 1 1 Zoll stark. 

Die kräftigen Rippen und Gurten sind durch ein- 
fache Abscbrägungcn gezeichnet, die Wölbungen, Kreuz- 
gewölbe ohne Schlussstcin. In den beiden uächst dem 
Altarhause gelegenen Travcen griff die Krypta unter 
die Nebenschiffe herüber, doch hat sich diese Partie 
nur an der Nordseite erhalten, während der Bildliche 
Thcil des Nebenschiffcs bis in den Grund abgetragen 
wurde. Die regelmässige Gestalt der Anlage ist heute 
noch ersichtlich , doch durften bei einer bevorstehenden 
Kegulirung des angränzenden Gartens bald die letzten 
Spuren verwischt sein. ( Fig. 10.) 

Im Vergleich mit den Übrigen Bantheilen, erscheint 
die Krypta sonderbarerweise der jüngsten Bau- Periode 
anzugehören, sie ist rein gotliisch und es kommen Ge- 
wölbe, wie man sie hier sieht, noch im XV. Jahrhundert 
vor. Auch scheint die Räumlich- 
keit nie benutzt und mit einem 
Altare ausgestattet worden zu 
sein, wahrscheinlich weil im Ver- 
laufe der Bauzeit die Krypten 
ausser Gebrauch kamen. Diene 
Vennut hung wird dnreh einen 
auffallenden Umstand beinahe zur 
(■ewissheit ; es sind nämlich die 
Verschalungen der Gewölbeflä- 
ehen nicht einmal herausgenom- 
men worden, die Sehalbrettehen 
halten noch Ine und da am Mörtel 
nnd das Gewölbe ist nie verputzt 
gewesen, 

Überblicken wir das ganze 
Gebände mit prüfendem Auge, 
drängt sich die Überzeugung auf. 
dass hier verschiedene Meister, 
und wie es scheint öfters gleich- 
zeitig eingewirkt haben. Altar 




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Flg. I& 

haus und Presbyterium vcn-athen einen einheitlichen 
l'lan , das Schiff jedoch gehört einer anderen Hand an. 
K<*i dem Ran den Paradieses scheint man ältere Thcile 
mit GlUck benutzt zu haben nnd die Krypta ist offenbar 
das Werk eines dritten oder vierten Künstlers. Jammer- 
srhade dass weder die ThOrmc mit der Westfronte, noch 
der Kreuzgang erhalten sind, diese Theilc würden ohne 
Zweifel wichtige Aufschlüsse gewähren. 

Es ist beinahe unglaublich, dass die Nachrichten 
Uber dieses Stift äusserst mangelhaft sind und die Bau- 
geschichte trotz der eifrigsten Forschungen ganz im 
Dunklen liegt. 

Das Kloster Trebic wird in glaubwürdigen Urkun- 
den zuerst im Jahre 1169 genannt, wo demselben der 
Abt Nadej vorstand. Was von der Gründung des Stiftes 
im Jahre 1109 erzählt wird, beruht auf blossen Sagen 
und die Nachrichten von dessen Besitzungen im Jahre 
1 197 anf einer falschen Urkunde. Im Jahre 1201 erscheint 
der zweite Abt Tiburtius, anf welchen die Äbte Martin 
(1210), Lukas (1225), Zvcst (1 12«) und Arnold (1228— 
1240) in kurzen Zwischenräumen folgten. 

Aus Vcrglcichungen mit den Kirchen zn Tisch- 
uovitz, Iglau, Kolin, St. Franciscus in Prag ergibt sieh, 
dass der Stiftskirehenbau in Trebic' in keinem Falle 
vor dem Jahre 1225 begonnen und das Werk schwerlich 
vor 1280 vollendet worden ist. Der Bau rückte mit mas- 
siger Beschleunigung von Osten gegen Westen vor, und 
zwar mit Benützung der Umfassungsmauern eines älte- 
ren, im XII. Jahrhundert errichteten Kirchenhanses. 
ßau-Materialc ist spröder Granit, nur ausnahmsweise, 
z. B. am Haupt-Portal, kam Sandstein zur Verwendung. 




Fig. 17. 

XVII. 



CLXXI 

Beigeschaltet sind noch folgende Illustrationen: Fig. 11 
Querdnrchschnitt durch das Prcsbytcrium , Fig. 12 Joch 
im Schiff, Fig. 13 Neben-Portal, Fig. 14 und 15 Capitäle, 
Fig. 1« Pfeiler-Profile, Fig. 17 Haupt- Portal. 

Naeh mancherlei misslichen Schicksalen und Un- 
glücksfällen, welche das Kloster Trebic betroffen hatten, 
wurde der Schauplatz der husitisehen Kämpfe im Jahre 
1423-1424 nach Mähren verlegt; das Kloster wurde 
von den Taboriten besetzt und längere Zeit festgehalten, 
wodurch sowohl die Stiftsgüter wie die Klostergeist- 
licbkeit grossen Schaden erlitten. Von diesem Schlage 
konnte sich das Stift nicht wieder erholen : es siechte 
dahin bis seine Auflösung durch den zwischen den 
Königen Ccorg von Podfebrad und Mathias von Ungarn 
entbrannten Krieg um 1470 herbeigeführt wurde. König 
Mathias Uberliess die Stiftsgütcr an Zdcnck von Sternberg 
pfandweise mit dem Beding, dass die Einlösung von 
Seiten derKlostergemeindc bewirkt werden könne, wozu 
sich jedoch keine Gelegenheit fand. Späterhin gelangte 
dieses Besitzthum an die mächtige Familie Perusteiu 
und zuletzt an den Oberstburggrafen Adam Graf von 
Waldstein, dessen Nachkommen sich gegenwärtig im 
Besitze der ehemaligen Klostcrherrschaft befinden. 
Dieser Familie hat man die Erhaltung und in neuester 
Zeit die sehr zweckmässig durchgeführte Restauration 
der Kirche zu verdauken '. 

(Fortuctmng fulgt.) * ilrueher. 

Die Trinkschale des heil. Ulrich. • 

(hu i H i H i rti m.] 

Wir haben wiederholt Gelegenheit gehabt, unsere 
Leser auf den Schatz des Bcncdictinerstiftes Melk auf- 
merksam zu machen, sei es, dass der Inhalt desselben 
kurz aufgezählt wurde (Jahrb. U. der k. k. Cent. Com.), 
sei es, dass einzelne Objecte desselben ausführlich be- 
sprochen und deren Abbildungen beigebracht wurden, 
wie dies mit dem kostbaren sogenannten Melkerkrenze 
(Mitth. XIV.), den beiden Tragaltärcn (Mitth. XV), und 
mit den beiden Reliquien-Kreuzen und dem Rcliquien- 
ücfltec in Form eine« Kopfes (Mittheil. XIII) bereits 
der Fall war. Wir wollen für diesmal einem weiteren 
Gegenstande dieser Sammlung unsere Aufmerksamkeit 
widmen. 

Es ist dies jene Schale, die in der Summlung als 
der Trinkbecher des heil. Ulrich bezeichnet wird, wel- 
cher Heilige am 923 bis 973 lebte. Das Gefäss besteht 
aus der grössern Hälfte eines ausgehöhlten Kttrbises, 
doch ist diese bereits an vielen Stellen schadhaft und 
löcherig, daher in neuerer Zeit etliche Metallspangen 
zum Zusammenhalten derselben angelegt wurden. Innen 
ist die Schale mit Silberblech bekleidet nnd am Boden 
mit einem sehr beachtenswerten vergoldeten Medaillon 
geziert, darinnen auf punzirtem Grunde in Relief die 
auf einem Faltistoriuni sitzende Figur des heil. Rischofs 
angebracht ist. Die Figur ist mit faltenreicher Glocken- 
Casel angethan, trägt das Pallium und eine niedrige 
Mitra, hält in der linken Hand ein einfaches Pedum, die 
Rechte ist zum Segen erhoben. 

1 Llleraittr: N-t>en dem aeho* erwKhnUe Werft« »Mlllelallerlufi« 
n«nkma.1« dt« Kefvrrelelilarben Kalterataatai.* ven Dr. Ii. Held er «ad 
r. Kllelberf «r, «ardan beaüUt : Hr. U. Hallt „Geielileiii« »on «Uhrta*. 
Sthwtiy .Toitofrafhi« ran Mahren* i Erben „Keeeitn Uehrmlar «t Mere- 
rlae"; .Haüiailaaf» der «. », C«ntr Cm«, «fir BandrnkauW Jahr* ].•'->. 
mll alaar Atbeiidlui.il W.t.l S. 141, Uliiiobilir .Gea*alef iadia 

Ti belle» dar hlaatleche» Karaten* ; W .. 1 1, y „Mahren* , na>d eif.oe l otrr. 
•athutea ** On lud Stall« 



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CLXX11 




"UM 



Aii der Ausscnseifc ist der Hand der Schale mit 
einem breiten Silberreife eingefasst, der nach unten 
mit einem dreitheiligen zierliehen RIatt-Ornamente ver- 
ziert int. Über den ganzen Schalenkiirpcr laufen von 
Handc entspringend zwei sich kreuzende, mit hübschem 
Laub-Ornamente geschmückte Spangen , und ist jedes 
der eich dadurch auf der Schale bildenden Felder mit 
einer Rosette geziert. 

Der allgemeinen Annahme nach gelangte diese 
Sehale als ein Geschenk des Markgrafen Kraut an 
das Stift, ilie Fassung jedoch gehört mit Kürksicht 
auf das noch romanische Laub-Ornament und da» Siegel- 
ähnliche Medaillon wahrscheinlich noch dem XIII. Jahr- 
hunderte an. Dr. K. Lind. 

Die gothische Monstranze in der Decanal-Kirche 
zu Eger. 

(Mit 1 Hllirrtum | 

Dieses kirchliche Oefäss gebort unstreitig zu den 
bedeutenderen Werken dieser Art, die die Goldschmiede- 
kunst des Mittelalters geschaffen hatte und die uns die 
Stürme der vergangenen Jahrhunderte noch Übrig ge- 
lassen haben , um daran die Kunstfertigkeit und den 
Geschmack der damaligen Künstler studiren und bewun- 
dern zu können. 

Die Monstranze ist durchaus silbern und vergoldet, 
hat die bedeutende Höhe von !i Fuss und f> Zoll und 
im Tahcrnakcl-Iiau eine Breite von 13 Zoll, ihr Gewicht 
beträgt :20 Mark und I Loth. 

Sic hat den bei derlei im gothischen Style aus- 
geführten GefUssen üblichen thurmartigen Aufhau. Auf 
einem sechsblätterigen nach den Seiten gestreckten und 
ziemlich hoch profilirten Fusse, der mit vier Medaillons 
belegt ist, erhebt sieh der Schaft, der mit zwei kleinen 
Koden und dazwischen mit einem mächtigen reich detni- 
lirten gothischen Knaufe geschmückt ist. Der Taberna- 
kel ist vom und rückwärts mit einer herzförmigen und 



durch GUis verschlossenen 
Öffnung versehen und mit 
einem sechsseitigen durchbro- 
chenen C'apcllcnbau bekrönt, 
der mit einer hoehanstcigeii- 
den sechsseitigen und au den 
Kanten mit Knorren besetz- 
ten Spitze, darauf Kreuzblume 
und Kreuz, abschliesst. Au 
den Seiten schlicssen sieh dem 
Tabernakel je zwei kleine 
Capellen nnd Strebepfeiler- 
bauten an, die überdies noch 
durch Strebebogen mit dem 
Mittelgebäude verbunden sind. 
In den beiden Seitencapellen 
sind FigUrehcn (heil. Bischöfe 
und Kugel) aufgestellt, l'nter 
jeder Seitencapellc senkt sich 
consolartig ein sehr schönes, 
zierlich verschlungenes Blatt- 
werk herab. 

Die Medaillons am Fusse, 
enthalten Scenen aus der Lei- 
densgeschichte des Herrn, das 
böhmische und das Egerer 
Wappen. Auf einem sechsseitigen Hinge des Schaftes 
sind die Buchstaben I h e c n s angebracht. 

Wir haben bereits wiederholt in diesen Schriften 
Monstranzen besprochen und in Abbildung gebracht, 
wie jene im Stifte Klosterneiiburg, in «lcr Sammlung des 
Baron Rothschild, in der k. Ainbrascr-Sainnilung, in der 
Kirche zu St. Leonhard in Lungau, in der Domkirche 
zu Pressburg, im Stifte St. Faul, ferner wurden auch 
erwähnt jene zu Bolzen, Sedlec, .Seitenstetten, (Uli, 
Ybbs, Priglitz ete. und finden durch die Klinstbedeutung 
dieses Werkes unsere Anschauung bestärkt, die dahin 
geht , das« während unzweifelhaft der ursprüngliche 
Entwurf jener von St. Leonhard von einem Architekten 
stammt, bei allen übrigen der das Werk schaffende Gold- 
schmied auch die Zeichnung anfertigte, dass nur au den 
Monstranzen zu Klosternenburg, Sedletz, und etwa noch 
in der Sammlung Rothschild der gothische Styl in mög- 
lichster Berücksichtigung des speciellen Materials ange- 
wendet wurde, während bei den übrigen meist jüngeren 
eine schahlonmässigc , wohl für Ran-Matcrial, aber nicht 
für Metall passende, durch das Überwuchern des COTt- 
strucliven Elements sieh charakterisirende Behandlung 
zu erkennen ist. Übrigens bildet dieses Werk, das wohl 
frühestens im XV. Jahrhundertc entstanden ist, ein wür- 
diges Seiienstück zu jener Monstranze, die sich im 
Pressburger Domschatze befindet. Dr. K. Fronnrr. 

Alterthümer und Kunstdenkmale des bayerischen 
Herrscherhauses. 

IX. I.Irfi-ruBC MüitcJu-» MTfl. H«ran»aii Mftfat'»rJi. Hot-, Kan.t ut»l 
Burlitiaailluitg V* 

Von diesem auf Befehl des verstorbenen Königs 
Maximilian II. begonnenen nnd unter den Auspicicn 
des jetzt regierenden Königs Ludwig II. fortgesetzten 
Prachtwerk enthält die IX. Lieferung ein Paar Denk- 
male , deren Bedeutung weit Uber die historischen 
Gränzen hinaus in der Kunst selbst begründet erscheint, 



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CLxxm 

wie gross anch die daran haftende Erinnerung über- 
haupt jedem Gesehichtskenner, zumal einem Angehöri- 
gen dieses Landes bleiben wird. Das eine ist das Grab- 
denkmal Kaiser Ludwig des Bayers in der Frauen- 
kirche, zu MUnehen, das sehon Kurftlrst Max dureh 
einen Uberbau aus Stein uud Kr* in Form eines Maus», 
leums besonders auszeichnete, wobei leider die schönen 
•Stein-Reliefs des ursprünglichen Kaiser-Grabdenkmale* 
zu Grunde gingen. Dr. Kuhn, Conscrvator des baye- 
risehen Xational-Muscnms hat den Text zu dieser Lie- 
ferung, zunächst mit der vortreffliehen Abbildung des 
alten Kaiserbildes Übernommen, wobei es ihm gelungen 
ist, endlieh einen genauen Text der Inschriften herzu- 
stellen und die Datirung des schönen Monumentes sieher 
zu bestimmen. Zu diesem Bebufe stellten wir einen 
Abklatsch der Umschriften her, der so sorgfältig als 
ulliglich unter meiner Mitwirkung gemacht wurde. Das 
Ergebuis* enthält die Beschreibung, welche auf die 
LUckcn in der Bandrollen Inschrift aufmerksam macht 
und ausser den gewichtigsten Gründen des Style* und 
der Bildung der Küstung in dem Fragment mit CCCC 
die letzte Griinzc in diesem Jahrhundert als Zeit der 
Entstehung tixirt sieht, wahrend Hoheneiehi r im ober- 
bayerisehen Archiv die Datirung nach glaubwür- 
dig machen wollte, obgleich indem Punkte Iloheneieher 
Hecht gegeben wird, wenn er das Grabmal erst unter 
' Herzog Albreeht IV. errichtet werden lässt. 

Die vielzuwcnig beachtete Bandrollcn - Inschrift 
iieiiut ihn ausdrücklich als , geboren von Frau Anna von 
Brannsehweig a . Die Annahmen, als sei das Werk unter 
Albreeht dem IN. zum Denkmal seiner Aussöhnung mit 
Herzog Ernst, seinem Vater, oder im Jahre 14."W von 
Meister Hans dem Steinmeissel ausgeführt worden, 
können nunmehr nicht mehr bestehen und sind deshalb 
als hinfällig bezeichnet. Das Hauptgewicht legt übri- 
gens der Verfasser mit gutem Grunde auf die Beschaf- 
fenheit der Rüstung mit der Doppelplatte der Brost, 
wie sie an der Gestalt des nnfrechtstehenden jungen 
Albreeht deutlieh zu erkennen ist, deren Vorkommen 
zwischen den Jahren 147t) bis I4!lö feststeht, zumal in 
Verbindung mit solcher Technik und Stylisirung. Direc- 
lor von Hefner- Alteneck erkannte darin eine Arbeit 
des genannten Zeitraumes, wie sehr auch vou anderer 
Seite eine frühere Datirung betont worden war. Emst 
Förster hat in seinen Denkmalen deutscher Kunst 
lediglich aus stylistischcn Gründen die Entstehung des 
Werkes gleichfalls gegen das Ende des XV. Jahrhun- 
derts gesetzt und hierin, wie gezeigt, das Richtige 
getroffen. Der um die Geschichte der Münchner Frauen- 
kirche so verdiente Beueficiat A. Mayer in München 
liess sieh hierin durch die tingirten Erzählungen und 
Deutungen des Grabmales einnehmen , wie sehr in 
dessen Buche das artistische Moment berücksichtigt 
und allen historischen Daten sonst gewissenhafte Auf- 
merksamkeit geschenkt ist. Die grosse Verbreitung 
dieses Buches Messe es besonders wünschenswert!! 
erscheinen, dass in demselben Uber das grossartige 
Denkmnl Kaiser Ludwig s die kritisch gesicherte Ansicht 
Platz gegriffen hätte , woran die ungeheure Sorgfalt 
des Verfassers für jede Kleinigkeit dieses Gegenstand«* 
nicht zweifeln lässt. Die Annahmen Dr. Sighart's und 
dessen Inschrift-Ergänzung, die angehliehe Aufsehrei- 
bung über den Meister des Steinbildes, deren Dr. Xaglcr 
gedacht, sowie der Mangel einer zuverlässigen Dopte 




• 

der Inschriften hinderten den Geschie hlschrcibcr der 
Frauenkirche hierin, wie in den meisten f'ontroversen 
seines Thema'», gleichfalls das richtige Resultat zu ge- 
winnen. Bei einem Denkmal so eminenter Bedeutung 
für die Geschichte der mittelalterlichen Seulptur im 
Süd - Deutschland dürfte diese ausführliche Würdigung 
neuester Forschung gerechtfertigt erscheinen. 

Das zweite Monument, aber in Erz gegossen, ver- 
gegenwärtigt den gleichfalls in der Frauenkirche bestat- 
teten bayerischen Herzog Ferdinand, der Ititis dies 
Leben verliess und in der ehemaligen Sebastians-Kirche 
zu München seine Familiengruft stiftete. Nach Umwand- 
lung dieser Kirche in ein l'rivathaus kamen auf Befehl 
König Max' I. im Jahre 1*07 die betreffenden Särge in 
die fürstliche Gruft der Frauenkirche, das Erzdenkmal 
aber wurde merkwürdiger Weise vergessen und nnr 
•durch die Pietät des Brauers Best gerettet, der dasselbe 
mit den ausführlichen Inschrifttafeln , an die Heilig- 
Geistkirche schenkte, wo es jetzt unter dem Musik-Chor 



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CLXXIV 



in di r Wand aufgestellt hl. Die künstlerisch wllrdige 
1'ubliciruDg dieses schönen Bronze - Werkes , das wahr- 
scheinlich Meister Gerhard um 1589 ausführte, sowie die 
correete Abschrift der Inschrift-Tafeln entreisst ein kost- 
bares Denkmal der damals blühenden Gussarbcit der 
Vergessenheit. Alle diese Denkmäler gehören nicht nur 
der bayerischen Geschichte und Kunstübuug, sie gehö- 
ren zugleich der allgemeinen Kunstgeschichte an, deren 
Löcken auf diese Weise immer mehr gefüllt werden. 

Daran reihen sich zwei Glasgemälde, die aus der 
Karthäuserkirche zu Prüll bei Regensburg in das baye- 
rische National - Museum kamen und wieder Familien- 
glieder des bayerischen Herrscherhauses mit ihren Pa- 
tronen versinnlieheri. Die polychrome Abbildung zeigt 
den Herzog Albrecht IV. mit seinem Patrone St. Johan- 
nes Ev. und gegenüber Herzog Wilhelm VI. mit dem 
Kirchenheiligen Bartholomaus in betender Stellung, mit 
ihrem fürstlichen Schmucke. Die mehrfach behauptete 
Gleichartigkeit dieser Glasgemälde mit denen des Egid 
Trautenwolf hat sich als irrig erwiesen, hingegen mit 
solchen der Pfarrkirche zu Tölz aufs klarste heraus- 
gestellt, wo die beiden Herzoge in der gleichen Technik, 
Stellung und Kleidung wiedergegeben sind, ein Ge- 
schenk dieser Pursten an die Kirche jenes Ortes, wo 
sie ein Schloss besassen und sich während der Jagden 
öfters aufhielten. Der Verfasser weist auf die Regens- 
burger Schule als Entslchungsort dieser Glasmalereien 
hin und datirt sie auf Grund des CostUmes und der 
Technik aus dem zweiten Jahrzehent des XVI. Jahr- 
hunderts. Die Bemerkung Uber den Mangel von s. g. 
Grisaille-Malerei an bayerischen Glasbildern und die 
Hinweisung auf die berühmten Gemälde des Heilig- 
kreuzstifte in Österreich zum R# weise, dass die gegen 
Vielfarbigkeit der Fenster gerichteten Ordens-Stntuten 
der Cistercicnser und Kartliäuser nicht stets beobachtet 
worden, wird jeder Kenner nur bestätigen. 

In Verbindung mit diesen Denkmalen wird dann 
das Schwert Herzog Christoph's von Rayern mitgetheilt, 
worüber die Notiz aus Jakob Fuggcr's Ehrenspiegel 
eigentlich die einzige Nachricht enthält, die es wahr- 
scheinlich macht, daas das jetzt als Cereinonien-Schwert 
des St. Georgi-Ordens dienende Prnehtschwert wirklich 
dem tapferen Herzog Christoph eigen gewesen. Wie bei 
diesem WaffcnslUckc, spricht der Verfasser auch bei den 
folgenden, dem Degen und Prachtsehwerte des Kur- 
fürsten Mas I. vom Jühre 1028 für deutsche Meister- 
Arbeit, die in jener Zeit, speciell in Bayern, die tUchtig- 
sten Repräsentanten besass, deren Prodncte noch viel- 
fach für ausländisch gelten, trotz des schlagenden Nach- 
weises, den von Hefner -Altcneck in den JCntwUrfcn 
deutscher Meister für PrachtrUstungcn französischer 
Könige « geliefert hat. So besehliesst diese Lieferung 
einen wcrthvollcn Inhalt, der um so ansprechender ist. 
als in diesem Falle auch der erläuternde Text eine sorg- 
fältige und auf eigener Forschung beruhende Behand- 
lung erfahren hat. Dr. Metamer. 

Bücherachau. 

Kleinere, aber werthvollc Novitäten der Kunst- 
Literatur gelten diesmal der mittelalterlichen Sculptnr 
in Stein und Holz, womit Tafelgcmälde an Allarwcrken 
• zugleich verbunden zu sein pflegten. Das eine Sehrift- 
eheu handelt \<m den „Bildwerken des Wormser 



Domes", die Dr. Fr. Falk zu Mainz bei Franz Kirch- 
heim zum Gegenstand einer kleinen gediegenen Studie 
gemacht hat. Demselben Verfasser verdanken wir die 
Schrift „Die Kunstthätigkcit in Mainz von Willigisen» 
Zeit bis zum Schluss des Mittelalters lHii9" in Regesten- 
form, der gewiss jeder Kunstforscher ungeteilten Beifall 
und volle Anerkennung zu Theil werden lässt Eine klei- 
nere Aufgabe lag hier zur Losung des verdienten Ver- 
fassers vor, aber eine um so dankbarere, jemehr jeder 
Freund der mittelalterlichen Kunst beklagen wird, dass 
diesem in jeder RUcksiebt denkwürdigen Dome von 
Worms eine viel zu geringe Aufmerksamkeit seitens 
der Forschung geschenkt worden. Das begränzte Feld, 
welches Dr. Falk hier sich abgesteckt, ist för solch' 
kundige Hand weit und lehrreich genug, nm Ähnliche 
Studien wtlnschenswerth zu zeigen. Die Uberwiegende 
Bedeutung liegt natürlich in der Ikonographie, die der 
Verfasser durch seine genaue Schilderung, resp. Bild- 
werke, und die vorsichtige Altersbestimmung in der 
That mannigfach bereichert hat. Gleich das erste Wand- 
gemälde, Daniel in der Löwengrube, aus dem Beginne 
des XII. Jahrhundert«, mit Beischrift, die sogar den 
Künstlernamen mittheilt, ist ein Beweis davon, indem 
diese Darstellung nicht zn den gewöhnlichen in romani- 
schen Gemälden gehört und durch die Bemerkung des 
Verfassers, dass diese Scene eine Lieblings-Daretellung 
der Burgunder gewesen , noch interessanter wird. Die 
in der Nieolauseapelle aufgestellten Stein-Reliefs des 
XV. Jahrhunderts zählen zu den schönsten Sculpturcn 
dieser Art, deren noch lesbare oder durch die Bibel- 
Concordanz ergänzbaren Inschriften mit Recht im vollen 
Umfange alle mitgetheilt werden. Nur glaube ich nicht, 
daas die auf den Säumen des Gewandes wahrnehmbaren 
Buchstaben an der Figur eines Mannes in deutscher 
Tracht den Namen des Meisters, was Übrigens der Ver- 
fasser selbst bezweifelt, enthalten haben, weil ich mich 
bisher durchaus vom Gegenthcil überzeugt habe. Ge- 
wöhnlich geben diese Buchstaben gar keinen Sinn, und 
wenn mir nicht der Vorwurf der Kühnheit gemacht wird, 
möchte ich die Vcrmuthung aussprechen, dass wir darin 
einen Nachklang der Stoffe und Teppiche vor uns haben, 
die gewöhnlich mit solchen Buchstaben als Nachbildung 
der orientalischen Stoffe und Webereien versehen sind, 
wo die arabischen Beischriften sich leicht erklären. 
Damit war also das Gewand als ein stofflich und künst- 
lerisch werthvolles bezeichnet. Die Saum- Inschriftbuch- 
staben auf flandrischen Tcppichen im bayerischen Natio- 
nal-Muscum geben alle keinen Sinn. Auf Gemälden der 
oberdeutschen Schule des XV. Jahrhunderts habe ich 
mit Ausnahme des immer wiederkehrenden Ave Maria 
noch nie sinngebende Inschriften am Kleidersaume ent- 
decken können. Nur der grosse Hubert van Eyck hat 
auch hier seinen eigenen Weg verfolgt und tiefsinnige 
Worte auch an diesen Stellen anzubringen gewusst. 
Auf bayerischen Bildern fand ich häufig an Bolchen 
Säumen hebräische Buchstaben, wie Bilder imNational- 
Museum sattsam beweisen können. Möglich, dass man 
auch an die hohenpriesterlichen Kleider des allen Bun- 
des bei dieser Gewandverzierung «lachte. Doch folgen 
wir dem Verfasser, der anlässlich der Beischriften des 
Juliana-BildcB im östlichen Chore die Worte „Otto me 
feeit" auch auf das daneben gemeisselte Laub-Ornament 
bezieht und in diesem Laub-Ornament ein Muster 
erkennt das bei seiner Beschaffenheit nnr zum Bei- 



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CLXXV 



spiele dienen sollte, wie diese und ähnliche Hanfflieder 
ausgeführt werden müsBten, wenn Geld und Zeit es 
erlaubten , dann im raschen Sprunge in diesem Otto 
den Meister des östlichen Chore», ja des alten Domes 
selbst erblicken will. Hier geht Dr. Falk doch etwas 
weiter als der Thatbestand erlaubt und wahrscheinlich 
ist. Sollen denn diese Ornamente wirklich nur aus dem 
obigen Orundc unausgeführt geblieben und der Meister 
sonst nirgends angegeben sein ? Möglieh ist diese An- 
nahme immerhin, und der Verfasser hat Recht gethan, 
sie mit deutliehen Worten auszusprechen. Diese Hin- 
weisung dürfte allein genügen, dem Leser zu beweisen, 
dass dem Verfasser kein /ug entgangen, der für die 
Geschichte des Wormscr Domes belangreich erscheinen 
konnte. Dieser Östliche romaaische Chor ward 1110 
durch Bischof Eppo vollendet. Mit gleicher Aufmerksam- 
keit behandelt Dr. Falk das in den vermauerten Ein- 
gang der nördlichen Umfassungsmauer versetzte Stein- 
bild, welches die drei Jungfrauen S. Einhcdc, Warbede, 
und Wilibcdc mit Kronen auf dem Haupte, Palmen in 
den Hunden und gothischer Inschrift zeigt, die obige 
Namen gibt. Die Sculptnr datirt aus dem Anfang des 
XV. Jahrhundert und bietet dem Verfasser Anlass, der 
Legende der drei Heiligen aufmerksam nachzugehen, 
wobei ihm die gründlichen Forschungen Professor 
Fricdrich's in München, im II. Bande seiner Kirchen- 
geschichte Deutschlands ganz besonders zu Hilfe kom- 
men, wie wiederholt hervorgehoben ist. Nun wendet 
sich die Schilderung dem Haupt-Portale zu, dem schon 
im XVI. Jahrhundert Mauch und Wicelins, dann Wolfius 
einige Erklärungen widmeten. Das» auf die etwaige, 
noch so unbedeutende Literatur der Vergangenheit hin- 
gewiesen wird, tnusR dem Verfasser als ein andere*, 
nicht geringes Verdienst angerechnet werden. An das 
Giebelfeld-Bild mit der allegorischen Gestalt der Kirche, 
reihen sich in den Hohlkehlen folgende Scenen in 
schöner Gegenüberstellung aneinander: Schöpfung der 
Welt und Maria Verkündigung. Mit letzterer wird im 
Mittelalter durchaus der Beginn der neuen Schöpfung 
durch Christus eingeleitet. Dann folgen: Erschaffung 
Eva'» und Gehurt Christi aus Maria; Flucht ans dem 
Paradiese, Flucht nach Egypten; Kain's Brudermord, 
Kindermord zu Bethlehem; Nimh's Arche im Wasser. 
Christi Taufe im Jordan; Abraham'* Opfer und Geiss- 
lung Christi; die eherne Schlange am Pfahle erhöht uud 
Christus erhöht am Kreuze; Jonas aus dem Fische und 
Christus aus dem Grabe kommend ; Elias gegen Himmel 
fahrend uud Christus zum Himmel emporsteigend. 

Langcrc Betrachtung erheischen jedoch die vier 
allegorischen, zn je zwei übereinander angebrachten 
Fraucngestalten zur Hechten des Treppen Aufganges, 
die F. Schneider im Anzeiger für Kunde der deutschen 
Vorzeit, Nr. ft, 1870 ausführlich behandelt hat. Das Er- 
gebniss ist, dass hier das Judenthum und Heidentlium 
gegenüber der Barmherzigkeit (Liebe) und Wahrheit 
vorgestellt sind. Die Deutung ist keine erzwungene, 
sondern überzeugende. Die Gestalt des Judenthums 
und der Bannherzigkeit können nicht bezweifelt wer- 
den, während die beiden anderen Figuren höchst wahr- 
scheinlich den gegebenen Sinti enthalten. Der zur Seite 
eines Bischofbildes lesbare Name II. Anselm(us) wird 
vom Verfasser auf den Künstler des Portals bezogen 
und die Ausfuhrung desselben in das endende XIV. Jahr- 
hundert gesetzt. Von den im folgenden beschriebenen 



Wand- und Tafelgemäldcn zeichneu sich die Ubcrlcbcoa- 
grossen Gestalten der Apostel Petras und Paulus , ver- 
muthlich noch aus dem XII. Jahrhundert, auch durch 
die alterthümliehe , an romanische Elfenbein-Reliefs 
erinnernde Einfassung aus, indem Thurmchen mit klei- 
nen Thllren, theils ganz, tlieils halb, bald nach rechts, 
bald nach links geöffnet, die Heiligenfiguren einrahmen. 
Meine Hindeutung auf analoge Beispiele an Elfenbein- 
Arbeiten wird man gerechtfertigt finden, wenn man 
Überhaupt das langsame Entwaehsen der Malerei ans 
der begleitenden Architektur auf alten Bildwerken hie 
bei würdigen wird. Jedenfalls Ut genannte architek- 
tonische Einfassung »ehr beaehtenswerth, weshalb der 
Verfasser sie ausdrücklich betont hat, der Uberhaupt 
keinen Umstand von archäologischer oder artistischer 
Bedeutung zu erwähnen vergisst. Nach der Beschreibung 
der merkwürdigen , schon von J. v. Hefner- Alten- 
eek in dessen Trachtenwerk mitgetlieilten AltarÜUgel- 
Gcmälde auf Goldgrund in der Nicolaus-Capelle, gibt ' 
der Verfasser noch .von anderen Kunstwerken Nachricht 
und verweilt dann länger bei der Constatirung und 
urkundlichen Begründung der ehemaligen Fürsteugräber 
im Dom, die auffallend genug schon beim Neubau des 
Jahres 1 1 10 wahrscheinlich verschüttet wurden. 

Die Mittheilung und Beschreibung eine» werthvolleu 
Wandteppichs, welchen in der Mitte des XII. Jahrhun- 
derts der Doincustos Nibelungus der Wormser Kirche 
verehrte, erinnert an Fragmente alter Teppiche im 
Nationnl-Museum zu München aus freilich späterer Zeit, 
leider dass diese Wormser Teppiche längst zu Grunde 
gegangen. Endlich fasst ein kleines Verzeichnis» die 
Namen der in Worms vorkommenden Künstler zusam- 
men, worauf noch ein holzgeschnitztes Crucifix, die 
Steinmetz- Zeichen, die an den Sockeln und Wänden 
des Dalberg'schen Kreuzganges befindlichen gothischen 
Anfangsbuchstaben , der sagenhafte Baum im Dom- 
Kreuzgang, der Schatz, das Archiv und eine Bchon 134H 
' zu Worms bestehende Maler- (Schilder-) Zunft kurz 
besprochen werden, so da»s die» kleino Schriftchen 
von nur 31 Seiten zu den inhalt- und lehrreichen der 
Kunstliteratur gezählt und der Wunsch ausgesprochen 
werden muss, es möge bald wieder eine ähnliche werth- 
volle Gabe der mittelalterlichen Kunstgeschichte aus 
der Feder dieses Verfassers hervorgehen, der es ver- 
steht, im anspruchslosesten Gewände ganz Vorzügliches 
zu leisten. 

Das andere Schriftchen von noch mehr beschei- 
dener Form gibt eine „Beschreibung des Hoch- 
altars im Chor der Klosterkirche zu MI au l> eu- 
ren* nach zuverlässigen Quellen in graphischer Dar- 
stellung bearbeitet von C. Eiehler. Blanbeuren, Selbst- 
verlag, in B* 

Dieser berühmte FlUgel-Altar hat längst die Auf- 
merksamkeit auf sich gezogen und eine Abbildung des- 
selben wird man in keinem Werke Uber Arbeiten dieser 
Art vermissen; aber eine klare Übersieht des Altares, 
der andere Bildwerke geschlossen , andere geöffnet 
präsentirt, hat noch immer gefehlt, wie anspruchslos 
die graphische Schilderung unseres Verfassers auch 
immer erscheinen mag. Er bringt ein auch in Bezug 
auf Ikonographie lehrreiches Kunstwerk, wenigstens 
beschreibend vor Angen; vielleicht findet derselbe F»r 
scher noch Gelegenheit, die bildliche Wiedergabe hin- 
zufügen zu können. In Umrisslinien wird der Altar 



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CLXXVI 



zuerst geschlossen vorgestellt und an jeglicher Bildstelle 
mit Schrift der Gegenstand der Darstellung bezeichnet. 
Dann folgt die Vorderansicht de» Altars hei vollstän- 
diger Öffnung, dann hei theilweiser. Auf dem nächsten 
Blatte wird die hintere Seite und die Nebenseiten in 
gleicher Weise versinnlieht , wozu noch der Grundriss 
den Chore« dieser Kirche mit Einzeichnung der ver- 
schiedenen daselbst befindliehen Bildwerke gefügt ist. 
Wer nicht weis« , dass dieser herrliche Altarschrein 
Doppelftügel hat, die ihrerseits aufgesehlagen, die 
Sehnitzwerke des Mittelstüekes Überdecken und einen 
eigenen, den St. Johannis-Altar in Gemälden repräsen- 
liren können, dem sich der scheine Aufsatz unverändert 
als krönendes architektonisches Schnitzwerk mit Figu- 
ren und Relief* Uberbaut, der wird ans dieser graphi- 
schen Darstellung, wo die Angabe Uber Schnitz- oder 
Malerarbeit fehlt, schwerlieh klar werden. Ein wenn 
niicli noch so kurzer Text ist schlechterdings notwen- 
dig und wird wahrscheinlich demnächst folgen. Der 
obere unwandelbare Aufsatz, der aus spät-gothischen, 
durchbrochenen Fialen besteht, zeigt Inuter Sehnitz- 
werke , deren Meister kein geringerer als Jorg Syrlin 
von Ulm gewesen sein Boll. Die mittlere dreitlieilige 
Fiale Uberragt mit ihrem spitzen Helme die zwei seit- 
lichen und enthält die Statue des dorogekrönten Erlö 
sers, wie er nach der Auferstehung »eine Wundmale 
zeigt, .rechts und links aufrecht stehende, bekleidete 
Kugel, deren einer dos Kreuz in Händen hält. Der gegen- 
überstehende Engel fehlt. In den seitlichen Fialen stehen 
sich die heil. Jungfrau und der Evangelist Johannes 
gegenüber. Unter ihneu^ entspriessen aus dem freien 
Astwerk die vier Kirchenlehrer zu je zwei, rechts und 
links St. Maria und Johannes untergeordnet, fein ge- 
schnitzte Brustbilder. Ktwas tiefer gewahrt man in 
mitten des aus Astwerk sich bildenden geschweiften 
Spitzbogens die anmiithigen , grösseren Brustbilder 
St. Stephauus und St. Laurentius, genau den Statuen 
der heil. Jungfrau und St. Johannes Ev. entsprechend, 
da ilie letzteren auf den Spitzen dieser geschweiften 
Spitzbögen stehen, freilich jede Gestalt auf ihrem eige- 
nenConsötehen angeordnet. Die edlen Brustbilder St. Lau 
rentius -und Stefan überragen den unter ihnen sieh 
torterstreckenden Horizon'tal-Lcisteii , der diesen Auf- 
salz abschliosst. Nun beginnen die veränderlichen Altar- 
t belle, da« heisst die durch DoppelflUgcl-Thürcn ver- 
deckbaren Theile. Ist der Altar geschlossen, so sieht 
man au den Außenseiten dieser FiUgel die Passion 
Christi in Tafelgcinälden dargestellt. Öffnet man sie ein- 
fach, so tritt in der Mitte als Schnitzwcrk Sta. Maria mit 
St. Benedict, Johann B. einerseits, St. Johann Ev. und 
St. Scholasliea andererseits unter zart behandelten 
Tabernakeln entgegen, welche die Rückwand in je zwei 
Felder thcilen und bekrönen, während die Madonna 
mit dem Christkind von schwebenden Engeln mit der 
Krone unter eigenem dreh heiligen Baldachin ausge- 
zeichnet wird. In Reliefs schliesscn sich dann die Sei- 
tenflügel mit der Scene der Geburt und den heil, drei 
Königen an. Darunter die Predella mit Christus und 
Aposteln in geschnitzten Brustbildern in drei Gruppen 
geordnet. Liissl man nun die eingeschlagenen zweiten 
Flügelbrelter sich entfalten, so überdecken sie die 
Sehnitzwerke der Mitte durch die bemalten Tafeln mit 
acht Seenen ans dem Leben des heil. Johannes des 
Täufers und habcu noch je eine Flügeltafel zu beiden 



Seiten übrig, die wieder je vier Darstellungen von 
St. Johannes ß. enthalten. Diese 10 Tafelgemälde stellen 
somit den St. Johannes-Altar vor. Vier Tafeln oder Brei- 
ter, jede in vier Felder getheilt, fUr die kleinen Ge- 
uiftlde ans dem Leben und Leiden Johannes B. bilden 
den genannten Altar. Zwei Tafeln bleiben als Flügel 
aufgeschlagen und springen somit rechts und links von 
der Predella seitlich vor ; zwei Tafeln sind eingeschla- 
gen gegen die Mitte des Altars und verdecken dadurch 
die Sehnitzwerke, also die Madonna mit den krönenden 
Engeln und die Heiligen Benedict , Johann B., Johann 
Kv. und Scholastica. Die Rückseite des Altarschreines 
ist selbstverständlich nur bis zum Beginne des schönen 
Aufsatzes, die als freie durchbrochene Architektur das 
Ganze krönt, mit eigenem Bildwerk versehen, dass der 
Verfasser, wie erwähnt, gleichfalls verzeichnet. Die 
Autorschaft der Gemälde scheint von dem Verfasser 
laut Zuschrift des ersten Blattes blos auf Barth. Zeit- 
blom bezogen, während Waagen, Hassler, E. För- 
ster mehrere Hände für dieselben annehmen. Die Ge- 
mälde der Rückseite und der Predella werden grüssten- 
theils Zeilblom vindicirt, während vier Tafeln, das 
heisst vier Gemälde aus dem Kreise von St. Johann B. 
mit Martin Schongauer Verwandtschaft zeigen, hin 
gegen die andern und die Passionsbilder der Aussen- 
seite (bei ganz geschlossenem Altar) geringere Meister 
ankündigen. Vielleicht vermag der Verfasser durch 
urkundliche Daten in diesen Punkten Aufschluss zu 
geben. Mögen dieselben bald nachfolgen, damit der 
schönste Sehnitz-Altar Deutschlands kunstwissenschaft- 
lich klar und diese an sich schon werthvolle Studie zu 
ihrer ganzen Bedeutung gebracht werde. 

Jh: Mesmuer. 

Die Juncker von Prag, Dombaameister um 1400 und 
der Strassburger Münsterbau. 

Kll.c Uli. H.l.l. Ii., I,« lwr>t«lll)ll* i'lij s»«l.»r< I'<r<>< WM« ift "1 Sri"« 

Ehe noch in diesem Jahrhunderte der Anfang zu 
einer wissenschaftlichen Erforschung der mittelalter- 
lichen Baukunst gemacht worden ist, war es in Deutsch 
html ein Mcistcmamo ans früher Zeit, der dennoch 
schon vielbekannt, in vieler Munde geradezu der Träger 
all' der unklaren Begriffe geworden, welche man mit 
dem Gedanken an die Bauweise der Väter verband, der 
eine verständnisslose aber pietätvolle Bewunderung um 
mit Rühmen nennen liess, Erwin von Stein buch. De; 
Strassburger Dom ist beinahe das einzige kirchliche 
Denkmal des deutschen Mittelalters, welches sich rühmci 
darf, dass der Käme eiues der am Baue wirkendei 
Künstler dumals schon, ehe man sieh des Stadium* 
der Baugesehichte befleissigte, Uber das Local hinaus 
berühmt wurde und in der nationalen Literatur häufig 
Erwähnung fand. 

Allein auch Uber die Periode jener begeisterten 
Espectoration Göthe's hinaus, die 1771 den diis mani- 
bus Ervini a Steiubach und dem „heil. Erwin - * huldigte, 
mich dem Abblühen der romantischen Schule und ihrer 
schlimmen Folge, der Poesie der Ritterromane, die da 
mit Naivetät die Kreuzfahrer in spät -gnt bischen Gebun- 
den tafeln und tourniren liess, — bis auf diesen Tag ist 
durch die gesummte Laienwelt gerade über den Strass- 
burger Dom eine Fülle der ungereimtesten Irrungen im 
Gange. Noch mehr: gerade wie bei uns in Österreich 



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CLXXVIl 



trotz aller Belehrung und Verbesserung noch immer zahl- 
reiche Vorschriften, „ historische u Homanc und leider 
selbst Schulbücher an den Tag treten, welche z. B. den 
Stcphansdom durch Meister Pilgram von unten Iii« oben 
erbaut werden lassen, so gilt wich in so mancher Schritt 
heute noch Meister Erwin fllr den Erbauer des Strnss- 
burger Münsters, oder doch der Facade mit dem Richen 
thurm. Bessere, doch nur wenig berathenerc Bucher 
sprechen von der Vollendung des Erwin'schen Tlnirm- 
baues durch deu Kölner Meister Htlltz später. Dafür 
wieder ist der Name der Bildhauerin Sabina, als einer 
Tochter des grossen Arehitekteu allgemein genannt und 
so denn ein wahres Netz von Irrungen last Uber alles, 
was sich auf den Dombau bezieht, gebreitet. 

Die Seeberg'sche Schrift, obwohl nicht für das 
grosse Publicum vcrfassr, kommt mit ihren erfreulichen 
Aufklärungen Uber obige Dinge eben zur rechten Zeit; 
das allgemeine Interesse hat sich Strassburg und seinen 
Schicksalen , seiner Zukunft zugewandt , unter den 
zunächst ins Leben zu rufenden Neuerungen wird die 
Herstellung des grossartigen Münsters keine der unter- 
geordnetsten sein und bei solchen Umstünden die Resul- 
tate der Forschung, welche ein ganz neues Licht Uber 
die Baugeschichte herbeischaffen, hoffentlich auch Uber 
die Fachkreise hinatiszudringen im Stande sein. Haupt- 
zweck der genannten Schrift ist es, die Hetheiligung 
der Brllder Juncker am Thunnbau durzuthuii ; daraus 
erfolgt indes« selbstredend die Notwendigkeit, erst die 
«ieschichte der vorausgegangenen Bau-Perioden von den 
bisherigen Irrthümern zu säubern, d. h. also das wahre 
Mass dessen zu bestimmen, was dem vielgertlhmten 
Meister Erwin an der Riesenschöpfung des Domes zuge- 
schrieben werden darf. Soweit der Verfasser in seinem 
Ruche diese Fragen erörtert, dienen ihm indes» nicht 
eigene Untersuchungen zum Halte, sondern die gründ- 
lichen Forschungen eines in Deutschland wenig bekann- 
ten verdienstvollen Gelehrten, des kürzlich verstorbenen 
Strassburger Stadt-Archivar» Dr. L. Schnee gans, der 
in zahlreichen Abhandlungen die Früchte seine» Stu- 
dium» der localen kunRtgc»chiehtliehen Verhältnisse 
niederlegte. Indem diese Arbeiten, welche in den Elsas- 
sischen Neu jahrBbllitteni , in der Revue d'Alsace etc. 
erschienen, einem grössere Leserkreise kaum mehr 
zugänglich sein werden, ist des Verfasser» sorgfältige 
Benutzung ihrer Ergebnisse gewiss allgemein willkom- 
men zu heissen. Wir folgen seiner Darstellung und ver- 
zeichnen das wichtigste davon. 

Bis ins XIU. Jahrhundert bieten blos die Chroni- 
ken einigt- Bpärliche Angaben. Der Neubau 1015 erhob 
sieh auf den alten Grundmauern; nach fUnf im folgenden 
Stfculum ausgebrochenen Feucrsbrünsten blieben hin» 
Krypta und einzelne Theilc de» Chores Übrig. Der Bau 
der Schiffe, den wir heute vor Augen haben, wurde im 
Laufe de» XIU.— XIV. Jahrhunderts hergestellt, worü- 
ber Closener's und Twinger's von Königshoven Chro- 
niken Andeutungen geben , doch nennen sie weder 
Erwin, noch sonst einen Meister. Die erhaltenen Auf- 
risse und Zeichnungen, die Bestellungsbricfe im Dom- 
Archiv schweigen Uber ihn, man kennt seinen Namen 
nur ans den nun verschwundenen Inschriften an einem 
der Portale und am ehemaligen Lettuer, aus mehreren 
Crab-Insebriften, und aus dem vom X HL— XVI. Jahr- 
hundert fortgeführten Buche der Woblthttter und Ge- 
schenkgeber der Kirche im Frauenwerk-Archiv. Erwin s 



Werk am Mllnster ist der Bau der Facade, d. h. de» 
mächtigen Unterbaues des beabsichtigten ThUrmepaa- 
res, also die Vorderseite de» ganzen Domes In» auf den 
Mitteltheil Uber der Rose und den Thurm. Nach der 
erwähnten Inschrift des Portal» begann die Arbeit im 
Jahre 1277, als der Körper des KirchengebUudes vollen- 
det dastand. Fast alle späteren Schriftsteller haben, eben 
auf diese Inschrift gestützt, den Ruhm Erwin'» verkün- 
det. A. D. MCCLXXVn in die bcati Urbani lnK> glorio- 
sum opu» inchoavit magister Erwinus de Steinbach, 
lautete ihr Text; unbekannt ist uns da» Aussehen, das 
Material ihrer Sehriftzeiehen , ja selbst der einstige 
Standort, denn es ist vergessen, an welchem der drei 
Portale sie augebracht gewesen. Offenbar haben Epi- 
gonen die preisende Inschrift dem verewigten Meister 
gesetzt, da» zeigt der Ausdruck gloriosum opus; wäre 
die Schrift mit Erwin gleichzeitig, so hätte er selbst 
sich desselben nicht bedient , aber auch dem Charakter 
der ganzen Periode wäre die Namennennung de» Künst- 
lers am Haue zuwider, wie denn auch alle Chronisten 
seiner nicht gedenken. Der Verfasser macht es wahr 
»cheinlieh. das* nach 1400, als der in» Stock en gera- 
thenc Fa^adenbau von neuem aufgenommen wurde, 
eine dankbare Nachwelt sich de» grossen Beginners 
erinnerte und damals die Inschrift gefertigt "worden. Sie 
ist von der grössten Wichtigkeit, insofern als nur aus 
ihr Erwin'» Geschlcehtsnume erhellt, die Epitaphien etc. 
enthalten nur den Taufnamen. Dorthin aber wird er ans 
der lebendigen und darum wohlverlUsslichen Tradition 
der fortan blühenden SteiumetzcnhUtte gekommen sein. 

Die Inschrift an dem hochgerUhmten , HSXl durch 
gallischen Vandalismns zerstörten Lettner, aus dem- 
selben Jahre wie die Grabschrift der Gemahlin Erwin'», 
stammte noch aus seinen Lebzeiten , ist demnach die 
iiiteste Erwähnung. Iu dem Inhalte: MCCCXVI edifica- 
vit hoc opus magister Erwin. Ecce ancilla Domini, fiat 
mihi »ecundnm verbnni tnum. Amen, scheint der Schmerz 
um der Gefährtin Hingang und die Resignation mitzu- 
sprechen. 

Eine uralte Überlieferung schreibt Erwin auch die 
Schöpfung der zu so mächtigem Einflüsse berufenen 
Strassburger Bauhütte zu, eine That, deren grosse Be- 
deutung auch darin liegt, dass dadurch die KunstUbung 
den mönchischen Kreisen entwunden wurde und in jene 
der Laien und Bürger Eingang fand. Die Erfolge, welche 
Stadtrath und Adel eben Uber den Bischof und das 
Domcapitel errungen hatten, wodurch seit 1263 die Bau- 
verwaltung de» Domes in die Hände de» Ruthes über- 
gegangen war, begünstigten diese Unternehmung, die, 
von Kaiser Rudolph und Papst Nicolau» III. gefördert, 
in Zukunft bedeutende Früchte tragen sollte. 

Vierzig Jahre lang wirkte der Meister, von dessen 
Werken im Innern des Dome» heute nur noch die Wül- 
bung des südlichen Kreuzarme» und das Grabmonument 
des Bisehofs Conrad vou Lichtenberg in der Johannes- 
Capelle erhalten sind, denn den Obertheil des Lang- 
hauses erneuerte das XV. Jahrhundert, die aehtgiebe- 
lige Kuppel Uber der Vierung zerstörten die Flammen 
1 759, den Lettner au» der Marien-Capelle demolirten die 
Franzosen im XVII. Jahrhundert. 

Erwin'» Grabschrift hat Göthe vergebens im Dome 
gesucht, erst 1 H 1 «> entdeckte sie Sulpice Hoisseree und 
Engelhard, der Herausgeber des 1X70 zu Grunde gegan- 
genen hortus delicinrum. Nebst de» Meisters Epitaph 



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CLXXVin 



fanden sich jedoch noch zwei andere, alle drei unter 
einander, »ehr gleichmäßig und offenbar bald nach 
einander eingegraben. Die älteste derselben betrifft die 
131t! gestorbene Frau des Meisters, dumina Husa. Aus 
ihr wird unzweifelhaft, dass der Gatte, indem das Prä- 
dicat dotnina nur einer adeligen Dame gebührt, von 
edler Abkunft gewesen, womit das von Steinbach der 
ehemaligen Portal-Inschrift stimmt. Rhen zwischen Adeli- 
gen und Nichtadeligen sind aus dieser Zeit nicht nach- 
zuweisen. Am selben Tage erscheint sie als Geschenk- 
geberin durch Vcrmächtniss zu Gunsten des MUnster- 
baues im genannten Geschenkbuche. Am 17. Jänner 
J318 erfolgte Erwin's Ableiten . den die Inschrift magi- 
ster und gubernator fabriee nennt. 

Die interessantesten neuen Ergebnisse hat die Er- 
forschung der dritten Grabschrift durch Schneegans 
geliefert. Sic enthält das Todesjahr 1339, in welchem 
magister Johannes filius Erwini magistri operis gestor- 
ben. Nach operis folgt noch VT und in der letzten, sie- 
benten Zeile BOGE. Alle früheren Autoren lasen VI' 
zwar richtig hujus, konnten aber aus eece (ecclcaiae) 
nichtB anderes als etc. herausfinden. So besagte denn 
der Text, dass Meister Johannes gestorben, Sohn dieses, 
also des in der darüber befindlichen Inschrift genannten 
Erwin, und es wurde allgemein, von des grossen Erwin 
Sohn und Nachfolger zu sprechen, der des Vaters Werk 
am Münster weitergeführt hätte; hujus gehört aber nicht 
zu Erwini, sondern zu dem letzten Worte: ecelesiae. 
S e h n e e g a n s hat dargetban, dass nach dem vielgenann- 
ten Erwin von Stcinbaeh noch zwei Dombaumeister des- 
selben Namens gemeinschaftlich den Bau leiteten. Sie 
werden im Buch der Geschenke erwähnt. Beide sind 
aller Wahrscheinlichkeit nach jenes ersten Erwin Söhne 
(derselbe Name bei BrUdcrn begegnet im Mittelalter 
sehr häutig), einer von ihnen aber war Vater des in jener 
dritten Grabschrift genannten Johann, dessen Zusammen- 
gehörigkeit mit Erwin' I. Stamme der Platz beweist, 
den man dem Epitaph gegeben, der ein Baumeister, 
doch nicht ein Dombaumeister laut der Inschrift gewe- 
sen ist. Der Vater Überlebte Johann, sonst würde ein 
qiiondum bei seiner Erwähnung in der Grabschrift nicht 
mangeln. 

So haben alle folgenden Jahrhunderte , in denen 
Schad in seinem MUnsterbuch, Schilter, Sehöpflin, Gran- 
didier u. a. Uber den Dom schrieben, an den einen 
grossen Namen Erwin's alles geknüpft, was hervor- 
ragend schien, was sonst etwa noch an Namen bekannt 
wurde. Wie man ihm einen Sohn verschaffte, den er 
nicht beBass, so erhielt er auch eine Tochter, deren 
Bnhm als eine der frühesten Künstlerinnen Deutschlands 
nicht klein geworden ist. Wieder ist es Schneegans, 
der in dem Arlikel: La statuaire Sabine, zeigte, dass der 
Irrthum, die Bildhauerin Sabina, welche eine Statuen- 
Inschrift am Portal des südlichen Kreuzarmes nennt, sei 
Erwin's Tochter, von dem Ingenieur und Topographen 
Specklin herrühre, der im XVI. Jahrhundert schrieb. 
Sabina, ein Gcschleehtsuamc ist nicht bekannt und in 
der Inschrift nicht enthalten , lebte ein Jahrhundert 
vor ihrem angeblichen Erzeuger; dieser ältern Periode 
gehört ihr Styl, gehört die Errichtung des Bautheiles an, 
welcher jenes Portal und seine gleichzeitigen Statuen 
enthält. Sabina war eine Zeitgenossin Herrad's von 
Landsberg, mit deren schon genanntem hortus dclicia- 
rum der styl ihrer Steinbilder im Dome Übereinstimmt. 



Manches romantische und romanfähige Element hat 
somit die strenge Sichtung des Forschers aus der Bau 
geschichtc des Strassburgcr Münsters gestrichen; wir 
überlassen es der Sentimentalität, darüber zu trauern. 
Nur dem einen ist zu begegnen, dass nun etwa Erwin's 
Buhm für geschmälert gehalten würde, weil die wissen- 
schaftliche Untersuchung ihn nicht als denjenigen gelten 
lässt, nach dessen Entwürfen der herrliche Biescuthurm 
sei ausgeführt worden. Was als seine Schöpfung erhal- 
ten bleibt, ist natürlich einheitlich, aus einem Gnss und 
Geist und muss bei dem ästhetisch und kunstbistoriBch 
gebildeten Betrachter gerade deshalb des Künstlers 
Werth erhöhen, während den ihm bisher zugeschrie- 
benen Theilen durch die Wandelung der Zeiten die voll- 
ständige Übereinstimmung mit den älteren, ihm wirklich 
zugehörenden fehlt, somit eine störende Ungleichheit in 
des Meisters angeblichem Werke herrschen würde. Der 
frühere Erwin wäre also als Künstler vielmehr weniger 
vollendet als der wirkliehe. Wa« er wirklich geschaffen, 
ist herrlieh genug, seinem Namen den verdienten Rnhm 
zu bewahren. 

Wir gehen rascher über da» nächstfolgende hin- 
weg. Es treten jene stürmischen Bewegungen ein, in 
Folge deren die Zünfte der Stadt zu hervorragender 
Bedeutung, selbst zur Beschickung des grossen Käthes 
gelangten. Die Werkleutc, welche des adeligen Erwin 
Stiftung, die Bauhütte, in einer selbständigen Genos- 
senschaft Uber die Innungen gestellt hatte, mussten nun 
dem letzteren beitreten nnd sieh der städtischen Maurer 
zunft gesellen, ein Zustand, der 70 Jahre dauerte. 
Währenddem arbeiteten am Dome die Baumeister Ger- 
lach 1349, Kunz 13H2, Michael v. Freiburg 1383. Im 
Jahre 13ti5 war man, nach Twingcr's Nachricht bis 
zu der Höhe des Arcaden-Baues gekommen, welcher 
heute die Plattform Uber dem dritten Stockwerke der 
projectirten Thttrme bezeichnet. Uber dieser Plattform 
schon hätten nach Erwin's Plane die Dachhelmc beider 
ThUrme sich erheben sollen, und einem solchen Vor- 
haben entsprechend, waren die Untermauern construirt. 
Hicbci ist zu erwägen, dttl der über der RoBe befind- 
liche , wenig gelungene Mittelbau spätere Erfindung, 
aus dem Erwin'schen Entwürfe aber wegzudenken ist. 
Man hatte dadurch den Frontbau erhöht und im ganzen 
zu einem Viereck in weuig glücklicher Weise umge- 
staltet, nun mussten Erwin's Thurmhelme zu niedrig 
erscheinen nnd auf eine weitere Höhcnentwicklnng 
gedacht werden. 

Es folgen weniger bedeutende Meister: Klaus von 
Lahr oder Lohr in Baden , dann Ulrich von Ensingen, 
der vordem am Ulmer Dombau angestellt gewesen, 
1391 — 1394 und 14(10. Letzterer hat das Verdienst, die 
Bauhütte in aller Selbständigkeit hergestellt zu haben. 
1404 erscheint die erste Spur der J u n k h er v o n Pra g. 

Noch waren die Brüder, die bald hierauf nach 
Strassburg zu wirken berufen wurden, in der Schule 
Arler*s von Gmttnd zu Prag thätig ; doch kam bereits ein 
für Strassburg gearbeitetes Sculpturwerk ihres Mcisscls, 
die unter dem Namen der traurigen Maria berühmt gewor- 
dene Statue, von dorther an die Stadt am Rhein, die schon 
durch den Maler Wurmser von Strassburg in Verbindung 
mit dem Kunstleben Prag'B erscheint. Die beiden Junk 
her Wenzel und Johann waren es, die nach ihrer 
Anstellung beim Strassburger Münsterbau die schwierige 
Aufgabe zu lösen vermochten, die nun herangetreten 



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CLXXIX 



war, al8 durch Aufführung jenes Zwischenbaues ob der 
Rose die ThOrme nach Erwin's Plan nicht mehr vollen- 
det werden konnten, auf den dafür berechneten Grund- 
lagen aber ein Thurm von weitaus grösseren Verhält- 
nissen emporsteigen sollte. Sic erreichten das Ziel nicht 
völlig, der Abschluss des ungeheuren Gebäudes, wie 
wir es sehen, ging nicht aus ihren Händen hervor, anch 
liegt dem heute vorhandenen Abschlüsse ihr Entwurf 
nicht zn Grunde, doch gehört ihnen der Ruhm, einen 
allein genügenden Plan gefunden zu haben, dem zufolge 
ein Thurm von solcher Höhe auf den unverstärkt gelas- 
senen Fundamenten eines vorher projectirten kleineren 
errichtet worden konnte, abgesehen davon, dass, trotz 
der spttt-gothischen Überzierlichkeit der Helmspitze, die 
ßekrönung nach ihrem Entwurf das ganze Gebäude weit 
besser geschmückt haben würde. Mit vollendeter Herr- 
schaft Uber alle Mittel der Technik verstanden es die 
kühnen Meister, durch Anbringung schwindelnd hoher 
Hallen im Innern die Massen zu entlasten, das Gcsammt- 
gewicht den gegebenen Verhältnissen anzupassen. 

Ihrer endlich ist der geniale Gedanke, die Stütz- 
pfeiler des Erwin'schen Frontbaues in den bekannten 
prachtvollen Schneckenthürmchen fortzusetzen, welche 
da« Achteck zu festigen scheinen. Leider haben diese 
vier Thttrmchen die im Plan bestimmten schönen Pyra- 
midal-Abschlüsse, eine Rcminisccnz an den Prager Stie- 
genthurm, nicht erhalten. 

Auf die Jnnrkher folgte der Kölner Johann Hültz, 
1428. Er setzte die Arbeit an den Schneckenthürmchen 
fort; er erbaute die grosse Thurm-Pyramide, offenbar 
nach eigenem Entwürfe, eine ebenso kühne als zierliche, 
doch dem Styl der guten Zeit längst entfremdete Con- 
struetion, an der Gränze von Spielerei und gothischem 
Zopfe stehend. Das Riesenwerk stand am Tage Johann 
Bapt. 1439 fertig da, der Künstler starb erst 1449. 

Wir schliessen hier unser Referat über die See- 
be rg'sche Broschüre, zu deren Angaben der Aufsatz des- 
selben Verfassers in Naumanu's Archiv für die zeich- 
nenden Künste des XV. Jahrg. nachzusehen ist. Was 
noch im Ruche folgt, enthält auf Grundlage obiger Daten 
eine Rectilicirttng der alteingewurzelten Irrthümer Uber 
die Bcthcilignng der Junkher am Strassburger Tburm- 
bau. Es wird der seltenen , auf diese Künstler geschla- 
genen Medaille von 15(35 gedacht, dieselbe ist dem 
Schriftchen auch im Bilde beigegeben. Sie zeigt auf 
der einen Seite die Vorderansicht des Münsters mit dem 
vollendeten Thurme (Umschrift : turris Argentoratensis), 
auf der andern drei Reiter in ideal-antikem C'ostüm, und 
die Worte: Die drei Jvnkkhcrn von Prag, 1565. Die 
Bemühungen, welche schon Schneegans und nun der 
Verfasser entwickeln, um die Drciheit der Brüder als 
historisch zu erweisen, empfehlen wir dem Leser in all 
ihren Details selbst zu verfolgen, so wie denn die ganze 
Schrift zu den interessantesten kunsthistorischen Arbei- 
ten jüngsten Datums zu zählen ist. Ä. Ilg. 

Die Grabdenkmäler von St. Peter und Bonnberg zu 
Salzburg. 

Hm! AMlitUu&ffK», joAt mit 91 StaloJmekttfrln, h'reuasrgaben tob Dr. Watt 
Und Call «Oll Fr« T, S»l«b»r» IW7, 6», II. 

Die ersten beiden Abtheilungen dieses schönen und 
höchst verdienstvollen Epithaphien- Werkes , welches 
sowohl dem gelehrten Autor, Herrn Dr. Walz, dem 

XVII 



genialen Zeichner, Gutsbesitzer Karl v. Frey, und dem 
tüchtigen Lithographen Peter Herwegen eben so wie 
der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde zur Ehre 
gereicht, sind schon ao. 1869 im XIV. Bande der Mit- 
theilungen der k. k. Central- Commission, p. LXI et seq., 
gewürdigt worden. Es erübrigt uns also eigentlich nur 
mehr über die im vorigen Jahre erschienene dritte 
Abtheilung Bericht zu erstatten, und gleich hinzuzufügen, 
dass laut der Vorbemerkung zu diesem Theil, so wie 
nach persönlichen Informationen eine vierte Lieferung, 
9 hierhergehörige Tafeln, dann die Denkmäler von 
1600 — 1637 (von welchem Jahre anTodtcnbücher regel- 
mässig geführt sind), so wie die für eine derartige Publi- 
cation nothwendigen Verzeichnisse enthalten wird, das 
Unternehmen jedoch dann hiermit abgeschlossen ist. 

Was nun die jüngst veröffentlichte Abtheilung 
angelangt, so umfasst sie die Zeit von 1492 — 1600 mit 
146 Nummern und 15 abermals prächtig ausgeführten 
Steindrucktafeln. Von diesen sind in heraldischer Bezie- 
hung besonders interessant die Grabsteine : Nr. 2 und 9, 
beide mit Inschriften für verschiedene Personen der 
Familie Kheutzcl; Nr. 8 Hanns Praczel, Nr. 13 Rued- 
brecht Lasscr zu Lassereckh 1545 und Nr. 14 Ludwig 
Alt. Die zwei letztgenannten Epitaphien köunen als 
wahre Prachtmuster heraldischer Renaissance gelten, 
und ist Bcbon das Denkmal des Ruedbrecht Lasser ■ 
ausgezeichnet durch grosse Zierlichkeit der Formen, 
Reicbthum der Ornamentik, und dennoch zugleich durch 
ruhige Anordnung und Behandlung des Ganzen, so wirkt 
der Grabstein des Ludwig Alt geradezu pompös durch 
fast Uberreiche Damascirung der Flächen,] durch die 
Fülle der Decken und Helmbausch- Windungen, durch die 
äusserst elegante Zaddclung und Gravirung der perga- 
mentartigen Tafeln zu Häupten und Füssen des Wap- 
pens, sowie durch die das Epitaph-Portal stützenden 
und meisterhaft durchgebildeten Karyatiden. Von heral- 
dischem Interesse ist wohl auch das Helmkleinod des 
vorderen Schildes auf dem Dr. Schen-inger* sehen Grab- 
mal, Nr. 5: zwischen zwei Büffelhörnern ein sitzender 
Affe, welcher hier in einem (A B C) Buche liest, während 
er sonst gewöhnlich an einer Kette liegt oder einen 
Apfel frisst. Dann auf dem vorzüglich schönen Kheuzel* 
scheu Stein , Nr. 2, das erste Schildchen rechts oben mit 
der gekrönten dreiköpfigen Gans. Endlich auf dem 
zweiten Kheuzel'schen Epitaph Nr. 9 die ungewöhnliche 
Form der Stechtartsche und des Visirhelms. 

In figurali8cher Hinsicht sind zu nennen die Tafeln : 
Nr. 1 Michael Stabel, Nr. 4 Regina Pfeffinger, Nr. 6 
Wolfgang Walchcr, Nr. 7 Johannes Keiner, Nr. 11 Virgil 
Uberacker und Nr. 12 Egidius Radimayer. Hiervon zieht 
namentlich das Monument des Landeshauptmanns Vir- 
gili Überacker t 1532, aus der Margarethen-Capelle 
des St. Petersfriedhofea wegen der musterhaften Aus- 
führung der lebensgrossen Harnisch-Figur die Aufmerk- 
samkeit auf sich. Der Verstorbene steht vom Kopf bis 
zu den Füssen gerüstet, nur Augen, Nase und Wangen 
sind sichtbar, auf einem niedrigen Postament, in der 
Rechten ein Banner, welches sein Wappen trägt, hal- 
tend, die Linke an das Schwert gelegt. Links oben 
(berald.) als Pendant zur Fahne das Überacker'sche 

Dir r«, unten Stündlich» Schild, mit d«m Much» lat ohne Zwairol 
.Sthaochontriial- Ao. 1497 kommt auch tln« Marl* SetKochmatual all Wltoo 
dti Saliburji'- l!unf*mr.lilora Sv-hü<ilt>6« <» !>«. »«»IM Wappm llaka U 
nl.-bt bekannt. Dlo Kamille Laxer von Zolle. Im fUhrl ooeh nanu dauilbe Wae- 
l>«n mit itm Sr :■ r i(bi It , n mit den drei KlMblaltere. 

z 



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CLXXX 



Wappen in stylvoller Auffassang. Das Ganze erscheint 
von der Inschrift eingerahmt ; in den vier Ecken des 
Kähmens sind in je einem unregelmässigen Dreipass 
vier Tartschen angebracht, welche die Wappen der 
Altern von Matter and Frau darstellen, folglich nicht 
die normalen Ahnenschilde repräsentiren, sowie auch 
die verwechselte Anordnung der vier Quartiere auf dem 
Überacker' sehen Schilde zu erwähnen ist, welche wir 
Übrigens auf dem Grabstein des Georg Überacker, 
Bischofs von Scckau t 1477, ebenfalls wiederfinden». 
Sehr richtig ist die Bemerkung, welche Dr. Walz aus 
Demmin citirt , in Betreff der durchschnittlichen Mittel- 
grösse der Rüstungen und demnach auch ihrer Träger, 
im Widerspruche mit uuserer Fantasie und der vul- 
gären Meinung, wie Referent nach den Rustuugcn der 
kaiserlichen Ambraser-Sammlung selbst wahrzunehmen 
Gelegenheit hat. 

Was die Denkmale mit den lebensgrosscn Porträ- 
ten der Äbte und dem Brustbild' der Äbtissin Regiua 
anbelangt, so kann nur das, was Dr. Walz darüber 
sagt, vollinhaltlich unterschrieben werden. Es ist iu 
allen dicseu Figuren mehr, minder gewandte Technik 
und sorgfältige Ausführung der Details, aber weder 
grossartige Auffassung , noch auch eine sich durch 
Wurde auszeichnende Bchaudluug anzntrcffeii ; ein Um- 
stand, der durchaus nicht den Salzburger Künstlern 
zur Last fällt, sondern überhaupt in dem manierirten 
Kuust-Charackter der Zeit seine Wurzel hat. Für die ein- 
heimische Kunstgeschichte bleiben jedoch diese Monu- 
mente immerhin sehr beachtenswert!. , geschweige für 
die Special -Historie des Erzbisthums. 

Endlich haben wir noch zwei Grabsteine aus der 
Reihe der bildlich initgetheilten hervorzuheben, welche 
iu ihrer Art von Interesse sind. Das ist erstlich Nr. 3, 
der in die Stützmauer des niederen Friedhoftheiles von 
• St. Peter eingelassene Stein des Caplaus Johannes Ser- 
linger, mit der widrigen Bkeletartigen Figur und ihrer 
noch widrigeren Umgebung, ein Motiv, dem mir leider 
auch anderwärts noch begegnen, wie es Dr. Karl Lind 
in dem Scherffenberg'scheu Grabmal » der St. Laurenz- 
kirche zu Lorch gezeigt hat und Dr. Walz weitläufig 
nachweist; die im Text eingeflochtene Speeialstudie 
gelegentlich des Serlinger'schen Grabstciues ist eben so 
lesenswerth, wie jene, welche den oben berührten 
Überacker'scheu Marmor begleitet. Auch hier kimneu 
wir nur wiederholen, was der Autor selbst sagt. Die 
Kunst ist nicht berufen, die Idee des absolut Hässlichen 
zu verewigen, und auch die artistisch vollendetste Lei- 
stung wird uns mit diesem groben Principieufehler uicht 
aussöhnen. Daun Nr. 5, Stein des Dr. Michel Scherrin- 
ger, dessen wir bei den heraldisch merkwürdigen 
Stücken schon gedacht haben; die Wappeu nehmen hier 
unr das untere Drittel der Platte ein ; das Hauptgewicht 
liegt auf der figuralen Vorstellung ober ihnen und unter 
dem Inschrift-Zettel; die gekrönte heil. Maria in Uber- 
aus anmuthiger Gestaltung legt die rechte Hand auf die 
Schulter des vor ihr knieenden Verstorbenen, der die 
Mütze in den gefalteten Händen, vertrauensvoll zu ihr 
emporsieht, während sie mit der Linken das Christus- 

1 DT. K»rl Lind, .die G i a ! ,1 . „ l in a I . währasd dr> MilWl- 
altar»*. Hirlchta dra Wlenrr Altortaum» - Varvinrt XI. lund. p. ISO, Bad 
pKln Orabstvla Im linni iu Sc£kau«h Judouburc*. von Schelg.T 
In das NUthrllUofen dar k. k. Caami-CMualaatoa für ßiodtnkmale, Bd. III. 
p. ML IM. 

I Hr. Karl I.lod, L«, p. IM ui 3 Mluaallu«» tt.r k. k. Cent. Com. 
Iid. XIII. t !*«• 



kiud hält, welches mit einem Hammer auf eine ober- 
halb einer Standuhr angebrachte Glocke zu achlagen 
im Begriff ist. Dieses Zcitglöcklcin wird von einem aus 
heraldischen Wolken wachsenden Engel gehalten. Die 
ganze Gruppe macht einen ungemein lieblichen Ein- 
druck und ist künstcrisch vorzüglich schön gedacht und 
durchgeführt. Die zu diesem Blatt gehörigen kunst- und . 
culturgeschichtlichen vergleichenden Bemerkungen de« 
Dr. Walz sind für das Verständnis» der Arbeit von 
besonderer Wichtigkeit. Wir können nicht umhin, noch 
einen Blick auf die, dem Gegenstand vollkommen ange- 
messene, mit lapidarer Einfachheit entworfene Titel- 
blatttafel zu werfen, welche in einer höchst sinnreichen 
Kürze alles für einen richtigen Buchtitel Ntfthige enthält. 

Alle drei Abtheilungen zusammen enthalten dem- 
nach vorläufig die Beschreibung von 252 Grabstciuen 
mit 62 dazu gehörigen Tafeln, das Titelblatt ungerech- 
uet. Zu erwarten ist noch eine vierte Lieferung mit der 
Beschreibung der Epithaphien von 1600—1637 und 
noch neun Lithographien, welche, nach dem ausgespro- 
cheneu Grundsatze, Abbildungen nur bis 1550 beizu- 
geben, offenbar Nachträge zu diesem bereits veröffent- 
lichten dritten Theil, welcher, gleich den vorhergehen- 
den, auch 24 Tafeln haben soll, bringen werden, Über- 
dies die nötbigeu Register. Es ist wohl gerechtfertigt 
und sehr begreiflich , dass alle Freunde der Epithaphik 
und nicht minder die heimischen Genealogen und Heral- 
diker mit Spannung dem Schluss dieses nicht genug 
anzuerkennenden Werkes entgegensehen, welches die 
vaterländische Archäologie auf diesem bisher ziemlich 
vernachlässigten Gebiete so namhaft bereichert hat. 

Wir haben in Osterreich einzig und allein die Publi- 
catiou Uber Grabdenkmale während des Mittelalters- im 
XI. Bande der Berichte des Wieucr Altertbums-Vereines 
p. 161 bis 213 mit 64 ebenfalls sehr gelungenen Abbil- 
dungen im Holzschnitt an die Seite zu stellen, worin 
vornehmlich die künstlerisch bedeutenden Steine Nieder- 
Österreichs berücksichtigt sind, und wenn wir uns uicht 
irren, so steht iu nächster Zeit von dieser Seite her 
noch Weiteres zn erwarten. Auch iu Ober-Österreich ist 
das Interesse für diesen Gegenstand rege, und ent- 
wickelt namentlich Herr Rittmeister Adolf Wiukler 
am Linzcr Museum, bekannt als tüchtiger Sphragistiker 
und Kenner des Mittelalters Uberhaupt, eine unermüd- 
liche Thätigkeit im Sammclu des im Lande zerstreuten, 
reichen und schönen Materials, welches seiner Zeit eben- 
falls veröffentlicht werden dürfte. Es wäre vielleicht 
bei künftigen derartigen Publicationcn anzuempfehlen, 
die Lithographien oder Holzschnitte auf Papier mit 
gelblichem Farbenton abziehen zu lassen, was den Illu- 
strationen monumentaler Objecte stets ein noch vortheil- 
hafteres Ansehen verleiht. 

Doch um auf die Grabdenkmäler Salzburgs zurück- 
zukommen, so können wir, auf die Gefahr hiu indiscret 
zu erscheinen, nicht unterlassen zu bedauern, erstlich 
dass man nicht auch der St. Sebastiansfriedhof mit 
seinen alten (allerdings nicht so zahlreichen) in den Fuss- 
boden der Bogengänge eingelassenen Marmorgrabstei- 
nen iu das Bereich der Bearbeitung gezogen hat ; und 
dann , dass die Anzahl der trefflichen Illustrationen 
(Venn vervollständigt) mit 72 StUcken limitirt worden 
ist. Ich weiss wohl, dass man sich im Text bis zum 
Beginn der regelmässig geführten Todtenbttcher (1637), 
und in den Abbildungen nur auf diejenigen Steine 



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CLXXXI 



beschränkt bat, welche dio einzelnen Kunstperioden 
bis zur ausgebildeten Renaissauce in hervorragender 
Weise repräsentiren. 

Für den Alterthuma- Forscher und den Künstler 
mögen diese Gränzen die richtigen »ein; nicht so für 
den Genealogen und Hcraldikcr, welche beide nicht 
leicht vor dem Jahre 1700 stillstehen können und die 
bei dem allgemeinen Usus, auch die diplomatischen 
Sammelwerke mit 1400, längstens 1500 abschliessen, 
von da an Uberall auf äusserst fatale Lttckcn stossen. 
Wenn auch gern eingeräumt werden soll, dass alles in 
eminentem Masse Merkwürdige und Schone gewissen- 
haft aufgenommen ward, so ist eB doch gewiss, dass 
auch unter den minder charakteristischen und weni- 
ger brillanten Steinen zu St. Peter etc. noch so manche 
sich befinden, welche durch Illustrationen der Verges- 
senheit entrissen zu werden verdienten. Unser Aufent- 
halt in Salzburg war freilich nicht lang genug, um ganz 
Bpeciellc Angaben hierüber zu machen ; aber um wenig- 
stens Einzelnes zu erwähnen, so erinnern wir an die 
Grabsteine des St. Petersfriedhofes : Jorig Steiner, 
mit dem Sohlenderer im Wappen, und einem prächti- 
gen wilden Mann als Schildhalter: Werder Marcba 
(Nr. 107) mit der keineswegs häufigen Gcgen-Klccblatt- 
Thcilung (2, 1), welche sich gerade wieder bei einem 
Salzburgischen nnd Passaner Käthe, Dr. Christoph II il- 
linger 15(50 (Grabmal in der Arineiiseclen-Xisehc hei 
St. Stephan in Wien) vorfindet; Andre Eglaucr und 
Magdalena Sturmin 1(512, eingelassen iu dem oberen 
Kand (Fussboden) der Stützmauer am St. Petersfried- 
hofe, mit dem Einhorn im Schild, deren Verwandte an 
der rechten Aussenwnnd von St. Stephan in Wien ein 
Denkmal haben; St Um und uxor Wies er, Vogel, 
Stephan Hucbcr, Kellermeister 1670 und der fürst- 
lich salzburgischo Bereiter Pruggmoser, beide mit ori- 
ginellen Inschriften ; dessgleichen das Epitaph des famo- 
sen TbcophrastnsParacelsnsin der St. Sehastians- 
Kirche, mit der bündigen Inschrift unter seinem Wap- 
pen: PAX VIVIS KKQVIEK - jETEKNA SEPVLT1S; 
und der Stein seines Nebenmannes, des fürstlich salz- 
burgiseben Käthes Johann Khizmägl 1633 mit seinen 
beiden Frauen, welcher einen merkwürdigen Ahnherrn, 
Georg Khizmägl f 1593 an der linketi Ausseuseite der 
Pfarrkirche zn Klagenfurt liegen hat, welcher acht Jahre 
iu der türkischen Gefangenschaft schmachtete etc. etc. 
Es wäre eine solche Ausdehnung des Unternehmens um 
so mehr ein wirkliches BcdUrfniss, als eben von allen 
österreichischen Provinzen gerade Salzburg kein Regi- 
ster (geschweige einen Blason) seines einheimischen 
Adels und seiner (bürgerlichen) Wappengenossen im 
Drucke aufzuweisen hat , so dass der abnorme Fall ein- 
tritt, dass die Salzburgcr Familien in grosseren Adels- 
oder Wappenwerken, anstatt ein für sich bestehendes, 
selbständiges Ganzes, wie Rechtens, auszumachen, stets 
zum oberösterreichischen oder zum bairischen Adel und 
Wappengenossenschaft gezogen werden müssen, ledig- 
lich aus Mangel einer authentischen, vom Lande selbst 
gebotenen , completen Unterlage ; wobei natürlich eine 
gewiss nicht unbeträchtliche Zahl von Geschlechtern 
ganz durchfällt, welche, da noch nie aufgeführt, bisher 
gänzlich unbekannt geblieben sind. 

Indessen wollen wir uns einstweilen des in so glück- 
licher Form Dargebothenen freuen, mit Hilfe desselben 
so manche Lücke ausfüllen, so manchen Irrthum berich- 



tigen, und mit gerechtem Stolze auf die Leistungen 
unserer österreichischen Brüder hinweisend, von der 
Zeit dasjenige erwarten, was allenfalls noch nöthig oder 
wünschenswerth erscheinen möchte. 

Dr.£rn»t Edler v. Hnrtmann-Franzenihuld. 

Aus dem Berichte des k. k. Conservators Lndikar. 

I. Bei der Besichtigung des Banzustandes der ehr- 
würdigen Schlösser Worlik und Blatna, der Burgruinen 
Klingenberg und Kabi dient es einem jeden Alterthums- 
freunde zur höchsten Befriedigung, dass die gegenwärti- 
gen Eigenthümer derselben Sr. Durchlaucht Herr Karl 
Fürst zu Schwarzenberg, Herr Robert Freiherr von Hild- 
brandt und die fürstllich Lambcrg'schc Verlassensehatt 
mit seltener Munificcnz nicht nur iür die Erhaltuug, 
sondern auch für die Verschönerung dieser denkwürdi- 
gen Bauwerke die opferwilligste Sorge tragen. Diese 
dem ästhetischen Interesse gewidmete Sorgfalt erscheint 
um so erfreulicher, als sie mit allen Anforderungen einer 
strengeren Kunstrichtung im vollsten Einklänge steht. 

Leider vermisst man diese Sorgfalt bei den bis zur 
Gegenwart nur mehr in geringen Umfange erhaltenen 
denkwürdigen Ueberresten der Burg in Strakonic und 
Pisek. 

Namentlich hat sich bei der Burg in Pisek bis in die 
neueste Zeit eine jede Schonung hintansetzende Gering- 
schätzung manifestirt, welche einer absichtlichen nicht 
zu rechtfertigenden Devastation sehr nahe steht und 
nur mit dem tiefsten Bedauern konnte sich der Altert hums- 
freund mit dem Gedanken vertrant machen , dass trotz 
der allseitig fortschreitenden Bildung und des Bewusst- 
seins der Iutelligeuz, trotz der so häufig erscheinenden 
Fürsorge für die Erhaltung wichtigeu Denkmale iu der 
Jetztzeit so manches werthvolle Vermächtnis» der vater- 
ländischen Baukunst einer tadelnswerthen Indolenz zum 
Opfer gefallen ist. 

Die ehemalige umfangreiche Burg erhebt sich an 
einem mässigen Felsenvorsprnng am rechten Ufer der 
Otava. Noch vor einigen Jahren bestand neben dem von 
der ehemaligen Burg nunmehr allein erhaltenen geräumi- 
gen Rittersaale ein kleineres Nebengemach, mit dem ein 
ebenfalls auf einem zu Tage tretenden Felsenvorsprunge 
aufgebauter Thurm in Verbindung stand. Durch eine 
nnberücksichtigt gebliebene Untergrabung dieses Felseu 
vorsprnnges wurde die Grundmauer des Thunucs ihrer 
Stütze beraubt, und stürzte theilweise ein, theilweise 
wurden dessen Überreste so wie das austossende Ncbcu- 
gemach absichtlich abgetragen, ein Act unverantwort- 
licher Gleichgültigkeit nm vaterländische Denkmale, um 
zu dem neuen Baue des Bräuhauses Platz zu gewinnen. 
Auf diese Art wurde ein wesentlicher Theil des altchr- 
würdigen Gebäudes fttr immer zerstört. 

Damit wenigstens der nach dieser Zerstörung allein 
verbleibende Rittersaal vor weiterer Beschädigung ver- 
schont bleibe, wurde bereits im Jahre 1863 eine com- 
missionclle Verhandlung behufs der Untersuchung des 
Bauzustandes und der Ermittlung der Herstellungsart 
desselben veranlasst, die jedoch trotz der sehr eingehen- 
den Motivirung der bcthciligten Sachverständigen zu 
keinem glücklichen Resultate ftlhrte. 

Dem beabsichtigten Erfolge stand vorzüglich die 
servitutstnässige Benützung des Rittersaales und der 
unter demselben situirteu Räumlichketten des Gebäudes 

t* 



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CLXXXII 



zur Deponirung der Gersten- und sonstigen Bräuvor- 
räte von Seite der brauberecbtigten Bürgerschaft ent- 
gegen. 

Darob diese Benutzungsart, namentlich darch das 
Einlagern nnd Oähren der Biervorrätbe in den unte- 
ren, durch das Einweichen der Gerste in den mittleren 
Räumen des Gebäudes nnd durch das Verfertigen und 
Rcparircn der Gcfässe und anderer notwendiger Uten- 
silien in dem Rittersaale (als Bindorwcrkstätte!) wurden 
nicht nur dieBc Räumlichkeiten und vor allem der Ritter- 
saal nnd dessen Ornamentik arg beschädiget, sondern 
auch die Gemeinde selbst, der das Gebäude als Eigen- 
tbum angehört, in ihrem Rechte sehr beeinträchtiget. 

Es war daher nur eine Wahrung des Rechtes, auf 
diesen Umstand die Aufmerksamkeit der Gemeinde zu 
lenken, und ferner dahin zu wirken, dass die bräu- 
bereebtigte Bürgerschaft von der bisherigen dem ganzen 
Gebäude nachteiligen Bentltzungsart seiner Localitä- 
ten ablasse , wodurch die Möglichkeit wurde , jene be- 
schädigten Theile, deren Herstellung zur Conservirung 
des Gebäudes als nothwendig erscheinen, entsprechend 
adaptiren zu können. 

In Folge eines an die Stadtvertretung gerichteten 
Memorandums de« k. k. Conservators bat diese den 
erfreulichen opferwilligen Bcschluas gefasst, den hiBher 
erhaltenen Thcil der ehemaligen königlichen Burg und 
den Rittersaal auf Kosten der Gemeinde einer allmäli- 
gen entsprechenden Renovirung mit der Bedingung zu 
unterziehen, dass in dem Rittersaale sodann das Stadt- 
Archiv deponirt werde. 

Auch die Vertretung der bräuberechtigten Bürger- 
schaft hat die endgiltigc Erklärung abgegeben, dass die 
genannte Bürgerschalt von der bisherigen Benützung 
der mehrerwäbnten Localitätcn abzustehen gesonnen 
ist, da derselben nunmehr hinreichende Localitäten im 
neu erbauten Bräuhanse zur Vcrfügnng stehen. 

Auf diese Art kann das bisherige einer schonen- 
den Benützung und der nothwendigen Conservirnng im 
Wege stehende Hindernis» als beseitiget, nnd die zur 
dauernden Erhaltnng des Gebändes wünschenswerten 
Herstcllangxarbeiten als gesichert angesehen werden. 

Der bisher erhaltene Theil der ehemaligen weit- 
läufigen königlichen Burg ist im gothischen Style, in 
sehr regelmässigen Verhältnissen erbaut und hat daher 
trotz des Umstandes, dass er durch die oben ange- 

X Indolenz arg beschädiget wurde, und dass er das 
te Nebengemach verloren bat, noch jetzt einen 
höchst bedeutenden historischen , wissenschaftlichen 
und künstlerischen Werth. 

Der Hauptbestandteil dieses Bandenkmalos ist 
der Rittersaal, vor welchem sich eine freie Halle befin- 
det. Von dieser Halle, welche die letzten Überreste 
eines umlaufenden Bogenganges bildet, sind noch drei 
Bogengewölbe ebenerdig erhalten; der ehemalige ge- 
deckte Gang darüber ist im Verlaufe der Zeit abge- 
tragen worden. 

Über den oberen Theil der Halle gelangt man 
durch eine hohe, mit einer aus Granitstein gehauenen 



Thttrbekleidung versehene TbUr in den sehr geräumi- 
gen Rittersaal, dessen Länge 58 Fuss 8 Zoll, dessen 
Breite 22 Fuss und dessen Höhe 20 Fuss 6 Zoll beträgt. 

Das wohlcrhaltene Kreuzgewölbe des Rittersaales 
ist durch schön gegliederte Gewölberippen in drei 
Felder getbeilt. Die Längen- sowie die Breitenwände 
sind mit Malereien bedeckt, welche, einer ober dem 
Eingange sich befindlichen Inschrift zufolge aus dem 
Jahre 1478 stammend, sowohl wegen ihrer historischen 
Bedeutung als wegen ihrer technischen Ausführung die 
vollste Beachtung verdienen , leider aber an vieleti 
Stelleu thcils mit dem Maneranwurfe zerstört, theils 
aber bis zur Unkenntlichkeit verwischt sind. 

Die Malereien stellen in mehreren ungleich grossen 
Feldern die Geburt nnd Kreuzigung Christi, eine 
Schlachtscene , ein Turnier, mehrere, meist böhmi- 
sche Könige vorstellende Gestalten und eine namhafte 
Anzahl von Wappen böhmischer Herren- nnd Ritter- 
geschlechter, vor. 

Damit die von dem Stadtrate in Pisck beabsich- 
tigte Re8taurirung dieses Baudenkmals in einer mit der 
Bauart und mit der Ornamentik vollkommen überein- 
stimmender Weise, so wie mit möglichster Schonung der 
Stadtrenten durchgeführt werde, hat der Conservator 
ein umfassendes Gutachten über den ganzen Bau abge- 
geben und zugleich die entsprechenden Anträge zur 
Restanrirung der einzelnen Gebäudeteile auf Grund- 
lage des schon im Jahre 1863 entworfenen Restaura- 
tion8-Projectes, gestellt. 

Personal-Nachrichten. 

Seine k. k. npost. Majestät haben dem pensionirten 
k. k. Postdirector zu Grätz nnd gewesenen k. k. Conser- 
vator für die Steiermark Joseph Sc hei g er, den öster- 
reichischen Adelsstand taxfrei zu verleihen geruht. 

Se. Excellenz der Herr Minister für Cultns und 
Unterricht hat den Weltpriester Johann Graus, Caplan 
zu St. Veit bei Grätz zum k. k. Conservator für die 
Steiermark ernannt. 

Das langjährige Mitglied der k. k. Central-Cotnmis- 
sion Joseph Ritter von Bergmann, jubilirter Director 
des k. k. Münz- und Antiken-Cabinets , ist am 29. Juli 
zu Grätz, der k. k. Conservator für die Kreise ob und 
unter dem Manhartsberg Dr. Ignaz Beck, Probst zu 
Eisgarn, am 31. Juli gestorben. 

Die k. k. Central - Commission hatte im Mai d. J. 
ihr Mitglied Dr. Eduard Frcih. v. Sacken nach Aqui- 
leja entsendet, damit derselbe ein Gutachten über die 
systematische Ausgrabung von Altertümern in dieser 
Stadt erstatte und den ßanznstand des Domes und 
seiner Nebengebäude prüfe. Über da» Resultat seiner 
Forschung hat nunmehr derselbe einen Bericht vorge- 
legt, welcher seinem vollen Inhalte nach in der Wiener 
Zeitung vom 9. August d. J. Nr. 181 veröffentlicht ist. 
Die von Freiherrn v. Sacken diesbezüglich gemachten 
Vorschläge wurden von Seite der k. k. Central - Com- 
mission durchaus genehmigt. 



««!.«..,, IV K*fl Ul.d - Pr«k J„ »_ k- II .ad IHMnrt« I. Wl... 



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cLxxxin 



P a s s a u. 

L 

Wenngleich diese Stadt dorch ihre Mixende Lage 
»in Zusammenflüsse der Dirnau nnd Hz mit dem lim Air 
den Naturfreund höchst interessant ist, und durch ihre 
auf den holien 1'fcru sich hinziehenden Häuserreihen, 
durch ibreu bergreichen Hintergrund mit vollem Kerbte 
das Auge des Freundes landschaftlicher Bilder fesselt, 
so enthält sie immerhin mich gegenwärtig so viele Denk- 
male ihrer thatenreie hen Vergangenheit, dass auch der 
Freund mittelalterlicher Kunst mehr als einen Anlass 
findet, dieser Stadt einen und zwar nicht ganz kurzen 
Besuch zu widmen. 

Jeder Tbeil der durch diese Flüsse gcthcilten Stadt 
hat seine Denkmale, wenn auch der zwischen dem Inn 
und der Donau gelegene deren meiste und wichtigste 
enthält. Die Aufmerksamkeit des Archäologen nimmt 
vor allem die bischöfliche Kirche in Anspruch, die mit 
hoch ansteigender Kuppel und den beiden stumpfen 
TliUrmcn die Stadt mächtig überragt und schon von 
weitem den Blick auf sich zieht. Längst ist die Zeit 
vorUber, in welcher von dort aus der Kirehenfllrst den 
Krummslab Uber Niedcr-Osterreich schwang, das durch 
Jahrhunderte hindurch allmälig und theilweise dieser 
bischöflichen (Jewalt entzogen wurde ', bis endlich das 
Jahr lsti;i dem selbständigen reichsunmittelbaren ge- 
forsteten Bisthume ein Ende machte und den früher von 
einem grossen Hofstaate umgebenen Bisehof nach dem 
Tode des Bischofs Leopold von Thun, den Kirchen- 
fürsten des bayerischen Königreiches, als SutTragau der 
Erzdiöecse München - Freising einreihte. 

Eine lange Ueihe von Oberhirten, darunter viele 
im Öffentlichen, wie auch im kirchlichen Leben ausge- 
zeichnete , bestiegen den bisehöflichen Stuhl dieser 
uralten Kathedrale, und viele deutsche Kaiser, Könige 
und Fürsten betraten mit frommen Sinn deren Schwelle. 
Die (Iräuel des Krieges und der Verbrechen, Elemrntar- 
Ereiguisse jeglicher Art erschütterten wiederholt den 
Bau, ohne ihn zerstören zu können, immer erstand er 
wieder; leider geschah sein letztes Erstehen zur Zeit 
des Zopf-Styles, dervieles des gothischen Gebäudes für 
immer entfernte. Dasselbe entstand nämlich unter Fürst- 
bischof (ieorg von Hohenlohe, der den Bcschlnss gefasst 
hatte, einen neuen Dom fast vom Grunde aus zu bauen 
und auch 14<)7 dazu den Grundstein legte. Der Bau schritt 
nur sehr langsam vorwärts und Bischof (ieorg (f 14g.'») 
erlebte kaum die Vollendung der Fundamente. 1444 war 
der Chor noch nicht vollendet, 14!t.*i baute man noch 
am Schiffe und au der Kuppel Uber der Vierung Abt 
Angelus Kampier vom Kloster Vorinbacli sngt bezüglich 
der Langsamkeit des Baues in seinem im Jahre 1605 
geschriebenen Buche de cnlamitatibns Baxnriae: „die 
Kathedral-Kirehe, obwohl noch nicht vollendet, gewährt 
der Stadt eine bewunderungswürdige Zierde. Sinn sagt, 

< PlMl'l klrthUrhr <l««al| .r.lc. klc tlctt dr.HMufc.irt« 1.1, atl 41t 
««carUrh« Orcul, J Kel.rr »rlrdrlr» IV, «rrlelitata mil Ganaliiiivung 4tt l'apic-i 
l'aal II Im Jalir,- lltl Iii Wie» ria lll.liiuin, (la> «l.rr aar diu llaup>,faill mit 
i>.r,r I msrl-uac an rrrl.l.a li-.naii.fvr, alle <d.i,ell at ' rtlndl i. h. u KkrbM »ad 
KIn-ter. all v.in dar l)lo>«„- Pai,»» i<»«mpl vmra>,te In die l'lürr». Wim, 
di« 17^/nr KfldlSli-ae era..l ob «ard«, an aabadtarrod war, «srdra natu 
laaemi Sir. Iii- und U IJcr.(ii-»el.o i.g $«it« dai lllilhiun« l*e»>aa dlo I , raunt« 
lladi'a «ad M"»trrnrii'uii; i. deuea OarjrbLliarkril («i fra oad ITi9 «irkllrh 
d«m WiravrKraMalhnmc iinicrtr.rd»«! Älmlttli |in< n drr I >!«>«»« Peieeu all 
deo ««uU«B Urairkrn, dl« dem JlUtlttii»« Wl«ti«r-N«.Mndt >pater Sl. IS.IUnl 
ajll MHIh d «arilrn. Oer 1 I ■.. I ■ f tob P«HM lull« in »in «ia tuiraaa I •»«• 
.i.i, nun, uali r rlll i, f;«m raKIrarr , der dl« («blllrh«« A»»l«K«iibcll<» cl 
•** "■'•«•• IS. lltrgMtane Mrdaillrn II. 11) 

XVIL 



dass sie ein ewiger Bau sei, und ich glaube daher, dass 
ihre einstige Vollendung Gott allein bekannt sei". Gänz- 
lich vollendet wurde das Gebäude nie, denn weder der 
Kuppelthurm noch die beiden Facade-ThUrme erhielten 
einen entsprechenden Abschluss. Leider war diesem 
prachtvollen, im Style der späten Gothik ausgeführten 
llaue keine lange Dauer beschieden. Am 27. April WfrJ 
zerstörte ihn eine Fcuersbmusf . welche fast die ganze 
Stadt in Asche legte. Kur das Krenzschiff mit der 
Kuppel und das Presbyterium blieben erhalten. Zwei 
Monate nach dem Brande stürzte das GewBlbe des Pres- 
byteriums ein, wobei auch die Pfeiler und Hauptmauern 
des Schiffes arg erschüttert wurden. Durch mehr als 
zwei Jahre lag die Kathedrale in TrUmmem, bis Bischof 
Wenzel kurz nach seinem Regierungsantritte die Hand 
nn die Wiederherstellung legte. Ein Baumeister aus 
Mailand, Namens Longo entwarf den Bauplan und 
führte den Neubau durch, in welchem nur die schöne 
Aussenseite des früheren Presbyteriums und theilweise 
der Kreuzanue, wahrscheinlich das Werk des Baumei- 
sters (ieorg Bumlelich (f 14t KS) und ilie steinerne Wen- 
deltreppe zur Kuppel, darauf die Jahreszahlen 1522, 
152.1 und 152*1 eingehanen sind, und zum Theile auch 
diese selbst einbezogen wurden und unverändert belas- 
sen blieben. Das Kirchenschiff, die Facadc und die 
beiden noch unvollendeten Thürine gehören gänzlich 
diesem Neubauc an, der zu Anfang des XVIII. Jahr- 
hunderts abgeschlossen wurde. Die Aiisseiiwände des 
Chores sind mit Blendmasswcrk, darunter fast nur der 
geschweifte Spitzbogen gefunden wird, verziert, und eine 
Steintafel an der Südseite des Presbyteriums, die sich 
auch über die Strebepfeiler ausdehnt , erinnert an den 
früheren Chorbau, aus welcher Zeit dieselbe auch stammt. 
Die Inschrift lautet: .0 Welt. Anno domini MCCCCVI1 
in die translationis S. Stephnni prothomartyris patroni 
Int jus ecelesie inchnatu* est hie ehorus positusi|ue Pri- 
marius lapis fundameuti a Ccorgin ab Hohnloo episcopu 
pataviensi. Odilo Bav. dux.- Auch die im Dome vielleicht 
mich aus dem XIII. Jahrhundert stammende Krypta 
wurde erneuert und ihres ehrwürdigen Characters ent- 
kleidet. Es ist kein Zweifel , dass Baumeister Lorago 
die Anssenmaueru des früheren gothischen Gebäudes 
nach Möglichkeit benutzte, wofür auch die dreisehiffige 
Anlage des gegenwärtigen Gebäudes mit schmäleren 
und etwas niedrigeren Seitenschiffen und das lang, 
gestreckte, jetzt innen halbrund abschliessende Presby- 
terinm sprechen. Wenn wir auch nur mit Bedauern 
diese Umgestaltung der Kirche erwähnen können, so 
bleiben doch die wenigen gothischen Beste höchst beuch- 
tenswerth und man utuss zugeben, dass der grosse 
und überaus nett und sauber erhaltene innere Kaum 
der Kirche auf den Eintretenden trotz des gänzlichen 
Mangels an architektonischer Schönheit, in Folge der 
richtigen Verhältnisse seiner, wenn auch riesigen Di- 
mensionen einen wohlthuenden Eindruck hervorruft. 
Nicht genug zu erwähnen und zu lohen ist aber die 
Reinlichkeit , Sauberkeif und Nettigkeit, welche allent- 
halben daselbst herrseht, und den Wunseh entstehen 
lässt, dass es bei uns in inanchcu, ja leider sehr vielen 
Kirchen auch so sein möge. Die «nncre Einrichtung, 
so wie fast der ganze Schutz des Domes ist neu, denn 
die Franzosen - Invasion und die Sileularisirung des 
Fttrstenthums Passau hatten in dieser Beziehung dem 
Dome einen unersetzlichen Schaden bereitet, ja es fehlte 

H 



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CLXXXIV 



nicht viel, so hätten l nvcrstnnd und Zorstörungssueht 
das ganze Gebäude dem Untergänge preisgegeben.' Der 
schöne marmorne Taufstein ist ein Werk des XV. Jahr- 
hunderts nml trüf-t auf »einem Fasse die Jahreszahl 
14~x. Im Schatze haben sich noch erhalten ein sehr 
schönes golhisches Pcdum, silbor-vcrgoldet (1490), ein 
silbernes Stcbkronz, ein Geschenk eines Grafen von 
Orte»bltrg(XY. Jahrhundert) und etliche gestickte faseln 
ans ilem XVI. Jahrhundert. 

Iiis zum Jahre 1 is 1 1 schloss sieh an die linke Seite 
de« Domex der ausgedehnte Kreuzgäng an. Wann man 
ihn und wer denselben zuerst erbaute, ist unbekannt, 
doch wird er schon [■>_.'! urkundlich genannt und sollen 
sich darinnen Grabsteine aus dem XI. Jahrhundert gefun- 
den haben. Viele Jahrhunderte halte dieses alte ehrwür- 
dige Denkmal den Stürmender Zeit widerstanden und eine 
liuhostättc zahlreiche:! durch Hang, tiebnrt. Verdienst 
ausgezeichneten Personen, den Mitgliedern des Dmn-Ca- 
pitels, vielen Gliedern des bayerischen und österreichi- 
schen Adels gewahrt, bis das XIX. Jahrhundert mit seinen 
manchmal gar zu nüchternen Anschauungen herantrat, 
und dem Bauwerke mit einem Male ein Hude machte. 
Unter dem Verwände der Hautiilliglu-it wurde es nieder- 
gerissen, die darin befindlichen herrlichen Glnsg.-iuiihlc 
wurden zerschlagen, die- alten Monumente theila zer- 
trümmert . theils zu allerlei Zwecken verkauft. Nur 
die Gurtentrilger au der Kirchenscitc blieben erhalten, 
und lassen auf einen liau aus der zweiten Hälfte de» 
XIV. Jahrhunderts Bcldiesseii. es mag ein Hauwerk von 
grosser Schönheit gewesen sein. Das noch bestehende 
prachtvolle gothischc Hingangs -Portal ist von etwas 
jüngerer llanzeit. Xur wenige von den vielen dort auf- 
gestellten Denkmalen sind der Gefahr des Unterganges 
entronnen und jetzt durch die fürsorgliche Hand des 
Bischofs Heinrich tllr \iele Jahre gesi'htltzt, indem sie 
in die Wände der an Stelle des Kreuzganges getre- 
tenen Gebäude und der linken Anssenscite der Kirche 
eingelassen wurden. Der hcmermeikcnswerthcstc dieser 
Steine scheint mir der des |iassauisehen Hofnarren Hans 
Uerlron Sinching zu sein. Derselbe ist auf einer Mar 
morplattc fast in Lebcnsgrösse, als alter Manu inXnrrcn- 
traeht, den Fucbschwaiiz üi der Hand. abgebildet, stand 
nach der weitliiufigen Inschrift in den Diensten von 
sechs pnssauischen Kirchcnftlntcn und starb I54ü>. 

Mit dein Krcuzgairge gingen auch die vielen mit 
ihm \ crbiindcix li Capellen summt Glasgcniälden und 
sonstigem Schmuek zu Grunde, nur vier blieben in 
Trümmern erhalten, sind aber gegenwärtig sehr gelun- 
gen restaurirt, eines Besuches des Archäologen höchst 
werth. 

Die eine davon heisst die Herren-Capelle, früher 
Andreas-Capelle und ist die älteste von allen. Sie ist 
seit jeher die Kuhestättc passauischer Domherren und 
einzelner ausgezeichneter Personen gewesen. Dompropst 
Ott« von Lay miug liess sie im Jahre 1411 im gnthisehen 
Sn le erneuern und zu Kliren dos heil. Krnsmita ein- 
weihen. Im IQÜ'2 wurde sie im Zopf -Style restaurirt, 
doch 1S41 Uber Fürsorge liisehofs Heinrich von allen 
sie verunstaltenden Zut baten befreit, in ihrer ursprüng- 
lichen Iii stall wieder hergestellt und dem Gottesdienste 
übergeben. Die Capelle besteht ans einer dreischiffigen 
Halle von je drei Jochen, die Kreuzgewölbe stützen 
sich auf vier im Viereck angestellte Säulen und auf die 
denselben entsprechenden Watidsilulen. In der Verlän- 



gerung des Miltelsehirt'es schliessl ein kleiner polygoner 
Altarausbau au. Die Wände sind in ihrem oberen Theile 
mit einem Kreuzweg in Uelief, die Fenster mit einfa- 
chen aber zierlichen Clasmosaikcn geziert. Als Haupt- 
schmuck der Capelle müssen die an dem unteren Theile 
der Seitenwinde aufgestellten zahlreichen Grabsteine 
bezeichnet werden, welche die sorgsame Hand des 
Bischöfen in höchst lobenswerthcr und als Beispiel 
dienender Fürsorge aus dem Bodeupflaster der Capelle 
erheben und dort aufstellen liess. Die Grabsteine begin- 
nen mit dem Jahre Hilft, sind fast »iim tätlich Koth- 
inanuor - Platten uml meistens mit den bezüglichen 
Wappen verziert. Hei etlichen timlcn sich blos Inschrif- 
ten, bei mehreren auch figurata Darstellungen. Auch 
kommt es vor, das» man auf einem Steine mehrere In- 
schriften nus-ganz verschiedenen Zeiten findet, was 
darin seinen Grund hat, ilass unter demselben Steine 
wegen Mangel an Kaum mehrere Personen, meistens aus 
ein und derselben Familie, jedoch zu verschiedenen 
Zeiten, beerdigt wurden. 

Die interessantesten Grabmale sind: die riesige 
Marmorplatte mit der Figur des Praepositus patavien- 
eis Paulus de Polhaym, f lü. April I44U; die Platte mit 
den Figuren der Domherren Gottfried von Chirchperg 
uml Eberhard von Wartstaiu, f 1316; die Inscbritt- 
plattcn mit dem Wappen des Pröpsten Otto von Lostorf, 
t i:<;>4, des Conrad von Traun -praepositus Maticensis 
et eanon patav, 1440, desAchaz von Tyerna (Anno dui. 
M.CCCC.XXXI . | in die saneti marci pie obiit vene- 
rabilis vir dns | Achalius de. Tyerna canoniens l ecclc. 
pat. c. a. req. i. p.), dabei das bekannte Wappen jedoch 
ohne Helm », des Hilters Michael von Traun herr an Kschl- 
perkh.f l.'ttNj (mit dem bekannten Wappen (, des Hertuid 
von Lainpoting, canoniens, j J:i;>7, und Johannes von 
Dachspcrg, eanonicus, -J- ]b\l'.l, des Seifrid Xothl'.aft. 
praepositus und Pfarrer zu Linz, f I47H; der Wappeu- 
stein der Ursula l'OU Trenbacb, Witwe des Ludwig 
Früsehl zu Marczids, t 14Ü7, des ( anonicus Rupert 
rberacker, f 144li, der Anna geponien Übernckeriu des 
edlen und vesten Steffan von Losnitz zum Steeg lllrst- 
liehen Hat* und Pflegers in Oberhaus Gemnhel. t 1551, 
und endlich die Platte mit der Itittertigur des < hristtan 
Frlischl zu Marrzoll die zeit Maischaleh zu Passaw 
t lf><>8 (die Figur ganz gerüstet, das Haupt unbedeckt 
und uiit einem Umgebundenen Hände geziert, dessen 
Lnita Haltern) , eine sehr beachtenswerthe Scnlptur. 
Ausser diesen Grabsteinen erscheinen noch einige klei- 
nere Scttlpturen als ganz interessant, darunter eine mit 
den sitzenden Figuren lies heil. Stephan und Valentin, 
wahrscheinlich noch eine Arbeit des XI. Jahrhunderts. 

Line andere Capelle heisst die der OrtCUbargOr, 
gestiftet um 1^**'* von Rapoto IV. Grafen von Orten* 
bürg und bis Kode des XVI. Jahrhunderts das Erb- 
begräbnis» dieser Familie, ein im Jahre IStil glücklich 
restaurirter Hau des beginnenden XV. Jahrhundert«. Kin 
oblonger Raum mit einer Mittelsäule. Die Zierde der Ca- 
pelle ist die mächtige rothinnrmomc Tuniba des («rufen 
Heinrich III. und seiner Gemalin Agnes. Tochter Her- 
zogs Otto von Xiederbaiem , des nachmaligen Königs 
von Ungarn. Die Seitenwände dieses um PHH) errich- 
teten Hochgrnbes sind mit den Wappen des Hauses 
Ortenbng und der verwandten Familien verziert. Auf 

• Cur Mtn- F.roill» «. J«Jbrborl, II d<« «. S. I j.nl, .ku...lc . V»ril»i. 

it k. tili- .. » rm.«. «• hui<r. Mmm m Mmf» i Tin.«- 



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CLXXXV 



der Deckplatte sieht man die liegende , lebensgrosse 
Figur des Cralen Heinrich. Sie ist vollständig gerüstet 
dargestellt mit umgtlrtetcm Schwerte nnd dem Miscri- 
corde ninCUrtel, die Linke den Schwertgriff ergreifend. 
An den Vorderfussen Sc huppenpnnzer , desgleichen 
Pnnzerwcrk am Halse, sonst Ptuttenharuiseh. Da.« Kinn 
■tiert ein langer Hart, das auf einem Kissen ruhende 
Haupt schmückt ein niederes,. eigcnthUmlieb geformtes 
Harett. Der Helm steht zu Füssen der Figur rechts, der 
Schild mit dem Wappen links; die nn der Deckelplatte" 
umlaufende Inschrift lautet: hie . ist . die . begrahuuss . 
des . wolgeporn . herren . gruf . haiurcichs . von . Orlcn- 
perg . vnd seiner . havsfraven . angnesen . des . konigs. 
tochtcr . von . vngem . vnd aler . ir . vorfodern . den . 
Kitt .geuad. I'.in andere« interessantes Monument ist jenes 
des Propst Ulrich von Ortenhurg t Mäfi. das auf der 
rothmarmornen Hatte die Figur dieses Priester» zeigt 
und in der Abgchlusawaud dieser Capelle eingelassen ist. 

Die dritte Capelle, ein einfacher Kaum mit zwei 
gedruckt spitzhogigen Kreuzgewölben Überdeckt, und 
ebenfalls in neuester Zeit restaurirt, fUhrt den Nnincn 
derDreifaitigkcits- auch l'rhans- auch Trenbuch-f apclle 
von ihrem Stifter Bischof FrbaTi von Trcnbach f !- r >!>*. 
so genannt. Sie wurde löT-' erbaut und enthält eine 
Reihe kleiner sehr werthvollcr Seulptnren. Der Hanpt- 
gegenstand derselben ist das Monuinent des obgeuniin- 
ten Hischols. Kiu Sarkophag au* Sal/.burger Marmor 
mit wcissmarinorner Deckplatte, darauf die in Hochrelief 
nusgetuhrte Figur des Fürstbischofs in LcbcnsgrCsse, 
(eine blichst kunstreiche Arbeit V mit dem bischöflichen 
Ornaic augcihan, das Haupt mit der Mitra bedeckt, auf 
einem Polster ruhend , die Hände gefallet, zur Linken 
ruht das Pedutu mit Sudarium. Am Fussboden sieht mau 
folgende Inschrift: Urbanus pataviensi« iudignus epi- 
scopus niemor humauac fragilitutis vivens p. Die ganze 
rechte Capellenwnnd nimmt der Stammbai les Trcn- 
bach sehen (iesehlcchts ein. Derselbe ist in der Art zu- 
sammengestellt , dass auf kleinen oblongen Steinplatten, 
die die Wand bedecken, und zwar auf je einer eine 
kurze Biographie je eines l''nmilicnuiitglicdcs geschrie- 
ben ist. Die chronologische Iteiheufolge beginnt mit 
Arnold Trcuhck von Trennbach f IHSt) und endigt mit 
Wilhelm von Trcubach f l. r iHi| «. 

Noch hat sich eine vierte Capelle des Krenzganges 
erhalten, die sogenannte l.umbcrg'sclie, gestiftet 1 7 IO 
vom Cardinal Johann Philipp von Lnmberg, doch können 
wir uns bei dieser bloss auf die Nennung beschränken, 
da sie der interessanten tiegenstilnde nichts enthält. 

I><: K. /.< »(/. 

Kirchliche Baudenkmale in Ober-Österreich. 

(W i llllll !>■>!■ ] 

Die Kirche (Fig. 1) des gegenwärtig durch seine 
Heilanstalt bekannten Ortes Kreuzen liegtauf einer 
ziemlich bedeutenden Anhöhe und besteht ans einem 
zwcisehiltigcn Langhause und dem in dessen Axe sich 
anschliessenden Prcsbvtcrium. Das rechte Lnnglinusschiff 
ist 18 Fuss, das linke S!U Fuss breit, beide haben eine 
Länge von je Iii) Fuss. Kur das erste Drittel des Lang- 
hauses ist iltcischirTig, indem daselbst statt eines Mittel- 
pfeilcrs, zwei Pfeiler ansteigen, die von einander, wie 

■ Cl.t r 41t l'«mlliu Trrnl.ark i. Z. II». l.rHl tln li-r.l.Jli.h bmM I KkM 
Wr.in.. „AdUr" II, Nr. i und 3. 




auch von' den Seiteninauem glcichweit abstehen. Ks 
linden sieh somit in der Kirche vier Pfeiler, die alle gleich 
achtkantig gebildet sind. Im dreijochigen Theile des 
Schiffes befindet sieh die Musik-Kmpore, zu welcher zwei 
gemauerte Stiegen hinnnlUhrcu, die Kinpore stutzt sich 
nach vom an die bezeichneten beiden Pfeiler. Das 
Kirehengcwölbc winl von einem Bippennetze gebildet, 
welches in den vier vorderen Jochen regelmässige, 
in dem Theile des Überganges in die dreillicilige An- 
lage und ober der Musik-Kmpore jedoch einigermasscu 
nnregelmässige Felder bildet, was noch durch die Un- 
gleiche Breite der beiden Schiffe augenfälliger wird. Die 
Bippen sind gut prolilirt und stutzen sich ohne Vermitt- 
lung auf die Pfeiler und die entsprechenden Halbpfeiler • 
an den Wänden. 

Das Presbvterinm besteht aus dem tllnfseitigen 
Chor-Sehlusse und einem rechteckigen Joche und ist mit 
Kinschlnss des Triumphbogens .'!:">< , Fuss lang und 
21 Fuss breit, mit dem Üblichen Uewtilbe versehen, 
davon die Bippen auf runden Halbsäulen auflaufen. 
SHmmtliehe Fenster, sowohl im Presbyteriuui wie im 

na* 



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CLXXXVT 




Flg. ü. 

Schiffe sind zwnr noch spitzbogig, doch in Folge wieder- 
hoUcr Reparativen ziemlich verunstaltet. Dem Presby- 
terinm ist recht« in neuerer Zeit eine Capelle angebaut 

und mit demselben dareli zwei ?ru»w üogenöffnuiigon 
verbiiuilen worden. Der Thurm, im ländlichen Viereck 
ausgeführt, ruht auf <ler westlichen Abschlussmaiior 
de-* Chore« und auf dem dortigen St rein' p feiler dei linken 
Schiffes und ist mit einem Zwiekeldache versehen. Über 
das Aller der Kirche kann aus Mangel an verliissliehen 
Urkunden nichts angegeben werden, denn das pfarr- 
äiutlielie Archiv reicht nur Iiis zur Zeit der Bancrnunru- 
hen /.urilek, in welchem Aufstände die älteren l'rkunden 
vernichtet wurden. Doch durfte die Jahreszahl 14i»4 
unterm Musikehor und au der SacristeithUre ziemlich 
massgebend sein. Von älteren Grabsteinen sind die 
den Helfried von Mcggau f lf».'K>, und des Ferdinand 
von Meggan f 1;>*'> hemerkenswerth. 

Die Pfarrkirche im Markte Wald bansen (Fig. 1») 
ist ein dreisehiffiger Hau von ny Fuss Länge, davon 
auf das l'resbyterium ."!»» Fu«s entfallen. Sechs ziemlieh 
schmächtige (nur 1H im Durchmesser) polvgone Pfeiler 



stützen die einfache Wölbung, die, den drei Schiften 
entsprechend, in neun Kreuzgewölbe zerfallt. Die Breite 
des Langhauses erreicht 4.'] Fuss. Die Seitenschiffe 
sind etwas schmäler und niedriger als das Mittelschiff 
und von demselben durch spitzliogige Arcadcn geschie- 
den. Das Presbylerium ist "J. r > Fuss breit nnd mit einem 
NetzgewiHbe versehen, von welchem die Kippen an 
runden Säulen anlaufen, die in der halben Wuiidhöhe 
mit verschiedenartig geformten foimolcii abschliessen. 

Das Langhaus der Kirche wird von sechs hoch- 
gestreckten Spitzbogen und einem Ünndhogenfcustcr. 
das Presbyterinin von vier Spitzbogen-Fenstern erleuch- 
tet, welche noch zum Theile sehi'mes Masswerk besitzen. 
Der Musikchor, welcher die letzten drei Gewölb joche 
der Breite nach einnimmt, hat eine zierlieh durchbro- 
chene steinerne Krllstnug. Den Aufgang dahin vermit- 
telt eine herrliche gothisehe freitragende Wendelstiege, 
die an der Aussenseitc angebracht ist. Erwähnenswert!! 
ist das steinerne, gothisehe SacramentshJtnschen. Der au 
der westlichen Giebeluianer augebaute Thurm geht oben 
iu das Achteck Uber und dürfte gleich wie die Kirche ein 
Bauwerk des ablaufenden XV. Jahrhunderts sein. Die 
einfache gothisehe Kanzel soll einer mUndlichen Über- 
lieferung zufolge ans Klostcmcnburg (?) stammen. 

In dem Bauernhause Nr. .! der unweit von Baum- 
gurtenberg gelegenen Urtsehaft Hofkirehen findet 
sich ein Belief (Fig. Jt), welches der Tradition nach, 
aus dem aufgelösten Stifte stammt und bieher übertra 
gen, ober dem Thore eingemauert wurde. Seiner Zeit 
schmllckte das Belief "ein Portal (wahrscheinlich) des 
gothischen Theilrs der Stiftskirche. In dem Hohenfelde 
sieht mau den Heiland (Kcec homo) als halbe Figur auf 
einer capitiilartigen Unterlage, zu dessen Seiten einen 
kuieenden Bitter und dessen Gcmnlin. Beide Figuren 
durften mit irgend einer Stiftung nn der aufgehobenen 
Abtei zusammenhängen. Die Senlptur mag noch dem 
XV. Jahrhundert angehören. I>>: A. Fronnrr. 

Die mittelalterlichen Baudenkmale der Stadt Laa 
und deren Umgebung. 

(»Ii rian T.r.i mu4 tt H»ii«k»litt».) 

Das nordöstliche Gränzgebiet von Niederösterreich 
enthält eben so wie der übrige Theil des Kronlandes, 
namentlich die rings um die Hauptstadt gelegene Zone 
zahlreiche cultiir geschichtlich merkwürdige Denkmale 
aus früh mittelalterlicher, von germanischer Kunst getra- 
gener Vergangenheit. Kin Ausflug mich dem Gränzstädt- 
cheii Laa und dessen Umgebung, nach Staat/., Wilken- 
dorf, Laosdorf und Miehelsteften ergab eine verhältniss- 
mässi^ reiche Ausbeute von archäologischem und kunst- 
historiseliem des Aufzeichnen» Würdigen. In Betreh* der 
allgemeinen Physiognomie der ürtschaften , der Hanart 
und Kinrichtiing iler Häuser und ihrer Gruppirung zu 
kleineren Siedlungen und grösseren Ortschaften, so wie 
ihres Alters, findet kein wesentlicher Unterschied von 
der im gesammlen Kronlanile ethnographisch abge- 
schlossenen und charakteristischen Gruppe statt. Plnn- 
nud Begelmässigkeit , woldtlberdnehte Ausnutzung der 
natürlichen Bodeiibihlung, ein hoher Grad von Sauber- 
keit, UOil in Städten auch der Massiv- Bau , galten als 
Richtschnur, wozu sieh bei letzteren in der Bogel auch 
noch mehr oder weniger gut erhaltene Überreste ein- 
stiger Wehrhaftigheit gesellen. Die bürgerlichen Wohn 



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CLXXXVII 




n g . 3. 

hänser stammen Allerdings nicht mehr uns derselben 
frühen Zeit, in welcher die «lortiffen Monumental-Hauten 
fllr den christlichen C'nltiis und ftlr die Vertheidigung des 
Landes entstanden sind, sondern meint ans dem XVI. 
und XVII. Jahrhundert, in welchem die Alleinherrschaft 
der Xuturnlwirthsehnft durch die Geldwirthschaft gebro- 
chen war, und neben Abgeschlossenheit eines feudalen 
Gutsadcls sich städtisches Bürgerthum social abson- 
derte, welch' letzterer Stand indess seine Wohnstätte 
in mannigfacher Beziehung mit dem Ünrgenban Über- 
einstimmend auszuführen pflegte, nach der Strasse in 
der Kegel abschloß , dafür aber im Innern grosse Vor- 
plätze und sonstige ltiiiime zur gemeinsamen Benützung 
aller Hausgenossen anbrachte und dadurch auch äusser- 
lich betoute, dass die Idee der losgelösten Persönlich- 
keit wie ih r Gesellschaft von dem Hann der übermäch- 
tigen Familie niedergehalten wurde. 

Da in jener Zeit das Haus /.um Itcwohnen fllr eine 
Familie bestimmt war, so bewegte sieh clie Anlage in 
den engen Gränzen dieses Ausmasses , es wurde 
schlicht und einfach nur in einer Geschosshöhe ange- 
tragen und bei dem auf einer niedrigen Stufe stehenden 
Wohlstände selten durch ilnsscre Merkmale, z. It. ver- 
zierte Thore , Krker u. dgl. individualisirt und für den 
abgeschlossenen Haushalt einer Familie berechnet. 
Diese Wahrnehmung drängt sich vor allem dem Reisen- 
den hier auf. selbst wenn er sich im Gasthof niederlässt, 
denn während die Neuzeit die Absonderung der Gesell- 
schaft auf die höchste Stufe getrieben hat, und das 
neuere Hotel als ein mit allem Itaffmcmcnt atisgcmhtcl- 
tes Zellen-System separirter Kammern angelegt wird, 
linden sich liier noch höchst wenig Anzeichen einer der- 
artigen Absonderung. Allerdings ist es auch noch nicht 
lange her, dass die Eisenbahn diese Gegend durch- 
schneidet, sie wird dereinst die unleugbaren Segnun- 
gen, aber auch die Theuerung des modernen Hotel- 
coinforts bringen. 

Lau, ein Städtchen, das sicherlich schon gegen 
die Mitte des XIII. Jahrhunderts urkundlich benannt 
w ird war seiner Zeit durch Mnnem und Gräben ge- 
schlossen und durch Thore befestigt und ganz über- 

' s. Xolllfri oVi-nstr IUfe-1«». 



gung 



einstimmend mit den im Flachlande ange- 
legten Städten ausgebaut. Der Grundsatz 
der materiellen Widerstundsmittcl, welche 
das, was an den taktischen abging, zu erhö- 
hen suchte, hat auch hier seine praktische 
Würdigung erhalten. Die Stadt war nahezu 
im Rechteck angelegt und der Beobachter 
stösst hier wiederauf die verblasste Tradition 
der römischen Caslral - Form, welche That- 
sachc den Beweis liefert, wie lange sich die 
liemiiiiscenzcu römischer Plan-Anlage und 
Technik, da die ältesten Hauten hieroris 
schon die Merkmale der spät-romanischen 
f'ulturperiodc zeigen, in der Volks-Traditinn 
erhalten haben. Kinst zogen sich um die 
Stadt doppelte Ringmauern mit einem Was- 
sergraben dazwischen und mächtige Thore 
vertheidigten die Eingänge derselben. Die 
Thore sind verschwunden, der Wassergra- 
ben verwandelte sich in HauRgitrtehen und 
die Mauern wurden bis auf höchst wenige 
Reste abgetrageu. Ihre ehemalige Hefesti- 
ist eben so begreiflich , wie ihre gegenwärtiger 
Verfall. Einstmals der Waffenplatz Friedrich's des Streit- 
baren in seinen Kämpfen mit dem mährischen Nachbar, 
dann ein Stutzpunkt Otakar's bei seinen Zügen gegeu 
die Fngarn und im grossen Kampfe gegen Rudolph 
von Habsburg, wurde sie im XIV. Jahrhundert w ieder- 
holt zum Zielpunkt bedeutender Heereszüge aus Böhmen 
und Nieder-Üsterrcieh, oftmals, ja im Jahre 1402 durch 
nahezu drei Monate belagert, bis sie endlieh im dreissig- 
jilhrigen Kriege ( ] 04r») den Schweden in die Hände fiel. 
Wenn gleich das Städtchen dnreh mancherlei Privilegien 
begünstig, und durch die Laudesfllrsteu wiederholt der 
Versuch gemacht wurde, den erschütterten Wohlstand 
seiner Bewohner zu lieben, so konnte es sich doch in 
den letzten Jahrhunderten, in denen Laa als befestigter 
Punkt bedeutungslos geworden war, nicht mehr zu 
irgend einer Bedeutung aufraffen und ist jetzt mehr 
einem ärmlichen, höchst unscheinbaren Dorfe, denn 
einer Stadt ähnlich. 

Die Stadt besitzt in ihrer imposanten, zum Theil 
noch bewohnten Burg- Ruine, die nach Art des Präto- 
rinms auf dem nach innen und aussen hervorragendsten 
Stadttheile und unmittelbar au den Ringmauern aufge- 
führt wurde . und ehemals ebenfalls mit einem breiten 
und tiefen Wassergraben umgeben war, um, wie auch 
ihr AusfnllpfÜrtlcin darthut, eventuell von aussen Hilfe 
aufzunehmen , einen Wehlbau von bemerkenswerther 
und bedeutender Anlage. 

Wie aus der Ansieht auf der beigegeben Tafel und 
aus dem Grundrisse Fig. 1 hervorgeht, war die in der 
Ebene gelegene Vestc als Wasserburg nahezu in einem 
Quadrate angelegt, bei welcher Plan-Anlage die südwest- 
liche der Stadt zugekehrte Ecke durch einen mllehtigeu, 
in sechs Geschosse abgctheiltcn Rttudthuriii, wovon sieh 
der für die zwei oberen Räume erübrigte Theil um ein 
beträchtliches Stück abstuft, befestigt wurde. Die nach 
Innen des Burghofes gerichtete Hälfte de» Thunncs wurde 
nicht rund, sondern trigonal in der Art ausgeführt, daher 
die Mittelseitc ein grösseres Ausmass als die nachbar- 
lichen Seitentheile erhielt. In diagonaler Richtung flnn- 
kirte ein viereckiger Thnnnbau von niedrigerem Aus. 
masse die nordöstliche Ecke. Ringsherum wurde die Burg 



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cLXXxvm 





ii.iii, 



.■iniiim.'n iiMHMfiiiiini'i Ii: i.iMiltiii'ii)!ini|i)iiin)iriiii"'i 

Hasser graben o- 

tuuiMiiM>iMtitisllhillllUlUniiil^Mlitti)tUlUtiUIIUIMIiltlltlltllllllilttlllillttlittltlllltMUmUlililtintf* 
Erdwall 

MMtiiuiihiiuHiiii JiiMtiiMUMiuHiiiHtihviiiiktiiiitiitiuiiii[iMiiiiituii|junMt|iHll|iniiiikUMiittij|iiiii<ivii> 

n». i. 

vkii einer Art Zwinger umgeben, dessen ansehnliche 
Itreitenuusdehnuug vou 12 bis 16 ManneMcbritten den 
hinlänglichen Baum zur Aufnahme und Entfaltung 
einer grösseren Menge von «eisigen und Kriege« bot. 
Ausserhalb der theilweise noch bestellenden Aussen- 
muueru war ein Wassergraben angelegt und .dadurch 
die Annäherung der vor der Erfindung den Sehiess- 
pulvers Ilblieheii Zerstörnngsiunschinen, als: den l{oll- 
tliunnes, Stnnnliockcs, der .Steigleitern, unmöglich ge- 
maeht oder zum mindesten erschwert worden. Iii schrä- 
ger Linie gegenüber dem vierseitigen Thurmbaue erhielt 
die Kingmauer ein.- kreisförmige, mit Schiessschurten 
und Gusslöchern versehene Ausbauchung ». und in un- 
mittelbarer Nähe dieses Vorwerkes big, von demselben 
geschlitzt und gedec kt, eine kleine l'otcrne. eine Ausfalls- 
thllrc ('/.ohne Zweifel da/.n nngelegt. im NothfallcSucctirs 
von aussen zu erhallen. An der Südseite des Zwingers 
sind schon einige Häuser der .Stadt und Wirtschafts- 
gebäude angebaut und dadurch der bestandene Was- 
sergraben beseitigt worden. Hier führt eine schmale 
Gasse c zum Kingang in den Zwinger. Das bestandene 
Thor desselben mit der Zugbrücke int völlig abgebro- 
chen worden. Zunächst demselben befindet sieh das Hin- 
gangsthor der Hurg an der Stelle </, welches, im Uund- 
iiogen ausgeführt, den kreisrunden Warttburm als 
gewaltige Schutzwehre zur Seile hatte und ausserdem 
vom eigenen oberen Stockwerke durch ein grosses in 
der Ausscnmaucr der linrg angebrachtes Guasloeh, 
einen zweiten , eben so nnehdrUeklichen Yertheidiger 



unberechtigte Eindringlinge er- 
hielt. Die vier Ausscnmaucni der Burg 
stufen sich nach der zweiten Geschoss- 
höhe um 4 Fuss ab, so dass durch diese 
Abstufung und Ausscnkehrung einer sonst 
in der Hegel innen angebrachten Anord- 
nung ein äusserer Wehr- und Mordgang 
gebildet wird, von welchem aus mau 
sowohl die von aussen, wie auch die 
von der Stadtseitc den Biirghewohncnt 
nahenden oder drohenden (iefahren ab- 
wenden konnte. Man sieht in der Aussen- 
wand, auf jener Höhe, wo die Abstufung 
ausgeführt wurde, mehrere Thtlrcn iheils 
mit geradem Sturz, theils im Spitzbogen 
geschlossen , welche den Eintritt in das 
Innere vermitteln. In einiger Hohe Uber 
der Abstufung ragen aus den Fml'angs- 
mauern einzelne Kragsteine heraus. 
Offenbar dazu bestimmt, einen hölzer- 
nen Wehrgang (Mord-tlallcric) zutragen, 
wonach die Burg in den Stand gesetzt 
war, mit einer doppelten Zeile von Ver- 
teidigern die Angriffe der Feinde abzn 
v ehren. Allein auch im Innern zog 
sich entlang der l'mfangsuianern ein 
Wchrgaug, der gegenwärtig durch die 
Dächer der Innenbauteu znni Thoil ver- 
deckt wurde. Eine Zeile von kräftigen 
Zinnen an der Ahschlusswand endlich 
kennzeichnet die ganze Anlage recht 
energisch als einen Wehrbau, der als 
interessanter Beleg dient, dass unsere 
Vorfahren auch auf diesem tiebiete nicht 
■ebabloncnmässig schulen. Sowie sieh 
die Aussenwäiule der Üiirg beim zweiten Geschosse 
merklieh abstufen . um auf dem dadurch gewonnenen 
Vorsprung als Stutzpunkt für die nach aussen und nach 
unten zu richtenden Anstalten und Vorkehrungen einer 
erfolgreichen Abwehr gegen feindliche Unternehmungen 
zu dienen, so stuft sieh auch der Kuudthunn der süd- 
westlichen Burgecke nach seinem vierten Geschosse 
beträchtlich ab, und dadurch, dass au dieser Stelle eine 
Reihe weit auskragender t'oiisolen angebracht zu be- 
merken ist, halte der Erbauer olirn- Zweifel beabsich- 
tigt, au dieser doniinircnden Stelle eine grosse Anzahl 
bewaffneter Ifeisiger aufstellen zu können, um mit allem 
Nachdrucke die erforderlichen Operationen zur Abwehr 
losfuhren zu können. Auch hier finden sieh Thüren, 
welche im Spitzbogen geschlossen sind, die den Zugang 
ins Innere vermitteln: eine zweite höher oben ange- 
brachte Zeile von Kragsteinen wird zu demselben 
Zwecke, als Träger eines Welirganges gedient haben 
und auch noch von den Zinnen oben am Abschluss des 
Wartthurnies konnte der Bogen oder Armbrustschütze 
gedeckt seinen verderbenbringenden Pfeil auf den 
Feind schleudern. Durch diese nach aussen angebrach- 
ten Wehrvorriehtungen allein doeiimentirt »ich diese 
Veste als ein aller, aus de r Zeit vor der Auwendung de* 
Schics.-pulvcrs angelegter, vielleicht in seinen Haupt- 
mauern im XIII. Jahrhundert entstandener Wehrbau, 
ohne der vielen andern Merkmale zu gedenken, welche 
dieselbe Thatsache bestätigen. Als sich das Schiesg- 
pulver allgemeine Verbreitung verschafft hatte, war 



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CLXXXIX 




selbstverständlich die Bedeutung dieses W'chrhaiic* 
gegenstandslos geworden. Man versuchte allerdings 
vermittelst Feldschlangen, wolür die im Stichbogcti 
ausgeführten und nachträglich aiugebroc.Uenen otfnnn- 
gen de« rinden WnrtthnnncH als Beleg dienen, die 
Wehrkraft der Vcste noch theilweise zu erhallen; der 
Frfolg kann jedoch bei der vorliegenden Ausscnkch- 
rung und Blosssirtlnng der Abwehrenden von keinem 
Belang mehr gewesen sein. Ein grosses Fenster im 
llundtnnnu mit einer einrahmenden tieaimakehluug aus 
Haustein und Mittel- und QnerpfoDten an.« demselben 
Mntcrialc zeigt an, dm» sieh an dieser Stelle da.« Lieb- 
liugsgemüch den Burgherrn befunden hat. und zwei an 
der unteren Fewrtersolilbank angebrachte gegliederte 
< 'oiisuirn weisen darauf hin, riara die rauhen, im Kriegs- 
handwerk abgehärtet! n Vorfahren doch nieht so weit 
abgestumpft waren, um nicht auch auf ein von Blumen 
angeheimeltes Slilllrhcn einen Werth zu legen. 

Im Innern der Burg, in einem Hot van f»4 Mnnns- 
.«chrittcu Ulngo und ."M Schritten Breite (Fig. 2), nimmt 
ein grosseres, selilieht und einfach behandelte« Gebäude 
mii zwei Gcschosshöhcii, welchen an der West- und 
Nordseile der rmfassungsiuuucrn angebaut wurde, fast 
den grössten Thcil des Ilol'mumes ein. Ein Nobenge- 
häude von gleicher Höhe. Bor riitcrbringung der Vor- 
rathskanimcrn bestimmt, lehnt sieh an die südliche Ab- 
schlusswand an. An der Stelle <; der Archillcsverse der 
Vcste, wurde die rmlängsinaucr durch einen Mancr- 
pl'eilcr verstilrkt. M tten im Hofe stellt ein Ziehbrunnen 
mit einer Hobtverdachung, um die Bewohner der Burg 
auch betreff dieses nuenthchrlichen ItcdarfgegenstandcH 
von der Ausscnwclt unabhängig zu stellen. Wie im all- 
gemeinen eine schlichte schmucklose Ausführung das 
Innere charakterisirt, so darf man auch hei den Com- 
municationen , Vorhttuscm, Treppen u.dgl. keine Ab- 
weiehnng von» ausgesprochenen Grundsätze der Be- 



schränkung auf das nothwendige erwarten. I)en Zngaug 
in den Wartthnrtu vermittelt eine schmale, zweiarmige 
steinerne Freitreppe die vom innern Vorhofe in das 
erste Gesehoss zu einer protilirten, im Xpitibngen 
geschlossenen Eingangsthllre fllhrt. Von da ab vermit- 
teln derzeit im Innern angebrachte Treppen die Verbin- 
dung iwittheil den einzelnen Ge*ehosscn, die ursprüug- 
lich sieher auch alt Freitroppen aussen angebracht und 
von Holz ausgeführt gewesen sein mögen. Im dritten 
Geschosse des Wartthunnes zeigt sich eine xpät-got bi- 
sche Thllr und vor derselben ein Vorplatz, 'um von 
hier aus auf den an der Anssenwniid abgestuften Wehr- 
gang (rmgchnndwchf) heraustreten zu können. In der 
vorletzten Ccschosshöhe des Tlinrmcs, an der Stelle, 
wo sich dieser Theil seihst abstuft, bemerkt man wieder 
eine im Steingewäudc aufgeführte , im Spitzbogen 
geschlossene Thür. I>as Wohngchäude dient dermalen 
noch zur Interkunft des für die Ökonomie bestellten 
Dienstpersonals; der Bauzustand ist im allgemeinen als 
höchst verwahrlost zu bezeichnen und «las Innere des 
Warlthnrmc.« durch Baittälligkcit schon unbewohnbar 
geworden. Ober dem massiven llauplthore war ehemals 
ein Inschriftstein; seit einigen Jahren von dort vntfernt, 
lag er unbeachtet in einem Graben, bis er in neuester 
Zeit der interessanten Sammlung des H. Widter in 
Wien einverleibt wurde. Die Inschrift lautet: Her niclas 
cebekh.vom. sebnstain. Hauptmann . zu.laa.bat . den . 
ersten. stain. des. paws. gelegt, ao. do. M.CCCC.XllIL 
Wald nur auf die Hauzeit des Vorbaues bezüglich. 
Dabei zwei Wappen, davon eines drei aufgerichtete Hee- 
b bitter I.) im I. and 4. und ein Kreuz im .'. und 
;i. Felde, das andere das Wappen von Laa zeigt. Zunächst 
der Einfahrt hat ein biederer Weinsehilnkcr I'osto gefasst 
und bietet an dieser traulichen, durch manches geschicht- 
liche Ereignis.« denkwürdig gewordenen Stelle, für 
welche die realistisch gewordene Mitwelt jede Eriunc- 



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CXCI 





r, g . 5. 



rung verloren hat, einen uieht zu verschmähenden 
Laue trank. 

Ein »weite« denkwürdiges, hinsichtlich seiner Er 
bauung in die Ausgangszeit des Uomanismns reichen- 
de« Denkmal der Opfcrwilligkcit der Vorfahren ist die 
Stndtpfarrkirchc , eine beträchtliche Hasilikcn-Aulagc, 
welche schon zum Theil mit den arehitektonisehen 
Details des Übergans-Styls bedacht, und durch mehrere 
Restaurationen der RoevCO-l'criodc in ungemein ver- 
letzender Weise verstUinmelt wurde. (Fig. 3.) 

Obwohl zur Zeit, als die vorliegende Kirche erbaut 
wurde, wahrscheinlich gegen da« Ende der babeuber- 
gischen Hegieruug, deren letzter Sprosse bei Laa im 
Jahre 124G einen entschiedenen Sieg Uber seine Feinde 
erfochten hatte, in Deutsehland die romanische Kunst 




NVIl. 



ihr Ende erreicht, so war die Hewegnng der christlichen 
Kunst in Österreich, wo zähes Festhalten am Überliefer- 
ten einen Crnudzug der Yolkseigcnthundichkcit bildet, 
um einige Jahrzehcnte zurückgeblieben und bestand hier 
noch jenes lebhafte Hingen dieses ersterbenden Styles 
mit dem jungen frisch auftretenden gofhischen Style, 
das sich im sogenannten Cbergangs-Style charakterisirt. 
In der (irundanlnge (Fig. 4), im Aufbau, und in der 
Kiuthcilnng der liiiumc findet sich die Gebundenheit de« 
älteren Romuuismu*, wir sehen die stark ausgeprägte 
Kreuzform, den Chor mit einer halbkreisförmigen Apsis 
geschlossen, ein aus drei rechteckigen Fehlem gebil 
detes Querschiff; der eigentliche Kirchenranm dreisebiffig 
nus fünf Gewölbejoehen bestehend, in welchen jedoch 
die einzelnen Felder von der quadratischen Gebundenheit 
des strengen Ilomauismus bereits emaneipirt 
sind. Die innere iJiuge des Langhauses mit 
Inbegriff des t^uerschiffes betrügt Fuss 
3 Zoll, die des Chor-Uanmes mit der kreisrun- 
den Nische 41 Fuss, wonach die Gcsainint- 
längc des inneren Kirchcurauiucs ohne Thurm 
halle 167 Fuss 3 Zoll beträgt. Die ISrcitc des 
Chores inisst:J3 Fuss 10«/, Zoll, die dcsQu.r 
schiffes *3 Fuss 9 Zoll, die Cesainmtbreitc 
des dreischiffigen Langhauses Ol Fuss, bei 
welcher Anordnung das Quersehiff bedeutend 
nus der Gesummtauluge heraustritt. An der 
westlichen Wand ist der Thurm MgebMtj 
unter dem sich der Haupteingang der Kirche 
befindet und erhebt sich in quadratischer 
Grundform bei einer Seiteunusdehiiung von 
L't) Fuss 3 Zoll durch zwei Geschosse, von wo 
ab er in eine achteckige Anlage übersetzt und 
damit das die Übergangs-Periode kennzeich- 
nende schlankere Aufstreben ausdruckt. Ii» 
Betreff der Hithen- Dimensionen erreicht das 
Mittelschiff 41 Fuss, die Absciteu sind 20 Fuss. 
<> Zoll hoch, augetragen; die kreisrunden Ar 
caden-Bögen in der Mittelschiffwand beginnen 

bU 



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exen 




r\g. 8. 



in einer Htibe von 8 Fuss !) Zoll und ist diese Stelle 
durch ein einfaches KKrapferplicd gekennzeichnet. Im 
Geivölhebau kam der Überhöhte Bogen zur Anwendung; 
kräftige Gurten, wovon die de« Cborwandpfcilcrs band- 
artig ohne Gliederung aus dem durch SiiulenschUftc reich 
Kejcliederteu lYeilcr heraustreten, tragen das Gewölbe, 
dagegen wurde bei den übrigen Diagonal- und Itreitcn- 
garten des Mittelschiffes der rechteckige Querschnitt 
durch eine merkliche Kehlung aufgehoben, wobei auf 
«•ine einfache »ml sinnig vermittelte Weise die am End- 
punkte zusammenflicssenden Glieder zu einem Consol 
sieh zusammenknüpfen (Fig. 6). 

Im nördlichen Theil des Querschiffes ist ein aus 
neuerer Zeit herrührendes Scbibl^ewiilbe eingesetzt 
worden, wie man überhaupt am vorliegenden Baue zwei 
vorgenommene grössere Restaurationen beobachten 
kauu, und zwar eine ältere aus der gothischen Periode 
stammende , welche den Thurmban zum Abschluss 
brachte, in den Abseiten einige Gewölbe modificirte, 



auf welche Kcstanration sich auch zwei am zweiten 
rechten Mittelpfciler im Stein gehanenc Inschriften in 
gothischer Minuskelschrift hinweisen. Sic lauten : Anno 
ilni m ; cccc jn Iviii jar seind di ewen pheiler von grünt 
gepavt worde. her jorg hohenpicher — anno dni 
m.ceec.lxvi pos. fnndav. Die zweite, aus der Hococo- 
Periode herrührende Restauration hat die innere Ein- 
richtung in ihrer dermaligen Form znwege gebracht, 
den Fenstern des Mittelschiffes ihre gegenwärtige, den 
Mittelbau höchst verunstaltende Gestalt gegeben und 
noch andere kleinere Vergehen gegen den guten Ge- 
schmack und den hausbackenen Menschenverstand sich 
zu Schulden kommen lassen. 

Eine besonders reiche Au8stnttnng und organisch 
belebte Gliederung erhielten die der Apsig zugekehrten 
Vierungspfeiler und das Äussere des Chores. An erste- 
ren (Fig. <> u. 7) ist durch fünf Säulenschafte , welche 
als tdeichmiUeige Cylinder aufsteigen, der Anfang des 
Presbyteriums gekennzeichnet. Die Capitälc der Schafte 



I 



CXCIII 



haben noch nickt die lang gestreckte Kelchform; indes« 
die des linken Pfeilers die Knospenblume zeigen, Bind 
die Capitäle des rechten Pfeilers im Laubwerk noch 
nach dem alteren romanischen Typus durchgebildet. 
Über dem Kelch des Capitata breitet sich eine profilirte 
Deckplatte als stark ausgebildetes Zwischenglied aus, 
um den Abschluss der vertiealen Einzelnglieder und 
den Übergang in die bogenförmigen Structuren des 
Gewölbes hervorzuheben. Hier sind die Basen der Säu- 
lenschaftc nicht mehr ersichtlich oder, richtiger gesagt, 
nicht mehr vorhanden. 

Am Ausseren des Chores (Fig. 3 u. 8) und seiner 
Verlängerung ist das Bestreben nach lebendiger Thei- 
lung der Massen und Auflösen derselben in eine .Summe 
zusammenwirkender Einzelnglieder besonders zu Tage 
getreten. WandBäulen, Capitäle, Blendbogen, ein Bund- 
bogenfries unter dem Dachsaume, ein Bundfenster unter 
demBahmcn des Blendbogens gelangten an diesem Bau- 
theilc zur Anwendung. Die CapitHle sind thcils nach älte- 
ren romanischeu Laubtypen, thcils nach den in der Über- 
gangszeit Üblichen Formen gebildet. An den zweimal sich 
abstufenden Basen fehlen bei den aus Wulst und Hohlkeh- 
lung gebildeten Gliedern des Fussgesimses die den Über- 
gang des viereckigen Sockels in den rundenSäulensehaft 
vermittelnden Eckblättchcn der romanischen BlUthezeit. 

Die südliche Ecke (a in Fig. 4) an der westlichen 
Ahschlussmaucr der Kirche, welche durch den vorge- 
legten Thurmbau gehildet wird, wurde in der Kenais- 
sance-Perjode zur Anbringung der plastischen Darstel- 
lung des Olbergen benutzt. Am Thurm findet man endlich 
an der Stelle, wo der Übergang ans der quadratischen 
Grundform in das Achteck stattfindet, Sculpturen in 
Stein von erstaunlicher Bohheit als verschrobene Men- 
schenbildungen, worin sich die romanische Periode in 
der Begel mit einigem Behagen zu ergehen pflegte. 

Stnatz. Schon bei der Hinfahrt nach Laa bemerkt 
der Beiscndc auf einem aus dem wellen- und mulden- 
lörmig gebildeten Flachlandc steil und beträchtlich auf- 
steigenden Felskegel die einen hohen Grad von Zerfall 
aufweisenden Buincn der einstigen schwer zugänglichen 
Veste Staatz, von welcher sich den einstigen Bewohnern 
derselben eine weite Ausschau ins Land geboten hatte. 
Am nordwestlichen Fusse dieses malerisch sich auf- 
bauenden Felsenkegels liegt der Markt Staatz, dessen 
Propstei-Kirchc, ein Bauwerk der Zopfzeit, ausser meh- 
reren Grabsteinen aus dem gothischen Mittelalter nichts 
bemerkenswerthes enthält. Eines dieser Grabmale ist 
dem Andenken des Pfarrers Gerhardus Schiich von 
Staatz gewidmet und enthält die bei Personen des geist- 
lichen Standes Übliche Form. Das Monument ist einer 
näheren Beachtung wllrdig. Das Mittelfeld der Platte 
nimmt in den oberen zwei Drittheilen ein Kreuz ein, 
das ober dem Querbalken in den Seitenfeldern je zwei 
Buchstaben des DHU und unter dem Balken im Felde 
links einen Kelch zeigt. Der sich etwas verbrei- 
ternde Fuss des Kreuzes ist mit golhischem Sockcl- 
Masswcrk geschmückt. Das nntere Drittheil der Mitte 
der Platte nimmt der in einem Vierpass aufgestellte 
schrägrechts gestellte Schild ein, der in seinem Felde 
eine eben so gestellte Pflugscherc (?) zeigt. Die Umschrift 
des Steines lautet: hic est sepultus venerabilis dominus 
gerhardus plebanus in staatz anno dmi mccccl. (Fig. 0.) 
Ein anderes Monument , ebenfalls eine rothmarmorne 
Platte hat folgende Inschrift : anno domini racccc vud in 



^ ■ jj » 




Hg. R 

dem acht vnd sechzigsten jar ist gestorben der edl vnd 
vest ritter her niklas drugksecs zu Statz am Sambstag 
vor unser Frawentag der lichtmess dem Gott genedig 
sei. Darunter unter einem Bundbogen zwei Wappen, 
deren eines im Schild und Zimier eine aus einer Krone 
wachsende Brake, das andere im Schilde drei fUufbliif- 
terige Bosen (2. 1.) und am Helm einen wachsenden 
Hahn zeigt. Interessant ist, dass das erstere Wappen 
mit dem Zeichen des schon zu Beginn des XV. Jahrhun- 
derts bestehenden Drnchcnorden und des von Herzog 
Albrecht V. (1433) gestifteten Adlcrordens geschmückt 
ist. (Fig. 10.) Endlich sei noch eines dritten Monuments 
Erwähnung gethan, das, ebenfalls eine rotlimnrmomc 
Platte, folgende Inschrift enthält: „Anno domini 1521? 
jar ist gestorben der edl vnd vest andre Drugsess anfl' 
Stätz am phinztag nach S. Kunigunden und leit hie 
begraben dem Gott genedig sei-'. Darunter zwei Wappen, 
das eine im 1. und 4. Felde und am Helme die wach- 
sende Brake, im 2. und 3. zwei Binge Debet) einander, 
das andere mit zwei gekreuzten Streitkolben im Schilde 
und als Helmsehmuck. 

Wultendorf. Von Staatz aus empfiehlt sich fllr den 
Altcrthnmsfreund ein Besuch des eine kleine Wegstunde 
abgelegenen Wultendorf. Der Weg dahin zieht sich ttber 
WicBen, Äcker u^d Weingärten auf einer sanft auf- 
steigenden Anhöhe, und am Saume des Bcbengeländes 

bb* 



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CXCIV 




Andel man da» dem Untergänge geweihte, exsecrirte 
Kirrhlein von Wtiltendorf , einen schlichten Bau der 
SpHtgothik ( Fig. 1 1 ), in dessen »unserem Mauerwerk 
verschiedene Sculptnrcn eingemauert sind. Die in dun 
Abbildungen von Fig. 12 bis einschliesslich 17 wieder- 
gegebenen Figuren, welche unter dem Kinfliisse der 
Atmosphärilien sich in einem hohen Grade stark vorge- 
schrittenen Zerfalles befinden, zeigen unverkennbar die 
Merkmale der romanischen Periode , historische und 
symbolische Darstellungen roher und verschrobener 
Mensehenbildnugcn, unförmlich grosse Köpfe, eine zu 
kurz ausgefallene Körperlange, die Gewandung einfach 
herabfallend, doch die Haltung feierlich und würdevoll. 
Fig. 12 stellt einen Bischof mit dem Piwtoral-Stnbc in der 
Rechten vor, Fig. 13 eine Frauengestalt, deren Unterleib 
in eine phantastische Thiergestalt , eine cigenthnmlichc 
Ungeheuerlichkeit endigt, worin aber die 



Periode eine unerschöpfliche Phantasie aufzubieten 
vermochte, wie dies die mannigfaltig erhaltenen der- 
artigen Beispiele darthun. Fig. 14 liitlt man für die 
Darstellung der thörichten Jungfrauen, Fig. 15 für 
die der Apostclttlrstcn Petrus und Paulus; nach einer 
miilercn Version sollen es die slnvischcn Apostel 
Cyrill und Mcthudius sein, auch besteht eine nicht 
unbegründete Meinung, das« es eine Vorstellung von 
Templern wilre. Fig. Iti und 17 können schwer aus- 
gelegt werden. 

Von ganz ausnehmender Schönheit ist jedoch 
das aussen an der östlichen Wand des Octogon- 
PcMoMCa eingemauerte Denkmal in weichem Stein 
(Fig. 18), eine vorzügliche Plastik deutscher Früh- 
lt' iiaissance, in welcher der Künstler nach Art Kanus 
llolbein's die Schranken der mittelalterlichen For- 
inengebnng zerbrochen und, ohne den vaterländischen 
Anschauungen und Traditionen untreu zu werden, 
eine neue Welt des Xaturstudiums, der chissischen 
Formenanmuth und der freien modernen Gedanken- 
fülle zu Tage gefördert hatte. Leider ist dns in fein- 
körnigem gelben Sandsteine gehauene, aus drei ge- 
trennten Abtheilungen bestehende Werk des unbe- 
kannt gebliebenen Künstlers durch Zeit und böswil- 
lige Beschädigung zu einem kaum mehr erkenntlichen 
Torso zusammengeschrumpft, nn dem im Bogen des 
(Üebelfeldes die Kreuzabnahme, im Mittelfelde die 
vier zum Grabe mit Wolilgerüchcn und Spccereieu 
pilgernden Frnuen • zu erkennen sind, letztere von 
reizender Durchbildung und im Costüme eine minu- 
tiöse Detailansfllhrung zeigend. Am meisten beschä- 
digt ist das im Sockel eingesetzte Itelief, die Anbe- 
tung der heil, drei Könige vorstellend (?). Der Mutter 
des Heilandes wurde das Kind wcggeschlagen, den 
opfernden Weisen fehlen die Bünde. Füsse und Weih- 
gefiissc n. dgl. m. Die ganze Darstellung, wahrschein, 
lieh ein Grabdeukiu.il. an welchem keine Inschrilt 
mehr weder von demjenigen, zn dessen F.rinncning 
oder aus welcher Veranlassung es errichtet wurde, 
noch von dem Künstler dieses Votivbihlcs Kunde 
gibt, ist in einem reizend durchgebildeten architek- 
tonischen Bahnen gefasst und nimmt eine Höhe von 
7 Fuss 4 Zoll und eine Breite von J> Fuss ein. 

In der von der genannten Kirche etwns abseits, 
in der Thaluiedernng gelegenen Ortschaft Wultendorf 




i'ig. 11. 



• f., wir» ".II Uiir»,.rl.« Mir 

f..-..r« d|. IkII. A4»». 



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cxcv 




stehen außerdem zwei spllt- 
gothiicbe Martcrsituleu in ein- 
facher Durchführung. 

Lo Osdorf. In einer weite- 
ren Wegstunde von Wultcndorf 
ans erreielit man Ilmsdorf, eine 
ziemlieh grosse Siedelung, am 
Ip* . VT 1 j.B Fasse eines prttehtigen Walde* 
( l t* r a gelegen, in welchem der, dnreh 
I L 16 hie Vorliebe fllr die Erbauung 
von künstlic hen Kuhlen hekannte 
Fltrst Johann Liehtenstein , an 
einem zur Ansselmu ganz bc- 
i a.'f 1 ^»'^ sonders sieh eignenden Punkte 
des Waldes ein solches Hanwerk, 
i'm ü die sogenannte Johannesburg, 

(Hannscnbiirg), entstehen lies«, 
von dem an dieser Stelle nur deshalb Notiz genommen 
wird, weil in demselben auf Veranlassung Sr. Dnrch- 
laueht, diese« alterthumsfrcundliclienFürstcn, zwei Crab- 
dcnkmalc von besonderer Schönheit ans weissem Marmor 
eingemauert und solehergestalt der Nachwelt erhalten 
worden sind. Der eine Grabstein zeigt uns auf einer 
l\ Fuss hreiten und t". Fuss hohen Platte den Ritter Adam 
Call zu Loos<lorf. Kaiser Ferdinand I. und Max II. Hof- 
kriegsrath und Obersten zu Raab (t 1074) im vollen 
Waffcnscbmucke seiner Zeit, mit der Hechten da» 
Schwert hnltend, die Linke auf dem Wappenschildc 
ruhend, in welchem das gekrönte Einhorn erscheint. 
Die Ausführung weUt eine minutiöse Detnilbehnndlung 
und WahrheitstrCnc auf. Die l insehrift lautet : r llic ligt 
der Kdl und gestreng Bitter Herr Adam 0*11 zolostorff 
etc. Rö. Kay. May. cc. Ritter welcher starb im Jar 
Christi 1574 Seim s Alters im Ii7 jar, dem Cott genedig 
Sein Wolle Amen." 

Da« zweite weit grössere Denkmal , demselben 
Manne gewidmet, enthiilt in einem reichen architektoni- 
schen , aus der Spittzeit der Renaissance rührenden 
Kähmen und zwar im Mittelfeld, einen Ritter in voller 
Kttstung, zu seinen Füssen der überwundene ungläu- 
bige Erbfeind der Christenheit liegend, in der Rechten 
einen Stab, das Abzeichen der Fcldhermwilrdo gegen 
die Hüfte stützend, die Unke um Handgriff des Schwer- 
les gelegt, zu unterst Helm und Handschuhe. Karya- 
tiden mit Sicgestrophaen in den Schildern tragen das 
architektonisch sich aufbauende Ccbülk, in welchem 
unten eine lange, fast unleserlich gewordene Insrhrilt 
Kunde von dem siegreichen Heldenritter gibt, daneben 
(leisen Wappen; e|ne von kleineren Karyatiden cinge- 
rahmte Reüefdarstcllung einer im Sturm gewonnenen 
Stadt baut sich über dem Hildstcine auf. Rechts und 
links davon halten zwei flott behandelte Lanzenkncehtc 
Wacht und den Absehluss bildet eine weitere Insehrift- 

tnfel. Die gesammte 
Darstellung , welche 
eine Höhe von Ii) Fuss 
und eine ltreite von 
15 Fuss i? Zoll einnimmt, 
mit den mannigfachen 
symbolischen und histo- 
rischen Beziehungen 
des ritterlichen Helden 
zur A Mienwelt , mit 
Kl*, la. dem Familicnwappen 






Fi«. I... 



und sonstigem angebrachten Zierath, ruht auf einem 
Rockelartigen Unterbau «. 

Wenn man von Loosdorf den Weg südwestlich 
einschlägt, die Ortschaft Fribritz berührt, so gelangt 
man nach drei Wegstunden, die man zwischen Feld und 
Au, Wiesen und Ackerland, über niedrige Rodenerb« 
Illingen, zurücklegt, nach dem Dorfe 

Michel stet ten, da*, am Saume eines bewalde- 
ten Bergrückens gelegen, ein reizender Punkt der Land- 
schaft genannt zu werden verdient. In erster Linie ist 
es die Pfarrkirche, welche das Interesse des Besuchers 
in Anspruch zu nehmen angethan ist. Betreffs ihres Allers 
und der architektonischen Detailbcsclireibnng im all- 
gemeinen mit der Stadtpfarrkirche in Laa übereinstim 
inend, wurde sie nach jener für Landkirchen allgemein 
innegehaltenen Kiehtsehnur ausgeführt ; nämlich es erhebt 
sich (Fig. 19 n. 20) ein schwerfälliger massiver Thurm 
auf den Mauern de» verlängerten, mit einer runden 
Apsis geschlossenen Chores, welche Anordnung in der 
Regel für einschiffige Kirchen als Mittelpunkt für dun 
Ansehlnss des Langhauses und weiterer Adnexe ange 
nominell wurde, wozu Krsparungs - Rücksichten mass- 
gebend waren. Zu der ursprünglichen Rauanlage gehören 
auch nur der Chor mit der Apsis und die untere Mauer 
des Schiffes, in welch letzterem schon ein Schildgewülbc 
eingesetzt und verschiedene aus der Zopfzeit stam- 
meude Zubauten hinzugefügt wurden; daher ist auch 
nur der Chor und die Apsis fast unversehrt (bis auf zwei 
im verlängerten Chorraum eingesetzte Fenster) und in 
der ursprünglichen Form auf uns überkommen. Aber in 
diesem auf ein geringes Mass beschrankten Kimme 
wurde bei der Auflösung der Mauertnasscn und Theihiug 
derselben in zusammenwirkende Einzelngliedcr mit allen 
Mitteln gearbeitet. Nach innen (Fig. 21) durchbricht die 





Fi*. IT. 



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CXCVI 




nördliche Wund des verlängerten Chores ein fllnftheili- organisch profIlirtc Gnrten von ähnlich gebildeten Wand 
ger, die Sud wand ein viertheiliger Nischcnsitz. L her den BÜulchcn wie an den Nischensitzen getragen werden: 
einzelnen Nischen desselben wurde der Drcipassbogcn zierliche Knospen nnd Laub-Capitfllc, welche schon die 
des Übergangs- Stylcs geschlagen und die Trennung der gestreckte Kelchform besitzen, mit gegliederter Deck- 
einzelnen Sitze durch zierliche Wandsilnlchcn bewirkt, platte, bezeichnen den Übergang des Verticalismus in 
die mit Knospcncapitälen verziert wurden. Dieser ver- die IJogcnform der Decke. Ebenso tragen sämmtliche 
lÄngerte Chorraum erhielt als Decke ein aus dem Spitz- Säulchen eine gegliederte Basis, deren Wulste in voller 
bogen geschlagenes Kreuzgewölbe, dessen lebendig und Fülle Uber den vierseitig gebildeton Sockelfnss hinans- 



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CXCV1I 



strotzen. Die Apsis bekam eine 
Galerie von fünf schmalen , im 
Rundbogen geschlossenen Fenstern 
mit einfach verechrägter Leibung. 
Nach aussen Bind es Wandsäul- 
clicn und zwei Lisenen, welche die 
Apsis beleben; während hier der 
Blendbogen und der Rundbogen- 
fries fehlen, kommt am Sockel- 
glicde der Wandsäulen da» Eck- 
blättchcn vor, bo da*8 man ver- 
Bucht wird, wenn auch das Ge- 
wölbe, die langgestreckten Kclch- 
formcn der C'apitälc zur Annahme 
berechtigen wlirden, die Kirche in 
Miehelstctten für nicht so alten 
Datums als die zu Laa zn erklä- 
ren , mit Rücksicht auf da* Vor- 
kommen dieses Merkmales beide 
Hauten flir nahezu gleichzeitig ent- 
standen zu halten. 

Nicht ohne Interesse ist auch 
der Helm des Thurmes. Nachdem 
die vertiealen , schwerfälligen 
Wände desselben vermittelst einer 
zinnenförmigen Bekrönung ihren 
Abschlnss gefunden haben, geht 
der Helm in eine steil zulaufende 
achtseitige Pyramide Uber ; die 
Seitenkanten derselben crhiclieu durch herauskragende, 
bogenförmige Steinklötzchen eine Art von Krabben, 
wahrscheinlich eine Reminiscenz des ursprünglichen 
Thurmhelmes in unverstandener Nachahmung. Der 
gegenwärtige Thurmhclm und die Zinnenbekrünung ist 
aus neuerer Zeit und durfte vor dem dreiBsigjübrigen 
Kriege gleichzeitig mit dem Sehloasbau Miehelstctten 
entstanden sein. Bevor noch die Flächen des Thurm- 
helmes sich zum Thurmkreuz zuspitzen, bildet ein zwei- 
facher, aus ZicgcUcharcn gebildeter Reifenkranz den 
Absehluss desselben und bringt mit dieser, obwohl aus 
einem relativ formlosen Material geschaffenen Anord- 
nung einen befriedigenden Eindruck hervor. Zu jener 
Zeit hatte man noch nicht vergessen, den Eigenschaften 
des Maierialcs Rechnung zu tragen, und noch nicht 
gelernt, eine nothwendig gewordene Construction durch 
unwahre Behelfe äusserlich zu verdecken, oder durch 
künstliche Nachbildungen zu fälschen. 

Ein Grabmal aus rothein Marmor im Innern der 
Kirche verdient auch Beachtung. Die im Fussboden ein- 
gelassene Platte enthält folgende Inschrift: „Hie leit 
begraben die edlJunek^rawAnua herm ludwigs tochter 
von der weiten Müln die gestorbn ist an suntag vor 
unser lieben Frauentag zu der liechtsmcs anno dni. 
ui.cccc.lxxiii jar der Gott genedig sey J . Darunter das 
unbehelrote Wappen mit einem Mühlsteine im Felde. 

Auch ein Besuch des am südöstlichen Ende des 
Dorfes gelegenen Schlosses von Miehelstctten ist dem 
Oulturforschcr und Altcrthumsfrcunil zu empfehlen. Es 
ist ein Schlossbau aus der Blüthezeit der Rococo- 
periode. uud dadurch vor allem merkwürdig, dass er, 
während um jene Zeit die feudalen Grossgrundbesit/.er 
an den neu entstehenden Landsitzen die Wehranlagen 
auf ein Miniuum zu beschränken begannen und auf 
reiche Entfaltung des Bauwerkes nach aussen zu 




wirken bemüht waren, bei diesem Bau das Gegentheil 
beobachtet wurde. Nach aussen wehrhaft , dUstcr, 
schmucklos angelegt und die Umfassungsmauer durch 
nach oben verlaufende Strebepfeiler verstärkt , erhielt 
das Schloss im Innern eine Doppelreihe rundbogiger, 
auf Säulen ruhender Arcadcn , wobei offene Hallen. 
Galerien und geräumige Vorplätze und Communicatio- 
nen ermöglicht wurden. Im Hofe steht ein archi- 
tektonisch reich ausgestatteter Brunnen aus porösem 
feinen Kalksteine , dermalen jedoch seiner Bestim- 
mung entzogen und als Ziergarten verwendet , indem 
das aus dem Sechsecke ausgeführte Bassin, wovon eine 
Seite sieben Schuh misst, uud die aus demselben sich 
heraushauende musehclförmigc Wnsserschnle als Ein- 
satz für Topfgewächse und Blumen verwendet wird; 
ans dem Becken seihst erhebt sich eine steinerne Säule, 
die eine kleine Muschel trägt, in der eine männliche 
Figur steht, die mit beiden Händen das auf ihren 
Schultern ruhende Sinzendorf sehe Wappen trägt, welche 
Familie seit 1G73 im Besitze der Herrschaft war. Dieser 
Brunnen mit allerlei zur Kurzweil angebrachtem Zierath 
von wasserspeienden Genien, Larven, Trophäen, Wap- 
penschildern j, Blumenfcslons könnte einem grösseren 
Stadtplatze zur schörsten Zierde gereichen. Nichts kann 
wohl ein beredteres Zcngniss ablegen von dem ehema- 
ligen, behaglichen, sinnigen Stillleben der Familie auf 
dem Lande, die in der Gediegenheit, Ehrenhaftigkeit 
und Innerlichkeit des Hauses ihre vollste Befriedigung 
fand, als solche künstlerisch ausgestattete Werke, für 
die unsere veränsserlichte Mitwelt wenig Pietät mehr 
an den Tag legt. Die Aristokratie in jener Zeit fasste 
ihre Bestimmung vollständig auf und Hess sich's auch 



1 l>fv '•Vni'f i n «q d*r Srfutr brzlrbm «ich 
I«lrJil«*ttcin, tj> lit«n»ltlD-On«ntinrs t /•■ Ikm- -l'tr^, 



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CXCVIH 




Fig. 



angelegen »ein, in der Auings der anf Abgeschlossen- 
heit, SelbstbescbrUukung nnd Innerlichkeit berechneten 
Landsitze und Schlösser die Familie und das „Haus-' 
am umfassendsten auf die sociale Potenz zu erbeben. 

Der Grnndplan des Schlosses bildet eine dein 
Kreise nahezu gleichkommende Figur , welche sich 
durch drei Geschosshöben nach aussen schmucklos auf- 
baut. Den Abscbluss der Aussen wand bilden Zinnen 
ganz derselben Art, wie sie am Tbunu der Kirche vor- 
kommen; vom Dache ist iiusscrlich nichts wahrzuneh- 
men, weil es als Pultdach nach innen zu lÄuft. Rings- 
herum zieht sieb ein schmaler Zwinger und ein theilwci- 
scr trocken gelegter Wassergraben, Uber den eine stabile 
Brtlcke die Verbindung mit dem Schlosse vermittelt. 
Das Gebäude erscheint schon ziemlich verfallen , der 
JH.of misst im Gevierte 38 Maunesscbrittc, die Tracttiefe 



12 Schritte. Ein grosser Theil des Schlosses wird vmi 
den Bediensteten der Gutsverwaltung und von firmeren 
Micthslcuten bewohnt. 

Enteigt man den Bergrücken, au dessen Fasse 
das Dorf Michelstetlcn liegt, so kann man in einer hal- 
ben Stunde zn dem gipfelfürmigen Anslfiufor desselben, 
gelangen, der den Namen „NteinmandH führt. Ks 
steht auf demselben die von der Landesvermessung auf- 
gerichtete Triangulirangspyramidc. Unterhalb zieht sich 
die Strasse Uber das sogenannte kalte Thor nach Krnst- 
lirunn. Der Sage nach soll am Steinmandl eine Vesle 
gestanden nnd von den Hussiten zerstört worden sein. 
Wenn man die Bildung dieses (Üpfcls betrachtet, so bat 
die Volkssage einige Berechtigung. Man kann auf der 
Höhe dieser Kuppe einen ringförmig sieb schliessendeii 
Krdwall noch ganz gut wahrnehmen; von einem Mauer- 



Fig. iL 



werk oder einer Schutthalde fanden sieh keine Spuren, 
womit aber nicht auch gesagt Kein soll, dasa seiner 
Zeit auf diesem zur Beobachtung und /.um Ansingen ins 
I^ind Äusserst vortheilhaft gelegenen Tunkte nicht ein 
Wehrbau aus Erdwerk nnd Stein gestanden sein mag, 
dessen Gcmänerreste von der Vegetation überdeckt 
wurden. Wenn indes» auch die architektonische Ausbeute 
nnf dieser Anhöhe keinen Erfolg hatte, so lohnt die 
XVII. 



prächtige Ausschau die kleine Mühe der BcsteiguiiK 
dieses Gipfels, von welchem aus man in westlicher 
KiehtungdenOtschcr, nach Norden Znaim, die schlesi- 
schen Bergknppcn , nach Osten Pressburg , Theben. 
Hainburg und nach Süden die steierischen Alpen, mit 
freiem Ange beobachten kann, im allgemeinen ein male- 
risch relieflrtes Land in einer wundervollen Einrahmung 
ausgebreitet sieht. Jos. Gnu/t. 

cc 



cc 



Die ältesten Siegel der Stadt Wiener-Heustadt 

Ulli : UrimMma.) 

"1. + IiOVA Cl VITAS. Gczinntc Stadtmauer aus 
Quadern mit verschlossenem Spitxbogenthor, zu heiden 
Seiten je von einem viereckigen Zinnenthurme überragt. 
Zierliche Arbeit, Schrift zwischen Perllinien. Durch- 
messer 54 Mill. oder 2" 1 ". (Fig. 1.) 




Fig. 1. 



Das Siegel, von reinem durchscheinendem Wachse, 
befindet sich an drei Urkunden des Admontcr Stifts- 
Mrchivs, welche sämmtlich vom Hl. Juli 12G3 datiren. 
An diesem Tage bestätigten nämlich der Richter Rudolf 
und die Gemeinde Wiener-Neustadt (judex et communi- 
tas Noue Civitatis) unter Anhiingung des .Stadtsiegels 
das Übereinkommen den Klosters Admont mit den 
Rtrgern Hcrthold, Eberhard Menni), und Gcrwig, hin- 
siehtlich eines Weingartens zu Gainfahrn, der den Ge- 
nannten zu je einem Drittheile unter gewissen Bedin- 
gungen zur Nutzung Überlassen wurde. 

2. S . ClVIVtP . HOVQ. . (UVITATIS. Gleiche Vor 
Stellung wie oben, mit Zugabe des Österreichischen 
Halkenschihlcs, welcher mit der Schildfessel an den 
Perlcnkreis befestigt, zwischen den Zinncnthlinnen 
herunterhängt. Das gleichfalls geschlossene Thor scheint 
ein Rundbogeuthor zu sein. Schrift und Zeichnung von 
derbcrem Schnitte. Durchmesser f>* Mill. oder 2 V. 
(Fig. 2.) 




Fi(f. 2. 



Hanf ha ler bat dieses Siegel in seinem Reccnsus 

STaf. XXVI, 3G) zuerst bekannt gemacht und Meli/ 
lasselbe in den Beiträgen zur Siegelkunde de* Mittel- 
alters I, 41, Nr. 88 beschrieben. Hier ist die Abbildung 
nach einem Gipsabgüsse der Sava'schcn Sammlung mit 
welchem das an der Sehrift leider stark beschädigte Ori- 
ginal des steirischen Landes-Archivs (Urkunde Nr. 903) 
Übereinstimmt. 

Das Fehlen des Rnlkenschildcs auf dem einen und 
sein Erscheinen auf dem zweiten Siegel der Neustadt 
sind nicht bedeutungslos, vielmehr sollte dadurch eine 
territoriale Veränderung zum offenkundigen Ausdrucke 
gebracht werden, welche in die Zeit des Zwischcn- 
rciche» fällt. Von Herzog Leopold V. um 1194 auf dem 
Gebiete der Püttncr Grafschaft gegründet das damals 
zur Steiermark gehörte, war die Neustadt ursprunglich 
eine steirische Stadt. Erst der üfuer Friede von 1254 
zwischen dem Könige Otakar von Böhmen Herzog in 
Österreich, und Bela IV. von Ungarn, welcher letzterem 
die schone Steiermark beliess aber die Wasserscheide 
des Scminerings als neue Landesgränze feststellte, 
machte dem ein Ende. Seitdem gehörte sie zu Österreich, 
weil die alten historisch gewordenen Gränzen selbst 
dann nicht mehr auflebten, als nach dem siegreichen 
Feldzuge von 12o0 die ganze Steiermark von Otakar 
zurückgewonnen wurde. Oh man in der Neustadt mit 
diesem Zustande einverstanden war, oder ob eine Wie- 
dervereinigung mit dem Mutterlande angestrebt wurde, 
wtlrde die Untersuchung zu weit von ihrem eigentlichen 
Ziele ablenken. Uns gentlgt , dass die Aufnahme des 
Balkenschildes in das Madtsicgel als ein Merkmal 
betrachtet werden kann, dass zur Zeit der Anfertigung 
des neuen Stempels, die Trennung von der Steiermark 
schon als eine bleibende aufgefasst wurde, weil sich 
die Neustadt dadurch geradezu jn die Reihe der landes- 
fllrstliehen Städte Österreichs stellte. 

Desto wichtiger erscheint es den Zeitpunkt zu 
fixiren, wo das neue Siegel in Anwendung kam. Melly 
fand es an l'rkunden seit dem Jahre 1272, es würde 
sielt somit um einen Zeitraum von höchstens neun 
Jahren (1203 — 1272) handeln, innerhalb dessen die 
Veränderung erfolgte. Leider kann die Urkunde Nr. 903 
des steirischen Landcs-Archives zu diesem Zwecke nicht 
verwendet werden. Wäre sie ein Original, so wäre es 
klar, dass das neue Siegel schon am IG. Dccember 1268 
im Gebrauche war, allein dem ist nicht so. Die Urkunde 
ist nach ihrem Wortlaute, trotzdem das Neustädter Siegel 
daranhängt , zu Seckau in Ober-Sieiermark vom dor- 
tigen Propste und Capitcl zu Gunsten eines Neustädter 
Bürgers Namens Lcutold ausgestellt , welchem ein Hof 
zn Fischa zu Bnrgrccht verliehen wurde. Da überdies 
die angekündigten Siegel des PropstcB und Capitels 
fehlen, solche auch niemals an dem vorliegenden Exem- 
plare angebracht gewesen sein können, so ist es offcnbnr, 
dass hier nicht die Urschrift von I2<>8, sondern eine 
(der Zeit nach allerdings uahe stehende) Copic der 
Urkunde vorliegt, welche von der Stadt Wiener- Neustadt 
durch einfache Anhängung ihres Siegels als mit dem 
Original gleichlautend und vollkommen wahrheitsgetreu 
beglaubigt wurde. 

Wie lange dieses zweite Siegel in Anwendung war, 
ist nnbekannt; Melly fand es noch an einer lieiligcn- 
krenzer Urkunde von 1321, derselben von welcher der 
Gipsabguss in der Sava'schen Sammlung genommen 



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CCI 



wurde. Vermutlich werden sich noch spatere Beispiele 
nachweisen lassen, welche indess kaum das Jahr 
1452, das Jahr der Wnppenbesscrnng durch Kaiser 
Friedrich III., erreichen dürften. 

.Sechs Neust äilter Siegel aus den Jahren 142(> — 
1560, deren Typare noch erhalten sind, hat Herr 
Dr. K. Lind, Mitthcil. d. Cent. Contra. Jahrg. XVI. 
(,1871) S. CXCV ff. abgebildet und beschrieben. 

Dr. A. Lutchin. 

Wenzel Erzherzog von Österreich, Johanniter- 
Ordens-Prior in Castüien. 

Während der deutsche Ritterorden von den älte- 
sten Zeiten bis in die Gegenwart aus dem Erzhause 
x Österreich zahlreiche Mitglieder aufzuweisen vermag, 

enthalten die Annalen des Johanniter-Ordens nnr zwei 
Sprossen dieses glorreichen Stammes, nämlich : die Erz- 
herzoge Wenzel und Friedrich. 

Ersterer, welchen selbst Wurzbach's biographi- 
sches Lcxicon mit Stillschweigen Ubergeht, wurde nach 
M a r t i u s zu Wiener-Neustadt den 1 1 . März 1 561 Nachts 
au einem Sonntag im Zeichen des Steinbocks geboren. 

Den folgenden Tag (Montag) wurde der Neuge- 
bornc durch den dortigen liischof getauft. Als Tauf- 
pathen fangt rten: der französische Notschalter, Christoph 
von Eitzing, „Supremus aulae pracfectiis J und Polyxcria 
Lassa. 

Wenzel war ein Sohn Kaisers Maximilian II. aus 
der Ehe mit Maria, Tochter Kaisers -Karl V. Er erhielt 
von seinem aufgeklarten freideukenden Vater, der ihn 
tllr den Kriegerstand bestimmte, eine sorgfältige Er- 
ziehung. Im Jahre 1570 begleitete der neunjährige Erz- 
herzogseine Schwester, die Prinzessin Anna, Philipp'« II., 
Königs von Spanien, Kraut nach Madrid. 

Begeistert vom wachsenden Ruhme des Johanniter- 
OrdeiiB fasste der zum Jltugling heranreifende Prinz 
den Entschltiss, diesem ritterlichen Vereine beizutreten, 
wornach 157(i nach Ablegiing der GelUbdc auch dessen 
Einkleidung stattfand. 

Das folgende Jahr (1577) ernannte ihn Bein könig- 
licher Schwager zum Prior von Castüien mit einer 
% Jahresrente von 50.000 Kronen. 

Der Erzherzog verwaltete jedoch diese hohe Wurde 
nur sehr kurze Zeit, denn er starb, kaum 17 Jahre alt, 
schon 1578. Die irdischen Überreste des fUr den Orden 
zu frtth Verblichenen ruhen im Escnrial. 

Die gräflich Weissenwolfsche Bildergalerie zu 
L'nz besitzt von dem kaiserlichen Prinzen ein gutge- 
troffenes Ölgemälde, welches ihn in der Ordenstracht 
dnrstcllt, und Herrgott hat in seinen „Monumcntis 
, Angustae Domus Anstriae T. III. P. I. Tafel LXXVIII" 
von diesem Fürsten eine Abbildung aufgenommen. 

Wenzel's Abstammung findet man bei HUbncr, und 
seine vom Verfasser dieser Zeilen zusammengestellte, 
auf IG Ahnen lautende Ahnenprobe bewahrt das Prager 
Archiv des Johannitcr-Ordeus. Dr. Hönisch. 

Die inneren Stadtthore zu Königgrätz. 

Nachdem von Seite des RcichBkriegsminiBtcriums 
die principielle Genehmigung zur Beseitigung der beiden 
inneren Stadtthore, d. i. de« Präger und schlesischen 
Thoresdcr Stadt Königgrätz gegeben war, begannen 



zu Anfang dieses Jahres die diesbezüglichen specielleti 
Verhandlungen zwischen der Stadt-Repräsentanz einer- 
seits und den k. k. Militärbehörden und dem k. k. 
Finanz-Ministerium anderseits. Die k. k. Central-Com- 
mission für Erforschung und Erhaltung der Baudenk- 
male, welche von diesen Verhandlungen Kcnntniss 
erhielt, hatte sogleich Anlas* genommen, im Interesse 
einer etwaigen archäologischen Wichtigkeit dieser 
Thorbauten einzuschreiten und das k. k. Rcichskriegs- 
Ministerium um Mittheilung des Sachverhaltes ersucht. 
Nachdem dieselbe im Wege des k. k. Finanzmini- 
sterium* die entsprechende Information erhalten hatte, 
wurde derk. k. Conservator iUrden Königgrätzer Kreis, 
Herr BencS, ersucht, die beiden Thorbnnten in Augen- 
schein zu nehmen und wegen der etwa wünschens- 
wert hen Conservirung derselben in Bezug auf ihren 
archäologischen Werth zn berichten. Aus den weiter 
zur Kenntnis* der Ccntral-Commission gelangten Ver- 
handlungen hat sich herausgestellt, das» es sich vor- 
nemlich nur um die Entfernung der Thtlrmc bei den 
benannten Thoren handelt, da gerade diese eine wesent- 
liche Beschränkung der Passage bilden. Der Hauptinhalt 
des Berichtes des k. k. Conservators ist im Folgenden 
zusammengefasst. 

„Das alte Gradcc, nnn Hrndec Kralove, Königgrätz 
genannt, durfte bezüglich seiner Lage und Geschichte, 
noch mehr aber wegen seiner höchst merkwürdigen 
archäologischen Funde, kaum einen Nebenbuhler in 
Böhmen haben. 

Der Vater der böhmischen Altcrthumskunde, Kitter 
von Bienenberg, war der erste, der im Jahre 17*i» 
eine Geschichte der Stadt Köuiggrätz, ein vortreffliche* 
Werk, verfasstc. Dort linden wir Seite 32 die in den 
Jahren 1772 und 1774 und dann später aufgefundenen 
AlterthUmcr, aus Thongefässcn , Stein- und Bronzc- 
Objectcn bestehend, ferner Seite 312 den alten Stadt- 
plan, der bis zur Stunde beinahe unverändert blieb, 
abgebildet. Ihm folgte in der Geschichtsschreibung dieser 
Stadt der fleissige Exjcsuit Franz de Paula S wen da. 
der in den Jahren 171)9 — 1818 eine sehr weitläufige Ge- 
schichte von Königgrätz mit sechs Abbildungen heraus- 
gab, und den einzelnen Abtheilungen die originellen 
Titel: „Zlaty a stflbrny, telezny, medeny a hllneny 
obraz mesta Kralove Hradec nad Labern", gab. 

Schliesslich erschien im J. 1770 von J. J. Solar, 
Prämonstratcnscr Chorherrn in Selan, ein Werk Uber 
Königgrätz, benannt : „Dejepis Hrndec Kralove nad 
Laben", welches an seinen beiden Vorgängern einen 
festen historischen Stützpunkt fand und zeitgemäss bear- 
beitet wurde. 

Die industrielle Neuzeit, welche eine Übervölke- 
rung in Königgrätz hervorrief, lies» allzusehr das Be~ 
dUrfniss nach einer planmässigen Vergrüsserung der 
engen alten Stadt fühlen. Der lang gedehnte Hllgel- 
rücken, worauf Königgrätz thront, schliesst in sich den 
grossen nnd kleinen Marktplatz, das Dohlen-, St. Jo- 
hannes-, Dccanal- und Fleischhauer- Plätzchen, dann die 
U Geist-, die Lange-, Breite-, Enge und Fleischhauer- 
gasse. Jetzt wie ehedem fuhren drei Thorc in die Stadt, 
das Präger, das Bchlesische Thor ( früher Mytska hrana, 
das Hohenmauterthor, genannt) und die Ziegenpforte 
(Kozi branka oder das mährische Ansfallsthor). 

Das Prager Thor, früher das alte Thor (Stara brana. 
Antiqua valva), wird urkundlich bereits im Jahre 1390 

cc» 



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CCII 



so genannt, daher dessen Erhauungszeit noch viel weiter 
zurüekzurUekcn kömmt. 

Uer drei Stockwerke hohe Thurrukörpcr, unter 
welchem der einzige südwestliche Zugang in das Innere 
der Stadt geht, ist aus Quadersteinen erbaut. Swenda 
beschrieb im III. Baude seiner Geschichte S. 9rt und 1*9 
dieses Baudenkmal und versah es mit einer Abbildung. 
Kr erzählt von dem Vorbau dieses Thurmes als einer 
später entstandenen Bauanlage und nennt den Bau, 
als nach Art eines Triumphbogens, .na spüsob bniuy 
vlifczne'S ausgeführt. 

Nicht von dem Thunne, sondern von diesem 
Thurnibaue haben wir noch folgende Nachricht: „Dnc 
29. kvettta 1584 usnesla sc o ni raestskä rada: aby na 
ul erb cisufsky a jiue vcci zlatetn, jakz nälezi die uinini 
mntirskcho, ku poctiwosti Jeho Majest. elsafc ozdoben 
ti spraven byl a . (Den 29. Mai 15*4 hat der Stadtrath 
beschlossen, am Thor das kaiserliche Wappen und die 
andern [nsigiiicn nach bester Art der Malerkuust zu 
Khren Seiner Majestät des Kaisers zu vergolden und zu 
restauriren.) 

Links von dem Thoreingange wurde noch eine 
l'forte angebracht. Wir finden selten mehr einen so 
BChOmil und gut erhaltenen Renaissance-Bau in Böhmen, 
wie eben diesen. Dieses Thor ist 4 Klftr. 4 Fuss 3 Zoll 
breit und zwisebrn die Häuser Nr. T>4 und 79 einge- 
baut. 4 Klafter 2 Fuss von dem 9 Klftr. hohen Tliiinnc 
entfernt , bildet es einen von dem Thorthurme ganz 
unabhängigen Bau. 

Das Thor erhebt sieh, nach Art der meisten Gie- 
lielbiiutender Hudolphinischen Kunst-Epoche in drei Ab' 
thciluugcn, welche ein dreiseit : ger Giebel krönt und 
abschliesst. Die untere Front-Abtheilung ist durch Lisc- 
nen in drei Felder abgetheilt, eben so die zweite. Jedoch 
sehliesseti beide Facadenfeldcr sebneckenförmige Ver- 
scliuörkclungcn ein. 

Im obersten Felde prangt der kaiserliche doppcl- 
köptige Adler. Unter ihm lesen wir folgende Inschrift: 
„Dito Kvdolfo II. Homanorum Imperatore Semper Angu- 
sto Bulgarin?, Boeuiiaß etc. Hege, Archidvce Avstriic, 
Marehione Moravise, clementcr iinperante senatns popv- 
Ivsijve Regime Hradeeensis. Anno löHH. Fieri fecit.- 

Unter dieser Inschrift war ein Kelch angebracht, 
welcher jedoch, wie hundert derartige utru<|uistisehe 
Symbole, im Jahre Hill herabgemeisselt wurde. Hechts 
von diesem Kelche ist ein Urueifix mit Maria und Johan- 
nes, dann Magdalena, links wieder der Erlöser mit den 
schlafenden Jungem im Garten Gezemane, zn welcher 
Gruppe der niiithwilhg wegge hämmerte Kelch gehörte. 
Unter dieser Seulptur lesen wir die Worte : ^Krew 
pana nasseho Gewisse Krysta oezisstvge nas od kazdcho 
Hfichv. d. Jan. knp. w. z'.-' Zu beiden Seiten und unter 
dem Crucilixe stehen noeh folgende Inschriften: .Bvh 
laska gest, a kdo przebywu w luseze, w bohv prebywa, 
a buh w niem. I.Jan, kap. w. 16." Links sehen wir das 
grusse l.apidar-G in einem Schilde als altes Stadtwap- 
pen prangen nnd unter diesem die Inschrift: „Ochrana 
miesia znlezi na swornosti, lascze, gednotie v wirze boz 
roztr/.itosti. a Das Übrige Mauerwerk des Thores ist 
rustik behandelt nnd besteht aus Sandsteinquadern. 
Thor und Pforte hatten einmal Aufzugsbrückeu , deren 
Kettengloben noch zu sehen sind. 

Wahr ist es, wenn man den Sitnationsplan der 
königl. Kreisstadt und Festung Königgrätz betrachtet, 



dass dieser für den Verkehr der Gegenwart als eine 
unerlässlichc Pflicht gebietet, die »ehr beengte Pas- 
sage am Prager Thore zu erweitern. 

Es muss sonach der massive Thurmbau mit seinen 
drei Geschossen, sowie mit seinem Vorbaue, der Not- 
wendigkeit zum Opfer fallen. 

Freunde alter Kunst inllssen sieh mit Photogra- 
phien trösten, während der Stadtrat" die Sculpturen in 
dem neu aufzuführenden Scbulgebäude sorgfältig einzu- 
fügen gedenkt. 

Was das schlesische Thor betrifft, so ist hievon 
nur ein Giebel, dann ein sehr hoher schlanker, aus fest 
gebrannten Ziegeln gebauter Thurm übrig geblieben. 
Der letztere war rmr zum Schutz des Thores bestimmt 
und gehörte weniger dem eigentlichen Thorkörper an. 
Dieses Thor wurde urkundlich bereits 1390 Nova valva 
Mutensis (Hohenmaiitcr-Thor, Mytskä brana) genannt 
und wurde bei der Anlage der Festungswerke im Jahre 
1780 abgetragen. Aber eben der erwähnte Thurm bildet 
ein grosses Hinderniss bei der beabsichtigten Strassen 
erweiternng. 

Der schlanke, 9 Klftr. hohe, 4 Klftr. 4 Fuss lange, 
4 Klafter .'5 Fuss 3 Zoll breite, zwei Uber einander 
ruhende gewölbte Geschosse umsehliessende Thurm ist 
ein schöner nnd seltener Ziegelbau, aus dessen rothen 
Flächen nordöstlich das Wappenschildzeiehen von König- 
grätz, das grosse Lapidar-G, dann das gekrönte Mono- 
gramrn Vladislav's II. W, unter dessen Regierung das 
alte Thor noch mit dem Thunne armirt worden ist, her- 
vortreten. 

Die ehemaligen Inschriften, mit welchen das abge- 
tragene Thor versehen war, befinden sieh im Gebäude 
des Kreisgerichtes in den Wänden eingefügt. 

Obgleich der Bau als strategisches Alterthum cini- 
germassen werthvoll ist, trägt doch der k. k. Couscr- 
vator in Berücksichtigung der für dessen Entfernung 
sprechenden Gründe auf die Abtragung dieses Baudenk- 
mals au. Mit Rücksicht auf diesen Bericht, und nachdem 
die Stadt- Repräsentanz von KöniggTätz erklärte, den 
alterthUmlieheu Thcil des Prager Thores, als ein histo- 
risches Denkmal für die Zukunft, in irgend einer Weise 
erhalten zu wollen, hat die k. k. Central - tVinmissioii 
keinen Anstand genommen, ihre Zustimmung zur Abtra- 
gung dieser Thore zu geben. /.. 

Die Kunst des Mittelalters in Böhmen. 

(ForUctinnK.) 

(NU I? HoU.cl.»lll«.) 

Das Agneskloster in Prag. 

Die Kirche dieses Klosters, so wie jene des Stiftes 
zu Tischnowitz , entsprechen in ihrer kUnstlcrisehen 
Durchbildung nnd Charakteristik aufs genaueste der 
Trebicer Kirche, so dass ein gewisser Zusammenhang 
nicht Übersehen werden kann. Die Bnuzeit beider Werke 
ist durch zahlreiche Urkunden sichergestellt, wie sich 
auch Uber deren Vollendung glaubwürdige Nachrichten 
erhalten haben. 

Nach dem Tode des Königs Otakar I. von Böhmen 
(123(1) beschlossen sowohl die Königin- Witwe Constan- 
tia, wie ihre Tochter die fromme Prinzessin Agnes, jede 
ein besonderes Kloster zu gründen. C'onstantia beab- 
sichtigte die Errichtung eines Cistercienser-Nonnen- 
stiftes und kaufte deshalb eine grosse in Prag am 



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ccni 



ihrem Kloster gehöri- 



Ufer der Moldau gelegene Bau- 
stelle. Bald aber wollte dieser 
Platz der Königin zn gerfiusch- 
voll erscheinen, 8ie änderte 
.ihren Kntschlus« , Ubcrlicss 
<lic angekauften Gründe ihrer 
Toehtcr und wählte in einem 
stillen Thale Mähren« den Ort 
aus, um ihr Stift anzulegen. 
Prinzessin Agnen, welche schon 
in zarter Jugend den Entschluss 
gefasst hatte . ein Nonnenstift 
nach den Hegeln der Ii. Clara, 
verbunden mit einem Annen- 
und Kranken-Spital zu gründen, 
fand die von ihrer Mutter er- 
worbenen Grundstücke fUrihre 
Zwecke ganz tauglich und lices 
bereits 1233 den Bau der zu 

jren, dem heil. Franciscus gewidmeten Kirche begin- 
nen. Das neue Stift (allgemein Agncskloster genannt) 
erhielt schon 1234 die Exemtion von der bischöflichen 
Gewalt und erfreute sieh des besonderen päpstlichen 
Schutzes; auch wurde die Stiftung von König Wenzel I., 
dem ISrudcr der Prinzessin Agnes mächtig gefördert. 
Sechszehn Jahre nach geschehener Gründung, im Jahre 
1241», als der König nach Niederwerfung eines lang- 
wierigen Aufstandes in Prag feierlichen Einzug hielt, 
stieg er bei seiner Schwester, welche erste Äbtissin des 
von ihr gegründeten Klosters geworden war, ab und 
wohnte in dem grösstenteils vollendeten Stiftsgcbäude. 

Trotz dieser schnellen Ausflthrungszeit ergibt sich 
aus der Untersuchung des gegenwärtigen Bestandes, 
dass schon in den ersten Baujahren grosse Abweichun- 
gen von dem ursprünglichen Plane stattgefunden haben, 
wenn Uberhaupt eine regelmässige Anlage hergestellt 
werden sollte, deren Grundform jedoch nicht mehr genau 
zn ermitteln ist. 

Das Stift war nämlich ein Doppelkloster, in wel- 
chem seiner Bcsimraung nach Clarisser-Nonnen und 
Mönche vom Urden des heil. Franciscus, dann männ- 
liche und weibliehe Kranke und Arme wohnten. Hei 
dieser Einrichtung war vorgeschrieben, dass das Begeg- 
nen der Männer und Frauen durch die Bauanlage 
unmöglich gemacht werde, die Kirche aber für beide 
Geschlechter zugänglich sei. Es wurden daher (wie 




dies auch im Claraklostcr zu Egcr und im Brigitten - 
kloster Gnadenberg der Fall war) die beiderseitigen 
Convent- Gebäude an den entgegengesetzten Seiten der 
Kirche in der Art situirt, dass die Frauen von ihren 
Wohnungen aus auf einen erhöhten Nonnen-Chor gelang- 
ten, von wo ans nur die Aussicht auf den Hochaltar 
möglich war. Den Männern war die Unterkirche ange- 
. wiesen. Da das Agneskloster eines der ersten war, 
welche auf diese Weise eingerichtet wurden, scheint 
man mit dem Plane anfänglich nicht ins klare gekom- 
men zu sein, woher sich manche der vorfindlichen 
Unregelmässigkeiten schreiben dürften. Ausserdem 
waren in dem Stifte verschiedene abgesonderte Ca- 
pellen für die männlichen und weibliehen Armen und 
zwei Kreuzgttnge angeordnet. 

Gegenwärtig bestehen von dein einst weltberühm- 
ten und prächtig ausgestatteten Kloster nur einige 
Uninen, welche einen unbeschreiblich traurigen Anblick 
bieten. Im Jahre 1420 von den Unräten eingeäschert 
und späterhin nothdürftig zusammengebaut, wurde das 
verlassene Kloster den Dominicanern Ubergeben, erfuhr 
ICH eine zweite noch furchtbarere Zerstörung gele- 
gentlieh des Einfalles passauischcr Kriegsvölker und 
wurde schliesslich durch jene Bande französischer 
Mordbrenner, welche König Ludwig XIV. nach Deutsch- 
land beordert hatte, um in den grossen Städten Fetiers- 
brünste anzulegen , zum drittenmal niedergebrannt. 
Kümmerlich zusammengeflickt und seiner ursprüng 




Fi R . Ift. 



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CCIV 





liehen Bestimmung zurückgegeben, wurde (lau Stift 
1782 durch eine kaiserliche Verfügung aufgehoben, diu 
Baulichkeiten wurden an die Meistbietenden veräussert, 
in viele Thcile zersplittert, worauf das altehrwllrdige 
königliche Institut, welches zum Wohle d»r Leidenden 
errichtet worden war, zu einem Schlupfwinkel herab- 
sank, wo Gemeinheit und Schmutz ihren Sitz aufge- 
schlagen haben. Ferdinand Mikovec, einer um Böhmens 
Denkmale «ehr verdienstlicher Forseher, welcher in 
seinen Denkwürdigkeiten Böhmens das Agneskloster 
schildert, bezeichnet den gegenwärtigen Zustand mit 
folgenden Worten: Wohin das Auge blicken mag, Uberall 
Schmutz und Unratb, ein trostloseres Bild als die Huincn 
dieses Klosters zeigen, wird schwerlich zu treffen 
sein. Es bfilt ungemein schwer, sich einigermassen in 
den Localitftten zu orientiren; nicht allein dass schon 
der ursprüngliche Pinn wesentliche Abänderungen erlitt 
und drei Zerstörungen durch Brände stattgefunden 
haben, wnrde der vom Kloster eingenommene Raum 
durch neue Strusscnzüge in mehrere Partien zerlegt und 
die Kirche selbst durch unzählige, verschiedenen Besit- 
zern ztigchörendc Fliekbautcn entstellt. Heute bestehen 
noch in sehr ruinenhaftem Zustande: 1. der Haupt-Chor, 
2. ein Theil des Seitenschiffes mit einem besondern 
Chorschluss, 3. eine Partie von der Langwand des 
Kirchenschiffes, 4. ein Theil des südlichen Kreuzganges, 
und 5. mehrere untergeordnete Baulichkeiten. 

Der Chor, ein schwer zugänglicher und von allen 
Selten verbauter Ranm, dient heute als Tischlcrwcrk- 



stättc; er ist durch verschiedene Wände und Brcttcrbodeii 
in mehrere Gelasse und Stockwerke abgetheilt, so dass 
weder im Innern noch ausserhalb eine Übersicht möglich 
ist. Der Chorschluss ist aus fllnf Seiten des Achtecks 
gezogen und mit hohen spitzbogigen Fenstern versehen;, 
eine strenge Scheidung zwischen Altarhaus und Presby- 
terium findet hier nicht statt. Der ganze liaum hält eine 
lichte Länge von 8G Fuss, eine Breite von 30 Fuss und 
eine wegen veränderten Niveau's nur aunähernd zu 
42 Fuss bestimmbare Höhe ein und ist an der Westseite, 
an jencrStcllc wo derTriumphbogcn bestand, durch eine 
neue Querniaucr von den angränzenden Baulichkeiten 
alB besonderes für sich bestehendes Haus abgeschlossen. 
Der mit Wandsäulen und Knospen-Capitälen verzierte 
Triumphbogen ist zum Theile noch sichtbar und aus dem 
gleichseitigen Dreieck gezogen-, die Höhe desselben 
beträgt 22 Fuss, beiläufig die Hälfte der Chor-Höhe. Die 
Fenster waren je durch einen Mittclstab in zwei Felder 
zerlegt, die darüber befindlichen Bogcnfeldcr zeigen 
Masswerke der einfachsten Art, bestehend aus Krewcn, 
welche durch zwei kleine Bogen unterstützt werden. 

Es kommen nur einfache Kreuzgewölbe vor, deren 
reich profilirtc Rippen sich in prachtvollen Schlussstei- 
nen, Meisterstücken der Steinmetzkunst, vereinigen; von 
diesen abgesehen, besteht der hauptsächlichste .Schmuck 
des Innern aus den Capitälen der Wandsäulcn, welche 
in der Stärke von 9 bis 12 Zollen mit nahezu vollen 
Kreisen ans der Fläche vortreten. Diese Bautheile sind 
eben so geistreich entworfen als elegant ausgeführt : 
sie zeigen in mannigfaltigen Vcrschlingungcn Wein-, 
Fpheu- und Kleeblätter, dazwischen allerlei Blumen und 
Früchte. Die Schäfte der Wandsäulcn sind regelmässig 
durc h die im Übergangs- Styl üblichen Ringe in der Mitte 
zwischen Capitäl und Basis abgetheilt, hie und da sind 
auch statt der Ringe kleine Knospen-Capitäle eingefügt. 
Auch die fllnf Fenster des Chor-Schlusse* sind mit Rund- 
Stäben umzogen, an welchen sogar noch Wllrfel-C;ipitä!e, 
die einzigen streng romanischen B hlungcn, vorkommen. 

SUdwärtB von dem beschriebenen Chore liegt ein 
Theil des Nebenschiffes, ebenfalls nur die Chorpartie 
desselben, welche wie der Haupt-Chor aus dem Achteck 
construirt ist, 23 Fubs in der Breite und Ü3 Fuss in der 
Länge misst. Zu einer Woll- und Pferdchaarkrcmpelei 
eingerichtet und in Stockwerke zerlegt , enthält dieser 
Raum wo möglieh noch zierlicher ausgearbeitete Details, 
als wir im Haupt-Chor kennen gelernt haben. Diese Partie 
hat in späterer Zeit noch als selbständige Kirche gedient, 
als das Mittelschiff mit seinem Chore bereits dein Verfalle 
preisgegeben war. Zwischen dem südlichen Nebenschiffe 
und dem Mittclraum, welche beide zerstört sind, zog sich 
statt derArcaden eine volle Mauer hin, welche heute 
über allerlei kleine Anbauten emporragt und an der vier 
Wandsäulen mit Capitälen und Gewölbnicdcrlagen ange- 




Fi*. 2t. 



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ccv 




Kig. 22. 

bracht sind. Diese Wandsäulen stehen 17«/, Fuss von ein- 
ander entfernt und bezeichnen die Joche des abhanden 
gekommcncnLanghauscs. Weiter gegen Westen hin zei- 
gen sich die Überbleibsel eine» kleinen Gloekcntburmcs 
and einer Vorhalle, wodurch sich die lichte Gcsamrat- 
liiuge des ehemaligen Hauptschiffes auf 215 Fuss bezif- 
fern würde. Vom nördlichen Seitenschiffe hat sich keine 
Spur erhalten und es erscheint zweifelhaft, ob ein solches 
vorhanden war oder doch vollständig ausgebaut worden 
ist. Jetzt befindet sieh an jener Stelle der Nordseitc, wo 
gewöhnlich das Querhaus vorzutreten pflegt, eine qua- 
dratische, ehemals der heiligen Magdalena gewidmete 
Capelle, deren Decorationen zwar mit dem Prcsbyterium 
Übereinstimmen und altcrthtlmlich erscheinen, wenn 
nicht die ganze Capelle nach l 1: 0 aus Bruchstücken 
des zerstörten Nebensehiffes errichtet worden ist. 

In dem offenen Hofe, durch welchen die Scheidc- 
mauer zwischen Haupt- und Ncbenschiff hinzieht, haben 
sich in einem Holzschuppen Reste eines Krcnzganges 
erhalten, wo mau Capitiilc mit Sculpturen und wunder- 
schöne Ornamente sieht. Vor wenigen Jahren lagen noch 
allerlei Überbleibsel der alten Herrlichkeit umher, welche 
in neuester Zeit als Bau- oder Pflastersteine verwendet 
worden sind. In einem um 1G11 gefertigten Holzschnitte 
ist die damalige Zerstörung des Klosters verewigt 
worden. Die Uber dem Triumphbogen sich erhebende 
Giebelmauer starrt hoch in die Luft, das 
Prcsbyterium und die beschriebene Par- 
tie des Seitenschiffes sind in der heute 
noch bestehenden Weise gezeichnet, das 
Langhaus liegt in Ruinen, der Kreuz- 
gang aber hat schon damals nicht mehr 
bestanden. 

Alle noch vorhandenen, zur Kirche 
gehörenden Räumlichkeiten enthalten 
Reste von Wandmalereien, die dem XIII. 
Jahrhundert entstammen dürften. Es 
waren einzelne Figuren in übereinander 
hinziehenden Streifen dargestellt-, Apo- 
stel und Märtyrer, deren Häupter mit 
Fig. 23. gelben und grünen Heiligenscheinen um- 





r\g. 24. 



geben sind. Der Grund 
ist sorgfältig geglättet, 
weisser Kreidegrund , 
die Umrisse sind wie 
bei den Malereien in 
der Georgskirche mit 
schwarzen Linien vor- 
gezogen und leicht mit 
Farbe ausgefüllt. Eine 
ganze Figur hat sich 
nicht erhalten; bald sieht 
man einen einzelnen 
Kopf, bald ein Gewand- 
stück, mehr ist nicht herauszubringen. 

Die beigeschalteten Illustrationen, Capitälc, Säu- 
lenfttsse , Schlusssteine und sonstige Decorationen 
lassen den grossen Verlust errathen, welchen das Land 
durch die Zerstörung dieses Denkmals erlitten hat. Da 
genaue Aufnahmen bisher nicht bewerkstelligt worden 
sind, haben wir so viele Abbildungen beigefügt, als zum 
Verständnis« nothwendig schien. 

Fig. l8Sitnationsplan des gegenwärtigen Bestandes. 
n ursprünglicher Haupt-Chor, dann für die Frauen einge- 
richtet; h rechtsseitiger Neben-Chor, später zur Männer- 
kirohe umgewandelt ; c Magdalenen Capelle; d spätere 
Einschaltungen; e Glockenturm; / Reste vom Kreuz- 
gang; ff Reste vom Schiffe der alten Männerkirche; 
Fig. 19 Längenschnitt in der Richtnng A— B ; Fig. 20 
Fenster im Haupt-Chor; Fig. 21 Gurt im Neben-Chor; 
Fig 22 Gtirttriiger an der Schiffwand C\ Fig. 23 Dach- 
gesims; Fig 24 Rippenprofil; Fig. 25, SchlnssHtcin ; 
Fig. £6, 27, Capitäle und Knäufe im Haupt Chor, 2« 
bis 32 aus dem Kreuzgange. 

Kloster Tischnowitz in Mähren. 

Die geschichtlichen Verhältnisse des Stiftes Tisch- 
nowitz (Tisnov) sind bei Besprechung des Aguesklostcrs 
angedeutet worden. Nachdem die Königin Constantia 
von ihrem frUhein Vorhaben, das von ihr beabsichtigte 
Kloster in Prag zu erbauen , abgegangen war und 
die bereits dort erworbenen Grundstücke ihrer Tochter 
überlassen hatte, erkaufte sie das unweit Brünn am 
Flusse Schwarzawa gelegene Besitzthum Tisnow nebst 
Bfezitia und Hess unverzüglich den Bau beginnen. 

Dem Wuuschc der' Stifterin zufolge erhielt das 
von ihr errichtete und reich dotirteCistercienser-Nonnen- 




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CCVI 




. Fi*. *>. 



k lost er den Nhiiivii Porta Codi, llimmclspfortc . und es 
wurde der Hau so rasch gefördert, dass die Einweihung 
der Kirche bereits im Jahre 1239 erfolgen konnte. Man 
dnrl jedoch nicht glanheu, duss damals die Stiftsgebäude 
Kämmt Kirche gänzlich vollendet gewesen seien. Ein 
Itlick auf die mit königlicher Pracht durchgeführten, 
noch in ziemlich gutem Itauztiztnnde hetindlichen drei 
Partien: Kirche, Kreuzgang und C'apitel-.Saal, genügt, um 
darzuthun, dass hei Aufgebot aller Kräfte diese groß- 
artigen und überreich oriiamcutirten Werke nicht in dem 
Zeitranme von sechs Jahren (1233 — 1239) vom Grunde 
aus neu hergestellt werden konnten. 

Die Tischnowitzer Klosterkirche zeigt sich als die 
regelmäßigste und conseq neiitcst durchgebildete aller 
Kirchenanlagen, welche die vereinigten lünder Böhmen 
und Mahren aufzuweisen haben. Kirche, Kreuzgang und 
(apitcl Saal sind ans einem Gusse und rühren von einem 
einzigen Meister her, der von der Gründung an Iiis znr 
Vollendung dem Werke vorstand. Der Name des Meisters 




l\: 27. 



ist nicht bekannt, es wird indess kaum gewagt sein, 
wenn man sowohl diese Mauten wie die Ausführung 
des Agnesklosters einem Cisteieieiiser- Ordensbruder 
zuschreibt. Bei Besprechung des Stiftes Hradisf wird 
diese Vennuthung naher begründet werden. Auch das 
innige Verhältnis*, welches zwischen der Königin Gon- 
stantin und der Prinzessin Agnes bestand, spricht dafür, 
dass diese beiden Damen bei ihren längst vorbereiteten 
Unternehmungen denselben Künstler zu Rnthc zogen 
und ihm die Leitung anvertrauten. Daher die auffal- 
lende Übereinstimmung der beiden in Rede stehenden 
Denkmale. 

Die Kirche Porta Coeli zeigt sich dreischiffig, 
mit vollständig entwickelter Krcuzfortn, aber ohne 
Thurmanlage. Der Chor ist auf fünf .Seiten des Achtecks 
geschlossen, welchen Absehluss anch die beiden Seiten- 
schiffe einhalten. Zehn Pfeiler, fünf auf jeder Seite, 
thcilen das Lnnghaus ein; die beiden vordersten, au der 
Vierung stehenden Pfeiler sind verstärkt, alle aber 
gleichmässig mit Hundstäben und gebrochenen Ecken 
protilirt. Alle Kirchcnräninc, wie auch Kreuzgang und 
Capitelsaal, sind mit Kreuzgewölben überdeckt, und die 
einzelnen Joche an den Aussenseiteu durch stark vortre 
tendc Strebepfeiler bezeichnet. 

Die Masse gestalten sich : 
Gesnmmtlänge der Kirche im Lichten . . . 204 Fuss. 
Lange des Hauptschiffes von der westlichen 
Frontmauer bra zur Achse der Vierungs- 
pfeiler 120 „ 

Gesummtweite des Kircheuhauses .... 72 „ 

Länge des Querschiffes 1)3 

Ureite des Mittel- wie des Querschiffes von 

Achse zu Achse 36 , 

Entfernung von Achse zu Achse in der Lttn- 

genrichtung 24 _ 

Höhe des Hauptschiffes bis in den Gewölb- 

scheitel ;'>4 „ 

Höhe der Nebenschiffe 27 „ 

Maucrstiirkc 4«/ g „ 

Ausladung der Strebepfeiler t> „ 

Der Kreuzgang hält die Länge de» Schiffes mit 
120 Fuss ein, wird durch ein reguläres Quadrat be- 
schrieben und liegt an der Nordseite des Kirchcnhau- 
ses; aus der Mitte des östlichen Flügels tritt mau in den 
von zwei achteckigen Säulen in sechs Gewülbfelder 
zerlegten Capitel-Saal, welcher 30 Fuss tief und 36 Fus» 
laug ist. 

Diese Masgangaben bestätigen ohne weitere Erklä- 
rung die in allen Thcilen durchgeführte Regelmässig- 
keit, wobei zu bemerken ist, dass kleine Abweichungen, 
wie sie in den meisten mittelalterlichen Hauwerken 
getroffen werden, hier beinahe gänzlich fehlen. Die 
vielleicht allzustreng gehandhabte Regelriehtigkcit ver- 
leiht dem architektonischen Aufbau der Kirche, sowohl 
aussen wie innen , ein auffallend nüchternes Gepräge, 
welches durch den Umstand gesteigert wird, dass 
Hauptschiff und Querhaus viel zu niedrig gehalten sind. 
Denselben Fehler haben wir bereits in der St. Agncskir- 
rhe bemerkt und dürfen dieses zweimalige Vorkommen 
um so eher dem Architekten zur Last legen, als bereits 
in den gut angeordneten romanischen Kirchen die Regel 
beobnehtet wurde, dem Hauptschiffe mindestens die 
Gesanmitbreite des Langhauses zur Höhe zu geben. 



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CCVII 




Vig. 2». d'Tug.) 



Seltsam contrnstirt mit der allzu schlichten Be- 
handlung des Massenbaues die höchst phantasiereiche 
und mit bewunderungswürdigem Fleissc durchgebildete 
Ornamentik, welche an dem an der Westseite ange- 
brachten Haupt-Portal bin zur höchsten Pracht gesteigert 
wird , die nur erreicht werden kann. Alle Theilc, die 
Leisten, Kehlen, Rundstäbe, Schäfte und Bogcngliede- 
rungen sind glcichmiissig mit Verzierungen überdeckt, 
deren Eleganz und Originalität jede Bewunderung ver- 
dienen. Der Hcichthum des Portals ist durch plastischen 
Schmuck erhöht worden, sowohl das Tympanuni wie 
die Gewände sind mit Figuren ausgestattet. 

In der 9 Fuss starken, gegen einwärts abgeschräg- 
ten Mauer sind beiderseits je fünf Säulen eingeblendet, 
zwischen denen eben so viele ornamentirte Felder liegen. 




?ig. 29. iPi-np. 

XVII. 



Ans diesen Zwisehenfcldcrn springen in halber Höhe 
Consolen hervor, welche die Standbilder der Apostel 
tragen. Um die ZwOlfzahl voll zu machen, wurde in 
herkömmlicher Weise rechts und links neben dem Portale 
noch je eine unabhängige Säule angeordnet , als Piede- 
stale für die Figuren St. Petrus und Paulus. Eine nähere 
illustrirte Erklärung der Bildwerke folgt im Abschnitte 
Sculptur. Die ThUröffnung ist 7, das ganze Portal mit 
Einschluss der beiden Vordersäulen 24 Fuss breit und 
22'/, Fuss hoch, also dasselbe Verhältnis« der Breite 
zur Höhe , welches das Haupt-Portal zu Trebiä einhält. 
Die Portal-Übcrwölbnng in Tisehnowitz ist zwar spitz- 
bogig, aber so stumpf, dass sie sich nur um einige Zolle 
Uber den Halbkreis erhebt; eine jedenfalls unangenehme 
Form , welche sich von der zu geringen Höhe des Mittel- 
schiffe« herschreilit. 

Auch vor diesem Portale sollte eine Vorhalle ange- 
bracht werden, welche jedoch dem Anscheine nach 
nicht vollendet worden ist. Der gedrückte, im höchsten 
Grade unschöne Bogen, welcher das Portal umzieht, und 
dessen Kämpferlinie nur fünf Fuss über dem Erdboden 
liegt, lassen das Abhandenscin dieser Halle nicht be- 
dauern. Das Uber dem Portal befindliche, 17'/, Fuss im 
Durchmesser haltende Radfenster, dessen Masswerk 
durch acht um einen Mittelkreis angeordnete kleinere 
Kreislinien beschrieben wird, zeigt im Gegensatz zu 
jenem die einfachsten Formen. 

Wenn bei aller Anerkennung der Gesnmmtanlage 
und der glänzenden Detail-Bildung die obwaltenden 
Mängel der Aufrisse nicht übersehen werden können, 
wird man durch die Verhältnisse des Kreuzgangs und 
Capitel-Saalcs um so mehr befriedigt werden. Überall die 
höchste Wohlgemessenhcit und Hamomie, dabei ist das 
Ganze trefflich erhalten. Zwei und dreissig Gewölbe- 
felder (sieben auf jeder Seite, dazu die vier Eckfelder) 
umziehen den viereckigen Hof, in dessen Mitte wahr- 
scheinlich eine Brunnen-Capelle bestand. Zwischen ein- 
fachen Strebepfeilern sind je gekuppelte dreitheilige 




Fi*. SO. (Pwg.) 



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ccvin 




KiU. 3t. iTihk.) 



Fenster angeordnet, wei- 
cht; immer von einem 

gemeinschaftlichen Spitz- 
bogen anfiHl werden. 

Die »ich "ergebenden 
ziemlich grossen Bogen - 
fehler werden durch Ro- 
Mttenfc'iifttt-r belebt. Das 
Daehgesimse besteht ans 
Kehle mit Zahnschnitten, 
unter welchen der ans 
Halbkreisen gebildete 
Fries bin/.icht. Im Innern 
werden die »ich ent- 
wickelnden Gurten je 
durch drei den Strebe- 
pfeilern gegenüberge- 
stellte Sätilehen getra- 
gen, deren Capitlile eben 
so sorgfältig durchgebil- 
det sind, als die Kinzel- 
heiten des Portals. 

Der K renzgang in 
Tisehnowitz gebort zu 



den edelsten Schöpfungen, welche da« Mittelalter her- 
vorgebracht hat ; in Bezug auf Regelnlässigkeit steht 
er unübertroffen, Ausführung und Formend nrcbbildung 
werden nur selten in so gediegener Weise vorkommen. 
Cbnciirrenten findet er nur in Nieder - Österreich zu 
Zweltel, Hciligcnkrenz, Lilienfeld und Klostcrncuburg ■ 

Das Cistercienser-Stift HradiSt. 

Koch ein viertes Denkmal, das zugleich den nord- 
östlichen GrHnzpnnkt der in Rede stehenden Gruppe 
einnimmt, haben wir EU verzeichnen, ehe die Zwischen- 
glieder und der schulinttssige Zusammenhang dargelegt 
werden kiinnen. 

Das Cistercienser-Kloster Hradisf bei Müncbcngratz, 
:n der ( irgend nur Kloster, KläSteree, genannt, wurde 
durch Herrn von Ralsko, den Ahnherrn der Herren von 

Waldstein - Wnrtenberg 
um» Jahr 1177 gegrün- 
det. Als erster Abt von 
Hradisf wird Theodurich 
oder Thidriciis genannt, 
welcher 1 184 regirte, von 
dessen Thlltigkeit in Be- 
zug auf den Kirchenbau 
jedoch eben so wenig 
Nachrichten auf uns ge- 
kommen sind , als von 
irgend einem seiner Nach- 
folger. Hradisf gelangte 
zu hoher Blllthc und gros- 
sem ltcichthum, wurde 
aber M£0 vou den Hus- 
siten zerstört and nicht 
wieder in Stand gesetzt, 




H 0 '. 82. (Prag.) 



' Lltf ritiir. Jnl.iluer. drr k, k Cmlrn! Ci.ir-mL.loti , III. IM. J»».r- 
nag i«j:>. t>m Kirch.- d. ■ <ti»n.«u*.r. Cbimtv**«^KranaM«MMi p»m» 
" .11 10 Tiito.it . t u J. K. V »r rl , mit 7.. UlnunH'n >c f. KlriekB«! 
ml dir •Irrni W»r bcilt-hrn. Ptnwr AafKMIaM ist r TI»ca*owltt ond .u> 
V»n»tkln«trr »ntkiUni i K r Ii i- n . MusoU; J. Srt.lltr. *»««JI»jMl Wl 
riBfl Tont», 0,.,-Bl.hl, rf.r *!%dt fr«*; W,.|ny. klrvlillfli» Tu|.r.sf »fdi/r 
m MII.ru. i o. d tU >" <l»r H. »rhrcil.ui.» KU Tt. 1 14 a»i:*rtian*a Werk». 




i..*«m Vrr.iS.ili.iM r.»«« «Ir lu KHnr H dl. 

tankt. 



f\g. 33. fTtaehaAvHa.] 

weil die Sliltsgüter von der Krone mit Beschlag belegt, 
dann verpfändet, getlieilt und veräussert wurden, bis sie 
nach mehrmaligem Besitzwcchscl wieder an die Familie 
der Klostergründcr zurückgelangten. Da die Aufhebung 
des Klosters auf gewaltthHiige und ni gerechte Weise 
bewirkt worden war nnd es bei der darauf folgenden 
Aneignung der Gilter nicht ganz correet zugegangen 
sein mochte, fanden die Resilzcrgrcifer keinen Anlass. 
die noch vorhandenen Urkunden aufzubewahren. Wie in 
Trebic, liegt auch hier die Bangeschichte vollkommen 
im Dunkeln, und wir sind ausschliesslich auf die archäo- 
logische Untersuchung angewiesen. 

Von dem Kloster haben sich nur einige rohe Sub- 
strnetionen erhalten , dann ein Bruchstück der nörd- 
lichen Kirchenmancr sammt dem daran befindlichen 
Haupt-Portal der Stiftskirche. Der Kirchenraum selbst 
wurde in einen Garten umgewandelt, in die ehemaligen 
('onvcnt-Gcbttudu wurde ein Brauhaus hincingchiiut, in 
dessen Hofe noch allerlei Bruchstücke der Kirche, 
Schlusssleine, Gewölbrippen, C'onsolen u. s. w. herum- 
liegen, mitunter auch an den dortigen Bauten einge- 
mauert sind. Im Garten kann man mit geringer Mühe 
noch die Grundmauern des Chores und der einzelnen 
Pfeiler auffinden, ans welchen Theilen sich ergibt, dass 
die Stiftskirche einen rechteckigen Chor-Schluss und eiu 
durch zwei Pl'eilerreihen eingeteiltes Langhaus besass. 
Die (.'liorpartie war beiläufig !>0 Fuss, das Schiff <>6 Fuss 
breit, die Gesammtlänge mochte gegen 200 Fuss bc- 



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CCIX 



tragen haben. Alle noch erhaltenen Einzelheiten tragen 
dasselbe frtlh-gothischc Gepräge, welches die vorbe- 
schriebenen Kirchen einhalten; sogar die Substructio- 
ucn zeigen keine von einem ältern Hau herrührenden 
Theile. 

Das Portal, dieser einzige wohlerhallcnc Rest des 
ganzen Klosters ist ein Kleinod seltenster Art. An 
Keicbtham wetteifert es mit dem Tischnowitzer Portal, 
übertrifft es aber bei weitem in Bezog auf architek- 
tonischen Aufbau und schöne schlanke Verhältnisse. 
Sechs angeblendete Säulen von 7 Zoll Stärke stehen 
auf jeder Seite der Leibung, welche durch drei recht- 
eckige Vorsprunge profilirt irt..Die Säulenschäfte sind 
zwar abhanden gekommen, doch die Capitäle und 
Basen haben sich erhalten, auch die inmitten der 
Säulenhöhe angebrachten Ringe, welche zur Befesti- 
gung der Schäfte dienen sollten. 

Im Vergleich mit den Portalen von Trelde und 
Tischnowitz fällt sogleich auf, das« hier die Höhe eine 
nnglcich bedeutendere ist. Der innerste Bogen steigt im 
Winkel von 60 Graden an, die Gesnmmthöhc des Portals 
beträgt £6 Fuss, die (Jcsammtbreite 17',, Fuss, wodurch 
bei ähnlicher Formgebung der Ausdruck ein vollkommen 
\ ersehiedener wird. 

üb das Tympanum mit figürlichem Schmuck aus- 
gestattet war, lässt sich nicht erkennen, das Portal dient 
gegenwärtig als Einfahrt des herrschaftlichen Brau- 
hauses, weshalb das Bogcnfcld grösstenteils heraus- 
gebrochen worden ist. 

Ein schlankes Sockelgesims, aus welchem sich die 
decorirten Säulenfusae mit besonderer Eleganz ent- 
wickeln, umzieht das in allen seinen Theilen aufs reichste 
oniamentirte (.nnze. Viele von den Verzierungen halten 
genau dieselben Formen ein, 'wie die in Tischnowitz 
und im Agneskloster vorkommenden, hie und da machen 
sich ganz neue Motive geltend, anch ist die Technik 
freier, vorgeschrittener. Dabei sind durch eingefugte 
glatte Zwischenstreifen dem Auge solche Rnhepunkte 
gewährt, dass der dekorative Kcichthnm nicht wie in 
Tischnowitz störend wirkt. Neben den band- und ran- 
keuartigen Verseldingnngen kommen Akanthus-, Wein-, 
Epheu- und Feigenblätter am häufigsten vor; alle diese 
Motive sind mit plastisch antikisirendem Sinne durch- 
gebildet und frei von jenem stacheligen Charakter, der 
den gothischen Laubwerken eigen ist. 

Hrndisf war ein Toehtcrstift von Plass, dessen 
kuustbegabte Mönche die selöne romanische Kirche in 
Potvorov zwischen 1220— iL' 40 ausgeführt haben, wie 
im ersten Theile erwähnt wurde ». Die sämmtlichen Äbte 
von Hrndisf, welche in Urkunden vorkommen, ent- 
stammen dem Plasser-Stiftc , welches anch auf die ander- 
weitigen Klöster des Cistercienserordens den grössten 
Einfluss Übte. In Anbetracht dieses Umstandes wurde 
die Vennuthnng ausgesprochen , dass die Königin 
Constantia einem Ordcnsmanne aus Plass den Bau 
des Tischnowitzer Klosters anvertraut habe, vielleicht 
dem Erbauer der Stütskirchc zu Hrndisf. Mancherlei in 
Hrndisf vorkommende EigeiithUmlichkeiten , so das Ein- 
rahmen der Ornamente, das häufige Anbringen von 
Akanthushlättcra und die antikisirende Durchbildung 
der Laubwerke lassen vermulhen, dass der Baumeister 
Italien gesehen habe. 




Hg. 5. ilira.liäf.. 

Das Schiff der beschriebenen Kirche hatte eine 
Pflasterung von buntfarbigen Fliesen, eine in Böhmen, 
wo der Ziegelbau erst im XIV. Jahrhundert Eingang 
fand, isolirt dastehende Erscheinung. Bei den ausge- 
breiteten Verbindungen, welche die Cistercienser unter- 
hielten, lässt sich nicht einmal eine Vermuthung auf- 
stellen, woher diese in Stld- Deutschland seltene Pfla- 
sterung bezogen worden ist «. 

Hinsichtlich der Illustrationen beziehen wir uns anf 
den IX. Band der Mittheilnngen und geben in Fig. M 
nur die Abbildung eines Ornamentes am Portal bei ». 
(Fortsetzung folgt) Ii.' ürtieher. 

Ältere Grabdenkmale in Nieder-Österreich. 

tan i BMMfJMM*] 

Interessante Monumente enthält die Pfarrkirche zu 
Trautmannsdorf in Niedcr-Osterreich. Da finden wir 
zunächst des Haupteinganges unter dem Musikchor das 
Grabmal der Elspct von Gräveneck. Es ist eine an die 
Wand befestigte rothmarmorne Platte, anf der folgende 
Inschrift am Bande herumlaufend angebracht ist. „Nach 
Christi gepurd im MCCCCLXIV jnr an phinztag nach 
nmbrosi ist gestorben die edel Frau Elspet von perneck 
hrn olreiehs von grnueneek havslrav hie begraben". Im 
Mittelfelde sieht man unter einem mit einem klee- 
blattförmigen Masswerk ausgestatteten Rundbogen die 
lebensgrosse Figur der Verstorbenen. Dns Hunpt auf 
einem breiten Polster gelegt , ist sie als Nonne darge- 

• In dir Slin.klr.hc im lUlllwnkrr ui tut rann la neunter Zill eben. 
f»ll« Rhu »o» hunihrMcem PII'»m«»«U e>-niiid<u. A. d. iled. 

• LIKiilur. S'cbai deu W-rkm, weK- !.e bei llrKhre Ikun« <1« < \|ff,e.- 
kloAfen ntig< fahrt worden Mn4i lln-1fn NkchrUbteo »'.■er llradet »m 
ArrliWr tu PlAM, In d< Ii Emeb,t«n.c>bi< hrrn di» l'rucr llonvCnpitvU , In 
8r hml I * r'e und S n m in ■ t'i Tl |> crip.li!«». Klo« nairiifarllclie Ilctprechnud 
dor Clurreil« rnihajim dir Mi lliilluiiifii der k. k. Ctnir»! - C minluln» 
IV J.lit)»!! IIUM, «»ti r den Tin I: t>l« tfrrf d«r Clrcrr|r»»rrkir.-he 
Hmillii b<l )l»i.>li.ni:ril«. v.m 1 E. W.n-l. fer 4»n »liii-rrlntr llmi,.ln-» 
l.'. n, |>l.». »„« Ull-nfr!,! ,,.,l,i.l.lld,. brmM »uf \ »rmuih.M.i, . 4» IM 
nnro mv.nrr Anilcbl ii.cnl t...U.nn 

d.t * 



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&imü-im-fl}.-cccc-in-xuig 




sti llt, die Hände gefaltet und den Rosenkranz haltend. 
Zu den Füssen (rechts), da« Wappen derGraveneekcr die 
Knute und (link!') da* der Pernecker, der Bär mit dem 
Halsband, beide Wappen unbedeckt. Die Seulptur gehört 
hinsichtlich de« Kunstwerkes unter die vorzüglicheren 
ihrer Art, die in Nieder- Österreich erhalten blieben. 
Über Elisabeth von (irafeneck bringt Wissgrill, III, 
981 einige Notizen. FUr hier genügt, das« sie die erste 
üemalin jenes l'lrieh von ({raveneck, der in der Ge- 
schichte Kaisers Friedrich IV. eine nicht unbedeutende 
Holle spielte und bald dessen Anhänger bald sein Gegner, 
endlich 14«7 bei Schottwien von den Kriegertl des 
ungarischen Königs Mathias erschossen wurde ■. 

Sehr interessant ist da* in völliger Renaissance 
ausgeWhrte altnrälmliehe Grabmal des Pankraz von 
Windisehgriltz und seiner Gemahlin Hypolita, einer 
gebornen Schlick, um 1508. Sie, sind beide vor dem 
Kreuze kniend dargestellt, ganz vorzügliche Scnlptnren 
und höchst werthvolle Cosfumcbiidcr. üben schmückt 
diesen Altar die Vorstellung der Taufe Christi in halb- 

> S r h ml 4 1 ITmil In .»inm I «c«« > u i.r - n \\ lrn> II. i«J illt bUrhe An- 
<!«•• <.»€• Or«l»m»l tiu«r fr»» «u« d.m lUu.t Tr»«imm»iinrf ffii 



lebensgrossen Figuren, an den Seiten in kleinen Bild- 
chen das Pfingstfest, der Judaskuas, die Gefangcniich- 
mung nm Ülberg, eine Priesteralbc, Kelch und eine 
als Fanst geballte Hand. Diesem Grabmal gegenüber 
sieht man als GegeiiBtUck einen altaräbnlichen Aufbau, 
mit einem grossen Relief, das Abendmal vorstellend. 

Nicht zu übersehen ist das in der gothisehen Sei- 
tcncupelle befindliche Monument des Christian Grafen 
von Tschcrnembl. Eine mit dem Wappen versehene, 
aufgestellte Marmorplattc enthalt folgende Inschrift: „Hie 
innen ist verschlossen der hoch | adelige leichnamb des 
hoc h und wolge , hörnen Grafen vnd herrn Christian 
Graten n. | herren voj Tschcrnembl Panierhemi herrn 
von auf Wild eck n. Schwertberg Erbmundscheuk in 
Kraiu | vnd der windischen March der röin. kai. Mait. 
Leo , poldi des Ersten wie auch ihr durch It. Erzherzog 
Leopold | Wilkelmb zu Osterreich beeder wirklicher 
kaiuerer hoffkriegsrath Obrister zn Pfert vnd der kny. 
Guar di im Wien Statt Obrist Lentcnant, welcher ein 
wun | der der Tapferkeit Seiner zeit gewest vnd nach- 
dem er-.'i'J jar sein Zeit in hoff und kriegsdiensten 
zugebracht ist er an | aufsehneidnng zweier muskaton- 
kugeln, welchen Schuss er | in ihr kai. mayst Diensten 
vor vielen Jaren vor Korneubnrg ) bekomhen mit grossen 
Schmerzen aber noch viel grosserer , gednldt den IX. Oc- 
tober 1665 an einem Sonutag , vmb zwölf vhr zu mittag 
in Gott scliglich entschlaffen in 40 jar seines alters Gott 
verleihe ihn vnd | vns allen ein fröhlich auterstehung 
umb Jesu Willen. Amen." 

Ganz nahe diesem Monumente liegt im Hoden eine 
Sandsteinplatte, die leider schon sehr abgetreten ist, 
dennoch lassen sich daselbst Spuren von vier sehr schön 
gearbeiteten scnlptirten Rildern erkennen, deren eine 
einen beim Schreibtisch sitzenden Gelehrten, die andere 
einen Narren mit ziemlicher Sicherheit erkennen lHsst. 

In der Schloss-Capelle zn Ebergassing, ein zier- 
licher gothischer Hau bestehend aus zwei breiteren und 
zwei in gebrochener Achse, als Altarranm angeschlosse- 
nen, schmäleren Jochen, befindet sich am Hoden liegend 
ein rothiiiarmorncr Grabstein, geziert mit Wappen und 
Handschrift ; letztere lautet: „Hie ist begrabnnss des 
Herrn Taman von Wald anno dni incecciiiixl vnd herrn 
willhalm von Hald a . Das Wappen (wahrscheinlich ein 
lYerdkopf) ist leider nicht mehr zu erkennen, besonders 
zierlich sind die reichen Helmdeekenverschlingnngcn. 

An der Anssenscite der Kirche zu Margarethen 
am Moos befindet sich der Grabstein eines Wenzel von 
HimSz, gestorben ]f>K;">, nnd seiner Gattin Margaretha, 
Tochter des Philipp Freiherrn von Brenner, geb. 154;5 
(Wissgrill I. c. I. 381). In Innern an der Wand eine 
rotlic Marmorplattc mit Wappen nnd Inschrift. Letztere 
lautet: „hie ligt begraben der Kill Gestreng Ritter her 
Christoph von Flachspcrg der gestorben ist am — Das 
Wappen zeigt eine schrägrechte fünfmal ausgebogene, 
wolkenähnliche Theilnng. Der Helm ist gekrönt, das 
Büffelhörncrpaar mit je sieben Kugeln nach aussen 
besetzt, zwischen den Hörnern ein sitzender Hund. 
Über die Familie Flachsbcrg, auch Flnschherg, finden 
sich Nachrichten in Weiss' Kärntens Adel p. 61, doch 
ist dort das eigentümliche und mit dem hiesigen gleiche 
Wappen höchst sonderbar erklärt. 

In «lein im Parke zu Laxenburg befindlichen, nichts 
weniger als schönen Gebäude, das den hochfahrenden 
Namen der Rittergruit führt , findet sich neben einigen 



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f CXI 



recht schätzbaren Denkmaien der Tempera- und Glas- 
malerei anrh ein Grabstein, der immerhin einiger Be- 
trachtung würdig ist. Kr ist dem Andenken des Pas- 
Manischen OfficialH Leonhard 8 e Ii a ne r gewidmet und 
fUlirt die in Folge der Abkürzungen sehr schwer lesbare 
Inschrift: „Anno Doinini m.ccccxi. im. kalcndns aprili* 
a venerabilis vir dominus leonhardus Seliaucr . . (ofT. 
p. ?) dceretoriim doetor rat. pat. et brixin. eeel. canoni- 
eus Ot plebanus in l.aa, fundalor hnjus capellac cujus 
anima reiptieseat in pace." Dieser .Stein, eine rothe 
Marmorplatte rührt aus der ehemaligen Karthause zu 
Mauerbaeh und durfte wahrscheinlich das einzige von 
dort erhallen gebliebene Denkmal sein. Der Verstor- 
bene, dessen Bildniss auf zwei gegeneinander gewen- 
deten •Schildehen m l je einer Lilie darinnen, stehend, 
die Mitte der Platte einnimmt, ist nicht in erhabener 
Arbeit dargestellt , sondern sind bloss die Umrisse in 
tiefen Furchen eingegraben , eine ziemlich frtlh geübte, 
aber in Österreich nicht häutig vorkommende Technik 
(s. die Abbildung). Leonhard Schnner war der Stifter 
jener Capelle, die in der Nähe der Kirche zu Mauer- 
baeh stehend, noeh gegenwärtig, wenn auch sehr ver- 
stümmelt, erhalten ist. Dr. K. Lind. 

Das Grabmal (oder der Grabstein) Leutold's von 
Wildon in der Stiftskirche zu Stainz und die Siegel 
der Wildoner. 

(Ml! flott Tafel uad IS IIbUkIibIiico ) 

Ober dem, zwei gute Wegstunden von der Station 
Lieboeh der Graz- koHacherbahn entfernten Markte 
Stainz erhebt sieh das imposante Schloss gleichen 
Namens sammt der Kirche, welches bis znm Jahre 1785 
ein Augustiner Chorherrnstilt gewesen, spater in den 
Besitz weiland des Krzlierzoges Johann kam und hier- 
auf erbweise an seinen Sohn, deu Herrn Grafen Franz 
von Meran gedieh. 

Das einstige Stift verdankte seine Gründung dem 
Leutold von Wildon. Sprossen eines angesehenen und 
mächtigen steierischen, um l'.i'JA abgeblühten Herren- 
gCBchlcchtcs, dessen Stammburg nnn in Trümmern auf 
dem gleichnamigen Berge nächst der Mur, drei Meilen 
südlich von (im* liegt. Leutold hatte aus seiner Khe mit 
einer Agnes ' nur zwei Tochter, Cerlrnd und Agnes, 
von welchen die letztere wohl als Gemahlin Otto's II. 
von Liechtenstein tili Ii starb, erstere an den Alber von 
Khuc nring vermalt war und die Herrschaften Steiercgg 
in überösterreieh und Kndkersburg in Steiermark zur 
Aussteuer erhalten hatte. 

Des Wildoners frommer Sinn drängte ihn aus 
seinem übrigen bedeutenden Besitzthume, wie ange- 
nommen wird im Jahre 122*. zu Stainz ein Kloster nach 
den Regeln des heil. Augustin zu stiften, welchem er 
dann c. 1230 • die Jurisdiction , das Mautreeht und 

1 Saea. allcem-lm r A i.ii.a. m . «vlrhi-r JtilvrU dir urkiitirfllrki' Itrltf. 
muiitli . »er »I« «lae • '■"M,, Lierkt* uari-lu — ick r, MMHftüa deiier t Hltih. 
4 lilet. Verrlne» f. !i - ■ rm MX. H«fl, Larlek'e ran i.u . Uleaeli Ii tiral.nial 
a d. Krant ni'tirv. -v K»le n t , *. >iu:it auf eine I ituuJc ikri Jakrr IUI'/, 
dank auf dm I »■»tau«', <tu> 1 Irlck'e da» Kancere Meit<r Oertrud nelitliteii. 
dir i«rl Törliler dar Ailuae vuo WlMoa dl« Xamaa Gertrud uad Afnea 
erhielten, dir linmalfa l>utold'> Toa Wlldt-n arl «lue Sekweitar dra )llat>r- 
f - r . t/lrich. 4<>n l.faekteiietelk graaaan und cat. dama uaier der llr»rr«r 
elae» „?• Meldung;, lllaraaf ward« Ich Toa befreunden r 5* Ha aulraerkeen» 
granarl i data Olfu II. Ten Utfbli nrlela. dra Säueret S"ha , la afafaf Kb« 
abeiiralle «lue Afnei cur tibtllo kalte, »oatnls alrh de Henenaane; „tt urnet! 

inri ttllonl» dr LeeHenttDin" la dar I rkunde »an ! : I*. »I. >chwleiter>alm l.rll- 

t ild'a rak Wildau erklärt. l'nl*r dleac-n l' anlanden dürft« aber [ ■ iu:.! . 
aiihhii kaum mehr al« elae Spi-meln d.-r l.lecklenalrln« ■> .--all. n «tMea können. 
«•■fVrar »KU uuln do<-b Harb ein urlan» . .. - he«ri. .Mur Vorland* 
! Mtl. ruiark. Laka-earrbtv, 1 rkunde \r. 4M Ab.rhft. 




andere Freiheiten gewährte; Herzog Friedrich aner- 
kannte 12i>3 « die Schi-iikungiMi Lentold's von Wildon 
an das Kloster zu Stainz und Bischof I' trieb von Seekau 
bestätigte ddo. Biber. SA, Oeloher 1:47* die Gründung 
des Klosters Stainz durch Leutold von Wildon, welehes 
dann bis zu seiner Aufhebung im Jahre 1785 unter der 
Regierung von 35 I'röbsten » blühte. 

Im Jahre 1245t starb der Stifter, wie berichtet 
w ird zu Wien, wurde jedoch sowie seine 1272 verstor- 
bene Gemalin in dem durch ihn entstandenen Ooites- 

> Steiermark. l.«Bit«i«ri hie, ' rkuado Nr. MM. AbKlift. 

t -jteleiaalrk. I.endeaarcluv, 1 rklladi' \r. Sie. Abaekit. 

* Aua Iii naii lal d«r *"**a aflaea H«IJa.lua»elfi>ri t-rkat.atr Jakr.t Hak*, 
laat, Verlawar dee ■«jHeiidllrki a Orten llarlelit auf deu f-l c-rn Henrlil 
eaad v«rn»«ltite Krlnavrune; iJaaldi» Kuhglj, Wliieaki-mlrckra Pra/eaaora. 
der Tjraauleritrn taapatriekea VetMaMaj de». II. »aakrlij, la Meyarmatkt. 
KaeiydteD) vnd c rayn* ürilrurkt l.rail liel t.r-orir Wjdmanarrtter Ik>t3 . a»fk* 
wi*irdli. Er «ard« Prntiet und iinrk au Our 3. Marc Kr» 



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CCXIT 




Yig. 2. 



liauRe bestattet, wo sich 
»ein Grabmal an der Epi- 
stelseite der Kirche, in der 
Vierzehn Nothhelfer - Ca- 
pelle, itnr Seite in aufrech- 
ter Stellung eingemauert 
findet. Es ist eine durch 
Ausbrüeklnng und mehrere 
im Zickzack von oben nach 
unten laufende Sprtlnge, 
die sich auf dem erhabe- 
nen HanptstUcke des Hel- 
mes concentriren , hart 
mitgenommene l'latte au« 
rothem Marmor, von 6' 10" 
Höhe, 3' 3" Breite, mit am 
Rande ringsum laufender 
Inschrift und beträtet nach Abschlag des Inschriftrah- 
mens die innere Länge des Feldes ö' 8", die Breite 
2' 3". Im inneren Felde des Steines, dasselbe füllend, 
zeigt sich das unvcrbältnissmässig in die Uinge ge- 
streckte, rcliefirtc Wappen des Stifters, ein senkrecht 
gestellter, unten halbrunder Schild, dessen oberer in 
der Mitte durch eine Schnalle bezeichneter Rand gerad- 
linig, die Seiten bis zu der im untersten Drittel begin- 
nenden Abrnndung rechtwinkelig sind; die Mitte des 
Schildes enthielt einBt unzweifelhaft ein Linden- oder 
Seeblatt, dessen Bcharf zulaufende Spitze bis nahe an 
die Mitte de« oberen Schildrandes langte, welches aber, 
da es wahrscheinlich hoch gearbeitet gewesen, Schaden 
nahm, endlich ganz zerstört wurde, so dass nun der Raum, 
welchen einst die Schildesfigur einnahm •, durch eine 
blattförmige Gypsmasse ausgefüllt erscheint. Über dem 
Schilde erhebt sich ein massiver Helm, dessen scharf 
hervortretendes Bruststück wohl einst mit der am Schil- 
desrande anfliegenden Schnalle eine Verbindung gehabt 
haben durfte; der offene breite Sehschlitz ist von fünf 
wulstigen Spangen überwölbt. Aus dem hohen glockcn- 
lörmigen Filzhutc mit daraufgestecktem reichen Hahn- 
federschmucke , quellen in vier Theilen die Decken, 
welche sich in Folge der geringen Breite deB Wnppen- 
feldes nicht völlig entwickeln 
können, einerseits in mehrere 
Striemen getheilt nbfliessen 
und unten den Schild um- 
schliesscu, der darauf gewis- 
sermassen gebettet erscheint, 
anderseits sich zu beiden 
Seiten des Hntes in gekün- 
stelter Weise aufthürmen, so 
dass das Fignrationsfeld bis 
zum Federbusch völlig gefüllt 
erscheint ^Fig. 1). 

Die Ausführung de» gan- 
zen Wappens ergibt auf den 
ersten Anblick, dass dasselbe 
erst 200 Jahre nach dem Ab- 
leben dessen, dem es gilt, 

• Im Mirr MU w«r du r.r»l.m«l n«h t»a «ln«m K lg jl wMM l l*ilrc*r, 
<!,... ID-t «b-»f!t!> ««Uli«!! h»l'«ti dürft.. Vhrt Vi-r»iilni«ul>K 
<!»« llorr» C»ii»«rT«'ort i 8*n»litnr »«rdr irr Mn-r..inM rntf.n.i Zu 
r-Mn.rUn Ut hUf Übrig, n«, di," *m firibmi'r, ift d« n '.«tnäldtn und In »Heu 
i dn» Srl.ild««cl'h«n d.« S<l'lrr» In nl. Wippen 
II mit d«m 8<f»ij.l ii.rli nb»Im <-r.fS.Mur. 

»io wir »pil»r MlWI wrrdon. mll B.rlogfci 
! Stillung bdlnf'NI 





Fig. 4. 

gewidmet wurde , wohl als Ersatz eines alteren Grab- 
Steines, welcher in seiner zeitgemässen Einfachheit dem 
Sinne eines prunklielrcnden Propstes nicht mehr zuge- 
sagt haben mochte und der Beseitigung verfiel. 

Die am breiten Rande sorgfältig ausgearbeitete 
kräftige gothischc Umschrift lautet: „X Anno f dni f 
M t C'C f xlviiii t| }<l"« t Aprlia (13. ApriD f ist t ge- 
storben t der t edel t htrr f her f lewto'd j von t wil- 
don t Stifftcr 1 1 des f gotshaus t «and f kathrein f cze f 
Stencz f hie f begrab'.'" Die InBehrift fuhrt uns gerade 
in die Mitte des XV. Jahrh. und erleichtert die Annahme, 
dass Propst Sigmund von Lcmsitz (1439 t 28. üctober 
1461), unter welchem die Klostervorstäudc von Stainz 
die Infel erhielten, dieses Denkmal zum zweihundert - 
jährigen Todesjubiläum Lcutold's von Wildon, 144t» 
widmete- Der Grabstein ist von Gypssculpturcn einge- 
rahmt, mit welchen die Kirche Uberhaupt sehr reich 
ausgestattet ist, und zwar halten Uber dem Grabsteine 
zu beiden Seiten zwei weinende Engel eine Blumen- 
guirlande, deren Mitte ein geflügelter Engelskopf ziert. 

Das Denkmal verschliesst ein ringsum vermauertes 
Gewölbe, in welchem nach der Aussage alter l^ute der 
Pfarrgemeinde zwei Särge stehen sollen. Verhält sich 
dies wirklich, wie angegeben, so bewahren die Särge 
ohne Zweifel die Gebeine des Stifters und seiner Lebens- 
gefährtin. Ausser diesen beiden wurde aber auch noch 
des ersteren Bruder Ulrich von Wildon im Kloster 
begraben, wie dessen Schenkungsurkunde ddo. Stainz 



W,,,,..r. rf« Sl.f.,1 

»ufti.Mn. du Sa, Ii 
•Um d I» dm Hl 




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ccxin 




Fi«. 6. 



t>. Juni 1854 ausdruckt, 
nach welcher er nnr in 
diesen Kloster begraben 
zu werden begehrt. (St. 
L. Arth. Nr. 099.) 

Zunächst des Denk- 
male«, an dem Gewölbe- 
bogen beim Eingänge 
in die Capelle, ist der 
Stifter in llbcrlebensgros- 
Sern Stein-Relief (gegen- 
wärtig stark Übertüncht) 
dargestellt. Er trägt am 
Haupte, da» ein voller 
Hart beschattet, eine Mütze, die einem priesterlichen 
Barette ähnelt, ein langes bis an die Knie reichendes 
Kleid, darüber einen abwallenden Mantel, Uber die 
Schultern ist ein Hermelin gelegt , die Seite schwert- 
bewebrt, die linke Hand hält deu abgestreiften Hand 
schnh der rechten, welch' letztere am Zeigefinger mit 
einem Ringe besteckt ist (s. Tafel Fig. 1). 

Dem Stifter gegenüber, an der rechten Seite de8 
Bogens, zeigt sich glcichmässig dessen Gemalin. Sie 
lässt eine angenehme Frauengcstalt vermuthen, trägt 
als Haarschmuck einen dicken, gleichförmigen Wulst, 
am Halse einen gefalteten (spanischen) Kragen und hat 
Uber dem Rocke einen Mantel ; die rechte Hand ist 
gesenkt, die linke hält ein Gebetbuch. Beide Darstellun- 
gen präsentiren sich in ihren Rahmen in einer Höhe von 
7 Fuss und in einer Breite von 2y, Fuss (s. Tafel 
Fig. 2). Die schmalen Rahmen beider Bilder werden 
durch eine Reihe kleiner Halbkugcln belebt, die Rahmen 
selbst an beiden Steinen erscheinen dort durchbrochen, 
wo die natürlich und einfach abfallenden Gewänder den 
Rand Uberrngen. In jedem der beiden Steine erhebt 
sich aus der unteren Knndspangc eine Stufe, deren Bö- 
schungen hohlkehlenartig gegen die Ecken des Feldes 
verlaufen. 

Bndlich befinden sich mit Bezugnahme auf den 
Stifter am Chore der Stiftskirche zwei dem XVII. Jahr- 
hunderte entstammende Porträte. Das eine auf der 
Epistelseite stellt eine ritterliehe Gestalt vor, in langem, 
rot hen Rocke und überhängenden Mautel mit Hermelin- 
Verbrämung, zur Rechten unter seinen Fussen ist ein 
Gotteishaus mit zwei Thürmen (Stainz) und darüber ein 
Wap|H!ii (im rot hen Schilde ein weisses Kleeblatt, Uber 
dem Helm ein Stulphut). Unter dem Gemälde sagt die 
zweizeilige Inschri.t: LEOTOLDVS COMES (!) DE 
WILDOMA FVNDAVIT ECCLESIAM STA1N I ZEKSEM 
Ao. MCCXXVIII OBIIT XIII APRILIS Ao. M.CCXLIX. 

Das Gegenstück auf der Evangelien-Seite stellt 
unter einer Draperie eine wohlbeleibte , doch anspre- 
chender Gesichtszuge entbehrende Edelfran vor, in 
gelbem, reichem Kleide mit schwarzem Mantel und 
spanischem Kragen. In der rechten gesenkten Hand 
hält sie einen Hosenkranz, in der linken ein Gebetbuch. 
Darunter lautet die zweizeilige Legende : AGNES V'XOR 
LEOTOLDI COMITIS DE WII.DO.MA NAJA DE | 
LIECHTENS TEIN OHIIT XXIX. IVUI Ao. MCCLXXII. 

Es ist bemerkenswert!), dass von der Hagen in 
seinem Werke Uber die Minnesinger IV. 294 — 3U1 : 
„Der von Wildonie" (Herrand), aller übrigen bekann- 
teren Glieder dieses Geschlechtes Erwähnung thut, doch 
diesen Letitold und seine Gemalin Agnes nicht kennt. 




flg. 



Bezüglich des Wappens sagt Hagen, dass er es 
nirgends gefunden, dasselbe vermuthlich mit dem in der 
Manessischen Sammlung angegebenen Übereinstimme: 
abwechselnd zwei schwarze und zwei blaue wagrechte 
Querstreifen. Das Grabmal und das Porträt Leutold's 
in der von ihm gestifteten Kirche geben nun allerdings 
keinen Beweis, dass die Wildoncr dieses und kein 
anderes Wappen führt cn , und zwar umso weniger, als 
beide in einer weit späteren Zeit entstanden sind. Aber 
aus den Siegeln, welche sich in Wildoner Urkunden in 
achtcnswcrthcr Zahl * erhalten haben, geht klärlich her- 
vor, dass die Wildoner, wenn auch in verschiedenen 
Formen , mit einziger Ausnahme des steierischen Mar 
Bchalls Hartnid von Wildon, stets das gleiche Schildes 
zeichen, nie aber das Wappen führten, welches ihnen in 
der Manessischen Sammlung zugetheilt werden will. 

Der Umstand, dass ich einer Erörterung der WH- 
doner Genealogie ferne bleiben will, gestattet mir bei 
der Mittheilung der Siegel lediglich die chronologische 
Ordnung einzuhalten. 

Das ältest bekannte Siegel der Herren von Wildon 
rtlhrt von Herrand her, und hängt an einer Urkunde der 




t'i(f. 8. 



nd St. J.-,mbr«kl 



Ikrur Hn«ahr»<ii<nrie mvt d» k. k 
In WI.o. di. A.chl«, 4.r Ali» rn Ailmtnl. II um. 
In Milnuit und du» »l.l.rm.rkl.rli. I tmlcwcllhr In 
" ii« «i» ...... im ii. Ii. ii l»k»i.n»^. I» drn Tt.ni.niim. 

• Ultimi Sl,,.lu. HM.faml.UKri. od.r .«cl. Zdrfa. 



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f ( XIV 




Fijr. <J. 



Ih nedikthief - Abtei Admont , 
welche bestimmt dem Ende de« 
XII. Jahrb. (c. II Oft) angehört, 
krall welcher Abt Rudolph den 
Ausgleich mit Herrand v. Wil- 
don rUcksichtlich eine» Wnldcs 
bei Obdach beurkundet. Ks 
präsentirt »ich als ein Doppcl- 
sicgcl, dessen Avers den inter- 
essanten SiegelBtämpel des 
Abtes, der Revers jedoch ein 
ovalea , unten zugespitztes 
Siegel zeigt, welches im unteren Thcile des Feldes .3 
fj8 Uber 1) Linden- oder Seeblätter und darüber frei 
schwebend eine rechts geteilte Thiergestalt enthält ; 
wegen den deutlichen Klauen mtlssen wir letztere als 
ein Ranbthier (Wolf?) erkennen. Die au der unteren 
spitze beginnend«' , oben in der Mitte durch ein 
Kreuz getrennte lapidare Umschrift lautet: SIGILLV.W . 
HARR77 . f NI>1 . . VVILDOH (Hg. 2). 

Das Siegel der Admonter Urkunden ist dcsshalb 
höchst anziehend, weil es meines Wisseng, den ersten 
Rcleg bietet, da«» sieb vereinzelt schon im XII. Jahr- 
hunderte angesehene Ministerialen der Wappensiegel 
bedienten ». 

Dieses Herrand's Sohne waren neben Hertnid, 
Lentold, der Stifter von Stainz, und Ulrich, von welch' 
beiden Letzteren Siegeln vorhanden sind. 

An der Urkunde ddo. Wciz 122.1 », durch welche 
heide sich zur (»nrmachung des Sehadens verbinden, 
•Ich ihr Vater Hcrrnnt und Bruder Hertnid dem Stifte 
Seckau in Chuneubcrg durch Ilaub und Brand zugefügt 
haben, hängt Ulrichs Siegel in ungefärbtem Wachs von 
ovaler unten spitz zulaufender Form. Die lapidare Um- 
schrift zwischen einem einfachen Linieuraud lnutet: 
+ . StGlM.VM . M R1CI . DK WILDA . Das gelheilte 
Siegelfeld ist im Haupte leer, im unteren Thcile hat es 
«'hcufalls <) (2 Uber 1) mit erhabenem Rande bezeich- 
nete Seeblllttcr (Fig. «I). Ein- zweites Siegel Ulrich'« 
hängt an drei Urkunden ">, es unterscheidet sich vom 
vorigen durch seine dreieckige tartschenarligc Form, 
zeichnet sich Überdies durch erhabene, kräftige Zeich- 
nnng ans. Das Siegelnd ist gelheilt, im Haupte gegit- 
tert, mit Punkten in den Qua- 
draten, der untere Theil hat die 
triangelsweisc gestellten See- 
hlätter, die Spitzen nach ab- 
wärts; Umschrift in Lapidnr- 
biehsttben : + SICH JA TU . VI»- 
RICI . I)ö . WILDOMA (Fig. 4). 

Der Brief, mit welchem c. 
I8S6 die Biilder Lentold und 
Ulrich v. Wildon dem Erzstiitc 
Salzburg die von ihrem Vater 
gemachten Schenkungen bestä- 




• Vgl. c .rfi-.|fH.riMii' de» Alle..' urwer Or»emmlverelnee , XVII. 
Jahrg. IMl'J, S. 41. »»».Ii« Für»« ► . K. von Ii tmlaki al» Ix.tu... eilf- 
Jähriger iluarhlaglger roreihnugen alle die l; Watipeaalegrl de» VII Jahr- 
hunderte eeiiolrhi.et, welrhe lim bUlirr t--rkaia-.m und die »IniBallith nur 
lleriogen, ((raren und Herren — tob lauteren nwr *wi| — angehören. 

• Steiermark. I.ana»er<t.lv. Nr. 4M. Original. 

■ ddo. Mal ISJ7, Original la Kenn . Al.eehrlft Im eteleraeark. Lendee- 
»•<*>** Nn f.33 I». — Zwei Ortglaalr der Jahre lSH und e. ISWl , eteltraakrk. 

Nr- MO «lad IM. — Der l rkuude von Iii» Ii« die aouhnna«: 




Kit»-. IL 



" Original Im k. k. « Ilao- ll f. und sie't.arrMe. — Al.erhnn ml« 
Sieg. le. lelmung TWB Um Pnf. Zahi,ilclrra.a><. l.aud. rarrhlv Nr. m.,._ 
Hin gtelrl.ea derlei bieg. I ... der . -1 «1. »a.,1.1. 1, nkuude dr> klcit.ra Uran 

ddo. Mal US". 



tigen, ist mit dem schö- 
nen Beitersiegel Lentold's 
bekräftigt, «las zugleich 
die vornehme Stellung 
der Wildoner kennzeich- 
net " (Fig. 5). Dasselbe 
ist kreisrund und hat in 
der lapidaren Umschrift: 
+ I.IVTOLDVS . D« . 
WILDOMA, im Siegel- 
felde eine rechts gekehrte 
Reitertignr mit eingeleg- 
ter Laimc in der Rech- 
ten, eine Tartsche in der 
Linken »«; der Reiter ist 

behelmt, die Helmzier jedoch nicht zu erkennen, als 
Kleid dient ihm ein langer, bis an die Knöchel des 
Fussen abfallender Rock; unter dem Werde sind iwci 
Seeblättcr, dann im Rücken des Reiters frei in der Luft 
schwebend ein gleiches derlei Blatt, alle drei mit den 
Spitzen nach abwärts. 

Das der Zeit nachfolgende Siegel gehört unter 
jene 13, mit welchen die Urkunde ddo. Reun 19. Scp- 
(einher 127« •« behangen ist, kraft welcher eine Anzahl 
Herren und Ministerialen aus Steiermark nnd Kärnten 
geloben, dem Könige Rudolf als Oberhaupte des deut- 
schen Reiches zn gehorchen. Ks ist das fünfte in der 
Reihe und wurde vom Tmchsess Herrand von Wildon «* 
angehangen, zeigt im aufrecht stehenden dreieckigen 
Schilde das Seeblatt mit der Spitze nach oben gekehrt 
und hat in I*apidarschrift die Legende: +HHRR7TNDI. 
D . WILDONI7C . DJVFIF . STIR. (Fig. 6). Ein anderer 
Stämpel Herrand'B ist mir nicht bekannt. An den merk- 
würdigen Bundbrief der steierischen Ständeschaft zum 
Schutze der Freiheiten des Landes wider Herzog 
Albrecht ddo. Deutsch - l.andsberg 1. Jänner (Eben- 
woihtah) 1292, hat Hartnid von Wildon für sich und 
seinen Vetter Herrand sein Siegel gehangen. Leider ist 
«las Original dieser Urkunde verschollen '». 

Siegel Hartnid's von Wildon, tauchen mit 1277 
auf, die einzigen Wappenstegel der Wildoner, an welchen 
wir dasSecblatt missen. Es ist kreisrund, hat ein gegit- 
tertes, inzwischen mit Ornamentik ausgefülltes Siegel- 

l' Daa Sleiel der Heuser I rkukde lliet aa der Tariert« »neb eine 
Zelrhn unn erkennen, und rwar 1,1 ala gelholll. Im Kopfthellr >el(1 «in 
leere» Feld, Im tmleren Thrlle die Riehrgeuatinlen 3 12 filier 1) Neebläller. 

" ( •riciunl Im k, k. t. Ilaui ll. f- und Staalaervhlve. — Al.ehfl »interna 
I^ndeanr. hl», Nr. 1043 a — Wie mir kfiritlrli mitgelheiK wurde, bekräftigte 
llerraud Bill deH.eeU.ea, stkanpel a«<b tetel l rkutxte» dea Stift*» St. Lambrecht 
ddu. Wien äo. Janner lj:o und Kepfenbarg litt al» /enge. 

Die Vettern Herrand nnd llannld ««n Wilden gahSrlan in den 
brdeutenditrn rarlell.aupter» fnr den deuti'heu Knnijc Kitdolph wider dao 
ItbhBiete König t'uknr, drr Ibnen filel ml>ge»].ielt hatte Hartnid r/M Wilden 
war mit Prlrdrleh von I'etlru In. Mal MM auf deaa Relel.alage an Augelurg 
rrarhlenen . um vor dem dentieben König* die lleael.w. rdea der Slelr. r itMr 
Ollrkar vonulrlr.it'n, — Naeh einer AnHeulang P'"l Raltktl't (Marbnrgcr 
Cxmnaalali>r.>granim 1SCT}, wäre dleeer Herrand eon Wildon der klltineaangcr 
und Dlehlar dee Me'denlledea o«drvn geweaen; vgl. darüber auch SehrJnr 
In V I« n [• erniania Wll, 66). 

i '* Jtwel Al'.tliillten der»elb«n l>r wahrt da» atelerlacba I.nndeaareblv. 

Leide >lnd auf dea I reihrrm I.eajinld von Stadl .llellglanlen'len l.hre»»nle<e I 
de. Ilrrsegihutnii Slej.r- >l»rpt. von im — 40 III. Ilaltd , fei. *4*— 4.S luiil.k- 
rwfnhrwn. Sie hahen die gleirhen angeiiarhelnlleb ■ager.nnen nlegalnt-hlldungeB 
alian I anarhrin* n, daher In Ihn r Vtodergabe Hiebt eingegangen wurde. Na. h 
den vorll.gerdeu Zeicfcnuanen fulifl drr Wildoner einen »ehletVealelttea drei- 
eikleen Sihlld, 1 eeeirfchel mit deni Seeblnlte an einem Sieng'l :dke Itlntt* 
anllia Harb aufwärt»), Heina mit geöffneten Scberblleie, dnrüt^r der «StiilBhnt 
ml« dem »deraehn»! k». — {'bar die 1 rkuaite »ilhal »lebe „lleltrtna lar 
Kaatle »telenn. OfKllll TJ«4a)a>»lleii" IX. Jalirg. l' 1, S. III» Teil und Note"» 
" ddo. Wien s:l Augn>l IÜ7T Hartnid von Wildon, Mararhall von Seeerr, 
vrrrprlrlit daa Stift Strkav in dem !l*»i!iu der (»fiter In Krawall tu ochtittea, 
wel-lie d.-ni Sllfie »erntoge tlerivhtaaprvirh anerkannt wurden — ddo Orna Ina 
Min. rltenkloalai II Derhr. 1113 llannld von Wlldr,n tntaagt ml« llel»tlmn>u»>g 
aeln- • S«hliea K ehrt .l«M. I.i.hrr mit dem Sllfte .«»rkan gehabten tiitererrwite. 
luide Im Original »la|eren»tk I je.ieaairhlv Nr. UM nnd HU", daa Hegel v.»n 
Nr Ittnj aur Halft, tei l... heb 



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ccxv 




Hff. l-'. 



feld, darin einen geneig- 
ten dreieckigen . an den 
Seiten aufgebanchten Schild 
mit einem Dreizack "; Uber 
dem beiderseits mit einem 
Finge besteckten Helme mit 
abfliegender Decke einen 
niederen Hut, ans welchem 
ein Busch hervorragt, die 
erste Andeutung des Wil- 
doner StUlphutcs ; die 
Umschrift zeigt in lapida- 
ren Schriftchnrakteren : + 3. 
b«RTNI . DI . D . WILDON . (D7CRS<IhvYL . STIR. 
\Fg. 7.) 

Später kommt dieses Siegel nicht mehr vor, dafür 
bedient sich Hartnid vom Jahre 127* — l'.UH des statt- 
lichen, seine Wtlrdc als steirischer Marschall anzeigen- 
den Siegels., das in verschiedener Erhaltung noch an 
10 Urkunden billigend auf uns gedieh '». Von den in 
Graz befindliehen ist das der Urkunde dd. Scckau 
10. Jänner 12P4 angehörende am besten erhalten und 
diesem die Zeichnung entnommen. Es hat in dem von 
zwei Stufeillinien umsäumten kreisrunden Sicgelfcldc 
einen von einem Linienrande umgebenen, erhabenen 
und schiefgestellten Schild von dreieckiger, an den 
Seiten ausgebauchter Form, in welchem rechtsaufsprin- 
gend der steirische Panther; Uber dem Schilde ein 
KUbelhclm, ans welchem in fächerartiger Ausbreitung 
ein Pfauenschmuck mit sieben Federn besteckt hervor- 
ragt ; die in lapidaren Charakteren gehaltene Umschrift 
ist an jedem der Siegel mehr oder minder beschädigt 
und lautet bei Vcrgleichung mehrerer Exemplare voll- 
ständig: f S . MRTRIDI . D« . WILDON W . (D7TR- 
SOJiMLai . STIRItt. (Fig. 8.) 

Dann ist Hartnid Mitsieglcr einer Urkunde seines 
Vetters Lcutold von Dirnstein aus dem Gcschlechte der 
Wildoner, kraft welcher dieser, ddo. 10. October 1298 
mit dem Könige Albreeht das Scbloss Dirnstein um die 
Burg Andels vertauscht '». Im Mittelfelde des achteckigen 
Siegels ein aufrechtstehender dreieckiger Schild mit dem 
Seeblatte anf gestreiftem Grunde, die Spitze des Blattes 
nach aufwärts, Umschrift : + S . h.fcRTRIDI . Dff . WIL- 
DOniÄ. (Fig. 9.) Endlieh findet sich noch ein Siegel 
desselben Marschalls Hartnid v. Wildon an der Urkunde 
ddo. 24. April 1314 s0 , kraft welcher er im Einverständ- 
nisse seines Bruders Ulrich, seiner Hausfrau Elspet und 
seiner Kinder, der Priorin und dem 
Kloster zu Mahrcnberg für die Töchter 
seines Bruders Reicier, die Schwe- 
stern Elspet und Margaretha, benannte 
Güter widmet. Das Siegel i B t rund, 
hat in dem vollständig erhaltenen 
Schriftrande zwischen einfachen Per- 
lcnlinien die lapidare Umschrift mit 
Fig. 13. verkehrten N : + . S . hALRTNIDI . 

" Ken itrelaack IShrlitv nurn dl» allen im XIV. Jabrliandart« erlo.rne- 
aen Krctuji.li.rfrr 1b Ntulrrmark. 

'• im k. k. g. Hau. II, Y and SUkUwchlT : Wildon 12. Fel.r 121«; - 
Im elalarm. LhiImuiUi . Seckau ». Notbr. ItU. e. O. I. Ji„«. r 1J»7. Scckau 
IV. Jänner ItOI, OS» 4. T>«etr. ISiiO und Om 7. April lii'l, - Im AnliKe 
d»i Sttflo Kaan: «Hku • 1290, c O. 10 Al|W ItSI. Ri Uli 17. Xnbr. 1297 
and Kenn 3» Jänner IHM. — Eine Al.MIdung dleie. Siegelt btl Heaib al . r, 
Bea.nMir. diolc.inatleo-gineeW.glcu>. im». I. ub. XI. VIII. 

» Original im k. k. |. H.u.-H, f und Sta.l..rrhl. , — Abxbrlft » 
LandrulTlilr, Kr. IMI >. Ein bueliädlgl« . ilirlel .siag»l Im ~ 
LandeearchlT, Nr. MI» a. ddi.. Sckkao S. r>erl,r. IWt 

• Slai.ra. UadMnUv, Sr. I7W a im Original. 

XVII. 




DK . WILDONI; im gegitterten Sicgelfeldc zeigt sich 
ein aufrechtstehender, dreieckiger ausgebauchter Schild, 
dessen Ecken den Rand des Feldes berühren, im Schilde 
das Sceblntt, welches mit seiner aufwärts gerichteten 
Spitze den oberen Schi Idesrand tangirt. (Fig. 10.) 

Von Hartnid's eben benanntem Bruder Ulrich blieb 
uns ein Siegel an der Urkunde ddo. 1. October 12X2" 
erhalten, kraft welcher die Exceutorcn der letztwilligen 
Anordnung Heinrich's von Erenvels, unter ihnen Ulrich 
von Wildon, dem Fraucnkloster Göss benannte Güter 
ausweisen. Das Siegel Ulrich's ist eigenthümlieh, leider 
nicht scharf ausgeprägt, es hat die lapidare Legende: 
+ SIGIL . VLRICI . Dtf . WILDON ITT . DTTPIKttRI STI, 
dann im gegitterten , überdies in den Zwischenräumen 
durch Punkte bezeichneten Siegclfelde eine Menschen- 
gestalt auf einer Bnnk sitzend , mit nach beiden Seiten 
ausgestreckten Armen; in der rechten Hand hält sie 
einen Helm mit Heluizier — 2 Geweihe (?) oder wohl 
richtiger den Wildoner Federnschmuck — in der lin- 
ken einen gerade aufgestellten dreieckigen Schild, 
dessen Zeichen nicht mehr zu erkennen, wahrscheinlich 
aber aus dem Sccblatte bestanden hat ; auf der Bank 
ist zu beiden Seiten der sitzenden Person ein Secblatt 
mit der Spitze nach abwärts zu sehen. (Fig. IL) 

Hartnid's Vetter Lcutold, welcher sich, wie wir 
seh« n oben sahen, nach seiner Burg von Dirnstain 
nannte, führte in sieben Urkunden" ein rundes, etwa 
thalergrosses Siegel mit lapidarer Umschrift : + . S. LIV- 
TOLDI . D« . WILDOMÄ., im Mittelfelde mit den 
Ecken den Linienrand tnngirend ein aufrecht stehender 
dreieckiger , durch eine Linicngitterung bezeichneter 
Schild, in welchem ein mit der Spitze zusammenfassen- 
des, abwärts gekehrtes Blatt mit verziertem Ausschnitte 
am oberen Theile zu sehen ist. (Fte. 12.) 

Schliesslich ist noch des Siegels zu gedenken, 
dessen eine Margaretha, Witwe Ulrich's v. Eppenstein 
und Tochter des Wülfiug und der Dicmud von Trewen- 
stein, sonach Enkelin Ulrich's von Liechtenstein, in vier 
Stiftbriefen zu Gunsten von Klöstern " sich bedient, 
welche darin (viereckig, der Schriftrand beiderseits von 
einer Perlenlinie umgeben, im Siegelfelde ein Christus- 
kopf) die Umschrift führt : S . A\ARG7\RttT« . D . 
WH-DONI7?. (Fig. 13.) Es bietet einige Schwierigkeiten, 
zu erklären, warum Margaretha sich den Nanieu Wildon 
beilegen durfte; gehörte etwa ihr Gatte dem Stamme 
der Wildoner an, hatte ja doch Herrand v. Wildon im 
Jahre 127'i die Burg Eppenstein bezwungen, oder war 
Margaretha vor ihrer Verehelichung mit dem Eppenstein 
schon einmal mit einem Wildon Witwe geworden? •» 
Fragen , welche zu beantworten dem Forscher Uberlas- 
sen sei, der sich einst mit der Genealogie und Geschichte 
dieses glänzenden Geschlechtes befassen wird. 

" Stelurm. L«nd«»artlil> , Nr. Iii». Orlslaal mit 5 Mvgrl». 
:I dd* Uuldelnaorf, '/y IlKl-r. I29U, I.eulnid r. I». eut.agt au tlutieten 
da» Mag. Halnrlcli vi.t» Uu*m< alias aalnan Ua<bUii au ,1er Klrv'h« St. Jacot. 
bei I I- rcneteln und da» t-Hlern di-r Söbne fiua» Ili-rrxt VVlliiiar. Original im 
k. ki « Uaat-liof. Und Slaabarrftl«, — <ld,,. ID. Oituber 119a, dar !,«r«lla 
erwähnte Tauaehl.rlef (Nnta 22.1 mit K5=.lf Anrecht; — ddo Judenl.urg 4 Mai 
1299, Lealold t. 1>. räumt iclnum Oheime 1'rti.dTlrh »t.n StahnaLer« da, Vor- 
kaufmeht für teln Schlote Iii«rvn»tela «In. welche l/rkumW iga Vi.lUug dei 
Tauichea mir Arntelr in Frage «fallt- Original »telerm. LaudcaarrhlT Nr. 15N2. 
EMIlch vier l/rkaadcn d-eacll-ea, Srbankunca- Tausch- und andere Verlriato 
aill item SURu St- l.tml.rtiht enlbalKii-i. ,ido. 2. Jud IS87, — Noumarkl 
U Juli IMS, — Lauanita I». A|>rll 129v, — liiirrnatain Jl. Decetabar ItH, 
»äramllkhc Orlglr,alt' rfaa Stlftaereliive« au .St. I.ambrt'cbt. 

" ddn. t.öa» 1. Sai.i, llut, — tili»« 4 April IMd, — <•■ O, 1. N«»lir. 1JI«, 
aad Orai t> {!) r'fbr. 1»«. .«uioilLlrb aialarm. Laudatarrhlv Original 

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CCXVI 



Es geht sonach aus dieser Darstellung klärlich 
hervor, das» bei der Mannigfaltigkeit der Formen, 
welche die Wildoner ihren Siegeln gaben, sie doch, die 
eine Ausnahme abgerechnet , in den Sebildcsn'gurcn 
Übereinstimmen, fernere das von Manesse und, auf die- 
sem gestUt/.t, späterhin von v. d. Hagen den Wildonern 
beigelegte Wappen diesem Gcschlechte nicht angehört. 

L. Ber k/t- Widmamt etter. 

Zur Kunde der St Steph&nskirche in Wien. 

(MU 1 MlMtoMJ 

Unter den Besonderheiten der inneren Einrichtung 
des Wiener Münsters nimmt jene kleine Einpure, die 
sich zunächst des Quertractes in dessen linkem Seiten- 
schiffe ober dem .St. Peter- und Pauls -Altar befindet, 
die Aufmerksamkeit des Beschauers in hohem Grade 
in Anspruch. Die ursprüngliche Bestimmung dieser 
Empore war, als Träger einer Orgel zu dienen. In frü- 
herer Zeit waren drei solehc Instrumente aufgestellt, 
nämlich ausser der auf diesem L'hörlcin noch eine 
auf jener Ausbaute zunächst der unteren Sacristei, 
welche Orgel hauptsächlich fllr den Pfarrgottesdienst 
gedient haben mochte, und Überdies die grosse Orgel, 
die noch heute, obwohl selten im Gebrauche ist, auf 
der steinernen Haupt-Empore nu der unteren Seite der 
Kirche. Über das Alter der ersteren Orgel bringen 
Tilmez fp. 123) und Ogcsser (p. 24» zwar Nach- 
richten, doch sind sie nichts weniger als verlässlich. 




Beide kleinen Orgeln sind verschwunden und nur Stellen 
am Gemäuer lassen die Art des Orgclanfbaues ver- 
rauthen : die betreffenden Orgelblthnen bleiben unbenutzt 
und sind insofern bedeutungslos geworden, was jeden- 
falls auch für den Gesammtcindruck des Innern der 
Kirche abträglich wurde; datlir hat man eine andere 
Orgel auf der zu Anfang des XVIII. Jahrhunderts errich- 
teten nichts weniger als passenden und schönen Musik- 
tribline zwischen dem Haupt- und linken Seiten-Chor 
aufgestellt, welche Orgel gegenwärtig fast ausschliess- 
lich in Verwendung steht. 

Das Eingangs erwähnte f'hörlein, zu dem eine 
Schneekcnstiege unterhalb desselben , zunächst des 
Altars in der Mauerdicke des Halbthurmes und auch 
als zweite Stiege fllr diesen dienend, emporfuhrt, ist 
eines der reizendsten Gebilde der gothischen Archi- 
tektur, wenn auch dessen Zustandekommen in keine 
frühere Zeit als die ersteren Jahre des XV. Jahrhun- 
derts zu setzen ist. Die Plattform, welche in ihrer hori- 
zontalen Ausdehnung der aus drei Blättern eines FUnf- 
passes mit zwischen denselben heraustretenden Ecken 
gebildeten Figur gleicht, wird durch eine mit zierlichem, 
die Merkmale der Spät-Gothik bereits zeigenden Blend- 
masswerk ausgestattete Brüstung umsäumt und ist mit 
einem nach abwärts gerichteten kammnrtigeu Ansatz 
geziert. Sie ruht auf einem, aus drei Seiten des Fünf- 
ecks constmirten , consolartig dargestellten, sich nach 
unten verjüngenden Mauerausatz , dessen drei nach 
verschiedenen Biehtungen gewendete Flächen mit sich 
durchkreuzenden Bippen gegliedert sind 
und dessen untersten coustruetiven Ab- 
sehluss ein in Spitze auslaufender Trag- 
stein bildet, auf dem sieh die ßippen 
vereineu, Der Tragsteiu gleicht vielen 
auf einander geschichteten, immer grös- 
ser werdenden polygonen Platten, davon 
eine Uber Eck der anderen liegt. In der 
halben Höhe des f'hor-Untersaizes ist ein 
Schildlein mit einem Monogramme ange- 



Den deeorativen Absehluss der t'on- 
solc und gleichsam den letzten Träger 
des Chürleins vorstellend, bildet ein von 
sehmalen Leisten umrahmtes, in hoch- 
erhabener Arbeit ausgeführtes fast lebeus- 
grosses Brustbild eines nlten Mannes, der 
in der rechten Hand ein Senkblei, in der 
linken das Winkelmass hält. Das geist- 
reiche, durch kräftige Züge gehobene 
Antlitz, zu dessen beiden Seiten lange 
etwas gelockte Haare herabfallen, ist mit 
einer Mutze bedeckt. Der Hals ist frei, 
die Brust mit einer SchuUrwestc verhüllt. 
Uber die sich ein faltenreiches Oberge- 
wand mit umgeschlagenem breiten Kra- 
gen legt, das unterhalb der Brust Überein- 
ander geschlagen ist. 

Unter dem f'hörlein sieht man noch 
die Beste alter Wandmalerei, vorstellend 
ein vielmals verschlungenes mit den ge- 
schlitzten Enden flatterndes Spruchband, 
darauf die Buchstaben M. A. P. 1313. 

Die Frage, wen wohl das Brustbild 
vorstellen mag, liegt nahe, und doch ist 



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CCXVII 



I 



sie beim Mangel aller nrknndliehen Nachrichten recht 
schwer , ja mit voller Sicherheit noch nicht zu beant- 
worten. Wenn wir die Beschreibungen und Schriften 
Ober die Geschichte der Stepbnnskirehc durchblättern, 
finden wir in diesem Punkte sehr divergirende Ansich- 
ten, von denen einige im Nachfolgenden erwähnt seien. 
Wir wollen Keiffcnstuel, Tilmez, Leopold Fischer Uber- 
gehen und gleich mit Ogcsser beginnen. Derselbe 
(p. 10) zweifelt nicht, dass daB BildnisB sich auf Meister 
Anton Pilgrnm beziehe und glaubt, das Pilgram so gut 
1313, wie 1359 an der Kirche gearbeitet habe; doch 
Ittugnet er nicht, das« die Malerei keine ursprungliche 
ist, es durfte vielmehr im Jahre 1617, als man die 
Kirche mit dnnkler Farbe Überstrich, die schon bestan- 
dene alte Malerei nnr erneuert worden sein, wobei man 
statt der früher römischen Ziffern die gegenwärtigen 
ausführte. 

Die Annahme , dass dieses Brustbild, sowie jenes 
am Kanzclfusse, Portraite des Baumeisters Pilgram aus 
BrUnn seien, haben Lichnovsky, Geussau und deren 
zahlreiche Nachschrcibcr ohne Bcdeukcn nachgebetet, 
ja selbst Tschischkn bekannte sich in der ersten Be- 
schreibung des Wiener Domes (1823) dazu. Priniis- 
scr, der ursprünglich dieselbe Meinung hatte, begann 
spater an der Verlässlichkcit dieser Angabc zu zweifeln 
und veröffentlichte dessbalb seine Bedenken in des 
Freiherrn v. Hormayr Geschichte Wiens 1824, II. J. 
B. I. 128. 

Tschischka, der sich in seiner Beschreibung der 
Metropolitaiikirche von St. Stephan (1843) nicht be- 
strebte, ein so ehrwürdiges Alter für einzelne Baulich- 
keiten der Stephanskirche vorzubringen, setzt die Thä- 
tigkeit Pilgram's nahezu richtig in den Beginn des XVI. 
Jahrhunderts, indem er bemerkt, dass Auton Pilgram 
Baumeister bei St. Stephan um 1506 — 1511 war und 
an dem Baue des unvollendet gebliebenen Thurmes 
theilnahm. Was den Orgelfuss betrifft, so steht der- 
selbe, wie jedem Hauverständigen von selbst einleuch- 
tet , mit dem von Pnchsbaum begonnenen , aber nnaus- 
gebaut gebliebenen Thnrme durch eine gemeinschaft- 
liche Stiege derart in Verbindung, dass er nur mit 
diesem gleichzeitig und zwar zwischen den Jahren 1450 
nnd 1454 entstanden sein kann. Dass beide Büsten 
Hannscn Pnchsbaum vorstellen, darf demnach um so 
unbedenklicher angenommen werden, als auch diesel- 
ben das gleiche Monogramm an sich tragen, welches 
sich in den Wiener Baumeister-Tafeln findet, wo der 
Name Puchsbaum in Nussbanm entstellt erscheint. Die 
Büste unter der Kanzel zeigt ihn als Mann von ungefähr 
50 Jahren, jene unterm Orgelchore als einen Greis von 
60 Jahren, was mit dem Leben und Wirken dieses 
Meisters ganz im Einklänge steht , da Puchsbaum 
64 Jahre alt im Jahre 1454 starb. Wahrscheinlich ver- 
fertigten nach Tschiscbka's Meinung Andreas Ornb- 
ner und Peter von Nürnberg, Steinmetze, die an der 
Kanzel arbeiteten, diese beiden herrlichen Brustbilder. 

Ganz andere, und mit Rücksicht auf den architek- 
tonischen Charakter des Werkes viel wahrscheinlichere 
Mittheilungen bringt Pcrger in seiner Beschreibung 
des Domes von St. Stephan zu Wien (1854). Er sieht 
von Meister Pnchsbaum ganz ab und erwähnt jenes zu 
Ende des XV. Jahrhunderts bestandenen Werkstreites, 
der, mit dem Meister Pilgram in Verbindung gebracht, 
zu allerlei mehr oder minder poetisch behandelten 



Domsngen Anlass gab. Um 1495 erscheint im Wiener 
Gewährbnch ein Georg Oxl (Ochsel) als Parlir zu 
St. Stephan benannt nnd wird derselbe in der über 
diesen Werkstreit noch erhaltenen Klageschrift ein 
mehrjähriger Banmeistcr am Dome genannt. Ochsel 
arbeitete an diesem Orgelfnsse und wurde, als kaum 
damit bis zur Hälfte fertig, davon unerwartet durch 
Meister Anton Pilgram aus Brünn verdrängt. Dieser 
Streit , der keineswegs zur Ehre Pilgram's gereicht, 
dauerte viele Jahre und scheint endlich zu Ungunsten 
Öchscl's geendet zn haben. Um 1510 erscheint Ochsel 
in den Urkunden nnr mehr als Mitbürger von Wien 
benannt, während Pilgram schon 1506 in den Stadt- 
urkunden als Baumeister zu St. Stephan nnd um 1511 
auch als solcher in den Baumeistertafeln bezeichnet wird. 
Pilgrnm setzte den Hau des Orgelfusses an der Stelle, 
wo sich sein Monogramm befindet fort bis zur Vollen- 
dung. Das Brustbihl unterm Tragstein wird als jenes 
des alten Meisters Ochsel bezeichnet. So Perger, dem 
auch Karl Weiss, der verdienstvolle Redacteur unserer 
Zeitschrift während, der ersten acht Jahn- ihres Erschei- 
nens, in seiner Geschichte Wiens (1872) beistimmt. 

Das gemalte Spruchband könnte vielleicht damit 
zu erklären sein, dass man zum Bildniss des Meisters 
Ochsel als des erstell Leiters am Orgclchorbauc auch 
die Namenszüge des Vollenders und des Jahres der 
Vollendung beisetzte. Bei der bekannten im Jahre 1617 
vorgenommenen tndelnswerthen Bestreichung des Inne- 
ren der Kirche mit schwärzlicher Farbe dürfte das 
Spruchband renovirt worden sein, wobei dem restau- 
rirenden Maler, obgleich er die Buchstaben M.(eister) 
A.(nton) P.(ilgram) richtig erneuerte, der Irrthum unter- 
laufen ist, uic wahrscheinliche Zeit der Vollendung des 
Chürleius mit 1513 oder 1515 auf 1313 zurückdatirt 
zu haben. Dr. K. Lind. 

Aus Heiligenkreuz in Eieder-Österreich. 

Seit Jahren hat jeder Kunstkenner, der die Kirche 
von Heiligenkrenz betreten, den Wunsch ausgesprochen, 
es möge dieses grossartige Bauwerk von dem sich darin 
breitmachenden Beiwerk (dem allznweit in das Schiff 
vorspringenden Musikchor , der dicken Tünche , den 
Zopfaltären etc.) befreit und in die alte harmonische 
Schönheit zurückversetzt werden. Wer die Schicksale 
dieses Baues kennt, wundert sich, dass noch so viel 
Reste alter Schönheit vorhanden: besonders aber ist 
der Abt Clemens Schäffer (1658—1693) nicht genug zu 
preisen, der seiner Zeit weit vorausgeeilt war, wenig- 
stens im Anerkennen alter vaterländischer Rauhcrrlicli- 
keit. Was haben andere Kirchen unter der Harbarei der 
Baumeister ans der Zopfzeit gelitten! Als Clemens im 
Deeember 1683 sein geliebtes Stift, das von den Türken 
zerstört worden war, nach bangem Herumirren wie- 
dersah, war die Kirche eine öde Ruine: leergebrannt 
starrten die Manern zum Himmel ; Orgel, Kanzel, Chor 
verbrannt, die Altäre zerstört, die Statuen verstümmelt, 
viele Gräber geöffnet, die Grabsteine zerbrochen. Bis 
die Kirche in Stand gesetzt war, diente zunächst der 
Capitelsaal (bis 24. Deeember 1684) nnd dann das 
Rcfectorinm als Gotteshaus. Man ging mit der Restauri- 
rung nicht sehr gründlich vor: Clemens mochte denken, 
dass auch die kommenden Generationen am Ausbaue 
fortnrbeiten sollten. Diese aber trugen nur den Geist 

ee* 



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CCXVIII 



ihrer Zeit in die Kirche, sorgten für die Ausschmückung, 
vergaben aber der Schaden, die unter der Tünche, und 
der .Schuttlasten, die auf dem Kirchenboden Bich dem 
oberflächlich betrachtenden Auge entzogen. Wohl 
wurden in unserer Zeit die Gewölbe etwas entlastet, 
viele Fuhren Schult fortgeschafft, aber die Last hatte 
doch die Mancrn des Hauptschiffes ans dem Mittel 
weichen lassen und im Jahre 1*G1 sah der Schreiber 
dieses, dass eine dieser mächtigen romanischen Gurten 

im Querschnitte so aussah : . Zudem waren in die 

Sprünge und Fugen der Gurten Eisen- und Holzkeile 
eingeklemmt, die in nasser Jahreszeit anschwollen. Der 
jetzige hochwtlrdigste Herr Abt Edmund unternahm die 
Heslrturirnug des romanischen Thciles : das Portal 
wurde freigelegt (10. »Sept. 1^61), denn breite weit- 
vorragende Stufen bedeckten den unteren Theil des- 
selben ; noch im August desselben Jahres wurden die 
Gewölbegurten theilweise neu gemacht, Eisengesperre 
eingezogen, um dem Auseinanderweichen der Mauern 
ein Ende zu machen, die Gewölbe frisch gemauert, die 
Wände und Pfeiler von der Tünche betreit, endlich auch 
wo es nöt big war, Quadern eingesetzt. Das war 18ti2. 
Als später die Fenstergewände neu gemacht wurden, 
vergrösserte man die romanischen Fenster, um mehr 
Licht in das Schiff zu lassen (ein gewiss verzeihlicher 
Fehler). Auch die Aussensciten des erhöhten Mittelschif- 
fes wurden entsprechend hergestellt. Längere Zeit ruhte 
diese Angelegenheit und als man vor vier Jahren im 
ehemaligen romanischen Querschiffe an der Nordseite 
die Mauer untersuchte , kam eine alte edelgeformte 
Thür zum Vorschein, die einst zum Karner geführt hatte. 
Bekanntlich lehnte sich das Gebeinhaus, erbaut TOB 
Friedrich II. dem Steitbnren, an die Nordseite der jetzi- 
gen gothischen Hallenkirche. Die Mauer zeigte nicht 
mehr den regelmässigen Quaderbau, sondern bestand 
aus unregelmässigen Steinen, die mit Mörtel verputzt 
waren. 

Am 22. November 1*71 wurde der erste Altar, 
der an die Nordwand der gothischen Halle sich anlehnte, 
abgetragen ; die Wand war hinter demselben sehr uass. 
und man musste sich eutschliesseu , wollte man die 
Kirche trocken legen , das ganze Mauerwerk der Halle 
mit Quadern herzustellen. Als die Altäre entfernt waren, 
kamen Nischen in den Wänden zum Vorsehein, die im 
ganzen auf zwei Bauzeiten sich mögen zurückführen 
lassen. Eine derselben, in der Ostwand, hat auf ihrem 
Hoden zwei Ausgiisslöcher mit zugehörigen Mulden, 
diente also gewiss als Sacrarinm. An den meisten sind 
Spuren eines ehemaligen Verschlusses erkennbar. Ihre 
Masse sind nicht völlig gleich: eine unter ihnen ist 
Uli Ctm. hoch, 70 Ctm. breit, 57 Ctm. tief; zierliches 
aber einfaches Masswerk umrahmt dieselben. Um die 
Gerüste aufzurichten, wurde das Pflaster au einigen 
Stellen ausgehoben ; hiehei zeigte es sich , dass an der 
Nordost-Ecke das alte Pavimcnt gerade um einen Schuh 
tiefer lag und dass es, nach den Kesten zu urtheilcn, sehr 
schön gewesen sein muss. Es mag aus braunen und 
schwarzen Backsteinvierecken, deren Grundlinie 31 Ctm. 
war, bestanden haben; rotligebranntc Vier- und Drei- 
ecke , rothe und schwarze Streifen und Herzen bildeten 
die Elemente der alten Muster, die aller Wahrschein- 
lichkeit nach bei den Altären in ausgesprochener Weise 
Teppiche imitirten. Ein grösseres aber viel reicheres 
Stück solcher Mosaik, aus gothisch geformten Elemen- 



ten bestehend, liegt ausserhalb der oben beschriebenen, 
zum Karner führenden Thttre. Im heurigen Jahre wurde 
die ganze nördliche und das anstossende Drittel der 
östlichen Wand restanrirt und haben Kenner diese 
Arbeit als gelungen erklärt, was von der Herstellung 
des romanischen Theiles nicht durchweg gesagt werden 
darf. Selbstverständlich wurden die Bauglieder (z. B. 
Pfcileransätze) ergänzt, welche einst verstümmelt oder 
abgeschlagen worden waren, um den Zopfaltäreu Raum 
zu schaffen. 

Am 21. Juni 1. J. besichtigte auf den Wunsch der 
Stiftsvorstände der Herr Oberbaurath Schmidt diese 
Arbeiten , gab beaehtenswerthe Winke und Aufträge 
und drückte seine Freude aus, an diesem herrlichen 
C'istercienser-Bau mit Rath und That mitarbeiten zu 
können. Denn fast unabsehbar viel ist noch zu thun. 

Das riesenhafte Mittclfenster war, ich weiss nicht, 
wann? vermauert worden, vielleicht weil es gar zu 
schadhaft war, wahrscheinlich aber auch, weil man eine 
Stütze für den zopfigen Hochaltar brauchte. Es soll nun 
bald geöffnet werden; schon im nächsten Jahre wird 
eine bedeutende Menge farbigen Lichtes durch dasselbe 
in die Kirche dringen ; den Plan für das ganze Fenster, 
natürlich mit gewissenhafter Benützuug der nun zu Tage 
tretenden Beste des alten Steinwerkes, hat der Herr 
Oberbaurath schon vorgelegt. Es versteht sich, dass 
ein Glasgeniälde im Style der alten, an den anderen 
Fenstern noch erhaltenen Teppichmuster dieses Fenster 
zieren soll. 

Die Bichligstellung, Completirung und Reinigung 
der ebenberUhrten allen Glasfenster hat der Glasmaler 
Herr Friedrich Walzer, der langjährige Familiaris des 
Hauses und tüchtige Restaurator der im Stifte an vielen 
Orten befindlichen Glasmalereien, in der Hand. Natür- 
lich fällt auch das zu uuterst eingesetzte Mauerwerk, 
das bisher den Raum für die Glastafeln verkleinerte. 
Da man aber jetzt nicht in der Lage ist, die prachtvol- 
len Dessins durch die ganze Höhe der Fenster, die nun 
viel grösser werden, herabzuführen, werden vorerst matt- 
geschliffene weisse Gläser das Fehlende ersetzeu. Das 
Wiederherstellen der alten Gläser ist eine ganz bedeu- 
tende Arbeit ; im gothischen Theile muss — noch zeigen 
die Steine Spuren davon, daB Feuer des Türken schreck- 
lich gewüthet habeu und ein Wunder ist es zu nennen, 
dass noch soviel übrig ist; erbsengrossc Klumpen ge- 
schmolzenes Blei und Zinn sind au den Fenstertafeln 
zu finden. Rauch, Patina, Weihrauch und zuletzt noch 
eine Schicht Firaiss, welche ein restaurirender, viel- 
verwirrender GlaBermeister vor mehr als dreissig Jahren 
darauf gelegt hatte : all diese Schichten hat das Lieht 
zu durchdringen; diesen Schmutz entfernt Herr Walzer 
mit grosser Vorsicht und so haben wir die Freude, 
heute nm 7. November schon ein solch restaurirtes Glas- 
fenster in der Nordostecke der Halle prangen zu sehen 
in einer Farbenpracht, wie es etwa vor mehreren Jahr- 
hunderten anBsah. Wie rein und zierlich nun das Mass- 
werk dasteht! Man freut sich des wie neu aussehenden 
schmucken Fensters, und die geschäftige Phantasie malt 
schon das Bild des herrlich - würdigen Kireheninneren 
aus, wenn einmal nicht Wand und Fenster allein in 
voller Pracht dastehen, sondern Altäre, Kanzel, Orgel, 
Priesterchor, PrcBbyteriumabschluss ein einheitliches, 
künstlerisch vollendetes Ganze bilden werden, dem 
Allerhöchsten ein würdevolles Müuster, dem in der 



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CCXIX 



Baukunst denkwürdigen Orden ein bleibendes Denkmal, 
dem Vatcrlandc eine wiederauflebende herrliche Zier. 
Wäre doch diese Zeit schon da! Da» letzte, aber auch 
schwierigste Werk der Restauration dürfte wohl die 
merkwürdige und so eigentümliche Facadc sein. 

Prof. W. Unmtam. 

Aus St Paul in Kärnten. 

Im Stiftssehatze von St. Paul in Kärnten wird 
unter andern ein mit Edelsteinen besiietes »/t Ellen 
hohes Kreuz (als Fassung einer Kreuz -Reliquie) auf- 
bewahrt. Dr. Sebastian Brunne r bei seiner jüngsten 
Anwesenheit in 8t. Raul, durch die Gemmen und aus 
Edelstein geschnittene Scarabäen, welche darauf als 
Verzierungen angebracht sind , wie aus einer Zeile 
einer eingravirten Inschrift auf das hohe Alter (aus 
dem X. Jahrhundert) dieses Kuustschatzes aufmerksam 
gemacht, begann Nachforschungen daritber anzustellen, 
und constatirte, dass dieser Gegenstand derselbe sei, 
dessen schon der alte Chronist von St. Blasien erwähnt, 
und welchen Gerbert in seiner Historin nigrae syivae 
als ein Geschenk der Königin Adelheid und als ein 
höchst kostbares Kleinod beschreibt. Zugleich machte 
Dr. Brunne r auf zwei für die Kunstgeschichte sehr 
werthvolle Crucifixe zu St. Raul aus derselben Zeit 
aufmerksam. Diese sind aus Kupfer getrieben, dns eine 
noch sehr gut erhalten und emaillirt. Wir hoffen, dem- 
nächst Gelegenheit zu finden, auf diese Kunstwerke 
näher eingehen zu können. L. 

Bücherschau. 

I. Schlesiens Kunstleben im XV. bis XVIII. 
Jahrhundert. 

Wir haben unser« Lesern im Jahrgange 1*71, 
S. CLXVIII ff. bereits Uber den Inhalt der vorzügli- 
chen Rublication des Breslaucr Vereines für Geschichte 
der bildenden Kttnste Mittheilung gemacht, worin der 
geschätzte Mitarbeiter dieser Blätter, Herr Professor 
Dr. Alwin Schultz, uus ein so Übersichtliches Bild 
von Schlesiens Kunstlebeu im früheren Mittelalter ent- 
wirft. Vor kurzem ist ein zweites Heft erschienen nnter 
dem obbezcicbnctcn Titel. Auch hier wird eine Flllie 
neuen und höchst interessanten Matcrialcs geboten, so 
dass wir in Fortsetzung unseres ersten Referates auch 
Uber diese Ergäuzuug der Publicntiou mittheilen zu 

Der Anfang des XV. Jahrhunderts, mit dessen 
Kunstwerken der Verfasser die Schrift eröffnet, war 
durch innere Unruhen der Zllnfte uud der rnthstähigen 
Geschlechter, durch die langwierigen Kriege gegen die 
Polen, Hussiten und König Podiebrad bis zur Huldigung 
l'nrvin's, eine den Künsten ungünstige Periode. Von 
diesem Zeitpunkte an mehrte sich dann allerdings der 
Wohlstand der Stadt Breslau, wuchsen Handel und 
Verkehr, und fand Liebe ftlr die Studien und Künste 
Eingang, indessen entstanden doch keine nennenswer- 
ten Bauten, man musste vorerst den ungeheuren Schaden 
des Krieges weitum im Lande gutmachen, und kam 
Uber die Herstellungen der zerstörten Kirchen nicht viel 
hinaus. Neubauten wurden in dieser Epoche grössten- 
teils nur mehr von Ziegeln, seltener von Bruchsteinen, 



von Quadern aber gar nicht mehr aufgeführt. Zu den 
hervorragendsten Leistungen gehörte da« Sacrameuts- 
häuscheu in der Breslauer Elisabetbkirche, thurmartig 
gegen 50 Fuss hoch; der Künstler war der wahrschein- 
lich aus Liegnitz stammende Jodocus Tauchen, der 
im Auslande die Kunst gelernt hatte. Als Vorbild diente 
ihm ein älteres, von Meister Wolfgang von Wieu 1430 
in der Snmlkirclie errichtetes ähnliches Monument. 

Der Verfasser hat in seiner Doctorsdissertation 
1804: de Jodoco Tauchen über diesen Meister ausfuhrlich 
gehandelt. Derselbe erscheint schon 1451 in der Stadt 
nnd schliesst am 3. März 1453 den Vertrag Uber Errich- 
tung des SacramentshäuschcnB ab, welches in 3 Jahren 
für 500 Rh. Gulden vollendet wurde. Es ist ein sehr 
reich decorirter Bau, im Sechseck coustruiit, mit Bild- 
werken geschmückt und ursprünglich bemalt. 1403 
erbaute Tauchen den Chor der Sandkirche, 1400— 0!» 
die Capelle der Familie Doch/, in denselben Gottes- 
hause. Ncbstdem zeichnete er sich als ■ Krzarbeiter 
durch bronzene Grabplatten ans, die er fUr den Erzbi- 
schof von (Jncseu , Johann VI. u. a., nach Muster jetzt 
verlorner Grabdenkmäler im dortigen Dome, anfertigte. 
Er lebte noch 1405. Andere Meister waren damals: 
In Leuben Meister Leonhard Gogel (140* — 1521), in 
Breslau Hans Berthold, der die einzige damals neuge- 
grUndctc Kirche von St. Bernardin baute, der Rival 
Tauchen's, dessen Werk jedoch bald einstürzte , auch 
sehr wenig geschmackvoll verziert war; Meister Frnnzkc 
1450 an der Barbarak irchc, und 1405 — 07 am Dom 
beschäftigt; endlich Meister Frobel , welcher dem hohen 
Thurme der Elisabethkirchc die durchbrochene, nicht 
mehr erhaltene Pyramide aufsetzte. Der damals 2011 
Ellen hohe Bau wurde schon 1520 durch einen Sturm 
seiner Spitze beraubt. Der Verfasser findet als Resultat, 
dass im ganzen diese Periode nichts hervorragendes 
leistete und gegen die beiden vorhergegangenen Jahr- 
hunderte sehr zurücksteht. Ein einziges Monument, und 
zwar auf dem Gebiete der Profanbaukunst, zeichnet 
sich besonders aus und steht den trefflichsten Schöpfun- 
gen Heiner Gattung ebenbürtig znr Seite, das Breslauer 
Rathhaus, das der Verfasser im Verein mit Lüdccke 
bereits 1808 zum Gegenstand einer interessanten Publi- 
ca! km gemacht hat. Erst seit dem Jahre 1471 ging der 
Bau rascher von statten, es entstand das obere Geschoss, 
der grosse Flursaal, der Fürstensaal, die zierreichen 
Erkerthürme und dk obere Süd -Facadc. Alles prangt im 
grössten Reichthum der Decorntion mit Friesen, Wappen 
nnd figuralen Darstellungen. An den verschiedenen 
Tbcilcu des Gebäudes, namentlich an der Südfronte 
und den ThUrmen, hat man Gelegenheit, den Verfall 
de« gothischen Styl« deutlich zu beobachten, indem 
die Ornamentik hier noch geschmackvoll, dort immer 
überladener und krauser, endlich verworren und als 
Extrem selbst mager und arm an dem Westerker ge- 
worden ist. Die Zeit seiner Vollendung ist schon 
das Jahr 1504. Tafel I., welche die um 1460 erbaute 
Estrade des Mittelcrkerthnrmes darstellt, zeigt bereits 
sehr manicrirte ausgeartete Formen. Der Verfasser 
weist auf die grosse Übereinstimmung vieler Partieen 
mit dem Prager Ratbhause hin und weist jenem in 
Breslau neben dem Braunschweiger die erste Stelle 
unter allen in Deutschland erhaltenen an. Damals lebte 
ein kuusterfahrener und wahrscheinlich selbst als 
BaukUnstler thätiger Rathsherr in Breslau, Nicolau« 



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ccxx 



Tinczmann, von dem die Chronik bemerkt, er sei 
gewesen honio sapiens, architcrttirae inventivus et 
perspieuus, solennes straetnras in hnc eiritate confeeit. 
Fr leitete den Ban des mit Seulpturen gezierten Nico- 
laichorcs, 1470, und starb 14*5. Dank dem regen 
Handelsverkehr zwischen Schlesien und den Oslsee- 
stttdten wurde zu jener Zeit ein Meister aus Hirschberg, 
Martin Frey, mit Empfehlung des Hirsehberger Käthes 
als Architekt zum Hau der Danzinger Marienkirche 
gesendet, 14711. Finige Privnthüuser in Breslau , so wie 
Theile der Ruine Kienast, das feste Hans zn Wohnwitz 
bei Lissa besitzen gleichfalls architektonische Zierden 
aus dieser Zeit. Von der 1475 constituirten Zunft der 
Maurer und Steinmetzer in Breslau ist ein Zusam- 
menhang mit den übrigen Bauhütten Deutschlands nicht 
nachweisbar. 

Sehr thütig waren die Meister in den Klein- 
künsten. Zu den besseren Wi rken derselben gehört 
der bronzene TanfkeBsel der Elisabethkirche (um 1500), 
mit Reliefs und guten Ornamenten ; die durchbrochen 
gearbeiteten Lehnen der Chorstllhlc daselbst; Sehlos- 
»erarbeiten am Hathhaus und an der Magdalenenkirche ; 
ein sehr schöner Thürbeschlag in Kothsürben. Dann 
beaehtenswerthe (ioldschmicdwerke: ein tabcrnakcl- 
förmiges Ostensorium in Ratibor (14*J5), prachtvolle 
Kirchcnparamente , Zinngefiisse etc. 

Von geringerer Bedeutung sind die Stein-Sculp- 
turen des XV. Jahrhunderts. Es finden sich noch 
ziemlieh viele, meist deeorative Arbeiten, wie die 
Tympanon-Sculpturcn in der Jnnkerstrasse in Breslau, 
welche an Tauchen's Arbeiten erinnern, die Seulpturen 
des Ruthhauses , worunter Scenen ans der Thierfnbel, 
und am ehemaligen Nicolai-Thor. Nebstdcm werden 
noch einzelne Figuren an Gebäude-Ecken nnd Kirchen 
angeführt, um das Ende des Jahrhunderts, im gewöhn- 
lichen Werthe solcher gestifteter Bildwerke , vollendet. 
Von den schönsten Statuen des Landes, St. Katharina, 
Maria und Nieolaus, ehemals am alten Oderthore in 
Glogau befindlieh, gibt die Tafel II. sehr gelungene 
photographische Abbildungen. Die Gestalten sind voll 
milden Ausdrucks in den Gesichtern und haben etwas 
anmuthig Lebendiges an sich. Auch diese Madonna 
reicht dem äusserst lieblichen Kinde eine Weintraube. 
(Siehe meinen Aufsatz, Jahrgang 1871 p. ;J3). Hieran 
reihen zahlreiche Grab-Momiuicntc. Das des Beter 
Jenkwitz (f 1488) in der Elisabethkirche erinnert in 
den Figuren an Schonganer und Dürer, also wohl an 
dessen frühere Manier, das architektonische Beiwerk 
zeigt schon reine Renaissanceformen. Die Verzierung 
eines andern Grabmales ist ganz in der Art gehalten, 
wie sie am Genter und am Zwickaner Altar (des Wohl- 
gemut!)) erscheint; jenes des S. Sauermann (fl507) 
wäre des Adam Kraft nicht unwürdig. Im Ganzen 
ergibt sich, dass die Künstler der zahlreichen Grah- 
mäler um den Beginn des XVI. Jahrhundert's auch in 
Schlesien für die figuralen Theile sieh an Typen der 
gleichzeitigen deutschen Meister, namentlich jener, 
deren Werke Kupferstich und Holzschnitt auch in diese 
Gegenden verbreitete, hielten, im Ornamente aber bereits 
vielfach italienische Einflüsse erfahren haben. Denk- 
mäler aus Erz kommen seltener vor, auch scheinen die 
Künstler gefehlt zn haben, denn Bischof Johann IV. 
licss sich das seine 1480 von Beter Viseherin Nürnberg 
arbeiten; auch dieses Werk ist in photographischer 



Abbildung beigegeben. Ganz im Renaissance-Styl aus- 
geführt, mit Anklängen an Dürer's Weise in der Dar- 
stellung des Landscliaftshintergrundes , ist jenes des 
Landeshauptmannes Monau (f 153t>) in der Elisabeth- 
kirche. 

Der Mangel an genügendem Sandstein und ande- 
rem Steinraaterial (die Marmorbrüehe seheinen erst seit 
dem XVII. Jahrhundert in Bau gekommen zu sein), 
brachte es mit sich, dass in Schlesien, vielleicht reich- 
licher als in einer andem Rrovinz, die Seulptur in Holz 
geübt wurde, und zwar wie Uberall nicht von den Stein- 
metzen, sondern von den Malern. Diese Mnlerinnnng 
erlangte, alR eine der ältesten, schon von Kaiser Wenzel 
131M> ihr Statut, obwohl liingst vor diesem Maler im 
Lande ansässig waren. Die zahlreichen Restaurationen 
an Kirchen nach den Hussitenkriegen gaben ihnen viel 
Beschäftigung, dem Verfasser sind Uber hundert Schnitz- 
alläre , und weit mehr noch von liolzfiguren bekannt. 
Unter die vorzüglichsten zahlen : der Marien-Altar der 
Breslauer Elisabethkirche aus der Mitte des XVI. Jahr- 
hunderts. Hier findet sich die seltene symbolische Dar- 
stellung des Engels Gabriel als Jäger des Einhornes, 
alle Gesiebter besitzen eine zarte Lieblichkeit. Nebst 
dem Altar von Zindel bei Brieg (1445) ist als Haupt- 
werk jener im Breslauer Museum zu nennen, er entstand 
um 1470 — 80 und ist von grosser Schönheit, welche die 
Arbeiten Veit Stoss's hinter sich lilsst. Von einem und 
demselben Meister stammen zwei prachtvolle Altäre der 
.Magdalenenkirche her, der eine aus dem Jahre 1508. 
Schultz schliesst seinen Bericht Uber die vielen Schnitz- 
altäre des Landes mit dem Urtheil , dass im Dresdner 
Altert hunis- Museum, in Köln, Augsburg, Kolniar keine 
besseren Seulpturen zu finden seien , dass die Veit 
Stoss'schen sie nicht erreichen, und ebenso die Altäre 
in Breisach und Freiburg; allein jene in Lübeck seien 
ihnen Uberlegen an Schönheit. 

In der Malerei dagegen konnte sich Schlesien 
keine bedeutende Stufe erringen. Wohl sind genug 
Malernamen und Malerwerke bekannt , von denen auch 
mehrere namhaft gemacht werden : Nieolaus Smid 
(1440 — 91), der in Liegnitz arbeitete, Paul Glaser, 
Caspar Fraucnstat, Jacob Reinhart u. a. , sämmtlich im 
XV., Anfang des XVI. Jahrhunderts, doch ist keiner 
der Meister speciell zu eharakterisiren. Selbst der 
Gesammtcharakter der Schule ist eine Mischung der 
mannigfaltigsten Berührungen von aussenher , doch 
Ubertrifft in den meisten Fällen die Composition die 
Ausführung, welche im Nackten und in den aufgesetzten 
Lichtern grosse Härten zeigt. Von den einzelnen Werken, 
die der Verfasser anführt, interessirt besonders ein 
Altarbild, ehemals in der Breslauer Barbarakirche von 
1447, das an die Kölner Schule gemahnt. Eine Reihe 
von Gemälden, die heute das Museum besitzt, sind von 
Einem Künstler gefertigt und verrathen Einfluss des 
Styles Martin Schongauer's. Andere sind heimischen 
Ursprung«, andere von der sächsischen Schule berührt, 
wie denn Kranach d. ä. und andere fremde Meister im 
Lande vertreten sind. Breslauer Maler dagegen ver- 
sorgten den Osten mit ihren Erzeugnissen , so nament- 
lich Polen. Von Wandmalereien erhielt sich äusserst 
wenig ans dieser Periode ; in der Sandkirche zn Breslan 
arbeiteten zwei Mitglieder des OrdcnsstandeB 14t>5; 
einiges ist am Dom und Rathhaus, besseres in Mollwitz 
nnd Gorkau (1524) zu finden. Noch schlimmer steht es 



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CCXXI 



mit Werken der Glasmalerei, wogegen an Miniaturen, 
besonders indcrBrcslauerStadt-Bibliothek ziemlich viel, 
wennauch wenig von künstlerischer Bedeutung, bewahrt 
wird. 

Der Verfasser geht nun auf die dem Mittelalter 
folgenden Zeiten Uber, indem er eine Motivirung für die 
Beschäftigung auch mit diesen vielfach unerfreulichen 
Perioden vorausschickt, die aber doch ebenso vom Stand- 
punkte des Forschers gewürdigt zu werden verdienen 
als frühere, die uns sympathischer sind, weil auch sie 
Entwicklungsstufen bezeichnen. Das XVI. Jahrhundert 
brachte Segen und Wohlstand Uber das schlesischc 
Land, die Verhältnisse des Handels, des Verkehres, der 
Industrien und des Unterrichtes waren nach Heilung 
aller Wunden, die die vorausgegangenen Kriege gesehla- 
gen hatten, in blühendem Zustande. Der Humanismus 
fand auch hier in weiten Kreisen, welche dann wieder 
mit seinen trefflichsten Vertretern an anderen Orten in 
Verbindung standen, Eingang, einzelne angesehene Fa- 
milien, in Breslau namentlich, traten für die Wissen- 
schaften und Künste als Förderer auf, sie sammelten 
Mannseripte, Bllcher, Statuen, Münzen etc. und legten 
so zum Theil ilie Grundlage der jetzigen Bibliotheken 
und Sammlungen. Die bildende Kunst, welche diesen 
Bestrebungen zeitgenössisch gewesen , war jene der 
Renaissance und zwar in der eigcnthümlichen Erschei- 
nung, welche die wälschc Weise allüberall auf dem 
Boden unseres Vaterlandes angenommen hat, ilie mit 
dem Namen der deutscheu Renaissance bezeichnet wird. 
Es ist sehr merkwürdig und nur durch die äusserst 
lebhaften Bezüge des schlesischen Verkehres zu Italien 
erklärbar, dass hier zu Lande die Einflüsse der Renais- 
sance sich in so frühen Spuren nachweisen lassen. Das 
älteste Beispiel ist ein, jedenfalls nicht spät nach 1-138 
gefertigtes Grnb-Monuinent der genannten Elisabeth- 
kirehc, welches bereits Renaissaneeformeu zeigt. Im 
Gebiete der Baukunst ist nebst kleineren Anfängen 
das Portal des Saeristei-Gebäudes am dortigen Dome, 
von 1517, mit seinem Araheskenschnuicke, koriuthisi- 
rendeu Capitälcn und Architraven , eines der ersten 
Werke ; ein Jahr darauf ist daselbst ein italienischer 
Maurer ansässig, es erfolgt der Bau des sogenannteu 
Leinwandhauses, in welchem noch der gothisehe neben 
dem neuen Styl zur Erscheinung kommt. In den zwan- 
ziger und dreissiger Jahren entstehen zahlreiche Wohn- 
häuser in derselben Stadt, zierlich mit italienischem Zin- 
nenwerk, Fenstern und Portalen ausgestattet. Seit 1510 
etwa wird das Renaissance - Ornament herrschend, das 
gothisehe weicht dagegen immer mehr zurück und hält 
sich nicht Uber die Mitte des Jahrhunderts. Figurale 
Sculpturen jedoch bewahren noch in dieser Zeit den Styl 
Schongauer's und der früheren Dllrer'schen Composi- 
tionen. Der Verfasser vergleicht diese Erscheinung des 
Auftretens italienischer Kunstformen in Schlesien mit 
dem in andern Theilen Deutschlands, und kommt zu 
dem Resultate, dass in Schlesien, Polen, Böhmen und 
Baiern die Renaissance zuerst eingedrungen sei und 
von hier sich weiter verbreitet habe. Dieser Ansieht 
widerspricht es nicht, wenn wir bemerken, dass z. B. 
in Österreich die Gotik sich tief ins XVI. Jahrhun- 
dert hinein frisch erhalten, Renaissance-Werke tauchen 
aber auch bei uns schon sehr zeitlich auf, wie ich 
denn zahlreiche Grabdenkmäler aus dem ersten Viertel 
namhaft machen könnte. 



Damals lebten unter dem Namen „die wälschen 
Maurer- 1 viele Baugewerksleute aus Italien in Breslau, 
sie waren auch für Schlesien die Lehrer des modernen 
Styles; eine Reihe von Bauten sind ihr Werk, so am 
Schlosse zu Töpliwoda bei Münsterberg, in Posen, in 
Breslau. Je weniger man Kirchen errichtete, um so 
reichlichere Beschäftigung erhielt die nun ganz dem 
Profnndienst zugewendete Kunst an Bauten fürstlicher 
Wohnungen und den Häusern reicher Städter. Die 
damaligen Fürsten des Landes bekundeten *ge Theil- 
nahme an der allgemein wach gewordenen Baulust, so 
Friedrieh II. von Liegnitz (1503 — 47), unter welchem die 
Erweiterungen des dortigen Schlosses mit einem schönen. 
sculptnrcngcschmUckten Portale entstanden , wie er 
auch jenes von Haynan umbauen Hess. Am meisten 
förderte Oeorg II. von Brieg die Architektur. In seiner 
Zeit eutstand das herrliche Schloss von Brieg, das im 
XVI II. Jahrhundert vom Feuer zerstört wurde; er hielt 
sich italienische Baumeister. Das auf Tafel IV. zum 
erstenmal reproducirte , noch erhaltene Portal zählt 
unzweifelhaft zu den vorzüglichsten Werken deutscher 
Renaissance, an Reinheit der Formen dem Heidelberger 
und dem Mainzer Schlosse ebenbürtig. Am Hofe dieses 
FUrsten lebte eiue ganze Colonie von italienischen und 
in ihrer Schule gebildeten Arbeitern, zu ihren Schö- 
pfungen gehört das Schloss in Oldau, zu Wohlau, zu 
Oels, das Gymnasium in Brieg, daselbst das mit Sculp- 
turen gezierte Oderthor. Später zu datiren sind die 
Schlossbauten von Bernstädt, von (Hätz, wo ein Deut- 
scher baute , Kiennst uud Kynau wurden theilweise 
verändert, Traehenberg, Puschkau, Gohlau u. a. neu 
errichtet etc. Der Thätigkeit dieser Fürsten, worunter 
besonders noch Karl II. zu nennen, folgten viele ade- 
lige Geschlechter nach. Au den Bauteil in den Städten 
erscheinen noch eine Zeitlang gothisehe Profile und 
Motive; deutsche Meister kommen seit 1580 immer häu- 
figer vor und entfalten eine ungemein reiche Phantasie 
und Gestaltungskraft in den Formen des neuen Styles. 
Besonders die Entwicklung des Giebelbaues gelangt zur 
reichsten Blüthe, das decorative ergeht sich in uner- 
schöpflich abwechselndem Fonuenspiele. Solche Pri- 
vatgebäude rindet man noch in Breslau erhalten, es 
reiht sieh daran das schöne Rathhaus in Neisse u. n. 
Häutig sind solche Bauten mit SgrafTiten-Sehmuek ver- 
sehen, wie das auch in Österreich und sonst au Werken 
des deutschwälschen Styles jener Epoche vielfach zu 
bemerken ist. Ganz eigenthUmlich ist die Anwendung 
dieses Schmuckes auf mehrere Fruehtspcicher, wahrlieh 
eine kunstbegeisterte Zeit , die selbst derartige Werke 
in das Bereich künstlerischer Ausstattung einbezog, 
während unsere noch oft genug Gebäude, die den 
höchsten geistigen Interessen dienen , im Cascrnenstyle 
aufrührt '. 

Beim Abtreten der italienischen Künstler vom 
Schauplatze der Architektur erscheinen immer häufiger 
niederländische Meister, daneben jedoch eine stattliche 
Schaar einheimischer. Damals entsteht die „tadellose" 
Spitze des Breslauer Rathhausthnrnics, 1558—59, von 
Andreas Stellauf. Niederländer sind häufig mit Befesti- 
gungsarbeiten betraut. Doch erfreute sieh des besten 
Rufes unter den Ingenieuren der Dauziger Stadlbau- 
meister Hans Schneider von Lindau, der das Sandthor 
errichtete, nachdem er 1591 in den Dienst der Stadt 
getreten. Er scheint Anhänger der Schule Vignola's 



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CCXXII 



gewesen zu »ein, an welche noch einige andere Arbeitet), 
Hans-Portale der Stadt, geraahnen. 

Wir gehen flüchtiger Uber die folgenden Perioden 
der schlesischcn Architektur hinweg. Nachdem anch 
hier der dreißigjährige Krieg die schwersten Wunden 
geschlagen hatte, erschien die Zeit des Pompes, der 
überladenen Pracht, der Jesnitcn-Styl. Die Katholischen 
banten zahlreiche prächtige, aber nicht sehr geschmack- 
volle Consfcuctionen, die nun Uberall im Lande zerstreut 
stehen, die Protestanten errichteten Holzkirchen, znm 
Thcil nach schwedischem Muster, ein in dieser späten 
Zeit interessanter Fall. Profan- Kanten entstehen sel- 
tener als kirchliche, gerade das umgekehrte Verhältnis« 
gegen die Zeit vor dem Kriege, die Mittel der Fürsten 
und der Bürger waren durch denselben arg mitgenom- 
menworden. Wallenstein wollte 1630 dasSagnncrSchloss 
aufs prächtigste umgestalten , indess crhjelt nur die 
Fucadc eine Verzierung; einiges geschah rn Glogau und 
Parchwitz 1658. Breslau erhielt im XVIII. Jahrhundert 
das schline Hatzfeld'schc Palais, den Kaufmanns-Zwin- 
ger und mehrere l*rivathäuser, mit .Stucco-Verzierungen, 
Reliefs, Medaillons etc. reich versehen. 

Von Werken der Kleinkünste sind u. a. treffliche 
Holz Mosaiken und Intarsien erhalten, Chorstühle in der 
Breslauer Magdalenenkirchc 157(5, jene von St. Vineenz 
ans dem XVII. Jahrhundert, Möbeltischlerei, Sehlosser- 
arbeiten , das schöne Tnufsteingitter der erstgenannten 
Kirche von Simon Lcubncr 1576, das Gehäuse des 
schönen Brunnens in Xeissc, 1686. Fein und reich 
decorirt sind ferner ilie Fenster- und Thürbeschläge im 
Breslauer Jesniten-Collegium. Das Museum besitzt zahl- 
reiche Arbeiten dieser Art, Candelaber, Wetterfähnchen, 
Gitter u. dgl. 

Wie auf dem Gebiete der Baukunst, nehmen auch 
in der Plastik die Italiener im XVI. Jahrhundert grossen 
Eintluss auf die sehlesische Production. Von Italienern 
scheinen die aus rothem Marmor gehauenen Grabdenk- 
mäler Bisehof Johannes V. Thnrso (t 1520) und des 
Heinrich Kybisch (1534 gefertigt) herzurühren. Das 
letztere ist ein Hauptwerk dieser Styl-Riehtung. Auch 
in der Plastik weichen die Italicner den Niederlän- 
dern. Hans Gruter aus Nymwegen arbeitet die Figuren 
des Kathhausthurmcs. Werke dieser Richtung sind der 
Taufstein der Magdalenenkirche, die Kanzel daselbst 
und viele Arbeiten für Grabmäler. Von diesen, meistens 
Porträttiguren darstellenden Epitaphien sind tausendc 
im Lande, selbst in Dorfkirchen anzutreffen. Ihre grosse 
Zahl lässt schliesscn, dass ganz gewöhnliche Stein- 
haner sich mit der Anfertigung beschäftigten ; ihre 
tüchtige Durchführung voll Lebenswahrheit und fleisaiger 
Behandlung der Details, macht sie zu sehr interessanten 
Kunstwerken , während sie auch vom Standpunkt der 
Culturgeschichte des XVI. Jahrhnnderts bedeutende 
Arbeiten sind. Die Gesichter sind oft bunt bemalt, Ver- 
zierungen durch Gold gehoben. Zu den vorzüglichsten 
Grabmälern dieses Gcnre's gehört das des Grafen 
Schaffgotsch in Greifenberg, 1546; die ganz polychro- 
mirten in Wederau, die Fürstengräber in Frankenstein, 
Oels und das vom Amsterdamer Gerhard Heinrich 
it 1616?) in Breslau vollendete grossartige Monument 
des Feldmarsehalls Melchior von Redern in der Stadt- 
kirche zu Böhmisch-Friedland. Von jener Zeit an sehen 
wir immer mehr Aufträge von grösserer Bedeutung an 
fremde Meister Ubergehen, an den Niederländer Adrian, 



de Vrics, an Matthias Rauchmflller und mehrere Italiener 
SchUler Bernini's. Einheimische KUnstler treten gegen 
diese Fremden auf dem Gebiet der Sculptur bedeutend 
zurück. 

Die Malerei hat noch weniger bedeutendes seit 
dem XVI. Jahrhundert geleistet. Der Verfasser kennt 
ausser einigen guten Porträts auf der Stadt-Bibliothek 
keine mehr als mittelmässigen Werke. An Malcmamen 
fehlt es zwar keineswegs, ihre Träger haben indess 
nur local geschichtliche Bedeutung. Michael Willmann 
(1629 — 1706), von seinen Zeitgenossen überschweng- 
lich gefeiert, ist ein bescheiden talentirtcr Nachahmer 
des Rubens ohne höhere Begabung; Strobcl, den Opitz 
besang, ein ziemlich gewöhnlicher Porträtmaler; einige 
Jesuiten beweisen sich auch hier als gewandte Deco- 
rateure; grössere Aufgaben fielen Fremden zu, HTM 
Mainardi, Scanzi n. a. 

Wir \-erdankcn der Schrift des Professors Schnitz 
reichliche Belehrung Uber die Knnstthätigkeit im schlesi- 
schen Lande, die gleich so vielem auf diesem Gebiete 
noch völlig unaufgeklärt geblieben war. Seine Dar- 
stellung gäbe dem Locnl-Forschcr mannigfache Gelegen- 
heit, zahlreiche Anhaltspunkte, von wo aus eingehende 
Untersuchungen angestellt werden können; der allge- 
meinen Geschichte der Kunst in Deutschland liefert 
sie einen werthvollen Stein zum Gesammtbane. Wir 
möchten derartige, den ganzen Stoff so klar übersichtlich 
zusammenfassende Arbeiten namentlich auch für die 
Kunst Niedcriisterreichs veranstaltet wissen. 

Albert llg. 

II. Die Darstellung des Abendmahls durch die byzan- 
tinische Kunst. 

Y«Q Dr. *.! : <r> Ulp*l». Seen»™ t.TJ. 

Im neuesten Heft der Zahn'schen Jahrbücher für 
Kunstwissenschaft nimmt der auch separat erschienene 
Aufsatz obigen Titels von Dr. Ed. Dobbcrt eine fUr 
die christliche Archäologie und Kunstwissenschaft ganz 
hervorragende Stelle ein und ich nehme keinen Anstand, 
diese Abhandlung für eine der gründlichsten und der 
Wissenschaft nützlichsten Arbeiten zu nennen. Der 
durch seine an Ort und Stelle erworbene Kenntnis« 
byzantinischer Kunstwerke vorzüglich zu solcher Auf- 
gabe berufene Verfasser hat die seit Jahren gesammelten 
Materialien byzantinischer Kunstgeschichte hier an einem 
Thema der christlichen ßildnerei entwickelt, welches 
auch in der abendländischen Kunst von hervorragender 
Bedeutung ist und wie bekannt durch den grossen 
Leonardo da Vinci seine sozusagen abschliessende Dar- 
stellung gefunden hat. Um die Darstellung des Abend- 
males reiht Dr. Dobbcrt seine eingehenden Studien 
Uber byzantinische Ikonographie und Kunst und versünmt 
es nicht, für seine Abhandlung die solide Grundlage in 
der Betrachtung der früh christlichen Denkmäler in den 
Wandgemälden der Cömeterien Roms und Alexandriens 
zu gewinnen und von dieser vorerst symbolischen Dar- 
stellungsweise zur eigentlichen wirklichen Vorstellung 
des Abcndmnlc» vorwärtszuschreiten. Hier tritt nun 
die byzantinische Auffassung durch die in der Liturgie 
morivirtc ceremonielle Darstellung dieses Gegen- 
standes als eines eminent kirchlichen, in derCommunion 
der Gläubigen stets wiederkehrenden Actes dauernd in 
den Vordergrund, so zwar, dass die Verbindung mit der 



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CCXXIII 



altchristlich-symbolischen des V. Jahrhunderts und dessen 
Vorläufers im IV. und III. Jahrhundert deutlich vor 
Augen gestellt und vom Verfasser sorgfältig nachgewiesen 
wird. Im Sanctuarium der Kirche sollte der Christ das 
Vorbild der wahren Communion erblicken und durch 
die in der Darstellung beobachtete Aehnlichkeit mit der 
liturgischen Handlung in dieser sozusagen das anzu- 
strebende Urbild vergegenwärtigt sehen. Obwohl der 
Verfasser zunächst byzantinische Denkmäler im Kau- 
kasus, zu Kiew, Atheu u. s. w. bespricht, zieht er mit 
lobenswerther Genauigkeit dennoch auch alle irgend 
einschlägigen Werke des Abendlandes zum Vergleiche 
und Begründen der vorgetragenen Ansicht bei, so dass 
der Leser nirgends blossen Behauptungen, sondern 
Grllnden und auf solche gestutzten wissenschaftlichen 
Beweisführungen begegnet und stets sein eigenes Urtheil 
daran erproben kann, wozu die beigegebeucn, meist bisher 
Unbekanntes bringenden Abbildungen ein wesentlicher 
Behelf sind. Die zweite Art von Darstellung ist die histo- 
rische, welche von den byzantinischen Künstlern dort 
gewählt wurde, wo es sieh nicht um gottesdienstjiche 
Zwecke handelte, also in Miniaturen, Elfenbein-Arbeiten 
n. dgl. Hiebet wird der Verrath des Judas ganz 
besouders betont und das im „Sigma J angeordnete Sitzen 
respective Liegen der Apostel. Daran knüpft sich nun 
ein Vergleich mit abendländischen Bildern, der interes- 
sante Aufschlüsse enthält. Diese Abhandlung wird jeder 
Leser mit dem Eindrucke aus der Hand legen, dass 
er viel gelernt und auf diesem Wege auch leicht und 
gründlich gelernt habe. Der Fachmann aber bcgrllsst in 
derselben einen ausgezeichneten Beitrag zur ehristli- 
rhen Archäologie und Kunstgeschichte , die glücklich 
zu nennen, wenu solche Gelehrte ihren Scharfsinn und 
ihr Wissen derselben zugewendet erhalten. — 

Dr. Messmer. 

III. CavalcaseUe's Geschichte der italienischen 
Malerei. 

Die kurze Mittheilung Uber E. Förster's Denk- 
male der italienischen Malerei hat mich veranlasst, des 
Hauptwerkes Uber diesen Gegenstand zu gedenken, 
nämlich C a v a 1 c a s e 1 1 e's Arbeit. Eben ist der IV. Band 
der deutschen Bearbeitung von Dr. Max Jordan aus- 
gegeben , der es rechtfertigen mag , wenn ich anch 
in diesem Kunst-Organ eingehender berichte, zumal 
nunmehr eine Reibe von Bänden vorliegt, deren Inhalt 
jedem Gebildeten wcrthvoll erscheinen wird. Bekannt- 
lich haben G. B. Cavalcasellc und J. A. Crowe 
in englischer Sprache 1864 eine Geschichte der italie- 
nischen Malerei pnblicirt, während dieser Zeit aber 
eine Fülle von eigenen und fremden Forschungen zu 
constatiren gehabt, so dass, mit diesen Bereicherungen 
versehen, ein gleichsam neu verfasstes Bucji dem Publi- 
cum vorgelegt wird. Seit den grundlegenden „Italie- 
nischen Forschungen" des für die Kunstgeschichte 
hochverdienten von Kumohr im Jahre 1827, worauf 
F. Kugler 1837 seine Geschichte der Malerei im 
wesentlichen gebaut, hat keine so gediegene Arbeit die 
Presse verlassen, als die in Rede stehende von Caval- 
caselle. Der L Band schildert die früh-christlichen Denk - 
raäler der Malerei mit sorgsamer Beachtung .). r Technik 
und des gegenwärtigen Zustandes dieser Gemälde, 
hierauf die Mosaiken, den Aufschwung der Bildhauerei 
XVII. 



in der Schule von Pisa, die Anfänge der Florentiner 
Schule bis Andrea Tafi und den massgebenden Meister 
Johannes Cimabue. Dann weudet sich die Darstellung 
dem Auftreten und weithinreichenden Einfluss Giotto's 
zu, dem Rumohr nicht gerecht werden wollte. Hier 
werden nun alle echten Prodnctc des Meisters kritisch 
vorgeführt, genau beschrieben und von den angeblichen 
gewissenhaft geschieden. Die ganze vorhandene Litera- 
tur folgt der Darstellung Schritt für Schritt, sei es dass 
sie bestätigt, corrigirt oder beseitigt. Ohne Angabc der 
Gründe wird kein früheres Urtheil, besonders von aner- 
kannten Forschern wie Rumohr weder verworfen noch 
aufgehoben — bei massenhaftem Stoff keine kleine Auf- 
gabe, aber grossen wissenschaftlichen Werthcs. Die grosse 
erfolgreiche Periode unter den Florentinern Masaccio, 
der als am 21. December 1401 geboren, jetzt Bicher con- 
statirt ist, und Fra Angelico da Fiesole ^bildet insofern 
die Mitte und Hauptsache des II. Bandes, als die Be- 
deutung dieser Meister sich ringsherum und in noch 
weiteren Kreisen geltend macht und die schon durch 
Giotto so hoch gehobene Florentiner Schule bald zur 
massgclMjnden Italiens fördert. Die daneben blühende 
Schule von Sicna wird iu demselben Bande noch behan- 
delt und deren auswärtige Leistungen, wie zu Assisi 
für die dortige Hauptkirche der Franciscaner umständ- 
lich geschildert. Die in derselben Ordenskirche von 
Giotto's Hand herrührenden Gemälde gewähren lehr- 
reiche Vcrgleichungen, die der schriftstellerischen Cha- 
rakteristik der genannten Schule zu gute kommen. Von 
jetzt ab eilt die florentinische und mit ihr die italieni- 
sche Malerei Uberhaupt in ziemlich raschem Laufe den 
höchsten Zielen entgegen, nicht ohne wesentliche Bei- 
hilfe der unter Ghiberti und Donatello zu grosser Voll- 
kommenheit erblühenden Sculpttir. Die Studien für Aus- 
bildung der Linear- Perspective und Modellirung beschäf- 
tigen tüchtige Kräfte, wozu noch die Anwendung eines 
neuen Bindemittels, des Öles nämlich, gekommen, das 
1466 zur Bedingung bei Ertheilnng eines Auftrages 
gemacht ist. Hierin bat Domenico Veniziano , der 
zunächst in Florenz beschäftigt war, den Anfang mit 
Leinöl gemacht und in seinem Schüler Picro della Fran- 
ccsca den eifrigsten Nachfolger gefunden. Diesem Piero 
war zugleich die glückliche Behandlung der malerischen 
Perspective besser als anderen gelungen und von ihm 
sogar in einem theoretischen Tractat wissenschaftlicher 
Bearbeitung unterstellt worden. In der Vision Constan- 
tins, einem der Hauptgcmälde Piero's zu Arezzo von 
1466 ist bereits eine Lichtwirkung erzielt, die der grosso 
Raphael fUr seine Befreiung Petri in den Stanzen des 
Vaticans wahrscheinlich vor Augen gehabt. 

Ausser solch* bedeutenden Künstlern versuchten 
sich viele wandernde Maler in der neuen Technik, da 
es bei der damaligen Vorliebe für malerischen Schmuck 
an Schränken und anderen Gcräthen des Wohnhauses 
niemals an Aufträgen fehlte. Dazu zählten die Pcselli's, 
deren Arbeiten vielfach angetroffen werden. Von Belang 
erscheint auch das durch die l'ollaiuoli's besonders 
in Anwendung gebrachte Verfahren, die Wirkung der 
damals hochgeschätzten Brouze-Arheiteu und florentini- 
scheu Goldschmiedewerke malerisch nachzuahmen, wie 
die schillernden Töne in Licht- und Schattenthcilen der 
Gewänder beweisen. Allenthalben strebten die Künstler 
nach neuen Effecten , die im rastlosen Eifer der Ein- 
zelheit anhaftend zwar die Kräfte in Übung erhielten, 

ff 



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CCXXIV 



aber erst durch grosse Meister wieder xu einem Total- 
gebilde vereinigt werden konnten. Fra Filippo Lippi 
und Saudro Botticelli, und vor allen anderen Domenico 
Gliirlandajo gehören zu den grossen weitreiehenden 
Malern, die wieder auf die einfache Grösse und Wurde 
hinstrebten. Ghirlandnjo bezeichnet einen Höhepunkt in 
der florentinisehen Malerei, wo selbst Raphael neuen 
Gesichtskreis gewinnen konnte. Zwar laast er die 01- 
Teehnik wegen ihrer sichtliehen Missstände wieder auf 
sieh beruhen, entwickelt aber in der Behandlung der 
Räume, des Lichtes, der Anordnung, Modellirung und 
Wiedergabc des Zeit-Charakters in Architektur, C'ostüui 
und Porträts ein künstlerisches Vermögen , das ihm 
nicht nur in seiner Vaterstadt Florenz Ansehen und 
Ruhm, besonders ftlr die von 14*1 bis 1485 im Fnlnzzo 
vecchio ausgeführten Gemälde, sondern auch auswärts 
einen solchen Ruf verschaffte, dass er um 1485 von 
Papst Sixtus IV. nach Rom beschieden wurde , um die 
seit 147.1 erbaute, nach diesem Papste benannte Capelle 
mit Gemälden zu schmücken, die heute noch neben den 
Werken des Michel Angelo zu bestehen vermögen. Es 
rUcktc Oberhaupt jetzt die Zeit heran, wo die Schule von 
Rom durch Vereinigung aller hervorragenden Künstler 
in Bälde der Mittelpunkt der künstlerischen Bestrebun- 
gen und höchsten Leistungen der italienischen Kunst 
werden sollte, die selbst für die nordische Malerei eine 
unwiderstehliche Anziehungskraft ausübte. Schon betre- 
ten wir die Schule des Lehrers von Leonardo da Vinci 
bei Andrea Verrocchio zu Florenz, dann des Vaters und 
ersten Bildners des jugendlicden Raphael, des Giovanni 
Sauti in Umbrien , worauf Perugino'* Vorgänger im 
Zusammenhange mit den Meistern von Sieua und Florenz 
und endlich Perugino selbst geschildert werden, dem es 
ebenfalls besehiedeu war, in Rom seine Meisterschaft uud 
zwar in denselben Gemächern des Vatiean zu erprobeu, 
die später durch, seinen grossen Schüler Itaphnel welt- 
berühmt wurden. Dieser Entwicklungsstufe gilt der 
unlängst publicirle IV. Band, der die umbrischc und 
sienesisehe Schule des XV. Jahrhundert«, auf dereu Zu- 
sammenhang schon v. Kumohr hingewiesen, zu Ende 
führt und alle anderwärts wahrnehmbaren Strebungen 
jener Periode mit stetem Hinblick auf die massgeben- 
den Meister ausführlich darlegt. Immer näher rückt die 
Entwicklung der italienischen Malerei jenen Coryphäen, 
deren Bnhtn in die Welt ausgegangen, die noch immer 
an die Namen Itaphnel, Michel Angelo, Leonardo uud 
Correggio die Auszeichnung der höchsten Meisterschaft 
knüpft. Eben deshalb ist es dringend nöthig, die Vor- 
läufer und Pfadbereiter dieser Meister kennen zu lernen, 
die in ihrer Zeit und Umgebung Bewunderungswürdi- 
ges geleistet haben. Au Luca Signorclli bindet Michel 
Angelo in seiner Weise an, wie jener von der Schule 
Piero's della Francesca seine Bildung erhalten. Die am 
Alterthümliehcn zähe festhaltenden Sienescn gingen 
schliesslich in die Uberragende Schule von Umbrien 
Uber, wo die Meister von Fuligno grossen Ruf genossen, 
bis Pietro Perugin«, ans Gitta della Pieve gcbUrtig und 
in Perngia als neunjähriger Knabe bereitB für die Ma- 
lerei in die Lehre genommen, bald das Hanpt einer 
Crossen Schule geworden, deren Ansehen durch den aus 
ihr hervorgehenden Raphael bis zum höchsten Grade 
gehoben wurde. Perngino ist 144t! geboren und zwar 
nicht in kümmerlichen Verhältnissen, wie früher geglaubt 
wurde, sondern als Sprössling einer zu L'itta della Pieve 



angesehenen Familie. Er kam in früher Jugend mit dem 
bedeutenden Maler Piero della Francesca zu Arezzo 
und dann mit den grossen Florentinern zusammen, 
denen er die Vollendung seiner künstlerischen Bildung 
verdankte. Es gewährt einen lehrreichen Einblick in 
die Geschichte der Ausbildung der italienischen Malerei, 
an der Hand unseres Werkes die Production des Lehrer» 
von Raphael mit diesem selbst zu vergleichen. Raphael 
kam noch in der Blüthezeit seines Lehrers in dessen 
Unterricht und wird mit Piuturicchio und anderen bei 
des Meisters Fresco-Mnloreien im Cambio zu Perugia 
betheiligt gewesen sein. Welch' ein Unterschied in der 
Erwerbung neuer Kenntnisse und Erlangung eines neuen 
Gesichtskreises liegt in dem zU Caen befindlichen Ge- 
mälde „die Verlobung Märiens 14 von Perngino, das gegen 
1500 gemalt uud für Raphael's nachheriges Bild des- 
selben Gegenstandes massgebend geworden, einem Ge- 
mälde, welches Perugino, nachdem er bereits Florenz 
kennen gelernt, ausführte und doch befangen blieb in 
der früheren Auffassung» weise, während Raphael die 
neue Kunstwelt der Florentinisehen Malerei noch nicht 
betreten. Nachdem dies aber geschehen, öffnet sich ihm 
ein bisher ungekannter Gesichtskreis, von welchem er 
keinen Augenblick wieder wie Perugino herabsinkt, 
sondern immer höher steigt und tiefer dringt. 

So verschieden äussert die nämliche künstlerische 
Erfahrung ihre Wirkung auf den reicher und weniger 
begabten Meister! Perugino blieb zumal bei der zuletzt 
eintretenden Eilfertigkeit und mechanischen Thätigkeit 
innerhalb gewisser Gränzen, Uber welche hinaus zu 
kommen ihm nimmermehr gelingen wollte, so das» er 
zuletzt unter die Höhe seiner eigenen besten Leistung 
herabsank. Dem Maler derselben Schule, der mit seinem 
Meister in Rom thätig gewesen und neben Raphael 
abermals zum Vergleiche Interesse bietet , dem viel- 
beschäftigten Bemardino Pinluricchio, wird der letzte 
Abschnitt gewidmet und in die noch immer unklare 
Folge der Werke dieses Malers Bestimmtheit und 
Sicherheit gebracht. Pinturicchio erscheint auchdesshalb 
kunstgeschiehtlich von Interesse, weil er den ersten 
umbrischen Maler repräsentirt , der die peruanische 
Kunst auf der Stufe vergegenwärtigt, zn welcher sie 
durch Btionligli und Fioreuzo di Lorcnzo erhoben war. 
Von Band zu Band steigert sich in diesem Werke der 
lebhafte Antbeil an der Schilderung der immer näher 
gerückten grossen Periode des XVI Jahrhunderts, die 
auf solche Weise erst verstanden und richtig beurtheilt 
werden kanu. Ji r . Manier. 

Der Alterthums -Verein in Wien. 

Nun biethet sich wieder Gelegenheit über tlie Thä- 
tigkeit dieses wenig in der Öffentlichkeit hervortreten- 
den Vereinen zu berichten. 

' Im Laufe des Sommers und Herbstes wurden drei 
Ausflüge veranstaltet, die sich einer lebhaften Theil- 
nähme von Seite der Vereiusmitglicdcr erfreuten. Der 
erste führte die Thcilnehmer nach Ebenfurt, wo die 
interessante Kirche mit ihren Grabdenkmalen uud die 
etlichen werthvollen Gegenstände der Sacristei besich- 
tigt wurden. Hierauf ging es nach Pottendorf zum Be- 
suche des durch ihre drei früh-mittelalterlichen Thürme 
merkwürdigen Wasserschlosses und derSehloss-Capellc 
mit den vielen alten Grabdenkmalen. Endlich gelangte 



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ccxxv 



man nach Ebreichsdorf, woselbst das Sehloss mit seiner 
gothischen Capelle nnd der den Beck'schen Stammbaum 
zeigenden Wappenwand, die Pfarrkirche mit dem spät- 
romanischen Seitenschiffe und der Friedhof mit den 
Beck'schen Grabdenkmalen so manches Sebeuswertbe 
enthalten. 

Der zweite Ausflug galt der Stadt Krems nnd den 
Denkmalen in ihrer reizenden Umgebung, als der merk- 
würdigen Klosterkirche zu Imbach, den bauliehen Resten 
der Burg, der ehemaligen Pfarrkirche nnd des Nonnen- 
klosters zuDUrrcnstcin. Herrk.k. Conscrvator Rosner 
unterzog Bich der mDhevollen Aufgabe eines Führers, 
wofür ihm die zahlreiche Gesellschaft bestens dankte. 

Bei der dritten Excursion wurde das Stift Heiligen- 
kreuz besucht. Die Gesellschaft überzeugte sich von 
der mustergültigen Restauration der Stiftskirche und 
fand, geführt vom hoch w. Herrn Wilhelm Ncumnnn, in 



den Samuiluugeu des Klosters manch reebt interessan- 
ten Gegenstand. 

Am 22. November d. J. wurde die erste Abend - 
versammlung abgehalten. Hofrath Aschbach hielt 
einen Vortrag Uber das bekannte Beispiel der Pflichttreue 
der Weiber von Weinsberg und versuchte in einem sehr 
anziehenden Vortrage die dieser Tradition zu Grunde 
liegenden historischen Thalsaehcn anf quellensiebercii 
Grundlagen festzustellen. Zur Ausstellung gelangten 
neuere Funde nusPetronell aus derSammliingWidter's 
und die werthvollc Sutlinger'sehc Originalzeichnung des 
Planes von Wien aus dem Jahre 1084, Eigentlmm des 
Stiftes Heiligenkrcuz. Auch lagen die seither veröffent- 
lichten Hefte des in diesen Blättern schon bespro- 
chenen Prnchtwerkcs Uber die kais. Sehatzkammer bis 
inclusive der sechzehnten Lieferung zur Besichtigung 
auf. . . .m. . . 



Berichtigung von Druckfehlern : 

Seiet 3 Zeile 9 Schrrtbrricche tun £clineidcizunii. 

. XL, 1. Spulte, Zelle I von oben Odraaer Matt Ouraucr. 

. XL, 2. - . I« . . Stielte eiatt Sei«. 

. M.II. 2. .26.. Odrau eist! O.lrau. 

-- IAX.VII, La min* Ku jitcmlic Ii Matt Handrrirhnunp. 

. XCL 1. .1 von unten Zo|>bnni« Matt Zopliorlsin. 

„ XCL 2. . 2 ... in der UMkttt LEO Mall LEC. 

n CXXXUI, 2. ,8 der Inwlirift Ii« a»> Ende XI'IQX Btntt XPMjML 

. CXXX11I, «... 6 , «in Anfang DE M1AXC Matt DE RSASC. 

. CXXXVII, L . P 41 und i" lies Franeew.i Colouna »tun Bojaido. 

. CLXI1, 2. . 13 von unten jiinalen» Matt jüng-Meu. 

. CLXXX, I. - 3S von oben lie> wir Matt mir. 

„ CLXXX, 2. . Ii . einnreieben »tatt tlnnreiober. 

, CLXXXI, I. . 9 al>2u*cblie»«cn Malt abicblieuen. 

„ CLXXXI, 1. i , 22 von unten . r.-rUen Matt linken. 




TOnkasbalt des hftSL Ulrich zu Ue&. 

(8. , ag CLXXI.) 



ff» 



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CCXXVI 



Schlusswort. 

dem vorliegenden Hefte wird der diesjährige Band der Mittheilungen der k. k. Cen- 
tral-Commission ftlr Erlialtung und Erforschung der Baudenkmale und damit der XVII. Jahrgang 
der periodischen Puhlicationen dieser vom Staate eingesetzten Commission abgeschlossen. 

Nachdem diese Commission in der nächsten Zeit einer Reorganisiruug entgegengehen dürfte, 
indem Seine k. k. a. Majestät mit a. h. EntSchliessung vom 29. August d. J. anbefohlen haben, 
das» die mit a. h. Eutschliessung von» 31. Deccmber 1850 eingesetzte Central-Commission zur 
Erforschung und Erhaltung von Baudenkiualen in eine solche für Kunst- und historische Denk- 
male erweitert und auf Grund eines neuen Statuts organisirt werde, so dürfte es gestattet sein, 
einen Blick auf den Inhalt dieser BUnde und der damit im innigsten Verbände stehenden fünf 
Jahrbücher zu werfen. Es dürfte den bisherigen Hedactionen der Mittheilungen gelungen sein, 
der ihnen gewordenen Aufgabe und dadurch auch der k. k. Central-Commission dem ihr in 
dieser Beziehung gestellten Ziele gerecht zu werden. Die bedeutendsten kirchlichen und profanen 
Bauten fanden ihrer Mehrzahl nach in diesen Blättern eingehende Würdigung, viele inländische 
Werke der Sculptur und Malerei, der Goldschmiede- und Siegelschncidkuust u. s. w. wurden 
einer sachgemässen Besprechung unterzogen, ohne dass sich die Mittheilungen den allgemeinen 
wissenschaftlichen Forschungen auf irgend einem Felde der Archäologie verschlossen hätten. 
Die heimatlichen Denkmale des prähistorischen Alterthums, der classischen Zeit, des Mittelalters 
und der Renaissance fanden hier würdige Vertretung, wenn auch letzteres Gebiet bisher minder 
als es vielleicht wünschenswerth ist, gepllegt wurde. Vor allem aber wurde eine höchst bedeu- 
tende Anzahl vaterländischer Denkmale jeder Art in diesen Büchern registrirt und damit einer 
der wichtigsten Aufgaben der Central-Commission entsprochen, wie auch dem Specialforscher 
Gelegenheit und Anregung gegeben, einzelne derselben noch einer eingehenderen Forschung zu 
unterziehen. Wahrhaft reiches und archäologisch werthvolles Mate'riale für die Kunst- und Cultur- 
geschichte wurde damit in diesen Schriften aufgehäuft. Die den einzelnen Bänden beigegebenen 
Illustrationen, ausgeführt nach verschiedenen Arten der zeichnenden Kunst erhöhen den Werth der 
Aufsätze und können in ihrer grossen Mehrzahl als gelungen und mustergültig bezeichnet werden. 

Um Uber den Inhalt sämmtlicher Bände eine Übersicht zu erlangen, hatte sich die k. k. 
Central-Commission veranlasst gesehen, statt wie es bisher üblich war, jedem Bande ein beson- 
deres Personen-, Sach- und Ortsregister Uber das in demselben behandelte Materiale beizugeben, 
ein die 17 Bände der Mtttheilungen und 5 Bände der Jahrbücher umfassendes Generalregister 
ausarbeiten zu lassen und wird dieses Register gleichzeitig mit der Vollendung des XVII. Bandes 
als ein besonderes Heft veröffentlicht Eine Durchsicht dieses Heftes dürfte jeden billig Denken- 
den Uber die bisherige publicistischc Thätigkeit der k. k. Central-Commission befriedigen und 
das oben Gesagte beseitigen. 

Die Rednetion hält es ftlr ihre Pflicht, den Mitarbeitern an diesem XVII. Bande der Mitthei- 
lungen, als: J. Benes, Dr. Fr. Bock, J. R. Bczdöka, E. Dobbert. A. Essenwein, Dr. K. 
Fronner, A. R. v. Gallenstein, J. Gradt, B. Grucbcr, Dr. Ernst Edl. v. Hartmann- 
Franzenshuld, E. His, A. Ilg, Fr. Kanitz, Dr. Fr. Kenner, B. Kluge, Dr. Fr. Kürsch- 
ner, Dr. A. Luschin, V. Luntz, J. A. Messmcr, V. Myskovsky, W. Neumann, A. R. 
v. Perger, A. Peter, Dr. E. Freiherr v. Sacken, Dr. H. Semper, F. Wimmer u. s. w. ftlr 
ihre Unterstützung bestens zu danken. 



I U I— >i IV V.tl l,m* — 4" k. k. II. f. Ml 



JusJerkkSofn. Satatsir* et 



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Die Matthäuskirche in Murau. 



Von Johann (»kaut. 
Mit einer T»M und 10 BolnobnlttenO 

Das alte, mit Umfangsmauern und Thorthtinncn befestigte .Stadtchen Murau, an der Nordwest- 
granze Steiermark« an der Mur gelegen, besitzt in seiner dem heil. Matthäus geweihten Stadt- 
pfarrkirche ein Bauwerk. der Frtih-Gothik, welche« im grösseren Massstabc angelegt, mit Strebe- 
bögen durchgeführt, als die einzige Anlage dieser Art in Steiermark besteht, und schon dieser 
Eigenschaften wegen eine eingehendere Betrachtung verdient, wenn man auch von den Übrigen 
Vorzügen und Schönheiten dieses Baudenkmales absehen wollte. 

Die Uber die Baugeschichte dieser Kirche und der 
Stadt Murau in den Werken Muchar's und de« Topographen 
Schmutz vornndlichen Angaben stehen mit den ausserlichen 
Merkmalen , mit der Erbauungszeit der Kirche und des 
StHdtchens in vollster Übereinstimmung. In Betreff der 
Kirche muss man sich die im XVII. Jahrhundert und die in 
noch neuerer Zeit hinzugefügten, im Grundrisse (Fig. 1), 
ersichtlich gemachten Räumlichkeiten und Zubauten von 
untergeordneter Bedeutung wegdenken ; und wenn man 
ferner von der inneren aus dem verflossenen Jahrhundert 
stitmnienden Einrichtung, als den AltHren, Kanzel, Orgel 
u. s. f. absieht, so ist die gesammte, im allgemeinen noch 
nüchtern behandelte, in construetiver Beziehung streng in 
den im XiTL Jahrhundert zum Durchbruche gelangten Prin- 
eipien der Früh-Gothik durchgeführt« Anlage vcrhaltniss- 
mlissig ziemlich gut und unversehrt auf uns überkommen. 
Deshalb wurden die entsprechenden geschichtlichen Notizen 
für den vorliegenden Zweck zusammengestellt. 

In den Jahren 1227-1268 erscheinen noch die Herren 
von Mure oder Moure als Besitzer von Murau; 1268 wird 
aber schon Ulrich von Lichtenstein , der Minnesanger als 
XVII 



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2 



Jobann Graut. 




Hr. i. 

Besitzer der Burg Murmi genannt) welche der König Pfemysl Otakar nebst der Burg Liehtenstein 
bei Judcnhurg nicderbreclien Hess, wllhrcnd der «1« Verschwörer ungerechtfertigter Weise behan- 
delte Ulrich von Licliteiisteiii in die Veste Klingenberg geworfen wurde, und ausserdem die 
prachtvolle , bei Unzmnrkt gelegene Veste Frauenburg dem Künigc überliefern musstc. 

Ulrich von Lichtenstein, spater »einer Haft ledig geworden und in den Besitz »einer Güter 
gelangt, erwies Bich als grosser WohlthUter für die Kirche. Er liess 1277 zu Sekkau eine Capelle 
zu Ehren des heil. Johannes und zugleich als Familiengruft mit vielem Aufwände erbauen, dertMi 
Vollendung auf den Sohn, Otto von Lichtenstein, übergangen ist, der jene Capelle mit gefHrbten 
Glasfensfem versehen lieHs. Die Erbauung der Mutthiiuskirchc zu Murau wird in das Jahr 12fi9 
gesetzt, und ohne Zweifel wird die Entstehung und Vollendung derselben zttmeist der Ver- 
wendung L'lrieh's von Liehtenstein zu verdanken sein. 

Um das Jahr 1277 wird Meinhard als Pfarrer von Murau genannt, aber erst 14. April 1383 
siegelte zu Friesach Otto von Lichtenstein die Stiftungsurkundc eines selbständigen Pfarrers zu 
Murau, wodurch dieser Ort von der uralten Mutteqüarre St. Georgen ob Murau für immer 
getrennt wurde. In dieser Würde folgte Heinrich Krappf bis 1363, welcher spilter Bischof von 
Lavant geworden war. Ein gelehrter und für die Erhöhung seiner bischöflichen Kammergcfltlle 
und für Sammlung von Urkunden und Docnmenten zur Geschichte des Bisthums und seiner 



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Die Mattiiäiskibcme in Mvbav. 



3 



Vorführen ungemein thatiger Mann, besuchte derselbe im Jalire 1387 die Stadt Murau, und halte 
das Unglück, an der steilen Berghalde in den Murfluss zu stürzen, wo er Reinen Tod fand. Als 
weitere Pfarrer werden genannt Johann Silbcrknoll bis 1422, Johann Carda bis 1425, Wolfgang 
Gruber bis 1448, Anton Gruber bis 1480, Johann Wagist bis 1512 u. s. f. 

Zu Ende des XIII. Jahrhunderts erscheint Murau bereit« als ein geschlossener wehrhafter 
Markt; denn Otto von Liehtenstein bestätigt 1290 seinem Markte Murau alle Rechte, welche 
derselbe gleich der Stadt Judenburg von Alters her besessen hatte. Merkwürdig ist das Testament 
dieses Herrn, Otto des alten von Lichtenstein, worin er am Sonntage nach St. Dionyscn 1311 
unter vielen anderen Vermachtnissen und Anordnungen der Schneiderzunft zu Wien, „da ich 
inne Geselle bin", ein Pfund jährlicher Gült legirt, und verfügt, „dass Gülten und die Mauth- 
ertrUgnissc zu Judenburg zum Ausbau und zur Einrichtung der Kirche St. Mathiii verwendet 
werden sollen, und die Kirche St. Magdalena zu Huntsberg mit Ziegeln eingedeckt werde; 
das Haus und Gut auf der Landstrasse in Wien haben seine beiden Söhne Otto zu Murau und 
Rudolph zu Frauenburg selbst zu theilen etc." 

131t) stiftete Otto von Lichtenstein, Kümmerer in Steier, mit seiner Gemahlin, einer Grüfin 
von Monfort drei ewige Wochenmessen in der St. Katharinencapelle auf dem Schlosse Stein hei 
Tcuffenbach. 

Auf Otto von Liehtenstein folgten als Besitzer von Murau 1328 Rudolph Otto II. und 
Ulrich Otto, 1333 Ulrich Otto und Friedrich, 1411 Rudolph Otto III., 1433 Otto III.. 143« 
Nicolaus, 1506 Rudolph und Achatz, 1524 Rudolph und Otto in., 1565 Otto ni. und Georg, 
1566 Christoph und He inrich. Nach dem Tode Christoph's erwarb dessen Gemahlin Maria Anna, 
geborne Neumann, zu Wasaerleonburg, verwittwete Freiin von Thanhausen zu dem '/„-Antheil 
ihres Gemahles die übrigen fünf Anthcilc von ihren Schwitgcm und ward 1574 alleinige Besit- 
zerin von Murau. 1581 vermählte sie sich das dritte Mal mit Ludwig Freiherrn von Ungnad, 
1586 zum vierten Male mit Karl Frciherrn von Tcuffenbach, 1611 das fünfte Mal mit Friedrich 
Grafen von Ortenburg, 1617 das sechste Mal mit Georg Ludwig Grafen von Schwarzenberg. Sie 
stall) den 23. December 1623 88 Jahre 23 Tage alt, und vermachte das Besitzthum Murau ihrem 
letzten Geniale, und von der Zeit an kam die Herrschaft Murau an die Schwarzenberg'sche 
Familie. 

1400 gab Herzog Wilhelm in Wien die Einwilligung, dass Friedrich von Lichtenstein zu 
Murau, Marschall in Körnten, die Veste und Stadt Murau sammt Grünfels um 4000 Wiener 
Pfennige an Ulrich und Friedrich von Stubenberg versetze. 

Am Laurentiustage 1449 fertigte Kaiser Friedrich I/V. zu Murau eine abermalige Eisen- 
ordnung für den Verlagshandel in Leoben , welche Muchar im 
VII. Bande Seite 353 abgedruckt hat. In dem im Jahre 1469 gegen 
Kaiser Friedrich IV. ausgebrochenen Aufstande nahm Niklas von 
Liehtenstein mit den übrigen Verschwornen, Andreas Paumkirch- 
ner, Andreas von Stubenberg, Johann von Fösing, Christoph 
und Andreas Starringer, Ulrich von Pessnitz, Lorenz Hauser und 
Andreas von Greiseneck thittigen Antheil. In dem im Jahre 1479 
zwischen Kaiser Friedrich IV. und König Mathias ausgebrochenen 
Kriege, zu dem sich 1480 auch noch ein TürkeneinfoH gesellte, 
wnr Murau und seine Umgebung der Schauplatz blutiger Auftritte, 
unter welchen die Stadt bedeutenden Schaden erlitten haben wird. 
Nach dem Abzüge der Türken kam es zwischen den kaiserlichen 
Slödnem unter dein Hauptmann Wulfenstorfer und den ungari- 




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sehen Kriegsknechten unter dem 
Hauptmanne Hanns Haugwitsch 
von Syberstorf bei Murau zu einem 
Treffen. 

Im Jahre 1480 hatte Kaiser 
Friedrich den Niklas von Liehten- 
stein mit dem Eisenbergwerke in 
der Turrach belohnt Im Jahre 
1481 kam es zwischen erzbischöf- 
lichen und kaiserliehen Söldnern 
bei Murau im Thale der Grakau 
zu einem blutigen Treffen, welches 
für die erzbisch »fliehen Söldner 
unglücklich endigte. 1482 schlössen 
die Herren von Lichtenstein mit 
dem l'ngarnkünige Mathias ein 
Übereinkommen, in Folge dessen 
den Ungarischen Murau, Stadt und 
Schloss, und Grünfels zu Murau 
eingeräumt wurden , ebenso die 
Vesten Stein und Saldenhevm in 
Kärnten. Nach dem am 6. April 
1490 zu Wien erfolgten Tode des 
Königs Mathias konnte erst an die 
Vertreibung der Ungarn aus Steier- 
mark gedacht werden. Die siegreichen Fortschritte des Königs Maximilian und seine anderen 
Anordnungen bewirkten, dass die ungarischen Besatzungen am 4. November 1490 aufbrachen. 
Hei diesen Begebnissen kam am übelsten der alte Niklas von Lichtensteiu zu Murau davon. Da 
er mit den Ungarn gemeinsame Sache gemacht und vertragsweise dem Könige Mathias seine 
Schlösser theils Ubergeben, theils offen gehalten hatte, so wurden bei dem Abzüge der Ungarn 
alle seine Besitzungen im oberen Murthale zu des Kaisers Händen eingezogen; er selbst musste 
aus Steiermark entfliehen, wurde aber in Tyrol erkannt, ergriffen und ins Gcfilngniss geworfen. 
Weil die Güter des alten Niklas von Lichtenstein zu des Kaisers Händen eingezogen wurden, so 
ertheiltc der Kaiser den Bewohnern zu Murau den Auftrag, dem Balthasar von Thanhauscn den 
Bilrgcreid zu leisten. Am 13. Februar 1491 erging die Anordnung, dass alles Eisen, welches 
ausser dem Lcobnischen und Hüttenbergerischen in Murau verarbeitet und verkauft wird, den 
Aufschlag zu zahlen habe, und dass dieser Ertrag drei Jahre nacheinander zum Baue der Stadt- 
mauern um Murau verwendet werden solle. Im selben Jahre erhielt Balthasar von Thanhausen, 
Rath und Hauptmann in der oberen Steiermark, den Auftrag, die abgeworfene Brücke zu Murau 
wieder herzustellen und an derselben die Mauth zu heben. Am 28. December 1491 ertheiltc 
Kaiser Friedrich TV. der Stadt Murau ein eigenes Wappen, einen getheilten Schild mit dem öster- 
reichischen und steirischen Wappen in jedem Felde. Am 4. Mai 1492 verheerte eine Feuersbrunst 
einen grossen Theil der Stadt Murau. 

Nachdem die hervorragendsten Ereignisse, welche das Schicksal der Stadt Murau und 
seiner Bauwerke betreffen, vorausgeschickt wurden, kann die MatthUus-Kirche selbst als Baudenk- 
mal in Betracht gezogen werden. 



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Diu Matthäuskihciie ix Ml-rac. 5 

Dieselbe erhebt sich (s. die anf der Tafel beigegebene Abbildung) 
auf dem Vorsprunge einer massig hohen Bergkuppe, deren Spitze das 
Ilochschloss Murau einnimmt, ist von einer mächtigen, durch Pfeiler 
verstärkten Mauer umgeben , und ragt bedeutend aus den Hitusem des 
kleinen Städtchens hervor, welche den Fuss der Bergkuppe in mehr als 
einem Halbkreise umgeben, wodurch die Kirche von dieser Anhöhe 
einen imposanten Anblick gewülirt. Uire Grundrissform weicht von den 
zu Ende des XIH. Jahrhunderts erbnuten Kirchen nicht ab. Der Chor 
erhielt den üblichen octogonalen Schluss, und da daran drei Krcuz- 
gewölbefelder auschliessen , die beträchtliche Länge von 36' 7" bei 
einer Breite von 21' 9" und einer Höhe von 44' 3", wobei die Erhöhung 
von zwei Stufen für den Hochaltar nicht, in Betracht gezogen ist. Ein 
mächtiges KreuzschifF, dessen Länge 22' beträgt und dessen Breite 
72' 6" misst, schliesst sich in gleicher Höhe an den Chor an, während 
von dieser Stelle aus durch zwei Stufen der Eintritt sowohl in den 
Chor als auch in das eigentliche Schiff vermittelt, und dadurch die 
Bedeutung des Chores und die Wirkung seines Abschlusses merklich 
hervorgehoben wurde. Uber der Vierung, die sich im Querschiffe bildet, 
erhebt sich der massige Glockenthurm, zugleich lilsst das Querschiff vermöge seiner Lange hin- 
reichend die in Kreuzesform angetragene Anlage zum Ausdruck gelangen. Ein dreisehiffiger 
Kirchenraum, und zwar mit einem überhöhten Mittelschiff und zwei niedrigeren Seitenschiffen 
von 77' Länge, 49' 9" Gcsammtbrcitc reiht sich in vier Gewölbejoche abgetheilt, an das Krenz- 
schiff an. Die im letzten Gewölbejoche eingebaute Sänger-Empore (s. Abbildung Nr. 2) stammt, 
wie aus dem netzförmigen Gewölbe ersichtlich wird, aus der Ausgangszeit der Gothik. Die Höhe 
des Mittelschiffes beträgt 47', seine Breite 21' 3", die Mauerstärke der Mittelwand 4' 9", der 
äusseren Wände 4' 0". Die Seitenschiffe wurden 10' 6", also nahezu der Hälfte des Mittelschiffes 
gleich gemacht, und insofeme die Abstände der einzelnen Stützen noch auf die halbe Mittel- 
schiffsweitc beschränkt blieben, hat sich die Anlage hier noch nicht völlig von dem alten romani- 
schen Grundsatz emaneipirt. Die Höhe der Seitenschiffe wurde auf 20' C" angelegt, wodurch zur 
Stütze des Gewölbedruckes des Mittelschiffes nach aussen Strebebögen bedingt wurden, die in 
einfachen und schmucklosen Bogen ohne Ablaufrinnen die Last des Mittelgewölbes auf die mäch- 
tigen äusseren Strebepfeiler und Widerlager der Seitenschiffe übertragen. 

Zu den ursprünglich angelegten Theilen der Kirche gehört die an der nördlichen Chorwand 
angebaute Sacristci, über welcher ein Oratorium angelegt wurde, welches durch einen gedeckten 
Verbindnngsgang mit dem Hochschlosse verbunden ist. Sacristei und Oratorium sind mit Kreuz- 
gewölben eingedeckt, ebenso auch der Chor, Querschiff, Mittelschiff und die 
beiden Seitenschiffe. Im Chor und Querschiff nelunen energische Gurten 
den Druck der Gewölbeknppen auf, während im Schiffsräume die Diagonal- 
und Längen-Gurten weggeblieben und nur die Scheide-Gurten nach der Brei- 
tenrichtung zur Anwendung gelangt sind, wie dies im Grundrisse Fig. 1 
angedeutet wurde. 

Unter dein Chor wurde eine Krypta angelegt (s. Grundriss der Krypta 
Fig. 3), zu welcher an der Südseite ein schmaler Zugang über mehrere Stufen 
führt, und erhielt, um das beträchtliche Gewicht des Hochaltares tragen zu 
können, zwei massive achtseitige Mittelpfeiler, auf welchen die Grate eines 
sternförmigen Gewölbes auflaufen, da hier von der Anbringung von Gurten »ig. ■;. 






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ü 



.lollASN GttADT. 




Fl». 7. 



Umgang genommen wurde. Ein kleine» , nach 
ÜBten angelegtes Fenster führt diesem unterirdi- 
schen Räume ein spärliches Licht zu. 

Dem Erbauer der Kirche, der von der An- 
bringung reicher Verzierungen absehen musste, 
gelang es bei seinem entwickelten Gefühl ftlr 
Formen und Verhaltnisse, namentlich der Hüben- 
und Breitenverhältnisse, ledigbeh durch Schlicht- 
heit und eine wohlberechnetc Massenvcrtheilung 
einen mächtigen Eindruck hervorzubringen, durch 
die klar ausgesprochene Kreuzesform, sowie durch 
wenige hic und da, aber am richtigen Platze ange- 
brachte Angeformte Gliederungen die Wirkung der Anlage zu erhühen. Daher wurden letztere 
auf dem in architektonischer Beziehung bedeutungsvollsten Theile, der Vierung, besonders 
reichlich angewendet. (S. Abbildung Fig. 4.) Hier Hess der Werkmeister einzelne kräftig gestal- 
tete Glieder als Silulenschaftc und Gurtbügen vorwalten, welche die Last des Gewölbes und des 
Thurmes aufnehmen und auf die energisch vortretenden Anlaufsteine concentriren. Auf diesen 
kräftig behandelten Pfeilern wurde der gedrungene, in den unteren Geschossen vierseitig ange- 
legte, sodann in das Achteck Ubersetzende Thurm aufgebaut, der mit einem steil anziehenden, 
aus Hausteinen glatt und schlicht hergestellten Riesen abschliesst, und im ganzen, vom Fuss- 
boden der Kirche gemessen, eine Höhe von 168 Fuss erreicht. Die Säulenschafte in der Vierung, 
auf welchen die Scheidegurten aufsitzen, steigen als gleichmässige, Uber die Hälfte aus der 
Wand vorspringende Cylinder auf; an den Basen derselben kommt eine zweifache Abstufimg vor, 
sowie eine reiche Gliederung mit sehr vertieften Hohlkchlungen den Übergang des cylindrischen 
Schaftes in den achtseitig gebildeten Sockel vermittelt. In den Sockelgliederungen lassen sieh 

noch die Gruudelemente antiker Formen erkennen, indess treten 
schon leise allmälige, weiche Übergänge auf. Das Capitäl ist als 
kelchförmig gebildetes Glied ohne Laubwerk behandelt, mit kräf- 
tiger Deckplatte abgeschlossen und letztere polygonal behandelt 
worden. Im Chore werden die Gurten durch verzierte Schluss- 
steine zusammengehalten, welche (s. Fig. 5) den gekreuzigten 
Heiland, die Hand Gottes und eine Rosette enthalten. Die Schluss- 
steine im Querschiffe blieben glatt. Die im Mittelschiff tief herab- 
reichenden Gewölbegurten ruhen auf einfach aber geschmackvoll 
behandelten Consolcn (s. Jahrb. der Cent. Conmi. II. p. 222). An 
einem Pfeiler der südlichen Abseite kommt als Console des Quer- 
gurtbogens ausnahmsweise eine sehr seltene Form, nämlich die 
eines abgebogenen Hornes vor (Fig. 6). 

Sowie sich in der Anordnung des Grundrisses und in der 
Bildung der Glieder im Innern ein bewegtes Pulsiren des archi- 
tektonischen Orgiuiismus kund gibt, so wurde dieses Princip auch 
nach aussen hin zur Geltung gebracht und dadurch eine ernste 
einfache Ruhe und Bestimmtheit, wie sie an romanischen Kirchen 
auftritt, erreicht, und consequent dieselbe schlichte, auf Ver- 
keilung und Auflösung der Massen beabsichtigte Anordnung bei- 
behalten, welche die Bauten aus dein Ende des XIII. Jahrhun- 




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Üik Mattualsciucui: IN MlRAC. 



7 



dcrts kennzeichnet. An den Ecken den polygonalen 
Chorschlusscs findet man vier- bis fünfmal sieh ab- 
stufende platte Pfeiler, mit abgesclirälgter, unter dem 
Dachgesimsc auslaufender Verdachung; unmittelbar 
unterhalb der Fenster den Cordon mit dem Wasser- 
schlag, wobei gleichzeitig zwischen je zwei Pfeilern 
ein Stichbügen errichtet wurde, unter dessen schüt- 
zendem Gewölbe Wandmalereien angebracht waren. 
Nichtsdestoweniger konnten sieh dieselben gegen 
die klimatischen Unbilden des Nordens und die 
Atmosphärilien nicht erhalten, und man hatte schon 
frühzeitig diese eingewölbten Stellen dazu verwen- 
det, um Hltere Grabsteine daselbst einzumauern und 
gegen die Zerstörung zu bergen. 

Eine analoge Anordnung der Pfeiler findet 
sich auch an den übrigen Ecken der Kirche, wo sie 
Uber Eck gestellt - wurden , und an den Ausgangs- , 
punkten der Gurten, wo die ganze Gewölbelast 
concentrirt wurde. Die Strebebögen, welche die 
Belastung des im Mittelschiffe angelegten Gewölbes 
mitnehmen, und auf die Pfeiler der Seitenschiffe 
übertragen, sind in richtigem VerstUndniss ihrer Be- 
deutung als Widerlager Uber dem Dache der Seiten- 
schiffe schwHchcr behandelt, und verstärken sich nach 
der Basis zu. An der Nordseitc des Querschiffes ist 
ein aus dem Achteck errichtetes, in drei Geschosse 
abgetheiltes und in ein Zeltdach endigendes Treppen- 
thürmchen angebracht worden, welches den Zugang 
zum Glockenturme vermittelt 

Ganz im Geiste des XJU. Jahrhunderts sind 
die Fenster gehalten, im Chor und Querschiff lang- 
gestreckt und ausserordentlich schmal, ohne Mittel- 
pfosten und Masswerk, mit Ausnahme des mittleren 

Chorfensters, welches durch einen Mittelpfosten abgetheilt im Bogenfelde etwas Masswerk erhielt. 
Dagegen wurden sie in der Mittelschiffswand und in der äusseren Seitenschiffswand, wo sich 
langgestreckte Fenster nicht anbringen Hessen, merklich kürzer und breiter gehalten. Silmmt- 
liehe Fenster sind im Spitzbogen geschlossen, die Leibungen glatt abgescliriigt Die über den 
Mittelschiffspfeilern (s. Langenschnitt Fig. 2) errichteten Bögen mussten eine gedrückte Form 
bekommen, um darunter noch den Gcwölbeschluss der niederen Seiteuschiffe unterbringen zu 
können. Die minder reich als im Querschiff behandelten Pfeiler des Mittelschiffes, die bestimmt 
sind, die Mittelschiffsmauern zu tragen, sind in ihrer Form fast romanisch, erhielten einen acht- 
seitigen Querschnitt, und die Stelle, wo der Bogen der Arcaden anlangt, ist durch einen einfachen 
Kampfer angezeigt. 

Das Haupt-Portal befindet sich in der westlichen Abschlusswand, zeigt eine reiche und 
wechselvoll gegliederte Leibung, eine mannigfach nüancirte wellenförmige Verbindung von 
Wülsten und Hohlkehlen, welche in Spitzbogen mit glatten Tympanen schliesscn. (Fig. 7.) Nach 




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8 



JoitANN GhAUT. DlE MaTTUÄUSKIUCUE IN Ml'UAU. 



unten schliesst das Portal mit einem reich gegliederten Sockel ab, in dessen tief unterschnittenen 
Kehlnngen das Stylgesetz der dem XIII. Jahrhunderts angehörenden Übergangszeit wieder zu 
finden ist. Der Vorbau beim West-Portal gehört der Renaissanee-Zeit an, ebenso die beiden Scitcn- 
capellen, welche sich an das Querschiff anschliessen. Die beiden in der nördlichen und südlichen 
Scitcnschiffswand angebrachten Seitenportale sind nicht mehr in ihrer ursprünglichen Form nut 
uns überkommen. Die Thüren in den Treppenthürmchen , welche zur Sängerempore und zum 
Glockenturme führen, erhielten schon den geschweiften Bogen als Schluss, sowie eine spät- 
gothisch profilirtc Leibung, daher man dieselben , sowie die eingebaute Sängerempore als Zubau- 
ten oder Neuerungen aus der Ausgangszeit des Mittelalters betrachten kann. 

Ein steil anziehendes Dach bildet den Abschluss des Gebäudes, in den hohen Gicbelmaucrn 
sind theils langgestreckte, theils runde Fensteröffnungen in symmetrischer Vertheilung angelegt 
worden, um die Monotonie der Mauerfläche einigermassen zvi beleben. Im allgemeinen neigen 
die Verhaltnisse entschieden zum Schlanken und Emporstrebenden, und die Lösung dieser Auf- 
gabe gelang dem Werkmeister auch beim Thurme, der aus dem Dache noch als vierseitiges, 
schwerfälliges Geschoss heraustritt und hierauf ins Achteck übersetzt. Die durch dieses Über- 
setzen ins Achteck entstehenden Ecken und Abschritgungen wurden, wie aus der Abbildung 
Fig. 8 ersichtlich ist, durch Fiiüenthünuchen vermittelt. Im Spitzbogen geschlossene Schall- 
fenster von massiger Höhe bieten den Schallwellen der Glocken die hinreichende Öffnung. Selbst- 
verständlich bedingte diese Thurmanlage eiue vorzüglich entwickelte Steintechnik , und das 
angestrebte Ziel nach Entfaltung der Massen durch den imposanten Thurmbau wurde trotz 
der Einfachheit der Durchführung erreicht. Unter den Glocken befinden sich drei, welche dem 
XTV. Jahrhunderte angehören. 

Nach den noch erhalteuen Überresten der ursprünglichen inneren Ausstattung der Kirche 
zu schliessen, muss dieselbe sehr reich gewesen und von vorzüglichen Künstlern und Kunsthand- 
werkern hervorgegangen sein. Der Hauptaltar — eine Zusammensetzung von mittelalterlichen Sculp- 
turen und eines aus der Zopfzeit stammenden architektonisch nicht unschön gelösten Aufsatzes — 
enthält im Mittelfelde die Kreuzigung Christi mit Johannes und Maria zu den beiden Seiten des 
Heilandes. Die in Holz ausgeführten Figuren zeigen voll Kraft und prägnanter Charakteristik eine 
naive, der Natur abgelauschte Bewegung, eine klare und edel entwickelte Faltengebung und sind 
in der Art Tylman Riemenschneiders behandelt, vielleicht von ihm selbst ausgeführt worden, 
wobei die Gestalten durch eine treffliche Polychromie zur besonderen Geltung gebracht wurden. 
Den Hintergrund der Kreuzigung bildet ein in Holz gelungen imitirtes Seiden- und Goldstoff- 
gewebe, das durch ein reiches Flachornament schwach rcliefirt erscheint. Ausser diesen und noch 
anderen, ähnlich durchgeführten Figuren, welche der Hauptaltar enthält, verdienen von den 
Werken der Kleinkunst noch Beachtung: der Luster aus Bronce, welcher im Jahrgang 1871 
der Mittheilungen der k. k. Central-Commission mitgetheilt wurde, zwei grosse Altarleuchter aus 
Messing, eine Nürnberger Arbeit des XVI. Jahrhunderts, und eine mit Eisen beschlagene Thür, 
welche von der Sänger-Empore unter das Pultdach des nördlichen Seitenschiffes führt. Diese 
prachtvolle Schlosserarbeit , wovon die Abbildung Fig. 9 den Klopfer wiedergibt, wird ursprüng- 
lich wold nicht für diese ganz untergeordnete Pforte bestimmt gewesen sein, und erst im Laufe 
der Zeit, als das Verständniss für die unnachahmlichen Schönheiten mittelalterlicher Kleinkunst 
gänzlich verloren ging, an diese obscurc Stelle geschafft worden sein. Gegenüber dem West-Portale 
steht die ebenfalls in den Mittheilungen der k. k. Central-Commission, Jahrgang 1871, veröffent- 
lichte ewige Licht-Säule. 



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Wien. St. Stephanskirche. 




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9 



Über ein Grabdenkmal des St. Stephansdomes in Wien. 

Von Albert Ilo. 
Mit «iaer Tafel. 

Iis ist der gegenwärtigen Leitung der Restaurationsarbeiten am St. Stephansdome nicht zu 
geringem Verdienste anzurechnen, das« durch dieselben eine Anzald alter Grabdenkmäler thcils 
au» den unterirdischen Rifnmen heraufgeholt, ans Tageslicht gebracht und einer gebührenden 
Würdigung zugänglich gemacht wurden, thcils aber auch längst vorhandene durch sorgfältige 
Reinigung erhalten mitl wiederhergestellt worden sind. In dem Falle, worüber wir hier berichten 
wollen, hat diese Sorge für die genannten Denksteine zu eiuer kleinen Entdeckung geführt, die 
allerdings nicht weittragend und von allgemeiner Wichtigkeit ist. doch aber eines besonderen 
localen Interesses nicht entbehrt. Sie wird sehr möglicherweise auch bereits von vielen gemacht 
sein und soll von dem Verfasser dieser Zeilen keineswegs für die »eine in Anspruch genommen 
werden: hier ist nur zum erstenmal von einer Sache die Rede, die seit der Säuberung des Monu- 
ments den Augen eines jeden, so gut wie denen des Berichterstattern, kein Geheimnis» mehr sein 
mag, weil durch dieselbe das Grabmal in mehrfacher Hinsicht erst Werth und Bedeutung gewinnt, 
von dem man vordem sowohl in historischer als artistischer Beziehung kein Urtheil hatte. Der vor- 
liegende Fall ist ein recht guter Beleg für die Behauptung des Antiquars, dass der hässliche 
Staub der Jahrhunderte -alten Verwalirlosung für unsere Kenntnisse der Vorzeit so manchen 
werthvollen Gegenstand beige; auch diesmal wurde durch seine Ilinwegräumung ein Beitrag 
gewonnen, der willkonmieu heissen muss, da durch ihn an eine Fersünlielikeit erinnert wird, die 
ttlr die Geschichte einer stürmisch bewegten Epoche Österreichs und der Stadt Wien insbeson- 
dere Interesse hat. 

. Das betreffende Denkmal befindet sich im sogenannten Thecla-Chore (Passions-Chor), an der 
Kirchenwand zwischen dem ersten und zweiten Pfeilerbündel vom Eingange aus, als zweites, wenn 
man mit einer kleinen Sehrifttafel in der Ecke zu zählen beginnen will, einige Fuss Uber dem 
Pflaster angebracht. Es nimmt noch dieselbe Stelle ein (neben jenem des Salzburger Erzbischofs 
Hieronymus Colloredo, f 1812), wie vor der Restauration, scheint daher seit seiner ersten Anbrin- 
gung denselben Platz geziert zu haben. Ogesser, der die GrabmUler des Thecla-Chores auf p. 301) 
ff. Nr. 68 — 79 incl. beschreibt, lässt es aus und nennt auch unter den übrigen keines, das etwa dafür 
XVII. ■> 



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10 



Al-BEKT [LG. 



gehalten werden könnte. Von den zwölf beiOgcsser angcfllhrten fanden sich 1854, nlsA. v. Perger 
sein Buch über den Dom verfasste, nur mehr jene des Kaiser?, der getreuen Wiener Bürger von 
1408. de» Generalfehhnarschalls Gschwind von Pekstein, des Freiherrn von Ungarschitz, des 
Arztes Sorbait, der Gräfin Mignzzi - Waal , des Freiherrn von Kannegicsscr , des Geheim- 
schreibers Rogkncr und des Landeshauptmanns Leonhard von Vehs vor; die aus der Mitte des 
XVI. Jahrhunderts stammenden hölzernen .Schilde des Xic. Freih. von Firminn, f 1552, und des 
Erbschenken des Stiftes zu Trier, Truehsess des Erzherzog« Karl, Anton von Thun, + 1551, die 
in der Höhe angebracht waren (Og. G8. 09). scheinen beseitigt und z« Grunde gegangen zu sein. 
Ferner kennt schon Perger die Messingplatte beim einmaligen Jakobsaltare nicht mehr, welche 
wahrscheinlich bei dessen Entfernung abhanden gekommen sein wird. Sie bezeichnete die Ruhe- 
stätte des Hieron. Eisel von Pelcht, t 1517 i'Og. 7 S i. Dagegen sind diesem Autor vier Denkmale 
bekannt. dieOgesser und Tschischka nirgends nennen: die erwähnte kleine Schrifttafel in der 
ersten Ecke recht«, dem Spanier Alfonso Valdesius gewidmet, f 1532; die beachteiiswerthe 
Marmorseulptur der Kreuzabnahme am Grabmal des k. Rafhes Zwerger, f 1C48; das Monument 
de« J. G. Managetta. j lßßfi und das hier zu besprechende. Perger, pag. 71, b, berichtet, es ist 
„ein Denkmal, dessen obere Aufschrift mir nicht gelang zu entriith-seln, da sieh dort zu viel 
Schmutz angehäuft hat. Der Bildstein zeigt den heil. Hieronymus, den heil. Johannes mit dem 
Kelch und einen knieenden Capellan. An der unteren Schrift, die ich abschrieb, steht die Jahres- 
zahl M. D. VI U . Ehe wir über diese Copirung sprechen, müssen erst einige Worte über die Kunst- 
form des Monuments und die Orte, wo die Inschriften angebracht sind, vorausgeschickt werden. 

Das Denkmal besteht tektonisch ans drei Theilen, dem Mittelstücke, welches den eigentlichen 
Bildstein enthält, einem unteren consolenartig tragenden Theil und oben einer abschliessenden 
Krönung, kurz, es ist die häufig wiederbegegnende Form der Renaissancemonumente. Den untersten 
Theil maskirt ein breiter Bandstreifen , leicht gewellt wie eine breite Pergamentrolle. Durch 
denselben wird die ganze Substruction verdeckt, nur ganz oben sehen akanthusartige stylisirte 
Blätter hervor, so dass dadurch der eigentliche Körper des Denkmals ein wenig enthüllt erscheint, 
während das übrige hinter der Schriftrolle verborgen bleibt. Die letztere ist auch nur aufge- 
schraubt oder genietet, gleichwohl natürlich von Anfang her dazugehörig. Dem Profil des Con- 
solengebälks folgend ist sie von unten schief gegen oben herausgeneigt und ruht ganz unten auf 
einem dünnen stabartigen Gliede, welches mit Zahnschnitten ornamentirt ist. Dieser Schrift- 
streifen trägt die eine Inschrift, aufweiche Perger in den obigen Worten hinzielt. Den obersten 
Rand der Consolc bildet eine ganz schmale Leiste ohne Verzierung. 

Der eigentliche Bildstein, welchen die beschriebene Consolc trägt, ist an den Seiten von 
zwei Säulen begränzt, die nicht freistehen, sondern zusammenhängend mit dem Hintergründe 
gearbeitet sind. Ihre Form ist eine äusserst charakteristische und genugsam bekannt, sie begegnet 
in hundert und hundert Werken der bildenden Kunst, welche in Deutschland durch italienischen 
Einfluss entstanden sind, aber vom Geiste des Nordens selbständig umgearbeitet erscheinen. 
Sie gehören als recht charakteristische Gebilde in den Formensehatz der deutschen Renaissance. 
Über viereckigen, attisch profiliiten Postamenten, deren Felder wieder mit Relief-Schmuck versehen 
sind, erheben sie sich auf dicken Wülsten, unten bauchig geschweift, in Fialen-Gestalt, dann überaus 
schlank emporsehi essend, gekrönt von reichen Capitälen, denen das Princip des korinthischen 
zu Grunde liegt. Die genannten Füllungen der Postament-Felder zeigen vorn (auf jeder Seite) 
einen einköpfigen Adler, in dessen Schnabel an Schnüren ein Wappenschild hängt Als Emblem 
sieht man einen schreitenden Löwen mit dem Cardinalshute auf dem Haupt. Die Seitenflächen gegen 
den Bildstein haben ein Ornament von der Form eines Zweiges mit Blättern, die nach aussen 
gekehrten dann eine Blumenvnse von jener bekannten Form der deutschen Thonkrüglein mit 




1 



ÜllEi: EIS GßADUEVKMAI. I>F.S Sf. StEPHAN*OOMES IN WlEX. 



ti 



bauchigem Körper, welche gerippt und mit Henkeln versehen ist. Wir übergehen noch das 
MittelstUck und betrachten den Abschluss oben. 

Abs vermittelnde» Glied ist eine Leiste architrav-artig Uber die Capitillc frelc^r, sie zeigt ein 
zwischen Perlen- und Eierstab die Mitte haltende« Ornament. Darauf folgt ein stark ausladendes 
Bliittergesimse, über dem, in der Breite wieder dem Bildsteine gleich, ein Halbbugen aufsteigt. 
Er ist tief ausgearbeitet und geht in klüftigem Profil perspeetiviseh zurück, an allen Kauten mit 
demselben Laubwerk verziert. 

Den Innenraum des abschliessenden Halbbogens nimmt die andere Schrifttafel ein. sie 
steht unten am Gesimse auf, steigt an den Seiten senkrecht empor und ist nach oben von drei 
Kreisbogen coneav abgeschlossen. Die hier eingegrabenen Zeilen sind es, welche zur Zeit der 
Abfassung von Pcrgcr's Schrift durch Schmutz und Staub noch unleserlich gewesen sind und 
Dank der Herstellung in neuester Zeit eine Kunde liefern, die das kleine Grabdenkmal auch in 
historischer Hinsicht zu einem nicht uninteressanten Gegenstände macht, wie demselben seine 
Form und Ausführung künstlerische Bedeutung verleihen. 

Der Bildstein ist ein von jenen zierlichen Säulen eingerahmtes, überaus kraftig hervor- 
springendes Hautrelief, die Repräsentation des Verstorbenen durch seine Schutzpatrone vor 
dem Kreuz darstellend. Dieser in der alten Kunst oft genug behandelte Gegenstand erscheint 
aber hier mit einigen neuen Zügen ausgestattet. Die Mitte nimmt das aus gewaltigen Stämmen, 
wahren Gerüstbalken, gezimmerte Kreuz ein, jedoch nicht en pleine face, sondern mit «lern (heral- 
disch) linken Arme heraustretend, wahrend der andere perspeetiviseh ins Bild zurückgellt, also 
im Winkel auf die Flüche desselben. Die jetzt schwarz gewordene Gestalt des todten Erlösers, 
von den Knieen nn der Beine verlustig, hat keine Besonderheit, wie alles nicht-ornamentale hier 
aber den Typus des noch lange fortwirkenden spiitgothisehen Styles. Links am Fusse des Kreuzes 
kniet der Verstorbene betend. Er ist im Kleide des Capcllans, in reiehgefaiteltem Superpelliceum 
und mit dem Biret am Haupte, dargestellt. Ausser ihm noch 3 Personen : zu ihm niedergeneigt, 
mit dem linken Arm ihn gleichsam zur Vorstellung vorschiebend, St*. Johannes mit dem Kelch in 
der Rechten, der Xameuspatron des Geistlichen. Hinter Johannes, dessen Ausdruck sehr lieblich 
begeistert ist, ein anderer Heiliger , dem jedoch alle Attribute und Kennzeichen mangeln, eine 
bilrtige Gestalt, gleich den andern im Gegensatz zu dem PortrHtirten im idealen Costüme. Rechts 
neben dem Kreuzesstamme kniet St. Hieronymus im Cardinalsgewande, die Arme sind ilun abge- 
schlagen, möglicherweise hielt er dieselben zum Beten hin. Naiv genug hat der Künstler den 
Heiligen seinen grossen runden Cardinalshut au diejenige Stelle ganz unten an das Kreuz lehnen 
oder billigen lassen, wohin sonst der Todtcnkopf zu liegen kommt. Zu den Füssen des Heiligen 
ganz im Vordergrunde liegt querüber sein Löwe. Den rotheu Cardinalsmantel hat Hieronymus 
über den Baumast gehängt und es sich somit becpiem gemacht, um in seinem Büsserkleidc vor 
dem Kreuz knieen zu können. 

Diese wohlgcorduete Gruppe hebt sich wie gesagt in sehr starkem Relief, und zwar von 
einem Landschaftshintergrunde ab, wenn ich das folgende so nennen darf. Es ragt nilmlich zur 
Linken des Kreuzes eine finstere zottige Tanne empor, rechts ein Laubholzbauin, den Zwischen- 
raum bilden rauhe Felsen, über denen kein Himmel sichtbar wird. Diese Scenerie ist originell 
und dabei völlig ein Spiegelbild der lieben österreichischen Heimat mit ihrem Wälderduukel, 
darein sich der wackere Wiener Meister auch seinen Gekreuzigten dachte. Die Bilume sind in 
seichterem Relief gehalten, so dass das Ganze perspeetiviseh wirkt und das Kreuz mit der Gruppe 
um dasselbe unter dem schattigen Wipfeldache des Waldes zu stehen scheint. 

Was unser Denkmal aber vor allem merkwürdig macht, ist seine Polychromie. Nicht nur, 
dass Sculpturen dieser Art, mit farbiger Ausschmückung, heute Uberhaupt selten mehr gefunden 

2* 



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Al.BERT ILO. 



werden, so entbehren wir in Niederösterreieh, schon gar in Wien, derselben fast durchaus. Das 
einzige was geblieben ist. sind eben auch in diesem herrlichen Dome einige wenige Farbenspuren 
an einzelnen Pl'eilerfiguren und eine noch recht wohl erhaltene Console iti Engelgestalt, deren 
farbige Ausstattung das übrige in seinem traurigen Sandsteingelb um so unerquicklicher erschei- 
nen lasst. Ausserdem begegnet man hie und da, in Wien und auf dem Lande, einem Ölberge, 
dessen meist rohes Relief oft aber inelir mit Farbe bekleckst als gemalt genannt werden muss. 
Unser Denkmal jedoch, soweit die polychrome Decoration daran noch erhalten ist, zeigt einen 
wohlthuenden feinen Geschmack und könnte als völlig intacte Probe einer derartigen Bemalung 
von Sculpturen aus einer Zeit, die nach den besten künstlerischen Principien vorging, manchen 
lelirreichen Fingerzeig geben. Natürlich, man wird nicht mit dein Buche Sempers in der Hand 
an die Betrachtung unseres Werkes gehen dürfen, sondern mit Hintanlassung aller modernen 
Ästhetik, sich auf den Standpunkt jener nrgesunden Zeit zurückbegeben müssen, welche aller- 
dings des Guten zu viel gethau haben mag, wenn sie ein Steinrelief so sorgfältig anpinselte, als 
gälte es ein Ölbild zu schaffen, zugleich aber durch eben diese Sünde gegen den Styl schliesslich 
nur gezeigt hat. dass ihr kindlich frischer, unangetastet reiner, von jeder Flauheit noch freier 
Sinn die Farbe und ihr heiteres Leben über alles liebte, Uberall zur Geltung zu bringen strebte 
und sich dadurch als treue Schülerin der bunten farbenreichen Natur, bekundete. Blicken wir 
auf unser Denkmal: das Auge empfängt einen sehr angenehmen Eindruck. In der Mitte die 
grauen Felsen, die schwarzgrünen Waldbaume, von denen sich ehemals im lichten Fleischtone 
das nackte Christusbild abhob; das holzgelbe Kreuz ist noch gut erhalten, die Kleider der 
Heiligen und des knieenden Priesters prangten in duukelroth. grün, schwarz, weiss und rosa. 
Vorn der okergelbe Löwe, der scharlachfarbne Hut des heil. Hieronymus, in Johannes' Händen 
der vergoldete Kelch. Und nun der decorative Rahmen! An ilnn haben nur die architekto- 
nischen Glieder polychromen Schmuck und das nur zum Thcile; die Inschrifttafeln und das 
meiste vom Halbbogen des Abschlusses oben blieb in der natürlichen Farbe des Sandsteins. Aber 
auch jene Säulen, Gesimse und Profile haben nichts als an einzelnen Kanten. Leisten, an den 
Silulenpolstern, Füllungen der Postamente und Capitüle Vergoldung, sonst finden wir (ausser 
den erforderlichen Tincturcn des erwähnten Wappens) keine Farbe. Stellen wir uns diesen 
prachtvollen Rahmen mit dem feurigen Glanz des Goldes auf dein milden weissen Grunde des 
Wiener-Sandsteins vor. wie er in der ursprünglichen Frische der Farben gewesen sein mag, 
diese gefalligen Formen, welche einerseits an so manches italienische Altärchen oder Grabmal 
im Styl der Frührcnaissance erinnert, was den allgemeinen Eindruck anbelangt, und von den 
Arbeiten eines Desiderio di Scttignano oder Douatello oder Robbia dennoch wieder durch 
den Stempel echt deutschen Geistes im Detail unendlich verschieden ist . so dass wir viel eher 
an Dttrer's, Holbein's, Urse Grafs, Aldegrever's, ja Dietterlein's Renaissance selbst noch denken, 
so müssen wir gestehen, dass auch Wien damals einen höchst ehremverthen Rang in diesen 
Künsten eingenommen hat. Die grossen Bewegungen, die in der ersten Hälfte des XVT. Jahr- 
hunderts von Italien her einen Regen von fremdartigem Samenstaub wie ein Frühlingssüd- 
wind in die nordische Kunst wehten, haben auch hier Wirkungen nach sich gezogen und es 
waren, wie dieses Denkmal wieder beweist, treffliche Künstler am Platze, welche gleich ihren 
Brüdern in Augsburg und Ulm, Nürnberg und andern deutschen Städten die Gabe des Südens 
durch eigene nationale Kraft umzuwandeln verstanden in deutsches Fleisch und Blut. Leider 
ging in Österreich solche Blüthe unter den kommenden harten Stürmen noch rascher zu Grunde 
als in den übrigen Theilen des deutschen Landes, um so mein' wollen, müssen wir Epigo- 
nen auch auf diesem Gebiete an alles laut erinnern, was den Zusammenhang der beiden bewei- 
sen mag. 




I ber ein Grabdenkmal des St. Steffi an«dow I* Wien-. 



13 



> 

Neben dem Renaissance-Eleinent lebt in unserer Seulptur ein uraltes heimisches in noch sehr 
merkbarer Starke fort. Die ganze Hauptdarstellung, die Gruppe um das Kreuz gehört hieher. Da 
herrscht der kräftige gesunde Realismus des spittgothischen Reliefstyles ; die Heiligen sind derbe, 
sehr schöne , aber charakteristische Erscheinungen, sie entbehren selbst der Gloriole und gehen in 
der naturgetreuen Landschaft als reine Menschen auf. So hat sie van Eyck, Schongauer, Dürer 
und Holbein gedacht. In dem Waldhintergrund klingt , wie bemerkt, ein heimatliches Gefühl, wie 
ein bekanntes liebes Lied herein, einzelne naiv-humoristische Züge selbst fehlen nicht, wie der 
Umstand mit dem Cardinalshut, der wie auf einem Pflock in der Schenke hiingt, oder dem Löwen 
des heil. Hieronymus. Das Thier erinnert fast an seinen Collegen in Dürers heil. Hieronymus in 
der Zelle, eine ebensolche gemüthliche Kittzchennatur. Hervorragenden Werth hat aber das 
Portrüt des Verstorbenen . voll Wahrheit und Schürfe trotz des kleinen Massstabes , ein 
Charakterkopf, der sieh angenblicks von den traditionell typisch gehaltenen Köpfen der Heiligen 
ringsum abliebt. Was wir im folgenden von den Thaten und Gesinnungen des Mannes, der hier 
schlummert, vernehmen werden, ist in diesen scharfen, fest entschlossenen Zügen beinahe wie in 
einem Spiegel abzusehen. 

Auch in der Technik bekundet sich dieselbe Zweiheit der damaligen Kunstrichtung. Das 
Ornament der Renaissance-Umrahmung ist gross und frei aus dem Block gehauen, die im Styl 
mehr alterthümliche Mitteldarstellung dagegen besitzt alle minutiös-emsige Behandlung, welche 
von der Miniaturmalerei auf silmmtliche Künste der gothischen Periode sich ausgedehnt zu haben 
scheint. An dem Chorhemde des Priesters sind hunderte von Faltchen mit grösstem Fleisse aus- 
gemeisselt. desgleichen die feinen Hilnde, die Haarlocken, die Bauinblütter, ja selbst die winzigen 
Zflhne einzeln im Rachen des Löwen. Wir werden nicht fehlgehen mit der Meinung, dass es kein 
untergeordneter Meister gewesen ist, welcher so Alt und Neu in Styl und Technik zu reprüsen- 
tiren wusste und damit so glücklichen Sinn für Farbe verband. 

Er hat sein Werk mit dem Monogramm und Datum, und zwar auf dem unteren Theile des 
Kreuzstammes, bezeichnet. Das letztere zeigt, dass die Arbeit neun Jahre nach dem Tode des 
dadurch geehrten vollendet worden ist, 1517. und durch die Anfangsbuchstaben des Künstler- 
namens ist wenigstens eine Führte zu dessen Eruirung gegeben. Ehe wir derselben aber nach- 
gehen, muss gezeigt weiden, dass derselbe Dom noch mehrere GrabdcnkmHler besitzt, welche 
ihrer künstlerischen Provenienz nach mehr oder weniger mit dem in Rede stehenden verwandt 
sind. Die meisten aus dieser Zeit, dem ersten Viertel des XVI. Jahrhunderts, welche an und in 
der Kirche noch bestehen , tragen einen ganz bestimmten Charakter in übereinstimmender 
Weise. Aussen an der Stirnseite zur Rechten des Riesenthores das Denkmal des Hauer von 
Tiernitz, t 1515 (Og. p. 321. Nr. 100), des A. Eberganster. Apothekers, t 1509 (Og. p. 321, 
Nr. 104, Perger p. 30), am Fusse des Hoehthurmes der kleine Stein des Priesters Jacob Kalkus- 
brunner, f 1517 (Üg. p. 315. Nr. 25, Perger p. 37): innen beim Eingang zur Catharina-Capelle 
das Grabmal des Domherrn Thomas Resclu f 1520 (Og. p. 309, Nr. ß5, Perger p. fi7); beim 
Eingange in die Tyrna-Capellc über dem Steine Cuspinian's jener des Hanns Rechwein von 
Honigstorf (Perger p. 63, nach Og. p. 306, Nr. 39, unrichtig des Peter Haller). Hofpfenning- 
meisters. v. J.; endlich in der Halle uuter dem Neuthurm das Relief der beiden kaiserl. Hof- 
capellane Georg Huber, f 1521. und Georg Hager, f 1524 (Og. p. 305 gibt irrig an Jacob 
Huber. Nr. 25, Perger p. 60). Alle diese Arbeiten unterscheiden sich merklich von den übrigen 
im Dome befindlichen Grabtafeln aus früherer und späterer Zeit und stimmen in Styl und 
Technik durchaus überein. Nicht allein, dass bei allen das ornamentale und heraldische Beiwerk 
bereits den Renaissance-Charakter aufweist, während Figuren und Landschaftliches den Styl des 
XV. Jahrhunderts und zwar ganz in der Weise haben, wie die Malerwerke der österreichischen 



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14 Albert Ilg. 

Schule dieser Periode, — nicht nilein, dass vorher und später an solchen Monumenten da« über- 
kiiiftige Relief nicht erscheint und unser Dom ausser diesen kaum andere Sandsteingrabmäler 
besitzt, die Ähnlichkeit beruht hauptsächlich darin, dass die angeführten Werke tektonisch 
sämmtlieh aus denselben Theilen combiuirt sind. Immer findet sich da unten an dem tragenden 
consolcnartigen Theile das breite Inschriftband, dann die beiden Säulen der beseliriebenen. oder 
sehr ähnlicher Form, der abschliessende Hnlbkreis oben und der Bildstein zwischen den Säulen. 
Das zuletzt genannte Denkmal der beiden Hofcapellane wird allem Anscheine nach aus derselben 
Hand hervorgegangen sein wie unser Werk, oder verdankt nach Entwurf, Vorbild und Arbeits- 
leitung demselben Meister die Entstehung in seiner Werkstättc wenigstens, doch möchte ich viel 
eher es dem Künstler selber zuselueiben. Hier gleichen sich auch die Grüssenverhiiltnisse, die 
Form der obem Schrifttafel und alles Ornament an den Gesimsen etc. , nur die Säulen haben 
anstatt der sclunucklosen Ausbauchung bei unserem Denkmal einen mit Canellirungen gezierten 
Untcrtheil. Der Bildstein, dessen technische Ausführung völlig dieselbe Schule, dieselben geistigen 
Mittel und handwerkliche Übung zeigt, enthält die Darstellung eines ausdrucksvollen Eceehomo- 
brustbildes mit Dornenkrone und Marterwerkzeugen in einem Wolkenkranz, welchen zahlreiche 
Engclköpfchen durchbrechen. Die unten knieenden, von ihren Patronen geleiteten Geistlichen 
tragen dasselbe Gewand, als Capellane, wie der Verstorbene unseres Monumentes, ein zufälliger 
Umstand, der die gemeinsame Urheberschaft beider Arbeiten an der Gleichheit der technischen 
Behandlung ganz evident zeigt. Alle drei Figuren knieend, alle in derselben Gewandung, sind sie 
wie von einander copirt, mit gleichem Fleisse im Detail ausgeführt. Mehr noch als an uuserui 
Denkmal, tritt hier in den gekräuselten umgebogenen Wolkenrändern das ältere Styl-Element 
zu Tage. 

Mehr oder minder, im ganzen oder bezüglich der einzelnen Partien Hesse sich dasselbe 
von den übrigen der angeführten Grabmäler nachweisen; als das nächstverwandte wäre dann 
jenes des gekrönten Poeten und Domherrn Besch in der Halle des vollendeten Thurmes zu 
nennen, woselbst abermals in der Priesterkleidung und deren technischer Ausfüllung, an den 
Säulen und an der Bekrönung die Ähnlichkeit hervortritt. Wir werden an allen den Einfluss eines 
und desselben Meisters annehmen dürfen, der das schönste von ihnen 1 , eben den Gegenstand 
unserer Notiz, mit den Anfangsbuchstaben seines Namens versehen hat, den Meister M. T. 

Aus jener Zeit, als die erwähnten Grabmiller entstanden sind, kennen wir einen Meister 
Michel in Wien, dem die Urheberschaft vielleicht zugeschrieben werden darf. Er war Vorsteher 
der Steinmetzgesellschaft und richtete als solcher in dem vielbesprochenen Werkstreit der Meister 
Üchsel und Pilgram eine Klagschrift gegen den letzteren (s. Hormayr's bist. Taschenbuch 1829, 
p. 4 — 13; Perger p. 15 ff., Feil bei Perger in der Vorrede). In einem Vidimus des Dorotheer- 
probstes Bernhart von 1513 wird der Wortlaut eines ein Jahr vorher von Kaiser Max ertheilten 
Schiedsspruches zwischen den streitenden Parteien gegeben und darin dieselbe Person Maister 
Michel dichter vnnser Grabmaister zu Wienn genannt. Denselben Künstler hat ferner die emsige 
Forschung Feil'« (in den österr. Bl. für Literatur und Kunst, 1844. II. p. 236 f., 1845, p. 15 f. 
und in SchmidTs Kunst und Alterthum in Österreich p. 2) als Vollender des Kaisergrabes in 
St. Stephan erwiesen, indem er 1493 nach dem Tode Lerch's die weitere Arbeit übernommen 
hatte und damit bis 1513 beschäftigt war. Wenn wir diese Umstände zusammenhalten: die ein- 
flussreiche Stellung als Innungsvorstand, durch welche die Entwürfe eines begabten Mannes 
leicht häufige Nachahmung und Wiederholung in der Schule finden mochten, das Prädicat „Ko. 
kay. Myt. grabmaister-, die Betheiligung an einer Arbeit ersten Ranges in diesem Fache, den 

i Nur dieses hat polychrome Ausstattung, »eiche übrigen» auch in einem späteren MuiiuincM. des Bischof Zlutko Ij- IM2> 
Anwendung fand. 



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Chrii f.is GitADDMKKAIi des St. Stephansdomeü jx \V:en. 



Rcnaissaneecinfluss an den nicht von Lerch herrührenden Theilen «Ich Friedrich-Monumentes, 
wHhrend das Figuralc demjenigen an unsern Werken gleichfalls sehr verwandt scheint, endlich 
die so häutige Ungenauigkeit der Sehreibung von Namen, so wird wenigsten« die Vcrmuthung 
gestattet sein, das« der Meister M. T. vielleicht Meister Michael (oder Martin, wie er auch genannt 
wird, Perger p. 69) Dichter sein könnte. Und noch möge betreffs der Namensschreibung bemerkt 
werden, dass die Form tiehten, tichter der Ortographie des XV. bis XVI. Jaluhunderts auch viel 
angemessener ist als dichten, dichter. 

Ehe wir nun das Monument als Kunstgebilde verlassen und uns seiner Besprechung 
insofern es ein historisches Denkmal ist, zuwenden, möge noch gestattet sein, seine polychrome 
Technik an der Hand alter Kecepte und Vorschriften aus mittelalterlichen MalerbUehern zu 
erklären. Nebst diesen gewährt uns auch die moderne wissenschaftliche Untersuchung selir 
schätzenswerthe Anhaltspunkte. In Italien , Frankreich . Spanien , Deutschland und England 
wurden bereits in romanischer Zeit zahlreiche Steinfiguren bemalt und vergoldet, eine Mode, die 
nur einen Zweig der polychromen Ausschmückung von Seulpruren im allgemeinen ausmacht, 
denn die Fülle holzgeschnitzter , bunter Statuetten an den deutschen Schnitzaltären und die 
bemalten und vergoldeten Elfcnbein-Figürchen, in denen Spanien im XIV. bis XVII. Jahrhundert 
so ausgezeichnetes leistete , gehören ebenfalls hieher. Sandstein wurde an allen gothischen 
Domportal en, Fialenstatuen, Grabmälern u. a. bunt bemalt, in Italien gab man auch Marmor 
diese farbige Bekleidung. Wie lang man, bei übrigens schon ganz umgewandelten Kunstanschau- 
ungen, wie in Deutschland auch jenseits der Alpen, an dieser alterthümlichen Verzierungsweise 
Gefallen fand, bezeugen die merkwürdigen Figurengruppen in reicher und künstlerisch werth- 
voller Bemalung im Baptisterium der Kathedrale von Novara, Seenen aus dem Leiden Christi 
vorstellend, welche man sogar dem Gaudenzio Ferrari. Leonardo's da Vinci Schüler, zuschreiben 
will, einem Zeitgenossen unseres Wiener Meisters (1484 — 1550). Frankreich besitzt in den 
Tumbeureliefs , mehrerer Königsgräber, namentlich in jenem Heinrich'* II. von England zu 
Fontrevaud in der Normandie, bedeutende Werke dieses Kunstgenre's etc. 

Die Rechnungen des Dombaues von Orvieto bemerken zu dem Jahr 1551 in Betreff einer 
Madonnenstatue von Marmor über dem Haupt-Portal an der Stirnseite, die Andrea Pisano poly- 
chrom ausschmückte, wie folgt: Tres solidos pro hovis (ovis) pro clara fienda pro coloribus lique- 
faciendis in figura seu hnagine V. M. . . VII. sol. et X. den. M. Andree de Pisis pro eenabro 
biacea et cera eolla .... pro duabus uncis azztiri ad rat. VT. solidor. pro uneia et pro modico 
cerusse (ustae) et pro XII. foliis dauro ad rat. VI. den. pro quolib. folio pro Majcstate pulera de 
marmore oraanda. Hieraus ergibt sich, dass der Firniss der verschiedenen, auf dem Steine ange- 
brachten Farben ein Wachsleim war, cera colla, und diesen bestätigen noch andere Umstände 
und Nachrichten als den mittelalterlichen Überzug für Farben, welche auf der Fläche des Steines 
haften sollen. Vielleicht ist schon das cerate des Vitruv, welcher dabei vom Poliren der Statuen 
spricht, etwas verwandtes. Das sogenannte venezianische Manuscript im British Mus., aus dem 
XIV. Jahrhundert, gibt ein ausführliches Recept, die cera colla zu bereiten, wozu man Terpentin, 
Mastix wäscht und fern von der Sonne trocknet, endlich mit einem guten Zusatz von weissem 
Wachs am Feuer schmelzen lässt. Dieser Leim diente nicht als Tempera oder Pigment der 
Farben, welche vielmehr, wie auch jenes Citat besagt, Ei-Tempera-Farben waren; er wurde als 
Firniss über diese zarten, leicht zerstörbaren Stoffe gebreitet, die so vor der Feuchtigkeit der Luft 
geschützt waren. An unserem Monument scheint mir dieselbe Technik angewendet zu sein, die 
Farbenreste blättern sich leicht ab, greifen sich weich und fettartig und entbehren eines eigen- 
artigen Geruches nicht, der die Annahme wohl zu unterstützen geeignet wäre. Allerdings kann 
nur eine chemische Untersuchung, wie sie in Pistoja von Branchi ist vorgenommen worden, eine 



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16 



Af.BERT Ilo. 



Sache der. Art entscheiden, so viel jedoch muss mit" alle Eventualitäten hin gesagt werden, das» es 
auffallend heissen müsstc. wenn ein anderen Resultat an den Tag träte, denn nolche Hnupt- 
techniken begegnen durch alle Perioden und Recepte des Mittelalters hiudiireh unverändert und 
ich glaube, das» man ebenso wenig jemals einen andern als Wachsfirniss auf bemalte Statuen 
legte, als man durch alle Zeiten hindurch nichts anderes als Kalk zum Fresco und Eiweiss zur 
Hlteren Tafelmalerei anwendete. Das Wachs drang von der Oberfläche des Firnissüberzuges in 
die darunter befindlichen Farben ein und verlieh ihnen Glanz und Körper. 

Was die angewendeten Farbstoffe anbelangt, so sind es keine andern als die gewöhnlichen 
mineralischen der Frcsco-Technik, da vegetabilische auf dem Steingrunde nicht dauern. Wir nehmen 
hier blos auf die auch an unserm Werke vorfindlichen Rücksieht. Der Hut und Mantel des heil. Hiero- 
nymus, das Biret des Verstorbenen, die Lippen aller Personen, vielleicht auch das Blut der 
Seitenwunde Christi ist Zinnober, das oben bei Pisano's Arbeit erwähnte cenabrum. Ein Recejit 
des Franzosen Le Begue. Münzmeister der Stadt Paris, welcher 1431 viele Maler-Reeepte zusam- 
menschrieb." lehrt zu bemalen images pourtraietes et rondes. womit im letzt« m Falle wohl runde 
Statueu gemeint sein müssen ; auch er verwendet dabei eynobre und zwar als Mischungs- 
bestamltheil der C'arnation. Für die Herstellung der letzteren haben wir ausführliche Angaben, 
welche gewiss auch für linaern Fall Geltung haben. In einer Vorschrift des nordfranzösischen 
Mönches Petrus de St. Andemar, welcher um «las Ende des XIII. Jahrhunderts schrieb, wird die 
Farbe des Fleisches, wie öfteis im mithdaltcrlichen Latein, olclnis genannt, seil membrana. t.'om- 
ponitur ex mbeo seu vermiculo {'Zinnober) et albo seu cemsa (Hlciwcissj. Dann folgen «lie 
Angaben von Surrogaten, wenn man Zinnober nicht hätte, auch ein wenig (iiiin soll beigemischt 
werden, nudo ymagini. Imago bezeichnet immer das plastische, runde oder doch erhaltene 
Bildwerk, daher nennt auch Thcophilus die freien geschnitzten Menschen- oder Thierfiguren an 
sellis et octoforis imagines il, 23). Vgl. «las obige C'itat von Pisano und Le Hegne. Bei diesem 
wird die simple membrane für Statuen aus un poi de eynobre et uu poi de mine und dem rothlich 
dunklen Pose bereitet, de hnpiellc vous rougirez dens, naselies, bouche, mains etc. Aus Zinnober, 
Bleiweiss und vertbleu (Blattgrün i mischt er eine andere t'arnation. welche lumine heisst, für die 
Nase und Augenbrauen; eine dritte aus Koth und Schwarz, Namens Ccdra, für die Züge um die 
Augäpfel. Das Grün unseres Reliefs scheint nach P. de Andemar'.s Recept eine Mischung von 
Azur und Auripigiuent, «lein dann Schwarz ( wohl Lampenruss? j beigemischt ist. zu sein, das Blau 
der Pilaster-Fülluiigen, auf dem sich die goldenen Wappen abheben, Azur, das Weiss des Priester- 
gewaudes wold ein Kalkweis*. der Löwe lichter Oker. 

Um uns von dem Vorgange bei der Herstellung der Vergoldungen ein klares Bild zu 
machen, nehmen wir das 174. C.'ap. «les Kunstbtnhes von Cennino Cennini zu Hilfe, woselbst eine 
Steinfignr mit Gold zu belegen gelehrt wird. Zuerst gibt man mehrere Lagen mit heissem Leim, 
mischt dann feingesiebte Holzkohle mit einer Beize von gekochtem Leinöl und Firnis* und trügt 
das auf dem trockenen Leinigrunde auf. Nun wird wanner Leim mit Eigelb vermengt und mittelst 
eines Schwanunes über «lie Beize mit «1er Kohle, wenn dieser zweite Überzug trocken ist, frottüt. 
Das Öl verhindert die Feuchtigk«it des Steines, sich dem nun folgenden Gvpsiiberzug mitzu- 
theilen, den man gleichfalls mit Leim anbringt, aber in vier und mehr Lagen über einander. 
Dann trügt man armenischen Bolus auf und bringt darauf das Gold an wie in der Miniatur- und 
Tafelmalerei. Ohm- Zweifel hat Andrea Pisano seine maesta in Orvieto auf diese Weise mit den in 
der Rechnung aufgeführten Goldblättcrn belegt, zu Cenniiu's Zeiten scheint die Decorations- 
weise weniger in Übung gewesen zu sein, wie er bemerkt. — 

Nun zu den Inschriften des Monumentes, von dem man bisher nicht wusste, welchem Ver- 
storbenen es gewidmet sei. Die untere Inschrift besagt nichts über die an dieser Stelle beigesetzte 



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Cb«r bin Gbaddenkhal dk« .St. Stephansdohm in Wibn. 17 

Person. Da Ögesser und Tschischka Uber das Denkmal schweigen, so ist Pcrgcr der erste, 
welcher dem interessanten Gegenstande einige Aufmerksamkeit geschenkt hat; jedoch ist hei ihm 
die damals bestaubte Inschrift (LH auf p. 117) nicht völlig in der Zcilcnabtheilung wie am 
Monumente und ferner mit Auslassung zweier Worte gegeben, mit denen die Zeilen als Disticha 
sich herausstellen. Richtig lauten sie also: 

D . Ü . M . S. 

DVM . VIXI . COGNOVI . HOMINVM . PIA . IVKA . DEVMQVE, 
ME . 8TVDIORVM . HAB VIT . DOCTA . VIENNA . PATREM. 
CONSILIO . ASSENTIT . CAESAR . HIC . MORTE . D1REMPT1. 
OSSA . IACENT . ANLMVM . SIDERA . CELSA . FOVENT. 

M . D . VI. 

» 

Die obere, erst seit neuerer Zeit lesbare Inschrift aber lautet: 

CLARISSIMI . 1). 
IO_. KALTNMAR. 
ER . IVRIV . TC . THEOLOGIAE. 
DOCT . RATISBONEN . PATAMEN. 
AC . VIESEN . ECCLESIARV . CANONICI . LNFRA 
ONASVM . OFFICIALIS . EBITHA . (sie) (DVCTV . MAG 
ISTRI . GEORGn . PERLAR . EDITVM) . QVI . 
VLTIMA . APRIL . ANNO . M . D . VI. 
MEÖRIA . I) . KALTEMARCKT. 

Wir haben nicht die Absicht, in diesen BlHttern, welche weniger der Erforschung allgemein 
geschichtlicher Verhältnisse, als archäologischen und kunsthistorischen Gegenständen gewidmet 
sind, die Geschichte des Mannes zu schreiben, dessen Andenken unser Grabmal ehrt. Zudem ist 
die Person des Passauer Officials Johannes Kaltenmarkter, jeglichem, der die Geschichte der 
Refurmationsbewegungcn in Österreich einigermassen kennt, keine fremde Erscheinung. Uns lag 
hauptsächlich daran, auf das Denkmal aufmerksam zu machen, welches bisher wenig beachtet und 
seiner Bestimmung nach unbekannt war, in künstlerischer und historischer Hinsicht zu den inter- 
essanteren der Kirche gehört, eine bestimmte Kunstform reprasentirt, die Verquickung gothischer 
und italienischer Richtung zeigt, vielleicht mit den übrigen ähnlichen einem bekannten Meister 
zuzuschreiben sein wird und sich durch seine polychrome Ausschmückung hervorthut. Daher Uber 
den hier Bestatteten nur eine kurze Erinnerung. 

Über die geistliehen Würden des Mannes gibt die Grabschrift selber Auskunft; er war Doetor 
und Canonieus, Lehrer an der theologischen FacultHt und Domprediger. Als bereits in der zweiten 
Hiilfte des XV. Jahrhunderts verschiedene, von der Kirche als häretisch verworfene Lelirmeinungen 
auftauchten, in Predigten und Kathedervortragen geistliche und weltliche Gebildete wie nicht 
minder auch die Masse der Bevölkerung in Bewegung brachten, Nachspiele des Hussitisnius und 
Vorspiele des Lutherthums in Österreich, da wird Johannes Kaltenmarkter nicht als der unbe- 
deutendste dieser Neueren genannt. Einer der frühesten, war schon 1441 der damalige Chor- 
meister des Domes gegen die Bettelurden aufgetreten, wider deren Ablasshaudel sich vorzüglich 
die Opposition der Wiener Reformatoren richtete. Wie dieser Prediger und spater, 1486, der 
Dr. Georg Pn-posst von Cilly, welcher in humanistischen Thesen eine laxe Moral verkündigt zu 
haben beschuldigt wurde, wie 1509 der Spitalmeister und Comthur zum heil. Geist Philipp 
Turriano, die Cistercienser Jacob uud Theobald, 1510 zahlreiche Kanzelredner in St. Laurenz, 
xvii a 



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18 



Al.HEKT ILO. I'dER EIX < Hi Ali DEN KM A I. DES .St. .STLI-UANStlOMES iN \Y|B\. 



bei St. Peter und den Schottin namentlich gegen Bilderdienst, Rcliquicnvcrchrung und schlimme 
Mönchszucht eiterten, in demselben Geiste, doch wie es scheint mit feinerer Gelehrsamkeit und 
grösserer Begabung, hatte sich auch Kaltenmarktcr in die gilhrenden Streitigkeiten des Tages 
(remischt. Er sprach im Dome, der nun »eine Reste beherbergt, gegen die Papstgewult , über 
Concil und Papst, dann wider die Privilegien der Mcdicanten-Orden bei Begräbnissen und Beichten, 
und entwart' ein scharfes Bild des damaligen arg verfallenen Lebens der Mönche. All' die genann- 
ten Refonnirer aber wurden , im Gegensatz zu dem gewöhnlichen Gang der Dinge im folgenden 
Jahrhundert, noch nicht, gleich einem Tauber und Hubmayer, den Klammen überantwortet, 
sondern sämmtlich durch gütige Vorstellung und Ermahnungen zum Widerrufe bewogen. 

So auch Hans Kaltenmarktcr. Nachdem die Faeultiit seine Anschauungen missbilligt hatte, 
kam von Rom, durch einen Cursor (Courier) des Augustiuerordens (Iberbracht, ein päpstliches 
Hieve (4.. August 14!>2), darin Innoceuz VIII. dies Vorgehen der Universität belobt und den 
öffentlichen Widerruf der in der Sehlde vorgetragenen propositiones et conclusioues partim 
heresini sapientes , partim erroncae et partim scaudalosae forderte. Die Cardiniile Oliverius 
St. Sabinae in Neapel und Georg von Lissabon als bestellte Richter hatten dieselben als 
ketzerisch verurtheilt und ihre Meinung am 10. Mai j. J. abgegeben, nachdem der Angeklagte 
einmal widerrufen. Er wurde nun ein Jahr von aller Lehre suspendirt und entschloss sich endlich 
auch zur öffentlichen Zurücknahme seiner Thesen, was in seholis juristarum am 23. (Mober von 
der Kanzel geschah. Seinen Widerruf nahmen Briceius Preposst von Cilly, Canonicus und Gustos 
von St. Stephan, als Vicckanzlcr der Hochschule und Decan der theologischen Facultiif, die 
übrigen Doctoren und Liecntiaten aller Kacultäten und zahlreiche Geistliche und Laien 
entgegen. Nun wurde er, wie das päpstliche Brcvc es vcrhcisseil hafte, in den Sclioss der Kirche 
wieder aufgenommen und jede „macula** von ihm getilgt, folglich auch nach seinem Tode, 1501», 
die Beisetzung in der Kirche gestattet. (S. über diese Verhältnisse namentlich Kink's Geschichte 
der Universität, I, 1, p. 235 und in den Beilagen (2) XI, 20, woselbst Stellen des Widerrufes 
abgedruckt sind. Ferner Chmel, Mat. z. österr. Gesch. I, 63; Tschtschka, Gesch. Wiens, 
p. 285; Schimmer, Alt-Wien, Heft V, 5. u. a.) 

Was die Errichtung des Grabmals neun Jahre hinausgeschoben halten mag, wie aus dem 
Datum des Monogramme« hervorgeht, ist nicht bekannt. Dagegen meldet uns die Inschrift oben 
den Stifter, Mag. Georg Perlar. Ich vermuthe, das« diese Namensform auf einem Irrthum des 
Steinhauers beruht, dem in jener humanistisch gebildeten Zeit auch gewiss nicht ebithaphium 
vorgeschrieben gewesen sein kann, wie er es ausmcisseltc), dass Perlar für Perlach steht, welcher 
Name damals öfter vorkommt. Georg Perlach wird 1552 in einem Verzeichniss der Besoldungen 
der Universitats-Lchrer unter denen der artisticae facultatis als erster, mit jilhrlieh !K> Pf. Pfcnn. 
und zwar als Astronom aufgeführt. (Kink, 1. e. I, 2, H5G. n.) Von ihm könnte das sidera celsa 
fovent leiehtlich herrühren. Ein Andreas gl. N., Arzt und Mathematiker, starb schon 1551, er 
hat ein beachtenswerthes Denkmal aussen am Fusse des hohen Thurmes. (Og. p. 314. Nr. lf). 
Pcrger p. 37.) 

Auffallend scheint der Umstand, dass die Inschriften unseres Monumentes des wichtigsten 
aus Kaltenmarktcr'« Leben , seines Abfalls und der folgenden Bekehrung mit keinem Wörtchen 
gedenken ! 




19 



Die farbigen Glasscheiben im Dom von Florenz. 



Iii wa \nhiae von Dwuwilfli. 



StVDII von Da. Hans Sempeu. 



I. 




JLangst anerkannt ist die wichtige Stellung, welche die gemalten Glasscheiben in der Architek- 
tur des Mittelalters einnahmen; dies beweisen uns schon die allerdings feindseligen Ausfalle 
zweier unserer grössten Dichter gegen dieselben. 



klagt Göthe's Faust über sein scholastisch dumpfes Studierzimmer. Heine aber vergleicht die 
leuchtenden Farben der Glasscheiben, die von den Sonnenstrahlen in die Kirche hincingestossen 
werden, gar mit „Blut und Eiter". Und doch sind sie in gothischen Kirchen, unter deren Obdach 
sie die höchste Blilthe trieben, für den vollen Kindruck fast unentbehrlich, da erst durch sie die 
ganze mystisch-sehnsüchtige Stimmung erreicht wird, die der gothische Styl anstrebt. 

Die Glas-Mosaik und der gestickte Teppich sind gleichmim die Eltern der gemalten Glas- 
scheibe. Die Glas-Mosaik war im frühen Mittelalter eine vor allem beliebte Kunst, mit der Wände, 
Decken, Boden, Möbel, Sculpturen und alles geschmückt wurde. Damit erhielt und bereicherte 
sich auch die Technik des Glasschmelzens, Ghisfarbens, der Bereitung von Glasscheiben etc. Mit 
Teppichen aber wurden einst die Fenster der Kirchen-Schiffe verhangt, um das grelle Licht, sowie 
den Zug vom Innern möglichst abzuhalten. Im frühen Mittelalter liebte man ja noch grössere 
Düsterkeit der allerdings künstlich durch Lichter erhellten Räume als später, vielleicht in Erin- 
nerung an die Katakomben und Krypten aus den Zeiten des ersten Christcnthums. Wir lassen 
dahingestellt, ob erst in Tegernsee um das Jahr 1000 die eigentliche Bemalung des Glases 
erfunden worden sei, wie Wackerna gel will. So viel ist sicher, dass schon im VII. Jahrhun- 
dert von Beda und im IX. von Anastasius farbige Glasfenster erwähnt werden, die allerdings 
wahrscheinlich nur musivisch aus kleinen bunten Glasstücken zusammengesetzt waren. Entspre- 
chend ihrer Entstehung sind denn die iiitesten Glasscheiben Italiens auch in einem entschieden 
musivischein Style gehalten, wie z. B. die herrlichen Fenster in St. Francesco di Assisi, die aus 
dem XIII. und XF\\ Jahrhundert stammen. Die Figuren sind daran klein, streng und decorativ 
behandelt, die Farben in feinen Theilen gleichmllsBig zerstreut, so dass eine einheitliche teppich- 
artige Wirkung entsteht. Es wirken vor allem die Farben und ihr Gesaiumtschiunuer steht in 
vollem Einklang mit der Architektur. Zugleich herrschen hier aber noch schlichtere Farben vor: 
Grün, Rosa, Hellblau, Hellgelb, Weiss. 

XVII. I 



,Wo gelbst das liebe Himmelslicht 
Trtlb durch gemalte Scheiben bricht-, 




20 



Dr. Hans Skhpkr. 



Ge^en das Ende des XIV. Jahrhunderts nehmen die Glasscheiben eine ungemeine Gluth 
an; feurige» Gold und Hlutroth bilden den Grundton. Die Farben sind nicht mehr so fein vertheilt 
wie früher, die Figuren fangen an mehr hervorzutreten und sorgfältiger ausgeführt zu sein: 
dennoch aber beherrscht das Ganze noch eine einheitliche Stimmung. 

Im XV. Jahrhundert aber , mit dem Eintritt des emsigen Naturstudiums und dem 
Aufschwung der Malerei, sowie der Einführung der Ölmalerei, fiingt auch die Glasmalerei an, 
mehr den malerischen als architektonischen Grundsätzen zu folgen ; die Farben erhalten wohl 
eine grosse Tiefe und Wirme, werden aber zu pastos, die einzelnen Partien treten zu bedeutend 
und unvermittelt hervor, die Zeichnung und Plastik der Figuren hebt sich zu sehr vom Grunde 
und vom Ralunen heraus. Diese Tendenz wird fortgesetzt im XVI. Jahrhundert durch Guillaume 
de Marseille. Giovanni da Udine dagegen kehrt noch einmal zu der architektonischen Behandlung 
der Scheiben zurück und schafft prachtvolle Muster, allerdings für eine hellere Wirkung in 
helleren Räumen. 

So viel glauben wir als flüchtigste Skizze über die Entwicklung der Glasmalerei in Italien 
vorausschicken zu müssen, indem wir Parallelen mit Deutschland und Frankreich andern über- 
lassen. Sicher ist es, dnss im XIV. Jahrhundert auch in Italien die Glasmalerei zu einem hohen 
Grad von Schönheit und Ausbildung gelangte. Und dass man ihr emsig oblag, beweisen schon 
die vielen Traetate, die darüber geschrieben wurden. Unter den vielen schönen Glasscheiben des 
XIV. Jahrhunderts ragen aber vor allen die des Domes zu Florenz hervor, ohne welchen dessen 
innere Architektur in ihrer republikanischen Einfalt ihrer jetzt so herrlichen Stimmung zum 
grossen Theile wohl entbehren würde. Es freut uns nun, in vorliegender Arbeit auf Grund- 
lage von Documenten , die wir wohl erschöpfend im Archiv des Domes sammelten , einige 
genauere Angaben über diese Scheiben machen zu können, und zugleich einige Irrthümer. die 
darüber im Umlauf sind, zu beseitigen. 

Die stylistisch reinsten und in der Stimmung schönsten Glasfenster sind die vier der beiden 
Seitenschiffe, zunächst dem Chor (da wir selbstverständlich von den vier blinden Scheiben 
zunächst der Facade nicht sprechen). 

Zugleich sind sie die ältesten Scheiben und wurden von folgenden Meistern hergestellt: 
Das Fenster seitlich über dem Süd-Portal (gegen die einstige Via de' Cassettai) wurde von dem 
Maler Agnolo di Taddeo Gaddi gezeichnet, und von Antonio di Pisa im J. 1395 ausgeführt. 
Sechs Heilige sind in zwei Reihen unter gothischem Baldachin darauf dargestellt. In ihren 
Gewändern folgen sich nach der grösseren oder geringem Verwendung die Farben : Roth, Blau, 
Gold. Grün. Nur mässig heben sie sich von dem Grunde ab, der in den Farben: Grün, Blau, 
Gold spielt. Teppichartig gemusterte Streifen umrahmen die einzelnen Felder. Das Ganze funkelt 
edelsteinartig in einem feurigen, rothgoldenen Tone. 

Ganz ähnlich ist das daneben befindliche Fenster, sowohl was die Anordnung der Zeichnung, 
als auch der Farben betrifft. Die erstere stammt auch hier vennuthlich von Agnolo di Taddeo 
Gaddi, während die Ausführung durch den Meister Niccolö di Piero tedesco im Jahre 1395 
geschah. In dieser Scheibe treten aus dem roth- goldenen Grunde mässig hervor: ein schönes 
Apfelgrün, ein Blau, das- zwischen Ultramarin und Prcussischblau steht, so wie Rosa. Wie wir 
aus den Documenten ersehen, arbeitete dieser Deutsche ausserdem noch an zwei seitlichen 
Rundfenstern der Facade (von 1412 — 15), konnte sie aber wegen seines Todes nicht vollenden. 

Das Fenster schräg Uber dem zweiten nördlichen Seitenportal wurde von Agnolo di 
Taddeo Gaddi und dem Maler Neri d' Antonio gemeinsam entworfen, und von dem Mönch aus 
der Vallombrosa, Leonardo di Simone, zwischen 135)4 und 1396 ausgeführt. Von denselben 
Meistern musi auch das danebenstehende Fenster sein, da Leonardo mehrere Scheiben ausführte, 



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Die farbigen Glasscheiben im Dom von Florenz. 



21 



sonst aber keine von ihm sein können. Diese beiden Scheiben sind vielleicht um einen Grad 
weniger reich im Glanz als die gegenüberbefindlichen, sonst aber völlig verwandt. An der 
Beileibe Uber der Thür sind Rahmen und Tabernakel gold, roth, grün, das Figürliche dunkel- 
grün, violett, ultramarin und in zwei Abtheilungen roth gehalten. Im Fenster daneben sind 
Rahmen und Grund vorwiegend roth und blau, die Tabernakel goldgrün, die Figuren blau, 
roth, golden, grün. Man kann sich nicht satt sehen an der edeln feurigen Farbenpracht dieser 
Seheiben , wo das Figürliche so zurücktritt. Über die andern Arbeiten des Leonardo di Simone 
unterrichte man sich in den Documenten so wie im Anhang. 

Die ältesten Scheiben nach denen der Schiffe sind in den Capellenkrilnzcn zu beiden 
Seiten des Chor-Achtecks vertreten, und zwar scheinen hier wiederum die des Capellenkranzes 
recht* für den Eintretenden die alteren zu sein. Es ist hier eine wundervoll klüftige und tiefe 
Harmonie zu sehen, wiewohl die Farben sich schon compacter zu gruppiren beginnen. Die 
Zeichnung der Figuren weist auf Giotto's spätere Schule hin; die Tabernakel sind in einer 
reichen Gothik gebildet. Leider lassen die Documente keinen bestimmten Schluss auf die Zeit 
der Entstehung, so wie die Namen der Meister zu. In zwei Reihen übereinander beleuchten je 
zwei dieser Scheiben die fünf Capellen. Während die obern Fenster in vier Felder mit je zwei 
Heiligen über- und nebeneinander cingetheilt sind, so zeigen die untern nur drei Felder, mit 
einem sitzenden Heiligen oder Propheten oben, zwei stehenden, meist gekrönten Hiiuptern, unten. 
Von den untern Fenstern stimmen, von rechts angefangen, Nr. 1, 3 und 4 am meisten in den 
Farben überein: Grün, Roth, Blau, Gold herrschen in wechselnden Verhältnissen darin vor. In 
Nr. 2 dagegen hebt sich Violett. Grün und Roth von einem braun-goldnen Grunde ab. In dem 
sehr malerisch getönten Fenster Nr. 5 folgen sich nach ihrer Intensität: Blau, Violett, Grün, 
Rosa und Gold. Noch selbständiger als hier treten die Figuren in der obern Reihe hervor. Rlau, 
Grün. Gold, Roth sind hier die Hauptfarben. Zu bemerken ist, dass die Architektur dieser 
Capellen 1396 vollendet war. 

In dem gegenüberliegenden Capellenkranze ist die Anordnung der Scheiben dieselbe. 
Auch hier sind die Baldachine noch gothisch. Die Figuren sind aber schon mit bedeutender 
Fertigkeit, die Köpfe mit grosser Feinheit gezeichnet. Die untern Halbscheiben Nr. 1, 3 und 5 
(von links angefangen) — der obere Theil ist weiss gelassen — deuten offenbar auf einen und den- 
selben Meister hin. Grün, Roth, Blau, Gold zeigen darin nicht nur denselben Ton, sondern auch 
dieselbe Weise der Zusammenordnung. Im completen Fenster Nr. 2 herrscht ein eigener düster- 
warmer Ton vor : Braun, Trübblau, Rotli, wenig Violett und Gold. Nr. 4 nähert sich wieder der 
ersten Gruppe, obwohl zu dem Dunkelgrün, Roth \ind Blau noch Goldbraun und Violett tritt, 
und auch dieser Scheibe einen etwas gedämpften Ton verleiht. — Von den oberen fünf Fenstern 
mit je vier Heiligen zeigen die ersten übereinstimmend folgende Farben-Scala : Blau, Roth, Gold, 
Grün; in der vierten herrschen Rlau und Gold vor, Grün tritt zurück ; in der fünften folgen sich 
Gold, Violett, Blau, Roth, am schwächsten Grün. 

Die Rundfenster der Facadc stimmen leider nicht mit der Angabe der Documente 
überein. Nachdem Niccolö di Piero tedesco, der im Jahre 1414 zuerst den Auftrag erhalten, mit 
Tode abgegangen, sehen wir von den Jahren 1419 — 1424 den Predigermönch von Sta. Maria 
Novella Bernardo di Stefano damit beschäftigt. Und zwar soll er auf jeder Seite zwei Rund- 
fenster herstellen, also ausser dem grossen Rundfenster noch vier. Es wird ihm aufgetragen, die 
Rundfenster zu beiden Seiten des grossen Rundfensters, rechts mit der Scene, wie Joachim aus 
dem Tempel getrieben wird, links mitMaria's Tod und Bestattung, nach Ghiberti's Zeichnung zu 
schmücken. Diese Darstellungen fehlen jetzt aber sammt den betreffenden Rundfenstern, und es sind 
ausser dem grossen Rundfenster auch in der Architektur selbst überhaupt nur noch zwei Fenster 

4* 



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22 



Dr. Hans Sbmpck. 



angegeben. Diese beiden letztem zeigen, rechts für den Eintretenden, Madonna im Baldachin, 
umgeben von Engeln, link» Christus in ähnlicher Umgebung. Die Schönheit der Engelköpfc 
weist auf s XV. .Jahrhundert. Trotz ilirer leuchtenden Harmonie zerfallen die Farben hier doch 
schon in grossere Gruppen. Madonna tragt ein vorwiegend grünes Gewand, die Engel neben 
ihr links sind violett und blau, rechts roth. Dazwischen ist Gold und Grün auf blauem Grund; 
die Umrahmung schimmert in allen Farben. Bei Christus ist Rothgold der Grundton, sodann 
treten Grün, Blau und Rosa besonders hervor. 

Das mittlere, grÜBSte Rundfenster wurde von dem vielbeschäftigten Bernardo di Fran- 
cesco, im J. 1443 wahrscheinlich nach einer Zeichnung Ghiberti's vollendet. Es zeigt Maria in vio- 
lettem, grünem und brilunlichem Gewand in einer goldenen Mandorla, die sich von einem ziemlich 
kalten blauen Grund abhebt. In den Engeln, die zu je fUnfcn in schonen Gruppen schwebend die 
Mandorla umgeben und sie tragen, herrschen Roth und Grün vor, mit wenig Gold. Die Zeichnung 
tritt hier schon zu stark hervor, die Farben sind etwas blass und unvermittelt neben einander. 

Im hintern Capellenkranz gegenüber der Facade, der sogenannten cappella di St. Zcnobi. 
hat derselbe Bernardo di Francesco während der Jahre 1432 — 1443 eine ganze Reihe von 
Fenstern nach Ghiberti's Zeichnungen hergestellt. Ausserdem hat Carlo di Francesco Gati im 
Jahre 1440 nach der Zeichnung des Steinhauers Benozo di Emilio eines davon ausgeführt : 
ebenso Domenico di Piero, Prior von S. Sisto aus Pisa, und zwar in der Capelle des St. Mat- 
thäus (der ersten links). Endlich soll Angelo Lippi im Jahre 1443 die Scheibe in der Capelle 
des St. Johannes geliefert haben. Es ist schwer, diese Scheiben mit Worten zu charakterisiren; 
nur so viel, dass vier verschiedene Manieren daran zu unterscheiden sind. Die beiden unteren 
links zeigen eine etwas ältere Behandlungsweise als die übrigen, Roth und Gold herrscht in 
ihnen vor, Blau und Grün bringen etwas Wechsel hinein, die Figuren treten zurück. Sodann 
sind die obem Scheiben Nr. 2, 3 und 4, von links angefangen, entschieden unter sich verwandt 
und den) Anfang des XV. Jahrhunderts angehürig. Es kommen darin bereits Rundbögen vor, 
auch hier sind die Farben in grosserer Masse beisammen und etwas hart in der Wirkung. Ebenso 
sind die Figuren mit grosser Schärfe gezeichnet und treten bestimmt von dem Grunde hervor. 
Charakteristisch ist hier das Weiss an den Gewändern, da es den übrigen Scheiben fehlt. Das 
Blau ist hier ein reines Ultramarin, ähnlich wie an dem grossen Rundfenster der Facade. Wir 
vermuthen aus diesem und andern Gründen, dass diess drei von den vier Scheiben sind, die 
Bernardo di Francesco nach Ghiberti's Zeichnungen ausführte. Das erste Fenster von links oben, 
sowie das dritte unten haben Verwandtschaft mit den drei obengenannten , ohne doch ganz 
evident denselben beigesellt werden zu können. Die Scheibe in der vierten Capelle von links, 
unten, scheint dem Angelo di Lippi zugesehrieben werden zu dürfen, da dies die Capelle des 
St. Johannes ist. Gold und Roth werden hier kräftig begleitet von Violett und Blau, weniger tritt 
das Grün hervor. Die letzte Scheibe von links, oder die erste rechts unten zeigt endlich Madonna 
in schon sehr malerisch freier Composition, deren blau-roth-grüne Gewandung sich von gold- 
braunem Beiwerke abhebt. 

Nun bleibt uns noch die Besprechung der Rundfenster im Kuppel-Tambour übrig. Den ersten 
Auftrag zu zweien davon erhielt Fra Bcrnardino di Stefano im J. 1423, ohne sie jedoch aus- 
zuführen, da er sich in Volterra aufhielt. 1439 geht der Auftrag für sümmtliche Rundfenster an 
Bernardo di Francesco Uber, der sie aber auch nicht alle ausführte. Sieben Rundfenster sind 
farbig, dasjenige über dem Triumphbogen des Mittelschiffes, gegen das Chor-Achteck zu, ist 
weiss. Von diesem an, rechts herum, sind folgende Darstellungen an den Fenstern vertreten: 

1. Die Präsentation Christi im Tempel. Im Jahre 1440 wird Ghiberti für die 
Zeichnung bezahlt, die Bernardo di Francesco zu diesem Fenster verwenden soll. Es ist hier 




DlK FARBIGEN GLASSCHEIBE* IM DOM VON KlOüENZ. 



23 



eine Stylverwandtschaft mit den drei Fenstern im Chor, die wahrscheinlich gleichfalls diesem 
Meister zuzuschreiben sind, vorhanden. Dieselbe Deutlichkeit und Schönheit der Zeichnung, 
dieselbe Reinheit der Farben bei etwas Kühle, hier wie dort. Blau, Grün, Roth, Guld ist ihre 
Reihenfoge. 

2. Christus im Ölgarten. So malerisch diese Scheibe behandelt ist, so wenig wirksam 
sind doch die Farben, so verworren die Zeichnung. Bernardo di Francesco arbeitete um 1443 daran. 

3. Himmelfahrt Christi. Auch diese verfertigte der ebengenannte Glasmaler um 1444. 
Die Farben sind hell, lebhaft, scharf geschieden. Christus hebt sich in rothem Gewand vom 
blauen Grund; die Jünger tragen die Farben Grün, Blau, Gold. 

4. KrOnung Maria's. Im Jahre 1434 haben Ghiberti und Donatello Zeichnungen dazu 
gemacht, von denen die des letzteren als schöner befunden und zur Ausführung bestimmt wird. 
Da im Jahre 1437 Domenico di Pisa und Angelo di Lazzero für eine grosse Rundscheibe in 
der Kuppel bezahlt werden, die andern aber alle spitter hergestellt wurden, so liegt die Vcr- 
muthung nahe, dass sie die ebengenannte Scheibe ausführten. In Bezug auf Zeichnung und Coni- 
position ist dieselbe die schönste von den Scheiben im Kuppel-Tambour. Auch die Farben zeigen 
hier einen feineren, wenn auch zu malerischen Ton. Vor allem ist das malerisch wirksame weisse 
Gewand der Madonna für eine so fern stehende Glasscheibe unstatthaft, da es wie ein Loch 
erscheint. Auch sonst sind die Farben zu einfach vertheilt; Christus ist in rothem Gewand mit 
grünem Mantel, der Grund ist blau; ausserdem umhiebt ein Fries in Roth, Gold und Blau 
die Scheibe. Der Werth der Compositum liegt nicht im Stofflichen des Motivs, dasselbe ist alt, 
und ganz ähnlich z. B. auch von Lorenzo di Bieci an seinem Tcrracortn-Relief von Sta. Maria nuova 
verwendet: Maria beugt sich vor Christus, der ihr die Krone aufs Haupt drückt. Die Schönheit 
liegt in den einfac hen feierlichen Umrissen, im Ernst und der Innigkeit der Bewcnunp, sowie in 
der unmittelbaren Belebung, die auch hier Donatello's geniale Hand dem kleinsten Detail zu 
verleihen wusste. 

5. Die Auferstehung Christi. Bernardo di Francesco wird für dieselbe im Jahre 1443 
bezahlt. So schön Colorit und Ton hier sind, so wie<rt auch hier die malerische Rücksicht zu 
sehr vor. Braun und Blau herrschen vor, einiges Grün tritt hinzu. 

6. Die Anbetung des Kindes durch die Magier ist der vorigen im Charakter 
verwandt. In der Mitte liegt das Kind, rechts davon Maria und Joseph, links theils knieeud, 
theils stehend die reichgekleideten und gelockten Könige. Der Hintergrund ist blau, die GcwHnder 
grün, roth und violett. Ein Fries herum schimmert in Roth und Gold. Was den Erfinder dieser 
Compositum betrifft, so wissen wir aus den Documenten, dass Paolo Ueeello im J. 1443 Zeich- 
nungen für Rundfenster mit der Verkündigung und der Geburt des Herrn machte, sowie dass er 
im Ganzen drei Scheiben ausführte. Die Verkündigung befand sich also vermuthlich an der 
Stelle der achten, jetzt weissen Seheibe, und wurde vielleicht durch ein Gewitter zerschlagen: 
die Geburt des Herrn dagegen vertheiltc er wahrscheinlich auf zwei Fenster, da wir in der fol- 
genden Scheibe: 

7. Die Anbetung der Hirten sehen. Ochs und Esel, sowie die Hirten gruppiren sich 
hier um die Wiege als Mittelpunkt. Die Farben sind Blau als Hintergrund, Grün und Braun am 
Beiwerk, Blau, Violett, Roth an den Gewandern; Gold und Roth am Fries. Bernardo di Fran- 
cesco führte zwischen 1444 und 1445 die beiden zuletzt genannten Scheiben aus. 

Leider war es uns in dieser Schilderung nur theilweise möglich, die Urheberschaft der 
einzelnen Glasscheiben nachzuweisen. Nur soviel noch als Recapitulathm : Die Scheiben in den 
Seitenschiffen sind die Ältesten und zeigen noch eine mosaik- oder teppichartige Farben-Coni- 
position. 




24 



Du. Haxs Skmper. 



Als «weite Kategorie, etwa vom Ende de« XIV. und Anfang des XV. .Jahrhunderts, kann 
man die Scheiben der seitliehen Capellenkrlinze, einiger in der hintern Chorcapelle, sowie die 
beiden kleineren Kundseheiben der Facade bezeichnen. Den Figuren wird hier schon mehr Sorgfalt 
zugewendet, doch besteht noch eine ziemlieh glcichmllssige Veitheiluug der Farben, wenn auch 
in grösseren Massen. 

Zur dritten Kategorie kann man das grosse Rundfenster, sowie einige Fenster im Chor, 
und die Rundfenster des Tambours rechnen. Ks machen sich innerhalb derselben mehrere Rich- 
tungen geltend, von denen die Ghibertischc etwa* hllrtere Time besitzt, als die andere. Die 
Compositum der Figuren, die Zeichnung, sowie die malerische Seite der Farben dringt hier 
entschieden den musivischen Styl zurück. 

Der Grund ist an allen diesen Scheiben blau, was natürlich ist, da er die Luft vorstellt. 
Oft aber wird er, besonders bei den ältern Seheiben, vom ornamentalen Beiwerk und später vom 
Figurlichen so bedeckt, dass er nur wie ein schwacher Beigeschmack erscheint und als« von uns 
nicht (iberall besonders bezeichnet wurde. Da Bcrnardo di Francesco's Scheiben in verschiedenen 
Manieren gehalten sind, so erhellt daraus, dass, wenigstens im XV. Jahrhundert, die Glasmaler 
nur die ausübende Hand des ertindenden Malers waren. 

Wir haben unter den Glasmalern zwei Mönche, Fra Bornardino di Stefano, Mönch von 
St». Maria novelhi, und Fra Leonardo di Simone, Mönch von Vallombrosa; ein Zeichen, dass die 
Glasmalerei nicht unerheblich in den Klöstern gepflegt wurde. 

Ebenso haben wir einen Antonio von Pisa und einen Domenico di Piero von Pisa (der 
ebenfalls Geistlicher war): ein Anzeichen dafür, dass in Pisa eine Glasuialerschule blühte, die 
auch sonst bestätigt wird. Dass ein Venetianer, Andrea, unter diesen Glasmalern erscheint, darf 
nicht wundern, da ja Venedig seit dem frühesten Mittelalter eine classische Stadt für alle Arten 
von Glas- und Glaspastcnhcreitnng war. 

Die hier documentirte reiche Thätigkeit. eines deutschen Glasmalers, Niecolö di Piero, der 
sogar sein Glas aus Deutsehland bezog, ist ein Beweis für das hohe Ansehen, in welchem ilamals 
die deutsche Kunst, wie in Übrigen Fliehen», so auch in Bezug auf die Glasmalerei in Italien stand. 

Dies kann man auch aus der grossen Achtung und den Privilegien ersehen, die dein Glas- 
maler Francesco di Domenico di Livio von Gambasso zu Theil wurden, der, obwohl Italicner, doch 
in Lttbeck, wo er seit seiner .lugend sich aufhielt, seine Kunst erlernt hatte. Von Lübeck wurde er 
nach Florenz berufen, machte auf Kosten der Doinbauhiitte die weite Reise, erhielt ein Haus mit 
Schmelzöfen für sich und seine Familie und wurde von allen Abgaben ausgenommen. Dennoch 
geschieht mit keinem Worte auch nur eines Fensters Erwtlhnung, das er auch wirklich ausgeführt 
hlitte. Wir können uns dies nur aus dem Umstände erklären, dass er kurz nach seiner Ankunft 
in Florenz starb. Man ist nun vielleicht anfangs geneigt, in dem vielbeschäftigten Bemardo Sohn 
des Francesco, sowie in Angelo Sohn des Francesco, .Söhne des FranccBco di Domenico zu 
suchen, da er solche ja nach den Documenten hatte, und sie seine Kunst ausübten. Aber diese 
Vermuthung verliert ihren Boden, wenn wir sehen, dass Bernardo di Francesco seine Thätig- 
keit schon im .Jahre 1424, Angelo die seinige im Jahre 1433 begann, Francesco di Domenico 
aber erst im Jahre 1436 durch den Glaser Bartolomeo Petnicci den Vertrag seiner Benifnng mit 
der Dombauhütte abschloss. 




Die kakbioen* Glassciiruien m Dom v«x Florenz. 



IL 

Übersicht 

iiber den 

Inhalt der auf die Glasmalerei im Dome bezüglichen Documente. 
(Archivin del [biomo: Deliberaiioni ( sianziamenU degli operai di S. Maria del Bore.) 

tOtordxrt wich dru KüHlltrn. 

Leonardo Simone: 

Mai 1371. Macht ein Fenster ii1.it dem Portal Reffen die Berti 

August 1394. Macht Fenster mit sechs Heiligen in jedem nach di>r Zeichnung iiml Malerei de» Agnolo Taddel Gaddi. 
7. April 139». Bezahlung au die Maler Nero d' Antonio und A. Tadd. Gaddi für Eensterzeicbnungen. 
Dl. Juni 139K. Setzt eine Scheibe neben der Figur des (Üov. Agbuto. 
Antonio dl PUat 

23. Dcbr. 1X5. Macht ein Feister Uber der Thüre (reifen die Vi» (.assettai («ML) nach Agnolo di Taddeo Gaddi's Zeichnung. 

Mrcolo dt Plrro Teut: 
15. Juli 1885. Macht Fenster gegen die Via Cassel rai. 
21. Auguiit H12. Macht Glasaugen für die Opera. 

29. I>cbr. 1412. Macht zwei Glasaugen für die Facade. 
9. Juni 1414 WM er dafür bezahlt. 

30. Juni 1114. 1-t nicht zur rechten Zeit fertig und wird nicht weiter bezahlt. 

21. August 1414. Andrea di Vciiczia soll Geld für die Facadenschcihen erhalten, um es dem Xiccolo auszuzahlen. 
25. (»ct. 1415. Bezahlung ftir Glas, da» er au» Deutschland bringen lüsst. 

Kr« Bernnrdino dl Stefano dell online de prediciitori di S. Maria uovella. 

23. Oct. 1419. Soll die Hiiiidschcibcn oder Augen der Parade machen, die anfangs dem Xiccolo aufgetragen waren, der aber 

jetzt todt ist. Dieselben befinden sich links vom Eintretenden. Diejenigen rechts soll er ebenfalls ausführen. Kr soll eine 
Zeichnung duflir machen lassen und den Operarii zeigen. 
14. l>cbr. 1419. Kr soll bis zum folgend«! Jahr fertig werden, oder der Bauhütte 30 fl. wieder auszahlen. In der Sacristei soll 
eine Scheibe hergestellt werden. 

2. Juni 1423. Kr soll die Zeichnung für ein Blindfenster in Florenz in Kiupfaug nehmen. 

14. Juli 1423. Fra Beniardino und I.nstra werden bezahlt fllr zwei Stücke Kupferdraht zur Befestigung zweier Kundfenster. 

3. April 1424. Er »oll die zwei Kutidfenster neben deni grossen Blindfenster der Facade macheu, uiul zwar dasjenige rechts 

für den Eintretenden mit d<T Verjagung des beil. Joachim aus dem Tempel, da,» links mit dem Tod iiutl der Bestattung 

Märiens. Die Zeichuiingen dazu soll Lorenz» (ihiberti liefern. 
12. Janncr 1424. Fra Beniardino, der augenblicklich iu Volterra weilt, soll nach Florenz kommen, um mit Ghiberti über die 

Blindfenster der Kuppel sich zu verabreden ; nach eiuem Monat wird er mit Strafe belegt. 
29. Jänner 1 124. Ks soll an Fra Bernardiuo geschrieben werden. das» er nach Florenz kommen aoll, um eine Differenz zwischen ihm 

und Lorenz« Ghiberti bezüglich zweier Zeichnungen für Kuppelrundfenster beizulegen; sonst werde er mit Busse belegt. 

24. Marz 1424. Fra Bernardiuo soll die beiden Buudfenster zu beiden Seiten vom Hauptrundfenster an der Facade machen, das 

eine mit der Vertreibung Jouchiin's vom Tempel, das andere mit dem Tod und Begräbnis» der Maria. 

2ti. Marz 1425. E* soll ein Brief an Fra Bernnrdino geschrieben werden, er solle. zurückkehren, um die Buudfenster der Kuppel 
auszuführen, sonst werde er mit Strafe belegt. 

11. Febr. 1442. Fra Beniardino erhält 20 L. um sie dem Glaser Nicolas zu geben für ein Fenster in der zweiten Sacristei. 

23. Febr. 1442. Macht ein Fenster ftir die zweite Sacristei. 

10. Dcbr. 1443. Macht ein weisses Fenster für die Sacristei. 

Francesco dl Domenico dl Llvlo da Gainbasso: 

23. April 143ti. Bcschluss der operai, dem obigen, der in Lübeck lebt, einen Brief zur Einladuug nach Florenz zu schreiben. 
5. Oct. 113.;. Eine Petition von ihm für gewisse Begünstigungen seiner Person soll berücksichtigt werden. 
5. Oct. 143t>. Vor drei Jahren haben die operai schon einen Brief an ihn gesehrieben, worin sie ihn einluden nach Florenz zu 
kommen. Kr wohnt seit seiner Jugend in Lübeck, wo er Familie hat und alle Fächer der Glasmalerei ausübt. Ks soll in 
Florenz dafür gesorgt werden, das« er mit seiner Familie wohnen kann. Die Keise soll ihm vergütet werden. Er soll für 
Lebzeit Unterhalt in Florenz finden. Er ist von Kalibern ausgeraubt worden. HiefUr und für die Beise soll er 100 fl. 
erhalten, 20 sogleich, den Best sobald er in Florenz die Ausübung seiner Kunst begonnen. Er soll eine Wohnung und 
ein Atelier mit zwei Öfen zur Verfügung erhalten. Er und seine Sohne und Güter sollen Lebzeit von allen gewöhnlichen 
und auaserordeiitliehen Steuern frei »ein. Er hat Freiheit in der Herstellung von Öfen. - Keine von den 21 Künsten in 
Florenz soll ihn in der Ausübung seiner Kunst beeinträchtigen. - Dafür sollten er, seine Söhne und Arbeiter alle Arbei- 
ten in Mosaik und Glas ausführen, deren die Opera bedürfte. — Den Preis dafür mnas er ihrer Discrotion überlassen. 



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26 



Du. Hak« Semper. 



19. Oct. 1436. ftambasso ratificirt den Vertrag durch den (Maser Bartolomeo Petrucci. der eine Hypothek bei Eodov. Torna- 
guinci hinterlegt. 

10. April 1137. Bcachluss das versprochene Haus mit zwei Öfen für FrancMCO xu kaufen. 

4. April 1424. 1J. Francisci und Lastra werden bezahlt fllr 14% br. e. Kupfernetzes zur Reparatur von Fenstern. 

8. April 1432. Soll mit einem Diener eine Scheibe fllr die Tribüne der Cap. 8. Zenobi Uber der genannten ('«pcllc machen, 

um denselben Preis um den er die Fenster der genannten Capelle machte. 
16. April 1431. Auftrag, 4 Seheiben fiber der Tribüne der Cap. Zenobi zu machen, mit den Geschichten der Geburt Maria'«. 
•23. Debr. 1433. Lorenzo Ghiberti hat eine Zeichnung fltr ein RundfenBter des Bernardo di Francesco gemacht, die vielleicht 

verändert werden soll. 

21». April 1434. Soll 2 von den 4 obenaufgetragenen Fenstern nach den Zeichnungen Ghiberti'« machen mit Geschichten, welche 
Matte« de Strozzi und Niccolö degli Alessandri anzugeben haben. Die Zoichnung Boll bis Ende Mai fertig sein. 

5. Juli 1435. Für die 4 Fenster erhielt er 22 Kisten Glas für 152 fl. davon kann er fllr f>0 Ii. auf jede« Fenster verwenden, 

der Rest wird ihm später gegeben. 

14. August 1436. I.nrenzo Ohiberti soll bis Ende August die Zeichnung der Jungfrau Maria dem Bernardo geliefert haben, sonst 

kann dieser sie jemand anderem auftragen. 
10. April 1437. Die Baucomuiission für das Grab des .8. Zenobius sollte die Ausführung der 4 Glasscheiben besorgen, weil sie 

aller mit Geschäften überhäuft ist, übernimmt die Opera das Amt. 
10. April 1437. Besrhluss, den Auftrag von 4 Fenstern an Bernardo di Francesco zu annnlliren. 

24. Mai 1438. Bezahlung an Ghiberti für die Hälfte einer von 4 Figuren, die er für ein Fenster zeichnen soll, das von Bernardo 

di Francesco in der Capelle S. Zenobi hergestellt »erden soll. 
SO. März 1431». Bernardo FrancUci soll alle Blindfenster der Kuppel ausführen. 
Ii». Juni 1437. Bezahlung für ein Glasfcnster in der Tribüne der Cap. S. Zenobin. 
19, Debr. 1437. Bezahlung für da» dritte Fenster ebenda. 

24. Mai 1488b Bezahlung für die Hälfte einer Zeichnung der 4 Fig. eines Fensters in der Tribüne der Capelle 8. Zenobius. 

15. Nov. 1438. Bezahlung für die Einsetzung eines Fensters ebenda. 

2H, Debr. 1440. E. 273 für ein Fenster in der Tribüne gegen das Kloster, in der Capelle des Märtyrers, genannt della parte (guclfa). 
14. Oct. 144i». Bezahlung für Fenster der Sacristei. 

14. Oct. 1440. Bezahlung für die Zeichnung eines Fensters. 

8 Nov. 1440. Bezahlung an Ghiberti für den Rest einer Zeichnung. 
10, April 14ia Bezahlung eines Fensters in der Capelle von St. Jacob. 

28. Debr. 1440. E. 273 Bezahlung für ein Fenster in der Tribüne gegen das Kloster, in der Capelle de« Märtyrers, genannt 
doli« parte. 

15. Jänner 1443. L. 100 für ein Rundfenster der Haupttribünc mit der Auferstehung Christi. 
3. Febr. 1443. Bezahlung für Rundfeuster. 

10. Febr. 1443. Bezahlung für ein Blindfenster. 

28. Febr. 1443. Bezahlung eines Rundfensters mit Christus, der im Garten betet. 
8. Juni 1443. Bezahlung für ein Fenster. 

18. Juni 1443. Bezahlung eines Fenster* an der Thflre der Kirche. 

11. Oft. 1413. Bezahlung für Fenster. 

7. Decb. 1443. Bezahlung für Rundfeuster. 

7. Jänner 1444. Bernardo soll an Paulo Uecello 50 L. geben fllr die Zeichnung der Rundfenster 

23. April 1443. Bezahlung für mehrere Blindfenster. 

30. Debr. 1444. Bezahlung für ein Rundfenster mit der Annunciation der Jungfrau. 
28. Febr. 1445. Bezahlung für Rundfenster der Kuppel. 

18. Juni 1445. Bezahlung für ein Blindfenster mit Christus, nie er im Tempel eingeführt wird. 

10. April 1443. Bezahlung für ein Fenster in der Capelle 8. Zenobi. 
S. Juni 1443. Bezahlung an ihn und seine Genossen für ein Fenster. 

15. Jänner 1144. Bezahlung für Rundfenster mit der Himmelfahrt Christi. 

11. Oct. 1417. Bezahlung für Glaser in den Tabernakel des Corpus Domini (Mosaik?). 

Angelo di Francesco : 

13. August 1433. Bartol. Angliciai, der Provisor der Bauhütte soll von den Priorcn und dem Gonfalonlere die Freilassung de« 
Angelo bew irken, dessen Diensie nmn zur Herstellung der Klippclfenster gebrauche. 

Angelo di Lazero. 
2*. April 1437. Soll eine Scheibe erhalten, die gerade am nothigsten sei. 

Maestro Angelo oder Angelo dl Llppo: 
13. Oct. 1433. Soll Rundfeuster des neuen BauhütlcngclMindcs , sowie des Domrumpfes machen. 

10. Mai 143;'). Nicolao di Alessandro und seine Genossen sollen die dem Maestro Angelo aufgetragenen RundfenMcr vollenden. 

ohne Veränderung der Zeichnung 
10. Mai 1435. Angelo de Vetri und seiue Genossen sollen mit 40 fl. Busse belegt werden, wenn sie nicht im Laufe der Woche 

ein ihm aufgetragenes Rundfenster einliefern, ebenso Domenico. 

16. Juli 1437. Angelo de Vetri soll 2 Rundfenster im Sellin" der Kirche von weissem Glas machen. 
16. Juli 1437. Erhält Bezahlung ihr 2 weisse Blindfenster im Schiff. 

24. Juli 1438. Angelo di I.ippo und Dominien di Piero von Pisa werden bezahlt für ein Rundfenster der Kuppel. 



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■ 



Die rARBiGEK Glasscheiben im Dom van Flobekz. 27 

13. Febr. 1438. Bezahlung für die Wiederherstellung eine» Fensters bei der Thlirc welche (fegen da« Klo»ter de» Florentiner 
Caplans führt. 

7. Nov. 1438. Bezahlung für die Wiederherstellung eine« grossen Feniters im Dom neben der Thürc, durch die man cum 

Kloster geht. 

30. April 1439. Bezahlung für «icben weiaac Ktindfenater in der Wohnung de* Papste» bei Sta. Maria novella. 

30. Juni 1439. Bezahlung eine» weissen Rundfenster» mit einem Compaaa, in der Mitte mit dem Zeichen der Freiheit, in der 

Mitte der Kirche. 

4. April 1443. Bezahlung für ein Fenater in der Capelle do. 8. Giov. Evang. 
23. April 1444. Bezahlung für ein Rundfenatcr in der Tribüne. 

25. Febr. 1453(54). Bezahlung fllr die Ausbesserung von Tribüncnfenatern und Capcllonfenatern. 

27. Juni 1454. Bezahlung fllr Rundfenstcr und andere Fenster der Tribüne. 

31. licbr. 1450. Bezahlung eines Fensters in der Audienz der Oper. 

Carlo dl Franeeaeo ©atlt 

28. Dcbr. 1440. Bezalilung fttr eine» der weiaaen Blindfenster mit Compasacn in der Mitte, die «ich im Mhtelachiff befinden. 
28. Dcbr. 1440. .Soll Benoszo di Emilio, intagliatore, für die Zeichnung einea Fenatera bezahlen, daa er ausführte. 

Uno Doraenlco tinMoalt 
28. Bebr. 1440. Soll ein Fenater machen. 

8. Juni MM. Bezalilung fttr Fenster. 

11. Oct. 1443. Bezahlung für ein Fenster in der Capelle della parte ignelfa). 

Douealco dl Plero, Prior von St. State aus Pisa. 
10. April 1443. Bezahlung ftlr ein Fenater in der Capelle St. Mathei. 

27. Juni 1437. Domenico di Piero und Angelo Lazcri werden für ein grosaoa Ktindfenater in der Kuppel bezahlt 
1443. Bezahlung für ein Fenater. 

Nandro dt Giovanni dl Andrea: 
1477(78] 25. Febr. Wird erwählt zum Herstellen von Fenatcni mit monatlicher Bezalilung von 1. 2, mit Beginn von März Seine 

derartige Beschäftigung dauert bia 1482. 
1500. Macht er ein Fenster im Zimmer der Minister über dem Auagang zur Opera, mit dem Zeichen der Wollenzunft, 
1503. Bezalilung für Laternenfenster im Dom, d. h. eine Öffnung um die Sonne in der Kirche zu sehen ftlr die Astrologen. 

Zeichnungen von Paolo l'eeello. 
18. Febr. 1443. Bezahlung für eine Zeichnung der Verkündigung (Bern, di Franc). 

5. Nov. 1443. Bezalilung für eine Zeichnung der Geburt des Herrn (Angelo di Lippo). 

28. Jjinner 1445. Bezahlung der Zeichnung der Augen, 

Ghlberti und Tlonatello. 

1434. 12. April. Beide haben eine Zeichnung der Krönung Maria » gemacht, die dee Donatello wird besser gefunden und aoll 
ausgeführt werden. 

28. Dee. 1440. Bezahlung für die Zeichnung cinca Fenatcrs, daa Bern, di Franc, ausführte. 
28. Dee. 1440. Bezahlung eine. Fenster», daa Domenico von Piaa auaftlhrte. 
28. Dee. 1440. Bezahlung eines Fenater«, daa Carlo de Gati auaführte. 
28. Dcc. 1440. Bezahlung eine» Fenatera, daa Guidone ausführte. 
Benotlo di Ewllto: 
Zeichnete ein Fenater, das Domenico di Piero ausführte. 
7. Dcc. 1443. Bezahlung an Ghlberti für eine Zeichnung de« Herrn im Ölgarten. 
Bauhütte: 

13. Aug. 1437. Der Werkmeister soll die Öffnungen der Sacristeifenster machen lassen. 



XVII. 



5 



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Dr. Hans Sbhper. 



III. 

Urkunden 

au* dem 

Archiv der Dombau hu tte in Florenz. 
(Mbro di Orliberatione e .StanliaintnU degli Opera! di Sta Maria dcl Flore eie.l 

Leonardo di Simone, frate dl Vallomhroaa: 

1390. Zum eratPii Mal beauftragt, mehrere Scheiben fUr den Dom herzustellen. 

43. Mai 1394. Item sitnili modo et forma deliberaverunt et loeaverunt Dopno (Domino? Leonardo .Simonis monaco ordinia valle 
umbrnac qui facit fenestras vitreas ad faeiendsm unatn fincstrani vitream ex parte capsettaria infra fenestram quae est 
infrit pnrtetu per quam itur erga ecclesiara Sete Marie de Servis, in qua fencitra teneatur mictere vitrum, plombum. 
ferranicnta. reta flloruui. pontes ad ejus expensas et de suo legnamino et debuat habere et reeipere pro qnolibet 
bracchio quadro diete fenestre per eum fiende a dic-ta opera fl 4. auri cum hoc quod fenestru maneat et atet bene ad 
descritionem operariorum et aliorum hominum cum omni gravaminc et onere contempti» in allocatione etc. 

6. Mai 1394. Döpno Leonardo Simonis monaco ordini« Valli» umbrose qui facit fenestras vitreas in ecclesia Scte lieparate pro 
parte solutionis fenestre vitree quam faecre tenetnr in ecclesia Scte lieparate de Klorentia I, 15. 

Die 6. Augusti 1394. Item oftitialcs prefati abaente tantum diclo Rrauchatio eomm collcga simul tat supra dictum congregari 
ac actendentes qnandam locatinnera factam per eos die quinta Junii .... Döpno Leonardo Simonia monaco ordini» 
Vallisumbrose de faciendo dictaa Rnestraa vitreas in dicta ecclesia iit pleno patet manihua Ser Michelis Masi tnnc notari 
dictl nffUii et cupientea dictaa feneatraa in honorem Dei et Sanctorum et ad decorem eccleaie antedicte cum debito 

ordine fieri deliberavernnt quod per predictum IMpnum Leonardum 6ant et fieri debeant in dictis fencatris vitrei* 

figure Sanctorum dei in tabernaculis VI sex pro qualibet finestra cum coloribna modo et forma pront et sie dieet et 
declarabil Aguolus Taddei OadtH pictor. 

Dicta die. Döpno Leonardo »upradieto pro parte »olutinnis dicti laborerii dictarnm fenestranim II. eenturaviginti auri dummodo 
dlctus Döpnua Leonardua . . . satis det . . . de complendo aaltem imam ex dictis fenestria hinc ad per totum menaem Deceni- 
bria . . . vel de reatituendo dicto offitio ipwia II. centum vigintos. 

Die deeima mensis Septetnbrls 1391, Dopno. Leonardo Simonis inunaeo ordiiiia Vallisumbrose pro fencatris vitreis qua* facit in 
dicta ecclesia S. Reparate de florontia fl. 24 auri cx causa mutui dammodo dictu« Döpnua Leonardua punctualiter satiadet. 

< Bezahlungen an denselben: 10. Nov. 1394 20 fl. 3. Dec. 1394 15 A. H. Dec. 1394 20 fl. 13 Dec. 1384 50 fl. 19. Jän. 1395 50«. 
15. Man 1395 HO fl.) 

15. Juli 1395. Matheo I'ieri ('hinvuiuolo pro quinque fencatris ferratia et pro pliiribus . . . aliornm ferramentomm quae . . . 
tradidit opere in pluribua partitis a die 7. Aprilia uaque ad diera vigesimam socundain Junii in summa libraa centum 
quadruginta octo, ». 17 d. 4. 

Dicta die. Domno leonardo qui facit feneatraa vitreas pro vitro quo eget oecaslone de cuidam fenestre per eum faciende . . . 
fl. auri sexuaginta. 

17. Juli 1395. (Anfmuuterung an Leonardo, seine Arbeit xu beschleunigen, i 

14. Aug. 1395 .erhalt er 50 fl., Iß. Aug. 1395 50 fl., 23. Sept. 1395 Ho fl., 24. Nov. 1395 4m fl.i 

23. Dec. 1395. Döpno leonardo Simonis magistro foneatranim \itroarum pro parte aolutionis fenestre vitree in eccleaia scte 
lieparate versus viam Caaaetorum fl. 20 auri. 
7. April 1396. Agnioln Taddei Uaddi et Nero Antoni sotiis pictoribus pro pictura uulus squancii fenestre port. per Döpnum 
Leonardum mouachum die primo aprilia in ecclesia Scte lieparate ut patet in libro dnorum m. c. HM. fl. 15 auri 

15. Juni 1396. Angnolo Taddei Gaddi pictor pro denarii» »pesi» pro Döpno Leonardo monacho et magistro vitrei prout patet 

in libro dnorum m. Ol 96. fl. 20 auri. 

16. Juni 1396. Dopno Leonardo Simonia monacho et magiatro vitrei pro aolvendo magistris et manualibua quoa annoverat 

ponendo fenestram vitream que est juxta figuraa domini Johannis Aghuti ut patet in libro duorum m. cart. 27. ubi por- 
tatum est ipaum dopnuin Leonardum debere dare libraa quattuordeeim et s. quinderim. 
7. Juli 1396. Item supradicti operarii modis et formia predictis adaignaverunt et atatuerunt fratri minorum dopno Leonardo 
Simonis ad solvendum dicte, opere . . . fl. auri qnatuor quoa dare et solvent tenetnr et debot dicte opere ut patet in 
libro opere predicto hlnc ad per totum presentem menaem Julii et reliqua medietatnr etc. 
Antonio dl Pisa: 

23. Dec. 1395. Item in modo et forma prcmiaaia operarii . . . deliberaverunt quod statim completa feneatra vitrea super portam 

versus viam Caaaettoram quam facit Antonius Magister de Pisis infari debeat et aatiafiat magiatro Filippo Franchi 

Saccheti et fidemiaaori et Angelo Taddi Ghaddi plctori pro pingendo designando dlctas feneatraa 

Xlcrolö dl Piero Teotonleo: 

25. August 1394. Nicholao I'ieri Tei>tonico ex causa mutui pro parte solutionis feueatrarum vitrearum quaa facit per dictam 
ecclesiam Sancte lieparate fl. 25 auri dummodo dictaa Nicholaus - . . satiadet . de reatituendo dictam quantitatem fl. 25 
dicte opere in caao quod non fecisaot in dictia fencatris ea quae facere tenetur seeuudum proniUaa facta juxta dictoa 
operario*. 



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Die faubioen Glasscheiben im Dom vov Florenz. 



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10. Sept. Km. Bezahlung an ihn von I. L ». M. «I. 4.) 
30. Oct. 1994. : Bezahlung, an ihn von fl. 35 anri.) 
3. Dee. UM. i Bezahlung »n ihn von L 11. a. 15. d. 8) 

Ii Juli 1886. Pilippo Franchi de Snechetti» («mpsnri pro parte »otntioni« cnjtuulam fenestre facicnde de vitro per magistrun» 
Pierum Nicolai Tcutonicnm «ive alium qui conduxit dicta« fencstras existentes in Sola. Keparata supra riain Capsetacorum 
rl, auri 40 aolvendos per dictum Fllippum diclo niagiatro IV n »jve alio qui conduxcrit dictum fenestraiu. 

10. Dcc. 14m. Nicholao picri del vctro hubcat in prvMuntiajii fl. 25 auri pro laborerio vitri per cum fiendi ochuli antorioris. 

87. Dcc. Hfl. Nicholao Picri niagistro de vetro habuit in preütantiam pro laborerio per cum fiendo pro. dicta opera fl. 30 auri. 

•Jh. Jnni 1403. Nicholao Pieri de velro fl. 2 auri miltito supra ejus lahoreritim. 

Nicholao pieri pndicto rl. IH auri pro dando Johann! dclla Last™ pro eo mutuo diclo nicholo. 

27. Juni. Erhält er SO fl. 

30. Juni. Nicholao Picri del vctro pro eo Lippo di Pagolo per salarium Agilolf tilii dicti Lipp! fl. 17 auri. 
13. April 140«. Nicholao pieri del velro I. 8 . qua« habuit in . per uptundii» fenestra*. 
17. Juni 140»;. Nicholao Picri del vetro erhält 4 fl. 

25. Oct. 140«. Nicholao Pieri niagistni fenentraruni vetri pro aptatnra feneatre vetri . in ecclesi* Scte. Reparate fl. 17. 
Die 21 m. AfMti 1412. Nicholao pieri magistro fenestranmi \itreariun pro |iarte solutionis oculorum vitreorum quo« fach pro 
oper« fl. 35. 

Die 29 Da. Debr. 1112. Nicoiao pieri msgistro vetri pro mutuo eidein Nicoiao faeendo sibl et coinputando in laborerio vitri 

duonim oruloriitn »le 1'acie anterior« ecclesie S. M. del fiore supra duas portas fl. 30 anri. 
Die IX Junii 1414 Nicholao pieri magistro fencstramni vitreanim pro laborerio facit pro dicta opera pro oculo vitreo in facie 

anteriori dicte eccleaie de & M. del fiore fl. 30 auri. 
[He XXX Junii 1414. Xieholnn» Pieri mag. vitri qui attare debet oculuiu vitreum in facie anteriori dicte ecclesic Sct;e Marie del 

fiore imn attaverat . . et ea causa retineatur et eidein nicholao peenniam dicte opere rennen possit et debeat 8. 5 

pro qunlÜH't liracchio quatro tutidcm ejus dicto oculo «ibi solvi debebat. 
Die 21 ni. Auguati 1414. Nicholo | ieri magistro vitrei et qui actat oeidum vitreum catedrall* .S. M. del fiore in parte anteriori 

dicte eccleaie fl. 20 auri . vel pretium Andrea« . habeat umkamt vilrei de Venetiia pro dando dicto Niccholao. 
Die 9 Marxo 1414 15 . Nicoiao pieri magistro fcncstrunim vitrei pro oculis vitreia quo» facit pro facie anteriore Scto Keparate 

fl. 20 anri. 

Die M Aprilis. Nicoiao Pieri magistro vitrei pro recta et integra »olutione duorum oculorum vitreanim per eum factorum pro 
dic ta opera in facie anteriori eccleaie S. Marie del fiore . . . fl. 29 s. X. 

Die 25. Oct. 1415. Nicoiao pieri mag- fene»iraruin vitri pro .partc solutionis vitri pro fineatris faciendi* qiiod conducere debet 

de Alutnanuia ail dictain et in dietam operaui in quatuor inense« proxlmoa fnturoa fl. oentum auri. 
Ascritti alla t'ompagnia dei pittori Fiorcntini mitto il litolo di S. Loeti 

Niccolo di Piero dipintore 1414. Nicholo iscultorei di Piero, »carpellatorc axetino Ml". Nicholo di piero da vetri 1415. 
Wir haben hier drei Künstler gleichen Namens, die nicht verwechselt werden dliifen. Der zuletzt Genannte ist nnaer 
Deutscher. Cber den Aretiner haben wir »chun in einer früheren Schrift anderorts gesprochen und Docnmentc veröffent- 
licht. Aua dem folgenden Docuraentc sehen wir, das« er 1419 todt war.; 
Bernardino dl Stefano: 

LHe XXIlil m. oct. 1419. F rater Bertiardinns Stcfani ordinis fratrum predicatorum de flon-ntia faciat vitreum duonim ocu- 
lorum i-oclesie acte Marie del fioro videl. primum et »ecundum faciei dicte eccleaie ex latere »inUlo in iutroitu eccleaie et 
qu»d qui intrat eccresiaiu habet ex latere sinistro, non obstante quod alias dicti oculi fueriut aliis locati. videl. cuidam 
Nicoiao, qui Nicolaus est nunc mortuus. Non voluenint dicti operarii quod dictus frat. Uernardinua faciat primum et 
..icii ml ii in. licet »ibi fuerint aliaa locati lertiu» ac quartu»: propter mortem dicti nicolai quum uon posset faecre primum 
et «eeun<lura, el iiieliu» c*l a printo el »eciind», quam a tertio et quarto \i, Et quod diclo fratri Bertuirdino dentur 
uiisurv diclorum oculorum per vicecaputem diele operis qui ipae fiatur faciut diaegnum »torie quam ibi inieudit facere et 
ostendat dicti» operarii» vel eonim aoeecssoribns nt possint dcliberare »nper predictis quod ei« videbilur . . . quod 
miituenir ei per camerarinm dicte operi» super dicto laborerio fl. auri 50 

Die 14. Dec. 1419. Fraler Bcruardinu» Stcfani online predicatorum qui conduxit ad faciendnm ocnluaj de vilreo in facie eccleaie 
»etc Marie del tiore teneatur ac debeat feciaae dictum oculum hinc ad nnum annum proxiinuiu futurum, aliaa reddere et 
restituere leneatnr o|w»rc fl. auri 50 

Die XXII M. oct. 1419. Fratri Bernardino Stefaui predicatorum ordinis magistro vitreonim in mutuiim super locutionc ... de 
dnohus oculis in facie eccleaie . . . 

Die 9 in. tuariii 1422 (1423) Item deliberaverunt quod: fiat certa fineetra in sacrestia supra lecto pro luminando dictum »ucre- 
stiam prout videbitur Caput magistro et cum minori expenso ut posaibile est. 

Die 2. Junii 1423. Item quod faciat Kernardua Stcfani ordinia fratrum predicatorum et condnetor nnins fenestrac vitri vel oculi 
pro majori ecclesi« venlat florenliam ad reeipienda deaigna dicti oculi vel fineatre pro tota 20 a die presentia menai» Junii, 
, pro riuiumH fl, 5U. 

Die 14. UHi 1423. Bertiardo di Francesco voe. Laatra, Bemardo (StefaniVi magistri finestrarum vitrei duonim peöonim fili ramia 
proponendo duobus oculi« dicte eccleaie uaque ad »uminam a. 18 pro quoliuet bracehio, vid. bracchionim quattuor. 

Die 3 m. Aprilia 1424. Item simili modo et forma predicti actendentes ad qnandam locationem olim factum fratri Bernardino 
ordinis fratrum predicat, S. Marie novelle de flor. per quam ut dicitur enntinetnr qualiler ipae frater Bernardinua debet 
componerc in dicta opera majori« ecclesie duos oeidos vitrei cum certis storii« beute Marie virjrinia unde hodie ac 
preaenii die .... deliberaverunt quod frater Bemardinus predietns teneatur facere duos oculos in majori nuvi dicte 
ecclesie videl. dno» primoa et proquinqnos majori oculo snpra porta v. nnum a dextris dicti oculi maipii et alterum a 

5* 



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Üb. Hans Semper. 



ainlstria. Et intrantla in eccleaiam per portal« tuagnam oculuui existentem a dextria 9. est venu» notarium in lllo fieri 
debet atoria be»te Marie Virginia videl. quando (liovacchino fu ehaeciato del tempio et in alio oculo propinquo majori 
in introitu dicte ecclcaie ad manum aiuistram vid. dirimpetto u legnaluoli in illo oculo fieri debet Storia mortia et aepul- 
ture Beate Mariac virgini». Et deaigna dictonim ocnloram et etoriarum fleri debent per Laurentiuin oliin Bartolucci magj- 
Btruui et proviaionatum dicte opere pront eidem videbitur pnlcrioria et adornioria utiliua et honoratiua pro npera predieta. 
Die 13. apr. 1414. Fratri Bernardino ordinis predio. pro designo duorum oculornm per oum perficiendorum in majori uavi dicte 
ecclcaie. 

Die veneria, 12. Jan. 1424. Fratri bernardino moranti ad preaena vulterria quod venlat et comparcat coram dictia operarii» p. 
totum proaentem menaem Januarii ad accordauduiu Laurentiuin Burtolucei de labore impenao pro oculia Cupolc seu ad 
dicendnm quidquid vnlt, et quod clapso dicto terminio gravabitur 

Die 29 Jan. 1424. .Scribatur una lettera fratri Bernardiuo Stefan! qualiter hinc ad quindeeim die» menais febr. prox. fut. venire 
teneatur et debeat coram dictia operariia ad dlcendum aua jura in quadaui cauta exiatentl inter dictum fratrem Bernar- 
dinum ex parte una et Laurentlum Bartolucci ex parte alia de quodain designo facto per dictum Laurcntium duorum 
oculorum cupolc magno. Et eidem in dicta lettera proteatetur qualiter ai non comparebit coram oia infra dictum tempua 
gravabitur ei fidejuasor ad aolvendnm dicto laurentio illud quod dclibcrabitur per coa. Et quod illud idein notifieeretur 
fidejusaori dicti fratri» Bernardini. 
Satlsdationes : 

Die in. Martii 1421. Krater ßernardua quondam .Stefani da florentia ordinia fratrum predicatorum acte niaric novellc de florentia 
conatltit occasione cujuadam conduetionia per cum facto ab opera prelibata de faciendo duoa oculoa vitrei in majori nari 
cliatedralia ecclcaie florentlne videl. unum in una facie dicte navia magno et alium in all» facie dicte uiajoria navia 
penea oculum magnum poatum in facie vereua Oratorium acti Jobannia batiate in quo quidem oculo poaito in facie veraua 
campanilo debet fleri per cum atoria beato marie virginis, videl. quum Joachinua fuit de tempio expulaua, et in alio oculo 
alteriua faciei debet fieri atoria mortia et aepnlture Beate marie Virginia et . , . tenninl eidem fratri Bernardo fari per 
dictoa operarioa in faciendo dictoa oculoa vldelicet primuni in annum prox. fut. initiando, die qno eidein fratri Bernardo 
dabitur et exibetur designuni dicti oculi; et tin. ad viglnti menara prox. fut. a die dati primi diaegni etc. 

Die XXVI martii 1425 (2öj. Prcfati operarii aimili modo et forma deliberaverunt quod pro parte prefatorum operariomm acri- 
batur lettera fra Bernardino magiarro vitreorum feneatrarum quod diebua preaentibua debeat reverti Floientiam ad labu- 
randum oculoa vitrei quoa duxit fiendoa in chatedrali eccleaic florentlne, »IIa* gravabitur ejua fldemlaau». 

Die 11 febr. 1442 (43). Fratri Bernardino . qui facit feneatraa de vetro I. 20 p. dando Nicholao bichieraro pro vltreia aibi 
dntia per quandam fenoatram aibi locatam pru aecunda aacreatia. 

Die 23 febr. 1442 (43j. Fratri Bernardino . . qui facit feneatraa de vitro I. 18 a. 18 p. p. aolutionia «nius feneatre ad oculoa 

10. Dec. 1443. Fratri Bernardino ordinia prrd. qui facit feneatraa de vetro I. 25 pro parte aolutionia uniiia feneatre oculorum 
alborum aacriatie. 

Francesco dl Doraealco da Oarabasao: 

1436. Die 23 Aprilia. Prefati operarii exlatentea collegialiter congregali in loco eonim reaidentie pfeia dicte opere ntili pagen- 
dia servalin servandls deliberaveruut quod acribatur una lettera FrancUcho dominicl de ghaubasso magistro vitrei habi- 
tatori ad preaena in civitate Lubichi de ejua acceaau florentiam aectindiim quod dicet Nicola«» de Atcxandris. 

Die 5 Oct. 143«. Prefati operarii congregrati ut aibi deliberaverunt quod novo eonim oflitio exhibeatur quedam potitio in favo- 
rera Francis« dominici Ovis de ghambaeao niagistri vitreorum et eorum nove poatulatum ut dlcta petltlo habeat aui 
valoria firmitatem coram magnlticia dominia prioribu» artiuiu et vexillifero Juatitie populi et eommunia flor. pro quadam 
exceptione »ue peraone. 

143«. In Del nomine Amen, Anno domini ab ejus incarnatione millesimo quadrigenteaimo tergeaimo aexto ind. 15 et dio 15 
m. Oct. tacrum in civitate florent. in opera 8» Mario del fioro preaentibua teatibua ad infraatantia omnia et singula vocatia 
babitia e rogatia Uualterotto Jacobi de Riccialbania et S. Filippo nicolai civibua florentinl*. 

Nobllea nc prudentea viri. Nicolau» UgliuDia de Alexandris Donatus Michaeli« de Vellutla Fraociscua benedicll Caroccii 
. de Stroits Benedlctus Jobannia de Uiccialbanis et Niecolaua Caruli de Malignia operarii opere Scte Marie del fiore de flor. 
existente! collegialitcr congregati in opera predieta in loco eonim anlite reaidentie pfvla dicte opere utili pagendia 
abaente tarnen Alamanno mlchaelia de Albixi» eorum in diclo officio eollega. Considerantca equidem prefati operarii 
oovuin edificlum catthedralia eccleaic flur. ad nptatum finein aue habitationia fore deduetum et ob id fore neceaaarium 
oculoa et feneatraa Ipsiua ecclcaie decorari variia vitreia vnriia atoriis pitturarum ut deeet Um incliti matrici eccleeie oh 
quam rem prefutam magnificam ecclesiam indigenc maxima ac infinita copia ipaoruui vitreorum qu. »ine longevo tempore 
ac innumerabili aumptu pecunie vix babori poaaet Et actendentea q. eorum in oflitio preccaaorca jam aunt trea anni et 
ultra acripsisse in partibus Alanianie basae in civitate nomlnata lubichi cuidam famoaiaaimo viro nomine franciacho domi- 
nici C'iui de Gambnsao comit. flor. magistro in omni et quocunquo gencre vitreorum de muaaeco et de quodam alio cotore 
vitreorum qui in dicta civitate a tempore aue pueritie cum ana familia et aliia babitavit et habitat et in dicto loco dictatn 
arten» addidicit exereuit et exercet, eundem franciachum deprecando ad civitatem Aorentlc accederc deberet ad babitandum 
familiariter et in ca artem prefatam faciendo eidem polllcendo quod aibi oxpenaaa ytinicria per cum flendas resarciret et in 
dicta civitate flor. in laborerüs predietc uperc toto tempore aue vite eidem continuum ac finnum in viam exhiberet ita 
et tali q. ipec una cum sua familia talibus promissionibua motua acecssit ad eiviutem flor. ad intendendmu et exanii- 
nanduni cum eorum oflitio predictaa prob, et ad alia faciendum in predictia oportuna p. mandando executioni intentionem 
eorum ofllliL Ac etiam fide habita a quampluribtia peraonla fide dignis prefatum franciachum in predictia artibua fore 
poritissimum. Et exaulnato quod predieta omnia non solum reaultant dicte opere sed etiam toti civitati florenlie honorem 
utile ac famam pro pecunia volentea q. igitur predicti operarii ut predieta omnia aortiantur officium p. evident! utili- 



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Die farbigen Glasscheiben im Dom von Flokexz. 



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Ute ei honon> dicte opere et totiu» civitatis flor. servatis in predictis omnibu» hiisque requirunmr »ec. formam »täte . 
flor. ei dict« opere dato miMa f*cto et eelebrato inter ipsos omne* »olepni et »eereto »cniptluio nd fabas nigra« et alba» 
et obtento ptlto neminc eorum diacrepante de eonaensn et voluntate dicti franeisci preaentis et inter omnibu» »mim om- 
sengum dantis et preatantia deliberavernnt statucrunt firmaverunt ac ereaverunt iufra»eripta pacta .... i?> cum conduc- 
tionibus et mndificationlbu» iurraaeriptia. 

In prlmia advertentea dicti operarii dictum franciachum in ytinere per enm facto de civitate inbiclii nd civitatem 
flur. pru tractando cum corum offitio per dicta omni« snpius narraU, a latrunibna et ruetoribu* »tratarum fuissc omnibu» 
suia boni» spoliatum ac privatum qne secum ferebat pro demostrando »uam nrtem diclo eoriim officio; quod prct'ati 
operarii teneantur et obligat! »int de peeunia dicte opere pro omni dapno eidem illato, et pro quibuscumqne expen*U 
per eum fuctla et ficndl» in dicto ytinere et pro conduwndo florentiam »uam familiam et omnia aua bona in dicta civi- 
tate lubichi ad preaen» existentia dare »olvere ac enumerare eidem franciacho in totum «orenos auri ceotum infraserip- 
tia termini» ad preaen« florenoa anri viginti et reaidunm n»que indictam quantitatera florenoruin auri centuiu »tatini 
postquam dictu» franciachus cum tota »ua famllia et omnibu« sul* boni« fuerit florentiam reverau» et dederit principiuin 
in dicta civilate florentie dicte die arti de qua qnideni quautitatc florenorum viginti pro et ante omnia q. Tut »olutiu 
dictus franciachua tenentnr et debeat dare et preatnre dicte opere ydoneum fidcmissoreni de redpundo florentiam cum 
tota aua familia et cum omnibu» »uia boni» et dare principiuin dicte »ue arti, aalvo et excepto quod ai casus mortis 
eidem accideret quod abait dicta opera amietat et perdat et perdere teueatur et debet dictain quantitatein florenoa viginti 
et eju» fidemisaor in dicta fidemismione flor. viginti »it liberalo*. 

Item teneantur et debeant ac obligati sint prefati operarii cxpen»is dicte opere toto tempore ane vito et auonim 
filioram dare et consignare eodem francischo in dicta civitate flor. in loco ydoneo pro exereendo dictam »uam artem 
unam domum in qua dictus franciachua poasit ipse cum »ua familia ydonee nt decet Mmili maglatro habitxrc et atare et 
in ea faecre dua» fomaee« aetaa et condeeente» »ue arti. 

Item teneantur ac debeant et obligati «int predicti operarii de peeunia dicte opere p. provisione ipsiu» franeisci 
dare et »olvere eidem franciacho decem anni« continuis initiandia die qua fuerit fiorentia cum tota aua familia et omnibu» 
auia boni» reveraua et ineepit in dicta civitate flor. lahorare, facere et exercere in exereitlo dicte »ue artls et ad insUn- 
tiani prefate opere anno quolibet durante tempore dietonim derero aunornm flnr. auri qiiadraginta faeiendo eidem solu- 
täonem pro rat« dicte flor. 40 de qnadriniestri in quadriroestre. 

Item teneantur et obligati aint dicti nperarii expenai» dicte opere in futurum »e facturis et facere et curare 

ita et tali eum effectu quod per conailia opportuna populi et communis flor. dictus Franciachua et eju» fi Iii et eoruiu 
bona toto tempore eorum vite Impetraverint a populo et communi flor. exemptioiiem et immiinitatein ab omnibu* et «in- 
guli» oneribua et factionibna communis flor. tau realibu» quam personalibus et mistis et tarn ordimirii» quam extraordi 
nariis et tarn in civitate quam in communitatc et diatrictu flor. excepto quod a gahelli» ordinarih communis flor. ac etiam 
impetraverint quod dictus franebchus et eju» familia habeat facultatem et iminunitatem faciendi unam et plurea forna- 
ces »ue arti*. 

Item teneantur et debeant et obligati sint dicti operarii se fueturos et enratnroa et facere et curare ita et taliter 
quod nulla Ars ex viginta una artibu» civitatis flor. infeatabit et dabit eidem franciacho aliquam noxiam vel raole- 
»tiam pro faciendi) et exereendo in dicta civitate flor. dicum artem. Que omnia et »ingiibi »upraacripta . firmave- 
runt deliberavernnt promiaerunt et obligaverunt prefati operarii cum hac exceptione et modifieatione vid. quod dietu* 
franciachus et eju» filii et omne» aui diaeipuli et omne» cum ejus industria laborantea teneantur et debeant et obligati 
eint lab«. rare et laborari facere ad requi»itionem et instanliam dicte opere et eorum offitii pro tempore oxistenris in dicta 
civitate flor. omne genna muaajwi et vitreorum coloratonim quo et quibua opera et ejus operarii indigerent pro edifitiis 
cathedra!!» eccleaie florentine. Ita et taliter quod opera predicta primo et Ante omnia »uum sortiatur r?i effectum. Kt pro 
eo pretio quod coatabit et veniet dictia Francischo et suis laborantibus in eo computando industriam ipsorum et pro illo 
pluri et majori pretio declarabitur per offitium ipsonim operarioram p. tempore existentinm in eorum discretione» predicta 
renitendo. Et hec paciaeentes »olenne dicti operarii pro se et aui» »ucee»aoribua et dictu» franciachua inaimul et vicis- 
«im in quautum dictua franciachus et eju» familia in »liquo predictormn dicte opere non defecerint. 
Die 19 Oct. Predictus franciachua promiait et aolcpni atipulatlone convenit in not. oct. ut pnblico pacto predicta opera reei- 
pere facere et ob»ervare predictam »eu restitnero dicte opere dictam quantitatem florenos viginti et eo modo et forma 
prout sibi promiait o. dicte quantitati» flor. 20 pro quibua omnibu» et »inguli» observandis obligavil se ipsnm et ejus 
bic et bona pro quo et ejus ptibi et mante. fide Batholomens petrueei biefaierarius populi 8. panerntii de flor. qui facit 
apotecam pencs Codrm de Toruaquincüv promiait et ei obligavit et ei renitravit. [Da wir diese» Document wieder eigen- 
händig im Domarchiv copirt haben, »o drucken wir ea der Vollständigkeit wegen ruui zweitenmale ab, obschon es schon 
von Gaye gebracht wird.) 

1437. Die X m. Aprilis. Item prefati consules una cum offitio ipaorum onerariornin congregati ut sunt in dicta opera «cten- 
dentes od quandam promisaionem et obligationem factum per offitium operarionim cuidam inagistro Franciacho Dominlei 
civi de Ghambasao ud preseiu) liabit. In civitate I.ubiche urbe Alcmannic baasae inter cetera de dando eidem unam 
domum sibi et »ue familie, in ea duaa fornace» et considerantea operam carere tali domo, volentea ut praedicU promisaio 
et obligatio facta per dictum offitium operarionim habeat et «ortlatnr plenum effectum, cnmiaernnt prefato offitio opera- 
rionim tarn presenti quam futuro et dicto officio attribuerunt illam baliam et auetoritatem quam dicta duo nftitia 8. con- 
aulum et operarionim in emendo domoa pro dicta opera Um vigore reformationis edite per consllia oportuna populi et 
communi» florent. in emendo domaa quam etiamvigore quorumeunque communiuro flor. arti» lanc et dicte opere »olo 
et dumuxat quod a emptionem domu» promiaae dicto Franciacho tarn pro se et sua familia quam et pro faeiendo dua» 
formaee» pro co pretio et pretiis videbitur offitio ipaorum operarionim tarn presentium quam futurorum et duabu» 
partibus ooruin. 



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32 Da. Hans SgMrcR. 

Bernardo dt Francesco voent© La»tra: 

Die 4. Aprilis 1424. Bernardo Frnncisci <ito. Jjwtra nuifriatrl fenestrarum vitrei pro bracohi» XIV* j nnius retic ramia per eoa 
facti pn> reparatione fincatre audientic ad raz ». 1» pro quolibet braeclihi et S. H p. »opraponl predicto filo raniia in 
tot« libr. 14 S. Ii <L 2. 

Die H in. Aprilis 1432. Itciii deliberavemnt quod provisor operi* teneatur et debeat locare Hemardo Francis« rocato l.astra 
et aervo ejua ad faciendum unam finestram vitrri que rat in tribuna cappelle S. Zenobii aupru cappcllam prefatam pro 
eo pretio pro quo feeit fenestra» diete cappi'lle S. Zenobii et cum eiusdem paetia et mndia in Ula locatlone contenutis. 

Die 1« in. Aprili« 1431. Item dcliberavemnt qnod provisor opere prefate tarn preaena quam futtiru» »ine aliquo »uo prejndieio 
et dapno locare debeat Bernardo Franeiaci et Laatre ejua aocio ad faciendum quatuor fenestraa vitrei que annt super 
tribun» ubi est cappella X. Zenobii cum atonia iruutionis (sie) Virjrinis Marie cum paetta pretiia modia et aliia oppnr- 
tnni» et requisitis declarando» )ier opernrios dietc opere. 

1433. T>ie 3«i in. Dee. Itctii dedernut comtiiUaionem .lobanni Domini forc»i» de Salviatl» et .lacopo Barloli de Kidolfi«. duobua 
ex corum ofQtio, capiendi partituin utriiin designum ocnli factum per Laurentimn bartnli debeat dari bernardo franeiaci 
magistro vitrei, an reactari in alia forma priuaquam detur ad facii-ndnm dictum oculnm et quirquid circa predicta deli- 
beraverint prefati domini intrlligatur factum per eoniin officium et »imilitcr »tantiavcniut pro ejus labttre prefato I.aurcn- 
tio illud qnod prefati domini derlaraverinl pro labore dicti deiojrni eidein Ijitirentin dari. 

1434. Die 20 m. Aprili«. Dem aimili modo ei forma dellbernvrrunt quod llcrnardus Franeiaci magistcr feneatrariun vitrei facere 
teneatur ad preaena dua» fcncstni» ex quatuor »ibi lueatia in tribunetta cappelle S. Zenobii aecundum desiguum eidem 
danduui per I.aurentium luirtnli mapiatruin intagll cum storiis declarandi» per Mutienm de Strozzi» et Niccolaum de Alexan 
dria quod deslgnum dictu» Laurentius teneatur Heri feciaae per lotuiu menseiu uiaji prox. fut. et dieto Bernardo dedisae. 

Die V in. Julii 14.*5. Item prefati oprrarii actendcnlea qui d prefatnm eoniin offitinm loeavit Hemardo Francis« niairistio fene- 
«trarum vitrei ad faciendum qiiattuor feneatra« vitrei in tribuuii ubi eat capella Scri Zenobii de quibua fecit Ulm et pro 
faciendia dicti» fenestris liabuit a dirt« opera '£i capsae vitrei que costavernnt opere Ii. auri l. f i2 et adlinc dictu» Ber- 
nardu» po»»it aupplire expensis, delilieraveniut quod dictu» Beriiartlu» leueanir »chouipitnrc de dieta aunima dieto opere 
in qualibet feneatra (1. auri fiO, et dare eidem lenealur opera re»iduum cujiislibct fenestre complete pro lnboram)4> alias 

et in ultima feneatra «cliompitare rcsidiium ejua qniHl dare teneatur opere, et hoc »i et in qunntum fidem de obaer- 

vaudo preiUcttnn eo modo et forma prout de< Lirabitur per Nirolamu de Alexandria. 

143»>. Die 14 m. Alglisti. Item drliberaveruiit quod Hat pereeptum I.aurentio biirlolurci aiirifici Sulagil quod per totam dieni 
vigesimam presenti» nienaia Augusti teneatur et debeat dare el aolvere Beniardo Francisci magistro feneatrarum vitrei 
quoddam designum lenestre vitrei eodeni Benmrdo locate ad faciendum in tribnna cappelle, Seti Zencdiii. Kt in quantum 
non dederit et tradiihrit dieto Bernardo comrnisernnt dieto Bernardo |ierfici faciat illi per cui »ibi videbitur . atoriam 
ordiualam Virginia marie. 

1437. Die X. m. Aprilia. Item prefati domini consiilca et operarii »imili modo et forma «cteudente» ad quaiidaw nliam loca- 
tionem fiictam per ntliiiniu ipsoniiu npcrurinniin Briuardo Francis« magistro fcni'strariim vitiei de dieto anno 1432 et 
die 1 •> menaia Aprili« de faciendo qiiattuor fenestroa de vitreo in tribuna ubi eat cappella aeti Zenobii pro pretio librarum 
»ederiin pro quolil>et bracebio quadro pro eo tempore quo plaeuerit offii-iaiibu» deputnti» »upra aepoltura S. Zeuobii 
et cum illi« pacti» prout dicti» deputati» plaeuerit. Et concordante» depnUtioueiii factam per dictum offitititu de illi« civibu* 
qui fucnint deputati supra sepultnram Zenobii. et concordantes predicta omnia fniaae tanlata ob oceupatioue« illorum 
depuwtorum, ideirco rovoeaverunt dictum deputationem aupra diet» locatione factam de dictia eivibua et eomiaerunt 
mandiiri eaeeutioni per oftitimn ipionim operarioruin tarn preaentiuin quam fiituroi-uni. 

1437. Die X Aprili» Item prefati operarii »imili modo conaidrrante* quandam lejp'in factam per comsiliuiu arti» lane circa 

partita et deliberationea operariornni, videl. quod partita que dictum offitinm facit. non ponaint renovari, mutiiari, torrigi, 
revidari aine approbatione diiorum ronaulnm arti» lane »nb eerta pena in ea eontenutn, et conxiderante» locatione» factaa 
per oftitimn ipaorum operarioruin Matteo de Truto de organi» novi« et Bernardo franeiaci magiatro feneatrarum vitrei de 
qualtuor lincatris vitrei, deliberaverunt quod oftitium ipsnruui operariorum poaait corrieeru et emendare et annullarc 
dictu» locatione» eo modo et forma prout videbitur ip»i» oflitii« operarioruin neceaaarinin et utile pro dicta <q»era etc. 

Die M m. Martii 1439. Supra dicti operarii ... conee»«enint arbitrium Bernardo franeiaci de vetria omnes et »ingulaa feueatraa 
de vetro Cupole majoria S. 11. del fiore de Floreutia. Et quod eidem Bernardo poaait Heri prearita uaqne in libbraa 
<h Mental, 

1439. Die L'l. Aprili». Item mo<lo et forma pndictla declaraverunt et eoiniaemnt qnod preilietua Bernardua et Franciscu» ambo 

aimul et in concordia proaint oinnibu» que liceat locare .... eis videbitur usque ad deevm fem'atraa vitreaa cum illi» 

pacti« qualiter et prout ei» videbitur .... 
Die 19 in. Junii 1437. Bernardo Franeiaci uiagiatio feneatrarum vitrei libraa H'i» pro parte Solutionis unin» fene»tre de ritreo 

facit ad in»tantiam opere in tribuna cappelle S. Zemdtii. 
1437 die 19 m. Dec. Beniardo Franeiaci niagi»tro vitreomm HbraB tiD p. parte solutionis tertie fenestre vitree per cum faete et 

posite in tribuna ubi eat capella Scti Zenobii. 
1437 ;3S) die 0 m. Febr. Bernardo Franeiaci maffbttro fene»tr*ruin vitrei libro» »exa)finta »eptem, »oldos quinque, denaro» 1 

pro parte solutionis tertie fenestre vitrei per cum faete et posite in tribunetta cappelle S. Zenobii in libro provisoris 

«ejcnato d. 

Die 24 m. Mai 1.V17 (88). Bernardo Franeiaci magi»tro fene»traruui de vitreo libra» 7 pro medietate nniu» deaigni quatuor figu- 
rarum nnius finestre de vitreo fiendo in tribuna ubi est cappella S. Zenobii locate ad faciendum Bernardo franeiaci magi 
stro feneatrarum de vitreo p. parte eontinffente dicte opere. 

Dk 1* m. Xov. 1 138. Bernardo Francis« magro. feneatrarum vetri I .W p. p. »ui mairisterii in ponendo unam fenestram in 
tribuna S. Zenobii. 



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Die rAKBioF.x Glasscheiben im Dom von Florenz. 



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Die 18 iu»rtii 143H 3<i . Bernardo Franciaei de vetris magiatro fi notraniui vetri ducatoa 7 . pro rcsiduo solutionis cuju.-.- 



l>ie 28. Dec. 1440. Bernardo Franciaei magiatro fenestrarum vetri I. 273 S. K sunt pro patfainento uniua feneatre vetri niiasc 
In tribunaiu versus clauatra in capcllaiu .-'cti Martin rletto della parte a di U Decembre. 

Die Veneri« 14 oct. 144h. Beruardo Franciaei Magro fenestrarum vetri libra* GO a. IU d. « saut pro . . in lineatria Meiestie ete. 
Kidem libra« 14 que sunt pro dcsigno uniaa finestre per cum facte et hoc quia solvit medictatcm dicti dcsigni dicte 
opere ...... 

Die 8 UV. 14441. Beruardo franciaei magiatro fcneslrarurn vetri libra« octo pro resto dicti dUegni et pro dando dieto Laurentin 

(Ghibertii pro resto dicti desigul et pro resto »olutioni» pro parte tangcnte diclo Beruardo. 
1441. Die 5 May. Bernardo Franciaei de vetria et raagistro fenestrarum vetri I. 50 p. p. couduetionia per cum facte in dicta 



<staiiriaun-nti 1449-1447.] 

Die 10 Aprili» 1443. Beruardo Franciaei qui facit fenestra» de vetro I. 100 p. p. Solution!» uniua feneittrc facte per eum in 

ca|H'lln Jacobi majoria in majori ecclcsia. 
28. Dec. 1440. Bernardo Franciaei magistre feneatrarum vetri I. 273 S. 8 sunt ... pro pagamento uniua feneatre vetri Mint in 

tribunam vertu« clauMris in cappellam S. Martiri detto della parte ... 

Eidem I. 8 qni . . . dcaigni dicte llnestre. 
Die 15 in. Jan. 1442 (Vi;. Beruardo Franciaei qui facit feneatra» de vetro I. loo p. parte aolutionia nnius oculi de tribuna 

magna in quo est resurrectio domini. 
Die 3 in. febr. 1442 (48,. Bernardo Franciaei qui facit feneatraa de vetro L 100 pro parte »olutionU oculorum factoruui. 
Die X na. febr. 1442 <4:>». Bernardo Franciaei qui facit feneBtras de vetro I. 150 pro parle solutionis uuiu» oculi. 

Eideui Bernardo 1. l. r >0 p. parte aolut. dicti oiuli. 
Die 23 in, febr. 1442 (43). Bomardo Franciaei qui facit fenestra» de vetro I. 200 sunt pro parte aolutionia oculi facti. 
Die 28 febr. 1442 (43). Bernardo Franciaei qui facit feneatraa de vetro I. «37 S. 10 sunt pro auo niagüterio et vitro et alio 

uniua oculi facti et poaiti . . in quo est dominus noster quaudo oravil in orto. 
Die 8. m. Junii 1143. Bernardo Frauciaci et aoeiia qui faciunt fene»tra>< di" vetro I. loo p. p. uniua fenestre facte. 
Di« 18. Junii 1443. Beruardo Franciaei qui facit feneatraa de vetro 1. 280 a. 10 aunt pro rcato solutionis uniua fenestre facte 

in potta majoria eeclesie. 
Die XI in. Oct 1443. Beruardo Franciaei qui facit fenc*tra* de vetro I. 100 p. p. aui uiagisterii. 
Die 7. in. Dec. Bernardo Franciaei qui faeit feneatraa de vetro ... pro p. «ue conductiouia oculorum factoium. 
Die 7. m. Jan. 1443 (44). Bernardo Fr.incisei qui facit feneatraa de vetro I. 50 quus dare debet l'aulo Uccello pro auo laboie 

trium oculorum factoruui pro diclo Bernardo. 

23. Apr. 1443. Bernardo Franeisel qui facit feneatraa de vetro conduetor plurium oculorum tiendorum iu majori tribuna I. 400 

p. parte solutionis dietorum oculorum. 
Die 30. Junii 1444. Bernardo franciaei qui facit feneatraa de vetro I. 100 p. parte solutionis oculorum factonuu. 
Die 15. Sept. 1444. Bernardo Franciaei de vetro I. 186 sunt pro auo tabore et magisterio plurium oculorum factorum pro 

tribuna magna. 

30. Dec. 1444. Bernardo Franciaei qui facit feneatraa de vetro I. 40 p. parte solutionia naht oculi puaiti in quo est designum 
annunptiationia virginls Marie. 

19. Jan. 1444 (IV Bernardo Franciaei qui facit fenestra» de vetro I, 200 aunt pro »olutione uniu» oculi facti et poaiti in tri- 
buna majori in quo est ymago quum angelua annuuptiavit virgiui Marie. 

Die 23. Febr. 1444 (45). Bernardo Franciaei qui faeit feucatraa de vetro I. 335 a. 15 d. 2 aunt pro rcato .... oculonnu poai- 
toruin in tribuna magna. 

Die 18. Junii 1445. Bernardo Franciaei qui faeit feneatraa de vetro 1. 037 s. 2 aunt pro mercede et prelio et magisterio uniua 
oculi facti et inceptl per eum in quo est quum dominus noster presentntus fuit in templo et est ulteriua qui ibi in tribuna 
magna. 

6. Apr. 1445 (46j. Bcraatdo franciaei qui facit feneatraa de vetro 1. 42 *. 8 sunt pro bracclill« 50« ; relia facte pro diiobns oculi» 
in navi majori eccle«ie. 

Die 17 m. Auguati 14G0. Beniardo Frauciaci de vetro et Leonardo Bartolome! ejua socio I. 72. pro suo magisterio et labore 

oculorum iu navi de medio. Eidem I. 34 pro »uo magiaterio ad .... uuam finestram in navi veraua 

majorem. 

1443. 10 Aprilis. Bernardo Franciaei qui fecit feneatraa de vitro I. 100 pro parte solutionis uniua feneatre facte in cappella Set. 
Zanobi mujoris. 

1443. 8. Jnnli. Bernardo Franciaei et «otii« qui fecerunt feneatraa de vetro 1. 100 p. p. uniua feneatre. 

1443 (44), 15. Januar. Bernardo Franciaei qni facit feneatraa de vetro prop. solutionis uniua oculi de tribuna magna in quo eat 



Die 11 m. Oct. 1447. Beraardo Franciaei de vetri- I Ü pro venia datis opere pro tabernaculo corporia Christi. 
Angelo dl Fraaeesc«. 

1433. Die 13 Auguati. Item prefati operarii simili modo et forma comiaerunt Bartolomeo Angliciai eorum proviaori pro 

parte et dicti offitii ipsonim operariorum vadat coram magnificU dominis prioribus artium et vexllliferi Gustitie populi et 

communis flor. et eorum collegiia et ab eis impetret gratiain et condampnationi* personalls Angeli Franciaei magistri 

fenestrarnm vitrei, considerato quod opera ipso indigeret pro laborando et faciendo ocnlos 
p. p. pecunia magiatromm feneatrarum vitrei existentium in civitate Florentie. 



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Du. Maxs Skxpek. 



Angelo dl Laxxero. 

Die 28 iu. Aprilis 1437. Itoni actcndentcs qualitcr »»taut faciei ecclesie B. Marie del Höre plurea fenestre de vitreo servatla aer- 

vandis providcrunt, dclibcrnverunt et commiserunt quod Bernardus Marii de Salviati» unue de eorum offitio poeait, ac tibi 

liceat eomraitere Magistro Angelo Lateri, magistro dictarum fenestrarum unam lincatram videl. quo est magis neeewaria. 
Maestro Angele: >di Lazzero oder di Lippofy 
1433, die XIII ort. Item comuiiacnint proviaori opere eorum parte roget Mos de balia pro Augeli Magistri fenestrarum 

vitrenriiui adhoc ut opera ipains possit operari in faciendi) oculos vitreoa et fenestraa edilitii novi dicte opere et corporis 

ecclesie majori» ut dieto offitio dictus Angelus proniiait. 
IMc X in. Maj. 14:15. Item commiserunt Xieolao Alexandris et soeiis suis providendi et sollicitamli oculum vitrei locatum magistro 

Angelo et cuidam pisaoo prout eis videbitur non muundo designam aliaa eia dal um et per eorum offitium ordinatom. 
X. Mai 1435. Item deliberaverunt qnod in ca»u quo Angeln« de Vitreis et «ocius «uns non dederint executionem ocnlo vitrei 

eisdem locato per fotam presentetu ebdomadam que elapsa gravetnr realiter et personalitcr ad solvenduui opere 

fl. auri 40 et similiter gravetur Dominions cum liccutia superiori» et ad predictaot licentiam impetrandam comiaerunt 

notario et proviaori opere ipsam impetrandam uove opere. 
Angel« dl Lipp« : Uli Pagolo eonf. Xlee. die Piero 1403.; 
Die IG m. Julii 1437. Item simili modo deliberaverunt quod provisor opere loeare teneatur Angelo magistro fenestrarum vitrei 

duoa ocnlos vitrei in navi corporis ecclesie majoris tl. pro eo pretio pactia et modia (actis in aliis locationibns facti« de 

similibu« oculis dicte eccleaie albis. 
Die IG m. Julii 1437. Angelo Lipp! magiatro fenestrarum vitri libras PH) quas opera eidem mutuat supra locatione eidem 

facta de dnobus ocnlia vitrei albi pro corpore eccleaie majoris Florentie. 
Die 24. Jan. 1437 (1438). Duo Domenico Pieri de Pisis Angelo' I.ippl magistri« vitrorum libr. 07. s. 13 d. 7 pro resto solu- 
tionis unius oculi vitrei facti per eoa in cupola magna eccleaie majori« florentine pruut app. in libro provisoris signato. 
Die 13 m. Febr. 1437 (38). Angelo Lippi de Florentia magistro fenestrarum vitrei I. 20 p. parte solutionis cujusdam fenestre 

vitree reaetate ad instanti.uu opere que est penea portam que est veraua cluiistnim caplani florentini. 
Die X aept. 1438. Magiatro Angelo Filippi mag. fenestrarum vetri lib. 45 p. parte solutionis sui laboris in reactando unam 

lincstraiu vetti in majori ecclesia 8. Marie del Bore. 
Die 7. nov. 1438. Magistro Angelo Filippi magistro fenestrarum vetri libras 312 S. 13 d. 4 sunt pro suo labore et luagisterlo 

in reactando et reponendo unam fenestram magnam vetri in ecclesia S. Marie del fiore Juxt* januam per quam itur In 

claustnim etc. 

Die 30. aprilis 143!». Angelo Lippi magistro fenostrarum vetri I. 1 s. Ifl pro Septem oculis vitrei albi miasis in certa fencatra 

abiture pape ad instantiam opere. 
Die 30. Junii 1439. Angelo Lippi magistro fenestrarum vetri fl. 198. p. resto solutionis unius oculi per cum facti in ecclesia 

majori in navi de inedio quo est oculorum alhorum cum uno compaaso in medio in quo est sculptum Signum libertatis 

br. 31 qiiiidri ad rat. librarum HOO pro quolibet brnechio quadro — fl. 188. 
Die 4 m. Aprilis 1443. Angelo Lippi qui facit fenestraa de vitro libr. 484 a. 10 sunt pro «uo magisterio et reato nniua fenestre 

fsetc et poste in cappella Scti Johannis Evangclistc majoris ecclesie florentine. 
23 April. 1443. Angelo Lippi qni facit fenestraa de vetro I. 100 p. p. unius oculi aibi locati pro majori ecclesia. 
30. Junii 1444. Angelo Lippi magistro fenestrarum vetri libras centum p. p. solutionis uniua oculi facti et positi in tribuna 

majori ecclesie. 

6 Martii 1444 (45;. Angelo Lippi magistro fenestrarum vetri 1. 328 s. 15. d. 2 sunt pro reato solutionis unius oeuh* facti et 
positi in tribuna majori. 

1453- 54 1. 25 Febr. Angelo Lippi magistro fenestrarum de vitro, qui conducit fare ... fenestraa de vetro ... pro suo salario 
et magisterio in reactando fenestraa tribunarum et cappellaruin cbatedralLs ecclesie florentine. 

Die 27. Junii 1454. M. Angelo Lippi 1. 27 s. 12 pro «uo laborerio in reacUindo oculo* de tribuna et fenestraa tribune et in 
majori ecclesia. 

Die 29 m. Febr. 1455 (50i. Angelo Lippi magr. faciendi fenestraa de vitreo I. 38 «. 11 sunt pro resto promisao etc. .... 
Die 31 Dec. 1456. Angelo Lippi de vetri« I. 4. s. 2. p. p. unius fenestre facte In andientia opere. 
Carlo Francisci «atl. 

Die 28. Dec. 1440. Carlo Francisci Mgr. fenestrarum vetri 1. «. s. 3 d. 4 sunt pro resto soluptionis unius ocnli per cum tnissi 

in navi de medio ecclesie 8. Marie oculorum illorum cum compaaso in medio. 
Die 8 Dec. 1440. ( harlo Francisci Gati conduetori fenestrarum vetri 1. 8 pro dando benotio Emili inlagllatori p. parte sibi 

tangente deaigni fiVndi . . unius fenestre. 
Domlnlco Guidoni. 

Die 28. Dec. 1440. Dno Guidoni Xicholai plebano et cappcllnno 8. Petri majoris conduetori fenestrarum vitri 1. 8 pro dando 

p. parte deaigni unius fenestre. 
Die 8 m. Junii 1443. Dno Guidoni et »oeiia qui faciunt fenestraa do vetro 1. 50 p. p. ejus conduetionis. 

Die XI m. Oct. 1443. Dno Guidoni et «oeiia qui faciunt fenestraa . . pro p. «olutionis fenestre per eo« facte in cappella dlcU 
dell* parte. 

Die 5 Dec. 1443. Dno. Guidoni et soeiis qui faciunt fenestraa de vetro I. 100 p. p. solut. unius fenestre per eoa facte et posite. 
Domlalco dl Plero di Pisa. 

Die 27 m. Junii 1437. Domino Dominico Pieri de Pisis et Angelo lazeri ejus «ocio fl. auri 5 1. 248 s. 8 d. 4 pro parte solu- 
tionis oculi magni facti in cupola ecclesie majoris flor. (c«nf. Angelo di Lippo 1437. ) 

Die 10 m. Aprilis 1443. Dno. Douiinicho Pieri S. Sinti de Pisls qui fecit fenestraa de vetro I. 1 p. p. nniu* finettro ... in cap- 
pella Scti Matbei. 

1443. Domino Dominico Petri priori Scti Sistl de Pisis qui facit fenestro« de vitro l. 100 p. parte uniua „nestre facte. 



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Die FARBinitN Oi.Asscnr.iBrN im Dom von Florenz. 



.Loren/ n dl Anfelo. 

I leliberatinne» 147« -82. I.aurentio magistr» Angeli qni fach fenestra» vitreas pro parte laborfrii facti per enni in fenestris 
Vilm» et retibus. I.aurentio m»Ki»im AnReli de vetri» pr» retibus i'l linestris I.. 28 ». 15 
Sundro di IJIoranni «II Andrea. 

1477 (78,,. Die -'."» m. Kohr. Prefati »perarii cnngregati elegerunt »andruui Johannis Andrcac in optatorem l'eneMrarnm vitroarmii 

Pili» «iil. I 2 pro quolibet mens«-, et tencatur soluui mitten- rua^ir-t.Ti mn et mm materiam et tempu« electionis inripiat 
die prima meiisi» Martii pruximi futtiri 

1478 »andro Johannis: uiafri»tro fciiestraruiii vitrearnm I. 8 ail ratinncui lib. ilnanim pro mciise et pro ejnn »alarin ineaaium 

<|iiatunr. 

I47H. 24. Dee. Sanilru Johann» ma«ri»tr.) fencatrarum vitrcariitu pn> ejus »alarin .... 

1480. 23. Her. Sandr» Johannis magistr» feneslranim vitreuruin pn» iiiamitentinne femutrarnRi in cor» (?) eeelesle .... 
1181. ;lu .luiiii. San. Im Johannis vitrarin pr» manilteucml» vitren» ea.leui ecelesia .Iii mit Ii 2 quolibet 
I hl 20. Dee. Saudro J.dianni maxist r» feiiestrariim vitrei pro luaniilrueiidi» fenestrig. . . . 

14*2. Saudro .liihanni niugistn. fcncslrarnm vitrearuni pro ejus aalario in diel» tempore a<l rat. s, 40 quolibet mon»c f. 12. 

lfw)X>. A (iioranni de vetri I.. 7. ». |n per re>t<i d mia tiinstra ili ratio fatta ncll' oper» nella »tanaa de niinistri »opril l'useio 
die n'enlra u.-ll'opera eiil s.'jrii» ilell' arte della lana a o(jni »na »pesa. 

Ireditori c debitori luOl -Muli. Saudi., di (iiovanul de vetri de itvere a l'.l dotlobrtf \t*X\ I.. 14 »- 7. d. »; »..in. per brucchia 
2 ;, „ di Knestra a wrlii fatta »u all.. Untern» »u in Miipola eine min »portt-ll» per vedere il »nie in rhiesa per gli »tru 
latclii per l„ ">. il Ijr. a i.)fni Mia »pesa vednl.i e misuralu da Simone .Ii Pollajiinlo. 
Zeirknungea von Paolo l'rrello. iVkI. Bernarilin» >li Stefano.! 

Hie 18 Febr. 1442 (4:1,. I'a.do Doni Ueello I In p. snlntione nniiiK desigui farti in quo est ymngn aniiumptiati.ini» viiifhii» 
Marie lemifer. Bernardn di r'ratieeseo). 

Hie t. Nov. 1448. Paulo Duno Uccelli picli.ri I. 40 »unt pro majristerio iiuiu» oenli de tribuna per eutn de»ii?n:iti in qim est 
uativita» »»mini loeati Anpcln l.ippi. 

Die 28. .tan. 1444 l45i. Paul.. Dnni Deeelln I Hl » 10 »mit pro residuo ... pro »u.i labore pietnre dum Ulli i.eiilorimi 
/eleaaniirrn von »blliertl und »oaaUllo. tWI. Kra Ki-ri.ar.)ino di .Stefano., 

14:14 Ind. 1-.' Hie II Iii. Aprilis. I'refati ..perarii congnsati in loco eornm r.»identie pn>raclU diete npere aeteiidente» ad 

.In.. de»i)fiia faeta ml iiudaiiliam upere »iipra um. ipiomm fieri debet .h-iiIii» vitrri »ti.rie .•( aetu» iiienroiiatiniUH douiiiii 
n.eitri .lenu Cliri»tri facti eju» et matii virgiui marie videliiet nimm per Du na tum niee.dai et laiireiitium tiart.di et ad 
.piedam eunsilia lialiita a ipiampluribii» intelligentibiia et mairi»trii> »arre theolufrie et a pluribii» pilti.ribn» et ina^istri» 
fene»tr.«rum et neuli.runi vitrei de deelarand» et cniuleinln ipiale dictormii du.u'uiii de»i^niiriim e»t puleriu» et Imnora 
biliua pro eceloia et inaKiiifirt- utiu» laute eeelesie et intellerlo, per dirta ei>n»ilia dMlgMHD faetiun per dicluui Houatuni 
»•»»>• meliii» tiou.irabiliii» et iiia^nilieentiui. de»i|iiiii faelu |mt dirtiim I.aurentiiim bart.di deliberareinnt ipiod dietum desiR- 
ii.iDi faetuiu per dietum Honatuiu niceulai oculi vitrei liendi »upra oeulo exi»teuti mipra eappellam S. Zonobl et <|iii r*l 
eoram e..ni»re eccleain veteri» Hat et Heri debeat, et uou »eciindiiHi de»iKiium dilti Laiir. iitli, et iioii piMn.it lieri dktii« 
rinn aliipio alio «k^igitn nee » .Ivcatur dum laxat eutn demjfno dieti Konati NieeoW. 

Die H in. Mai. 14:18. I.ainenli«. llartnli maKintro iutaKÜ I- 7 pro inedietate iiniiu* de liffiiri» quatunr tiftiirarum uniiw tine»tre 
fiende in tribnna ubi e»t Cappella Scti Zenoliii Ineate ad faeiendiiui Itenuirdi. Franciaci ma^iotro fenestrarum vitrei. 
videl. |ir.i parte e«nitiii||fenti' diete o|K*re. 

Die Ü8 m. Dee. 1440. Laiirentio llartnli inta^liatori I. 8. p. parte dc»igni uniii» fene»tre per eum desi^nande loeate Reruard« 
franei*ei ma(ti»trii feiiestrarum pn. ratione et inedietate dieti de»i^ui ... diete o|n a ro. 

Die ^8 ui. Dec. Hin. Laurentio llartnli intajfliatnri 1. 8 que »mit pro ileai^nn imins fenestre Inehato Dominien de Pi»i». Kidein 
I. 8. p. parte taiif;eiite ..pere designi fenestre loeate t'harlo de Uatia. Kidem I. 8. p. tan», upere de»i^ni fenestre loclulte 
Dun (iuidnni plebaun eappellan» St Pctri majori» Dno Dominielin pieri de Pi»i» enndiieturi fene»trarum vetri I. 8. p 
dando Itenotio Kiuili intagliaturi pro IU ptwllnnn desijciii . . . unius Huestie 

Die 7. Dee. 1443. I.aurentin bart.di intafrliatori I. !<0 «mit pro »uo nni|rii«U'rio uniii» designi per eum facti de nun ocnln in quo 
est designatiim qiiiim ibiminu» prc»entatu» e»t in teinplo. 

Bukttta. 

Die '. ( 4 martii 1427 Prefati »perarii »ervali» »ervandi» deliberaverunt qiiod provi*nr ae eapiitiua(ti»ter diete npere aetari faeiant 
fenestra» et iK'ulum de vitren ecelesie majori» flnrentine evpensi» diete npere et quici|iiid lieri eirea predictum feceriut 
inlelli/jatnr «ient est eoruui offieiuin. 

14:14 Die 4 m. Maj. Item deliberaverunt qnnd eaputnia^isler npere removeri faciat dua» eatena» positas in dnobtM ncnlis faeiei 
anteriuri» navinni cor|K.rU eeeleeie majuris ex eo qiiod ad fortiliratioiieiit nil »port.'iit et apparent runtice ad dwi.rein et 
nafaStoentlan diele Molen ie ot de ip»i» fiant eatene delilwrate in foHirieat'min m t..tiu» enrpnri» leeleale prefnte 

14:;.*}. Die Ü»i m. Oft Item deliberaverunt qnnd pn.visor npere emat »eu enii faciat e\pen»i» o|K'ie paniio» liui r ceram et alia 
neet-aaaria pr« impaniiaudn du»» ocnln» mapie cupnlc et quiequid expendideiit in preilietis intelli^atur et »it »tantiatum 
per enmm »flitiiim. 

Die V. m. .Iiiiii I IH. r >. Prefati nperarii emisfregati in lue» enruiii ri'sidentie pro facti» diete o|H-re ntillbii» pajreiidi» wrvati» 
»ervandi» deliberaverunt qnnd Filipp.itiu» Serbann» super giornati» scribat ad libruin operi» illnnim innpistrornm qui 
feeerunt buebas feneatrarnm vitrei faete et impnsite per Dernarduni l'r.mcisei qiiemadiiindum alias nperas aliorum inasi- 
«tri.rum npere. 

Dil» i» Ol. Januarii 1-faf» (37). Prefati nperarii coiij-rcgari nt sibi deliberaverunt qnnd: ( aputinaffister diete npere impannar 
faciat quattuor neulo» inagne enpole et qiiod urdiiiet qnnd ante priiieipiiim quadra«. »iuie »int impannati pro prediea- 

tiune diete quarettate. 

VII. Ii 



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36. 



Du. Hans Summ. Die rAitmf.i:N Glasscheiben im Dom von Florenz. 



Die 13. AiigiiKli 1437. Item deliberaverunt quod raputnuigiater diele opcre fieri faciat »portelloa feneatre vilrei aarrexli«. 
1487. Die 4. Dee. Itein prefati «pcrarii »iu.ili iimd.i ( «unisi iunt Batixte eapiltutaKiatM dicte opere veudemli HgMHB vi-ttin riirartuui 

de edilkio S. Marie novellc liahitatioue pape excepto !t. fcuestraa vitrei et o»tia que de mm. reponi debent in dirt» 

edilitio etc. 

Anhang- von Iloeiiinenten Uber (tlntsrht-ihen anderer Kirchen: 

Alumni. ItR'ord M'.M. 1 "a » | iMil.i. Kicordo questo di -J'i d'ottohre 14W> rhoine el nostr» padre priori' n xllnifhalo » fare el lavor.« 
del vretn dell' «cchio della cbie»a che *»pra la porla priuripale a Maestro I.axzero * t » Malleo da piarcnza clmn qm-sti 
palli >' obrörhi qni «la pie: K in prima che detlo l.anero a fare di mm tnlla linoci hiatnra e I i n ie di detlo ochi« di 
qucfflivrcti a oehi e frepri inl.triio e eolUrtic dcllo Urdinc: De tfgVi in mezzo a «letU Hneslra a ogni »na i»p»M d'invllr<t»rn 
.• di piauello a uw> di buoiio manairo. tutta la matiera e «Ii nelii auno a essere chonie queifli ehe Ini <i a dal» per 
sapffio e tntti oavi e pnri e aveni « miaurare la fcMcstra e la rote e noi pti uviam» a dare 1.. 3. 5 del bracio qiiesto 
i luiiiie di anpra a o#ni au« iapesa, ercietto e ferramenti bi.ioKiiaiiti per deiia fiiicttr». 

HO'!, a di '-'•"> d'ott. c all. ■ a Linien, di Matten da i'iaeen/.« macMr» «Ii vetri 1'orchio della cliicwa »upra la poita graude 
eo.nto I,. 8iil rosi *i trunva al librn lt. C. 

S. Maria Nuova. (Mihi. 1411», Krane, di (Jim-, e Keruardo ili Krane Maextro di finenln- di vetro a ili 27 d'aghosto f. 21 I. 8 cioe 
per rextti di f. 51. s. I. |>cr braecia I I 1 , dell. ocrhio del vetro per fior2, brae., e per nna finestra di vetro di verao il clinl- 
tero di br. 10 colla rele, \x>\ 1 rete della fiuestra di veno lo »pc.lale br. 14. OcUI ili velro el quäle si fa in w a felicita nella 
eapella di donato barbaib.ro devedan- » XI Ott. L 10 p. Ini a Oiov. d'Aiidrca e p, Dmdo itinid»', di (Irov. prete i qua 
lavoralio dettn po.ato GUw. <let<> h. p. di loro faliel.a. K I .Ii 14 di m.v. L 32 a, I* .1. Ii posto Ser Lorenzo d'Antoni.. 
pr. te in S pier majore e e.nipagiii i ipiali leei-on» detlo ochi» >• poatrro per real.. .Ii inanilattnra di occhio. 

Mar* lil.ru s. Cainarl. 14Ü2 al 69. 1472. Otlobre fior. 3 1. pagamo a Ira tiabriello da Ficcuze nostrofratc sono per p. d'una 
lii.e-.tra di vetro Ml alla chapella .Ii S. Nichnlo. 



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Schreinwerk in der Pfarrkirche zu Möchling im Jaun- 

thale in Kärnten. 

Von Ritteu v. Oali.esstein. 

Bei der im August d. J. zu Klagenfurt abgehaltenen Ausstellung von kärntnerischen Landes- 
Industrie- Erzeugnissen, womit auch eine kleine archäologische Exposition verbunden wurde, 
war es ein mächtiger hölzerner Schrei« , der im nicht geringen Masse die Aufmerksamkeit der 
Besucher fesselte. 

Und mit Hecht. Grössenverhilltnisse, Form und Ausstattung dieses Objecto« sind so selte- 
ner und besonderer Art und zeigen ein künstlerisches Wissen und solche Fertigkeit desjenigen, 
der dieses Werk ausführte, dass es wohl gestattet sein wird, diesen Gegenstand ausführlicher 
zu behandeln. 

Zwei Wegstunden von der Station Grafenstein der Kärntner (Süd-) Hahn und eben so weit 
von der Station Kühnsdorf abseits liegt in kaum einstündiger Kutfemung vom Fusse des 
(>751 W. F. Indien Obir das alte Pfarrdorf Möchling, in dessen Nahe Kärntens Hauptfluss, die 
.grüne Drave", der imposanten EisenbahnluTuke bei Stein im Jaunthale entgegenströmt. 
Nebst der Pfarrkirche das einzige nennenswerthe Gebäude ist das alte Herrenhaus des Gutes 
Möchling (urkundlich Möchelieh), welches Herzog Heinrich von Kärnten im Jahre 1122 dem 
Stifte St. Paul im Lavantthale schenkte. 

Die Kirche selbst ist ein«- einfache schmucklose Haute aus dem XV. Jahrhunderte, an 
welcher ausser dem sauberen Netzwelke des Chores und Schiffes nichts hervorzuheben ist. Das 
unscheinbare Gotteshaus umsehliesst aber ein Kunstwerk, welchem im österreichischen Kaiser- 
staate kaum ein zweites ähnliches zur Seite zu stellen sein dürfte. Ein der Südseite der Kirche 
angeschlossener, in sehr dürftigen Verhältnissen aufgeführter capellenartiger Zubau enthält das 
Grabmal des Stifters der Möchlingcr Kirche, welchen die Legende unter dem Namen „Markgraf 
Albuin- (auch „Markgraf Paul - ) anführt und als den Genial der seligen Hildegard \ der Stifterin 

1 l'rkimdlielie Erwähnung der wligcn (Iraitin Hildegard von Stein, als Mutter des Bischöfe» Albuin von Brixen. geschient 
lud Besch: Annale« eecles. Sabioneos. .Sie »Urb am 5. Februar U>H im Kufe iler Heiligkeit auf ihrem Schlosse zu Stein «n 
der Kr»«. In der dortigen, von ihr errichteten Lntirenzhi»-Kirchc wirrt alljährlich. Kemäss einer uralten Stiftung, ihr Todestag 
durch Seelenmessen uml eine Artnen-Bethcilung gefeiert, für welche letztere als (Jedachtnissgabe eigene kleine Brödchen 
gebacken und den Armen mitgegeben werden. Zum (Jrabe Albuin » in«».» jetzt noch die Kirche Müchling jährlich eine Kerze 
opfern, die am Gedächtnis» tage seines Todes angezündet wird. 

XVII. 7 



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H ITTER V. GaI.I.E\STKIN. 



der Kirche St Lorenz zu Stein an der Drau und Erbauerin der gleichnamigen Burg, in deren 
Ruinen eben diese Kirche steht, bezeichnet. 

Albuin, oder Paul, hauste auf der Burg Prosnitza, welche, eine halbe Stunde westlich von 
Möchling entlegen, auf einem hart an der Drau sich erhebenden steilen Felsenkamine, die „Skra- 
bina u oder „Skerbina" genannt, gestanden hat und in kargen Mauer-Resten noch erkennbar ist. 
Von Eifersucht getrieben stürzte er, so erzählt die Legende, seine schuldlose fromme Gemahlin 
hinab in die brausenden Finthen de« Stromes. Wunderbar blieb die edle Dulderin erhalten, 
die falsche Angeberin, eine Kuhmagd, wurde sammt ihren Kühen im Fclsenstalle in Stein ver- 
wandelt; der Graf aber, von bitterer Reue ergriffen, unternahm eine Bussfahrt in das gelobte 
Land, von welcher er erblindet zurückgekehrt die Kirche Möchling erbaute, die er mit frommen 
Stiftungen reichlich ausstattete und sich zur Grabstätte erkor. 

Albuin'» Grabmal steht in der erwähnten Seiten-Capelle der Kirche. Es ist eine kunstlos 
aus rohen Bruchsteinen aufgeführte und mit Mörtel beworfene Tumbu in Form eines länglichen, 
an der dem Altäre zugewendeten Stirnseite etwas ausgebauchten Viereckes von 3'/ 4 ' Höhe, 4V S ' 
Breite und 6\ . Länge, mit einem gleichgestalteten 3' hohen, aber auf allen vier Seiten um %' 
schmäleren Aufsatze aus ähnlichem Mauerwerke. 

Im Jahre 1KHJ wurde, auf Veranlassung des Gutsbesitzers und der Vorstände der Kirche 
Möchling, das Grabmal geöffnet Man fand die Innenwände sauber geglättet, oben mit Tuff- 
platten belegt, drinnen liegend zwei Fussknochenröhren, einige Trümmer des Schädels, der 
Arniröhren und Wirbelknochen, einen ungefähr 1'/, langen, oben gekrümmten Stab aus Hascl- 
nussholz, einen eisernen Sporn, mehrere eiserne Xägel, einen zerbrochenen Topf aus schwarzem 
Thone mit weissem Sande gefüllt, Kohlenreste, verschiedenfarbige Glasscherben und einige 
Stücke faulen Holzes. 

Diese höchst einfache, abgesehen von dem Ursprünge, den die Legende ihr zuspricht, 
durch ihr unverkennbar hohes Alter ehrwürdige Todtenstätte schmückt ein Kunstwerk von 
wundervoller Schönheit, ein auf diese Art Tuniba gestellter aus Liudeuholz geschnitzter frei- 
stehender Sehrein. 

Nur wenige Kunstfreunde hatten bis vor ganz kurzer Zeit Kenntniss von diesem zierlichen 
Werke. Viel Antheil an dem bisherigen Fnbekanntbleibeu desselben fällt der abseitigen Lage 
des Ortes zu. Aber auch die Gemeinde trachte mit wahrhaftiger Ängstlichkeit über dasselbe. Es 
gehört nicht hieher die Schwierigkeiten und Hindernisse zu schildern, welche die Gemeinde 
Möchling der Ausstellung*- t'omniission durch die hartnäckige Weigerung, die Entfernung des 
Schreinwerkes aus der Kirche und dessen Überführung nach Klagenfurt zu gestatten, bereitete. 
,la es war bis wenige Tage vor der Ausstellung noch fraglich, ob der Schrein nach Klagenfurt 
gebracht werde. 

Das Schieinwerk dehnt sieh als längliches Viereck aus, und hat die Gestalt einer gothi- 
sehen Kirche. Sechs Strebepfeiler halten das Gebäude an jeder Seite, einer an der Facnde und 
vier mächtige an den Ecken. Das hohe Spitzdach hat bei dem Bestreben des Meisters, seinem 
Werke einen reichen Abschluss zu geben, eine zierliche Kamnibekröuung und Kreuzblumen- 
betate. Auf der einen Schmalseite schliesst sich ein kleiner Prcsbytcrial-Anbau mit dreiseitigem 
Schlüsse an. Das niedrige Dach desselben hat die gleiche Verzierung wie der Hauptbau. Die 
Dachflächen und alle Zwischentheilc zwischen den Strebepfeilern sind ganz durchbrochen und 
gestatten die Durchsicht ins Innere. 

Wie ein zaites Spitzengewebe, auf allen Seiten durchsichtig, in hundertfältig in den 
zierlichsten kunstvollsten Mustern ('242 an der Zahl) wechselnden Feldern hebt sich leicht 
und luftig der herrliche Bau, dessen Beschauung in Zweifel führt, ob man mehr die überströ- 



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ScilIJLlNWKltK IN HER IVaKRKIRCIIE ZV MöCHUNO ETC. 



39 



niend reiche Erfindungsgabe oder die riesige Geduld des Meutern bestaunen soll, der dieses 
Prachtwerk schnf. 

Die Hohe des Schreine» bis zu den Spitzen der die Giebel krünenden Kreuzblumen beträft 
7' fi". die Liinge (>', die Breite 2' 9"j die vier Behlanken, in Absiltzen sieb verjüngenden, in Fialen 
auslaufenden Eekstreben, sind je 6 3" hoch; die rings am Gebäude angelegten Strebepfeiler 
haben je eine Höhe von 5'; die Apsis hat, bei einer Höhe von 5' 3", in der Lange 2 und 1' t>" 
in der Breite; sie umgeben acht Strebepfeiler, deren jeder bis zur Spitze der aufgesetzten Fialen 
4 hoch ist. Die zwischen den Strebepfeilern der Langseiten befindlichen Wandfelder sind mit 
hohen geschweift spitzbogigen Fenstern ausgestattet, und ist jedes Mauerfeld 3 Fuss hoch und 
7 Zoll breit. 

Die Verzierungen all' dieser Theile mit Krabben. Kreuzblumen. Rosetten, Gesimsen und 
galeric-ilhnlichcn Krönungen, grösseren und kleineren Fialen, sind, ohne den Eindruck der Über- 
ladung hervorzubringen, so Uberaus reich, dass jede Detail-Besehreibung, so ermüdend sie einer- 
seits wHrc, andererseits doch unzureichend bliebe. Wir beschränken uns deshalb auf obige Mass- 
Angaben und auf die Bemerkung, dass, nach sorgfältigen Berechnungen, an diesem Schreine 
132 Thürmchen und Fialen, 1öS Kreuzblumen und Bosen und 342i> Krabben angebracht sind, 
und dass der Gesannnt-Kffect höchst glücklich, ja in der Thnt entzückend ist. 

Als den Schöpfer dieses Meisterwerkes der Holzschneidekunst, der, wenn auch kein Archi- 
tekt, so doch eine mit den Kunstformen gründlich vertraute Person war, bezeichnet die Tradition 
einen, leider ungenannten, Benedictiner-Mönch aus dem Stifte St. Faul, welcher zehn Jahre au 
demselben gearbeitet haben soll , was niemand, der das Kunstwerk gesehen hat, anzweifeln 
wird. Der Styl der Ornamentik verweist es in das Ende des XIV., wahrscheinlich aber in das 
XV. Jahrhundert. * 

Die Wiederherstellung und Erhaltung des Möchlinger Reliquien-Schreines, der in seinem 
wenig geschützten Aufstellung« -( )rtc den Einwirkungen der (Iber ihn hingezogenen Jahrhun- 
derte nicht entgehen konnte, noch mehr aber durch frevle Menschenhände besehiidigt worden 
war, indem das ganz freigestandene Kunstwerk bereits vieler Ornamente beraubt wurde, verdankt 
man dem gegenwärtigen Fürstbischöfe von Gurk Dr. Wicry, der die Restauration anregte und 
deren Kosten als edler uneigennütziger Verehrer kirchlicher Kunst aus eigenen Mitteln bestritt. Die 
damit betrauten Künstler, der Bildhauer und Bildschnitzer Joseph Schega und der akademisch 
gebildete Kirchen-Restaurator Johann Si ess, vollendeten, was von den letztbenannten Gewerbsleu- 
ten so selten geschieht, ihr Werk mit so verstiindiiissvoller Genauigkeit, dass die neu hergestell- 
ten oder restaurirten Theile von den ursprünglich dagewesenen kaum zu unterscheiden sind \ 

* Noch bleibt die frage Uber «Iii' Bestimmung die»cs Schnitzwerke-» zu iH-antworten. Schreine dieser Art sind lehr teilen, 
(Sern bezeichnet mau ihn als Heliquien-Sehrein, der dann die llcstiuimnng hatte, dass die kleineren Krliquicn-Gcfässc zu gewis- 
sen Festzeiten in denselben hineingestellt und auf diese Weise der Verehrung ausgesetzt wurden. Ein seht ähnlicher «her bei 
weitem einfacherer Schrein beiludet »Ich in der Spital-Kirche zu Salzburg. Allgemein nimmt man von dienern an, da*» er ebenfalls 
bestimmt war. bei festliche» Anlässen Reliquien in kosfbarcr Fassung und zierlichen GcfUnsen in der Art aufzunehmen, dam 
sie in denselben hineingestellt wurden. In Tolge der durchbrochenen Wände des Gebäude» blieben diene Gcfäiwe dem Blicke 
des Beschauer» doch erreichbar und der Amtacht der Gläubigen auch weiter zugänglich Ob diese Ansicht die richtige ist. 
»oll hier nicht untersucht und mir noch jene Meinung erwähnt werden, das» besagter Schrein, wie auch jener zu Möchling. 
auch die Itcstimmung haben konnte, ah heilige» Grab in der Art zu dienen, da»» in den eigentlichen Kaum der Capelle ein 
den Leichnam Christi vorstellende» Schnitzwerk hineingelegt wurde, die Monstranzc hingegen in dem Tabernakel ihren Platz 
fand, welcher gleich einer erkerartigen Apside au einer Schmalseite de» Schreine» angeschlossen ist. Kcmnach würde das Grab- 
mal des Kirchenstifters als Unterlage des heiligen Grabes dienen. Anmerkung der Kedactinc. 



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Ein altdeutscher Wandteppich von Schloss Strassburg 

in Kärnten. 



J Kr Gobelin hat eine Länge von 11 Fuss l'/ s Zoll, eine Hohe von 2 Fnss 1',', Zoll. An den 
RHnderll sind keine Kähmen, Bordüren oder Verbrämungen zu wehen, solidem laufen die Orna- 
mente ohne weiteres frei aus. Der Grund ist ein tiefes Schwarz; Uber dasselbe zieht sieh in sehr 
dichter Anordnung ein detailreiches Rankenmuster, Zweige und zierliehe Laubbliitter. ganz in 
Grün ausgeführt und in immer wiederkehrender, stylisirter Form. Es ist kein Zweifel, das» sie 
den Wald andeuten sollen, in welchem die Waldmänner und die wilden Thiere ihren Aufenthalt 
haben. Den ganzen Raum nehmen dann, von diesem grünen Pflanzengrunde abgehoben, die 
Figuren von 4 Männern und 4 fabelhaften Thieren ein, jede der menschlichen Figuren 1 Fuss 
11 Zoll hoch, so dass sie mit den Füssen beinahe unten an den äussersten Rand des Gewebes 
reicht, über den Köpfen aber noch reichlich Platz li(Rst, damit die Schriftbänder angebracht 
werden konnten, welche in sehr willkürlich gebrochenem Fluge, in vier Stücke getheilt, sich über 
alle Figuren hinziehen, nur über dem letzten Thiere zur üussersten Rechten (vom Reschauer) 
flattert kein Iiischriftband mehr. Alle Gestalten stehen gerade nebeneinander, auf gleichem Niveau 
in einer Reihe; die Thiere erreichen mit ihrer Kopfhühc jene der menschlichen Gestalten. 

Wir beginnen die Schilderung mit der ersten männlichen Figur zur Linken. Es ist ein nach 
rechts gewendeter, mit dein linken, steif gehobenen Reine ausschreitender Jüngling, von zartem, 
schier mädchenhaftem Aussehen , das er mit sümmtlichcn übrigen Figuren gemein hat. Das 
feine schmale Gesichtchen ist, wie gleichfalls alle anderen, bartlos, das Haupt bedeckt bei allen 
lichtblondes gelbliches Haar. Die scharfrothen Lippen, grossen schwarzen Augen und das spitz 
zulaufende Kinn erhöhen den Ausdruck des Weiblichen an der Gestalt. Oberkörper, Anne 
und Reine umgibt ein von Flocken gebildetes Gewand, ein Zottelkleid, welches ebenfalls sämuit- 
lichen .Jünglingen gemeinschaftlich ist und nur in der Farbe und der rnigürtung wechselt. Die 
entere ist hier weiss; um die Mitte hat die Figur einen Kranz von rothen Rroinbccrzwcigcu mit 
Laub und Früchten, ein Kranz derselben Art liegt auf ihren Locken. Die Füsse sind immer 
nackt, in den erhobenen Händen aVier hält der erste der WaldmHnner Geissein, deren Grifte roth 
sind. Die im Folgenden niitgetheilte Inschrift erstreckt sich über dieser Figur bis zum Worte: 
„beliben", wo auch die erste Bandrolle abschliesst. Zwischen dieser und der folgenden Gestalt 



Von Albeut Ilg. 



iMU einer TafeLi 




El» ai.tkei TSiiiF.it Wandteppich roll rtciiLOSi Strassbubc M Kärmten. 41 

schwebt ein gothisches Minuskel t, 5 Zoll, ö Linien hoch, in rother Farbe; den Sinn der auf 
solche Weise in «lern Ganzen eingestreuten acht Buchstaben zu ent rathsein ist mir nicht gelungen, 
vielleicht wäre «las auch erst möglich, wenn «lie (Ihrigen drei dazu gehörigen Wandteppiche vor- 
handen wären. Die Schläge jener Geissei fallen auf ein abenteuerliches Thier, das sich nun anreiht. 
Die Inschrift oben reicht über demselben Iiis zu der Stelle: „hau ich mich v". Es hat dieselbe 
rothe Farbe wie die genannten einzeln veitheilten Buchstaben , schreitet nach rechts, so dass der 
beschriebene Jüngling es von sich zu treiben scheint, auf vier Füssen, deren graue Sohlenflächcn 
sichtbar werden; das linke Vorderbein hebt es nach Pferdeart zum Tritte empor. Der lange, 
einem Giraftcnhals gleichende Hals ist mit einer wolligen Mähne bedeckt; der Kopf mit rundem 
schwarzen Aug und Ohren von der Form wie bei jeuein Thiere, zeigt den Charakter des Pferde- 
und Gazellenkopfe* in einer phantastischen Mischung, der Schwanz läuft in ein Büschel aus. 
Zwischen den Hinterfüssen gewahren wir ein tiein obigen t entsprechendes b, zwischen den 
vorderen ein v. 

Der folgende Jüngling gleicht mit seinein geringelten gelben Haar, rosenrothen Lippen 
und ininniglichen Ausdrucke dem ersten. Fr geht nach links, trägt ein blaues Zottelgewand, das 
mit rothen fllnfblättrigen Blümchen gegürtet ist. aber keinen Kranz am Kopfe. Mit der Rechten 
hält er das Schrifthand über sich, die Linke führt an einem kurzen gedrehten Stricke das fol- 
gende Ungeheuer. Die Schrift reicht Uber dem Jünglinge bis: r niif\ Dieses zeigt sich in blichst 
phantastischer, doch auf mittelalterlichen Kunstwerken nicht seltener Erscheinung. Die Gestalt, 
durch einen kräftigen blauen Strich eontourirt, besteht blos aus Kopf und Hals, an den sich 
zwei Beine anfügen. Der kanieelartige Kopf ist mit gezackten Dracheiiohren besetzt, der Hals wie 
beim Kameele geschwungen und tief zur Erde niederhUngend ; die Füssc tragen je drei scharfe 
Krallen von rother Farbe, ein langer Schwanz schleift am Boden nach. Die Farbe des Thieres 
ist beinahe meer- oder lauchgrün mit einem getigerten Dessin-Muster, das aus kreisrunden Malen 
von dunklerem Grün und einem rosafarben Kern besteht. Die Schrift reicht hier bis: r die weit" ; 
unter dem Thiere steht der Buchstabe o. 

Nun folgt wieder ein Waldinann in rothein Zottelkleid, gegürtet und bekränzt mit grünen 
sebotenbesetsten Zweigen. Zur rechten hinschreitend, trägt er in jeder Hand eine Geissei an 
gelben Stielen und treibt mit Schlägen das nächste Thier von sich. Der Text geht bis: ,lon-. 
Von schöner Wirkung ist das folgende Thier, ein Greif. Er geht in derselben Weise wie 
das erste nach rechts, in äusserst stylvoller Zeichnung, welche ihm einen ganz heraldischen 
Charakter verleiht. Wie bei allen diesen Thiergestalten fehlt hier die bei den Mensehenfigurcn 
versuchte und auch recht gefällig erreichte Körperlichkeit und Modellirung; sie sind im strengen 
Schattcnriss en profil gezeichnet und selbst so weit ornamental gehalten, dass das Innere der 
Contourcn, wie hier, mit einem Tapetenmuster gefüllt ist. Die Grundfarbe ist blau, gleich dem 
Gewand des zweiten Mannes, der Adlerschnabel falb, die Nägel der Klauen etwas tiefer braun- 
gelb. Die linke Vorderpranke greift in sehr guter Bewegung zum Schritte aus und bildet mit 
der ganz stylistischeii Krüninning des Halses einen trefflichen Finriss. Die Köq>erfläche trägt 
einen getigert aufgesetzten Dessin von Rosetten, deren jegliche einen rothen Stern, blaue und 
weisse Blätter hat. Am Halse Hattert eine kurze Mähne, den Kopf krönen spitzige Ohren. Unter 
dein Greifen, der bis zu dem Worte: _foD der Inschrift reicht, ein Minuskel c. 

Es folgt ein Jüngling, in der obenbeschriebenen Tracht der Wildnis», en face, mit weissem 
Flockeukleide, ohne Kranz, doch mit glockenförmigen, innen rothen Blumen gegürtet, darge- 
stellt, nur der Kopf sinkt ein wenig gegen die linke Schulter. Im Ausdruck ist diese Figur die 
lieblichste, sie hat beinahe etwas sentimental-zartes. Während die linke Hand das Schriftband 
hält, ist die andere in sehr sprechender Geste vom Körper weggehalten, wie eines Redenden, 



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42 Albert Ilo. 

der den Hörern seinen »Satz (den hier die Inschrift enthält und der eben als Schills« hier die 
Hauptsache, die Moral verkündigt) durch eine ausdrucksvolle Handbcwcgung begleitet. Dabei 
ist in Folge sehr wahrer Beobachtung nach dem Leben der kleine Finger leicht über den Gold- 
finger gelegt, was sich ganz graziös ausnimmt und ein gewisses Feingefühl des Zeichners bekun- 
det. Alle HU nde sind überraschend gut und zierlich gezeichnet. Über dieser Gestalt endet, wie 
gesagt, der Text des Sehriftbandes. Noch folgt das letzte Thür, das Einhorn, nach links auf den 
Jüngling zugehend. Ks hat dasselbe Roth wie das gazellenartige Thier, graue Hufe, ein gelbes, 
mit lichtem Hraun schattirtes Horn an der Stirne. Auch sein Fell trügt getigerte Zeichnung: 
lichtrosige Kreise mit weissem Mittelpunkt. Unter dem Thiere liest man einen Buchstaben, der n 
oder n gelesen werden kann; über demselben ein g. 

Kigenthümlich ist ferner das aus zwei in einander geschobenen Leiern gebildete, übrigens 
eine Knotcnversehlingung vorstellende lichtblaue Ornament, welches un 19 Stellen zur Ausfüllung 
von leeren Orten auf «lern grünen Rankengrunde verstreut ist. 

Wir wollen zunächst das Werk seinem Gegenstände nach in Betrachtung ziehen und eine 
Deutung desselben vorlegen, ehe über das kunsthistorisch-eigcuthümlichc au demselben die Rede 
sein soll. Die einzelnen Bestandtheile der Darstellung sondern sich in den Hintergrund, in 
mehrere menschliche und mehrere Thiergestalten, letztere von phantastischer Formenbildung, 
Die stylisirten Ranken-Ornamente des Grunde*, grün auf schwarz ausgeführt, deuten, wie schon 
erwähnt, den Wald als das Local der Scene an, den natürlichen Aufenthalt der hier vorkommenden 
Menschen und Thiere. Die Menschen sind Waldmänner, Waldleute, wilde Leute, wie ihr Name 
sonst lautet, Geschöpfe der germanischen Phantasie, die im gesummten Glauben des Mittelalters 
eine grosse Rolle spielen. Unsere Heidenzeit weihte ihnen göttliche Verehrung. Hciligthümer und 
Weihstätten, wie die Legende des heil. Agilus erweist Als dieser fromme Mann mit dem Geführten 
Eustasius zu dein bayerischen Stamme der Warasci kam. fanden sie dieselben agrestium fanis 
deeepti, cpios vulgi faunos vocaut. (Act. Bened. sec. 2, jwig. 319; Agilus f G/iO). Diese Waldwesen, 
denen im VII. Jahrhundert demnach noch als Wahlgöttern gedient wurde, behaupteten ihre grosse 
Bedeutung für den Sinn des wHlderliebenden Deutschen, dessen Phantasie gleich jener des gleich- 
begabten Hellenen Feld und Forst mit lebenden Wesen zu bevölkern wusste. Tausende unserer 
Volksmärchen beweisen, dass der Glaube an sie (und Genossen) trotz der Bekehrung des Chri- 
stenthumes und der modernen Aufklärung nicht ausgerottet werden konnte; es gab aber Zeiten, in 
welchen auch die höheren Stände der Nation sich seiner noch bewusst waren und in poetischer 
Weise von dein Stolle Gebrauch machten, der zur Ausbildung adeligen Spieles und Zeitvertreibes, 
sowie zu manchem Kunstwerk Anlass gab. wie wir im folgenden sehen werden. Die Gedichte des 
Mittelalters, berechnet für die Blüthe damaliger Gesellschaft, gedenken der wilden Wahlmänner 
und Frauen oft genug, und zwar sowohl im schlimmen als im guten Sinn. Die Schilderung ihres 
Äussern stimmt jedoch in beiden Fällen zu den Erscheinungen auf uiiserm und auf verwandten, 
im Verlauf zu nennenden Geweben. Immer ist ihr Körper rauh, sei es in Folge natürlicher 
Behaarung oder wegen ihrer Kleidung aus Fidlen der Waldthiere. Der Zwerg Karriöz im Wiga- 
lois (»iG02 ff. ! ist ein derartiges Wesen wie denn die Natur der Zwerge, Wiehtel, Waldmänner 
und allerübrigen Elben vielfach in den Glänzen verschwimmt ), sin muoter was ein wildez wip, da 
von was sin kurzer lip aller ruch unde stark. Held Wolfdietrich leidet vielerlei Anfechtung durch 
die rauhe Eis, das -rauhe Weib-, das auf allen Vieren „nicht anders denn ein Bär- einher- 
ging, gerade so wie wir die Waldleute auf dein zu erwähnenden Regensburger Teppiche dargestellt 
finden werden. Dann aber, als der Held ihre Minne verschmäht, wandelt sie ihn durcli Zauber 
selber in einen Wahlmenschen. dass er ein halbes Jahr im Tanne lief, „von Erde Speise nehmend, 
gleich einem wilden Thier-. Wir wollen auch nicht übersehen, dass Rauheis.-, im Jungbrunnen 



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Ein altdki tsc Ii nn Wanuteppiuu von Sculüsj Stuassbuho in Raunten. 



43 



schön gebadet, und Wolfdietrich, der seine Menschengestalt wieder erlangt hat, die beide» ehema- 
ligen wilden Leute, nunmehr wirklich der Minne pflegen, wir betonen diesen Zug des Gedichtes im 
Hinblick auf den Umstand, dass diese wilden Leute gerade in der galanten Welt des Mittelalters 
beliebte Gestalten geworden sind. Rauhelse ist nicht die einzige Wahlfrau, deren Minne Ritter 
beglückte: ich erinnere an das Midi ein Peter Diniringer's von Stauffenberg -und ithnliches. So hat 
auch Rurcard von Worms eine Stelle: agrestes feminas, quas silvaticas vocant, et quando volue- 
rint ostendunt se suis amatoribus et «•um eis dicuiit se oblectasse, et item quando voluerint abs- 
condunt se et evanescunt. Wilde vroewelin nehmen sich der wunden Helden an, wie Eggenliet 
lehrt, und ein wildez wip theilt Wate ( in Kudrun) Heilkünste mit. Auf den Frcsco-Gcmälden der 
Burg Runkelstein in Tyrol sehen wir unter den Rittern und Damen auch wilde Waldriesen 
und Waldweiber, in Felle gehüllt, mit Laubkriinzen auf dem Kopfe. Nicht allein aber, dass 
die Dichtung eine Gemeinschaft, Berührung und Vermischung selbst zwischen dem ritterlichen 
Menschengeschlechte und diesem stillen Volke der heimatlichen Wühler annahm ("so natürlich, 
da der Wald der liebste Sommeraufenthalt, der Tempel der vielbesungenen suinerwunne war!), 
es erscheinen auch Züge, nach denen die Ansicht gewinnt, dass jene höfischen Kreise sich ein 
Leben der Wahlleute als eine poetische Potenz gewissennassen ihres eigenen dachten, und zwar 
in der Weise, wie das XVII. .Jahrhundert sein Thun und Treiben in der Phantasiewelt des 
SehHferwesens spiegelte. Diese Annahme, zu welcher die im folgenden erwähnten Kunstwerke 
zwingen, scheint mir sehr natürliche Erklärung zu finden. Wissen wir doch, wie Alt und Jung, 
namentlich aber die liebesehnend«- Jugend «len endlosen Winter hindurch auf den einsamen, im 
Gebirg zerstreuten Burgen des Frühlings Anbruch als Erlösung von der argen Langeweile erharrte, 
wie viel hundert Miunelieder von dem her anger und frou wiese, vom verschwiegenen Wahl er- 
zählen, den Tummelplätzen der Gesellschaft, den Schauplätzen ihrer Spiele und galanten Abenteuer; 
wir hören ferner, dass man sich mit Blumen kriinzte und den Mai feierte, ja es hat sich bis heute 
im Volk die ehemals aber allgenu ine Sitte erhalten, Aufzüge und Spiele dem Siege des Sommers 
zu Ehren abzuhalten, und bei diesen erscheint an verschiedenen Orten Deutschlands noch eine in 
Zweige oder Felle gehüllte, mit Bhunenguirlanden gekrönte Figur, die in mehreren Gegenden 
auch den Namen des wilden Mannes behalten hat. so in Thüringen. Die Gestalt des Walihnannes 
hat sich in den vornehmen Zirkeln des Mittelalters und der midisten Zeiten auch ebenso bald als 
Maske bei Festen und Tänzen beliebt gemacht (man sehe Wirich's Hochzcitsbucli l. wie im Zeitalter 
des Zopfes die Schäferfigur. Sie wird tlaher auch in einzelnen Bild- und Kunstwerken der Zeit in 
demselben Sinne die Erscheinungen der feinen Welt zu repriisentiren haben, als Daphnis und Chloe, 
Menalkas und Aniarvllis die Herrschaften von sechzehnhundert so und so viel bis auf Watteau. 
Einen Beleg mag man im folgenden erblicken: Im Anzeiger f. Kunde deutscher Vorzeit. 18UÜ, 
205 und 806 1 ist eine Elfenbein-Sculptur ans dem XIV. Jahrhundert abgebildet, ein Spicgelgehiiuse 
aus dem Cistercienser-Stift«- Rein in Steiermark, also ein Gegenstand, der für den Gebrauch und 
im Geiste der damaligen Vornehmen entworfen ist. Wir sehen, wie auf vielen almlichen Elfenbein- 
schnitzereien, deren mehrere in dem Aufsatze erwähnt und kurz geschildert sind, die Burg der 
Minne, vertheidigt von Rittern, welche die auf den Thürmen sichtbaren Frauen schützen und 
Rosen auf die Angreifer uiedcrschicsscn, bestiinnt von einer zweiten Kri«'gerschaar, «lie mit Sturm- 
leitern, Bliden und andern Geschossen heranreiten und Rosen statt <ler Pfeile und Steine empor- 
senden. Ebenfalls im Anzeiger. Jahrg. 1870, Tafel zu 92 ff., finden wir nun die Abbildung eines 
auf der Wartburg befindlichen Wandteppiche« aus der frllh-gothischen Periode, und auf demselben 
ist wieder die Erstürmung einer Veste, allerdings keiner Minneburg, jedoch unter den 'gleichen 
äussern Umständen dargestellt; auch hier bedient sich Feind und Vertheidiger der Blumen statt 
1 S. MUtlieilnngen der k. k. (Vnt. ('»nun. 



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44 



Almert Ilc. 



tüdtlicher Geschosse. Wenn wir nun auch im folgenden zeigen werden, dnss in diesem Falle der 
Burg, ihrer Bestürmung und den Blüthengesehossen ein anderer Sinn innewohnt, so genügt doch 
die Übereinstimmung der äusseren Verhältnisse, um die WaldmHnner, welche auf dem Teppich 
der Wartburg an Stelle der Ritter erscheinen, als deren Vertreter im oben angedeuteten Sinne 
betrachten zu dürfen; insofern die hofische Gesellschaft es liebte, diese Maske anzunehmen, 
welche ihr durch den «täten Verkehr mit dem die Burgen einschliessenden Walde lieb und eigen 
geworden war. 

Das gleiche bezeugt ein anderes Zusammentreffen. Im gen. Anzeiger, Jahrg. 1K57, 324 ff. 
ist ein zwischen 1350 und 1400 etwa gefertigter deutscher Teppich besehrieben und abgebildet, 
zugleich des eigentümlichen Spieles ausführlich gedacht, in welchem auf der Tapete ein Herr 
und eine Dame begriffen erscheinen. Es wird dort dargctlian, dass das Spiel ein allgemein übli- 
ches und bei vornehmen Personen beliebt gewesen ist. Nun existiren im Kegensburger Kathhause 
unter mehreren anderen Tapeten auch einige mit Scenen aus dem Leben der wildlut, wie sie 
daselbst genannt sind. Lhx-i hievon sind in Holzschnitt- Rcproduetion in unseren Mittheilungen, 
Jahrg. 1863, pag. 64 abgebildet, und darunter überrascht Fig. 13 wieder durch die Darstellung 
eben jenes Quintan-Spieles, welches jener Teppich des germanischen Museums von Personen des 
höfischen Standes ausgeführt zeigt, hier als Belustigung eines bekränzten wilden Weibes und 
eines „zotteten Mandl'«" 4 des Waldes. - — Obwohl nuf diesen Gegenstand noch nicht aufmerksam 
gemacht ist, glaube ich doch mit obigen Hinweisen abschliessen zu dürfen, denn die Behauptung 
ruht auf ganz einfachen klaren Dingen; es könnte nicht schwer fallen, anderweitige Belege zu 
bringen, ich aber eile zu meinem eigentlichen Gegenstande. 

l'nser Teppich stellt eine Allegorie, und zwar Gegensatz von Laster und Tugend im Geiste 
der mittelalterlichen Moralitätcn dar. Das« dem «o ist, wird uns die nachfolgende Untersuchung 
überzeugen, auch deutet schon die Inschrift darauf hin. Aber es hätte die Allegorie, welche 
hauptsächlich in der Symbolik der Thiere liegt, keinen Sinn, wollte man unter den Waldleuten 
nichts andere verstehen als die wirklichen wilden Leute der vaterländischen Sage; wir begriffen 
nicht, warum der Künstler mit seinen Sprüchen und seinen allegorischen Thieren den Wald- 
schraten Mitral lehren und diese moralische Darstellung für wilde Leute wieder den Mensehen an 
die Stubenwand hängen wollte. Deshalb war es nothwendig, vorerst zu zeigen, welche Bedeutung 
die Vorstellung von den Waldleuten für die adelige Gesellschaft des Mittelalters hatte, damit 
endlich klar werden sollte, dass auch hier sie selber, diese Gesellschaft, mit den wilden Forst- 
bewohnern gemeint ist, hier in der MoralitHt, wie Waldmänner auf Kunstwerken statt Rittern 
Schlösser stürmen, Gesellschaftsspiele spielen, wie wilde Frilulein in Gedichten die Stelle höfi- 
scher Herzensköniginnen im Waldesschatten einnehmen und die Maske des wilden Mannes erko- 
ren ist, der Repräsentant der dein mittelalterlichen Burgenadel charakteristischen Liebe zu Fehl 
und Flur beim Lenzreigen zu sein. Hatten ja so viele Geschlechter den eichenbekränzten Wald- 
mann selbst in ihr adeliges Wappen aufgenommen! 

Der Gegensatz, der Kampf zwischen Tugend und Laster, ist. wie überhaupt in der Kunst 
des Mittelalters, so auch in dem textileli Zweige ein öfters begegnendes Sujet. Nachrichten über 
die älteste Teppich-Industrie in Frankreich, in den Ateliers von Artois u. a. sprechen davon; noch 
mehr scheinen auf Geweben von Anas diese Scenen angebracht worden zu sein. Das Inventar 
Charles d' Orleans nennt bereits einen solchen tappiz ä ymaiges. worauf die Laster und Tugen- 
den zu sehen waren; 1393 besass Philippe le Hardi einen andern mit denselben Allegorien, doch 
begleitete jede davon die Figur eines guten, respective bösen Fürsten. Die Archive von Lille 
erwähnen eint n Teppich derselben Gattung. 1383 — Kö. nuf einem anderen, burgundischer Fnbri- 
cation dieses Säculums. waren Trunkenheit und Enthaltsamkeit etc. dargestellt. Unter den Tape- 



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Ein altdeutscher Wandteppich von Schloss Strassbirg in Kärnten. 



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ton in Regensburg befindet sich auch ein 1. c. Fig. 10 abgebildeter Streifen, in welchem man die 
Bestürmung der Burg der Tugenden (glawb, hoffnung, üep) dnreli die Laster (vnglowb, Ver- 
zweiflung, hnz) nieht. Daneben ist nochmals Liebe und Haas entgegengestellt und reitet der letztere 
auf einer drachenartigen Bestie, hat eine Fledermaus als Helmschmuck, eine Kröte im Schilde. 
Ebenso reiten andere Laster (die nicht mehr abgebildet sind), auf einem Pferd (Hoffart), Wob 0 
(Geiz), Bilr (Unkeuschheit), Eber (Zorn), Fuchs (Völlerei). Esel (Trägheit) mit entsprechendem 
Helmschmuck etc. Ich bemerke im Vorübergehen, dass auch 1437, beim Einzüge Karl's VII. in 
Paris, dem Könige die sieben Tugenden und die sieben Laster auf Thieren verschiedener Art 
entgegenritten, und wende mich zu dem oben erwähnten Teppich der Wartburg. Es ist in dem 
Aufsatze im Anzeiger Uber den Gegenstand nichts bestimmtes geäussert , doch kann ich nicht 
zweifeln, dass wieder der Kampf der Weltlust und der entsagenden Tugend gemeint ist, wenn- 
gleich der eine Zug, dass Blumengeschossc angewendet werden, wie gesagt, den Minnebildwerken 
entlehnt, ist. Die Angreifer, deren Zald sieben ist, sind bis auf einen beritten, und zwar haben sie 
phantastische Thiere, welche gleichwie die meisten auf unserem Teppiche ganz originell erschei- 
nen und keinen Zusammenhang mit den gewohnten kirchlich -symbolischen Bestien bekunden. 
Das ist auf den beiden zidetzt genannten Geweben, zum Theil auch auf dem Uegensburger der 
Fall, wesshalb die Physiologen Hoffmann's. Heider's, Karajan's keine Auskunft darboten. 
Auf der Seite der Stürmenden steht ein Zelt, im Innern sind eine gekrönte Frau und zwei Herren 
(alle wie gesagt im zottigen Waldkleide) speisend und trinkend zu sehen, die beiden MHnner 
bieten der Dame Speise und Trank an; es seheint damit der Genuas, Weltlust, Minne angedeutet, 
ebenso in dem Wurfgeschoss der Angreifer, den Rosen, wahrend die in der Vestc sich mit Lilien 
vertheidigen. Wie so Blumen der Liebe und der jungfräulichen Unschuld entgegengesetzt sind, 
deutet auch die zinnenbesetzte Burg auf die strenge .lungfrHulichkeit. 

Betrachten wir nun die Darstellung unseres Tcppiohes. Drei Thiere neben eben so vielen 
Jünglingen reprflsentiren die Laster, das vierte mit noch einem Jüngling die Tugend im allge- 
meinen. Die Inschrift bezieht sich darauf: 

diffc . tierlin . wil . ich . triben, 

vnd . wil . on . die . weit ~ beliben — 

dal' . han . ich . wol . cnpfhvuden 

daher sehen wir die Jünglinge die bösen Thiere theils mit GeisselschlJlgen wegtreiben, theils, 
ihrer machtig, die Ungeheuer am Zaume leiten; die weiteren Worte gehen auf das letzte, gute 
Thier, das Einhorn: 

zv . difen . dierlin . han . icli . mich . vbvdeu 

mit . difen . dierlin . fvu . wier . vnf . began 

die . weit . git . bofl'eu . Ion 

die . weit . ift . wntrwen . fol 

mit . diiTen . dierlin . ift . vnf . wol. 

Die Inschrift endet bereits über dem letzten Wahlmanne, Uber dem Einhorne steht also nichts 
mehr zu lesen. Gleichwohl muss das ganze, soeben in fünf Zeilen gegebene darauf bezogen werden 
und blos die drei ersten auf die übrigen Thiere. Man kennt ja die Art der mittelalterlichen, des 
Lesens meist unkundigen Weber, welche gerade in Gobelins gar selten eine dem Räume der 
Figuren entsprechende Eintheilung des Textes zu treffen verstanden. Wollte man das ganze auf 
alle Thiere beziehen, so müssten alle Tugenden reprlisentiren, wogegen die Behandlung mit 
Geissein spräche; ferner aber auch die Thatsache, dass diese Bestien, obwohl sie keiner bestimm- 
ten wirklichen oder fabelhaften Species angehören, doch ganz den Charakter jener symbolischen 
Ungeheuer tragen, die mittelalterliche Künstler sonst immer zur Bezeichnung des Bösen wählen. 
XVII 8 



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46 



Almert Ilo. 



Das erste giraffenartige Thier hat zwar nichts besonderes, das folgende aber mit Ohren, Krallen 
im<l Schwanz vmn Drachen, sowie das dritte, welches zweifelsohne ein Greif ist, haben sicherlich 
üble Bedeutung. Des Greifen schlimme Art schildert nicht nur Ortnit und Wolfdietrich, aucli das 
Gedicht vom Wartburgkrieg gedenkt dessen, ja Pausanias nennt sie lüwenühnliche Unthiere mit 
Adlerachnitbeln und Pardolfellcn (s. unsern Teppich), nach Pomponius Mela aber hüten sie das 
Gold, sind daher Svmbole de» Geizes, der Habsucht. Von dem Einhorn brauche ich nicht erst 
alle jene bekannten Stellen bei Hiob, Gregor dein Grossen, Isidor, im altdeutschen Physiologus 
bei Hoffnianu, Conrad von Mogenberg, aus dem Parzival, Wartburgkrieg etc. wieder anzuführen, 
aus welchen hervorgeht, das« es als Sinnbild der Keuschheit galt, nur in einer reinen Jungfrau 
Schooss gefangen werden konnte, daher Christus, den Sohn Maria's, bedeutet. Es bezeichnet auf 
Unserem Teppich, was auf jenem in Rogensburg die feste jungfriiuliche Ibug ist, den Sinnbil- 
dern der sündhaften Wcltlust gegenüber. Die Farbe unseres Einhornes scheint nicht willkürlich 
gewählt zu sein: ich finde nämlich in einem kleinen seltenen Itinerar: Paradisus deliciarum 
Italiae, Collen, wahrscheinlich um 1600 gedruckt, pag. 44 die Notiz, dass im Schatz von 
S. Marco zu Venedig zwei Einhorn« gezeigt wurden, r unter denen ist das rote dass Maniein, das 
gelbe aber das Weiblein". 

Darstellungen von Thieren, also nach des Mittelalters Weise zur guten Mehrzahl phanta- 
stische Ungeheuer, wie an unserm Teppich, sind eben in dem Gebiete, der textilcn Kunst ein 
hauptsächlich beliebtos Motiv gewesen. Die Stoffe, welche am Kaiserhofe in Konstantinopel 
gefertigt wurden, wie nicht minder sarazenische, die seit König Robert (1148) in Palermo vor- 
züglich bereitet wurden, waren besonders in Folge der Kreuzzüge Vorbilder für die gesannnte 
textile ( Jrnainentirungs-Weise geworden und hatten die Thiergestalton der morgenländischen Kunst 
eingebürgert, wozu dann das kirchliehe Material in dieser Richtung, wenn ich mich so ausdrücken 
darf, die bekannten symbolischen Thier« des Physiologus, noch hinzukommen. Schon um 985 
bestand in der französischen Abtei St. Florcnt de Sanmur eine manufacturc d 1 otoffes et. de tapis, 
und es wird uns berichtet, dass die Mönche daselbst Tapeten mit Blumen und Thierfiguren 
webten. Thier« zierten ferner jene Teppiche, welche Guillain»« V„ Graf von Poitiers, um das Jahr 
1000 aus dortigen Ateliers an König Robert schickte; 1133 machte man unter Abt Matthieu von 
London ein Stück, worauf eine Rothwildjagd dargestellt war. Drachenküinpfc u. dgl. sind daher 
mit Vorliebe behandelt und mit sichtlichem Wohlgefallen ins Detail durchgeführt, erhalten 
demnach noch im XIV. .Jahrhundert in der Reihe von Bildern eines Romans die sorglichste 
Beachtung, ..bezeichnend für die Geschmacksrichtung der Zeit, welche die bekannten Bestiarien 
noch über ein halbes Jahrhundert lang als Hauptbestandteil ihrer Verzierungskunst festhielt". 
(Van Eye. im Anzeig. f. K. d. V. lHÜÜ, 16 f.) Schon in der Gudrunarkvidha önnur der Edda 
singt Gudrun: „In Gold stickte sie. mich zu zerstreuen, deutsche Säle und dänische Schwäne". 
Das Alexanderlied des Pfaffen Lamprecht (XII. Jahrhundert) schildert einen umbehanc, d. i. eine 
Wandtapete gleich unserem Gewebe, der baldachinartig hinter dem Stuhl angebracht war, also 
ein Rücklaken. „der was breit und laue, von edelem golde durcliRlagen. mit slden waren darin 
getragen . vögele und« tiere . mit manicfalden ziere . unde mit manigerslahte varwe: daz merkesih 
alliz garwe . man mohte dar an scouwen . riter unde frouwen . oben« unde nidene . mit wunder- 
lichen bilide". Im Erek des Hauptmann von Aue (nach 1191) hören wir von einem ähnlichen 
Werke. Oder man vergleiche den Engelhard von Konrad von Würzburg (XÜI. Jahrhundert), 
wo eine prächtige Pferdedecke (covertiure) beschrieben wird (2529 ff.). Die Thiere des vorliegen- 
den Teppiche« begegnen uns zum Theil wieder auf dem gestickten Messornat der ehemaligen 
Nonnenabtei Göss in Steiermark aus dem zweiten Viertel des XIII. Jahrhunderts (Cent. Comm. 
1H5H, p. 57 ff.), wo Greif und Einhorn auf der Dalmatika zu sehen sind. 



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ElS ALTDEITSCIIEK WaNDTEPPICH VON Scilt.OSS StRASSBVRO IN KÄRNTEN. 47 

Aus diesen Angaben «n-Tit nun wohl hervor, das« die Formen, da» Genre, die fabelhaften 
Thiere, diu Menschen und die Inschriften auch in Deutschland hei textilen Kunstwerken schon 
zu einer Zeit in allgemeiner Übung gewesen sind, aus der uns keine Gewebe mit derlei Compo- 
sitionen erhalten sind. Es ist nur die Frage, ob damals in deutschen Landen das Vorhandensein 
solcher WebereiwcrkstHttcn angenonimen werden darf; wenn dem so ist, so leidet es wohl keinen 
Zweifel, dass die Werke, welche aus ihnen hervorgegangen sind, den eben beschrieben eil 
Charakter tragen, iL h. die Vorläufer unserer erhaltenen iiitesten deutsehen Gobelins aus dein 
XIV. Jalirhundert gewesen sind. 

Ich glaube, dass es sich allerdings so verhalte. Im X. Jalirhundert schon wurde nicht bloss 
Stickerei, sondern auch das Weben in den Klöstern am Rhein, an der Donau, in St. Gallen, in 
St. Emmeram in Regensburg eifrig betrieben. Ja es verdankt die hohe iilüthe der fhuniindischen 
Weberei ihren Ursprung deutschen Handwerkern, welche a. 115'J Graf Arnold I. in seine Staaten 
berief. Von 114!) datirt die iiltestbekannte Urkunde über Errichtung einer Weberzunft in Köln. 
Hartmann in Iwein (1204) schildert einen weregadem, ein förmliche Fabrik, wo 30 Mädchen mit 
Sticken, aber auch mit Weben, (Garn lesen, winden, bleueln, Flachs schwingen, hecheln, spinnen 
uud nähen) beschäftigt waren. Zu Ende des X. Jahrhunderts schon erblühten in Frankreich und 
•hu benachbarten Niederlanden Teppichweberei-Industrien, in Saumur, Poitiers, seit dem XII. 
Jahrhundert in Artois und endlich die bedeutendsten von allen zu Arras. welche einige Säcula in 
ungestörter BlUthe standen; ihre Technik ist gewiss mit den häufigen Einwanderungen flandrischer 
Gewcrbtrcibcnder nach Deutschland gebracht worden. In Wien z. B. rissen die Flandrenser, nach- 
dem sie 1228 zuerst erwähnt werden, das Principat unter den Industriellen, eine Anzahl Hechte 
und Freiheiten, rasch an sich; sie verbreiteten nicht nur die Kleiderstoffe, sondern auch die übri- 
gen Gewebe ihrer Heimat in Österreich. 

Was nun Stoftwahl und Styl betrifft, so seheinen, nach dem ältesten erhaltenen zu Schlüssen, 
die deutschen Gobelins- Weber des Mittelalters ihren Schöpfungen einen eigenartigen Charakter bald 
ausgebildet zu haben. Der Styl, die Compositions- Weise und Haltung sehliesst sich an das ornamen- 
tale Wesen der Miniaturen an und hatte nicht, wie es in der niederländischen Weberei der Fall war. 
eine lebensvolle, von Anfang an realistischer getreue Naturbeobachtung in den Vorbildern der 
höhern Kunst der Malerei zum Anhalt: nicht jene lebendigen, der Wirklichkeit schon so glücklich 
abgelauschten Sehildereien, wie sie die altniederländischc und französisch-burgundische Miniatur- 
Kunst in den livres d'henre etc. entwarf, die Vorläufe zur Tafelmalerei der Eyck'schen Schule, 
deren Einfhiss später wieder die burgundische textile Kunst zur Spiegelung des gesummten frischen 
und farbenprächtigen Lebens ihrer Zeit werden Hess; nicht solche Vorbilder dienten den deutschen 
Gobelinwebern, sondern die heimische Malerei, welche einen abstraeteren idealistischen Zug 
bewahrte, hergebrachte dem Leben fremde Typen und «'ine ormuuentistische, selbst stylisirende 
Auflassung bewahrte, in ihren Stoffen aber gern einer allegorisch-mystischen, keiner der Wirk- 
lichkeit entsprechenden Richtung huldigte, welcher die mit dem Namen der Mystik bezeichnete, 
im Volke tief wurzelfassende literarische Richtung gerade im XIV. Jahrhundert nur Nahrung bot. 

Die wilden Männer und ihr wunderliches Treiben, gar wohl geeignet als Vertreter des Gcnre- 
faehes im Mittelalter zu dienen, haben gerade auf Teppichen deutscher Fabrication ihren Tummel- 
platz. Referenten sind drei Fälle ihres Vorkommens bekannt: eben die erwähnten Tapeten von 
Regensburg, jene der Wartburg, die aber vordem in Würzburg sich befunden hatte, und unser 
Rücklaken. Die Regensburger bestehen aus zwölf Fragmenten, deren drei a. a. O. reproducirt 
Und. Die „wildlut - , wie sie die Inschrift nennt, tragen hier enganliegende Kleider, Männer sowie 
Frauen, weiss, roth und.blau gestreift; eine Frau hat einen Laubkranz am Scheitel. Vielmehr über- 
einstimmend mit den Gestalten unseres Teppichs dagegen erscheinen die wilden Männer des 

s* 



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48 Aliikbt Ilo. Ein altdeutscher Wandteppich von Schloss Strasshcr« in Karsten. 

zweitgenannten Gewebes; sie haben die zottigen Gewiinder, die Blumcngürtel und -krönen wie 
diese. Sighart ist der Ansicht, dass die Regensburger Tapeten zwischen 1350 und 1400 entstunden 
sein mögen; der erwähnte Teppich im germanischen Museum, auf welchem das Quintan-Spiel wie 
auf diesen Geweben vorgestellt ist, wird um 1380 und 1400 angesetzt; der, allerdings gestickte 
Tischlaken, mit der Geschichte Tristan's und Isoldens im Dom zu Erfurt, gleichfalls mit symbol- 
ischen Thier-Figuren verziert, stammt aus der Mitte oder zweiten Hälfte etwa des XIV. Jahrhunderts 
(Anz. f. K. d. V. 1866, 14 ff.); derjenige gleichen Gegenstandes im hannoveranischen Kloster 
Wienhausen ist etwas lilter (Mit ho f, Archiv f. Xiedersachsens Kunstgesch. II. tab. 6.); den Teppich 
der Wartburg nennt Zahn frUh-gothisch, was also tllr Deutschland dasselbe etwa bedeutet. Die 
medaillonfönnigen in Regensburg mit Liebes-Scenen (a. a. O. p. 59) stammen aus dem Ende des 
XIV. Jahrhunderts, die oben erwähnten mit dem Kampf der Tugenden und Laster aus dem XV. 
Jahrhundert. Diese Beispiele unzweifelhaft deutscher Production zeigen auch die Blüthe-Periode 
des Kunstzweiges in unserm Vaterlande an, welche allerdings noch ins XVI. Jahrhundert hinüber- 
reichen mag, zu welcher Zeit Fabriken wie jene in Lauingen durch Pfalzgraf Heinrich Otto unter 
dem Maler Matthias Gerung errichtet wurden; den am meisten heimischen Charakter aber tragen 
sicherlich die Arbeiten des XIV. und XV. Jahrhunderts. 

Ich milchte aus Gründen der Kunstfonnen, die an unserm Gobelin erscheinen, denselben in 
eben der Weise bezeichnen, wie Zahn jenen der Wartburg genannt hat. Die Figuren, die stylisirten, 
fast ornamental gehaltenen Formen des Greifen, namentlich auch der Jüngling neben dem Einhorn 
in seiner geschwungenen Haltung des Leibes, würden ein solches Urtheil bekräftigen. Ich vergesse 
aber nicht, dass es ein anderes ist, etwa ein Architektur- Werk, ein Fresco-Gemiilde, oder selbst ein 
Tafelbild zu beurtheilen; in diesen Hauptriehtungen weichen die alten Formen schneller vor den 
Neuerungen als im Kunsthandwerk; das ist eine bekannte Sache. Es scheint mir deshalb erklärbar, 
wenn neben diesen älteren Stylformen in der Sclireibwcise der Spruchbänder einige Merkmale auf 
ein jüngeres Datum hinweisen, wozu namentlich das lange f und Doppel -ff statt des früheren 
geschwänzten z zu rechnen, Zeile 1, 5, 6, 8; diffe, uuf, böffen, diffen. Zu beachten ist in dieser 
Hinsicht auch das Schwanken der Schreibweise in Z. 1 ticrlin und in 4, 5, 8 dierlin. Älter ist 
noch Z. 5 sich began. gleich leben; vgl. Walther v. d. Vog. (ed. Pfeiffer, 22. 31.) Z. 7, 
wntrwen; Z. 5 sün. Wir werden also wohl den Gobelin den jüngeren unter den aufgezählten an- 
schliessen können, aber kaum weit Uber den Anfang des XV. Jahrhunderts im äussersten Falle 
heraufdatiren dürfen. 

Seiner Bestimmung nach war es wohl ein Rücklaken, ein an der Wand hinter den Bänken 
gespannter Teppich, zu dem also noch drei ähnliche Stücke gehörten, denn auch unter den hoch- 
angebraehteu Fenstern der vierten Wand lief der Fries von Geweben hin. Die Technik ist basse- 
lisse Tenture, mit wagerechter Kette, verticalem Schuss. Der Zettel ist farblos, der Einschlag 
deckt ihn an allen Stellen zu. 

Schwer fällt es, über den Ort der Entstehung eine mehr als muthmassliche Ansicht zu geben. 
Die Sprache der Reimzeilen weist auf das mittlere Deutschland, die Heimat der meisten gewebten 
Teppiche unter den oben aufgeführten Beispielen. Der Reim in Z. 5 und 6, began-lon, ist aber nur 
in niederer Mundart richtig, ist eine Abweichung vom Hochdeutschen; ähnliches findet man in 
mittelrheinischen, dann aber hochdeutsch Uberarbeiten Gedichten der Zeit: Ion- getan, don-gan 
etc. (Vgl. Mone, altd. Schauspiele, I. p. 177 ff.) 4 . 

* Dm im obigen geschilderte merkwürdige Kunstwerk Ut gegenwärtig noch im österreichischen Museum für Kunst und 
Industrie ausgestellt , xu welchem Zwecke es von dem Herrn Fürstbischof Valentin Wiery «nfs freundlichste iur Verfügung 
gestellt wurde. 



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4!> 



Beiträge zur Alterthuinskunde von West-Bulgarien. 

Von F. Kamt*. 

L Belogradcik. 

.Die kleine türkische Festung dieses Namens, in Mitte einer phantastisch gestalteten rothen Sand- 
steinwelt hiiu'iii^fbiiHt, Ht-jrT auf der Husserstcn Westspitzc Bulgariens, welche von den Auslaufern 
dos 8veti Nikola-Balkans, dem Flusse Tiniok und von der Donau gebildet wird. Auf unseren bis- 
herigen Karten findet inan Belogradc ik hart am Arocrflussc angegeben. In Wirkliehkeit befindet 
es sieh aber drei Stunden landeinwärts von Letzterem und zwar genau an der Stelle, an welcher 
es Professor Kiepert auf seiner neuesten Karte der europäischen Türkei (1X71) nach meinen 
Kontiers antriebt. 

Bologradoik's <rünstigc Lage zur Beherrschung des aus dem Nisavagebiet über den Balkan 
nach Yidin führenden Strassenzuges, ist nicht erst wie der französische Akademiker Blanqui an- 
nahm, vnii dem berühmten scharf blickenden Hussein I'asoha erkannt worden. Kr Hess nur den 
neueren Theil der Feste, wie diess zwei am nördlichen llauptcingange angebrachte Steintafelu in 
türkischer und bulgarischer Sprache melden, im Jahre 1S37 erbauen. In den höher gelegenen 
Fortificat.ionen (Fig. lj. namentlich neben dein in Felsen eingeklemmten „Lujj in's Land" fand 
ich aber Thürme und Mauer-Substruetionen, die jedenfalls einer weit zurückliegenden Zeit ange- 
hören. Nach der Meinung der uns begleitenden türkischen Notabein rühren sie von den „Latinski" 
her. Dies* will wohl nicht viel sagen; denn die Türken und Slaven bezeichnen gewöhnlich mit 
diesem Namen alle Bauten, deren Ursprung sie nicht kennen. 

Leider ist es in türkischen Festungen selbst im Frieden eine missliche Sache derlei Dinge, 
ohne Misstrauen zu erregen, genau zu untersuchen. Krwitjrt man aber, dass Hyzantinor, Serben und 
Bulgaren sich nach den Völkerstürmen gewöhnlich darauf beschrankten, die zerstörten römischen 
festen Funkte wiederherzustellen, so darf man wohl annehmen, dass auch an Belogradöik's Stelle 
eines jener zahlreichen Castellc einst gestanden habe, deren ich mehrere, in der nächsten Umge- 
bung des Arcers fand. Sie waren bestimmt zum Schutze der nach Batiaria führenden Heerstrassen. 

Von den römischen Ansicdlungen, die auf der bulgarischen Donautcrrasse eine weit grössere 
Ausdehnung erreichten, als dies« die bewahrten spärlichen Namen in alten Schriftstellern und 
Itineraricn vemnithen lassen, haben sich wenigstens einige Rudimente erhalten, die Strassen- 
xvn. » 



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F. K.wirz. 




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ReITKÄUF. XVH Al-TEUTIIIMSKIKI»»: Vis WbST-U« I.CAKIEN. 



trafen selbst sind aber griisstentheils im Laufe 
des letzten Jahrtausends den nivellireuden Ele- 
mentargewalten zum Opfer gefallen. 

Ein .Steilpfad, den ich bei meinem letzten 
Besuche (1870) in eine ziemlich reguläre Stiege 
umgewandelt fand, führt aus der engen Bazar- 
strasse Bclogradeik's hinan zum Thore des 
wichtigsten, zwischen drei mächtigen Fclsgrup- 
pen eingezwängten Theiles der Feste (Fig. 2, I>). 
Kr ist in Form eines Rechtecks angelegt, dessen 
Längenseiten l. r > Fuss hohe Quadermauern, 
welche mit zahlreichen Schiessscharten versehen 
sind, bilden. Zwei mit je sechs Geschützen 
armirte Rumlbastionen unterbrechen diese 
Langfronten, an welche die Sehmalmauern mit 
riesigen Thoren zwischen weit vorgreifenden Pilastern anschliessen. In dein so gebildeten, 
mehrere hundert Schritte langen, gegen Norden ansteigenden Hofe befinden sich ein Häuschen 
tur den Officicr und die Wache, ferner ein wigwamartiger Speicher und mehrere durch ein 
Notfadach geschlitzte Feldgeschütze, die zur Amiirung eines Vorwerkes (Kj beistimmt sind, das im 
Jahre 1KK2 auf Refehl Sulcyman Pascha's zur Verstnrkung der durch eine nahe Hohe dominir- 
ten We.stbastion errichtet wurde. 

Ich sah Bulgaren damals, ohne jede materielle Kntschädigung, diesen Neubau ausführen, 
der sie noch länger an der Abschüttlung der fremden asiatischen Herrschaft mit verhindern soll. 
Ihr Symbol; die Flagge mit Halbmond und Stern, weht weithin sichtbar von dem mittleren Tfaeil 
der Feste ins Land hinein! 

Durch das südliche Thor des geschilderten Langhofes, tritt man in den zweiten Fortifica- 
tionsabschnitt (Cj, dessen Langmauern wohl auf gleichem Niveau mit jenen des ersten liegen, aber 
von Westen nach Osten laufend, im rechten Winkel vorspringen. Aus diesem zweiten Hofe, an 
dessen Hauern einige unbedeutende Rauten, Kasernen, Depots u. s. w. kleben, gelangt man in den 
dritten höchstgelegencn Theil der Feste (R). Kr besteht aus einem Hof, welchen riesige rot he Sand- 
steinfelsen und zwischen diese eingebaute Mauern abschlieBsen. Ein kleines eisernes Thor führt 
von hier zum letzten Zufluchtsort der Besatzung (A). Auf Leitern und Stiegen geht es aufwärts zu 
einem künstlieh geschaffenen Plateau, welches durch Holzbrücken mit einander verbundene Fels- 
kopfe bilden, das sich aber besser zum Honte für Adler, als zum Aufenthalt für Mensehen eignet. 

Reste alter Mauern verrathen hier und wie schon erwähnt allerorts in Bclogradcik, dass 
dieser Funkt in längstver-rangencr Zeit bereits zu Vertheidigungszwecken benützt wurde. 

EL Eula. 

Vergebens sucht man das Städtchen Kula auf Scheda'« neuester Karte der europäischen 
Türkei und auch Kiepert's Ausgabe vom Jahre 1X53 markirte an nicht ganz richtiger Stelle nur 
einen Thurm dieses Namens in der Nähe der serbischen Grenzquarantaine Vrska-Cuka. Dieser 
Thurm existirt wirklieh als einzig erhaltener von vier Brüdern und beherrscht, trotzdem er zur 
Hälfte geborsten, in noch immer beträchtlicher Höhe den offenen Plan. Um diese stolzen Reste 
aus vergangener Zeit gruppiren sich die vier von Bulgaren, Türken, Tataren und Tscherkcsscn 
bewohnten Theile des Städtchens. 




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ÜFITKÄOK zck Altebtmi'mskvndf. von \\'est-Bii.gahiex. 



i»3 




Der Komik des Mudirs (Bezirkshauptmannes) 
bildet das stattlichste Gebäude. Ieli stieg daselbst 
ab. Doch schon nach kurzer Rast zog es mich hinaus 
zum Besuche des alten, in der Mitte geborstenen 
Thurmes, dessen eine Hälfte drohend in die Luft 
ragt, wiihrend <lie andere von einer reichen Vegeta- 
tion überwuchert in Trllmmcrn liegt (Fig. 3). Der 
Technik des Oberbaues nach zu urtheilen, ist dieser 
Thurm ein Werk der serbisch- bulgarischen Krale. 
Wie bei der Mehrzahl der im XII. bis XV. Jahrhun- 
dert entstandenen Bauten, ist das Mauerwerk in 
wechselnden Bruchstein- und Ziegellagen aufgeführt 
und mit zahlreichen Öffnungen , aus welchen das 
Balkenwerk herausfault, durchbrochen. Der Grund- 
riss des Schlosses entspricht aber vollkommen der 
Anlage römischer Castelle. Er bildet ein Rechteck, 
dessen Seiten zehn Klafter, fünf Schuh, sieben Zoll 
lang, durch vier runde Eckthürme von seclrs Klafter, 
drei Schuh Durchmesser Hankirl und von einem Walle mit gegenwärtig vielfach verschüttetem 
Graben umgeben waren (Fig. 4). 

Die Construction des Mauerwerks an dein noch heute 7 Kläffer hoch aus dein Schutte 
emporsteigenden Thurme ist aus der Abbildung (Fig. 5) ersichtlich. Es gelang mir unzweifelhaft 
römische Ziegelsteine aufzufinden, welche wohl von den nahe den Grundfesten abgebrochenen 
Mauern des in den Hunnenstünnen zerstörten, später während der byzantinisch-bulgarischen 
Periode wieder hergestellten römischen Werkes herrühren dürften. Fig. ß giebf en detail die 
Construction der Fensterbogen am grossen Thurme, bei welcher namentlich die verwendeten 
riesigen Racksteinplatten und breiten Mürtelfugen auffallen. 

Ausser dem Grundrisse der Kula, und neben zahlreichen Münzenfunden, deuten aber auch 
ein 15 Minuten von dem Castelle entfernter Kuudthurm von 2'/, Klafter Ihirchmesser. dessen 
Rudimente ich mitten zwischen Feldern entdeckte, ferner ein Brunnen mit leider viclbeschädigtein, 
unverkennbar antiken Relief, dann von mir aufgefundene Fragmente römischer Säulen darauf hin, 
dass an der Stelle Kula's eine römische Kolonie einst gestanden habe. Vielleicht war es das von 
Proeopius in dieser Gegend erwähnte, etwas von der Donau entfernte und auch von Iiiendes 
noch als Bischofssitz und Stadt gekannte Castra Marth*. 

Der Mudir (Kreishauptmann) von Kula erzählte mir im Jahre 1868, dass er, der als ehe- 
maliger Kaufmann gar manche hübsche Stadt gesehen, als Mann von Geschmack gerne die den 
schönsten Platz des Städtchens verunzierende (!) Schlossruine hätte niederreissen lassen, um den 
gewonnenen Raum theils zu verbauen, theils in einen Garten verwandeln zulassen. Die Erhaltung 
der archäologisch interessanten Baureste verdankt man einzig der Hartnäckigkeit einer türkischen 
Familie, welche behauptet, unmittelbar nach rler moslimschen Eroberung des Landes mit diesem 
Territorium belohnt worden zu sein. Sic bewohnt ein karaulähnliehes Gebäude, das selbst bereits 
eine Ruine (s. Fig. 3) auf den Rudimenten der älteren stehend, seinem baldigen (? ) Einstürze — 
wer möchte bei türkischen Ruinen einen Zeitraum bestimmen — entgegen sieht. Den Chef der 
Familie lernte ich später in Florentin kennen (s. S. 55). Mehemed Effendi representirt so recht 
den Typus des untergegangenen Spahithums, strenger Glaubenseifer gepaart mit zähem Fest- 
halten am Alten. 



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34 



K. Ramitz. 



m. Tumuli bei V i d i n. 



Ausserhalb der äusseren Befestigungslinie 
von Vidin tauchen südwestlich zwei Tumuli 
(türkisch: Tepe) auf. Sie bilden gewöhnlich das 
Centnuu und den Standplatz der Commandan- 
tcnzelte des grossen Militärlagers, das hier all- 
jährlich im Sommer von der Yidiuer Garnison 
bezogen wird. Im Jahre 18K2. als die Serben 
Miene machten den aufständischen Bulgaren 
im Balkan die Hand zu reichen, war dasselbe 
durch herangezogene Verstärkungen sehr bedeu- 
tend. Die nächste Umgebung des Lagerplätze** 
ist ganz besonders wasserreich. Zahllose Zieh- 
brunnen im ungarischen Puszten-Styl umgeben 
das Lager. 

Kin drittes Tepe liegt, östlich von der 
Strasse zwischen Vidin und Kapitaniea, eilt 
viertes zur Rechten kurz vor Njegovanica. Letz- 
teres beherrscht trotz seiner massigen Höhe 
durch seine regelmassige kegelförmige Gestalt 
weithin die Flüche. 

Diese einer früheren Zeit angehörigen 
Grabhügel sind durch ganz Bulgarien zerstreut. 
Auf meiner letzten Forschungsreise (1K71) habe 
ich auf beiden Seiten des Balkans, namentlich 
an der Osma, Jantra und am Tundfcafliisse hun- 
derte einzelne und in Gruppen bis zu zehn auftretende Tumuli in Karte gebracht. Namentlich auf- 
fallend sind jene Tumuli, welche sieh in regelmässigen Abstünden auf der Lössterrasse hart an 
der Donau zwischen Sistov und Nikopolis hinziehen. 

Bekanntlich verbreiten sieh diese prähistorischen Denkmale im Norden weit bis nach Süd- 
russland hin. wo sie massenhaft auftreten. Die dort eröffneten haben durch ihren reichen Inhalt 

an Wallen, Rüstungen und zum Theil sehr 




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CH3 IL ""1 tnrrj ZT' 



hübsch gearbeiteten Schmucksachen erwiesen, 
dass die Begrabenen Völkern angehörten, 
einen gewissen 



welche bereits einen gewissen Culturgrad 
QvU^ [' "~"1 [pT] [_ erreicht, oder doch mindestens einen lebhaften 
~) \S~) r~{\ [Jl/^J [_ Verkehr mit weit fortgeschrittenen Völkern 
>N\ \J F~~~.\ i — <j i~~Z r ~~~\i ~"~ unterhalten haben mussten. 
}^y£j . 73 L__J C interessanten, einer prähistorischen 

Zeit angehörenden Funde werden den von 
mancher und namentlich von türkischer Seite 
mit Zähigkeit festgehaltenen Glauben zerstören, 
dass diese Hügel erst in der Kpochc der türki- 
schen Kroberung Bulgariens von den Jenisseri zu 
6 militiirischen Zwecken errichtet wurden sind. 



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ltfllTRÄr.r. Zill AlTBHTia'MSKl-KP); VciK Wr.ST-ltlLCAItlBN. 




Kl* T. 



l)ni*K sie zu solchen Zwecken, wie beispielsweise noch heute die beiden Tuiuuli bei Vidiu, nuuieli- 
niiil benutzt wurden, unterliegt and« rerscits keinem Zweilei (Fig. 7). , 

IV. Florentin, Vurf, Rakovica und Bregova. 

Iii zwei Stunden erreicht man von Vidin ans den Punkt, von dem «ich die Strasse auf ab- 
»rhltarigem Termin gegen Klorentin hinabsenkt. Zur Kömerzeit nioehtc Florentiii durch seine 
Lage am Iieichs-Limes und an der grossen Ilcerstrassc von Katiaria nach der Timnchusnillndung 
eine gewisse Bedeutung gehabt haben. Schon «ein Name und auch unzweifelhafte Spuren einer 
einstigen militärischen Niederlassung lassen annehmen, dass wir uns hier auf dem Standort«' des 
• "mischen, von l'rokopius und der Not. Imp. erwähnten Florentiana befinden. 

An der Stelle de» römischen Castrums krönte spiiter ein mittelalterliches Schh.ss den 
kleinen hügeligen Auslilufer. welchen die bulgarische Nordterrasse hier gegen die Donau Vor- 
schiebt (Fig. H). 

Im österreichisch-türkischen Kriege vom Jahre 17157 spielte Klorentiu eine passive Kolk*. 
Marschall Khevenhüller hatte es auf seinem Rückzüge von Vidin unbesetzt gelassen, was den 
Türken die Überschreitung de« Timok's bedeutend erleichterte. Die Substructionen des Schlosse* 
sind noch erkennbar. Das Material des festen Oberbaues ist aber vollständig verschwunden. Ks 
wurde, wie sich filtere türkische Ortsbewohner erinnern, vor einigen l)ecennien abgebrochen und 
zum Haue der Forts Kmn-Bair und (ihazi-Hair nach Vidin geführt. Oegenwiirtig hat ein l'inuet 
des türkischen MilitJir-Cordons gegen die Wallachei seine weissen Zelte auf dem ganz vorzflg- 
liehen AiiHlug-l'nnktc neben einem kleinen Hlockhause aiifgeschhigeii. 

Mehemed Kffendi. der Krbe des auf dem alten Uönieicasfclle zu Kula hausenden alttilrki- 
sehen SpahiL'eschlechts. zugleich Mitglied des grossen Käthe- zu Vidiu und Grossgrundhesitzei 




ti>. s. 



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F. Kamt/. 



zu Florentin, besuchte dieses zufällig während meiner Anwesenheit im Jahre 18154. Nachdem der 
etwas mißtrauische Abkömmling der .Jenisseri von meinem Uberall bahnbrechenden Pascha-Bui- 
ruldi prüfend Einsieht genommen und die Uberzeugung gewonnen hatte, diiss ich durchaus nichts 
Feindseliges gegen das Türkenthum Uberhaupt und sein morsches Stammschh >ss zu Kula insbe- 
sondere im Schilde führe, machte er mir Mittheilung von einem merkwürdigen Grabe, das etwn 
im Jahre 1857 nahe bei Florentin eröffnet worden war. 

Ich bat Mehemed, mich dahin zu begleiten. Wir schlugen nordwestlich von der Strasse nach 
Rakovica einen schmalen Fusssteig zwischen Maisfeldern ein, und hatten nach einigem Suchen 
die Grabstätte erreicht. 

Sie zeigte 1n demselben Zustande, in dem sie nach der Kröffnung gelassen worden war, ein 
gleichseitiges, mit Bruchsteinen unrcgelmässig ausgemauertes, an jeder Seite 9 Schuh messendes 
Viereck von Ü Schuh Tiefe. Mehemed Fffendi wollte hier drei wohlerhaltene, in gleicher Rich- 
tung nebeneinander gelegene Skelette gefunden haben, deren eines ein Fingerring mit geschnit- 
tenem Steine schmückte und ein kleines Thonlämpchen zur Seite hatte. Diese Gegenstände, welche 
über die einst hier Begrabenen Aufschlüsse zu geben vermocht hätten, wollte er dein damali- 
gen Gouverneur von Nis übergeben haben. Dass die Gräber nach Mehcmcd's Ansicht von den 
„Latinski-* herrührten, war bei der schon erwähnten, im Laude allgemein üblichen Bezeichnung 
aller ungekannten, selbst der jüngsten Vorzeit angehörenden Beste mit diesem Namen nicht mass- 
gebend. Die Structur des Mauerwerks, namentlich des Mörtels und die beschriebene Form der 
Lampe verliehen jedoch in diesem speciellcn Falle dem Ausspruche meines Begleiters einige 
Wahrscheinlichkeit. Der zur Ausmauerung di r Grabstätte benutzte Muschelkalk tritt überall, wo 
die «leckende Lössschiehtc in wasserreichen Stcilschluchten abgeschwemmt erseheint, in horizon- 
talen Lagerungen auf dem bulgarischen Donauufer zu Tage. Die von mir mitgenommenen Proben 
sind nach Bestimmung der k. k. geologischen Reichsanstalt 1 hellgelbgraue, dem Habitus nach 
aus brakischem Wasser abgesetzte Kalke, welche zahlreiche Cardiunireste einschliessen, die an 
gewisse Formen der Congerienstufe erinnern, aber nicht vollständig übereinstimmen. 

Mit Ausnahme geringer Curvcn, im ganzen die nördliche Wegrichtung beibehaltend, führte 
uns der Weg von Florentin mitten durch das Dorf Novosclo nach Vurf, in dessen Nähe ich die 
Rudimente eines hart am Donauufer aufgeworfenen grossen Vertheidigungswerkcs fand. Unzweifel- 
haft war es eines der zahlreichen kleinen Castelle, deren Procopius zwischen Dorticum und Bono- 
nia erwähnt. Seine Steinverkleidung ist grösstenteils zum Häuserltau nach Vurf gewandert, dem 
auch die Maisfelder innerhalb der Wälle gehören. 

Die Reste eines anderen, schon von Graf M ars i gl i * erwähnten römischen Castrums traf ich 
zu Etakovicn hart auf der den Timok und die Donau beherrschenden Landspitze, auf welche d'An- 
ville* das von Justinian restaurirte Dorticum verlegt. Das Castell von Rakovica scheint einst von 
ziemlicher Stärke gewesen zu sein, denn seine Länge betrug X4 Klafter bei 2S Klafter Breite. An 
den Ecken sind jedoch die bei der Mehrzahl der römischen Castelle vorspringenden Rundthürme 
nicht mehr zu erkennen. Der Timok dürfte einst näher bei diesem Bollwerke in die Donau 
gemündet haben. Das Flussrinnsal gräbt sich gegenwärtig mehr in westlicher Richtung ein und 
bildet bereits zwischen Rakovica und der Mündung ein Delta von ansehnlicher Breite. 

Nach Boue ' sollten »ich in Bregova Reste einer alten Stadt linden. Der vielfältigsten Nach- 
fragen ungeachtet war es mir unmöglich, Anhaltspunkte für diese Mitthcihmg zu gewinnen, obwohl 
eine gute alte Strasse und Brückenbauten auf dem serbischen Timokufer durch ihre direetc 

1 Verhandlungen IStls, Xr. K>. 

-' Pan, II 

■ Mim de!" Act. de» Inner. XXVIII. III 
i U Tnqnio d Kurope IL 



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HkiTrAOB ZfR Al.T&RTHCMSKl'KDE VON Wmt BlLGAftie*. 



57 



Richtung auf Bregova andeuten, dass dieses stets ein wichtiger Strassenpunkt gewesen sein dürfte. 
Auch die schöne Steinbrücke, deren ich bereits in meiner „Reise in Süd-Serbien und Nord- 
Bulgarien" gedachte, trägt im Volksmunde den bezeichnenden Namen „roman most". 

V. Lom-Palanka und Drinovac. 

Das Itiner. Ant. giebt 18 Millicn von Ratiaria entfernt den Ort Almus an. Die Peut. Tafel 
setzt ihn nur 16 Millien von der mösischen Dunau-Hauptstadt an. Letzteres Mass trifft beinahe 
genau auf die Entfernung zwischen Aröcr und Lom-Palanka. Nach Vergleichung der verschie- 
denen Itinerarien über die romischen Mansioneu bis Nikopolis herrscht kein Zweifel darüber, 
dass Ratiaria an der Stelle von Arcer und Almus an Lom's Platze gestanden habe. 

Noch heute ist der Umfang des zuletzt byzantinischen Castrums des Stadtchens Almus zu 
erkennen. An seiner gegen die Donau zugewendeten Nordseite fand ich hart am Flussufer ein 
riesiges, unzweifelhaft romisches Stück Mauerwerk in der Breite mehrerer Klafter, welches wahr- 
scheinlich durch Unterwasehung von dem Rande der Löss-Terrasse abgeschwemmt worden war 
und dessen Material nach analogen Fallen zu schliessen, wohl bald in allerlei bulgarisch- zinzari- 
sehen Kunstbauten verschwinden dürfte. 

Das ausschliesslich von Türken bewohnte Kaleh (Schloss), im Grundrisse Fig. 4 ähnlich, 
besteht aus einem quadratischen, ziemlich hohen Erdwalle mit Rundbastionen an den Ecken, die 
einige kleine Geschütze enthalten. Seine Seiten messen etwa 100 Klafter. Es ist diess höchst 
wahrscheinlich jene Begrenzung, auf welche wie Procopius mittheilt, Kaiser Justiniau den zu 
ausgedehnten Ort eingeschränkt hatte, um ihm grössere Stärke zu verleihen. Nach der Notitia 
Imp. lag hier eine Abtheilung Reiterei. Gcgenwitrtig ist die Vcrtheidigung des Kaleh der türki- 
schen Bevölkerung anvertraut , welche eine Art Nationalgarde bildet. Die beiden Thore an der 
Süd- und Westseite, durch welche das Kaleh mit der eigentlichen Stadt communicirt, werden des 
Abends geschlossen. Einer der beiden Votivsteine, welche ich im Jahre 1864 zu Lom fand und 
die gleich allen übrigen, in diesem Aufsatze erwähnten Inschriftfunden in dem nächsten, auch 
Mösien umfassenden Bande des Mommscn'schen „Corpus" ihre Veröffentlichung finden werden, 
bestätiget die Mittheilung Dio Cass.. dass die Leg. I Italia ihren Standort in Mösien hatte. Ich 
fand diesen Stein im Tschiflik Machmud Bcy's, Abkömmling des berühmten Ismael Aga von Lom- 
Palanka, dem die Stadt mehrere ilirer schönsten Bauten. Moscheen, Bilder und Brunnen verdankt. 
Die schöne „Tschadrovan-Tschesme," ein Brunnen, der gegenwartig leider sehr im Verfall, und 
das Bad in der Nahe der Tscharschia Dschami sollen ebenfalls von ihm, nach der Meinung Ande- 
rer aber von einem in Stambul reich gewordenen Fleischer Namens Kassab-Basehi vor etwa 
200 Jahren erbaut worden sein. 

Das Tschiflik Machmud Bey's liegt hart auf dem Rande der niederen Terrasse „Karva- 
gatsch-Bair u genannt, welche am rechten Lomufer, also jenseits der heutigen Stadt, zur Donau 
hinabzieht und wo unzweifelhaft einst ein Theil des römischen Almus gestanden hatte. Bei der 
Abrutschung einer höheren Partie dieser Terrasse kam jener 4 Fuss lange 19 Zoll breite, nunmehr 
die Schwelle des Gartenpavillons Machmud's bildende Stein nebst einem zweiten zum Vorschein, 
welcher angeblich einen Reiter en relief darstellte. Er soll nach Dorf Mokres verkauft und in 
dessen neuer Kirche eingemauert worden sein. 

Hart am Kirchhofeingang der Tschitak-Dschami-Strasse zu Lom fand ich einen dritten Votiv- 
stein. Er ist leider Fragment und dient gegenwärtig verkehrt stehend (die Schrift nach aufwärts), 
als Piedestal einer grossen horizontalen Steinplatte, auf welche die Türken ihre Todten abzu- 
setzen pflegen, bevor sie dieselben in die Grube senken. Ausser diesen römischen Resten sah ich 



XVU. 



tu 




38 



F. Kanitz. 



in Lom eine Menge grössteiitheils ans der späteren Kaiserzeit herrührende Münzen; ferner ein 
Medaillon en Relief von Bronze und »ehr hübscher Arbeit, welchen von dem früheren Besitzer 
Herrn Bojesko dem österreichischen General-C'onsul v. Lenk verehrt wurde. 

Beinahe auf allen Karten der Türkei finrlet man am LomHusse etwa vier Stunden von Lom- 
Palanka entfernt eine Stadt „Drinoviitz" angegeben. Ks existirt auch heut ein Ort gleiches 
Namens. Er gehört aber zu den kleineren Dörfern am LomHusse und seine Bevölkerung ist 
zum nahen Uorlevo cingepfarrt. Ausgedehnte römisch- byzantinische Ruinen bei Drinovac lassen 
auf die einstige Bedeutung der Stadt schlicssen, welche nach älteren Schriftstellern der Sitz eines 
Bischofs iii »eh in der altbulgarischen Epoche gewesen war. 

VI. Remetodia. 

Die römiseh-mösische Donau-Heerstrasse bildete eine ununterbrochene Reihe grösserer, 
durch kleinere Castclle und Rundtliürme mit einander verbundener Befestigungen. Gleichwie auf 
meiner Route von Vidin nach dem Timok (siehe S. 55) sticss ich, als ich im Jahre 1KÖ4 eine 
Becognoscirungstour nach dem angebliehen SmordenflUM unserer Karten unternahm, auf der 
kurzen Strecke zwischen Lom und Arcer auf die Rudimente mehrerer unzweifelhaft römischer 
Werke. Sie liegen hart am Rande der zwischen beiden Stiidten in nahe glciclnnassigcr Höhe fort- 
laufenden Terrasse, welche bei hohem Wasserstand die Fluthen des austretenden Stromes bespülen. 

Da» erste Castell, dessen Standort von den Türken „Kalch-bair u (Schlosshügel ) genannt 
wird, ist im Quadrate, dem gewöhnlichen Grundrisse des römischen Oastrums, angelegt. Die Seiten 
seines Walles messen je 30 Klafter. Ich fand hier römische, und wahrscheinlich von einer späteren 
vielleicht byzantinisch-slavischcn (?) Erneuerung herrührende Ziegel im bunten Gemische durch- 
einander geworfen. 

Etwa eine Stunde vor Arcer fand ich weiter auf einem sehr vorspringenden Punkte des Ter- 
rassenrandes die Rudimente eines zweiten Werkes in Form eines Rundthurmes, u. z. ziemlich 
genau an der Stelle, wo die Tab. Reut, ihr Remetodia als 4 Mill. von Ratiaria entfernt ansetzt. 
Reiehard giebt es gleichfalls in seinem Atlas auf dieser Stelle an, obwohl er hiefür nicht die 
geringste factische Unterlage besass. Nach Hinwegräumung der 3 Fuss hohen Schuttdecke kam 
die Grnndfestc des Werkes zum Vorschein. Sie besteht aus riesigen, zum Theil sehr hübsch profi- 
lirten Steinplatten, darunter eine von 1 Fuss Höhe, 0 Fuss Breite, 12 Fuss Litnge. Es sind jeden- 
falls Riste iiltcrer Bauten und sie rechtfertigen wohl durch ihre Verbindung mit unzweifelhaft 
echt römischem Mauerwerk die Annahme, dass dieser Thurm gleich manch anderen kleinen römi- 
schen Werken an der Donau und am Timok, erst in der Periode nach dem Aufgeben Dacicns, 
zum Schutze des durch die Barbaren bedrohten Mösiens im III. Jahrhundert nach Oh. erbaut 
worden sei. 

In den Volkerstünnen zerstört, wurde der Befestigungsgürtel an der Donau nach Proeopius' 
Zeugnis« von Kaiser Justinian grösstenteils wiederhergestellt. Den Oberbau der meisten Römer- 
werke benutzten aber die Bulgaren und Türken als bequeme Steinbrüche zur Erbauung ihrer 
festen Schlösser und Städte und so dürfte auch der Oberbau des einstigen Remetodia gleiches 
Lern mit jenem des Castrums von Florcntiana (h. S. 55) getheilt. haben. Er dürfte wahrscheinlich 
in den Festungsmauern von Vidin verschwunden sein. 

Die Trace der alten römischen Strasse, welche am Donauufer hinlief, vermochte ich trotz 
alles Suchcns nicht aufzufinden. Sie ist wohl hingst tief unter der Decke des lehmigen Bodens 
verschwunden. 



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BbitbAge tvn kunmanummw von VTm*-Bomahi«n. 



VII. Aröer-Palanka, 



Wohl selten dürfte eine einst j)nichtvulle und mächtige Stadt so spärliche Rente alter Herr, 
lichkeit bewalu-t haben, als da» Städtchen ArCer, das einstige Katiaria. 

Bei Ptolemäus führt Ratiaria den Heinamen „Mysorum*. Er bezeichnet nie gleich dem 
Itin. Ant. und der Not. Imp. als da« Hauptquartier einer Legion und den Standort einer Donau- 
llotte. Hieroeles erwähnt Ratiaria's als Hauptstadt von Dacia Ripensis, und die Peutinger'sehe 
Tafel bezeichnet sie als solche durch die Hinzusetzung zweier Thünne. 

Schon früher bedeutend, muss Ratiaria als Hauptstadt jenes Theiles von Mösien, den Kaiser 
Aurelian nach gänzlicher Aufgebung des eigentlichen Daciens aus Ober- und Unter-Mösien aus- 
geschieden und territorial vom eisernen Thore bis zur Vid-Mündung, dann Uber den Balkan bis 
Sofia und Nis reichend, unter dein Namen „Dacia ripensis- 1 constituirt hatte, noch an Ausdeh- 
nung und Glanz gewonnen haben. Die Verwüstung der Stadt in den Hunnenstünneii scheint aber 
eine so gründliche gewesen au sein, das» selbst ihre von Procopius erwähnte Wiederherstellung 
durch Justinian sie nicht zu neuer Blüthc zu beleben vermochte. 

Unter der Bulgarenherrschaft wird Ratiaria' s nicht mehr gedacht. Das nahe unter Rom 
unbedeutende Bononia (Tidin) hatte ihm den Rang abgewonnen. Letzteres erhielt namentlich unter 
türkischer Herrschaft grosse strategische Wichtigkeit, da es nach Einführung der Kanonen durch 
seine günstige Lage in weiter sumpfiger Flüche zur Anlage einer modernen Festung sich voll- 
kommen eignete. Die Mauern silmnitlicher Römcr-Castcllc um Bononia lieferten, wie ich bereit* 
ausführlicher erwähnte*, das Material zum Aufbau des alt -bulgarischen Boduns, B'din und 
türkischen Vidins. Auch die ehemals römischen Befestigungen Ratiaria's dienten als naher 
bequemer Steinbruch und selbst die Trümmer seiner Monumente, Votiv- und andere Steintafeln, 
welche werthvolle Aufschlüsse über dessen einstige Bedeutung enthielten, wanderten nach Yidin. 
wo sie bis zuletzt in dessen Mauern unbeachtet blieben. 

Zwei Steintafeln, welche ich an der Aussenseite des alten Castells (in der Mitte der neuen 
türkischen Fortificationen) im Jahre \ Hi\2 zu Yidin eingemauert fand, sind die einzigen heute noeh 
erhaltenen Inschriften, in welchen der Name Ratiaria genannt wird. Ich veröffentlichte diese In- 
schriften in der zuletzt erwähnten Arbeit. Graf Marsigli hatte von diesen beiden Steinen keine 
Kenntnis». Er theilte jedoch eine zu Yidin aufgefundene Inschrift mit, nach der ich dort vergeblich 
forschte. Sic dürfte gleichfalls von Ratiaria herrühren, obgleich Marsigli diess nicht erkannte, da 
er die Abkürzung COL. RAT. OOD. mit COLONIAE BONORATVS ergänzte. 

Das alte Ratiaria hatte jedenfalls auf beiden Ufern des Arccr's gestanden. Von seinen alten 
Befestigungen fand ich im N. der Stadt auf einer Anhöhe des linken Flussufers die Beste eines 
Castrums von der Ausdehnung des Castelles zu Lom. Es ist mit üppigem Fflanzenwuelis 
bedeckt und noch mehr vernachlässigt als jenes. Nur eine ärmliche Karaula befindet sich gegen- 
wärtig daselbst. In gefährlichen Zeiten ist die männliche türkische Bevölkerung des Städtchens 
verpflichtet, die den Namen Kaleh (Sehloss) tragenden, Schutt bedeckten Wälle zu vertheidi»en. 
Sonst stationirt hier nur ein Zaptie-Piquet. commandirt von einem Tschausch (Corporal) , welcher 
mich bei meinem Besuche im Jahre 1804 auf Empfehlung des Kaimakams zu Lom, auf meinen 
archäologischen Streifzügen bereitwilligst und fördernd begleitete. 

Ich fand mein- o<Ut minder interessante, antike Steinfrafj-mente in Areer's Strassen und 
Häusern zerstreut umher liegen. Es fehlt aber leider an einer pietätvollen Hand, welche sie sam- 
melt und vor dem traurigen Loose der meisten Römerreste der Türkei bewahrt. Vor einer in 
der Mitte des Städtchens in einem engen Gässchen liegenden Moschee traf ich eine fünf Schuh 
■■• Keine in .Siid-.S.rbien und Koni-Bulgarien. Hcnkschrifton der k. Alud. iL WimcmcIi. |>hil. hier. Chr* XVII. Bd. isiw 




60 



F. Kahitz. 



lange und neun Zoll hohe, in zwei 
ü Stücke geborstene , reich ornamen- 
tirte antike Steinplatte als Portalstufe 
benutzt (Fig. 9), die wohl als Theil 
eines Kämpfer -Bogengesimses einem 
Tempel römisch- korinthischer Ord- 
nung angehört haben mochte. Die 
Gesimsplatte erinnert in ihrer etwas 
schematisch behandelten Ornamenti- 
rung an ähnliche des Jupiter Stator-Tempels zu Rom, welcher bekanntlich zu den schönsten Bauten 
dieser Gattung zahlt und dessen Decoration an die reinste Periode griechischer Kunst mahnt. 

Einen Votivstein sah ich als Treppe eines Kaffeehauses, eine schön profilirtc, drei Schuh 
drei Zoll lange, acht Zoll hohe Simsplatte als Piedestal einer HolzstUtze am Laden eines Kauf- 
mannes Namens iladschi-Hassan-Ismael-Aga benützt. Auf dem Wege nach dem grösstenteils von 
Romanen bewohnten Stadtviertel am rechten ArCerufer, begegnete ich in den Strassen vielen 
Resten von Saulenstilmmen, Capitiilen u. s. w. zum Theil stark verstümmelt in Neubauten ein- 
gefügt oder frei umherliegend. In jenem Stadttheilc fand ich in dem Hause des Bulgaren Stephan 
Pavle einen Votiv-Stein von drei Schuh neun Zoll Lange und zwei Schuh drei Zoll Breite zur 
llillfte in der Wand einer finsteren Hütte steckend, was seine Copirung sehr erschwerte. Seine 
linke Schmalseite zeigt Fig. 10. Einen anderen Stein von seltener Form ("Fig. llj mit Schild und 
gekreuzten Pfeilen cn relicf traf ich im Hofe des Wallachen Stojan Dino. 

Das am besten conservirtc Monument aus der Römerzeit in Aröer befindet sich im Hause 
des Tschausch Hadschi-Hassan-Hussein im türkischen Stadttheilc. Es ist diess ein Sarkophag von 
sehr schöner Arbeit aus demselben dunkelvioletten krystallinischcn Gestein i Amphibol-Andesit), 
das ich auf der Höhe des Sveti Nikolnpasscs gesehen hatte. Dieser Sarkophag wurde vor etwa 
zwanzig Jahren im Garten des Tschausch in einem tiefen, vollkommen ausgemauerten Gewölbe 
gefunden und ziemlich unbeschädigt herausgeschafft. Er misst sieben Schuh drei Zoll Lätnge und 
drei Schuh 3echs Zoll Breite. Seine Form ist aus der Abbildung (Fig. 12) ersichtlich. Die Karoies- 
profile der Umrahmung des grossen Mittelschildes sind tadellos gearbeitet, die Figuren (trauernde 
Genien) aber mehr schematisch. Die Inschrift selbst wurde leider bis zur Unkenntlichkeit ver- 
stümmelt. An der Rückseite des ein Schuh cilf Zoll hohen Deckels befindet sich die bei römischen 
Sarkophagen oft vorkommende quadratische Öffnung. 

Unbegreiflicher Weise fuhr Marsigli, der einzige Alterthumskenner, welcher im Beginn 
des vorigeu Jahrhundertcs die Donauufer bereiste, an der Strecke Vidin-Nikopolis vorüber, ohne 

zu landen. In Ratiaria hiitte er 
zu jener Zeit ohne besondere 
Schwierigkeit viele monumen- 
tale Reste gefunden, die seitdem 
verschleppt oder in den Grund- 
festen und Mauern von Neu- 
bauten begraben wurden. Die 
von der k. Akademie der Wis- 
senschaften zu Berlin edirte 
Sammlung römischer Inschrif- 
ten wird bezüglich der wichtig- 
sten Donau - Golonien bedeu- 





Flpr. M. 



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ReITRÄOK Zi ll AtlTMTHl MSKlNI.K VOX WesT-IU I.GAMIliK. 



ende Lücken aufweisen, welche durch die 
von mir, Desjardins und Lejean in diesen 
Gegenden aufgefundenen, nur wenig ausge- 
füllt werden konnten. Mit grösseren Mitteln 
unternommene Ausgrabungen würden aber 
trotz aller Verschleppungen, ein noch sehr 
interessantes Material zur Geschichte der 
römischen Herrschaft an der Donau zu Tage 
fördern. 

Wie schon zur Römerzeit ist Arcer mich 
heute der Standort einer kleinen Kriegs- 
dampfer- Flottille. Es eignet sich vermöge 
seiner günstigen Lage zu einem vorzüglichen 
.Lug aus" donauabwiirts bis Lom und auf- 
wärts weit Uber Vidin hinauf, also zur Über- 
wachung einer Strecke von etwa sechs geo- 
graphischen Meilen. Vom Walle des ehemals 
römischen Castrums erblickt man Vidins 




Fi* Ii 



lockende Minarett mit unbewaffnetem Auge. Ich schlug jedoch nicht die nach der Pascha-Stadt 
führende Fahrstrasse entlang dem Donaunfer ein, sondern gedachte von Arcer aus die Trace 
der Römerstrasse von Ratiaria nach Naissus zu verfolgen, die ich von Nii bis zur serbischen 
Grenze am Kadibogas-Passe schon früher festgestellt hatte und deren Fortsetzung ich entlang 
dem Flussbette des Areers vermuthete. 



VIQ. Die römische Heerstrasse am Arcer. 

Dass die römische Heerstrasse von Timacum minus (Knjazcvac in Serbien) ihre Fortsetzung 
nach Ratiaria (Arcer) vom serbischen Kadibogas-Passe durch das Arterthal genommen hatte, war 
für mich im Hinblicke auf die Lage Ratiaria's ausser Zweifel. Auch fand ich bei den Thalbew ohnern 
bestimmte Traditionen eines ehemaligen r Kahlrumput" (gepflasterter Weg), der nach verschiedeneu 
Aussagen noch zu Anfang des Jahrhunderts existirt haben sollte. Doch wo und wie seine ver- 
schwundene Spur auffinden ? 

So ruhig der Arcer in der trockenen .Jahreszeit durch das massenhafte Gcrölle seines regel- 
losen Bettes mehr sickert als fliesst, zu einem eben so mächtigen und gefährlichen Strom wächst 
er in der Zeit grosser Hochwasser an. In stets wechselnder Laune verbreitert er sein unrcgel- 
inässiges Rinnsal durch zahllose Krümmungen und Auswaschungen zum Nachtheil seiner schönen 
Ufcrgclandc. Mit den einstigen Ffei-versicherungen hatte aber auch der wilde Fluss jedenfalls die 
alte künstliche Heerstraase hinweggespült. Ich verzweifelte bereits an dem Gelingen meiner Auf- 
gabe, da stiess ich nahe bei üstrokavce auf die ersten Reste römischer Bauten, auf die Mauern 
eines kleines ( 'astrums. Sie bildeten jedoch nur die Vorläufer weit wichtigerer Funde. Zwischen 
Ostrokavce und Kladrup, zwei nur »/, Stunden von einander entfernten Orten, hat der Fluss die 
Thalsohlc furchtbar zerrissen. 

Grössere zusammenhängende Uferstrecken gehören hier zur Seltenheit Die gebahnte Strasse 
verschwindet und wir sahen uns genöthigt, unseren Weg oft über das Gerölle des Flussbettes zu 
nehmen. Nachdem der Radibogas-Pass serbischerseits gesperrt, geschah hier eben gar nichts zur 
Sicherung der früher vielbenützten Strasse. 



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62 



1". Kasitz. 




Fi*. 12. 



Unmittelbar vor Kla- 
drup am Vereinigungs- 
punkto der beiden Ar- 
eer-Arme wartete meiner 
eine erwünschte Über- 
raschung. Dort fielen mir 
eine Menge parallellau- 
fender wallartiger Er- 
höhungen auf , deren 
eigentümliche Vegeta- 
tion allein schon das 
darunter lagernde Mauer- 
werk mir verriet)). Nur 
wenige Untersuchungen 



genügten zur Vergewisscrung, dass ieh mich auf den Resten einer römischen Niederlassung von 
bedeutender Ausdehnung befand, deren Mittelpunkt ein festes Castrum von etwa 140 Schritten 
im Gevierte gebildet hatte. Deutlich waren die in rechten Winkeln aufeinanderstossenden Gassen 
und jene der einzelnen Gebäude zu erkennen. Es wird jedoch umfassender Ausgrabungen bedür- 
fen, um den einstigen Grundplan der Stadt festzustellen. 

Im Dorfe Kladrup selbst fand ich zwei Fragmente von Inschriften. Die eine auf einein 
kleinen umfriedeten Platze, welcher zu kirchlichen Versammlungen benützt wird, die zweite im 
Hause des Bauers Theodor l'etrov. Verkehrt in zwei Theile geborsten, steckt ersterer neben einem 
grossen Steinkreuze im Hoden. Ich liess ihn behutsam ausgraben und copirte ihn. Heide Steine 
rühren von der zuvor erwähnten Homerstadt her und die Hauern erzählten mir auch von zahl- 
reichen Münzfundoi, die von Zeit zu Zeit tlort gemacht werden. 

Der Tag neigte sich bereits zu Ende, allein er hatte sich in Überraschungen noch nicht 
erschöpft. Etwa eine halbe Stande westlich von Kladrup blickten unfern des nach Kabis führen- 
den Weges von einein müssigen Hügel viele weisse Punkte herab. Anfangs hielt ich sie für eine 
weidende Schafheerde. Die Punkte blieben jedoch so merkwürdig unbeweglich, dass ich mich 
entschloss, den Weg nach der Anhöhe zu nehmen. Hier fand ich etwa 30 römische Votivsteine, 
welche sich grösstenteils mit ihrer Breitseite in den Hoden gewühlt hatten. Nur einer zeigte die 
Stirnseite nach oben gekehrt. Seine Inschrift war aber unleserlich und einzig das hübsche Laub- 
werk des ornumentirten Rahmens war erhalten geblieben. 

Viele Votivsteine dieses römischen Bcgrühnissortes mögen zum Hau der Kirche des nahen 
Rabis verwendet worden sein. Die gespaltete Hälfte eines solchen fand ich dort auf «lern Kirchhofe. 
Ich copirte das Fragment. 

In welchen Beziehungen das kleine Castrum bei Ostrokavce und der grosse Begräbnissplatz 
vor Rubis zu den nahen Ruinen der Rönurstadt bei Kladrup gestanden, wirtl nur durch Aus- 
grabungen in grossem Massstabe festgestellt werden können. Meine vorstehend skizzirten Funde 
zu Ostrokavce, Kladrup und Rabis, ferner die grossen Steinbrüche zu Lagosovee und die Über- 
bleibsel einer anderen römischen Ansiedlung am Arter zu Bela, von welcher ich leider erst 
zu spät hörte, um sie selbst in Augenschein nehmen zu können, sind aber jedenfalls spre- 
chende Zeugen für meine bereits im Jahre 18ß4 geäusserte Ansicht, dass die grosse römische 
Heerstrasse von Naissus nach Ratiaria, vom serbischen Kadibogas-Passe aus. nur durch das Aröer- 
thal gegangen sein konnte. Von welcher Wichtigkeit sie aber gewesen, dafür sprechen die zahl- 
reichen Castelle unzweifelhaft römischen Ursprungs. 



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Beiträge zut Altertumskunde von West IUi.cariek. 



03 



Alter auch für den Namen der von mir bei Kladnip aufgefundenen Rümerstadt gibt eine 
der wichtigsten römischen Kartenquellen Anhaltspunkte. Die Peutinger'sche Tafel ftllirt an der 
Strasse von Xaissus nach Hatiaria <lrei Mansionen an. Die ersten beiden: Timacum Mains und 
Tiinacnm Minus, glaube ich in meiner „Heise in Süd-Serbien und Nord-Bulgarien - (S. 15) genügend 
nachgewiesen zu haben. Die dritte: Conbustica, soll mich der Reut. Tafel 27 Mill. von Timacum 
Minus und gleichweit entfernt von Ratiaria gewesen sein. Zwischen Timacum Minus und Ratiaria 
habe ich nur die Reste einer einzigen grösseren unzweifelhaft römischen Niederlassung bei Kladrup 
gefunden. Ihre Entfernung von Ratiaria und Timacum Minus, zwischen welchen ('< mbustica nach 
der Tafel genau auf der Wegmitte liegen soll, ist jedoch wie ein Blick auf die Karte zeigt (vgl. 
Knjazevac, Kladnip, Arcer) mit jener der Tafel nicht übereinstimmend. Leicht witre es, die hier 
entstehende Millicn-DifFcrenz durch die Annahme eines Schreibfehlers der Reut. Tafel zu besei- 
tigen, wie diess in analogen Fidlen oft geschah. Es wSlre um so gerechtfertigter, als, der Tafel 
folgend, bereit» d' A nville und Mannert dieses 0< mbustica ungeachtet fehlender archiSologischer 
oder topographischer Anhaltspunkte hart am Arcerflns.se gesucht haben. Ich möchte jedoch die 
endgiltige Lösung dieser Frage künftiger Forschung vorbehalten, welche; wenn das Arßergcbiet 
cinnt vollkommener gekannt, jedenfalls über reichhaltigere Vorarbeiten zu gebieten haben wird, 
als ich sie auf der archäologisch-topographischen terra incognita der bulgarischen Donauterrasse 
vorgefunden habe. 

Es genügt mir durch meine Funde im Arcerthale festgestellt zu haben, dass sicher minde- 
stens ein Theil der römischen Legionen den Weg von Naissu« zur Donau durch dasselbe 
genommen habe und dass es für die Vertheidigung des Hnssersteu mösischen Limes hohen strate- 
gischen Werth besass. 



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64 



Die Statue Rudolph'* von Habsburg im Seidenhofe 

zu Basel. 

Von K d i! a n i< II t ». 

\j nter der grossen Anzahl fürstlicher Hildnisse, welche die Ambrascr Sammlung zu Wien bewahrt, 
findet sich auch eine in Öl gemalte lebensgrosse Abbildung eines merkwürdigen alten Steinbildes, 
das noch heutzutage in dem Hofe eines ansehnlichen Privathauses zu Basel, des sogenannten 
.Seidenhofes zu sehen ist. Wie das Gemälde nach Wien gekommen sein mag, darüber gibt eine 
Correspondenz Aufschluss, die sieh in den hinterlussenen Papieren des 1591 verstorbenen Rechts- 
gelehrten Dr. Basilius Amcrbach vorfindet, und die Bestellung einer solchen , Abconterfeh- 
tung" durch einen kaiserlichen geheimen Rath, den Freiherrn Richard Strein, zum Gegenstand 
hat *. Die fragliche Statue wurde nämlich damals allgemein für das echte Bildniss Rudolph'« von 
Habsburg gehalten, und aus diesem Grunde erklärt sich, dass eine dem kaiserlichen Hofe nahe- 
stehende Person, vielleicht aus höhcrem Auftrag, sich eine Abbildung davon zu verschalen suchte. 
Wurden doch noch am Ende des vorigen .Jahrhunderts von Seite des kaiserlich österreichischen 
Hofes für die Statue selbst 500 Ducaten geboten. 

Ältere Nachrichten Uber dieses von der Kunstgeschichte allzusehr vernachlässigte Bild sind 
nur spärlich vorhanden. 1577 scheint mit einem Mal da« Interesse dafür erwacht zu sein, denn 
in diesem und dem folgenden .Jahre findet es sich mehrfach erwähnt. Theodor Zoinger in seinem 
Methodus apodemica (Basel 1577) zählt es bei der Beschreibung von Basel unter den Statuae 
rariores auf. Gleichzeitig berichtet der baslerische Chronist Christian Wursteisen (L'rstisius) in 
seinem 1577 erschienenen Epitomc Historiae Basil. Uber dasselbe, indem er seine Entstehung in 
die Regiemngszeit Rudolph's zurückversetzt *. Aus dem Jahr 1578 (8. Juli) ist ferner der erste 
der erwähnten Briefe datirt, welche die Bestellung einer Abbildung zum Gegenstand haben. Der 
Auftraggeber stützt sich darin theils auf die mündliche Aussage von Personen, theils auf eine 

1 S. Ueilagcn I— IV. Der ausführliche Titel des Besteller» heisst: „Freiherr Reicbard von Strato, Herr zu Schwartienaw, 
Kertcnstain vnd üürrensuiii , des Thaals Wachaw, auff Freideckb &o. und der Ro. Kay. Vnj. (Jehaitner Rath*. 

1 In ea (d. b. in dem Hause, welches damals die LOwenburs bicssj Rudolph! Hapspurgi Cesaris statua tpectuur. quam ipso 



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Taf. L 




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Die Statue Rudolph'* von Hahsbukg im Seideshope zu Basel. 

« 

Stelle, welche sich in der Vorrede zum „extendirten" Sleidanus, 
das heisst wohl, zu einer fortgesetzten Ausgabe eines der beiden 
historischen Werke dieses Autors, befinden soll 3 . 

Wahrend nun die öffentliche Meinung die Statue für 
das wahre Bildniss Rudolph's von Habsburg hielt, so gab es 
schon zu Amerbach's Zeit Zweifler, wie wir aus dessen Antwort 
an den Nürnberger Syndicus entnehmen können. Zwar können 
die drei von ihm angeführten, seinem eigenen Zeitalter angehö- 
renden Kupferstich« noch viel weniger Anspruch auf Porträt- 
Ähnlichkeit machen, als das wirklich uralte Steinbild, zumal 
sie unter sich selbst die grösstmögliche Ungleichheit zeigen. 
Dagegen ist seine Hinweisung auf den Chronisten Albrecht 
von Strassburg schon viel eher der Beachtung Werth. Derselbe 
beschreibt den König Rudolph als einen hohen schlanken Mann 
mit Adlernase („longus et gracilis statura valde, aquilum habens 
nasum"), und noch genauer findet sich seine Gestalt beschrie- 
ben in der Chronik der Dominicaner von Colmar: r Erat hic vir 
longus corpore, habens in longitudine Septem pedes, gracilis, parvuni habens caput, pallidam 
faciem, atque longum nasum, paueos habebat crines*. Diesem Signalement entspricht die Statue 
allerdings wenig. Der Kopf ist im Verhältnis« zum Körper eher gross, die Nase keineswegs her- 
vorragend und statt des dürftigen Haarwuchses ist das Haupt mit reichlich gelocktem Haar und 
Bart versehen. Viel besser stimmen jene Schilderungen von Rudolph's Änsserm mit dessen Reiter- 
statue am Dom zu Strassburg überein, welche von Erwin von Steinbach im Jahre 1291 aus- 
geführt sein soll 1 und daher seine Gestalt gewiss viel treuer der Nachwelt überliefert, als irgend 
ein anderes von ihm vorhandenes Bild, zumal der König in eben diesem Jalue (es war dasjenige 
seines Todes) sich in Strassburg aufgehalten hatte \ 

Wir sind endlich um so eher berechtigt, das im Seidenhof zu Basel befindliche Bild für 
nicht nach dem Leben gefertigt, sondern für eine Idealstatue Rudolph's zu halten, als auch die 
Zurückdatimng in dessen Regierungszeit aus kunsthistorischen Gründen nicht zulässig erscheint. 
Dem übereinstimmenden Urtheile angesehener Kenner wie Lübkc, J. Burkhardt u. A. zufolge 
ist es nämlich aller Wahrscheinlichkeit nach ein Werk der zweiten Hälfte des XIV. Jahrhunderts, 
auf welche Periode der Kunstentwicklung der Schnitt des Gesichtes, die gedrehten Locken des 
Haupthaares und Bartes, die Art, wie die Musculatur in den Beinen und Annen beobachtet ist, 
der Styl des weichen und vollen Faltenwurfes und namentlich die Menschen- und Thierfratzen 
des gothischen Sockels hinweisen. Die an letzterem angebrachte Jahreszahl seiner Wahl zum römi- 
schen König scheint spätere Zuthat: die Formen der arabischen Ziffern deuten auf das XVI. Jahr- 
hundert. 

Was mag nun aber die Errichtung einer Statue Rudolph's von Habsburg in Basel, und 
gerade in dieser Behausung, veranlasst haben? Bekanntlich ist die Geschichte dieses Kaisers 
ziemlich eng mit derjenigen Basels verknüpft. Es war, wahrend er als Graf von Habsburg diese 
Stadt belagerte, dass die Nachricht von seiner Wald zum römischen König an ihn gelangte. 
Sogleich hob er die Belagerung auf und die Bürger, von drohender Gefahr befreit, huldigten ihm 

» Leider konnte ich die betreffende Stelle weder in den 90 Ausgaben von De statu rcligionis et reipuhlicae Caroli V. noch 
in den ß von De anmmU quatuor imperiis. welche Ich darnach durchsuchte, finden. 

* D. Sehoefflin, Alsatia illuatrata II. p. 514: „ltndolphina haec sUtnn Autoren) habet Erwiimm de äteinbach, qui 
Ao. MCCLXXVIl ttirrum suinnii teinpli strueturam inchoavit. Sutna Ao. MCC'XCI poaita est". 

» Ebendaselbst p. 513. 

XVII. 11 




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60 



Ehuarp Hl8. 



als ihrem Oberherrn. Rudolph, welcher zuvor der Stadt und dem Bisehofe wahrend einer Reihe 
von Jahren fortwährend grossen Schaden zugefügt, ja noch im Jahr zuvor eine Vorstadt Basel 1 « 
verbrannt hatte, wendete nun der Stadt seine besondere Huld zu, hauptsächlich da im folgenden 
Jahre auf den aus Gram über diese Wendung des Schicksals verstorbenen Bischof Heinrich von 
Neuenburg ein ihm ganz besonders treu ergebener Minoriten-Mönch Heinrich von Isny, genannt 
der Gürtclknopf, der früher sein Beichtvater gewesen war, auf den bischöflichen Stuhl befördert 
wurde. Als Rudolph 1278 im Kriege mit dem König Otakar von Böhmen von vielen seiner mäch- 
tigen Vasallen im Stich gelassen wurde , war es der Bischof von Ba*cl, welcher, indem er ihm mit 
einer auserlesenen Schaar von Rittern zu Hilfe eilte, zu dem bedeutungsvollen Siege auf dem 
Marchfelde bei Wien wesentlich beigetragen haben soll. Rudolph 1 « Dankbarkeit für diesen erfolg- 
reichen Beistand findet sich in mehreren Urkunden ausgesprochen, welche er dem Bischof zur 
Bestätigung von Freiheiten und andern Gunstbezeugungen ausfertigen Hess So ernannte er ihn 
unter anderm auch zu seinem Kanzler ? . Aber auch die Bürger hatten Ursache , die früher von 
Rudolph erlittene Unbill zu vergessen und sein Andenken zu segnen, denn ihm verdankten sie 
das ungehinderte Wachsthum ihrer Stadtverfassung 

Was nun die Behausung anbelangt, welche das Bild in ihrem Hofe einschliesst, so geht die 
Sage, dass Rudolph bei seinen Besuchen Basels sein Absteigquartier darin zu nehmen pflegte, wie 
dies auch P. Hergott erwähnt*. Sein Weg führte ihn oft, durch Basel, und die Geschichte gibt 
von mehreren Anwesenheiten Kunde; so im Januar 1274, als er mit seiner Gemahlin und zahl- 
reichem Gefolge von seiner Krönung in Aachen zurückkehrte und vom Bischof und seiner Geist- 
lichkeit feierlich empfangen wurde. Grössere Ehre erwies er der Stadt, im Jahre 1284, indem ti- 
bi derselben mit grossem Pomp ( r mit königlichem Apparat und viel Thurnierens " ) 10 seine Vermahlung 
mit seiner zweiten Gemahlin Agnes von Burgund feierte; 1286 hielt er sich wieder in Basel auf 
und gab eine Verordnung, welche zum Zweck hatte, der Uneinigkeit zwischen der Ritterschaft 
und den Bürgern zu steuern ". 1287 beschied Rudolph den Herzog und die Stünde von Burgund 
nach Basel, wo sie den Frieden mit ihm abschlössen und ihm den Vasallen-Eid leisteten 

Streuber sagt in seiner Beschreibung der Stadt Basel " bei Anlass der erwähnten Sagt, 
dass der jetzige Seidenhof die Wohnung des damaligen Bürgermeisters gewesen sei. Dies ist 
jedoch die Folge einer Verwechslung mit einer viel spatem Zeit, nKmlich derjenigen des Basler 
Concils (1432 — 14-18). wo, wie Wursteisen berichtet ", ein Bürgermeister Rotberg Besitzer dieses 
Hauses war. Beachtenswerther ist eine andere Nachricht, zufolge welcher dasselbe Rudolphen 
von Habsburg selbst gehört hatte. Der Ulmer Mönch Felix Faber, ein geborner Zürcher leitet in 
seiner 1489 geschriebenen Historia Suevorum die Geschichte des Bischofs Heinrich GUrtelknopt 
in folgender Weise ein: In conventu Miuorum Luceriae erat guardianus frater, quem Dominus 
Rudolfus certis temporibus ad sc in Habspurg vocabat, eique confessionem suam fncere solebat: 
sie et uxor et tota familia. Post hoc Dominus Rudolfus viro confidens, ipsum, scilicet guardianum. 
„praefeeit euriae suae, quam habebat in civitate Basiliensi, quae hodie est prope veteram portani 
Mite conventum Pracdicatonun' i . Das heutzutage unter der Benennung Seidenhof bezeielinete 

• Ochs, Geschichte <ler Stadt und Landschaft Basel I, p. 11!', V-Ti. 496, 1.11. 

1 12Ht> wurde er sogar zum Erzbischoff von Mainz ernannt, eine Beförderung, welche er einer Mission an den Papst zu 
verdanken hntte, mit welcher er vom König Rudolph betraut worden war. Er starb indes» bald darauf. 1*. März Iühs. 
» A. He na I e r , Verfasaungugeschichto der Stadt Basel im Mittelalter p. 135. 
3 Pinacotbcca priueiputil Austriae III , p, 7. 
W Wursteisen, Baaler Chronik p. 144. 

>■ Och», Geschichte der Stadt und Landschaft Basel I, p. 432. 
'2 Ebendaselbst p. 117 utid Wurst eisen p. 14». 

u Die Stadt Basel, historisch und topographisch beschrieben von W. Th. Streuber .Basel l«5fi/ p. 36. 
i« Epitome Hut. Baa. p. 129. 




Die Statue Rudolph'« von Habsbuhg ih Seidenhofe zu Basel. 



67 



Haus entspricht genau der angegebenen Lage, indem es sich an das alte Stadtthor (ehemals porta 
cracis , jetzt St. Johann-Schwibbogen genannt) anlehnt, durch welches man von der Stadt her zu 
dem Prediger-Kloster gelaugt. Leider reichen die Urkunden des Hauses nicht so weit zurück, 
um Uber die Glaubwürdigkeit dieser Nachricht Sicherheit zu geben; Thatsache ist, dass Rudolph 
Hiiuser in Basel besass; ein solches befand sich z. B. in der Nilhe der Peterskirche, wovon die 
Urkunde noch vorhanden sein soll Jedenfalls darf ein Zusammenhang der Nachricht des Felix 
Faber mit dem Vorhandensein der Statue in dem betreffenden Hnnse angenommen werden, sei es, 
dass dieselbe wirklich in dessen Hof errichtet wurde, weil es früher sein Besitzthum gewesen war, 
oder dass Faber dieses Haus für das dem Habsburger gehörende hielt, weil es dessen Statue 
enthiilt. Übrigens steht die Sage von dem Absteigquartier keineswegs im Widerspruch zu Faber's 
Angaben, sondern scheint ihr eher zur Beseitigung zu dienen. Dass nun ein Bild zum Andenken 
an König Rudolph erst ein Jalirhundert späiter errichtet worden sein soll, setzt einigermassen in 
Verwunderung, und man kömmt bei einiger Überlegung von selbst zu der Annahme, zu welcher 
sich auch P. Hergott bekennt", dass das jetzige Bild bestellt wurde, nachdem ein früheres 
durch das schreckliche Erdbeben von 1356, welches Basel in einen Trümmerhaufen verwandelte, 
zerstört worden war. Es könnte daher das ursprüngliche Bild von dem, dem König so sehr 
ergebenen Bisehof Heiiu-ich Gürtelknopf gestiftet worden sein. 

Über den Zustand der Erhaltung der Statue gibt schon Amerbach in seinem ersten Briefe 
einige Andeutungen. Schon zu seiner Zeit war nicht allein das Sehwert durch ein neues hölzernes 
ersetzt , sondern beide Httnde waren abgebrochen und durch hölzerne ergftnzt worden. Ursprüng- 
lich soll die eine Hand einen Brief gehalten haben, womit, wie Amerbach meint, die in Basel 
empfangene Nachricht seiner Wahl angedeutet gewesen sein könnte. Ebenso vernehmen wir aus 
Amerbach'» Sclu-cibcn, dass die Statue bemalt war, wie dies auch heute noch erkennbar ist, und 
jrewiss ist im Laufe der Jahrhunderte die Farbe oft erneuert und wohl auch geHndert worden. 
Dass der im geschmacklosesten Zopfstyl des vorigen Jahrhunderts gemalte Hintergrund, welchen 
die Abbildung in P. Hergott's Pinacotheca zeigt", eine neue Zuthat war, braucht kaum erwähnt 
zu werden. Daher tH 11t auch Hergott's Kritik der Wappen dahin, da dieselben nicht sculptirt sind, 
sondern einen Theil der Malerei bildeten, welche jetzt nicht mehr vorhanden ist. Dagegen war, 
zufolge Amerbach, das österreichische Wappen Uber dem Portal des Hauses in Stein ausgehauen, 
lind aus den handschriftlichen Notizen des Dr. R. Faesch verneluuen wir, dass das Haus früher 
die Benennung „Österreich - führte '". Wie weit dieselbe zurückreicht, kann nicht nachgewiesen 
werden. Vielleicht war sie schon üblich, bevor das Haus eine sogenannte Burs, cL h. ein Convict 
lür Studierende war, und die Löwenburs genannt wurde. Der Name Seidenhof wurde dem 
Hause in den Neunziger Jahren des XVI. Jahrhunderts gegeben. 

Mündliche Mittluilun* von Dr. Fechten 
"« Putant nonnulli, iiuagineui hanc. ob lnemuriam snmpti post obsidionem nrbia, in c» domo ho»pitii, depictam fuisse: quo 
H-mel adroiwio, aeque dicenduui e»t, Mjhemati antiquo succesfiiwe hoc recentitm , et quideiu, ut MM »iinllc rat, post inngnum 
ttbm terrae BOtum, quo Baailea anno MCCCLVI petie everea fuit (Pinjitotheca III. p. 7>. 

Tom. III. tab XV, p. 1. 

•» Der Hoff an St. Jnhan Schwibogpn an dem innem Stadtgraben »fegen den Rein . ubi effigie* Und. I Iiup. Olim douius 
publica BtOdHl dicata. Bunm Leonin» die«, po«te» privat« dictu Oeetcrrk-h. Anno 15!» ab Italo Vincontino Zt-noino i-mptu. 
Dornen aeeepit Svldi-nhuf. 



II* 



68 



Edvard HlS. 



Beilagen". 
L 

(Aufschrift.) Dem Edelen Hochgelerten vnd Erenvestcn Herni Basilio Amerbachio, der 
Rechten Doctorn etc. Meinem günstigen lieben Herren, Basell. 

Edelcr Hochgelertcr vnd Erenvester, dem Herren Heyen meine alzeit willige vnd gevlissene 
Dienste zuvoran. Günstiger Herr. Vnd nachdem Ich gneter Zuversicht hin, dem Herren heede, 
mein nauie vnd auch die alte vor 24 yhanren zu Padua -° mitteinnnder gehabte Kunttsehafft noch 
gueter massen eingedenkh sein werde, Also habe Ich auff guetes Vertrawen nicht vnterlnsscn 
können, den Herren mitt diesem brievelein zu bemuehen, betreffend eine Kleine Sachen, durinnen 
mir der Herr, verhoffenlich, vor andern, behilfflich sein kau. Vnd ist nemlich dieses, das als Ich 
unlängst am Kay. Hofe zu Wien gewesen, mich alda ein hohe Person vnd gelerter Kay. Gehaimer 
Rath, mitt namen Herr Reinhard Strain Freyherr, als ein sunderlicher Aniator Antiquitatum, 
angesprochen, vnd mir angezaiget hatt, das, wie Er zum theyl von ertlichen Persönlich berichtet 
worden, vnd auch hernacher in der Vorrede des extendirten Sleidanj gelesen, das man bei Euch 
zu Basel, die whare Effigiem Imperatoris Rudolphi primj habe, vnd mich derhalben gebetten, 
yemand meinem Bckanttcn dahinn zu schreiben, vnd mich bey demselbigen nochmaals des grunds, 
wie es geschaffen, vnd obe solche Bildnus vorhanden, vnd in was gehl ongeferlich eine vleissige 
abconterfettung hievon zubekommen sein mochte, zu verkündigen. 

Vnd dieweil Ich dan für mein Person, dieses orts anderen bekautten nicht waise oder habe 
als« den Herren, So gelanget derhalben an den Herren hiermitt mein dienstlich freundlich vnd 
vertrewliche bitt, Er vnbeschweret so guetwillig Sich gegen mir erweisen, vnd mitt erster seiner 
gelcgenheit, mir dieser Sachen beschaffenheit, berieht zuschreiben wolle, dessen vollends obge- 
dachten Herren, zu seiner gdn. nachrichtung haben zu verstendigen. Vnd solche günstige Will- 
farung vmb den Herren, Ich hergegen wo möglich, in andere Wege zu beschulden, ganntz willig 
vTbittig bin. Dannitt Vns alle denen gnaden Gottes bevelhend. Datum in Xornbergk, Erichtags 
den 8 July Ao. 78. 

Dess Herren allzeit dienstwillig 
J. Kon ig. 

II. 

(Antwort des Bas. Am er ha ch an Joachimo Konig, Norimbergam.) 
Erenvester hochgelerther etc. Mein alzeit willige Dienst seien euch bevor, Günstiger her vnd 
alter freünd. Ewer schreiben hab ich vor schier zehen monat entpfangen. auf das aber von wegen 
des malers vnd ander Verhinderung bis hieher kein antwurt geben, bit derwegen solichen langen 
Verzug zu keinem veracht aufzunenmien, dan ich der alten guten freundschaft so wir zu Padua vor 
fünfundzwenzig iareu mit einander vilfaltiglich gehabt gar vol eingedenk, vnd dein Herren nach 
meinem vermügen vedienen ganz zrbllttig vnd bereit bin. Betreffend nun König Rudulfl'cn bild- 
nus 8o bei uns sein sol, vnd derwegen ir berichts begeret, Ist mir kein andere bewüst, dan ein 
steinen bild, so in einer alten behausung, die Löwenburs genannt Jl , vnd daran auch ein steinen 
Oesterichisch wapen ob der Hausthür eingesetzet, zu sehen, vnd halt man solich bild für Konig 

»» Dieser Briefwechsel butimlct »ich in der öffentlichen Bibliothek zu Basel und zwar die an Amerttach gerichteten Briefe 
in der Folge: Vuriomm Epistolau ad Auerbach; dessen Antworten dagegen im C'onceot in seinem hand&chriftlichen Xachhue. 
Bd. Ü. IV. 15. 

*> Ba». Amerbsch »tudirte zu Padua vom Octobor 1551! bia September 1555. 

ii So wurde iu Units damals noch genannt , wiewohl ca schon 151S aufgehört hatte, eine Bura. d. h. eine gemeinschaft- 
liehe Wohnung für Studenten zu »ein. 



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Die Statue Rudod'h's von Habsburu im Seidenhofe zu Basel. 



G9 



RudolfTen. Ob e» aber eine desselben wäre conterfettung seie", zweifei ich heftig, indem es andern 
seinen conterfetungen als die bei Francisco Tertio Bergomen, in familiam Austriaci, Huberto 
Golzio in Ce»aribus auch thesauro Jacobi Stradae M zesehen, desgleichen auch der österreichi- 
schen Fürsten Physionomi, auch M. Alberti Argeuthicnsi beschreibung [von] dem leben vnd einem 
solchen alter so er datzmal wie er zum Romischen konig crwehlet, auf sich gehabt, vngleich- 
formig gestaltet ist, als ir dan aus beigeschicktem abris, so dem rechten Bild nicht vngleich nach- 
tuschirt, sclbs zum theyl sehen werden. Harneben so ist auch das ietzig sehwert so holtzin, vor 
wenig iaren dem bild angemacht, dan das vordrig änderst nemlieh mit eim ninden knöpf, als ich 
verstand, geformirt gewesen sein. So seind auch am alten bild beide Hend abgebrochen vnd jetz 
von iemand andere angemacht vnd möchte derhalben war sein, das solich Bild vorzeiten ein brief 
solle in der Hand gehabt haben, wie etliche recensiore» darvon geredt haben, der vrsaeh das als 
datzmal Graf Rudolf die stadt alhie belegert, vnd seiner walh halb die Botschaft vnd schreiben 
erstlich in die »tat herkommen, hab die stat ime dieselb zu verkünden vnd zu überlifem etlich 
fürnemen personell zugesendet, ilarauf gleich der frid gevolget, welche meinung zum theil, aber 
nit gentzlich mit Alberti Argentinensi fUrgeben zustimmet. Was nun solich bild nachzemalen 
für costen crhcuschcn würde, dieweil ir nit melden, ob das gemeld in des bild» grösse, so dem 
leben »ich vergleichet, oder kleiner, von «1 oder leimfnrben, mit steinfarb allein oder graw vnd 
wie man steinin bilder zemalcn pfleget oder mit andern färben, wie dan auch da» Bild mit färben 
angestrichen ist, »ein sole, kau ich nicht anzeigen, verhofte aber ich wolte auf tuch von Ölfarben 
von des bilds grösse mit zehen gülden vleissiglich verfordem lassen. 

m. 

(Aufschrift.) Dem Erenvesten Hochgelertcn Joachimo Khönig der Stadt Nürnberg Syndico 

Meinen Ilmbesonder» lieben Freund. 

Erenvester Innsonnders lieber Hcit Khönig, Euch sein mein guetwillige üiennst zuvor, Eur 
schreiben sambt zweyen vberschickten Abriss Rudolphi primi Inip. effigie hab ich zu sonndem 
freundlichen Danckh empfangen Vnnd was Ir desswegen von mir aussgelegt vnnd noch aussiegen 
möcht . das will ich nit mit wenigem Danckh hinwider erstatten. Al»o hab Ich auss des Herrn 
Amerbiichii schreiben sein censuram von diser bildnus gar gern vernomen. Trag selbst sorg e» 
habe die mainung, Wiewohl mich weder Golzii, FranciRci tertii , noch Stradae Auctoritas sovil 
beweget, dann Ich wol waiss, das Ir khainer die rechte contrafeit haben khönne, als» des Alberti 
Argentinensi», qui mit aequalis illorum temporum. Aber wie dem »ei, so wierdet es doch, weil die 
Jarzall zugleich cum Imperio Rudolphi zuestimbt, meines erachten» auf sein person gemaint sein 
werden. Vnnd weil sich Herr Amerhachius so guet willig darbey zu bemühen anerbeut, so bitt 
Ich, Lue neben Vermeidung meiner vnbekhanten Jedoch willigen Dienst c. cuiu» doctrina ego iam 
pridem niagnifeci. Erstlicheni seiner gehabten bemüliung freundlichen Danckh zu sagen, Vnnd 
dann zu bitten, das Er wie sein schreiben vermag, dise» bildt mit oelfarben in der gröss, wie es 
am Im selbst ist vnnd das Er vmb 10 fl. zu ertzeugen vermaint, nachmachen, vnnd Euch mit 

s* Diene Felge vol. Kupfemichen i»t von Caewir ab Avibu. (1573), das BUd Ku«b.||.h » I. ist nach deaaen Statue genou.« 
inen, welche »ich am Grabmal Maximilian - » I. zu Insbrurk befindet und ein Werk de* Bildhauer« Alexander C olin von Mechcln 
(UM) int. Für den Knpf hat diesem Künstler vielleicht eine Abbildung der Reiterstatue am Straaalmrger Mtituter zum Vorbild 
gedient. 

a» Holzschnitte in O'lair ob»cnr nach alten Münzen und Medaillen ; die pnite Auagnhe im von 15 .v Der Kopf de» König» 
Rudolph zeichnet sich durch einen mächtigen Schnurrbart au«. 

Imperatnrum rouianoruui ninnium orientalium et occidentalium verissima iuingines ex antiqtiia miiuismatis quam lidclia- 
siinc dclineatne. Additn cuiu* vitae descrlptione ex thesauro Jacobi Stradae etc. Kiguri ex off. Andreae Oefcsneri. 15A3. Die Köpfe 
sind nach Zeichnungen des Kud Manuel Deutsch, von Rud. Weiasenbaeh ziemlich roh in Holt geschnitten. 



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Edvard His. Die Statue Kcdolph'* von Habsbürg im Seidenhove zu Basel. 



gelegenheit zuekhomen lassen wolle Also auch wilr mir gedient mit den Contrafecten Hertzog 
Leopolds Ratben vnnd der anndern wappen, Vnnd was es khosten wierdt, etc. (Der Übrige Thcil 
des briefes enthalt andere Auftrage.) 

Freidegg den 23 Septembris Ao 79. R Sirein. 

NB. Obiger Brief war eingeschlossen in einen des Joachim König an Basilius Amerbacb, 
welcher aber nichts zur Sache gehörendes enthalt. 

IV. 

Bas. Amerbacb an J. König. 
Erenvester hochgelertcr etc. Mein freundliche willige Dienst seien euch jederzeit bereit 
Gunstiger lieber Her vnd freund. Rudolphi Imp. imaginem mit Ölfarben auf tuch gemalet, in einem 
hültzin ror, neben einem buch mit gewicbstcn tuch vberzogen dorin der zu Scinpach erschlagenen 
wapen verzeichnet, hab ich mit etwas Namen anschreibung Isaac Lithtenhan burgern alhie vber- 
geben, so mir dieses r.uf Nürnberg Marxen Sonneren zuversenden versprochen, von dem irs veihof- 
lich empfahen vnd demnach Hern Streinen sambt beigelegten Brieflin zu vberschicken vnbe- 
schwert sein wollent. Wo nun dem Herren Streinen seins gefallens gedienet, were wir ein sunder 
grosse freud, Wo aber nit, bin ich vnbeschwert jetz abgeschickte stuck wider zu nemmen, vnd euch 
die zwentzig empfangen gnldiu gut zemachen. Sonst den uncosten betreffend , hab ich um das 
buch sehen guldin, dem maier so die conterfeht gemacht acht guldin zalt, vmb das tuch doruf 
gemalet worden, vnd ror neun batzen etc. (Der tibrige Thcil des Briefes betrifft andere Auftrüge, j 
Hiemit euch in den schirm des almechtigen bevelhend dat. Basel den 28 Ängsten Ao. 1580. 
Meinen glinstigen Herren den beiden Hern Geudern vnd Pamgartcn wollen meine willige Dienst 
zuvermelden vnbeschwert sein. 

V. 

(Basilius Amerbacb an) Kichardo Streinio, Viennam. 

Wolgeporner gnediger Her E. Gn. seien mein vnderthenige willige Dienst jederzeit bereit. 
Die steinin bildnis so für Konig Kudolffen conterfeht gehalten wirt, hab ich in der grosse vnd 
gstalt, das ist, sovil mir müglich gwesen, gleichfönnig mit Ölfarben vf tuch abmalen, haniacheu 
der begrebnis" Annae Hohenbergensis ltodolplii uxoris, so in der Domkirchen alhie sambt einem 
jungen Herlin Karol genant vergraben ligt , wie dieses Albertus Argentiuensis bezeuget, 
vf ein papir abrciss L n lassen, auch der erschlagnen zu Sempach wn]icn in ein buch verzeichnet. 
( rkauffet Vnd dieses alles in ein papir eingemachet dem Nürnbergischen Syndico Hern Joachinio 
König zugeschickt, von dem es E. G. verhoflich entpfangen worden etc. etc. 

Basel den 28 Augusti Ao. 80. 

Diu (iruboiHl <Ur Königin Anna. 



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Herzog Rudolph's IV. Schriftdenkmale. 

Von Du. Fbanz Konsensen. 

B, i einer eingehenden Untersuchung des Urkundenwesens Herzog ltudolph's IV. boten sich 
mir verschiedene Momente dar, welche über den Rahmen speeifisch diplomatischer Betrachtung 
hinausreichen und bereits in das nahverwandte Gebiet der Alterthumsforschung hinübergreifen, 
wesshalb eine kurze Besprechung der hier in Betracht kommenden Punkte in diesen Blattern 
ihren rechten Platz finden wird. 

Wenn sich je die Individualität eines Fürsten in den von ihm ausgestellten Urkunden zu 
erkennen geben kann, ho ist dicss vor allen Andern gewiss bei Rudolph der Fall, dessen Ge- 
schichte daher auch mit Recht als eine im eigentlichen Sinne des Wortes diplomatische betrach- 
tet werden kann. Das lebendige Bewusstsein seiner Fürstenwürde, das sein ganzes Wesen erfüllte, 
brachte es mit sich, dass er allem, was von ihm ausging, eine gewisse Wichtigkeit beilegte. 
Daraus, sowie aus dem sichtlichen Streben, Uberall persönlich einzugreifen, ist es wohl auch zu 
erklären, dass er «lern Schrift- und Urkundenwesen die eingehendste Aufmerksamkeit widmete. 
Eine sorgfaltigere Erziehung hatte ihn im Gegensatze zu den Fürstensöhnen seiner Zeit mit der 
Kunst des Schreibens vertraut gemacht; — einmal in dieser Richtung angeregt, liess er es bei 
der gebrauchlichen Schrift nicht bewenden, sondern einem Zuge seiner Natur, der Vorliebe für 
das Mysteriöse folgend erfand er eine eigentümliche Zeichen- und Geheimschrift, deren er sich 
bei verschiedenen Anlassen bediente und die ihm den Ehrcnnamen des Sinnreichen (lat. Ingc- 
niosus) verschaffte. 

Was nun die Urkunden Rudolph's betrifft, so möge gleich im vorhinein bemerkt werden, 
dass für unsere Frage wohl die meisten der von ihm ausgestellten Schriftstücke in Betracht 
kommen, nicht aber jene unltchten sogenannten österreichischen Haus- Privilegien, obwohl deren 
Fälschung dem Herzoge, und zwar nach dem heutigen Stande der Forschung, mit Recht 
zugeschrieben wird. Er war der erste österreichische Fürst , der mit denselben hervortrat 
und sie zur Geltung zu bringen suchte. Als es ihm jedoch nicht gelang, die Bestätigung des 
Kaisers zu erlangen, nahm er jjegen denselben sofort eine widersetzliche Haltung ein, die zum 
offenen Bruche führte, um so mehr, als der Herzog die ganz in seinem Sinne lautenden Bestim- 
mungen dieser Freibriefe praktisch durchzuführen suchte, wie dies« nicht nur aus seiner zwei- 
deutigen Stellung zum Kaiser nur zu deutlich hervorgeht, sondern auch schon aus der ganzen 
Beschaffenheit der von ihm ausgestellten Urkunden zu ersehen ist. 



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72 



Du. Fu. KcuicuNtit. 



Die Urkunden des Herzogs theilen sich schon in ihrer Äusseren Form in zwei wesentlich 
verschiedene Gruppen. Während alle jene Schriftstücke, die über minder wichtige Gegenstände 
ausgestellt sind, ails Erneuerungen kleinerer Lehen, Reverse, Pfandbriefe Uber geringere Beträge, 
Auftrüge verschiedener Art u. dgl. sich von den gleichartigen Urkunden seiner Vorgänger und 
Nachfolger kaum unterscheiden, erscheinen die grösseren Diplome, zumal solche, durch welche 
Privilegien und Freiheiten verschiedener Art verbrieft oder Stiftungen beurkundet werden, mit 
einer Pracht ausgestattet, wie sie auf diesem Gebiete überhaupt nur möglich ist. Offenbar 
inusste der Herzog, vermöge der iluu eigenen Auffassung seiner fürstlichen Stellung Briefe 
dieser Art als Emanationen seiner fürstlichen Machtvollkommenheit betrachten, die doch auch 
Kusserlich den Glanz ihres Urhebers manifestiren sollten! Und in der That kommen dieselben in 
ihrer Süsseren Form den Diplomen der Kaiser und Könige gleich, ja sie überbieten dieselben 
noch in Bezug auf ihre geschmackvolle Ausstattung, die ihnen in Verbindung mit der stylistischen 
Fassung nicht selten das Gepräge des Erhabenen und Feierlichen verleiht. 

Zuniichst füllt der Titel auf, der sich gegen die bisherige Gewohnheit in hochtönenden 
Ausdrücken bewegt. Die Titelsucht des Herzogs zeigte sich schon in seinen noch bei Lebzeiten 
des Vaters ausgestellten Urkunden, in welchen er eine Reihe von Titeln selbst von minder 
bedeutenden Besitzungen seines Hauses annahm. Wllhrend eine solche Häufung von Titeln mehr 
als ein Spiel jugendlicher Eitelkeit zu betrachten ist, verdient es um so mehr Beachtung, wenn 
der Herzog nach Antritt seiner Sclhstregicrung alle die nichtssagenden Titel zwar fallen Hess, 
aber schon nach kurzer Zeit andere, minder harmlose sich anmasste, die einem Herzoge von 
Osterreich offenbar nicht gebührten. So nennt er sich Pfalz-Erzherzog (Palatinus archidux) oder 
doch Erzherzog, ferner Füret zu Schwaben und Elsass (auf den Siegeln Herzog von Schwaben 
und Elsass) und des heil, römischen Reichs Oberst-Jilgermeister. 

Der eigentliche Urkunden -Text, der dem Titel folgt, wird hilufig mit einem allgemeinen 
Satze eingeleitet, welcher sich nicht selten in der Betrachtung der fürstlichen Macht und Würde 
ergeht. Zur grösseren Bekräftigung des Beurkundeten, oder vielmehr zur Steigerung des feier- 
lichen Eindruckes wird, ganz nach Art der Kaiser-Urkunden, eine lange Reihe von Zeugen ange- 
führt, unter denen gar hilufig vor dem zahlreichen Hofstaate des Herzogs die Namen erlauchter 
geistlicher und weltlicher Fürsten erscheinen. Eigentümlich und in herzoglichen Urkunden 
ungewöhnlich ist ferner die Datimngs-Weise. Rudolph begnügt sieh nicht mit der Angabe von 
Tag und Jahr, sondern setzt noch, nach der Gepflogenheit der höchsten Häupter der Christen- 
heit, das Jahr seiner Regierung bei und überdiess noch das Jahr seines Lebensalters. 

Das bemerkenswert beste und nicht nur in diplomatischer Beziehung interessanteste Moment 
in den Urkunden Rudolph'.* ist jedoch seine eigenhändige Unterschrift. Mit Rücksicht auf die 
Wichtigkeit, welche der Herzog seinen urkundlichen Acten beilegte, und das Streben, überall 
persönlich einzugreifen, ist es leicht erklärlich, dass er die unter seinem Namen ausgestellten 
Urkunden auch mit eigener Hand bekräftigen wollte. Übrigens scheint ihm, der so gern die Form 
der kaiserlichen Urkunden nachahmte, das Monogramm derselben vorgeschwebt zu haben, welches 
als Handmal der Könige galt, mit der Königswürde unzertrennlich verbunden gedacht wurde 
und demgemilss in hohem Ansehen stand. Eine Nachbildung desselben konnte Herzog Rudolph 
füglich nicht vornehmen, einen Ersatz dafür konnte er aber in der offynen Unterschrift finden, 
mit welcher er, der erste deutsehe Fürst, seine wichtigeren Urkunden versah. Mit Rücksicht 
hierauf können die betreffenden Urkunden dieses Fürsten als eben so viele Schriftdenkmale seiner 
Hand betrachtet weiden. Die Unterschrift Rudolph's erscheint in zwei Formeln, einer vollen und 
einer einfachen. Beide werden mit einem Kivuzzeichen begonnen und auch geschlossen, während 
die einzelnen Worte genau und kräftig interpungirt sind, wodurch die Unterschrift ein gewisses 



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Herzoo Hi Doi.rn's IV. Schbiftdenkmal. 



73 



cpigraphischcs Gepräge crhlllt. Die volle Formel hat den Charakter einer vollinhaltlichen end- 
giltigen Bekrüftigunjf des in der Urkunde Verbrieften, und erseheint dnrum nnch nur bei Er- 
tbeilung neuer oder Coinfirination älterer Rechte und insbesondere in Stiftbriefen '. Sie kommt 
je nach der Sprache der zu bestätigenden Urkunde lateinisch oder deutsch vor und lautet gewöhn- 
lich in ihrer lateinischen Fassung: 

f Nos . Ruodolfus . duz . predictus . omnin . premissa . ha«- . subscriptione . manus . 

nostre . roboramus f 

Statt : „omni« prcmissa u heisst es häufig: „presentes litteras" oder „haue paginam"; bei 
„manus nostre" findet sich oft noch „proprie" beigefügt. 

In deutscher Sprache gewöhnlich: 

f\Vir . der . vor<reuant . herzog . Ruodolf . sterken . diesen . prief . mit . dirr . 

vnderschrift . vnser . selbs . haut f 

Neben „Sterken" kommt zuweilen noch vor: „vnd besteten", statt: disen prief findet sich 
öfter: „dis gesrift. dis obgenannte saehe alle", statt: „dirr" auch die offene Form: „discr" -'. 

In einigen Füllen findet sich gleichwohl unter einer lateinisch textirten Urkunde eine 
deutsche Unterschrift. So 13(50, 4. Juni und 13(53, 20. Mai über Beisetzung von Reliquien. 
Original im Domcapitcl-Archiv; 1363. 9. Octobcr, für Freiburg im Uechtland 3 ; 13(54, 30. März, 
für die Karthause Freudnitz, Original im Staats-Archiv; 13(55, 12 Miirz, Stiftung der Universität, 
Original im Universititts-Consistorial- Archiv. Von den bereits angedeuteten kleinen Varianten 
abgesehen, bleibt die Unterschrift, sowohl was die Wahl des Ausdrucks, als auch die Schreibung 
der einzelnen Worte betrifft, immerfort constant. Vor allem ist die interessante Wahrnehmung zu 
beachten, dass Rudolph, der sich im Titel der Urkunde Pfalz-Erzherzog oder doch Erzherzog nennt, 
sich selbst immer nur einfach Herzog schreibt. Seinen Namen gibt er regelmässig mit Ruodolf 
oder Ruodolfus. 

Der Herzog schreibt eine sichere und kräftige Handschrift, welche je nach dem Raumver- 
hiiltniss der Urkunde grösser oder kleiner ausgeführt erscheint. In einzelnen Fällen sind Anfangs- 
buchstab und Kreuzzeichen einigennassen verziert. Die Unterschrift zieht sich unter dem Texte 
gewöhnlich in einer Zeile hin und füllt so nicht selten die ganze Breite der Urkunde aus, so dass 
die Recognition des Kanzlers, falls eine solche vorhanden ist, darunter nach rechts hin zu stehen 
kommt. Sonst sehliesst sich dieselbe gleich an die Unterschrift des Herzogs an und theilt sich 
meist in zwei bis drei kurze Zeilen ab. Nur selten, wie in der Confirmations- Urkunde von 1359 
10. August für Salzburg, ziehen sich die beiden Unterschriften in Einer langen Zeile hin, indem 
freilich die des Herzogs schon am äussersten linken Rande des Pergamentes ansetzt. Heide sind 
gleich gedrängt und klein, wobei noch zu bemerken ist, dass in der Unterschrift Rudolph's sowohl 
„nos" als .ruodolfus- mit kleinen Anfangsbuchstaben gesehrieben sind. Es ist dies übrigens der 
Zeit nach erst der zweite mir bekannte Fall, wo neben der Unterschrift des Herzogs auch die des 
Kanzlers erscheint. — In der lateinischen Unterschrift kommen mehrfache Kürzungen vor, der- 
gleichen die deutsche weit weniger aufzuweisen hat. Dies erklärt sieh einfach aus dem Umstände, 

1 lH-ingctnäss lautet auch die Unterschrift der noch bei Lebzeiten seines Vater» ISM*, t». Febr. zu (iuristen »einer Capelle 
neben dem Widmer Thorc ausgestellten Urkunde: l>az . dise . räch . vnzer . »rochen . beleih . so . haben . wir . der . uorgenaut 
herzog . nid'ilf . dis . vndet>rift . mit . vnser . selb* . hant . gesriben. 'Cnp. im Staate-Archiv.) 

' Feiner ist zu bemerken: vnser» . »eilt»' . hant üSä'.t. 15. N»v. fllr da» Fraucnkloster Prediger-Orden» in Graz. Org. d.;, 
vnsers . »etbes . hant. (1359, 20. Nov. Ersetzung des Obcrst-Jägcnmister-Amtc«, Orig. im Liecht. Archiv.» Nur einmal kommt 
da» »onst immer ausgeschriebene vnser abgekürzt vor: vnse mit dem Abkürzungszeichen darüber. — Ein Schreibfehler zeigt sich 
mir einmal, und zwar in dem Worte „vndersehiift" «elb»t, wo die beiden ersten lliichstaben durch einen nachgezogenen ver- 
bessernden Strich minder bestimmt hervortreten JSC3, 27. Jänner für den Hofmeister vnnTyrol, Heinrich von «Ottenburg. Orig. 
im Statthalt. Arrh. zu Innsbruck). 

Iloruiayr. Archiv VI. 479. 
XVII. U 



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Dr. Fr. KüRgcitxzB. 



dass im Lateinischen durch langjährige «tetige Übung gewisse Wortkllrzungen sich eingebürgert 
hatten, was im Deutschen nicht in dem Masse der Fall sein konnte, wenn anders nicht die Deut- 
lichkeit darunter leiden sollte. 

Ausser der grossen Subscription gibt es, wie bereit« erwähnt, noch eine kleine, welche sich 
als eine einfache Bcglaubigungsformel darstellt und ohne Unterschied sowohl in lateinischen als 
deutschen Urkunden: f hoc . est . verum f lautet. Dieselbe kommt aber erst später in Gebrauch, 
und zwar findet sie sich meines Wissens das erstemal 1361, April, auf einer zu Gunsten 
der Kirche von Luzern ausgestellten Urkunde und erscheint von da ab regelmässig auf allen 
kleineren Schriftstücken mehr geschäftlichen Inhalts, wo es sich also nicht um Freiheiten und 
Rechte, sondern vielmehr um Abmachungen über Geld und Gut handelt. Nur ausnahmsweise 
erscheint diese kleine Subscription auch in grosseren Diplomen. So 1 3G3, 12. September, Bestä- 
tigung der Privilegien des Minoriten-Klostcrs zu Bozen; 1;H!5, Juni, Bestätigung der Caplanei- 
Pfründe zu Luzern: und endlich in einer interessanten Urkunde von 1304, 4. Juni, über die 
Stillung eines Hauses am Friedhofe St. Michael in Wien zu einem Pfarrhufe für die gleichnamige 
Kirche. (Orig. im Wiener Stadt-Archiv.) Hier ist die Unterschrift f hoc . est . verum + mit Gold- 
Tinetur sorgfältig ausgeführt, und steht in dieser Beziehung als Unicum da. Ein etwa durch den 
Gegenstand selbst gerechtfertigter Grund für diese vereinzelte Anwendung von Goldschrift lässt 
sich nicht finden, vielmehr scheint dieselbe auf eine zufällige Veranlassung zurückzuführen zu 
sein, die sieli einem Fürsten, welcher Sinn für das Schriftwesen hatte, leicht darbieten konnte. 
Übrigens finden sich unter den Urkunden Kudolph's anderweitige Beispiele von Goldverzierung 
vor, wie in der Stiftungsurkunde der Universität, wo die Worte der Invocation sowohl der latei- 
nischen als der deutschen Ausfertigung in Göhl schön ausgeführt sind. 

Line zumeist in die Augen fallende Zierde der Urkunden Kudolph's sind endlich die 
Siegel, welche in Anbetracht ihrer künstlerischen Ausstattung auch nicht verfehlt haben, die 
Aufmerksamkeit weiterer Kreise auf sieli zu zielten. Das Siegel, welches Rudolph unmittelbar vor 
und nach seinem Regierungsantritte führte, hat noch eine verhältnissmässige einfache Gestalt und 
trägt die Umschrift: Kvodolfvs . dei . graeia . dvx . Avstrie . Styric . et Karinthie. Zunächst nur 
für kleinere Urkunden bestimmt, wurde es subsidiarisch auch bei grösseren Diplomen verwendet, 
so lange noch das grosse Siegel nicht fertig war. — Im Frühling des Jahn s 135'J erscheint 
bereits das neue grosse oder Majestäts-Siegel Kudolph's und entspricht genau den gleichzeitig neu 
angenommenen Titeln des Herzogs. Ks ist ein grosses Doppelsiegel, dessen Vorderseite das Rei- 
terbild lies Herzogs zeigt und in «1er Umschrift die Titel: Palatinus arehidux Austrie, Styrie. 
Karinthie, Sucvic et Alsacie enthält, während auf der Kehrseite der Herzog als des Reichs-Krz- 
jägermeister erscheint. Das Ganze stellt eine grosse fingerdicke Scheibe dar, in deren äusserem 
Rande sich die Inschrift findet: Imperii sevtum ferturque . cor . Austria . tvtvm . primus . Fride- 
rleus . testatur . cesar . avgvstus . illud . scriptum . qvam . roborat . aurea . bulla — eine Bezeich- 
nung, welche dem bekanntin unächten Privilegium majus vom Jahre 1150 entnommen ist. 

Neben diesem grossen Majestäts-Siegel erscheint gleichzeitig ein kleineres, welches den 
österreichischen Schild darstellt, auf welchem ein federgcschmUckter Helm ruht, während zu 
beiden Seiten je zwei Löwen die Wappen von Steiermark, Kärnthen, Habsburg und Pfirt tragen. 
Die Umschrift lautet: Rvodolfus . dux . Austrie . Styrie . Karinthie . Swevie et Alsacie. Da diese 
und die anderweitigen Siegelformen in der diesbezüglichen Zusammenstellung von K. v. Sava 
(Die Siegel der österreichischen Regenten, Mitth. der k. k. Central-Commission 1867, S. 171 ff.) 
genau beschrieben und abgebildet sind, so möge hier eine Hinweisung auf diese sorgfältige 
Arbeit geniigen, nur einzelne bisher unbeachtet gebliebene Erscheinungen auf diesem Gebiete 
sollen weiter unten näher betrachtet werden. 



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Henzon Rcdolph's IV. Schriftpexioiai.. 



Es ist bekannt, wie die Anmassuugen Rudolph's, welche in seinen Urkunden so vielfach her- 
vortraten und eine praktische Anwendung der gefälschten Haus-Privilegien verriethen, zu ernsten 
C'onflicten mit dein Kaiser führten, bis endlich Rudolph die Titel „Pfalz-Erzherzog", und „Herzog 
von Schwaben und Elsass" ablegte und sich hinfort Markgraf von Burgau und Landgraf in Elsas* 
nannte, sowie auch die Siegel, welche ja gleichfalls diese anstössigen Titel enthielten, verwarf', 
indem er das grosse Siegel neu fertigen und das kleine entsprechend nbttndcrn Hess. Um so auf- 
fallender ist es nun, dass Rudolph, welcher seit der Vereinbarung mit dem Kaiser, September 1360, 
immer nur den einfachen 1 lerzogstitel führte, mit dem Schlüsse des Jahres 1 3« 1 zwar nicht mehr 
den Titel Pfalz-Erzherzog, wohl aber den eine» Erzherzogs wieder annahm, welcher denn auch 
auf dem neuen, damals fertig gewordenen grossen Siegel erscheint \ Da dieser Titel von nun ab 
ununterbrochen (in den grösseren Diplomen) fortbesteht, so ist wohl anzunehmen, dass dies mit 
stillschweigender Zulassung des Kaisers geschah, der zwar ungemein wachsam und eifersüchtig 
war in allem, was sein und des Reiches Ansehen und Vortheil betraf, der aber auch wieder viel 
zu klug und vorsichtig war, um nicht auch in Dingen, die ohne praktische Conseqiicnzen waren, 
zur Zeit Nachsicht zu Üben, zumal wenn dieselbe einem milchtigen Rciehsfürstcn galt, der über- 
dies sein Eidam war. S<> blieb also der Titel, wie gesagt, im grossen und ganzen bis zum Tode 
Rudolph's fortbestehen. Inzwischen brachte 13<>3 die Erwerbung Tyrols eine willkommene Bereiche- 
rung desselben, welche sich in dem Bilde des grossen Siegels leicht anbringen Hess, indem der 
Adler von Tyrol auf dem Bannerfcldc an Stelle des ohnehin schon auf «lern Siegelbilde ander- 
weitig vorhandenen österreichischen Wappens seinen Platz fand. Als im nächstfolgenden Jahre 
(1364) Rudolph auch von Krain den Herzogstitel annahm, wurde dies auf dem kleinen Siegel 
ersichtlich gemacht, welches nun eine neue Gestalt erhielt (Suva a. O. XI). 

An die Erwerbung Tyrols knüpft sich eine sphragistische Erscheinung der interessantesten 
Art. die bisher wohl nur wegen ihres seltenen Vorkommens unbeachtet geblieben ist. Es ist 
leicht begreiflich, mit welcher Freude die glückliche Erwerbung Tyrols den Herzog erfüllen musstc, 
eines Landes, dessen Besitz von den drei mächtigsten Fürstenhäusern des Reiches, Luxemburg, 
Habsburg und Wittenbach mit so viel Eifer angestrebt wurde. In einem Briefe an den Dogen 
von Venedig gibt Rudolph seiner freudigen Stimmung auch unverhohlenen Ausdruck: „Unend- 
lichen Dank -4 , schreibt er, „sind wir dem Höchsten schuldig, dass wir in den Besitz Tyrols, 
dessen nächster Erbe wir allerdings wegen der väterlichen Verwandtschaft sind, auf s<> fried- 
lichem Wege ohne den geringsten Widerspruch gelangt sind" '. Zur Erinnerung daran liess 
der Herzog einen Siegelring anfertigen, welcher im verkleinerten Massstabe den mit »lein Helme 
bedeckten österreichischen Schild darstellt und die merkwürdige Inschrift führt: „Felix Austria" 
— die erste urkundliche Erwähnung des nachher so sprüchwörtlich gewordenen, in der Folge 
so oft gesunkenen österreichischen Glückes! Dieses Siegel (Fig. 1) hat sich bisher nur an zwei 
Urkunden, und zwar als Contra-Siegel des grossen Siegels gefunden, von denen die eine, von 
1364, 9. März, Lehenbrief für Heidenreich von Meissau über die halbe Feste Wolfstein, im 
fürstlich Liechtensteinischen Archive, die andere, vom 12. März 13(14 Spruchbrief zwischen d u 
Juden Müsch von Marburg und Ilakkym von Gl ätz, im Staats-Archive liegt. An dieser 




einem Pergament-Streifen über die Beisetzung einer Reliquie aufgedrückt, worüber das Fi(f , 
Nähere weiter unten. 



« .s„v», .Sii-K*l .k-r «»terr. Klonten. T«f. VIII, Fi«, tfi. *». V K) . S. 171 f. 
> Uul>er. Grtchichte Rudolph'« IV.. 8. M. 



12» 



7(5 



D*. Fr. KtiiKCBHER. 



Ferner Holl hier Docb auf ein Siegel hingewiesen werden, welche« hier in Wien nur in einem 
einzigen Exemplare vorhanden int und wohl eben darum in der sonst so reichhaltigen Sammlung 
Sava's fehlt. Es stellt die drei Wappensehilde von Österreich, Steiermark und Kiirnten dar und 
führt die Umschrift: Rvodolfus dei gracia dux Austrie, Stirie, Karinthie etc. In seiner ganzen 
Gestalt ist es jenem nachgebildet, welches Albreeht II. und Otto, die unmittclharen Vorgitnger 
Rudolph'«, seit der Erwerbung KUrnteus 1335 führten, nur ist seine Ornamentik reicher und sorg- 
fältiger (Fig. 2). Unter diesem Siegel urkundete Bischof Johann von Gurk, des Herzogs Kanzler, 
als er die Verwaltung der Vorlande führte. Das hier in Rede stehende Siegel hitngt an einer zu 
Rheinfelden ausgestellten Urkunde von 1363, 3. Juni, welche sich im Staats-Archive befindet. — 
Withrend Rudolph auf der einen Seite zur Erreichung seiner weitgesteckten Ziele alle Hebel 
in Bewegung setzte und nur der Erhöhung seiner Macht zu leben schien, ist es um so über- 
raschender wahrzunehmen , wie er anderseits wieder, dein mystischen 
Zuge seines Wesens folgend, Kirchen und Klöster reich begabte, 
neue Stiftungen vornahm und mit besonderem Eifer von nah und 
fern Reliquien sammelte, die er dann mit grosser Feierlichkeit an 
geweihter Stiitte beisetzte. Welchen Werth der Herzog auf die Erwer- 
bung von Reliquien legte, ist schon aus den darüber ausgestellten 
Urkunden zu ersehen, welche mit seltenem Fleisse geschrieben und 
reich verziert, wahre Prachtstücke diplomatischer Ausstattung dar- 
stellen. Die beiden hier zuvörderst in Betracht kommenden Exem- 
plare gehören der Schatzkammer des fürstcrzbisehöflichen Domcapi- 
tels, wo sich noch anderweitige einschlägige Schriftstücke befinden *. 
Vor allen ist es die l'rkunde vom 4. Juni 1360. welche das grösste Interesse für sieh in 
Anspruch nimmt und sich geradezu als l'nicum in ihrer Art darstellt. Sie ist auf einem ansehn- 
lichen Perganientblatte enthalten, welches nach der schmalen Seite beschrieben, 20 Zoll hoch 
und lf> Zoll breit ist. Der Text ist durchwegs in grosser gothischer Bücher-Minuskel mit 
Sorgfalt ausgeführt. Die einzelnen Absäitze sind mit blauer Farbe markirt und die Anfangs- 
buchstaben der bedeutenderen Worte mit Roth nachgezogen. Das grosse fnitial-N in schöner 
Farben -Ausführung sendet zwei Abzweigungen aus, welche den Text nach Höhe und Breite 
umranken. (Taf. 2, Fig. 1.) So gleicht dieses Schriftstück mehr dem Initialblatte eines pracht- 
vollen Codex, als einem eigentlichen Diplome. Unter dem Texte erscheint die grosse Subscription 
des Herzogs, ihr in der Urkunde noch alle die prunkenden Titel führt und das prächtige Dop- 
pelsiegel gebraucht. Längs dein Rande ziehen sich, das Ganze nach drei Seiten umrahmend, 
die eigenthümlichen Zeichen der Geheimschrift Rudolph'« hin, Worte der Weihe enthaltend, mit 
welchen der Fürst die in der l'rkunde benannten Reliquien als Opfer Gott dem Herrn darbringt. 
Es sind dies die Leichname der Heiligen und Milrtyrer Trophimu«, Urban, Theodor und Sophia, 
welche der Herzog nach seiner eigenen Aussage aus weitentlegenen Gegenden zu seinem und zum 
Heil des Vaterlandes, sowie aller seiner Getreuen in den österreichischen Landen herbeigebracht 
hatte, und die er nun in einem schwarzen, mit Silber beschlagenen und vergoldeten Sarkophag 
in der Kirche zu St. Stephan beisetzte. Demgemäß« lautet auch das in der vorerwähnten Geheim- 
schrift enthaltene Weihegebet (Taf. I): Almechtiger. got . und . gewaltiger . herr . Jesu« . Christus, 
am . schepher . aller . ding . durch . deiner . mueter . megtlichen . eren . und . durch, deines . heili- 
gen . leichnams . und . durch . aller . deinen . heiligen . und . engel . willen . enpaeh . diez . opher . 

f. M diesem AnliiKu« kann ieh nicht umhin, «lern hoiliwHrdiRpn Herrn Ilmn-Canonicu» K nrnhaunel. der mir die Einsicht- 
nähme dieser Urkunden ermöglichte, »«wie auch Herrn l{e(rienm|rsratu v. Cauiesina, der mich von dem Vorhandensein der 
bfa ,, ils rata«) ptfOltMMII Urkunden und Sieffei in Kenntnis» ietlte, weinen verbindlichsten Dank auszusprechen. 




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lh.l/i.i, KcDOLPll's IV. SciIRIF TOESKMAL. 



77 



dir . ze . low . und . mir . rudolfen . herzog . und . katrein . meinen . weiw . und . allen . meinem . 
geswistreiten . und . allen . meinen . landen . zc . trost . amen : . liie.se Urkunde ist wohl ganz be- 
sonder» geeignet, den mystischen Zug in Rudolph'* ganzem Wesen, seinen Hang nach dem Geheim- 
nissvollen, zur lebendigen Anschauung zu bringen. Es ist darum ein sinniger Gedanke, diesem 
diplomatischen Prachtstücke seinen Platz im grossen Saale des Domcapitels unter dem Bildnisse 
Kudolph's anzuweisen, dessen Geist sieji darin so bedeutsam spiegelt. Nebst dieser Urkunde ist noch 
ein streifenförmiger Papierzettel, 3 Zoll hoch und 11 Zoll lang, vorhanden, welcher die einfache 
Bezeichnung der betreffenden Reliquien enthält und durch die Unterschrift des Herzogs f hoc . est . 
verum f beglaubigt ist. Das beigedrüekte runde Siegel (Fig. 3, 4) zeigt einen Schild mit einem 
eigentümlichen Zeichen, trügt die Umschrift „Rvedgerv.s- und eine weitere Handschrift, welche 
nur mehr zum Thcil erhalten ist und in den Zeichen der Geheimschrift . . t . walte . . lesen liisst. 
Dieses Siegel bleibt noch immer eine rüthselhafte Erscheinung, deren Erklärung auch durch die 
Bemerkung nicht weiter gefordert wird, ilass ein Ruedgems um diese Zeit als Notar der C'on- 
stanzer Diöcese vorkommt. Das dazu gehörige, rückwärts aufgedruckte Gegensiegel zeigt den 
Hehn mit der Zinkenkrone auf den österreichischen Schild gestützt und trägt die Umschrift: 
,RvdoltVs dvx Avstrie et ect-. Dieses letztere findet sich übrigens als selbständiges Secret an 
einigen kleineren Papier-Urkunden des Herzogs. 

Die zweite Urkunde ist am 20. Mai 13G3 ausgestellt und in ähnlicher Weise, wie die erst- 
genannte ausgestattet i Taf. IL) und obwohl gleich dieser lateinisch abgefnsst, mit der grossen 
Unterschrift in deutscher Sprache versehen. Sie handelt von der Beisetzung der Leichname der 
Märtyre Johannes und Paulus. Gervasius und Protasius. Felix und Adauctus in der St. Stephans- 
Kirche in einem ähnlichen Schreine wie die oberwühnten. 

Mit Übergebung anderer Reliquien soll hier noch hervorgehoben werden, 
dass der Herzog das gleichfalls am 20. Mai 13G3 beigesetzte Armbein des heil. 
Nicolaus des Bekenners dem Andenken und Seelenheile seines am 10. Deccinbcr 
des Vorjahres verstorbenen Bruders Friedrich widmet«-, der ihn bereits in den 
letzten Jahren auf seinen Zügen begleitet hatte, und unter anderem auf dem 
kurzen aber glänzenden HoHagcr zu Zofingen (im Aargau) 24. — 27. Jänner 
1361 an seiner Seite war. Die bezügliche Aufzeichnung ist auf einem 3 Zoll hohen und gegen 
21 Zoll langen Pergamentstreifen angebracht und möge, da sie meines Wissens in ihrem Wort- 
laute noch nicht bekannt ist. hier mitgetheilt werden: Istud brachium saneti Nicolai 
confessoris attulit de remotis partibus illustrissimus prineeps dominus Rndolfus dei 
graeia archidux Austrie. Styric et Karinthie, dominus C'arniole, Marchie et Portusnaonis, 
comes in Habspnrch, Tyrolis, Phirretis et Kyburch, marchio Burgogie neenon lant- 
grafius Alsacie, offerens predictuni brachium ad ecclesiam saneti (Stephani) Wienne ob 
remedium jncliti prineipis olim ducis Fridcrici fratris sui in eadem ecclesia sepulti, vbi 
etiain prefatus dux Rudolffus vua cum eonthorali sua et fratribus suis disposuit sepeliri. Condite 
sunt huc reliquic predicte sub anno domini M" CCC" sexagesiuio tercio in vigilia saneti Penthe- 
costes, etatis niemorati ducis Rudolftl XXIIII regimiuis vero quinto anuis. 

f Wir . der . vorgenannt . herzog . Ruodolf . Sterken . disen . prief . mit . dirr . vnderschrift . 

vnser . selbs . haut f 

: In dieser Handschrift stosften einzelne l'ngcnauigkcitcn auf : so ertcheiut in «Ilm» Worte opher (gegen Ende der zweiten 
Zeile dt'» Orig.i statt de» .> das Zeichen fUr h. was »ich daraus erkürt, dag« die Selchen für diese beiden Laute sieh zumeist 
nur durch die Brechung des Schaftes unterscheiden, der hier statt nach rechts nach link* gebrochen wird. Ferner heiaat et vor 
geawistroiten für meinen: meinem. - Da» hier vorliegende Kacsimile hat Herr Kegierungsrath von tameaina dem Originale 
treu entnommen, worauf Herr Hofrath Dr. Birk die bereit* schadhaft gewordene Urkunde mit sachkundiger Haid 
Ein Abdruck de» Textes bei Ogesser. Beschreibung der Metrouolitankircbe zu St. Stephan. S 113. 





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78 



Dr. Fr. Kürschner. 



Das links unten aufgedrückte kleine Siegel ist stark beschädigt, verräth aber doch die 
Identität mit jenem vorerwähnten, welchen die Umschrift Felix Austria trägt. 

Wenn die Urkunden dieser Art eine innige, von den Anschauungen seiner Zeit getragene 
Frömmigkeit verrathen, so tritt hingegen auf der andern Seite der nach hohen Dinpen strebende 
Sinn des Herzogs, sein Mnchtbeu usstscin und seine Praehtliebe in unzweideutiper Weise hervor. 
Dies zeigt sich vor allem in den (Iber die zwei wichtigsten, fllr alle Folge hochbedeutenden 
Stiftungen Rudolph'» ausgestellten Urkunden, der Universität und der Probstei zu St. Stephan. Im 
Gegensätze zu den Uber die Reliquien ausgefertigten Schriftstüc ken sind diese Diplome in voller 
Öffentlichkeit und unter Zuziehung zahlreicher Zeugen ausgestellt, welche der Herzog zu diesem 
Helmte aus seinen Landen berufen hatte. Von der Stiftung*- Urkunde der Universität vom 12. März 
1365 ist sowohl das lateinische als deutsche Exemplar vorhanden; beide sind sorgfältig ausge- 
stattet] iu den Worten der Invocation mit Gold verziert und fallen durch ihre ungewöhnliche 
Grösse auf; insbesondere dürfte das (grössere) deutsche Exemplar bei seiner Höhe von 32 Zoll und 
einer Länge von 51 Zoll zu den umfangreichsten Stücken jener Zeit gehören. Beide tragen die 
deutsche Unterschrift des Herzogs und seiner Bruder Albrecht und Leopold, sowie die Rccogni- 
tion des Kanzlers. Die Stiftungs-Urkunde der l'robstei zu St. Stephan ist vom 1(5. März 13<;f> datirt, 
in ähnlicher Weise ausgestattet und mit den Unterschriften Rudolfs und seiner Rriider, seiner 
Gemahlin Katharina und seiner Schwester Katharina, Nonne im St. Clara-Stifte zu Wien, versehen. 

Bald nach diesen Feierlichkeiten brach Rudolph mit einem stattlichen Heere nach dem Süden 
auf, um die Verhältnisse daselbst zu ordnen und sein Ansehen gegen den Patriarchen und den 
mit diesem verbündeten Franz von Carrara geltend zu machen. Doch schon während der Reise 
erkrankt, eilte er gleichwohl noch nach Mailand zu dem ihm befreundeten Herrn Barnabo Vis- 
conti, wo ihn schon am 27. .1 tili ein früher Tod ereilte. Noch drei Tage vor seinem Ende liess er 
für seinen K;unmcraici*tcr Johann von Lassherp eine Versehreibung ausfertigen, unter die er 
noch seine Unterschrift: f hoc est verum f setzte 8 . Die Schriftzüpe sind hier unsicher und lassen 
die zitternde Hand erkennen, die sie schrieb — das letzte bekannte Schriftdenkmal Rudolph'*! 

In der Stephauskirche, mit' 'Irr dem Doinhcrrnhof zugekehrten Seite, in der Vorhalle des 
s. gl BischoftboreS, befindet sich an der Wand des Strebepfeilers eine in der Geheimschrift aus- 
geführte Grabschrift des Herzogs, welche wiederholt, zumal um Mitte des vorigen Jahrhunderts 
Gegenstand genauer Untersuchungen war. ('her die Entzifferung derselben erzählt Martin Gerbert 
in seiner Taphopraphia principuin Austriac (4. Bd. zu Herrgott, Hon. aug. domus Aust. S. 173 ff.), 
dass Gottfried Hessel, Abt von üötweih. der berühmte Verlasser des chrouicon Gotwiccnse (1732» 
die Zeichen dieser Geheimschrift für Runen hielt, deren Besprechung er sich für den zweiten 
Band seines Werkes vorbehielt, was jedoch in Folge seines bald darauf erfolgten Todes unter- 
blieb. Inzwischen hatte sich aber Gerbert au die hervorragendsten Sehriltkcnner und Altcrthums- 
forscher seiner Zeit gewendet, jedoch ohne Erfolg. So äusserte Heitmann, dass diese Schrift 
erfunden sei, um eben von niemand verstanden zu werden. Beuchwitz bezeichnete sie als eine 
wahre Verstandesfolter; Riesling, Professor in Leipzig, machte die Bemerkung, dass dieser 
runiseh-gothischen Schrift einzelne griechische und lateinische Elemente beigemengt erscheinen. 
Dagegen sprach sich Hans Gram (Graminius), Professor in Kopenhagen] der vorwiegend philo- 
logisch-historische Studien betrieb und auch eine Runen - Inschrift publieirt hatte . in einem 
Briefe Vom 17. März 1742 dahin aus, dass hier keine Runenschrift vorliege, wenigstens keine 
solche, wie sie sich als Steinschrift in Dänemark und Schweden noch vorfinde. 

Nach so vielem Hin- und II erfragen fand sich endlich, wie Gerbcrt weiter sagt, zu Hause, 
was man bisher auswärts so lange vergeblich gesucht, indem Gerberfs Freund. Johann Bapt. 

* Tut n, i. 



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IIkrzog Riidoi.ph's IV. Schriftdenkmal 



79 



Kepfcr, Hofrath von St. Blasien , den Schlüssel zu dieser Geheimschrift auffand, die nun nach 
«einer Deutung lautete: Hic est sepultus dei gratia «lux Kudolfus fundator. 

Womit man sich aber im XYIII. Jahrhunderte den Kopf zerbrach, war schon im XVI. Jahr- 
hundert kein ungelöstes Riithsel mehr, indem bereits 1535 P. Apianus in seinen Inscriptioncs 
sacrosanetae vetustatis (pag. 403) die. eigentlich von dem Grafen Jacob Fugger herrührende, 
Losung in Folgendem brachte: Hic est sepultus dominus dux Rudolfus fundator. Als Gerbert 
hievon Kenntniss erhielt, hatte er wenigstens die Genugthuung, dass die von ihm veranlasste 
Entzifferung durch diese Übereinstimmung sich bewährte. Trotzdem blieb und bleibt noch immer 
eine Stelle zweifelhaft, welche auch an beiden Orten, wie wir sehen, eine verschiedene Deutung 
findet, indem Gerbert „dei gratia", Apian aber (.dominus - * liest. Die Inschrift stellt nämlich zwei 
Zeilen dar (Taf. II, Fig. 5), welche nach den bisherigen Abbildungen gleiche Lange haben a . Im 
Originale selbst greift jedoch die untere Zeile um drei Zeichen weiter hinaus als die obere, welche 
demnach um so viel kürzer ist. so dass das Ganze sich nach der Auflösung also gestalten würde: 

Hic est sepultus il, e, n, 8 j 

>lux Rudolfus fuiula | tor 

Hier liegt auch die Schwierigkeit, indem nach dem Worte „sepultus" nur mein- vier Zeichen 
folgen, welche sich in genügender Deutlichkeit als die Buchstaben d, e. n, s darstellen und nach 
s noch ein kleines, einem lat. z ähnlic hes Zeichen wahrnehmen lassen. Apian erblickt hierin eine 
Abkürzung flir dominus, obwohl diese nach dem bestehenden Schreibgebrauchc des Mittelalters 
einfach mit «Ins gege ben wird, so dass selbst seine Conjectur, o für e zu lesen, nicht stichhaltig 
ist. Gerbert interpretirt diese Stelle mit „dei gracia", was zwar «lein Gebrauehe der Zeit entspre- 
chen würde, aber an den vorhandenen Zeichen keinen Anhaltspunkt findet. Eine Irrung in irgend 
einer Buchstabenform wäre nicht ganz auszuschließen, zumal diese Grabscluift auf eine verhält- 
nissmässig späte Entstehung hinweist, was sich auch aus dem langsam fortschreitenden Ausbaue 
des Domes erklärt. Der Umstand, dass die ganze Inschrift bis auf die letzten drei Zeichen (funda-) 
tor, also der Länge der oberen Zeile entsprechend, auf Einer Steinquader enthalten isf , jene drei 
Zeichen aber auf den nächsten Stein übergehen und im Ganzen neueren Datums erscheinen, lässt 
auf eine nachträglic he Ergänzung schliesscn. Man ist da versucht anzunehmen , dass auch die 
obere Zeile, welche doch der untern gleich gewesen sein mochte, ursprünglich noch einige 
Zeichen enthielt, welche zum Verständnis* der noch vorhandenen unerlässlich nöthig wären. — 
Gleichwohl war die so weit gelungene Deutung der Grabschrift nicht ohne Bedeutung, sie 
führte zur Entzifferung jener oben besprochenen Handschrift der Urkunde vom 4. Juni 1360. 
Schon Bessel, der vorerwähnte Abt von Gütweih , war auf dieses merkwürdige Schriftstück auf- 
merksam geworden; als er nun vernahm, dass Gerbert den Schlüssel der Gchehnselirift besitze, 
theilte er ihm diese Urkunde mit und freute sich der sofort ermöglichten Lesung, welche ohne 
die bereits erfolgte Entzifferung der Grabschrift immerhin noch Schwierigkeiten gemacht hätte, 
zumal man sicherlich gleich von vornherein einen lateinischen Wortlaut vorausgesetzt zu haben 
scheint. 

Endlich finden sich noch einige Worte in dieser Geheimschrift in einem in der Stifts- Biblio- 
thek von Klosterneuburg verwahrten kleinen Pergament-Codex (Xr. 122G), welcher verschiedene 
Gebete und erbauliche Betrachtungen enthält, darunter auch ein Fragment aus Suso's Buch der 
göttlichen Weisheit, au dessen Schlüsse es in den Zeichen der Geheimschrift heisst: „das puehel 
hat ein ent". Dieselben sind in schönem Mennigroth fein ausgeführt. (Taf. II. Fig. 2.) Da dieses 

9 Ausser Jen beiden bereits angeführten . di« das Original noch mm besten wiedergeben, befinden »ich Met Abbildungen 
• bei Hormayr, Wien VI, 1.13; — A. R. v. Perger. der Dom *n St. Stephan. S, 41»; - Ave Lnlleuiaiit. da« deutsche G.nmer- 
tlmin III. 319-50. 



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80 



Dr. Fr. Kürschner. Herzog IUdolpii's IV. Schriftdenkmal. 



Buch dem Clarissen-Kloster in Wien gehörte, wo Herzog Rudolph'« Schwester Katharina als Nonne 
lebte, bo liegt die Beziehung zur herzoglichen Familie immerhin nahe. 

Wie man schon aus dem bisher Angeführten entnehmen kann . stellt sich hier eine eigen- 
tümliche, durchwegs originelle Zeichenschrift dar, obwohl sich hie und da Anklänge an bereits 
vorhandene Alphabete und gewisse kryptographische Elemente erkennen lassen. Wenn man die- 
selbe vormals mit dänisch-schwedischen Runen in Verbindung bringen wollte, so konnte man 
sich dazu bei oberflächlicher Betrachtung wohl nur durch den Gesamintcindruck bestimmen 
lassen. Dies gilt denn auch von jenen Alphabeten, welche Vulcanius in seiner Abhandlung de 
litteris et lingua Getarum sive Gothorum, Lugd. Bat. 1547, nach Mittheilungen von Hogersiu« 
zusammengestellt hat , S. 43 f., und die ich hier nur erwähne, weil noch in neuester Zeit von 
Ave Lallemant a. a. O. 8. 349 darauf hingewiesen winde. Mehr Ähnlichkeit bieten einzelne 
Zeichen mit griechisch-römischen Elementen, wie bereits Kiesling bemerkt hat. So erinnern 1 und 
t an die griechische Majuskel A und T, letzteres mit zweimal gebrochenem Schafte, n an die 
griechische Minuskel; dagegen gleicht i dem nlt-slovenischcn Zeichen ziemlich genau. — Die 
Verwerthung der Buchstaben d und f deutet auf jene Art von Kryptographie, welche «lie gewöhn- 
lichen Buchstnbcnzcichen beibehält, ihnen aber durch Versetzung eine andere Bedeutung gibt; 
so wird d mit dem damals gebauchliehen Zeichen für f, dieses aber durch h, also den dritt- 
nHc listen Buchstaben bezeichnet, beide in Minuskelfoi-m, welche bekanntlich unseren lateinischen 
Druck-Typen entsprechen. Dagegen findet sich zu der gewöhnlichen Chiffre, welche bekanntlich 
die Buchstaben nach ihrer Stelle im Alphabet durch Zahlen ausdrückt, dabei aber selbst ver- 
ständlich verschiedene Ausgangspunkte wühlt, keine Beziehung« obwohl man versucht wird, bei 
der blossen Erwiihnung einer Geheimschrift zunächst an eine solche zu denken. Trotz der hier 
angedeuteten Anklänge an bereits vorhandene Elemente stellt die Zeichenschrift Hudolph's im 
ganzen und grossen ein System willkürlieh erfundener Zeichen dar, und ist somit als Geheim- 
schrift im eigentlichen Sinne des Wortes zu betrachten. 




I 

I 



1 

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81 



Die Stiftskirche des aufgelassenen Cistercienser-Klosters 
Baumgartenberg im Lande ob der Enns. 



ie Ermittlung der baugeschichtlichen Verhältnisse dieser unter der Itegierungszeit des deut- 
sehen Kaisers Conrad DL, und des österreichischen Markgrafen Leopold V. des Freigebigen 
(1136 — 1141) entstandenen, durch Otto Grafen von Machland gegründeten Cultus-Sttftte von 
beträchtlicher Anlage und künstlerisch reicher Durchführung bietet im allgemeinen keine 
.Schwierigkeiten; denn es finden sich an dem Hauwerke selbst zahlreiche Merkmale für die Alters- 
bestimmung; an mehreren Stellen des StiftsgebHudes sind auf die Haugeschichte Hezug nehmende 
Gedenktafeln angebracht, auch die Inschriften der in der Stiftskirche aufgestellten Grabsteine 
vermögen beachtenswerthe Aufschlüsse in dieser Hinsicht zu geben. Endlich sind auch in der 
vom Florianer Chorhemi F. X. Pritz verfassten Geschichte des aufgelassenen Stiftes und in den 
historischen Schriften des Chorherrn Fr. Kurz, welche bei der Bearbeitung des historischen 
Theiles dieser Abhandlung benützt wurden, mancherlei Angaben und Daten enthalten, die mit 
den noch erhaltenen Überresten der leitenden Merkmale in voller Übereinstimmung stehen. Die 
Untersuchung hat sich in dem Stiftsgebäude, welches gegenwärtig von Nonnen bewohnt wird, 
vorwiegend nur auf die «lern Laien zugänglichen Theilc und Aussenseiten beschränken müssen, 
daher nicht mit Gewissheit angegeben werden kann, ob in den für den Laien unzugänglichen 
Theilcn nicht noch weitere Anhaltspunkte und Aufschlüsse in historischer und kunstgeschicht- 
licher Beziehung hervorgesucht werden könnten. Durch das freundliehe Entgegenkommen de« 
für den \onnen-Convcnt bestellten Priesters hat die vorliegende Arbeit eine wesentliche Förde- 
rung erhalten; ohne die Verwendung und Vermittlung des Letzteren wäre dem Verfasser der den 
Laien nicht gestattete Zutritt in den Stiftsgarten nicht möglieh geworden, von wo aus gerade die 
romanischen Überreste der alten Basiliea ihrer östlich situirten Langseite entlang noch ziemlich 
unverwiseht zu Tage treten, und von welcher Stelle auch die Aussenseite des Chorschlusses unter- 
sucht werden konnte, wodurch eine befriedigende Bestätigung der von dem Chronisten hinsicht- 
lich der Baugeschielitc angeführten Thatsachen gewonnen wurde. 

Das Stift bildet mit der Kirche einen weitläufigen Coniplex von Baulichkeiten, wovon die 
zur Unterkunft der Mönche seiner Zeit bestimmten, mit der in östlicher Richtung situirten Kirche 



Von Johann Graut. 



(WM einer Doppeltafcl und 2 HolnchntU«n.j 




XVII. 



13 



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82 » Johann Gbadt. 

in Verbindung stehen, wahrend die Neben- und Üconomie-Gebäude, die zur Unterkunft der Pro- 
fessionisten angelegten Behausungen, ferner das Brilu- und Schulhaus, Stifts-Tavernc u. ». w. mit 
dem eigentlichen Convent ausser Verbindung stehen und die Bezeichnung eines Complexes in 
dem Sinne genommen werden muss, dass damit die zum Stifte gehörigen, von einer aus massiven 
Quadersteinen hergestellten Mauer eingefriedigten Bauwerke gemeint sind. F. X. Pritz gibt mit 
Berufung auf die Stiftsurkundc als das eigentliche Stiftungsjahr für Baumgartenberg 1141 an, und 
führt als den Stifter Otto von Machland an. Kurz vorher (1138) wurde von Hadamar von Cuo- 
pharn Zwettel und 1147 von Otto von Machland auch noch das benachbarte Chorherrnstift 
Sabnich, später Waldhausen genannt, gegründet. 

Über dem Portal des Stiftscinganges, der als dreigeschossiger Thurmbau mehr decorativ 
und als Glockenthurm, denn als eine wahrhafte Thorhalle aufgelöst wurde, finden sich zwei in 
Stein gehauene Inschriften, welche die Gründung dieses Stiftes in das Jahr 1 142 setzen; sie lauten: 

OTTO COMES IX MACHLAND MOXASTER1VM HOC MONTIS POME- 
RY FVNDAVIT M . C . XLII. 
CASPARVS 30" HIC ABBAS PERVETVSTVM A FVNDAMENTIS 
MAIORI EX PARTE RESTAVRAVIT . A . M . DCXXVI. 
BERXARDVS 38" HIC ABBAS DE NOVIS TERMIN A VIT ET 
CVM HAC PORTA, QVAM EREXIT, ZARDICAM CLAVSIT 
MDCLXVni. 



MONASTERIVM HOC MONTIS POMERY WLGO RAVMGARTENBERG 
NVNCVPATVM IN HONOREM 
B. VIRGINIS MAHLE SACRO ORDINI CISTERCIENSIVM FVNDATVM EST 
ANNO DOMINICA INCARNATIONIS M . C . X . LH. 

Beide Inschriften stammen aus dem Jahre 1668. In Frühstorf in der benachbarten Pfarre 
Arbing befindet sich an einem Bauernhause ein aus dem Stifte dahingeschaffter Gedenkstein mit 
der Inschrift in gothischen Minuskeln: „Nach Christi Geburt 1142 ist das Kloster durch Graf 
Otto von Machlandt und Junta sein Gemahel eine Gräfin von Pailnstein gestiftet worden." Allein 
auch diese Inschrift ist, wie aus den gothischen Minuskel-Buchstaben erhellet, späteren Datums 
als die Gründung des Stiftes. 

Auch der in der Seitenschiffwand eingemauerte Grabstein des Stifters gibt über die Zeit der 
Gründung einigermassen Aufschluss. Obwohl diese aus Salzburger Marmor angefertigte Grab- 
platte, die in der Wand des westlichen Seitenschiffes eingemauert ist, auch erst im XIV. Jahr- 
hundert angefertigt wurde, so verdient sie in historischer und künstlerischer Hinsicht eine beson- 
dere Beachtung. Üie erhaben gehauene Randschrift derselben (gothischc Majuskeln und Minus- 
keln) lautet: Anno . dm . m . c. xlVHI . am . Wcinachtabcnt . ist . wegrabe . der . wolgepore . 
Hr . Graf. Ott . vo . machlat . stiffter . des . Gotzhaus. 

Graf Otto von Machland war mit Jeuta, einer gebomen Grafin von Pilstein (Pcilstein bei 
Mölk) verehelicht und wohnte gewöhnlich in seiner am Ausläufer eines kleinen Berges errichteten 
Burg Baumgartenberg, woran ein grosser Obstgarten grilnztc. Neben der Burg stand eine 
kleine Kirche zu Ehren der Heiligen Jacob und Ulrich erbaut welches Kirchlein nach der Aufhe- 
bung des Stiftes in ein Forsthaus verwandelt wurde. Dermalen stehen an der Stelle der alten Burg 
und der Capelle Bauernhöfe; an dem einen derselben kann noch der Charakter der einstigen Cultus- 
Stüttc beobachtet wei den. Von daher führt der Berg heute noch den Namen Ulrichsberg. Otto von 
Machland, dessen Ehe mit seiner Gemahlin kinderlos war, beschloss seine Besitzung in ein Cister- 
cienser-Kloster zu Ehren der seligen Jungfrau Maria zu verwandeln. Die neue Stiftung wurde gut 



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Die Stiftskirche des AuiotLASSKses Cisterciensei:-Kloste*s BavmoartesbebJ etc. 



83 



dotirt und Cistercienser-Mönchcn aus dem 
Stifte Heiligenkreuz übergeben, welche als 
ihren ersten dortigen Abt den Conventunl 
Heinrich erhielten. Die Stiftskirche wurde 
aber nicht auf dem Bergvorsprunge , wo 
sich die Burg des Stifters befand , sondern 
unweit davon, der Gewohnheit des Cister- 
cienscr- Ordens gemiiss in der Ebene, als 
eine beträchtliche Basilica angelegt, an 
welcher Bich, wie aus den beiliegenden 
Ansichten der West und Ostscite und dem 
Grundrisse (Fig. 1) entnommen werden 
kann, drei Bauperioden nachweisen lassen, 
und zwar eine romanische, übereinstim- 
mend mit dem vom Chronisten angege- 
benen Zeitpunkte der Stiftung, in welchem 
die Stiftskirche in allen ihren Hauptthci- 
len als Pfeiler-Basilica mit dreischifhgem 
Langhause und durch die Anlage eines 
stark hervortretenden Querschiffcs in Kreu- 
zesform vollendet wurde. Wie ursprünglich 
das Pre8byterium gebildet war und der 
Chorschluss, darüber fehlen Anhaltspunkte, 
da daselbst ein jüngerer Bau besteht. 
Aus dem Grundrisse und der Ansicht der 
Westseite nUmlich kann ersehen werden, 
dass etliche Bautheile dem gothischen Style 
angehören, als: der in südlicher Richtung 
dem Langhausc angeschlossene Zubau 
eines Paradieses und das Presbvtcrium 
sammt Chorumgang; endlich ist auch die 
aus dieser Zeit stammende Restauration der 




Plf. i. 



Bedachung in die Augen springend. Leider war damit das Bauwerk gegen weitere Restaurirungcn 
nicht geschützt, denn eine gründliche Umgestaltung und Renovirung wurde bereits in den Jahren 
1626 — 1668 vorgenommen, in jener unglückseligen Periode, in der die Kunst dem entartetsten 
Zopf-Styl zusteuerte, und bedauerlicher Weise die meisten Abteien in Österreich mit dem über- 
schwenglichsten und überladensten Prunke der verfallenen Kunst erneuert wurden, und so 
manches Denkmal und recht viele hervorragende künstlerische Schöpfungen des Mittelalters ent- 
weder in ihrer ursprünglichen Originalität entstellt oder gar vernichtet und zerstört wurden. 

Was das KirehengebiUidc anbelangt, so ist es auffallend, dass dasselbe nicht in der üblichen 
Weise mit der LJlngenaxc von Osten nach Westen orientiit, sondern der Chor nach Norden und diu« 
gegenüberliegende Hauptportal und die Abschlusswand nach Süden angelegt wurden. Das Schiff mit 
den zwei Abseiten erhielt sieben Gewölbejoche, die von Kreuzgewölben gedeckt wurden. Bei der 
im XVII. Jahrhundert vorgenommenen Restauration hat mau im Mittel-Querschiff und im Chore, zum 
Theilauch in den Abseiten die Gewölbe zwar belassen, auch die Diagonal- und Quergurten beibehal- 
ten, jedoch die Lilngenbögen etwas modificirt und durch eine an den Gnrtungcn und Gewölbe- 

13* 



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84 



Johann Oradt. 



zwickein in Stueco ausgeführte und überladen angebrachte Ornamentirung, sowie durch Bemalung 
der reich eingerahmten Felder mit Fresken die Decke der Kirche und die Wände derselben ihrer 
feierlichen Ruhe und ernsten Würde beraubt, man könnte sagen, die Cultus-Stättc zum modernen 
Prunk-Salon profanirt In den beiden Abseiten wurden auch die ursprünglichen Kreuzgewölbe bis 
auf je zwei, die sich im südlichen Theile erhalten haben, entfernt und durch Kuppelgewölbe 
ersetzt, wobei dieselben hinsichtlich ihrer Ausstattung analog mit der Decke de» Mittelschiffe« 
und Chores behandelt wurden. In gleicher Weise wurde auch die an der Südseite im Mittelschiff 
eingebaute Sänger-Empore durchgeführt. 

Hinsichtlich des Chores, der gegenwärtig in der aus dem Vierzehneck construirten Anlage 
einen wirkungsvollen Abschluss besitzt, fehlen die leitenden Merkmale Uber dessen ehemalige 
Anlage fast ganz. Doch sprechen mancherlei Gründe dafür, das» dieser reich durchgebildete 
Abschluss aus dem XV. Jahrhundert stammt. Die Geschichtschreiber berichten nämlich, dass 
das Stift und die Kirche Baumgartenberg nebst andern Abteien in den Jahren 1428 und 1432 
von hussitischen Kriegs Völkern verwüstet, in Brand gesteckt und ihrer Kleinodien beraubt wurden, 
in Folge dessen der Abt von Bauuigartenberg Stephan II. Edler von Darnach (1419 — 1451) sich 
bcmüs8igt sah, den vorderen Theil der Stiftskirche (Portal und Vorhalle?) wieder herzustellen, 
und den hinteren Theil des Klosters und der Kirche, das ist den siebenseitigen Chor-Abschhiss 
wieder aufzubauen, welche Arbeit 1443 vollendet wurde. Mit dieser Zeit stimmen die an den nach 
aussen angebrachten Strebepfeilern des Chores ausgeführten Profilirungen und die Abschrägungen 
an den viermaligen Abstufungen der Pfeiler durchweg Uberein. Indens schliesst diese Bemerkung 
den Fall nicht aus, dass die aus dem Vierzchneck construirte Durchfuhrung des Chores in ihrer 
Hauptanlage einer früheren Zeit, vielleicht noch dem XIV. Jahrhundert angehört. In Folge 
der erwähnten dergestaltig freien, von der ursprünglichen Strenge der gothischen Plaubildung 
entfesselten Anlage hatte man nicht mehr quadratische Gewölbefelder, sondern rechteckige mit 
ungleichen Seiten und dreiseitige Flüchcnräunie zu decken ; um dies durchzuführen, ging man 
sonderbarer Weise vom Princip des Spitzbogens ab und half sich dadurch, dass man den 
Rundbogen aeeeptirte und den Bogenanfang bei den Quer- und Längengurten im Gegensatz zum 
Bogenanfang der Diagoual-Gurten erheblich erhöhte. 

Bi rücksichtigt man die Dimensionen dieser als Pfeiler-Basilica augelegten Kirche, so findet 
man, dass sie zu den grösseren Baudenkmalen des Landes gehört. Die Länge des Schiffes beträgt 
132 Fuss, 8 Zoll, dessen Breite 48 Fuss, die Breite des Mittelschiffes 2/» Fuss, (5 Zoll, die der 
Abseite 1 1 Fuss, 3 Zoll. Das Querschiff ergab in seinen Ausmessungen eine Länge von 20 Fuss, 
3 Zoll, eine Breite von 72 Fuss, 4 Zoll, bei welcher Anlage das letztere aus dem Langhause mit 
seinen Kreuzarmen zu beiden Seiten um 12 Fuss, 3 Zoll heraustritt. Der aus dem Vierzehneck 
construirte Chor erhielt eine Breite von 6!) Fuss 3 Zoll, eine Länge von 62 Fuss, so dass die Kirche 
vom südliehen Portal bis zum nördlichen Ch< r-Schluss die beträchtliche Gesammtlänge von 
215 Fuss einnimmt. Den Längen- und Breiten-Dimensionen entsprechend sind auch die Höhen- 
Verhältnisse angetragen worden. Das Querschiff und Chor ragen um ein beträchtliches aus der 
Gesamnitanlage auch in der Höhenentwicklung heraus, welches Heraustreten durch eine vom 
Abte Eberhard II. (1469 — 1487) angeordnete Erneuerung der Bedachung der Kirche, wobei sich 
das über dem Chor und dem Querschiff angebrachte Satteldach besonders steil aufzieht, in beson- 
derem Grade bewirkt wurde. 

Vom alten ursprünglichen Bestände haben sieh ferner erhalten: das in der südlichen Absehluss- 
wand angebrachte Haupt-Portal (Fig. 2), welches, obwohl durch nachträgliche Erweiterung in 
seiner Originalität einigermassen entstellt, noch immer die romanische Anordnung des XII. Jahr- 
hunderts mit dem kreisrunden Thorbogen und Tympanon zeigt, wobei dreimal zurückspringende 



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Die Stiftskirche des aufgelassenes Cistebciensxb-Klostejis Raimgabtekbebg etc. 



So 




n B . 2. 



WandsUulchen in der Thorlaibung angetragen waren. Die gegliederte Basis an den Sittlichen de» 
Portale« erscheint noch etwas stumpf und unverhJtltnissmä*8ig hoch behandelt, der auf der Fuss- 
platte aufruhende runde Pfuhl ist mit dem Eckblitttchcn ausgeziert. Die Capitälle der Wnndsitul- 
chen wurden würfelförmig bebandelt und die Deckplatte selbst aus mehreren verschiedenen rund- 
lichen Gliedern zusammengesetzt. An den Capititlcn und imTympanon erscheint kein besonderer 
llihlersehmuck angebracht. Leider sind diese Partien durch mehrmaliges Übertünchen um die 
SchHrfe der Conturen gekommen, auch ist durch erstere Proccdur eine Untersuchung auf das 
etwaige Vorkommen eine« reliefirten oder malerischen Bilderschmuckes erschwert worden. 

In der ursprünglichen Originalität tritt uns auch ein Theil der südlichen Giebelwand ent- 
gegen, über welcher sich das steile Kirchendach durch einen Sohopf vermittelt aufzieht. Ein zier- 
licher Rundbogenfries silumt die Begrenzung des Giebels ein, und eine aus dem Vicrpass geschla- 
gene Kose fesselt das Auge des Beobachters an dieser Stelle. 

An der westlichen Seite wurde durch die in den Jahren 1626— 1G68 vorgenommene Reno- 
virung die alte Basilica ihrer ursprünglichen Form gilnzlich beraubt, dagegen dieselbe der öst- 
lichen Seite theilweise belassen. Denn wie aus der Ansicht des rechtzeitigen Langhauses entnom- 
men werden kann, waren die Ausscnwitnde des Mittelschiffes durch Lisenen, die bis zum Bogen- 
fries reichten, gegliedert, und unter dem aus einer Hohlkehle, einem Rundstab und Schrflge ener- 
gisch behandelten Hauptgesimse zog sich zwischen den einzelnen Lisenen ein Rundbogenfries 
hin, wobei die Bögen zwischen den drei gegen das Querschiff zu liegenden Lisenen dichter 
angetragen sind, als zwischen den gegen die Südeckc angebrachten. Dieselbe Anordnung des 
liundbogenfrieses und der Liscnc erhielt auch das Querschiff. An dem letzteren ist noch ein im 
Rundbogen geschlossenes Fenster, schmal mit abgeschrägter Laibung, in seiner ursprünglichen 



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86 



Johann ÖbadT. 



Form bemerkbar, wie aucb an der östlichen Abseite des Langbauses zwei mit abgeschrägter 
Laibung behandelte Rundfenster, Welche allerdings nur wenig Lieht in das Innere dieses Neben- 
raumes (Abseite) zutreten Hessen. Das Mittelschiff wird seine selbständige Beleuchtung durch 
schmale Fenster, gleich dem Querschiffe , erhalten haben. Die Capitäle der pilasterförinigen Lise- 
nen mit üppigen Voluten und Festons sind selbstverständlich ein Werk der Zopf-Periode. 

Ein massiver Glockenthurm war der Cistercienser-Regel gemäss an der Kirche nicht ange- 
bracht, man begnügte sich mit einem hölzernen Dachreiter. In demselben findet sich noch das 
alte helltöncnde Vesperglöekchen der Cistercienser mit der Legende in gothischer Minuskel- 
schrift: Moria f hilf f uns f . i f n f r t i t- 

Der ganze Kirchenbau wurde in sauber gefügten Quadern ausgeführt, wodurch der Ge- 
8ammteindruck der nach innen und aussen rhythmisch wohlgcglicdcrtcn und construetiv aufge- 
lösten Schöpfung beträchtlich gehoben wurde. Die Sacristei ist an der Ostseite des Chores ange- 
baut. Bei der Anlage der Kirche und des Stiftes wurde auf die Anbringung eines Kreuzganges 
keine Rücksicht genommen. Auch die Krypta fehlt; der kleine unterirdische, in westlicher 
Richtung unter dem Chore angebrachte Raum, der sein Entstehen dem XVU.I. Jahrhundert 
verdanken dürfte, wurde lediglieh als Gruft^ nicht aber als Gruftkirche verwendet. 

Es wurde bereite an mehreren Stellen bemerkt , dass die vom Grafen Otto von Machland 
gestiftete Cultus-Stättc nicht mehr in ihrer Originalität auf die Gegenwart Uberkommen ist; ein 
Blick auf die Ansichten der Stiftskirehe genügt, um sich davon zu Uberzeugen. Eine Aufzahlung 
der weiteren Ereignisse, welche auf die Bauverhiiltnisse einen Einfluss ausübten, wird über die 
Zubauten und Restaurationen einiges Licht bringen. 

Abt Waltherl. (1272 — 1275) erbaute das Dormitorium und vollendete die Umfassungs- 
mauern des Klosters, die Abt Simon I. (1244) beginnen Hess. Im Jahre 1276 wurde vom Ritter 
von Capellen für sein und seiner Gattin Gcrtrude Seelenheil beim Thorc des Klosters mit dem 
Baue einer Capelle begonnen und eine Stiftung behufs des Ausbaues derselben gemacht. Um 1285 
wurde der Bau eines Refectoriums ausgeführt, 1287 eine Capelle im Krankengebäude des Stiftes 
erbaut, 1298 eine Wasserleitung zum Badhausc eingerichtet. Im Stifte selbst, soweit es dem Ver- 
fasser zugänglich war, fanden sich von einem aus dieser Zeit stammenden Baue keine Überreste. 

Der im Jahre 1320 zum Abte erwählte Conrad IT. baute die Thürme und liess neue Glocken 
giessen; unter ersteren werden wohl nur die Thorthürme des Stiftes gemeint sein, die spitter auch 
umgestaltet wurden, denn bei der Stiftskirche wurde niemals ein massiver Glockenthurm ange- 
tragen; der thnrmförmig aufgelöste Zubau an der Westseite, ein Werk aus dem XVU. Jahrhun- 
derte, dient als Treppenhaus, welches den Zugang zur Sänger- Empore unter dem Dache der west- 
lichen Abseite vermittelt. Das vorher erwähnte Vesper-Glöckchen im Dachreiter könnte allenfalls 
eine der vom Abte Conrad II. herbeigeschafften Glocken sein. 

Grosse Veränderungen gingen unter Abt Reinhard I., von Wien gebürtig (1337—1351), 
vor sich. Man brach die baufällige Abtei nieder und erbaute eine neue; auch eine Capelle liess 
er im Stifte neubauen (vielleicht die für den Gottesdienst der Nonnen bestimmte Haus-Capelle, 
deren Besuch den Laien verboten ist), und versah dieselbe mit schönen Paraineuten und anderen 
Zierden. Auch liess er im Jahre 1344 durch Liebhart von Passau ein künstliches bleiernes Lava- 
torium machen, wovon keine Spur zu erforschen war. Möglieherweise könnte schon damals die 
erste Unigestaltung des Presbyteriums stattgefunden haben. 

Abt Johann III. (137!) — 1405) baute einen Gang von der Abtei in das Donnitorium, liess 
die schadhaften Dächer ausbessern und eine silberne und vergoldete Monstranze im Werthe 
von 100 Gulden machen, die ebenfalls nicht mehr existirt. Abt Andreas I. (1405—1419) vollen- 
dete das Öconomie- Gebäude. 



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I 



Die Stiftskibche des aufgelassenen Cistebciesseb-Klostebs Baümoabtenbebo KTC. 87 

In den Jahren 1428 und 1432, unter der Regierung des PrHlaten Stephan IL Edlen von 
Darnach (1419 — 1451), kamen hussitische Abtheilungen nach Baumgartenberg, steckten da« 
Stift und die Kirche in Brand, ferner die Capelle heim alten Thore des Klosters, und mehrere 
Kirchen der Ungegend, welche dem Stifte gehörten. Alle Kleinodien und Ornamente der Stifts- 
kirche wurden geraubt und das Kloster ausgeplündert. Abt Stephan that alles mögliche, um du« 
Kloster, die Kirche und die Capellen wieder aufzubauen. Da das Stiftsvermögen in Folge dieser 
Drangsale sehr geschmälert , wandte sich der Abt um Unterstützung an das Coneil von Basel 
und an den Papst Eugen IV., die ihm auch zu Theil ward. 1436 war der vordere Theil des 
Klosters wieder hergestellt und das Capitel mit einem Altare eingeweiht. Im Jahre 1443 war auch 
der hintere Theil des Klosters ausgebaut, ein neuer Chor-Absehluss hergestellt, wie auch viele dem 
Stifte gehörige in der NUhe befindliche Kirchen, und die Capelle bei dem alten Thore mit drei 
Altitren. Ein Werk dieses verdienstvollen Prälaten, von dem sich ein arg verstümmelter, im Fuss- 
boden des Chores versenkter Grabstein erhalten hat, ist ohne Zweifel axich die an der Südseite am 
Haupt-Portal vorgebaute Vorhalle (Paradies), welche durch Saulenstellungen in zwei Schifte getheilt 
ist und hinsichtlich ihrer architektonischen Verhältnisse in diese Zeit vollkommen hineinpasst. 

Abt Sigismund I., von Wels gebürtig (1462 — 1469), baute den grossen Maierhof und 
einen Theil der Mauern um das Stift; dieselben bestehen noch gegenwärtig und verdienen als 
Quadermauerwerk (Isodoinum) Beachtung. 1467 wurde das Kloster von Wilhelm von Puchheim 
ausgeplündert. Abt Eberhard II. (1469 — 1487) erneuerte die Stiftsdächer, wie sie dermalen noch 
bestehen, und Hess eine neue Orgel machen. Abt Johann IV. (1487 — 1499) erneuerte das Sommer- 
Refectorium. 

Die Stiftskirche birgt ausser den bereits angeführten Epitaphien in den Wänden der 
Abseiten den Grabstein der Ritter von Laim, aus rothem Salzburger Marmor, welche unter der 
Regicrungs-Pcriodc Kaiser Albrecht's II. eine hervorragende Rolle gespielt haben, und von welchen 
Georg von Laun in den Jahren 1429 — 1430 als Festungs-Commandant Znaim vertheidigte. Die 
Inschrift lautet: hie . ligt . her . Ulreich . lawn . gestorbe in . dem . m"ccc.cl. Friedreich tarn . 
sein Son . ist gestorben . am . Sand . Ulreich . tag . mVeccxxviii vnd her Ulreich lawn ritcr des 
lavn Son die zeit hauptmann zu waidh auf der Teya vnd ist erschlagen an . dmi . m'ceccxxv an 

Band Eine Grabmalplatte aus Salzburger Marmor trägt die Inschrift: „hie leit simon 

Rieder von scharffenweld der gestorben ist »and niklastag anno dm. 1454". Eine weitere ist dem 
Andenken des Ritters Wolfgang von Seinseneg gewidmet, endlich eine Grabmalplattc aus rothem 
Marmor zur Erinnerung an „Frau Scolastica von Stein, Pangratzen Kressling elliche Hawsfraw" 
aufgestellt. Unter der Einfahrt des Bräuhauses liegt im Fussbodenpflaster ebenfalls eine aus 
rothem Marmor angefertigte Grabmalplattc zur Erinnerung an die Prälaten Hainrich Khern (1519 
— 1541) und herman Schedner (1541 — 1557) angefertigt 

In der südlichen Schiffswand ist aus rothem Marmor ein grosses Votivbild (Epitaphium- 
Tafel) aufgestellt, welches im Mittelfeld die Kreuzigung Christi , zur Seite Maria und Johannes in 
Hoch-Relief enthalt; das Mittelfeld des darunter angebrachten Postamentes ist mit einer ekel- 
erregenden Darstellung der Verwesung ausgefüllt, worüber auf einer Bandrolle die in gothischen 
Buchstaben erhaben gehauene Schrift steht: „Henricus Khern de. dumpach hujus monastery 
abbas 1528 u . Der Im Renaisance-Style behandelte Aufsatz trägt in seiner Bekrönung das Schweiss- 
tuch Veronica's mit der Darstellung des Christuskopfes von Engeln umgeben. Die Sculpturen 
an diesem Grabmale sind eine vorzügliche Arbeit der Früh-Renaissance, die bekanntlich nur eine 
kurze Blüthe hatte, im Style Holbein's behandelt, zum Theil polychromirt, das Unterkleid des 
heil. Johannes grün bemalt, das Oberkleid nach aussen zinnoberroth > nach innen weiss, die 
Nimben vergoldet. Von vortrefflicher Ausführung sind auch die aus rothem Marmor angefertigten 



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88 J. OltAKT. DlE STirTSKIROHE DES AÜFOELAÜÄKNE* CisTEHCIEKSEK-KloSTERS BaIMGARTENBEIIO ETC. 



Grabsteine des Prälaten Caspar Kirchleitner (1615—1632), und des Abten Bernhard Brcil (1649 
— 1683), welche die lebensgroßen Figuren der Kirchenfürstcn im Mittelfeld in Hoch-Relief und 
im Pontifical-Ornate enthalten. 

Unter diesen beiden Prälaten erfolgten jene grossen Umbauten und Renovirungen an der 
Kirche und an den Stiftsgebäuden , wodurch die ursprüngliche Form derselben fast gänzlich ver- 
loren ging. Abt Caspar, seiner Zeit Profess und Kümmerer im Stifte Rain in Steiermark, erbaute 
neu das Convent und andere Stiftsgebiiude, verschaffte kostbare Paramente, errichtete neu den Hoch- 
altar und andere Altäre; Abt Bernhard versah die Stiftskirehe mit neuen AlUtrcn, einer Orgel 
und fünf silbernen Statuen, welche indess unter dem Abte Pontius (171H — 1736) bei Gelegenheit 
eines Krieges abgeliefert werden mussten, kaufte schöne Ornamente, Kelche u. s. w., baute ganz 
neu den Traet rechts von der Abtei, erhöhte die Mauer um das Kloster herum , licss die Gänge 
desselben mit Marmor pflastern. Unter diesem Prälaten wurde das Innere und das Äussere der 
Kirche im üppigsten Style der Zopfzeit renövirt. 

Indes» hatten sich die VennögensverhiSltnisse des Stiftes allmälig zerrütteter gestaltet; im 
Munde des Volkes hat sich die Tradition von der Uberhand genommenen Verschwendung und 
Völlerei bis heute erhalten, in der Klostcrzucht war die stramme Diseiplin aufgelockert worden, 
denn mittelst Hofdecret vom Jahre 1781 war jede Verbindung mit dem Ordens- General zu 
Citcnux in Frankreich untersagt und dadurch die alte Organisation sehr gelilhmt und aufgelockert 
worden. Am 30. Mai 1784 am Pfingstfeste wurde auf kaiserlichen Befehl durch eine Commission 
das Kloster Baumgartenberg aufgelöst, 1792 die Ilerrachfift summt einem Theile des Gebäudes 
dem Dom-Capitel von Linz zur Nutzniessung eingeräumt. Zur Seelsorgc für die Pfarre Baumgarten- 
berg wurde ein Weltpriester in der Eigenschaft eines Pfarrers bestellt. Demselben sind zur 
Instandhaltung des weitläufigen Kirchengebäudes aus dem Religionsfonde jährlich 25 (!) Gulden 
angewiesen, ein Betrag, der offenbar nicht ausreicht, den Verfall dieses kunstgeschichtlieh merk- 
würdigen Baudenkmales hintanzuhalten. 



< 




WIENKH NKirSTADT. 



TaJ-.li. 




89 



Der Flü^elaltar in der Abteikirche des Cistercienser- 

Stiftes zu Wiener-Neustadt. 

Vom G vmnasi al-professor ukd Ktiftsbibuotecau F. Benedict Kiage. 

* 

Mit 2 Taftin. 

~VY iener- Neustadt', eine alte Residenz der Babenberger und Lieblingsanicnthaltsort Kaiser 
Friedrich'.«» IV. III.), wie mich der grossen Kaiserin Maria Theresia, hatte noch bis vor wenigen 
Jahren das iiuswere Ansehen einer alten, ehemals wohlbetest igten Grenzstadt gegen das kriegerische 
und unruhige Königreich Ungarn bewahrt. Dieses interessante Gepräge mit seinen mannigfaltigen 
historischen licminisccnzcn ist nun meist verwischt, da es modernen Ansichten über Verschönerung 
weichen musste. Dennoch birgt die alte .Newcnstadt" innerhalb ihrer Mauern noch so manches 
Stück aus dem Alterthum, das sowohl dein Geschiehtsf'reunde als auch dem Liebhaber alter 
Kunstwerke hohes Interesse abgewinnt; Touristen von nicht alltäglicher Natur suchen gern 
diese Keln-uicn einer ruhmreichen Vergangenheit auf und lernen hier das Mittelalter unpar- 
teiischer würdigen. Zu diesen zumal in neuester Zeit viel besuchten und bewunderten Antiqui- 
täten gehört der prachtvolle grosse Flügelaltar des Cistcrcienser-Stiftes zur heiligsten Dreieinig- 
keit in Wiener-Neustadt. 

Diese Abtei, gewöhnlich nur -Neukloster" genannt, verdankt ihre Fundirung dem Kaiser 
Friedrich IV. und war an die Stelle eines viel filteren Dominicaner-Klosters getreten, das höchst 
wahrscheinlich schon vom Herzoge Leopold VII. . dem Glorreichen, welcher die Stadt vollendete 
\inil befestigte, errichtet worden war. Bestimmt erwähnt wird dieses Hltere Kloster schon in 
Nachrichten vom Jahre 12. r ><> und Jongel inus vermuthet dessen Fundirung im Jahre 1227. 

Diese ältere Stiftung muss übrigens unter Kaiser Friedrich ziemlich in Verlall gerathen 
siin. weshalb der Kaiser die bisherigen Bewohner in das Kloster zu P St. Peter au der Sperre" 
(am Wicnerthore) transferirte und seinem hingst gehegten Plane getniiss ein Cistercienser- 
•Stitt dort, als in seiner unmittelbaren Nachbarschaft an der Burg errichtete. Die Cistercienscr 
hatten um diese Zeit den Zenit h ihres Glanzes und Ansehens bei Fürsten und Volk erreicht, ja 
bereits überschritten, und so entstand im Nachzuge zu den viel iilteren und hochberülimten Stil- 
tungen dieses Ordens als jüngste in Österreich das Stift Neukloster, nicht mehr der mit Vorliebe 
beachteten Gepflogenheit der Cistercienscr in einem sumpfigen einsamen Waldthale entsprechend, 
sondern in einer belebten Residenzstadt des Kaisers, unmittelbar neben der Burg '. 

i Der Stifwbrief: „Bull, »nrea- M vom 5. April Mit. 
XVII. 14 



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90 



P. Bknedict Kluge. 



Arn Palmsonntage 1444 kam eine Colouie aus dem Mutterstifte Rain in Steiermark, beste- 
hend aus zwölf Cistcrciensern mit ihrem vom dortigen Abte Hennann zum Vorsteher ernannten 
Abte Heinrich Sternberger hier an und nahm von der kaiserlichen Stiftung Besitz. Die im 
gothischen Style erbaute Stiftskirche stammt in fast allen ihren Theilen aus dem XV. Jahr- 
hundert und ist auf Kaiser Friedrich's Geheiss erbaut. In dieser der besseren Spät-Gothik 
angehörigen Abteikirche befindet sich, rückwärts des dermaligcn, im Rococostyle des vorigen 
Jahrhunderts errichteten Hochaltars , der grosse prachtvoll ausgeführte Flügelaltar aus der 
Zeit des Stifters, der einer genaueren Betrachtung und einer kurzen Besehreibung vollkommen 
würdig ist. 

Dieser obwohl sehr einlache, doch kunstreiche Altar ist — das merken wir auf den ersten 
Blick — ein Werk altdeutscher Kunst und besteht in seiner gegenwärtigen Gestalt: a) aus einem 
Untersatze (Predella), gebildet von einem Mittelstück und zwei auf beiden Seiten bemalten 
Flügeln; b) aus einem Obertheile, gebildet von einem Mittelstücke, dem eigentlichen Altar- 
schreine, ursprünglich mit vier Flügeln, gegenwärtig jedoch nur mit zwei Flügeln versehen; 
e) aus einem den Altarschrein krünenden Aufsätze, ein kleiner Schrein mit zwei bemalten 
entsprechenden Flügeln gebildet, und darüber das Crucifix als Abschluss des ganzen Kunstwer- 
kes. Um die Schönheit desselben und seinen imposanten Kindruck auf den Beschauer möglichst 
klar hervorzuheben, wenden wir unsere Aufmerksamkeit zuerst dem geöffneten Altarsohreine zu 
und wollen versuchen, den Lesern eine Detailbetrachtung zu verschaffen. (Taf. I.) 

Gehen wir von der auf der massiv-steinernen Mensa ruhenden Predella aus. so liegegnen 
wir schon hier einer vorzüglichen Arbeit. Das Mittelstück derselben ist in acht Felder abgetheilt 
und überaus reich mit Filigran und Spitzbogen-Fensterchen ausgestattet Die einzelnen Felder 
sind mit durchbrochenem Fischblasen-Masswerk ausgefüllt in verschiedenen aber symmetrischen 
Variationen. Die Zwischenthürmchen fehlen und an den oberhalb des schönen, sehr reinen Mass- 
werkes axislaufendcn Kreuzblumen sind leider Beschädigungen störend. Das Ganze ist mit rother 
und blauer Farbe bemalt, Stilbe und Masswerk dagegen sind kräftig vergoldet 

Die beiden diesen Theil verschliessenden kleinen Flügel bestehen, wie Taf. I. zeigt, aus 
einfachem Rahmwerk mit bildlichen Darstellungen auf Goldgrund (auf der inneren Seite). Wir 
haben hier auf jedem Hügel je zwei gesonderte Darstellungen, und zwar: an der Evangelien-Seite 
die Verkündigung Mariens und die Heimsuchung; an der Epistel-Seite die Geburt Christi und die 
Anbetung des göttlichen Kindes durch die heil, drei Könige. Diese Gemälde haben keinen her- 
vorragenden Kunstwerth und sind zum Theile schon beschädigt: desto mehr entzückt uns die, 
herrlich reine und zarte Gothik mit dem prächtigen Masswerke an der Predella, das weit vorzüg- 
licher ist . als das im eigentlichen Altarschreine. Man könnte versucht werden zu zweifeln, dass 
diese Predella schon ursprünglich bei diesem Altare sich befunden habe. Das vom Wumifrasse 
stärker mitgenommene Materiale. so wie die an den Ecken der Rahmen eigentümlichen EÜen- 
bäinder und Scharniere sind Xcbenuuistände . welche diesen Zweifel unterstützen könnten. Ent- 
scheidender ist aber die Malerei an den unteren Flügeln, die geringer als die an den oberen 
ist, wahrscheinlich aus dem 'Anfange des XV. Jahrhunderts stammt und an die alte italienische 
Schule erinnert, über der Predella befindet sich Friedrich's Devise: A . E . 1 . 0 . V und 1447. 

Aber auch die Innenseiten des Mittelstückes zeigen nnerkennenswerthen Kunstfieiss. Der 
1 1 Fuss hohe Mittelschrein enthält das Charalcteristieon eines Hauptaltares des Cistcrcienser-Ordens : 
die Verherrlichung der seligsten Jungfrau. Alle Abteien und Kirchen dieses Ordens wurden näm- 
lich unter den besonderen fürbittenden Schutz der heil. Jungfrau Maria gestellt, weshalb vorzüg- 
lich der Hauptaltar Symbole und bildliche Darstellungen zur Verherrlichung derselben erhielt. 
Der Umstand, dass auch unser Kunstwerk in seinen Hauptbestandteilen die hervorragendsten 



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Der FtÜGBLAi.TAR im der Abteikibche de* Cistebcien-sek-Stiftes xv Wieser-Neustadt. 91 

Ereignisse aus ihrem Leben darstellt , lässt mit ziemlicher Gewissheit schliessen , das« es schon 
ursprünglich für eine Kirche des Cistercienser-Ordcns bestimmt war 

Dieser Hauptbestandteil des Altares zerfällt in eine untere und in eine obere Abthoilung 
und war ehemals immer nur an den höchsten Festtagen sichtbar, sonst aber mit den colossalen 
Flügeln bedeckt. Hauptfigur ist in beiden Abtheilungen Maria. Im unteren Felde sitzt sie auf 
einem Throne, gekrönten Hauptes mit dem göttlichen Kinde, welches (eine äusserst mittel- 
mässige Arbeit) das Symbol der ErbsUnde, den Apfel, in der Rechten haltend, der Mutter zeigt, 
wahrend es die Linke nach der linken Hand der Mutter ausstreckt. Neben der thronenden und 
gekrönten Mutter des Erlösers stehen zwei ebenfalls gekrönte Frauen, Katharina und Barbara. 
Die Köpfe der genannten Figuren sind verhälltnissmUssig zu gross. An den Seiten des Hauptes 
der thronenden Jungfrau sind zwei Engelfiguren, ebenfalls Schnitzwerk, welche eine Zither 
älterer Form in den Händen halten; desgleichen befinden sich an den Ecksaulchen deB Tluroues 
Engelfiguren. Die Füsse der heil. Jungfrau werden von den reichen, wallenden und stark geknit- 
terten Falten des Kleides bedeckt und ruhen auf dem sichtbaren Halbmonde. Die gekl önte Heilige 
zur Rechten Mariens steht im langen f altenkleide auf dem Körper eines (türkischen?) Kampfers, 
dessen Haupt und eiue den Bogen noch haltende Hand sichtbar ist. Diese Darstellung wird von 
drei halbkreisförmigen, stark vergoldeten Baldachinen Uberdacht; der Hintergrund ist ebenfalls 
vergoldet Diese Gruppe wird für den Beobachter sowohl durch die Gemälde an den Flügeln der 
Predella als auch durch die prächtig gearbeiteten Reliefs an den Hauptflügeln illustrirt und erkliirt, 
es stehen somit iliese im harmonischen Zusammenhange mit der für den Altar massgebenden Idee. 
Letztere sind äusserst charakteristische und plastische Darstellungen. Der Flügel der Evangelien- 
Seite zeigt die Geburt Christi, das naiv lächelnde Christkindlein in einem Körbchen auf einem aus- 
gebreiteten Tuche liegend, innerhalb eines mittelst geflochtenen Zaunes umfriedeten Gemaches. 
Vor dem Kindlein knieet wunderholden Antlitzes die heil. Jungfrau, entblösstcn und reich und 
goldgelockten Hauptes im faltenreichen goldenen Oberkleide. St. Joseph sitzt, das sorgenvolle 
Haupt mit der Linken gestützt, und seheint nachzudenken Uber das wunderbare Ereigniss. Zwei 
liegende Thiere. Ochs und Esel, deuten den Stall an. In diesen Schauplatz des Ereignisses treten 
eben zwei JUnglingsgcstaltcn, die mit reich gelocktem Haupthaare in gegürtetem Talare von 
weisser und grüner Farbe und mit über der Brust gekreuzten Stolen sich dem Kindlein nahen, 
ersterer die Hände gefaltet und erhoben, letzterer die Rechte wie zum Segen erhebend. Bei 
dem einen dieser Eintretenden befindet sich auf dem Collare. bei dem andern auf der Stola die 
Inschrift: Gloria in Excelsis Deo. Diesen Repräsentanten der Engel folgen zwei Hirten in braunem 
Möncbshabit mit Kapuze; in den Köpfen und Gesichtern dieser Gruppe tritt das Bestreben nach 
Individualisirung sehr klar hervor. Der Hintergrund ist, wie bei den übrigen Reliefs der Flügel, 
blau mit goldenen Sternen besätet 

Wenden wir unsern Blick der unteren Abtheilung am Flügel der Epistel-Seite zu , so tritt 
uns die Anbetung des göttlichen Kindes durch die drei Weisen entgegen. Maria Bitzend und 
gekrönt mit einer in Kreuzblumen auslaufenden Zinkenkrone, zeigt den heil. Königen das eilt- 
blösste, sehr plump gearbeitete Kindlein, vor welchem einer der drei, unbedeckten Hauptes, auf ein 
Knie niedergelassen, das Opfer in einem kleinen viereckigen Kästchen darreicht Die beiden 
andern sind gekrönt, in langen goldenen Faltengewändern, mit ausdrucks vollem Gesichte. Schönes 
vergoldetes Mass werk in drei Spitzbogen bildet hier die Bedachung. 

Bedeutend vollkommener in Beziehung auf Kopf und Gesichtsprofile erscheinen uns die 
Reliefs in den oberen Abtheilungeu am geöffneten Altarachrcine. Selbst die Ornamentik ist von 

* Nach Aufzeichnungen eine» Sliftscapitularcn vom Jahre 1773 soll dieser Altar auf dos Kaisers Anordnung aus dem nun 
aufgehobenen Cistercienser-Stlfle Vlktrlng in KUrntJien hieher ubertragen worden »ein. 



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92 P. Benedict KiXüj:. 

reinerer Arbeit, noch sehr gut erhalten und stark vergoldet. Die Krönung Mariens bildet die 
Hauptdarstcllung. Die heil. Dreieinigkeit in der gewöhnlichen Art der Versinnbildung vollzieht die 
Krönung der Himmelskönigin. Gott Vater und Sohn, beide bebilrtet und im faltenreichen Königs- 
mantel, mit Kronen auf dem mit langen herabwallenden Haaren ausgestatteten Haupte, sitzen auf 
gleichem Throne unter drei ans Spitzbogen gebildeten und reich vergoldeten Baldachinen. Der 
Vater, älteren ernstfeierlichen Antlitzes, hält in der Linken die kreuzlose Erdkugel auf dem 
Schosse, die Rechte ist zur Krone Mariens erhoben. Der Sohn hält in seiner Rechten das Symbol 
der vom Vater erhaltenen Herrsehergewalt, ein goldenes in der Kreuzblume auslaufendes Scepter, 
mittels der Linken setzt er der in der Mitte beider knieenden Mutter eine Krone auf das Haupt 
welche der der beiden göttlichen Personen ähnlich ist. Das Erinnerungszeichen an den heil. 
Geist, eine silberne Taube, schwebt über Mariens langbelocktem Haupte. Zwei Engelfiguren 
erscheinen zu Häuptcn der beiden göttlichen Personen, in den ausgebreiteten Händen Hand- 
Schleifern tragend mit der Inschrift: Benedicta sit saneta Trinitas atque. An den ausgekehlten 
Ecken des inneren Schreines befinden sieh auf Consolen und unter vergoldeten gothischen Hal- 
dachinen je vier aus Holz geschnitzte Figuren. Apostel darstellend. 

Neben dieser beschriebenen Abtheilung des Mittelstückcs bcmcrkuii Wir in der oberen 
Abtheilung des Flügels (Tat. I i. au der Evangelien-Seite, abermals eine Krönung Märiens durch 
Gott Vater, welcher, das mit reichen über die Schultern herabwallenden Locken und der Krone 
gezierte Haupt erhoben, das he härtete ausdrucksvolle Antlitz zu Maria gewendet, dieser mit der 
Rechten die in Zinken und Kreuzblumen auslaufende Krone auf das Haupt setzt, indess er in der 
Linken die kreuzlose Erdkugel hält. Die heil. Jungfrau in zarter Gestalt und von edlen weib- 
lichen Gesichtszügen empfangt mit gefalteten Händen die Krone. Zwei liebliche Engelfiguren 
mit Zithern älterer Form verherrlichen rückwärts den Krünnngs-Act und zwei andere Engelköpfe 
lugen mehr abwärts hinter dem reichen Faltenwürfe der weiten Gewandung der beiden Haupt- 
personen hervor. Zwei prachtvoll gearbeitete gothiselie Spitzbogen-Baldachine mit schönem, stark 
vergoldetem Masswerke bilden die Überdachung der beiden Personi n. 

Auf das Relief in der oberen inneren Abtheilung des Flügels au der Epistel-Seite hat der 
Künstler ganz besonderen FlciSS verwendet. Diese Gruppe scheint das bedeutendste Detail des 
Altars und das Werk des Meisters selbst zu sein. Sie stellt das Verscheiden der Mutter Christi 
in Gegenwart aller heil. Apostel dar. Die Köpfe der einzelnen Personen sind proportionirter, 
die Gesichtszüge edler und individualisirter als bei den bisher betrachteten Gruppen. Maria vor 
einem altdeutschen Betpulte knieend, auf dem ein aufgeschlagenes Buch die Worte zeigt: in 
mauits tuas Domiue commendo spiritnm nieuin, neigt das überaus sanfte annmthige Antlitz. Der 
Körper der Sterbenden im engen blauen Kleide, welches abwärts in gezogenen Falten ausläuft, 
wird ehrerbietig von St. Johannes gehalten: ein anderer Apostel (St. Petrus ?j hat die Hand wie 
zur Ertheilung des Segens erhoben und scheint die sogenannte Aussegnung der Seele vorzuneh- 
men. Zwischen den beiden erwähnten Aposteln beiludet sich eine gekrönte heil. Frau (?) mit gefal- 
teten Händen. Die ganze Gruppe macht auf den Betrachtenden einen unglaublich wohlthuenden 
Eindruck, man verweilt gern dabei. Haltung der Körper, Form der Kopie, Gesichtsausdruck, 
Gewandung und Faltenwurf, alles deutet auf besondere Sorgfalt des Künstlers hin. Wir gewah- 
ren hier noch deutlicher als bei dem Relief an der Evangelien-Seite (die Geburt Christi) eine 
äusserst weiche Fonnengebung und Gefühls- Ausdruck. Die Compositum zeigt trotz des Ver- 
seheidens der Theuren wohlthuende Ruhe; die Form der Frauenköpfe und die der beiden als 
singend dargestellten Engel bei der Geburt Christi ist vorherrschend die runde um! drückt das 
Streben nach naiver Annruth aus: wogegen die Köpfe und Haltung der Männergestalten, hier der 
Apostel, dort an der Krippe die des h. Joseph, und besonders der beiden Hirten, so wie der drei 
Weisen bei der Anbetung grosse Kraft und Individualität andeuten. 



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De« Flüoel-Ai.tab in der Abteikircbe des Cisterciknser-Stiftes zu Wiener-Neustadt. 93 

Ueber dem eben betrachteten geöffneten Schreine begegnen wir noch einem kleinen 
Schreine, in welchem abermals Maria mit dem Kinde sich befindet. Erstere stehend und gekrönt, 
im blauen Gewände, dessen Faltenwurf vorzüglich ist , hält das etwas unnatürlich und steif nach 
riickwilrts lehnende entblösstc Kind, von sonst nicht übler, naiver Gesichtsform , im Arme. Der 
Hintergrund ist glatt vergoldet, die Decke himmelblau mit güldenen Sternen. An den entsprechen- 
den Flügeln befinden sich Gemaide in je zwei Abtheilungen und über der Mitte des Schreines 
krönt das gesanuntc Kunstwerk ein gut gearbeitetes Crucifix. Der bei derlei Werken übliche 
Abscliluss des Kastens mit Fialen fehlt bereits. Damit ist das ganze Motiv des Kunstwerkes und 
die herrlicbe Idee des genialen Künstlers dargelegt: die Verherrlichung Mariens und durch sie 
Erhebung zu Christus, dem concret gewordenen Ideale der Menschheit. Es ist dies die herrliche 
Idee , wie sie in der Blüthezeit des Cistercienser-Ordens so lieblich und veredelnd zu Tage trat. 

Nicht minderes Interesse erregt die Malerei, mit der sowohl die Flüchen der beiden Flügel 
der Predella als auch die der vier grossen Flügel des beschriebenen Altar-Schreines, endlich auch 
die zwei Flügel des kleinen, den Aufsatz bildenden kleinen Schreines unmittelbar unter dem 
Kreuze geschmückt sind. Auch die Malerei bestiitiget unsere Ansicht und erhebt sie zur Ueber- 
zeugung, dass wir hier ein nicht unbedeutendes altdeutsches Kunstwerk vor uns haben. Die 
prachtvollen, ziemlich gut erhaltenen Gemaidc soll uns Tafel II vergegenwärtigen , welche uns 
den geschlossenen Altar-Schrein sanunt den zwei auf beiden Seiten mit GcmHlden geschmückten 
Flügeln zeigt, die, wie schon bemerkt, sich gegenwärtig im Stifts-Museum ihrer ursprünglichen 
Bestimmung entfremdet befinden. 

Beginnen wir abermals von der mensa des Altares aufwärts steigend, so bilden die Gemillde 
der Predella den ersten Gegenstand unserer Betrachtung. Aus einfachen Rahmen und Füllun- 
gen bestehend, zerfallen sie in vier Abtheilungen. 1. Die Krönung, 2. die Geisselung Christi, 
3. Christus am Oelbergc und 4. Christus am Kreuze. Im Allgemeinen scheinen diese Gemillde 
Ulter, auch minder gut als die an den Hauptflügeln zu sein. Dem Kunstkenner dürfte eine kurze 
Detail-Beschreibung zur Beurtheilung dieser Gemillde genügen. 

Bei der Dornenkrönung des Herrn, ein Bild mit farbigem Hintergrunde, sitzt der Heiland 
mit rothem Mantel bekleidet, das Kohr in der Rechten, die Linke am Herzen ruhend und wie 
zum Segnen erhoben, die Dornenkrone auf dem tellemimbirten lockigen Haupte mit ruhigen und 
jugendlichen Gesichtszügen. Zwei Schergen, von denen der eine zur Rechten des Herrn bebHrtet 
und bedeckten Hauptes, mit weissem kurzärmeligen , bis an die Knie reichenden Rocke und 
grünen, engen Beinkleidern ausstaffirt ist, der andere zur Linken hingegen jugendlichen bart- 
losen Antlitzes mit langem blonden Haupthaare, im grünen Wamms , rother sehr eng anliegender 
Bein- und Fussbekleidung, — biegen über der Dornenkrone zwei starke Stühe von gelber Farbe. 
Ganz verschieden davon sind die beiden die Geisselung executirenden Schergen des zweiten 
Feldes. Kleidung, Gesichtsbildung und Haltung derselben sind ziemlich drastisch. Der zur 
Rechten des an die Silule gefesselten Herrn hat eine gelbe spitz auslaufende Mütze mit rückwär- 
tigem grünen Aufschlage und spitzem Schirm ; der kurze Rock ist von rother Fairbe, die Bcin- 
bekleidung ist zur Hülfte gelb , die andere Haifte roth. Mit beiden Iiiinden hillt er die Ruthe. Zur 
Linken gewahren wir wieder eine ziemlich jugendliche Person, die mit der Linken die Geissei 
eben zum Schlage erhebt, mit der Rechten eine Locke am Haupte des Herrn erfasst, sie ist mit 
rother flacher Mütze, grünem kurzen Rocke und engen braunen Beinkleidern ausgestattet ist. Im 
dritten Felde haben wir die Angst Cliristi am Ölberge in bekannter und gewöhnlicher Darstellung 
vor uns. Eine Landschaft ohne bestimmt ausgeprägten Charakter mit mehreren schnurgraden 
Baumreihen und einer befestigten Stadt , in der wiederum mehrere hervorragende rothgedeckte 
Gebälude und vier in Pyramiden auslaufende Thürme sich befinden, bildet den Hintergrund 

XVII, 15 



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94 



P. Benedict Kli-ge. 



dieser Darstellung. Zwei von diesen Thürmen befinden sich am Haupt-Portale einer Kirche, und 
man könnte versucht werden, sie als Erinnerung an die beiden ähnlich construirten und situirten 
Thürme der Liebfrauenkirche in Wr.-Neustadt zu halten ; ein dritter steht isolirt in einer Häu- 
»ergruppc und der vierte ziemlich verjüngte lugt gar lieblich aus einer grünen Baumgruppe mit 
seiner rotheu Pyramiden-Spitze hervor. Die drei Jünger sind in sitzender Haltung und schlafend 
dargestellt. Christus gestorben am Kreuze, bildet die Hauptdarstellung in der vierten Abthei- 
lung. Das Haupt des Gekreuzigten uinfliesat ein Strahlen-Nimbus und ruht auf der rechten Schulter. 
Unter dem Kreuze stehen Maria und Johannes, beide mit Tellernimbus und letzterer mit einem 
Buche in der Hand. Bei allen erwilhnten Personen vermissen wir die feinere Individualitat , den 
zarteren geistigen Adel im Gesichts-Profile, und möchten diese vier Gemäilde deswegen eben nur 
für anerkennenswerthe alte Schularbeiten halten. 

Von offenbar grösserem Werthe erscheinen uns dagegen die Gemälde an der Außenseite 
der Flügel, zu deren Betrachtung wir nun schreiten. Die Namen der dargestellten Heiligen dürften 
hierbei von minderer Bedeutung sein, weshalb wir nur einige nennen, von den meisten aber ihre 
Darstellung kurz angeben wollen. Wir beginnen am unteren Ende links. (Vgl. Tafel II.) 

Hier erscheint zunächst der Ordensstand durch Heilige reprilsentirt, denn die drei Personell 
im unteren Felde stellen dar: einen Abt mit Stab und einer gesprungenen Mulde im langen 
und gezogenen braunen Falten-Talare (Cuculla, Flocken), dann einen Einsiedler mit der Glocke 
in der Rechten, einen Krückenstab in der Linken haltend, im licht braunen Mönchshabite und 
schwarzein Scapuliere, und einen ähnlich gefärbten Mantel darüber, an der Seite ein kleines 
Borstenthier, das einen reifartigen weissen Streifen um die Mitte des Körpers hat, und endlich 
abermals ein Ordensabt kahl geschorenen Hauptes, mit Stab und Buch, im weiten braunen 
Ordensmantel. Im zweiten Felde aufwärts befinden sich abermals drei Personen und zwar 
Heilige aus dem höheren Priesterstande darstellend. Wir erblicken hier einen Bischof mit aus- 
wärts gerichtetem Krummstabe, niederer gothischer Mitra, im grünen gothischen Messgcwande, 
langer Alba, welche die Füs.se vollständig bedeckt, rother Tunica, und in der rechten Hand 
ein Buch tragend. Diesem zur Seite schreitet ein ähnlich gekleideter Bischof, den Stab im lin- 
ken gebogenen Arme haltend, in der linken Hand einen Teller mit drei Aepfeln tragend, die 
Rechte wie zum Segen oder zum Schwüre erhoben. Auch dieser trägt eine gothisehe Casula, 
jedoch von rother Farbe, indess die Tunica hier grün ist. Ein dritter Standesgenosse in etwas 
gekünstelter Stellung mit Buch und Stab beschliesst diese Gruppe. Reiches Haupthaar in üppi- 
gen Locken unter der niedern gothischen Mitra hervorquillend , getilfelter Fussboden, ein mit 
Landschaften, Gebäuden und Biiumen ohne bestimmt ausgedrückten Charakter, oberhalb da- 
gegen starke glatte Vergoldung vervollständigen die Ausstattung dieses Feldes. 

Heilige Fürsten aus dem Laienstande mit Scepter, Krone und Fürstenmantel stellt die 
dritte Abtheilung dar. Eine liebliche und anmuthige Gestalt mit einem (schwarzen) Raben, 
welcher im Schnabel einen Ring trügt, in der Linken, mit dem Schwerte umgürtet und dem 
Hermelin geschmückt, schreitet in unnatürlicher Beiuschränkuniu; einher. Ein rüstiger älterer 
Kaiser, in sehr gedrungener männlicher Gestalt, mit elirwürdigem starken Barte, die Krone 
auf dem Haupte, Scepter mit Kreuzblume und bekreuzten Erdglobus in den Händen, befindet 
sich in der Mitte. Der weite faltenreiche Hennelinmantel, unter welchem ein grünes goldgestick- 
tes, bis an die roth beschuhten Füsse reichendes Kleid sich befindet, schmückt diese ernste, 
shöne Mannsgestalt. Ein jüngerer gekrönter Fürst mit kleinerem bekreuzten Erdglobus, mit 
Scepter, Schwert und Hermelin, schreitet auf die ebenbesehriebene Kaisergestalt zu. Die Haltung 
dieser drei beschriebenen Figuren, zumal die Stellung der Füsse ist unnatürlich gekünstelt, der 
Gesichtstypus edel und ernst gehalten. Im obersten Felde dieses Flügels befinden sich Abbil- 




Der Ft.Or.Ki--Ai.TAK in »er Abteikirche des Cisterciknseb-Stifte* zv Wiener-Nei stabt. 



<J5 



düngen von Heiligen , die der Lebenszeit nach an den Beginn des Christenthums hinaufreichen. 
Wir bemerken hier einen hl. Papst, mit dem Kreuzstabe und der niedrigen spitz auslaufenden 
Tiara geschmückt, in langer Alba, mit Uber der Brust gekreuzter Stola und dem in eine Schleppe 
ausgehenden rothen Vespennantel. Dichtes wohlgepflegtes Haar quillt unter der Tiara hervor. 
Die beiden heiligen Johannes (Baptista und Evangelist) füllen die Dreizahl der Heiligen in dieser 
Gruppe aus, deren Häupter entblöst und tellemimbirt sind. 

Wie die obersten Felder aller vier Flügel Uberhaupt mit Darstellungen von Heiligen 
ausgefüllt sind , die der Zeit nach Christo am nächsten stehen , so gewahren wir an dem Flügel 
der Epistelscite insbesondere an oberster Stelle drei Apostel. Als Pilger mit entblöstem Haupte 
erscheint hier Jacobns major; mit Messer und Buch der hl. Bartholomäus, mit Holzkcule und 
Buch Judas Thaddäus. Unterhalb (lieser Gruppe wird St. Christophorus, in der bekannten Art, 
das Christkindlein auf dem Rücken , den grünenden Stab aufrecht in den Händen tragend dar- 
gestellt, wie er eben an das Ufer steigt. Daneben wiederum ein Kaiser und ein König in pracht- 
voller goldgestickter Gewandung, mit den schon oben erwähnten Attributen der Herrscherwürde 
ausgestattet. Im dritten Felde abwärts schauen wir wiederum einen Bischof (oder Abt) mit dem 
zwischen dem Daumen und Zeigefinger gehaltenen Stabe in der Rechten , eine gothischc Kirche 
in der Linken tragend (St. Wolfgang?), dann eine jugendliche Mannesgestalt mit Hermelin- 
kragen und kurzem, auswendig grünem, inwendig hermelingefutterten Mantel und mit rother, 
wei 88 verbrämter Tunica bekleidet, die mit blankem Degen einen bettelnden, am rechten Fusse 
verkrüppelten Knaben berührt, welcher den Zipfel des Hermelinmantcls Heilung suchend erfasst 
hat. An dritter Stelle befindet sich ein hl. Bischof in schon erwähnter Fontificalkleidung. Die 
Gesichtsprofile sind jugendlich, rund und schön. Die unterste Gruppe wird ausnahmsweise aus 
vier gleich grossen Personen gebildet. Wir gewahren zunächst einen jugendlichen schwarzen 
Heiligen, welcher in vollständiger silberfarbiger Ritterrüstung mit dem Herzogshute geschmückt, 
in der linken Hand eine rothweisse Fahne, in der rechten ein gleichfarbiges Schild führt, auf 
dem ein roth-weisses Kreuz prangt. Sodann ist St. Stephan, der Erzmärtyrcr, an dem Palm- 
zweige, der grünen Dalmatik und an den in der linken Hand liegenden drei blutbesprengten 
Steinen leicht erkennbar. Endlich schliessen die Reihe der Gemälde an diesem Flügel zwei Apo- 
stel , die nach ihren Attributen (Spiess und Beil) als St. Thomas und Mathias sich präsentiren. 

Hiermit wäre eine kurze detaillirte Beschreibung der beiden noch jetzt am Altarschreine 
befindlichen Flügel und ihrer kunstreichen Ausstattung gegeben. Zum Schlüsse wollen wir wenig- 
stens noch einen fluchtigen Blick auf die zwei anderen Flügel werfen , wie sie Tafel II. uus zeigt. 
Wegen ihres bedeutenden Gewichtes (an einem Flügel haben zwei Männer zu heben) wurden 
sie schou vor Jahren von dem bereits sehr wurmstichigen Schreine entfernt und im Antiquitäten- 
Cabinete aufbewahrt, welcher Fürsorge sie wohl aiich eine bessere Erhaltung verdanken. Die 
Farben sind im Allgemeinen noch fa«t wunderbar und überraschend frisch, die Gemälde zwar 
nicht ganz unbeschädigt, aber doch unversehrter als die oben beschriebenen. Auf beiden Flächen- 
Seiten mit prachtvollen Gemälden auf Goldgrund ausgestattet, werden diese selbst wieder in 
vier Felder getheilt. Vorherrschende Farben sind ausser dem starken, vortrefflich erhaltenen 
Goldgrunde: Roth, Blau und Grün in schönster Frische. Die Gemälde des obersten und unter- 
sten Feldes zeigen in kaum noch zu entziffernder schwarzer Schrift (goth. Minuskel) die Namen 
der dargestellten Heiligen, während in den mittleren Feldern diese fehlen. Um nicht mit lästigen 
Wiederholungen zu ermüden, begnügen wir uns mit der Angabe einiger theils aus der erwähnten 
Schrift, theils aus den Attributen hervorgehender Namen der bildlich dargestellten Heiligen. Aus 
der Zusammenstellung dieser Familie von Heiligen dürften wohl ebenfalls Schlüsse zu ziehen 
sein, sowohl auf das den Künstler leitende Motiv, als auch auf die Bestimmung des Kunstwerkes 

1&* 




96 



P. Uenkdict Kluge. Der Flügel-Altar im der Ahteikihche zu Wjeseb-Neistadt. 



und die Zeit seiner Schöpfung , vielleicht auch auf den kaiserlichen Urlieber desselben. So erken- 
nen wir sofort an erster und oberster Stelle der Evangelienseite St. Petrus, dann St. Andreas. 
St. Paul, St. Florian, Wcnzeslaus , Colomann u. s. w. Am andern Flügel St. Fabian St. Georg, 
dessen Verehrung in Deutschland besonders nach den Kreuzzügen blühte, (dann nochmals 
St Georg auf dem Flügel des Aufsatzes), St. Leonhard, Aegidius, Rupertus, Urbanus, Matthaus, 
Ludwig (? Palme mit Globus und Hermelin). Vitus, der Kindermord im Auftrage des Herodcs. 
Theobaldus, Ursula (wohl die schönste Darstellung), Afra, Apollonia, Barbara u. s. w. 

Den also prachtvoll ausgestatteten grossen Altarschrein krönt noch ein kleiner Sehrein, als 
Aufsatz, dessen Flügel ebenfalls mit entsprechenden Gemitlden geschmückt sind, die wiederum 
in vier obere und vier untere Felder getheilt sind, aber nur je einen Heiligen darstellen. Sonder- 
bar, dass einzelne Darstellnngeii an demselben Kunstwerke wiederkehren, wie St. Georg und 
Christophorus , Christus am Oelberge. 

Darf nun ein allgemeines, keineswegs massgebliches Urtheil über die Gemälde abgegeben 
werden , so muss ich gestehen , dass ich sie immer mit besonderer Pietät, zunächst wohl als Gabe 
des erhabenen Stifters unserer Abtei, dann aber auch mit grosser Freude und aufrichtiger 
Anerkenung für den Künstler betrachtet habe. Die Zeichnungen scheinen gut, das Colorit mit 
braunem Lucalton ist krilftig ; Köpfe und Gesichts-Profile sind meist rund und ernst gehalten und 
haben grossentheils einen unbeschreiblich wohlthuenden, keuschen Ausdruck. Einige der Heili- 
gen, zumal die weiblichen, und unter diesen wieder vorzüglich St. Ursula, sind unsagbar lieblich 
und anmuthig. Vermisst vielleicht der strengere Kunstrichter auch an manchen dieser Malereien 
vorzügliche Feinheiten des Seeleuadels und der Individualität, so dürfte dieser Mangel dennoch 
nicht vorhanden sein bei der Mehrzahl der Darstellungen. Im Ganzen muss man die Schönheit der 
Motive in den Köpfen und Gewändern anerkennen. Die Gestalten sind durchaus scharf in den 
Bewegungen und verrathen deutlich das Streben nach Individualisirung im Ausdrucke und in 
der Gewandung und geben Zeugnis» von dem mehr und mehr sich geltend machenden reali- 
stischen Kunstprincip. Die Nimbeu sind immer tellerförmig, die Attribute ziemlich gross. Die 
Nasen sowie die gezogenen faltenreichen Gewänder könnten an die alte Kölucr Schule (Meister 
Wilhelm und sein Nachfolger) erinnern, wenn nicht aus dem Gesammteindrucke der Einfluss der 
van Eyk'schen Schule noch bestimmter hervorleuchtete. 

Betrachten wir nun den Gcsannntcindrack , welchen der kunstvolle Altar mit den ehemals 
noch vorhandenen Glasmalereien der drei hohen gothischen Fenster im Presbyterium auf den 
Beschauer gemacht haben muss, dann können wir nur bedauern, dass diese ehrwürdige Kunst- 
antiquität, krankhaften Kunstanschauungen späterer Zeit weichend, in den unverdienten Hinter- 
grund getreten ist. Wie so manchmal im Leben erhielt glitzernder Schein, bestechlicher äusserer 
Prunk , auch hier den Vorrang vor echtem , gehaltvollem Kunstwerthe. Der altdeutsche Altar 
wurde durch einen undeutschen verdrängt und wartet, bedeutende Spuren des Zahnes der Zeit 
tragend , schon lange einer erlösenden Hand. 




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Die Feste Klingenberg (Zvfkov) in Böhmen. 

Notizen von Franz Rudolph Bkzdlka, k. k. Cossebvatob. 

■ 

Die feste, ja immer ftlr uneinnehmbar gehaltene Burg Zvikov liegt im Piseker Kreise, drei 
Stunden nördlich von Pi«ck entfernt am Zusammenflüsse der Flüsse Votava und Vitava (Moldau) 
an einem beinahe dreissig Klafter hohen umfangreichen Granit-Felscnrückcn, der sich kurz und 
keilförmig von Süden nach Norden hinstreckt, etwas mehr als 49 Grade nördlicher Breite, so 
romantisch , wie selten eine gefunden wird. In den alten Urkunden kommen von dieser Feste 
folgende Namen vor: Zwekow (1229), Zuekov, Zuecow, Sweeow, Suecove, Zwenkov, und erst im 
Jahre 1250, und zwar in der Schenkungsurkunde König Wenzel'» de» I. an da» Kloster Ossek 
am 28. Februar da» erstemal: Klinghenberc, Chilingeberk, Clingenbcrch. 

Die meisten böhmischen Schriftsteller, wahrscheinlich der Eine den Andern nachahmend, 
geben an, dass Tempelherren, wenn nicht die Erbauer, doch die Bewohner der Feste Zvikov 
gewesen seien. Wohl heisst e» in den alten Schriften der Stadt Pisek, sowie von der Feste auf 
der Kuneticka hora, wo »ie eine Commende gehabt haben sollen, dass Johann, der König von 
Böhmen, nach der Aufhebung dieses mUchtigen Ordens bei Gelegenheit der Übernahme der Burg 
und Herrschaft Pisek, wo die Tempelherren ein Prilccpterium hatten, al» an Zvikov angrHnzcnd, 
auch vielleicht au» demselben Grunde, »ich nach Zvikov, welche» er dann an die Uosenberge ver- 
pfändet hatte (Palacky Archiv cesky), begeben habe und dass sein Sohn Wenzel, spilter Karl 
genannt, schon als Kronprinz und dann als König von Böhmen das vom Vater dafür angenom- 
mene Geld wieder zurückgestellt (Palacky Archiv) habe, und mehrmal über Pisek nach dem 
Klingenberge gefahren sei. Allein hieraus liisst »ich nicht unzweifelhaft beweisen, da»» die Burg 
Zvfkov den Tempelherren gehörte. Schon in den ältesten Zeiten kommen Vorsteher und Burg- 
grafen dieser Burg vor, obgleich bei ihnen der Beisatz „königlich" fehlt. 

Den ersten Namen eine» Herrn von Zvikov finde ich im Jahre 1229, nämlich einen Wlsko 
de Zwekow et Wecemil et Heinricus frater ejus als Zeugen des Verkaufes eine» Maierhofe» oder 
Landgute» Wöehrdy genannt, von Premysl, König von Böhmen, an das Kloster Plass um 40 Mark 
Silber (Erben Reg., p. 347). Spater findet »ich derselbe Wlycck de Swecov als Zeuge dessen, dass 
der König von Böhmen, Wenzel der jüngere, dem Kloster Bfevnov den Besitz von dem Eremi- 
torium Polic bestätiget (Erben p. 354). Dann im Jahre 1232 findet sich Heinrich de Zuckove, 



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98 F. R. BezdScka. 

ein Bruder de» Vlfcek et Veceruil, als Zeuge der Schenkung des Dorfes Vnü an das Kloster Tepla 
von dem Konige von Böhmen Wenzel dem jüngern. Abermals kommt weder der Beisatz ^Burg- 
graf" vor, noch der Ausdruck „königlich* (Erben p. 370.) Zwei Jahre darauf, nämlich 1234 
erscheint Konrad das erstemal unter dem Titel: Burggravius de Zwekove als Zeuge, dass 
Premysl Markgraf von Mahren dem Kloster Porta coeli genannt in Tisnovic seine Fundation 
bestätiget (Erben p. 404). Die drei Brüder werden dabei Herren genannt. In jener Urkunde, in 
welcher Wenzel König von Böhmen im Jahre 1235 den Brüdern des Spitals des heil. Franciscus 
neben der Prager Brücke (ad pedem pontis Pragae) Schenkungen macht, kommen Wlicek cum 
duobus fratribus Heinrich et Veccmil de Zuecov als Zeugen, (Erben p. 411) vor. 

Später findet man die drei Brüder als Zeugen auf der Bestütigungsurkunde des Königs 
Wenzel Uber den Kauf des Dorfes Klepy für das Kloster Tepla ddo. 7. März 1237 (Erben 
p. 424). Am 23. Mltrz bestätiget König Wenzel der jüngere dem Kloster Chot£sov den Contract 
mit dem Probst von Melnik. Zeuge ist. Wlichek de Zuekow (Erben p. 435). 1238 den 19. April 
bestätiget der König Wenzel dem Kloster Pias« «las Dorf Darov. Zeugen: Wlchko, Weziuil, 
Jindrich fratres de Zwekow (Erb. p. 438). Dasselbe Jahr am 6. August kömmt auch ein Burggraf 
vor, nämlich: Chunrad Burgravius de Zwekow als Zeuge dessen, dass König Wenzel die Dörfer 
des Klosters Braunau von der Untertänigkeit befreite (Erb. p. 443). 1239 erseheint Lupus (Vleek) 
de Zwekow cum duobus snis fratribus als Zeuge, dass König Wenzel dem Kloster Kladrub die 
Güter Ostrov und Tisova schenkte (Erb. p. 448). In demselben Jahre am 17. December bestäti- 
get der König Wenzel dem Kloster zu Kladruby dessen Vermögen. Zeuge: Conradus burchravius 
de Zwekow (Erb. p. 454). Endlich im Jahre 1240 den 12. März bezeugen Wlsco, Wecemilus 
et Henricus fratres de Zvekove , dass König Wenzel dem Kloster Plazz den Kauf des Dorfes 
Hodin bestätigte (Erb. p. 457). 

Es ist wichtig, dass bei den Namen dieser Brüder nie der Beisatz vorkömmt, dass sie 
Burggrafen dieser Feste gewesen wären, wohl aber kömmt zur Zeit ihres Besitzes einigemal der 
Name ihres Burggrafen , nämlich Konrad vor. 

Zu Ende des Jahres 1248 ereignete sich für den König Wenzel, dass sein eigener Sohn, 
der künftige Erbe Pfemysl Otakar Markgraf von Mähren, sieh von jenen Baronen, welche 
durch ihn schnell emporkommen wollten, einreden und zu einem sehr bedenklichen Schritte 
bewegen Hess, um vor der Zeit die Regierung an sich zu reissen. Es kam in der That so weit, 
dass man den Vater zwang , dem Scepter zu entsagen um ihn in die Hand des Sohnes zu legen ; 
am 4. November 1248 führten beide den Königstitel. 

Dieser Begebenheit erwähne ich hier deswegen, weil es bei einigen Schriftstellern heisst, 
der König habe diese ganze Zeit des Verdrusses mit dem Sohne (sie sagen, ein ganzes Jahr) in 
Zvikov gelebt, während er doch die längste Zeit in der Lausitz, in Meissen, in Leitineritz etc. 
war. Pulkava erzählt, der König habe sich bei der Übergabe des Reiches einige Burgen, Zvikov 
Loket (Ellbogen), Most (Brüx) zu seinem Unterhalte behalten. Vielleicht wollte er hingehen, 
und hat seine Krone und andere Kostbarkeiten und Schätze dahin in Sicherheit gebracht und zu 
diesem Zwecke eine grössere Befestigung dieser den Vicemilen gehörigen Burg veranlasst. 

Im Todesjahre Königs Wenzel (1253) war Burggraf zu Zvikov Konrad von Janovic und 
vier Jahre darauf sein Bruder Burkhard, 1264 wieder Hereä oder Hirzo, derselbe, welcher dem 
Könige Otakar jenen wichtigen Dienst erwiesen hatte, dass er ihm im Jahre 1265 zur Anle- 
gung der neuen Stadt Budweis den Plan gezeichnet und den Platz oder Ring imd die Gässen 
so regelmässig ausnuiss, wie sie bis heute zu sehen sind. Im Jahre 1268 hat der König Otakar 
einige reiche Besitzer aus Steiermark wegen ihrer Untreue und Raubsucht in Zvikov kurze Zeit 
gefangen gehalten, namentlich den Herrn von Wildon. Auffallend ist es, dass im Jahre 1272 



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Die Feste Klikoenbebc (ZvIkov) in Böhmen. 



99 



am 23. Mai der Papst Gregor X. dem Kloster Chotß&ov alle seine Güter bestätigt, und darunter 
auch ZvIkov, wahrscheinlich ein verschollenes Dorf, nennt. 

Nach allen diesen historischen Daten glaube ich nicht zu irren, wenn ich, den Thurm aus- 
genommen, die Erbauung dieser Burg Zvikov der Familie Vi c cm il zuschreihe, und sie ins X. 
und XL, höchstens XII. Jahrhundert versetze. 

Üher das Schicksal der Familie Vicemil, Vlcek, des Bruders Heinrich, Unco und Vlcek, 
der Sühne des Vlcek, ist man aus Mangel an Quellen im Unklaren. Ob sie, die durch Jalir- 
hunderte als machtige Besitzer von Klingenberg mit den sehr ausgebreiteten, 'dazu gehörigen 
Giltern von den Herzogen und Königen von Böhmen so geachtet waren, dass sie bei jeder wich- 
tigen Gelegenheit zur Ablegung von Zeugenschaft gebeten wurden, ausgestorben sind, oder 
anders wohin sich begeben haben, ist nicht zu eruiren. 

Zur Zeit der Regierung Königs Wenzel II. (1283) war Burkhard von Janovic, ein Ver- 
wandter des Burggrafen von Klingenberg, königlicher Hofmeister. Er war ein Hauptfeind des 
Zaviöe von Falkenstein, Gemahls der Kunhuta, der Witwe nach König Otakar, und hat, von 
diesem Hasse verleitet, bei Hof viel Verdruss gemacht. Die Folgen davon befürchtend, flüchtete er 
sich zu seinem Neffen nach der Burg Zvikov. Zavisc hat sieh der Veste auf Befehl des Königs, 
wie es heisst, durch Hunger bemächtiget, worauf sie 128i) dem Bavor von Strakonic, welcher vom 
Jalirc 1254 bis zum Jahre 12G0 Obersthofmeister gewesen, zur Beschützung übergeben win de. 
Bavor war Burggraf in Zvikov beinahe 20 Jahre, indem er noch im Jahre 12 4 J1 unter diesem 
Titel unter den Assessoren bei der königlichen Landtafel in Böhmen vorkommt (Palacky Archiv 
cesky, IL p. 332). 

Als am 4. August 1306 der unglückliche Wenzel III. König von Böhmen zu Olmütz von 
Mörderhand fiel, hielt sich der Burggraf Bavor von nun an für den Herrn der Burg. Bald darauf 
erschien eiue andere Familie mit Ansprüchen auf die Burg. Heinrich von Rosenberg behaup- 
tete, König Rudolph habe ihm .Klingenberg auf so lange als Pfand überlassen, bis er ihm 
Raabs Ubergeben haben wird. Freiwillig, dass wusste er, wird Bavor Zvikov nicht übergeben, 
obwohl er sein Schwager war, und sich dessen durch Eroberung zu bemächtigen, dazu gab 
es keine Hoffnung, indem man es allgemein und mit Recht für unüberwindlich hielt, — also sollte 
es mit List geschehen, und wie die Chroniken erzählen, soll sie gelungen sein. 

Im Jahre 1310 erbte diese Burg der Sohn Heinrieh's, Peter I. und besass selbe, obwohl sie 
königlich war, eine lange Zeit unter der Regierung Königs .Johann. Peter von Zittau, Verfasser 
des Chronicon Aulae regiae, sagt p. 3153, dass es den König Johann sehr ärgerte, die königlichen 
Burgen in fremden Hiinden zu sehen. Erst König Karl löste die Burg aus, sehlug sie zu den böh- 
mischen Kanunergütern und befahl, jeder künftige König solle schwören, die Stildte und Burgen, 
die zur k. Kannner gehören, nie davon zu trennen, auch soll sie niemand annehmen, ausser mit 
Verlust der Ehre und des Lebens. Mit dem Besitze dieser Burg war das Recht verbunden, von 
jedem Floss und der darauf sich befindenden Ladung Zölle einzunehmen, wie Kaiser Karl IV. 
den 3. August 1366 mit Bezug auf König Wenzel I. bestimmte. (Pelzel, Leben Karls IV.) 

Im Jahre 1318 den 2. Februar versammelten sich Peter von Rosenberg, Wilhelm Zajlc von 
Waldek, Albrecht von Zeberk und andere in der Burg Zvikov und beschlossen, sich dem König 
offen zu widersetzen. (Pelzel Gesell. Böhm.) Unter den Begleitern desselben Königs Johann aus 
dem Herrnstande, welche in der Schlacht bei Cressy am 26. August 1346 mit ihrem Könige 
fielen, und neben ihm auf dem Schlachtfelde lagen, befand sich auch Heinrich von Klingenberg, 
wahrscheinlich der Sohn Peter des I. von Rosenberg, des Obersten Kanzlers (Leben Karls IV. 
von Pelzel p. 160). 1394 den 25. und 27. August war der römische und böhmische König 
Wenzel IV. in Pisek und begab sich von da nach Klingenberg. 




100 



F. R. Rezdrka. 



Damit es im Reiche kund werde, das« er seiner zu Zebrak im Minoriten- Kloster geschehe- 
nen Getangenschaft wieder frei sei, fertigte König Wenzel liier an die Stadt Nürnberg zwei 
Briefe aus. Im ersten befahl er, dass diese Stadt die jährliche Steuer unmittelbar in die kai- 
serliche Kammer zahlen und liefern »olle ; und im zweiten gab er dem Bürgermeister und dem 
Käthe daselbst die Versicherung, dass diese Stadt stets beim Reiche bleiben, und nie von ihm 
oder seinen Nachfolgern an jemanden verpfändet oder veräussert werden solle (Pelzel, Wenzel IV. 
p. 290 — 291). 

Im Jahre 1398 war in Zvikov als kiSniglichem Castellan Zacharias von Stovice, welcher mit 
Jeöek (Johann), Probst bei Allen Heiligen, in einen heftigen Streit verwickelt war, den endlich 
Procop, von Gottes Gnaden Markgraf von Milhren, am 13. Juni entschied und beilegte. 1420 
war königlicher Aufseher zu Zvikov Johann Hajek von Hodetin (nach 1418 Küchenmeister des 
Königs Wenzel IV.), als Zeuge auftretend bei dem Kaufe zwischen der Jitka von Bzova und ihrer 
Schwester Dorothea von Damfenic. Bald darauf (1422, 21. Februar) äussert sich derselbe Johann 
Hajek von Hodetin, dass er für seinen gnädigen Herrn Geld ausleihen müsse, und sein eigenes 
Hab und Gut zum Pfände gebe. Zwei Jahre später (1424, den 13. September) schliesst Johann 
Hajek von HodOfin einen Vergleich und Waffenstillstand mit der Secte der Taboriten in Böhmen. 
Um 1425 kam die Veste in die Hiinde des Kunata oder Kunrad Kaplei- von Swlevic. Vielleicht 
ist sie ihm, wie seinem Vorfahrer zur Aufsicht anvertraut worden, doch sagt König Sigmund 
in seinem Schreiben aus Prag den 4. Mai 1437 dem Udalrik von Rosenberg, er wisse wohl, dass 
Kunata, welcher es mit den Ketzern hält, nicht anders als durch Raub zum Besitze dieser Burg 
gekommen wäre (Archiv öesky, I. p. 48). Derselbe König Sigmund sehrieb früher aus Presburg 
den 7. September 1429 dem Ulrich von Rosenberg, er möge trachten, die Veste Zvikov aus 
den Händen des Kunata zu erhalten, sei es durch Geld, Tausch etc., weil er dieselbe in den 
Händen eines Ketzers nicht lassen könne: er möge sich alle Mühe geben, selbst wenn er 
sein eigenes festes Schloss dafür geben sollte, und zwar ohne Verzug. Kr der König werde es 
ihm gut entgelten und ersetzen. Ein gleiches Schreiben folgt am 12. September 1429 aus Fischa- 
mend. Den 17. September 1429 dankt er ihm von Wien aus, dass er sich in den Besitz von 
Klingenberg gesetzt, habe. Er ladet ihn ein, nach Wien zu kommen, damit er sich mit ihm 
darüber weiter besprechen könne, und verspricht, ihm dafür einen guten Kuchen (dobiy kolaC) 
(Archiv Cesky). 

Im Jahre 1432 den 21. Juli unterhandelte Udalrich von Rosenberg mit dem Pfibik von 
Klenau etc. zu Klingenberg wegen eines Waffenstillstandes. Von nun findet man den Udalrich 
von Roseuberg im pfandweisen Besitze von Zvikov bis 14f)0; den 11. Juni 1450 erscheint sein 
Sohn Heinrich auf Zwikov. 1455 war Johann Hajek von Hodetin Burggraf zu Klingenberg; 1457 
Odranec, welcher drei Processe nach einander zu schlichten hatte, selbe aber ganz bequem seiner 
Dienerschaft zur Entscheidung überliess. Im Jahre 1456 und 1458 war Vorsteher der Burg 
Zvikov Lipoid von Rzavc. Am 20. August 1457 ertheilt König Ladislav dem hochwürdigen Jost 
(Jodok) von Rosenberg, dem erwählten Bischöfe von Breslau, dem Heinrich, Hauptmann zu 
Schlesien, und dem Johann, Brüdern von Rosenberg, die Versicherung, dass sie auf Lebens- 
zeit die Besitzer von Zvikov und Protivin bleiben sollen, und dass weder er, noch seine Nach- 
kommen diese zwei festen Orter um die schuldigen Summen zurücknehmen werden. 1469 war 
Burggraf zu Zvikov Busek von Bnzic. und in demselben Jahre Smil von Hodejov. 

Da Johann I. von Roseuberg sich gegen Georg von Podebrad aus Eifersucht immer zwei- 
deutig bewies, ja später auch öffentlich seine Partei verlassen hatte, reizte er seine frühern 
Anhänger, wie z. B. anno 1469 den 27. August Marquard von Kozi, ferner die Städte Pfsck 
und Wodnnn zur Rache, die durch die Eroberung der Burg Zvikov erfüllt werden sollte. Sie 



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■ 



Die Feste Klisgesbebo (ZvIkov) in Bromes. 101 

kamen zur Nachtzeit vor die Burg, legten die Leiter an und stiegen bis zur Höhe der Hussein 
Fcstungsmnuern. Aber Smil von Hodejov erfuhr es bei Zeiten, schlug den Angriff ab, und ver- 
wüstete mit seinen Leuten die Gegend um Pisck. 

Im Jahre 1472 den 17. Jänner war Zvikov's Burggraf Jan Chmelensky von Neplachov und 
zwar der letzte ftlr die Rosenberge, weil Heinrich, der Sohn Johann'« nachdem Absterbendes 
Vaters alle seine Guter dem Bohuslav von Svamberg aus Krasikov anvertraute. Zur Belohnung 
seiner Sorgen für so viele Gilter schenkte er ilmi ZvIkov. Da aber Bohuslav meistens zu Krumau 
sich aufhielt, setzte er als Hauptmann nach Zvikov den Ritter Jan v. Trnovä 1477 ein. Hierauf folgte 
Heinrich der jüngste Sohn Bohuslav's von Svamberg, der ohne Unterbrechung zu Zvikov wohnte. 

Heinrich bestimmte (1523) zum Erben seinen Neffen Christoph von Bamberg, welcher sich 
von seiner Jugend auf am Hofe Vladislav n. aufhielt, später aber bei dem Pfalzgrafen in Dienste 
trat, endlieh im Jahre 1513 die Burg Vorllk dazu kaufte, und selbst alles verwaltend Vorlik mit 
Zvikov verband. Zwei Jahre nach dem Absterben der ersten Gemahlin Magdalena von Sehellen- 
berg und Kost, welche, eine sehr eifrige Katholikin, bis zu ihrem Tode (1508) in Zvikov wohnte, 
vermählte sich Christoph von Svamberg zum zweitenmale , und zwar mit der Agnes Bezdruzicka 
von Kolovrat, einer Witwe nach dem Wenzel Svihovsky von Riesenberg. Heinrich von Svamberg 
Hess diese Vermählung seines Brudersohnes (1510) auf das feierlichste begehen. 

Von eilf hinterlassenen Kindern Christoph'» erhielt der Hlteste Sohn Heinrich den Namen 
von Rosenberg, und damit alle Güter Heinrichs; da er zugleich Hauptmann des Beehyner Kreises 
wurde, wohnte er auch gern zu Bechyn. Nach dem Tode seiner ersten Gemahlin Katharina von 
Pcrnstein (1552) heiratete er (1554) Elisabeth von Rosenberg, die feierliche Vermählung ging 
in Krumau vor sich. Heinrich berief den damals vorzüglichsten Maler Namens Knobloch aus 
Prag nach Klingenberg und Hess die Capelle und den Saal , wo die Gäste sieh zu versammeln 
pflegten, prächtig ausmalen. Heinrieh starb im Jahre 1574, 67 Jahre alt, zu Zvikov, wurde 
jedoch in Bechyn begraben. Seine Wittwe Elisabeth blieb bis zu ihrem Tode (1576) zu Zvikov. 
Da keine Kinder als legitime Erben da waren, erbte alles Heinrieh' s Vetter Christoph und nach 
diesem 1589 Johann Wilhelm von Svamberg, Herr auf Haida und Zvikov, darauf 1596 Johann 
Georg zu Vorllk und Ronsperg (1603 bis 1609 oberster Lehnrichter), dann sein Sohn Peter von 
Svamberg. Das Unglück wollte, dass Peter im Jahre 1618 den utraqui »tischen böhmischen Ständen 
beitrat. Er Ubergab die beiden festen Orte Zvikov und Vorlik dem böhmisch ständischen Feld- 
herrn Peter Ernst Grafen von Mannsfeld, welcher dem Svambergischen Kriegsvolke seine gute 
kriegserfahme und geübte Mannschaft beigab und die Burg Zvikov von allen Seiten tüchtig 
befestigte. Bis zum Jalire 1621 blieb alles ruhig; aber als nach der Schlacht am weissen Berge 
das kaiserliche Militär diejenigen verfolgte, welche sieh noch zu der ständischen Partei bekann- 
ten, so wälzte sich auch die Kriegswelle in diese Wildniss hin. In der Fastenzeit kam Don 
Marradas und Don Huerta, der Obriste Pechler und der Rittmeister Papovec mit c.4000 Mann 
Reiterei und Fussvolk von Pilsen nach Mirovic; sie stellten sich vor Vorlik und begehrten, dass 
sich die Besatzung ergebe, was sie auch nach einer halbtägigen Verteidigung that. Nicht so ging 
es mit Klingenberg, das man 1622 mit aller Kraft belagerte. Die Besatzung von Zvikov hielt 
sich tapfer und fügte den Kaiserlichen manchen bedeutenden Schaden zu. Endlich schloss man 
von beiden Seiten einen Waffenstillstand und che Besatzung schickte insgeheim zwei Maun zum 
jüngern Grafen Thum nach Glatz um schleunige Hilfe. Da aber diese nicht anlangte, so erfolgte 
die Übergabe. 

Peter von Svamberg wurde zur Strafe, dass er auf Fricdrich's Seite stand, aller Güter 
beraubt. Zvikov gab man dem Obristburggrafcn Adam von Sternberg um 67.993 Schock 57 Gro- 
schen und 1 Denar hin. Seine Witwe , geborne Gräfin Hohenzollem, verkaufte sie dem Fürsten 

XVII. IG 



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102 



F. R. RV.ZDEKA. 



Eggenberg. Bei der Familie Eppenberg blieb Zvikov bis zum Jalire 1710. Mit dem Tode des 
letzten Eggenbergers Johann Christian gelangte sie dureb dessen Gemahlin Maria Erncstina, 
einer gebornen Fürstin Schwarzenberg, als Universal-Erbin aller Eggenbergisehen Güter und 
da diese Ehe kinderlos war, 1719 an Adam Franz Fürsten von Sehwarzenberg, bei welcher 
Familie sie noch immer ist. 

Die baulichen Veränderungen auf der Burg Klingenberg waren in der Hauptsache folgende: 
Im Jahre 1247 hatte man die Burg über Wunsch des Königs Wenzel I., welcher nicht nur die 
Krone Bimmens, sondern auch andere Kostbarkeiten dort aufbewahrte, auf allen Seiten befestiget 
und verbessert. Wie schon erwähnt, liess 1307 Heinrieh von Rosenberg, Konig Rudolphs Obcrst- 
käinmerer (der bei der Wahl vorzüglich für ihn und nicht für den schon in Prag wohnenden 
Heinrich von Kilrnthen stimmte) die Feste Zvikov ausbessern und mit mehr Behutsamkeit bewa- 
chen. Im Jahre 1437 den Hl. October erlaubte Kaiser Sigismund dem Ulrich von Rosenberg, 
dass er von der Summe, um welche ihm Klingenberg vom Kaiser verpfändet wurde, 2000 Schock 
Prager Groschen auf die Aufbauung und Repariruug der Veste verwende, und davon abschlage. 
Im Jahre 1467 hat es Smil von Hodejov, ein Katholik, für die Rosenberg'sehc Familie noch 
mehr befestiget. Da Heinrich von Svamberg, Sohn Christophs, in Klingenberg geboren ward, 
und seine Gemahlin Elisabeth von Rosenberg sieh Zvikov zu ihrem Sitze gewählt hatte, so hat 
er ihr und sich zu Gefallen (wie schon erwähnt) den damals berühmten Maler Knobloch von 
Prag dahin berufen und liess ihm (1555) alle Gemächer des Schlosses sammt der Burg-Capelle 
und dem Versammlungssaale , wie auch die Gänge zierlieh ausmalen, wodurch diese Burg zum 
Lieblings- Aufenthaltsorte der »Swamberge wurde. Im Jahre 1618 Ubergab der vom Könige 
Friedrich zum Obcrstlehenrichter erhobene Peter von Svamberg die Burg Klingenberg der Obhut 
des böhmisch -ständischen Generals Peter Ernst Grafen von Mannsfeld, welcher sie auf allen 
Seiten stark befestigte. In den letzten Jahren des dreissigjährigen Krieges (1647). hat man dort 
neue Befestigungen angelegt, um sieh gegen einen möglichen Überfall der Schweden zu sichern, 
welche sich jedoch dort gar nicht zeigten, obwohl sie (1G48) drei Tage bei Pisik lagen. 

Dass diese merkwürdige Burg so arg herabgekommen war, wie man noch vor einigen Jahren 
sehen konnte, daran waren nicht Kriegsereignisse Schuld, sondern nur die Sorglosigkeit einiger 
Besitzer und der zerstörende Zahn der Zeit; denn noch im Jalire 1683 wurde Fürst Eggenberg 
von der Nachbarschaft gebeten, ihr in Zvikov einen Zufluchtsort zu gönnen. 

Vor 80 Jahren hatte das Sehlossgcbäudc grösstenteils noch seine Dachung. Auch diese 
ging ein, bis Fürst Karl zu Schwarzenberg 1802 die Capelle und den alten Thurm mit einem 
Schindeldache decken und das Dach des hohen Wartthurm ea ausbessern liess. Nach 28 Jahren 
war eine neue Reparatur höchst uothwendig; der gegenwärtige Besitzer Fürst Karl zu Schwarzen- 
berg liess im Jahre 1840 die schadhafte hölzerne Bedeckung durch ein dauerhaftes Ziegeldach 
ersetzen, und an dem alten Thurm eine offene Galerie anbringen. In neuerer Zeit endlich wurde 
der vordere Schlosstheil vom Schutte gereiniget und durch Unterbauten vor Einsturz gesichert. 
Im oberen Stockwerke neben dem alten Thurm wurden einige Gemächer wieder so eingerichtet, 
dass sie dem fürstlichen Besitzer bei Jagden und anderen ähnlichen Gelegenheiten zum beque- 
men Absteig-Quartiere dienen können; im Unterstocke wurden zwei sonst wüste Gewölbe zu Pfer- 
deställen umgeschaffen. Auch der innere Hof ist nun vom Schutte gcreiniget, einige Arcndcn 
wurden wieder hergestellt und auf die Kreuzgäuge eine neue Dachung gesetzt. Alterthumslieb- 
haber und das kunstsinnige Publicum Uberhaupt werden nun wieder manches finden, was sie 
ihre Reise dahin nicht reuen lässt. 

Der alte Thurm, von eiuigen der Markomannen-Thurm genannt (c. 12 Klafter hoch), ist ein 
eigentümlicher Bau , der ausser dem zu Eger ftir einzig in Bühnen besteht Er ist im Viereck 



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Die Festl Kungenbeho (ZvIkov) in Böhmen. 



103 



gebaut, jede Seite desselben ist 18 Sehritt lang, lauter Quadern, meisten» von gleicher Höhe und 
Breite und die meisten etwa zwei Spannen hoch und bis drei Spannen lang. Solcher Quader- 
schichten zahlt der Thurm 48, und fast auf jedem einzelnen Steine, besonders von der Mitte hinauf, 
findet man ein in der Mitte des Steines noch eingemeisseltes Zeichen. Jeder Quaderstein ist 
gleichsam von dem andern auf 2 Zoll getrennt und in der Mitte rauh, stark ennvex (Buckel- 
quader) und mit einem Loche versehen, walirscbeinlieh deswegen, um leichter hinaufgezogen zu 
werden. Die darauf befindlichen Zeichen sehen folgendermassen aus : 

ZM/Y^K H UNtlXKAL 

Die Mauern haben 9'/, Fuss Dicke, und die Schwelle des Einganges ist gute 8 Fuss ober 
dem Boden, der Sicherheit der Bewohner wegen. Seit jeher hat die Aufmerksamkeit der 'Alter- 
thumsforscher jener viereckige Thurm in Anspruch genommen. Uber die Erbauer desselben 
herrschten seit jeher zweierlei Meinungen ; einige leiten diesen merkwürdigen Bau von den Mar- 
komannen her, die andern dagegen behaupten, er stamme aus der ältesten Zeit der böhmi- 
schen Gescluchtc. Um zur genauem Kenntniss dieses in historischer Rücksicht berühmten Gebäu- 
des zu gelangen, besuchte ich die Burg Zvikov und fand nach nilherer Erforschung die Meinung 
vollkommen bestätiget, dass der Thurm ein früh-mittelalterliches Bauwerk sei. Es ist ein Donjon, 
jenes Bauwerk, das den Hauptbestandteil der früh-mittelalterlichen Burgen bildete, davon aber 
allerorts sich nur wenig Exemplare bis auf unsere Zeit erhalten haben. Der früh-mittelalterliche 
Charakter wird auch durch die Steinmetzzeichen bestattigt , mit denen ahnliche sich ausserhalb 
Böhmens an den Thünnen zu Pottendorf, an dem Wiener Thor zu Hamburg, dem sogenannten 
Römerthurm zu Regensburg u. s. w. finden. 

An der Ostseite lehnt sich an den Thurm die Burg-Capelle und gegen Norden ist der 
Bnrgpsdast (paläc) angebaut, so dass man nur zwei Seiten äiusserlich betrachten kann. Die 
Dicke der Mauer betrHgt 'J'/ s Fuss. Der innere Theil des Mauerwerkes ist unregelmUssig mit 
grossen Steinen a\ifgemauert, den Raum zwischen der innern und älussern Wand füllen kleinere 
Steine aus , welche ohne Ordnung in den Mörtel hineingeworfen wurden, so 
dass eine jede von diesen vier Mauern, welche den Raum des Thurmes ein- 
schlicssen, aus drei Theilcn besteht: aus der äussern und innern Mauer, 
und aus der Zwischenmauer, welche die beiden älussern Mauern verbindet. 
Die wenigen Fensteröffnungen sind ungemein eng. Der schmale Eingang 
führt in ein Zimmer, in welchem vor der Erbauung der Burg Karlstein auf 
eine Zeit die königliche Krone aufbewalirt wurde. Die Bauart dieses Saales 
zeigt deutlich, dass die festen Mauern jenes uralten Thurmes in weit späterer 
Zeit durchbrochen wurden, damit in dieselben das gothische Gewölbe ein- 
gelassen werden könnte. (Fig. 1 gibt die Abbildung eines Rippenansatzes.) Ei 

Nicht minder beachtenswerth ist der Wartthurm. Derselbe ist an der Q 
Nordscite rund, gegen Süden hat er eine von scharf zugehauenen Quader- 
steinen gebildete Kante. Beiläufig in der Mitte der Höhe war eine Galerie, 
was schon die ringsherum hervorragenden Tragsteine anzeigen. 

An den sogenannten Markomannen- Thurm schliesst sich östlich und 
nördlich das eigentliche, ein verschobenes Viereck bildende Hauptgebäude 
der Burg au, die Wohnung des Besitzers, in welches eine hohe und lange 
Thordurchfahrt an der Abendseite führt. Zwischen diesem Thon; und dem Fi S- 1 

16* 




104 



F. R. Bezdbka. 




ältesten Thurme befindet sich ein kleine«, 
eng verbittertes Fenster, ober welchem 
folgende stark verblichene, alte Inschrift 
bemerkbar ist: Leiha 1597 ,1a Jan An- 
toiiin Wlach Sansed v Miestie Milinskn 
Projednal S(em se) zde na Zamku Zwi- 
kovie od Urozeucho P. P. Jana Girziho 
z 8(wam)bergka na Ronsperku Horn a 
Worliku geho milosti Cysarzske Raddy 
na tu obmitku okolo wsscho zamku te* 
i u wnitrz w Zamku a to dilo s Bofci 
pomoezy wssechno sein urownal prze- 

ginaCil czeladky m 

Pondielj na autery Nazenj 

w Noczy P. II 

sem miel od zleho ducha t 

podemnau tazen tak hrubie uzasl az sein 
wen s komory uteezv musel. Pan Buh 
wssemoeny raeziz nas sam wssechny od 
takovcho ducha ostrzihnti. Amen '. 

Dicht an dem alten Thurme ist 
im ersten Stockwerke ein hohes gothisehes Gemach angebaut. An der Wand, dem grossen 
Fenster gegenüber, schliesst sich der Saal an, der von Knobloch 1554 mit Wandmalerei geziert 
wurde. Man sieht die vier weltlichen Churfürstcu in LebeusgriSsse und zu ihren Füssen ihre 
Wappen. Sic erscheinen in vollem Krönungs-Ornatc mit Spruchbändern Uber dein Haupte, von 
denen jedoch nur das zweite lesbar ist: Palatiny rein. Wir geben in Fig. 2 — 5 einige dieser 
Wandmalereien wieder. 

In der mit Fresken ausgestatteten St. Wenzels-Capelle ist in 
einer grossen Nische ein Gemälde angebracht, vorstellend Christus 
am Kreuze, ihm zur Seite stehen Maria und Johannes, ferner 
ein anderes Bild vorstellend, Marin die h. Elisabeth besuchend ; 
beide Hilder haben Inschriften. Der alte Altar ist nicht mehr 
vorhanden; an seine Stelle hat man ein (breitheiliges altare porta- 
ble auf eine gemauerte Unterlage gesetzt. Hinter dem Altar ist 
links das Wappen der Schwanberge angebracht ; auf dem rechts- 
seitigen Sehilde sieht man zwei Lüwen, wovon ein jeder in seiner 
Pfote ein Kirchlein trügt. Endlich sind dort die Fresco-Gemillde 
des h. Niclas, Wenzel, Christoph, Bartholomaus, Laurentius, der 
h. drei Könige, des Fegefeuers, dann in der Mitte die Mutter Jesu. 
Maria, Jacobus (Bnh »testim vlädne), Dorothea, Sebastian, Mar- 
Fig. 3. garetha, Katharina, Johannes, Apollonia, Maria, Christus auf dem 



Fig. •->. 




1 Im Jahre 1597. Ich Johann Anton Wlach. Hürger in der .Stadt MUhlhausen. habe hier im Schlosse Klingenberg von 
wohlgchorocn Herrn Georg von .Schwanberg auf Konsberg, Bor und Worllk, Sr. kaiserlichen Majestät Rath, den Anwnrf 
um das Schloss herum und auch im Innern des Schlosses gedinget — und dieso Arbeit mit Hilfe Gottes alle in Ordnung 

gebracht, geändert von dem Gesinde mir vom Montage auf den Dienstag bei der Xaeht 

F. M. haUe bin ich von dem bösen Geiste ... t ist unter mir gezogen worden, so stark erschrocken, dass ich aus der 1 
Gott der Allmächtige geruhe uus alle von 



uigi 



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Die FtsTE Klingemibug (ZvIkov) is Böhmen. 



10S 




Tie. 4. 




Fi». & 



Kreuze mit dein Liebling Johannes und mit seiner Mutter. 
Derb. Jakob (auf der Brust: Spes mea est Christus 1572 1 
Andreas, Thomas (am Kleide unter dem Cingulum: Wssc- 
mohuczy moczny, zwaney moezneyssy Smylug se nad 
namy wssemy 156). Joannes (causa letha panie 1 er vj); 
Judas (an der Stirn: Sprawug Bozie Srdcze my Wedle 
Wille swy. 157G p.) Petrus, Paulus, Joannes Evange- 
lista, Philippus, Matthilus, Mathias, Joannes Baptista, 
Maria ihre Verwandte Elisabeth besuchend, Eecc Homo, 
der heil. Mauritius, Christus am Kreuze, Anna, Maria, 
Leonardus, und Erasmus. Ober den vier Evangelisten 
hinter dem Altar liest man im Gemitlde St. Erasimi : Sancte 
Erasmc intercede pro nobis. 1553 umrel jest Wezpor 
pan pisaf ten ctvitek pred Bozim narozenim; jeho dussi 
raez Pan Bflh milostiv byti. Amen. (Im Jahre 1553 starb Wezpor Herr 
Schreiber den Donnerstag vor der Geburt Christi; seiner Seele möge unser Herr Gott gnitdig 
sein. Amen.) An der Nordseite, in der Höhe des Chores ist das Bildniss des heil. Hieronymus 
im Cardinalscostüme angebracht, wie er einem Löwen die Hand reicht; die Inschrift dabei ist 
fast unleserlich. Ausser dem Chore zwischen dem heil. Bartholomaus und Laurentius sieht man 
Maria und die von den Engeln getragene Aufschrift : Quia quem meruisti portare. 

An der Westseite oben sind viele theils lateinische theils böhmische Inschriften angebracht, 
deren etliche die Jahrzahl 1588, 1593, 1579, 1550, 1505 enthalten. 

Capelle und Sacristei ist mit Eliessen gepflastert gewesen, davon nur mehr Exemplare sich 
erhalten haben. Es sind Thonbacksteine l'/i Zoll dick, 7'/ s Zoll lang, und eben so breit mit 
starker Glasur und mit verschiedenen theils mystischen, theils wirklich vorhandenen Thieren 
erhaben ausgeprägt und ringsherum entweder mit Majuskelschrift oder mit Arabesken, Punkten, 
Kreuzen etc. umgeben. 

Spuren der herrlichsten, mitunter purpurrothen Glasmalerei sind noch in den gothischen 
Fensterverziemngen der Capelle erhalten 

Die grösste Lilnge der Burg, von der Zugbrücke an gerechnet, betragt bis zum Flusse 
Votava 150 Klafter, und die grösste Breite von der Mühle bis zur Vereinigung der zwei Flüsse 
60 Klafter. Die Lilnge des sclmialen Theiles vom Anfange der Zugbrücke Uber den ersten 
Hofraum bis zum Thore, welches zum Turnierplatze führt, betrügt 67 Klafter 3 Fuss. 



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106 



Ein gothisches Vortragekreuz in der k. k. Ambraser 

Sammlung. 



ic aus edlen Metallen verfertigten Kreuze landen bekanntlich im Mittelalter eine dreifache 
liturgische Verwendung: als Altarkreuz, das, auf den Altartisch gestellt (seit dem XII. Jahrhun- 
dert) oder auf dem Retabulum angebracht, nie fehlen durfte, sodann zur Verehrung, meist Reli- 
quien, besonders eine Partikel vom heiligen Kreuze enthaltend. Solche, oft von bedeutender 
Grösse, standen in Hltester Zeit bisweilen frei in der Kirche die meisten aber wurden in den 
Schatzkammern aufbewahrt und nur bei feierlichen Anlässen ausgestellt oder als Paeificalia zum 
Küssen dargereicht. Von dieser Art sind, um nur einige Beispiele anzuführen, das zu den Klein- 
odien des heiligen römischen Reiches gehörige, für den Speer Christi und die Kreuzpartikel 
bestimmte Reichskreuz von Konrad II., die aus dem X. und XI. Jahrhundert herrührenden 
Prachtkreuze im Stiftsschatze von Essen *, das prachtvolle Kreuz Otakar's von Böhmen im Dome 
zu Regensburg ', das goldene Melkerkreuz von Rudolph IV. \ das mit Cameen besetzte im Prager 
Domschatze J , das goldene Vorsatzkreuz in Gran 8 u. a. 

Die dritte, sehr allgemeine Verwendung ist die als Vortrage- oder Processions-Kreuz, als das 
königliche und Triumph-Zeichen Christi und der Kirche '. In der romanischen Epoche waren die 
kostbaren aus Holz, mit Goldblech überzogen, wohl auch mir aus Gold getrieben und in Ver- 
bindung mit Krystall, weit hilufiger aber sind die von getriebenem Kupfer und vergoldet". Sic 

' So die beiden 72 und 52 Pfund schweren goldenen Kreuze, die Leo III. um S»k» in die Peterskirche stiftete, von denen 
das erste im Schiffe der Kirche stand, das zweite vor dem Hochaltäre. Dann das n Benna- benannte colossale Reliquienkreuz 
im Dome von Mainz, mit iiou Pfund Gold. 

» Ernst ausin Werth, Knnstdcnkmäter des christlichen Mittelalters in den Rhelnlanden II, Taf. 14— 2ti. 

« Jakob, Die Kunst im Dienste der Kirche, Taf. IX, 10. 

* Mitthcil. XIV, 59. 

•■> Mitthcil. XIV, 27. Das Schatzvcrzeichniss vom Jahre 13S7 führt drei goldene Rcliuuenkrcuzc auf und ein silbcrvcrgol. 
detes -, Mitthcil. IV, 271. 

* Jahrbuch d. Centr. Cotnm. III, 136. 

I „Cruz quasi rcgalo vcxillutn et triumphale signum in processionibus praemittitur", Duraudus, Rat. IV, c. ti, n. IS. 

* Bisweilen wurden die cruces proccssionalcs auch, auf ein Postament gestellt, als Altarkrenzo verwendet; solche haben 
statt der Hülse unten einen Dorn. Dies ist der Fall bei dem Lutharkreuze aus dein XI. Jahrhundert im Schatze zu Aachen, 
einem romanischen Kreuze in Köln (Rock, Das heil. Köln Nr. 35) und dem der Kirche Maria Lyskircben daselbst 'Katalog 
des erzbischöfl. Museums 1855, Nr. 21). 



Von Eduard Freiubbrs von Sacken. 





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WIEN, K. K. SCHATZKAMMER. 




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Erx gothiscues Vortrag kkrecz m »er k. k. Asbraser Sammlixg. 



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zeigen meist auf einer Seite den Gekreuzigten, auf der anderen die heil. Maria, in den Kleeblatt- 
enden die Büsten der vier Evangelisten und der Kirchenvltter in verschiedener Anordnung. 
Besonders zahlreich wurden sie in Venedig verfertigt und erhielten sich in ziemlieh unveränder- 
te! Form, nur mit verschiedener Ausschmückung des Nodus, bis ins späte Mittelalter, selbst bis 
in die Renaissance-Zeit *. Aus dem früheren Mittelalter sind wenige Processions-Kreuze auf uns 
gekommen (wie z. B. das Zwcttlcr Kreuz aus dem XIH. Jahrhundert); weitaus die meisten 
stammen aus dem XV. Jahrhundert. 

Gewiss eines der prachtvollsten aus dieser Zeit und in seiner Composition sinnreichsten 
ist das früher in der k. k. Schatzkammer, jetzt in der Ambraser Sammlung befindliche- Vortrage- 
kreuz, von dem hier eine Abbildung in trefflich ausgeführtem Holzschnitte gegeben wird (s. die 
beigegebene Tafel) w . Es ist von ungewöhnlicher Grösse, denn es misst gerade 3 Fuss. Die klee- 
blattförmig endenden Kreuzesnrme sind Tafeln von «lern reinsten Bergkrystall , in der vollendet- 
sten Politur spiegelnd und glitzernd; die Uberaus reiche Montirung in theils weissem tlieils ver- 
goldetem Silber muss ein Meisterstück der Goldschmiedekunst genannt werden und zeigt einen 
fast übergrossen Reichthum an feinen Details, die, obwohl mit architektonischem Verständniss 
angeordnet, doch im ganzen, besonders in nur einiger Entfernung betrachtet, nicht zur vollen 
Geltung kommen, aber eine eingehende Betrachtung verdienen. 

Die Mitte des Kreuzes nimmt das Crucifix ein; der dornengekrüntc nimbirte Kopf zeigt 
einen tief empfundenen schmerzvollen Ausdruck, die Zeichnung des Körpers und der breiten 
Füsse aber ist incorrect, ohne Formenverstiindniss und hart, wozu die etwas spröde Technik (die 
fast 6 Zoll hohe Figur ist aus sehr dünnem Silberbleche in Stücken getrieben) beigetragen haben 
mag. Vier bekleidete Engelcheu mit lieblichen Lockenköpfen fangen das Blut der Wnudenmalc in 
Kelchen auf (eines derselben hat in jeder Hand einen Kelch, für das Blut der linken Hand und 
das der Seitenwunde); sie wachsen aus Blumen hervor, die in den unteren Ecken der Kreuz- 
balkcn und am Fussende des Kreuzes angebracht sind. Zwei symmetrisch in den oberen Ecken 
der Arme befindliehe Engel schwingen sehr zierlich, völlig ausgearbeitete Rauchfässer, die sich 
beim Tragen des Kreuzes an ihren Kettchen bewegen. Über dem Haupte Christi sieht man den 
heiligen Geist und den thronenden Gott Vater, der mit der Rechten segnet, in der Linken die 
Weltkugel hält, zwischen zwei Engeln, die gewundene Fackeln tragen. Es wird hier die Mitwir- 
kung des heiligen Geistes an dem vom Vater ausgehenden, vom Sohne vollzogenen Erlösungs- 
werke zum Ausdruck gebracht, durch die segnende Geberde des Vaters und die bekreuzte Welt- 
kugel der Segen, welcher dadurch der ganzen Welt zu Thcil wurde angedeutet, durch die Fackeln 
vielleicht das Licht, das in die Welt ausging. Auf jedem der Kleeblattenden des Querbalkens ist 
die Halbfigur eines Propheten mit langer Schedula angebracht; es sind wohl die beiden Haupt- 
Propheten, welche den Opfertod Christi weissagten , Isaias und Jeremias gemeint. Auf der Spitze 
des Längsbalkens halten zwei knieende Engel, anbetungsvoll aufblickend, die Monstranze für den 
Leib Christi; von dieser ist jedoch nur das Fussgestelle erhalten, der fehlende Obertheil wurde 
in späterer Zeit durch eine Blume ersetzt. 

Zu beiden Seiten des Kreuzes stehen, tieftrauernd, die Mutter des Heilandes, die rechte 
Hand, wie zur Theilnahme an ihrem Schmerze auffordernd, gesenkt und auswärts gekehrt, und 
der schmerzvoll zum geliebten Meister aufblickende Johannes von eben so ausdrucksvoller Ge- 
berde, zu den Füssen des Gekreuzigten aber kniet Magdalena, die Arme in Jammer und Ver- 

8 Durch diu Festhalte« an dem herkömmlichen Typus nnd hei der handworkjimiissigcn Ausführung, die durch die »prüde 
Technik des Treibens noch roher erscheint, haben sie oft einen so alterthumlichen Charakter, das» aie leicht fttr älter gehaltet! 
werden können, als sie wirklich sind. Solche Kreuie besitzt auch die Ambraser Sammlung. 

10 Photoxylogmphie nach der Publication in der Wiener Bauhütte. 



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Eduard Freiherr von Sackes. 



zweiflnng sehnsüchtig emporgesfreckt. das Antlitz zn Christus gewendet; obwohl man sie nur 
von rückwärts sieht, ist doch das Gesicht auf das zarteste durchgeführt. Das lange Haar wallt 
aufgelöst herab, der Mantel ist von der Schulter gefallen und umgibt in reichen Falten die Füsse. 
Die 3 bis 5 Zoll hohen Figuren, von weiten sehr faltenreichen Gewändern umhüllt, sind wieder 
von getriebener Arbeit. Die beiden ersteren stehen auf laubverzierten Consolen , welche den 
Abschluss besonderer, aus dem Kreuzesfusse herauswachsender Aste bilden; diese sind reich mit 
Krappen verziert, zwei von ihnen sich lostrennende Zweige bilden Lünetten, die beiderseits mit 
einem bekrönten T ausgefüllt sind. 

Die Ornamentik des Kreuzes zeigt eine klare Disposition und feinen Geschmack. Die 
cordonnirte Umfassung der krystallenen Arme ist von einem Wulste aus weissem Silber einge- 
fasst, mit Krappen belegt; an jedem Kleeblattende befinden sich vier Kreuzblumen , den orga- 
nischen Abschluss der Spitzen zwischen den Pässen bildend. In sehr sinnreicher Weise füllen 
die erwähnten Engelchen die Ecken zwischen den Kreuzesbalken aus. 

Auch die Rückseite des Kreuzes musste, da es bestimmt war frei getragen zu werden, eine 
entsprechende Ausschmückung erhalten ". Diese besteht in der trefflich gearbeiteten, 5 Zoll 
grossen Figur des heiligen Georg, oder des heil. Theodor, welcher dem Drachen, der sich unter 
seinen Füssen windet , die Lanze in den Rachen stösst. Er ist mit einer antikisirenden Rüstung 
bekleidet, — die Arme decken Schuppen mit einzelnen Platten, den Leib ein getriebener 
Harnisch, an den Knieen grosse Buckel, an den Füssen faltige Stiefel — der jugendliche Kopf ist 
bekränzt und nhnbirt. Ueber den Heiligen hiilt ein aus Wolken hervorgehender Engel eine 
Krone als Zeichen des belohnten Martyrthums. Durch diese vollrund getriebene, von vorn zu 
sehende Figur, neben welcher am Querbalken des Kreuzes auf einzelnen Plättchen Genien, auf 
Vasen sitzend, angebracht sind, und die durch das Krystall von vorn sichtbare Magdalena wird 
es weniger auffallend, dass man die übrigen Figuren von rückwärts sieht. Unter dem Kreuze sind 
in weissem Silber Felsen angebracht mit dem Todtenschiidel (zur Andeutung der Schädel statte 
oder des überwundenen Todes, nach einer alten Tradition der Schädel Adam'»). 

Wir wenden uns nun zu der Betrachtung des Modus, an dem sieh, im Gegensatze zu der 
ruhigen Abgeschlossenheit, welche dieses Mittelglied an romanischen Bildwerken zeigt, eine 
Auflösung und Zerklüftung der Hauptform in so auf einander get härmte Details entfaltet, dass 
für die Totalwirkung hierin fast zu viel gethan erscheint , nur bei näherer Betrachtung treten 
die reizenden, allerdings gedrängten Einzelheiten hervor. Die Anlage ist architektonisch, wie 
gewöhnlich bei den Erzeugnissen der gothischen Kleinkünste , die etwas spielende Nachahmung 
eines Steinbaues, dessen Formen aber constmetiv bedingt sind, während sie hier eine blos 
decorative Bedeutung haben. Der ganze Nodus ist nämlich ein achteckiger Dom; die Seitenflächen 
sind von Fenstern durchbrochen, die, oben rundbogig abgeschlossen, das reichste Masswerk 
zeigen (in den Bogenfeldern FischblasenmuHter), das Kranzgesimse ist zinnenbekrönt , aus den 
Fialen der Strebepfejler an den Ecken gehen violinspielende Engelchcn hervor. Das Gebäude ist 
umgeben von einem Kranze vorn offener Capelichen, deren Rückwände wieder von Fenstern 
durchbrochen und die mit Kuppeln bedeckt siud; zwei hohe Uber Eck gestellte Wimberge mit 
der Fiale vorn in der Mitte bilden den architektonischen Abschluss der Seitenwände der Capellen 
und verkleiden die Kuppeldächer, auf deren Kreuzblumen als Spitzen nackte blasende Engel 
sitzen. In den Capellchen stehen Heilige: die vier Evangelisten mit ihren Büchern, zu Füssen 
die symbolischen Thiere — statuarisch gedachte Figuren von grossartiger Anlage aber geringer 
Ausführung, dann drei Bischöfe mit Büchern und ein barhäuptiger Heiliger; unter diesen sind 
wohl die vier Kirchenlehrer gemeint, obwohl Hieronymus nicht, wie gewöhnlich, in der Cardi- 




Ein ootiiisciies Vortragekreuz ix der k. k. Amsrasih Sammlunu. 



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nalstracht erscheint. In den Ecken zwischen 
den kleinen Capellen treten Strebebogen 
vor, auf den Haupt-Fialen sieht man die Halb- 
figuren von Propheten mit Spruchbändern. 
So ist also der Gedanke des Ganzen die 
Darstellung der Kirche mit ihren Lehrern 
und dem Gekreuzigten als dem dominiren- 
den Haupt, wahrend das Sacrament des 
Altares gleichsam die oberste Spitze bildet 
und den Abschluss vollendet; die Engel 
allenthalben bezeichnen die himmlische 
Verklarung. Es stellt sonach das Kreuz die 
Hauptmoniente der katholischen Lehre in 
tiefsinniger Weise dar. 

Die 7 Zoll lange Hülse, die auf die 
Tragstange zu stecken war, ist unten mit 
einem Kranze von aus dürrem Aste kei- 
menden Blumen umgeben (vielleicht auch 
nicht ohne symbolische Bedeutung), oben 
mit einer Blattkrone, über welcher das 
gothische Gesimse kommt und das reiche 
Capitiil, welches den Nodus trägt. Hier 
treten entschiedene Anklänge der Renais- 
sance hervor, denn durch die schnecken- 
artige Umbiegung des Laubwerkes an den 
Kanten erhalt das Capital in seiner Haupt- 
form einen nntikisirenden Charakter, und 
zwischen denselben sind zweihenklige 
Vasen, Amphoren augebracht, in denen 
Blumenzweige stecken. 

Über die Provenienz des Kreuzes ist nichts sicheres bekannt, indessen geht aus vielen 
Zügen hervor, dass es eine ober-italienische, wahrscheinlich venetianische Arbeit ist Abgesehen 
von der üppigen Pracht der Gesammtanlage, zeigen die Figuren entschieden italienischen 
Charakter; sie sind, im Gegensatze zu deutschen Arbeiten aus dem Schlüsse des Mittelalters, etwas 
stammig, die Köpfe von sehr markirten Zügen, ältlich, mit starkem Knochenbau, der besonders 
in den derben Backenknochen und breiten Kinnladen hervortritt. Die weiten Gewänder zeigen 
reiche Motive, wenig gebrochene Falten, aber breite, runde Tiefen, und so erinnern die 
Figuren in vieler Beziehung an die Art des Mantegna und seiner ober-italischen Zeitgenossen. 
Italienische Färbung ist auch an dem decorativen Theilc des Werkes nicht zu verkennen und 
die Gothik zeigt bei allem Verständniss des Organismus, das Ober-Italien nicht fremd war, doch 
nicht die Schlankheit der Formen, die Scharfe und den Schwung des vegetabilischen Schmuckes, 
wie die deutsche. So sind die Kreuzblumen etwas massig, mitunter federbu schartig und an den 
Strebebogen des Knaufes sind cylindrische, oben und unten zugespitzte Fialchen die ein in den 
Anschauungen deutscher Gothik wurzelnder Goldschmied diesseits der Alpen kaum gemacht 
haben würde. Zudem ist das Hineinspielen der Renaissance , die in italienischen Bildwerken 
lang als antike Reminiscenz anklingt, bevor sie zum wirklichen Durchbruch als fertiger Styl 
XVII. IT 




Fi*. 1. 



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110 Eduard Fa. v. Sacken. Ei« ootiiiscbes Vobtragekrevz in der k. k. Ambbasck Sammluko. 

gelangte, bezeichnend genug. Das in den Ltlnetten neben Maria und JohanneB angebrachte 
bekrönte T, wohl auf den Namen de« Donatora oder des Schutzpatrones bezüglich, deutet eben- 
falls auf Italien; in ganz ähnlicher Weise kommen bekrönte Buchstaben und Monogramme auf 
Münzen italienischer Dynasten vor. 

Auch die Zeit der Entstehung des schönen Werkes ist ausgesprochen; nach dem Style der 
Figuren und den vorbeschriebenen architektonischen Details (Fischblasen, Vermengung mit 
Figürlichem, geschweiften Spitzbogen, Renaissance-Anklängen), werden wir die zweite Hälfte des 
XV. Jahrhunderts dafür anzunehmen haben. 

Etwa hundert Jahre später wurde zu diesem silber-krystallenen Vortragekreuze ein Posta- 
ment ans Bronze verfertigt (Fig. 1), von so kunstreicher Arbeit, das« man hieraus ersieht, welch 
grossen Werth man auf das Werk legte. Dieses 2 Fuss hohe Piedestal zeigt den ausgebildeten 
Styl der Hoch-Renaissance mit entschieden antikisirenden Formen. Es ist eine dreiseitige Basis, 
in drei Abtheiinngen aufsteigend; die unterste hat an den Ecken als Füsse des Ganzen Harpyen 
auf Löwenpranken, auf jeder der Seitenflächen in einer Lüncttc den heiligen Theodor in römi- 
scher Kriegertracht, ohne Helm, mit Schild und Lanze bewaffnet, anf dem getödteten Drachen 
stehend. Auf den Gesimsen der nach Art der römischen Säulen-Capitüle gebildeten Ecken sitzen 
frei gearbeitete Genien oder Engel, mit den Händen das Gewand Uber den Körper ziehend. 
Der oberste Theil ist ein vasenförmiger Knauf mit drei durch Tücher verbundenen Engels- 
köpfen; er trägt den Zapfeu, in den die Hülse des Kreuzes gesteckt wurde. 
Die auf dem Mittelgesimse angebrachte Inschrift lautet: 
1567 SOTTO IL GVARDIANADOI >EL M°° (monaco?; MISIER PIETRO ROTTA ET 

COMPAGXI. 

Darüber ist auf jeder Seite ein ovaler Wappenschild angebracht ; der erste enthält ein 
T und S zum Monogramme verschlungen und bekrönt, dir zweite ist getheilt, oben ein Rad, 
unten ein diadeuiirter Kopf über einem Dreiberg (Fig. 2y, wohl das Ordenswappen des Guardians 
Pietro Rotta. Der dritte Schild endlieh ist gespalten, rechts ein aus der Schildmitte hervorge- 
hender Arm, der einen Busikan hält, links getheilt, oben drei Eicheln neben einander, unten 
ein nach rechts gehendes Thier (Fig. 3), es ist wahrscheinlich das combinirte Wappen der 

§ Genossen des Guardians. Unter den Bildern des heil. Theodor liest man : SCOLLA 
— DE SANTO — TEODARO. Es geht daraus hervor, dass das Kreuz, zu welchem HB 
dieser Fuss gemacht wurde, einer (.'onfratcrintät, deren Patron der heil. Theodor war, 
gehörte. F '*' 3 " 

Wir werden dadurch mit der grössten Wahrscheinliclikeit nach Venedig gewiesen, wo 
derartige religiöse Genossenschaften blühten und ansehnliche Gebäude und Schätze besassen 
(Scuola di S. Rocco, di S. Giorgio, S. Marco etc.). Der heil. Theodor von Heraclea, dessen 
Bildsäule der Doge Enrico Dandolo (1204; aus Constantinopel nach Venedig brachte und der 
auch auf einer der Säulen der Piazzetta steht, war einer der Schutzpatrone dieser Stadt. Das 
bekrönte Monogramm S, T ist vielleicht aufzulösen: San Teodoro, und auch das T auf dem 
Kreuze mag auf den Heiligen zu beziehen sein. Nachdem der zu dem Kreuze gefertigte Fuss als 
venetianische Arbeit erscheint, wird wohl auch dieses stdbst als solche anzunehmen sein, mit 
welcher Annahme der Charakter der Arbeit wohl übereinstimmt.